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Reiſe nach N Südarabien

Geographiſche Forſchungen

. im und über den

füdweftlichfien Sheil AIrnbiens.

Südaradbien

Geographifge Forſchungen

im und über den

ſüdweſtlichſten Theil Nrabiens

von

heinrich Freiherrai) von Maltzan, 836 574

Mit einer Rarte.

Draunfhmeig, Drud und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn. | 18738.

Die Herausgabe einer Ueberfegung in frangöfifcher und englifcher Sprache, fowie in anderen modernen Sprachen wird vorbehalten.

—— ——

IT OcF.ı3. EN’

S r

Y-21- 34

erl.

Bormwort.

Faſt unglaublich fheint es, da in unſerm, den geogra- phifchen Entdedungen fo günftigen Zeitalter, dem wir eine fo be- deutende Erweiterung unferer Kenntniß von Afrika, von Central- afien, von Auftralien und der arftifchen Zonen verdanken, und deffen ſtets reger Forſchungstrieb und Unternehmungsgeift und täglich neue Errungenschaften in fichere Ausſicht ftellt, gerade ein geichichtlih und culturbiftorifeh fo überaus wichtiges Land, wie Arabien, die Wiege des Islam, noch zum großen Theil terra in- cognita geblieben if. Mit Genauigkeit fennen wir von Arabien menig mehr ald die Küften. Den Grund hievon bildet Hauptfächlich die Unzugänglichkeit ded Innern für den forfchenden und mit dem nöthigen wiffenfchaftlichen Apparat verfehenen Neifenden; denn der Forfcher gilt als Spion, der mit Inftrumenten Beobachtende gar für einen Zauberer, und ſchwebt befländig in der größten Lebens⸗ gefahr. Daneben die großen, faft unüberfteiglichen Hinderniffe, welche der religiöfe Fanatismus dem Anderögläubigen in Arabien entgegenfeßt. Giebt e8 doch ganze Provinzen, die für »heilig« gelten und die folglich kein Nicht -Mohammedaner betreten darf; und zwar nicht allein das fogenannte heilige Gebiet (Mekka und

405610

vi Normort.

Medina), fondern auch andere, wie das ftreng orthodore Hadhra- maut, der fanatifche Sof (Dfehauf), das unbetretbare Damaffir ıc.

IH Hege nun zwar die Meberzeugung, daß jene Gefahren dur) große Opfer (Gefchenke und immer wieder Geſchenke an die Häuptlinge, damit dürfte man vielleicht felbft den Fanatismus zu entwaffnen hoffen) zum Theil befeitigt werden könnten. Aber feider ift der Krei® der Freunde der Erforfhung Arabiend nur flein und »feined Mäcenaten Güte« lächelt diefem Streben. Die wenigen kühnen Reiſenden, die in unferm Jahrhundert einen Zipfel des Schleierd, der died unbekannte Land bededt, gehoben haben, mußten die mit beſchraͤnkten Privatmitteln ausführen und hatten nichts zu opfern, ald ihre Gefundheit und ihr Leben. Das baben fie denn auch redlich gethan.

In Folge folcher Beftrebungen ift der nördliche und mittlere Theil der großen arabifchen Halbinfel in unferer Zeit, namentlich durch Wallin, Sadlier, Balgrave und Guarmani, menigftend bruchſtückweiſe, aus dem Reiche des Unbelannten gerettet worden. "Oman und Demen gehören ebenfalld zu den halberforſchten Län⸗ dern. Bon Demen bat und in allerneuefter Zeit der muthige Reifende, Joſeph Halevy, der unter unfäglichen Entbehrungen und Leiden, als arabifcher Jude verkleidet, tief ind Innere vor- drang, die biöher faft gänzlih unbekannte Ofthälfte enthüllt, wie— wohl die erwähnten Uebelftände ihm eine woifjenfchaftlich - geogra- pbifche Erforfhung natürlich zur Unmöglichkeit machten.

Die genannten Xändertheile find alfo, wenn auch leider nod) lange nicht genügend, fo doch einigermaßen bekannt. Da bleibt aber noch immer eine außerordentliche Maffe des gänzlich Unbe- fannten. Namentlich gehört hierzu der füblichfte Theil Arabien, Hier taucht, wie eine Dafe in der Wüfte des Unbekannten, das

Vorwort. VII

Reiſegebiet unſers Landsmannes, von Wrede, auf. Died Gebiet ift Hadhramaut, defien (freilich gleihfalld nicht eract- wiſſenſchaft⸗ liche) Erforſchung wir dieſem kühnen Pionier verdanken. Aber rechts und links von dieſem Gebiet ſchwebte noch Alles im Nebel. In der Abſicht, zur Verſcheuchung dieſes Nebels beizutragen, habe ich die Reiſe unternommen, deren Verlauf und Ergebniſſe das vorliegende Buch ſchildert.

Dieſes Buch zerfällt in zwei, weſentlich verſchiedene Thell Der eine iſt, wenn man will, vorwiegend touriſtiſch, der andere geographiſch. Letzterer, der zweite Theil, enthält die Ergebniſſe ſowohl meiner eigenen Reiſen im tiefſten Süden Arabiens, als der Erkundigungen, welche ich über dieſes Yändergebiet eingezogen habe. Diefe Erkundigungen find nicht ohne ein mohlüberlegtes Syſtem und nicht ohne eingehende Kritik gemacht worden, mie der Leſer aus dem Erſten Capitel des zmeiten Theile dieſes Buches (S. 193 u. ff.) erfehen dürfte. Sind diefe Erkundigungen und die nad) ihnen entworfene Karte auch nur annähernd richtig, fo wird durch fie über einen beträchtlichen Theil Arabiend (etwa fo groß wie dad Königreich Bayern) Licht verbreitet, über ein Land, welches früher für und tabula rasa mar. Der erfte Theil des Buches dagegen enthält die Reife nach (nicht in) Südarabien, die Küftenfahrten längft des rothen Meeres, einen Aufenthalt in Dihedda, in Aden, Nachrichten über Handel, Schifffahrt u. ſ. m.

Während ich hoffe, daß der Freund der Erforfhung Ara- bien erkennen wird, daß der geographifche Theil dieſes Werkes denfelben einen dauernden Werth fichert, fehmeichele ich mir zu gleicher Zeit, daß der Liebhaber touriftifcher Lectüre im erften fo- wohl Unterhaltung als auch manches Wiffenswürdige finden werde. Bor allen Dingen aber möchte ich Durch Diefed Buch an-

vınm Vorwort.

regend wirken, damit die kleine Gemeinde der Freunde Arabiens fi vergroͤßere, der Forſchungstrieb gleichfalls für dieſes Land ge- weckt werde und unter den Forſchungseifrigen ſich auch Einer oder der Andere finden möge, der ſelbſt ſein Theil zur Entſchleierung dieſes umhüllten Landes beitragen wird *).

Den 1. Juni 1873.

Heinrich von Maltzan.

*) Für den Arabiften die Bemerkung, daß alle Namen nach Aufzeichnungen von Arabern arabiſch gefchrieben und von mir nah dem Syſtem ber Deutichen Morgen= ländifchen Geſellſchaft transferibirt wurben, doch ftets mit Berüdfichtigung ver Aus- ſprache. So die Diphtongen ai und au meift als langes e und als langes o, bie furzen Bocale, wenn ſchwach, als kurzes e. Dſchim ift durchweg „g“ gefchrieben, ghain zuweilen „ch“, das Schluß-y im Relativ als einfaches „i“, tha einige Male als „3“, Ba faft inner „dh“ (dhad): Alles ver füharabifchen vialeftifchen Ausfprache gemäß. Typographifche Schwierigkeiten haben in den letzten zehn Capiteln zuweilen zur Weglaflung der Punkte und Striche unter d, t, 3 u. f. w. genöthigt, boc tft Sorge getragen, daß in ben Itinerarien ftets bie volle Form genau wiedergegeben wurde.

Inhalt.

Erſter Theil. Neiſe nad Südarabien.

Megypten. Erſtes Capitel. Neue Geſtalt von Alexandrien und Cairo.

Ueberfahrt. Europaͤiſche und levantiniſche Elemente. Wahre und falſche Millio⸗ näre. Das modernſte Aegypten. Paßplackereien. Hotels. Alexandrien. Ein Schauderproceß. Menſchenhandel. Theater von Cairo. Neubauten. Die Hausmaniflrung Eairos. Eine feltfame Straße. Erpropriirte Stäbter. Die Ertreme der Bultur. Das alte Bairo. . - 2 002m. . &1—6.

Zweites Gapitel. Die Cultur, die alle Welt beledt.

&eichmadlofigfeit moderner Häufer. Drei Reformperioden. Aegypten zu Nie- buhr’s Zeit. GBuropäertfum. Der Kröfus von Cairo. Flle M Millios näre. Ein Lieferant. Seltfame Begriffe von Fachkenntniß. Suropäile ergogene aagonter. Die goldene Jugend. Offenbach's Texte arabiſch.

erungsichulen. Unmwiflenheit. Die Effendi » Elaffe. Arabiſche Gelehr.

Mangel guter Volksſchulen. Hospital. Irrenhaus. Immo:

nen S. 7— 14. Drittes Capitel. Ein Beſuch beim Khedive.

Reichthum des Khebive. Mebertriebene Lobhubeleien. Yinanzmaßregel. Ber: haͤltniß zum Sullar. Das Kanzelgebet. Zugänglichkeit Des Birefönigs. Borzimmer. Der Zeitungsbeamte. Schwinden des Zragig um prenttgig Audienz. Geſpraͤch über Landeultur. Ein fomifher M Isrif Nachah⸗ mung, von Baris. Fürſtliche Familie. Dienerihaft. Der rbpring. ers nünftige Anflchten. Andere Mitgliever ver —— Die Mutter des Khe⸗ dive. Die Wittwe Said Paſchas.. ©. 15 —19,

| Südaradifhes in Negypten. Viertes Capitel. Cine Eolonie von Hadrami in Cairo. Handel Gairos mit Arabien. Die Hadrami. Vorurtheile gegen fi. Ein

arabifcher Kröfus. Einfuf F Europaͤifirun . Seltſames Mißverſtaͤndniß. Der tobte und der lebende Schehd. Gin Moslem als Freimaurer. Euro⸗ päifhe Schurferel. Der Schech der Hahrami. Das Wirthshaus der Dös “aner. Phyfiognomien ber Südaraber. Ihre Lebhaftigfeit. Sonderbarer Empfang. Man hält mid für Wrede. Abd el Hub. Mittheilfamfeit der biefigen Dö’aner. Beflätigung der Wrede'ſchen Berichte. Seltfame Steuer: eintretbung. > 00 2 00 rer ne S. 0 25.

x | Inhalt.

Reiſe nad Xrabien. Yünftes Capitel. Bon Cairo nach Dſchedda.

Vorbereitungen zur arabifchen Reife. Utenfilien. Diener. Treffligfeit ber nubifhen Dienftboten. Unehrlichfeit der Aegyter. Verſorgungsweiſe mit Geld. Ein Mißgriff. Der räuberifhe Diener. Liſt, un einen Widerwär- tigen zu entfernen. Eifenbahn von Cairo nah Suez. Hotels in Suez. Bergnügungen in Sue. Das Kaffeehaus. Die Spielbank. Driginelle Weile, Kunden herbeizuziehen. Wirklihe und angeblide Griehen. Eine Spitzbubenbande. Schwindel mit Steuer, Quarantäne und Telegraph. Die Dampfichiffsgefellfehaft. Sonverbare Matrofen. Der Commandär. Zurüdgefegte Officiere. Unftänplichfeiten beim Billetverfauf. Paßplade- reien. Ungerechte Behandlung der Eingebornen. . . » .. . - S. 26 32.

Sechſtes Capitel. Ein Pilgerſchiff.

Pilgerreiſe vor dem Ramadaͤn. Türkiſche Pilger. Enge Verpackung ber Pil⸗ ger. Die Metuafin. Die Lebemänner des Orients. Der Zemzemi. Bropneid der Pilgerführer. Schulmeifterei alter Türfen dur Fnabenhafte Führer. Das religiöfe „Seihäft“. Unwiffenheit ver Pilger. Borur: theilsfreiheit der Metuafin. Sie wollen deutfche Unterthanen werben. Be: fehrungsverfucdhe. Der alte Bekehrer. Langweilige Predigt. Gründe für Befehrung zum Islam. Die Javanefen. Ihr Schmutz. Ihr Reihthum. Metteifer der Metuafin um die Javanefen. Todesfälle auf dem Pilgerſchiff. Sonderbare Beftattung” Ankunft in Danıbo. Unficherheit ver Gegend. Der hohe türkifche Beamte und fein unverfchänter Beſchützer. Gin entarteter Beduine. Befuh in Vambo. Der Statthalter. Der Bafar. Pilger: einfleivung auf der Weiterfahrt. Die Beichtväter des Islam. Ihre interef- firte Nachficht. Ankunft in Dſchedda. Faulheit der Zollbeamten. Leiden der Pilger. 2 00 0 0 00 en ©. 33 4.

Siebentes Gapitel. Dſchedda.

Bortheilhafte Veränderung der Stadt. Die Choleracommiſſion. Das Hütten ewirre. Die Broftitution und ihr Viertel. Die Hüttendörfer. Stein: äufer. Schöne Bauart. Acht arabifhe Hauseintheilung. Sinmohner- zahl. Ihre Beitandiheile. Die Dö’aner aus Hadramaut. Die Handels: genice Arabiens. Fanatismus und Mißtrauen gegen Reiſende. Gigenthünn: ihe Namen. Die griedifche Colonie. Ein Hotel in Dſchedda. Brannt- weineinfuhr und Weinverbot. Die Confulate. Der Pafıha von Dſchedda. Ein grober alter Türke. Lächerliche Lobhubelei. Der „Beichüger der Armen“. Maflermangel in Dſchedda. Sogenannte Regenzeit. Wohlthätige Stif- tungen. Speculationen der Waflerverfäufer. Die zerftörte Waflerleitung.

In S. 46 56.

\ Achtes Capitel. Der wahre Herr von Hegaz.

Irethümer’in Bezug auf die türfifche Macht in Hegä;. Wahre Stellung der tür- kiſchen Beamten. Der Großfherif. Sein politifcher Einfluß. Sein Reid: thum. Sein Beamtenftab. Ohnmacht des Paſchas in einem Erbſchafts⸗ eonflict. Ausflug eines Sranzofen nad Täyef. Durch den Großfcherif aus Gefahr errettet. Schattenautorität des Sultans. Der „Diener der heiligen Städte”. Vorurtheilslofigfeit des Großſcherifs. Sein Verhalten gegen Euro: päer. Sein edles Benehmen. -. - 2 2 20 . ©. 57 63.

Neuntes Gapitel. Der Ramadan in Wrabien.

wihtigfeit bes Ramadan. Beſtimmung feines Anfangs. Der Bote von Mekka. aͤchtliche Geſchaͤftigkeit. Lebhaftigkeit des Markts. Der Sklavenmarkt. Negerſklaven. Abeſſinier. Wohlfeilheit ver Sklaven. Die Tagesqualen

Inhalt. " xI

der Faftenden. Ihre Streitfucht. Gerichtsſtillſtand. Der Diwan bein Paſcha. Eine EComödie. Der gefangene Koh. Ein wibiger Verbrecher. Beilegung eines komiſchen Conflicts. Ein orientalifher Diplomat. Ber: gnügungen im Ramadän. Das Hüttendorf. Banatismus leichtfertiger Frauen. Monotonie des Ramadän in Dſchedda.. » - . . . ©. 64 74.

Zehntes Gapitel. Das Grab der Eva.

Elftes Capitel. Der Handel von Dichedda.

Handelsfrage. Segelihifffahrt von Europa nah Dſchedda. Dampfſchifffahrt. Art der Binfuhr europäifher Waare. Ihr Abfap in Dſchedda. Vortheile ber einheimifchen Handelsweiſe. Guropäilcher Import. Oſtindiſcher Im⸗ port. Megnnkilher Import. Import der Griehen. Ginheimifher See:

andel. Mittlere Frequenz des Hafens von Dſchedda. Handelsſaiſon. abotage. Provenienz einheimischer Waaren in Dſchedda. Export. Dſchedda

als Bermittlungshafen. Kaffeehandel von Hodaida. Vorzüge ber einhei- mifchen Kaufleute. Hadrami. Inbifhe Kaufleute. Ihre Beherrſchung des Marktes. Aneignung des einheimifchen Handelsverfahrens durch Curo⸗ paͤer. Vortheilhafte Geſchaͤfte eines Marſeiller Hauſes. Die Hauptbedingung

des Handelserfolgs in Arabien. Ausfichten für Abſatz deutſcher Fabrikate. Waaren, die der Concurrenz erliegen. Kaffeepreiſe im Jahre 1870. Abga— ben von Waaren. Preiſe für Waarentransport. Geldwaͤhrungen & Diner.

Oſtafrikaniſche Küſte. Zwolftes Capitel. Suakin.

Verfehlte Reiſeplaͤne. Spradliche Raͤthſel. Laͤcherliche Ausfunftsgeber. Ab: fahrt von Dſchedda. Das Schiff Suafin. Der ECommandär. Seine Nautik. Feſtſitzen. Sein Dienftbuh. Die fauren Nepfel. Streiche eines Italieners. Der angeführte Au Nachtheile und Vorzüge einheimticher Schiffe. Einfahrt in Suafin. Die falfehen Heiligengräber. Das Land der Schwarzen. Typus und Phyfiognomien. Die Frauen. Tabadfauen. Arabiſche Zahnftocdher. Beſuch bei Montag en Zelen gebildeter Moglem. Laxheit ver Vornehmen im Glauben. Der falſche Telegraph. Gnglifhe In- genieure. Der Sanitätsagent. Guropäifches Elend in Suafin. Gang dur die Stadt. Gummihandel. Suafin, das Eldorado der Schwarzen. Die ſchwarzen Mäbchen. Ihre moraliſchen Vorzüge. Die Ganztoiteite.

NRamadan- Jubel. Montäz Paſchas Eulturpläne . . . ... Dreizehntes Capitel. Maſſauwa. Fahrt von Suafin nach Maſſauwa. Des Commandaͤrs Proben der Nautik.

Inſelarchipel. Einfahrt. Kriegeriſche Gerüchte. Angebliche engtiiäe Zruppenlanbung, Die Bali: Bozufs. Der Sendfhal. Die Straf: arnifon. Die Infel Maflauwa. Glende Bauten. Schwierigfeit des nterfommene. Ein beutfcher Kaufmann. Fanatiſche Hausbefiger. Eonful Munzinger. Gin geborener Reifender. Wranzöftihes Gonfulat. Munzin- ger's Fuͤhrung der englifchen Erpebition. Undank der Regierung. Dilfior näre. Die Schweden in Maſſauwa. Grfolge der Katholifen. Gin Ge: fangener Theodor's. Merfwürbige Jagdabenteuer eines Deutſchen. Ginger mifche Bevölkerung. Abneigung gegen Europäer. Die Hadrami. Die Banianen. Ihre commercielle Stellung. Der Gouverneur. Seine Ber: beſſerungen. Gartensultur, Waflernangel. Bautenreform. Strenge

xii Inhalt. Schlimme geſundheitliche Folgen. er" A Va der Frauen.

Bierzehntes Capitel. Handel von Maſſauwa.

Maſſauwas Hinterländer. Commerzielle Bebeutung des Platzes. Mebertriebene Anpreiſung derſelben. Import in Maſſauwa im erſten Halbjahr 1864. PBrovenieng bee Imports. Bertbeilung des Iniports. Erport. Abnahnıe des Exporis von Abdeffinien. Verſchwinden des abeffinifchen Kaffees. Sklaven: ausfuhr. Zunahme des Moſchus. Karamwanenbetrieb. Hafen von Maj- fauwa. Einnahme des Sollamts. Breife für Waarentransport, Gewichte. Maaße. Münze. ©. 113 121.

Sünfzehntes Capitel. Abeſſiniſches in Maſſauwa.

Zuſtaͤnde in Er nach Theodor's Fall. Theodor’s Größe und Bebeutung. Sein Wahnfinn. Die jegigen Machthaber. Ihre Ohnmacht und Zerſplit⸗ terung. Aba Kaiſt. dochenraub. Bin „Rebell“ in Habeſch. Me fonen von Samaflen. Gefangene Fürften. Gin abeffinifcher Geſandter. Mißbrauch der Gaſtfreundſchaft. Trunffuht der NAbeffinier. Der Taäd (Honigbier) und feine Bereitung. Mbeffiniihe Frauen. Ihre Vorzüge. Ehe zwifchen Deutihen und Abeffiniern. Der intentionelle Mörder Munzin-

ers. Seine Mitfchuldigen. Seine Freilaſſung. Ein Verbrecher als * Nothwendigkeit der Bewaffnung in —8 den des Lan: des. Ein Franzoſe am Hofe Kafla’s. Schimper. Die Griechen in Adua.

S. 122 132. Rothes und Axabiſches Meer. Sechszehntes Capitel. Segelfahrt von Maſſauwa nach Aden.

Engliſches Seat Kohlenverſchwendung. Der Eapitän bes „Weſtward 9“. Der Dragoman. Ein Handelsgenie. Meberfluß an Schiffsjungen. Engliſche Matrofen. Die Dfficiere. Gontraft der verfchiedenen Schiffsiheile. Der Pilot. Seine ſchwindelhafte Nautik. Der Lehrling bes Lootſen. Paffionen eines arabifhen Seemannes. Berhältniffe des, Pilotenthums. Der Archipel von Dahlak. Winpverhältniffe Die Infel Zugur. Kreuzfahrten. Das Umſchlagen des Monfuns. Kurze Kreuzungen. Shih Said. Ein Monfunhafen. Infel Berim. Bab el Mandeb. Windſtille. Nas "Ara Gebel Dad. Die „Efelsohren”. Einfahrt in den Bufen von Aden. Der oftindifhe Pilot. Beſuche. Parfl. Banianen. Die Heinen Geſchaͤfte des Eapitänd. - 2 22000000. S. 133 141.

Hüdarabien. Siebenzehntes Lapitel. Leben in Aden. Stabt und Hafen. Steiler Landweg. Gafthöfe am Hafen. Der Parfl. Ein ehrlicher Photograpd. Unterfommen in der Stadt. Guropäifche Kauf:

leute. Ein fugendliher Schuldenmader. Häufer in Aden. Klimatifches. Krankheiten. Keuchhuſten. Sonnenftih. Scorpione. Heilung des

Officiere. Lurus der Vornehmen. Punkahs. Englifche —5 Der Padre. Gefaͤlſchte Inſchriften. Seltſame Trauung. Damengeſellſchaft in Aden ©. 142 152.

Achtzehntes Capitel. Adens öffentlihe Werke, Gebäude. Die Eifternen. ‚Regenverhälnifle, Neltefte Eifternen. Ihre Reftauration.

Ihre Aufnahmefähigkeit. Deffentlicher Garten. Feſtungswerke. Aden als Seefeftung. Die Iſthmusfeſtung. Die Infel Sira. _ Einheimifcse Stadt.

Inhalt. J XIII

Der Hauptmarkt. Berfchievene Quartiere. Moſcheen. Mangel an Alter: thämern. Das Grab des “Aiderüs. Das Todtenhaus der Barfl. Leichen: vögel. Barbarifche Sitte. Tempel der Banianen. Synagoge. Katho- liche Sapelle.. 2 0 oo 00 en ©. 153 158.

Neunzehntes Capitel. Adens Bewohner.

Geringe Einwanderung den Englaͤndern rwinget Unmöglichkeit, die Cinwan⸗ derer fern zu halten. Zunahme der Bevoͤlkerung. Einwohnerliſte. Oft: indiſche Chriften. Oſtindiſche Moslems. Schüten, Araber. Schafei und Zaidi. Dobayel und Raye. Schriftgelehrte. Der Didi von Aden. Ein Aftrologe. Der Dragoman der Regierung. Seine Wichtigkeit. So: mäli. Seltfamer Haarpuß. Somalifrauen. Bagabundenthun. Perfer. Der Kröfus von Aden. Ein fanatifher Schiite. Banianen. Ihre Liebe für Thiere. Oftindifche Parias. Neger. Singi und Sudänt. Barfl. Handels⸗ und Krämergeil. - - - - 2200er ... S. 159— 172.

Zwanzigſtes Capitel. Die Juden.

Balfche Begriffe über Verbreitung der Juden. Juden in Eentralarabien. Sübd⸗ arabien von Alters her den Juden günftig. Toleranz der Zäidi. Intoleranz ber Hadrami. Vermiſchung mit arabiſchem Blut. Phyſiognomiſches. Keine Sectirer in Südarabien. Die Synagoge. Der Oberrabbiner. Ausſprache des Hebräifhen. Gewerbe der Juden. Vortheilhafte Ausnahmöſtellung der Juden. Schutz der Geſetze und der Sitten. ro ungen. Fana⸗ tismus der Araber. Hoffnung auf befiere Zuftände. Nu —* der Adener Judenſchaft. Beginnende Culturerneuerung.... ©. 173 181.

Einundzwanzigſtes Capitel. Die ſüdarabiſchen Pariakaſten. Eigenthũmlichkeit des ſüdarabiſchen Pariaweſens. Religion der Parias. Parias in Centralarabien. Strenge Standesbegriffe ver älteren Südaraber. Ar: naud's Biertheilung der. Parias. Adam. Abgefondertes Wohnen. Stam- mesftols der Beduinen. Die tiefſte Paria- Kafte.e Schumr. Ihr Ge: werbe. Mofcheeverbot. Kupplerinnen. Cine Paria -Sängerin. Phy⸗ fionomifhes. Ein fünarabifches Schönkeiteregifter in Berfen. Dialekt der Parias. Ihr Urſprung. Falſche Anfihten. Unmöglichkeit, ihren Ur: fprung zu befliimmen. Gntflehung der Achdaͤm-Kaſte. Verſchiedene Bes eichnungen für dieſe Kaftle. Die Ahl Häyel. Freiheit von Steuern. Die arias find keine Stämme. - . - : . .... & 131 —19.

Zweiter Theil

Geographiiche Forſchungen im und über den fühweft- lichen Theil Arabiens,

Erftes Capitel. Allgemeines.

L Iwed und Natur der Forſchungen. II. Meine Informanten. III. Buftandes fommen der Karte. IV. Stinerarien. V. Orographie. VI. Waͤdis VII. Klima und Bopdenerzeugnifie. VII. Typus der Bevölferung. IX. Abs flanımung ber Bölfer. X. Sociale al ung der Sübaraber. XI. Be flätigung meiner Erfundigungen durch arabiſche Geographen. XI. Ueber ven Inhalt des beſchreibenden Theiles. - © - 2 200 ne. ©. 193 220.

xiv Inhalt.

Zweites Capitel. Wähidi - Länder.

I. Name. II. Seographifhe Lage. III. Das Land ver Unteren Wähidi.

A. Grenze. B. Seehäfen. C. Gebirge. D. Waͤdis. E. Klima und Bodenerzeugnifle. F. Bewohner. G. Städte und Ortfchaften. H. Alter: thümer. 1. Große zebnzeilige Infchrift von Ghoräb. Ueberſetzung. 2. Zweite Infchrift. 8. Dritte Inſchrift. J. Politiſches. IV. Das Rand der oberen Wähidi. A. Grenzen. B. Gebirge. C. Wädis. D. Klima und Bobenerzeugnifie. E. Bewohner. F. Städte und Ortihaften. Hreiſe der Lebensmittel in Habban. G. Alterthümer. Inſchrift von Raab el Hagr.— Veberfeßung. H. Politifches. I. Sociale Zuftände der Waͤhidi. S. 221 234. Drittes Gapitel. Diebiland. . Rame. II. Geographifche Lage. III. Grenzen. IV. Seehafen. V. Ge: birge. VI.Wädis. VII. Klima und Bodenerzeugniffe. VIII. Stännte. MWrede’s Angaben über die Stämme. Die fleben eigentlichen Diebiftänme. IX. Ortſchaften. X. Politiſches XI. Sprachliche Sigenthümlichfeiten. xD. Abftanmung. - : 20 nr nne ©. 234 238.

Vierte Capitel. "Aulagiländer.

. Name. Irrthümer in Bezug auf den Namen. II. Geographifhe Lage.

III. Grenzen. IV. Eintheilung. V. Das Land der Unteren "Aumwaltg. A. Berge und Hochebenen. B. Wadis. C. Klima und Bovenerzeugniß. D. Stämme. Irrthum in Bezug auf einen Stamm. E. Stäbte und Ort: Ihaften. Irrthum in Bezug auf, einen Stäbtenamen. F. Politiſches. VI. Das Land der Mittleren Auwalig. A. Beichaffenheit des Landes. B. Stänne. C. Städte und Ortſchaften. D. Politiſches. VI. Das Land der Oberen Auwaͤliqg. A. Gebirge und Hocebenen. B. Waͤdis. C. Klima und Bodenerzeugniffe. D. Salinen. E. Stämme. F. Städte und Ortfchaften. G. Seßhafte und Nomaden. H. Dobayel und Raye. J. Auswanderung. K. Politifches. L. Juſtiz. M. Sklaverei. ©. 238 252.

Fünftes Capitel. Das Land der Fodli oder Otmani.

I. Rame. I. Geographifche Lage. III. Grenzen. IV. Berge und Tiefländer. v. Waͤdis. VI. Klima und Bodenerzeugniſſe. VI. Gintfeilung. VIII. Staͤmme. IX. Städte und Ortſchaflen. A. Im eigentlichen Fodli⸗ land. B. Stadte in Abian. Eine angebliche Stadt im Fodliland. X. Dy⸗ naſtie de Otmaͤni. XI. Politiſches XI. Juſtiz. XIL. Gottesgericht. XIV. Geſchichtliches (aus neuerer Zeit). XV. Gin Otmäniprinz als Geißel. XVI. Sitten, Religion u. f. w. XV. Waffen... .... ©. 252 268.

Sechstes Capitel. Datina.

. Name. II. Geographiſche sage. IH. Grenzen. IV. Bopenerhebung. V. Waädis. VI. Klima und Bobenerzeugniffe. VII. Betwohner. VII. Ort: haften und Schlöffer. IX. Bolltifihee.. - - . . 222. . ©. 269 274.

Siebentes Capitel. Audeliland.

.Name. I. Geographifche Lage. III. Grenzen. IV. Bodenerhebung. V. Wädis. VI Klima und Bodenerzeugniffe. VII. Bewohner. VIIL Städte und Ortfchaften. IX. Schlöfler. X. Politifdes. XI. Sitten, Religion ıc.

. S. 275 282 Achtes Kapitel. Naͤfi a. . Rame.. I. Geograpbilihe Lage. III. Grenzen. IV. Bodenerhebung. V. Waͤdis. VI. Klima und Vodenerzeugnifle. VII. Politiſche Eintheilung. VID. Unteryafiia. A. Stämme. B. Städte und Ortfchaften. 1. Im Hodlande. 2. Im fünlichen Tieflande, bei Abian. 3. Im öſtlichen Tieflande 4. In den weſtlichen Senkungen von W. Bonna (gleichfalls Kaffeediſtriet). C. Schlöfler. D. Politiſches. E. Juſtiz. F. Gottes:

Inhalt. xv

gericht. IX. Oberyäflia. A. Stämme. B. Städte und Ortſchaften. C. Politiſches. X. Gefhichtlihes. XI. Sitten, Religion sc. XII. Sprad: lie Eigenthümlichfeiten. XIII. Phyfiognomifhes. . . . . . S. 283 300.

Neuntes Capitel. Rezaz.

I. Name. II. Geographiſche Lage. III. Grenzen. IV. Bodenerhebung. V. Wädis. VI. Klima und Bodenerzeugniſſe. VIL Mineralquelle VII. Stämme. IX. Stüdte und Ortſchaften. X. Politifches. XI. Juſtiz. XU. Blutrade. XI. Sitten, Religion u. |. w. XIV. Barias. S. 301 309.

Zehntes Gapitel. Gezab.

L Name. HD. Geographifche Lage. IH. Örengen. IV. Bodenerhebung. -- V. Waͤdis. VI Flußſyſteme. VI. Klina und Bodenerzeugniſſe. VIH. Stämme. IX. Ortſchaften. X. Politifhes. . . . . ©. 310 813.

Elftes Capitel. Aqaͤreb.

I. Rome. II. Öeogeaphifdie Lage. IH. Grenzen. IV. Bodenerhebung. V. Waͤdis. VI. Klima und Bodenerzeugnifie VI. Ortichaften. VIL. Der Sultan der Aqaͤreb und fein Hof. IX. Regierung. X. Juſtiz. XI. Sit: ten, Religion u. |. w. X. Gefhictlihes. -. . - .». .... ©. 314 323.

Zwölftes Capitel. "Abdeli- Land oder Laheg.

LI. Name. DI. Geographifche Lage. III. Grenzen. IV. Bodenerhebung. V. Wädis. VI. Klina und Dobenerzengnäfle. VD. Stänme. VI. Stäpte und Ortſchaften. IX. Sultan, Dynaftie und Hof. X. Regierung. XI. Finanzen. XI. Münze. XIII. Militär. XIV. Juſtiz. XV. Aus⸗ wärtige Politif. XVI. Oberhoheit über frenıde Staͤmme. XVII. Gedicht: liches XVII. Religion. XIX. Sitten und Gebräude. XX. Gaſtfreund⸗ fchaft. XXI. Europäer in Laheg. XXI. PVerrüdte Heilige. XXIH. Ju⸗ den und Parias... 5. ©. 324 849.

Dreizehntes Capitel. Haufchebi = Land.

LT. Name. DI. Seographifche Lage. III. Grenzen. IV. Bobenerhebung. V. Wadis. VI Klima und Bobenerzeugniffe. VII. Bewohner. VIII. Ort: fhaften. IX. Politisches. - - - - 2 2. 2 2 een nn ©. 350 352.

Vierzgehntes Capitel. Amir - Land.

L Name. DL. Geographifhe Lage. III. Grenzen. IV. Beſchaffenheit des Landes. V. Wadis. VI. Berge. VII. Stämme. VII. Stäbte und Ortſchaften. IX. Politiſches X. Altertfümer. XI. Hamdani's Angaben über diefes Rand. . 2 2: 0 00 ern en S. 358 360.

Tünfzehntes Capitel. Schaheri - Land. I. Name. U. Rage. IH. Beſchaffenheit des Landes. IV. Stänme. V. Ortſchaften. VI. Religion. VD. Politiſches. . . . . ©. 361 363.

Sechözehntes Capitel. Kleine Stammesgebiete zwiſchen Dhala‘ und Yerim und Dhala und Reda.

IL Allgemeines. IL. Haqi. II. Fegra. IV. Gehaf. V. Da’teba. A. Ausbehnung des Landes. B. Beichaffenheit des Landes. C. Waͤdis. D. Stänme. E. Stadt. F. Regierung. G. Stellung ber Juden. H. Barias. J. Sitten und Gebräude. VI. Merrais. VII. Ahmedi oder Auwas. VII. Haſcha. IX. Ahl Abahela oder Mauya. X. Adareb. XI. Amar. XI. Sayadi. XIU. Schaif. XIV. Hobab. XV. Da: zidi. XVI. Talab. XVII Hobefhi. XVII Rev. XIX. Gefe. XX. Schlußbemerfung.- - » - 20 2 en 8 S. 364 375.

xvi Inhalt.

Siebenzehntes Capitel. Sobehi - Land.

I. Name. II. Geographifche Lage. III. Grenzen. IV. Bobenerhebung. V. Wädis. VI. Klima und Bodenerzeugniſſe VII. Stämme. VII. Ort- ſchaften. IX. Politiſches. X. Geſchichtlichs. XI. Religion. ZU. Kleidung.. . S. 376 383.

Achtzehntes Capitel. Hakmi und Meſchalcha. Lage dieſer beiden Küſtengebiete. Hafen von Schech Said. Verkauf an eine

franzoͤſiſche Compagnie. Schlechte Bel affenheit des Hafens. Faulheit des Rechtstitels. Anſprüche der Pforte. Beration des Handels. S. 384 885.

Neunzehntes Capitel. Mogteri- Land.

I. Name. TIL Ausdehnung bes Landes III. enden bes Landes. IV. Wapis. V. Stämme. VI. Ortſchaften und Schlöffer. VO. Boli- tifches. VI. Sitten und Gebräude. . . - 2 2220. . &. 886 389.

Zwanzigſtes Capitel. Hogriya. |

I. NRane. II. ®eographifhe Lage. IT. Grenzen. IV. Gintheilung. V. Beichaffenheit des Landes. VI. Wädis. VIL Mineralquelle. VIII. Ge: birge. X. Stämme. X. Stäpte und Ortfchaften. XI. Märkte xD. Schloöſſer. XIIL Religion. XIV. Politiſches XV. Sitten und Sebräude. - © > 00 0 nenne ©. 390 897.

Einundzwanzigſtes Capitel. Kleine ſtädtiſche Gebiete bei Ta ig; oder Ta izziya.

I. Name. II. Deogranhiiähe Lage. IH. Grenzen. IV. Zwed der Mitthei- lungen über die Ta V. Beſchaffenheit des Landes. VI. Charakter dieſes Gebiets in ſocialer Beziehung. VIL Bewohner. VIII. Politiſche Gintheilung der Taizziga. IX. Städte und fläptifhe Gebiete. S. 398 403.

Zweiundzwanzigſtes Capitel. Dhu Mohammed und Dhu Hofain. rätpjethaftes über biefe Völfer. Belanntfhaften mit Dhu Mohammed. Gin chech der Dhu Hofain. Eroberung der Ungegend von Marib. Wichtigkeit der Dhu Mohammed. Ihre auegebehnten Groberungen. Stellung der beiven . Stänme. Ihre Wehrkraft. Urfprung der Dhu Mohammed. Die Hafhid und Bekil. Sölpnerflänne der Imame von Sana. VBorfahren der beiden Staͤmmer.... .. ©. 404 407

Eriter Theil,

Reife nah Hüdarabien.

Kegypten

Erſtes Capitel. Neue Geſtalt von Alexandrien und Cairo.

Ueberfahrt. Europäifhe und levantiniſche Elemente. Wahre und falſche

Millionäre. Das modernſte Aegypten. Paßplackereien. Hotels. Alexan⸗

drien. Ein Schauderproceß. Menſchenhandel. Theater von Cairo. Neu:

bauten. Die Hausmanifirung Cairo’s. Eine ſeltſame Straße. Expropriirte Städter. Die Ertreme der Eultur. Das alte Eairo.

Mer die Veberfahrt von Trieft nad) Alerandrien im Herbit macht, Mird ich gewöhnlich Schon auf dem Schiff in ägyptiſchen Kreiſen finden, gebildet ‚aus Europäern, Griechen, Levantinern, die im Nilland wohnen, der Som- merbite entflohen waren und num zum Winter zurückkehren. Das Schiff „Apollo“, das mich trug, führte ſogar auch ein Stüd „ägyptiſchen Hoflebeng“ beim. Dies gruppirte fih um einen Heinen Prinzen, zweiten Sohn des Khedive. Es war ein niedliches gejchniegeltes Büppchen, mit Parifer Ele- ganz gekleidet, daS Heine Ted Tofett auf dem Ohr und einen „Zwicker“ im Auge. Als ih das letzte Mal Aegypten bejucht hatte, jahen die Prinzen anders aus. Damals wär's aud) ohne einen Mamlufentroß nicht abge- gangen. Jetzt war von dem feine Rede, fondern zwei franzöfiiche Mentors und ein Kammerdiener (au Franzoſe, wie ed denn jeßt für bornehme Moslems der höchfte gute Ton ift, Europäer zu Dienern zu haben) beglei- teten die jugendliche Hoheit. Dieje ſprach auch faft immer franzöfiich und berrieth im Geſpräch jehr den Hummer, von Paris, aus dem fie der Krieg vertrieben hatte, getrennt zu jein.

Den Hauptftod der Geſellſchaft bildeten aber griechiſche und levanti⸗ niſche Kröſuſſe. Dieſe Leute reiſen oft mit ſo viel Familiengliedern, daß

Maltzan, Reiſe nad Südarabien. 1

2 Ankunft in Alerandrien.

fie ein Schiff Halb füllen. Ein reicher Grieche hatte mit Kind und Kegel 20 Berfonen, ein anderer aud) über ein Dutzend, mehrere an die acht Mit: glieder. Sie kamen vom Sommeraufenthalt in öſtreichiſchen Bädern, wohin viele reiche Alerandriner jährlich gehen. Geld fparen fie nicht. Ich kannte einen, der bloß für Zimmer in Trieft 100 Gulden täglich ausgab. Dabei find es liebenswürdige Leute, d. h. auf der Reife. Zu Haufe gelten fie zu viel, um nicht ein wenig den Kröſusſtolz zu verrathen. Diefe Leute find meift ganz franzöfirt, jchleppen auch immer einen franzöfiichen Hauslehrer, Gouvernante und Bonne mit fih. Griechiſch fprechen fie nur mit den Dienfthoten, fonft ſtets franzöfiich.

Auch einige in Aegypten jeßhafte Europäer mit wahren Millionär- manieren befanden ſich unter und. Ich erfundigte mich nad) dielen Herren und Damen und erfuhr allerlei Seltfames. Darin waren alle Befragten einig, daß das Vermögen diejer" Berfonen noch zu machen ſei. Uber fie Hatten gelernt, daß im Orient derjenige, welcher reich werden will, damit anfangen muß, ſich reich zu ftellen.

An beicheideneren Eriltenzen fehlte e8 auch nicht. Da war der unver- meidliche italienifche Doctor, der griechiſche Advocat, der engliſche Telegra= phift, die böhmischen Mufitanten und Harfenmädchen. Auch eine ganze Miffionsanftalt hatte fich eingefunden, die predigte und Lieder fang. Ne— benbei unreinere Elemente, beftehend aus gewiflen Walladhinnen, die, weil fie meift deutſch können, leider im Orient für „Deutſche“ gelten.

Faſt alle diefe Leute farmten Aegypten, d. h. daS modernſte. Ich fannte das etwas ältere und fand mich in ihren Beichreibungen gar nicht zuredht. Aegypten mußte fich gewaltig verändert haben, wenn es diejen Beichreibungen entſprach. In der That fand ich e jo. Die Städte, die ich orientalifch verlafien, fand ich europäifirt wieder. Wlerandrien hat fich, wie es beißt, jehr verjchönert, d. h. es fieht aus, wie eine europäilche Stadt. Das Orientalifche war freilich bier nicht werth, conſervirt zu wer⸗ den, denn ed war modern, geichmadlos. Anders mit Cairo; doc) davon ſpäter.

Gar nicht europäiſch iſt aber die Landung in Alexandrien. Dieſe iſt noch mit allen Paß⸗ und Mauthplackereien verknüpft, wie fie die finfter- ften Zeiten nicht ſchlimmer kannten. Unter einer Stunde konnte man nicht durch und ins Hotel, und giebt wenigftens 5 Thlr. aus, für Boot, Dra⸗ goman, Wagen, Beſtechungen u. |. w.

Auch die Hoteld haben ſich mobdernifirt; ebenſo ihre Preife. Letztere |

Hotels, Kaffeehäufer u. f. mw. 3

find übrigens in Alerandrien durchſchnittlich noch 25 Proc. billiger, als in Cairo und dabei ift Alles befler. Dennoch find auch fie das Doppelte bon dem, was fie 1854 waren. Damals zahlte ich Alles einbegriffen täg- ih 2 Thlr. 20 Gr., jebt koftet Wohnung und Koft allein 4 Thlr., und Mein, Thee, Lichter fchmellen die Rechnung auf 6 Thlr. Dies in den billigeren Hotels. Yür ein folches galt das von mir erwählte Hotel Labat. Der Wirth, ehemaliger franzöfiicher Koch, wirthichaftete mit Lurus. Alles war trefflich. Freilich jollte ich ihn 6 Monate fpäter im ſchönſten Banferott finden. Seine Gläubiger ließen ihn übrigens ala Geichäftsführer, und das war human, für ihn und die Reifenden, denn man Iebte gut dort.

Wenn man vom heutigen Alerandrien jagt, daß es etwa außfieht, wie eine ſchlechte Copie von Marfeille oder Trieft, mit malerifch zerlump- ten ägyptiſchen Bettlern als Staffage, jo bat man es bejchrieben. Auf dem Schiff war viel von europäifhen Bergnügungen die Rede. Ich fand aber, daß dieje fi zur Zeit auf ein Cafe chantant beichränften, mo ein Lied gegen „les Prussiens“ gefungen wurde. Die Kaffeehäufer find alle gemein. Sehr bejucht find die öſtreichiſchen Bierftuben und gejucht deren Berjonal. Eine Biermamjell hatte vor Kurzem zu einem Schauderproceß Anlaß gegeben. Ein reicher, aber perjönlich ſehr abjchredender Türke fiellte ihr nach. Da aber die Hebe ihm widerftand, jo miethete er einige Bravos, ließ fie rauben und gab ihr erft in einem halbtodten Zuftand die Freiheit wieder. Jetzt fißt er auf der Galeere, d. 5. was man hier fo nennt, denn für Reiche kann im Orient ſelbſt das Zuchthaus erträglich, ja zu einem Schauplat der Wolluft gemacht werden. Mein Diener kannte biefen Türken und bejuchte ihn in feiner Einfperrung, mo es nad) ihm gar nicht an den Huris des Paradiejes fehlte.

Der Menichenhandel mit deutjchen, namentlich öſtreichiſchen Mädchen wird übrigens auch hier auf empörende Weife getrieben. Alljährlich reifen „ehriwürdige” Matronen, Borfteherinnen gemwiller Anftalten, von bier nad) Wien oder Peſth und kündigen an, daß fie Dienſtmädchen miethen wollen. Sie kehren dann gewöhnlich mit einem ganzen Serail zurüd, und die Mädchen haben oft feine Ahnung ihrer Beilimmung. Mehrere junge Alerandriner erzählten mir merkwürdige Dinge über die Art und Weile, wie diefe armen betrogenen Perfonen zu Fall gebracht werben. Bor zwei Jahren fprang eine, die ſich der „Hausregel“ nicht fügen wollte, aus dem Fenſter und tödtete fih. ES Hiek natürlich, fie ſei wahnfinnig gemejen. Rad fo etwas kräht fein Hahn! Wenn es aber gilt, einen Neger, ber

1*

4 Neuefte Geſtalt Cairo's.

es bei feinem Herrn gut hat, zu befreien, dann rühren ſich die europäi- ichen Menjchenfreunde.

Auf dem Eifenbahnzug zwiſchen Wlerandrien und Cairo Tormte ic mid in Italien glauben. Wo ich hinſah, erblidte ich Italiener. Es wa- ren die Opern-, Ballet- und Circug-Truppen, die der Khebive für ben Winter verfchrieben hatte. Nur die Comödie war durch Franzoſen ver: treten. Cairo verdankt diefem Fürſten vier Theater, von denen wenigſtens brei jeden Winter ſpielen. Es ift dies der neuefte Verſuch, das Land zu civilifiren. Die Europäer in Cairo freuen fich natürlich über diefe Manie, die nur ihrem Vergnügen fteuert. Die Sänger und Sängerinrten, mit de nen ich zufammen reifte, ſchwammen in Seligfeit, denn bier wurden ihnen Preiſe gezahlt, wie fie fih’3 nie geträumt hatten. Man jagte mir, die erſte Sängerin befomme 200 Pfund Sterling für jedes Auftreten. Alle andes ren im Verhältniß. Sie hatten ein Eldorado gefunden. Alles dies zahlt ber Khedive (man jagte einige Millionen jährlih). Durch Billetverfauf geht wenig ein und ſelbſt dies wird noch oft verſchenkt. So ift es nidt felten, daß der Vicefönig einem feiner europäifchen Günftlinge die Brutto- einnahme von drei Theaterabenden ſchenkt, die fie jelbft controliven dürfen. Nur der Circus foll, wie mir der Khedive felbft jagte, einen heil ber Koften wieder einbringen. Man ſprach viel von einer neuen Oper Verdi's, „Aida“ betitelt. Der Khedive hatte von Verdi dag Recht, fie zuerft auffüh- ren zu lafjen, theuer erfauft. Die Aufführung fam aber nicht zu Stande, da die beftellten Decorationen in dem damals belagerten Parid waren. Im Winter 1871—1872 holte man das Verſäumte nad).

Wie verändert fand ih die alte Chalifenftadt, Cairo! Hier nannte man ed „berjchönert”. Mir kamen die Veränderungen ſowohl unfchön als unzwedmäßig vor. Letzteres weil die großen europäifchen „Mieth- faften“ für Orientalen faum zu bewohnen find, deren Gewohnheiten es zutiderläuft, mehrere Yamilien unter einem Dach zu vereinigen. Ganze orientalifche Stadttheile waren verſchwunden, und was erhob ſich an ihrer Stelle? Große cafernenartige Paläfte, Hotels, Minifterien, fünfſtöckige europäiſche Miethshäuſer, jo nüchtern und geſchmacklos, wie möglich. Das orientalifcehe Viertel, daS früher beim Pla der Esbekiye begann, ift num um die ganze Straßenlänge der Musi zurüdgedrängt.. Diefe Musti, Tonft eine drientalifche Bafarftraße, ift jeßt dicht mit europäifchen Läden, Fri⸗ jeurbuden, Wein und Branntweinkfneipen beſetzt. Die Esbekiye jelbft, ihrer Ihönen Bäume beraubt, umgeben neue folofjale Monftrebauten, bei denen

Hausmanifirung. 5

man ſich Alles, was Europa Nüchternftes hat, zum Modell genommen zu baben jcheint. Die eine Seite ift mit Theaterbauten ausgefüllt. Auf einer andern erhebt ſich ein Monftrehotel, halb Zellengefängniß, halb Waaren- magazin. Unter den neuen Baläften des Khedive, feinen Minifterien u. |. m. ift fein einziger Bau, der geſchmackvoll wäre.

In den Seitenftraßen, wo die „Europäifirung” erft im Werk ift, fieht es noch fehauriger aus. Dort Hat die „Hausmanifirung“, für welche der Khedive fi in Paris enthufiasmirt hat, den gewohnten Bandalis- mus bethätigt. Hier ging fie noch rüdfichtslofer zu Werk, als anderswo. Man zog auf dem Stadtplan von einem Ende zum andern eine gerade Linie, die eine neue Straße werden ſollte. Alles, was auf diefer Linie fland, wurde niedergerifien, die Häufer oft in der Mitte durchfchnitten, Gärten, Brunnen, Moſcheen, Kunftbauten zerftört. So ift es mit ber neueften Straße, die mitten aus der Stadt nad) dem Bahnhofe führt. Diefe jehr breite „Straße” gli einftweilen noch einem fandigen Wüften- weg, d. h. was ihren Boden. betraf. Umgeben war fie recht3 und links bon in der Hälfte, im Drittheil, im Viertheil durchichnittenen Häufern, die nun als künſtliche Halbruinen ſich ſeltſam und unſchön ausnahmen. Da jah man ein halbes tapeziertes Zimmer, eine halbe Sfüche, einen halben Stall. Biele Zimmer hatten ein noch fo bewohntes Anfehen, daß es mar, als blicke man in die Geheimniffe diefer gewaltſam aufgededten Häuslich- feiten Hinein. Natürlich liegt es in der Abficht, Hier ganze Reihen europät- ſcher Häufer zu errichten. Aber mit ſolchen Neubauten geht's, wenn nicht ber Sthebive jelbft fie zahlt, fehr langjam. Europäiſche Privatleute und vornehme europäifirte Moslems, die bauluftig find, giebt es nicht genug. Die früheren Infaflen, meift Moslems aus dem Mittelftand, haben weder Luft noch Geld, europäiſch zu bauen, was hier immer ſehr koſtſpielig. Die erhaltene Entſchädigung ift ein Spottgeld, faum 30 Proc. vom Werth und diefes ſoll oft noch als Steuerquote berechnet werden. Die Leute find durch diefe Gewaltmaßregel aus der Stadt verbannt. Ich war neugierig zu er= fahren, wa3 aus ihnen wird? Nicht ohne Mühe gelang mir's. ragt man ägpptifche Beamte, fo wollen ſie's nicht willen (denn alle Unterthanen find ja officiell „glücklich“), und den Hiefigen Europäern ift es zu gleichgültig. Ih entdeckte es jo zu jagen ſelbſt. Einft ftieß ich in der Nähe der Abbaj- fihe, 1 Stunde von Cairo, auf ein neues Hüttendorf, von Nilſchlamm und Reifen erbaut. Einzelne Balmhütten tvaren noch im Bau. Ich ſprach mit den Leuten und erfuhr, daß fie ein Theil der erpropriirten Städter feien.

6 Das alte arabiſche Cairo.

Die anderen lebten in ähnlichen Schuppen in anderen Dörfern. So fördert die Regierung zu gleicher Zeit zwei Extreme der Cultur. Sie europäifirt einen Theil der Stadt. Ein großer Theil der Bewohner aber wird gezwun⸗ gen, zu einer Art von Naturzuftand zurüdzufehren und aus Städtern be— ſitzloſe Landbewohner zu werden, elender als die Fellahs, die wenigftens Bauern oder Pächter find.

Man fragt fi, melde Geſchmacksverirrung ſich ber Regierung be⸗ mädhtigt Hat? Doc davon rede man ja in Cairo nicht. Alles gilt für „Verſchönerung“, für „civiliſirt“ und jelbit die Hiefigen Europäer loben es. Ihnen und den vornehmen Moslems gilt das ältere Cairo für geſchmacklos, barbariſch. Und dennoch mie ſchön ift es, wie zmedmäßig für dies Klima und die Gewohnheiten ber Moslemd gebaut! Gehen wir in biefen vom Bandalismus noch unberüßrten Stabttheil, jehen wir die ſchönen kunft- vollen Mofcheen mit ihren luftigen Terraſſen und ſchlanken Minaret3, mit- unter vom ehrwürdigften Alter, die Gänge, Bogen, Säulen, und oft in beträchtliher Höhe gleihfam ſchwebenden Balkone, die vielen Sebils (öffent- fihe Trinkbrunnen) mit ihren vergoldeten Gittern, die kunſtvoll geſchnitzten Genfter und Holzerker an den oberen Stodwerfen aller arabiſchen Privat- bäufer, die fäulenumgebenen Okaͤle (Fremdenhäufer), fo haben wir einen Begriff von dem Berluft, den Cairo durch Zerftörung vieler ähnlichen Bau- ten ſchon erlitten hat. Freilich ift im alten Stabdttheil Vieles verfallen. Aber mit dem Zehntheil der Koften jener europäifchen Neubauten hätte man Cairo als „arabijche” Stadt reftauriren und als eine „Perle des Orients“ erhalten können, während, wenn das fo fortgeht, es bald ausſehen wird, wie eine Arbeitervorftadt in einem induftriellen Centrum Europas. Waren Neubauten nöthig, jo fehlte es wahrhaftig nicht an unbenugtem Boden.

Negypten.

Zweites Capitel. Die Cultur, die alle Welt beleckt.

Geſchmacklofigleit moderner Häuſer. Drei Reformperioden. Aegypten zu Nie⸗ buhr's Zeit. Europäerthum. Der Kröſus von Cairo. Falſche Millionäre. Ein Lieferant. Seltſame Begriffe von Fachkenniniß. Guropäiih erzogene Aegypter. Die goldene Jugend. Offenbach's Texte arabiſch. Regierungs⸗ ſchulen. Unmifienheit. Die Effendi-Clafſe. Arabiſche Gelehrſamkeit. Mangel guter Volksſchulen. Hospital. Irrenhaus. Immoralität.

Wie mit der Stadt, jo iſt's mit dem Innern der Häuſer. Auch hier ift Alles „verfchönert” und „civilifirt”. Die orientaliichen Wandverzierun- gen von Studatur und kunſtvoller Schnikerei werden als barbarifch mit europäifchen Tapeten überkleiftert. Falſche Blumenfträuße unter Glasgloden vertreten die Stelle einheimifcher Kunftgegenftände. Die einfache orien- taliſche Zimmerausftattung, die der Lebensweiſe der Leute allein entipricht, wird verbannt. An Stelle der türkiſchen und perfiihen Teppiche mit ihren harmonisch gedämpften Yarben kommen europäifhe Machwerke mit den intenfioften, jchreiendften Yarbentönen, wie Zinnober, fünftliches Ultra— marin, Chromgelb u. f. m., die in Europa für „orientalifch” gelten, wäh- rend der Orient zur Blüthezeit gar fein einziges, nach unferen Begriffen „brillantes“, d. H. intenfiveg und ungebrodhenes Yarbenpigment beſaß. Schwerfällige Möbel der ſchlechteſten Sorte fommen an die Stelle der Divane, der Heinen Perlmuttertiſchchen und kunſtvoll eingelegten Schreine. Alles dies ift den Leuten fehredlich unbequem, aber es ift „civilifirt”, und die Barole ift von oben herab gegeben, daß die Aegypter ſich civilifiren müflen.

Schon dreimal wurde diefe Parole von oben herab gegeben, unter Mehemed Ali, unter Said und in neuefter Zeit unter Ismail. Eine „Re=

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8 Europäer in Cairo, fonft und jet.

form“ wurde auf die andere gepfropft und was ift das Reſultat? Nun ja, ein Rejultat läßt fi) nicht leugnen. Der Yanatismus if verſtummt, wenn auch nicht verſchwunden. Leſen wir frühere Berichte aus Aegypten, 3. 2. Niebuhr's: „Die Europäer, ſelbſt die Eonfuln, durften nur auf Eſeln reiten und mußten abfleigen, wenn ein vornehmer Moslem ihnen begegnete. Diefem lief ein Diener mit einem Knüppel voraus, der die Säumigen prügelte. Ein franzöfiider Kaufmann wurde kurz vor umjerer Ankunft zum Krüppel gejchlagen, weil er nicht jchnell genug abſtieg. Bei 24 Ge- richtshäufern, bei den Caſernen und einzelnen Mojcheen durfte ein Euro- päer nicht vorbeireiten. Ind Quartier el Karäfe, in die Rähe von Bäb Naçr, in die von Sitt Zainäb durfte er gar nicht lommen.“

Tas Hat fich freilich gewaltig verändert. Jetzt iſt eigentlih der Eu- topder der Herr der Straßen Cairos. Selbit des Khedive Borläufer können nicht wagen, ihn unfanft auf die Site zu ſchieben, während fie das Volk prügeln. Lebtere kann aud der Europäer ungeſtraft wagen und einzelne rohe Naturen treiben viel Mißbrauch damit. Selbft die Mo- jcheen können mit Erlaubniß beſucht werden, was weder in Tunis noch Marokko möglid if.

Cairo ift jebt im Winter wie ein Weltbad geworden und bietet viel- fache Bergnügungen, Theater, Spielbanlen, in griechiſchen Kaffeehäuſern ges halten, Cafe chantants u. |. w. Wenn der Khedive Bälle giebt, Toftet ein Wa⸗ gen oft 100 Franc, und doch finden fi) Europäer, die es zahlen. Denn alle dieje Yreuden find faſt nur für fie. Ihr Hauptſpaß find die Eorjo- fahrten in der Echubra-Alle. Man ift erflaunt, die Menge eleganter Equipagen, gepußter Herren und Damen zu jehen. Unter leßteren find aud viele Pariferinnen, die hier mitunter ganz ähnliche Yortunen machen, wie im Quartier Breda, und als reihe Tamen Cairo verlafien.

Die Europäer |pielen in Cairo nicht diefelbe Rolle, wie in Aleran- drien. In leßterer Stadt fiehen fie meift auf eignen Füßen, in Cairo find fie alle, mit wenigen Ausnahmen, vom Khedive abhängig. Großer Reihthum findet fi) nur bei jehr wenigen. Der Kröſus von Cairo ifl, mie ich hörte, deutjchen Urfprungs. Dieſes Glüdskind kam in menig Jab- ten zu jeinem Vermögen und zwar nicht durch Handel, fondern durch eine großartige Pachtung fürftlicher Güter. Der Borgang ift bezeichnend für ägyptiſche Berhältniffe. Der Sohn und Erbe Abbas Paſcha's fürchtete Confiscation feiner Güter durch Said, den ihm feindlichen Nachfolger jei- ned Vaters. Davor konnte er ſich nur jchüßen, wenn er biefe einem Eu⸗

U u

Wahre und falfche Millionäre. 9

ropäer verpaditete. Er lebte in Conſtantinopel und verbrauchte dort jähr- lich weit mehr als feine Einkünfte. Daher zahlreiche Vorfchüffe von Seiten des Pächters, die fich, als der Prinz ftarb, auf mehrere Millionen beliefen. Das Erbe fiel zum Theil dem Staat anheim. Said Paſcha meigerte fich indes anfangs, die Schulden zu bezahlen und beſchuldigte den Gläubiger des Betrugs. Diefer aber wuſch ſich glänzend rein. Er befaß nämlich eine Menge Blanco-Anweilungen, vom Prinzen fignirt, die er. unausgefüllt gelafjien Hatte. Said Paſcha jah darin einen Beweis großer Redlichkeit, zahlte alle Schulden und ſchenkte dem Mann fein Vertrauen.

Die Mehrzahl der für reich geltenden Europäer Cairo's ift es jedoch nicht. Sie verdienen viel, aber fie leben ſehr koſtſpielig. Wer nicht ein glänzend montirtes Haus, zahlreiche Dienerjchaft, elegante Wagen und Pferde, eine Zoge in der Oper hat und überhaupt nicht Luxus macht, der gilt nicht für mehr, als ein Heiner Krämer.

Alles dies koſtet Hier ungefähr das Bierfache, wie in Europa. Nicht als ob das Leben jelbft theuer wäre. Es ift im Gegentheil billiger, als in Europa. Aber alles Europäifche, jeder Lurusartifel wird mit Gold aufgewogen. Ein Beweis: man verlangt für zwei möblirte Zimmer oft 150 Zhlr. monatlid, und dabei find fie elend möblitt. Im arabifchen Duartier dagegen befommt man für 14 Thlr. ein ganzes Haus. Diener in luxuriöſen Häufern verlangen 40 Thlr. Monatslohn. Ein arabischer Bürger zahlt höchſtens 7 Thlr. Aber Lurus, das ift die Parole, und große Ausgaben geben hier eine Stellung.

„Reich ſcheinen“ ift deshalb eine Bedingung des Erfolges. Dieſer beruht hier meift auf Gelbgefchäften mit dem Staat oder der Daira (dem Privatbeſitz des Khedive) und auf Lieferungen. Letztere erlangt man nicht etwa durch jolide Eigenschaften, fondern durd) Beftändigkeit im Anticham⸗ briren, eine gewiſſe liebenswürdige Zudringlichteit, Viele. au) dadurch, daß fie fi bei Hofe „hänſeln“ lafien. „Den Hanswurft bei Hof ſpielen, das iſt aud) eine Stellung in Cairo,” fagte mir ein langjähriger Bejucher dieſes Hofes. Es fchmeichelt dem Moslem, daß ein „civilifirter” Europäer fich dazu hergiebt, Zielſcheibe feines Witzes zu fein, der übrigens ſtets gut gemeint if. Einem folchen wendet er auch im gegebenen alle große Bortheile zu.

Mitunter kommen allerlei Seltfamleiten bei ſolchen Lieferungen vor. Es genügt nicht, daß der Staat fie verliehen hat. Man muß auch gute Freunde Haben, die fie anbringen. Dieſe Vorſicht Hatte ein großer Butter⸗

10 GSaftfreundfchaft des Vicekoönigs.

. lieferant vergeffen und fand fi) dadurch in der unangenehmen Lage, daß ein „Chemiker“, der die Butter probiren follte, diefe für gefälfcht erklärte. In feiner Herzendangft lief er zu einem Freunde, von dem er mußte, DaB er mit dem Chemiler gut ftand. Dieſer fchlug ihm ein Compagniegeſchäft por und präfentirte nun die Butter unter feinem Namen. Und fiehe da, bie vorher für gefälicht erklärte wurde nun trefflich gefunden und die ägyp- tiihen Soldaten befamen fie zu eſſen. Manche diejer Lieferanten machen jährlich nur ein Baar Gefchäfte, -aber große, die jo viel abmwerfen, daß fie mit Luxus leben. Aber zu eigentlihem Reichthum bringen ſie's nicht.

Merkwürdig einträgliche Gefchäfte machen auch die erften Hotels, be— fonders feit der Khedive angefangen hat, Europäer dort frei zu halten. Für jeden ſolchen „Saft“ zahlt er 60 Francs (16 Thlr.) täglich. Die Be— wirthung ift natürlich luxuriöss. Jeder Gaft hat das Recht, täglich fo und fo viel Flaſchen feiner Rothweine, Champagner u. . to. zu trinten, wovon freilid die Damen, jungen Mädchen, denn oft find ganze Yamilien zu Gaft, wenig Gebraud machen. Die Wirthe fehen diefe Gäfte fehr gern. Zur Zeit der Canaleröffnung war in den meiften Hotel don Cairo für felbft zahlende Gäfte nicht unterzufommen, da der Khedive fie alle in Be— ſchlag genommen hatte. Es war übrigens leicht eine Einladungslarte zu befommen. Man erzählte mir von einem deutſchen Handwerksburſchen, der ganz „abgebrannt” nad Cairo fam und ih großer Sorge war, wie leben. Da gab ihm Jemand den Rath, fich eine folche Karte zu verichaf- fen, wa8 er aud that und 14 Tage berrlih und in Yreuden lebte. Er galt natürlich für einen „Schriftfteller”.

Es tft bedauernswerth, manche Europäer der befjern Urt hier oft viel tiefer geftellt zu fjehen, al8 andere. Der Orient ift eben ein Land, wo glänzende äußere Eigenfchaften mehr gelten, al3 ſolide. Bon Yachlennt- niffen namentli Hat man bier die feltfamften Begriffe. Ber Europäer muß Alles verftehen, denkt man, und fo ernennt man einen &hemiler zum Borfteher einer Montirungscommiffion, einen Architekten zum Schul- lehrer u. |. w. „Hier übt Jedermann eine andere Profeffion, als die, welche er erlernt hat,” fagte mir ein Kenner.

Ganz fo geht e8 mit den Wegyptern, welche die verfchiedenen Vice- tönige in Europa fludiren ließen. Einer diefer, den ih kannte, fam als geſchickter Geometer von Paris zurüd, und welches Amt erhielt er hier? Er wurde Vorfteher einer Strumpffabrit fürs Militär. Im Ganzen gelten die, welche ſolide Kenntniſſe errungen haben, weniger, als diejenigen,

Europäifirte Aegypter. 11

welche mehr im Neußern „von der Cultur beledt” find, fertig franzöfiſch parliren, fi elegant Heiden und fleißig im Antichambriren find. Lebtere bilden die „goldene Jugend“. Sie finden meift ihre Verwendung bei Hofe, bei den europäifirten Großen oder im fogenannten „auswärtigen Amt”, welches, da Aegypten als Bajallenftaat firenggenommen keine äußere Politik treiben darf, blutwenig zu thun hat. Im Jahr der Canaleröff- nung hatte man jedod eine ihrer würdige Beichäftigung gefunden. Damals war die Parifer Leichtfertigkeit ganz bejonders hier im Steigen und man empfand das Bedürfniß, Offenbach'ſche Operetten aufzuführen. Damit aber ja die wenigen Fellahs, die fich ind Theater verloren, etwas davon verftänden, jo ließ man die Texte durch die „goldene Nugend” ind Ara= bifche überjegen. Es wurde ein gräßliches Kauderwelſch zu Tage geför- dert. Dieſe Literatur fand aber wenig Anklang. Die Aegypter empfan- den danach fein „tiefgefühlte® Bedürfniß“.

Es kam mir vor, als flelle man die in England und Deutſchland Er- zogenen weit den in Paris Gebildeten nad. Bon erfteren, meift Inge⸗ nieuren, fannte ich mehrere, welche, obgleich durchaus tüchtig und im Dienft ergraut, e& zu nichts brachten. Die in Deutichland - Gebilbeten find größtentheild Aerzte. Auch unter ihnen hatte ich Belannte, die wahre Berbannungspoften, wie in Sualin, Dichebda, im Sudan einnahmen. Sie haben eben nicht den Schliff und der gilt hier Alles.

Die in den ägyptiſchen Regierungsichulen Erzogenen haben in der Regel faft nichts gelernt, ſich auch nur ſehr oberflächlich „europäifirt”, ob⸗ gleich fie natürlich, wie Alles, was nicht Yellah, Mollah oder Krämer if, . europäifch gekleidet find. Sie find jehr zahlreich, denn es giebt eine Menge Regierungsſchulen, eine „ecole primaire“, eine „ecole des arts et mé- tiers“, eine ecole de droit“ u. ſ. mw. Ich lernte viele der Bürſchchen fennen, die bier ihre Erziehung genofjen. Die Schulen find nämlid) zu— gleich Penſionate. In einigen Zweigen wird der Unterricht engliih, in anderen franzöfiich ertheilt. Die letztere Sprache war von einigen Weni- gen wirklich erlernt worden. Die jogenannten „Engländer” dagegen ver⸗ Randen faum ein Paar Worte der Sprade. Die Jungen nannten ſich nämlid) untereinander „Engländer“ oder „Franzoſen“. Ich Tam einmal auf einer Eſelsparthie unter eine ganze Geſellſchaft ſolcher Heiner „Englän- der”. Um ihre Kenntniß zu prüfen begann ich ein englifches Geſpräch. Die Jungen antworteten aber nur mit „Ja“ und „Nein“ und zwar ganz verkehrt, ſagten mir aber auf Arabiſch, fie Hätten alle ſchon 5 Jahr engliſch

12 Die Effendi- Claffe.

getrieben, als ob das ein Troft fei, wenn man nichts gelernt hat. Ber einzige, der mich verftand, mar der Ejelsjunge, der fein Engliſch in den Straßen Cairos aufgeſchnappt hatte.

Es kann faum ander3 fein, wenn man bedenkt, daß die Lehrer von . Haufe aus meift ganz andere Profeflionen getrieben haben, als die, welche fie ehren follen. Sie find auch der undankbaren Mühe fatt, denn, ob etwas gelernt wird oder nicht, für fie hat e& feine Folgen: Der einzige wirkliche Gelehrte, der hier war, der Aegyptologe Prof. Brugſch, gab fich viel Mühe. Da e3 aber feinen Schülern an aller Vorkenntniß fehlte, fo mußte er anfangen, ihnen Elementarunterricht zu ertheilen und Hatte wirklich die himmliſche Geduld, dies zu thun. Die Aegypter find übri— gend jehr fähig und würden, bei gutem Unterricht, viel lernen.

Ale in diefen Schulen Erzogenen gehören zur fogenannten Effendi- Glafje, die dadurch in Aegypten eine ganz ausnahmsweiſe zahlreiche ge= worden if. In der eigentlichen Türkei ift das anders. Dort ift „Effendi“ der Titel der Civilbeamten, den ſelbſt höhere noch führen. In Aegypten ift aber der Titel in den lebten 15 Jahren jo gemein geworden, daß ein höherer Beamter fich deſſen ſchämen würde. Dan verleiht einem foldhen deshalb hier den militärischen Titel „Bey“. Dadurch werden die Begriffe berändert. In Aegypten iſt „Bey“ ſtets mehr als „Effendi“ ; in ber Türkei giebt es bochgeftellte „Effendis“, die ganz ebenfoviel, wenn nicht mehr find, als mande „Beys“. So führte der Minifter Fuad Paſcha lange noch den Titel Effendi, als er ſchon Gefandter war. Früher (1850) war die auch in Cairo fo. Jetzt ift aber die Effendi⸗Claſſe eine jo zahl- reihe und wenig achtbare, daß der Volksmund fie „ein Dubend für einen Pfennig“ getauft hat.

Wenn man e3 ernfthaft mit der Civiliſirung Aegyhptens meinte, fo follte man damit anfangen, wirkliche „Volksſchulen“ zu errichten, wo die Jungen zuerft ihre eigene Sprache nad) rationellen Grundfägen erlernten, ehe man ihnen franzöfiihe Broden beibringt. Aber mit den arabiſchen Schulen fieht es jhlimm aus. Dort herrſcht noch der alte Yanatismus, ber verlangt, daß der Knabe erft den Dorän papageimäßig auswendig wille, ehe er etwas anderes lernt. Weiß er dieſen auswendig, mozu immer acht Schuljahre gehören, dann erſt kann er die höhere arabifche Schule, die in der Azhar-Mofchee ift, beſuchen. Dieje hat einige tüch- tige Gelehrte. Aber wie mir ſcheint, wird auch dort die Grammatik jehr unrationell betrieben. Ih kannte Schüler der Azhar-Mofchee, welche

Armenanftalten, Irrenhaus. 13

die Grammatik zwar auswendig gelernt hatten, fragte man fie aber nad) diefer oder jener Form, jo waren fie verblüfft. Sie mußten dann anfan- gen, das ganze Regilter abzuleiern. Die arabifchen Werke über Gram- matik find auch meift jo bänderreich und vermwidelt, daß es wirklich eine Wohlthat wäre, wenn man eined unjerer kurzen rationellen arabifchen Lehrbücher überfegen würde.

Auch bei anderen öffentlichen Anftalten gejchieht mehr Oberflächliches, als Zweckmäßiges. Dean Ipra mir viel von der Trefflichkeit des ara⸗ biihen Spital. Ich fand aber, daß ſich Alles dort auf einige Parade- zimmer bejchränfte, die unter europäifchen Aerzten fliehen, und den Frem⸗ den gezeigt werden. Daher jo viele optimiftiiche Begriffe, welche Schrift- Heller verbreiteten, die don Aegypten nur die officielle Seite ſahen und nicht mit dem Bolt umgingen. Geht man aber unter dieſes, jo kann man jenen Optimismus nicht theilen. Betrachten wir 3. B. die Armen- anftalt in der Gemä Tulun. Dort liegt in einem halbverfallenen Ge— bäude Alles durcheinander auf ſchmutzigen Strohmatten, Arme, Kränkliche, Halbverrüdte u. |. wm. Es ift ein Bild des Jammers und des Elends. Beluhen wir die Irrenanftalt in Bulag, jo fehen wir Schauderhaftes. - Ih fand dort in einem ſchmutzigen Hof, in dem eine übelriechende Pfübe fHagnirte, einige zwanzig Verrüdte, alle nadt, von Schmuß und Ungeziefer frogend. Die waren noch die weniger Gefährlihen. Die Tobfüchtigen wurden wie wilde Thiere behandelt. Ein Arzt fol gar nicht in diefe An- Halt fommen.

In Bezug auf Moralität Hat die „Europäifirung” viel gefchabet. Die alten orientalifchen Lafter find keineswegs audgerottet, nur durch allen Unflatd Europa vermehrt. Im europäiſchen Viertel wimmelt e& von Kneipen, die nur Aushängeſchilder für Stätten des Laſters find. Dort treiben die „Wallachinnen“ ihr Weſen. Yür die Vornehmeren fehlt es mit an „Hochſtaplerinnen“. Unter den Moslems ift die Zahl der Leicht- fertigen Legion geworden. Auch viele freigelaflene Eircafjierinnen haben fih jet diefem einträglichen Gewerbe hingegeben. Sie find fehr beliebt, denn fie gelten für Pradtftüde, die man früher nur durch Kauf erwarb, jest aber „miethen” kann. Bon jenem Vorurtheil gegen Europäer, das man noch in Tunis und Dichebda findet, find dieje aufgellärten Damen gänzlich frei. Sie kennen nur die Religion des Beuteld. Auch giebt es eine Menge alter Weiber, die ſich zu jeder Art von Bermittlungsgejhäft hergeben, jelbft zu ſehr heterogenen. Daneben blüht bie Sitte ber

14 ' Immoralität. Gefängnifle.

Chaumald nad wie vor. Ihre Zahl ift keineswegs, wie About fagt, auf drei reducirt. Diele Wejen haben wirklich) etwas Abſchreckendes. Es find oft große, jelbft gar nicht mehr junge Kerle, wie Frauen gekleidet und ge ſchminkt, welche die erotiſchen Tänze aufführen, die beim weiblichen Ge- fchlecht reizen können, hier aber nur Abſcheu erregen. Man erzählte mir bon einem Hohenpriefter des Lafterd, einem Patriarchen der Suppelei, wel- her in einem Staffeehaus der am Abbaſſiye-Weg gelegenen Vorſtadt thront. Diefer fol für Geld jelbft Kinder guter Yamilien verführen und verfuppeln und das Unglaubliche in dieſem Fach leilten.

Eine Schule des Laſters bilden auch die Gefängniſſe, die übrigens ſchauderhaft find, wo aber der, welcher Geld hat, ſich doch Alles verſchaffen kann. Viele Leute kommen wegen Erbärmlichkeiten, viele ganz unſchuldig hinein, aber nicht wieder unſchuldig heraus. Vor zwei Jahren wurde ein Polizeibeamter abgeſetzt, der lange ungeſtraft die Gefängniſſe zu ſchänd⸗ lichen Zwecken ausgebeutet hatte. Er ließ nämlich Perſonen, die er zu ſeinen Zwecken auserſehen hatte, die ihm aber widerſtanden, unter irgend einem Vorwand einſperren, und da das Gefängniß alle Moralität unter⸗ gräbt, ſo waren ſie bald mürbe.

NRegypten.

Drittes Capitel. Ein Beſuch beim Khedive.

Reichthum des Khedive. Uebertriebene Lobhudeleien. Finanzmaßregel. Ber:

hältnig zum Sultan. Das Kanzelgebet. Zugänglichkeit des Vicekdnigs.

Borzimmer. Der Zeitungsbeamte. Schwinden des Präftigium Frankreichs.

Audienz. Geſpräch über Landeultur. Ein komiſcher Mißgriff. Nachahmung

von Paris. Fürfllide Familie. Dienerfhaft. Der Erbprinz. Bernünf-

tige Anfichten. Undere Mitglieder der Familie. Die Mutter des Khebive. Die Wittwe Said Paſcha's.

Wenn die perjönliden und Hofausgaben eines Yürften den Mapftab für feine Wichtigkeit geben, fo ift der Khedive der wichtigfte der Welt. Seine Ausgaben überfleigen die des ehemaligen franzöfifchen Kaiſerhofs, die doch in Europa für erorbitant galten. Yreilih hat Aegypten in den letzten zehn Jahren feinen ohnehin Schon großen Reichthum noch der Art vermehrt, daß jelbft jerre Ausgaben möglich wären, ohne das Land zu ver= dulden, wenn Ordnung eriftirte.e Bon einer folden ift aber nicht die Rede und fo häuft man Schulden auf Schulden. Nur die Daira, der Privatbefig des Khedive, der jehr bedeutend ift, foll wenig verſchuldet fein und täglich anwachſen. Böſe Zungen wollen behaupten, der Yürft ver- ſchulde abfichtlih das Land und vermehrte die Daira, da er troß jenes Vertrags mit dem Sultan, welcher die Nachfolge jeinem Sohne fichert, nicht an diefe glaube.

Jedenfalls ift der Khedive, von dem ja zur Zeit der Sanaleröffnung jo viel die Rebe war, geeignet, die Neugierde des Reifenden zu erregen, fei & auch nur, um die übertriebenen Zobhudeleien der Canalbeſucher durch eigne Anihaumg aufs richtige Maß zurüdzuführen. Demn ein folcher Ausbund aller Vortrefflichkeiten , wie ihn feine Gäfte ſchildern, ift er denn do nicht. Er ift aber auch nicht das Gegentheil davon. Der Khedive ift

16 Verhältniß des Khedive zum Sultan.

nicht befler und nicht Schlechter, al3 ein anderer orientalifcher Fürf. Daß er mehr für Europäer, unter denen viele Abenteurer, ſhut, als für fein Bolt, und daß dieſes Volk ärger wie je ausgeſogen wird, ift Thatjache, aber er macht es nur, wie alle modernen orientaliihen Yürften. Natürlich werk er jelbft nicht viel vom Elend feines Volles. Wer jollte es ihm jagen? Während ich in Cairo war, wurde eine Maßregel ins Werk geſetzt, wo— durch viele Hundert Beamtenfamilien theils durch Entlaffung, theil3 durch Herabfegung der Gehalte in ſchwere Bedrängniß famen. Ein Belannter von mir berechnete die Summe, welche dadurch erfpart wurde, und ein Baar Tage jpäter wurde befannt, eine Bariferin habe eben ein Gejchent von ungefähr derjelben Werthfumme erhalten. Auf der einen Seite herzzerreißendes Elend, auf der andern finnlofe Verſchwendung. Das ift Volk und Fürft im Orient.

Sonderbar ift das Verhältniß zum Oberlehnsherrn, dem Sultan. Alle Paar Monate ein Conflict, den der Khedive durch Beſtechung der Minifter beilegen muß. ber kaum ift er beigelegt, jo taucht ein neuer auf. Es ift freilich faum anders möglich. Denn ftet3 kommen Handlungen ber ägyptiſchen Regierung vor, die auf Unabhängigteitsbeftrebung gebeittet werden können. Die Zeitungen haben uns über die meiften diefer Hand- lungen berichtet. Uber noch nie hat eine von dem geſprochen, was viel- leicht in Stambul am meiften böſes Blut macht. Ich erfuhr es ganz zu- fällig und eben auch nur durch meinen Umgang mit den Einheimiſchen. Der Khedive hat nämlich das Kanzelgebet für den Sultan abgeändert. In der ganzen ſunnitiſchen Welt, felbft da, wo der Sultan nur geiftliche Au⸗ torität bat, betet man: „Gott erhalte unfern Sultan Abdulaziz.“ So lau- tete auch in Cairo noch vor menig Jahren das Gebet. Jetzt Hat man den Namen geftrihen und beiet nur: „Gott erhalte unfern Sultan.“ Diefer Befehl wurde den Geifllichen durch die Polizei gegeben, fo wenig Umftände macht man mit ihnen. Der Wegfall ded Namens wird natürlich jo gedeutet, daß man das Volt vorbereiten will, für „Sultan Ismail“ zu beten. Hinc illae irae! Dieſer Umſtand murmt immer noch in Stambul und läßt fi) durch Leine Beftechung vertufchen. Umfonft betheuert der Khedive feine Unſchuld. Man antwortet ifm: Warum wird da? Sanzelgebet nicht wieder hergeſtellt? Geiftlihe und Volk ſehen dieje Yenderung fehr ungern. Ich hörte fie fogar als gottlos bezeichnen. Alle Sumniten hängen eben an der geiftlichen Autorität des Sultans, wenn fie auch feine weltliche oft keineswegs lieben.

Palaft des Khedive bei Bulag. 17

Den Khedive in der Nähe zu fehen, ift nicht ſchwer. Er ift ſich zu jehr bewußt, daß er perjönlich einen guten Eindrud macht, um Audienzen zu vermeiden. Auch ich kam zu einer folhen. Der Hof befand fi im Nilſchloß bei Bulaq, einem großen und nad) dem, was ich jah, geihmadlofen Palaſt. Man fuhr big dicht vor die innere Thür. Dort empfing mic) der freundliche Heine Sekki-Paſcha, der Kammerherr, Geremonienmeifter, das Hoffactotum des Khedive. Er führte mih in ein Vorzimmer, um nun die Freuden des Antihambrirens zu genießen. Sie waren glüdlicher Weiſe nicht von langer Dauer, gaben mir aber doch Zeit zu allerlei Beobachtun— gen. Dieſer Hof befigt Alles, ſogar einen Verbreiter von Zeitungsnach— richten, einem Beamten der „Agence Havas“. Diefer, natürlich ein Fran— zoſe, verkündete eben im Borzimmer, mo er fich mit jehr viel Selbftbe- wußtſein bewegte, einige fühne Unmwahrheiten über den gerade ſchwebenden Krieg. Aber die ägyptiſchen Minifter, die um ihn herum ſaßen, Hatten offenbar den frühern tiefen Reſpect vor Frankreich verloren und einige ironiſche Bemerkungen verriethen, daß der Glaube fehle. Man fah, e8 war aud bier eine Herrihaft im Schwinden. Frankreich hatte in Aegypten lange den Ton angegeben. In Beziehung auf Moden, Spradhe, Künſte wird es ihn wohl auch behalten. Aber mit dem politischen Preſtigium iſt's vorbei.

Als ich eingelaffen wurde, fand ich den Khedive ganz allein in einem Saal, der & l’Empire mit einer Menge fteifer Seffel und gerader Sophas möblirt war. Der Khedive hat mehr den tfcherkeffiichen, als den türkifchen Typus, mas durch die Abftammung feiner Mutter erklärt wird. Nur feine übergroße Wohlbeleibtheit verräth den Türken. Sonft ift fein Geficht faft regelmäßig, nicht häßlich, nicht ausdruckslos, feine Hautfarbe licht. Ein hell- brauner, etwas röthlicher, Furzgefchnittener Vollbart umgiebt das Gefiht. So lange er fteht, macht er einen guten Eindrud. Diefer wird vermindert, wenn er ſich jebt, indem feine Corpulenz ihn dann zwingt, die Beine etivas frumm zu halten.

Er Spricht geläufig franzöſiſch. Sein Lieblingsgefpräh mit Unbe— fannten ift über die Bodencultur. Er kennt fehr genau die Beichaffenheit, die Producte, den Ertrag feiner Ländereien. Auch mit techniſchen Ver— beſſerungen hat er fich beſchäftigt. Manchmal hält er eine wahre Borle- jung über die Agricultur Aegyptens, und viele Europäer, die ſich nie mit diefem Gegenstand befaßten, haben ſchon von ihm gelernt. Ein Conful jagte mir, daß er feine Hauptfenntniß des Landes dem Khedive verdanke. Er ift übrigens fein Schwäßer, und vermeidet Weitläufigkeiten. Er bat

v. Maltzan, Reiſe nah Zitdarabien. 2

18 Geſpräch mit dem Khedive.

jogar eine eigene Formel erfunden, um ein Geſpräch, das ihn fortreißen fönmte, abzufürzen. Dann unterbricht er fich plötzlich im vollen Redefluß mit der Yormel: „ceci etcela et cetera“, „dies und das und das Uebrige“. Darin ift in der That der Inbegriff aller Dinge enthalten. Manchem Redner wäre diefe Formel anzuempfehlen!

Unfer Gefpräd drehte fih unter Anderm auch um die „Berfchönerun: gen“ Cairo's. Hier beging id aus Unwiſſenheit einen großen Verſtoß. Sch bedauerte nämlich ganz naiv, daß die fchönen großen Bäume des Es— bekihe⸗Platzes „abgeſtorben“ feien und daß bier nur noch elendes Buſch— werk wachſe, das gar keinen Schatten werfe. Ich mußte nicht, daß dieſe

noch jehr lebenskräftigen Bäume auf Befehl des Khedive ausgeriffen umd | durch niedliche Bosquets erjeßt worden waren, um ein Heine „square ä

Vinstar de Paris“ herzuftellen. Das „square“ ſchien ihm offenbar eine große Errungenſchaft. Hatte er doch den Gärtner, der diefes square ohne Schatten in einem fchattenbedürftigen Lande mit Aufopferung ſchöner Bäume geſchaffen, von feiner geringern Hand befommen, als von der des Herrn Hausmann in Perſon, der damals noch in Paris abjolut herrjchte. Wie follte etwas nicht für Negypten paſſen, mas ſich in Paris jo ſchön au nahm? Merkwürdig dabei it, daß diefe Bäume von den Franzoſen der erften Republit gepflanzt worden waren, um nun, da jie emporgewachſen und den Stolz Cairos bildeten, durch einen Franzofen des zweiten Kaiſerreichs nie: dergerifjen zu werden.

Die Yamilie des Khedive befteht aus vier Söhnen und fehr vielen Töchtern, wovon eine verheirathet if. Der Schwiegerſohn feßt ganz Cairo durch feinen übertriebenen Aufwand in Erftaunen. Komiſch ift eg, welche Ehren ſchon fürftlichen Widelkindern bezeigt werden. So fährt die Heine Enfelin des Khedive alle Tage in einer Staatscaroſſe allein mit einer euro- päiſchen Bonne jpazieren, die fteif wie Holz im Wagen fit und die Fleine Brinzeffin wie auf dem Präfentirteller vor ſich Hinhält. Einen feltfamen Sontraft zu ihren orientaliichen Herren bilden auch die englifchen Kutſcher und Jockeys des Hofes und der Großen, deren Livree europäiich hofmäßig ft. Es find meift fehr gemeine rohe Burfche, die ihr Quartier in Bulaq ſtets durch betruntene Exceſſe in Unruhe verjeßen. Und dieje Kerle jahren jebt die Damen des Harem }pazieren, denen fich früher fein Europäer auf

Sehmeite nähern durfte! Daneben reitet ein junger Enucdhe, gewöhnlich der

ihönfte, den man finden kann. Der ältefte Sohn des Khedive, Taufik Paſcha, ſoll nicht ohne Fähig—

Die ägpptifchen Prinzen. 19

teiten jein. Man rühmt ihm nad, er habe die lächerliche Civiliſations— fomödie, wie fie jebt in Aegypten in Scene gejeßt wird, durch recht tref- fen Ironie gegeißelt. So ſoll er einmal feinem Vater gejagt haben: „Man fcheint Hier zu glauben, die Eivilifation beftehe in Glacéehandſchu⸗ hen und Barifer Moden, ftatt in Volksbildung.“ Cr ift ein fchöner junger Mann mit feingefchnittenen Zügen, fieht aber etwas blaß und angegriffen aus. Dieſe Prinzen werden eben, kaum den Kinderſchuhen entwachlen, ſchon mit Guar-bid (weißen Sklavinnen) allzureich bedacht. Man fcheint erotifche Uebertreibung förmlich zur Bildung eines orientalijchen Jünglings für nöthig zu Halten.

Der zweite Sohn, braun von Haut umd unregelmäßig von Zügen, aber im Aeußern jehr geichniegelt, ift feiner geiftigen Natur nad paffiv, ſehr zu materiellen Genüffen neigend. Der dritte Sohn joll der befte von allen fein. Bielleicht ift die auch ein Vorurtheil, das der Hof deshalb theilt, weil feine Mutter eine Prinzeffin war, während die anderen Söhne von Stlavinnen find. Er war zur Zeit in England. Der vierte Sohn ift noch ein Knabe, ein Kleiner Fleiſchllumpen, den man manchmal, von Eunu- chen umgeben, jpazieren fahren jiebt.

Sonft find von männlichen Gliedern der Yürftenfamilie nur noch zwei in Aegypten, nämlich der Sohn Said Paſcha's, der ziemlich ſchlecht behan- delt wird, und ein Mulatte, Sohn des Gründerd der Dynaftie und einer Negerin. Diefer gilt faum für ebenbürtig und ift ganz auf die Seite ge— ſchoben, obwohl er ſtrenggenommen diejelben Rechte bat, wie alle Prinzen. Muftapha, der Bruder, und Halim, der Vetter des Khedive, die ihm, als fünftige Nebenbuhler feiner Söhne, bejonders verhaßt find (denn nad) dem alten Geſetz gebührt einem von ihnen der Thron), zogen fich wohlweislich nad) Sonftantinopel zurüd, und der Khedive kaufte ihnen ihre Güter ab, damit fie ja nichts mehr hier zu thun hätten.

Zahlreich find die weiblichen Mitglieder der Familie. Unter dieſen if aud die Mutter des Khedive, die noch fehr lebenzluftig fein fol. Man erzählt ſich allerlei Intriguen von ihr. Die Wittme Said Paſcha's joll von großer Schönheit fein. Man fagt, der Khedive habe ihr oft die Ehe angeboten, aber umſonſt. Diefe Dame ift ſehr reih. Sie mirft manchmal Geld unter das Volk und zwar werthvolleres, al3 der Khedive jelbft, der dies auch zweimal jährlich thut.

2*

Sidaradifhes in Negypten.

Biertes Capitel.

Eine Eolonie von Hadrami in Cairo.

Handel Cairo's mit Arabien. Die Habrami. Borurtheile gegen fie. Ein

arabiſcher Kroͤſus. Einfluß der Europäifitung. Seltſames Mißverftänd- nik. Der todte und der lebende Scheh. Ein Moslem ald Freimaurer. Europäifhe Schurkerei. Der Scheh der Hadrami. Das Wirthshaus der

Difaner. Bhyfiognomien der Siüdaraber. Ihre Lebhaftigleit. Sonderbarer

Empfang. Man hält mich für Wrede. “Abd el Hüd. Mittheilfamkeit der

biefigen Doaner. Beftätigung der Wrede'ſchen Berichte Seltjame Steuer: eintreibung.

Es ift beachtenswerth, welche Rolle Cairo, obgleih es Durch den Suezcanal zu einer dom großen Welthandeläöweg unberührten Sackgaſſe geworden ift, dennoch fortfährt, bei Arabern zu fpielen, namentlich bei den ächten, d. 5. den Bemohnern der arabifehen Halbinjel. Yür fie gelten Alerandrien und der Suezcanal einftweilen noch nichts. Cairo ift nad wie vor ihr Emporium und eigentlich auch der nördlichfte Punkt, mo fid eine Colonie ächter Araber findet. Namentlich ift es Hadramaut (im wei— tern Sinne) welches feine bandeläbeflifjenen Söhne Hierher fendet. Die Hadrami find die Phönicier Arabiens, die Handelstalente. Man findet fie überall. Sie wiſſen Geld auch ohne Capital zu machen. Großer Fleik, Ausdauer, Speculationstalent machen jelbit einen Armen mit der Zeit zum Kaufherrn. In ihrem Vaterland ift Geld nicht zu Haufe. Arm formen fie nad) Dſchedda, von wo viele nach Cairo gehen. Aber immer haben fie in Dichedda einige Jahre gemeilt, che fie fommen. Sie halten ſich ſtets zu einander und gruppiren ſich um einen ihrer mwohlhabenderen Yandsleute. Die anderen Araber wollen meift nichts von ihnen willen. Es befteht ge gen fie ein Vorurtheil, etwa wie es in Europa unter riftliden Kauf:

Gin lebender und ein verftorbener Schech. 21

leuten früher gegen Juden beitand, d. h. fie find den Leuten zu Hug. Nicht als ob fie unehrlid) wären. Da man aber fieht, daß fie mit nichts anfangen und mohlhabend werden, jo denft der Cairiner Kaufmann, daß diefe Wohlhabenheit aus feiner Taſche ſtammt, natürlich oft mit Unrecht, denn der Handel erzeugt ja neue Werthe und ift nicht wie eine Spielbant, wo der Eine nur durch den Berluft des Andern veich wird.

Selten fommt es vor, daß ein nicht aus ihrem Lande ſtammender Kaufmann den Mittelpuntt einer Colonie von Hadrami bildet. Dies mar aber dennoch der Fall bei meinem Bekannten, Scheh "Abd el Kerim el Käbeli, der, wie der Rame fagt, aus Kabul ftammte, aber mit den Hadrami durch Verſchwägerung verbunden war und jetzt als zu ihnen gehörig angejehen wurde. Er war fehr reich und hatte jein Vermögen in fürzefter Zeit ge- macht durch eine waghalſige Speculation, wie ſie ſonſt Moslems ſelten unternehmen. Er hatte nämlich fämmtliche Transportartikel einer großen Karawane in Arabien angelauft und wäre ruinirt geweſen, ohne die Baum- wollkriſis in Aegypten, die plöglih alle Preife auf eine früher nicht ge- ahnte Höhe hinauffchnellte Er brachte feine Waaren nad) Cairo, wo er die fabelhafteften Preife dafür erhielt. So ftand er plößlid als Krö— ſus da.

Ich hatte ihn früher in Dſchedda gekannt, als er noch eine beſcheidene Exiſtenz führte. Neugierig, zu ſehen, welche Veränderung der Reihthum bei ihm erzeugt babe, befahl ich einem der in Cairo unvermeidlichen Ejels- jungen, mi zu Sched "Abd el Kerim zu führen. Dies gab zu einem komiſchen Mißverſtändniß Anlaß. Statt in das Waarenhaus, brachte man mich vor eine Heiligencapelle. Nichts vom Mißverſtändniß ahnend, dachte ich, mein Belannter ſei vielleicht dort im Gebet begriffen, und wartete, bis er heraustommen würde. Nach langen Warten ungeduldig, bat ich einen eben SHeraustommenden, er möge dem innen meilenden "Abd el Kerim fa- gen, ich erwarte ihn hier. Uber da kam ich Schön an. Der Araber fah mich verblüfft an. Dann, wie vom Heiligen Zorn über meine gottlofe Zumuthung ergriffen, rief er: „Schech "Abd el Kerim fteht nicht aus feinem Grabe auf, um zu einem Chriftenhund zu kommen.“ Alfo mein Belannter war verftorben? So dachte ih anfangs. Bald aber löſte mir ein vor⸗ übergehender Hadrami daS Räthjel, der flehen blieb, um dem Skandal, der im Nu Volksmaſſen um mich gefammelt hatte, zuzufchauen. Er kannte den lebenden Schech "Abd el Kerim und führte mich zu ihm. Das Mip- verſtändniß rührte Daher, weil man in Cairo vorzugsweiſe Heilige, lebende

22 Gin arabifcher Freimaurer.

oder die Grabcapellen Verftorbener, nicht aber Kaufleute „Schech“ nennt, wie in Dſchedda und Habramaut. Ich mar an die Grabcapelle eines ſolchen Längftverftorbenen gerathen, der auch Schech "Abd el Kerim hieß. Mein Belannter war in feinen Manieren noch immer der alte, freund: Yiche, befcheidene Mann. Aber fein Aeußeres war ſehr verändert. Er jah jest au8 wie ein Engländer, nahm jogar im Haufe das Fes ab, was der Moslem fonft verabjheuungswürdig findet. Dies erklärte er dadurch, er ei jegt englijcher Untertban und ſogar Frammaſon (Tyreimaurer) gewor⸗ den. Criteres nahm ihm Niemand übel, denn ein Moslem muß Unter- than einer europäischen Macht werden, wenn er feinen Befiß vor der Raub: ſucht der einheimiſchen Behörden (die Regierung erhebt von reihen Unter: thanen Zmangsdarlehen, die oft deren ganze Habe ausmachen) hüten will Das Freimaurerthum aber gilt für eine große Ketzerei. Bon einem Frei⸗ maurer fann man fi Alles, felbft des gottlofen Hutabnehmens verjehen. “Abd el Kerim, der Millionär, hatte übrigens eine wahre Spelunte zum Bureau. Dort verbrachte er feine Tage und nur die Nächte in einem prachtvollen Haus, wo feine Gattin, eine Circaffierin, wohnte Er war fo vorurtheilslos, daß er auf Reifen in Europa diefe Gattin mitnahm und fie

europäifch kleidete, alfo auch ohne Gefichtöverhüllung. Dennoch verftand -

er kein Wort einer europäifchen Sprache. Dadurch fam er oft in Gefahr, beftohlen zu werden. So hatte er zur Kriegszeit franzöfifche Rente gefauft, aber, mit der ächt arabiſchen Vertrauengjeligkeit, fich von feinem europäi- chen Agenten feine Quittung geben laſſen. Diefer Schurke läugnete nun den Empfang der Summe und der Schedh beſaß fein Rechtsmittel gegen ihn. Dadurch verlor er etwa Hunderttaufend Thaler und noch viel mehr, wenn man den jeßt höhern Preis der Rente veranſchlug. Im Handel der Araber geht eben Alles auf Treu und Wort. Betrug ift fait unbe- fannt. Darum muß jeder Moslem ſchweres Lehrgeld zahlen, wenn er mil Europäern Geſchäfte zu machen beginnt.

“Abd el Kerim bildete den Anziehungspuntt für eine Heine Schmaroger- ſchaar, Hein aber gewählt, die nur aus den angeſehenſten Hadrami beftand. Unter dieſen glänzte ein altes jpindeldürre® Männchen, mit einem fpärlichen weißen Ziegenbart, jehr markirten ſemitiſchen Zügen. und von einer |pru= delnden Lebhaftigkeit, die alle meine Erfahrungen überſtieg. Er über- baspelte fich förmlich im Geſpräch und diejes wollte nie enden, wurde aber in Andacht angehört, denn der Alte war eine locale Größe, nämlich der Schech aller hier lebenden Südaraber. Er richtete fie, adminiſtrirte fie,

Das Wirthshaus der Hadrami. 23

zog ihre Steuern ein, prügelte fie, Alles theils mit, theils ohne Erlaubniß der Regierung. Ih fragte ihn nad feiner Heimath und erfuhr die in- terefjante Thatſache, daß ſowohl er wie alle feine hier lebenden Landsleute aus einer und derjelben, engbegränzten Landſchaft, nämlid aus dem Wädi Dan in Bildd Beni Ica feien, dem Reifegebiet Wrede's, das mid). fo vielfach intereflirte.

Man kann ſich denken, daß ich die Belanntichaft mit Schech Cälah (io Hieß er) cultivirte, um fo mehr, als fie mir die Ausficht eröffnete, noch andere Mitglieder der hiefigen Doaner-Eolonie kennen zu lernen, von denen viele ihre Heimath erft vor Kurzem verlaflen Hatten. Ich verabrebete deshalb eine fpätere Zujammenkunft, bei der er mich mitten in den Kreis feiner Schußbefohlenen einführen follte. Nach üblicher arabiicher Gemohn- heit fand der Schẽech fih nun allerdings nicht zur anberaumten Zeit ein, Die Zeit hat feinen Werth für den gläubigen Moslem, und genaue Stun- den einzuhalten ift ihm etwas ganz Unbekanntes. Aber als ich ſchon dar- auf verzichtet hatte, jemals wieder etwas vom Schẽch Cälah zu hören, er- ſchien einige Zage ſpäter plöglich jein von ihm abgefandter Neffe, um mich abzuholen und in den veriprochenen Kreis einzuführen. Ich fand die Leute in einem Okaͤle (Wirthshaus), gleichfalls im Quartier der Gemaliya. &3 waren lauter merkwürdig charakteriftiiche und durchaus edle Geftalten, da3 ächte Blut Arabiens, fehr verjchieden ebenjowohl vom Xegypter, wie von dem mir jo wohlbekannten Maghrebiner. Haben die Aegypter einen grobknochigen Körperbau, breite, runde Gefichter, kurze ſtumpfe Na— jen, große Augen, dide Lippen, großen Mund, breiten Bruſtkorb, ſtarken Bauch, ziemlich große Hände und Füße, röthli-braune Geſichtsfarbe, fo zeichneten fich dagegen diefe ächten Araber durch eine ganz auffallende, aber keineswegs unmännliche Zierlichkeit aller ihrer Gliedmaßen, durch längliche, aber im Ganzen eher Heine Gefichter, durch feingebogene Adlernaſen, mitt- lere, aber auperordentlich lebhafte und feurige Augen, feine, dünne Lippen, einen Heinen, zierlihen Mund, einen durchaus mußtelkräftigen, ſehr wohl⸗ gebilveten, aber nicht im Geringften zur Fettbildung neigenden Körper, Heine, oft auffallend niedliche Hände und Füße, endlich dur eine ins Dliven- braume fpielende, jehr ſchöne Gefichtsfarbe aus. Der Bart war bei Allen fehr ſpärlich, aber ihr ganzes Weſen war fo kräftig, ſehnig und energievoll, daß fie trotz dieſes Mangeld einen jehr männlichen Eindrud machten. Den größten Contraſt Gegen die Aegypter bildete ihre überfprudelnde Lebhaftig- feit. Beim Sprechen funfelten, ja blitten gleichjam ihre Augen. Alle

24 Verwechslung mit Wrede.

Worte murden mit feltener Energie herborgeftoßen. Die Unruhe ihres ganzen Weſens, diejer ächt beduiniſche Zug, gab ſich beſonders dadurch fund, daß fie feine Viertelftunde ruhig dafigen konnten, während fonft die Moslems im geduldigen Dafiten das Unglaubliche leiſten.

Mein Empfang war anfangs ein fonderbarer und berubte auf einem komiſchen Mißverſtändniß. Ich hatte nämlich jo viel Belanntichaft mit ihrem Vaterland verrathen, welche ic dem Werke Wrede's verdankte, daß die Doaner nicht anders glaubten, als ich müſſe ihr Land bereift Haben, und, da fein Europäer außer Wrede je dort war, ich müfle felbft dieler Wrede fein. Die meiften der Anweſenden waren zu jung, um Wrede, der por 27 Jahren reifte, gefannt zu haben, und der Schech felbft mar damala . fchon in Aegypten geweſen. Da nun Niemand fie eines Beſſern belehrte (denn meine Proteftationen wurden einfach nicht geglaubt), jo blieben fie dabei, mich "Abd el Hub (der angenommene Name Wrede's) zu nennen, und zwar fo lange, bi3 ein anderer von ihren Landäleuten, ein Mann von etwa 50 Jahren, hereintrat, der glei an der Thür ſchon rief: „Wo ift diefer ‘Abd el Hüd? Ich Habe ihn in Hadramaut gut gekannt.” Als man nun mid) bezeichnete, nahm er mich ſcharf ins Auge, und jagte dann: „Das Tann vielleicht ein Sohn von "Abd el Hud fein, aber diefer felbfl, wenn er noch) lebte, müßte ja jet im Greifenalter ftehen.“ Dadurch mar ich auf einmal in den Augen der Doaner fo zu fagen rehabilitirt, denn da Wrede als Moslem reifte, ohne Moslem zu fein, da er ihr jedem An- derögläubigen ftreng verſchloſſenes Land in Yolge eines im Grunde heroi- fchen, aber bei dieſen Fanatikern als gottesläfterlich verdammten Wagftüdes betrat, jo waren fie anfangs keineswegs übertrieben freundlich gegen den gejinnt, melchen fie für Wrede hielten.

Jetzt wurden fie alle ſehr freundlich. Sie freuten fih ſichtlich, daß ich Intereffe an ihrem Lande nahm, munderten fi zwar immer wieder von Neuem, fo oft ich eine gemwille Kennmiß defjelben verrieth (und die war mir eine jehr werthvolle Betätigung der Wahrhaftigkeit Wrede’3), wa—⸗ ren aber doch zugleich gern bereit, diefe meine Kenntniß noch zu vermeh— ren. Gewöhnlich find die Araber mißtrauifh, wenn man fie über ihr Land ausfragt. Dies war jedoch bei diefen Doanern gar nicht der Fall. Im Gegentheil, viele derfelben forderten mic) geradezu auf, die Namen ihrer heimathlichen Ortichaften aufzufchreiben, ja einigemale nahmen fie mir fogar das Notizbuch auß der Hand und jchrieben felbit diefe Namen ein. Auf diefe Weile erfuhr ich wirklich Mancherlei, was fich felbft im Wrede-

Der Sultan von Chorebe. 25

ſchen Werke nicht findet, 3. B. die Namen und aud) ziemlich genau die Lage einiger kleinerer Ortichaften, die unjer Landsmann nicht erwähnt, aber im Ganzen wurde mir Alles beinahe haarklein beftätigt, was Wrede ausfagt. Seine früher mehrmals beanftandete Glaubwürdigkeit*) fteht jet außer allem Zweifel. Selbft einige abenteuerlich Hingende Geſchichten und Sittenerzählungen, die fi bei ihm finden, find nur die getreue Wieder- gabe der Wahrheit. So berichtet er von der von Zeit zu Zeit ftattfinden- den Beſchießung der Stadt Chorebe durch deren eigenen Sultan, der auf dieſe Weile die Steuern zu erpreffen pflegt. Die meiften diefer Do aner waren aus Chorebe jelbft, der bedeutendften Stadt des Waͤdi Doan, und beitätigten, daß ihre Vaterſtadt faft allmonatlic) eine ſolche Beichie- kung bon Seiten ihres gütigen Landesherrn zu erdulden habe. Ein an- deres Mittel, die Steuern einzutreiben, fei gar niemals im Gebraud) ge- wejen. Man fei an diefe Füſilladen, denen immer Menjchen zum Opfer fielen, fchon jo gewöhnt, daß man fie gar nicht mehr beachte, und erft, wenn einige Zeichen das Refultat bildeten, and Steuerzahlen denke. Diefer Sultan ift in allerneuefter Zeit vom Negib von Makalla befiegt, gefangen und Chorebe erobert worden. Die Döaner verglichen ihn ſcherzweiſe mit Napoleon IH., der damals auch Gefangener war. Sie fangen ein politi- ſches Liedchen zu Ehren des Siegers, das fie ihre „Marjeillaife” nannten. Merkwürdiger Weije mußten fie viel von europäiicher Politik,

*) Man bat in neuefter Beit au aus dem Umſtand, daß Wrede behauptet, den Ramen Abd el Huͤd' geführt zu haben, einen Grund zum Zweifel an feiner Glaub- würdigfeit abgeleitet. Dieſer Name ift nun freilich ſowohl grammatikaliſch (denn es müßte “Abd Huͤd, ohme Artikel, heißen) als auch dem Sinne nad unrichtig, denn man fett nur den Namen Gottes dem „Abd“ nad. Das bemeift jedoch nur, daß Wrede fein geſchulter Arabift war. Heut zu Tage find aber auch die meiften Araber jo ungebildet, daß fie fih nicht an diefen Fehler ftoßen, denn Viele hörte ich dieſen Ramen ganz unbefangen wiederholen. Sie dadhten aber dabei nicht an den Prophe- ten „Huͤd“, fondern hielten „el Huͤd“ für eines jener vielen Prädicate der Gottheit, welche die wenigften Araber alle gehört haben,

Reiſe nah Krabien.

Fünftes Capitel. Bon Cairo nach Dſchedda.

Vorbereitungen zur arabiſchen Reife. Utenſilien. Diener. Trefflichkeit der nubiſchen Dienſtboten. Unehrlichkeit der Aegypter. Verſorgungsweiſe mit Geld. Ein Mißgriff. Der räuberiſche Diener. Liſt, um einen Widerwärtigen zu entfernen. Eiſenbahn von Cairo nach Suez. Hotels in Suez. Vergnügun⸗ gen in Suez. Das Kaffeehaus. Die Spielbank. Originelle Weiſe, Kunden herbeizuziehen. Wirkliche und angebliche Griechen. Eine Spitzbubenbande. Schwindel mit Steuer, Quarantäne und Telegraph. Die Dampffſchiffsgeſellſchaft. Sonderbare Matrojen. Der Eommandär. Zurüchgeſetzte Officiere. Um: fländlichleiten beim Billetverlauf. Paßpladereien. Ungeredhte Behandlung der Eingebornen.

Es ift möglich), daß diefes Buch auch einmal in die Hände eines Mannes geräth, der eine ähnliche Reife vorhat. Darum will ich poraus- ihiden, mas Alles zu einer ſolchen nöthig if. Ein vollftändiger Koch— apparat, Tiſchzeug, ein Reifebett, ein Moskitonetz, zwei Reifeftühle, vor Allem aber ein Reiſetiſch, denn ohne Tiſch wird ſich der fchreibjelige Euro- päer bald unglüdlih fühlen, und in Arabien ift ein Tiſch etwas lUnbe- fanntes. Will man Wein trinken, jo nehme man feinen ſämmtlichen Be- darf mit, denn am ganzen Rothen Meer (außer Suez) befommt man nicht3 als fpiritusartigen Branntwein oder ein ſchändliches Präparat, dad „griechiſcher Wein“ betitelt, aber von den Branntweinhändlern in Dſchedda oder Maflauma fabricirt und dann mit dem Namen irgend einer griechiſchen Inſel, wie Samos oder Cypern, getauft wird. Meiftens heißt er „Sommandäri”, ift es aber nicht, denn der wirkliche Commandari iſt ein guter, malaga=artiger Wein. Das gefälichte Getränk iſt widerlich füß, ſehr ftarf uud erregt oft ſchon nach dem erſten Glaſe Uebelkeiten.

Aegyptiſche und nubiſche Diener. 27

Außerdem ſehe man ſich nah einem guten Diener „für Alles” um. Er muß kochen, Zelt aufichlagen, Bett machen, paden, Zimmer reinigen u. |. w. innen. Man nehme nur nicht mehrere, denn unfehlbar wird der eine „Hammer“, der andere „Amboß“ fein und lebterer dann doch ‚allen Dienft für den andern thun müfjen, der ſchließlich bloß noch „zur Zierde” da fein wird. Ich meine das natürlich für foldhe, die nicht mit „Staat“ reifen wollen. Denn wer letzteres will, der fchleppe fo viele Yaullenzer mit ſich, ala er Zuft bat, erwarte aber auch von ihnen nichts, als daß fie ihm durch

ihre glänzende Erſcheinung „Ehre“ machen. Die Regel ift im Orient, daß wenn man viele Diener hat, diefe alle zufammen nicht fo viel thun, als ein einziger, der tüchtig if. Einen tüchtigen Diener findet man in Aegypten faft nur unter den Nubiern (vulgo Berberiner). Sie find in- telligent, rührig, geichidt im Kochen und in allen Hantierungen und da⸗ bei refpertvoll. Alles dies ift der Achte Aegypter in viel geringerm Grabe. Letzterer hat fogar eine große Neigung, unverfhämt zu werden, und man muß ihn beftändig an feine Stelle verweilen. Ber Nubier dagegen zwingt feinen Herrn faft nie zum Tadel. Meine Erfahrung im Orient ift nicht gering. Ich babe es mit Leuten von verjchiedenften Confeſſionen, Stäm- men und Hautfarben verjucht, aber exit eine „Berle” von einem Diener gefunden, als ich einen Nubier in meinen Dienft nahm. Der Lohn, den die Gairiner Diener vom Europäer beanspruchen, ift nicht gering. Aber man feiljche Hierbei nicht. Ein gejchidter Diener wird felten für wenig mitgehen und, wenn er e& thut, fich durch Betrug entſchädigen. Zahlt man aber den Rubier gut, fo wird er nicht betrügen (der Aegypter wird es ſtets), und der hohe Lohn wird jchließlich noch als eine Huge Yinanz- maßregel erfcheinen. In allen Hafenorten des Rothen Meeres findet man freilich für viel geringern Lohn Diener, ala in Aegypten, oft für ein wahres Spottigeld. Aber fie find nur für den braudbar, der fi auf's „Abrichten” verlegen mil. Wem die Gebuld fehlt, den Pagenmeifter zu ipielen, der hüte fi) vor ihnen.

Endlich, Wichtigftes von Allem, nehme man recht viel baares Geld mit, und zwar in Maria-Therefia-Thalern. Creditbriefe helfen gar nichts, denn in den meiften Fällen find die Handelähäufer, an die fie gerichtet find, fo unbedeutend, daß fie nicht zahlen können. Sehr oft wird man finden, daß fie dem Bankerott nahe find, denn alle diefe Häufer find ephemere Erjheinungen. Reiche Europäer giebt e& am Rothen Deere nicht. Ein Bankbillet Hilft auch nichts. Will man es gewechjelt haben, jo muß

28 Unzuverläßlichkeit. der Aegypter.

es eben nach Aegypten zurüdgefchidt werden, und dann fommt das Geld oft erft nach einem Jahre.

Alle diefe Vorbereitungen Hatte ich als „erfahrener” Reiſender in Cairo getroffen. Nur paffirte mir in Suez ein Verſehen, welches zeigt, wie wenig felbft oft die ſchwererrungene „Erfahrung“ nüßt und mie mir wieder und immer wieder Tehrgeld zahlen müſſen. Ich ließ mid) nämlich dort bereden, zu meinem trefflichen nubilchen Diener, der den majeftätifchen Namen ‘Abdulmedihid führte, noch einen zweiten zu nehmen, was id) ſchon am folgenden Tage bereute, aber leider waren wir an dieſem bereit un— termeg3 nad Dſchedda. Der Kerl mußte alfo einftweilen behalten werben. Dieſes Cremplar von einem „mohlempfohlenen” Diener mar ein Araber aus Sue, Hamed mit Namen, der zwar alle guten Eigenſchaften zeigte, fo lange wir noch am Land waren, er alſo noch entlaflen werden Tonnte, aber fih als ein Ausbund aller Niederträchtigfeit entpuppte, ſowie das Schiff unter Dampf fam. Mein armer Nubier wurde bald von ihm als Helote behandelt, mußte Alles allein thun und Monſieur Hamed benußte feine Muße dazu, Belanntfchaften mit den frommen Pilgern anzufnüpfen, die mit ung reiften, und fie mit meinen Vorräthen zu tractiren. Unter meinen Hühnern brach plöglich die Cholera aus, denn täglich berichtete mir Hamed vom natürliden Tode des einen oder des andern, das er zu fei- nem Leidweſen „ind Meer werfen mußte”, und ich erfuhr erft fpäter durch Zufall, daß er fie den Pilgern geſchenkt und mit ihnen verfpeift Hatte. Einer von dieſen Pilgern war nämlich naiv genug, fich bei mir für das Geſchenk der „ichönen fetten Hühner“ zu bedanfen. Das Unglaublichfte leiftete er bei Anläufen. In Suez hatte ich mich ſchon gewundert, daß man für vier Thaler nur ein wenig Gemüfe bekäme. Aber in Yambo jollte ich noch eimas Schöneres erleben. Ein mitreifender Europäer bat ihn nämlid, ihm doch von der Stadt ein Paar Kerzen mitzubringen und gab ihm einen Thaler mit. Diefer Thaler ging ganz auf. Die Kerzen waren in Yambo theuer und man befam für einen Thaler nur zwei Stüd. Ebenſoviel Ffoftete ein Pfund Hammelfleiſch. Ich jelbft kaufte freilich am folgenden Tage in eben diefem Yambo zehn Pfund für einen Thaler. Aber das von Hamed gelaufte war von feinerer Qualität! Monſieur Hamed trug doch ein wenig zu did auf, um lange behalten zu werden. Um mit ihm abzufchließen, mill ich ſchnell noch berichten, wie ich mich feiner entledigte. Durch bloße Weg- ſchicken wäre die in Dſchedda gar nicht auszuführen geweſen. Er hätte

Eiſenbahn von Cairo nad) Suez. 29

fih dann einfach verftedt, bis das Schiff nah Suez abgegangen wäre. Ich Hätte confularische Hülfe, Cawaſſen und Gott weiß welche Gewaltmittel noch anwenden müllen, um ihn fiher auf's Schiff zu bringen. Außerdem ift in dem fanatiſchen Dſchedda jeder Conflict eines Europäer mit einem Moslem (auf den Stand des letztern kommt es dabei gar nicht an) miß⸗ lich und muß vermieden werden. Wurde doch einer meiner Belannten bei- nabe todtgejchlagen, weil er einen Streit mit feinem Thürbüter hatte. Leg- terer war freilihd ein Said. Aber auch Hamed war ſchrecklich Fromm, faſtete ſtreng und verachtete, ja ſchimpfte bejtändig den Nubier, weil diejer vom BPrivilegium, auf Reiſen nicht zu faften, Gebrauch machte. Die „frommen“ Leute find ſtets die gefährlichften. Nur dur Lift konnte ich mich feiner entledigen. Eine trefflihe gab mir mein Hausherr an die Dan. |

„Haben Sie nicht einen Koffer in Suez ftehen lafjen ?“

„Gewiß, fogar zwei,” antwortete id).

„Run, fo ſchicken Sie Hamed dorthin, um ihn zu holen.“

Hamed biß wirklich auf diefen Zopf an. Es verfteht ſich von felbft, Daß ich ihm einen Brief an den norddeutichen Conful mitgab, in dem ich diefen bat, dem Kerl feine Entlaffung aus meinem Dienft anzuzeigen. Dieſe Lift gelang vollkommen und Hamed nahm fie mir nicht eimmal übel, denn ala ich ihn fpäter in Suez wiederſah, meinte er, es fei nicht gut, einem „liſtigen“ Herrn zu dienen, lachte aber dabei.

Jedoch zurüd zur Reife. Bon Cairo nah) Suez fährt man recht ſchlecht und recht langſam auf der vicelöniglichen Eifenbahn, deren Wagen jämmtlih ſchadhaft, oft halb zerbrochen, ftaubig und ſehr ſchmutzig find, denn auch) hier macht fich der orientaliiche Schlendrian geltend. Der Orien- tale giebt viel Geld für Neues, gar feines aber für Reparaturen aus, und jo ruinirt er bald Alles. Halbwegs befommt man für 2 Thaler ein joge- nanntes Yrühftüd, allen denen zu empfehlen, die fich gern Zähne außbei- Ben. Seit der Sanaleröffnung bat man die directe Bahn zwiſchen Cairo und Suez aufgegeben, auf der man in 4 Stunden den Weg zurüdlegte. Jet muß man eigentlid) halbwegs bis Alerandrien zurüd fahren, und Schnellzüge giebt e8 nur von Alerandrien, nit von Cairo nad) Sue, und zwar auch nur einen mwöcentlid. So währt die Yahrt jebt über das Doppelte ihrer frühern Dauer. Das ift auch eine Errungenjchaft der Civiliſation und des Suezcanals !

In Suez empfehle ich allen denen, die gern recht ſchlecht und recht

30 Spielbanken in Aegypten.

theuer wohnen und denen zum Diner Kohlſuppe, ausgekochtes Fleiſch und Käfe genügt, das franzöſiſche Hotel, in dem ich die erſte Nacht abftieg, weil das englische überfüllt war. Wer aber, ehe er überhaupt von Gafthöfen Abſchied nimmt, wie ich e& bald thun follte, no ein wenig Comfort ge nießen will, der gebe in letzteres, das freilich auch nicht billig (51/, Thlr. täglich ohne Wein), aber doch nach hiefigem, für Europäer im Orient gül- tigen Mapftab verhältnigmäßig preiswürdig iſt.

Für Vergnügungen ift vielfach in Suez gejorgt. Sie find allerdings nicht ſehr unfchuldiger Natur, aber ganz dem europäijchen, etwas vaga⸗ bundenartigen und nicht fehr gewiſſenhaften Bublicum entſprechend, das fi in diefem vermworfenen Nefte herumtreibt. Den Hauptanziehungspunft bildet daS „Cafe chantant“ eine Griechen, defjen Heldinnen Franzöfin- nen find, meift etwas abgelebte aber ſehr herausgepußte Damen, die ſchon anderswo viel Glück gehabt oder verfcherzt Haben mögen. Jedoch dieſes bildet eigentlih nur da Aushängeſchild. Der wahre Anziehungspunft be findet fi Hinter einem rothen Vorhang, den wir lüften, um in ein Ne— bengemab zu gelangen, wo wir mit der Spielbant Belanntichaft machen. Diefe wird von einem Griechen gehalten, der dadurch gute Ge- ſchäfle macht, und, wie man mir fagte, „jehr ehrlih” fein ſoll. Alle Spieler fchienen mir freilich zu verlieren. Aber mo wäre die Spielbant, two das nicht gefchähe? Früher, ald noch am Canal gebaut wurde und mehr Europäer hier waren, machte ihm eine zweite Bank Concurrenz. Ein edler Wettkampf entſpann fich zwiſchen beiden, fich gegenfeitig die Kunden abzuloden. Das beliebtefte Mittel war ſehr draftiih. Der eine Bant- inhaber jchidt einfach Jemand mit einer Flinte nach der andern „Hölle“ und ließ mitten unter die Spieler feuern, hoffentlich nur mit Pulver. Der Erfolg war gewiß. Die Spieler famen dann zu ihm und blieben, bis der andere auch wieder unter fie jchießen ließ. In Cairo fand früher ganz daffelbe ftatt, als die Spielbanten noch in den Kiosken bei der Esbekiye beftanden. Verwundet ſcheint dabei Niemand zu werden. Doch die Spiel- inhaber find „anftändige” Leute in Vergleich mit jenen anderen Griechen, deren e8 auch in Aegypten giebt und deren Dol für 50 Thlr. Jedem zu Gebote fteht.

Es ift jedoch ein eigenes Ding mit dem, was man im Orient „Örie- hen“ nennt. Nicht alle jo Genannten find wirklich aus dem claflifchen Ba- terland. Ich habe manche andere Europäer, die gar nicht „fo weit ber“ find, im Verdacht, gelegentlich die „Griechen“ zu pielen, denn man nennt

Dampfichiffegefellfehaft Aziziye. 31

einmal vorzugsweiſe alle Spigbuben im Orient fo und thut der Nation ſehr Unrecht, unter deren Angehörigen ich viele ſehr anftändige und ehrliche Leute gefannt habe. In Suez fcheinen diefe Kosmopoliten beſonders große Virtuofität zu entmwideln. So hatte vor einigen Jahren eine Bande der- jelben während längerer Zeit mit Erfolg fi) dem viceföniglichen Steueramt jubftituirt. Einige von ihnen befuchten nämlich alle neuanfommenden Waaren- Ihiffe, gaben fi für Steuerbeamte aus, ſprachen von ſchwerer Befteuerung der oder jener Waaren, die nun dad Schiff gerade führte, oder auch gar bon einem abjoluten Einfuhrverbot, gaben aber auch gleich dem erjchredten Sapitän das Mittel an, Alles dies zu umgehen, und zogen mit einer Ihönen Beftechungsjumme ab. Die Quarantäne lieferte der Bande Anlaß zu einem ähnlichen Schwindel. Oft, wenn eine ſolche gar nicht beftand, fam ein angeblicher Sanitätöbeamter an Bord, drohte der Sciffsmann- ihaft mit Quarantäne und ließ ſich endlich für ein Trinkgeld herbei, fie derfelben zu entheben. Auch von Übleitung von Telegraphendrähten durch diefelbe Schöne Gefellihaft hörte ih. Erſt nachdem fie ſchon lange ihr ein- trägliches Gejchäft betrieben, wurde ihr das Handwerk gelegt.

Menn man von Enez nad) Dfchedda reifen will, fo muß man fid der ägyptiſchen Dampfichiffe, der fogenannten Compagnie „Aziziye“, bedie- nen, eine Gejellichaft, die eigentlich nur aus dem Vicekönig befteht. Ihre Schiffe waren theils urfprünglic ſehr ſchön und gut, einige freilich auch abgediente europäiſche, die irgend ein Verkaufskünſtler dem Khedive für ſchweres Geld anzuhängen mußte. Alle find jedoch über die Maßen ver- nadläffigt, die Kabinen fehen ruinenhaft aus, die Inftrumente, Spiegel, Möbel meift zerbrochen, die Betten jo zerfeßt, beſchmutzt und „bevölkert“, daß es gerathen ift, fich feines eigenen mitgebrachten zu bedienen. Eſſen it jelbft für theures Geld nicht zu befommen. Man muß feinen eigenen Koh und Proviant mitnehmen. Da die Mafchiniften Europäer find, fo werden die Majchinen leidlih gehalten. Die Mafchiniften führen euro» päilche Küche, und jolche Reifende, die jelbft nicht darauf eingerichtet find, fönnen fich manchmal bei ihnen in Soft geben. Doch rechne man hierauf nicht beftimmt, denn oft reicht ihr Proviant nicht aus. Dieſe Leute find nur durch hohen Lohn bier feitzuhalten. Der erfte Mafchinift befommt etwa 25, der zweite 20 Pfund Sterling monatlid), während z. B. der Öftreichifche Lloyd oft nur 8 zahlt. Alles Übrige Perſonal ift ägyptiſch und bon einer rührenden Ignoranz im Bezug auf Nautik. Wäre nicht der Pilot, jo würden die Schiffe noch viel öfter auf den Sorallenriffen bes

32 Hegyptifche Schiffsmannſchaft.

rothen Meeres feſtſitzen. Auch jo geſchieht e3 oft genug. Die Dlatrofen diefer „Compagnie“ find eigentlich gar feine Seeleute, fondern Landjolde- ten, viele von ihnen auch Sträflinge, denn diejer Dienft (ich meine natür- lich nicht den auf den Sriegsjhiffen) wird als Berbannung und Strafe angejehen. Obgleich keine Kriegsſchiffe, jo merden doc diefe Dampfer militäriſch befehligt. Es find gewöhnlich 4 Officiere vorhanden. Der erfte wird vulgo „Commandär” (ein europäifches Wort mit arabiſcher Endung) genannt, der zweite heißt der „Unter-Commandär”, der dritte Cabtan (Ca- pitän), der vierte Molajem (Lieutenant). Bon Anciennität ift beim Avan- cement nur in fo fern die Rede, als der Commandaͤr gewöhnlich der un- wiſſendſte, altmodischfte Stodtürke ift, der je zur See fuhr. Die anderen Sfficiere find entweder Jünglinge, die noch Carriere machen wollen, oder alte degra- dirte Officiere derjelben Compagnie oder der Landarmee, die man zur Strafe hierher verjeßt. So mar auf dem Sualin, mit dem ich nad) Maj- ſauwa fuhr, der vierte Officier ein uralter Greis, der früher Commandar gewejen, aber degradirt worden war, mweil er niemals anzugeben wußte, wieviel Mannfchaft er Habe, wieviel auf der Reife geftorben waren, und die Sanitätdagenten in Suez Stlage über ihn geführt Hatten. Auch ein fogenannter „Arzt“ ift auf jedem diefer Schiffe vorhanden, nicht jedoch ein folder, der Medicin ftudirt hätte, wie man deren mandmal unter den Moslems in Cairo findet. Gewöhnlich hat ein ſolcher Arzt eine große Flaſche mit Eifig, womit er alle Krankheiten heilt. Dr. Sangrado war ein großer Gelehrter im Vergleich mit ihm. Die meiften Officiere und der „Arzt“ verbringen ihre Zeit im Bett, wenn fie nicht zum Gebet aufftehen, worin fie jehr pünktlich find. Für die Schifffahrt ſorgt der Pilot.

Das Billetnehmen, in Europa jo einfach, ift hier ſchrecklich complicirt. Erſt muß man dem „Bey“, einer Oberbehörde, feine Auftwartung machen Diefer prüft den Paß, den Sanitätsjchein u. |. w., fragt einen aus und jpricht eine halbe Stunde vom Wetter, vom Krieg, Napoleon oder fonftigen Dingen. Dann giebt er Ordre, daß man in das „Billetbureau“ geführt werde. Dort fiten einige 12 Schreiber, die endlich mit Ach und Krach das Billet zu Stande bringen. Dies wird einem jedoch erft verabfolgt, nad: dem man auf dem „Zahlbureau” war. Dort fißt der Caſſirer und diejer findet gewöhnlich die Münzjorte nicht pafjend. Er meift einem dann in das „Wechjelbureau”, woraus man gräßlich geſchunden hervorgeht, um erft wieder in da3 „Zahlbureau” und dann nochmals in das „Billetbureau“ zu gehen. Dann eine jchliegliche Aufwartung beim „Bey“, der fi) die Miene

Pappladereien in Aegypten. 33

giebt, Alles noch einmal zu prüfen, und man ift zu Ende, d. h. wenn man feine Diener bat. In lebtern Falle aber wird man vor Abend nicht fertig, denn deren Paß läßt gewöhnlich zu wünfchen übrig; man wird zum Gou⸗ verneur und bon biefem zu einem Dußend Unterbehörden geſchickt, die alle behaupten, heute feine Zeit zu haben, man folle morgen wieder kom⸗ men u. |. w., bis man endlich) die Geduld verfiert, zum Conſul geht und ihn bittet, dieſen gordiſchen Knoten durchzuhauen. Dieſe Paßpladereien find für die Unterthanen des Vicekönigs unendbar und ein wahrer Ruin. Ein armer arabifcher Diener muß oft den Gehalt eines Monat3 Hingeben, um nur abreijen zu können. Auch Hilft es ihm gar nichts, bereit3 allen Anforderimgen in Cairo genügt und bort die Verficherung erhalten zu ha= ben, damit fei num für die Staaten des Vicekönigs Alles abgemadt. Uns barmherzig wird er in Suez wieder denfelben Bladereien unterworfen, fieht fich einer doppelten Ausgabe und Zeitverluft gegenüber und muß froh fein, wenn er nicht jhließli unter irgend einem Formfehler⸗Vorwand nad Cairo zurüdgeihidt wird, wie ed meinem armen nubiſchen Diener Ab- duldmedſchid ging, der einen zweimonatlihen Gehalt zwiſchen Cairo und Suez auögeben mußte, ehe es ihm gelang, polizeigemäß dazuftehen.

Alle diefe Freuden blühen dem Reifenden nur in Suez, weil diejes eben auf der Höhe der „Eivilifation” fleht. Hat er aber einmal dieſen Drt Hinter fich, jo ift Alles wie abgeſchnitten. In keinem einzigen andern Hafen des Rothen Meeres wird er mehr beläftigt, außer allenfalls des Ge- päds wegen, aber ein gutangebracdhter Bakſchiſch verfehlt hier jeine Wir- fung nie.

v. Malgan, Welfe nah Güdarabien. g

Reife nah Hradien.

Sechſtes Capitel. Ein Pilgerſchiff.

Pilgerreiſe vor dem Ramadaͤn. Tuürkiſche Pilger. Enge Verpackung der Bil:

ger. Die Metuafin. Die Lebemänner des Orients. Der. Zemzemi. Brodneid der Pilgerfübrer. Schulmeifterei alter Türken durch fnabenhafte Führer. Das religidie „Geſchäft“. Unmifienheit der Pilger. Vorurtheilsfreiheit der Me tuafin. Sie wollen deutſche Untertanen werden. Belehrungsverjude. Der alte Belehrer. Langmeilige Predigt. Gründe für Belehrung zum Islam. Die Javanejen. hr Schmutz. Ihr Reichthum. Wetteifer der Metuafin um die Javaneſen. Todesfälle auf dem Pilgerſchiff. Sonderbare Beſtattung. Ankunft in Jambo. Unficherheit der Gegend. Der Hohe türkiſche Beamte und ſein unverſchämter Beſchützer. Ein entarteter Beduine. Beſuch in Yambo. Der Statthalter. Der Baſar. Pilgereinkleidung auf der Weiterfahrt. Die Beichtväter des Islam. Yhre intereffirte Nachſicht. Ankunft in Dſchedda. Faulheit der Zollbeamten. Leiden der Pilger.

Wir ftanden am Vorabend des heiligen Monats Ramadan. Die Pil- gerfahrt war jomit noch über zwei Monate fern. Uber bei vielen Mos— lems befteht die Sitte, die Reife jehr früh anzutreten, um dies nicht im Faſtenmonat thun zu müflen und legtern in Mekka oder in Medina zubrin- gen zu können. Namentlich die entfernter Wohnenden pflegen am Aller: früheften einzutreffen.. So mar denn der Hegäz, das Schiff, das mid nad) Dſchedda tragen follte, auch dicht mit Pilgern bepadt, die meiftentheils „weit her“ waren. Die Türken berrfchten vor, namentlich) die aus Rumili und Bosnien. Dann war Java durch eine Heine, aber ausgeſucht ſchmutzige Golonie vertreten. Dieſe Leute mußten, da die directen Yahrten von Oft: indien nad) Dſchedda erft nad) dem Ramadan beginnen, alle den Ummeg über Suez nehmen, jomit diefelbe Strede, d. b. die Hälfte des Rothen Meeres zweimal befahren. Endlich fehlte e8 nicht an Söhnen der heiligen

Die Pilgerführer und ihr Gefchäft. 35

Stabt ſelbſt, religiöjen Fremdenführern, Metuafin genannt, die die „todte Saiſon“ in Conftantinopel zubringen und dort auf recht „fette“ Pilger Jagd machen, welche fie dann als. menſchliche Bädeder nach) Mekka begleiten.

Diefes Publicum war an 700 Köpfe ftarf und nur dur) Härings- verpadung unterzubringen gemwejen. Sein Yled des Decks oder des Zwi— ſchendecks war frei. Ueberall fromme Pilger, die fih mit ihren Matragen oder Zeppichen da imftallirt Hatten und nieht vom Plate wichen. Da aßen, ſchliefen, beteten fie, raſirten, wuſchen fie ſich, die meiften glüdlicher- weile im Freien. Zmeihundert befanden fich freilich im Gepädraum, und dort mar die Atmo|phäre natürlich entſprechend verpeftet. Die große erfte Sajüte dagegen war, außer mir, ganz leer. Alle 36 Kojen ftanden zu meiner Berfügung. Türken und Araber reifen nämlich ſtets nur in dritter Elafje. Bon diefer giebt es übrigens hier verfchiedene Kategorien, je nad) der Stelle im Schiff, wo man einen Dedplat befommt.

Schon am erften Tage wurde ich mit vielen Pilgern befannt. Na- mentlich die Metuafin zeigten fich leicht zugänglich, was mich fehr in Er- ſtaunen ſetzte, denn als ich meine Pilgerfahrt machte, hatte ich fie als fehr fanatifch fennen gelernt. Freilich jpielte ich damals jelbft den Moslem und dem Pilger gegenüber mußten fie die religiöfe Seite heraushängen. Heute lernte ich fie don ihrer weltlichen. Seite kennen und diefe war, meiner Treu, gar miht unangenehm. Dieſe hochgeachteten religiöfen Perfonen, denen die unwiſſenden Pilger immer mit dem tiefſten Reſpect, wie Heiligen, entgegenlommen und deren „Geſchäft“ die Religion ift, find eigentlich Die wahren Lebemänner und Weltleute des Orients. Sie fommen mit fo vielen und fo vielerlei Menjchen in nähere Berührung, fie reifen felbft fo viel, um ihre guten Kunden aufzujpüren, daß ſich, wie bei den meilten PVielgereiften, -Borurtheile und infeitigkeiten bei ihnen abjchleifen. Der Fanatismus bleibt nur noch ein Amtskleid, dag gelegentlich angezogen werden muß, um den Hunden zu imponiren. Iſt das nicht nöthig, fo find fie die Tiebenswürdigften Menfchen, namentlich die älteren und routinir= teren, denn unter den jungen findet man noch „ungejchliffene Diamanten“.

So war aud unter diejer Heinen Schaar ein brauner Jüngling von den Zemzemiya, d. h. den MWächtern des heiligen Brunnen Zemzem. Ihr Beruf ift erblich und fie gehören fomit zu einer Art von religiöjen Adel, jedoch von untergeordneter Claſſe. Demgemäß bilden auch fie einen Gegenftand der Berehrung. Dieſem Umftand verdankte unſer brauner Zemzemi, dab ihn die Metuafin duldeten, obgleich fie, ſowie er den

g*

36 Religiöfe Schwindeleien.

Rüden wandte, fich bitter über ihn beilagten, daß er ihnen ins Handwerk pfuſche, wozu er gar feine Berechtigung habe. Der junge Zemzemi war nämlich vorigen Sommer auf eigene Fauſt nad) Stambul gereiſt, Hatte: dort den Metuafin zwei reiche alte Türken mweggefilcht, die er nun Slaubenslehrer und Führer begleitete. Es war fehr komiſch anzufehen, mit welchem Nefpect die zwei weißbärtigen Greife und ihr zahlreicher Troß bon weißen und ſchwarzen Sklaven dem halben Knaben zuhörten, wenn a ihnen die Pflichten der Pilgerfahrt außeinanderjeßte, ihnen vorbetete, da3 Softüm erllärte u. |. wm. Er war ihr Oelgötze, wurde gehätſchelt und ge füttert und dabei wie ein Heiliger „verehrt“. Sein geiftliher Hochmuth war denn auch nicht gering. Mich würdigte er feiner Anrede und nahm es jehr übel, wen ich zuſah, wie er einen alten Türken fchulmeifterte, ihn fih aus- und anziehen, wafchen oder den Kopf rafiren ließ, gerade wie wenn er ein Find geweſen wäre. Deinem ungläubigen Auge gönnte et nicht den Anblid diefer heiligen Berrichtungen.

Meine Belannten, die Metuafin, waren das gerade Gegentheil von diefem jugendlichen Fanatiker. Oft, wenn wir in der köſtlichen Abendluft auf dem Ded beiſammen jaßen, rauchten, Kaffee tranken und plauderten, kam es vor, daß irgend ein frommer Pilger fie unterbrach, um fich „geil: lichen Rath” zu holen. Das „Geſchäft“ verlangte, daß fie fich ihm mid meten. Dies gejchah auch ſehr geſchäftsmäßig und wurde rajch abgemadtt, dem Pilger eine Ermahnung gehalten und ihm fchnell etwas vorgebeiet, was diefer oft ganz faljch wiederholte. Ich bemerkte dies, aber die Metuafin lachten nur dazu, und verficherten mir, es fei zu viel verlangt, wenn fie den Pilgern das richtige Nachſprechen beibringen follten. Die gute Abficht müfje das Mangelhafte der Worte entfehuldigen. Einer geftand mir fogar ganz offen, e& ſei gar nicht gut für fie, wenn die Pilger das ganz richtig lernten. Sie könnten fonft leicht ihren Verwandten die Metuafin entbehrlid machen. Die Pilgergebete find nämlich andere, als die gewöhnlichen, umd nur den Mekkanern oder jehr erfahrenen und gelehrten Pilgern, die ſchon einmal in Mekka waren, befannt. Die Ungelehrten lernen fie nie richtig und ‚bedürfen immer und immer wieder eines geiftlichen Fuhrers. Die macht das Amt der Metuafin unentbehrlich und einträglich.

Diefe guten Leute waren anfangs fehr erftaunt über meine Kennmiß der Gebräuche der Pilgerfahrt. Ich Hütete mich natürlich ihnen zu fagen, daß ich fie mir an Ort und Stelle geholt hatte. Jedoch waren fie weit entfernt, Verdacht zu ſchöpfen, und fanden e8 ganz erflärlich, als ich ſagie,

Mohammedanifhe Belehrungsverfuche. 37

ih verdante meine Kenntniß ganz ähnlichen Gefpräcdhen, wie dem, das ich eben mit ihnen führte Sie ſprachen nämlich ganz ungenirt mit mir von allen Heiligthümern und nahmen fein Blatt vor den Mund.

Wie weit ihre Vorurtheilsloſigkeit ging, zeigt der Umſtand, daß zwei Metuafin mich einmal bei Seite nahmen und mich hoch und theuer baten, ih möchte ihnen doch das Protectorat unſers Conſulats verfchaffen. Ste wollten nicht mehr türkische Unterthanen fein, lieber die eines europäiſchen herrſchers. Bei dieſen allein ſei Gerechtigkeit zu finden. O Schatten des Propheten! drehe did im Grabe um, wenn deine Heiligen eine foldhe Sprade führen! Leider mußte ich ihnen gejtehen, mir Deutichen feien war nicht mehr ganz dieſelben politiichen Ajchenbrödel, wie früher, aber ziis nah Mekla reiche doch unfer Arm noch nicht. Sie follten es Tieber nit England verfuchen, der einzigen Macht, die in Arabien rejpectirt ift.

In der furzen Zeit unfers Beiſammenſeins entipann ſich wirklich ein anz freundfchaftfiches Verhältniß. Der befte Beweis Davon war, daß fie einige mſchuldige Bekehrungsverſuche anftellten. Der Moslem ift heut zu Rage ein Profelgtenmader. Da er aber feinen Glauben für eine Wohlthat mfieht, fo fucht er diefe feinen Freunden zu verichaffen. Darum ift ein zekehrungsverſuch vor Allem ein Beweis von Freundſchaft. Nebenmotive, vie das, mir als Metuaf zu dienen und dadurch viel zu verdienen, mochten atürlih meine Belannten auch mitbeftimmen.

3u dem Zweck wurde ein uralter Metuaf, der jonft ſchweigſam abjeits r&, mit ins Geſpräch gezogen. Diejer hatte nämlich ſchon einmal, wie es ieß, einen Chriſten und zwar einen polnifchen General nebft Frau befehrt nd wurde vulgo „der Bekehrer“ genannt. Aber damit hatte man das nrichtige Mittel gemählt. Denn diefer alte Stodmoslem begann nun eine langweilige Predigt, daß ſämmtliche Metuafin bald laut ſchnarchten und h mir die Miene gab, gleichfalls zu ſchlummern, bis dies zur Wirklichkeit ade. Lange tönte der Singfang des Prediger in die Nacht Hinein. ein Menſch hörte ihm zu. Aber fein eigenes gläubiges Gemüth mochte eje Gelegenheit, fi) auszusprechen, nach Herzenäluft genießen.

Die Gründe, melde mir diefe Metuafin für meine Belehrung em- ablen, waren übrigens keineswegs afcetifche, nicht einmal religidje, fon- zn, wie fie jelbft, durchaus weltmänniſch. „Du Tannft dann Mekka und Bedina fehen, was gewiß intereflant ift, auch ganz Arabien bereifen, wo noch viel Unbelanntes giebt; kannſt alle Genüffe der Mohammedaner it denen der Chriften vereinigen, nebenbei auch europäifchen Schuß nad)

38 Javaneſiſche Pilger.

wie vor genießen, demn viele indische Moslems kommen ja auch nad) Meta und felbft dort fchüßt fie England. Du verlierft alfo gar nichts, denn als Moslem kannſt Du in Europa, nicht aber als Ehrift in Arabien reiten.“ Man Sieht, ihre Propaganda war gar nicht ungefchidt. Sie ſprachen ten Wort von den Huris des Paradieſes, die man erft in der zufünftigen, jon- dern nur von Dingen, die man in diefer Welt genießt.

Die Javaneſen bildeten einen bejondern Anziehungspunkt für die Metuafin. „Diefe Leute,” To jagte man mir, „jehen zwar wie Bettler au, find aber aus Gold gemacht.“ In der That fahen fie jchredlich aus, Halbnackt und von Schmug und Ungeziefer bededt, lagen Männer und Frauen durcheinander. Ihr ewiges Klauen von Bethel oder von Tabad, womit viele abmwechfelten, und das daraus erfolgende Herumjpuden macht ihre Nähe ganz befonders miderlihd. Ihre rauen waren unverſchleiert und gingen mit den Männern vor Allee Augen ungenirt um, ganz der moslemiſchen Sitte zuwider. Ws ich die Metuafin darauf aufmerkfam machte, hieß es: „fie find unwiſſend.“ Damit mar Alles entſchuldigt. Auch Tegten fie gar nicht das Pilgergemwand an. Zur Entfehuldigung hieß es „fie ſeien Schäfei und die hätten das nicht nöthig“, obgleich ich fehr viele Schäfe i kannte, die ſich regelmäßig einfleiveten. An den Javaneſen entichuldigte man Alles. Ihre einzige Speife ſchien roher Kohl zu jem, den fie in Suez gefauft Hatten und den fie auf jehr unreinlicde Art vers zehrten. Uber „fie waren reich“, jo hieß e8 und das machte fie jehr in- terefjant. „Sie fchleppen ganze Säde voll Gold mit fi, die fie unter ihrem Gefäß halten,“ fagte mir ein Metuaf. Wllerdings müſſen dieſe Leute viel Reifegeld mitführen, denn die Hin- und Rückreiſe Toftet jedem Einzelnen oft an 1000 Thaler, felbft auf dem letzten Pla, und dabei ſchleppt mander eine Familie von act, zehn oder zwölf Perſonen mit fi.

„Das Beſte an ihnen ift,“ ſagte mir ein Metuaf, „daß keiner ein Sie benswörtchen Arabiſch Tann.“

„Wie werdet Ihr denn mit ihnen fertig?“ fragte ich.

„O, das geht durch Zeichen,“ meinte er lachend und machte ba die Bantomime des Geldzählens.

In der That ift es ſprichwörtlich, mie diefe Leute in Mekka au geplündert werden. Zum Glüd haben fie meift ihre Billette zur Rückreiſ ſchon im Voraus gelöft, jonft würde die Mehrzahl in Mekka ſitzen bleiben Manche richten fih übrigen? jo ein, daß fie über ein Jahr ausbleiben

Todesfälle unter den Pilgern. 39

und jo zwei Pilgerfahrten mitmachen, und ehren dann mit boppeltem Hei⸗ ligenſchein nad Java zurüd,

Da diefe Javaneſen noch nicht in „feiten Händen“ maren, fo hatten die Metuafin gemonnenes Spiel. Aber au Hier fpielte ihnen der braune Zemzemi, der feiner Hautfarbe wegen (er mußte Negerblut in ſich haben) den Javanefen gefiel, den Streich, ihnen einen beſonders widerlichen, aber „auf Gold ſchlafenden“ Kröſus wegzufiſchen. Der Junge hatte entfchie- dene: Glück. Er brachte es fogar dahin, daß der Javaneſe ſich wuſch, was allgemein für ein Wunder galt.

Trotz der im Ganzen günftigen hygienifchen Bedingungen der Reife, denn die Meiften lebten in freier Luft und die Temperatur mar gemäßigt warm (Nachts etiva 18° R.), kamen doch einzelne Todesfälle vor. Sein Wunder, denn mande Pilger verlaflen Fran, oft todtkrank, ihre Heimath. Geligfeit für fie, wenn fie auf der Wallfahrt fterben! Der erfte Fall betraf einen reichen alten Kaufmann aus Yemen, reich, wie man nach feinem Zode entdedte, denn gekleidet mar er wie ein Bettler, lebte auch fo. Uber er trug in einem um den Leib gejchnallten Ledergürtel 500 Pfund Ster- Img in Gold, und in einer alten Bretterlade, feinem Reifetoffer, befand fich ein großer Sad voll Thaler. Dies jämmtliche Geld murde „aufgehoben“, d. h. in Dſchedda dem Pascha überliefert, der die Verwandten des Ber- ftorbenen zu ermitteln verſprach. Diefe erfahren natärlich in dieſem und ähnlichen Fällen fpäter etwas von der Sache, aber alle ihre Reclamationen bleiben umjonft. Was in die Hände eines Paſchas geräth, ift untmieder- bringlich verloren. So flarb auch während meines Aufenthalts in Dichedda eine alte Ticherkejlin, die man für eine ganz arme Yrau gehalten hatte. Über fie mar einft die Sklavin eines reihen Mannes geweſen und hatte viel Schmud verfiedt. Nach ihrem Tode fand man bei ihr in alten Zumpen eitva 100 Gewichtpfund Goldſachen, die natürlich auch wieder die Beute des Paſcha wurden. Bon einem Fiscus ift nur: auf dem Papier die Rede. Der wirkliche Fiscus ift der Paſcha, wenn's aufs Einnehmen an« fommt.

Am zweiten Morgen ftarb ein Heiner Knabe, der zu viel unreifes Obſt gegeilen hatte. Unreifes Obft, das ift die Paſſion aller Türken und Araber. Beide Leichen wurden fogleich eingefenkt, die Körper in Leintücher geridelt, das Faͤtiha von allen Pilgern gebetet; eine regelmäßige Beerdigungdproceffion fand ftatt bis an den Schiffäfiel, wo einige Matrofen die Leihen auf einer Stridleiter hinab bis an die Meereöfläche trugen,

40 Stellung der türfifchen Beamten.

nicht warfen. Dort ließ man fie weiter ſchwimmen, um bald die Beute der vielen Haififche zu werden. Eine Beichwerung durch Steine, Kugeln ıc. fand nicht ftatt.

Am dritten Nachmittag landeten wir in Yambo, der Hafenftabt Me- binad. Hier fliegen etwa 200 Pilger aus, die den Ramadaͤn in leterer Stadt zubringen wollten. Bei Weiten die Meiften blieben jedoch, da bie eigentliche Medinafahrt ſpäter ifl. Unter den Ausfteigenden befand ſich auch ein Hochgeftellter türfifcher Effendi, der eine wichtige Regierungsftelle in Medina bekleidete. Uber meld’ eine erbärmliche Rolle fpielen viefe Beamten in der zweitheiligen Stadt des Islam, die noch viel weniger dem Sultan unterworfen ift, ala Mekka. Ueberall ſonſt find die Beamten die Tyrannen, in Medina find fie die Diener. Sonft treiben fie Steuern ein und erpreffen Geld für ihren eigenen Beutel, hier aber find fie die Zahl— meifter der Summen, die der Sultan den Beduinen geben muß, damit fie die Karawanen ungeftört und ihm ſelbſt den Schein feiner Oberhoheit laſſen.

Ein ſolcher höherer Beamter, der viel Geld mit ſich führt, kann ſogar nicht einmal von Yambo nach Medina reiſen, ohne vorher mit den Be— duinen pactirt zu haben. So war & aud bier. Man hatte eigens einen Häuptlingsfohn nad Stambul fommen laſſen, um das Paflagegeld des Effendi zu ftipuliten und diefem auf der Reife als Schub zu dienen. Der Häuptlingsfohn war ein jogenannter halbeivilifirter Araber, der ge= wöhnlich in ‘Medina lebte, wo fein Vater als Delegirter ſeines Stammes die Baflagegelder der Reifenden einzutreiben hatte. Er Eleidete fich ſtädtiſch, feine Phyfiognomie hatte auch nicht vom Beduiniſchen. Er war fett, was bei den eigentliden Nomaden Niemand if. Diejer übrigens ſehr rohe. junge Bebuine, der wie mir ſchien nur zu viel in Städten gelebt hatte und ftädtifche Lafterhaftigfeit mit beduiniſchem Trotz vereinigte, war das höchft unwillkommene Anbängjel an den Effendi. Lebterer, ein jehr feiner alter Herr, durchaus der Typus eines höhern Givilbeamten, der mit großem Staat reifte, drei Tſcherkeſſinnen, viel Sklaven und Diener mit fi führte und von allen Pilgern ſehr refpectirt wurde, mußte fi) von dem Beduinen eine höchſt burfchikofe Behandlung gefallen laſſen. Gewöhnlich efien vor- nehme Leute auf der Reife allein. Aber der Effendi mußte den Bebuinen mit fich efjen laffen, wobei diefer die unanftändigften Manieren entmidelte, Dabei gab der Kerl noch zu verftehen, daß er eigentlich dem Effendi eine Ehre erweiſe, einem bloßen „Schreiber“, wie er den Givilbeamten nannte.

Der Statthalter von Yambo. 41

Civilbeamten werden von den kriegeriſchen Bebuinen natürlich jehr tief ge- ſtell. War es ſchon jo auf dem Dampfſchiff, wie mochte es erft in der Wüfte werden, wo der Beduine auf feinem Grund und Boden war. Auch ſah ih jpäter den Effendi mit ſehr ſaurem Geficht feine Kameelreiſe an- treten, während fein „Beſchützer“ die ganze Geſellſchaft commandirte und als „Berpadung” behandelte. Uebrigeng mar diefer Menſch in feinem ein⸗ jigen Stüd mehr ein unverfälſchter Bebuine. Einem foldhen klebt immer rimas Ritterliches ar, hier aber war da3 „Ritterliche” in Unverfchämtheit und unerträgliche Selbftüberhebung ausgeartet, die, je jünger ber fie zur Schau Tragende ift, defto mehr verlegen muß.

Yambo ift jehr im Verruf; wie mir jcheint, übertriebener Weife. Man rieth mir allgemein davon ab, ans Land zu fleigen. Ein Europäer Önne dort gar nicht mit Sicherheit herumgehen, hieß es. Ich ſchicke jedoch um Mohafiz (Statthalter) und ließ anfragen. Die Antwort war eine Einladung. Der Mohaͤfiz ift ein türkifcher Beamter, deſſen Macht ich Übrigens sicht über die Stadtmauern hinaus erftredt und aud innerhalb diefer oft rwoblematifeh if. Da er aber eine albanefifche Leibwache bat, jo kann er inen Fremden menigftens in den Bafarftraßen der Stadt ſchützen.

Ih wurde im Regierungshaus ſehr gut empfangen. Neben dem Rohafiz ſaßen einige Häuptlinge der Gehaina-Bebuinen, die zwiſchen Nambo und Medina (au in Yambo en Nachl) wohnen. Sie waren leichfalls des Effendi wegen da und follen ihn ſpäter fchredlich aus— eplündert haben. Es waren jehr ftattlihe Geftalten in reihen Coſtümen. Bei ein Unterſchied, dieſes reiche Eoftüm gegen die ſprichwörtliche Ein» ohheit der meiften Nomaden! Uber dergleichen findet man nur in ber degend von Mekla ımd Medina, denn in feinen anderen Städten wird in folder Coſtümluxus getrieben, wie in den heiligen. In Mella gilt e& ir höchſt unanfländig, mit denjelben Kleidern herumzugehen, die man auf er Reiſe trug, und ſeien letztere noch fo werthvoll. Diefer Lurus hat auch ie Beduinen angeftedt, natürlich nur die Häuptlinge und ihre Sippfehaft, ie allein Geld haben.

Der Mohafiz ließ mich darauf von feinen Albanefen in Yambo her⸗ mführen. Die Stabt iſt wie ein einziger großer Zaden, wo man Alles aben Tann, was zur Landreife nad Medina nöthig if. Ich ſah eine anze lange Straße, wo ein Laden fi an den andern drängte, in denen ur Kameelftride, Sättel, Tragkörbe, Stöde, Trinkgefähe, verlauft wurden. inige Läden boten eine feltfame Waare. Es waren dies Mufcheln von

42 Lebhafter Verkehr in Yambo.

recht hübſcher Form, durchlöchert und an einem Lederriemchen hängend. Sie ſind die unfehlbaren Talismane gegen den böſen Blick für Kameele. Kein Kameel in Hegäz, das nicht feine Muſchel hätte. Un Brod, ben befannten dünnen runden Zeigen, Hammelfleiſch, gepreßten Bacra-Datteln, und berborrten fleinharten Higäzi-Datteln, die nur jehr Starke Zähne aufbeißen fönnen, ſowie an vortrefflichen Fiſchen war Ueberfluß. Hühner und Eier waren ſelten und theuer. Kaffeehäuſer gab es im Menge. Wechslertiſche befanden ſich in jeder Straße. Das ſchändliche ägyptiſche Bronzegeld hat hier keinen Curs. Da das türkiſche Kupfer noch geſuchter iſt, als Silber, jo ſieht man faft nur letzteres, die hübſchen ſilbernen Piafter von Stambul, als fleine, und die Maria-Therefia-Thaler (hier 26 tür: kiſche Piafter werth) als große Münze.

Trotz diejer Lebhaftigfeit hat der Bafar jedoch ein Tehr unſcheinbares Anſehen, da durchaus feine Luxusſachen, ſondern eben nur die allernoth⸗ wendigſten Reiſeutenſilien verkauft werden.

In einem Kaffeehaus wurde ich auf ſehr gefällige Weiſe angebettelt | Ein Knabe und ein Mädchen ftellten fi vor mid, ſprachen einen Gruß | und reichten mir dann die Hand, verlangten aber gar nicht. Erſt die: Albaneſen mußten mir jagen, daß, da ich ihren Handſchlag angenommen, ih nun verpflichtet fei, fie zu befchenten. Sie waren übrigens Fremde, junge Pilger, die fich in moslemiſchen Ländern immer leichter durchbetteln, al3 alte. Die Leute von Yambo find zu ſtolz, um zu betteln.

Bon jener Rohheit der Bewohner von Yambo, meldhe frühere Reifende (wie Rüppel, Burfhardt) fehildern und die ich zum Theil jelbft im Jahre 1860, zur Seit meiner Pilgerfahrt, noch ſah, fiel mir diesmal nichts auf. 3 ſah nicht einmal die berüchtigten Krüttel, ohne deren einen fein Yam- baumi früher herumging. Es ſchien mir vielmehr, al3 habe mit der Zeit der Handelsgeiſt auch hier, wie überall, verföhnend und die Raubheiten ab-. glättend gewirkt. Die Leute. leben ja von den Fremden. Warum jollten. fie nicht endlich jene gejelligeren Manieren gelernt haben, welche jeder ge: fittete Handelöverfehr mit fi bringt? Mir ſchien es wenigftens, als Habe man in diefer Richtung Yortichritte gemacht.

Sonft ift die „Stadt“ Yambo durchaus nicht verändert, jondern im Mefentlichen paßt auf fie noch die Befchreibung, die ich in meiner „Wall: fahrt nach Mekka“ entworfen habe.

Die Naht war kühl auf der Rhede von Yambo, jehr verſchieden von der auf dem offenen Meer. Wir flanden eben hier ſchon unter dem Em

Die Cinfleidung mit dem Pilgergemand. 43

fluß der nordarabiihen Landtemperatur und ihren gemaltig wechſelnden Extremen. Mander arme Pilger fror entſetzlich in feinem dünnen Anzug und freute fih, den füdlicheren Regionen zu nahen. |

Zwiſchen Yambo und Dſchedda war das wichtigfte Geichäft die Ein- Heidung der Pilger. Dieſe fmdet auf der Höhe von Rabegh flat. Das Wachen der vielen keineswegs fehr reinen Haggag machte freilich das Ded für einen halben Tag unbewohnbar, fo daß ich mich in die ſchwüle Gajüte zurüdziehen mußte. Als ich wieder herausfam, war eine gewaltige Meta⸗ morphofe vor fi) gegangen. Sämmiliche Haggäg (Pilger) hatten fi) in ſchneeweiße Tücher gehüllt, eines als Lendentuch, eines als Ueberwurf, (der bekannte Ihram), Kopf und Füße waren nackt, alle waren gewaſchen, raſirt und ſahen ganz reinlich aus. Dies am erſten Tage. Schon am zweiten hatten manche Ihrams die Farbe der Kohlen des Dampfſchiffes entlehnt. Sept nahm das Beten fein Ende mehr, jo daß es fogar den Metuafin langweilig wurde.

Den Türken war die Pilgertracht mitunter ſehr Täftig, ja gejunbheits- gefährlich, da fie meift an da8 Fragen vieler und dicker Kleider gewöhnt iind. Mande waren jo gemwifjenhaft, auch des Nachts ſich mit keinem Mantel zu bededen, was vielfadhe Erfältungen zur Folge hatte Auch Sonnenftihe famen vor. Doch was find foldhe Leiden für den gläubigen Moslem, dem das Paradies winkt, wenn er auf der Wallfahrt ftirbt?

Ich ſah übrigens, wie manche weniger bigotte Pilger fi allerlei Verſtöße erlaubten. Yreifih confultirten fie immer vorher die Metuafin, die fo zu fagen jebt Beichtväter geworden waren. Aber es waren jehr nachfichtige Beichtväter, die immer eine Entihuldigung für den Verſtoß fanden, den fich ihr Beichtkind erlauben wollte. Namentlich in einem Punkt wich die Mehrzahl der Türken von der firengen Regel ab. Sie trugen nämlich faft alle fehr breite lederne Geldgürtel, die zugleich) den Dienft von Schatzbeuteln und Leibbinden verfahen und faft den ganzen Bauch dedten, ſowohl hygieniſch wie finanziell empfehlenswertb, aber eigentlih durchaus regelwidrig. Jedoch die Metuafin erlaubten e8, empfahlen nur, den Ihram über das Leder zu ziehen, jo daß man biefes nicht fähe.

„Die Leute,“ ſagte mir ein Metuaf, „müflen freilich für dieſen Verſtoß ein jeder ein Schaf opfern,” und machte dabei eine ledere Miene, denn dadurch bot fich ihm die Ausficht auf eine unendliche Reihe unentgelblicher Schmäufe.

Wahrhaft komiſch war ein junger Wlerandriner, der alle Augenblid

44 Schlechte Behandlung der Pilger.

zu meinem beften Belannten unter den Metuafin Tam, ganz offen mit der Anrede: |

„sh möchte mir gern einen Berftoß erlauben. Darf id das“

Gewöhnlich handelte e8 ſich dann um ein Paar Strümpfe, Schube, einen Sonnenfehirm oder fonflige dem frommen Hädg verbotene Gegen- ftände, die der verweichlichte Städter ungern entbehrt. Aber der Metuaf war milde, wie Honig, und gab faft immer die Erlaubnig zu dem „Ber- ſtoß“. In Folge diefer vielen „Berftöße” ſah der Merandriner zulebt gar nicht mehr aus, wie ein eingefleideter Pilger.

In Dſchedda erwarten den frommen Pilger allerlei officielle Plagen, worunter die des Zollamts ſich bejonder8 unangenehm fühlbar machen. Was ich felbft einfl, auf meiner Wallfahrt, dadurch gelitten, habe ich ander- wärts befchrieben. Aber jebt ward ich Zeuge davon, daß für die Dampf- Ihiffpaffagiere diefe Torturen noch complicirter find. Die Dampfichiffe müfjen nämlich des feichten Uferwaſſers wegen fo meit von der Stadt halten, daß man oft anderthalb, jelbft zwei Stunden braucht, um von ihnen nad) Dichedda zu kommen. Yährt ein Pilger des Nachmittags ans Land, fo rißfirt er in den meiften Fällen, das Zollhaus überfüllt oder Schon geſchloſſen zu finden, und doch kann er nicht wieder an Bord, wie bei einem Segelfchiff, da die Dampfichiffgejellichaft dies nicht geftattet. In die Stadt kann er aber auch nicht, fondern muß draußen im Freien, zwi⸗ ihen Meeresſtrand und Stadtthor, übernachten. So ging es unferer ſämmtlichen Geſellſchaft, die obgleich ſchon um 3 Uhr Nachmittags beim Zollamt angelommen, dennoch von den faulen Beamten auf morgen ver- wiefen wurde. Dieſe moslemiſchen Stoiker fügten fich freilich ohne Murten in ihr Schickſal und ließen ſich auf dem Korallenfirande für die nächften 16 Stunden wohnlih nieder. Mir war indeß diefer Stoicismus nicht eigen. Zum Glüd Hatte ih auf dem Schiff einen Triefliner, einen ber wenigen in Dſchedda lebenden Europäer, Tennen gelernt, der die Beamten kannte, und mir vorſchlug, mich) fogleih dur das Zollamt und in fein gaftlihes Haus zu befördern. Ich nahm diefen Vorſchlag mit Dank an, und mwährend Herr Rolph, mein neuer Belannter, mit den Beamten, die in vollem Diwan, einige zwanzig Köpfe ſtark, ſehr pomphaft daſaßen und trog der vielen Geſchäfte, denen fie ſich eigentlih hätten widmen follen, „dolce far niente“ trieben, Kaffee trank und unfere Zollangelegenheit be= ſprach, führte ih auf jeinen Wunſch feine Frau duch die Straßen von Dſchedda nad) ihrer am andern Ende der Stadt gelegenen Wohnung.

Europaͤiſche Damen in Dſchedda. 45

Eine europäifhe Dame ift in Dſchedda immer noch eine großes Auf- ſehen erregende Erſcheinung. Madame Rolph, obgleich feit einigen Jahren bier wohnhaft, geht doch faft nie aus, und außer ihr gab es zur Zeit nur noch eine andere Dame, die Frau des franzöfiichen Conſuls. Deshalb wurden wir ganz gehörig angeftarrt, al3 wir mitten am Nachmittag durch den bielbelebten Bajar fchritten. Aber der Fanatismus hat doch aud bier Thon etwas nachgelaffen, und es blieb bei gemurmelten Verwünſchungen und kam nit zu offener Beihimpfung, worauf man fi auch gefaßt Halten mußte. So gelangten wir ohne Unfall in das jchöne Haus meines freundliden Wirthes, mo fich orientaliiche Zimmereinrichtung mit euro- päiſchem Comfort in höchſt harmoniſcher Weiſe gepaart fand.

Hegaz

Siebentes Capitel. Dſchedda.

Vortheilhafte Veränderung der Stadt. Die Choleracommiſſion. Das Hütten: gewirre. Die Proftitution und ihre Viertel. Die Hüttendörfer. Steinhäufer. Schöne Bauart. Acht arabiſche Hauseintheilung. Einwohnerzahl. Ihre Beitandtheile. Die Doaner aus Hadramaut. Die Handelögenies Arabiens. Yanatismus und Mißtrauen gegen Reifende Eigenthümlide Namen. Die grie: chiſche Colonie. Ein Hotel in Dſchedda. Branntweineinfuhr und Weinverbot. Die Eonfulate. Der Paſcha von Dſchedda. Ein grober alter Türke. Lächer⸗ lie Lobhudelei. Der „VBeihüger der Armen‘. Waflermangel in Dſchedda. Sogenannte Regenzeit. Wohlthätige Stiftungen. Speculationen der Wafler- verfäufer. Die zerftörte Waſſerleitung.

Dſchedda ift nicht mehr, mas es vor zehn Jahren war, ein ſchmutziges, efelbaftes PBandämonium, durch deſſen von Hüttenwerf, mit elender und laſterhafter Bewohnerſchaft, unzugänglihd gemachte Straßen man fich mie durch ein Labyrinth mühſam durchwinden mußte. ine gewaltige Berän- derung ift vorgegangen und bat der Stadt eine im Orient fonft jelten zu findende ordentliche und reinliche Phyfiognomie verliehen. Das ift eine MWohlthat, die es jener fürchterlichen Geißel, der berüchtigten Pilgercholera bon 1864 bis 1865, verdankt. Dieje hatte zum erften Mal dem erftaunten Europa enthüllt, welch eine Giftquelle fih in dem Schmuß von Meta, Mena und Dſchedda zur Pilgerzeit entwidelt, und die internationalen Sa- nitätscommiffionen ins Leben gerufen. Ob im „heiligen Gebiet”, dem Weichbild von Mekka, das nur Moslems bejuchen, die immer, wenn fein Europäer ihnen auf die Yinger fieht, Allee nur halb thun, wirklich etwas Weſentliches für Reinlichkeit gejchehen, ift zweifelhaft. Da fein Europäer

Hygienifche Reinigung der Stadt Dſchedda. 47

dorthin kann, fo wird dieſe Giftquelle wohl jo bald nit mit Stumpf und Stiel auszurotten fein. Aber Dſchedda ift Jedem zugänglid. Hier waren fogar eine Zeit lang europäifche Agenten anmejend. Der Ehrgeiz ber einheimiſchen Behörden wurde dadurch angeſpornt. Um den Europäern zu zeigen, daß man fie eigentlich) gar nicht nöthig habe, thaten fie nun faſt Alles allein.

Das ganze efelhafte Hüttengewirre wurde Hinweggefegt, die Bewohner in verſchiedenen Hüttendörfern in ziemlicher Entfernung von der Stadt an- geſiedelt. Die bier überaus ſtark vertretene Proftitution, jener Heerd phy⸗ ſiſcher und moralifcher Seuche, erhielt ihr Hauptquartier in einem derjelben, etwa 20 Minuten von der Stadt entfernten, angewiefen. Dicht bor den Thoren ließ man nur den unentbehrlihen großen Pilgerbafar auf der Mekkaſtraße beitehen, aber man baute ihn neu, und zwar recht gefällig; er jieht jegt reinlich und Iuftig aus. _

Der hygieniſche Vortheil, den die Entfernung der Hüttendörfer mit fih bringt, macht fich in jeder Beziehung fühlbar. Nicht der geringfte ift der, dag nun die meilten Pilger kürzere Zeit in Dſchedda bleiben, wäh rend fie früher in den Straßenhütten mohlfeile Herberge und lüfterne Ver- lodungen fanden, die fie oft fefthielten. Aber nach den entfernten Hütten- dörfern geht fein Menſch. Nur das Proftitutionsviertel (da3 einen unnenn- baren Namen führt) wird befucht, aber doch jehr viel ſchwächer als damals, da es noch in der Stadt war. In diefer Beziehung günftig ift der Um- fand, daß wegen des Thorſchluſſes der nächtliche Beſuch ſehr erſchwert ift, und die Erfahrung bat gezeigt, daß diefe Pandämonia hauptſächlich auf das Nachtleben angewieſen find. Dieſes Biertel friftet denn auch jebt nur dürftig fein Dafein. Die glänzenden Tage jener Infaflen find vorbei.

So befteht derm Dſchedda jebt faft nur aus Steinhäufern von dem bier überall häufigen Korallenfels. Dieſe Häufer find hoch, meift dreis oder vierftödig und von gefälliger Bauart. Ihre Glanzjeite bilden die kunſtvoll geihnigten großen Holzfenfter, die alle erferartig hervorſpringen und in deren Nifchen die Dimane angebracht find. So viel Tyenfter, jo viel Di- wane. Alle diefe Yenfter find, der Sonne wegen, fehließbar und ziwar durch gitterartig geſchnitzte Holzläden. Luxuriöſe Leute haben doppelte Läden, von innen und von außen. Glasfenfter find gänzlich unbelannt und jelbft die Gonfuln enibehren fie, obgleich der nächtliche jähe Zemperaturmechjel fie doch manchmal wünſchenswerth erfcheinen läßt.

Am Innern find die Häufer gleichfalls ſehr gejehmadvuoll. Alle haben

48 Die Bewohner von Dfchedda.

im Erdgeſchoß eine geräumige, gegen den Hof zu offene Empfangshalle, oft reich mit Stud und Schnigwerk verziert. Die oberen Stodwerfe find in fogenannte Megles (Medfchles) eingetheilt, jedes ays einem Saal und drei oder vier Zimmern beftehend und bejonders verſchließbar, auch meift mit einer eignen, ausjchlieglich zu ihm führenden Seitentreppe.

Seit Entfernung der Hüttenbewohner dürfte Dicheddas Einwohner- zahl fiebzehn- bis achtzehntaufend kaum erreihen. Bielleiht ift auch Dies noch zu hoch gegriffen. Eine Zählung findet natürlich nicht flat. Die flottirende Bevölkerung ift aber defto größer, am größten natürlich) in den Monaten vor und nach der Wallfahrt, doch auch zu anderen Zeiten bringt der Handel hier ftet3 ein lebbaftes Treiben mit fich.

Eingeborene angeftammte Dſcheddauwi giebt es jehr wenig. Ein Drittel ber Bevölkerung ſtammt aus Yemen, ein anderes Drittel aus Hehäz, d. h. den wenigen Städten, die diefe Provinz hat (denn Bebuinen giebt es nicht in Dſchedda), aus Aegypten, Syrien, der Türkei und der Reit befteht aus indiſchen Moslems und Arabern aus Hadramaut. Letztere beiden Claſſen repräfentiren den Großhandelsſtand, den wiätigiten der Stadt. Namentlid) bie Hadrami jpielen eine bedeutende Rolle. Sie find übrigens nicht aus der eigentlich im engern Sinne diefen Namen führenden Landichaft, jon- dern, ſoviel ich erfuhr (und ich lernte ſehr viele Tennen) ausnahmslos aus dem Waͤdi Do an im Bilaͤd beni Iſaͤ, ebenjo wie die flbarabifche Colonie in Cairo. In ihrem Lande nennen fie fi gar nit Habrami, jondern behalten diefen Namen den Bewohnern der Wädi Kesr, Amd und Ra- chiya vor. Aber in Centralarabien verfteht man unter Habramaut ftet3 einen fehr weiten Begriff, und die hier lebenden aner find fo gewohnt, nd Hadrami nennen zu hören, daß fie.oft felbft dieſen Ausbrud non fi gebrauchen, jedoch niemals unter einander, fondern nur Fremden gegenüber.

Sie find die Handelsgenies Arabiend, und das ift um fo merkwür⸗ diger, als e8 in ihrem Vaterland gar feinen Großhandel giebt. Der Waͤdi an if ein an Naturproducten, die jedoch im Lande bleiben, zwar reiches, aber an baarem Geld jehr armes Gebiet. Hundert Thaler bilden dort Schon ein Vermögen. Darum kommen auch alle Döaner, die für eine Zeit lang auswandern, fo zu fagen als Bettler nad) Dſchedda, werden aber dort reich. Es ift ſprichwörtlich, daß ein aner bei feiner Antımft ‚nichts fein nennt, als das Futta (Lendentuch), womit er einen Theil feines zu drei Viertheilen nadten Körpers dedt, und daß er nad) 10 oder 20 Jahren als Hausbeliger, SchiffseigentHümer und nad biefigen Begriffen

Kaufleute aus Hadramaut. 49

als ſehr reicher Dann dafteht. Sie find eben ein durchaus genügfames Bolt, das jede Entbehrung erträgt und feinen, ſelbſt nicht den niedrigften Dienft verihmäht. So findet man zum Beifpiel im Haufe der reichen aner in Dichedda, daß ſämmtliche Diener, ja oft Laftträger die nächften Verwandten des reihen Kaufmanns find, die ihm aus der Heimath nach⸗ geſchickt wurden, damit er für fie forge. Dies thut er, aber er läßt fie nicht müßig gehen, ſondern tüchtig arbeiten. Dafür wendet er ihnen aber Bortheile zu und erleichtert ihr ſpäteres Etabliſſement. Doch ift beim Reichwerden der Dödaner nur fehr Selten gewagte Speculation, die mand;- mal fchneller zum Ziele führt, im Spiel. Nein, dieſer Reichthum ift ein langſam und mühevoll, aber auf fiherm Grund errichtetes Gebäude,

HM ein Doaner reich geworden, fo iſt fein einziger Ehrgeiz ein fchönes Haus. Aber er zieht fich felten vom Handel zurüd. Diejenigen, die in ihr Vaterland zurüdkehren, find faft nie reich, ſondern haben fich gewöhnlich nur ein mäßige® Sümmchen erfpart, auch meift nur kurze Zeit im Ausland geweilt. Ein Doaner Kröſus weiß, daß die Zuflände in feiner Heimath zu unficher für ihn und feine Habe find. Cr behält feine Heimath im Herzen, aber er fucht fie nicht auf. Uebrigens lebt er ja auch in Dſchedda ganz in heimifchen Streifen und gebt faft nur mit feinen Lands⸗ leuten um. Bon Allem, was in feiner Heimath vorgeht, ift er ftet3 genau unterrichtet und verliert nie ein reges Intereſſe an ihr.

Die Dianer in Dſchedda Haben noch ungefchmälert den heimifchen Fanatisınus bewahrt. Während ich mit ihren Land3leuten in Cairo ganz unbefangen von ihrer Heimath reden konnte, gab Hier ſchon die einfachfte Nachfrage danach Anſtoß. Herr Rolph, der, wie die meiften Europäer, nichts von jener geheiligten Unzugänglichleit des Bildd beni Iſa wußte, beging einmal den Berftoß, geradezu zu erzählen, ich hätte ein Bud) dar- über herausgegeben und beabjichtige jelbft, dorthin zu gehen. Das gab lange Geſichter! Yür mic) war dies freilich gleichgiltig, denn ich hatte bald gemerkt, daß aus den Doanern von Dſchedda auch nicht ein Sterbeng- mörtchen herau&zubringen war. Aber ich bedauerte e3 meines Gaftfreundes wegen. Denn feine ganz unſchuldige Bemerfung wurde wie eine ſchwere Beleidigung, ja Läfterung des Heiligen aufgefagt, und ihm war ein gutes Einvernehmen mit den Leuten erwünſcht, da er Gefchäfte mit ihnen hatte. Sch ſuchte nun zu beſchwichtigen und gab vor, mein Freund habe mic falich verftanden. Aber man glaubte mir nicht. Die Gefichter wurden

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v. Malkan, Reiſe nah Südarabien.

50 Induftrie der Bürgerfrauen von Dſchedda.

immer länger! Eifige Kälte brachte das Gefpräd zum Stoden und wir fanden es gerathen, aufzubrechen.

Ich bat nun Herrn Rolph, bei allen den „Ba“, die wir noch zu be- juchen hätten, lieber nur vom Kaffee, jenem unerſchöpflichen Handels- geiprächägegenftand, zu reden, aber ja nicht mehr von der Heimath diefer „Ba“, fo nannten wir fcherzhaft die.Doaner, weil alle ihre Yamilien- namen (Ronia) mit Ba (für ebna) anfangen. Unſere meiteren Bejuche bei den verfehiedenen Bäharum, Bäyageba, Bäjuban u. ſ. w. gingen denn auch ganz gut ab, waren aber etwas langweilig, da inzwijchen der Ra- madaͤn angefangen hatte und dieſe firengen Moslems jelbft am Abend nur ernfte Geſpräche führten oder, was fie und gegenüber am liebften thaten, bewiefen, daß „Schweigen Gold ift“.

Durch Frau Rolph, welche viel in arabiſche Yamilien fam, erfuhr ich bon einer Induſtrie, von der ich bisher feine Ahnung Hatte, da ihre Pro» ducte eben nicht auf den Markt gelangen. Es find dies munderjchöne Stidereien in Gold, Silber und Seide, auf Betten- und Möbelftoffen, welche die Bürgerfrauen, jelbft die reihen, arbeiten. Diefe Frauen find außerordentlich fleißig, nähen und fliden den ganzen Tag. Steine, jelbft die reichfte, verihmäht übrigens den Lohn ihrer Arbeit, jede nimmt auch Beftellungen an. rau Rolph erfundigte ſich einmal bei einer reichen Ara⸗ berin, two fie arbeiten laſſen Tönne, und dieſe wieß fie ohne Weiteres an ihre eigenen Töchter, die fich auch dafür zahlen ließen. Die ArbeitSpreije find freilich mäßig. Sonft beftellen nur Moslems diefe Arbeiten, wofür fie oft Gelegenheit Haben. Es ift nämlih Sitte, die Hochzeitsgemächer (oft ein ganzes Megles) mit in Silber und Gold geftidten Kiffen, Betten und Diwanen zu zieren. Dieſe bleiben nur drei Monate im Gebrauch des jungen Paares, dann Tommen Möbel mit Seidenftideri. _

Die Bürgerfrauen find jehr gefellig und halten oft „Frauenkränzchen“ ab. Sie nennen ſich unter einander „Schecha“, d. h. Aelteſte, was na- türfih nur eine Rangesbezeihnung ift, denn eine Anfpielung aufs Alter nehmen fie fehr übel. Bei diefen „Kränzchen“ firebt Eine die Andere an Koftbarkeit der Kleider und des Schmudes zu übertreffen. Das Nivali- firen nimmt übrigens ſchon auf der Straße feinen Anfang. Jede fucht durch ihr flattliches Gefolge und die Zahl der Laternenträger fi auszu- zeichnen. Eine Dane, die für vornehm gelten will, muß wenigſtens zwei Saternenträger haben und mit was für Laternen! Großen Käfigen, in denen ein Adler Pla hätte, Nur Glaslaternen und Wachslichter gelten

Damengejellihaft. Griechen in Dichedda. 51

für ſtandesgemäß. ft die Dame recht vornehm, jo müſſen in jeder Laterne drei Kerzen bremen. Papier- oder ägyptiſche durchſichtige Zeuglaternen, ſowie Dellampen gelten für ſehr gemein. Dadurch würde eine Dame bei den Beluherinnen des „Kränzchens“ ihre jociale „Stellung“ einbüßen. Yrau Rolph erzählte mir, als fie das erfte Mal ein Kränzchen befuchte, habe fie noch gar nichts Don diefen Standesregeln gewußt und fei mit einem ein- sigen Zaternenträger gelommen. Ihr Unglück wollte noch dazu, daß in der Laterne auch nur ein Delliht brannte. Beim Hingang hatte fie Nie- mand gejehen. Als fie aber nachher mit einigen Damen zugleich fortging, machte da3 geringe Gefolge und der ſchwache Laternenglanz einen fo jchlim- men-Eindrud, daß Alle die Naſe rümpften und fie über die Achjel an- jaben. Ihre „Stellung“ - war ernftli bedroht, aber ihr Mann meinte:

„Run wart, wir wollen die „Stellung“ im Sturm wieder erobern und fie fol jogar höher werden, als die irgend einer Yrau in Dfchedda.“

So gab er ihr denn das nächſte Mal vier Laternenträger, in jeder Laterne drei Wachslichter, mit. Dies erregte in Dſchedda ein foldhes Auf- jeden, daß man ſich zuraunte, die Frau des Großicherif3 ſei angelommen. Den Damen des Kränzchens imponirte es dergeftalt, daß die fo reichlich Beleuhtete von nun an für die erfte „Schecha“ galt. Eine Europderin, die ſolche Geſellſchaften in Dſchedda befucht, Heidet fi dann auch meift orientaliſch ober verſchleiert ſich wenigſtens auf der Straße ganz wie eine Araberin. Nöthig ift es nicht, man fieht aber das Gegentheil ſehr ungern.

Bon twirklihen und angebliden Europäern leben in Dſchedda, die zwei Conſuln, einen franzöfiiden Kaufmann und Herrn Rolph abge- tehnet, nur Levantiner und Griechen und zwar Menfchen der unterften Stände und von etwas zweifelhafter Moralität. Diefe find:

Zwei griehifche Bäder mit einem Badofen.

Neun griechiſche Händler, die zuſammen drei Läden mit Spirituofen und Lebensmitteln befihen.

Zwei griechiſche Viehhändler und Branntmweinverfäufer.

Zwei levantinifche Tabackshändler en gros und en detail.

Ein levantiniſcher Apotheter.

Außerdem lebt noch ein Maltefer hier, der Gerant des „Hotel Ga3- paroli“, eine vom berftorbenen Gasparoli, einem Italiener, gegründeten Gafihofes, der mühſam fein Dafein friftet und hauptſächlich von den Zürfen der geifligen Getränke wegen befucht wird. Natürlich ift das Eta- bliſſement beſcheiden. Ich hörte jedoch nichts Schlechtes von ihm und halte

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52 Europäifhe Confuln und ihre Schußbefohlenen.

es jedenfalls für einen großen Fortfchritt, daß überhaupt ein Gafthaus in Dſchedda eriftirt.

Wie man fieht, handeln die meilten diefer Leute mit Spirituofen und Branntwein. Dies ift überhaupt die Specalität der Griechen am Rothen Meer. Das Seltfamfte bei der Sache ift, daß die Einfuhr aller geiftigen Getränke in Dichebda, weil e8 im weitern Sinne zum „heiligen Gebiet“ gehört, fireng verboten ift. Da aber die türkifchen Beamten und die Gar- nifon den Schnaps nicht enthehren können, fo fieht man durch die Finger und läßt fo viel einſchmuggeln, als e8 den Griechen beliebt. Gegen Wein dagegen hält man das Gefek in feiner vollen Strenge aufrecht, denn dieſer iſt den Türken, die nur des Raufches wegen trinken, zu ſchwach. Es if übrigens ein fürchterlich hitziges Getränk, welches dieſe Griechen feilbieten. Ich Eonnte die eine Sorte von dem bon den Türken getrunkenen Brannt- wein ganz gut als Spiritus für die Theemajchine verwenden:

Es gab zur Zeit meiner diesmaligen Anmejenheit in Dichedda (Ende 1870) dort nur zwei Vertretungen europäifcher Mächte, nämlich bon Eng- land und Frankreich. Lebtere hat nur einen Viceconſul (mit 10,000 Francs Gehalt), der zugleich Arzt und Sanitätsagent der internationafen Commiffion if. Sein Kanzler und erfter Dragoman war früher ein Le= bantiner, ein gewifler Nicola, der feines Wohlftandes wegen hier eine grö- Bere Rolle fpielte, alS der Conſul ſelbſt. In neuefter Zeit hat man jedoch diejes Amt einem Franzoſen, einem jehr gebildeten Manne, der aber nur algierifches Arabiſch fpricht, Übertragen. Nicola ſpielt aber nach wie vor die erfte Rolle unter den franzöfiihen Schußbefohlenen, zu denen hier auch fänmtliche Griechen gehören. Die franzöfiichen Confuln im Orient haben nämlih von jeher ihre Protection mit großer Leichtigkeit anderen Euro- päern gewährt, während die englischen dies faft nie thun. Außerdem Hat der franzöſiſche Conſul ſämmtliche Algierer, deren zur Pilgerzeit ſtets viele fommen, unter feinem Schuß. Der englifche Conful (mit 600 Pfr. St. Gehalt und etwa 200 Pfd. St. Cafualien) befibt jedoch eine noch viel ausgedehntere Clientel, indem alle die zahlreichen Indier und auch viele andere Dftafiaten feinem Schuß empfohlen find. Er war zur Zeit fehon über ein Jahr abweſend und das Confulat in Händen eine armenifchen Dragomans, eines jehr zuverläffigen und Hugen Mannes. Außerdem lebt bier noch ein perfifcher Conſul, der den Titel „Bey“ führt und ein regel- mäßiges confularifches Bureau mit Dragoman, Secretär u. |. m. hat.

Die Verwaltung ift in Händen des Pafhas.non Dſchedda, der wieder

Der Paſcha von Dſchedda und feine Lobhudler. 53

unter dem von Hegäz ſteht. Erflerer war zur Zeit Nuri (für Nür ed Din) Paſcha. Er ift ein alter Arnaute und Stodmoslem, der nur türkiſch und ſchlecht arabifch |pricht, obgleich er ſchon feit 20 Jahren hier lebt. Die Sitte befteht, daß faft alle Europäer ſowie die Honoratioren unter den Moslems ihn oft bejuchen und fogar den Abend bei ihm zubringen, eine etwas negative Unterhaltung, Man fibt in einem großen don Diwans umgebenen Kiosk, auf allen Seiten dem Winde offen, in deflen Mitte eine Laterne fteht, trinkt Kaffee, führt Iangweilige Gefpräche und Hört, wenn der Paſcha guter Laune ift, den Slängen einer Spieluhr zu, die einige italienifche Gafjenhauer ableiert. Der Paſcha Hat übrigens die bei mo- dernen Türken fonft felten gewordene Eigenfchaft, grob zu fein. Iſt ein Europäer nicht jehr. gut an ihn empfohlen, jo Tann er fich gefaßt machen, daß der Paſcha bei feinem Beſuch kaum Notiz von ihm nimmt. Macht man ihm gar incognito Bifite, wie es zwei hochgeftellte Italiener (der eine ift jetzt Marineminifter) vor zwei Jahren thaten, fo thut er, als eriftire man gar nicht, erwidert feinen Gruß und läßt jogar nicht einmal den üblichen Kaffee, dieſes Minimum vfficieller Höflichkeit, reichen.

Ich wurde etwas befler empfangen, da ich ein officielles Empfehlungs- Schreiben brachte. Aber von eigentlicher Höflichkeit war nicht die Rebe. Eines Abends fand ich jedoch den Paſcha in jehr rofiger Laune. Ich ent- bete bald deren Grund. Bor ihm lag ein Stoß von Zeitungen, alle Eremplare einer und derfelben Nummer eines in Merandrien erjcheinenden Journals, worin ein Grieche fein, des Paſchas, Lob gejungen hatte. Und weswegen wurde er belobt? Wegen einer Sache, von ber Jedermann in Dichedda wußte, daß fie ſich ganz anders verhielt, als es das Blatt ſchilderte, nämlich die Entdeckung mehrerer alter Eifternen, deren Waſſer Nuri Pafcha, wie das Blatt ſagte, den Spitälern und den Armen unentgeldlih zuwende. Obgleich nun jeder der Anweſenden wußte, daß Alles, was der Artikel iagte, nichts als lügneriſche Lobhudelei war, fo hörte man doch mit Ge- duld die Vorlefung und Heberfegung ins Arabiſche an, gab ſich die Miene, es zu glauben, und machte dem Paſcha Complimente.

Auf der Straße brach man nachher freilich in ein homeriſches Ge- lächter über eine folche, ſelbſt im Orient faft beifpiellofe Comödie aus. Beim Nachhaufegehen nahm mich ein alter Araber, deſſen Lippen foeben noh vom Lobe de Paſchas übergefloffen waren, bei Seite und

jagte mir:

54 Ausgrabüung von Eifternen. Waſſermangel.

„Willſt Du die Armen ſehen, für die der Paſcha forgt, fo fomme morgen mit mir.”

Da ſah ich allerdings ein ganz andere Bild, als es der Nrtifel Ichilderte. Eine Menge Unglüdlicher, in Eifen gefchloffen, mußte die Auf- grabung einer der neuentdedten Gifternen bewerfftelligen. Ich dachte na= türlich, es ſeien ſchwere Verbrecher, aber mein Begleiter belehrte mich eines Andern:

„Alle diefe Menfchen,” fagte er, „haben nur Kleinigkeiten verbrochen oder find mit den Steuern im Rüdftande. ber der Paſcha benutzt ihre Haft, um fie zum Frohnden zu zwingen und fo unentgeldlih Arbeiter zu haben, die er nicht einmal ernährt. So hat er allerdings fchon einige Cifternen aufgraben laſſen. Was wir aber geftern gehört haben, ift Züge, denn von allen diejen Gifternen hat noch Feine einen Tropfen Waller ge- liefert, da es feit ihrer Aufgrabung noch gar nicht regnete. Webrigens find dieſe Gifternen für die nächfte Regenfailon ſchon verpadhtet und wer⸗ den den Beutel des Paſcha, nicht aber den lechzenden Mund der Armen füllen. Das ift die Weile, wie er für die Armen forgt. Er ſchließt fie in Eiſen und läßt fie frohnden und diefen Gefangenen giebt er nicht ein- mal Wafler, denn fie müflen ſich Eſſen und Zrinten von den Ihrigen kommen laflen.” .

Man mundere fi) nicht, daß auf das Wafler bier ein fo großer Werth gelegt wird, denn in Dichedda iſt's damit jchlechter beftellt, als vielleicht in irgend einer andern Stadt. Es ift lediglich auf die Eifternen angetiefen, deren es allerding3 viele hat, Faſt unter jedem Haufe find deren und bor der Stadt in der Nähe des Evagrabes findet fich ein ganzes Syſtem derfelben. Aber was helfen nod jo viele Eifternen in einem faſt regenlojen Klima ?

Man kann in Dihedda kaum von einer eigentlichen Regengei iprechen. Das, was man bier die Regenfaifon nennt, dag heißt die Mo- nate November und December, verdient nicht jenen Namen. Es ift zivar die Zeit, in der allein es regnet, aber dieſer Regen lehrt in ihr keineswegs regelmäßig wieder. Oft bleibt er Jahre lang aus. Im Durchſchnitt kann man annehmen, daß auf drei Jahre eine wirkliche Regenzeit fommt. Im November 1870, ala ih in Dſchedda meilte, hatten wir zwar täglich Ge- witter, der Himmel war fehr oft umwölkt, der Straßenboden durch den gefallenen Regen fogar in Koth verwandelt, aber troß alledem mar bie Menge de3 gefallenen Regen eine fo außerordentlich geringe, daß mir die

Regenmangel. Speculation mit Trinkwaſſer. 55

Araber jagten, „wir bekommen höchftens den Straßenkoth, nicht aber Waſſer in unfere Cifternen.” Der December fteht gewöhnlich, mas bie Menge des in ihm fallenden Regens betrifft, weit Hinter dem November zurüd. ME ih Anfangs December Dichedda verließ, waren die meiften Leute Schon refignirt, dies Jahr als ein Mißjahr für die Cifternen anzu— jeden. Im November war faft nichts in dieſe gelommen, und im De— cember erwartete man jetzt auch nichtS mehr.

Uebrigens Tann man felbft in günftigen Jahren faum mehr als eine mittlere Füllung der Ciſternen erwarten. Ein Ueberfteigen dieſes Maßes pflegt nur bei Woltenbrüchen einzutreten. Solche kommen allerdings vor, jedoch im Durchfchnitt nur etwa alle 10 oder 15 Sabre einmal. Die mittlere Yüllung verfieht aber die Stadt genügend nur für 7 bi8 8 Mo- nate. Im Sommer ift ihr Inhalt zum größten Theil erihöpfl. Das Wenige, was dann übrig bleibt, wird außerordentlich theuer verkauft. Der Vertreter des englifchen Conſuls, der Schon viele Jahre in Dichebda Iebt, verficherte mir, daß man im Sommer für den täglichen Wafferbedarf des Conſuls oft 5 Franken ausgebe. So viel koſtet nämlich dann die Kameel⸗ faft, und die Armen würden bei ſolchen unerſchwinglichen Wafferpreifen verſchmachten, beftänden nicht hier, wie in jeder mohammedanifchen Stadt, ftomme Stiftungen, damit die Lente umfonft trinken können. Hier geht die Wohlthätigkeit ſogar noch meiter, als in anderen Städten, wo man fich begnügt, öffentliche Sebils (Trinkbrunnen) zu errichten; die hiefigen Stif- tungen ſchicken vielmehr ihre Waflerträger in den Straßen herum, welche die Durftigen umfonft trinken laſſen. Man nennt diefe dann auch „Se— bil”, gleihfam „wanbelnde Trinkbrunnen“. Indeß haben dieje Stiftungen nicht immer einen großen Vorrath, können auch nicht für den Hausbedarf \orgen, und deshalb wäre es gut gemwefen, wenn man die neuentbedten Ci- fernen nicht bloß auf dem Papier jenes Journal? den Armen zugewandt hätte,

Leider ift das Waſſer hier ein Gegenftand unerlaubter Speculation md fat monopolifirt von den Gifternenbefitern, die mit der Behörde im Bunde ftehen und diefe oft zu ben gemeinſchädlichſten Maßregeln beftim- men. So verweigerte man bor Kurzem einem Hadrami die Erlaubniß, beflillirtes Meerwaſſer, das er mit vielen often herfiellte, zu verkaufen, weil man ein Sinken der Preife fürchtete. Auch fieht man es fehr ungern, wenn Jemand neue Cifternen errichtet.

Berfiegen alle Eifternen, was auch oft genug vorkommt, fo ift die

56 Berunglüdte Waſſerleitung.

Stadt auf die Beduinen angemwiefen, welche aus dem Gebirge Wafler in Schläuchen bringen. Es wäre freilich ein Leichtes, eine Waflerleitung vom Gebirge herzuführen, und in der That hatte man vor einigen Jahren eine ſolche hergeſtellt. Diefe war natürlich den Bebuinen ein Dorn im Auge, weil fie ihnen einen Verdienſt entzog, und fo zerftörten fie diefelbe. Nie mand konnte fie hindern, denn die Macht des Paſchas reicht nicht über die Stadtmauern hinaus.

Hegäz

Achtes Capitel.

Der wahre Herr von Bega;.

Irrthümer in Bezug auf die türkiſche Macht in Hegaʒ. Wahre Stellung der tür⸗

fiüichen Beamten. Der Großſcherif. Sein politiſcher Einfluß. Sein Reich⸗

ihum. Sein Beamtenſtab. Ohnmacht des Paſchasin einem Erbſchaftsconſlict.

Ausflug eines Franzoſen nad) Täyef. Durch den Großſchertf aus Gefahr erretiet.

Schattenautorität des Sultans. Der „Diener der heiligen Städte”. Vorur⸗

tHeilälofigleit des Großſcherifs. Sein Berhalten gegen Europäer. Sein edles - Benehmen.

Glaubt man unferen geographifchen Handbüchern oder den officiellen Berichten europäifcher Gejandten in Conftantinopel, fo ift der Herr von Hegäz feine Majeftät Abdulaziz Chan, der Herrliche, der Siegreiche (wie's auf den Münzen fteht). Der Fremde, der nad) Hegäz reift, verſchafft ſich deshalb Empfehlungsbriefe an die Vertreter und Beamten des Sultans. Diefe exiſtiren nun allerdings. Ihre Perſon ift feine Yabel, wohl aber ihre Macht. Auch ich beſaß ſolche Briefe. Sie hätten aber eben jo gut an die hier ruhende Mutter Eva gerichtet fein können. Die Würbdenträger nahmen zwar die Briefe, verehrten das Siegel des Sultans, verſprachen, Alles Für mich zu thun und thaten gar nichts, um mein Verlangen, ins Innere nach den Städten zu reifen, welche nicht im Heduͤd el Haraͤm (dem heiligen Gebiet) liegen und die der Europäer beſuchen darf, zu unter» fügen. Ein Anderer würde ſich geärgert haben. Ich erlannte jedoch bald, daß diefe Herren hier ebenjo wenig zu Haufe und ebenjo ohnmächtig feien, wie ich ſelbſt.

58 Ohnmacht der Türken in Arabien.

Dſchedda allein ift unterworfen und hat einen Paſcha, der es de— fpotifch beherrſcht. Dieſer ift der Untergebene eines andern, der den pomp- haften Titel „General-Gouverneur von Hegäz“ führt und abwechſelnd in Mekka und Täyef reſidirt. Aber dieſer Paſcha ift lediglich eine officielle Größe, was in Hegäz eine „Null“ bebeutet, Er hat einen vollſtändigen Beamtenftab, aber alle diefe Beamten find mo möglich noch viel mehr „Null“, als er. Der wahre Gouverneur ift Niemand anderd, als der Großfcherif von Mekka. Diefer ift officiell mit gar keiner politifchen Macht betraut. Um ihm zu fchmeicheln, hat ihm zwar die Pforte allerlei hohe Titel, wie Paſcha erften Ranges, hohe Orden zc., gegeben, aber nad) juri- ftiichen Begriffen ift er eigentlih ein Privatmann. Er befißt freilich eine geiftliche Autorität, al3 Oberhaupt des theofratischen Adels der Meffaner Scherife, der ächten und unzweifelhaften Nachkommen des Propheten. In Mekka glaubt man nämlich wenig an die Aechtheit der anderen nicht Hier lebenden Scherife. Jedoch auch diefer religiöfe Nang eriftirt mehr wider, als mit Willen der Pforte. Sie erkennt ihn nur an, weil fie muß.

Diefer mit einem religiöjen Rang bekleidete PBrivatmann ift aber in Wirklichkeit Alles in Allem, höchfte Juſtize, Finanz und Aominiftrativ- behörde in Hegäz, nebenbei der Schiedsrichter in den Rechtshändeln eines großen Theils von Arabien, ja ſelbſt von Oſtafrika, außerdem der reichfte, ja faft der allbefitende Grundherr von Mekka, Täyeſ, Dſchedda 2c. Seine ſchiedsrichterliche Autorität reicht viel weiter, ald die des Sultans. So hätte zum Beiſpiel Italien nie die Bai von Ahjab in Oftafrifa erworben, menn nicht der Großſcherif den Verkäufer brieflich günftig geftimmt hätte. Zu feinem andern Zweck, als um diefe Vermittlung zu erlangen, hatten ih Profeffor Sapeto und Admiral Acton (jet Marineminifter) eine Zeit lang incognito in Dſchedda aufgehalten.

Sogar die Pforte mußte fi, als fie vor einigen Jahren mit meh— reren ſüdarabiſchen Fürften, wie dem Sultan von Bir "Ali und dem Ne- gib von Makalla, diplomatische Verhandlungen anknüpfte, Einführungs- und Empfehlungäbriefe vom Großſcherif für ihre Agenten verſchaffen demüthigend genug für den „Beherrſcher aller Gläubigen!“

Mekka ift eben ein -heiliges Land und die Bewohner von Hedäz, meift ſehr unbändige, freiheitäliebende Menfchen, beugen ſich nur vor einem hoch⸗ verehrten religiöfen Erbrang, durch directe Abſtammung vom heiligſten aller Moslems begründet, weil ſie eben gläubige Moslems ſind. Eine

Wichtigkeit der Autorität des Großſcherifs. 59

bloß weltliche Autorität verfpotten fie, beſonders die türkifche, Die fich hier im legten Jahrhundert ſtets ohnmächtig gezeigt hat.

Der Großfcherif hat nebenbei die zahlreichſte directe und indirecte Sliente. Die directe befteht aus den Beamten und Bermaltern ſowohl feines ausgedehnten Befißftandes, mie der vielen frommen Stiftungen, deren Erbvorſtand er ift; die indirecte au fämmtlihen mohammebanifchen Geiftlichen, deren Zahl Legion ift, und deren feiner ſich trauen würde, einem Wink des Großfcherifs nicht wie einem Befehle zu gehordhen. So find in jeder Stabt von Hegäz mehr Beamte des Großſcherifs als bes Sultans. Officiell haben dieſe gar keine Autorität, aber wie fi) die Sa- en in der Praxis geftalten, fo vermögen fie in Juflize und Verwaltungs- angelegenheiten viel mehr, als die officiellen Beamten. Man fieht, e8 be- ſtehen aljo in Hegäz zwei Regierungen, jede mit einem vollitänbigen Beamtenftab, die eine, die officielle, welche aber ein Kinderſpott ifl, die an- dere, welche juriſtiſch Teinerlei Autorität bat, aber in Wirklichkeit alle recht- lihen Befugnifie ausübt.

Die Conſuln werden durch diefen Dualismus oft in Verlegenheit ge= ſetzt. Sie find nur bei den türkiſchen Behörden beglaubigt, aber. von diefen können fie nichts erlangen, nichts hoffen. Zum Großſcherif dagegen haben fie durchaus Teine amtliche Beziehung. Aber fie merken bald, daß fie ohne ihn gar nichts erreichen können. Sie müflen alfo zu dem Aus- weg greifen, alle wichtigeren Angelegenheiten fo zu jagen auf dem Privat- wege abzumachen, da ja der Großfcherif, der ihnen allein zum Recht ver- hilft, amtlich für fie nichts ift, ald ein Privatmann.

Diefe feltfamen Widerfprüche, die Ohnmacht der officiellen Behörde, die factifche Autorität des Großfcherif3, wurden u. a. recht deutlich durch einen Fall an den Tag gelegt, welcher fi) vor Kurzem ereignete. Beim Zod eines reichen indiihen SKaufmannes, der in Dſchedda gelebt hatte, war e8 dem Dädi (dem religiöjen Richter) eingefallen, deſſen Erbſchaft ganz fo zu behandeln, als ob der Verftorbene ein Dſcheddaner, d. 5. tür hider Unterthan, geweſen wäre, und folglich die Siegel auf deſſen Nachlaß zu legen. Dies konnte der engliſche Conful, unter deſſen Schuß alle Oft- indier ftehen, nicht dulden. In einer weniger fanatifchen Provinz der Türkei hätte e8 gar feine Schwierigkeit gemacht, diefe Stegel, die den Ver- trägen zumider aufgelegt waren, ablöfen zu laſſen. ber in dem fana- tiſchen Hegäz konnte Niemand jo etwas wagen; denn ein Dadt ift eine teligiöfe e Reipectsperfon, deſſen Würde von allen Orthodoxen beilig gehalten

60 Conflict zwiſchen Paſcha und Großicherif.

wird, und das gewaltfame Erbrechen jeines Siegels hätte vielleicht ernft- liche Unruhen hervorrufen können. Wenigſtens ſchienen die beiden Paſchas dies zu glauben. Sie geriethen in Zodesangft, als der engliſche Conſul ihnen zumutbete, durch ihre Polizeifoldaten die Siegel löfen zu laſſen. Nah vielem Hin= und Hergejchreibe erflärten endlich die Paſchas: die Sache jei ganz unmöglich, dad Siegel eines Dädi Heilig und das Verlan- gen des engliſchen Conſuls gegen die Religion des Islam gerichtet. Um ihre Schwäche zu masfiren, hatten fie fich jelbft auf die Seite des Fana⸗ tismus gejchlagen, vielleiht auch nebenbei in der Hoffnung, fih dadurch Freunde in dem fanatifchen Hedäz zu machen. Der Eonjul konnte ſich dabei natürlih nicht beruhigen. Seine Pflicht gebot ihm, die Sade an den Gefandten in Eonftantinopel zu berichten, und er fand im Begriff, dies zu thun. Da gab ihm jedoch ein Kenner des Landes den Rath, vorher die Angelegenheit dem Großfcherif mitzutheilen und um beifen Rath zu bitten. Diefe Mittheilung wirkte Wunder. Der Großfcherif ſchickte ganz einfach feinen Gutsverwalter Hin, und biefer Löfte die Siegel. Er, als Höchfte religiöfe Reſpectsperſon, konnte fich das erlauben; der Paſcha hätte es nicht vermodht. Ihm allein konnte ein folder Bruch der Sabungen hingehen, da felbft der Qädi gewifjermaßen fein Untergebener ift; denn auch die Qaͤdi's, wie faft alle geiftlichen Beamten, fehen im Großfcherif ihr, wenn auch nicht officielles, jo doch factifcheg Oberhaupt. Jeden andern hätte diefer Schritt unpopulär gemacht. Nicht fo den Scherf. Im Ge gentheil, man rechnete es ihm noch hoch an, daß er dadurch den Conflict, welchen die Klage beim Gefandten herborrufen mußte, vermieden habe. Beim Paſcha aber würde man, hätte er daflelbe gewagt, die ganz anders beurtheilt, und fein Benehmen einer Zauheit im Glauben und frafbarer Nachgiebigkeit gegen die Europäer zugejchrieben haben. Die Türken, welche befanntlich eine fogenannte Reform, die europätfch fein foll, und bier zu Lande wirklich für europäiſch gilt, angenommen haben, ftehen bei den fana-= tiſchen Bewohnern des Hegaͤz ohnehin nur zu fehr im Verdacht, fchlechte Moslems und Freunde der Europäer was fie, nebenbei gejagt, durd- aus nicht find zu fein, und müſſen deshalb fireng alles vermeiden, was auf Larheit in der Orthodorie oder Benorzugung der Ungläubigen ſchließen laſſen könnte.

Einen noch größern Triumph feierte der Einfluß des Großſcherifs vor einigen Jahren bei Gelegenheit der Reiſe eines franzöſiſchen höhern Seeofficiers nach Taͤyef. Hier hatte ber Scherif die Genugthuung, daß

Der Paſcha muß die Hülfe des Scherif8 anrufen. 61

der Paſcha, die eigene Ohnmacht befennend, flehentlich feine Hülfe anrufen mußte, um ihn aus einer Berlegenbeit zu befreien, aus welcher er fich ohne ihn nicht Hätte retten können. Jener Yranzoje war mit türkiſchem Yerman und EScorte nad) Tädef, der Sommerrefidenz von Paſcha und Scherif, gereift, um dieſe beiden Mürdenträger zu beſuchen. Da er Hedäz nicht kannte, jo beging er einen erſten Verftoß, indem er dem Paſcha viel mehr Aufmerkſamkeit ſchenkte, als dem Scherif. Hatte er dadurch ſchon alle Araber gegen ſich eingenommen, fo erregte ein zweiter, gröberer Ver— ſtoß, der aber ächt franzöfiih mar, noch viel ernſtlichere Mißſtimmung, und führte zu den bedrohlichften Vorfällen. Der Seeofficier befand ſich nämlich zufällig am 15. Auguſt, dem fogenannten Napoleonstag, in Täyef und beging die Ungeſchicklichkeit, in diefer fanatiſchen Stadt, in welcher nie ein europäiſches Banner erblidt worden war, zur eier jenes Tages die franzöfifche Flagge aufzupflanzen. Nun muß man die faft abergläubifche Zucht, welche alle Araber ſchon feit Jahren vor europätfcher, namentlich franzöfifcher Befibergreifung haben, und das Mißtrauen kennen, mit dem fe jedes europäifche Kriegsſchiff in ihre Häfen einlaufen fehen, um zu be= greifen, daß alle obtwaltenden Umftände, die Landung des Franzoſen auf einem Kriegsſchiff in Dſchedda, feine Reife nach dem faft nie von Euro- häern bejuchten Taͤhef umd nun vollends das Aufpflanzen der franzöfiichen Flagge im Herzen von Hegäz allgemeine Ueberrafhung, Mißtrauen und Entrüftung hervorrufen mußten, die bald ein bedrohliche Zuſammenrotten bewaffneter Volkshaufen (alle ächten Araber find bewaffnet) zur Folge hatten. Im Nu war eine der zwar ziemlich ftarfen, aber in diefem Yall ohnmächtigen Escorte weit tiberlegene bewaffnete Schaar um das Haus des Franzoſen verſammelt, drohte dieſes zu ſtürmen und dem verhaßten Fremden den Garaug zu machen. Der Paſcha verlor fein ABE in diefer gefährlichen Angelegenheit. Einestheils wußte er, daB, wenn dem Franzoſen ein Leid geſchähe, feine Stelle, ja vielleicht fein Kopf auf dem Spiele Rände. Anderntheil® war er überzeugt, daß der geringfte Widerfland bon Seiten feiner Truppen, welche die Escorte des Franzoſen bildeten, ihm und ihnen das Leben koften würde. In diefer feiner Noth blieb ihm nichts übrig als feinen deus ex machina, den Großſcherif, anzurufen, der zwar, um feine Macht recht deutlich an den Tag zu legen, fi) lange bitten, aber fchließlich doch erweichen ließ. Dem Scherif gelang es mit Leihtigkeit, die mwüthenden Gläubigen zu beruhigen, und er genoß aljo den doppelten Triumph: den Paſcha offen feine Ohnmacht eingeftehen, -

62 Der Sultan ald »Diener der heiligen Städte«.

und den Yranzofen, der ihn anfangs nicht mit dem gehörigen Refpect be- handelt hatte, feinen Irrthum erkennen zu jehen. Niemandem außer dem Scherif hätte aber fo etwas gelingen können.

Er ift in der That der wirkliche Herr des Landes. Der Sultan fieht zwar feine nominelle Oberhoheit in Mekka anerlannt, aber er erreiht auch dies nur durch die Gejchente und hohen Gehalte, die er dem Scherif, feiner Yamilie und allen religiöfen Beamten in Mekka und Medina giebt. In Mirklichkeit ift feine Autorität in dem heiligen Gebiete mehr geduldet ala anerlannt. Wollte er es verjuchen, auch nur einen Piafter Steuer hier zu erheben, jo wäre e8 um feine Oberherrlichkeit geſchehen. Selbft dieſe Oberhoheit muß ſich officiell in das Gewand der religiöfen Demuth Eleiden. Der Sultan führt nämlich nicht etwa den Titel „Herr des heiligen Ge- bietes“, fondern einen folden, wie er dem „Knecht der Knechte Gottes“, der Päpfte, entſpricht, nämlich denjenigen: „Diener der heiligen Städte“. Ein Mekkaner, den ich fragte, ob der Sultan Steuergelder aus Mekka be= ziehe, antwortete mir entrüftet: „Wie foll er Steuern aus einer Stadt be- ziehen, deren Diener er fih nennt?" Aus einem ähnlichen Grund unter- läßt es auch wohl der Großherr, zahlreihe Truppen hierher zu fchiden und das Land definitiv zu erobern, was ihm freilich die Bebuinen fehr ſchwer, wenn nicht unmoglich machen dürften. Er würde durch einen fol- hen Schritt allen religiöfen Nimbus einbüßen, der ihn als Oberhaupt des Islam umgiebt, und als Entſchädigung felbft im glüdlichften Falle jehr wenig weltlichen Vortheil erzielen; denn Hegäz ift eine arme Provinz, und , die Bevölkerung vielleicht eine ber unlenfjamften des ganzen türkiichen Reiche, zu dem fie nominell gehört. Der Sultan findet e8 daher ziwed- mäßiger, die Saden in dem alten Schlendrian fortgehen zu laffen, und begnügt fich, den Schein feiner Oberhoheit durch eine Anzahl bier fonft ganz unnüßer Beamten und Militär aufrecht zu erhalten.

Der Großfcherif ift durchaus fein fanatifcher alter Moslem, fondern foll jehr vorurtheilglos fein. Auch fieht er Europäer nicht ungern. Als er in Eonftantinopel war, foll er fogar fehr frei und vergnügt gelebt haben, In Hegäz kann er das nit. Sein religiöfer Rang nöthigt ihn zu einer gewiſſen Außerlichen Aufterität. Als er das legte Mal in Dſchedda war, wurde diefe auf eine komische Probe geftellt. Er befam nämlich eine Bilite von einer europäifchen Conſulsgattin. Dergleichen geht jebt nun freilich überall, nur nicht in Hegäz, wo man noch die alten firengen Be— griffe hat, monad) ein Mann nur feine eigenen Frauen fehen darf. Die

Der Großfcherif in Berlegenbeit. 63

Dame jebte ihn aljo in nicht geringe Berlegenheit. „Er darf fie ja gar nicht anſehen,“ fagte mir ein Metuaf. Der Scherif blidte deshalb auf den Boden, obgleich die Dame lange blieb und jehr lebhaft war. In Stam- bul Hätte ihn eine ſolche Viſite wahrſcheinlich amüſirt. Hier aber mußte er höchſt vorfichtig fein und durchaus jeden Ausdrud des Wohlgefallens an diefem Beſuch vermeiden, denn das hätte feinem Anjehen ſehr geſchadet. Sein Gefolge war übrigens außer fich über die Dame und ihre Zudring- fichfeit, wie man's nannte. Man beſchuldigte fie geradezu, das Herz des Scherifs erobern zu wollen. Sie kam dadurch förmlich in Verruf in Dſchedda.

Der Großſcherif iſt ſehr freigiebig mit Geſchenken und Einladungen. So ſchenkt er den Conſuln, die doch gar nicht bei ihm beglaubigt find, oft werthvolle Pferde, während die wirklichen officiellen Größen, an die ſie von ihrer Regierung gewieſen ſind, ihnen kein Glas Waſſer geben. Wenn er in Dſchedda iſt, giebt er Diners, wozu auch Europäer kommen, eine große Seltenheit bei vornehmen Arabern. Da man bier mit Europäern nicht wäblerifch ift und, wie überhaupt im Orient, einen für jo gut oder fo Ichlecht wie den andern hält, ſo kommen auch oft ſehr zweifelhafte Indi⸗ biduen zur Ehre der Einladung. Einer derjelben, ein Grieche, vergalt fo- gar die Gaftfreundichaft durch Aneignung verfchiedener vergoldeter Cou- verte. Als der Großſcherif es erfuhr, benahm er fich fehr nobel. Er fagte: „Wenn der Mamn vergoldete Couperte aus meinem Haufe davontrug, fo nehme man daraus den Beweis, daß ich fie ihm gefchentt Habe. In mein Haus kommt fein Dieb, am Wenigjten an meinen Tiſch.“ Kein Wunder, daß die Araber die Europäer verachten, denn ähnliche Dinge find leider teine Seltenheit!

Heddz

Neuntes Capitel.

Der Namadan in Arabien.

Wichtigkeit de Ramadan. Beitimmung feines Anfangs. Der Bote non Meta. Nächtliche Geſchäftigkeit. Lebhaftigleit des Markts. Der Sklavenmarkt. Re gerſtlaven. Xbelfinier. Wohlfeilheit der Sklaven. Die Tagesqualen der Fa⸗ ftenden. Ihre Streitſucht. Gerichtsſtillftand. Der Diwan beim Paſcha. Eine Eomödie. Der gefangene Koch. Ein mwigiger Verbrecher. Beilegung eines komiſchen Eonflicts. Ein orientaliider Diplomat. Bergnügungen im Ra—⸗ madan. Das Hüttendorf. Fanatismus leicätfertiger Frauen. Monotonie des Ramadan in Dſchedda.

Wer am Leben der Morgenländer Intereſſe nimmt, der wird es bor- züglich im Namadän beobachten. Zu keiner andern Zeit offenbart fidh die- je8 Leben charakteriftifcher. Der oberflächlihe Reiſende wird freilich be baupten, daß, wer den Ramadan in einer moslemiſchen Stadt gejehen, ihn in allen gejehen hat. Wer aber eingehend beobachtet, wird finden, daß, wie in anderen Sittenzügen, jo auch in diefem, intereffante Iocale Unterfchiede walten; und dieſe geben der Sittenf&hilderung ihre Würze. Jedes Land ded Orients bat feine eigene Phyfiognomie auch hierin. In jedem meiner früheren Reiſewerke babe ich darum dem Ramadan (bald in Tunis, bald in Algerien ꝛc.) ein Gapitel gewidmet. So will ich es auch hier thun. Es wird aber kürzer werden, als feine Vettern, denn im heiligen Hegäy . ift der Ramadan auch zu heilig, um viel Unterhaltungsftoff zu bieten.

Dieſer Monat, in welchem dem Moslem da8 beichwerliche Faſten bes borfteht, wird dennoch von ihm herbeigefehnt; je heiliger man ift, deito

Frühmarkt im Ramadän. 65

ſehnlicher, in dem fanatifchen Hegüz alje mit verdoppelter Inbrunft. Da die aftronomiiche Beitimmung nicht genügt, fondern der Neumond von glaubwürdigen Schohud (Zeugen) gejehen worden jein muß, und er im Jahre 1870 in Dſchedda in die Regenzeit fiel, jo war man dort im Un⸗ toren, wann die Faſten beginnen. Am Abend des 23. November ftand Reumond im Kalender. Man vernahm aber nicht den Kanonenſchuß des Sonnenuntergang3, welcher den Ramadan ankündigt. Alles bereitete fich vor, den nächſten Tag noch zum Scha ban-Monat zu rechnen.

Da plötzlich wedte in ſpäter Nachtſtunde ein Kanonenſchuß die Diched- daner. Der Mond war in Mekka gejehen worden und ein Reiter hatte in 5 Stunden den Weg hierher, zu dem Pilger anderthalb Tage brauchen, zurüdgelegt, um die Nachricht zu bringen. Da Mekka Autorität bildet, fo war die Frage entſchieden. Es hält freilich fehwer, den Moslem zu einer jo jchnellen That zu bewegen. Aber der Anfang des Ramadäan iſt eine jo wichtige Sache, Wohl und Wehe ſcheint fo ganz von ihm abzuhängen, daß jelbft ein mohammedaniſcher Bote fähig wird, in 5 Stunden von Mekka zu kommen. Dieſer Bote wird ſtets reich belohnt, und ift für den ganzen Monat der Gaft des Gouverneurs.

Nun war aber ganz Dſchedda in Verlegenheit gefeßt. Diele hatten ihre Einkäufe auf morgen verſchoben. Das Schlimmfle war, daß ed den Meiften am Frühmahl fehlte, was im Ramadan vor der Morgendämme- rung genofjen wird. Daher entftand mitten in der Nacht ein gejchäftiges Treiben und Hin- und Herlaufen. Jeder juchte von feinem Nachbar zu borgen, da die Läden geſchloſſen waren. Biel fam nicht dabei heraus, denn die Moslems find fchlechte Vorrathsſammler, und jo begannen die meiften den Tag wirklich nüchtern. Das war ein hartes Yaften, die vollen 12 Stunden ohne Morgenpropifion.

Dadurch kam es, daß am erſten Ramadan-Morgen dies Jahr der ‚Markt noch befonders lebhaft war, während er jonft in diefem Monat ſich eh um Mittag belebt. Die Läden öffneten fi früh; Karavanen durdh- zogen lärmend die Straßen; überall liefen gravitätiiche Moslems mit Kör-

en umher; der Fiſchmarkt war im vollen Glanz und Leben. Selbft die albwilden Beduinen, mit dem krummen Dolch im Gürtel, dem vergoldeten opfwulft und dem blauen Hemd machten einen leßten Ueberfall über tadt und Markt: friedlich nad ihrer Auffaffung, aber von jehr räube- iſchem Ausſehen.

Mich litt es nicht zu Haufe. Ich mußte das bunte Leben mit an-

o. Maltzan, Reife nah Südarubien. 5

m

66 Sklavenmarkt in Dichedda.

jehen. Die Belebtheit des Marktes war eine außerordentlide. Richt nur ganz Dſchedda fchien bier zuſammengeſtrömt, fondern auch drei Pilgerfchiffe waren angelommen und die ganze Stadt mit weißen Ihramträgern in der gewohnten, malerifchen Halbnadtheit angefüllt. Ich kannte zwar viele Budenbeſitzer. Uber heute ſah mich keiner. Sie hatten alle vollauf zu thun.

Nachdem ich die befannten Läden aufgejucht hatte, gerieth ih an ein mir noch neues Kaufhaus, wo zwar keine Waare, wohl aber eine Menge Schwarzer zu jehen war. ch erkundigte mich nach der Beſtimmung diefes Haufes. Aber Niemand wollte heraus mit der Sprache. Ich hatte den Sklavenmarkt entdedt, der hier troß Verträgen und Reformen noch ganz offen gehalten wird. Nur gegen mich, wie überhaupt gegen Europäer war man mißtrauiſch. Früher haben nämlich die Conſuln diefem Verkehr oft mit Erfolg gefteuert. Aber diefer Eifer ift erfaltet. Auch die Confuln ent

- gehen dem Einfluß des Orients nit. Die Apathie der Orientalen ftedt

fie an und lähmt ihre Schwingen. Zudem fehen fie auch bald ein, daB Alles, was fie erreichen, nur elendes Stüdwerf if. Faſt jeder neue Conſul kommt zwar mit eifrigen VBorjägen her, bald aber erlahmt er, tröftet fid mit dem „Inſchallah“ (Wie es Gott gefällt) der Orientalen und läßt die Dinge gehen, wie fie gehen wollen. So ging's auch in Bezug auf das Sklavenweſen in Dſchedda; da lange fein Conſul mehr Einſprache dagegen erhob, jo hat es fi) nun wieder aus feinem Berfted herausge⸗ wagt und ſieht jet von Neuem in verhältnigmäßiger Blüthe. | Es war ein ſeltſames Gefühl, das mich erfaßte, als ich diefen Sklaven⸗ markt betrat. Wirkte einestheils die fürchterliche Häßlichleit, die diden Lippen, Blattnafen, der flupide Ausdrud und dabei das blödfinnige Lachen der echten Neger abjchredend auf mich, jo konnte ich mich andererfeits doch nicht des Mitleids erwehren, wenn ich ſah, wie um diefe menschliche Waare bon einigen rohen Bebuinen, die fie in barjchefter Weile anjchrien, b tafteten, auszogen, kurz wie ein zu kaufendes Thier behandelten, gefeilf wurde. Beſonders erregt murde jedoch mein Mitleid durch den Anbli der abejliniihen Sklaven, die fich von den Negern im Aeußern auf Bo theilhaftefte unterfcheiden, ebenfo regelmäßige Züge, wie die meiften Eur päer, und dabei faft immer einen höchft gewinnenden, fanften, halb ſchw merifchen, halb melancholiſchen Geſichtsausdruck befiten. Dieſe Leute a menschliche Waare zu behandeln, fommt uns faft ebenfo vor, als we man unjere Landsleute verlaufen würde. Bei den echten Negern beri und die Sache weniger fühlbar, bejonder3 ba dieſe, wie ihr beftändig

Abeffinifche Sklaven und Neger. 67

Laden andeuten dürfte, ihr Loos gar nicht fo ſchwer zu empfinden ſchei⸗ nen. Unter den Abeffiniern dagegen ſah ich feinen einzigen lächeln. Stumme Refignation, ſtille Schwermuth lag auf allen Gefihtern. Sole Menfchen jo roh behandelt zu fehen, kam mir empörend vor. Die Araber dagegen ſcheinen gar feinen Unterjchied zwiſchen den Abefliniern und den echten Negern, die doch jo tief unter jenen ftehen, zu machen. Im Gegentheil, fie ſcheinen ſogar mehr Sympathie mit Lebteren zu begen. Der echte Neger, der fo gut wie Teine Religion bejaß, ehe er Sklave wurde, ift dem gewöhnlichen Moslem auch deshalb willtommen, weil bei ihm alle Cultus— begriffe tabula rasa find, auf der mit Leichtigkeit das dürftige Gebäude von Aberglauben, die jpärlihe Doſis religiöfer Erkennmiß, die der Araber bem gewöhnlichen Sklaven zu Theil werden läßt, eingegraben werden kann. Der Abeffinier dagegen war in den meiften Fällen Chrift, ehe er in Sklaverei fort- gejhleppt wurde; ſchon aus diefem Grunde ift er oft dem Moslem ver- haßt; Dann genügt ihm felten eine fo niedere Stufe von Eultusbegriffen, wie die, mit®der die Neger abgefunden werden Auch diefer Gegenjak der Sonfeffionen des Sklaven und des Lünftigen Herrn ift geeignet, tiefes Mit- gefühl mit den Abejfiniern zu erregen. Wie ſchwach auch immer ihre eigene Erfenntniß fein mag, fo muß ihnen doch der Fanatismus der Mos⸗ lems im höchfien Grade drückend erfcheinen, der Alles, was man fie in ihrer Jugend gelehrt, verdammt. Dieſes Mitgefühl zu fteigern, trägt gleichfalls die örtliche Nähe ihres VBaterlandes bei. Wenn man bedenkt, daß dieſes Baterland nur wenige Tagereifen von Hier entfernt ift, fo wird der Sontraft zwiſchen der Freiheit, die fie dort genofien und dem jämmerlichen Stande, welcher bier ihr Loos ift, ung befonders nahe gelegt.

Man bat viel von der guten Behandlung der Sflaven von Seiten der Moslems gefprocdhen. Im Ganzen hat e8 damit auch feine Richtigfeit. Do giebt es Ausnahmen. Die Bebuinen zum Beifpiel behandeln ihre SHaven nicht viel befier, als daS liebe Vieh. Außerdem können die Herren oft mit dem beiten Willen dem Sklaven fein erträgliches Loos bereiten, da fie felbft faum das tägliche Brod haben. Hier hat nämlich Jedermann Sklaven, Reiche wie Arme. Der Ankauf koftet zwiſchen 30 und 80 Thaler, und dafür hat man aljo umfonft einen Diener, deflen Bekleidung und Unterhalt auch teine großen Auslagen erfordert. Man giebt ihm ein Lendentuc und täglich ein Stüd teodenes Brod; mehr befommen die aller- wenigften Sklaven. Die Arbeit, die man von ihnen fordert, ift freilich auch nicht groß, aber immer noch groß für die mangelhafte Ernährung.

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68 Brachliegen der Gefchäfte im Ramadän.

In den Schiffen gar gehören die SHaven fo zu jagen zum Inventar. Oft jah ih in Dſchedda Neger, die Tag und Nacht in einem Jahn zu= brachten. Ihr Herr war ein armer Bootsmann, der aber irotzdem Sklaven gelauft hatte, weil fie ihm fehr müglich maren.

Diefer erfte Tag mar übrigens auch der lebte im diefem Monat, an dem Sklaven verlauft wurden. Wie alle Gejchäfte, jo ruht auch dieſes im heiligen Monat. Der ganze Handel beſchränkt fi auf den täglichen Gonfum. Die Kaufleute und mwohlhabenderen Männer bleiben über Tags zu Haufe und die Straßen find hauptſächlich dem zahlreichen bettelarmen Bolt überlaffen, an dem jede moslemiſche Stadt Ueberfluß beſitzt. Die Kaffeehäuſer, die zwar fo zu jagen geichloflen find, bieten diefem Bolt dennoch injofern ein Alyl, als vor jedem zahlreihe Bänfe auf der Straße ftehen und natürlich nicht Hineingenommen merden; da8 wäre eine hier zu Zande ganz unerhörte Borfiht. Da fiten fie gelangweilt und im Halbichlaf die Zeit vergähnend. Die gewohnte Cigarette oder Waller: pfeife, die hier jelbft der Aermfte raucht, entbehren fie ſchwer.“ Ihre Laune ift gewöhnlich über Tags eine ſehr ſchlechte. Auch iſt es ſprichwörtlich geworden, daß der Ramadan ein Monat des Zanks und Streits iſt. Faſt täglich fieht man Scenen von Raufereien und Prügeleien in diefem heiligen Monat. Ya, man behauptet jogar von manden Leuten, die der derbern Clafje des Volks angehören, daß fie feinen Abend die Yaften brechen, ohne vorher ihr Kleines Streitchen, das oft ein großes wird, „genofien“ zu haben. Ein ſolches gemüthliches „Streitchen” ift für diefe Leute ein nothwendiges Ramadän-Bergnügen, etwa wie rohen Nordeuropäern der „Sonntagsrauſch“.

Die vornehmere Elafje der hieſigen Bevölkerung läßt fi im Ramadan nicht viel bliden. Bei Zage Ichlafen diefe Herren, ftehen höchſtens gegen 2 Uhr Nachmittags auf; dann find noch drei Stunden bis zum Bruch der Faften und dieſe werden gemüthlich verdämmert. An Gefchäfte denkt Nie- mand; die ganze Regierung jcheint zu ſchlummern. Es ift förmlich ein Sprihmwort: „Im Ramadan giebt’ feine Regierung und fein Gericht.“ Sicher ift, daß fein Richter in diefem Monat Recht ſpricht. Kein Schuldner fann zum Bezahlen angehalten werden; kurz e3 ift ein wahrer Schlaraffen- Monat. Nur die Präventivgefangenen, welche oft ganz unſchuldig in Un- terfuhungshaft kamen, verwünjchen diefen Monat; denn da es in ihm feine Gerichtsfißungen giebt, jo bleiben fie ruhig im Gefängniß, gleichviel, ob jchuldig oder unschuldig.

Selbft die Europäer fünnen in diefem Monat nicht zu ihrem Recht

Abendbefuche im heiligen Monat. 69

Iommen. ch fannte einen, melchem zwei Zage vor dem Rämadän eine Summe Geldes geftohlen worden war und deſſen, vom Conſul unterftüßte Klage man nicht einmal anhören wollte, weil „es Ramadan ſei“. Nach dem heiligen Monat wird natürlich der Dieb das Geld verzehrt und der Euro- päer das Nachjehen Haben. Dies Alles gilt freilich in bevorzugtem Grade nur bon hier, vom heiligen Gebiet von Mekka und Medina, mo der alte Slam mit al? feinen guten und ſchlechten Seiten noch in feiner unge- ſchwächten Kraft fortbefteft. Died mag im Ganzen recht viel Nachtheile mit ſich bringen; aber, ich weiß nicht, ob ich diefem Wejen nicht am Ende noch den Verzug vor dem elenden Zwitterzuftand von Civiliſationscomödie md halber Eultur, die von Europa nur die Lafter entlehnt, wie Aegypten uns ein Beiſpiel liefert, geben joll.

Diefer Monat if mehr al3 ein anderer die Zeit der großen Staats— vifiten bei Paſcha und Vornehmen. Jeden Abend fiben dieſe Perſönlich— feiten, rauchend und Kaffee trintend, in ihrem „Megles“ oder „Divan“ und erwarten die Beſuche. Nur in den erſten Tagen ift eg nicht Sitte, jolhe zu machen. Dayn bleibt gewöhnlich jede Yamilie für fih. Hier im dem Heiligen Gebiet ift man jo fromm, diefe erften Abende mit Abfingen des Doran zuzubringen. Selbft die Kaufleute thun dies. Eines Abends wollte ich einen bejuchen, vernahm aber auf feiner Thürſchwelle ſchon den näjelnden Singjang, mit dem der Oorän abgeleiert wird, und hütete mic) aljo wohl, die Fromme Webung zu unterbrehen. Sind aber die erſten Abende vorbei, dann gehen die Bejuche an. Der erfte gilt gewöhnlich) dem Paſcha. Dort findet man die erften Beamten, die reicheren Kaufleute, die den Abend in ziemlich Iangmweiligen Gefprächen, oder mit Schweigen, das nad dem arabiſchen Sprichwort bekanntlich „Gold“ ift, zubringen.

Dort war’ auch, wo fi in einer Ramadaͤn⸗Nacht eine Comödie ab- jpielte, in der ich feldft Halb Statift, Halb Mitipieler wurde. Herr Rolph, bei dem ich mohnte, hatte nämlich plöglic den Verluſt feines Kochs zu beflagen. Wir blieben ohne Effen, aber wo blieb der Koh? Es hieß er jei auf Befehl der franzöfifchen Confulin arretirt worden. Sicher war, daß er faß, aber auch, daß fein Vergehen fein ſchweres. Worin es beftand, erfuhr ich nicht mit Beſtimmtheit. Es wird in Dſchedda fo viel geflaticht, dar man nicht? glauben kann. Er follte aber die Conſulin „beleidigt“ haben, wenn es eine Beleidigung war, daß er ihren Dienft verließ, um den von Herrn Rolph anzunehmen.

70 Eine Gerichtscomodie.

Wir Könnten dies natürlich nicht dulden. Da es in Dfchedda nur zwei Conſuln giebt, jo mandten wir und an den engliſchen, an welchen ich empfohlen war, zur Zeit durch einen Bertreter, einen Armenier, reprä- fentirt, und zogen mit diefem zum Paſcha; denn nur er konnte helfen. Er wollte aber gar nicht dran. „Man muß der Yranzöfin das Kleine Ber- gnügen gönnen. Was liegt denn an einem Koch?" meinte er. Uns lag natürlich daran, denn in Dfchedda findet man leinen, jondern muß ſolche Diener aus Suez tommen laſſen. Sehr generös offerirte zwar der Pafcha feine eigene Küche. Aber Gott weiß mas mir dann zu eflen befommen haben würden! Ich kenne türkifche Küche! Nur der Bilaff ift geniekbar. Diefer fehlt aber bei den Vornehmen oft, da er ein plebejiiches Gericht if. Die Großen ergößen ſich flatt defien an fchredlich fetten Ragouts mit Knoblauch, Zwiebeln und ranziger Butter, ſowie öligen Süßfpeifen.

In einer einzigen Ramadaͤnnacht folgten ſich die drei Acte dieſes Luſtſpiels. Im erften zogen wir erfolglos ab, ließen aber die Drohung zurüd, die Sache nad) Stambul zu melden. Der Armenier fagte „Beli“ (jehr wohl), als der Paſcha fich meigerte, der Paſcha „Peki“, als der Ar- menier drohte. Der Türke jagt immer „Peli”, auch wenn die Sache ihm nicht gefällt. Aber troßdem bedachte er fi doch. Schnell wurde aus den Ramadän-Gäften ein Megles (Gerichtshof) improvifirt, in welchen auch zwei griehifche Branntweinhändler ihre Stimmen abgaben. Türken haben eben über Europäer eine jo niederträchtige Meinung, daß fie gar feine Bildungs- oder Moralitätsftufen unter ihnen anerlermen. Als fie noch nad Willkür fchalteten, waren alle Europäer gleicherweife „telb ibn kelb⸗ (Hund, Sohn des Hunde). Jetzt, da fie Europäer refpectiren müffen, rächen fie ſich dadurch, daß fie auch die anrüchigſten den anftändigften gleich hoch ftellen. Wäre ein Conſul beim Megles anweſend geweſen, man hätte ihm feine höhere Ehre erweiſen können, ala die, welche jegt den Branntwein- händlern (meiftens notoriſchen Schurken, Bravo u. f. w.) widerfuhr. Man befchloß den Koch zu citiren. Als diefer kam, ſchnaubte ihn der Paſcha an:

„Alſo megen einem Hund, wie Du bift, muß ich foldhe Unannehm- lichkeiten Haben? Was machteſt Du bei der Confulin?“

„sh war ihr Koch;“ hieß es.

„Warum haft Du fie verlaffen?“

„Weil fie mich ſchlug.“

„Das wollen wir nicht hören. Sag’ einen andern Grund,” brummte

Gin ſchalkhafter Koch vor dem Pascha. 71

der Paſcha, der natürlich nichts Beleidigendes über die Conſulin geſagt wiſſen wollte.

„Weil ſie einen andern Koch hat und mein alter Herr zurückkam.“

„So? Wieviel Diener hat die Conſulin?“

„Sie hat einen Koch, einen Küchenjungen, einen Kammerdiener, einen Kawaß, einen Laufburfchen, einen Bortier u. |. wm.“

Jetzt glaubte der Paſcha einen Anknüpfungspunkt gefunden zu haben, um von der Conſulin gütlichen Vergleich zu erbitten. Er Tieß ihr höflich fagen, da fie doch jo viele Diener habe, könne es ihr ja auf einen mehr nit ankommen. Sie wifje vielleicht nicht, daß im Haufe, mo der Koch jebt diene, nur wenige Diener jeien, er alſo dort viel unentbehrlicher fei, als in ihrem bienerreichen Haushalt. Der Verbrecher bitte fie übrigens um Berzeihung, und fie möge ihn daher gütigft freigeben. Zugleich ließ er und melden, wir möchten kommen, um den Koch abzuholen.

Wir fanden und aljo im ziveiten Act der Comödie ein. Hier ging's jogar pofiendaft zu. Die Confulin ließ nämlich berichten, fie verfiche gar nicht, was der Paſcha mit den „vielen Dienern“ jagen wolle. Sie Habe ja nur Einen für Alles und eigentlich gar feinen Koch. Der Paſcha ſchnaubte von Neuem den Koh an:

„Haft Du nicht gejagt, die Conſulin habe ſechs Diener?“

Der Koch machte ein ſchlaues Geficht:

„Rein, Herrlichkeit, das ſagte ich nicht, fondern fie habe einen Koch, einen Küchenjungen u. |. w.“

„Run, und find das nicht ſechs Diener?“

„Rein! wenn Ew. Herrlichkeit mich hätten ausreden laſſen, jo würde ich binzugefeßt haben, daß der Koch „Smail” heißt... . .“

„So? und wie heißt der Bortier?“

„Auch Small“

„Und der Küchenjunge?“

„&benfo.”

Der Paſcha fluchte Fat, als er dies vernahm.

„Wie viel Smails giebt e8 denn?” fragte er.

„Herrlichkeit! Es giebt nur einen.“

„Und diefer eine iſt?“

„Zugleih Koch, Küchenjunge, Portier u. |. m.”

Am Ramadän-Abend, nad) guter Mahlzeit, kann felbft ein jonft grim- miger Paſcha Spaß verftehen, und fo verftand auch diefer, daß der Koch,

%

72 Kleinliche Diplomatie vor Gericht.

troß all’ feiner Untermwürfigleit ein Witzbold war, und nahm ed nicht übel. Da er lachte, fo nahm die ganze Megles dies für eine Erlaubnik, nım in homerifches Gelächter auszubrechen. Der Abend bekam eine fehr fuftige Wendung.

Uns mar freilich nicht geholfen. Denn der Paſcha wollte jet wieder den Koch zurüdbehalten, da die Sonfulin ihn nicht freigab. Er fah einer: feitS die Drohung Englands, andererfeit3 das beleidigte Frankreich; und das Alles um einen Koh! Eine Genugthuung wollte er ums jedoch geben. Diefe beftand zuerft darin, daß er über die Conſulin ſchimpfte. Er nannte fie eine ..... Doch das verfchweige ich beiler. Das Schimpfen über &uropäer fommt dem Türken fo natürlid, daß wir e& dem Paſcha nicht als Berdienft anrechnen konnten, wenn es aud heute uns zu Gefallen ge- ſchah. Morgen mußten wir, werde er der Confulin ganz ähnliche Süßig- feiten über uns jagen.

Wir beftanden alfo auf einer mehr reellen Genugthuung. Nach ftun- denlangem Discutiren murde er jo weit mürbe, daß er veripradh, den Koch nur eine Nacht zurüdzubehalten. Eine Satisfaction müfle Frankreich doch haben. Wir konnten auch das nicht zugeben und zogen abermals mit Drohung und gegenfeitigem „Peki“ ab.

Der dritte Act der Comödie war der längfte und wäre nicht zu einem befriedigenden Schluß gefommen, ohne Intervention einer dritten Groß⸗ macht. Dieje Macht war Perſien, vertreten durch feinen Conjul, den man ſchlechtweg den Bey nannte, einen fehr ſchlauen Diplomaten, der mit tödt- lichem Türkenhaß die liebenswürdigften Manieren gegen Türken, ja gegen die ganze Welt verband. Dieſer allabendliche Ramadan-Gaft des Paſcha erfand einen Ausweg zur Verföhnung der Barteien und fo wurde wirklich der Koch frei. Aber er wurde es nur durch einen Compromiß, der fchein- bar jeder Partei, in Wirklichkeit aber keiner Recht gab. Der Perſer ſchlug nämlich vor, die Verhandlungen bi8 zum grauenden Morgen auszudehnen, was für vornehme ZTagsfchläfer eben fein Opfer if. Dann folle man den Koch frei geben. Der Conſulin könne man fagen, man babe den Mann ihr zu Gefallen eine ganze Nacht lang feitgehalten, uns aber, man babe die ganze Nacht hindurch uns zu Liebe Megles gehalten und ge- funden, daß wir Recht hätten. So konnte fich jede Partei den Triumph zufchteiben. In Wirklichkeit aber hatte feine volltommene Genugthuung be= fommen. Das tt orientaliihe Diplomatie, die ſich heutzutage oft mit folden Erbärmlichkeiten herumfchlagen muß. Komiſcherweiſe war in diejer

PVergnügungen im Ramadin. 73

Sade nie vom Mann der Confulin die Rede. Er galt für einen PBan- toffelhelden und wurde als „Null“ betrachtet.

Sonft ift der Ramadan Hier nicht kurzweilig. Bon Vergnügungen, wie fie in Cairo und Tunis vorlommen, ift feine Rede. Höchftend regt fi eine einfame Darbula (Ihönerne Trommel) oder ein Himpriger Kanun (eine Art Guitarre) in einem Kaffeehaus, wozu manchmal die Stimme eined näfelnden Sängers fi hören läßt. Ein Karagus (Polichinell) foll zuweilen zu Stande kommen. Heuer war dies nicht der Fall. Die Tänze— rinnen und Tänzerknaben werden bier durch alte Araber aus Yemen mit langen, weißen Bärten erjeßt, deren vor Alter fteife Glieder eben feine graziöfen Bewegungen zur Schau tragen. Aber alle diefe Vergnügungen find nur im allermäßigften Grade vorhanden. Selbft in Mekka fteht es damit nicht viel beſſer.

Nur in dem von gewiſſen Perfonen bewohnten Biertel oder Hütten- dorf ſoll e8 in diefen Nächten Iufliger hergeben. Wer aber die dortigen Freuden genießen will, muß fich für die ganze Nacht aus der Stadt verbannen, da das Hüttendorf außerhalb der bei Nacht geſchloſſenen Thore liegt.

Diefes bei Tag zu befuchen, ift für einen Europäer ſchon gefährlich, bei Nacht geradezu unmöglich, denn jenes Gewerbe in Brod zu fegen, wird von den Moslems fo zu fagen als ein „Glaubensmonopol” angejehen. Wehe dem Chriften, der es wagen mollte, einer diefer vom Fanatismus aller Dieheddaner gleichfam gehüteten Perfonen eine Erklärung zu madıen. Den Moslems allein ift es geftattet, hier die Ramadan-Vergnügungen, die immer bei Nacht flattfinden, mitzumachen. Da ich diesmal nicht verkleidet reifte, jo Tann ich alfo nicht als Augenzeuge von jenen Quftbarfeiten be- richten. Nach der Ausſage meiner arabiſchen Diener follen fie aber groß jein und es dort ſehr hoch hergeben. Nach dem freilich, was ich bei einem Gang, den ich bei Tage durch jenes Viertel machte, von feinen Bewoh— nerinnen Jah, boten jie des Verführeriichen jehr wenig und aljo mögen ihre Tänze und Gefänge eines Hauptreizes entbehren. Es find meift jehr häßliche Negerinnen; hier und da nur fieht man eine Weiße, die aber mit jenen an abfchredenden Eigenfchaften metteifert. Eine einzige jah ich aus ber Entfernung, die erträglih ausfah. Aber diefe Dame war eine fo fanatiihe Yüngerin Mohammed’3, daß fie bei meinem Anblid laut auf: Khrie und in Verwünſchungen gegen alle Europäer im Allgemeinen und mih im Befondern ausbrach, dabei ſehr energifch mit der Hand fortwintte.

74 Das Proftitutiond-Viertel.

Es ift mander ſeltſame Widerfprud im mohammedaniſchen Volksleben. So follen diejelben Frauen, die doch ein ſelbſt nach arabifchen Begriffen verbotenes und vom Dorän verbammtes Gewerbe ausüben, die firengften Beobadhterinnen der Yaften im Ramadaͤn fein. Man fchließe übrigen: hieraus nicht auf eine allgemeine Gorruption der Bewohner Arabiens. Dſchedda, Mekka, Medina find Fremdenſtädte. Nur in foldden kommt die Proftitution vor. Sonft ift fie faft unbelannt.

Natürlich befuchen die verftändigeren Moslems jenes Viertel niemals, genießen alfo feine feiner lärmenden Ramadän-PVergnügungen. Für fe müßte diefer Monat gewiß entſchieden langweilig fein, wenn dieſes ſtoiſche Bolt überhaupt die Langeweile Tennte. Aber jo ift einmal der Moslem. Selbft der Städter aus Stambul oder Cairo, den fein Unftern hierher führt, Hagt nicht Über die Monotonie von Dſchedda, obgleich er zu Haule doch der nach arabijchen Begriffen köftlichften Vergnügungen die Hülle und Hülle beſaß.

Heddz

—— ——

Zehntes Capitel. Das Grab der Eva.

Reue Geſtalt des Grabes. Grabcapelle. Kuppel über dem heiligen Nabel.

Gewaltſame Bettelei. Die geheimnißvolle Niſche. Flucht vor den Bettlern.

Berfolgung durch Beitlerfhaaren. Der geftrafte Diener. Größenverhältnifie des

Grobe. Willlürlide Beränderung derjelben. Trofllofigleit der Lmgegend von Dſchedda.

Dies Heine Capitel Tönnte füglih „Unterricht im Betteln“ über- Ihrieben werden, dem nirgends ward dieſe edle Kunſt wirkſamer ausge- bildet, al3 am Grabe der Ur- und Stammmutter des Menſchengeſchlechts. Dafielbe befindet fih vor dem Medina-Thore nur ein Paar Schritte vor der Stadt. Da ich es von früher kannte, fo war ich nicht wenig erflaunt, es in feiner neuen Geftalt wieder zu ſehen. Auch hier hat die Sanitäts- commilfion wirffam gehauft und das Grab der Stammmutter von jenem Hüttengewirre befreit, in dem es früher wie ein Schmetterling in feiner Puppe verhüllt dalag. Aber auch das Grab felbft Hat ſich verwandelt. Die Mauer, welche den Umkreis um die heiligen Gebeine beichreibt, ficht niegelnagelneu aus, und die Capelle über dem heiligen Nabel ift neuerbaut. Früher befand fich Hier nur eine ganz Heine Kuppel; jetzt ſteht dieſe unter Dad).

Zu meinem Erftaunen machte man gar keine Schwierigkeit, mich in die Capelle bineinzulafien, obgleih ich ganz offen als Europäer auftrat. Aber das hatte feine Gründe.

76 Unverfchämte Bettelei.

Man lieg mic, zuerfi niedernien, um dur ein Loch in der Kleinen Kuppel auf den über dem Nabel errichteten Stein hinabzufchauen, den id übrigens, des Dunkels wegen, kaum ſehen tonnte. Als ich nun aber wieder aufftehen wollte, fühlte ih mich durch einen Drud auf meine Schultern feftgehalten, und als ich mich umblidte, ſah ich die ganze Gapelle mit Figuren in langen Talaren gefüllt, die ſammtlich zur Sippfchaft der Grabes- wächter gehörten und deren Geldanſprüche erft befriedigt werden follten, ehe man mir erlauben wollte, aufzuftehen. Trotzdem gelang es mir, mid) auch ohne vorher gezahlt zu haben, was mir denn doch zu demüthigend ſchien, durch einen Fräftigen Rud auf die Füße zu heben.

Um mit den Leuten abzufchließen, gab ich nun ſogleich freiwillig ein Trinkgeld, wollte eben der Bettlerjchaar entrinnen und das Grab verlaflen. Diefe aber hatte dafür geforgt, meiner Neugier einen neuen Köder Hinzu- werfen und zu ihren Zweden auszubeuten. An einer Wand der Capelle befand fi) nämlich eine Nifche, die auffallender Weile durch einen rothen Vorhang verdedt war. Darauf wurde bedeutungsvoll, als auf eine große Rarität, bingewiejen. Ich vermuthete natürlich die Niſche (die mir, wie die ganze Sapelle überhaupt, gänzlich neu war) berge irgend eine neuent- dedte oder neuerfundene Reliquie unferer Neltermutter, und wurde jehr ge ſpannt, das Geheimnig des Vorhangs zu enthüllen. Man machte auch gar feine Schwierigkeit, mich hinter den Vorhang zu laffen. Dort merkte id nun bald, daß das Ganze lediglich eine Attrape war. Die Niſche war ganz einfach die der Dible, der Mekkarichtung, wie fich eine ſolche in jeder Mojchee- befindet und folgli völlig leer und ohne irgend welche Merl: würdigleit. Aber der fonft vor diefen Niſchen nicht übliche Vorhang follte als Köder für unerfahrene und neugierige Pilger dienen und erfüllte auch dieſen Zweck volllommen, derin wie ich ſpäter hörte, pflegen alle Bejucher des Grabes auf diefen Zopf anzubeißen.

Als ich mich von der halbrunden Nifchenjeite nun ummwandte, um bin- auszugehen, fand ich jedoch den Ausgang verftellt und zwar durch fünf jehr ehrwürdige Geftalten. Diefe Männer fegten mir jet jehr energiſch zu, ftellten mir vor, mein erſtes Trinkgeld fei nur eine Mifere geweſen, außerdem gehöre dies am heiligen Nabel gejpendete Geld den Grabes ſchatz. Sie, die Wächter des Grabes, müßten aber auch etwas haben. Sie jeien fünf an der Zahl, hätten zahlreiche Yamilie und nichts zu leben, als die Trinkgelder.

Die Wächter und Diener des Evagrabes. 17

„Ihr jeid fünf,“ meinte ich, „ed ſcheint mir eher, ihr jeid fünfund- zwanzig, denn Draußen ſchreien ja noch viel mehr nach Trinkgeld.“

„D das find nur die Diener des Heiligthums,“ hieß es, „Diele werden ih mit ein Paar Thalern zufriedengeben, wir aber können nicht weniger als einen Bentu (51/, Xhaler) annehmen.” |

Das war denn doch zu did aufgetragen. Als nun die Männer von den Bitten gar zu Drohungen ſchritten und Miene machten, mid) mit Ge- walt in der Riſche feftzuhalten, brach) meine Geduld, und ich fiel wie ein Keil unter fie und bahnte mir meinen Weg durch Rippenftöße aus der Niſche in die Capelle, wo dieſer plöbliche Gewalteinbruch einen nicht ge- ringen Standal erregte. Dort war es indeilen nicht gut, lange zu weilen, denn die „Diener des Grabes“ jchidten fi) eben an, das Mandver ber „Wächter“ in potenzirter Weile in Scene zu ſetzen. Eilig verließ ich deshalb das Heiligthum, nicht ohne manchen frommen Bettler unjanft auf die Seite geſchoben zu haben. So fam ich allerdings faft ungerupft, aber unter den lauten Verwünſchungen der „Wächter und Diener des Evagrabes“ wieder ins Freie. Dorihin wagten jie nicht mir beitelnd zu folgen, da ihr PBräftigium, als religiöje Reſpectsperſonen, die in der Außenwelt ftets würdevoll erfeheinen jollen, zu fehr darunter gelitten hätte. Aber fie hatten dafür geforgt, daß das Bettelgeſchäft auch Hier wirkſam fortgefegt werden jollte, und zwar durch ihre zahlreiche Nachkommenſchaft, ein wahres Heer

von feinen Mädchen (die Knaben waren gerade in der Schule). Diefe Heinen Bettelgenies verfolgten mich, mit ihren hellen Silberſtimmchen laut- ſchreiend, bis in die Stadt. Bon Zeit zu Zeit warf ih ein Kupferftüd teht weit bon mir, um fie zu entfernen. Aber daß half wenig. Der Beitlerfnäuel verdichtete und vermehrte ſich noch von Zeit zu Zeit durch einige Straßenkinder, und ehe ich das Haus erreichte, Hatte ich die halbe Jugend von Dſchedda hinter mir.

Das Komiſchſte bei der Sache war, daß mein nichtänußiger Diener Hamed, den ich damals noch nicht fortgeſchickt und der mich zum Evagrabe begleitet Hatte, dort zurüdgeblieben war und zwar jehr wider feinen Willen. As Fromm fein wollender Moslem wagte er nicht, die „heiligen“ Grabes⸗ wächter und Diener unfanft von jich zu flogen und mußte ganz ſchredlich biuten. Ein guter Theil des mir geftohlenen Geldes mochte jo dem Eva- grabe zu Gute gefommen fein. Hamed fam erft nad) einer Stunde mit troftlofer Miene zurüd und Hagte laut Aber die Habjucht jener „heiligen“ Perſonen.

18 Die Wächter und Diener des Eagrabes.

Als ich - Abends Herrn Rolph mein Kleines Abenteuer erzählte und zugleich auch, daß es mich doch eigentlich im Ganzen nur einen Thaler ge- toftet habe, flaunte diefer. Er verficherte mir, daß felbft ein Dſcheddaner, der nur für einigermaßen wohlhabend gelte, dort nicht unter drei Thalern davon käme. Ein Europäer gar müßte in den meiften Fällen das Doppelte zahlen.

Alte Europäer in Dſchedda fagten mir übrigens, daß die Größenver- bältniffe des Evagrabes ſehr mandelbarer Natur feien. Auch mir war das fo vorgeflommen. Es fcheint, daß man bei jeder Reflauration je nad Willkür oder vielleicht je nach dem Ueberfluß oder der Spärlichleit des Baumaterials ein Paar Schub zugiebt oder wegnimmt, und, da diefe Mauer genau den Körperummiß der Weltermutier beichreiben ſoll, fo verändert Mutter Eva jekt noch, jo viel Taufend Jahre nad ihrem Zode, von Zeit zu Zeit ihre Geftalt. Bald wächſt fie, bald wird fie Heiner. Ihre gegen- wärtige Länge beträgt nad) der Meſſung, die ein englifcher Majchinift an- ftellte, 360 engliſche Fuß, ihre Breite aber kaum 18 Fuß. Man fieht, an Körperebenmaß bat Mutter Eva nicht gewonnen. Es ift noch immer dieſelbe obelistähnliche Geſtalt. Auch die Verhältnifie der Gliedmaßen untereinander find nicht beffer geworden. Der heilige Nabel befindet fi no immer nur um ein Drittel der Körperlänge von den Yüßen entfernt, jo daß der Oberkörper ganz unverhältnigmäßig lang bleibt. Die Palme über dem Haupt ſcheint nicht gedeihen zu wollen. Im „Sabre 1860 hatte ih ein Bäumchen bier gejehen. Jetzt fand ein bloß zweijähriges Pflänz- lein da.

Die Gegend, in welcher das Evagrab liegt, ift, wie überhaupt bie ganze Landfchaft, zwei Stunden in der Runde um Dſchedda, faft eine MWüfte, ohne Brunnen, ohne Schatten, beinahe ohne alle Pflanzendede des jandigen Bodens. Die Europäer in Dſchedda find ganz der Spaziergänge beraubt, denn bei Tag verhindert die glühende Sonne, bei Abend der Thor: ſchluß das Ausgehen. Da, wo die Gegend ein wenig mehr landfchaftlice Reize gewinnt, beginnt fie unficher zu werden. Unter foldden Umftänden bleibt noch das Evagrab faft das einzige Ziel der Excurfionen, fo lächerlich die auch Tlingen mag, da es fehr nahe ift und die meiften es kennen, ein zweimaliges Sehen ſich aber durchaus nicht Iohnt. Ich mußte immer lachen, wenn ic) von diefem Sonntagsvergnügen hörte.

Seht;

Elftes Eapitel. Der Handel von Dſchedda.

——

Handelsfrage. Segelſchifffahrt von Europa nad Dſchedda. Dampfſchifffahrt. Art der Einfuhr europäiſcher Waare. Ahr Abſatz in Dſchedda. Vortheile der einheimiſchen Handelsweiſe. Europäiſcher Import. Oſtindiſcher Import. Aegyptiſcher Import. Import der Griechen. Einheimiſcher Seehandel. Mittlere Frequenz des Hafens von Dſchedda. Handelsſaiſon. Cabotage. Provenienz einheimiſcher Waaren in Dſchedda. Export. Dſchedda als Ber- mittlungsbhafen. Kaffeehandel von Hodaida. Borzlige der einheimiſchen Rauf- leute. Hadrami. Indiſche Kaufleute. Ihre Beberrihung des Marktes. Aneignung des einheimiſchen Handelsverfahrens durch Europäer. Bortheilhafte Geſchäfte eines Marjeiller Hauſes. Die Hauptbebingung des Handelserfolgs in Hrabien. Ausfihten für Abſatz deuticher Fabrikate. Waaren, die der Eon- eurrenz erliegen. Kaffeepreife im Jahre 1870. Abgaben von Waaren. Preife für Wanrentransport. Geldwährungen in Dichebba.

Seit Eröffnung des Suezcanals if öfters die Frage aufgetaucht, ob nicht jeßt eine Vermehrung des directen Handels zwiſchen Europa und den Hafenorten des rothen Meeres zu erwarten feit Bis jebt hat eine folche nicht flattgefunden, aus Gründen, die im Yolgenden befprodhen werben jollen. ,

Es unterliegt übrigens keinem Zmeifel, daß der Hafen von Dſchedda zur Zeit der wichtigfte im rothen Meere ift (Suez natürlich ausgenommen). Dadurch nämlich, daß Hodaida nur wenig direct, fondern meift über Dſchedda erportirt, wird diefes zum Kaffee-Emporium und Tann fogar mit Aden wetteifern. Der Kaffeehandel ift Hier ja Alles.

Die Segelihifffahrt von Europa nach Dſchedda kann auf dem Hinmweg

80 Handelsweiſe der Eingeborenen.

faft zu jeder Jahreszeit auf günftige Winde rechnen, da im rothen Meere von Suez bis zu diefem Breitegrad Nordwinde vorherrichen. Die Rüdreife wird dagegen äußerft langſam von Statten gehen. Dampfſchiffe find frei- lich immer vorzuziehen, vorausgeſetzt natürlich, daß fie ihre Rechnung dabei finden. Indeß dürfte dies einftweilen noch nicht der Yall fein, denn bei den Ummegen, welche hier noch die Einfuhr nimmt, wird. mar mit Aus— nahme folcher Frachten, die von der Regierung beftellt find (mie im vorigen Sahre Korn aus Odeſſa), faft nichts hier zu verladen haben. Auf eine Rückfracht kann man freilich faft immer rechnen; aber auch hier hat man gegen die jehr lebhafte Concurrenz der Orientalen anzulämpfen, welche Die einheimische Segelichifffahrt nah Suez vorziehen und ihre Waaren in Aegypten verkaufen, von mo fie erft indirect nad Europa kommen.

Was die Einfuhr europäischer Waaren betrifft, jo ift diefelbe durchaus nicht unbedeutend; fie ift aber bis jet nur zum geringften Theil direct, fondern wird durch einheimifche Häufer in Ronftantinopel und Cairo ver- mittelt. Trotz diejer Verkaufsweiſe aus dritter Hand bleiben die Preije fehr mäßig. Die Europäer in Dfchedda verficherten mir, fie vermödhten, jelbft wenn fie die Waaren direct bezögen, kaum die Preife jo mäßig zu fielen, wenn fie von ihrem Handel leben und etwas zurüdlegen wollten, denn ohne die Hoffnung dies thun zu können, wird fein Europäer ſich hierher verbannen. Die Einheimischen dagegen find bei ihrer einfachen Lebens⸗ weile im Stande, ſich mit geringerm Profit zu begnügen. SHiergegen fönnte der Europäer nur durd) großes Capital ankämpfen, das ihm die Möglichkeit verliehe, durch langes Creditgeben die Käufer zu verpflichten. Nicht anders erzielen die Einheimischen ihre Handelserfolge. Auf dem Greditgeben beruht bier mehr als anderswo jede gute Handelsfpeculation. Baares Geld ift außerordentlich jelten und wer nur gegen ſolches, augen- blidlich gezahlt, verlaufen kann, wird ſtets die allererbärmlichften Geſchäfte machen. inheimifhe Schuldner find im Ganzen jehr zuverläflig, viel mehr al3 Europäer, und mer warten kann, erhält immer fein Geld mit Zinfen zurüd. Nicht mit Zinjen in baarer Münze (denn im heiligen Hegäz find folhe verboten), jondern in anderer Weife, indem 3. ®. ſehr oft ber Schuldner irgend eine Waare liefern Tann, die fein Gläubiger dann unter ausnahmsweiſe günftigen Bedingungen erhält.

Herr Rolph, der die hiefigen commerciellen Berhältniffe genau fennt, hatte die Güte, mir eine von ihm für das öſterreichiſche Handelaminifterium verfaßte Arbeit mitzutheilen, aus der ich folgende Ziffern entnehme:

An Dſchedda eingeführte Handelsartikel. 81

Europätfcher Import in Dſchedda. Ih Durchſchnittsjahren:

Etwa 2300 bis 2800 Ballen ordinäre Baummwollftoffe, Greycloths, Muſſelin, Schaf, Wollenzeuge, Barjati (blauer Baummollitoff für Beduinen- bemden) aus England und der Schweiz, zufammen etwa im Werthe von 2,200,000 Franken.

1500 bi3 2000 Ballen Tuch, meift aus England und Frankreich.

Quincaglierieen mittlerer und ordinärer Qualität, etma 1000 Caſſen (eine Hifte von beftimmten Verhältniß, im Handel wohlbefannt), meift aus Böhmen.

Porcellan (ordinäres), etwa 1800 italienische Pachi. Ueber Trieft.

Mehl aus Rußland und Oefterreih, etwa 500 Säde.

Papier für Bureaur und zum Einwideln, etwa 150,000 Rieß. (Trieft.)

Böhmiſche Glaswaaren, etwa 450 bis 700 Caſſen. (Trieft.)

Venetianiſche Glaswaaren im Werthe von circa 30,000 Franten. (Trieft.)

Nägel, 500 Yäfler.

Altes Kupfer, für circa 50,000 Franken.

Blei, 2000 bis 3000 Bade.

Eifen in Stangen, 150 bis 200 Tonnen.

Waffen, etwa 200 Caſſen. | |

Bictualien, teodene Yrüchte für circa 20,000 Franken.

Gearbeitete Korallen, für circa 25,000 Franken.

Gearbeiteter Bernftein, für circa 15,000 Franken.

Zuündhölzchen aus Oefterreih, 500 Eaflen.

Im Ganzen beträgt der Werth des Imports über Zrieft etwa 2,350,000 Franken.

Dftindifher Import in Dfehebbe. In Durchſchnittsjahren: Reis, 500,000 bis 600,000 Säcke. Pfeffer von Singapore, 10,000 Ballen. Zimmet, 350 bis 500 Caſſen. Gewürznägel, 1500 Caſſen. Thee, 1000 Caſſen. Manufacturen (meiſt Seide), 800 bis 1000 Ballen. Holz aus Singapore, 400,000 Bretter.

Indaco (?) 200 Caſſen. v. Maltzan, Reiſe nach Südarabien. 6

82 Artikel des Küftenhandels in Dfchedda.

Aegyptiſcher Import in Dſchedda.

Gerealien, Gemüse, Tabad, im Werthe von durchfchnittlich 3,122,000 Franken jährlich.

Der Import der Griechen (meift Branntwein, Victualien) entzieht fih jeder Eontrole, da er zum großen heil eingeſchmuggelt wird. Er if übrigens nicht unbedeutend.

Der einheimische Seehandel, jowohl der entferntere wie die Cabotage, wird faſt ausſchließlich durch Sayas (Schiffe mit lateiniſchen Segeln von circa 20 bis 100 Tonnen Gehalt) betrieben. Bon dieſen rechnet man jährlich etwa 900 im Hafen von Dſchedda. In den Pilgerfaifons von 1867 bis 1870 befanden fich auf der Rhede von Dſchedda im Mittel 75 größere Segelichiffe (jährlih), meiſt aus Oftindien, Singapore zc. Alle 8 Tage langte ein Dampfſchiff der Compagnie Aziziye (von circa 1200 Tonnen) an. In denfelben Jahren fanden fich Hier jährlih 4 bis 5 eng: liſche Handelsdampfer (von 400 bis 1000 Tonnen).

Der Handel in Dichedda ift am lebhafteiten von October bis Mai. Während diefer Saifon könnte (nah Herrn Rolph) jede europäifche Dampfergefellihaft hier auf 2000 Tonnen Waaren vierzehntäglich rechnen, welche die einheimifchen Häufer zu liefern im Stande wären. Die meiften dieſer Waaren find jedoch nicht aus der Provinz Hehäz, fondern werden durch die Sabotage von. den anderen arabifchen Häfen oder aus Oſtafrika hierher übergeführt.

Folgende Lifte giebt einen ungefähren Begriff der Provenienz ein- heimischer Waaren in Dſchedda.

1. Bon Malalla (Südarabien) kommt Zombeli, Perlmutter, Weih⸗ rauch (letzterer aus dem Somaͤli⸗Lande*), als Product der Boswellia Carterii I. und B. Bhau Dajana).

2. Bon Maſſauwa (Oftafrita) kommt Sejamöl, Kaffee (in leßterer Zeit ſehr wenig), Butter, Moſchus, Häute, Wacht.

3. Bon Hodaida (Yemen): Kaffee (davon fieben verſchiedene Arten), Mais, Hirje, Berlmutter, Sejamöl, Häute von Ochſen, Ziegen und Schafen.

*) Der arabiſche Weihraud aus Mahra (gleichfalls von Boswellia Carterii (I), aber eine Seitenfpecieß der gleichgenannten afrikaniſchen) geht ausnahmslos direct nad Oftindien. Er kommt faft nie nad Europa.

Kaffeehandel mit Hodaida. 83

4. Bon Suakin (Oftafrifa): Sefamöl, Butter, Häute, Wachs, Gummi, letzterer vorherrſchend.

5. Bon Docer (Aegypten): Weizen, Mais, Hirſe, Seſamöl, Linſen, Bohnen. .

6. Bon Bagra (Mejopotamien): gepreßte Datteln, Weizen, Tombeki, Gewebe und Stoffe für arabijche Kleider.

7. Bon Gomfüde (Yemen): Butter, Honig, Cerealien, Baumwolle, Gummi von den Arten genannt fachmi und sits.

8. Bon Abu Schehr (Perfifcher Golf): Teppiche und perſiſche Stoffe.

9. Bon Maskat (Omän): Stoffe, Datteln.

Viele diefer Waaren bleiben im Lande. Für Kaffee und Gummi ift Dſchedda der Bermittlungshafen, da Europäer fat nie nad) dem großen Kaffeeemporium, Hodaida, ſelbſt gehen. Dies zu thun, hat ſich bis jet immer als eine jehr fchlechte Speculation erwieſen. So wie nämlich ein europäiſcher Kaufmam in Hodaida landete, fliegen yleich die Kaffeepreiſe dergeftalt, daß an ein Kaufen nicht mehr zu denen war. in Yranzofe, der in Dſchedda etablirt war, verfuchte es vor zwei Jahren, hielt fich ſechs Monate in Hodaida auf in der Hoffnung, die anfängliche, durch fein Kommen verurſachte Hauffe weichen zu ſehen, aber die Araber wollten niemal® von ihren hohen Preifen hinabgehen und er ruinirte ganz unnüß feine Geſundheit; denn Hobaida ift feiner Fieber wegen berüchtigt. Natürlich waren ebenſowohl die Hadrami als die Indier, die alle untereinander ſolidariſch find und große Sapitalien vertreten, gegen den Eindringling im Bunde und verhinderten die Saffeeverfäufer, ihm beſſere Bedingumgen zu ſtellen.

Was ſollen auch die zwei europäiſchen Kaufleute (die griechiſchen Sranntweinhändler wird man doch nicht Kaufleute nennen) in Dſchedda, weile noch dazu auf fich felbft angewieſen find und feine Großhandels- häufer in Europa als Rückhalt haben, gegen die wohlorganifirte, einheit- lihe Handelsmacht der Einheimifchen unternehmen? Die arabifchen Groß- bändler in Dſchedda, etwa 200 an der Zahl, wovon 150 Hadrami, find immer bereit, ich gegen den Europäer zu verbünden. Die dortigen indifchen Kaufleute gar (etwa 250 an der Zahl) ſtehen einer für den andern ein, unterftügen ſich mit Credit, und diefer ihr Credit flieht auf ſehr feiten Füßen; auch Haben fie meift Rüdhalt an großen Handelshäufern in Oftindien; ja viele, die Hier als jelbftändige Kaufleute erfcheinen, find in der That nur die Mandatäre großer indifcher Häufer, was ihnen natürlich noch mehr

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84 Beherrihung des Markts durch die Eingeborenen.

Solidität giebt. Da in Dſchedda nämlih die Banianen (indiſche Kauf: mannsfafte) ihres Heidenthums megen nicht wohnen dürfen, fo vertrauen viele ihr hiefige8 Comptoir den Händen eines indiſchen Moslem an, für deſſen Moralität fie genügende Bürgſchaft haben.

Die großen Gapitalien, über welche diefe Kaufleute verfügen, geben ihnen bei geſchickter Benugung einen folchen Vorrang, daß fie den Markt vollkommen beherrſchen. Wie beim Verlauf das lange Ereditgeben, jo find beim Kauf in diefem Lande die Darleihen die einzige Bedingung des Erfolgs. Die einheimischen Kaufleute wiſſen es deshalb jo einzurichten, daß faſt alle Producenten oder Verkäufer erfter Hand ihnen verfchuldet find. Dadurch haben fie alle diefe Leute in der Hand. Kommt nım ein Euro- päer und will, mit Umgehung de3 üblichen Handelswegs, direct in Hodaida einfaufen, jo genügt ein Wink von ihnen und er findet nun die unan- nehmbarften Bedingungen.

Man braucht Übrigens durchaus fein Einheimifcher zu fein, um die- ſelben Vortheile zu genießen, denn von religiöjen oder nationalen Bor: urtheilen ift bier im Handel nicht die Rede. Das Einzige, was dazu ge- hört, ift, ein großes Sapital auf den Markt werfen zu fönnen. Ich Habe bis jet in Arabien nur einen einzigen Europäer gefannt, der, weil er über großes Capital verfügte, den Einheimischen wirffame Concurrenz machte, einen Spanier, der in Aden lebte und Mandatär eines ſehr reichen Haufes in Marfeille war. Diefer betrieb das Geſchäft ganz auf einhei- miſche Weile. Er Hatte oft eine Million Franken an Darleiben außen ftehen und war durchaus nicht Schwierig im PVerlängern der Zahlungs- friften. Denn in diefem Lande ift ein Darleihen nie verloren, obgleich nicht3 Schriftliches darüber eriftirt. Es trägt ſteis im Handel feine guten Zinſen. Der Spanier erzielte ganz ausnahmsweiſe Erfolge und hat fi jest ala höchft wohlhabender Dann zurüdgezogen, obgleih er nur eine Commiffion von feinen Gefchäften bezog und der Hauptgewinn natürlich dem Marfeillee Haus zufiel. Dieſes Haus hat feitdem aufgehört zu eriftiren, da der Chef farb und die Erben jebt von Renten leben. Darin au, in diefem vom Europäer ſtets erfehnten Sichzurüdziehen vom Handel, ift er im entjchiedenen Nachtheil gegen den einheimischen Kaufmann. Ber Hadrami oder Indier betrachtet nicht den Handel als ein Mittel, jchnell reich zu werden, um fi dann dem Müßiggang und Wohlleben ergeben zu fönnen, jondern als einen dauernden Beruf für fein und feiner Nachkommen⸗ haft Leben ad infinitum. Nur eine Sataftrophe, die ihn rumirt, kann

Abſatz für Waaren aus Deutichland. 85

ihn vom Handel abbringen. Dadurch gewinnt eben jein Eredit eine ganz andere Feſtigkeit, al® der eine? Mannes, der den Handel nur zehn oder zwanzig Jahre betreibt.

Aus Obigem wird man nun zur Genüge erlannt haben, warum ber europäifche Handel in Dſchedda bis jebt nicht blühte und nicht blühen faın, wenn man fich nicht entjchließt, die Wege der Einheimischen zu gehen. Es ift hier nicht wie in den Südſeeinſeln, Auftralien oder ein- zelnen Gegenden Amerikas, wo im Handel ſelbſt das Heine Capital Erfolge ezielt. Der kleine Gapitalift wird fich bier ruiniren, der große allein Er- folge erringen. |

Was befonderd den Handel mit Deutichland betrifft, jo zweifle ich nicht, daß bier die geblümten oder geftreiften Baummwoll- und Halbfeide- Hoffe der thüringiſchen und ſächſiſchen Fabriken, welche orientaliihe Mufter feht täufchend nachahmen und die auch meift arabiſche Namen, wie Gar- mafut, Aladſcha, Homfi, Miknas, führen, den Markt jehr zugänglich fänden. Diefe Stoffe werben, indirect (über Konftantinopel) eingeführt, zum Theil ſchon Hier getragen. In anderen Gegenden des Orients, 5. B. an ber ganzen Küſte Nordafrilas, Hat ihre Einfuhr in den lebten Jahren ums Zehnfache zugenommen, feit fie direct ftattfindet. Hier würde die directe Einfuhr gewiß gleichen Aufſchwung nad) fi) ziehen. Indefjen müßte man ch Bier auf ein längeres Creditgeben gefaßt Halten, als in Nordafrika, wo die Unterhändler Juden find, die meiftentheils fich fchneller baares Geld zu verichaffen willen, als die Bewohner des daran jo armen Dſchedda. Sch glaube jedoch, daß derjenigen Fabrik, welche ein langes Ausftehen ihrer Gelder nicht ſcheut, Hier große Erfolge bevorftänden.

Mit den englifchen ordinären Baummwollftoffen (vulgo American do- mestics) fann dagegen Niemand concurriren, jelbit die Schweizer Häufer nicht, die fie vielleicht billiger, aber viel weniger ſchön herftellen, und ber Araber läßt fich durch die Glanzjeite des „appröt“ gern blenden.

Europäiſche Seidenzeuge werden wohl jobald nicht in Dſchedda Ein- gang finden, da hier der Gefhmad ausſchließlich den indischen Fabrikaten zugewandt ift, die der orientalifchen Auffafjung mehr ent|prechen. Ueber— haupt muß ſich der europäiſche Yabrilant, der etwa Waaren auf den Markt von Dſchedda werfen mollte, ſtets vergegenwärtigen, daß er es bier mit der meift fiegreichen Concurrenz Oftindiens zu thun bat, und diejenigen Waaren vermeiden, welche man fich gewöhnt bat, von dort zu beziehen, werm er fie nit in einer dem Orient homogenen Weile herftellen Tann.

86 Abgaben. Waarentranport. Geldwährung.

Der Haupterportartifel, der Kaffee, wird in Dſchedda im Maßſtab von 100 arabifchen oder 113 ägyptifchen Pfunden (40 Offen, circa 50 Kilogr.) oder noch häufiger in Säden zu 215 ägyptiihen Pfunden verkauft. 100 Pfund Kaffee erfter Dualität Tofteten Ende 1870 circa 17 Maria- . Sherefia- Thaler (etwa 25 Thaler), was für ſehr theuer galt. Diejelbe Quan- tität Fave, d.h. noch nicht geichälter Bohnen, galt 9 Maria-Therefia-Thaler (etwa 12 Thaler).

Abgaben von Waaren in Dſchedda.

Das Zolamt in Dſchedda erhebt 8 Proc. des Waarenwerthes vom Import aus Europa und Oflindien, 4 Proc. vom Erport nach dieſen Richtungen. Import ſowie Export aus Perſien wird mit 1 Proc. be- ſteuert. Die Einnahmen der Duane werden auf eine Million Franken (jährlich) angejchlagen.

Preiſe für Waarentransport.

Die Dampfergefellihaft Azizige nimmt für den Transport einer Tonne Eiſen oder anderer fehwerer Waaren von Sue nad) Dſchedda 20 öfterr. Gulden (50 Franken), von leichten Waaren 28 öftere. Gulden (70 Franken).

Geldwährung in Dſchedda.

Es giebt zwei Währungen in türkiſchen Piaftern: Tarif und Current (nicht zu vermechjeln mit den ebenfo benannten ägyptifchen Währungen). Die Tarifmährung kommt nur in Zollangelegenheiten vor. Bon Biaftern Tarif gingen im Jahre 1860 auf 5 Franken 22, auf den Maria-Therefia- Thaler 221/,, auf den Napoleon 90, auf ein Pfund Sterling 110, auf ein ägyptifches Pfund 120, auf ein türkiſches Pfund 100. Bon Biaftern Current gingen auf 5 Franken 26, auf den Maria-Therefia-Thaler 28, auf den Napoleon 105, auf ein Pfund Sterling 135, auf ein ägyptifches Pfund 140, auf ein türkifches Pfund 120,

Bei Poſt und Dampfſchiffen, die ägyptifche Anftalten find, muß in ägyptiſchen Piaftern Tarif gezahlt werden. Bon diefen gehen auf 5 Franken 19!/,, auf den Maria-Therefia-Thaler 20 (in Aegypten ſelbſt 201/,), auf

Zahlungsmittel in Dſchedda. 87

den Rapoleon .77, auf ein Pfund Sterling 971/,, auf, ein ägyptiſches Pfund 100, auf ein türfiihes Pfund 87%. Die beiden ägyptiſchen Current⸗Waãhrungen (Bronze und ſchlechtes Silber) kommen bier nicht vor.

Das ägyptiſche Bronzegeld wird felbft nicht mit Verluſt genommen. Das Verhältniß von Kupfer zu Silber ift hier umgelehrt als in Aegypten dad von Bronze zu Silber (denn äcdhtes Kupfer giebt es in Aegypten nicht). Das türkiſche Kupfer iſt verhältnikmäßig theurer als Silber.

Beim Geldwechfeln wird man übrigens in Dſchedda die obengenannten Wechſelwerthe nicht erhalten, ha Heines Geld immer fehr gefucht if. Will man kleines Silber Haben, jo muß man auf den Thaler faft immer 1 Piafter, bei dem ſehr gefuchten Kupfer gar oft 2 Piafter oder noch mehr zugeben. Gold ift felten und geht nur in Dſchedda felbft. Im Innern nimmt man bloß Silber oder das treffliche türkische Kupfer. Am häu- figften fieht man den Rial Abuter (Marin-Therefia-Thaler), den Rial Cinco (5 Yrantenthaler) und als Eleine Münze einzelne türkiſche Piaſter, 5-Biafterftüde oder Baſchliks fehr felten.

Oſtafrikaniſche Küſte.

Zwölftes Capitel.

Suakin.

Verfehlte Reiſepläne. Sprachliche Räthſel. Lächerliche Auskunftsgeber. Ab: fahrt von Dſchedda. Das Schiff Sualin. Der Commandaͤr. Seine Nautik. Beltfigen. Sein Dienſtbuch. Die fauren Aepfel. Streiche eines Ytalienerd. Der angeführte Arzt. Nachtheile und Borzüge einheimiicher Schiffe. Einfahrt in Sualin. Die faljhen Heiligengräber. Das Land der Schwarzen. Typus und Phyfiognomien. Die Frauen. Tabadlauen Arabiſche Zahnftocher. Beſuch bei Montes Paſcha. Ein gebildeter Moslem. Laxheit der Bornehmen im Glauben. Der falſche Telegraph. Englifhe Ingenieure. Der Sanitäts: agent. Europäifches Elend in Suafin. Gang durd die Stabt. Gummi handel. Sualin, das Eldorado der Schwarzen. Die ſchwarzen Mädchen. Ihre moraliihen Vorzüge. Die Haartoilette. Ramadan-Yubel. Montü; Paſcha's Eulturpläne.

Mein Kommen nad) Dihedda war infofern ein verfehltes, als zwei mir wichtige Reifezwede, deren Erreihung ich dort gehofft, nicht erfüllt werden konnten. Wegen der Pilgerſaiſon und der Indolenz der Autoritäten war an ein Vorbringen in die dem Europäer zugänglichen Theile des Innern nicht zu denken. Die Erfüllung meines andern Reiſezwecks, eines Iinguiftiiden, nämlid über die Mahra-Sprade, deren Kenntniß einft Fresnel lediglich den nach Dichedda verfchlagenen Mahri verdantte, bier Genaueres zu erfahren, mußte gleichfalls aufgegeben und für Aden vorbe halten werden. Herr Rolph gab fih zwar große Mühe, mit Hülfe der einheimischen Schiffg- und Handeldagenten Leute aufzutreiben, welche dieſe

Das Dampfſchiff „Suafin“. 89 Sprache redeten, aber dies gewährte uns höchſtens einige unterhaltende Stunden, keine Belehrung, indem wir mit einer Menge jeltfamer Käuze befannt wurden, von denen die meilten anfangd viel von Mahra zu willen behaupteten, aber nach genauer Prüfung nur etwas davon batten „läuten hören“. Einer hatte einen Mahri in Bombay gejehen; ein anderer mar am Lande vorbeigejegelt; die meiften verwechſelten den Ort mit emem ganz andern. Ein großer Sprachlenner dictirte mir eine Reihe bon bermeintliden DMahras- Wörtern, die, wie fi jpäter herausſtellte, abeffinifch waren. Großes Vergnügen gewährte uns ein jchmarzer Schiffs- capitän, den der Agent für einen tiefen Kenner Siüdarabiend ausgab. Tiefen Ruf Hatte er fi) durch fein ſtandhaft beliebtes Stillſchweigen er- worben und verlor ihn auch bei und nicht, denn wir erfuhren menigftens nichts Faljches von ihm. Er beſuchte ung alle Tage, aber er öffnete den Mund nur zum Kaffeetrinken und Rauden.

So entſchloß ich mich denn bald nach Aden aufzubredhen und zwar, jo weit e8 mit Dampfichiff ging, d. h. bis Maſſauwa, diefes zu benuben, und mi dann auf gute Glück fürs Weiterfommen zu verlaffen. Denn der einzige Weg, auf dem ich der Dampffahrt bis Aden ficher mar, hätte mich zur Rüdfehr nach Suez genöthigt. Die Azizige-Dampfer gehen alle bierzehn Tage von Dſchedda über Sualin nah Maſſauwa. Mein Loos war e&, gerade das ſchlechteſte Schiff der Compagnie benußen zu müflen. Dies war der Sualin, ein Ungethüm, das in Folge feiner ungeſchickten Bauart felbft in ruhiger See rollt. Es mar uriprünglich eines jener engliſchen Kohlentransportichiffe, die gewöhnlich mit Segel gehen, und die Dampftraft nur zur Aushülfe benutzen. Jetzt hatte irgend ein europäiſches Handelögenie es dem Vicekönig für viel Geld als „Dampfſchiff“ verkauft und es figurirte als jolches in der Compagnie. Flügel hatte es freilich dadurch nicht bekommen, aber mit großer Kohlenverſchwendung war e& möglich, mit ihm 3 bis 4 Seemeilen ftündlich zurüdzulegen, d. 5. die Hälfte oder ein Drittel vom Lauf anderer Dampfer.

Das Perſonal auf dem Suakin beitand erſtens aus einem alten Stodtürfen, dem Commandär, der, wenn er nicht fchlief, was meiſtens der all, alle feine Untergebenen im polternden Bramarbaston auszufchimpfen pflegte. Er bildete fih ein, nautiſche Kenntniffe zu befigen und das war kin Unglüd. Gr glaubte nämlich dem Piloten zuweilen widersprechen zu müſſen. So erklärte er einmal eine von dieſem fignalifirte Sandbant für offenes Meer, fuhr darauf zu und blieb fiten. Das follte einen

90 Offiziere und Mafchiniften des »Sualin«.

Monat Später geſchehen. Wahrſcheinlich murde er degradirt, wie es bei diefer Compagnie Sitte if. Bon ſolchen alten degradirten Seehelden hatten wir auch zwei an Bord, den Gabtän und den Molajem (dritten und vierten Officier). Vielleicht rettete ihn aber aud ein ſeltſames Schrift: ftüd, das er fich angelegt hatte, eine Art von Dienſtbuch, man Tann es nicht anders nermen, in welchem er ſich von allen Europäern, die mit ihm

fuhren, ein Conduitenzeugnig außftellen ließ. Um ein ſolches aud von

mir zu erhalten, war er fehr freundlich gegen mich. Bet der den Euro: päern ſchmeichelnden ägpptifchen Regierung konnte ihm fein „Dienftbuch” mehr nüßen, als irgend welche Kenntniſſe. Hoffentlich war die der Fall. Ein

beflerer hätte ihn doch nicht erfeßt. Der zweite Commandäar war nämlid em Jüngling, der fi in der Uniform, die nur er trug (die anderen waren fies im Schlafrod), recht hübſch ausnahm, aber vom Schiffscommando natürlidh . nicht den entfernteften Begriff beſaß. Diefer ſchien mir beſonders wohl

geneigt, wenigftens ſchloß ich dag daraus, daß er mir alle Tage etwas ſchenkte und zwar einen fauren Apfel, den ich ohne ſchwere Beleidigung nicht zurückweiſen, noch einem Andern geben durfte. Es blieb nichts übrig, als ihn in einem unbewachten Dioment in ‘Meer zu werfen.

Unter den Majchiniften war ein Zrieftiner, der fein Berhältnik zu den Moslems von ber ſcherzhaften Seite auffakt. Seine Erzählungen von dem, was an Bord vorging, waren zum Todtlachen. Seine Haupt vergnügen ſchien, den alten Officieren, namentlih dem Commankar,

Streihe zu [pielen. So hatte er ihn einmal im Bade, ein anderes Mal

in einem noch geheimern Gemach eingeſchloſſen, und den Schlüffel ins Meer geworfen, ohne daß feine Thäterſchaft entdedt wurde. Seine Be

jreibung der Scenen, welche dann jedesmal erfolgten, war unbezahlbar.

Auch der Arzt Hatte von ihm zu leiden. Einmal hatte er im Geheim die Eſſigflaſche, aus welcher alle Krankheiten geheilt wurden, ausgegoffen und mit Theerwaſſer gefüllt.

„Glauben Sie,” meinte er, „daß der Arzt e8 gemerkt hätte? Er curirte mit dem Theerwaſſer gerade jo drauf los, wie früher mit dem Eifig und die Leute blieben gefunder, als vorher.”

Es war Ramadan (Anfang December 1870). Obgleih auf der Reife nicht dazu verpflichtet, jo fafteten doch diefe bigotten Moslems, Offie

ciere wie Matrofen. Sie waren jo zu nichts zu gebrauchen, fchliefen den ganzen Tag und überließen das Schiff dem Piloten: das Befte übrigens, was fie thun konnten. Der Suakin gli jomit einem Schiff der Todten.

Ankunft in Sualin. 91

Ich Hatte das Ded jo zu jagen für mid), konnte mein Lager aufſchlagen, ‚wo ich wollte, efjen, wo es mir beliebte. Die Küche ftand bei Tage zu meiner ausſchließlichen Verfügung. Da in diefem einftigen Kohlenſchiff feine erfte Cajüte war und ich Doch (in Folge einer Schwindelei der Diched- daner Billetausgeber) erfte Claſſe bezahlte (was fo lange der Suakin eriftirt nur einmal einer mir vorgemacht hatte), fo ließ mir der Commandar die Wahl, welchen Officier ich aus feiner Cabine hinauswerfen wollte ch war jedoch nicht jo graufam, fondern begnügte mich mit einem leeren Bett, das dem zweiten Commandaͤr fonft als Vorrathskammer feiner fauren Aepfel diente. Ueberhaupt läßt es ſich nicht läugnen, daß ſich der Euro- päer, wenn er fi einmal mit Kochheerd (einen tragbaren Kanun muß man immer mit fi) führen), Bett, Diener, Proviant eingerichtet Hat, auf den moslemiſchen Schiffen beſſer und viel ungenirter befindet, als auf europäifchen. Alle haben die größten Rüdfichten für ihn und laſſen ihn, bi3 aufs Sciffanfteden, jo ziemlich Alles thun, was ihm beliebt. Manch⸗ mal wird man ſogar noch gefragt, wann man abzureifen, ob man irgendivo einen Zag länger zu bleiben wünjche; denn auf die Zeit kommt's den Leuten ja nicht an.

So glitten wir bei völlig ruhiger See, herrlichem Wetter, fehr ange» nehmer Zemperatur (bei Tag felten über 20 Grad R.) fanft dahin und nad) drei Tagen (der Sualin war fein Schnellfahrer) Tamen wir glüdlich in dad Labyrinth von Klippen und Untiefen, welches der Stadt Suafin vorliegt. Die Einfahrt ift eine überaus mühfame, d. h. große Vorſicht erheiichende, aber für ein Dampfſchiff nicht gefährlih. Die ſchlimmſten Untiefen find durch Heine kuppelartig gededte Steinhaufen verbeutlicht, To dag man fie bei Tage erkennt. An eine Einfahrt bei Nacht denkt natürlich Riemand. Da diefe Kuppeln an moslemiſche Heiligengräber erinnerten, fo war es ein Hauptipaß der Mannſchaft, einige Fromme Paflagiere damit anzuführen. Einzelne biffen wirklich auf diefen Zopf an und fingen an, ihre Gebete abzuleiern, bis ein allgemeines Gelächter fie aus ihrem Irrthum riß. Die Einfahrt dauerte bei der Langſamkeit des Suakin über vier Stumden, jo daß wir erft um Sonnenuntergang anlangten.

Suakin ift eine ächte Stadt de8 Sudan, d.h. des Lands der Schwarzen. Die hiefigen Schwarzen find übrigens keineswegs Neger, ſondern Sub- äthiopier von den angenehmften Formen und mitunter ſehr Schönen Phyfiog- nomien. Gleich nach umferer Ankunft war das Bord mit den dunklen Kindern des Sudan bedeckt. Sie kamen in eigenthümlichen Kähnen, Huri

92 Gingeborene des Sudan.

genannt, welche aus der Hälfte eines ausgehöhlten Baumftanımes befteben, faft immer unter Waller gehen und durch feltfame Ruder mit runden Schlagflähen (einer altitalieniihen Mandoline nicht unähnlich) gelenkt werden. Einige diefer Schwarzen boten wahrhaft plaftiiche Erfcheinungen und waren maleriſch in blendend weiße Gewänder gehüllt, die fie jehr ge- Ihmadvoll zu drapiren mußten. Was ihrem Weußern bejonder3 etwas Bortheilbaftes verlieh, war das ſchöne reihe und volle Haar, ſehr ver- ichieden von der Kurzwolle, die daS Negerhaupt dedt, halb lodig, halb wollig, bei einzelnen auch in ſchlankeren Windungen auf den dunklen Naden fallend. Wir hatten es nun freilich Hier mit einigen Parade- Individuen zu thun, die fürd Dampfſchiff gejhmüdt waren. Die Rein lichleit der Getwande fand ich jpäter am, Feſtlande nicht allgemein. Aber die Schönheit des Menſchenſchlags ift unläugbar. Die jungen Männer zeichnen ſich durch die Schlankheit ihres Wuchſes, durch die edle aufredite Haltung und elaftiihe Schnellfraft ihres Körpers aus. Hier ift nichts von der fervilen Haltung und weibilchen Verweichlichung des Aegyptiers. Es ift gleihlam der arabifhe Bebuine mit feiner ganzen halbwilden Grazie, ind Schwarze überſetzt. Die Frauen Tennzeichnet die harmoniſche Rundung ihrer Formen, die oft fehr üppige, aber doch nicht unſchöne Ent- widlung gemwifler Körpertheile. Ihre Phyſiognomien find runder, als die der Männer, fehen ſtramm, friſch und gefund aus, ihr ganzes Weſen fündet blühende, natürliche, ja faft herausfordernde Sinnlichkeit. Nur, was da3 Haar betrifft, Haben fie einen Gejchmadsirrtfum begangen, daß fie e8 in dünnen fabenartigen Pfropfenzieherformen, übermäßig mit Fett getränkt, tragen. Wie ganz anders nimmt ſich der wilde Urwald aus, der da3 Haupt der Männer bededt? Allerdings muß man aud die Männer nicht in dem Anfangsftadium ihrer Haartoilette fehen, in dem fie doch oft Tage lang herumlaufen. Dann ift das Haar von dem aufgeftrichenen Hammelfett weiß und alle die verjchiedenen mineraliichen (grünen, gelben, rothen) Pulver, die fie darauf ftreuen, vermögen nicht, dieſe allzufette Haar» ſpeiſung ſchön erfcheinen zu laſſen.

Alle dieſe Schwarzen führten gepulverten Kautaback in Heinen Doſen bei ſich, aus denen fie von Zeit zu Zeit eine Prife in den Mund nehmen, ein DBerfahren, welches viel reinlicher ift, al3 das Blätterfauen der Ameri: faner und engliiden Seeleute, da es einen viel weniger efelhaften Aus- murf zur Folge Hat. Dan fieht, die Europäer können noch bon den Schwarzen lernen. "

Ein Europäer-freundlicher Paſcha. 93

Alle hatten einen Heinen Kamm oder ein langes Holz im vollen Haar feden, mit dem fie dieſes von Zeit zu Zeit aufpufften, um ja nicht allzu geglättet zu erfcheinen. Auch führt ein Jeder das bekannte arabische Zahn- holz, Meſuak genannt (Zmeig der Pavetta longifolia), welches mit jeinen feinen, aber doch feften, taufendfachen Yafern zugleich Zahnſtocher und eine viel beffere, weniger die Zahnglaſur angreifende Zahnbürfte bildet, als unfer Borftenproduct. Somohl Araber wie Schwarze haben dies faft beftändig im Munde und machen aus dem Zahnpugen eine Unterhaltung. Die blen- dende Weiße ihrer Zähne ift alfo mit auch eine Folge der großen Reinlichkeit.

Am nächſten Morgen meldete mir der Commandär, daß Montäz Paſcha, Gouverneur des ägyptiſchen Oftafrifa, mich zu kennen münjche. Diefer Paſcha, der damals abmechjelnd*) hier und in Maſſauwa refidirte, ift ein großer Europäerfreund. Obgleich er nie in Europa war, aud fein Wort von deifen Sprachen fennt, jo zeigt er doch viel Intereſſe an europäticher Wiſſenſchaft, namentlich Geographie. Er befikt alle von Petermann und Stiepert herausgegebenen Karten afrikanischer Ländertheile und meiß die Orte, deren Namen er doch nicht leſen kann, richtig darauf anzudeuten. Da dies ihm viel Mühe gekoftet haben muß, jo zeigt e8 von wahrer Wiß- begierde und zeichnet ihn vortheilhaft vor den anderen Reformtürfen aus (er iſt nämlich Türke), deren Europäifirung doch meiftentheils nur Barade ift.

Montäz Paſcha wohnt auf der Anfel von Sualin, welches aus zwei Orten, dem infulariihen und dem feftländifchen, befteht. Sein Palaſt, ein großes, faravanferatähnliches Gebäude, liegt dicht am Hafen und hat im erften Stod eine ſchöne, große, nad) dem Meer offene Veranda: den gewöhnlichen Empfangsjaal, von wo man eine entzüdende Ausficht genießt. Hier empfing er auch mid), lud mid) ein, den ganzen Tag bei ihm zuju- bringen, erzählte mir von Baker, Schweinfurth und anderen Reifenden, Die er alle kannte. Er lud mi auch zum Effen ein und hätte mahrjcheinlich mit mir bei Tiſch Pla genommen, hätte ich felbft nicht durch eine ganz unſchuldig gemeinte Aeußerung dies verhindert. Bis jet mar mir nämlich no fein anftändiger Moslem’ vorgefommen, der den Ramadan nicht hielt. Deshalb glaubte ich, als die Rede aufs Effen kam, bemerken zu müffen, man fönne einem Moslem im Ramadan nicht zumuthen, bei Tage Jemand eine Mahlzeit vorzufeßen. Da ich ihm fo das Verbienft des Faftens zu— ſchrieb, ſo jchämte er fi, in meinen Augen als ein ſchlechter Moslem zu

*) Yegt (1872) ift ev Gouverneur Chartums und Munzinger an feine Stelle in Suafin und Mafjauma getreten.

94 Illuſoriſche öffentliche Werke.

eriheinen. In der That erfuhr ich |päter, daß ſowohl diejer, wie viele höhere ägyptifche Beamte im Ramadaͤn nicht faften; und der junge Leib- mamlud des Paſcha, ein Circaffier, der mich nachher in der Stadt herum⸗ führte, tauchte fogar auf offener Straße eine Cigarre. Hätte er das in Dihedda gewagt, Stodprügel und Gefängnig wären fein Loos gewejen. Selbſt in dem franzöfiten Algier kann ein Moslem fo etwas nicht thun, ohne in den focialen Bann erklärt zu werden. Welch' ein Abftand zwijchen den beiden Uferländern des rothen Meeres! Uebrigens aud in Oftafrila wird fi nur der Bornehme und fein Hausfland den Faſtenbruch erlauben. Das Volk ift ebenfo fanatiſch, wie in Meta.

Bei Montäz Paſcha bekam ich wieder einen Einblid in die Lächerliche Weile, mit der man in Aegypten civilifirte Anftalten ind Leben ruft. Er bekam den Beſuch von zwei engliichen Ingenieuren, die im Auftrag des Vicekönigs den Telegraph von Sualin nad) Berber errichten follten: Ich war ganz erſtaunt, dies zu hören, denn nad) den Starten eriftirt auf diejer Straße der Telegraph ſchon feit zwölf Jahren. Als ich danach fragte, ſagte man mir:

„Allerdings, man hat ſchon vor vielen Jahren bier den Telegraph errichtet, aber er Hat nie etwas getaugt. In der That ift nie eine einzige Depeſche darauf befördert worden, obgleih man ſich in Cairo eine Zeit lang über den wahren Sachverhalt Täuſchungen hingab.“

Bom alten Zelegraph ſoll, wie mir die Engländer ſagten, feine Stange mehr erifliren. Uebrigens waren fie durchaus nicht überzeugt, daß er jet zu Stande käme Einer fagte mir, die Regierung habe ihnen größtentheil3 unbraudhbares Material, das ihr irgend ein europätjcher Ber- kaufskünſtler für enorme Preiſe angehängt hatte, geliefert und fie würden nicht eher die Arbeit übernehmen, als bis dies vertauscht fei.

Außer den temporär hier wohnenden Engländern lebt in Suafin nur ein einziger Europäer, der Sanitätßagent; oder vielmehr der arme Mann begetirt nur; denn die hiefige Stelle ift eine der ſchlechteſten (50 Thaler monatlih) und davon muß er noch eine zahlreiche Familie daheim ernähren. Hierher nämlich wird wohl Teiner feine Kinder mitnehmen. Suakin ift zwar nicht entfchieden ungefund, aber die große Hitze (jelbft im Winter jelten unter 24 Grad R.) für die europäische Jugend zu angreifend. Diejer gute Mann, der noch dazu ein italienischer Graf fein ſoll (er ſelbſt wollte es nicht Wort haben), mohnte in einer wahren Ruine mit einem einzigen gedeckten Zimmer, ohne Küche, ohne Diener. Wie zum Spott hatte er eine Garde

Guropäer in Sualin. 95

von ſechs Mann, die Sanitätswächter. Als ich ihm Briefe aus Dſchedda überbrachte, Hagte er mir fein Loos. Daß das Fleiſch ſehr zäh, das Brod kaum eßbar, daß Gemüfe fehlten, das Alles hatte ich ſchon durch die Ein- läufe meines Dieners erfahren. Wie ed mit den Unterhaltungen ausſah, wollte er mich durch Augenschein kennen lernen lafien. Wir gingen aljo zufammen nad einer Bude, die er in feinem Galgenhumor fein „Cafe de Paris“ nannte.

Ich muß geftehen, ich habe nie die europäiſche Mifere im Orient ab- Ihredender gejehen. Dieſes jogenannte Kaffeehaus war die Bude eines Armenier3 und zweier Griechen, die dort in Sompagnie aßen, handelten, Ihliefen, Alles in einem fehr engen Raum, einer Rohrhütte. Der Haupt- artifel war natürlich Branntwein und dies auch die „Erfriſchung“, die man und anbot. Da dies mit jener wenigſtens anjcheinenden Herzlichkeit geſchah, welche Faft immer in fernentlegenen Orten das Zuſammenkommen von Suropäern kennzeichnet, fo fonnte ih nicht abjchlagen und gab mir Mühe, etwas von dem Tehlverbrennenden griehifchen Spiritus hinunterzu⸗ würgen. Der „Graf“ Hatte ſich fchon an dies Getränk gewöhnt, und ich war erftaunt, ihn ſowohl an mehreren Taſſen defielben, mie an dem gelind ausgedrüdt ſehr ungebildeten Geſpräch der Händler Geſchmack finden zu leben. Zu welcher traurigen Aushülfe kann ein Ort wie Sualin felbft gebildete Menſchen (und das war der „Graf“ und taufendmal befler, als manche Kröſuſſe, die in Cairo einherfahren) zu greifen zwingen, wenn fie nicht ganz als Einfiedler leben wollen, und da3 wird dem lebhaften Italiener ſchwer.

Wir gingen darauf in den beiden Ortichaften, ſowohl auf der Inſel wie am Feſtland, welche ein breiter Canal trennt, herum. Die meiften Wohnungen find nur Hütten von Rohr oder Zweigen der Dompalme. Auf dem Feſtland waren ziemlich viele Steinhäufer, doch mehr Waaren- magazine ald Wohnungen. Es muß bier übrigens ein bedeutender Handel mit Gummi getrieben werden (Ziffern konnte ich darüber nicht ſammeln), dem ich ſah wohl Hundert zeltartige Kegel, duch Palmftrohmatten jehr \orgfältig verdedt, welche mir als Aufbewahrungsorte dieſes Artikels be- zeichnet wurden. Die Händler find Habrami: zwei bis drei jelbitfländige Kaufleute, die anderen Vertreter Dſcheddaner Häufer.

Suakin hat, als Haupthafen des ägyptiſchen Sudan, immerhin eine gewiſſe Wichtigkeit und möglicherweife eine glänzendere Zukunft. Mun- jinger ftellt feine Handelsbedeutung ſogar höher, als die von Maſſauwa, mit dem e3 den Export des obern, amhariſchen Abeſſiniens theilt. Die

96 Sudänefifche Frauen.

Stadt hat ſchon in den lebten zehn Jahren bedeitend zugenommen. Schöner ift fie freilich nicht geworden. Gegen Dſchedda macht fie einen ganz erbärmlichen Eindrud. Yür den Europäer läßt ſich diefer Eindrad nur in dem Wort „Mifere” zufammenfaffen. Für den arabiihen Kauf— mann ift Sualin eine vortheilbafte Verbannung, die er nach errungenem Handelserfolg mit Dſchedda vertaufcht. Yür die einfachen Kinder des Sudan mit ihren geringen Bebürfniffen ift dagegen Suakin ein Eldorado, wo fie Alles finden, was ihr Herz begehrt: volle Fleiſchbuden, ihre beliebten dem Europäer freilich ungenießbaren Durrabrode, ſaure Mil, recht viel hier für ausgezeichnet geltende, nach unferen Begriffen aber ranzige Butter, und vor Allem ganze Budenreihen mit dem beliebten Hammeläfett, das fie fih in die Haare fchmieren; daneben Luftbarfeiten aller Art, dralle ſchwarze Dirnen, die nicht ſchwer zu erobern find, Negermuſik, Tamburingetrommel und Flötengezwiticher, wozu fie ſelbſt den Gefang liefern. Herz was ber- langit Du mehr? .

Man folgere übrigens nicht aus dem über die Mädchen Gejagten, daß bier eine eigentliche Proftitution blühe. Dieſes häßliche Wort papt durchaus nicht auf die Zuftände unter den fogenannten Naturvölkern Die geſchlechtlichen Verhältniffe find bei den Schwarzen andere, als bei Kaufafiern und Semiten. Nur die verheirathete Frau hat relative Keuſch⸗ beitöpflichten. Das Mädchen ift, außer bei einzelnen Stämmen, frei. Die Aungfräulichkeit wird gefchäßt, aber mehr weil fie den Genuß erhöht, al weil fie für eine Ehre gilt. Ihr Verluft verhindert nicht die Ausficht auf Verheirathung. Alles dies liegt im Blut, in der Race. Die Religion if dabei faft ohne Einfluß geblieben. Der firenge Mohammedanismus hat nicht vermocht, den erotifch freien Schwarzen des Subän feine Ketten anzu: legen, ebenfowenig mie in Abeſſinien das Chriftentfum. Die Subäneferin finkt aber deshalb keineswegs (einzelne feltene Fälle abgerechnet) Leicht zur Proftitution hinab. Die Mädchen, die auf dem Lande bei ihren Eltern wohnen, behalten fogar in den meiften Fällen ihre Yungfräulichkeit bis zur Hochzeit. Anders ift es in der Stadt. Hier find der Verlodungen zu viele. Schmeichelmorte, Geſchenke, eine imponirende oder gefallende Männlichkeit verfehlen bei diefen leicht empfänglichen Weſen jelten ihre Wirkung. Aber faft nie wird eine Schwarze fi) des bloßen Mammons wegen bingeben. Es ift beinahe immer eine Art von Liebesverhältnik im Spiele. Einem folden pflegen fie auch die Treue jo lange zu be mahren, als der Mann dies thut. So hatte 3.8. der Trieftiner Maſchiniſt

Haartoilette der Sudänefer. 97

in jedem oftafrifanifchen Hafen eine Geliebte, die er nur alle ſechs Wochen jah, über deren Betragen während feiner Abmwefenheit jedoch nur Gutes verlautete. Diefe Mädchen find außerordentlich anhänglih und fähig für den Geliebten ins Feuer zu gehen.

Die Haartoilette fpielt bei den Schwarzen von Suafın eine jo wich— tige Rolle, daß eine ganze Budenſtraße ihren Hilfsmitteln gewidmet ift. Hier Jah ich einige zwölf Läden, in welchen nur die eiförmigen Kugeln bon Hammelfett, der beliebteften Haarjpeifung, verfauft wurden. Daneben vielleicht ebenjoniel Buden mit den verfchiedenen mineraliihen Haarpulvern von allen Yarben des Regenbogens, welche der Yettunterlage aufgeftreut werden und für jehr reizend gelten. Bier befand fi auch ein halbes Dubend Zelte, einheimifche Friſeurläden, in denen die Geheimnifje der Hoartoilette vollendet werden. Sehr appetitlih ift es nicht, dieſem Ver— ſchönerungsvorgang beizumohnen. Es ift übrigens nur das männliche Ge— ſchlecht, das von diefen Zelten Gebrauch madt. Die Frauen bejorgen ihre noch reichlichere Yettbegießung (denn bei ihnen trieft Alles, während bei den Männern das Fett ftarrt) zu Haufe.

Nach dem Gang durch die Stadt kehrte ich zu Montaz Paſcha zurüd, wo inzwijchen der abendlihe Ramadan -Jubel begonnen Hatte. Schwarze Mufifanten und Tänzerinnen zeigten ihre Künſte. Der Paſcha ſelbſt mar zu gebildet, um daran Geſchmack zu finden. Dies Schaufpiel follte nur feine Bejucher, die vielen höheren und niederen ägyptiſchen Beamten, zer- freuen, damit er felbft weniger von ihrer ungebildeten Converfation- leide. Als ich fam, nahm er mich bei Seite und fagte: „Laſſen Sie uns ein wenig plaudern, damit ich einen Augenblid daS Volk vergefje, unter dem ich Iebe.” Nun begann er mir von feinen „Plänen“ zu ſprechen. Jeder gebildetere Moslem hat nämlich „Pläne“, wie er das Land verbeſſere, die Menjchen humanifire zc.: Alles recht wohl gemeint, aber felten fruchtbar, da ein Mann feine Eultur Schafft. Ein Plan des Paſchas ſchien übrigens der Erfüllung nahe Cr hatte nämlich einen Theil des Innern mit Baummolle*) bepflanzen laffen und hoffte dort einen mit dem Nilthal tivalifirenden Erfolg. Auch an Ausdehnung und Befeftigung des äghp-

*) Im November 1871 ſchrieb man mir, daß Munzinger, jet Gouverneur von Maoffauma, dieſen Plan Montäz Paſcha's weiter verfolge und bereit8 eine Streds .

mit Baumwolle bepflanzt babe. Cotton is the great civilisator of our age, ſchrieb RE

mir ein Engländer aus Aden in Bezug auf Obiges. Mals an, Reiſe nah Südarabien. 7

98 Aegyptiſches Neih in Oſtafrika.

tiihen Reihe in Oſtafrika dachte er viel. Die Erwerbung Ahſabs dur Italien machte ihm Kummer. Jetzt dachte er daran, die ägyptiſche Herr⸗ ichaft biß über Bäb el Mandeb auszudehnen. In der That madt er alle Sabre Reifen nad Berbera im Somäli-Lande; aber meiter, als bis zu einem Auffteden der ägyptiſchen Yahne ift es noch nicht gelommen. Auch zu Lande, gegen Bogos*), Keren zu hoffte er Gebiet3ermeiterung. Solde Leute, wie er, könnten ohne Zweifel der ägyptifchen Regierung viel nüßen. Aber fie werden jelten verjtanden und noch weniger unterftüßt.

*) Der Plan, Bogos durch ägyptiſche Truppen zu bejegen, if bekanntlich jegt (1872) verwirklicht worden.

Ofafrikanifhe Küſte.

Dreizehntes Gapitel. Maſſauwa.

Fahrt von Suakin nah Maſſauwa. Des Commandäaͤrs Proben der Nautik. Inſelarchipel. Einfahrt. Kriegeriſche Gerüchte. Angebliche engliſche Truppen: landung. Die Baſchi-Bozuks. Der Sendſchak. Die Strafgarniſon. Die Inſel Maſſauwa. Elende Bauten. Schwierigkeit des Unterkommens. Ein deutiher Kaufmann. Fanatiſche Hausbeſitzer. Conſul Munzinger. Ein ge: borener Reifender. Franzöfiſches Eonfulat. Munzinger's Führung der englifchen Erpebition. Undant der Regierung. Miffionäre. Die Schweden in Maſſauwa. Erfolge der Katholiten. Ein Gefangener Theodor's. Merkwürdige Yagdaben- teuer eines Deutſchen. Einheimijche Bevölkerung. Abneigung gegen Europäer. Die Hadrami. Die Banianen. Ihre commercielle Stellung. Der Gouver⸗ neue. Seine Berbefferungen. GBartencultur. Waflermangel. Bauten: teform. Strenge Orthodorie der Einheimischen. Das Sir. Mufil. Pro: fitution. Schlimme gefundheitlide Folgen. Uebermäßige Haarfalbung der Frauen. Garnifon. Die Beteranen aus Mexico. Schöne Landſchaft. Türkiſches Fort. Klima. Fieber. Meteorologiiches.

Unfere Fahrt von Sualin nah Maſſauwa dauerte fünf Tage und dies wurde als ein Herenftüd von Schnelligkeit für den Suakin ange- ſehen, obgleich ein gutes Schiff bloß zwei nöthig hat. Diefe ganze Küſte it überfäet mit Klippen und Untiefen, große VBorficht deshalb von Nöthen. Da man fi auf den Piloten allein verlaffen fonnte und diefem Ruhe nöthig war, jo ging der Commandar darauf ein, jede Naht zu ankern, wofür ich ihm meinen Dank ausdrüdte Dies koftete ihn wohl Ueber- windung, denn er gab gar zu gern Proben feiner Nauti. Im offenen :

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98 Aegyptiſches Neih in Oſtafrika.

tiſchen Reichs in Oftafrifa dachte er viel. Die Erwerbung Ahſabs durch Italien machte ihm Kummer. Seht dachte er daran, die ägyptiſche Herr- Ihaft bi8 über Bäb el Mandeb auszudehnen. In der That macht er alle Jahre Reifen nad) Berbera im Somäli-Tande; aber weiter, als bis zu einem Auffteden der ägyptifchen Fahne ift es noch nicht gelommen. Auch zu Lande, gegen Bogos*), Keren zu hoffte er Gebietermweiterung. Solche Leute, wie er, könnten ohne Zweifel der ägyptifchen Regierung viel nüßen. Aber fie werden felten verftanden und noch weniger unterftüßt.

*) Der Plan, Bogos durch ägyptiſche Truppen zu bejegen, ift bekanntlich jegt (1872) verwirklicht worden.

Ofafrikanifhe Küſte.

Dreizehntes Gapitel.

Maſſauwa.

Fahrt von Suakin nach Maſſauwa. Des Commandäaͤrs Proben der Nautik. Inſelarchipel. Einfahrt. Kriegeriſche Gerüchte. Angebliche engliſche Truppen: landung. Die Baſchi-Bozuks. Der Sendſchak. Die Strafgarniſon. Die Inſel Maſſauwa. Elende Bauten. Schwierigkeit des Unterkommens. Ein deutjcher Kaufmann. Fanatiſche Hausbefitzer. Conſul Munzinger. Ein ge: borener Reiſender. Franzöfiſches Conſulat. Munzinger's Führung der engliſchen Erpedition. Undank der Regierung. Miſſionäre. Die Schweden in Maſſauwa. Erfolge der Katholiten. Ein Gefangener Theodor’ 3. Mertwürdige Jagdaben⸗ teuer eines Deutichen. Einheimiſche Bevölkerung. Abneigung gegen Europäer. Die Hadrami. Die Banianen. Ihre commercielle Stellung. Der Gouver: nem. Seine Berbefferungen. Gartencultur. Waflermangel. Bauten- teform. Strenge Orthodorie der Einheimiſchen. Das Sik. Mufil. Pro: Ritution. Schlimme gejundheitlihe Folgen. Uebermäßige Haarjalbung der grauen. Garniion. Die Veteranen aus Mexico. Schöne Landſchaft. Türkiſches Fort. Klima. Fieber. Meteorologifches.

Unfere Fahrt von Sualin nah Maſſauwa dauerte fünf Tage und dies wurde als ein Hexenſtück von Schnelligkeit für den Sualin ange- ſehen, obgleich ein gutes Schiff bloß zwei nöthig hat. Diefe ganze Küfte if überjäet mit Klippen und Untiefen, große Vorficht deshalb von Nöthen. Da man fi) auf den Piloten allein verlaffen fonnte und diefem Rube nöthig war, fo ging der Commandär darauf ein, jede Nacht zu ankern, wofür ich ihm meinen Dank außdrüdte Dies koſtete ihn wohl Ueber-

windung, denn er gab gar zu gern Proben feiner Nautif. Im offenen 7*

100 Gefahrvolle Schifffahrt im Inſelarchipel.

Meer war folches gefahrlos. Aber Hier, in dem Slippenlabyrinth, mußte man ihn ftet3 ftreng hüten, ſonſt rannte er das Schiff im Handumdrehen auf eine Korallenbant. Gleich am erften Tage, während der Pilot zu Mittag aß, gab er ein Pröbchen feiner Kunſt. Ich ſah plöglich) zu meinem Schreck ein Korallenungethüm vor uns, welches freilich einige Seegräfer bedten, und deshalb vom Commandar für „blühendes Meer“ erklärt wurde. Schnell jchidte id meinen Nubier zum Piloten, der auch gleich

herbeikam und nad einem Streit mit dem Commandär, welcher es natürlid beſſer willen mollte, die Ablenkung des Schiffs durchſetzte. Aehnliche Scenen ereigneten ſich faſt täglih und es hielt oft jehr jchwer, den Commandit zur Nachgiebigkeit zu bringen. Die Officiere ftanden natürlich auf feine

Seite. Die Mannſchaft lachte fih ins Fäuſtchen über die Irrungen ihre

Chefs. Nur den Pallagieren, etwa 20 Moslems, einigen Griechen und

mir, fowie dem Piloten ſchien daran zu liegen, daß wir nicht aufſaßen. Die Einfahrt in den Injel-Archipel vor Dahlak, der Maſſauwa vor:

liegt, nahm die ganze Kunſt des Biloten in Anſpruch. Da der Com: mandär fchlief, jo ging fie glüdlich von Statten. Seltfame Gerüchte Tiefen auf dem Schiff über das, was mir in Maffauwa finden würden. In

Suakin, in Dſchedda, überall war eine unfinnige Fabel verbreitet. Es hieß nämlich, engliihe Truppen jeien in Mafjauma gelandet, und wollten Theodor’3 Sohn mit Waffengewalt wieder in Habeſch einfegen. Der Um- ftand, daß diefer Knabe von den Engländern mitgenommen wurde, be ichäftigt immer noch die Gemüther und giebt zu allerlei Märchen Anlaß Sp wenig ih auch an dieſes neuefte glaubte, fo ſchien doch der Anblid, den Hüfte und Hafen uns bei der Einfahrt boten, es beftätigen zu mollen. Ein großer engliſcher Dreimafter ruhte majeftätiich im Hafen und auf dem

. Zand tauchten auf allen Seiten die weißen Spitzen reinlicher Militär

zelte auf.

Un Bord war jest nur eine Stimme. Das waren die Zelte englifcer Truppen; dort lag das Kriegsichiff, das fie gebracht hatte. Aber bei der Ankunft entpuppte fich letzteres als ein friedlicher Kauffahrer, und mas die Truppen betraf, jo überfehmenmten fie bald unjer Bord. ES waren türkiſche Baſchi-Bozuks, im ägpptifchen Dienfte, die der Suafin abholen jollte, um fie nad) einem nur dem Paſcha befannten Beitimmungsort zu bringen. Dieſe Baſchi-Bozuks find in neuefter Zeit eine Verlegenheit für die ägyptifche Regierung geworden. Sie find ein ganz unbändiges Völkchen,

meilt aus zwar recht jchönen und männlichen, aber auch ſehr rohen Ar

Die Baſchi⸗Bozuks im ägpptifchen Dienft. 101

nauten beftehend. Seine Difciplin, kein Geſetz reipectiren fi. Durch ein Rıhts zum Zorn gereizt, find fie gleih mit dem Dolch bei der Hand. Ihr eigner Oberſt fürchtet fi vor ihnen. Diefer erzählte mir unter An— derm: Neulich Habe ein Arnaut einen Kaffeehaustnaben erftochen, bloß weil der von ihm gereichte Kaffee nicht mehr ganz warm gemejen fei. Aber an ein Strafen könne er wicht denken. Ihn und alle Officiere todtzu- ſchlagen und vielleicht no Maffauma zu plündern und dann anzuzünden, dellen wören fie fähig und brauchten nur die geringfte Herausforderung dazu. Sie ftänden alle einer für den andern ein und die dem Einen auf- erlegte Strafe würde als Schimpf für Alle aufgefaßt und von Allen gerädht.

Diefer alte Sendſchak (Oberft) war ein treffliher Mann, in Maſſauwa allgemein beliebt und rejpectirt, nur nicht von feinen unbändigen Unter- gebenen. Er Hagte mir fein Loos. Namentlich die vielen Verſetzungen waren ihm fchredlich. Noch vor zwei Jahren lag fein Regiment in Aleran- drien, wo es den Polizei- und Gensdarmeriedienft verjah. Aber da war der Wolf zum Schäfer beftellt worden. Da die Bafchi-Bozuls Europäer laum mehr refpectiren, als Fellahs oder die einheimifch ägyptiſchen Sol- daten (Iebtere werden bon ihnen wie Heloten behandelt), jo kamen jo viele lagen der Conſuln vor, daß man fie verfegte und zwar nad) Rafjauma, das für eine fehr unangenehme Garnifon gilt. Da aber diefe Strafgernifon fie nicht gebeffert hatte, fo mar jebt ihre Verſetzung nad) einem zwar noch nicht bekannten, aber jedenfall® noch unangenehmern Ort im Werk.

„Wohin wird man ung bringen?” feufzste der alte Cherft. „Wahr- Ihemlih in eine Gegend am meißen Nil oder nad) Kaſſala, wo die Meiften nad) drei Monaten am Fieber fterben.“

Der Commandär, die Officiere, die Mafchiniften des Suakin zitterten in ihren Schuhen, als fie ihre neuen Paſſagiere kommen ſahen. Und mit denfelben oder vielmehr unter deren Joch follten fie nun fünf Tage bis zur Rüdkunft in Sualin bleiben! Es mar eine feinedmeg3 tröftliche Ausſicht. |

Die Injel, auf der Maſſauwa liegt, ift jebt zum großen Xheil mit Bauten oder Hütten bededt. Sie wird im Norden durch den Hafen, im Velten durch jeichtere Canäle vom Yeitland getrennt. Es wäre fehr leicht, auf der jeichteften Stelle einen Stadt und Feſtland verbindenden Damm zu errichten. Diefer Vorſchlag, den Munzinger dem biefigen Gouverneur gemacht, welchen leßterer aber zurüdgemwiejen hatte, dürfte möglichermeife

102 Bauten in Maffauma.

jet zur Ausführung fommen*), feit der berühmte Neifende felbft die Gou- verneurftelle bekleidet. Der Hafen gleicht einer Ylugmündung. Bon ihm nimmt fi die Stadt nicht häßlich aus, da man von hier nur die Stein- häufer, worunter ber weißangeftrichene Palaſt des Gouverneurs, gut unter- icheidet und das Gewirre ſchmutziger Hütten, das die Mehrzahl der Ein- wohner beherbergt, faum gewahrt. Iſt man aber in der Stabt, fo ſchwindet jede Täuſchung, und man muß fich jagen, daß auch bier der Eindrud nur durch das Wort „Elend“ wiederzugeben if. Ein bischen befler ifl’s als in Suafin, aber wenig genug.

Eigentlich Hat Maſſauwa nur zwei nach arabiſchen Begriffen ſtädtiſche Häufer, die Kaufleuten aus Hadramaut gehören und genau wie die Häufer von Dſchedda gebaut find. Das Regierung3haus ift eine unförmige Gaferne. Das katholiſche Milfionshaus, auf einem einfamen öftlihen Theil der Inſel, ift nicht häßlich und berühmt durch feine trefflihen Eifternen. Die anderen Häuſer, einige achtzig oder hundert an der Zahl, find Hein, niedrig, unſchön, meift fehr unzweckmäßig gebaut.

Das Schwierigſte ift in Maſſauwa ein Unterfommen zu finden. Zum Glück war ih an den einzigen europäifhen Kaufmann, der bier lebt, Herrn Haſſen, einen Deutſch-Ungarn, empfohlen. Diejer außerordentlich gefällige Dann führte mich gleich in jein Haus und bot mir daffelbe an. Aber die Wohnungsnoth ift Hier fo groß, daß mein freundlicher Wirth faum für ſich jelbjt genügenden Plag bejaß und ich Bedenken empfand, feine beſchränkte Räumlichkeit durch) meine Gegenwart noch unzureichender zu maden. Seine Wohnung beitand nämlich aus einem einzigen don Stein erbauten Zimmer, allerdingd groß und luftig. Yür feine Yamilie hatte er ein mit Palmmatten verhängtes Rohrhaus, eine Art Gartenlaube, angebaut, da3 erfte Bauwerk diefer Art, das mir wirklich hübſch erſchien und mir bewies, was guter Gefchmad, Ordnung und Reinlichkeit ſelbſt aus dieſem unjcheinbaren ardhiteftonifchen Element machen können. Luftig vom Winde durchftrichen (bei der Hiefigen fteten Hite die größte Wohlthat), vor der Sonne duch dide Matten geſchützt, war diejes Kleine Rohrgebilde wirklich allerliebft und angenehm zu bewohnen. Außerdem lag Herrn Haſſen's Wohnung an einem der fühlften Orte der Inſel, auf einem Landvorſprung, von drei Seiten vom Meer befpült. Wir filchten aus den Yenftern, ja wir erlegten mit Schrotſchüſſen eine Menge großer und ſchmackhafter Fiſche.

*) Dieer Plan ift jegt (1872) außgeführt worden.

Conful Munzinger. 103

In der Stadt flanden einige Häufer leer, deren Herren auf dem Lande waren. Man ließ bei ihnen anfragen, da befannt war, daß fie diefelben gelegentlich vermietheten. Aber ihr moslemijcher Yanatismus firäubte ſich dagegen, einen Europäer, wenn auch für theures Geld, aufzunehmen. Gleichfam als Entihuligung führte man mir an, ein hiefiger Moslem habe neulich an einen Europäer ein Haus vermiethet und diefer (ein Miffionär) den Mißbrauch ſoweit getrieben, Gottesbienft darin zu halten. Ungläubiger Sottesdienft in einem moslemiſchen Haufe! Und die Wände waren nicht eingeftürzt! ines folchen Verbrechens ſchien man auch mid fähig zu balten, und jo ſchwand die Hoffnung auf Miethung.

Herr Hafien verfah in Abweſenheit Munzinger’8 deſſen Confulatöge- ihäfte. Der berühmte Reifende wohnte zur Zeit in Mokullo, zwei Stun- den von hier, fam jedoch an Pofttagen in die Stadt. Bei einer ſolchen Gelegenheit wurde ich mitdiefem merkwürdigen und liebenswürdigen Manne befannt, deilen Freundlichkeit gleich) beim erſten Zufammentreffen mit einem ihm bisher Unbelannten ſoweit ging, mich) durch Anerbieten ſeines Stadt- haufes aller Wohnungsnoth zu entheben.

Munzinger ift eine außerordentlih glüdlih organifirte, gleichſam zum Reilenden gejchaffene Natur. Bon einer duch klimatiſche Einflüſſe faft unberübrten, ausnahmsweiſe kräftigen Gefundheit, der man anmerft, daß lie aus dem Alpenlande, Schweiz, ftammt, von einem unvermwüftlichen Humor, weiß er Hunger, Durft, Hibe, Kälte, das härtefte Lager gleichgut zu ertragen. Oft muß er erft von Anderen an feine leiblichen Bedürfniſſe erinnert werden. Sa zwei feiner Freunde, deren einer in Habeſch, der andere in Südarabien mit ihm reiften, verfiherten mir, er bringe feine Gefährten mandmal förmlich in Berlegenheit, ihre Bedürfniffe einzuge- ftehen, weil man ſich ſchäme, ſoweit Hinter feiner Bebürfniplofigkeit zurüd- zubleiben. Was er feiner Natur bieten kann, beweilt, daß er einft bei 8000 Fuß Höhe ohne Dede und im dünnen Sommeranzug, den er bei 30 Grad R. nicht leichter tragen konnte, unter freiem Himmel übernadhtete und ſich nicht erfältete, Ebenſowenig greift ihn die glühende Tropenjonne an, der er fi ſchadlos in einem Lande ausjebt, mo wenig Europäer dem Sonnenſtich entgehen. Fieber hat er, glaube ich, nur ein einziges Mal ge- habt, nämlich im ungejundeften Theil von Kordofan. Aus jener Zeit fammt fein Widerwillen gegen das Schwigen. „Nur nicht ſchwitzen,“ beißt es bei ihm, und inder That, in einem Schwiglande, wie Maſſauwa, (hät man ſich glücklich, wenn man diefe Vorfchrift befolgen kann. Er

104 Confularifche Vertretung in Maffauma.

ſchläft, wie alle Eingeborenen, ftet3 bei offenen Fenftern und Thüren, und zwar bat man hier faft immer auf allen vier Seiten des Zimmers Yenfter. Eine ftarfe Natur kann dies jedod allein aushalten. Schwächere werden das Fenſterſchließen und ſelbſt das gelegentlihe Schwiten als Wohlthat empfinden.

Munzinger's Hauptfach ift das Iinguiftiiche, obwohl er auch anderen Difciplinen jein Studium gewidmet hat. Aber in erfterm leiſtet er Vor⸗ zügliches und fann als Autorität für die modernen Sprachen von Nord- und SüdeTigre*), Amhar und Agau gelten. Bon lebterm giebt e& drei Zweige, deren "einer, bisher jo gut wie unbelannt, eben den Forſcher be= ihäftigte. Sein Wörterbud) des Maſſauwa⸗Dialekts (Nord-Tigre), feine „oſtafrikaniſchen Studien“, fein „Recht der Bogos“ Haben ihm unter den Orientaliften einen hervorragenden Rang gefichert. Leider halten ihn feine conſulariſchen Geſchäfte vielfah von wiſſenſchaftlichen Arbeiten ab.

Officiell war er zur Zeit zwar nur franzöfiicher Conſul; da ſich aber außer ihn gar fein Conful bier befand, jo mendeten fich alle hieher ver- ſchlagenen europäiſchen Schußbefohlenen an ihn. Unter diefen ift oft viel Gefindel (Griechen, Levantiner), die ihm nicht wenig zu ſchaffen machen. Es ift befannt, daß er früher auch das engliſche Gonfulat befleidete und als Yührer der abeffiniihen Expedition beimohnte, mofür ihm nur mit Undant gelohnt wurde. Seiner Thätigfeit bei jener Expedition verdanken die Engländer einen Theil ihres Erfolge. Es ift nur eine Stimme darüber und ſelbſt viele engliihe Officiere haben mir gejagt, daß ohne Munzinger's Localkenntniſſe der Feldzug fi in die Regenfaifon verfchleppt hätte Wer legtere in Abejfinien kennt, wird die oft gehörte Behauptung nicht für über- trieben halten, daß, einmal von dem Regen überfallen, der größte Theil ber Armee zu Grunde gegangen wäre. Dafür Iohnte man ihm mit einem Orden,. in Maflauma ein ganz merthlojer Artikel, während Andere Tau: jende von Pfunden als Entiehädigung erhielten. Biel Schuld an dieſen Borgängen trägt der Dualismus der Regierung, des englichen home- government und ber colonialen oſtindiſchen Verwaltung. Munzinger's Verdienſte waren ber oftindifchen Verwaltung vorzugsweiſe befannt. Bis

*) Die moderne Wiſſenſchaſt hat für Süb-Tigre den Ausdrudf Tigrinnia ange: nonmıen, der jedoch nichts ift, als das amharifhe Wort dafür. In Tigro ſelbſt nennt man die Sprache einfach Tigrs, das Nord:Tigrs dagegen Bedawi (Beduinen⸗ dialeft).

Miffionäre in Oſtafrika. 105

jum home - government jcheint wenig davon gedrungen zu fein. Erftere hätte letzteres freilich um eine paflendere Belohnung für ihn angehen müſſen. Bei ihrem ſchwerfälligen Gefchäftsgang wurde dies wahrſcheinlich auf die lange Bank verſchoben; man vergaß e3, und, fpäter daran erinnert, ſchämte man fich durch nachträgliches Gutmachen feine Verſäumniß einzu- geflehen, zumal da inzwijchen die für die Anderen vorgeichlagenen Ent- ſchädigungen ſchon zuerkannt waren. Nur fo erklärt fich dieſer Verſtoß, denn die Engländer find fonft nicht undankbar. Beſtände noch die oft- indiihe Compagnie, die in ſolchen Dingen nicht das home-government zu fragen brauchte, Munzinger hätte gewiß Alles erhalten, wozu ihn feine Verdienfte berechtigten.

Sonft leben von Europäern in Maſſauwa noch einige ſchwediſche Miſſionäre, ein alter franzöſiſcher Soldat und eine ganze Colonie von griechiſchen Spiritushändlern und Weinfabrikanten. vente haben fpelunfen- artige Buden, der in Sualin fehr ähnlich.

Die Miffionäre Hatten hier fein Glück. Fruher im Innern, hinter Bog08, bei einem noch heidniſchen Volke thätig, wurden fie von dort ver— trieben, zwei der Ihrigen fogar zugleih mit dem Engländer Powell ge- tödtet. In Maſſauwa hatten fie nur proviforiich Aufenthalt genommen. An ein Belehren der Hiefigen ift gar nicht zu denten. Um aber auf die vielfach hierher kommenden Abeffinier zu wirken, muß man e8 anders machen, als fi. Ein Miffionär, der wirken will, muß den Europäer ſoviel wie möglich ausziehen. Er muß viel, ja ausschließlich mit Eingeborenen berlehren, ihre Sprachen kennen, auf ihre Ideen eingehen. Alles daS ver- ſtanden die guten Schweden nit. Es waren brave Leute, die es ehrlich meinten, aber hölzerne Naturen.

Ganz anders gehen die katholiſchen Miffionäre zu Werk, die in Maſſauwa aud eine Station haben, welche ihnen aber nur als Rückhalt dient und gegenwärtig bloß von jungen Dienern, jogenannten Miffions- zöglingen, berohnt war. Allerdings finden fie auch das Terrain günftiger. Das monophyſitiſche Dogma, welches die abeſſiniſch-koptiſche Confeflion von der Tatholifchen trennt, ift dem Volke, ja vielen Prieftern unbefannt. Der Ritus iftlein Hinderniß, denn die katholische Kirche duldet jeden orientalifch- Hriftlihen Ritus. Es Handelt ſich alſo faft nur um Anerkennung des Papftes. Dazu finden fich die Laien, ja felbft einzelne Priefter gern bereit, und jo Haben die fatholifchen Miffionäre Schon ganze Dörfer, namentlich in der Provinz Kolukuſſai bekehrt. Was ihnen aber ſchadet und oft ihre

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106 Ein europäifcher Jäger. Bevölkerung.

Erfolge vernichtet, ift ihre Einmiſchung in Politik. Das können fie nie laffen. Daher auch ihre neueften Kämpfe mit Kafla, dem Fürften von Zigre, der fie jogar ſchließlich alle auswies.

Einen nur zeitweife hier lebenden Europäer, Herrn Rösler, lernte ic ‚bei Herrn Haſſen kennen, deſſen Landsmann er if. Diefer noch ſehr jung ausjehende Mann hatte ſchon viel durchgemacht. Als zoologiſcher Sammler war er vor einigen zehn Jahren nach Abeſſinien gekommen, hatte es in allen Richtungen jagend, ſammelnd und ausſtopfend durchſtreift, bis Theo⸗ dor's Laune ſeinem Reiſen ein Ende machte. Er blieb zwei bis drei Jahre deſſen Gefangener und wurde erſt durch die engliſche Expedition befreit. Wie alle ächten Reiſenden verſchmähte er es, viel von feinen Erlebniſſen zu er: zählen. Nur dur Herrn Haſſen, ber vertraut mit ihm mar, erfuhr id Einiges von den höchſt merkwürdigen Jagbabenteuern dieſes Mannes. Manche derjelben reizten zum Lachen, wie die von ihm erfundene jehr

originelle Art des Affenfangs, andere waren tragifch, wie die fürchterlihen |

von ihm oft mitangefehenen Berheerungen, welche ber Leopard bei Menſchen und Thieren anrichtet. Die Sitten der Rhinoceroſſe und Ele— phanten ſchien er beſonders ſcharf beobachtet zu haben. Ach ſchlug ihm

vor, feine Abenteuer zu veröffentlihen. „Wozu? ınan würde mir nidt |

glauben!” jagte er, „die Welt glaubt oft den größten Lügnern, aber gerade die wahren Abenteuer hält fie meift für Schwindel, wenn fie ungewöhnlid »ſind.“ Er Hatte nicht Unrecht.

Die einheimische Bevölkerung ift von abeſſiniſch-ſemitiſchem Stamm und im Typus ganz der von Tigre ähnlich. Es ift ein jchöner Menſchen— ihlag, von edlen regelmäßigen Zügen und ebenmäßigem Sörperbau. Die Hautfarbe ift faſt ſchwarz, doch nicht ganz fo dunkel, wie die der Sudaͤ— nefen. Das Haar wächſt lang, ift aber wollig, nicht lodig gefräufelt, nie-

mals auch nur annähernd ſchlicht. Bon den Küftenflämmen, vulgo Be duinen genannt, die alle Mohammedaner find, wird es nad moslemifcher

Sitte entweder ganz oder theilmeije abraſirt, das Haupt bei der Jugend

meift entblöft getragen. Im chriftlichen Tigre tragen die jungen Männer vielfadh ihr Haar verfehievenfältig abgetheilt und über fünf bis acht läng-

liche Wülfte (Kleine Chignons) gewickelt, was jeltfam, aber nicht gerade häßlich aussieht.

Die biefigen „Beduinen“ find den Europäern ehr abgeneigt. Ihr moslemiſcher Fanatismus Tönnte dies erflären. Aber bei den chriftlichen

Tigrö-Völkern ift e8 nicht beffer. Dagegen finden fi die amhariſchen

Kaufleute in Maflauma. 107

Abeſſinier des Innern mit großer Leichtigkeit in den Umgang mit Euro- päern und haben entſchieden Geſchmack daran. Ich halte deshalb Mun- zinger’3 Bemerkung für jehr richtig, daß jene Abneigung im femitifchen Blut liege. Sehen wir nicht Aehnliches auch bei nordſemitiſchen Ehriften, 3. B. den ſyriſchen? Natürlich weicht diefe Abneigung der Bildung. Unſere Juden find ja auch Semiten, aber von Abneigung gegen Kaukaſier ift gewiß bei den gebildeten nicht die Rede. Ebenſo fand ich einzelne gebildete Se— miten aus Zigre, die jene Abneigung nicht kannten. Die Ambharen, ob- gleich ihre Sprache viel vom Wethiopifchen annahm, alfo femitifirt wurde, find nicht Semiten, jondern urfprünglich wohl Agau -Völfer, mit den Sudä- nefen, Nubiern, Somäli verwandt, die alle keine angeftammte Abneigung gegen &uropäer haben. Der Umgang mit ihnen geftaltet ſich fo natürlich) homogen, daß mir’ oft vorkam, als ſei ich unter Landsleuten. Daffelbe gilt von den Nubiern, die, obgleih Moslems, fi) doch viel leichter zum Europäer finden, al3 Semiten, jelbft wenn fie Chriſten find.

Araber leben nur wenige hier, fommen aber oft in gewiſſer Anzahl bon Yemen, namentlih Hodaida. Ein Paar reihe Kaufleute aus Habra- maut vertreten unter den Moslems den Großhandel. Aber das eigentliche Handelsreich der Habrami hat hier ſchon aufgehört, da die indiſche Kauf- mannskaſte, die Banianen, durch mehrere bedeutende Häufer vertreten ift, gegen welche bie Hadrami zurüdtreten müfjen. Mit diefer können fie nicht eoncurriren. Die Hadrami blühen nur da, wo (wie in Mekka und Dſchedda) die Banianen, ihres Heidenthums wegen, nicht dauernd wohnen dürfen. Wo es indeſſen viele Banianen giebt, dafommen bie Hadrami auf feinen grünen 3weig, fo 3.3. in Aden, das doch ihrer Heimath viel näher liegt, mo aber der einzige gejhäftätreibende Hadrami ein armer Makler iſt, mein Belannter, ein gewiffer Auwad bel Eher, der den Banianen Rache ſchwört.

Die Banianen repräfentiren in Südarabien und Oſtafrika das Capital. Sie allein haben Geld und erzielen ihre Handelserfolge durch diefelben Mittel, wie in Dſchedda die Hadrami und oftindifhen Moslems, d. h. fie wiſſen e3 jo einzurichten, daß alle Verkäufer und Producenten ihnen ver- Tchuldet find. Ihr Ruf im Handel iſt ein unantaftbarer. Ihre Ehrlichkeit und Zuverläffigleit find ſprichwörtlich. Will ein Bewohner von Maſſauwa verreilen, jo vertraut er alle feine Werthe den Banianen an. Nichts Schriftliche wird darüber ausgeftellt, aber eine Veruntreuung ift abjolut beifpiellog, ja nach hiefigen Begriffen undenkbar.

Die Geldmacht der Banianen liegt eben darin, daß hier das Indi—

108 Banianen. Mbeffinie. Der Gouverneur.

viduum zurüdtritt, daß Alles Affociation if. Dan hat e& nicht mit ein- zelnen Kaufleuten, man hat es gleihjam mit dem fleiſchgewordenen Han— delsgeift zu thun. Die Vorftände der banianiſchen Gefchäfte in Dſchedda find nämlich keineswegs die Kaufherren, fondern nur die Beamten großer oftindifcher Häufer, die vielleiht an 50 Orten ihre Comptoire haben und über viele Millionen verfügen. Deshalb können fie auch jeder localen Handelskriſis trogen. Die Zahl diefer in Maſſauwa lebenden Banianen dürfte zwanzig nicht überfteigen und dennoch beherrſchen fie den Markt faft ausſchließlich. Alle diefe Leute, Durch deren Hände die anjehnlichiten Summen gehen und die gewiß auch perfönlich ſehr guten Verdienft haben, leben außerordentlich einfach, find oft faſt ärmlich gekleidet, treten beſcheiden auf und ſcheinen faſt die Diener derjenigen, welche fie durch Handelöver- pflidtungen doch ganz in Händen haben. Jeder Eoftfpielige Genuß fcheint ihnen unbelannt.

Eine größere Anzahl abeifinifcher Chriften Iebt gleichfalls Hier. Doch jpielen fie feine Rolle, Ihr Handel beſchränkt ſich auf Fleine, unbedeu- tende Geſchäfte. Die flottirende abeffinifche Bevölkerung ift jedoch deſto bedeutender, da eben Maſſauwa der einzige Hafen von Tigre ift. Faſt alle ihre Producte gelangen in die Hände der Banianen. in Gottesdienft ihrer Confeſſion befteht nicht. Aber viele bejuchen den katholiſchen, zu— mweilen nach koptiſchem Ritus gehaltenen, d. h. wenn ſich ein einheimijcher befehrter Prieſter findet.

Die Verwaltung mar in Abweſenheit von Montäz Paſcha, des General-Gouberneurs der Küftenländer, in Händen eines Oberften, der den Titel „Bey“ führt. Es mar ein noch ziemlich junger Türke, zwar nicht bon derjelben Bildung, mie Montäz Paſcha, aber doch auch vom Streben nach Verbeſſerungen befeelt. Er ſchien namentlich die Gartencultur ins Auge gefaßt zu haben, ein etwas undankbares Beftreben in einem Ort, wo Waller jo felten und koſtbar ifl.

Faſt alles Trinkwaſſer in Mafjauma wird vom Lande in Schläudhen gebracht und ift natürlich theuer, wenn auch nicht jo, wie in Djchebda. Nur wenige Gifternen giebt es.

As ich den „Bey“ bejuchte, fand ich ihn im Hofe des Regierungs— haufes, deflen einen Theil er fi zum „Garten“ geichaffen hatte. Dieſer „Garten“ mar fein Stolz und feine Freude. Da faß er in feiner noch kahlen Laube und überfchaute fein grünes Reich, daS aus einigen Gurken, Kürbiffen, Melonen und anderen am Boden baftenden Gewächſen beftand,

Berbefferungspläne deö Gouverneurs, 109

die mit umendlicher Mühe und ewigem Begiegen jo weit gebracht worden waren, daß fie einen kleinen grünen Teppich darboten. Es mar freilich bie einzige grüne Dafe in ganz Maſſauwa. Er fprah mir von einem größeren Garten, den er halbwegs Mokullo auf dem Feſtland angelegt hatte und den ich natürlich gleichfalls anjehen mußte.

Diefe Merkmwürdigfeit war eine vergrößerte Auflage des Heinen Gar- tens. Hier wuchſen aud noch einige Gemüfe, ſogar Saubohnen, worauf er befonders ſtolz war,

Ein anderer Herzenswunſch des Bey waren befjere Häufer und Hüt- ten, worin id) vollflommen mit ihm übereinftimmte. Die Rohrhütten wa— ren ihm ein Dorn im Auge In der That erhalten diefe bei der Nadj- fäffigfeit der Einheimijchen bald ein fo zerfegtes und ruinenhaftes Aus- jehen, daß fie Ekel erregen. Könnte man die Leute dahin bringen, ihre Rohrhäuſer fo niedlich zu Halten, wie Herr Haſſen das feinige, fo würden fe Maſſauwa verfhönern. Wie fie aber find, bilden fie einen Schandfled für den Ort. Auch die Dompalmmatten, womit diefe Hütten gededt und

behangen, aus denen oft die Thüren gemacht find, jehen meift dergeftalt -

zerrifjen und abgenubt aus, daß man fie für uralt hält. Dennoch ift dies nicht der Yal. Aber die Einheimifchen befigen ein folches Talent, Dinge jhnell abzunugen, daß dauerhafteres Materialdazu gehört, umihrem Hang zum Ruiniren zu troßen. Alles dies empfand der Oberft und jpradh es aud. Er ging ernitlih mit dem Plan um, Häufer von Luftziegeln, oder wenigfiend von Lehm mit gehadtem Stroh und Kleinen Steinen ver- miſcht (einer Art pise), wie in Oberägppten, zu errichten. Das dazu gute Material findet fich jedoch nicht nahe, jondern muß ſehr weithergeholt werden, und fo fürchte ih, wird diefe Baureform ein frommer Wunſch bleiben. Der „Bey“ fchien zwar fein ftrenger Modlem, aber er machte es doch noch nicht wie der Paſcha, daß er den Ramadan brach. Dazu mar er noch nit vornehm genug. Er wäre auch hierin in Maſſauwa zu vereinzelt geweſen. Denn die biefigen Moslems find mie alle Spätbefehrten (der biefige Islam ift kaum ſechs Jahrhunderte alt) ganz fchredlich ortho- dor. Da fie ſich bei Nacht dur Lärm entichädigen, fo ift Maſſauwa in dieſem Monat eben nicht angenehm zu bewohnen. In der erften Nacht glaubte ich ein millionenfaches Fröfchegequafe zu vernehmen. Es war das „Site“, die heilige Verzüdung, hier zwar nicht durch derwifchartiges Ge- heule (was nebenbei gejagt gar nicht firengorthobor ift) vertreten, ſondern nur durch das von vielen hundert Stimmen im Tact ausgeftopene Glaubens⸗

110 Bergnügungen im Ramadän.

befenntniß oder noch häufiger nur das ewig unabänderlihe Wort „Allah“, das je öfter mwiederholt, deſto verdientlicher wirkt.

Aber nicht nur heilige Zaute drangen an mein Ohr. Auch weltliche Muſik „verfüßte” diefe Nächte. Da jedoch Maſſauwa Mangel an Inftru- menten leidet (die fonft bei Schwarzen jo beliebten Trommelconcerte tennt man bier Taum), jo mußte Händegeklatſche dies erjegen. Kine Melodie wurde zwar dazu gejungen, aber das vielhunderthändige Geklatſche über- tönte fie fiegreih. Es war übrigens jo wohl geregelt, daß ein Fanatiker des Tacts bier feine Yreude gehabt hätte.

An weniger unſchuldigen Bergnügungen leidet gleichfalls Maſſauwa feinen- Mangel. Hier findet fih zwar auch noch die naive, nicht aus— ſchließlich intereffirte Liebelei der Subäneferinnen. So kannte ich einen arabiſchen Piloten, der ganz Entzüden über feine ſchwarze Geliebte war, die ihm „treu“ blieb, obgleich er fie nur alle drei oder vier Monate jah und ihr fein Geld gab. Aber nebenbei erxiftirt doch auch Die eigentliche Proftitution, welche, da fie der ärztlichen Controle entbehrt, defto gejund- heitsichädlichere Yolgen hat. So Hagte mir ein engliiher Schiffscapitän, er habe feine Matrojen Hier zwar nur einmal and Land gelaffen, aber da3 habe genügt, um fie ſämmtlich frank zu machen. Einer derjelben jei fogar bettlägerig und leide Schweres. Die Sorge der griechifchen Kneip— wirthe ift e8, daß ſolche Seeleute die „Schönen“ nur im Branntweinrauſch (und von welchem Branntwein!) beſuchen. Sonft würden wohl ihre Riechwerkzeuge vor folchen Berührungen zurüdichreden. Die Verjonen find zwar nicht häßlich, oft ſogar wirklich Schön, aber ihre Yettbegießung ift eine fo reichliche, daß ich ziweifle, ein nüchterner Europäer könne feinen Widerwillen davor überwinden.

Sogar meinem Nubier, deſſen Landamänninnen fi doch auch „ein- buttern”, war dies zu bie, Wenn ich ihn jcherzhaft fragte: „Nun, wie ſteht's mit Frauenbekanntſchaft?“, fehüttelte er wie von Efel erfaßt den Kopf und rief: „Ich will keine, die „Kullu dehen“ (ganz Wett) ift.“

Die Garnifon von Maflauma beftaud zur Zeit (da die Bajchi-Bozufs eben abgereift waren) nur aus einem ftarfen Bataillon Sudänefer, ſchwarze Veteranen, die Refte der einit von Said Paſcha an Frankreich „gelie- benen“. Sie waren alle in Mexico gemwefen, jprachen meilt etwas Fran- zöſiſch, Schüttelten aber bedvenflih das Haupt, wenn befragt, ob ſie dort- hin zurüdzufehren wünſchten? Sie hatten zu viele der Ihrigen, wenn auch nicht gerade am gelben Fieber, binfterben fehen. Sie waren fid

Lage und Klima von Maffauma. 111

Abrigend gar nicht des Menfchenhandels bewußt, den man mit ihnen ge- trieben. Sie geftanden fogar, daß fie es in einiger Beziehung dort beffer gehabt, als hier, wo fie in der letzten Zeit die Heloten der Baſchi-Bozuks, die Alles, was nicht Türke ift, tief verachten, gemwefen waren. Sie wurden jegt nicht befier bezahlt, al3 die zu Soldaten ausgehobenen ägyptiſchen Fellahs, d. h. jo gut wie gar nicht, erhielten nur am Feſttag Reis, fonft bloß Durra, denn die Tage Said Paſcha's find vorbei, der die Truppen Hehts fehr gut hielt. Die Baſchi-Bozuks fo zu behandeln, wie fie oder die Fellahs, darf Aegypten nicht wagen. Diefe erhalten ftet3 guten Sold und Lebensmittel. Der Unverfchämte kommt immer am beften in der Belt fort.

Merkwürdigkeiten befitt Maſſauwa nicht. Die Mofcheen find unbe- beutend. Die katholiſche Capelle iſt hübſch, aber jo, wie man Zaufende in Europa ſieht. Wer eine ſchöne Ausficht genießen will und auf einen Flaggenmaſt nicht zu klettern fcheut, der kann dies im fogenannten türfi- hen Fort. Es ift ein großer, vierediger, von Mauern umgebener Raum mit einer Heinen Batterie auf der Oftfeite, am Meere, und angebauent Dahthäufern im Weften. Bon einem mitten aus dieſer kleinen Wüſte aufragenden Maftbaum ift der Blid auf das Feſtland ein überrafchend \höner. Die mächtigen Berge (einige 8000 Fuß Hoch), auf denen da3 abeſſiniſche Plateau liegt, das flache Tiefland mis feiner durchſichtig dun- figen Atmofphäre, die in der Mittagägluth zu zittern ſcheint, das Meer mit feinen vielen Infeln, die einheimiſchen Schiffe mit ihren malerijchen lateiniſchen Segeln: es ift ein Bild, würdig von einem Malerpinfel gefej- felt zu werben.

Das Klima von Maſſauwa ift zwar faft zu allen Zeiten ſehr heiß, aber doch nicht entichieden ungefund, Es regnet bier mehr als in Suafin ' und Dſchedda, meift in den Monaten December, Januar und folgenden. IM der Regen reichlich, was jedoch nicht alljährlich vorkommt, fo bilden fh wohl Fiebermiasmen und dann find die Anfangsmonate des Jahres ungefund. Jedoch find diefe Fieber felten gefährlid. Die heißen Monate find gleichfalls Hier, wie am ganzen rothen Meere, und wie aud) in Aden, die geſundeſten. Wer die Hitze ſcheut, für den ift Mafjauma gegen Ende des Jahres am bewohnbarſten. Ich war 3 Wochen im December da und fand die Wärme im Schatten felten höher als 260 R. Die Abende waren mild und angenehm, faft immer bei 200° R. Nur nad Regengüflen be- merkte ih) am frühen Morgen eine Abkühlung bis zu 16%. Nach Anderen

.— e ⸗¶— —— *

112 Meteorologiſches.

ſoll zuweilen eine noch größere ſtattfinden. In Munzinger's Hauſe, das ich bewohnte, ſank die Zimmertemperatur, ſelbſt bei ſtetem Durchzug, nie unter 250 R. Bei 180 R. frieren die Leute hier ſchon und nad einem ſtarken Regenguß hörte ich die Einheimiſchen über bittere Kälte klagen. Die Sonne iſt zu allen Zeiten ſehr ſtechend und ohne die bekannten eng— liſch-oſtindiſchen Hüte wird ein Nordländer fehwerlih dem Sonnenftid entgehen.

Sonnenſchirme find ſehr rathſam. Selbft die Einheimischen tragen fie, freilich oft mehr zum „Staat“. Die Abeſſinier gar haben folche von fteifem Leber, bie fie jelbft im Schatten, gleichjam als Standeszeichen, über ih balten.

Jedenfalls ift Maſſauwa einer der heißeften Orte der Welt. Id glaube jedoch nicht, daß jener große Unterjchied der mittlern Temperatur zwifchen hier und Aden (Maſſauwa 31,0%, Aden 26,80 Celſius), den Hum⸗ boldt’3 Tabellen geben, von praktiicher Bedeutung ift, obgleich er wahr⸗ icheinlich beobachtet wurde. Uber in den ift das Oblervatorium auf einem erhöhten Punkt allen fühlen Winden ausgejebt. In Maſſauwa wäre es jchwer, einen jo ausgeſetzten Punkt zu finden. Die Hike in der Stadt Aden ift nicht viel geringer, als in Maflauma. Deshalb lafjen fich beide Beobachtungen kaum mit einander vergleichen.

Ofhafrikanifde Küfe

Vierzehntes Kapitel Dandel von Maſſauwa.

Maffauma’s Hinterländer. Commerzielle Bedeutung des Plage. Uebertriebene

Anpreifung derjelben. Import in Maſſauwa im erften Halbjahr 1864. Bro:

venienz des Imports. Bertheilung des Imports. Erport. Abnahme des

Erports von Abeffinien. Verſchwinden des abeffiniichen Kaffees. Sklaven:

ausfuhr. Zunahme des Moſchus. Karamanenbetrieb. Hafen von Maſſauwa.

Einnahmen des Zollamts. Preiſe für Waarentransport. Gewichte. Maße. Münze.

Maſſauwa hat durd) feine Hinterländer eine gewiſſe, freilich oft über- ſchatzte Wichtigkeit für den Handel. Es ift das einzige Emporium von Tigre. Mit Sualin heilt es den Handel des Ambarifchen Abel- fmiens, welcher über Metamma*) geht. Es ift der nächfte Bermittlungs- bafen zwiſchen Oftindien und dem innern (äghyptifchen und unabhängigen) Sudan (Metamma, Kaſſala u. ſ. w.). Die Route über Suakin wäre für oſtindiſche Waaren ein Ummeg. 8 vermittelt den Austaufch der Pro- ducte der Hirtenvölker, die nörblih von MAbeffinien wohnen. Yemen ft auf Maſſauwa für feinen Butterbedarf angewieſen. Es bildet den Markt für die Seeprobucte des Archipels von Dahlat (mie Perlen, Berl- mutter, Schildpatt u. |. m.)

Dennod darf man fich nicht der Täuſchung hingeben, als könne Maſ— ſauwa mit Häfen wie Dſchedda, Hodaida, mwetteifern. Munzinger, der die

*) Gegenwärtig bietet die Route von Metamma nad Sualin mehr Sicherheit, als die nah Maſſauwa. v. Maltzan, Reife nah Südarabien. 8

114 Einfuhr von Waaren in Maffauma.

Berhältnifle gut kennt, behauptet ſogar, daß Suakin als Handelshafen mehr Wichtigkeit habe und daß ſelbſt Lohaiya ihm nicht viel nachſtehe. Wie falſch iſt alſo Lejean's Behauptung, Maſſauwa ſei der erſte Handelshafen des rothen Meeres. Dies könnte es vielleicht einmal werden, wenn in Abeſſinien geregelte Zuſtände herrſchten. Aber einſtweilen iſt dies Land faſt todt für den Handel.

Import.

Herr Munzinger war ſo freundlich, mir folgende Ziffern über Import und Erport in Maflauma mitzutheilen, die einem von ihm für das franzd- ſiſche Minifterium beftimmten Bericht entlehnt find.

Import in Maflauwa im erften Halbjahr von 1864.

1) Ueber Dſchedda wurde importirt: Reis 1159 Säde . -. . . . Werth 39,406 Fr. Datteln 11 Bade. . . . . . 374 Rofinen 1 Ballen . .. 100 Zucker 3 Balen . . 2... v 510 Taback 3 Ballen . . 504 ſchwarzer ‘Pfeffer *) 39 Ballen . . 3,900 Tib (ein Barfım) 3... ., 4,816 Antimon 8 Ballen .. 1,680

Sandelholz 2 Bullen . 300 Neltenöl 2 Fäfler. . » .. . 112 Glasperlen 107 Gafien . 71,904 Glas 40 Cafien . . 2 2 2 67720,

blaue Seide **) 1 Ballen 3,360 Leinwand 23 Ballen . „45,080 Muffelin 1 Ballen . . . 350 Rothes Baummwollgarn 10 Ballen „15400 Papier 2 Cafien . 1,120

*) Der rothe Pfeffer kommt aus dem Innern.

**) Diefe, in Schnurform, wird von allen abeſſiniſchen Chriften um den Hal’ getragen.

Einfuhr von Waaren in Maffauma. 115

Zaflen 2 Eafien -. . » » . . Werth 1,600 Fr. Kupfer 54 Pale . . . 2... 21,168 Zink 17 Bad. . 2. 2 2... 1,700 Beh 1 Pad . . 2 202. 180

2) Bon Hodaida wurde importirt:

Reis 456 Säde . . » . . Werth 15,504 Fr. Datteln 186 Bade . . .. . n 6,224 Zuderr 5 Bade . . 2... 530

3) Ueber Aden wurde importirt:

Reis 1440 Säde . . . . . Werth 48,960 Fr. Datteln 150 Bade -. . » » 2 u ..5,100 Zabad 347 Ballen . . . . . „145,740 Zucker 10 Ballen . ». ... w 1,100 „” Sandelholz 25 Ballen . . . . 3,750 Neltenöl 10 Fäßden . . . . 560

Indiſche Manufacturen 84 Ballen 394,800

Der Geſammtwerih dieſer Importirten Artikel würde alfo ettva 922,500 Franken betragen haben. Darunter ift der Import über Aden durch faft 2/,; (etwa 600,000 Fr.), der über Dichedda durch nicht ganz !/; (300,000 Ir.) der über Hodaida nur durch 22,500 Fr. repräfentirt. Die berborragende Wichtigkeit des oſtindiſchen Import3 (denn Aden vermittelt nur) |pringt alſo in die Augen.

Da übrigens auf obiger Lifte einige Importartifel, wie 3. B. Kaffee, Branntwein, fehlen, weil fie wahrſcheinlich in dem genannten Halbjahre weniger vorkamen, andere ausnahmsweiſe ſchwach vertreten find, jo Tann una dies nur als Weberficht der Provenienz, nicht als Werthmaaßſtab dienen. Munzinger berecinet den Import indischer Manufacturen allein auf durdh- ſchnitilich 10, Million Fr. im Jahr, den von öftreich. Glasmanren auf 300,000, von Kupfer auf 100,000, von engliſcher Leinwand und anderen Stoffen auf 240,000. Zufammen kann man den Import wohl nicht niedriger al3 auf drei bis vier Millionen Franken ſchätzen.

Die Maffe diefes Import vertheilt fih in Maſſauwa etwa folgender-

maßen: 8*

116 Abſatz der importirten Waaren. Export.

1) In Maflauwa bleibt Kaffee, .Zuder (in Hüten), Nägel, Zinn, Bleh, Del, Stride, zufammen für etwa 390,000 Fr. Außerdem eiton folgende Bruchtheile der Gefammteinfuhr: Y/ı, Tabad; !/; Teppiche, Mehl, Zucker; Y, Pfeffer, Barfums, Papier; ?/, Branntwein; Y, Manufacuren, 1/3, Glaswaaren; 1, Leinwand, Stoffe; ?/, Zint.

2) Die Beduinen und Anjeba beziehen vom Import in Maflauwa 17, Taback; Ys Pfeffer; 1, Barfums, Gewürze; ®/, Stoffe; Y/, Glas mwaaren. Zufammen für etiva 200,000 Yranfen.

3) Nach Abeffinien geht ausfchlieklih von den obengenannten Waa— |

‚ren: blaues Seidengarn; Baumwolle; rothes Fadengarn; Kupfer; Maro- quin=Leder; Schießgewehre. Außerdem folgende Bruchtheile des Gefamnt: import3: 2’; Zuder; Y/, Pfeffer; 3/, Parfums; 5/, Glaswaaren; %/,, Lein⸗ wand, Stoffe, "Io Manufacturen.

4) Nah dem innern Sudan (Kaſſala, Gadaref, Metamma) get: 1/: Pfeffer; 2/, Parfums; 2/5. Glaswaaren; 1/,o Leinwand, Stoffe; n, Manufacturen.

Im Allgemeinen fann man annehmen, daß vom Import 25 Proc. in Maſſauwa bleiben, 50 Proc. nad Abelfinien, 10 Proc. zu den Bebuinen und 15 Proc. nad dem Sudan gehen,

Erport. Munzinger ſchlägt den jährlichen Erport etiwa folgendermaßen an: 1) Nach Dſchedda werben erportirt:

Häute für . . 2 2 2 2.202020. 400,000 Fr. Wachs für . -. » 2 2 100,000, Butter für . © 2 2 200 00 2020.140,000 Moſchus fa . 2 2 ee ee. 0,000, Berlmutter für. . . . 30,000

Alle diefe Artikel, die Butter ausgenommen, gehen nad Europa.

2) Nach Aden werden erportirt:

Elfenbein fr . . 2 2 2 2 2 2. 2350,000 Fr. Berlen füt . ». » © 2 2.2.2020. 100,000 Goldftaub für . . . . >... 100,000

Alle dieje Artitel sehen nad Dftindien.

Provenienz der erportirten Artikel. 117

3) Nach Yemen wird erportirt: Butter für . . © 2 2 300, 000 Br.

Provenienz der erportirten Artikel.

1) Die Dahlat-Infeln liefern alle Meer-Erzeugnifie, mie Perlmutter, Berlen zc.

2) Samhar (Küftenland) liefert Federn, Senne, Gummi, Ziegenhäute, Odfen, /, der Butter, ebenfoviel der Ochjenhäute des Gejammterporte. Zufammen für cieca 140,000 Yranten. |

3) Barka und Anſeba liefern Tamarinden, geflodhtene Matten, 1/; Honig, 1’; Häute, %/; Butter. Zufammen für circa 400,000 Franken.

4) Der Sudan liefert:

1/, Elfenbein für . . ! 2... 125,000 Fr.

1, Wachs aus Metamma für. ... 30,000,

Yo Goldſtaub fir... 10,000, 5) Abeſſinien liefert:

1/, Elfenbein ffü....... 126,000 Fr.

Yo Goldftaub ER 90,000 37, Hm - » 2 2 22200020. 15,000 17, Kubhäute - © 2 2 2 2 202 ..175,000 2/, Wachs...... 60,000 Moſchus......... 60,000 Berfchiedene Pflanzen. -. - » 2 2. 40,000

Die fleten Wirren, welde in Abeffinien herrfchen, haben deifen Export auf die obigen unbedeutenden Ziffern reducht. Die meiften Artikel find jebt jehr viel fchmächer vertreten, als in früheren Jahren. Einige find jogar beinahe gänzlich) auß dem Handel verſchwunden, fo 3. B. der abef- ſiniſche Kaffee, welcher nach Anfiht mancher Kenner jeden Kaffee ber Welt, ſogar den arabiſchen an Güte übertrifft (Mbeffinien gilt vielfach für die Heimath des Kaffeeſtrauches). Noch vor 20 Jahren, als ich nad) Aegypten kam, trank man dort abeffinifchen Kaffee. Jetzt wird fogar in Maſſauwa arabifcher importirt! in anderer Erportzweig entzieht fich jeder Controle, nämlich der von Sklaven, welcher verheimlicht wird. Mun— jinger hat es durchgefebt, daß jebt in Maffauma feine SHaven mehr verfauft werden. Dennoch beweiſen die Sklavenmärkte in Dſchedda, Melka ꝛc., die alle mit Abeſſiniern und Gallas angefüllt find, daß dieſer

118 Export. Hafen. Zollamt.

Export ftattfindet. Der Hauptmarkt ift jegt Mbereni, ein Ort 3 Stunden im Innern von Maſſauwa. Bon dort werden die armen Schwarzen ge= bunden und aneinandergelettet an einfame Küftenorte gebracht, wo fie in Heinen arabiſchen Booten bei ruhiger See eingefchifft werden können. Auch Eunuchen kommen unter diefen Sklaven vor.

Ein einziger Exportzweig bat in den lebten Jahren zugenommen, nämlich Moſchus.

Der Handel von Kaſſala iſt in Händen der Bewohner von Arkiko, derjenige des übrigen Sudaͤns wird von den Banianen vermittelt. Der Handel von Barka geht über Keren (5 bis 6 Tage von Maſſauwa), von two die Beni Amr die Weiterbeförderung übernehmen. Don Barka fommt: Honig, Elfenbein, Häute, Butter. Die Karamanen aus dem Amhariſchen Habeſch kommen nur in einer Jahreszeit, nämlid im September und October, an. Die Schoho beziehen Getreide von Maſſauwa. Die Habab, Anjeba, Bogos, Mena verkaufen dort Tamarind und Honig, die Beni Amr Balmmatten. Die Küftenftämme verhandeln Gummi, Senne, Straußen- federn, Elfenbein.

Hafen von Maſſauwa.

Alla 14 Tage kommt ein Dampfſchiff der Compagnie Aziziye aus Suakin (Dſchedda, Suez), welches nach zwei Tagen zurückkehrt. Größere Segelſchiffe äußerſt ſelten, nur wenn vom Vizekönig beſtellt, um Sohlen zu liefern. Gewöhnliche Verbindung mit Aden und Dſchedda durch Saya’s (Schiffe mit lateiniſchen Segeln von 20 bis 100 Tonnen). Davon kamen im Jahre 1864: aus Dſchedda 68, aus Lohaiha 16, aus Hodaida 19, aus Aden 21, aus Suakin 5.

Einnahmen des Zollamts.

1) Für Import von Aden, 8 Proc, Steuer . . etwa 160,000 Fr. 2) Import vom Innern, 8 Proc. Stuerr . . . 40,000 3) Erport nah Men, 5 Proc. Steuer . . © „20,000 4) Erport na türkifchen Häfen, 8 Proc. Stuer. 42,000

Summe der Einnahmen etwa 262,000 Fr.

Der Import von Dſchedda, Sualin, Yemen kommt bereit3 verjteuert an.

Die Steuer auf den Import vom Innern trifft nur einzelne Artikel, wie Butter, Honig, Kaffee, von denen man (jehr willkürlich) annimmt,

Preife für Maarentransport. Gewichte Maße. 119

daß fie alle in Maſſauwa verzehrt werden. Alle anderen Waaren können frei nad) Maſſauwa importirt werden, zahlen aber, wenn von dort auäge- führt, die Erport-Steuer. Wegypten behandelt nämlich Abeffinien nicht als Ausland.

Breife für Waarentransport.

1) Nah Dſchedda koftet ein Sad Reis 1/,, Thaler*), ein Pad Strob- matten 1/; Thaler, ein Pad Häute, Wachs, Butter, Perlmutter, Kaffee 1 Thaler. Andere Waaren von 1618 11/, Thlr. das Gepädftüd, gleichviel ob groß oder Hein.

2) Nah Hodaida koſtet ein Sad Reis !/,, Thlr., ein großer Krug Butter 1/, Thlr., ein Sorb Durra '/, Thle., andere Waaren 1/,bis 1, Thlr.

3) nah Wen: wie nad) Dichedda.

4) Nah Sualin: ein Pad Tuh, Zeuge, Stoffe 1 Thlr. andere Waaren °/, bis 7/,; Thlr.

Gewichte, Gemöhnliches Gewicht: Rotl (Pfund) miegt 17 Maria - Therefien- Thaler. Der Maria-Therefien-Thaler wird fo zur Pfundeintheilung, gleich-

jem zum Doppelloth, der Unze, nur daß 17 flatt 16 auf gin Pfund geben.

Die Okka beträgt -. - . 2 2 20. 28/. Rotl. Der Santar beträgt - - » 2... 100 Der Cantar-Cadafbetrgt . . . . . 125 Die Faradla berät . > 2 .2....20 Die Mine beträgt . : 2: 2... 3 n

Der Bahan beträgt . - » » 2... 360

Maße.

I. Zängenmaße ; von dieſen giebt e& drei: 1) das gewöhnliche Dra oder 50 Gentimeter, 2) daS fogenannte Eifen-Dra oder 55 Centimeter, 3) die Middet gleih 11 Draͤ.

I

*) Hier find immer Dlaria » Therefien- Thaler, urjprünglih à 2 Fl. 24 &r., jetzt aber à 2 Fl. 34 Xr. rheiniſch oder 1 Thlr. 8%, Sgr. gerechnet. Der Curs diefer Thaler iſt nämlich Hier etwa 10 Xr. rheiniſch, 2%, Sgr., höher, als ihr Münzwerth.

120 Mape. Münzforten.

u. Wlüffigleitsmaße : Die Koba gleih 2 Flaſchen von etwa 3/, Liter. Acht Koba find eine Methanna. Eine Koba Butter muß 23/, Rotl wiegen.

IH. Getreidvemaße: Die Rubit gleich 1/, türkiſche Kele. 110 Rubit glei ein ägypt. Ardeb. 120 Rubit find eine Quffa oder Zambil. 4 Zambil bilden ein Hamal. Der Hamal ift die einheimifche Zonne.

Münze.

Diefe ift die ägpptifche, welche befanntlich drei Währungen von Piafter bat, nämlih Tarif, Current -Silber und Current = Bronze, arabiſch Sad, Scherüf und Chorda. Als ich Aegypten (1871) verließ, ftanden diefe Drei Währungen in folgendem Verhältniß zu einander :

Current⸗

e Tarif. Silber. Bronze. Fünf Franken galten . . . . 19/4 (Piaſter) 381); 44. Ein Maria-Therefien-Thaler galt 201/, n 42 50 Ein Napoleon galt . . . » 77% 15412/,, 175 Ein Pfund Sterling in Gb . 97% 195 220 Ein ägyptiiches Pfund. . . . 100 200 230

Ein türkifches Pfund . . . . 87%, 1751, 195%

In Maſſauwa kommt Tarif bei Poſt, Telegraph, Mauth und Dampf- Schiffen vor. Current-Silber ift faft unbelannt.

Bronze ift die allgemeine Heine Münze. In diefer Währung, tie überhaupt, haben Hier jedoch nur Silberthaler Curs. Gold kommt nicht vor und nur bei öffentlichen Saffen nimmt man von Amtöwegen Die ägpptiiden Pfunde. Der DMaria-Therefien- Thaler, der zur Zeit eimas niedriger als in Aegypten, nämlih nur 471/, Piafter Bronze, ftatt 50, wie in Cairo, ftand, ift die allgemeine Silbermünze. In diefen Thalern laffen fi) die Kaufleute ihr Geld, Beamte, wenn fie können, ihren Gehalt fommen. Im Innern geht nichts andere. Das äghptilche Bronze= Geld

Maria-Therefien-Thaler. 121

wird ſchon zwei Stunden von Maflauwa nicht mehr genommen. Mit den Maria - Therefien-Thalern muß man fi in Acht nehmen. Es giebt jeit dem abeſſiniſchen Feldzug viele nicht vollwichtige darunter. Die Ein- heimifchen nehmen als Striterium die Perlen der Krone. Wenn dieſe nicht die volle Zahl, wie auf den alten, haben, werden die Thaler für falſch erklärt.

Ofafrikanifde Küſte.

Fünfzehntes Gapitel. Abeffinifhes in Maſſauwa.

Zuſtände in Habeſch nad Theodors Fall. Theodors Größe und Bedeutung. Sein Wahnfinn. Die jetzigen Machthaber. Ihre Ohnmacht und Zeriplitterung. Aba Kaifi. Mädchenraub. Ein „Rebell" in Habeih. Melonen von Hamafien. Gefangene Fürften. Ein abeſſiniſcher Geſandter. Mißbrauch der Gaſtfreundſchaſt. Trunkſucht der Abeſſinier. Der Tädſch (Honigbier) und feine Bereitung. Abeſſiniſche Frauen. Ihre Vorzüge. Ehe zwiſchen Deutichen und Abejjiniern. Der intentionelle Mörder Munzinger. Seine Mitfcyuldigen. Seine Treilafjung. Ein Verbredher ala Philofoph. Nothwendigfeit der Bewaf: nung in Habeſch. Unficherheit des Landes. Ein Franzoſe am Hofe Kaſſa's. Schimper. Die Griehen in Adua.

Ein Baar Ausflüge in der Umgegend von Maflauma nad Orten, die Andere bejchrieben haben, Halte ih faum für werth, bier gejchildert zu werden. Lieber will ich des „Interefjanteften erwähnen, was Maſſauwa, meiner Anficht nach, jedem Freund der Völkerbefchreibung bietet, nämlich die vielen Berührungen mit abeſſiniſchem Leben und Treiben, die, da jie meift mit den neuelten Zeitverhältnilfen zufammenhängen, nicht „abgedro: chen” fein können.

Ich fee die Kennmiß der abeſſiniſchen Volker voraus. Weniger Tann ich died von ihrer Gruppirung feit Theodors Fall. Diefer für Abeffinien „große“ Mann hatte die alte Reichgeinheit wiederhergeftellt, eine neue Aera eröffnet und verfucht, Habeſch in die Reihen der Culturftaaten einzuführen.

Kaiſer Theodor's Höhe und Sturz. 123

Es war anders beſtimmt. Theodors Kampf und Ende erinnert mich an ein ſpaniſches Stiergefecht. Wie dort der Stier erſt durch die Chulos geneckt, die Piccadores geſtochen, die Banderilleros gereizt und durch Alle wüthend gemacht wird, ehe der Espada ihm den Todesſtoß verſetzt, ſo ſchickte auch Europa ſeine Conſuln, Miſſionäre, Kaufleute, Abenteurer aus, um den Töniglichen Stier zu necken, zu quälen, zu beſchimpfen, zu ärgern, bis er endlich in Wahnfinn gerieth. Dann kam der Hauptverfolger, Eng- land, und machte ihm den Garaud. Mancher andere wäre bei folcher Behandlung auch verrüdt geworden. Eines Tages kommt ein Europäer, in voller Uniform, aber zugleih auch im Rauſch, zu ihm, nennt ihn einen dirty nigger (ſchmutzigen Neger) und verlangt jhlieplich) noch zehntaufend Thaler von ihm. Ein andermal hört er, man habe ein Buch über ihn gefchrieben, läßt fi) daraus überſetzen und findet, daß ein von ihm ftet3 gut behandelter Europäer die Geheimniffe feines Stammbaums veröffent- fit hat, die größte Beleidigung für ihn, denn diejer ift eben nicht jehr vornehm und er kennt nicht den Demokratenftols, „Sohn feiner eigenen Werke“ zu fein, jondern feine Politik will, daß man ihn für den Entel Salomons halte. Das find nur zwei Beifpiele unter Hunderten. Daneben die religiöfen Nergeleien, da8 Verdammen der Yaften und anderer von ihm hochgeachteter Glaubensartikel durch die Miffionäre. Diefe ewigen dogma— tiſchen Streitigkeiten haben vielleicht neben der rüdfichtslofen Behandlung bon Seiten europäifcher Regierungen am meiften dazu beigetragen, Theodor, der ein tiefreligiöfes Gemüth Hatte, verrüdt zu machen. Er mar feiner von jenen fervilen Fürften, die vor Europa’ Macht Friechen, fondern et wollte als Gleicher mit Gleichen unterhandeln. Er Hatte übrigens hohe Meinung von Europäern, glaubte an fie, und diefe enttäufchten und belei- digten ihn, indem fie ihn ganz mie einen menfchenfrefienden Negerfürften behandelten. Bon ihm fonnte man jagen: What a noble mind is here o’erthrown.

Wie groß. die Kraft feines Geiftes, wurde erft nach jenem Sturz reiht deutlich. Abeſſinien fiel der Anarchie anheim, aus der nur er vermodht Hatte, es herauszureißen. In diefem Lande findet fich jetzt feiner, der auch nur einen Funken von Theodors Geift hätte Was ift Gobafye von Amhar, der ſich durch den viel ſchwächeren Kafla von Zigr& fangen läßt, und was ift Lebterer, der kurz vorher noch vor Gobaſye zitterte? Was it Menelek von Schoa, der ala Theodors Gefangener den unterthänigen Sklaven fpielte, und was die alte Meftiate, die Gallafürftin? Dieſe vier

124 Rebellen in Abeffinien.

find die Haupttheiler der Spolien Theodors. Aber neben ihnen tauchen noch viele andere Kleinere Yührer auf, wie Melonen von Hamafien und wie jener verwegene Hauptrebell, Aba Kaifi.

Aba Kaifi ift der Typus eines tollfühnen Räuberhauptmanns. Ich hatte das Vergnügen, im Haufe des Herrn Hafen in Maſſauwa feinen Schwager kennen zu lernen. Aba Kaifi ift nämlich mit einer Deutichen vermählt, d. b. Deutſche nur von Batersfeite. Ihr Vater ift der berühmte Naturforſcher Schimper aus Mannheim, der unter Theodor zugleich mit dem Deflauer Zander die wichtigften Poſten befleivete und jebt in Adua lebt. Die Liebe Aba Kaiſis wäre würdig, in einem Räuberroman zu figuriren. Wenn ich recht hörte, jo hatte fie weder die Einwilligung de Vaters, noch auch anfangd die der Braut. Aber der „Räuber Jaromir“ ift immer reizend für Mädchen. Eine „kühne That“ ſcheint ihn in DBefik feiner Liebe gejeßt zu haben.

Aba Kaifi verlor zwar (December 1870) eine Schladht gegen Melo- nen, aber trotzdem mar er als Rebell ungleich größer, als dieſer, dem Metonen war Rebell gegen Kafla und erkannte Gobafye an;- Aba Kaifi jedoch) war Rebell gegen Kaſſa und Gobafye zu gleicher Zeit, obgleich dieſe beide Yeinde waren. Er mar da8 Ideal eines Rebellen.

Das Wort „Rebell“ fteht überhaupt in Habeih in Ehren. Wenn man bon einem Mann jagen will, daß er großen Anhang und Einfluß babe, To heißt es, er könne einen guten „NRebellen” abgeben. So hörte id Abeffinier von Munzinger, der viel Berbindungen in Habeſch hat, behaupten, wenn er fih als „Rebell“ aufthun wolle, würde er Erfolg haben. In diefem Lande der Anarchie ift ja der Yürft (wie Kaſſa, Gobafye) aud) nichts, ala ein zur Herrfchaft gelangter Rebel. Nur, feit er Yürft if, weiß man meift ſchon, daß er nicht viel taugt. Vom neuen Rebellen ba- gegen erwartet man ſich etwas. An ihn knüpfen ſich inftinctive idealiſche Hoffnungen und nicht immer mit Unrecht, mie Theodor bewieß, derja urjprüng- lich auch „Rebell” war. Darum ftrömen die friegsluftigen, unabhängigen Männer zu ihm. Er bildet ein Lager, fett fich meift durch einen fühnen Handftreih in den Beſitz einer Provinz und tritt als Fürſt auf.

In vielen Fällen ift der Rebell ein Dädſchadſch (General) und Statt- Halter einer Unterprovinz, der das Joch feines Lehnsherrn abjchüttelt oder der Sohn eines folden. So war es mit Melonen. Sein Vater war Statthalter von Hamafien, wurde von Kaſſa abgejekt und eingeſperrt. Der neue Gouverneur konnie ſich jedoch nicht halten, da Melonen zu viel

Abeſſiniſche Große als Gefangene. Ein Gefandter.: 125

Anhang Hatte und die Provinz feines Vaters mit Gewalt behielt. Ob- glich Hamafien in Tigre liegt, jo mählte er doch den jehr entfernten Gobafye zu feinem Lehnsherrn. Als ih in Maſſauwa war, trafen grade feine Geſchenke an die dortigen Autoritäten, meift Kühe, ein. Es ift nämlich üblich, beim Regierungsantritt die Oberhäupter der Nachbarländer zu beichenten.

Bei alledem blieb Melonen? Vater Gefangener Kaſſa's. Gelegentlich Gefangener zu fein, gehört fo zu jagen zum Lebenslauf eines Dädſchadſch. Es haben fich fogar beftimmte Gebräuche in Berbindnng mit diefem Zu- ftand gebildet. Wird ein Bornehmer aus dem Gefängniß befreit, ſo muß er pomphaft auftreten. Nurdann gelangt er wieder zu Anjehen und Anhang; fonft geht er unter. Zu ſolchem Auftreten gehört eine prächtige Kleidung. Herr Haflen befam, während ich ihn bejuchte, einen Brief von einem noch gefangenen Dädſchadſch, der um einen goldgeftidten Burnus (in Habeſch Mantel der Bornehmen) bat, um ihn bei feiner Entlaffung aus dem Kerler zu tragen. Ohne diejen hätte er „Schlechte Figur“ gemacht.

Auch ein abeffinifcher Gefandter fand fich öfter bei uns ein, natürlich ein „Allaka“. Dies Wort kann Minifter, Staatöfecretär u. |. mw. bedeuten, aber auch ein leerer Titel, wie etwa unfer „Geheimerath” fein. Er war nebenbei „Papas“ (Priefter), auch wie ein Toptifcher Geiftlicher gekleidet, aber nicht von fehr geiftlihen Manieren. Ohne Rauſch verging felten ein Zag bei ihm. Seine Gefandtfchaft Hatte zwar ein Ende, aber andie Heim- kehr zu Gobafye, feinem Yürften, mar einfimeilen nicht zu denken, da Kaſſa ihn nicht durch Tigre gelaffen hätte. Auf dem Wege von Suakin nad) Metamma hätte ex freilich ungehindert reifen können. Jedoch diefer jchlaue Diplomat hatte grade ben einzigen Heimweg gewählt, ver eben verftellt war, den über Maſſauwa, und zwar wahrſcheinlich, weil ihm der Auf- enthalt gefiel und nichts Toftete, denn er und fein Troß don 10 Mann lebten auf ägyptifche Staatsloften. Der Gouverneur von Maſſauwa flagte mir zwar über die Unbefcheivenheit des Geſandten, fich fo lange füttern zu laffen, aber er meinte zugleich, das könne noch ein Jahr jo fortdauern, ohne offiziell beanftandet zu werben.

Für den Allaka war das Leben in Maffauwa alſo eitel Gewinn. Ein abefjinifcher Gefandter bekommt weder Gehalt, noch Diäten, fondern iR auf Gaftfreundichaft angewiejen. Findet er nun eine ſolche, wie die bes Khedive, fo ift das gegen die Aernllchteit der er zu Hauſe entgegengeht, üppiges Wohlleben.

126 | Das abeffinifche Honigbier.

Der Allaka mußte, jo oft er zuung kam, mit Cognac tractirt werden. Deshalb machte er jo viele Beſuche. Weberhaupt ift das Trinken em Fehler der Abeſſinier. Wie gut kannte Mohammed die Bewohner dieſer Zonen, daß er ihnen den Wein ganz unterfagte. Denn ein mäßige Trin- fen ift in diefen Ländern gradezu unbelannt. Für orientaliche Chriften wäre ein Weinverbot ebenfo heilfam, wie bei den Moslems.

Sm Haufe des Herrn Haſſen bereitete man das abeſſiniſche landes- übliche Getränk, Tädſch genannt, eine Art Honigbier. Die Bereitung ift jehr einfach. Man miſcht eine Quantität Honig mit der zehnfachen Menge Waller und läßt dies drei Tage beim euer oder im Sonnenbrand flehen, ehe man die würzenden Sräuter beigiebt. Hat man letztere Hineingethan, jo jest man die Miſchung abermals drei Tage der Hibe aus. Der Tädſch ift dann ſchon genießbar und fchmedt wie leicht ſchäumender Moſt. Se älter er wird, defto beraufchender, aber auch bitterr. Als Moft fand ich dies Getränt, wenn richtig gewürzt, ſehr angenehm und ziehe e8 jedem ordinären Weine und Biere vor. Es ift wirklich wie ein leichter Cham— Pagner, jprengt aud) ganz wie diefer die Flaſchen. Die Abeffinier aber trinfen den Tädſch lieber alt, weil er nur dann beraufdt. Es kommt übrigen? ehr auf die beigegebenen Kräuter an. Deren find vier die üblicheren und jedes giebt dem Tädſch einen andern Geihmad. Man mengt nämlich nur felten zwei Sräuterarten zugleid) dem Tädſch bei. Das ordinärfte Kraut heißt Zotto*) und giebt den gewöhnlichen Tädſch, der auch in Maſſauwa öffentlich verkauft wird und ziemlich fade jchmedt, etwa wie ſchlechter Apfelwein. Giſcho ift etwas beſſer als Zotto, aber auch nichts Beſonderes. Die zweitbeſte Würze bietet die Amira, ein Kraut, das auch merkwürdige antiſyphilitiſche Eigenſchaften hat. Es ſoll (ich verbürge das nicht) verjährte Syphilis in Form eines Ausſchlags heraustreiben und dann gelind heilen. Der beſte Tädſch, den ich trank, war mit Amira gewürzt. Für die erſte Qualität, die ich aber nie verſuchen konnte, gilt Mintſcherer, welche den Tädſch roth färbt. Nur von Giſcho nimmt man Blätter, von den drei anderen Arten die Wurzeln.**)

*) Die botanischen Namen diefer Pflanzen konnte ich nicht entdeden, da ih nur die Wurzeln derjelben jah.

**) Ich habe aud in Deutſchland Tädſch bereitet und er fiel jehr trinkbar aus. Die Kräuter hatte ih mitgebradt.

Abeſſiniſche Frauen. 127

Herr Haflen war ganz auf abeſſiniſche Weiſe eingerichtet. Die Küche iſt jehr gepfeffert. Er hatte ſich aber daran gewöhnt; mir war fie anfangs ungenießbar. Fleiſchſpeiſen bilden faſt die einzige Hof. Er ſowohl wie Munzinger und nod) ein anderer hiefiger Europäer, waren mit Abeffinierinnen berheirathet. Dieſe Frauen find dem Europäer ſtets ſympathiſch, von janften angenehmen Sitten, vielem natürlichem und beicheidenem Anftand. Der » Ruf ihrer großen Schönheit ſcheint mir nicht gerechtfertigt, ebenjomenig wie ich entichieden Häßliche ſah. Der Reiz liegt mehr in ihrem ganzen Weſen, das fi) jo gut zum europäifchen findet. Dies gilt Übrigens mehr von den amhariſchen, als den Tigre-fsrauen. Heren Hafens Yrau war (jo wechſelvoll find hier die Schidjale) die Tochter Ubie’s, der einft den Fürften-, ja den Königstitel geführt hatte. Seit ihres Vaters Yall war fie verfolgt, verjagt, mit ihrer Mutter nah Mafjauma gefommen. Sie war nicht mehr ſehr jung, hatte aber etwas fehr Geminnendes in ihrem ſtillen befcheidenen Wejen.

Wie groß die Anziehungskraft abeifinifcher rauen, beweift unter Anderm der Umftand, daß ein junger Engländer, einft Theodor's Gefangener, jet freiwillig zu feiner ſchwarzen Yrau nah Amhar zurüdgefehrt it. Man bat viel von ihrem Ioderen Leben geſprochen. Daß ſolches oft geführt wird, ift unzweifelhaft, aber lediglich Schuld derjenigen Männer, welche die Yrauen nur als Unterhaltung anſehen. Behandelt der Dann fie nicht als Spielball der Luft, ſondern als Ehefrau, fo wird die Abeffinterin ih diefer Stellung ftet3 würdig zeigen. Sie befibt durchaus natürlichen Zact und Ehrgefühl.

Die Ehen zwiſchen Deutſchen und Nbeffinierinnen find oft glüdlich und kinderreich. Schimper in Adua Hat eine blühende Yamilie von großen und feinen Kindern, bis zu dem jüngften Zwillingspaar, das ihm in feinem (glaube ih) 75. Lebensjahre geboren wurde. Auch der verftorbene Zander hinterließ eine Nachkommenſchaft, die jebt in Maſſauwa lebt. Frau Zander war eine noch jehr jung ausfehende Schwarze, obgleich fie fchon eine verheirathete Tochter hatte Letztere ſah merkwürdig aus. Ihre Haut war zwar immer noch dunkel genug, ihr Haar aber fchlicht, ein unfehlbares Zeichen europäifchen Bluts. Dabei mar fie jo außerordentlich tobuft, ſtramm und für ihre Jugend mwohlbeleibt, wie ich es nie bei einer echten Abeffinierin ſah. Ihr ſchwarzer Mann warein Schatten neben ihr. Sie galt für eine Schönheit, wohl mehr nach türkiſchem Geſchmack. Der Heine Zander, der grade Maflauma verließ, um mit der ihm vom Herzog von

128 Ein abeffinifcher Verbrecher.

Anhalt (feines Vaters Landesheren) verliehenen Unterflübung europäiſch ‘erzogen zu werden, trug noch mehr, als fie, die Spuren deutjcher Abſtam⸗ mung. Uber auch feine Erſcheinung bot mehr Seltſames, ala Gefälliges. Diefe Miſchlinge mögen Hüger fein, als Abeffinier; ſchöner find fie nicht.

Fran Munzinger befam ich nie in der Nähe und unverſchleiert zu

ſehen. Sie war nicht von Amhar, wie Yrau Hafjen und Zander, ſondern aus Bogos, fünf Tage von Maſſauwa. Dort ſcheint die Berührung mit moslemifchen Elementen den rauen größere Zurüdgezogenheit aufzuerlegen. Auch fie ift nicht jehr jung, aber wohlerhalten, und, wie man mir fagte, von großer Schönheit. Sie hatte einen Sohn erfter Ehe, der ein faft grie hifches Profil, in's Schwarze überſetzt, zeigte. „Ihre zweite Ehe war noch finderlos. Sie foll große Fähigkeiten und ſprachliche Kenntniſſe befigen. Of in unſeren linguiſtiſchen Unterſuchungen wurde an fie, ungefehen, ap- pellitt und ihr Wort gab ftet3 den richtigen Beſcheid. Ich bin überzeugt, daß die Verheirathung mit einer Schwarzen in diefem Lande das Richtige if. Was eine Weike leidet, bewies mir eine unglüdlihe Miffionärsgattin, Tochter eines ſchwediſchen Generals, die zwar mit vieler Aufopferung ihre Verbannung trug, aber ein Bild der Ber- beerungen des Klimas darbot.

In Munzinger Haufe machte ich eine andere merkwürdige Bekanni⸗ haft, weniger erbauliher Natur, nämlich diejenige feines Mörders, oder vielmehr, da der beabfichtigte Mord ja nicht gelang, die feines Verwun— ders. Died war ein gewifler Johannes Teklar, Schwager des ſeitdem verftorbenen Pater Stella, eines italieniſchen Miffionärs, den die Abeffinier „Abuna Johannes” nannten. Zur Ehre der katholiſchen Miffion muß id übrigen? jagen, daß diefer Pater ein Abtrünmiger war. Er und ein gewiſſer Emmnetu, ebenfall3 ein abtrünniger Geiftlicher (geborner Abeffinier), der, je nach Bedürfniß, bald katholiſch, bald wieder ſchismatiſch wurde, follen die That gebraut haben, deren Arm Johannes war. Der Grund war die Eiferfußt auf Munzinger Stellung in Bogos, deſſen Statthakterjchaft ihm Kaſſa verliehen hatte, während früher bier Stella und Emmnetu un- umſchränkt herrſchten. Religiöje Beweggründe waren ganz außer Spiel, da Munzinger, als Katholik und franzöfiiher Conful, ftetS die katholiſchen Intereſſen verfocht.

Die Sache wurde übrigens vom Conſulat unterſucht, und die Schuld der drei ermittelt. Stella's Tod befreite die Europäer vom Scandal, Einen der Ihren verurtheilt zu jehen. An feiner Schuld war wohl nicht

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Das Attentat auf Munzinger und feine Folgen. 129

zu zweifeln. Er hatte gerade vorher in Maflauwa Pulver und Blei kaufen laſſen, mit Johannes conferirt und war dann nad Barka ind Innere ge- tet, um für feine Berfon ein Alibi zu haben. Al er vom Mißlingen erfuhr, wagte er nicht nach Seren zurüdzulehren, fondern hielt ſich in Schotell. Bon dort fehrieb er an Munzinger, er möge nicht an feine Schul glauben. Und er war no gar nicht angeklagt. Emmnetu und Johannes wurden von Kaſſa auägeliefert, blieben erſt im ägyptiſchen, dann im confularifchen Gewahrfam. Emmnetu ftarb im Gefängniß. Johannes lebte noch, war aber krank und befand fich, als ih nad) Maſſauwa kam, in Munzinger’8 Erdgefchoß ganz unbeläftigt, ohne Ketten, von dem gefüt- tert, deflen Tod er beabjichtigt hatte. Munzinger war geneigt, ihn frei- zulafien. Rachegefühle waren ihm fern, und Johannes ſchien mehr Werk— zeug al3 Urheber. Da traf zum Ueberfluß noch ein jeltiamer Beſcheid der franzöfifchen Regierung ein. Man legte an abeſſiniſche Berhältniffe den europdiſchen Maßſtab an und verwies Johannes an da8 Tribunal feines eigenen Landesherrn, d. h. Kaſſa's. Nah Tigre follte er aljo ausgeliefert werden, wo er natürlich taufend Gelegenheiten zu entichlüpfen hatte. Diejer Spruch Hang wie Ironie Munzinger entließ ihn übrigens ſogleich, auf die Auslieferung verzichtend, die doch nur illuſoriſch geweſen wäre. Ber elende Menſch mollte aber gar nicht fort. Er konnte, vom Scorbut zer- frefien, nicht gehen, und hatte es im Gefängniß beſſer, als in der Tyreiheit, beionder8 da er mittello8 war, denn die 30 Thaler, die man ihm für bie Blutthat verfprodden, hatte er nie befommen.

Diefer Böſewicht mar ein ganz umgänglicher und gar nicht ungebil- deter Menſch. Er kannte die amhariſche Schriftipradde und vermochte über die beiden Tigre - Dialekte gute Auskunft zu geben. Er philofophirte manchmal über fein Verbrechen. Er unterjchied fein zwiſchen den Motiven de Mords. Ein Mord aus Rache oder Haß ſchien ihm ein großes Ber- brechen. Seine That dagegen behandelte er al3 ein Geſchäft. Er Hatte für den Schuß contractirt und mußte ihn leiften. Ein guter Gejchäfts- mann erfüllt feine Verbindlichkeiten. Hätte er's nicht übernommen, jo hätte man ben Berdienft einem Andern zugemwendet, und er, als Schwager, Hatte doch die nächften Ansprüche. Sich ſelbſt hielt er nur für ein „Opfer der Verhältniffe”.

Es ift intereffant, von einem Manne, der dem Tod fo nah ins An-

geficht fah, die Eindrüde zu Hören, die er dabei hatte. Munzinger fagte

mir, er habe anfangs gar nichts gefühlt, und doch hatte er drei Wunden v. Maltzan, Reife nah Südarabien. 9

130 Reifeart im Innern von Abeffinien.

befommen. Erſt die Blutung beivog ihn zur Umkehr. Die ſchlimmſte Verwundung, durch eine in den Darın eingedrungene Kugel verurjadht, merkte er erſt nad einer Stunde. Sie mar ſchwer heilbar und, obgleid eine Operation in Aden ihn ſehr erleichtert, jo leidet er doch noch von ihren Yolgen.

Das Schießen ift überhaupt in Habeſch das täglihe Brod. Nur Waffen vermögen Reſpect einzuflößen. Herr Haſſen fragte mich einmal, ob ich ins Innere gehen wolle und wie viel Gewehre ich Habe? Ich befak nur zwei und Revolver. Dies war durchaus ungenügend. Er felbfl, wenn er reife, nehme 17 bis 18 gute Büchfen mit und lade jede einem hand— feften Abeffinier auf. Wer Berbindungen hat, findet in Maſſauwa immer leicht einige zivanzig Serle, die ohne Lohn, bloß ihrer eigenen Sicherheit wegen, ich ihm auf der Reife anfchließen, denen er Waffen leiht und auf die er zählen kann, denn ihr eigenes Intereſſe beftimmt fie, treu zu fein. Se größer die Geſellſchaft, defto fiherer die Reife.

Es ift in diefer Beziehung hier ganz anders, als in Arabien. Dort muß man fi) auf die Freundſchaft der Stämme verlafen. Man bewaffnet fich zwar auch, aber wehe dem, der von feinen Waffen gegen Menſchen Gebrauch machen muß! Er wird unfehlbar der Blutradhe unterliegen. In Habeſch, defien Bewohner nicht in Stämmen zufammenleben und auf bie Traditionen der Blutrache geringeren Nachdrud legen, zieht eine Tödtung nicht folcde furchtbaren Folgen nad ſich. Da die Bevölkerung nicht einig ift, fo ift ein Zrupp bon zwanzig Bewafneten bier ſchon eine Macht. In Arabien dagegen ift e8 gar nicht gerathen, To zahlreich aufzutreten. Wan erregt nur Mißtrauen und man vermag doc) nicht? gegen einen Stamm, denn der geringfte kann immer 200 Krieger ftellen und diefe handeln wie ein Mann dem Fremden gegenüber. In Arabien herrſcht das Stammes | recht, das Recht der flärferen Gruppen, in Habeſch das ber flärkeren In dividuen. Fauſtrecht in beiden Fällen, aber bier ein individuelles, dor ein collectiveg Fauſtrecht.

Man kann ſich heut zu Tage nicht mehr auf den Schuß eines abeffi- niſchen Fürften verlafen, wie zu Theodor's Zeit, denn die meiften find ohnmädtig. Sogar in Kaſſa's Hauptſtadt muß man ſich ſelbſt feiner Haut wehren, namentlich feit die vielen Griechen da find. Diefe Leute find meift das ſchlimmſte Gefindel, Spitzbuben und Bravos, die früher in Cairo und Alerandrien ihr Unweſen trieben und bei denen ein Mord feinen Tarif bat.

Guropäer in Abeffinien. Griechen. 131

Ich Iernte in Mafjauma einen Franzoſen kennen, der in Adua ſeßhaft wat. Er war ein jehr gejhidter Büchfenmacher und als ſolchen hatte ihn Kafja kommen laflen, ihm goldne Berge verfprochen, zahlte ihn aber nicht. Auper ihm leben von Europäern dort noch Schimper, zwei deutjche Miffio- naͤre (file Leute, die fich mehr auf das Verbreiten von Schriften befchrän- fen) und ein englifher „Oberft”, den Kaffa in feinen Dienft genommen bat. Diefer war in England nur Unteroffizier geweſen, hatte aber ſpäter im hinefiihen Dienfte höhere Chargen erlangt und führte jebt in Adua ein jehr langweilige Leben. Auch er wurde nicht bezahlt, ſondern nur mit Tädſch und Victualien abgefunden. Kaſſa gewann aber dur das bloße Gerücht, daß ein englifcher „Oberft” bei ihm ſei, an Präſtigium.

Er ift übrigen? durchaus nicht im Auftrag der engliihen Regierung dort; diefe warnt vielmehr alle ihre Unterthanen, nach Abeſſinien zu gehen und erflärt ihnen, fie müßten dort ganz auf ihren Schuß verzichten. Sie will Tein zweites Magdala mehr.

Bon Schimper’s Leben machte der Franzoſe eine intereffante Befchrei- bung. Obgleih er aus Europa faft nichts bezieht, jo ift er dennoch ganz europuiſch eingerichtet, da er es verfiebt, ſich die meilten Utenfilien und Möbel felbft zu machen. Trotz jeine® hohen Alter arbeitet er den ganzen Tag und verweift alle Bejuche auf den Abend. Dann foll er aber defto unterhaltender jein. Zu Kaſſa bat er fait keine Beziehungen. Er bat ſchon vor vielen Jahren die Kartoffeleultur im Lande eingeführt, und die dankbaren Bauern bringen ihm alljährlich viele Säde davon, in dem gemüfelofen Lande feine geringe Annehmlichkeit. Bor Kurzem hatte ihm Jemand einen ſchlimmen Streich gejpielt, nämlich eine Glode, die Schimper für fein Geld in Europa beftellt hatte, in Empfang 'genommen und an Kafia geichentt. Das mar allerdings auch Schimper's Abfiht gemejen. Aber nun machte ſich ein Anderer mit feinem Gefchent Freunde.

Die große Klage war über die Griechen. Dieſe haben Adua ſchon ganz unficher gemacht. rüber hörte man dort jelten von Diebftählen, jebt find fie das tägliche Brod. Diefe Leute ſchaden auch dem Handel jehr. Kaſſa geftattet nämlich Europäern zollfreie Einfuhr. Nun laſſen ſich die Griechen für Geld herbei, Waaren der Einheimifhen am Zollhaus für die ihren auszugeben. Kafſa verliert dadurch viel und das Ende wird ein, daß er jene Steuerfreiheit aufhebt und alle Europäer darunter leiden. est hat Allaka Buru, Kaſſa'szGeſandter, aus Aegypten noch eine neue

9*

132 Gin Eunuche. Theodor und der Ablına.

Ladung Griehen (man ſpricht von Hundert) mitgebracht. Gott weiß, welche Zuftände diefe herbeiführen werden! Dieſe Leute fommen alle in der Meinung her, Abeffinien fei ein reiches Land. Baar Geld ift indeß entfeß- lih rar. Sie haben freilich keine Scrupel es ſich auch widerrechtlich zu verſchaffen. Aber trotzdem iſt noch feiner dort reich geworden. Es ifi eben nichts zu holen.

Eine andere abeſſiniſche Bekanntſchaft war die eines Eunuchen, der früher Sklave des Abüna Saläma, des abeffiniihen Biſchofs, geweſen war. Er bot eine eigenthümliche Erſcheinung. Die Natur Hatte ihn offenbar zu einem der größten und Träftigften Männer beftimmt. Sein Knochenbau war Toloflal. Aber auf diefem riefigen Körper ſaß ein Sinder- gefiht. Das Eunuchenthum giebt nämlich, jo lange der Menſch no jung ift, ein faft Inabenhaftes Ausfehen. Weibiſch war er gar nicht, wie fonft viele Eunuchen. Bon feinem verflorbenen Herrn ſprach er mit großer Verehrung. Dann fagte er nie Abuna (unfer Bater), fondern Abuni (mein Bater), was einen ganz andern Sinn giebt. Das erfte iſt Titel, das zweite Eindlicher Gefühlsausdrud. Er Hatte Theodor's letzte Wahnfinnz- periode an deflen Hofe erlebt und erzählte mir Schauderhaftes von den Berftümmelungen, Hinrichtungen, weldhe dieſer unglüdliche Yürft in feiner Tobſucht (man kann e8 kaum anders nennen) befahl Am tiefften aber hatte fich jeinem Gemüth eine andere Scene eingeprägt. Cr war nämlid Zeuge, wie Theodor den Abuͤna zu Boden warf und auf ihm herumtrat. Died nahm er ihm am meiften übel. Uebrigens ſprach er ſonſt nidt ſchlecht von Theodor. Ueberhaupt habe ich feinen Abeffinier gefunden, der dies that. Seine Graufamleiten waren Thatfahen, die Niemand leugnete, jedod man ſchrieb fie dem Wahnfinn zu. Sonft aber waren Alle ohne

Ausnahme feines Lobes voll. Auch Engländer, einft feine Gefangenen, hörte

ich jagen, es fei nicht zu leugnen, daß Theodor für fein Land „ein großer Mann“ gemefen ei.

Rolhes und Axabiſches Meer.

Sechszehntes Capitel. Segelfahrt von Maſſauwa nach Aden.

Engliſches Segelſchiff. Kohlenverſchwendung. Der Capitän des „Weſtward Ho“. Der Dragoman. Ein Handelsgenie. Ueberfluß an Schiffsjungen. Engliſche Natroſen. Die Officiere. Contraſt der verſchiedenen Schiffstheile Der Pilot. Seine ſchwindelhafte Nautit. Der Lehrling des Lootſen. Baifionen eines arabijchen Seemannes. Verhältniffe des Pilotenthums. Der Archipel von Dahlat. Windverhältniffe. Die Inſel Zugur. Kreuzfahrten. Das Um- lagen de Monjuns. Kurze Kreuzungen. Sheh Said. Ein Monfun: hafen. Inſel Berim. Bäb el Mandeb. Windftille. Ras “Ara. Gebel Dad. Die „Ejelsohren“. Einfahrt in den Bufen von Aden. Der oftindifche Bilot. Beſuche. Parfi. Banianen. Die Kleinen Geſchäfte des Eapitäns.

Der „Weſtward Ho” war ein fchönes großes englifches Segelſchiff von 600 NRegiftertonnen, konnte aber über 1000 tragen. Er war in Folge einer ungejchidten Verwaltungsmaßregel der „Compagnie Azizige”, die befanntlich nur aus dem Khedive befteht, nah Maffauma gelommen. Man hatte nämlich Kohlen für das hiefige Depöt beftellt, ohne zu fragen, ob es nicht ſchon zu viele Habe. Der „Weſtward Ho“ führte ihm nun fo viele zu, daß bei der jchlechten Beichaffenheit des Verwahrungdorts min- deſtens einem Drittel ficherer Schaden prophezeit werden konnte. Doch das fümmerte weder die ägyptifche Regierung, die gewohnt ift, ihr Geld zum Yenfter hinauszumwerfen, noch natürli den „Weltward Ho”, der nur einen Auftrag erledigte.

Da an Rüdfradt in Maſſauwa nicht zu denken, jo ging dad Schiff

134 - Unterfommen auf einem englifchen Segelfchiffe.

im Ballafl nad) Oftindien, fie dort zu holen. Ich fand alſo eine Gele genheit nach Aden zu kommen, ficher, wenn auch langjam, denn der Wind dahin ift im Winter ſtets conträr. Aber bald wäre fie mir entjchlüpft. Der Capitän mollte nämlich gar nicht reiht daran. Es mar eine ädhte Theerjade, die Paſſagiere befanntlih nicht liebt. Schließlich meinte er, wenn er doch einmal fo ein Landgewächs mitnehmen folle, jo müfle aud etwas dabei herausſchauen. Er verlangte alfo etiva das Dreifache eines Dampf: ſchifftarifs. Munzinger war jo gütig, mit ihm zu handeln, und fo ging er endlich von feinen 20 Pfund auf 16 mit, und 10 ohne Foft herab. Sch zog lesteres vor, da Abdulmedſchid Tochte, der Proviant, hauptiſächlich aus lebenden Thieren, d.h. Lämmern und Geflügel beftehend, in Maſſauwa billig war und ih nicht auf Salzfleifch angewiejen fein wollte. Die Koft auf ſolchen Segelſchiffen ift uneßbar. Lieber arabijche® Brod und Datteln, als diefes ewige „Gſellige“. Dazu der Schiffszwiebad mit dem ominöſen Beigeſchmack und dem „muffigen” Gerud).

Sch bewohnte während der 20 Tage diejer langfamen Yahrt eine ſchöne große Sajüte, zufammen mit einem Malteſer Jüngling, der irgend etwas, aber nichts Nügliches auf dem Schiffe war. Man nannte ihn Dragoman. Died Amt konnte er natürlih nur in Hafenorten verwalten, denn auf dem Schiffe ſprach Alles eine und diefelbe Sprade. Er war ein Handeldgenie, hatte in Maſſauwa eine Unzahl unbequemer Waffen gekauft, die ftet3 umher rollten, mein Leben gefährdend; außerdem auch noch eine Brut- benne, die er einmal fpäter in Aegypten theuer zu verlaufen hoffte, da dort nur das künſtliche Brutſyſtem bekannt ift. Ihre 20 Küchlein wurden natürlich Schon in der erfien Naht von den Ratten gefrefien. Denn Rat: ten bat jedes Segelihiff. Das Umberrollen war überhaupt unfere einzige Unterhaltung. In unſerer Gajüte war nämlich nichts nagelfeſt. Alles tollte, Betten, Tiſche, Stühle, Koffer, jogar ein fürchterlich großes Rum- ja. Dies drohte mir oft den Garaus zu maden. Je ſtürmiſcher bie Nacht, deito öfter rollte e8 auf mich, oder ich fammt meinem Bett rollte zu ihm und e3 fiel dann über mid).

Ih bekam bier einen ganz eigenen Blid in die Perjonalverhältnifie auf modernen englifhen Seglern. Ich mar anfangs ehr erftaunt, daß das Perfonal vorwiegend aus „Boys“ (Schiffsjungen) beftand. Der Co- pitän erklärte mir dies.

„Unfere Yirma,“ fagte er, „ist jehr für die „Boys“, ich aber gar nit. Sie willen nichts, Tennen nicht die Namen der Taue, man muß

Die Bemannung eined englifhen Kauffahrers. 135

fie jedesmal inſtruiren, fo oft das Schiff „umgebreht” wird. Aber für die Yirma iſt es ein gutes Geſchäft. Die Matrofen verlangen Gehalt, die „Boys“ aber zahlen noch. Ih babe neun Stüd hier, die jeder 60 Pfund Sterling Lehrgeld zahlen; ein zehnter fogar, der als erfter Elah- pafiagier behandelt wird und am Gapitänstifh ikt, hat 140 Pfund gezahlt.”

Ich erinnerte den Capitän an die Barlamentsacte, wonach jeder See= mann, felbft der Cajütenjunge Gehalt befommen muß.

„O was da3 betrifft,” fagte der Bapitän, „jo find wir volllommen in der Regel. Jeder von unferen zehn Boys befommt feinen Schilling (10 Sgr.) monatlich.“

Diefen „Boys“ ſah man allerdings nicht an, daß fie mohlhabender Leute Kinder waren. Nichts ift Schauderhafter, als die Alltagderfcheinung eined Sauffahrermatrojen und die der „Boys“ war nicht beiler. ber jeder beſaß für Tyeftanläffe eine Uniform, worin er wie ein Seecabett in Gala erſchien, die indeß nur in den feltenen Fällen hervorkam, wenn ber Kapitän einen Ausgang geftattete, was er fehr ungern that. Meift kam dann die ganze Gefellfchaft, felbft die zwmölfjährigen Jungen, elend krank von Branntwein und anderen Genüflen aufs Schiff zurüd und mar einige Zage nicht zu brauchen.

Noch ärger waren freilich die erwachſenen Matrofen, deren wir jedoch außer dem Zimmermann nur fünf hatten. Bon der ſprichwörtlichen eng= liſchen Nettigkeit, Reinlichkeit, Yeinheit, ja oft felbft von der Moralität (mande Matroſen „annectiren” gern) muß man bei gemeinen Seeleuten ganz abjehen.

Ein intereffantes Exemplar war der „Doctor“, jo nennt man den Koh auf engliihen Schiffen. Er verftand fi gut auf Rumpubdinge, noch befjer auf den Rum felbf. Am Rumfaß, das „meine Träume be- ſchützte“, hatte er ganz unten ein geheimes Ertra-Spundlod angebracht, an dem ich ihn oft in näcdhtlicher Stille, wenn ih aus dem Schlaf er- machte, ſaugend fand. Ich verrieth ihn natürlich nicht, freute mich ſogar, daß daS Ungeheuer von Rumfaß leichter wurde.

Die Officiere hatten diefelben Stufen durchgemacht, ſich aber in jeder Beziehung emporgearbeitet, und fogar eine gewiffe Bildung errungen. Der Capitän, der, wie er mir felbft fagte, feine Garriere als Küchen- und Cajütenjunge begonnen, ſetzte mi manchmal durch feine Belefenheit in Erftaunen, die fi nicht auf die Senfationsromane des Tags befchräntte.

136 Der arabifche Pilot.

Es waren Leute, mit denen ſich's gut verkehrte, immer zum Spaß aufge- legt. Namentli der Maltefer mußte oft als Zieljcheibe ihres Scherzes dienen.

Wie das Perſonal, jo boten auch die Schiffstheile ihren Contraft dar. Des Capitäns und unjere Seite war reinlic und nett gehalten, der Reft ein Schweinftall im buchftäblichen Sinne, denn der Capitän erzog hier eine Tleine Heerde, die er als Spanferkel von England mitgenommen hatte und die bei den Küchenabfällen ſehr gedieh, aber natürlich den Schiffsvor⸗ bertheil unbewohnbar machte.

Eine wichtige Perſon mar der Bilot, ein Araber aus Dſchedda, der aber, wie es ſich auf der Fahrt herausſtellte, die Küſten weniger Tannte, al3 den Mittelweg von Aden nad) Suez. Seinen Mangel an Kenntniß erjeßte er durch Angſt. Gefahr litt man nicht mit ihm, denn er ſah überall Klippen, auch wo feine waren, und warnte vor ihnen. Um fich eine Ken⸗ nermiene zu geben, ftieg er oft auf den Maftbaum und berfündete eine Untiefe oder Klippe, die er zu fehen vorgab. Anfangs biß der Capitän auf diefen Zopf an. Uber der Pilot verrieth fi), indem er doch ein Bis— hen zu did auftrug. Einmal behauptete er nämlich, vier Meilen vor uns eine Inſel zu jehen, fagte auch ihren Namen. Als man die Karte befragte, fand fih, daß diefer Name einer Sandbant, die allerdings hier vorhanden war, gehörte, die aber fünf Yaden unter Waller lag! Und dieſe hatte der Bilot „von fern gefehen!” Seitdem war's mit feiner Autorität vorbei.

Der Capitän unterließ deshalb Hinfort das nächtliche Ankern, wozu ihn anfangs die Angſt de3 Piloten bewogen hatte und das uns viel Zeit raubte. Bon nun an wurde der Bilot zur Caſſandra. Jede Nacht pro= phezeite er Schiffbrud und fein drittes Wort war „wir find verloren“. Als wir heil nach Aden kamen, ſchien er’3 ordentlich zu bedauern. Er war ein „Wunder Gottes”, der Capitän aber hätte verdient, Schiffbrud) zu leiden.

Eine noch peffimiftiichere Seele mar fein Lehrling, übrigens gerade fo alt, wie er, d. h. einige fünfzig, der die Geheimniffe des Pilotenthums ftubirte, aber ein fchlechter Schüler, denn er durchfuͤrchte ſchon feit feiner Jugend das Rothe Meer, ohne es zum Piloten gebracht zu haben. Viele arabiſche Piloten fchleppen ein ſolches Anhängſel mit ſich, um nicht unter „Chriftenhunden“ allein zu fein. Diejer rief bei jeder Windveränderung den großen „Widerus”, den Heiligen von Aden, an und gelobte fo oft ein Schaf zu ſchlachten, daß er einen Markt hätte auflaufen müfjen.

Pilotenthum im Rothen Meer. 137

Eigenthümlich waren die Yamilienverhältnifie des Piloten, die er oft mit Stolz außeinanderjegte. Er hatte an drei verfchiedenen Orten Harems, die nichts von einander wußten. Die Zahl feiner Frauen übertraf weit bie vier. Doch da3 war nur für die Hauptftationen. In Nebenhäfen, wie Sualin, Maſſauwa, befaß er nur „Geliebte“, von denen er mit Ent- züden ſprach. Seine Einnahmen, obgleich ſehr Hoch Für einen Araber, genügten nicht bei diefem Weiberreichthum. In jedem Hafen erwartete ihn ein Heer von Gläubigern, jo daß er zwar froh war, anzulommen, um feine rauen zu ſehen, aber mit Freuden fich bald wieder verdang, um den Gläubigern zu entfliehen. Diefe ließen ihn nie fort, ohne fein Zootfen- geld, das im Voraus gezahlt wird, empfangen zu haben. So war er ſtets ohne Geld, aber doch ſtets guter Laune.

Das Pilotenthum ift bier einträglid. Die Poftdampfer haben meift Lootfen im Monatlohn zu acht bis zwölf Pfund Sterling. Beſſere Ge- ihäfte machen jedoch die Lootjen, die fih nur für eine Reife verdingen. Unfer Bilot befam 25 Pfund Sterling für die Yahıt von Suez nad) Men. Bi jebt fand man faft nur Araber für diefen Dienft. In neuefter Zeit aber haben auch Engländer fi damit befaßt. Ich kannte einen, der zwiſchen Suez und Aden fuhr, aber ftet3 nur „für die Tour”, nicht auf Zeitlohn, und auf feine 20 Pfund Sterling per Monat bei guter Verpfle— gung reinen konnte. Er kannte dad Rothe Dleer ungleich beffer, als die meiften Araber. Daß ein geſchickter Capitän mit guten Karten allenfalls einen Lootſen entbehren kann, beweiſt unjer Fall, denn der unferige richtete nur Berwirrung an. Der Capitän wußte das Richtige ſtets ohne ihn und jehr oft gab der Pilot das Falſche an.

Mir famen ſehr langſam vom Yled. Im Archipel von Dahlak war es faft windſtill. Nachts mußte hier fet3 geankert werden, oft auch bei Tage, wenn Windftille bei ungünftiger Strömung eintrat. Kam dann ein günftiger Wind, fo hatte er fich gewöhnlich ſchon wieder gelegt, wenn man mit Anterlichten fertig war, denn dies dauerte oft anderthalb Stunden. Selbft der Heinfte Anker nahm bei der Geringzähligfeit des Perſonals eine Stunde in Anſpruch. |

Nah vier Tagen waren wir noch nicht Über die Inſel Dahlak hin— ausgefommen. Sie ift jo flach, daß man fie faum gewahrt und erinnerte mid an Dſcherbe in der Heinen Syrie. Die anderen Infeln, wie Afäler, Hawäfil, Omm Saharig find meift felfig und bieten in Folge einer opti- ſchen Täuſchung von fern das Bild riefiger Pilze oder Schirme. Die

138 Windverhältniffe im Rothen Meer.

„Boys“ erklärten fie für „Bäume“ und viele der Slippen ſahen aud) wirklich oft täufchend fo aus.

Kaum aus dem Arcdhipel heraus, fanden wir den in diefer Jahreszeit beftändigen Gegenwind, denn der aus dem Indiſchen Ocean kommende Nordofl-Monfun bricht fi) bei Bab el Mandeb und dringt als Süd bis über die Breite von Maffauwa. Er trat fo heftig auf, daß wir die bi- beten Segel nicht auffpannen konnten. Gegen diefen Wind, der gemwöhn- lich nad) Mitternacht am ftärkiten, oft al3 wahrer Sturm müthete, und nur um Sonnenuntergang etwas ſchwächer wurde, mußten wir nun zehn Tage lang ankreuzen, bis Bäb el Mandeb erreicht wurde. Stet3 ging's von der afrikaniſchen Seite auf die arabifche und wieder zurüd. Anfangs dauerte eine Schwenkung zehn Stunden; morgens jahen wir die weißen Häufer von Hodaida ganz deutlich vor uns, Abends wieder die Berge Oft: afrikas. Wir fegelten jehr geſchwind, oft 7 Meilen in der Stunde, aber wir famen höchſtens 1 Meile wirklich” vorwärts.

In der Gegend von Zugur hatten wir eine Weberrafhung. Der Südwind legte fih und ein bisher von und noch nicht erfahrener Land» wind trieb uns günftig weiter. ber diefe Freude dauerte kaum eine Stunde. Dann wieder Windftille und darauf von Neuem die Windsbraut aus Sid. Dieje Inſel und den Gebel Harniſch konnten wir vier Tage nicht aus dem Geficht verlieren. Wir kamen ihnen ſehr nahe und konnten genau die Pflanzen unterſcheiden. Die Inſeln find unbewohnt, aber nicht unbejucht, wie einige arabijche Boote, die dort hielten, zeigten.

Alles rieth dem Kapitän in Moda einzulaufen, um den temporären Umfchlag des Monfun abzuwarten, der bevorftehen follte Der Südwind wird nämlich oft um die Zeit des Mondwechſels dom Nordwind abgelöft, der dann einige Tage anhält. Aber die alte Theerjade wollte nicht. Alle Gapitäne vermeiden, ſoviel fie können, die Häfen. Diesmal gab ihm übrigens der Wind Recht, der troß des Mondwechſels nicht umſchlug, ſon⸗ dern noch gerade fo heftig gegen uns fegte, wie vorher. Ich erfuhr Tpäter in Aden, daß beim folgenden Wechfel der Umſchlag deito Heftiger erfolgt fei, und im fogenannten Hafen von Scheh Said große Verwüflung an gerichtet habe.

Je näher wir Bab el Mandeb kamen, defto heftiger wurde zwar ber Mind, aber die Bewegung des Meeres mar nicht mehr die frühere, ſon⸗ bern auf diefem beichräntten Raume nur die eines aufgeregten Landſees. "Wir athmeten auf und genoſſen diefe legten Kreuzfahrten jehr. Nun wurde

Eheh Said. Inſel Perim. 139

das Schiff jede Stunde, zuleßt jede halbe Stunde „umgedreht“. Wohl zwanzig Mal trieb uns unfer Kreuzweg in die nächſte Nähe von Schech Said, jener franzöfifchen Niederlaffung am Heinen Canal von Bäb el Mandeb, der Inſel Perim gegenüber. Einige abgetafelte Kauffahrer Tagen davor, die als Magazine dienten. Andere Schiffe fehlten. Erſtere follten einen Monat fpäter im fogenannten Hafen*) Schiffbruch leiden und deſſen Präftigium gänzlich zerftören. Es ift eben nur ein Monfunbafen; d. h. die Schiffe können bald rechts, bald links vor der fchügenden Landſpitze dem jedes Mal herrſchenden Winde troßen. Tritt aber der Umſchlag plößlich ein, jo find fie verloren.

Bei Scheh Said fieht der Heine Canal (zwiſchen Arabien und Perim) recht ftattlih aus. Er ift aber nur 5 bis 6 Seemeilen breit, für Kreuz fahrten zu wenig, Die Infel Perim bietet ein teoftlofes Bild. Sie hat einen Leuchtturm und einige Baraden, in denen ein Officier mit 40 Se— poys lebt. Kein Baum, kein genießbares Kraut wächſt bier. Die Meer: enge ift viel breiter, als ihr Hippenfreier Raum. Die fogenannten „Brü- der”, eine Menge Felſen und Inſeln, unter denen acht größere, verengen jeht denfelben. Es war nicht leicht hinauszulapiren. Wohl ſechs Mal jeßten wir von der afrikanischen Seite aus an, aber kamen ftets nur bis zur Nordfpibe von Perim. Dann nochmals zurüd bis an die tafelför- migen Berge Oſtafrikas. Erſt als um 41/, Uhr Nachmittags die bier periodiſch mechjelnde Strömung uns günftig wurde, fuhren wir von Nord- weit nah Südoft, in einem Zug (ohne weitere Sreuzung) durch Die Meerenge. |

In dem nun erreichten Golf von Aden waren die Windverhältniffe ganz andere. Der Südwind ſchlug in Südoft um, mit dem wir anfangs gut voranlamen. Bald aber trat Windftille ein und der „Weſtward Ho“ rubte nun 24 Stunden wie ein „gemaltes Schiff auf gemaltem Meer”. Dann ſchwacher conträrer Wind, unter dem aufgekreuzt wurde, wieder von Aien nah Afrika und zurüd.

Am dritten Tag nad Baͤb el Mandeb erreichten wir Raͤs "Ara, den jüdlichiten Punkt Arabien. Dies Cap ift ganz flach, alfo fein Vorgebirge, im Innern eine zackige Felſenmaſſe. Dann das große Gebirge Gebel Charaz und der fattelförmige Gebel Da. Hier ſchienen wir abermals

* Bon She Said ift bei Erwähnung des hier wohnenden Stammes, der Hakmi, ausführlicher die Rede.

140 Ginfahrt in den Hafen von Aden.

wie feſtgebannt, denn wohl drei Tage lang ſahen wir dieſen ſeltſamen Baſaltberg, deſſen Rüden ſchwarz, deſſen Abhänge aber ganz mit vom Winde aufgepeitſchten Meeresſand bedeckt find. Die lange flache Küſten— ſtrece, welche ihm folgte, behielten wir nicht lange in Sicht. Der Wind wurde gunſtig "und wir waren bald zwiſchen Gebel Haſan und Gebel Schamſcham, den zwei Thorpfeilern des Buſens von Aden. Ein Theil vom Gebel Haſan Heißt „Eſelsohren“, nämlich zwei von den zahlloſen Felsſpitzen, deren Form an ſolche erinnert. Aber die „Eſelsohren“ ſind kein Gebirge, nicht einmal einzelne Berge, wie ich das ſchon geleſen habe, ſondern eben nur Felsſpitzen des Gebel Haſan.

Vor der Einfahrt in die Rhede kam uns ein alter Indier entgegen, der Pilot des Hafens, der nun die Leitung des Schiffes übernahm. Er war ein vollkommener Seemann, engliſch geſchult, und commandirte das Schiff gerade wie ſein eigenes, zur Ueberraſchung des Capitäns, der ſich auf einmal ſehr Hein fühlte und das einem „Native“*) (Eingeborenen) gegenüber. Um feine Autorität zu behaupten, blieb ihm nichts übrig, als alle Commandoworte de Indiers noch lauter zu wiederholen. So murde der Schein gerettet, daß die Matrofen ihm gehorchten. Unfer Pilot war plöglih zu einer „Null“ gemorden.

Wir befamen gleich jehr viel Beſuch und zwar charakteriftiichen, der ung recht nahe legte, daß Aden politiich zum englifchen Oftindien gehört. Bor Mlen ein Raubvogelgeficht, der nie fehlende Parſi. Sein charal- teriftifches Gefchlecht ift unten näher zu fchildern. Diefer war Schiffe: makler, ſprach geläufig engliſch und fing gleich mit dem Capitän ein Ge- prä über Talg an. Unfer Capitän biß aber nicht an. Die Preife des Parfi waren denn doch zu raubvogelartig. Dann kamen die Banianen (indifche - Kauſmannskaſte), die Kohlen kaufen wollten. Zu meinem &r- ftaunen erfuhr ih nun, daß der Kapitän in Maſſauwa nur die Hälfte feiner Fracht gelafjen Hatte. Die dortigen Autoritäten hatten nämlid) einen Theil der zu liefernden Kohlen wieder an den Gapitän (verjteht fich billiger) verkauft. Alle Theile gewannen hierbei, der Capitän, wie bie Autoritäten, die natürlich das Geld einftedten, und felbft die Regierung, bie fchließlich Alles zahlte, verlor nicht, denn die Kohlen wären in Maſ—

*) Die Engländer nennen oft jehr unlogiſch alle Drientalen ſchlechtweg „Ra: tives“, gleichviel wo fie getroffen werden, 3. ®. einen Andier in Wrabien, einen Araber in Zanzibar u. j. w.

Der englifche Sapitän. 141

ſauwa doch zu Grunde gegangen, da das Depöt zu fchleht war. Golche Privatgejhäfte machen die Sapitäne oft. Nur dadurch Haben fie Erſatz für ihre Plage mit der Inftruction der allzuvielen „Voys“, welche die hab- füchtige Firma ihnen aufbürdet, denn ihr Gehalt ift ſehr gering. Der unferige befam nur 10 Pfund Sterling monatlid.

Südaradien.

Siebzehntes Capitel. Leben in Aden.

Stadt und Hafen. Steiler Landweg. Gaftböfe am Hafen. Der Parſi. Ein ehrlicher Photograph. Unterlommen in der Stadt. Europäiſche Kaufleute. Ein jugendlider Schuldenmader. Häufer in den. Klimatiſches. Krank heiten. Keuchhuſten. Sonnenftid. Scorpione. Heilung des Stichs. Ausftattung der Häufer. Wohnung im arabiſchen Bierte. Wohlfeilheit dei Lebens. Lebensmittel. Engländer in Aden. Lebensweiſe der Officiere. Luxus der Bornehmen. Punkahs. Engliſche Kirche. Der Padre. Ge fälſchte Inſchriften. Seltjame Trauung. Damengeſellſchaft in Aden.

Die Engländer begreifen unter dem Namen „Aden” nicht die Stadt, fondern die ganze Beſitzung. Die Stadt heißt „Camp“ (Lager), weil zur Zeit der Befigergreifung hier ein Lager aufgejhlagen werden mußte, denn die damalige arabiſche Stadt war jo zufammengejchrumpft, daß fie die Truppen nicht beherbergen konnte Der Hafen heißt „Steamer Boint“

(Dampfichiffsfpige), gewöhnlich fchlehtweg „Point“ (Spike) genanıt. - Man wird gefragt: „Wohnen Sie im Lager oder bei der Spitze?“ Nein Menſch jagt: „Ich wohne in Aden.” Der Ausdrud wäre zu unbeftimmt. Die Araber dagegen nennen die Stadt „Aden“, wie fie von Alters ber hieß und wie es auch richtig if. Ahr Hafen ift nicht in „Point“, fon dern bei einem Orte, „Mehalla” genannt, wo die Saya’8 (einheimilche Boote) anlegen.

Die Spite und Mehalla liegen beide auf der Dft-, die Stadt auf der Weltjeite der Halbinfe. Der Weg von „Point“ nad „Camp“ iſt fteil und etwa 6 engl. Meilen lang. Großer Mißbrauch herricht bezüglich

Stadt und Hafen von Aden. Hötele. 143

des Fahrgeldes der Landungsbarken und Drofchlen. Tarife eriftiren wohl, die Leute fordern aber eigentlich, was fie wollen. Der Tarif ift übrigens an und für ſich ſchon ſehr hoch. Die Drofchlenfahrt vom Hafen nad) der Stadt iſt zu 3 Rupien (2 Thlr.) feſtgeſetzt. Sie dauert etwa eine Stunde. Halbwegd Tommt man durch ein Yeljenthor, das Nachts gefchloffen wird. Ohne fpecielle Erlaubniß vom Gouverneur kann man nad) Sonnenunter- gang nicht mehr in die Stadt. Kaufleute, die oft fpät noch am Hafen zu thun haben, find fo gezwungen, auch dort ein Quartier zu befiken.

Mer gar nichts zu thun hat, der thut befler in „Point“ zu bleiben, wo die Luft Fühler ift und ein Hötel eriftirt. Dies wird von einem Parfi, der zugleid Kaufmann und Photograph ift, gehalten und ift gar nicht ſchlecht. Aber die Preife find jo phantaftiih, daß man für's Halbe Geld Haus Halten Tann. Nebenan liegt ein Heiner franzöſiſcher Gafthof, gleichfalls von einem Photographen gehalten. Er ift auch nicht fchlecht, aber beſchränkt. Wer jedoch, wie ich, mit den Eingeborenen zu thun hat, der kann nur in der Stadt wohnen. In „Boint“ fieht er Teine Araber, ſondern könnte fih dort in England wähnen, wäre die Hike nicht. Aehn⸗ lich iſts mit dem Kaufmann. Wer nur mit Seehandel zu thun hat, kann die Wohnung in der Stadt ſparen. Wer von Eingeborenen kauft und an fie verlauft, der muß fein Hauptquartier im „Camp“, ein Abfteigequartier aber in „Boint” haben. Ohne zwei Wohnungen wird er's Taum machen fönnen, denn beim Parfi einzufehren ift feine angenehme Ausficht.

Ich nannte feine Preiſe „phantaſtiſch“, d. h. jeder Regel ſpottend. Man kann zwar auch mit ihm accordiren und dann ſcheint er billig. Aber er jcheint nur fo. Der Parſi hat feine Augen für den, der wenig zahlt. Er ſieht ihn nicht, er ift ein „Nichts” Für ihn, wird nicht bedient und muß jedes Mal eine Stunde lang fluchen, von der Küche zum Wirth und vom Wirth zur Küche laufen, wenn er das accordirte Mittageflen bekom— men will. Zahlung findet im Voraus ftatt und der Parfi ift gededt. Wer aber nicht accordirt, bekommt Iuculliide Mahlzeiten. Die Diener wachen dann wie Pilze aus der Erbe. Er wird bedient wie ein König. Der Barfi mat auch Converfation mit ihm, was er ftet3 nur für Geld thut. Aber die Rechnung kennt dann auch feine Grenzen.

Ich lernte den Parfi mehr in feiner Eigenfchaft ala Photograph Ten- nen. Der Singular begreift übrigens Hier einige zwölf Parfi, die in diefen beiden Geſchäften gemeinfam arbeiten, einer wie der andere, phyſiſch wie moraliſch, wie ein Thaler dem andern gleicht. Ich accordirte mit ihm

144 Leben in der Stadt Aden. Gaftfreundfchaft.

für mehrere Aufnahmen von Gegenden, Arabern, Coftümen ꝛc. Da id aber nicht mußte, daß mit einem Parfi Alles ſchriftlich und gerichtlich ab- gemacht werden muß, jo verlangte er doch das Vierfache. Ich mußte es auf einen Proceß ankommen laflen, den ich freilich gewann. Aber von nun an war der Parſi mein Yeind und das war jehr unangenehm, da er nebenbei einen Allerweltsladen befaß, wo man Alles (Kleider, Wein, Bictualien, Hausgeräth, Bücher, Inftrumente) Taufen konnte.

Er rächte fi, indem er mir immer nur Artikel von der Tchlechteften Qualität verfaufte, die ich gleihtwohl nehmen mußte, da nur er fie hatte.

Ein Hötel giebt e8 in der Stadt Aden nit. Wer übrigens nur einigermaßen empfohlen ift, der braucht ſich gar Leine Sorge für fein Unter: fommen zu maden. Die Gaftfreundfchaft wird dort fehr liberal ausge: übt. Auch mir wurden Einladungen zu Theil. Ich Hatte gleich die erſte angenommen. Mein freundlicher Wirth war ein Yranzoje aus Marfeille, bei dem ich glei) am erften Abend ſämmtliche hier lebende Europäer, die nicht Engländer waren, tennen lernte. Die hiefige engliſche Geſellſchaft if militärifch und nad den in Oftindien geltenden Clafjenunterjchieden ge regelt, welche eine Scheidewand zwiſchen officiellen Perjonen und Kauf leuten aufrecht halten. Die Yolge ift, daß lebtere ſich deſto enger anein- ander anſchließen. Sie find nicht zahlreich, etwa ein halbes Dußend, dar- unter Franzofen, Defterreiher auß Zrieft, Staliener, Schweizer. Ein Deutſcher war nicht dabei. Trotz der Berjchiedenheit der Nationalitäten und troß des damals ſchwebenden Krieges harmonirte man jehr gut. Alle waren Junggeſellen, meift erft ein Baar Jahre hier und Hofften Aden bald zu verlaſſen. Sich eine bleibende Heimath Hier zu gründen, daran denft fein Europäer.

Yür einen unferer Tiſchgenoſſen war fogar Aden ein Strafaufenthalt. Es war dies ein mohlhabender blutjunger Yranzofe, der noch nirgends hatte „gut thun“ wollen und den fein Bormund, welcher bier ein Comp» toir beſaß, nach Aden verbannt hatte, in der Hoffnung, daß er weniger Gelegenheit zum Verſchwenden finden werde. Trotzdem hatte es der Jüng: ling verftanden, auch Hier anfehnliche Schulden zu machen. Dabei waren ihm natürlich die Parſi von großer Hülfe. Diefe Menfchenfreunde lie- ferten ihm ſchrecklich theuren Champagner und liefen ihm felbft haar Geld, etwa zu 500 Procent. Einmal hatte ihn der Vormund fogar nach Laheg, einer ganz arabiihen Stadt, verbannt. Aber auch dorthin reichte der Arm der menjchenfreundliden Parſi. Sie mußten, daß der junge Mam

Häufer von Aden. Rohrgeflechte. Klima. 145

bald mündig wurde. Ich erfuhr wirklich fpäter, daß fie ſämmtlich ihr Geld befommen hätten und doch war wohl nie welches fo fchlecht verdient.

Er amüfirte und jehr, beſonders wenn er und aus feinem „Reiſewerk über Laheg“ vorlas. Ein ſolches hatte er nämlich verfaßt, aber geglaubt, bier Alles von Sagdgräueln und anderen Abenteuern anhäufen zu müfjen, welche die geſammte reifende Menschheit je beftanden hat. Er hoffte es zum Drud zu bringen. Es wird jedenfalls Senfation machen. Er bejaß übrigens ein ſchönes Zeichentalent und da3 Tann dem Buche Werth geben.

Herr Tian, mein Gaftfreund, hatte ein ſehr großes Haus mit meiten fuftigen Räumen, in beiden Stockwerken von den bier nie fehlenden Ve— randad umgeben. Die Wände diejer Veranda find von hübfchem, jehr dichtem Flechtwerk von Rohr und Binjen, welche die Zugluft, nicht aber die Sonne einlaffen. Ohne dieje Iuftigen Balfone wäre bier nicht zu leben, ſowohl der Hite, al3 der Stechmüden wegen, die einem im Zimmer feine Ruhe laſſen. Nur Zug Tann fie verjcheuchen. Wer nicht im Freien ſchläft, muß ein Muskitonetz haben. Alle anderen vorgejchlagenen Mittel gegen Mustitos helfen nicht3, weder die Räucherung mit perfifchen In— fectenpulver, die auf den Umſchlägen dieſes Artifel3 empfohlen wird, noch auch die mit ächtem Weihrauch, welche der englische Botaniker Birdwood anräth. Wiederholten Broben mit beiden Rauchwerken verdanfe ich dieje Erfahrung.

Viele Häufer Adend, namentlich die der Engländer, haben gar feine gemauerten Wände, fondern nur jolde von Flechtwerk, jo daß man auch im Zimmer flet3 im Zug ifl. Dies können indeß nur ftarle Naturen aushalten. Das viele Schwigen macht ein Zurückziehen in weniger Iuft- bewegte Räume doc zumeilen wünſchenswerth, beſonders da Erkältungen keineswegs felten vorfommen. _

Das Klima Adens ift im Winter jehr angenehm, felten über 200 R. im Freien, und 220 R. im Zimmer. Der Nordoft, der von November bis Ende April weht, wird oft fehr fühl, und da die Sonne heiß, jo ift * dies die Periode der Erkältungen. Sanitätiſch fand ich ganz Houlton's Bemerkungen beftätigt. Das plögliche Zurüdtreten des Schweißes hat oft Rheumatismus, heftige Katarrhe, Dysenterie und Wechfelfieber im Gefolge.

Während meines Aufenthalt herrſchten Keuchhuſten vor, die jehr an— ftedend waren und leicht in chronischen convulfiven Huften außarteten, der noch lange, oft viele Monate andielt, nachdem der fieberhafte acute Zuſtand

v. Maltzan, Reiſe nah Eidarabien. 10

146 Krankheiten. Gefunde Jahreszeit. Sonnenftich.

längſt überwunden war. Hauptfähhlih kamen fie unter den ſchwächlichen Dftindiern vor. Ich zog Später ins Haus einer Familie, die damit behaftet war, was ich leider erſt merkte, al3 auch ich einen wahrhaft Inochenerjchüt- ternden Huften befommen hatte, um ihn ſechs Monate zu behalten und noch mit nad) Deutfchland zu nehmen. Ganz ebenfo ging’3 meinem Nu= bier. Wir führten fräftige Huftduette auf, befanden uns aber fonft wohl

Indeß find alle hiefigen Krankheiten mehr läftig, als gefährlih. Eine ftarte Natur, die nicht zu Erkältungen neigt, wird ihnen wohl ganz ent- gehen. Das befte ift immer: Fräftige Nahrung, viel Bewegung, Talte Bäder im Haufe (im Freien gelten fie für gefährlih) und vor Allem ein Vermeiden der Eingeborenen, bei denen oft anftedende Krankheiten curfiren. Mir war legteres natürlich nicht möglich).

Die Europäer in Men find meift gejund. Ihre Kinder gedeihen bier viel beffer ala in Oftindien und brauchen nicht nach Europa gejchidt zu werden. Nur für ganz Heine Kinder foll hier die Zahnperiode ſchwer zu überftehen jein. |

Die gejundefte Jahreszeit ift der Sommer troß feiner jehr großen Hige. Diefe wird jedoch von Ende Mari Kia Anfana October durch den oft heftig auftretenden Südweſtwi z. Sm Sommer ſchläft Alles im Freien und ohne ! «en berrichen. Unerträglic heiß find nur die bei . - ... nd October, welche die Monfunperioden trenr

Die Gefahr des Sonnenftihs ift im Som. | o, daß man bie Soldaten von 9 Uhr Morgens bis 5 Uhr Nachmittags in den Caſernen halten muß. Die Fälle find nicht felten, daß ein Mann beim bloßen Verſuch, durch einen Hof zu gehen, todt nieberfällt. Vorige Jahr ver: ſuchten drei englifhe Seeleute in „Point“ um Mittag vom Boot in das einige Schritt entfernte Hötel zu gehen und jeden erreichte der Tod, noch ehe er halbwegs war. Bei diefem Sonnenbrand helfen auch weder Schirme noch Filzhelme; man muß ebenzu Haufe bleiben. Natürlich widerſteht der Eine der Gefahr befjer als der Andere, und ich kannte Engländer, welche ih rühmten, au in der Sommermittagshige unbebedten Hauptes im Freien herumgegangen zu fein. Alles fommt auf Dispofition an. Aber mer kennt die Bedingungen berjelben? Man jagt Vollblütige litten mehr von der Sonne. Weine Erfahrung lehrt mich, daß dies richtig if, denn gerade die fräftigften Menjchen jah ich diefer Gefahr am ſchnellſten umter- liegen. Aber nicht alle Schwachblütige find ficher dagegen. Sch Tenne

Scorpione. Einrichtung der Häufer. 147

deutliche Beifpiele des Gegentheils. Auch das Aecclimatifirtfein ſchützt nicht. Ich Tante alte Oftindier, die dem Sonnenſtich erlagen, und junge friſch hergeſchneite Engländer, die ihm troßten.

Eine andere Gefahr, die man jedoch durch Wachſamkeit vermeiden kann, bilden die Scorpione. Dieſe find hier beſonders groß. Ich hörte jedoch von keinem tödtlichen Stich, wohl aber von ſchmerzhafter Krankheit. Die Erdgeſchoſſe aller Adener Häuſer wimmeln davon. Selbſt auf die Terrafſſen im erſten Stock kommen fie. Ich tödtete auf der meinigen all⸗ abendlich einen oder mehrere. Man heilt die Stiche hier durch kochenden Theer, in die Wunde gleich nach dem Biß gegoſſen. Dieſer ſoll das Gift zerſtören und man hat dann nur die Brandwunde zu curiren. Ich glaube jedoch, daß bloß heißer Theer genügen würde.

Die Einrichtung der wohlhabenden Häuſer in Aden iſt ſehr praktiſch und wenn man will luxuriös. Aber es iſt ein ſehr ſolider Lurus. Die Möbel, alle aus Oſtindien, find nämlich nicht geleimt, ſondern meiſt aus einem Stück. Ich ſah koloſſale Eßtiſche, Platte und Fuß alles aus einem Stück. Dieſe Möbel ſind zwar theuer, erhalten ſich aber ſo gut, daß man fie faft um das Ankaufsgeld wieder losſchlägt. Jeder engliſche Beamte, der hierher verjegt wird, Tauft ſich oſtindiſche Möbel. Da er felten lange bleibt, fo verlauft er fie feinem Nachfolger und meift faft ohne Perluft. Diefe Möbel halten Generationen aus. Das Holz ift dabei fehr ſchön, dunkelbraun oder ſchwarz, mit einem natürlichen Glanz und meit jedem unferer Hölzer vorzuziehen. Europäifche Möbel gehen im hiefigen Klima in kürzeſter Zeit zu Grunde. Sie entleimen fi), das Holz wird zerfrefien, die Hitze verzieht und verdorrt fie, jo daß fie beim geringfien Anſtoß drehen.

Als ich zum Zweck meiner Erkundigungen täglich viele Araber zu empfangen anfing, nahm ich, au Rüdficht für meinen Gaftfreund, eine eigene Wohnung. Wer bier ungeftört leben will, muß ein ganze Haus miethen, was alle Engländer thun. in joldhes fand jedoch nicht leer und fo mußte ich's machen, wie die Araber, und mit einem Stockwerk vorlieb nehmen. Leider findet ſich dergleichen nur im einheimifchen Viertel und dies ift über die Maßen lärmend. Ich mußte mich an das Klopfen einiger zwölf Tüncher unter mir, ein haarſträubendes Concert, gewöhnen und diejer Lärm erſchwerte natürlich jehr meine Converfation mit den Arabern. Da bei der winteligen Bauart alle Wohnungen fo zu jagen ineinander geſchachtelt, auch)

nur durch Brettermände getrennt find, jo wohnte ich als Zuhörer den Fa⸗ 10°

148 Cinheimifches Vierte. Wohnung. Markt.

milienereignifien einiger 50 Nachbarn, ihrer Frauen und Kinder, bei. Unter diefen herrſchten viele Krankheiten, nicht ſchwere, aber Geräufch ver: urſachende. Ein ewige Huften, Stöhnen und gelegentlides Erbrechen mußte ich täglich mit anhören. Das linangenehmfte im einheimijchen Viertel ift jedoch der Geruch, namentlih der durch die Yeuerung mit Ka⸗ meelmift erzeugte. Obgleich ich eine Heine Terraſſe im Freien hatte, fo fonnte ich diefem ſtinkenden Rauch doch nicht entfliehen. Er drang aus Hundert Kanuns (tragbaren Kochherden) zu mir.

Ein großer Uebelſtand im einheimischen Viertel if, daß man die Dad) terraffe nicht benutzen kann. Man kommt fonft in die Gefahr, unver: ſchleierte Mohammedanerinnen zu jehen, mas ein jchredliches Verbrechen if. Ich verfuchte e& einmal, Beinahe hätte ich aber eine Revolution verur- jacht, denn aus allen Häufern fürzten wüthende Moslems, die mich be- Ihuldigten, ihre Harems zu entweihen. Dies ift die Sitte aller arabijchen Städte und, da hier im arabifchen Biertel ſonſt feine Europäer wohnen, fo bat fie fih für dieſes erhalten. Es blieb mir alſo nur meine Zerrafle im eriten Stod, die ummauert, nur oben offen war.

Eine Veranda fehlte und jo mußte ich bei Tage mich im Zimmer den Mugkitos ausfegen. Die Nächte auf der Terrafſe im erften Stod waren ſehr willlommen. Dann fchliefen die Nachbarn, der Rauch) war vorbei, Die Tem- peratur ſehr angenehm, etwa 20° R., aber bei bewegter Luft. Billig war die Wohnung. Sie Toftete nur 10 Rupien.(6?/, Thlr.) monatlid. blirt. hatte ich fie mir felber, denn ich ſchleppte das Nothoürftige mit mir. Mein Nubier beforgte Einfäufe und Küche, Alles jehr billig, Meine und jeine Nahrung Toftete mich kaum 20 Sgr. täglich und dennoch lebte ic) gut, wenn auch einfad).

Der Markt von Aden fieht an Küchenbedarf ſelbſt dem dürftigften in Europa nad), aber gegen Dſchedda, Sualin, Maſſauwa bietet er Ueberfluß Aden ift der. einzige Ort in Arabien, wo man Kartoffeln, einige Gemüſe (Kohl, Rüben, Bamia) ſowie Früchte findet (in Dſchedda gab es nur hier und da Bananen). Ein Huhn koftete 8 Silbergrofichen (in Maſſauwa nur 4). Die einheimische Butter (Semen) ift Europäern faft ungenießbar. Man muß mit Hammelsfett kochen, die aber von feinem eigenen Koh flüffig herſtellen laſſen. Hammelfleiſch ift gut und billig, aber fehr fett. Ochſenfleiſch ift nicht immer zu Haben. Es ift theurer, aber auch gut. Ein gutes Defiert für unverwöhnte Menſchen bilden die gepreßten Bacre- datteln. Sie find aud) dem Unterleib zuträglich.

| LL |

Wein. Branntweinpächter. Engländer in Aden. 149

Bein it en detail nur zu den übertriebenften Preifen zu haben. En gros verkaufte nur Herr Tian Bordeaur- und leichte Weine, trefflich und ſehr billig. Die Kaufleute dürfen übrigens geiſtige Getränke nur an Suropäer abjegen. Für den Verkauf an Eingeborene eriflirt nur ein ein- ziger Laden, vom Branntweinpächter, einem Parſi, gehalten, der 8000 Ru⸗ pien (5340 Thlr.) Pacht zahlte Dort iſt der Verfammlungsort alles ſchlechten Gefindels. Auch die Proftitution hat dafelbft ihr Hauptquartier. Sie recrutirt fih nur aus Einheimifchen oder Schwarzen. Eine Euro» päerin darf fie nicht ausüben. Bor zwei Jahren murbe eine leichtfertige Franzöſin hierher verjchlagen, aber ſchnell von der Polizei weiter ſpedirt.

Die Engländer in Aden find außer dem Padre (Geiftlichen) alle Mi- litaͤrs, welche bier auch die Civilperwaltung und Juſtiz in Händen haben. Es lag zur Zeit ein durchaus englifches Regiment bier. Die anderen waren Sepoys mit englifchen Officieren. Die bei einem Regimente ftehen- den ledigen Officiere führen mie in England gemeinfam Haushalt, die verheiratheten und die als Beamte fungitenden bewohnen jeder ein Haus für fi, mit vollfländiger, oft jehr complicirter Einrichtung. Die Haus- haltung, Dienerfchaft, Küche ift Alles auf demfelben Fuß, wie in Oftindien. Dort, hört man wohl zuweilen, fol das Leben ſehr theuer fein. Dies ift aber durchaus nicht wahr. Das Leben, da3 ein Officier gewöhnlich führt, tommt freilich Hoch. Wollte er aber in Europa ebenfo leben, das Bier- fache würde nicht ausreichen. Für 3000 Thlr. jährlich hat bier ein eng- liſcher Officier ein eigene® gut möblirtes Haus, einen vollfländigen Haus⸗ halt mit trefflicher Küche, mit guten Weinen, Bieren, Cognac, giebt Diners und Geſellſchaften, zahlt und ermährt einige acht oder zehn Diener, hat drei oder vier Pferde im Stall ftehen, Kühe zur Milchgewinnung reſp. Butter- bereitung und läßt fich feinen Bedarf an Kleidern, Wäfche, Büchern, ſowie an Jagdwaffen aus England kommen: dies die theuerften Poſten. Ein guter Haushälter würde jogar in Aden ganz. dafjelbe für zwei Drittel oder gar die Hälfte jenes Geldes ſich zu verjchaffen willen. Doch die englifchen Of: ficiere rechnen nicht. „Leben und leben lafjen“ heißt's da, und ihre oft- indifchen Diener beftehlen fie fo viel fie wollen.

In England aber würden diejelben Annehmlichkeiten mindeſtens 2000 Pfund often. Auch gegen Aegypten ift der Gegenjab auffallend. Für denſelben Lohn, den mein Nubier erhielt, konnte ich hier vier Diener be- lommen, die freilich alle vier zufammen nicht ſeine Arbeit verrichtet und obendrein geftohlen hätten. In Cairo giebt es Leute, die 100,000 Fran

150 Dfficielle Gefellfhaft. Diners. Punkahs.

fen jährlich ausgeben und nicht die Figur machen, wie ein oftindijcher Eng⸗ länder für den britten Theil des Geldes.

Da ih Empfehlungsbriefe befaß, kam ich leicht in die engliſche offi- cielle Geſellſchaft. Bei einem Diner im Haufe des Politifchen Agenten (diefen Titel führt Hier der Gouverneur) konnte ich den Luxus conftatiren, den ein höherer engliſch-oſtindiſcher Officier fich erlauben darf. Faſt alle Gerichte beftanden aus vortrefflihen engliſchen Conſerven, die bier (d. h. die guten) gar nicht zu haben find. Er importirte feinen eigenen Bedarf direct aus England. Aber nicht geringer war der Luxus im Haufe feine Aififtenten, eines einfadhen Hauptmanns, der freilich als temporärer Civil- beamter hohen Gehalt Hatte. Die meiften Engländer, die ein größeres Haus machen, ebenjo die Officierclub8 Haben ihre Agenten in England, die ihnen Alles direct liefern. Darum ſteht e8 auch mit dem feineren Detailhandel in Aden verhältnigmäßig fchlecht, weil eben diefe Herren hier faft nichts zu kaufen brauchen.

Ein Irrthum ift es au, daß man in den Tropen weniger Eßluſt berfpüre. In Aden wenigſtens ift die nicht der Fall. Man bat hier immer Appetit und genießt die Diners, die jehr lang und reichlich find, gerade fo gut wie in Europa. Auch was die Weine betrifft, jo fand id bei Niemand die Kraft, viel zu vertragen, abgeſchwächt. Die englijchen gemeinen Soldaten ſieht man mohl manchmal betrunten. ch vernahm jedoch, daß ſich der Raufch in diefem Klima jchneller verflüchtige, und kann mir das fehr gut durch die beftändige Zugluft, in welcher die Engländer fich gefallen, erflären. In den windftilen Monaten mag da3 anders fein.

Viel angenehmer, ald jene Zugluft, Vie man hier in allen englischen Häufern antrifft und die im Winter oft nur zu fehnell Die durch Bewegung erhigte Haut fühlt, ift die regelmäßige Luftbewegung, welche durch die Punkahs (große hängende Fächer) erzeugt wird. Hier hat man fie nidt allgemein und meift nur in den erften Häufern, namentlich bei Diners. Ihr Einfluß auf die Gefundheit ift fiher mohlthätig. Selbft nach heftiger Leibesbewegung jchadet der Punkah nicht, während das Hier beliebtere Ab- fühlungämittel, die Zugluft, menigftend nach Erhitzung nur von ftarfen Naturen ertragen wird. Einen Punlah über dem Bett zu haben ift eine große Wohlthat für die Hautempfindung und Gefundheit. Ih kannte mehrere Damen, die troß des Klimas blühend ausſahen und behaupteten, fie verdantten ihre Friſche hauptſächlich dem nächtlichen Punkahfächeln. In Aden ſind die Punkahjungen (d. h. die, welche den Fächer in Bewegung

Englifhe Kirche. Der Padre. Trauung. 151

erhalten) meift eine Somäliß und billiger, als die oftindifchen. Man feßt fie gewöhnlich auf einen hohen Stuhl mit nur ſchmaler Fläche und ohne Lehne, jo daß fie nicht eimfchlafen können, ohne Herunterzufallen. In Oftindien läßt man oft einen Jungen die ganze Nacht ziehen; hier löfen fie ih ab. Die Jungen drängen ſich übrigen? zu dieſem Dienft, der ihnen ſehr zufagt, bedauern nur, daß die meiften Engländer ihnen nicht geftatten, dabei zu fingen. Eine Dame fagte mir jedoch, fie höre das Singen gern und fchliefe beſſer dabei.

Die englifche Kirche, übrigens ein ſchönes neues Gebäude in dem in England wieder modern gewordenen gothiſchen Styl, wird gleichfalls durch Punkahs abgefühlt, auf denen man Kreuze angebracht hat, die auf dieſem oftindifchen Gegenftand fi komiſch genug ausnehmen, ift außerdem aber noch überreihlih der Zugluft ausgeſetzt, ſo daß die Frömmigkeit nicht jelten mit Katarrh bezahlt wird, beſonders da die Kirche auf einem Berge liegt, man aljo nur im erhißten Zuftand da anlommt.

Man nennt hier, wie in Oftindien, auch die proteſtantiſchen Geift- lichen „Padre“ (pater), ein Wort, daß man dem portugiefifchen Goa ent- lehnte. Es Hingt ſehr komiſch, wenn man von der Gattin des „Padre“ ipricht, da man in Europa fich unter „Padre“ nur einen katholiſchen Prie- fter denten kann. Der hiefige „Padre” war ein ſehr freundlider Mann, dee mich oft einlud, Gaft in feinem Iuftigen Rohrhaus oben auf dem Berge, übrigens einer mahren Brutftätte von Katarrhen, zu werden. Er interejfirte fi) fehr für alle Elaffen von Eingeborenen und Hatte eigentlich immer eine Tleine Colonie bei fi. Er war es auch, der jene drei merk— würdigen himyariſchen Bronzeinfchriften auffpürte, die man in London für gefäljcht erklärte, obgleich fie Dies vielleicht nicht alle drei find, wenn fie auch allen unferen biöherigen Begriffen von himyariſchen Infchriften ſpotten. Als ich anlam, war er noch Junggeſelle und ein ziemlich rauher Naturburfche, dem man gar nit anmuthete, daß plößlich eine elegante junge Engländerin mit dem Dampfidiff ankommen werde, um fi ihm antrauen zu laflen. Diefe Trauung fand in ſeltſam befchleunigter Weife ftatt. Mit der Braut reifte nämlich ein Bilchof, der nur zwei Stunden in Aden blieb, und, da bort außer dem Bräutigam fein Geiftlicher war, jo konnte nur er fie trauen. Nun mußte die ganze Hochzeitögejellichaft, in Gala, lange Zeit am Hafen auf den Dampfer warten, der noch dazu zu ſehr unbequemer Stunde anlam. Die Kirche war nicht nah und bis man hingelangte, ver- ging viel Zeit. Der Bilchof beeilte filh jo gut er konnte, das Paar zu

152 Gnglifche Damen in Aden.

trauen. Dennoch hätte er faft das Schiff verfäumt. Alles fand jo zu jagen mit Dampf ftatt. Das Paar Hatte eigentlih erſt nad jeiner Trauung Zeit fi) zu begrüßen.

Die englifche Geſellſchaft in Aden zählte übrigens jetzt gerade befon- ders viel Damen, nämlich achtzehn. Dies galt für eine hohe Zahl. Meh— rere Damen jagten mir, in manchen oftindiiden Stationen, mo fie gelebt hätten, habe die Damenzahl nur zwei oder drei beitragen und dieſe feien noch dazu meift unter einander verzantt geweſen. Hier ſchien das Ber: hältniß dagegen ein recht ſchönes. Kine neue Ankömmlingin war ſtets willfoınmen. Die ſchöne Braut des „Padre” wurde förmlich) mit Freund— lichkeiten überfchütte. Der Gemahl galt für unpraftiih. Deshalb be- mühten ſich alle Damen, ihr das Haus auszuftatten. Sie wurde wie auf Hünden getragen.

Südaradien.

Achtzehntes Gapitel. Adens öffentlihe Werke, Gebäude.

Die Cifternen. Regenverhältniffe. Weltefte Eifternen. Ihre Reftauration.

Ihre Aufnahmsfähigkeit. Deffentlider Garten. Feſtungswerke. Aden als

Seefeſtung. Die Iſthmusfeſtung. Die Injel Sira. Einheimiihe Stadt.

Der Hauptmarkt. Berfchiedene Quartiere. Moſcheen. Mangel an Alter⸗

thümern. Das Grab des “Aideris. Das Todtenhaus der Parfi. Leiden:

bögel. Barbariihe Sitte. Tempel der Banianen. Synagoge. Katho⸗ liſche Eapelle.

Das Intereſſanteſte in Aden find ohne Zweifel die Ciſternen. Die Brunnen und die Wafferleitung von Schech Otmaͤn liefern fein trinkbares Wafler. Moden war alfo von jeher auf Regenwaſſer angemwiefen. Obgleich in den Tropen, jo empfängt Aden feltfamer Weile doch nicht die tropi- ſchen Regen, wie da3 Innere des Landes. Es regnet hier nur in einigen Wintermonaten, aber durchaus nicht regelmäßig. In einem Jahr Tommen die Regen jo reichlich, daß Waſſerüberfluß eintritt. Aber oft vergehen drei oder bier Jahre faft ohne Niederſchlag. Deshalb beitand hier von jeher das Bedürfniß nad) ungewöhnlich großen Wafferbehältern, um ja die ganze Regenfülle eines ausnahmsweiſen Jahres aufnehmen und bewahren zu konnen. |

Im Altertfum, al3 Aden eine blühende Handelsſtadt war, befaß es Üeberfluß an Eifternen, und auch alle modernen find nur die wieder auf- gededten alten. Aber vielleicht nicht der vierte Theil der alten ift mieder aufgegraben. Die niederträchtige Wirthſchaft der Sultane von Laheg hatte alle Eifternen verfallen laffen. Erſt der englischen Regierung blieb es bor- behalten einen Theil diefer großartigen Werke wieder herzuſtellen. „Werte“

154 Gifternen. Schleufenfoftem. Garten.

it faum dad Wort, denn die Natur bat bier das Meifte gethan, dem Menſchen blieb nur die Nachhülfe.

Die größte der bis jetzt aufgevedten Eifternenreihen liegt in einer Schlucht ſüdweſtlich von der Stadt am Fuß des Gebel Schamſcham, oder vielmehr dieſe Schlucht jelbit bildet die Ciſternen. Ihr Boden, ihre Wände find durchweg aus feſtem Geftein, das nur mit einem Mörtel bebedt zu werden brauchte, um das Waffer aufbermahren zu können, nachdem Schleuſen errichtet worden. Der Mörtel ift noch der alte Die Schleufen, welde bie Schlucht und ihre Seitenſchluchten in einige zehn Abtheilungen |cheiden, ebenjo die Treppen, um von einer Abtheilung zur andern zu gelangen (denn die Schlucht ift fleil), find das Werk der Engländer. Aber man fand bier die Nefte älterer Mauern. Un jeder Gifterne ift das Maß ihrer Aufnahmsfähigkeit in engliihen Gallons verzeichnet. Dieſes Map ift jehr anfehnlih und das bedeutendfte Syſtem (von 10 Cifternen) liefert allein, wenn voll, 8,984,892 Gallond. Bon diefen zehn Eifternen find nur zwei inwendig außgemauert, die anderen alle natürliche Felsgruben, durch Schleuſen geſchloſſen. Die oberſte empfängt den Regenabfluß des Gebel Schamſcham. Die nächſtfolgenden acht erhalten ihr Waſſer je eine von der andern, einzelne außerdem noch von kleineren Seitenſchluchten, die zehnte, am tiefſten gelegene, von einem größern Nebenthal, ſteht aber ebenfalls in Verbindung mit der obern Reihe, ſo daß ſie, im ſeltenen Fall eines Ueberſtrömens derſelben, auch von ihr Waſſer aufnimmt, um es, wenn fie ſelbſt überfließt (was gewiß dann auch bald eintreten wird), in einen gemauerten Canal zu entladen, der ing Meer mündet. Dieſer Canal foll in 50 Jahren nur vier Mal gefloffen fein. Seine der Eifternen iſt gedeckt.

Die Engländer haben die Umgebung dieſer Ciſternen in einen Garten verwandelt, den einzigen in dem jonft pflanzenlojen Aden. Hier findet

man manche interefjante Pflanze, wie die Boswellia Carterii und Bos-

wellia Bhau Dajana, die beiden Achten Weihrauchbäume, diefe erft in

neuefter Zeit durch Carter und Birdmood*) bekannt gemachten Species. Sie ſcheinen hier zu gedeihen, wenn fie auch nicht die Höhe erreichen, wie

*) Man vergleiche die intereffante Dionographie Birdwood's: The genus Bor wellia, description of a new species of Frankincense. London, Taylor and Fran- cis 1870.

Weihrauchbäume. Feſtungswerke. Iſthmusfeſtung. 155

in Mahra und im Somälilande, den einzigen Ländern, wo ächter Weihrauch wädlt*).

Manchmal werden vom Gouverneur an diefen Eifternen nächtliche Feſte gehalten, wo dann glänzende Erleuchtung ihnen und dem Garten einen magiſchen Schimmer leiht. Einmal fol fogar in der größten Cifterne getanzt worden fein. Als ich fie jah (Anfang 1871), hätte man dies faft in allen thun können, denn nur die höchſte und die aus dem Seitenthal gejpeifte zehnte hatten Wafler. Aden war zur Zeit zum Theil auf deftil- lirtes Meerwafjer angetviefen, das hier maſſenhaft hergeftellt wird. Troß- dem war das Wafler viel billiger, al3 in Maſſauwa und Dſchedda. Mein zmweitägiger Verbrauch koſtete 11/, Sgr., Trägerlohn inbegriffen.

Die Feſtungswerke find gleichfalls ſehenswerth. Ich hörte zwar Ur- theile competenter Engländer, welche diefelben gegen einen Seeangriff un- zureichend nannten. Die Möglichkeit eines ſolchen ſcheint man früher weniger ind Auge gefaßt zu haben. Erſt in neuefter Zeit hat man dieſem Gegenftande größere Aufmerkſamkeit gewidmet und eine Vervollſtändigung ber Werke dürfte wohl bald erfolgen.

Gegen See- und Landangriffe der Einheimifchen ift übrigens Aden zur Genüge gefhüßt. Die Feſtungswerke auf der Landfeite find von im— ponirender Großartigfeit. Alle Berghöhen find hier mit Mauern, Schieß- ſcharten und Bier und da Batterien verjehen. Das größte Werk ift jedoch die Iſthmusfeſtung, arabifch Gebel Hadıd (Eiſenberg). Man denfe ſich eine Art von Krater, auf drei Seiten von vulcanifchen Felsmaſſen um: geben und durch fie fo unzugänglich gemacht, daß man Zunnel3 brechen mußte, um im Often zum Hafen, im Weften nach der Stadt zu gelangen; nur auf der vierten, mo die Senkung an den ganz flachen Iſthmus ſtößt, uriprünglich offen. Dieſe offene Seite wurde durch eine dreifache Reihe von Gräben, Mauern, Batterien ebenfo geſchloſſen, wie e8 die drei anderen durch die Natur find. Auf diefe Weile wird in der Halbinjel Aden ein völlig ifolirbarer Fleck Erde geichaffen, der Abends, wenn die Tunnels ge- ſchloſſen, Niemandem mehr zugänglich if. Diefe „Injel im Lande” trägt nur ein Gafernendorf. Fährt man vom Hafen nach der Stadt, fo ift es ein lohnender Umweg durch die zwei langen Tunnel und über das Iſth—

*) Die fogenannte Bosw. thurifera, aud) serrata genannt, und bie B. glabra, in- diſche Pflanzen, geben nur ein ſchlechtes Surrogat für Weihraud. Noch vor Carter glaubte man aber, ihr Product fei der ächte Weihrauch.

156 Infel Stra. Karawanenmarkt. Mofcheen.

musdorf. Diefer Weg ift auch nicht fo fteil, wie der gewöhnliche, der über einen Hügel führt, defien Spige nur durch ein Felſenthor, feinen grö- Bern Zunnel durchbrochen if.

Sira, einft eine Inſel mit einem alten arabifhen Schloß, ift jet duch einen Damm mit dem Feſtland verbunden. &3 liegt auf der Süd- weitjeite der Stadt. Zu Wrede’8 Zeit (1843) fcheint hier no) ein Anz kerplatz geweſen zu fein, denn er fchiffte fih bei Sira ein. Jetzt ankern auf der Weftfeite feine Schiffe mehr. Auf diejes Inſelchen verjeßt die ara- biſche Tradition das Grab Kains. Dies hängt mit der Sage zufammen, daß Aden „Eden“ ſei.

Die compacte Maſſe der Stadt Aden ift faft durchweg von Einhei- mifchen, Indiern, Somalis und Juden bewohnt. Die englifhen Cafernen und PBrivathäufer liegen mehr zerftreut um die Stadt herum, meift an luf- tigen Pläßen, oft auf Hügeln. in breiter fandiger Plab, der ganz wie ein trodenes Flußbett ausfieht, trennt die Stadt der Länge nad) in zwei ungleiche Hälften. Diejer Platz ift der große Viehmarkt und Lagerungsort aller Karawanen. Das Leben und Treiben auf ihm bietet die malerifchften Bilder. Hier fieht man die ſchwarzbraunen Sübdaraber, mehr auf dem Hals als auf dem Höder ihrer Kameele ſich Iuftig balancirend, in langen Reihen anlommen. Die natürlide Anmuth, ic möchte jagen Grazie fo- wohl der ſchlanken, jehnigen Reiter, wie der flinfen Thiere bieten Erſchei— nungen, würdig eine® Malerpinjeld. Daneben die Somälis mit ihren twunderjchönen, fetten, weißen Schafen, die alle Schwarze Köpfe, fonft aber feinen led am Körper haben. Dazwiſchen die ganz anders ausſehenden arabiſchen Schafe, die gnuartigen Ochfen, hier und da eine lebende Gazelle, deren man ftet3 bier faufen kann, und vor Allem die Schönen Reitkameele, welche gegen ein gemöhnliches Kameel gehalten das find, mas ein englilcher Nenner gegen einen Sarrengaul. Pferde ind ſelten. Südarabien iſt Tein Pferdeland.

Weſtlich vom Platz ift das Viertel der Indier, Uraber und der Se— poy3, die am weſtlichſten Ende von Aden in einer Heinen Hüttenftadt ihre Saferne haben; öftlih find die Quartiere der Parfis, Juden, fowie die beſſeren Läden und einige ſchönere Häufer, in denen einheimifche Beamte und Engländer leben.

Sehenswerth ift fein einzige3 Haus in Aden. Auch die Mofcheen find Hein und unbedeutend. Sie find alle neu oder doch gründlich reftau= rirt. Auf einem freien Pla im Often ragt noch ein einzelner maſſiver

® Heiligengrab. Das Todtenhaus der Parfı. 157

Minaret empor, vielleicht das letzte Weberbleibfel vom alten arabifchen Aden. Sonft ift Hier nichts, was an diefes erinnerte. Die in Ritter’s Geographie befchriebenen Türkengräber find nicht mehr zu fehen.

Selbſt das Grab des großen Schußheiligen von den, "Aiderus*), dad im Südoft der Stadt, und ganz nahe bei ihr, auf einer leichten An⸗ höße liegt, ift in jeiner heutigen Geftalt durchaus neu. Ein frommer oſt⸗ indiiher Moslem, der bier gute Gefchäfte machte, Hat diefen Neubau ge- flifte. Er fieht freundlich, wie eine ſchöne Heine Moſchee, aus, ift auch in orientafifchem Styl gehalten, aber unbedeutend. Man kann leiht Zu⸗ gang zu den Gräbern des "Aiderus und feiner Nachkommenſchaft erhalten. Sie find aber durchaus ſchmucklos, einfache vieredige Sarkophage. hr ehrwürdiger Hüter, ſelbſt ein Nachlomme des Aiderüs, deſſen Gefchlecht nod bier blüht, ſchien fehr tolerant. Er gab mir fogar einen Zeller voll Beihrauchafche, die am Grabe verbrannt war, ein für den gläubigen Sun- niten koſtbares, leider bei mir ſchlecht angebrachtes Gefchent.

Biel ſchwerer iſt e8, zu einem andern Heiligihum Zugang zu er» dalten, nämlic) zu dem ZTodtenhaus **) der Parſi. Bekanntlich begräbt diefe Secte ihre Todten nicht, fondern febt fie in einem oben offenen Todtenhaus der Verweſung in freier Luft und dem Fraß der leichenfre- jenden Raubbögel aus. Aus hygieniſchen Rüdfichten müfjen diefe Tod⸗ tenhäufer natürlich in angemefjener Entfernung von menjchlichen Woh⸗ nungen fein. Mir ſchien das Adener denn doch der Stadt ein wenig zu nahe. Es Liegt auf der Spike eines vulcaniſchen Felshügels unweit der Gſternen und ift in 20 Minuten von Aden zu erreichen. Daß diefe Nähe noch nicht nachtheilig gewirkt hat, dürfte theils dem fteten, heftigen, jedoch nur felten vom Beinhaus zur Stadt mehenden Wind, theils der Gering- zäbligfett der Biefigen Parfigemeinde zuzufchteiben fein. Dieſe geitatten nur im Fall einer officiellen Enquöte die Befihtigung. Capitain Miles, der eine ſolche abhielt, beſchrieb mir die Oertlichkeit. Das Gebäude ift rund, oben offen und in der Mitte befindet fi ein tiefes Loch, in welhes man die Gebeine nach der Verweſung wirft. Um dieſes Loch find drei Cirkel, jeder mit einem kreisförmigen Gerüfte, auf das man die Lei-

nn nn

*) Diefer Name ift keineswegs der gewöhnliche arabiſche Edris, fondern ein eigen- artig jüdarabiſcher, au Hadramaut ſtammender. Er wird mit“Ain geſchrieben und it RetS dreis, nach feltnerer Ausſprache ſelbſt vierfilbig.

”*) Die Engländer nennen es „tower of silence“, d. h. Thurm des Schweigens.

158 Beerbigungstveife der Parfi. Synagoge. Capelle.

hen legt. Der innere Cirkel dient für Kinder, der mittlere für rauen, der äußere für Männerleichen.

Die Raubvögel der ganzen Umgegend werden natürlich dadurch an- gezogen. Die Yolge iſt eine keineswegs angenehme. Alle Felſen der Um— gebung des Zodtenhaufes find mit den weißen Excrementen diejer Thiere bebedt, welche, da es felten regnet, ſich ungebührlich anhäufen. Es wurde mir erzählt, daß vor etwa zehn Jahren ein englifcher Landwirth Diejen edlen, fo unzweifelhaft aus verbautem Menſchenfleiſch gebildeten Guano ausbeuten wollte, da er demjelben ganz ausnahmsweiſe Borzüge als Düng- mittel zuſchrieb. Aber die Barfi hätten Alles, felbft Geld angewandt, um es zu verhindern. Man braucht nicht fentimental zu fein, um dies zu be— greifen. Iſt doch die Transformation ihrer BVerftorbenen in Guano bier nur zu bandgreiflich deutlich. Unbegreiflich ſcheint mir aber, daß die klugen, fonft fo wenig bigotten und civilifationsfähigen Parſis einem jo barba- riſchen Gebrauch noch nicht entjagt haben. Welche Krankheiten wiürben erzeugt, wollte man in dichtberuohnten Ländern diefe Sitte aufrecht Halten? Dichtbewohnt find aber alle civilifirten Länder. Folglich paßt der Parfi- Brauch nicht zur Civilifation und dennod wollen fie die vorgefchrittenften von allen Aſiaten jein.

Die oſtindiſchen Banianen (Kaufmannskaſte) haben einen Saal, der ihnen als Tempel dient und wo einige ziemlich geſchmackloſe Götterfiguren aufgeftellt find.

Die Synagoge ift durchaus einfach, fieht aber an Yeftabenden bei der nächtlichen Beleuchtung glänzend aus. Außer ihr giebt e& noch zwei ganz Heine ißraelitiiche Bethäufer.

Eine katholiſche Kirche befindet ſich gleichfalls Hier, von italienischen Miffionsmönden bedient. Das Gebäude ift durchaus unbedeutend. Die Gemeinde ift ziemlich ftark, da hier viele oſtindiſche Mifchlinge von Portu- giefen und Indiern leben, die alle katholiſche Chriften find. Damit in Verbindung fteht ein Milfionspenfionat, in welchem junge Xbeflinier aus Schoa erzogen werden.

Südaradien.

Neunzehntes Capitel. Adens Bewohner.

Geringe Einwanderung den Engländern erwünſcht. Unmöglichkeit die Einwanderer fern zu halten. Zunahme der Benölferung. Einmwohnerlifte. Oftindifche Chriften. Oſtindiſche Moslems. Schiiten. Araber. Schafei und Zäidi. Sobayel und Raye. Shhriftgelehrte. Der Dadi von Aden. Ein Aftrologe. Der Dragoman der Regierung. Seine Wichtigkeit. Somäli. Seltjamer Haarputz. Somälifrauen. Bagabundenthbum. Berier. Der Kröjus von Üben. Ein fanatiſcher Schüte. Banianen. Ihre Liebe zu Thieren. Oſt⸗ indiihe Pariasg. Neger. Zingi und Sudäni. Parſi. Handels: und Krämergeit.

Der Unftand, daß Aden Waflermangel leidet, daß, in diefer ganzen britifchen Befigung nichts Genießbares wächſt und aljo auch kein Vieh beftehen Tann, hat mit die englifche Politik in Bezug auf die Einwanderung geleitet. ine ſolche ift den Engländern durchaus nicht willkommen. Sie ſprechen es offen als Grundſatz aus, daß Aden Hein bleiben müfle. Eine große Einwohnerzahl würde im Fall einer Belagerung nur Berlegenbeit bereiten. Aden ift ja für alle feine Bebürfniffe auf die Nachbarftaaten angewiefen.

Aber gerade diefer Umftand, der die Engländer beftimmt, die Fremden fern zu halten, bringt es mit fi, daß man ihr Kommen und oft ihr Tän- geres Bleiben nicht hindern kann. Man kann es den Arabern, den Haupt: berjorgern des Markts, den Somäli, auf deren treffliches Kleinvieh Die Fleiſchconſumenten zum Theil angewiefen find, den oftindifchen Kaufleuten, die gleichfalls zur Verproviantirung beitragen, unmöglich vermehren, fich

160 Zunahme der Bolfdzahl unter engliicher Herrichaft.

zeitweiſe hier niederzulaflen, Agenten zu beftallen, Läden zu errichten, in denen ihre Landsleute das ihnen Nothwendige finden. Kein Mitglied diefer Völker würde auf die Dauer Aden zum Ziel feiner Handelsreiſen wählen, fände es nicht dajelbft eine Kleine Colonie feiner Landsleute.

Es zeigt fih alſo als unausführbar, eine Stadt klein halten zu wollen, die große Bebürfniffe Hat. Dieſe großen Bedürfniſſe beftanden aber glei nach der engliichen Befisnahme, denn ein einziger Engländer confumirt mehr an Waarenwerth, als zwanzig Einheimijche. Die Vergrö- Berung der Stadt war dadurch bon vornherein bedingt.

Als England Befi von Aden nahm, mar dieſes jo zu jagen in Agonie begriffen. Seine Bevölkerung war bis auf 600 Seelen zujam- mengefhmolzen. Sein Wunder, denn der Beherrſcher, der Sultan von Laheg, bedrüdte und fog es auf alle Weife aus. Ja einmal verfaufte dieſer Landesvater ſogar an ſeine Erbfeinde, die Fodli von Schughra, für 30,000 Maria-Therefia-Thaler das Recht, Aden, feine einzige Handelsſtadt, die „Perle feines Reiches”, ausplündern zu dürfen. Aber kaum brachte die englifche Beſitznahme Sicherheit und geregelte Zuftände, jo firömten neue Einwohner der verlaffenen Stadt zu. Schon im erften Jahre nad) der Beligergreifung (1540) war ihre Zahl auf 2900 geftiegen. Seitdem war dieſes Steigen beftändig. Anfang 1871 ſchätzte man die Einwohnerzahl auf 29,730. Diefe beftand aus folgenden Elementen:

Europäer und oſtindiſche Chriften (darunter Garnijon) 2000 Oſtindiſche Mohemmedaner Cerunter sr .. 4000

Araber... .. .. ... 6000 Somilli . . . . een een. 5600 Andere Mohammedaner ... 100 Banianen und andere heidniſche Offindier (darunter viele Sep) » > 2 2 2 en en nenn. 8000 Bali». > 2 2 2 nennen ne. 130 Judenn. nenn. 190 - BVerfhiedene © > 22 2 ernennen. 2000

29,730

Dftindifche Bewohner von Aden. 161

Dftindifhe Chriften.

Die oſtindiſchen Ehriften find meift fogenannte Portugieſen, aber alle haben mehr indiſches, als portugiefiihes Blut. Sie find die Mifchlinge der einfligen Herren Oftindiens, der Bortugiefen und ihrer indifchen Unter- thanen. Wie bei allen. Mifchlingövölfern, fo bietet ihre Hautfarbe und Geſichtsbildung mannichfache Abflufungen, bald große Annäherung an den europäifchen Typus, bald große Abweichung davon, meift natürlich das Mittel zwifchen diefen beiden Ertremen. Sie Heiden und gebärben ſich europäiſch, haben aber ein gewifjes Etwas in ihrem ganzen Weſen, was den Europäer abftößt, einen Mangel an Würde, eine moralifche und phy- ſiſche Verlommendeit, die defto mehr in die Augen fällt, ala ihr Aeußeres europäi if. Sie find meift (einige anglikaniſche Profelyten ausgenom- men) katholiſche Chriften, übrigens unwiſſend und bigott. Die meiften Iprechen nicht einmal mehr portugieſiſch. Da fie mehr Verſtändniß euro⸗ päifcher Sitten haben, fo nehmen fie die Engländer gern al3 Diener. Namentlich die erften Dienerftellen in englifchen Häufern find mit ihnen beſetzt. Einzelne treten auch bei den Sepoys ein. Familien leben menig bier, faft nur einzelne junge Männer. Ich fah kein einziges Kind. Zum Handel fehlen ihnen meift die Mitte. Wohlftand herrſcht nicht bei ihnen.

Oſtindiſche Moslems.

Die oſtindiſchen Moslems find hier in ihrem Element. Für ſie iſt Arabien die heilige Erde, die viele nur ihres Glaubens wegen aufſuchen. Ich kannte mehrere alte Moslems, die in Indien, wo fie unter Heiden lebten, niemals Gelegenheit gefunden hatten, ſich in ihrem Glauben ge— nauer zu unterrichten und nun hier das Verſäumte nachholten. Mehrere dieſer Leute lernten noch im hohen Alter den Oorän leſen. Ihre ſociale Stellung if hier meift mehr als bejcheiden. Indiſche Moslems find die gewöhnlichen Dienftboten in englifhen Häufern. Die Sepoy8 beftehen faft zur Hälfte aus ihnen. Die anderen find Sleinhändler, Handwerker, na= mentlich Schneider, Tüncher, Wäfcher 2. Sie haben faft alle arabiſche Vornamen, die fie in der fchriftgemäßen Weife ausſprechen, was den ächten Arabern, bei denen diefe Namen in Fleiſch und Blut übergegangen find und dialeltiſch geſprochen merben, jehr komiſch Hingt. Für „Abd-Allah“ jagen fie Abdullahi”, für „Abd el Däder“ hört man „Abdul Däbdiri” ꝛc.

v. Malpan, Reiſe nad Eüdarabien. 11

162 Arabifche Bevölkerung von pen.

Nichts muthet den ächten Araber fremdartiger an, al3 dieſe affectirte Schriftgemäßheit.

Ein Theil von ihnen beſteht aus fanatiſchen Schi' iten. Sie laſſen feine Gelegenheit verſtreichen, wenn fie den hier ſonſt numeriſch ſtärkeren Sunnitismus verſpotten können. In dem engliſchen Aden müſſen die Sunniten ihren Zorn verbeißen.

Araber.

Die hier ſeßhaften Araber ſind nur zum allerkleinſten Theile geborene Adener. Wenn man bedenkt, daß die Stadt 1839 nur 600 Einwohner hatte und daß von dieſen die Hälfte Juden waren, erklärt ſich dies. Unter den ächten Adenern nimmt die Familie des Aiderüs die erſte Stelle ein. Andere find Beamte bei Moſcheeen, Schreiber, Heine Handelsleute, Sen jalen zc.

Die meiften Araber in Aden find eingewwandert, zum großen Theil aus der Ebene Mehaidan und anderen Orten des Sultanats Lader. Diefe find meift Aleinhändler, Handwerker, einige unregelmäßige Reiter im engliſchen Dienſt oder bewaffnete Diener der Regierung.

Einige Hadrami leben hier von kleinen Handelsgeſchäften. Mein Bekannter, Auͤwaͤd b'el Cher aus Makalla, war der einzige hadramitiſche Senſal, die Zuflucht aller öſtlichen Araber, verdiente aber nicht viel. Mit ber Herrlichkeit der Hadrami iſt es Bier vorbei. Gegen die Banianen können fie nicht aufkommen.

Ein großes Contingent haben in neuerer Zeit die Hogriya geliefert. Dieſer Stamm, deſſen Gebiet zwei Tagereiſen im Nordweſt beginnt, if unter dad Joch der Mohammed gerathen, welche zur heterodoren Secte der Zaidi gehören, während die Hogriga Schäfei find. Bor diefen ihren feßerifchen Unterdrückern ſuchen ſie gern Zuflucht in dem freien Aden, wo noch dazu alle Moſcheeen dem Schaͤfe ismus angehören. Sie ernähren ſich dürftig als Tagelöhner und Handlanger.

Die Secte der Zaidi hat übrigens bier auch viele Vertreter. Sie fommen größtentheild aus der Gegend um NRedä‘, Yerim und Damar. Alle Waflerträger und die meiften Schayyalin (Laftträger) gehören zu ihnen. Ihre Secte verbietet ihnen nicht, die Mofcheeen der Schäfei zu befuchen und Ießtere dulden fie. Die hiefigen Zaidi find alle vom un— wiſſendſten Schlage und haben feine Idee von den unterjcheidenden Dog⸗

Neligiöfe Secten in Aden. Schriftgelehrte. 163

men ihrer Secte. Man kann fie faft nur an der Gebetsftellung erkennen, indem fie bei dem Diyam (dein Aufrechtftehen) nicht, wie die Schäfei, die Hände über dem Bauch Freuzen, fondern gerade hinab hängen laffen. Ahr Mundwerk verräth fie zwar auch. Sie lafjen’s fi gar nicht nehmen, fo oft fie können, über den Schäfeismus zu fehimpfen. Alle Zäidi find ftolz und oft übermüthig, denn fie können darauf pochen, daß ihre Secte in Demen die verbreitetfte und an den meiften Orten die herrjchende ift.

Angehörige der Dobäyel (freien Stämme) des Innern leben nicht hier. Selbft das fo nahe Yäfi'a liefert keine Einwanderer. Die Verach— tung der Dobayel gegen jede bürgerliche Eriftenz erklärt dies. Dagegen haben ji) in Aden vielfach Raye (Unterthanen) jener freien Stämme, na- mentlih Bernohner der von ihnen despotiſch unterdrüdten Handelsftätte des Innern niedergelaffen. Unter diefen liefern Bedä, im Lande der Nezäz, und Da teba, ſüdöſtlich von Yerim, die meiften Einwanderer: gänzlich frieb- liche Leute, die den Heineren Detailhandel mit Landesproducten (Tabad, Datteln, Gifcher zc.) betreiben. Einen Mann aus Bäedä fannte ih, der jogar ein öffentliche® Aemtchen, als Marktmefjer, befommen Hatte.

Da der tieffte Süden Arabiens meift von Yeinden einer civilifirten bürgerlichen Exiſtenz bewohnt wird, jo muß man die Schriftgelehrten, deren man doc) einige nöthig hat, aus dem mittleren Yemen verjhreiben und zwar fommen diefe vorzugsweiſe aus Zebid, Raima, Hodeda, wo es mehr Sunniten giebt, als aus Cana, wo nur Zäidi leben. Ein würdiger Re- präfentant diefer Claſſe ift der Qaͤdi von Aden, ein durchaus achtbarer Mann, an dem die türkiſchen und ägyptiſchen Rechtsverkäufer ſich ein Bei— fpiel nehmen follten. Ich Habe noch nie einen Daädi gefunden, der jo ge— wiſſenhaft alle die verwidelten Regeln der Sunna beobadtete. Sogar die läherliche Regel, daß ein Dadi perfönlich nichts Taufen darf*), befolgte er. Einft, als ich mit ihm ſpazieren ging, blieben wir vor einem Laden ſtehen. Ih faufte etwas und dem Dadi gelüftete nach derjelben Waare. Er durfte fie aber nicht jelbft kaufen, jondern mußte erſt Jemand jchiden, was er doch nicht gleich konnte. Es Half nichts, daß ich ihm anbot, ihm meinen Ankauf zu ſchenken. Ein Qädi darf feine Geſchenke nehmen. „Wären wir in einem moslemiſchen Lande, meinte er, jo wären Sie ftraf- bar.“ Denn man darf dem Dädi feine Geſchenke bieten. Weld eine Perle bon einem Daädi!

2) Tornauw, das moslemiſche Recht. (Leipzig, Dyk. 1855.) Seite 195. 11*

164 Der Qaͤdi von Aden. Ein Aftrologe.

Er hatte viel zu thun: nicht nur die 18,000 Moslems von Aden zu richten, jondern auch noch die Entſcheidung kleiner Rechtsfälle zwiſchen andersgläubigen Einwohnern. Der ganze Tag verging in Amtsangelegen⸗ heiten, denn er hatte feine Beiſizzer.

Er war übrigens ein großer Gelehrter, in der arabiſchen Literatur trefflih zu Haufe, nahm Intereſſe an allen Forſchungen, ſelbſt ſolchen, die bigotte Moslems verabjcheuen, wie himyariſche (alſo heidniſche) Alter: thümer, und folchen, welche arabifche Gelehrte ſonſt gänzlich ihrer unwürdig halten, wie dialectiihe Studien. Die kufiſchen Infchriften las er wie A». C., eine Kenntniß, die bei modernen Arabern fehr felten geworden. In ganz Algerien kannte ich keinen einzigen, der kufiſch leſen konnte. Er war ein lebendes Lexikon. Weber jede ſprachliche Trage mußte er Auskunft.

Der gute Qaͤdi befaß natürlich, Iwie jeder Menſch, auch eine Schwad heit, aber die feinige war gelehrter5Natur. Er war nämlich ein Jünger der Aftrologie. Die Qoraͤnvorſchrift, in der Nacht aufzuftehen, um zu beten, erfüllte er, aber er machte e8 kurz mit dem Gebet. Schnell fam der Aſtro⸗ lab hervor und die geliebten Sterne wurden befragt. Anfangs munderten fich die nächtlichen Straßenbummler, deren es in Aden viele giebt, über die lange weiße Geftalt mit dem weißen Spikbart, die auf dem Ballon bes Nichterhaufes Stunden lang herumlief und die Sterne mit einem In firument zu bedrohen ſchien. Als man aber über Perfon und Zweck auf geflärt war, wuchs die Verehrung für den Dädi ſehr. Ein Sterndeuket ift in Arabien immer noch eine geheimnißvolle Macht. „Der Dädi mei Alles, auch das Verborgene. Die Sterne ſagen's ihm“ hörte ich oft.

Der Qädi hatte auch feinen Nachäffer. Das mar ein gewiſſer „Sid “Abd el Beri“, ein ſehr unwiſſender, aber den Gelehrten fpielender Scherf ſeines Amts Schreiber bei der Regierung. Der Siid befragte auch die Sterne, aber es fam Alles „krumm“ heraus, wie die Araber ſagten. Ein- mal prophezeite er einer Frau, fie würde einen Knaben gebären, und fe fam mit Smillinggmädchen (ein einziges Mädchen ift dem Araber fchon zu biel) nieder. Seitdem war's mit feinem Ruf vorbei. Der Dädi war bie zu Hug, um von den Sternen ſolche Einzelnheiten zu verlangen. Er fragte, fie nur um Algemeinheiten und die Antworten waren auch ganz allgemein gehalten, jo daß man fie immer als eingetroffen darthun konnte. Wenn er zum Beifpiel die Sterne fragte: „Wird dag Reich der Tugend bald anbrechen?“ und diefe antworten: „Ja, wenn die Menjchen die Wege dei Laſters verlaſſen“, jo mar das ebenjo wahr, wie hochſittlich.

Der politiihe Dragoman. Somäli in Aden. 165

Eine andere wichtige Perjönlichkeit unter den Arabern, ja die amtlich wichtigſte war Cälah, der Dragoman. Diefen beſcheidenen Titel führte er, wie denn überhaupt bie Titel in engliiden Colonieen durch ihre Beſchei— denheit faft irreführen. So betitelt man hier den Gouverneur „Politischer Agent“, die anderen höchften Beamten einfach „Affiltenten“; und in Oftindien heißt oft der Statthalter einer großen Provinz (wie z. B. Sind) nur „Commiſſär“. Cälah war in Wirklichkeit der Stellvertreter des engliſchen Statthalterö bei den. Einheimifchen, und beherrichte diefe wie ein Kleiner Fürſt. Er war zwar perfifcher Abftammung, aber ganz arabifirt, aud).ein guter Sunnife. Diefer Mann bildete eine wahre Errungenſchaft für die engliihe Verwaltung. Er leitete die oft ziemlich vermwidelten Fäden ber Beziehungen zu den Nachbarfürſten. Mit. allen diejen war er gut freund, ja, werm man fie beifammen fah, „ein Herz und eine Seele”, aber er war der englischen Regierung treu und mußte flet3 deren Interefien aufs Klügfte zu vertreten. Ich glaube, er war manchmal den Araberfüriten nur allzu überlegen, obgleich e3 diefen auch gar nicht an Staatäflugheit fehlte. Er if außerdem einer der liebenswürdigjten Orientalen, die ich je kennen lernte. An meinen Studien nahm er großes Intereſſe und förderte fie auf jede Weile. In der That wären fie ohne ihn in ein „Nichts“ verflofien, denn nur er und feine Amtsdiener hatten die Gabe, mir die Araber „zus ſammenzutrommeln“.

Somaͤli.

Nach den Arabern erwähnt die Einwohnerliſte die Somäli, Einge- wanderte von der afrifanischen Seite des Golfs. Ihr Präfenzftand ift je- doch größer ald 5600 Seelen, da fie hauptjächlich hier die flottirende Be— bölferung bilden, und jene Zahl nur die jeßhafte nermt. Im Ganzen kann man zur günftigen Jahreszeit, d. 6. im Winter, auf 10,000 Somäli rech⸗ nen. Im Sommer lommen fie feltener, da dann die Somälihäfen durch den Südweſt⸗Monſun unzugänglich gemacht werden. Sie find eine der Ihönften, wenn nicht die ſchönſte ſchwarze Race, die es giebt. Weder der Abeifinier, noch der Sudanefe kann gegen fie auflommen. NRegelmäßiger Bau, edle Geſichtszüge, volles reiches Haar, blendend meiße Zähne, eine Schlankheit des Wuchles und Elafticität des Ganges, wie fie fonft nur der Beduine hat, find ihre Vorzüge. Ihre Haut ift fait negerſchwarz, ſchwärzer als die der Mbeifinier und Nubier. Uber in jeder anderen Beziehung

166 Haartoilette der Somali. Ihre Frauen.

jtehen fie hoch über dem Neger. Selbft die Araber erkennen fie gewiſſer⸗ maßen als ebenbürtig an, indem fie jagen, „die Somali find Qobaͤhel (Freie Stämme)”, eine Ehre, die fie fonft feinem fremden, gejchtveige denn einem anderen ſchwarzen Volke erweiſen.

Das Erſte, was und an den Somaͤli auffällt, iſt ihre ſeltſame, aber gar nicht unſchöne Haartoilette. Wie kommen diefe ſchwarzen Jünglinge zu den langen, bald goldblonden, bald wie lichte Goldbronze glänzenden Locken? Dieſe Yarbe ift nicht etwa die eines aufgelegten Yürbemittels, ſondern vielmehr das Ergebniß einer Entfärbung, indem Kalk in nur un- vollkommen gelöfchtem Zuftande dem Haar aufgelegt wird, der nad) einigen Tagen diefe „Verſchönerung“ zur Folge hat. So lange freilich die Bur- chen mit dem befaltten Haupte herumgehen, jeben fie gräßlich aus. Die Stußer zeigen fi in diefem Zuftand nicht. Aber nachher entpuppt jid der Adonis deito effectvoller. Diefer lange goldene Lockenmantel, der auf die Schultern finkt, fieht wirklich ganz hübſch aus, befonders wenn er im Zunge, zu dein die Somäli beftändig aufgelegt find, fi) in graziöſer Un- ordnung entfeflelt.

Die jungen Somäli haben oft ganz außerordentlich feine Züge, die unftreitig Intelligenz verrathen. Schade, daß der Islam diefem Bolle feinen fortichrittsfeindlihen Stempel aufgedrüdt hat. Darum finden wir auch bei ihm daffelbe, was wir bei den meiften arabiſchen Städtern beob- achten, nämlih, daß die Antelligenz der Kindheit und Jugend nicht zur Entwidlung kommt, jondern vom religiöfen Fanatismus erftidt wird. Der Erwachſene wird geiftig träge. Er vermeint eben, duch den Islam ſchon das Höchfte erreicht zu Haben. Wozu alfo noch weiteres geiftiges Streben?

Die Somälifrauen zeigen ganz diefelben Vorzüge, wie die Männer. Ihre Gefichter find jedoch meift etwas rundlicher. Sie neigen überhaupt mehr zur Wohlbeleibtheit. Ihre Tracht ift höchſt graziös. Sie tragen ſtets einen eigentlichen Weiberrod (nad) europäiſchen Legriffen), der ben Unterförper einhüllt, aber fo mannichfach gefaltet und gewunden ift, und dabei doch jo natürlich geihmadvoll, daß man glauben könnte, fie Hätten den antifen Yaltenmwurf fludirt. Unterhalb des Rüdens ift die Drapirung vorzüglich ftoffreih und faltenvol. Dieſer Faltenbund geräth beim Gehen in pendelhafte Schwingungen, die für beſonders reizend gelten. Piel diefer Frauen gehören allerdings der leichteren Claſſe an und bei ihnen wirkt jener Schwebegang wie ein Aushängeſchild.

Wovon afe dieſe zahlreichen Somali in Aden leben, ift nicht leicht

Lebensweiſe der Sumäli in ben. 167

zu fagen. Einige führen Schafe ein; andere find Bootsleute, wohl auch Fiſcher; noch andere verrichten temporäre, meift leichte Dienfte; die einhei= miſche Polizei beichäftigt einen Kleinen Theil, da ja das Oberhaupt der ganzen Adener Polizei jelbft ein Somäli ift, ein tüchtiger Beamter, der einftige Dragoman Burton? auf feiner berühmten Entdeckungsreiſe nad) Harär, der fi) in der großſprecheriſchen Somäliart zu rühmen pflegt, er Habe Burton auf diefer Reife nicht etwa blos begleitet, jondern er habe ihn dahin gefchleppt, etwa wie man einen verbotenen Gegenftand durch— ſchmuggelt, als willenloſes Werkzeug in der Hand des Somaäͤli.

Aber, troß jener Beihäftigungen eines Theil der Adener Somäli, it doch ihr Hauptftod unbejchäftigt, Iebt ein Bagabundenleben, von der Hand in den Mund. Ihre Bebürfniffe find jedoch auch fehr gering. Ge- wöhnlich fiten fie in und vor den Saffeehäufern, in deren Unzahl man beiläufig gejagt nicht Kaffee, fondern Giſcher (Abfud der Hülfen) trinkt bon dem eine Taſſe eine Beza (2 Pfennige) koftet. So oft ich dort vorbei fam, wurde id) von einer Schaar arbeitäluftiger Yünglinge überfallen und ihr Dienft mir angeboten. Aber fie verftehen eben nichts, als Zeller zer- brechen.

Sie machen der Adener Yuftiz viel zu jchaffen, namentlich die große Menge ganz Heiner Somälilnaben, die ſich hier herumtreibt, und deren Aeltern, Gott weiß mo, nur nit in Men find. Den eltern durchzu— brennen, gilt bei den Somäli für ganz in der Ordnung. Alle Tage kann man im Adener Gericht3haus Somäli fehen, die wegen „Entwendung und Zandftreicherei” beftraft werden. Sie ftehlen felten Werthvolles, aber „ent- wenden“ SPleinigkeiten, um leben zu können. Ihr Mundwerk leiſtet aud) treffliche Dienſte. Ein Somali wird nie die Antwort jchuldig bleiben. Ihn einzufchüchtern, gelingt felbft dem Richter nicht.

Die Regierung hat öfters verfucht, fid der überzähligen Somäli zu entledigen. Einmal hatte man fehon angekündigt, 2000 follten eingefchifft und nah Haufe transportirt werden. Aber dies Bolt ift jo ſolidariſch, daß dadurch auch die beſſere Claſſe fich getroffen fühlte, und eine gemein— fame Drohung an die Negierung gelangte, fie würden alle auswandern und den Markt von Aden nicht mehr verforgen. Da fie für diejen nöthig find, fo gab man nad, obgleich die Somäli wohl ſchwerlich die Drohung ausgeführt hätten, da fie ja hier viel gewinnen,

168 Der Kröfus von Aden. Dftindifche Kaufleute,

Andere Mobammedaner.

Diefe auf nur 100 Köpfe geſchätzte Rubrik der Einwohnerliſte begreift Perſer, Kabulen, einige wenige Afghanen u. ſ. w. Davon fpielt nur ein einziger Mann eine Rolle, aber eine große, nämlich der Millionär Haſan “Ati, ein Berfer. Er ift der einzige Kröſus unter den hieſigen Moslems, was dieſe nicht wenig demüthigt, denn er ift natürlich ein Schi ite, der Mehrzahl der Mdener ein Gräuel. Er ift ganz plößlich reich geworden, nämlich durch glückliche Speculationen zur Zeit des abeffinifchen Feldzugs bon 1867. Seit er reich ift, Hat fich eine jo zahlreiche Sippſchaft bei ihm eingefunden, die er füttert, daß man faft jeden mohlgefleideten hiefigen Moslem für einen Better von ihm halten kann. Auch die Sunniten fom- men viel in fein Haus und ſchmeicheln ihm. Er ift freigiebig, mohlthätig; am Freitag und Feſten fpeift er viele Hunderte. Seines Glaubens hat er gar fein Hehl und läßt feine Gelegenheit vorbeigehen, den Sunnitismus zu verſpotten. Er treibt dies jo weit, daß er die Schafe des Opferfeftes nach den drei erften Imämen (Abu Belt, Omaͤr, "Otmän), die vom Sun- niten hochverehrt, dem Schi iten ein Gräuel find, benennt. Kommt der Opfertag, jo ruft er feinen Knechten: „bringt "Omär (oder Abu Bekr ıc.), daß ich ihm den Hals abjchneide”, und Abends erzählt er im Yreundes« treiß: „Heute haben wir "Omär gefchlachtet und morgen effen wir ihn.“ Menn das ein orthodorer Sunnite mit anhört, jo freut fih Hafan. In Aden kann er das wagen. Wären aber die Engländer nicht hier, feines Lebens würde feine Stunde fein. Gegen Europäer ift er jehr tolerant und ge= fällig. Sein Landhaus in Schech Otmän kann fo zu fagen als Gafino betrachtet werben, denn jeder Europäer fteigt dort ab und genießt feine Gaſtfreundſchaft. Oft bleiben Jagdgefellichaften Wochen lang da.

Bantanen.

Diefe Angehörigen der oſtindiſchen Kaufmannskaſte bilden den come merciell wichtigften Theil der Adener Bevölkerung. Aller Großhandel, alle Bank» und Wechſelgeſchäfte find in ihren Händen. Wie überall, mo Ba= nianen leben, beherrfchen fie den Markt durch ihren Affociationsgeift und ihre großen Gapitalien. Kein Europäer kann gegen fie auflommen. Sie find jetzt bier auch die Grundbeſitzer geworden. Die Mehrzahl der Adener

Indiſche Kaufmanndkafte. Neger in Aden. 169

Häufer ift ihr Eigentfum. Im Uebrigen gelten von ihnen alle Vorzüge, melhe bei Beiprehung der Banianen in Mafjauma erwähnt murben. Man mag über ihr Heidenthum, über ihren Abſcheu vor Fleiſchgenuß (man kann einen Banianen durch ein vorgehaltenes Stüd Fleiſch in die Hluht jagen) und manches andere Seltfame fpotten, aber jeder fühlenbe Menſch Tann nicht anders, als Sympathie für fie empfinden. Denn mel- her fühlende Menſch wäre nicht auch ein Thierfreund? und das find bie Banianen im höchften Grade. Mir war e3 immer rührend, wenn ich ſah, wie mein Hausherr, ein Baniane, die alten Kühe und Ochſen, die dem Shlähter oder gar dem Schinder übergeben werden follten, anfaufte und ihnen in feinem Stall bei gutem Yutter eine glüdliche letzte Lebenszeit be= reitete. Pferde giebt es nicht viele in Aden. Aber die wenigen alterd= ſchwachen, die vorkamen, wurden von Banianen gelauft, die ihnen das Gnadenbrod gaben. Dabei war nun gar nicht Religion im Spiele, denn dad Pferd gilt ihnen nicht für heilig, wie die Kuh, fondern lediglich mit- leidsvolle Gefinnung und Herzendgüte.

Der Name „Banianen” wird in Aden mißbräudlih auch anderen heidniſchen Hindus, die nicht zur Kaufmannskaſte gehören, beigelegt. Dar— unter find viele, die zu einer der Pariaclaflen gehören. ine Claffe, die tieffte, if faft ausfchlieplich mit Grubenaußleerung beſchäftigt. Die Adener Aborte Haben nämlich in den guten Häufern meift feine Canäle, da ſolche bei dem Waffermangel leicht fioden, fondern der Unrath fällt in Körbe, welche die indifchen Parias täglich außleeren und ihren Inhalt abführen.

Neger”)

Unter der „Verſchiedene“ benannten Rubrik find die Neger am zahl- reichften vertreten. Sklaven giebt es natürlich in den nicht, wohl aber eine Menge Neger, die von englischen Kriegsſchiffen aus der Sflaverei be— freit wurden. Dan nennt fie gewöhnlich herzhaft „seedy boys“. Dies Mort drüdt etwa das aus, was vulgo im Deutſchen „auf dem Hund“ heißt, denn dieſen Eindrud machen die armen Neger, wenn fie bon den Sklavenſchiffen kommen. Hier ift nicht mehr die Rede von ſchönem ſchwar—⸗ zen (jubäthiopiihem) Menichenichlag, edlen Zügen und Yormen. Es ift

*) Die Juden und die arabiſchen Pariad werden in den folgenden Eapiteln im Zuſammenhang mit ihren Geſchlechtsgenoſſen in ganz Sübarabien beiprochen.

170 Zingi und Eudäni. Die befreiten Eflaven.

das unzmeifelhafte, plattnäfige, didlippige, kurzwollige, ftupide Negerthum. Der Araber nennt fie Zingt (Zendji) zum Unterſchiede von Sudaͤni, wor⸗ unter man, wenigſtens in Arabien und SOftafrifa*), mehr den edleren Schwarzen, den Subäthiopier verfteht, der mit dem Neger nur die Haut farbe und auch diefe oft nur annähernd gemein hat. Der arabifche Geo- graph Yägut jagt höchſt treffend: „Das Land der Zingi ift noch größer, al3 das Land der Sudäni.” Natürlich; denn beinahe ganz Afrika, im Often freilich faft erft füdlih bon der Linie, im Welten aber zum großen Theil auch Schon nördlich, wird von Negern (Zingi) bewohnt, während die Sub: äthiopier nur im Norden, an der Grenze der weißen Racen, gefunden iverben.

Diefe „seedy boys“ find eine große Verlegenheit für die englische Berwaltung. Die meiften wollen nicht mehr in ihre Heimath zurüdfehren, weil fie auf dem Wege von der Hüfte bis dahin doch wieder in die Hände der Sflavenhändler gerathen würden. Die Regierung muß fie alſo füttern. Sie bietet freilih allen Europäern an, fie umfonft in Dienft zu nehmen. Aber kein Menſch will fi. Ein Neger, der ſriſch aus Afrita kommt, fi vollkommen unbrauchbar. Er muß erjt gezogen twerden und dazu haben die Europäer feine Geduld, beſonders da das einzige Ziehmittel, der Stod, bier verboten ift. Hier und da nimmt man wohl Knaben, aber fie bringen es aud) zu nichts, da man eben nicht Strenge anwenden fann. Gemöhnlid laufen fie davon. Man Tann fie dann durch die engliſche “Polizei ein fangen laflen, die dies gern thut. Aber meift hält man e3 nicht der Mühe für werth, da fie eben Heine unnüge Strolde find. Sie vermehren dann | die Zahl der vielen Adener Bagabunden.

So kommt e3, daß die Neger hier ganz verunglüdte Weſen find. In leßter Zeit hat man übrigens eingejehen, daß bereit genug dieſer unbraud- baren Menſchen fi Hier herumtreiben und jo transportiren die Regie— rungsſchiffe jet die von ihnen Befreiten nad Oftindien, wo fie übrigens gleichfalls Niemand will und brauchen Tann.

*) Anders ift eg in Tripolis und im Nordweften von Afrifa. Dort kennt man das Mort Zingi gar nit und begreift unter Eudäni alle Schwarzen, gleichviel ob Subäthiopier, ob Neger, wenn fie nur zu den Stänmen gehören, aus welden fih gewöhnlich die Sklavenmärkte recrutiren.

Die Parfi in Aden und ihr Handel. 171

Parſi.

Obgleich ſehr geringzählig, ſpielen die Parſi in Aden doch eine wich— tige Rolle. Sie ſind die Allerweltslieferanten. Ohne ſie würde es den Europäern faft an Allem mangeln. Außerdem iſt der Parſi bemerfens- werth, als derjenige unter allen Aſiaten, der am Leichteſten europäiſche Sitten und Cultur annimmt. Alle Parſi in Aden ſprechen engliſch, viele leſen und ſchreiben es. Religiöſe Vorurtheile ſcheinen ſie wenig zu haben. Ihre einzige tadelnswerthe Bigotterie beſteht darin, daß ſie von ihrer un— ſinnigen Begräbnißweiſe nicht laſſen wollen, welche, wie ſchon oben geſchil— dert, das Land mit einem Heerd von Krankheiten bedroht. Sonſt ſind ſie die „vernünftigſten“ aller Orientalen. Sie haben viel Handelsgeiſt. Aber e3 ift mehr ein engherziger, der Geift eines Krämers und Wucherers, ala der eines großen Kaufherrn. Deshalb ift aud al’ ihr Handel (Hier in Aden) mehr oder weniger Detailgefchäft, das ſich nur bei einigen zum grö- Beren Lieferungsgeſchäft aufſchwingt. Der eigentliche Großhandel, wie ihn die Banianen betreiben, die Bank- und Wechſelgeſchäfte find nicht in Händen der Barfi. Ein Parſi wird nämlich nie mit Darleihen freigiebig fein, wie der Baniane: die einzige Bedingung des großen Handels im Drient. Er will fein Geld ftet3 zu Wucherzinfen anlegen, während ber Baniane oft gar Teine Zinfen in Geld nimmt, fondern feinen Vortheil aus der ſpäter, oft erſt viel jpäter zu liefernden Waare zieht.

Die Engherzigleit der Parfi giebt ſich oft auf eine lächerliche Weile fund. Der Parſi ift zwar freundlich, gefällig, oft kriechend höflich, aber das Alles nur, wenn unmittelbarer Vortheil bevorfteht. Jemand, der nichts von ihm kaufen will, eriftirt für ihn nit. Oft kommt es nun vor, daß ein Europäer Auskunft vom Parſi verlangt, da diefe Leute Alles wiſſen, was im Hafen und auf dem Markt vorgeht. Solche Auskunft giebt er aber nur einem Käufer. Ich felbft ftellte einmal eine Probe an, die fol- gendes komiſche Rejultat Hatte Ich fragte einen Beſitzer eines jener Allerweltsläden am Hafen, die zugleich Kaffeehaus find, mann das Dampf- ſchiff abginge? Steine Antwort. Ich fragte fo oft, bis endlich der Barfi nicht mehr vorſchützen konnte, mich nicht zu hören. Nie habe ih ein Ge— ficht gejehen, welches ſchlagender blafirte Gleichgültigkeit ausdrückte. Mit der unſchuldigſten Miene von der Welt fagte mir der Parfi, aber kaum hörbar, „daS wiſſe er nicht.” Die Scene änderte ſich aber fehr, ala ic nun jagte:

un ru

172 RKlleinlicher Handelögeift der Parfi. Ihr Aeußeres.

„O ic) wollte es nur wiſſen, weil ich bier ein Paar Flaſchen Cham- pagner faufen und einem Freund auf3 Schiff ſchicken will.”

„Dazu haben Sie Zeit. Das Schiff geht erit um halb vier,“ fagte der Barfi, der auf einmal Alles verftand und Alles mußte.

Uebrigens ift der Parfi feig. Er wird nie wegen einer Obrfeige lagen, mie ber gemeinfte Somäli, ja wieder Neger e& thut. Warum auch ? Das Strafgeld bleibt ja der Regierung und ift folglich fein Schmerzend- geld. Im Gegentheil, er küßt die Hand, die ihn geſchlagen, wenn dieſe ih zu Anläufen öffnet.

Ihre Namen enden alle auf „dſchi“ und nehmen fich engliſch (jee) geichrieben komiſch genug aus. Jeder hat zwei jo endende Namen. So fieft man die Firmen: „Eduljee Sorabjee“, „Cowerjee Bostanjee“ xc.

Ihre Tracht ift feltfam, namentlih der Hut, eine Art orientalifcher Biſchofsmütze, welche jelbft die beibehalten, die ſich ſonſt europäijch leiden. Die Kinder werden fehr bunt berausgepußt. Aber fie haben von Kindern nichts, als das Alter, Sonft jehen fie gerade fo verſchmitzt und krämer⸗ haft aus, wie die Alten. Schöne Finder Habe ich unter ihnen nicht ges ſehen, fondern nur Heine altkluge Geſichter. Parfifrauen giebt e3 bier wenig. Selbit diefe jehen übrigen? wie die Tleifch gewordene Speculation aus. Auch die Märmer find meift häßlich, im Alter übermäßig fett. Da— bei das Raubvogelgefiht. Doc fieht man bier und da einen ſchöneren Parſi. Solche nehmen fi bei ihrer hellen Haut, ſchwarzem Bart und Auge ganz wie Südeuropäer aus. Man könnte einzelne berjelben für Staliener halten, wäre die Tracht nicht.

Südarabien.

Zwanzigſtes Capitel. Die Juden.

Falſche Begriffe über Verbreitung der Juden. Juden in Centralarabien. Süd⸗ arabien von Alters ber den Juden günſtig. Toleranz der Zaͤidi. Intoleranz der Hadrami. Vermiſchung mit arabifhem Blut. Phyſiognomiſches. Reine Sectirer in Südarabien. Die Synagoge. Der Oberrabbiner. Ausſprache des Hebräifchen. Gewerbe der Juden. Bortbeilbafte Ausnahmaftelung der Juden. Schuß der Gejege und der Sitten. Demüthigungen. Fanatismus der Araber. Hoffnung auf beffere Zuſtände. Auffhwung der Adener Juden⸗ Ihaft. Beginnende Eulturernenerung.

Es ift eine Redensart, die man von Moslems oft hört: „Arabien, diefe heilige Wiege des Islam, fei frei von Ungläubigen.”“ Dann wird gewöhnlich ein angeblicher Ausſpruch des Propheten Hinzugefügt: „Arabien dürfe nur Rechtgläubige beherbergen.” Natürlich; denn die' meiſten Mos- lems kennen nit? don Wrabien, was jüdlicher liegt, al3 Mekka. Yemen ift für die Mehrzahl jo gut wie nicht vorhanden, und den tiefften Süden fennen jelbft die arabifchen Geographen (Mogadeifi und Hamdaͤni aus- genommen) nur von Hörenſagen. Auf Nord» und Gentralarabien paßt jene Redendart; denn Dſchedda, der lebte Punkt, wo die Juden fich lange gehalten hatten, vertrieb fie vor etwa 80 Jahren, und, daß es in Chaibar noch Juden gebe, ift nichts, als eine vielverbreitete Fabel. Dieſe Länder haben übrigens auch vor Mohammed nur verhälmigmäßig wenige Juden- gemeinden gehabt. Der Jude liebt civilifirte Sander und das war Gentral-

174 Zoleranz der Zaidi gegen die Juden.

arabien nie, fondern bier herrſchte ſtets das Hirten-, Nomaden- und NRäuberleben vor. Die Juden fanden ſich alfo nur in oajenartig verein- zelten ſtädtiſchen Mittelpunften, wie Yathrib, Chaibar zc., und waren nicht, wie in Yemen, im ganzen Lande zerftreut.

Ganz anders war es in Südarabien. Dies Land war eben ſchon im Alterthum civilifirt. Die Nomaden waren bewältigt und regelmäßige ftaatliche Einrichtungen, bürgerliche Verhältnifje gegründet worden. Handel und Wandel blühten und zogen die Juden an. Diejelebten dort ganz ähnlich wie in Europa, in größeren oder Heineren Gruppen, oft familienweife zer: fireut, in mandem Dorf nur ein paar Yamilien, je nachdem es Erwerb gab. Das Land mar alſo fiher. Die Gründung des Islam freilich be— drohte die Juden, namentlich thaten dies deilen orthodore Secten. Als aber die tolerantere Secte der Zäidi in Demen die Oberhand behielt, kamen wieder beſſere Tage für die Juden. So lange die Jmäme herrſchten, konnten fie fih über das ganze Land ausbreiten. Seit deren Fall find fie zwar mehr angefeindet, bejonders in den von Scäfei bewohnten Gegenden, aber an Boden haben fie wenig verloren. Nur das von Schäfei bewohnte, bürgerlichen Zuftänden abgeneigte Yäfia hat fie ausgeftogen. Im eigent- lichen Hadramaut waren fie niemals geduldet worden. Der dort herr- ſchende Stamm, die Kinda, früher in Centralarabien anſäſſig, ſcheint auch die härteren Anſchauungen aller Centralaraber in Bezug auf Fremde hier— her gebracht und durch die Annahme des Islam noch mit Fanatismus verſchwiſtert und ſomit verſtärkt zu haben. Ueberall aber ſonſt in Süd— arabien finden wir nach wie vor Juden durch's ganze Land zerſtreut, grade wie in civiliſirten Ländern, nicht allein in compacten Gruppen, wie in anderen fanatiſchen Staaten.

Es iſt bekannt, daß das Judenthum in Yemen unter Du Nowäst) zur ftaatlichen Herrichaft gelangt und ganze Araberftämme zu ihm überge- treten waren. Mit der Einführung des Islam fielen diefe größtentheils wieder ab. Ihr Moſaismus war mohl ſtets nur ein oberflächlicher. Es ift menig-. ftens unzweifelhaft, daß die heutigen Juden Südarabiend größtentheils rein israelitifchen Urfprungs find. Vielleicht, daß die Rechabiten, jener nach dem

*) D. h. der Inhaber der Ringelloden. Dieſe Loden find gewiß die jüdijchen Pais gemefen, welche noch heute bei den Juden Demens jehr zierlich getragen wer: den und wohl bei dem „Ichönen“ Du Nowas ala Zierde gepriejen werden fonnten.

Typus der füdarabifchen Juden. 175

Miſſionär Wolf im Norden Yemens lebende jüdiſche Beduinenftamm theil- weile arabiſchen Urfprungs find. Aber die ſeßhafte Bevölkerung weift heut zu Tage keine Spuren arabifcher Elemente auf.

Ihre Phyfiognomie, Hautfarbe, ſelbſt ihr Gliederbau, find jo grund- berichieden von dem der übrigen Südaraber, daß an eine innigere Ber- miſchung nicht zu denken if. Ich jah Juden aus allen Theilen Süd» arabiend und alle zeigten denjelben Typus. Die Südaraber find Hein, die Juden felten unter, oft über Mittelgröße. Erſtere find mehr gebrungen, lebtere ſchlank. Die Hautfarbe der Einen ift dunkel, oft faft ſchwarz, bie der Anderen ftetö weiß, oft weißer, als die mancher Südeuropäer. Die Züge der Juden find gedehnt, regelmäßig, die der Südaraber Hein, zierlich. Das Haar der Südaraber ift ſehr fraus, das der Juden leichtgelodt, oft beinahe ſchlicht, ſo daß die Pais, die befannten Hängeloden, welche hier jet dünn und fein, aber lang getragen werden, nur wenige lodige Wine dungen zeigen. in Südaraber würde gar nicht im Stande fein, ſolche Pais zu tragen, die das Gefiht eintahmen; fie würden fich bei ihm als fraufe Büſchel um die Schläfen ballen. Im Ganzen find die füdarabifchen Juden ein ſehr ſchöner Menſchenſchlag, der an Schönheit nur den fpani« ſchen Juden nachſteht, aber die polnifchen weit übertrifft. Namentlich die Kinder zeigen oft allerliebfte Gefichter. Die Erwachfenen fehen in Folge der vielen rauhen Arbeit, die fie verrichten, oft vor der Zeit verwittert aus. Ihre Züge nehmen dann leicht etwas allzu Gedehntes an, was durch die langen ſpitzen Bärte noch vermehrt wird. Der Bartreihthum der Juden it au wieder ein augenfälliges Unterfheidungs - Merkmal vom ſüdara— biihen Typus, der faft bartlos if. Nur eines haben die Juden mit den Cüdarabern gemein, das ift die Magerfeit. Hierin unterjcheiden fie fich auffallend don dem Juden der ſpaniſchen (fephardifchen) Unterabtheilung, bei denen (namentlich den in Tunis angefiedelten) eine außerordentliche Neigung zur Wohlbeleibtheit vorhanden if. In Südarabien dagegen Habe id unter Juden nie ein mwohlbeleibtes Individuum gejehen; die Männer und älteren rauen zeigen jogar oft eine auffallende Magerfeit.

Ih war neugierig zu erfahren, ob es unter der ſüdarabiſchen Juden- Haft auch Karaiten gebe. Bekanntlich Sollen die erften jüdiſchen Anfiedler in Yemen, die Beni Koraita, wie aud) der Name anzubeuten fcheint, diefer Secte angehört Haben. Aber alle meine Nachfragen erhielten eine entfchieden berneinende Antwort, modurd nur bejtätigt wird, was ſchon Niebuhr ſagt, der alle Juden Yemens Talmudiften nennt. In Aden, wo die anſäſſige Juden—

176 Synagogen in Aden. Befuch beim Oberrabbiner.

ſchaft nur eine einzige große Synagoge beſitzzt, beftehen zmar noch zwei Heine Gotteshäufer, die nicht von den Adener YSraeliten, fondern nur von fremden, aus dem Innern gefommenen bejucht werben. Uber ein Unter- ſchied im Belenntniß findet doch Hier nicht ftatt, wie mir der Oberrabbiner bon den verficherte ; er jagte, die Leute aus dem Innern fühlten fi durch die Nähe der meift reicheren und civilifirteren Adener gewiſſermaßen gede- müthigt, und das fei der einzige Grund, warum fie ſich abjonderten. Nach . Anderen befteht jedoch in der Wbendgebetsftunde ein Unterjchied, welche bei den Einen feft auf 6 Uhr fixirt wäre, was jedoch nicht viel auf ſich hat, denn in Aden geht die Sonne faſt immer um 6 Uhr Abends unter, da es nur 120 nördlich von der Linie liegt. Uebrigens bietet die große Syna⸗ goge kaum Platz für die Fremden, denn die Adener Judenſchaft zählt an 2000 Köpfe, jo daß an jedem Feſttag ſich immer viele Hunderte dort einfinden.

Als ih an einem Yreitag Abend die Synagoge befuchte, fand ich fie dicht mit Menſchen gefüllt, Alle jehr mohl gekleidet, die Knaben mitunter prachtvoll und mit filbernen Zierrathen behangen. Der Boden mar mit ſchönen Teppichen bededt, eine Unzahl Lampen angezündet; der Schrein, in weldem die Thora aufbewahrt wird, war kunſtvoll geſchnitzt und reich verziert. Während des Gottesdienftes führte man mich nicht herum, wie dies in Cairo bei den Karaiten gefchehen war, jondern wartete dag Ende ab, um mir die Thora zu zeigen. Diefe war auf langen Lederrollen ge jchrieben, und ih erfuhr, daß in Südarabien jede Synagoge foldhe Leder: rollen beſitze. Auch außerdem find eine Menge jolcher Rollen vorhanden und nicht ſchwer zu erwerben. Deren jollen noch jet beichrieben werden, aber nur im Innern; in Aden felbft giebt e& feine Schreiber, welche dieſe Arbeit ausführen.

Am folgenden Sabbath machte ich dem Oberrabbiner einen Beſuch. Diefer führt den Titel „Meri” (e) und das foll überhaupt die Be zeihnung aller höheren Rabbiner Südarabiens fein. Es ift mohl das chaldäiſche Mare (Herr), das auch im Syriſchen in der Form „Mar“ eine fo große Rolle fpielt. (In Can’ä foll man nad) Wolf Möre ausfprechen.) Sein Name ift Menachem ben Mefcheh, fo nämlich) wird hier der Name Mofcheh ausgefprocdhen. Der Meri war ein ehrwürdiger Greis, hochbetagt und ſchon vom Alter gebüdt, nebenbei auch fehr kränklich, jo daß er mid auf dem Ruhebett liegend empfing. Seine Gelehrfamteit ſoll groß fein; er ift übrigens der einzige hier anfäffige Jude, der bedeutende Kenntniſſe

Ausiprache des Hebräifchen bei den Adener Juden. 177

befibt. Die Bücher, deren er ſich bediente, waren meift europäilche Drude; er beſaß jedoch auch Handichriften auf Leder. Er klagte mir, daß feiner feiner Söhne fi) der Gelehrfamleit gewidmet Habe. Aden ſei überhaupt ein jchlechtes Terrain für diefe; man fände hier zu leicht anderweitige und einträglichere Beichäftigungen. Nach feinem Tode müſſe man mohl einen Fremden kommen lafjen, um einen gelehrten Meri zu haben. Ich murde mit trefflichen weißen, faft ternlofen Rofinen (den berühmten aus Can ä) und engliichem Liqueur tractirt. Da? gebrannte Waffer gilt immer für er- laubt, während bloß gegohrene Getränke von Juden zubereitet fein müffen.

Intereffant mar mir, was mir der Meri über die landesühliche Aus» ſprache des Hebräiſchen ſagte. Qämez wird wie ausgeſprochen, ebenfo ODaͤmez chatuph, nur kürzer. Zere iſt e, Segol aber a und von Patach faum unterjchieden. Chölem lautet auch wie €, jo daß man Meicheh, Yeief u. ſ. w. fagt, doch ift diefes e nicht ganz fo lang, wie Zere. Das Beth iſt bier ftet3 hart, nie aspirirt, nie bh, felbft wenn es ohne Dageſch fteht. Tas Zaͤde klingt ſehr meich, faft wie engliſches z und deutfches ſchwaches 3. Tas Ooph mird in Aden felbft wie Q, in Can ä dagegen foll es wie G (in Gott, gut) ausgeſprochen werden. Dieje Eigenthümlichkeit ift mohl dem Einfluß des Dialeft3 von Yemen zuzufchreiben, in welchem das arabische Q auch wie G Hingt. Daleth und Thau ohne Dagefch aspirirt, wie bei den ſpaniſchen Juden, lauten etwa wie das engliſche th in the (ftarf) und their (ſchwach).

Die Stammestraditionen haben fih in Bezug auf die Leviten und Kohenim treu erhalten und werden in den Zunamen der Betreffenden zur Geltung gebracht. An Aden zählt man zur Zeit 30 Perfonen vom Ge- Ichlecht der Kohenim, dagegen nur 10 Leviim; man legt nämlich den er- fteren, obgleich auch) vom Stamme Levi, doch im gewöhnlichen Leben nie- mals den Namen Leviim bei, ja die Unmiljenderen halten die Kohenim für einen eigenen Stamm. Alle übrigen Juden nennen ſich zum Unterfchiede bon biefen beiden: „IEraeli". Die Leviim bejonders genießen faft größeres Anfehen, als die Priefterföhne, was vielleicht daher kommt, weil die Kohe— nim bier unverhältnigmäßig zahlreich find.

Die Adener Juden find zum größten Theil Handwerker, Waffen: ſchmiede, Silberfhmiede, Mebger, Maurer, zu jeder Handarbeit geſchickt. Nebenbei treiben fie etwas Handel und Heinere Wechſelgeſchäfte. Der Großhandel und die Bankgeſchäfte find Hier nicht in ihren Bänden, fondern

v. Maltzan, Reiie nach Südarabien.

178 Jüdiſche Silberfchmiede. Ausnahmöftellung der Juden.

in denen der Banianen, der oftindiichen Kaufmannskaſte. Die größeren Detailläden gehören den Parfi’3 und die kleineren auch Banianen oder indi- ihen Moslems. So find denn die Juden bier auf Handarbeit angewieſen. Sie find jehr gefhidt, namentlid) im Verfertigen der Waffenzierrathe und friegeriihen Utenfilien der Araber, und willen diejen Dingen mitunter eine ganz elegante Yorm zu geben. Da die Araber namentlid mit Dold- ſcheiden, Bulverhörnern, Kugelbehältern, filberbeichlagenen Banbelieren, Säbelgriffen u. |. mw. großen Luxus treiben und diefe Gegenflände, wenn fie es nur irgendwie erſchwingen können, von Silber haben wollen, fo ift befonder8 das Handwerk der Silberjchmiede hier ein verbreiteteg und vor—⸗ theilhaftes. Dafjelbe ift in ganz Südarabien ausfchließlich in Händen der Suden, indem die Südaraber faſt alle Handwerke im Allgemeinen, befon- ders aber jede Kategorie des Schmiedehandwerfes verachten und als freier Beduinen unwürdig anſehen. Da fie aber koſtbare Waffen nicht entbehren fönnen, fo jehen fie e8 gern, wenn fi Juden bei ihnen niederlafjen, ob⸗ gleich ihr moslemiſcher Fanatismus dies nicht eingefteht.

So kommt es denn, daß wir faft in allen Gegenden Sübdarabiens namentlich in den Städten, Juden finden. Ja man Tanıı jo ziemlich den Blüthezuftand einer Ortichaft nach der Zahl der fie bemohnenden Juden abichffgen. Außer in den beiden oben erwähnten Diftricten (Yäfi'a und Hadramaut) duldet man fie principiell, wern man auch noch jo fireng in Fernhalten aller anderen Nichtmoslems iſt.

Ein ſchlagendes Beifpiel von diefer Ausnahmäftellung der Juden Tie- ferten die neueften Religionsverfolgungen von Can d, mo man bor einigen Jahren alle nichtjüdiſchen Andersgläubigen, namentlich) die vielen Hindu’s, die dort lebten, zwang, zwiſchen Webertritt oder Tod zu wählen, und da die Meiften den leßteren vorzogen, ein fürchterliches Blutbad veranitaltete. In derjelben Stadt lebt aber eine zahlreiche Sudengemeinde, die bei diejer Gelegenheit ganz unbehelligt gelaffen wurde. Die Juden find eben den Arabern unentbehrlih, namentlich in ihrer oben erwähnten Eigenſchaft als Maffenjchmiede, jedoch auch nod anderer Induftrieen wegen, wie Baum⸗ wollweberei, Züncherei und der wenigen übrigen Gewerbe, melche bei dieſem bedürfniplofen Volke überhaupt vorkommen.

Die Juden ftehen deshalb überall unter dem Schuß der Obrigkeit und, wo eine ſolche fehlt, unter dem ber freien Beduinen - Stämme. In diefem Land der erblichen Blutrache würde e8 freilich unmöglich fein, den

Sicherung des Lebens der arabifchen Juden. 179

Mörder eines Juden mit dem Tode zu ftrafen, da der Mord eben meift duch die Blutrache gefühnt wird: ein Recht, das jedoch nur dem Araber, nicht den Juden zufteht. Die Juden würden alfo vogelfrei fein, hätte die ſüdarabiſche Völferfitte Hier jeit uralter Zeit nicht einen andern Ausweg ergriffen. Dieſer if, daß man es für Schande erflärt, einen Juden zu töbten, wa8 vollkommen den ritterliden Begriffen von Ehre entfpricht, da die Juden unbewaffnet find, und ein Unbewaffneter im kriegeriſchen Sinne nicht für einen Mann gilt. Deshalb hört man oft Araber fagen: „die Juden find wie die Yrauen; Eines diefer beiden zu tödten, fehändet den Mann." Dies ift freilich nur durch Tradition, nirgends durch beſtimmte Geſetze, welche überhaupt in vielen Gebieten von Sübarabien fehlen, feit- gejeßt; aber die Traditionen erweiſen fi) bei diefen Völkern wirkfamer, als die Geſetze, jedenfall3 wirkſamer, als das des Doräns, welches hier nie ſo recht Fuß fafien konnte, d. h. was feinen juriftifchen Theil betrifft. Sind fo Leben und Gut der Juden im Innern von Südarabien ge- ſichert, ſo ift doch ihre Stellung in jeder andern Beziehung keineswegs eine beneidenswerthe. Sie find einer Menge von Demüthigungen ausgefegt. Bie in Marokko, dürfen fie feine Pferde, fondern nur Ejel reiten.*) Be— gegnet ein fo berittener Jude einem WUraber, jo muß er vom Thiere ab— Reigen, es am Halfter führen und zur linken Seite ausweichen, während die Araber dies fonft zur reiten thun. In dem gezwungenen Ausweichen zur Linken liegt ein Schimpf. Bei Begrüßungen, die freilich zwiſchen einem Araber und Juden feltener vorkommen, ftredt jener diefem feine Hand mit mweitauögeredtem Arm zum Kuſſe entgegen, ſtreng die gehörige Diftanz beobachtend, um nicht durch die Nähe des verachteten Juden berunteinigt zu werden. Der Araber hütet fich jedoch germöhnlich vor jeder Berührung mit Juden. Beiſpiele von einer Yamilien > Verbindung zwiſchen Arabern und Juden kommen gar nicht vor und die bloße Nachfrage danach jchien meine arabijchen Bekannten aus dem Innern zu flandalifiren. Alle diefe Araber ſprachen fi höchſt fanatiſch und verächtlich Über die Juden aus, denen fie freilich nichts nachfagen konnten, al3 daß fie eben einem von ihnen berachteten Glauben angehörten. Das genügt aber in ben Augen des

*) Dies find diefelben Demüthigungen, denen zu Niebuhr'3 Zeit in Aegypten alle Nichtmoslems, jogar die Konfuln europäiſcher Mächte ausgelegt waren, weshalb egtere damals lieber zu Zube gingen, als vom Privilegium, auf Ejeln zu reiten, Gebrauch machten.

12*

180 Ausfiht auf Beſſerung der Stellung der Suden.

Arabers, dem dogmatiſche Sünden ſchlimmer find, ala die chändlichften Berbrechen. Daß die gemöhnlichen Araber feinen Begriff von der Religion der Juden haben, verſteht ſich wohl von ſelbſt. Deshalb find auch die fabelhafteften Gerüchte über den jüdifchen Ritus bei ihnen verbreitet. Man erzählte mir allerlei Seltſamkeiten über den Gottesdienf. Den Gebraud), fi die Hände ſchwarz zu bededen und Hörner anzulegen (die Philafterien oder Thefillin) faßten fie als eine ſeltſam thieriiche Ceremonie auf, wobei gebrüllt und wie wahnfinnig in der Synagoge herumgerannt wurde.

Daß die Juden ihre gedemüthigte Stellung ertragen, läßt ſich eben nur durch die Geduld dieſes Volkes und durch die Standhaftigfeit erklären, mit der es auf eine befjere Zukunft hofft.

In der Hoffnung auf eine befiere Zukunft ift überhaupt der Jude be- barrlih, und die Thatſachen geben ihm Recht, denn diefe Hoffnung beginnt ſich zu verwirklichen und hat fi in der That ſchon auf vielen Punkten verwirklicht. Auch in Sübdarabien befindet fih ein ſolcher Punkt, nämlich Aden und feine nächfte Umgebung. Wer hätte es den mißhandelten Juden Adens vor 30 Jahren voraudgejagt, daß fie ihren, einftigen Herren, den ftolzen Arabern, rechtlich ganz gleichgeftellt fein würden? Nur wer den Drient genau Tennt, kann das Unermeßliche des Umſchwungs zum Bellen würdigen, welchen die englijche Herrſchaft in Aden für die Juden mit id gebracht Hat. Doch nicht in Aden allein, auch ſchon in einzelnen Staaten der Nachbarſchaft, wie in Laheg und Schughra, macht fi) der engliſche Einfluß heilfem geltend und die Sultäne vermeiden aus Furcht vor eng- liſchen Vorſtellungen, die Juden zu bebrüden.

Mit der größeren Treiheit, welche die Juden in Aden und Umge gend genießen, bat fih auch ihr Eulturzuftand bereit merklich gehoben. Es wohnt diefem Bolt eine ſolche geiftige Lebenskraft inne, daß es nur eines geringen Anſtoßes von Außen bedarf, um fich auf eine höhere mora- liſche und intellectuelle Stufe zu ſchwingen. Merkwürdig ift ſchon jet der Unterfchied zwiſchen der jüngeren und der älteren Generation, die noch unter dem früheren Drud erzogen wurde. Die Knaben, haben faſt durch⸗ gehends eine gewiſſe Bildung, felbft nach europäifchen Begriffen, während die Väter außer ihrem Handwerk nur wenig Nügliches wiſſen und auch nicht durch die bei anderen Juden bes Orients fo vielfach vertretene talmu | diſche Gelehrſamkeit glänzen. Das Bebürfnig einer europäifchen Ausbil | dung wird übrigens bon den Juden jelbft empfunden (ein Araber glaubt |

Zukunft der füdarabifchen Juden. 181

eine Solche nicht nöthig zu haben) und dieſes Streben ift fchon allein ein Fottſchrit. So können wir denn ohne Webertreibung fagen, daß die Juden bon Mden und Umgegend fich emporzuarbeiten beginnen. In eigen Generationen werden fie wahrſcheinlich den Europäern nicht viel nahftehen. Die Rückwirkung wird fih dann aud auf die Juden des Innern bemerkbar machen.

Südarabien.

Einundzwanzigſtes Capitel. Die ſüdarabiſchen Pariakaſten.

Eigenthümlichkeit des ſüdarabiſchen Pariaweſens. Religion der Parias. Parias

in Gentralarabien. Strenge Standesbegriffe der älteren Südaraber. Arnaud's

Viertheilung der Parias. Achdaͤm. Ubgefondertes Wohnen. Stammesftol;

der Bebuinen. Die tieffte Paria-Kafte. Schumr. Ahr Gewerbe. Moſchee⸗

verbot. Kupplerinnen. Eine Paria Sängerin. Phyſiognomiſches. Ein

füdarabifches Schönheitsregifter in Verſen. Dialekt der Parias. Ahr Urfprung.

Falſche Anfihten. Unmöglichkeit ihren Urſprung zu beftimmen. Entftehung

der Achdaͤm⸗Kaſte. Verſchiedene Bezeichnungen für diefe Kafte. Die Ahl Häplt. Freiheit von Steuern. Die Parias find feine Stämme.

Es ift eine höchft merkwürdige Erjcheinung, daß in einem arabifcen Lande, in dem fonft der Fyreiheitäfinn und Stammeaftolz der Bewohner aufs höchfte ausgebildet ift, neben diefen freien Stämmen zwei Menfchen- clafjen exiftiren, welche, obgleich fich nicht zu anderm Glauben befennen), dennoch eben jo ſehr in den Bann gethan find, al3 wären fie die ärgften Ketzer. Ueberall fonft, wo es Parias giebt, find fie durch das Belenntnik oder wenigſtens durch ein ſectenartiges Ahweichen von der herrſchenden Religion unterfehieden. In Südarabien ift diefes nicht der Yall, und dide Thatſache macht die dortigen Parias zu einer Merkwürdigkeit, mie fie jelhf Oftindien nicht aufweiſt. Der Umftand, daß der befreiende und fociale Gleichheit für alle „Nechtgläubigen” prebigende Mohammebanismus in Südarabien nicht fo weit zur Geltung kam, um jene Kaſten zu emand-

Ohnmacht des Islam in Bezug auf Emancipation x. 183

piren, zeigt und diejes Land in einem ganz, andern Lichte als Gentral- atabien. Es mar eben ein uraltes eigenartige Culturland, das ſelbſt in feinem Verfall noch dem centralarabiichen Element Widerftand Teiftete, und wenn e3 auch im Großen und Ganzen diefem allmählich unterliegen und feine Eigenheiten mehr oder weniger einbüßen mußte, ihm doch im Beibe- balten einzelner tiefgewurzelter Eigenthümlichteiten trotzte. Zu lebteren ge— hörte auch das Beitehen der Paria-Saften. Die Parias glaubten vielleicht durch Annahme des Islams fich zu emancipiren. Aber ſie irrten ſich. Das angeſtammte Element der Kaſtenſcheidung erwies fich kräftiger als der befreiende Einfluß des Mohammedanismus. Weit entfernt, fie zur Gleich— heit zu führen, gab die ſüdarabiſche Auffaſſung des Islam noch Gelegen- beit, eine neue Scheidewand zwiſchen ihnen und der herrſchenden Claſſe aufzurichten, indem legtere eine diefer Kaſten fogar vom Beſuch der Mofcheeen ausſchloß. Ein unerhörtes und eigentlich ganz „unarabifches” Verfahren, denn nur SHeterodorie ſoll nach Acht mohammedaniſchen Begriffen von diefem Beſuch ausfchliegen, und diefe mar bier nicht vorhanden. Aber alle unfere Begriffe von dem mas „arabiſch“ oder „unarabiſch“ ift, find eben ausfchließlih aus centralarabiihen Quellen entlehnt. Der Geift der alten ſüdarabiſchen Eultur fängt erft an ſich und zu offenbaren, Seit die Inschriften der alten Sabäertempel (vulgo himyiariſche genannt) in größerer Menge auftauchen und mit vermehrter, wenn auch immer noch ſehr mangel- hafter Deutlicjkeit entziffert zu werden beginnen. Dieſer ſüdarabiſche Geiſt mar ein anderer, als der des freien Bebuinenthums, das fo recht eigentlich Gentralarabien fennzeichnet.

Letzteres kannte zwar auch und kennt noch heute eine Art von Paria; doc) find dies herabgelommene Beduinen-Stämme*), die durch eine Kata- ſtrophe (Krieg, Raub) ihr Gut verloren haben, aber doch meift noch ala Gruppen ftammesweife zufammenteben, nicht, wie die füdarabifchen Barias, ſeßhafte Bewohner, die unter fi nur ſchwache Beziehungen haben und durch's ganze Land zerftreut find.

Auch iſt es unerhört, daß in Gentralarabien Jemand wegen feines Stande, und jei er auch anrüdig (denn etwas anderes ift die Kafte in Yemen nicht), vom Beſuch der Moſcheeen ausgeſchloſſen würde.

*) Herrn Profefjor Sprenger verdanke ih folgende Notiz: Es fcheint, daß zu Mohammed's Zeit die Banü Lihb, ſüdlich von Mekka, Paria waren. An der ſyriſchen Wuüſte find jetzt noch die Beni FElẽb (Kolaib) der geächtete Stamm. Sie haben nur Eſel und fommen nad) Damascus, um Trüffeln zu verlaufen, woran die Wüſſte jehr reich ift.

184 Vierzahl der Pariakaften nad Arnaud.

Die Dahtäniten (jo haben die arabijhen Genealogen die Südaraber benannt) hatten viel mehr Aehnlichleit mit den anderen alten oftafiatifchen Culturvölkern, den Berjern, den Oftindiern. Sie befaßen einen ziemlich complicirten Cultus, religiöfe Denkmäler in Bild und Schrift, ftaatliche Einrichtungen, blühende Städte. Die Rangfiufen ſcheinen mannichfaltig gegliedert gewefen zu fein. Die Infchriften zeigen ung eine Anzahl höherer Titel von Fürſten, von Heineren Häuptlingen; wir können faft auf eine Art Adel Schließen. Wo die höheren Rangftufen jo genau bezeichnet waren, da fönnen wir auch wohl in den niederen Sphären fcharfe Gliederungen borausfegen, und ala höchſt wahrſcheinlich annehmen, daß die Taftenartige Ausnahmzftellung einzelner Vollstheile in Südarabien uralt ift*).

Niebuhr war es, welcher zuerit auf die Parias in Yemen aufmerkſam machte. Er verglid fie mit den Zigeunern, und dieſer Vergleich ift ſehr richtig. Nur wandern lebtere mehr als die ſüdarabiſchen Parias, die oft an die Scholle gebunden find. Kigentlich bekannt find fie jedoch erſt durch Arnaud, den Entdeder von Maärib, geworden, der ihre Eigenſchaft als Parias zuerſt in das richtige Licht flellte. Arnaud unterjcheidet vier Claſſen von Parias: die Achdäm, die Barbiere, die Schafuli und die Schumr. Die beiden letzteren Claffen nennt er als die verachtetften, vom Beſuch der Mofcheeen ausgeichloffen, alle efelhaften Gewerbe verrichten. Die beiden erſteren Claſſen find weniger in den Bann erllärt, dürfen noch Moſcheeen, aber nicht die Häuſer der Araber betreten.

In Süd-Hemen iſt die Vierzahl der Pariaclaſſen unbekannt. Ich habe immer nur von zwei Claſſen reden hören, den Achdaͤm und den Schumr **). Die Barbiere in Süd - Yemen find niemals Parias, und ber

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*) Ich entlehne folgende Bemerkung einem Briefe Profeſſor Sprenger's. Richtig find Ihre Begriffe über das Entſtehen folder Genoſſenſchaften. Es iſt natürlich, daß je ſtrenger die ariſtokratiſchen Begriffe der Vollblut-Bevölkerung find, deſto öfter Fälle von Ausftopungen vorkommen müfjen, und die Ausgeftoßenen werden, wenn nicht ſchon Parias vorhanden, ſelbſt vollftändig eine Genoſſenſchaft bilden müffen.

*s) Profeſſor Sprenger ſchreibt: Die Schumr in Arabien entſprechen ganz dem Tschamär (Tſchamaͤr) , ( in Indien. Diefe fehlen faſt bei feinem Dorf Hin- duftans, leben aber immer in einiger Entfernung davon. Die Adam von Arabien find den Mihter der oſtindiſchen Auskehrer⸗Kaſte, ſehr ähnlich, doch iſt in Indien eine größere Zerſplitterung, denn da find noch die Dhöbi re: bie Wälder, die Ahir und andere.

Die Adam oder erite Pariakaſte. 185

Name Schafuli ift dort unbelannt. Bon den Achdaͤm gilt das, mas Xr- naud von den zwei erfien, von den Schumr dad, was er von den zwei leßtern feiner vier Claſſen jagt.

Der Name Adam (im Singular Chädem) bedeutet „Diener,“ und dies Wort bezeichnet genau ihr Verhältniß zu der herrſchenden Race. Eine Menge von Gewerben ift bei den ftolzen Bebuinen veradhtet, und dieſe verrichten die Achdaͤm. Sie find Gerber, Wäfcher, Töpfer, Schlächter und gelten für beſudelt durch diefe mehr oder weniger unreinen Gewerbe, aber doch nicht in dem Grabe für unrein, um aud den aus ihren Händen her⸗ borgehenden Gegenftänden ihre Unreinheit mitzutheilen. Letzteres foll bei den Schumr der Yall fein. Die Achdaͤmkommen, wie ermähnt,in Mofcheeen,aber nicht in die Häufer der Araber. Sie wohnen ſtets abjeits, gewöhnlich außerhalb der Städte und Ortſchaften. Sogar in Aden, mo doch die Staftenbegriffe durchaus Teine officielle Geltung haben, lieben e8 die Achdaͤm, fi) abzu- jondern und bewohnen ihr eigenes Viertel, Ich beſuchte dieſen Stabttheil öfter8, aber nie gelang es mir, von den dortigen Achdam über ihre Kafte Aufſchluß zu erhalten. Der Mebelftand ift, daß der Name diefer Kafte ein Schimpfwort geworden ift, und daß man alſo durch die Trage danadı, ſchon von vornherein Anftoß giebt. Alle nichtarabiichen Einwohner Adens d. 5. die Mehrzahl, wiſſen auch nicht zwiſchen Achdaͤm und anderen armen Arabern zu unterjcheiden, und fo fühlen fich die Achdaͤm hier von dem Bann erlöft, der im Imern auf ihnen laſtet.

Wie ein Sträfling, den man in der Strafanftalt ſelbſt antrifft, feine Eigenschaft nicht verleugnen kann, jo müffen auch die Achdam im Innern des Landes, wo die Kaftenbegriffe Geltung haben, eingeftehen, zu welcher Clafſe fie gehören. So konnte ich mir denn auch in der Hauptfladt bes Abäbel-Sultanats, Laheg, viel beſſer Aufſchluß über fie verſchaffen. Na- tirlih geftehen fie auch dort ungern, daß fie zu den Parias gehören. Fragt man einen det Achdaͤm, ohne daß ein anderer Araber dabei ift, was er fei, fo wird er fich für einen Bebuinen ausgeben. In Gegenwart eines Beduinen aber kann er dies nicht wagen. Schimpf und Prügel würden dann fein 2003 fein; denn der Beduine ift unbändig im Stammesſtolz. Aber auch die Achdaͤm haben ihre Art von Stammesfiog Man kann ihnen feine größere Beleidigung anthun, als wenn man fie fragt, ob fie nicht eiwa zu der Claſſe der Schumr gehörten? Bon diefer Beichuldigung rei- migen fie ſich mit den heiligften Eiden, und nichts ift ihnen jchredlicher, als jo etwas hören zu müſſen. Sie können freilich dem Fremden oder dem

186 Die Schumr oder zweite Pariakaſte.

Araber gegenüber diefe Unbill nicht ahnden. Wehe aber dem Schimri (Singular von Schumr), der fi für einen Chädem auägiebt. Dies ge Ichieht nämlich immer, wenn man einen Schimri nad) feiner Kaſte frägt, ohne daß ein Chadem dabei iſt; denn die Schumr find ſich wohlbewußt, tiefer ald die Achdaͤm zu ſtehen und verjuchen gar nicht, ihre Kafte für eitwas Beſſeres auszugeben. Jeder verleugnet die feinige. Die Kaſte ift eben etwas ihnen Aufgedrungenes, dadurch unterjcheidet fie ſich weſentlich bon anderen Racenunterfchieden. So fteht 3. B. der Jude in Südarabien in focialer Beziehung gewiß eben fo fchlecht, ja oft fchlechter als Achdaͤm und Schumr. Mber nie wird es einem Juden einfallen, fein Jubenthum zu verleugnen. Im Gegentheil, er ift ftolz darauf, wie einft die Märtyrer auf ihr Chriſtenthum, durch das fie doch auch dem focialen Bann verfielen.

Die Ahdam find im Vermeiden der Schumr ebenfo ferupulös, tie bie Bebuinen im Vermeiden der Achdaͤm. Die Kaſte der Schumr ift eine ganz eigenthümliche Erfcheinung und von merfmwürdiger Tocaler Begren- zung. Während es nämlich in ganz Südarabien, fo weit meine Erkun- digungen reichen, d. h. von Yemen bis "Omän, Achdaͤm giebt, erifliren Schumr nur im eigentlichen Yemen. Schon in Yäfia, welches doch auch einft zum Reiche der Imäme gehörte, find fie gänzlich unbekannt. Auch bei den Beduinen fcheinen fie nicht vorzufommen. ch hörte nur immer bon ihnen in Verbindung mit Städten. In allen Städten von Yemen fommen fie vor, wohnen auch dort abſeits, wie in Aden, mo fie fich in einer noch abgelegeneren Gaffe, als die der Achdaͤm, angefiedelt haben. In Aden natürlich kann man fie nicht verhindern, die Mofcheeen zu be treten, aber in feiner Stadt des Innern werden fie in denfelben zugelaflen, obgleich fie, wie ſchon oben gejagt, fi im Bekenntniß nicht von den Herr jchern unterfcheiden. Wo dieje Sunniten find, da find es aud die Schumr; in Gentral-Yemen, wo die Secte der Zaidi vorherrſcht, befennen fie fich zu diefer. Der Grund, warum man fie vom Gottesbienft ausſchließt, muß eine tiefere traditionelle Bedeutung haben, denn die Urfachen, welche bie Araber gewöhnlich dafür angeben, fcheinen mir alle nicht ſtichhaltig. Es heißt, die Schumr feien Abdeder, folglih durch Aas beſudelt (fie flehen fogar im Verdacht Aas zu effen); aber ich habe viele Schumr gekannt, die durchaus nicht jenes Gewerbe ausübten. Die meiften fcheinen ſich al? Bänkelfänger, Diufifanten, Trommler, Pfeiffer zu ernähren, und das iſt ein Gewerbe, welches zwar auch verachtet wird, aber doch an und für fid feine tiefere Stellung, al3 die der Achdaͤm, mit fich bringen würde. Den⸗

Antagoniemus der beiden Pariakaſten. 187

noch erweiſt fich der Haftengeift jo mächtig, daß ein Schimri, und treibe er mas er wolle, fich nicht Über feinen tiefen Stand zu erheben vermag. Er gehört ihm durch die Geburt, nicht durch ein Gewerbe an.

Daß ein Schimri es nicht wage, eine Mofchee zu betreten, dafür for- gen die Achdam, denn überall, wo es Schumr giebt, giebt es auch jene. Durch den Mojcheebefuch würde fich ein Schimri zum Chädem aufſchwingen, was freilich den Übrigen Arabern gleichgültig ift, was aber die Achdäm als die größte Schande für ſich anfehen würden. Ich glaube deshalb, daß jenes Berbot weniger von den Arabern, als bon den Achdam, ausgeht, befonder8 da es nur traditionell, nicht aufgezeichnet if. Da die Achdam faft überall numeriſch färker find, als die Schumr, fo können fie es auf- teht erhalten.

Da in Yemen die Achdaͤm die meiften derjenigen Gewerbe ausüben, welche die anderen Araber verjchmähen, jo bleiben den Schumr nur wenige. Dazu gehört allerdings auch das der Abdeder.

Daß die Schumr fo meiftend in großer Armuth ſchmachten, ift er- klaͤrlich. Daß auch ihre Moralität nicht immer die befte ift, läßt fich ver» muthen, obgleich die Araber gewiß in ihren Beſchuldigungen übertreiben- So jheint es ganz widerfinnig, die Schumr-Weiber des Yeilbietens ihrer Reize zu befchuldigen, denn wen follen fie diefe feilbieten? Wenn man die

Araber danach fragt, wiſſen fie feine Antwort, denn ein Araber würde fich

nie mit einer Baria einlaffen, und befäße fie auch die Reize einer Cleopatra. Alſo vielleicht den Adam? . Diefe aber find noch mehr von Vorurtheilen gegen die Schumr erfüllt. In Aden freilih ertappt man die herumzie- benden Sängerinnen von der Schumr-Safte zumeilen auf Kuppelei. Aber, recht bezeichnend, fie verfuppeln nicht ihre Stammesangehörigen, fondern Fremde. Diefelbe Schume-Frau, welche die Kupplerin fpielt, wird, wenn fie felbft zu Männern in’s Haus beftellt wird, um dort zu fingen, ſich bon ihrem Ehemann begleiten laſſen.

Ale Schumr, welche ich Tennen lernte, namentlich aber die Frauen, waren von einer ganz bejondern Lebbaftigfeit. Gewöhnlich treiben fie ihr Weſen auf der Straße. Dort muficiren fie, fingen, und find dabet in be- ſtandiger, aufgeregter Bewegung. Da die Araber fie nie in's Haus kommen laſſen, fo ift ihnen das Singen bei ruhendem Körper ganz ungewohnt. Ich hieß einmal eine ſolche Sängerin zu mir führen, um die Worte ihres Liedes aufzuſchreiben. Sie kam, aber begleitet von zwei Männern, ihrem Mann

188 Eine Sängerin von der Pariakaſte.

und Bruder, mie fie angab. Da fein rechter Plab zum Umhertanzen tar, jo mußte fie ſich bequemen, fißend zu fingen. Das ſchien ihr jedoch ſehr wider die Natur zu gehen. Sie entichädigte ſich aber für die ge= zwungene Ruhe der Beine duch vermehrtes Gefticuliren mit den Armen. Der Hauptfik ihrer Lebhaftigkeit fchien übrigens in den Augen. Ich babe noch nie ein feurigere8 und zugleich geiftig ausdrucksvolleres Auge gejehen. Die Frau war durchaus nicht Schön, auch nicht mehr jung, aber ihr leb⸗ haftes Auge verlieh ihr einen Erfab für alle anderen äußeren Vorzüge.

Die Lieder diefer Frauen find meift erotiſcher Natur, niemals jedoch bie Grenze des Anftändigen überfchreitend. Folgende Probe, die ich Der Treue wegen unmetrifch und fo mörtlich wie möglich überjeße, möge einen Begriff davon geben. Das Liedchen ift eine Aufzählung aller weiblichen Reize dom Kopf zur Sehe, vor. deren verheerender Macht der Liebhaber gewarnt wird. Ein unbelannter Bervunderer wird dabei immer als die Rede unterbrechend eingeführt, indem er zu jedem Gliede gleihfam einen Commentar, natürlich in der Hyperbel, giebt.

Hüte dich vor den Loden! Er ſprach, die Locken find eine Nacht voll herrlicher Schönbeit,

Ein hundertfaches Gefchmeide, ausgebreitet auf dem Ruhebette.

Hüte di) dor der Stirn! Er ſprach, die Stirn ift wie ein Stern.

Hüte dich vor den Brauen! Er ſprach, fie find runder als die Augen.

Hüte dich vor der Nafe! Er ſprach, die Nafe ift ein Held.

Hüte dich vor den Augen! Er ſprach, die Augen find eine dunfle Nacht;

Wenn der Narr fie anblickt, wird er geſund in feinem Verſtändniß.

Hüte did vor dem Munde! Er ſprach, er ift runder als ein Ring.

Hüte dich vor dem Halje! Er ſprach, der Hals ift wie eine Flaſche,

Eine Flaſche von feinem Glas, mit kunſtvoll geſchmückter Deffnung.

Hüte dich dor der Bruft! Er fpradh, die Bruft ift ein Garten,

Ein Garten voll reifer Früchte, jeder Art, jeder Gattung.

Hüte di) vor der Taillel Er ſprach, die Taille, die ift jo recht meine Sadıe;

Wenn man die Hand drum legt und zufammenpreßt, jo glaubt man ein Nichts zu umfafjen.

Hüte did) vor dem Leib! Er ſprach, der Leib ift ein feines Gewebe,

Glänzend und fchillernd wie der Bauch der Schlange.

Dialeft der Schumr-Pariad. Ihr Typus. 189

Hüte di vor den Schenken! Er ſprach, die Schenkel find zwei Blätter des Kadibaums *).

Hüte did vor den Beinen! Er ſprach, die Beine find zwei Leuchter.

Hüte dich vor den Füßen! Er ſprach, die Füße find zwei Panther. (!)

Endlich rief er aus: das ift ja eine Fülle der fchönften Gemälde!

Diefes, ſowie alles, was ih von den Schumr hörte, war ganz im Dialekt von Yemen gehalten. Ueberhaupt habe ich durdaus feine Spur bon einer eigenen Sprache der Schumr entdeden können. Dergleichen wird wohl zumeilen behauptet, aber es hat ſich mir immer al3 unftihhaltig erwieſen. Aehnlich verhält es fich mit den Phyfiognomien. Auch in ihnen will man etwas Fremdländiſches entdedt haben. Sie follen ſich dem Negertypus nähern. Ihre Hautfarbe foll dunkler fein, als die der anderen Araber. Alles dies Tonnte ich nicht finden. Ih fah zwar auch recht dunfelhäutige Schumr, aber fie waren es nicht mehr, als die Araber, unter denen fie Iebten; denn auch die Bewohner des tiefſten Südens von Arabien find faſt ſchwarz. Die Schumr aus den nördlichen Gegenden aber zeigten eine ebenjo Helle Haut, mie die dortigen Araberſtämme. Zuweilen fieht man wohl etwas gröbere Phufiognomien unter den Schumt, als unter den Arabern ; aber bis zum Negertypus iſt es doch noch meit.

Sprade und Aeußeres können uns deshalb nidt leiten, um den Ur- iprung der Schumr zu entdeden. Die Tradition der Südaraber, daß fie von befreiten Negern flammen, ſcheint mir durchaus merthlos. Andere halten fie für Ablömmlinge der Abeſſinier, die im zweiten Jahr⸗ Hundert vor Mohammed in Demen herrſchten. Arnaud gar glaubt in ihnen die Ueberbleibſel der nach ihm faſt untergegangenen Himyaren zu erblicken, was ganz falſch iſt; denn die himyariſchen Stämme werden uns von Ham⸗ daͤni genannt und ſind noch heute in Südarabien ſehr wohl unter den bon ihm angegebenen Namen zu traciren. Sie find keineswegs unter⸗ gegangen, jondern bewohnen noch jet ihr altes Gebiet, den tiefſten Süd- weiten Arabiens.

Bon allen diefen Theorien läßt fi keine einzige bemweilen. Das Klügfte Scheint mir, offen einzugeftehen, daß uns ihr Urfprung gänzlich un- befannt if. Daß fie die Reſte eines eigenartigen, nun als Nation unter-

*) Die Kadiblätter find ihres Wohlgeruchs und ihrer ſchönen Form wegen bes liebt. Letztere ift genau die eines wohlgebildeten Schenkels.

190 Urfprung und Name der Ahdam.

gegangenen Volkes find, fcheint mir annehmbar, obgleich es ſich auch nicht beweifen und noch viel weniger beſtimmen läßt, was dieſes Volk war. Sie find in Südarabien ungefähr das, was einft die Heloten in Sparta waren. Nun denke man fi die Gefchichte Sparta's wäre nicht aufge- fchrieben, fo würden wir in den Heloten ein ganz ähnliches ethnologiſches Räthſel haben, wie jet in den Schumr.

Der Uriprung der Achdaͤm dagegen ſcheint mir ein anderer, und nicht auf eine ethnologifhe Duelle zurüdzuführen. Es kommt nämlich noch heutzutage, wenn auch felten, vor, daß ein Araber, meift immer aus der unterften Claffe der Städtebewohner, zum Verhältniß eines Chädem hinab- fintt. Die befreiten Neger werden auch oft in dieje Kaſte eingereiht. Schimri dagegen wird man nur durch die Geburt. Der Stand der Ady- dam knüpft ſich an Gewerbe, die freilich meift auch erblich find, die aber auch zuweilen von Leuten in die Hand genommen werden, denen fie nicht angeerbt waren. So erzählte mir ein Bewohner des MWädi Do’an, daß dort ein Menfch, Namens Bahadur, ſich dem Töpferhandwerk ergeben habe; da dies für unrein gilt, jo ſank er in ein Paria-Berhältnig hinab, und fein Name „Bahadur” wurde die Bezeihnung für eine Elafje von Ausmwürf- lingen, welche dafjelbe Gewerbe betrieben, obgleich) fie feine genealogifche Einheit bildeten. Uber dies Verhältnig war von der milderen Art, nicht bon jener ftrengeren Erclufinität, deren Opfer die Schumr find. Letztere giebt es überhaupt in Hadramaut nicht.

Der Name Adam iſt gleichfall® außerhalb Yemens nicht in demfel- ben Sinne gebräuchlich. Aber die Sache eriftirt, wenn auch unter anderem Namen, in ganz Südarabien. Im Lande der Audeli, öftlih von Yäfia heißen fie Meräfai, Doſchäͤn, Bezeichnungen, welche fi) auf die Inftrumente beziehen, die fie jpielen, denn mo e& feine Schumr giebt, verjehen die Ach⸗ daͤm diejes Gewerbe. In der Nähe von Ghoder, Hauptort der Audeli, giebt es ein eigenes Dorf, Mesfegge, nur von Meräfai bewohnt. In den Ländern der Aulaqi und Wähidi führen fie den Namen „Ahl Häyit“, d. h. das „Webervolk“, weil fie fi) diefem Handwerk hingeben*). Es giebt ganze

*) Hamdäni erwähnt, daß viele Himyaren dem Gewerbe ber Weber ergeben waren. Da diefe Paria-Kaſte im Sarw Madhis, alſo nahe bei Yafı’a, welches ganz himyariſch ift, wohnt, jo ließe fi) wohl denken, dak hier Abkömmlinge jener Himy⸗ arenz Weber ſeien. Sie werden jetzt übrigens auch von den als Oobäayel lebenden Himyaren veradhtet, haben aud alle Stammestraditionen verloren.

Abgabenfreiheit der Parias. Ihre Zukunft. 191

Städte von diefen „Ahl Hayil“ bewohnt, z. B. die Stadt Rauda zwiſchen Höta und Habbän. In Hadramaut dagegen find es die Mebger, deren Gewerbe den Namen für die Bariad abgeben mußte. Sie beißen dort Zaͤbih (für Däbih), d. h. Schlächter.

Die Parias genießen übrigens inſofern eine Entſchädigung für den ſocialen Unglimpf, den ſie erleiden, als ſie gänzlich frei von Abgaben ſind. In einzelnen Gegenden von Yemen ſollen fie zwar nad Arnaud zur Lei— fıng von Frohnden genöthigt werden. Nach allem, was mir befannt wurde, find fie jedoch aller Zaften ledig. Man hält es für Schande, wenn en Sultan oder Schedy etwas von den Achdäm erhebt. Im Gegentheil, es gilt für jehr ehrenvoll, diejelben reichlich zu bejchenten, befonders wenn fe jemand zu Ehren muficirt haben. Bei feftlihen Gelegenheiten lieben & die Araber, prahleriiche Geſchenke zu machen, und dieſer Brauch kommt den Mufifanten fehr zu flatten. Namentlich die Hochzeiter werden in Eontribution gejebt. Ein Mann aus Bedäaͤ erzählte mir, er habe gefehen, wie ein Chädem einem Hochzeiter Alles bis aufs Hemd abbettelte, und dieſer ſich ſchämte, ihm etwas abzufchlagen.

Was iſt die Zukunft dieſer Parias? Sollte es möglich ſein, daß Pariagruppen in Folge neuer, durch Zuwächſe entſtandener Vergrößerung ſich ſiegreich vertheidigten, wohl gar die Offenſive ergriffen, jo Selbſtach— tung wieder gewönnen und ſich Anſehen verſchafften? Dieſe Frage wurde mir öfter geſtellt. Was die ſüdarabiſchen Parias betrifft, muß ich fie ver- neinen. Hätten wir es hier mit „Stämmen“ zu thun, wie in Centralarabien, jo wäre es denkbar, denn ein Stamm kann fi) erneuern, wie Beifpiele zeigen. Dort giebt es nämlich wirkliche Stämme von Bariad. Die füdarabifchen Paria dagegen haben jede genealogische Tradition verloren. Sie find über- Haupt nicht direct aus Stämmen hervorgegangen, fondern treten nur in Verbindung mit ftädtifchem, bürgerlihem Wefen auf. Sie find gewiß ſchon in hohem Alterthum ala Ausmwürflinge aus der verachtetften Schicht der Städter hervorgegangen, nicht der freien, ritterlichen, fondern der in Arabien derachteten gemwerbebeflifienen Städter, die ſelbſt ſchon als ohne Stammes- eindeit und als Unterthanen der Qobäyel (freien Stämme) fehr tief ftehen. Nun hat man aber fein Beifpiel, daß ſolche Städter fih ermannt und den Dobäyel, ihren Zwingherren, Widerfland geleiftet hätten. Wie viel weniger aljo diefe Ausmürflinge jener Städte. Die Dobäyel fchimpfen die Städter Feiglinge, und lektere nennen wieder die Parias Feiglinge, und da diefe fi’ gefallen laſſen, jo find fie doppelte Feiglinge, alſo jeden Aufſchwungs

192 Unmöglichfeit der Pariad fi) emporzuarbeiten.

unfähig. Es giebt freilich Städter, die jelbft Dobäyel find, aber diefe ma- hen mit den anderen Dobäyel gemeinſchaftliche Sache in Unterbrüdung ber ſtädtiſchen Raye (Unterthanen). Sie üben auch nie Gewerbe aus, fon- bern find Krieger. Aus ihnen gehen die Pariad nicht hervor. Sinkt ein Mann von den Oobäyel jehr tief, jo wird er doch nur Raye (ftädtifcher Unterthan), nicht Paria. Welch' eine tiefe Stufe vertreten alfo die Paria, die jelbft unter den Raye ftehen!

Unfere europäijchen Begriffe müflen und Hier nicht irre führen. Wir denken an die Aflociafion, die unfere Proletarier ſtark macht. ine ſolche fommt aber in Arabien nur bei „Stämmen“ vor. Deshalb können ſich gefuntene Stämme emporarbeiten. Bei jenen zerftreuten, uneinigen Aus- würflingen von Leuten, die felbft ſchon ſtammeslos waren, ift ein kräf⸗ tige3 militäriſches Bündniß, den Yall eines halben Wunders vorbehalten, nicht denkbar.

Ein füdarabifcher Baria wird ſtets Paria bfeiben, bis vielleicht ein- mal der befreiende Einfluß Europa's jenes Land durchdringt, was aber noch gute Weile hat.

Zweiter Theil.

J

Heographiſche Jorſchungen im und über den füd- weſtlichſten Theil Krabiens.

Erſtes Capitel. Allgemeines.

J. Zwed und Natur der Forſchungen. II. Meine Informanten. III. Zuſtande⸗ fommen der Karte. IV. Sinerarien. V. Orographie. VI. Waädis. VI. Klima und Bodenerzeugnifie. VIII. Typus der Bevölkerung. IX. Ab: kammung der Völker. X. Sociale Eintheilung der Südaraber. XI. Beſtäti- . gung meiner Erfundigungen durch arabilche Beographen. XII. Ueber den Inhalt des beſchreibenden Theils.

L Zweck und Natur ber Forſchungen.

Zu den zahlreichen Lüden, welche die Kunde Arabien? noch aufweift, gehört auch die, deren Ausfüllung durch diefe Forſchungen angeftrebt wurde. Durch Wrede’3 wichtige Entdedungsreife ift ung zwar ein Theil des ana Arabifche Meer (Indiſchen Dcean) grenzenden Südarabiens be= tannt und fo eine Ausdehnung von etwa 2 Längengraden und ebenfo viel Breitengraden aus der Mafje des Unbekannten gerettet worden. Un— erforicht*) blieben dagegen (bis auf die unmittelbare Hüfte) die Länder

*) Die Reife Seetzens durd einen Kleinen Theil dieſes Gebiets, nämlich das Gobehiland von Aden bis Moda, hat ein jo überaus dürftiges Material geliefert, dak wir wohl den Ausdrud „unerforjcht” fefthalten können und in Botta's For: Ihungsgebiet reicht daß unſerige nicht mehr hinein, fondern berührt nur deſſen Grenze.

v. Maltzan Beile nah Südarabien. 13

194 Seographifche Erfundigungen bei Arabern.

öftlich und meftlich von diefem Neifegebiet. Hier haben wir e& mit dem mweitlih davon gelegenen zu thun, d. 5. mit dem Theil Südarabiens, Der ih am Nrabifhen Meer von Baͤb el Mandeb bis etwa zu 48% öftlicher Länge von Greenwich Hinftredt und im Norden als fernften Punkt 150 nördl. Breite erreicht. Ein Heiner Theil dieſes Gebiet3, nämlich der zwiſchen 46° 40’ und 48° öftl. Länge von Greenwid und 130 30’ und 14° 40’ nördl. Breite gelegene wurde im Juli 1870 durch Mun—⸗ zinger und Miles bereif. Ihr Neifegebiet ſchloß fih im Welten an das Wrede'ſche an.

Ih mar in der Abſicht nad Aden gekommen, durch eine größere Reife ind Innere Licht über diefen Theil Arabiend zu verbreiten. Ver—⸗ hinderungen verſchiedener Art bejchränften jedoch meine eigenen Reifen auf die Aden zunächft gelegenen Sultanate. Mit diefem Refultat nicht zu- frieden, warf ich mich auf ein anderes Forſchungsmittel, nämlich auf die Srkundigungen bei Eingeborenen. Man glaubt mit Unrecht, daß die Araber nur falſche Vorftellungen über ihr Land verbreiten können. Hört man freilich nur einen oder zwei Berichterftatter, jo mag das Rejultat oft ſehr irre führen. Zieht man aber gemwifjenhaft bei einer großen Anzahl Grlundigungen ein, vergleicht und prüft man dieſe, jo ift es faft unmög- lich, daß man ein durchaus falfches Bild vom Lande befommt. Cinen Beweis hiervon Hat in einem andern arabifchen Lande ſchon der franzö- fiihe General Daumas geliefert. Es ift befannt, daß er, zu einer Seit, als nur ein Theil Algeriend unterworfen war, vermittelft eines förmlich bon ihm organifirten „Bureau de recherches“, welches von allen nad) Algier verſchlagenen Eingeborenen der noch nicht unterworfenen Länder⸗ theile ausführliche Berichte über ihre Heimath einfammelte, das dankens⸗ werthe Reſultat erzielte, ſehr detaillirte und, wie fich ſpäter herausftellte, im Ganzen auch überrafchend getreue Beichreibungen der großen Kabplie, der algierifhen Sahara und anderer damals den Europäern noch unbe fannter Diftricte liefern zu können.

Es kam mir feltfam und bedauerlih vor, daß dergleichen noch nie bon einem Europäer in den verfuht worden war. Doch e8 war ver— ſucht worden, aber von einem Araber, meinem Belannten "Abd el Beri, dem Amtsfchreiber und Aſtrologen. Freilich nur für einen Heinen Theil meine? Forſchungsgebiets, nämlihd Südyemen, und leider ſehr unvollkom⸗ men, denn der gute Aftrologe hatte fich begnügt, auf die Ausfagen von zwei Bebuinen bin eine Karte zu verfaflen. Die Karte war natiklid

Ein einheimifher Kartograph. Informanten. 195

falſch, aber dennoch Bat fie mir genüßt, denn ich fand in ihr ein großes Raterial an Ortsnamen, die ich vielleicht ſonſt nicht erfahren Hätte. Diefe Kamen dienten mir als Bafis zu meiteren Nachfragen, und fomit bin ich dem Aftrologen für die Erforſchung Südyemens zu Dank verpflichtet.

Größern Dank ſchulde ich den Organen der englischen Regierung, dem politiichen Agenten, General Tremendhere, und feinen Aififtenten, Cap⸗ tains Prideaur und Miles. Diefe intereffirten ſich lebhaft für mein Stu- dium und berjchafften mir das Mittel zum Gelingen, indem fie anordneten, daß alle bei der Adener Polizei gemeldeten Araber aus heilen des In—⸗ nern, die mich intereffirten, mir vorgeführt werden follten. Dadurch allein gelang mir, was fonft nie geglüdt wäre, nämlich) eine große Anzahl von Arabern befragen zu können. Denn von jelbft, auch für Geld, ftehen die Araber dem Europäer nicht Rede. Meine Informanten waren aber alle Leute, welche mit der Regierung zu thun, von ihr etwas zu verlangen, zu hoffen hatten, und bejaßen fo ein Intereſſe, mich zu befriedigen, weil fie daten, dadurch bei der Regierung einen Stein im Brett zu haben.

IL Meine Iunformanten.

Ich empfing nun während dreier Monate täglich eine gewiſſe Anzahl von Arabern des Innern. Darunter waren Leute aller Art von den ge- meinften Bebuinen, zumeilen ſelbſt Verbrecher, bi8 zu den Stammeshäup- tern, ja bis zu Sultanen Heiner Duodezftaaten. Waren die Leute gar zu bornehm, wie der Sultan von Laheg und der von Schughra, fo transpor- firte ich mein improviſirtes Nachfragebureau ind Regierungshaus, wo diefe Herren die engliſche Gaſtfreundſchaft genoſſen. Im Ganzen kam ich mit nahe an Hundert Arabern in nähere Berührung. Der Werth ihrer Aus— fagen war ein jehr verfhiebener. Merkwürdigerweiſe fand ich, daß gerade diejenigen bie befte Auskunft gaben, die wenig gereift waren. Sie Tannten mm ihr engered Vaterland und gaben über dieſes genaue Berichte, wäh⸗ tend die Bielgereiften gewöhnlich Alles durcheinander warfen. Ich wollte eben von jedem nur fein Land kennen lernen, denn faft für jedes felbft noch jo Heine Stammesgebiet fand ſich ein eingeborener Informant.

So babe Id) denn von ben eigentlihen Bebuinen und den gemeinen

Soldaten einzelner Sultane am Meiften gelernt. Die wichtigften Nachrichten 18*

196 Verſchiedene Auskunftsertheiler.

über das jo wenig bekannte Audeliland verdanke ich ſogar einem berüch— tigten Kameeldieb aus Ghoder, von dem ich noch immer bedauere ſo ſchnell getrennt worden zu fein, indem leider der beſtohlene Heerdenbeſitzer nach den kam, und mein gejhäßter Bekannter, der die Heerde verkauft hatte, flüchtig werden mußte. Ueber den größten Theil von Yafi a, deſſen ver- wilderte Bewohner ſehr jelten nach dem doch jo nahen Aden kommen, ge lang es mir gute Auskunft zu erhalten und zwar duch einen Trupp Sol- daten, der die Geſchenke der engliſchen Regierung für ihren Scheh zu holen fam. Die meiften Informanten fanden fi für das öftlihe Gobehiland, die Länder der Mogatera und Hogriya, deren Bewohner vielfach nad Aden kommen, um dem verhaßten Joch ihrer tyrannifchen Eroberer, der Du Mohammed, zu entfliehen, ferner für die Gegenden um Nedä, Gefe, die Stammesgebiete ber Hamaida und Yazıdi, aus deren Angehörigen ſich in Aden die Wafferträger recrutiren. Sie gelten in diefer Stadt oft für Du Mohammed, find aber nur deren Religiondverwandte, d. h. Secten- genofien. Abſolut fehlten“ Informanten nur für die Gebiete der Haujchebi oder Haumäjchib und für das hochgebirgige Ober-Yäfia. Hier mußten Nachbarn und Reijende ergänzen. Beide Gebiete find übrigens Hein.

Unter den gebildeteren Arabern waren nur drei, denen ich werthvolle Auskunft verdankte, unter Anderm und beſonders au in Bezug auf das Ethnographiſche. Erftens der Sultan von Laheg, Bon ihm erfuhr id den wahren Namen des von Niebuhr und Wellſted ſo falſch benannten Haupifluſſes ſeines Sultanats und mehr dergleichen. Zweitens ein alter Mann aus Dateba, ein ganz armer Tabackshändler, aber ein Schriftwiſſer. Er gab mir bejonderd über Orographie und Bodencultur feiner Heimath und Nachbarländer werthuolle Auskunft. Drittens ein Kaufmann aus Beda im Rezäzlande, zur Zeit beeidigter Fruchtmeffer in Aden. Er ftand mir am Treueſten in allen meinen Nachfragen bei. Ihm verdanfe ich eine ziemlich genaue Kenntniß des Rezäzlandes, dieſes entfernteften Theils meines Forſchungsgebiets.

Auch muß ich der niederen Vermittlungsagenten mit Dank erwähnen. Diefe „instrumenta viliora*, die man fonft faum anführt, waren mir von einer unbeſchreiblichen Nützlichkeit. Unter ihnen ift vor Allen des trefflihen Mohammed Gebeli, eines Gerichtdieners, zu gedenken. Diefer trommelte mir nicht nur die Widerfpenftigen und Säumigen zufammen, jondern machte au oft den Dolmetſch, wenn die Leute ein gar zu dia⸗

Erſter Entwurf der Karte. 197

leküſch umdeutliches Arabiſch redeten. Auch mein treuer Nubier, Abdul- medihid, bewährte jich hierbei wirkſam, indem er ftet3 Saffee und. Delica- tefien bereit hatte, um die Durchbrennenden feitzubalten und auch manche nützliche Frage mit drein that. So ift e& oft der „petit monde“, der uns die wichtigften Dienfte leiftet, und wir in unſerm Düntel ertennen es nicht an.

II. Zuftandetommen der Karte.

Mein Erſtes war, eine Anzahl von Itinerarien zu fammeln, mir fo genau, wie möglich, die Zahl der Wegeftunden von einem Ort zum andern jagen zu laſſen. Dieſe mar viel leichter zu erfunden als die Richtung. Doch auch für fie gab e& Anhaltspunkte Alle Araber willen nämlich, wo die Dible (die Richtung nad Mekka) Tiegt. Fragt man 3. B., welcher Ort fiegt von Zaheg zunächſt in der Richtung der Dible, fo antworten fie un— fehlbar „Räha“. Für die Küftenorte war durch Haines’ treffliche Karte eine gute Orientirung gegeben. Die nordweftliche Grenze meines Forſchungs⸗ gebiet, d. h. die Städte Ta’izz,, Damar und Derim, find dur) Berghaus annähernd beftimmt. Den Gebel Gabr hat Botta befugt. Für Südyemen aljo waren die beiten Anhaltspunkte vorhanden, für die anderen Länder blieb die Hüfte Nur für den äußerften Often konnte mir Miles’ Tagebuch von Nuten fein. Alles andere mußte aus den Berichten der Eingeborenen conftruirt werden. Oft waren dieje freilich widerſprechend. In folchen Fallen ruhte ich nicht eher, als bis eine überwiegende Majorität von Aus— jagen eine als Die richtige erwiefen hatte. Leicht war's, Itinerarien zu erhalten, die von Aden aus gegen Nord, Nordoft, Nordweſt liefen, ſchwerer, verbindende Wege zwiſchen den entfernteren Stationen diefer Straßen zu finden, und doch war dies nöthig, um nicht in Bezug auf geographifche Länge auffallend zu irren.

So kam denn auf der Bafis der Itinerarien eine Conjecturalfarte zu Stande, an der die Berichte der Araber viel feilten und mobelten, bis fie zu meiner leiblichen Zufriedenheit daftand. Ich ſage „leidlih”, denn etwas Vollkommenes wird fein vernünftiger Menſch vom Refultat bloßer Erfun- digungen verlangen. Denkt man aber daran, daß hier noch ganz jung= fräuficher, auf unferen beften Karten blank gebliebener, auf weniger guten duch ein Chaos ausgefüllter Boden ift, jo wird man felbft diefer Conjec-

198 Itinerarien.

turalkarte, die auf wohlgeprüften Berichten beruht, nicht ihr beſcheidenes Verdienſt abiprechen.

IV. Itinerarien.

Dieje enthalten das Material für die Karte, jedoch nicht Allee. Ein Theil defielben findet fich zerfireut bei den einzelnen Ortsbefchreibungen, + ®. da, mo die etwaige Entfernung Heiner Ortſchaften vom Hauptort ge⸗ geben wird, ein anderer ift unter den Rubriken Bodenbefchaffenheit, Grenzen, Gebirge, Waͤdis u. |. m. der einzelnen Abſchnitte des beichreibenden Theils zu fuchen.

Gegend nordöflid von Aden.

Kin. L Bon Aden nad el Ghoder, vulgo LZöder, 7 Zagereifen, 3 in ber Ebene zu etwa 10 Stunden, 4 im Gebirge zu 6 Stunden*) (Iebtere fogenannte Acrreiſen nur bis zum Nachmittag).

1. Tag Aden nad) Bir Nobto

2 Bir Nobto nad) ‘Acala } Ebene, Richtung bekannt, „Acala nad Schughra

Schughra zum Fuß des ©. Nadal. N. O.

Fuß des G. Nachai nah Ard ed Dian. RD. .

Ar ed Dian nah Omm Chobere (in Datina). NO. Omm Chodere nach el Ghoder. N.

np” R

Itin. I. Aden nad Gible in Datına, 6 Tagereiſen in der Ebene zu 10 Stunden, 3 im Gebirge zu 8 Stunden (leßtere volle Tagereifen).

1. Tag Wen nad Sebad).

Sehad nad) Acala.

„Agala nad Schughra.

„Schughra auf den Abhang des G. Nadal. NO. etwas mehr O.

„Abhang des G. Nachai nah Haneſch. N-D.

„Haneſch nad) Gible der Hasni in Dafin. NO.

AR 2

*) Die Gehftunde, von der hier die Rede, und dielffameelgehftunde können nicht größer als zu Y, deutfche Meile gerechnet werben (2 geographical Miles & 60 to the degree).

Stinerarien. 199

Richtungen von Gible. Rihtungen von Ghoder. Südfid Kolaite, Doͤla. Südlich Omm Chodere, Nordoſtlich Halm Scidi. Oeſtlich Halm Sa'ibi.

Dible (Mekkarichtung) Ghoder. Oeſtlich etwas nach Süd Häfa. Weſtlich Omm Chodere. Oible (Melkarichtung) Bedaͤ. Südweſtlich Haneſch. Weſtlich Beni Slimaͤn.

Itin. DL Aden nach Bedä über el Ghoder, 8 Tagereiſen, 3 in der Ebene

1

2

3

4. 5., b

7

8

zu 10 Stunden, 5 im Gebirge zu 8 Stunden.

. Tag Aden nach Gaumela bei Kod nördlich von Bir Nobto.

Gauwela nad Acala.

Acala nach Schughra.

Schughra zum Abhang des G. Nachai. NO.

G. Nachai nad) der Grenze von Datina vor Omm Chodere. N. O. Grenze von Datına nach el Ghoder. NO.

el Ghoder über Tere nad) Daher, Oiblerichtumg.

Daher nad Bedä, Diblerichtung.

Richtungen von Beda.

Dible-Richtung nad) "Omer.

Weſtlich nah Harmelan, Hat, Merfat bis Yafi a. Rördlich nach Behän.

Nordöfllicd mehr Nord nah Mesware.

Rordöftlid mehr Oft nad Mara, Yeſchbum, Habbän.

Stin. IV. Aden nad) Dära (Unter-Yäfia), 8 Zagereifen bon berjchiedener

l. 2 3 4. b. 6. 7 8

Länge.

Tag Aden nad Bir Nobto.

Bir Nobto nad‘ Acala.

„Acala nad Wädi Icäg 6 Stunden. N. Bon hieran Gebirge.

W. Scäq nach Hatab 6 Stunden. N. Hatab nach Gebära 3 bis 4 Stunden. N. Cedaͤra nah Raubiva 3 bis 4 Stunden. N, Raukmwa nad) Serär 4 Stunden. N. Serär nah Dära 5 Stunden. N.

200 Itinerarien.

Itin. V. Dieſelbe Straße nach dem Bericht eines berittenen Couriers in 4 Tagen.

1. Tag Aden nach Chamfer ſollen 20 Gehſtunden ſein. N. etwas O. 2. Chamfer nach Hatab 9 mM 3. Hatab nad) Sa », 12 0 NR 4. Serär nad) Dära „5 NR

tin. VI Men nad) Dära durch das Tiefland von Yäfi'a, 9 Tagereifen bon berjchiedener Länge.

1. Tag Wen nad) Sebach.

2., Sebach nach Acala.

3. Agala nad Derhäg 6 Stunden, Dible-Richtung.

4. Derhäg nah Mar 4 Stunden. N.

5. Marnah Naab 4 Stunden. N.

6. und 7. Tag Naab duch die Wüfte der Meſchelqi nad Schewuha 15 Stunden. N. etwas ©.

8. Tag Schewuha über Mirza nad) Tore 6 bis 7 Stunden. W.

9. Tore nad Dära nur 1), Tag, aber fteted Steigen. W.

Richtungen von Dära, - Entfernungen von Dära. Dible-Richtung nad) Gefe. Dära nad) Chulle 1 Tag. Nördlich nach 'Atära, Ober-Näft’a. „„ESchab 1 Tag. Südlich nach Seraͤr. „„Telez 1 Tag. Weſtlich, etwas füdlih nach Chulle, n Seär Y, Tag.

Seräfa, Da'teba. „„Chere 1, Tag. Südweftlih nah Tem 1 Tag. » Hommu 2 bis 3 Ston. Oeſtlich nad Schab, Nahgi, Daher.

Sin. VIL Aden nad) Bedä durch das Tiefland von Yafia 8 Tage. 1. bis 7. Tag wie auf Straße VI. bis Scheêwuha. 8. Tag Schẽwuha nad) Bedaͤ 9 Stunden, ftetes Steigen. N.O.

Berbindungsftraßen zwiſchen den Ausgangspunkten der erften VO Straßen.

Itinerarien. 201

Itin. VIII. el Ghoder nach Dära durch das Hochland, 4 Tage.

1. Tag el Ghoder über Beni Sliman nach Ber Däni 6 bis 7 Ston. W. 2. Ber Däni nad) Ahl ben Nahgi (obere) 6 Stunden. N.-W.

3 Ahl ben Nahgi nad Scha' be Yahud 6 bis 7 Stunden. W.

4. Scha'b el Yahüd nad Dära 4 bis 5 Stunden, Ys Tag. W.

Itin. X.*). Bedä nach Dära Über Medinet Telez, 3 Tage.

1. Tag Bedä über Hamelan nad) Hat 5 Stunden. W. 2 Hat über Merfat nach) Medinet Telez 7 bis 8 Stunden. ®. 3, Medinet Telez nad Qaͤra 5 bi 6 Stunden. SM.

Gegend weiter öftlih von Aden bis 48° 30“ öſtl. Länge von Greenwich. Sin. X. Men nad Habbän, 10 Tage.

1. Zag Aden nad Sebad).

2. Sebach nad Acala.

3. ala nad) Schughra.

4. Schughra nad) Seriya**) 9 Stunden, Richtung der Küſte O-N.-O. faft O.

5. und 6. Tag Seriya nad) Haumwar 22 Stunden, Richtung der Küfte O.

7. Tag Hauwar nad Qullihe 9 Stunden. N.-O.

8. Sulliye nad) Mahfed(z) 7 bis 8 Stunden. N.O.

9. Mahfed(z) nad Chabr 6 Stunden. N-D.

10. Ehabr nad) Habbän 9 bis 10 Stunden, Oible-Richtung faſt N.

Sin. XL Aden nad) Habbän mit Benukung des Seeweges. Zuerft Aden nah Bir "Ali, etwa 80 geographical Miles. N.O. zur See. Dann Landiveg von Bir "Ali nah Habbän, 5 Tage.

1. Tag Bir "Ai über "Yin nah Sohail 10 Stunden. N.-W. 2. Sohail nad) Nagb el Hagr 10 Stunden. NW. 3. Nagb el Hagr nad) Hoͤta 5 Stunden. N.

*) Die Rezäz von Beda haben mehr mit Medinet Telez zu thun, als mit Dära, deshalb nehmen fie ſtets dieſen Ummeg, die directe Straße würde gleih von Beda ſüdweſtlich gehen.

*#) Seriya bei Haine’8 ohne Namen, als „Village in the mountains“ anger geben. Lage aber genau. ©. Haines Chart ıc.

202 Itinerarien.

4. Tag Hoͤta nach Röda 3 Stunden. W. Roͤda nach Redeha 3 bis 4 Stunden. W. etwas ©. 5. Redeha nach Lahi 2 Stunden. W. etwas N. Lahi nad) Habban 6 Stunden. W. NB. Diele beiden Straßen nicht nach Bericht der Araber, fondern nad hand⸗ ſchriftlichen Notizen von Gapitain Miles und Munzinger, die beive Wege Juli 1870 zurüdlegten.

Richtungen von Habbän. Richtungen von Chabr.

S. nad) Chabr. ©. nah Ebene el Monqa.

©, etwas W. nad) Hauwar. S.O. nach Haura (Gegend offen bis SD. etwas ©. nad) Haura. Haura).

SD. nad Nagb el Hagı. S.⸗W. nad Hauwar.

O. nach Hoͤta. N-W. nach PYeſchbuͤm.

Oible nach Londra.

N.W. nad) Nicäb.

W. etwas S. nach Yeſchbum. SD. nad G. Nem ) .

S. W. nah ©. Kir | ſehr nahe.

Berbindungswege der Endpuntte der Straßen L (el Ghoder), IIL (Beba) mit denen der Straßen X. und XL (Habbän).

tin. XIL Bedä nach Habbän, dired, 4 Tage. . und 2. Tag Bedä nah Marcha 17 bis 18 Stunden. O.N.O. . Tag Mara nad Yeihbum 7 bis 8 Stunden. O. „Yeſchbüm nad) Habban 9 Stunden. O. etwas N.

Stin. XII. el Ghoder nad) Chabt, 4 Tage.

Tag el Ghoder nah Demäni 7 Stunden. NN.-O. „Demaͤni nad) Nachai (obere) 7 Stunden. N. etwas O. „Nachai (obere) nad Hatem 5 bis 6 Stunden. N.

Hatem nad Chabt 5 bis 6 Stunden. N. etwas W.

Stin. XIV. Chabt nah Habbän 4 Tage.

u. 2. Tag Chabt nah Nicab 12 Stunden. O. Tag Nicab nad Hadena 8 Stunden. S. O. Habena nad Habban 8 Stunden. S.O.

Pe 60 mi

m SD m

u a Te

Itinerarien. 203

Itin. XV. Vẽda nad) Behän el Gezäb, 4 Tage. 1. Tag Bedaͤ nad) Mesware 9 Stunden. N. etwas O. (Der Weg ift anfangs derfelbe wie von Bedaͤ nach Mara (XTI.), dann R.-W.) 2. Tag Mesware nad) Behan ed Doͤla 6 Stunden. Dible-Ridtung. 3.und 4. Tag Behän ed Doͤla nad) Behan el Gezäb 2 Tagereiſen, etwa 14 Stunden. N.

Nordliche Straße zur Verbindung von Beda mit Irmer-Hemen.

Min. XVL Bäedaͤ nah Nedvä', 5 Tage. 1. Tag Bebä über Omr nad Zaft 7 bis 8 Stunden Dible-Richtung. 2. Taft über Melägem nah Blad e8 Sad 7 Stunden. N.⸗W., mehr W. 3. Blad e8 Suab über Mancur nad Blad el Hofain 6 bis 7 Stun ben. N.⸗W., faſt W. 4., Blad el Hoſain über Bäzir nad Gefe 8 Stunden W., etwas ©. Gäefe nach Nedä‘ 1/, Tag, 4 Stunden. S.W. mehr W.

on

Richtungen von Meläfem,

N. nad) Behän el Gezab.

N.O. nad Behän ed Doͤla.

D. nad Mesware.

S. O. nach Bedä.

S. nach Hat.

O. etwas ©. nach Ataͤra.

Wege in der Richtung von Aden nach Canä. Itin. XVII. Men nach Yerim, 5 Tage.

1. Tag Aden nach Laheg (Hanta) 11 Stunden. Oible⸗Richtung. 2. Rabeg (Haute) nad Raͤha 10 Stunden. N. 3. Rähe über Goheb nad Dalcı 10Y/, Stunden. NN-M. 4 5

., Daia nach Abaͤreb 9 Stunden. R.-W. . Aäreb nach Yerim 9 Stunden. N.

in. XVII. den nach Redä (XVL) in 8 Heinen Zagereifen. 1. Tag Men nad) Laheg. 2. Laheg nad Ramla (Wuſte) 6 Stunden. N.

204 Stinerarien.

3. Tag Ramla nad) Goheb 6 Stunden. N.

4. Goheb nach Hagfer 8 Stunden. N.

5. Hagfer nad) Schaheri (obere) 7 Stunden. N.

6. Schaheri (obere) nad Merraiß 5 bis 6 Stunden. N.

1. Merrais nad) Hobeihi 5 bis 6 Stunden. N.O. mehr N. 8 Hobeſchi nach Rebä‘ 5 bis 6 Stunden. N.

in. XIX. Men nad Redä‘ mit anderen Stationen, 8 Tage. 1. Tag Üben nad) Laheg. 2. Laheg nad Bir ‘Abd Allah 7 Stunden. N. 3. Bir ‘Abd Allah zu den 'Alluwi 7 Stunden. N. 4. *Alluwi zu den Schaheri (mittlere) 8 Stunden. N. 5. Schaheri nah Dateba 6 Stunden. N., etwas W. 6. Dateba nad Yazidi 4 Stunden. N. 7. Dazidi nah Zalab 51/; Stunden. N, etwa O. 8 Talab nah Reda 6 Stunden. N.-D.

Kin. XX. Aden nad Da’teba, 5 Tage, mit anderen Stationen ala XIX.

1. Tag Aden nad) Laheg.

„Laheg nach Raha 10 Stunden. N.

Raͤha nah Hagfer 9"/, Stunden. N.

Hagfer nad Dala 31/, Stunden. W.N.-W. Dala nach Gehäf 31/, Stunden. NW.

5. Gehäf nah Da’teba 6 Stunden. N-D.

> > D

Berbindungswege zwiſchen Dala und Nafi'a.

Itin. XXI Dala nach Dära (IV.), 3 Tage.

. Tag Dala nad Schaheri (obere) 7 Stunden. N.-D., mehr N. „Schaheri nad Ehulle 7 Stunden. N.O., mehr O. Chulle nad Dära 8 Stunden. DO, etwas N.

m m

tin. XXIL Dale nad) Ober-Yäfi'a, 4 Tage.

. Tag Dala’ nad) Schere 10 Stunden. N-D.

Schere‘ nad) Raffa 7 Stunden. N. etwas O.

NRafla nah Geruba 8 Stunden. N-O. Geruba nah Möfeta 7 Stunden. N.O.

> mw DD Mm

Stinerarien. 205

Bon Möfeta nad) "Atära follen 2 Stunden fein. aitangen in Ober- Yafı a ſonſt nicht genau zu ermitteln.

Straßen weſtlich von Aden.

Der Ausgangspunkt ift hier immer Bir Ahmed, Aden gegenüber im Velten der Rhede.

Yin. XXIIL Bir Ahmed nad) "Ara, 4 Tage. Küſtenweg. 1. Tag Bir Ahmed nach Magher 10 Stunden. 2 Magher nad) "Atfi 3 bis 4 Stunden. 3, Mfi nah Zuran 6 bis 7 Stunden. 4 Zuran nach “Ara*) 10 Stunden.

tin. XXIV. Bir Ahmed nad "Ara, 4 Tage. Weg durchs Innere. 1. Tag Bir Ahmed nad) Mohanneg 5 Stunden. W. Mohanneq nach Fegerra 5 Stunden. W., etwas N. 2. , Fegerra nach Gharrihe 4 Stunden. W., etwas ©. 3. Gharriye nach Kedere 9 Stunden. W., etwas ©. 4. Kedere nach "Ara 7 Stunden. S.W., mehr W.

Richtung der Hüfte.

Rihtungen von Fegerra. Entfernungen von Fegerra. S. nah Magher. Hegäz 3 Stunden. S.W. nach Atfi. Rega 3 Stunden. W. nad) Amuri, Mamai. Magher 31/, Stunden. W.N.W. nach Hedäz, dicht bei Ymuri, Atfi 6 Stunden. Haggät. Anteriye 6 Stunden. N-®, nad) Ferſcha. Menäcera 7 Stunden.

NND nah Regä.. O. nah Mohanneg.

Jin. XXV. Bir Ahmed nach Taizz durch das Land der Hogriya, 5 Tage. 1. Tag Bir Ahmed nach Redä‘ 9 Stunden. W,, etwas N.

2. Regaäd nach Mircad 9 Stunden. W., etwas N.

3. Mircad nad "Aturi 4 Stunden. N., etwas W.

4. Atuͤri nach Beni Yufef 9 Stunden. N-W.

5. Beni Yufef nach Taizz 7 Stunden. N., etwas W.

*) Sage von Ara belannt, liegt am Ras ‘Ara, nur 2 Stunden vom leer.

206 Itinerarien.

Itin. XVI. Bir Ahmed nach Mochä durch das Land der Hogriya, 6 Tage.

1. Tag Bir Ahmed nach Rega 9 Stunden. W. etwas N.

„Regaͤ nach Ma beq 10 Stunden. W.

Mabeg nad Zazai 3 Stunden. W.

Zazai nad Dafet Mogteri 2 Stunden. W.

4. Dalet Mogteri nad Dobhän 41/, Stunden. N-W. Dobhän nach Beni Hammäb 4 Stunden. N-W,, etwas W.

5. Beni Hammäd nach Schebe 6 Stunden. W. Schebe nach Kedeha 4 Stunden. W.

6. Kedeha nach Moda 9 Stunden. N.W., mehr W.

m!

oder mit folgender Modification:

2. Tag Regä‘ nah Mircad 9 Stunden. W. etwas N. 3. Mircad nad Kaͤhela 3 Stunden. N.-W. Kähela nad) Dogga 3 Stunden. W. 4. Dogga nad) Dobhän 3 Stunden. W., etwas N, Dobhän nad) Beni Hammäd 4 Stunden. N.-W., etwas W.

Richtungen von Dal at Entfernungen von Dal’at

Mogteri. Mogteri. S. nad Chor Amrän. Atuͤri 7 Stunden. S.5.W. nad) "Ara. Ibharaͤn 6 bis 7 Stunden. SW. nah Bäb el Mandeb. Ma beq 6 Stunden, N. nad) Dogga, Taizz. Aden 3 Tage. N. etwas W. nad) Acäbeh. Beni Hammäd 1 Tag. N.O. nad Kederra. Mohä 3 Tage. D. nad Moharrega. Tai; 16 bis 18 Stunden.

S. O. nad Selim.

Stin. XXVIL Bir Ahmed nah Ibb durch das Land ber Hogriha, 7 Tage. 1. Tag Bir Ahmed nad Reg‘ 9 Stunden. 2. Regd‘ nad Teriha 4 Stunden. N.⸗W. Ferſcha nad Mircad 4 Stunden. W. 3. Mircad nad "Abus 5 Stunden. N., etwas O.

Itinerarien.

207

4. Tag 'Abus nach Heruwa 4 Stunden. N., etwas O. 5, Heruwa nach Dimena 4 Stunden. N.W.

6., 7.,

Dimena nach Odida 7 Stunden. N., etwas W. Diva nad Medinet Asfäl 21/, Stunden. N, etwas W.

Medinet Asfäl nach Ibb 51/; Stunden.

Richtungen von "Abus. S. Mofaͤlis. S.W. Atuͤri nach Kähela, Mogqteri. W. Doqqa nach Acaäbeh, Dobhän.

BRD. Hakuͤmꝰ) nach Hagüm, B.

Yufef. RB. Hakuͤm Zabeiri. N. Dimena nach Ibb. NND. Heruwa nad) ec Gelu. O. Dobeti.

Richtungen von Dimena. S. 'Aruͤq nad Abüs. S.W. Zobeiri nach Dobhän.

W.S.W. B. Yuſef nad 2. Hammäb.

W-R-W. Hoqaiba nad) Ta iza. N-W. Sahabän nad) Haime. RM. Ddide nad) Ibb.

N. Nadlän nad Ehadra.

RM. Haͤſcha nach Auwäs. O. Nähe.

SD. Laheg nach 'Aden.

Entfernungen von Abus. Mofälis 2 bis 3 Stunden. Hakum 2 bis 3 Stunden. Oobeti 2 bis 3 Stunden. Heruma 4 Stunden.

Hagum 4 Stunden.

Yufefi 4 bis 5 Stunden. Dogga 7 big 8 Stunden. Dimena 7 618 8 Stunden Ferſcha 7 big 8 Stunden.

Entfernungen bon Dimena. Hom Schermän 2 Stunden. Beduͤ 2 Stunden. ec Gelü 3 Stunden. Cahabän 3 Stunden. Hogaiba 4 Stunden. Zobeiri 4 Stunden. Diida 6 bis 7 Stunden.

atum 6 bis 7 Stunden. Nachlaͤn 6 bis 7 Stunden, Zaiz, 10 bis 12 Stunden, Kaͤhela 10 bis 12 Stunden. Mofalis 10 bi 12 Stunden. Nequl Semära 10 bis 12 Stunden.

Verbindungswege zwiſchen Ibb, Yerim, und zwiſchen Dale, Qu taba, Auwãs.

Itin. XVII. Oqteba (XX) nach Yerim, 2 Tage.

1. Tag Doteba nad "And 3 Stunden. W. Aud nad "Amir 21/, Stunden. W.

*) Dus Gebiet der Haktm ift ausgedehnt.

208 . Stinerarien.

2. Tag "Amer nah Hobäl 5 Stunden. N-N.-W. Hobäl nach Yerim 21/, Stunden. N.

Richtungen von Amär. Entfernungen von Amaär. ©. "Aumäß. Dcteba 1 Tag. S.W. Mauya. Yerim 1 Tag. W. Ibb. Redät 14, Tag. NW. Menzil. Adaͤreb 2 bis 3 Stunden. N. Hobäl.

N-D. Dola. O. N. O. Da teba.

O. Scherd. S-D. Dale.

in. XXIX. Dala nad Ibb, 3 Tage.

. Tag Dala nach Haͤſcha 6 Stunden. W. m Hãſcha nah Mauya 4 Stunden. NW. Mauya nad Ibb 5 Stunden. W.

tin. XXX. Dala nach Ibb über 'Auwäs, 3 Tage.

1. Tag Dala nah Auwäs 8 Stunden. ©.-W. 2. Aumwäs nad) Chadra 8 Stunden. N.:W. 3. Chadra nad Ibb 5 Stunden N.W.

Dr

V. Orographie.

Fünf mächtige Hochgebirge von ſehr ungleicher Ausdehnung find in diefem Gebiet zerftreut.

1) Der Gebel Cabr, ſchon durch Botta befannt. Er begrenzt unfer Forſchungsgebiet nur und zwar im Nord-Welten.

2) Die Yäfi-Berge, der alte Sarw Himyar, die ausgedehntefte Ge- birgsmaſſe diejeg Gebiets. Sie beginnen im Rord-Often von Aden un weit der Stadt Chamfer. Hier bilden fie jedoch zuerſt nur einen Tänglichen bon Süd nad) Nord gedehnten Gebirgsrüden, dem im Often das Tiefland von Yafia parallel Täuft. In der Nähe von Serär und Dära Hört dieſes Tiefland auf und die im Norden dafjelbe überragenden Berge bilden mit der nördlichen Yortjegung jenes Gebirgärüdens eine einzige mächtige Hoch⸗ gebirgsmaffe, den Hauptftod von Yäfia, der in dem unmirthlichen Berg

Südarabifche Hochgebirge. 209

land Ober-Yafia feine höchſten Gipfel erreicht. Das Land der Nezäz bildet den nördlichen Abfall diefer Berge.

3) Der Gebel Kor, im Often der Hauptmafle der Yäfi'=Berge, doch etwas jüdlicher als dieje, jo daß er im Welten noch das Tiefland von Yafia beherrſcht. Er zieht ſich als längliche Hochgebirgsmaſſe von Süd- weft nad) Nordoſt durch das ganze Land der Audeli: dieſelbe Richtung mie die des Gebel Cabr. Seine Ausdehnung ift verhältnikmäßig gering. Sein nördlicher Abfall bildet daS Thal des Wädi Metanet von BEdä nad Behaͤn. Die Waſſerſcheide ift hier viel fühlicher als in Yäfi’a.

4) Der Gebel Der, im Nordoft dieſes Gebiet begrenzend, liegt unter bemfelben Längengrad wie der Gebel Kor, von ihm durch Hochebenen von circa 20 deutſchen Meilen Breite getrennt.

5) Die Aulaqi⸗Berge und Hocebenen, welche zufammen früher den Namen Sarw Maphig führten. Sie nehmen (mit Ausnahme des Küften- landes) den ganzen Oſten unſeres Forſchungsgebiets ein. Der Sarw Madhig bildet in feinem weſtlichen Theil vorzugsweiſe Hochebenen, wor⸗ unter die drei von Marcha, Nigäb und Chabt (Salzbergwerke), die ſich zwiſchen dem W. Haumär und dem Gebel Dern von Süd nad Nord fol- gen, eine immer etwas höher als die andere. An fie jchliekt fih im Often die Hochebene von Habbän (nah Munzinger 3000 Fuß hoch) an. Im Norden von Habbän bilden Berge von etwa 5= bis 6000 Fuß Höhe die Waſſerſcheide zwilchen den Waͤdis Mẽf at (Süden) und Gerdän (Norden). Sie find Ausläufer der Aulaqi-Berge. Andere, wahrſcheinlich noch höhere Ausläufer befinden ſich aber ſchon im Norden der Wafjerjcheide und des W. Gerbän.

Das Mittelgebirge erftredt fich faft durch den ganzen weltlichen Theil be3 Innern. Aus ihm ragen direct im Norden von Aden (etiva 8 Tleine Tagereifen nördlich) die ifolirten Bergmaffen von Gehäf und Merrais empor.

Im Küftenland finden fi einzelne ifolirte vulcanifche Bergmaſſen, tie der Gebel Schamſcham in der Halbinjel “Aden, der Gebel Hafan (mit den „Asses ears“) faft eine Wiederholung des erfteren, von ihm nur durch den Hafen von Aden getrennt, ferner Gebel Charaz, eine Tängliche iſolirte Felsmaſſe, an der Hüfte zwiſchen Bäb el Mandeb und Aden, und der fattelförmige Bafaltberg Gebel Oau, im Often vom vorigen, nur dur) einen ſchmalen Streif jandiger Ebene von ihm getrennt. Diefe gehören

nit zum „Syſtem“ der fübarabifchen Gebirge, jondern find nur ifolitte v. Maltzan, Keiſe nah Südarabien. 14

210 Zerraffenfürmige Kalffteinberge. Flußthäler.

Erſcheinungen mitten in der Ebene, die fie da, wo fie nit an's Meer ftoßen, auf allen Seiten umgiebt, und hängen nirgends: mit den Bergen des Innern zufammen.

Im äußerften Often diejes Gebiets fehen wir die von Munzinger entdedte merkwürdige Aneinanderreihung vierediger, wie große Dächer aus- ſehender Kalkfteinhügel*). Ein Theil diefer, der Gebel Dolo, bietet ſogar 22 ſolcher ZTerrafienfelfen, weshalb ihn Munzinger und Miles die „22 Brüder“ nannten. Sie ſchienen gleihfalls ein „Syſtem“ für ſich zu bilden. Auch Hier im Often ift am Meer ein ifolirter. vulcanijcher Berg, auf dem fi Hien Ghoräb befindet.

VI. Wadis.

In dieſem ganzen Gebiet iſt kein einziger das ganze Jahr fließender Waͤdi. Außer zur Regenzeit (und zwar nur wenn fie auf vollſter Höhe ift) führt feiner fein Wafler ind Meer. Bon namhaften Waͤdis findet fich im ganzen Cobehilande (zwiſchen Bab el Mandeb und Aden) fein einziger, nicht einmal einer, der zur Bemwäflerung gebraucht werden kann. Anders ift e3 in dem Theil nördlich und öſtlich von Aden. Direct nördlich ift der Wädi Tobbaͤn, der oberhalb Laheg durch Zufammenfluß des W. Warezän (vom Gebel Cabr tommend) und des W. Nüra (jüblih von Yerim bei Ain Scheläla entjpringend) gebildet wird. Teftlich von Aden der W. Bonna, der ganz nahe beim Quell des W. Nura, gleichfalls unweit "Ain Scheläla, entipringt. Im unteren Lauf nur ein Paar Meilen öftlid vom W. Bonna der W. Hafan, duch den bei Naab erfolgten Zufammenflug der W. Yerämes und Solüb gebildet. Das Tiefland zwiſchen W. Bonna und Haſan ift die fruchtbare Ebene von Abian, das zwiſchen W. Yerämes und Solüb der Kaffeediftrict von Yäfia. Gehen wir weiter nad) Often, jo finden wir nur ganz Heine Wädis bis zum W. Haumär, der zwar einen ziemlich langen Lauf Hat, übrigens auch nicht: mit W. Tobban, Bonna, Hafan verglichen werden kann. Erſt im Often dieſes Gebiets finden wir wieder einen reichhaltigeren Wädi, den W. Mefat (Mayfaa bei Wrede). Der zweite W. Mefat, der ein ſtets fliegender fein ſoll, gehört nicht mehr in unfer Gebiet. Von allen namentlich) angeführten Waͤdis

*) Genau dieſelben Formen zeigt die oftafrilaniiche Danaqil-Küſte um Baäb el Mandeb.

Klimatiſches und Producte. 211

wird nur der W. Hauwaͤr nicht zur Bewäſſerung benutzt. Alle anderen leiten treffliche Dienfte.

vo. RAlima und Bodenerzeugniffe.

Das Klima dieſes Gebiets ift eins der gefegnetften der Erbe. Im 2efland ift Die Hitze allerdings groß. Indeß das Ziefland bildet doch nur einen Heinen Theil des Ganzen. Die mittlere Bergesregion, welche den größeren Flächenraum einnimmt, ift durchaus gemäßigt. In der höheren find jähe Zemperaturwechfel, aber auch fie ift jedem organischen Leben günſtig. Die Temperaturverhältnifje find jo, daß durch Hibe oder Kälte allein kein einziger led dieſes Gebiets unwirthbar oder vegetationslos gemacht wird. ine eigentlihe Wüfte findet fich in dem von uns behan- beiten Theil Südarabiens nicht. Die vulcanifhen Felsmaſſen, die ifolirt längs der Küfte auftreten, find allerdings auf ihren Höhen und dem Shrem ausgeſetzten Stellen nadt und kahl, weil dort feine Pflanzenerde haften fan. Aber auch auf vulcaniſchem Boden bildet fih an geſchützten Stellen fruchtbares Erdreich, deflen Ertragsfähigkeit überall! da zur Gel- tung fommt, wo ed nicht an Waller fehlt.

Trodenheit und relative Yeuchtigkeit, das find die Yactoren, welche auf Thier- und Pflanzenleben dieſes Gebiet3 einen ungleich größeren Ein- fluß üben, als Hitze und Kälte. Alles hängt von der Reichhaltigkeit der Riederichläge ab. Neichhaltige Niederfchläge bieten aber hier nur die tegelmäßigen tropiſchen Sommerregen. Die unregelmäßigen Winterregen lörmen wir als aus der gemäßigten Zone hierher verirrt anjehen. Sie daben hier ganz benfelben Charakter, wie an der afrikaniſchen Küſte des Mittelmeers, wie 3. B. in Nordägypten, d. h. fie find eben äußerſt un- regelmäßig, treten in manchen Jahren reichlich auf; oft vergehen aber auch ganze Jahre ohne namhafte Niederjchläge.

Nach Analogie anderer tropifcher Gegenden würde fein Theil diefes Gebiets (das zwiſchen dem 13% und 15° nörbl. Breite liegt) den tropifchen Sommerregen entbehren. Locale Einflüfle betoirken jedoch für das ganze Küftenland eine Ausnahmäftellung. Ein Streifen von 5 bis 8 deutſchen Meilen Breite, ſowohl am Rothen, wie am Xrabifchen Meer leidet unter diefer Ausnahmsſtellung. Er befommt nicht die tropischen Sommerregen und ift auf die jehr unregelmäßigen Niederfchläge des Winter allein an- gewiejen. Die Yolge davon ift, daß das Küftenland im Allgemeinen un»

14*

212 Sinfluß der tropifchen Regen.

fruchtbar bleibt, ziwar nicht gewächslos, aber meift doch nur ſolche Step- pengewächſe trägt, denen die Feuchtigkeit der Seeluft zu ihrem Gedeihen genügt und denen der Salzgehalt diefer Luft nicht ſchadet. In dieſen Landichaften blüht deshalb nur die Thier-, namentlich die Kameelzucht, da die Sameele fi auch von jenen Steppenpflanzen nähren können. Die Bodencultur in dem nicht durch Ylüffe bewäflerten Theil des Küftenlandes it eine äußerſt fpärliche. Ihr Erfolg hängt ganz vom Ungefähr ab. In den Ausnahmsjahren, in welchen die Winterregen reichlih maren, ift fie ebenſo gejegnet, wie die des fruchtbaren Innern. Aber durchfchnittlich fommen auf 3 oder 4 Jahre zwei Mißernten.

Eine Ausnahme von diefem traurigen Zuftand bilden nur diejenigen Küftenländer, welche einen Fluß haben, der in feinem oberen Lauf ins Gebiet der tropifhen Sommerregen hineinteiht und deren Wafler ins Tiefland führt, wo fie dur) Bemäfjerungsanftalten feitgehalten und aus» gebeutet werden. Solche Tiefländer find Laheg (am Wädi Tobbän), Abian (zwiſchen W. Bonna und Hafan) und im Often das Thal des W. Mefat. Diefe fruchtbaren Küftentiefländer find reih an Baumwolle, Tabad, Indigo und Gerealien aller Art. Die Datteln find inbifferent. Alle Gemüfe gedeihen, aber nur in Laheg find Pflanzungen davon.

Ganz anders verhält es fich mit dem Innern. Hier find die Som: merregen reichlich, Schwellen die Wädis und Sels (Aufftauungen), werden in Birket (Waflerbeden) gefammelt und geben einen Borrath, der bei ra= tioneller Ausbeutung für das ganze Jahr hinreihen würde. Das Srmere ift deshalb durchweg fruchtbar. Die Qualität feiner Producte ift vorzüg- lid nur dur die Bodenerhebung beeinflußt, denn an Wafler fehlt es nirgend3 und ein abjolut fterile8 Erdreich, findet fi hier niht. Das In⸗ nere zerfällt Himatologijch in

1) Ziefland. Die Tiefländer des Innern, wozu wir bier auf jene tiefen Senkungen zwiſchen [Gebirgen rechnen, die oft ſchon in beträchtlicher Höhe über dem Meeresfpiegel liegen, aber doch in Bezug auf Begetation Alles mit Tiefländern gemein haben, befigen den boppelten Vortheil der Lage an einem Fluß und ber tropifchen Sommerregen. Sie find die vorzüglichſten Kaffeediſtricte. Was diefe Cultur betrifft, jo ſcheint e8 bier nicht zu genügen, daß der Boden durch einen Fluß bewäſſert wird, fondern er muß aud die tropiichen Regen empfangen und bor Sturm geichügt fein. Darum tragen jelbft die fruchtbarften Küftenländer wie Abian, Laheg feinen Kaffee. Die Eultur blüht in den tiefen Sen—⸗

Klimatologifche Eintheilung. Bevölkerung. 213

tungen am W. Warezän und W. Nura (Zuflüfle des W. Tobbän, an diefem felbft nicht) am obern Theil des W. Bonna, an dem W. Solub und Jeraͤmes, dies der öftlichfte Kaffeediſtrict Arabiens. In der Regel kann man amehmen, daß Kaffee erft 8 deutfche Meilen von der Küfte*) vorkommt.

Die mehr fandigen Ziefländer im Norden der Waflerjheide, mie ehän el Gezäb und Behän ed Döla find durch ihren Reichthum an Dat- telpalmen "berühmt. Die Qualität der Früchte ift jeboch nicht befonders.

2) Dad Mittelgebirge. Auch bier wächlt noch Kaffee, wenn auch nicht jo viel, wie im Tiefland. Sonft gedeihen bier alle Obftbäume, an denen da3 Innere bejonders reich ift, ſowie alle Cerealien, Tabad, Baum- wolle, Indigo.

3) Die Hochebenen. Sie find die Kornkammern Sübarabiens, na- mentlih die Plateaus bon Raͤha (im Norden von Laheg) Marcha, Nicäb, Chabt im Lande der Aulaqi. Auch hier wird viel Indigo, Taback, Baum- wolle erzeugt, Datteln wenige und ſchlechte. Kin großer Theil dieſes fruchtbaren Erdreichs bleibt jedoch unbebaut und ift natürliches, üppiges Beideland. Die Bevölkerung ift dünn, große Cultur aljo fein Bedürfniß.

4) Die Hochgebirge. Auch Hier gedeihen noch Gerealien, namentlid) joldje nördlicherer Länder, wie Hafer, Gerfte, und auf den bewaldeten Höhen die nützliche Caatpflanze, deren Blätter gelaut und ſehr theuer ver- fauft werden. Der Saat wächſt nicht öfllih vom W. Donna.

VII. Typus der Bevölkerung.

Die Bemohner dieſes Theiles von Südarabien unterſcheiden ſich viel- fad) von den übrigen ſüdarabiſchen Völkerfchaften, den Gentral-Yamani, den Hadrami, Mahri u. |. w. Letztere find alle mehr Hellfarbig, von größerem ſchlankerem Knochenbau, jchlichterm Haar. Die Völker des tiefften Südens dagegen find ſehr bunfelhäutig, oft dunkler, als viele Abeffinier, Hein, zier- lich; die Gefichter ſehr feingefchnitten, oft aber rundlich; der Körper fehnig, mager, graziös, beweglich, aber nicht „Inodigftark”; das Haar jehr kraus. Ich möchte fie als eine Uebergangsſtufe zwifchen dem Südaraber und dem

) Der Rame Mochä's, einer Rüftenftabt, weldden man einer Kaffeejorte gegeben, if irreführend. In Mochä ift niemals Kaffee gemahlen. Der Rame wurde nur dekhalb auf den Kaffee übertragen, weil Moda viele Yahrhunderte der Hauptplag für Kaffeehandel war. Jetzt it Mochäͤ zerflört und der Handel hat andere Wege genommen. Der Name Mochä⸗Kaffee war übrigens ſtets nur bei Europäern üblich.

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214 Abftammung der Südaraber.

femitiihen Schwarzen (Zigre-Stamm) bezeichnen. Ausnahme von diefem dunklen, faft ſubäthiopiſchen Typus bilden nur die aus dem Norden (an &, auch ſchon Damar) oder aus Hadramaut flammenden und viele Scherife. Ein Theil der Aulagi nähert fich aud dem nördlichern Typus.

IX. Abftammung ber Völker.

Der arabifche Geograph Ibn el Hayek el Hamdaͤni nennt uns viele der dies Gebiet noch heute bewohnenden Stämme Danach zu ſchließen muß die Mehrzahl derjelben Himyaren fein. Unzweifelhaft ift diefe Ab⸗ ftammung bei den Abdeli, Fodli, Nezäz, Diebi, Yafi i und Gobehi. Die Qumuſch (Domeichi), Audeli und Hofriya Schreiben ſich in ihren Tradi- tionen denfelben Uriprung zu. Die Gada nennt zwar Hamdäni nur als einen von den Yäfi i adoptirten Stamm, nicht jelbft himyariſch, aber fie find fo vielfach mit jenen vermiſcht, daß fie Himyaren geworden. Wahr- ſcheinlich iſt ein Theil der Aulaqi (die jetzt noch den Sarw Madhig be⸗ wohnen) vom Madhegiſtamm, hat ſich aber auch mit Himyaren (Audeli, Diebi, Qumuſch) vermengt. Die Yazidi im Norden dieſes Gebiets dürften Kinda fein. Die Bewohner der Umgegend von Redä und Gefe werden im Volksmund als Beni "Ans bezeichnet. Das große Anfitifche Gebiet beginnt in der That nördlich vom Lande der Rezäz.

Nach den Genealogen gab es 3 Himyar, einer vom andern flammend und jeder einem himyariſchen Geſchlecht im weitern, engern und engſten Sinne den Namen gebend. Der allgemeine Stammvater war Himyar*) ben Sabä. Der zweite Himyar war Sohn des Sabä el Acghar ben Lo— huͤa ben Himyar ben Saba. Nach 8 Generationen kam dann Himyar ben el Ghaut ben Sad. Seine Nachkommen allein ſollen die eigentliche Himy- ariſche Sprache geredet haben. Der vernünftige Ethnograph wird die Mühe ſparen, zu unterjucdhen, von wen diefer 3 Himyar obige Böller ftammen. Er wird alle diefe Stammpäter lediglich ald Symbole auffafjen. Das Symbol, weldes dem Namen Himyar zu Grunde lag, hat möglicher- weile folgende Bedeutung Das Wort ftammt von einer Wurzel, welche den Begriff von „roth fein“ in fich fchließt. „Roth“ nennt man aud) heute noch in Südarabien, ebenjo wie in Abeflinien, jene dunkle tiefbraune, manchmal aber einen fuchfigröthlichen Refler zeigende Hautfarbe ſowohl

*) Jacüt ed Wüftenfeld ad vocem Himyar und ad vocem Asbah.

Sociale Unterſchiede in Südarabien. 215

der jehigen Himharen, wie der Völker von Tigre. Möglich alſo, daß der Rame von einer Hautfarbe kommt. Gab es wirklich einen Stammvater Himyar, jo hatte auch er wohl feinen Namen von der Hautfarbe.

Dan dente bei diefer Hautfarbe nur nicht an eine Vermiſchung mit Negerblut. Eine ſolche wird bei den freien Stämmen (und das find die meiften Himharen biefes Gebiets) fireng vermieben und gilt für entwürdi⸗ gend. Auch ift das Colorit durchaus nicht das mulattiiche. Ach brauche wohl kaum zu fagen, daß das Klima bei biefer Farbe ohne Einfluß: ift. Die Völker von Yäfia, die ein tühles Bergland bewohnen, find eben fo dunkel, oft dunkler, als die tiefländifchen. Sie find eben unzweifelhaft teine Himparen. Vermiſchung mit Negerblut kann in Städten vorkom- men. In unferm Forſchungsgebiet haben wir es nur mit einer einzigen Hädtereichen Landichaft, der Gegend um Za’izz zu thun, deren Bewohner zwar au) Himyaren, aber mit fremdem Blut vielfach vermiſcht find, wie es die loderen Stammesbande der Städter mit ſich bringen.

X. Sociale Einteilung der Sübaraber.

Die Sentenlaraber werden gewöhnlich in focialer Beziehung in zwei Hauptclafien getheilt, nämlich „Bebuinen“ und „Stäbter”. Erſtere find Nomaden, letztere ſeßhaft; erftere frei, Eriegerifch, bewaffnet und faft ohne alle Regierung, letztere Unterthanen eines Yürften, oft unfriegeriich; erftere halten fireng auf Stammeßtraditionen, letztere haben fie größtentheils ver- loren oder befigen nur Yamilienftammbäume.

In Sübdarabien ift diefe Benennung für die zwei jocialen Haupt- claſſen nicht ftatthaft. Die freien Stämme find hier nur zum allerfleinften Theile Nomaden. Sie find meift auf dem Lande, oft aber auch in Städten ſeßhaft. Die Lebensweife haben fie alfo nicht mit den centralarabifchen Beduinen gemeinjam, wohl aber die kriegeriichen Eigenſchaften, die Freiheit und. die Stammesreinheit. Sie ſelbſt nennen fi Dobäyel*), ein Wort, dad uriprünglich zwar nur der Gollectiv von Dabila (Stamm) ift, aber ine viel umfafjendere Bedeutung erlangt hat, als jein Nomen unitatis,

*) Nach diefem Wort wurde in Wlgerien, jchon feit der erften Eroberung durch Araber, die berberifche Bevölkerung benannt, die als freie Stämme lebte. Die freien Araber, die im 11. Jahrhundert famen, nahmen deshalb einen andern Namen für „Stämme“ an. Sie nannten die Stämme Oruſch (Thron, Wohnfig) um nicht für Verber zu gelten.

216 Freie Stämme und Untertbanen.

welches leßtere man faft nur von den Gelehrten hört. Dobäyel heikt zu- gleich „freie Stämme” und „Republik“. Ich hörte es faft immer in diefem Sinn gebrauchen. Es kann aber auch, vermöge der Ermweiterungsfäbigleit aller Eollectivbegriffe eine „Vundesgenoſſenſchaft“ etwa „Eidgenoſſen“ be— deuten. Die Nisba „Dobaili” ift hier nicht üblich. Der einzelne bezeichnet fi) entweder ald „einer von den Dobäyel” oder er erlaubt fih die gram- matifalifche LicenzLund nennt ſich jelbft geradezu „Dobäyel“. Da Dobäyel urfprünglih einfah „Stämme“ heißt, jo könnte man denten, dab das Wort aud auf ſolche Stammeseinheiten angewendet wurde, welche ihre Treiheit eingebüßt haben. Logiſch und lexikaliſch vollfommen richtig. Der Volksmund braucht es aber niemals fo. Oobähel fchließt ſtets den Begriff bon „frei“ und „Eriegeriich” in fi. Unterthanen eines Fürften find nie Dobäyel und bildeten fie auch die reinfte, edelite Stammeseinheit. Man gebraucht in ſolchen Fällen andere Wörter, wie Aſchuͤra (großer Stamm) und Fachida (Heiner Stamm), die nicht nothwendig den Begriff „Freiheit“ in ſich ſchließen.

Die Beduinen in Südarabien find nur ein Bruchtheil der Oobäyel. Einen focialen Unterjchied bezeichnet dies Wort Hier nit. Sie bilden Die ärmeren Stämme der Dobäyel, die durch die Dürftigfeit ihres Bodens zum Nomadenleben gezivungen werden. Sie wandern übrigens ſtets nur auf fehr bejchränttem Raum. Sie find meift roher, wilder, auch oft ſchlechter bewaffnet als die anderen Dobäyel, ſonſt aber diefen volllommen ebenbürtig, ebenjo frei, ebenſo kriegeriſch. |

Die zweite fociale Hauptelafje der Südaraber find die Raye. Dies Wort bedeutet, recht bezeichnend, hier zugleich Gefangener und Unterthan, d. h. aber ftet3 im Sinne despotiſch beberrfchter Unterthanen. Die Raye find alle feßhaft, theils auf dem Lande, theil3 in der Stadt. Die tieffte Stufe nehmen die Stäbdter ein, weil fie der unmittelbaren Ausübung des Des» potismus örtlich näher find. In einigen wenigen Staaten dieſes Gebiet, wie in Laheg und im Amirland find alle Bewohner Raye und der Fürft ift dann ihr Herr. Dieje Rage, namentlich die Landbewohner, ftehen dann nicht fo tief, weil fie bewaffnet find. Der Yürft macht fie zu feinen Sölb- lingen. Auch die Bauern dürfen mit Waffen auf's Feld gehen. Da, wo ber Fürſt nur militärifcher Führer ift, find jedoch die Dobäyel, d. h. bie ganzen Stämme die Herren der Raye.

In diefen Ländern giebt e8 ein zweifaches Rayeverhältniß. Das eine entfteht durch Eroberung ganzer Landſchaften, wo dann alle Bewohner

Bevorzugte Stände und Parind. - 217

Unterthanen des erobernden Stammes werden. Der militärifhe Stamm der Du Mohammed übt feine Herrſchaft durch gemeine Soldaten aus, deren er in jedem Dorf einige, oft nur einen läßt, welcher der abjolute Herr der Bevölkerung if. Kommen Kameraden von ihm, fo theilen fie mit ihm die Herrichaft. Hier ift alfo die Herrichaft der einen Race über die andere, eine Art von Helotenthum.

Anders ift das Rayeverhältniß in Städten mit einer Civilbevölkerung, melde im Gebiet der Dobäyel liegen. Deren Bewohner bilden teine Stammeseinheit, fondern find oft Fremde, Arbeiter, Handwerker, die fi) freiwillig unter den Schub der Dobäyel geftellt haben. Sie werden milder behandelt, als die befiegten, ftehen aber focial womöglich noch tiefer, „da fie eben niemals Krieger gewefen find, auch gar nicht mit Waffen umzugehen wiſſen. Jeder Heine Knabe der Dobäyel fieht fih als den geborenen herrn folder Städter an. ,

Außer diefen zwei jocialen Hauptclaffen giebt e& noch Fleinere fociale Fractionen, die tiefer, al3 die Raye ftehen, d. h. mehr verachtet werden, obwohl fie rechtlich kaum tiefer ftehen können, denn der Raye ift den ODo- bäyel gegenüber ja ſchon rechtlos. Diefe find die Juden und die beiden Paria-faften, Ahdam und Schumr. Bon diefen 3 Claffen war ſchon oben ausführlich die Rede *).

Es giebt aber auch zwei bevorzugte Yractionen, welche in der öffent- lichen Meinung fogar höher ſtehen, ala die Dobäyel, obgleich fie nicht krie⸗ geriich find. Dies find die Scherife, die angeblichen Nachkommen de3 Pro- pheten, und die Mefchaich, die Nachkommen von Heiligen. Bon lebteren giebt e8 ganze Stämme, die zwar unbemwaffnet find, aber doch nicht belä= figt werben. Bon Scherifen giebt es auch ganze Dörfer. Ich fand jedoch, daß die Dobänel von den Meſchaich oft mit Geringſchätzung ſprachen, wäh- tend fie vor den Scherifen ſtets die größte Ehrfurcht an den Tag legten.

Im Ganzen kann man behaupten, daß in wenig Ländern der Erde die jocialen Abftufungen ſchärfer gefchieden find, als in Südarabien. Kommen Südaraber zufammen, fo find ftets die Ehrenpläße ſcharf marfirt. Die allgemeine Eintheilung ift dann ungefähr folgende:

1) Scherif, rein religiöfer hochgeachteter Erbrang ohne Macht.

2) Der Schech oder Sultan, der militärifche Chef der Dobäyel, als Vertreter von deren Machtſtellung.

*) Siehe oben Erfler Theil, Kapitel 20— 21 Seite 173 bis 192.

218 Rangſtufen. Arabiſche Geographen.

3) Die Meſchaich, ein mehr geduldeter religiöfer Erbrang ohne Madıt.

4) Die Dobäyel, die wahren Machthaber.

5) Die bewaffneten Raye, meiſt Bauern. Eriftiren nur in einigen Staaten als Södlinge der Yürften oder der Oobähel.

6) Die unbewaffneten Raye, meift Städter, Handwerker, Kaufleute zc.

7) Die Achdäm, die befjergeftellte Pariakaſte.

8) Die Schumr, die verachtetefte Pariakaſte.

9) Die Juden.

Lebtere drei Glaffen find von den Häufern der Araber ausgeichloffen.

In einzelnen Staaten follen die reicheren Kaufleute eine Mittelftelung zwiſchen der 3. und 4. Rangclafje bilden. Alles dies beruht jedoch auf Duldung der Dobäyel.

Sklaven werden hier jehr wenige gehalten. Wo e& vorlommt, find fie meift bewaffnet und bilden eine Garde des Fürften. Sie nehmen dann den Rang ber bewaffneten Raye an. Zu Paria finten fie nur felten herab.

ZI VBeftätigung meiner Erkundigungen durch arabifche Geograpben.

Bei der großen Maſſe des von mir erfundigten geographiihen Ma— terial3 und dem vielen Neuen, welches dieſes bot, mußten mir natürlich oft Zweifel kommen, ob nicht meine Informanten mich getäufcht Hätten. Cine Controle aus Werken europäifcher Reijenden konnte ich freilich nicht finden, da eben, außer Seeßen (der einen jehr fleinen Theil dieſes Gebiets, das Gobehiland, durchreiſte) Feiner dort gewejen war. Zum Glüd aber fehlte e8 mir nicht an einer Control. Der Güte des Hrn. Prof. Sprenger verdankte ich einige Auszüge aus dem einzigen ausführlihen arabifchen Werk über dieſes Gebiet, nämlich Hamdaͤni's*) „Geziret el Arab“ und zum Ueberfluß fand ich von diefem in Europa nur einmal vorhandenen Dianu- jcript eine zweite Copie in Aden. Nun denn; in diefem vor fafl 1000 Jahren geichriebenen Buche (Hamdäni lebte um 935) fand ich zum großen Theil diefelben Städte, diefelben Wädis unter denjelben Namen an den-

*) Das Manufcript in Europa gehört dem Hrn. Ch. Schefer, das in Aden Kapitän Miles. Beide weichen vielfach in der Bocalifation von einander ab, vocalifiren übri- gens beide oft unrichtig, auch die diacritiihen Punkte find oft in beiden falſch. Dieje Fehler corrigirten mir arabifche Gelehrte.

Aufklärung entitellter Namendangaben. 219

jelben Stellen erwähnt, wo fie mir meine Informanten genannt hatten. Selbſt die Stämme haben in diefer langen Zeit ihre Wohnfige faſt gar nicht verändert. Manche haben andere Namen angenommen, aber die Tra- dition hat doch nebenbei oft auch die alten im Gedächtniß bewahrt. Im beigreibenden Theil, ebenfo im Namentegifter am Schluß, wird bei jedem Ramen, den auch Hamdäni anführt, defien Schreibart beigefügt.

Es ward mir in diefer Beziehung jogar eine merkwürdige Ueberra- ſchung. Bekanntlich Hat Seetzen, auf feiner Reife durch das Cobehiland, dort weder einen Wädi, noch ein Dorf, noch einen Unterftamm notirt. Nach meinen Informanten waren aber im Lande eine Menge namentlich bezeichneter Oertlichkeiten. Sollte dieſer Ueberfluß von Namensbezeich— nungen nicht auf Schwindel beruhen, beſonders da der einzige Europäer, der ſeit Lodovico de Barthema dieſen Küſtenſtrich durchreiſt hatte und noch dazu ein ſonſt ſehr tüchtiger Forſcher, dort gar kein nennenswerthes Ma- terial fand? So klangen meine Zweifel. Aber mit Unrecht, denn wie ich meinen Hamdaͤni aufſchlug, fand ich genau die von meinen Informanten im Cobehiland angegebenen Oertlichkeiten unter genau denſelben Namen. Die Namen im Hamdäni hatten freilich oft Copiften entftellt, aber das Richtige war ſtets leicht zu entdeden, da die Fehler fih nur auf Berftel- lung der diafritifchen Punkte gründeten. So ftand z. B. im Manufeript ein Ort Mohayeg, ein anderer Mahdaha, ein dritter Hegär. Un eben derjelben Stelle aber nannten mir meine Informanten Mohanneq, Meg- daha und Hegäz. Bei allen drei handelte es ſich nur um falfche Punt- tirung, wie jeder Arabift erfennen muß. Aehnlich fteht in beiden Manu- feripten ein W. Berämes, während bier nur ein W. Yerämes bekannt ift. Und fo in unzähligen Beifpielen, die an Ort und Stelle zu cititen.

Ich Tann nicht genug die guten Dienfte rühmen, weldde mir Ham- daͤni's „Geziret el “Arab” leiſtete. Es diente mir nicht allein zur Gontrole des Schon errungenen, fondern gleichfall$ zur Erlangung neuen Materials. Ich fand nämlich darin auch manche Namen von Dertlichkeiten, von denen meine Informanten noch nichts gejagt hatten. In ſolchen Fällen frug ic) fie nach denfelben, hütete mich aber wohl, ihnen die von Hamdäni ange- gebene Lage zu jagen. Diefe Lage mwollte ich von ihnen erfahren. Und fiehe da! faft immer nannten fie mir genau die in der Handjchrift bezeich- nete Lage der Dertlichkeit.

220 Zur Beichreibung Südarabiens.

Nächſt Hamdaͤni kann Ihn el Mohäwer*) hier von Nuben fein. Die Namen find freilich bei ihm noch mehr entftellt. Aber es ift zu bezweifeln, ob er diefe Reifen gemacht hat. Sonft würde er Megpäha**), das öftlich bon Hien Ghoräb Liegt, nicht weftlich davon angeben. Die übrigen arabi— ſchen Geographen und namentlich die vielcitirten Edrifi, Abu ’I Yebä, Yü- qut wiſſen jo gut wie gar nichts über dies Ländergebiet.

XI. Ueber den Inhalt des beſchreibenden Theils.

Der befchreibende Theil behandelt nur die von mir genauer erkun⸗ bigten oder felbft bereiften Länder, aljo das Land öftlih von Hicn Gho- räb bis Bäb el Mandeb und etwa bis 14° oder 15° nördl. Breite. Die Breitenausdehnung (im geographiichen Sinne) varürt. Im Durchſchnitt kann man 2 Grade von der Küfte ins Innere anmehmen. Die Befchrei- bung beginnt am wmeftlichften Ende des erfundigten Gebiet und fchreitet von Welt nad Oft vor, doch fo, daß jedes Mal alle weſtlich gelegenen Länder erft in der Richtung von Süd nad) Nord behandelt werden, ehe zu der öftlichen übergegangen wird. Meine eigenen Reifen habe ich hier mit eingeflodhten, da ja auch fie entweder bisher gar nicht oder nur ungenü- gend beichriebene Gebiete behandeln und biefer ganze Theil des Reiſewerks dem bisher Unbelannten gewidmet if. Die Quelle, ob eigene Beobachtung, ob Anformation, findet an Ort und Stelle jede Mal Erwähnung.

*) Abhandlungen der deutihen M. &. Band III, Pr. 8, Sprenger’3 Por und Weiferouten im Orient. ©. 151. **) A. a. Ort. ©. 145.

Zweites Capitel.

Waͤhidi⸗Laͤnder.

I. Name. II. Geographiſche Lage. II. Das Land der Unteren Wähidi. A. Gränzen. B. Seehäfen. C. Gebirge. D. Wädis. E. ſtlima und Bodenerzeugnife.e F. Bewohner. G. Städte und Ortſchaften. H. Alter⸗ thämer. 1. Große zehnzeilige Inſchrift von Ghorab. Ueberfegung. 2. Zweite Inſchrift. 98. Dritte Inſchrift. I. Politiſches. IV. Das Land der Oberen Wähidi. A. Grenzen. B. Gebirge. C. Wädis. D. Klima und Boden- erzeugnifie. E. Bewohner. F. Städte und Ortiaften. Preile der Lebens⸗ mittel in Habbän. G. Alterthümer. Inſchrift von Nagb el Hagr. Ueber: fegung. H. Politiſches. I. Sociale Zuflände der Waͤhidi.

J. Name.

Der Name Wähidi iſt urſprünglich nicht der eines Stammes. Man kann auch jetzt kaum von Wähidi-Tribus reden, wie Wellfted *) gethan hat. Wrede hat ſchon auf diefen Irrthum aufmerkſam gemacht *). Dennoch geht Wrede zu weit, wenn er ihn ausſchließlich auf die Dynaſtie ange⸗ wendet willen will. Der Name ift freilich urjprünglih nur dynaſtiſch,

*) Bei Ritter, Erdkunde XII, ©. 624.

») Wrede's Reife in Hadhramaut, ©. 161. Hier jagt auh Wrede, Wellfted führe einen Stamm Beni Ghoräb an. Dies wäre allerdings eine komiſche Ober⸗ flädhlichfeit, denn Ghoräb ift nur der Name eines Schlofies, und nad einem ſolchen wird fi wohl faum ein Stamm, am wenigften mit Beni davor, nennen.

222 Die beiden MWähidi-Staaten.

ähnlich wie die Bezeichnungen vieler anderer Völkergruppen, mie Aulaqi, Fodli, Rezäz, Amir, Abdeli u. |. w. Alles dies find Namen von Dyna- ftien, die oft mit dem Volke, daS fie beherrfchen, gar nicht ftammesverwandt find, aber fie find einmal gang und gebe geworden, um damit eine Ge— ſammtheit Hleinerer, oft genealogijch keineswegs zufammengehöriger Stämme zu bezeichnen, deren Herrichergejchleht jenen Namen führt *).

II. Geographiſche Lage.

Die MWahidi- Länder bilden mehr zmei Gruppen, als ein homogene: Ganze, das nur dur Grenzen in zwei getheilt wäre. Sie grenzen nur nominell aneinander, denn zwiſchen beiden wohnt ein heil des unruhigen Diebi-Stammes, über den die Sultane wohl die Autorität beanfpruchen, aber nicht ausüben.

1) Die Gruppe der Unteren Wähidi mohnt am Meer vom 480 bis 48080’ **) öſtl. 2. v. Gr., unter 14° nördl, Br. Dies Gebiet reiht nörd⸗ id von der Hauptftabt faum zwei Stunden ins Innere. Dann kommen ſchon unabhängige Stämme. Am unten Lauf des Wädi Mefat find zwar die Dörfer dem Sultan unterworfen, da8 Land aber ift frei.

2) Die Gruppe der Oberen Wähidi***, Von 47° bis 47 240 öſtl. 2. v. Gr. und von 14020’ bis 14058’ nördl. Br.

) Dies ift nicht bei allen füdarabifhen Vöolkergruppen der Fall, fondern nur bei joldden, die in Staaten, meift neuerer Entftehung, vereinigt find, melde der ur⸗ alten Stammeszufammengehörigteit nicht mehr entipredhen. Völker, wie die Yafri, Audeli, 'Aqrabi, Eobehi, Haufchebt, Hakmi, Yazidi, haben ihre alten Namen behalten. Ihre Herrſcher find au uralt angeflammt.

+) Ich muß darauf aufmerkſam maden, daß alle diefe Gradbeſtimmungen unge: fähr find. Die Erlundigungen gaben keine abjoluten Angaben.

***) Munzinger und Miles haben durch genaue Wegmefjungen bewiejen, daß Wellſted Nagb el Hagr viel zu weit von der Küfte und viel zu nördlich angefegt hatte. Daher der Irrthum unjerer bisherigen Karten (Kiepert, Wrede), wonach Habbän und das ganze obere Waͤhidi⸗Land zu weit nörbli und aud zu jehr dſtlich angegeben wurden. Wrede fagt nämlich nichts davon, dab das Wähibi-Land fich fo weit nach Weiten erftrede, wie e8 nah Munzinger der Fall ift, und daß Habbaͤn jelbft ganz im Weiten liegt.

Das Rand der Unteren Waͤhidi. 223 IT. Das Land der Unteren WBapibi.

A. Grenzen.

Im Süden da3 Meer, im Weſten und Nordweſten die Diebi, im Rorden und Often das Bilad el Hagr (unabhängige Qobäyel).

B. Seehäfen.

Eine einzige Bai von etwa zehn Seemeilen Länge und zwei Breite mit zwei Ankerplätzen, Bir Ali, nur im Sommer, und Megdäha, nur im Winter fiher. Sie bilden zufammen einen fogenannten Monfunhafen, d. h. die Schiffe müflen je nad) dem Winde den Ankerplatz wechleln und ih in den Schuß, bald des öftlichen, bald des weſtlichen Vorgebirgs be- geben. Gefährlich find die plößlihen Umfchläge des Windes, jedoch mehr für große Schiffe mit ſchweren Ankern. Die arabifhen Saya’s können ichnell Anker Lichten und die Stelle wechſeln. Bir Ali befibt eine etwas tiefere Bucht, die aber doch beim Wintermonfun nicht ficher genug ift.

C. Gebirge.

Diefer Heine Küftenftant hat keine namhaften Berge, fondern nur größere vulcanische Yellen und Felsgruppen, wie den Fels, auf welchem Hien Ghoraͤb liegt. Sie find ifolirt und ftehen mit den Bergen des In— nern nicht im Zufammenhang. Der GebelHamrä, weitlih vom W. Mef at, liegt Schon außerhalb dieſes Gebiets.

D. Wadis,

Außer dem Waͤdi Mefat, der aber ſchon an der Grenze ganz im Weſten Tiegt, ift hier kein Fluß. Auch diefer weſtliche Waͤdi ift nicht perennirend, doch gelingt e8, durch Aufftauungen das Waſſer einen großen Theil des Jahres feftzuhalten. Er reicht in feinem oberen Theil ins Ge- biet der tropischen Sommerregen, gehört alfo zu den befruchtenden Waͤdis. Der andere Wädi Mefat*), im Often, liegt ſchon außerhalb der Grenzen

*) Ich babe nicht ergründen können, ob es wirklich richtig ift, daß dieſe beiden Waͤdis, die ſich jo nahe liegen, aber jo grundverſchieden find, denjelben Namen füh— ten, wie Wrede jagt, und wie au im Damüß ftehen fol. (ch fand die Stelle nicht.) Der öftlicde heißt Übrigens auch nad Wrede nur in feinem Tieflauf fo, im Oberlauf heißt er W. Hagr. Miles jagte mir, man jchreibe den Namen jetzt nicht mehr mit “Win, diefer Buchflabe jei auch in der Ausſprache gar nicht zu entdecken. Alſo bloß Mefat, nicht Mefat oder Maifa’a, wie er früher jedenfalls hieß.

224 Das Land der Unteren Wähivi.

diefes kleinen Staates, aber nicht meit davon. Er joll das ganze Jahr Wafler haben. Wrede hält ihn für den Prion des Ptolemäos. Ich glaube mit Recht.

In diefem Gebiet befindet fih auch ein Binnenjee*), unweit ber Küfte, aber durch vulcaniſche Felſen von ihr getrennt. Er ift von Man= grove-Waldungen umgeben und fol ſehr tief fein.

E. Klima und Bodenerzeugnifje.

Das Klima ift ganz dafjelbe, wie da3 von Aden. Das Land ift un- fruchtbar, da es eben ein Küſtenland und als foldhes nicht die allein hier Fruchtbarkeit ſpendenden Sommerregen hat. Steppengewädhje, Dom- palmen, wenig Datteln. Eine Ausnahme bildet das Thal von Mef'at, welche aber nur indirect hierher gerechnet werden Tann. Der W. Hagr im Innern gegen Norboften, aber außerhalb dieſes Gebiets, ift reih an Datteln.

F. Bewohner.

Die Diebi, der mächtigfte Stamm diejer Gegend, find dem Sultan nicht unterworfen. Ihr Hauptftod bat zwar jein unabhängiges Land, weſt⸗ ih vom weftlichen Wädi Mefat, aber fie überfluthen ftets das Wähibi- Gebiet. Außer ihnen wohnen in der Gegend von Megdäha noch die Ba Dobez und Bi Dibian, doch auch fie find dem Sultan kaum unteriworfen.

Diefe Stämme kann man nicht Wähidi nennen. Diejer Name ge= bührt Hier nur der directen Unterthanenschaft des Sultan, d. h. den Städ- tern und Dorfbermohnern.

G. Städte und Ortſchaften.

Bir Ali und Megdäha, beides Hauptftäbte und zugleich die einzi— gen Städte des Sultanats, das erftere im Welten, da8 andere im Oſten der Bai gelegen und etwa zehn Seemeilen von einander entfernt. Der

*) Es ift mir nicht recht Har, wo diefer See liegt. Haines (bei Ritter XII, 622) beſchreibt ihn ſchon, giebt ihm aber die Lage bei Hisn Ghoraͤb, während meine An- formanten ihn in die Nähe von Megdäha verjegten. Einer diefer Informanten war ein Engländer, Dr. Millingen, Arzt in türfifchen Dienften, der mit der türkiſchen Milfion 1870 Megdaha beſuchte und den See dort in der Nähe geſehen haben wollte. Auch Hatten Munzinger und Miles, die in Hisn Ghoräb waren, dort gar nichts von einem See in der Nähe gehört. Ob es nicht vielleicht zwei Seen giebt?

Alterthümer in Hirn Ghoräb. 225

Umftand, dag Bir Ali im Sommer, Megdaha im Winter der fichere Hafen it, hat auf das ganze Dafein det Bevölkerung eingewirkt und beide Stäbte, trog ihrer örtlichen Entfernung, eigentlich zu einer einzigen gemadt. Denn der größte Theil der Bewohner, ebenjo der Sultan und die Regierung, leben im Sommer in Bir Ali, im Winter in Megdaha. In der ihm un- günſtigen Jahreszeit ift jedesmal das eine Hafenjtädtchen verlaſſen. Ein- wohnerzahl beider Städte zuſammen: höchſtens 400, Frequenz des Hafens: monatlich etwa drei Saya’3 (Schiffe von 20 bis 100 Tonnen mit latei- niſchen Segeln). Außerdem befigt der Sultan eine Saya. Einziger Er: portartikel: Datteln aus dem Wädi Hagr, meift für Rechnung des Sultan, der felbft Handel treibt.

Die Ortſchaften im W. Mẽf at erwähnt Wrede. (a. a. O. ©. 159 u. f.)

H. Wlterthümer.

Bei Bir Ali auf einem Felſen altes himyariſches Schloß, Hien GHoräb*) (gewöhnlich „Rabenſchloß“ überfegt, richtiger „das ſchwarze Schloß“, denn Ghoräb heißt im Dialect „ſchwarz“), wahrſcheinlich das alte „Cane emporium“, größter Hafen zur Zeit des himyarifchen Reich. Hier finden ſich ‚vier him. Inſchriften, die große zehnzeilige und drei Hleinere, deren eine deutlich den Namen „Cane“ nennt. Die große zehnzeilige In— Ihrift fleht auf einem Felsſtück ganz dicht am Boden und ift ziemlich ſchwer zu finden. Dr. Millingen, der kurz vor Munzinger bafelbft war, konnte fie gar nicht entdeden. Munzinger und Miles haben 1870 die erften guten Copieen der vier Injchriften gemacht, die älteren von Hulton und Smith waren fehlerhaft. **) Sie find bis jegt (Anfang 1873) noch nicht veröffentlicht ***). Ich Habe jomohl Miles’, als Munzinger’s Copieen verglichen und danach überſetze ich.

*) he Mogämer (Sprenger’s Poft: und Neiferouten S. 145) giebt die Küften: orte von Oſt nad Welt an, nennt aber fehlerhafter Weile Hien el Ghoräb vor

Megdaha. Er nennt erfleres das Schloß des Juden Samuel ben Adiya !

*e) Aber doch noch lange nicht jo reih an Fehlern, wie die Wellfted’ ſche Eopie der Inſchrift von Nagb el Hagı. Profeſſor diger hat die Leßsart von Hulton und Smith in feiner Ausgabe von Wellfted’s Reifen wiedergegeben und danach über: jet. (Rödiger in Wellſted's Reife Theil II, S. 355, 359.) Diefe Ueberfegung bat Ritter abgedrudt (Erdkunde XII, S. 319).

+) Sie wurden der Deutichen Morgen!. Geſellſchaft mitgetheilt und dürften im Zaufe des Jahres 1873 ericheinen, d. h. im verfpäteten Jahrgang der Zeitjchrift für 1872. v. Malkan, Melle nah Südarabien. 15

226 Große Infchrift von Hin Ghoraͤb.

Erſte große zehnzeilige Inſchrift:

Zeile 1. Samila und Aſchwa und feine Söhne Sarahbel Aikmol und Ma dikarib Ja kor, Sohn der Belhayat.

Zeile 2. Die Göttin begnadige Kolan und Di Yatan und Laden und Sargan und Hab und Yat on

Zeile 3. und Yeſchar und Yarz und Makrab und "Aghat und Be- zänan und Yalaled und Ghaiman und Yasb

Zeile 4. und Labh und Gadäyan und Kazzan und Rachit und Zardan und Dablan und Scharlay und die Söhne des Mal,

Zeile 5. ſowie ihre Stämme und Hacat und Alhan und Selfan und Dayfatan und Riah und Rokban und Motlefan

Zeile 6. und Sällan und Zograt und die Steppen, wie die Weide: pläbe der Schaiban. Dieſe ganze Reihe (von Männern) ſchrieb ſich auf diefer Tafel ein

Zeile 7. Zum Andenten an ihren Sieg und die glüdliche Rückkehr zu ihrer Heimath (eigentlih zu ihren Gärten), ihre Heimkehr und ihre Wanderung,

Zeile 8. weil fie von ihr (der Gottheit) Hülfe erhielten, als fie zogen ind Sand Habeſch und machten die Habeſchi zu Sklaven

Zeile 9. im Lande der Himyaren, als im Kampf überfielen Himy- ar's König und feine Yürften die Schwarzen *).

Zeile 10. Und die Zeit (dad Datum) war der Sommermond dei Jahres 642.

Offenbar handelt es ſich hier um einen Feldzug der bei „Cane“ wohnenden Himyaren nach Abeſſinien, worunter wir jedoch nicht einjeitig das heutige Habeſch, jondern auch die Somali-Länder zu verftehen haben, die im Altertfum mit in Habejch inbegriffen waren. Der Golf von Aden vermittelt noch heute vielfache Verbindungen zwifchen diefer Hüfte und dem SomälisLande.

*) d. 5. die Abeſſinier. Wörtlih fleht zwar „die Rothen“ (Ahmarän) aber als „roth* wird noch heute und wurde ſtets die Hautfarbe der Abeifinier bezeichnet, weil fie eben nicht ganz ſchwarz, fondern dunfelbraun mit röthlichem Reflex if.

Regierung der Unteren Waͤhidi. 927 Zweite Inſchrift (vier ganz kurze Zeilen) : Martdad, Sohn des Aus, ſchrieb feinen Namen ein (folßen unDdeutliche Zeichen, wahrſcheinlich Jahreszahl). Dritte Inſchrift (21/5 Zeilen) : Zeile 1. Said Abrad, Sohn des Malfchan, am Berge,

Zeile 2. der beim Aufiteig von Cane liegt, ſchrieb ſich ein Zeile 3. zum Gedächtniß des Sieges.

Die vierte Infchrift enthält nur zwei Namen. Man fieht, es Handelt fi Hier um Einschreibung von Eigennamen an einem wahrſcheinlich ge- beiligten Orte, ähnlich wie die Inschriften am Sinai und in Abu-Simbel, und wie fie noch heute bei Orientalen Sitte find. So fieht man z. 2. im der Gema Zulim in Cairo die ganze Wand mit Heinen arabifchen In- ſchriften bededt, welche nichts weiter ausfagen, als „N. N. Sohn des N. N. verrichtete hier feine Andacht.“

. I. Politiſches.

Sultan Hädi, b. Abd Allah, el Wähidi, Beherrfcher der Unteren Wahidi, Better des Sultans der Oberen Wahidi, in deffen Lande er übri- gend auch eine gewifle officielle Stellung, etwa die eines Prinzen von Ge— blät hat. Dieſe fommt natürlich nur dann zur Geltung, wenn er fi in Habbän oder Höta befindet, wo er ein Haus beſitzt. Er findet fich aber nur fehr jelten dort ein, mohl nur bei Thronmwechjeln, um mit der zahl- reihen Sippſchaft die Nachfolge zu berathen. Er ift jehr arm und macht⸗ 108. Sein einziges Einkommen bildet die Exrportgebühr (für Datteln) und der von ihm felbft betriebene Handel.

So unbedeutend feine Herrſchaft, jo übt er doch die Befugniſſe der böchften Souveränität, indem er auch das Kanzelgebet auf feinen Namen jagen läßt, wie ein vollfommener „Beherrfcher der Gläubigen.” Er und alfe Unterthanen find übrigens Schäfei. Zaidi im Lande gänzlich) unbe- kannt.

Im Jahre 1870 war Sultan Hädi nahe daran, ſeine Häfen (Bir "Ai und Megdaha) an die Türken abzutreten. Es fand ſich nämlich eine türfifche Expedition ein, welche angeblih Ouarantäne-Anftalten errich— ten follte und ihr Auge auf Bir Mi geworfen hatte. Sie beſaß Em-

pfehlungen des Großſcherifs von Mekka, die von den unabhängigen Araber- 15*

228 Das Land der Oberen Waͤhidi.

fürften (d. 5. nur von Sumniten) ſtets jehr Hochgehalten werden. Dem Sultan Hädi® wurde gejchmeichelt, ihm große Gefchenke, Orden u. f. m. berfprochen, wenn er feine Häfen zur türkiſchen Quarantäneftation hergeben molle. Seine Souveränetät, jo hieß es, jolle unangetaftet bleiben. Leb- tere8 war natürlich eine leere Floskel, denn, waren einmal türkische Truppen hier, fo war's vorbei mit Sultan Haͤdi's Macht. Der bethörte Mann hatte ſich wirklich beſchwatzen laſſen. Zum Glüd für ihn konnten die Engländer bieje türkiſche Machtermeiterung nicht dulden. Sie madten ihm no zur rechten Zeit Vorftellungen, und jo wurde er von diefem Schritt abgebradht, der ihm vielleicht den Nifchan eingetragen, ficher aber fein Sultanat geraubt hätte. Er ſoll übrigens jebt die geiftliche Autorität des Großſultans aner- fannt haben.

IV. Das Land der Oberen Wapibt. A. Grenzen*).

Durchaus Binnenland, grenzt im Süden und Südoften an die Diebi, im Südweſten an die Unteren, im Weften an die Mittleren und im Norb- weiten und Norden an die Oberen Aulaqi, im Often an freie Stammes- gebiete, die BA No män und das Biläd el Hagr.

B. Gebirge.

Im unteren Theil des Landes, und zwar nur in der öftlichen Hälfte, lange Reihen dachförmiger Kalffteinhügel oder Tafelberge, morunter ber Gebel Dolo, eine Gruppe von zmeiundzwanzig foldher Berge, von Miles „twenty two brothers“ (zweiundzwanzig Brüder) benannt. Gebel Dolo liegt öftlih von Nagb el Hagr und Höta. Richtung Süboft nad) Nord- welt.

Der meitlihe Theil des Landes ift hochgebirgig und reiht fich dem Syftem des Sarm Madhig an. Im Süden der Hauptitadt Habbän, die auf einem 8000 hohen Plateau liegt, Gebel Kaur (nicht der große G. Kor) und im Südoften Gebel Ghait Nimr, d. h. der Bantherberg, nach den hier maflenhaft haufenden und ſehr gefährlichen PBanthern benannt. Im Norden von Habbän Höhere Gebirgstette, auf 6000’ gejchäßt, worunter ber Gebel zul, höchſte Spike. Richtung Südweſt nad Nordoſt.

*) Geographiſche Lage nach Graden ſchon oben (zweites Gap. II, 2 Seite 222) angegeben.

Das Land der Oberen Wähidi. 229

C. Waͤdis.

Im Süden der Waflerfcheide, welche die Berge nördli von Habbän bilden, und dem arabiſchen Meer zufließend, der Wädi Mefat. Er kommt aus der Gegend ſüdlich von Habbän, fließt öftlich bi Röda, mo er den von Norden kommenden W. Salmän aufnimmt, dann ſüdöſtlich an Höta vorbei nad) Nagb el Hagr, too er fich mit dem Heinen W. "Ecan vereinigt und dann Südlich ind Meer.

Nördlich von der MWaflerfcheide und dem Gebel TA der W. Gerdän fließt norböftli gegen Hadramaut zu, das er aber nicht erreichen, fondern fich vorher im Sande verlieren fol.

D. Klima und Bodenerzeugniffe.

Der ſüdöſtliche heil biefes Gebiets, um Nagb el Hagr und Höta gehört klimatiſch noch dem Küſtenlande an. Hier ift alles, mas nicht durch den W. Mef at und feine Seitenflüßhen bewäſſert wird, Wüfte Die fehr engen, bon jähen Kalkfteinfeljen umgebenen Ylußthäler tragen meift Dattel- palmen (in großer Menge, Qualität mittelmäßig) und Gerealien.

Der mehr binnenländifche gebirgige Theil des Heinen Staats ift frucht- bar, weil er die tropiihen Sommerregen hat. Producte: Durra, Dochn, Weizen, Tabad, Indigo, Baummolle, wenig Datteln. Guter Viehftand: Ziegen, Schafe, Kameele, Hornvieh in geringer Zahl, aber doch viel mebr, al3 im Tiefland, wo e3 faft ganz fehlt. Biel Butterbereitung.

E. Bemohner.

Um Nagb el Hagt, Ccän und bis nad) Höta hinauf nomadifiren nod) Diedi. Oeſtlich von Höta die Bi No'män. Die anderen Stämme ſollen urſprünglich Madhig ſein, werden aber jetzt unter dem gemeinſchaftlichen Namen Waͤhidi begriffen. Außer den Städtern, Juden und Parias ſind alle Bewohner Oobaͤhel (freie Stämme). Die Pariakaſte heißt hier Ahl Hayek (Webervolk) und wohnt in eigenen Städten und Dörfern, in denen es fonft feine Araber giebt.

230 Hauptſtadt der Oberen Waͤhidi. F. Städte und Ortfchaften.

Habbän, Hauptftadt, nah Miles*) mit etwal 4000 Einwohnern, liegt in weiter, hügelig gewellter Hochebene mit Gebirgen im Süden und Norden. Sechs Mofcheen. Seine Stadtmauern. Zwei große Wacht- thürme an beiden Enden der Stadt, jeder mit fünf Mann Garniſon. Jedes Haus ift Feſtung- Thurm- und Citadellenartig, oft fünfftödig, im unteren Theil ohne Yenfter, welche erſt in der Höhe von zehn bis zwölf Fuß vom Boden beginnen. Jedes Stockwerk hat feinen befonderen Namen: Barterre Süd, erfter Stod Bet, zweiter Stod Fadli, dritter Stod Ginna‘, vierter Stod Mechaddem, fünfter Stod und Dachterraſſe Rem. Auf dem Rem Zinnen und Schießſcharten. Der zweite Stod, Yadli, ift in vornehmen Häufern Empfangeort. Der Harem in die höchſten Stockwerke verbannt. In Habbän leben viele Juden, die ein eigenes Viertel beivohnen, auf taufend Seelen geſchätzt. Nahe bei Habbän, in einem Yelsthal, find eine Menge hebräifcher Anschriften, alle nur Namen enthaltend, wie „Möſchech, Sohn des Izchak“ u. ſ. w., vielleicht Andenken an einen ehemals bier gelegenen Friedhof.

Preiſe der Lebensmittel in Habbän,

Für einen Maria-Therefien-Thaler kauft man nad) Miles in Habbän: 10 Hühner, 31%, Kela Weizen, 4 Kela Durra, 10 Sir Butter, 16 Sir Kaffee. Der Sir ift ein nad ſchwerer Silbermünze bemeſſenes Gemicht**). In Habbän miegt er nur dreizehn Maria-Therefien-Thaler, während der Adener Sir gleich ſechzehn Maria-Therefien-Thaler iſt. Vieh ift felten und theuer.

Höta, zweite Hauptftadt und Si der meiften Mitglieder der fürftli- hen Yamilie, am Bereinigungspunft zweier engen Thäler, am Fuße ter- raſſenförmiger Kalkſteinfelſen auf beichränttem Raum gelegen. Miles giebt ihm 6000 Einwohner. Seine Mauern. Aber alle Häufer Weltungen, date unter ein Schloß Sultan Hädi's von Bir “Ali.

*) Ich theile nur ſolche Notizen aus Miles’ Tagebuch mit, welche er nicht der: Öffentliht bat. Nur diejenigen Notizen, bei welchen europäilhe Gewährsmänner ausdrüdlich genannt find, ftammen von folden. Die anderen von Arabern. Das Meifte über das Wähidiland ftammt aus den Berichten von Arabern aus Hadramaut.

**) Man vergleiche das oben (Erfter Theil, Vierzehntes Capitel, Handel von Maſſauwa Gewichte, Seite 119) über das oſtafrikaniſche Rotl Gejagte.

Städte, Alterthümer der Oberen Waͤhidi. 231

Gerdan, am Wädi gleichen Namens, zwei Tagereiſen norböfllih von Habbän. Soll eine große Stadt fein. Bon hier aus Berbindungen mit dem eigentlichen Hadramaut über W. "Amd und Haura.

Roͤda, Stadt am W. Salmän zwiſchen Habbän und Höfe, ganz bon Ahl Hahet (Pariakaſte) bewohnt. Außer ihnen find hier nur noch 5 Me⸗ ſchaichfamilien (Nachkommen von Heiligen).

Amagin fol eine große Stadt im Norden des Landes in der Gegend von Gerbän fein. Nur Araber mußten etwas von ihr.

Redeha | Heine Dörfer zwiſchen Roda und Habbän in fruchtbarer

Lahi Gegend.

Londra, kleines Städtchen im Nordweſten von Habbän in gebirgiger Gegend (nah Munzinger und Miles).

“Scan, Ortfhaft im gleichnamigen Wädi bei Nagb el Hagı.

G. Alterthümer.

Raab el Hagr am W. Mefiat, altes himyariſches Caftell, von großen, ſehr foliden und kunſtreich bearbeiteten Werkfteinen gebaut. Auf einer der höchften Stellen der Schlopmauer befindet ſich die berühmte In⸗ ſchrift, mit ſchuhlangen Buchftaben*) gefchrieben, die Wellfted**) zuerft, aber faft unleferlih copirte.e Miles erzählte mir etwas Bemerkenswerthes in Bezug auf die Inſchrift. Er fand nämlich in der Nähe des Schloſſes mehrere zerftreut liegende, große Werkfleine, auf welchen einzelne Wort- folgen oder ganze Wörterreihen, die fih auch in der Hauptinfchrift finden und genau von demfelben Maß und berfelben Form, eingegraben waren, nur daß der lebte Buchſtabe jedes Mal entweder ganz falſch war oder doch einen Sculpturfehler enthielt. Er ſchloß deshalb mit Recht, daß dies verunglüdte Inſchriftverſuche ***) fein. Man fcheint aljo die Steine erſt

Die Sculptur ift nah Miles viel tanftvolier, als die der Inſchrift von Hien Ghoraͤb. w) Wellſted ſoll kurzfichtig geweſen fein, wie mir Capitän Miles ſagte, und, da die Inſchrift fehr Hoch vom Erdboden ift, fo erflärt dies wohl die großen Mängel feiner Gopie.

**) Achnliches findet ih auch in Bezug auf himyariſche Bronzeinſchriften. So erhielt Paſtor Kirk in Aden jüngft 2 Bronzetafeln, deren eine genau die 2 erften Zeilen der andern Szeiligen wiedergab und jonft blant war. Aber der legte Buch⸗ Habe war fallt. Man hatte die Inſchrift deshalb nicht ausgeſchrieben, aber doch forgfältig auch das fehlerhafte Fragment verwahrt.

232 Inſchrift von Nagb el Hagı.

beiärieben zu haben, ehe man fie dem Bau einfügte. Merkwürdig iſt, daß diefe Steine bier in nächfter Nähe des Schloffes, wo fie faft den Weg berjperren, jo viele Jahrhunderte jo ganz unverjehrt liegen blieben. Ach fann mir das nur duch einen Aberglauben erklären, der allen Ge- Ihriebenen eine geheimnißvolle Bedeutung beilegt. Talismanel Diefer Glaube lebt noch heute in Arabien.

Miles und Munzinger haben mir beide recht ſchöne und deutliche Eopieen dieſer Inſchrift gegeben, die gleichfalls (mie jene von Hien Ghoräb) noch ihrer Beröffentlihung entgegen ſehen. Wellfted’s Gopie war ſo grundfalſch, daß keine danach gemachte Ueberſetzung einen Begriff vom In⸗ halt giebt. Ich wage mich nach Miles Copie an folgende.

Inſchrift von Naqb el Hagr.

Zeile 1. Ibſal, Sohn des Schagb, hat errichtet die Baute im Waͤdit) Mefat und einmeißeln laffen die Steine; als ein mächtige Werk, eine heilige Schutzwehr, hat er diefe Baute, dieſes Haus Hingeftellt.

Zeile 2. Und er hat eingetheilt (d. b. in Bewäſſerungsdiſtricte) dieſen MWädi von feinen fruchtbaren Pflanzungen bis zu den fpärlicheren, und hat ernannt zum Statthalter des Wäbi (feinen Sohn Tadgaydi ).

Die Beziehung auf den W. Mäf' at, die übrigens auch ſchon Rö— diger erkannt Hat, ift jedenfall® unzweifelhaft, was auch fonft in der Ueberfegung gefehlt fein mag. Wie wir in der 3. Infchrift von Hien Ghoräb das Wort „Cane“, fo finden wir auch hier nach abertaujend Jah: ren den alten Namen der Localität, der in diefem alle auch der Heutige ift. Dies ift gewiß werthvoll.

H. politiſches.

Sultan Ahmed, ben Hädi, el Wähidi, Yürft des Oberen MWäbhidi, übt zwar officiell die höchfte Madit aus, iftaber in Wirklichkeit ein ſehr ohnmäch⸗

——

*) Das Wort Ganäg eniſpricht in ſeiner Bedeutung „Bärten” etwa dein, was man heut zu Tage mit einem Bewäfferung ſpendenden Wädi ausbrüdt, welches Wort ja nit „Fluß“ allein, ſondern „Flußthal”, namentlih ein fruchtbares jagen will. (3 ift das, was die Spanier „huerta“ nennen im Gegenfaß zu „campo“. Ha⸗ Levy überfegt wie ich Höre, dieſes Wort „Gaftell” und hält es für identiſch mit „Dal’a”, jedenfalls jehr einladend, denn wo ich noch dies Wort fand, paßt immer Halevy's Bedeutung, doch weiß ich nicht wie dies ſprachlich zu rechtfertigen.

Der Sultan der Oberen Waͤhidi. 233

tiger und dabei faft bettelarmer Häuptling. Die Dobäyel (freien Stämme), welche den bei Weiten größten Theil der Bevölkerung ausmachen, erkennen in ihm nur für den Kriegsfall ihr militärifches Oberhaupt, vor dem fie übrigens fehr wenig Reſpect haben, denn er ift ja nicht felbft aus den Dobägel hervorgegangen, fondern ein Yürft mehr nach bürgerlich-ftaatlichen Begriffen, was die Dobäyel immer gering ſchätzen. Nebenbei ift er ein Städter und als ſolchen trifft ihn doppelt die Beratung der Oobähel. Er kann fie weder richten, noch befteuern. Er muß fie vielmehr noch durch Geichente fübern, damit fie ihn menigftens in den Städten herrfchen Iaffen. Sein ganzes Einkommen geht fo auf. Bon den Raye (ſtädtiſchen Unter- thanen), den Juden und Ahl Haͤyek (diefe Pariakaſte ift hier ausnahms— weite befteuert) erhebt er zwar !/, Maria«Therefia-Thaler für jedes Ka⸗ meel, 1/; für jede Kuh, Y/ıs für jeden Ejel jährlich, außerdem von den Juden ein Kopfgeld, ſowie deren Branntweinfteuer, ferner noch die Marft- gebühren, die auf 500 Maria⸗-Thereſia-Thaler jährlih geſchätzt werden, aber auch die Geld muß er noch mit der Megles theilen, einer Notablen- Verſammlung, aus den Scerifen, den zahlreichen Prinzen und den Häupt- fingen der Oobäpel beftehend, ohne deren Einmiſchung und Billigung er jelbft über feine Raye (Unterthanen) nicht die Herrichaft ausüben Tann. Bon feiner Armuth erhielt Miles einen draftiichen Beleg, indem er zu⸗ ſah, wie der Sultan felbit am Brunnen Waſſer ſchöpfte, weil er feinen männlichen Dienfiboten hatte. Ms Munzinger und Miles in Hab- bän waren (Juli 1870), mußten fie ihm wiederholt Trinkgelder geben, weil er fie fonft nicht bemirthen konnte. Der Sultan bettelte Übrigens nicht geradezu, wie manche andere Heine Sultane. Auch behandelte er fie gut und ſchützte fie gegen den Yanatismus der Städter. Sie Hatten nicht genug Geld bei fih, um ihn fo zu belohnen, wie fie e8 gemünjcht hätten, und Iuden ihn deshalb ein, nach Aden zu kommen, um fich den Reſt zu holen. Dies that er wirkfich, machte zu Fuß die für fein Alter doch be— ſchwerliche Reife, um 50 Maria-Therefia-Thaler in Empfang zu nehmen, wenig nad) unferen Begriffen, aber für ihn ein Capital!

Trotz diefer factiſchen Machtloſigkeit des Sultans, wird dod die Fic- tion, als ſei er „Beherrfcher der Gläubigen“, aufrecht erhalten, wie das Sanzelgebet, diejes Symbol der höchften politiſchen wie religiöjen Autorität, zeigt, welches hier auf den Namen von Sultan Ahmed gehalten wird.

234 Gefellichaftlihe Ranaftufen.

J. Sociale Eintheilungen der Wähibdi.

Wie überall in Südarabien, fo find auch hier die Rangftufen der verſchiedenen focialen Claſſen ſcharf geſchieden. Der Sultan fteht nicht auf der höchften, ſondern die Scherife oder Siid (beides hier ganz gleichbedeu⸗ tend*), Nachkommen de3 Propheten). Er muß vor einem Scherif auf- ftehen und fein Geficht mit defien Händen in Berührung bringen, nicht zum Kuß, der bei Scherifen nicht nöthig, fondern zu dem abergläubifchen „Beriechen ber Hände“, weil diefe einen „Geruch **) der Heiligleit” aus⸗ duften. Die Scherife haben auch überall den Ehrenplak vor dem Sultan. Folgendes find die Rangftufen, mobei man fi immer vergegenmwärtigen muß, daß es fich bier nie um „perſönlichen“ Rang Handelt. Ein folcher kann nur die erfte Stellung innerhalb ber eigenen Claſſe geben, aber nie über eine höhere Claſſe emporbeben:

1) Scherife oder Siid.

2) Der Sultan und die Prinzen.

3) Meſchaich***) (Nachkommen von Heiligen).

4) Die vornehmeren Kaufleute.

5) Die Dobäyel, mozu hier auch alle Soldaten gehören.

6) Die Städter und Aderbau treibenden Landleute, hier Towen ge— nannt (dafjelbe was in Aegypten Tyellah heißt).

7) Die Ahl Häyek (Pariakaſte; die andere Pariakaſte, die Schumr, eriftiren bier nicht). Sie dürfen in Moſcheen, nicht aber in die Häuſer der anderen Araber kommen.

8) Die Juden.

*) Jene Bemerlung Wrede's, daß man einen Unterſchied zwiſchen Scherif und Siid made, daß erfteres die Radlommen Haſan's, letzteres die Hoſains bezeichne: fand ich nicht beſtätigt. Wrede nennt auch einmal einen Scherif „Habib“ und hält dies für einen Eigennamen. „Habib“ (Freund) ift aber Titel und ganz gleichbedeu⸗ tend mit Scherif und Siid.

“*) Auch von Wrede in Chorebe erwähnt. Wrede’ 5 Reife in Habhramaut, Note 90, Seite 233. j

“er, Auch Deraͤwiſch (Derwiſch) genannt. Es ift genau das, was man beutzu- tage in Nordafrika Morabitin (Marabut) nennt. Der Urſprung iſt freilich ein anderer, denn legtere find die Nachkommen der erften Verbreiter und Kämpfer des Islam in Gränzländern.

Drittes Gapitel.

A

Diebiland.

l. Rame. II. Geographiſche Lage. III. Grenzen. IV. Seehafen. V. Ge—

bitge. VI. Wädis. VII. Klima und Bodenerzeugniſſe. VIII. Stämme

Wrede's Angaben über die Stämme. Die fieben eigentlichen Diebiftämme

IX. Oriſchaften. X. Politiſches. XI. Sprachliche Eigenthuümlichkeiten. XII. Abftammung.

I Mame.

Der Name „Diebi” bezeichnet nicht wie der Name „Wähidi“ eine Haatlihe Gruppirung verjchiedener Stämme, fondern eine alte urjprüng- lide Stammeseinheit, die ihren ererbten Namen beibehalten hat. Unter „Diebiland“ wird hier nur das Stammesland im engern Sinne ver— Handen, d. h. die ausſchließlich von Diebi bewohnte und beherrſchte Ge- gend, nicht jene Gebiete, mo die Diebi nur das Flachland bewohnen und die Städte den Wähidi gehören, wie die Gegenden zwiſchen den Staaten der Unteren und Oberen Wähidi.

II. Geographiſche Lage.

Das Diebiland im engern Sinne erftredt fi) von 47° 30’ bis 480 ÖRL. Länge von Gr. und von der Küſte, ettva.130 40’ bis 149 15° nörbl. Breite.

236 Ä Diebiland.

II Grenzen.

Am Süden das Arabifhe Meer. Im Welten die Dumufch, welche no- minell unter den Unteren Aulaqi fliehen. Im Norden das Land der Oberen Wähidi. Im Often der Wäbi Mefat, wo die Städte den Un— teren Wähidi, das Land aber größtentheils auch zerſtreuten Stämmen der Diebi gehören,

IV, Seehaſfen.

Die Heine Stadt Haura hat nur eine verjandete Rhede, auf welcher jehr jelten, vielleicht jährlich ein Dubend Mal, Schiffe (arabiſche Saya's) anlommen und Datteln einſchiffen.

V. Gebirge.

Im Often durchzieht das ganze Gebiet von Süd nad Nord der Gebel Hamrä, der rechts vom W. Mäẽf' at Tiegt. Höhe etwa 4000 Fuß. Der mittlere und weftliche Theil des Gebiets ift theils Hügelland, theils Hochebene.

VL Wadis.

Der W. Mäf'at kann nicht mehr zum engern Diebiland gerechnet werden. Dieſes beſitzt feinen einzigen nennenswertben Wädi. Bon Haura in nordöftlicher Richtung fol fih zwar bis nad) Chabr ein offenes hal binziehen, das wahrſcheinlich einen Gießbach enthält, der aber nur jelten Waſſer führen kann, da er ſchon ganz im Süden der Zone der tropiſchen Regen liegt. Ueber feinen Namen konnten Munzinger und Miles, als fie in Chabr waren, nichts erfahren.

vo. Klima und Bodenerzeugniffe.

Durdaus Küftenklima, nur auf die prefären Winterregen angewieſen. Die unmittelbare Küftengegend ift großen Theils ſandig. Hier wachſen Dattelpalmen, Früchte mittelmäßig. Faſt das ganze Gebiet ift fleppen- artiges Weideland, nur für Kameelzucht geeignet, welche hier trefflich ger deiht. Wenig Gerealien, Durra, Dochn, Mieweli (tother Dochn), die aber nur nad ausnahmsweiſen Winterregen eine Ernte geben.

Stänme der Diebi. 237

vo. Stämme.

Das ganze Land ift von einer compacten Stammesgruppe bewohnt, alle Diebi. Bon anderen Bewohnern, bürgerlihen Städtern, Parias u. ſ. w. hörte ich nichts.

Die Diebi zerfallen in folgende Unterflämme, welche mir einer ihrer Häuptlinge auffchrieb, und deren Namen ich Hier mit Wrede's Notizen über diefen Stamm vergleihend zufammenftelle.

1) Azemi (bei Wr. "Ademi).

2) Solemäni (ebenfo bei Wr.).

3) Alluwi oder Ahl "Ali (bei Wr. nicht genannt).

4) Agaͤri (bei Wr. nicht genannt).

5) Ba Sayda (bei Wr. nicht genamnt).

6) Hamedi (bei Wr. el Ahmedi).

7) Auci (wohl nicht Wrede's Wada?).

8) Temẽſchi (fehlt bei Wr.).

9) Hazchuͤri (fehlt bei Wr.).

10) Sabchaͤni (fehlt bei Wr.).

Wrede führt außerdem noch einen Stamm „Salemi" an. Er kennt übrigens im Ganzen nur 5 Stämme und da deren von ihm angegebene Wohnſitze ſämmilich außerhalb*) des engern Diebilandes gelegen find, jo it anzımehmen, daß er von letzteren nichts erfahren hat. Die Stämme, welche Wrede nennt, gehören alſo ſtreng genommen nicht hierher. Es find vom Hauptftoc abgetrennte Glieder. Ziehen wir fie von der obigen Stämmezahl ab, fo bleiben nur. 7 Stämme und dag flimmt genau zu den Angaben der Mehrzahl meiner Informanten, welche ausfagten, daß das eigentliche Diebiland nur fieben Stämme habe. Die Ba Ausi wohnen bei Haura, find alfo wohl ſchwerlich eines Stammes mit Wrede's Wada, die er bei Meddaha nennt.

IX. Drtfänften.

Haura, Meines Fiſcherdorf und Hafenörtchen, der einzige nambafte Ort im Lande. Es ſoll auch wenig Schlöffer geben. Die meiſten Diebi

*) Nämlich Ademi bei Naqb el Hagr, Solemani bei Ba el Hoff, Ahmedi im unten, Sälemi im obern W. Mat, Wada gar bei Mesdaha. (Wrede’s Reile in 9. ©. 817).

238 Diebiland.

wohnen in Rohr oder Dattelpalmhütten. Unter ihnen giebt es mehr Be— duinen (d. 5. Nomaden) als in irgend einem andern Theil des von mir beſchriebenen Sudarabiens.

X, Politiſches.

Die Diebi haben keinen Sultan, und überhaupt feinen gemeinſchafi— liden Häuptling. Jeder der 7 Stämme hat feinen Schech, der den pa— triarchaliſchen Titel „Abu“ (Vater) führt. Sie find alle Oobayel (freie Stämme) und erkennen im Abu nur den Sriegsführer. Seine Steuern, feine Juſtiz, feine Soldtruppen. Mord wird nad den Regeln der Blut- rache gefühnt. Gemeinfame Angelegenheiten werden durch die Stämme- verſammlung, die einmal jährlich fattfindet, geregelt.

XI Sprachliche Eigenthümlichkeiten.

In der Sprache der Diebi hat fih manches Eigenthümliche erhalten, z. B. das jüdarabifchäthiopiiche Verbalſuffix „ka“ flatt „ta“ für die l. und 2. Perſon des Perfect. Jedoch bildet ihre Sprache jekt nur noch einen mit Idiotismen gemifchten arabiſchen Dialect, nicht eine Sprade sui generis, wie dad Mehri und Graumwi (Hatili).

zu. Abftammung.

Die Diebi felbft Halten fi für flammesverwandt mit den Qumuſch, im Untern "Anlaqilande und den Audeli auf dem Gebel Kor. Ihr Dialect ift faft derfelbe. Da letztere Stämme höchſt wahrſcheinlich Himyaren find, io dürften fie es au) fein. Sie wären dann die am meilten nad) Often vorgeſchobenen Himyaren. Außerdem fcheint auch ihre Hautfarbe fie als Solche zu kennzeichnen, denn fie find faft ſchwarz, mwie die Yafii und Co⸗ behi (beides unzweifelhafte Himyaren) und nicht hellhäutig, wie die Völter öftlih vom W. Mefat und tie die Hadrami.

Biertes Eapitel.

Aulagiländer.

I. Name. Irrthümer in Bezug auf den Namen. II. Geographiſche Tage. DI. Grenzen. IV. Eintheilung. V. Das Land der Unteren "Aumwälig. A. Berge und Hodebenen. B. Wädis. C. Klima und Bobenerzeugniffe. D. Stämme. Irrthum in Bezug auf einen Stamm. E. Städte und Ort: Ihaften. Irrthum in Bezug auf einen Städtenamen. F. Politiſches. VI. Das Land der Mittleren Auwaliq. A. Beichaffenheit des Landes. B. Stämme. C. Städte und Oriſchaften. D. Politiſches VII. Dos Land der Oberen “Aumälig. A. Gebirge und Hochebenen. B. Waͤdis. C. Klima und Bodenerzeugniſſe. D. Salinen. E. Stämme F. Städte und Ort: ſchaften. G. Seßhafte und Nomaden. H. Dobäyel und Raye. I. Auswan⸗ derung. K. Politiſches. L. Juſtiz. M. Sklaverei.

L Rame.

Aulaqi, häufiger in der Collectivform Aumaliq gebraudt, if gleichfalls, wie Wähidi und andere, ein dynaſtiſcher Name, der von einer Gruppe von Stämmen geführt wird, denen die genealogische Einheit fehlt. Er ift jedoch viel älter, ald der Name Wäpidi, und als Vollsbezeichnung mehr in Fleiſch und Blut übergegangen. Bon den Beduinen hört man den Namen „Mauleqi“ und im Plural „Mauweleq“ oder „Mauleq“ ſpre⸗ hen. Dies ift dialectiſch für „el Aulaqi“ u. |. w. denn der ſüdyemenſche mundartige Artifel ift nicht das arabijche „el“, fondern „em” oder „m“, dem Wort vorn innig angeſchloſſen. Das Ain verjchwindet dann.

240 Aulagiländer.

Irrthümer in Bezug auf den Namen.

Haines fchrieb in feiner „Chart of the South East Coast of Arabia“ diefen Namen fälſchlich Urladji, und da man nebenbei doch auch den richtigen Namen hörte, fo beging man den Irrthum, hier zwei Völker anzunehmen, die Urladji und die Aulaqi, die man 'Olqi ſchrieb. Diefer Irrthum ift in mehrere gute Karten, 3. B. auch die Kiepert'ſche über- gegangen, findet fich ebenfalls bei Ritter *)

A. Geographifhe Lage.

Diefe ausgedehnteſte jüdarabifche Gruppe bewohnt daS Land von 46° 20’ bis 470 30’ öftl. Länge v. Gr. und von 130 20° bis etwa 150 nördl. Breite. Nördlihe Ausdehnung übrigens ungemip.

II. Grenzen.

Im Süden dad Arabiſche Meer. Im Welten, im jüdlichften Theil Datina, im mittleren das Audeliland, im nördlicheren das Land der Rezäz. Im Nordweſt Gezäb. Im Norden unbefannt. Im Nordoſt und Often (im obern Theil) das Land der Oberen Wähidi. Im Often (im niedern Südlichern Theil) das Land der Diebi.

IV. Eintheilung.

Die "Aumälig zerfallen in Untere und Obere, erftere von der Slüfte bis zu etwa 14° 20° nördl. Breite wohnend. Da aber die Oberen "Aus wälig ihrerfeitS wieder in 2 Gruppen zerfallen, welche wir die eigentlic) Oberen und die Mittleren nennen wollen, fo müfjen wir folgende 3 Theile unterjcheiden:

1) Das Land der Unteren Auwäliq mit der Hauptſtadt Hauwar.

2) Das Land der Mittleren "Aumwälig mit der Hauptftabt Yeſchbuͤm.

*) Haines’ Irrthum ift, bis auf das ganz überflüffige „r’, erklärlich. Dim

und Daf werden bier nämlich ganz gleiy, wie g in Bott, ausgeſprochen. Haines hörte „g* und fchrieb dies nach viel verbreiteter Methode „di. Auf der Chart of the Golf of Aden, d. h. der englifchsarabifhen Ausgabe hat Raffam die arabi- ſchen Namen ganz richtig gegeben, aber die falſchen engliichen ſtehen gelaflen.

Das Land der Unteren "Aumälia. 241

3) Das Land der Oberen "Aumälig, auch Mohäger genannt, mit der Hauptſtadt Nicäb.

Letzteres vſt das bei Weitem größte, das Mittlere das lleinſte. Es bildet nur gleichſam eine ſüdöſtliche Ede des Landes der Oberen Auwaäliq, zu dem e& im Bollamund gerechnet wird, obgleich es unter eignem Yür- ften fteht. Alle drei Staaten bilden übrigens dem Ausland gegenüber eine Einheit; die Yürften find von einer und derſelben Dynaftie, nur die Oberen Auwäliq find mächtiger und führen die anderen, fo zu fagen, im Schleppthau.

V. Das Land der Unteren Auwaliq. A. Berge und Hochebenen.

Dies Land hat Teine höheren Berge, welche hier erft an feiner Nord⸗ grenze anfangen, jondern Hügelland im mittleren, eine große nad) Miles 40 engl. Meilen lange Hochebene, Monga genannt, im weftlichen und ſandiges Tiefland im füdöftlihen Theil.

B. Wäbis,.

Ein einziger größerer Wäpdi, der W. Haumar. Er durchzieht den Norden und Often des Landes, fommt aus den Bergen im Süden von Habban, fließt dann erjt weftlich, darauf jüdlih, und mündet zwiſchen Ma- taten und der Stadt Haumar ins Meer. Er hat faft nie Wafler. Seine Mündung ift jogar faum zu entdeden, da fie die größte Zeit des Jahres nit von der Sandebene an der Küfte unterfehieden werden kann. Süd— li) von Qulliye nimmt der W. Haumar rechts ben von Datina kommen den W. Nefnafa, links den aus Monga‘ fließenden W. Keläfi auf. Der W. Achdar, links vom Tieflauf des Hauptfluffes, ift nur eine Schwache Regen- Tine.

C. Klima und Bodenerzeugnijfe.

Ein unfrudtbares Küftenland ohne tropiſche Sommerregen. Da ber W. Haumar gleichfalls faft in feinem ganzen Lauf außerhalb der Zone diefer Regen liegt, fo ſpendet er feine Fruchtbarkeit. Der wefllihe Theil ift ſehr arm, trägt fpärliche Eerealien, viele Dompalmen, aus deren Frucht die am W. Haumar wohnenden Käzim ein beraufchendes Getränk be—

veiten, deſſen Verlauf an die Karawanen faft ihren einzigen Erwerb bildet. v. Maltzan, Reife nah Südarabien. 16

244 Die Unteren und Mittleren Auwaͤliq.

Qulliya, Städten der Bi Käzim am W. Hauwar zwiſchen Hau⸗ war und Mahfed.

Irrthum in Bezug auf einen Städtenamen.

Sn Ritter's*) Erdkunde ift nah Haines eine Stadt Hawaiyah genannt. Dies kann nur ein Irrthum für Haumar fein, ber aber deſto mehr auffällt, als Haines den Namen ein andermal richtig, engliſch Howhr, orthographirt. Ein Name Hamaiyah ift hier ganz unbekannt.

F. Politiſches.

Sultan Bu Belt, ben "Abd Allah, Vetter der Sultane der Oberen und Mittleren "Aumälig, wohnt im Hauwar. Seine Macht über den größten Theil der Kaͤzim ift abfolut. Er richtet fie und befteuert fie. Da fie jedoh arm find, fo find feine Einkünfte gering. Er hält Solb- truppen und hat befeftigte Schlöffer. In allen wichtigeren Angelegenheiten muß er fich jedoch dem Sultan der Oberen "Aumälig fügen. Er bat einen Vertrag mit England und erhält von ihm gelegentlich Geſchenke, fein fixes Sahrgeld,

Seine Macht über die Dumufch ift faft nominell. Diefe würden ihm wohl ſchon längſt die Vaſallenſchaft gekündigt haben, wäre nicht die Furt vor den Oberen "Wumälig, den mächtigen Bundesgenofjen der Unteren.

VI Das Rand der Mittleren Auwaliq oder Yeihbum. A. Beſchaffenheit des Landes, Im jüdlichen Theil allmählig auffteigendes Hochland, im nördlichen Hochebene, ein Theil der großen Hochebene von Mara. Bon einem Wädi Yeſchbuͤm, den Wrede nennt, hörte ich nichts. Klima tropiſch, reich-

lihe Sommerregen. Land fruchtbar, namentlich die Hochebene. Biefelben Producte wie um Habbän, an deſſen Grenzgebiet dies Heine Sultanat Tiegt.

B. Stämme.

Diefe find zum größten Theil Madhig. Folgende Lifte ſtammt von einem ihrer Häuptlinge:

*) Ritter XII, ©. 662.

Das Land der Mittleren Auwaͤliq. 245

1) BA Räs. 2) Mebhage. 3) 'Atiq. 4) Omtusle. 5) Ahl Sli— man. 6) Ahl Gemia. 7) Magrehiha. 8) Ahl Hafan. 9) Hamedi. 10) Ahl Rähi. 11) Ahl ec Cuwa. 12) Ahl Mehdi. 13) el Humir. 14) Ahl Dafis. 15) Bäl Härif. 16) Deramis. 17) Moräda a.

C. Städte und Ortjchaften.

Yeigbum*), Hauptſtadt, auch Iſchibum genannt. Die Richtigkeit diefes Ießtern Namens hörte ih in 'Aden bezweifeln, unter andern aud) von Miles und Munzinger, die immer nur Yeſchbuͤm vernommen hatten. Die Sache if, daß die Städter und Gebildeten ſtets Yeſchbuͤm jagen, die Beduinen und Dobäyel dagegen immer Iſchibum, wie ich e& oft hörte. Zwei Heine Tagereifen weſtſüdweſtlich von Habban gelegen. Etwa 1000 Einwohner vom Stamme der Ras. Hier leben 60 bis 70 Juden. Balar. Mofcheen. Thurmartige Häufer.

Omm Bedä ſoll ein Kleines Handelsftädichen, ganz von Juden be— wohnt, fein.

D. Ppolitiſches.

Sultan Frid, ben Ruwis, ben Frid, ben Nacr, naher Verwandter des Sultans der Oberen "Aumälig, von dem er zwar in Bezug auf innere Angelegenheiten unabhängig ift, deſſen Einfluß aber doch feine äußere Po- litik ausfchließlich leitet und der ihm Schuß gewährt. Die Stämme in der nächften Nähe der Hauptitadt und die Städter find Raye (Unterthanen), die anderen Dobäyel. Der Sultan richtet und befteuert die Raye, er hält Soldtruppen (einige 100 Mann). Sultan Frid gilt für einen Freund der Europäer. Cr ſchickte ſogar Juli 1870 feinen Sohn nad Habbän, um Miles und? Munzinger zu ihm abzuholen. Sie Tonnten aber nit geben.

VII. Das Rand der Oberen ‘Auwalig ober Mohager.

A. Gebirge und Hochebenen.

Dies ift der alte Sarw Madhig, das Hochland der Mabhigftämme, Es ift jedoch nur zum kleinern Theil eigentliches Bergland, vielmehr befteht *) Diefer Ort ift auf der Map of Arabia by John Walker (für da® East

India Government gemadt) viel zu nahe bei der Küfte angegeben. Er wird dort Isliboom gejchrieben.

246 Dad Land der großen Hochebenen.

fein Haupttheil aus drei großen Hochebenen, eine immer höher als die an— dere gelegen: ſüdlich die Hochebene Marcha, die fich zwifchen dem Gebel Kör und Habbän hinzieht (Yeihbum ift topographiſch ein Theil von ihr), nordöftli davon das Plateau von Nicäb, und nordweſtlich, aber bedeutend in nördlicher Richtung vorgejhoben, das Plateau von Chabt, welches fich bis zum Fuße des Gebel Dern hinftredt. Im Süden, wo die Hochebene bon Marcha gegen den W. Hauwar zu abfällt, ift bergiges Terrain. Im Nordoſten erhebt ſich öſtlich von Nicäb ein Hochgebirge, das zum Syſtem des Sarw Madhig gehört. Gebel Dern im Nordweſt gehört nicht zu biefem Syſtem. In den Hochebenen befinden ſich einzelne Berge, wie Gebel Abadän und Gebel Drä bei Nicäb, und Gebel Halhal und Gebel Chaure im Plateau von Marcha.

B. Wäbis.

Ale Wädis im Norden der Waſſerſcheide. W. Abadän und W. Drä kommen von den gleihnamigen Bergen oberhalb Nicäb und fließen in den W. Mefaudi, den Fluß von Nicaͤb. W. Hadena im meftlichen Theil des Landes fließt bei Habena vorbei gegen Gerdän im obern Wähidiland. Die Hochebene Marcha ift reih an Heinen Wädis. Indeß ift in diefen ganzen Lande fein größeres Syſtem von Wädis. Die Hochebene von Mara bildet eben die Waſſerſcheide. Die Wäpdis entftehen bier erft und nehmen nicht fo raſch zu, wie mern Gebirge die Waflerfcheide bilden. Ihr Abflug ſcheint durchweg nach Nordoft (vielleicht auch nah Norden?) zu fein, nicht nach Weft, noch Nordweſt.

Bon einem W. Sanem, der nad) Ritter im ſüdöſtlichen Theil des Landes liegt, konnte ich nichts erfahren. Jedenfalls Tann fein Lauf nicht der auf Siepert’3 Sarte, melde W. Saimar fchreibt, verzeichnete jein, da an diefer Stelle der W. Haumar ifl, der aber eine andere Richtung nimmt.

C. Klima und Bodenerzeugniffe.

Hodland mit tropiſchem Klima, durchweg durch die regelmäßigen Sommerregen befruchtet. PBroducte: Indigo, Mais, Durra, Weizen, Baum- wolle, Tabad, wenig Datteln. Trefflihes Weideland. Kameel- und Horn- viehzucht.

Niebuhr ſagt von dieſer Gegend: (Beſchreibung von Arabien, Kop. 1772, Seite 279) „Wovon aber nichts weiter bekannt iſt, als daß in den—⸗

Salinen bei Chabt. Stämme. 247

ſelben (Ländern) große Wüteneien find und daß dieſe Gegenden bon her— umfreifenden Arabern bewohnt mwerden.” Zwei Irrthümer. Das Land iſt fuchtbar und die Bewohner meiſt ſeßhaft.

D. Salinen.

In der Hochebene von Ehabt*) befinden ſich die ſogenannten „Berge unter der Erde“, d. h. Steinfalzfelfen unter dem Boden des Blateaus, zu denen man durch Gruben gelangt. Das Salz findet ſich nicht auf der Oberfläche des Bodens, alfo find hier nicht etwa Depofiten einer ausgetrockne⸗ ten Salglagune, fondern wirkliches Steinſalz. Chabt verfieht die ganze Ge- gend mit Salz Karawanen kommen aus Yäfi a, dem Lande der Rezäz, jelbft bis von Nedä“ und Yerim, früher fogar ganz aus ber Nähe von Men. Das Hoheitsrecht gehört der Regierung, welche von jeder Sameel- ladung 1/; Maria-Therefia-Thaler erhebt, da3 Eigenthumsrecht dem Stamme der Ehlifa, welche die Salzminen bearbeiten und das Salz verlaufen. Preis der Kameelladung 1 Maria-Therefia- Thaler. Die Laſt wird alfo bier für 11, Maria-Therefia-Thaler erworben. Schon in Ghoder und Dating wird fie oft für 6 bi8 8 Maria-Therefia-Thaler verkauft. Die Chlifa wachen eiferfüchtig Über die Minen und geftatten Niemandem, der nit don ihrem Stamm, auch nur in deren Nähe zu gehen. Die Kara— wanen müflen alle in einiger Entfernung halten.

E. Stämme.

Die größte Anzahl der Stämme find Madhig, einige weſtliche wahr⸗ ſheinlich Himyaren. Folgende Stammesliſte gab mir ein Häuptling der Auwaͤliq.

1) Diäni (bei Orfän). 2) el Haidi. 3) Rabizi (zimifchen MW. Hau- war und Datina). 4) el Hamdmi (bei Nicäb). 5) Kellui. 6) Guäfir 7) Zubäni (bei Nicdb). 8) Deghäri (bei Hadena). 9) Sehagi. 10) Mar- zaͤhi. 11) Maufadi. 12) Meslemi. 13) Semlän. 14) Schägeri. 15) Ghaſili. 16) Hamibeli. 17) Schaifl. 18) Mlauwi. 19) Mor- dabi. 20) Masfer. 21) Nefiyin (führen das Zeltesleben und find No- maden). 22) Chlifa 23) "Obära, im Sing. "Aberi, ein Stamm von Meſchaich oder Deraͤwiſch (Nachkommen von Heiligen) in Marcha.

*) Chabt heißt „Ebene. Hamdäaͤni bejchreibt ſchon bie „Berge unter der

Ebene‘, daß aber gerade diefer Ort gemeint fei, ift nicht wahrfcheinlich, vielmehr bie Salinen bei Märib,

248 Städte der Oberen Auwaͤlia.

Mehrere der obigen Stämme werden gewöhnlich zu anderen Staaten gerechnet, ſo Diäni und Allauwi zu den Aumädel, Haidi zu den Rezäz, aber die Auwaͤliq nehmen das Hoheitsrecht über fie in Anſpruch. Ein Häuptling nannte jogar die Diebi als einen tributpflichtigen Stamm!

Außerdem giebt es auch hier ganze Dörfer bon Ahl Haͤyek (Parias) bewohnt.

F. Städte und Ortſchaften.

Nicab*), Hauptſtadt, im Nordoſten des Landes am W. Meſ aud gelegen. Etwa 2000 Einwohner, alle Raye, worunter ungefähr 300 Juden. Lebtere find Schmiede und Silberfchmiede (Waffenzierrath), auch Baum- mollmeber mit der im Lande gezogenen Baumwolle. Nicab ift berühmt durch feine Indigostsärbereien, für melde das Waller des W. Mefandi günftig fein fol. Die Tüncher find arabiſche Städter (Raye). Dies icheint die einzige Stadt zu fein, wo man aus einheimifcher Baummolle gemebte Stoffe tündt. In andern mebt und tüncht man fie zwar aud, bezieht aber das Rohmaterial von Aden, denn die meilten Baum- tolle erzeugenden Länder haben feine Weber. Große Mojchee mit aud- gedehnten Waflerbeden. Biele Schlöffer und Burgen. Mle Häufer caftellartig, wie die bei Habbaͤn befchriebenen.

Hadena, Heine Stadt am gleichnamigen Wädi, zwiſchen Nicab und Habbän, bewohnt von Qobäyel der Stämme Sliman und Ehlife. Chabt, Dorf im Norbiveften, bei ben Salzbergwerken. Berühmtes Heiligtfum „Ara“ (Thron) genannt, mit den Gräbern folgender vier Heiligen: 1) 'Amr ben Said. 2) el Mefchelgi. 3) Ahmed ben Alwan. 4) el Hubihel. Sonft hier wenig Gebäude. Die Chlifa wohnen in Häufern von Rohr, Reifern und Dompalmzweigen.

In der Ebene Marcha**), die zum großen Theil von den Nefiyin, welche größtentheil® wirkliche Beduinen find, durchzogen wird, giebt es

*) Oft „Enjab” gejprochen, von Niebuhr „Nöffeb“, bei Ritter „Naſal“ (wohl Drudfehler), von Wellſted „Nafſſäb“ genannt. Die Ausſprache Enjäb hat wahr: ſcheinlich zu der irrthümlichen Schreibart „Imshop“ geführt, die ih auf der Karte von Eol. Chesney findet. Hier ift auch die Lage viel zu weit füdli angegeben. Niebuhr rechnet e8 no zu Demen (Nieb. Arabien Ausg. v. 1772. Seite 279).

**) Es ift ein von allen Reifenden getheilter Irrthum, dag Mara eine Stabt fei. Eine jolde exriftirt nicht, nicht einmal ein Dorf diefes Namens. Marcha ift nur ein Landſchaftsname. Die Schreibart Mara, die allein richtige, kannte ſchon

Ebene Marcha. Zeltbewohner. Freie Stämme. 249

auh viel ſeßhafte Bevölkerungen von anderen Stämmen. olgende 5 Dörfer wurden mir genannt: 1) Wäje. 2) Hadr. 3) Meferſcha. 4) Regäg. 5) Halhal. Ein Irrthum ift es auch, hier eine Stadt Obära (bei Niebuhr, Wrede zc.) zu ſuchen. Dies ift nur der oben erwähnte heilige Stamm, der in mehreren Dörfern zerftreut lebt. Ein Xheil der Ebene Marcha, der mweftlichite, wird übrigens politifch Schon zum Lande der Rezaͤz gerechnet. Vielleicht ift dies auch nur eine Prätention von Seiten der Rezäz, denn diefe Angabe ftammt von ihnen. Die Auwäliq gaben das nit zu. Sie waren im Gegentheil geneigt, ihre Grenzen nur zu weit über ihr eigentliches Gebiet auszubehnen.

G. Seßhafte und Nomaden.

Bei Weiten der größte Theil der Aumälig ift ſeßhaft und wohnt in Dörfern von Stein, LZuftziegeln, mehr noch in Reiferhütten. Eine Menge Hocen (Gaftelle), um deren eines fich gewöhnlich daS Dorf gruppirt. No- maden find nur drei Stämme, die Nefigin in Marcha und zwei andere ganz im Norden. Sie wohnen in Zelten von Häuten, das einzige Beiſpiel ſolchen Zeltlebens in dem von mir behandelten Theil Südarabiens.

H. Dobäpyel und Raye.

Eigentlihe Raye find nur die Städter, d. h. die bürgerlich lebenden, Handwerfäbefliffenen, nicht die Mitglieder freier Stämme, die fih in Städten niebergelafjen haben, wie 4. B. in Hadena und Chabt. Die meiften Stämme find Dobäyel, beinahe ganz frei, nur im Kriegsfall ge⸗ horchend. Eine Mitteljtellung nehmen die in der Nähe der Hauptitadt wohnenden Stänme ein. Sie können fich der Adminiftration des Sultans nicht ganz entziehen. Aus ihnen nimmt er einen Theil feiner Söldlinge. Die Nefiyin in Marcha ftehen im Ioderften Verhältnig zum Sultan. Sie haben ſogar ihren eigenen Sultan, der aber doch nicht ſtaatlich unabhängig ft Im Sriegsfall leiſten auch fie Folge.

Riebuhr. Wrede hörte Mardſcha. Bei Hamdäni fehlen die diakritiſchen Punkte, man könnte alſo Marha oder Marga leſen, wenn ih mid) nicht aus dem Munde der Eingeborenen überzeugt Hätte, daß die Ebene nie anders als Mara ge: nonnt wird.

250 Araber in Oftindien. Crbfehden und: Bündniffe.

J. Auswanderung.

Die Auwaͤliq, namentlich” die Oberen, haben eine ganz außerordent- liche Vorliebe für das Söldlingshandwerl. Da ihr eigener Sultan nur ein Baar hundert Söldlinge hält und fie aljo im Lande feine Gelegenheit zu diefem Dienft finden, fo gehen fie in ganzen Schaaren nah Oftindien und nehmen dort bei den halbunabhängigen moslemiſchen Fürften Sold- dienft, namentlih in Haiderabad. Sie haben in den lebten 20 Jahren dort alle anderen Südaraber aus dem Dienft verdrängt. Früher gingen viele Wähidi und Yafı'i in oftindifche Kriegsdienſte, jet findet man kaum mehr einen, nur Auwaͤliq.

K Bolitifdes.

Sultan Aud ben "Abd Allah, der mächtigfte der drei Aumäligfürften, refidirt in Nicaͤb. Hält einige hundert Söldlinge, worunter viele Neger (freigelaflene SHaven). Etwa 200 Reiter. Nur zehn derfelben find zu Pferde beritten, die anderen auf Deluͤl (Reitfameelen). Erhebt Steuern bon Raye (5 bis 6 Maria-Therefia-Thaler per Kopf), Juden, Ahl Haͤyek, außerdem Marktfteuer, Branntweinftener der Juden, Zoll für durchpaf- firende Waaren, Salzfteuer von Chabt. Das eigentlich den Yodli gehörige füdmeftliche Grenzland Datina zahlt ihm einen jährlichen Tribut, um nicht räuberiich überfallen zu merden. Der Sultan bat einen Vertrag mit England, erhält zwar kein Jahrgeld, aber alljährlich Gefchente.

Die Oberen Auwäliq ftanden feit uralten Zeiten im Erbbündnif mit den 'Abaͤdel von Laheg und in Erbfehde mit den Fodli von Schughra, deren Gebiet zwifchen ihnen und den "Abädel liegt. Lebtere mußten na- türlid für die Hülfe der "Aumälig bezahlen, verdankten es aber lediglich diefer, daß fie von den Yodli nicht verſchlungen wurden. Noch jebt eri- flirt ein folenner Freundſchaftsvertrag zwiſchen "Aumälig und "Abädel. Doch find letztere jet durch England hinlänglich gegen die Fodli geſchützt. Die Fodli find ſchwächer, als die "Aumalig, und vermeiden, fo viel fie fön- nen, den Krieg. Sie verſuchen es nicht einmal, ihre eigene Provinz, Da— tina, die von ihren Stämmen bewohnt wird, von der Zributpflichtigfeit gegen Nicab zu befreien.

Strafe für Mord und Piebitahl. Sklaverei. 251

L. Juſtiz.

Der Juſtiz des Sultans find nur die Raye unterworfen, nicht die Stämme. Mörder werden erftodhen oder auch erſchoſſen. Die Strafe für Diebſtahl wird nicht fereng nach dem Dorän, durch Handverflümmelung, gehandhabt, wie z. B. in Laheg. Diebe werden vielmehr nur eingejperrt und an Geld und Gut beftraft. Bei den Dobäyel berrichen für Mord die Geſetze der Blutrache. Diebftahl wird nur geahndet, wenn der Beſtohlene Hart genug ift, fich felbft Recht zu verſchaffen. Proſtitution ift fireng ver- boten, fommt übrigens nur hier und da in Städten vor, wo fie wie Mord beftraft wird.

M. Sklaverei.

Negerjflaven werben wenig importirt. Es ſoll aber in Nicäb weiße

oder mulattenhafte Stlapinnen geben, die von Yrauen für die Harems der

Wohlhabenden erzogen werden. Sie find alle im Lande geboren und Rammen von unfreien Eltern. Sie werden gut behandelt.

Fünftes Capitel.

Das Land der Fodli oder Dtmani.

1. Rame. I. Geographiiche Lage. III. Grenzen. IV. Berge und Tief:

länder. V. Wädis. VI. Klima und Bodenerzeugniffee VII. Eintheilung.

VII. Stämme. IX. Städte und Ortſchaften. A. Im eigentliden Yodliland.

B. Städte in Abian. Eine angeblihe Stadt im Fodliland. X. Dynaſtie der

“Otmäni. XI. Politiſches. XII. Juſtiz. XIII. Gottesgericht. XIV. Ge:

ſchichtliches (aus neuerer Zeit), XV. Ein "Otmäniprinz als Geißel. XVI. Sit: ten, Religion u. |. w. XVII. Waffen.

IL. Name.

Auch diefe beiden Namen find urfprüngli die der Dynaftie und auf das Volk übergegangen. Der Name Yodli kommt vom Stifter der Dy- naftie, der Name Otmaͤni von deſſen vermeintlihem Urfprung von den Türken*). In Aden ift falt nur der erfiere Name befannt, im Innern hört man vorzugsweiſe den lebteren. Den Collectiv Fodl hört man jelten.

ID. Geographifche Lage. Bon 45% 10’ bis 460 30’ öftl. Br. v. Gr. dehnt fi) das Fodliland als ein 20 bis 30 engl. Meilen breiter Gürtel längs der Hüfte Hin. Das

*) Man ehe weiter unten über diefe bei Arabern fonft beifpiellofe, allen ihren Begriffen widerfprehende genealogiſche Vermuthung, von einem Bolt abzuſtammen, das (wenigftens in Gentralarabien) eigentlich verachtet wird.

Berge und Flüſſe im Yodliland. 253

eigentliche Yodliland erreicht nirgends ben 14. Grad nördl. Br., wohl aber die ihm fat entriffene Provinz Datina, die nach Nordoften vorge- ſchoben iſt. Sie fteht jeßt nur in Ioderer Verbindung mit dem Yobliftaat.

IL. Grenzen.

Im Süden das Arabifche Meer. Im Weiten Laheg. Im Norden Yıfıa. Im Nordoften das Audeliland, im Often Datina *).

IV. Berge und Zieflander.

Im Often des Landes erhebt ſich unmweit der Anfangs jandiger Küfte ein Hügelland, das zum Mittelgebirge aufftrebt. In letzterm ift der Gebel Nachai die befanntefte Berggruppe. Im Welten ift die große tiefe Ebene Abian, die fich ziemlich weit nördlich erftredt. Im äußerften Süd- weiten die Steppenebene Mehaidan, welche zum größten Theil ſchon in Laheg liegt.

V. Waͤdis.

Nur in Abian ſind bedeutende Wädis, namentlich die beiden großen, welche dieſes kleine Meſopotamien einſchließen. Sie ſind: W. Bonna von Ain Schelaͤla ſüdlich von Yerim kommend. W. Haſan, im untern Lauf dem genannten parallel, durch Zuſammenfluß der W. Solüb (aus Yafi’a fommend) und W. Yeraͤmes (vom Koͤr kommend) gebiltet. Beide erhalten im obern Lauf die Sommerregen und haben einen großen Theil des Jahres Wahler**), d. h. in Aufftauungen, nit an der Mündung. Zur Zeit der Sommerregen find fie faft Ströme zu nermen. Nur dann mün- den fie ins Meer, fonft wird alles Wafler durch den Feldbau aufgebraudtt.

Andere Seitenflüffe find:

MW. Reban (von Often kommend) mündet bei Scheriya in den W. Haſan.

W. Neçchal und W. Bojäme kommen vom Gebel Nacha i, fließen weſtlich und münden ebenfall3 in den W. Haſan.

*) Datina ift in einem eigenen Capitel bejonders behandelt.

**) Haines deutet ſogar an, daß die Ebene zwijchen den beiden Flüſſen manch: mal einen See bilde und dann den Namen Bahrain (2 Meere oder auch 2 Flüſſe) führe (Ritter XII, 661). Dergleichen ift jet wenigftens ganz unbefannt und be: tubt wohl nur auf Uebertreibung der Wraber.

*

254 Klima und Eintheilung des Fodlilandes.

Oeſtlich von Abian ſind nur unbedeutende Gießbäche mit kurzem Lauf, die nicht ins Gebiet der Sommerregen hineinreichen und alſo faſt nie Waller haben. Darunter:

W. Sala‘ entipringt auf dem Gebel Nadha’i, mündet ind Meer zwiſchen Acala und Schughra.

VL Klima und Bobenerzeugniffe.

Das Land liegt durchweg außerhalb der Zone der Sommerregen, ift alſo nur da fruchtbar, wo ſich größere Ylüffe finden, deren oberer Lauf in das Gebiet jener Regen hineinreiht. Dies ift nur in Abian der Yall, welches ſich, obgleich felbft faft regenlos, doch durch Fruchtbarkeit aus— zeihnet, da die fleißigen Landleute feinen Tropfen, den ihnen die W. Bonna und Hafan zuführen, unbenußt laſſen. Abian ift eines der beiten Baummollländer. Außerdem gedeihen Hier alle Gerealien. Das öftliche Hodliland, am Meere jandig, mit einzelnen von Dattelpalmen bewachſenen Oafen, im Innern bergiges Weideland mit Steppengewädhlen.

vo @intheilung.

Wir müfjen zwei in jeder Beziehung verjchiedene Provinzen unter- jcheiden, nämlih Abian und das eigentlihe Yodliland. Erſteres gehörte noch vor 40 Jahren den Yafi‘i und wurde erft in den breißiger Jahren unſeres Jahrhunderts erobert. Es wird noch durchaus als eroberte Land behandelt und hat ſomit eine nachtheilige politische Ausnahmöftellung. In jeder andern Beziehung aber zeichnet es fich vortheilhaft por dem übrigen Fodlilande aus, durch feine Fruchtbarkeit, Cultur, Fleiß der Bewohner und durch feinen Reichthum an Städten und Ortichaften. Es ift eben ein altes Eulturland, das Yodliland eine Bebuineniteppe.

voL Stämme.

Die Yodli find unzmeifelhafte Himyaren und ganz deijelben Urjprungs, wie die Yafi i, führten auch vor Jahrhunderten noch Ießtern Namen. Seht ift freilich Stammesfeindfchaft eingetreten, jo daß fie verſchmähen, fich ge— nealogiſch Yafi i zu nennen und ſich lieber dynaſtiſch als Fodli oder Ot- mäni bezeichnen.

Folgende Stammeslifte, welche zugleih die Zahl der Bewaffneten

Stämme der Fodli. 255 giebt, die jeder Stamm ftellen kann, wurde von einem ihrer Sultane jelbft gegeben.

1) Ahl 'Elah oder Ei) mit 400 Friegern. 2) Ahl Hasna oder Hasni 300 3) Ahl Gada oder Gadni 200 ,„

4) Möferi 300 5) Haneſchi n 100 6) Fathäni „200 _ 7) "Arvali 20 8) Ahl Schenin , 200 ,

(Dieſe 8 Stämme werden auch unter den Collectivausdruck Ahl 'Elah (mie der

ere) bezeichnet.)

9) Marqaſchi im Eollectiv Mo-

raͤqeſcha 700 10) Nada i 30 11) Mefadi 50 n 12) Ahl Saidi vulgo Halm

Sa idi 600 n 13) Ahl Said „50, 14) Ahl Scheddaͤd 60 15) Ahl Haidra Mancur „. 100

Dazu noch Soldtruppen 400 Gefammtftärfe 4160 Krieger.

Fünf der auf diefer Lifte genannten Stämme bewohnen Datina, das jet faft nur nominell den Fodli gehört, ihre Kriegerſtärke kann alfo nicht mit in Anſchlag gebracht werden. Dieſe find: Mieferi, Haneſchi, Hasni, Halm Saidi und eim Theil der Gadeni. Die 2 Heinen Stämne Ahl Said und Ahl Schedväd wohnen in Abian, d. h. fie helfen die dortigen Städter unterdrüden. Die Ahl 'Elah mohnen an der Grenze von Datina, bie Rachai auf dem nad) ihnen genannten Berge. Unter Iebteren find

*) Nach Angabe des Fodli Sultans find die 3 Namen Elah, Hasna und Gada nit die der Ahnheren, jondern die der Stammmütter. Diefer Gebraud fih nad der Mutter gu nennen, ift in Südarabien uralt. Wir finden ihn vielfach ſchon auf den himyariſchen Injchriften, wie auch I. Hign Ghoraͤb, Zeile 1 (oben Seite 226).

256 Die Hauptitädte der Fodli.

viele Beduinen. Der wichtigſte und man kann ſagen der herrſchende Stamm find die Moraͤqeſcha in der Hauptſtadt Serihya und Umgegend. Die ſeßhafte Bevölkerung von Abian*) hat, wie fait alle Stäbdter, ihre Stammeßtraditionen verloren. Sie ift in der Lifte nicht mitbegriffen. Ahr Urſprung ift von den Yäfi‘i, aber, wie bei allen Städtern, das Blut weniger rein erhalten. Vermiſchung mit Negerblut, von den ODobäyel fo ſtreng gemieden, ift wohl im Allgemeinen bei Städtern häufig. In Abian fommt fie zwar vor, wird aber doch jehr ungern geſehen. Häufiger ift Vermiſchung mit anderen arabiſchen Städtern, die der Handel hinführte.

IX. Städte und Ortfchaften. A. Im eigentliden Yodliland.

Seriya, die eigentlihe Hauptitadt des Landes und Sik der Negie- rung, im Stammeögebiet der Morägejha, in gebirgiger Gegend einige 5 engl. Meilen von der Küfte gelegen**. Große Moſchee. Schloß bes Sultans, feftungsartig, wie alle Häufer der Stadt. 300 bis 400 Ein- wohner. Juden dürfen hier nicht wohnen. In der Nähe zwei fefte Schlöſſer, Hocn***) Beceli und Hocn Koheb. Bei Iehterm follen himya- riſche Ruinen, auch Inschriften fein.

Schughra (ältere, jchriftgemäße Schreibart: Cughra) gilt fälſchlich bei Europäern für die Hauptitadt der Fodli, ift aber in der That nur die See= und Handelſtadt (die einzige de3 Landes) und während 2 Monaten jährlich Refidenz de8 Sultand. Handel und Schifffahrt nur in einigen Monaten lebhaft. Während der Saiſon monatlich etwa 10 Saya’3 (ara- biſche Barken). Der Sultan befitt gleichfalls hier 3 Saya's. Die Stadt

*) Der Name Abian kommt nah Yägüt (IT, 110) von Abian, ben Zohair, ben Aiman, ben Hamatifa, ben Himyar, einem der älteften Könige der Himyaren. Yägüt rechnet Übrigens auch Aden zu “Abian. Jetzt iſt diefer Begriff fein fo außge- dehnter mehr.

**) Auf Haines’ Charte ift die Lage dieſes Orts ganz richtig (450 55’ Hfll. ©. v. Gr. und 130 80’ nördl. Br.) angegeben, aber der Name nit, jondern der Ort nur als „Village in the mountains“ bezeihnet und jelbft die engliſch-arabiſche Charte giebt nur die wörtliche Ueberjegung hiervon. Bon Seriya hat eigentli vor Miles und mir fein Europäer etwas gewußt und doch ift es die Hauptftadt, nicht Schughra, das fälſchlich immer dafür gilt.

x***) Schriftgemäß wäre Hisn. Die Ausſprache ift aber ſtets auch im Singular mit o: Hogn (pl. Hocuͤn).

Städte in Abian. 257

ſelbſt ift ſehr Hein, hat höchitend 25 bis 30 Häufer Ccaftellartig). Etwa 100 Einwohner. Iuden leben nur während der Handelsſaiſon bier. Schloß des Sultand eine halbe englische Meile von der Stadt. Außer: dem haben mehrere Prinzen bier Echlöffer, auch außerhalb der Stadt. Außer der Handelsſaiſon ift Schughra öde und faft verlaffen. Saiſon zur Zeit ded Nordoftmonfund, d. b. wenn er noch ſchwach iſt. Später wird der Ankerplatz unficher.

Sonft zählt dad eigentliche Fodliland nur noch ganz unbedeu- tende Hüttendörfer. Darunter:

Dar Zena, einft eine berühmte Stadt und von Hamdani, als in Datina gelegen, erwähnt, jebt ein kleines Dorf im Gebiet der Morageiha, kann alfo jept nicht mehr zu Datina gerechnet werden. Der Begriff Datina war früher ein weiterer. Bei Dar Zina altes himyariſches Schloß, ganz aus dem Feld gehauen.

"Ameq*), Heiner Ort der Nahai, auf dem gleichnamigen Berge gelegen. Beduinen.

Roda, Drt der Gadent, 1 Tag nordöftlih von Schughra.

Samah**), Hüttendorf der Ga dent zwifhen Schughra und Mar in Abian.

Ceraa, Ortichaft der Ga dent zwilchen Moragefha und Hanefchi, an der Grenze von Datina.

Machſeb, Hüttendorf an der Grenze von Datina.

B. Städte in Abtan.

- ala, etwa 2 engl. Meilen vom Meer im Ziefland, unweit der Mündung des W. Hafan, einft eine blühende Seehandelsſtadt und gewifjermaßen Hauptitadt von Abian, jedenfalld wichtigſter Handels⸗ platz. Seit der Groberung von Abian dur die Fodli fehr gejunfen, da die Gultane, um Schughra, den Seehafen des eigentlichen Fodli- landes, zu begünftigen, den Schiffen verbieten, bei Arala Waaren zu laden. Der Hafen war in Mefauged (2 engl. Meilen von "Acala),

- ) Hamdani erwähnt ein Ameg der Ga'da, aber diefe Ga'da find nicht die Ga'deni im Hodliland, fondern die Ga'da im Amir Sultanat, die fih noch heute Ga'ud nennen. Sie wohnen weſtlich von Yafiſa. ») Ein Samah der Garda auch bei Hamdant, gehört aber gleichfalls nicht bierher, jondern in’d Amirland. Namen wiederholen fich oft. v. Maltza an, Reife nah Südarabien. 17

258 Städte in Abian.

ift aber jebt gänzlich verlaffen, der Ort eine Ruine. Dennoch erreichten die Sultane durch diefe unfinnige Maßregel ihren Zwed nicht, da die Baumwoll- und Kaffeelarawanen aus Abian und Yafia nun direct nad Aden zu gehen vorziehen. Sie kommen meift über Acala, jo daß Died doch noch Landhandel hat. Etwa 500 Einwohner, wovon ein Fünftel Juden, die eine große Synagoge haben. Ein Belannter von mir ließ hier Abfchriften der Thora auf Xeder kaufen. Alle Häufer caftellartig, aber nur von Luftziegeln.

Teran, Heine Stadt nörblih von Acala, am W. Haſan.

Dergäg, Städtchen von etwa 200 Einwohnern, 1 Stunde nörd- lich von Teran, au am W Hafan. Mehrere befeftigte Schlöffer von Luftziegeln.

Kod, Dorf nördlih von Rad Sailan, am Öftende der Ebene Mehaidan (Laheg).

Gauwela, fleine Stadt am W. Bonna, wurde erft im Sabre 1858 den Yafi t entriffen und war während 28 Iahren ihre füblichfte Stadt. Es liegt nur 2 Stunden vom Meere. Caftelle von Luftziegeln.

Sebach, Hüttendorf an der Grenze von Laheg in Mehaidan.

Kor oder Chor, 3 Stunden von Acala landeinwärts.

Scha ib, Heiner Ort bei Kor.

Mar, nad Acala größte Stadt von Abian, 2 Heine Tagreifen nördlich von Acala am W. YVeramed, der hier den Namen W. Hafan annimmt. Häuſer und Gaftelle von Stein. Etwa 300 Einwohner. Viele Zuden. Große Mofchee In Mar refidirt als Erbgouverneur ein Prinz der Otmanidynaftie, Sultan Ahmed ben "Abd Allah. Er ift der einzige Feuerrichter im Fodliland (man fehe weiter unten „Gottes- gerichte”).

Na'“ ab, etwa gleichwichtig wie Mar, an bemjelben Wadi, eine Heine Tagreiſe nördlich davon gelegen. Etwa 200 Einwohner. Viele Suden. Caſtelle von Stein. Hat auch einen Prinzen zum Crbgou- verneur mit dem Titel „Sultan“.

Bab el Felaq, großed Gaftell von Stein, Grenzfeftung der Fodli, als Herren von Abian, gegen Yafı'a, eine Stunde oberhalb Naab am W. Yerames gelegen.

Andere Heinere Ortichaften find Omad, "Amudiya, Teriya, alle im Tieflande zwilhen dem W. Bonna und Hafan gelegen.

Die Sechsfingerdynaſtie. 259

Eine angeblihe Stadt im Fodliland.

Hained (bei Ritter XII, 661) jpricht von einer großen, 36 engl. Meilen landeinwärts gelegenen Fodliftadt, Namend Mein, der er 1500 Einwohner giebt. Vielleicht fol dies Ma’r fein, das freilich lange nicht fo bevölfert ift, auch nicht jo weit landeinwärts liegt?

X Dynaftie ber Otmani.

Die Dynaftie der Otmani ift in doppelter Beziehung merkwürdig, ſowohl phyſiologiſch als genealogifch.

Genealogiſch inſofern, als Fadl, ihr Gründer (von dem der Name Fodli), die für einen Araber höchſt ſeltſame Prätention beſaß, mit dem Ottomaniſchen Herrſcherhaus verwandt zu ſein und geradezu von dieſem abzuftammen und zwar durch eine feiner Ahnfrauen, eine angebliche türfiiche Prinzeffin, die, ald Aden noch türfiich war, dorthin gekommen fein und feinen Ahn geheirathet haben fol. Daher der Name Otmani (d. h. der Dttomane), der auf die Dynaſtie und von biefer aufs Volt überging.

Phyſiologiſch ift die Dynaſtie jedoch noch viel feltiamer. In thr ift nämlich da8 ſogenannte „Sechöfingerthbum”" erblih. Alle nächſten Ver⸗ wandten des Sultans, einige 20 an der Zahl, fowie er felbft, haben neben dem fleinen Finger jeder Hand und neben der Heinen Zehe jeded Fußes einen knorpeligen, fingerartigen Auswuchs, was man gemöhn- lich den „fechöten Finger” und die „fechöte Zehe“ nennt. Obgleich dies ſehr Meine, ganz unnütze und unſchöne Gliedmaßen find, fo gelten fie bei den Arabern doch für ein Zeichen bejonderer Körperftärfe*) und für verehrungömwärdig. Bon bejonderd großer Körperfraft und noch weniger vom biblifchen Rieſenthum (S. Note) ift aber bei diefer Dynaftie gar feine Rede. Es find meift Fleine, häßliche, ſchwarze Kerle, bartlos und keineswegs impofant; wenn auch wie viele Dobayel jehnig und männlich,

+) Ein altes Vorurtheil bei femitifchen (vielleicht auch anderen?) Völkern. So heißt es ſchon 2. Samuel. 21, 20: „Da war ein langer Mann, der hatte ſechs Singer an feinen Händen und ſechs Zehen an feinen Füßen, das ift vier und zwan: jig an ber Zahl, und er war auch ein Sohn von Rapha.“ Rapha iſt aber ein Riefenname. Auh Du Schenatir, der 53fte König von Demen, führte feinen Beinamen vom Sechöfingerthum und galt für fehr ftarf.

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260 Die Sechsfingerdynaftie.

fo doch gewiß nicht martialifh. Die Mädchen find vollends körperlich unbedeutend , zeichnen ſich faft nur durch Häflichkeit aus und fie haben doch auch das „Sechöfingerthbum“, wie mir viele Fodlt verficherten. Gefehen babe ich felbit nur einen diefer Prinzen, einen Bruder des Sul- tans; Diefer war ausnahmsweiſe aufgeflärt, hielt dad , Sechsfingerthum“ feineöwegg für einen Talisman, fondern für etwas Monſtröſes. Cr war beöhalb eigend nad Aden gefommen, um fidh feiner unmwill- fommenen Anbängjel durch Amputation zu entledigen. Ein engliſcher Arzt operirte ihn ſehr glüdlich, fowohl an Händen, wie an den Füßen. Ich jah ihn vor und nad) der Operation. Er fagte mir: er ſei glücklich, jebt ein Menfch zu fein, wie ein anderer.

Die entfernteren agnatiſchen Verwandten des Sultans befien das „Sechsfingerthum“ nur modificirt. Einer, fo wurde mir erzählt, habe 12 Finger, dagegen 10 Zehen, ein anderer umgelehrt. Die entfernteften Bettern ſahen gar aud wie gewöhnliche Menjchenkinder, z. B. der „Feuer= richte von Mar, ber doch auch ein Otmani-Prinz if. So gilt daß mehr oder weniger vollkommene „Sechöfingertfum” nod) ald ein Zeichen von edelfter oder weniger edler Abſtammung.

Der Bater des jepigen Herrſchers, Sultan Ahmed, war übrigens bi3 in fein Alter außerordentlich kriegsluſtig. Als er vor Gebrechlichkeit ſchon nicht mehr gehen fonnte, ließ er fich auf's Kameel binden und machte alle Gefechte mit. Ex war übrigens nicht jehr alt, kaum fechzig. Frühe Gebrechlichkeit fcheint bier jehr häufig zu fein.

Er hinterließ viele Eöhne (alle Sechsfingerer), von denen jest ſchon der vierte regiert. Der erfte, Nafir, ftarb 1865. Ihm folgte fein Bruder Salah (+ 1867) und diefem Ahmed (+ 1869), worauf dann der vierte Bruder die Herrichaft antrat.

Alle Prinzen der Dynaftie führen übrigens den Titel „Sultan“. Der Regierende hat gar feinen unterfcheidenden Titel.

XL Politiſches.

Sultan Heidra, b. Ahmed, b. "Abd Allah, el Fodli, el Otmani, regiert deöpotifh nur über die eroberte Provinz Abian, deren feßhafte Bewohner ſämmtlich Raye find, fowie über die wenigen „bürgerlihen“ Etädter, welche ih in Schughra und Seriya finden, natürlich auch

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Bertrag der Fodli mit England. 361

über Juden und Parias. Oobayel find die vom Herricherfit entfernt lebenden Stämme. Die Morageicha, in deren Mitte der Sultan lebt, haben eine Zwifchenftellung, etwa wie die von bevorzugten GSöldlingen.

Jedes Jahr im Monat Du’l Higge findet die VBerfammlung der Oobayel ftatt, zu der ſich alle Fodli-Stämme, manchmal auch benach⸗ barte Verbündete einfinden. Hier wird Krieg und Frieden berathen und auch feitgefegt, ob und was für Leiftungen allenfall® die Dobayel dem Sultan zu machen haben. Dieje können nur in Seriegöcontingenten beitehen. Die Raye find natürlich nicht vertreten.

Dennoch bat der Fodli-Sultan eine gewilfe Macht, da er eben ganz jpeciell über den wichtigern Stamm der Moragefcha verfügt. Außer:

dem hat er die Aſſhab ed Dola, d. h. feine Keibgarde, 400 Dann,

faft alle Morageicha.

Der Sultan bat einen Bertrag mit England, von dem er ein Fahrgeld von 1200 M. Tb. Thaler (1760 Thlr.) befommt. Dem Bertrage gemäß erhebt er 2 Proc. Waarenfteuer für alle nad) Aden paſſi⸗— renden Güter, Kopfiteuer von den Juden, nicht zu einem beitimmten Sage, fonden nah Willkür. Eben fo willfürlih werden auch Die Raye von Abian beftenert. Ein Staatsſchatz eriftirt übrigens nicht. Der Sultan fo wurde mir vielfach verfichert, behalte nie baares Geld, was nad den Grundfäben der Dobayel und Beduinen unmwürdig wäre, Selbit die engliichen Subfidiengelder follen, Taum angelommen, gleich verjchenft werden. Seine Bedürfniffe werden aus der Naturalienjteuer oder dem Ertrage feiner Güter, fein Luxus aus den Geſchenken in Waaren, Gewehren, Uhren .ıc. beftritten, die ihm, außer jener baaren Summe, die englifche Regierung oft macht.

XI. Sufi;.

Nur die Raye find der Juſtiz ded Sultans abjolut unterworfen. Begeht ein Naye Mord, fo wird er von ben Soldaten des Sultans anf dem Grabe ded Ermordeten mit Mefjerftichen getödtet. Ein eigener Scharfrichter eriftirt nicht. Der Dieb (wenn Naye) wird das erfte Mal nur geprügelt und zur Reſtitution gezwungen. “Die Prügel werden nicht gezählt, jondern darauf los gehauen, bid der Sultan, der immer gegenwärtig, „Halt” gebietet. Das zweite Mal wird ihm die Hand abge= hauen und, ift er dann nod) unverbefferlich, jo wird er in einem beichwerten

262 Juftiz und Gotteögericht.

Sad in's Meer geworfen. Gefängnißftrafe mit Feſſelung der Beine allein, für Vergehen wie Prügeleien, Schimpfen, religiöfe Berftöße, Faſtenbruch u. ſ. w.; mit Feſſelung des Mittelförperd und der Beine, oft auch des Halfes, bei Keuſchheitsvergehen. Ehebruch gilt dem Mord gleih. Die Civiljuftiz regelt der Dadt nach dem Doran.

Die Oobayel kann der Sultan nicht ftrafen. Alles bleibt der Blutrache und dem Recht des Stärkeren überlafien. Nur die Mora- geiha follen, wenn fie ftehlen, zuweilen zur Reftitution gezwungen werden.

XII. Gottesgeridt

Kann der Mörder nicht durch Zeugenſchaft ermittelt werden, fo tritt das Gotteögericht ein, von weldem man im Fodltland nur Die Zeuerprobe fennt. Died gilt ſowohl für die Raye, wie für die Dobayel, welche ſich durch das Gotteögericht darüber Aufklärung verichaffen, auf wen fie die Blutrache zu lenken haben. Sn diefem Falle wenden ſich auch die Dobayel an den Sultan, in deilen Gegenwart die Probe ftattfindet. Er ſelbſt ift dabei fonft ganz unbetheiligt, denn nicht er applicirt die Feuerprobe. In jedem Lande ift nur ein einziger „Feuer⸗ richter“, d. b. eine Perjon, der der Aberglaube die Wunderkraft zu= jchreibt, die Probe wirffam anwenden zu koͤnnen. Es giebt übrigen auch viele Tleine Staaten, die ſelbſt feinen „Feuerrichter“ haben; die Leute wenden ſich dann an den ded benachbarten Staated. Wollte ein Unberufener die Probe anzuwenden verfuchen, dad Rejultat würde von Niemand anerkannt werden. Selbft der Herricher kann es nicht, D. 5. der jehige, denn Nichtd verhindert, daß der Aberglaube auch einmal einem Herrfcher das „Feueramt“ beilegt. Zur Zeit ift ed aber im Fodlilande nicht der Herrfcher, fondern deſſen entfernterer Better, der ichon oben erwähnte Sultan von Mar, der ald „Feuerrichter” ver- ehrt wird.

Niemand, der vom Volke ald verdächtig bezeichnet wird, kann fich der Feuerprobe entziehen. Gehört er zu den Dobayel, jo kann ihn der Stamm des Grmordeten citiren. Wollte fi) einer weigern, jo gilt dies allein ſchon ald Schuldbeweis, und er richtet ſich dadurch felbft, d. h. die Folgen find ganz diefelben, wie wenn die Probe zu feinen Ungunften ‚abgelaufen wäre.

Der Zenerrichter. 263 Die Probe wird mit einem glühenden Meffer gemacht, welches

ber Feuerrichter (nach Herfagung der vorgejchriebenen Gebete) der Zunge:

bed Verdächtigen auflegt, felbftverftändlich vor vielen Zeugen, worunter die Erften der Dobayel und der Herrſcher. Verräth der Verdächtige fein Schmerzgefühl, zudt er zufammen oder zeigt fich eine deutliche Brandwunde, fo gilt er für jchuldig; natürlich nur dann, wenn Die Anweſenden dies conftatirt haben. Ift er Raye, fo tritt dann gleich Hin- rihtung ein. Gehört er zu den Dobayel, fo muß man ihn Dagegen in Frieden beimziehen laſſen und erft, wenn er dort angekommen ift, bat der Stamm des Crmordeten dad Recht, die Blutrache auszuüben. Damit ift aber keineswegs gefagt, daß er felbft diefer zum Opfer fallen wird. Ieder Stamm ift für jedes feiner Mitglieder folidarifch und es genügt, wenn nur irgend ein Mitglied vom Stamme ded Mörders, durch den Stamm des Ermordeten umkommt. Meift rächt fich aber dann der Stamm ded erften Mörders wieder und fo entiteht oft eine unabfehbare Kette bluträcherifcher Tödtungen.

Natürlich hängt bierbet vom Aeuerrichter*) Allee ab, ob er das glühende Eifen hart aufdrücdt oder nicht, ob er ed fchnell über die Zunge zieht oder langſam, ob er es fehr glühend macht oder weniger. Der Aberglaube freilih halt ihn für gänzlich parteilos. Ich glaube aber, daß es jehr erfpriehlich ift, mit dem Sultan von Mar auf gutem Fuß zu ftehen. Im den meilten Fällen fol übrigens die Probe zu Ungunften des Verdächtigen ausfallen.

XIV. Geſchichtliches (aus neuerer Zeit).

Bon der älteren Geſchichte der Fodli ift wenig befannt. Im Al⸗ terthum gehörten fie zu Yafia und gelangten fpäter mit diefen unter das Joch der Imaͤme von Vemen. Sie fcheinen ſich aber früher von diefen befreit zu haben, als die Yafiſi, denn letztere find erſt feit etwa 150 Sahren, die Fodli dagegen fett wenigſtens 200 bi8 250 Jahren unab- bängig. Dadurch wurden fie vom Hauptftod der Yafı't Iosgeriffen, und

) Selbftverftändlich liegt hier ein Neft von Heidenthum vor, wie ja auch bei unferen mittelalterlihen Öotteögerichten. Das moslemiſche Gefeg nimmt die Weber: führung eines Mörderd nur durch 1) Geftändniß, 2) durch Zeugen, 3) durch Eid an. (Tornauw, das moslemiſche Recht, Seite 288)

Yan am m. —— ——

264 Fehden und Bündniffe ber Südaraber.

als dieſer jelbft feine Unabhängigkeit errang, fürchteten fie wahrjcheinlich deffen Nebermacht und wurden diefem fogar feindlih. Die Yafii waren und find ſelbſt heute noch zahlreicher, als die Fodli, aber lebtere einig, eritere zerfplittert. Dennoch balaneirten ji die Kräfte lange, bis in unferem Sahrhundert die Fodli fo entichieden die Oberhand gewannen, dab fie die Yafit ganz von der Küfte verdrängten und Abian, ihr fruchtbarſtes Tiefland eroberten. Noch im Jahre 1858 eroberten fie Gauwela, die damals füblichfte Yafi iftadt. Momentan ruhen zwar bie Feindlichkeiten, aber die Fodli follen ed ſehr auf Chamfer, melches jetzt die füdlichfte Stadt der Yafıi und faft ganz im Fodligebiet enclavirt ift, abgefeben haben.

Faft alle arabiſchen Staaten haben immer ihre nächſten Nachbaren zu erblichen Feinden und die entfernteren zu Freunden. So hatten auch die Fobli ſtets mit ihren weftlihen Nachbaren, den Abadel von Laheg, und mit ihren öſtlichen, den Auwaliq, vorzugsweiſe den Oberen, Erbfeindſchaft. Dieſe waren immer gegen bie Fodli verbündet, aber niemald zugleich mit den Yafit, die zwar Grbfeinde der Fodli, aber doch zugleich auch Erbfeinde der Abadel von Laheg waren. Letztere, fehr ſchwach, verdanften ihr Beftehen nur den Auwaliq. Freundichaft beftand dagegen zwilchen Fodli und den Wahidi, den Reſas, den Hau- ichebi. und den Aqareb von Bir Ahmed, d. b. Heinen Staaten, die jeder durch einen feindlichen vom Fodligebiete getrennt waren. Den ſehr Schwachen Aqareb gegenüber fpielten die Fodli die Beichüger gegen Laheg, ganz wie letzteres gegen fie durch die Auwaliq beſchützt wurde. So hatten Erbfeindichaften und Erbfreundichaften eine Art von poli- tiichem Gleichgewicht unterhalten, das aber Fein friedliche war. Im Gegentheil kam es faft alljährlich zu Kämpfen; aber die Folge war doc) faft immer eine Rückkehr zum status quo ante. Nur die Yaft't blieben, ald mit Jedermann verfeindet, von den Vortheilen dieſes factiichen Gleichgewichts ausgeſchloſſen und verloren deöhalb wichtige Gebietötheile. Die Vergrößerung des Fodligebiet3 wurde aber wieder dadurch ihrer Solgen, welche eine Uebermacht fein konnten, beraubt, daß ihre eigene nordiweftliche Provinz, Datina, dem oberen Auwaliq tributpflichtig ward, denn gegen dieſe vermochten fie Nichts, da ihre weltlichen Bun- desgenoflen, die Wahidt, zu ſchwach waren.

Die Beziehungen zu England waren bis zum Kriege 1865 und dem darauf folgenden Frieden immer fchlecht gewejen. Mehrmals hatten

Beziehungen der Fodli zu England. 265

fih die Fodli fogar mit ihren Erbfeinden, den Abadel von Laheg, zum Zweck der Wiedereroberung "Abend verbündet. Seit Laheg 1858 zum testen Male mit England Frieden ſchloß, ftanden die Fodli in ihrer Zeindlichkeit allein. Trotz oft erneuerter Waffenftillftandsverträge er- griffen die Fodli doch jede Gelegenheit, Aden zu fchaden. Noch 1860 men immer nod viele Plünderungen von Karawanen mit engliichem But vor, der Sultan verbot fogar feinen Untertbanen, den Markt von Wen zu verforgen, fehlieflich verweigerte er Genugthuung für die auf ſeinem Gebiet erfolgte Ermordung englischer Schußbefohlenen. So kam & endlih 1865 zum Kriege. Die Fodli wurden in der Nähe von Acala gänzlich) gefchlagen. Der Friede folgte jedoch erft nach einem jwetjährigen Provifortum, während defjen übrigens Ruhe herrſchte, als der Sultan jelbft nach Aden kam, was er nur mit großem Wider: ftreben that. Der Bertrag, der nun zu Stande kam, iſt faft wörtlich der zwifchen England und Laheg beftehende (weiter unten abgedrudt) ; dad Recht der Tranfitoftener von 2 Proc. vom Waarenwerth, ſowie ein Jahrgeld von 1200 M. Th. Thalern werden dem Sultan darin ge- währleiftet. Seitdem herrſcht Friede, wenn auch fein fo anjcheinend herzliches Einvernehmen, wie zwifchen England und Laheg, fo doch vielleicht ein aufrichtigered; wie mir denn englifhe Beamten verficherten, dab man den Fodli mehr trauen könne, als den Abadel.

XV. Ein Dtmani: Prinz als Geißel.

Der genannte Vertrag hatte auch beitimmt, dat ein Better des Sultans ald Geibel in Aden wohnen müſſe. Diefer lebte bier 6 Sabre, d. h. bis zu feinem Tode, und hatte es fehr gut, denn er befam ein Haug und eine Penfion von 1200 M. Th. Thaler angewielen: für ihn Ueberfluß. Seit jeinem Zode hat England dieſe ganz unnüge Aus— gabe geipart, obgleich es nicht an Prinzen fehlte, welche fich nm dieſe einträgliche Stelle einer von England gefütterten Geißel bewarben. Gefahr war dabei gar nicht, denn England ift nicht fo barbarifch, eine Geißel, im Falle des Vertragbruchs, zu ftrafen.

266 “Religion und Gebräuche der Fodli.

XVL Sitten, Religion nf. w.

Alle Fodli gehören zur Secte der Schafe i. Zaidi giebt es jelbft ala Eingewanderte nit. Die Beichneidung wird bier nicht, wie bei den meilten Moslems, erft Später am ’aufwachlenden Knaben, jondern dem ftrengen moslemiſchen Geſetz“) zu Folge, bereit am fiebenten Lebendtage vollzugen und zwar fowohl bei Knaben, wie bei Mädchen (bei welchen fie befanntlich nicht obligatoriſch iſt). Mit dem Haupt: Icheeren ded Kindes und dem Durchbohren ded Ohrläppchens, befannt- lich gleichfalls Vorſchriften für den fiebenten Tag, wird es weniger ſtreng genommen.

Die Faſten im Ramadhaͤn werden ſehr ftreng**) beobachtet, eben fo die Gebete und dad Weinverbot. Nur die Gaſdeni ſtehen im Rufe Ichlechte Moslems zu fein, nicht zu falten und den Dompalmwein zu trinfen (bier nebid genannt, gerade wie in Aegypten der Traubenwein).

Wohnungen in caftellartigen Häufern, von Luftziegeln im Xief- land, von Stein im Gebirge oder in Reiferhütten. Der Harem bleibt immer in den Häufern oder Hütten. Die Männer halten ſich tagüber außerhalb.

Tracht ſehr einfach: blos ein Lendentuh und Kopfbund (ein un- ordentlicher Feiner Zurban) bei Männern, bei Frauen ein Hemd und Umſchlagtuch, nur in Städten Geſichtsverhüllung und zwar vollkommen, ohne Augenlöcher. Der Sultan geht wie der gemeinfte Mann gefleidet. Das Haar iſt immer lang und ungelämmt. Die Gaſdeni allein tragen ed gänzlich frei, aber alle anderen Stämme dody auch deutlich fichtbar, denn der Kopfbund tft nur ein Fleiner Wulf. Der Schnurrbart wird abrafirt, höchſtens bleiben die Enden ftehen. Da Badenbärte nur den Allerwenigiten wachſen, jo bleibt Nichts, ald ein Paar Härchen auf dem Kinn, denn die Leute find faft bartlos.

*) Tornauw, dad modlemifche Recht, S. 85.

”*) Es ift durchaus nicht richtig, daß die Fodli im Allgemeinen Iar im Glauben feien, wie Hained audfagte (bei Ritter XII., S. 662). Nur von den Ga'deni fann dies gelten.

Bewaffnung der Sübdaraber. 267

ZVOI WBaffen*.

Die Schußwaffe ift die Luntenflinte**), meift Iang mit fehr bün- nem Rohr. Jeder Schütz hat zwei Pulverhörner, ein großes ſchnecken⸗ fürmiged, Edda genannt, aud dem er ladet, und ein Tleines fichelför- miged, Meghar, aus dem er bie Pfanne beftreiht. Die Kugeltafche, Mhafeda, hängt an einem Bandelier, dad meiſt mit Silber befchlagen ift, wie denn die zwei Bulverhörner und der Stugelbehälter felbft bei jedem nur einigermaßen Wohlhabenden auch ſtets von mafjivem Silber und oft recht kunſtvoll gearbeitet find, namentlid die Edda. Gelbft arme Soldaten legen fi) jahrelang auf's Sparen, um filberne Waffen: zierrathe Taufen zu können.

Das Schießen mit diefen Zlinten ift ein entſetzlich langſames Manöver. Nachdem geladen ijt, muß die Pfanne beftrichen, dann Feuer gefchlagen und der gelbe Luntendocht, Fetil genannt, angezündet werben, worauf man ihn der Pfanne nähert. Oft verfagt der Schuß, denn nicht felten ift die Pfanne verftopft oder dad Pulver unrein.

Den größten Lurud treibt man mit der Gembiye, dem Doldy meffer. Dieſe ift jichelförmig, ftedlt aber in einer balbmondförmigen, meift fogar hufeifenförmigen Scheide, deren Griff body tft. Höher ala ber Griff ift jedoch ein großer metallener Köcher, Amud (Säule) ge- nannt, welcher auf dem dem Griff entgegengejebten Ende der Scheide tet und nur ierrath if. Scheide, Griff und Amud find in den meiften Fällen auch von Silber. An der Gembiye Silber zu haben, gilt ſogar für viel nothwendiger, ald an Edda und Meghar.

Außerdem wird ein geraded Schwert, 1. bi8 2 Fuß lang, Ne- meicha genannt, getragen. Es ift an der Spitze ein wenig nach außen gebogen. Die Nemeſcha kommt nicht bei Allen vor. Ich ſah fie eigent- lich nur bei Leuten, welche feine Luntenflinte hatten.

Das ‘Aud, eine Lanze, wird mehr im Innern und von den Be: duinen getragen.

*) Das bier über die Waffen Gefagte gilt zugleich für ganz Südarabien. Die Bewaffnung ift überall diefelbe, wird deshalb ſpäter nicht mehr erwähnt.

”*, Steinfchlöffer find in diefem Theile von Arabien gänzlich unbekannt. Sie folfen fich erft wieder in ‘Oman finden. Die Sultane befommen wohl oft moderne Waffen geſchenkt, zerbrechen fie aber ftetö fehr bald. Kein Südaraber weiß damit umzugehen.

268 Silberner Waffenſchmuck.

Alle jene filbernen Zierrathe, Waffenbehälter und das filberbefchla- gene Bandelier nehmen ſich bei der Nadtheit des Oberförperd (denn diefer ift nie bekleidet) auf der fchwarzen Haut der himyarifhen Süd— araber höchſt effectvol aus. Sieht man fie jo im Silberglanz auf Ihwarzem Untergrunde hoch zu Kameel mehr hängen als fiten, oder fih graciös fchaufeln, jo befommt man ein ganz andered Bid vom arabijchen Krieger, ald wir gewohnt find, es und zu machen.

Sechſstes Gapitel,

Datina.

I. Name. II. Geographiſche Lage. III. Grenzen. IV. Bodenerhebung. V. Wadis. VI Klima und Bodenerzeugniſſe. VIE Bewohner. VII, Ortichaften und Schlöffer. IX. Politifches.

L Rame

Datina ift ein uralter Ländername*), der früher einen engeren und weiteren Sinn gehabt zu haben fcheint. Wenigſtens erwähnt Ham- Dani eine Menge Orte ald in Datina gelegen, die im Lande der Aywadel, auf dem Gebel Kor liegen, wie Tere, Orfan, Daher u. |. w. Nach diejem weiteren Sinne umfaßte aljo Datina auch das Hodland, das jebt nicht mehr dazu gerechnet wird. Während aber Hamdant feine Aufzählung der Ortichaften den Geographen entlehnt, welche ein Datina im weiteren Sinne annehmen, folgt er in der Drographie an- deren, die es ald eine enger begrenzte Provinz auffaffen und kommt dadurch mit fich felbft in Widerſpruch. Cr nennt ed nämlich eine Senfung, öftlih vom Sarw Himyar. Zwar führt er Stellen an, wo

*) Hamdani ſpricht ausführlich davon (Adener Handſchr. pag. 86 u. folg.). Zon Mogawer erwähnt ed als Ortfchaft, nicht aber als Land (Sprenger's Poſt⸗ und Neiferouten ©. 142). YDaqut führt den Namen an, weiß aber nur, Daß es ein Ort zwifchen Yemen und Gened. Das Uebrige, wad er fagt, find Fabeln. (Zacut 11., 550.)

268 Silberner Waffenſchmuck.

Alle jene filbernen Zierrathe, Waffenbehälter und das filberbeichla- gene Bandelier nehmen jich bei der Nadtheit des Oberkörpers (demn diefer ift nie befleidet) auf der fchwarzen Haut der himyariſchen Süb- araber höchit effectvol aus. Sieht man fie jo im Silberglang auf Ihwarzem Untergrunde hoch zu Kameel mehr hängen als jigen, oder ſich graciös fchaufeln, jo befommt man ein ganz andere Bild vom arabifchen Krieger, ald wir gewohnt find, e8 und zu machen.

Sechstes Capitel.

Datina.

I. Name. - II. Geographiſche Lage. TIL. Grenzen. IV. Bodenerhebung. V. Wadis. VI. Klima und Bodenerzeugniffee VI. Bewohner. VIII, Ortichaften und Schlöffer. IX. Politifches.

J. Name.

Datina iſt ein uralter Ländername*), ber früher einen engeren und weiteren Sinn gehabt zu haben fcheint. Wenigftend erwähnt Ham- dani eine Menge Orte als in Dating gelegen, die im Lande der Aywadel, auf dem Gebel Kor liegen, wie Tere, Orfan, Daher u. f. w. Nach diefem weiteren Sinne umfaßte alfo Datina auch das Hochland, dag jept nicht mehr dazu gerechnet wird. Während aber Hamdani feine Aufzählung der Ortichaften den Geographen entlehnt, welche ein Datina im weiteren Sinne annehmen, folgt er in der Orographie an- deren, die es ald eine enger begrenzte Provinz auffaffen und fommt dadurch mit fich felbft in Widerſpruch. Er nennt es nämlich eine Senkung, öftlih vom Sarw Himyar. Zwar führt er Stellen an, wo

Ten

„. ) Hambdant ſpricht ausführlich davon (Adener Handſchr. pag. 86 u. folg.). Jon Mogawer erwähnt ed ald Ortfchaft, nicht aber ald Land (Sprenger’s Poft: und Keiferouten S. 142). Yaqut führt den Namen an, weiß aber nur, daß es ein Drt zwifchen Yemen und Gened. Das Uebrige, was er fagt, find Fabeln. (Sacut I7,, 550.)

270 Irrthümer arabifcher Geographen.

ed ein „Sarw“ genannt wird (offenbar aus den Autoren, denen er feine Ortfchaftslifte entnahm). Aber da „Sarw“ Hochland beißt, jo corrigirt er diefe Benennungsweiſe, die er für einen Irrthum hält, indem Datina eine Senkung fer. Letzteres ift dad Datina im engeren Sinne Sein Irrthum Tann nur jo erflärt werden, daß er die genaue Lage der Ortichaften nicht kannte, denn fonft würde er nicht dad Para⸗ doxon begangen haben, Datina zugleich eine Senkung zu nennen und zugleich ihm eine Menge Ortſchaften zu geben, welde auf dem hoͤchſten Gebirge, dem G. Kor, liegen. Diefe Unkenntniß beweift auch der Umftand, daß er den ©. Kor felbit nit zu Datina rechnet, wohl aber Tere, Daher, Orfan, und diefe liegen doch auf dem G. Kor.

Dennoch finden wir bei Hamdani volllommen richtige, auf das heutige Datina anwendbare Begriffe über dad Syſtem des Wadis. Er jagt: „Datina wird von den Bergen ded Sarm Himyar (d. h. den Bergen von Yafia) und dem fühlih von .Sarm Mabhig gelegenen ele Kor bewäffert“. Nichts kann richtiger fein, und trogdem nennt er Städte, ald in Datina, die ja auf eben diefem Kor liegen!

I. Geographiſche Lage.

Der äußerſte weftlihe Punkt von Datina dürfte 46° 15, der öſt— lichite 46° 40' oder 46° 42° erreihen. Im Süden nimmt man zwar, nah dem hiftorifchen Begriff „Datina”, die Ausdehnung bi8 an's Meer an, welches ed unter 46° 15° öftl. Breite und etwa 13° 30' nördl. Breite erreichte. Doch, fallen wir Datina in feiner heutigen provin- ziellen Bedeutung, jo können wir fein Südende erft einige 3 Stunden nördlich von der Küfte und fein äußerfted Nordende unter 139 50' nördl. Breite annehmen. Man überjehe nicht, daß Datina heut’ zu Tage fein ſcharf auögeprägter Begriff tft, fondern eine Provinz, die je nad) Macht oder Ohnmacht der Nachbaren bald Feiner, bald größer definirt wird. So iſt ed zum Beilpiel gar feine Frage, daß dad niedere Berg- land füdlih vom ©. Kor, alfo auch das Tiefland der Aumadel mit der Hauptſtadt Ghoder, topographiich zu Datina gehört und früher dazu gerechnet wurde. Aber heute iſt dies eben nicht mehr der Fall.

Datina. 271

II. Grenzen.

Im Süden und Weiten dad Fobliland. Sm Nordweften und Norden dad Audeliland. Im Nordoften und Often dad Land ber Oberen, im Südoften das der Unteren Auwaliq. An Yafia und das Sand der Mittleren Auwaliq grenzt dad Datina im engeren Sinne (dem einzigen, der heut’ zu Tage gilt) nicht.

IV. Bodenerhbebung.

Datina ift weder ein Hochland, noch ein Tiefland im abjoluten Sinne. Die Araber nennen ed zwar manchmal Tiefland, doch ift e8 dies nur im Vergleich mit dem hohen Gebirge, Gebel Kor, an deſſen ſüdlichem Fuße e8 liegt. Im Wahrheit ift es ein mittlere Bergland, mit einer Hochebene im Nordoften, dad fi im Süden allmälig zu einem niederen Hügelland abdacht und jo niederer und immer niederer wird bis zum Meereöftrande.

V. Wadis.

Zwiſchen Waͤdi Hafan-Yeramed und W. Hauwar führt Hamdani, als in's Meer mündend, einen W. Datina an. Ein ſolcher war keinem meiner Informanten bekannt. Wenn er exiſtirt, ſo muß er jedenfalls ſehr unbedeutend fein. Vielleicht iſt dies jedoch nur ein älterer Name“) für den W. Meran, den einzigen, der bier ins Meer mündet. (Man vergleiche übrigend Note **).

W. Meran“) kommt vom ©. Kor, fließt ſüdlich und mündet in’d Meer bei Hoider ungefähr an der Grenze der Fodli» und "Aulagi- länder, zwilchen Mataten und Seriya. Er tft unbedeutend und ver- dient nicht die Ehre, mit W. Hajan-YVeramed und W. Haumar in einer Reihe genannt zu werden. Er hat fat nie Wafler.

*) Bei Hamdani kommen viele Heutige Flußnamen noch nicht vor, 3. B. W. Hafan, den er Yerames nennt. Lebteren Namen führt er jetzt aber nur noch in feinen oberen Kaufe. Aehnlich beim W. Bonna.

“) Hamdani führt in Datina einen W. Me'wran an, der den Beni Morahem, Scherifen der Aud gehörte, auch einen Ort Azzan (Arran?) zubenannt Reqb (Zegb?), der Beni Ketif.

272 Flüfſe und Klima von Datina.

W. Azan durdfließt Datina von Nordweft nah Südoft und mündet nahe bei Dulliye in den W. Haumar.

W. Aidert fließt von Weſt nad Oft zwifchen dem Audeliland im Norden und Datina im Süden und mündet in den oberen W. Haumar.

W. Ail im oberen Gebirgelande. Alle diefe Wadis find unbedeutend und faft immer wafjerlos.

VI Klima und Bodenerzeugnifle.

Der füdlihe Theil ift trodned, faft regenlofed Küftenland ohne einen durch tropiiche Niederfchläge gefpeiften Waͤdi. Steppengewächſe, mittelmäßige Serealien, Dattelpalmen mit mittelmäßigen Früchten, viel Dompalmen. Der Nordojten, weldyer an die Hochebene Marcha grenzt, hat beinahe deren Klima und Fruchtbarkeit. Takab, Sefam, Weizen, Maid. Gutes Meideland. Tropiſche Sommerregen. Seit einigen Jahren liegt die Eultur der unficheren Zuftände wegen darnieder.

Hamdani befchreibt Datina ald „eine Steppe (Ghabit) wie die Steppe von Marib." Died paßt übrigens nur auf den füdlichen Theil.

VD. Bewohner.

Datina wird von den oben bereit3 erwähnten Fodliftämmen, den Halm Saidi*, Meferi, Hasni, Hanefht und Theilen der Ga deni be- wohnt. Xeptere vier haben das unfrucdhtbarere Küftenland, die Halm Saidi den fruchtbaren Nordoften ded Landes inne. Der zahlreichfte und wichtigfte Stamm find die Halm Sa'tdi. Sprit man von Voͤl⸗ fern Datina’s, fo ift fat immer nur von ihnen die Rede. Außer diefen wurde mir no ein Stamm, Namend Billet (vielleiht Bille i) ange: führt, der fonjt nicht unter den Fodli figurirt. ,

*, Halm Sa’tdt fir Ahl es Satdi, d. h. das faridifche Boll. Hal fteht für Ahl, da der Dialekt den Hauchlaut ſtets vorfeßt. Das „m“ ſteht für den ara: bifchen Artifel el (in specie es). Diejer dinleftifche Artikel wird ſtets dem vor: bergebenden Worte angehängt. Wlan verwechjele nicht Saidi mit Zaidi, daß ein Sectenname tft.

Ortichaften in Datina. 273

VTI. Ortſchaften und Sclöffer.

Blad Halm Sa’idi, fo heißt der Hauptort gewöhnlich. Er fol übrigens auch den Namen Datina führen, wohl mur bei den Gelehrten. Das Bolt nennt ihn nie jo. Liegt am W. Azan, in fruchtbarer Ge- gend, dem norböftlichen Theil des Landes. Großes Schloß: Hofin Halm Saitdi. Einige hundert Einwohner, worunter zwölf Juden⸗ familien.

Hafa, auch Suq Halm Sa’tdi genannt, der Hauptmarkt von Datina, im Nordweſten vom Hauptort, nur einen halben Tag ſüdlich von Ghoder. Viele Inden.

Hanka*), Ortſchaft der Halm Sa idi.

Magra'a““), Ortiſchaft der Halm Sa idi.

Adan""-), Dorf der Hasni.

Bible, Dorf der Hasni, im Südwelten, nur he fleine Tages reifen von Schughra.

Kolaite, Hauptort ber Han, dicht bei Gible. Drei Subenfamilien.

Dhoba, Ort der Hasni, eine Stunde füdli von Kolaite, am W. Meran, ſoll nur einen halben Tag vom Meere entfernt fein.

Mekaus, Dorf der Hadni, nahe bei Dhoba.

Omm Chodeire, Stadt und Markt der Meferi, im Often, un- weit der Grenze.

Haneſch, Dorf der Hanejchi, nur zwei Tage von Schughra im Südoſten des Landes.

Ahl Dian, Ort der Meſeri, vier Judenfamilien.

Suweda, großer Markt der Haneſchi und Meſeri. Zehn Juden⸗ familien.

Schloſſer: Hoffn ed Doma, H. eb Diab, H. Choraibe, H. Nachai, H. ber}) Homeſch und dad genannte H. Halm Sa idi.

Choraibe ſoll zugleich ein Schloß und ein Dorf ſein.

2) Bet Hamdani kommt ein Hanka im Rande der Ga'da vor. Schwerlich iſt dabei an das obige zu denken, da das Land jener Ga'da zu fern liegt. Sie find nicht die Ga’dent.

) Hamdani erwähnt ein Magra'a in Safla, alfo ganz in der Nähe von Datina.

) Adan tft bei Hamdani ein PYafi'-Stamm.

+) „Ber“, das altfüdarabifhe Wort für „ben“, im Dialelt noch häufig gebraucht.

v. Malgan, Reife nach Südarabien. 18

Y

274 Unglüdliche Lage von Datina.

IX. Politiſches.

Das Land fteht nominell unter den Fodli, in Wirklichkeit aber mehr unter den Auwaliq, deren Razzias es ftetd preißgegeben und von den Fodli fo ſchlecht beſchützt wird, daß es vorzieht, den Auwaliq Tri- but zu zahlen. So hat ed zwar einigermaßen Ruhe, ift aber doch fteter Willkür ausgeſetzt. Einheit bejteht nicht zwilchen den Stämmen, und felbit den Siegern gegenüber ift ihre Stellung verſchieden. Gerade der größte Stamm, die Halm Saiidi, den Auwaliq örtlid näher, muß am Meiften von ihnen leiden. Urſprünglich Dobayel, können fie jebt als halbe Raye gelten. Die Halm Saidi haben übrigens noch ihren angeftammten Schech, der den allgemeinen Titel Afel“*), und den ſpe⸗ ciellen Deran Mia tdi oder Deranem Satdi führt. Obgleich er aus dem tributpflichtigen Volke ftammt, fo Tiefen ihn die Auwaliq doch im Amt, gleihfam als ihren Statthalter und Tributeintreiber.

Die Meferi, Hasni, Hanelchi find nicht in demfelben Grade den Auwaliq tributpflichtig. Sie fchielen ihnen nur von Zeit zu Zeit nam- hafte Gejchenfe, um von Razzias verfchont zu bleiben. Die Hasni haben übrigend einen Dimani- Prinzen, der den Titel Sultan führt, als Erb- gouverneur. Aber auch er it factiſch in ein Abhängigkeitsverhältniß zu den Auwalig geratben, wenn er auch de jure unter, den Fodli ſteht.

Am Meiiten geplagt find jedoch die nordweſtlichen Landestheile, welche an dad Aubeliland grenzen. Die Auwadel find nämlich fehr räuberiſche und Eriegäluftige Dobayel. Da fie ihrem eigenen Sultan nicht gehorchen, jo nüpt ein dieſem gezahlter Tribut nicht viel. Die nordweſtlichen Datinaftämme zahlen zwar dem Sultan der Auwadel Tribut, werden aber demungeachtet ftetd durch Razzias beläftigt.

Der Hauptgrund der unglüdlichen Stellung von Datina liegt in der Ohnmacht der Fodli. Es ift eben eine ihnen faft ganz entſchlüpfte Provinz, für die e8 viel befjer wäre, wenn fie definitiv mit dem "Aulagilande vereinigt würde.

*) Diefer füdarabijche Titel bat Mauche an „Dail® erinnert, womit er wohl nichts zu thun hat. - DObige Schreibart mit ain und kaf (nicht qaf) wurde im Allgemeinen ald richtig verbärgt.

Siebentes Gapitel. Audeliland.

I, Rame. U. Geographiſche Lage. II. Grenzen. IV. Bodenerhebung. V. Wadis. VI Klima und Bodenerzeugniffe. VIL Bewohner. VIII. Städte und Ortfchaften. IX. Schlöſſer. X. Politiſches. XI, Sitten, Religion x.

IL Name.

Audeli*), häufiger im Eollectiv „Aumadel® vorfommend, tft der uralte Stammednanie, ben died Bolt und Land feit dem Sahrtanfend nicht verändert bat. Greifen wir zurüd bi8 zu Hamdani's Zeit, jo finden wir hier den Stamm Aud, in benfelben Wohnſitzen, im Beſitz derjelben Ortſchaften. Audeli heißt einfah „von Aud ftammend“. Der blos mit dem Schriftarabifch Vertraute würde freilich Audt erwarten, aber wer das lebendige, dialektifche Arabiſch Tennt, der weiß, daß foldhe Einſchiebungen von „I* oder „n* (auch andere Buchſtaben fommen vor) bei der Nisba häufig find. Beifpiele: Abdeli von Abd, Gadeni von Sada, 'Alluwi von 'Ali u. f. w.

I. Geographiſche Lage

Ungefähr zwifchen 450 50' und 46° 20° dftl Länge v. Gr. und 13° 50' bis 140 25° nördl. Breite.

”) Die Beduinen, die den dialettlichen Artikel „m“ gebrauchen, fagen Man: deli (für el Audeli) und im Collectiv Maudel oder Mauwedel. 18*

276 Der Goebel Kor im Audelilande.

II Grenzen.

Sm Süden Datina und Theile des Fodlilanded. Im Weften *) Yafia. Im Norden dad Land der Rezaz. Im Nordoften und Often Mara, ein Theil des oberen Aulaqilandes. Im Südoften wieder Datina und zwar dad Gebiet der Halm Sa' idi.

IV. Bodenerhbebung.

Nur ein ſehr Heiner Theil des Audelilanded ift verhältnißmäßig tief gelegen. Bei Weiten die größte Maſſe dieſes Gebiets ift Hochge- birgsland und zwar ein einziged maſſives, compacte8 Gebirge, oder, wenn man will, ein ungeheurer einzelner Berg mit mächtig gedehntem Rüden. Died ift der Gebel Kor. Diejer liegt ganz im Audelilande und reicht nicht mehr über daffelbe hinaus, es beinahe gänzlich aus— füllend. Seine Geftalt ift Ianglich, weshalb er oft der Nüden (Zaber) genannt wird, ein Name, den eine auf ihm gelegene Stadt im Be- fonderen führt. Seine Richtung ift, wie die anderer Hochgebirge Süd— arabiend (Gebel Sſabr und Yafıt) von Südweſt nach Nordoſt. Gebel Kor fteht mit feinem anderen Gebirge durch Höhenzüge in Verbindung, jondern fallt auf allen Seiten mehr oder weniger jchroff ab, im Süden nad Dating, im Weften nach dem Tiefland von Yafı'a, das ſich auf diefer Seite (oberer Lauf des W. Yerames) merkwürdig weit nad Nordoft erjtrect, im Norden nad) Beda und dem W. Thamat (nördliche Senkung von Behan) im Oſten nad der Hochebene Marcha.

Im Lande wird der Kor zuweilen auch Gebel There genannt, wie eine auf feinem böchiten Punkte gelegene Stadt heißt. Gegen Nord— weiten bat der Kor eine ausgedehnte Vorterraffe, Gebel Mozaffer genannt.

Hamdani Tennzeichnet die Lage des Gebel Kor genau, wenn er fagt: „Der Kor liegt zwifchen den beiden Sarw (Hodländern) Yafı a und Madhig“, d. h. zwiſchen den Hochgebirgen der Yafli und der Auwaliq, dem alten Sarw Himyar und Sarw Madhig, zu deſſen Syſtem Marcha gehört.

*) Es drängt ſich jedoch auf dev weſtlichen Seite noch ein ſchmaler Streif des Fodlilandes ein.

Flüfſe und Bäche im Aubdelilande. 277

V. Wadis.

Ein Land, das faſt ausſchließlich Hochgebirge iſt, kann nur die Anfänge von Wadis, nicht langgezogene Flußthäler haben. So iſt es auch hier. Nach allen Himmelsrichtungen ziehen ſich die Wadis vom Gebel Kor hinab, aber keiner erreicht innerhalb des Audelilandes nam⸗ hafte Ausdehnung. Der Kor bildet in dieſem Theile Südarabiens die der Küſte am nächſten gelegene Waſſerſcheide. Die beiden ihm nahen Koloffe, die Yafi'- und Aulagigebirge find etwas mehr in's Innere vorgeſchoben.

Dem arabiſchen Meere fließen folgende auf dem Kor entſpringende Wadis zu:

W. Yerames, dies der waſſerreichſte, entſpringt oberhalb des Sel*) Beni Sliman, zieht nach Südweſt durch den Kaffeediſtrict von Yafı'a, mündet unweit Mar in den W. Haſan.

W. Raiban, etwas füdlicher entipringend und fließend, aber gleich. falls füdweftlih in den W. Haan mündend.

Die Schon erwähnien W. Meran, der bei Hoider in's Meer mündet, W. Azan und Aideri, Tributäre des MW. Hauwar. Lepterer felbft fommt nicht vom Kor**), fondern vom Sarm Mabhig.

Senfeitö der Wafferfcheide und dem großen centralen Tieflande, el Sof (Djauf) zuflteßend.

W. Thamat fließt von Sid nad) Nord und ihm faft parallel, etwas mehr nad) Oſten W. Beraife. Andere kleinere W., meift Tributüre dieſer beiben:

W. Mesware, W. Medeq, VB. Omm Chalif, W. Hauwir (niit Hauwar).

VL Klima und Bodenerzeugniffe.

Durchaus dem tropifhen Sommerregen ausgejept, ift dieſes Hoch⸗ land fruchtbar. Dazu kommt ein ziemlicher Reichthum an Quellwaſſer,

2) Sel, d. 5. „das Fließen“ oder „Fluß“ im abftracten Sinne, bedeutet immer eine Stelle de Wadi, wo das ganze Fahr hindurch Waffer ift, und mag dies Refultat auch Tünftlich, d. h. durch Aufftanung erzeugt fein.

=) Der Name Kor wieberbolt fi) oft, fo auch bei einem Berg ſüdlich von Habban, den wir Kaur gefchrieben haben und ebenfo in Hadramaut, beim Kor Saiban. Wo wir jedoch fchlechtweg Kor fagen, ift immer der im Audelilande gemeint.

278 Bewohner des Audelilandes.

während Brunnen gar nicht eriftiren follen. Seinen Producten nad) hat es viel Aehnlichkeit mit dem Hochland von Abeſſinien. Hier wie dort tft ber Honig ein Haupterzeugnik und außerordentlich billig, 10 oder 15 Pfd. für einen Thaler. An den Bergabhängen gedeihen alle Obft- arten, Wein, Pfirfiche, Aprilofen u. |.w. Biel Sefam, Tabak, Durra, namentlich der rothe, Hamair genannt, und Dochn. Dagegen fehlen Palmen, Baumwolle, Indigo, Kaffee, Kant (obgleich eine Hochland⸗ pflanze, doch nur mehr gegen Weiten angetroffen).

VL Bewohner.

Die Einwohner, felbft die Städter, find, ausgenommen einige wenige Handwerker, die Pariad und die Iuden, welche drei Claſſen natürlich im RayesBerhältnii ftehen, alle Dobayel und der Abftammung nad) alle Aud, vulgo Auwadel. Obgleich Hamdani die Aub nicht ausdrüdlich Himyaren nennt, fo tft doch ihre Aehnlichkeit mit den anderen unzwei⸗ felhaften Himyaren zu groß, um fie nicht auch dafür zu halten. Als Stammovater nennt Hamdani: Aud, b. Abd Altab, b. Sahta, und als Unterſtämme folgende): Agib, Suiq, Bent Schabib, Habab, Bent Katif, Schelel, Beni Dais Aflagi, Schehab, Beni Togaif, Beni “Adi und Morahem, Scherife der Aud.

Bon allen diefen Namen befindet fich (außer deren Geſammt⸗ namen Aud) auf der mir von den Cingeborenen gegebenen Lifte der Unterftämme feiner, was übrigens nichts beweift, denn die Tleinen Stämme nennen fi) oft nach ſpäteren Stammvätern oder Häuptlingen, unter denen ihr Stamm eine Rolle fpieltee Hat man Gelegenheit, genau nachzuforſchen, jo entdedt man jedoch faft immer, daß der alte Name nody in der Tradition bewahrt wird, wenn er auch im gewöhn- lichen Leben wenig zur Anwendung kommt. Folgende Unterſtämme wurden mir nad) ihren heutigen Bezeichnungen genannt:

1. Bakſchi, wohnen in Heran.

2. Manfıuri, auf dem ©. Kor.

3. Bigeri, in und um Drfan.

4. Tohaifi, in und um Orfan.

*) Hamdani nennt diefe Stämme bei Datina, welches er in feiner Ortslifte

bis aufs Hochland ausdehnt. Bon den Wohnfigen, die er dieſen angeblichen Da. tinaftämmen giebt, Tiegen bie meiften im Aubelilande.

Stämme und Städte im Audelilande. 279

5. Demant, im Nordoft auf den Abhängen des Kor gegen Mara zu.

6. Scheheri, in und um Daher (Zaber).

7. Ber*) Dani, im Weſten an ber Grenze von Yafla.

8. Diebi, in Hafaf, im äußerften Often, alfo wohl ein abge- trennter Stamm der oben befprocdhenen großen Diebigruppe.

9. Oofeſchi, in Oofeſch, eine Tagereife nördlich von Ghoder.

10. Bent Sliman, in Ghoder und am fühweftlichen Abhange des Kor (Duellgebiet des W. Yerames) ; dies fol der Hauptftamm fein.

Außerdem giebt ed viele Scherife und ebenfo eine gewiffe Zahl Parias, die bier Merafat (Mufilanten) heißen. Sie haben dieſelbe Stellung wie die Achdam in Yemen und die Ahl Hayek in den "Au- laqi⸗ und Wahidiländern, wohnen in Dörfern zufammen, find jedoch bei Weitem weniger zahlreich.

Juden wohnen faft in jedem Dorfe bed Audeltlandes.

vIL Städte und Ortfchaften.

Ghoder, vulgo Zoder**) (die Auwadel felbft fagen ftetö Loder, in Aden und Beda hört man Ghoder), Hauptftadt des Aubelilandes, Sitz des Sultand, am füdlichen Abhange des Gebel Kor, etwas gegen Südwelten zu gelegen, in dem ntedrigften Terrain diefed Landes. Etwa 400 Einwohner. Zehn Iudenfamilien. Burgenartige Steinhäufer. Bier Mofcheen. Vierzig Delmühlen (Sefamöl). Großer Marti. Schloß ded Sultans, Hofin Medmer genannt, jehr feit.

Medfegge, Kleines Dorf dicht bet Ghoder, ausſchließlich von der Pariakaſte, den Merafai, bewohnt.

DOrfan"*), eine Meine Tagereife norböftlich von Ghoder, auf einem Xheile ded &. Kor, der den Namen ©. Orfan führt. Ganz

*) Ber für Bent, altiüdarabifch, wie ſchon oben Seite 273, Note 4.

*5) Loder fteht für el Ghoder, defien Anfangsbuchſtabe Ghain bier nicht aus: geiprochen (oder wie Hamza geiprochen) wird. Das „X” des Artikels, der bei Diefem Wort ausnahmöweife nicht „M° tft, wird binübergezogen, alſo el Oder, und verfürzt Loder. Ich hörte nur einmal Moder (mit Artikel „m’).

Die Namen Orfan und Daher find bei Hamdani ganz deutlich zu leſen, eiwas weniger deutlich There, da bier alle diakritiſchen Punkte fehlen und ber lange Vocal auch nicht angedeutet tft, aber ich glaube Doch, daß There gemeint tft. Hann: dani fpricht von einem Wadi Orfan, von dem Beni Aflagt, und von einem

280 Städte und Schlöffer im Aupdelilande.

von Dobayel, von den Stämmen Bigert und Tohaifi bewohnt. Bier Zudenfamilien. Markt.

There, höchftgelegene Stadt auf dem G. Kor, etwas öftlih von Orfan. Fünfzehn Iudenfamilien. Biel Handel. Blühender Marft.

Daber*) (Zaher), größte Stadt im ganzen Audelilande, halb- wegs zwildhen Ghoder und Beda, nicht auf der höchften Höhe, fondern auf einer weftlichen Borterraffe ded Kor, G. Mozaffer genannt, gelegen. Der Auffteig von Ghoder nach Daher ift fteil und fteil auch der von Daher nach der Höhe des Kor (There und Orfan), die von hier öftlich liegt. Etwa 1000 Einwohner. Zünfzig Sudenfamilien. Großer Markt und lebhafter Handel. Biele Delmühlen. Hier leben Handiverfer, bie Naye find. Alle anderen Bewohner Dobayel.

Heran, Stadt der Bakſchi, auf einem Abhange des &. Kor. Etwa 250 Einwohner. Sechzehn Sudenfamilien. Markt.

Hafaf, Ortſchaft der Diebi, zwiſchen Orfan und Demani, am öftlichen Abhange de G. Kor. Etwa 200 Einwohner. Bierzehn Su- denfamtilien. Markt.

Ardh ed Diebi, unweit Hafaf, Hüttendorf. Drei Sudenfamilien.

Arieb, Fleined Hüttendorf. Drei Sudenfamilien.

IX. Shlöffer.

Bei jeder Stadt und im Mittelpunfte jedes Unterſtammes ein be- feftigtes Schloß. Hoſſn Mesmer in Ghoder, H. Motaibel bei There; H. Oofeſchi, H. Manfluri, H. Diebi, H. Bakſchi, H. Bigeri, H. To- haifi oder Tahifi in den gleihnamigen Stammesgebieten.

Außerdem noch folgende Schlöffer im Lande zerftreut: Hofin Schau i, H. Scha iba, H. Mohadaka, H. el Hafan, H. Hamed el Mohaiteni, H. Ber Mortaiba, H. Halm Eſſarr, H. bel Schech, H. el Kahur. |

Tere von den Bent Habab bewohnt. Zaher nennt er eine Stadt der Stämme Ketif und Oais. Die genannten Stämme find immer ale Unterftimme der Aud bezeichnet.

*, Schriftarabifch wäre Tſaher. Der Buchſtabe Zfa (oder Tza) ift aber in ganz Südarabien durch Dhad verdrängt und zwar nicht nur in der Sprache, fondern wird auch in der Schrift fehr oft geradezu an Stelle des anderen gefeßt, fo na- mentlich Immer in Daber.

Politifche Verhältniffe des Audelilandes. 281

X Politiſches.

Sultan Mohammed, ben Ahmed, ben Salah, regiert erft feit 1870, dem Zodesjahre feined Vaterd, Ahmed. Nefidirt in Ghobder. Hat nur Bedeutung ald oberfter Kriegdführer. Sonſt ift feine Macht ſehr beichränft, ba faft alle Bewohner Dobayel find. eine Quftiz be: ſchränkt fich auf ein Schiedörichteramt, das er aber nur dann ausüben fan, wenn es den Oobayel beliebt, ihn zu fragen. Das Gotteögericht wird im Lande nicht ausgeübt. Kommen zweifelhafte Griminalfälle vor, fo geht man nach Dara in Unteryafia,-wo ein berühmter Fenerrichter lebt und holt fich dort die Entſcheidung. Alled bleibt jedoch der Blut⸗ rache überlaffen.

Steuern kann der Sultan blos von den Raye und Suden erheben und zwar auch nur von denen, die in oder um feine Hauptitadt leben. Die Raye und Suden inmitten der Oobayel find Unterthanen der Stämme, nicht ded Sultans. Die meiften Städter find übrigens bier aud) Dobayel. Die Zahl feiner Soldtruppen beträgt höchſftens fünfzig.

Mit den Fodli oder Otmani herricht Blutfehde. Im neuefter Zeit tft diefe wieder energifch entbrannt. Der Sultan der Fodli verlangte nämlich von dem Sultan der Auwadel die Auslieferung eined ihm ents Iprungenen Sklaven; da Died verweigert wurde, ſchickte er feinen Vetter, Mohader, b. "Abd - Allah, Gouverneur einer Grenzprovinz, um ihn mit Gewalt zu holen. Da aber Mohader gefchlagen wurde und fogar das Leben verlor, jo find jebt die Auwadel ftark in der Blutjchuld der Zodli. Lebtere können ihnen wenig anhaben, denn ihr Land- ift günftig für Hinterhalte und die Aumwadel find ehr kriegerifh. Im Kriegsfalle gehorchen fie ihrem Sultan gern, da diefer auch Krieger ift und zu den Dobayel gehört, nit wie der Wahidi Sultan, den man gewiſſer⸗ maßen eine Civilperſon nennen kann (f. oben).

In Arabien tft immer die Abftammung und die Claſſe, zu der der Sultan gehört, im Auge zu behalten. Ein Fürft, der felbft nur oberſter Kriegsführer ift, wird dennoch factiich dann mehr Macht haben, wenn er perfönlich zu den Dobayel gehört, als wenn er mit diefen nur durch Verträge verbunden iſt. Daher denn auch die Macht der Aulaqi-, Fodli⸗ und felbft der Audeli-Sultane reelfer tft, als z. B. die der Wahibdi- Fürſten.

2823 Audeltland.

XL Sitten, Religion u. f. w.

Alle Auwadel find Schafe'i, üben die Beichneidung am fiebenten Zage bei beiden Gejchlechtern, im Ganzen find fie jedoch etwas laxer im Glauben, ald die Fodli.

Merkwürdig tft die Eriltenz der Merafai*) (Pariad). Trotz der Beradhtung, unter der fie leben, haben fie doch manche Vorteile. Sie zahlen feine Steuern und es gilt für einen Chrenpunft, fie reich- lich zur befchenten, wenn fie gefungen haben. Die Pariad fcheinen hier gar Fein andered Gewerbe ald das Muficiren auszuüben.

*) Dad Wort beißt eigentlich „Hochzeitägratulant‘ oder „hochzeitlicher Lob: fänger”, wird aber bier für Mufitanten im Allgemeinen, im Speciellen fogar für „Trommler gebraucht.

Achtes Sapitel. Yafı'a.

J. Name. U. Geographiſche Lage. III. Grenzen. IV. Bodenerhebung. V. Wadis. VI. Klima und Bobenerzeugniffe. VIL Politiihe Eintheilung. VII. Unteryafia. A. Stämme B. Städte und Ortfchaften. 1. Im Hochlande. 2. Im füdlichen Tieflande, nahe bet Abian. 3. Im öftlichen Zieflande (Kaffeediſtriet). 4. In den weftlichen Senkungen von W. Bonna (gleichfalls Kaffeediſtrich. C. Schlöffer. D. Politiſches. E. Juſtiz. F. Gottesgericht. IX. Oberyafia. A. Stämme. B. Städte und Ott: Ihaften. C. Politiſches. X. Gefchichtliches. XI. Sitten, Religion ıc. XII Sprachliche Eigenthümlichleiten. XL Phyſiognomiſches.

L Rame

Auch dies ift der uralte Länder⸗ und Stammesname, den wir ſchon bei Hamdani (um 900 p. Chr.) finden. Die Form Yafia für das Land ift eigentlich nicht ſüdarabiſch, wenigſtens nicht üblich, jondern nach Analogie des Schriftarabifchen gebildet. Gewöhnlich jagt man”) ‚Dafi * ohne a für Land, Volt, Berg u. f. w.

DI Geographiſche Lage.

Der äußerſte weftliche Punkt von Yafı a erreicht ungefähr den 450 öftl. Länge v. Gr., der äußerſte öftl. 450° 50‘, aber Die Ausdehmung

*) Unfere Karten und Bücher geben gewöhnlich einen falfchen Begriff von Yaft'a, indem fie dieſes Land viel zu groß annehmen. Selbft Reifende, ein Wrede und Well: fted rechnen Landſchaften hinzu, die entweder nicht mehr zu Yafiia gehören, wie Rezaz, Ga'da, nder die niemals dazu gehörten, wie dad Aubellland und ben Sarw Madhig.

284 Lage und Gebirge des Mafi landes.

nach Often ift ſehr ungleich und erreicht ſüdlich und nördli von der größten Länge ded Landes an Stellen nur 45° 20° öftl. Länge v. Gr. Im Südweſten erjtredt fid) dad Land bis zu 139% 20' nördl. Breite, aber dieſe ſüdlichſte Strecke bis 13% 40° bildet nur einen fchmalen Streifen, fat eine Enclave zwilchen Fodli im Oſten und Laheg im Weiten. Die compacte Maffe ded Landes liegt zwilchen 13° 40’ und 149 40' nördl. Breite.

IL Grenzen

Im Süden das Fodliland. Im Welten eine Neihe Heiner Staaten, die fih von Süd nad Nord fo folgen: 1. Laheg, 2. Haufchebiland, 3. Amirland, 4. Schaheriland (zum Theil Enclave in Nr. 3), 5. Wieder Amirland und zwar Stammesgebiet der Gaud (Gada), 6. Merrais. Im Nordweften Reda und Gef. Im Norden das Land der Nezaz. Im Oſten fih von Nord nad Süd folgend: 1. Wieder ein Theil des Mezazlandes, 2. Audeliland, 3. Ein Theil des Fodlilanded.

IV. Bodbenerhebung.

Jene nad) Südweften vorgejchobene, etwa 20 engl, Meilen ich hinſtreckende Spitze des YafiIandes, welche zwiſchen 13020’ und 13° 40° nördl. Breite und zwilchen Wadis Bonna und Hafan liegt, bildet jo zu fagen ein ſüdliches Vorgebirge des Gebel Yafi. Im Often von ihr dehnt ſich das Tiefland ſehr weit nördlich im’3 Innere. Dieſes öftliche Ziefland, zwiſchen Wadis Solub und Yeramed, ift nach Süden zu offen, im Dften vom Gebel Kor, im Norden und im Weften vom Gebel Yafı begrenzt. Im Weften von Yafı a ift fein ausgedehntes Tiefland, fondern nur eine ſchmale, faft Auftartige Senkung längs des Wadi Bonna. Die Hauptmaffe von Yafı'a bildet ein einziges mächtige Hochgebirge, der alte Sarw Himyar (Hochland der Himyaren) jetzt einfach das Yafi gebirge genannt. Dieſes Hochgebirge, welches nach den Pflanzen und meteo⸗ rologiſchen Erſcheinungen auf 6⸗ bi8 8000' Höhe geſchätzt werden kann, nimmt wenigftend vier Fünftel von ganz Yafı a ein. Sein weltlicher und füdlicher Abfall liegt zum größten Theil noch in Yafia. Sein nördlicher Abfall bildet das Land der Nezaz und auch im Nordoſt fallt

Flüfſe und Bäche im Yafllande. 285

es gegen den in diefem Lande gelegenen W. Thamat ab. Der höchfte Theil dieſer Gebirgsmaſſe liegt im Norden.

Bon den Namen einzelner Gebirgätheile, deren ohne Zweifel viele ipeciell benannt find, wurden mir mur folgende befannt: Gebel Mau- fiya, einzelner Berg oberhalb Dara; Gebel Kellet, der ganze Hö- benzug bei Dara; Gebel Mohageba, die Hauptmaffe der Berge des nördlichen Yafi'a.

V. Wadis.

Alle Wadis von Yafia, füdlich der Waſſerſcheide, gehören zu ben Alußgebieten der W. Bonna und Haſan, zwilchen deren Syftemen der Süden ded Landes gleichſam eingefeilt ift.

W. Bonna, von deffen Tieflauf Schon bei Abtan im Fodlilande die Rede war, entipringt im Nordweften von Yafi'a und zwar außer: halb feiner Grenzen, in Ain Schelala*), bei Schaif, unweit Yerim, fließt dann erft öftlid und darauf von Nord nah Süd, Anfangs bie weftliche Senkung und Grenze von Yafi'a bildend, im Süden aber ganz im Yafı territorium, das jedoch auf feiner MWeftjeite nur als ein

ſchmaler Streif erfcheint, bis nach Chamfer, der füdlichften Yafı -Stabt.

Nebenflüffe des W. Bonna find: W. Sabjab, tn feinem oberen Laufe W. Wallach genannt, bildet die fruchtbare Senkung von Chere. .Wadis Chulle, Schara, Serafe, Teem, alle bei den gleichnamigen DOrtichaften in den W. Bonna münden?.

Der W. Hafan führt diefen Namen nur in feinem Tieflauf, in Abian, welches jegt nicht mehr zu Yafi'a gehört. Hier haben wir es mit feinen beiden nördlichen Seitenflüffen, den Wadis Solub und Yeramed, zu thun. Xepterer, vom Kor fommend, berührt eigentlich nur ben füdöftlichen Theil des Tieflandes von Yafia. Der W. Solub dagegen durchfließt e8 in feinem ganzen Laufe. Cr ift nad dem W. Bonna ber wichtigſte Yafl'fluß. Cr kommt aus der Gegend von Dara, fließt dann erſt öftlih bis Schewuha und wendet ſich darauf jüdlich, um fi an der Südgrenze Yafı a’3 mit dem W. Yerames zu vereinigen. Der W. Solub führt jedoch diefen Namen erſt ſüdwärts von Homma,

*) Ganz nahe dabei entjpringt auch der W. Nura, der weiter ſüdlich W. Tobban oder Fluß von Laheg beißt.

286 Das Hodgebirgs- und Tiefland von Yaft'a.

wo er aus ben bier fich vereinigenden MW. Roſut (von Dara Toms mend) und W. Sarar (von Sarar herabfließend) gebildet wird.

Andere Seitenflüfle ded W. Solub find: W. Reqab Hadad (von Cedara Tommend), W. Lamlan (im Gebiet der Ahl Yufef), W. Naum (im Gebiet der Sfaidi), W. Namaga (im Gebiet des gleichnamigen Stammes), W. Habba (im Gebiet der Amudi).

Der ® Sfahab allein, der von Hatab kommt, vereinigt fi mit dem Haupifluß erft füdlih vom Zufammenfluffe der W. Solub und Yerames, in der Nähe von Scheriya.

Die Wadis auf der Nordfeite der Wafferfcheide Tommen bier kaum in Betracht, da fie nur ihre unmittelbaren Duellen bier haben, indem ber ganze nördliche Gebirgsabfall außerhalb Yafı'a liegt. Bon ihnen wird beim Lande der Nezaz bie Rede fein.

VL Klima und Bobenerzeugniffe.

Nur die allerfüdlichite Spike, die Gegend um Chamfer, hat nod) Küftenklima, iſt aljo faft regenlos, aber in ihrem ebenen Theile nicht unfrudhtbar, da diefer am Bewäſſerung ſpendenden W. Bonna liegt. Diejer Theil gehört topographiich zu Abian.

Das ganze übrige Land hat dad tropifche Regenklima, ift alfo überall fruchtbar, wo nicht felfige Bodenbeichaffenheit die Entwidlung einer namhaften Pflanzendede hindert. Dies fcheint in einzelnen Ge- genden der Fall zu fein, aber doch nicht in auögedehnten. Die rela- tive große Höhe von Oberyafia tft doch nirgends der Art, um der Entwidlung von Nüplichkeitspflanzen abjolut binderlich zu fein. Diefelben find natürlich fpärlicher und nordifcher, aber wo fie gänzlich fehlen, trägt nur der Felsboden, nicht die Höhe die Schuld, denn in dieſer geographifchen Breite gedeiht felbft noch bei 8000'° Höhe eine reichliche Pflanzendede, wenn die Bodenverhältniffe günftig find.

Wir Finnen Yafi'a in Bezug auf Bodenproducte in drei Zonen eintheilen, das heiße Tiefland, das Mittelgebirge und das Hochland.

Das audgedehntefte Tiefland bildet die nördliche Fortfegung von Abian, die Gegend zwiichen W. Solub und Yeramed. Died tft der oͤſtlichſte Kaffeediftriet in ganz Arabien; die an Kaffee reichite Land⸗ ſchaft Liegt bei den Drten Schewuha, Mirza und Tozze, jeber einige drei Stunden vom anderen entfernt und am W. Solub gelegen. Seder der drei

Das Öftlichite Kaffeeland von Arabien. 287

Orte liegt an der Mündung eined gleichnamigen Wadi in dem W. Sohib. Doc reichen die Kaffeepflanzungen in alle drei Geitenthäler ziemlich weit hinein und find überhaupt bier veichlicher, ald am Haupt: wadi ſelbft. Noch öftlicher liegen die Kaffeepflanzungen von Ahl ben Rahgi und Orqa, die ſchon vom Kor bewällert werden. Das gün- fügfte Terrain fcheint in dem Theil des Tieflandes, der unmittelbar am Rordfuß der hohen Yafı'berge liegt.

Außer diefem amdgedehnteften Kaffeediftrict gedeiht jedoch dieſe Rubpflanze noch in allen Senkungen länge dem Wadi Bonna und jemen und des Wadi Solub Seitenthälern. Namentlich die Gegend von Chere am W. Wallach ift reich daran. Merkwürdig tft, daß Kaffee jelbft in den ſchon hochgelegenen Thälern um Dara vorlommen fol, mr nicht auf einem Berge, eben jo wenig wie in einer ganz flachen Ehen. So finden wir 3 B. einen Theil des Tieflandes, den ſüd⸗ lichſten, der zwiſchen dem SKaffeediftrict von Schewuha und Abian liegt, als ein wüſten⸗ oder fteppenartiged Land und dennoch wird auch er vom W. Solub durchzogen. Man nennt ed die „Wüfte der Mes ſcheli', auch „Wüfte Merzaf" genannt; dies erflärt fi wohl nur das dadurch, daß das Meſchekiland ſchon Küſtenklima, folglich keine tro⸗ piſchen Regen hat und die Einwohner, als bloße Viehzüchter, keine Bewäſſerungsanſtalten machen, wie die fleißigen Bewohner von Abian, ihre ſüdlichen, unter ganz gleichen Flimatifchen Bedingungen lebenden Nachbarn.

Das Mittelgebirge trägt hier und da Baumwolle, Indigo, ſonſt mehr Seſam, Durra, Dochn, wenig Weizen, dagegen viele Obftarten, Bein, Pfirfiche u. ſ. w. Dattelpalmen nur in fehr geringer Zahl.

Im Hochgebirge ift vortreffliches Weideland, namentlih wächſt bier reichlich ein wilder Klee, ein vortreffliches Kameelfutter. Hier findet fi) auch Safer und Gerfte, ſonſt in Südarabien felten.

Duellen jollen in diefem Gebirge verhältnißmäßig wenig jein, ver- Ihieden hierin vom quellenreihen ©. Kor. Die Speiſung der Wabid ge ſchieht hauptſächlich durch die teopiichen Regen. Das Hochland iſt des⸗ halb für den Trinkbedarf auf Eifternen angewiefen, die jedoch bei den nie ausbleibenden Sommerregen ftet3 reichlich verforgt find. Im Tief lande dagegen behält man durch Aufftauung der Wadis faft für's ganze Fahr Flußwaſſer. Brunnen follen nicht viele fein.

290 Städte und Örtichaften im Nafi lande.

öftlich von Dara und direct oberhalb des Kaffeediftricts, zunächſt Tozze und Mirza gelegen. Etwa fünfzig Einwohner. Der Name deutet auf Juden, die in früheren Sahrhunderten bier gelebt haben mögen. Dept find im engeren Yafi’a_ keine Suden. Etwa ſechs Steinhäufer, jonft Hütten.

Habba*),, Hüttendorf am gleichnamigen Wadi zwiſchen W. Eolub und Dara, gehört dem Stamme der Amudi.

Shelale, Hüttendorf mit einigen Burgen, zwei Stunden bergab» wärtd von Dara.

Homma, am Zufammenfluffe der ®. Serar und Rofut, Hütten- dorf mit zwei Schlöffern.

Medinet Telez**), auch Zelez geſprochen, eine ftarfe Tagereiſe im Nordoften von Dara, fehr hochgelegen, von Vielen ſchon zu Ober: yafı'a gerechnet, zu dem es topographifch gehört. Politiſch ift aber bier die Herrichaft des Sultand von Unteryafi a vorwiegend, obgleich die Beziehungen zu Oberyafi a noch nicht aufgehört Haben; genießt übrigens eine gewiffe Unabhängigkeit unter einem eigenen Akel, Mtegna (Mie- tennia) Atif mit Namen. Diefer fol fih noch ald Verbündeter von Dberyafi a anfehen, aber factiih Vaſall von Unteryafi a fein. Kara= wanenftation zwiſchen Beda und Dara.

Sugq el Had, vulgo einfah „el Had*, d. h. Sonntagsmarkt. In nächfter Nähe von Medinet Telez, fo dab es oft mit diefem ver- wechfelt wird. Größter Markt des Nordoftens von Yafl'a und an Sonn⸗ tagen jehr befucht, übrigens blos ein Hüttendorf. Auch diefer Ort wird oft zu DOberyafi a gerechnet. In Aden hörte ich fogar „el Hab“ als Hauptftadt von Oberyafi a bezeichnen ***), jedenfalls unrichtig, denn ein- mal ift es feine Stadt und zweitens fteht es zu Oberyafi'a in dem- jelben mehr traditionellen Verhältniffe wie Medinet Telez und ift, ebenfo wie leßtered, politifch mehr von Unteryafi'a abhängig.

*) Habba bei Hamdant Ortfchaft des Stanımed Anfur.

“) Dad Wort ift eigentlich Theletd, ein Name, der von der Zahl „drei“ ab: geleitet ift, wahrfcheinlich mit Beziehung auf den „dritten” Wochentag (Dienstag), an dem bier ein Markt abgehalten wurde.

“r) Selbit Leute, wie der Sultan von Laheg, begingen diefen Irrthum, ein neuer Beweis, wie wenig man von den Nadybarn eined Landes über dieſes er.

fahren Fann und wie nothwendig einheimifche Suformanten, d. h. aus dem engeren Gebiete, find.

Städte im Tieflande von Yafl a. 291

2. Sm ſüdlichen Tieflande nahe bei Abian. 7

Chamfer*) (arabiih Chanfer geſchrieben, Chamfer geiprochen, nad) der engl. Aufnahme v. 1872 unter 130 12° 30” nördl. Breite und 450 19 öftl. Länge v. Gr.), größte und zugleich füdlichfte Stadt im Tieflande, letzter Ort, ber den Yafi'i von Abian geblieben ift. Iſt jetzt faft ganz im Fodli⸗ gebiete enclavirt Nördlichfter Punkt, den die Europäer von Aden aus der Jagd halber zu befuchen pflegen. Einige vierzig Steinhäufer. Feſtes Schloß, Eitadelle mit Yafi'gamifon. Etwa 150 Einwohner. Lebhafter Markt. Biel Verkehr. Die Bewohner find nur politiih, nicht genen- logiſch zu den Yafı't zu rechnen. Sie find echte Städter, ohne Stam⸗ meßtradttionen, ihrer Stellung nad Raye ded Sultand von Dara.

Hoſſn Scheriya, etwa drei Stunden nördlih von Chamfer am W. Solub. Altes himyariſches Schloß. Hier follen Inſchriften ſein. Nie von Europäern befucht**).

3. Im öftlihen Tieflande (Kaffeediftrict).

Schewuha, jüdlihfte Stadt im Kaffeediftrict, im W. Solub und feinem nördlichen Seitenthale, W. Schewuha, etwa anderthalb Tage⸗ reifen oberhalb Naab und Bab el Felaq, erfter fruchtbarer Land- fteich nördli der Meichefifteppe. Die Häuſer liegen in den Pflan- zungen zerftreut, nur etwa zwanzig bilden eine compacte Gruppe. Stamm Keſadi, Abtheilung der Yazidi. Hat einen eigenen Sultan vom Keſadigeſchlecht. Bon bier ftammt aud die Dynaftie von Mas - falla, el Keſadi, an der Südküfte unterhalb Hadramant. Der Nekib von Makalla und der Sultan von Schewuha find Bettern.

Mirza, drei Stunden weitlid von Schewuha, am Zufammenfluß des W. Mirza mit dem W. Solub. Etwa 15 Steinhäufer bilden die „Stadt“, die anderen Häufer find in den Pflanzungen des W. Mirza zerftreut.

Tozze‘, etwa 3-4 Stunden weftlich von Mirza, am Zufammen- fluß des W. Tozze mit dem W. Solub, am Fuß der Berge von Dara, von welder Stadt es nur 3 Stunden entfernt iſt. Größte Stadt im Kaffeediftrie. Etwa 200 Einwohner. Zwei Stämme, die

*), Bei Hamdani ald Medinet Chamfer angeführt. Bewohner waren damala d’e Afibahin (wohl die heutigen Sfobehi) und die Beni Mohaid, die ohne Zweifel der Ebene Mehaidan den Namen gaben, welche dicht bei Chamfer ihr Oftende hat.

”r) Died ift der nördlichfte Punkt, von deſſen ungefährer Rage die Adener Engländer überhaupt nur etwas gehört hatten. Ein engl. Offizier, Lieutenant Dwen, hat zuerft auf H. Scheriya aufmerkſam gemacht. Die Infchriften werden bezweifelt.

19*

292 Der Kaffeediftrict von Yafla.

Ahmar und die Ahl Ba Gil’gella, jeder mit mehreren feſten Schloſſern.

Der Weg von Schewuha nach Mirza und von Mirza nach Tozze führt durch das Thal des W. Solub, obgleich die Route über die Bergeszüge, welche die 3 Seitenthäler trennen, topographiſch näher wäre. Sie iſt aber zu ſteil. Uebrigens liegen in jedem der drei Seitenwadis die Kaffeepflanzungen auf weitem Raume zerſtreut und ſtrecken fi 3—4 Stunden in's Innere der Thäler hinein.

EI ’Orga*) (vulgo Orga gefprochen) auch im Tiefland, öftlich von Schewuha, Heine Stadt der Ahl ben Nahgi. Etwa 10 Steinhäufer mit 50 Einwohnern bilden die „Stadt". Viele Häufer in den Pflan- zungen zerftreut.

Dhi Nahab**), Hüttendorf mit einem Schloß im Tiefland der Ahl ben Nahgi.

Soleb***), Schloß am W. Solub und Hüttendorf.

Mit Ausnahme des lehteren haben alle die obenerwähnten Drte ausgedehnte Kaffeepflanzungen.

4. Sn den weftliden Sentungen am W. Bonna (gleich— falls Kaffeediftricte).

Ehulle, Stadt am W. Bonna. Schlöffer. Etwa 100 Ein- wohner. inige Iudenfamilien. n

Serafe, dicht bei Chulle, am W. Serafe und W. Bonna. Städtchen mit Schlöſſern. Etwa 80 Einwohner. Einige Juden.

Cheſre, Stadt im höchſtgelegenen Kaffeediſtrite am W. Wallach, Seitenarm des W. Bonna, zwiſchen dieſem und Oara. 3 Stein— häuſer, ſonſt Hütten. Häuſer in den Pflanzungen zerſtreut.

Scha'ib) Ortſchaft an der Weſtgrenze. Einige Schloͤſſer, ſonſt Hütten. Etwa 50 Einwohner. Markt. Juden.

Teemfp, Ort der Yahlrri, wird auch von Abtheilungen der Gaud (Ga da) bewohnt, die nicht Yafii find. Aeußerfte weltliche Stadt ;

*) Orqa bei Hamdani, Ortſchaft der Ahgur.

**) Hamdani erwähnt Du Nachab, Ortſchaft der Chabr oder Gabr. *xx) Soleb bei Hamdani, Ortſchaft der Chabr oder Gabr.

F) Bei Hamdani iſt Schiib ein Stamm, der in Yahor wohnt und Scha'b eine Stadt der Bent Schimi (Semi). Doc dürfte Scha’ib der von Hamdani ge- meinte fein, nicht das obengenannte Scha’b el Yahud.

Tr) Teem oder Taim bei Hamdani in Daftia erwähnt. Stamm nicht angeführt.

Unter- Yafı a. 293

gehört nur nominell zu Unter-Yafia, ift factifch unabhängig. Der Sultan von Mar nannte mir Teem ald einen eigenen Fleinen Staat. Andere fagten aus, daß ed unter den Amir ftehe. Beides kann richtig fein, denn die dort wohnenden Gaud, die ja zu den Amir gehören, dürften auch deren Autorität anerkennen, die Yahirri dagegen unab- hängig fein.

Bei allen diefen Orten wählt Kaffee, jedoh nicht in fo aus- gedehnten Pflanzungen, wie im öftlichen Tieflande.

C. Schlöſſer.

Folgende Schlöffer wurden mir als in Unter-Yafi a gelegen. be- zeichnet: Hoffn Sfaide, H. Schemi, H. Amudi (diefe 3 in den gleich. namigen Stammedgebieten), H. Deref, H. bel Haſan, H. bu Bekr cl Ghaleb, H. Mohaffin ben Ali, H. Shalib "Alt, H. "Ad*), H. Salem, H. Beni Raſcham, H. bu Bekr abu Kerim.

D. Politiſches.

Ahmed Ali el Ghaleb el Afifi, officiell Sultan von Unter-Yafi a, gewöhnlich aber nur Akel (Schech) von Dara genannt, am beften be- fannt unter dem Gejchlechtönamen ‚el Afift,“ vom Stamme der Kellet oder Beni Dajed, beherrſcht mit Macht und Energie den größten Theil von Unter-Yafia. Im Südweften, von Chamfer an, in ben Senkungen am Wadi Bonna (mit Ausnahme von Teem) und im ganzen Hochland iſt feine Macht faft abfolut, d. h. ohne Raye zu fein, ftehen die Stämme doch tn viel directerer Weile unter feiner Herrichaft, als Dobayel anderer Gegenden unter ihren Fürften. Cr erhebt Steuern, den Zehnten von allen Bodenerzeugnifjen, von Getreide und Baum: wolle nad dem Maaß, von Kaffee und Tabak nad) dem Gewicht. In den Städten diejer Gebiete hält er kleine Garnifonen. In Dara bat er zwei, in Chamfer eine Kanone. Biele Soldtruppen, die gelegentlich aufgeboten werden, nicht regelmäßigen Dienft verrichten. Der ganze Heerbann fol, wenn aufgeboten, 25,000 Mann betragen. Doch geſchieht da8 Aufgebot in 5 Slaffen, deren legtere nur im äußerften Falle heran⸗ gezogen werden.

*) Gewiß ein merfwürdiger Name, ber an bie Aditen erinnert!

294 Macht des Sultans von Unter - Yafta.

Das öftlihe Tiefland, der Kaffeediftrict, ift zum Theil unabhängig unter eigenen Sultanen. Doch auch bier macht ſich der Einfluß des Afifi oft geltend, namentlih da er in religiöfer Beziehung eine große Autorität bildet. Teem und das Mefcheli-Land find ganz un- abhängig.

Mit England find die Beziehungen freundjchaftlich, obgleich Die Yafli fehr wenig nad Aden kommen. Sie find eben fein wander- Iuftiges Boll, Der Afıfi befonmt fein regelmäßiges Sahrgeld, wohl aber faft alljährlich Geldgeichenfe, man fagte mir, felten unter 600 M. Th. Thaler. Mit den Nachbarn berricht jebt Friede. Der ein- zige agreffive Zeind, die Fodli, die den Yaftt ihre fchönften Provinzen entriffen haben, jcheinen jet dur England zur Ruhe gezwungen.

E. Sufti;.

Der Afıfi übt ein ftrenged Regiment. In dem ihm unmittelbar unterworfenen Gebiet müſſen fogar viele Dobayel fi) feiner Juftiz fügen, die jedoch allgemein als eine gerechte und nicht wie die anderer Sultane willfürlich deöpotifche bezeichnet wird. Im den Städten werden fogar Gebet und Falten polizeilih eingeſchärft; den Webertreter trifft Prügelftrafe. Der Afifi halt einen Scharfrichter, einen gewiſſen Aud Mufta, der jedoch nur die Befugniß hat, Dieben die Hände abzu— ſchneiden, wofür er jedesmal 5 M. Th. Thaler Vergütung erhält. Das Handabfchneiden findet ſchon nach dem erften Diebftahl ftatt. Die Strafe für Mord wird, unter Aufficht der Obrigfeit, von den Ver- wandten des Crmordeten ausgeübt (wie in Maroflo). Cntflieht der Mörder, jo wird fein nächſter Verwandter bingerichte. Die Betheilt- gung der Obrigkeit ıwerhindert fo das übermäßige Umficdhgreifen der Blutrache. Keuſchheitsſünden werden fehr ftreng, meift mit dem Tode beftraft.

F. Gottesgericht.

Der Afifi ift der berühmtefte „Gottesrichter” und „Feuerrichter” dieſes Theild von Südarabien. Nicht nur die Yafıt, ſondern alle Nach- barvölfer (mit Ausnahme der Fodli, die ihren eigenen Feuerrichter haben) verehren ihn in diefer Eigenſchaft und wenden ſich in zweifel- haften Zällen an ihn. Fällt in diefen Ländern ein Mord vor, deſſen Thäter nicht durch hinlängliche Zeugenaudfagen ermittelt tft, jo heißt

Das Gottesgericht u. die Feuerprobe in Yafia. 295

es: „Sehen wir zum Afıfi nad Dura!“ Der Verdächtige muß dann feine Anfläger begleiten. Weigert er fih, fo gilt er für überführt. Es ift Died dann wie eine Wallfahrt. Beiläufig gefagt, jcheint dies auch der einzige Grund, warum überhaupt Fremde nad) Dara gehen. Alle Nicht-Yaftt, die in Dara gewefen waren, welche ich Tennen lernte, hatten nur zu dieſem Zwed die Reife gemacht. _

Als „Zeuerrichter" wendet der Afıfi die Probe ganz auf diejelbe - Weiſe an, wie der Sultan von Mar*) im Fodliland, nur mit etwas mehr Hokuspokus und Feierlichkeit. Es wird einem fchauerlich dabei zu Muthe“, fagten mir Leute, die Augenzeugen geweſen waren. Außer diefer Probe ſoll er aber noch andere, viel wunderbarere anwenden. Er fteht im Rufe, eine Schlange in der Weiſe bezaubern zu Tünnen, daß fie den Mörder unabläjfig verfolgt und durch ihre Nähe verräth.

Eine andere Probe: Er nimmt einen mit heiligen Sprüchen be- Ihriebenen Waſſerſchlauch, blaft ihn auf und befichlt, daß der Leib dee Schuldigen ebenfo aufgeblafen werde; deffen plögliche Dickleibigkeit vers räth die Schuld.

Will gar nichts anderes helfen, jo ruft er die Verſammlung berbet, läßt alle auf die Erde niederfigen, Ichlägt einen Nagel unter Gebeten in die Erde und murmelt ein Gebet, daß er den Schuldigen feftnagele. Dann ruft er „Kumu!* (ftehet auf). Alle thun ed, nur der Schuldige Tann ed nicht. Er ift durch den Nagel gebannt. Diefe Probe foll man nur Dann anwenden, wenn mehrere Verdächtige find.

Sit die Schuld ermittelt, jo überläßt der Sultan die Hin- richtung den Verwandten des Crmordeten. Diefe kann gleich ftatt- finden, wenn der Mörder aus dem Lande ift. Sft er ein Sremder, fo wandern jedoch feine fünftigen Bluträcher friedlich mit ihm in die Hei⸗ math, und erft dann beginnt das Rächeramt. Das Blutgeld (die Diye) wird nie genommen, außer von Denen, die man „Schwache“ nennt, d. h. die nicht zu einem kräftigen Stanıme gehören. Sie zu nehmen, gilt für Schande.

IX, Dber:Yafi'a. A. Stämme.

Da Ober-Yafi'a eined der wenigen Länder tft, von dem ich auch nicht einen Eingeborenen fennen lernen Tonnte, jo beſchränken ſich meine

®) Dan ſehe oben fünfte Gapttel, XIIL

296 Stämme und Ortichaften in Ober-Yafla.

Stammeönotizgen (und weiter unten Ortsangaben) auf folgendes Menige:

1. Moſeti wohnen bei der Stadt Mofeta im äußerſten Norden.

2. Meflehi wohnen in und um Balja an der Weftgrenge.

3. Cholagi am Wadi gleichen Namens.

4. Ahl Yazid zwiſchen Medinet Telez und Sefal.

5. Dhobbi, ein großer Stamm, joll 4000 ftreitbare Männer haben (?), in der Gegenb von Mofeta und an der ganzen Nordgrenze.

6. Dhi Zora.

7. Be’ oft, vulgo Beöft geiprodhen.

Ueber den Wohnſih der zwei letzteren Stämme konnte ich nichts Beſtimmtes erfahren. Man rechnet ſieben Stämme; ob aber meine Liſte gerade die ſieben Hauptſtämme giebt, oder ob darauf Unterſtämme vorkommen und Hauptſtämme fehlen, weiß ich nicht.

Die Oberen Yafi't führen übrigens den Geſammtnamen Mo- hagebba.

B. Städte und Ortſchaften.

Atara (ich hörte auch Antara), eine der Hauptſtädte, Sitz eines mächtigen Akel. Einige Schlöffer, Markt und temporärer Bafar in Zelten. Seine Juden.

Mojeta, imNorden, Sig des Akels der Dhobbi. 3 Stunden von Atara entfernt, fehr body gelegen. Etwa 100 Einwohner. Einige Schlöffer.

Sefal, foll die größte Stabt in Ober-Yaft'a fein. Etwa 200 Ginwohner. Juden wohnen nur zur Marktzeit bier. Der Markt ift der lebhaftefte im ande.

EL’ Drr*) (vulgo Orr geſprochen), Hüttendorf mit einigen Schlöffern, an der Nordoftgrenze nahe dem Nezaz-Lande. Berühmt durch die bier gefochtene Schlacht, durch welche die Rezaz ihre Unabhängigkeit von Yafia erlangten.

Raſſa, Stadt im Nordwelten.

Geruba, zwiſchen Rafja und Mofeta.

Yahor**), im Nordweſten am Wadi gleichen Namens.

Dhi Zora, fol ein Feiner Ort bei Mojeta fein.

*) Bet Hamdant ift el ‘Orr eine Stadt des Stammes Adan. Diefer Stamm wohnt im fehr nahe gelegenen Rezazlande. "*, Bei Hamdant ein Drt der Bent Scha’ib.

Staat und Geſchichte der Yafti. 297

C. Politiſches.

Keine einheitliche Regierung, wie in Unter⸗Yafiſa, fein gemeinfamer Sultan. Der Akel von Atara, "Ali Asker, el Mohagebbi, gilt für den mädhtigften Stammesfürften und wird zumeilen auch Herrſcher von DberYafiia genannt. Ihm gleih an Macht ſoll jedoch ber Akel von Mofeta, Sſalah, ben Ahmed ed Dhobbt, fein. Jeder der fieben Hauptftämme hat außerdem feinen "Afel, der von ben anderen unabhängig ift.

So find die Ober-Yafi t, wenn auch tapfer und Friegsluftig, doch durch Zerfplitterung ohnmächtig Sie haben übrigend vom Außdlande Rube, da ihr unwirthſames Hochgebirge feinen Eroberer reizt. Mit England beftanden bis jept feine politiichen Verbindungen. Im Sabre 1871 erwartete man aber Leute aus DOber-Yafia in Aden, bie foldhe anfnüpfen follten. Man wollte wenigftend einen Handelöverlrag zu Stande bringen. Die Dber-Yafit verlaffen faft nie ihe Vaterland.

X. Geſchichtliches.

Die ältefte Gefchichte der Yafıt fällt zufammen mit der ber Hi- myaren, zu denen fie unzweifelhaft gehören.

Im Mittelalter bildete Yafiſa mehrere Sahrhunderte hindurch einen Beftanbtheil des Reiches der Imame von Yemen, dem es durch Erobe- rung einverleibt wurde. Aus dieſer Zeit ftammt der Irrthum, Yafıa als einen Theil von Yemen zu hezeichnen, was ed nur politifch, nicht topographiich war”). Aber die Yafit widerftrebten in Allem der Herr- Schaft von Yemen, befonderd da ihnen, als Schafet, die Religion der Imame, die alle Zaidi waren, in den Tod verhaßt war. Nur fo lange die Macht der Imame auf dem Gipfelpunkt ftand, vermochten dieſe Yafia zu halten. Die Epoche der Befreiung Yafia’8 vom Joch der Imame tft e8 mir nicht gelungen, genau zu ermitteln. Ich habe jedod) allen Grund, fie in das erfte Drittheil des vorigen Jahrhundert zu verſetzen. Zur Zeit von La Grölandiäre'3 Geſandtſchaftsreiſe (1712)

*) Der W. Bonna muß als die Oftgrenze von Süd⸗Yemen angefehen werben. Hier ift natürlich nicht vom fogenannten „Demen im weiteren Sinne” (ganz Süd» rabien) die Nede, ein Begriff, Der übrigens nur im Gehirn von Nordarabern leben konnte, in Südarabten aber unbelannt blieb.

298 Gefchichtliches über Yafia.

war nämlich noch Dhamar die Hauptftadt der Zatdidynaftie”). Da dies fehr nahe bei Yafl'a liegt und das Reich der Imame damals nody mächtig war, jo ift wohl kaum zu glauben, daß fie eine rebellifche Provinz in ihrer nächften Nähe geduldet haben würden. Bald darauf wurde die Hauptftadt nad) Sfana verlegt. Als Niebuhr**) diefes bee ſuchte (1763), Tonnte er dort, wie überhaupt in ganz Yemen, nicht einmal etwas Zuverläffiges über Yafıia erfahren. Der Abfall vom Neid) mußte alfo ſchon vor einem Menfchenalter ftattgefunden haben.

Nach feiner Befreiung vom Joch der Imame muß Yafl'a eine Zeit lang als eine große, audgedehnte, unabhängige Provinz dageftanden haben. Es umfaßte damald außer Ober: und Unter-Yafia noch das ganze Nezazland, einen Theil des Fodlilanded, ganz Abian bis nad) Laheg und wahrſcheinlich auch noch das Land der Gaud, die ja im Altertum auch zu den Yaflt gehörten. Aber es trug den Keim ber Zeriplitterung in feiner Uneinigkeit. Die Fodli vergrößerten fich im Südoften bereit im vorigen Sahrhundert. Die Rezaz müflen fich ſehr bald unabhängig gemacht haben, denn fchon Niebuhr***) erwähnt eine Landichaft diefed Namend. Da nun der Name Rezaz dynaftifch ift und erft dadurch auf die Landichaft überging, daß diefe der Rezaz⸗Dy— naftie ihre Befreiung verdanfte, fo ift dad Vorkommen deffelben, als eined Ländernamend, ein deutlicher Beweis, daß die Losreißung des Rezazlanded von Yafıa fhon vor 1763 ftattgefunden haben muß.

Mann die Gaud fich loögeriffen, werben wir bei Beſprechung des Amirlandes anzudeuten verfuden.

Sp war Yafia bereits im vorigen Sahrhundert faft um die Hälfte fleiner geworden. In diefem ftand ihm dann noch der Berluft feiner Schönften Provinz, Abian, bevor. Noch bi8 zum Sahre 1837 hatten die VYafii das Küftengebiet in einer Ausdehnung von 60 engl. Meilen inne. Davon eroberten in dem genannten Jahre die Fodli zwei Dritt- theile und ließen ihnen nur den weftlichiten Theil des Küftenlandes um's Ras Sailan. Im Jahre 1858 verloren fie auch diefen legten Reſt und wurden jomit ganz von der Küfte abgeſchloſſen.

”) Bei Ritter Erdfunde XI. ©. 740,

**) Niebuhr, Befchretbung von Arabien S. 281. “) Niebuhr, a. a, O. ©. 282.

Sitten und Gebräuche der Yaft'völker. 299

XL Religion, Sitten w f. w.

Ale Yafii find Schafe i. Zaidi follen im Lande gar nicht ge buldet werden. DBejchneidung beider Geſchlechter am fiebenten 2e- benstage.

Kleidung: fehr einfach, Lendentud) und Kopfbund. In Ober: VYafiſa wird das Lendentuch ganz Fein getragen. Bei der ftrengen Winterfälte hüllen fich die Leute in Thierfelle, namentlih Schafhäute, Girrem genannt. Gefichtöfchleier bei Frauen unbelannt.

Getränfe: Kaffee wird im ganzen Lande getrunfen und zwar der wirflihe Kaffee (Benn*) der Abjud der Bohnen, nicht wie im Ziefland der Abfud der Hülſen (Giſcher). Man trinft aber den Kaffee niemald rein, fondern mit Mil").

Waffen: Die Waffen find diefelben wie die oben bei den Fodli bejchriebenen.

Ein eigener Gebrauch, den aber auch einzelne andere Stämme haben, ift der, für jeden Getödteten einen Heinen goldenen Nagel dem Griff der Gembiye einzufügen. Ie mehr Nägel, defto größer die Ehre. Man fieht ftreng darauf, da Niemand fich ein ſolches Ehrenzeichen unverdient beilegt. Zu jedem Nagel gehören Zeugen. Ich fah ganz junge Yafti, deren Gembiye ſchon 6 folder Nägel hatte, lauter Zeug⸗ niffe von Tödtungen, die fie felbft vollbracht hatten. Wer eine folche Gembiye erbt, muß die Nägel entfernen. Niemand barf fi) mit fremden Federn ſchmücken.

XD. Spracliche Eigenthümlichkeiten.

Die oben bei den Diebi erwähnten ſprachlichen Reminiscenzen des alten Sabäiſch⸗Himyariſchen finden wir in noch ausgedehnterem Grabe bei den Yafli erhalten. Doch ift auch ihre Sprache jet centralarabiich und die Sdiotiömen koͤnnen nur als provinzielles Beiwerk zu dieſem be- zeichnet werden. Bon einer eigenen „Sprache“ ift nicht mehr Die Rebe.

*) Benn beißt eigentlih Bohnen, Dahwa das Getränk. In Südarabien jagt man aber auch für leptered Benn.

”"), Diefe Sitte beiteht bet allen Landbewohnern in den Kaffeediftricten Süd⸗ arabiend.

300 Geſichtstyphus der Yafl völfer.

ZIIIL Phyſiognomiſches.

Die Yafiſi haben, wie alle Himyaren, ſchön geformte, edelgebildete Züge, entweder gerade oder habichtartige Nafen (nur felten ftumpfe), dunkle, feurige Augen, fchwarzes, fehr Eraufes Haar. Sie find beinahe ſchwarz von Hautfarbe. Das Bergklima bleidht alfo die Haut nicht. Die Schwärze ift eben himyariſch. Sie neigen zur Magerfeit. Ihr Bart tft nicht fo fpärlih, wie der der himyariſchen Tieflandbewohner. Sch ſah bei ihnen ziemlich ſtarke Badenbärte, was fonft in Arabien eine große Seltenheit. Die Alten tragen den Bart „en Collier‘ und wenn diefer weiß ift, nehmen fich ihre ſchwarzen Gefichter dabei wirklich ein bischen pavianartig aus. Die jungen Männer find oft von großer Scönbeit. rauen fah ich feine. Sie verlaffen nie ihr Land.

Neunted Capitel.

Rezaz.

I. Name. IL Geographiſche Lage. II. Grenzen. IV. Bodenerhebung.

V. Wadie. VL Klima und Bodenerzeugniffe. VII. Mineralquelle.

vi. Stämme. IX. Städte und Ortichaften. X. Politiſches. XI. Juſtiz. XI, Blutrache. XIII. Sitten, Religion u, |. w. XIV. Parias.

L Name.

Der Name Rezaz tft dynaftiich und wahrfcheinlich neuer, als andere Dynaftiiche Namen, wie Fodli und Aulaqi, etwa ein Sahrhundert alt. Borber wußte Niemand etwas von einem Volle ,‚Rezaz.“ Das Bolt ift genealogiſch ein Theil der Yaflt, und Bat feinen heutigen Namen von Ba Omm Rezaz, dem Kriegsführer, welcher feinen Befreiungd- fampf gegen Yafia anführte und in der Schlacht bei el Orr befiegelte. Da feine Dynaftie feitdem berrjchte, fo erhielt Voll und Land von ihr den Namen*), wie died im neuerer Zeit in Südarabien oft vorkam.

‚Oo Geographiſche Lage.

Wir müſſen hier zwei topographiſche Gruppen unterſcheiden, näm⸗ lich den Hauptitod ded Landes, der fih im ganzen Norden von Yafi a

» Wir fehen fomit in Arabien ganz etwas Aehnliches, wie in Deutfchland. Auch wir haben Ländernamen, wie Baden, Würtemberg, die ausſchließlich dyna⸗ ftiich find, daneben folde von Bolleftämmen wie Sachſen, Baiern, die jept nue noch Thellen der Länder gegeben werden, die ſie urjprünglich trugen, ganz wie der Name Varta.

302 Ausdehnung u. Beſchaffenheit des Nezazlandes.

hinſtreckt und einen jüdöftlichen Ausläufer, der fi etwa um einen Grad ſüdlicher hinzieht, als die größere compacte Ländermaſſe. Dieſer ſüd⸗ oͤſtliche Ausläufer beginnt im Süden nahe an 140 20 und erſtreckt ſich etwa bis 15° nördl. Breite bei einer Längenausdehnung von 45° 50 bis 46° 20° öftl. Länge v. Gr. Der nördliche Hauptſtock ded Rezaz⸗ landes liegt ungefähr zwiichen 45° 50° und 45°, ja felbft an einzelnen Stellen erreicht er 44° 50° öftl. Länge v. Gr., bei einer verhältnimäßig ſchmalen Breitenausdehnung von 14° 40° an Stellen 14° 50°, bis zu 15°, 15° 10° vielleicht auch 15° 20° nörbl. Breite. Died Alles natür- lich nad ungefährer Schäbung, die auf den Berichten der Einhei⸗ milchen beruht.

OL Grenzen.

Der Hauptſtock ded Landes grenzt im Süden an Ober-Yafta, im Weften an Gefe und Reda, unabhängige ftädtiiche Gebiete, im Norden an die Stammeögebtete der "And. Im Dften vereint er fidh mit dem füdlihen Ausläufer des Nezazlanded. Lepterer grenzt im Süden an das Audeliland und im fühlichen Theil des Weſtens an Yafia. Im nördlichen Theil feiner Weftjeite ift er mit dem Hauptſtock des Rezaz⸗ Iandes verbunden. Im Norden grenzt er an Gezab, ein unabhängiges Gebiet, und im Dften an dad Land der Oberen Auwalig.

IV. Bodenerhebung.

Dad ganze Land der Rezaz wird aus den nördlichen Abhängen der zwei großen Gebirge, de Sarm Himyar (Nafi berge) und des Kor gebildet. Die Abdachung des Kor ift der füdöftliche Ausläufer, die der Yafi berge der Hauptftocd des Landes. Lepterer ift durchaus noch Hö- henland. Auf diefer Seite beginnt das eigentliche Tiefland erft nördlich vom Nezazgebiet, da eben diejed hier in Bezug auf die geographiiche Breite ſehr ſchmal tft. Anders iſt e8 mit dem fühöftlichen Theil des Landes, der Abdachung ded Kor; diefe beginnt bedeutend füdlicher, als die der Yafl’berge und finkt fchon innerhalb des Rezazlandes zu einer flachen Senkung hinab. Dies ift dad Xiefland von Behan, ber nordöftliche Theil des Rezazlanded. Die beiden Abdachungen, die des Kor und die der Yafı berge treffen in der Gegend von Radman zu⸗ zuſammen.

Flußthäler im Rezazlande. 303

V. Wadis.

Alle Wadis des Rezazlandes liegen ſchon nördlich der Waſſerſcheide und fließen dem großen Binnenlande, Gof (Djauf), zu. Die von dem Kor nordwärts fließenden Waſſer vereinigen ſich im Nordoſt des Re⸗ zazlandes mit den nördlichen Abflüſſen der Yafi berge, und außerdem nehmen erſtere auch noch einen Theil des weftlichen Abfluſſes der Au—⸗ laqiberge (Sarw Madhig) auf. Alle dieſe drei Abflüſſe bilden hier nur ein einziges Syſtem.

Vom Kor kommen folgende Wadis:

W. Thamat, fließt an Beda, am Nordfuß des Kor, vorbei, von Süd nach Nord über Behan ed Dola nach Behan el Gezab, letzteres ſchon außerhalb des Rezazlandes.

W. Beraike, vom Kor kommend, flieht gleichfalls in der Nähe von Beda vorbei, eine Zeitlang dem W. Thamat parallel und vereinigt ſich dann mit ihm.

W. Medheg, fließt durch dad Stammesgebiet der Azan, vereinigt fich im Oſten mit dem W. Thamat.

W. Omm Chalif, von dem nordöſtlichen Abhange der Kor, nimmt im Weſten den W. Hauwir auf und fließt in den W. Thamat.

Dom Aulagqi-Hochland kommt:

W. Mesware, kommt vom Oſten, fließt nach Nordweſt am Schloß Mesware vorbei und nach Behan ed Dola in den W. Thamat.

Bon den Yafi bergen kommen:

WB. Radman oder Melagem, Tommt aus Melagem an dem nordöftlihen Abfall des Sarw Himyar, fließt nad Oftnordoft in den W. Thamat, mit dem er fich jedoch erft im Ziefland Gezab vereinigt.

W. Yella, entipringt im Nordweften der Yafi'berge, fließt nord⸗ öftlich und vereinigt fich gleichfalls erft in Gezab mit dem W. Thamat.

Es ift wahricheinlich, daß der W. Thamat in feinen Tieflauf einen anderen Namen, etwa W. Behan oder W. el Gezab, führt, doch habe ih ihn nicht in Erfahrung gebradht.

VL Klima und Bodenerzeugniffe

Die meteorologifchen Verhältniffe find günftig, indem das ganze rand in der Zone der tropifchen Sommerregen liegt. Demungeachtet

304 Ein Wunderbad im Rezazlande.

fommen im Tiefland wüftenartige Striche vor, fo z. B. am Tieflauf des W. Radman eine Wüfte, Chobbet el Gu’an (Hungermwüfte) genannt, die fi im Norden von Melagem bis gegen Behan el Gezab binzieht; doch liegt fie. zum Theil ſchon außerhalb (im Norden) des Rezazlandes. Das Tiefland de W. Thamat dagegen, um Behan ed Dola, ift ein fruchtbares Palmenland, was bereitd Hamdani erwähnt. Hier wächſt auch viel Sejam.

Die Gegend um Beda, am Nordabhange ded Kor, ift faft noch Hochgebirge. Hier gedeihen Ohftarten, Wein, Zeigen, Granaten, treff- liche Pfirfihe. Im Bergland wächſt vielfach eine Sinapusart, Charbel genannt, aus der dad Del für den gewöhnlichen Gebraud genommen wird, da nur dad Ziefland Seſam hat. Der nördliche Abhang der Yafiberge ſcheint vorzugsweiſe Weideland. Im den höheren Gegenden findet ſich Gerfte, Hafer, in den mittleren Durra, Mefeweli (tother Don), wenig Weizen. Kaffee, Kaat, Baumwolle fehlen.

vI WMineralguelle.

Eine Mineralquelle, der Beichreibung nad fchwefelhaltig, befindet fih in Miatde, im Gebiet der Su ad, unweit der Weftgrenze. Die Duelle ift heiß, aber in ihrer nächſten Nähe jcheint eine Kalte zu fein. Denn nur fo kann ich mir die Erzählung der Araber zufammenreimen, welche einftimmig außfagten, es flöffe bier aus einer und derſelben Duelle zugleich kaltes und heißes Waſſer. Nach dem landläufigen Aberglauben geichieht dad Wechſeln der Temperatur des Waſſers auf Anrufen ded Sinn (Genius) der Duelle. Dieſer Ginn heißt Mia ud. Nuft nun der Badende „Ya Miaud berd” (o Miaud, Falt!) fo flieht kalte, ruft er „Ya Mfa'ud hami“ (o Miaud, heiß!) jo fließt heißes Waſſer.

Die Entdeckung der Quelle wird folgendem Wunder zugeſchrieben: Ein Bettler, der in Mſaſide wohnte, bat den Schutzheiligen des Orts, ben Alluwan, ihn aus feiner bedrängten Lage zu reiten. Der Heilige erihten ihm im Traume und befahl ihm, am Morgen in feinem Sendug (Bretterlade) zu ſuchen. Der Bettler fand darin ein Feine Käftchen, das er aber nicht öffnen konnte. Der abermald angerufene Heilige befahl ihm, die Büchſe mit Honig zu beitreidhen. Nun fam aus ber Büchfe eine Heine Schlange hervor, die fugleich fort, in's Gebirge

Stämme ber Rezaz. 305

huſchte. Der Bettler Tief ihr nad. Plöplih fchlüpfte fie in eine Felswand hinein und der Bettler ſah fie nicht mehr. Aber aus dem Spalt, den ihr Hineinſchlüpfen geichaffen, floß die heiße Duelle. Der Ruf derfelben drang bald durch's ganze Land. Der Bettler wurde ihr Eigenthümer und Wächter und ald ſolcher von allen Badenden reichlich belohnt. Die Schlange war Miaud, der Sinn der Quelle.

Jetzt ift die Duelle Gemeinzut. Zum Andenten an das Wunder verjammeln ſich jährlih im Monat Regeb viele Taufend Araber bier und bleiben mehrere Tage. ine längere Badecur findet man nicht für nöthig. Die Reife dahin wird ganz wie eine Siara (Wallfahrt) behandelt. Hier werden auch dann die Stammedangelegenheiten ges regelt und Feſte abgehalten.

vo. Stämme.

Ihrem Urfprunge nah find die Rezaz Yafit, aljo unzweifelhaft Himyaren. Sept zerfallen fie in folgende Unterftämme:

1. Azan*), ein fehr großer Stamm, deſſen Gebiet von Beda ans ſich eine Tagereiſe nach Nordoft erjtredt.

2. Omr, eine Heine Tagereiſe nordweſtlich von Beda.

3. Dobban, in und um Beda.

4. Hamekan, eine Meine Tagereiſe weftlih von Beda gegen Yafıa zu.

5. Melfi, bei Mesware, eine Tagereiſe im Nordnordoft von

Beda.

6. Hat, an der Grenze von Yafia, eine Heine Tagereiſe weſtlich von den Hamekan.

7. Ah! Begga, der mädhtigfte Stamm, wohnt im ganzen Ziefland von Behan ed Dola am W. Thamat.

8. Ahl Heſcham, in Taft, einen halben Tag nordweitlich von. den Omr.

9. Melagem, in Radman, weftlih von Taft, ſüdweſtlich von Behan ed Dola, nordweitli von Beda, norböftlich von Yafl a.

*) Hamdani erwähnt den Yafl'ftamm Adan in el ‘Orr, weldes bier ganz nahe Tiegt. Da er die diakritiſchen Punkte oft wegläßt, fo ift wahrſcheinlich Adzan (mit dzal) zu leſen und die füdarabifche Ausſprache tft für dz (dzal) oft wie z (zaln). .

v. Maltzan, Meile nah Eüdarabien. 2

306 Stämme und Städte der Rezaz.

10. Swad, auch Si’ud genannt im Blad es Suwad und Mia’ide, direct im Norden von Yafia, '% Tag weitlih von Radman und 11, Tag öftli von Gefe, im Flußgebiet des W. YVella.

11. Ahl Hofain, wohnen zwildhen der Weltgrenze und den Suad, einen Tag öftlih von Gefe, Y%, Tag weftlich von Mfa’ide, am W. Nekla.

12. Bazir, wohnen an der Weſtgrenze zwiſchen Gefe und den Ahl Hoſain, noͤrdlich von ihnen beginnt das Gebiet der Murad und Ans. |

IX. Städte und DOrtfhaften.

Behan (Baihaan) ed Dola, d.h. dad Behan des Herrfchers, weil ed die Hauptitadt ift. Man jept immer ed Dola dazu, weil unter Behan ſchlechtweg oft das Behan el Gezab, dad zwei Tagereiſen nördlicher Iiegt, verftanden wird. Obgleich Hauptitadt, fo bat doch Behan feine eigentlich ſtädtiſche, d. b. bürgerliche, handeld- und gewerböbeflifiene Bes voͤlkerung. Die Bewohner find alle Dobayel (freie Stämme) vom Gejchlecht der Ahl Begga und verachten jede bürgerliche Bejchäftigung. In Zolge davon wenig Handel, unbedeutender Marl. Etwa 200 Einwohner. Juden werden hier gar nicht geduldet. Großes Schloß, genannt Hoffn Hofain Rezaz Hier find, wie faft überall im Tieflande, die Gebäude nicht mehr von Stein, fondern von Luftziegeln. Der Sultan, obgleich Behan feine officielle Refidenz ift, wohnt gewöhnlich im

Mesware; großes Schloß ded Sultans und Reſidenz, genannt Holin Medware, am Wadi gleichen Namens, eine Heine Tagereiſe füd- öftlih von Behan ed Dola und eine Tagereife nordöftlih von Beda. Sehr Heine Stadt, befteht eigentlich nur aus fünf Regierungsfchlöffern. Hier iſt dad Steueramt für alle Karawanen, welde dad Land der Rezaz durchziehen. Die Salzkarawanen von Chabt, die nad Weiten gehen, müſſen hier vorbei und Steuer entrichten.

Beda Gaidhaa), größte Stadt im Lande und einzige Handeläftadt, einziger Ort, der eine bürgerliche Bevoͤlkerung befigt, wird aud) der, Bander“ (Handeldemporium) genannt. Liegt am Nordweitfuß des G Kor, zwiſchen W. Thamat und Beraife, in fruchtbarer, baumreicher Gegend. Die Einwohnerzahl wird auf 2000 Seelen geſchätzt. Darunter find auch Juden, aber fehr wenige, kaum 30 Seelen. Biele zugewanderte

Ortichaften im Lande der Rezaz. 307

Fremde. Die anderen find von Haus aus Städter ohne Stammestrabdi- tionen und ftehen ſocial und politiſch fehr tief, felbft wenn fie reich fein jollten. Reichthum herrſcht hier jedoch nicht, kaum etwas Wohlhabenheit. Die Bewohner find Kaufleute, Handwerker, theild auch Landbauern, aber alle Raye und ftehen unter deöpotifcher Zuchtruthe ſowohl des Sultans, wie aller in die Stadt kommenden Oobayel. Der Sultan hält hier einen eigenen Statthalter, Neqib betitelt, der jedoch nichts ift, al ein Beamter, und 3. D. ohne Erlaubniß des Sultans nicht zum Tode verurtheilen darf. Der Sultan hält eine Garnifon von 30 Oobayel, welche die Stäbter deöpotiich behandeln. Pier große Regterungsichlöffer von Stein. Die anderen Gebäude find nur mittelgroß, aber feit gebaut, von Stein. Die Stadt hat einen Meinen Bafar und einen fehr befuchten Wochen- markt.

Alfa, Heine Ortfchaft nahe bet Beda, ausſchließlich von Echerifen bewohnt.

Dörfer im Stammesgebiet der Azan: Auwan, Mejabel, Schir- gan, Meſchrah, Cerru.

Dörfer im Gebiet der Dobban: Metwoqein, Dahakki, Hagr.

Taft, Hüttendorf der Ahl Heſcham.

Sonſt in jedem Stammescentrum ein nach dem Stamme ges nanntes Dorf. Radman ift feine Stadt, fondern Landſchaft des Stam⸗ med Melagan,

X. Politiſches.

Sultan Hoſain ibn Omm Rezaz, hat den Oobayel gegen⸗ über nur die Macht des oberſten Kriegsherrn. Die Dynaftie beſteht aus zwei vetterlichen Zweigen, die jedesmal in. ber Herrſchaft abwech⸗ feln, beide von Omm Rezaz flammend. Jeder Stamm bat feinen Alel, der vom Sultan faft unabhängig ft. Der Sultan felbft ift jedoch Akel der Ahl Begga, des mächtigften Stammes. Die großen Stammeshäuptlinge, wie der der Azan, heißen Akel el Korub. Nur über die Raye, deren jedoch blos in Beda find, Parias und Juden herrſcht der Sultan despotiſch und beſteuert fie oft ſehr willkürlich. Er wohnt meiſt in Mesware, wo das Zollamt. Dort bezieht er für die Kameellaft Salz aus Chabt ein Drittel M. Th. Thaler, für die Laft

getünchter Tücher aus Nicab einen M. Th. Thaler. Der Sultan kleidet 20*

308 Rechtspflege im Lande der Rezaz.

fih wie ein gemeine Mann, d. h. blo8 mit dem Lendentuch. Auf dem Haupte trägt er, wie fait alle füdarabiichen Fürſten, den Diemal, indiihen Zurban. Wenn er ausgeht, hält er eine Lanze ald Amtözeichen in der Hand.

XI Juſtiz.

Der Sultan fann blos die Bewohner von Beda rihten. Seine Zuftiz ift lange nicht fo ftreng, wie die anderer Fürften. Diebe er- halten blos Prügel, einige zwanzig Hiebe. Diejelbe Strafe für Keuſch— heitsſünden. Handabhauen ift unbekannt. Ehebrecher dürfen nur von den Verwandten des beleidigten Mannes getödtet werden. Bei Mord wird die Hinrichtung von des Getödteten Verwandten, unter Aufficht der Megierung, vollzugen. Gefängni für Fleinere Vergehen.

Sottesgeriht wird im Lande jelbft nicht ausgeübt. Man geht nad) Dara, um fi Rath zu holen.

XI Blutrade.

In die Eriminalangelegenheiten der Dobayel darf fi der Sultan nicht mifchen. Hier bleibt Alted der erblichen Blutrache überlaffen, die oft in fchaudererregender Weile um ſich greift. Meiſt zieht jede Blut- that eine ganze Reihe von Morden nad) fi), beſonders da es bei- ipiello8 ift, dab Iemand die Diye (dad Blutgeld) nähme Die Ein- zigen, denen ed manchmal gelingt, dem Blutvergießen Einhalt zu thun, find die Scherife. Sie kommen uneingeladen ald Friedensftifter in die Dörfer. Voran jchreitet ein Tromniler, dann der Xräger der heiligen’ Fahne, darauf kommt der alte Scherif mit feinen Söhnen, Brüdern ıc. Die Ehrfurcht, die jeder Sunnite vor den Scherifen hat, nöthigt die Leute, fie gut aufzunehmen und auch Dazu, während deren Anwefen- heit die Blutfehde ruhen zu laſſen. Dadurch it ſchon etwas gewonnen. Nun quartiert ſich aber der Echerif beim Stammeshäuptling ein und jept ihm täglich jo viel mit Predigten, Sprüchen, Crmahnungen zu, biß er endlich das Verſprechen erlangt, die Fehde für eine Zeitlang ruben zu laffen. Gewöhnlich fträuben fih die Araber mit Händen und Füßen gegen den Frieden. Den Dobayel gilt der Frieden immer für halb und halb unehrenhaft; darum gelingt e8 auch den Scherifen meift nur, einen Waffenftillftand herbeizuführen. Um die Dauer deö-

Geſchichte, Sitten und Gebräuche der Rezaz. 309

jelben joll oft förmlich gefeiljcht werden. Der Echerif will einen langen, die Dobayel nur einen jehr furzen. Endlich, wenn der Scherif das Mögliche erlangt hat, laßt er fich Alles feierlich beſchwören.

XII. Geſchichtliches.

Die Rezaz find ein yanz neues Bolf. Bis etwa 1750 theilten fie das Schickſal ihrer Stammesgenofien, der Yafii. Seit fie ſich von dieſen losgeriſſen, jcheinen fie immer in Frieden mit ihnen gelebt zu haben. Sie find übrigens den Oberyafi i fehr an Macht überlegen. Auch mit den anderen Nachbarn haben fie Frieden, obgleich fie die “Ans und Murad, ihre nördlihen Nachbarn, tödtlich haffen. Aber ed fomnıt doch felten weiter, ald zu Blutfehden zwiſchen den Grenz- ftämmen.

XIV. Sitten, Religion u. f. w.

In der Religion unterjcheiden fi) Die Rezaz in Nichts von den Nafi i.

Die Männertracht iſt auch hier das bekannte Minimum. Die Frauen tragen Hemd und ein dunkelblaues Umſchlagetuch, das ſie, wenn fie Männern begegnen, fo über's Geſicht halten, daß nur ein Auge fihtbar wird. Das Haar hängt tief in die Stirn.

XV Parias.

Die Pariad, alle von der meniger verachteten Abtheilung, führen Namen nad) ihren Gewerben: Charras (Drechäler), Doſchan (Straßen: fänger), Haddad (Schmied). Das Schmiedehandwerk, ſehr veradhtet, ift fonft in Händen der Juden. Da es hier wenige giebt, jo müſſen die Pariad es ausüben.

Zehntes Gapitel. Gezab.

1. Name. DI. Geographiſche Lage. III. Grenzen. IV. Bodenerhebung. V. Wadis. VI. Flußſyfteme. VID. Klima und Bodenerzeugniffe VII. Stämme IX. Ortfchaften. X. Politiſches.

IL. Rome.

Gezab ift ein uralter Rändername, der jchon bei Hamdani vor- fommt, wenn auch etwas anders vocalifirt*). Aber die Beichreibung der Lage jcheint hierher zu paſſen.

II. Geographiſche Lage.

Wie weit fi) Gezab nad) Norden, Nordoften und Nordweften auddehnt, Tonnte ich nicht in Srfahrung bringen, da diefe Landſchaft ſchon gänzlich außerhalb des Anziehungägebietd von Aden liegt und, wie man mir jagte, ntemald ein Bewohner defjelben nad) Aden gekommen ift, fett diefe8 den Engländern gehört. Der jüdliche Theil von Gezab liegt ungefähr zwiſchen 45° 50’ und 46° 20° öftl. Länge von Br. und zwiſchen 14° 50° oder 15° und 15° 30’ nördl. Breite.

*) Er fchreibt Gozaib oder Geztb. Da die diakritiichen Punkte fehlen, fo fann freilich auch Gerib gelefen werden. Wüßte man, wo der Ort Hafla, den Hamdani nahe babet angiebt, läge, fo würde dies alle Zweifel zerftören. Aber von einem Haſſa konnte ich nichts erfahren.

Die Landichaft Gezab. 311

UL Grenzen.

Im Süden und Südweften dad Land der Nezaz Im MWeften und wahrfcheinlich aud im Norden die Stammesgebiete der Murad unb “Ans. Im Südoften dad Land der Oberen "Auwalig.

IV. Bodenerhebung.

Der größte Theil ded Landes ift Tiefland, die nördliche Fortſetzung jener Abdadhung, welche das Land der Rezaz auf der Nordiette der Waſſerſcheide bildet. Im Oſten tritt dad mächtige Hochgebirge, Gebel Dern, auf, welches im Nordweften der Aulagiländer, im Nordoften des Mezazlandes feine füdlichften Ausläufer bat. Gegen dad Xiefland von Behan el Gezab fällt ed im Weiten ab. Wie weit es ſich aber nach Norden und Nordoften erftredt, ift bis jetzt unbekannt. Ob der Gebel Dern überhaupt in feiner größeren Ausdehnung zum Gezab gefchlagen werden muß, ift zweifelhaft, da alle Araber, melde ich dar: über ſprach (die dad Land freilich nur von Hörenfagen Tannten), mit Gezab nur den Begriff eines Tieflandes, das ſich nach dem Gof zu ab» dacht, verbanden.

V. Babdbiß,.

W. Thamat, vom Gebel Kor kommend, durchfließt erft von Süden nad Norden den Südoften des Rezazlandes und durchzieht das Gezab in derjelben Richtung.

W. Rabman, vom Nordoften der Yafı berge kommend, vereinigt fi zwiſchen Behan ed Dola und Behan el Gezab mit dem W. Thamat.

W. Yekla kommt von Bazir im Rezazlande (an deſſen Weftgrenze), fließt von Südweſten nad Nordoften und mündet unterhalb Behan el Gezab in den W. Thamat. Niebuhr's W. Behan, von Welt nad) Oft fließend, nimmt wahrſcheinlich alle diefe Flüſſe in feinem Tieflauf auf und wendet fi) dann nach Norden.

VL Flußſyſteme.

Es ift intereffant, die Flußſyſteme diefer ganzen Gegend, wie fie Hamdani giebt, zu recapitulicen und mit unjeren Informationen zu vergleichen.

312 Das Land Gezab.

Er jagt:

1. Der Kor bewäffert im Süden Datina.

2. Der Sarw Madhig bewäflert Gerdan und Mara, feine füd- lichen Ausläufer Datina.

3. Radman (d. h. die Landichaft, ein Theil ded Sarw Himyarı) bewäffert Behan. (Welches Behan ift nicht gejagt.)

4. Der Gebel Dern bewäflert Hafla und Gozaib (Gezab).

Alles Dies trifft zu, wie wir oben bei Datina, beim Aulaqi und Rezazlande gefehen haben. Hamdani weiß nicht, daß Behan außer von Radman (Abhang der Yafı' berge, des Sarw Himyar) auch vom Kor bewäfjert wird. Nun wird Behan el Gezab aber jedenfalld auch vom Gebel Dern bewäflert, fo daß bier drei Flußſyſteme zufammentreffen.

VT. Klima und Bodrnerzeugniffe.

Das Land empfängt die tropiihen Sommerregen, ift aljo überall da fruchtbar, wo der Boden nicht eine abjolute Wüfte ift, wie am Tieflaufe des W. Radman, den die Wüfte Chobbet el Sudan faft bis zu feiner Bereinigung mit dem W. Thamat begleitet. Das Tiefland von Behan el Gezab ſoll fruchtbar an Datteln, Baumwolle, Indigo fein; Die weftlichen Abhänge des Gebel Dern follen Obftbäume tragen.

VII Stämme.

Der herrihende Stamm in Gezab follen die Moffabein jein, welche in früheren Zeiten Bent Harith geheißen hätten. Da bier feine Himyaren mehr wohnen (die Rezaz find auf diefer Seite die füdlichiten Himpyaren), jo dürften wir in diefen Bent Harith*) vielleicht den befannten Kindaftamm vermuthen. Einer der Unterftämme der Moffabein wurde mir ald Tobban genannt. Cr wohnt in Behan el Gezab und Um⸗ gegend. Der ©. Oern, fo bie ed, fei von einem Stamme von Des rawiſch oder Meichaich (Hetligenföhnen) Namens Hayat bewohnt.

*) Die B. Harith waren Nachlommen des Moawiya ben Kinda. Es gab verfchtedene Abtheilungen, alle von Harith ben Mo'awiya ftammend. 1) Die Abdha b. Harith. 2) Die B. Rayiih b. el Harith. 8) Die B. Moawiya b. el Harith. 4) Die Badda b. el Harith. Außerdem werden noch Bent Haritha genannt. Die Kinda wohnten zwar vorzugsweife in Habramant, aber fie behnten ſich doch auch in der Gegend der Madhig und füblich vom Gof aus.

Das Land Gezab. 313

IX. Dritſchaften.

Behan (Baihaan) el Gezab, am W. Thamat, etwa 2 Tagereifen nördlich von Behan ed Dola, Hauptftadt und Sig des "Afel, fol eine große Stadt fein und viel Verkehr mit dem Binnenlande, el Gof, haben. Bon anderen Drtichaften erfuhr ich nichts.

x. Politiſches.

Gezab fol feinen Sultan, fondern nur einen Afel haben, ber in Behan el Gezab refidir. Die Bewohner follen alle Dobayel fein. Den Rezaz find fie feindlih. Sie find fiher verfchiedener Abitam- mung, wahrſcheinlich auch verfchiedener Confeſſion, d. h. Zaidi, denn ih hörte Die Mezaz immer von ihnen mit einem Haß und einer Ber- achtung fprecdhen, wie nur religiöfer Fanatismus fie zu erzeugen pflegt.

Elftes Capitel. Aqaͤreb.

I. Name. II. Geographiſche Lage. III. Grenzen. IV. Bodenerhebung.

V. Wadi. -- VI Klima und Bobenerzeugniffe. VL Drtichaften. VIIL Der

Sultan der Agareb und fein Hof. IX. Regierung. X. Juſtiz. XL Sitten, Religion u. f. w. XI Geſchichtliches.

L Rome.

Aqrabi, im Collecttv Aqareb, ift der fehr alte Name diefer Volkerſchaft, den fie jchon zu Hamdani's Zeit führte. In noch älterer *) hieß fie Beni Harith; und 'Aqareb, das „Skorpione“ bedeutet, war nur das Symbol.

IL Geographiſche Lage.

Diejed Heinfte aller Stätlein umfaßt nur 2—3 Quadrat» Meilen an Flächeninhalt und liegt auf dem weltlichen Ufer der Zowayi- Bucht (Rhede von Aden) zwiichen 44° 51' und 44° 57° öftl. Länge v. Gr. und zwiſchen 12° 47° und 12° 57' nördl. Breite.

OL Grenzen. Bor einigen Jahren grenzte das "Agrabi-kand im Often und Süden an's Meer, im Weiten an's Sfobehisfand und im Norden an Laheg. Jetzt hat ihm England feinen Küftenftrand mit dem Gebel Hajan ab-

*) Hambani jagt: Beni Harith und das find Die Aqareb.

Das Agrabi- Land. 315

gelanft, jo daß ed jeht im Süden und Often an engliſche Beſitzungen grenzt und ganz vom Meere abgejchloffen ift.

IV. Bobenerhebung.

Der Gebel Hafan (mit dem Asses ears), eine mächtige vulfanifche Maſſe, die wie eine Infel zwiſchen Flachland und Meer liegt, gehört jeßt nicht mehr den Aqareb, da fie ihn an England verfauft haben. Jetzt befteht ihr Land nur aus einer wenig erhöhten ebenen ober ge⸗ wellten Steppe.

V. Wadi.

Der Wadi Tobban oder Fluß von Laheg durchzieht das kleine Sand in feinem Tieflauf und mündet bei Heſſua (jet engliſch) in's Meer.

VL Klima und Bobenerzeugniffe.

Das Wafler des W. Tobban gelangt nur felten bis hierher, da die Bewohner von Laheg es zur Bewäflerung ihrer Felder aufbraudhen. Nur im Hochſommer, wenn die Regen im Innern den Fluß ſchwellen, fommt eine dann allerdings bedeutende Wafjermenge das Flußbett hinab, ift aber eben jo fchnell wieder zerronnen und wird fo gut wie gar nicht audgebeutet. Als ein Küftenland bat es jelbjt feine tropiſchen Regen, fondern tft auf die ſehr ungewifjen Winterregen angewieſen, die manch⸗ mal drei Sahre ausbleiben. Bei ihrer alten Erbfeindichaft gegen Laheg behaupten die Aqareb, ed läge böfer Willen in jener Flubaufftauung und dem muthwilligen Wafferverbrauchen, das fie den Abadel zur Laft legen; dies gefchähe alled nur, um ihnen dad Waffer abzuziehen. Man citirt fogar ältere Zeiten, in denen der ®. Tobban audy zur Bewäflerung des Aqareb⸗Landes reichlich benutzt wurde, aber man vergibt, daß eben in jenen Zeiten dad Verhältniß zu Laheg ein andere war und daß man wohl feinen Freunden eine Wohlthat zufommen läßt, aber Niemand gezwungen werden fan, feinen Feinden etwas zu überlaffen, was er felbft gebrauchen Tann. Jene „älteren Zeiten‘ müfjen übrigens in grauer Vorzeit gefucht werden, denn fchon feit Sahrhunderten find beide Völker Feinde.

In Folge diefed Waſſermangels find die Producte jehr ſpärlich und beichränten fi, auf Dochn, Durra, etwas Weizen, Dompalmen. Datteln

316 Steppennatur der Tiefländer.

fehlen. Mit Trinfwaffer ift e8 auch fehr fchlecht beftellt. Die Brunner find brafiih. Keine Quellen. --

Dennoch ift das ebene Land keineswegs öde. Auf einem Ritt, den ih durch dafjelbe machte, ſtaunte ich über die Fülle wilden üppigen Strauchwerks, das den Boden bededte: Ricinus, Jasmin, wilder La— wendel, verjchiedene Mimwfenarten, wie Sayal, Semur, die oft be- trächtliche Höhe erreichten, der nie fehlende Nebefbaum, die eben jo ſchöne ald unnütze Dompalme (die nichts als ein ſchlechtes gegohrenes Getränk und Strohmatten zu liefern vermag), die Pavetta longifolia (noch das nützlichſte von Allem, da feine Zweige die bekannten arabilchen Zahnhölger, welche zugleih Zahnftocher und Zahnbürfte und ficher unferen Bürften vorzuziehen find, liefern); endlich eine charakteriftiiche, wirflih die Landichaft zierende Pflanze, der Giftſtrauch „Oſchr“ mit feinen jchönen großen Blüthen und feiner maffenhaft aus den Stielen hervorquillenden weißen Milch. Forskal nennt den Oſcher Asclepias procera. Aus feiner Milch, fo wurde mir erzählt, fol ſich, obgleich fie giftig ift, doch ein genießbares Salzmehl abfondern laffen, ähnlich wie die Tapioka, die ja befanntlidy auch das Product einer Giftpflanze (in Brafilien heimiſch) if. Sch möchte dieß jedoch bezweifeln.

VI. Ortſchaften.

Hauptftadt: Bir Ahmed, iſt der einzige nennenswerthe Ort im ganzen Gebiet, Sitz ded Sultand. Kleiner Bafar mit Läden, die faft immer halbgefchloffen find. Wochenmarkt. Etwa 30 Häufer, worunter dad Schloß ded Sultans, ftattliched Gebäude mit 4 Stockwerken, 4 großen Eckthürmen, Zerraffen und Zinnen, jedod nur winzig Heinen Zenitern, mit Holzſchnitzwerk verjehen. Alle Bauten von Luftziegeln, ohne An— ftrih. Außerdem befteht nody ein Gewirre von Stroh- und Schilf- Hütten, in denen Beduinen und Fremde wohnen. Außer den einge- borenen Einwohnern, etwa 200 an der Zahl, giebt ed bier noch eine ziemlich zahlreiche und buntgemifchte flottante Bevölkerung, aus allen moßlimischen Elementen, die das nahe Aden beherbergt, fich erneuernd: oftindifche Moslems, Hadramauter (diefe Kaufleute Arabiens), Somali's (Subäthiopier von der Berbera-Füfte), wirkliche Neger, Juden; ich ſah fogar einen Chinefen.

VIIL Der Sultan der Agareb und fein Hof. “Abd Allah ibn Haidra, der Sultan der Aqareb, oder wie er ge-

Der Agrabi- Sultan und fein Hof. 817

wöhnlich genannt wird, der Scheh von Bir Ahmed, ift ein fchwächlich austehender Mann von etwa 50 Jahren, beinahe ganz fchwarz, faft bartlos, mittelgroß, mager und verfallen. Bei einem Beſuch, den ich ibm im Frühjahr 1871 machte, empfing er mid) in einem niedrigen Schuppen, in welchem er in Mitte feiner Brüder und Bettern faß. Alle waren bis auf das Lendentuch nadt, trugen aber fürchterlich große Gembiye (Dolchmeffer), fogar einige ganz junge Knaben. Dem Sultan wurde ganz diejelbe, feine höhere Chrenbezeugung erwieſen, wie feinen Brüdern, die dicht neben ihm fahen.

Jeder Eintretende Tüte nämlich dem Sultan die Hand, aber diefer tieß fie Jich nicht vornehm küſſen, fondern hielt die Hand, melde die jeinige zum Munde geführt batte, feſt und machte Miene, fie gleichfalls füffen zu wollen, ja einigen alten Männern gegenüber ließ er es nicht bei der Miene. Alles dies zu wiederholten Malen und mit anjcheinend großer Herzlichkeit.

Ganz daffelbe Ceremoniell fand den Brüdern des Sultans gegenüber itatt. Seine Unwiljenheit in Bezug auf europäifche Dinge war groß, ja ſelbſt von Arabien jchien er nichts zu kennen als Aden, auch diejes faum. Bon Europa’s Völkern kannte er nur die Engländer. Bon den Franzoſen hatte er gehört und hielt alle Nicht- Engländer für foldye, jo auch mid. Obgleich ich ihm meine Eigenschaft ald Deuticher mehrmals audeinandergefept hatte, verrieth jein Geſpräch doch immer wieder, dab er mid) für einen Franzoſen hielt, ja er machte fogar einige für lebtere ihmeichelhafte Bemerkungen, in der Meinung, mir zu gefallen, was bei dem damals zwijchen und und Frankreich noch berrichenden Kriege fehr komiſch herauskam.

Er ſchien gar nicht begreifen zu können, warum ich ihn beſuche, vermuthete irgend einen politiichen Zwed und wartete gefpannt auf die Enthüllung des Geheimniſſes. In Bezug auf alle Fragen, die ich über fein Land that, war er fehr zugelmöpft. Merkwürdig war mir aud, daß feiner feiner Unterthanen wußte oder wiffen wollte, daß der Sultan engliſcher Penfionär ift. In Aden fällt es Niemandem ein, hieraus ein Ge- heimniß zu machen, da e8 offenkundig fit, daß alle Kleinen ſüdarabiſchen Fürften Penfionen von England beziehen, und Niemand erblidt darin etwas, deſſen jich dieſe Fürſten ſchämen müſſen, da nad) arabiichen Be- griffen nicht der Empfänger, fondern der Zahler, den man gern mit

318 Sultan und Regierung der Agareb.

einem Tributpflichtigen verwechjelt, fich eines folhen Verhältniſſes zu ſchämen braucht. Hier aber fand ich es umgekehrt.

Komiſch war auch, daß diefer nur zwei Schritte von einer englifchen Stadt wohnende Fürſt nie in jeinem Leben eine Cigarre gejehen hatte, fo daß eine von mir angezündete ſprachloſes Erftaunen und Nadyfragen, was dad Wunderbing fei, hervorrief. Man bielt es allgemein für Haſchiſch, von welchem betäubenden Kraut man bier gehört hatte, das aber Niemand kannte. Man raucht bier, wie in ganz GSüdarabien, nur die Wafferpfeife (Nargileh). Auch im Empfangszimmer ded Sultans ftanden mehrere, gefüllt und angezündet, und madıten die Runde. Jeder that ein paar Züge und überließ die Pfeife dann feinem Nachbar. Auf einem Kohlenbeden, im Winfel ded Zimmers, ftand ein großer Kaffeetopf, gefüllt mit Gifchr, dem Abjud der Kaffeehülfen, welchen man bier, im beißen Tiefland, dem für zu erhitzend, ja für fiebererzeugend gehaltenen Abſud der Bohnen vorzieht. Davon wurde ftet8 in reich- licher Menge berumgereicht. Jeder Anweſende trank wenigftend vier Taſſen. Mander Sübdaraber fol täglih an dreißig Taſſen Giſchr leeren, was ihn gleichwohl nicht ruinirt, denn die Hülſen, die nicht er- portirt werden koͤnnen, find ſpottbillig.

IX. Regierung.

Die Regierung tft durchaus patriarhaltih und wird vom Sultan in innigem Einverſtändniß mit feinen Brüdern und Bettern, ja allen Mitgliedern der Dynaftte, ausgeübt. Selbft feine Einkünfte darf er fich perfönlich nicht zueignen, fondern muß Sedem feiner Verwandten eine Duote abgeben. Diejelben beftehen aus der englifchen Penſion von 50 Maria-Therefien-Thalern monatlid (etwa 880 preuß. Thaler jährlich) und dem Zranfito- Zoll von 2% vom Werthe aller durch jein Gebiet beförderter Waaren. Diejer Zoll ift nicht unbebeutend, da faft Alles, was von Südwelt-Yemen nad Aden geht, über Bir Ahmed trans» portirt wird. Cr war jedoch vor etwa zwanzig Sahren noch, viel an- jehnlicher. Daß er abgenommen hat, bildet auch wieder (ganz wie die oben erwähnte Wafferfrage) einen Befchwerdegrund gegen ben Sultan von Laheg.

Ein großer Theil der im Meften und Nordweſten von Bir Ahmed wohnenden Sjobeht-Stämme tft nämlich im neuerer Zeit in eine Art von freiwilligem Bajallen-Berhältnig zum Sultan von Laheg getreten, und

Politit und Rechtspflege der Agareb. 819

da dieſer gleichfall8 einen Zoll für die fein Gebiet Durcdhziehenden Waaren erhebt, fo fuchte er natürlich jene Stämme zu beftimmen, die Karawanen abzulenken, und fie ftatt den näheren Weg über Bir Ahmed den weiteren über Laheg nehmen zu laffen; einen Gefallen, welchen ihm viele dieſer Etämme auch gethban haben, jo daß nun der Zoll nicht werriger Waaren, ftatt in die Kaffe von Bir Ahmed, in diejenige von Laheg wandert.

Gern würden die Agareb fi) dem widerfegen, aber, ganz abgefehen davon, dab England nicht den Krieg zwilchen zwei ihm gleich befreun- beten, wenn auch untereinander verfeindeten Stämmen geftattet, fo ift auch die Ohnmacht des Meinen "Agareb-Staates zu groß, um jebt, ba die einftigen Verbündeten thn im Stich laſſen, noch etwas gegen Laheg unternehmen zu Tönnen.

Der Sultan bat einige dreißig Soldaten, von denen etwa ein Dritiheil Neitlameele, die anderen nur gewöhnliche Kameele haben. Ihnen giebt er nur die Naturalverpflegung, feinen Sold. Sie gehen gleichfalls bis auf das Lendentuch nadt, haben aber oft ſehr Toftbare Waffen, die ganz den oben bei ben Fodli befchriebenen gleichen. Im ganzen Ländchen tft Niemand, der ein Pferd fein eigen nennt.

X. Juſtiz.

Alle "Agareb fcheinen im Verhältniß von Raye zum Sultan zu ftehen; aber dies Verhältniß führt bier nicht zum Despotismus. Da die "Agareb faft alle miteinander, ja jelbft mit dem Fürſtenhauſe ver- wandt find, fo fcheut fich der Sultan, Jemandem eine ernftliche Strafe aufzuerlegen. Seit Menjchengedenten ift feine Hinrichtung vorgefommen. Auf Diebftahl fteht zwar die Strafe des Handabhauend, dem Doran gemäß, Tommt aber nie zur Ausführung. Kleine Diebe jperrt man ein, d. h. man läßt fie mit gefeflelten Beinen frei in einem großen Hofe herumgehen. Unverbefferliche Diebe ſucht man ſich auf gütlihem Wege vom Halfe zu jchaffen, indem man ihnen Gelegenheit giebt, nad Aden zu entwilchen, und fie bleiben dann ftillichweigend verbannt.

XI Sitten, Religion uw. f. w. Alle "Agareb find orthodore Schafet und haben ganz dieſelben religiöfen Gebräuche, wie die Fodli, Auwaliq, Yafi't. Ihre Kleidung ift auch die jener Voͤlker. Nur bequemen ſich die

320 Eiferfüchtige Strenge gegen die Frauen.

Srauen bier ſchon mehr der ftädtifchen Sitte, das Geficht zu verfchleiern. Die Frauen der Bornehmen kommen zwar faft nie aus dem Haufe; wenn died aber gefchieht, fo tragen fie, nach dem Brauch von den, ein bunte Mouſſelintuch über's ganze Geficht, jelbft die Augen, eng gefpannt. Dies ift jedoch nicht durchfichtig genug, um ihr Geſicht ſehen zu laffen, hindert fie dagegen felbft wenig im Sehen.

In Bezug auf die Abjperrung der Frauen ift man bier ſehr ftreng. Meder das Schloß des Sultans, in weldyem ſich fein und feiner ganzen näheren Sippſchaft Harem befindet, no auch die Privathäufer der Stadtbewohner, ja ſelbſt nicht die Hütten der Armen dürfen jemald von einem Manne, der nicht zu den nächſten Verwandten gehört, betreten werden. Der erwähnte Echuppen, in dem mid) der Sultan empfing, iſt fo ziemlich das einzige neutrale Gebiet, auf dem fih Männer (außer auf freiem Felde) begegnen können. Diefe Strenge geht ſogar fo weit, dag man nicht einmal die etwas abgelegeneren Straßen von Bir Ahmed durchwandeln darf, ohne fi ernten Vorftellungen ausgeſetzt zu jehen. Sole wurden auch mir zu Theil, als ich es verfuchen wollte, die er- wähnte Hüttenvorftadt zu bejuchen, um diejed merkwürdige Labyrinth etwas näher zu infpiciren. Der mich begleitende Soldat des Sultan rief gleich beim erſten Schritt, den ich auf die Hütten zu that: „Ah tefir honak“ (Es ift eine Schande, wenn du bier herumgehit) und weigerte ſich, mich zu begleiten.

Die Araber können nun zwar nicht immer vermeiden, foldye ver: botene Wege zu betreten, aber fie hüten fich dann wohl, mit den Bliden umberzufchweifen. Die in Häujern wohnenden Männer dürfen nicht an's Fenfter treten, wenn, was oft gejchieht, Frauen aus den gegenüber: liegenden bliden. Die Dachterrafje pflegen nur Frauen zu befteigen, da man von dort aus die Nachbarinnen jehen kann. Auch gilt es für ſehr unpaffend, beim Durchſchreiten der Straßen, ſelbſt der Hauptftraße, feine Blide in die Höhe.nad den Fenftern zu richten.

Die Frauen brauchen fich auf ihren Zerraffen, an den Senftern, ja in den abgelegenen Straßen, ſelbſt vor den Hausthüren, lange nicht fo viel Scheu aufzuerlegen. An den Männern ift e8, ihren Anblid zu ver meiden, oder wenigftens zu thun, als ſähe man fie nidt. Dennoch gehen dieje Frauen auch auf's Feld, um da zu arbeiten, aber gleichfalls dort beichügt fie die eiferne Sitte, welche jede Annäherung, jedes ſich Umſehen ald eine Schandthat brandmarft.

Geſchichte des Aqrebiſtammes. 321

ZI. Geſchichtliches.

Der Stamm der" Aqareb ſcheint ſchon in alter Zeit dieſelbe Gegend bewohnt zu haben.

Unter dem Namen Bent Harith erwähnt ſie Hamdani, aber er kennt bereits ihren heutigen und ſetzt hinzu: „Die Beni Harith, das ſind die Aqareb.“ Es iſt nicht daran zu denken, in dieſen B. Harith den gleichnamigen Kinda-Stamm zu ſuchen. Die Aqareb find fo unzweifel- haft Himyaren, wie Yafi'i, Sfobeht u. |. w. Man braucht fie nur an- zuſehen, um deſſen gewiß zu fein. Der Wohnfis, den Hamdani ihnen anweift, ilt faft genau der heutige. Nur. fcheinen fie früher einen weiteren Bezirk innegehabt zu haben, wahrjcheinlich weil fie bedeutender, zahl: reicher und mächtiger waren, als jet.

Die erften Reiſenden, welche von den Aqareb berichteten, waren die Dffictere der engliichen Küftenaufnahme von 1833, Gruttenden und Grieve, die von ihnen ald einem „jchönen, Triegerifchen Menjchenfchlag, * etwa 600 Mann ftarf, die in allen Kriegen der Küftenaraber eine Rolle fpielen, obgleich fie nur ein Gebiet von 2 Duadratmeilen ein- nahmen, erzählten. Damals beſaßen fie noch den Gebel Haſan und die öftliche Küfte der Towayi- Bucht, hatten fogar einen kleinen See— bafen, nahe an den fogenannten „&feldohren? (zwei zuderhutförmigen Felſenſpitzen, Ausläufer des G. Hafan) und trieben etwas Handel. Seit dem Aufſchwung von Aden wurde ihr Handel, wie der aller Fleinen Küftenorte dieſer Gegend, durch die Concurrenz des neu aufblühenden Emporiumd gänzlich erdrüdt, und da fie feinen Vortheil mehr and - ihrem Heinen Hafenort zogen, fo gingen fie auf das Anerbieten Englands ein, ihm den Gebel Hafan, fowie ihr ganzed weftliches Küftenland zu verfaufen. Der Kaufvertrag fam im Sabre 1868 für die Summe von 30,000 Marias Therefien- Thalern (44,000 preuß. Thlr.) zu Stande. England zieht aus diefem Geſchäft Teinen anderen Vortheil, als den, daß ed nicht mehr Gefahr läuft, einen Theil der trefflihen Towayi⸗ Bucht, der Rhede von Aden, in die Hände einer anderen Seemacht über: gehen zu jehen; benn nichts hätte Die Aqareb verhindern können, diefen Küſtenſtrich einer anderen Macht, etwa Frankreich (welches wirklich um jene Zeit darauf fann, einen arabifhen Hafen anzufaufen, und Dies Anfinnen aud bald darauf durch die Erwerbung von Schech Said bei

v. Malkan, Reiſe nah Südarabien. 21

822 _ Stammesfehden der Völker um Aden.

Dab el Mandeb Ausführte) abzutreten, eine Abtretung, weldje die fragliche Macht zur Mitbefiperin der Rhede von 'Aden gemacht hätte. Bor diefer Epoche hatten die Aqareb ſchon zu wiederholten Malen Verträge mit England geichloffen, von Zeit zu Zeit zwar gebrochen, indem fie fat an allen SKriegen der umliegenden Stämme gegen Aden Theil nahmen, aber ftetS wieder nach dem alten Entwurf erneuert. Der jekt in Kraft beftehende Vertrag unterfcheidet fi) von dem zwiſchen England und Laheg nur durch die Verjchiedenheit der Suhfidienfumme (oben ſchon erwähnt) oder Penfion, weldye dem Sultan gezahlt wird. Sn den inneren Stammesfehden fpielten die Aqareb, trug ihrer Geringzähligfeit, immer eine wichtige Rolle. Sie ſollen vor einem vder mehreren Sahrhunderten (etwas Verbürgted Tonnte ich über die Zeitepoche nicht erfahren) unter Laheg geitanden haben, wenigftend erheben die Abadel noch jekt den Anspruch der Oberhoheit auf ihr Land, ich glaube jedoch mit Unrecht. Zur Glanzzeit des Imamats ftanden beide, Abadel wie Agareb, unter den Fürften von Yemen. Als fie fich frei machten, ſcheinen fie eine Zeitlang einen einheitlichen Heinen Staat gebildet zu haben. Aber diejer Zuftand konnte von ben Aqareb nicht lange er— tragen werden. Die Antipathie gegen Laheg war zu grob. Diele wurzelt wohl hauptfächlich in dem fremden Urfprung von dejjen Dynaftie, die nicht himyariſcher Abftammung ift, wie die Aqareb e8 ohne Zweifel find, denn ihre Phyfiognomte, ihre ſchwarze Hautfarbe, ihre Körper— bildung find ganz diefelbe, wie die der Yafit, der Fodli und anderen Himyaren. Jedenfalls find die Aqareb feit etwa einem Sahrhundert unabhängig von Laheg, das ihnen freilich niemald Ruhe ließ, nie einen wirklichen Frieden mit ihnen ſchloß und ſtets den Verſuch erneuerte, ihr Feines Zerritorium zu verfchlingen. Daß Dies nicht geſchah, ver- dankten die “Agareb der mächtigen Bundesgenoſſenſchaft der öftlichen Nachbarn und Erbfeinde von Laheg, der Fudli, welche in feinem Kriege verfehlten, ihre Partei zu ergreifen. Der lepte Krieg zwiſchen Abadel und Agareb fand im Jahre 1855 ftatt. Damald waren die Fodli zu ſehr anderweitig (durch den Krieg mit den Auwaliq) in Anſpruch ge nommen, fo daß bie Abadel ungehindert nach Bir Ahmed rüden konnten. Der Eultan der Aqareb wäre verloren gewejen, hätte nicht ein Zufall ihn gerettet. Die Auwaliq, die Verbündeten von Laheg, forderten nämlich gerade in diefem Zeitpunkt von defien Sultan die ihnen für diejen Kriegsbeiſtand verſprochenen Subfidiengelder, aber, jei es Geiz,

Lebter Krieg des Aqrebiſtammes. 323

fei es Unvermögenbeit, der Sultan weigerte fich zu zahlen. Darüber löfte ſich ihr Bündniß auf, die Auwaliq zogen beim und ließen die Abadel zwei Feinden, den Agareb und Fodli, gegenüber, welchen “Iesteren fie nicht gewachlen waren. So ward der Sultan von Laheg genöthigt, die Belagerung aufzuheben und Waffenftillitand eintreten zu laffen. Seitdem legt die Uebermacht Englands den beiderfeitigen Feind- jeligfeiten Stillfehweigen auf. Zu einem offenen Kriege darf es nicht mehr fommen, aber an Blutfehden, Privatfeindlichkeiten und Verationen aller Art fehlt e8 zwijchen den fich nad) wie vor hafjenden Stämmen auch jegt nicht.

21*

Zwoͤlftes Gapitel. Abdeli⸗Land oder Laheg.

I. Name. DL Geographiſche Lage. DI. Grenzen. IV. Bodenerhebung. V. Wadis. VI Klima und Bodenerzeugniffe. VIL Stämme. VIII Stüdte und Ortſchaften. IX. Sultan, Dynaſtie und Hof. X. Regieru.g. XL Finanzen. XU. Münze. XIU. Mititir. XIV. Juſtiz. XV. Aus: wärtige Politie XVL Oberhobeit über fremde Stimme. XVIL Geſchicht- liches. XVII Religion. XIX. Sitten und Gebräuche. XX. Saftfreund: ichaft. XXI. Europäer in Laheg. XXU. Berrüdte Heilige. XII. Zuden und Parias.

I. ame

Der Name 'Abdeli“), im Gollectiv Abadel, ift höchſt wahr- ſcheinlich dynaſtiſch. Abgeleitet ift er von "Abd (Nisba mit einge- Ichobenem I) das ald Stammedname hier ſonſt nicht vorfommt, wohl aber im Speciellen der Name des Herrſchergeſchlechts ift. Er ift übrigens neueren Datums. Dad Volk wurde früher Ajbahin genannt.

Der Name Laheg ift ein uralter Ländername Nach Yaqut hat

*) Die Schreibart "Abd "Ali, welche Ritter nach Haines und Wellited ge: braucht, ift durchaus unrichtig und widerfpricht auch ganz dem arabiſchen Eprady- bebrauch. „Sklaven 'Ali's“ könnten fich allenfalls Schiiten nennen, was Die Abadel aber nicht find. Wollte man "Alt „der Höchite” überfepen, fo dürfte der Artikel davor nicht fehlen. „Abd el AL“ ift ein häufiger Name. Außerdem braucht man den Namen nur ausfprechen zu hören, um zu wilfen, daß bier fein Ain vor dem I fteht.

Sultanat von Laheg. 325

es einen Stammpater diefed Namens gegeben, der im 8. Gliede vom erften Himyar”) ftammte.

IL. Geographiſche Lage.

Dad Abdeli-Land erſtreckt fi von etwa 44° 45' bis 45° 5" öftl. Länge v. Gr. und von 12° 50° bis 13° 12° nördl, Br. Dies die Aus- dehnung ded Eultanatd. Der Sultan nimmt aber noch die Oberhoheit über eine Menge Sſobehi-Stämme in Anſpruch und übt fie theilweife auch aus. Diele gehören indeß politiſch kaum und topographijch gar nicht hierher.

IH. Grenzen. Im Süden Aden und das Aqrebi-⸗Land. Im Weſten die Sfobeht. Im Norden dad Haujhebi-Land. Im Oſten Abian, jept den Fodli gehörig. IV. Bodenerhebung.

Der größte Theil ded Landes ift Tiefland, dad niedrig gelegene Flußthal des W. Tobban und feiner Seitenarme. Deftli und weſtlich vom Flußthal find wenig erhöhte newellte Ebenen. Die öftliche, die fi bis in's Fodli-Land hinein erftreckt, heißt Mehaidan. Nordlich verengt ſich das Flußthal und felſige Berge treten auf.

V. Wadis.

Wadi Tobban, vulgo der Fluß von Laheg genannt, einer der größten Wadis dieſes Theils von Südarabien, kommt aus der Gegend von Yerim, wo er, wie im ganzen Nordlauf, W. Nura heißt.

Der W. Nura nimmt in der Gegend von Zaida den vom Gebel Sfabr fommenden W. Warezan auf und heißt nun W. Tobban. Er trennt fih 7 engl. Meilen nordweftlih von Hauta in zwei Arme, den W. el febir und W. eff ceghir (großen und Heinen W.), deren erfter bei Heffua, Tehterer unweit des Städtchend Omad, öftlic von Aden, mündet.

*) Die Filiation ift: Laheg, ben Wayil, ben el haut, ben Datan, ben Arib, ben Zobair, ben Aiman, ben Hamaiſa, ben Himyar, ben Saba, ben Maſchgob, ben Ya’rob, ben Dahtan. Ein Sohn jened Wayil war nach anderen Fiften "Abd Schems, der Jüngere, der 18. König von Yemen, der 13. bei Wrede. War Dies nur ein anderer Name für Laheg?

326 Der angeblihe Wadi Maidam.

Trotz feiner Wichtigkeit ift er Fein perennirender Fluß. An der Mündung fließt er nur im Hochſommer.

Der Name Tobban tft wenig befannt, indem das Voll meift vom „Leinen“ oder „großen" Sluß oder vom „Fluß von Laheg“ ſpricht. Died erflärt wohl den Irrthum Niebuhrd, Wellſted's, Haines' und den aller heutigen Europäer in Aden, welche den Fluß einftimmig W. Mai- dam nennen. Maidam ift aber nichts als eine Berhunzung von Mehaidan, dem Namen einer Steppe im DOften vom W. Tobban und im Norden v. Aden. Wer Mehatdan bereift, wie ich es that, der Tann übrigens feinen Augenblid den Namen eines Wadi für dieſes Land fefthalten. Es ift eine völlig trodene Steppe. Der Name ift freilic) jehr befannt. Feder Eingeborene ſpricht von Mehaidan. Feder Europäer, der nad) Laheg geht, hört dies Wort, und da der Volksmund dem Flufje nur jo allgemeine Namen, wie der „Heine", der „große”, der „Fluß von Laheg“ giebt, fo liegt die Verwechslung nahe, Mehaidan für den jpeciellen Namen zu halten, befonder8 da der Weg die Hochebene be- rührt. Sch mußte mir förmlich Mühe geben, den wahren Namen des Fluſſes zu erfahren und konnte ihn nicht eher ermitteln, ala bis ich auf den Gedanken kam, den Landesherrn, den Sultan von Laheg jelbft, der es doch am Beften willen mußte, danad) zu fragen. Diefer fagte mir und feine Brüder, Vettern, ſowie ein Dutzend arabiſcher Gelehrten, feine Hofleute, Soldaten u. |. w. beitätigten nun alle einftimmig Folgendes: „Der Fluß heißt W. Tobban. Mehaidan ift nur ein Meideland, eine Steppe‘*). Uebrigens merkte ich fpäter, daß auch das Bolf den Namen fehr gut kennt. Es findet e8 nur bequemer, jene all- gemeinen Auddrüde zu gebrauchen. Nie aber börte ich einen Araber von einem W. Mehaidan (oder gar Maidam) reden.

Ritters**) Notiz: „Der W. Maidam zieht an der Stadt (Laheg) vorbei“, ift alfo ein Irrthum. Höchſt feltfam ift, was er dann jagt, ‚wenn auch feine Mündung noch unbekannt zu fein ſcheint.“ Don diefer Mündung (bet Heffua) war fehon oben die Rede. Sie hat aller- dings jelten Waffe. Aber man follte faum glauben, daß fie Wellfted und Niebuhr, die doch in Aden Notizen fammelten, unbefannt geblieben ſei. In Aden Tennt fie jeder Araber.

*% Da die Kameele an Eteppenpflanzen Weide finden, fo fann felbft eine Steppe bier als Weideland bezeichnet werden und wird ed allgemein. “*) Ritters Erdfunde XII ©. 707.

Das fruchtbare Gebiet von Laheg. 327

VI. Klima und Bodenerzeugniffe.

Das Land bat durchaus Küftenklima, würde alfo auf die prefären Minterregen angewiefen fein, beſäße es nicht den W. Zobban, der in jeinem oberen Lauf die tropischen Sommerregen empfängt und das koſt⸗ bare Naß dem Tiefland zuführt. Ich hörte allgemein beftätigen, daß im Gebirge nördlid von Laheg, wo ein Theil des Flußwaſſers durch Schleußen zurüdgehalten wird, daſſelbe niemald gänzlich ausgehe. Einige diefer Schleußen werden nur im äußerſten Nothfall geöffnet, eine Rejerve für die fchlechteften Zeiten. Nur der Sultan kann die Erlaubniß zum Deffnen geben. Im Tiefland ſucht man es durch gejchichte Bewäſſerungs⸗ anſtalten jo einzurichten, daß man das ganze Jahr hindurch den einen oder anderen Theil der Selder bewällern fann. Kein Tropfen Wafjer geht hier verloren, außer im Hochſommer, wenn alle Schleußen überfließen und der Fluß in’d Meer gelangt. Die Folge der geichicten Ausbeutung dieſes Waſſervorraths ift große Fruchtbarkeit.

Das Tiefland von Laheg ift einer der gejegneteften Landftriche Arabiend. Wellfted vergleicht ed nicht ganz mit Unrecht mit dem Nil» thal. Baumwolle wird in Menge angepflanzt und joll von ausgezeich- neter Qualität fein. DVortreffliher Weizen, Durra, Dochn, Seſam, Tabak, Wein, Feigen, Bananen, Orangen, Citronen, die Früchte der heißen neben denen der gemäßigten Zone gedeihen hier. Was der Boden bei geſchickter Cultur zu leiften vermag, beweijen die zwei von Oftindiern in Laheg bejorgten Gemüfegärten, von denen jämmtlicher Gemüjevor- rath Adens bezogen wird. Hier wachlen jowohl die Gemüfe Oftindiens, ald die Europa's, namentlich treffliher Kohl, ſonſt in Arabien etwas Unbekanntes. Die Datteln find von geringer Qualität. Kaffee wächlt hier ebenjowenig, wie in anderen Küftenländern.

Die Ebene Mehaidan trägt jene Steppengewächſe, weldye als Kameelfutter beliebt find und von denen bei Bir Ahmed die Rede war.

vIm Stämme.

Jetzt begreift man die Bewohner des Sultanats Laheg alle unter dem Namen ,„ Abadel.“ Oben wurde ſchon gejagt, daß Died der ſpecielle Name der Dynaftie it. Wäre leptere einheimiſch, fo könnte er doch auch der urfprünglihe Name des Volkes fein. Died iſt aber nicht der Fall, wie fowehl ihre Geſchlechtstradition, als die Phyſiognomie, belle Hautfarbe, das fchlichtere Haar, die Neigung zur Wohlbeleibtheit ihrer

328 Stämme des Sultanats Laheg.

Mitglieder beweilen, alled Züge, die beim Volke entweder fehlen oder ganz anders find. Die Dynaſtie „Abdeli” ift aus Gentralyemen und ſtammt von einem Gouverneur der Imame, der fich frei machte und dad Land ald Gultan regierte; dagegen ift dad Volk echt himyariſch. Zum großen Theil befteht e& wohl aus Aſſabeh oder Alfbahin, Völkern, die auch Hamdant hier nennt und deren Name fich jebt noch bei den weftlichen Nachbaren, den Sjobehi, erhallen hat. Ein anderer von Ham⸗ dani hier genannter Stamm, die Wagedin, fcheint jetzt ganz unbekannt.

Die Bewohner der Ebene Mehaidan *) werben ald die Beni Mehaid genannt, die auch in Chamfer wohnten. Ich hörte zwar nicht mehr den Namen Bent Mehaid, aber fehr oft Ahl Mehatdan ald Gefammtnamen der Heinen Unterftämme, welche jebt diefe MWeidefteppe bewohnen.

Zolgende Unterftämme der" Abadel wurden mir namentlich bezeichnet:

1) Ahl Zueila, wohnen in Ziuich, Heine Ortichaft in Mehaidan und Umgegend.

2) Ahl Selam, mohnen in Meghafa am M. eff ceghir, füd- öftlich von Hauta.

3) Ban, wohnen in Hamra, 1 Stunde von Hauta.

4) Azeibih, oft auch Azeba geiprochen, in der Nähe von Mehatdan. (Hamdant erwähnt die Alfabeh bei Laheg. Ich glaube jedoch, daß die Ajabeh mit dem fonft oft erwähnten Aſſbahin identiich oder doch nahe verwandt waren und daß die hier erwähnten Azeba, deren Namen ich nie mit ſſad ſprechen hörte, ein ganz anderer Stamm find.)

5) Diyani, wohnen 4 Stunden nordöftlid von Laheg.

6) Bent Ahmed, wohnen in Suar.

VID. Städte und Ortfchaften.

Hauta (13° nördl, Br. und 44° 54° öftl. L.) vulgo Laheg ge- nannt, welches ftreng genommen der Name ded engeren Diſtriets ift, in deffen Mitte Hauta liegt, Hauptftadt und Reſidenz ded Sultans. Ein- wohner etwa achthundert. Wenig Iuden, viele Somali’d, moslimiſche Oſtindier, feine Banianen (Hindu'ſche Kaufmannskaſte, in Aden ftarf vertreten). Keine Stadtmauern, obgleich der Name Hauta, ber eine „Um= friedigung“ bedeutet, ſolche vorausjegen laſſen Tünnte, aber als „Um=

*) Hamdani fehreibt den Pandfchaftänamen Mehaidha (mit dhad), Dagegen den Stammesnamen Mehaid (mit daſ).

Die Hauptftadt des Sultanats Laheg. 329

friedigung‘ läßt man bier die Caſtelle und befeftigten Privathäuſer in ihrer Gejammtheit gelten. Etwa 80 Hänfer, 5 große Gaftelle, darunter dad Schloß des Eultand, impofante Baumaſſe, Aſtöckig, mit fünf 6ftödtgen Thürmen, worunter ein großer Rundthurm. Die zwei oberen Stodwerfe des Mittelpalafted und die vier oberen des Runbd- thurmes find weiß angeftrihen, was fie fo eigenthümlich hervorhebt, daß fie noch höher erjcheinen. Alles andere trägt die natürliche rothe Farbe der Luftziegel, aus denen die ganze Stadt erbaut ift. Schloß des Bruberd des Sultan, "Abd Allah, in einem anderen Stabttheile, gleichfall8 jehr impofant, mit vier hoben Eckthürmen. Xrtillerie- Gaferne, große vierftöcdige Baumaffe; im zweiten Stock Terraſſe mit fünf. aufgeftellten englifhen Kanonen. Einige fünfzig Sejam:Del- mühlen, durch Ejel oder Kameele in Bewegung gefegt. Täglicher Markt, außerdem großer Wochenmarkt. Sehr viel Verkehr. Mittel- punkt der Karamanenftraßen von Sſan a, Dhamar, Ta izz.

An Markttagen ift die Bevölferung verdreifacht. Moſchee auf dem Marktplatz, niedrig, durchaus ſchmucklos, ein großer länglicher Schuppen.

In der Nähe Gärten, worunter zwei große Gemüſegärten, von oftindifchen Gärtnern gepflegt und mit europäifchen Gemüfen bepflanzt. Herrliche Lage inmitten eined Palmenwaldes, Baumwollfeldern.

Herrliche Auöficht vom oberften Stockwerk ded Artillerie - Thurmes, Der Blick fchweift nach Süden über einen Palmenwald, nad Norden über die fruchtbarften Gefilde bis zu den Bergen der Hauwaſchib.

In Folge der Feuchtigkeit, welche die Bewäſſerung mit fidh bringt, entftehen Fiebermiasmen und da8 Klima ift eigentlich nur in der ganz trodenen Jahreszeit (im Winter) einigermaßen gefund, aber auch dann fommen Wechfelfieber vor. Im Sommer find fie oft gefährlich.

Hamdani erwähnt Laheg an vielen Stellen, als den Mittelpunft zahlreicher Stinerare, am ausführlichiten Seite 112 (ded Adener Manu—⸗ Scripts), an welcher Stelle er von feinen Bewohnern ſpricht. Diefe waren die Habab, die Ro ain der Beni Ogil (oder Ohail) und die Hauwad, alle drei Abtheilungen der Aſſbahin. Dieſer letztere Name fcheint, wie ichon oben angedeutet, die Sfobeht zu bezeichnen, die jet nicht mehr in Zaheg, fondern im MWeften davon, aber theilweife in nächiter Nähe wohnen.

Im Umkreis von 2 Stunden um Laheg viele Dörfchen, deren wich. tigſte: Mokaibera, Tharore, Bet Samjam (ſüdlich); Kadema, Abubekr,

330 Ortichaften des Sultanats Laheg.

Zhalub (öftlih); Siffia, Dar Kureſchi (nördlich) ; Abbeffelam, Bet Ayla (weſtlich).

Derb (12° 58’ nördl. Br., 44° 55° öſtl L.), kleiner Ort mit etwa 12 großen Häufern und fünfzig Einwohnern, halbwegs zwischen Hauta und dem Meere am W. el Kebir (MW. Zobban). Hier ift ges wöhnlich die füdlichſte Aufſtauung des Waſſers und felbft in der trodenen Jahreszeit fehlt es jelten daran. Sehr frudhtbare Gegend, aber böje Fiebermiadmen.

Bei Hamdani finden wir Derb einmal in der gewöhnlichen Weiſe, ein andermal Dareb gejchrieben. Es war von den Wagediun bewohnt, diejelben, die er an einer andern Stelle MWagedin nennt.

Schech Otman (12° 53' nördl Br., 45° öftl. &), Heine Ort- Ichaft im Süden, nahe am Meere, 7 engliihe Meilen von Aden, nur 2 von der engliichen Grenze entfernt. Einige zehn feitungsartige Häufer, worunter dad ded Sultans. Das jchönfte Gebäude ift ein modernes Landhaus des Adener Kaufmanns, Hafan "Ali, mit herrlichem Garten. Der Eigenthümer, der jelbit falt nie hier wohnt, geftattet allen reife- Iuftigen Europäern, fi bier fo lange, als fie wollen, aufzuhalten. Große Mofchee, Grab des Schech 'Otman, nad) dem ber Ort beißt, weites, aber verhältnißmäßig gedrücktes Gebäude mit einer Menge kleiner weißer Kuppeln. Gegend unfruchtbar (hier beginnt im Oſten die Ebene Mehaidan). Nur Dompalmen, die jetzt ganz unnüg, da der orihodore Sultan feinen moslimiſchen Unterthanen das Bereiten ded gegohrenen Getränks aus ihren Früchten verboten hat. In Hauta geftattet er dies ben Suben, aber in Schech Otman leben feine.

MWahet, Feine Ortichaft oberhalb Derb, ausſchließlich von Sche- tifen oder Siid (Nachkommen ded Propheten) bewohnt.

Fiuſch, Städthen in Mehaidan. Etwa 50 Einwohne. Ein Caſtell. Aus diefem Städtchen fol nad Einigen die Dynaftie ſtammen, wohl nur in weiblicher Linie.

Meghafa, Heiner Drt in fehr fruchtbarer Gegend am W. eſſ Ceghir.

Hamra, Drtichaft der Ban, in fruchtbarer Gegend. Dicht bei Laheg.

Sfuar, Hüttendorf der Beni Selam.

Sebach, Drt an der Fodli-Grenze, am öftlihen Ende der Ebene Mehaidan. Unfruchtbare Gegend.

Zaida (13° 12’ nördl. Br., 44° 50° öftl. 2), Grenzftadt im Norden, gehört zur Hälfte dem Sultan von Laheg und zur Hälfte den

Der Sultan von Laheg und feine Dynaftie, 331

Hauwaſchib. War während langer Zeit die füdliche Grenzfeftung des Imamats der Zaidi, von denen fie auch ihren Namen befommen hat. Saftell des Sultans von Laheg, der bier eine Garnifon unterhält. Sruchtbare Gegend.

Dmad, Dörfchen im Tieflauf des W. effceghir, unweit des Meeres.

Kleine Ortſchaften in Mehaidan, nur aud Brunnen und einigen Hütten beftehbend, find: Bir Naſſr, Bir Omr, Bir Gomm ımd Bir Schaker.

IX. Sultan, Dynaſtie und Hof.

Seit Laheg fi) vom Imamat der Fürften von Yemen unabhängig gemacht bat, ein Ereigniß, welches etwa mit der Verlegung der Haupt: ftadt nad) dem Norden zufammenfällt, ift e8 immer unter demielben Herrfchergefchlecht geblieben, welches den Familiennamen Abdeli, der noch heuie auf den Münzen figurirt, führt. Seine zum Throne ge- langten Mitglieder find folgende”):

1. Sultan Fadl ben Alt, ben Salah ben Salim, regiert von ' 1728 bi8 1742, ermordet.

2. Sultan’Abd el Kerim, ben Fadl, Sohn des vorigen, regiert von 1742 bis 1753.

3. Sultan “Abd el Hadi, ben "Abd el Kerim, Sohn des borigen, regiert von 1753 bis 1777.

4. Sultan Fadl, ben "Abd el Kerim, Bruder ded vorigen, regiert von 1777 bis 1792.

5. Sultan Ahmed, ben Abd el Kerim, Bruder des vorigent, re⸗ giert von 1792 bis 1827.

6. Sultan Mohſin, ben Fadl, Neffe des vorigen, regiert von 1827 bis 1847.

7. Sultan Ahmed, ben Mobfin, Sohn des vorigen, regiert von 1847 bis 1849.

8. Sultan "Alt, ben Mohfin, Bruder des vorigen, regiert von 1849 bis 1866.

9. Sultan Fadl, ben Mobfin, Bruder ded vorigen, der regierende Sultan feit 1866.

*) Bis 1849 iſt dieſe Sultandlifte aus Playfair’d Werk über Yemen ent« nommen.

332 Thronfolgeftreit in Laheg.

Die Thronfolge ſcheint nicht jo abfolut nad) dem Senioratsredht geregelt, wie in anderen moßlimifchen Staaten, jondern viel von jedes⸗ maliger Bamilienübereinktunft, oft auch durch bloße Willfür und das Recht ded Stärferen, d. h. desjenigen, deſſen nächte Verwandtichaft mächtiger ift, als die ſeines mehr berechtigten Nebenbuhlerd, bedingt zu fein. So beſitzt der jegige Sultan einen von einer anderen Mutter geborenen Älteren Halbbruder, Abd Allah ben Mobfin, den man, troß feiner Rechte, von der Thronfolge auszujchließen wußte. Sultan Fadl ift aber der rechte Bruder des verftorbenen Sultans Ali, und feine obgleich unrehtmäßige Nachfolge war ſchon von letzterem vorbe- reitet worden, fo daß nah Ali's Tode Fadl's Anhang zu mächtig war, um Abd Allah Ausficht auf die ihm von Recht zuftehende Thron» folge zu laſſen.

“Abd Allah hatte zwar auch feinen Auhang und lieb fih ven diefem als regierender Sultan proclamiren. Während drei Jahren lebte er in offener Fehde mit feinem Halbbruder, und zwar in ber Hauptſtadt Hauta felbft, wo er ein feftes Gaftell beſitzt. Die Stadt war dadurch in zwei feindliche Lager getheilt, die fich täglich Schar⸗ mützel lieferten. Keiner fonnte ohne Lebensgefahr aus dem einen Stadttheil in den anderen geben. Erſt feit 1869 ift diefe Familien- fehde beigelegt. - "Abd Allah wurde von feinem Halbbruder, wie es beißt, durch bedeutende Geldgefchenfe zu einer ſtillſchweigenden Reſig⸗ nirung bewogen. Aber die Stiefbrüder follen fi) nad wie vor nicht ſehen.

Eigentlich hatte der verftorbene Sultan Ali die Thronfolge nicht feinem Bruder Fadl, fondern feinem Sohne, der gleichfalls Fadl heikt, fihern wollen, und da er ſich großer Beliebtheit erfreute, jo wäre ihm dies auch wahrjcheinlich gelungen, hätte nicht fein zu früher Tod diejen Plan vernichtet. Der jüngere Zabl war bei Ali's Tode noch eim Knabe, und da fein Oheim Fadl von "Alt zum Vormund befjelben beitimmt worden war, fo ließ man ihn auch die Regierung übernehmen. Aber unter allen Mitgliedern des mächtigeren Theile8 der Samilie bee fteht die Mebereinfunft, dem jungen Fadl ben "Alt die von feinem Bater ihm zugedachte Thronfolge nad feines Oheims Tode zu fichern, obgleich er keineswegs Ausficht hat, dann der Senior der Familie zu fein, denn nicht nur bat der Sultan mehrere theild rechte, theild Halb- brüder, die alle älter find als der junge Fadl, fondern auch vier Söhne

Die Herricherfamilie von Laheg. 333

und eine Menge erwachjener Neffen, von denen viele gleichfall8 dem muthmaßlichen Thronfolger an Jahren überlegen find.

Der im Alter dem Sultan am nächſten ftehende rechte Bruder, Mohammed, ift fogar der fähigfte Kopf der Familie, ohne defjen Gut- heißen der Sultan nicht8 unternimmt, und würde ſich gewiß gut zum Regenten eignen. Aber auch er fcheint dazu refignirt, feine Rechte an ben jungen Fadl abzutreten. Dieſem geftattet man jogar jet ſchon, feinen Einfluß geltend zu machen. Wenn der Sultan in Aden oder ſonſt auf Reifen ift, führt der junge Fadl die Regierung. Er fol fogar die Schlüffel zum Staatsſchatz haben, der nicht dem Sultan allein, fondern der ganzen zahlreichen Herricherfamilie gehört, aus welchem jedoch der Sultan berechtigt ift, größere Summen als die an- deren, zu beziehen.

Alle Prinzen, einige fünfundzwanzig an der Zahl (ohne die Fleinen Knaben zu rechnen), führen übrigens gleichfall8 den Titel „Sultan“, und ed ift gar Fein Unterfchied zwiſchen ihrer Zitulatur und der des regierenden Fürften. Will man ihn unterfdheiden, fo fann man es nicht anders, als durd, feinen Namen Fadl ben Mohfin, oder man jagt auch wohl einfady „der Sultan“.

Ich habe die hervorragenderen Mitglieder diefer Herricherfamilie alle perſoͤnlich kennen gelernt. Den regierenden Sultan und feinen Bruder Mohammed, von dem er fich nie trennt, ſah ich in Aden, wo fie fih im Frühjahr 1871 einen Monat lang aufhielten. Beide gleichen fih im Aeußern dergeftalt, daß man fie für Zwillinge halten fünnte. Ihre Hautfarbe ift ſehr heil, ihre Züge fein gefchnitten, edel nnd regelmäßig, ihre Augen von einer außerordentlichen Lebhaftigfeit und fehr ausdrucksvoll. Sie find’ von mittlerer Größe, wohlgebaut, nur etwas zu corpulent, die alle älteren Mitglieder dieſer Familie. Im Alter dürften fie den Fünfzigen nahe ftehen. Dad Haar des Sultans ift weiß, das feined Bruders noch etwas mit Grau gemildt. Beide find fait bartlos. Der ſchwache Echnurbart ift direct über dem Munde abrafirt, nur an den beiden Enden ftehen ein paar weiße Härchen, die nicht mehr mit den Speijen in Berührung fommen können, welche Berührung „makruh“ (verunreinigend) fein würde Trotz ihrer Fahre haben beide noch ein ſehr jugendliche Weſen, lache gern, ja fte zeigen fich, nach unferen europäifchen Begriffen, zuweilen etwas Tindifch. So fah ich einft beim Gebet, das fie immer einhalten, wie Eultan

334 Coftüm der Prinzen von Yaheg.

Mohammed hinter dem Vorbeter allerlei Schnippchen ſchlug, Grimaſſen fchnitt und fi dann, obgleich er eben kniete, vor Lachen faft wälzen wollte. Trotzdem ift er fehr orthodor, aber die Orthodoxie beiteht mehr in der Form im Allgemeinen; durch ſolche Kleinigkeiten ſcheint ſie nicht geſtört zu werden.

Die Kleidung des Sultans und der Prinzen war vor einigen Jahren noch dieſelbe, wie die ihrer Unterthanen und wie Die aller ſüd⸗ arabifchen Fürften, d. h. Lendentudh und Dismal (Turban der Sul: tane). Seit aber der Eultan in Bombay war, wohin er auf Bereden des politiichen Agenten von Aden zur Begrüßung des englifchen Prinzen Alfred gereift war, hat er eine prächtige Kleidungsart in feinem Haufe eingeführt. Den Oberleib fhmüdt eine rothe Jacke, über und über mit dicken Goldftidereien bededt. Ein Hemd wird darunter nicht ge= tragen. Das Haupt ziert ein reicher Diesmal, gleichfall8 mit Gold- ſtickereien. Die Bedeckunng der enden ift aber doch beduinifch ges blieben, nur wird ein Lendentuch von koſtbarem Stoff getragen. Hoſen gelten nämlich im Süden von Arabien ald eined Mannes für un- würdig. In Yemen werden fie nur von den Frauen getragen. Es gilt für den größten Schimpf, wenn man von einem Manne fagt, er trage Hofen. Die Beine von den Knieen abwärtd und die Füße find im Haufe nadt; beim Audgehen werden Sandalen angezogen.

Die Waffen der Prinzen find von großer Schönheit und jehr reih. Ein frummer Säbel mit goldenem Griff und mit Cbelfteinen bejegt, eine gleihfal8 mit kunſtvollem Goldgriff verfehene Gembiye, die aber bei den Bornehmen in Laheg nicht die Hufeijenform der Scheide zeigt, da diefe den Amud (die Säule) nicht tragen, welche bei dem Volke der Abadel und fonft überall in Südarabien ald Gegen- ſtück zum Griff figurirt. Die Gembiye der Prinzen gleicht mehr einem türkiſchen Yataghan.

Die Coftümreform wurde nicht von dem fchmollenden Theil der Zamilie, dem Prinzen "Abd Allah und feinem Anhang, angenommen. Dieſe leiden fich vielmehr nad) wie vor ganz wie die Beduinen. "Abd Allah zeigt übrigend auch in feinen Zügen nicht die Familienähnlichkeit. Er ift jehr dunfelhäutig, faft jo fchwarz wie die Bebuinen und Die Mehrzahl der Abadel, was wohl darauf hindeutet, daß feine Mutter von bimyariicher Abftammung (wie das Volk) war.

Der Zhronfolger und der Prätendent von Laheg. 335

Den jungen Fadl ben "Ali lernte ich in Laheg kennen, wo er zur Zeit die Regentichaft führte. Er empfing mid im Palaft in Haute, im Staatözimmer ded regierenden Sultand. Er ijt ein junger Mann von eiwa 20 Jahren, etwas dunfelhäutiger ald feine Oheime, aber immer noch ſehr heil im Vergleich mit dem Bolt, neigt bereits zur Gorpulenz, zeigt übrigens lange nicht den aufgewedten Gefichtsausdrud, wie jene; auch war er weit entfernt von ihrer Natürlichkeit, fundern Ichien eine gewiffe fteife Würde mehr zu affectiren, als zu befiten.

Unter den anderen jungen Prinzen bemerkte ich einen Sohn des regierenden Sultand. Ich hatte fein in Bombay aufgenommened Licht- bild in Aden geſehen und auf diefem fchien er die Verkörperung ju- gendlihen Heldenthums. Seine Augen ſprühten Feuer; martialifch hielt er feinen krummen Säbel in der Rechten und die andere Hand am Griff der Gembiye, ald wollte er fie ziehen und dem Blutfeind ins Herz ftoßen: dabei jene feinen arabifchen Züge, alle Theile des Gefichts von merfwürdiger Zierlichfeit und doch charakteriftiich ausgeprägt und kraftvoll; übrigend das ganze Geſicht fo Hein, daß man ed im die Hand nehmen zu Tünnen glaubte Aber wie hatte er fi) verändert feit den paar Jahren, welche das Bild zählte! Die Neigung zur Cor⸗ pulenz, die feiner Familie ausnahmsweiſe eigenthümlich tft, hatte auch feine Züge entjtellt, jo daß ich in ihm nur mit Mühe das Urbild jener Photographie erfannte.

Bei einem anderen älteren Bringen, einem Bruder des regierenden Eultans, war gar jene Gorpulenz bi3 zur Monftruofität entwidelt, und dennoch gefiel er fih, fie der Bewunderung der Welt Preis zu geben, denn er hatte nicht die neue Kleiderreform angenommen und ging bi8 auf das Lendentuch nadt, eine wandelnde Fettmaffe, deren einzelne Theile wie die Säcke bherunterhingen. Alle anderen Prinzen trugen die goldgeftidte neue Tracht.

Bei Hof herrſcht eine gewiſſe Etiquette Im Diwanjaale des Sultans, einem länglichen jhmudlofen Raum, mit Teppichen bededt, auf denen man fibt, find alle Plätze wie durch ftillichweigendes Weber- einfommen marfirt, in der Iinfen Ede (von der Thür aus) der vor nehmfte, und jo fortfchreitend bis zur rechten Ede, wo der SKaffeetopf mit dem Gifchr, von dem bier, wie in Bir Ahmed, mafjenhaft herum: gereicht wirb, inmitten des Dienerfreifed fteht. Auch die gemeinen Soldaten, jelbft Bettler werden in den Saal gelafjen und nehmen ihre

336 Regierung und Finanzen von Laheg.

Plätze im rechten Flügel ein. Alle werden mit Giſchr tractirt und dürfen aus den umberftehenden Wafferpfeifen rauchen.

Der Gruß der Untertbanen den Prinzen gegenüber beiteht im Kniekuß. Während ich beim jungen Fadl Audienz hatte, wurde fein Knie wenigftend hundertmal gefüßt. Er aber machte nicht die geringfte Miene ded Gegengrußes oder ded Dankes. Auch hier wird dem regie= zenden Sultan Teine höhere Chrenbezeugung enviefen, ald allen Mit« gliedern feiner Samilie.

X. Regierung.

Alle Bewohner bes engeren Sultanats Laheg ftehen im NRayever- hältniß zum Sultan, d. h. fie find despotiſch beherrſchte Unterthanen. Dobayel (freie Stämme) fcheint ed in dieſem Gebiet gar nicht zu geben. Die Regierung des Sultans kennt Feine anderen Beſchränkungen, als die durch die Mitglieder der Dynaftie, von denen einige, wie der junge Fadl, einen nicht geringen Einfluß ausüben, oder ſolche, welche durch die äußere Politik herbeigeführt werden.

ZI Finanzen

Der Sultan bezieht von der englifhen Regierung eine monatliche Nente von 541 Marta-Therefien-Thalern. Der Zoll von 2 Proc. vom Werthe aller durch fein Gebiet beförderten Waaren wurde mir von Sachverftändigen auf etwa 1500 derjelben Thaler monatlich gefchägt. Die Marktiteuer von Hauta jolltäglich acht, alfo monatlich 240 M. Th. Thaler betragen. Kleinere Steuern, wie die von den Suden für das Necht, aus den Dompalm-Früchten ein gegohrnes Getränk zu bereiten gezahlte, und einige andere, dürften monatlich noch etwa 50 M. Th. Thaler einbringen. Died würde die Gejfammteinnahme auf monatlid 2331, jährlich 27972 M. Th. Thaler (etwa 40,000 preuß. Thlr.) jtelen. Auberdem hat der Sultan noch viele Einfünfte von ſeinen Ländereien, die aber in Naturalien bezogen und aud jo veraußgabt werden, denn mit ihnen zahlt er Truppen und Beamte. Die Ausgaben find, infofern fie in Baarem ftattfinden, jehr unbedeutend. Der Luxus des Hofed, d. b. die prachtvollen Kleider, die aber felten erneuert werden, fowie der Verbrauch an Saat (f. unten Sitten und Gebräuche), für den täglich 10 Thaler aufgehen jollen, endlich die Bejoldung des europäiſchen Artilferieinftructord (20 Pfd. Sterling monatlih) bilden

Einheimifche Münze im Sultanat Laheg. 337

bie einzigen regelmäßigen Geldaudgaben des Sultans. Zu feinem Leidweſen hat er freilich manchmal unregelmäßige und zwar fehr be- trächtliche, indem er die Friegäluftigen zwei Stämme der Dhu Moham- med und Dhu Hofain, welche in Ober- Yemen wohnen, aber ſchon einen großen Theil von Süd-Yemen erobert haben, und alljährlich drohen, auch Laheg ihren Befigungen einzuverleiben, durch oft fehr bes deutende Geldgejchenfe zum Frieden bewegen muß. Aber troß dieſer wahren Zributzahlung bleibt doch noch immer eine fchöne Summe im Staatsſchatz von Laheg.

Zu. Münze

Laheg ijt der einzige der Heinen jüdarabiichen Staaten, der eine eigene Münze befist, da fonft überall nur die Marie-Thereflen-Thaler, die oſtindiſchen Rupien (20 Silbergrofchen), Anna's (15 Pfennige) und Died (1'4 Dfennig), die in Arabien „Ardi* heißen, gelten, daſſelbe Geld, welches in Aden curfirt. Im Laheg gehen gleichfalls alle dieje Münzen, aber ed giebt auch eine inländische, „Manſſuri“ genannt, obwohl fie nur den vierten Theil des Werthes des ehenaligen Manſſuri's von Sſan a repräfentirt. Diefe einzige Münze des Sultanats ift ein ganz kleines Kupferftüd, von dem 110 auf eine Rupie gehen, alſo etwa 2 Pfennige im Werth. Es trägt auf einer Seite die Inſchrift: „AL ben Mohſin el Abdeli" (Name des verftorbenen Sultans), auf ber anderen: „Doribat fi Hauta Laheg“ (geprägt zu Hauta in Laheg), ohne Jahreszahl. Das „geprägt zu Hanuta” ift übrigens eine unwahre Selbft- jchmeichelei, denn Sultan "Alt hat diefe Münzen in Bombay beftellt. Ste ftammen alle von einer einzigen Lieferung. Weder vor noch nad) “Ali wurden wieder welche geprägt. Sie haben nur in Laheg Geltung; ſchon an der Grenze des Heinen Staated nimmt man fie nicht mehr, und in Aden will fie fein Menſch.

Die Araber, die dad Bedürfniß nach einer jehr Fleinen Münze haben, zteben die englifch-oftindifchen Pies (122 Anna), die noch Fleiner als die Manſſuri's von Laheg, da fie mur 1Y, Pfennig werth find, bet weitem diefen vor. Ihrem Bedürfnig nad) einer etwas größeren Kupfermüngze wird auch wieder durch die Viertel-Anna’d, vulgo Pezza, in Arabien Beza genannt; die 3 Pies, alfo 3%4 Pfennige werth find, abgeholfen.

v. Maltzan, Belie nah Südarabien. 2

338 Bewaffnete Macht von Laheg.

xIoOI Rilitär.

Der Sultan von Laheg hat die Prätention, drei Zruppengattun- gen, Cavallerie, Infanterie und Artillerie zu befigen. Erſtere hat etwa 30 Pferde und 100 Reitkameele. inige 60 Reiter bilden eine Art von Garde ded Sultans, und find zugleich feine Courier. Die an- deren find auf die Dörfer vertheilt und verjehen den Botendienft zwiichen den verjchiedenen Punkten ded Landes, dienen auch wohl ald Escorte, wenn eine ſolche nöthig wird. Eine regelmäßige Infanterie giebt es nicht. Im SKriegöfall wird eine ſolche aus allen denen zufammen- gefegt, die Feine Reitthiere haben. Der Sultan foll dann über 2000 jtreitbare Männer verfügen können. Die Artillerie ift eine ganz neue Schöpfung Der Sultan befam nämlich vor etwa 3 Jahren fünf fleine Kanonen von der englifchen Regierung gefchenkt, fogenannte Ra⸗ feten-Kanonen, die fein Menſch im Lande zu laden verftand. Zum Glüd machte er in Bombay die Belanntichaft eines jungen Polen, der dort bei der Eifenbahn angeftellt war und früher bei der Artillerie gedient hatte. Diefen gewann er für feinen Dienft und übertrug ihm die Schulung der Artilleriften. Etwa 24 Araber wurden ihm untergeord« net, denen er aber, wie er mir klagte, nicht die Kenntniß des Ladens beibringen könne, da Gefchüge ſowie Kanonen mit europäifchen Zeichen verjeben jeien, die diefe Leute bis jetzt noch nicht begriffen hätten, und Died habe zur Folge, daß fie immer verſuchten, die falfchen Kugeln in die Kanonen zu laden. Die Kanonen find nämlid von dreierlei Kaliber.

Herr Landsberg, fo beißt der Pole, ift der einzige Europäer in Laheg. Er bewohnt ein großes Caſtell, die fogenannte Artilleriefaferne, welche aber trog ihrer Größe nur ein einziges bewohnbares Zimmer, und zwar das Thurmgemad im höchften Stockwerk, hat; dort bivoua⸗ firt er, fo zu fagen, inmitten feiner faft nadten Artilleriften. Der Sultan hält große Stüde auf ihn, befonders fett einer Revue, die Herr Kandöberg veranftalten mußte und bei der mit ſämmtlichen Ka- nonen ein eigend zu biefem Zwecke errichteter Echuppen zufammen- gefchoffen wurde. Der Inſtructor mußte freilich alle Kanonen in Perfon laden; aber trotzdem machte dies Ereigniß einen gewaltigen Eindruck auf alle Araber, namentlih auf die Mitglieder fremder Stämme, die zum Beſchauen der Revue gekommen waren, und das

Rechtöpflege im Sultanat Laheg. 339

Präftigium des Sultans von Laheg wuchs in nicht geringem Maße dadurch.

An alten unbrauchbaren Kanonen beſitzt der Sultan Ueberfluß. Im Palaſthofe allein liegt ein Dutzend derſelben auf dem Sande. Ich ſah auch eine türkiſche darunter mit dem Namen Sultan Suleiman des Prachtigen.

XIV. Juſtiz.

Als Raye find die Abadel alle der unmittelbaren Suftiz bes Sultans unterworfen, die ftreng nad) dem Doran gehandhabt wird. Der Mörder wird vom Scharfrichter auf dem Grab des Ermordeten erftohen. Jedem, jelbjt dem kleinſten Diebe wird die Hand abge- ſchlagen; die abgejchnittene Hand dann von einem Soldaten auf den Friedhof getragen und begraben. Died gründet fi auf die etwas fehr ſinnlich aufgefaßte Auferjtehungdlehre, da man den Dieb am jüngiten Tage nicht eines feiner Glieder beraubt fein laſſen wil. Der Stumpf wird zur Blutftilung in gefochten Theer getaucht und der Delinquent nachher entlafjen. Stiehlt er noch einmal, fo verliert er die andere Hand, und nad dem dritten Male, das Leben. Die Hinrichtungen werden von einem gewiſſen Sad el Bagota, der jept dad Nachrichter- amt befleidet, vollzogen, die Hände der Diebe jedoch von gewöhnlichen Soldaten abgefchnitten. Sreiheitöftrafen werden niemal® auf eine be= ftimmte Zeit zuerfannt, fondern die Heinen Verbrecher oder foldhe, Die blos Polizeivergehen begangen haben, bleiben je nad) dem Gutdünfen des Sultans kurz oder lange gefangen. Haben fie feine Fürfprecher,. fo können fie mandymal Iahre lang auf ihre Befreiung warten. Zus weilen werben fie, fo zu fagen, im Gefängniß vergefjen. Die Gefangenen erhalten vom Sultan Teine Koft. Haben fie Verwandte, jo dürfen diefe ihnen das Eſſen ſchicken, ſonſt find fie aufs Mitleid der Barm- berzigen angewiefen. Bejuche dürfen fie, jo viel fie wollen, empfangen. Die Freiheitöftrafe tft überhaupt bier nicht eine Kerkerftrafe. Das Ge- fefleltfein, nicht die Einfperrung bildet die eigentliche Strafe. Alle haben nämlich ſchwere Ringe an beiden Beinen, die in der Mitte aneinander- gelöthet find, fo daß fie nicht frei geben Tönnen. Aber fie find nicht in einem Kerfer eingefchloffen, fondern haben einen großen, nicht einmal auf allen Seiten ummauerten Hof zur Verfügung, in dem ſie ſich frei bewegen Tönnen, infofern man ihr gezwungenes Hinfen jo nennen Tann.

22*

340 Auswärtige Politif des Sultand von Laheg.

Nur die ſchwereren Berbrecher, namentlich folche, die grobe Keuſchheits⸗ vergeben begangen haben, jchleppen eine Kugel nad, und zwar an einer durch einen Ring am Halfe befeitigten Kette.

Die Juſtiz ded Sultans ift keineswegs fehlerfrei und oft allzu ſummariſch. So ward vor Kurzem eine alte Dienerin der Sultanin von dieſer bejchuldigt, ihr einen Gegenftand, den, wie ſich ſpäter heraus- ftellte, die Herrin verlegt hatte, geftohlen zu haben, und ſogleich, ohne jede Unterfuchung, mit Handabhauen beftraftl. Die Arme kam päter nad Aden und mußte fi dort noch den Borderarm amputiren laffen, denn die Hand war fo ungeſchickt abgehauen oder vielmehr abgefägt worden, dab der Stumpf nicht zubeilen wollte Dieſer Fall erregte in Aden Entrüftung gegen den Sultan von Laheg. .

XV. Auswärtige Politik.

Der Sultan von Laheg tft, wenn auch nicht officiell, jo dod in Wirklichkeit, ein Vaſall Englands „Er ift vollfommen unabhängig, aber er muß thun, was man ihm vorfchreibt‘, dieſe Worte eines englifchen Beamten in Aden charakterifiren recht gut feine fcheinlar freie, in der That abhängige Stellung. Ein Schriftitüd, welches dieſes Bafallenverhältnig feftitellte, giebt e8 allerdings nicht. Es befteht eben, wie jo Vieles in der Politit, nur de facto und nicht auch zugleich de jure. Das einzige Schriftftücl, welches das officielle Verhältnig Englands zu Laheg regelt, ift der Vertrag von 1849, deſſen wichtigfte Artikel folgende find:

1) Sicherheit des Lebens und Cigenthumd ift den beiderjeitigen Unterthanen in den beiderfeitigen Zerritorien gewährleiftet

2) Engländer können Laheg ungehindert befuchen.

3) Engliiche Verbrecher werden vom Sultan auögeliefert (d. b. aud) einheimifche engliiche Unterthanen).

4) Engländer Tönnen in Laheg, Abadel in Aden Eigenthum er- werben.

5) Der Gultan tritt das Fort von Kor Malfar*) (1 Stunde von Aden entfernt) an England ab.

6) Der Sultan verpflichtet fih, die Karamwanenftraßen frei von Näubern zu halten.

* Kor Makſar als Brüde von den Perſern erbaut: Ibhn Mogamir bei Sprenger a. a. O.

Bertrag zwilchen England und Laheg. 341

7) Regierungsgut iſt fteuerfrei in beiderlei Staaten.

8) Der Sultan hat das Recht, eine Steuer von 2°/, vom Werthe aller durch fein Gebiet beförderten Waaren zu erheben, mit Ausnahme ven Gemüfen, Holz, Grad und Heu.

9) Der Sultan beichügt die Gemüſezucht in Laheg für den Markt von Aden.

10) Der Sultan nimmt in allen politischen Fragen dad Intereſſe Englands vor Allem wahr.

11) Der Sultan -liefert alle Verfchwörer gegen die engliiche Re- gierung von Aden an diefe aus.

12) England zahlt dem Eultan eine monatliche Subfidie von 541 Maria-Therefien-Thalern.

Diefer noch heute zu Kraft beftehende Vertrag it unterzeichnet von Hained (damald politiiher Agent in Aden) und Ali ben Mohjfin, Sultan von Laheg. |

Der Artikel 10 diefed Vertrags ift, wie man fieht, von großer Dehn- barfeit. Er wird jebt jo gedeutet, daß der Sultan feine Bündniſſe ichließen, feine Verträge machen fann, ohne Englands Einwilligung zu haben. Der Eultan wird von Zeit zu Zeit nad) Aden eingeladen oder befchieden, wie man will, um dort Erklärungen über fein politijches Thun und Treiben zu geben. Man munkelt auch jchon feit einigen Fahren davon, daß England ihm fein ganzed Ländchen für die Summe von 40,000 Pfund Sterling ablaufen wolle, und daß er auch bereit ge⸗ weſen ſei, darauf einzugehen, hätten nicht feine Verwandten ſich wider- jest. England gewönne dadurd ein fruchtbares Hinterland für das nichtö hervorbringende Aden, und wäre dann weniger genöthigt, auf die anderen Stämme ded Innern jene oft fehr weitgehenden Rückſichten zu nehmen, zu weldyen es jetzt im Intereffe der Verproviantirung Adend gezwungen: ift.

Die Beziehungen zu den einheimiſchen Nachbarn ded Sultanats find jet durchaus friedlich, mit einziger Ausnahme der Dhu Mohammed, jened mächtigen Stammes ded Innern, der Zaheg alljährlich bedroht. Um ſich gegen fie zu jchüben, bat der Sultan mit Erlaubniß Englands ein Bündniß mit einem anderen gleihmächtigen Stamme ded Innern, den Dhu Hoſain, geſchloſſen, und zahlt diefem eine Subjidie, um ihm bei Gelegenheit zu Hülfe zu fommen. Man hält jedoch das Ganze für ein abgefarteted Spiel zwifchen Dhu Hofain und Dhu Mohammed, welche

342 Bafallen des Sultans von Laheg.

innig befreundet, nahe verwandt und ſo zu fagen ein einziged Volf find. Die Dhu Mohammed müffen den Sultan fchreden, die Dhu Hofain feine Erretter fpielen, und das ihm abgepreßte Geld theilen beide. Wahrſcheinlich hält nur die Furcht vor England die Din Mohammed zurück, Laheg ihren Befihungen einzuverleiben, was fie fonft mit Leichtig⸗ feit fönnten.

ZVL Oberhoheit über fremde Stämme.

Endlih hat noch der Sultan in neueſter Zeit angefangen, eine Art von Schupherrichaft über eirien Theil der im Weiten an fein Land grenzenden Sfobehi-Stämme auszuüben. Was diefe Stämme dazu be wogen haben fann, fich freiwillig, wie fie es thaten, in eine Art von Bafallenverhältnig zu Laheg zu ſtellen, ift, aller Wahrfcheinlichkeit nach, auch wieder die Furcht vor den Dhu Mohammed gewejen. Seltſam freilich, daß fie bei Laheg Schuß ſuchten vor einer Macht, vor weldyer diefes felbft zittert. Aber, iſt Laheg ſchwach, jo find diefe Stämme, welche feine politiihe Einheit bilden, fondern aus lauter unabhängigen Bruchtheilen beftehen, doch noch viel ſchwächer. So finden fich denn die Schwachen zufammen, um vereint eher dem Starken widerſtehen zu fönnen. Auch willen diefe Stämme, daß England fo leicht nicht ge⸗ ftatten wird, daß die Dhu Mohammed Laheg- erobern; und wähnen, an der Sicherheit dieſes Schupverhältniffes dadurd Theil zu nehmen, daß fie fih unter Zaheg ftellen; obwohl fte ſich hierin irren dürften, denn das engliiche Protectorat möchte nur dem eigentlichen Eultanat Laheg und nicht feinen Schutzſtämmen gelten, um fo mehr, ald man in Aden diefe platoniſchen Annerionen nicht befonderd gern zu fehen jcheint.

Man hat in der That auch Grund dazu, dem Gultan von Laheg zu mißtrauen, und zwar gerade in Bezug auf feine in den Schupftaaten betriebene Politik. Durch einen Zufall befam ich eine Einfiht in ein Verhältniß, von dem vielleicht die politifche Agentur in Aden nicht einmal unterrichtet iſt. Eines Tages kam nämlich ein Agent des Sultand zu mir und fragte mich, ob ich behülflich fein wolle, ein vortheilhaftes politiſches Geſchäft abzufchließen. Weberrafcht fragte ich, um was es fich handle? Nun erfuhr ich, daß von einem jener Seehafen- oder vielmehr Rheden⸗Verkäufe an irgend eine europäische Macht die Nede fei, von denen, feit dem Verkauf von Schech Satd an Frankreich und dem von Ahjab an Italien, alle Kleinen Sultane und Stammeshäupter diefer

Borichlag eines Hafenkaufes. 343

Küftenlandihaften träumen. Ich wußte gar nicht, daß der Sultan von Laheg einen Eeehafen befaß und noch weniger, dab er einen foldhen verfaufen durfte, und erfundigte mich erjtaunt nad) der Lage dieſes Handeldgegenitanded. Diefe Lage machte mir allerdings gleich dad Un- finnige ded ganzen -Projectd Mar. Der zum Verkauf angebotene Hafen war nichts anderes, ald Kor Amran mit den Vorgebirgen von Ras Amran und Gebel Dau, weit weg von Laheg und ſchon nahe an Bab el Mandeb gelegen.

Diefe Küftenftrede Iiegt im Gebiet eines jener Sjubeht -Stämme, welche zu Laheg in ein Schupverhältniß getreten find. Died Schup- verhältni giebt freilich nicht dem Sultan dad Eigenthumsrecht über das Land. Möglich jedoch, daß er fih mit dem befikenden Stamme verftändigte und mit ihm übereinfam, das Geſchäft gemeinfchaftlich zu machen. Da blieb aber immer nody England, weldyes den Verkauf eines fo nahe bei Aden gelegenen Hafen? nie zugeben würde. Ich frug deshalb, ob man die engliſche Einwilligung hierzu habe? „Bemwahre, * war die Antwort, „die ganze Sache muß eben geheim betrieben werden, England darf erit davon erfahren, wenn das Geld gezahlt tft.“

Ich konnte nad) den Worten ded Agenten, eined ſehr angejehenen Mannes, nicht zweifeln, dab der Sultan die Abficht habe, bier den Engländern, ded lieben Gelded wegen, einen fehr unangenehmen Streich zu fpielen. Dieje Abſicht wird natürlich nie zur Ausführung kommen, denn feine europäiſche Macht wird fich eines jo jchlechten Hafend wegen, deſſen Seichtigfeit alle Sondirungen bezeugen, mit England überwerfen wollen. Weberdied ift der Nechtötitel des Verkäufers auch im höchſten Grade faul, denn außer dem bejagten Stamme erheben nody andere hier Eigenthumsanſprüche, die mit Laheg und jeinem Sultan nichts zu thun haben.

Die zu lepterem in Schutzverhältniß getretenen Siobehi - Stämme find: die Bent Menacer, die Mechadim, die Debaina, die "Anteriye, bie Regaſi und die 'Atfi, in der Gollectiv-Form “Auwatif genannt. Bon ihren Wohnorten fol bei Beichreibung des Sſobehi⸗Landes die Rede jein.

VD. Geſchichtliches. Laheg fcheint zu Anfang des Sahrtaufends hauptſächlich von Sfobehi- Stämmen bewohnt gewejen zu fein. (Hamdani nennt fie Afibahin). Bon dem Reiche der Imame von Yemen trennte ed ſich wahrjcheinlid)

344 Geſchichte des Sultanats Laheg.

um 1720, denn ſein erſter Sultan wird 1728 erwähnt. Der Haß gegen die ketzeriſchen Zaidi, denen die Imame angehörten, und deren Joch faſt um dieſelbe Zeitepoche die meiſten Fürſten der Küſtenlandſchaft ab⸗ geſchüttelt hatten, war damals noch ſo lebhaft und wirkte ſo einigend, daß fich manche Stämme, die ſeitdem abgefallen ‚find, unter Laheg ſtellten und es eine Zeitlang ein mächtiger Staat war. Mit dem Abfall der Aqareb (man ſehe die Beſchreibung dieſes Stammgebiets), dem Wachſen der Fodli-Macht und der Zerſplitterung der Sſobehi-Stämme, ſank auch die Macht von Laheg, fo daß wir ed zu Anfang dieſes Jahr⸗ hunderts ald ein ſehr herabgefommenes, Tleined Sultanat fehen, von übermädhtigen Feinden umgeben, und jo zu jagen nur von ihrer Grade fein Leben friftend.

Noch beſaß es Aden und dieſer Beſitz verichaffte ihm durch den Zoll, den der zwar gejunfene, aber nie ganz erloſchene Handel dieſes wichtigften Hafens von Arabien abwarf, die Mittel, feine Bundesgenofjen zu bezahlen, namentlich die kriegeriſchen Auwaliq, denen ed in den legten 70 Iahren eigentlich die Erhaltung jeiner Eriftenz verdankte.

Die Auwaliq unterftügten Laheg immer in den Kriegen gegen den Erbfeind, die Fodli, und in den Anneriondverjuchen, welche es gegen die "Agareb unternahm, die aber nie gelingen follten, wie ſchon bei Grwähnung der letzteren gefagt wurde.

Bis zu welcher Tiefe der Ohnmacht das Sultanat im Jahre 1830 geſunken mar, beweilt der Umftand, dat der Sultan, unfähig, fein koſt⸗ barſtes Beſitzthum gegen die Näubereien der Fodli zu ſchützen, mit dieſen gewiffermaßen gemeinfame Sache machte und ihnen geftattete, Aden zu plündern, wofür er ein Entgeld von 30,000 Thalern erhielt.

Die bald darauf (1837) mit England begonnenen Berhandlungen wegen der Abtretung Adend und ihre Nefultate find befannt: wie der ‚Sultan Anfangs einmwilligte, Aden zu verfaufen, bei der engliichen Be⸗ ſitznahme aber diefen Schritt bereute, die Engländer erſt zur See und zu Lande beläftigte und dann (1839) offen befriegte, indem er verjuchte, Aden mit Waffengewalt wiederzunehmen. In jenem Jahre mußte er fih mit einem Berlufte von 200 Mann zurüdziehen.

1840 fam er wieder, diesmal mit 5000 Arabern, jedoch ohne beffere Erfolge zu erzielen. 1841 verbündete er fich fogar vorübergehend mit den Fodli. Der Religiondha machte die Erbfeindfchaft momentan verftummen. Mit einem DVerluft von 300 Mann zurüdgeichlagen, ent-

Kriege der Sultane von Laheg mit England. 345

ſchloß er fich endlich zum Frieden. Erſt 1842 erhielt er jedoch die im erften Vertrag von 1837 ftipulirte Subfidie von monatlid 541 Thalern, ben Kaufpreis für Aden, mit allen Rüdjtänden wieder audgezahlt.

Bier Jahre darauf (1846) brad) von Neuem der Krieg aud. Ein Sanatifer predigte in Labeg und dem Fodli-Lande den heiligen Krieg gegen die Engländer und fammelte zahlreichen Anhang, Anfangs ohne directe Mitwirfung von Seiten des Sultans. Als diefer aber von England aufgefordert wurde, die ſich auf feinem Gebiet fammelnden Schaaren von Fanatifern zu zerfireuen, zog er ed vor, um nicht für einen jchlechten Moslem zu gelten, mit diefen gemeinfame Sache zu machen. In der Nähe von Kor Makſar wurde dad Heer der Glaubend- fampfer gänzlich gefchlagen, und Waffenftillftand trat ein, aber fein Friede, bis diefer Sultan ftarb (1849) und Alt ben Mohfin zur Re- gierung Tam.

Unterdeffen hatte man in Laheg bittere Erfahrungen gemacht, welche den engliihen Schub im Licht einer Erlöſung erfcheinen liefen. Die alten Bundeögenoffen, die Auwaliq, erzürnt über dad temporäre Bündniß mit den Fodli, ihres und Laheg's Erbfeind, überfielen Hauta, die Haupt: ftadt, plünderten fie und erpreften dem Sultan 3500 Thaler. So war denn der neue Sultan froh, den Vertrag von 1849 (den oben geyebenen) abzufchließen, dur den er Kor Makſar abtrat und fich gleichlam unter englifhen Schuß jtellte.

1855 fand der oben gefchilderte Krieg gegen die Aqareb ftatt, der, wie man jah, zu feinen Nefultaten führte. Als zwei Jahre darauf (1857) England einen Bertrag mit den Agareb ſchloß, mißfiel Dies deren Feinde, dem Sultan von Laheg, und er begann, die Engländer auf's Neue zu beläftigen. So befteuerte er den Brunnen von Schech DOtman, defien Waſſer durd eine 2 Stunden lange Leitung Aden

verforgt. Karawanen wurden geplündert, Engländer auf der Jagd miß⸗

handelt. Der Stamm der Azeibih, ſtets freundlich gegen die Engländer gefinnt, wurde wegen dieſer Gefinnung von feinem Oberherrn, dem Sultan, hart geftraft. Der Krieg fam jedoch erft 1858 zum Ausbruch, zuerſt gegen die Fodli, deren Dörfer geplündert wurden, und, nachdem bier Zriede gefchloffen war, gegen die Engländer. Diedmal nahmen letztere Schech Otman, das zum Theil in die Luft gejprengt ward, und ſchlugen die Abadel mit Verluft von 300 Mann zurüd.

Bald darauf trat Friede ein. Der Vertrag von 1849 wurde er=

346 Religion und Sitten in Laheg.

neuert und feitdem nicht mehr gebroden. Aber Sultan Alt blich ſtets den Engländern übelgefinnt. Erft unter Sultan Fadl (feit 1866) ftellten fich wahrhaft freundfchaftliche Beziehungen ber.

XVOL Religion.

Alle Abadel find Anhänger der orthodoren Secte der Schafe, außer welchen es im Lande gar feine giebt. Es ift unbegreiflih, wie Wellſted behaupten Tann, die Bewohner von Laheg gehörten zur Secte der Zaidi (Nitterd Erdfunde XII, 706). Diefe Secte ift ihnen fogar dergeftalt verhaßt, daß fie den fremden Arabern aus dem Norden, welde Zaidi find, nur höchſt ungern geftatten, in ihren Mofcheen zu beten, was man fonft doch ohne Anftand überall thut, 3.3. in 'Aden, deffen Bewohner zwar aud) Schafet find, ſich aber an die Zaidi, Die in großer Anzahl als Arbeiter dort hinkommen, gemöhnt haben.

Auch bier findet die Beichneidung bei Mädchen und Knaben am fiebenten Lebenstage ftatt.

In dem jebigen Sultan hat die Orthodorie eine feite Stütze ge— wonnen. Alle geiftigen Getränfe find ftreng unterfagt Alle Nicht: Moslems werden ungern gefehen. Sind fie nicht Europäer, fo ſehen fie ſich gewöhnlich genöthigt, den Ielam anzunehmen. Ich Fannte mehrere frühere Heiden von der indiſchen Banianen-Kaſte, die fich bes fehren mußten, um in Xabeg bleiben zu fönnen.

XIX, Sitten und Gebräude.

Die Männertracht ift die gewöhnliche ſüdarabiſche: Lendentuch und Kopfbund. Die Frauen tragen Hofen von buntem Cattun, von mittlerer Weite, bis an die Knoͤchel reichend und unten zugebunden. Das Ge:

fiht wird verjchleiert oder blo8 verhängt. Viele Kinder laufen nadt herum und tragen nur ein Gehänge von Fleinen Riemdyen an einem größeren um die Weichen.

Das beliebtefte Getränk ift der Giſchr (Schon oben erwähnt). Kaffee wird nie getrunfen.

Man raucht nur Wafjerpfeifen, deren Geftelle ſehr grof, faft manns⸗ body find, und deren Mitte eine enorme Kokosnuß einnimmt, durch die der Dampf geleitet wird.

Das Volksgericht iſt der Heris (in ganz Südarabien üblich), aus

Das Kanen der Kaatblätter. Gaftfreundichaft. 347

Fleifch, Del oder Butter und Duma-Mehl beftehend, eine Art Polenta. Das Gericht der Bornehmen tft die Baciffa aus Honig, Butter, Mehl, zumeilen mit Fleiſch vermiſcht. Außerdem wird das Fleiſch auch als fogen. „Braten“ verzehrt. Ich fage „jogenannt”, denn Die eine Seite ift ge- wöhnlidy noch roh, die andere halb verbrannt, wenn ed gegeſſen wird.

Dad Kauen der Blätter des Kaat (Caata edulis, Forskal), der auf dem Berge Sfabr bei Taizz wächſt, bildet das Vergnügen des Hofes und der Reihen. Er ift in Laheg fehr theuer und ein Mann ver: braucht leicht für 2 Thaler täglich. Der Effect des Kauens dieſer Blätter ift nicht betäubend, fondern nur angenehm aufregend, die Schläfrigkeit verſcheuchend; es macht geſprächig, liebenswürdig, gefellig. Bei Hof wird der ganze Nachmittag dem Kaatkauen gewidmet. Kommt fein Kaat vom Gebirge, jo find die Leute wie in Trauer verfenft, ichlafen viel und haben fehr üble Laune. Uebrigens wird der Kaat auch von den Strengiten niemald dem Haſchiſch (Cannabis indica) oder dem Opium (dem Mohnproduct) gleichgeftellt. Der einzige Hebel- ftand ift, daß man, an ihn gewöhnt, nicht ohne ihn ſein Tann.

XX. Gaſtfreundſchaft.

Dieſe wird ſehr liberal ausgeübt. Kommt ein Europäer nad) Laheg, fo giebt man ihm ein Haus, dad freilich leer iſt. Die Sitte befteht eben, daß der Reifende feinen Bedarf an Bettzeug, Reifemöbeln u. |. w. mitbringt. Der Sultan fchidt ihm rohe Lebensmittel. Als ih in Laheg war, wohnte ich bei Herrn Landöberg, hatte aljo nicht für eigene Küche zu forgen. Da ich während meines Aufenthalt? nichts annahm, fo entfhädigte man fich bei meiner Abreiſe dadurch, indem man meinem Diener eine ganze Golonie von Hühnern mitgab. Alles Sträuben half nichts. Ich mußte die Hühner mit nach Aden nehmen. Sie hatten übrigend eine eigenthümlich wilde, gleichſam beduiniſche Natur. Sie blieben nie ruhig, wie die Stadthühner, wollten auch bei der beiten Koſt nicht fett werden.

XXI Europäer in Laheg.

Außer Herrn Landöberg lebte hier fein Europäer. Bor einem Fahre hatte aber der jchon bei Aden genannte junge 19jährige Franzoſe ſich hier lange aufgehalten. Diefem Züngling fiel e8 ein, dem Sultan im

348 Derwiiche und Juden in Laheg.

Frack die Aufwartung zu maden. Dem rad widerfuhr jedoch hier wenig Ehre. Der Sultan ſchien fogar zu glauben, der Fremde komme in einem zerrilfenen Kleide zur Audienz und fagte ihm ganz offen: „Dir fehlen ja zwei Stüde an deinen Rockſchößen.“

Sonft kommen manchmal Engländer zur Sagd ber. Diefe leben aber gewöhnlih ganz für ſich in Zelten, bringen Alles mit ſich und befuchen nicht einmal den Sultan.

ZXII PBerrüdte Heilige.

Wie in allen moslemifchen Städten, fo fehlt e8 auch in Hauta nicht an verrückten Heiligen, denen man Alles hingehen läßt. Ich ſah einen folchen beim Prinzen Fadl ben Ali. Er litt außer einem Schnupf- tuch um die Lenden nichtd auf feinem Körper und ſuchte auch Dies ſtets abzureißen, woran man ihn aber hinderte, denn das Schamgefühl ift bei den echten Arabern*) ſehr lebhaft. Er trug aud das Haupt bloß, obgleich er ganz fahlföpfig war. Er fepte fi ganz ungenirt neben, ja falt auf ‘den Prinzen, nahm ihm die Gijchrtaffe aus der Hand, trank fie aus, entriß ihm dad Rohr der Waflerpfeife und raudhte ruhig weiter. Died fiel nur mir auf. Cr war übrigens nicht vom Süden und hatte helle Haut. Unter den fchwarzhäutigen, echt himya- riſchen Eingeborenen babe ich Teinen einzigen Berrüdten gefehen. Es find bier lauter fremde Derwiſche.

XXIII. Suden und Parias.

In Laheg leben wenig Juden, da eben Aden zu nahe ift und jie dort alle bürgerlichen Rechte genießen, alfo mit Vorliebe dahin ziehen. Sie find übrigens jeht nicht bedrüdt. Früher, ald der Sultan noch Krieg mit England führte, verfolgte er fie, weil er die Juden für Freunde Englands hielt. Cr glaubte auch, England babe eine Bor- liebe für fie. Cr begriff nicht, daß die Nechte, welche die Juden in Aden genießen, eben nur ein Ausflug des Givilifationsprincips find, und feineöiwegd auf parteitfcher Bevorzugung beruhen.

* Nie wird in Arabien das Auge Durch Solche unleufche Entblößungen be: leidigt, wie man fie 3. B. in Aegypten nur zu oft ſieht. Selbſt beim Baden iſt die Scham ſtets bededt.

Parias in Laheg. 349

Bon Pariad giebt es hier beide Glaffen, ſowohl die Schumr, die verachtetſte Kafte, ald die Achdam. Leptere fommen in Mofcheen, nicht aber in die Häufer der Araber. Sie haben diefelbe Stellung, wie die Merafai im Audeliland, die Dofchan bei den Rezaz, die Ahl Hayek bei den Auwaliq und Wahidt. Die Schumt ftehen fehr tief und dürfen nicht in Mofcheen fommen; man befchuldigt fie, Aas zu genießen und hält ihre Berührung für höchſt verunreinigend. Cie wohnen auswärts der Stadt in abgejonderten Hütten. Beide Kalten haben weder connubium nod) consortium mit den übrigen Arabern.

Dreizebnted Sapitel. Hauſchebi⸗Land.

I. Name. DO. Geographiſche Lage. III. Grenzen. IV. Bodenerhebung. V. Wadis. VI. Klima und Bodenerzeugnifle VIL Bewohner. VIIL Ort- ichaften. IX. Politisches.

L Name. Hauſchebi, im Colletiv Hauwaſchib, tft der uralte Stam- meöname biejed Bolfed, der ſich ſchon bei Yaqut*) erwähnt findet. I. Geographifde Lage. Ungefähr zwiſchen 449° 45 und 45° öftl. &. v. Gr. und zwifchen 130 11° und 130 30 nörbl. Br. II Grenzen. Im Süden Laheg Im Weften Sfobehi und Hogriva. Im Norden Amir. Im Often Unter- Yafi a. IV. Bodenerhebung.

Sm Süden Berge, nady Laheg zu abfallend; dann ein ziemlich hoch gelegened Platenu, das fid) durch die Mitte des Landes hinzieht, während im Often und Weiten längs der beiden Wadis Senkungen find. Im Often Gebel Manif, im Welten G. Schi ab etwa 6000 Fuß hoch.

*) Bei Yaqut IH, 367, nur im Gollectiv „Hauwafchib“, erwähnt. Sonft fommt diefer Stanım (außer bei Hamdani) faum vor,

Haufchebi = Land. 351

V. Wadis.

Der W. Nura begrenzt das Land im Weſten, der W. Bonna im Oſten. Erſterer vereint ſich oberhalb Zaida mit dem W. Warezan.

Oeſtlich von der Hauptſtadt ein breites, ſandiges Strombett, Saibeah genannt, das nur zur Regenzeit Waſſer bat, nördlich davon zwei kleinere ähnliche Strombette, Sailet el millah und Sailet et thaimera, die das Regenwaſſer in die Saibeah führen, von wo ed nad Mehaidan fließt

vI Klima und Bodenerzeugniffe

Das Land ift durch die Sommerregen begünftigt und faft in allen feinen Theilen fruchtbar. In der Gegend von Raha, in der öftlichen Hälfte, ein ausgedehnte Plateau mit trefflicher Weizencultur. Ein Theil des Landes, der mittelfte, fcheint Wüſte zu fein, wie auch der Name Ramle (Sand) andeutel. Die Sentungen am W. Bonna er: zeugen Kaffee, die am MW. Nura Baumwolle. Das Land Fönnte viel mehr hervorbringen, wäre es nicht fehr dünn und meift nur von Vieh— züchtern bewohnt. So ift der größte Theil Merta a (Weideland).

VO. Bewohner.

Die Hauwaſchib jcheinen einen einzigen, compacten, großen Stamm zu bilden. Bon Unterftämmen wurde mir gar nichts befannt. Sic find alle Dobayel, unter denen vielleiht ein Drittel wirkliche Beduinen. Aber auch diefe wohnen nicht in Zelten, ſondern verlegen nur ihre MWeidepläpe und Strohhütten auf beſchränktem Raume von Zeit zu Zeit. Die anderen Dobayel find ſeßhaft, meijt in Hüttendörfern.

Die Hauwaſchib find unzweifelhafte Himyaren, als welche fie ſchon Yaqut (a. a. O.) anführt. Der ganze Stamm ſoll höchſtens 12- bis 15,000 Seelen zählen.

VII. Drtſchaften.

Raha“?) (13° 18° nördl. Br., 44° 58° öftl. &), Hauptort, Sitz des Schechs, liegt unweit der Dftgrenze in frudhtbarer Hochebene, be⸗

*) Bei Ritter (XII, 707) ift als nächſte Etation norbwärts Raben, „Ramla“ genannt (dort Rama gefchrieben.. Dies ift die Wüſtenſtation unfere® XVIII. Itinerars. Da R. aber dert ein Kornland angiebt, ſo deutet Rama auf Verwechs⸗ lung mit „Raha“.

852 Haufchebi- Land.

fteht nur aus einigen Schlöffern, Die aus einem Gewirr von Hütten von Stein oder Reijern emporragen.

Dar Shaiban (13° 24° nördl Br, 44° 49° öftl. &), Hütten» dorf mit Schloß, 4 Stunden von Raha entfernt und dicht dabet:

Nemara, kleine Ortichaft, Tagereiſe von Raha entfernt, beide am Sailet el Millah.

Megba, kleine Ortſchaft, dicht bei Raha.

Zaida, Grenzſtadt der Abadel, gehört zur Hälfte Laheg, zur Hälfte den Hauwaſchib, welche bier ein Schloß und Hüttendorf haben.

Bir "Abd-Allab und Ramle, Karamwanenftationen mit Brunnen zwilchen Zaida und Raha.

Millah, nördlichfter Ort, 13° 25’ nördl. Br.

IX. Politifgee.

Sultan "Ali, ben Manah el Haufchebi, gemöhnlih nur "Afel (Schech) genannt, ift blos Kriegeführer, da alle Bewohner Oobayel find. Hat einen Vertrag mit England, wodurd er fich verpflichtet, die Karawanenftraßen zu ſchützen. Erhält ein Sahrgeld von 360 M. Th. Thalern.

Die Hauwaſchib leben beftändig in Fehde mit den Nachbarn. Im Sahre 1870 hatten fie Krieg mit den Yafii und 1871 mit den Sio- behi. Der Sultan fol 1500 Männer ind Feld führen. Das Land ift ald unficher verfchrieen, wa8 es zu Seeben’3*) Zeit auch Schon war.

Alle Hauwaſchib find Schafe i.

Früher, wenn man Maqut glauben will, wohnten fie auf dem Gebel Sſabr, doch iſt dies vielleicht nur eine hyperboliſche Ausdehnung der Grenzen jened Gebirges.

*, Ritter XII. S. 746.

Vierzehntes Gapitel.

Amir⸗Land.

x

I. Name. II. Geographifche Rage. IIL Grenzen. IV. Beichaffenheit des

Landes. V. Wadis. VI. Berge. VII Stämme. VIII. Städte und

Ortfchaften. IX. Politiſches. X. Alterthümer, XL Hamdani’d Angaben über dieſes Lund.

IL Rame.

Der Name "Amir ift jedenfalls dymaftifh und neueren, wenn nicht neueften Datums. Dad Volt jelbft heist feit den älteften Zeiten Gada, doch gilt diefe Bezeichnung jept nie für den Staat, da er nicht von einheimiichen Fürſten regiert wird. Neben Amir. hört man aud) den Namen Schafel fowohl für's Land, als für die Hauptftadt. Diefer ift jedenfalls ſchon ziemlich alt, denn bereits Niebuhr erwähnt einen Ort Schafel. Und dennoch bat ed nie einen folhen Drt gegeben. Schafel iſt auch ein dynaftiicher Name, den der jebige Fürſt noch führt und nah dem man oft den Staat „Land ded Schafel“ und die Stadt „Stadt des Schafel” nennt. Daraus fehen wir, daß ſchon zu Niebuhr's Zeit bier „Schafel” regierten. Vorzugsweiſe iſt ed die Hauptftadt Dhala, welche vulgo „beled Schafel” heißt, was Niebuhr nicht wußte, denn er nennt Schafel und Dhala als verichtedene Orte.

IL Geographiſche Lage.

Dad Amirland dehnt fi) zwifchen 44° 45° und 450 2 öftl. L. v. Gr. und von 13” 28° bis 14” 10° nördl. Br. Es hat übrigens nicht

H. v. Maltzan, Reiſe nah Südarabien. , 23

354 Amir» Land.

überall diefe Ausdehnung, fondern eine jehr unregelmäßige Seftalt, au- ßerdem nodh.. zahlreiche Enclaven des Schaherigebietd, welches ganz von ihm, aber nicht ald compacte Mafje, jondern ald Sprengftüde, eingefchloffen wird. Obiger Umriß umfaßt nicht dad nur loſe verbundene Sand der Gaud, weldes etwa unter 45° öftl. 2. weit nach Norden, faft bis zu 141,,° nördl. Br. vorgefchoben ift. Die Enclaven ded Scha⸗ berilandes trennen ed falt vom Haupflörper des Amirlandes.

OL Grenzen.

Im Süden Hauwaſchib. Im Welten eine Menge fleiner unab⸗ hängiger Gebiete, wie Fegra, Auwas, Haſcha. Im Norden andere fleine Gebiete, wie Databa, ein Xheil des Schaherilandes, Gehaf, Sayadi, Hagi. Im Often, da, wo nicht dad Schaherigebiet dazwi⸗ ſchen tritt, was enclavenweife der Fall ift, Yafta.

IV. Beſchaffenheit des Landes.

Saft durchweg Bergland, doch nicht eigentliched Hochgebirge. Die nördlichen Gegenden fruchtbar, bringen alle Gerealien hervor, Selam, Tabak, wenig Datteln, in den an Yafia grenzenden Diftricten ehvas Kaffee. Der Süden zum Theil fteppenartiges Hochland, theild Merta’ a (MWeidegrund), theild angebaut. Biel Feljengebirge mit fteilen, ab- Ihüffigen Formen. Hat durchweg tropiſche Sommerregen.

V. Wadis.

Der große Hauptwadi dieſer Gegend, W. Nura, berührt das Land nur im Weſten, aber faſt alle daſſelbe durchziehende Gießbäche ſind ihm tributär.

Wadi Ma' aber, kommt von Merrais, nimmt einen Seiten⸗ arm auf, der fich vom Gebel Gehaf hinabzieht, geht nach Fegra in den W. Nura, der nach Laheg fließt.

W. Dabab, entſpringt im Gebel Harir, geht nah Süden in den ®. Nura. (Bei Hamdani, im Lande der Gada, ald ein Wadi des Stammes Aswad erwähnt.)

W. Dhi Regem, entipringt im Gebel Scha’ib, geht nad Süden in den W. Nura.

Amir Land. 355

W. Scher'a, am ber Grenze von Yafia, mündet unweit der Stadt Scher a it den W. Bonna, der nad) Abian geht. (Bei Ham- dani, im Lande der Gaida, als ein Wadi ber Beni Ahad erwähnt.)

VL. Berge

Gebel Aharrem, hoher Berg bei Dhala, auf dem ein altes . himyariſches Schloß fteht, ſoll jehr ſchwer zugänglich fein.

Gebel Harir, Gebel Scha’ib follen gegen bie Daft grenge zu liegen.

SebelAtoba oder Athauba, beherrſcht den W. Dabab; Reifen, abjhüffiger Berg. (Bei Hamdani wird ein Wadi Toba genannt, im Lande der Gada, Stammeögebiet der Aswad, gelegen. Die Aswad find jegt ein Schaheriftamm, im Gebiet der Amir enclavirt.)

vo Stämme.

Die Stämme, welche jebt unter dem einheitlichen Namen ber Amir begriffen werden, bilden einen Theil der großen, ſchon von Ham- dani erwähnten Stammeögruppe der Gada. Die anderen Theile diejer Gruppe heiben jebt Schahert (zu denen die Aswad gehören) und Haqi, beide politisch getrennte Völker, die wir in befonderen Abjchnitten be- handeln. Zu Hamdani's Zeit waren die Gada noch in Yafta encla- virt, was wohl nur heißen will, daß der Begriff Yafia damals ein andgebehnterer war und unter anderen auch dad weltliche Grenzgebiet mit umfaßte. Berändert haben diefe Stämme ihre Wohnſitze nicht, denn die von Hamdani genannten Orte gehören noch heute zu ihrem Gebiete. Der Name Gada hat fih nur noch in dem einer der grö- beren Abtheilungen der Amir erhalten, im Namen der Gabi (in ber Gollectivform jept immer Gand*) genannt), die den Nordweften an der Yafigrenze bewohnen Wir beginnen in der Aufzählung der Stämme mit ihnen.

1. Die Saud im Nordweſt, follen 500 ftreitbare Männer ftellen koͤnnen. |

”, Im Dialect hört man oft Lega'ud fprechen. Diefe find nicht zu ver- wechfeln mit den Gadent, von denen bei den Fodli die Rede war.

23%

356 - Stämme und Städte der Amir.

2. Die Halemi, wohnen in Schera an ber NMafi grenze nahe den Ga ud.

3. Sobeidi, wohnen in Soheb und Daſcha, im Süden an der Hauſchebigrenze.

4. Alluwi, urſprünglich Ahl Ali, woraus Alluwi entſtand, bilden den herrſchenden Stamm im Süden zwiſchen Soheb und Dhala, haben einen ſehr einflußreichen, mächtigen Häuptling, Schech Scha’if genannt:

5. Hogeil oder Ahl Hogel, wohnen in der gleichnamigen Ortfchaft.

6. Ahl'Abd Allah, wohnen bei Aifai im Gebiet der Ga’ud, zu denen fie Einige rechnen.

vIH Städte und Drtfhaften.

Dhala', Hauptftabt der Amir, Sig des Sultans. Einige fünfzig Häufer, worunter mehrere Schlöffer; viele Strohhütten. Etwa 800 Einwohner, alle Raye, worunter ungefähr 100 Juden. Kleiner Bajar, großer Markt, viele Delmühlen. Wird auch Blad Schafel genannt.

" Soheb*) (13° 28' nördl. Br, 44° 50° öftl. &), Meine Stadt an der Sübgrenze. Einige Schlöffer, fonft Reijerhütten. Etwa 100 Einwohner.

Qaſcha, Ort der Sobeidi, fehr nahe bei Soheb gelegen und oft zu diefem gerechnet. Strohhütten. Ein Schloß. Etwa 60 Ein- mohner.

Hota oder Dhanab, Hüttendorf mit einigen Steinhäufern, eine Stunde von Dafcha nördlich, den Alluwi gehörig.

Soda, Gemul, Tomeir, kleine Ortichaften mit einigen Schlöffern und Strohhütten, nordwärtd von Dafcha und Soheb, den Alluwi ge- hörig. Scher'a, Ort ber Halemi, im Nordweſten. Etwa 20 Stein- häuſer. Strohhütten. Etwa 100 Einwohner.

ai ai, Hüttendorf mit Schloß, Hauptort der Ga'ud, nahe bei den Ahl "Abd Allah, im äuferften Norden.

Soheib⸗id⸗ dewan; dar Mobeike, Thanaib, Heine Orte bei Gemul.

*) Ritter giebt nach den Indian Papers (Erdk. XII, 700) genau an biefer - Stelle einen Ort „Seyeb” an, foll vieleicht für Soheb ftehen. Die neuefte eng: lifche Karte ſchreirt Saib.

Sultan und Staat der Amir. 357

IX. Politiſches.

Schafel*), Sultan der Amir, zuweilen auch Amir Schafel ge- nannt, was darauf hinzudeuten feheint, daß dieſes zum Volksnamen gewordene „Amir” urjprünglich Titel war, dann Bezeichnung der Dy- naftie und endlih auch auf ben Staat und dad Volk angewandt wurde. Der Sultan ftammt nicht aus dem Lande, fondern von einem Mamluken (SHaven) der Imame Zaidi von Yemen, der zum Gouver- neur von Dhala ernannt worden war, fich beim Verfall des Reiches unabhängig machte und eine Dynaſtie gründete Die Borfahren des jegigen Sultans jcheinen noch zur Secte der Zaidi gehört zu haben. Da aber alle Stämme bier Schafet und die Zaidi fehr verhaßt find, jo fand die Dynaftie e8 politiih, dad DBefenntni zu wechjeln. Das Land der Amir ift in ganz Südarabien berühmt wegen jeiner wohl- geordneten Zuftände. Alle Dobayel find unterworfen, jo daß der Sultan fie faft wie Raye behandeln Tann. Die Oberhäupter der größeren Stämme, wie ber Gaud, der Alluwi, ſind ‚zwar mächtig, aber durch⸗ aus vom Sultan abhängig, welcher ſie indeſſen, ſo lange ſie zu ſeiner Zufriedenheit handeln, eine gewiſſe Selbitftändigfeit (in inneren Ange- legenbeiten) ausüben laßt. Nur der Sultan richtet in letzter Inftanz.

Die Zuftiz tft diefelbe wie in Laheg. Der Blutrache wird faft immer gefteuert, und wenn Fälle vorfommen, daß Giner ſich felbft Recht verichafft, jo gilt Dies ald eine Mebertretung und der Betreffende muß. fich durch Flucht retten,

Der Sultan bezieht eine Kopffteuer von den Suden (5 M. Th. Thaler per Kopf). Die Bürger der Städte, die eigentlichen Raye, werden je nad) den Bedürfnifien der Staatäcafje befteuert, doch wurde mir verfichert, daß fie jelten unter 12 M. Th. Thaler per Kopf jähr-

lich wegfommen. Der Eultan bezieht 2 Proc. Karawanenftener. Auch er fol einen Vertrag mit England haben, obwohl er Tein regelmäßiges Fahrgeld, fondern nur gelegentliche Gejchenfe erhält.

Der Sultan hat eine Garde von 300 Mann und fol im Kriegö-

fall 3000 ftreitbare Männer aufbieten fönnen.

*) Auf der Karte von Arabien v. Colonel Chesney und bereits bei Niebuhr (fe oben) ift Schafel als eine Ortichaft angegeben.

358 Vergleichende Geographie des Amirlandes.

Z. Alterthümer.

Sn Ardh Atoba*) oder Athauba, unweit des W. Debab, befinden fich auf hoher Bergesſpitze drei himyariſche Schlöffer dicht neben einander. Der Eingang jo unbelannt fein. Sie gelten für den Sitz der Geilter und werden aus abergläubticher Furcht nie beſucht. Eines dieſer Schlöfler wird Hait Debab’ (die Mauer von Debab) genannt. Ein anderes bi- myariſches Schloß liegt auf dem Gebel Aharrem und wird gleichfalls nie beſucht.

XL Hamdani's Angaben über dieſes Land.

Hamdant, der einzige und befannte arabiſche Geograph, der von Südarabien Genauered weiß, beichäftigt fich ziemlich ausführlich mit diefer ſpeciellen Gegend, die er das Land der Gada nennt. Es ift in⸗ tereffant, feine Angaben mit den neueften Berichten über das Land, die ih ſammelte, zu vergleichen. Er giebt eine Reihe von Wadis an und erwähnt bei jedem den dort‘ wohnenden Stamm. Wir wollen ‚feine Angaben Namen für Namen verfolgen und bei jedem eine Turze Bemerkung hinzufügen. Man erinnere ſich jedoch des Obengeſagten, daß nicht nur die heutigen Amir, jondern auch Schaheri und Hagqi zu der Völfergruppe gehören, welche Hamdani beichreibt. Er be: ginnt mit:

1. Wadi Schera, gehörte. den Bent Ahad.. Scher a ift noch jebt der Name eined Wadt und einer Stadt, bewohnt von den Halemi.

2. W. Hanka, gehörte den Aswad. Bon einem W. Hanka ver lautete nichts. Ein Stamm Hanfi, in der Collectivform Honuk, fol noch eriftiren, doch Tonnte ich über feinen Wohnſitz nichts Genaueres erfahren. (Es giebt einen Ort Hanka in Dating, dies gehört aber nicht hierher.) |

3. W. Gabiya der Beni Mohager. Die heutigen Gaſdi ober Gaud bewohnen verfchiedene Wadis, deren Namen ich nicht alle er= fahren konnte. Nichts ift indeß wahrfcheinlicher, als daß einer derjelben ipectell nach ihnen benannt wurde. Mohager kennt man jept in Süd⸗

”) Diefed Ard Atoba tft möglichermeife dad Urdaba in dem von Ritter anfı genommenen Stinerar (Erd. ZU, 707). Ein Name Urbaba tft fonft bier ganz unbefannt. -

Bergleichende Geographie des Amirlandes. 359

arabien bauptfählih im Lande der oberen Auwaliq, aber auch im Scaberigebiet fcheint noh ein Stamm dieſes Namens zu leben, da einer ihrer Orte Hobeil el Mohagera heißt (Siehe unter 13 bei Schaheri.)

4. W. Toba der Aswad. Toba duͤrfte das oft erwähnte Atoba fein, das jetzt Name eines Berges und einer Landfchaft „Ardh Atoba“. Die Aswad find jetzt ein Schaheriftamm.

5. W. Ameq der Ahrur oder Agrur. Beide Namen waren den von mir befragten Amir-Arabern unbekannt. (Ein Ameq eriftirt im Fodliland bei den Nachai.)

6. W. Samah der Adwad. Samah war meinen Amir-Infor- manten unbelannt. (Im Fodlilande zwiihen Mar und Echughra fol ein Samah eriftiren.)

7. ®. "Anana oder Ataya (die diakritiſchen Punkte undeutlich). Jetzt unbekannt.

8. W. Wahba. Wahba iſt jetzt eine Ortſchaft der Schaheri.

9. W. Sera. Ein ſolcher Name ſchien meinen Informanten be- kannt, nicht aber ſeine ſpecielle Lage.

10. W. Debab der Adwad. Beide Namen noch jetzt bekannt und oben mehrfach erwähnt.

11. W. Hacen der Aswad. Erſterer tft wahrſcheinlich der W. Hocein im Lande der Haqi.

12. W. Saka oder Schafa der Aswad und Mohager. Wenn die Lesart Schafa richtig ft, fo wäre diefer Wadi gefunden. Im Lande der Hagi eriftirt ein Ort Schafa.

13. W. Ahla oder Agela der Aswad und Mohager. Im Lande der Schahert liegt ein Drt Gelela, deffen Namen jeder Arabift auf Agela (dad wohl Agella gelejen werden dürfte, da das Teſchdid im Ma- nuſcript faft immer wegfält) zurüdführen Tann.

14. W. Tomri der Adwad. Tomri erinnert an das oben (Ori⸗ haften) erwähnte Tomeir. |

15. W. Dhu Chorebe (alle diakritiſchen Punkte fehlen im Manu- feript) der Adwad. Im Gebiet der Schaheri, deren einer Stamm noch jebt Aswad heißt, liegt ein Dorf Chorebe.

16. u. 17. Folgen zwei, in dem mir zugänglichen Manufcript un- leferlihe Namen. Der einzige Name, den ich bier entziffern Tann, ift ber eined Stammes Sadif oder Sadiq. Ift Iehtere Lesart richtig, fo

360 Vergleichende Geographie des Amirlandes.

dürfte diefer Name in dem jehigen Schahertort Cedeq wiedergefunden werden.

18. W. Soheb der (folgen unleferlihe Stammesnamen). Soheb ift die wohlbefannte Stadt. Von einem Wadi hörte ich nichts,

19. Du... . . (unleferli) der Meraned. Meraned fchienen Niemandem befannt. Ä

20. W. Bona der Affana und Abirun. W. Bona tft vielleicht der öftliche Grenzfluß dieſes Landes, der aber jebt immer Bonna ge- iprochen wird. Aſſan a und Abirun kannte feiner der von mir be fragten Amir. |

21. Atham oder Atgam der Sakaſeka von den Gaba. Beide Namen waren den von mir befragten Amir unbelannt.

Fünfzehntes Capitel. Schaheri⸗Land.

I Name. I. Lage. DI. Beſchaffenheit des Landes. IV. Stämme V. Ortfchaften. VI. Religion. VII Politiſches.

L Name.

Schaheri ift wohl der Name einer IUnterabtheilung der Aswad (Ga’da), vielleicht auch dynaſtiſch, aber dann ift die Dynaſtie einhei- milch und führt einen eingeborenen Namen. Der Stammesname ift Aswad B. Ga da.

IL. 2age.

Im Amirlande enclavirt. Das Land ift Flein, bat höchſtens 8 Duadratmeilen Umfang Der Haupttheil liegt in der nördlichen Hälfte des Amirlandes eingefchloffen und reicht etwas über deifen Nord- grenze hinaus. Einige kleinere Sprengftüde liegen an der Yafı grenze zwiſchen Yafi a und” dem Amirlande.

\

LIT. Befhaffenheit des Landes.

Sehr ähnlidy dem Amirlande. Scheint durchweg gut bewachlen. Gerealien, etwad Kaffee. Der W. Dhi Negem, von dem ſchon beim Amirlande die Rede war, durchzieht einen großen Xheil des Schaheri—⸗ landes. |

362 Stämme und Städte der Schahert.

IV Stamme.

1. Aswad, der hiftoriſche Name der Schahert, Haupfftamm,

2. Mohagera, gleichfalls ein hiſtoriſcher Name, jept ein Heinerer Stamm in Gelelet el Mohagera

3. Bakeri, Stamm im Norden.

4 Gaſchani, bewohnt die Gegend um Hagfer.

V. Drtſchaften.

Hagfer, auch Agemt el Hagfer genannt, Hauptort, nahe an Dhala, auf dem Wege nah Soheb. Reſidenz des Schechs. Etwa 10 gemauerte Häuſer, zwei Schlöſſer, ſonft Strohhütten. Etwa 200 Ein⸗ wohner. Wenig Juden. Stamm: el Gaſchani.

Chorebe, Hüttendorf mit Schloß. Keine Juden. Wahba, Hüttendorf mit einigen gemauerten Häuſern. Markt. Einige Juden.

Metzem, Hüttendorf.

Gelelet, Heine Ortſchaft, nahe an Dhala. Markt Juden ſollen hier wohnen.

Hobeil el Mohagera, zerfällt in das eigentliche

Hobeil und Hobeil el Gebr, zwei kleine Ortſchaften, durch den Wadi Ohi Regem von einander getrennt. Jede hat ein Schloß, ein Paar gemauerte Häuſer, ſonſt Hütten.

Sadeiq, kleiner Ort im Süden, fol ſchon außerhalb des eigent⸗ lichen Schaherigebiets und nahe an Soheb liegen, obgleich politiſch fich zu den Schaheri haltend. Uebrigens ſehr unbedeutend. Schloß; Steohhütten. Höchftens 80 bis 100 Einwohner. Einige Juden. Markt.

VI. Religion. Ale Schaheri find Schafe i | VIL Politifges.

Die Schaheri haben feinen Sultan, fondern nur einen Schedh, Metenet el Gaſchani eſch Schahert, der in Hagfer refidirt. Er führt ein ftreng orthodores Regiment, Tann aber die Stämme nicht ald Raye

Feindſchaft zwiſchen Schahert und Amir. 863

behandeln, wie e8 Amir Schafel in Dhala thut, fondern muß ihnen viele Freiheiten geftatten. Auch berricht hier lange nicht diefelbe Sicher . heit und Ordnung, wie bet den Amir. Die Städter find alle Raye. Die Schaheri find trog ihrer Kleinheit eine reſpectable Macht, die jelbft den Amir imponirt. Oft haben diefe ed verſucht, dad Schaheriland, das im Amirgebiet eingefchloffen tft, auch politiſch einzuverleiben, was ihnen aber nie gelang. Die Feindſchaft zwiſchen Schaheri und Amir befteht hauptſächlich, feit das letztere Land unter der jebigen Dynaftie fteht (vielleicht 80 Jahre), da dieſe Dynaftie fremd ift, in diefer Eigen- ihaft keine Verwandtſchaftsrückfichten auf die Stämme zu nehmen brauchte und mit eiferner Hand geregelte Zuftände, die allen Arabern immer. mehr oder weniger ‚widerwärtig find, emführte, während die Schaheriherrſcher einheimiſch find, auf die Dobayel Nüdficht nehmen und mehr ein patriarchaliſches Regiment nad dem alten Schlendrian führen. Die nächſte Nähe eines foldhen Staated, wie der ber Amir, ift ihnen daher ein Dorn im Auge. Die Völker felbft haben jedoch feine tiefgehenden Antipathien, fie find ſtammverwandt, beide Ga daftämme, bildeten vor der Zatdiherrfchaft eine politifche Einheit, und gehören beide zu derjelben Secte, was hier jehr viel heißen will, denn Zaidi und Schafe i find gefchworene Zeinde, zwei Schafe i-Voͤlker dagegen verbindet der Haß gegen die Zaidi immer mehr oder weniger, befon- ders wenn fie, wie es bier der Fall ift, die leteren in der Nähe haben. Gegen die immer mehr in diefer Richtung fortfchreitende Macht der Dhu Mohammed find Schahert und Amir immer zum Bündniß bereit. j

Schözehntes Kapitel.

Kleine Stammesgebiete zwiihen Dhala und Perim und’ Dhala und Reda.

I. Allgemeines. II. Haqi. III. Fegra. IV. Gehaf. V. Diiteba. A. Ausdehnung des Landes. B. Befchaffenheit des Landes. C. Wadis. D. Stämme. E. Stadt. F. Regierung. G. Stellung der Juden. H. Parias. J. Sitten und Gebräuche. VI. Merraie. VII. Ahmedi oder Auwas. VII Haſcha. IX. Ahl Abahela oder Mauya. X. 'Adareb. XI. "Amar. XU. Sayadt. XII. Schafif. XIV. Hobab. XV. Yaziti. XVI Talab, XVII Hobeſchi. XVII Reda‘. XIX. Gefe. XX. Schlußbemerkung.

IL Allgemeines.

Das Anıir- Land ift in der Richtung von 'Aden nad Sſan a das nördlichfte, welches eine compactere Stammesgruppe, einen eigentlichen Staat barftellt. Im Norden von ihm ftoßen wir auf eine Menge fleiner, zeriplitterter Gebiete, die ſich ſeit dem Verfall ded Reiches des Imame Zaidi noch nicht wieder zu einer ftaatlihen Vereinigung zufammengefunden haben. Etwas der Art ift freilich im Werden, aber e8 hat, wenigſtens in dem von und bier behandelten Gebiet, erft begonnen. Eines nach dem andern dieſer Fleinen Gebiete geräth näm— lich unter die Zuchtruthe der Dhu Mohammed. Diefe dringen von Norden erobernd vor. Doc folgen fie bei ihren Eroberungen durchaus nicht einem topographiich niedergelegten Plane. Die jchwachen Gebiete

Die Sroberungen der Diu Mohammed. 365

üben vor anderen Anziehungskraft auf fi. Die ftarfen umgehen fie, wenigftend Anfangs. Daher kommt ed, dab die Gefammtheit ihrer Groberungen ein buntes Flickwerk darftellt. Zahlreiche freie Enclaven liegen noch mitten in dem bejebten Gebiet.

So iſt audy merfwürdig, daß fich die Croberungen der Dhu Moham- med im MWeften der Sfan a⸗Route viel weiter nad) Süden erftreden, als auf dieſer, und dennod find die auf legterer gelegenen Stätlein ihnen topographiih näher. Noch bunter wird das Flickwerk dadurch, daß die Dhu Mohammed vorzugäweife nur die Schafe i-Länder einverleiben. Ein von ihren Glaubensgenoſſen, den Zaidi, bewohntes Gebiet, das fie auf ihren Eroberungszügen treffen, laſſen fie meift unbehellig. Die Be- wohner find ihre Freunde und werben ihre Bundedgenoifen.

Wir können alfo die Eroberungen der Dhu Mohammed, wie fie auf ver Karte feine Einheit bilden, auc in der Beſchreibung nicht ala Einheit behandeln. Da außerdem jeded eroberte Gebiet noch feine ab- geſonderte politische ‚Begrenzung behält, jo ziehen wir ed vor, jedes für ſich zu beichreiben.

Hier find wir aud am Nordende der Religiondeinheit angekommen. Bon den Gebieten, die ſich jet folgen, gehört bald das eine den Schafeit, da8 andere den Zaidi, aber nie iſt ein Gebiet gemiſcht. Dieje beiden Secten haffen fich tödtlih und diefer Hab wirkt auf alle politiichen und jocialen Verhältniffe dergeftalt ein, daß man eigentlich ein Volk ſchon halb beichrieben hat, wenn man jagt, zu welcher Secte ed gehört.

© D. Hagi (unter Dhu Mohammed).

Ein Kleines Stammedgebiet zwifchen Dhala und Da teba. !% Tage: reife von lehterem.

Die Hat gehörten ‚urfprünglich zu derjelben großen Stammesein- beit, wie Amir und Schaheri, d. b. den Gada, welche wahrfcheinlich Yafı i*) waren und jedenfalld Himyaren find. Ste find, nad) Hamdani's Angaben zu ſchließen, eine Abtheilung der Aswad, ber heutigen Schaheri.

Hauptort: Hocein im Wadt gleichen Namend. Schloß der Dhu Mohammed.

) Hamdani ſagt zwar: die Ga'da gelten für Yafii und wohnen in Yafi'a (welches früher mehr weſtwärts reichte), aber fie find nicht von ihnen. Phyſiognomiſch gleichen fie ihnen jedoch durchaus. Jedenfalls find ſie Himyaren.

‚366 Der Stamm der Hagi. Pegra.

Scala, Meines Hüttendorf mit Schloß.

Bis no vor Kurzem waren die Hagi unabhängig unter ihren eigenen Schechs. Aber im Jahre 1870 fchidten die Dhu Mohammed ihren Negib (Statthalter) von Schaif (1 Tagereiſe nordweſtlich ˖ von Dhala’), welches ſchon länger unter ihre Herrfhaft gerathen war, nad) Hocein, um das Hagisfand zu erobern.

So groß war die Furt vor den. Dhu Mohammed, daß weder Amir, noch Schaheri ed wagten, ald Bundesgenofien ihrer Stammes- verwandten, der Haqi, aufzutreten, und dad Heine Land ohne Wider- Aland in die Hände der Dhu Mohammed fiel. Seitdem fliehen die Haqi unter letzteren, weldye ihr Land durch ihren Negib, Abd-Allah ben . Mobfin, den Gonvernent von beled Schaif (den Eroberer) verwalten laſſen.

Die Haqi zahlen eine jährliche Abgabe von 1200 M. Th. Thaler an die Dhu Mohammed, eine fehr drüdende Laft für einen fo Heinen Stamm in dem geldarmen Arabien.

Jedoch das drüdendfte dieſes Unterthanen⸗Verhältnifſes befteht Kit fie darin, daß fie nun Raye eined anderögläubigen Volles geworben find, denn alle Haqi gehören zur orthodoren Secte der Schafe i, während die Dhu Mohammed Zaidi find. Unter den Zaidi zu ftehen, wird bei allen Orthodoxen immer ald die größte Calamität angefehen, obgleich jene fie in Ausübung ihres Bekenntniſſes durchaus nicht behindern und überhaupt viel toleranter find, als die Schafe.

II. Fegra (freies Stammeögebiet).

Ein unabhängiges Stammesgebiet im Sübdweften von Dhala, an der Grenze des Amir-Landes, etwa unter 140 40' nördlicher Breite ge legen, befteht faft nur aus dem Hauptort, Fegra, und ber nächiten Umgebung.

"Zwei Stämme: Hadur und Degam. Schech: Abd Allah Salah el Degmi. Im Begra, Meinem Ort am Wadi Nura in frucdhtbarer Gegend gelegen, find mehrere Schlöffer ber beiden Stämme, fonft Stroß- hütten. Das ganze Vol zählt vielleicht 2000 Seelen. Die Bewohner find Schafe i und haben fich bis jept noch von den Dhn Mohammed unabhängig erhalten fönnen.

Gehaf. Das Gebiet von Da’taba. 867

IV. Gehaf (freied Stammesgebiet).

Gleichfalls ein unabhängiges Gebiet im Nordweften von Ohala, zwiſchen diefem und Da’taba, auf der einen, und dem Lande der Hagi auf der anderen Seite. Gleichnamiger Stamm und Berg.

Städtchen Gehaf, Hauptort mit einem Schloß. Das ganze Volt zählt vielleicht 1000 Seelen. Alle Bewohner Schafet.

V. Databa (freies Stammeögebiet).

A. Auddehnung des Landes.

Das Gebiet von Oa'taba befteht eigentlich nur aus der gleiche namigen Stadt und einem etwas audgedehnteren Umkreiſe, mit einem Flächeninhalt von anderthalb bis zwei deutſchen Duadratmeilen. Es Itegt ungefähr unter 44° 52° öftl. Länge und eiwas über dem 14. nördl. Breitegrade. Seine Grenzen find im Süden und Often das Amir- Land, im Weiten Gehaf und Hagi, im Norden Merrais.

B. Beſchaffenheit des Landes.

Dieje ſcheint vortrefflich zu fein, nach den Producten zu ſchließen. Diefelben find: Kaffee, Kaat (auf den Höhen), eine Tabakart, die ganz ſchwarz fein ſoll, alle Gerealien, darunter vortreffliher Weizen, auöge- , zeichnetes Dbft, Pfirfiche, Aprikofen, Weintrauben; Teine Datteln.

C. Wadis.

W. Reſchan kommt von Merrais, fließt nach Databa und Haqi.

MW. el Chodr fließt nach Fegra in den W. Nura. (Diefer ſcheint identiſch mit dem Wadi Ma aberim Amir-⸗Lande.)

W. el Abehor, Heiner Gießbach bei Da taba.

Topographiſch begrenzt wird das Land von dem Gebel Gehaf im Süömeft und dem Gebel Merraid im Nordofl. 8 jcheint alfo im Verhältniß zu feiner Umgebung ein ZTiefland zu fein, welder Umftand auch die Kaffeecultur erklärt.

D. Stämme.

Deren find nur zwei: 1) Bet Abu Hodal, ftehen unter dem Schech Miefa d Salah.

368 Stadtgebiet von Databa.

2) el Ahnum, ftehen unter dem Schech‘ Abd cr Rahman 'Aidwa. Beide Stämme wohnen in Databa und theilen fi in das um- liegende Gebiet.

E. Stadt.

Databa,-eine der größten Städte diefer Gegend mit drei bis viertaufend Einwohnern, etwa 100 gemauerten Häufern, einer großen Menge gut gebauter Hütten und mehreren Schlöffern. Nefidenz der beiden Schechs. Zwei große Mofcheen der Schafei. Es giebt bier teine Zaidi. Etwa 200 Juden, die einzigen Leute, welche bier Snduftrie betreiben, nämlich Baumwolle aus Aden verfchreiben, die fie zu Stoffen verarbeiten. in Heiner Bafar, auf dem viel Tabak verfauft wird. Zwei große Wochenmärkte. In der Nähe von Databa find 5 große Schlöffer der Ab Hodal, nämlih Hamr, Dans, ed Darr, Rabe und Scheghab. Es joll auch ein Dorf Hamr geben, wo die Araber noch jehr viel vom Himyariſchen im Dinlect bewahrt hätten. Der Name Hamr fönnte allerdingd auf Himyar deuten.

F. Regierung.

Diefe wird von jedem der beiden Schedh8 in feinem Stamme und deſſen Stadttheil unabhängig ausgeübt. Ihre Macht ift jedoch fehr be- ſchränkt, da faft alle Bewohner Dobayel find, mit Ausnahme einiger ‚hundert Raye, zugewanderter Fremden, der Iuden und der Paria's. Diefe 3 Claſſen werden je nad dem Duartier, in dem fie wohnen, von dem dort gebietenden Schech auögebeutet, die Suden zahlen Kopf: ftener (2%, Thaler jährlih); die Raye werden nah Willfür tarirt; die Paria's zahlen nichts, müfjen aber zumeilen frohnden.

G. Stellung der Juden.

Sie find fehr unterdrüdt und allerhand Demüthigungen ausgeſetzt. Sie dürfen Feine Pferde reiten (was freilich nicht ſchwer zu vermeiden, da es faft feine im Lande giebt), fondern nur Efel. Begegnen fie zu Eſel einem Araber, jo müſſen fie abfteigen und linfs ausweichen, da die linfe Seite für den, der fie einichlägt, für unehrenhaft gilt. Will ein Araber einem Juden eine befondere Gnade erweilen, fo erlaubt er ihm, jeine Hand zu küſſen, jedoch thut er dies mit weitausgeftredtem

Eihnographifches aus Da’taba. 369

Arm, damit jener ihm ja nicht nahe komme. Araber aus Databa er zählten mir allerlei Seltſamkeiten vom Gotteödienft der dortigen Juden. Sie Jollen ji) die Hände verhüllen, eine Art Horn auf die Stirn binden und damit wie befeffen in der Synagoge berumrennen. Die Züdinnen jollen ſehr jchön fein, aber e8 kommt nie vor, daß ein Araber eine ſolche auch nur zur Concubine nimmt, was doch in anderen mod- limiſchen Ländern gefchieht. Hier würde der, welcher fo etwas thäte, vom Stamme ausgeſchloſſen werden und verloren fein.

-H. Paria's.

Wir find nun in dad Gebiet gefommen, wo die zweite, verachtetfte Claſſe der Paria's, die Schumr (Singular: Schimri), ſich häufiger findet. Dieje allein find vom Bejud der Mofcheen ausgeſchloſſen, be- treiben die efelhafteften Gewerbe, wie das der Abdeder, dürfen nicht einmal an die Ihüren ber Häufer fommen und wohnen im abgelegenften Stadttheile. Die andere weniger verachtete Claſſe hat dieſelbe Stellung, wie in allen bis jept befchriebenen Ländern. Sie befteht hier aus den eigentlichen Achdam (Dienern), den Schahed (fo nennt man bier die Zamburin-Trommler) und den Doſchan (hier fahrende Sänger). Da⸗ gegen wird dad Gewerbe der Merafai (in Da taba die Schläger kupferner Trommeln) nicht von Paria’s, fondern von Dobayel ausgeübt. Merafat iſt aljo bier Tein mihachteter Name, wie in anderen Ländern.

L Sitten und Gebräude.

Die Männettradht ift die allgemein füdarabijche: blaues oder weißes Lendentuch und Kopfbund. Die Frauen tragen feine Hofen, wie fonft faft in allen Städten, fondern ein dunkles Hemd, darüber die reicheren Seidenftoffe. Alle haben ein Umhängetudy, hier Scheider genannt (in Aden Chonne), und in der Stadt außerdem noch die Rem'a, ein über das ganze Geficht gezogened Tuch, glatt angelpannt und ohne Lüden für die Augen (wie in Aden). Sie machen großen Gebraud von Schön- beitömitteln und Schminken verfchiedener Farben: Hösn heißt eine rothe Schminke für die Wangen, Ward eine orangefarbene und Horud eine gelbe‘ (von der Coloquinta zucumis), Mit der lebteren, welche die beliebtefte ijt, wird der ganze Körper gelb*) gefärbt, was für bejonders

”) Sch ſah auch in Aden folche gelbgefärbte Frauen, Jüdinnen, die fich fret feben ließen, H. v. Malpan, Reife nah Südarabien, 24

j

370 Das Stammesgebiet von Merrais.

ſchoͤn gilt. Zum Schwarzfärben der Nägel ſoll eine Mirtur von Scheider, Atrun und anderen Ingredienzen dienen.

Die Beſchneidung der Mädchen, ſonſt in ganz Sübdarabien (dem Küftenlande) üblich, findet hier niemals ftatt, die der Knaben am fiebenten Lebenstage.

Das Kaatkauen ift bier eine allgemeine Sitte, Fvon der ſelbſt die Aermften nicht laſſen können. Da der Kaat im Lande wächſt, ſo ift er zwar weniger theuer, als in Laheg, aber immerhin noch theuer genug. Mancher ſoll ſeine Familie damit ruiniren. Ein armer Mann, der feine Familie mit 2 Anna's“) (2%, Silbergroſchen) täglich ernährt, braucht oft für 4 Anna's Kaat und ift unglüdlich, wenn er ihn nicht hat.

Der Giſchr wird nur in der Stadt getrunfen. Die Beduinen da= gegen trinfen Kaffee und zwar, wie in Yafia, mit Milch. Sie follen logar den ſchwarzen Kaffee für ungefund und fiebererregend halten, ge- nießen alſo Milchkaffee aus demjelben Grunde, aus dem die Städter Giſchr trinten**).

VL Merrais (freied Stammedgebiet).

Dieſes im Nordoften von Da taba, im Nordweſten der Ga ud ges legene unabhängige Stammedgebiet befteht aus einem Bergdiftrict, deilen Mitte der Gebel Merraid einnimmt. Der Hauptwadi ift der ſchon erwähnte W. Reſchan.

Es wird von 5 Stämmen bewohnt, jeder unter einem unabhängigen Schech:

1) Beni.Schafel.

2) Beni Mohammed. x

3) Ahl Reidan.

4) Ahl Ahmed. 5) Ahl Schagran.

*) Die Anna's verlieren ſich felbit bis nah Da’taba, da es im Innern an Heiner Münze fehlt. Im Lande wird Teihe geprägt.

**) Alle Europäer glauben, daß im Orient nur ſchwarzer Kaffee getrunken wird. Araber Dagegen verfiherten mir, daß die Sitte des Milchkaffee's in Yemen allgemein fei. Der Araber liebt nämlich nicht ftarten Kaffee. Diefen zu trinken, tft eigentlich eine türkifche Sitte Wo ed an guter Milch fehlt, wie in den meiften Städten, ift Waffer Das Verdünnungsmittel. Wer aber Milch hat, braucht Diefe. Wuch in Aden jah ih Araber Milchlaffee trinken.

Ahmedi. Haſcha. Ahl Abahela. 371

Im ganzen Gebiet iſt feine Stadt, nicht einmal eine größere Ort⸗ Ihaft,.fondern die Bewohner leben in zerftreut liegenden Fleinen Stein- häufern. Jeder Stamm hat ein befeltigted Schloß... Die wictigften Shlöffer find: H. Schagran und H. Reidan. Bei diefen werden Märkte abgehalten. Es joll einige hundert Juden im Lande geben. Alle Bewohner gehören zur Secte der Schafei. Die 5 Stämme find eng verbündet und oft im Kriege mit den Nachbarn. Ihre Gefammt- heit wird jchlechtweg „Merrais“ genannt.

>

VI Ahmedi oder Auwas (freied Sanımesgebiet).

Diefed unabhängige Stammeßgebiet dürfte nad) den Berichten der Eingeborenen etwa unter 449 33° öftl. Länge v. Gr. und 139 45' nördl.

Breite zu juchen fein. Es grenzt im Weiten an Chadra, im Norden

an Haſcha, im DOften an Fegra und dad Amir-Land. Es wird von einem Arm des W. Nura durchzogen, der von Gible bei Ibb kommt. Hauptort el Auwas, Stk der beiden Schechs der Ahmedi, welche fih in die Negierung theilen, Ahmed Salah el Auwaſi und Hadi ben Nast. | Der Name Ahmedi wird vulgo immer Hamedi geiprochen.

VII. Hafda (unter den Dhu Hofain).

Früher unabhängiges, jept von den Dhu Hofain erobertes Heines Gebiet mit dem gleichnamigen Stamm und der Ortſchaft Haſcha. Nach den Berichten der Araber glaubte ich feine ungefähre Lage 440 33° öftl. Lange v. Gr. und 130 49' nördlicher Breite anjegen zu können. Hafcha (tegt auf dem directen Wege von Dhala nach Ibb (Stinerar XXIX). Die Bewohner follen zur Secte der Zaidi gehören. Wenn dies der Fall ift, fo find fie mehr Verbündete, als Unterthanen der Eroberer, ebenſo wie die folgenden.

‚IB. Uhl Ubahela oder Mauya (unter den Dhu Hofain).

Die Ahl Abahela mit dem Hauptort Mauya (zwiſchen Haſcha und Ibb) haben gleichfalls in neuefter Zeit ihre Unabhängigkeit eingebüßt und ftehen unter den Dhu Hofain, zu deren Secte (Zatdi) fie übrigens gehören follen. Ihr Gebiet fcheint ungefähr unter 440 25° öftl Länge ». ®r. und 130 53' nördl, Breite zu liegen.

| 24%

372 Adareb. "Amar. Sayadi.

X. Adareb (freie Stammesgebiet).

Dieſes noch unabhängige Gebiet beiteht faft nur aus der Ortſchaft ‘Abareb, die gewöhnlich Beled el Dadi genannt wird, weil von einem Oadi (Richter), der ſouverän tft, regiert. Die Bewohner gehören zur Secte der Zaidi, ftehen aber nicht unter Dhu Mohammed oder Dhu ‚Hofain, welde ihre Sectengenofjen meift rejpectiren. Die ungefähre Lage des Beled el Dadi glaube ich unter 440 35’ öftl. Länge v. Gr. und 14° nördl. Breite anfepen zu können. Adareb liegt dicht beim folgenden.

XI Amar (freied Stammesgebiet).

Auch dies ift ein unabhängige Gebiet, mit dem Hauptort Amar, vom Stamme ber Haddi bewohnt, weähalb Amar auch ſchlechtweg »Beled el Haddi heißt. Es giebt jedod auch eine Unterabtheilung der Haddi, welche ausfchließlich die Bezeichnung Amar führt, und eine fleine Ortſchaft, Namens Socheb el ‘Amar, bewohnen fol. Die Be- wohner gehören alle zur Secte der Zaidt. Ungefähre Lage 440 37' öftl. Länge v. Gr. und 140 3" nördl. Breite. Oberhaupt: Schech Hafan el Haddi.

XI. Sayadi (Verbündete der Dhu Mohammed).

Diefer unabhängige Stumm ſcheint ein etwas ausgedehnteres Ge- biet, zwilchen etwa 440 41' und 440 43° öftl. Länge v. Gr., und 140 und 140 5' nördl. Breite zu bewohnen. Das Land wird vom W. Nura’ durchzogen, der von hier nad Hagi, dann zu den Ahmedi (Auwas) Fegra und Laheg geht.

Hauptort el Do’ la, Sig des Schechs, Methen Ahmed es Sayabi. Im Dften von Dola die Landichaft el Aud, zwiſchen Oataba und "Amar. Alle Bewohner gehören zur Secte der Zaidi, ftehen aber weder unter Dhu Mohammed, noch unter Dhu Hofain.

EI 'Aud liegt Y, Tag von Databa, 1 Tag von Dhala’, 2%, Tage von Rede‘.

J

ZI Scha“ if (unter den Dhu Mohammed).

Lage ungefähr zwilchen 440 45' und 440 47' öftl. Länge v. Gr. und 140 bis 140 13° nördl. Breite. Etwas ausgedehnteres Gebiet.

Scha if. Hobal. Yazidi. Talab. 373

Grenzt ſüdlich an Haqi, Gehaf, weſtlich an Sayadi, öſtlich an Yazidi, Da taba.

Der Stamm Scha ifi (Collectivform: Scha N it nicht unab- . . hängig, jondern fteht unter den Dhu Mohammed. Da er aber, wie diefe, zur Secte der Zaidi gehört, fo wird er nicht bedrüdt und mit Abgaben belaftet, wie die Haqi. Er hat ſogar einen eingebornen Schech (zuweilen auch Sultan genannt) "Abd Allah ben Mohfin eſch Scha ifi, welcher zugleich der Negib (Statthalter) der Dhu Mohammed ift und als ſolcher das Land der Hagi, dad er eroberte, mitverwaltet.

Hauptort Radai, Sitz des Negib, gewöhnlich nur beled Scha if genannt. Hier follen Juden wohnen. Ä

XIV. Hobal «unter den Dhu Mohammed).

Lage ungefähr "unter 449 36' öftl. Länge v. Gr. und 140 13° nördl. Breite Stamm: Chobban, Die Einwohner alle Zaidi, ben Dhu Mohammed unterworfen, aber in derjelben milden Weiſe, wie die Scha'if. Schech Hafan ben Yahya Obbad vom eingebornen Stamme der Chobban. Soll jehr nahe bei Yerim Liegen.

XV. Yazidi (Verbündete der Dhu Mohammed).

Lage ungefähr unter 44° 52° öftl. Länge v. Gr. und 149 12' nördl. Breite. Kleines unabhängiged Stammesgebiet. Keine größeren Drtichaften. Zerftreute kleine Steinhäufer. Die Bewohner find alle Zaidi, aber nicht den Dhu Mohammed unterworfen.

Sind ſehr oft im Kriege mit den Schafe i-Orten, Oa taba, Merrais, Gehaf, Dhala. Zwiſchen Zaidi und Schafet iſt ſtets Feindſchaft.

XVI. Talab (Verbündete der Dhu Mohammed).

Lage ungefähr 440 55' öfkt, Länge v. Gr. und 140 20° nördl. Breite. Unabhängiger Stamm, Zaidi.

XVIL Hobefchi (unter den Dhu Mohammed).

Lage ungefähr 450 öftl. Länge v. Gr. und 140 20° nörl. Breite. Stehen in gleichem abhängigen Verhältniß zu den Dhu Moham- med wie Schaif und Chobban (Hobal), gehören zur Secte der Zaidi.

Landihaft Hagai, fruchtbarer Boden, Hauptort Demed zwifchen

374 Die freie Stadt Reda.

Merraid und Reda. Die Hobeſchi haben Anfang 1871 Krieg mit Databa angefangen, wahrjcheinlich im Auftrag der Dhu Mohammer.

XVIO. Reda (freie Stadt).

Wir fommen nun in das Gebiet von Sfana (im weiteren Sinne), in denjenigen Theil des alten Imamatd, welcher noch im erften Drittel dieſes Sahrhunderts zu demjelben gehörte, nachdem die bis jeht be- Ihriebenen Landſchaften ſchon längit abgefallen waren. Zugleich betreten wir auch einen den Europäern etwas mehr befannten Boden, die Nähe von Dhamar, Yerim und anderen von Niebuhr, Seeten, der englifchen Miſſion, der franzöftfchen Gefandtichaft befuchten Städte. Wir beichränfen und deshalb darauf, die beiden von jenen Europäern nicht befuchten öftlichen Städte diefer Gegend, Reda und Gefe, zu erwähnen.

Bor Seetzen war man nicht darüber im Klaren, wo ungefähr Reda zu Suchen -fei, da Niebuhr diefen Namen mit Roda (ohne ‘), einer Stadt dicht bei Sſan a, verwechfelt hatte. Daffelbe ſcheint noch Gruttenden begegnet zu fein (Ritter, Erdkunde XII, 726). Seitdem finden wir ed aber mandhmal auf den Karten und zwar ziemlich richtig angefeßt, fo auf der Kiepert’ichen (Berlin, Reimer 1864), wo die Lage jedoch etwas zu füdlich, faft bi an den 14. Breitegrad gerüdt ift. Daß die Lage Reda's nicht diefe fein kann, gebt eineötheild aus unferm Stinerar XVI. bervor, anderntheild aud der mir einftimmig von den Arabern gemachten Angabe, dab Reda etwa gleichweit von Yerim und Dhamar entfernt jet, ungefähr 1", ſtarke Tagereifen von jedem diejer Orte. Demnach glaube ich Neda ungefähr unter 450 3" öftl. Länge v. Gr. und 149 28° nördl. Breite anjeben zu können. Sein Gebiet fiegt (ganz wie fon Seetzen erwähnt) im Nordweften v. Yafl'a und grenzt füdlih an Hobeiht und Talab, weftlih und nördlich an unab- hängige oder den Dhu Mohammed unterworfene Sprengftüde des einftigen Zaidi⸗Reiches, öftlih an Gefe.

Reda ift die erfte Stabt in Arabien, wo der von Süden Kommende einigermaßen ftädtifched Weſen, Bauten und die bürgerlichen Gewohn⸗ heiten der anfäffigen Araber findet. Die Stadt ift gut gebaut‘ (freilic an Ruinen reich), hat 6 Mofcheen, einen großen Palaft, Feſtungsſchloͤſſer, einen gemauerten Bafar, Bäder. Zum erftenmale findet der aus dem Süden Kommende, welcher nur dad oceaniſche Arabien Tennt, bier den ganzen orientalifchen Bade- Apparat, alte und heiße Wannenbäder,

Freie Städtegebiete im Norden. 375

Schwipftube, Abreiben mit Roßhaarhandſchuhen, Kneten der Glieder u. f. w. (von Aden bis Oman Alles unbefannt).

Die Einwohnerzahl wird auf etwa 3000 Seelen geichäpt.

Die Regierung ift in Händen eined einheimifchen Oberhauptes, das völlig unabhängig. Die Bewohner gehören zur Secte der Zaidi und find mit den Dhu Mohammed befreundet. Hier wohnen einige hundert Suden, Baummwollweber, Schmiede, Silberjhmiede. Paria's giebt es von beiden Claſſen, jedoch wenig Schumr.

‚Die Umgegend von Reda ift berühmt wegen ihrer vortrefflichen Weintrauben, ganz denen von Sjana ähnlich, welche namentlich als Roſinen verkauft und verfandt werden. in Jude, den ich in Aden fannte, zeigte mir von bdenjelben. Sie waren weiß, jehr ſüß, weich bäutig und hatten jo winzige Kernchen, daß man- jie beim Kauen nicht fühlte. Diefer Umftand bat zur Zabel von den „kernloſen Rofinen von Sſan a“ Anlaß gegeben. Xeider herrſcht in Reda fchon fett 1865 die Traubenkrankheit, jo daß die jährliche Leſe vielleicht auf ein Zehntheil ihres früheren Verhältniſſes herabgekommen iſt. Es werden nur noch ſelten Roſinen ausgeführt.

Die ganze Gegend um Reda, Gefe iſt vom Stamme der Hamaida (Zaidi) bewohnt, die zur großen Familie der Ans gehören ſollen.

XIX. Gefe ober Dſchaife (freie Stadt).

Lage ungefähr 45° 13" öſtl. Länge und 14° 35° nördl. Breite. Kleine unabhängige Stadt zwiſchen Reda und der Rezaz- Grenze im - Norden von Yafia, fteht unter einem eigenen Oberhaupt, hat durchaus ſtädtiſchen Charakter, lebhaften Handel, etwa 1000 Einwohner, wenig Juden. Die Bewohner find Zaidt und im Frieden mit den Dhu Moham- med, in Feindichaft jedoch mit den Yafit und Nezaz, die fie aber in Ruhe laffen müfjen, aus Furcht vor den Dhu Mohanmer.

X. Sqhlußbemerkung.

Hiemit find wir auf dieſer Seite (Richtung von Aden nach Sſan a) am nördlichen Ende unſeres Forſchungsgebiets angelangt und kehren nun zum Ausgangspunkt unſerer Itinerare, Aden, zurück, um von dort aus die im Weſten und Nordweſten gelegenen Gebiete befchreibungs- weile zu durchgehen, auch hier wieder mit dem Küftenlande beginnend und dann nach Norden bi8 Taiz und Ibb fortfchreitend.

Siebenzehntes Capitel.

Sobehi⸗Land.

1. Name. - IL Geographiſche Lage. DIL. Grenzen. IV. Bodenerhebung.

V. Wadis. VI Klima und Bodenerzeugniffe. VII. Stämme. VOL Ort:

ichaften. LX. Politiſches. X. Geſchichtliches. XL Religion. XI, Kleidung.

L Rome

Sobehi (ſchriftgemäß Sſobaihi, Ausſprache: Sfobeeht) ift der uralte Name eined Stammed, welcher fich früher noch viel weiter nad Diten ausdehnte, der von Hamdani erwähnten Afjabeh oder Affbahin, von denen die heutigen Sobehi nur die weitlihe Sraction bilden. Sie find eine Abtheilung der Himyaren *).

IL Geographiſche Lage

Zwiſchen 430 39° und 440 43° öftl. Länge v. Gr. und zwifchen der Südküſte von Yemen (im Mittel circa 12° 40° nördl. Breite) bis zu 13° 7 im Nordoft und 12° 55 im Nordweil. Im Durchſchnitt ein etwa 20 Seemeilen breiter Küftengürtel.

*) Nah Yaqut ftammen fie von Afibah b. Amru, b. el Harith, b. Aſſbah, b. Malik, b. Zatd (Diefer war Bruder des dritten Himyar) b. el Ghaut, b. . Sa’d, b. Unf., b. Adi, b. Malik, b. Zaid, b. Sadad, b. Himyar (der zweite Hi- ınyar), b. Saba el Affghar, b. Lohi'a, b. Himyar (der erite Himyar). Sie waren ſomit Hinyaren der erften und zweiten, nicht der dritten Kategorie.

Tiefland und Berge weftlich von den. 377 II Grenzen.

Im Süden der Golf von Aden. Im Weften das Hafmigebiet (dicht bei Bab el Mandeb). Im Norden dad Land der Mogatera. Im Often.Laheg und der Heine Aqareb⸗Staat.

IV. Bobdenerhbebung.

Saft durchweg Tiefland, an einzelnen Stellen der Küfte unter: brochen durch vulkaniſche Felsmaſſen, die aber ifolirt und nicht mit den Gebirgen ded Innern durch Hügelfetten verbunden find. Die größte diefer Felsmaſſen ift der Gebel Charraz zwiſchen Ras "Ara und Rad Dan, ein troftlofed ödes Gebirge mit geraden, oft wie Burgen aus- ſehenden Yeldwänden, nur auf den Gipfeln gezadt, etwa 2000 Zuß hoch. Vom fattelförmigen Gebel Dau faft bis Aden (den ©. Haſan, der wie eine Inſel ift, ausgenommen) zieht fi Flachland dem Meere entlang und diejes herrſcht auch im Innern, felbft hinter dem &. Char⸗ rag dor. Erſt im Norden beginnt fi das Terrain zu Hügeln zu erheben, die mit ben feftländischen Bergen zufammenhängen.

Gebel Eharraz (bei Ritter nad) Haines ausführlich, bejchrieben, Erdk. XII. 673). Ich war auf, einer Küftenfahrt (Sanuar 1871) wäh- rend 3 Tagen in Sicht dieſes Gebirged durch Windftillen feftgebannt, fam ihm oft ſehr nahe und Tonnte genau feine Formen unterscheiden. Es ift eine impofante Maſſe, eher grau, als ſchwarz, gezadt, aber mit fehr geraden Kinien. in Theil fieht aus, wie ein koloſſales Schloß. Haines ſpricht von einer wirklichen Ruinengruppe. Cine foldhe jah ich nicht, wohl aber einen Felſen, der täufchend diefe Form annahm. Das Geftein jcheint mir trachytiſch, nicht wie die meilten anderen Berge dieſer Küfte bajaltijch.

Gebel Da'u, ein fattelförmiger Berg, ben ich gleichfalls von Augenſchein kennen lernte. Er ſcheint durchweg baſaltiſch, iſt aber faſt bis zu ſeinem Gipfel mit hinaufgewehtem Sand bedeckt, ſo daß er jetzt nicht ſchwarz zu nennen iſt, wie Haines ihn beſchreibt. Nur die Spitze iſt ſchwarz. Zwiſchen Dau und Charraz befindet ſich, mitten aus der Küftenebene aufragend, ein kleiner Bergfegel, den die Araber G. Me- chanit nennen follen, ein nicht jehr anftändiger Name. -

.Gebel Amran, eigentlih nur ein DVorgebirge, in der Nähe vom Gebel Hafan, vulkaniſche, wildgezackte Felömaffe.

Ueber die Berge im Innern habe ich Teine genaueren Berichte,

378 | Sobehi⸗Land.

V. Wadis.

Kein einziger Wadi, der zur Bewäſſerung Dienſt leiſtet. Meiſt kleine Gießbäche, die faſt nie Waſſer haben und deren Bett man nur mit Mühe entdeckt:

W. Mo aden, kommt vom Gebiet der Hakum im Hogriyaland, durchfließt eine Ebene, Chabt geheißen und mündet in den Golf von Aden. Hat nur Waſſer nach den ſtarken tropiſchen Niederſchlägen im Innern.

W. 'Aleſſan, im Gebiet der Monacera, kleiner Regenbach, geht dem W. Tobban zu.

W. el QOobla, kommt vom Gebiet der Oobati im Hogriyaland, fließt durch das Gebiet der Haggat.

W. Adim*), kommt vom ande der Bent Hammad, durdfließt das Gebiet gegen Weſten. Soll im Hafmiland in's rothe Meer münden ?

vL. Klima und Bodenerzeugniffe.

Faft durchweg trodenes, vegenlofed Küftenland. Am Meere eine Sandmwüfte, etwa8 mehr im Innern Steppe. inzelne vafenartige Stellen, die wahrſcheinlich Brunnen ihre Fruchtbarkeit verdanfen. Im Innern, im nördlichen Hügelland fällt ſchon etwas tropifcher Regen und bier gedeiht Kaffee. Producte ded Tieflandes Durra, Dochn, Mais, Weizen, Sejam und Datteln in Dafen. Ueberall Dompalmen und die befannten Steppengewächſe (Mimofen, Nebef, Oſchr, Araf u. |. w.).

Sn den Steppen tft viel Kameelzucht. Diefe Thiere find bier von vorzüglicher Nace und Schönheit. In ganz Südarabien rühmt man die biefigen Kameele. )

vI Stimme

Die Sobehi**) zerfallen in eine Menge ganz Heiner Stammes- bruchtbeile, arabiſch Fachida (Familie) genannt, die durchaus Teine nambafteren Einheiten bilden und unter fich feinen oder nur jehr loſen

*) Bei Hamdani an diefer Stelle auch erwähnt. =") Seegen fchreibt Szobbaeh, Niebuhr Bent Zubey, Haines Zubeihi. Pe hörte immer Sfobeehi mit Sfad, langem e (für ai) und ftarfem h.

Sobehi - Stämme. 379

politifchen Zufammenhang haben. Die gewöhnliche Gruppeneintheilung der Araberftämme des tiefen Südens ift: 1) die Dabila, die Stammes- mafje, gewiffermaßen der Staat; 2) die Aſchira, der große Stamm, Unterabtheilung der Dabila; 3) die Fachida, der Unterftamm. Hier fallt nun fo gu jagen die zweite Abtheilung weg und die Dabila tft gleich direct in Fachida 8 eingetheil. Die Namen folgender Fachidas fonnte ich erfahren:

1. Manffuri, in der Collectivform Menacera, wohnen nahe bei Laheg an der Oſtgrenze.

2. Machdumi, in der Collectivform Mechadim, wohnen zwiſchen Laheg und Rega.

3. "Anteriye, wohnen zwiſchen Laheg und Ferſcha, werden von Einigen zu den Menacera gerechnet.

4. Debeine, wohnen bei Ferſcha.

5. Rega’i, wohnen um Rega.

6. 'Atfi, in der Gollectivform Auwatif, wohnen nahe am Gebel Dau an der Küſte.

Diefe ſechs Stämme haben ſich in eine Art von Vafallenverhält- niß zum Sultan von Laheg geftellt, wie oben (bei Xaheg) erwähnt wurde. Die völlig freien Stämme find:

7. Somati, wohnen 2 Tage weſtlich von Aden.

8. Ma’mai, wohnen nahe bei den Somati zwifhen Mabeq und Gharriye.

9. Geleidi, 2 Stunden nördlid von den Somati. .

10. ®erabi, einen halben Zag nördlid) von den Somatt.

11. Arai, nahe am Meere beim Ras "Ara.

12. Haqqat, wohnen 4 Stunden weſtlich von Ferſcha.

13. Meshagi, wohnen 3 Stunden nordweitlid von Ferſcha.

14. Zafeih, wohnen 1 Stunde nördlich der Selim.

15. Selim, wohnen 2 Stunden weitlid der Haggat.

16. "Amuri, wohnen in und bei Hegaz, nördlid von Atfi, nicht weit vom Meere. Bu

17. Zoreigi, wohnen nördlih von Zuran, nit weit vom Meere. . " 18. Hameida, wohnen in Mabeq mit Mogatera vermifcht. Die Mogatera follen urfprünglich eine Abtheilung ber Hameiba gewejen

380 Sobehi-Stämme und Ortichaften.

fein. Sept aber bilden fie eine große Stammeßeinheit und werden nicht mehr zu den Sobehi gezählt. Die Hameida ftehen unter dem Schech Hafan Salah Abetul in Ma’beq.

19. Bereimi, wohnen zwiſchen Fegerra und dem Meere.

Aehnlich wie die Mogatera, fo rechnen aud Viele die Hafmi und Meſchalcha, die von Bab el Mandeb bis nad) Mocha zu wohnen, zu den Sobehi. Wahrjcheinlich find fie mit diefen ftammverwandt, aber fie bilden jest anjehnliche Stammeßeinheiten, ganz für fich gegliederte Gruppen, To daß fie von den Arabern, die unter Sobehi immer nur die vielen, von und oben angeführten einen zerjplitterten Stämme begreifen, nicht mehr mit diefem Namen bezeichnet werden. Nur Europäer rechnen fie heut' zu Tage nod) zu den Sobehi, aber felbft die politische Agentur bon Aden hat bereitö diefe Benennung aufgegeben *).

II DOrtfhaften.

Eine eigentlihe Stadt giebt e8 im ganzen Sobehigebiet nicht, fon- dern nur ganz Feine Drtichaften aus Schilf-, Stroh: oder Reiferhütten gebildet, bier und da mit einem Hofin (Schloß) oder ein Paar ge— mauerten Käufern. Jeder Stamm hat eine aud Stein gebaute Mo- ichee und einen Wochenmarkt. Die mir befannt gewordenen Ortichaften find: | Mohanneg, 5 Stunden von Bir Ahmed weſtlich, ebenfoviel nördlich von Meghar. Brunnen mit einigen Hütten. (Diefer Ort bei Hamdani genau erwähnt.)

Rega“, zwiihen Mohanneq und Hegaz, fteht unter Salem Abd Allah, Schech der Regai. Diefer Drt wird oft auch Emerga genannt, ich hörte fogar Emera und Emeran außfprechen. Die Umgegend führt den Namen Beled es Stala, nad) einem früher bier lebenden Stamm Siala, der verfchwunden oder vielleicht in den Regaſi aufgegangen ift. .

Hegaz, Heiner Ort der Amuri, 2 Stunden von Gharriye, 3 Stunden von Fegerra, 8 Stunden von Mohanneq weitlih. (Ham: dani giebt das Stinerar: von Aden nad Mohanneg und von Mohanneg

*) Die Aufzählung der Sobehiftämme ift hiermit noch keineswegs erichöpft. ber meine Informanten waren alle aud der dftlichen Gegend des Landes und wußten mir nur ein Paar von den im Weiten, nahe bei den Hakmi wohnenden Stämmen zu nennen.

Ortichaften im Sobehi- Land. 381

nach Hegaz, was vollfommen zutrifft, die Tagereiſe auf 8 Stunden berechnet.)

Tegerra, zwiſchen Mohanneq und Gharriye, 5 Stunden von Mohanneq weitlih, im Norden der Bereimt.

Meghar, auch Goher genannt, 4 Stunden ſüdlich von Fegerra, am Meere, kleines Fifcherdorf der Bereimi.

She be, FL. Ort der Debeine im Norden bei Ferſcha.

“Atfi, Heiner Ort unweit des ‚Meere, einige Stunden weſtlich von Meghar. Hauptort der "Auwatif, mächtiger Stamm unter Laheg. Gharriye, 2 Stunden von Hegaz, weitlic von Fegersa. Be⸗ deutendfte Ortſchaft der Gegend, gewöhnlich beled el Dadi genannt, weil bier da8 Grabmal eines längſt verjtorbenen Dadi, der nun ald Heiliger verehrt wird und deſſen Grab ein berühmter MWallfahrtsort geworden iſt. Zu der Siara (Wallfahrt) ſollen an 10,000 Bebuinen pilgern, alle gleichzeitig. Der Schech ber Hafmi von Schech Sa id bei Bab el Mandeb ſoll alle Jahre mit 1000 Beduinen hierher kommen. Großer Markt, Luftbarkeitenzc. Gharriye wird von einem Nachkommen des heiligen Dadi, dem Schech ‘Abd el Kerim Ahl el Dadi, regiert, der ſehr viele Geſchenke von den Pilgern empfängt und für dieſes Land reich ift.

Zuran, Heiner Ort mit einigen gematerten Häufern und einem Hoffn (Schloß) in ſehr fruchtbarer Gegend, nahe beim Gebel Charraz gelegen. Die Bewohner find Meſchaich und werden von der vornehm⸗ ften Familie regiert. Da diefe zur Zeit ohne erwachſene Männer ift, fo führt eine junge Frau, eine Scherifa, Tochter bed letzten Schech's, die Verwaltung. Die Scherifa fol fi) einige Soldaten, meift Neger, halten und diefe treffliche Ordnung wahren. Ihr Mann foll feinen Einfluß haben. Guted Kornland, einige Palmen. (Hamdani erwähnt Zuran genau.)

. Sbharan, Hüttendorf im Gebiet der Selim unweit der Nord: grenze.

Kedeira, Dorf im Gebiet der Zoreigi, zwiſchen Turan und Ara, oft auch ſchlechtweg blad ez Zoreigi genannt. 3 Familien von Meſchaich wohnen bier.

Ara, am Rad Ara, zwei Stunden vom Meere. Fruchtbare Gegend.

382 , Sobehi.

Neqeſcha, Dorf der Zoreigi nahe bei Zuran.

Hofin Ahmed Daghem, feited Schloß im Gebiet der Gerabt.

Die hauptfählihen Märkte find: Suq el Chamis (Donnerd- tagdmarft) in Ber] da, Feine Ortſchaft und Karamanenftation "auf dem Wege von Aden nad) Ta izz.

Suq el Gom’a (Freitagsmarft) bei den Somati.

Suq ed Sebt (Samödtagämarft) bei den Gerabi.

Wallfahrtsort, außer Gharriye, noch dad Grab des Heiligen „es

Senauwi“ bei den Gerabi. .

IX. Politiſches.

Die Sobehi haben feinen Sultan. Außer den 6 unter Laheg ftehenden Stämmen find alle unabhängig, fowohl von einander, als von irgend einem Oberhaupt. Jeder Stamm hat feinen Sched, der jedody werig Macht befigt. Die Vaſallenſtämme von Laheg find: übri- gend dieſem keineswegs wirklich unterthänig, Der Sultan übt mehr - ein Schiedöricdhteramt, kann aber. weder Juſtiz noch Polizei energiſch handhaben. So find 3. B. die Monacera, der Laheg zunächſt woh- nende und alfo feinem Einfluß zugänglichfte Stamm, berüchtigte Räuber und der Sultan wäre durd feinen Vertrag mit England genöthiat, ihnen das Handwerk zu legen, vermag ed aber nit. Mit England _ ftehen die Sobehi auf. freundlihem Fuß. Alle ihre Schechs, die nad Aden kommen, erhalten Geſchenke, aber fein Sahrgeld, da deren zu viele und fie alle machtlos find. Sie erweilen fich bei Gelegenheit auch dankbar. Ende 1870 defertirte ein engliiher Matroſe in’8 Innere und fam fait bis Bab el Mandeb, aber die Sobehi führten ihn aus freien Stüden zurüd nach Aden, ohne ihn jedoch fchlecht zu behandeln. Die Sobehi führen die Kaffeefarawanen von Yemen durch ihr Land nad Aden und nehmen '/, M. Th. Thaler (5%, Sgr.) Steuern für die Kameellaft, jeder Stamm in feinem Gebiet, weshalb man den Transport zur See vorzieht.

X. Geſchichtliches.

Die Sobehi jollen nad) ihrer Tradition mit den Hogriya und den Morageiha der Fodli ſtammverwandt fein. rftered macht der Um-

Sobehi. 383

ftand wahrſcheinlich, daß noch jept einer ber größten Hogriyaftämme Aſſabeh heißt.

XI Religion. Alle Sobehi gehören zur Secte der Schafe. Beſchneidung am fiebenten Lebenätage, nur bei Knaben, nicht bei Mädchen. XI. Kleidung. J

Indigogefärbte Lendentücher und Kopfbund für die Männer. Die Frauen tragen alle Hoſen und ein Umhängetuch.

Achtzehntes Sapitel. Hakmi und Meſchalcha.

Lage dieſer beiden Küſtengebiete. Hafen von Schech Said. Verkauf an eine franzöſiſche Compagnie. Schlechte Beſchaffenheit des Hafens. Faulheit des Rechtstitels. Anſprüche der Pforte. Vexation des Handels.

Zwei Stammesgebiete, die einen Küſtengürtel von Bab el Man⸗ deb bid in die Gegend von Moda bilden. Sm Gebiet der Hakmi am fleinen Canal von Bab el Mandeb und gegenüber der Inſel Perim liegt die vielbefprodhene Dertlichkeit von Schech Said, mit ihren ge- priejenen Naturhäfen.

Der Schech der Hakmi, Ali Tabat, genannt Dreen (dad Füchächen), ging im Jahre 1869 auf einen Vorſchlag der Compagnie Bazin von Marfeille ein, ihr die Loralität von Scheh Said zu verkaufen, von deren Hafen man Wunderdinge fafelte und fogar behauptete, e8 befände ſich hier eine leicht in einem Binnenhafen verwandelbare Lagune In der That iſt Schech Said ein fogenannter Monfunhafen, in welchem ih die Schiffe, im Schuß einer vorfpringenden Landzunge, je nad) dem Winde bald nördlich, bald ſüdlich von derjelben, faft immer ficher befinden. Zritt aber die „Verfehrung ded Monfund“ (les revers de Mousson) ein, d. 5. ſchlägt der Wind in der Saiſon der Nord- winde plöhlih in Süd über (bier an der Meerenge find die Monſuns faft direct Nord» und Südwinde), jo bietet der Ankerplatz die größte Gefahr, wie der ftürmifche Umſchlag im Februar 1871 bewies, welcher alle Schiffe im fogenannten Hafen fheitern machte.

Die franzöfiiche Niederlaffung in Scheh Sa id. 385

Das Kaufgefhäft kam zwiſchen der Gompagnie (hinter welcher na- türlich die franzöfifche Regterung ftedte) und Alt Tabat, wie man fagt, für die Summe von 80,000 M. Th. Thalern zu Stande, von welcher jedoch kaum ein Zehntel gezahlt wurde. Ali Tabat behauptet fogar, nur 3000 Thaler erhalten zu haben. Bald wurde nämlich der Rechts⸗ titel Ali Tabat's in Zweifel geftellt und zwar durch die Pforte, welde, wie man jagt, auf Antrieb Englands, die Souveränität über die ganze rothe Meeresküfte von Yemen, die fie ehemals bejeffen, wieder in An- ſpruch nahm und fogar eine Meine Garniſon nad) Schech Satb ſchickte, die fich unweit der franzöfiichen Niederlaffung bei einem Brunnen feit- jegte und noch heute dort if. Die franzöftfche Niederlaffung beiteht bis jegt nur aus einigen Steinhäufern und einer Anzahl Holzbaraden. Als Magazine dienten 3 große Schiffe (barks) im ‚Hafen, die ich An- fang 1871 dort fah, diefelben, die bald darauf fcheitern ſollten. Schech Said jelbft fol fein gutes Waſſer haben, dagegen befindet ſich eine Stunde im. Innern eine trefflihe Duelle, deren Ausbeutung jedoch

feit der Verfeindung mit Ali Tabat auf große Schwierigkeiten ftößt.

Nah der Einftellung der Weiterzahlung der ftipulitten Summe ift nämlich Alt Tabat der erklärte Feind der Ntederlaffung geworden, der er oft die Lebensmittel abjichneiden fol. Diefer Niederlaffung jcheint, wenigstens in nächfter Zukunft, fein bedeutender Aufſchwung bevorzu- ſtehen, befonderd da der mächtige Zuwachs des Handels, den die Deff- nung des Suezcanald zur Folge haben follte, ſich bis jegt nicht ein- ſtellte, und allem Anjchein nach in den nächtten Sahren auch nicht ſtatt⸗ finden wird.

Uebrigens werden die beiden Küſtenſtämme, Hakmi und Meſchalcha, jetzt, d. h. ſeit jener Auf friſchung der türkiſchen Souveränitäts-Anſprüche, als der hohen Pforte unterthan angeſehen. Einſtweilen übt letztere jedoch dieſe Souveränität nicht factiſch aus. Ihre thatſächliche Macht⸗ ergreifung beſchränkt ſich bis jetzt noch auf das Unterhalten einer Meinen Garniſon bei Scheh Said.

H. v. Maltzan, Reiſe nad Südarabien. 25

Neungehntes Capitel. Mogteri-Land.

I. Name. H. Ausdehnung des Landes. DI. Beichaffenbeit des Landes. IV. Wadis. V. Stämme. VL Ortfchaften und Schlöffer. VIE Poti: tiſches. VIII. Sitten und Gebräuche.

I. Name.

Mogteri; häufiger hört man den Colletiv Mogatera. Der Name tft jedenfalld nicht dynaſtiſch. Ob er aber ſehr alt ift, möchte ich bezweifeln. Ich fand ihn bei feinem alten Autor erwähnt.

II. Ausdehnung des Landes.

Das Gebiet der Mogatera zieht ſich zwiſchen etwa 43° 52” und 449 23° öftl. Zange v. Gr. und zwiſchen 120 55° und 13° 7” nördl. Breite bin. Letzteres iſt das Marimum der Breitenaußdehnung, welche an manden Stellen faum die Hälfte deſſelben erreicht. Es grenzt im Süden und Often an die Sjobehi, im Norden und Weften an die Hogriya, in der weitlichen Ede auch an Hafmi,und Mechalcha.

III. Befchaffenheit des Landes.

Das Land beſteht theils aus Gebirgen von etwa 2000 bis 3000 Fuß Höhe, theils aus ziemlich ausgedehnten Senkungen zwiſchen dieſen Bergen, in welchen Niederungen die Kaffeecultur mit einigem Erfolg, obgleich lange nicht dem in Nord-Yemen oder Yafia erzielten vergleichbar,

Mogteri - Land. 887

betrieben wird. in Theil des Südens ſcheint eine feppenartige Hoch⸗ ebene, auf welcher meilt nur wilded Buſchwerk, an einzelnen Stellen choch auch Durra, Dochn, Korn wachſen.

IV. Wadis.

Die meiften derſelben haben haben keinen Ausfluß, ſondern ſind Gebirgsbäche, die nur nach dem Regen Waſſer führen, und dieſes wird durch die Bewäſſerung aufgebraucht.

. DB. Mirſſad, bei der gleichnamigen Ortſchaft, weſtlich von Ferſcha, nörblih von Mabeqg, eine Fortfepung des W. Mefalis (Hogriya).

W. Aten, bei Dogga im Norden an der Schergebi ( Hogriya) Grenze. Nach ihm heißt eine Landſchaft Tarf el Atena.

W. L'eſchruch, bei Keddera im Norden, nahe bei Dogga.

v Stimme

Die Mogatera, urfprünglich aus den Hameida der Sſobehi hervor⸗ gegangen, bilden jept eine bejondere Stammeögruppe, zu ber folgende Unterabtbeilungen gehören.

1. Kaheli, in der Collectivform Akahela, der mächtigſte Stamm, wohnt bei Hoſſn Kahela und in Doqqa, im Nordweſten an der Grenze der Schergebi.

2. Za’za’t, in der Collectivform Aza” iz wohnen in Moharrega, 2 Stunden ſüdlich von Hoffn Kahela. (Hamdani fennt diefen Stamm, der zu feiner Zeit nahe bei Aden, etwa in der Gegend von Mehaidan, gewohnt zu haben fcheint.

3. Medegera. Mogabera. Sud. Megeiſcha. Be aima. Haneiſfſcha, wohnen nõwlich von Ma beq. . Anabi, in der Collectivform Ambu. Die Medabi, weldhe in Kebdera wohnen, werden manchmal noch

zu den Mogatera gerechnet, gehören aber zu den Hogriya. 25*

I) Sonn mp

388 Mogteri- Land.

VL Ortſchaften und Schlöſſer.

Ma' beq, an der Südgrenze, Mittelpunkt aller Karawanenftraßen, theild von Mogatera, theild von Hameida (Sfobehi) bewohnt.

Mirffad, Heiner Ort zwifchen Ferſcha und Mabeqg an der Kara- wanenftraße nach Aden.

Doggqa, Hauptort der Aahela, 3 Stunden von Dobhan, 2 Stun- den von Mobarrega.

Moharrega, Hauptort des Stammes Zazat zwiſchen Ma beq und Dogga.

Andere Heine Ortſchaften, deren genauere Lage ih nicht erfahren tonnte, find: Kebba, Medware, Zageiha, Adi.

Dalet Mogtert, Hauptſchloß und weſtung der Moqatera, liegt bei Doqqa.

90] In Kahela, Hauptſchloß der Alahela, 2 Stunden von Za za i, 4 Stunden von Bent Hammad, 2 Stunden von Dobhan. Sol ein alted himyariſches Schloß fein, aus ſchwarzen Steinen (Ba⸗ jalt?) errichtet, weßhalb.e8 vulgo auch Hagar ſud (der ſchwarze Feld) genannt wird. (Hamdani kennt Kahela, das er Kehala fchreibt und als dritte Station von Aden nach Welten angiebt. Er nennt zwilchen Hegaz und Kahela feine Station und in der That beträgt die directe Entfernung nur 9 bis 10 Stunden, was ganz einer von feinen Zage- reifen entipriht. Merkwürdig ift, daß er auch der Schwarzen Steinfarbe gedenkt. Die Stelle ift im Manufeript von Aden nicht durchweg lefers lich (es fcheint auch von einem Brunnen die Nede), aber die Worte

„ein jchwarzed Geftein von dem Fuß bis zum Gipfel” find wenigſtens

deutlich zu unterjcheiden. Die Gegend um Kahela wird tarf el Atena genannt.

vo Politiſches.

Die Mogatera bilden keine zu einem Staat gegliederte politiſche Einheit; jeder Stamm fteht unter feinem Schedh, der von den anderen Dberhäuptern unabhängig tft, übrigens wenig Macht bat, da die Mo» gatera alle Dobayel find, keinerlei Suftiz als die ihrer Traditionen und ber Blutrache anerkennend. Nur im Kriege ftehen die Mogatera einig zujammen, namentlich in ihren Kämpfen gegen die von Norden vor

Mogteri-Land. 389

Schreitenden Dhu Mohammed, weldye bereits faft alle die nördlich an dies Land grenzenden Hogriyaftämme unterjocht ‚haben und faft alljährlich den Verſuch erneuern, aud) die Mogatera zu unterwerfen. In diefer Einheit im Kriegsfall unterfcheiden fie ſich vortheilhaft von der Zerfplitte- rung der Sſobehi und der Hogriya.

Religion. Alle Mogatera gehören zur Secte der Schafei.

VII. Sitten und Gebräude.

Die Sitte des Giſchrtrinkens ift gleichfall8 bier verbreitet, beſteht aber gleichzeitig mit der des Kaffeegenufled. Der Kaffee wird immer mit Milch getrunken. Zuweilen miſcht man auch Kaffee und Gifchr zufammen und mengt diefed Gemiſch dann noch mit Milch. inige Mogatera verficherten mir, dies gebe eine köſtliche Mifchung und ſei bet weiten jedem der beiden einzelnen Getränfe vorzuziehen.

Zwanzigfted Capitel. Hogriyie,

I. Name. DI. Geographifche Lage. IIL Grenzen. IV. Eintbeilung. V. Befchaffenbeit des Landee. VI Wadis. VOL Mineralquelle. VIEL Ge⸗

birge. IX. Stämme. X. Städte und Ortichaften. XI Märkte. XII. Schlöſſer. XL Religion. XIV. Politiſches. XV. Sitten und Gebräuche. ' IL Rome.

Auch Tein dynaftifcher, fondern ein Stammesname von Hagr abge: leitet. Urſprung unbekannt.

-

I. Geographiſche Lage.

Zwiſchen 43° 40° und 440 42° öftl. Länge v. Gr.- und zwiſchen 13° 5 und 130 15 nördl. Breite, an einzelnen Stellen bis 13° 30° nörol. Breite hinaudreichend.

IL Grenzen

Im Süden Sjobehi und Mogatera, im Weften und Norden die vielen kleinen Gebiete und Städte, die man unter dem Geſammtnamen der Taizziya begreift, gegen Mocha, Taizz und Datda zu gelegen, im Dften Hauwaſchib, Amir und andere Kleinere unabhängige Gebiete.

IV. Eintheilung.

Obgleich dad Gebiet eined einzigen Stammes, fo ift doch das Land politiſch jet in eine Menge Kleiner Bruchtheile zerfplittert, von

Hogriya- vand. 391

denen einige ihre Unabhängigkeit bewahrt haben, während andere unter . die Herrichaft der Dhu Mohammed gerathen find. Im Allgemeinen fann man die nördlichen und öftlichen Stammesgebiete jebt eine Pro- vinz der Dhu Mohammed nennen. Da lebtere aber jeded Gebiet ge- trennt adminiftriren und ihm jomit den Schein einer gewiffen Auto: nomie wahren, jo jcheint es mir auch vorzuziehen, jeden Diftrict in der Stellung anzuführen, welche er früher ald unabhängiges Hogriya⸗ land einnahm. Natürlich wird immer hinzugeſetzt werden, ob und in welcher Weife er den Dhu Mohammed unterworfen tft. Topographiſch und gnealogiſch find dieſe Vafallenftämme mit den frei gebliebenen jo eng verbunden, daß wir auch leßteren nicht einen getrennten Ab- jchnitt anmeifen Fönnen, jondern fie in der Reihe der anderen aufführen mit Hinzuſetzung jedesmal der Eigenschaft ihrer Unabhängigfeit.

V. Befhaffenheit des Landes.

-

Durchweg Bergland, mitunter (beim G. Sfabr, deifen füdlicher Theil hierher gehört) Hochgebirge. Reich an Producten. Faſt in allen Thälern Kaffee, weniger jedoch als in Mittel-Yemen und Yafia. Im höheren Gebirge viel Kaat, der von bier mafjenhaft in andere Ge- genden Arabiend ausgeführt und theuer bezahlt wird. Sonſt noch Gerealien: Durra, bier Reſi (in Aden Tamm) genannt, rother Dochn, bier Rharib oder Gharib genannt. Wenig Datteln. Dompalmen. Fällt ganz in die Zone der tropiſchen Sommerregen.

vL Wadis. ,

Biele haben feinen Ausflug, ihr Waffer wird entweder durch die Bewällerung aufgebraucht oder e8 verliert ſich im Sande.

Wadi Mefalis, Seitenarm ded bei den Mogatera erwähnten W. Mirffad, kommt von Abus, wo er den-W. Daan aufnimmt.

Wadi Hagum (mit dihim und ſchwachem h) kommt von Hagum und fließt in den W. Hakum (mit kef und ftarfem h); legterer auch W. Chuale genannt, fließt gleichfalld in den W. Mefalis. Im W. Halum viel Kaffee.

W. el Dobba, im Gebiet der Dobati, fließt in den W. Haggat im Gebiet der Sfobehi.

392 Hogriya = Land.

RW. el Metthur, fließt vom Gebiet der Beni Hammad gegen das Meer bei Moda zu. Biel Kaffee.

MW. Heruma, bei ber gleichnamigen Stadt, verliert fih im Sand.

W. el Menara bei eff Celu nahe bei Heruma, gleichfalls ahne Ausfluß. |

W. Mo ga kommt vom ©. Sſabr, fließt öſtlich durch's Gebiet der Beni Yuſif und dann in den

Wadi Warezan, größter Wadi dieſer Gegend, durchfließt den ganzen Oſten, vereinigt ſich noͤrdlich von Zaida mit dem W. Nura, mit dem zuſammen er den W. Tobban oder Fluß von Laheg bildet. (Bei Hamdani iſt der Verlauf dieſes W. genau angegeben. Er nennt auch eine Ortſchaft Warezan.)

W. Adim, kommt von den Schergebi und B. Hammad, fließt gegen Bab el Mandeb zu.

VO. Mineralguelle

Sm Gebiete der Bent Hammad, 3 Stunden vom G. Sfabr, be- findet fi ein warmes Mineral: (wahrſcheinlich Schwefel-) Bas viel von Arabern bejucht, Birket Hammam genannt. Einige Meſchaich, die in der Nähe wohnen, hüten dad Bad und erhalten Almofen von den Gäften. Zwei Tage der Woche find für die Frauen reſervirt. Die Männer follen fi nie zufammen baden, fondern nur einem auf ein- mal es geftattet fein, dad Bad zu benupen. Juden werden nicht zu= gelaſſen.

voOL Gebirge.

Der ©. Sfabr*), von Paffama und Botta befucht, gehört ſchon in's Bereich des Befannteren. Die gewöhnlichen Berge führen immer den Namen nach dem nahe wohnenden Stamme: Gebel Mefalis, G. eff Geln, ©. el Efu u. ſ. w.

IX. Stämme, deren Wohnort und politifche Stellung.

1. Schergebi, in der Collectivform Schergab, mit der Haupt- ftadt Dobhan, wohnen etwa unter dem 440 öftl Länge v. Gr., an

*), Man febe die eingehende Beichreibung Ritter XI, ©. 783 u, ff.

Hogriya - Stämme. 393

der Grenze der Mogatern, 6 Stunden füdlich von G. Sſabr. Einft ein mächtiger Stamm, welcher feinen eigenen Sultan beſaß, der zur Zeit der Einnahme von Aden durch die Engländer mit Diefen einen Vertrag (einen der erften englifchen in Arabien) ſchloß, jet den Dhu Mohammed unterworfen, denen die Schergab Tribut zahlten, Doch nunmehr nicht mehr in Geld entrichten, fondern ftatt deſſen Sriegäbeiftand zur Unferjohung der noch unabhängigen Hogriya-Stämme leiſten müſſen. Sie lieferten auch diefen die einzige Kanone, welche die Dhu Mohammed im legten Kriege (18713 gegen die Beni Hammad befahen. Werden von einem Statthalter der Dhu Mohammed regiert. Ihr letzter unab- hängiger Sultan war Kazim Said eſch Schergebi.

2. Aturi, nahe bei Mefalis und Mirffad. Der’ zulett unter: worfene Stamm. Die Dhu Mohammed eroberten fein Land erft 1870. (Bei Hamdani el Ater erwähnt.)

3. Yuſefi, nördlich von der Grenze der Sfobehi oberhalb Ferſcha und Mirfjad. Steben unter den Dhu Mohammed.

4. Dobati, nördlih von Aturi und Yufefl. Sind Unterthanen oder Naye der Dhu Mohammed.

5. eſſ Celu, nördlih von Heruwa, nahe am W. Warezan, Raye der Dhu Mohammed. (Bet Hamdani Celu, Dorf beim W. Warezan.)

6. Ariqi, in der Collectivform Aruq, füdlich von Taizz, weſt⸗ lich von Abus. Raye der Dhu Mohammed.

7. Abeſi, in der Collectivform "Abus, bilden fo zur ſagen den Mittelpunkt ded ganzen Hogryialandes (topographiſch). Lage etwa unter 440 21° öftl. Länge v. Gr. und 130 14° nörbl. Breit. Sind Raye ' der Dhu Mohammed. |

8. Zo beiri, nordweftlich von Abus und Aruq. Raye der Dhu Mohammed.

9. Hak um oder Hakimi, 2 Stunden weſtlich von Abus. Raye der Dhu Mohammed.

10. Hagum (Hadjum) oder Hagimi, 2 bis 3 Stunden weftlich, bergauf von den Hakum. Raye der Dhu Mohammed. (Bei Hamdani ift ein Ort Mehagem etwa an dieſer Stelle erwähnt.) '

11. Anferat, im Oſten gegen Laheg zu, follen unabhängig fein.

Bon diefem Stamm fonnte ich nicht erfahren.

394 Hogriya - Stämme.

12. Bent Hammad, große und mächtige Stammedgruppe, im Weſten der Schergebi, am füdlichen Fuß des G. Sſabr ungefähr balb- wegs zwilhen Hegaz und Mocha. Nach jedem diefer Orte rechnet man zwei Tage, nad) Aden 4 Tage. Zerfällt in eine Menge Unterftämme. Iſt noch unabhängig, aber jedes Jahr verfuchen die Dhu Mohammed, ihn zu unterjohen. Erſt im Frühjahr 1871 machte Daid Hofein, der Statthalter der Dhu Mohammed in diefer Gegend, einen folden Ber- ſuch und belagerte Dar Schaumar, Hauptort und Feftung der B. Ham: mad. Da jedod) feine einzige Kanone dabei plaßte und mehrere der Seinigen erſchlug, jo ließ er fich entmutbigen, gab die Belagerung auf und 309 ſich zurüd. Bald darauf ftarb er. Einftweilen ift nun Frieden eingetreten. Die Dhu Mohammed Tullen in diefer Gegend jebt feinen guten General mehr haben. Die B. Hammad ftehen unter einem Oberhaupt, dad den Titel Akel führt, Namens Kazim Hacem (mit m).

13. Bent Scheiba, wohnen an der Weftgrenze zwilhen B. Ham⸗ mad und Moda, 1%, Zagereijen von lehterer Stadt. Berdanfen ihre Unabhängigkeit ihrer entfernten Lage vom Si der Dhu Mohammer.

14. Medabi, kriegeriſcher kleiner Stamm, nördlid) von den Mo- qatera zwiichen Dobhan und Kahela. Hauptort Keddera. Iſt unab- hängig, macht bet Gelegenheit mit den Moqatera gemeinſame Sache gegen die Dhu Mohammed.

15. Beni Yuſef, Stamm im Norden, am Sfticgen Abhang- des G. Sſabr. Raye der Dhu Mohammed. Nicht mit Yufefi zu verwechjeln.

16. Doba’t, fol ein den Dhu Mohammed unterworfener Stamm 5 Stunden von B. Hammad fein, in welcher Richtung erhellt nicht.

17. Ahl Ooraiſch, ftädtiihe Bevölkerung der Stadt Dimena, foll von dem Ooraiſch in Hegaz ftammen. Naye der Dhu Mohammer.

18. el Efu, Stamm von Raye der Dhu Mohammed, 2 Stunden von den Bent Hammad, wie ed fcheint, in weſtlicher Richtung.

19. Aſſabeh, wohnen 3 Stunden von Keddera, nur 1 Stunde von Dobhan der Schergebi. (Der Name diefed Stammes ift ganz derjelbe, wie der von Hamdani in ber Gegend von Laheg angegebene; er deutet auf Verwandtihaft mit ben Sfobehi, die Hamdani Affbahin nennt. Aber Affabeh und Affbahin find wohl nur andere Formen eined und deffelben Namens. Die Tradition der Sſobehi jagt auch, daß bie Hogriya und fie einft ein Boll waren.) Die Aljabeh find Raye ber Dhu Mohammen.

. >

. Städte im Hogriya = Land. 395

Diefe Berwandtichaft mit den Sfobehi, die Phyſiognomien und die ſehr dunkle Hautfarbe der Hogriya, alles laßt auf einen himyariſchen Urſprung fchließen, wenn auch die arabiichen Genealogen, die ſich ja mit diefem füdlichiten Theil der Halbinjel ſo wenig beichäftigen, und nichts Berläffiges darüber bewahrt haben.

J

X. Städte und Ortſchaften.

Im Hogriyaland giebt e8 einige wirkliche, von ſtädtiſcher Bevölke— rung bewohnte Orte, die nicht den umwohnenden Stämmen gehören, gleihfam ehemalige Freiftädte (vor der Zeit der Dhu Mohammed und Zaidi), ſowie andere fogenannte Städte, die nur Mittelpunfte der Stam- mesbevölkerung find, aus einem Schloß mit Strobhütten und Marft beftehen und nichts eigentlich Städtifches haben. Die Städte der erfteren Art find:

Heruwa, Heine Stadt zwifchen Abus und eff Celu. Sugq et tholuth, d. b. Dienſtagsmarkt. Etwa 500 Einwohner. Kleiner Bafar. Cinige Juden.

Dimena, nirdlichſer Ort, nahe bei Ta izz. Etwa 600 Ein⸗ wohner, darunter 60 Juden.

Dobhan, zwar einem Stamme, den Schergebi, gehörig, doch eine wirkliche Stadt. Suq ed ſebt (Samſtagsmarkt). Baſar. Etwa 500 Einwohner, worunter 100 Juden. Ueber der Stadt liegt ein altes himyariſches Schloß, Oal'et Ooraiſch genannt, welches die Dhu Mohammed zu einer Feſtung reſtaurirt haben und das ihnen zur Ci— tadelle dient. (Hamdani erwähnt Dobhan genau. Das Pariſer Manu⸗ ſeript ſchreibt Dihan.)

Ortſchaften der anderen Art ſind:

Schueiwa, 2 Stunden von Dimena.

Shafegga, Meiner Drt der Aturi mit einem Schloß, genannt Hoffe Gaſche auf dem Berge oberhalb Chafegga.

Zafiye, Ortfchaft der Dobat nahe bei Efu.

Medinet Sug Doba, Ort der Dobatt. Der Schech heißt Hamed ben Hamed. Ein Sug el arba (Mittwochsmarkt). inige Suden.

Dar Schaumar, Hauptort der Beni Hammad, mehrere feite Schlöffer, 20 Steinhäufer, fonft Hütten. Etwa 300 Einwohner, Einige Juden. Ein Sug el goma ($reitagdmarft).

396 Hogriya » Land. .

Andere Orte deſſelben Stammes: Debn ed dachel und Debn el

charig. Keddera, Stadt der Medabi. Schloß. Markt. Einige Juden.

XI. Märkte.

Abus, Sug et tholuth (Dienſtagsmarkt); Yuſefi, zwei Märkte an verſchiedenen Orten: ein Suq el latnen (Montagsmarkt), ein Suq el arba (Mittwochsmarkt); Hakimi, ein Suq et tholuth (Dienftags⸗ markt). Bent Yuſef, Suq el arba (Mittwochsmarkt).

xun Schlöſſer.

Hoſſn Mefalis, altes himyariſches Schloß, im W. gleichen Na- mens, Gebiet der Aturi. (Mefalid bei Hamdani ald Drtichaft erwähnt. Lage genau.)

9. el Mimſchah, altes himyariſches Schloß im W. Daan, 1 Stunde von Abus.

H. el Dure, altes himyariſches Schloß in "Abus felbft.

H. Rekeb, Schloß der Yufefi, 2 Stunden von ihrem Marft.

9. Sherman, im Norden von Dimena, 1 Tag bon Ta iz.

9. Hauban, Tag von Taizz.

5. Gendiye, zwilhen Scherman und Hauban.

Negil el Hamza, 2 Stunden von Abus auf dem Weg nad) Heruma.

el Agrud, 1% Tag von Taiz.

ZIO. Religion.

‚Me Hogriya gehören zur Secte der Schafei Nur ihre Unter: drüder, die Dhu Mohammed, find Zaidi. Beſchneidung am jiebenten Tage. Die der Mädchen foll unbekannt fein.

XV. Politifdes. _

Die Dhu Mohammed Iaffen faft überall die einheimiſchen Schechs ihre Stämme verwalten, geben ihnen aber oft einen Neqib (Statthalter) zur Seite. Ihr oberfter Statthalter führt den Titel Oaid. Sie unterhalten Garniſonen zum Zwed des Steuereintreibens; dieſe find jedoch nur felten feft an einem Orte, jondern durchziehen dad Land, um

Hogriya = Land. 897

den Tribut zu erheben. Die Iuftiz tt in Händen der Dhu Mohammed, welche die Hogriya als Raye behandeln.

Die Invafton der Dhu Mohammed begann erft vor 23 Jahren. Srüher waren die Hogriya unabhängig, d. h. feit dem Sinfen des Imamats von Sſan a, zu dem fie noch zu Anfang: diefes Jahrhunderts gehörten. Einen eigenen gemeinfamen Sultan fcheinen fie nie gehabt zu haben, wenigftens in ben legten 3 Jahrhunderten.

XVY. Sittenund Bebräude

Die Männer tragen Lendentudy und Meſchedda (ein Umfchlagtuch) das nur lofe und auf einer Seite ftridartig zufanmengerollt getragen wird. Scwarzblauer Kopfbund. Die Frauen tragen indigofarbene Hofen, Hemd und Kopftuch (hier Schail genannt).

Bei den Hogriya giebt es Teine Schumr oder Schimri, wohl aber viele Achdam, welche diefelbe Stellung haben, wie anderswo.

In Aden finden ſich immer viele Hogriya, die vor der Tyrannet der Dhu Mohammed entfliehen. Sie bezeichnen bieje ihre Zwingherren jedoch nie mit deren Nanten, fondern ftetd nur nad) ihrer Sectenbezeich- nung, d. h. Zaidi. Diefer Gebrauch ift in ganz Südarabien allgemein. Der Gegenfap zwifchen Schafet und Zaidi wird viel Iebhafter empfun- den, ald irgend ein genealogifcher, auf Stammedverſchiedenheit ge⸗ gründeter.

Einundzwanzigftes Sapitel. Kleine Hädtifche Gebiete bei Taizz oder Taizziya.

I. Name. II. Geograpbifche Yage. III. Grenzen. IV. Zwed der Mit: theilungen über die Zatizziya. V. Beichaffenbeit des Landes. —, VI. Charakter

dieſes Gebiets in focialer Beziehung. VIL Bewoͤhner. VII. Politiſche Ein: theilung der Talizziya. IX. Städte und ‚ftädtifche Gebiete.

L Rome

Der Name Iaizziya begreift weder eine genealogiſch noch jetzt ab- gejchloffene, noch auch eine politifche Einheit. Die Bewohner von Süd- Yemen verjtehen unter diefem Namen alle jene Eleinen, meift ſtädtiſchen Gebiete, welche ehemals, ald Ta izz noch Hauptftadt war, von ihm direct abhingen, und zwar nur die, welche in der fpeciellen Provinz Ta'izz lagen. Dad vorwiegend ländliche Gebiet der Hogriya tft hier nicht mehr mit inbegriffen.

DI. Geographiſche Lage

Die Lage dieſes Gebiets dürfte zwifchen 43° 25’ und 44° 15 öftl. Länge dv. Gr. und zwiſchen 130 30° und 140 35 nördl. Breite zu firiren fein.

III. Grenzen.

Im Süden Hogriya. Im Welten das türfiiche Küftenland von Moda gegen Zebid zu. Im Norden die einftige Provinz Sfan’a, jetzt

Verfall der einftigen Provinz Ta izz. 399

aleichfalld lauter zeriplitterte Heine Gebiete. Im Weften Dhala, Da taba und die in unjerem 16. Sapitel erwähnten kleinen Stammeösgebiete.

IV. Zweck der Mittheilungen über die Ta'izziya.

Da wir bier ſchon etwas bekannteres Gebiet betreten, fo ift es unſer Zwed nicht, die von anderen Reifenden, wie Niebuhr, Botta, Cruttenden, Seepen u. |. w. genauer bejchriebenen größeren Städte’ zu bejprechen. Diefe Städte find Ta'izz, Ibb (Debb), Dhamar und Yerim. Nur das fei erwähnt, da jene Städte jetzt nit mehr der mitunter äußerſt günftigen Befchreibung jener Reifenden entſprechen. Seit dem ſchon lange eingetretenen Verfall und dem jetzt gänzlich vollendeten Ruin des Neiched der Imame Zaidi von Sjana*) hat in diefen Ge- bieten die Verwilderung zugenommen; die Städte find theils veräbet ruinenhaft; theils frif@n fie noch dürftig ihr Leben, wie Ibb, Dhamar und Yerim. Taſizz felbft iſt faft nur noch ein Haufen von Ruinen, nicht viel beffer ald das zu einem Hüttendorf hinabgefunfene Moda.

Diefer Berfall hat hauptſächlich die Drte von ehemaliger geuver- nementaler Bedeutung betroffen. Etwas befjer haben ſich die Eleineren Städte erhalten, deren Bedeutung in den Refjourcen ihre8 unmittelbaren Umfreijed und in deffen Bevölferung und nicht in officiellen Gründen lag. Died find gerade diejenigen Städte, welche die früheren Neifenden entweder gar nicht, fannten, oder doch nur jehr oberflächlich erwähnten, weil fie ihnen feine Wichtigkeit beilegten. Dieſe Lüde auszufüllen, ift alſo der Zweck ded gegenwärtigen Capitels.

V. Beſchaffen heit des Landes.

Der größte Theil dieſes Gebited befteht aus Hochebenen, von ein- zelnen höheren Bergen unterbrochen: Es ift die füdliche Fortſetzung des Hochlandes von Mittel-Vemen. Dad Klima ift das binnenländijch tropifche, reich an fommerlichen Niederfchlägen, das Land deöhalb bei gutem Boden von ausgezeichneter Fruchtbarkeit. Der Kaffee gedeiht faſt

*) Sian’a ſelbſt erkennt nicht mehr die Herrſchaft der Imame an, fondern wird von einem Megles, einem Rath aus den erften Bürgern gebildet, verwaltet, Tedig: lich ſtädtiſch, denn über das Rand bat es jede Autorität verloren. Die Familie der Smame erijtirt zwar noch, aber es find jet machtlofe unbemittelte Privatleute.

400 Ein vorwiegend ftädtijches Gebiet.

überall. Der Kaat fommt noch bier und da auf den Höhen vor. An Serealien ift fein Mangel.

VI. Gharafter diefes Gebiets in forialer Beziehung.

Sn allen früheren Abichnitten (mit Ausnahme von Reda und Gefe) hatten wir ed mit ländlichen, von Dobayel und Beduinen, oder von Raye auf tiefer ulturftufe, bewohnten Gebieten zu thun. Saft überall trat das ftädtiiche, bürgerliche Clement zurüd. Die Dobayel berichten ; die Städter nahmen die tieffte fociale Stelle ein. In dem. Gebiet der Zaizziya ändert ſich dies. Died Gebiet gehörte eben ſeit dem Sahrtaujend zu einem focial, bürgerlih und politiſch geordneten Staatöwelen, einem Culturftaat, im Sinne moslemiſcher Eultur, wie es Syrien und Aegypten find. Das Element der Oobayel tritt hier zurück. Hier fommen wir in ein dicht mit Städten bejäte Land, in welchem diefe Städte die Hauptſache find, Turz, wir nähert und mehr civilifirten Zuftänden.

Damit ſchwinden denn aud die Stammes-Vorurtheile. Die Ge- ſchlechts-Traditionen find in den meiften Städten mehr oder weniger verwifcht. Eine größere Vermiſchung des Blutes findet ſtatt. Selbſt die Vermiſchung mit Negerblut, in den reinen Stämmen ſo ängſtlich vermieden, führt hier nicht mehr jene ſociale Verachtung mit ſich, die ſie bei den Oobayel trifft.

Der Kaufmanns-, ſelbſt der Krämerſtand, die Handwerker find nicht mehr verachtet, ſondern nehmen eine ähnliche Stellung, wie in Europa, ein. Neben dieſer vornehmeren bürgerlichen Schicht der Bevoͤlkerung giebt es aber gerade hier zahlreich jene Auswürflinge, Paria's, die Schumr und Achdam, die aus uralten Abſonderungen hervorgegangen, vom nivellirenden Einfluß der Cultur unberückſichtigt blieben. Ebenjo giebt ed viele Juden, deren fociale Sielung kaum eine beſſere iſt, als anderswo.

VO. Bewohner.

Die Ta izziya find wahrfcheinlich im ihrem größeren Theil aud Himyaren. In diejer Gegend, mo ja auch (unweit Dhamar) die alte himyariſche Hauptftadt Tſofar (das befanntere weftliche) lag, muß wohl der Kernpunkt der einftigen himyariſchen Macht gejucht werden. Während aber die ſüdlichen Himyaren meiftentheild zum Leben der Dobayel zurüd-

Politiiche Zuftände der Ta izziya. 401

kehrten (manche mochten es nie verlaffen haben) und aus Bürgern eines ehemaligen Culturſtaates verwilderte Landbewohner wurden, blieben die Ta igziya den mehr civilifirten Traditionen treu. Sie verloren freilich in Folge davon ihre Stammedeinheit. Aber im Allgemeinen dürften wir nicht irren, wenn wir ihren Haupttheil ald Nefte jener ftädtifchen Himyaren bezeichnen, welche einft zum Glanz bes himyariſchen Reichs fo viel beitrugen.

Bon den einzelnen Unterftämmen wird, infofern ſolche noch tra⸗ bitionell verbürgt jind, bei den von ihnen bewohnten Städten die Rede jein.

VID. Politiſche Eintheilung der Taizziya.

Seit dem Berfall des Smam-Reiches hat ſich an deffen Stelle eine andere Macht gejept, namlich die der oft Schon erwähnten Dhu Moham- med. Diefe, obgleich fie an und für fich betrachtet ganz ald Dobayel ange- jehen werden müfjen, unterjcheiden ſich jedoch infofern vortheilhaft von ben biöher erwähnten freien Stämmen, als fie einer ftädtifchen, bürger- lichen Eriftenz nicht feindlih find. Sie haben den größten Theil der Städte der Taizziya erobert, aber weit entfernt, fie tyrannifch all,uſehr zu bedrüden, üben fie vielmehr eine zwar ftrenge, aber nicht willfürliche, jondern geregelte und Zutrauen einflößende Autorität aus, wie einft die Imäme, unter denen diefe Städte hlühten, ja fogar in manden Be— ziehungen eine milder. Die meiften Ta izziya find ihre Naye, zahlen Steuern, werden aber ſonſt nicht beläftigt. Die Juſtiz bleibt meift in Händen des einheimischen Dadi.

Es ift dad Unglüd der Tarizziya, dab die Dhu Mohammed nicht früher famen, daß unmittelbar nach dem Fall deö Imam-Reichs hier eine Periode der Anarchie eintrat. Aus diefer Periode rührt der namen- loſe Verfall der Städte, befonderd der größeren-her. Ceit jedoch die Dhu Mohammed herrfchen, haben ſich die Städte, namentlich die Fleineren, ſchon vielfach erholt. Die größeren erholen ſich ſchwerer. Das Syſtem der Dhu Mohammed tft eben fein centralifirended. Sie lafjen jede ihrer Eroberungen getrennt, mit einer gewiffen Autonomie beitehen, die dem Aufſchwung der Volkswirthſchaft jedenfalld vortheilhafter iſt, als die ehe- malige Gentralijation. Daher fommt es auch, daß fich einzelne kleinere Städte gehoben haben und nun größer find, als die früheren politijchen Mittelpuntte.

v. Maltz an, Heiie nah Südarabien. _ 26

402 Städte der Taizziya.

Wegen dieſes Mangeld an Gentralijation koͤnnen wir denn auch bier nicht von einem Reiche der Dhun Mohammed reden, um. jo mehr, als zwifchen jenen unterjodhten Gebieten noch einzelne unabhängige Enclaven gelafien wurden, deren Bewohner nicht Raye, jondern Ver⸗ bündete der Dhu Mohammed wurden.

IX. Städte und ftäbtifhe Gebiete.

Oab ida“), Meine Stadt, !/, Stunde nördlich von Dimena (Hogriya).. gegen Ibb zu. Etwa 1000 Einwohner. Die Bewohner find Schafe i und Raye der Dhu Mohammed (Zaidi). Markt. Kleiner Bafar. Etwa 50 Juden.

Hogaiba, 3 Stunden nordweſtlich von Dimena, gegen Ta izz zu. Soll nur ein Schloß mit umberliegenden Hütten fein. Steht unter den Dhu Mohammed. .

Sfahbeban, Heine Stadt, nördlid) von Dimena, nahe bei Scher« man (Hogriya). Schloß. Etwa 400 Einwohner. Keine Juden.

Nachlan, Schloß und Hüttendorf nahe bei Datda. Bewohner Schafe i, Raye der Dhu Mohammer.

Medinet el Adfal**), zwiſchen Datba und Ibb, ", Tag füblich von Ibb, eine Heine Tagereife norböftlih von Taizz. Blühende Han- delöftadt, wohin fich feit dem Herablommen von Zaizz faft aller Ver: febr diefer Gegend gezogen bat. Etwa 4000 Einwohner, worunter 400 Iuden. Balar. Zwei Wochenmärkte. Mittelpunft der Karawanen⸗ ftraßen zwiſchen Ibb, Taizz, Scher ab, Aden und Moda.

Haime, zwiſchen Daida und M. el Asfal, kleine Stadt mit 200 Einwohnern. Bewohner Schafei, Raye der Dhu Mohammer.

Bible, Meine Stadt ſüdlich von Ibb, ſchon durch Niebuhr, ber Dfjobla fchreibt, bekannt.

Chadra, nahe bei Ibb, füdöftlih von Gible an einem Seiten» fluß des W. Nura

Negd el Ahmar, Meſchura, Rebak. Dieſe drei Orte ſollen weſtlich von der Straße von Ibb nach Yerim liegen.

Negil Semara***), auf einem hoben Berge zwiſchen Ibb und Verim. Die Bewohner find Zaidi und unabhängig.

*) Niehuhr nennt ein Dorf Ghaida am ©. Sfabr, Ritter XII, 725.

—*) MWabhrfcheinlich der Drt, der auf Niebuhr's Karte ald Dafoffal ſigurirt. “2, Bei Niebuhr nur ald Berg erwähnt.

Städte der Ta izziya. 403

Mohader, Schloß im gleichnamigen Stammesgebiete, zwifchen Ibb und Yerinm. Schon vor Niebuhr erwähnt. Bewohner Zaidi, Aundesgenofien der Dhu Mohammer.

Le aud beni Nagi, fleiner Ort nördlich von Ibb. Bewohner Zaidi, unabhängig.

Scher’ab*, '% Tag norbweftlih von Taltzz. Bon den Ahl Beggaſch bewohnt. Etwa 1200 Seelen, worunter 200 Zuden. Biel Handel. Bewohner Schafei und unabhängig. Die Exroberungen ber Dhu Mohammed reihen nicht fo wett weitlich.

Doribet, Heine Stadt zwifchen Ta izz und Scher ab, bei Niebuhr erwähnt. Bewohner Zaidi, Bundeögenofjen der Dhu Mohammed.

Ariſch **), weitlih von Tatzz auf dem Wege nad Mocha. Bee wohner Schafe‘i, unabhängig.

Kedeiha, zwiichen den Beni Hammad und Moda, ganz im Süd— weiten von Taſizz. Bewohner Schafet, unabhängig.

Zwiſchen Ariſch und Ta'izz liegen dann noh YVefrus, Gomar, Menaim, Scha ube, meift Schlöffer mit Beinen Hüttendörfern, unter den Dhu Mohammed ftehend.

In Ta’ izz felbft haben die Dhu Mohammed das alte Schloß Hiffn Ghorab wiederhergeftellt und beberrfhen voy da aus die Stadt. Die Mofcheen ſollen alle bis auf die Sam a Modhaffer mit ihren 70 Heiligen- gräbern zerfallen fein.

*) Hamdani erwähnt einen Ort Scherab und fept einen Beinamen binzu, der wie Kahin (?) ausfieht.

”*) Bei Hamdani wird Ariſch gleich nach den Schergebi und vor den “Alturi erwähnt.

20 *

Zweiundzwanzigftes Gapitel. Dhu Mohammed und Dhu Hojain.

Räthſelhaftes über Diefe Völker. Belanntfchaften mit Dhu Mohammed. Ein

Schech der Dhu Hofain. Eroberung der Umgegend von Marib. Wichtigkeit

der Dhu Mohanmed. Ihre ausgedehnten Eroberungen. Stellung der beiden

Stämme Ihre Wehrkraft. Uriprung der Dhn Mohammed. Die Haldyid

und Bekil. Söldnerftämme der Smame von Sſan'a. Borfahren der beiden Stämme.

Wie Jemand, der den Regen fühlt, ohne die Wolfe gejehen zu haben, jo haben wir bis jet fo oft von den Thaten und Croberungen der Dhu Mohammed gehört, ohne recht zu wilfen, wo wir fie bin ver- jegen follen. Aufrichtig geftanden, ift es mir nicht gelungen, dies mit völliger Bejtimmtheit zu ermitteln. Das Folgende joll da8 Wenige wiedergeben, was ed mir gelang über Died räthjelhafte Volk zu erfahren.

Obgleich der Hauptfig der Macht und eigentliche Wohnort biefer beiden Stämme fern von unjerem, auf den tiefen Süden bejchränften Forſchungsgebiet Liegt, Fo greifen fie Doch fo mächtig in alle politiichen und religiöfen Eriftenzfragen diefer Ländertheile ein, daß unfere Aufgabe höchſt lückenhaft bleiben würde, wollten wir nicht von ihnen fagen, was wir darüber erfunden fonnten. Died tjt freilich wenig genug. Don ihren Eroberungen wurde viel gefprochen, aber vom eigentlichen Gig ihrer Macht wußte Niemand etwas zu fagen. Ich Iernte ſogar mehrere ber Dhu Mohammed und einen von den Dhu Hofain perfönlich Tennen, aber diefe waren ſchon in den eroberten Gebieten geboren und Tannten die eigentliche Heimath ihres Volkes nur von Hörenfagen. Mein Be:

Die Dhu Mohammed und Dhu Hofain. 405

fannter von den Dhu Hofain war ein Schedh, der in der Gegend von Marib wohnte, welche, wie er jagte, fein Stamm vor etwa 30 Jahren erobert hätte. Die Dhu Hofain befigen, nad ihm, nicht Marib felbft, jondern die umliegenden höher gelegenen Landſtriche, ſowie auch einige Bezirke des Tieflandes el Gof, melde fie noch jpäter erobert hätten. Dort ſei ihre Macht ſehr anfehnlidh, fie beſäßen ſogar etwa 1000 Pferde (was ſonſt in Yemen, das fein Pferdeland, unerhört ift).

Wenn ſich die Dhu Hofain wirklich fo weit im Oſten und Norden ausgedehnt haben, wie diefer Schech, übrigens ein höchft ehrenwerther Mann, audjagte, fo erklärt mir died, warum im Weften und Süden jo wenig von ihnen die Rede tft, denn bier hört man eben faft immer nur von Dhu Mohammed und die Dhu Hofain find nur befannt, weil fie deren Schweiterftamm bilden. Die Dhu Hofain, feinen eigenen Stamm, ſchätzte mein Informant auf 5000 Männer (vom 13. Jahre bi8 zum reijenalter gerechnet). Die Dhu Mohammed dagegen, von denen er auch ausfagte, daß fie nur 100 bis 200 Pferde, dagegen 2000 gute Reitlameele hätten, ſchlug er nur auf 3000 Männer an. Auch behauptete er, die Dhu Mohammed hätten bis jebt immer nur \hlechte, gebirgige, nicht jehr fruchtbare Landichaften erobert.

Mag dem jo fein, jedenfalld aber erftreden ſich die Eroberungen der Dhu Mohammed auf ein fünfmal, ja vielleicht zehnmal fo großes Gebiet, als die des andern Stammes. Weberhaupt habe ich nach meinen anderweitig eingezogenen Erfundigungen allen Grund anzunehmen, daß das Berhältni der Wehrfraft der beiden Stämme eher dad Umgefehrte von dem ift, welches der Schech darftellte, indem letzterer ald Gefandter jeined Stammed beim Sultan von Laheg, von biefem Eubfidien für militäriſche Beiftandverfprechungen unterhandelte (er erhielt fie auch) und ein Intereſſe dabei hatte, feinen Stamm mächtiger darzuftellen. Daß aber die Geſammtmacht der beiden Stämme fidyer über nicht viel mehr verfügen kann, ald 8000 Mann, fcheint fo ziemlich feftzuftehen.

Dennoch haben die Dhu Mohammed allein mit, jagen wir alfo, etwa 5000 Mann ein Zand erobert, das faft dem 4. Theil von Yemen gleihfommt. Diefe Eroberungen find, wie ſchon oft erwähnt, nicht zujammenhängend, fondern über dem ganzen Süden und Weften von Yemen mehr oder weniger zerfplittert, fie bilden zwar oft comıpactere Gruppen, aber es fehlt ihnen doch die topographiiche Einheit. So Tann man auf der Karte faum ein Reich der Dhu Mohammed mit topographiich

406 Die Dhu Mohammed unter Dhu Hofain.

richtigen Grenzen bezeichnen. Wir kennen ja gar nicht alle ihre Eroberungen und wiffen noch weniger, wo denn eigentlicdy der Hauptfern ihrer Macht, ob er nody in der Wiege ihred Stammed und wo diefe Wiege ge— legen ift?

Ich babe mir viel Mühe gegeben, etwad über ihren Urjprung zu erfahren und bin theils durd Nachfragen bei Arabern, theild durch fol- gende Combination zu einem gewiljen Refultate gelangt. Schon Nie- buhr nennt die Haſchid und Bell, eine Art von Eonföderation (Ritter XII. 714) freier Stämme im Norden von Sfan a, deren Mitglieder die Sold⸗ truppen der Smame bildeten; fo lange legtere mächtig waren, gehorchten aber bei jeder Schwächung des Neiched in Rebellion ausbrachen, ganze Diſtricte räuberifch durchzogen oder auch wohl einnahmen und fo lange im Beſitz behielten, ald die wieder eritarfende Macht der Imame ihnen dies geitattete.

Nun beftätigen alle Araber, dab die Dhu Mohammed und Dhu Hofain aus den Söldnerftämmen von Sfana hervorgegangen find. Seit das Reich fiel, haben diefe Söldner fi} zu Eroberern und Landeöherren aufgefhwungen. Die Heimath der beiden Stämme wurde mir von den Arabern als im Norden von Sfana, in einer Gegend, welche man mir „Berad“ nannte, bezeichnet. Nichts iſt deshalb mahrfcheinlicher, als daß fie aus den Haſchid und Bekil hervorgegangen find.

Auh die Sonfeffton trifft zu, denn Niebuhr nennt fene Zaidi. Ihre fpeciellen Namen kannte Niebuhr nicht, da fie unter dem allge- meinen der Conföderation verichwanden. Dennoch müſſen dtefe Namen, wie alle arabiichen Stammesnamen, eine gewiſſe genealogiſche Wichtig⸗ feit haben. Wie ich börte, jollen fie zu einem Stamme der großen Familie der Bent And gehören. Ihr fpecieller Vorfahr fol Schafer ibn Hamdan gewejen fein, der 2 Söhne, Mohammed und Hofain, hatte, nad) denen die Stammeötheile genannt wurden. Wann diefer Schaker *) gelebt hat, darüber wußte mir Niemand Auskunft zu geben. Der jepige Schedy der Dhu Mohammed nennt fi gerade umgefehrt wie er, nämlich Hamdan ibn Schafer.

*) Sch hege übrigens die Anficht, daß diefer Schafer nur der Stammpater der Diynaftie war und daß bie Völker, die ſich aus den Haſchid und Bekil unter jeinen Söhnen zufammenfchrarten, dieſe dynaftifchen Namen angenommen baten, wie wir dies fo oft in Südarabien fehen.

Die Dhu Mohammed und Dhu Hofain. 407

Die Dhn Mohammed fehetnen jedenfalls ein ganz außerordentlich kriegeriſches Volk zu fein. Man jagte mir, daß in ihren Kriegen fogar oft die Frauen mitlämpften, aus den Häufern fchöffen, Steine auf ben Feind fchleuderten. Auch ſcheinen fie durch dad Glück bis jest noch nit verweichlicht, fondern ein abgehärteted Gebirgsvolk geblieben zu fein, während ich erftered eher von den Dhu Hofain glauben möchte,

Bon ihren Eroberungen war fhon an Ort und Stelle bei Er- wähnung aller der Zocalitäten, welche dieſen zum Opfer fielen, ausführ⸗ lich die Nede. Auch die Art und Weife, wie fie ihre Eroberungen ver: walten, wurde bejprochen. Unfer Forſchungsgebiet umfaßt freilich nur einen Theil ihres Eroberungsfeldes. Doch von dem, was außerhalb deſſelben Liegt, war jchlechterdingd nicht? zu erfahren.

Negifter.

A. Aden 115. 142, 198. Abadel 250. 324—849. Adi 888. Aba Kati 12. Ada 124. 131. Abd-Aah 97. Aegypten 1—32. Abd-⸗Allah ben Haidra. 316. Afifi 298. Abd-⸗Allah ben Mohfin (2.) 332, Agari 237. Abd⸗Allah ben Mohfin (Negib) 336, 373, Ahir 184. Abd⸗Allah Sfalah ed Deqmi 366. Ahl Abahela 871972. Abd el Beri 164. 194, Ahl Abd⸗Allah 256. Abd el Hud 24. Ahl Ahmed 870. Abdeli 324—349. Ahl Alt (Amir) 356. “Abd el Kerim 20—24. Ahl Alt (Aulaqi) 242. “Abd er Rahman Aidwa 368. Ahl Alt (Diebi) 237. "Abdeffelam 330. Ahl ba Gilgella 289. 292. Abdulaziz 163. Ahl Begga 305. Aberi 247. Ahl ben Nahgi 200. 201. 288. Abeſi 206. 898. Ahl Dian 273. Abeſſinien 177. 122 u. f. Ahl Elah 255. Abian 212. 256. Ahl Ga'da 255. Abu 288. Ahl Gemiſa 245. Abu Bekr 168. Ahl Haidra Manffur 255. Abu Bekr (Dorf) 329. Ahl Haſan 245. Abuna Johannes 128. Ahl Haina 198. 255. Abuna Salama 132. Ahl Hayek 190. 229. 231—284. Abus 206-207. 898. 396, Ahl Heſcham 308. Abu Schehr ee Ahl Hogel 856, Abu Simbel 22 Ahl Hofain 806. Agabeh oder Dloeh 206. 828, Ahl Mehdi 245. Agala oder Affala 198—201. 257—259. | Ahl Mirza 289. Adhdam 194, 218. Ahl Dafis 245. Adan 273. Ahl Ooraiſch 394. Adareb 208. 872. Ahl Rahi 245.

Ademi 237. Ahl Reidan 870.

410

Ahl Sa’id 255.

Ahl Sa'idi 255. 272. Ahl Schagran 370. AH Scheddad 255. Ahl Schenin 255.

Ahl Selam 328.

Ahl Stiman 245.

Ahl Dazid 296.

Ahl Zueila 388. Ahmar 289. 292. Ahmed Alt Ghalib 293. Ahmed ben Alwan 248. Ahmed ben Hadi 232. . Ahmedi 242.

Ahwar S. Hauwar. Ahnum 368.

Ahſab 342.

Aiderus 136. 157. 162. Aiman 256.

Ain 201.

Aiſai 356.

Akahela 387.

Akel 274.

Alexandriern 1—4. Ali Asker 297.

“Ali ben Ghalib 298. "Ali den Mobfin 881. Alt el Haufchebi 352. Ali Tabat 384-385. Allaka 125.

Allaka Buru 191. Allauwi 247.

Alluwi (Amir) 204. 356.

Alluwi (Diebi) 237, Alwan 248.

Amagin 231.

“Amar 207—208. 372. Ameq 257.

Amhar 104. 118. Amtr 353—360. Amira 126.

Amir Schafel 353. 357.

Amr b. Sa'td 248. Amudi 289. Amudiya 256. Amur 205.

Amuri 205. 379. Anna 337.

Regiiter.

“And 214. 406,

Anferat 393.

Anteriye 205. 379. Aqareb 314-328, Aqrabi 222. 314 - 323. Ara 189. 205. 881. Araber in Aden 162. Arai 379.

Ardh Atoba 280.

Ardh ed Dian 198. 199. Ardh ed Diebi 280. Ardi 387.

Arieb 280.

Ariqi 207. 3983.

Ariſch 403.

Arkiko 118.

Arnaud (Reiſender) 184. 189. Aruq 207. 393.

Arwali 2585.

Aſaker 137.

Aſſa 307.

Aſſabeh 206. 328. 394. Aſſbahin 291. (Note) 328. 394, Aftrologe 164.

Aswad 360—368. Atara 203. 296,

Atfi 205. 379. 381. Atiq 245.

Atoba (Athauba) 280. Aturi 206. 398,

Aud 275.

Aud 207.

Aud b. Abd⸗Allah 250. Audelt 222, 240. Audell:&and 275282. “Aulagt 190. 222. 239-251, Auwad bei Cher 107. 162, Auwadel 275—282, Auwaliq 239—251. Auwan 307,

Auwas 206—208. 371. Awatif 379,

Azaliz 387.

Azan 305.

Azeibih 328, 845. Azemi 237.

Aziziye 31. 118,

Azhar 12,

B.

Da Auci (oder Auffi) 237. Bab el Felaq 258,

Bab el Mandeb 138. 206, Ba Hamedi 237.-

Bahan 119.

Ba Kazim 242.

Bakeri 288. 362.

Bakſchi 278.

Ba'l Harif 245.

Ban (Baan) 328. Banianen 107. 140. 168. Banu Lihb 183.

Ba Omm Rezaz 301. 307. Barka 117. 118.

Barſati 81.

Ba Sauda 237.

Baſchi Bozuk 101.

Ba Wadda 237.

Bazir 203. 306.

Be'aima 387.

Beda oder Baidha 163. 191. 200 -203.

306. 307. Bedu 207. Beduinen 106. Behan oder Baihaan 208. 306. Behan el Gezab 203. 312. Beil 406. Beled el Haddi 372. Beled el Dadi 372. Beled Schafel 353. Beled Schaif 378. Ben Allıman 304. Beni Ahad 358, Beni Ahmed 328. Bent Amr 118. Bent "Ans 214. 406, Bent Geleb oder Sſolaib 183, Bent Hammad 206. 394. Beni Haritb 312. 314. 321. Deni Koraita 175. Bent Mehaid 328. Bent Mohammed 870, Bent Ogil 329. Bent Dafed ©. Kelle. Beni Schafel 370. Beni Schetba 394.

Regifter.

| Beni Stiman 201. 278.

ı Beni Yufif (Hogriya) 205. 394. Dent Yufif (Hafl‘) 288. Be'oſi 296.

Berad 406. Berberiner 27.

| Bereimt 380.

. Ber Dani-201. 278.

Bet (Bait) Abu Hodal 367.

Bet (Bat) Agla 830.

Det (Bait) Samſam 329.

Beth 177. .

Bey 12.

Beza 167.

Bigeri (Bidjairt) 278.

Billei 272.

Bir (Biyr) Abt Allah 204. 352,

Bir (Biyr) Ahmed 205. 316.

Bir (Biyr) Ali 201. 224. 225.

Bir (Biyr) Gomm 331.

Bir (Biyr) Naffr 331.

Bir (Biyr) Nobto‘ 198.

Bir (Biyr) Omr 331.

Bir (Biyr) Schalter 331.

Birfet Hammam 392.

Blad el Hofain 203,

Blad ed Su’ad 208.

Blad Halm Sa’idi 273.

Bogos 104. 126.

Boswellia Bhau Dhajanı 82.

Boswellia Garterti 82.

Botta 208,

Brugſch 12.

Bu Ber b. Abd Allah 244.

Bulaq 13,

—— ——

C.

Cairo 4-20. Camp (Aden) 142. Cane 225. 227. Cantar 119. Carter 154. Cedara 199. 289. Celu 207. Central⸗Yemen 186. Gera’a 257.

411

412

Gerru 807. Chabr 201. 202. 248. Chabt 202. 247. 218. Shaden S. Adhdam. Chadra 208. 402. Ghamfer 200. 291. Charraz 139.

Chelale 290. Chere (Chaire) 200. 287. 292. Chesney 248. Chobban 373. Shobbet el Guſan 304. Cholagi 296. Cholem 177. Chor (Ehaur) 258. Chor Amran 206. Choraibe 273. Chorda 120. Chorebe (Choreibe) 25. Chorebe (Schahert) 362. Chulle 200. 204. 292. Commandar 82. 9%. Commandari 26.

D.

Dädſchadſch 124.

Dageſch 177.

Dahakki 807.

Daher (Tſaher) 190. 280.

Dahlak 118. 117.

Daira 12.

Dala‘' S. Dhala'.

Daleth 177.

Damar S. Dhamar.

Damascus 188.

Dar Kureſchi 330.

Dar Scha' iban 352.

Dar Schauar 39.

Dar Zena (Zaina) 257.

Datina (Dathyna) 199. 247—249. 269 275.

Daumas 194.

Debeine 379.

Debu ed bachel 396.

Debn el harig 396.

Regifter.

Demani 202. 279. Demed 373. Deqaim 366. Deran Mifaidi 2690- 58. Derawiſch 234. Derb 380. Dergag (Derdjadj) 200, 258. Dyhala‘ 203. 204. 356. | Dhamar 162. 197. 399, Dhanab 356. Dhi Nachab 292. Dhi Zora 296. Dhobba 273. Dhobbi 296. | Dhobi (Dhaubi) 184. Dhu Hofain 337. 312. 404—407. Dhu Mohammed 162. 337. 341. 365. 404407. Dian 109. Dinni 247. Diebi (Dziaibi) 224. 235—238, 278. Dimena 206. 39. Dısmal 334. Diyani 328. | |

Doan 24.

Doba 273.

Doba’i 304. | Dobban 305. : Dobban 208. 895. Doqqa 206. 388, Doſchan 190. Dra 119, Dſchedda 44 und folg.

€.

Effendi 11. 12, Efu (Aifau) 894. 395. El Afıfi 2983.

El Aud 372.

El Efu 394.

El Hamami 247. El Hubehek 248. El Meſchelqi 200. El Orqa 292. El ‘Orr 296.

El Do’la 372.

Emera‘ 380. Gmentu 128. Esbekiya 18. Eff⸗Celu 393. Eva (Grab der) 75.

F.

Fadl ben Ali 832. Fadl ben Mohfin 881. Faresla 119.

Fathani 255.

Fatiha 39.

Fegerra 205. 880. Fegra 866.

Ferſcha 206. 207. Fiuſch 330.

Fodl (Fodhl) 252. Fodli (Fodhli) 222. 252 u. folg. Frid 245.

Futta 48.

G.

Gabari 242.

Ga'da 214. 358. 355. Gadaref 116, Ga'deni 255.

Galla 128.

Gar Allah 242. Garli 242.

Gaſchani 362.

Gaſud 355.

Gauwela 199. 258. Gebel Abadan 246. Gebel Aharrem 355. Gebel "Amran 377. Gebel "Ara 377. Gebel Atoba 855. Gebel Charraz 139. 377, Gebel Chaure 246. Gebel Dolo (Dhaulo) 210. 228. Gebel Dran 346. Gebel el "Efu 392. Gebel eff Telu 392. Gebel Gehaf 209. Gebel Hadid 515.

Regiſter.

413

Gebel Halhal 246. Gebel Hamra 223. 236. Gebel Harir 355.

Gebel Hafan 140. 209. 314. 315.

Gebel Kaur 228.

Gebel Kellet 285.

Gebel Kor (KRaur) 209. 276. Gebel Manif 350.

Gebel Maufiya 285.

Gebel Mechanit 377.

Gebel Mefalis 207.

Gebel Merrais 209. 870. Gebel Mohageba 285. Gebel Mozaffer 275. 280. Gebel Nachd'i 198. 253. Gebel Nemr 202. 228. Gebel Da’u 189. 377. Gebel Dern 209. 246. 311. Gebel Scha’ib 355.

Gebel Schamſcham 139. 209.

Gebel Schi'ab 350. Gebel Sſabr 892. Gebel There 275. Gebel Tuil 228. Gebel Yafi“ 208. 285. Gefe (Diatfe) 203. 375. Gehaf 204. 367. Gehaina 41.

Geleidi 379,

Gelelet 362.

Gembiye 334.

Serabi 379,

Geradi 242,

Gerdan 209. 231. Geruba 204. 296. Gezab 208. 310—313. Gharriye 205. 381. Shafilt 247.

Ghoder 1%. 198, 278. Gible J. 273.

Gible IL 402.

Giſcho 126.

Giſchr (Difchr) 168. 167. Gobasye 128.

Gomar 403.

Gomfude 88.

Gomul 366. Greycloths 81.

414

Großſcherif 57 u. folg. Guaſir 247.

9. Habab 118. Habab (Dorf) 329. Habba 290. Habban 191. 202. 280. 245. Habeſch 122 u. folg. Habib 234. Hadi 372. Hadena 202. 248. Hadi Sultan 227. 232. Hadi b. Nagi 371. Hadramaut 20. 48. 191. Hadramt 20. 26. 48. 102. 107. 168. Habur 866, Hafa 199. 273. Hafaf 280. Hagat 373. Hagar Sud 388. Hagfer 204. 362. Hagr I. 249, Hagr I. 307, Hagum 207. 398. Hatderabad 250. Haidi 247. 248, Haidra 260. Haime 207. 402. Haines 201. 258. Hait Debab 358, Hakimi 396. Hakmi 384. 385. Hakum 207. 398. Halemi 356, Halevy 232. Halbal 249. Halm Sa'idt 199. 255. 272. Oamaida 875. Hamaiſa' 256 (R.) Hamami 247. Hamaſien 122. Hamdan b. Schaler 406. Hamdani 358—860. Hamedi 245. 371, Hameidi 379. Hamelan 199. 305,

Regifter

Hamideli 247

Hamra 330.

Haneiſcha 887.

Haneſch 198. 273.

Haneſchi 255.

Danfa 273.

Sagt 365—866,

Haqqat 205. 379,

Harniſch 188.

Haſan Alt 330. Haſan ben Yahya 973. Haſan ben Alt 168. Haſan el Haddi 372. Haſcha 807. 371. Haſchid u. Beil 406, Hasni 198. 2355.

Saffen 102, 126. Hat 199. 201. 2083. 305. Hatab 199. 200. 289.

. Hatem (Hatatm) 202,

Haura 202. 237. 288,

Hauſchebi 196. 349-352.

| Yauta 203. 328.

Ä Hauwad 329.

Hauwar 201. 202. 240 —244. Hauwaſchib 8349—852 Hawakil 137.

Hawaiyah 244.

| Hayat 812.

Hazchuri 237.

Hegaz (Land) 46 u. folg.

Hegaz (Dorf) 204. 380.

Heran 280.

Heruwa 207. 395.

Heſſua 315.

Hicen oder Hiſſn Ghorab 223. 224 227.

Himyar 256.

Himyaren 226. 254.

Hobal 208. 378.

Hobeil el Gebr 862.

Hobeil el Mobagera 362. Hobeſchi 204. 878. Hocein 359. 365. Hocen (Hofin) "Ad 298. Hocen (Hoffn) Ahmed Daghem 382, Hocen (Hofin) Amudi 298. Hocen (Hofin) Bakſchi 280.

Regiiter. 415

Hocen (Hofin) Beceli 256,

Hocen (Hofin) bel Haſan 298. Hocen (Hoffn) bei Schedh 280. Hocen (Hofin) Bent Raſcham 293. Hocen (Hofin) ber Homeſch 273. Hocen (Hofin) ber Mortaiba 280. Hocen (Hofin) Bigert 280.

Docen (Hofin) bu Ber abu Kerim 298.

Docen (Hofin) be Betr Ghalib 298. Hocen (Hofin) Choraibe 273. Hocen (Hofin) Derek 2983. Docen (Hoffn) Diebi 280. Hocen (DHofin) ed Darr 368. Hocen (Hofin) ed Diab 273, Docen (Hofin) ed Doma 273. Hocen (Hoffn) el Aqrud 396. Hocen (Hofin) el Gendiye 396. Hocen (Hofin) el Hamza 396. Docen (Hofin) el Hafan 280. Hocen (Hofin) el Kahur 280. Hocen (Hoffu) el Mimſchah 396. Docen (Hofin) el Qure 396. Hocen (Hofin) Ghalib Alt 393. Hocen (Hoffn) Halm' Effarr 280. Hocen (Hofin) Halm Sa'idi 273.

Hocen (Hoifn) Hamed el Mohaiteni 280.

Hocen (Hofin) Hauban 396. Docen (Hofin) Hofain Rezaz 306. Hocen (Hofin) Kahelir 388. Hocen GHoſſn) Koheb 256. Hocen (Hofin) Manſſuri 280. Hocen (Hofin) Mefalid 396 Hocen (Hoffn) Mesmer 280, Hocen (Hofin) Mesware 306. Hocen (Hofin) Mohadaka 280. Hocen (Hoffn) Mohafin b. Alt 298. Hocen (Hofin) Motaibet 280. Hocen (Hofin) Nacha'i 273. Hocen (Hofin) Dans 368. Hocen (Hofin) Dofefcht 280. Hocen (Hofin) Rabe 368. Hocen (Hoffn) Rebel 396. Hocen (Hofin) Reidan 371. Hocen (Hofin) Salem 293. Socen (Hofin) Scha’ibe 2380. Hocen (Hofin) Schaut 280. Hocen (Hofin) Schaqran 371. Hocen (Hofin) Scheghab 368.

Hocen (Hoffn) Schemi 298. Hocen (Hoſſn) Scheriye 291. Hocen (Hofin) Scherman 396. Hocen (Hofin) Sfatde 293. Hocen (Hofin) Tohaifi 280. Hodaida 188. 163.

Hogeil 356.

Hogriya 162. 205. 214. 390—397. Homma 200. 290.

Hoqaiba 207. 402.

Hoſain 203.

Hofain Rezaz 307.

Hota (Hauta) L 248.

Hota (Hauta) II. 201. 230. Hota (Hauta) III. 191. 356. Howhr 244.

Hulton 225.

Huwir 245.

J Ibb 207. 399. Ibharan 206. 881. Ihram 48, Johannes (Abuna) 128. Johannes Teklar 128. Iſchibum —* S. Nefchbum. Ismalil Paſcha 15—20. Söraeli 177. Köraeliten 173—181. Iſthmus (v. Aden) 158. Suden (tn Arabien) 173—181,

K.

Kaadibaum 187. Kadema 329.

Kahela 206. 207. 388. Kaheli 387.

Karatten 175.

Kaſſa 123 u. folg.

| Kaffala 118. 118.

|

Katholiken (in Aden) 161. Kazim 242. Kebba 388.

416

Kebs el Monga‘ 248. Keddera 396. Kedeiha 206. 408. Kedeire 205. 381. Kela 280.

Kellet 288,

Kellut 247.

Kelfanı 288.

Keren 118. 129. Keſadi 289. 291. Khedive 15—2%0.

Kirk 281.

Kod (Kaud) 199. 258. Kobenim 177. Kolaite 199. 273. Kor (Kaur) 209. 258, Kor Makſar 340.

L.

La Orélandière 297. Lahaqi 242.

Zaheg 144. 162. 202. 34349.

Lahi 202. 281. Landsberg 338, Latahan 288. Leiten 177. Loder ©. Ghoder. Londra 202. 231.

M.

Ma'beq 206. 888. Machdumi 379, Machſeb 257.

Madhig (Madzhidj) 214. 245. 247.

Magher 205.

Magra'a 278,

Mahfed (Mahfedz) 201. 248, Makalla 82. 162.

Makaten (Makatein) ceghir 243.

Makaten (Mafatein) kebir 248, Ma'mat 205. 379.

Manffuri L 278.

Manſſuri IL 203. 379. Manfiuri IIL 242.

Manfſuri (Münze) 337.

Regiſter. ı Magrehiya 245.

Ma’r 200. 258.

Marcha 202. 203. 248, 249. Mare 176. Maria-Therefia-Thafer 119. 337. Marib 184.

Margaſchi 255.

Marzabi 247.

Masfer 247.

Maskat 88.

Maffauma (Stadt) 101. Mafauma (Dialect) 104, Maffauma (Handel) 82. 113 u. folg. Maukadi 247.

Mauya 208. 871. Moereni 118.

Mechadim 379.

Medabi 394.

Medegera 387.

Medhagi 245.

Medina 41.

Medinet el Asfal I. 402, Medinet ei Adfat II. 207. Medinet Suq Doba 395. Medinet Telez 201. 290, Medware 888.

M.flebi 296.

Meferſcha 249.

Megba 352.

Megdaha 223. 224, Megeiſcha 387.

Meghafa 830.

Meghar 381.

Mehaidan 162. 326. Mehalla 142.

Mebemed Alt 7.

Mekaus 273.

Mekka 58.

Mekonen 122,

Melagem 208. 305. Meifi 305.

Menacera 205. 379. Menachem ben Meicheh 176. Mena’im 408.

Menelet 128.

Menſa 118.

Menzil 208.

Merafai 190. 278. 282.

Merfat 199. 201.

Meri (Mecri) 176. Merraid 204. 370—371. Merzaf 287,

Meſabek 307.

Meſa'd 367.

Mefa'di 255.

Meſauged 257. Meichaich 217. 247. Meſchalcha 384—385. Meicheh 176.

Meſchelqi 200. Meſchrah 307. Meichura 402.

Meſeri (Meiferi) 255. 273. Mesfegge 190. 278, Meshaqi 379.

Meslemi 247.

Meitinte 128.

Mesware 199. 203. 306. Dietamma 113. Metennet 362.

Methn es Sayadi 372. Metwogetn 307. Metuaftn 35 u. folg. Mebem 362.

Middet 119.

Mihtar 184.

Miles 157. 224. 231. 243. 256.

Millingen (Dr.) 224, 225. Mintfcherer 126.

Mirſſad 206. 388,

Mirza 200. 291.

Mittlere Auwaliq 244—245. Mocha 138. 213. 399. Mochader 403,

Mofalis 207.

Mogafa 389.

Mohader 281,

Mohafiz 41.

Mohngebba 296. Mohagera I. 362. Mohagera U. 241. Mohanneq 205. 380. Mohammed b. Ahmed 281. Moharrega 206. 388, Mokullo 108.

Monga‘ 202. 241. 248,

v. Maltzan, Weile nach Südarabien.

Regiſter. 417

Monſun 138, Montaz Paſcha 93. Maqabera 887. Mogqaibera 329. Moqatera 386-389. Moqteri 206. 886. Morageſcha 255. 256. Moradaia 245. Mordat 247. More 176. Moſaismus 174. Moſcheh 176. Moſchus˖ 118. Moſeta 204. 205. 296. Mojett 296. Moſſabein 312. Minide 304, Mfaud 304. Mtegna Atif 290, Diunzinger 103. 122. 202. 222. 231— 236. 243. 256. Muſſelin 81.

N.

Na'ab 200. 258.

Nacha'i 198. 202.

Nachlan 207. 402,

Nahgi 200. 201.

Naqb el Hagr 201. 202. 229— 233, Negd el Ahmar 402,

Meger 169. 170,

Nemara 852.

Nemr 202.

Neqaq 249.

Neqeſcha 382.

Neqil el Hamza 396,

Neqil Semara 207. 402. Nefiyin 247. 248.

Niſſab (NMicab) 202. 248, Niebuhr 179. 184. 247, 249. Nubier 27.

Nuri Paſcha 44.

O.

Obara 247 -249. Obere Auwaliq 245—251. 27

418 Regifter. _

Obere Wahidi 228—234. Deramid 245. Dber:Yafl’a 295 —297. Silfam 289, Okale 6. Oiyam 168. Okka 199. Dobayel 163. 191. 215—218. 249. Omad 258. 326. Dobati 207. Dmaiſi 242, Docer 88. Oman 186, Dofefchi 278. Omar 168, Do’la 208. 372, Omm Beda 245. Doph 177. Omm Chodeere 198. 199. 273. Dulliye 201. 244. Omm Saharig 137. Oumuſch 242—244. Omr 203. 305. Omtusla 245. Orfan 247. 278. Orqa 292. Rabizi 247. Orr 296. Radai 273. Otman (Othman) 168. Radman 805. 312, Oftafrifa 88—132. Raha 203—207. 851. Dftindifche Chrijten 161. Raima 168. Oftindifche Moslems 161. . Ramaban 64. Ramle 203. 204. 352. Ras "Ara 139. 205. 377. P. Ras Da’u 139. 877. Pais 174. 175. Raſſa 204. 2%. f Raſſam 240. 243, Parias 182—192, Rauda 191 Parfis 143. 157. San a 199 Hatach 177. auhwa 199. Raye 168. 192. 216—218. Perim 139, Rebat 402 Derfer 340. ea Neda 162. 204—208. 374—375. Philakterien 180. Rebeha 202. 281 Pies 337. ebeha 202. 281. Point 142, Rega' 205. 206. 380. Portugiefifche Abkoͤmmlinge 161. Regal 37. Rehauwi 288, Prion 142, . Nezaz 163. 301—309. Ptolemäus 224. Puntah's 150. Nitter 244. Roain 329, Roda (Raudba) L 257. Q. Roda (Raudha) L 191. 202. 231. Rolph 4. Dadi 60. 168. 164. Rotl 119. Dabtaniten 184. Rubit 120. Da’ida 207. 402. Rupie 837. Daliet Mogteri 206. 888. Dara 199—204. 289, © Dafcha 356. . Da’taba 168. 204—208. 367370, GSabäer 188.

Daun 139. Sabchani 237.

Regifter. 419

Sad 120. Schlitten 162. 168, Sa’d el Bagota 339, Schimper 124. 131. Saibeah 351. Schimri S. Schumr. Sailet el Millah 351. Schirgan 807. Sailet eth Thaimera 351 Schoho 118. Salemi 242. Schohud 65. Samah 257. Schughra 180. 198. 201. 256. Sambar 117. Schumr 184 u. folg. 218. 369. Sarw Himyar 209. 275. 294. Sebach 198. 201. 258. 330. Sarw Madhig (Madzhidj) 209. 245. 246. Sefal 296. 275. Segol 177. Sayabi 372. Sehagi 247. Scha’b 200. Sel Beni Sliman 201. Scha'b el Yahud 201. 289. Seltm 206. 379. Schafe't 38. 112. Semlan 247. Scafel 352. 357. Sepbardifche Juden 175. Scageri 247. Sepoys 161. Schahed 869. Serafe 200. 292. Schaheri 204. 360—363. Serar 199. 200. 289. Schaban 65. Seriya 201. 256. Scha’ib L 289. 292. Siffia 330, Schaib II, 258, Sir 330. Scha’if 366. 372—373. Sira 156. Schaft 47. 378. Si’ud 306, Scafuli 184. Smith 225. Schaka 366. Sobehi (Sfobathi) 376883, Schaker 406. Sobeidi 356. Schamſcham 140. Socheb el "Amar 372. Schaf 81. Soda 356, Scha uba 408. Sohail 201. Schayyalin 162. Soheb (Sohaib) 203. 204. 243. 356. Scheibe 381. Soleb 292. Schebe (Scheibe) 206. Solemani 237. Schech (Scheih) 217. j Solub 258. Scheh Abd el Kerim 20-25. Somali 160—166. Schech Otman 168. 330. Somalt 379. Schech Said 138. 384- 385, Sprenger 183. 184. Schecha (Scheicha) 48. Sfaheban 402. Scheheri 278. Sſaidi 289. Schema'i 242. Sfalah ed Dhobbi 297. Scemi 289. Sfana’ 399. Scher'a 204. 208. 356. Sſuar 380. Scher ab 408. Stella 128. Schergebi 892, Su’ab 209. 306. Scherif 58. 217. 234, Suakin 83. 89, 91. 114. Scheriya 291. Sub 387. Scheruf 120. Suban 91. Schewuha 200. 291. Subant 170.

420 Regifter.

Sue; 26—30. Tſchamar 184.

Eultan 217. Tubani 247.

Sunniten 168. 186. Zufun 227.

Sug el Chamis in Ferfcha 382. Zuran 205. 381.

Suq el ®oma’ 382.

Suq el Had 2%. u

Suq es Sebt 382. .

Sug Halm Saidi 273. ubis 127.

Suweba 273. Untere Auwallg 241—244.

Synagoge 176 u. folg. Untere Wahidi 223—228.

Untere Yafl 288—294.

T. Urdaba 358.

Tädſch 126.

Tafeh 379. W.

Taft 203. 307. Wadi Abadan 246.

Ta izz 205—207. 399, Wadi Achdar 241.

Ta’izziya 398— 405. Wadi Adim 378. 392.

Talab 204. 373. Wadi Agela 395.

Talmudiſten 175. Wadi Aideri 272. 277.

Tarf el 'Atena 387. Wadi Ail 272,

Taufik Paſcha 18. Wadi Aleſſan 378.

Tayeſ 60. Wadi Amd 48.

Teem 200. 292. Wadi Ameq 359.

Telez 200. 201. Wadi Aten 387.

Temeſchi 237. Wadi Azan 272. 277.

Teran 258. Wadi Bereike 277. 303.

Tere (Theire) 199. 280. Wadi Bonna 253. 285. 351.

Teriya 258. Wadi Bofame 253.

Thalub 330. Wadi Gera 359.

Tharore 329, Wadi Chuale 391.

Thau 177. Wadi Chulle 285.

Thefillin 180. | Wadi Dabab oder Debab 354. 359,

Theodor 122. Wadi Dhi Regem 354. 361.

There (Theire) 199. 280. Wadi Do’an 28.

Thora 176. Wadi Dra (Dhra) 246.

Tian 144. Wadi "fan (Fran) 229.

Zigre 116, Wadi el Abehor 367.

Tigrinnia 104. Wadi el Chodr 367.

Tohaift 278. Wadi el kebir 325.

Tomeir 356. Wadi el Menara 392.

Tornauw 163. Wadi el Metthur 392.

Towen (Towein) 234. Wadi el Oobba 391.

Tower of Silence 157. Wadi el Dobla 378.

Tozze‘ 200. 291. Wadi eſſ ceghir 325.

Tremendbere 195. Wadi Ga'diya 358.

Tripolis 170. Wadi Gerdan 209. 229.

Regiſter.

Wadi Habba 286.

Wadi Hacen 359.

Wadi Hadena (Habhena) 246—248.

Wadi Hagr 228. 225.

Wadi Hagum (Hadjum) 207. 391.

Wadi Hakum 207. 391.

Wadi Hanka 358.

Wadi Haſan 210. 253. 285.

Wadi Hauwar 210. 241—243,

Wadi Hauwir 277. 308.

Wadi Heruwa 392,

Wadi Hocein 359.

Wadi Irames ©. Yerames.

Wadi Kelafi 241.

Wadi Kesr 48.

Wadi Lamlan 286.

Wadi Leſchruch 387.

Wadi Ma’aber 354.

Wadi Matdanı 326.

Wadi Maifa'a 209. 223. 225. 229. 286.

Wadi Medheq (Medheiq) 277. 308.

Wadi Mefalis 391.

Wadi Mefa't (Maifa'a) 209. 223. 225. 229. 236.

MWadi Melagem 3083.

Wadi Meran (Meiran) 271. 277,

Wadi Mejaudt 246.

Wadi Mesware 277. 308.

Wadi Mirſſad 887.

Wadi Mo’aden 378.

Wadi Mo'ga 392.

Wadi Namaqa 286,

Wadi Na'um 286.

Wadi Neßhal 253.

Wadi Nefnafe 241.

Wadi Nura 210. 285. 325. 851. 354.

Wadi Omm Chalif 277. 303.

Wadi Dobla 378,

Wadi Rachiye 48.

Wadi Radman 803. 311.

Wadli Raiban 277.

Wadi Reban 288.

Wadi Reqab Hedad 286.

Wadi Reſchan (Hetfchan) 367.

Wadi Roſut 286.

Wadi Sabſab 285.

Wadi Saimar 246.

Wadi Sala‘ 254.

421

Wadi Salman 229,

Wadi Samah 359.

Wadi Sarar 286.

Wadi Schaka' 359.

Wadi Shara 285.

Wadi Schera 855. 358.

Wadi Schewuha 291.

Wadi Serafe 285.

Wadi Soheb (Soheib) 359.

Wadi Solub 210. 258. 285.

Wadi Sſahab 286.

Wadi Tamat (Thamat) 277. 308. 311. Wadi Teem 285.

Wadi Thamat 277. 808. 311. Wadi Toba 359.

Wadi Tobban 196. 210. 285. 315. 325, Wadi Toruri 359.

Wadi Wahba 859,

Wadi Wallach 285,

Wadi Warezgan 210. 351. 392. Wadi Yahor 296.

Wadi Yelln 808. 311.

Wadi Yerames 210, 253, 277. 285. Wahba 859, 362,

Wahet 330.

Wahidi 190, 221,

Walker 245.

MWagedin 328,

Wafet 249,

Wellſted 220, 221. 248.

Wrede 24. 25. 224. 234. 248, 249,

y.

Yafı“ (Rand und Volk) 283 -800. Yafı'a 186. 199. 200. 283—800, Yafı't 214. 222. 283—300. Dahor 296,

Yambo 28. 40.

Daqut 220.

Yazidi I. 289, -

Dazidi II. 204. 222, 373. Defrus 408,

Deherri 289.

Demen 186.

Derim 162. 163. 207. 208. 399, Yeſchbum 202. 245.

422

Yuſefi I 207. Yufefi IL 288.

3.

Zade 177. Zafiye 395. Zander 124. Zaida 380. 352. Zaidi 162. 186.

Regifter.

Za zai 206. 887. Zebid 168. Zemzem 35.

Zere 177.

Zingi 169. Zobeiri 207. 398. Zoreiqi 379, Zotto 126. Zugur 188.

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Adohßh bon Wredels) Reiſe in Hadhramaut

Beled Beny Yifa

und

Beled el Hadſchar.

Herausgegeben,

mit einer Einleitung, Anmerkungen und Erflärung der Inſchrift von Obne verfehen

von

Heinrich Freiherrn von Maltzan.

Nebſt Karte und Facſimile der Inſchrift von Obne.

Braunfhmeig, Drud und Verlag von Friedrich Bieweg und Sohn. 1873.

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Die Herausgabe einer Ucberfegung in frangöfifcher und englifcher Sprache, fowie in anderen modernen Sprachen wird vorbehalten.

5 ver II

Vorwort.

Dem Herausgeber des »Globus«, Dr. Carl Andree, kommt das Verdienſt zu, zuerſt nach langer Vergeſſenheit wie- der auf den handſchriftlichen Nachlaß Adolph von Wrede's aufmerkſam gemacht zu haben. Ihm verdanke ich auch das Manuſcript der hier herausgegebenen Reiſe, welches von Wrede's hinterlaſſenen Handſchriften nur einen Theil, aber den wichtigſten Theil bildet. Wrede's übrige Neifebefchrei- bungen behandeln die befannteren Gegenden am Rothen Meere. Da diefe aber feit Abfaffung des Wrede'ſchen Manuferipts ſchon vielfah von anderen Reifenden gefchildert wurden, fo galt ed für angezeigt, bier nur denjenigen Theil der Wrede’ fchen Reiſen zu veröffentlichen, welcher feine wichtigen geographifchen Entdeckungen in Südarabien behandelt.

Dresden, 8. Juli 1870.

Der Herausgeber.

Inhalt.

Einleitung. . . . ern. 1 Ueber die Rechtſchreibung arabifcher Namen een. 42

Erftes Eapitel. Kiüftenreife von Aden nad) Malalla . .. 43 Schifffahrt von Aden nad) Borum. Borum. Der Stamm der Beny Haffan. Wäbiy Fuwa. Waͤdiy Halle. "Ayn el Shaffffäny. Ankunft in Makalla.

Zweites Capitel. Bon Makalla nad) dem Dfchebel Tſahura. 55 Abreife von Makalla. Darrayı. Waͤdiy Omm Dſchirdſche. Das Dorf Harr Schiwäts. Hafiye. Falh eff Sſifle. Waͤdiy Mahniye. Fedſch min Allah. Die Areaͤ. Dihebel Ba Bihae. Der Engpaß Faylebät. Aqaba el Mahniye. Dſchebel Harf el Hagyg. Dſchebel el Idme. Schura. Mifine. EI Dada. Gily. Dſchebel Sidära. Waͤdiy Montifh. Dichebel Rohe. Dichebel Mobarek. Dſchebel Tſahura. Drittes Capitel. Der nördliche Gebirggabhang..... 86 Waͤdiy el' Af. Maqubet el Chomra. Die Hochebene. Nachtlager am Waädiy Haçarhayan. Wädiy Dahme. Waſſerbehälter. Waͤdiy Eharit. Nachtlager am Waͤdiy Chaͤyile. Ueberraſchende Ausſicht in dem Wädiy Doän. Ankunft in Choraybe. Schaych 'Abd⸗Allah⸗Bä⸗-Sſudän. Bewäſſerungsſyſtem und Kanalanlagen. Abendmahlzeit bei Manaͤci ben Sſa'yd ibn Yſſa el' Amud, Sultan von Choraybe.

Viertes Capitel. Erſte Excurſion vom Wädiy Doſän aus. 117

Abreiſe von Choraybe. Waͤdiy Minua. El Oirbe. Waͤdiy Gharäm. Nachtlager im Wädiy Schomayre. El Ebnä. Girrayn. Ercurfion nad dem Dſchebel Schagg. Nadıt- \ lager im Wädiy Sfalaf. Waͤdiy Mayfche. Dichebel Dabr eff Sfäyir. Nachtlager i im Wadiy Därat e8 Soha. Waͤdiy el Boyut. El'Aqyq. Dſchebel Molk. Waͤdiy Gafraͤ. Ankunft in Hign ben Dighaͤl. Wädiy EI Hadſchar. Hicn

el Dayime.

Fünftes Capitel. Die Ruinen von Obne ..... 144

Abreife von Hicn ben Dighäl. Wäbiy No'män. Dſchul Bi Yaghuth. Wadiy Diiswel. Diehebel Noab. Ein erlofchener Bulfan. Wäadiy "Obne. Ruinen von Obne. Wädiy Arär. Zur Characteriftif ber Beduinen. El Dſchowayre. Dobbet el Ayn. Die Bay Hardſcha. Waͤdiy Mayfaa. Ankunft in Dſchul eh Schaych. Schaych

VIII Inhalt.

‘Omär ibn ‘Abd er Rahman ben "Abd el Manaͤh. Abreife. Saqqume. Anfall der Dfiyayby. Rüdreife nad) Dſchul eſch Schaych. Abreiſe. Waͤdiy EI Hadhena. Dſchebel Alqa. Waͤdiy Soggayme. Ex Sodayre. Waͤdiy Scharad. Zweiter Anfall der Dfiyayby. Ei Hodaà. Waͤdiy Carhyr. Ankunft in Hien ben Dighäl. Sechstes Eapitel. Stämmeverfanmmlung im Wädin ip Hafar Abreife von Hign ben Dighäl. Ankunft in Hoda. eine gefährliche Tage daſelbſt. Lager am Waͤdiy Kam. Nacht⸗ lager am Waͤdiy Mintät. Rachtlager am Wädiy Hafar. Eine intereffante Scene. Aufbruch. Wegelagerer. Metelle. Wädiy Rhayde ed Dyn. Dela. Kaydam. Chowayre. Nachtlager am Wadiy Maghaͤra. Ankunft in Choraybe.

Siebentes Eapitel. Das eigentlihe Hadhramaut Zweiter Beſuch bei dem Sultan. Abreiſe. Ankunft in 'Amd. Schaych Abd er Rahmaͤn bi Dyak ben Amudy. Abreiſe. Nachtlager bei Hallet ba Salib. Nachtlager bei Dirbe. Ankunft in Haura. Der Waͤdiy Amd. Der Waͤdiy Ei Hadſcharyn. Die alten Königsgräber im Wadin Ghayibun unfern Mefchhed "Alyy. Der Waͤdiy Darr.

Achtes Kapitel. Ausflug nad der Wüfte El Ahgaf Abreife von Haura. Batermord eines Beduinenfnaben. Ankunft in Gahıma. Ercurfion nad) dem Bahr eff Sſafy. Die Wüfte EI Ahgaf. Ein altes Grabmal. Der Waͤdiy Er Raͤchiye. Rückreiſe über Amd nad) Choraybe. Der neue Sultan.

Neuntes Capitel. Lebte Kataſtrophe und Rüdtehr nach Makalla

Abreiſe. Darrayn. Antunft vor Sjayf. Deine tritiſche Lage daſelbſt. Entſcheidung der Olamaͤ. Betragen -deö Sultans Alyy Mohammed ibn 'Abd Allah ibn No'maͤn ben Sfa’yid ihn "Na el Amud. Abreiſe. Der Wäaͤdiy Ei Ayffir. Gaftfreundfchaftliche Aufnahme in einem Gehöfte unweit Chorayf. Doqum el Ayffür. Wohnungen der Bebninen im Wädiy Kotayf. Eine Bebuinenhochzeit. Um— zug der Beduinen. Neue Wohnungen im Waͤdiy Howayre. Ayn er Raͤſſ ed Dyn. Ankunft in Makalla. Freundliche Aufnahme von Seiten des Sultane.

Bemerkungen und Ausführungen .

Erfter Anhang. Ueber die Könige und Bölter Südarabiens Zweiter Anhang. Hinyarifche Inschrift von Obne Regiſter .. . . .. . .....

Seite

186

208

237

252

273 295 325 363

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Einleitung.

Wir Deutfchen haben an Entdedlungsreifenden Teinen Mangel. Keine Nation, die englische allein vielleicht ausgenommen, Tann ſich in diefer Beziehung mit uns vergleichen. Aber wir wiffen gar nicht, wie reich) wir find. Noch mandjer Name, der berühmt zu fein ver- dient, ichlummert im Berborgenen, den Fachmännern allein und jelbft diefen nım oberflächlich befannt. Der Grund Hiervon feheint mir nicht fhwer zu entdeden. ‘Die meiften deutfchen Forſcher, wie die dentfchen Gelehrten, verfchmähen die Reclame. Wenn diefe in Frankreich und England in jo üppiger Blüthe fteht und jedem Zweige der Publiciftik, jelbft der wiffenfchaftlichen dient, fo beſchränkt fich ihr Gebiet bei uns mehr auf die fogenannte ‚‚oberflächliche Literatur”, ein Umſtand, der ohne Zweifel feine gute Seite hat, denn das wahrhaft Gediegene wird fo gezwungen, fih im Kampfe zu bewähren und als folches zu offenbaren, indem es auch ohne Reclame zur Deffentlichkeit durchdringt. Aber es macht mitunter feinen Weg nur fehr Tangfanı. |

Eine ſchlimme Folge der Beſcheidenheit unferer tüchtigen Männer ift ohne Zweifel die, daß die Buchhändler dadurch ftußig gemacht werden, daß fie an dem Erfolg eines Werkes zweifeln, von deffen Berfaffer fo wenig verlautet und daß deshalb die Werke diefer Männer fehr oft Leinen Verleger finden. So ging es auch dem treefflicken Manne, den wir den unbekannten Reifenden nennen fünnen. Diejer Mann, deſſen Namen wohl viele Lejer jet zum erſtenmal hören

U. v. Wrebe’s Reife in Hadhramaut. ‚1

2 Einleitung.

werden, war Adolph von Wrede, ein geborner Weftphale, dem die geographifche Wiffenichaft die Ausfüllung einer jener Lücken verdankt, an denen diefelbe vor kurzem noch fo überreich war und deren viele auch jest noch auf ihre Ausfüllung und Befeitigung harren.

Ueber Heimath, Leben und ſonſtige Privatverhältniffe unferes Reiſenden habe ich mir Mühe gegeben, etwas Beitimmtes zu erfunden, leider nur mit fehr geringem Erfolg, Der berühmte Miſſionar Dr. Krapf, der mit Wrede im Herbite 1843 in Aden zufanmen- traf, konnte mir über den Urfprung Wrede’s nichts Gewifjes Tagen. Bon ihm erfuhr ih nur, daß unfer Reifender in den dreißiger Jahren diefes Jahrhunderts in griechiſchen Dienften als Offizier geftanden, dann fi) in Kleinafien aufgehalten und fpäter nad) Aegypten begeben babe, von wo aus er im Frühjahr 1843 feine denfwürdige Entdedungs: reife unternahm. Erſt viel fpäter fcheint er nad Europa zurüd- gelehrt zu fein, um fein Manufeript zu veröffentlichen, was ihm je- doch nicht gelingen follte.

Leider wurde dem muthigen Reifenden in feinem Vaterlande nicht mir feine Anerkennung zu Theil, fondern ihn traf aud) nod das graufame Schidfal, daß feine Berichte bei Vielen feinen Glauben fanden und daß man ihn für wenig befjer als für einen „Schwindler“ erflärte. Obgleich einige tüchtige Geographen, wie Carl Ritter, Sir Roderih Murdifon, Kiepert, Petermann die Wichtigkeit feiner Ent- deckungen zu würdigen wußten, jo blieb doch nicht nur das Publikum ihm gegenüber gleichgültig, fondern fogar bedeutende Männer, wie Alerander von Humboldt und Leopold von Buch, fprachen offen ihre Zweifel über die Glaubwürdigkeit feiner Reiſeſchilderungen aus. Leßterer in feiner derben Weife nannte den Reifenden geradezu einen Lügner und pflegte zu erzählen, wie Humboldt fich geärgert über die „Aufſchneidereien“, welche ſich Wrede beim Könige Friedrich Wilhelm IV. in Sansſouci, wo ihn Humboldt eingeführt hatte, über feine Aben- teuer erlaubt habe. Was namentlih das Mistrauen des großen Naturforfchers erwecdte, war die Schilderung, welche Wrede von einer merkwürdigen, allerdings fehr väthjelhaften Naturerſcheinung entwarf,

d

Einleitung. 3

die er am Bahr eſſ Sfäfy in der Wäfte el Ahqaf beobachtet Hatte und über die der Leer, der fie im vorlekten Capitel diefes Buches findet, fich ſelbſt ein Urtheil bilden mag. Allerdings Klingt es fonder- bar, wenn man einem Naturforfcher ins Geficht hinein behauptet, daß eine Meßſchnur im Wüftenfande wie in einem Brunnen verfinfen könne, und diefe Erzählung Wrede’s, wenn ohne gehörige Erläuterung, d. h. außer Zufammenhang mit den fie begleitenden Nebenumftänden im gewöhnlichen Gefpräh gemadt, mochte wohl den Verdacht der „‚Auffchneidereien‘ auflommen lajjen. Aber wie die fragfiche Schil⸗ derung in Wrede’s handſchriftlichem Nachlaß Hingt, jehen wir fie faft gänzlich jenes wunderlichen, abenteuerlichen Gewandes entkleibet, welches Humboldt’ Mistrauen Hervorrief. Nicht im Sande fchlecdhtiweg ver- ſank die Meßſchnur, fondern in einer tiefen Höhlung, die dem Rei- fenden wie ein Brunnen erfchien, in deren Grunde wahrfcheinlich eine Betroleumgquelfe ſich befand, und deren Oberfläche nur eine Schicht jehr feinen Sandes oder Staubes, jehr verfchieden von dem gewöhn- lihen Wüftenfand, bedecdte. Die Naturforſcher mögen entjcheiden, in- wiefern eine ſolche Erſcheinung möglih iſt. Aber im fchlimmften Talle fünnen wir hier nur einen Irrthum des Reifenden vorausfeken, da er ja feine Meßſchnur nicht wieder aus der Höhlung heraufzuziehen vermochte und da das, was ihm wie ein Verſinken vorfam, möglicher- weife ja nur ein Stedenbleiben derfelben, durch merhanifche Hinder- niſſe, 3. DB. ein Vorrutichen des Sandes verurſacht, fein Tonnte.

Dies ift Übrigens auch die einzige Epifode im ganzen Wrede'⸗ ihen Werke, welche jene Zweifel an feiner Glaubwürdigkeit erklären fann. Im Uebrigen macht feine Reifefchilderung durchaus den Ein- dvrud der Wahrhaftigkeit. Wie hätte auch ein Schmwindler ſolche Männer, wie Carl Ritter, und die andern bedeutenden Geographen täufchen Tünnen, wie hätte der langjährige Kenner Arabiens, der be- rühmte Arabift Tresnel, Wrede’s Reife als eine der widhtigften Ent- deckungen unferes Sahrhunderts preifen können?

Aber wir haben auch nocd andere, geradezu direete Beweiſe für die Authenticttät der Wrede'ſchen Reife. Der erfte ift der, daß Arnaud,

1*

4 Einleitung.

welcher gleichzeitig mit Wrede's Reiſe in Habhramant, feinen be- rühmten, unzweifelhaft authentifchen Ausflug nad Maͤrib unternahm, in letzterer Ortfhaft von Arabern, die aus dem benachbarten Ha⸗ dhramant kamen, hörte, daR ſich zur Zeit ein Europäer in viefer Provinz aufhalte, deſſen Berfonalbefchreibung durchaus auf Wrede paßte. (Die vollftändige Beichreibung jteht im Journal Asiatique, IV. Serie, V. Volume, Mars— Avril 1845, ©. 311 und 312.)

Doch auch ohne Perfonalbeichreibung konnte bie Erzählung jener Araber nur Wrede und keinen Andern bezeichnen, denn nie ift außer rede ein Europäer in Hadhramaut geweſen.

Einen andern Beweis fchöpfen wir aus dem Umftand, dag Wrede eine himyariſche Inſchrift von feiner Reife zurüdbrachte, auf welcher die Orientaliften deutlich den Namen mehrerer Orte und Landfchaften (Hadhramaut, Mayfaa und Obne) entzifferten, welche unjer Rei: fender befucht hat. Namentlich der Name des Fundortes der In—⸗ ſchrift „Obne“, fcheint unzweifelhaft feftgeftellt. Nun ließe fich zwar die Vermuthung aufftellen, Wrede könnte diefe Infchrift an der Küſte gefunden haben, aber zum Mindeften wäre dann der Umftand höchſt auffallend, wenn nicht räthjelhaft, daß diefelbe gerade den Namen „Obne“, wo der Reifende fie gefunden zu haben behauptet, deutlich wiedergiebt. Wäre fie aber an der Küfte vorhanden geweſen, fo mußten frühere Reifende, wie Eruttenden, Wellſted, welche die Injchriften gerade diefes Küftentheils copirten, doch auch etwas von ihrer Eriftenz gehört haben. Was fchlieglich eine andere für Wrede nod) nach⸗ theiligere Vermuthung betrifft, die nämlich, daß er jene Inſchrift fabricirt habe, ſo konnte eine ſolche nur von Menſchen aufgeſtellt werden, die keinen Begriff von der epigraphiſchen Forſchung himya⸗ riſcher Schriftdenkmäler beſaßen. Denn dieſe Forſchung war zu Wrede's Zeit noch ſo wenig vorgeſchritten, daß kaum der gelehrteſte Orientalift damals im Stande geweſen wäre, eine ſolche Inſchrift zu fabriciren, und Wrede kannte nicht einmal das himyhariſche Alphabet. Die Authentichtät der Infchrift iſt auch von den Gelehrten nie ernft- lich in Zweifel geftellt worden. Den Namen „Obne“ Tonnte aber

Einleitung. 5

Wrede nicht aus ihr ſelbſt geſchöpft haben, da, wie geſagt, er nicht im Stande war, ſie zu leſen. Wenn er uns nun eine himhariſche Inſchrift aus dem Innern Hadhramauts bringt und behauptet, er habe dieſelbe in einem Orte Namens „Obne“ gefunden, und die Drien- taliften auf derfelben fpäter den Namen „Obne“ wirklich deutlich leſen, jo gehört viel böfer Wille dazu an der Authenticität des Yund- orts zu zweifeln. Wenn aber Wrede den Namen „Obne“ nicht aus der Inſchrift Schöpfte, woher follte er ihn entnommen haben? Etwa aus frühern Neifewerfen? Kein einziges kennt diefen Namen. „Obne“ war vor Wrede in Europa ganz unbekannt. Es bleibt alfo nichts anzunehmen, als daß Wrede felbft in „Obne“ geweſen fein muß.

Auch noch andere Umftände Iafjen die Vermuthung, daß Wrede feine ganze Reife nur erdichtet habe, im höchſten Grade unwahrjchein- ih, wenn nidht paradox erfcheinen. Wie ift es denkbar, daß ein Reifender ein ganzes Syſtem von Wädiy’s (Flußthälern), von Ge- birgen, Hocebenen, daß er über 100 Namen von Ortjchaften erfinden fonnte, und daß diefe Erfindungen vollfommen mit den Berichten der Einheimischen übereinftimmen, welche Fresnel ein Jahr fpäter fam- melte? Ferner war Wrede nicht gelehrter Etymologift, er verftand fih nur ſchlecht auf die Ableitung arabifher Namen, und dennoch paffen die Namen der von ihm genannten Ortſchaften in vielen Fällen genau auf den von ihm gejchilderten topographiichen Charakter jener Dertlichleiten! Wäre dies Alles erfunden, fo müßten wir dem Rei— fenden übernatirliche Divinationsgabe zufchreiben.

Leider giebt e8 auch in der neuern touriftifchen Literatur ſo⸗ genannte fabricirte NReifebejchreibungen, d. h. völlig erdichtete Schil- derungen von Ländern, in die der Autor nie einen Fuß geſetzt Hat. Aber diefe Machwerke tragen einen ganz andern Stempel, als die Wrede’fche Reiſebeſchreibung. Handeln diefe Bücherfabrikanten von noch unentdeckten Ländern, fo beftreben fie fi vor allen ‘Dingen das geographifche Element in den Hintergrund zu drängen und umter einem Schwulſt von weitläufigen, oft romanhaften Detailerzählungen zu er- drüden. Sp erreichen fie den Zwed, ein dides Buch zu liefern,

6 Einleitung.

ohne fich allzu fehr zu compromittiren, d. h. ohne geographifche Data zu geben, deren Unechtheit eine vielleicht baldige Entdedung eines wirklichen Reifenden allzu Klar beweifen Tönnte.

Merkwürdigerweiſe hat auch Wrede's KReifegebiet das Schidfal gehabt, zu einem der befchriebenen Machwerke den Vorwurf zu liefern. in franzöſiſcher Neifender, du Gouret, der fi) auch Haͤdſchy Abd el Hämid Bey nannte, wollte im Jahre 1844 (alfo ein Jahr nad Wrede) eine Reife durd) Hadhramant gemadjt haben, die er unter dem romanhaften Titel „Les Mysteres du desert‘ in Paris im Jahre 1859 veröffentlicht hat. Diefe „Geheimniſſe der Wüfte‘ find ganz nad) der oben erwähnten Schablone angelegt. Bon geographifchem Material wird nur das Allerdürftigfte, und aud dies nur aus falfchen, veralteten Quellen gefchöpft, geboten. In ganz Hadhramant Termt du Couret mur vier Drtfchaften und weift diefen genau diefelbe trrthümliche Lage an, unter welcher fie Berghaus auf feiner 1834 nad ältern Berichten, die jedod nur auf Hörenfagen beruhten, verfaßten Karte, verzeichnete, 3.3. giebt er Do’än (das er eine Stadt nennt) um Vieles nördlicher als Terym und Schibaͤm an, während es füdlich von befagten Orten Tiegt. Das zwifchen diefen vier Ortfchaften befindliche Land bezeichnet du Couret theils als eine Wüſte, theils als eine Steppe, nad) Art der amerikanischen, von frifehen hohen Sräfern bewachſen, theils als einen natürlichen Garten voll aromatifher Kräuter und wundervoll fchöner Blumen. Bon Gebirgsbezeichnungen, Flüffen, von dem fo wichtigen Syſtem der Waͤdiy's findet fich bei ihm Feine Spur. Aud die Bewohner find fehr wenig berückſichtigt. Außer den Einwohnern befagter Städte und den Mitgliedern feiner Karavane fennt der Tranzofe eigentlich nur noch Räuber, wie die wilden Stämme von Mahra, melde bie nad) Hadhramaut eingedrungen ſein und ihm dort aufgelauert haben ſollen, und die ſogenannten Khafir el Orianin (richtig geſchrieben Kaͤfir 'el Oryaͤnyn), welche letztere er als eine Art von Wilden beſchreibt, die das ganze Flachland und die Wüſte bewohnen und unſicher machen. Was ſollen aber dieſe „Khafir el Orianin“ ſein und was bedeutet der

Einleitung. 7

Name? Letzterer ift Iediglih ein Schimpfwort und bedeutet bie „nackten Ungläubigen oder Keter”. Cs ift möglich, daR bu Eouret, der wirflid an der Küfte von Yemen gewefen zu fein ſcheint, mit jenem Schimpfwort die halbnadten Beduinen, welche eben feine ftrengen Moslims find, von den fanatifc orthoboren Städtern be- zeichnen hörte. Aber wie Tann man annehmen, daß ein Reifender in einem fo ſtammesſtolzen Lande wie Arabien, wo die Namensbezeich- nungen der Stämme ımd ihre Genealogieen eine viel wichtigere Rolle fpielen, als topographifche Linterfcheidungen, fir die zahlreichen Stämme, deren Gebiet er durchwandert haben muß, mie andere Namensbezeichnungen vernommen haben ſollte, als den bejhimpfenden

Collectivausdrud „die nadten Ketzer“? Außerdem fpricht du Couret von einem Glanz und Yurus, der in befagten Städten herriche, von - einer gewiffen Civilifation und Toleranz, indem er fogar Juden, Banianen und Sabäer (?) im Innern des fanatifhen Habhramant wohnen läßt, überhaupt von Zuftänden, wie fie allenfalls in Küften- ftädten von NDemen vorkommen, wie fie aber im Innern Arabiens nicht exiftiren; einen Saß, für den wir noch andere Zeugen als Wrede haben, nämlich Eruttenden und Wellited, die auch ſchon von den bar- barifchen Zuftänden im Innern berichteten, und vor allen Dingen Fresnel, der in Dſchidda viel‘ mit Hadhramantern zufammenlebte und deffen aus ihrem Munde entnommene Berihte durchaus mit den- jenigen von Wrede übereinftimmen, diejenigen feines romanfchmiedenden Randsmannes dagegen Lügen trafen.

Dies das dürftige geographifche und ethnologifche Skelett der „Geheimniſſe der Wüſte“. Deſto reichhaltiger erweifen fich diefelben jedoch an romanhaften Ausſchmückungen. In Märib, deſſen Befchrei- bung übrigens ein Plagiat Arnaud’s bildet, giebt uns du Couret, nachdem er den Palaft des Oberhauptes mit Arnaud's Worten ge- \childert, eine Reihe fabelhafter Scenen ımter dem Titel „Les &preuves‘ zum Beſten, welche als ein Zerrbild der ehemaligen freimaureriſchen Rovizenprüfungen erfcheinen. Es wird ihm befohlen, fi von einem fünfftödigen Thurme hinabzuftürzen, zu einem wüthenden Panther in

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8 Einleitung.

den Käfig zu fteigen, ein unterivdiiches Labyrinth zu durchwandeln, und nachdem er dies Alles gethan, aber beim HDinunterftürzen vom Thurme von fräftigen Armen aufgefangen, im Käfig des Panthers durch eine plößfich hinabſinkende Scheidewand errettet worden ift und im Düfter des Labyrinths ſich von einem mit Bligesfchnelle fich ent- faltenden Lichtmeer umgeben gejehen bat, trifft ihn nod die fchred- the Schlußpräfung, daß man feinem größten Feinde, einem mit ihm angefommenen Araber, der feinen Tod gefchworen Hatte, befieblt, ihn zu erfchießen. Letzterer drückt wirklich Los, aber die Kugeln waren auf Befehl des Gebieters von Märib ohne Vorwiſſen des Mörders, der wirffih die Abficht zu tödten Hatte, aus der Büchſe entfernt worden, und fo endet die romanbafte Prüfung zum Ruhm und Heil des Schwererprobten! Iſt es. möglich, daß in unferm Jahr hunberte noch folhe Märchen aus „Tauſend und einer Nacht“ den Lefern als wirkliche Erlebniffe und Reifeabentener aufgetifcht werden fönnen?

Einen fiegreichen Beweis gegen die Wahrhaftigkeit des Verfaſſers der „Geheimniſſe der Wüſte“ hat uns jedoch deffen eigene Unvor- fichtigkeit an die Hand gegeben. Wenn man eine Xeijebefchreibung erdichtet, fa muß man fie wenigftens ganz erdichten, und ſich wohl hüten, bie Ahenteuer Anderer, die bereits gedrudt find, als eigenes Erlebni wiederzugeben. Dieſe Vorficht hat du Couret gänzlich außer Acht gelaffen, indem er eine Scene mit Schlangengauflern aus dem befannten Werke des engliichen Confuls Drummond Hay „Marocco, its wild tribes and savage animals” nichf nur wiedergiebt, fondern faft wörtlich aus der franzöfifchen Weberfegung diefes Werkes ab- fhreibt und dem Leſer zumuthet, diefe in Marokko vorgefallene Scene, deren Details durchaus nicht nach Arabien paffen, für eine in letterm Lande von ihm perfünlich bezeugte hinzunehmen. Zu dieſem Zwed verfeßt er die "Ayffauya, die maroffanifche Secte der Schlangen- gaufler, mitten ins Herz von Arabien! Selbſt den fprachlichen Vehler Drummond Hay’s, welcher den Stifter der Secte Aiffer nennt, während er Mohammed ben Alfa (mit a, nicht mit ex) hieß, wieder:

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holt der unkritifche Verfaffer der Geheimmiffe der Wüfte. *) Wenn wir aber einen Reifefchriftfteller auf einem fo offenkundigen Piraten- thum ertappen, dann müſſen wir aud jeden Glauben an die Authen- tieität feiner übrigen vermeintlichen Exlebniffe von uns weifen.

Der Lefer entfchuldige diefen Ercurs über das franzöfifche Reiſe— werk mit der Rückſicht auf unfern Landsmann, von Wrede, deifen Berichte eben durchaus falſch fein würden, wenn wir die des Fran- zofen fir wahr Halten könnten. Deshalb nur Habe ich fo lange bei leßtern verweilt, denn da Wrede's fo reichhaltiges geographifches Material mit dem dürftigen des Franzojen durchaus im Widerfpruche fteht, fo künnen unmöglich beide Berichte wahr fein. Ich denfe, der Lefer wird ſich ſchon längſt darüber entfchieden haben, wen von Beiden die Palme der Wahrhaftigkeit zufommt.

Daß diefer Preis Wrede gebührt, darüber herrſcht heut zu Tage unter den Männern der Wiffenfchaft wohl kaum ein Zweifel mehr. Leider war dies jedoch zu Wrede's Lebzeiten (wie ſchon oben erwähnt) nicht der Fall, und diefer Umftand erklärt wohl, warum ber Reifende in feinem Waterlande keinen Verleger fand. Größere Anerkennung dagegen jchien ihm in England bevorzujtehen. Die dortige „Geo— graphifche Gefellfehaft‘ Hatte einen Auszug feiner Neifeberichte in ihre Zeitihrift aufgenommen. Weifefchriften fanden von jeher in England bereitwillige Verleger und Publifum. So faın er denn auf den Ge⸗ danken, es dort zu verjuchen, und e8 waren wirklich auch gegründete Ausfichten vorhanden, daß fein Manuſcript, ‚einmal ins Englifche überfegt, einen Verleger in England finden werde. Leider follte je- doc demfelben in England der größte Verluſt bevorftehen; ein Ver— luſt, den wir nahezu als unerſetzlich bezeichnen Tönnen. Wrede hatte feinem Manufcript eine mühſam entworfene, vollftändige Karte des von ihm entdedten Theils von Arabien, fowie eine Anzahl Dand-

*) Die geftohlene Stelle findet fi in den „Mysteres du Desert par Hadj Abd ’el Hamid Bey” (Paris, Dentu, 1859, Bd. I, S. 177-181) und ift die beinahe wörtlide Wiederholung der franzöfifchen Ueberfeßung in Drummond Hay’8 „Marocco ete.“, &. 193—196 der franzöfifhen Ausgabe.

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zeichnungen nebft colorirten Coſtümbildern beigegeben 5, und dieſe Zu⸗ gaben befanden ſich in den Händen des Ueberſetzers, welcher jedoch, noch ehe er in ſeiner Arbeit einigermaßen vorgeſchritten war, ſtarb (durch Selbſtmord), und in deſſen Nachlaß ſich nichts vorfand als das einfache Manuſcript. Karte, Zeichnungen und Aquarelle waren und blieben fpurlos verſchwunden. Dadurch verſchwand auch die Ausſicht auf eine Herausgabe des Werkes in England. Entmuthigt ſcheint Wrede von nun an auf eine ſolche verzichtet zu haben. Er lebte zu jener Zeit wieder in Weſtphalen, wo er wegen Mittelloſig⸗ keit ſich genöthigt geſehen hatte, eine Privatanſtellung als Förſter auf den Gütern des gleichfalls als Schriftſteller bekannten Freiherrn von Harthaufen anzunehmen. Doch ſcheint es ihm in Deutſchland im Ganzen fchlecht gegangen zu fein, feine Reifelaufbahn fand Teine An erfennung, feine Privatverhältniffe follen dritdend gewejen fein. Dazu fam nun nod jene Entmuthigung des Mislingene der englifchen Herausgabe feines Werkes, und dies fcheint das Maß der Leiden für ihn vol gemacht und ihn zum Entſchluß gebracht zu haben, fein Vater- land (wahrfcheinlid) für immer) zu verlaffen. Bald darauf (id) glaube ‚um 1856) foll er nach Texas ausgewandert und dort geftorben fein. Aber über feinen Tod fehlen mir alle zuverläffigen Angaben. Wollte Gott, daß er noch lebte und daß ihm diefes, fein nun endlich ge- dructes Werf, als ein Troſt am Abend feines vielgeprüften Lebens zu Händen kommen möge.

Bon den ſchweren Verluſten, welche das Wrede’fche Reiſewerk in Zondon betroffen hatten, war glüdlicherweife wenigjtens einer nicht ganz unerjetlih. Ich meine denjenigen, welcher die Karte betraf. Wrede allein fommt das Verdienft zu, daß diefer Mangel ausgeglichen werden fonnte, natürlich nur beziehungsweife, denn feine eigene Karte würde ungleih Vollkommneres geboten haben, als diejenige,

*) Auch Fresnel erwähnt diefe Zugaben zum Wrede’fchen Manufcript, das er Tannte, im Journal Asiatique, IV. Serie, VI. Volume, Novembre 1845, ©. 394 und 395.

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welche e8 mir, nicht ohne Mühe, gelang aus feinen Reiſeberichten zu- fammenzuftellen. Natürlich mußte ich mir fagen, daß die Heraus- gabe des NReifewerfes für das größere Publikum faft werthlos fein würde ohne die Zugabe einer Karte, und ich forfchte deshalb im Ma- nufeript nad) Daten für diefelbe und fiehe da! ich fand die deutlichften, jo deutlich, wie ich fie nicht erwartet hatte und wie fie vielleicht noch fein Xeifender vor Wrede gegeben hat. Wrede hat überall die Diftanzen genau angegeben, den Winkel und die Himmelsrichtung feiner Route Bis auf die Minute verzeichnet; er hat genaue Beob- achtungen über die Schritte der Kameele, welche diefelben in einer Stunde zurüdlegen, angeftellt, und da er fand, daß 6000 Kameel- Schritte einer halben geographifchen Meile (ad 15 auf den Yreitegrad) entfprechen, jo hat er diefe Rechnung ale Bafis feiner Bezeichnung ber Wegftunden genommen. Eine aftronomifch beftimmte Baſis war ihm außerdem durch die befannten Gradbezeichnungen von Makalla und Borum, von wo aus er feine Reife unternahm, an die Hand gegeben. Ein Zafchendjronometer, eine Bouffole und ein Viſirkompaß waren die einfachen Hülfsmittel, mit denen er feine Route maß und feine Aufnahmen bewerkitelligte, und diefem "einfachen Apparat und den banad) gemachten Beobachtungen verdanfte ich den Umftand, nod) jest nad) fo vielen Iahren eine Karte von Wrede’s Itinerar entwerfen zu fönnen. |

Jenes Land, welches das Reiſegebiet unferes Fühnen Entdeckers bildet und an das fich ein fo wichtiges Hiftorifches Intereſſe knüpft, die große Halbinfel Arabien, war fir uns vor wenigen Jahren noch ein mit fieben Siegeln verfchloffenes Bud und ift es zum großen Theil auch jetzt noch. Wie wir von einem folchen nichts jehen, als den Einband, fo Fannten wir auch von Arabien vor den Entdedungsreifen von Palgrave, dem Erforfcher des Wahabitenlandes, Arnaud, dem Entdeder von Märib, und Wrede nur die Küften und die diefen zu— nächftgelegenen Ländertheile; denn die frühern Reiſenden, wie Burd- hardt, Niebuhr, Seesen, Wellfted, wie groß auch immer ihre Ver- dienfte genannt werden müffen, waren dod) eigentlicd; niemals tief in

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das Innere eingedrungen. Jede der drei gebildeteſten Nationen Eu- ropa8 hat einen von den obengenannten drei Entdedungsreifenden geſtellt. Frankreich und England haben die ihrigen gebührend an- erkannt und deren Werfen den verdienten Ruhm gezollt. Nur Deutid- land hat den Namen des feinigen in Vergeffenheit ſchlummern laffen, und dennoch verdient gerade er befannt und berühmt zu werden, denn Wrede's Wagniß war ein größeres, ald das irgend eines Reifenden vor oder nad) ihm, und an feinen Namen knüpft fi) eine der intereſſan⸗ teften Entdedungen, die je auf dem Gebiete der Erdkunde gemacht worden find.

Carl Ritter wußte etwas von diefer Entdedung, aber nur wenig, nur fo viel, als in der erwähnten englifchen Zeitfchrift in kurzem Abri darüber veröffentliht worden war, indeß felbit diefes Wenige begrüßte er als die wichtigſte Errungenfhaft und machte im zwölften Bande feiner Erdfunde den möglichiten Gebrauch von demfelben, denn für den von Wrede entdedten Theil Arabiens, d. h. für Hadhramaut, Beled Hadſchar, Beny "Ya und angrenzende Länder, war diefer feine einzige Duelle. Noch nie war vor Wrede ein Europäer in jene Gegenden gekommen, und nachmachen wird es ihm fo leicht auch feiner. Aber Ritter erkannte und bedauerte lebhaft das Ungenügende jener Mittheilungen, der einzigen übrigens, die bis jebt über Wrede’s Reife im Drude erſchienen find, und ſprach die Hoffnung aus, das vollftändige Reiſewerk des unternehmenden Weſtphalen bald erfcheinen zu jehen. Seitdem waren 24 Jahre verjtrichen und noch immer lag Wrede's Manufcript ungedruct da.

Bor Ritter Hatte Schon ein Franzofe auf Wrede's Verdienite aufmerfjam gemacht, nämlich der berühmte Arabift Fulgence Fresnel, lange franzöfifcher Conſul in Dſchidda in Arabien, derjelbe welcher Arnaud beftinmte, feine denfwürdige Reife nach den Ruinen von Mariaba, der alten Hauptitadt der Könige von Sjäba, dem heutigen Märib, zu unterehmen und zwar in demfelben Jahre, in welchem Wrede feine Reife ausführte. Fresnel fhrieb im Jahre 1845 im

Journal Asiatique: „Nie ift eine intereffantere Reife gemacht worden,

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als die des Herrn von Wrede, und diefelbe muß in der geographifchen Wifſenſchaft Epoche machen.‘

Durd einen Zufall gelangte vor kurzem Wrede's Manufcript in meine Hände. Anfangs war ich nicht geneigt, ihm große Be- deutimg zuzumeſſen, da ich mir nicht zu denken vermochte, daß man etwas wirklich Gediegenes ein Viertel Jahrhundert lang im Verbor- genen ſchlummern laſſen konnte. Aber je mehr ich mich in deffen Lectüre vertiefte, defto deutlicher erfannte ich den unzmweifelhaften Werth, die außerordentliche Wichtigkeit deſſen, was hier geboten wırrde. Wrede's Manufeript offenbarte mir gleichjfam eine neue Welt, eine Fülle von Thatfachen und Ericheinungen, die den Ethnographen Räthſel geblieben waren; es Tüftete den Schleier von einem Xheile jenes großen unbefannten Landes, Arabien, von einem Theile deſſelben, über den ich bis jett felbft in den arabifchen Autoren umſonſt nad) Aufklärung gefucht hatte, denn dieje geben uns über die an den indi- fchen Deean grenzenden Landfchaften und namentlich) über deren Inneres nur die allerdärftigften, kaum nennenswerthen Aufichlüffe. Wie es Wrede gelingen konnte, in diejes fo außerordentlich fchwer zugängliche Land einzubringen, und was dazu gehörte, um feinen kühnen Blan auszuführen, das vermag eigentlich nur der voll- fommen zu wilrdigen, der felbjt einntal Achnliches, wenn auch weniger Gefährliches, unternommen hat und der jo von den großen Gefahren des einen auf die noch größern des andern Wagniffes aus Erfahrung ſchließen kann. Nah Mekka zu dringen tft allerdings nicht leicht, aber unter dem bunten Völfergemifch, das fich alljährlid) dort zum Bilgerfeft verfammelt, wird e8 für den verfleideten Eindringling eher ausführbar, fich zu verfteden und feine “wahre Nationalität zu ver- bergen, als in einem Lande, wie Hadhramaut, wo Niemand, der nit aus diefer Provinz felbft ftammt, reift und wo der Fanatismus, der in ber Anmejenheit des Ehriften eine Entweihung und ein todes- würdiges Verbrechen erblidt, ebenfo mädtig, ja vielleicht noch mächtiger ift, als in Mekka. Im oceanifchen Arabien ift nicht nur der Europäer und Chrift, jondern felbft jeder nicht aus diefen Pro⸗

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vinzen ftammende Moslim eine heterogene Erſcheinung umd zwar in einem folchen Grade, daß es fehr ſchwer, ja faft unmöglich wird, eine einladende Entjhuldigung, einen glaubwürdigen Vorwand für feine Anwelenheit dafelbit zu finden. '

Seit der Befigergreifung von Aden durch die Engländer ift eg in diefer Beziehung nur noch jchlimmer geworden. Die Engländer in Aden find in einer ganz ähnlichen Lage, wie vor dem letzten maroffanifchen Krieg die Spanier in Ceuta und Melilla. Aden ift für fie ein Gefängniß, aus dem ein Entlommen nur zur See mög: (dh. Zu Lande ift jeder Schritt über die Grenze der ſchmalen Halbinfel für den Europäer mit Zodesgefahr verbunden. Nichts, durchaus nichts ift von den Engländern im Laufe der dreißig Jahre, während welcher fie Aden befigen, für die Erforſchung des Landes geichehen, von dem ihre Befigung einen Theil bildet. Daſſelbe tft für fie fo vollitändig terra incognita geblieben, wie wenn es bei den Antipoden läge. Nur ein einziger Reiſender ift in diefem Zeitraume von Aden aus in das Innere eingedrungen, und diefer eine war fein Engländer, fondern unfer Landsmann, Adolph von Wrede.

Eine Hinefifhe Mauer umzieht das Innere diefes Landes, Die dafür, daß fie Feine handgreifliche ift, nur defto umerbittlicher bewacht wird. Mauern laffen ſich niederreißen, Thore laffen ſich in ihnen anlegen, aber mit dem religiöfen Fanatismus, der Arabiens chinefifche Mauer bildet, giebt e8 Tein Abkommen. Die Völker Hadhramauts namentlich zeichnen ſich durch die Schroffheit ihres Fanatismus aus. Die in feinen Dörfern und Städten anfälfige Bevölkerung befennt fich zu der ftrengften Auffaffung des orthodoxen funnitifchen Glaubens- befenntniffes. Die Beduinen, d. 5. die Bewohner der Wüften und Steppen, welde bei weiten die Mehrzahl der Bevölkerung diejer Provinz bilden, find zwar auch hier wie überall, lax im Glauben, beten nie, nehmen nicht die Ablutionen vor, hegen aber doch eine abergläubifche Ehrfurcht vor den Moräbits (Santons), den Heiligen- gräbern und felbft vor den Schyäd (Pl. von Schaydh), den Schorfa

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und Sfayyds, d. h. der fanatifch-religiöfen Geijtlichleit und der theofratifchen Adelsfafte der anfäffigen Bevölkerung.

Die geiftlichen oder theokratifchen Oberhäupter der Städte und Dörfer können denn auch überall ihren fchroffen Fanatismus zur Geltung bringen, die Beduinen fanatifiren und durch überfpannte religiöfe Reden zu den unvernünftigften und graufamften Handlungen binreißen, wie fie in Europa nur in den früheften Zeiten des Mlittel- alters möglih waren. Die inerte Maffe der’ Landbevölferung, die an und für fi gar fein Intereffe an der Religion nimmt, wird in den Händen der Glaubenswächter, die fie zu fanatifiren verftehen, das verderblichfte Werkzeug, welches ſich zu Allem gebrauchen läßt, wozu e8 jene verwenden wollen. Haß gegen Andersgläubige gilt aber jenen Glaubenswächtern als Geſetz und diefen den Beduinen ein- zuflößen, gelingt ihnen ſehr leicht, befonders da deren natürliche Graufam- feit jowohl, als deren räuberifche Inftincte ihre Rechnung dabei finden, diejen. durch die Religion geheiligten Haß zu bethätigen, den Fremden, der. ind Yand eindrang, zu tödten und fich feiner Habe zu bemächtigen. Nie ift deshalb ein offen als Chriſt auftretender Europäer in dieſes Land eingedrungen, und nie werden die fanatifchen Glaubenswächter dergleichen geftatten.

Hadhramaut gilt für ebenjo unnahbar ala Mekka, ja’ es ift in That für den Europäer noch viel unnahbarer, denn unter dem bunten Völkergemiſch des Islam, welches ſich jährlih nad) Mekka zumendet, fann, wie erwähnt, eher ein Europäer ſich verfteden. Mehrere haben es gethan, und ich ſelbſt fand Feine "allzu großen Schwierigkeiten, dies auszuführen. Im Hadhramaut dagegen iſt die Ankunft eines Fremden ein faſt beiſpielloſes Ereigniß, deſſen Nachricht ſich von einem Ende des Landes zum andern wie ein Lauffeuer ſchnell verbreitet, alle Köpfe beſchäftigt und oft auf die abenteuerlichſte, ja verrückteſte Art gedeutet wird.

Sit nun diefer Fremde gar ein Ehrift, oder wird er beargwohnt, ein folcher zu fein, fo find die Gefahren, denen er ſich ausſetzt, un⸗ ſäglich. Die fanatifchen Glaubenswächter, welche ihr Land ſpeciell

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Beled ed Dyn (Land des Glaubens) oder Beled el "Im (Land der Gottesgelehrtheit) nennen, erbliden in der Gegenwart des Anders- gläubigen die größte Profanation für ihren gebeiligten Boden. Nicht nur das; fie bilden fi) ein, daß er ihren Schulen, Mofcheen, ihren Gottesgelehrten irgend ein religidfes Geheimniß ablaufchen und diefes dann zum Unheil ihrer leiblichen und geiftigen Wohlfahrt durch irgend welche fatanifche Zauberfünfte, in denen fie alle Chriften fiir wohl- erfahren halten, ausbeuten könne. Die weltlichen Häupter des Volkes erbliden mit echt arabifeher Schwarzfeherei in jedem ſolchen Fremden einen Spion irgend einer europäifhen Macht, namentlich Englands, deffen Eroberung des nahen Aden fie immer noch nicht verwinden fönnen. Selbft die rohen, unwiſſenden Beduinen, die jonft noch die am wenigiten fanatijhen Bewohner Hadhramauts find, werden nicht jelten mistrauifch, namentlih dann, wenn fie einen Fremden Dinge vornehmen fehen, deren wahren Zweck fie nicht begreifen. ALS der bei der eriglifhen Küftenaufnahme Südarabiens betheiligte Engländer Wellfted im Jahre 1833 an der Grenze von Hadhramaut einen kurzen Ausflug Iandeinwärts unternahm, und die berühmte himyariſche In- Ihrift von Nagb el Hadſchar copirte, zerbrachen ſich die Beduinen die- Köpfe über den Zweck diefes feltfamen Gebahrens. Als aber bald darauf die Engländer "Aden eroberten, da ward den Beduinen auf einmal diefer Zwed Har. Wellſted Hatte in der himyarifchen Inschrift das Geheinmiß entdeckt, wie das nad) arabifchen Begriffen uneinnehmbare Aden zu erobern feil Wrede Hat zehn Jahre Tpäter diefe Anficht noch überall von den Beduinen des Küftenlandes ver⸗ nommen.

Nach dem Geſagten wird nun der Leſer beurtheilen können, wie unermeßlic groß Wrede's Wagniß war, in ein ſolches Land ein⸗ zubringen. Daß er feine Eigenfchaft als Chrift und Europäer (nach arabiihen Begriffen gleichbedeutend) aufs Strengfte verheimlichen mußte, verfteht fich von felbft. Ebenfo, daß er der arabifchen Sprache vollfommen mächtig fein mußte. Den ägyptifchen Dialect Tante er wie feine Mutterfpradhe, und er befchloß deshalb, ſich für einen

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Aegypter auszugeben. Seine äußere Erjcheinung fcheint ihn bei diefer angenommenen Rolle auch im Ganzen unterftüßt zu haben. Er muß dunkle Augen und dunkle Haare gehabt haben, denn er fagt ausdrüd- lich, daß ein blonder und blanäugiger Mann eine ſolche Reife, wie die feine, nie wagen dürfe. Nur die Weiße feiner Haut erregte bei den Arabern oft Aufjehen. Seine europätfchen Gefichtszüge mußten wohl immerhin auffallen, bei den Gebildeten und Gereiften freilich weniger, da diejelben wiffen, daß nicht nur die Züge der Türken, fondern aud) diejenigen mander Moslims Shriens und Aegyptens, die oft aus fehr kühn gemifchter Race ftammen, den europäifchen ähneln. Da aber folche nordiſche Moslims fi nur fehr felten nad) Hadhramaut verlieren, ſo war es natürlich, daß das rohe, unwiſſende Volk dennoch in Wrede manchmal den Europäer witterte, bis zuletzt bei einer verhängnißvollen Gelegenheit dieſer Argwohn zum offenen Ausbruch kam, und ſeine Folgen der Reiſe des kühnen Mannes ein verfrühtes Ziel ſetzten.

Aber ſelbſt ſeine angenommene Rolle als Aegypter ſicherte ihn nicht vor dem Argwohne der Südaraber. Er wurde oft für einen politiſchen Spion des damaligen Vicekönigs Mohammed Alyy ge- halten. Zudem war ein Aegypter als Reiſender in jenem Rande eine derartige Seltenheit, daß man gar nicht begriff, in welcher Abficht er dorthin gefommen fei. Im Hadhramaut reift eben Niemand, außer Hadhramauter. Der geringe Handel, welcher zwifchen der Küfte und den feiten Wohnfigen des Innern befteht, ift ausfchlieglich in Händen von Einheimischen, die man nicht einmal Kaufleute nennen Tann, die vielmehr den Handel nur gelegentlich betreiben, wenn irgend eine andere Beranlaffung fie zum Reifen treibt. Die beliebteften folcher Veranlaffungen find die Beſuche der verfchiedenen Heiligengräber, an denen das Land Ueberfluß befitt. Da dies nun derjenige Reifezwed ift, den der abergläubige Araber am leichteften begreift und gegen welchen er am wenigjten Einwendungen machen Tann, fo wählte fich ihn auch Wrede zum Vorwand.

Unter allen Heiligengräbern von Hadhramaut erfreut fich das-

A. v. Wrebe’s Reife in Hadhramaut. 2

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jenige des Propheten Hud (nach Einigen der Eber der Bibel) der größten Verehrung. Zu diefen beſchloß Wrede zu wallfahrten, gab vor, auf Anrufung diefes Heiligen in Aegypten, feinem angeblichen Baterlande, von einer tödtlichen Krankheit geheilt worden zu fein und nun zum Danfe und zur Erfüllung feines Gelübdes nad) deſſen Grabe zu pilgern. Demgemäß nannte er fi) auch "Abd el Hud, d. h. Diener des Propheten Hud, ein Name, der in andern moslimiſchen Ländern faum vorkommt, der aber in Hadhramaut, dem Lande des Hud, er- Härlih, ja populär fein mag.

Das Grab des Propheten Hud Tiegt etliche zehn ZTagereifen von der Küfte entfernt. Die nächſten Hafenorte find Makalla und Schihr. Wrede beichloß von erfterm aus die Reiſe zu ımternehmen, weil er ſich die Erforſchung der hadhramautiſchen Gebirgsterraffen zur Auf: gabe geftellt hatte. Da die Sfyara (Wallfahrt) immer nur in einer beftinunten Epoche des Jahres ftattfindet, und Wrede nach vollbrachtem Gelübde Teinen Vorwand mehr zur Anweſenheit im Lande gehabt hätte, jo mußte er e8 fo einrichten, daß er einige Monate vor der Pilgerzeit von der Küfte aufbrach. Er konnte leicht vorgeben, als Tremder die Epoche der Sfyara nicht genau gewußt zu haben, und die fo gewonnene Friſt zur Erforfchung des Landes benugen.

Um den Leer in den Stand zu ſetzen, die Wichtigkeit der Wrede'ſchen Entdedungen in ihrer vollen Tragweite zu würdigen, fcheint e8 mir wilnfchenswerth, hier einen kurzen Weberblid über den Stand der geographifchen Wiſſenſchaft in Bezug auf den ſüdlichſten, an den indifchen Dcean grenzenden Theil von Arabien zu geben. Sein Theil der Erdkunde ift vielleicht fo ſehr vernachläffigt worden, ale gerade diefer, und für feinen fließen unfere Quellen fpärliher. Bon diefem Theile von Arabien, der fi von der Meerenge Bäb el Mandeb bis zum Raͤſſ el Hadd, d. h. vom 12. bis zum 22. Grade nördlicher Breite und vom 61. bis zum 77. Grade öftliher Länge von Ferro binzieht, Tannten wir vor Wrede wenig mehr als die Küfte; felbft von diefer war und ift auch bis heute nur ein Theil genauer erforfcht, nämlich derjenige, welcher zwifchen Aden und Mifenät bei Schihr

liegt und zwar durch die englifche Käftenaufnahme von Haynes, Eruttenden und Wellfted im Jahre 1833. Weber das Innere diefer Länder Hatten die englifchen Reifenden nur fehr wenig Aufklärung geben fünnen und dies Wenige beruhte theils auf faljchen oder falſch verftandenen Mittheilungen, geeignet eher die Confufion zu vermehren als zu zerftreuen. Um mur ein DBeifpiel, aber ein recht fchlagendes anzuführen, genügt Folgendes. Wellfted und Haynes fprechen von einem Wahidi- Stamm, deffen Sultan in Abban (Habbän) veftdire und der 2000 Musfeten ftellen könne. Ein folder Stamm eriftirt nad) Wrede nit. Wohl aber giebt es eine Dynaftte "Abd el Wähib, von deren Dberhaupt die Engländer hörten und aus beren Namen fie jchloffen, der ganze Stamm müſſe Wahtdi heißen. Die Sultane find aber in Wirklichkeit von ganz anderm Stamme, als die Be- wohner des Landes, die Beduinen, auf welche ſich ihre Herrichaft nicht erftredt.

Dom Inmern diefes ganzen großen Küftenlandes waren uns vor . Wrede eigentlich nur die beiden Grenzländer, Yemen tm Südweſt und Dmän im Nordoft, einigermaßen bekannt, und zwar erfteres haupt- ſächlich durch Niebuhr und unfern unternehmenden, zu früh ver- ftorbenen Landsmann Seeten, letzteres burch Welljted, dem wir heute noch Balgrave anteihen Tönnen. Aber der an den indifchen Dcean grenzende Theil diefer beiden mehr oder weniger erforfchten Länder war ein fo verjchwindend kleiner, daß die Maſſe des dazwifchen- liegenden Unbelannten nicht wefentlich vermindert wurde.

Auch ift gerade derjenige Theil von Yemen, welcher an den indi- schen Ocean grenzt, weniger erforscht, als irgend ein anderer diejer arabifchen Provinz, und außer Aden, welches mit ihm zwar in geo- graphifchen, fonft aber auch in gar feinem Zufammenhang fteht, kennen wir faft nichts von diefer fübweftlichften Ede der großen ara- bischen Halbinfel, d. h. vom Lande füdlid von Mochaͤ und nördlich von Aden. Ehe die Engländer leßtere Stadt erobert hatten, war freilich einer ihrer Landsleute, Wellfted, bis nad) Laͤhidſch im Norden

Adens vorgebrungen, und das, neben. ben fpärlichen, noch ältern Be⸗ 2 w

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richten Seetzen's, ift Alles, worauf ſich unfere Kenntniß diefes Theils

von Demen ftügt. Seit aber die Britten fih in Aden feftgejegt haben, find fie felbft von dem nahen Laͤhidſch wie durch eine un- überfteigliche Mauer getrennt.

An diefen Theil von Yemen grenzt im Dften die Landichaft Yafi’a, eine mit Ausnahme der Küfte nie von einem Europäer be- tretene Region, über deren richtigen Namen man fogar lange im Un- gewiffen war, bis ihn Wrede's Forſchungen feitjtellten. Die Küfte jelbft gehört ftrenggenommen nicht zu Yaftta, fondern wird durch einen mächtigen Gebirgsgürtel von diefer Provinz getrennt. An der Küfte Liegt mit der Hauptftadt Gughra *) das Kleine Sultanat der früher in Aden herrfchenden Dynaftie Fadhl Alyy, auch zuweilen in der Relativform Fadhly genannt, von welchem Namen einige Rei- fende Anlaß nahmen, das ganze Boll „Fadhly“ zu nennen; ein Irrthum, der auch in Ritter's Erdkunde übergegangen ift und den erft Wrede aufbellte. Weberhaupt findet fich Fein Diftriet von Arabien in Ritter's Werke fo ſehr vernachläffigt, wie Yaͤfiſa. Nicht einmar Niebuhr’s Angaben, die allerdings jpärlich genug find, hat er benukt. Niebuhr rechnet freilich diefen Diſtrict zur Landſchaft Dfchauf, die er „Dſchof“ fchreibt, welche, wenn überhaupt der Name richtig ift, mehr nördlich gefucht werden muß. Er nennt die Heine Landfchaft Haͤrib, eine Tagereife von Märib (dem dftlichften Grenzpunkte Yemens, der alten Mariaba, dur Arnaud wieder entdedt), ferner Bahaͤm, Nöſab, Marcha und Obara, „wovon“, ſagt er, „aber nichts weiter bekannt, als daß in denſelben große Wüſteneien ſind und daß die Gegenden von herumſtreifenden Arabern bewohnt werden“. Danach ſcheint Niebuhr dieſe Namen für diejenigen von Landſchaften gehalten zu haben. Dies mag theilweiſe auch der Fall ſein. Daß es aber auch Städte dieſer Namen giebt, hat Wrede erkundet, der zwar Yafiia nicht jelbjt betrat, aber am Wädiy Mayfa'a, an feiner Weftgrenze,

*) Diefer Sultan lebte nach der Eroberung “Adens Anfangs in Laͤhidſch, zog fi) aber ſpäter nach Gughra zurück, wo ihn Wrede beſuchte.

Einleitung. 21

einige werthvolle Erkundigungen darüber einzog. Der Ort Haͤrib exiſtirt, aber nicht eine, ſondern drei Tagereiſen von Maͤrib und zwar in ſüdöſtlicher Richtung. Das Baham des Niebuhr iſt vielleicht das Yıhybum Wrede’s, eine Tagereife öftlich von Haͤrib. Nickb (das Niebuhr Nöfab jchreibt) Liegt nad) Wrede eine Tagereife nördlich von Vſchybum und zwar auch im Waͤdiy Yſchybum, iſt alſo nur ein Orts- und Fein Diſtrietsname. Von hier noch eine Tagereiſe nörd⸗ lich nach Mardſcha (bei Niebuhr Marcha), welches aber ſchon in Beled el Dſchauf und nicht mehr in Naäfi'a liegt, und zwar gleich⸗ falls im Waͤdih Yſchybum, der fi alfo von Süden nach Norden Hinzieht. Eine Tagereiſe füdlih von Härib liegt Obaͤra, das auch Niebuhr kannte. Soweit Iekterer.

Außer den genannten Orten erfuhr Wrede noch die Eriftenz folgender: Zfähir zwei Tagereifen von Obaͤra, Bahdhaͤ zwei Tage- reifen von Zfähir; Tetteres drei Tagereiſen von Nagb el Hadſchar entfernt, welches bereits den erforſchten Gegenden angehört und nicht mehr in Paͤfiſa liegt. Die Straße von Nagb el Hadſchar nach Baydha und Tſaͤhir zieht fich in weftlicher Richtung, eine andere von demfelben Punkte ausgehend, führt über "Yyän und Habban im Beled el Hadſchar in nördlicher Richtung nad Vſchybum.

Nah den Erfundigungen, welche Wrede im Waͤdiy Mayfa'a über HYaͤfifa einzog, fcheint diefe Provinz auf einer weniger tiefen Stufe der Eultur zu ftehen, als Hadhramant, Beled Hadſchar und Beny fa, die Länder, welche unfer Reiſender felbft befuchte. Die Be⸗ duinen, jene größten Yeinde aller Cultur (nad) unfern politifch focialen Grundfägen), herrſchen dort nicht fo abfolut, wie in den genannten drei Landſchaften. Die Sultane der Städte find nicht, wie in jenen drei Diftrieten, zu ohnmächtigen Schattenfürften Hinabgedrüdt, die ohne Erlaubniß ihrer Schusherren, der Beduinen, feinen Schritt thun können und deren Herrichaft fi) auf ihre Stadtmanern befchränft, fondern genießen den rohen Herren der Wüfte gegenüber eine gewiffe Selbitftändigfeit, ja dehnen nicht felten ihre Oberhoheit über einzelne Stämme jener Halbwilden aus. Einzelne follen fogar ftehende Heere

22 Einleitung.

zu ihrer Verfügung haben, ja von einem erfuhr Wrede, daß er eine berittene Truppe mit 5000 Pferden befite, ein ſonſt unerhörtes Ding in dem pferbearmen oceanifchen Südarabien. Die höchſt anfehnliche Bevölkerungszahl der Städte in Yäfla (Wrede hörte von mehrern, die 40,000—50,000 Einwohner haben follen) deutet gleichfalls auf eine freiere Entwidelung des bürgerlichen Xebens, ſomit auf eine höhere culturhiftorifche Stufe. Auch der Umftand, daß in gllen jenen Städten Yuden leben und, wenn auch fchwer bedrückt, fo doch geduldet werden, deutet auf ein einfichtigeres nationalöfonormifches Verftändniß, während in der von Wrede bereiten Ländergruppe, in dem fogenannten Beled ed Dyn (Land des Glaubens), die Fanatiker ihren Stolz darein fegen, daß niemals -ein Nichtmoslim dafelbft geduldet worden ift. Eine Aus- nahme von dem ranbritterlihen Fauſtrechtzuſtand in den erwähnten drei Diftrieten bildet nur da8 Sultanat Habbaͤn im Wädiy Dſchandaͤn, dem obern Wädiy Mayfa’a, in dem wir ähnliche Zuftände wie in Yafı'a finden und das in der That auch an Naͤfiſa grenzt.

Der Wädiy Mayfa’a, in feinem obern Theile Waͤdiy Dichandän genannt, bildet die öftliche Grenze von Yafla und die mweftliche vom Beled ed Hadſchar, am welches letztere im Oſten das Beled beny ii ſtößt, das wieder vom Beled Hamum öſtlich begrenzt wird. Alle drei Diftricte ziehen fich von der Küfte etwa ſechs bis acht Tage- reifen ins Innere und ftoßen im Norden an das eigentliche Hadhra= maut, welches alfo ganz eine Brovinz des Binnenlandes it. Auf unfern frühern Karten begreift man zwar die Gefammtgruppe aller diefer vier NXänder unter dem Collectivnamen Hadhramaut, aber bei den heutigen Arabern iſt dieſe Bedeutung eines Hadhramaut im weitern Sinne ganz unbekannt. Hadhramaut iſt nur die nördlich von den großen Gebirgsterraſſen und ſüdlich von der Wüſte el Ahqäf gelegene Landſchaft, als deren Hauptthäler uns der Waͤdiy Amd (jedoch nur fein öſtlicher Theil), die Waͤdiy Rachiye und Qaçr genannt ſind. In letzterm, der ſo recht eigentlich das Hauptthal von Hadhra⸗ maut bildet, waren uns vor Wrede nur folgende Punkte aus glaubwürdigen Quellen bekannt: Dabr Hud, das Grab des Propheten Hub, ferner die

Einleitung. 23

Städte Terym und Schibaͤm, beide von Edryſſy genannt, ſowie der geheimnißvolle Brunnen Burhut, deffen wunderbare Cigenfchaften ung der Dämuff ſchildert. Es ift wahr, ſchon vor unferm Reifenden hatten Niebuhr (1763) und. Wellfted (1833) Liften von Namen hadhramautiſcher Ortfchaften gegeben, aber in fo verftänmelter Form, daß uns erſt durch Wrede's Forſchungen ermöglicht wurde, zu unter- Iheiden, was für Namen dieje barbarifhen Wörter bedeuten follten. Den Waͤdiy Dagr, das Hauptthal von Hadhramaut, hat num zwar Wrede nicht felbft betreten, aber feine über denſelben eingezogenen Erfundigungen, die man in diefem Buche finden wird, geben uns eine Menge von Städten und Dörfern mit deren ungefährer Lage, von welchen die Erdkunde vor ihm faum eine Ahnung befaß, denn jelbft die arabifchen Duellen laſſen uns in Bezug auf die Kenntniß vom eigentlichen engern Hadhramaut faft ganz im Stiche. Ja biefe arabiihen Quellen fallen in denfelben Fehler, wie unfere europäifchen Geographen, indem fie Orte als in Hadhramaut gelegen angeben, die den drei erwähnten oceanifchen Dijtrieten, den Vorländern von Hadhramant, angehören. Sogar der Qämuſſ begeht dieje Tehler; unjer Irrthum in Bezug auf ein Hadhramaut im weitern Sinne icheint fomit aus mittelalterlichen arabifchen Quellen zu ftammen. Das Beled el Hadſchar wird von zwei Hauptthälern im Weften und Often eingefchloffen, welche beide ſeltſamerweiſe denfelben Namen führen, nämlich Wädiy Mayfa’a, ein Umftand, den wir aus dem Dämuff, welcher von zwei Wädiy Mayfa’a, zwei Zagereifen von⸗ einander entfernt, fpricht, zwar ſchon fannten, der aber erft durch Wrede uns erflärt wurde, da wir bisher die Lage der im Dämuff genannten Thäler nicht wußten. Das weſtliche Thal wird fogar von einem niemals verfiegenden Fluß, an feiner Mündung (beim Räff el Kelb) auch Wädiy Mayfa'a genannt, durchfloffen, der in feinem obern Laufe die Namen Waͤdiy Dſchiswel und Wädiy el Hadſchar führt. In ihm glaubt Wrede den Prion des Ptolemäos ımd im öſtlichen Wädiy Mayfa’a in einem Dorfe, das denfelben Namen wie das Thal führt, die Stelle der Miefat Metropolis des Plinius erkennen zu Tönnen.

24 Einleitung.

Es fcheint mix indeffen bei der noch jo großen Unvollkommen⸗ heit unferer Kenntni des oceanifchen Arabiens gewagt, uns auf ins Einzelne gehende Speculationen über die Lage der von ben alten Autoren genannten Orte einzulaffen, da fpätere Entdedungen diefelben doch ohne Zweifel umftoßen dürften, ähnlich wie jetzt bereits d'Anville's und Mannert's Bermuthungen zum großen Theil in ihrer Nichtigkeit erfannt find. Was die Städte betrifft, jo kennen wir mit Beftinmt- heit nur die Lage einiger wenigen, wie die der wichtigſten Handels⸗ ftadt, Cane emporium, welche mit Hign Ghoraͤb identificirt wurde, diejenige von Saubatha oder Sabota, das wir mit Recht in Schibam wiedererfennen Können, da e8 nad) Ihn Hahik noch nad) Mohammed’s Zeit den Namen Sabut führte. *) Save dürfte ferner das von Wrede wiederentdectte Cahwa im Wädiy Rachihe fein. Ganz deutlich find endlich die Namen Makalla und Zjofär. **)

Nicht mehr wiffen wir über die Wohnorte der meiften von den alten Autoren im oceanifchen Südarabien genannten Böller. Nur folhe allgemeine Benennungen wie Chathramotiter (Bewohner von Hadhramaut), Sabaei (d. h. Sabäer, Bewohner von Nord- Yemen), Homeritae (d. h. Himpariten, Bewohner von Süd-Yemen), Gerraei (Bewohner der Landſchaft Dära, vulgo Gara ausgefprodhen) find erfennbar. Was jedoch die Toani des Plinius und die Minaei des Strabon und des Ptolemäos betrifft, jo kann ich es troß der Be- hauptung Fresnel's noch nicht für ausgemacht halten, daß wir in erftern eine Unterabtheilung (die Doreni des Ptolemäos) der legtern, der Minaei, und in diefen Minaei jelbft die Bewohner des heutigen Wädiy Minua, den Wrebe entdeckte, mit Sicherheit erfennen dürfen.

*) S. Sprenger, „Das Leben und bie Xehre des Mohammad“, Berlin 1865, II. Bd., ©. 444, Note.

) Die Identification ber Orte in Yemen und 'Omän gehört nicht hierher. Auch die von Ehoraybe im Wädiy Doän, welches Fresnel früher flr das Ca⸗ ripeta des Plinius hielt, muß bier unberüdfichtigt bleiben, da Fresnel felbft fpäter Caripeta in Eharibe in Yemen wiebererfannt hat (Journal Asiatique, Sept.-Oct.1845, ©. 222), Zjofär (nicht Zjafär) nad) Sprenger (a. a. O. III, 438).

Einleitung. 25

Die Toani oder Doreni (bei Stephanus Byzantinus Doveni genannt) follen die Bewohner des Waͤdiy Do’än fein. In dein als der Haupt- ftadt diefer Gegend erwähnten Karana des Strabon will Fresnel das heutige Darrayn, das er Karn nennt, erfennen. Wie unmahrfchein- fich ift e8, daß die Minaei, welche ung als „‚gens magna“ bezeichnet werben, in einem fo unbedeutenden Thale, wie dem Wädiy Mina, den Gipfelpunft ihrer Macht fanden? Möglich freilich, wenn auch noch feineswegs conftatirt, daß die Toani, Doveni oder Doreni, die ja (wenn anders diefe Namen zuſammenpaſſen) als eine anfcheinend nur Feine Unterabtheilung der Minaei bezeichnet werden, in dem ebenfalls fehr einen Wädiy Do’än ihren Wohnfig hatten. Die Unterfuhungen über diefe Fragen find indeß Teineswegs abgefchloffen, aber räthlich feheint es mir, das fehlüpfrige Terrain der Sperulationen fo lange zu vermeiden, bis nicht neue beftimmte Data es wieder zu betreten einladen. *) Diefe meine Zweifel jollen feineswegs eine Schmälerung der Verdienfte Fresnel's beabfichtigen. Aber wo nod) des Ungemiffen fo viel ift, halte ich es für ficherer, nicht die Ver- gangenbeit mit in unfere "Speculationen zu ziehen. Kennen wir doch die Gegenwart faum! Das Beled Beny Ya, ſüdlich von Hadhramaut, öſtlich von Beled el Hadſchar, und weftlid von Beled Hamum gelegen, welches wir gleichfalls erſt durch Wrede kennen lernten, wird durch die große hadhramautiſche (fo genannt im europäiſchen Sinne) Küſtenterraſſe in zwei ungleiche Hälften getheilt. Die dem Ocean zugewendete hat nur einen einzigen größern Wädih, der Wädiy Dirbe, in feinem obern - Theile Wädiy Naube, in feinem untern Wädiy Fuwa genannt, der in die Tihäma von Fuwa in der Nähe von Borum mündet und viele Heinere, als Hotſiye, Mahniye u. |. w., welche in der Gegend von Makalla das Meer erreichen. Ihre einzigen Küftenftädte find Borum und Mafalle. Jenſeits der Waſſerſcheide, deren höchſte Berge, die

*) Man fehe Fresnel's Speculationen im Journal Asiatique, IV. Serie, VI. Volume, ©. 368—398.

26 Einleitung.

Dſchebel Tjahura und Kaur Sfaybän nad) Wrede's Schätzung eine Höhe von 8000 Fuß erreihen, liegt ein ganzes Syitem von Waͤdiys, in welchem wir übrigens zu umnferer genauern Drientirung zwei Haupt- züge mit Deutlichleit unterfcheiden können, den weftlichen, deſſen Hauptthal zuerft W. Rhayde ed Dyn, dann W. Amd Heißt, und den öftlichen, defien Hauptwädiy nacheinander die Namen W. Minua, W. Don und W. Hadſcharyn (letzterer der bedeutendfte) annimmt. Beide Hauptwaͤdiys treffen zuſammen bei Haura im eigentlichen Ha⸗ dhramaut (welche Landſchaft ungefähr hier ihren Anfang nimmt) und münden in den Wädiy Dagr, das Hauptthal von der genannten Provinz.

Das ganze Beled Beny 'Affa, ebenfo wie die drei andern Pro- vinzen, ift in Händen der Beduinen; nur die Städte werden von ohnmächtigen Sultanen vegiert, die jedoch ohne Hülfe der Beduinen,“ ihrer Schugherren, ihre Herrſchaft nicht einmal innerhalb ihrer Stadt- mauern aufrecht zu erhalten vermögen. Es ift das gerade Gegentheil von dem uns durch Balgrave bekannt gewordenen politifchen Zuftande des Wahabitenlandes, in weldhem, wie uns der berühmte englifche Reiſende enthüllt, die anſäſſige Bevölkerung bei weiten das Ueber⸗ gewicht über die Beduinen errungen und diefe aus räuberifchen Wüften- lagerern in gezwungen friedliche und (freilich ungern) gehorchende Unter- thanen verwandelt hat. Aber genau derfelbe Zuftand herrfchte in Nedſchd noch im vorigen Sahrhundert, ehe "Abd el Wähab die religiös politiiche Secte der Wahabiten gründete und das Wunder Mohammed’s, den anarchiſchen arabijchen Stämmen den Geift der Einheit und der Kraft des Geſammtwirkens einzuhauchen, im Kleinen wiederholte. Dean Tann fagen, daß die barbarifche Beduinenherrſchaft oder viel- mehr Anarchie jett wieder der Normalzuftand des größten Theils der arabifchen Halbinſel geworden ift, gerade wie es vor Mohammed's Zeiten war. Eine Ausnahme hiervon finden wir nur in dem ſoeben erwähnten Wahabitenreich aus den bekannten religiös politiſchen Gründen und in Mahra und Dära aus ganz andern Urfadhen, deren nähere Beleuchtung uns bald befchäftigen foll.

Einleitung. 27

Die arabifchen Beduinen hat zwar ſchon Palgrave jenes roman⸗ tifch poetifchen Nimbus, mit dem fie frühere Keifende, namentlich Burdhardt zu umgeben liebten, entkleidet. Aber wir würden Unrecht thun, die Beduinen im Allgemeinen nach denjenigen zu beurtheilen, welche Palgrave ſah. Lebtere waren eben ihrem urfprünglichen Wefen entfremdet, denn der Beduine, der nicht frei und herrenlos umher⸗ fchweift, der eirien Gebieter über fich anerkennen, Steuern zahlen und fid) einem unerbittlichen Geremontalcultus anbequemen muß, bat bereits den beiten Theil feines Nationalcharakters eingebüßt. Als ein ganz anderes Volk lernen wir die Beduinen Hadhramants aus dem vor- fiegenden Werke kennen, als ein Voll, dem nicht alle großen Eigen: Ichaften abgehen, das auf Nitterlichkeit Anſpruch machen kann, das aber dennody weit binter jenem Ideale von patriarkhalifcher Tugend, natürlicher Gerechtigkeit und heroifch poetifcher Gefinnung zuräcdhleibt, welche die traditionelle Völferfunde ihm beizulegen Tiebt.

Das Beled Hamum, im Weften an das Beled Beny Yſſa, im Norden an Hadhramant grenzend, ſcheint ſich unter ähnlichen po- Litifchen und nationalen Verhältniffen zu befinden, wie dieje beiden Provinzen. Wrede bat es nur an der Grenze betreten. Der Küften- ſtrich diefes Landes führt den Namen Schihr und hat mehrere Städte, wie Schihr, Mifenät, Dogayr, Baydhaͤ, welche wir theils durch die englifche Küftenaufnahme von Haynes und deſſen Gefährten fennen. Die öſtliche Grenze biefes Landes bildet der Wädiy Mochle, die füb- liche Bortfegung des Wädiy Dacr, des Hauptthales von Hadhramant. Bis hiehin haben wir es mit Ländern zu thun, die wir, Dank den Heifen Wrede’s, nun zu den mehr oder weniger befannten rechnen fönnen. Aber öftlih vom Wädin Mochle beginnt die große Terra incognita des oceanifchen Arabiens und erftredt fich in einer Rängen ausdehnung von nahezu 80 geographifchen Meilen bis zum Raͤſſ el Hadd. |

Vom 15. bis zum 20. Grad nördlicher Breite und vom 67. bie nahe an den 76. Grad öftlicher Länge von Ferro zieht ſich eine Länderſtrecke Hin, deren Völker bis jet für uns ein ethnologifches

28 Einleitung.

Räthſel bleiben, deſſen Löſung allerdings durch Fresnel’s Forſchungen nähergerückt wurde, aber dennoch ſeiner endlichen Enthüllung noch harrt. Dieſes Ländergebiet wird gewöhnlich in zwei Küſtenlandſchaften eingetheilt, die ſich von der ſogenannten Weihrauchsküſte, ſo bezeichnet von dem angeblichen Weihrauchsberge (dem Dſchebel Schedſcher) mög⸗ licherweiſe tief ins Innere erſtrecken und durch die nicht klar definirten Benennungen Mahra und Dära (auch Gara geſchrieben) voneinander unterſchieden werden. Beide Landſchaften ſcheinen jedoch von einem und demſelben Volksſtamme bewohnt, wenn anders wir in Bezug auf Abſtammung die Sprache als Kriterium gelten laſſen können. Nun iſt freilich die Sprache hierin nicht immer ein ſicheres Kriterium. Aber ich glaube, daß ſie in letzterer Eigenſchaft an Sicherheit gewinnt, je freier die Volker von fremden Einflüſſen geblieben find. Seit der hiftorifchen Zeit find nun die Völker Mahras und Däras, die in ber Geſchichte durchaus Keine Rolle fpielen, nachweisbar weder von einem fremden Wolfe unterjocht worden, noch auch den Einflüffen eines foihen in erheblicher Weife zugänglich geweien. Das einzige Bolt, welchem wir in hiftorifcher Zeit einen Einfluß auf fie zufchreiben fönnten, wären die Eentralaraber, die in Folge des Mohammedanis- mus die wichtigfte Stelle in Arabien einnahmen und zu einzelnen Perioden felbft die Herrfchaft über die ganze Halbinfel erlangten. Aber gerade den Einfluß dieſes centralarabifchen Elements vermiffen wir bei der größern Abtheilung der genannten Völker gänzlich. Im Yemen, Hadhramant und allen fübarabijchen Ländern weftlich vom Waͤdiy Mochle hat ſich das centralarabifche Element in vorwiegendem Grade geltend gemacht, ja diefe Landfchaften wurden gewiſſermaßen ihrer wahren Nationalität verluftig. Selbit die ſüdarabiſche Spracde, welche im Altertum, wie die in Yemen fo zahlreich gefundenen, aber auch in Beled el Hadſchar (3. B. in Obne, Nagb el Hadſchar und Hien el Ghorab) vorkommenden himyariſchen Inſchriften beweiſen, in der ganzen ſüdweſtlichen Hälfte der Halbinſel geſprochen wurde, hat der centralarabiſchen, der geheiligten Sprache des Dorän, weichen müſſen. Zum Theil geſchah dieſe Umwandlung ſchon vor Mohammed

Einleitung. 29

und zwar durch die Kinditen, einen centralarabifchen Stamm, welcher nach Ion Hahik anderthalb Jahrhunderte vor der Hidſchra feine Heimath Bahrayn verließ, nad) dem Waͤdiy Dagr in Hadhramaut auswanderte, die dort wohnenden Kadifiten theils verdrängte, theile unterwarf und centralarabifche Sprache und Eultur einführte. Nach

Mohammed machte das centralarabifche Element in diefen Landſchaften

noch viel größere Fortjchritte und heut zu Tage find die Religion, die Sitten, bie Nechtszuftände von Yemen und Hadhramaut im Wefentlichen ganz diefelben, wie die von Centralarabien.

Grundverfchieden dagegen find die Bewohner von Mahra und Dära. In der Religion haben fie fich längſt als Chäridfchiya oder Shuäridfch (Ketzer) von der großen Hauptmaffe der Orthodoren ab- gefondert und gehören, wenn überhaupt zu irgend einer anerkannten Secte, wahrjcheinlich zu derjenigen der Ibadhiya, die auch im benach⸗ barten Omäan fo vielfache Verbreitung gefunden hat. Ihr Moham- medanismus ift jedoch jo außerordentlich oberflächlid, und fo lar, daß man fie überhaupt faum als Moslims anjehen kann. Auch die focial- politifchen Zuftände, infofern wir bis jest über fie urtheilen können, feinen weſentlich von den centralarabifchen und hadhramautiſchen ab- zuweidhen. In allen jenen Ländern, in welchen fi) das central: arabifche Element geltend machte, tritt überall der Gegenfag zwifchen Landbevölferung (Beduinen) und Städtern auf das Schärfite hervor. Sitten, Lebensweise, religiöfe Anfchauungen, ja ſelbſt die oft außer- ordentlicd) abweichenden Dialecte trennen diefe beiden Volfsbeftandtheile in zwei heterogene, oft fogar, ja meiftens feindlihe Gruppen.

Beide find auch faft immer verjchiedener Abftammung oder be- haupten e8 zu fein. Im Hafenorten und in foldhen der fremden Ein- wanderung fehr ausgefegten Städten, wie Meffa, Medina u. f. w., ift e8 nun zwar felbjtverftändlih, daß die Bevölkerung bald eine . Tühn gemifchte werden und fich duch Nafjenbuntheit auffällig von den auf Stammesreinheit eiferfüchtigen Beduinen unterfcheiden mußte. Aber ſeltſamerweiſe finden wir felbjt in den abgelegenften, der Ein- wanderung feit verjchloffenen Städten der von Wrede befuchten

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Ränder, daß deren Bewohner den Begriffen der Raffenreinheit nach den fehr excluſiven Grundfägen der Beduinen nicht mehr entfpredhen.

Jedoch auch abgejehen von diefer zufälligen Verunreinigung der Race (wie die Beduinen fagen) fehen wir in den befagten Länder- gebieten, d. d. in Hadhramaut, Beny Yſſa und Hadſchar, felbft den Kern der ftädtifchen Bevölkerung (alſo die noch ungemifchte, racen- reine Stammeseinheit) fi) einer von den ummohnenden Beduinen ver- fchiedenen Abſtammung rühmen. Die anfäljige Bevölkerung nennt fich dort Amudy und leitet ihren Urfprung von Yſſaͤ el Amud, der für einen Sohn Hodun's gilt, welcher letttere nach den hier üblichen Stammestrabitionen (die aber den übrigen Arabern ganz unbelannt find) ein Sohn des Propheten Hub gewefen fein fol. Die Mehr- zahl der dortigen Beduinen dagegen nennt ſich Dahtäniten und führt ihren Urfprung auf die verfchiedenen Söhne des Dahtän zurück, ben fie für einen Bruder des genannten Hodun hält. Die uns bisher befannten, von Wüftenfeld gefammelten arabifchen Gefchlechtstafeln wiffen zwar gar nichts von fo vielem Söhnen des Dabtän, die hadhra⸗ mantischen Beduinen dagegen nehmen deren nicht weniger als ſechzehn an und leiten ihre verfchiedenen Stämme von diefen ab. Zwiſchen Hodimiten und Dabtäniten, aljo zwiſchen Stäbtern und Bebuinen, herricht faft immer Feindſchaft, ja oft blutige Fehde.

Alle dieſe auffallenden Unterfcheidungsmertmale vermiffen wir in den Rändern Dära und Mahra. Nach Allem, was wir bis jetzt über fie erfahren haben, ift die Landbevölkerung derjelben meift an feſte Wohnfige gebunden und unterfcheidet. fich dadurch wefentlih von den eigentlichen arabifchen Beduinen. Dieſer Unterjchted findet auch in ber Art der Stammensbenennungen feinen Ausdrud. Während die arabifchen Be- duinen nur genealogifche Bezeichnungen für ihre Stämme haben und dem Stammesnamen ſtets die Wörter Beny, Aulad und in Hadhramaut Ba (alle drei „Söhne“ bedeutend) vorſetzen, beſitzen dagegen die Mahriten und Däriten topographifche Unterjcheidungsnamen, indem fie durch Vorfegung des Wortes Bayt, welches „Haus, Wohnung“ und im weitern Sinne „Niederlaſſung“ heißt, deutlich anzeigen, daß

Einleitung. 31

für fie im Gegenfaß zu den Nomaden die Genealogie den Drientirungs- punkt des Völkerdaſeins nicht bildet, fondern daß fie, Hierin den civilifirten Nationen fich nähernd, dem Wohnorte feine Berechtigung auf die Beitimmung des gemeindlichen Culturlebens zuerkennen. Diefe Bevölkerung, wohne fie nun in Dörfern oder vereingelten Hütten, fcheint ein homogenes Volk, gleichſam aus einem Guß. Mag diefer Umftand fchon als ein Zeichen der Verfchiedenheit der Nationalität der Bewohner von Mahra und Dära und der übrigen Araber gelten, jo giebt uns doch die Sprache für diefe Verfchieden- heit noch viel deutlichere Beweife an die Hand. Diefe Sprache, melde Ehkyly heißt, wurde uns erft durch Fresnel's Forſchungen (um 1840) und zwar beinahe gleichzeitig mit den Schriftdenfmälern in der Ur- ſprache Südarabiens, die man die himyarifche genannt hat, befannt, und gleich fiel e8 auf, daß zwifchen diefer Urſprache und jenem noch heute geſprochenen Dialect eine gewiſſe Verwandtſchaft beftehe, eine Berwandtfchaft, die ſich zwar nicht als fo innig erwiefen hat, wie Fresnel, der geradezu das Ehlyly fir himyariſch hielt, annahm, die aber dod) fo unzweifelhaft ift, daß man das erftere filr einen modernen Dialect der letztern todten Sprache anfehen kann. Das Himyariſche oder die alte ſüdarabiſche Sprache wurde im Alterthum in einem großen Theile der Halbinſel geſprochen, aber ſeit dem Mohammeda- nismus allmählich überall durch den centralarabifhen Dialect ver- drängt, nur nicht in Mahra und Dära, wo e8 freilid mit der Zeit ſich zu einem verderbten Dialect verfchlechterte. Aber das Himyari⸗ Ihe und das Ehkyly, alfo das antife und moderne Südarabifch, be- figen nicht mm untereinander große VBerwandtichaft, fondern auch mit den Sprachen eines andern Ländergebiets, nämlich mit dem Aethio- pifchen und feinen neuern Mundarten, dem Geſez und dem Ambhäri- ſchen auffallende Aehnlichkeit. Alle diefe fünf Sprachen, infoweit fie uns bis jet bekannt find, zeigen jo große Verwandtichaft unter- einander ımd entfernen fich gemeinfam fo deutlih von dem Central- arabischen (der Sprache des Dorän), daß wir fie mit Recht zu einer homogenen Gruppe zufammenfafjen können, welche wir die „ſüdarabiſch⸗

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äthiopifche‘’ nennen wollen. Im diefer Gruppe laflen fi der Ze der Bildung nad) drei Abtheilungen unterjcheiden.

1) Das Himyariſche, die ältefte, uns bis jegt befannt gemordert Sprade Arabiens. Sie fteht zwar dem Centralarabifden noch näher al8 die andern füdarabifch-äthiopifchen Dialecte, aber unterfcheide: ſich doc wefentlich von ihm. Jenes Näherftehen erklärt fi) wohl dadurch, daß beide, Centralarabiſch und Himyariſch, ihren gemeinſamen Urſprung in einer unbekannten ſüdſemitiſchen Urſprache hatten, und daß ſie, je näher in der Zeit ſie dem gemeinſamen Urſprung ſtanden, deſto weniger ſich voneinander entfernten. Jene ſüdſemitiſche Urſprache muß die Ariba (das urſprüngliche Arabiſch) des Abd el Malik und der arabiſchen Hiſtoriker geweſen fein, die von den Aditen, Thamu⸗ däern und andern erloſchenen Völkern geſprochen wurde. Von der Ariba gingen nach den Arabern zwei Zweige aus, die Mota' aͤriba (die Sprache der Dahtäniten), von der wir das Südarabijche und alfo auch das Himyariſche und Ehkyly, und die Moftariba (die Sprache der Ssmä’yliten), von der wir das Centralarabifche und feine verfchiebenen Mundarten als abgeleitet erkennen Fünnen.

2) Die äthiopifche Reichsſprache oder das alte Geſez. Sie hat Alphabet, Pronomina und eine große Zahl Vocabeln mit dem Himparifhen gemein, wie Ernſt Oſiander's Forſchungen dargethan haben. Gleichwohl dürfen wir fie nicht von dieſem unmittelbar ab- leiten, fondern von einer Schwefterfprache deſſelben, dem Altäthiopifchen, von dem wir Übrigens nur wenige Schriftdenfmäler befigen, nämlich die von Rüppell entdecten arumitifchen Injchriften, welche jedoch kaum bis ans Ende des 5. Jahrhunderts unferer Zeitrechnung zurädreicen, alfo der fpäteften Phafe des Altäthiopifchen angehören. Trok der Einerleiheit der Schriftzüge und mancher grammatifchen Allgemeinheiten gehen dennod) Himyariſch und Aethiopiſch ziemlich weit auseinander. Um ſo mehr muß es uns wundern, daß wir in den zwei modernen

Sprachen, die ſich aus jenen beiden entwickelten, im Ehkyly und im Amhaͤriſchen, auffallende Analogieen finden, welche wir aus unferer heu⸗ tigen Kenntniß der Völker von Mahra und Dära nicht erklären können.

Einleitung. 33

3) Ehtyly und Amhariſch find die neueften noch üblichen Dia- lecte des füdarabifch- äthiopifchen Sprachzweigs. Die Weitläufigfeit der Urfprungsverwandtichaft diefer beiden Sprachen, infofern wir fie Hiftortfch einigermaßen begründen können, möge folgender Stamm- baum veranfchaulichen, bei dem wir für einzelne Glieder, in Er- miangelung anderer Bezeichnungen, die fchon erwähnten arabifchen Ausdrüde "Ariba, Mota’äriba und Mofta'riba zu Hülfe nehmen müffen.

Die Ariba die Mota’äriba die Mofta’riba, von diefer ftammt das heutige Arabifch mit allen feinen Mundarten.

Pimgerkii _ Anähioriig Ein unbekanntes Aethiopifch j Zwiſchengüed. | Ehkyly Amhaͤriſch See.

Die beiden letten Glieder find alſo je durch zwei Zwifchenglieder von der gemeinfamen Stammmutter, der Mota’äriba, getrennt, und wenn ſchon die einzigen une befannten Zwiſchenglieder, Himyariſch und Aethiopifch, jo viel Verſchiedenheit neben ihrer allgemeinen Ver⸗ wandtichaft aufweifen, fo jollte man denken, daß dieje Verfchiedenheit zwiſchen Ehfyly und Amhaͤriſch noch größer fein müßte. Dies fcheint nun merkwürdigerweife nicht der Fall oder wenigjtens nidht in dem Grad der Fall zu fein, wie wir verfucht wären, anzunehmen. Die einzigen wiffenfchaftlihen Andeutungen, welche wir bis jett über das Ehkyly Haben, und die wir Sresnel und Krapf verdanken, find nun zwar dürftig genug, aber diefe Andeutungen genügen doch, um in zwei Punkten eine auffallende Aehnlichkeit zwifchen ihm und dem Ambä- rifhen darzuthun; eine Aehnlichkeit, welche zu erklären die gemeinjame Abjtammung nicht genügt, da wir bei den Zwifchengliedern gerade in diefen beiden Punkten diefe Aehnlichkeit vermiffen. Diefe beiden Punkte find die Bildung des Zeitworts und die Hinzufügung neuer Buch— jtaben zu dem urfprünglidhen füdarabifch-äthiopiichen Alb habet

A. v. Wrebe's Reife in Habhramaut.

34

Einleitung.

Stellen wir die einfachften Formen des Zeitworts in diefen beiden Sprachen vergleichsweife nebeneinander und zugleich neben die des Aethiopifchen, jo erhalten wir folgendes Bild:

Aethiopifch.*) Amhariſch. Ehkyly. Perfectum. . Singular.

III person masc. Sota Sata Sut

II person fem. Sotat Satath Sutet II person masc. Sotka Satach Sutek II person fem. Sotki Satash Sutes

I person Sotku Satah Sutek Plural.

HI person Sotu Satu Sutu II person masc. Sotkema Satatheh Sutkom U person fem. Sotken en Sutken

I person Sotna Satanä Suten Imperfectum. Singular.

III person masc. Yesot Yesat Yisut III person fem. Tesot Tesat Tesut II person masc. Tesot Tesat Tesut II person fem. Tesoti Tasats Tesyt I person Esot Esat Esut

Plural.

III person masc. Yesotu Yesatu Yisut III person fem. Yesotä 0. Yisutan II person masc. Tesotu Tesatu Tesut II person fem. Tesotä 0. Tesutan I person Nesot Nesat Nesut.

2) Wir wählen abfichtli drei Berba von ähnlichen Wurzelbuchſtaben, ob⸗ gleich das Sut des Ehfyly (fhlagen) und das Sota des Aethiopiſchen (giefjen) den Concaven, das Sota des Ambärifchen (geben) dagegen den Biliteris an— gehört. Noch deutlicher wiirde fich die Achnlichkeit zeigen, wenn wir aud) im Ambärifchen ein concaves Berbum Sota ober Suta befäßen.

Einleitung. 35

Zeigt ſich hier ſchon die Aehnlichkeit des Ehfyly mit dem Aethio- piihen in den meiften Formen unverkennbar, fo ift doch noch eine . größere zwifchen erfterm und dem Ambärifchen vorhanden, indem in denjenigen Formen, in welchen das Ambärifche vom Aethiopifchen ab- weicht, auch eine ſolche Abweichung beim Ehlyly vorkommt, fo nament- (ich im Femininum der II. person sing., das im Xethiopifchen auf ki, dagegen im Amhäriſchen auf sh endet, ähnlich wie im Chfyly auf s.

Noch merhvürdiger zeigt fich die Analogie beider Sprachen, des Ehfyly und des Ambärifchen, in der Vermehrung um eine Anzahl Zaute, welche das urfprüngliche ſüdarabiſch-äthiopiſche Alphabet bei beiden erfahren Hat. Das Ehkyly hat nad) Fresnel 36 Buchſtaben, während in feiner Mutterſprache, dem Himyaritiſchen, bis jett nur 26 (2 weniger als im Arabifchen) nachgewiefen find, denn befanntlic) konnten die Zeichen (Tja) und & (Rhayn) noch nicht deutlich er- mittelt werden. Ebenfo hat das Ambhärifche 7 Buchſtaben mehr als feine Mutter, das Aethiopifche, welches deren gleichfalls nur 26 befikt. Schon Fresnel hat in Bezug auf diefe Supplementarbuchftaben die Aehnlichkeit zwifchen dem Amhärifhen und dem Ehkyly hervorgehoben. Er fagt: Das CEhkyly befigt „ausgeſpuckte“ Buchſtaben (lettres crachees), wie das Amhärifche, nämlich eine Art K und eine Art T, abweichend vom gewöhnlichen K und T, ſehr häßlich in der Aus- ſprache (wahrjcheinlich dem amhärifchen Chaf und Tſhait entſprechend). Verner finden wir im Ehkyly alle Nafaltöne des Franzöſiſchen und Portugiefifchen, und ſolche Nafaltöne hat auch das Ambhärifche dem äthiopifchen Alphabet beigefügt, 3. B. das Nyahas oder Gnahas ge- ſprochen wie das fpanifche ñ und das franzöfifhe gn in Perpignan. Endlih, fo behauptet Tresnel und jo wurde von Houlton, Smith, Sruttenden, Wellfted, den Officieren der englifhen Küftenaufnahme, bereits vor ihm angedeutet, weit das Ehkyly Laute auf, die nur durch Verdrehung des Mundes auf eine Seite Hin ausgefprochen werden fünnen, wobei die Zunge auf die rechte (nie auf die linke) Seite an den Gaumen angelegt wird. Vielleicht entiprechen dieſe Laute dem amhaͤriſchen Dient und Jay.

3*

36 Einleitung.

Aus diefen PVergleihungen (die freilich) bei unferer geringen Kenntniß des Ehkyly nur höchſt unvollkommen fein fünnen) ſcheinen wir zu dem Schluß zu gelangen, als fände zwiſchen Amhaͤriſch und Ehkyty eine nähere Verwandtſchaft ftatt, als diejenige, welde durch ihren gemeinfamen Urfprung zu rechtfertigen ift; eine Berwandtichaft, die jich num durch jpätere, uns unbelannt gebliebene Berührungen der abyffinifchen umd der Mahra-Dära-Bölfer erklären ließe. Da num das Amhaͤriſche ſich erft etwa im 12. oder 13. Jahrhundert (unferer Zeitrechnung) zu einer felbftftändigen Sprache ausgebildet hat, fo müßten jene Berührungen in einer Zeit ftattgefunden haben, die dem Bereich des Hiftorifchen angehört. Aber die Geſchichte hat uns über folhe fpäte Berührungen zwifchen beiden Völkern nichts überliefert, und fie find in der That auch nicht wahrfcheinlih. Die lekte nach- weisbare Berührung zwifchen den äthiopifhen und füdarabifchen Stämmen fand im 5. Jahrhundert unjerer Zeitrechnung ftatt, als die Adyffinter Yemen eroberten. Ob fie aber je die Länder Mahra und Dara beſeſſen, ift bis jegt eine ungelöfte Trage. ‘Deshalb bleibt nichts anzunehmen, als daß beide Idiome, obgleich ihre Meutterfprachen fhon lange auseinandergegangen waren, und obgleich feinerlei Berüh⸗ rungen zwifchen den beiden Völkerfchaften in jpäterer Zeit ftattfanden, dennoch in der Entwidelung ihrer Elemente zu einer modernen Vulgär- ſprache parallelen Gang gehend, zu ähnlichen Refultaten gelangt find, zu NRefultaten, deren Begründung nur in der gemeinfamen Stamm⸗ mutter, der alten füdarabifch-äthiopischen Sprache, gefucht werden Tann. Vielleicht, daß die Principien, welche das Amhaͤriſche und das Ehfyly fo auffallend ähnlich entwickelten, jchon in der Stammmutter latent dalagen, ohne daß ein folcdhes Factum jekt irgend wie nachweisbar wäre?

Jedenfalls fteht es feit, daß die Völker von Mahra und Daͤra jeßt die einzigen Bewohner der Arabifchen Halbinfel find, welche auch in der Sprache ihre VBerwandtfchaft mit dem afrifanifch - femitifchen Schweiterftamm bewahrt haben. Doc nit blos in der Sprache, auch in den Phyſiognomieen wollen die Reiſenden eine VBerwandtichaft

Einleitung. 37

beobadhtet haben. Die Mahriten follen zum Theil eben fo dunkel⸗ häutig, wie die Abhffinier fein. Ihre Züge bieten denfelben Typus regelmäßiger Gefichtsbildung, wie die der Aethiopier. Ihr Wuchs ift Schlank, ihre Geftalten edel und ebenmäßig. Das einzige Häßliche, was man an ihnen beobachtet haben will, ift die Bildung des Mundes, und diefe rührt eben von jenem fpracdjlichen Fehler, den fie mit: den amhärifch redenden Völkern gemein haben, daß gewiffe Laute ihres Idioms nur durch Verzerrung der Mundwinkel hervorgebracht werben können. Zwiſchen diefen beiden Völkern, den Mahriten und den Däriten, weldye nad) dem Gefagten ohne Zweifel aufs Nächite ver- wandte, der ganzen Maſſe der übrigen Araber entfremdet gegenüber- jtehende Bruderftämme find, hat fich gleichwohl mit der Zeit manches unterfcheidende Merkmal, ſelbſt in fprachlicher Beziehung, eingefchlichen. Der Dialect von Mahra iſt ſchon vielfacdy mit arabischen Wörtern untermifcht, der von Dära dem urfprünglichen Idiom treu geblieben. Leßterer hat jomit manche Idiotismen, die im Mahradialect ſchon durch Arabismen verdrängt find. Tresnel jagt: Ein Bewohner von Dära, der außer feinem Dialect auch noch arabif Tann, verfteht die Sprache von Mahra, nicht jedoch ein Bewohner von Mahra, der nur feine Spradje und die arabijche kennt, diejenige von Dära.

Was wir von diefen beiden Rändern Mahra und Dära wiſſen, beichränft fi) auf die Nachrichten, welche uns die Dffictere der eng- liſchen Küftenaufnahme vom Jahre 1833 geben. Doch auch fie be- fuchten nur wenige Punkte diefer Küſte, denn ihre eigentliche Aufgabe befchränfte fi) auf die Aufnahme der Küften weftlih von Mahra. In letzterm Lande erwähnen fie faft nur den Golf von Qeſchyn, von dem übrigens fchon Niebuhr eine Karte und Beichreibung gegeben hatte. Der Hauptort Defchyn ift jedoch nım ein elendes Dorf, gleich⸗ wohl nicht ohne eine gemwifle Bedeutung, da er die Reſidenz eines Sultans, der über einen großen Theil der Mahra-Stämme und auch über die Infel Sofotra gebietet, bildet. Ins Innere diefes Landes ift noch nie ein Europäer eingedrungen.

Zwifhen Mahra und Dära liegt mit dem gleichnamigen Vor⸗

38 Einleitung.

gebirge der Dfchebel Schebfcher, in welchen wir den berühmten Weihrauchsberg der claffifchen und arabifchen Autoren erfennen müffen. Der Name diefes Berges hat zu den größten Misverftändniffen Anlaß gegeben, die jest ein chronifches Uebel aller Geographteen Arabiens ge- worden find, an deffen Heilung man faft verzweifeln möchte, bejonders da unfer berühmtefter Geograph Karl Ritter das feinige gethan hat, um fie wo möglich noch zu verfchlimmern, indem er, feinem Grund- fat, daß „Irrthum beſſer fei als Verwechſelung“ untreu werdend, den Namen Schedfcher mit einem andern, nämlid mit Schihr, aufs Hartnädigfte verwechfelt und dadurch zu jener Eonfufion gelangt, deren Vermeidung er als jein höchftes Ziel bezeichnet. Ritter (Erdkunde, XI, ©. 635) jagt bei Gelegenheit von Schihr, ‚der Ort heiße eigentlih Schechr, und das fei die wahre Lesart, falſch aber alle an- dern, wie Schedfcher, Schihr, Schehr, und num führt er noch einige zehn Formen an, die er als Benennungen für einen und denfelben Ort auffaßt, obgleich fie dies in Wirklichkeit nie waren. Von diefen Formen find einige, wie Shher, Xier, Schähr u. f. w, Verhunzungen von Schihr, andere, wie Chedſcher, Sedſcher, Sacher, Entftellungen von Schedſcher, ja, der antife Name Shyagros und der moderne Saugra gehört einer dritten Xocalität, welche Sfaufira heißt, an. Schihr ift zugleih Stadt- und Diſtrictsname, Schedſcher nur die Benennung eines Gebirges, eines Caps und einer Landſchaft, nicht aber einer Stadt. Beide liegen vier Längen- und zwei Breitengrade auseinander, können alfo topographifc unmöglich fir ein und diefelbe Localität gehalten werden. Schihr ift das äußerte weftliche, Sche- dſcher das öftliche Grenzland von Mahra. Die arabifchen Geographen, die über den oceanifchen Küftenftrich ihrer heimathlichen Halbinfel fo ſehr ſchlecht unterrichtet find, konnten freilich Nitter irreführen, denn oft findet man bei ihnen Erwähnungen wie folgende: „Mahra im Lande Schihr‘ (mas nad) arabifhem Sprachgebrauch jedoch auch heißen Tann ‚in der Nähe von Schihr“) oder „Mahra in der Gegend von Schedſcher“, Erwähnungen, die ſicherlich denjenigen zu Verwechſe⸗ lungen führen konnten, der weder mit der Elafticität arabifcher Aus-

Einleitung. 39

drüde (die man fo felten buchftäblich nehmen darf) vertraut ift, noch auch von der Exiftenz der zwei getrennten Landfchaften mit ähnlichem Namen eine Ahnung befikt.

Der erfte weſtliche Diftriet, den wir im Lande Dära antreffen, ift das berühmte Tſofär (fälihlih oft Dhafar, Dafar, Zafar und noch auf einige zehn verjchiedene Arten gejchrieben). Zfofär ift jet feine Stadt mehr, wie im Altertfum (in welchem es nach Einigen das Ophir, berühmten Namens, gewefen fein foll), und wie im Mittel- alter, aus welcher Zeit die Nachrichten über daffelbe von Ihn Batuta, Abusel-Fedä und andern arabiſchen Geographen ſtammen, die es als ein blübendes Handelsemportum erwähnen, aber oft auch mit einem andern Xfofär,. dem in Yemen gelegenen, auf eine fo verwirrende Weije verwechjeln, daß man heut zu Tage gar nicht mehr unterjcheiden kann, welche Beichreibungen dem weftlichen und welche dem öſtlichen Tſofäaͤr gelten.

Tſofaär iſt alfo jetzt mr noch der Name eines Diſtricts, in dem einige zwanzig Dörfer liegen, von welchen Mirbat und Dirys (das Addaharys von Fresnel) die wichtigſten ſind. Die Officiere der eng⸗

liſchen Küſtenaufnahme landeten hier und unternahmen Ausflüge ins

Innere, ohne indeß tiefer als etwa zwei bis drei deutſche Meilen in daſſelbe einzudringen. Jedoch haben dieſe Ausflüge den Schleier des Unbekannten, der auf dem Lande ruhte, nur in ſehr mäßigem Grade gelüftet. Die einzige intereffante Ausbeute ift die Kunde, welche fie uns über das Vorhandenfein merfwürdiger Infchriften, eigenthümlicher- weife nicht eingemeißelt, fondern nad Art der Hieroglyphen in den Königsgräbern von Theben gemalt, bradten. Daß diefe Infchriften himparitifch find, dürfen wir mit Wahrfcheinlichleit annehmen, befigen übrigens dafür feine andere Beftätigung, als das Wort der Neifenden, denn eine Copie ift von feinem diefer Schriftdentmäler gemacht worden. Eine einzige Infchrift von Tſofär wurde von Herrn Mordtmann er- halten, aber über ihren Fundort herrſcht große Ungewißheit (Zeit⸗ Schrift der Deutfchen Morgenländifchen Gefellfchaft, XVIL, 791 und XIX, 180). Belannter als die Küfte, ja fogar jehr genau befammt,

40 | Einleitung.

find die Heinen, faft unbewohnten Infeln von Churyan Muryän, welche im gleichnamigen Golf der Küfte von Tfofär gegenüber liegen. An diefen Golf ftößt dann der von Sſaukira, der alte Syagros, an deſſen Küfte, obgleich noch zu Dära gerechnet, wir ſchon einen andern, den Ehfyly redenden Völkern völlig fremden Stanım, die Dichenäby, antreffen, deren Gebiet fi) bis an die Grenze von "Omän erftredt. Die Dihenäby ericheinen, was auch immer ihr Urjprung fein mag, heut zu Tage als ächte Araber, verftehen fein Ehtylh, ſondern reden einen dem Centralarabiſchen verwandten Dialect, führen da8 Beduinen- {eben und feinen im Ganzen ſehr den Völtern des Beled Hadſchar, Benh Yſſa und Hadhramaut zu gleichen.

Somit find wir am Ende der oceantfchen Küfte Arabiens, am Ende des unbelannteften Theils der faſt noch unbelannten großen Halbinfel angelangt. Wenn wir bei der zweiten Hälfte diefer aus- gedehnten Küftenlandichaft länger verweilten, jo gejchah es einestheils, weil doch auch fie zum Wrede'ſchen Reifegebiet in einer Beziehung fteht, anderntheils, um neben dem bereits Geleifteten auch das noch zu Leiftende auf dem Bereiche der Erdkunde Arabiens in ein deut- liches Licht zu ſetzen, zugleich das Intereffe und die Reiſeluſt Fünftiger Ländererforfcher zu wecken und auf einen uns noch jo geheimnißvolfen, aber in ethnograpbifcher und linguiftiicher Beziehung fo reichliche Aus- beuite verfprechenden Volksſtamm hinzulenfen. Möge die kürzlich er- folgte Eröffnung des Suezcanals, der wie ein Wegweifer nad) dem nahen Arabien hinzuwinken fcheint, eine neue Aera in den Annalen arabifcher Entdedungsreijen bezeichnen; mögen Wrede, Arnaud, Bal- grade bald Nachfolger finden und eine Hülle nach der andern vom Haupte diefes umfchleierten Bildes von Sais, Arabien, fallen. An fühnen Entdedungsreifenden hat e8 ja in unferm Sahrhundert wertiger gefehlt, als je. So bleibt denn die Hoffnung unbenommen, daß auch einer oder der andere ſich diefem intereffanteften Yande, der Wiege des Islam, zuwenden möge. Ein anderes Reiſegebiet ift es freilich als Afrika und ein ungleich ſchwierigeres. Aber an Vorbildern wird es dem künftigen NReifenden, der ſich diefes Gebiet erwählen will, nicht fehlen.

Einleitung. 41

Mänmer wie Burdhardt, Seeten, Wallin, Arnaud, Palgrave, Yurton, diefe Helden der Selbftverläugnung, leuchten ihm voran auf dem gefahrvollen Weg durch die arabijche Halbinfel; aber unter Allen glänzt als Stern erfter Größe unfer Wrede. Bon ihm, wie von leinem Andern, kann der fünftige Entdedlungsreifende in Arabien lernen, wie er es zu machen hat, um der Erreichung feiner Ziele gewiß zu werden.

Dresden, den 3. Februar 1870.

Der Heransgeber.

Ueber die Rechtſchreibung arabifher Namen.

Zur Erläuterung, wie die arabifhen Namen in diefem Buche transcribirt ſind, diene hier folgendes Alphabet.

Conſonnanten. Vocale. ob et . T.. 8 oder e ot > ts .... i th E , c dsch & eh, rh 0 ch Sf 1... aa 4 S...) od dk 8 ds yo... u 7" en Diphtonge > 8 OÖ] n U” 88 3 h au sch w - y (G.... ay au Das 5 Finale wird u niht ausgedrüdt, das

Fatha vor ihm wird meift als kurzes e, felten als furzes a wiedergegeben.

Erftes Capitel. Küftenreile von Aden nad Malkalla.

LE BG LCD GL

Schiffahrt von "Aden nah Borum. Borum. Der Stamm ber Beny Haffen. Wadiy Fuwa. BWädiy Halle. Ayn el Ghafffſaͤny. An- funft in Mafalla.

Nach langem Warten auf eine Gelegenheit nad) Makalla fchiffte ih mi am 21. Juni Abends auf einem dahin beftimmten arabifchen Tahrzeuge ein. Zur Charakteriftif der Araber, bezüglich ihrer Den- fungsart über Chriften, mag bier ein Geſpräch Platz finden, welches fur; vor meiner Ankunft an Bord ftattfand.

Während nämlich die Horniften der Garnifon den Zapfenſtreich bliefen, brad) einer der Matrofen in die Worte aus: „Hört ein- mal, wie die Hunde heulen!’ worauf der Nädodä ?) antwortete: „Gott befhüge den Isläm!“ „Amen! rief die ganze Ge- ſellſchaft und Einer fette hinzu: „Möge Gott das Land des Edrus?) von diefen Hunden befreien!” „Amen!“ hörte man wieder in allen Winfeln des Schiffes. So lange die Muſik währte, machten die Araber ihrem Aerger durch Ausrufungen Luft, als: „Dſchinſſ el Kelb!“ (Hundegeſchlecht!), „Kaͤfir!“ (Ungläubige!), „Raͤfidhy!“ 2) (Ketzer!) und dergleichen mehr; Ausrufungen und Aus⸗ drücke, die alle zur Genüge darthun, mit welcher Liebe die Moham- medaner den „Chriſten“ zugethan find und wie hoch diefe in ihrer Achtung ftehen. Das, was ich hier hörte, war nicht etwa der Aus-

44 Abfahrt von 'Aden. Die Taräd.

drud der Meinung einer einzelnen Perfon oder jener wenigen Per- fonen, fondern die allgemeine’ aller Belenner des Isläm, die ein Jeder derfelben vom Größten bis zum Slleinften in Gegenwart feiner Slaubensgenofjen, je nach dem Grade feiner Bildung, in mehr oder minder derben Ausdrüden ausipridt.

22. Juni. Am 22. verließen wir in aller Frühe die Bay „Cyra“. Mehrere Beduinen vom Stamm der Beny- Hafjan waren meine Neifegefährten; fie und die Mannfchaft des Schiffes, alle eifrige Mohammedaner, weshalb ih „Pfeudo-Islamite‘ auch regelmäßig die vorgefchriebenen „fünf Gebete” täglich ver- richtete, um bei meiner Antımft in Makalla mit dem Rufe eines orthodoren Mufelmannes auftreten zu künnen. Der Wind war fehr ſchwach und die See ging hoch, weshalb unfer Kleines Fahrzeug jehr ſtark umbergeworfen wurde. Doc Hatte ih das Glück, von ber leidigen Seekrankheit verfchont zu bleiben. Nicht fo die Beduinen, welche alle daran litten und zum Erbarmen jämmerliche Gefichter fchnitten. Während der vielen Scereifen, weldhe id) gemacht habe, fam e8 nie vor, daß die Seefranfheit den Tod herbeiführte; hier aber war es mit einem 18jährigen jungen Beduinen der all, bei welchen ſich das Uebel bis zum Blutfpeien fteigerte, ſodaß er noch am Abend unter heftigen Convulfionen ftarb.

Die Taräd , auf welcher ich mid) eingeſchifft Hatte, erinnerte mic) jehr lebhaft an das Fahrzeug, womit weiland Abu Sfaryr °) von Bombay nad Dſchidda fuhr. Nur ein „Fataliſt“ Tann es wagen, fih auf einen ſolchen Bretterfaften zu jegen und auf ihm

durch die hochrollenden Wogen des indischen Oceans zu fahren. Hätte -

ich feine Bauart im Hafen gefannt, keinen Augenblid würde id) ge: ſäumt haben, e8 wieder zu verlaffn. Man denke ſich meine Weber: rafchung, und fie war feine der angenehmften, als ich bemerkte, daf die Schiffsplanfen, anftatt feft genagelt zu fein, nur mit Striden aus Palmfafern an die Kniehölzer befeftigt und die Fugen nur nadjläffig mit getheertem Werg kalfatert waren. Jetzt war es freilich zu fpät, die Sache zu ändern, weshalb id; auf eine fchügende Allmadt

+‘

Gefährliche Fahrt. Landung in Borum. 45

und die Stärke der Vorſehung bauend, mid mit ftoifcher Gelaffenheit in mein Scidfal ergab und Betrachtungen über die Folgen anftellte, welche diefes primitive Verfahren, ein Schiff zufammenzufügen, haben fönnte. u |

Obgleich nun dem Schiffe bei dem gegen Mittag eingetretenen ftarfen Wind ftark zugefeßt wurde, fo hielt e8 dennoch zum Erſtaunen gut miewohl die Schiffsmannfchaft das durch die Fugen eindrin- gende Waſſer fortwährend ausichöpfen mußte.

23. Juni. Der günftige Wind währte die ganze Nacht und brachte uns bis zum Morgen des 23. Angefichts der Berge von Biyr Alyy, von denen ein eifiger Wind niederftrih, und noch vor Sonnenmtergang auf die Rhede von Borum, wo wir vor Anfer gingen.

Der Nähodä unterrichtete mich, daß die Rhede von Makalla in der jegigen Zeit nicht haltbar ſei und rieth mir daher, Hier ans Land zu geben. Da es in meinem Plane lag, fo viel als möglich zu Lande zu reifen, und ich, nebenbei gejagt, feiner Ardje auf die Dauer feine genügende Haltbarkeit zutraute, fo willigte ich auch fehr gern darein. Meine Reifegefährten, ſowohl der Todte, als auch die Lebenden, wurden mit mir und den Kffecten in ein vom Lande gekommenes Boot gepadt und ausgefchifft. Der fehr gefällige Nächodä, der wahr- jcheinlich jehr froh war, feine Pafjagiere los geworden zu fein, führte mich in das Haus eines feiner Bekannten, wo ic aufs Beſte auf- genommen wurde.

Borum®) ift eine Fleine Stadt oder vielmehr ein großes Dorf,‘ mit etwa 400 Einwohnern ımd liegt im Hintergrunde einer Bucht, welche zwifchen dem weftlich Liegenden Raͤſſ Borum und dem im Often vorfpringenden Raͤſſ el Ahmar (d. i. das vothe Vorgebirge), einem Ausläufer des Dſchebel Reich 7) gelegen, etwa Y, Stunde Tiefe hat. Der Ort ift von einem Dattelpalmmwalde umgeben, der fich bis in eine hinter demfelben liegende Schlucht fortzieht, in welcher nur wenige Schritte voneinander entfernt, zwei Quellen entjpringen, von denen die eine ein vortreffliches Trinkwaſſer liefert; die andere ift eine ſtark mit Schwefel gefhwängerte Thermalquelle. Mehrere gemauerte, mit

46 Gaftfreundfchaft in Borum.

Cement bekleidete Baſſins nehmen ihre Waffer auf und dienen den Bewohnern von Borum ale Waſch- und Badeorte. Zwiſchen dem Städtchen und Räff Borum öffnet fi ein weites Thal, der Wadiy

Dahff °), vor defjen Mündung ſich die Rhede befindet, welche während dem Südweſt-Monſun, durch Raͤſſ Borum geſchützt, vollfommen ſicher, in der entgegengeſetzten Jahreszeit aber unhaltbar iſt. Einige 20 Bagla’s ) und Daͤuw's lagen abgetakelt, theils vor Anker, theils auf dem Trocknen und erwarteten die günftige Sahreszeit des Nord- oſt-Monſuns, um die gewohnten: Reifen nach dem rothen Deere und nach der Oftküfte Afrikas zu unternehmen.

Raum war die Nahridt im Städtchen verbreitet, daß ein Fremder, ein Aegyptier angekommen fei, als die Neugierde eine Menge Befucher herbeitrieb; wenigftens 40 PBerfonen hatten ſich auf der Terraſſe des Haufes eingefunden, wo man die angenehmen Abende zubringt, und begafften mich, wie man bei uns ein jüngft angekommenes, feltenes Thier zu befehen pflegt. Ein Ieder machte feine Bemer⸗ tungen: der Eine bewunderte meine für Arabien ungewöhnliche Statur und ſchloß jehr naiv aus dem Umfange meines fehr großen Dammel- felfes, daß da, wo foldye Widder eriftirten, die Menfchen ebenfalls fehr groß fein müßten; ein Anderer bewunderte meine weiße Haut- farbe und warf die Trage auf, „ob Mohammed "Alyy aud) fo weiß ſei?“ Kurz, ein Ieder entdedte etwas ihm Auffallendes an meiner Perfon, und des Fragens war fein Ende. Eine halbe Stunde mochte vergangen fein, während welcher man mid) mit Fragen gepeinigt hatte, als mich der Wirth des Haufes benachrichtigte, daß der Herr des Ortes, oder wie er ihn betitelte, der Sultan, gekommen fei, um mid) zu ſehen.

Gleich darauf trat ein Heiner Mann von etwa 60 Jahren unter die Berfammlung, der fich übrigens weder durch die Kleidung, noch durch fonftigen Schmud vor den übrigen Bewohnern auszeichnete. Das Entgegenfommen, weldyes ihm von feinen Unterthanen zu Theil wurde, war ehrerbietig, aber nicht Friechend, und beftand nur darin, dag ein Jeder ſich zu ihm Hindrängte, um ihm die Hand zu küſſen.

Tragen über Reifezwed u. |. w. 47

Diefem Beifpiele folgte ich natürlih. Hierbei entftand nun zwifchen uns eim Wettjtreit der Höflichkeit. Wie ich mich nämlich zum Hand- kuß büdte, büdte er fich ebenfalls und drückte unfer Beider Hände jo Hinunter, daß fie beinahe den Boden berührten. Dieſes währte einige Secunden, worauf er als der höher Geftellte und Bejahrtere zugab, daß meine Lippen die Spisen feiner Finger ftreiften. Wir fegten uns dann nebeneinander nieder, während die Verſammlung, die indeß an bie 60 Perfonen herangewachſen war, um uns herum niederfauerte, um der Unterredbung mit gefpannter Aufmerkſamkeit zuzubören. Auf feine Sragn: „Wer ih ſei?“ „Woher id käme?“ „Wohin ih ginge?“ gab ich ihm die für dieſen Fall fchon im Voraus bereiteten Antworten: „daß ich nämlich ein Aegyptier fei umd “Abd el Hud hieße, daß ich vor drei Iahren, während id) an der Peſt darniedergelegen, das Gelübde gethan, eine Wallfahrt nad) dem Grabe meines Schugheiligen Neby Allah Hud 19) zu unternehmen; daß fein Name fir immer verherrlicht werde. Hier antwortete die Berfammlung mit: „Amen!“, erhob die Hände und betete das Fätiha 1%). Hergeftellt, hätte ich leider die Erfüllung des Gelübdes Tag für Tag verfchoben und endlich gar vergeffen, da fei mir dreimal im Traume ein Engel erfchienen und habe mir befohlen, die Wallfahrt anzutreten, welchem Befehle ich jett nachzufommen im Begriff ſei „Eſchhed Allah!“ 12) riefen Alle; „Gott tft groß!” „Es ift nur ein Gott!” „Und Mohammed ift fein Gefandter!” „Du wirft Deine Reife glüclich zurüdlegen, denn Gott ift mit Dir!” feßte der Sultan Hinzu. In tiefes Nach— denken verfant die Verfammlung, deſſen Gegenftand ohne Zweifel mein erzähltes Wunder war, wie ic) aus den Stoßfeufzern entnehmen fonnte, welche von Zeit zu Zeit die Stille unterbrachen.

Manche meiner geehrten Lefer, welche nicht mit dem Ideengange eines Arabers befannt find, werden mir vielleicht vorwerfen, meine Erzählung mit einer Abgefchmadtheit gewürzt zu haben. Hierbei er- faube ich mir jedoch zu bemerken, daß es in meiner Lage meine erfte Sorge fein mußte, mir das Zutrauen der Einwohner des Landes zu

48 Aberglaube der Araber,

erwerben, welches ich zu bereifen gedachte. Dazu reichte aber bei Den Arabern keine einfache, gewöhnliche Erzählung bin, die nicht nur einen oberflächlichen Eindrud gemacht, fondern fogar Mistrauen erregt haben würde. Dahingegen fand die mit einen Wunder verbrämte Geſchichte auf der Stelle Glauben und ftellte mich ihnen als ein von Gott unmittelbar befhüßtes Wefen dar; wie man allein ſchon aus der Aeußerung des Sultans erſieht. Was fi) in diefer Beziehung für den aufgeflärten Europäer als ungenießbar herausftellt, ift für den abergläubifchen fanatiſchen Moslim eine leicht verdauliche Speife, denn für ihn, in deffen Gemüth der ſchwärmeriſche Glaube an die auf den Menfchen ftatthabende „unmittelbare Einwirkung der Geifter: welt fo tief wurzelt, haben dergleichen Erzählungen nichts Abſurdes.

Nach umd nach befam die Neugierde wieder die Oberhand und von allen Seiten vegnete es Fragen. Mohammed Alyy, "Abd ul Medſchyd und die Engländer in Aden waren die Dauptgegenftände unferer Unterhaltung, welche bis fpät in die Nacht mwährte. Die eritern Beide jehen fie als ‚„„die mädhtigften Kürften der Erde“ an, und fie wunderten fich fehr, daß nicht der Eine oder der Andere den Engländern befohlen habe, Aden zu räumen, waren jedoch der frohen Hoffnung, ein Heer der „Beny Ottoman“, wie fie die „Türken“ nennen, vor 'Aden erfcheinen zu fehen.

Wie im ganzen Orient, fo ift aud hier die Meinung verbreitet: „daR e8 nur ſieben chriſtliche Könige giebt, welche ſämmtlich ihre Kronen vom Sultan der „Beny Ottoman“ zum Lehen tragen, wofür fie demfelben unterthan und tributair find.

Die Temperatur bei Sonnenuntergang, wolfenlofem Himmel und Nordweitwinde war diefen Abend 25° R.

Der Sultan von Borum 1?) heißt "Alyy ibn Nacr und gehört dem Stamme EI Kefjady an, der einen Theil der Provinz Yäfln bewohnt. Mit fichtlihem Wohlgefallen erzählte er mir, daß er fein Gejchlechtsregifter bis auf Noah zurüdführen könne, ımb in gerader Linie vom Propheten Hub (dem Eber der Bibel?) abftamme, durch Himyar und Dahtän !*) (Ioftan), welche feiner Meinung nad) Alle

Beny-Haflan- Stamm. Der WVäry. 49

Mufelmänner gewefen find. Zroß diefer hohen Abſtammung ift er doch nur ein winzig Feiner und armer Fürft, der außerhalb feines Städthens auch nicht die geringfte Autorität befitt, und felbft unter dem Schuge der Beny-Haſſan-Beduinen fteht, denen er dafiir einen jährlihen Zribut entrichten muß.

Diefer Stamm der Beny Hafjan iſt eine Unterabtheilung bes großen Hauptſtammes Sjaybän 1°), deſſen Wohnfige fich weit ins Innere erjtreden. Diefem Stamme oder, was daffelbe ift, einem einzigen Sprößling deſſelben vertraute ich mich noch am Abend, nad) dem Nathe des Sultans und meines Wirthes, für die Neife nad) Makalla an.

24. Juni. Am 24. nahm id) in der Frühe von meinem Wirthe Abfchied und verließ um 1,7 Uhr das gajtfreie Borum unter dem Schutze eines 10jährigen Beduinenfnaben. Eine lange Yuntenflinte und eine Dſchembiye 16) (Dolch) waren die Waffen meines feinen Befhügers, der mit troßiger Meiene vor dem Kameele einherſchritt. In einem Lande, wo es Niemand wagt, unbewaffnet außerhalb feines Haufes zu erfcheinen, würde eine folche Escorte wenig Sicherheit gewähren, wenn nicht die Furcht vor der Rache ihres Stammes, ihrer Familie und ihres Wäch ?7) den Räuber davon ab- hielte, fie anzugreifen. Der Reifende wird, fobald er ſich ımter den Schuß eines Beduinen begeben hat, als ein Gaft des Stammes an- gefehen, und eine jede Beleidigung, melde ihm angethan wird, rächt der befchügende Stamm an dem Thäter oder deſſen Familie. ‘Der geleitende Beduine ift alſo für die Dauer der Reife gleichſam als Waͤch des Neifenden anzufehen.

Gleich, nachdem wir den Drt verlaffen Hatten, führte der Weg von DBorum, längs dem Fuße des fteil abfallenden Dichebel Reſch hin. Rechts fprüßte die Brandung des Meeres bis zu den Füßen meines Kameeles hin und verfuchte feine zerftörende Kraft an den unzähligen Felsblöden, welche den Weg theilweife fo verengen, daß ein beladenes Kameel kaum dur kann. Man fieht an den fteilen zerriffenen Wänden diefes Vorgebirges, welches feiner röthlichen Farbe

A. v. Wrede's Reife in Habhramant, 4

50 Wädiy Eſch Scherebbe. Fuwa.

halber Rafj Ahmar, d. i. „das rothe Vorgebirge“ genannt wird, daß das Meer ſchon einen bedeutenden Theil davon weggenommen hat. Dieſer Zerſtörungsprozeß dauert noch fort, denn der ganze etwa 20 Fuß breite Weg iſt voller Spalten, aus denen bei jedem Wellen- fchlag das Wafjer mehrere Fuß hoch, gleih Fontainen, emporfprügt. Es war mir cin unheimliches Sefühl, auf dieſem unterminirten Wege zu gehen, der jeden Augenblick einjtürzen konnte, und ich war daher froh, nad) einer Stunde den Wadiy Eſch Scherebbe zu betreten, welcher fich zwifchen den Dichebel Reid) und Eſch Scherebbe, in nord: weftliher Richtung hinaufzieht. Jenſeits des Thales führt der Weg durch ein Felſenthor, welches ein losgeriffener Telsfegel mit dem Gebirge bildet. Zur rechten Seite des Weges befindet fich in dem- felben das Grab eines Heiligen, an deifen Kopfende die Süge eines Sägefiſches aufgepflanzt ift. Hinter dieſem Felſenthore führt die Straße eine Stunde lang theil® durch ein Chaos von Felsblöcken, theil8 durch tiefen Sand längs dem Meere hin. ‘Dann tritt das Ge- birge plöglich nach Nordoften zurück und dacht fich nad) der Tihäma ?°) (Niederung) von „Fuwa“ bis zum Wädiyg „Merret‘ ab. Der Weg bleibt fortwährend in der Nähe der Meeres und wird bie zum Wädiy Halle 19) mit niedrigen, mit Gejtrüpp bewachſenen Hügeln begleitet. Bis zum Dorfe Fuwa 2%), wo wir um Ys1l Uhr Halt machten, überſchritt id) nod) die Wadiy „Cahah“ 21), „Chomyr“ 22) und „Dſcharre“ 2°). Die Tihäma von Fuwa erſtreckt ſich von Süd- weiten nach Nordojten, von Dichebel Eich Scherebbe bis zum Gebirge Makalla, eine Strede von 8 Stunden, und hält in ihrer größten Breite 2 Stunden. Die Strede vom Dorfe Tuwa bis zum ‘Dichebel Eſch Scherebbe ijt wohl für Eultur geeignet, jedoch fand ich nur die Umgebung des Torfes und das Bett des Wäpdiy „Fuwa“ angebaut. Fuwa liegt eine Stunde vom Meer im Wädiy gleichen Namens und beiteht aus einigen 50 Häufern, welche von ungefähr 300 Bebuinen des Stammes Agaybere 2%) bewohnt werden. Diefer Stanım ift eine der Unterabtheilungen des Stammes Sfaybän und ift „Befhüger“ des Sultans von Mafalla, welcher dafür einen jährlichen Zribut zahlt.

Rechtsgebräuche der Beduinen. 51

Halbjährlich hält dieſer Stamm hier ſeine Dabayl Bakry“ 25) oder Stammverſammlungen, wobei jedesmal ein großer Markt ftatt- findet. Bei diejer Gelegenheit werden Streitigkeiten gefchlichtet, Ur⸗ theile gefällt ımd vollzogen, Krieg und Frieden beichloffen furz alle nur möglichen Angelegenheiten des Stammes, ſowie der einzelnen Beduinen befprochen, geordnet u. ſ. w. ‘Der fonjt im ftrengften Sinne des Wortes vollfommen unabhängige Beduine tft während der drei Zage, welche die Verſammlung tagt, dem Schaych und dem Rathe der Aelteſten unterworfen, deren Urtheile unwiderruflich find und ge- wiffenhaft vollzogen werden. Gin jeder Fremder fogar kann in diefen drei Tagen jeine Klagen gegen einen Angehörigen des Stammes vor- bringen und erhält, wenn fic gegründet find, vollftändige Gemug- thuung. Jedoch nicht Alles, was bei uns Verbrechen ift, wird dort als ein folches erfannt. So würde 3.3. die Klage eines Menfchen, der von einen Beduinen auf der Yanditraße gemighandelt oder beraubt worden ijt, oder deifen Bruder von demſelben gemordet wurde, für den Fall zurücgewiefen werden, went er oder fein Bruder nicht zu der Zeit unter dem Schuße des Stammes geitanden haben. Da- hingegen wird Verrat am Stamme mit den Zode bejtraft und Diebftahl von Gegenftänden, welde einem „Stammesgenoffen“ oder einem „Schüßling des Stammes’ gehören, Ermordung eines „Schützlings“ und VBeruntreuung zum Transport anvertrauter Gegenstände mit „Ausſtoßen aus dem Stamme‘ geahndet.

Das „Ausſtoßen aus dem Stamme’ ift eine jehr harte Strafe und gleicht dem „Bann“ und der Acht‘ des Mittelalters. Denn nicht nur, daß der Ausgeftopene von Feinem andern Stamme aufgenommen wird und er aller jeiner Rechte verluftig ift, werden ihm auch feine Weiber, Kinder, Heerden, Waffen u f. w. genommen.

Während der „drei Tage‘, welche der BVollftredung des Ur— theils folgen, ift der Verurtheilte unantaſtbar und Niemand darf ihm nachgehen, um die Zufluchtsftätte zu erfahren, welche er erwählt hat. Iſt aber diefe Frift verfloffen, fo hat jeder Stammesgenoffe das Recht, ihn. wie ein wildes Thier zu verfolgen und zu tödten. Solchen

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52 Wädiy Fuwa (Dirbe).

Unglüdlichen bleibt dann nichts anderes übrig, als die unwirthbarften Gebirge aufzufuchen, wo fie gewöhnlid) andere „Baumägq‘ ?°) d. i. „Treuloſe“ (denn fo nennt man diefe Verbannten oder Ge— ächteten) antreffen und dort ordentlihe „Räuberbanden‘ bilden, die um fo gefährlicher find, als fie aller herkömmlichen Geſetze der Ehre entbunden, ihre angejtammte Raubgier und Mordluft rücfichts- (08 befriedigen Fönnen.

Tas Dorf Fuwa liegt am linken Ufer des Wädiy Fuwa, in deſſen jehr breitem Bett der fruchtbare Humus mit vielem Fleiß cul- tivirt ift. Dattelpalmen jah id) dagegen nur wenige. Wie man mir berichtete, war der Wädiy früher mit einem dichten Dattelpalmen- walde bededt, welcher aber vor etwa 10 Jahren, während eines Krieges mit benachbarten Stämmen, namentlid) dem Stamme der Chaͤmiye, von demfelben umgehauen wurde. ‘Dem Dorfe gegenüber auf der rechten Seite des Waͤdiy ftehen einige verfallene Wacht: thürme, welche im cebenerwähnten Kriege zeritört wurden.

Oberhalb des Gebirges führt der Wädiy Fuwa den Namen Dirbe 2”), in welchem mir folgende Ortſchaften genannt wurden: „Dobba 23), Cl Irme, Baydhä, Dirbet-Dahwe, Biyr Räpe, Adyd, Kelbub, EI Modayne und El Dära’. ine Stunde oberhalb Fuwa liegt das Dorf Kulang, und eine Stunde nördlich von Fuwa, der Ort Ayn-el Ghaſſaͤny 29), wo ein Baffin exiftirt, zu weldem das Waffer mehrerer Quellen durd) Wafferleitungen geführt wird.

Das Gebirge von Borum bis zur Tihäma befteht aus einem Conglommerat von Geſchieben eines jehr kryſtalliniſchen Kalkſandſteins und Iaspis mit quarzigem Bindemittel; unmittelbar am Deere ſteht Granit zu Tage. Die Temperatur war am Morgen 20°, um Mittag 30° R. bei Nordweftwind auf freier Ebene ohne Bäume und Gefträuche.

Um Y.2 Uhr fette ich meine Reife fort. Die Hitze, weldje ſchon ohnedies bedeutend war, wurde noch durch das Keflectiren ber Sonnenftrahlen von den blendend weißen Sandhügeln, durd welche der Weg führte, bedeutend gefteigert. Die Gegend war faft ohne

Wadiy Omm Bahya. Makalla. 53

alle Vegetation, denn nur hier und da ragten einige „Tamarisken“ (Tamarix orientalis, bei den Arabern Athl genannt), und „Dom— palmen“ (Hyphaene crinita) aus dem Flugſande hervor. Die „Dompalme“ hat fächerartige Blätter und zeichnet ſich vor den übrigen Palmenarten dadurch aus, daß ſich ihr Stamm in mehrere Aeſte theilt. Die braunen Früchte ſitzen traubenförmig zuſammen und ſind von der Größe und Geſtalt einer großen Kartoffel. Das Fleiſch dieſer Frucht iſt faſerig und widerlich ſüß und der Kern von außerordentlicher Härte, weshalb man allerlei Sächelchen aus ihm verfertigt, Perlen zu Roſenkränzen, Knöpfe u. dergl. m.

Eine Stunde nach unſerm Aufbruche betraten wir das Bett des Wädiy Omm Bäyha ®%), welches wir bis ans Meer verfolgten, in deffen unmittelbarer Nähe wir bis Makalla blieben. Ein und eine halbe Stunde Wegs brachte uns an den Waͤdiy Wo’ayfa 24), welcher als klarer, rveißender Bad) ins Meer ftrömte. Jedoch hält diefer Wädiy nicht immer Waffer, fondern nur nad einem im Gebirge fur; vorher gefallenen Regen.

Gleich Hinter dieſem Waͤdiy tritt ein Ausläufer des Dichebel Agay- bere bis auf 300 Schritt vom Meere vor; längs welchem wir nad 1/, Stunde an die Mündung des Wädiy ba Darrayn gelangten, welcher fich zwifchen dieſem Vorgebirge und Dſchebel el Dära nord- westlich zieht. Dichebel el Dära überragt die Stadt Mafalla, melde ih, vom Wädiy aus gefchen, jehr hübſch ausnimmt und an die venetianischen Städte des Orients erinnert.

Um 6 Uhr langte ih in Makalla an, wo ih in Folge des Empfehlungsfchreibens des Schaych Mohanımed el Harr von dem Kaufmann "Abd Allah Ahıned ibn ba Wähil gaftfrei aufgenommen wurde. Die Schilderung, weldhe er mir von den Bebuinen machte, war freilich nicht geeignet zur Reife ins Innere aufzumuntern. Mein Entſchluß aber war gefaßt und ich bat ihn daher, mir für den .fol- genden Tag einen Dachayl 2?) (Geleitsmann, Beſchützer), nebft Ra- meel zur Reife nad) dem Wädiy „Doän” zu verſchaffen. Da ich befürchtete, vielleicht in der Stadt als Europäer erfannt zu werben,

54 Makalla.

ſo unterdrückte ich den Wunſch, dieſelbe zu beſehen und blieb den ganzen folgenden Tag „zu Hauſe“.

Die Temperatur ſtand bei Sonnenuntergang 25°. Am 25. mit Sonnenaufgang 20°, um Mittag auf der Terraife des Haufe 30 , bei Sonnenuntergang 25° R. *) bei woltenlofem Himmel und Süd— weftiwinde.

*) Hier und für die Folge allemal im freien Schatten nad) Reaumur.

Zweites Gapitel.

Bon Malalla nad) dem Dſchebel Tſahura.

Abreife von Makalla. Bi Darrayı. Wädiy Omm Dfcirdfhe. Das Dorf Harr Schiwäts. Hafiye. Falh eff Sfifle. Waͤdiy Mahniye. Fedſch min Allah. Die Area. Dſchebel Bi Bihae. Der Engpaß Lay: lebät. "Agaba el Mahniye. Dſchebel Harf el Hacyg. Dſchebel el Some. Schura. Miffne Ei Dada. Gily. Dſchebel Gidära. Waͤdiy Moutiſch. Dſchebel Rode. Dichebel Mobarek. Dſchebel Tſahura.

25. Juni. Am 25. Juni brachte mir mein Wirth einen Be⸗ duinen des Stammes Agapbere und fchloß mit demjelben einen Con- tract, zufolge deffen er fich verpflichtete, mid) gegen Empfang einer mäßigen Summe nad) Choraybe im Wädiy ‚„Do’än‘ zu bringen und mid) während diefer Reife gegen Jedermann zu beſchützen. Die Uebergabe eines Fremden in den Schuß eines Beduinen ift hier mit einem eigenthümlichen Ceremoniel verbunden, welches in Yemen und dem nördlichen Arabien nicht beobachtet wird. Nach Abſchluß des Contracts nämlich legte mein Wirth die Hand des Beduinen in die meinige und frug ihn, „ob er mid und meine Habe während der Reife beſchützen wolle?‘ Auf fein gegebenes „Ja“ benekte der Raufmann feinen Zeigefinger mit dem Speichel und fchrieb meinen Namen auf die Stirn des Beduinen, indem er fprad: „Der Name diejes Fremden jteht auf deiner Stirn gejchrieben, Aqay— bere, daß fie fih nie mehr vor deinem Stamm erhebe, wenn ihm etwas zu Leide geſchieht!“ Der Bebuine erwiderte

56 Der Dachahl.

mit großer Lebhaftigkeit: „Sie erhebe fi nie michr, weder in den Städten, noch in den Gebirgen! Mein Tod ift fein Tod! Und fein Tod der meinige! Es ift nur ein GOtt und Mo- hammed ift fein Geſandter. Alles kommt von ihm!

Hiermit endigte die Keremonie, und mein Wirth verficherte mir fpäter, daß id) nun dem Beduinen volles Zutrauen ſchenken könne.

Die Vorbereitungen zur Reife waren bald, und dem Willen meines Beduinen gemäß, gemadt. Nach Wunfcd) wurden ihm einige Dirbe (Kleine lederne Schläuche) gefauft, um Mehl, Datteln, Butter, Ingwer und einige Stüde getrodneter Haififchfinnen hinein zu paden. Nach⸗ dem alles Nöthige angeſchafft war, padte ich meine Cffecten zu— fanmen und übergab fie meinem Führer, der fie nad) feinem Lager— plate außerhalb der Stadt brachte. j

Nad) dem Nachmittagsgebete kamen mehrere Freunde des Wirths, um mic zu fehen. Die Unterhaltung bewegte ſich um meine Reife in das Innere des Landes, und Alle bemühten fi), mich zu über- zeugen, daß diefe Reife für einen Fremden lebensgefährlich fei. Dies zu beweifen, erzählten fie mir eine Menge Räuber: und Mord: geſchichten. Sie fchilderten mir überdies die Beduinen als Menfchen ohne alle Religion, ftetS nah Mord und Raub lüftern, und die über- haupt Alles genöffen, was der Dorän verbiete. Auf diejen letzten Umftand Iegten fie ein befonderes Gewicht. Dadurch ließ ih mid nun natürlich von meinem Plane nicht abbringen, ſondern entgegnete ihnen, daß ich unter dem Schute Gottes ftehe, ohne deffen Willen mir Niemand etwas anhaben könne und daß ic) übrigens wegen einer wahrfcheinlichen Gefahr nicht unterlaffen könne, ein Gelübde zu er- füllen. Als fie fih im Fluſſe der Rede und einer Fluth von Schmä- hungen eben noch ergaffen, trat plößlich die dunfele, halbnackte, nervige Gejtalt meines „Dachayl“ (Geleitsmann) herein und Allee ward mänschenftill. Statt der Schmähungen wurden ihm Schmei- cheleien gejagt. Im feiner Gegenwart lobte man mir laut feine TZapfer- feit, Rechtlichkeit, Religiofität u. |. w. Bon alfen diefen Süßig- feiten aber nahın mein Beduine wenig oder gar Feine Notiz, und ohne

Das Lager der Agaybere. 57

“jenen Herren in Etwas zu begegnen, forderte er mic auf, ihm ins Lager zu folgen, da die Thore während der Nacht gefchlojfen und wir nod) vor Zagesanbruch aufbrechen würden.

Bei meiner Ankunft im Bivouaf fand ich nod) 15 Stammtes- genofjen meines ‚„‚ Dachayl“ um ein Feier gelagert, um welches die Waarenballen und 20 Kameele einen Kreis bildeten. Die Beduinen ftanden auf und fetten fich nicht eher wieder, Ale bis ih im reife herumgegangen, Jedem die Hand gegeben und mid, nach feinem Be— finden erkundigt hatte. Nachdem auch mich ein Jeder nach meinem Befinden gefragt, festen wir uns nieder. Giner der Geſellſchaft be— reitete den Kaffee und reichte das für die Pfeife nöthige Teuer, welche von Zeit zu Zeit die Runde machte.

Die Beduinen, wie alle Araber, Halten viel auf Begrüßungen, find unerfchöpffich in ihnen und laffen nicht leicht ſich in diefer Be— ziehung eine Nachläfjigfeit zu Schulden kommen. Auch ift es für einen Reiſenden fehr wichtig ob er begrüßt wird oder nicht, denn er kann gewiß fein, daß der Beduine, welcher ihn nicht grüßt, etwas Teindfeliges gegen ihn im Schilde führt.

Der Abend verging unter Gefpräcen aller Art. Ich mußte ihnen von Mohammed 'Alyy, dem Sultan der Beny Ottoman, vom Zwed meiner Reife u. j. w. erzählen, fie dagegen waren fo erpicht auf alle diefe Nenigfeiten, daß ich auch nicht eine einzige Trage anbringen Eonnte. Wenn man diefe Menfchen zum erften Male ficht, flößen fie freilich) wenig Zutrauen ein. Man denke fich dunfelbraune, nervige Kerle, deren ganze Kleidung aus einem Schurz um die Hüften befteht, der kaum bis zu den Knien herabreicht, und deren langes, ſchwarzes, etwas gefräufeltes Haupthaar zu einem Büſchel am Hinterfopfe zu- fammengebumden tft. Ein fpärliher Bart befchattet das Kinn, wäh- vend der Schnurrbart forgfältig gefhoren ift denn in Hadhra- mant wird ein Menjch, der einen Schnurrbart trägt, „Makruh“, d. 1. „als ein unanftändiger Menſch“, vermieden. Unter ihren bufchigen Brauen bligt ein feuriges Augenpaar, deffen nächſte Um— gebung durch den Gebrauch des Kohls (äuferliches Augenmittel, Col-

58 Kechtsanfchauungen der Beduinen.

(yrium von gepulvertem Antimonium) eine dunkle, jtahlblaue Farbe erlangt hat. Endlich fpielt um-den feinen, mit perlenweißen Zähnen befegten Mund ein Zug, welder die Verachtung ausfpriht, mit welcher diefe wilden Söhne der Wüſte auf Alle herabbliden, die nicht wie fie, frei wie das Raubthier ihrer Gebirge umherfchweifen. In ihrem Gürtel blitt die Dichembiye (Dolch) in der Nachbarfchaft eines großen blanfen Pulverhornes cin Tleineres, worin feingeriebenes Pulver für die Pfanne enthalten ift, hängt an einen mit Mietalt- fnöpfen befegten Riemen über die linfe Sculter auf der rechten Bruft, fortwährend liegt die unzertrennliche Begleiterin, die Yunten: flinte, in Bereitfchaft, um entweder einem Angriff zu begegnen oder bei günftiger Selegenheit felbit einen jolchen auszuführen. Je länger man mit ihnen umgeht, um jo williger fühnt man fi mit ihrem wilden Aeußern aus. Sitten und Gebräuche, durch die Yänge des Beftehens geheiligt, bannen ihre Raub- und Mordluft in engere Schranken, und geben ihrer Handlungsweife einen ritterlichen Anftrich, der ſeltſam mit ihrem fonftigen Thum und Laſſen contraftirt. So ijt 3. B. dem Beduinen fein gegebenes Wort Heilig, nicht etwa aus religiös - moralifchen Gründen, o nein! fondern weil ihm fein Vater diefen Grundſatz eingeprägt hat; weil der Wortbrüdige von ganzen Stamme veradhtet wird, und ihm die fchredlide Strafe der Aus: ftoßung droht. Alle Kaufleute vertrauen daher aud ihre Waaren, wären fie noch fo foftbar, einzelnen Beduinen zum Transport ins Innere des Yandes an; und mit der größten Gewiffenhaftigfeit, aber auch mit bintendem Herzen liefert er fie ab; denn er kann fi) des Gedankens nicht erwehren, wie jchön es geweſen wäre, wenn ihm dieſe Gegenſtände ohne Schutz begegnet, wo er ſie dann, unbeſchadet ſeiner Ehre, hätte rauben können. Daſſelbe gilt von den Reiſenden. Der Beduine vertheidigt den Fremden, welcher ſich ſeinem Schutze anvertraut hat, bis zum letzten Athemzuge. Denſelben Fremden aber wird er ohne Weiteres ermorden und berauben, wenn er ihn „unbeſchützt“ auf der Straße trifft. Ob nun gleich der Beduine mit ſeinem ganzen Thun und Treiben nicht als ein Muſter der Moralität

Gebrauch des Kohl. 59

aufgeftellt werden kann, jo iſt er mir, bei aller feiner anerkannten Raub- und Mordluſt, dennod) lieber, als der ränfevolle, fanatifche und allen Yaftern ergebene Städtebewohner. |

Noch ift die Art und Weife, es fi) bein Sigen bequen zu machen, zu erwähnen. Die jeift eben jo zweckmäßig, ale originell und meines Wiſſens in feinen andern Lande gebräudhlid. In feinem Haufe befinden jich nämlich Stiffen, an die man fich lehnen könnte, und die Beduinen fennen ſolche Yurusartitel um jo weniger. Da nun das Sigen mit freuzweis unterfchlagenen Beinen bald ermüdet, To ſchlingen jie das zweite lange Tuch, welches jeder Beduine bei’ fich führt oder aud) das Gehänge des Fleinen Bulverhorns dergeftalt un die Meitte des Körpers und um die Kniee, daR es gleichfam einen Keif bildet, in welchem ſich Rüden und Kniee gegenfeitig unterftüten.

Der Sebraud) des Kohle oder Antimonpulvers, als ein Mittel die Ränder der Augenlider zu färben und fie dadurd) größer er- Icheinen zu laffen, ift in Aegypten, Syrien und ganz Arabien all- gemein und ſtammt aus dem Altertfum. ALS die erfte Perfon, welde diefes Collyrium gebrauchte, nennen die arabifchen Gefchichtsfchreiber ein Weib aus dem Stamme Dfidicäl, Namens: „Sora ??) el Demäma‘ und behaupten von ihr: „ſie habe in Folge der Anwendung diejes Kohle ein jo ſcharfes Geſicht erlangt, daß fie die Armee des himya— riſchen Königs Haſſan et Tobba‘, welder gegen ihren Stamm zu Felde 309, in einer Entfernung von drei Tagereiſen entdedt habe. Sie wurde jedod) vom Feinde gefangen, und nachdem König Haſſan ihr die Augen habe ausreigen lajfen, habe man alle innern Fibern der Augen ſchwarz gefärbt gefunden.” Wahrſcheinlich hat dieje Fabel zur Verbreitung diejes Gebrauchs beigetragen. Genug, daß alle Ein- geborenen, ohne Ausnahme des Alters, Geſchlechts oder Standes den Kohl anwenden, um die Augen zu ſtärken und fie größer erfcheinen zu laſſen.

Anm 26. Juni, 22 Uhr Morgens in der Frühe bradyen wir auf und zogen nordwärts den Wädiy ba Darrayı ®*) hinauf. Es hat diefer Wädiy feinen Namen von einem Dorfe bekommen, das

60 Dorf Harr Schimäts.

wir, nachdem wir eine Stunde Wegs zurückgelegt, in einer mit Dattel⸗ und Cocospalmen bededten Schlucht, links Tiegen Tiefen. Es gehört dem Sultan von Mafalla und mag ungefähr 400 Einwohner zählen. Bon diefem Orte an wird die Richtung des Weges Nordoft, 15° Oft und führt durch einen Engpaß, welcher ſich 1%, Stunden lang bie zum Wädiy Omm Dichirdfche 3%) Hinzieht und an deffen Ausgang ein Dattelgebüfh, Eſſ Sfitt genannt, am Fuße des Dichebel Fath edh Dhayq ?°) Liegt.

Um %s5 Uhr lagerten wir uns in einem fchönen Palmenwalde, am Fuße eines niedern Ausläufer des Gebirges, auf welchem das Dorf Harr-Schimäts 7) Tiegt. Auf der andern Seite des Ge: hölzes befanden fich auf einem Hügel einige verfallene Wohnungen und Wachtthürme. Das Dorf befteht aus gut gebauten, zweiſtöckigen Häufern und zählt ungefähr 400 Einwohner, weldhe dem Stamme Agaybere angehören. Unter den Cocos- und Dattelpalmen befanden fi gut angebaute Getreide- und Tabaksfelder, weldje durch eine warme Quelle bemwäfjert wurden, die am füdöftlihen Abhange des Dſchebel Fath edh Dhayq entipringt. Die Bemäfjerungsfanäfe, welche zu den verfchiedenen Abtheilimgen der Felder führen, find mit großer Umficht angelegt.

Nach der Ankunft auf einem Ruheplage find alle Beduinen befchäftigt, die Bedürfniffe des Augenblids herbeizufchaffen. Cinige fuhen Brennholz, Andere holen Waffer, die Uebrigen füttern die Kameele. Nachdem das Feuer angezündet ift, ſchickt fich die Geſell⸗ Tchaft an, den Kaffee zuzubreiten, und ein Paar Andere übernehmen das Brodbaden. Zum Kaffee fteuert ein Jeder gewöhnlih nur 5 oder 6 Bohnen, nebft einem Kleinen Stüdchen Ingwer. Die Bohnen werden nun gebrannt, mit dem Ingwer in einem Mörſer geftoßen und in einem großen kupfernen Gefäße. gefoht. Da von etwa 60 Bohnen 20 ziemlich große Taſſen bereitet werden, fo Tann man fi denfen, daß der Kaffee nicht zu ftarf ausfällt und der Ingwer ift auch nicht geeignet, ihm einen angenehmen Gefchmad zu verleihen. Zum Brode giebt Jeder, nah) Maßgabe feines Appetits, mehr

Togerfitten. Feldbau. 61

oder weniger Mehl, indem er zwei Hände voll für ein Brod rechnet. Das Mehl wird in einem hölzernen Napf mit Waffer zu einem Teig gemengt, dann zur zwei Finger diden, 6 Zoll im Durchmeſſer haltenden Kuchen gefnetet und auf den ausgebreiteten Holztohlen gebaden. Ge— wöhnlich find diefe Brode an ihrer Außenfeite verbrannt, während fie in ihrem Innern nod nicht gar find. Einige getrodnete Datteln, ein wenig Butter oder Seſamöl und dann und wann ein Stüd auf dem Teuer geröftete Tederzähe Haifitchfinnen find die Zuthaten; Waſſer das einzige Getränf.

Anfänglih wurde es mir freilich etwas fchwer, mic) in diefe Lebensweife zu finden, und oft genug fehnte ich mic) nad) den Fleifch- töpfen Aegyptens zurück. Jedoch woran kann man fich nicht Alles gewöhnen! Nach wenigen Tagen fchmecdten und befamen mir alle diefe Sachen vortrefflih; wozu denn die gefunde Gebirgsluft, das vorzüg- liche Waffer und die fortwährende Bewegung beigetragen haben mögen.

Nördliih von Harr Schiwäts fteigt der Aqaybere auf, von welchem in Nordiweften zwei Zweige, die Dfchebel Lahab 3°) und Fath edh Dhayq ausgehen, niedrige Hügel tertiären Kalfs nehmen die Strede bis zum Meere ein, deifen Brandung deutlich zu hören war. Die Felder waren in Vierecke von etwa 50 Fuß Länge und 20 Fuß Breite getheilt, welde mit 2 Fuß breiten und 1 Fuß hohen Erdaufwürfen umgeben waren, in denen Rinnen zur Leitung des Waffers eingegraben find. Diefe Weife, die Felder einzutheilen und zu bewäſſern, ift aud in Aeghpten gäng und gäbe. Das Land war mit Durra (Holcus sorghum), Dochn (Holcus Dochna; Forskäl),- Sejam (Sesamum orientale) und Tabaf bebaut. Längs der Abtheilungen wuchſen Ricinusſträuche. Yängs der Quelle und am Rande des bebauten Feldes jah ich Tamarinden, Amba (Mango) und Arakbäume ſtehen. Der Aräkbaum, welcher hier wächſt, iſt wahrſcheinlich von der Art, welche Wellſted „Avi- cennia nitida“ nennt. Er gewährt einen freundlichen Anblick und ſein Laub hat ein lebhaftes Grün. Beim Zerreiben verbreiten feine Blätter einen aromatifchen ‘Duft.

62 Vegetation.

Der Tamarindenbauım oder richtiger TZamarhind, der in- diiche Dattelbaum, von Zamar, „Dattel” und Hind, „Indien“, ift einer der prächtigſten Bäume, die ich je gejehen habe, fowie feine Frucht eine der gefundeiten und erfriichendften, welche die tropiiche Zone aufzuweiſen hat. Unter dem dichten Yaubdade eines diefer Bäume hatten wir uns gelagert, jedoch waren leider die trauben- artigen Früchte nod) nicht veif.

Im fandigen Bette des MWadiy wuchſen auch zwei Arten von Tamarisfen, nänlid) dic Tarfä (Tamarix gallica) und Athl (Ta- ınarıx orientalis); zwei Arten von Afazien, nämlich Seyal (Mimosa Sejal, Forsk. Flor. pag. 177) und El Goff (Acacia arabica); beide geben Gummi, die leßtere jedoch das befte.

Ferner fah ich den „Nebefbaum‘ (Lotus nebeca oder nach Forskäl Flor. pag. 63 Rhamnus nebeeae), die Dompalme (Hy- phaene crinita); eine Fächerpalme, mit deren „Fächern“ („Tafi“) man die Hütten dect, und eine Siftpflanze Namens „EL Oſchr“ (Asclepias procera), welche hier eine Höhe von 10 Fuß erreicht. Den Stamm diefer Pflanze jah ich hier von der Dide eines Mannes und etwa 3 Fuß hoch, und es find nur die Zweige, welche 10 Fuß Höhe erreihen. Das Holz iſt fehr weiß, weich und leiht, weshalb es die Beduinen für ihr Pulver zu Kohlen benugen. Bei wolfen: lofem Himmel und ſchwachem Nordweitwind jtand der Thermometer bei Sonnenaufgang 20°, um Mittag 30°.

Etwas nad 9 Uhr brachen wir wieder auf und zogen in der Richtung Nordoften 15° Dit durch den „Balmenmwald‘, den Hügel hinan, Hinter den Dorfe vorbei, von wo aus fid) der Weg nad) Norden wandte. Um 2 Uhr ftiegen wir bei einem Gehöfte, Namens Hawä, mieder in den Wädiy Omm Dicirdiche hinab, welcher hier ebenfalls mit einem dichten Palmenhaine bededt ift. Die in ihm liegenden Felder werden von einer heißen Quelle bewälfert, welche oberhalb des Dorfes Hafiye entipringt. Diefes Dorf liegt in einiger Gntfernung lints vom Wege, etwa 200 Fuß über dem Thale, in einer Schlucht, von Gärten umgeben, welde fih in Ter—

Wädiy Hotſiye. Falh eſſ Sfifle. 63

raſſen längs der. Schlucht und mehrere 100 Fuß hoch oberhalb des Dorfes erheben; diefe geben der Lage diefes Ortes etwas Malerifches, welches mit den nadten Felſen des Gebirges wohlthuend contraftirt.

Um 3 Uhr ſah ich rechts vom Wege in der Entfernung von Y/, Stunde das Dorf Dhyg edh Dhyäg ?) unter Palmen Liegen, welche durd) den Wädiy „Räye“ bewälfert werden. ", Stunde fpäter überjtiegen wir in der Richtung Süd 34° Weit einen niedern Felſenkamm, welcher jih nad) Meften nod) in weiter Entfernung be— merkbar macht und von welchen id eine fchöne Ausficht in den ſich zu unferer Rechten hinziehenden Wädiy Hotfine*") genoß. Bon grünen Saatfeldern umgeben, vagten dort aus einer Gruppe hoher Palmen die Minarets der Stadt „Falh eſſ Sfifle‘*') hervor, deren Ein- wohner, etwa 1000 an der Zahl, fih mit Aderbau umd der Be- reitung des Indigo befchäftigen. Der Weg über diefe Hügel war,

der ſcharfen Beljenzaden halber, mit denen er gleichſam beſäet ift,

ſehr fchwierig, befonders, da das dunkle Geftein der Grauwade, aus der fie beftehen, einen ſolchen Grad der Hite erlangt hatte, daß id) meine Hand nicht darauf halten konnte. Um jo mehr wunderte ich mic über die Sußfohlen der Beduinen, welche barfup mit der Be— hendigfeit einer Gazelle über diefe Felſenzacken hinwegliefen. Obgleich fie Alle mit Sandalen verfchen jind, fo bedienen fie ſich derjelben nicht einmal gegen die Hite des Sandes oder Bodens, fondern man ficht jie nur an ihren Gewehren hängen, und nur, wenn fie im Didicht: Brennholz oder Futter für ihre Kameele holen, bedienen fie fich der- felben.

Zu meiner großen Zufriedenheit ftiegen wir fchon nad) 20 Mi— nuten zum Wädiy ,, Mahniye“ 22) nieder, welcher ſich bei der Stadt Falh eſſ Sfifle mit dem Wädiy „Hotſiye“ vereinigt. Che wir das eigentliche Bett des Waͤdiy betraten, famen wir an zwei Heinen Feldern vorüber, auf welchen Tabak angepflanzt war, welcher von Platanen überfchattet wurde. Bei jedem diefer Felder befindet ſich ein vier- eckiges gemanertes Wajferbeden, in welches ji) eine warme Quelle ergießt, welche beide etwa 100 Fuß oberhalb derjelben vom Abhange

64 Waͤdiy Mahniye.

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des hier fteil abfallenden Gebirges der Graumade entipringen. Das Waſſer diefer Quellen hatte einen Wärmegrad von SO" R. und war, wenn abgekühlt, von fehr angenehmem Geſchmack.

Im Wädiy Mahniye angelangt, verfolgten wir denjelben auf- wärts, in der Richtung Nord, 40° Welt, weldje wir, einige wenige Wendungen abgerechnet, bis zum Abend beibehielten. Kurz vor 6 Uhr lagerten wir in einer Stelle des Wädiy, melde Fedſch-min-Allah **) genannt wird und wo nad) der Menge der Yagerpläße zu urtheilen, welche ſich dafelbft befinden, die Däfila (Karawanen) gewöhnlich ihr Nachtlager aufzufchlagen pflegen.

Von Harr Schiwäts bis zum vorerwähnten Felſenkamm führt der Weg über tertiären Kalk, welcher eine ſchwach ondulirende Ebene bildet, die fih nad Südoften allmählich abdacht. Wädiy Mahniye ſelbſt ift mit Sand und Kiefeln bedeckt und mit verſchiedenen ftachligen Sträuchen und Bäumen befeßt, mit den Mimojengefchledtern: El Goff, Seyal, Semur (Acacıa vera, nad) Forsk. Flor. CXXIII, pag. 176 Mimosa unguis cati) und mit einer reichlihen Anzahl Nebefbäumen. Eine Menge Schlingpflanzen durchziehen diefe Ge— büfche oft fo, daß fie ein undurchdringliches Didicht bilden.

Hier und da fah ich ganze Streden des Bodens mit Coloquinten (Cucumus colocynthus) bededt. Wie in allen fandigen Thälern diefes Landes fehlte e8 aud) hier an der Giftpflanze EI Oſchr nicht, zu welcher fich übrigens noch Hyoscyamus in ziemlicher Anzahl gejellte.

Der Wäaͤdiy Mahniye ift im Nordoften von einem Gebirge be: grenzt, weldes unter dem allgemeinen Namen „Harf el Hachg“*) befannt ijt, und in welchem ich die bis zu unferm Ruheplatze ſich herüberziehende Koppe Dfchebel Harmal *5) bemerkte, welche ſich gegen 2000 Fuß über den Zhalboden erhebt. Im Südweiten trennt der Dſchebel Agaybere den Wädiy Mahnige von dem Wädiy „Dirbe‘. Die Höchiten Gipfel dejjelben, welche id) während diefer Tagereiſe er- fhaute, waren die Dichebel Yahäb und Rughyſſ *%), welcher letztere fi) an die 2000 Fuß erhebt. Unzählige Heine, mit dichten Geftrüppe bewachjene Nebenthäler münden in den Wädiy Mahniye und verzweigen

Neugierde und Gefchwägigfeit der Beduinen. 65

| fich zwifchen Heinen Gebirgsfegeln, die in fchroffen Wänden abfallen.

Diefe dem Hauptgebirgeftode vorliegenden Höhen beftehen aus Grau⸗ wade, welche auf ihrer Oberfläche röthlihbraun gefärbt, wie polirt glänzend und beinahe Schwarz ericheint. Adern eines fehr feinförnigen Granits durchſchwärmen fie nad allen Richtungen. Diefer Granit geht da, wo er mit dem Hauptgeſtein in- Berührung fommt, in porphyrartigen Syenit über. Die Graumade zeigt ſich fehr deutlich geihichtet und ihre Schichten fallen unter einem Winfel von 47° ab.

Gleich nad) der Ankunft in der Däfila (Karawane) auf irgend cinem Ruhepla werden die Kameele abgeladen, ihre Vorderfüße gefejfelt und ihnen die Freiheit gelaffen, ihr Kutter zu juchen. Bei Anbruch der Nacht werden die Waarenballen un den Yagerplag herum: gelagert, desgleichen die Kameele, doc) jo, daß ihre Köpfe nad) der Außenſeite gerichtet find. Denn da diefe Thiere im Dunkeln ziemlich) gut jehen und außerordentlich fchen find, fo verrathen fie durch ihre Unruhe die Annäherung eines fremden Menfchen oder wilden Thieres.

Der Abend wurde von den Bebuinen mit wenig intereffanten Geſprächen zugebracht, die ſich meift um ihre häuslichen Angelegen- heiten drehten. Unſtreitig find die Beduinen das neugierigfte und geſchwätzigſte Volk der Erde. Ueber alle meine Angelegenheiten wollten fic Auskunft haben. Hatte ich dem einen diefer unermiüd- fihen Frager fo viel beantwortet, als ich für gut fand, ihm miit- zutheilen, jo wiederholte ein Zweiter, obwohl er Alles mit angehört hatte, eben diefelben Tragen. War auch diefer befriedigt, fo wollte ein Dritter und Vierter Alles noch einmal und Alles von vorn wieder hören. Gab ich dann, der unaufhörlichen Fragen müde, Teine Ant- wort mehr, jo beruhigte fie mein Dadayl in der Regel mit den Worten: „Laßt ihn in Rube, fein Herz ift [hwarz, denu er ift müde!‘ Nach dieſem wagte dann Niemand eine Frage mehr an mich zu richten. Dahingegen find die Beduinen auch ebenfo ge- ihwäßig in ihren Meittheilungen, wenn man nämlich die Kragen dem augenblicflichen Geſpräche anpaßt. Sowie man aber ohne weitere Einleitung nach diefem oder jenem Stamme oder nad) der Stärfe

A. v. Wrede’s Reife in Habhramant. 5

66 Engpaß Laylebät. Die Areéabäume.

des ihrigen fragt, ftußen fie gleich, werfen einander fragende Blicke zu und geben entweder gar feine oder eine falfche Antwort.

Bevor fie ſich zur Ruhe begeben, machen einige derfelben eine Runde in der Umgebung des Lagers, um fich zu überzeugen, daß Tein Feind in der Nähe des Bivouaks fei. Einer oder zwei von ihnen halten fortwährend Wade und ımterhalten das Feuer.

Mit Sonnenuntergang ftand das Thermometer auf 30° R. bei ſchwachem Nordweitwinde.

27. Juni. Am 27. Juni früh Morgens 4 Uhr verließen wir unfer Nachtlager und zogen den Wädiy in der Richtung Nord, 40° Welt hinan. Kurz vor 5 Uhr lag zu unferer Linfen der hohe Bergfegel Dichebel Wäffib *7) und um 6 Uhr kamen wir an dem nicht minder hohen, ebenfalls zur Linken des Weges ſich erhebenden „Diche- » bel Hanbare‘‘**) vorüber. Bon hier an wird ber Weg immer fchwieriger, indem er ſich durch dichte, dornige Gebüfche wendet und mit großen Rollfteinen bededt if. Quellen fehlten ganz. Demun— geachtet Titten wir feinen Mangel an Waffer, da man nur ein zwei Fuß tiefes Loch in den Sand zu graben brauchte, um ſich das berr- (ichfte Waffer zu verfchaffen. Um 7 Uhr famen wir an eine Stelle, wo fich das bisher 300 Fuß breite Thal plöglich fo verengte, daR e8 kaum 40 Fuß Breite hielt. Außerdem war diefer Paß auf beiden Seiten dergeftalt mit dornigen Büſchen befegt, daß kaum ſoviel Plag blieb, ein beladenes Kameel durchzulaſſen. Hinter diefem Engpaß, von den Beduinen Kaylebät benannt und den zu durchſchreiten eine Minute genügt, öffnet ſich das Thal zu feiner frühern Breite.

Eine dichte Gruppe Ardabäume nahm uns in ihren Schatten auf, der zu einladend war, um ſich nicht in ihm zu lagern und zu erquiden; was zu meiner großen Zufriedenheit geſchah. Auch für unfere Rameele war diefes Ruheplätschen von befonderm Werthe, da die faftigen Blätter der Arda ihr größter Xederbiffen find. Hin- fichtfich feiner Form und Größe hat diefer Baum große Achnlichkeit mit unferer Pappel. Das weiße Holz deffelben ift mit einer feinen, röthlichen, ſehr faferigen Rinde bededt, aus welcher die Bebuinen

Beiſpielloſe Hitze. Aqaba el Mahniye. 67

Lunten verfertigen. Die Blätter haben die Form einer Lanzette, ſind gegen zwei Zoll lang, einen halben Zoll breit und von lebhaftem Grün. Wie es ſcheint, iſt die Arda auch in Abyſſinien zu Hauſe, denn Salt befehreibt in feiner zweiten Reife nah Abyffinien einen ähn⸗ lichen Baum und verſichert, daß die Einwohner aus der Rinde deſſelben die Lunten verfertigen. Er fand ihn auf ſeinem Wege von Schelikut nach dem Tacaſſe, bei dem Dorfe Schela, deſſen Be⸗ wohner ihn „Schekumt“ nennen. Nie habe ich mehr die Wohlthat eines dichten Schattens empfunden, als an dieſem Tage, an welchem eine Hitze herrſchte, die Alles überſtieg, was ich je in dieſer Be— ziehung erlebte. Kein Lüftchen regte ſich; keine Wolke milderte die Wirkung der ſenkrecht herabſchießenden Sonnenſtrahlen, welche vom dunklen glatten Geſtein abprallend die Temperatur der Atmoſphäre dermaßen ſteigerte, daß der Thermometer zu Mittag 46° Ne im Schatten zeigte. Am Morgen ftand er bei ſchwachem Südoftwinde und wolfenlofem Himmel 26° R.

Trotz diefer außerordentlicden Hige fingen die Beduinen an, gleich nach Mittag in der Gluth der heißen Nachmittagsitunden ihre Rameele zu beladen, und ohne auf meine Einwendungen zu hören, jeßten fie jih um Yy1 Uhr in Bewegung und verfolgten thalaufwärts die Richtung Weit, 30° Nord. Zwanzig Minuten nad) 1 Uhr be- fanden wir uns zwifchen den beiden Bergkuppen Harf el Haghe und Aqaba el Mahniye, von denen die eine rechts, die andere links vom Wege auffteigt. Der Waͤdiy ift auf diefen beiden Wegen mit enormen Felsblöcken angefüllt, zwifchen denen dorniges Gejtrüppe wächſt. Linke öffnet fich am Fuße der Agaba el Mahniye (d. i. Aufſtieg des Mah- niye) ein breites tief eingejchnittenes Thal, der Wädiy „El Idme“.

Der Weg findet ſich den teilen Aqaba cl Mahniye hinan, deffen Gipfel wir um 3 Uhr erreichten,

Die Graumwade ift hier von einem 50 Fuß mächtigen Kalfftein überlagert, welcher eine Ebene bildet, die unter einem Winfel von 10° nad) Weften einfällt. Die weiße Farbe diefes Gefteins, fein fürniges kryſtalliniſches Gefüge, fowie die darin enthaltenen, ſparſam

5*

68 Das Gebirge des Dichebel Agqaybere.

zerftreuten, höchſt undeutlichen organischen Reſte, laffen mich es ale Jura - Dolomit=Kalf bezeichnen. Spalten durchſchneiden es in rechten Winkeln und theilen diefen Kalf in große Platten, welche der Ebene das Anfehen geben, als fei fie mit Marmor gepflaftert.

Man jah es den Kameelen an dem ungleihen und ſchwankenden Gange an, daß das Befteigen diefes Berges fie fehr angegriffen hatte. Wir zogen daher noch eine halbe Stunde weitlid, wandten uns dann nad) Norden und fchlugen Y4 Uhr-unfer Nachtlager in dem Wädin el Ahliye auf, welcher 60 Fuß unter der Ebene liegt.

Südlich von unfern Lager lagen zwei Hauptkuppen des Dfchebel Agaybere, die Dichebel Byhae und cl Idme. Obwohl eine un- gefähre Schägung dem Irrthume unterworfen ift, fo meine ich doc) nicht bedeutend von der Wirklichkeit abzuweichen, wenn ich die Höhe diefee Gipfel zu „5000 Fuß über der Meeresflähe” ſchätze. Im Norden ragt der Dſchebel el Ahliye empor, der aber höchſtens cine abfolute Höhe von 4000 Fuß haben mag.

Bon Fedſch min Allah bis hieher jah ic) beftändig die geftern be- fchriebene Graumade. Der Dauptgebirgsftod des Dſchebel Aqaybere erhebt jich in mehrern durch Sattelvertiefungen getrennten Kuppen, welche jid) nad) Nordweiten mit fanfter Böſchung verflahen, in Süd— often aber in fteilen Wänden abfallen. Die obere Formation diefes Gebirges dürfte wohl aus oolitiſchem Geftein beftehen und ihre Yager- verhältniffe wohl diejelben fein, welche ic jpäter bei dem Dſchebel Choraybe, feiner nordweitlichiten Kuppe, erwähnen werde.

Der Wädiy Mahniye hat einen ſehr ftarken Fall, nämlich 100 Fuß auf eine Stunde Weges.

Am Abhange des Dichebel Aqaba el Mahniye wuchern viele aromatijche Kräuter und Stauden, als da find: Raute (Ruta gra- veolens), wilder Yavendel, Iasmin (Michaelia champaca), Ricinus (Ricinus communis), von den Arabern des Demen Dſcharr, im Hadhramaut aber Eich Scherroah genannt; ferner Kapern (caperis spinosa, Linn.), die oben erwähnten Afazienarten, die jchredliche Giftpflanze Adenia, und der „Balfamftrauh”, aus welchem

Wadiy Lachme. Waͤdiy Dhayſſ. 69

der berühmte „Mekkabalſam“ gewonnen wird, und der nach Roth „Balsamodendrum Opobalsamum“, nad) Forsfäl „Amyris“ und von den Arabern „Biſchäm“ genannt wird.

Diefem befchwerdevollen, mühſamen Tag folgte eine fühle, er- quidliche Nacht, die fehr von der Schwille der vorigen abſtach. Der Thermometer ftand am Abend 20° R. bei ſchwachem Nordwinde und wolkenloſem Himmel.

28. Juni. Am 28. früh um "6 Uhr verließen wir den Wädih und fchlugen auf der Ebene die Richtung nad) Weiten ein, in welcher wir nach einer halben Stunde den Fuß eines 100 Fuß hohen Felfen- kammes, Dichebel Fathe Walyma *) genannt, erreichten. Dieſer Felſengurt zieht fid) quer über die Ebene von Norden nah Süden und bildet, indem er die Dſchebel el Idme 50) und el Ahliye ver- bindet, die Wafjerjcheide zwifchen dem obern Theile des Waͤdin Mahniye und dem Wädih el Hotfiye. u

Nachdem wir diefen Felfenfamm überftiegen hatten, famen wir auf eine der vorigen ganz ähnliche Ebene, welche hier mit losgeriffenen Felsblöcken des füdlichen Gebirgszuges, dem wir uns jet genähert hatten, befäet war. Diefe Felsſtücke beftanden aus Jura -Dolomit- Kalf, lithographiſchem Schiefer und mergelig -fandigem Kaffftein.

Um 7 Uhr überfchritten wir den Heinen Wädiy Lachme 5%), der in den Wädin Hotſiye mündet und wie ein grünes Band durd) die weißen Rafffelfen zieht. An den Bereinigungspunfte des Wädiy Schura 2) ut der Wädiy Dhayff °?) Liegt, von Gärten und Palmengebüfchen umgeben, höchft maleriſch das Städtchen Riſche, von weldhem der Wädiy Dhayſſ den Namen EI Hotfige annimmt. Im Waädiy Ho— tſiye fiegen von Oben nad) Unten die Drtfchaften Pt Hotfiy, Me— haffa 5%), El Arafa, Foqayde, El Hatfa, EI Obayd, El "Agab und Falh eſſ Sfifle. Un 8 Uhr lagerten wir unter den Taubreichen

Bäumen des Waͤdiy Scura. . | Die Beduinen berichteten mir, das Dorf Schura, nach) welchem der Wädiy genannt ift, läge in geringer Entfernung in einer Schlucht, welche fie mir als ein Heines Paradies fchilderten. Ich ſchloß mid

74 Der Schaych der Agaybere.

einen Fuß hohen und ebenfo Ibreiten, gut behauenen Quadern eines feinförnigen, fehr harten Grünfandjteins, den ich ſpäter in bedeutender Entfernung. von Miffne auf der Hochebene von Hadhramaut fand. Warum man nicht die unmittelbar danebenliegende, ebenfo harte Grau⸗ wade zu diefem Zwede verwandte, ift mir unerflärlih. Der die Duadern verbindende und den innern Umwurf des Wafjerbedens bildende Mörtel hat beinahe die Härte des Gefteins erlangt.

Bon diefem Wafjerbeden aus führen Feine, gemauerte Kanäle das Waſſer nad) Heinen Behältern, von denen eines fid) auf dem hödhiten Punkt einer jeden Zerraffe befindet. Ich konnte der Ver— fuchung nicht widerftchen, in dem kryſtallklaren Waffer zu baden. Kaum war ich aber hineingeftiegen, fo mußte ich mich aud) wieder jo ſchnell als möglich zurüdziehen, da eine Mafje Hungriger Butigel einen Angriff auf meine nadten Glieder machte. Bor Sonmnenunter: gang langte ich wieder unter meinen Platanen an, wo id den Schayd der Aqaybere mit den angefeheniten Beduinen des Ortes bereits zugegen fand, welche in der Abficht gelommen waren, ſich mit mir zu unterhalten.

Auf des Schaychs Wink wurde eine Binſenmatte ausgebreitet, auf die einige Frauen ein halbgargebratenes Schaf nebſt Datteln und Brod ſetzten. Der Schaych hatte ſich neben mir niedergelaſſen und ſchnitt mir eine tüchtige Portion Fleiſch in Heine Stüde, wobei er mir von Zeit zu Zeit ein befonders delicates Stüd in den Mund ftedte. Nach beendigter Mahlzeit mußte ich eine Fluth von Fragen beantworten, bejonders aber über Mohammed "Alyy ausführlichen Bericht erftatten.

Auch der Komet wurde nicht vergeffen und ic wurde aufgefordert, meine Meinung über die Bedeutung feines Erfcheinens zu fagen. Da ich eg für überflüffig hielt, einen Vortrag über die Natur eines Ko- meten zu halten, jo hielt ich mich als guter Mufelmann an die unter den islamitifchen Gläubigen herrichende Meinung, daß nämlich „ein Komet ein Schwert Gottes fei, welches den züchtige, der nicht nad) jeinen Geboten handelt”. Der Engländer Beſitznahme von "Aden

Wunderliche Anfichten der Beduinen. 71

von mir bei Borum erinnerten Begriffe. Sie erzählen fogar in diefer Beziehung Gefchichten, welche ihrer Originaliät halber wohl einer Erwähnung verdienen; ich werde bier nur eine derjelben mit- teilen.

Einer meiner Zuhörer, welcher auf die Andern eine Art Auto- rität ausübte, erzählte mix nämlich, daß ber Sultan der Bent Otto- man (der Türken) die Königin von England bereits vor langer - Zeit nad) Konftantinopel beordert habe, wo fie zum Islaͤm über- getreten fei. Ihre Hinreißende Schönheit habe den Sultan vermodht, fie in feinem Harem aufzunehmen, wo fie ihm bereits fieben Söhne geboren habe.

Noch merkwürdiger find ihre Meinungen über fremde Völker. Nah ihnen ift der Kaifer von Rußland ein Herr, der feine gute fieben Ellen mißt und eine Leibwache von 7000 Antröpophagen bejigt, welche an Größe und Körperkraft ihren Herrn noch übertreffen und die (wie weiland die Cyklopen) nur ein Auge auf der Stirn tragen.

Wie man fieht, fpielt hier die mutifche Zahl „„ Sieben” ihre Rolle und der Reiſende wird erinnert, daß er im Baterlande der „Tauſend und Einer Nacht“ herummandelt; freilich muß er fich mit den Erzählungen begnügen, denn die Herrlichkeit, deren in dieſen Nächten erwähnt wird, fucht er hier vergeblich.

Der große Komet blieb auch nicht unberührt, und ic) wurde über die Bedeutung defjelben belehrt. Seine Erfcheinung galt näm⸗ lich bei den Arabern als ein ficheres Kennzeichen, daß die vereinigten Heere der Beny Ottoman und Mohammed "Alyy, des Sultans von Aegypten, wie fie ihn betitelten, Tommen würden, um die wider- ipenftigen Engländer aus Aden zu vertreiben, und daß, wenn dieſes geichehen fei, Mohammed Alyy den ganzen Hadhramant in Befik nehmen würde, wofelbjt dann die Thaler fo häufig werden würden, wie der Sand der Wüſte. Ich mußte nun fehon die guten Leute bei ihrer Meinung laffen; denn als orthodorer Moslim durfte ich weder an der Macht und Herrlichkeit des türkifchen Sultans, noch an diefer Bedeutung des großen Kometen zweifeln,

72 Eine ſeltene Euphorbienart.

Unter diefen intereffanten Gefprädhen war der Mittag herangefommen, weshalb wir den Rückweg zum Lager antraten. Unter⸗ wegs fiel mir eine Art Euphorbia auf, welde ich nie gejehen hatte. Der Stamm derjelben war 10—12 Fuß hoch, Terzengerade und von der Stärfe eines ftarfen Mannesarmes. Schnurgerade Acjte, welche im rechten Winfel vom Stammte abftehen und von denen wieder gerade - Zweige im rechten Winfel ausgehen, bilden den Gipfel und bis zur halben Höhe des Stammes cine Fegelförnige Krone. An den Enden der Zweige ftehen die Blätter gleichfalls im rechten Winkel ab nnd bilden einen Kranz, aus deffen Mitte 6—8 drei Zoll lange Sticle Hervor- ragen, von denen jeder eine Beere von der Größe einer Kirſche trug, weldje in der Zeit, wo ich fie jah, grün waren, der Ausſage der Beduinen nad) aber int reifen Zuftande roth find. Die Blätter diefer Euphorbia find fchwertförmig, von lebhaften Grün, glänzend, sechs Zoll lang und umten einen Zoll breit. Ihr Holz ift weiß, ſchwam— mig und im frifhen Zuftande ſchwer und weich, wird aber, wenn troden, leicht und fpröde. Beim Abbrechen cines Zweiges fprikt reichlich ein weißlicher Saft hervor, weldher, wenn er den Augapfel berührt, Blindheit verurfadt. Es wächſt diefe Pflanze, weldhe die Araber „Umär‘ nennen, in den höhern Gebirgsgegenden häufig und liebt hauptfächlid) den fandigen Boden des Wädiy. Oberhalb Schura erhebt fid) der Dſchebel Er Rayät °°), einer der Hauptgipfel des Dſchebel Agaybere wit einer abjoluten Höhe von ungefähr 5500 Fuß. Der Thermometerftand zu Mittag bei fcharfem Nordweitwinde und wolfenlofem Himmel betrug 35°. Am Morgen im Waͤdiy el Ahliye bei Südoſtwind und freien Himmel 20°.

Um 2 Uhr feßten wir die Neife fort und kamen um 3 Uhr an dem Grabmale des heiligen Schaychs Alyy ibn Hoffayn ibn Nedſchd ben Amudy 9%) vorüber, welchem die Beduinen noch im Tode die Kraft zuſchreiben, kranke Kameele heilen zu können. Ein Jeder von uns blieb ſtehen, betete die Fätiha und legte einen kleinen Stein auf das Grab.

Die Mohammedaner halten es für ein gutes Werk, wenn ſie

El Mi. Miſſne. 73

einen Stein, ſei er auch noch ſo klein, auf ein Grab legen, indem ſie glauben, dadurch zum Begräbniß des darin Ruhenden beigetragen zu haben. Gleich hinter dieſem Grabe ſtiegen wir in den Waͤdiy Dhayſſ hinab, wo wir längs eines langen Dattelpalmenwaldes, welcher den nördlichen Rand des Wäaͤdiy bededt, hinzogen. Diefe Strede führt den Namen „El Mä“ (das Waffer), weil hier auf eine Strede von ein Baar Hundert Schritten „fließendes Waffer” zum Borfchein fonmt. Um Ys4 Uhr langten wir in dem ziemlich) bedeutenden Orte Miſſne an, wo die meiſten Beduinen unferer Däftla zu Haufe waren. Obgleich man mich einlud, in dem Dorfe zu übernad)ten, jo 309 id) doc die frifche Yuft einem dummpfen Zimmer vor, und ſchlug mein Nachtquartier unter einer Platane im Waͤdiy auf.

Miſſne ift ein anfehnlicher Ort von ungefähr 1000 Einwohnern, welche dem Stamme Aqaybere angehören, deſſen Schaych "Abd el Aſys ibn Mohffin hier wöhnt. In der ziemlid) großen Moſchee, welche ſich aber durch keine architectoniſche Schönheit auszeichnet, ruhen die Gebeine eines hochverehrten Heiligen, des Schaych Nedſchd ibn Sſafyd ibn Yſſaͤ el Amud, des Großvaters des wunderthätigen Kameeldoctors. Jährlich findet eine Wallfahrt nach dieſem Grabe ſtatt, bei welcher Gelegenheit ein großer Markt abgehalten wird, welcher dem Orte einige Wichtigkeit verleiht. Auf der Südſeite des Waͤdiy, dem Orte gegenüber, find am Abhange des Gebirges Gärten auf fünftlichen Terraſſen angelegt, die ſich bis zur Höhe von 200 Fuß über den Boden des Thale erjtreden; fie liefern Eocosnüffe, Datteln, Bananen, Aprifofen, Amba oder Mango, Weintrauben, Durra, Dochn, Bohnen, Kürbis, Seſam, Weizen, Tabak, Baumwolle :c.

Dberhalb diefer Anlagen entjpringt der Graumade eine ftarfe Duelle, die fih in ein Wafferbeden ergiekt, von dem aus alle Ter— raffen bewäffert werden. Der Beduinenfnabe, welcher mich hinauf— geleitet hatte, führte mic zu diefem Behälter, welcher vor langen Zeiten ſchon gebaut worden zu fein jchien, wenigſtens war die Bauart deffelben weit dauerhafter, al8 bei den Waſſerbecken, welche ich bisher gejehen hatte. Das Mauerwerf beſtand aus zwei Fuß langen,

76 El Do’da. Cily.

Geſchwulſt verſchwunden. Auch die Beduinen ſchmieren ſich jeden Morgen mit Butter oder Oel ein, weil ihnen ſonſt, wie ſie ſagen, die Haut zu trocken wird und aufſpringt. In der Folge beobachteie ich auch diefe Gewohnheit, und befand mid) fortwährend ſehr wohl dabei

Am Abend zeigte der Thermometer 25’ R.

29. Juni. Am 29. Juni verließen wir Miffne erſt vor !/,7 Uhr, da natürlich die Beduinen Feine befondere Eile hatten, ſich von ihren Familien zu trennen.

Um 7 Uhr kamen wir an dem kleinen, am füdlichen Rande des Waͤdiy höchſt malerifc gelegenen Dörfhen El Da’da vorüber, welches hödjftens 150 Ginwohner zählen kann. Sie leben von Ertrage ihrer fruchtbeladenen Gärten, welcde oberhalb des Dorfes, wie die bei Miſſne, in Zerraffen auffteigen. -

Ie höher wir den Wädiy hinauffamen, um fo beichwerlicher wurde der Weg, welcher über Anhäufungen von großen Rolfjteinen und durch dichtes, dorniges Gebüſch führt.

Segen 18 Uhr paffirten wir das vomantifch gelegene Dorf City 62), welches auf einer Anhöhe zur Rechten des Weges und am Wiedervereinigungspunfte des Wädiy Dhayſſ mit dem Wädiy Ei: daͤra 9?) Liegt.

Dattelpalmen und Saatfelder nehmen hier den ganzen, ungefähr 300 Schritte breiten Waͤdiy ein und laffen nur ein fehmales Bett zum Abfluß des Regenwafjers frei. Dem Dorfe gegenüber fteht auf einem hohen Felſen eine Heine Kapelle, in welcher Reliquien eines Heiligen ruhen, zu welden an einem gewilfen Tage des Jahres ge- wallfahrtet: wird und wobei ein großer Markt ftattfindet.

Cily zählt ungefähr 300 Einwohner und gehört wie El Da’da zum Stamme Aqaybere. Bon El Dada bis hierher ift die Haupt- richtung Nord, 30° Weit. Der Waͤdiy Dhayff komnmit hier aus einer Schluht am Fuße des Dichebel Foghaär *), der ungefähr 5800 Fuß über der Meeresfläche erhaben fein mag. In der Ric: tung Nord, 40° Weft bogen wir in den Wädin Gidära ein, welder feiner ganzen Länge nach mit Felstrümmern überſäet ift, durch welche

Oberer Lauf des Waͤdiy Dhayſſ. 75

Tchien ihnen befonders zu Herzen zu gehen, und es fehlte nicht an Schimpfworten und Flüchen, weldhe den ungläubigen Ufurpatoren "AHdens galten. Dahingegen erſcholl das ungemefjene Lob Fadhl⸗Alyy's von allen Lippen. Sie nannten ihn Sfayf ed Dyn (das Schwert des Glaubens) und der Schahch betheuerte wiederholt: ‚wenn Fadhl es verlange, nicht allein er mit feinem Stammte, fondern alle andern Stämme, foviel ihrer im Lande feien, würden ihm zu Hülfe eilen.“ Erſt ſpät brach die Verſammlung auf und ging, nachden fie mir für den folgenden Zag glücdliche Reife gewünfcht hatten, nad) dem Dorfe zurüd. Zwei Beduinen blieben bei mir als Sicherheitswadje zurüd.

Miſſne gegenüber erhebt fich die ungefähr 5500 Fuß hohe Ge- birgsfuppe Hayt el Darr ?7), welche durch eine Sattelvertiefung vom Dichebel Er Räyät getrennt ift.

Bom- Waͤdiy Schura befteht die ganze Gegend aus einer An- häufung des Grobfalfs, welcher ſich befonders auf der nördlichen Seite des Wädiy Dhayff auf mehrere Stunden Weges ausdehnt. An der füdlichen Seite des Thals hört diefe Formation ſchon bei Miſſne auf, wo die Grauwacke wieder auftritt. . Die Verfteinerungen, welche diejer Kalt in großer Menge mit fic führt, find wie zermalmt und daher Schwer zu erfennen. Jedoch bemerkte ic) Stadheln eines Echinus und Bruditüde von Ammoniten. In dem Umfreife von einer Tagereiſe liegen noch die Ortfchaften El Darr im Waͤdiy gleihen Namens, Moyqaq >), Darr el Fayn, Schowayye ®), Lohde ©) und Bä- Dſchah *).

Während diefer eriten drei Tagereiſen hatte ich viel Ungemach zu ertragen, da meine nadten Beine von der Sonnenhige ftarf an- geihwollen waren und empfindlich fchmerzten. Außerdem hatten die Riemen der Sandalen, welche zwifchen der großen und zweiten Zehe hindurchgezogen werden, die Stellen aufgerieben. Das einzige Mittel, welches mein Dachayl anwandte, um der Wirkung der Sonnenftrahlen zu begegnen, war jeden Abend und Morgen, nachdem ich die Beine gewafchen hatte, mir diefelben mit Butter einzureiben. Ich fand diefes Mittel jehr probat, denn ſchon am vierten Tage war die

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Ie hbiber wir den Wädin hinauffamen, um io beickwertihe wurde der Weg, melber über Anbäufungen von grofen Rolliteier und durch dichtes, dorniges Gebüſch führt.

Gegen °.& Uhr paitırion wir das romantiich gelegene Ten City %,, weldyes auf einer Anhöbe zur Rechten det Weges umd ae Wiedervereinigungspunfte dee Wädiy Thayi mit dem Wädin Gi bara °?) liegt.

Tattelpalmen und Zaatfelder nehmen hier den ganzen, ungefähr AN) Schritte breiten Waͤdiy ein und fallen mir ein ſchmales Bet zum Abfluß des Regenmwailere fra. Tem Torfe gegenüber itch auf einem hohen Selien eine Feine Rapelle, in welcher Reliquien eine: Seiligen ruhen, zu welchen an einem gewillen Tage des Jahres ge- wallfahrtet wird und wobei ein großer Markt itattfindet.

Cily zählt ungefähr 300 Einwohner und gehört wie CI Ta’ zum Stamme Aqaybere. Von Cl Ta’da bis hierher it die Haupt rihtung Nord, 30° Weit. Der Wäaͤdiy Dhayſſ fommt hier aus einer Schluht am Fuße des Dſchebel Foghar °*), der ungefähr 800) Fuß Über der Meeresfläche erhaben fein mag. In der Rich— tung Nord, 4) Weſt bogen wir in den Wädiy Gidära ein, welcher feiner ganzen Yänge nad mit Felstrümmern überfäet ift, durch melde

1 Ein Gemitter im Hochgebirge. 79 >

reißender Strom hin, der Felsblöcke von bedeutender Größe mit fi) fortriß und deren dumpfes Gerolle mar deutlid) vernahm.

Die bisherige Windftille wurde plöglicd) vom heftigften Sturme unterbrochen, der fich aus der Ferne heulend fundgab und mit furcht⸗ barem Getöjfe in den Klüften und Höhlen des Dſchebel Choraybe wüthete. Schön, erhaben und im vollfommenen Cinflange mit den großartigen Umgebungen war freilich diefe Naturfcene, verfekte mid) aber in eine höchft profaifche Stimmung. Denn nit nur, daß ih alle Augenblide durch die reißenden Wildbähe waten mußte, welche in den Hohlwegen und Schluchten herniedertobten, wobei meine Füße mit den mitrollenden Steinen in unangenehme Berührung famen, bewirkte auch noch der fchlüpfrige Boden, daß ich mehr wie einmal den Abdruc meiner Perſon darin zurückieß.

Endlich erreichten wir eine Stelle, welche die Beduinen EI Ha- dichar nennen, wo wir unfer Nachtlager auffchlugen. Meine Begleiter, welche feine andere Bekleidung, als einen Schuz um die Hüften trugen, Tonnten die ganze Begebenheit als ein Sturzbad anjehen; ich aber, der nidht gewohnt war in einem fo primitiven Coſtüm einher- zugehen, fah die. Sache aus einem ganz andern Gefichtspunfte an, denn alle meine Effecten waren durchnäßt und die Nacht, welche kalt zu werden drohte, nicht mehr fern. Zum Glück 309g das Gewitter bald vorüber, und dank der tropifchen Sonne hatte ich das Vergnügen, noch vor Einbruch der Nacht Alles wieder troden zu jehen.

Ich darf hier nicht übergehen, daß die Beduinen nad jedem Donnerfchlag in die Ansrufung ausbrahen: „eh-ya-ho!“ und mit der Fauft nach der Gegend drohten, von woher das Gewitter fam. Am Abend frug ich nad) der Bedeutung diefes fonderbaren Gebrauchs. Sie wußten es aber felbft nicht, oder wollten mir es nicht jagen; denn die einzige Antwort, welche fie mir gaben, „Firach Ya ba!” („Es ift jo Gebrauch, mein Sohn!“) Auch fpäter Fonnte ich nie etwas Näheres darüber erfahren.

Mein Dahayl fagte mir, daß der „Felſen“ oder „Stein“, welcher diefer Stelle den Namen gegeben hat, nämlich „Hadſchar“

78 Waͤdiy Montifch.

Um 2 Uhr ftanden wir in diefem Niefenthore, deifen Boden mit Telsblöcen bededt ift; Denkmäler der Kataftrophe, welche diefes merf- würdige Defild bildete. Die Wände diefer beiden Gebirge erheben jih etwa 800 Fuß über den Boden der Schlucht. Die abjolute Höhe der Gebirgswände mag dagegen meiner ungefähren Schätzung nad) 6000 Fuß beitragen. Die Breite des Dichebel Fardſchalät beträgt da, wo der Durchbruch ftattfand, kaum 200 Fuß, nimmt aber nad Nordoſten allmählich ab.

Nachdem wir uns durch ein Chaos von Felstrümmern, von denen einige die Größe eines Haufes haben, hindurchgewunden hatten, traten wir in den Waͤdiy Meontifch 67) ein, in weldem wir die Richtung Welt, 20° Nord längs der fteilen Wand des Dichebel Choraybe ein- ſchlugen. Waͤdiy Montiſch ift ungefähr Y, Stunde breit und wird im Norden von dem janft abfallenden Dichebel Roche 6°) und im Süden von den langen, jteilen Wänden des Dichebel Fardichalät und Choraybe eingefchloffen. Vom Fuße des lettern dachet jich das Thal nad) Norden bis zum Fuß des gegenüberliegenden Gebirges allmählich ab, längs den fich das Flußbett mit ſtarkem Fall von Dit nad) Weft hinzieht. Kine unzählbare Menge Raving durchfurchen diefe Abdachung von Süd nad) Nord. Dchebel Fardichalät hängt mit den NRiefen- foppen diefer Gegend, dem Dſchebel Kaur Sſaybaͤn und Meäyile Matar 6°) zufammen und bildet mit dem Dfchebel Choraybe die Waſſer⸗ cheide zwifchen dem Wäadiy Meontifch und dem Waͤdiy Dhayſſ. Der Wädiy Montiſch it dem Wädiy Dirbe tributär.

Schon feit Mittag hatte ein Gewitter drohend in Nordweſten ge: ftanden und brad) nun über uns los. Die höchſten Zinnen des Gebirges waren in Schwarze Wolfen gehüllet, Blitz auf Blitz durchzudkte zifhend die Luft, und mit betäubenden Schlägen folgte ihnen fradhend der Donner nad. Einer jener erweichenden, tropiichen Regen, die man weit richtiger „Wolkenbrüche“ nennen kann, ergof ih in Strömen über unfere Häupter, und ſchäumende Gießbäche ftürzten von der Gebirgswand ins Thal. In dem noch vor wenig Augenbliden trodenen Bette des Montiſch braufte jetzt ein

I Ein Gewitter im Hochgebirge, 79

reißender Strom hin, ber Felsblöcke von bedeutender Größe mit fid) fortriß und deren dumpfes Gerolle man deutlich vernahm.

Die bisherige Windftille wurde plößlich vom heftigiten Sturme unterbrochen, der fi) aus der Ferne heulend Fundgab und mit furcht- barem Getöſe in den Klüften und Höhlen des ‘Dichebel Choraybe wüthete. Schön, erhaben und im vollfommenen Cinflange mit den großartigen Umgebungen war freilih diefe Naturfcene, verſetzte mid) aber in eine höchſt profaifche Stimmung. Denn nicht nur, daß ih alle Augenblide durch die reißenden Wildbäche waten mußte, welche in den Hohlwegen und Schluchten herniedertobten, wobei meine Füße mit den mitrollenden Steinen in unangenehme Berührung famen, bewirfte auch noch der fchlüpfrige Boden, daß ich mehr wie einmal den Abdruc meiner Perfon darin zurückließ.

Endlich erreichten wir eine Stelle, welde die Beduinen EI Ha- dichar nennen, wo wir unfer Nachtlager auffchlugen. Meine Begleiter, welche feine andere Bekleidung, als einen Schurz um die Hüften trugen, konnten die ganze Begebenheit als ein Sturzbad anfehen; ich aber, der nicht gewohnt war in einen fo primitiven Coftüm einher- zugehen, jah die. Sache aus einem ganz andern Geſichtspunkte an, denn alle meine Effecten waren durchnäßt und die Nacht, welche kalt zu werden drohte, nicht mehr fern. Zum Glück zog das Gewitter bald vorüber, und dank der tropifchen Sonne hatte ich das Vergnügen, noch vor Einbruch der Naht Alles wieder troden zu fehen.

Ich darf Hier nicht übergehen, daß die Beduinen nach jedem Donnerſchlag in die Ausrufung ausbraden: „eh⸗ya-ho!“ und mit der Fauſt nach der Gegend drohten, von woher das Gewitter fam. Am Abend frug ich nad) der Bedeutung diefes fonderbaren Gebrauchs. Sie wußten e8 aber felbft nicht‘, oder wollten mir es nicht fagen; denn die einzige Antwort, welche fie mir gaben, „Firach Ya bat” („Es ift jo Gebrauch, mein Sohn!) Auch fpäter konnte ich nie etwas Näheres darüber erfahren.

Mein Dahayl fagte mir, daß der „Felſen“ oder „Stein“, welcher diefer Stelle den Namen gegeben hat, nämlich „Hadſchar“

80 Der herabgeftürzte Fels.

(„Stein’‘), vor 60 Jahren während eines Erdbebens von dem obern Theile der Felswand herabgeftürzt fei. Der Platz, den er früherhin einnahm, ift nod) deutlich bemerkbar. Der Felſen hält auf etwa 0 Fuß Höhe, 20 Fuß Tiefe und Breite und ift etwas nach dem Thale geneigt, gleich einem „Pfeiler“ ftehen geblieben.

Aus einer Spalte am obern Theile deffelben war eine Mimofe gewachſen und aud die übrigen Riſſe und Höhlungen mit Fleinem Geſträuche bededt.

Während ich diefen „Felſen“ betrachtete, ſchoß einer der Be⸗ duinen unweit defjelben eine fehöne Gazelle, deren Fleiſch nad den Beichwerden diefes Tages trefflich mundete.

Tiefe Stille war den Toben der empörten Elemente gefolgt, in violettem Farbenſpiele zeichneten fid) die fernen Berge auf dem Azur- blau des Himmels in ſcharfen Conturen ab, und ein Strom von Wohl- gerüchen entjtieg den aromatischen Kräutern des Thals und erfüllte die gereinigte Atmofphäre. Es war einer der fchönften der vielen Ihönen Abende, welche ich während diefer Reife genoß.

Don Miſſne bis oberhalb Cily ift auf der nördlichen Seite des Wädiy Dhayfi der oben erwähnte Grobkalk das herrichende Geftein, während auf der entgegengefegten Seite die Grauwade dem Haupt: gebirgsftoce vorliegt.

Oberhalb Cily herrſcht im Dſchebel Kidära ein grobfürniger Sandſtein vor, welcher auf Drufen und Reſtern Thoneiſenſtein führt und dergeftalt von Eifenoryd durchdrungen ift, daß er fait ein Eifen- fandftein genannt werden Fönute.

Die Dichebel Fardſchalaͤt und Choraybe find fehr deutlich ge- ihichtet, und die Straten derfelben correfpondiren hinfichtlich der Be— ichaffenheit ihrer Gefteine und ihrer refpectiven Yage genau. Die Tagerungsverhältniffe find folgende: zu ımterft lagert Jura-Kalk, über diefem Jura-Dolomit-Kalk, alsdann lithographiſcher Schiefer, und als oberſtes Glied dieſer Oolithenbildung lagert ein mergelig-ſandiger Kalk. Die Schichten fallen ein wenig nad) Südoſten ein. Dſchebel Choraybe iſt die nordweſtlichſte Koppe

TEE end

Ein Jagdbrauch der Beduinen. 81

des großen Gebirgszugs, welchen ich unter dem Namen Dſchebel Aqay⸗ bere aufgeführt habe. |

Ich Hatte während meiner Reife bisher die Bemerkung gemacht, daR die Kolben der Gewehre meiner Begleiter mehr oder minder mit rohen Fellen überzogen waren, ohne dabei einen andern Zwed zu vermuthen, als den, die Gewehrfolben gegen den Einfluß der Feuchtig⸗ feit 2c. zu ſchützen. Seht wurde ich aber eines Andern belehrt. Der glückliche Yäger nämlid) zog ein Stüd von dem Felle der erlegten Gazelle über den untern Theil eines Gewehrkolbens, obgleich derfelbe bereits mit einem "elle überzogen war. Auf mein Befragen fagte man mir: daß es Sitte fei, ein Stück von dem Felle eines jeden erlegten Wildes als Trophäe auf den Kolben zu jpannen. Einer der Beduinen zeigte mir ein Gewehr, auf welchem neun Felle übereinander gezogen waren.

Mit Sonnenuntergang ftand der Thermometer 18° R.

30. Juni. Den 30. Iuni früh 6 Uhr verließen wir unfer Nachtlager und beitiegen nad) 1, Stunde einen fteilen Thonhügel, auf deſſen Rüden ein großer Wafferbehälter eingegraben ift, welcher von dem Regen gefüllt war. Das hal, welches Hier nur nod) 300 Schritt Breite hält, wird von diefem Thonhügel fait ganz ein- genommen. 1/, Stunde fpäter jtiegen wir in das Flußbett des Wädiy Montiſch hinab, welches wir bis 7 Uhr verfolgten und dann in nörd- licher Richtung den Dſchebel Roche Hinanftiegen. Der Wädin Montiſch verfolgt die Richtung Weit, 30° Nord und mündet, nachdem er fid) mit dem Wädiy Mobaͤrek vereinigt hat, einige Stunden unterhalb, bei dem Drte El Dära in den Wädiy Dirbe. Die braufende Fluth von geftern hatte feine weitere Spur binterlaffen, als einige Lachen in den Felfenvertiefungen. Nachdem der fanfte Abhang des Dichebel Nochg erjtiegen war, fehlängelte fi der Weg durch Thonhügel bie zum GEntjtehungspunfte des Wädiy Moffaffag 7%), wo wir um 9 Uhr anhielten. Außer diefem Waͤdiy, welcher nach Oſten ftreicht, nehmen auf der entgegengefeßten Seite zwei andere Wädiy ihren Anfang; nämlich der Wädiy Mobärek, der ſich Süd, 10° Weit wendet, und

A. v. Wrebe's Reife in Habhramant. 6

82 Der „Milchbuſch“. Ein aromatifcher Wädiy.

der Wädiy Ofwe 72), der eine mehr weftliche Richtung nimmt. Schon am Abhange des Dſchebel Cidära Hatte ich den fogenannten „Milch—⸗ buſch“ (Euphorbia tirucalla), welchen die Araber Schadfcherat Chafu, die Beduinen Damhäna nennen, bemerkt. Hier aber bededte dieſe Pflanze bald das ganze Gebirge. Sie hat weiche, ſchwammige, glän- zend bleifarbige, beinahe blätterlofe Zweige, welche verworren durch⸗ einander wachſen, und dichte runde Büſche von 2 Fuß Höhe und 3 Fuß Breite bilden. Die wenigen Blätter, welche ic fah, waren leberartig, herzförmig gezadt und glänzend dunkelgrün. Die Ironen- fürmigen, grünlid) gelben Blüthen figen am Ende der Zweige. Beim Abbrechen der Zweige und Blätter quillt ein dicker, ätzender mild; artiger Saft hervor. Demungeachtet freffen die Kameele diefe Pflanze jehr gern, und fie bekommt ihnen vortrefflih. Der Grobkalk, defien ich bei Miffne erwähnt Habe, tritt aud im Dſchebel Roche in be: deutender Entwidelung auf. Er ift von einem mergeligen Thon über- lagert, welcher durch die Auswafchungen des Regenwaſſers nach allen Richtungen Hin durchfurcht ift.

Am Morgen jtand der Thermometer bei wolfenlojem Himmel md ſchwachem Wejtwind 15°, um Mittag bei freiem Himmel 26°.

Um Yal Uhr fegten wir unfere Reife wieder fort und erftiegen in einer Stunde den Dſchebel Mobärek (Berg des Segens), welcher ein Plateau oder vielmehr eine Terraſſe bildet, auf der wir nach einem Marſche von einer Stunde am Fuße des Dichebel Haraͤmy (Diebesberg) anlangten, wo zwei Wädiy ihren Anfang nehmen, nämlic) der Wädiy Harämb, welcher ſich nad Weften zieht, und der Wädig Chilafat. Diefer Wädiy nimmt einige Stunden öftlich von feinem Entſtehungs⸗ punkte den Namen Mähile Matär an, als welcher er ſich dann mit dem Wädin Howaͤyre vereinigt. Nach der Ausfage der Beduinen foll diejes breite und tiefe Thal einen erftaunliden Reichthum an aromatifchen Stauden und Kräutern befigen, und es herrſcht unter ihnen die Sage: „daß Jemand, der in diefem Thale wohnen wärde, unfehlbar ein Alter von wenigftens 100 Jahren erreihen würde.“

Wildniß beim Dſchebel Tſahura. 83

Trotzdem ift e8 unbewohnt, da es ale ein Tummelplatz böfer Geiſter verrufen ift.

Der Dſchebel Haraͤmy bildet abermals eine Terraſſe, welche bie zum Fuße der großen hadhramauter Hochebene, welche hier unter dem Namen Diehebel Tſahnra bekannt ift, eine Strede von beinahe zwei Stimden einnimmt. Auf diefer Strede entftehen zur Rechten des Weges die Wädiy Hiräwe, Sfanäwe und Tſahura, welcher ſich mit dem Wädin Sſanawe verbindet, zur Linken die Waͤdiy Pirma und Werura. Alle diefe Waͤdih find tief eingefchnitten, mit dichtem Ge- jtrüpp bededt und als der Zummelplag der Tigerkatzen, Panther, Luchſe, Wölfe, Hyänen, Räuber und obligaten böfen Geifter ver- ſchrieen. Zroß diejen gefährlichen Bewohnern fah ich mehrere Stein- böde und Gazellen am Abhange derfelben weiden, auf welche die Beduinen vergeblich Jagd machten. Am Fuße des Dichebel Tſahura hielten wir in dem Wädiy gleichen Namens einige Minuten an, um die Schläuche aus einem mit Waffer gefüllten Felsbecken zu füllen und Brennholz zu ſammeln, und erjtiegen dann in °%, Stunden ben Gipfel des Berges.

Nach einer ungefähren Schäßung gebe ich diefem Platenu 8000 Fuß über dem Meeresfpiegel, und die Ausficht, weldye man von ihm aus genießt, ift eine der großartigften, welche man fich denten Tann. Bon Weit nach Nordoft fchweift der Blick über eine unabjehbare, graugelbe Ebene, auf der fi hier und da kugel- umd dachftuhlförnige Hügel erheben. Im Oſten ragte, von der fcheidenden Some ma- gifch beleuchtet, der koloſſale Kaur Sfaybän weit über die Ebene hinaus und zeichnete feine riefigen Sormen auf dem dunleln Blau des tro- pifchen Himmels. Nah Süden überſchaut das Auge ein Labyrinth bereits in Finfterniß verfimfener Thäler und fcheinbar chaotiſch Hin- geworfener Gebirgsfegel, und verliert fi) in der ſchwach erleuchteten, nebelerfüllten Atmosphäre des indifhen Oceans. Giganten, wie der DA Byhae, el Idme u. a. m., zu deren Gipfel ich früher bewundernd hinſtaunte, lagen jeßt zu meinen Füßen. Geraume Zeit nad) Sonnen⸗ untergang leuchtete noch die Koppe des Kaur Sjaybän, während ſchon

6*

84 Schätzung der Gebirgshöhen.

das Geheul der Beute fuchenden Raubthiere die tiefe Stille der Thäler unterbrad). Die Nacht war unbeſchreiblich ſchön. Wohlthätige Kühle . wehte herab und Myriaden funkelnder Sterne ſchmückten das dunkle Gewölbe des Himmels. Im Süden ftand, wie auf dem behren Altar der Natur gepflanzt, das Zeichen der Erlöfung, das füdliche Kreuz, und mahnte ehrfurdtgebietend an den großen Arcdhitecten des Weltalls, der die Bahnen der Geftirne ordnete und aud die Mafjen des Kaur Sfaybän ordnete und thürmte.

Um meine Schätzung der Höhe 'des Dſchebel Tſahura zu recht⸗ fertigen, habe ic) Kolgendes zu bemerfen. Man wird aus der vorher- gehenden Beſchreibung bes Weges von Meeresgeſtade bis zur hadhra⸗ mauter Hochebene erjehen haben, daß man zu ihr über fünf Terraffen hinauffteigt, welche durch den Dſchebel Aqaba el Mahniye, Gidära, Roche, Mobaärek und Haraͤmy gebildet werden. Das Terrain vom Fuße der erften Terraffe bis zum Mecre hat ferner einen jehr ftarfen Tall, welcher im Wädiy Mahniye auf eine Stunde Wegs wenigftens 100 Fuß beträgt, alfo auf die Strede von 7, Stunden, welde ich in ihm aufwärts 309, 725 Fuß. Bon der Stelle an, wo ich dieſen Waͤdiy zuerft betrat, bis ans Meer, rechne id) einen Niveauunterfchied von 100 Fuß an, welches das Bett des Wädiy, am Fuße des Dichebel Aqaba el Mahniye 825 Fuß über den Meeresfpiegel ſetzt. Diele erfte Stufe zur Hochebene erhebt fich über den Thalboden um 1500 Fuß und dacht fih bis zum Wädiy Schura um 150 Fuß ab, weldes diefen Wädiy 2175 Fuß über dem Meere erhebt. Vom Wädiy Schura bis zum Fuße des Dichebel Eidära beträgt der Höhenunter- ſchied auf 3%, Stunde Weges 325 Fuß. Die Höhe des Eidära über dem Thalboden ift 1000 Fuß, folglich über dem Meere 3500 Fuß. Die drei folgenden Terraſſen ſchätze ich immer über die Ebene der untern gerechnet, den Dichebel Roche 800 Fuß, den Dichebel Mo- baͤrek 1500 Fuß und den Dſchebel Haramy auf 600 Fuß. Hierzu fommt noch der Höhenunterfchied auf den Ebenen der Dfchebel Mo- bäref und Harämy, welcher auf jeder 50 Fuß ausmacht. Diefes alfo giebt. 6500 Fuß als abfolute Höhe des Dichebel Haramy am Fuße

Geologifches. 85

des Dichebel Tſahura. Dichebel Tiahura, die letzte Stufe zur Hoch— ebene, fteigt 1500 Fuß über den Dichebel Harämy empor, und hat alfo eine pofitive Höhe von 8000 Fuß. Dſchebel Kaur Sfaybän ift etwa 1000 Fuß über der Ebene erhaben.

Am Fuße des Dſchebel Mobäref hören die tertiären Gefteine auf und die Dolithenbildungen des Dfchebel Choraybe treten wieder hervor, verjchwinden aber am Fuße des Dichebel Tſahura unter einem mächtigen Thonlager. - Diefer Thon wird von einem Conglomerate von Hornfteingefchieben überlagert, welches dem Grünfandjteine zur Unterlage dient. Diefer Grünfandftein ift von gelblicher Farbe, welche nad Oben hin lebhafter wird, fehr feinkörnig, hart und wechfellagert mit Jura -Dolomit - Kalf.

Mit Sonnenuntergang ftand der Thermometer bei Nordweſtwind und wolfenlofem Himmel auf 18" R.

%

Drittes Bapitel. Der nördliche Gebirgsabhang.

Waͤdiy el 'Af. Maqubet el Chomra. Die Hochebene. Nachtlager am

Waͤdiy Haçarhayan. Wädig Dahme. Waſſerbehälter. Wädiyg Chaͤrit.

Nachtlager am Wädiy Chäyile. Ueberraſchende Ausficht in dem Wädiy

Doän. Ankunft in Choraybe. Schaych "Abd -Allah- Bä-Sfudän. Be-

wäfferungsfuften und Kanalanlagen Abendmahlzeit bei Manäci‘ ben Sfa’yd ibn "Na el Amud, Sultan von Choraybe.

Am folgenden Morgen faßen bei meinem Erwachen die Beduinen am Teuer und fchienen an feinen Aufbrud zu denken. Man erzählte mir, daß während der Nacht ein Kameel entweder entlaufen oder geftohlen worden fei. und daß Einige von ihnen in den Wädiy ge- ftiegen feien, um es aufzufuchen. Ihre Beſorgniß, das Thier zu ver- lieren, war freilich gegründet genug; denn außer, daß die Umgegend nicht im beften Rufe ftand, befanden fie fich jegt nicht mehr auf ihrem Territorium, jondern auf dem der Stämme Sſaumahyn ımd Affwyra, deren Stammesgenoffen, wie überhaupt alle Beduinen, fich fein Ge— wiffen daraus machen, ihre Nachbarftänme zu bejtehlen. Dieſe beiden Stämme find Unterabtheilungen des Stammes Beny Sfaybän. Ich benutzte dieſen Aufenthalt, um die Gebirgsgipfel zu viſiren.

Die Beduinen zeigten mir unter andern den Dſchebel Dära, an deffen Fuß Makalla liegt, wodurd id) die Hauptrichtung von diefer Stadt nad) dem Dfchebel Tſahura Nordweit, Weit fand. Ob— gleih im Juli und innerhalb des 11. Yreitengrades zeigte Reaumur’s

Monotone Hochebene. 87

Thermometer, Nach einer bitterfalten Nacht, bei Sonnenaufgang, heiterm Himmel und vollftommener Windftille 10° und um Mittag bei Nordweftwind 20°.

Diefer niedere Thermometerjtand unter diejer Breite und im ſolcher Jahreszeit Läßt mich vermuthen, daß meine Höhenfchägungen, wenn auch nicht vollfommen, doch annähernd richtig find.

Kurz nad) Mittag kamen die Bebuinen mit dem wiedergefundenen Kameele zurüd. Jedoch verzögerte ſich meine Abreije bis nach 1 Uhr.

Der Weg führte nım in die unabfehbare Ebene, melde fid mit troftlofer Nactheit vor uns ausbreitete. Daher bietet auch der Weg über diefe Hochebene wenig Intereffantes dar. Jeden Tag zeigt fi diefelbe abfchredende Nacdtheit und Dede, und nur dann und wann bietet ſich die Gelegenheit dar, eine Scene zu befchreiben, welche als Beitrag zur Kenntniß der Sitten und Gebräuche der Bewohner diefer ſteinigen „Wüſte“ beitragen kann.

Werm num auch die wiederholten Angaben der Namen der Waͤdih und der Richtung, welche diefelben nehmen, für viele meiner Leſer etwas Monotones haben und vielleicht ermüden könnten, jo tft es doch im Intereſſe der Wiffenfchaft durchaus nothwendig, diefelben zu berüdfichtigen, und ich bitte daher, mic, durch den Sachverhalt zu: entfchuldigen, wenn der Inhalt einiger Seiten etwas troden ift.

Um 2 Uhr fah ich rechts am Wege den Waͤdiy Maͤdſchid, welder ſich Nord, 50° Oft zieht. Zwanzig Minuten fpäter lag links der Waͤdiy Dotub. |

Nach einer halben Stunde führte uns der Weg zwifchen zwei Waͤdiy, von denen der zur Linken Tiegende Wädiy EI Ayſſiry genannt wird. Er vereinigt fich mit dem Waͤdiy Kotub und mündet dann bei dem Orte Dirbet Dahwe in den Wädiy Dirbe. Der zur Rechten ift der Wädiy Matära, welcher fi mit dem Waͤdiy Maͤdſchid bereinigt.

Um %.4 Uhr kamen wir in den Wädiy Butrach, der auch in den Waͤdiy Mädfchid miünde. Kaum zehn Minuten fpäter führte der Weg zwifchen dem büftern, tiefen Wädiy EI 'AF??) und einem

88 Gifternen in der Wülfte.

der dachſtuhlförmigen Hügel hin, welder den Namen Darr eth Thamule führt.

In diefem Wädiy Tiegt in einer Entfernung von einer Tagereiſe das Dorf EI Batha 7°), welches von Beduinen des Stammes Sfau- mahyn bewohnt wird. Wädin EI Af mündet in den Wädiy Maͤdſchid, nimmt dann den Namen El Ayſſaͤr an, und mündet bei der Stadt El "Arffüme in den Waͤdiy Do’än.

Kurz nah 4 Uhr kamen wir an dem Waͤdiy Sfedun vorüber, welcher in den Waͤdiy EI Af mündet und an deſſen Rande ficher Cifternen eingehauen find, unter dem Namen Maqubet el Chomra (die Eifternen von Chomra) befannt.

Die runden Oeffnungen der Cifternen, von den Einwohnern „Maquba“, d.i. „Drt, dahin man das Waſſer ſchüttet“ genannt, halten im Allgemeinen drei Fuß Durdmeffer und find brunnenartig durch die Schichten des Grünfandfteins gebrochen. Im dem untenliegenden Jura-Dolomit-Kalk ift dann ein zimmterartiger Kaum ausgehauen, der je nad) den Umftänden größer oder Kleiner ift, gewöhnlich aber auf 6 Fuß im Quadrat 4 Fuß Tiefe mißt. Die herausgebrochenen Steine find zu beiden Seiten der Deffnung zu einer Mauer aufgefchichtet, die ſich nach Außen abdacht.

Um das Regenwaffer bineinzuleiten, hat man von der Deffnung aus zwei Reihen dicht aneinander gelegter, mit Thon verbundener Steine gezogen, welche mehr oder minder (gewöhnlid) unter einem Winfel von 45°) divergiren. Gewöhnlid) ftcht in jeder Eifterne ein mit kurzen Aeften verfehener Baum, um das Heraufheben des Waſſers zu erleichtern.

Auf allen Wegen über diefe Ebene findet man eine Anzahl folcher Wafferbehälter. Sie find eine wahre Wohlthat, denn ohne fie wäre e8 nicht möglich, diefe große, wafferlofe Wüfte zu durchzichen.

Diefe gemeinnütigen Anlagen verdanft der Neifende der Wohl- thätigfeit einiger Reichen, welche bei ihrem Abfterben eine gewiffe Summe, fowohl zur Anlage neuer, als aud) zum Unterhalt der ſchon vorhandenen Eifternen ausjekten. Ä

Entitehungspunfte der Waͤdiy's. 89

Eine Halbe Stunde von Magubet el Chomra trafen wir am Fuße des Hügels Kura 7%) wiederum fünf Cifternen. Cine halbe Stunde weiter gelangten wir zum Wädiy Bu Dalayt, der in den Wädiy EL Af mündet. Eine Stunde Marſch brachte uns in den Wädin Dararhayan ?°), wo wir unfer Nachtlager auffhlugen. Nahe an unferm Lager lag der Hügel Diehonayyde, an deffen Fuße eine große Eifterne vortreffliches Waffer lieferte. Der Waͤdiy Haçarhayan vereinigt fi mit dem Wädin EI Af. Die Richtung von Dfchebel Tſahura bis hierher ift Nordweſt, 13° Weit.

Im Nordweften drohte ein Gewitter, welches ſich aber zu meiner Freude verzog und fi über einer andern Gegend entlud. Die Nacht wurde jo empfindlich kalt, daß ich, obwohl in eine wollene Dede gehüllt, fortwährend fror. Gegen Morgen ftürmte ein fcharfer Nordweft über die Ebene, und noch mit Sonnenaufgang ftand der Thermometer auf 10° R.

Alle Wädiy der Hochebene ftellen fih als tiefe, von fteilen Wänden begrenzte Schluchten dar. An ihren Entftehungspunften dachen fie fi erft 30-50 Fuß allmählid) ab, und fallen dann plötzlich fteil nieder. Die vorliegende Abdachung ift gemöhnlid mit Mimofen und Nebekbäumen beſetzt, deren Wurzeln das Abfpülen der Erde verhindern. Die Wege über diefe Plateaur führen gewöhnlich über ein etwas erhöhtes Terrain, welches eine Wafferfcheide bildet; denn alle Wädiy, welche ich angeführt habe, ſah ich an ihren Entſtehungspunkten zu beiden Seiten des Weges.

2. Juli. Am 2. Juli fette ſich unſere Däfila Y,6 Uhr wieder in Bewegung. Der Wind war immer nod) heftig und falt, und ich wunberte mich nicht wenig über die Gleichgültigfeit, mit welcher meine nackten Gefährten das Unbehagliche derfelben ertrugen. Um 1,7 Uhr famen wir an den Entjtehungspunften zweier Wädih vorüber: am Doru 79) und Lalal-Lafal 7”), von denen fid) der erfte links nad) dem Waͤdiy Dirbe, der andere rechts nach dem Wädiy EI “ÜF zieht. Bis um 1,8 Uhr paffirten wir nod) die drei Wädiy EI Ma Ghoräbe, d. 1. „das verdorbene Waſſer“, El Forayſch und Sforbe, welche

90 Die Bebuinenfrauen.

in Zwifchenräumen von Y, Stunde fi linfe dem Wädig Dirbe zu- wenden. Am Waͤdiy Sforbe befinden ſich fünf Cifternen, und ein Feines Haus, weldyes als Zufluchtsort während eines Unwetters dient.

Sole Häuschen beftehen aus übereinandergelegten Steinen, ohne alle Deörtelverbindung, und find mit Reißig und Lehm gededt. Man findet fie dann und warn an Stellen, wo Eifternen angelegt find. 1/,8 Uhr gelangten wir in eine Niederung, welche mit dem jeßt durch⸗ wanderten Theile der Hochebene wahrhaft wohlthätig und erquickend contraftirt. Sie führt den Namen Wädiy Dahme. Diefe Niederung ftreicht von Weit nad Oft, und wird von dem Flußbette, welches von einem dichten Aréa-Gebüſche eingefaßt ift, im zwei faft gleiche Theile gelegt. Am Eingange der Niederung befindet fid ein Waſſer— behälter (Baade), welcher in ein feſtes Thonlager eingegraben ift. An der Thalfeite find in dem Damme deffelben zu beiden Seiten mehrere Löcher übereinander angebradit, um bei dem verfchiedenen Stande des Waſſers die thalabwärts, terraſſenförmig angelegten Weide: pläge bewäffern zu Fünnen. Die fanften Abhänge der angrenzenden Höhen und die Säume der Terraffen find mit Mimofen-, Tamaristen- und Nebefbäumen beſetzt. Zahlreiche Schaf- und Ziegenheerden meiden unter der Obhut einiger Beduinenfrauen, auf den im berrlichften Srün prangenden Terraffen.

Der einfache und originelle Anzug diefer Beduinenfrauen befteht in einem großen, braunen, wollenen Hemde, deſſen hinterer Theil bis auf die Ferſen reicht, während der vordere kaum die Kniee be- dedt. Oben ift eine runde Deffnung gelaffen, welche auf beiden Schultern durch einen Einfchnitt erweitert ift, der, nachdem es an: gezogen worden ift, zugefnöpft werden fanı. Die Aermel reichen nım bie auf die Hälfte des Oberarms. in breiter, lederner Gürtel, der mit meffingenen Ringen und Tleinen weißen Borzellannufceln, fogenannten „Otterköpfchen“ beſetzt ift, hält diefes Kleidungsſtück über den Hüften zufanımen und dient zugleich zum Tragen eines Beils, welches fie immer mit fi führen, um während des Weidens das nöthige Holz zu fehlagen. Cine enge Hofe aus blauem Baumwollen⸗

Der Wadiy Dahme. 91

zeuge reicht bie unter die Waden. Kopf und Geficht find unbededkt, und die Haare fallen unordentlich herab. Wie ihre Männer, gehen die Beduinenfrauen faſt immer barfuß, der Sandalen bedienen fie ſich nur, wenn fie im dornigen Gebüfche Holz holen. Als Zier- rathen tragen fie an den Beinen Meeflingringe von 3 Zoll Breite und 1 Rinie Dice; desgleichen um den Arm meffingene Ringe, welche aber glatt und von der Breite eines Fingers find, um den Hals eine Schnur Glaskorallen und in den Ohren und Najenflügeln meffingene oder filberne Ringe. Wenn fie die Heerden austreiben und ine Freie gehen, tragen fie an einem Riemen einen Korb, der die Geftalt eines Viertel Rugelabfchnittes hat und mit Leder überzogen ift. Beim Tragen ift die Oeffnung nad) dem Körper gewandt. Es dient ihnen diefer Korb zum Fortfchaffen ihres vollfommen nadten Säuglinge, und jüngst geborener Yämmer und Zickelchen, wenn diefe zum Laufen noch zu ſchwach find.

Das Heine Dorf Dahme bejteht aus elenden Hütten, welche ungefähr 50 Einwohner beherbergen und dem Stamme Sfaumahyn angehören. Wir paffirten es um 9 Uhr und kamen gleich darauf in ein Eleines Gehöfte, deffen Bewohner Schafe zum Verlauf anboten. Da meine Bebuinen fich bieher immer zuvorkommend gegen mid) be- nommen hatten, fo erſtand ich zu ihrer Belohnung drei Schafe, zu dem geringen Preis von !/, eines öfterreichtichen Thalers ein jedes, oder 8 Silbergroſchen.

Das Flußbett, welches ſich dieffeit des Dorfes zu unferer Rechten hinzog, fehneidet fic etwas unterhalb deffelben, wie die übrigen Wädih ber Hochebene, plößlid grabenartig ein, bildet in den angrenzenden Höhen eine tiefe Schlucht und mündet weiter unten in den Wäbiy Ehärit. Zwanzig Minuten hinter dem Gehöfte führte uns ein mit Gerölle bedectter Weg auf das Plateau, wo wir ung am Entftehungs: punkte des Waͤdiy Chärit unter einigen Mimofen Tagerten.

Links vom Dorfe erhebt ſich ein Hügel in der Form eines Halb- mondes, auf welchem ein „Wachtthurm“ jteht, um den einige

20 Hütten gruppirt find. Diefer Ort heißt Hien el $howanr. ?®)

92 Wadiy Chärit. Wadiy Ehäyile.

In dem Naume, welchen die concave Seite des Hügels einſchließt, fiegen terraffenförmig übereinander mehrere Weidepläte. Wäpdiy Chärit mündet bei dem Orte Doqum el Ayffar 7°) in den Waͤdiy El Ayffär.

Der Thermometer ftand um Mittag bei wolfenlofem Himmel und Nordweitwind 20° R.

Seh nah Mittag brachen wir auf und kamen nad einer halben Stunde an einem großen Wafferbehälter vorüber, welcher am Entftehungspunfte des Wädiy Ya Rayyara eingehauen ift und mit Waffer gefült war. Der Wadiy Ba Rayyara wendet ſich rechts vom Wege ab und mündet in den Waͤdiy Chärit.

Einige zwanzig Minuten fpäter fah ich rechts am Wege in den Wädiy Ghomwayr hinab, welcher fih mit dem Waͤdiy Chärit vereinigt. Ein Weg, welcher in diefen Waͤdiy hinabführt, wird von einem Wachtthurm vertheidigt, welcher von einigen Beduinen des Stammes Dihanbud, befegt ift. Links entfteht der Wädiy Ba "Auda, der dem Waͤdiy Dirbe tributär ift. Neben dem Thurme befindet ſich eine Ciſterne.

Ein Viertel 2 Uhr kamen wir wieder an zwei Cijternen und um 2 Uhr an dem Wädiy Eſſ Sfyrabbe vorüber, welcher mit dem MWädiyn Charit zufammenhängt. Zwanzig Minuten fpäter füllten wir unfere Schläuche aus einer Gifterne, und bezogen um 3 Uhr unfer Nadtlager am Wädiy Chähile, der in den Wäbiy Chärit mündet. Die Hauptrichtung während der heutigen Zagereife ift Weit, 30° Nord.

Wir fanden hier bereits 20 Beduinen de8 Stammes Agahbere mit einigen 20 Kameelen gelagert, welche Waaren nad) dein Wädiy Do’än beförderten.

Nachdem die Begrüßungen beendigt waren und die Kameele unter der Aufficht einiger Beduinen in den Waͤdiy geſchickt worden waren, wurden mehrere Feuer angezündet und zur Abſchlachtung der Schafe gefchritten. Als Gaftgeber beeilte ich mich, die Tugend der Gaft- freundfchaft zu üben und lud die fremde Partei zum bevorjtehenden

Meahlzeitsgebräuche der Beduinen. 93

Schmauſe ein, welches mir, wie man denken kann, warme Xobes- erhebungen erwarb. in Ieder mußte nun, dem Gebrauche gemäß, etwas zur DBereitung des Gaftmahls beitragen. Einige holten Holz, Andere fammelten Kiefel, noch Andere fchafften Waffer zum Reinigen der Thiere herbei, oder halfen meinem „Führer, der das Schlachten übernommen hatte, da er als mein „Beſchützer“ (Dadayl) feine Anfprühe auf die Felle geltend machte. Ihr Verfahren bei diefer Gelegenheit ift fo eigenthümlich, daß es hier wohl befchrieben zu werden verdient.

Nachdem nämlich das Thier gefchlachtet ift, wird es an den ge- fpreizten Hinterfüßen aufgehangen, die abgezogene Haut wird auf dem Boden ausgebreitet, um das Fleiſch darauf zu legen, welches bis auf die Schenkel abgefchnitten wird, bevor die Eingeweide herausgenommen find. Hierauf wird der Magen herausgenommen, gereinigt und zer- ftädt; um die Eingeweide zu reinigen, nahnt mein Führer den Mund voll Waffer und blies dafjelbe fo ſtark als möglich in den Anus des Thieres, während es deffen Gehülfen durch die Eingeweide drücken. Diefe Operation wiederholte er, bis Alles genügend rein erachtet wirde. Das an ihnen haftende Fett wird dann abgetrennt, fie felbft abgenommen und in fingerlange Enden gejchnitten, um weldje dann das Fett gewidelt wird. Zuletzt werden dann auch die Schenkel zu fleinen Stüden zerfchnitten. Mittlerweile Haben Andere von großen Steinen einen kreisfürmigen Heerd errichtet, auf denfelben einen großen Holzhaufen zufammengetragen und denfelben mit Kiefeln be- det. Iſt nun das Teuer heruntergebrannt, jo wird das Fleiſch auf die glühend gewordenen Kiejel gelegt, bis es heiß geworden ift. Hierauf werden fo viele gleid) große Haufen gemacht, als Berfonen zugegen find, und zur Theilung verfchritten.

Um jeden Streit zu vermeiden giebt ein Jeder irgend einen Gegenstand, welcher in ein dazu bereit gelegtes Tuch geworfen wird. Einer der Gefellichaft nimmt diefe Pfänder in Empfang, Tchüttelt fie durcheinander, und fegt fi, mit dem Rüden nad) dem Fleifche gewandt, nieder. Ein Anderer zeigt dann auf den Fleiſch⸗

94 Gefänge der Bebuinen.

haufen und fragt: „Für wen derjelbe beftimmt ſei?“ Hierauf wird ein Pfand aus dem Tuche gezogen und auf das bezeichnete Fleiſch gelegt. Ein Jeder nimmt dann das Fleiſch, auf weldem fein Pfand liegt.

Das Fleiſch ift dann noch roh. Die Beduinen efjen es aber jo am liebften wenigſtens fah ich äußerſt felten, daß fie es noch einmal auf die glühenden Nohlen gelegt hätten. Ebenſo effen ſie es ohne Salz, und feheinen fogar den Gebraud des Salzes lädher: (ich zu finden. Wenigftens machte Einer den Andern darauf aufmerfiam, daß ich mic) deffelben bediente, und Alle lachten herzlich darüber; aus welchen Grunde, konnte ich nicht erfahren; die Scheriffe ver- fiherten mir übrigens, daß die Beduinen zu feiner ihrer Speifen Sal; gebrauchen.

Am Abend (des 2. Juli) flammten in unfern Xager, deffen Stärke jett auf 36 Mann und 50 Kameelc gejtiegen war, acht euer auf, um welche die Beduinen gelagert, durch die eingenommene Mahl: zeit froh gejtimmt, ſich mit Geſang ergögten.

Sie fangen „Hodſchayny“ ımd „Achaͤmer“. Die erftere der beiden Gefangweifen, Hodſchaynh, iſt „erotiſch“, und wird nur von einer Perſon vorgetragen; der zweite, Achaͤmer, iſt „panegyriſch“ und wird im Chore vorgetragen. In der Regel ſingt Einer einige Worte aus dem Stegreif, worauf dann der ganze Chor dieſe Worte wieder- holt. Bon einem andern Teuer antwortete einer auf dieje erften Strophen und fuhr in dem Xobe fort, und der Chor wiederholte danm die gefungenen Worte. Diefer Chorgefang pflanzte ſich von Teuer zu Feuer fort und dauerte bis fpät in die Nacht. Im Uebrigen war der Gefang zwar rauh, aber jehr harınonifc und durchaus von dem Geſange der Aegypter verjchieden.

Bei Sonnenuntergang, Nordweitwind und heiterm Himmel ftand der Thermometer auf 18° R.

Am 3. Juli brad) unfere vereinigte Däfila früh 6 Uhr auf und langte um 4,8 Uhr an zwei Wädiys an, deren Namen ich nicht erfahren konnte. Der zur Rechten mündet in den Wädiy Chärit und

Cifternen und Zufluchtshäufer. 95

der zur Linken in den Waͤdiy Raube. Hier befindet fi ein Waſſer— behälter, welcher in den Felſen gehauen ift, und eine „Ciſterne“, beide aber waren ohne Wafjer. Um 8 Uhr trafen wir eine „Ciſterne“, und um 9 Uhr den Waͤdiy Hebät, welcher bei der Stadt Tfähir 80) in den Wädiy Do’än mündet. Kurz vor 10 Uhr lagerten wir uns an einem Waͤdiy, der fich mit dem Wädiy Hebät vereinigt und an welchem eines jener „Zufluchtshäuschen“ fteht. Hier find nicht weniger als 17 GCifternen in einer Reihe eingehauen, von denen aber nur einige Waſſer enthielten.

Um Mittag war der Thermometerftand bei heiterm Himmel und Nordweitwinde 20°. Am Morgen bei Sonnenuntergang 10° R.

Um 41 Uhp feßten wir die Reife fort und gelangten nad) einem Marſche von %, Stunde an den Waͤdiy Dolayle ®U), der in den Wädiy Eſſ Sfabal ®) mündet und deſſen Entftehungspunft wir nad zehn Minuten erreichten. Er mündet bei der Stadt Darrayn 3?) in den Wädiyg Do’än. Ihm gegenüber fah ich rechts vom Wege den Waͤdiy Eſch Schaff 8*), der fi) mit dem Wädiy Minua vereinigt. Zwei andere Wädin Chadhära 3%) und Dolle 3%), an denen wir um v3 Uhr vorüberfamen, münden in den Waͤdiy Do’än; der erftere bei der Stadt "Ara 8”), der andere bei dem Dorfe Eich Scharg °°).

Zehn Minuten fpäter trafen wir vier Heine Häuschen und 13 Ei- jternen: diefer Ort wird Dabr Bayt °9) genannt.

In kurzen Zwiſchenräumen kamen wir noch an einer „Ciſterne“, einem „Waſſerbehälter“ und einem jener Heinen „Zufludts- häuſer“ vorüber, die Schub gegen die Witterung gewähren, und fagerten dann .Y, nach 4 Uhr auf der Ebene.

Die Beduimen hatten Hier einen harten Stand, da fie Brennholz und Futter für die Kameele aus dem entlegenen Wädiy Dolfe holen mußten und daher ſpät erſt ihr Brod baden konnten. Wie wenig die Beduinen die Vorfchriften des Doran beachten, und wie wenig delicat fie in der Wahl ihrer Speifen find, kann man aus folgender That- ſache entnehmen.

Einer der Beduinen unferer Dafila brachte eine große Eidechſe

96 Erſter Anblick des Wädiy Do'än.

mit und warf fie lebendig, wie ſie war, in die Gluth der brennenden Kohlen; kaum war das Thier todt und die Haut von der Hiße ge- borften, fo zog er e8 hervor und verfpeifte es mit feinen Gefährten. Auf meine Bemerkung, daß der Genuß folcher Thiere verboten fei, antwortete man mir ladjend: „Nur für die Städter find ſolche Ge— bote gegeben, nicht aber für uns, die mit dem zufrieden fein müſſen, was wir hier im Gebirge finden.‘‘

Die Richtung, welche wir während diefer Tagereife eingehalten hatten, war Nord 12°, Weit. Mit Sonnenuntergang ftand der Thermo- meter bei heiterm Himmel und Nordweitwind auf 18°.

4. Juli. Am folgenden Tage zogen wir nad) 6 Uhr in der Richtung Nord 32°, Weit dem nahen Wädiy Do’an zu, und meine Erwartung war, nad) dem, was man mir von ihm erzählt hatte, nicht wenig gefpannt. Bereits cine halbe Stunde waren wir unter- wegs, und noch immer ſah ich nichts als die unabjehbare fteinige Tlähe. Kaum 300 Schritt von dem Wädiy entfernt, bemerkte ich endlich den gegenüberliegenden Rand deffelben, der immer fichtbarer bervortrat, je näher wir kamen. Wir ftiegen nun etwa 40 Fuß in eine enge Schlucht hinab, und gelangten in einigen Minuten an den Rand diefes merfwürdigen Wäpdiy.

Nie ward ic) fo mächtig überrafht, wie von dem Anblid, der ſich jett jo plößlich darbot. Er war unvergleihlid, in höchſten Grade anziehend und originell. Da das Hinabfteigen der Däfila auf dem fehr ſchwierigen und gefährlichen Wege nur langfam von ftatten ging, fo feßte ih) mich auf einen feitwärtsliegenden Felsblock, um dieſe Scene mit Muße betrachten zu können. ch fah in eine 600 Schritt breite und 500 Fuß tiefe, von fenfrechten Felſenwänden begrenzte Schlucht hinein, von deren halber Höhe aus hinabgerollte Felsftüde und Schutt des verwitterten Gefteins cine fanfte Abdachung gebildet haben, welche den Thalboden auf eine Breite von 300 Schritt reducirt. Auf ihr erheben ſich amphitheatraliſch Städte und Dörfer, zwifchen denen einzelne Gehöfte und Gräber von Heiligen liegen. Thalabwärts bemerkte ich die Städte: Darrayı, Raſchyd und Awra. Ueber fie

Ankunft im Wadiy Do’än. 97

hinaus begrenzt die Felswand des fid) dafelbft wendenden Thals die Ausfiht. Thalaufwärts ſah ich die Städte: Choraybe, Ribät, und die Dörfer: Chorbe, Darn el Dianäfil, Eſch Scharg und Ba Dfehifäs. "Alle diefe Orte liegen auf einer Strede von einer Stunde beifammen. Dichter Dattelpalmenwald und grüne Saatfelder bededen das Thal und nur hier und da zeigt fid) das trodene Bette des Wildbachs als blendend weiger Streifen zwiſchen dem dunfeln Grün der Balmen.

Diefer Anblick entfchädigte mic) reichlich für alle Entbehrungen, welche ic) während der Reiſe erduldet hatte, und flößte mir neuen Muth ein, diefe interejfanten Gegenden weiter zu erforfchen.

Die Däfila war mittlerweile an mir vorübergezogen und ber Zuruf der Beduinen entriß mid) meinen Betrachtungen.

Der Weg, welcher in das Thal führt, ift etwa 6 Fuß breit und wird zur Linken von der hochaufjteigenden Felswand begrenzt, wäh- vend zur Rechten der Abgrund droht. An vielen Stellen führt er auf einer Treppe 8 bis 10 Stufen abwärts, an andern ift er mit Kiefeln gepflaftert und der feljige Boden durch das Auf- und Abfteigen der Thiere und Menfchen jpiegelglatt geworden. Da feine Wehr eriftirt, fo ijt es ein wahres Wunder, daß nicht mehr Unglüdsfälle vorfommen, als die wenigen, von denen man mir fpäter erzählte.

Bewundernswerth ift die Sicherheit des Schrittes, mit welchem die Kameele diejen glatten Weg zurüclegen. Ich felbft glitt im An- fang mehrere Male aus, weshalb id) dem Rathe meines Führers folgte und die Sandalen auszog. Unter den unaufhörlihen Zurufungen: „Sieb Acht!“, „Langſam!“, „Halt feſt!“, Zurufungen, denen die Kameele mit Aufmerkſamkeit Horchen, Hatte die ganze Däfila um 8 Uhr das Thal ohne Unfall erreiht, wo fie ſich in verfchiedene Abtheilungen fonderte, von denen eine jede, je nach der Richtung dee Drtes ihrer Beftimmung, eine andere Straße zog. Wir zogen thal- aufwärts durch den Palmenwald, wo die Kameele das Bette des Wildbachs als Straße benugten, während die Fußgänger auf den Fuß⸗ jteigen blieben, welche auf den Dämmen liegen.

Um %,9 Uhr Tangten wir an dem Orte unjerer Beſtimmung,

A. dv. Wrede's Reiſe in Hadhramaut. 7

98 Gebräuche beim Empfang des Gaftes.

der Stadt „El Choraybe“ an. Mein Führer belud ji) mit meinen Gepäcke und führte mich durch die engen, krummen und fteilen Straßen in das Haus des Schaych „Abd "Allah Sjudän”. Die meu- gierige Stadtjugend lief von allen Seiten herbei, um den Fremden zu ſehen, jedoch ohne mich zu beläftigen oder gar zu beleidigen, im Begentheil betrug fie ſich fehr anftändig und drängte fid) heran, um - mir die Hand zu küſſen.

Nach wiederholten Klopfen wurde die Thüre von einem hod)- gewachienen jungen Manne geöffnet, der ſich ale „Schaych "Abd el Dädir” und Sohn des Hauſes gab, weshalb ih ihm, der Sitte des Landes gemäß, die Hand küßte. Er hieß mich willfommen und führte mid eine ſchmale duntle Treppe hinauf, in ein Zimmer im oberen Theil des Haufes, von dem aus ich eine herrliche Ausficht in das Thal genof.

Hier entrichtete ih den Gruß von dem Schaych Mohammed ei Harr und übergab ihm das Empfehlungsfchreiben an feinen Vater. Zu gleicher Zeit bat ich, demfelben vorgeftellt zu werden; man fagte mir aber, daß er ruhe, und gab mir das Verfprechen, mid) Nachmittag zu ihm zu führen. Gleich darauf erfchienen noch drei andere Söhme des Haufes, die Schaychs Mohammed, Ahmed und Abu Bekr, welche mich beiwillfommmeten und ſich angelegentlid; nad meinem Befinden und den Berlauf meiner Reife erfundigten. Hierauf fam ein Sclave, wuſch mir die Füße und rich jie mit Butter ein. Es herricht diefe Sitte in allen Gegenden dieſes Yandes, und der Reifende würde ein Recht haben, fich über einen Mangel an Aufmerkjamfeit Seiten feines Wirthes zu beklagen, im Falle fie nicht beachtet würde. Daſ⸗ felbe gilt vom Räuchern der Stube mit Weihrauch welches täglich fünf» bis ſechsmal gefchieht. Nach einiger Zeit brachte ein bereits erwachlenes Mädchen Kaffee und Datteln. Es war die Schwefter des jungen Schaych, „Sophie‘, ein Name, den ich hier wit zu finden hoffte. Noch mehr aber wunbderte ich mich, fie mit umbededtem Geficht vor einem Fremden erfcheinen zu fehen, welches bier, wie ich fpäter erfuhr, allen unverheiratheten Mädchen geftattet

Kleinliche religiöfe Borfchriften. 99

ft. Nachdem wir den Kaffee getrunken hatten, entfernten fich die Schaydjs, damit ich mic ungeftört der Ruhe überlaffen könne.

Dir jelbft überlaffen überdachte ich meine Yage, deren Schwierig- feiten ich mir nicht verhehlen konnte. Ich befand mic auf eimem Boden, der, als heilig anerkannt, nur von Dohammedanern betreten werden darf, und überdies in dem Haufe eines Mannes, der von dem höchft fanatifchen Volke wie ein Heiliger verehrt wurde.

Bei den Beduinen, welche ihre eigene Religion wenig kennen. und faſt feine ihrer Vorfchriften befolgen ift es leicht, ale Mufelmann zu gelten. Hier aber hatte ich es mit Leuten zu tun, welche als handfeſte Theologen aud) die Heinften Fehler bemerken und bei einem ſchärferen Eramen leicht die Entdedung machen konnten, daß ich Fein Mohammedaner fei. Gefchah dies aber, jo wurde ich ohne Weiteres der Wuth eines fanatifhen Pöbelse Preis gegeben. Bei einer Religion, wie die mohammedanifche, welde faft einzig und allein darin befteht, einige Stellen des Doräns unter finnlofen Gefti- fulationen herzuleiern und bei den Gebote die vorgejchriebenen Formen zu beobachten, ſcheint es freilich ein Leichtes zu jein, als Bekenner derfelben aufzutreten; aber es giebt eine Unzahl von Kleinigkeiten, welche berüdjichtigt werden müfjen.

So unterfcheiden fich 3. 3. die beiden Secten der Hanefy und Schäfiy unter Anderem dadurd, daß Erftere bei der Abwaſchung (Ablution) Arme und Füße ‚nur bis zum Ellbogen und Knöchel“, Regtere hingegen „vier Finger breit höher waſchen“, und andern Un- finn mehr. Dam darf ein echter Mufelmann nicht anders als mit der rechten Hand Speije und Trank zum Munde führen, nichte unternehmen, ohne vorher die Worte auszufprechen: „B' ism illah er rahmän errahym“, d. h. „im Namen deg allbarmherzigen Gottes!“ Er darf feinen Gegenftand auf die Erde werfen oder auf die Erde werfen fehen, ohne „tesdur”, d.h. „erlaube‘ zu jagen, und dergleichen mehr. Solcher Kleinigkeiten giebt es, wie gejagt, eine unzählige Menge, die ein echter Muſelmann ftreng befolgen und beachten muß, und man muß wirflih ein geborener Mnjer-

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100 Begrüßungen beim Empfang.

mann fein, um alle dieſe Abgefchmadtheiten genau Tennen zu fönnen.

Man Tann hiernach abnehmen, welche Vorſicht ich anwenden mußte, um nicht aus der Rolle zu fallen, und ich folgte daher a Nachmittag mit Hopfendem Herzen einem Diener, der mid zu dem alten Schaych führte.

In einem Zimmer des oberen Stodwerfs, weldes mit elfenbreiten Streifen eines jchwarzen, grobgewebten Wollenzenges be- det war, und feine andern Möbel enthielt, als cinen mit Büchern gefüllten Wandſchrank, ſaß in einem Winfel auf perſiſchem Teppiche der Schayd "Abd Allah Sfudän, ein etwa 7Ojähriger, hagerer, vollfommen erblindeter Greis. Um ihn, mit aufgefchlagenem Dorän in der Hand, feine Söhne, nebjt einem halben Dutend junger Scheryf und Sſayydy.

Bei meinem Eintritte ftanden Alle, mit Ausnahme des alten Schaych, auf und erwiderten meinen Gruß: „ER Sſalam alay- fom!’, d. h. „Friede fei mit Euch!’ mit der üblichen Antwort: „Alaykom ek Sſaläm!“, d.h. „Mit Euch fei Friede!” Ich. fchritt dann auf den ehrwürdigen Alten zu und Füßte ihm beide Seiten der Hand, welches er aus Höflichkeit zu verhindern fuchte; ich wandte mic) hierauf zur Berfanmlung und fprad) der Sitte gemäß: „Haqq eſch Scheräf!“, d. h. „das Recht der Scheryfe!“, worauf fo- gleich alle Scheryfe und Sſayydy °P), unter welchen auch ein 12jähri- ger Knabe mir die Hände entgegenftrecdten, welche ich denn auch pflichtſchuldigft beroch. Die Art und Weife, mit der fie diefe Ehren- bezeigung annahmen, war jo anmaßend und impertinent ftolz, daß nur der Drang der Umftände mich vermochte, meinen Widerwillen zu überwinden.

Die Söhne meines Wirths, denen id) als Schaychs die Hände füffen mußte, ließen nad vielem Widerftreben meinen Mund die Singer ftreifen und wollten den Handkuß erwiedern.

Nachdem diefe Ceremonie beendet war, nahm ich im Kreife Platz; ih mußte dem Schayc über mein Vaterland, den Verlauf und die Abſicht meiner Reife Nechenfchaft geben.

Alterthümer im Waͤdiy Ghaybun. 101

Dann frug er mid), zu welcher Secte ich gehöre, worauf ih ihm die Hanefy nannte, zu welcher Secte ſich faft alle Aegypter befennen. Zu meinem unendlihen Vergnügen war das die einzige Frage, welche die Religion betraf.

Dagegen mußte ich von Aegypten und Mohammed "Alyy, wel- hen der. alte Schaych früher während feiner Pilgerreife nad) Menaͤ in Dſchedda gejehen und gejproden Hatte, viel und ausführlich er- zählen. Da der Alte wahrfcheinlich noch einige Kapitel des Dorän mit feinen Zöglingen durdinehmen wollte, jo empfahl ich mich und ging in mein Zimmer zurück.

Am Abend kamen mehrere Scherife und ftatteten mir ihren Be⸗ ſuch ab, während welchem ſich das Gefpräh um Aegypten, feinen Beherrfcher und den Zuftand ihres Landes drehte. Schaych "Abd el Dädir machte mid auf einen Schahch aufmerffam, der, wie er mir fagte, alle Gegenden des Hadhramaut Tenne. Ich Fnüpfte daher mit diefem Manne ein Gefpräd an, welches ic) nad) und nad) auf die „Hypogäen“ lenkte, welche nad) Fresnel im Wädiy Do’än erijtiren follen. Er theilte mir mit, daß fich bei der Stadt Meſchhed Alyy an ber Mündung des Waͤdiy Ghaybun in den Wädiy Hadfcharyn etwa „40 Grabmäler“ befänden, welde er mir aber, nicht als in Felfen gehauen, fondern als Heine Häufer befchrieb, welche aus be- hauenen Quadern aufgeführt wären. Dieſe Gebäude, befchrieb er, hätten nur eine Kammer und über dem Cingange eines jeden befände fi eine Injhrift, die Niemand leſen könne.

Achnlihe Infchriften, erzählte er mir, fände man auch in Beled el Hadſchar, namentlich im Wädiy Obne.

Außer andern merkwürdigen Mittheilungen, welche ich an Ort und Stelle näher bemerken werde, erfuhr ich von ihm, daß die Gegend, welche ich von Makalla aus bereiſt hatte, ſowie auch der Waͤdiy Do’an ?%*) und andere Thäler, welche er mir nannte, zu einer Brovinz gehören, welde Belch beny Yſſa (das Land der Söhne Yſſa's) genannt würde, und nicht zum eigentliden Hadhramaut, weldes einige Tagereiſen nad) Nordoften läge, u. |. w.

102 Abhängige Stellung der Sultane.

Zede Stadt, ja faft jedes Dorf des Wädiy Doän hat feinen Herrn, der ſich die verjchiedenen Titel „Sultan“, „Dawlet“, „Naqyb“ oder „Dula“ beilegt.

Alle diefe Heinen Fürſten oder vielmehr „„Seudalherren‘ find zwar einer von dem andern unabhängig, ftehen aber ſämmtlich unter dem Schutze oder vielmehr der Herrfchaft der hier haufenden Stämme EI Chämiye und Moräfchide, denen fie einen jährlichen Tribut ent- richten müſſen. Bei vorkommenden Streitigkeiten zwijchen zweien diefer Sultane werden fie gewöhnlich als Schiedsrichter von denfelben anerkannt. Eine Anzahl Beduinen der befehütenden Stämme wohnen mit den Sultanen in ihren Thürmen, welde außerhalb der Städte fo angelegt find, daß fie diejelben beherrſchen. Durch dieje Ein- richtung haben die Beduinen nicht nur die Stadt, fondern aud den Sultan in ihrer Gewalt. Die beiden hier herrichenden Stämmie jind Unterabtheilungen des Stammes Beny Sfayban. Der Schayd) des Stammes Chämiye heißt Hoſſayn ba Sohra ben Amudy, umd der Schayd des Stammes der Moräfchide heißt "Abd er Rahınan- ba Dorra ben Amudy, und wohnen beide zu Choraybe. Der Sultan, der zur Zeit meiner Ankunft dort regierte und dem auch das gegen- überliegende Dorf Eſch Scharq gehört, hieß: Menäcih ibn “Abd Allah ibn ben "Yffa el Amudy, und ftammt, wie alle feine Collegen, in gerader Linie von dem heiligen Sfa’yd ibn "Yffa el Amud ibn Hodun ibn Hud ab. Er refidirt in einigen feiten Thürmen, die füdlich von der Stadt, nur durch eine tiefe Schlucht oder Hohlweg von berjelben gefchieden, dergeftalt liegen, daf fie einen großen Theil der Stadt beherrfchen. Die Gruppen von Thürmen heißen „EI Arr“.

EI Choraybe liegt an der wejtlichen Seite des Wädiy und zählt ungefähr 6000 Einwohner, welche den Gejchlechtern der "Amudy und Oorayſchy angehören und fi mit Aderbau und Handel be: ſchäftigen. Die Straßen find eng und abſchüſſig, mit Kiejel gepflajtert und überall mit Stehricht bededt, den man nur dann und wann bin- wegräumt, um ihn ale Dünger zu gebrauchen. Faſt neben jedem Hauſe befindet fich eine Heine Lache, in welche fi) Waſſer und Unrath

Bauart und Einrichtung der Hänfer. 103

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jammelt und mehr wie einen Sinn unangenehm berührt. Dieſes macht das Gehen auf den Straßen eben nicht angenehm, bejonders, da man immer beforgen muß, von oben herab mit ſchmutzigem Waffer begoffen zu werden. Die Form ber meift vier, auch fünf Stod bogen Häufer erinnert mid) an die der Tempel der alten Aeghpter, welche, wie fie, oben jchmäler als unten find.

Die Tenfter find verhältnißmäßig jehr flein und werden nur mit ftarfen Läden von hartem Holze verfchloffen, da Glasfcheiben unbelannt find. Außer dem Fundament, welches aus unbehanenen Steinen etwa ſechs Fuß hoc, über den Erdboden reicht, ift der obere Theil der Häufer aus Lehmziegeln aufgeführt, welche, obgleich in der Sonne getrodnet, dennoc jehr dauerhaft find.

Die Terraſſe jteht ungefähr 2 Fuß vor, und ift mit einer ungefähr 4 Fuß hohen Mauer umgeben. In jedem Stode find die Zimmer duch einen Gang verbunden, auf weldhen die fchmale Treppe ausmimndet. Die Wände der Zimmer, Treppen, Gänge, fo- wie auch deren Fußböden und die Stufen der Treppe find mit einem thonigen Cement belegt, in denen zur Zierrath breite, wellenförmige Streifen eingedrücdt find. Die Hausthür ift fehr niedrig und ge- ihmadvoll mit Schnigwerf verziert, in der Regel ift aud ein Sprud aus den Dorän darauf angebracht; die Einrichtung der Zimmer ift ehr einfach, denn außer einem Wandſchrank, deffen Thür mit eingeichnigten Arabesken und großen melfingenen Nägelfnöpfen ge- ſchmückt ift, fieft man feine Möbel. Der Fußboden ift ent- weder ganz oder nur längs den Wänden mit dem oben erwähnten fhwarzen Wollenzeuge bededt, und an den Wänden hängen Qunten- flinten, Säbel, kurze Yanzen und Schilde. An der Wand, welche der Ka’ba (Mekka) zugewandt ift, hängen mehrere kleine Matten, auf denen man das Gebet verrichtet. In allen nach Außen gehenden Wänden und im vorfpringenden Theile der Terraſſe find runde Schießlöcher angebradjt. Die Wohnungen der Sultane unb großen Schaychs erfennt man an den „Dörnern des Steinbocks“, welche auf der Terraſſe und allen oder einigen Eden eingemauert find.

104 Große Unficherheit des Handels.

Die Stadt befitt drei Mofcheen und einen Heinen „Bafar““, in welchem ſich höchſtens einige zwanzig ſpärlich ausgerüftete Kauf: fäden befinden. Die Häufer find von Außen fo dicht aneinander gebaut, daß fie die Stelle der Stadtmauern vertreten; roh gearbeitete starke, hölzerne Gitter verfchließen die Ausgänge der Straßen. Brunnen befinden fid) ſowohl innerhalb, als auch außerhalb der Stadt mehrere, welche ein vortreffliches Trinkwaſſer in gehöriger Menge liefern.

Mit Sonnenuntergang jtand der Thermonteter bei heiterm Him— mel und Windftille 20°.

5. Juli. Am folgenden Morgen machte ich in Begleitung Schaych Abu Bekr's, des jüngften Sohnes meines Wirths, einen Spaziergang in die Umgebung der Stadt. Während wir über den Bafar gingen, bemerfte ich dem Schaydh: „daß ic den Bafar für eine ſolche Stadt ſchlecht verforgt fände‘. Darauf entgegnete er mir: „daß die Städte Ribät, Rafchyd, Awra und Darrayıı feinen Bafar befüßen, und daß die Kaufleute ihren größern Waarenvorrath in ihren Häufern hätten. Da aber die beiden Bebuinenftämme des Wädiy ınit denen der Umgegend fortwährend im Streite lägen, und daher jeden Augen blid ein Ueberfall möglich fei, fo wagten fie es nicht, die in folchen Fällen unbefchütten Kaufläden mit ihren Waaren zu füllen. Selbft die beiden fonft befreundeten Stämme geriethen oft innerhalb der Stadt in Streit, wobei die Einwohner für die Einen oder die Andern Partei nähmen, und die den Befiegten zugehörigen Kaufläden gewöhnlich ge- plündert würden. Aus diefem Grunde verläßt Niemand fein Haus, ohne mit Gewehr und Dolch bewaffnet zu fein, und jeder Kaufmann bat in feinem Laden feine geladene Flinte neben ſich ſtehen.“

Welch ein Zuftand! Keine feelenläuternde Moral legt hier ver rohen Gewalt Feffeln an, und in feiner urfprünglichen Roheit herricht bier noch das Fauftreht. Die Religion fann feinen mildern: den Einfluß ausüben, denn die, weldye hier herrſcht, üt nicht die Religion der Liebe und Verſöhnung, fondern die des Schwertes.

Teltungsthürne. Bewäfferung: 105

Die beiden Beduinen-Schaychs, ein Neffe des Sultans und der DadHy Taken auf einer Erhöhung neben einem Kaufladen, und waren, wie mir mein Begleiter fagte, bejchäftigt, Streitigkeiten zu Tchlichten; eine Menge Beduinen umgaben fie. Cs dien mir aber, daß die Furcht des Herrn nicht groß bei ihnen war; denn fie machten einen Pärm, daß man fein eigenes Wort nicht hören konnte. Schaych Abu Behr machte mid) mit dem Schayhch befannt, und nad) den landes- üblichen Begrüßungen fegten wir uns auf eine Matte nieder; fetzten aber, nachdem wir die Neugierde diefer „Gewaltigen“ befriedigt hatten, unfern Spaziergang fort. Durch ein enges Gäßchen gelangten wir ins Freie und ftiegen in die Schlucht hinab, welche Ei Arr von der Stadt trennt und mit Dattelpalmen dicht bejett if. Am Ab- hange der gegegenüberliegenden Anhöhe fielen mir die oben erwähnten anfehnlihen Subftructionen auf. Ste find aus roh behauenen Quadern gemauert, welche mit einen fteinharten Mörtel verbunden find und hier und da noch 3—4 Fuß über den Schutt hervorragen. GI Arr befteht aus „12 Thürmen“, die dergeftalt angelegt find, daß fie ſich gegenfeitig beftreichen. Von El Arr jtiegen wir ins Thal hinab, wo ich die Wafjerleitungen befah, deren zwedmäßige Anz lagen in einem „ſolchen“ Lande wirflih überrajchen.

Das 20 Fuß breite Flußbett, welches, wie die meiften Wädins, nur 'nach jedesmaligem Regen Waffer führt, Hat auf beiden Ufern 10 Fuß hohe Dämme, deren Breite an der Baſis 8 Fuß, im obern Theile aber nur 4 Fuß mißt. Sie find aus dem feiten, mergligen Thone des Wädiy aufgeführt, und mit großen Steinen, ſowohl nad) Augen, als nah Innen befleidet. Hier und da’ find in diefen Dämmen Feine rımde Oeffnungen angebracht, durch welche das Waffer in Heine Kanäle fließt, weldye je nad) der Höhe des danebenliegenden Zerrains höher oder tiefer angelegt find.

, Die obere Fläche der Dämme ijt mit Fleinen Steinen ge- pflaftert und dient ald Weg für die Fußgänger. Steinerne Brüden eriftiven nicht, und nur hier und da fieht man, von einem Damm zum andern, drei bis vier Dattelpalmjtämme neben-

106 Fruchtbarkeit des Wadiy Doän.

einandergelegt. Da das Thal einen ziemlich jtarfen Fall hat, fo find im Flußbette an verfchiedenen Stellen 4—5 Fuß hohe Duer- dämme oder Wehre gezogen, oberhalb welcher fi. das Waſſer ftaucht und dadurdy in 4 Fuß breite, ebenfalls eingedämmte Neben⸗ fanäle gedrängt wird, die das Zerrain bewäfjern, welches thalabwärts, längs den Abhängen, folglic; höher liegt, ale die Ländereien neben dem Flußbette.

Alle diefe Anlagen fand ich aufs Beite unterhalten. Der Boden des Thale befteht aus einem fetten, mergligen Thon, welcher mit etwas Sand vermifcht iſt und jehr fruchtbar fein joll. Längs den Kanälen zieht ſich eine üppige Vegetation von Arda, Tamarisken, Mimofen, Rieinus, Platanen und Sylomoren hin. Die Felder find auf eben die Art eingetheilt, wie die von Harr Schimäte.

Choraybe gegenüber mündet der Waͤdiy Dolle, weicher mit Gärten bededt ift, die theild dem Sultan, theils einigen Scheryfen gehören und Bananen, Aprifofen, Citronen, Weintrauben, Gemüſe manderfei Art liefern; unter diefen bemerkte ih Badingan (Solanum melon- gena), Zwiebeln, Linfen, Rettige (weiße), Peterfilie, Bohnen, Lu— pinen, Surfen, Kürbis, Lattich u. dergl. m.

Ar der Südfeite dee Wädiy Dolle liegt das Dorf Eſch Scharg, weldyes Eigenthum des Sultans von Choraybe if. Schahch Abu Behr ſchlug mir vor, dafelbt einen Scheryf feiner Bekanntſchaft zu befuchen, worein id) gern willigte, da ich feine Gelegenheit vorüber: gehen laſſen wollte, die mir Belehrung veriprad).

Wir trafen bei dem Scheryf mehrere andere Perſonen, welche alle fehr erfreut waren, mich zu fehen. Nachdem wir Ehre gegeben, dem Ehre gebührte, ließen wir uns nieder und zogen unfern Kaffee: beutel, aus dem ich 5—6 rohe Kaffeebohnen, nebſt einem Eleinen Stücdchen Ingwer nahm und auf einen aus Palmblättern geflochtenen Präfentirteller legte, den ein Negerfelave herumreichte. Diele fonderbare Sitte herrſcht im ganzen Dadhramaut, weshalb aud ein Feder einen Kleinen Beutel mit vohen Kaffeebohnen bei fic führt. Es würde als eine Beleidigung gelten, wenn Iemand dem, der ihm

Beſuch beim Sultan von Choraybe. 107

Beſuch macht, mit Kaffee bewirthen wollte, bevor nicht derjelbe durch das Deffnen feines Kaffeebeutels das Verlangen darnach geäußert hat; eine Ausnahme von diefer Negek ift, wenn der Fremde im Haufe wohnt. Das Gefpräd war für nich von wenigem Intereffe, da ich nur die Neugierde der Gejellichaft zu befriedigen. hatte, während fie meine Fragen nur oberflächlid) beantworteten. Id) verabfchiedete mich daher, fobald der Kaffee getrunken war, ünd fehrte nach Choraybe zurüd.

Des Nachmittags befuchte mich des Sultans Bruder, ein fehöner Mann, von etwa 50 Jahren, dunkler, faft ſchwarzer Gefichtsfarbe und mit der einfachen Tracht der Beduinen angethan. Er fagte mir, daß fein Bruder, der Sultan, mich zu jehen wünſche und ihn daher gefickt habe, mich zum Abendeffen einzuladen; an Schaych Abd el Dädir erging diefelbe Einladung. Natürlich war ic) erfreut, ben Be— herricher von Choraybe kennen zu lernen, und folgte alſo in Begleitung “Abd el Dädir’s dem hohen Führer nach der Refidenz.

Bei unferer Ankunft im Haufe des Sultans fdhritt einer der dort Wache haltenden Beduinen voran und führte uns in die obere Etage, wo er die Thüre des Zimmers öffnete, im welchem fich der Sultan befand. An einem Fenſterchen des mehr breiten als langen Gemachs jap Sultan Menäcih, ein Hagerer, etwa 7Ojähriger Greis, auf einem perjifchen Teppiche, den der Zahn der Zeit bedeutend mit- genommen hatte. _ |

Wie fein Bruder, war auch er bis zur Hälfte nadt und von dunkler Farbe, von der das blanke filberne Heft der Dſchembiye und der ntit fleinen filbernen Platten bejette Riemen feines Heinen Pulver⸗ horns nicht weniger auffallend abftah, als das fchneeweiße Haar feines Hauptes und Bartes. Sein Geficht Hatte einen freundlichen edlen Ausdrud umd deutete keineswegs fein hohes Alter an.

Nach beendigtem Begrüßungsceremoniel mußte id) mid) neben ihn auf den Teppich feken, die Kaffeebeutel wurden gezogen unb bie Bohnen von einem Sclaven gefammelt, welcher bald nachher Kaffee und eine Schüffel mit Datteln brachte.

108 Der Sultan von Choraybe.

Das Zimmer, in weldem wir uns befanden, ſchien das PBrunf: gemach zu fein; denn ob es gleih mit dem oben bejchrichbenen, ſchwarzen Wollenzeuge bedeckt war, fo, hingen doc gegen 30 lange Gewehre und cine Anzahl Sübel, Lanzen, Dſchembiye (Dolce), Schilde und Patrontajchen an den Wänden umher.

Der Sultan, weldher mich feinen Augenblid unbeachtet ließ, be: merkte, daß meine Blide an den Waffen hingen, und vief daher feine Sclaven, die ein Stüd nah dem andern herbeibringen mußte. ‘Die Gewehre waren ſämmtlich mit perfifchen Läufen verfehen, die übrigen Waffen hatten aber nicht viel mehr Werth, als den des daran ver: Ichwendeten Silbers. Während ich mit der Befichtigung der Waffen befchäftigt war, famen die beiden Beduinen-Schaychs Bi Dorra umd Bi Sohra, weldye ebenfalls eingeladen waren.

Die Unterhaltung drehte fih nun um Waffen und Krieg, wobei Mohammed 'Alyy's, des türfifchen Sultans, Fadhl Alyy und der Engländer in reichlichem Maße Erwähnung geſchah. Sie erjtaunten nicht wenig über Alles, was id) ihnen von der Macht und dem Reich— thume Mohammed Alyy's, den fie (nebenbei gejagt) nicht anders nannten, als ‚den Sultan von Aegypten‘, und was ich ihnen von der Macht der Engländer und andern europätfchen Mächte erzählte.

Auch hier fand ich die Meinung eingewurzelt, daß der Eultan der Beny DOttoman König der Könige und feine Macht unwiderjtch- ih je. Als ich die wahre Sachlage berichtet Hatte, ftellte der Sultan die Frage, „warum denn die Macht des türkifchen Kaiſers heruntergefommmen ſei?“ Diefe Gelegenheit, mid) als eifrigen Moslim zu zeigen, ließ ich nicht unbenutt vorübergehen und antwortete daher: „Wie willit Du, daß Gott und der Prophet, den Gott für immer verherrlichen möge, ihm Kraft verleihe, wenn er nicht die Gejeke hält, wie e8 eines Mufelmannes Pflicht ift? Das Oberhaupt des Islaͤms ichwelgt, wie ein Ungläubiger, im Weine und verdirbt fo, durch fein böfes Beijpiel, die alte Zucht und Sitte jeiner Unterthanen! Kann es nach diefen anders fein, als daß Gott ihn in die Hände feiner

Religiöfe Erelufivität. Das Abendeffen. 109

Feinde giebt!” Ic hätte in dieſem Augenblicde Maler fein mögen, um den Ausdruf des Eritaunens und des Abfcheus zu copiren, welcher jich in den Zügen meiner Zuhörer ausſprach. Nach Furzer Paufe machten fie ihren Gefühlen durd) ein Fräftiges „Eſchhed Allah!“ Luft und verdammten den Sünder mit frommem Eifer in den Ab- grund der Hölle. Der Sultan bemerkte dann mit Stolz, „daß der wahre Isläm nur noch in ihren Thälern wohnhaft ſei und hoffentlich mit der Hülfe Gottes, bis zum Tage des jüngften Gerichts darin verbleiben werde.” Die VBerfammlung ſprach zu diefem frommen Wunſche ihr „Amen!’ und ftrih mit beiden Händen über Geficht und Bart.

Auf meine Frage, ob in ihrem Lande nicht hier und da „Juden“ wohnten, antwortete mir der Sultan entrüftet, wie ich jo etwas von ihrer Heimath denfen könne, ihr Land fei ein Beled cd Dyn (ein Yand des Glaubens), in welchem mehr Heilige begraben worden wären, als in allen andern Ländern des Isläms und in das weder Chrift, noch Jude, noch Baniane (Brahmaverehrer) kommen dürfe.

Unter folden Geſprächen war die Stimde der Abendmahlzeit herangefommen, und nahdem wir da8 Abendgebet verrichtet hatten, wurde eine große runde, aus PBalmblättern geflochtene Matte vor uns ausgebreitet, auf der man Weizenbrode in Form großer, flacher Kuchen herumlegte. ine große hölzerne Schüffel mit Reis, der ohne Salz und Butter bereitet war und auf dem ein halbes ge= fochtes Schaf lag, wurde nun aufgetragen. Dem Gebraude gemäß ferpirte man die Fleiſchbrühe in einem befondern Gefäß; bei diefer Gelegenheit aber war fie in einem Geſchirr enthalten, welches in Europa zu einem ganz andern Zwecke beſtimmt ift, nämlich: „in einem anfehnlihen, mit blauen Blumen gezierten Nachttopfe!“ Beim Anblick diefes Gefchirres auf der Tafel eines arabifchen Fürſten, fonnte ich nicht umhin, zu laden. Der Sultan, welder nebit den andern mitlachte, ohne zu willen, warum, fragte mic) nad) der Urfache. Ich entfchuldigte mich, jo gut ich konnte, mit dem Vor⸗ geben, an etwas Anderes gedacht zu haben, das in feiner Beziehung

110 Seltſame Suppenſchüſſel. Nibät, die Stadt.

mit irgend einem hier vorhandenen Gegenftand ftehe. Gegen das Ende der Mahlzeit ging diefe neue Art Suppenſſchüſſel von Mund zu Mund, bis fie geleert war. Ich war neugierig zu erfahren, durch welche Schidjale dieſes Geſchirr bis hierher verſchlagen worden ſei, und man ſagte mir, daß es ein Kaufmann von Makalla von einem engliſchen Schiffscapitain erhalten und es dem Sultan zum Geſchenk gemacht habe. Bald nachdem es dunkel geworden war, mahnte Schaych "Abd el Däadir zum Aufbruch, worauf une der Sultan durch einen Beduinen bis an unſer Haus escortiren ließ.

Am Morgen, mit Sonnenaufgang, bei wolfenlofen Himmel und Winditille ftand der Thermometer auf 15°, um Mittags 25°, des Abends 20’ N.

6. Juli. Den 6. Juli befuchte ich unter dem Schutze eines Beduinen, den mir auf mein Verlangen Schayd Ba Dorra geſchickt hatte, die etwas über %, Stunde von Choraybe entfernte Stadt Ri: bat. Sie ift mit jener von gleicher Größe, und liegt zwifchen dem Waͤdiy Minua und En Nebyy (des Propheten) an dem Unions- punfte beider Wädiy, der zugleich, der Entjtehungspunft des Wädiy Do’an ift. Die Richtung des Waͤdiy Do’än von Choraybe nad Ribaͤt ift Sid, 20° Wet. Der Wädiy Minua zieht fi im der Richtung Süd, 16° Welt hinauf.

Ribät gegenüber an der rechten Seite des Wädiy Minug liegt das Dorf Ehorbe, und an der linken Seite des Wädiy En Nebyy das Dorf Darn cl Manäfil. %,, Stunde oberhalb diefes Ortes liegt an der rechten Seite des Wädiy En Nebyy, da, wo er fich mit dem Wädiy Chamuda vereinigt, das Dorf Haſſuſſa. Faſt diefem Dorfe gegenüber, um ein Weniges mehr thalaufwärts, mündetder Wädiy Tarın Sſiybe. Alte diefe Ortfchaften find das Eigenthum des Sultans von Ribät.

Auf dem Rückwege fah ich in der Schlucht oder dem Hohlwege von Choraybe, nicht weit von der Stadt, mehrere junge Mädchen, welche, der allgemeinen Sitte islämitifcher Völker zuwider, unver- fohleiert gingen, ſich auch nicht im Geringften genirten, bei unferer Annäherung uns weidfid mit Fragen zu plagen. Ihr Anzug und

Frauentracht im Waͤdiy Doän. 111

die Mittel, welche fic angewandt hatten, um recht fchön zu fein, waren im höchſten Grade originell, würden aber wenig nad dem Gefchmade unjerer Damen fein.

Der Schnitt ihrer Kleidungsſtücke ift ganz der, wie bei den Beduinenfrauen oben befchriebene, und der einzige Unterſchied befteht darin, daß fie aus feinern Stoffen verfertigt find. Die Oberhemden waren bei Alten hellblau, der Rand an den Aermeln, der Halsöffnung und den Einfchnitten auf den Schultern grün und mit Stickereien verziert, welche bei den Reichern mit Silber, bei den Aermern aber blos mit weißen Baumwollenfaden ausgeführt find. Eben- jo eine herzförmige Verzierung, welche vom Halſe bis zur halben Bruſt miedergeht. Der Gitrtel ift aus dunflerm Zeuge ebenfalls ge- ſtickt und mit einem filbernen oder meffingenen Schloffe verjehen.

Die Beinfleider find meift aus roth und weiß geftreiftem Baummollenzeuge verfertigt. Je nachdem fie veid) oder weniger reich find, tragen fie fingerdide filberne oder meffingene Ringe um Bein und Arın, aud) in jedem Ohre bis zu zwölf ziemlich ftarfe Ringe, welde längs den Rande des ganzen Ohres angebracht find und daffelbe ftark hinunterziehen, was ihnen eben fein grazidfes Anfehen giebt. Einige diefer jungen Schönen Hatten noch zum Ueber: fing in jedem Nafenflügel einen Ring angebracht. Auf jeder Seite des Kopfes ordnen fie fich ihr Haar in Kugeln, welde fie traubenförmig zuſammenbinden. Um ſo viel als möglich ſolche Kugeln aufweifen zu können, welche gewöhnlich die Größe einer halben Mannes: fauft haben, nehmen fie ihre Zuflucht zu alten Stüden verfchiedener Stoffe, über welche die Haare gewidelt werden. Die ganze Friſur wird dann mit einer Summiauflöfung überftrichen, um ihr den ge- hörigen Halt zu geben. Von einer Schläfe zur andern binden fie ein farbiges Band, an welchen mehr oder weniger Feine metallene Räft- chen (Etuis) von der Form Heiner Schnupftabafsdöschen angebracht find, in welchen ‚‚gefchriebene Amulette“ fteden. Das Haar ift an beiden Seiten und in der Mitte, von vorn nad) Hinten, mit finger- breiten rothen Streifen bemalt.

112 Schminke, Friſur, Talismane u. f. w.

Geſicht, Hals, Arme und Füße find mit einem Crtract der Curcumawurzel gelb gemalt und erfteres (das Gefiht) mit rothen und indigoblauen Blümchen bemalt. Die Augenlider find mit dem oben bejchriebenen Kohl ſtark gefärbt. Der Anblid des Coſtüms, welches ich hier beigegeben habe *), wird eine richtige Idee von dem ganzen Anzuge geben, richtiger, als es meine Belchreibung vermag.

Die Kinder der „Do’any” gehen, mit Ausnahme der Reichen, bis zu ihrem vierten Jahre vollfommen nadt.

Ihr Haupthaar haben fie auf eine ganz eigenthümliche Art ge- ihoren. So fah ih Einige, weldhe nur oberhalb der Stirn einen runden Büſchel Haare trugen; Andere, bei denen man nur oberhalb der beiden Scläfe einen Büſchel und über den Scheitel von vorn nad) Hinten einen zwei fingerbreiten Kamm hatte jtchen laſſen; noch) Andere endlich, bei denen zwei dergleichen Kämme den Kopf in drei Felder theilten. Dieſe Art, das Haupt zu fcheeren, ift jedoch nur bei den Knaben gebräuchlid).

Die Frauen tragen die Kinder nicht, wie die Aegypterinnen, auf der Achfel, fondern ſie jegen fie rittlings auf die Hüfte. ⸗Die Kinder der Reichen tragen, wie die Erwachſenen, weiter feine Kleidungsftüce, als einen Schurz um die Hüfte und ein Feines vorn offenes Hemd mit langen engen Aermeln. Kopfbekleidung ſah ih nur bei den größern Knaben und verheiratheten Frauen,

Um die Kinder vor Unglüdsfällen und dem Einfluffe des böfen Auges zu ſchützen, hängt man ihnen eine Menge Amulette um, welche bei reihen Leuten in filberne Kapſeln eingefchlojfen, bei den Armen aber in Leder eingenäht find. Bei mehrern diefer Kinder zählte ich bis zu 50 folder „Talismane“.

Nachdem ic) die Neugierde diefer Schönen wenigftens zum Theil befriedigt Hatte, begab ich mich, jo ſchnell es ſich thun ließ, nad meiner Wohnung, da Einige der Mädchen Miene machten, meine Geduld noch ferner auf die Probe zu Stellen.

*) MWrede’s Coftlimbilder gingen, wie gejagt, verloren.

Gefahr beim Befuch der Ruinen. 113

Nach meiner Zurüdfunft befuchte ich meinen greifen Wirth und zeigte ihm meinen Entfchluß an, nod) vor der Sfyara (Wall: fahrt) nad Ghadım, „die Ruinen im Waͤdiy Obne und dem Wädiy Mayfa'a“ zu befuchen, zugleid) bat ich ihn, mich mit Smpfehlungsjchreiben nad) jenen Gegenden zu verfehen. Erftaumt frug er mid): „warum ich mid) den Befchwerden und Gefahren einer ſolchen Reife ansjegen wolle, da ich dod) ruhig das Felt in feinem Haufe abwarten fünne, wo es mir an Nichts mangeln würde”. Ich dankte ihm für die Güte, die er mir bis jetzt erwiefen und erflärte: „daß ich neben dem eigentlichen, religiöſen Zwecke meiner Reife, aud) noch den verbände, mich ſoviel al8 möglich zu unterrichten und durch Anſchauung zu belehren, und daß befonders die alterthümlichen In— ſchriften aus der Zeit der himyariſchen Könige meine Aufmerkfamfeit in die höchfte Spannung gefett Hätten, und ich fehnlichit wünfche, meiner erregten Wißbegierde zu genügen‘. Diefe Erklärung be- friedigte den ehrwilrdigen Alten vollfommen und er verſprach mir Briefe nad) Hin ben Dighäl und Dſchul eſch Schaych mitzugeben. Auch follte mir fein Sohn einen „Führer“ verfchaffen.

Doch ermahnte er mic, nicht zu lange bei den Ruinen zu bleiben, da die Beduinen leicht die Meinung faffen könnten, daß ich der Schäße halber dahin gekommen fei. Vor zehn Jahren fei au ein Mann durch Choraybe gekommen, der einen „rothen Bart‘ getragen, wes- halb ihn die Beduinen für einen „Käflr” (d.i. „Ungläubigen‘) gehalten hätten. Diefer Fremde habe aud) die Ruinen beſucht und deren Inſchriften copirt, fei aber auf dem Wege nad) Märib von den Beduinen des Stammes Hawaͤlyy 91), erſchlagen worden, haupt⸗ ſächlich deswegen, weil fie der Meinung geweſen, er habe dort Schätze gehoben.

Der Abſcheu, welchen die Beduinen des Hadhramaut für alle diejenigen hegen, weldhe „vothes Haar’ tragen, fchreibt ſich auf Grund folgender Kegende aus den Zeiten des Propheten Gälih her. „Als Gott nämlich den Propheten Caͤlih fandte, um den in greuliche Lafter verfunfenen Stamm Thamud zu befehren, Täugneten fie die

„e v. Wrebe’s Reife in Hadhramaut. 8

114 Die himyariſche Konigsliſte.

Göottlichkeit ſeiner Sendung und verlangten von ihm ein Zeichen. Hierauf führte fie der Prophet an einen Felſen, öffnete denfelben und ließ daraus ein Kameel mit feinen Jungen hervorgehen. Zugleich warnte er fie, diefen Thieren etwas zu Leide zu thun, widrigenfalfe e8 dem ganzen Stamme zum Berderben gereichen würde. Zroß dem Wunder ſchenkten fie den Propheten feinen Slanben, und einer unter ihnen, Namens Dodär el Ahmar 2) (Dodär der Rothe), tüdtete durch einen Pfeilfhuß die Kameelkuh. Das junge Kameel verſchwand in dem Felfen. Gott aber vernichtete den Stamm.’ Nod) jett fagen die Araber: „voth wie Dodär’ oder aud: „Unheil: bringend wie Dodär der Rothe‘, und fehen unter andern einen Jeden, der rothes Haar trägt, wie einen Menfchen an, der Böſes gegen fie im Schilde führt.

Nächſt diefem unterhielten wir uns über die vorislämitifche Ge- fchichte der Araber, worüber indeß der alte Schaych wenig zu fagen wußte.

„Sein Sohn Ahmed dagegen‘, verficherte er mir, „wiſſe mehr als er von ſolchen Sachen, denn der befike ein altes Manufceript, welches die Gefchichte dev himyarifchen Könige von Dahtän bie Mohammed enthalte.‘

Nachmittag befuchte ich den Schaych Ahmed und bat ihm, mir das Manufcript zu zeigen. Es war durch vier verfchiedene Hände und mit vielem Fleiß gefchrieben. Das Papier war geblic) nnd glatt und im Duartformate. Zur Screibung der Namen der Könige, Provinzen und Stämme hatte man rothe Tinte verwandt, der Titel jedoch fehlte. Ic hätte es fehr gern an mid gebracht. Jedoch da die Summe, die Schaych Ahmed dafür verlangte, meine Reife: faffe zu ſtark angegriffen haben würde, fo mußte ich zu meinem Xeid- weien auf den Beſitz defjelben verzichten. Der Schayh war fo zuborfommend, mir zu verjprechen, mir bis zu meiner Rückkehr ein Verzeichniß der darin genannten Könige anzufertigen, welches An- erbieten ich mit Danf annahm. Er hielt aud) in der Folge Wort, wodurch er mich in den Stand fekte, eine bedeutende Lücke aus-

Heftiges Gewitter. Abreife nad) 'Obne. 115

zufülfen, welche ſich bei Abu el Fidaͤ und andern arabifchen Schrift- jtelfern finden. *)

Kaum war ich auf meine Stube zurücigefehrt, Tv brach ein heftiges Gewitter los. Blitz auf Blitz durchzuckte das ſchwarze Gewölke, welches dicht über dem Thale lag. Mit furchtbarem Getöſe hallten aus allen Schluchten des Thales die krachenden Schläge des Donners wieder und ein Regen, wie man ihn nur unter den Tropen kennt, praſſelte gleich einem Wolkenbruche nieder. Hunderte von Cascaden ſtürzten von der Hochebene in die Tiefe hinab, und in dem kurz vorher noch trockenen Flußbette des Wädiy tobte jet ein reißender Berg- itrom. Dabei braufte ein Heftiger Nordweft und bog die fchlanfen Stämme der Palmen.

Der Ruf „Erg Sal!” („die Ueberſchwemmungl“) erſcholl ans allen Häufern, und die Frauen trilferten den.aud hier gebräuch⸗ lihen „Sugharit”.

Endlid nad) zwei Stunden ruhten die empörten Elemente und die fetten Strahlen der untergehenden Sonne erhellten wieder das während des Sturmes in nächtliches Dunkel gehüllte Thal.

Der Thermometer zeigte am Morgen bei heiterm Himmel und Windftille 15°, am Mittag bei Nordwind 25°, am Abend nad) dem Gewitter bei Nordoftwind 20°.

7. Juli. Am 7. Juli übergab mid) Schayh Abd el Däbdir dem Schuße eines Beduinen vom Stamme Ba Omm Sſaduſſ, welcher: ſich verpflichtete, mic, fiher nad dem Dorfe Hiçn ben Dighäl zu bringen, welches fünf Zagereifen von Choraybe im Wäpdiy el Ha⸗ dſchar liegt.

Da ich noch nicht mit dem nöthigen Proviant verſehen war, der Bednine aber einer Qäfila angehörte, welche ſogleich aufbrechen wollte, und ohnehin am folgenden Zage mehrere Beduinen und Städte- bewohner nah Yign ben Dighäl reifen wollten, fo beichloß ich, in Gejellfchaft diefer Leute zu gehen, und übergab meine Cffecten

*) Man fehe die Wrede'ſche Königslifte im Anhang I, A. a 8*

116 Geographifche Irrthümer.

dem Beduinen, welcher verfprah, im Dorfe el Ebnä auf mich zu warten.

Gegen Abend wiederholte fi) der Gewitterfturm, der an Heftig- fett dem des vorigen Tages Nichts nachgab. Später Hatte ich eine Unterredung mit dem fchon oben erwähnten „länderkundigen Scheryf“, der mir fehr intereffante Mittheilungen machte.

So fagte er mir unter anderm: „daß es im ganzen Rande Teine Stadt oder Dorf gäbe, weldyes den Namen Do’än*) führe, ebenfo wenig exiftire eine Ortfhaft Hadhramaut“. Unſere neuern Geo- graphen haben mit diefem Namen ohne Weiteres „zwei Städte‘ be- nannt, welche nirgend vorhanden find und die fie ganz willkürlich in „Hadhramaut“ exiſtiren laſſen. Wie viele andere Irrthümer haben ſich noch auf unſere Karten eingeſchlichen, welche durch falſche oder falſch verſtandene Berichte entſtanden ſind, und die bei näherer Unter⸗ ſuchung beſeitigt werden können.

Der Thermometerſtand war am Morgen bei Windſtille und heiterm Himmel 15°, zu Mittag bei Nordweſtwind im Schatten 25°, am Abend nad) dem Gewitter und bei Norboftwind 20°.

*) Weber die wahre Schreibart des Namens „Do'än” jehe man die Note 90.

Biertes Kapitel. Erfte Erenrfion vom Waͤdiy Do’än ans.

Abreife von Choraybe. Wädiy Minua. EI Dirbe Waͤdiy Ghardım. Nachtlager im Wädiy Schomayre. EI Ebnä. Girrayı. Excurfion nach dem Dichebel Schagg. Naditlager im Wadiy Sfalaf. Waͤdiy Mayfche. Dichebel Dabr eff Sfäyir. Nachtlager im Wädiy Därat es Soha. Wädiy el Boyut. EI Aqyq. Dſchebel Moll. Waͤdiy Gafraͤ. An⸗ funft in Hign ben Dighäl. Wädiy EI Hadſchar. Hien el Däyime,

8. Juli. Am 8. Juli wurden am Morgen alle Reifevorberei- tungen beendigt. Mein Wirth verforgte mich mit Mehl, Datteln, Kaffee, Butter und Honig und mit einem großen Stüde getrockneter Haiftfchfinne, hier „Cham“ genannt, welches Alles auf den Efel eines meiner Reifegeführten geladen wurde, eines Scheryfs, deſſen Obhut bis El Ebnaͤ ich befonders empfohlen ward. Die gefammte Reifegefellihaft war um 1 Uhr Nachmittags auf dem Bazar ver- fammelt, wohin fie uns rufen ließ. Ich machte dann nocd mit dem Scheryf einen Abſchiedsbeſuch bei meinem alten Wirth, der mir feine Empfehlungsfchreiben einhändigte und mid) noch einmal dem Scheryf nadhdrüdlichft empfahl.

Nachdem wir ein Yätiha gebetet und den Segen des Schayche empfangen hatten, eilten wir, uns ber übrigen Reifegefellihaft an- zufchließen, welche aus 20 Perfonen beftand. Da war aber nod fo Manches zu beforgen, daß wir erft %, nah 2 Uhr zur Abreife

118 Ribät. Wädiy Minua. Wädiy Gharhän.

fommen konnten. Sechs Beduinen des Stammes Bi Omm Sfabduff bildeten die Escorte.

Einige 100 Schritt vor der Stadt machten wir Halt, um an einem hier befindlichen Grabe eines Heiligen, aus der Familie der Ba Sfudän, ein kurzes Gebet zu verrichten. Diefes Grab ift fonder- barerweife auf einen von der Gebirgswand herabgeftürzten, enormen Felsblock erbaut und mit einer Kuppel bededt. Bei Ribät bogen wir in den Wädiy Minua ein und kamen um 3 Uhr an einem Wadıt- thucme vorüber, der auf dem weftlichen Abhange erbaut ift.

Das Thal, weldhes bis hierher mit herrlicher PBalınenwaldung und grünenden Saatfeldern bededt war, nimmt hier plößlicd) an Breite ab, und ift mit übereinandergethürmten, enormen Felsblöcken bedeckt, zwifchen welchen Mimoſen, Zamarisfen, Nebef und Fräftig wuchernde Schlingpflanzen hervorwachfen, welche einen großen Theil der Fels— maſſen gleich einem Teppich bedecken. Obgleich dieſe Felſenpartien dem Thale einen romantiſchen Anſtrich geben, ſo iſt doch der Weg durch dieſelben im höchſten Grade beſchwerlich, und ich war daher jehr erfreut, als wir nad) einer Stunde diefe Trümmeranhäufungen verließen.

Der Waͤdih ift hier wieder auf eine Kleine Strede frei von Fels⸗ blöden, und von Daitelpalmen und Saatfeldern beſetzt. Rechts an der Mündung des Wädiy Gharhän, einer düftern bufchigen Schlucht, liegt das Heine Dörfchen El Dirbe. Bon Hier aus ftiegen wir in den Wädiy Minua in der Richtung Oft, 30° Sid hinan. Einige 100 Schritt oberhalb der Mündung des Wädiy Gharhän fangen die Anhäufungen der Gebirgstrümmer wieder an, und zwar in folder Maffe, daß ‘fie bis zur Hälfte der gegen 300 Fuß hohen Thalwände hinanreichen.

Die Gegend hat ganz das Anſehen, als wenn das Waſſer eines früher weiter oben exiſtirenden Sees, anſtatt es von oben aus— zuwaſchen, ſich unten Bahn gebrochen habe, wo dann die zu ſtark unterhöhlte Decke einſtürzte. Dieſe Gebirgstrümmer haben eine Ausdehnung von 15 Minuten, und ſteigen von beiden Seiten

Mufit und pantommmifcher Tanz. 119

plöglih an. Oberhalb diefer Rudera riefelt cin Bach kryſtallklaren Waffers durch ein dichtes Gebüſch von Arda, Platanen, Mimofen und Tamarisfen. Der Bad ift permanent und voller Kleiner Fiſche und einer winzig Kleinen Art Granelen. Um 5 Uhr verließen wir den Wädiy Minuag und bogen rechts in den Waͤdiy Schomahre ein, welchen wir etwa 10 Minuten hinanftiegen und unfer Nachtlager unter weit überhängenden Felswänden auffchlugen. Wie gewöhnlich, wurden fogleich einige Teuer angezündet und Kaffee gelocht, wozu ich, wie die Webrigen, Holz berbeiholen wollte, weldjes aber Niemand zugab, woraus ich abnehmen konnte, wie nachdrücklich die Empfehlung des hochverehrten Schaychs "Abd Allah ba Sfudän zu meinen Gunſten geſtimmt Hatte.

Ein Gewitter war im Anzug und wir waren froh, unter unferer Felsdecke einigerniaßen gefchüßt zu fein.

Das Unwetter warf ſich zum Wädiy Do' aͤn hinüber, und entlud fih über ihm, der es auch beifer gebrauchen Tomte, als wir.

Am Abend beiuftigten ſich meine Reifegefährten niit Gefang und mit Tanz, welche von einer Rhobaͤba ?°) und Dagäba begleitet wurden. Die Qacçäba war aber für dies Mal weiter nichts, als eine euro— päifche „Querpfeife“, wie fie Pfeifer bei den Regimentern in Europa brauchen, und der Birtuos war als Knabe Compagniepfeifer bei einem ägyptiſchen Regimente gewefen. Sein Vater war bei demſelben Re- gimente Soldat, defertirte aber fammt feinem Sohne und wurde hierher verichlagen. Der frühere Regimentspfeifer hatte von den damals erlernten Stüdchen Nichts vergeffen, denn er blies ganz ge- müthlich die Arie: „Marlborough geht in den Krieg‘ (Marlbo- rough va à la guerre), nad) deren Takt die Andern wie befejjen umberfprangen. Zum Finale parodirte ein alter und witziger „Spaß⸗ macher“, der lange in Dſchidde geweſen war, die „Zürfen‘, „See: Leute‘ und felbft die „Beduinen“, wozu ihm fein ausgezeichnet häßliches Satyrgeſicht vortrefflid zu ftatten fam. Ob er gleich den Beduinen ftarf zufeßte, fo nahmen fie es ihm doch nicht übel, Sondern lachten auf ihre eigenen Koften mit.

120 Waſſerſcheide zwiſchen Wädiy Do’än und Dirbe.

Des Morgens jtand der Thermometer bei heiterm Himmel und Windftille 15°, um Mittag im Schatten 25’, des Abends bei Süd- weftwind 20°; der Himmel war mit Wollen bededt.

9. Juli. Am 9. Juli früh Y, nad) 5 Uhr ftiegen wir in der Richtung Sid, 30° Wet den fehr fteilen Waͤdiy Hinan und gelangten nah einer halben Stunde bei feinem Entjtehungspuntte auf das Plateau, wo wir etwas anhielten, um die Nachzägler zu erwarten. Bald waren wir Alle verfammelt und ftiegen rüftig bis Y.8 Uhr vorwärts, wo dann Y, Stunde geruht wurde. Nach einem aber- maligen Mariche von fünf PViertelftunden gelangten wir an den Ent- ftehungspunft des Wädiy Gharhän. Links vom Wege ſenkt fi der Waͤdih Dilhaͤm ein, welcher in den Wädiy Minua mündet. Der Raum zwifchen diefen beiden Thälern heißt: Dabadh Schaych. °*) Unter einem am Rande des Wädiy Gharhän ftchenden Baume ruhten wir bis um 10 Uhr. Eine Stunde Marſch brachte uns an die Stelle, welche die Beduinen Dabadh Hayif?°) nannten, und wo an der Ein- jenkung des Waͤdiy Ma Allah (d. i. das Waſſer Gottes), welder in den Wädin Gharhaͤn mündet, drei Eifternen eingehauen find.

Die ganze Gegend, auf eine Strede von mehrern Stunden, gewährt bier einen eigenthümlichen Anblid. Sie ift nämlich mit Heinen 1—2 Zolt hohen Felszaden dicht beſäet, zwiſchen denen eine pechfchwarze, glänzende, etwa Y, Zoll ftarfe Kruſte liegt. Bei näherer Unterfuhung fand ich, daß fie aus einer im Bruche „Schr weißen Kreide‘ beftand. Ic nahm einige Stüde davon mit, da ih vermuthete, daß der jchwarze, außerordentlich feine Weberzug nichts Anderes als eine vielleicht unbelannte „Alge‘ fei. Un— glüdlicherweife fand ich aber fpäter die fehr zerreibliche Kreide faft pulverifirt.

Um Y, nad 1 Uhr lagerten wir unter einem Mimoſengebüſch am Wädiy Dſchilwe, an defjen Rand ſich eines jener Heinen „Schutz⸗ häuschen“ und drei Eifternen befinden. Diefer Waͤdiy gehört nicht mehr zum Gebiete des Wädiy Do’an, fondern zu dem Wädiy Dirbe, mit welchem er durd) den Wädiy Naube in Verbindung fteht.

Geologifche Bildung der Hochebene. 121

Bon hier aus hört das Gebiet der Stämme Chämiye und Maräfchibe auf und das des Stammes Mardagha beginnt.

Zweiundzwanzig Minuten festen wir unfern Weg fort und ge- fangten in drei Stunden und zwanzig Minuten an den Fuß einer hoben Hügelfette, über welche unfer Weg führte.

Auf diefer Strede trafen wir von Zeit zu Zeit mehrere Waffer- behälter und Ciſternen, fowie aud einige der Kleinen Schuß- oder Zufluhtshäuschen an. Bon Waͤdiy Dſchilwe an erhebt ſich das Terrain allmählich. Plänarkalk und mergliger Thon überlagert auf der erjten Hälfte des Weges den Grünjandftein und verfchwindet dann bis zur Hügelfette unter Numulithenkalk.

Der Gefteinhügel ift eine ſehr weiße Kreide von Adern eines ſchwarzen Feuerſteins durchfegt, der zwiſchen 2 Zoll diden Schichten eines ſchön grasgrün gefärbteh, durchſichtigen Gypsſpathes inneliegt. Die übrigen Hügel der Hochebene zeigen diefelben Gefteine und haben zu oberjt noch eine ftarfe Lage mergligen Thon. Den Gypsſpath fand ih nur hier von grüner Farbe; in den Hügeln der andern Gegenden ift er weiß und durchſichtig. Wie es fheint, war früher das ganze Plateau mit diefer Kreideforma- tion bededt, welde nach und nad) mit dem Regenwaſſer ab- geſchwemmt wurde.

Am füdlihen Abhange diefer Hügelfette Läuft ein nur wenig ein- gefehnittener Wädiy hin, welcher den Namen El Ebnä führt und in welchem die Dörfer EI Ebnä und Er Cirrayn Tiegen. . EI Ebnä, das Ziel unferer Tagereife, erreichten wir Y, nach 6 Uhr und fanden in einen Heinen Haufe Obdach, welches eigens zur Aufnahme von Reijenden beftimmt if. Wir kauften einige Schaafe und Brennholz, wozu, mit Ausnahme der escortivenden Beduinen, ein Ieder beifteuerte.

El Ebnä iſt der höchitgelegene Drt des Plateaus und das Klima daher fehr kalt. Wie man mir erzählte, frieren dort nicht nur im Winter, fondern ſchon im Herbit die Eifternen zu, welches id) durch- aus nicht bezweifele, da mein Thermometer am Abend nur wenige Grade über dem Gefrierpunfte ftand. Unſer aller Spaßmacher nannte

122 Rauhes Klima von EI Ebnä.

es gar nicht anders ale Omm eth Thaldſch (Mutter des Cifes). Um fo unangenehnter war cs für mid), dag mein Beduine noch nit an- gekommen war. Meine Dede und mein Schaaffell waren mit auf dein Kameele, und fo war id) genöthigt, jo wie ich war, auf der nadten Erde zu Schlafen. Den größten Theil der Naht ſaß id mit mehrern Andern, denen die Kälte gleichfalls unbehaglid) war, am Feuer, deſſen dichter Rauch noch unſer Ungemach vermehrte. Der Sehnlichft erwartete Morgen brach endlich an, und die Gefellfchaft rüftete fich zum Aufbruh. Da aber mein Beduine noch nicht an- gefonmen war, fo blieb id) zurüd, um ihn zu erwarten.

Des Morgens jtand der Thermometer bei heiterın Himmel und Windſtille 15°, um Mittag 20°, und am Abend 10°. Die Haupt- richtung von unferm Nachtlager bis hierher war Süd, 10° Welt.

Das Dorf EI Ebnä zählt etwa 300 Einwohner, welde in etwa 60 niedrigen Häuschen wohnen und dem Stamme Mar- dagha angehören. Diefer Stamm ift eine der Abtheilungen oder Zweige des Stammes Beny Sfaybän.: Ce Cirrayn gehört zu dem: jelben Stamme und bat diefelbe Einwohnerzahl. Gin jedes dieler beiden ‘Dörfer hat einen großen Wachtthurm, in welchen ſich die Ein- wohner bei einem Ueberfall flüchten.

Der Waͤdiy jtreiht von Welten nad Oſten und mündet einige Stunden unterhalb in den Waͤdiy Er Raube.

Wahrſcheinlich ift das rauhe Klima ſchuld, daß der Waͤdiy gänz- lid) von Bäumen entblößt ift und überhaupt nur eine dürftige Vege— tation aufzumeifen hat; denn außer einigen verfrüppelten Mimoſen und einiger Gerſte jah ich weiter nichte. Der Name diejes Ortes erinnert an die Colonie, welche von perfifhen Soldaten gegründet wurde, die zurücblieben, als die perſiſchen Machthaber, von dem mohammedanifchen Feldherrn verdrängt, das ſüdliche Arabien räunten. Diefe Colonie nennen die arabifchen (Hefchichtsfchreiber mit dem Namen El Chnä oder Ebne. Iſt diefes Chnä das hier liegende oder eriftirt ein anderes? Manches ſpricht dafür, Manches dagegen. Daß bie Sieger den bejiegten und zurückgebliebenen Feinden nicht eben den

Aufbruch nad) der Zropffteinhöhfe. 123

frucdhtbarften Theil des Landes überließen, iſt mehr als wahrjcheinlich, und in diefer Beziehung wäre es wohl möglich, daß diefer Ort der- jelbe fein könnte, den die arabifchen Gefchichtsfchreiber genannt haben. Diefe Wahrfcheinlichkeit wird ftärfer durd) die Bedeutung des Wortes, denn „Ebnaͤ“ bedeutet „Barbar‘. Allein die Bewohner des heutigen Ebnaͤ find feine Abfümmlinge der Perſer, fondern ſtammen von Sfayban ibn Nedſchd ibn Sfa’yd ibn "Yifa cl Amud ab, alfo von Hud (Eber) durch Hodun (Beleg). Oder haben ſich im Xaufe der Zeiten diefe perſiſchen Anfiedler mit diefem Stamme vermiſcht? Das wäre leicht möglich. 95°)

10. Juli. Gegen 6 Uhr Morgens kam mein Beduine mit der Däftla an und wollte gleich) weiter ziehen, was aber nicht in meinem Plane lag. Ich wollte vorher eine „Höhle‘ beſuchen, weldye in der Nähe von El Ehnä liegt und von der mir der Scerhf von Choraybe viel Wunderbares erzählt hatte. Ich machte den Beduinen mit meiner Abficht bekannt, jtieß aber, wie ic) erwartet Hatte, auf itarfen Widerjtand, den jedoch das Verſprechen überwand, ihn und die andern Beduinen für den verurfachten Aufenthalt ſchadlos zu halten.

Er Holte nun die Truppe herein, um den Handel mit mir ab- zufchließen, und nad) vielem Hin- und Herfchreien wurden wir endlid) dahin einig, daß id) zwei Schanfe Taufen umd einen Thaler zahlen folle, wogegen fie ſich verpflichteten, bis zu meiner Zurückkunft zu warten und mir vier Mann zur Bededung mitzugeben. Ich machte fogleich die nöthigen Vorbereitungen; einige Brode wurden gebaden, Kaffee, Butter, Datteln eingepadt und in Ermangelung von Fadeln oder Wachskerzen einige Bündel trodener, zufammengedrehter Dattel- zweige herbeigeichafft. Außerdem füllten meine Begleiter einen Kleinen Schlauch mit Waſſer, und fo ausgerüftet zogen wir Morgens um 1/8 Uhr von dannen.

Der Weg führte bei dem Dorfe Ce Cirrayn vorüber, °/, Stunden thalabwärts, wo wir dann die Hochebene in der Richtung Süd, 20° Weit beftiegen.

Ich Hatte von hier aus eine Ausficht in den Wädiy Er Raube,

124 Gefährlicher Gebirgspfad.

welcher bedeutend tiefer liegt, als der Wäbiy El Ebnä, und mit einem dichten Dattelpalmenwalde bejtanden ift, in welchem id das anjehn- fihe Dorf Raube bemerkte. Nah einer Stunde überfchritten wir den nur wenig eingefchnittenen Waͤdiy Ga’ar und wandten uns Süd, 24° Oft. Ein Mari von 1%, Stunde bradte uns an den füp- lichen Rand der Hocdebene, wo wir neben einer Ciſterne ausrubten. Die Hochebene fällt hier etwa 2000 Fuß in mehrern fchmalen Stufen mauerartig ad. Ein fehmaler Fußfteig führt längs dieſer Riefenmauer mit unzähligen Windungen in eine ſchauerliche Schlucht hinab, welche den Namen Wädiy Schagq führt.

Das unterwegs getrunfene Waffer wurde erfegt und wir traten nunmehr die gefährliche Wanderung auf einem Pfade an, deffen ge wöhnliche Breite 4 Fuß, mehrere Dale bis zu 2 Fuß ab: nimmt. Grauenerregende, fürchterliche Abgründe gähnten auf der einen Seite, während auf der andern Felſen theils ſenkrecht empor- jtiegen, theils die Schwindel erregende Tiefe überhangend, den Pfad befchatteten, den man an folhen Stellen nur gebüdt gehen kann. Ich muß geftehen, daß ich gern wieder umgefehrt wäre; aber ich ſchämte mic), weniger Muth zu zeigen, al8 die Beduinen, welche mit leichtem, fiherm Schritte vorangingen. In der unmittelbaren Nähe einer Gefahr, gegen welche menjchliche Hülfe Nichts vermag, bei dem Bewußtfein, dag ein Yehltritt unausbleibliches Verderben zur Folge bat, wo, einmal vom Schwindel ergriffen, auch der Muthigfte, wie von unfidhtbarer Geifterhand, unmwiderftehlich in den Abgrund gezogen wird, da wird wohl auch dem Tapferſten das Herz im Buſen Hopfen. In feiner Situation meines Lebens Hat ſich meiner ein fol uns beichreiblich beflemmendes Gefühl bemeiftert, wie bei dieſer Gelegen- heit. Ich glaube, es ift daffelbe, welches ein armer Sünder empfindet, wenn er zum Hochgericht geführt wird. Auch fchienen meine Ge- führten diefe Empfindung mit mir zu theilen, denn die fo geſchwätzigen Burſche ſprachen nicht eher cine Silbe, ale bis wir am Fuße ber foloffalen Felswand jtanden.

Nachdem wir 5/, Stunde den Wädiy Schagg verfolgt hatten,

- Der Eingang der Höhle. Geifterfuccht der Beduinen. 125

fttiegen wir nördlid 300 Fuß den fteilen Berg gleichen Namens (Dichebel Schagg) Hinan und langten glücklich "/, Stunde vor 4 Uhr zum Eingange der Höhle.

Nachdem wir unfer frugales Mittagsmahl zu uns genommen hatten, forderte ich die Beduinen auf, einige der trocknen Palmzweige anzuzünden und mir in das Innere der Höhle zu leuchten, wogegen fte aber allerlei Einwendungen machten. Ihre Meinung, daß wilde Thiere in der Höhle fein Fünnten, widerlegte ich dadurch, daß ich fie auf den gänzlihen Mangel von Spuren im fandigen Boden des Ein- ganges aufmerkſam machte; hierauf rückten fie mit der wahren Ur- face ihrer Furcht, „den böfen Geijtern, welche dem Volksglauben gemäß, diefe Höhle bewohnen”, heraus. Nach langem Zureden ent- Tchloffen fich endlich ‚zwei meiner Begleiter” umter der Bedingung mit mir zu gehen, „daß ich vorher durch Gebet die Geifter bannen wolle‘, wozu ich mid) denn auch, um der Sadıe ein Ende zu machen, verftand und „mehrere Gebete‘ fagte, worauf fie fi zum Befahren der Höhle anſchickten. Da feiner meiner beiden Begleiter zuerft hinein wollte, nahm ich eine der Balmenzweigfadeln und kroch, ihnen voraus, in die faum 1 Meter im Umfange umfafjende Deffnung der Höhle hinein. Die Beduinen folgten mir, indem fie fortwährend riefen: ‚„„Zoffdor! Zoffdor! ya Mobaͤrekyn!“ d. i. „Erlaubet! Erlaubet! Ihr Gefegneten!”

Nach einer durchkrochenen Strede von 6 Meter befand ich mic in einem Gewölbe, welches auf 100 Fuß Höhe ungefähr 300 Fuß Länge ımd 250 Fuß Breite mißt und von einer Säulenreihe mächtiger ZTropfjteinpfeiler getragen zu werden fcheint, welche die Form zweier mit ihren Spigen zufammengegoffener Kegel haben. Die Farbe dieſes Tropfſteins, welcher aud die Wände der Höhle überzogen hat, ift „röthlich-gelb“ ımd contrajtirt jeltfam -mit dem weißen Sande des Bodens. Eine Menge anderer Pfeiler find im Entjtehen und hängen, gleich Eiszapfen, vom Gewölbe herab, während fid) am Boden Kegel und Blöcke gebildet haben, deren phantaftifche Formen wohl geeignet find, einem unwiſſenden und abergläubigen Menfchen Furcht einzujagen,

126 Das Innere der Tropfſteinhöhle.

der fchon darauf gefaßt ift, etwas Meberuatürliches zu ſehen. Meine Begleiter ftanden daher eine nantenlofe Angft aus, und ein Jeder von ihnen hielt fortwährend einen Zipfel meines Oberhemdes feſt, ale wenn meine Berührung fie vor einem Unfalle hätte befhügen können.

Bon diefem domähnlichen Raume gehen nad) verjchiedenen Zeiten hin fünf Gänge, welche ich der Reihe nad) unterfuchte.

Den erften Gang, welcher ſich links vom Cingange befindet, fand id) nad) wenigen Schritten durd einen Felsblock verſperrt. Der zweite endete nach funfzehn Schritten in einen Spalt; der dritte war fo niedrig, daß id) nur gebüdt darin gehen Fonnte, erweiterte ſich aber bald und führte nach zwanzig Schritten an den Rand eines Abgrundes, deffen Weite mir nicht möglich war zu beftimmen. Gin Stein, welchen ich hinabwarf, fiel nad zehn Secunden in Waffer (dem Geräufche nad zu urtheilen). Der vierte Gang führte eben- falls an den Rand diefes Abgrundes. Durch den fünften ge langten wir an eine Kleine Nebenhöhle, welde auf 30 Fuß Höhe, 64 Fuß Länge und 50 Fuß Breite hält. Wände und Dede derfelben find mit Kryftallifattonen bedeckt, die das Licht unferer Palmenzweig- fadeln unzählige Male zurücwarfen. Während ich mid) in diejem Prachtgewölbe umfah, flüfterte mir einer meiner Begleiter ine Ohr: „Nur cin PBalmenzweig ift noch übrig und Zeit die Höhle zu verlaffen.” ‘Da ich, wie fie, ebenfo wenig Luſt hatte, im Dunteln herumzutappen, jo trat ich den Rückweg an, verfuchte aber vorher von den Kryſtallen loszufchlagen. Hieran wurde id) aber von meinen Begleitern mit einer Heftigfeit verhindert, welche mich nicht wenig betroffen machte. Mit Gewalt und ohne ein Wort zu fprechen, zogen fie mich bis an den Ausgang der Höhle und krochen fo jchnell als möglih hinaus.

Draußen Hatten fie wieder Muth zu ſprechen, erzählten ihren zurückgebliebenen Kameraden, was ſich zugetragen, und machten mir Vorwürfe über mein Betragen in der Höhle, nämlich, daß ich es hätte wagen wollen, die Schätze anzutaſten, welche den Dſchinn oder Geiſtern zur Bewachung anvertraut worden ſeien. Sie waren der

Aberglaube in Bezug auf die Höhle. 127

fejten Weberzeugung, daß, hätte ich mein Vorhaben ausgeführt, es unvermeidlich unfer Aller Verderben geweſen wäre. Ich versuchte, jie von diefer Idee abzubringen; aber, wer vermag einem Volfe, wie diejent, feine mit der Muttermilch eingefogenen Vorurtheile zu ent- reißen? Ich ließ ſie alſo bei ihrer Meinung umd machte mid) bereit, den Rückweg nad) EI Ebnä anzutreten.

Es lag uns natürlich viel daran, noch vor Anbruch der Nacht die Hochebene zu erreichen, da es im Dunkel doppelt gefährlich wurde, am fteilen Abhange Hinzutappen. Um 246 Uhr ftiegen wir in den Wädiy Schagg hinab und gingen fo jchnell wie möglih, wurden aber dennod) auf der halben Höhe von der Nacht überfallen, "welche in diefen Breiten plötzlich, ohne vorhergegangene Dämmerung eintritt. Zum Glück hatten wir Mondenſchein, ohne welchen eg fast unmöglich) gewejen wäre, einen ſolchen gefahrvollen Weg zu betreten. Immer längs der Felswand Hin vorfichtig fortfchreitend, und auf Stellen, wo die Felfen den Weg überhingen, auf Händen und Füßen fort- friehend, erreichten wir um 9 Uhr die Hochebene, wo wir uns neben der Ciſterne niederließen. Wir zündeten Feuer an md. bereiteten Kaffee, welcher nebft Brod und Datteln vortrefflid” mundete. Nach einer Stunde Ruhe machten wir uns wieder auf den Weg und er- reichten um 3 Uhr Morgens das gaftliche Dah im Dorfe EI Ebnä.

11. Juli. Bei unferer Anfunft ftanden ſogleich alle Beduinen auf und waren gefhäftig, uns zu bedienen. Einige legten Holz auf das Teuer, Andere Tochten Kaffee und brachten unfere Bor- tionen Brod und Fleifch herbei. Des Fragens war fein Ende und meine Begleiter wurden nicht müde zu erzählen, daß ich die Geifter gebannt hätte, daß, nachdem ich einen Stein in den Schadht geworfen, fi) furdtbare Stimmen hätten vernehmen laffen u. ſ. w. Nichts wurde vergefjen und wie gewöhnlich auf das Unfinnigfte commentirt. Die Beduinen fahen bald mich, bald die Erzähler mit großen Augen an. GStillfehweigend nahm ich meine Abendmahlzeit ein und horchte der Erzählung der von mir vollbrachten Wunder, erhob mid) dann mit der Erklärung: „daß fie Alle insgefammt nicht recht geſcheidt

128 Bon Ebnaͤ zum Waͤdiy Sfalaf.

wären’: die Einen, folche Ungereimtheiten zu erzählen, die Andern, fie anzuhören und zu glauben‘ und ftredte die miüden Glieder auf mein Scaffell. Dieje unerwartete Erklärung bewirkte eine augenblicfliche Stille, die aber bald durch ein allgemeines Gelächter unterbrochen wurde. Alle traten auf meine Seite und gegen meine Begleiter damit auf, daß fie weniger Muth befäßen, als der fremde Aegypter, und jeder rühmte fi), bei einer folchen Gelegenheit mehr Muth zu zeigen, wie fie. Ich meinerfeitS wünfchte ihnen in aller Stille Süd dazu, war aber überzeugt, daß ſich keiner von Allen in einem ſolchen Falle beſſer benommen haben würde, als meine heutigen Begleiter, welche übrigens derſelben Meinung zu ſein ſchienen; denn ohne ſich um die Spöttereien zu kümmern, folgten ſie meinem Bei— ſpiele und legten ſich zur Ruhe.

Der Thermometer ſtand am Morgen 5°, um Mittag und bei heiterm Himmel und Nordweitwind 20°, des Abends hatte ich nicht obfervirt.

Am 11. Juli erwachte ih erft um 10 Uhr, fah aber Teine An- jtalten zum Aufbruch. Die Beduinen jagten mir, daß fie heute nur eine kurze Strede zurüdzulegen gedächten, da diefer Tag einer der unglüclichen fei und fie daher befürchteten, beim Hinabfteigen von der Hochebene Unglüd zu haben.

Um Y22 Uhr verließen wir El Ebnä und ftiegen von der 'ent- gegengefettten Seite des Wädi auf die Hochebene, wo wir die Rich— tung Süd beibehielten. Nach zwei Stunden kamen wir an einer Eifterne vorüber, welche zwifchen den Entftehungspuntten der Wädig Saar und Ma yſche liegt. Lebtgenannter Waͤdiy zieht fich zur Rechten des Weges Hin. Y, nad) 4 Uhr fchlugen wir unfer Nactlager in einer kümmerlich mit Mimoſen befeßten Niederung auf, welche Waͤdiy Sſalaf genannt wird.

Am Morgen hatte ich den Thermometer nicht beobachtet, um Mittag bei Heiterm Himmel und Nordweitwind 20°, des Abends 10°.

12. Juli. Nah einer empfindlich Falten Nacht verließen wir furz vor 6 Uhr Morgens unfer Nachtlager, ftiegen eine halbe Stunde

Gefährliche Gebirgspaffage. 129

einen fteilen Abhang hinan und kamen etwas nach Ys7 Uhr an eine enge fteile Schlucht, durch welche der Weg führte. Bevor wir fie betraten, löften die Beduinen die Stride, mit denen die Rameele ge- wöhnlich gebunden find; damit, wenn eins ftürzen follte, die andern nicht nachgezogen werden.

Um 7 Uhr Morgens befanden wir uns am Ausgange der Sqlucht und am Rande des hier 1000 Fuß jäh abſtürzenden Plateaus. Der Weg, der zur Rechten von dem Abgrunde begrenzt wird, während ſich zur Linken eine ſteile Felswand erhebt, wendet ſich Hier plötzlich im rechten Winkel links, ſodaß die Kameele auf einem Raum von 6 Fuß Breite die Wendung machen müſſen. Faſt alle waren bereits an dieſer gefährlichen Stelle vorüber, als eines der letztern, welches mit zwei kleinen Kiſten böhmiſcher Glaswaaren beladen war, an die zu umgehende Ede anprallte, ausglitt und ins Thal hinabſtürzte. Die Verzweiflung des Cigenthümers, welcher, wie man mir -fagte, mit diefem Kameel feine ganze Habe verlor, war unbejchreiblid. Er wollte fich jeinem Thiere nachftürzen, und würde es auch ohne Weiteres gethan haben, hätten ihn die andern Beduinen nicht daran verhindert.

Am Fuße diefer Unglückswand angelommen, zogen wir in vielen Krümmungen Eine Tanggedehnte fanfte Abdachung hinab, welche ſämmt⸗ ih aus ungeheuern Telsblöden und aus Schutt beitand, von einer Fülle aromatifcher Kräuter, Stauden und Bäume überdeckt. Dieſe Anhäufung von Gebirgstrümmern erinnerte mic) lebhaft an den Berg- ſturz von Goldau in ber Schweiz. Auch bier Liegen, wie dorf, koloſſale Mafjen, dem Gefteine der Hochebene angehörig, in bebeu- tender Entfernung umher. Diefer-Bergfturz fand vor geraumer Zeit itatt, denn ein beinahe 7Ojähriger Beduine berichtete mir: „daß, als fein Vater noch ein Knabe gewefen fei, ſich diefe Maſſen von der Hochebene getremmt hätten‘.

Um 42.10 Uhr befanden wir uns am Fuße diefes Trümmer⸗ gebirges und im trodnen Flußbette des Wädiy Ma'yſche 9%), in dem wir noch zehn Minuten fortichritten und dann unter dichtbelaubtem Aréagebüſche Tagerten.

A. v. Wrede's Reife in Habframant. I

130 Sturz eineg Kameels. Berzweifling des Eigenthümers.

Die Richtung vom unſerm Nachtlager bis Hierher ift gerade Süd.

Ich folgte den Beduinen, welde mit dem Eigenthihner bes ver⸗ unglücten Kameels zu der Stelle gingen, wo es zerichmettert lag. Die Ausrufungen des Schmerzes ernemerten fi hier. Boller Ber: zweiflung warf ſich der Beduine auf fein todtes Thier, rief e8 beim Namen und weinte bitterlih. Kurz, der Anblid eines zerfchmetterten, - zu feinen Füßen liegenden einzigen Sohnes hätte einem Bater feine ftärlern Aenßerungen der Trauer entreißen können.

Die Beduinen ftarrten fehweigend, auf ihre Gewehre gelehut, in die Scene, ohne auch nur den geringften Verſuch zu machen, den armen Menfchen von dem Gegenitand feiner Betrübniß zu entfernen. Endlih machte Einer von ihnen die Bemerkung, daß e8 Zeit fei, nad dem Ruheplatze zurüdzufehren, worauf fie ihren Hagenden Kameraden nit Gewalt fortführten. Der Packſattel, obgleich zerbrochen, und die Halfter wurden mitgenommen.

Rechts (weſtlich) von der Stelle, wo wir die Hocebene ver: liegen, erhebt fich jenfeits des Wädiy Ma’yfche, ein weit über bie Ebene ragendes Vorgebirge deijelben, Dſchebel el Hacu genannt, welches in der Richtung Nordweſt ftreicht und, fo weit ich es vom Blatenu aus überfehen konnte, in unerfteiglichen Riefenwänden abfällt.

Mit Ausnahme des Flußbettes ift ber Wädiy mit einem Dickicht von Ara, Nebel, Mimofen, Tamaristen, Dompalmen, Senneftauden, Uwer und mehrern Arten aromatifcher Sträucher bededt, welches von Schlingpflanzen jo durchwachſen, daß es nicht möglih, im daffelbe einzudringen. Außer den bereits früher befchriebenen Bäumen und Sträuchern lernte ich noch drei nie von mir früher gejehene kennen.

Das erſte Gewächs, welches mir beſonders durch ſeine Geſtalt auffiel, war der Drachenblutbaum (Dracaena draco, Procarpus draoo; von ben Arabern Erg el Hanmä genannt),

Der größte, den ich hier fah, war gegen 16 Fuß had. Der gerade Stamm hatte 1%, Fuß im Durchmeſſer und ift mit einer glänzend bleifarbigen Rinde bededt, ebenfo die Zweige, welche auf

Der Dradenblutbaum. Die empfindfame Mimoſe. 131

der halben Höhe des Stammes beginnen, fehr verichlungen ſind, und da, wo ſie ausſprießen, ſich plötzlich verdünnen.

An den Enden der Zweige ſtehen die ſchwertförmigen, lederartigen und glänzend grünen Blätter im rechten Winkel ab und bilden einen Kranz, welcher einen Durchmeſſer von 20 Zoll hat. Sie nehmen, je mehr nach der Mitte des Kranzes, an Größe ab, ſodaß die größten 10 Zoll Länge und an der Baſis 1%, Zoll Dicke meſſen; die kleinſten haben 1 Zoll Länge. Das Ganze formirt eine Krone, welde das Anfehen eines umgeftürzten Kegels hat, der auf einem Pfeiler fteht.

Der Saft, der beim Abbrechen der Zweige reichlich hervorquillt, ift weiß, und hat die Konfiftenz eines verdünnten Syrups, verdickt fi aber und wird dann dunfelroth. Das ift das jogenannte Draden- . blut, welches in der Mitte des Monats Mai gefammelt und von den Arabern unter dem Namen Dum Dobayl, in der Sprache der Beduinen aber Edh Dhaha ”) in den Handel gegeben wird.

Das Holz des Stammes und der Aefte ift ſchwammig und weiß.

Der zweite Baum oder vielmehr Straud, der mir hier auf- fiel, it die Mimofa felam, von den Arabern Schedfherat et Ta a°) genannt. Ich lernte ihn durch Zufall fennen, denn als ic) einige feiner ſchönen rothen Blüthen abbredden wollte, geriethen bie Blätter und dünnern Zweige in eine zitternde Bewegung und die Blätter ſchloſſen ih. Ein Beduine, welcher mich fah, riß mid) zurüd.. und verficherte mir: „daß mir ein Unglüd zuftoßen würde, wenn ich diefen Baum verlegen würde”. Sie glauben nämlich, dag in diefem Gewäcdfe ein Geift lebe, der Jeden bejtraft, der es verlegt.

Außer diefer enipfindfamen Mimoſe und dem Dradenbiut- baum fiel mir auch eine Pflanze auf, welche eine Art Lilie zu fein ſcheint, bajonnetförmige Blätter hat, und in großer Menge in diefem Waͤdiy wählt. Mein Dachayl fagte mir, daß diefe Gegend vorzugs⸗ weife von Panthern, Hyänen, Zigerfagen, Luchjen, Wölfen, Schafgls und Dirbuns (ein von einem Wolfe und einem weibligen Schafal erzeugtes Thier) bewohnt fei, weshalb auch Niemand gern hier über Nacht lagere. Im Wädiy Ma’yfche hört das Gebiet des Stammes

9*

132 Klagelied um das geftürzte Kameel.

Di Mardagha auf und das des Stammes Kaſchwyn begimt. Dieſer Stamm ift eine Abtheilung des großen Hauptftammes Beny Nuh.

Während wir uns im Schatten der herrlichen Bäume fagerten, feste fih der um fein Kameel trauernde Bebuine unter eine dihrre Mimofe und machte feinem gepreßten Herzen durch improvifirte Klage- lieder Luft, die er nach einer monotonen Weife herfang, ſich nad dem langfamen Takte feines Sefanges ſchwankend hin- und herbewegte und jede Strophe mit lautem Schluchzen endete.

Seine Kameraden forderten ihn mehrere Male auf, zu ihnen zu fommen und Etwas zu genießen. Er wollte aber durchaus Nichts zu fi nehmen und fette feinen Trauergeſang bis zu unferm Aufbruch fort. Der Inhalt deffelben war abwechſelnd, übertriebene® Lob der Vorzüge umd feltenen Eigenfchaften feines Kameels und Klagen über feinen Berluft.

Um 1 Uhr verließen wir den angenehmen, fchattigen Ruheplatz und verfolgten das Flußbett des Wädiy, welches ſich durch das Dickicht windet, etwa Y, Stunde, bis an den Fuß des Dſchebel Qabr eff Sſaͤhir.

Aus einem großen Waſſerbehälter füllten wir unſere Schläuche und gelangten um 3 Uhr auf den Gipfel dieſes Berges, wo ſich neben dem hier einfenkenden Wädiy El Ma’adin eine Eifterne befindet. Diefer Waͤdiy vereinigt fich mit dem Waͤdiy Farte. Waͤdiy Mayiche mündet, nachdem er den: Waͤdiy Schagg aufgenommen hat, in den Waͤdiy Raube, weldher, wie fchon früher bemerft worden, den obern Theil des Waͤdiy Dirbe ausmacht. Dfchebel Dabr eff Sſahir ift die nördlichfte Suppe des Gebirgszuges, welcher mit Raͤſſ Borum, Räff el Ahmar und Dichebel Eſch Scherebbe endigt, und die Wafjerfcheide zioifchen dem Wädty Dirbe und EI Hadſchar bildet.

. Diefer Gebirgszug fcheidet auch die Provinzen Beny Beled Yſſa und Beled el Hadſchar. Eine Stunde Marſch bradite uns an den Waͤdiy Farte, welcher tief eingefchnitten und mit dichten Gebüfch bewachſen ift. Cine halbe Stunde fpäter Führt der Weg bei einem der Kleinen Zufluchtshäufer

Form und Bildung der Gebirgsfette, 133

vorüber, neben welchem ein großes Baſſin und eine Ciſterne ein⸗ gehauen find. Wir überftiegen dann einige fehr fteile Hügel, zogen einen fanften Abhang hinab und Iagerten um 1/5 Uhr unter einigen Mimofen im Wädiy Därat es Soha. ”) Die Richtung des Weges vom Waͤdiy Ma’yfche bis hierher ift Süd, 30° Weft.

Vom Wädiy Ma’yiche an ift der Graphiten - Line - Kalk dag vor- herrfchende Geftein, das einen fandigen Mergel zur Grundlage bat, unter welchem an einigen Stellen in dem tief eingefchnittenen Wädiy das Rothliegende zum Vorfchein fommt. Die Form der Hügel, welche diefen Kalk bildet, giebt diefer Gegend das Anfehen von fturm- bewegtem Meere, deſſen langgedehnte Wellen, ſich überſtürzend, plötzlich ſteil abfallen. Die Sturzſeite, wenn ich mich ſo ausdrücken darf, liegt bei allen dieſen Hügeln, mit Inbegriff des Dſchebel Dabr eff Sſaͤyir nad) Norden, während ſich die lange Dehnung na) Süden verläufl. Alle dieſe Hügel find übe, von aller Vegetation entblößt und biendendweiß, weshalb der Reflex ber Somnenftrahlen die Augen außerordentlich angreift.

Bald nad) unferer Ankunft brach ein Gewitter los, welches ſich aber nad) der Hochebene hin entlud und ung num mit wenigen Regen⸗ tropfen heimſuchte. Bis fpät am Abend unterhielten fi die Be⸗ duinen über den Unglüdsfall von heute, bei welcher Gelegenheit eine Menge Beifpiele von gleich unglücklichen Ereigniffen der Reihe nach erzählt wurden. Indeß hatte der Arme, den es betroffen, fich wieder abgejondert und fang bis fpät in die Naht feine Klagelieder, ohne aud) nur das Geringfte zu fid) genommen zu haben.

Am Morgen ftand der Thermometer bei Windftille 5°, um Mittag_bei Nordweitwind und heiterm Himmel im Schatten 25°; am Abend bei Nordweitwind, während des Gewitters 15°.

Am folgenden Morgen brady unſere Däftla Y.7 Uhr auf und erreichte, nachdem fie zwei Hügel überftiegen hatte, den Rand des Wädin Halle, den fie bis Y/, vor 8 Uhr entlang zog. Bier erftiegen wir abermals einen Hügel, defien füdlihe Abdachung ſich in weiter Ferne allmählich verläuft. Die Ausficht, welche ich von dem Gipfel

134 Wagdiy Boyut. Das Thal der Achaten.

deffelben genoß, war belohnend und um fo wohlthuenber, ale ich feit dem Waͤdih Ma'yſche nichts als das ermüdende Einerlei ber kahlen Kalkhügel gefehen hatte. Dſchebel Biyr Schyh 100) links, Dſchebel EI Ghowayte 101) rechts, erheben In einiger Entfernung ſtolz ihre Häupter und bilden bie beiden Endpunfte eines großen Gebirge: panoramas, deſſen Vordergrund die gebüjchreichen Waͤdiy El Bohyut und EI Showante eiimehmen. Zehn Minuten nad) 8 Uhr hatten wir den tief eingefchnittenen Waͤdih EI Boyut zur Linken des Weges und fttegen um 9 Uhr an feinem Vereintigungspunfte mit dem Wädiy EI Ghowahte in ihn Hinab. Hier beginnt das Gebiet bes Stanımes Bd Sſa'd, einer Abtheilung des Stammes Beny Nuh. Von Hier an bleibt der Weg im Flußbette des Wädiy Boyut, der mit dichten Ges büfchen bededt if. Kurz vor 11 Uhr lagerten wir ımter großen (aubreihen Platanen neben einem Yelfenbeden, in welches fich eine ſtarke Quelle ergießt, die etwa 50 Schritte oberhalb plötzlich aus dem Sande hervortritt und fi) unterhalb des Baſſins in eine enge, tiefe, mit dichten Gefträppe überwachfene Schlucht ftürzt. Diefer Ruhe⸗ play Heißt El Aqyq (der Adhat), jo von den vielen Adhaten ge: nannt, welche im Sande des Waͤdiy ınmherliegen. Außer den Achaten fand ih auch Chalcedon, Jaspis u. dergl. m.; alle jedoch von höchſt mmanfehnlicher und ſchlechter Qualität.

Der Rubheplag war fo angenehm, daß ich gern bie zum folgenden Morgen dageblieben wäre, wenn die Bebuinen e6 zugegeben hätten; aber diefe geftrengen Herren kümmern ſich jo wenig um die Wünſche des Neijenden und machen Überhaupt fo wenig Umftände, dag man oft alle Mühe Hat, nicht gegen fie aufzubraufen. So gefchieht es oft, daß ich von meinem Beduinen durch einen Fußtritt in die Seite gewedt werde. Jedoch diefe zarte Manier, Iemanden zu weden, iſt unter ihnen gäng und gäbe, und ich machte deshalb, obgleich wenig davon erbaut, gute Miene zum böfen Spiele.

Der Wädiy El Boyut ift von Gebirgen eingejchloffen, in welchen der Liasſandſtein und bie ihn begleitenden quarzfelsartigen Bilbungen die vorherrichenden Felsarten find, woher fih das Vorkommen der

Wadiy Moll, Cafraͤ und Hadſchar. 135

Achate, Chalcedone u. ſ. w. erklärt. Der Wäpih EI Boyut vereinigt ſich mit dem Wadiy Noſman, welcher in den Wädiy EI Hadſchar mündet. Die Richtung des Weges von unſerm Radtioger bie El Aqyq ift Süd, 30° Weft.

Nachdem ich mich fir die lange Entbehrung eines Bades ſchad⸗ los gehalten hatte, brachen wir um 1 Uhr 10 Minnten auf und zogen binnen 40 Minuten den Dfehebel Mollk hinan, bis auf feine untere Terraſſe, welche fih nah Oſten allmählih abdacht, während fih im Weiten das Gebirge fteil erhebt. Der Liasſandſtein des Dſchebel Moll, deſſen Schichten fait Horizontal Liegen, ift an mehrern Stellen von 40 Fuß mächtigen Straten eines Conglommerats höchſt merkwürdiger Tugeliger Eonceretionen durchbrochen, welche unter einem Winkel von 45° von Oft na Wet einfallen.

Die kugeligen Concretionen beftehen aus Gypsſpath, find durch ein mergelig=thoniges Bindemittel verbimden und haben eine concen- triſch⸗ ſchalige Textur, und zwar fo, baß fie im Durchſchnitte ab- wechſelnd durchſichtige und opake Ringe zeigen, welche erjtere nad bem Mittelpuntte hin an Breite zunehmen. Ihr Durchmeſſer war verfhieden und variirte von 2 Zoll bis zu 2 Fuß. Einige waren an der Oberfläche rauh, hart, mit Heinen Kryitallen bedeckt, andere aber Ioder und nach allen Richtungen Bin gefpalten.

Kurz nach 2 Uhr lag zur Linken des Weges der Wädiy Molk, welcher die untere Terraffe des Gebirges durchfurcht und in ben Waͤdiy el Boyut mündet. Bon Bier bis zum Wädin Gafrd, eine Stunde Weges, überfttegen wir mehrere Höhen, deren Sandftein- bildungen von dem darin vorkommenden Eifenjandftein röthlich-braum gefärbt find. Ehe ich in den Wädty Gafrd Hinabftieg, genoß ich eine entzüdende Ausfiht in den Wädiy El Hadſchar. Unter bem ihn bedeckenden Palmenwalde jchlängelt fih ein Fluß Hin, in beffen Fluthen fi an offenen Stellen die Sonne fpiegelte.

An den Abhängen des gegenüberliegenden Gebirges Tiegen höchft maleriſch mehrere Dörfer und Wachtthürme, deren Bauart und Lage an unfere mittelalterlichen Burgen erinnert. Durch eine Schlucht zur

136 Ankunft in Hin ben Dighäl.

Rechten erblickte ich größere Saatfelder, die fih unter dem Palmen⸗ haine verlieren. Im Dintergrunde diefer veizenden Landſchaft erhebt fih in pittoresfen Formen ein hohes Gebirge, beifen Gipfel in die Region der Wollen ragen. Eine Stunde währte es, bi8 wir an der Mündung des Wädiy Cafrä anfamen und dann den Palmen: wald des Wädiy EI Hadſchar betraten.

Rechts, an der Mündung des Wädiy Cafraͤ Tiegt auf einem hohen, steilen Selfen das Schloß El Däyime 19%) mit dem Dorfe gleichen Namens.

Ueberall fah ich unter Dattelpalmen gut bebaute Felder, welche mit Bewäfferungsfanälen durchfurcht find. Wir zogen jebt thalabwärts und kamen nah Y, Stunde vor der Mündung des Wädiy Din- nyne 103) vorbei. Rechts Liegt bier ein Gehöfte und links auf einer Anhöhe. ein Wachtthurm. Y, Stunde wanderten wir längs den an- muthigen Ufern des Fluſſes dahin und langten dann in dem Haupt- orte des Wädiy Disn ben Dighäl an, wo ich im Haufe des Schayd) Mohammed ibn Abd Allah Räff eine gaftliche Auf- nahme fand.

Mein Wirth Tieß fogleih Datteln und Kaffee auftragen, welche ich in feiner und zweier Scheryfe Gegenwart zu mir nahm. Während des Gefpräches fragte er mich nach feinem Bruder, der als Kaufmann in Kairo etablirt ift, und fchien ebenfo erjtaunt, als un- angenehm berührt zu fein, als ich ihm entgegnete, daß ich feinen Bruder nicht kenne. Auf meine Bemerkung, daß es ein Leichtes fei, in einer Stadt von 250,000 Einwohnern einen Menjchen zu über- jehen, erwieberte er dagegen: daß der Hadhramaut noch meit größer jei als Kairo, und dag dennoch alle Glieder feiner Familie von Jeder⸗ mann im ganzen Lande gekannt feien. Gegen dieſes Argument war nun freilid Nichts einzuwenden und ich verſprach ihm daher, bei meiner Zurückkunft nach Kairo diefen Fehler wieder gut zu machen und feinen Bruder zu befuhen. Nach beendigter Miahlzeit wies man mir ein Zimmer an und ließ mid) allein, um von meiner Reife aus- zuruben.

Der diebiſche Sultan. 137

Kaum mochte ich eine Stunde geruht haben, als mir mein Wirth einen berkulifch gebauten Mann von beinahe ſchwarzer Hautfarbe bradite, angethan mit einer ärmlichen Beduinentracht, den er mir ale den Sultan Däffim ibn ben Dighäl vorftellte; er fette fich neben mid) nieder und überſchwemmte mich mit einer folchen Fluth von ragen, daß ich gar nicht wußte, welche ich zuerſt beantworten follte. Zudringlider als diefen ſchwarzen Prinzen habe ich feinen Menfchen auf meiner ganzen Reife angetroffen. Alles wollte er bejehen und betaften, was mir um fo umleidlicher wurde, als ich bemerkte, daß er eine jehr lebhafte Neigung blicken ließ, fich das Eigenthum Anderer zuzueignen; denn kaum hatte er einige Worte mit mir gefprodjen, fo verfhwand auch ſchon eine neben mir Tiegende Scheere unter feinem Gürtel. Ich fagte fein Wort, Tieß es ihn aber merken, daß id) feiner Fingerfertigkeit Anerkennung zolle, indem ich mehrere Gegenftände, welche zwiſchen uns lagen, mit einiger Haft auf die andere Seite legte; weldies er aber nicht zu beachten fchien.

Zu meiner großen Zufriedenheit befreite er mid) bald von feiner Gegenwert, nicht aber ohne mich vorher gebeten zu haben, ihm ein Meſſer zu fchenken, welches ich eben erſt aus dem Bereiche feiner Hände entfernt hatte.

Schahch Ba Raͤſſ erzählte mir am Abend, dag in dem Schloffe EL Dähime ein merkwürdiger Brummen eriftice, welchen ein himhari- cher König habe ausbauen lafjen. Ic bat ihn baher, mir am fol- genden Morgen einen Beduinen zu verfchaffen, damit ih dem im Schloſſe haujenden Schayd) des Stammes Schogayr einen Beſuch abftatten Tünne, welches er mir auch verjprad. Er Hatte von dem Beduinen, welcher mid hergebracht hatte, gehört, daß ich die Höhle im Dſchebel Schagg befucht Habe, und war neugierig auf das, was ich darin gefehen. Nachdem ich ihn befriedigt hatte, erzählte er mir: daß in diefer Höhle, lang vor Mohammed, ein Zauberer, Namens Schaqq gewohnt Habe, in deffen Körper außer den Rippen und den Fingerknöcheln feine andern Knochen exiftirt hätten; daß ferner un⸗ ermeßliche Schäge in ihr aufbewahrt lägen, die von einem Heere

188 Madhtlofigkeit des Sultans,

böfer &eifter bewacht würden u. |. mw. Solche Erzählungen find bei diefem Volke fo allgemein, daß ich denfelben wenig oder gar Teine Aufmerkſamkeit fchentte.

Mehr intereffirte mich dagegen, was mir der Schaych Baͤ Rap über die Bevölkerung des Landes, die politifhe Eintheilung und den Handel mittheilte.

Da ihm die Aufmerkfamteit gefiel, mit ber ich ihm zubörte, fo war er unerfchöpflich in Deittheilungen, und ich muß geftehen, daß ih den größten Theil von dem, was ich Darüber erfahren habe, diefem Manne verdante.

Schaych Baͤ Raͤſſ erzählte mir unter Anderm: „daß der Sultan Däfftm ibn ben Dighäl noch vor 20 Jahren fehr mächtig gewefen fei, aber durch einen unglücklichen Krieg mit Ahmed ibn "Abd el Waͤhid, Sultan von Habbän, zu Grunde gerichtet worden wäre, und ber ehe⸗ dem fo mächtige Fürft jest Nichts mehr befäße, als fein Haus und einige Grundftüde mit den darauf befindlichen Dattelpalmen. Ab⸗ gaben würden feine an ihn entrichtet, denn biefe habe fi der Schayd der Schogayr angemaßt, welcher der eigentlihe Machthaber des Wädty fe. Diefer müffe aber einen Theil der Abgaben an den Sultan von Habbän entrichten, welcher den obern Theil des Wäbiy befige. Die Familie der "Abd el Wähid (Sclave des Einigen) haben mit der Familie der Ben Dighäl einen und denſelben Stammvater, nämlich einen gewiffen "Abd el Manäh. ?°%) Der bier regierende Beduinenftamm ift eine Abtheilung des Stammes Ben Nuh.

Hin ben Dighäl (das Schloß oder der Thurm der Söhne Dighäl's) ift ein Kleiner Ort von 40 Häufern und höchftens 200 Ein- wohnern, welche ſämmtlich der Klaffe der Scheryfe und Schaychs angehören. Er erhebt fich auf dem Rüden eines fteilen, fchmalen Gebirgsvorfprunges an der Norbjeite des Thales. Die Häufer find mie die im Wädiy Do’än gebaut und wie dort mit Schießläcdhern ver- ſehen. Das Haus des Sultans zeichnet fich durch feine Größe aus, fowie durd feine höhere Lage und durch die Hörner des Steinbodg, mit welchen die Eden der Terraffe geihmüct find. Die Straßen

Der Wadiy el Hadſchar. 139

ſind ſchmal und durch Mauern unterſtützt, welche, gleich den Dämmen des Wadiy Do’än, nur aus übereinandergelegten Kieſeln ohne Mörtel⸗ verbindung beftehen.

Der Waͤdiy el Hadſchar, nad) welchem die ganze Provinz be- nannt wird, nimmt 12 Stunden nordweftlih von Dim ben Dighal am Dſchebel Ba Dſchanaf feinen Anfang, behauptet diefen Namen bis 5/, Stunden füdöftlid von diefem Orte und wird dann Wädiy Dſchiswel genannt, weldhen Namen er 8 Stunden Weges beibehält; 6 Stunden, bis zum Meere, welches er bei Biyr el Haͤſſy am Ralf el Kelb (Vorgebirge des Hundes) erreicht, führt er den Namen Mayfa'a. Es tft vielleicht das einzige Thal Arabiens, welches ſich eines permanenten Waflerftandeg erfreut, und vielleicht das einzige, welches einen Fluß befigt, der zu allen Sahreszeiten das Meer erreicht. Diefer Fluß entfpringt am Fuße des Dſchebel Dſchanaf und nimmt an der nördlichen Seite des Wädin Hadſchar nod zwei ftarfe Bäche auf, welche aus dem Wädig Scharab und Carhyr hervortreten. Die Durchſchnittsbreite deifelben beträgt 50 Fuß und ift er ftelfen- weife fehr tief. Ich ſah fehr viel Fleine Fiſche und eine Art Gra- nelen in ihm.

Im ganzen Wädiy EI Hadſchar ſoll Fein Sperling eriftiren, und wirklich fah ich dort auch keinen einzigen, obgleich während meiner Anwefenheit die Dattelernte war, wo fie ſich in andern Gegenden feharenweife einfinden. Die Einwohner fchreiben dies dem Neby Allah Hud (dem Propheten Gottes Hud) zu, welder, um das gehorfame und ehrerbietige Betragen der Einwohner gegen ihn zu be- Sohnen, den Sperlingen den Zutritt in diefes Thal verbot.

Da ih mich mm einen Tag aufhalten wollte, fo äußerte ich gegen meinen Wirth den Wunfch, einen beſchützenden Führer auf den Waͤdiy Mayfa'a und Habbän anzımehmen, worauf er mir ein fehr ab» ſchreckendes Bild von den zügellofen und räuberifchen Gewohnheiten des auf diefem Wege haufenden Bebuinenftammes Eds Dfiyayby entwarf und mir rieth, diefe Reife nicht zu unternehmen. Jedoch einmal entfchloffen, mich weder durch eingebildete noch wirkliche Ge⸗

140 Das Geſchlecht der "Abd el Manäh.

fahren abhalten zu Laffen, erklärte ich, daß ich troß dem Allen die Reife dennoch wagen wolle. Er fagte mir dann, daß Niemand mid ficherer dahin geleiten könne, als ein Mitglied der Familie "Abd el Manäh, melde in jener Gegend Hoch verehrt würde und daher im - Lande den größten Einfluß hätte; wenn mich alfo der einzige Hier wohnende "Abd el Manäh dahin führen wolle, fo würde ich viel- leicht Nichts zu befürchten haben.

Mit dem Berjpreden, am folgenden Morgen wo möglich diefen Mann zu gewinnen, zog er ſich in fein Zimmer zurüd,

Der Thermometer ftand des Morgens bei Windftille und hei- term Himmel auf 15°, um Mittag bei Nordweitwind 25°, am Abend bei demfelben Winde 25°. Die Richtung von EI Aqyq bis hierher iſt Süd.

14. Juli. Am Morgen des 14. brachte mein Wirth ben er- wünfchten "Abd el Manah zu mir, einen jungen rüftigen Dann, von fehwarzbrauner Hautfarbe und vielverfprechenden Aeußern. Bald fam ich mit ihm überein, daß er mich über die Auinen von Obne, Dſchul⸗eſch⸗ Schaych, Nagb el Hadfhar und "Yan nad Habbän bringen und fich überall mit mir fo lange aufhalten müſſe, als ich es für gut befinden würde. Dagegen verſprach ich, bei unferer An- funft in Habbän zu der ausgemadten Summe nod ein Gejchent hinzuzufügen, welches im Verhältniß zu feinem Betragen gegen mid) jtehen folle.

Nah diefer Webereinfunft übergab mid ihm mein Wirth mit Beobachtung des ſchon früher bei Mafalla befchriebenen Gebrauchs.

Diefes wichtige Geſchäft beendigt, begab ih mih mit Schaych Sfalym (fo hieß nämlich mein [hwarzer Schukengel) nah EI Däyime, wo ih vom Schayd der Schogayr freundlich em- pfangen wurde. Auch diefer rieth mir davon ab, auf dem Zerrito- rium der Dfiyayby zu reifen, welche er als eingefleifchte Teufel fchil- derte. „ES find feine Bedninen wie wir (fagte er), die Gott fürchten und dem Reiſenden das Seinige laffen, fon- dern Mörder und Räuber, die weder Wort noch Eid bindet.”

B

Die räuberifchen Dfiyayby. 141

Mit diefem Lobe, welches er fi) und den andern Beduinen auf diefe indirecte Weiſe auf Koften der Dfiyayby gab, war ih nun freilich nicht ganz einverftanden; bei alledem war es aber keineswegs beruhigend, einen Räuber, der nur durch die Macht herföümmlicher Geſetze oder durch Furcht abgehalten wird, den zu berauben, der unter dem Schutze feines oder eines andern befreundeten Stammes fteht, jagen zu ;hören, daß für einen Stamm, deſſen Gebiet man betreten will, alle diefe durch die Länge ihres Beſtehens geheiligten Conventionen ein leerer Schall find und daß weder religidfes Gefühl noch Furcht ihn abhält, feinen räuberifchen Gewohnheiten freien Lauf zu lafjen. Doc beruhigte mid einigermaßen feine Meinung, daß unter dem Schuße eines "Abd el Manaͤh die Gefahr geringer jet.

Auf meinen Wunſch, die Brunnen zu fehen, führte er mid) in den Schloßhof, wo mehrere Beduinen Datteln auf Matten aus- breiteten. Ich bemerkte Hier, daß die Fundamente der Gebäude frühern alten Bauten angehörten, während der obere Theil derjelben in neuerer Zeit aufgeführt war. Auf einem der Mauerſteine be- merkte ih) zwei himyariſche Buchſtaben, fonft aber nichts von alten Inſchriften. Dan führte mid) dann in einen großen be- dedten Raum, ber ein gemauertes Baffin umfchließt, das 10 Fuß ins Gevierte enthält und zu dem das Waffer durch eine Rinne von Außen hergeleitet wird.

Der Schayd) Tieß eine Kleine Thür öffnen, durch die wir ins Freie traten. Hier fteht, etwas von der Mauer entfernt, ein runder Zhurm, in welchen fi der erſte Brunnen öffnete, der ungefähr 3 Fuß im Durchmeſſer und 4 Fuß Tiefe bat. In den Seiten des Brunnens find Löcher gehauen, welde als Treppe dienen; denn ein anderer Weg zu den untern Brunnen eriftirt nicht.

In der Hoffnung, an den untern Brunnen eine Infchrift zu finden, ftieg ich mit meinem Schaych und einem Beduinen Hin- unter. Etwa 3 Fuß oberhalb des Brunnenbodens ift ein Setten- anal eingehauen, durch welchen das Waffer in ihn geleitet wird. Diefer Kanal ift fo niedrig, dag ich nur gebüct hindurchgehen konnte,

142 Alte Bauten und Brunnen in Däyime,

und führt in einen Thurm, ber mit einem andern in Verbindung ftebt, in welchen der zweite Brunnen niedergebt. Durch Dielen gelangten wir in den unterjten Thurm, in deſſen Nebengebäude ber eigentliche, waſſerſpendende Brunnen bis unter dem Niveau des Fluſſes eingehauen iſt.

Das Waſſer wird in ledernen, koniſchen Eimern, ohne Hülfe einer Rolle oder Welle von Brunnen zu Brunnen gefördert, bis es das Baſſin innerhalb der Schleßmauer erreidt.

Bon Inſchriften fand ich nicht die geringfte Spur, auch find die Thürme, die Grundmauern abgerechnet, neuerer Conftruction. Ob⸗ gleich dieſes Brunneuwerk den Brunnen Adens nicht gleid- kommt (wenigſtens hinfichtlich der Solidität des Geſteins), fo iſt es doch nichts deſto weniger ein bewundernswürdiges Werk, welches auf Zeiten höherer Cultur hindeutet.

Welche Urſachen walteten ob, die Nachkommen jenes civiliſirten Volkes in ihren jetzigen Zuſtand der Brutalität zu verſenken und ein Land, welches die alten Geſchichtsſchreiber und Geographen ein reiches, fruchtbares und daher glückliches nannten, in eine wüſte Einöde, in den Tummelplatz roher Horden zu verwandeln? Auch hier hat ih der geiſttödtende Einfluß der Religion Mohammed's kund ge— geben, deren ſinnloſe Formen und leerer Wortſchwall im Verein mit der unſeligen Lehre des Fatalismus die edlern Seelenkräfte der Völker entſchlummern ließ. Das Heidenthum mit feinen lehren voll Poefie, das Exblühen der Fünfte und Wiſſenſchaften dns Ehriften- thum pflanzte fie fort und baute auf unvergänglicher Baſis das ſchönſte aller Gebäude, „das Glüd der Völker“, indem es mit troftbringendem Licht die Macht der Barbaren verdrängte. Die Re ligion des Dorans aber wie ein zerftörender Brand auf die Bahn der Zeiten geworfen, vernichtet jedes Gefühl für Humanität, erftidt ieden Reim, aus welchem fi eine beglädende Givilifation ent» wideln könnte, und verwandelt blühende Lünder in grauenerregende Wüſteneien. |

Bei unferer Zurückunft verabjchiedete ich mid bei dent Schayd)

Bewäfjerungsfyften. 143

und verließ das Schloß, um noch einen Spaziergang im Thale zu machen. Auch hier ift das Bewäſſerungsſyſtem im Gange, das ih im Waͤdiy Do’än befchrieben habe, jedoch mit dem Unterfchied, daß hier weder das Flußbett, noch die Kanäle eingedbämmt find. Auf der kurzen Strede von. einer Stunde fah ich) drei Wehre im Fluſſe, welches auf einen ziemlich ftarken Tall des Waſſers fchließen läßt. . Den Reft des Tages benutzte ich zum Niederfchreiben meiner Notizen und zu den Vorbereitungen zur Reife.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und ftarfem Nebel 25°, um Mittag bei heiterm Himmel und Nordweitwind 36°, des Abends 28°.

Fünftes Capitel.

Die Auinen von Obue.

ICP PCI PC CER

Abreife von Hign ben Dighäl. Wadiy No'män. Dſchul Yaghuth. Wädiy Dſchiswel. Dſchebel Noſab. Ein erlofhener Vulkan. Wädiy Obne. Ruinen von Obne. Waͤdiy Araͤr. Zur Characteriſtik der Be- duinen. EI Dſchowayre. Oobbet el 'Ayn. Die Bay Hardſcha. Waͤdiy Mayfa'a. Ankunft in Dſchul eſch Schaych. Schaych "Omär ibn “Abd er Rahmän ben “Abd el Manäh. Abreife. Saqqume. Anfall der Dfiyayby. Rückreiſe nad Dſchul eſch Schaych. Abreiſe. Waͤdiy EI Hadhena. Dſchebel Alqa. Wadiy Soqqayme. Eg Codayre. Waͤdiy Scharad. Zweiter Anfall der Dſtyayby. EI Hodaͤ. Waͤdiy Garhyr. Ankunft in Hign ben Dighal.

15. Juli. Am 15. Iuli verließen wir kurz vor 7 Uhr das Haus meines gaftfreien Wirthes und befanden und bald unter den fruchtbeladenen Palmen an den Ufern des Fluſſes, dem wir thals abwärts rüftig entlang fehritten. Mein Schahch war nicht jo ge: Iprädjig wie die Beduinen, mit denen ich bisher reifte, denn till: Ichweigend trieb er fein Kameel vor ſich her und fang nur dann und wann einige an daffelbe gerichtete Worte, um e8 zum raſchern Schritte aufzumuntern. Die Sitte, dem Kameele vorzufingen, herrſcht im ganzen Orient, und die Kameele hören den Gefang gern und nehmen auch, Sobald gefungen wird, einen raſchern Schritt an, ‘Die Worte des Gefanges haben gewöhnlich Bezug auf die Eigenfhaften des Thieres oder auf die Beſchaffenheit des nächften Ruheplatzes. So hörte ich unter Anderm die Beduinen oft fingen: „O! mein Kameel!

Reiſelieder. Wadiy No'män. 145

Dein Rüden iſt breit und fleifhig! Du trägft mehr wie andere Kameele! Dein Gang tft raſch und fiher, und Du wirft nicht müde!” Oder auh: „Bor uns liegt ein Brunnen! Ein Brunnen mit füßem Waffer! Du wirft unter den Bäumen einhergehen, unter Bäumen voll faftiger grüner DBlät- ter” u. ſ. mw.

Nach Y, Stunde fah ich rechts vom Wege, auf einer Anhöhe, faft in der Mitte des Waͤdiy einen Wachtthurm, welcher Dign el Mifne genannt wird.

Zehn Minuten fpäter famen wir an das Dorf Dſchul Daghuth 06), welches an der weftlihen Seite der Mündung des Wädiy No'män liegt und gegen 200 Einwohner zählt. Der Waͤdiy No'män ift eine halbe Stunde breit und mit ‘Dattelpalmen bedeckt, unter denen vortrefflich angebaute Felder liegen. Wir hielten hier an, da der Schaych zu einem feiner Belannten gehen mußte, um einen Waſſerſchlauch zu Holen. Ungefähr 300 Schritt vom Dorfe entfernt, Tiegt unmittelbar am Dorfe ein Wachtthurm, welcher dazu dient, die Einwohner, während fie Wafler holen, zu befhügen. Kurz vor 8 Uhr fegten wir ımfere Reife weiter fort. Die Palmen und mit ihnen die Saatfelder verfchwinden ſchon nah 10 Minuten, und das Thal verengt fich plöglich zu einer etwa 40 Fuß breiten Schlucht, die einen Höhenzug durchſchneidet, welcher die Dſchebel No’man und Matny 19%) verbindet.

Mit ſtarkem Getöfe ſtürzt fih der Fluß in dieſe Schlucht und drängt fich ſchäumend durch die Felſentrümmer, welche feinen Lauf hemmen. Der Weg führt etwas bergan und 1Y, Stimde zwilchen der Schlucht und dem Abhange des Dfchebel No'maͤn Hin. “Diefer Berg entſendet einen Ausläufer nad) Südoſt, welcher den Namen Dichebel Dichofayye 197) führt. Von diefem Höhenzuge ftiegen wir in ein breites Thal hinab, welches Waͤdiy Dſchiswel genannt wird und mit einem Dicficht von Arda, Platanen, Mimofen und Tamarisken beſetzt ift, durch welches ſich der Fluß fchlängelt. Um 10 Uhr lagerten wir unter dem Laubdache einer riefigen Platane am Linken Ufer des Flufſes.

A. v. Wrebe's Reife in Habhramaut. 10

146 Gebirgsbildung. Waͤdiy Dichismel.

Die dammartige Ablagerung des tertiären Kalkſandſteins, welche die beiden Dſchebel No'maͤn und Matny verbindet und durch welche fi der Fluß Bahn gebrochen Hat, hat eine Höhe von ımgefähr

150 Fuf.

Nahe bei unferm Ruheplatze brauft aus der Schlucht der Fluß hervor und ergießt fich in ein Treisförmiges Beden, welches eine Tiefe von mindeitens 20 Fuß mißt und augenfheinlich durch den Fall des im Anfang über den Damm fließenden Waſſers entjtanden ift. Denn allem Anfchein nad) war der Waͤdiy EI Hadſchar früher von einem Landſee bededt, welcher nad) vollendeter Auswaſchung der Schlucht pollftändig abfloß. Auch deuten bie Süßwafjerdiluvien darauf hin, mit welchen ich fpäter den weftlichen Theil des Wädig, von EI Hoda aufwärts, auf eine Strede von 3 Stumden überdedt fand. Der Fluß war bier reih an Forellen und Farpfenartigen Fiſchen.

Gegen 2 Uhr brachen wir auf und verfolgten den Lauf des Fluſſes bis ’/, nad) 3 Uhr, wo wir die bisherige füdöftliche Rich— tung verließen und, ung nad Süden wendend, eine Anhöhe eritiegen, auf welcher der Weg einem bededten Gebirge zuführt, welches den Namen Dihebel No’äb trägt und nur durch eine Niederung von dem bier fteil abfallenden Dichebel Matny getrennt ift.

Um 4 Uhr genoß ich eine herrliche Ausſicht in das Thal, an deſſen weftlicher Seite ein burgähnliher Bau liegt, welder Pin et Zample heißt. In dem Bette des Wädiy No’äb, welcher bei dieſem Bau in den Wädiy Dſchis wel mündet, erblicte ich mehrere mit Saat: feldern umgebene Häuſer, welche von den Beduinen des Stammes Ba Dorus bewohnt werden. Diefer Stamm ift eine Abtheilung bes Stammes Beny Nuh. Bon Dim et Tawhle abwärts wird das Thal Wädiy Mayfa’a genannt. Das Bett des Waͤdiy No’äb ver- folgten wir eine Stunde in füdweftliher Richtung und ftiegen dann einen fchroffen Abhang Hinan, an welchem fein anderer Weg war, als die vorfpringenden Schichten der Grauwacke.

Dean ift in Europa der irrigen Anficht, daß das Kameel nur auf ebenem Boden fortfommen könne und in den Gebirgen von wenigem

Geologifches. 147

Nugen oder auch ganz und gar nicht brauchbar ſei. Allein ſowohl bier, als auch bei vielen andern Gelegenheiten habe ich mich vom Gegentheil überzeugt, und oft mit Erftaunen den fichern Zritt und die Leichtigkeit bewundert, mit welcher diefes Thier auf den fchwierigiten Gebirgswegen einherfchreitet.

Wir Hatten 40 Minuten zur Erfteigung diefer Anhöhe gebraucht und betraten jet eine Gegend, welche in geologifcher Beziehung eine der merkwürdigſten ift, die mir während meiner Reife aufitieß. Der Weg führte nämlich in eine Freisförmige Niederung von 10 Minuten Durchmeſſer, die von einem 20 Fuß hohen mulftigen Rande erftarrter Lava umgeben iſt. Längs der innern Seite deffelben erheben ſich mehrere Tonifche Hügel, welche man beim erften Anblide für Afchen- haufen anfehen könnte. Bei näherer Befichtigung jedod) fand ich, daR fie aus Bimſtein beftanden, deſſen Dberflähe fchon fehr verwittert war. Sie find von Strömungen eines ſchwarzen Obfidians durd)- feßt, welcher als fchwer zu verwitterndes Geſtein über die Oberfläche der Hügel vorfteht. Die Lava ift ſchwarz, voll runder, oft ganz fhwarzer Blafenräume, Olivin und glafigen Feldſpath, Kryſtall⸗ freide enthaltend. Die fehauerlichen Klüfte, welche in den Wänden bes nahen Gebirges gähnen, und die bedeutenden Hebungen ber Schichten in der nüchſten Umgebung des Kraters zeugen von der erfchütternden Gewalt, mit welcher fich hier das plutonifche Element Bahn brach, geben der Gegend einen höchſt bizarren, wilden und großartigen Cha⸗ rafter, der auch auf die lebhafte Einbildimgsfraft der Araber einen ftarken Eindruck gemadjt hat. .„Gleich feurigen Phantomen“ (erzählt man ich) „ſtreifen hier nächtlicher Weile Geifter umher und vernichten jeden tollfühnen Sterblichen, der e8 wagt, an diefem ihren Zummel- plate zu übernachten.”

So hat fid) die Sage von den Schredniffen, deren Schauplak biefer Ort einjt war, bei dem Bolfe fortgepflanzt und dem Glauben an bösartige Yeuergeifter feine Entftehung gegeben. Sie nennen daher auch diefen Ort: Omm el Dſchinny, d. i. Ort der Geifter.

Nachdem wir den füdweftlichen Hand des Kraters überftiegen 10*

148 Der Wädiy Obne.

hatten, zogen wir bis zum Waͤdiy Obne 40 Minuten lang eine fanft abgedacdhte Ebene Hinab, welche von einem Lavaſtrom bedeckt üt. Noch eine Heine Strede verfolgten wir den- Wädiyn und lagerten ums unter einer großen Mimofe. Während wir nun hier an eimem hell: lodernden Feuer figend unfere frugale Abendmahlzeit hielten, wurden wir durch das plögliche Auffpringen bes Kameels aufgefchredt. Zn gleicher Zeit erblicten wir in einer Entfernung von 15 Schritten zwei große Hyänen, welche aber, als wir mit Feuerbränden bewaffnet, auf fie losgingen, eiligft die Flucht ergriffen. Wir banden das Kamed an den Baum, beendigten unfere Abendmahlzeit und legten uns zur Ruhe, die auch in diefer Nacht nicht weiter geftört wurde. Am Morgen ftand der Thermometer bei ftarfem Nebel und Windftilie 25°, am Mittag bei heiterm Himmel und Nordweitwind 36°, am Abend 25°. -

16. Juli. Am 16. früh Y, nah 5 Uhr machten wir uns auf den Weg, und verfolgten den Wädiy, der fich mit fehr ftarfem Ge- fälle durd ein Iura-Dolomit- Kalfgebirge windet. Die Thalſohle bildet eine vollfommene Treppe, deren Stufen eine Höhe von 1—5 Fuß haben. Kine Viertelftunde Weges Hatten wir zurüdgelegt, als mir der Schaych auf der zur Linken des Weges Tiegenden Anhöhe bie Ruinen eines alten Baues zeigte. Ich ftieg hinauf, fand aber Nichte als einen alten Schutthaufen, in dem man herumgewühlt hatte, wahr: fheinlid um Schätze zu ſuchen. Behauene Steine, Ziegel und zer- brochenes Zöpfergefchirr lagen umher. Das Gebäude war, nad) dem Material zu urtheilen, gewiß aus fehr alter Zeit und mochte wohl ein Wachthurm geweſen fein.

Um 157 Uhr hörte die treppenförmige Abdachung des Thales auf, und ein fandiger, mit Gerölle bedeckter Pfad wand fich zwifchen großen Felsblöden.

Kurz vor 7 Uhr langten wir bei den merfwürdigen Ruinen an, welche von den Arabern Hien el Obne genannt werden. Bon unferm Nachtlager bis zu diefen Ruinen hatten wir bejtändig die Richtung Sid, 20° Welt eingehalten. Weberaus kümmerlich ift die

Die Ruinen von Obne. 149

Begetation auf diefer Strede, und nur unter einem großen fchief- liegenden Yelsblode fanden wir Schatten.

Die Ruinen von "Obne find nicht die einer Stadt, wie ich mir vorgeftellt hatte, jondern die einer Mauer, welche quer durchs Thal gezogen ift und dann über einen nicht fehr fteilen Berg geht, welcher den Wädiy Obne in Weften begrenzt und im Often an einer tiefen, wie ein Graben geftalteten Schlucht endigt, an deren ent« gegengefegter Seite eine Anhöhe fehr fteil abfällt. Diefe Anhöhe und der Thalboden beſtehen aus Grauwacke, der gegenüberftehende Berg aus Jura⸗Kalkſtein. Dem öftlichen Ende der Mauer gegenüber zieht ji) von der Anhöhe eine ſchmale Schlucht nieder, welche auch durch eine Mauer gefchloffen ift, an der man am Boden ein vier- eckiges Zoch gelaifen hat, um das Negenwaffer durchfließen zur Iaffen. 100 Schritt füdlic von der großen Mauer fällt die Thalſohle einige 30 Fuß ab, und der Wädiy, welder von da an "Arär genannt wird, ift jo ziemlich mit Arda, Mimofen und Dompalmen bepflanzt. Einige 50 Schritt weiter mündet öftlich ein anderer Wädiy ein, nach welchem obenbemerfte Anhöhe fehr fteil abfällt, aber da, wo fie gleichfam ein Vorgebirge bildet, eine weniger fteile, ftufenförmige Abdachung zeigt. Da nun von diefem Punkte aus die Hauptmauer umgangen werden Tann, fo bat man den Gipfel des Vorgebirges mit einer Mauer gekrönt, die, wenn auch nicht fo groß, doc Hinfichtlich ihrer Bauart der großen Mauer gleiht. Die Hauptmauer ift im Thale gleich gut erhalten, dagegen am Berge und am Abhange defjelben zerftört. Die großen Duadern find forgfältig behauen und mit einem Mörtel zufammengefügt, der beinahe jo hart geworden ift, wie das Geftein felbft. Die Höhe diefer Mauer ift 6 Meter und 92 Gentimeter, die Breite 6 Meter und 8 Centimeter. Die Länge vou der Schlucht bis zum Fuße des gegenüberliegenden Berges 67 Meter. In der Mitte des Thals befindet fi ein Thorweg von 1 Meter und 64 Sentimeter Breite, deſſen Wände etwas abdachen und der augenjcheinlich nie bededt war. An feinem füd- lihen Ausgange ift auf einem langen Quader, in der öftlichen

150 Die Infchrift von Obne.

Wand eine 5 Zeilen ftarke, zierlicdh eingehauene, himya— rifhe Inſchrift. Am nördlichen Ausgange hat der Thor- weg eine Erweiterung von einigen Zollen, als wie für eine Thür beftimmmt gewefen; jedoch fehlt jede Vorrichtung, fie einzuhängen. Die Bände der Mauer find gleich denen des Thorwegs um ein Weniges abgedacht und treten an verfchiedenen Stellen um ein Weniges hervor. An der Seite, welche an die Schlucht ſtößt, ift die Böſchung etwas ftärfer und ein Strebepfeiler angebradht, der auf einem VBorfprunge bes Felſens ruft. Auf der Mauer ift von den Dfiyaybh - Beduinen eine mit Schieglöchern verfehene Bruftwehr aufgeführt worden, hinter der fie mit vorgejtredten Gewehren dem Neifenden ein Pafſagegeld abverlangen. Zum Glück waren bei meiner Anmefenbeit feine diefer Wegelagerer zugegen.

Die Beftimmung diefer Mauer fpricht fich ſchon in der Art ihrer Anlage aus; fie diente augenfcheinlich zu nichts Anderm, ale den Zugang zum Wädiy Hadſchar und dem Hadhramaut zu ver- fperren. Ihre Entfernung von Biyr "Alyy, einer in alten Zeiten blühenden Hafenftadt, beträgt eine Zagereife. Nun führen von dort zwei Hauptftraßen nad) dem Innern, von demen die cine durch den Wähiy Mayfaa nad) Habbän und nad) ber Provinz Yafla, bie andere durh den Wädiyg Obne und CI Hadſchar nach bem Hadhramaut führt.

Jene wurde durch die Stadt beherricht, deren Ruinen noch unter dem Namen Nagb el Dad har befannt find; diefe durch die oben beichriebene Mauer. | Die Zeit der Erbauung dieſer Mauer zu beftimmen, über- laffe ic) den Gelehrten, welche durch die beifolgende Kopie der Infhrift Hoffentlich genügende Aufklärung erhalten werden. (Leber die Inſchrift ſ. Anhang.)

Vergeblich fuchte ich nad) Ueberreiten anderer Bauten; ich Eonnte in der ganzen Umgebung nicht das Geringfte der Art finden. Wo wohnte die Beſatzung? Vielleicht in dem Bau, defjen Rırinen ic thalaufwärts jah?

Sagen über die Mauer von Obne. 151

Gleich nach unferer Ankunft begab ich mich zu der Inſchrift und copirte diefelbe, was freilich fehr langjam von ftatten ging, ba mir bie himyariſchen Charaktere gänzlich unbefannt waren. Während ich mit diefer Arbeit befchäftigt war, vernahm ich einen Lärm, ale wenn ſich mehrere Perfonen zankten. Natürlich fam ich auf den Ges danken, daß Schaych Sfalym mit Dſiyayby-Beduinen in Streit ger rathen fei, und eilte deshalb zu ihm. Dieſer aber kam mir bereits im vollen Lauf entgegen, weil er ebenfalls der Meinung gewefen, ich fei mit Dſiyayby⸗Beduinen in Collifion gerathen. Jetzt entdeckten wir erit auf der andern Seite der Schlucht die Nuheftörer, nämlich eine Truppe von einigen 60 Affen, die herabgelommen waren, um ihren Durſt mit dem auf dem Boden der Schlucht ftehenden Waſſer zu löfhen. In feinem Aerger fchleuderte mein Schaych unter allen nur möglichen Verwünfchungen Steine gegen fie, welches aber feine andere Wirkung hervorbrachte, als daß die ganze Gefellihaft in eimer größern Entfernung niederkauerte. Schaych Sfalym fah ihnen nad und rief dann aus: „Nun, wie werdet ihr mir gehorden, da thr nicht einmal auf die Ermahnung Hud’s, des Propheten Gottes, geachtet habt?“ |

Abergläubifche Sagen, welche durd) den ganzen Orient verbreitet find, Inlipfen fih an diefe Bewohner der Klüfte; die Legende erzählt unter Anderm:

„Der König Scheddäd aus dem aramdifchen Gefchlechte der «Ad» eroberte die Welt und brachte alle erbeuteten Schäße in feine Hauptftadt Iram⸗dſat⸗el⸗Iſſnaͤd 10°), deren Bewohner fo reich wurden, daß der König in einem goldenen Palafte und feine Unterthanen in filbernen Häufern wohnten. Diefer Neichthum Hatte zur Folge, daR der König ımd feine Unterthanen ein höchſt lafterhaftes Leben führten. Gott ſchickte daher feinen Propheten Hud, um fie zur Beſſerung zn ermahnen. Doch alle Ermahnungen waren vergeblih. Im Gegen- theil verhöhnten fie nur den Mann Gottes. Ja der König entſchloß fich fogar, Gott und feinem Propheten zum Troß einen Garten an⸗ zulegen, deflen Pracht die des Paradiejes übertreffen ſollte. Dieſem

152 Der Wundergarten des Könige Schebbäb.

Plane zufolge baute er einen Balaft, deffen Diauern und Fundamente aus goldenen Quadern beftanden. Die Deden der Gemächer wurden von kryſtallenen Säulen getragen und mit Perlen und Brillanten ausgelegt. In den Wänden waren Rubine, Smaragde, Sapphire und Topaſe jo feit gefaßt, daß Niemand fie herausbrechen konnte. 12000 Kuppeln bedeckten diefen Prachtbau, welcher dergeftalt mit Edelſteinen überſäet war, daß bei Sonnenfchein Niemand darauf hinfehen Tonnte. In 200 goldenen Kiosks wohnten ebenfo viel Mi- nifter, welche in Gewändern einhergingen, welche von Perlen und Diamanten ftrogten. Durch den Garten, welcher dieſen Palaft um- gab, floß ein Bach wohlrichendes Waſſer, ftatt über Kiefel, über Perlen und Edelgeftein; immerblühender Saffran wuchs an feinen Ufern, anftatt der gewöhnlichen Gewächfe. Längs dem duftenden Bach ftanden eine Menge goldener Belvedere, welche von Bäumen deffelben Metalls umgeben waren, deren Früchte und Blüthen Ru- binen und Perlen, das Laub aber Smaragde waren. Auf diejen Bäumen faßen goldene und filberne Vögel mit Augen von Rubin, deren Inneres mit füßduftenden Eſſenzen angefüllt war, die ringsum die Luft mit Wohlgerüchen füllten. Der Boden diefes Wunder- gartens endlich, beftand aus Ambra und Moſchus. Tauſend Ge- neräle, deren jeder 1000 Mann Garde befehligte, waren zur Be- wachung diefer Reichthümer beftellt. Es trugen diefe Generäle gol- dene, und ihre Soldaten filberne Harnifche.

„Kaum hatte der König Schebbäd erfahren, daß fein Garten fertig fei, fo brach er mit allen feinen Miniftern, Generälen und Garden auf, um ſich an dem Anblick deffelben zu laben. Aber noch ehe er des Gartens anfichtig wurde, erreichte ihn und fein Volk die Strafe Gottes. Denn plößlich erblicdte er eine filberne Figur mit goldenen Hüften, welder von marmornen Beinen getragen wird und an welder Rubinen die Stelle der Augen vertraten. Ohne Verzug Iprengte er auf fie los. Allein ebenfo ſchnell, als er reitet, weicht auch das Bild zurüd. Schon hat er feine Gefährten aus den Augen verloren, und er fieht fi) deshalb um, ob diefelben folgen. Als er

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Zerſtörung des Wundergartens. 153

nun feine Blicke wieder der geheinmißvollen Geftalt zuwendet, ift die- jelbe verfchwunden. An ihrer Statt fieht er aber einen geharnifchten Reiter, welcher ihm mit donnernder Stimme zuruft: «Elender Sclave! an was denfft Du in einer Lage wie die Deinige, oder was ift das, das Du fo hartnädig verfolgft? Bildeft Du Dir ein, daß der Gegenstand, mit dem jet Dein Geift befchäftigt ift, ober die Thaten und Unternehmungen Deiner Vergangenheit, Dich vor den Streichen des Todes fihügen?» Mit diefen Worten öffnet der Tod (denn diefes war der geharnifchte Reiter) die Erde unter feinen Füßen und der König Scheddäd verfchwindet. Sein Volt aber wurde in Affen verwandelt, und ihre Stadt Iram-dfat-el-"Iffnäd, ingleichen der Garten mit feinen leuchtenden Baläften verſchwanden und ſchwirren jest in der Luft umher, wo fie von Zeit zu Zeit als glän- zende Meteore erfcheinen, um das Gefchlecht der Menfchen an biefes Strafgeriht Gottes zu erinnern.”

Diefer Scheddaͤd ift derfelbe, von welchem erzählt wird, daß er zur Zeit des Durchbruchs der Meerenge Bäb el Mändeb regiert habe. Dean Tann bier vermuthen, daß der Landftrich, welder früher die Stelle eingenommen Hat, in welcher jet die Meerenge fluthet und der Stamm der Ad” in einer und derfelben SKata- ftrophe untergingen, um fo mehr, als die arabifchen Schriftfteller die Stadt diefes Volles und den Wundergarten ihres Königs in die Nähe von Aden ſetzen.

. Bis 5 Uhr Nachmittags war ich) mit der Aufnahme alles deffen zu Stande, was mir diefer merfwürdige Ort bieten konnte, und gab daher den Vorftellungen meines Schaychs Gehör, der durchaus

weiter thalabwärts übernachten wollte, weil einerfeits das nöthige

Butter für fein Kameel daſelbſt zu finden wäre, und andererfeits, weil dort nicht zu befürchten fei, mit den an der Mauer nächtlicher— weile umherjchweifenden Geiftern in Collifion zu gerathen. Wir zogen aljo noch '/, Stunde weiter und lagerten an einer gebüfchreichen Stelle des Wädiy "Arar am Fuße des Dichebel Araͤr. Der Ther- mometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Himmel 20°,

154 Fruchtbarkeit des Waͤdiy Araͤr.

um Mittag bei Nordweſtwind 36°, am Abend bei ſehr ſchwachen Südweſtwind 25°.

17. Inli. Am 17. Juli früh (10 Minuten vor 5 Uhr) ver- folgten wir den Wädiy ‘Arär in fühlicher Richtung. Es hHerrfde vollfommene Windftille und die Hitze wurde um 8 Uhr ſchon io drückend, daß wir unfer Vorhaben, erft um Mittag zu ruhen, auf: gaben und uns ſchon um 9 Uhr unter einem Dome des Herrlichiten Grüns Tagerten. Das Thal ift Hier ungefähr 400 Schritt breit umd von niedrigen Hügeln des Numulitenkalks eingefchloffen. Die Bege: tation ift herrlich. Rieſige Palmen, fchlante Arcas, Mimoſen und Nebek Hilden hier ein Didicht, welches von biumenreihen Schling- pflanzen durdhflodhten wird. Um das fchmadhaftefte Trinkwaſſer zu befommen, braucht man nur höchſtens 1 Fuß tief in den Sand bes eigentlichen Flußbettes zu graben. Der Boden befteht aus merge- figent Thon, mit etwas Sand vermildht, und könnte Tauſende von Menſchen ernähren. Kaum hatten wir einige Minuten gerubt, fo . hörten wir die Stimmen mehrerer Männer durd das Gebüſch fchalfen, und bald erblidten wir auch acht bewaffnete Beduinen, wie es fchien, Freunde meines Schaychs; denn nachdem fie ſich gegenfeitig begrüft hatten, fetten fie fid) nieder.

Da fie mir weder die Hand gegeben, noch mich ſonſt begrüft hatten, jo ahnte mir nichts Gutes. Es dauerte auch nicht Tange, fo entfernten fich zwei von ihnen umd riefen meinen Schahch, dem glei darauf die übrigen folgten. Während ihrer langen Lnterredung beobachtete ich ihre Bewegungen und Blicke, und ſah aud) bald, daß von mir die Rede fei, fowie daß fie e8 darauf abgefehen hatten, mir einige Thaler abzupreffen. Ich Hatte mid nicht geirrt; denn, nachdem fie zürüdgefehrt waren, führte mid Schaych Sfalym auf bie Seite und erflärte mir, daß ich den Beduinen 50 Thaler Paſſagegeld zu zahlen hätte, widrigenfalls würde er mich verlaffen und allein nad dem Wädiy EI Hadſchar zurüdtehren.

Schon befammt mit ſolchen Bebuinenkunjtftüden, verweigerte ic entfchieden diefe oder irgend eine noch fo Heine Summe und erinnerte

Verſuch zur Gelderpreflung. 155

ihn, daR er ſich verpflichtet habe, mich ficher nad) dem Orte meiner Beitimmung zu bringen. Es fei daher feine Sache, ſich mit den Beduinen abzufinden,; übrigens möge er thun, was er verantworten könne.

Wie ich es vorausgeſehen hatte, ſo geſchah es. Er verſuchte nun, mich zu überreden, und drängte einige Male, das Geld herzugeben; da ich ihn aber keiner Antwort würdigte, ſo brach er mit der ganzen Truppe auf, nahm ſein Kameel und zog von damen. Ich that, als bemerke ich den Abzug nicht, und blieb ruhig auf meinem Platze ſitzen. Mein Dachayl kam nah Y, Stunde wieder und theilte mir ganz im Vertrauen mit, daß es feinem Einfluffe gelungen fei, die Beduinen mit 25 Thalern zufrieden zu ftellen. Ich ſolle doch nicht jo hart- näcdtg fein und diefe Summe zahlen; denn ſonſt müſſe er mid) ganz gewiß verlajfen. „Und was wird dann Dein Scidfal fein?“ fette er Hinzu. „Entweder bringen Dich die Beduinen um, oder Du wirft von wilden Thieren zerriffen, oder Du verhungerft .in diefen Bergen! Darum bezahle lieber das Geld, damit wir weiter ziehen können.“ Ich erwiederte fo barſch als möglich, daß ich auch nicht 25 Kaffeebohnen hergeben würde, und daß ih, was meinen Untergang anbelange, unter dem Schutze Gottes ftände, ohne deifen Willen kein Haar meines Bartes gefrünmt werden könne. Er aber fei nicht viel beffer als ein Räuber, obgleich er fich einen Schayd) und ‘Abd el Manäh nenne; er möge alfo feiner Wege ziehen, wenn er e8 glaube zu dürfen.

Nach diefem Beicheid verließ er mich mit den Worten: ‚Du haft mich nicht Hören wollen, Dein Blut komme über Dich!“ Worauf ich ihm zurief: „Nicht über mic komme es, fondern über Did, der Du handelt wie ein Bawwaͤq (Treulofer)! Schande über Dich und Deinen Stamm, "Abd el Manäh!‘

Nah Verlauf von Y, Stunde hörte ich die ganze Gefellfchaft zurüdtommen, ohne daß ic) jedoch durch eine Bewegung verrieth, daß ich es bemerkte. Sie fekten fich wieder neben mich hin und ver- Iangten zehn, dann fünf und endlich nur einen Viertelthaler, welche

156 Ausföhnung mit den Räubern.

Forderungen ih alle in einem sehr beitimmten Zone von mir wies. Als fie fahen, daß mich bis jet Nichts eingefchüchtert hatte, verfuchten fie es, mir auf eine andere Art Furcht einzujagen. Eimer von ihnen zündete die Lunte feines Gewehre an, öffnete die Pfanne und fekte mir die Mündung auf die Bruft, mit der Drohung mich zu erichießen, wofern ich ihren Forderungen nicht Genüge leiften würde, ein Anderer verfeßte mir zugleich Kolbenftöße in den Rüden.

Obgleich ich überzeugt war, daß der Beduine mich nicht er- ichießen würde, fo hatte ich doc, die Beſorgniß, daß ſich das Gewehr durch Unvorfichtigkeit entladen lönne, zumal die brennende Lunte kaum 1 Zoll hoch über der offenen Pfanne ſchwebte. In der Hoffnung, daß ſich mein Schayd ins Mittel fchlagen würde, verhielt ich mid noch einige Augenblice leidend. Als ich aber ſah, daß derfelbe lachend zufah, jo machte ich dem Unfuge ein fummarifches Ende; das heißt, ich riß mit der einen Hand die Mündung des Gewehre von ber Bruft und gab mit der andern Hand meinem Gegner einen fo derben Fauſtſchlag vor die Stirn, daß er rüdlings zu Boden fiel. Ich erwartete jett, daß mic der Beduine mit der Dſchembiye angreifen würde, und zog deshalb die meinige. Allein Nichts von Allem erfolgte. Im Gegentheil lachten Alle, felbjt der Geſchlagene. Man gab mir gute Worte, verzichtete auf jede Contribution und fekte fich mit der Bemerkung nieder: „daß id ein Mann mit weiten Herzen, b. i. ein muthiger Mann ſei“. Es wurde Kaffee getrunfen. Mein früherer Gegner fette fi) mir zur Seite nieder, gab mir die Hand und wechjelte zum Zeichen der Berfühnung die „Kaffeetaffe‘ mit . mir, kurz, Alles war wieder ins alte Gleis gebracht.

Im Verlauf meiner Reifen im Orient habe ich fehr oft Ge- fegenheit gehabt, zu bemerfen, daß bei einem rohen Volke nur der- jenige imponirt, der bei einer kräftigen Perfünlichfeit Muth und Geiftesgegenwart befitt. ‘Daher darf man nie umterlaffen, ſolchen anmaßenden Forderungen gegenüber eine ruhige, feite Haltung anzu- nehmen, und fih nur dann Thätlichkeiten zu erlauben, wenn bie Sache im Wege der Güte nicht beizulegen ift. Aber aud dann muß

Begriffe über Ehrenkränkungen. 157

man fi) hüten, feinen Gegner auf eine Weife zur behandeln, welche in feinem und Anderer Augen für ſchmachvoll gilt. Hätte ih 3.2. dem Beduinen eine Ohrfeige ftatt des Fauſtſchlages verfett, jo wäre eine folche Beleidigung nur mit meinem Blute abzumafchen gewejen; dahingegen lag in dem Fauſtſchlage nichts Befchimpfendes, und das gute Vernehmen wurde bald wieder hergeftellt.

Bald nad Beendigung diefer Scene verließen uns die Beduinen, wir aber wanderten erft am Mittag weiter, wo wir noch eine halbe Stunde den Wäbdiy verfolgten und dann die den Wädiy zur Linken begrenzenden Anhöhen beftiegen, auf deren Rücken fi eine von aller Vegetation entblößte Ebene nach Südweſten ausbehnt, welche in diefer Richtung allmählich abfällt. Von diefen Punkten aus erhebt ſich zur Rechten in einiger Entfernung ein hohes Gebirge, der Dfchebel Arcime; links ragen die gezadten Gipfel des düſtern Dichebel EI Deayde. 199%) Drei Stunden bleibt der Boden felfig, dann aber be- ginnt ein tiefer Sand, aus dem im auffallenden Gegenfage zu feiner biendenden Weiße mehrere 100 Fuß hohe, Tugelfürmige, ſchwarze Hügel hervorragen. Im Hintergrunde endigt die Sandwüſte an ber feuchten Wüfte des indischen Ocean.

Etwa Y, Stunde vom Mecre entfernt überftiegen wir einen Damm oder vielmehr einen fammartigen Durchbruch des Baſaltes, der von Norden nad) Süden ftreicht, nahe am Meere in einem kegel⸗ förmigen Hügel endigt und mit den früher erwähnten Hügeln in Verbindung fteht. Kurz vor 6 Uhr lagerten wir zwifchen Dünen, welche größtentheils mit einer grünen Laubdecke überzogen find, auf welcher unfer Kameel weibete. Bon diefer Stelle aus lag uns Dſchebel Arcime gerade im Norden. Am Fuße dieſes Gebirges, welches ich auf 3000 Fuß Höhe fchägte, und in den Schluchten und Thälern deffelben haben fi) hohe Sandberge aufgethürmt. Ich lernte hier eine Art winzig Heiner Ameijen kennen, bie oft in diefer Gegend zur Landplage werden, da fie Alles und fehr ſchnell zerjtören. Hier hatten fie die Mimofen und Tamarisken von der Wurzel bis in die feinsten Spigen der Zweige vollfommen ausgehöhlt, ſodaß ich ohne

158 Ankunft am Meeresftrande.

große Mühe einer 20 Fuß Hohen Baum umreißen kounte. Sie Icheuen das Licht und bauen daher bededte Gänge, in denen fie bis zu irgend einer Deffnung der Rinde laufen; denn diefe verzehren fie nicht, nagen fie auch nirgend an. Ich zerftörte einen Gang, den diefe Ameifen gebaut hatten, fie arbeiteten aber fo emfig, daß der Schaden bald wieder ausgebefjert war.

Diefe Heine weiße Ameife heißt bei den Arabern EI Arda und ift die Termes fatale des Linne.

Die Hauptrichtung von Dim el Obne hierher ift gerade Süd- weft. Der Thermometer ftand am Morgen bei heiterm Himmel und Windftille 22°, um Mittag bei Schwachen Nordweitwinde 36°, am Abend 25°.

18. Iuli. Am 18. früh um 5 Uhr verließen wir unjer fandiges Lager und wateten in der Richtung Nordweſt zwifchen und über Sand- dünen hin. Nach einer Stunde betraten wir eine Fiefige Ebene, die im Norden und Nordweiten von hohen Sandbergen begrenzt wird und auf denen fich mehrere Heine Waldungen von Dattelpalmen gruppiren. Um Y, nad) 7 Uhr erreichten wir EL Dſchowayry, ein 10 Minuten vom Meere, am Abhange eines Sandberges gelegenes Dorf des Stammes Eſſ Sfolaymäny, einer Unterabtheilung des Hauptftammes der Dfiyayby. Es befteht aus einigen 60 ärmlichen Hütten, zwifchen denen eine Mofchee und einige maffiv gebaute Häufer ftehen. Die Einwohner befchäftigen ſich hauptſächlich mit Fiſchfang, ftegen aber aud) der Viehzucht und der Jagd ob. Aderbau wirb nur fehr wenig betrieben, da der fandige Boden nicht dazır geeignet iſt.

Wir kehrten in das Haus eines Belannten meines Schaychs ein, wo wir freundlich bewirthet wurden. Ich Hatte in Diem ben Dighaͤl einem Kranken etwas Arznei gegeben, und der Hauswirth, der dieſes durch Schaych Sfalym erfahren Hatte, bat mid), einen armen Tranfen Mann zu befuchen, der am Ufer des leeres in einer Hütte wohne. Sch bejuchte den Kranfen, der in einem fehr heftigen Fieber lag. ‘Da man aber in Arabien mit Arzneiengeben jehr vorfichtig fein muß, fo erklärte ich, daß ich bei diefer Krankheit Nichts thun könne. Man

Ein feltfamer Talisman. 159

bat mich, dem Kranken ein Amulett zu fchreiben, welchem Verlangen ih auch nachkam, indem ih aus Sciller’s „Lied von der Glocke“ den befannten Vers fchrieb:

Gefährlich ift’8 den Leu zu weden,

Berderblid) ift des Tigers Zahn;

Jedoch das Schredlichfte der Schreden,

Das ift der Menſch mit feinem Wahn.

Unterfchriftlih fügte ih meinen Namen bei. Die Frau des

Kranken legte das Papier forgfältig zufammen, nähte es in ein Stüd Leder ein und hing es dem Kranken um den Hals. Zugleich hörte ih fie zu ihrem Manne fagen: ‚er folle bis zu feiner Genefung zu irgend Jemand fo hoch als möglich ins Gebirge gehen‘. - Ih Hatte bier die Gelegenheit, die Fahrzeuge zu fehen, welcher fi die Araber beim Fifchfang bedienen. Es waren ihrer zwei Arten, und ich muß gejtehen, daß es wohl nicht etwas Primitiveres geben fann.

" Die eine Art befteht aus 10—12 armitarfen, 6—7 Fuß langen zufammengebundenen Aeſten. Auf dieſem Floß ift eine Matte aus- gebreitet und einige aus Palmblättern geflochtene Körbe find an ihm befeitigt, um die gefangenen Fiſche darin aufzubewahren. Etwas nad) vorn ijt in der Mitte eine Vorrichtung, um eine Stange darin be— fejtigen zu können, an der eine Matte als Segel aufgezogen wird. Ein Paar Stide Holz dienen als Ruder.

Die zweite Art ift ebenfalls ein Floß, welches aus 6 auf- geblafenen Schläuchen befteht, auf denen eine Art Roft von zufammen- gebundenen Dattelzweigen ruht. Diefe legte Art der Flöße, und wahrfcheinlich auch die erftere, war fchon in den älteften Zeiten im Gebrauch; denn Ptolemäus erwähnt derjelben in feinem 6. Bude bei der Beichreibung des Sinus Sadhalitorum, und Arrian in feiner Beſchreibung des Erythrätfhen Meeres. „Zur Zeit der Blüthe des fabäifhen Reiches” (erzählt Diodor von Sicilien) „wohnte an der Küfte des indifhen Meeres, im glüdlihen Arabien, ein Volk Debae genannt, mit wel-

160 Die Dſiyayby. Ayn ba Mi’bet.

hem die Sabäer Handelsverbindungen pflogen.” Be: muthlich find diefe Debae und die Dfiyayby 110) ein und daſſelbe Boll. Wenigftens ift fein Grund vorhanden, die Identität in Zweifel zu ziehen.

Um 3 Uhr Nachmittags verließen wir diefen gaftlichen Ort, welcher mich bei weiten günftiger für die verrufenen Dfiyayby geftimmt hatte. Wir ftiegen den mit Dattelpalmen befegten Sandberz hinan, auf weldem ein gemauerter Wafferbehälter die wenige nit Tabak bepflanzten Felder bewäfferte. Eine alte Wafjerleitung, welhe in ihn mündet, verliert fich nördlich in dem Sande. Um Y nad) 3 Uhr gelangten wir wieder an eine Gruppe von Dattel: palmen und ein Baffin, weldyes, wie das frühere, durch eine Wafler: leitung gefpeift wird. Bis hierher ſah ich bedeutende Subftructionen eines alten Baues, wahrjcheinlich einer Mauer, ftellenmweife vom Sande entblößt, deren bebauene, jehr große Duader mit einem fehr feſten Mörtel verbunden find und daher einer fehr alten Zeit anzugehören fcheinen. Eine PViertelftunde weiter lag zur Rechten des Weges das von Balmen umgebene Dörfhen Ayn ba Mi’bet.

Hier kaufte mein Schaych einen Iedernen Beutel voll gefalzener The von der Größe der Sarbdellen, von den Arabern Wark ge- nannt. Bon diefen gab er dem Kameele täglich eine oder zwei Hände voll, die von ihm mit Begierde gefreffen wurden, fie erfeßen bie Salzlede, welche zur Erhaltung der Gefundheit diefer Thiere erforber: lich iſt. Ich fah auch in der Folge in andern Gegenden des Ha— dhramauts die Beduinen ihren Kameelen von Zeit zu Zeit ſolche Fiſche reichen.

Um 4 Uhr trafen wir, gleichfalls zur Rechten des Weges, auf einen andern Heinen Drt, Namens Ayn Ahwayry.

Im Norden erheben fi die Sandhügel noch bedeutend und find Hier und da mit Gruppen von Dattelpalmen befegt. Diefe aus dem dürren Flugſande ftellenweis hervorbrechende Vegetation verdankt ihr Dafein dem Waffer des Wädiy "Arär, weldhes auf dem vom Sande bededten,. feiten mergeligen Thone, der Tihaäma

Wanderung ber Küfte entlang. 161

(Niederung) zufließt. Diefer Thon bildet nämlich eine dem Dichebel Argçime vorliegende Terraffe, auf welche der Waͤdiy "Arär aus- münde. Der Weg wird nun, des tiefen Sandes wegen, außerorbent- lic) befchwerlich ; befonders wurde er uns aber noch dadurch ermüdender, daß ſich Fein LXüftchen regte und die Hite durch den erhitzten Sand noch bedeutend gejteigert wurde. Erſchöpft kamen wir um 5 Uhr in dem Dorfe Dobbet el Ahn an, wo wir bei einem Freunde Schayd) Sfalym’s Nachtquartier nahmen.

Das Dorf zählt ungefähr 400 Einwohner vom Stamme der Stolaymäny, liegt an dem Abhange der fandigen Höhen und beiteht aus lauter maffiven Häufern, zu deren Erbauung das Material größtentheild den Weberreiten alter Bauten entnommen ift. Seine Entfernung vom Meere beträgt Y, Stunde. Die Einwohner treiben Fiſchfang, Viehzucht, Iagd und etwas Aderbau. Die Richtung von unferm Nachtlager hierher ift Weit, 10° Nord.

Das Meer bildet in diefen Gegenden eine Bucht, welche Scherm Hardſcha genannt wird und fi 6 engliſche Seemeilen Tandeinwärts erftredt. Im Weiten ſchließt diefe Bucht Raͤſſ Hardſcha, eine niedere fandige Landzunge am Fuße des Dfehebel EI Hamra. Im Often wird fie von dem düftern Vorgebirge Räff el Dgayde begrenzt. Diefe beiden Vorgebirge find ungefähr 22 englifhe Seemeilen voneinander entfernt.

Nahe bei dem Vorgebirge El Ogçayde liegt ein befeitigter Thurm, welcher dem Sultan von Biyr Alyy und Mebäha, Mahdy ibn ben "Abd el Wähid gehört und den Namen Hi el Haff führt.

Bon diefem Thurme aus begannen die Herren Wellfted und Eruttenden ihre Excurſion nad) Nagb el Hadſchar.

Wellfted bemerft hier auf feiner Karte einen Stamm, ben er Wähidi nennt. Zu diefer unrichtigen Angabe hat ihn wahrſcheinlich der Name des Sultans von Biyr Alyy verleitet; denn ein Beduinen- ſtamm jenes Namens eriftirt nicht, wohl aber mehrere Glieder der Tamilie EL Wähid (Sclave des Einigen). Ebenſo wenig wohnt in diefer Gegend der von Wellfted angegebene Stamm der Bany

U, v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 11

‚162 Geographifche Irrthümer.

Shoräb; denn bis Medäha wohnt der Stamm Dfiyayby, von deiien Abdtheilungen keine diefen Namen führt. Beiden Herren fallen indeß diefe unrichtigen Angaben nicht zur Laft, da Nichts leichter ift, als von den DBeduinen bintergangen zu werden. Sie find fogleich mit einer Antwort bei der Hand und jagen gewöhnlich immer Ja, wenn man fie fragt, ob diefer oder jener Ort fo und fo Heißt. Ich bin feft überzeugt, daß, hätte ich einen Beduinen gefragt, ob nicht in der Gegend ein Stamm eriftire, der Beny Boruſſia hieße, er ohne zu zögern, Ja gejagt haben würde. Dean darf diefe Leute nie fragen, ob ein Ort fo oder fo Heiße, fjondern muß fie jedesmal fragen, wie er heiße, und dann erſt Andere, welche die Antwort nicht gehört haben, noch einmal fragen. Stimmen diefe Angaben überein, fo kann man von der Richtigkeit des Namens eines Drtes überzeugt fei.

Länge diefer Bucht zieht fich eine Tihäma Hin, in deren nord: öſtlichem Winkel der Waͤdiy "Arär, in deren nordweftlihen dagegen der breite Wädiy Mayfa’a mündet.

Der Sand der Ebene ift reih an Glimmer, und in den Betten einiger Regenbäche fand ich Heine Stüdchen Feldſpath, Quarz, und wenn ih nicht irre, Augitlörner. Aus allen diefen Stein: arten hat fih am Meere ein eigenthümlicher, merfwürdiger Sand: ftein gebildet, in welchem die verſchiedenen Mufcheln und Schneden- arten des indiſchen Dceans eingefchloffen find. Dieſer junge Meeres: jandftein bildet bei dem Dorfe EI Dſchowayre eine 18 Fuß lange Bank von ziemlicher Mächtigkeit, und ift bereits fo hart, daß es mir viele Mühe koſtete, ein Handftüd davon zu trennen.

Ganz in der Nähe diefer Bank fieht man nod) andere, bie im Werden begriffen find. Als Bindemittel dient der durch die Regen: bäche herabgeſchwemmte mergelige Thon.

Diefer Sandjtein erinnerte mich Tebhaft an die jüngfte Sanb- fteinformation am Raͤſſ et Tyn in Alerandrien, in welcher man außer den Schneden und Muſcheln des Mittelmeeres auch Scherben von irdenen Gefäßen und Ziegeln eingeichloffen findet.

Der Thermometer ftand am Morgen bei heiterm Himmel und

Tlugfandhügel am Meeresufer. 163

Windftille 20°, um Mittag im Schatten 30°, am Abend bei ſchwachem Nordweſtwinde 25°. 19. Juli. Am 19. Juli begannen wir unfern Tagemarſch be- reits um 4 Uhr Morgens und ftiegen in Begleitung unjeres Wirthes, der merfwilrdigerweife "Abd el Yaghuth (Sclave des Yaghuth) hie, in die mit Flugſand bededte Ebene bis zu einem Waifferbehälter hinab, wo eine Biertelftunde angehalten wurde, um das Morgen- gebet zu verrichten und den Schlau zu füllen. Hier nahmen wir von unferm Wirthe Abjchied und wateten in der Richtung von Weft, 20° Nord eine Viertelftunde durch ermüdenden Sand, bis zu einer mergelig-freidigen Ebene, weldye mit Feuerfteinen bededt war, auf der wir bis 10 Minuten nach 6 Uhr fortwanderten. Hier be- gannen die Mühjeligfeiten aufs Neue, indem fi ein unabjehbares Labyrinth hoher Flugfandhügel vor uns ausdehnte, zwiſchen denen die Sonne mit entjeglicher Gluth brannte. Kein Baum, fein Straud), fein Grashalm war irgend zu erſpähen, überalf vollfonmener Tod. Kein Lüftchen regte fih, uns Kühlung zuzumehen. Cine traurigere Wüſte ift nicht zu denfen. Endlich erreichten wir vor 8 Uhr einige verfrüppelte Tamarisken, neben denen fich eine Heine Waffer- lache befindet. Wir. waren von dem fortwährenden Auf- und " Niederfteigen in den Flugſandhügeln fo erfchöpft, dag wir une unter den dürftigen Schatten der Tamarisken lagerten. Der Brunnen oder vielmehr die Lache war in ein Lager eifenfchüffigen Thones gegraben, der mit Heinen Adern von Gypsſpath und Stein- ſalz durdhfegt ift, weshalb denn auch das Waſſer einen unangenehmen, ſtark bradigen Gefhmad hat. Zum Glück bedurften wir feiner nicht, da wir hinlängli mit gutem Waſſer verſehen waren.

Um 4,12 Uhr ſetzten wir unſern mühſeligen Marſch fort und erreichten um Y,1 Uhr das Ende dieſes Sandmeeres, am welt: fichen Abhange des Dſchebel Maſſya, welcher ſich mit dem Flußbette bes Waͤdiy allmählich abdacht. Diefer Berg erreicht eine Höhe von ungefähr 500 Fuß und hat ein jo auffallendes Ausjehen, daß man in einiger Entfernung die Ruinen von Burgen auf ihm zu jehen ver-

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164 Ankunft im Waͤdiy Mayfa’a.

meint. Sein Fuß befteht aus tertiärem Kalf, der, nad) den berab- gefallenen Blöcken zu urtheilen, weiter oben in quarzigen Kalkſand⸗ ftein übergeht. Der Wädiy Maffya, welcher den Namen diejes Berges führt, fcheidet ihn von dem weltlichen Abhange des Dſchebel Arcime. Bon hier aus fonnte ich den ganzen untern Theil des Wädiy Mayfa'a überjehen, in welchem mir Schaych Sfalym in der Reihenfolge von Siden nad) Norden, die DOrtihaften Kofayge, Radun, Schomcha und Sahun zeigte, weiche alle dem Stamme Sfolaymäny gehören.

Wir zogen nun längs dem Abhange Hin, auf welchem von Zeit zu Zeit no Anhäufungen von Flugſand vorfommen, und gelangten um 4 Uhr in das Bett des Wädiy, der durchaus mit hohen Bla- tanen, Sykomoren und andern Gefträuchen befegt if. Der Flugſand nimmt ftellenweis wieder überhand und zwar jo, daß ich Hunderte der höchſten Bäume bis zum Gipfel damit bededt jah.

Dieſe Tonifchen Hügel find meiltens mit Schlingpflanzen jo dich überzogen, daß man nur ganz in der Nähe den Sand durchſchimmern fieht, und gleichen grünen Grasſchobern; welches der Gegend ein gan; eigenthümliches Anjehen giebt. Bon nım an führte der Weg fort: während thalaufwärts, längs dem hohen fteil abfallenden Dfchebel Hamrä Hin. Vor der Mündung eines breiten Thales kamen wir 16 Uhr vorüber, und erreichten Y, Stunde ſpäter und im Höchiten Grade erſchöpft das Dorf Dſchul eh Schaych und die Behaufung des Dberhauptes der Tamilie "Abd el Manäh, des Schaychs "Omär ibn "Abd er Rahman. -

Man findet in diefem Theile Arabiens oft, daß Familien nod jest Namen tragen, welche an Gottheiten der vorislämitifchen Mytho— logie der Araber erinnern, fo die Familie des "Abd el Yaghuth oder Sclave des Gögen des Stammes Madhidſch: Yaghuth, bei welcher ich in Dobbet el Ayn übernachtete, und die Familie "Abd elManäh, Sclave des Manäh, des Göken der Stämme Qogay. Nach Abu el Fida war "Abd el Manäh, der Stammpater diejes Ge- Ihlehts, auc) der mehrerer Stämme, welde alle verfhwunden find, mit Ausnahme der Beny Dighäl, welche, wenn auch nicht als großer

Die Engländer in Nagb el Hadſchar. 165

Stamm, fo doch als Gefchlecht, wie ich bereits oben erwähnt habe, im Wadiy Hadſchar leben. Kein Glied diefer Familie hat auch nur die Teifefte Ahnung davon, weſſen Sclaven fie fi nennen; denn, wenn fie es wüßten, müßten fie als orthodore Mufelmänner diejelben im höchſten Grade anſtößig finden. Der alte Schaych bewillkommnete uns auf der Terraſſe ſeines Hauſes. Nachdem die Begrüßungen vorüber waren, befahl er feinem Sclaven, uns die Füße zu waſchen und mit gejchmolzener Yutter einzureiben, eine Operation, die aus⸗ nehmend reftaurirt und die ich jedem Fußgänger empfehlen Tann.

Ich übergab ihm dann mein Empfehlungsichreiben, welches er bei dem Scheine einer Laterne las. Und da ihm in bemfelben mein Wunfch mitgetheilt worden war, Naqb el Hadſchar und Habbän zu beſuchen, fo Sprachen wir nach beendigter Mahlzeit ein Kanges und Dreites über diefen Gegenftand. Während diefer Unterredung erzählte er mir, daß vor mehrern Jahren zwei Kafir (Uingläubige; er meinte die Herren Wellſted und Cruttenden) die Ruinen von Nagb el Hadſchar beſucht hätten. Hier ergoß er fich in Verwünſchungen über das böfe Treiben diefer Herren. „Daß ihr Name verflucht fei!’ rief er aus. „Dieſe Ferenghy (fo nennen fie die Europäer) hatten ein böfes Auge anf unfer Land geworfen, denn im ganzen Jahre, das auf ihren Beſuch folgte, ift weder im Wädiy Mayfa’a, noch in den Thälern, die in ihn münden, ein Tropfen Regen gefallen! Ohne Zweifel haben fie auch die Schäge entführt, die in den Ruinen begraben lagen, und fie dem Malik (König) der Ferenghy überbracht! Denn der Eine ift zur Belohnung Dawla von Aden (Gouverneur von "Aden; Eruttenden nämlich Adjutant des Gouverneurs) geworden. So lange ich Lebe, foll keiner diefer Hunde wieder nah Nagb el Hadſchar fommen!

Ebenfo brachte der alte Schayd) Omaͤr die Befignahme von Aden mit dem Beſuche der Herren Wellfted und Eruttenden in Ber- bindung, indem er behauptete, daß fie in den Ruinen Infchriften ge- funden, welche fie über die Art und Weiſe aufgellärt hätten, wie Aden zu nehmen gewefen fer. 111)

164 Ankunft im Waͤdiy Mayfa’a.

meint. Sein Fuß befteht aus tertiärem Kalk, der, nad) den berab- gefallenen Blöden zu urtheilen, weiter oben in quarzigen Kalkjand- ftein übergeht. Der Wädiy Maſſya, welcher den Namen diejes Berges führt, fcheidet ihn von dem weftlichen Abhange des Dichebel Arcime. Bon hier aus konnte ic den ganzen untern Theil des Waͤdin Mayfa’a überfehen, in welhem mir Schayd Sfalym in der Reihenfolge von Süden nad) Norden, die Ortfchaften Kofayge, Radım, Schomcha und Sahun zeigte, welde alle den Stamme Sfolaymäny gehören.

Wir zogen nun längs dem Abhange hin, auf welchem von Zeit zu Zeit noch Anhäufungen von Flugfand vorkommen, und gelangten um 4 Uhr in das Bett des Wädiy, der durdaus mit hohen Pla- tanen, Sykomoren und andern Gefträuchen bejegt ift. Der Tlugjand nimmt jtellenweis wieder überhand und zwar fo, daß ih Hunderte der höchſten Bäume bis zum Gipfel damit bededt fah.

Diefe koniſchen Hügel find meiftens mit Schlingpflanzen fo dicht überzogen, dag man nur ganz in der Nähe den Sand durcchichimmern fieht, und gleichen grünen Grasſchobern; welches der Gegend ein ganz eigenthümliches Anfehen giebt. Bon nun an führte der Weg fort: während thalaufwärts, längs dem hohen fteil abfallenden Dichebel Hamraͤ hin. Vor der Mündung eines breiten Thales kamen wir 1/6 Uhr vorüber, und erreichten Y/, Stunde jpäter und im höchften Grade erfhöpft das Dorf Dſchul eſch Schayd) und die Behauſung des Dberhauptes der Familie "Abd el Manäh, des Schayds Omaͤr ibn Abd er Rahman. -

Man findet in diefem Theile Arabiens oft, daß Familien noch jet Namen tragen, weldje an Gottheiten der vorislaͤmitiſchen Mytho- logie der Araber erinnern, jo die Familie des "Abd el Yaghuth oder Sclave des Götzen des Stammes Madhidſch: Yaghuth, bei welcher ich in Dobbet el Ayn übernachtete, und die Familie "Abd elManäh, Sclave des Manäh, des Götzen der Stämme Oocay. Nach Abu el Fidaͤ war "Abd el Manäh, der Stammvater dieſes Ge- Ihlechts, andy der mehrerer Stämme, welche alle verſchwunden find, mit Ausnahme der Beny Dighäl, welche, wenn auch nicht als großer

Die Engländer in Nagb el Hadſchar. 165

Stamm, fo doch als Gejchlecht, wie ich bereit oben erwähnt habe, im Wädiy Hadſchar leben. Kein Glied diefer Familie hat and) nur bie leifefte Ahnung davon, weifen Sclaven fie fih nennen; denn, wenn fie es wüßten, müßten fie al8 orthodore Mufelmänner diefelben im höchſten Grade anftößig finden. Der alte Schaych bewillfommnete uns auf der Zerraffe feines Hauſes. Nachdem die Begrüßungen porüber waren, befahl er jeinem Sclaven, uns die Füße zu wachen und mit geichmolzener Butter einzureiben, eine Operation, die aus- nehmend veftaurirt und bie ich jedem Fußgänger empfehlen Tann.

Ich übergab ihm dann mein Empfehlungsjchreiben, welches er beit dem Scheine einer Laterne lad. Und da ihm in demfelben mein Wunſch mitgetheilt worden war, Naqb el Hadſchar und Habbän zu befuchen, jo ſprachen wir nad) beendigter Mahlzeit ein Zanges und Dreites über diefen Gegenftand. Während diefer Unterredung erzählte er mir, daß vor mehrern Jahren zwei Käfir (Ungläubige; er meinte die Herren Wellfted und Eruttenden) die Ruinen von Nagb el Hadſchar beſucht hätten. Hier ergoß er ſich in Verwünſchungen über das böſe Treiben dieſer Herren. „Daß ihr Name verflucht ſei!“ rief er aus. „Dieſe Ferenghy (ſo nennen ſie die Europäer) hatten ein böſes Auge auf unſer Land geworfen, denn im ganzen Jahre, das auf ihren Beſuch folgte, iſt weder im Wadiy Mayfa'a, noch in den Thälern, die in ihn münden, ein Tropfen Regen gefallen! Ohne Zweifel haben ſie auch die Schätze entführt, die in den Ruinen begraben lagen, und fie dem Malik (König) der Ferenghy überbracht! Denn der Eine ift zur Belohnung Dawla von 'Aden (Gouverneur von "Aden; Eruttenden nämlih Adjutant des Gouverneurs) geworben. So lange ich Lebe, ſoll Feiner diefer Hunde wieder nad) Nagb el Hadihar Tommen!

Ebenſo bradjte der alte Schahch Omaͤr die Befignahme von Aden mit dem Beſuche der Herreri Wellfted und Eruttenden in Ver— bindung, indem er behauptete, daß fie in den Ruinen Infchriften ge- funden, welche fie über die Art und Wetje aufgeflärt hätten, wie Aden zu nehmen gewefen fei. 110)

166 Thronftreitigfeiten in Habbän.

Außer diefen Derzensergießungen, welche meinen geehrten Leſern einen Begriff von dem Ideengange dieſer Leute geben können, theilte er mir die Nachricht mit, daß der frühere Sultan von Habbän, Ahmed ibn "Abd el Wähid, durch feinen Vetter entthront und nebft feinem Sohne eingeferfert fe. Sowohl in Habbän, als auch in der Umgegend herrſche vollfonımene Anarchie, indem die Beduinen⸗ ftämme ſich theils für den entthronten Eultan, theils für den Ufur- pator erflärt hätten und die Wege unficher machten. Alle Kaufmanns (äden wären daſelbſt gejchloffen und Jedermanns Leben ſchwebe in Gefahr. Der neue Sultan (fügte er Hinzu) Tann diefer Un— ordnung nicht Einhalt thun, da die Sorge für feine eigene Sicher: heit ihm gebietet, den Beduinen feiner Partei nicht zu nahe zu treten. Bei fo bewandten Umftänden wäre e8 eine Tollkühnheit geweſen, nad Habbän zu reifen. Ich änderte daher meinen Plan und beſchloß, nur bis nach "Yyan zu gehen und von dort nad) Hign ben Dighäl zurück⸗ zufehren.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Himmel 20°, am Mittag im Schatten 45°, am Abend bei ſchwachem Nordweitwinde 25°.

20. Juli. Am 25. Iufi Morgens um 5 Uhr traten wir unfere Reife nach Nagb el Hadſchar und "Prän an. Bon dem Dorfe Dichul eſch Schaych aus führte der Weg eine Viertelftunde über angebautes Teld, neben dem eine Menge Heiligengräber ftehen, die, wie der Schaych Sfalym mit Stolz bemerkte, ſämmtlich der Familie "Abd el Manäh angehören. Wir ftiegen dann in dem Bette des Wädin thal- aufwärts ımd hielten fchon um 6 Uhr neben den Ruinen von Saqquma, von welchen mir mein Schach verficherte, daß fie aus der himyariſchen Zeit ftammten. Mehrere Bebuinenfamilien lebten bier unter großen Syfomoren und BPlatanen, weldhe von einem Verhaue dorniger Sträucher umgeben find. Die zumächftftehenden Bäume find mit ähnlichen Verhauen umgeben und dienen den Heerden während der Nacht zum Aufenthalt. Milch- und Wafferfchläuche, die wenigen Hausgeräthfchaften, der Zrageforb und eine lederne Wiege in ber

Die Beduinen verfperren den Weg. 167

Form eines Troges hängen an ben Xeften umher. In ber Nähe des Stammes brannte ein Feuer, an welchem die Frau des größtentheils müßig liegenden Beduinen Kaffee bereitet, Brod bädt und ihn und feine Gäſte mit Feuer für die Pfeife verforgt. Wir ließen uns bei einer diefer Familien nieder, in welcher drei Männer, auf Stroh⸗ matten ausgeftredt, dem dolce far niente fröhnten. Sie empfingen uns fehr gut und warteten mit Kaffee, Brod, Datteln, Milh und Honig auf. Einer von ihnen vermochte e8 fogar über fich, mid) nad) den Ruinen zu geleiten.

In meiner Erwartung, Meberrefte alter Bauten oder gar interefjanter Inschriften zu finden, wurde ich jedoch getäufcht, denn ih fand Nichts als einen Haufen in der Sonne getrodneter, größten theils zerbrochener Lehmziegel, kurz „die Rudera eines modernen Dorfes”. Ich kehrte daher ſogleich zuräd und fand bei meiner . Ankunft unter dem Baume ein Gericht aufgetragen, das aus einer Miſchung von gefnetetem Brod, Datteln und Milch beftand, über welche man frifche Butter gegofjen hatte.

Um 8 Uhr Morgens verließen wir dieſes gaftliche Laubdach und wanderten weiter thalaufwärtse. Mein Schayd) fang feinem Kameele por, während ich die fchönen Formen des zur Linken ragenden Ge⸗ birges umd die pittoreske Lage zweier von Saatfeldern umgebenen Höfe bewunderte, als wir plötzlich Y, Stunde nah unſerm Aufbruch von 9 Beduinen, die mit Säbeln, Turzen Lanzen und Keulen bewaffnet waren, angehalten wurden, welche hinter einem dichten Gebüfche hervortraten; ein Zehnter ftand ſchußfertig in einiger Entfernung feit- wärts. Mit Ungeftüm verlangte ihr Anführer, ein alter Graubart, 20 Thaler Wegegeld, welche mein Schaych entfchieden vermeigerte, da, wie er fagte, diefer Boden Ardh el "Abd el Manäh (Land ber "Abd el Manäh) fei, und Niemand das Recht habe, von einem Mitgliede diefer Familie ein Wegegeld zu verlangen. - Der Alte ſprach ihm jedoch die Qualität eines "Abd el Manäh ab, und beftand auf feiner Forderung. Da gegen jo Viele Nichts auszurichten war, jo traten wir den Rückweg nach Dichul eſch Schaych an, wo wir hoffen konnten,

168 Steinwurfstampf der Beduinen.

von dem im diefer Gegend Alles vermögenden Schaych Omar unter: ftügt zu werden. Uns fo ungefchoren ziehen zu laffen, lag jedoch nicht in dem Plane unferer Straßenräuber,; denn faum waren wir 100 Schritt weit von ihnen entfernt, fo liefen fie hinter ung her und riefen uns zu, „anzuhalten“. Schaych Sfalym übergab mir nm die Sorge für das Kameel, und ermahnte mich, es fo viel als mög- lich anzutreiben. Er rief ihnen dann mit gebieterifcher Stimme zu, „zurüdzubleiben”, und da fie wenig darauf achteten, griff er zu Steinen, welche er mit vieler Kraft und Geſchicklichkeit warf. Aber auch unfere Gegner blieben nicht müßig, und die Kiefel fauften von allen Seiten heran.

Man hielt e8 gar nicht der Mühe werth, mid) mit einigen Stein- würfen zu beehren, und jomit war nun mein armer Schaych die Zielfcheibe aller. Mittlerweile waren wir auf eine erhöhte Stelle ge- fommen, wo man uns von Sagquma aus jehen fonntee Da ich be- merkte, daß uns die Beduinen von dort zu Hülfe famen, der Schahch aber hart bedrängt wurde und mic zugleich auch die Geringfchägung meiner Berjon von Seiten diefer Bufchklepper ärgerte, fo ließ ich das Kameel jtehen und nahm Theil an der Affaire. Kaum aber Hatte ich einige Steine geworfen, fo ſchenkte man mir zu viel Aufmerffamteit und Kiefel um Kiefel fauften um meine Ohren; auch wurde ich an der linken Schulter getroffen, welches mir fpäter eine fchmerzhafte Geſchwulſt verurſachte. Schaych Sfalym, deffen Gemandtheit be- wundernswerth war, wurde ungeachtet derfelben mehrere Male, jedod) glüclicherweife an Feiner empfindlichen Stelle, getroffen. ALS das Geſindel die Hülfe herankommen fah, floh es in die Gebüfche.

Was mich hierbei befonders Wunder nahm, war, daß der feit- wärtsftehende Beduine ein müßiger Zufchauer blieb, und ſich feines Gewehres nicht bediente.

Da e8 nach diefem Vorfalle nicht rathfam war, die Reife fort: zufeßen, fo fehrten wir nah Dſchul eſch Schahych zurüd, wo fid Schaych Omaͤr nicht wenig wunderte, uns fo bald wieder zu fehen. Anfänglich war ich der Meinung, daß diefer Unfall durch Schaych

Der obere Theil des Wädiy Mayfa’a. 169

Sfalym abfichtlich herbeigeführt fei, um Geld zu erpreffen, oder um der Mühe überhoben zu fein, mich weiter zu geleiten; jedoch ließ ich diefe Idee fahren, wie ich die Quetſchungen fah,. welche ihm bie Steinwürfe verurſacht hatten. Sowohl Schahch "Dmär, als auch die Bewohner des Ortes waren der Anficht, daß diefe Wegelagerer aus dem Stamme verjagte Bawwäg (Treulofe) wären, befonders ſchloſſen fie diefes aus der fchlechten Bewaffnung derfelben.

Der Wäadiy Mayfa'a ftreicht, wie alle Hauptwädih, die von der Hochebene niedergehen, von Norbweit nah) Südoſt, und mißt eine Breite von 2 Stunden. Nordweitlih von Dſchul eſch Schayd liegen an feiner öftlihen Seite die Dörfer: Nogayc, EI Mancçura und Meayfa’a, welches dem Wädiy feinen Namen giebt.

An der weitlihen Seite liegen Eſſ Sſayid und Dſchul el Aqyq. Jedoch Liegen mehr Ortfchaften in diefer Gegend, denn die englifchen Reiſenden fahen ihrer eine Menge. Ich Tonnte aber nicht mehr in Erfahrung bringen und mögen diefe wohl auch die Hauptorte fein.

Die ganze Gegend oberhalb Dſchul eſch Schaych bis Nagb el Hadſchar ift von Beduinen des Stammes Es Sſalmy bewohnt, weldyer eine Abtheilung der Dfiyayby ift. Oberhalb des Dorfes Mayfa’a mündet an der Dftfeite bei den Ruinen von Nagb el Hadſchar ber Wädiy "Dean, in welchem die Stadt "Ygän Liegt; hier beginnt das Gebiet des Stammes EI Adſmy, gleichfalls eine Abtheilung der Dfiyayby. Zwei Tagereifen von Naͤn Tiegt nordweitlih im Waͤdiy Dſchandaͤn die Stadt Habbän. Der Wädiy Dſchandaͤn ift der obere Theil des Wadiy Mayfa'a. Habban foll nad der Ausfage mehrerer glaub- wilrdiger Perjonen nicht weniger als 20,000 Einwohner zählen, darunter 2000 Iuden, welche unter dem grauſamſten ‘Drud leben. Dean erlaubt ihnen weder Handel zu treiben, noch die Stadt zu ver- laffen. Ebenfo dürfen fie nur von den Moslims abgefondert leben. Ihre einzige erlaubte Beſchäftigung ift die Bearbeitung der edlen Metalle und des Kupfers,

Bon Dſchul eſch Schaych nad Märib giebt es zwei verfdie- dene Wege, und zwar der erfte, abgefeßt von Dſchul el Schaych

170 Reiſeſtraßen in Naͤfi'a.

nach Naqb el Hadſchar 1 Tagereiſe, von da nach "Yan 1 Tagereife, von da nad Habbän 2 Tagereifen, von da nad VYſchybum im Waͤdiy gleichen Namens, Provinz Yafia, 1 Tagereife, von da nad Härib 1 Tagereife und von da nah Märib 3 Tagereifen; alſo im Ganzen 9 Tage.

Der andere Weg ift: bis Nagb el Hadſchar 1 Tagereife, von da nah Zfähir 3 Zagereifen, von da nach Obaͤra 2 Tagereifen, von da nad Härib 1 Zagereife und von da nad) Märib 3 Tage— reifen; aljo im Ganzen 10 Tage.

Der Weg von Dſchul eſch Schaych nad) Mardiha im Wädiy Vſchybum führt zuerft über Yraͤn und Habbän nad) VYſchybum, dann weiter nach Nicab im Wädiy Yſchybum 1 Zagereife, und von da nad Mardſcha 1 Tagereife; alfo im Ganzen 8 Tage.

In der Landfchaft Liegen von diefen Städten Yſchybum mit 10,000 Einwohnern, Tſaͤhir mit 6000 Einwohnern, Obaͤra mit 6000 Einwohnern; Haͤrib ift ein Dorf, Nisäb mit 15,000 Ein- wohnern. Habbän und "Yan Liegen in der Provinz Beled el 9a: dſchar. Letzteres zählt ungefähr 5000 Einwohner und gehört dem Sultan von Habbän.

Don Tſaͤhir nad) Baydhä, einer Stadt in der Landſchaft Yale mit mehr denn 10,000 Einwohnern, beträgt die Entfernung 2 Tage: reifen. In allen Städten der Landſchaft Yäfi'a wohnen Juden.

Dſchul eſch Schaych ift ein anfehnficher Ort von etwa 600 Ein- wohnern, welde dem Stamme El Ahmedy angehören. Er liegt am Fuße des öftlichen Abhanges des Dſchebel Hamraͤ. Der Stamm EI Ahmedy ift eine Abtheilung der Dfiyayby und bewohnt den Wäbiy und die angrenzenden Gebirge von Dſchul eſch Schaych jühlich von Sahun. Die nächte Umgebung des Drtes ift gut angebaut und liefert Weizen, Durra, Dochen, Seſam, Tabaf, Bohnen, Lupinen, Kürbis, Linfen, Bodingan, Zwiebeln, Knoblauch und Melonen, hier Hundſchil genannt. Außerdem wird auch noch Viehzucht getrieben, welche ſich auf Kameele, Eſel, Schaafe, Ziegen und ganz wenige Kühe beſchränkt. Das Coſtüm der Frauen iſt, was den Schnitt der

Coftüme im Waͤdiy Mayfa'a. 171

Kleider betrifft, mit dem im Waͤdiy Do’än volllommen gleich; der Kopfputz aber und die Farbe der Kleider ift wejentlich von demjelben verfhieden. Die Haare werden hier in Flechten getragen, von denen gewöhnlich zwei nach vorn und zwei nad) Hinten hängen. Ueber den Kopf hängen fie jedoch jo, daß das Geficht unbedeckt bleibt; ein blaues Net, welches, je nad) dem Reichthume des Familienvaters, entweder aus Seide oder Baumwolle verfertigt ift. Die Farbe der Ober- hemden ift rot). Im Uebrigen ift das Gelbfärben der Haut und das Bemalen des Gefihts auch hier Mode. Das Nothbeizen der Nägel an Händen und Füßen mit Henne, wie es in Aegypten und andern arabifchen Provinzen der Tall tft, fcheint Hier ganz unbelannt zu fein. Berheirathete Frauen bededen fih hier nicht allein das Geficht, fon- dern menden auch den Männern den Rüden zu, wenn diefelben vorübergehen. Dagegen fieht man unverheivathete Srauenzimmer un- bededt einhergehen.

Auch die Männer weichen hier in ihrer Kleidung etwas von den Beduinen anderer Gegenden ab. So fah ich unter Anberm Viele, welche weiße Zücher anftatt blaue um die Hüften trugen. Die Scheide ihrer Dichembiye (Dolche) hat eine ftärfere Krümmung und ift fo lang, daß die Spite beinahe die Höhe der Schulter 'erreicht, wäh- rend die, welche ich bisher ſah, nur zur halben Bruſt hinaufreichten.

Des Nachmittags bat ich den Schayd) "Omar, mir zu meiner weitern Reife behülflich zu fein, wozu er fich auch fogleich bereit- willig zeigte. Jedoch behauptete er, nur bis Nagb el Hadſchar ver- antwortlich fein zu können. Im Fall ih alfo nach diefen Ruinen und wieder zurüdreifen wolle, würde er mir zur Bedeckung 4 Mann mitgeben, welche id) aber mit 8 Thalern zu bezahlen habe. Diefes Anerbieten fchlug ich aus. Denn da ich nur bis zu den Ruinen und zurüd garantirt war, alles dort Sehenswürbige aber von den eng- lichen Reifenden bereit8 genügend befchrieben wurde, fo hielt ich es . für unnüß, der Neugierde Zeit und Geld zu opfern, welde anders beffer benugt werden fonnten; verzichtete daher auf die Ercurfion nnd entſchloß mid, geraden Weges nad) Wädin el Hadſchar zurüdzufehren.

172 Brunneneinrichtung. Verheerende Aneifen.

Der Thermometer ftand am Morgen hei Windftille und heiterm Himmel 20°, am Mittag 40°, am Abend bei ſchwachem Nordweſt⸗ wind 25°.

21. Juli. Am 21. Iuli, Nachmittags gegen "/,3 Uhr, ver- fießen wir Dſchul eh Schaych und fchlugen die Richtung nach den gegenüberliegenden Bergen ein. Unſere Gefellfchaft hatte fi um den Bruder des Schaychs Omaͤr, den Schaych "Alyy ihn "Abd-el-Manäh, und einen Bebuinen vermehrt, welche Gefchäfte halber nach dem Wädiy EI Hadſchar reiften. An der Grenze des bebauten Bodens hielten wir neben einem Brunnen.an, um die Kameele zu tränfen und bie Woafferfchläuche zu füllen. Der Brunnen war etwa 40 Fuß tief und lieferte vortreffliches Waffer, das auf eine ganz eigenthümliche Weife zu Tage gefördert wird. Man gräbt nämlich vom Brunnen ang eine fchiefe Ebene in die Erde, deren Länge der Tiefe des Brunnens gleichfommt. Weber den Brummen ift ein Geftell erbaut, an dem eine Rolle angebracht ift, über welche ein Seil läuft, an dem ein großer lederner Schlauch befeftigt wird. Ein Stod hält diefe Art Eimer offen. Am andern Ende des Seild wird ein Kameel angefpannt, welches, indem es die fehiefe Ebene hinabgeht, den Schlauch herauf- zieht. Diefe Manier, Waffer aus einem Brunnen zu ziehen, ift aud) in Yemen gebräuchlich.

Nah Y, Stunde zogen wir weiter und bezogen bald die Region der wilden Geftrüppe, ohne jedoch einen gebahnten Weg zu verfolgen. Mehrere entlaubte Bäume, an denen Heine, bedeckte Erdgänge hinan- führten, deuteten die Gegenwart der Heinen, verwüftenden Arda (Termes fatalis Linn.) an.

Un 143 Uhr deutete Hundegebell die Gegenwart von Menfchen an, und gleich darauf erblidten wir mehrere Beduinenfamilien, die mit ihren Heerden ihren Wohnfig unter Bäumen aufgefchlagen hatten. Alle drängten fich heran, um bem allverehrten "Abd el Manaͤh bie Hände zu Füffen, und von allen Seiten ergingen dringende Ein⸗ ladungen, unter ihren von der Natur gebauten Wohnungen auszu⸗ ruhen. Jedoch lehnte der Schaych Alles ab, da wir noch eine lange

Waſſerſcheide zwiſchen Wadiy Mayfa'a und Habfchar. 173

Strecke zurückzulegen hätten. Nach einer Stunde trafen wir aber- mals Beduinen, gleichfalls unter Bäumen wohnend und uns ein- ladend, Erfrifhungen bei ihnen einzunehmen. Diesmal wurde die Einladung angenommen und wir festen uns auf Matten außerhalb der Einzännung nieder, wo Kaffee, Milh, Datteln, Brod und Honig mit folcher Freigebigfeit aufgetragen wurden, daß es mir ſchien, die guten Leute hätten ihren ganzen Vorrath hervorgeholt, um ihre Gäfte würdig zu bewirthen. Sie Hagten dem Schaych, dak in der ver- floffenen Naht ein Banther im ihre Heerden eingebrochen und ihnen mehrere Ziegen erwürgt hätte, bevor fie hätten zu Hilfe kommen fönnen. Meine Trage, ob es viele Panther im Waͤdiy gäbe, bejahten fie, fetten aber Hinzu, daß Wölfe noch häufiger und bei weiten mehr zu fürchten wären. Ebenſo häufig ſei der Dirbun (Crocuta bes Strabo), welcher aber den Heerden nicht fo gefährlich fei.

Nah 1 Stunde mahten wir uns wieder auf und bejtiegen nad) 20 Minuten eine nur wenig über den Wädiy erhöhte, traurig nadte, felfige Ebene, welche fi) auf eine Strede von 3 Stunden ausdehnt und dann von hohen Sandbergen bedeckt wird, über welche die dun- fein Maſſen des öftlihen Gebirges ragen, welches die Wafferfcheide zwifchen den Waͤdiys Mayfa'a und CI Hadſchar bildet.

Nach Y, Stunde trafen wir einen alten, im Umziehen begriffenen Bebuinen, der mit feiner zahlreichen Familie und einer bedeutenden Heerde fich foeben gelagert Hatte. Wir folgten feinem Beifpiele, und nach den üblihen Begrüßungen fchlachtete der Alte, der fid) als der zuerft Angekommene das Recht nicht nehmen laſſen wollte, ein Schaaf, welches nad) der bereits befchriebenen Methode gejchlachtet wurde.

Neun Uhr Abends marſchirten wir weiter und erreichten um 11 Uhr den Fuß der Sandberge. Ift das Beſteigen eines fteilen Berges ſchon ermüdend, fo ift diefes um fo mehr der Fall, wenn man es, wie hier, mit einem aus Flugſand beftehenden Berge zu thun hat, wo man mit jedem Schritt einen halben Schritt zurückweicht.

Zum Tod ermüdet erreichten wir endlich nad) einer Stunde den Gipfel, ſetzten aber dennoch den Marſch, fortwährend im tiefen Sande

174 Der Wäbiy Hadhenn.

bergauf, bergab watend, fort. Nad einer Stunde verfagten uns die Glieder ihre Dienfte, und ein Ieder ſtreckte fi) ermattet auf das weiche Sandlager um am. andern Morgen neugeftärkt den Reſt diefer troftlofen Gegend durchwandern zu können, die im falben Lichte des Mondes fi noch. meilenweit auszudehnen jchien.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm

Himmel 20°, um Mittag 40° und am Abend, bei ſchwachem Rord- weftwind, 25°. 22. Juli. Am folgenden Morgen verließen wir ſchon um Y,4 Uhr unfer Lager und erreichten in 3 Stunden den öftlichen Ab- hang der Sandberge. In der fandigen, fpärlih mit Grasbüfcheln bewachjenen Ebene, welche diefe Sandanhäufungen vom Gebirge tremnt, zieht fich ein grüner Strih, der Wädiy Hadhena, in welchem wir uns um 7 Uhr unter einer Platane lagerten. Um 1 Uhr Nachmit- tags jegten wir die Reife, den Wädiy aufwärts verfolgend, fort, und famen um 20 Minuten nah 2 Uhr an eine Stelle, wo ſich derjelbe zu einer Schlucht gejtaltet. Hier hört der von einem bläulidhen, ſalz⸗ führenden Thone getragene Diluvialfandftein auf, und es beginnf ein Eonglommerat, in welchem die Gefteine des Hauptgebirges, als Granit, Spenit, Diorit, Grauwade und einige oolithifche Gebirgsarten, durch einen fehr feiten, eifenfchüffigen, wmergeligen Thon verbunden find, und in welchem fi der Wädiy Hadhena fein Bett gegraben hat. Kurz vor dem Eingange der Schlucht befinden fich rechts einige Sand- bügel, in denen der Sand bereits in einen lodern Sandftein umge: wandelt ift. Im ihnen ftehen theils abgeftorbene, theil8 noch grü- nende Bäume, welche Ießtern aber auch ſchon kümmerlich ihr Leben frifteten. Beim Anblick diefes im Entftehen begriffenen Sandfteins drang fi) mir die Frage anf: Werden diefe vom Sande eingefchloj- fenen Bäume von der filiciöfen Materie durchdrungen werben, umd erklärt fich mir hier, während ich die fehaffende Natur in ihrer Werk: ftatt belaufche, auf eine ganz einfache Art das Entftehen jener merk würdigen Anhäufungen foffilen Holzes, welche man in der Wüſte zwiſchen Kairo und Suez antrifft?

Eine fromme Stiftung zur Saffeebereitung. 175

Die Richtung des Weges, welche von Dihul eſch Schaych bis hierher Nordoſt, 10° Oſt gewefen var, wird nun Nord, 20° Oſt. |

Einige 100 Schritt innerhalb der Schlucht öffnet ſich rechts ein’ tiefes Thal, weldhes bis zur Höhe von einigen 100 Fuß mit Flugſand angefüllt ift. Der Weg führte um eine Stunde thalauf- wärts durch dichtes Mimofengebüfch bis zum Fuße des fteil abfal- fenden Abhanges eines Vorberges, der fih an den Hauptſtock an- lehnt und aus Grauwacke befteht.

Kurz vor 4 Uhr Hatten wir diefes VBorgebirge erftiegen und lagerten in einem Hohlwege, unter einer Art Dach, welches durch zwei fich aneinander lehnende Felsblöcke gebildet wird. Unter dieſem Dache lagen in einem ledernen Beutel: Kaffeetöpfe, Taſſen, Mörſer, eine Pfanne zum Brennen der Kaffeebohnen und ſelbſt Kaffeebohnen, furz alle Geräthfchaften, deren man zur KRaffeebereitung bedarf; felbit ein vollftändiges Feuerzeug war nicht vergeffen. Wie man ſich denfen fann, wunderte ich mich nicht wenig, daß Gegenftände, nad) deren Befik der Beduine befonders Tüftern ift, Teine Mitnehmer fünden, und gab dem Schaych mein Erjtaunen darüber zu erfennen. ‘Der Schayd erklärte mir: daß Diefes eine fromme Stiftung ſei umd es daher Niemand wagen würde, diefe Sachen zu entwenden, indem ein folcher Diebftahl den, der ihn beginge, zum YBawwäg (Treulofen) jtempeln würde.

Diefer zarte Gewiffensferupel ergötzte mich nicht wenig. Welch ein Volkd Ohne fich ein Gewiffen daraus zu machen, bemächtigt es fich des Eigenthums eines Jeden, dem es ohne Schub auf der Zandftraße begegnet, und ermordet ihn fogar. Ohne Bedenken zu tragen, ob er die Gottheit erzitent, taucht er mit mörderifcher Hand den Stahl in die Bruft feines Freundes, Bruders, ja felbit feines Vaters! Aber nad) einem Kaffeetopfe, zum Gebrauche eines Jeden auf die Landſtraße geftellt, wagt er die Hand nicht auszuftreden; denn fein Stamm würde ihn verbammen, wenn er den geheiligten Brauch der Väter mißachtet, und ausgeftoßen würde er, wie ein

176 Mineralifcher Reichthum.

Raubthier von Kluft zu Kluft gejagt, emdlich unter ben Streichen feiner Feinde verbluten.

Etwa 10 Fuß über dem Hohlwege geht in der Grauwade ein 5 Fuß mächtiges, quarziges, fehr reichhaltiges Eiſenerz (Eifenglan;) zu Tage, und fällt, wie die Schichten des Meuttergefteins, umter - einem Winkel von 47° nach Weiten ein. Ich zweifle nicht, daß in diefer Gegend ein ergiebiger Bergbau betrieben werden fünnte, be: fonders da alle Thäler diejes Gebirges reih an Brennholz find. Aber die Zeit ift noch weit entfernt, wo die rohen Bewohner des Landes die Wohlthaten der Civilifation genießen werden. Und jo wird denn wohl aud) diefes reiche Lager nod) Iahrhunderte der müt- terlihen Erde anvertraut bleiben, bevor der Hanmer des Bergmanns e8 ihr entreißt.

Die Ausfiht, welche man von diefem Punkte aus genießt, ift prachtvoll. Tief unten im Wädiy Hadhena ein Chaos marmorner Telsblöde mit Bäumen und Geftrüppe durchwachſen. Rechts gegen: über der hohe, von dunfeln Schluchten zerriffene Dichebel Acfun. Links zieht fih der Bergrüden des Dſchebel Matny nad) Süden, und in der Richtung unferes Wegs endlich ftrebt in fteilen Abhängen der Dichebel Alqa empor, deffen Gipfel das Ziel unferer Tagereife fein follte.

Neugeftärkt ftiegen wir 25 Uhr über loſes Gerölle den fteilen Pfad Hinan und erreichten nad einer Stunde mühfamen Kletterns den Sipfel des Dſchebels Alqa. Auch hier war eine mit Schieglöchern verjehene Bruſtwehr aus lofen Steinen aufgeführt, welche den "Agaba (d. i. den Aufftieg) beherrfcht und, wie ſchon bei den Ruinen von Obne bemerkt worden, den Zwed hat, im Falle eines Kriegs diefen Uebergang zu vertheidigen oder auch gelegentlich Reifende zu brand⸗ fhagen. Oben ſenkt fih das Gebirge nad) Nordweften und bildet eine Keffelvertiefung, welche fi als Wädiy Soggayme nad) Norden öffnet. Wir ftiegen in den Wädiy hinab und lagerten unter einigen Mimofen, am Fuße eines Hügels, auf dem vier Cifternen einge: hauen find.

Gefchieklichkeit des Kameels. 177

Die Formation des Gebirges ändert fich von dem Bunfte aus, wo das Lager zu Tage fteht. Die Grauwade verſchwindet nämlich unter dem Lias-Sandfteine, auf welchem dann weiter oben der Oolithen-Kalkſtein liegt. Nach meiner ungefähren Schägung fteigt der Dichebel "Alga 3500 Fuß, Dſchebel Arfun 4000 Fuß und der Dfchebel Matny und "Argime jeder 3000 Fuß über den Meeresspiegel empor.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Himmel 20°, um Mittag bei ſchwachem Nordweftwinde 45°, am Abend 18°.

23. Juli. Am. folgenden Morgen um 5 Uhr begannen wir den öjtlichen Abhang des Gebirges hinabzufteigen. Am Ausgange der Schlucht, aus welcher der Waͤdiy Hervortritt, ſchneidet er fich plößlich al8 eine enge und fehr tiefe Kluft ein, längs der ein ſchmaler Pfad den Schlangenwindungen folgt, welche fie befchreibt.

Einige funfzig Stellen kamen vor, welche mid) an den Pfad er- innerten, auf dem ich den Waͤdiy Eich Schagg niederftieg. Uebrigens ift das Gebirge reid) an romantischen Partieen, welche den NReifenden einigermaßen für die Mühen und Gefahren fehadlos Halten. Gegen 6 Uhr hörte die Oolithenbildung auf und die Grauwacke, häufig mit Grauwackenſchiefer wechjellagernd, trat wieder hervor. Etwas nach 10 Uhr ftiegen wir wieder in den Wädin hinab, welcher bereits cine Breite von 100 Fuß erlangt und der hier von ftraffen Wänden des

Jura⸗Dolomit-Kalks begrenzt wird. Große Blöcke füllen das Thal

oft dergeftalt, dag man fie bis zu einer Höhe von 60 Fuß fürmlidh überflettern muß, wobei die dornigen Mimofen und Nebek, welche zwifchen diefen Trümmern hervorwachſen, Geſicht, Hände und Kleider arg mitnehmen. Hier hatte ich wieder Gelegenheit, die Sicherheit zu bewundern, mit der die Kameele fih auf dieſem Zerrain be- wegen, welches kaum für Menſchen gangbar war.

Mit der größten Vorficht festen fie Fuß vor Fuß auf die oft rſehr hohen Felsblöcke und thaten keinen Schritt, ehe ſie nicht gewiß waren, ihn mit Sicherheit thun zu können. Bis 11 Uhr blieb der Weg im Waͤdiy und führte dann eine Anhöhe Brackenſchuttlandes

U, v. Wrede's Reife in Habhramant. 12

178 Dorf Kodayre,

binan, welche als unterjte Stufe bes Gebirges ſich fanft nah dem Wädiy el Hadſchar abdacht, deſſen üppige Fluren ſich jett zu unſern Füßen ausbreiteten. Gerade vor uns, faſt in der Mitte des Thals und am rechten Ufer des Fluſſes, lag Er Codayre, ein anſehnliches, von Thürmen flanfirtes Dorf von etwa 300 Einwohnern, welche den Stämmen Häfir und Baͤ Caura, Abtheilungen des Stammes Beny Nuh, angehören.

Auf der andern Seite des Dorfes öffnet ſich der Waͤdiy Scharad, aus weldhem ein ftarfer Bach hervorbricht, der in feiner Jahreszeit verfiegt.

Im Nordweiten des Dorfes verengt ſich der Wädiy el Hadſchar zu einer engen Schlucht, welche fich bis zum Fuße des Dichebel Bi Dſchanaf Hinaufzieht und den Hauptfluffe das Rinnfal giebt. In einer halben Stunde erreichten wir das ‘Dorf, wo wir bei einem Freunde Schayh Sfalym’s Einkehr nahmen. Es gehört jcht dem Sultan von Habbän, welcher die Wachtthürme mit Beduinen des Stammes Hawalyf aus der Gegend von Nisäb befegt hält. Diele Leute wußten bereits die Entthronung ihres Herrn umd waren auf den Ausgang gefpannt, wollten aber von einer Llebergabe Codayre's an den neuen Sultan nichts hören.

Die Stämme Häfir und Caura bewohnen den Wädiy el Hadſchar von feinem Entftehungspimfte bis zum Ausfluffe bes Wädiy Scharad und diefen in feiner ganzen Ausdehnung. Die Ge- birge zwifchen den Dichebel Dſchanaf und Matny werden von einer andern Abtheilung der Beny Nuh, nämlid) von dem Stamme Baͤ Maur bewohnt.

Trotzdem, daß wir bereits 7 Stunden eines befchwerlichen Weges zurüdgelegt ‚hatten, entfchlofjen wir uns, nod bis Hien ben Dighäl zu gehen. Schayd) "Alyy “Abd el Manäh blieb zurüd. ‘Dagegen fanden wir eine andere Reifegejellfchaft in fünf Beduinen des Stam- mes Schogayr, und Freunde meines Schaychs. Da diefelben noch Geſchäfte abzumachen Hatten, fo Tamen wir überein, daß wir vorausgehen follten; fie felber wollten Y, Stunde fpäter auf:

Der fruchtbare Wadiy Hadſchar. 179

brechen und uns dann einholen. Um %, vor 2 Uhr verließen wir Er Eodayre ımd verfolgten thalabwärts die Richtung Oft, 10° Süd. Dem angebauten Boden, der fi) "/, Stunde vom Orte erftredt, folgte eine dichte Waldung von Platanen, Sykomoren, Arda, Mi⸗ mojen und Nebek, unter der ein Pflanzenteppich den fetten, mergelig- thonigen Boden bededt.

Um 20 Minuten nad) 3 Uhr lag uns rechts am nahen Gebirge Dim Ba Sfolayman ein Kleines Dörfchen mit einem Wachtthurm. Seid) darauf durchwateten wir den Fluß, der hier etwa 30 Fuß Breite md 2 Fuß Tiefe Hält. Mit tropifcher Fülle breiten hier Plotanen ımd Area ihre dichthelaubten Kronen und verſchlingen ſich über dem Fluß zu einem undtrchdringlichen Laubdach, in deſſen Schatten Tauſende von Heinen, filberglänzenden Fiſchchen in der Haren Fluth des jpiegelhellen Waſſers ihr munteres Wefen treiben. Nur wer je durch troftlos nadte Sandwüften oder über Tahle Gebirgs- rüden unter den ſenkrecht herabfchießenden Strahlen der tropifchen Sonne gemandert tft, Tann begreifen, mit welcher Freude, ja mit welchem Entzücken ich diefen Fluß und diefe Vegetationsfülle und die grüne Dede betrachtete, welche fi) über den Fluß wölbt.

Schaych Sfalym ſah mid ganz eritaunt an, als ich ihm den Vorſchlag machte, an diefer Stelle zu übernachten, und wahrſcheinlich mochte er glauben, daß mir es im Gehirn nicht ganz richtig fei; denn er antwortete keine Silbe, fchüttelte mehreremale den Kopf und trieb das Kameel zum rafchern Gehen an, wobei er folgende Strophen fang, deren Inhalt feine Gedanken über den Franken Zu⸗ jtand meines Kopfes ausfprad. Cr fang nämlid:

„Geh' raſch, mein Kameel! Geh’ raſch! Nicht jeder Kopf ift heute gefund! Nicht jeder! Die Sonne hat heiß gefchienen in unfern Bergen und der Sand hat die Augen geblendet, der heiße Sand! Nicht jeder Kopf ift Heute geſund, mein Kameel! Geh’ raſch! Geh’ rasch!”

Ich lachte laut auf und fragte: ob es denn nicht vorzuziehen jei, an einem jo fchönen Drte zu fchlafen, anftatt fih im einer

12*

180 Das Geiſterthal. Wäbiy Haſſy.

dumpfen Stube einzufchließen. Er erwiederte hierauf: „ob ich demn nicht wiffe, daß eine unzählige Menge von Dſchinny und Ghul (böfe Geifter) an folden Orten des Nachts ihr Weſen trieben und id glaube, daß er jo ein Narr wäre, fih den Mißhandlungen derfelben auszufegen?“ Gegen ſolch ein Argument war natürlich Nichts einzuwenden, und im Grunde konnte er auch Recht haben, werm er unter den Mißhandlungen der Geifter das Fieber verftand, welches in diefem Thale jehr häufig und bösartig ift, und das man am leich⸗ teften in der unmittelbaren Nähe - eines Fluſfes befommen kann, der von einer jo üppigen DBegetation umgeben ift.

Jenſeits des Fluſſes windet ſich der Weg noch eine kurze Strede duch das Didicht und führt dann etwas bergan auf eine bürre, fie fige Ebene, welche hier und da mit verfrüppelten Mimoſen und ein- zelnen Gruppen Aloe (Aloe spicata) umbherftehen. Diefe Ebene befteht aus Süßwafferdiluvien, und der Sandftein derfelben ſchließt viele Berfteinerungen ein, welche aber, wie das Geftein felbit, jehr verwittert find. Er liegt einem rötblihebraunen mergeligen Thone auf. | Um 4 Uhr kamen wir an eine Stelle, von der aus man rechte

am Abhange des Gebirges ein Heines Dorf nebſt Wachtthurm Tiegen fieht, weldes den Namen Diem ben Dommän führt. Der Wädiy macht hier eine Wendung nach Nordoften, welche aber ſchon nad Y, Stunde um 10° öftlicher wird. Rechts am Gebirge zeichnet fi eine Schlucht durch ihr frifches Grün aus, in weldem das kleine Dörfchen Ayn beny Mo'yin fchimmert.

Um 5 Uhr überſchritten wir den mit dichtem Geftrüpp bededten Wädiy Haffy, welcher links aus einer Schlucht der nadten Kreide- hügel hervortritt und die Ebene bis zum Fluſſe grabenartig durch⸗ zieht. Der Fluß iſt zur Rechten durch die Gebüfche ‚feiner Ufer fihtbar, welche gleich einem grünen Bande die trodene Ebene durch— Ichlängeln.

Kaum Hatten wir den Wädiy Haffy überfchritten, fo wurden wir von derfelben Bande angefallen, welche uns noch von Sfagguma aus in friihem Andenken war.

Neuer Kampf mit Steinwürfen. 181

Mit lauten Gefchrei ftürzte fie, den Alten an der Spike, aus dem Didicht des Wädiy auf die Ebene. Schaych Sfalym empfing fie mit Steinwürfen und fagte mir fchnell, mic) in Nichts zu mifchen, bi8 er mich dazu auffordern würde, und das Kameel anzutreiben. Obgleich er die Steine mit außerordentlicher Geſchicklichkeit fchleuderte, fo hielt fie das doch nicht ab, ihm auf den Leib zu kommen. Auch diesmal dachte Niemand daran, mich zu beumruhigen, dahingegen waren Lanzen, Dichembiye und Keulen gegen den Schaydh erhoben, der auch feine Dſchembiye gezogen Hatte und, rückwärts gehend, damit hin⸗ und herfuhr, ohne jedody einen feiner nachdrängenden Gegner zu verwunden, welche auch keinen Gebrauch von ihren Waffen, wohl aber einen deito heifern von ihren Zungen machten. Voller Erwar- tung und ftaunend ſah ic) der Scene zu und hatte große Luft, mit meinem eifenbefchlagenen Nebut ernftlich darein zu fchlagen; denn es fam mir im höchften Grade lächerlich vor, fo fchreiend, Tärmend, Dolche zudend, rückwärts zu gehen und nachzudrängen, ohne fich die Haut zu rigen, da doc die Sache auf die eine oder die andere Art ein Ende nehmen mußte.

Etwa eine Minute mochte der Auftritt gedauert haben, als er einen jehr ernften Charakter annahın. Schaych Sfalym konnte nämlich, da er gegen die Räuber Front gemacht hatte, den Weg überjehen, den wir zurückgelegt hatten, und erblicte die fünf Beduinen, welche uns einzuholen verjprochen hatten und die jett im vollen Laufe herbeieilten. Jetzt fehrie er mir zu: „Abd el Hub! Schlag nieder die Hunde!‘ und jtieß in demfelben Augenblid den alten Anführer nieder. "Ic war mit dem Rameel etwa 20 Schritt entfernt und eilte auf feinen Ruf fogleich herbei, Hatte aber Taum einige Schritte gethan, als zwei Schüfje fielen, welche zwei der Räuber todt niederftredten. “Die Uebrigen hielten es nicht für rathſam, die Beduinen zu erwarten, und verſchwanden hinter dem Gebüſch. Unſere Bebuinen hatten dies erwartet und daher zwei der Ahrigen in das Didicht des Waͤdiy Haffy gefandt, die auch einen der Flüchtlinge fingen und brachten. Diefem wurden die Hände auf den Rüden gebunden und dann an den

182 Der Kriegsgefangene.

Schweif des Kameels befeftigt. Keiner der Unfrigen ließ es fi ein- fallen, die Gefallenen zu begraben, wohl aber ſetzten fie fih in den Beſitz ihrer Kleidungsftücde und Waffen.

Während dem Marjche wurde mit dem Gefangenen ein fürm- liches Verhör angeitellt, und wir erfuhren num, wer fie waren und warum fie fo erpicht auf uns gewejen. Sie gehörten dem Stamme der Beny Oldſchyy an, welcher jenſeits des Dſchebel Hamrä längs der Küfte wohnt, und ftanden in dem Wahn, es habe der Schaych mit meiner Hülfe die Schäße gehoben, welche der Sage nad in den Nuinen von Dim el Obne vergraben liegen.

Auf meine Trage, warum fie uns denn hier und nicht im Dichebel - Alqa angegriffen hätten, gab er mir die Antwort, daß die Furcht vor dem alten Schaych, "Alyy ibn "Abd el Manäh, fie davon abge- halten habe. Man fagte ihm damı, daß Schaydh Sfalym ebenfalls ein "Abd el Dianäh fei, worauf er den Schahch jehr reuig um Ber- zeihung bat und feine Hand zu küffen wünjchte, welche ihm denn aud) mit vieler Würde dargereicht wurde.

Schaych Sfalym erklärte ihm hierauf, daß er Rabiet fei und als folcher behandelt werden würde. Rabiet heißt nämlich derjenige, welcher auf einem Raubzuge oder im Kriege zum Gefangenen gemadt wird, und gehört ‚nicht dem Stamme, fondern dem Beduinen, der ihn gefangen hat und der dann Rabbät genannt wird. Sie be- halten ihn fo lange, bis er das Röfegeld bezahlt bat; von dem Augen: blide an, wo Jemand gefangen worden ift, Tann er das Hecht des Dachahl (das Recht des Schuges) nicht mehr beanspruchen, wie es im nördlichen Arabien der Fall ift.

Zwanzig Minuten von dem Wädin Haſſy kamen wir an einem Wartthurm vorüber, welcher hart am linken Ufer des Fluffes Liegt und zum Schutze eines Wehres erbaut ift, welches bier das Waffer taucht und in Kanäle drängt, die das im untern Theile des Wädiy längs dem Gebirge, alfo höher liegende Terrain bewäſſern.

Um 6 Uhr erreichten wir das Ende der unfruchtbaren Ebene und traten in einen dichten Dattelpalmenwald, in dem wir Y/, Stunde

Rückkehr nah Hicn ben Dighäl. 183

jpäter einen Wachtthurm zur echten des Weges liegen ließen, in welchem einige Beduinen zur Bewachung der Anlagen wohnen.

Bon hier aus liegt das Dorf Mafyyat el Däyime zur Rechten, Dim eg Cobaͤyh zur Linken des Waͤdiy. Wir näherten uns num der linken oder nördlichen Seite des Thale, verließen 20 Minuten nad) 6 Uhr den Palmenwald und ftiegen am äußerften Ende eines niedern, ſchmalen Gebirgevorfprunges zum Dorfe EI Hoda hinan.

Die Hänfer diefes Dorfes find nicht fo groß und gut gebaut, wie die der andern Drte des Wädiy, und liegen zerftreut umher. Die Einwohner, etwa 200 an der Zahl, gehören dem Stamme Schogayr an. Bei unferm Durchzuge hatten wir Alt und Jung auf den Ferfen, welche mid) und den Gefangenen begafften. Jedoch war ih, als ein fremdartiges Gefchöpf, ganz vorzüglich der Gegenftand ihrer Neugier, und befonders war die Dorfjugend fo zudringlich, daf ich froh war, als wir anf der andern Seite des Dorfes in den Wädiy Carhyr Hinabitiegen. Diefer Wädiy führt dem Fluſſe des Wädiy EI Hadſchar einen ftarken, nie verfiegenden Bach zu. Jen⸗ feits diefes Baches führt der Weg wieder unter Palmen fort, am Schloßberge von Hien el Dähime und den Mündungen der Wäpdiy Es Cafrä und QOinnyne vorüber. Nah Yz8 Uhr Tangten wir wieder vor dem Haufe des Schayh Ba Raff in Hien ben Dighäl an.

Der Abend verging unter allerlei Gefprähen und Mitteilungen des Shayh Ba Raͤſſ, welde von großem Imtereffe waren. Ic) erzählte unfere Reifenbenteuer, verfchwieg aber den Vorfall im Wädiy Araͤr, da Schayh Sfalym durch fein fpäteres Betragen den Ein- druck verwifcht, den er damals auf mich gemacht hatte. Ich frug meinen Wirth nah der Entfernung Märibs und nach dem Wege, welcher dahin führt, da ich fpäter denfelben zu reifen gejonnen war. Er fagte mir, der Weg führe über Habbän, VYſchybum u. f. w. und daß die Entfernung 11 Tagereiſen bis Märib betrage; bis Dabbän, wie er mir angab, 6 Tagereiſen.

Der Wädiy EI Hadſchar, den ich jegt, fo weit er bewohnt ift, gejehen habe, hat, von Eg Eodayre an gerechnet, bis Dſchul

184 Ungefunbheit des Wäbiy Hadſchar.

Yaghuth eine Länge von 6 Stunden und feine größte Breite 2 Stunden. Mit Ausnahme von Er Godayre, welches dem Sultan von Habban gehört, fteht er unter der Herrichaft des Beduinenſtammes Ba Scho- gayr, welcher von den Dörfern, die von Perfonen bewohnt werden, welche nicht zu dem Stanıme gehören, jehr ftarke, oft ganz willfür- ih erhöhte Abgaben erpreßt. Verweigert eines diefer Dörfer die Bezahlung der Abgaben, fo wenden die Beduinen nie offene Gewalt an, fondern fchneiden die Verbindung mit dem Fluſſe ab, wodurd denn, da feines derjelben Brunnen oder Eifternen hat, die Einwohner gezwungen werden, die Beduinen zu befriedigen. Diefer Wädiy ift der ungeſundeſte oder vielmehr der einzig ungejunde des ganzen Landes, und Krankheiten, wie Fieber, Ruhr, Boden, Ausfag, find jehr häufig. Ebenſo fah ich Piele, welche an dem oben bejchriebenen Demengefhwir und Guinea-Wurm (Ferentit; Groordius-Vena me- dinensis) litten. Die Urfache diefer Krankheiten Liegt in dem Fluſſe, befonders aber in der in Anwendung gebraten Bewäfferungsmethode. Wie ſchon erwähnt, ift der Lauf des Fluſſes mehreremal durch Wehre gehemmt, wodurd das Waſſer immer zwifchen zweien derjelben ftagnirt. Da nun die Ufer ſtark mit Bäumen bejegt find, fo fallen eine Menge Blätter u. f. w. hinein, die natürlich im ftehenden Waffer in Fäulniß übergehen und jchädliche Dünfte im Thale verbreiten.

Sn feinem Theile des von mir befuchten Arabien ſah ich fo viele Sternfhnuppen, wie in diefem Thale. Diefes hat wahr: fcheinlich feinen Grund in den Dünften, welche ſich fortwährend aus dem Bette des Fluſſes entwideln. Ebenſo erklären fich auch die übel- riehenden Nebel, welde jeden Tag bis gegen 10 Uhr Morgens fo dicht über dem Thale liegen, daß man auf 10 Schritt Weite einen Gegenftand kaum unterfcheiden Tann.

Die Hauptproducte des Wädiy find Datteln und Tabak. Außer—⸗ dem werden noch, jedod in geringer Duantität, Weizen, ‘Durra, Bohnen, Baumwolle, Linfen, Dochen, Sefam und Lupinen gebaut. Cocospalmen ſah ich Feine, dagegen Tamarhinden-, Amba=- oder Mango-, Arda-, Eitronen- und Bananenbäume. Da ich mid nicht

Stämmeverfammlung. 185

aufhalten wollte, fo bat ich meinen Wirth, mir für den folgenden Tag einen Führer nad) dem Wädiy Do’än zu verfchaffen, welches er mir verfprad. Er erzählte mir, daR zwijchen den vereinigten Stänt- men Mardagha und Chämiye und den Stämmen Schaybe und Ba Kaſchwyn Teindfeligfeiten ausgebrochen wären, und daß in einigen Tagen eine Dabayl Bakry (Verſammlung der Stämme) der beiden Ießtgenannten Stämme im Wäbiy Hafar ftattfinden würde, um über Srieg und Frieden zu bervathen. Viele, jest hier zum Dattelmarfte anwefende, neutrale Beduinen würden über ben Wädin Hafar ziehen und dort verweilen, bis die Berathungen be- endigt feien; ich müſſe daher zufrieden fein, diefen Umweg zu machen. Was der Schayd) als für mic unbequem hielt, kam mir gerade er- wünjcht; denn erftens brauchte ich nicht denfelben Weg zurückzumachen, auf welchen ich gefommen war, und zweitens erwartete mid) das höchft intereffante Schaufpiel einer Dabayl Bakry (Stammverfamm- fung), bei welcher Krieg und Frieden befchloffen werben jollte.

Das Thermometer ftand jet am Morgen bei heiterm Himmel und Windftille 15°, am Mittag bei Nordiweitwind 36°, am Abend 25°.

Schstes Kapitel. Stämmeverfommlung im Wädiy Hafar.

Abreife von Hin ben Dighäl. Ankunft in Hoda. Meine gefährliche Log daſelbſt. Lager am Wädiy Haffy. Nachtlager am Wädiy Mintät. Rad lager am Wädig Hafar. Eine intereffante Scene. Aufbruch. Be lagerer. Metelle. Wädiy Rhayde ed Dyn. Deld‘. Kaybäm.

Chomwayre. Naditlager am Wädiy Maghära. Ankunft in Choraybe.

24. Juli. Am 24. Juli übergab mid) Schayd) Ba Räff einem Beduinen, Namens Omm Sſaduſſ, einer Abtheilung des Stammes Ed Dayin.

Nachmittags holte mic derfelbe nah EI Hoda ab, mo er mit mehrern Beduinen feines Stammes lagerte.

Auf. dem Rüden des Gebirgsvorfprunges, an deſſen äußerſter Spike der Ort liegt, machten wir neben einem Dattelhaufen Halt, wo mir mein Dadayl unter Gottes freiem Himmel einen Platz an wies, auf welchem ich von den breimmenden Somnenftrahlen gebraten und fat vom Staube erftidt wurde, den die umherwogende Menge verurſachte. Denn hier lagerten mehr denn 3000 Kameele mit igren Führern, welche aus allen Gegenden des Hadhramaut herbeigezogen waren, um die Producte ihrer Thäler gegen Datteln einzutauſchen.

Eine BViertelftunde ungefähr war feit meiner Ankunft vergangen, als fich plößlich das Gerücht verbreitete, ich fei ein Chriſt und de renghy (Europäer) aus “Aden. In einem Augenblide ware

Beichimpfung und Mißhandlung des Keifenden. 187

Hunderte von wilden, drohenden Geſtalten um mich verjammelt, welche ihren Ehriftenhaß gegen mic, austobten. Man ftieß mich mit Füßen, man pie auf mich herab, Staub und Steine wurden auf mid, als einen Kaͤfir (Ungläubigen), geworfen; kurz ein Jeder beeiferte fich, es dem Andern im Mißhandeln zuvor zu thun. Der ganze Haufe fchrie wie bejefjen, Zwanzig auf einntal fragten mich, wer ich fei, woher ich käme, wohin ich ginge, während Andere mic, aufforderten, die mohammedanifche Slaubensformel zu ſprechen. Dagegen ſchrieen meine Beduinen aus Leibesfräften: „Ich fei ein Moslim aus Aegypten, ich verrichte die fünf Gebete”, und ließen e8 weder an Bitten, nod) an Drohungen fehlen, um die aufgeregten Gemüther zu bejänftigen. Jedoch alfe ihre Bemühungen blieben fruchtlos, fie wurden nur aus- geladht, worauf mich diefe einzigen Beſchützer meinen Schidfale über- fießen. Kaum Hatten fie den Rüden gewandt, als ſich auch der Kreis, den man um mich gefchloffen Hatte, immer enger zufammen- zog und mir ärger denn zuvor wmitgefpielt wurde. Der Eine ftieß den Andern auf mid), und ich erfticte faft im Staube, den diejer Auf- lauf erregte. Endlih bradten fie einen Verrädten herbei, deſſen Hände an eine Furze eiferne Stange gefchloffen waren. Als man ihm gefagt Hatte, ich fei ein Käfie, warf er fi mit einem det Wahn- finnigen eigenen Schrei auf mid, riß mir den Zurban herab und fragte mid) an Hals und Kopf, während die Umftehenden in fchal- lendes Gelächter ausbrachen. Obgleich ich mir vorgenommen hatte, ‚dem Zwede meiner Reife zulieb, jo geduldig als möglich zu fein, fo überftieg doch, was ich hier erduldete, die Grenzen von alle dem, was ich felbft inmitten diefer wilden, fanatiihen Horden befürchten zu dürfen je gedacht Hatte. Beim Angriffe diefes Menſchen verlieh mich der legte Neft der Geduld. Außer mir vor Wuth fprang id) auf, warf mit aller mir zu Gebote ftehenden Kraft den rafenden Menjchen zurüd und zog meine Dichembiye, feſt entfchloffen, mein Leben fo theuer als möglich zu verkaufen; denn, wie man denken kann, hielt ih mic) für verloren.

Bei dein Anblid der von mir angenommenen drohenden Stellung

188 Berhör des Reifenden.

erhob ſich von allen Seiten ein wüthendes Geſchrei, aus dem ich bie Ausrufungen: „Der Käfir hat feine Dfchembige gezogen! Schlagt den Hund nieder! Steinigt ihn! Schlagt ihn!‘ verftehen Konnte. Bertraut mit gewaltfamen Scenen und raſch zur blutigen That, grüf der fanatifche Haufe zu Steinen, um mid) den Tod des heiligen Stephan fterben zu Taffen, und Einige drangen mit gezogener Dichem- bige auf mich ein.

In diefem kritiſchen Momente erjchien der Schaych von EI Hoda mit meinen Bedninen, welche ihn aufgefordert hatten, mir zu Hülfe zu fommen. Man machte ihm chrerbietig Pla und dem rafenben Wuthgefchrei folgte tiefe Stille. Nady den gewöhnlichen Begrüßungen ſetzte der Schaych ſich mir zur Seite und begann ein Verhör, welches ich wörtlich hierherjegen will.

Der Schaydh: Wer bift Du?

Antwort: Ein Aegypter. -

Der Schaych: Dur haft aber nicht das Anfehen eines Arabers! Wer war Dein Bater?

Antwort: Ein Maghreby (Bewohner des Weftens).

Der Schaydh: Und Deine Mutter?

Antwort: War ebenfalls aus diefer Gegend.

Der Schaydh: Wie heißt Du?

Antwort: "Abd el Hub.

Der Shayh: Was macht Du hier im Lande?

Antwort: Ich wallfahrte nah Dabr Hud, zufolge eines Nedfr (Gelübde) zur Siyara (Wallfahrtfeft).

Der Shayd: Biſt Du ein Moslim?

Antwort: EL hamdullah! (Gott ſei Dank!)

Der Schayd) forderte mich dann auf, Glaubensformel und Faͤ⸗ tiha herzufagen, an deren Schluffe die aus wenigſtens 100 Mann tief umgebende Menſchenmaſſe das „Amen“ laut wiederholte.

Hierauf unterfuchte der Schaych meine Arme, Hände, Beine und Füße, und verlangte endlich, daß ich die Arme fo weit als mög⸗ ich über den Kopf legen follte. Hiermit war die Unterfuchung

Körperliche Kennzeichen des Unglaubens, 189

beendigt und der Schahch theilte dem Volke das Reſultat derjelben in folgenden Worten mit: „Ya halq Allah! (Ihr Volk oder Menge Gottes!) rief er aus, „diefer Dann ift ein Moslim, denn er hat Glaubensformel und Fätiha gejagt; dann ift er ein Aegypter, welche alle gute Moslims find; ferner fommt er aus dem Haufe des Schaych "Abd Allah ba Sfudän, defien Wohnung fein Aufenthalt für Uns gläubige ift; auch Hat er feine Zeichen auf feinen Gliedern, wie fie die Ungläubigen zu haben pflegen; und endlich kann er, wie wir, die Arme über den Kopf zuſammenlegen, weldes die Ferenghy nicht können.“ Hiernächft forderte er die Leute auf, mih in Ruhe zu laſſen, da fie fonjt eine fehwere Sünde auf ſich laden würden. Wie man fieht, hatte der gute Mann feine Logik inne unb war be- fonders in der Naturgefchichte der Europäer bewandert, die cr auf den erjten Blick zu erfennen meinte. Weber die Arme der Franken herrſcht hier die fonderbare Meinung, fie feien jo furz, daß die Hände den Mund nicht erreichen könnten, weshalb fie Speifen mit Hülfe der Löffel und Gabeln genöffen. Nachdem die Gelehrfamfeit des Alten vermitteljt jo ſchlagender Beweiſe meine Dualität als Moslim dargethan, und mich aus einer fo drohenden Gefahr errettet hatte, veränderte fi) das Benehmen der Leute gegen mid. So gefährlich mir vorher ihr Fanatismus gewefen war, fo beläftigend wurde er mir jeßt, indem Jeder das mir zugefügte Unrecht durch Freundſchafts⸗ bezeigungen wieder gut machen wollte. Alles drängte fich heran, mir die Hand zu reichen, ja Viele Fühten fie mir. Ich verlangte Waffer, und gleich Tiefen Einige fort, um mir folches zu bringen; Milch, Datteln, Brod wurden mir gebracht, furz, man that alles Mögliche, mich die erduldete Mißhandlung vergeffen zu machen. Aus diefem Borfalle kann man abnehmen, wie gefährlich es für einen Chriften, jelbft unter der Maske des Isläms ift, diefe Gegenden zu bereifen, und daß es unvermeidliches Verderben nad ſich ziehen würde, als Chrift aufzutreten.

Eine halbe Stunde nach diefem Auftritte beluden die Beduinen ihre Kameele, und bald darauf befanden wir uns auf dem Wege, den

190 Amulet gegen Ameifenverheerung.

ich amt vorigen Tage herwärts verfolgt hatte. Bei dem Wachtthunrme, deffen ich ſchon früher als hart am linken Ufer des Fluſſes gelegen, erwähnt habe, wurde mein Führer von den dort Wache haftende Beduinen gebeten, mit mir heraufzufommen, um einen Kaffee zu trinten. Da ich begierig war, das Innere diefes Thurmes zu fehen, willigte ic) ein. Auf einer Leiter ftiegen wir zu einer Heinen Ihür hinein, welche ungefähr 8 Fuß über dem Boden angebracht ift, umd traten in einen Raum, der das ganze Innere der untern Etage cin- nimmt. Längs der Mauer führte uns eine Treppe in bie ober tage, die in mehrere kleine Kammern abgetheilt if. Das dritte Stockwerk hatte diefelbe Einrichtung, fo auch das vierte, wo ums die Beduinen in ein langes, fchmales Zimmer führten, welches durd 4 eine enfteröffnungen erhellt wird und an deffen Wänden einige 30 Gewehre hingen. Nachdem wir Kaffee zu uns genommen und einige Dutend Tragen beantwortet hatten, Tlagten fie mir, daß das fleine Inſect EI Arda fchredliche Verwüſtungen in ihren Vorräthen anrichte, und baten mic, ihnen gegen diefe Unholde ein Amulet zu Schreiben. Ich fagte ihnen aber, daß es mir leid thäte, ihrem Wunſche nicht willfahren zu können, indem ich weder mit der Dord, noch mit andern verborgenen Künften vertraut fei. Dieſes wollten fie mir nicht glauben, und ich mußte mir alle nur erdenkliche Mühe geben, fie von meiner Unwiffenheit in folchen Dingen zu überzeugen. Sie zeigten mir hierauf die Vorräthe, die faft alle zerfreffen waren und von Millionen diefer Zerftörer wimmelten. Sie baten mich dam noch einmal, ihnen das gewünjchte Amulet zu fchreiben; jedoch bfieb ich bei dem einmal Gefagten, und fo mußten fie fi damit begnügen, daß ich auf ihre Bitten eine Fätiha über ihre Vorräthe fagte. Wir empfahlen uns dann und eilten den Kameelen nad. Mit Somen⸗ untergang erreichten wir die Däfila, welche jenfeits des Wädiy Haffy, zwifchen der Heerftraße und dem Fluffe, lagerte. Rechts von dem Plage, wo Abd el Manih umd ih am vorigen Tage angefallen wurden, bezeichneten drei Steinhaufen die ARuheftätte der Beduinen, welche ihre Lüfternheit mit dem Leben büßten.

Waͤdiy Haſſy. Wadiy Mintät. 191

Der Thermometer ſtand am Morgen bei Windſtille und dichtem Nebel 20°, am Mittag bei heiterm Himmel und ſchwachem Nord⸗ weitwinde 36°, am Abend 25°.

25. Suli. Bis zum 25. Juli Mittags waren alle Abtheilungen der Däfila verfammelt, und eine Viertelftunde ſpäter entfaltete ſich der 600 Kameele ſtarke Zug zu einer unabfehbaren Linie, welche fi) längs dem Wädiy Haffy nad) den Höhen hinbewegte. Unfere Abthei- fung war die vorderfte und erreichte nad) Y, Stunde eine abjchredende, nacte, ondulivende Ebene, welche .jich nach Norden ausdehnt und über welder in weiter Ferne die impofanten Mafjen der hadhramanter Hochebene ragen, welche ji) mit dunfelvioletten Farben auf dem tiefen Blau des Himmels zeichneten.

Glühende Sonnenftrahlen fchoffen auf uns herab und verwan- beiten die baumlofen, dürftenden Schluchten diefer traurigen Ebene in wahre Gluthöfen. Es dauerte nicht lange, fo fühlte ich die Ein- wirfung der von dem weißen SKreideboden zurüdprallenden Sonnen fteahlen auf meine Augen. j

Ich fah alle Gegenftände in biutrother Färbung und wach einigen Stunden beläftigte mich ein ftechender Schmerz in dem Innerſten der Augen, welches mid eine Ophthalmie befürchten Tieß.

Um 4,6 Uhr lagerten wir uns am Rande des Wädiy Mintät. Meine Befürchtungen, an den Augen zu erkranken, waren glitdlicher- weiſe unbegründet, denn mit dem Aufhören der Urſache verfchwand auch die Wirkung und meine Sehorgane Tehrten zu ihrem normalen Zuftande zurüd. Da fid) auf der nadten Ebene fein Futter für die Kameele vorfand, fo mußten die Beduinen dafjelbe noch ans dem ziemlich entfernten und tiefen Wädiy Scharad heraufholen. Von hier aus erblidte ich in einer Entfernung von etwa 3 Stunden den fteilen Dſchebel Scharad im Weften und in einer etwas bedeutendern Entfer- nung die hohen Gipfel des Dſchebel EI Ghowayta 112) im Nordoften. Die Richtung unfers heutigen Tagemarfches war durchgehende Nord, 10° Weft.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und ftarfem

192 Wäbiy Hafar.

Nebel 20°, um Mittag bei. heitern Himmel und Nordweitwind 36°, am Abend 25°.

26. Juli. Da unfer Wafjervorrath bis auf einen Kleinen Reit verbraucht war, fo bradjen wir am folgenden Morgen bereits ;, nad 4 Uhr auf.

Die Gegend erhebt fi von hier aus allmählich, gleicht aber im

- Allgemeinen der, weldhe wir geftern durchzogen. Um 9 Uhr bejtiegen wir eine Anhöhe, von der aus mich der Anblid des mit dichter Wal⸗ dung überzogenen Dſchebel Hafar höchſt angenehm überrafchte. Mit welcher Luſt jchwelgte mein ermattetes Auge an dem freundlichen Grün der üppigen Vegetation, welche die dürren Hügel gleich einem Bande durchzieht, welches im obern Theile des Wädin einem Bügel entrollt zu fein fcheint, der auf feinem Rüden eine Ruine trägt. Im Hinter- grunde diefer Landichaft ragen die fteilen zerflüfteten Wände der hadhramanter Hochebene. Eine Menge Rauchjäulen entftiegen dem

. Iadhenden Grün, in weldhem unzählige Kameele, fich an ben faftigen Blättern labend, weideten, und ein vielfaches Echo trug den Schall von Gewehrichüffen und das dumpfe Gemurmel der lagernden Dienge zu unfern Ohren. Kurz, reges Leben herrichte in diefer Gegend, welche gewöhnlich nur dann und wann eine Däfila oder der irre Fuß bes Bawwaͤq betritt, und beren Stille fonft nur vom Geheul der

Raubthiere unterbrochen wird.

Wir ſtiegen in den Waͤdiy hinab und verfolgten ihn thalaufwärts bis jenjeitS der Nuinen, wo wir neben einer Wafferladhe, auf einer mit Mimofen bewachjenen Anhöhe unfere Lagerftätte einnahmen. Während des Marſches durch den Wädiy kamen wir an mehr dem 200 Feuern vorüber, an denen zufammengenommen mehr al8 2000 Beduinen lagerten. Uns gegenüber brannten in geringer Entfernung voneinander die Feuer der Stämme Bi Sfchaybe und Baͤ Kaſchwyn.

Die bisherige Kreibdeformation hört im Süden des Thals auf. Die Anhöhen, welde den Wädiy im Dften und Weften einfchließen, beftehen aus einem fehr feinkörnigen Duader-Sandftein, deflen hori- zontale Schichten eine Mächtigfeit von 10 Fuß haben. Am Fuße

Sagenhafte Riefenbaute, 193

diefer Höhen und befonders im Bette des Waͤdih ſah ich viele große, regelmäßig geformte Blöcke diefes Gefteins, welche meiſtens auf 20 Fuß Länge 10 Fuß Breite und Höhe hatten. Viele diefer Blöcke waren durch die Einwirkung des Waffers zur Säule abgerundet. Der Thalboden befteht aus einem fetten, mergelig-thonigen Alluvium und ift des Anbaues im höchften Grade fähig. Aber wie viele Jahr⸗ hunderte werden noch vergehen, bevor der Pflug darüber Furchen zieht, wo jet nur Räuber und wilde Thiere haufen?

Der Bau, welder fi in der Ferne fo malerifch ausnahm, hat in der Nähe gefehen nichts Imtereffantes und ift weiter nichts, als ein fchlecht gebauter, zerjtörter Thurm, dem fich die Trümmer eines ‚Gebäudes von ebenjo ſchlechter Conftruction anſchließen. Dabingegen find die Subftructionen, auf denen die Ruinen Liegen, wahrhaft riefen- haft, denn fie beftehen aus den obenerwähnten Blöcken des Quader⸗ fandfteins und gehören wahrfcheinfich der anteislämitischen Zeit an, während der obenerwähnte Bau ein Machwerk fpäterer, ſchon in Barbarei verjunfener Generationen if. Wie gewöhnlich an alle Ruinen, jo knüpft fi aud an diefe eine Sage. Ihr zu Folge baute ein Rieſe diefe Burg und verfperrte von ihr aus die ganze Umgegend, wobei ihm feine fieben Söhne getreulich beiftanden. Der Prophet Hud kam dann eines Tages diefes Wegs und wurde von diefen Un⸗ holden angefallen; aber Gott rettete feinen Liebling, indem er die ganze Rotte duch einen Blitzſtrahl tödtete. Diefe Niefen waren nach der Meinung des Volls nichts Anderes als Aditen, denen fie eine außerordentliche Größe und eine folche Kraft zumeffen, daß ein Jeder von ihnen im Stande war, mehrere hundert Eentner zu tragen. Sp vergrößert die Einbildungskraft, vorzüglich bei rohen Völkern, Alles, was entfernt liegt.

Gegen Abend langten noch mehrere Züge Beduinen an, welche ihr Lager in unferer Nähe aufſchlugen und dann hinübergingen, ihre Schahchs zu befuchen. Obgleich der größte Theil der hier zur De- rathung erwarteten Bebuinen angelangt war, fo wurde doch an diefem Abende Nichts unternommen, da der Aberglaube das Ericheinen des

A. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 13

194 Der Abend im großen Lager.

neuen Mondes als den glüdlichen Zeitpunkt bezeichnet, in welchem Unternehmungen berathen werden können. Es war ber legte Tag des Monats Dſchomaͤda eth thäny, und die Stunde der Berathung war daher auf den folgenden Abend, als den Anfang des Monats Redicheb feftgefett, an welchem die ſchmale Sichel des eriten Mondviertels fihtbar werben mußte. Die ganze Nacht Teuchteten die Thalwände von den Wachtfeuern wider, um welche fich die dunkeln Geftalten der Beduinen gruppirten. Bis fpät erfcholl wohltönender Geſang durch das Thal, der theils von Einzelnen, theils im Chore gefungen wurde. Alle dieſe Gefänge wurden aus dem Stegreife vorgetragen und be- zogen fich meiſt auf das Ereigniß, welches zu der Verfammlung der Stämme PBeranlaffung gegeben Hatte, oder lobten die Tapferfeit der Anführer, Andere befangen die Thaten der Väter und Krieger.

Den ganzen Abend brachte ich in Gefellfchaft der Schach zu, und wie man fi denten Tann, mußte ich Vieles vom Sultan ber Beny Ottoman und ‘den Terenghy umd von Mohammed "Alyy erzählen, welchen lettern fie erwarteten, um vereint mit ihm die Engländer aus Aden zu vertreiben. Auch Sultan Fadhl "Alyy wurde erwähnt, welchen fie al8 den einzigen Koryphäen des Glaubens an- ſehen. Es ift unglaublich, wie populär fich diefer Mann durch fein feindliches Auftreten gegen England gemacht hat. Bon Sultan Mo- haſſin ſprachen fie nur mit Beratung und nannten ihn einen Kaͤfir.

Gegen Mitternacht Yehrte ich zu unſerm Lager zurüd. Hier und da durch den Schatten eines Baumes oder durch vorfpringende Felfen verdunfelt, Leuchteten die Thalwände noch immer im rothen Scheine der Wachtfeuer, jedoch hatten die Gefänge aufgehört, und nur in unferer Nähe tönte eine Stimme, die nad) einer fehr anmuthigen, aber ſchwermüthigen Melodie einen Hodſchayn (Lieb erotifchen Inhalts) fang. Sie gehörte einem arabifchen Werther an, wenigftens fchloß id) diefes aus den Worten des aus dem Stegreif gefungenen Klage⸗ liedes. Mit ſehr gewählten Ausdrücken bejang er bie unwiberfteh- lichen Reize feiner Schönen, und klagte dann dieſe Unvergleichliche ber tigermäßigiten Graufamleit an. Die Allegorien, deren er fid

Gefänge der Beduninen. ‚195

bediente, waren größtentheils nach echt orientalifchem Geſchmack und fo ziemlich denen ähnlih, welche welland König Salomo feinem „Hohen Liede“ einverleibte, ja, einige waren fogar jehr unpoetifch, und id) zweifle nicht, daß eine europäifche Schöne ihrem Anbeter fofort den Abjchied geben würde, hätte er fich unterftanden, fie „ein widerfpenftiges Kameel“ zu nennen, wie e8 ber | in Rede ftehende hadkramauter Liebhaber that.

Auch andere Vergleiche kamen vor, welche in Arabien zwar als fehr gelungen gelten, in Europa aber wahrfcheinfih wenig Glück machen würden. So verglich er den Hals feiner Geliebten mit einem „Gänſehalſe“ und ihre Ohren mit „Kameelsohren“. Doch ift der gute Menſch zu entehuldigen, denn Schwäne giebt e8 im Hadhramant nicht, wohl aber Gänfe, und unter allen Thieren, die er Tennt, hat das Kameel, im Vergleich mit feiner Größe, die Fleinften Ohren. Die Natur behauptete endlich ihre Rechte und der hoffnungslofe Lieb- haber entjchlummerte, wenigftens verftummten feine Lieder.

Seinem Beifpiele war ich im Begriff zu folgen, als ein Beduine unferes® Zuges mit geheimnißvoller Miene neben mein Lager fich niederließ und die Pantomime des Geldzählens machte. Aergerlih fagte ich ihm, er folle fich deutlicher erklären, worauf er mir ins Ohr flüfterte, daß in jenen Ruinen unermeßliche Schäße begraben lägen; ich follte deshalb die Geifter bannen,. damit wir fie mit- einander heben Fönnten. Ziemlich heftig und laut fagte ich ihm, er ſolle mich in Ruhe laſſen, da ich von dergleichen Künften weder etwas wiffe, noch wifjen wolle, worauf er mich ganz verdußt anjah und ih, ohne ein Wort zu jagen, wieder ans Feuer fekte.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Harem Himmel und Windftille 22°, um Mittag 36°, am Abend bet Nordweitwind 25°.

27. Juli. Um fein Auffehen zu erregen, blieb ich den ganzen folgenden Tag in unferm Lager. Jedoch fehlte es nicht an Beſuchern, die mich weiblich mit Fragen quälten, mir aber manches Interefjante mittheilten. Die Bebuinen übten ſich im Scheibenſchießen und Steine- werfen, worin fie ſehr viel Gejchicklichkeit zeigten. Die Schußweite

13*

196, _ Beginn der Stämmeberathung.

wechfelte von 300 bis 500 Schritt, und felbft mit letzterer verfehlten fie jelten ihr Ziel. Was ihre Gefchidflichkeit im Steinewerfen be- trifft, fo habe ich ihrer ſchon früher erwähnt, wo fie eine Probe auf meine Koften ablegten.

Gegen Abend hatte eine Anzahl Beduinen die Höhen beftiegen, um den Mond vor feinem Verſchwinden fehen zu Fünnen. Sowie die Dunkelheit hereinbrach, waren Aller Augen mit gejpannter Aufmerf- famfeit nad) dem Gebirge gerichtet, von dem das Signal gegeben werden ſollte. Es dauerte auch nicht lange, fo verkündete lautes Jauchzen und Gewehrfchüffe, daß mit dem Ericheinen unferes Tra⸗ banten die glüclihe Stunde gekommen fei, in welder die Be— rathungen vorgenommen werden Tonnten. Kin donnerndes Allah häfits el Dabayl (Gott fegne bie Stämme!) ertönte aus dem dager der zur Berathung verſammelten Stämme, und ein lautes „Amen!“, welches Tauſende der neutralen Beduinen in die Lüfte fandten, wurde vom Echo von Berg zu Berg getragen und verhallte in den Klüften des nahen Hochlandes. Eine Fätiha wurde dann vom äfteften Schaych laut gebetet und von den Uebrigen leije nachgefununt, wonach dann die Tarr 1212) erfcholl, welche die betreffenden Individuen zue Berathung rief. Auch die neutralen Beduinen ftrömten herbei, blieben aber in befcheidener Entfernung vom Sammelplage ftehen.

Die beiden Schaychs ließen ſich nieder und ihre Beduinen fetten fh im Kreife um fie herum. Eine Zeit lang herrſchte tiefe Stille und Alle Schienen in Nachdenken verfunfen zu fein. Dann erhob fid einer der Schaychs und hielt eine lange Anrede, weldye mit gefpannter Aufmerkſamkeit gehört wurde. Die Entfernung Hinderte mid, Die Worte zu verftchen, und Alles, was ich bemerken Tonnte, war, daß er feine Rede mit fehr lebhaften Gejticulationen begleitete. ‘Dann und wann entitand eine Bewegung unter den Zuhörern und ein dumpfes Gemurmel ließ ſich vernehmen. Nachdem der zweite Schaydj und einige ‚der Aeltejten das Wort geführt hatten, erhoben ſich auch zu wiederholten Malen Stimmen aus. der Reihe der Beduinen, worauf dann abermals der zweite Schayd) das Wort nahm und eine, nad

Opfer und Waffentanz. 197

feinen Geften zu urtheilen, heftige, aber kurze Rede hielt, nad) deren Beendigung ein „Allah häfits el Qabayl“ die Luft erfchütterte, dem ein paar taufend Kehlen ein Amen!’ nachriefen.

Die Berathung war beendigt und der Krieg beſchloſſen.

Das Feuer, weldes in der Mitte des Kreifes gebrannt hatte, wurde durch einen großen Haufen Holz neu belebt und die auflodernde Flamme mit lautem Jubel begrüßt. Man brachte dann einen grünen Aft des Nebefbaumes und einen fetten Hammel, welchem der ältefte Schaych die Füße band. Nach diefen Vorbereitungen ergriff er den Aft, ſprach ein Gebet über ihm und übergab ihn den Flammen. Wie "jede Spur von Grin verfchwunden war, entzog er ihn dem euer, ſprach abermals ein Gebet und durchſchnitt mit feiner Dichembiye die Kehle des Hammels, mit deffen Blute der nod) bremmende Aſt ge⸗ löſcht wurde. Er riß dann mehrere Kleine Zweige von dem verbrannten Ate und übergab fie ebenfo vielen Bebuinen, welche damit nach ver- fchiedenen Richtungen forteilten. Der jchwarze, blutige Aft wurde dann in die Erde gepflanzt. Die Beduinen löften ihre gewöhnlich zufammengebunbenen Haare, nährten’ das euer aufs Neue und be- gannen einen ausdrudsvollen, Triegeriihen Tanz, welcher von ber Tarr und dem Hods (Kriegsgeſang) begleitet wide. Das magiſch beleuchtete Thal hallte von dem rauben, aber harmonischen Kriegsgefange wider, und die nackten ſchwarzen Geftalten, welche ſich mit fliegendem Haar in wilden Zalte um das blutig geweihte Panier bewegten, glichen entfeffelten Dämonen, der Ruine entjtiegen, die im SHinter- grunde ihre Schwarzen Schatten auf die hellerleuchtete weiße Thalwand warf. Zanz und Gefang dauerten bis nad) Mitternacht, wann ſich die beiden Schaychs an die Spige ihrer Beduinen ftellten, dem fonder- baren Banner folgend fih nad) Oſten wandten und bald im Dunkel verſchwanden.

Tiefe Stille folgte dieſer intereſſanten Scene, und Jeder ſuchte noch den Reſt der Nacht zu benutzen, um ſich zu den Mühen des fommenden Zages zu ftärken. Die Begierde aber, etwas Näheres über die Bedeutung des eben Gefchehenen zu erfahren, ließ mich fein

198 Symbole der Kriegserflärung.

Ange fchliegen. Ich ſetzte mich deshalb zu dem wachehaltenden Be⸗ buinen ans Feuer und brachte nad vielen Umſchweifen das Geſpräch auf meinen Gegenftand. Der Beduine machte anch nicht viel Schwie⸗ rigleiten, meine Wißbegierde zu befriedigen, und theilte mir %ol- gendes mit:

Bon dem Gebraude, „einen Aft des Nebekbaumes abzu— brennen’, wußte er weiter nichts, als daß e8 ein herkömmlicher ſei und daß fein Aft eines andern Baumes dazu verwandt werben Tünne. In dem Augenblid, da der Schahch den Alt ins Feuer wirft, fagt er die Worte: „So wie biefer Ajt verdorrt, jo mögen aud unfere Feinde verdorren!” und nachdem er ihn mit dem Blute bes Opfertbieres geröthet bat, fagt er: „Wer zurüdbleibt irn der Stunde ber Gefahr und wer diejfes Zeichen verläßt, Der verdorre, er und die Seinigen, gleichwie es verdorrt iſt!“ Die lleinen Zweige, welche der Schahch abreift und an die Beduinen vertheilt, dienen als Lärmzeichen, mit denen die Abgefandten von Thal zu Thal eilen, die Söhne des Stammes zum bevorftehenden Kampfe zu laden. Keiner darf es bei Verluſt feiner Ehre wagen, zurücdzubleiben, wenn das gewählte Zeichen an feiner Lagerſtätte er- Icheint und die Stimme des Trägers zum Kampfe ruft. Aus allen Höhlen und Schluchten ftürzen der greife Krieger, ber Fräftige Mann und der kaum dem Knabenalter entreifte Jüngling hervor und eilen dem Kampfplage zu, für die Ehre und Rechte des Stammes zu fiegen ober zu fterben. Voran zum Kampfe wird das blutige Sinnbild getragen. Um diejes entbremt der Streit am heftigften, denn Ehre iſt es, es dem Feinde zu entreißen; unauslöfchlihe Schande ift es, e8 zu verlieren.

Beim Friedensfhluffe übergeben die Schahchs der verfühnten Stämme ihre Aejte dem Feuer und laffen fie zu Afche verbrennen.

Nach diefem geben fie fich die Hände und fprecdhen: „Unſere Feindſchaft ift vernichtet, wie diefe Zweige vernichtet find; Friede fei fortan zwifchen mir und meinen Kindern und Dir und Deinen Kin- dern. Ein Jeder ſchlachtet dann einen Widder zum Opfer. "Hat

Die Blutrache. 199

eine Partei mehr Todte wie die andere, fo jagt der im Bortheil ftehende Schahch: „Wähle zwifhen Blut und Milch!’ welches ſoviel Heißen will: er könne die Gefallenen rächen ober die Diye (Blutgeld) annehmen. Bei diefer Gelegenheit wird gewöhnlich das Blutgeld angenommen, da, man nicht genau wiljen kann, wer Jemand getödtet hat. Der Ausdrud ‚Milch‘ bedeutet hier „Diye“, weil fie gewöhnlich in Kameelen oder Schanfen bezahlt wird. Die Araber nehmen im Allgemeinen an, dag Abd el Motallib ibn Hifhäm, der Großvater Mohammeb’s, der Erſte gewefen jei, der eine Diye bes zahlt habe, und daß es feitdem in Gebrauch geblieben fei. "Abd el Motallib Hatte nämlih ein Gelübde abgelegt, daß er dem Götzen, der damals in der Ka’ba (Tempel zu Meffa) verehrt wurde, einen feiner zehn Söhne opfern wolle. Er ließ deshalb feine Söhne Loofen und das Loos fiel auf feinen Lieblingsfohn. Jedoch konnte er es nicht über ſich gewinnen, ihn zu opfern, und fchladhtete an feiner Statt 100 Kameele. Viele Stämme haben diefes beibehalten und 100 Kameele oder ein Aequivalent von 8 Thalern pro Kameel als Sühne des vergofjenen Blutes feſtgeſetzt; Andere weichen von diefer Summe ab und. bejtimmen das Blutgeld nad) dem Reichthum des Todtſchlägers. Im Habhramant ift diefes überall im Gebrauch.

Der Thermometer war am Morgen bei Windftille und heiterm Himmel 22°, am Mittag 36°, am Abend bei ſchwachem Nordweſt⸗ winde 25°. . ,

28. Juli. Am 28. Juli kurz vor 7 Uhr fetten wir unfere Reife fort und gelangten in einer Stunde über ein allmählich an⸗ fteigendes Terrain und durch eine tief eingefchnittene, fteile Schlucht auf das Plateau oder vielmehr auf die untere Terraſſe deffelben; dann in einer Entfernung von 3—4 Stunden ragte eine zweite teile, unabfehbare Wand. Da der Weg durch die Schlucht fehr ermüdend geweien war, jo lagerten wir uns fchon um 1,9 Uhr in einer mit Mimofen bejekten Niederung.

Rurz vor 1 Uhr fette fi die Däftla wieder in Bewegung und befolgte bis 1/4 Uhr die Richtung von Nord, 20° Oft. Das

!

200 Unverfchämtheit der Scheryfe.

Plateau ftieg in fteilen Wänden vor und auf, Tonnte aber von ums nicht mehr erjtiegen werden, weshalb wir unfer Nachtlager ımter einem Mimofenwälbchen nahmen, welches den Entftehungspunft eines Waͤdiy umfäumt. Am Abend hatten wir ein Gewitter, welches jedoch feinen Segen über eine andere Gegend ausfchüttete. Am Morgen hatten fi ums fünf Scheryfe angefchloffen, welche nad) dem Wädiy Amd veiften und die ich als die zubringlichften und frechften Burſche kennen lernte, die mir je vorgefommen find. Trotzdem, daß fie reichlich mit Proviant verjehen waren, nahmen fie die Säcke der armen Beduinen ohne Weiteres in Anſpruch. Auch die meinigen hatten den Mittag das gleiche Schidfal gehabt, umd um des Glaubens willen hatte id es geichehen laſſen. Diefen Abend aber wollten fie meinen Proviant- fa ebenfalls in Contribution fegen, fanden ihn jedoch verfchloffen. Dhne Umftände und in einem Zone, als hätten fie das größte Recht bazu, verlangten fie, daß ich das Schloß öffnen folle, welche freche Zumuthung ich aber mit barjchen Worten zurückwies. Diefes fchien fie zu befremden, und Einer von ihnen frug mich: „ob ich nicht wiſſe, daß fie Scheryfe feien?” „Es ift möglich, aber ic) glaube es nicht“, entgegnete ih, „dern ein Scheryf muß mehr wie jeder Andere wiffen, daß Gott in feinem Buche (dem Dorän) jedem Mufelmanne verbietet, fi der Habe feines Nächten zu bemächtigen. Wäret ihr alfo Scherhfe, jo würdet ihr die Provifionen verzehren, mit denen ihr rveichlih verfehen feid, und nicht die meinigen und die der Be⸗ duinen ohne Erlaubniß fortnehmen.” Diefe Sprache war ihnen un- erwartet und neu, und in Gegenwart der Beduinen demüthigend, um jo mehr, als diefe mir beiftimmten und fie weidlich auslachten. Höch⸗ lichſt entrüftet verlegten fie ihre Kagerftätte unter einen andern Baum, als befürchteten fie, durch die Nähe eines folchen ruchloſen Menſchen an ihrer Heiligfeit Schaden zu leiden.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Winpdftille und heiterm Himmel 22°, um Mittag bei ſchwachem Nordweitwinde 30°, am Abend bei Süboftwind und bewöllten Himmel 20°.

29. Zuli. Am 29. Juli bradden wir kurz vor 5 Uhr Deorgens

Gelderprefiung der Herren des Weges, 201

auf und erreichten nach einer Stunde den Fuß der ungehenern, faft 3000 Fuß hohen Gebirgswand. Die "Agaba (der Aufitieg) wird Hier durch eine etwa 10 Minuten breite, ſehr fteile Abdachung, welche wahrfcheinkich durch einen Bergfturz entitand, gebildet. Das Er- fteigen diefer Höhe war fehr ermüdend, da man auf dem lofen Ge⸗ rölfe fortwährend ausglitt. Wir Hatten noch ungefähr 100 Schritt zu fteigen, als wir oben einen Beduinen erblidten, der uns das Wort: „El Ghaffar!“ (Wegegeld!) zurief. Diefe Aufforderung wurde durch 10 Gewehre unterftüßt, welche aus den Schieklöchern einer aus loſen Steinen errichteten Bruftwehr hervorblinkten. Unſere Bebuinen riefen hinauf, „wie viel ein Jeder zu zahlen Habe und wohin das Geld zu legen ſei?“ worauf die Summe von 1 Thaler feitgefeßt und ein großes Feljenjtüd auf halbem Wege zwifchen ihnen und uns als Ablieferungs- ort bezeichnet wurde. Mein Thaler war bald gezogen, aber die Scheryfe behaupteten, daß fie als folche nicht verbunden wären, irgend ein Wegegeld zu zahlen. Man wief diefe Einwendungen hinauf, je- doc) die da oben wollten von ſolchen Prärogativen Nichts wiſſen, fondern erflärten, „daß ein Jeder der Reiſenden (denn die Beduinen felbft zahlen fein Wegegeld), der nicht zahlen wolle, zurückbleibe und daß der fofort zufammengefchoffen würde, der es wage, diejes Gebot zu übertreten”.

Diefem Argument war nun freilich Nichts entgegenzufegen und die Herren Scheryfe machten deshalb auch Feine weitern Umſtände und legten Jeder ihren Thaler in die Hand eines Beduinen, welcder zu dem bezeichneten Plage hinaufftieg, das Geld deponirte und dann zu uns zurückkehrte. Der oben ftehende Beduine ftieg nun behend hinunter, nahm das Geld und verfchwand ebenfo ſchnell Hinter der Bruftwehr. Bald darauf Tangteri wir oben an. Ic, fah mich aber: vergebens nach den Wegelagerern um, fie waren fpurlos in einer der nächſten Schluchten verfchwunden.

Bis 1/9 Uhr zogen wir über die einförmige Gegend und ftiegen fodann in den Wädiy Metelle hinab, an deffen oberm Ende das Dorf Metelle liegt. Ä

Diefes Dorf befteht aus ungefähr 20 Häufern, in welchen -bei-

-

202 Berheerungen der Heufchreden.

läufig 150 Einwohner des Stammes Oothäm, einer Abtheilung des Stammes Beny Sfaybän, wohnen. In der Umgebung des Dorfes ftehen einige Dattelpalmen auf gut angebauten Feldern umber,. welche von einem Wachtthurme befhügt werden. Kurz nach 9 Uhr lagerten wir oberhalb des Dorfes unter einigen Mimofen. Bon Metelle eine Stunde Weges Tiegen im Nordoften die Dörfer Minter und Scho— rut im Waͤdiy Minter, welder in den Wädiy Nhayde ed Dim mündet. Der Wädiy Deetelle fteeicht von dem Dorfe aus von Sübdoft nad Nordweit, macht dann einen Bogen nad) Nordoften und ver- einigt fi) dann mit dem Waͤdiy Rhayde eſſ Sſowahde. 110) Er ift wenig eingefchnitten und nicht, wie die bisher bejchriebenen Waͤdiy der Hochebene, von jteilen Felswänden, ſondern von janften Abhängen begrenzt, die mit Mimofen und Nebek bewachſen find.

Mein Beduine Taufte von einem der Einwohner Vorrath von einer Art Mehl, welches aus der Frucht des Nebelbaumes gemahlen wird und, mit Waffer vermiſcht, ein fehr nahrhaftes und Tühlendes Getränk gewährt. Auch getrocknete Heufchreden wurden uns feil- geboten. Die Heufchreden, welche hier genojjen werden, find auf folgende Art zubereitet. Nachdem man denjelben Kopf, Flügel und Beine abgeriffen hat, wirft man fie in kochendes, ſtark gefalzenes Waſſer und läßt fie etwa eine Minute darin liegen. Dann werben fie auf einer Matte ausgebreitet, mit Salz beftreut und an der Sonne getrodnet, und fo zum Gebrauche aufbewahrt. Viele ziehen fie au auf Fäden, wie bei uns die Beeren. Diefe Heufchredenart wird von den Arabern Mekun genannt und ift nad) Forskaͤl der Grillus gre- garius. Dieſer Gelehrte iſt der Meinung, daß fie nit Grillus ‚migratorius des inne find, welde in der Zartarei vorkommen. Diefe Thiere richten greuliche Verwüftungen an und Tommen oft in fo erftaunlicher Menge, daß ein einziger Zug während eines ganzen Tages gleich einem Schneegeftöber über eine Stadt zieht. Der größte Zug, den ich geſehen Habe, ließ fih im Jahre 1835 in der Nähe von Moda in einer Ebene nieder und bebedte dieſelbe etwa 4 Zoll Hoch auf einer Strede von Y, Duadratmteile.

Waͤdiy Rhayde ed Dyn. 203

Um Mittag ſetzten wir unſere Reiſe fort und erreichten bald die Ebene, wo fi) 50 Kameele von der Qaͤfila trennten und dem Waͤdih Minter zuzogen. Nach einer Stumde ftiegen wir einen fanften Ab- Hang entlang in den Wädiy Rhayde eſſ Sjowande hinab, der un⸗ gefähr 4, Stunde Breite haben mag.

Bis 2 Uhr durchſchnitten wir ihn thalabwärts in nordöftlicher Richtung und betraten dann den Wädiy Mhayde ed Dyn, der fi) wie eine 2 Stunden breite Ebene unabjehbar nach Norden zieht. Lines vom Wege ragten, etwa Y, Stunde entfernt, zwei Wachtthürme und 20 Minuten fpäter erblickte ich in einer Entfernung von 1 Stunde die Stadt Delaͤ. Hier refidirt ein Sultan, der aber wenig Macht be- fit, indem er, gleich feinen Stammesgenoffen im Wädiy Do’än, unter - dem Scute oder vielmehr der Botmäßigkeit der Beduinen fteht, die hier, wie faft überall, die Machthaber find. ‘Der hier herrfchenbe Stamm heißt Bi Omm Sſaduſſ und it eine Abtheilung des Stammes Ed Dayin.

Die obern Theile der Wädiy Rhayde ed Dyn und Rhahde eff Sſowayde werden von zwei Abtheilungen des Stammes Beny Sfaybän, den Stämmen EI Dothäm und Dichahädeme,. bewohnt, welche aud) die Kleinern, in fie mündenden Thälern inne haben.

Trotz dem fruchtbaren Boden diefer Wädiy findet ſich in den⸗ felben, außer in der nächſten Umgebung der Ortichaften, Feine Spur von Anbau, und die ganze Vegetation befchränft fi auf einige zer- ftreut umbherftehende Mimofen, mächtig wuchernden Oſchr (Asclepias procera) und emige andere Pflanzen, worumter hauptfählih Hyos⸗ cyamus.

Unſer Weg lag jetzt quer über ben Wädiy und führte ung um Y, nah 2 Uhr an drei Thürmen vorüber, welche die hier begin- nenden angebauten Ländereien befhügen. Bon hier aus fah id) aud) rechts vom Wege die Dörfer Schäbith und Eich Schillät, das eine 1,, das andere 1 Stunde entfernt Tiegen., Wir zogen längs der äußersten Grenze der angebauten Felder bin, auf denen Weizen, Sefam, vor allem der Indigo in üppigfter Fülle ftanden. Kurz vor

204 Dörfer im Wii) Rhayde ed Dim.

3 Uhr paffirten wir die beiden dicht beifammen und hart am Peg liegenden Dörfer Kaydam und Ghowayre. Kin dritter Ort lag dich hinter diefen beiden; ich konnte aber feinen Ramen nicht erfahren Diefe Ortſchaften find ganz regelmäßig im Viered gebaut und zwer fo, daß die äußere Häuferreihe das Ganze mauerartig umgiebt; an jeder der vier Eden fteht ein ſtarker vierediger Thurm, von dem aut die Seiten beftiegen werben können. Zwiſchen den drei Dörfern zählt ih noch acht Wachtthürme, welche fo angelegt find, daß einer der andern vertheidigt. Alle diefe Orte find von Beduinen des Stammes Bi Dmm Sfaduff bewohnt, deſſen ältefter Schaych in Kaydam refi- dirt. Die Seelenzahl diefer Dörfer wird wohl nicht 1500 überfteigen. Längs des Weges vor diefen Dörfern fah ich eine Menge irbenm Zöpfe, in welchen der Indigo bereitet wird, der ein Haupthandels⸗ artikel dieſes Wädiy iſt. Oeftlih vom Wege entipringt am Abhang des Plateaus eine Duelle, die fi in ein natürliches Baſſin ergich, welches mit Lotosblättern bedeckt war. Kurz vor 3 Uhr bogen wir in den Wädiy Maghaͤra ein, ſtiegen aber gleich darauf auf den m gegengejetten Abhang zum Plateau hinan und lagerten neben eine Waldung von Mimofen und Nebefbäumen. Zehn Minuten thalauf- wärts Tiegt im Wädiy Maghära das bedeutende ‘Dorf Horram, welches von Wachtthürmen umgeben ift.

Im Verhältniß zu feiner Ausdehnung und Fruchtbarkeit it der Wädiy Nhayde ed Dyn nur wenig bevölkert. Demungeachtet ift et als einer der Hauptwadiy der hadhramanter Hochebene anzuſchen. Nach der übereinftimmenden Angabe mehrerer Berfonen Liegen folgend Ortſchaften in ihm: Eſch Schillät, Schiſbe 11°), Kaydam, Ghowahre, Okaͤmiſſ, Chalyf '7%), Hiem ba ‘Abd, Hien Bahdra 17), Boyut, El Hidſchelhn und Nefhun. Auf der Weſtſeite, ebenfalls von Süden nach Norden, Del, Rhayde, Him ba Omm Sfabufj, Eſch She ryn 118), Eſch Scherka 119), Anik, Nyr. An der Oftfeite münden Waͤdiy Maghära mit dem Dorfe Horrayn 12%), Wädiy Ghana”) mit den Dörfern Ghaura und Bi Amr, Wädiy Rabadh und Cafri und der Wädin Hidſchelyn. An der Weftjeite münden: Widih

Angebliche Zauberkunſt der Scheryfe. 205

Rhayde eff Sfowayde, Wähiy Minter 122) mit den Dörfern Minter und Schorut, Waͤdiy Taryq mit den Orten Ghebeſſ 17°), Ghaydyn und Baͤ Taryq, und endlich der Wädiy Nyr !2®), von deſſen Mün- dung an der Wädiy Rhayde ed Dyn den Namen 'Amd 125) annimmt.

Unfere Däftle war jett nur nod) 20 Kameele und 14 Bebuinen ftarf, da die Uebrigen nach den verfchiedenen Ortſchaften der Waͤdiy Rhahde ed Dyn und 'Amd beſtimmt waren.

Am Abend wurde mancherlei über den treuloſen, habſüchtigen und filzigen Charakter der „Scheryfe“ geſprochen und die Beduinen waren herzlid) froh, von der Gefellfchaft diefer Leute befreit zu fein. Zwar freuten fie fih, daß ich dieſe Leute zurechtgewiejen Hatte, fie befürchteten aber, daß mir ein Unglück zuftoßen wiirde, „denn, fagten fie, „die Scheryfe find falſch und rachſüchtig und fünnen Semanden ſehr viel Böſes zufügen, da ihnen viel Macht durd die geheime Wiffenfhaft des Sfihr geworden iſt.“ „Gott ift groß”, erwiderte ih, „und ohne feinen Willen fann mir nichts Uebles widerfahren. Sch fürdte diefe Scheryfe nicht.” Die Bebuinen fagten hierzu ihr „Amen!“ . und legten ſich zur Ruhe.

Die Hauptrichtung der heutigen Tagereiſe war Nord, 20° Dit. Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Himmel 15°, am Mittag bei ſchwachem Norbweitwind 20°, am Abend 18°.

30. Juli. Am 30. braden wir erft des Morgens 4,8 Uhr . auf. Die Gegend auf der Hochebene bleibt fich fortwährend gleich: Daffelbe Geftein, diefelbe Form der in allen Richtungen zerjtreut liegenden Hügel waltet bier wie dort vor, wo ich diefelben zum erften- male betrat. Ueberall ermübdet eine traurige Einfürmigfeit das Auge des Reiſenden, welches das Ende der unermeßlichen Ebene vergebens zu erfpähen ſucht. Etwas vor 9 Uhr erblicte ich zur Linken ben Wädiy Ghaura, aus welchem die Minarets (Thürme der Mofcheen) der Dörfer Ghaura und BA Amr hervorragten.

Nach einer Stunde famen wir an einem in den Felſen gehauenes

206 Gebirgswanderung.

Baſſin vorüber, welches mit Waſſer gefüllt war. Von hier aus |

legten wir nod) eine Stunde Wegs zurüd und lagerten dann unter |

einer großen Mimoſe, neben welcher zwei Cifternen eingehauen find. Ganz in der Nähe fteht eines der mehrerwähnten Schußhäuschen.

Nach einer Ruhe von 2%, Stunden wurden die Kameele beladen und die Reife fortgefegt. Um 20 Minuten vor 3 Uhr genoß ic) eine hübfche Aussicht in den Wädiy Rabadh, in welchem ſich das Dorf gleihen Namens aus einem dichten Gebüfche von Mimoſen und Ta: marisfen erhebt. An den Seiten des Thales befinden fich terrafjen- förmige Anlagen, welche im herrfichften Grün prangten. Zum Schub derfelben fteht im obern Theil derfelben ein Wachtthurm. Die Be: wohner des Orts find Beduinen des Stammes Baͤ Sſowayde, welde eine Abtheilung des Stammes Ed Dayin if. Um Y, nah 3 Uhr trafen wir eine Cifterne und Y, Stunde fpäter ſah ih das Dorf Safrä im Waͤdiy gleichen Namens liegen, deffen Bewohner gleichfalls dem Stamme Eſſ Sfowaydän angehören. Der Heine Wädiy Cafra vereinigt fich mit dem Wädiy Rabadh und dieſer bei dem Orte Hien Bahdra mit dem Wadiy Rhayde ed Dyn. Wir Iegten noch zwei Stunden Weges zurücd, während welcher wir an fechs Eifternen vorüberfamen, und lagerten dann auf einer mit Feuerfteinen befüeten Niederung umter einigen Mimoſen, welche in voller Blüthe ftanden und die Gegend mit ihren Wohlgerüchen erfüllten.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Himmel 10°, am Mittag 20°, am Abend bei ſchwachem Weft winde 18°.

31. Juli. Am 31. Iuli verließen wir Morgens 7 Uhr unſer Nachtlager umd zogen dem nahen Waͤdiy Doän zu. Um 1,9 Uhr jtiegen wir in eine enge Schlucht hinab, und einige Minuten fpäter ftand ih am Rande des reizenden Thales, oberhalb der Reſidenz El Arr.

Mehr wie einmal war während dieſer Reiſe mein Leben in Ge⸗ fahr geweſen; glühende Sandgefilde und Ebenen von troſtloſer Nadt- heit und erdrüdender Monotonie, nur hier und da von einem freund

Rücklehr nad) Choraybe. 207

lichen Ruhepunkte unterbrochen, hatte ich bisher durchwandert. Man kann ſich aljo denken, mit welcher Luft mein Auge an den in voller Tarbenpracht prangenden Fluren hing, mit welch inniger Treude ich den dunkeln Hain der Palmen und das gajtliche Choraybe wieder begrüßte.

Mit vorfichtigen Schritten zog die Käfilah den äußerſt gefähr- lichen Weg hinab, erreichte ohne Unfall das Thal, und ſchon um 10 Uhr faß ich in der Mitte der Familie meines ehrwürbigen Schaychs “Abd Allah ba Sudan, welche ungeheuere Freude bliden Tieß, mic wohlbehalten wiederzufehen.

Am Morgen ftand der Thermometer bei Windftille und Heiterm Himmel 10°, um Mittag 25°, am Abend bei Nordweitwind 20°.

Siebentes Eapitel. Das eigentlihe Hadhramaut.

Zweiter Beſuch bei dem Sultan. Abreiſe. Ankunft in Amd. Schahch Abd er Rahmän baͤ Dyak ben Amudy. Abreife. Nachtlager bei Hall ba Salib. Nachtlager bei Dirbe. Ankunft in Haura. Der Waͤdiy Amd. Der Wädiy EI Hadſcharyn. Die alten Königsgräber im Wäbiy SHayibun unfern Meſchhed 'Alyy. Der Wädiy Darr.

1. Auguſt. Am folgenden Morgen ftattete ich, in Begleitung des älteften Sohnes vom Haufe, dem Sultan meinen Befuch ab, der mich aber diesmal fehr Talt empfing und überhaupt vieles Mißtrauen zeigte. Er hörte nicht auf, von Mohammed "Alyy zu fprechen, und ließ nicht umdeutlic) merken, daß er eine Invafion des Aegyptiers befürchte und daß ich von demfelben geſchickt fei, das Land zu er pähen. Obgleich weder gejchmeichelt noch erfreut, für einen Spion Mohanımed Alyy's zu gelten, mußte ich doch über die Wichtigthuerei des alten Herrn lachen, der fein aus einer Stadt, einem Dorfe und einigen Morgen Landes bejtehendes Reid) für bedeutend genug hielt, die Eroberungsluft eines fo entfernten Fürſten zu veizen. Um ihm diefe Meinung zu benehmen, frug ich ihn, wie viel er wohl glaube, daß eine Expedition nad) dem Hadhramaut koſten würde? Nach einigem Befinnen gab er mir zur Antwort: „Nun, an 100,000 Thaler.” Worauf ich ihm entgegnete: daß 3 Millionen nicht Hinreichen würden, und daß, da der ganze Waͤdiy nicht fo viel werth fei, er von einer Invafion des Paſcha Nichts zu befürchten habe. Jedoch blieb er bei

Furcht vor dem Paſcha von Aegypten. 209

der Meinung, daß der Wädiy Do’än mit feinen vielen Städten und Dattelwäldern ſich doch wohl der Mühe verlohne.

Als ich ihm nun erzählte, daß die einzige Stadt Kairo mehr Einwohner zähle, als der ganze Wapdiy, daß mehr als 100 Städte wie Choraybe, und mehr als 3000 Dörfer in Scharg unter der Botmäßigkeit des Paſcha von Aeghpten ftänden, und daß, bloß in der Umgegend von Kairo, mehr Datteln, Durra, Weizen, Bohnen, Linſen u. |. m. geerntet würde, als alle Bewohner des Hadhramaut in einem Jahre verzehren könnten da fchien dem alten Herrn der Berftand ſtille zu ftehen. Mit erftaunten Blicken und offenem Munde ftarrte er mich eine Weile an und brad dann in die Worte aus: „Gott ift Gott! Es ift nur ein Gott und Mohammed ift fein Gefandter! Mohammed Alyy ift ein mädtiger Sul- tan, der uns alle verderben kann. Du fiehft, daR ih wohl Urſache habe, ihn zu fürchten.“ Da meine Bemühungen, dem alten Herrn feine Furcht zu benehmen, gerade das Entgegen- gefetste bewirften, fo hielt ich es fiir das Nathfamfte, mich zu beur- lauben und nad) der Stadt zurüdzufehren.

Am Ausgange des Bafars begegneten mir mehrere der ange⸗ fehenften Einwohner, welche, wie mir mein Begleiter jagte, in Finanz⸗ angelegenheiten zum Sultan gingen. Schaych Dorra, der auch mit ihnen war, wünfchte mir zu meiner Zurückkunft Glück und bat mid, ihn zu befuchen, welches ich ihm für den Nachmittag zufagte, da ic) Willens war, unter dem Schuße feines Stammes nach dem Waͤdiy "Amd zu reifen.

Nachmittags erfüllte ich mein Verſprechen und befuchte den Schaych, bei welchen ich aud) feinen Collegen Hoſſayn Sohra, Schaych der Chämiye, antraf, der mid) ebenfalls beglüctwünfchte, fo glüclid) aus dem Lande der verrufenen Dfiyayby zurückgefehrt zu fein. Ich er- zählte ihnen meine Reiſeabenteuer und theilte ihnen meinen Entſchluß mit, noch vor der Sfyära von Dabr Hud einen Ausflug nad) Norden zu maden. Zu gleicher Zeit bat ich fie, mir einen fichern Führer aus einem der beiden Stämme zu geben.

A. dv. Wrebe’s Reife in Hadhramaut. 14

210 Der Sultan läßt Choraybe beſchießen.

Meine Reifeluft kam ihnen komiſch genug vor, und fie fragten mich lachend, was ich denm eigentlich an den Steinen des Hadhra⸗ mant Merkwilrdiges fände? „Oder“, festen fie hinzu, „habt ihr in Aegypten etwa Feine Steine?‘ Ich enigegnete ihnen: „ba ih nun einmal auf einer Pilgerreife in diefem Lande begriffen ſei und ich mich bis zur Zeit der Siyara langweilte, e8 aber ein ver- dienftlihes Werk fei, auch die in andern Gegenden befindlichen Hei⸗ figen- Gräber zu befuchen, fo wolle ich meine Zeit zum Beſuch der: felben verwenden.” Waren fie nun auch nicht fo ganz von dem religiöfen Zwecke meiner Reife überzeugt, jo thaten fie doch wenigſtens, als glaubten fie daran, und Dorra 1260) verfprah mir, am fol- genden Morgen einen Beduinen zu fehiden, mit dem ich mid) ver- ftändigen könnte.

Mein Wirth, dem ich) am Abend meinen Neifeplan mittheilte, war nicht fo fchr dafür, gab aber doch, da er fah, dak mein Ent: ſchluß feitftand, feinem Sohne den Befehl, mir einen Empfangsbrief an einen ſehr einflußreichen Schayd in Amd mitzugeben.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Himmel 15°, um Mittag bei Nordweitwind 25°, am Abend 20°.

2. Auguft. Am folgenden Morgen wedte mich ein lebhaftes Gewehrfeuer umd ein durchdringendes Gefchrei, das in allen Häufern von den Weibern erhoben wurde, Anfangs war ich der Meinung, daß die Stadt überfallen worden fei, ein Bli nad) EI "Arr belehrte mich jedoch, daß man von dort aus die Stadt beſchoß. Sch ging nad der Thür, um mid) nad) der Urfache des Schiekens zu erkun⸗ digen. Hatte mic ein Inwohner der Refidenz am Fenfter erblickt oder ſchoß man aufs Gerathewohl, genug, dag eine Kugel durch das Tenfter in die gegenüberliegende Wand fchlug, nachdem ich mich Faum davon entfernt hatte.

Im Gange fand ich bereits alle männlichen Mitglieder der Fa⸗ milie inftalliet, während die Frauen ſich in die untern Zimmer zurüd: gezogen hatten.

Ich erfuhr jetzt, daß einige Individuen dem Sultan 10 Thaler

Seltfame Stenereintreibung. Folgen der Beſchießing. 211

Abgaben fchuldeten, welche fie nicht auftreiben köͤnnten. Um num bie Stadt zu zwingen, dieſe Summe einftweilen zu erlegen, wurde fie von dem Sultan bejchoffen.

Das Syſtem, eine Stadt für einzelne Individuen ſolidariſch haften zu laſſen, findet fich alfo nicht blos in Aegypten, fondern ift ſeit undenflihen Zeiten im ganzen Hadhramaut gebräuchlich, wo noch oben- drein, wie man fieht, die Zwangsmittel höchſt energiſcher Natur find.

Den ganzen Tag wurde auf die Stadt gefchoffen, ſodaß es Niemand wagen durfte, den Baſar oder die Straßen zu betreten, welche von EL 'Arr aus beftrichen wurden. Befonders war erfterer den Kugeln ausgefegt und die Kaufleute daher gezwungen, ihren Handel einzuftellen.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Wetter 15°, um Mittag 25°, am Abend bei ſchwachem Nordweſt⸗ wind 20°.

3. Auguft. Mit dem Beginn des nächſten Tages begann das Schießen aufs Neue, währte aber nım bis gegen Mittag, da die Neihen unter den Bewohnern der Stadt die Summe zufanmengelegt und fie dem Sultan durd) einen Beduinen überjandt hatten. Diefer Auftritt war nicht ohne traurige Folgen gewefen, dem ein Manu wurde auf der Stelle getüdtet, ein anderer ftarb am Morgen an der erhaltenen Wunde, und 7 Individuen, darunter auch eine Frau, waren minder oder mehr ſchwer verwundet. Niemand aber wunderte fich über diefe Gewaltthätigfeit, nocd) war darüber aufgebradt. Im Gegen- theil fand man fie fehr natürlich und verficherte mir, daß diejes das einzige Mittel ſei, welches die Sultane anwendeten, um rüdftändige Steuern einzutreiben; auch käme diejes fehr häufig vor.

Des Nachmittags ſchickte ich zu BA Dorra ıumd ließ ihn bitten, mir den verfprodhenen Beduinen zu ſchicken, da id) gefonnen fei, des folgenden Morgens nad) dem Wädiy Amd zu reifen.

Er ſchickte auch fogleich einen jungen Mann feines Stammes, mit dem ich bald einig und dem ich von dem Schayc "Abd el Daäbdir in aller Form übergeben wurde.

14*

212 Aufbruch von Choraybe nach dem Waͤdiy "And.

Den Abend bradte ih in Gefellichaft einiger Scheryfe und Schaychs zu, bei denen ich mich nad) der Gegend erfundigte, welche ich befuchen wollte; aber feiner von ihnen fonnte mir etwas Beſtimmtes mittheilen.

Der größte Theil diefer Leute zeichnet ſich durch eine großartige Ignoranz aus und ift fo wenig mit dem eigenen Vaterlande befannt, dag man faft Nichts von ihnen erfahren kann. Unglüdlicherweife war der Schaych abweiend, der mir fo viele Nachrichten von Beled el Hadſchar gegeben hatte. Es iſt in dieſem Lande immer am Beſten, fich an die Ausſagen der Beduinen zu halten, die jeden Schritt im Gebirge kennen. Freilich findet man dann und wann Scheryfe, welche eine rühmliche Ausnahme machen und ſich um andere Gegenſtände bekümmern, als um den Doran; aber leider find fie ſehr ſelten.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Himmel 15°, um Mittag bei ſchwachem Nordweitwind 25°, am Abend 20°.

4. Auguft. Am 4. Auguft früh Morgens um 6 Uhr verlieh ich Choraybe, um die nördlichen Gegenden des Plateaus zu beſuchen. Ich erftieg e8 auf demfelben Wege, auf dem ich es vor einigen Tagen verlaffen hatte, jedod ging das Hinauffteigen ſehr langſam von Statten, jodaß wir fie erft nad) zwei Stunden erreichten. Während 1'/, Stunde blieben wir auf dem Wege nad) Rhayde ed Dyn md zwar bis zur Stelle meines letten Nachtlagers, wo wir uns nad Nord, 25° Weit wandten. Um Y, vor 11 Uhr lagerten wir neben einer Cifterne, wo wir einige Kaufleute mit ihren Bebuinen fanden, welche Tags zuvor den Wadiy Amd verlaffen Hatten. Um 2 Uhr verließen wir diefen Pla umd legten nod) eine Stunde Weges bis zu einer Cifterne zurück, neben welder wir uns für die Nacht einrich— teten. Hier entfteht zur Nechten des Weges ein Waͤdiy, deſſen Namen mir mein Beduine entweder wicht jagen Fonnte oder wollte; jedod) wußte er fo viel, daß diefer Wädiy bei der Stadt „Matruch“ in den Wädiy Do’an mündet.

Etwa %, Stunde von diefer Eifterne erhebt ſich ein Hügel von

Aberglaube. Eine Taſchenuhr als Behaufung der Geifter. 213

ziemlicher Ausdehnung, der wie viele andere der Hochebene die Form eines Dachftuhles "hat. Ueberhaupt ändert ſich auf dem Plateau der Charakter der Gegend nirgends; überall diefelbe Nacktheit, dieſelbe Einförmigkeit. Die Eifternen, deren man auf dem Wege von Ma- falla nad) dem Wädiy Do’än und den andern Gegenden fo viele an- trifft, werden hier feltener, denn ich traf während diefer Tagereiſe auf einer Strede von jehs Stunden nur drei an.

Mein junger Beduine ſchien fi) vor meiner Perfönlichkeit ge- waltig zu fürchten und e8 war augenscheinlich, daß ic) ihm ein höchſt unheimlicher Gefelle war. Er hielt fich fortwährend in einiger Ent- fernung und ſah ſich nad) allen Seiten um, als ob er befürchte, ein Dutzend böſer Geifter erfrheinen zu fehen; eine Wirfung des Gerüchte, weiches fich feit meiner Zurüdfunft aus dem Wädit el Hadſchar ver- breitet Hatte, nämlich, daß ich ein Geifterbanner fei. Alle meine Handlungen beobadıtete er auf das Genaufte und bejonders ſchien feine Aufmerffamfeit am gefpannteften zu fein, wenn id) nad) der Uhr fah, in welcher er, wie ich fpäter erfuhr, nichts Anderes fah, als einen Behälter, in welchem ic einen jener böfen Dämonen ein- geiperrt hielt. Man kann fich denfen, daß ich bei jo bewandten Um- ftänden Feinerlei Unterhaltung mit ihm anfnüpfen konnte. Zum Gtüd bot die Gegend, welche ich durchreifte, wenig Imtereffantes dar, und fo verlor ich Nichts durch feine Verfchloffenheit.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Himmel 15°, um Mittag bei Nordweſtwind 20°, am Abend 18°.

5. Auguft. Am 5. Auguft des Morgens 5 Uhr machten wir uns auf den Weg, paffirten nach dreiftündigenm Marſch eine Eifterne und machten um 11 Uhr an einem Wädih Halt, welcher fi) bei dem Orte Dſchahys mit dem Wädiy Amd vereinigt. Einige Beduinen⸗ frauen trieben hier eine bedeutende Schaafheerde vorüber” Kaum hatten fie uns bemerkt, jo umringten fie mid) und meinen Führer und festen uns weidli mit Fragen zu. Beſonders komiſch fanden fie, daß ih ald Mann Unterbeinfleider trug, welches bei ihren Sansculotten von Männern etwas Unerhörtes ift. Sie gehörten zum

214 Troftlofer Anblik des Waͤdiy "Amb.

Stamme der Murat Cobayh, einer Abtheilung des Stammes GI Dſchaſda. Ihr Anzug unterfchied ſich in Nichts von dem, welchen ich früher bei dem Wädiy Dahme befchrieben habe; ein Heiner Spröß- Iing lag, mit zwei Lämmern treulich gepaart, in dem Korbe der einen.

Um 1 Uhr Nachmittags fetten wir unfere Reife fort und er- reichten um Yz4 Uhr den Rand des Waͤdiy "Amd. Diefer Waͤdiy ift zwar bedeutend breiter, al8 der Wädiy Do’än, gewährt aber feinen fo malerifchen Anblid. Hier fehlen die großartigen Felfenpartieen und die amphitheatralifche Lage der Ortfchaften, hier Laden keine fchattigen Baumgruppen zur Ruhe ein und kein Balmenhain erquicdt mit feinem dunfeln Grün das Auge; überall dürre Steppen, nur hier und da von grünen Streifen durchzogen, und in der Ebene liegende Dörfer, welche, gehülft in gebliches Grau, mit dem Boden gleidhjam ver- ſchmelzen. In demjenigen Theile des Wädig, welchen ich überjehen fonnte, bemerkte ich folgende Derter. Gerade unter mir die Stadt Amd, weiter hinüber, weiter öftlic), die ‘Dörfer Nowayre und Ei pobul 127), linfs im Südweiten das Dorf Nefhun 128), im Norden das Dorf Lohun 129) und in nordöftliher Richtung thalabwärts das Dorf Dſchahys. Wir langten, nachdem wir den fanften Abhang der Thalwand hinabgeftiegen waren, kurz vor 5 Uhr in der Stadt Amd und im Haufe des Schaych "Abd er Rahmän Dyak ben "Amudy an, dem mic mein alter Wirth in Choraybe enipfohlen Hatte. Wäh— rend wir Elopften, Tief aus allen Gaſſen ein Haufen Kinder heran, welche fih um den beiten Plaß balgten, von dem aus fie ein fo jeltenes Geſchöpf, wie mich, am Beften in Augenschein nehmen könnten. Nad einigem Warten öffnete endlich eine Negerfclavin die Thüre und führte uns in das Gaftzimmer, wo wir mit Kaffee und Datteln be- wirthet wurden. Bald darauf führte man uns nad) einem auf einer Nebenterraffe angebrachten Zimmer, in welchem ſich der Schahch auf: hielt. Bei meinem Eintritt überrafchte mic der Anblid eines „Tiſches“ und ‚einiger eleganter, europätfcher Lehnſeſſel“. Aus einem derjelben erhob ſich der Schaych, ein ſchöner Mann in der vollen Kraft feiner Jahre und von imponivendem Aeußern. Er ging mir einige Schritte

Ein civiliſirter, vorurtheilsloſer Araber, 215

entgegen und führte mich, nad) Beendigung des üblichen Ceremoniels, zu einem der Stühle, indem er mid) Pla zu nehmen bat. Er verabjchiedete hierauf meinen Dachayl, der feinerfeits höchlichſt erfreut war, der Sorge für meine ihm fo unheimliche Berfon enthoben zu fein. Nachdem fi der Schaych nach meinem Vaterlande und dem Zwede meiner Reife erkundigt Hatte, ftellte er in fehr gutem Englifch die Frage: „Ob. ich diefe Sprade verftehe?” Ob— gleich) e8 mir nicht fehr angenehm war, diefe Frage hier, aus ſolchem - Munde und in der Spradje der in diefem Lande fo gehaßten Eng- länder zu hören, fo erwog id) doch gleich, daß der Araber, welcher fie an mid) richtete, nicht zu den fanatifchen gehöre, und wagte es daher, diejelbe in derfelben Sprache zu bejahen. Er jagte mir num, daß er ſchon von mir gehört habe und daß es ihn freue, mid) Hier in feinem Haufe zu fehen. Er leitete dann das Geſpräch auf die Bolitif, welche die Engländer vermocht haben konnte, Aden zu be- jegen. Wie alle Araber, beummuhigte auch ihn das Feitjegen der Engländer auf arabifchem Boden, ohne jedoch, wie jene, die fhörichten Hoffnungen zu begen, die Eindringlinge mit Waffengewalt vertreiben zu können. Nach diefem Thema kam ich auf den Zwec meiner Reiſe zu Sprechen, und da er gehört Hatte, daß ich Vieles gefchrieben, fo bat er mid), ihm meine Notizen zu zeigen, welches ich, obgleich fehr ungern, that. |

Er betrachtete die Schrift mit vieler Aufmerkfamteit und erklärte dann, daß, wenn es auch Feine englifche, jo doch eine europätfche ſei. „Aud find Sie fein Moslim”, ſetzte er hinzu, „denn fonft würden Sie nicht jo angelegentlih unfere Berge und Thäler beijhreiben und fogar, wie man mir gefagt hat, einen jeden Stein mit fo vieler Aufmerkſamkeit betrachten.“

Ich betheuerte, „ein echter Moslim zu fein‘; aber er fagte mir mit einem Zeichen der Ungeduld: „Mein Lieber! in Ihrem Sinne wohl, nicht aber in meinem! Freilich haben Sie alle Ur- jache, es zu behaupten, und glüdlih für Sie, wenn man e8 glaubt. ch aber, der ih lange Jahre mit Europäern

216 Eine englifhe Bibliothek in Hadhramaut.

in Indien Umgang gepflogen und ihre Sprade erlernt habe, bin über Ihre Nationalität nicht in Zweifel. Indeß find Sie mir deshalb nicht minder willlommen, denn id weiß die Beweggründe zu würdigen, welde Sie beftimmt haben, eine Reife in diefe den Europäern noch unbefannten Gegenden zu unternehmen, und Fanatismus ift mir fremd. Bon meiner Seite haben Sie Nichts zu befürchten, im Gegen: theil werde ih mir ein Vergnügen daraus machen, Ihnen zur Erreihung Ihres Zwedes behüflich zu fein.’

Nach diefem Ausſpruche, auf den Nichts zu erwiedern das Befte war, öffnete er einen Wandichrant und zeigte mir feinen Schaß von englifhen Büchern. Walter Scott’s „Sefhihte Napoleon's“, ein „Lehrbuch der Phyſik“, eine „Geographie“ und ein „ged— graphifcher Atlas’ machten die Hauptbeftandtheile dieſer Eleinen Bibliothek aus. Man kann fich meine Ueberrafchung denfen, in einem Winkel diefes von „Halbwilden“ bewohnten Landes einen Dann zu finden, dem die Wiffenfchaften nicht fremd waren, und der Geift genug befaß, fi) für mein Unternehmen zu intereffiren!

Diefem Manne verdante ich Vieles, was mir ohne ihn unbefannt geblieben wäre und welches ich am geeigneten Orte mittheilen werde.

Am Abend kamen mehrere Scheryfe, weldje aber nicht dazu bei- trugen, das Geſpräch intereffant zu machen. Mein Wirth, welcher bemerkte, wie Täftig mir das gehaltlofe Geſpräch und die albernen ragen diefer Leute waren, gab mir, indem er meine Müdigkeit vor- ſchützte, eine ſchickliche Gelegenheit, mid) auf mein Zimmer zurüd: zuziehen.

Der Thermometer ftand am Morgen bei klarem Wetter und Windftille 10°, am Mittag bei Nordweitwind 20°, am Abend 10°.

6. Auguft. Am folgenden Morgen erfuchte ich den Schayd Abd er Rahnän, mir für den folgenden Tag einen fihern Dadapl nad) Haura, an der Mündung des Wädiy Amd in den Waͤdiy Tacr zu verſchaffen. Obgleich e8 fein fehnlichfter Wunſch war, mich noch länger bei fich zu fehen und ich felbft die interefjante Geſellſchaft dieſes

Der Dädhy von Amd und feine Fragen. 217

Mannes gern nod) länger genofjen hätte, fo war doch Feine Zeit zu verlieren, wenn ich, meinem Plane gemäß, den Wädiy Er Nädiye befuchen und am 25. in Ghaydun fein wollte Diefe Gründe und bas Verfprechen, auf meiner Rüdreife nad) dem Wädiy Do’än einen Tag bei ihm zu bleiben, bewogen ihn endlich in meine Abreife zu willigen. Er fohidte feinen Sclaven auf den Bafar, der aud) bald einen Beduinen, vom Stamme Murat Cobayh brachte, dem er mid) übergab. Am Morgen madte id) mit meinem Wirthe einen Spaziergang in die Stadt und ihre Umgebungen und befuchte auf dem Rückwege den Qadhy und zwei der angefehenften Scherufe, bei denen ich jedoch nichts Bemerkenswerthes hörte und nur eine Menge Fragen zu beant- worten hatte, unter denen, wie gewöhnlich, mehrere Höchft originelle vorfamen. Unter Anderm war eine der Art, daß wir, der Sitte zuwider, laut auflachten. Der Dädhy, ein aufgeräunmter, fehr rüftiger Sechziger, frug mid nämlich nad) den förperlichen Dimenfionen der Königin von England und wie viel Eunuchen fie habe. Ganz erjtaunt ſah er unferm Laden zu, lachte aber endlich felbjt mit auf feine Koften und konnte ſich gar nicht darein finden, daß die Königin gar feine Eunuchen (Verfchnittene) haben follte; „denn“, fagte er, „die Frauen find zu ſchwach, um allen Verſuchungen widerftehen zu können, und eine Königin muß deren doch eine bedeutende Menge haben.’

Des Nachmittags führte mid; der Schaych in ein Haus, in welchen foeben eine Hochzeit gefeiert wurde. Schon von weitem ſcholl uns der Sugharith der Frauen und der Ton der Nhobäba und Dagäba entgegen, welche einen harmonifchen Gefang begleiteten. Bon Zeit zu Zeit hörte man aud) den Schall der Tarr, welche, wie mir mein Begleiter fagte, am Ende jeder Strophe fünf- bis jehsmal gefchlagen wird. Bei unferm Eintritt wurden wir von dem Vater des Bräutigams empfangen und in ein großes Zimmer geführt, wo der Bräutigam regungslos (demn es ift Sitte, daß der Bräutigam, ohne fid) zu rühren, mit möglichft fteifer Gravität bis zum Ende des Feſtes figen muß) auf einer eigens dazu errichteten, mit hellfarbigem geblümten Katun bedeckten Eftrade zwifchen zwei Anverwandten der

218 Hodyeitsfeierlichleiten im Wadiy "And.

Braut ſaß. Bor diefer Eftrade ftand ein kupfernes Gefäß, welches mit einem feibenen Tuche bededt war und dazu beftimmt ift, Die Geſchenke aufzunehmen, bie jeder Beſucher, der Sitte gemäß, machen muß. Neben diefer Schüffel faßen zwei aufgeputte Knaben, von denen der eine ein Rauchfaß, der andere eine mit Rojemvaffer ge- füllte Tiſſgiye in der Hand hielt. Die Tiſſqiye find im ganzen Orient gebräudlih und werden aus Böhmen dahin verfdidt. Cs find Heine, mit Blumen gezierte Tlajhen mit langen engen Hals, welche vermittelft darauf geichraubter Stüde verfchloffen werden, die mit fleinen Deffnungen verfehen find. Beide, Braut und Bräutigam, hatten einen Haufen Feiner, grüner Zweige neben fich liegen. Da id) bereits zu Haufe mit dieſem Gebrauch befannt ge- macht war, fo hatte ich ein Raſirmeſſer, eine Scheere, eine Heine Spiegeldoje und eine Schnur Glaskorallen mitgebracht, weldyes ich Alles unter das Tuch in die Schüffel ſchob, ohne die bereits darin liegenden Gefchente aufzudeden. Wir befamen ein Jeder einen der fleinen grünen Zweige, und nachdem uns einer der Knaben mit Rofen: waſſer beiprigt hatte, beräucherte der andere unfere Kleider mit Weih- rauch. Hierauf nahmen wir unter den andern Gäſten Platz, welde auf den bereits erwähnten Schwarzen Teppichen umberfaßen und fangen. Ich konnte nun den Bräutigam mit Muße betrachten, welcher, mit einem rothen Kaftan und großmächtigen Turban angethan, wie eine Bildfänle zwiſchen feinen beiden Gefährten ſaß. Born auf dem Zurban ragte ein volumindfes Bouquet Kuoblauchzwiebeln, welches, wenn e8 auch nicht zum großen Zierde gereicht, doch den Nuten bat, die Macht des böfen Blickes unfchädlicd, zu machen. Weber eine mit geblümtem Katun verhangene Thür, welche aus diefem Zimmer in ein Nebengemad führte, in dem ſich die Braut mit den weiblichen Gäſten befand, hing zu demfelben Zweck eine Aloepflanze nebft einem Bouquet Knoblauch und einem Sädhen Alaun. Süßes Gebäd und Kaffee wurde in Menge herumgereicht, und fpäter gebratenes und gekochtes Fleiſch mit Reis aufgetragen. Nach der Mahlzeit fangen abwechjelnd Frauen und Männer Achämer und Hodſchahny.

Drautftands- und Hochzeitsgebräuche. 219

Der Achämer ift ein Gefang, in welchem die Tapferkeit, Reli: giofität und Freigebigkeit irgend einer Perfon gepriefen wird, der „PHodſchayni ift, wie id jchon früher bemerkte, erotifchen Inhalts.

Nach dem, was mir gefagt wurde, Tommt das Brautpaar bei der ganzen Hochzeitbeluftigung am jchlechteften . weg; denn Beide, Braut und Bräutigant, müffen von Mittag bis Mitternadht, ohne auch nur das Geringfte zu fich zu nehmen, fortwährend in der Stel- [ung verbleiben, in der ich den Bräutigam von Anfang an figen ſah.

Die Phafen, welche ein hadhramauter Liebeshandel bis zum Augenblide der Verlobung durchläuft, find fo ziemlich diefelben, wie bei uns. Der junge Mann ficht das Mädchen fowohl im väterlichen Haufe, als aud beim Brunnen, dem Hauptverfanmlungsorte der orientaliihen Liebenden. Der Liebhaber ftellt fi) in der Nähe des Haufes einer Geliebten auf und fingt Hodſchayny u.f.w. Von dem Augenblide an, wo der Vater für feinen Sohn um fie anhält, ändert fid) Alles. Das Mädchen darf ſich vor feinem Manne un- verfchleiert fehen laffen. Die Ständchen werden nicht mehr gebradjt; furz, Beide find bis zur Hochzeit auf das Strengfte voneinander geichieden. Am Hochzeittage wird die Braut nebft ihrer Kleinen Aus⸗ jtener, welche ihr der Vater giebt, in Proceffion in das Haus des Bräutigams gebracht, wo fie gleich ihm die obenerwähnte Gebulde- probe aushalten muß. Um Mitternacht befommen zwar Beide bie Erlaubniß zurück, ihre Glieder zu rühren, dürfen ſich aber bis zur vierten Nacht nad) der Hochzeitöfeierlichkeit nicht jehen. In der erſten Hälfte diefer Nacht muß der Bräutigam ſowohl feine Anverwandten und Freunde, als auch die der Braut bewirthen; erft nachdem er feine Säfte entlaffen bat, iſt es ihm erlaubt, feine Anſprüche ale Ehemann geltend zu machen. Die Braut befommt von ihrem Bräutigam eine Ausſteuer, welche ihr in feinem Falle und ſelbſt dann nicht genommen werden kann, wenn fie durch ihre üble Aufführung dem Manne Gelegenheit gegeben hat, fid) von ihr zu fcheiden. Der Vater verkauft feine Tochter förmlich an ihren zukünftigen Ehemann, muß aber 2, des Kaufpreifes zurüdzahlen, wenn diefelbe durch ihre

220 Leichtigkeit der Ehefcheidungen.

Schuld vom Ehemanyge verſtoßen wird. Die Beweiſe öffentlich zu zeigen, daß ein Mädchen bei ihrer Verheirathung ihrem Bräutigam als unbefledte Sungfrau übergeben wurde, wie es in Aegypten und der Türkei der Fall ift, findet hier nicht ftatt; fie werden jedoch von ihren Anverwandten in Empfang genommen, damit fie diefelben im Talle der Noth zur Rechtfertigung vorzeigen können.

In Arabien ift kein Band Ioderer, als das eheliche, denn der Mann braucht 'nur feiner Frau, ohne irgend eine Urſache anzugeben, die Worte „Ent' ‘alayk“ (‚Du gehörft Dir ſelber!“ zu fagen, um von ihr gefchieden zu fein. Sollte er fid) ja herablaffen, ihren Ber: wandten die Urfache feines Verfahrens zu nennen, jo braucht er bios zu jagen: „Sie behagte mir nicht‘, fo find diejelben zufriedengeftellt. Eine ſolche Scheidung bringt der Frau und ihrer Familie feine Schande, und fie Tann ſich nad) Verlauf von 1 Jahr und 1 Tag wieder verheirathen. Ganz anders verhält es fich jedoch, wenn der Dann feine Frau wegen begangener Untreue verftößt und diefen Grund ihren Verwandten anzeigt. In diefem Falle wird die Ehebrecherin von ihren Brüdern oder fonftigen männlichen Anverwandten in aller Stille an einen einfamen Ort geführt und dort zu Tode gefteinigt.

Dft aber gefchieht e8, daß der Mann eine ſolche Frau verſtößt, ohne ihr die Scheidungsformel mitzugeben; fo lange nın der Mam ihr dieſe Formel vorenthält, Tann diefelbe nicht heirathen und wird dann Tamahhe genannt.

Die Stadt "Amd Tiegt an der füdlichen Seite des Waͤdiy der Mindung des Waͤdiy Nyr gegenüber, der fih mit dem Wädiy Rhayde ed Dyn vereinigt, welcher danı den Namen Amd annimmt.

Sie hat ungefähr 6000 Eimvohner, welche theils zu dem Stamme der Amudy, theil® zur Klaffe der Sceryfe und Sſayydy ge— hören. Ihre Erwerbsquellen find der Handel, Aderbau und die Bereitung des Indigo, der hier in bedeutender Menge gewonnen wird. Die Häufer find wie die im Wädiy Do’än gebaut, und wie dort findet man in den enggepflafterten Straßen Schmuß und omtinöfe Miftlachen. Am Ausgange der Stadt find die Straßen mit ftarfen

Der Sultan ganz von den Bebuinen beherrfht. 221

eifenbefchlagenen Holzgittern verjchloffen. Am öftlichen Ende befindet fi der „Baſar“, ein Heiner, mit dunkeln Kaufläden umgebener Platz, welcher wahrſcheinlich aus dem ſchon bei Choraybe angegebenen Grunde fehr fpärlih mit Waaren ausgerüftet ift. Die drei Moſcheen, welche die Stadt befitt, zeichnen fich weder durch ihre Größe, noch Architectur aus, und find weiter nichts, als höchſt einfache, flach ge- decte Bethäufer mit Vorhöfen verjehen, in deren Mitte mit Waffer gefüllte Yaffins angebradt find, vor denen die zum Gebet gehenden Gläubigen die vorgefchriebenen Abluitionen verrichten. Der Sultan heißt Iſſmaͤyl ibn Moghtafir ibn ben Yſſaͤ el Amudy und refidirt mit feinen Samilien in einigen Thürmen, welche auf einer füdlich neben der Stadt liegenden Anhöhe ftehen. Seine Macht ift jehr be- Ichränft, da er unter dem Schuß oder vielmehr unter der Herrichaft des Beduinenftammes Murat Cobayh fteht, deſſen Schaych, welcher in dem nahen Lohun wohnt, eine Garnijon von einigen 30 Beduinen in der Refidenz liegen hat. Der Drud, unter dem der Sultan und feine Unterthanen leben, muß unansftehlich fein. So erzählte mir- der Schaych "Abd er Rahmän, daß die Beduinen die Stadt oft ganz willkürlich brandichagten und fie von der Reſidenz aus fo Tange be- Ihöffen, bis ihren Forderungen Genüge geleiftet. wird.

Mehrere tiefe Brunnen liefern vortrefflihes Waffer, verfiegen aber bei regenlofen Jahren, mo dann der Bedarf aus großen Ent⸗ fernungen herbeigejchafft werden muß. Im folchen Jahren fteigt dann die Npth auf das Aeußerſte; denn nicht allein, daß die ausgedorrten Felder feine Früchte liefern, fondern die Beduinen, welche alle außer- halb der Stadt befindlichen Brunnen als ihr Eigenthum betrachten, erheben aud) noch von jeder Kameelladung Waſſer eine verhältniß- mäßig fehr ftarfe Abgabe. Tauſende von Reiſenden würden in einer folhen Zeit verdurften, wenn nicht die wohlthätigen Stiftungen reicher Verftorbener die Armen mit Trinkwaſſer verforgten. Es eriftiren nämlich, fomwohl in der Stadt als auch auf den Wegen, welche den Waͤdiy durchkreuzen, gemauerte, mit Ruppeln bededte Eleine Behälter, Sſabyl genannt, die fortwährend mit Waffer gefüllt find, deſſen Her-

222 Die Dörfer des MWädiy Amd.

beifhaffung von dem Ertrage der vom Stifter zu diefen Zwecke be- ftimmten Summe beitritten werden. Solche Sfabyl findet man in allen bewohnten Wäpdiys in Menge: umd find nebft den Eifternen un- ftreittg die fegensreichiten Stiftungen in diefem von der Diutter Natur fo ftiefmütterlich ausgeftatteten Lande.

Der Thermometer jtand am Morgen bei heiterm Himmel und Windftille 15°, am Mittag bei Norbweitwind 25°, am Abend 20°.

7. Auguft. Am 7. Auguft Morgens 6 Uhr verließ ich unter dem Schutze meines greifen Führers die Stadt Amd und nahm die Richtung Nord, 40° Oft. Eine halbe Stunde durchzogen wir ange: bautes Land und betraten dam eine dürre Steppe, mit fandig- thonigem Boden, auf der hier ımd da Tamarisken, Mimofen, Ofcher, Hyoscyamus und rankende Cologuinten umherjtanden. Cine Stunde Mari durch diefe Wüſte brachte uns in das trodene, fandige Fluß⸗ bette des Waͤdiy, welches wir aber fchon nach einigen Minuten ver- ließen und wieder die öde Steppe betraten. Links vom Wege lag in ‚geringer Entfernung das von angebauten Feldern umgebene Dorf Lohun, von einem hohen WachttHurm überragt, in welchem der Schaych der Murat Cobayh refidirt. Es mag ungefähr 400 Einwohner faſſen, welche diefem Stamme angehören. In einer Stunde, während welcher wir die Richtung Oft, 10° Süd verfolgten, famen wir an die fleifig bebauten Felder des großen Dorfes Dſchahys, welches von ungefähr 1000 Individuen des Stammes Murat Kobayh bewohnt wird. Es ftegt an der Mündung eines von Sübdoften kommenden Wädig und wird von einigen Wachtthürmen überragt. Von bier aus zieht fich der Weg nach Norden fortwährend über angebautes Feld bis zum Dorfe Scho’be, welches wir in Y, Stunde erreichten. Seiner Größe nach zu urtheilen, wird die Seelenzahl diefes Ortes wohl der des Dorfes Dſchahys gleichfommen; auch hier haufen die Murat Cobayh. Während wir hart am Dorfe Hinzogen, hatte ic) das Der: gnügen, die neugierige nadte Dorfjugend auf den Ferſen zu Haben. Jedoch begnügte fie fich damit, mich zu begaffen, und verließ une bald, nachdem wir das Dorf im Rüden hatten. Bon diefem Dorfe

Beratung der Beduinen den Stäbtern gegenüber. 223

aus wanderten wir Y, Stimde in der Richtung Nord, 30° Oft über angebautes Feld und betraten dann eine öde, gebüfchreiche Gegend. Nach "/, Stunde gelangten wir an den Rand eines Durrafeldes, wo wir unter einer großen laubreichen Platane lagerten.

Um 2 Uhr fegten wir die Reife fort und famen nad) Y/, Stunde in geringer Entfernung an der Stadt Ma⸗Radhy 130) vorüber, welche wir rechts Liegen ließen. Diefe Stadt zählt ungefähr 4000 Ein- wohner, welche theils dem Stamme der Amudhy, theils der Klaſſe der Scheryfe und Sjayydy angehören und von einem der Schattenfürften regiert werben, weldje den pompdfen Zitel Sultan‘ führen; auch hier herrjcht ‚der Stamm der Murat Cobayh.

Mein gemüthlicher alter Beduine, mit dem ich über ihr Ver⸗ hältniß zu den Städtebewohnern fprah und meine Verwunderung ünßerte, daß fih eine Bevölkerung, die ihnen an der Zahl weit überlegen ſei, jo geduldig brandichagen laſſe, beantwortete dieje Be⸗ merfung mit der Trage: „Kann denn eine Heerde Schaafe einen Wolf erlegen?” Diefe Antwort, welche mein alter Führer mit einem verächtlichen Blicke nach der Stadt begleitete, bezeichnet Hin- länglih die Meinung, welche die Beduinen von dem Muthe der Städter hegen. Auf den Feldern, welche die Stadt umgeben, ftanden Durra, Dochen, Weizen, Indigo in üppigfter Fülle, und auf den niedern Dämmen, welche die einzelnen Abtheilungen umgeben, ftanden Blatanen, Nebef, Tamarisfen und Mimofen umher. Der Weg führt nun nad) Norden Y, Stunde zwiſchen den angebauten Feldern Hin, worauf wir wieder die Region der wilden Geftrüppe betraten. Es fehlt auf allen diefen wildliegenden Streden nicht an Anzeichen, daß der im höchſten Grade anbauſähige Boden in frühern, beſſern Zeiten den Fleiß ſeiner Bearbeiter belohnt hat; denn überall ſieht man regelmäßig abgetheilte Vierecke, welche mit Erdwällen umgeben waren, die jetzt noch erkennbar find, und aller Augenblicke ſieht man ver- fchüttete Brummen. Nach 12/, Stunde überfchritten wir das Fluß- bette, an deſſen gegenüberliegeuder Seite bebaute Felder liegen, längs denen wir in 1%, Stunde hinzogen und dann neben einem von

224 Ausgeſtorbener Zuftand des Wädiy Amd.

mehrern Platanen befchatteten Brunnen für die Nacht lagerten. Im Dften fah ich an jeder Seite eines hier mündenden Wädiy ein Dorf ampbitheatralifh am Abhange des Plateaus liegen, über den einige Wachtthürme hervorragten. Das füdlich gelegene Dorf trägt den Namen EI Medfarre; das nördliche Heißt Hallet Galyb. Beide gehören dem Stamme Murat Cobayh, und jedes derfelben mag un- gefähr 500 Einwohner zählen. Das Territorium der Murat Cobahyh hört hier auf und es beginnt das des Stammes der Beny Schamlän, einer Abtheilung des Stammes El Dſchaſda. Ganz in der Nähe unferes Yagerplages wohnte eine Beduinenfamilie unter einer Platanr, welche uns mit ſüßer und fauerer Milch bewirthetete, eine Erfrifchung, deren ich ſchon Lange entbehrte und die mir deswegen fehr will- fommen war.

Auf dem ganzen Marfche von 'Amd hierher begegneten wir feiner Menfchenfeele, ſodaß es ſchien, al8 wäre die Communication zwischen den verfchiedenen Drtichaften aufgehoben. Weber Mangel an Waffer hatte ich Feine Urſache zu Hagen, denn ich traf auf dieſem Wege 10 der ſchon erwähnten Sfabyl, welche faft alle mit Waffer gefülit waren. Ganze Streden der bradjliegenden Gegenden, welche ich heute durchwandert hatte, waren mit der Aloe spicata (Es Succul) be- det, aus der, wie mir mein Führer fagte, eine bedeutende Quan- tität Gummi gewonnen und an die Küfte von Malalla und Schihr verfandt wird; noch bedeutender foll die Menge fein, welche aus den weiter öftlich liegenden Provinzen in den Handel fommt.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Himmel 15°, um Mittag bei Nordweftwind 25°, am Abend 20°.

8. Auguft. Am 8. Auguft des Morgens Y, vor 6 ihr ver- ließen wir umnfere Lagerftätte und fchritten in der Richtung Nord, 10° Oft längs des bebauten Feldes hin, betraten aber fchon nad) 1/, Stunde die traurige Einöde. Eine Menge Hafen und Gazellen, welche auf Koften der Beduinen ihr Frühftüd in den ‘Durrafeldern eingenonmen hatten, flüchteten bei unferer Annäherung in die Ger büfche und erweckten die Iagdluft unferes Dachahl, der auch fogleid

Dörfer Habab und Dämile. Neugierde der Jugend. 225

dem Wilde behutfam nachſchlich, während ih das Kameel vor mir hertrieb. Es dauerte auch nicht lange, fo fiel ein Schuß und be- laden mit einer prächtigen Gazelle trabte bald mein brauner Nimrod heran. Nach einem Marfche von %/, Stunde zeigten ſich rechts vom Wege bebaute Felder und das Dorf Habab, welches von etwa 500 Individuen des Stammes Beny Schamlän bewohnt wird; ein Wadht- thurm ragte zur Linken des Dorfes. Die Aeder hörten bald wieder auf, und die öde Steppe dehnte fih mit ihrer verftimmenden Ein- förmigfeit abermals vor uns aus. Nur am füdlihen Ende des Wädiy erhebt fih ein Wachtthurm von einigen Wohnungen um- geben, welden Ort mein Beduine mit dem Namen Rabadh Ba KRaubäl benannte.

Nah 9/, Stunde änderte fih die Richtung in Dft, 10° Nord, welche wir 1 Stunde beibehichen, uns dann nad) Nordoften wandten und 5, Stunde weiter unter einigen Tamarisfen das Kameel ent- luden, um die gewöhnliche Ruheſtunde zu Halten; ein halbverfchütteter Brummen lieferte gerade noch Wafjer genug, um uns und unfer Thier zu erquiden. Im Nordweſten bemerkte ich die Mündung eines Thals, deffen Namen mir mein Führer nicht ſagen konnte, nur foviel wußte er mir von ihm zu fagen, daß es unbewohnt fei. Die erlegte Gazelle wurde von meinem alten Führer auf übliche, bereits bejchriebene Weife zubereitet und wir hielten im dürftigen Schatten der Tama— risfen ein im Vergleich zu dem gewöhnlichen herrliches Mittagsmahl.

Um 2 Uhr Nachmittags machten wir uns wieder auf und ge- langten in 1%, Stunde durch eine mit Aloe bewachjene Gegend nad) dem Dorfe Damile, an welchem wir dicht vorbeizogen. Die ganze Dorfiugend und fogar Erwachſene liefen eine Strede mit uns, um das feltene Schaufpiel eines „Fremden“, der noch dazu ein „Aegyp⸗ tier’ war, zu genießen. Dämile mag ungefähr 300 Einwohner fafjen, weldhe dem Stamme Beny Schamlän angehören; Hinter dem Dorfe befinden fich einige Telder. Nach 1Y, Stunde wandte ſich der Weg nad Oft, 40° Süd. Zwei hohe Wachtthürme ragten in der Rich⸗ tung des Weges und bezeichneten die Lage des Dorfes Dirbe, welches

A. v. Wrede's Reiſe in Hadhramaut. 15

226 Erſtes Betreten des eigentlichen Hadhramaut,

dem Stamme der Beny Schamlän gehört und etwa 1000 Einwohner haben mag. In feiner Nähe lagerten wir uns nad) einem Marſche von 1%, Stunde unter einem Tamariskengebüſch, welches die an- gebauten Felder umfäumte. Von Dämile bis hierher ift die ganze Gegend dicht mit Aloe bewachſen, zwifchen denen hier und da Mimoſen und Zamarisken Feine Gebüfche bilden.

Am Abend kamen mehrere Einwohner, welche uns vom Felde aus bemerkt hatten, um fich mit uns zu unterhalten, wobei id) dann, wie gewöhnlich, weidlich mit Fragen gequält wurde.

Der Thermometer ftand am Morgen bei heiterm Himmel ımd Windftille 15°, um Mittag 25°, am Abend 20°.

9. Auguft. Am 9. Auguft brachen wir ſchon um 4 Uhr auf, um die ftarle Tagereiſe bis Haura zurüclegen zu fünnen. Der Weg führte in der Richtung Oft, 30° Nord, am Saume der Felder und dann an der Mündung eines Thales vorüber, hinter welchem fid wieder eine weite, mit Mimofen, Tamarisken und Aloe bewachfene Ebene vor uns ausdehnte. Nach einem Marfche von 2%, Stunde ſah ich links die Mündung eines Wädiy und das Dorf Chanfa. Die Richtung des Weges wurde Oft, 10° Nord, melde wir 1’/, Stunde verfolgten und uns dann nad) Dit, 20° Nord wandten. Wir legten nod) 1%, Stunde Wegs zurück und Tagerten uns dann neben einem Sfabyl unter einer fchönen Platane. Hinter Chamfa beginnt die Landſchaft Hadhramant.

Wir mochten ungefähr 1 Stunde gefeffen haben, als ein Beduine auf uns zukam, den Arm meines Dachahls umfaßte und jprad: „So wahr Deine Kinder und meine Kinder in Frieden leben, Du bift mein Befhüger!” Mein greifer Führer fah ihn eine Weile jchweigend an und jagte dann: „Es ift gewährt!” Der Fremde feßte fich Hierauf zu uns und erzählte, daß er zum Stamme El Mahfus gehöre und daß zwifchen ihm und der Familie der Beny Schamlän Blut fei, indem fein Bruder cin Mitglied der- jelben erftochen habe. Er habe einen Brief nad Nefhun gebradit, jeine Feinde hätten diefes erfahren und er wüßte ganz genau, daß

Schusflehende gegen die Folgen der Blutrache. 227

man auf allen Wegen nad Meichhed Alyy, wohin er reife, feiner Perfon auflauere. Mein Dachayl verſprach ihm darauf nochmals feinen Schuß bis Haura und theilte ein Stüd Brod mit ihm, als ftillfchweigenden Schwur „bei der Heiligkeit des’ Brodes“, Daß er fein Verfprechen halten wolle.

Um Yal Uhr fegten wir unjere Reife in der Richtung Oft, 38° Sud fort. Nach 2%, Stunde ſah id) links des Weges in einer Stunde Entfernung das Dorf Ef Sfay't liegen, welches dem Stamme Beny Schamlän gehört und etwa 600 Einwohner zählt. Bon hier an wird der Wädiy gebüfchreicher und die Aloepflanzen zeigen fich nur in einzelnen Gruppen. 1%, Stunde weiter fah ich nod zur echten des Weges das von 500 Beny Schamlän bewohnte Dorf Andäl, deffen Felder theilmeife mit Dattelpalmen bepflanzt find. Die Ausfage des Schütlings meines Führers, daß man ihm auflauere, beftätigte fich 1 Stunde Hinter Andäl bet einem Sfabyl. '

Hier ftanden nämlich drei Männer, welche unfer Gefährte als Mitglieder der Familie des Ermordeten erfanntee Mein Führer blieb jtehen und winfte Einen derſelben zu fi), worauf aber alle drei beranfamen und ſich fogleich an ihren Feind wandten. Mit größter Gelaffenheit und Ruhe fprach zu ihm einer von ihnen: „Du und die Deinigen find Bluthunde, das Blut unferes Bruders fteht noch über der Erde 19%), und wir brauchen das Deinige, damit e8 verjchwinbe, Komm hervor denn! Mit Deinem warmen Herzblute will ich mein Gefchleht von dem Schmutze reinigen, mit welchem Du und die rän- digen Hunde, Deine Brüder, es befchmugt haben!“ Auf diefe Art hatte er ſich gleichſam in den Zorn geredet und id) dachte jeden Augenblid, dag fie aneinander gerathen würden; aber mein alter Bebuine, der wohl diefelben Befürchtungen hegen mochte, legte fi ins Mittel. „Gott ift groß! Es ift nur Ein Gott und Mohammed ift fein Gefandter!” rief er aus; „das Blut diefes Mannes gehört mir bis zur morgenden Sonne! ft diefe aufgegangen, jo möge es das Eure fein. Bis dahin bin ih und mein Stamm Dachahl diejes

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228 Streit mit den Bluträchern. Ankunft in Haura.

Mannes. Ich Habe mein Recht ausgefprochen und ihr kennt es jet. Die Dſchembiye der Baͤ Schoqayr find ſcharf und ihre ' Rugeln reichen weit und ſicher.“ Die drei Beduinen fahen den Alten eine Weile fchweigend an, und einer von ihnen erwiederte: „Die Schogayr haben einem räudigen, biutigen Hunde, deſſen Angefiht in den Dörfern der Beny Schamläan ſchwarz ift, Den Dachayl angedeihen laſſen; aber wir fennen Dein Recht, denn Gott ift groß! Es ift nur Ein Gott und Mohammed ift fein Gejandter! Möge Dein Tag weiß ſein!“ Hierauf gaben fie ihm und mir die Hände und verfhwanden in den Gebüfchen.

Unfer Gefährte Hatte die ganze Zeit die Hand am Griffe der Dſchembiye und betrachtete feine Gegner mit funkelnden Blicken, er- wiederte aber Teine Silbe auf alle die Epitheta, welde man ihm und den Seinigen gab. Eine Stunde fpäter langten wir glüdlih in der Behaufung des Schahch Hoſſayn ibn Abu Salem el Amudy in Haura an, dem id durd "Abd er Rahman empfohlen war und ber mic auf. das Freundlichſte empfing.

Der größte Theil des Waͤdiy Amd ift, wie man aus dem Vor: hergehenden erfieht, ein zwar fruchtbares, aber bradjliegendes Thal von 1 Stimde Breite, welches wenigftens zweimal foviel Einwohner ernähren könnte, als e8 jett der Tall ift. Früher muß e8 noch bei weitem bevölferter gewefen fein, denn darauf deuten die vielen Brunnen und die halbverwifchten Spuren einer Eintheilung der Aeder bin, welche man in den öden Stridhen zwifchen den Dörfern trifft. Troß- dem liefert diefer Wädiy eine erftaunliche Dienge Gummi, Aloe; denn der alte Beduine fagte mir, daß alle Jahre über 1000 Kameel- ladungen, aljo 3000 GCentner, nad der Küfte gefchafft würden. Datteln liefert er jehr wenig und Getreide kaum foviel, daß es für . den Bedarf der Bevölkerung auf ſechs Monate hinreicht. Dahingegen wird ein ziemliches Quantum Tabak und Indigo angebaut und aus: geführt. Der Alluvialboden fcheint das Thal bis zu einer Höhe von 40 bis 50 Fuß auszufüllen; denn diefes war ungefähr die Tiefe der Brunnen. Die Abhänge des Plateau haben ungefähr eine Höhe von

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Biyr Borhut. Die vermeintlichen Quellen des Styr. 229

100 bis 150 Fuß über dem Thalboden, ſodaß aljo der ganze Thal- einfchnitt ungefähr 200 Fuß betragen mag.

Am Abend kamen mehrere Scheryfe, um mic zu fehen, denn die Nachricht von der Ankunft eines Fremden hatte fich ſchnell durch die ganze Stadt verbreitet. Ich mußte Vieles erzählen, erfuhr aber auch viel Intereffantes. So erzählte mir ein Scheryf, der mehrere: mal am Dabr Hud gewefen war, daß der berühmte Biyr Borhut vier Stunden nördlich von Dabr Hud am Rande des Wädiy läge, daß er die Form eines langen, in der Mitte breitern Spaltes habe; "die Länge defjelben betrage ungefähr 500 Schritt und die größte Breite etwa die Hälfte, der Spalt ftoße fortwährend Schwefeldämpfe aus und man höre in der Tiefe ein immermwährendes Raufchen, wie das Fallen eines Waffers. Ferner fagte er mir, daß in den Spalten und Höhlungen der naheliegenden Belfen fi fehr viel Schwefel fünde, welchen die Beduinen zur DBereitung ihres Pulvers brauditen. Ob- gleich diefer Schwefel immer fortgefchafft würde, fo wüchſe er doch immer wieder aus dem Steine hervor. Natürlich hatte mein Bericht⸗ erftatter Teine Ahnung, daß diefer Schwefel das Refultat der Con⸗ denfirung der Schwefeldämpfe iſt. Auf meine Frage, wie die Steine befchaffen wären, fagte er mit, daß fie fehwarz feien und, ein zer: fpaltenes, gezacktes, fchroffes Anfehen hätten. Auch fagte er mir, die Beitimmung des Brunnens fei, die zur Hölle verdammten Seelen aufzunehmen. Dieſes mochte aud) wohl ſchon Claud. Ptolemäus ge- hört haben, als er feine „Quellen des Styx“ hierher verlegte. 192)

Dabr Hud (d.i. das Grabmal Hud’s) befteht aus einer Moſchee, in welcher die Afche des Patriarchen ruht, und aus einigen Häufern, die von einigen Prieftern bewohnt werden, weldyen die Be- wachung des Grabmals anvertraut ift. Bei Haura 122) mündet der Wädiy Amd in den Wädin EI Hadihargn ’**), welcher dann ben Namen Wädig Dagr annimmt und bis Dabr Hud beibehält, von mo aus er als Wädiy Mochle 135) eine jüdöftliche Richtung nimmt und bei dem Orte Sjäh Hub 1°) (die Ebene Hud's) an der Küfte aus- mündet. Bei Haura hat er eine Breite von 1%, Stunde, welde

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230 Städte und Dörfer im Wädiy Oarr.

bie Dabr Hud bis zu 6 Stunden zunimmt. Wädiy Doyle bildet die Grenze zwifchen den Landſchaften Hadhramaut und EI Hamum und der Landihaft El Mahra. Nah der Ausſage des Beridtt: erftatters, welche fpäter durch mehrere glaubwürdige Perſonen be- ftätigt wurde, liegen im Wädiy Dagr 197) folgende Orte, unter welchen mehrere fehr bedeutend find.

An der nördlihen Seite liegen von Welten nach Ojften:

EI Ghafar 13°), Dorf, von Beduinen des Stammes EI “"Aräba bewohnt; EI Ghitamm 120), Dorf, dem Stamme El "Aräba gehörig; El Shoraf '), Stadt von 6000 Einwohnern, die von einem Sultan regiert werden; Schibäm !*), Stadt von 20,000 Einwohnern mit einem eigenen Sultan; Teryſe ***) mit 10,000 Einwohnern und einem Sultan; Aridha 123), Dorf mit 500 Eimvohnern, ftcht unter dem Sultan von Teryfe; Borr 1), Stadt mit 600 Einwohnern, mit einem eigenen Sultan; Tyarby 1%), Stadt von 6000 Einwohnern, unter dem Sultan von Zerym. Beide legtgenannte Städte liegen an der Mündung des Wädiy Raͤchiye 14°) einander gegenüber; Terym '7), Stadt von 20,000 Einwohnern, hat einen eigenen Sultan.

Auf der füdlichen Seite des Wädiy Tiegen von Weiten nad Ofen:

Eſch Scha’be 14°), Dorf an der Mündung des Waͤdiy Tſohur 149), gehört dem Stamme EI Aräba; Hanän !°0), Dorf der EI "Aräba 221); Ma'dudy 152), Dorf des Sultans von El Ghoraf; Agnäb 1°), Stadt mit einem Sultan und 6000 Seelen; Tiffa, Stadt an der Mündung des Wädiy Odyme mit einem Sultan und 6000 Einwohnern; Tho—⸗ wayry 25%, Stadt mit einem Sultan und 6000 Einwohnern, und Dabr Hub.

Nur um die Städte umher foll das Land etwas angebaut fein, das Webrige aber brach liegen; der Wädiy Liefert eine bedeutende Menge Gummi, Aloe und Indigo.

Der Wädiy Hadſcharyn erhält diefen Namen bei Eſſ Sſayf, wo fich der Wädiy El Ayffar mit dem Waͤdiy Do’än vereinigt. Im ihm liegen von Norden nad) Süden an der öftlichen Seite:

Sidbe, Dorf des Stammes El Mahfus; Dim Yahdra 1),

Orte im Waͤdiy Hadſcharyn. Die Königsgräber. 231

demfelben Stamme angehöriges Dorf; Meſchhed Alyy, Stadt von 4000 Einwohnern, die von einem Sultan regiert werden. Neben diefer Stadt befinden ſich fehr alte Gräber, von den Eingeborenen Zorbet el Moluk 156) genannt; Ma'qq 15”), Dorf des Stammes EI Aſſwad; Chorahychyr 15%), Dorf der EI Aſſwad, und Sfowayg 189), Dorf deffelben Stammes.

Ar der Weftfeite Tiegen von Norden nad) Süden:

Marama 19), Homayſcha !*N), diefe beiden Dörfer gehören dem Stamme Cl Mahfus; EI Monayqyra 1°), Darret Sfudän, Dörfer, welche dem Stamme EI Affwad angehören; Dahdun, Stadt mit einem Sultan und 6000 Einwohnern, und Eſſ Sfayf, Stadt mit 2000 Seelen, von einem Sultan beherrfcht.

Die Stadt Mefchhed 'Alyy (erzählte man mir ferner) ſei früher viel g:ößer geweſen, als jet; denn außerhalb der Stadt wäre eine Strede von wenigitens einer halben Stunde mit alten Mauern bededt, die a18 großen behanenen Steinen beftänden und fo feft gemanert wären, daß man fie nur mit vieler Mühe Iosbrechen könne, welche man zum Bau neuer Häufer brauchen wolle. Nahe bei der Stadt befärden fich innerhalb des dort mündenden Wädiy Ghaybun gegen 40 Gräber, Torbet el Moluf genamnt.

Diefe Gräber fähen aus wie Heine Häufer von der Höhe eines Zimmers (alfo ungefähr 20 Fuß), wären aus behauenen Steinen auf- gemauert und hätten einen Eingang, in welchem fich eine Inſchrift befände, die Niemand lefen könne. Ich zeichnete einige himyariſche Buchſtaben auf ein Papier und frug, ob die Infchriften aus dieſen Charakteren beftünden, und der Berichterftatter beftätigte das mit einem ungweidentigen „Ja“.

Meichhed "Alyy ift ein neuer Name, der ohne Zweifel aus der Zeit ftammt, wo der Isläm in diefe Thäler drang. Außer, daß diefer Name auf die Bedeutendheit der Stadt binweift; denn Meſchhed bedeutet ein Ort, an welhem man niederfniet, oder Zeugniß ablegt, alfo Mofchee, Tempel, und Alyy be- beutet erhaben, groß. Alfo Meſchhed'Alyy, große Moſchee,

232 Ein geheimmigvoller Fremder in Hadhramaut.

großer Tempel. In Yemen gebrauchen die Einwohner das Wort Alyy oft and nur, um eine große Stadt damit auszubrüden, und gebrauchen dann den Ausdrud Bender!) "Alyy, die große Stadt. Es geftatten aud die daſelbſt befindlichen Ruinen und Gräber, den Schluß zu ziehen, daß bier in jener Zeit, von mweldher nur Traditionen ſpärlich berichten, eine Hauptftadt ftand, die ertweder vor oder nah Darr el Medſchyd oder auch zu gleicher Zeit mit demfelben, die Nefidenz der Könige aus dem Geſchlechte Hodum's (d. i. Pelegs) war.

Mein Wirth fagte mir, daß vor etwa 10 Jahren ein Tremder im Hadhramaut umbergereift fei und alle im Wädiy Ghaybun be- findlichen Infchriften copirt hätte, er habe gehört, daß er jpiter bei Nicäb in der Landſchaft Yafıi'n von Beduinen ermordet worden fei, welche ihn für einen Käfir (Ungläubigen) gehalten, weil errothes Haar und Bart getragen hätte.

Andere Anmefende erzählten mir viel Wunderbare von ihm. Unter Anderm habe er Verfehr mit Dſchinny und Ghul gehabt, oft ganze Nächte durch ein fonderbar geftaltetes Ding nad) den Sernen gejehen u. ſ. w. Auch Schätze habe er in Menge gehoben, weshalb eigentlich die Beduinen ihn auch wohl ermordet hätten.

Heute ftand der Thermometer am Morgen bei Harem Wetter und Windftille 15°, um Mittag 25° und am Abend bei Nordiweit- wind am offenen Fenſter des Zimmers 20°,

10. Auguft. Am folgenden Morgen machte ich in Begleitung des Schayd) Hoſſayn, meines Wirthes, einen Spaziergang durch die Stadt und beſuchte einige Scheryfe, welche ich am vorigen Abend kennen gelernt hatte. Bei einem derſelben war man beſchäftigt, Oel aus Seſam zu preſſen, wozu man ſich einer ganz eigenthümlichen Maſchine bediente. Der Seſam wurde nämlich in einen aufrecht⸗ ſtehenden, etwa 6 Fuß hohen, ausgehöhlten, ſteinernen Cylinder ge- ſchüttet, deſſen innerer Raum oben 1Y, Fuß, unten aber nur 1 Fuß im Durchmeffer bat. Unten ift ein kleines Loch angebracht, durch welches das Del in ein Feines Gefäß abläuft. Das Auspreffen ge

Beſuch bei einem Alchymiften. ‚233

ſchieht vermitteljt einer hölzernen Walze von 1 Fuß Stärke, welde unten abgerundet und oben mit einem Querholze verjehen ift, welche zwei auf einem erhöhten &eftelle ftehende Männer dergeftalt vor- und rückwärts bewegen, daß die Walze an der innern Wand des Cylinders herumftreift und fo die fich zwifchen ihr und dem Ehlinder befindlichen Samenkoͤrner zerquetſcht.

Auch einen Alchymiſten beſuchten wir, der trotz ſeiner Kunſt in höchſt dürftigen Umſtänden lebte. Er behauptete geradezu, daß er Gold machen könne und daß er einzig und allein davon lebe. Auf meine Frage, warum er dann aber ſo arm ſei, erwiederte er, daß er nicht mehr Gold machen dürfe, als gerade zu feinem Unterhalte erforderlich fei; denn nur unter diefer Bedingung habe er die Geifter in feiner Gewalt, melde ihm bei feiner Arbeit helfen müßten. Er zeigte mir mehrere alte Retorten, welche er aus Indien mitgebracht hatte, wo er, wie er fagte, die Alchymie erlernt habe. Als wir fort- gingen, bat er mich um eine Gabe, weil ihm: zu feiner nächften Gold- fabrifation eine Kleinigleit fehle, zu deren Anfchaffung er diefelbe verwenden wolle. Wir gaben ihm Feder ein Sechskanaſſi und lachten über die fterile Kunft, Gold zu machen, und über ihren armen Adepten; mir aber wurde es Har, was er unter Goldmachen und den Geiftern verftand, welche ihm dazu behilflich fein mußten, nämlich die Almofen und die Leichtgläubigen, denen er ſie abbettelte.

Bei unferer Zurüdfunft benachrichtigte uns der Sohn meines Wirthes, der am Morgen den Auftrag befommen hatte, mir einen Beduinen zur Reife nad) Mefchhed 'Alyy aufzufuchen, daß er feinen babe finden können, der mic) dahin geleiten wolle, Da Mefchhed Alyy auf dem Wege von Choraybe nad) Dabr Hud lag, welchen ich ſpäter doc zu machen gedachte, fo tröftete ich mich und beichloß geradeweges nad) Cahwa 19%) im Wädiy Er Raͤchiye zu reifen. Der Schaych gab demzufolge feinem Sohne abermals den Auftrag, mir einen Führer dahin zu verfchaffen. Nah Y, Stunde fam er mit einem Beduinen zurüd, welder in der Umgegend von Cahwa zu Haufe war und dem Stamme Beny Tähir ben Radſchym gehörte.

234 Gebräuche bei Beerdigung der Stadtaraber,

Wir wurben bald Handels einig, und mein Wirth übergab mich dam feinem Schute auf die mehr erwähnte Weife.

Des Nachmittags begab ich mich mit meinem Wirthe in das Haus meines Nachbars, deifen Sohn am Morgen geftorben war und nun beerdigt werden follte.

Der Todte lag auf feinem Kefen in einer fargartigen Bahre, neben der auf jeder Seite aus einem fupfernen Gefäße Weihraud; dämpfe aufftiegen. Zu feinen Füßen ſaßen zwei Priefter und lafen die Stellen aus dem Dorän, weldhe den Umständen angepaßt werden follten. Die Hände des Todten waren über dem Leib zufammen: gelegt und die großen Zehen zufanmengebunden. In den Ohren, den Nafenlöchern, zwifchen den Daumen nıd Zeigefingern der Hände und ziwijchen der großen und zweiten Sehe eines jeden Fußes ftad ein Stüd Baumwolle, und ebenjo auf den Augen und dem Munde. Bald nad) unjerer Ankunft wurde der Kefen über den Zodten zu: fammengelegt und oberhalb des Kopfes, unter den Füßen und um die Mitte des Körpers zufammengebunden. Hierauf betete die Ver— ſammlung ein Faͤtiha und der Zug ſetzte fi) nach der Moſchee in Bewegung. Bis dahin hatten die Frauen mır ein leifes Wimmern vernehmen laſſen, jet aber brachen nidht allein die des Haufes, fon- dern auch die der Nachbarſchaft in ein jo durchdringendes Klagegefchrei aus, daß man jein eigenes Wort nicht hörte. Am Cingange der Moſchee ſetzte man die Bahre auf eine eigens dazu beftimmte Gr- höhung, und der. Imaͤm der Mofchee betete dann über derjelben mehrere Kapitel des Dorän.

Nach diefer Art von Einjegnung wurde der Todte feiner Rube- ftätte zugetragen, neben welcher dann vor der Einſenkung noch ein Faͤtiha gebetet wurbe.

Neben ımd zur Seite des ungefähr 3 Fuß tiefen Grabes hatte man in der ganzen Länge eine nifchenartige Vertiefung ausgegraben, welche fo hoch war, daß ein erwachſener Mann bequem barin fiten fonnte. In dieſe Nifche wurde der Zodte durch zwei umtenjtehende Priefter gelegt, welche dann die Bänder des Kefen über dem Kopfe

Die Grabesengel, Die Stadt Haura. 235

und unter den Füßen löften, Aefte ſchräg vor dieſe Nifche ftellten und eine Strohmatte darüber dedten, damit Feine Erde hineinfallen fonnte. Ein Jeder der Anmefenden warf dann dreimal eine Hand volf Erde in das Grab, betete eine Fãtiha und überließ es dann den dazu beſtellten Leuten, es vollends zu füllen. Mit der Niſche hat es folgende Bewandtniß: „Kaum hat ſich das Grab über einem Menſchen gejchloffen, jo kommen die beiden Grabesengel Mongir und Negr 165) zu ihm, um ihn über feinen Glauben u. f. w. zu be— fragen.”

Diefen Engeln muß mın der Berftorbene in ſitzender Stellung Kede und Antwort ftehen, und damit er nicht gehindert wird, fich in dieſe Stellung zu bringen, wird ihm eine hinlänglich geräumige Niſche erbaut.

Kaum waren wir nad) Haufe zurüd, fo brad) ein heftiges Ge- witter los, welches °/, Stunde anhielt und einen wahren Wolfen bruch herniederfandte. Da c8 hier feit 20 Tagen nicht geregnet hatte, fo war in der ganzen Stadt ein unendlicher Jubel und die ganze Dorfjugend eilte zur Stadt hinaus, um in den fich füllenden Pfützen ihr Wefen zu treiben.

Die Stadt Haura liegt am Abhange des Vorgebirges, welches hier das Plateau zwifchen den beiden Wädiy EI Hadſcharyn und Amd bildet, und zählt ungefähr 8000 Einwohner, weldhe den Stämmen Amudy und Dorayfch angehören. Die Straßen gleichen vollkommen denen, welche ich bereit8 bei Choraybe bejchrieben habe. Der Sultan heißt "Abd el Aſys ibn Ahmed ibn ben Amudy und wohnt mit feiner Familie in einigen Thürmen, welde am obern Ende der Stadt jtehen und fie beherrichen. ‘Der ihn beichügende Stamm EI Araͤba hat, wie in den übrigen Städten, einige 20 Mann in den Thürmen des Sultans liegen und bedrückt die Stadt mit bei- Ipiellofer Willkür. Außerhalb der Stadt am Fuße des Abhanges liegen einige Gärten und mit Dattelpalmen bejette Felder, auf welchen meiſt Getreide, Tabak und Indigo gebaut wird. Am untern Ende der Stadt befindet ſich auf einem Heinen Plage ein dürftig

236 Die Stabt Haura,

ausgeftatteter Bafar und die größere der beiden Mofcheen, welche die Stadt befikt.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Heiterm Himmel und Windftille 15°, um Mittag 26°, am Abend bei Nordweit- wind 20°.

Achtes Kapitel, Ausflug nach der Wüfte El Ahqaf.

Abreiſe von Haura. Vatermord eines Beduinenknaben. Ankunft in Gahwa.

Exeurſion nach dem Bahr eſſ Sſafy. Die Wüſte EI Ahqaͤf. Ein altes

Grabmal. Der Wädiy Er Raͤchiye. Rückreiſe über Amd nad) Choraybe. Der neue Sultan.

11. Auguſt. Am 11. Auguſt des Morgens um 5 Uhr verließ ih Haura mit einer Daäfila, beſtehend aus 15 Kameelen und 9 Be⸗ duinen des Stammes Beny Tähir ben Radſchym, einer Abtheilung des Stammes El Diha’da, unter denen ſich zwei Knaben von 10 bis 12 Jahren befanden. Der Weg führte quer über den Wädiy bis zu einem Gehöfte, welches inmitten einer Gruppe von Dattelpalmen ftand und von wo aus er fich zum Plateau in die Höhe zieht, welches wir bald erreichten. Nach einem bdreiftändigen Marſch famen wir an eine Eifterne, und nach %, Stunde ebenfalls an einer folhen vorbei, von der and mir noch 2 Stunden Wegs zurücklegten und uns dann zwiſchen niedrigem Gebüſch Iagerten. Der Grünfandftein, welcher ſüdlich vom Wädiy Amd gelblich ift, zeigt bier eine braune, ins Violette Spielende Farbe und enthält handgroße Krhftalle des Eifen- oxydhydrats, welche dem Geftein ein eigenthümlich gefledtes Aus- ſehen geben.

Gleich nad) Mittag war ich Zeuge eines Auftritts, welcher meinen Leſern einen Begriff von dem gefeglofen Zuftande dieſer Länder und

an

238 Batermord eines Beduinenknaben.

von dem Charakter ihrer Bewohner geben wird. Wir wollten nämlid aufbreden, und da die Kameele ſich zwifchen den fpärlih umhermad: jenden Mimojenbüfchen zerftreut Hatten, fo befahl ein alter Beduine feinem Sohne, dem jüngften der beiden Knaben, feine Kameele zu holen. Diefer aber blieb ruhig beim euer ſitzen, jtöberte mit einem Stode in den Kohlen ‚und antwortete, als der Befehl wiederholt wurde, daß er fie felber holen köme. Dem Alten verging nun dir Geduld und er gab feinem ungehorfamen Sohne eine gebührliche Chr: feige. Aber in demjelben Augenblidle hatte der Bube feinen Dichen: biye gezogen und ihn feinem Vater in die rechte Seite geftoken, worauf er dann 100 Schritt fortlief und dann ftehen blieb. Der Vater ergriff trog der erhaltenen gefährlichen Wunde fein Gewehr, zündete die Lunte an und zielte nach feinem Sohne, der auch mit der größten Kaltblütigfeit die Kugel feines Waters erwartete. Jedod übermannte den Vater die Xiebe zu feinem Sohne, denn nachdem f einige Secunden im Anfchlag gelegen, ſenkte er fein Gewehr mit ba Worten: „Nein! Es ift ein Mann!’ und bat feine Gefährten, jenen Sohne zu fagen, daß er nichts zu fürchten habe und zurückkommen fünne. Der Bube kam aud) ohne Scheu zurüd, jedoch ohne em Wort des Bedauerns oder der Neue an feinen Vater zu richten, holte die Kameele, belud fie mit Hülfe der Andern und jegte feinen Vater, der mittlerweile verbunden war, auf eins derfelben, Alles dieſes aber mit einer Gleichgültigfeit, als wäre Beſonderes gar nicht vorgefalln. Keiner der Bebuinen dachte nur im Entfernteften daran, dem Sohn Vorwürfe zu machen, im Gegentheil fchienen fie die That des Knaben ganz natürlich zu finden. Einer, den ich frug, was den nun für eine Strafe erwarte, gab mir zur Antwort: „Gar feine; wenn if nicht jein Onkel umbringt. Es ift ja fein Vater, und Brüder hat er keine.“ " Einige Minuten uach 1 Uhr feßten wir unfere Reife fort umd lagerten uns nach einem Marfche von 4 Stunden neben einer Eifternt, welche am Entjtehungspunfte des Wädiy eingehauen ift, der bei dem Dorfe Chamfa in den Wädiy Amd mündet. Schon während dei

DBeerdigungsgebräuche der Beduinen. 239

Marſches war e8 mit dem Verwundeten Schlimmer geworden, mehrere: male wurde er ohmmächtig und man hatte ihn deshalb auf dem Ka⸗ meele fejtbinden müffen. Bei unjerer Ankunft fegten ihn unfere Ge⸗ fährten unweit des Feuers an die Waarenballen und erfuchten mich, ihm die Hand auf den Kopf zu legen und Gebete herzufagen, damit die böfen Geifter feine Gewalt über ihn hätten. Da e8 den armen Mann beruhigte, fo that ih, was fie verlangten, war jedoch nicht vermögend, den Zodesengel zu verfcheuchen, deffen Wirken bereits in den entitellten Zügen und den halbgebrochenen Augen erkennbar war. Sein Puls gerieth bald darauf von Zeit zu Zeit ins Stoden, bie Hände fingen an zu erfalten, und als die Sonne am Horizonte unter- tauchte, beleuchteten ihre legten Strahlen die letzten Zudungen eines von feinen Sohne ermordeten Vaters. Die Beduinen hatten fi um den Sterbenden gruppirt und ftarrten ihn fchweigend und fichtbar ergriffen an, und nur fein Sohn faß am Teuer und bededte fein Geficht mit den über das Knie gelegten Armen. Ich betete dann laut ein Faͤtiha und überließ die Leiche den Beduinen, welche auch fogleid zu feiner Beftattung Anftalt machten. Nachdem fie außer dem Schurze Alles von dem Todten genommen und neben den nod) immer in feiner gebüdten Stellung jigenden Sohn gelegt Hatten, trugen fie ihn etwa 100 Schritt von der Cifterne an den Rand des Waͤdiy und banden ihm dann die Kniee dergeftalt an den Hals, daß fie das Kinn be- rührten. So gekrümmt legten fie die Xeiche in der Art auf die rechte Seite, daß ihr Gefiht nach Often gewandt war, beteten ein Fatiha und bededten ihn dann mit einem Haufen Steine.

Hier finden fih die Spuren eines fehr alten heibuifchen Cultus, welche darauf hindeuten, daß die Bewohner des ſüdlichen Arabien ſchon in der früheften Zeit in enger Verbindung mit den Völferfchaften der gegenüberliegenden oftafrifanifchen Küfte geftanden haben müffen, und dag damals fogar eine Bermifhung beider Völker ftattgefunden bat; denn Erathoftenes erzählt (beim Strabo), daß die Troglo- öhten der Oftfüfte Afrifas ihre Todten auf eine ähnliche Art beftatten. Sch werde jedoch fpäter auf diefen Gegenstand zurüdfommen.

240 Todtenklage. Seltfame Beftattungsweife.

War es Reue über den begangenen Vatermord oder war es nım die Beobachtung des Gebrauchs, ich weiß es nicht, kurz der Sohn blieb den ganzen Abend in der von Anfang an angenommenen Stel lung, ohne aud) nur das. Geringfte zu fich zu nehmen, umd fang dann und wann in gedämpften Zone einige Strophen, welche wie ein Klagelied lauteten.

Der Thermometer ftand am Morgen bei heiterm Himmel und Windtille 15°, um Mittag 25° und am Abend bei Nordweftwind 22°. Die Hauptridtung diefer Tagereife war Weit, 40° Nord._

12. Auguft. Am 12. früh Morgens 5 Uhr verließen wir unfer Nachtlager und zogen über die nadte fteinige Ebene, ohne irgend ein lebendes Weſen anzutreffen, als vielleicht dann und wann eine Eidechfe, welche bei unferer Annäherung in den Spalten des Geſteins verſchwand. Nach einem Marfche von 6%, Stunde machten wir bis 1 Uhr Halt und fetten dann die Reife fort. Nach 1 Uhr paj- firten wir eine Cifterne, aus der wir unfere Wafferfchläuche füllten, famen dann nad einem Marfche von 4 Stunden abermals an einer Cifterne vorüber und lagerten 1/, Stunde weiter neben einigen ver- früppelten Mimofen. Unterwegs frug ich meinen Führer, warum fie ihre Todten nicht nad) der Art der Städter begrüben und weshalb fie ihnen die Kniee an den Hals bänden? Auf beide Fragen befanı ih zur Antwort, daß es fo Sitte fei und daß fie auf dem Plateau feine Gräber machen fünnten. ‘Die Trage, ob fte in den Wädiys, wo doch Erde genug ſei, ihre Todten ebenfalls mit Steinen bedecken, beantwortete er mir mit „Ja“.

Während der heutigen QTagereife hielten wir die Nichtung von Weit, 10° Nord ein.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Wetter 15°, um Mittag 25° und am Abend bei ſchwachem Nord- weitwinde 20°.

13. Auguft. Am 13. brachen wir des Morgens Y,5 Uhr auf und famen nach einem Marſche von 3%, Stunde an einem Wädiy vorüber, welcher ſich links vom Wege binzieht und in weldem wir

Aufbruch nach der Wüfte CI Ahaaf. 241

nad 1%, Stunde neben einem dichten Mimofengebüfh Tagerten. Gegen 2 Uhr machten wir uns auf den Weg und gelangten in drei Stimden nad Cahwa, wo ich in dem Haufe des Schaych "Abd-er Rafful ibn Omar ibn ben Amudy, zu welchem mein Dadhayl beauf- tragt war, mich zu bringen, eine freundliche Aufnahme fand,

Am Abend Hatte ich wieder ein bedeutendes Auditorium, welches mich weidlih mit Tragen plagte. Jedoch erfuhr ich auch manches Intereffante, unter Anderm, daß die große arabifche Wüfte Ei Ahqaͤf 100) ganz nahe fei, und daß ſich am Fuße des Plateau, welches wie eine teile Wand abfiele, auf eine Strede von acht Tage- reifen eine Menge Stellen befünden, in denen Alles verjchwindet, was das Unglück Hätte, darauf zu treten. Diefe Strede (jagte man mir) würde Bahr eff Sfafy 1°”) genannt, weil ein König Namens Sfafy, welcher von Beled eff Saba’ Wadian aus mit einer Armee durch diefe Wüſte marſchirt fei, um in den Hadhramaut einzufallen, den größten Theil feiner Truppen in diefen Stellen verloren habe. Dieſe Mittheilung reizte meitte Neugierde im höchften Grade, und ich bat daher meinen Schaych, mir Führer dahin zu verfchaffen, welche er mir auch für den folgenden Tag verſprach.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftile und heiterm Wetter 15°, um Mittag 25° und am Abend bei Nordweitwind 21°. Die Hauptrichtung diefer Tagereiſe war Weit, 20° Nord.

14. Auguft. Am folgenden Tage hatte ſich mein Wirth fchon früh nad) einem Dachayl umgejehen. Keiner der anweſenden Be⸗ duinen aber hatte allein gehen wollen, weshalb er mir zwei bradite, mit denen-ic den Handel dahin abſchloß, daß fie mich bis zu den Stellen bringen und wieder nad) Cahwa zurüdführen müßten. Nach— dem mein Wirth mich ihnen in aller Form übergeben hatte, verforgte er mich zugleich niit dem nöthigen Proviant, und ſchon um 9 Uhr trat ich die Wanderung nach der Wüfte Ahqaͤf an. Der Weg führte, nachdem wir in %, Stunde den Wädip überſchritten hatten, längs der fteilen Wand des Plateaus auf einem gefährlichen Wege bis auf bie Ebene, die fich mit ihrer einförmigen Nacktheit vor ung ausdehnte,

A. v. Wrede's Reife in Habhramant. 16

242 Bahr eſſ Sſaſy

Im Waͤdih erblickte ih, von Dattelpalmen umgeben, das kleine Städthen Wa’la von 4000 Einwohnern von den Stämmen der Amudy und Donayfchy bewohnt, dem Sultan von Cahwa zugehörig.

Der größte Theil des Wädiy, welchen ich überfehen konnte, war mit weißem Flugſand bededt, der Hier und da bis zu einer Höhe von 100 Fuß anitieg.

Nach einem bdreiftündigen Marfche ruhten wir zwei Stunden aus und erreichten dann in drei Stunden den Rand der Hochebene, vwelde etwa 1000 Fuß jäh zur Ahqaäf abfällt. Links zur Seite zog fih eine tiefe, theilweife mit Flugſand gefüllte Schlucht zur Wüſte nieder. Und vor mir weit unten die Ahqaf, die unabjehbare Sandfläche, die ‚mit ihrer unendlichen Menge wellenfürmiger Hügel einem bewegten Meere gleicht. Keine Spur von Vegetation, fei e8 auch die kümmer⸗ Itchfte, belebt die weite Dede, und Fein Vogel unterbricht mit feinem Gefange die Todtenftille, welde auf dem Grabe des fabäifchen Heeres ruht.

„Das iſt Bahr eff Sſafy“, fagten meine Beduinen, indem fie auf die drei blendendweißen Stellen deuteten, um die fi bier und da dunkle Felszacken über die Sandflücye erheben. „Geiſter bewohnen ihn und haben mit trügeriihem Sand die Schäße bedeckt, melde ihrer Wachſamkeit anvertraut find. Ein Jeder, der fich ihnen nähert, wird hinabgezogen; darum gehe nicht hin.” Natürlich achtete ih ihrer Warnungen nit, die im Grunde nur darauf berechnet waren, der Mühe überhoben zu jein, vom Plateau hinab und wieder hinauf zu fteigen, und verlangte, der Webereinkunft gemäß, zu den Stellen geführt zu werden. Da wir wieder eine tüchtige Strede zurücgehen mußten, um in die Schlucht zu kommen, durch welde mon allein zur Wüſte gelangen Tonnte, fo brauchten wir nod über 2 Stunden bis zum Fuße der Gebirgswand, wo wir mit Sonnen: untergang neben zwei enormen, aus dem Sande hervorragenden Veljen Halt machten und lagerten. Auf dem Wege durch die Schludt bemerkte ich an dem untern Theil derfelben eine Menge Stellen, an welchen zwilchen den Straten Petrol hervordringt.

Räthſelhaftes Verſinken des Senkblei’s im Sande. 243

Der Thermometer ftand am Morgen bei heiterm Himmel und Windftille 15°, um Mittag 25° und am Abend bei ſchwachem Nord- weftwinde 22°. Die Hauptrichtung von Cahwa bis hierher ift Norb, 15° Weft.

15. Auguft. Es war bereits 8 Uhr, als ich am andern Morgen erwachte, denn troß der Ermüdung des vorigen Tages hatte die Er- wartung den Schlaf von meinen Augenlidern gefcheucht, und erit lange nad Mitternacht behauptete die Natur ihre Rechte. Nachdem ich ge- frühſtückt hatte, forderte ich die Beduinen auf, mich nad) den Stellen zu führen, wozu fie aber nicht zu bewegen waren;. denn die Furcht vor den Geiftern hatte fich ihrer fchon bei unjerer Anfunft dergeftalt bemächtigt, daß fie kaum zu fprechen wagten. Ich entſchloß mid aljo, allein zu gehen, und trat, mit einem Kilogewicht und 60 Baden Schnur verjehen, die gefährlihe Wanderung an.

In 36 Minuten erreichte ich die zumächitgelegene Stelle, welche auf 1 Stunde Länge 25 Minuten Breite Hält und fi nad der Mitte hin allmählich abdacht; wahrfcheinlicd die Wirkung bes Windes. Mit aller nur möglichen Vorficht näherte ich mich dem Rande, den ich mit einem Stode fondirte. Aus diefer Unterfuchung ergab fi), daß der Boden des Randes fteinig ift und dann plötzlich abfällt. Beim Hineinftogen des Stabes in den den Abgrund be- deckenden Staub fühlt man faft gar feinen Widerjtand, ſodaß es mir vorfam, als ftieße ich ins Waffer. Ic) legte mic) dann der Länge nach Hin, um den Sand oder vielmehr Staub zu unterfuchen, welchen ih beinahe unfühlbar fand. Hierauf warf ih das Gewicht, an welchem ich die Schnur befeftigt hatte, jo weit als möglich hinein; es ſank auf der Stelle und mit abnehmender Schnelligkeit, und nad) Berlauf von 5 Minuten verihwand das Ende der Schnur, welches mir beim Wurfe entfchlüpft war, in dem Alles verfchlingenden Grabe.

Mid) jedes Urtheils enthaltend, überlaffe ich es den Gelehrten, dieſes Phänomen zu erklären, und befchränfe mid) darauf, die That⸗ ſache zu befchreiben, jo wie fie mir erſchien.

Nur muß ich bemerken, daß der Staub eine weiße, etwas ind

16*

244 Der Reifende ale Geifterbanner verjchrieen.

Graue fpielende Farbe Hatte und von dem gelblihen Sande der Wüfte volltommen abftadh. Gern hätte ich von bemfelben etwas mit- genommen, ich fürchtete jedoch den Verdacht der Beduinen zu erregen, welche etwas näher gekommen waren und alle meine Bewegungen aufmerkſam beobachteten. Die Felſen, welde hier und da an der Oberfläche des Sandes erfcheinen, beftehen aus einem ſchwärzlich⸗ braungefärbten Sandjteine, welcher an feiner Oberfläche ftark ver: wittert iſt.

Um Ya11 Uhr traten wir den Rüdweg nad) Cahwa an, in der Hoffnung, daffelbe noch zu erreidhen; jedoch war der Weg in dem Sande der ziemlich fteil anfteigenden Schlucht jo befchwerlich, daß wir erjt nach einem breiftindigen Steigen die Hochebene ganz erichöpft erreichten und daher eine Stunde ruhten. Es war bereits dunfel, als wir an dem Rande des Wädiy Er Raͤchiye anlangten, und da e8 nicht zu wagen war, in der ‘Dunfelheit den gefährlichen Pfad hinab- zufteigen, fo lagerten wir uns daſelbſt.

Der Thermometer ftand um Mittag in der Schlucht bei Wind- ftille und heiterm Himmel 30°, und am Abend bei Nordweitwind 20°.

16. Auguft. Am 16. ftiegen wir um 6 Uhr zum Waͤdiy nieder und erreichten um 1/28 Uhr Gahwa, wo fat die ganze Stadt zu— fammenlief, um den Wundermenjchen zu fehen, der mit den Dſchimh bes Bahr eſſ Sſafy gefproden hatte, wie e8 meine Beduinen Jedem erzählten, der es hören wollte. *

Mein Wirth lachte herzlich über meine Narrheit, Alles fehen zu wollen, wie er fid) ausdrüdte, und jagte mir, daß eine Viertelftunde von der Stadt ein Grabmal aus ben Zeiten der Käfir (Ungläubigen) eriftivre, und er wette darauf, daß ich das auch wohl fehen möchte. Als ich feine Meinung beftätigte, lachte er noch lauter und verfprad mir, mid am Nachmittage felbft dahin zu führen. Da ich ben Wunſch äußerte, den folgenden Tag nad "Amd zu reifen, fo ging er ſogleich, um einen Führer zu fuchen, kam aber nad) ein Baar Stunden unverrichteter Sache zurüd, da feiner der Beduinen e8 wagen wollte, mit einem Menfchen zu reifen, der mit Geiftern verfehre. Zum Glüd

Ein wahrſcheinlich himyariſches Grabmal, 245

kam fur; nah Mittag eine Däftla von 32 Kameelen und 20 Beduinen von Wa’la an, welche nad "Anıd beftimmt war und von denen fich Einer herbeiließ, den fremden, unheimlichen Menfchen mitzunehmen.

Am Nachmittage führte mich mein Wirth zu dem Grabmale, ‚vermied auch auf dem Hinwege bie betretenften Straßen der Stadt, um nicht die ganze Jugend auf den Ferſen zu haben. Diefes Grab- mal ftebt am Fuße der Gebirgswand unter einigen Dattelpalmen und ift aus gehauenen, ziemlich großen Quadern aufgeführt. Es nimmt ungefähr einen Raum von 25 Fuß im Duadrat ein und bat auch ungefähr diefelbe Höhe. Die Mauern haben 2 Fuß Dide und das ganze Gebäude ift oben jchmäler als unten, ungefähr in der Form der ägyptiſchen Tempel. Innerhalb ift es in zwei Kammern getheilt, deren Scheidewand der Mitte des Eingangs gegenüber und 6 Fuß von ihr entfernt fteht. Das Dach befteht aus 2 Fuß breiten, ftei- nernen Ballen. Außer dem Gingange, welcher oben enger als unten ift, find noch) in jeder Seitenwand ein und in der Hinterwand zwei dreieckige Quftlöcher angebracht, deren eine Seite nad) unten gefehrt if. Auf dem Dade find an jeder Seite am Rande drei Heine ftufen- förmige Pyramiden als Zierrath angebradt, in der Art, wie man fie oft auf ben mauriſchen Mofcheen fieht.

Ueber dem Eingange exiftirte früher eine himyariſche Infchrift, bom der nur noch zwei Buchſtaben erkennbar waren und die der Ta- natismus irgend eiues Schaychs vernichtet hat. Im Webrigen war feine Spur eines eigentlichen Grabes oder Sarfophags zu fehen. Ein Gewitter, welches fchon ſeit einer Stunde drohend am Himmel ftand, brad) "bei unferm Heimwege über uns los, und bis auf die Haut durchnäßt langten wir zu Haufe an. Das Gewitter währte zwei Stunden und e8 regnete fo heftig, daß der größte Theil des Wädiy in einen Strom verwandelt ward.

Die Stadt Cahwa liegt an der ſüdlichen Seite des Thals und zählt ungefähr 6000 Einwohner, welche den Stämmen der Amudy und Dorayſchy angehören.

Der Sultan Namens Täleb ibn El Mobäd ibn ben "Da. el

246 Stadt Cahwa. Waͤdiy Er Raͤchiye.

Amud gehört zum Stamme der Amudy. Der ſchloßähuliche Dan, in dem er reſidirt, ſteht auf einem niedern Vorſprung der Gebirge: wand und beherriht die Stabt vollkommen. Abtheilungen von Bebuinen des Stammes Beny Taͤhir ben Radſchym liegen als Gar- nifon in der Burg, von wo aus fie von Zeit zu Zeit die Einwohner ranzioniren.

Die Stadt ift von einigen Gärten und angebauten Feld umgeben, auf dem ein Wald von Dattelpalmen fteht. \

Der Wädiy Er Raͤchiye ift größtentheils mit Flugſand bededi und daher nicht fonderlic fruchtbar und bevölkert. Nur vier Städte nannte man mir in ihm liegend: Cahwa, Wala, Dfiehenän an der nörblichen Seite und am Vereinigungspunfte des Wädiy gleichen Namens mit dem Waͤdiy Er Raͤchiye gelegen, von einem Sultan regiert, mit 4000 Einwohnern, und Er Raͤchiye, eine Stadt von 5000 Einwohnern, an der füdlichen Seite des Wädiy und der Diün- dung eines Waͤdiy gelegen, gleichfalls von ihrem eigenen Sultan be: herrſcht. Der Wädiyg Er Raͤchiye mündet acht Tagereiſen öftlich von Cahwa, oberhalb Terym bei Borr und Thaͤrby in den Waͤdiy Qacr. Das Hauptproduct des Wädiy ift Gummi, Aloe.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Himmel 20°, um Mittag 27°, am Abend bei einem Gewitter bei Nordweitwind 18°.

17. Auguft. Kaum graute der Morgen des 17. Auguft, als auch Schon mein Führer an die Hausthür Hopfte, um mid, zur Dafile abzuholen, welche außerhalb der Stadt lagerte. Ich nahm Abfchied von meinem Wirthe und folgte dem Beduinen ins Lager, welches auch ſogleich aufbrah und den jteilen Abhang des Plateaus hinaufzog. Mein Dachahl und feine Gefährten ‚gehörten zu dem Stamme Beny Zähir ben Radſchym und fahen wo möglich noch wilder aus, wie bie Beduinen, welche id) bisher gejehen hatte. Sie waren der fejten Meinung, daß ich in Bahr eſſ Sſafy Schätze gehoben hätte, und fragten mid: „mit wie viel Geiftern ich gefprochen, wie fie ausge: fehen und wie groß der Schaf fei, den fie mir nach meinem Vater

Aberglaube. Schähe bringende Geiſter. Gefährliche Probe. 247

Lande bringen müßten?‘ uud andern Unfinn mehr. Ob ich gleich von ihnen Nichts zu fürchten hatte, da ich unter ihrem Schutze ftand, fo war es mir doch nicht gleichgültig, daß ſolche Gerüchte in Umlauf famen. Aber was war zu thun? Ausreden Tonnte ich ihnen ſolche Ideen nicht, ich hielt es aljo fürs Beſte, fie ins Lächerliche zu ſpielen, welches mir auch infoweit gelang, daß Mehrere anfingen, die ftarfen Geiſter zu fpielen und den Geifterfpuf ebenfalls belachten. Unterweges wurde fat von nichts als von mir geſprochen und Einer behauptete, ich müfje gegen Hieb und Stich feit fein. Diefe Idee fand alige- meinen Anklang und wäre mir faft theuer zu ftehen gefommen; denn als wir nad einem Marjche von 6 Stunden lagerten, ſchlich fich Einer hinter mich, um zu probiren, ob ich fugelfeft fei. Zum Glück bemerkte ih, daß Aller Augen: auf ihn geheftet waren und daß ein vor mir fißender Beduine auf die Seite rüdte, um von der vielleicht durchſchlagenden Kugel nicht getroffen zu werden. Dies veranlafte mich, hinter mich zu fehen, wo ich denn die Urfache ihrer Aufmerf- famfeit entdeckte und auffprang. Ich erklärte ihnen, daß ich Feines-- wegs fugelfeft jet und machte meinem Beſchützer Vorwürfe, daß er nichts gethan habe, um feinen Gefährten an feinem Vorhaben zu ver- hindern. Sie lachten dann Alle laut auf und riefen: „Er hat Furcht! Er ift nicht kugelfeſt!“ Gegen 1 Uhr reiften wir weiter und legten noch 5 Stunden bis zu einer Ciſterne zurüd, neben der wir uns für die Nacht lagerten.

Am Morgen ftand der Thermometer bei Winditille und heiterm Himmel 18°, um Mittag 26°, am Abend bei Nordweftwind 20°.

18. Auguft. Am Morgen des 18. Auguft brachen wir gegen 6 Uhr auf und lagerten uns nad einem Marſche von 2%, Stunden neben einer Eifterne, welche am Rande des Wädiy eingehauen ift, der bei Hallet ba Galyb in den Waͤdiy Amd mündet. Gegen 2 Uhr zogen wir weiter und famen in 3%, Stunden in Amd an, 'wo id vom Schayd "Abd er Rahman aufs Herzlichite empfangen wurde.

Nachdem ic ihm meine Erlebniſſe mitgetheilt hafte, fügte er mir, daß bei den Beduinen Vater- und Brudermord Feine Seltenheiten

248 Ein anderer Alchymiſt. Das Golbkraut.

wären, und in folchen Fällen dem Mörder nur dann Vergeltung drobe, wenn Brüder oder Vater des Ermordeten vorhanden wären. Als ich des Alchymiſten erwähnte, verfprad) er mir, mid) am folgenden Zage zu einem Collegen deffelben zu führen, der jedoh in allem . Ernfte fi bejtrebe, „Gold zu machen‘ und bereits den größten Theil feines Vermögens dabei zugejett habe.

Uebrigens beftätigte er mir Alles, was man mir bezüglich der Wädiy Dasr und EI Hadſcharyn gefagt hatte, und fügte dann Hinzu, daß es mir leicht würde, von Dabr Hud aus nad; dem Lande Mahra zu gelangen, indem ich unter der Menge von Scheryfen, welche dort zur Siyära kämen, wohl Einen finden würbe, der mich nach feiner Heimath brächte.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Himmel 20°, um Mittag bei Nordweitwind 25°, am Abend 21°. Die Richtung des Weges von Cahwa nah "And ift Süd, 15° Weft.

19. Auguſt. Im Verlauf des folgenden Tages befuchte ich mit meinem Wirthe den Alchymiſten, der mir fein Laboratorium zeigte, in welchem NRetorten, Ziegel und allerlei Geräthe bunt durcheinander ftanden. Jedoch war er fo ehrlich zu geftehen, daß er es noch nicht dahin habe bringen können, Gold zu erzeugen; glaubte aber an das Gelingen, wenn er nur erjt ein Kraut gefunden habe, welches er mit dem Namen Haſchyſch edſ Dfahab 168) nannte. Die Mitwirkung der Seifter Täugnete er gänzlich).

Des Nachmittags verfchaffte mir der Schaych "Abd er Rahmän einen Führen nad) Choraybe, und war dann fo gütig, mir die Namen der Hauptftämme der Beduinen, ihrer Unterabthei: fungen und deren Wohnfige, fowie auch ihre ungefähre Seelen: zahl zu dictiren. Außerdem verdankte ich ihm noch viele interefjante Mittheilungen.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Winditille und heiterm Himmel 20°, um Mittag bei ſchwachem Norbweftwinde 20° und am Abend 22°.

Nachrichten über den Reiſenden Arnaud, 249

20. Auguft. Auf demfelben Wege, den ich von Ehoraybe nad) "Amd eingefchlagen Hatte, fehrte ih am 20. dahin zurück und Tangte dafelbft am 21. nad) Mittag glüdlih an. Sowohl der alte Schaych "Abd Allah, als auch feine Söhne nahmen mich mit der mir früher bewiefenen Herzlichkeit auf und konnten fich nicht genug nad) meinen Reifeabenteuern erkundigen. Einen fehr einflußreihen Mann aus Meſchhed "Alyy Lernte ich hier kennen, welcher mit mir das Gaft- zimmer bewohnte. Er befleidete die Würde eines Dädhy (Richter) in feiner Stadt und intereffirte fich befonders für die Arzneifunde. Beſonders begierig war er zu willen, wie man am Arme zur Aber laffe, und da Niemand ſich zu der Probe hergeben wollte, fo mußte ich ihm jelbft zur Aber laſſen, obgleich die Uebrigen ihr Möglichites thaten, ihn von feinem Vorhaben abzubringen. Die Operation gelang volffommen, und da er ein ſehr fetter und vollblütiger Mann war, fo befam fie ihm aud) fehr gut.

Nächſtdem erzählte man mir, daß ein Scheryf aus Maärib vor- beigefommen fei, welcher gejagt habe, daß ein ganz weißer Mann angekommen wäre, der nicht bete und alle alten Infchriften, die fich in Märib befänden, copire. Später traf ic) diefen Mann in Aden. Es war fein Anderer, als der durch feine Reife nad) Märib befannte Th. Arnaud. Man hatte ihm in Märib diefelbe Schilderung von mir gemadt. \

Am 20. ftand der Thermometer des Morgens bei Windftille und heiterm Himmel 20°, um Mittag bei Nordweitwind 27°, am Abend 22°. Derfelbe Thermometerftand fand aud am 21. jtatt.

21. Anguft. Während meiner Abwejenheit war in der Regie- rung der Stadt eine bedeutende Veränderung eingetreten und drohte den Einwohnern mit den traurigften Folgen. Der alte Sultan Me⸗ naͤcih war nämlich durch feinen Neffen Mohammed ibn "Alyy ent- thront worden, wozu ihm der Schaych des Stammes EI EChämiye, Hoffahn Gaura, behülflich gewefen war. Dahingegen hatte der Moräfchide, "Abd er Rahınan Dorra, den alten Sultan in Schuß genommen umd ließ ihn in einem der Thürme der Reſidenz durch

250 Dean fobert Gift, den Schaych zu ermorden.

feine Bebuinen bewachen. Die Einwohner hatten ſich gleichfalls in zwei Parteien getheilt und e8 war vorauszujehen, daß es wegen ber keineswegs beneidenswerthen Herrichaft zu ernftlichenn Kampfe fommen werde.

22. Auguft. Wahrfcheinlih um diefem Uebel vorzubeugen und der Sache auf echt orientalifhe Manier ein Ende zu machen, kamen am 22. Nachmittags der neue Sultan in Begleitung des Schayche der Chämiye zu meinem Wirthe, welcher mit feiner Familie zu feinem Anhange gehörte. Hierauf wurde ih gerufen, und hier verlangte man von mir, daß ich dem Sultan eine Dofis fehnell tödtenden Giftes geben möchte, mit welchem er den Schaydh Dorra aus dem Wege räumen wollte 1m mein Gewiffen zu beruhigen, fagte wir der alte Schaych, daß Baͤ Dorra Witwen und Waifen beraube und die Muſel⸗ männer bedrüde, außerdem auch fchon mehrere Morde begangen habe; einen fo ſchlechten Menſchen zu vergiften, fei feine Schande, fondern vielmehr ein verdienftliches Werk vor Gott. Auf diefe Zumuthung aber antwortete ich ihnen: „daß ich wohl Arzneien befäße, durch welde kranke Menſchen geſund würden, jedoch Leine, um fie zu tödten, und daß, wenn Dorra ein fo ruchloſer Menſch fei, wie fie ihn mir geichildert Hätten, ihn Gott dafür ganz gewiß ftrafen würde, übrigens verftünde ich auch Fein Gift zu bereiten.” ‘Diefes jchienen fie mir aber nicht zu glauben, denn fie verfuchten es, mich durch Geld- anerbietungen ihrem Wunſche geneigt zu machen, und boten mir nad) und nad) bis 100 Thaler, eine dort fehr bedeutende Summe. Wie fie fahen, daß ich bei dem früher Gefagten blieb, verlangten fie, daf ih auf den Doran ſchwören folle, von der hier ftattgehabten Unter: redung gegen Niemand etwas zu erwähnten.

Natürlich willfahrte ich ihrem Begehren, da fie es im Ber weigerungsfalle nicht unterlaffen haben würden, mir auf der Stelle den Mund auf ewig zu fchließen. Später erfuhr id in Kairo durch bie ſich dort aufhaltenden Kaufleute aus dem Hadhramaut, daß fowohl Baͤ Dorra als auch Sultan Menägih kurze Zeit nad) meiner Abreife aus dem Wege geräumt worden ſeien.

Ein wißbegieriger Qaͤdhy. 251.

Gegen Abend händigte mir Shayd Ahmed Sfudän bie verſprochene „Lifte der himyariſchen Könige‘ ein, welcher er noch „eine kurze Reihe der Könige aus dem Geſchlechte Hodun’s (Peleg’s)’ beifügte und mir noch andere Mittheilungen machte, welchen ich weiter unten einen Pla anweiſen werde. Die Zeit zur Sſyära von Dahdun, der die Sfyära von Dabr Hud 8 Tage fpäter folgt, war herangefommen, und ich bat daher meinen Wirth, mir einen Beduinen zu verfchaffen. Jedoch verficherte mir Schaych Habyb "Abd Allah ibn ben Hodum, der Dädhy von Mejchhed Alyy: „daß ih während diefer Reife unter feinem und Schaych Abd el Dädir’8 Schuß ftehen würde, und es daher feines Beduinen bedürfe“. Auch wolle er mich alle bei Meſchhed Alyy befindlichen Infchriften copiren lafjen, jedoch müffe ich ihm ver- fprechen, nach meiner NRüdreife von Dabr Hud wenigftens einen Monat bei ihm zu bleiben, damit er die Arzneilunft von mir erlerne, welches ich gern verfpradh, da es nicht einmal foviel Zeit brauchte, um ihm meine Kenntniffe in der Medicin beizubringen. Nm um diefe Zeit ift e8 möglich, umangefochten nad) Dabr Hud zu gelangen, da dem Gebrauche gemäß die Beduinen innerhalb der 14 Tage por und ebenfo viel Tage nad) der Sfyara alle Räubereien einftellen und einen Jeden ruhig feines Weges ziehen laſſen.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Winditille und heiterm Himmel 20°, um Mittag bei ſchwachem Nordweitwind 27° und am Abend 22°.

Neuntes Capitel. Letzte Kataftrophe und Rücklehr nad) Makalla.

Abreife. Qarrayn. Ankunft vor Sfayf. Meine kritifche Lage dafelbfl. Entfheidung der Olama. Betragen des Sultans Alyy Mohammed ibn "Ab Allah ibn Nomän ben Sfa’yid ibn "Hk el' Amud. Abreife. Der Waͤdit EI Ayffar. Gaftfreundfchaftlihe Aufnahme in einem Geböfte unweit Che rayf. Doqum el Ayffar. Wohnungen der Beduinen im Wädiy Kotayf. Eine Beduinenhochzeit. Umzug der Beduinen. Neue Wohnungen int Waͤdiy Howayre. 'Ayn er Raͤff eb Dyn. Ankunft in Makalla. Freundliche Aufnahme von Seiten des Sultans.

23. Auguft. Am 23. Auguft Nachmittags verließen wir Cho⸗ raybe, nachdem ich meinem ehrwürdigen greifen Wirthe, dem Schayd) Abd Allah Bi Sfudän, meinen herzlichſten Dank für feine mir be- wiejene Güte abgeftattet hatte, und gingen bie zur Stadt Darrapı, wo wir bei einem Berwandten des Schaych Habyb über Nacht blieben.

Darrayn iſt eine Stadt von 5000 Einwohnern, von einem Sultan regiert, der wie alle Sultane des Waͤdiy Do’än unter dem Schute der Stämme Moräfchide und Chämiye fteht. Es liegt nur 1, Stunde von Choraybe entfernt, an der füdöftlichen Seite des MWädiy und an der Mündung des Wädiy Eſſ Sfabal. Auf diefem Wege kam id) an die Stadt Raſchyd, am Dorfe Dichicäg und an der Stadt EI Wa’ra 19°) vorüber.

Raſchyd hat ungefähr 5000 Einwohner, einen eigenen Sultan und Tiegt an der nordweftlichen Seite bes Waͤdih.

Ortſchaften im Waͤdiy Do’än. 253

Warra liegt an der füddftlichen Seite des Thales, zählt ungefähr 4000 Einwohner und wird von einem eigenen Sultan regiert.

Darrayn gegenüber liegt bie Stadt Cho’ayre mit 4000 Ein- wohnern mit einem eigenen Sultan.

Ba Dichigäc ift ein Dorf an der jüdöftlihen Seite des Wadih, welches dem Stamme Moräſchide gehört.

Der Thermometer ſtand am Morgen bei Windſtille und heiterm Himmel 20°, um Mittag 27° und am Abend bei Nordweſtwind 22°. Die Richtung des Thales von Chorayhe bis Qarrayn ift Nord, 35° Oſt.

24. Auguft. Am folgenden Tage, den 24. Auguft, legte ich mit einem Rameele, welches ein Bedienter des Schahychs Habyb unter feiner Obhut hatte denn der Schaych und die beiden Söhne des Schaych “Abd Allah Sfudän, nämlich "Abd el Dädir und Abu Bekr, waren auf Eſeln voransgeritten —, bis zur Stadt Sſayf 6 Stunden Weges zurück, auf welchen ich folgende Ortſchaften paſſirte.

Auf der nördlichen Seite:

Ghalbun, Stadt von 4000 Einwohnern, von Darrayı Y, Stunde entfernt; Hodun, eine Stadt mit 3000 Einwohnern, von Ghalbun Y, Stunde entfernt.

Hier befindet fi) das Grabmal Hodun’s (Peleg’8), des Sohnes Hud’s (Eber’s), zu dem nad der Siyara von Dabr Hud eine Wall- fahrt ftattfindet. Fünfzig Minuten weiter befindet fich die Stadt Tſähir mit 5000 Seelen und /, Stunde von ihr entfernt Matruch, Stadt mit 4000 Seelen.

Bis hierher führt der Weg fortwährend durch einen dichten Dattelpalmenwald, in welchem das Terrain vortrefflich angebaut ift, und führt dann weiter über Felder fort. Ferner Sfabal, Stadt mit 4000 Einwohnern, welche den Dattelpalmenwald /, Stunde .hinter ſich zurückläßt. Nach 20 Minuten folgt ihr die Stadt "Abd ec Camut mit 6000 Einwohnern. Acht Minuten davon liegt Beda mit 10,000 Ein- wohnern, die größte Stadt des Wädiy. Das Dorf EI Mä, an welchem man 50 Minuten von Bedaͤ vorüberflommt, wird von un-

254 Der fühliche Theil des Waͤdiy Do’än,

gefähr 300 Seelen bes Stammes Chämiye bewohnt. Chodayſch, Stadt mit 6000 Seelen, folgt dem Dorfe El nah ’/, Stunde Weges. Sfayf, Stadt, ift 2 Stunden von Chodayſch entfernt.

An der füdöftlichen Seite des Wädiy Do’än liegen die Orte:

Er NiHab, Stadt mit 6000 Seelen und 40 Minuten von Dar: rayn. El Koſſufe, Dorf von 200 Köpfen der Chaͤmiye bewohnt, Y, Stunde weiter. Bon diefem Dorfe 1 Stunde 40 Minuten mündet der Wäbiy Hebut, wo ein Wachtthurm fteht, von einigen Häuschen umgeben, in welchen Bebuinen des Stammes Chämiye wohnen.

Eine Stunde weiter führt der Weg bei Darr el Medſchyd, einem großen Dorfe, vorüber; diefes. Dorf zählt ungefähr 600 Einwohner, die dem Stamme Chämitye angehören. Neben dieſem Dorfe befinden fi) bedeutende Subftructionen, welche auf die frühere Eriftenz einer bedeutenden Stadt fchließen laſſen. Ein ganzer Theil der frühen Stadtmauer fteht noch aufrecht und fchlieft das Dorf auf der einen Seite ein. El Arſſam, Stadt mit 5000 Einwohnern ungefähr, liegt an der Mündung des Wädiy EL Ayffär, der fih 1 Stunde 50 Mi— nuten von Darr el Medſchyd öffnet.

Alle diefe Städte haben eine jede ihren Sultan. Bon der Stadt Matruch an erweitert fi) das Thal zufehends, ſodaß es ſchon am der Mündung des Wädiy El Ayffür eine Breite von 1 Stunde hält. Ebenjo zeigen ſich bie Thalwände nicht mehr als jähe Mauer, fondern unter einem Winkel von 45° abfallend. Das Bewäſſerungéſyſtem ift durch die ganze Länge des Thales daffelbe, wie ich es bei Cho: raybe befchrieben habe, und überall fah ich gut unterhaltene Be wäflerungsfanäle durch alle Theile des Waͤdiy gezogen. Auf diejem Wege traf ich einige 20 der ſchon früher bejchriebeneu Sſabyl und etwa 10 Brunnen, welche bis zu einer Tiefe von 40 Fuß eingejenft und mit einer Mauerbefleidung verfehen find.

Bor der Stadt Sfayf fand ich mehrere Taujende von Bebuinen verfammelt, die am folgenden Tage der Siyara des Schahch Sſa hyid ibn Yſſaͤ el "Amud in dem Y, Stunde entfernten Dahdun beimohnen wollten.

Der Reifende wird mißhandelt und eingeſperrt. 255

Kaum im Gewühl angelangt, rief man von allen Seiten: „Das

ift der Spion der Ferenghyl“ Und der ganze Haufe ftürzte auf

mich los, riß mid) vom Kameele, entwaffndte mich, band mir unter Mißhandlungen die Hände auf den Rücken, und führte mich mit blu⸗ tendem Geſicht und ſtaubbedeckt vor den dafelbft herrſchenden Sultan Alyy Mohammed ibn "Abd Allah ibn No'män ben Sfa’yid ibn 'Nifä et "And. Alles drängte ſich mir nad) bis in die Stube, wo der Sultan fid befand, und die bald bis zum Erftiden mit Beduinen erfüllt war. Wie rafend fohrien diefe durcheinander, daR ich von den Terenghy in Aden ins Land gefchidt fei, um es zu erforfchen, und daß er mid) folle hinrichten laffen.

Der Sultan fing nun an mich auszufragen, und id) beantwortete feine Fragen fo ausführlich wie möglich. Jedoch ließ man mid nicht lange reden und der ganze Schwarm übertobte mit feinem Ge- fchrei meine Worte. Meine Lage war im höchſten Grade Tritifch; denn ob ich gleich bemerkte, daß der Sultan unentfchloffen umberfah, wußte ich doch zu gut, daß er am Ende jeinen Beſchützern nachgeben mußte, und ich erwartete deshalb jeden Augenblid, dag er den Be⸗ fehl zu meiner Hinrichtung geben würde. In diefem Augenblid voll unbefchreiblich bitterer Gefühle, den ich für alle Schätze der Welt nicht noch einmal durchleben möchte, in welchem die Ereigniffe meines Lebens und bie Geftalten meiner fernen Lieben gleich den immer wechfelnden Bildern eines Kaleidoflope an meiner Seele vorüber- zogen, in diefem entſcheidenden Augenblide drängten ſich die Schaychs Habyb und Abd el Qädir durch die tobenden Beduinen und erflärten laut, daß, da ih unter ihrem Schube ftände, der Weg zu mir nur über Leihen gehen könne, uud zu gleicher Zeit löfte Habyb die Stride, mit melden ich gebunden war. |

Gleich darauf fam aud) der Schayd des Stammes EI Mahfus und erklärte fih, als Beichüger der Stadt Meſchhed Alyy, auch zum Dachayl des Schützlings Schaych Habyb's. Andere Schaychs kamen nun auch herzu und verlangten, daß die Olamä und ber Dädhy über mein Schickſal entfcheiden und id) bis dahin Gefangener

256 Die Entſcheidung der Gottesgelehrten über den Reiſenden.

fein follte. Man brachte nun eine kurze eiferne Stange, an deren Enden Fußſchellen angebracht waren, ſchloß meine Füße hinein und brachte mich eine Treppe höher in ein Feines Gemach, wohin mir durch die Fürforge meiner Beſchützer meine Sachen gebracht wurden.

Gegen Abend kamen meine beiden Freunde mit dem Schayd) der Mahfus, und fagten mir, daß die Entfeheidung der Olamä erft nad der Siyära ftattfinden würde; ich folle daher nur unbejorgt jein, denn fie würden nicht zugeben, daß mir ein Leides gejchehe. Webrigens wurde ich mit Allem verfehen, was ich brauchte.

Die Stadt Sfayf zählt ungefähr 3000 Einwohner umd ift mit Feldern umgeben, welche durch zwei Kanäle bewäffert werden, deren Lauf ich von meinem Gemach aus deutlich fehen konnte; einer der: jelben fommt aus dem Wädiy Do’än, der andere aus dem Wädiy El Ayſſaͤr. So weit mein Blid reichte, fah ich weder Dattelpalmen noch andere Bäume, und der ganze Wädiy hatte ein ödes und trau- riges Anſehen. Sfayf gehört ſchon zum Wädiy Hadſcharyn.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Himmel 20°, um WMittag 27° und am Abend bei Nordweitwind 22°. Die Richtung des Thales von Choraybe bis Sfanf. ift Nord, 30° Oſt.

26. Auguft. Am 26. Abends fam Schahch Habyb zu mir und benadhrichtigte mich, daß die "Dlamä und die Schayf) den Aus: ſpruch gethan Hätten, daß ich unter der Bedingung freigelaffen werden ſolle, alles das herauszugeben, was ich während der Reife gefchrieben, und direct nach Mafalla zurüczufehren. Diejer Nachricht zufolge fammelte ih alle die Kleinen Heftchen, in welchen ich während der Reife meine Notizen mit Bleifeder verzeichnet hatte und die mir nichts mehr nutten, da fie immer mit Zinte von mir ins Reine gefchrieben waren. Zu dieſen fügte ich noch zwei Anfichten und einen Bogen, auf welchen Inftructionen zur Anwendung der Medicamente gefchrieben ftanden; von der himyariſchen Inſchrift machte ich eine Abſchrift und fügte fie zu den andern; alles Andere verftedte ich in den Körben unter den Arzneien.

Raubſucht des Sultans von Sfayf. 257

27. Auguſt. Am 27. früh kamen der Sultan, der Dädhy von Sfayf, drei Olamä, meine Beſchützer und die Schach von Mahfus . und El Aſſwad zu mir ins Zimmer und verlangten, nachdem fie ſich niedergelaffen hatten, die Auslieferung der Papiere. Nachdem id) ihnen die für fie bereiteten Schriften übergeben hatte, frug mid) der Dadhy, „was das für für eine Schrift ſei?“ "worauf ich ihm zur Antwort gab, „es fei türkiſch“. Zum Glück war Seiner zugegen, der die türfifchen Charaktere fannte oder wußte, daß fie mit den arabifchen ein und diefelben find. Der Qaͤdhy verlangte hierauf einen Napf mit Waffer, in welchen er die Papiere, nachdem er fie in Heine Stückchen zerriffen hatte, warf, einige Gebete über fie ſprach, fie hierauf zu einem Brei verarbeitete und mit einem „Bismillah“ (‚im Namen Gottes!) zum enter hinauswarf. Nun fette fi der Sultan neben mich und machte fi über meinen Querfad, aus den er Alles hervorzog und betrachtete. Alle Gegenftände, welche ihm gefielen, legte er auf die Seite und fagte, daß ich fie ihm zum An— denfen fchenfen möchte; fo bejchenkte cr fich denn mit einer Scheere, Rafirmeffer, Spiegel und andern Kleinigkeiten. Endlich fand er auf den Boden des Duerfads den Beutel, in welchem ich mein Geld verwahrte, und erklärte mir ohne Weiteres, daß er mir das nicht zurückgeben könne, indem ich fonft meine Reife wieder fortfegen würde. Hierin Hatte er auch vollkommen Recht, denn im Fall- er e8 mir ge- laifen hätte, würde id), einmal aus feiner Gewalt, unter Beduinen- hut meine Reife nah) Meſchhed "Alyy und Dabr Hud fortgefett haben. Aus diefem Grimde proteftirte ich gegen die Fortnahme meines Geldes und frug ihn, wie ich es denn ohne Geld anfangen folite, jeinem Willen gemäß nad) Mafalla zu reifen? Worauf er mir er- iviederte, daB das feine Sache fei, er würde mir Proviant genug und einen Dahayl bis ans Meer geben. Hiermit ftellte ich mid aber nicht zufrieden und bemerkte, daß ich von Makalla bis Aegypten no einen weiten Weg Habe und ohne Geld nicht dahin gelangen könne. Auf diefen Einwand nahm er aber feine Rückſicht und ſteckte

U. dv. Wrede's Reife in Hadhramaut. 17

258 Der Sultan confiscirt den Chronometer.

den Beutel mit den Worten in feinen Gitrtel: „Gott ift groß! Er wird Dir fchon weiter helfen!‘

Den Korb mit den Medicamenten ließ er unbeachtet, als ich ihm fagte, was er enthielt.

Man nahm mir mun die Feſſeln ab und übergab mich einem Beduinen des Stammes El Hammäm ed Dyn, einer Abtheilung dee Stammes Beny Sfaybän, mit dem Auftrage, mid) geraden Weges nad) Makalla zu bringen, und darauf zu achten, daß ich während der Reiſe das Land nicht „aufſchriebe“.

Schon glaubte ich Alles berichtigt, als der Sultan mich fragte: „Wo ich dic Dofe Hätte, in der fid) Etwas bewege?‘ Ich that, als wenn ich ihn nicht verftände, und erflärte, Feine ſolche Dofe zu befigen. Damit ließ er fich aber nit abfpeifen, fondern öffnete mem Dberhemde und zog mir den Chronometer aus der Taſche, welde ich fogleich öffnen mußte. ‘Der Chronometer ging nun von Hand zu Hand, und ein Jeder ftöberte mit dem Finger darin herum. Endlid erflärte der Sultan ihn als fein Eigenthum, da er mir dazu diene, „das Land aufzuſchreiben“.

Ungefähr eine Stunde ſpäter trat ich, ohne einen Pfennig Geldes zu beſitzen, meine Rückreiſe nach Makalla an.

Dan kann ſich denken, mit welchen Gefühlen id) den Waͤdih Hadſcharyn Hinabjah, in welchem die merfwürdigen Gräber von Ghaybun lagen.

Bel einem Sſabyl ungefähr Y, Stunde von Sfayf, bis wohin mid die Schayh Habyb, "Abd cl Dädir und Abu Bekr begleitet hatten, machten wir Halt, und bier verfuchte ich noch einmal, den Beduinen zu bewegen, mic) zuerft nad) Meſchhed "Alyy und dann nah Makalla zu bringen. Allein er blieb unbeweglich, obgleich die Schaychs mic unterftägten und ihm fogar einen Thaler boten. Cr fagte: „daß er fein Wort gegeben habe und es halten müſſe“. Da Alles vergeblich war, meinen Beduinen anders zu ftunmen, jo nahm ic) Abſchied von meinen Freunden und wahrlih mit jchwerem

Nothwendigkeit der Vorficht unter den Beduinen. 259

Herzen, denn ohne ihren Beiftand wäre ich den wilden Beduinen- horden Preis gegeben und von ihnen gejteinigt worden.

Nachdem fie mich noch einmal dem Beduinen empfohlen hatten, gingen fie zurüd und wir verfolgten unſern Weg, welcher auf den Wäaͤdiy El Ayffar zuführte.

Ich muß hier bemerken, daß ich höchſt wahrfcheinlich unange- fochten bis Dabr Hud hätte reifen können, wenn id) e8 vermieden hätte, bei der Sfyära von Dahdım zu erfcheinen. In einem Lande, wo man den Fremden von Haus aus mit Mißtrauen betrachtet, ift 88 nie rathfam, einen Drt in der Zeit zu befuchen, wo dafelbft große Feſte begangen werden; denn wenn auc) die Anweſenheit eines Fremden Verdacht erregt, fo bleibt er doc) bei den verfchiedenen Individuen vereinzelt und das Anjehen feines Wirths ift gewöhnlich hinreichend, den übeln Folgen zu begegnen. Ganz anders. gejtaltet fich die Sache bei großen Feſten, wo Zaufende verfammelt find. Bier braucht nur Einer feinen Verdacht laut werden zu laſſen, und fogleic hat er ſich auch der ganzen Verfammlung mitgetheilt. Was bei dem Einzelnen nur Vermuthung war, das wird bei der Menge zur Gewißheit, und der Fremde wird als ein der ganzen Gefellichaft gefährlicher BVer- bredher angejchen. Die Stimme der Vernunft verhallt fpurlos in dem Gefchrei des wilden Haufens.

Der Einfluß der Einzelnen, welde fich des Fremden annehmen wollen, - wird in diefem Momente der Aufregung nicht beachtet, und er fällt, ein Opfer der Volkswuth.

Wie man aus der Befchreibung meiner Reife nad dem Waͤdiy El Hadſchar erjehen haben wird, war ich bei einer ähnlichen Veran- faffung nahe daran, ‚ermordet zu werden”, umd ich vathe daher den- jenigen, welche in dieſen Ländern zu reifen beabfichtigen, alle Volfs- verfammlungen jo viel als möglich zu vermeiden; denn nicht Jeder würde vom Glüde jo begünftigt werden, als ich es wurde.

Wir erreichten bald darauf die Mündung des etwa 1 Stimde breiten Wädiy EL Ayffar, den wir aufwärts bis an ein zur linken Seite des Weges Liegendes Gehöfte verfolgten, wo wir einfehrten

17*

260 Der Wädiy EI Ayffär.

und freundlich aufgenorimen wurden. Nachdem wir ungefähr eine Stunde geruht hatten, feßten wir die Reife fort und gelangten nad) ungefähr zwei Stunden bei Doqum cl Ayffär an, wo wir abermale ungefähr eine Stunde unter Mimoſen ruhten.

Die Entfernung von der Mündung des Wadiy CI Ayfjär bis hierher mag ungefähr 4 bis 4%, Stunde betragen, und die Richtung, in der fi das Thal hinaufzieht, ift Süd, 30° Oft.

Auf diefer Strede fam ich an folgenden Städten vorüber: Cobayh zur Rechten des Weges mit ungefähr 4000 Einwohnern; diefem gegenüber El "Drapffime, ebenfalls mit 4000 Eimvohnern. Zur Rechten des Weges EI Offayf mit 4000 Seelen ungefähr; Dorayf, ebenfalls zur Rechten, ift etwag Fleiner als die vorigen. Käfira, rechts am Wege, hat etiwa 4000 Einwohner. Die drei leßt- genannten Städte liegen ganz nahe beieinander. Etwas oberhalb von Käfira Liegen links vom Wege nahe beieinander die ‚Städte Tätibe und Yaufa, von denen die erjte 4000, die andere ungefähr 6000 Einwohner zählt.

Das Dorf Doqum el Ayffar liegt auf einem 200 Fuß hoben Infelberge an dem Vereinigungspunkte der Wädiy Chärit und El Ayffar. Die Form des Wädiy El Ayifar ift ganz diefelbe, wie die oberhalb des Wädiy Do’an. Bon El "Drayffime bis oberhalb Haufa führt der Weg fortwährend durd dichten Dattelpalmenwald, unter welchen der jchr fruchtbare Boden vortrefflih angebaut ift. Wie im Wädiy Doan war aud Hier das Flußbett eingedämmt und mit Wehren verjehen, und eine Menge Nebenkanäle gingen von ihm aus. Kine jede der Städte dieſes Wädiy hat ihren Sultan, welche zur großen Familie der Amudy gehören. Doqum el Ayffär gehört dem Stamme Hammam cd Dyn und zählt ungefähr 200 Ein: wohner.

Wir verließen den Wädiy El Ayffar und betraten den hier mündenden Wädiy Kotayfa, welcher ſich eine ziemliche Strede in der Richtung Dft, 30° Sid berganzicht und dann das Plateau mit fehr geringem Gefälle etwa 6O Fuß tief durchſchneidet. Nach einem Marſche

Gaftfreundfchaft der Beduinen. 261

bon 2 guten Stunden langten wir bei dem Wohnfige meines Führers an einer Höhle an, wo ihn feine Frauen und Kinder begrüßten. Etwa 200 Schritt weiter, thalaufwärts mündet ein anderes ſchlucht⸗ ähnliches Thal, in welchem 13 Familien, die meines Führers nicht mitgerechnet, Höhlen bewohnen. ‘Diefe Höhlen waren ungefähr 10 Fuß über den Thalboden erhaben und find durch die Ausmwafchungen der weichern Straten de8 Jura-Dolomitkalks entftanden. Ihre Xiefe betrug bier ungefähr 15 Tuß und ihre Höhe 8 Fuß. Um fih und ihre Heerden, welche aud) darin untergebracht find, vor wilden Thieren zu ſchützen, ziehen fie ein Gehege dorniger Sträucher davor. Eine folhe Scheidewand fondert auch die Wohnungen der einzelnen Familien voneinander ab. Eine Anzahl fehr bösartiger Hunde bewachte diejes Troglodytendorf, welches im Ganzen, wie ich fpäter fah, 93 Köpfe zählte. Die Kameele, deren fie etwa 50 Stüd befigen, liegen wäh- rend der Nacht mit Frummmgebundenen Vorderbeinen im Wädiy. An Pflöcden, welde in den Riten des Gefteins eingejchlagen waren, hingen die Proviantfchläudhe umher.

Wie man fich denken kann, war bald die ganze Colonie um mid) verfammelt, und mein alter Führer erzählte ihnen, was mir wiber- fahren war, verjchwieg aber die wahre Urfache, nämlih, dag man mich für einen königlichen Kundſchafter gehalten Hätte, und fette die Habfucht des Sultans von Sfayf an ihre Stelle. Alle bedauerten mich und waren im höchſten Grade zuvorfommend, weldes wahr: fcheinlich nicht der Fall gewejen wäre, wenn er auch hier das Gerücht verbreitet hätte. Der alte Beduine ließ durd eine feiner Frauen, deren er vier hatte, ſogleich Brod baden, dann wurden hölzerne Näpfe hereingebraht, mit Milch gefüllt und Brod hineingebrodt, welches dann eine Frau mit ihren Händen zu einem Brei zerquetfchte und mit Yutter begoß. Obgleich diefes Gericht nicht auf die rein- lichſte Art zubereitet war, jo mundete es mir doch, denn der heutige Marſch hatte meinen Appetit geſchärft.

Am Abend fagte mir mein Dadjayl, daß wir den folgenden Tag hier bleiben würden, weil einer ihrer jungen Männer beirathe, und

262 Eine Beduinenhochzeit.

daß fie alle am nächftfolgenden Tage in eine andere Gegend zügen, welche auf dem Wege nad) Makalla läge.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Windftille und heiterm Wetter 20°, am Mittag bei Nordweitwind 27°, am Abend 22°. Die beiden folgenden Tage (der 26. und 27. Auguft) blieb der Ther- mömeterftand derfelbe.

238. Auguft. Am folgenden Tage (den 28. Auguft) war bis Mittag Lange Feine Anftalt zur Hochzeit zu fehen. Im Gegentheil waren die Beduinen alle ihren Geſchäften nachgegangen, d. h. nämlich „die Frauen‘; die Männer überlicken fih dem dolce far niente. Ich meinerjeits fah erft zweien diefer geplagten Geſchöpfe zu, wie fie Yutter bereiteten, und trieb mich die übrige Zeit auf dem Plateau oder im Wädin umher. Zur Butterbereitung bedienten fie fich eince Ziegenſchlauchs, deifen härene Seite nad) innen gefchrt ift und an deffen Hinter - und Vorderbeinen Stöcke befeftigt find. Nachdem fie bie mit Milch vermifchte Sahne hineingegoffen und den Schlauch zu: gebunden hatten, zogen fie ihn fo lange hin und ber, bie fich die Butter abgefondert hatte. Die Butter wurde dann fogleich über dem Feuer zerlaffen und in die dazu beftimmten Schläude gegoffen. ln: gefähr gegen 4 Uhr Nachmittags kehrten die Frauen mit den Heerden zurüd, fie felbft mit großen Bündeln Holz beladen, und nun wurde es im ganzen Thal lebendig. Die Frauen trillerten den Sugha— rith und die Männer fchoffen ihre Gewehre ab. Kurz, die Hochzeit nahm ihren Anfang. Alle Männer begaben ſich vor die Höhle des Bräutigams und die Frauen vor die der Braut, die Väter des Braut: paares fchlachteten Jeder mehrere Schaafe, große Teuer loderten auf, und num wurde geſchmauſt und gejungen bis etwa zwei Stunden nad) Sonnenuntergang. Die jungen, unverheiratheten Männer nahmen hierauf den Bräutigam in die Mitte und zogen hierauf nad) der Höhle der Braut, um fie abzuholen. Hier aber wurde ihnen der Beſcheid, daß fi) die Braut geflüchtet habe und man nicht wiſſe, wohin. Nachdem der Bräutigam und feine Gefährten die ganze Höhle durd: jtöbert und nichts gefunden Hatten, eilten fie mit einem gräßlichen

Scheinkampf um ben Beſitz der Braut, 263

Geſchrei zu ihren Waffen, "zündeten die Lunten an und machten fich auf, die Flüchtige zu ſuchen. Ich ſchloß mic dem Schwarme an und z0g mit ihmen wenigftens zwei gute Stunden umher. Endlich erfahen wir einen Zrupp junger Mädchen, welche eine Höhle be— wachten, in die ſich die Braut verftect hatte. Der Bräutigam for- derte fie auf, die Flüchtige auszuliefern, allein anftatt der Antwort warfen fie mit Steinen und zwar dergeftalt, daß man es wohl für Ernft nehmen konnte. Nun liefen Die jungen Männer mit vor das Geſicht gehaltenen Armen Sturm, welcher mit einem Hagel von Steinen empfangen wurde. Dieſes war aber aud) die letzte Vertheidigung, denn als die jungen Leute auf fie eindrangen, flüchteten fich Die Mädchen mit Wehklagen nad) allen Seiten und Liegen die Braut als _ gute Beute zurüd. Der Bräutigam ſetzte ſich nun ungehindert in deren Befig, und die Uebrigen zogen ſich dann etwa 100 Schritt zurück, wo fi dann auch die Mädchen einfanden. Es währte nicht Yange, fo kam das Baar, welches al8 Braut und Bräutigam die Höhle betreten hatte, als Mann und Frau wieder daraus hervor, Letztere mit einem großen Tuche verhült. Sie wurden jest in die Mitte genommen und unter Gewehrſchüſſen und Sugarithtrillern nad) der Höhle des Mannes gebracht. Bevor fie jedocd, eintraten, fchlachtete ber junge Ehemann zwei Schaafe zum Opfer, welche auch fogleich auf glühenden Steinen gebraten und verzehrt wurden. Hiermit war - die Feftlichkett beendet und Jeder legte fih zur Ruhe.

Die Anzahl- der Frauen, welche ein Beduine heirathet, richtet ſich nad; der Zahl feiner Ziegen und Schaafe, denn ſowie eine Heerbe, die fie beauffichtigt, für fie zu groß wird, heirathet er noch eine Frau und theilt die Heerde in wei Theile.

29. Auguft. Die Sonne ftand fchon hoch, als die fünmtlichen Iamilten am 29. Auguft ihre Kameele zu laden begannen und die Heerden unter der Aufficht der Frauen, einiger Männer und der Hunde auf das Plateau getrieben wurden. Der Zug über die Hod- ebene gewährte einen eigenthümlichen Anblick. Auf den Kameelen waren die Hansgeräthfchaften, einige Frauen, deren Zuftand das

264 Nomadiſches Leben der Höhlenbewohner.

Gehen nicht erlaubte, und die Kinder geladen. Rechts und links vom Wege wanderte die in verſchiedene Haufen vertheilte Heerde, welche ungefähr aus 1500—2000 Schaafen und Ziegen bejtehen mochte, und die rechts und links von cinigen bewaffneten Männern flanfirt wurden. Ein Bortrapp von ſechs Männern ging ungefähr /, Stunde voraus. Da dieje Ordnung immer beibehalten wird, und die Schaafe und Ziegen weidend vorwärtsgehen, fo bewegt fi) der Zug nur fehr langfam feinem Ziele zu.

Wir kamen bei einem Heinen Dörfchen Kotayfa und an einer Gifterne vorüber und lagerten ungefähr gegen 4 Uhr neben einer @i: fterne, welche am Entftehungspunfte, einem Heinen Wädiy, eingehauen ift, der in den Wädiy El Ayffär mündet.

In zwei Tagereifen erreichten wir den Dfchebel Mathärun, eine mit Gebüfch bewachſene Erhöhung der Hochebene. Bei einem Grab: male, in welchem die Gebeine eines Heiligen, Namens. Dmär ruhen, wandte fi) der ganze Zug nad) Oſten umd ftieg in den Waͤdiy Mathärun, feinem Beſtimmungsorte, hinab, wo gleich eine Reihe von Höhlen bezogen wurden. In 10 Minuten waren alle Familien häuslich eingerichtet, denn die Gehege von dornigen Sträuchern und die Pflöce in den Felsipalten exiftirten hier nod) von früher her, und als alle Schläuche aufgehangen und die Feuer angezündet waren, ſchien es, als hätten fie von jeher Hier gewohnt. Auf unferm Wege von unſerm letzten Nachtlager bis hierher kamen wir an fünf Gi- jternen und den Entjtehungspunften von acht Wädiy vorüber, von denen ſechs weftlih in den Waͤdiy El Ayffar und zwei öftlid) in den Wadiy Odyme münden. Die Entfernung von den verlaffenen Wohn- figen im Wadiy Kotayfa bis hierher beträgt ungefähr 1LO—11 Stunden, die Richtung des Weges war Süd, 30° Oſt.

Am Abend wurde ich mit einem mir ganz neuen, eigenthümlichen Aderglauben befannt; mehrere Beduinen nämlich lagen ausgejtredt um das Teuer meines Dachayl, während ic) mein Lager einige Schritte von ihnen aufgefchhlagen hatte. Um meine Pfeife anzuzünden, wollte id) zum Feuer gehen, und da ic) Teinen Raum zum Durchgehen fand,

Aberglaube über die Mittheilung von Krankheiten. 265

hritt ich über die Beine eines Beduinen. Ich erftaunte nicht wenig, als derfelbe auffprang und mir im heftigften Zorne die bitterften Vor— würfe machte, daß ich ihn mit Krankheiten überjchüttet hätte. Mein Führer trat dazwilchen, machte mir auch, jedoch in fanfterm Zone, Vorwürfe und erflärte mir, als ich ihn frug, was id) denn eigent- lich verfchuldet habe, daß ich durch mein Weberfchreiten des Körpers - feines Freundes, nicht allein die Krankheiten, an denen ich jebt viel- leicht Litte, fondern auch alle die, welche ich nocd, befommen würde, auf ihn übertragen hätte. Um ben guten Mann zu beruhigen, antwortete ich ihm: „daß, da dem fo wäre, ich erbötig fei, ihn wieder über mich wegjchreiten zu laſſen“. Diejes Anerbieten wurde auch jogleich angenommen. Ich legte mich dann der Länge nad hin und der Beduine fchritt über mich weg. Ich fah an feiner zufriedenen Miene, da er fich im Innern Glück wünfchte, mir nicht allein meine, fondern auch feine jegigen und zukünftigen Krankheiten übertragen zu haben.

30. Auguſt. Während der legten drei Tage, nämlich am 28. Morgens bis zum 30. Abends, ftand der Thermometer am Morgen bei Windftilfe und heiterm Wetter 20°, um Mittag bei Norbiweft- wind 27° und am Abend 22°,

31. Auguft. Am 31. Auguft reifte ic mit meinem Führer früh Morgens weiter und traf am Entftehungspunfe des Waͤdiy, wo wir die Hochebene betraten, eine Daͤfila von 50 Kameelen und einigen 30 Bebuinen des Stammes meines Führers, welche Tabak und Summi-Alod nad) Makalla brachten. Wir jchloffen uns ihr an und famen nah ungefähr 1 Stunde an eine Cifterne, wo gelagert wurde. Ungefähr um 2 Uhr Nachmittags brachen wir wieder auf und Tamen nad ungefähr 1”/, Stunde an den Rand eines Teffel- fürmigen Thales, welches fich gegen Südoften zu einer engen Schlucht geftaltet. Wir ftiegen in ihr herab und lagerten unter einer Grippe von einigen 20 PBlatanen, neben welchen fi ein Baffin mit Wafjer befand. Mit diefem Kefjelthale beginnt einer der Hauptwaͤdiy der untern VBergregion, nämlich der Wädiy Howayre. Biel erzählten die

266 Sage über die Leuchtläfer.

Beduinen von Räubereien und Mordthaten, welche in dem dor uns liegenden Engpaffe von den aus ihren Stämmen geftoßenen Beduinen (Bawwäg) verübt worden. Diefe Banden find fo gefürdtet, daß die Kaufleute von Makalla, Schihr und den Städten des Innern ihnen förmlich Tribut zahlen, um die Wege offen zu erhalten. Jedoch Ichienen die Beduinen nicht fehr darauf zu bauen,. denn die ganze Nacht Hielten fortwährend 10 bis 12 Mann Wache. Am Abend wimmelte e8 auf allen Büſchen von Teuchtenden Inſecten, welche meinem Beduinen Veranlaffung gaben, mir eine ihrer Bolfsfagen mitzutheilen. Nach ihr giebt es im Gebirge cine Schlange, welde einen großen Diamant auf dem Kopfe trägt. Wenn nun die Schlange an ein Waffer fchleiht, um zu trinken, legt fie den Edelſtein ab, damit er ihr nicht entfällt, umd nimmt ihn wieder auf, wenn fie ihren Durſt gelöfcht Hat.

Kann nun Iemand ihr den Stein entwenden, wenn fie ihn ab- gelegt hat, denn zu einer andern Zeit ift es nicht möglich, fo ftehen ihm alle Dſchinny der Welt zu Gebote, und er ift folglich der Glück⸗ Tichfte unter allen Menſchen. ‘Die Beduinen glauben, daß der König Salomo ein fo Glücklicher gewefen ſei, weshalb er aud) die Sprade der Thiere verftanden habe, in welcher ihn die Dſchinny unterrichtet hätten.

Der Thermometer ftand am Morgen des 31. bei Windftille und heiterm Himmel 28°, um Mittag bei Nordweitwind 24°, und am Abend 20°,

1. September. Am 1. September. theilte fi ein TZrupp von 20 Beduinen in zwei Parteien, von denen die eine rechts, die andere links von der Schlucht auf den fie begrenzenden Höhen blieb und die Qäfila begleitete. Diefe VBorfiht war auch nicht überflüffig, denn längs dem ganzen Hohlwege, welcher auf eine Länge von 2 Stunden ungefähr nur eine Breite von 25 Schritten mißt, befinden ſich oben an den ziemlich fteilen Thalmänden aus übereinander gelegten Steinen Bruftwehren, von denen aus die Wegelagerer die Reijenden erfchießen und dann berauben. Ic zählte 17 Steinhaufen, unter denen Er:

Waͤdiy Howayre. Furchtbares Gewitter. 267

mordete begraben lagen, und wenigſtens 40 Stellen, an welchen die Spuren ſichtbar waren, welche die Kugeln auf dem Geſtein zurück⸗ gelaffen hatten. Der untere Theil diefes Engpaffes ift mit: großen Telsblöcen bedeckt, welche einen Hohlweg bilden und zwilchen denen Geftrüppe emporwädit. Längs diefes Abhanges führt der Weg auf den Vorfprung eines tertiären Kalfgebirgs bis zu einem von wenigen Heinen Häufern und angebauten Feldern umgebenen Thurm, in welcher Beduinen des Stammes Agaybere wohnen und der den Namen Dim Howayre führt.

Hier Tlagerten wir bei einem natürlichen, fehr tiefen Baſſin, welches am Fuße obenerwähnten Abhanges Liegt und dicht mit Lotus— blättern bededt if. Im Südweſten von diefem Schurme erheben ſich die riefigen Koppen des Kaur Sfaybän und Mäpyile Matar, und weiter nad) Süden die Gipfel des Dſchebel Lehde. Ganz in der Nähe des Baffins ftehen mehrere Bäume, von denen ich auf meiner Reife bis hierher noch feine gefehen hatte. Nämlich der Hibiscus muta- bilis, ein Baum, der zu gleicher Zeit weiße und rothe Blüthen trägt, weldhe die Form und Größe einer Rofe haben. Der Baum ift von der Größe eines großen Apfelbaums, dem er auch in der Form gleichkommt. Es ftanden eine Menge diefer Bäume umher, und da fie in volfer Blüthe waren, gaben fie dem Thale das An- iehen eines Roſenhains. Nächſt diefem der Arafbaum (Er Rak), welchen Forskäl (Flor. pag. XXXII) Salvadora per- sica nennt; Andere geben ihm den Namen Cissus arborea. Wir lagerten hier den ganzen Tag, um noch 10 Kameele zu erwarten, welche zur Däfila gehörten und einen andern Weg ge⸗ nommen hatten. Des Nachmittags donnerte es oben auf dem Pla- teau heftig, und da wir zwifchen zwei ſehr fteilen Felswänden gelagert waren, jo hielten es die Beduinen für rathfam, die Schlucht zu ver- laſſen und ſich auf einen etwas weiter unten liegenden Hügel zurüd- uziehen. Raum Y, Stunde nad) unſerm Umzuge hörten wir ein heftiges Raufchen und ein Beduine rief: „Eg Cal! Ee Kal!“ („Die Fluth! Die Fluth!“) Der Anblid, der fi) mir jegt darbot, war

268 Große Ueberſchwemmung. Waͤdiy Kamiſch.

erhaben und prachtvoll. Der ganze mit Felsblöcken bedeckte Abhang war in einen ſchäumenden Waſſerfall verwandelt und es dauerte nicht lange, ſo tobte in dem früher trockenen, hier etwa 200 Fuß breiten Flußbette ein wenigſtens 6 Fuß tiefer, reißender Strom. Jedoch genoß ich dieſes Anblicks nicht lange; denn ſchon in Y, Stunde fonnte man trodenen Fußes durch den Wädiy gehen. Auf der höchſten Koppe des Kaur Sfayban befindet ſich ein Kuppelgebäude, das Grabmal Sfaybäns ibn Nedſch, das id) von meinem Lagerplatze fehen Tonnte.

Des Morgens ftand der Thermometer bei Windftille und heiterm Wetter 20°, um Mittag bei Nordweitwind 30°, und am Abend bei Süldoſtwind 24°.

2. September. Die erwarteten Kameele kamen erft am Mittag des 2. September, und da fie ausruhen mußten, braden wir erft gegen 2 Uhr auf, machten aber nur ungefähr 2 Stunden, bis wir bei einem gemanerten Baffin anlangten, zu weldem das Waffer vom Gebirge in gemauerten Rinnen geleitet wird und das eine ungeheuere Menge von Blutigeln enthält, weshalb die Beduinen ein Tuch über das Waffer ausbreiteten und einige Steine darauf warfen, wodurd) eine von Blutigeln freic Stelle gebildet wurde, aus der fie ihre Schläuche füllten und die Kameele tränkten. Dieſem Baffin gegenüber an der rechten Seite des Waͤdiy ſteht ein fehr Schönes Diorittrümmer: Geftein, welches ſich auf eine Strede von 5 Stunden bis zur Mün- dung des Waͤdiy Mäyile Matar ausdehnt.

‚Am Morgen des 2. ftand der Thermometer bei Südoftwind 22°, um Mittag bei Windftille 33°, umd am Abend bei Nordweſt⸗ wind 26°.

3. September. Nur eine fehr Fleine Zagereife von 3%, Stunde machten wir am 3. September bis zu einem Gchöfte, welches, von Dattelpalmen und Eaatfeldern umgeben, an der Mündung des Wädiy Kamiſch Liegt. Die zehn zulett gefommenen Rameele follten bier mit Zabaf und Indigo beladen werden; da jedoch die Waaren noch nicht verpadt waren, fo bequemten fi) die Beduinen, darauf zu warten.

Ayn er Raͤff ed Don, 269

Diefer Wädiy ift ungefähr 200 Schritt breit und etwa 1 Stunde thalaufwärts mit Dattelpalmen bejett, unter denen das Land bebaut ift. Das Gebirge bejteht aus tertiärem Kalk. Jedoch fand ih im Flußbette Rollftüde von Granit, Gneis, Chlorit und Quarz, welches auf die Formation der weiter oben liegenden Gebirge fehließen läßt. Die Gegend ift von Beduinen des Stammes EI Hamum bewohnt, zu welchen auch die Bewohner des Gehöftes gehören.

Der Thermometer ftand am Morgen bei Südoftwind und heiterm Himmel 22°, um Mittag bei Windftille 36°, und am Abend bei Nordweitwind 28°.

4. September. Da die Ballen erft am Abend des 4. bereit waren, fo fetten wir die Reife erſt am Morgen des 5. fort, legten aber nur eine Strede von ungefähr G Stunden bis Ayn er Räff ed Dyn zurüd. Von der Mündung des Mäyile Mater an wird der Wädiy immer breiter und hat bei Ayn er Raͤſſ ed Dyn eine Breite von 2 Stunden. Der Weg führt längs dem Fuße des Dſchebel Lehde hin, dem auf diefer ganzen Strede Höhen eines tertiären Kalkſand⸗ jteins vorliegen. Der Wäadiy ift mit Flugſand bededt und reich an Mimofen-, Tamarisfen- und Nebefbäumen, zwilchen denen die Gift: pflanzen El Oſchr und El Marh (Asclepias procera und Asclepias : ignivoma) zu einer außerordentlichen Stärke gedeihen. Ayn er Räff ed Dyn ift ein niederer, flacher und mit einem, üppigen Graswuchs bededter Vorfprung des Gebirges, auf welchem jich zwei Kleine, jumpfige, mit Rohr umwachſene Teiche befinden, in denen fich eine Unzahl von Blutigeln aufhalten. Hier und da fieht man Gruppen von Dattel- und Dompalmen. Da wir an diefem Zage nicht weiter veiften, Fauften die Beduinen von eimer mit ihrer SHeerde vorüberziehenden Bedninenfran 5 Schaafe, wofür fie einen öfter- reichiſchen Thaler bezahlten. Obgleich ich zum Ankaufe derjelben nichts beigetragen hatte, jo verlangten fie doch, daß ich meinen An- theil nehmen follte; das Fleiſch wurde auf die ſchon Früher befchrie- bene Art zubereitet. Auf der entgegengejetten Seite zieht ſich der Dſchebel EI Hamum bis an das Meer und erhebt feine ſchroffen

270 Schihr. Wadiy Mogayre,

Gipfel bis zu einer Höhe von beiläufig 4000 Fuß über den Meeres— fpiegel; ja die höchſte Koppe deffelben, welche den Namen Entaf el Hamum führt, ſchien mir noch höher zu fein. Am Buße diefes Ge- birges liegt die Stadt Schihr 170), eine der Haupthafenftädte des Littorals, welche von Sultanen beherrſcht wird, die zu der aus ber Provinz Yafiia ftanımenden Familie BA Rayke gehören; der jest (1843) lebende Sultan heißt Alyy Nay Rayke.

Der Thermometer ftand an den Tagen des 4. und 5. am Morgen bei Südoftwind und heiterm Himmel 22°, um Mittag bei Winftille 36°, und am Abend bei Nordweftwind 28°.

6. September. Am 6. Septentber brachen wir ungefähr gegen 10 Uhr auf und zogen durd eine öde traurige Gegend, in welcher biendendweiße Hügel eines tertiären Kalle mit dürren, fandigen Schluchten abwechſelten. Nach einem Marche von etwa 5 Stunden lagerten wir in einem gebüfchreihen Wädiy, Namens Mocayre.

Der Thermometerftand blieb derjelbe, wie der des vorigen Tages; während der Nacht war ein jtarfer Thau gefallen. Die Richtung des Weges von Kotayfa ift Süd, 30° Dit.

T. September. Am 7. September durchzogen wir wieder öde, dürre Schluchten, weldye die Kalfhügel durchbrechen, und betraten nad ungefähr 3 Stunden den Wädiy Hataby, in welchem wir bis etwa 2 Uhr Nachmittags ausruhten. Links vom Wege in euer Entfernung von 1 Stunde ſah ich die blaue Fläche des Meeres und das an ihm liegende ‘Dorf Rohſch, welches von Fifchern bewohnt wird. Bon dieſem Nuheplage an legten wir noch 1%, Stunde zurüd und lagerten dam einer Duelle im Wädiy Dhyq edh Dhyäg, 1Y, Stunde vom Meere; rechts vagten die Dattelpalmen des Dorfes gleihen Namens herüber. Die Richtung des Weges ift Sid, 30° Weit.

8. September. Am 8. September feßte ſich die Däftla mit Zagesanbrucd in Bewegung und gelangte nach etwa 2 Stunden nad) dem Dorfe Harr Schiwäts und von da in 4 Stunden nad) Ma—

kalla, wo fie außerhalb des Thores ihr Lager aufſchlug. Mein Beduine

nahm meine Sachen auf den Rüden und führte mid) ins Haus meines

Rückkehr nach Makalla, Ende der Reife. 271

frühern Wirths, den ich aber nicht fand, da er nad) Schihr verreift war., Da id Niemand anders kannte und ohne Geld war, fo blieb mir nichts Anderes übrig, als in der großen Moſchee ein Unterfommen zu fuchen; ich fagte daher meinem Dachayl, mich dahin zu bringen.

Als wir über den freien Platz fchritten, welcher die neue Stadt von der alten trennt, trat ein Schwarzer zu mir heran und Fündigte mir an, daß mid) der Sultan fprechen wolle Der Zitel „Sultan“ machte mid) ftußen, denn die arabifchen Sultane waren mir von . Sfayf aus bedeutend zuwider geworden. Jedoch die Nothwendigkeit gebot zu gehorden, und in Erwartung der Dinge, die da kommen folften, ftieg ich mit ſchwerem Herzen Hinter dem Schwarzen her eine Treppe hinauf und trat in das Gemach des Herrſchers von Mafalla.

Ich wurde freundlid von ihm empfangen und gebeten, mid neben ihm niederzulafjen.

Er fagte mir dann, daß er bereit8 von dem Vorfalle in Sfayf gehört Habe und erſuchte mid, ihm Alles ausführlich zu erzählen. Als ich mit meiner Erzählung fertig war, befahl er einem Sclaven, meine Sachen in eine Stube zu bringen, und fagte mir, daß unge- fähr in ſechs Tagen eines feiner Schiffe nad) Aden abginge und daß er mich mit demfelben dahin befördern wollte; bis dahin follte ich ruhig bei ihm bleiben. |

Der Thermometerftand der beiden leßten Tage war am 7. Mor: :gens bei Nordojtwind 20°, um Mittag 30°, am Abend 22°; des Morgens am 8. bei Nordoftwind 20°, um Mittag 28°, und am Abend 22°. So lange id in Makalla blieb, blieb auch diefer Stand des Thermometers conftant. In den Nächten fiel fehr ftarker Than.

Demerkungen und Ausführungen zu

A. v. Brede?’3 Reiſe in Hadhramaut

von

Heinrich Zireiherrn von Maltzan.

A. v. Wredes Reife in Habhramaut. 18

1) Nachoda, AL, ein urfprlingfich perfifches Wort, bedeutet „Schiffe- herr“ und ift in ganz Arabien an Stelle des arabifchen Ausdrucks für Sciffe- capitain, welcher „Rayyſſ“ lautet, getreten.

2) Edrus, fehlerhafte dialektifche Ausfprliche flir Idryſſ, Name des Hei- ligen, unter bdeffen beſonderm Schute der Süden von Yemen und namentlich das Land um 'Abden fteht.

3) Räfidhy (eigentlich Räfidhyy), d. 5. ftrenggenommen nur wer zur Secte Räfivha, welche Sayd, ben 'Alyy, ben Hoflayn, ben Alyy als Imäm anerkannte, gehört, wird aber auch auf alle Ketzer und Ungläubige im Allgemeinen abufive ausgedehnt.

4) Zaräd ift eine Art von Däum, d. h. ein Segelichiff von 560—100 Tonnen Tragkraft, mit 2 Maften, einem großen und einem ganz Meinen, der mehr wie ein Flaggenftod ausfieht, beide mit lateinifchen Segeln. Die Taräb unterfcheidet fi) vom Daum nur dadurch, daß ihre Planfen nicht angenagelt, ſondern durch Stride miteinander verbunden find.

5) Abu Sfaryr, d. 5. der „Befiker des Ruhebettes“ war ein heiliger Derwiſch aus Indien, der aus Armuth nicht zu Schiff nad) Dſchidde fahren fonnte, um die Bilgerfchaft zu machen. Da er aber Wunder wirken konnte, fo benutte er feinen Sfaryr, d. h. ein Ruhebett von geflochtenen Binfen, um auf biefem bie Ueberfahrt zu machen, und langte glücklich in Dſchidde an, wo er nun als Heiliger in hohem Andenken fteht.

6) Borum findet fich bei feinem arabifchen Geographen. Nach Wellfted (Reife in Arabien, liberfegt von Rödiger) liegt Borum am Eingange eines engen GSebirgspaffes, hat viel Waffer, leidet in Folge der eingeengten Lage fehr von Hige. Das Raͤſſ Borum befteht nad) Haynes (Survey etc.) aus bunflem Kall- fleinfels von fchroffen abfchüiffigen Formen.

7) Dſchebel Reich, d. 5. der „Berg des geringen Regene”, Er beißt

„pauca pluvia’',

8) Waͤdiy Dahſſ. Das Wort Dahſſ, BO, bedeutet einen weichen und ebenen Boden, der weder fandig noch lehmig ift (Freytag, Lerifon). 9) Bagla oder Bagala ift Fein arabifches Wort, fondern inbifhen Ur- ſprungs. Im Sanskrit heißt es Bahala oder Vahana. Jetzt verfieht man 18*

276 Bemerkungen und Ausführungen

darunter ein größeres Schiff von 100-150 Tonnen Tragkraft, das fih nur durch die Größe von dem Daum (f. Note 4) unterfcheidet, fonft aber diefem und der Tarad ähnlich ift.

10) Neby Allah Hud heißt der Prophet Allah's Hud. Hud war ein echt arabifcher Prophet, den Allah zu den gottlofen Adyten fandte, um ihnen Buße zu prebigen, der aber von diefen getöbtet wurde (Dorän, Kap. 26, 124). Er ift ber in Hadhramant vorzugsweife verehrte Prophet. Nach Einigen war er ber Eher der Bibel. Ueber feine Nachkommenſchaft jede man unten im Anhang I, B. Ueber das Grab des Propheten Hud vergleihe man Ibn Batuta ed. Defr&mery et Sanguinetti, Paris 1854, Tome II, p. 403. Ebenſo Idryſſy in Jaubert's Ueberfegung, Paris 1836, Tome I, p. 54. Man fehe aud unten Note 166 über die Wüſte el Ahqaf, wo nad) Yaͤqut das Grab des Propheten Hub fein foll.

11) Faͤtiha, vulgo Fat⸗ha ausgeſprochen, ift das erfte Eapitel des Doräng, das jehr kurz ift und das beliebtefte Gebet des Moslims bildet.

12) Eſchhed Allah, d.h. „Ich bezeuge, daß Gott iſt“ oder „Ich rufe Sott zum Zeugen an”, die Anfangsworte bes Glaubensbekenntniſſes der Mo bammebaner.

13) Zur Zeit von Wellfted's Reife (1833) regierte in Borum Mobamme ibn "Abd el Abyb, der feine Nebenbuhler im Sultanat verdrängt und mit Hüffe der Bebuinen den Thron behauptet hatte. Alfo konnte der von Wrede bejchrie- bene Sultan, obgleich ein Greis, 1843 noch nicht lange geherricht haben.

14) Dabtän wird allgemein als der Stammvater aller Südaraber an- gejeben. Wenn er, wie die Hadhramauter annehmen, ein Sohn Hud's war, fo mlffen wir in ihm wohl den Joktan und in Hud den Eber der Bibel er: blicken. Himyar, der Stammpater der Himyariten, war ein Abkömmling Dabtän’s, fein Vater mar "Abd Schamff oder Sfäbe, fein Großvater Yaſchdſchob, fein Urgroßvater Ya rob, Sohn Dahtän’s. Himyar gilt für den vierten König von Yemen. Nach Eauffin de Perceval (Tab. I) hätte er um 695 vor Ehriftus gelebt. (Dan fehe unten im Anhang I Wrebe’s Königsliſte.)

15) Sfaybän. Nah Sſam'aͤdy mären die Sſaybaͤn vom bimyarifchen Stamme ber Schaybän und ſtammten von Sfayban, Sohn des Ghauth, des andern, Sohn des Schayban (EI Ofiyuty, Lobb el Lobab, ed. Wejers, S. 145). Damit fteht in Widerſpruch die Tradition diefes Stammes, welche Wrede ver- nahm, wonach Sfayban fein Himyarite und nicht einmal ein Dahtänite, ſondern von Hodun, einem Bruder von Dahtän, abftammen foll, in welchem wir dann den Peleg der Bibel erblicken müßten.

16) Dſchembiye geiprochen, aber Dichenbiye gejchrieben., N Iautet be kanntlich vor B in M über.

17) Wäcy, oh: PBarticipium von so verbinden, heißt alſo eigent-

fich der „Verbinder“, d. h. der „Vermittler zwifchen dem Fremden und dem Stamme, ber ihn beſchützt.

zu A. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 277

18) Tihaͤma, —2 bedeutet weiter Nichts als „Tiefland“, und es iſt

gänzlich unrichtig, das Wort fiir einen beftimmten Provinzialnamen zu halten. Diefer Fehler ift jedoch fo fehr verbreitet und fchon fo alt, daß es ſchwer fein büirfte, ein Aufgeben deſſelben von Seiten der Geographen zu Hoffen, um fo mehr als fie eine fo gewichtige Duelle, wie Abu el Fidaͤ, flir ihre Anficht auf⸗ führen können. Diefer Geograph theilt Arabien, das er übrigens ſehr fchlecht kannte, in fünf Diftricte ein. Diefe nennt er 1) Tihäma, 2) Nedſchd, 3) Hi- dſchaͤs, 4) "Orudh, 5) Yemen. Nun ſoll Tihäma eine im Süben von Hidfchäs, im Norden von Nemen, gelegene Provinz fein. Aber in Wirklichfeit heißt ber ganze Küftenftrich von Arabien, von Hidfhäs, NYemen, ‘Abden, Näfl’a, Hadhra⸗ maut bis nad) "Omän „Tihaͤma“. Will man ein „Tihaͤma“ vom andern unters Heiden, fo fett man hinzu das „Zihima von Hidſchaͤs“, von „Yemen‘ u. |. w. Abu el Fidaͤ's Irrthum ift jedoch erflärlich aus dem Grunde, daß fowohl er wie feine Landsleute, die Syrier, von Arabien nur vorzugsmweife Hidſchaͤs kannten und daß fie deshalb das „Tihaͤma von Hidſchaͤs“ für das „Tihaͤma fat! Erochen“, ja für das einzige „Tihaͤma“ hielten, während e8 doch nur einen Theil einer ſich um ganz Arabien ziehenden Kliftenlandfchaft bildet.

19) Waͤdiy Halle Heißt „Thal des Fleckens“. Halle, kiss, bedeutet einen leden oder einen bewohnten Ort.

20) Fuwa (ann auch Fowwa geſchrieben werden) bedeutet „Färberröthe“ (rubia tinctorum) und führt ſeinen Namen gewiß von dieſer hier nach Wrede

vielfach wachſenden Nützlichkeitspflanze 5.

21) Wadiy Cahah, d. h. das geſunde Thal. Ze bedeutet sanus, geſund. 22) Waͤdiy Chomyr. Die Etymologie iſt weniger deutlich. Es könnte

von „Le Plural pi fommen. Dies Heißt „Alles was bedachet ift‘‘, könnte

2

alſo im Sinne von „die Hütten‘ ftehen.

23) Waͤdiy Dſcharre. Thal der irdenen Geſchirre. Es darf uns um fo weniger wundern, bier ein Thal nach einem Waſſergeſchirre, der

Dſcharre 6* ) benannt zu finden, da auch der große Hauptwaͤdiy dieſer Gegend „Waͤdiy QOirbe“ nad einem andern Waflerbehälter, der Dirbe (vulgo Girbe), x je} benannt ift.

24) Agaybere. Diefer Stammesname findet fid) weder bei Wüftenfeld, Cauſſin de Perceval, noch einer andern mir befannten Stammestafel. Nach Wrede fol er einer der 15 Unterfiämme der Sfaybän fein.

25) Dabyla (Plural Dabäyf) Heißt eine größere Stammesgruppe im

Gegenſatz zu Batn und 'Arſch, Bezeichnungen für einzelne Stämme. Es giebt übrigens im Arabifchen zehn verjchiedene Bezeichnungen für größere oder Heinere

278 Bemerkungen und Ausführungen

Stammesgruppen und Yamilienvereinigungen, von denen obige brei bie ge fäufigften find, unb zwar bezeichnet jebe eine anbere Ausdehnung des Stammes: begriffes. Das Wort „Arſch“ ift in Nordafrika für „arabiſche“, das Wort „Da- byla“ daſelbſt für einheimifche (kabyliſche) Stämme gebräuchlich.

26) Bauwaͤq, kann auch Bamwwägq gefchrieben werden, doc, ziehen wir vor, das erfte W vocalifch als U zu faffen, da es fih in der Ausſprache fo ge flaltet. Vulgo wird das Wort faft wie Bo’äg ausgefprohen. Seine Ableitung

dürfte bie eines Adjectiv ber Form a5 von 5b: „boshaft, treulos handeln“ fein. Seine arabifche Schreibart ift Gin.

27) Dirbe, 5 iſt der bekannte, arabiſche Waſſerſchlauch, den alle Rei⸗ ſenden mit ſich führen. | 28) Dobbe, Kus, heißt „Kuppel, Kapelle‘. El Irme, N, ift ein

zum Wegweifer in der Wüſte errichteter Dentftein. Baydhaͤ, —S d. h. die Weiße. Dirbet Dahme, 5,45 Ks, d. h. das Kaffeehaus von Dirbe. Mobayne, ud, d. 5. bie Heine Stadt, Diminutiv von Medyna. Qaͤra, 56. d. h. der Hügel.

J & Pr} ’y) u.

29) Ayn el Ohaffäny, „ul pas d. 5. die Duelle des Ghaſſaͤ— niten. Die Ghaffäniten haben ihren Namen vom Wafler Shaffän in Nemen, etiwa ſechs Stunden nördlich von Sebyd. Wir können alfo das Vorkommen diefes Namens bier nicht dadurch erflären, daß dies die Heimath der Shaffäniten war, wie Wrede an einer andern Stelle annimmt. Ghaffüniten wanderten jedod, wie alle Völker Yemens, vielfach aus und deshalb genilgt uns die Annahme,

daß ein folches zerftreutes Stammesmitglied biefem Orte den Ramen ge- geben habe,

„2 30) Omm Bayha, sub cf, wortlich „Mutter d. h. Inhaberin der Schönheit”, alfo der „ſchöne Ort".

31) Wo’ayla, ERS, „der heiße Ort‘, von As, „Hitze“ in der Diminutivform.

32) Dachayl von S õ, „hineingehen“, im Caufativ „hineinführen“. Alfo eigentlich der „Einführer“.

33) Bei Cauffin de Perceval, Histoire des Arabes, Bd. I, findet fich bie Geſchichte diefes Weibes und ihres Schladhtenruhmes fehr abweichend von der Tradition, nach welcher Wrede bier zu berichten fcheint. Bon ihr ſoll die Pro⸗ vinz Yamama ihren Namen erhalten haben.

zu A. v. Wrede's Reiſe in Hadhramaut. 279

34) Bi Darrayn. Baͤ iſt der in Südarabien übliche Verkürzungs⸗ ausdrud für Banu oder Beny. Qarrayn, Beer heißt die „zwei Wohnungen“,

Dualform von ‘5, mansio. Der Dual wird nämlich heut zu Tage niemals im Casus rectus „Ani, fondern ſtets im Casus obliquus (der für alle Fälle fiehen muß) „ayn“ gebraucht.

35) Omm Dſchirdſche, db. h. „die Mutter bes Drehrades“, was fo viel bedeutet, als ein an Drehrädern (zum Bewäflern) reicher Ort. Dſchirdſche fommt bon or” ‚in gyrum duxit”,

36) Kath edh Dhaya, et] ee d. h. die „enge Oeffnung“, Name ber Felsſchlucht.

37 Harr Schimäts, 1 per) > d. 6. „Hitze des rauchloſen Feuers”. > heißt Hitze. LI,s heißt famma fumi expers.

88) Dſchebel Lahab (Feuer, N) heißt der „Zeuerberg”. Der Name ſcheint alfo auf einen erlofhenen Bulfan zu deuten.

39) Dhyq edh Dhyäg, tel (0, b. 5. „Enge der Engen“. 40) Hotfige geiprochen, iſt wahrſcheinlich Hotſayya, ubs, das nad)

bem Dämuff „incessus lenis”, „ein langfamer Gang der in Karawanen fort- fhreitenben Kameele“ bedeutet und wohl auf Wegesfchwierigleiten in biefem Waͤdiy zu beziehen.

41) Falh eſſ Sfifle, "TEA \;, d. 5. „aratio imae terrae‘‘, alfo etwa „niedrig gelegenes Aderland”.

42) Wadiy Mahniye, KAisıe, „ein fih windendes, unebenes Thal“.

43) Fedſch, e’ „ein hochgelegener Pfab zwiichen zwei Bergen”.

- +8 .. 44) Harf el Hagys, yvanasıll Js, heißt der „wenig belaubte‘

ober der „kahle Bergesgipfel“. Hacye bedeutet „kahl“, fowie „mit wenig Haaren verfehen‘ und fteht natürlich hier bildlich.

45) Sarmal, JS, bürfte eine ähnliche Bedeutung wie Hach3 haben. dn,s heißt nämlich depilavit „der Haare berauben”.

46) Rughyff, durfte von ui), „bereidjern“ abzuleiten fein,

würde alfe bem Berge den Beinamen „der Reiche“, d.h. „der Fruchtbare“, geben. Bon Reichtum durch Bergwerle kann bier nicht die Rebe fein, ba die Araber ſolche nicht bearbeiten und nicht ſchähen.

280 - Bemerkungen und Ausführungen

a7) Dſchebel Waſſib, ml, Jam, d. 5. „ber grasreiche Berg“.

Waͤſſib ift adj. verb. act. von aus „grasreich fein”.

48) Dihebel Hanbare, syn, d. 5. der „Heine Berg”.

49) Walyme, u) heißt das „Hochzeitsmahl“. Die Bedentung ſcheint kaum bierber zu paflen.

50) Dſchebel el Home, „Berg der Armuth“, von edel, „Armuth“.

Dſchebel el Ahliya, „Berg ber weißen Diſteln“, von st, eine weiße Diftelart. 51) Waͤdiy Lachme, sol, „Thal der Zerklüftung“.

52) Schura, 5 heißt „Schönheit“, alſo Wädiy Schura, „dab ſchöne Thal”. 68) Dhayff, ad, das „Abnehmen des Wachsthums der Pflanzen“.

54) Mahaffa von nr. „frigus herbas exurens”.

55) Räyat, wolol,, heißt „die Signale“, alfo wiirde Dſchebel ex Raya, ber „Signalberg“ heißen.

56) Nach dem Lobb el Lobaͤb gab es einen Stamm der Nedſchd Himyar. ber öftlih don den Sſarw Himyar mohnte. Da Hadhramant auch von Him hariten bewohnt war, Könnten wir den Hoffayn ibn Nedſchd ale diefem Stamme entfproffen annehmen. Rad den von Wrede gefammelten Bollstrabitionen gr hören jedoch die Amudy einem andern Stamme an, find nicht Dabtäniten, fondern Nachkommen von Hodun, der ein Bruder Dahtän’s geweſen fein foll.

57) Hayt el Darr. Hayt, us, heißt „die Mauer‘ und Darr, gr „eine Burg, ein Schloß“, bildlich auch wohl ein burgähnlicher Felſen, älſo Hayt el Darr, die „Schloßmauer“ oder die „burgähnliche Felsmauer“.

58) Moygag ift als part. pass. der IV. Conjug. von 5 „elbus fuit” aufzufaffen, diirfte alfo „die Weiße“ heißen.

59) Schowayye, Kay adverbialifh „wenig“, fubftantivifch „die Heine Sache“, bier alfo „der Heine Ort”.

- oo ? 60) Rohde, BÄSU, excavatio, eigentlich eine künſtliche Aushöhlung, eine Ciſterne im Felfen angelegt u. |. w. 61) Ba Dſchaͤh. Alle mit Baͤ (ftatt Beny, Söhne, ftehend) beginnenden Ortsnamen find von Stämmen entlehnt. Dſchaͤh ſcheint mir jedoch fein eigent- liches nom. propr., fondern ein Appellativ in der Bedeutung bie „Herrſchaft“,

zu 9. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 281

bie „Macht“. Der Stamm Dſchaͤh heißt alfo „Söhne der Herrfchaft” oder „Die Mächtigen”.

62) Eily, ‚Lo, don a, sustinuit fervorem ignis, alfo „Hitze“.

63) Gibära, —R „der Bruſtpanzer“. Dſchebel Gidaͤra heißt alſo der „Panzerberg“. Nach dem Berge iſt der Waͤdiy benannt.

64) Foghar, zu heißt „Flußmündung“, alfo Dſchebel Foghar, „Berg der Ylußmlndung‘ wobei man freilich hier nicht an einen wirklichen Fluß, ſondern höchſtens an einen Gebirgswädiy denken Tann, d. h. einen nur nad) ftarfen Regen wafferführenden Gießbach.

65) Choraybe. Diefer Häufig vorfommende Name könnte ale Ber-

Heinerungswort von Charib, oy> „die Wüfte”, angefehen werden. Wahr-

fcheinlidher ift er jedoch Verkleinerungswort von Chorbe x >. Wir finden. nämlich im Wädiyg Do’än dicht nebeneinander zwei Städte, Chorbe und Choraybe, d. h. Chorbe und das „Heine Chorbe“. Die Bedeutung von Chorbe, welches ein „Loch im Boden‘, d. h. ein „Keſſelthal“, heißt, entfpricht auch ungleich beffer

der Focalität, als die Bedentung „Wuülſte“. °

66) Fardſchalaͤt von Je, „mit weiten Schritten gehen”. Der Berg heißt alfo der „Berg der weiten Schritte‘, d. h. der Berg, wo man fchnell ſchreiten muß, wegen der Gefahren der Reife oder der Unmirthbarkeit der Gegend. Solche Benennungen find ganz im Geiſte der Bebuinen.

67) Montifd, Vice, adj. verb. act. der IV. Conj. von Ur: „Feucht fein. Waͤdiy Montifch heißt alfo „das feuchte Thal“.

68) Rock, vas), heißt „fanft, weich, milde”, alfo wird man Dſchebel Rode etwa der „sanft abfallende Berg” bezeichnen miiffen.

69) Maͤyile Matar dlirfte etiwa der „Regenanzeiger“ oder das „Regen- wahrzeichen‘‘ bedeuten. Mater, yası heißt „Regen“ und Myl, Jas, wovon

able, Maäyile, „ein Wahrzeichen für Reifende errichtet. Es giebt in arabi-

{hen Ländern ebenfo gut wie in europäifchen folche Berge, die man gleichfam als Wetterpropheten anfieht und aus beren Umhülltheit oder Unverhülltheit ınau auf gutes oder ſchlechtes Wetter fchließt. Ic ſelbſt habe mehrere folder Berge in Arabien und andern Gegenden bes Orients gefunden.

70) Moffaffag, , Part. pass., IV. Eonj. von Bi, abs gewenbet”.

71) Ofwe, —* „Verwüſtung“.

282 Bemerkungen und Ausführungen

72) EI'Af, gie, „ad aquam veniens“, alſo Wädiy el 'Af etwa „bat zum Waffer führende Thal”.

73) El Bathaͤ, Lsıb;, „ein nieberer Thalkeffel, in bem viel Kies if".

74) Kaur oder Kur, —* „der Kaqmeelſattel“. Eine Benennung für einen

Berg, welche fich dem Reifenden in Arabien faft von felbft aufbrängt, fo richtig ift ber Vergleich.

75) Hagarhayan, Us as, ber „Regenbrecher“, von as, „brechen“, unb Us, Regen.

76) Doru, Be „terra quae vix peragrari potest'’ oder „‚umtvirth- bares Land”. 77) Lakal Lakal, fo fchreibt Wrede. Ein folder Rame Hätte freilich gar

.., feine Bebeutung. Wir glauben jedoch, daf wir hier el Qalqul, JIALEN, nomen

act. bon JS, „tönen‘‘, Iefen können. Bei dem Tönen in Verbindung mil einem Bergdiftrict könnten wir vielleicht an ein Echo denken.

78) Hign el Ghowayr, „Schloß der Höhle. Hicn, gas: „dat Schloß". Ghowayr, if Diminutiv von Ghur, —* die Höhle, heißt alſo eigentlich „die kleine Höhle“.

0.08

79) El ’Anffär, ul, „bie Fülle, der Reichthum“, alfo Waͤdiy el ·Ayſſar, das Thal der Fülle”, d. 5. „der Fruchtbarkeit". Doqum, 30 in Pluralform, beißt die Eingänge”.

80) Tfähir, yalb, „offenbar, anfehnlich”. Diefer Städtename if fehr

verbreitet. In Habhramaut giebt es zwei Städte Tfähir, eine im Wädiy Do'än, eine im Waͤdiy Qaçr und in der daran grenzenden Provinz Yäfla ein anderes Tſaͤhir.

81) Qolayle, LE, „ber Heine Gipfel‘, Diminutiv von &\s, „Bipfel".

82) Eſſ Sfabal, alt, „der Regen“, alfo Wäbiy eff Sfabal „Regen that”.

83) Darrapyı, Ber die „zwei Wohnungen oder Sclöffer”. Duel von Darr, y mansio firma, sedes (ſ. oben Anmerfung 34).

8) Eſch Schaff, As, „tenuis“, alfo Wadiy eſch Schaff „das ſchmale Thal”.

zu A. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 283

85) Chodhaͤra, —X „olers in hortis nascentia’'. S; 86) Oolle, M, „Gipfel“.

87) Awra, —** fissura montinm, alſo Wäbiy ‘Awra „Thal des Bergipaltes”.

88) Eſch Scharq, —8 „das öſtliche“.

89) Dabr Bayt, Er —* „Grabesſtätte“, wörtlich „Grabeshaus“.

90) In Arabien macht man einen Unterſchied zwiſchen den Nachkommen des Propheten, welche von Haſſan ben "Alyy, und denen, welche von Hoſſayn, deſſen Bruder, abftammen unb nennt leßtere Sfayydy, erftere Scheryf. In Nordafrika heigen beide „Scheryf“, auch gebraucht man dort die Pluralform „Schorafä“ oder „Schorfä', in Arabien dagegen „Scheräf”. Die Ceremonie des Beriehens der Händekommt von dem Wahnglauben, daß diefe Nachkommen Mohammed's einen „Geruch ber Heiligkeit“ aus- duften.

90°) Do’än. Die urſprünglich und literariſch allein richtige Schreibart

iſt nad; Yigut (Iacat ed. Wüßenfeld, II, 621) „cas, was wir durch „Daw' an“ oder „Dau'an“ wiedergeben können. ‘In der Ausfprache ver- ſchmilzt fi aber der Diphtong „au“ zu einem langen „o’ und ein Alif pro- lungstionis ſchiebt fi nach dem Fatha ein, woraus zuerſt Do’an und dann Do’an wird. Mebrigens begeht Yäqut den Irrtfum „Dau' an“ eine Stadt zu nennen, der in alle unfere Geographieen übergegangen ift und zuletzt noch von dem Pfeudoreifenden du Couret in feinen „Mysteres du désert“ ausgebeutet wurde, in welchen er behauptet, Do’in fei eine Stadt, welche zugleich den Namen „Raſchyd“ führe. Bekanntlich ift „Raſchyd“ eine Stadt des Wädiy Do’än, aber Niemand giebt ihr felbft den Namen des Thales.

31) Nach el Offyutyy’s Lobb el Lobaͤb find die Hamälyy eine Abtheilung des Stammes Aſd (Ad) von "Abd Allah ben Haula oder Hawaͤla. Cine Ab- theilung der Afditen wohnte fhon zu Mohammed's Zeit im Süden zwifchen ben Himyariten und den Ghäfniditen (Sprenger, Leben und Lehre des Moham- med, III, 323).

92) Dodär, ben Sfalif, ben Dſchidſ', tödtete die heilige Kameelin, welche Gott auf den Auf des Propheten Gälih aus dem Fels hervorgehen ließ. Sie ernährte die Adyten mit ihrer Mil, aber fie trank jeden zweiten Tag ihren Brunnen leer. Man beſchloß fie zu tödten, aber Niemand wagte fih daran, bis endlich Dodär unter ausnahmsweifen Umfländen geboren wurde, der bas ſchrecliche Wert vollbringen follte.e Bon feiner Rothhaarigfeit verlautet bei den mir befannten Autoren Nichts, .

93) Rhobäba, Lu, ift eine Art Altviole, die, zwifdhen den Beinen

284 Bemerkungen und Ausführungen

gehalten, wie ein Bioloncell gefpielt wird. Qaçaba, Las, ift eine einfache Flöte aus Binfenrohr. °

94) Oabadh, Haas, beißt „Beſitzthum“ oder „Landgut“, alfo Qabadh Schaych „Landgut des Stammeshäuptlings‘.

9) Häyif Heißt „Abhang des Gebirges‘, ebenfo der „Ungerechte“, alfo würde Qabadh Häyif „das Landgut am Bergesabhang“ oder „das Landgut der Ungeredhten‘ bedeuten,

95*) Diefe Anficht Wrede’s ift wohl ſchwerlich ſtichhaltig. Die perfijchen Ebnaͤ wohnten in Yemen; dag fie je in Hadhramaut geweſen, davon verlautet nicht das Geringfte. Die Ableitung bes Wortes „Ehnä“, „Lüst, iſt Übrigens fehr einfach. Es bedeutet lediglich „die Söhne‘, worunter man wohl die „Söhne bes Landes, d. h. die autochthone Bevölkerung verftehen Tann.

96) Ma'yſche, wanze, heißt „Lebensmittel“.

97) Dhahä von Is, „ausſchwitzen“, d.h. das vom Baume aus der Rinde „usgeſchwitzte“ Harz.

98) Schedſcherat et Tä’a, xalEN 5-5, d.h. der „Baum des Ge horſams“, weil er bei ber Berlihrung bie Blätter einzuziehen fcheint, d. 5. bil fich der berührenden Hand „gehorcht“.

99) Däret es Sobä, 5 6, d.h. „Hügel der Heerden“. 100) Biyr Schyb, er ya d.h. „Brunnen des Schyb‘', b. h. der

Abfinthpflanze. 101) Showapte, —E terra ampla et plans in Diminutiv.

102) Däayime, Sl, d. b. das '„aufrechte, feite, erhabene“ (Schloß).

103) Dinnyne, Die Bedeutung dieſes Wortes iſt „ein Gefäß

von Glas‘ oder „ein Stasfläfäcen". Bir haben oben fon Dirbe (Schlaud) und Dolle (Krug) als Ortsnamen gehabt, aber diefe find dadurch Leicht in folder Anwendung zu erffären, daß beide Utenfilien von den Arabern vielfach gebraudt und verfertigt werden. Die Qinnyne dagegen wirb jet nirgends in Arabien fabricirt und Glas ilberhaupt nicht gemacht. Der Name ift deshalb ein auf- fallender und vielleicht aud) von Wrede nicht richtig wiedergegeben.

104) "Abd el Dianäh, d. h. „Diener des Manäh‘, ift ein höchſt auffallender Name für einen Moslim, denn Manäh war eine Gottheit der heidnifchen Araber dor Mohammed, und zu diefer Zeit war der Eigenname "Abd el Manch ein fehr gebräuchlicher, wurde jeboch, wie alle heibnifhen Namen, dur den Bro- pheten verboten. In Hadhramant allein fcheint er ſich, ähnlich wie ber andere

zu A. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 285

heidnifche Name „Abd el Yaghuth“ (Anm. 105) erhalten zu haben. Die Leute find zu unwiſſend, um damit irgend eine Bedeutung zu verbinden, fondern glauben wahrſcheinlich es ſeien höchſt orthodore Benennungen.

105) Dſchul baͤ Yaghuth. Dſchul oder Dſchaul (Je) heißt „der Brunnen“. Bi HYaghuth iſt ein Stammesname, die „Söhne des Yaghuth“. Yaghuth aber iſt wieder ein heidniſcher Völkername, über defſſen Verehrung ſ. Krehl, Religion der vorislaͤmitiſchen Araber, Leipzig, Serig 1863, S. 73.

106) Matny, Relativum von Matn, pars durs terrae et elata.

107) Dſchofaye, Relativum von Diofä, elis, quod propellit secumgue fert aquae fluxus.

108) Iram dfät el iffmäd, d.h. „bie Beite mit den Säulen. &s wäre Unfinn eine Stadt diefes Namens oder unter der Benennung „Diät el "Amud“ (Magryzy) zu juchen, obgleich der Doran fie als Hanptftabt der Aditen bezeichnet. Aber es ift bekannt, daß die Araber unter „Aditiſche Werke” das bezeichnen, was wir etwa unter „Cyklopenbauten“ verftehen, d. h. Gebäude aus einer un- befaunten räthjelhaften Vorzeit. Auch brauchen wir kaum zu bemerken, daß Wrede hier nur eine Bolfstradition citirt, die auf den wahren Urfprung der Ruinen von Obne nicht das geringfte Licht wirft. Die bimyarifche Infchrift, welche Wrede bier copirte, giebt uns auch nicht erhebliche Aufſchlüfſe. Nur lehrt uns ihr Vorhandenſein, daß Hadhramaut zur Zeit der Exbauung der Mauern von "Obne unter himyariſchen Fürſten, entweder als mittelbar oder unmittelbar (dur einen Bayyin, Dayl oder Watr, wie die himyarifhen Satrapen hießen) verwaltete Provinz des Königreiches Yemen ſtand. Hadhramaut war nicht der eigentliche Sig der Himpariten, fondern Yemen, und nur zur Glanzzeit des himyariſchen Reiches in Nemen wurde diefe Provinz tributpflihtig. Diefer Um- ftand erflärt auch die geringe Anzahl himyariſcher Schriftdentmäler im oceani- fchen Arabien, denn außer den Infchriften von Obne, Nagb el Hadſchar, Tfafür und Hin el Ghorab find bis jegt feine Denkmäler biefer Sprache öſtlich von Yemen entdedt worden, während in Yemen jelbft die Ausbeute eine reiche war. Intereſſant ift die Infchrift von Obne hauptſächlich dadurch, weil wir auf ihr deutlich den Namen Hadhramaut leſen, jedoch etwas anders gefchrieben als ber heutige arabifhe, nämlich Hadhramut, ohne Diphtong in der letzten Sylbe. Diefer Umftand ftraft die arabifche Etymologie Lügen, welde aus Hadhramant gern (der heutigen Orthographie gemäß) „bie Bereitheit des Todes“ oder „die Wohnung des Todes‘ machen möchte. (S. Wrede’s Infchrift am Schluß des Werkes und liber den Namen Hadhramaut bie Brede ſche Königsliſte, Anhang I.)

109) Oçayde, Diminutiv von Acad, olel, ein „kahler Ort im Gebirge”.

110) Dfiyayby fommt von Dfiyb, oa Wolf oder Schakal. Es war

bei den älteften Bewohnern Arabiens und zum Theil noch bei den fpätern eine Ehrenjache für einzelne Menjchen, wie ganze Stämme, ſich nad) Thieren zu be- nennen, denen fie friegerifche Eigenfchaften zufchrieben. Dfiyayby hieß alfo das

286 Bemerkungen und Ausführungen

„Wolfsgeſchlecht“ und follte ſoviel bedeuten, als „die muthigen Räuber”, beun die offene Raubfehde galt von jeher bei deu Arabern flir ehrenvoll.

111) Die von Wellſted copirte Inſchriff von Nagb el Hadſchar findet fid in Rödiger’s Ausgabe von Wellfied’s Reifen in Arabien (Halle 1842) erffärt. Sie if infofern intereffant, als fie zweimal den Namen Mayfa’a in der him- Yarifchen Form „Mayfat“ enthält, alfo ein Beweis, daß ber „Waͤdiy Mayfa‘a” ſchon in ältefter Zeit diefen Namen führte. (S. auch Wrede's Infhrift am Schluß diejes Werkes, die gleichfalls den Namen Mayfat zeigt.)

112) Ghowayte, Diminntiv von Ghauta, —2 heißt „weiche Erbe‘ (f. oben Anm. 101). 113) Tarr, eine Art Trommel, aus einem ausgehöhlten Kürbis gemadit.

114) Rhayde, nad Wrede's Schreibart follte man hier dus (arbore-

„0, tum, palus) vermuthen, alfo würde Rhayde eff Sfowayde (Dim, von Syul, ſchwarz) der „ſchwärzliche Schilffumpf' bedeuten. Wahrſcheinlich ift jedoch die

richtige Schreibart Rayde, idoy ein fehr häufig in Arabien vorlommender Drtsname. Auch Yägut (Jacut ed. Wüftenfeld, II, 776) erwähnt ausdrücklich zwei Ortfchaften diefes Namens in Hadhramaut, woflir El Hamdjäny fein Ge währsmann if. Die eine heit „Rayde el Ibad“ ober vielleicht „Rayde di Abbaͤd, o sa) (ohne Bocalifation). Rayde heifit eine „Felſenſpitze“,

GG. "Sad „die Sclaven‘ und Abbaͤd (Us, daffelbe wie Jule) der „Anbeter‘'.

Alfo dürfte vielleicht das „Rande el Abbaͤd“, d. 5. die „Felſenſpitze des Ber- ehrers“, welche Yaͤqut anführt, mit dem vielgenannten „Rayde ed Dyn“ Wrede's, d. 5. der „Felſenſpitze des Glaubens‘, identisch fein. Halten wir aber die Ans fpradhe Ibaͤd“ (Sclaven) feft, fo führt uns der Sinn berfelben auf „Rayde eſſ Sſowayde“; denn die Ibaͤd (die Sclaven) find faft immer „Schwarze, und von ihnen konnte wohl ber Ort die Bezeichnung „ſchwarz“ befommen. (Ein Schwarzer und ein Sclave ift im Vulgärarabiſch einerlei Sinne.) Das andere Rayde nennt Yaͤqut „Rayde el Haramiye“, d. h. das „verbotene oder geheifigte Rayde', und diefes könnte gleichfalls flir „Kayde ed Dyn“ ftehen. Solder An- gaben von Orten in Hadhramaut (bei Yiqut ftets im weitern Sinne als großer Ländercompler gebraucht) find bei Mäqut jo außerordentlich wenige, daß wir diefe koſtbaren Fingerzeige unendlich body ſchätzen müſſen.

115) Schi be, ur, ein „Gebirgsweg“. 116) Chalyf, ls, ein „Weg zwiſchen zwei Bergen‘.

117) Baydra, —*X „Tenne, in der Getreide gedroſchen wird“.

118) Scheryn, 62107 bie „Käufer“ oder „Kauflente”.

zu A. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 287

119) Schirka, er bie „Gemeinde ober „Aſſociation“.

120) Sorraya, 22,8, horreum frumentarium, „Getreibefpeicher‘‘. 121) Ghaura, 5 „abichäiffiges Land”, auch „Ebene“. 122) Minter, yin, „Wachthaus“.

128) Ghebeſſ, mus, „Dunkelheit“. 124) Nyr, ya ‚Jugum aratorium”.

125) Amd, As, wahrſcheinlich nom. act. von As, columna, palo fulsit, alfo „das Stügen durd Säulen oder Pfeiler; ohne Zweifel eine An- fpielung anf antife Ruinen.

126) Ein Dorra ben Mo’awiya kommt in Wüſtenfeld's genenlogifchen Zabellen vor, 4, 16.

29 o.. 127) Hobul, Ju, Plural von du, eine „weit ansgebreitete Sand- flähe”. 128) Nefhun, derivatum von „wohlriechen”, alfo „Ort des Wohl⸗ geruches“. 129) Lohun von Le, delectatus fait, alfo „Luft, Freude, Gluͤckſeligkeit“.

180) Mi Radhy. eo) Us, dag „liebliche Waffer“.

131) Die Beduinen glauben, daß das Blut eines Ermorbeten fo lange die Erbe röthet, bis e8 durd) den Tod bes Mörders oder eines feiner Verwandten gerächt ift und daß bie dahin Nichts im Stande ift, feine Spur zu vertilgen.

139) Biyr Borbut, 297 yayı und Biyr Barahut, wu, e;

beide Lesarten finden ſich bei Mäqut (Jacut ed. Wüftenfeld, I, 598); ja biefer Geograph führt fogar mod) eine dritte Lesart, „Balhut“, wg an (die fih übrigens auch bei Ibn Haukal findet), wonad der Ort, in welchem der Brunnen liegt, zwar „Borhut“, der Brunnen felbft aber „Balhut‘ heißen fol. Da diefer Brunnen aud) unferm Autor Anlaß zur Anführung arabifcher Fabeln liber den Styr gegeben hat, fo dürfte e8 wohl pafiend fein, Bier bie ältern diefer Fabeln, wie fie Yaͤqut gefammelt bat, anzuführen. Yäqut fagt: Es Heißt „Barahut“ fei ein Brunnen in Hadhramant, Andere aber fagen, fo heiße die Ortfchaft, in welcher befagter Brunnen liegt. Ibn Dorayd aber jchreibt „Borhut“ und fagt, es fei dies ein befannter Wädiy. Mohammed ben Ahmed fagt: Nahe bei Hadhramaut ift ein Brunnen „Borhut“ und das ift der, von welchem der Prophet gefagt bat, daß in ihm die Seelen der Ungläubigen und der „Heuchler“ (die Mondfigyn von Mebyna, die nur lau im Slanben waren)

288 Bewierkungen und Ausführungen

weilen. Es wird behauptet, daß Alyy (der Schwiegerſohn bes Propheten) ge⸗ ſagt habe: Verhaßt iſt bei Gott ein Ort auf Erden, nämlich der „Wädiy Borhut” in Hadhramaut; in ihm wohnen die Seelen der Ungläubigen, und bier ift ein Brunnen, deffen Wafler ıft ſchwarz und flinfend. Nad einer andern Berfion fagte er (Alyy): Berflucht ift ein Brunnen auf der Erbe, nämlich ber „Biyr Balhut” .in „Borhut“; es fammeln fi in ihm die Seelen ber Ungläubigen. Açma'y aber erzählt, daß ein Mann aus Hadhramant ihm %ol- gendes berichtet Habe: Einft ftieg auf aus dem Grunde des Borhnt ein über die Maßen abfcheulicher Geruch, von ganz ausnahmsweiſem Geſtank, und fiehe dal wir erfuhren nachher, daß gerade zu jener Zeit eine ungeheure Menge von Unr- gläubigen geftorben war, und wir erfannten, daß dieſer Geruch von ihnen her- ftammen müffe (d. h. von ihren Seelen, die in den Brunnen gefchleudert wurden). Nach "Abbas (dem dritten Chalyfen) find die Seelen ber Gläubigen in einer reinen Waſſerburg (wörtlich Aquarium) im Lande Syrien, die der Ungläubigen dagegen in Borhut in Hadhramaut. Ibn Oyayna fagt: Ein Mann erzählte mir, daß er einft in Borhut übernachtet habe, und da „hörte ich, fo ſprach er, die ganze Nacht ein Chaos wild durcheinander ftreitender Stimmen und ein unfäg. liches Gefchrei‘. Abaͤn ben Taghlib erwähnt, daß ein Mann, welcher einft im Waͤdiy Borhut zur Nachtruhe eingefehrt war, ihm Folgendes gefagt Habe: Id börte die ganze Nacht hindurch fortwährend den Ruf: „DO Duma! O Duma!“ und da dachte ih an jenen Mann vom Volke der Bücher (Chriften oder Juden), welcher ausjagt, daß der König der verdammten Seelen „Duma“ heiße.

133) Haura, 5, ge) die „Zerſtörung“, von der zerftörenden Kraft ber winterlichen Giehbäge fo genamnt.

134) Hadſcharyn, ya „die Steine, alfo Wädiy Hadſchary das „fteinige Thal”.

135) Mocyle, uns von Als, „überſchwemmen“; der Waͤdiy Mogyle führt zur Regenzeit außerordentliche Baffermaffen dem Meere zu.

136) Sſaͤh, C, die „Niederung am Meere“. Der „ſandige Strand“,

was bie Srangofen ia plage” nennen.

137) Dagr, 2 5, „Feſtung“. Der Waͤdiy Qacr ift wahrſcheinlich ſo be⸗ nannt von den zwei mittelalterlichen Feſtungen Schibaͤm und Terym, welche bereits Idryffy erwähnt.

138) Ghofar, von yisı „bedachen“, alfo „Stadt ber Dächer”.

139) Ghitamm, bs, „mare magnum“, bier natürlich im bildlichen Sinn für „große Ebene‘ oder „Wüfte”.

140) ®horaf, sr, Plural von Kira, coenaculum.

zu U. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 289

141) Schibaͤm, ‚Us. Rad) Haͤqut (Jacut ed. Wüſtenfeld, II, 247)

gab e8 vier Orte, welde bdiefen Namen führten: 1) Schibim Kaufebän eine Zagereife weftlih von Gan’d, auf einem hohen Berge gelegen, zu dem nur ein

einziger Weg führt. 2) Schibaͤm Sſochaym, a dreizehn Paraſangen ſüd⸗

öſtlich von Can'ä. 3) Schibaͤm Haräs, zwei Tagereiſen weſtlich von

Sand. Endlich 4) Schibaͤm in Hadhramaut, eine ber zwei Hauptſtädte Hadhra⸗ mauts, deren andere „Terym“ if. Diefes Schibäm, mit dem wir e8 allein bier zu thun haben, ift oft mit dem erften ber vier Schibäm, mit dem Schibaͤm

Kaufebän, —E verwechſelt und die unzugängliche Lage des letztern auf das erſtere bezogen worden, ſo von Maqryzy (M. de valle Hadhramaut, ed. Dr. P. Berlin, Bonn 1866, p. 7 et 18) und von Idryſſy (ed. Jaubert, 1, p. 149—152), welcher zwar fein Schibam ausdrücklich Schibaͤm „in Habhra- maut“ nennt, aber deffen Lage doch fo ſchildert, daß wir bei feiner Befchreibung nur an das Schibäm Kaukeban des Yaͤqut denken können. Auch der Umftand, daß Idryſſy die Entfernung Schibäms von Märib als nur vier Tagereifen be- tragend angiebt, während die Stadt in Hadhramaut wenigftens zehn bis zwölf Tagereilen davon entfernt ift, dürfte auf derfelben Verwechſelung beruhen, denn bie angegebene Entfernung paßt recht gut auf Schibin Kaufebin, wenn wir berecänen, daß in Gebirgsgegenden die Zagereifen (nad) dem Maßſtab der Ent- fernung iu geographifchen Graben) fehr Hein ausfallen. Daß das Schibäm iy Hadhramant ohne Zweifel mit dem Sabota oder Saubatha der Alten identifch, wurde ſchon in der Einleitung erwähnt. Im Mittelalter hieß die Stadt Schabwa,

7007 oder Schabut, ww Er und unter diefem Namen führt fie Yäqut an einer andern Stelle an (Jacut ed. Wiftenfeld, III, 257). Die Stelle lautet: Ibn Häyik fagt: Schabwa war eine Stadt der Himyariten, und als dieſe mit den Madſhidſch Friegten, wanderten die Leute aus, und nad) ihnen wohnten da- jelbft Hadhramauter und vom diefen wurde erft die Stadt „Schibam“ benannt.

Der Urfprung diefes Namens war, daß die Stadt vorher „Schibaͤh“, 100

(das 5 ift hier nicht Finale), hieß und daß das „h“ für das „m'' als Schluß- buchftabe ausgetaufcht wurde (d. h. aus Schabwa wurde erft Schibah und daraus jpäter Schibam). Eine andere Uebergangsepocdhe in der Ausſprache diefes Namens bezeichnet die Lesart des Magrysy (M., a. a. O., ©. 82), welcher „Schibwa“,

Bra, vocalifirt, eine Variante, bie in der Mitte zwiſchen Schabwa und I" .

Scibäh fteht. Bei faft allen arabifchen Geographen heißt es, daß bei Schibänt und Terym zwei Flüffe fich vereinigen, aber feiner jagt, wohin fie ihren weitern Zauf wenden (Maqryzy, a. a. O., ©. 4). Dieje Flüfle find ohne Zweifel der Wadiy Dagr und der Wadiy Räcdiye (f. Karte).

A. dv. Wrede's Neife in Hadhramaut. 19

290 Demerkungen und Ausführungen

142) Taryfe, 2— bie „Schöne“.

143) Aridha, Kö,Le, die „Weite.

144) Borr, * „Weizen“.

145) Tyaͤrby, Relativ. von 85 „Staub“, alſo die „Staubige“.

146) Raͤchiye, , „weich, fanft", alſo Wadiy Rachiye, der „ſanft⸗ fließende Fluß“.

147) Terym, m —* dieſes und Schibaͤm find die einzigen Stüdte des eigentlichen Hadhramant welde die arabifhen Geographen kennen. Yignt (I, 746) fagt, Schibäm und Terym waren bie Namen zweier Stämme und von diefen wurben die beiden Städte benannt.

148) Scha’be, und, „Menge“ oder ein „großer Stamm”.

149) Tſohur, —R „Weg in der Wuüſte“.

150) Hanän, glüsı „Meberfluß”.

151) ‘Aräba iſt ein öfters vorlommender Eigenname. Araͤba ben Ans ben Oaydhy, ber zu Mohammed's Zeit lebte, war vom Stamme Aſd bez Kahlän ben Qahtaͤn.

152) Ma'dudy, Relativ. von 27) Ars, das „Gezählte”, vielleicht das ‚Heer‘.

'

E 153) Agnäb, lt, Plural von Dannba, der „Hanf“, alſo etiwa bie „Hanfpflanzung”. Dieſer Rame wurde auf den alten Karten ſtets Aynab oder Ainad gefchrieben, bei Wrede findet fi) aber nur ganz deutlich g und nie y in der Bulgärform des Namens, da Agnab wie Agnab geſprochen wird.

154) Thowayry, Relativ. von 5* „Stier“, im Diminutiv. Etwa der „ſtierreiche Ort“.

155) Hien Baydra. Baydra, ver die „Tenne“; alſo „Schloß ver Tenne”.

156) Torbet el Moluk, Xorbet, Ks „Grabſtätte““; alſo Torbet el Molut, „SGrabftätte der Könige”.

157) Ma'yg, AR, „tiefgelegen‘ oder auch „tief“ von einem Flußbett.

. o-) - 0. 158) Choraychyr, pays Diminutiv von „Lay, aqua Äluens co-

piosa; alfo ift das Dorf nad) einem „Meinen, aber nicht verfiegenden Gr wäfjer benannt.

zu U. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 291

159) Sfowayg, Dim. von ger „Markt“.

160) Maraͤwaͤ, CO, f ,‚ nomen loci von 53) y' „Waſſer ſchöpfen“; alfo etwa „der brunnenreiche la

161) Homayſcha, Dim. von LES, „bie Berfammlung”; alſo etwa „die Heine Gemeinde”.

162) Monaygyra, Dim. von Bye, „ausgegraben“, „ausgemeißelt‘‘, im Sem.

168) Bender ober Bander tft fein arabifches, fondern ein perfifches Wort und wird oft fllr „urbs, portus, locus‘' gebraudt.

164) Gahmwa, 5.2 2, „in terra sequali scrobs, in quo aqua est”, Die Bedeutung bezieht ſich jedenfalls auf eine fumpfartige Lage, in der das Baffer keinen Ausfluß bat, und trifft nach Wrede's Befchreibung hier ein. Gahwa ift nad) Yäqut (IL, 235) ein erhöhter Ort oder hohes Gebäude in oder bei - einer Stadt.

165) MRongir und Regr, beide vom Verbum yöı „erforſchen“, das erfie des adj. verb. activam IV, yüs „ber Erforfcher”, das andere das nom. actionis I, „bie Erforihung”, doch bildlich hier auch für „Erforfcher” ftehend.

$

166) Ah qaͤf, Ust, Plural von [AA>, „arena obliqua‘. Nach Yaͤqut (Jacut ed. Wüftenfeld, I, 154) giebt es bei den Arabern darliber, welche Dert- lichkeit eigentlich unter „el Ahqaͤf“ zu verftehen fei, drei verfchiedene Verfionen. Nach der einen wäre el Ahgäf ein Wädiy zwildhen "Omän und Mahra, nad) der andern eine Wüſte zwifchen Omaͤn und Hadhramaut, nach der dritten eine hochgelegene Sandftrede über dem Meerbufen von Schihr gegen Yemen zu liegend. Häqut bemerkt, daß alle diefe drei Anfichten ſich ſehr gut vereinigen laſſen, denn in der That iſt el Ahqgaͤf eine große „ſchiefe Sandebene“, die ſich im Norden von Hadhramaut und Mahra zwifchen Yemen und "Omän binzieht. Ihre genauen Grenzen find uns aber noch ein Räthſel. Nach einer Tradition, welche Yäqut erwähnt, if in der Wüſte el Ahqaͤf eine Höhle, im welcher der Prophet Hud begraben liegt. (Auch das von Wrede genannte Dabr Hub Tiegt ganz im Norden von Hadhramaut, nad Einigen ſchon in der Wüſte el Ahgäf.) Das Grab des Hud in der Wüfte el Ahqaͤf wird von Yäqut auf folgende fabel- Hafte Weife befchrieben: Einft fam ein Mann von Hadhramaut zu Alyy (dem Schwiegerfohn des Propheten) und diejer fragte ihn nad) dem Grabe des Propheten Hud, worauf denn der Mann erzählte: In meiner Jugend zog ich einft mit mehrern Gefährten aus in die Wüſte, uͤm fein (des Propheten Hud) Srab zu ſuchen, und wir famen in das Land el Ahqaf und bei une war ein Mann, der die Gegend kannte; da gelangten wir an einen rothen Sandhügel, in welchem viele Höhlen waren, und wir drangen in eine derfelben ein, welche

19*

292 Bemerkungen und Ausführungen

wir fehr groß fanden; bier famen wir an zwei Felfen, deren einer ben andern bededte, und zwifchen beiden fanden wir eine weite Spalte; in dieſe trat ich ein und da fah ich einen Dann auf einem Throne fiten, von dunfler Farbe und fraftvoll, mit großem Kopf und dichtem Bart, aber fein Leib war gan; au getrodnet und wie ich eine Stelle feines Körpers berührte, fand ich fie hart, fodaß fie nicht nachgab, und bei feinem Haupte fah ich eine Aufjchrift in ara- bifcher Sprade, die ausfagte: „Ich bin der Prophet Hud, der gegen die Aditen eiferte wegen ihres Unglaubens und weil fie dem Befehle Gottes widerftrebten.‘ Als "Alyy dies hörte, fagte er: „Ganz daffelbe habe ich von dem Propheten Gottes (Mohammed) vernommen.‘

167) Sfafy,. Relativ. von . „ſandig“; alſo „Bahr eſſ Sſafy“,

os *220—— | das „ſandige Meer“ oder „Sandmeer“.

168) Haſchyſch edf Dſahab, at is, das „Goldkraut“, ein

wunbdermwirfendes Pflänzchen, das freilich nur die Phantafie der Araber geſchaffen, aber noch nie einer auch nur geſehen zu haben behauptet hat.

169) ®a’ra, —* die „Sandige“.

170 Schihr, yas; nad) Yigqut (Jacut ed. Wüftenfeld, III, 263) heift die ganze ſchmale Küftenlandfchaft zwifchen Yemen und Omän „Schihra“, i,sı, Schihr aber nur ein Theil diefer Küſtenlandſchaft; außerdem if es

ber Name einer Stadt. Acma'y fagt, daß der Amber, genannt Schihry, an diefem Strande gefunden werde. Wie wenig befannt diefe ganze füdfiche Zand- [haft unter den Arabern von jeher war, beweift der Umftand, daß gerade fie vorzugsweife zu einem Schauplag von Fabeln und Monftruofitäten gemadht wird. Bir haben ſchon oben die Fabeln liber Dabr Hud, el Ahqaͤf und den Brunnen Borhut angeführt. Ebenſo ift das Werk des Maqryzy Über Hadhramaut fat Nichts als ein Gewebe von Fabeln, in denen Menſchen fliegen, ſich in Thiere verwandeln, Zaubereien aller Art verüben n. f. w. Bon Schihr im Beſondern

berichtet Yüqut die Fabel vom Nafinaff, lid, eine Art von Halbmenfcen, die hier ihrer Originalität wegen eine Stelle finden möge. Ein Araber erzählte: Ih reifte durch Schihr und kehrte dafelbft bei einen Manne aus Mahra ein, einem vornehmen Häuptling. Nachdem ich bei ihm einige Tage gewohnt hatte, brachte ich das Geſpräch auf den Naffnaff und er fagte: „Wir jagen ihn und ejfen ihn. Es iſt das ein Thier, welches nur einen Arın und ein Bein bat und Ähnlich ift’a mit allen ſeinen Gliedern.“ Da rief ich: „Bei Gott, ich möchte das wohl fehen! Darauf fprad) er zu feinen Dienern: „Jaget eins von biefen Thieren und bringt es uns!“ Ant folgenden Tage, ſiehe da! da kamen bie Zünglinge an mit einem Wefen, das hatte das Geſicht eines Menfchen, jedoch jo, daß es nur die eine Hälfte eines Geſichts war, und einen einzigen Arm,

zu U. v. Wrede's Reife in Hadhramaut. 293

mitten von der Bruſt ausgehend, und ein einziges Bein. Als mich nun dieſer Halbmenſch erblickte, da rief er: „Ich rufe Gott und Dich um Hülfe an!“ Da ſagte ich den Jünglingen: „Lafſet ihn freil!“ Aber fie antworteten: „OD, laſſe Dich nicht durch ſeine Worte bewegen, denn er iſt uns zur Speiſe be— ſtimmt.“ Jedoch ließ ich ihnen keine Ruhe, bis ſie ihn freigelaſſen hatten. Da lief er davon, eilig wie det Wind. Als nun am folgenden Tage der Mann, bei dem ich wohnte, ſeine Diener fragte, ob ſie auf der Jagd geweſen ſeien und den Naſſnaͤſſ gebracht hätten, antworteten fie: „Wohl hatten wir es gethan, aber Dein Gaftfreund hat ihn wieder freigelaffen.” Da lachte mein Wirth und fagte: „O, er hat Did) angeflihrt!‘ Darauf befahl er ihnen Morgen wieder auf die Jagd zu gehen, und ich fprady: „Ich gehe mit ihnen‘, und er ermwiederte: „Thue es!“ So braden wir dann am folgenden Tage mit den Sagdhunden auf und famen an einen großen Sumpf, wo wir bis in die tiefe Nacht hinein blieben. Plötzlich hörten wir eine Stunme jagen: „O Abi Midſchmar (Name des einen Nafinaff)! Der Morgen röthet fi) ſchon und die Nacht ift vorbei, der Süger aber nahe, und Du trägft Schuld daran!" Er antwortete: „Sei ruhig und verurfache feinen Schrecken!“ Da fandten die Jünglinge die Hunde anf fie (die Nafinäff) und ich fah Abk Midſchmar, wie die Hunde ihn faßten, da ſprach er: „Wehe mir in meinem Unglüd! Mein 2008 ift Trauer und Weinen; Berfolgt mi nit, o ihr Hunde! - Und Hört meine Stimme und habet Mitleid. Zu jetziger Zeit ergreift ihr mid, Denn ihr findet mich Hinfällig und ſchwach. Wär’ id) noch jung, ihr befiegtet mich nicht, Ihr kämet dann. felbft um oder ließet mid) frei.” So Hang feine Klage. Da erreichten fle ihn und padten ihn. Als der Morgen kam, bereiteten die Leute den Aba Midfhmar als einen [hmadhaften Braten.

Erftier Anhang zu

A. v. Wrede’s Reife in Hadhramant.

Ueber die Könige und Völker Südarabiens bearbeitet

von

Heinrich Zreiferru von Maltzan.

Außer der obigen Beſchreibung feiner Reife hat Wrede noch intereffante Mittheilungen über die Stämme der von ihm durchreiften Länder hinterlaffen, die wir hier überfichtlich geben. Auch die Königs- lifte von Denen, welche Wrede dem Manufeript von Choraybe ver- dankt, verdient wohl hier mitgetheilt zu werden. Um ihr: relatives Verdienft näher zu beleuchten, Habe ich ihr die befannte Königsliſte von Cauſſin de Perceval an die Seite gefegt. Die Königslifte von Hadhramaut iſt jedoch etwas ganz Neues, und nichts bisher Veröffent⸗ liches kann dabei zu Rathe gezogen werden. Dieſer erſte Anhang zur Wrede'ſchen Reiſe enthält alſo folgende Haupttheile.

A. Liſte der Könige von Yemen nach Wrede mit vergleichendem Hinblick auf die Liſte von Cauſſin de Perceval.

B. Liſte der Könige von Hadhramaut:

C. Lifte der Beduinenſtämme in Hadhramaut, Beny ‘Ya, Ha- dichar und Hamum. *)

*) Aus Nützlichkeitsgründen iſt in dieſen Anhängen zu Wrede's Werk die Schreibweiſe der Namen ſo modificirt, daß ur durd) ſ, ) dagegen duch 3 wiedergegeben wird, ba es fi in diefem wiflenfchaftlichen Theile nicht um’ populäre Schreibart handelt und bie Dentlichleit dadurch gewinnt.

298 Erſter Anhang. A. Königslifte von Yemen nad) Wrede und Cauffin de Perceval

3 95 . Königename | |” Königename nad €. & x Bemerh Brebe, vg A

Ya'rob Hatte nad} Wrede * 15 Brüder, von denen

194 Ai in Flhnmahilkm

Ya’rob ben: Dahtän 1 | Yerob den | 5

v2 | daſchdſchobß | 2 | 761 |

des Dabtän vor, der ben Beinamen „Habhramant” geführt Hätte,

= Rad; dem arabiſchen De . nufeript von Choraybe Himpar ben Saba.| 4 | dimnat ben | 4 | 695 IAammten 1000 Könige don Himyar und regierte 3300 Jahre. Diefer Bruder Hinyars gurirt nigt in der Wrede ſchen Königefife.

Beide waren Brüber.

dfchob, genannt | 3 |genannt@abäer| 3 | 728 “Amir. Albar.

64 de der Königefiflen iſ " Semame Gm 5 (ariingegim| 6 | ann | Arber Bärigaken nf gieren.

Malit, Bater des She mör, ‚war nad) Eanffın de Berceval Bruder des Hamayſa' und des Wir thila.

Sohn des Zayd, des Sohnes des 6. Könige nad, Eauffin de Perceval.

Ayman ben el Ha⸗ 6 Datit ben. $im-

| | wor mabfa‘ 7| 629

Ueber die Könige und Völker Sübarabiens., 299

% Königename nad ü —* E ich Cauffin | =

Vrede. de Percebal. #

& 2

Bemerlungen. h

** Ro'män el el vco anr (ohne Xo man). zudem ah weil z | Bomint [4] oo8 [ac oe iR Bote

"siuyu vort auyu

a 8 | Ama [12 | 540 |bei Wuſtenfeld ‘try,

300 Erfter Anhang.

Königename nad Eauffin de Perceval.

® Königename nad J Wrede. 317

Bemerkungen.

Wrede's Lifte Führt im * | Folgenden noch die Rad- tommen Hamayſa'e als Könige an, während nad

Dſchaydãn ben . Daten (fehtt dei 10 [Chr Ahurpator

zgagoan (er Sue | zg [von ven une) 76 | 481 Dammayn'e, die ertnah

aut [BE haut ham nataran ana

wer ©. ujur⸗

Waͤhil b.el Ghauth.] 12 |” 2, Yıl, aber offenbar mp

17 | 398 |, aber offenbar mus

RI 18 | "Ab Sqhame. | 18 | 365 |"and Scjams unterbriät ie Reihe ber Ufurpatorez bei Cauſ. de Perceval.

Aſſuar (e Cawar) ben ‘Abd Schams 1 Thor Diihntcham hen

&; Gawar, bei Wrede 19 | 392 | fir geſchrieben, finde

2 2. GMun.ete a,

Der 4. Ufur

naar

ve | 5 Pater. "| 20 | 299 | Yagbom's Zeit der Bio Däqut?). phet Joſeph, Sohn Ju tob's, gelebt Habe.

Ueber die

Königsname nad) Wrede.

Dfu “Ans ben dſu Yaqdom (der Days des Näqut?).

Amru ben dfu'Ans (nad) Yaͤqut' Amru 6. Days, b. Mo a— wiya, ben Dſcho⸗ ſcham, ben "Abb

Schams, b. Waͤyla

u..f. w. zubenannt Hadhramant).

EI Moltät ben Amru.

Amr ben el Moltaͤt.

Scheddaͤd ben el Moltaͤt.

Königsname nach Cauſſin

de Perceval.

Zahl in d. Königs⸗

reihe nach Wrede

Zahl ind. Königs⸗ reihe.

Der 6. Uſur⸗ pator.

17 |Hafan el Qayl. 22

|

Scheddad ben el:

Met |

23

Loqmaͤn ben el.

Jahreszahl nad Cauffin de Pers ceval,

or.

266

| ——

233

200

Könige und Völker Südarabiens. 301

Bemerhingen.

Wahrjcheinlih derſelbe, der Bei Wüftenfeld dfu Abyan ibn dſu Yaqdom heißt. Dſu paßt nicht gut vor ‘Ans, das ein felbft- fländiger Name iſt; er bieß wahrſcheinlich "Ans dfu Abyan.

Hafan war nad) Cauſ. de Berc. Sohn des "Amr, b. Days, b. Mo’amiya, b. Dſchoſcham, b. Waͤyl. Dſchoſcham wäre demnach ein Bruder des "Abd Schams des 18. Königs der 2. Lifte. Rad) Wüften- feld mar er deffen Sohn.

Cauſſin führt el Moltät an, nicht aber al8 König. Sein Sohn Amr dagegen findet fich nicht bei ihm.

Beide Liften ſtimmen wie- ber überein.

Nach Wrede vegierten die Brüder Scheddaͤd's nid)t, fondern ihm folgte fein Sohn Wäbica.

302 Erſter Anhang.

Königename nad |& Br

Wrede. SE| gem. # &

Wäbiga ben * ann 21 | Oarnayn ben | 27 | 167

Auf diefen König läßt

"| Gauf. de Perc. Härith er

Räyifch folgen, den 26. in feiner Lie. Da ihn Brede aber erft nach der

felbe Berfon, deren Re:

Ueber die Könige und Völker Südarabiens. 303

3 a J 5 Königename |E° |” Ascgename nad ä "ad Gauffin |S$ 331 Bemerkungen. rede. 35 | de Perceval. 5 & 2 la

At nicht, ob der König ein Sohn hrän war ober pt zu feiner Dy⸗ ehörte.

»de fteht nad) Rim gegeihen.

fem Könige endet ſchendiynaſtie der denn dem nächſten Deſchlechtoregi ſter t, welches ihn in Dynaſtie einreiht.

w Verſchiedenheit Glieder der Ge⸗ erhellt doch, daß beiden Liften eine Abe Perfon, welche ärith er Räyifch,

ben Sänay (?), ben| 28 | Mottät, ben | 26 von Sqpebbäb nennen, ge»

i « meint fei. Da Pärith der HimyaregGoghayr, Amr, ben dſu 6 h

6 dom, Bi john des 23. Königs der

genannt er Räyiid) —8 Hl 1 Afeiß, fo Wurmbie

6 Tobba‘, welche zwiſchen

ihm und feinen Borfahren regierten, nicht fange ge- herrſcht haben.

As 27. König figurirt auf der II. Lifte der oben

Abraha ben el genannte athad ibn&ched- en | 99 |Härith, genannt| 28 | 184 | did. Bieleicht regierte " dfu el Minär. Härith zweimal, einmal

vor Achäb und den Tobba‘

und einmal nad) diefen.

304 Erfter Anhang.

"I3g 8 12; önigsname nad | 80] Mrigsname |3, ne s%8| nad Cauffin |: Fe Bemerkungen. Dede. [BE] yo Perceva. [Er |EE° = 885 SE & |#8

Afrwave ben | z, | Afrvaus ben | „, DEE | Der fabelfafte Eroberer Abraha. Abraha. 101 |von Afrika.

j Wrede's Life kennt dieſen FA 30 und den folgenden König - night,

Wrede nennt den Schor- Schorhabyl ben 1 | .e8 habyl zwar als Bater des

dfu el Adhär. " 31. Könige (der IL. Lifte), aber nicht ſelbſt als König.

Wahrſcheinlich ift das ben Särah bei Wr. ein Fehler und muß dfu Aſchrah heißen, da ſonſt die beiden Hodad dſu Namen volltommen iden- Hodid ben Särah, | „, |Micrap (Sarhı| 39 | gs |tifch find. Bei Wünenfen in Schorhabyl. ober Scarh) (Cab. 9, 18) finden wir abyl. einen Dſu Hobdän, ben Scharähyl, der Höchk wahrſcheinlich derfelbefein dürfte, wie Hobäd ben Schorhabyl. 3. Fresnel im Journal Asia- Ber- 2 Serie IV, Bd.IV, t ihr . 203, behauptet nad aren, Nowayry, daß der Bater Jobäd der Bifgiye nicht König Bilgiys bint el Ho⸗ und Alyſchrah, gewejen. Aber Nomwayry däd, Königin von| 55 ben dſu Dſcha- 35 | 9 | fefbft nennt dem Bater der Sabä und Er⸗ dän, ben “Aly- Bilgige „dſu Aſchrah“, bauerin von Maͤrib. ſchrah, ben Haͤ⸗ welches ein Beiname Ho⸗ rith und ſcheint däd’s war, und Mafudy dadurch zu Fres⸗ und Ibn Hamdun nennen nel's Anfiht zu ihren Bater ausdrüclich neigen, wonach Hodhaͤd (Hodäd). Bil. Alyſchrah, der qiys war die berlihmte

Ueber die Könige und Völker Südarabiens. 305

2 . ® 183 Königsname nad) aa önigename Er H Wrede. Fi nad Eauffin Ei H A Bemerkungen. zZ de Perceval. F 53 Ei Fit Befier des Rd nigs von Yemen, Königin von Sabä, von Bater ber Bil- MÖR- | der ber Dorän fpricht, qiys und Hobäb die zu Salomon gefommen ihr mütterlicher fein fol. Oheim war. Yon'im und Tand'am bedeuten beide daſſelbe, . nämlich „erlebte in Wohl Yäfir Tand'am ben behagen“. Nach Fresnel Amru, ben el Abd 33 | Yäfir Yon'im. | 34 wäre Haſir der mitter- ben Abraha. liche Oheim der Bilqiys. Nad) Wrede war er,gar nicht nahe mit ihr ver- wandt. j Hier findet ſich eine Rüde u De von 9 vom 38. A Scammir —48. König bei Wrede, rap ou ne | 30 d0d) maßrfheintig fa när, ben el Härith, die Lilde erft nad; biefem ben Schebbäb.

König gerechnet werden.

Abu Mätit. | 36 | 31

Zayd el Agra.| 37 | 64

Dſu Habiſchan ben Zayd el | 38 |64—90|

&. v. Drede's Reife in Habframant. 20

Pa

"306 Exfter Anhang.

Königename nad; Cauffin de Perceval.

Königename nad

won {| men

Das „Ibn Schamrir' bei

. 2 j Wrede deutet gewiß nicht Tobba, genannt) 44 | Tobba. Libe | go I168—| auf cine direte Water Div el Darnayu 200 | isaft, fondern auf eine Abſtammung in 4. oder 5. Generation.

-| Hier beginnen zahlreiche Lüden bei Wrede.

Nach Cauffin de Perceval waren beide ‘mr ver Amr ben Tobba'.| 45 | 'Ammr dfu er | 44 |200— | ißieden, der eine der 44.

° [Mönig, der andere ein Rönigsfohn, der nicht re gierte.

Lucke von 70 Jahren bei

Wrede. “Abd Kolal ben | 46 | « „ar [ass]

Matpub. | Abd Koläl. 273 | Woammung unbefannt. X ben | 48 |245— | Wahrfigeintich ein Ber- fan. 297 | wandter des obigen. rith. 49 |262— | ?liden von einem Jahr

" 320 hundert bei Wrede.

thad. 50 | 295

ige. | 58 a

ja ben | 52 |328— bäh. 870

Ueber die Könige und Völker Südarabiens, 307 Er 14 . Königename 7 Königename aach nad Eauffin = Fi Bemerkungen. Brede. [3 6 5 de Berceval. |Z Ei 3 153 Gabahän. | 58 Pr Urfprung unbefannt. —_ “00 | A Sohn ober Enkel des vebat. u u Königs der II. Liſte frame of @ifin) | B ben Tobba', ben) 55 | 394 Hafan. tapı Wieder bie alte Dynaftie Dſu Moähir ben) 47 afan bju | 56 1427— * Pin FOL 10 |vom Zobba‘ ihn Hafam ſtammend. Dju Schanãtyr. 57 | 478 Der betannte Chriſtenver Dfu Nomäs es | 48 |Zor'a dſu Ro-| 58 |460— folger und Judenfreund. Goghayr. wãs. 490 Der letzte eigeniliche König von Yemen. Kumpft eine Zeitlang Dſu Dazan. | 59 | 525 | gegen die Abyffinier, muß aber unterliegen. u Setfamerweife führt bie: Wrede'ſche Lifte diefen first vor] Prinzen als König an, ob» Sayf ben Dju Da-| 49 580 | gleicher 70 Jahre nach bem gan ben Anaman(?) Untergange des Reiches von Yemen lebte und ſelbſt ſein Vater kaum regierte. Dieſer Sohn des 49. ab⸗ nigs ber I. und Entel des Ma‘ diylarib 59. Königs der M. Lifte ben Sayf ben 590 | tommt mitben Perſern ins Dfu Yazan. Land, Hilft die Abyffinier vertreiben und wird per« ſiſcher Statthalter.

20*

%

308 Erfter Anhang.

Bemerkungen zur Wrede’fhen Königslifte.

Diefe Lifte bietet nur in ihrem erften Theile (bis zu Bilqiys) Sntereffe. Der zweite, d. 5. die ganze Königsgeſchichte nad Chrifti Geburt (die nach Kauffin de Perceval in Bilgiys’ Regierungszeit fällt) ift jo außerordentlich nadhläffig und Tücdenhaft behandelt, daß ihr jeder Werth abgeht. Zuerft ein Sprung von dem 33. auf den 43. König und zwar zu einer Zeit, wo nah Eauffin de Perceval noch gar Feine Lücke vorhanden ift, denn Schammir Ya'roſch (bei Wrede Schamrir) ift der bdirecte Nachfolger von Yäfir Yonim oder Ta- naam. Dann, troß aller Lücken, ein ununterbrochenes Weiterzählen der Könige, fo daß Tobba‘ unmittelbar auf Schammir folgt, obgleid ſechs Könige zwifchen Beiden waren. Noch auffallender ift, daß Dfu Moähir direct nad "Abd Koläl aufgeführt wird, obgleich acht Könige zwifchen Beiden famen. Diefer zweite Theil der Wrede'ſchen Lifte ift alfo durchaus werthlos.

Nicht fo jedoch der erjte Theil. Derfelbe ift infofern höchſt intereffant, als uns Wrede's Lifte in ununterbrochener Reihenfolge die Genealogie der Hamayſiten, Nachkommen von Hamayfa‘, ibn Himyar giebt. Auch Cauſſin de Perceval führt die Hamayfiten an, jedod nicht alle al8 Könige. Nach ihm regierten von diefer directen Linie nur Abd Schams (der 13. nad) Wrede), Scheddaͤd (der 20.), Waͤ⸗ biga (der 21.), Härith (der 28.), Abraha (der 29.), Afryqys (der 30.), Hodaͤd (dev 31.) und Bilqiys, mit welcher die eigentliche Dy⸗ naftie der Hamayſiten erlojchen fcheint. Nur zwei Hamayſiten, welche Wrede's Lifte als Könige aufführt, nämlich Dſu "Ans, ibn du Yaqdom (der 16.) und Amr ben el Moltät (dev 19.) fehlen gänzlich in der Genealogie Cauffin de Perceval's. Letztere führt als Könige nur diejenigen Hamayhſiten an, von deren Herrfchaft fid) Spuren in der Gefchichte finden. Dagegen fcheint die Wrede’fche Lifte mehr die Neihe derjenigen Hamayſiten darzuftellen, welche nach der patriarcha⸗ liſchen Erbfolge die Tegitimen Herrfcher hätten fein follen. Es fieht

Ueber die Könige und Völker Südarabiens, 309

ganz aus, als ob die Wrede’fche Lifte zur Verherrlichung eines der fpätern Herrfcher, etwa des Härith oder des Hodäd, die von He: mayfa” abzuftammen behaupteten, verfaßt fei und den Zweck gehabt habe, alle deſſen Vorfahren als Könige erſcheinen zu laſſen, während fie in Wirklichkeit wahrjcheinlih nur: Prinzen, mächtige Stammes: häuptlinge und Dahls eines Theil von Yemen waren; bagegen aber alle Fürften aus der himyariſchen Nebenlinie, wie den 6., 7., 8., 9., 10., 11., 12., 13. und 14. König der II. Lifte zu ignoriren, ebenfo wie die ſechs Ufurpatoren aus Nedichrän, deren drei nad) Cauſſin de Berceval vor, brei nach "Abd Schams regierten. Was dieſe ſechs Ufurpatoren betrifft, deren Namen Cauſſin de Berceval nicht angiebt, fo ift es übrigens auffallend, daß auch, die Wrede’fche Liſte ein In- terregnum von ſechs Fürſten kennt, die fie zwar an einer andern Stelle anführt, die aber allem Anfchein nach diefelben fein dürften, wie die fechs fremden Fürſten bei Cauffin de Perceval. Denn es erhellt auf. den erften Blick, daß die ſechs Fürften der Zwiſchen⸗ dpnaftie, welche die Wrede'ſche Lifte giebt, nicht an die Stelle ge- hören, welde fie auf biefer Lifte einnehmen. An biefer Stelle ift gar keine Lücke vorhanden (da Härith der 28. König, der Sohn Scheddaͤd's des 20. und der Bruder Wäbica’s, bes 21. Königs tft), alfo die Ausfüllung einer folhen (und nun gar durch ſechs Negierungs- folgen) eher ein Hinderniß, das uns nur verwirren kann, wenn wir nicht zu dem Ausweg greifen, die ſämmtliche Zwiſchendynaſtie an eine andere Stelle zu verſetzen. Cine bier zu berüdfichtigende Lücke findet ſich aber nur an einer einzigen Stelle, nämlid in der Lifte Cauffin be Perceval's bei den ſechs ungenannten Ufurpatoren, deren Zahl genau mit der der Könige aus der Zwilchendynaftie bei Wrede zuſammen⸗ ftimmt. Der Umftand, daß die Wrede'ſche Lifte an diefer Stelle feine Lücke kennt (wie fie denn überhaupt in ihrem erften Theile, bis zu Bilqiys, keine einzige het), Tann uns nicht ftören, da ja dieſe Lifte mehr ein Gefchlechtsregifter der zur Erbfolge berufenen Tegitimen Ab- fömmlinge des Herrfchergejchlechts, als eine Aufzählung der wirklich zur Herrſchaft gelangten Könige zu fein jcheint.

310 Erfter Anhang.

Nach dem Daͤmus führten zwar nur die Könige von Himyar und Hadhramaut ben Zitel Toben. Da nun ber erfte der fechs Zwifchentönige nach der Wrede'ſchen Lifte Tobba’ ihn Zayd hieß und der erfte der ſechs Ufurpatoren der Lifte Cauffin de Perceval's aus Nedichrän kam, fo müffen wir vorausfegen, daß der Nedfchräner Er- oberer fi) der Randesfitte bequemt und ben Titel Tobba’ angenommen habe. Oder war vielleicht diefes Wort „Tobba'“ bei ihm nicht Titel, fondern Eigenname, wie bei Tobba‘ ibn Solaymäan, von dem ber Qaͤmus fpriht? Unter ben übrigen Eigennamen diefer ſechs Zwifchen- Könige ift übrigens kein ausfhlieglich oder nur vorzugsweiſe himyari⸗ fher, der uns zwingen würbe, bie Wiege biefes Geſchlechts im tiefen Süden Arabiens, in Himyar, zu ſuchen. Zayd, Daun, Zahrän, Häſchid find allgemein bekannte, ſowohl central», als ſüdarabiſche Namen. Zälib kommt fogar bei den Eentralarabern noch häufiger vor, als bei den Yemeniten.

Der Beiname biefes Königs Talib, welchen die Wrede'ſche Lifte „Rim‘ nennt, könnte uns vielleicht einigen Aufſchluß über deffen Her⸗ funft geben. Einer ber älteften Könige bes von Kahlan ſtammenden Gefchlechts der Banu Hamdaͤn hieß Riaͤm, und nad) ihm wurde der "Tempel auf bem Berge Atwa benannt, ben fpäter Dſu Nowas zer: ftörte (Blau 3. D. M. G., Bd. 23, ©. 563). Nun giebt uns die Genealogie des genannten Riam nod einige Anhaltspunkte mit den Wrede’ichen Zwifchenkönigen. Der Urgroßvater der Riäm hieß Zayd, wie der Vater des erften Zwifchenkönigs unferer Lifte Der Eigenname diejes Zwiſchenkönigs ift uns‘ nicht genannt, fondern er heißt nur Zobba’, Sohn bes Zayd. Nichts hindert uns alfo an- zunehmen, daß er jener Bat‘, König der Hamdän, war, welder uns als Großvater Riam’s genannt ift (Wüftenfeld, Regifter S. 109). Ziwifchen diefem Tobba’ und Rim oder Riäm giebt uns die Wrede'ſche Lifte drei Namen, Daun ben Zobba, Haun ben Tobba‘ und Zahrän ben ba Haun. Erftere Beide könnten wir für Brüder halten, da Beide den Namen ben Tobba führen, denn das BA vor dem einen Namen deutet nicht nothwendig ein Sohnesverhältnig an. Somit

Ueber bie Könige und Völker Sübarabiens, 311

blieben uns zwei Generationen zwifchen Tobba ben Zayd und Tälib Rim ober Riaͤm, allerdings eine mehr, als in Wüftenfeld’s Tabellen zwijchen Bat’ ben Zayd und Riaͤm. Auffallend ift ferner eine ge- wiſſe Aehnlichkeit zwifchen dem Namen des Nachfolgers des Tälib Rim und dem Sohne des NRiäm ber Wiültenfeld’fchen Qabellen. Erfterer hieß Haſchid, letzterer Yaſchy', wenigſtens lautlich naheſtehende Benennungen, die im Munde ſpäterer Erzähler zu Verwechſelungen führen konnten.

Da wir jedoch bei Wrede nur Rim und nicht Riaͤm finden, fo fünnen wir auch annehmen, daß jener Taͤlib Rim feinen Namen von Rayın (vulgo Rim ausgefprochen) führte, welches nad) dem Dämus ein Michlaf von Yemen war.

Die Namen diefer ſechs Yemenſiſchen Zwiſchenkönige find übrigens beinahe die einzige Errungenfchaft, welche wir der Wrede’fchen Lifte verbanfen. Alle andern Namen dieſer Lifte finden fi auch in ben fhon befannten Quellen, deren Angaben Cauffin de Perceval ge- fammelt hat, mit'nur zwei Ausnahmen, nämlich Dfu "Ans, ibn Dſu Hagdom und Amr, ihn el Moltät, der 16. und der 19. König der Wrede'ſche Lifte. Endlich findet fi) an Stelle des Achäb ibn Sched- dad bei Eauffin de Perceval, ein Wähle oder Wäbica, ihn Schebbäb bei Wrede genannt. Doch find beide Namen wahrſcheinlich nur aus entjtellten fehlerhaften Ausiprachen eines einzigen entftanden; Aus⸗ fprachen, die im Munde verfchiedener Erzähler mit der Zeit fo fehr fih vom urfprünglichen Klang und voneinander entfernt hatten, daß, als man fie auffchrieb, jeder Ehronift nad demjenigen arabtichen Namen griff, welder der von ihm vernommenen Ausfprache des Namens am nächften lag, der eine nahm Waͤbica, der andere el Achäb, welches beides bekannte arabifche Namen find und fo ging die Verfchiedenheit, die felther nur im Klang beftand, aud in bie Schrift über.

312 Erfter Anhang.

B. Genealogie der Könige von Hadhramaut nad) Wrede.

1) Hub *) (Eber), der Prophet (Mit ihm fei Friede?).

2) Hodun ben Hub (Peleg) erbaute die Stadt Hodun, mo fein Grab.

3) "Yfa**) el 'Amud (die Säule) ben Hodun. Erbauer der Stadt Dahdun. Bon ihm ftammen fämmtliche Städtebewohner bes Hadhramaut, fowie ihre Sultane, melde ſich alle "Amndy nennen.

4) Sa’yd ben Yſa el Amud. Liegt in Dahbun begraben.

5) Nedſchd ben Sa’yd. Gründer ber Stadt Mifne, wo fein Grab.

6) Sayban ben Nedſchd, Stammvater der Bebuinen Saybän. Sein Grab auf dem Gipfel des Dſchebel Saybän.

7) Hafan ben Saybän.

8) Sadus ben Hafan.

9) Yarom el Molk ben Sadus.

10) Raby'a ben Ya’rom. 11) Amr el Ahnab ben KRaby'a.

*) Die Araber nehmen an, daß ihr Prophet Hub der Eber ber Bibel fei, den fie Abir nennen. Der Eber der Bibel hatte aufer Joktan (dem Oahtan der Araber) noch einen Sohn Namens Peleg, den die Araber gewöhnlich Falegh nennen. Wrede iſt nun, glaube ich, der Erſte, welcher dieſen Beleg auch Hodun nennt. Peleg's Nachkommen, bie uns bier Wrede anführt, kommen weder in ber Bibel, noch in den mir befannten arabifchen Genealogieen vor. Letztere begehen fogar meiftens den mit ber Bibel im Widerſpruch ftehenden Irrthum, daß fie Dabtän zum Sohne Peleg's machen, was wohl darin feinen Urfprung bat, daß nad den gewöhnlichen arabifchen Genealogieen alle Südaraber Yokta⸗ niten, d. 5. Nachkommen Dabtän’s find. Hiervon weichen, wie man fieht, Wrede's Berichte ab. (Bergl. Sprenger, Leben des Mohammed, III, oxxx.)

**) Der einzige Autor, bei bem ich eine Erwähnung bes Stammes Yſd, ber in Hadhramaut herrſcht, finde, ift Maqryzy. Diefer fagt: Es ift in Ha dhramaut ein Gefchleht, deffen Familienname ift "Omar ben "Ya et Taubaͤt. Diefer Familie ward wunderwirkende Kraft, namentlid) bie Heilung des Schlangenbifjes zugefchrieben. Wer erkennt nicht bier die abergläubifche Ehr- furcht wieder, in welcher die Städter Hadhramauts, die faft alle von "Ai ab- ftammen, bei den Beduinen nad Wrebe’s Erzählung fiehen? (Vgl. Maqryzy, Bonn 1866, ©. 25.)

Ueber die Könige und Völker Südarabiens. 313

C. Stammesliften*) der Völker Hadhramauts nad Wrede, I. Dabtäniten.

Dahtän ben Hub Hatte nad) Wrede 16 Söhne.

1) Ya’cob **) (eigentlich Yemen).

2) Hannan (Wrede), wahrſcheinlich Hanaͤn.

3) Ayman (wahrfcheinlich der "Dmän des Eauffin de Perceval, dem Ya’rob die Provinz Omaͤn gab).

4) EI Mäs (Wrede), vielleiht Hamayfa‘, den Maqryzy als Sohn Dahtän’s nennt.

5) EI Motalammid (d. 5. der feinem Vorſatz Getreue)

6) Lawi (Wrede), vielleicht Loway.

7) Maer (Wrede), vielleicht Mahr, Stammvater ber Mohriten.

8) El Azeb (d. h. der Unvermählte).

9) Manäh (dev Götze Manaͤh als Heros, der ſpäter vergöttert wurde).

10) Dſchochom, dem Ya'cob bie Provinz Hidſchaͤs mit der Haupt- ftabt Meffa gab (Maqryzy, ©. 19).

11) & Moltamis (db. h. der Bittende).

12) El Allaͤmy (d. h. der Gelehrte).

13) El Moghtafir (d. h. der Vergebende).

14) Sälim.

15) EI Ocamen (db. h. der Taube).

16) Nahur.

*) Diefe Stammesliften ftehen mit allen bisher befannten Genealogieen im Widerfprud. Mitunter ift fogar bie Orthographie der Namen zweifelhaft, ba ähnliche bis jet noch nicht vorfamen. Im diefem Falle gebe ich fie nad Wrede's Schreibart mit Hinzufligung von „Wrede in Klammern.

”*) Die Bibel nennt 13 Söhne Ioltan’s, nämlich Almodad, Saleph, Ha- zarmameth, Sarah, Hadoram, Ufal, Dikela, Obal, Obal, Abimael, Saba, Ophir, Havila und Jobab. Bon biefen hat nur Jarah einige Aehnlichleit mit einem der obigen, nämlich mit Yarob. Magryzy dagegen nennt 10 Söhne Dahtän’s: 1) Ya’rob, 2) ‘A, 3) Ayman, 4) Hamayfa‘, 5) Hadhramaut, 6) Nat im, 7) Ghaͤſchim, 8) Solaf, 9) Datämy, 10) Dſchorhom. Bon diefen fiimmen nur ber 1., 3., 4. und 10. mit den Namen der Wreb’fchen Lifte überein.

314 Erfter Anhang.

| Bon diefen 16 Söhnen des Dahtan haben nur 8 ihre Rad:

fommenfchaft in Hadhramaut und angrenzenden Ländern, 'und bilden die Stammoäter der 8 Qahtäuitiſchen Hauptſtämme, die zufammen in 36 Nebenftänme zerfallen. Aber in ben Beneunungen diefer Danpt:

ftämme find die Namen ihrer in der vorigen Lifte angeführten Stamm: |

väter (mit einer einzigen Ausnahme, Nahur) gänzlich verloren ge- gangen. Sie nennen fi jet ganz anders, als ihre obengenannten Stammpäter, und es ift nicht einmal zu erfennen, von welchem der 16 Söhne Dahtän’d die einzelnen abjtammen. Nur die Zrabition, daß fie Dahtäniten find, ift lebhaft unter ihnen erhalten, und bie Kenntnig vom Unterſchied zwifchen ihnen und den von Peleg oder Hodun ftammenden Völkern wird noch immer im VBollsmund fort: gepflanzt. Ihre Namen dagegen find (mit einziger Ausnahme der Beny Nuh) eigentlich jegt gar keine Abftammungsbezeichnungen meht, fondern Beinamen, von Eigenſchaften abgeleitet, meiſt im bildlicer Redeform.

Nah Yäqut (IL, 275) foll zwar einer der Söhne Dahtäns, welchen er "Amir nennt, deu Beinamen Hadhramaut geführt und diefen dem Lande beigelegt haben; aber einestheils erhellt nicht, welcher von den obengenannten 16 Söhnen Dahtän’s (von denen wir mehrent, wie El Motaammid, El Moltamis, El Moghtafir nur mit ihren Beinamen Tennen) mit feinem Hauptnamen ‚Amir‘ hieß, und dann, felbft angenommen, daß er den Lagab „Hadhramaut‘ führte und ihn nad) Ibn Obayda dem Lande gab, fo ift doch damit nicht geſagt, baß er ber Stammvater aller Habhramauter war. Ibn Kelby (bei Yäqut a. a. D.) nennt fogar den Hauptnamen diefes Sohnes Dahtän’s „Hadhramaut“ oder vielmehr „Haͤdhramyt“, wie er behauptet, daß dies die Schreibart der Bibel fei (fie ift bekanntlich Häzarmänet). Diefer Heißt bei ihm ben Yogtän, ben Abir, ben Schaͤlich. Cine andere Anſicht ift die, daß Hadhramaut ein Beiname bes Amru ben Days, des obengenannten 17. Königs der Wrede’fchen Lifte ſei. Nah Wüſtenfeld's Tabellen wäre jedoch „Hadhramaut“ der Name eine? Sohnes diefes Amru ben Days. Vielleicht führten Mehrere diejen

| |

Ueber die Könige und Völker Sübarabiens, 815

Tagab. ebenfalls weiß bie heutige Tradition der hadhramauter Be⸗ Duinen Nichts mehr von einem Stammvater „Hadhramaut“.

Zwei weitere Verfionen führt Magryzy (Bonn 1866, ©. 18) an. Nach der einen wäre Hadhramaut der Name eines Sohnes des Ayman, ben Hamayfa‘, ben Himyar, des 6. Könige der Wrede'ſchen Lifte. Diefer Hadhramant wäre aljo ein Bruder von EI Ghauth. Nach der andern Verſion ift Hadhramaut ein Sohn des Zohahr, ben Shauth, ben Ayman, aljo ein Urenkel, nicht ein Sohn Ayman’s. Diefer Hadhramant foll einen Bruder Namens Hadhramy gehabt Haben. Dier finden wir aljo, daß auch die Lesart. Ihn Kelby's „Hadhramyt“ zur Fiction eines Perfonennamens Anlaß gab, wie denn überhaupt „Hadhramaut“ als Perfonenname durchaus unwahr⸗ fcheinlih ift.

Bolgende find num die acht Stammesgruppen ber In Hadhramaut und angrenzenden Ländern wohnenden Dahtäniten.

1) Beny Nuh, bewohnen größtentheild die Landfchaft el Hadſchar und einen Keinen Theil der Landſchaft Beny "fa. Diefe Stammes- gruppe hat folgende Unterabtheilungen.

a) Kaſchwyn. Zählen etwa 3000 Seelen, bewohnen den oberen Theil des Wädiy Ma’yfche, die Wädiy el Madin, Verte, Showayte, den obern Theil des Waͤdiy Boyut und den nördlichen Abhang des Dſchebel Biyr Schyb.

b) Bi Saſd. Zählen etwa 4000 Seelen, bewohnen den obern Theil des Waͤdiy No’män, das weftliche Gehänge bes Dfchebel Biyr Schyh, den mittlern Theil des Waͤdiy el Boyut bis zum füdlichen Abhang des Dichebel Ghomapte.

c) Schaybe. Ein Stamm von etwa 4000 Seelen, wohnt am nordweitlihen Abhang des Dichebel Ghowahte bis zum Ent- ftehungspunft des Waͤdiy Hafar und in den Thälern, welche in den obern Theil diefes Waͤdiy münden.

d) Bi Dſchahym. Etwa 4000 Seelen ſtark, wohnen im untern Theil des Wadih Hafar und im Wädiy Haſſy, Caghyr, Gafrä und Oinnyna.

316 Erfter Anhang.

e) Schogayr. Etwa 3000 Seelen ftarf, wohnen im Wabiy el Hadfhar, von der Mündung bes Waͤdih No'män an bis zum Wäaͤdiy Schorut oder Scharät.

f) Dſchohaym und

g) Dorus (Wrede), vielleiht Odruff, die gewöhnliche Art, wie der Name Idryſſ in Hadhramaut lautet. Diefe beiden Stämme mögen zufammen etwa 5000 Seelen ftarf fein und haben ihre Sike im Waͤdiy Dfehizwäl bis zum Waͤdiy No’äb.

h) Ba Haͤfir und

i) Ba Zora. Beide zählen zufammen nur 4000 Seelen und wohnen im Wädiy el Hadſchar, am Dſchebel Dſchanaf bis zur Mündung des Wädiy Scharät und allen auf diefer Strede münbenben Waͤdiy.

k) Maur. Etwa 2000 Seelen ſtark, wohnen zwiſchen dem Dſchebel Dſchanaf und dem Dſchebel Alqa.

I) Faq'as. Etwa 4000 Seelen ſtark, bewohnen den Waͤdiy Obne bis zum nordöftlichen Abhang der Dichebel Argime, Arfur und Matny.

m) Dhobayz *) und

n) Ba Dfibyän. Beide zählen etwa 4000 Seelen und bewohnen die Meeresfüfte von Raͤſſ Borum bis Medäha, den öftlichen Wädiy Mayfaa bis zum Wädiy No’äb, das Gebirge bis zum füdlichen Ab- hang des Dichebel No’ab und ben obern Theil des Waͤdiy Araͤr.

2) Dfiyayby. **) Diefer Stamm bewohnt die Landfchaft el

*) Dhobayz, Verkleinerungswort von Dhabyz oder Dhabz, welches nach ben Qaͤmus (S. 714) ſoviel bedeutet wie Dſyb (Wolf), alfo „Wolflein“. Solche Thiernamen als Stammesbezeichnungen waren bei den Arabern ehrenvoll und kommen unten noch öfter vor. Selten geht ihnen jedoch, wie in obigem Falle, das „Ba (fiir Banu, vulgo Beny) vorher.

**) Streng genommen ſollte das Wort Dſowayby (wölfleinartig) geſchrieben werden, aber die Ausſprache in Hadhramaut weiſt die Eigenthümlichkeit auf, dag im Relativum, wenn ber Mittelradical Hamza ift, der O⸗Laut des Dimi- nutiv in den der Endung verwandten I-Taut übergeht. Dadurch wird aud) der das Hamza vertretende Halbvocal aus einem Waw zu einem Ya und aus Die

Ueber die Könige und Völker Südarabiens, 317

Hadſchar von Mebäha bis zum Raͤſſ Hardſcha, dem ganzen weſtlichen Waͤdiy Mayfa’a und die in denfelben mündenden Thäler. Er zer- fällt in folgende fünf Unterftämme. |

a) Waddä bewohnen mit etwa 3000 Seelen die Küfte von Medähe und el Haff.

b) Solaymäny. Diefer Stamm hat eime Stärfe von etwa 6000 Seelen und bewohnt den Wädiy Araͤr und die Tihäma von Ba el Haff Bis zum Räſſ Hardſcha, inchufive Sähun.

c) El Ahmady. Zählen etwa 5000 Seelen und bewohnen den weftlichen Wädiy Mayfa'a von Sähun bis Soggoma und die Wädi Hamra und Haͤdhena.

d) Es Sälemy. Ein ftarfer Stamm von 9000 Seelen, bewohnt den Wädiy Mayfa'a von Soggoma bis Nagb el Hadſchar umd bie Seitenthäler.

e) Ei "Adfemy.*) Zählen etwa 4000 Seelen, bewohnen bie Wädiy Mayfa'a und “Hsan oberhalb Nagb el Hadſchar.

3) No’män. Diefe Stammesgruppe bewohnt ben nord- öftlihen Theil der Landſchaft el Hadſchar und einen Heinen Theil der angrenzenden Landſchaft el Dſchauf und zwar die Gegend von Habbän, Fodſchy Alyy und el Horr. Ihre Seelenzahl mag etwa 20,000 betragen. Da Wrede ihr Stammesgebiet nicht bereift hat, fo kannte er nur die Namen, nicht aber die Wohnorte der verfchiedenen Unter- abtheifungen der No'män. Diefe Namen find:

a) Beny Labahit (Wrede), wahrfheinlih Beny el Bähith. **)

b) Bi Didanaf.

wayby entfteht Dfiyayby. Der Wolfsname war immer ehrenvoll bei ben Arabern. Er gab wohl zu der Sage Anlaß, die Magryzy anführt, wonach ein Volk diejer Gegend, die Say'ar, die Fähigkeit, fich nad) Belieben in Wölfe zu verwandeln, befaß (Maqryzy, Bonn 1866, ©. 19).

*, Ein Perjonenname Adſem ift nicht befannt, wohl aber nennen ber Damus (S. 1661) und Yäqut (III, 626) einen Waͤdin in Pemen, Namens Adſem, über deffen genauere Lage fie aber nicht das Geringfte jagen.

”) Bahhäth ift als Eigenname bekannt. Bähith diirfte ähnliche Bedeutung haben, d. 5. der „Erforſcher, Nachſpürer“.

318 Erfter Anhang.

c) Raſchyd.

d) Dobhä’y. *)

4) EL Dſcha'ſda. Diefe Stammesgruppe bewohnt bie Laub⸗ ſchaft Hadhramaut und einen Heinen Theil der Landſchaft Beny "Ya und zwar die Wädiy Amd und Rähiye. Er zerfällt in neun Unter- jtämme.

a) Beny Taͤhir ben Radſchym. Bewohnen mit 6000 Seelen

die Umgegend von Gahwa und Waͤdiy Raͤchihe. b) Muräd Gobayh. **) Zählen etwa 8000 Seelen und bewohnen den obern Theil des Wädiy Amd bis Hallet ba Sälib.

c) Beny Schamlän. Zählen 6000 Seelen, bewohnen den mittleren Theil des Wädiy Amd.

d) Säftb ***) mit 5000 Seelen.

e) Dfyaybene F) mit 6000 Seelen.

f) Baͤ Dyatrr) mit 4000 Seelen.

g) Beny Dſchadſyma mit A000 Seelen.

h) EI Ma'dy mit 8000 Seel.

3) Hallähn mit 4000 Seelen.

Die Wohnerte der ſechs zuleßtgenannten Unterftänme konme Wrede nicht im Einzelnen ermitteln.

5) Nahur. Diefe Stammesgruppe bewohnt den Wädig Dag

*) Dobdhä'y heißt „luchsartig“ und bildet fomit ein neues Seitenßück zu den obigen Wolfsnamen Dfiyayby und Dhobayz.

**) Muräditen wohnten zu Mohammed's Zeit in Dſchauf im Difrict Dſchazr. Bon einem Gobayh, Rachlommen des Murad, ift Nichte bekannt.

*#*) Wrede glaubt, der Name könne der „Gekreuzigte“ (Calyb) Heißen mb auf einen chriftfichen Urfprung bes Stammes deuten. Da Wrede Übrigens möcht die letzte Sylbe Img jchreibt (wie in Galyb) und Gad und Syn Bei iu oft ſchwer zu untericheisen find (er fchreibt nämlich nie in arabiichen Bachſtaben), fo glaube ich vielmehr Saͤlib, d. h. der Räuber, Raubmörber, Iefen dürfen.

+) Ein Bert ühnfihen Urfprimge wie das obige Dfiyayby, alſo „molf- artig” bebentenb, wie es denn fehr viele Stämme in Arabien giebt, die ihre Namen von Dſfiyb (Wolf) ableiten, ebenfo wie von Leib (Qumb, aud) Beh. +r) Dot und Dyk el Dſchinn waren befannte arabäiche Laqabs (Beinanten). Dyät ift die Pluralform diefes Namens, welcher „ber Hahn“ bebeutet.

Ueber die Könige und Bülker Südarabiens. 319

son Dsthäm bis Dabr Hud und foll von Nahır, dem 16. Sohne Dahtän’s, abftammen. Ihre Gefammtzaht foll 30,000 Seelen be- tragen. Die Wohnorte der fünf Unterftännme konnte Wrede im Ein- zelnen nicht ermitteln. Ihre Namen find:

a) Makaͤrim (d. h. die Eblen).

b) Solaymän. -

c) Haynan.

d) Dodtän.

e) Amr.

Bon ben drei folgenden Gruppen konnte Wrede mr die Haupt- namen, nicht aber die Namen der Unterſtämme erfahren.

6) EI Aſwad. Diefe Stammesgruppe foll 12,000 Seelen zählen. Bewohnt den obern Theil des Wädig Hadſcharyn und den untern bes Waͤdiy Odyme.

T) EI Mahfuz. Diefe Stammesgruppe hat eine Stärke von ungefähr 10,000 Seelen und ihre Wohnfige im untern heil des Wadiy Hadſcharyn, von Meſchhed "Alyy bis Hawra.

8) EL Aräba. Wohnen mit 6000 Seelen im obern Theil des Wädiy Dar, von Hawra bis Dothäm. *)

OD. HSobuniten.

Bon Hodun (Peleg, Tälegh), dem zweiten Sohne des Propheten Hud (Eber), ftammen drei Hauptgruppen und 36 Nebenftänme ab. Hier find übrigens nur die Beduinen, welche Hoduniten find, ftammes- weife verzeichnet. Außer ihnen wurden aber im Manufeript von

*) Die Namen diefer das eigentliche Habhramant bewohnenden Stimme haben gar feine Aehnlichkeit mit denen, die Maqryzy den Völkern Hadhramauts giebt. Er nennt folgende Stämme: El Baräwidfche, El Dichalähime, Eth Tha- bätine, Beny Aby Malit, Beny Mofalim, Beny Ibn er Raby'a und Beny Hy Hafchradſch (Magryzy de valle Hadhramant ed. Paul Berlin, Bonn 1866, p. 20). Rur die Beny Ihn er Raby’a laſſen fi auf einen von Wrede an-

rien Ahnen zurückführen, nämlich Rabya ben Ya’rom, den 10. König von Hadhramaut (f. oben B, 1).

320 Erfter Anhang:

Ehoraybe nod alle Städter Hadhramauts und der angrenzenden Länder als Hoduniten bezeichnet.

1) Saybän. Diefe große Hauptgruppe von Saybän, ben Nedſch, ben Sa’yd, ben "Da, ben Hodun, ben Hub abftammend, bewohnt die ganze Landſchaft Beny "Na, die nah "Ya el "Amud, dem Ur- großvater des Saybäan, benannt if. Die Sayban zerfallen in 15 Unterftämme. *)

a) Agaybere. Bewohnen, 12,000 Seelen ſtark, die Gebirge und Thäler vom Wädiy Dirbe bis zum Wädiy Howahre und zwar vom Meere an bis zur Wafferfcheide auf der Hochebene der Dſchebel Tfahura und Kaur Saybän.

b) Chämiye umd

c) Moraͤſchide. Zählen zufammen 16,000 Seelen und bewohnen den Wädiy Do’än und feine Nebenthäler.

d) Beny Hafan. Zählen 10,000 Seelen und bewohnen die Gegend um Borum, ſowie die Waͤdiys weitlih vom Wäadiy Dirbe.

e) Hamämedyn. Bewohnen mit 6000 Seelen die Waͤdiy ei Ayfar und Kotayfe, den untern Theil des Wädiy Chärith, den obern des Wäadiy Odyme.

f) Bi Mardagha und

g) BA Dfichonbog **) (gefprochen Dſchomboq). Zählen ein jeder etwa 4000 Seelen und wohnen gemeinjchaftlih im Wädiy Haube, Ebnaͤ, Saar, Baͤdſche, Corab und im Wädiy Ma’yjche bis Dirbet Dahme.

h) Gaumahänyn ***) und

*) Die Namen bdiefer Unterflämme find faft ausnahmslos urfprünglide Laqabs (Beinamen), deren mitunter höchſt charakteriftiiche Bedeutung in den Noten ber folgenden Seiten berührt werden joll.

**) Mieder ein Thiername als Lagab (Beiname) eines Stammes. Dſchonboq oder Chonboq (beide Schreibarten find autorifirt) heißt daffelbe wie Danfut, d. 5. „der Igel, bildlich wohl auch „der Geizhals” (Damus von Calcutta, S. 1255 und 1269).

*e*) Diefelbe Bedeutung wie Gamahmahy, „ein ſtarker Maun, von kräftigem Gliederbau“ (Dämus, ©. 291). | .

Ueber die Könige und Völker Südarabiens, 321

i) Aſaͤwire.*) in jeder diefer beiden Stämme zählt ungefähr 3000 Seelen. Sie bewohnen gemeinfhaftlid) die Waͤdiy Mädfchid, Butrah, el Matäne, el 'Af, Dahme und den untern Theil des Waͤdiy Chärith.

k) Dſchahaͤtſime. **)

l) Ootham und

m) Matärnile. ***) Diefe drei Stämme, von denen jeder etwa 3000 Seelen zählen mag, bewohnen gemeinjchaftlicd den obern Theil des Waͤdiy Rayde ed Dyn und die auf diefer Strede in ihn mün- denden Nebenthäler.

n) Ahl el Hayik T),

0) Hälife tr) und

p) El Bahäbihe. 77) Ein jeder diefer drei legtern Stämme zählt kaum 2000 Seelen. Sie bewohnen gemeinfchaftlich die Kleinen Seitenthäler zwifchen dem Wädiy Doän und dem Wädiy Amd. —4

2) Edſ Dfahiyn. FrTr) Zweite Stammesgruppe ber hodu⸗

*) Afüwire, ein aus dem Perſiſchen ſtammendes Wort, welches „Reiter“ und zwar vorzüglid eine perfifche Neitergattung bedeutet. Vielleicht weift der Name auf eine Stammestradition aus der Zeit der Perferherrfchaft in Nemen hin (ähnlich wie der Name Ebna), denn jest hätte er feinen Sinn mehr, da diefe Stämme keine Pferde haben und die Araber Kameelreiter oder Efelsreiter nicht „Aſaͤwire“ nennen.

**) Das heift „die Großäugigen“ oder bie „mit hervorragender Bupille Verſehenen“.

***) Dieſer eigenſchaftliche Name ſcheint ein Plural von Moſtatmil oder Montamil, welches etwas Aehnliches bedeuten dürfte, wie Matmal oder Tamyl, d. h. der ſich die Haut mit Del, Blut oder Harz einſchmiert, eine bei manden Beduinenflämmen herrfehende Sitte (Dämus ©. 1293).

+) Ahl (das Bolt) el Hayik (dev Weber), alfo das „Bolt des Webers‘, wahrfcheinfih wegen ber Kertigfeit der Beduinenfranen dieſes Stammes im Weben der bekannten groben Wollendeden.

+) Der „ſchwarze“ (Stamm). Hälife ift Femininum wegen Dabyle (Stamm), was in Gedanken ergänzt werben muß.

+rr) Bahäbihe, Plural von Bahbahy, d. h. „ein Mann, deffen Geldbeutel und Haus offen iſt“, alfo ein gaftfreier Mann (Damus ©. 365).

144) Edf Dfahiyn, d. 5. „die Glänzenden“.

A. v. Wrede'e Reife in Habhramant, 21

322 Erfter Anhang.

nitifchen Bebuinen. Bewohnen den Wädiy Rayde ed Dyn von feiner Vereinigung mit dem Wädiy Rayde es Sowayde bis zum Wädiy Amd. Die Wohnorte der einzelnen Unterftämme, deren im Ganzen acht, konnte Wrede (mit Ausnahme der des Stammes Omm Sadus) micht ermitteln. Die acht Unterftämme find:

a) Omm Sabus bewohnen, I000 Seelen ftarf, den Wädiy Rande ed Dyn gerade unterhalb feiner Vereinigung mit dem Wadip Rayde ef Sowayde.

b) Baͤ Yomin*), 4000 Seelen,

c) Bi Didohaym **), 4000 Seelen,

d) Sowaydän, 3000 Seelen,

e) Karyb, 2000 Seelen, ungefähre Schäßung.

f) Baͤ Hanän, 3000 Seelen,

ge) Baͤ Elyäs, 2000 Seelen,

« _h) Abärile ***), 1500 Seelen,

2) El Hamum. Dritte Stammesgruppe der Hoduniten. Die Stärke diefer Stammesgruppe foll 48000 Seelen betragen. Sie be wohnt die gleichnamige Provinz von der Meeresfüfte bis an die Grenze von Hadhramant. Sie zerfällt in 13 Unterftämme, deren Wohnſitze im Einzelnen Wrede nicht ermitteln konnte.

Diefe Unterabtheilungen find:

a) Bayt }) "Alyy.

b) Bayt el Dſchomaymy.

c) Bayt Aghräf.

d) Bayt Ghoräb.

*) Yomin, „ber glücklich iſt“, ähnlich bein befannten Eigennamen Maymun (beglüdt). -

**) Dihohaym, Diminutiv des bekannten Eigennamen Dſchahm.

“er, Das heift „die Gefegneten”.

+ Bezeichnend ift hier das Wort Bayt ftatt des Üblichen Banu (Beny), Auläd oder Bi. Auch in Mahra und Dära finden wir dieſe Bezeichnung, melde offenbar anf ein Volk deutet, das mehr dem Leben in feften Wohnſitzen, ale dem beduinischen Romadenleben ergeben ift.

Ueber bie Könige und Völker Südarabiens, 323

e) Bayt ba Gälih.

f) Baht Cobhy.

8) Baht el Ahmediye. h) Bayt Därife.

i) Baht Horr.

k) Bayt Hakan.

I) Bayt Waly. m) Eſch Scha’amla’. *)

-

*) Scha' anla gefchrieben, aber Scha’amla‘ gefprochen. Das Wort bebeutet „longus, procerus”.

21*

Zweiter Anbang zu

A. v. Wrede's Reife in Hadhramant.

Himyariſche Inſchrift von Obne

von

Heinrich Zreiberrn von Maltzan.

Die fünfzeifige himyariſche Infchrift der Mauer von Obne, welche Wrede im Jahre 1843 entdedte und copirte, erfcheint hier meines Wiffens zum erjtenmale *) in getrenem Yacfimile nad) des Reiſenden eigener Copie, welche feinem übrigen handjchriftlichen Nachlaß bei- gelegt war. Unbelannt war fie freilich den Drientaliften bis jet keineswegs geblieben. Es müſſen mehrere handichriftliche Copieen der- felben eriftirt haben und den Gelehrten zugänglich gewefen fein; we- nigftens finden wir einzelne Theile der Infchrift mehrmals citirt; 3. B. von Profeffor von Ewald in Hoefer’8 Zeitjchrift. für die Wiffen- Ichaft der Sprache (I, ©. 306) und in fehr ausgedehnter Weife von dem ausgezeichneten Erforſcher himyariſcher Epigraphit, Ernft Oftander, welcher der Wilfenfchaft leider zu früh entriffen wurde. Letzterer fpricht ſich felbft (3. D. M. G., Bd. X, ©. 32, Note) über die Art und Weife aus, wie er zum Beſitz einer ſolchen Copie gelangte.

Ebenſo ſcheint auch bis jet noch nirgends eine vollftändige Er- Härung erfchienen zu fein. Daß der Entwurf einer folchen ſich im handfchriftlihen Nachlaffe Ofiander’8 befinde, wurde mir von Herrn Prof. Levy, der fid) durch die Bearbeitung und Herausgabe eines

*) Die Infchrift wird zwar in einer franzöfifchen wiffenfchaftlichen Zeit- fhrift (F. Lenormant, Comptes rendus des seances de l’Academie des In- scriptions, 1867, p. 124) als „veröffentlicht”’ bezeichnet, aber, wenn eine ſolche Bublilation flattgefunden hat, fo war fie jedenfalls anf jehr wenig Eremplare befchränft, von denen nie eines nad) Deutſchland gelommen zu fein fcheint. Selbft franzöfifche Gelehrte konnten mir darüber Teinerlei Auskunft ertheilen. Eine Anfrage an Herrn Lenormant felbft blieb ohne Erwiederung.

328 Zweiter Anhang.

großen Theiles jenes Nachlaſſes (3. D. M. G. Bd. XIX und XX ein fo ausgezeichnetes Verdienft erworben hat, mitgetheilt, und durd) die Güte der Deutſchen Morgenländifchen Geſellſchaft gelangte auch wirflih die Handſchrift jenes Grllärungsverfuhs in meine Hände. Denn, wie ich die Nothwendigkeit einfah, daß dem Wrede'ſchen Reiſe— werte das Facfimile der Infchrift als Anhang angefügt werden müſſe, jo fühlte ich natürlich” auh das Bedürfniß, eine Erklärung dieſem Facfimile beizugeben. Leider ftellte fi) jedod) der Theil des Oſiander'⸗ ſchen Nachlaſſes, welcher diefe Inſchrift behandelte, als cin bloßer Verſuch und zwar als ein fehr unvollfonmmener Verſuch heraus. Cr ftammt nämlich aus einer Zeit, in welder Ofiander noch nicht jene zahlreihen (27) von Colonel Coghlan und die von Playfair (von dem übrigens nur eine herſtammt) in Aden erwobenen und dem britijchen Muſeum geſchenkten Infchriftstafeln Fannte, durch deren von ihm felbit entworfene und von Prof. Levy herausgegebene Deutungen unfere Kenntnig der himyariſchen Epigraphif jo bedeutende Fortſchritte ge: macht hat. Dfiander fcheint zwar die Abjicht gehabt zu haben, feine durd) die befagten Schriftdenkmäler erweiterte Kenntniß des himyari— ſchen SprachgebietS audy zu einer neuen Deutung der Wrede'ſchen Inſchrift fpäter zu benuten. Aber der Tod des ausgezeichneten jungen Gelehrten verhinderte den Angriff diefer Arbeit, wie die Vollendung jo vieler andern von ihm unternommenen. |

So erwuchs mir aljo aus dem Ofiander’fchen Nachlaß nur eine jehr ſchwache Beihülfe zu meinem eigenen Berfuche, die Wrede'ſche Inſchrift zu deuten; eine Beihülfe, die ic) gleichwohl nicht zu gering anfchlagen will und auf die ich im Folgenden nicht ermangle, in allen den Fällen hinzuweiſen, in welchen fie mir zu ftatten kam.

Fundort der Inſchrift.

Das Thal "Obne, in der Landſchaft el Hadſchar, auf dem Wege zwifchen Hien ben Dighaͤl und der die oceaniſche Küſte Arabiens be- Ipülenden Bucht Dobbet el Ayn, etwa zwei Tagereifen vom Meere gelegen, wurde von Wrede am 16. Juli 1843 befucht, wir können

Himyarifche Inſchrift von Obne. 329

fagen, entdedt. Die Ruinen einer uralten Baute, welde fih in jenem Thale befinden, führen im Volksmund den Namen Dim cl "Ohne, obgleih fie, wie Wrede fi durch Augenfchein überzeugte, nicht die Reſte eines Feitungsfchloffes, fondern die einer Mauer find, welche quer durch das Thal gezogen tft und im Weften über einen richt fehr fteilen Berg geht (der den Waͤdiy Obne auf diefer Seite begrenzt), dagegen im Often an einer tiefen, wie ein Graben geftalteten Schlucht endigt, an deren entgegengefegter Seite cine Anhöhe fchr fteil abfällt. Diefem öſtlichen Ende gegenüber zieht ſich von der er- wähnten Anhöhe eine ſchmale Schlucht nieder, welche aud) durch eine - Mauer gefchloffen ift, an der man am Boden ein vierediges Loch zum Abfluß des Regenwaſſers gelaffen hat. *) Die Höhe der großen Mauer ift 6,92, die Breite 6,8, die Länge 67 Meter. Im der Mitte des Thale ijt ein Thormweg, der augenjcheinlich nie bededt war, von 1,64 Meter Breite. Es find jedod) Anzeichen vorhanden, daß die gelegentliche Schließung diefes Thorweges durd) eine Thüre beabfichtigt, wenn auch vielleicht nie ausgeführt worden war. **) An deijen füd- lichem Ausgang auf einem langen Duader in der öftlichen Wand be- findet fi) die fünfzeilige Infchrift. Weber die Größe der Schrift: zeichen giebt uns Wrede keinen Aufſchluß. Wrede fehreibt diefer Mauer einen feftungsartigen Zwed zu. Er fah fih aber umfonft nach den Reften eines Gebäudes um, in welchem die Garnifon diefer Feſtung gewohnt Haben könne. Doc vermuthet er eine ſolche Beſtimmung bei einer andern Ruine, welche er auf dem Wege nad Obne und ziemlich weit von leßterer Dert- lichkeit entfernt gefehen hatte. Wenn auch ein folcher Feſtungszweck wohl ſchwerlich in Abrede geftellt werden Tann, fo dürfte doch die Vermuthung nahe liegen, die Mauer könne zugleich eine ähnliche Beftimmung, wie der berühmte

*) Die vollfländige Belchreibung der Mauer möge man oben (Cap. V, S. 149) nadlefen.

**) Man fehe darliber Wrede’s Beichreibung der am nördlichen Ausgang des Thormweges nachweisbaren Steinmeßarbeit (Cap. V, S. 150).

330 Zweiter Anhang.

Damm von Märib, gehabt haben, d. 5. die Aufitauung und das gelegentliche Ausftrömenlaffen der Waffer, welche bie Gießbäche der Hochgebirge Hier famımeln mußten. Dennoch fehlen nad Wrede's Beſchreibung der Mauer alle nähern Anzeichen einer folchen Be- ftimmung und auch in der Infchrift jelbft wird ihrer nicht gedacht, wohl aber und zu wiederholtenmalen des feitungsartigen Zwecks derjelben, wie wir unten jehen werden.

Charakter der Schriftzeichen.

Wie faſt alle uns befannten himyariſchen Schriftdenfmäler, jo, zeichnet fi auch die Wrede’fche Inſchrift durch Deutlichfeit und Schönheit der Zeichen aus. Ja, fie gehört fogar, was ihre Aus- führung betrifft, zu den vollendetejten dieſer epigraphifchen Denk— mäler und darf in diefer Beziehung wohl den Bronzetafeln des Bri- tifchen Mufeums an die Seite geftellt werden.

Die Form der Zeichen ift in den Grundzügen diefelbe wie auf den genannten Bronzetafeln. Das Reich hat jedoch weder die halb- freisförmige, nod) die gewundene Form, fondern die eines nad) links offenen ſtumpfen Winkels, unter welcher es ſchon aus der XLIII. In- ſchrift bei Fresnel*“) und der 13. (auf Tafel 12 in Z. D. M. G., XIX abgebildet) des Britiſchen Muſeums bekannt war. Das Vav hat nicht die Form eines Doppelkreiſes, ſondern die eines durch eine ſenkrechte Linie geteilten Kreifes, wie auf den Tafeln 27—32 des Britifhen Mufeums **) und auf vielen Infchriften bei Fresnel. Das Schin unterfcheidet ſich auch von der gewöhnlichen gewundenen ober der einem umgewandten Sigma ähnlichen Form und gleicht genau der- jenigen, wie wir fie auf der Inſchrift von Naqb el Hadfchar ***) und auf der 12. Tafel des Britiſchen Mufeums fehen. Ueberhaupt

*) Journal Asiatique, Quatritme Serie, Tome VI, p. 178. **) 3, D. M. ©, Band XIX, Tafel. 27—82. **x) Wellſted, Reifen in Arabien von Rödiger (Halle 1842), Band II, Zajel 2.

Himyariſche Inſchrift von Obne. 331

nähert ſich der Schrifttypus der Wrede'ſchen dem der genannten 13. Inſchrift mehr als dem irgend einer andern uns befannten und differirt merfwärdigerweife fehr auffallend von dem der Infchrift bon Hign el Ghoraͤb und zum Theil auch von dem derjenigen von Nagb el Hadſchar. Jede diefer drei in der Provinz el Hadſchar gefundenen Infchriften zeigt ihre unterjcheidenden Eigenthümlichkeiten, und nähert fich Feiner der beiden andern, fo daß wir den Gedanken an einen provinziellen Schrifttypus in Bezug auf fie aufgeben müſſen. Auch die eine der in London befindlichen Infchriften, als deren Fundort man wohl Hadhramant annehmen Tann, nämlich die 29. *) in Dfiander’8 Abhandlung über die Injchriften des Britifhen Mufeums weicht in den Formen des Schin, des Vav und des Thau von der Wrede’fchen ab, nähert fich ihr jedoch in der Form des Reich.

Bei diefem Mangel eines provinziellen Schrifttypus und aus der geringen Zahl der in Hadkramant, Beny "Ya und el Hadſchar ge- fundenen Schriftdenktmäler könnten wir uns verjucht fühlen, zu folgern, daß die himyariſche Sprache als Schriftſprache in diefen Provinzen nie vecht heimisch geworden ſei und daß die himyariſchen Schriftdent- mäler, welche wir dafelbft beobachten, meift den Eroberern aus Yemen oder ihrer im Lande zur Herrichaft gelangten Nachkommenſchaft zu⸗ zufchreiben fein möchten. Was nun die Wrede'ſche Infchrift in Be⸗ fondern betrifft, jo muß uns die auffallende Aehnlichkeit ihres Schhrift- topus mit dem der 13. (Taf. 12)**) des Britiſchen Mufeums zu ber Vermuthung leiten, daß beide einer und derfelben Periode an⸗ gehören. Eine nähere Verwandtſchaft fcheint jedoch zwijchen ihnen nicht zus beftehen. |

Deutung der Zeichen.

Mit einer einzigen Ausnahme ift die Deutung der Zeichen der Wredefhen Inſchrift ganz diefelbe, wie die der übrigen himyariſchen

*) Z. D. M. G., Bb. XIX, ©. 238 und Tafel 26. **) Ich citire biefe Infchriften in der Ordnung, wie fle in Oſiander's Ab⸗ handlung, 3. D. M. ©., Bd. XIX, aufgeführt find.

332 Zweiter Anbang.

Denkmäler, d. h. wie ein Zeichen auf diefen gelefen wird, jo uf es auch auf jener gelefen werden. Die Ausnahme wurde ſchon von Dfiander *) conjtatirt und fcheint feinem Zweifel zu unterliegen. Die: jelbe betrifft das Zeichen 2, welches auf allen andern Infchriften ale ı (arabifh )) gedeutet wird, hier aber an Stelle des auf diefer In Ihrift ganz fehlenden 8 (A, &) ſteht. Da dieſe Subftitution fir die Erklärung der Wrede’fchen Infchrift fehr wichtig ift, fo will id hier Oſiander's eigene Worte über diefelbe wiederholen:

‚Anders verhält es ſich (in Bezug auf den Buchſtaben ri) mit der Infcrift von Wrede. In den fünf Zeilen diefer himyariſchen Schriftprobe, die zudem noch manche Rücken hat, findet fi) das Zeickn 2 allein fechsmal; und zwar dreimal ganz entfchieden in Eigennamen, z. B. Zeile 1, rar, Zeile 2 und 3, das. Crinnert ung nım Schon die beiden Eigennamen gemeinſchaftliche Silbe an den bei Fresnel öfters wiederkehrenden Eigennamen na»nX (3.38. XII. -XIV. u. f.w.), jo ift vollends merkwürdig die Form nRb& (in Zeile 5), die an einer Stelle, wo wir entfchieden ein Zahlwort erwarten, wo es fid, wie das folgende orrmıR zeigt, um die Angabe von Monaten handelt, nichtS anders, ald das Zahlwort „drei“, bezeichnen Tann .und dem ſonſtigen nnd® = nAbn entſprechen muß; woraus fi) dann mit ziemlicher Wahrjcheinlichkeit ergeben würde, daß es fich bei dem un- mittelbar vorausgehenden Zr>% um bie Zahl „zwei (iS) handelt. Um nun den Gebraud) des Zeichens % in diefer Infchrift richtig zu beurtheilen, muß es vor allem beachtet werden, daß in dberfelben das gewöhnliche Zeichen fir wo, 8, nit vorkommt. Es liegt deshalb die Annahme nahe, daß der Verfaſſer diefer Infchrift zur Bezeichmmg des Yautes S ſich ftatt des gewöhnlichen Zeichens eines andern be: diente und daß dies auf einer bloßen Incorrectheit beruht, wie fic 3.2. auch auf den äthiopifchen Infchriften vorfommt **), erflärbar theils daraus, daß > und , in der Ausfpradhe, wenigftens im Munde

*), Z. D. M. G., Bd. X, ©. 36. **8) Dillmann in Z. D. M. G., Bd. VII ff. in den Anmerkungen.

Himyariſche Infchrift von Obne. 333

Des Verfaſſers, nicht ſo ſehr voneinander abwichen, theils daraus, Daß die Inſchrift nicht mehr dem Stammſitze des himyariſchen Volkes, yondern bereit einem weitern Kreife angehört; wie denn auch die Sprache derſelben ihre |pecififchen Eigenthümlichkeiten zu haben ſcheint.“ Dadurch, daß in diefer Infchrift das gewöhnliche Zeichen für T 6) eine andere Bedeutung hat, müßte, fo follte man denken, viel- Leicht für dieſen Lautwerth ein neues, bisher unbekanntes Zeichen ftehen. Nach einem folchen fieht man fid) aber umfonft um, wenn man nicht etwa bie leichthin modificirte Form des I (5) in Zeile 1 als eine eigene felbftftändige Form anſehen will; vielmehr fcheint auf der Wrede'ſchen Infchrift für die beiden verwandten Zautwerthe 7 (5) und T (3) nm ein einziges Zeichen zu ftehen, dasjenige, welches auf den übrigen Injhriften dem 53 (5) allein entjpridt. In den meiften - Fällen muß zwar dieſes Zeichen auch Hier als 3 (5) gedeutet werden, aber die Beispiele fehlen doc nicht, wo wir ihm feinen andern Werth als den des 7 (5) beilegen können (ſ. weiter unten Zeile 3 und 5).

Leſung der Inschrift.

Wir lafjen nun zuerſt die Tranfeription der Inſchrift mit den einmal in ähnlichen Fällen hergebradhten hebrätfchen Zeichen folgen (obgleich die arabifchen fich Hierzu vielleicht beffer eignen würden) und verfchieben die Ueberfegung bis nad) dem Schluffe unferer Erklärungen, nach dem Vorgange Dfiander’s, der auch zuerſt die Tranfeription, dann die Erklärung und zulegt die Ueberſetzung der von ihm gedeuteten Inſchriften zu geben pflegte.

1. I\a1ld...|.»....|.wn... amp | pm | ya | jan | Dumnsd ronın | waaR | nn | mann | an>n | sn72> 2.

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334 Zweiter Anhang. 8.

|aans | man | ma | Zap | nbp | aaa | Won | nam | na....

> | yon | namen | na | 33 | men | pen | bes | sar 4.

| 37 | yrnerz | spr | 91 | 939 | omp | ym....ı [nem

DE | DIN | 29903 | 35° | year | gar | yarı | erormn | yeraesa |

5.

| 3 | wm | yab | nsa | onpü | re | 0359 | 1993 ..... DrnwaTon | naar | Wwya | one | nndo | ran | orr95 | bez.

Erite Zeile.

Wie die bedeutungsvolle größere Form der Zeichen diefer Zeile und der weitere Zwifchenraum zwijchen ihr und der folgenden zu ver: rathen fcheint, jo bildete fie wahrfcheinlich eine Auffchrift, welche in furzen Worten auf den Zwed des Denkmals hindeutete. In ihrem heutigen Zuftand zeigt fie (ungefähr in der Mitte) eine durch Ber: letzung des Steines entitandene Lücke von etwa 14 Zeichen, in welcher Lücke jedoch wieder vier vereinzelte Zeichen erfennbar find, nämlid 2 nad) den erften drei fehlenden Zeichen, dann einmal alfeinftehend ein id und am Schluß wieder ein w. Bor diefer Lücke find 17 Zeichen (die Trennungsſtriche nicht gerechnet) deutlich und nur eim einziges (das 5.) unkenntlich. Nach der Lücke folgt eine ununterbrochene Reihe von 28 Buchſtaben, von denen nur zmei etwas verftiimmelt find, fich aber doch erkennen lafjen. Die Infchrift beginnt mit dem Worte oder den Wörtern:

Dd.nned. Nah Ofiander *) bilden die vier erften Zeichen ein (wie die heutigen Araber fagen würden) einfilbiges Wort, das ara- biſche Xẽ (m. net. von „Kä) oder „LS (Subft.), beibes „Ge— ichent, Gabe’ bedeutend. Das zweite » würde dann der Mimation

*)2.DM.G,®.X, S. 58.

Himparifche Infchrift von "Ohne. 335

angehören, welde, wie Oſiander anderwärts *) bewiefen Hat, im Himyariſchen die Stelle des arabifhen Tanwyn vertritt. In einer Note zu der oben citirten Stelle (a. a. O., Bd. X, ©. 53) bemerft Dfiander: „die Infchrift von Wrede beginnt mit |w. ans (nad) dem Folgenden wohl wransö zu leſen). Sollte diefe Form nicht in dem arabifchen AN „Lö Erklärung finden?‘

Diefe Bemerkung Ofiander’s fteht mit dem von ihm ſelbſt (frei- lich fpäter) aufgeftellten Grundfage im Widerſpruch, wonad die Mi- mation im Himparifchen nur beim status absolutus ftehen fann, ganz wie im Arabifchen das Tanwyn.**) Das folgende Wort Tann alfo ſich nicht im Genitivverhäftnig umter „XS unterordnen, wie dies bei Nſ der Fall fein würde. Ehe wir aber nad einem andern Verhältniß für die beiden Wörter zueinauder forfchen, unterfuchen wir zuerit, was wir denn aus dem zweiten machen können, von dem wir nur einen einzigen Buchftaben, das w am Schluffe, kennen. Halten wir die Ergänzung Oſiander's zu ion feft, fo ergiebt fi) uns in der Bedeutung diefes Wortes im Aethiopifchen ein brauchbarer Anhalts⸗ punkt. Von der Wurzel ZAPs haben wir dort das Adjectiv CiS mit der Bedeutung „instructus, compositus, constitutus”. Hier ergiebt ſich freilich die Schwierigkeit, daß das S am Schluffe fich in unferm himparifchen Texte nicht findet. Diefe Schwierigkeit tft im arabifchen we) (von ywy), welches „firmus et immotus consistens“ heißt, nicht vorhanden. Das Alif polungationis pflegt im Him- parifchen nicht gefchrieben zu werden, denn das himharifche x ver- teitt meift nur die Stelle des arabifchen Hamza. Somit fünnten wir

das arabifche uf) als Adjertiv hier gelten laffen, aber die Bedeutung dürfte fich doch dem obigen äthiopifchen CAP» nähern. Die Bedentung der beiden Worte wäre alfo weh) LE, d.h.

)3.D.M. G., Bd. XX, G. 255 **) Oſiander, a. a. O., Bd. XX, ©. 227.

336 Zweiter Anhang.

donum constitutum,. Das VBerhältniß der beiden Wörter zueinander wäre das eines Subftantivs zu dem auf daſſelbe bezüglichen Adjectiv. Hier ftört uns die Mimation des erftern Wortes gar nit, da letzteres auch im Arabifchen in gleichem Falle das Tanwyn haben müßte. Im Arabifchen müßte freilich (wenn fein Genitiv nadjfolgte) auch das zweite Wort entweder das Tanwyn oder den Artikel haben; da aber fegterer im Himyariſchen überhaupt fehlt, fo Könnten wir aud ohne Tanwyn das Adjectiv als in gleichem Status wie das Subftantiv jtchend auffaffen. Der Artikel könnte eben als im Adjectiv inbegriffen angejchen werden.

Wir können jedod) aud) u) als im status constructus ftehend - auffaffen und uns das folgende „> davon im Genitivperhältnig ab- hängig denken, ohne gegen die avabifche Syntar zu 'verftoßen, wie folgendes Beifpiel beweift *):

SE 25 56 „Ein Opfer kommend zur Ka'ba“.

Hier Steht genau wie in obigem alle das erfte Wort im status absolutus (mit Tanwyn, entfprechend der Mimation), das zweite im status constructus (ohne Tanwyn und ohne Artikel) und der folgende Genitiv bezieht fid) auf das Beiwort, nit auf das Hauptwort direct, ganz fo wie: wir das Verhältniß des dritten Wortes unferer Infchrift zu den zwei vorhergehenden auffafjen möchten.

In... In diefem Wörtchen vermuthet Ofiander (in feinem Ma— nufeript) einen Eigennamen und zwar den des von Wrede genannten Hann ben Tobba‘. Ic habe mich jedod) nach genauer Befichtigung des Wrede’fchen Manuferipts überzeugt, daR diefer Name gar nicht Hann heißt, fondern der gewöhnfiche arabijche Eigenname Haun **)

*) Silvestre de Sacy, Grammaire arabe, II, p. 111, 8. 198. **) Wrede bat fi in feinem Manufeript niemals arabifher Buchftaben be- dient. Er unterfcheidet zwar gewöhnlich bon 8, indem er das erfte 9, das

andere H fchreibt; aber zuweilen vernachläffigt er dies. So ſchreibt er einmal Yaun, ein andermal Yaun,

Himyariſche Inſchrift von Obne. 337

iſt. Letzterer wird aber (gg! gefchrieben, hat folglich mit rs nur den legten Buchftaben gemein, und außerdem nod) den Diphtong mehr, als diefer. Diphtonge wurden aber im Himyariſchen ſtets ausgebrüdt. Diel eher möchte ich jm für ein nom. act. von > (barmherzig fein) Halten. Im Arabiſchen lautet freilich diefes nom. act. „U> (Barmherzigkeit), aber es find bis jet im Himyariſchen keine Beifpiele von nom. act. der Form Jle5 vorhanden, vielmehr fcheinen die meiften von der Form da: zu fein. Dieſe Form würde im Arabiſchen > lauten (das v> des Qaͤmus paßt gar nicht hierher) und daffelbe bedeuten wie „us, d. h. Barmberzigfeit, Mildthätigkeit, Wohl- thätigfeit.

Ordnen wir nun diefes jo gewonnene nom. act. dem vorher⸗ gehenden adject. verbale unter, fo erhalten wir mit zugezogenem Subject:

- 6509 welches wörtlich überfegt lauten würde:

Donum constitutum misericordiae.

Wir dürfen jedoch nicht wörtlich ‚‚misericordiae‘’ überjegen. Nur derjenige Genitiv, welchem die Araber die Kraft der Bräpo- fition yo beilegen (den fie ge Ad; Lo nennen), bat unfere ge- wöhnliche Genitivbedeutung (und auch diefer nicht immer). Einen ſolchen Genitiv wilrden wir hier vermuthen, wenn er von „K& ab» bängig wäre, was aber nicht ift. Hier haben wir e8 dagegen offen- bar mit einem Genitiv zu thun, welcher die Kraft der Präpofition Jin ſich ſchließt AL A Lo). Dem arabiſchen Spracdgeift fchwebt Hierbei die Bedeutung „zju“ vor, alfo „zur Mildthätigkeit“; im Dentfchen müffen wir aber die Präpofition ‚‚aus’ und im Latei⸗ nifchen „in’ zu Hülfe nehmen. Alfo:

„Donum constitutum in pietate‘

A. v. Wrede's Reife in Habframant. 22

338 Zweiter Anhang.

oder im Deutfchen: „Ein Geſchenk geftiftet aus Wohlthätigfeit‘‘, mit andern Worten: „Eine wohlthätige Stiftung”.

|pm|y2... Das zweite Zeichen in yı77 ift Hier offenbar nicht das gewöhnliche 7, da es einen Mettelftrich mehr bat, als das 7 in üblicher Form, und wir dürfen e8 wohl für das verwandte 7 6) ans jehen, befonder8 da diefes auf unferer Infchrift nicht unter feiner üblichen Form % erfcheint. BD wäre der Plural des arabifchen 2) (locus elatior, ubi planities aut depressius solum est, ut reti- neatur aqua). 195) (> würde alfo heißen „der Sohn ber Hoch— thäler”. Dieſes 2) „> it wahrfcheinlich von dem vorhergehenden 5 h „Kb abhängig und zwar wieder als Genitiv von der Kraft der Präpofition J. Wir dürfen es alfo wohl in der Bedeutung „für den Sohn der Hochthäler“, d. h. für die Bewohner der Hochthäfer feithalten. Für fie war die Mauer von Obne wirklich eine wohl- thätige Stiftung, da fie ihnen Schu gewährte.

...amp|.. Offenbar haben wir e8 hier mit der VIIL arab. Conjugation zu thun, was ſchon Prof. v. Ewald, der diefe Inſchrift fannte *), bemerkt hat. ‘Der Stamm ift np, arabiih „AS, von dem freilich in dem Arabiſchen Lericon die VII. Conj. nicht vorkommt, ebenfo wenig im Aethiopifchen die diefer Conjugation entfprechende Form FPRamı, fondern von den Reflerivpaffiven mur die der V.und VI. arab. Eonj. entfprechenden Form FPRan ı und PPRanı Die VIII. Conj. hat befanntlich entweder Paſſiv⸗- oder NRefleriv- bedeutung, vorzugsweife die erſtere. Die verichiedenen Bedeutungen bon PAS find jedoch) alle ſolche, daß fich nicht leicht ein Paffiv, das es nicht blos der Form, fondern auch dem Sinne nad ift, davon denfen läßt. Selbft die V. Conj. &W hat in ihrer Bedeutung praefectus fuit, praecessit u. ſ. w. wieder einen activen Sinn er⸗ langt. Es bleibt alfo Nichts übrig, als hier an eine Reflerivbedentung

*) Hoefer's Zeitfhrift für bie Wilfenfchaft der Sprache, S. 300.

Himyariſche Juſchrift von Obne. 339

zu denken und zwar an das Reflexivum der II. Conj., welches allein einen brauchbaren Sinn abgeben würde. An Beiſpielen, daß die

VII. Conj. das Refleriv der II. bildet, fehlt es nicht, z. B. Ey effudit (aquam) und Eyil, effudit (aquam) sibi ipsi; „Ed, advocavit; seo, arrogavit sibi, appellavit se.

Da nun eine der Bedeutungen der II. Conj. von ed, „Pro- posuit“ ift, fo würde das Reflexivum „proposuit sibi” für bie VII einen paffenden Sinn abgeben. Vielleicht dürfen wir bier jedoch ganz einfach die Bedeutung der äthiopifchen Form FpRan ı (der Steigerungsjtamm der III. Conj.) fefthalten, um fo mehr als Dillmann (Lexicon aeth., p. 461) diefe Form aud) im Sinne des einfadhen Stammes der III. Eonj., alfo fir FPRam ı, der VIII. arab. Conj. entfprechend, anführt. Diefe Bedeutung wäre prae- venire, praevertere, was wir in Verbindung mit der Gründung der Mauer etwa mit „den Grunditein legen‘ überfeßen dürften. Wahrſcheinlich ftand das Verbum hier im Plural, da die folgenden Eigennamen wohl das Subject dazu bildeten. Wir müßten alfo aınp zu wonp vervollftändigen. An dieſe 3. Perfon Plural. Präter. müffen wir dann noch das Pronominaljuffiz, entweder 17 (Ofiander, a.a.D., XX, 242) oder jene eigenthümliche dialectifche Nebenform » (a. a. O., XIX, 248), von der wir auch in unferer Inschrift Beifpiele fehen werden, ergänzen, da dem arabifchen Sprachgebraudhe

gemäß das Object (welches hier > Um) A ift), wenn e8 vor den Verbum fteht, nach demfelben in Accujativform repetirt werden muß. Es ift fein Grund vorhanden, anzunehmen, baß die VIII. Conj. bier einen andern Cafus als den Accufativ regieren müßte. Im Gegen- theil macht es der Umftand, daß die uns befannte V. Conj. defjelben Verbums auch den Accufativ regiert, wahrfcheinlih, daR dies auch bei ber VIII. der Fall fein konnte.

Mit den oben gewonnenen Wörtern „eine Stiftung der Wohl- thätigkeit“ und „für den Sohn der Hodthäler würde ſich alfo das

22*

340 Zweiter Anhang.

Verbum „er nahm fi) vor’ im Plural zu einem logiſch richtigen Sate zufammenftellen laffen, deffen Sinn wäre: ‚Eine Stiftung aus Wohlthätigkeit für die Bewohner der Hochthäler nahmen ſich vor u. f. w.“

Auf diefen Eingang folgt nun die Xüde von 13—14 Zeichen, die nur von wenigen, vereinzelten, Tesbaren unterbrochen wird. Nach der Stelle, an welder wir das Pronominalfuffir von amp ver- muthen, kommen entweder unmittelbar oder nur durch ein Zeichen getrennt, die Buchſtaben oA, dann wieder eine Lücke von 1—2 Zeichen und dann ein Trennungsftrich.

Nach dem erften Trennungsſtriche, der in der Lücke deutlich zu unterfcheiden, folgt eine weitere Küde von etwa 4 Zeichen, dann, wie es fcheint, ein ® und wieder eine Yüde von 1 Zeichen, darauf ein deutlicher Trennungsſtrich. Wielleicht können wir im letzten Theile des

Mangelhaften den Cigennamen 917 (039), der auf unferer In- Schrift nod) öfter vorkommt, ergänzen.

Daß das nächſtfolgende Wort ein Eigenname und zwar ein auf 5 endender ift, läßt fich mit Leichtigkeit erjehen. Da wir aber in diefer Infchrift Keinen andern auf ð endenden Eigennamen haben, jo wagen wir e8 nicht, ihn zu ergänzen.

Die Reihe der Eigennamen, welche da8 Subject zu dem obigen amp bilden, wird nun fortgefeßt in dem vollfommenen Deutlichen: nnnzn | 2920 | snras | 32...

Sohn des Abyathi, des Geehrten (d. h. des Fürften) von Ha- dhramant. Da die Ueberfegung von nannsn | an>n als „der Ge⸗ ehrte von Hadhramaut“ ſchon von Oſiander feſtgeſtellt wurde, ſo kann id) mich bier wohl begnügen, auf ihn zu verweiſen.*) Un⸗ befannt war bis jett der Eigenname smsar, obgleich es nicht an andern himyariſchen Eigermamen fehlte, in denen die Form 25 auftritt, 3.3. sn oder mit der Mimation oyn (bei Ofiander, a. a. O., Bd. XIX, ©. 202) und "aan? in Fresnel’s Infchriften, XUI— XIV,

*) Ofiander in 3. D. M. G., 3b. X, S. 57, und XIX, ©. 240.

Himyariſche Infchrift von Obne. 341

XXIX, XLVI und LVIL ax ift offenbar das arabiſche I (Bater) und da nv als himyariſcher Name feftfteht, fo hatten wir & ! (dev Vater des Yathi‘ oder Ythi). Im Arabifchen kennen

wir ald Eigennamen a (Qaͤmus 1113), a (Wüftenfeld, Re⸗

gifter, ©. 259) und al (Dämus 1113). Die beiden erftern mit dem Iohäfa an N angehängt, würden N ergeben. Nun iſt aber die Verbindung durch das Idhaͤfa im Himyariſchen nicht die Regel, fondern die Ausnahme. Gewöhnlich ift die Verbindung der beiden Beftandtheile eines Eigennamens eine viel engere, als die durch das Idhaäfa bewirkte. Dfiander fagt darüber (a. a. D., Bd. X, ©. 52): „Bei der großen Mehrzahl der Eigennamen jcheint bie nordfemitifche Weife der Zufammenfegumg vorzuherrfchen, wonad) bie beiden Beſtandtheile auch in der Bildung zufammenfließen, was fid) im Himyariſchen ſchon auf den erſten Blick auch durch das Fehlen des Trennungsſtriches zu erfennen giebt.“ Deshalb braucht es ung nicht zu ftören, wenn bei der engern Zufammenfegung im Himyari⸗ Schen ein Halbvocal verkürzt worden und aus ui2 IT das Fürzere ee! geworden ift. Xeßteres wäre fogar ganz nad den Regeln,

wenn wir den obengenannten arabifchen Namen ei, Yathy (Dä-

mus 1113) bier annehmen, da in ihm fein Diphtong, fondern nur ein langer Bocal ift und lange Vocale im Himyariſchen in der Regel nicht geſchrieben wurden. Unſer Name würde alſo wohl Abyathi) zu vocaliſiren ſein. ion dro Solche Nebeneinanderſtellungen von Wörtern einer und derſelben Wurzel in verſchiedenen Formen, wie wir fie hier in wann | DIn®

*) Im Arabiſchen giebt es Tein langes i ohne ya, deshalb kann das bier befolgte orthographifche Syſtem, welches im Arabifhen ya durch y (nie durd) i) wiedergiebt, das i entbehren. Nicht fo für das Himyariſche, wo wir ſowohl kurzes i, als langes i ohne Ya haben und das ya nur entweder confonautifch oder als Theil eines Diphtongs auftritt.

342 Zweiter Auhang.

haben, fcheinen im Himyariſchen beſonders beliebt geweſen zu ſein, fo finden wir B. M. 8 (Taf. 7) z. B. op | pıprns; 13, 8. yarınamnaı | Yammna; 16, 7. eban | abo, und von lebterer Wurzel noch fünfmal *), 29, 6. nbaı | br u. f. w.

Zumeilen finden wir auch genau diefelbe Form wiederholt, 3. 3. Dr. M. 13, 4. nAm | nnun; 14, 9. 097 | DIT. Das gegenfeitige Berhältniß der beiden ähnlich Tautenden Wörter ift faft in jeder der obigen Nebencinanderftellungen ein anderes.

Die Form an, mit dem gewöhnlichen Pronominalfuffir 7 oder a ftatt des bier deutlich lesbaren, feltenen ©, kommt auf den Inſchriften des Britifhen Mufeums mehrmals vor, 3. B. 8, 7, warn; 8, 11. 12, 10. ann; 35, 5. varrann. Sie wird, ge-

80. wig mit Recht, von Dfiander für den status constr. von —8 äußerer Plural von | 34, gehalten. Diefer Plural un status constr.

wäre sh d. 5. „die Männer”, mit angehängtem Pluralſuffix, „ihre Männer‘, d. 5. „ihre Stammesgenoffen”. Die Form "max finden wir in denfelben Infchriften 5, 3, aan; fie entfpridht nad) Dfiander dem arabifchen za, „Stammeshäuptling“.

Das BD am Schluß beider Wörter ift ohne Zweifel das Pro- nominalfuffir der 3. Perfon Sing., io, vielleicht der 3. Perſon Blur. und ftcht ftatt des gewöhnlichen 7 und 0. Dieſe merfwitrdige dialectiiche Nebenform, von Dfiander Anfangs verlannt, wie er denn in unjerer Stelle nod) den Stamm wa vermuthete, aber jpäter von ihm deutlich ins Licht geftellt **), findet ſich bezeichnenderweife außer in der Wrede’fchen Infchrift amı häufigften in der 29. des Yritifchen Mufeums, derjenigen gerade, welche wir faft mit Beftimmtheit als aus Hadhramaut ftammend anfehen Können, fo daß wir hier wohl an einen Provinzialismus jener Landſchaft denken dürfen. In berfelben Inschrift Fommt auch das Tängere Suffie no einmal vor (Zeile 7).

*) Oſiander ftellt fie zufammen 3. D. M. G., XIX, 211. **) 3. D. M. ©, XIX, 248; XX, 243.

Himyariſche Inſchrift von Obne. 343

Die beiden 1 am Schluſſe Hält freilich Oſiander für Abbreviaturen von folennen Formeln, welche jo allgemein befannt waren, baf fie nicht auögefchrieben zu werden braudten. Aber da io für m fteht, fo dürfte die Annahme, daß mio eine Nebenform von war fei, nicht unfinnig erfcheinen. Abbreviatiren irgend wo zu vermuthen, wo Yein ganz beftimmtes Anzeichen vorliegt, muß immer vermieden werden.

Ich Habe freilich noch eine andere Vermuthung über diefes 7, nämlich die, daß es für das enklitifche Wa fteht, welches ſich im Aethio- pifchen in der Bedeutung des lateinifchen „„que” am Schluffe der Nomina findet. Auffallend ift jedenfalls der Umftand, daß in beiden Fällen, in denen diefes 11 vorfommt, nämlid Br. M., 29, 7 und hier, am Anfange des Wortes dem Sinne gemäß eigentlid ein „und“ ftehen müßte. Doch find der Fälle noch zu wenige, um hierüber zu be- ftimmten Schlüffen zu berechtigen.

ron | Omar würde alfo nach dem Obengefagten heißen: „ihr Häuptling, ihre Männer” ober „ihr Häuptling, ihre Stammes: genoſſen“. Das erſte Pronominalſuffix könnte auf das vorhergenannte Land Hadhramaut, das zweite auf die Geſammtheit, Fürſt, Land und alle vorhergenannten Perſonen bezogen werden.

Nun bleibt noch das ſchwer erklärbare nn übrig. Ich muß ge— ftehen, daß ich faft verfucht gewefen wäre, es durd) das hebräifche nn (Männer) zu erflären, fo gut paßte diefe Bedeutung hierher, wenn c8 mir nicht alfzu gewagt erfchicnen wäre, das nordfemitifche Sprachgebiet hier zur Hülfe zu rufen.

Zweite Zeile. Bon | bsa | ya | yby |... . don Da nah Arm wenigftens 3 Zeichen fehlen und bier offenbar ein nom. propr. gefucht werden muß, fo können wir wohl nad) Analogie des weiter unten (Zeile 3) vorkommenden Eigennamen Im das Fehlende durch Sry ergänzen. Der fo gewonnene Eigermame ift offen- bar einer jener mit da (Gott) zufanunengefegten, wie alle jemitijchen Sprachen fie aufweifen. Aber’ die Form sn ift jedenfalls dunkel.

344 Zweiter Anhang.

Im Dämus kommt fein 8 bor. Möglicherweife haben wir et hier mit einer Hiphilform von gL5 zu thun, eine Wurzel, von be

auch die arabiihen Namen a und a (vergl. oben sam) ab: geleitet find. Das Fehlen des zweiten ya Tieße fi in unferm Namen erflären, fchwieriger das Vorkommen des erften, da ein von Hiphil von glS abgeleiteter Eigenname SR heißen müßte.

by, arabiſch —E (famelicus oder der Strauß oder alacer) kommt auch in der 21. Inſchrift des Britiſchen Muſeums als Eigen⸗ name vor. Hier iſt es a, wie auch bei Wüſtenfeld (Regiſter, S. 57).

basa | 32. „Sohn des Ben⸗el“, letzteres offenbar ähnlich gebildet, wie die andern mit da zufammengefeßten Namen, alfo „Gottes⸗ ſohn“ bedeutend.

Dior, arabiſch yrsO, der vielbefannte Eigenname „Daus“.

Auf diefe deutliche Stelle folgt cine Lückenreihe, in der wir An- fangs nur ein undeutliches n und ein deutliches io unterfcheiden. Dann fehlen 5—6 Zeichen und es folgt po; hierauf eine Lücke von 1—2 Zeichen und dann 3 deutliche 737, darauf 3 verjtünmelte Bnchftaben, die vielleicht wor darftellten. Ohne mid) auf Ergänzungen hier ein lafjen zu wollen, Halte ich es doch für gewiß, daß wir hier das Berbum zu dem folgenden fuchen müffen, weldhes etwa in der Be: deutung ‚‚errichten‘‘ oder ‚erbauen‘ zu fuchen wäre.

nbp | yınapy... Erfteres wahrfcheinlich vom äthiopifchen HPA: custodivit abzuleiten und zwar analog IPNT :, „die Wache, die Schutzwehr“ (custodia terrae, Dillmann, Lexicon aeth., ©. 980); das folgende nbp ift gewiß der Plural des äthiopifchen Saı (Thal), subst. m. et f. plur. BAT: eine Pluralform, die im Aethiopifhen als die gewöhnliche vorkommt. In dem Suffle 37 müffen wir nad Dftander (a. a.D., XX, 238) ein entlitiſches Pronom. demonstr. erblicken, welches in der Form dem hebrätfchen yr, Ta, in ber de deutung dem äthiopifchen enklitiichen Ms entiprah. Wir würden es

Himparifche Infchrift von Obne. 345

alſo ganz einfach durch „dieſe“ zu überfegen haben. Demnach „dieſe Schutwehr der Thäler“.

an | aP91.... Das erite Wort 3P9 hat wahrfcheinlich eine ähnliche Bedeutung wie das obige napy, was um fo einladender, da ja auch im Aethiopifchen die Form FM neben IPNT: in gan; derfelben Bedeutung vorkommt, d. h. als custodia (Dillmann, a.a. D.). Im zweiten Worte narı müffen wir, wie jchon Oſiander (in feinem Manufcript) fagt, ohne Zweifel den Namen „A>, Hadſchar, welchen Diefe Provinz, deren, Feftung Obne war, noch heut zu Tage führt, erfennen, nicht aber das äthiopiſche VICE, welches in himyarifchen Infchriften zwar vorfommt (3.3. Br. M., 20, 1; 34, 3. 4 und Fresnel, LIV, 3), aber ſtets mit =, niemals mit gefchrieben wird. Alfo würde an | aprı „und den Schug von Hadſchar“ zu über- fegen fein.

Bei diefer doppelten Bezeichnung, „dieſe Schugwehr der Thäler und den Schub von Hadſchar“, können wir natürlich an nichts Anderes denken, als an die rieſige Mauer, welche dem Thale von Obne und der ganzen Provinz el Hadſchar zum Schutz gegen vom Norden ein⸗ dringende Feinde dienen mochte.

| Yyrara | ya | yrnm.>s]...

Dfiander hat in feinem handfchriftlichen Nachlaß das zweite Zeichen zu einem 5 vervollitändigt, ein Vorgehen, das gewiß gebilligt werden wird. Dadurch erhalten wir als das erfte Wort Zmnbs. br ift offenbar diefelbe Wurzel, aus der das obige „„LgÄe und das weiter folgende —6 gebildet find. Im Qaͤmus (©. 1829) finde ich eine

Notiz, dag Ae gleichbedeutend ift mit Fr 2, d. h. „er zog ſich aus Furcht zurück“. Ein von dieſem «Le nach Analogie des obigen Mie gebildetes Nomen würde und im st. constr. plur. „ig4e lauten und etwa die Bedeutung „das Zurüdziehn aus Furcht“ oder bildlich etwa „Zufluchtsſtätte“, ‚„„Sicherheitsjtätte” haben. Das am Schluffe ift wieder das obige enffitifhe Pronom. demonstr.; alfo „dieſe Zufluchtsftätten‘‘.

346 Zweiter Anhang.

"na ift gewiß bas äthiopifche Ndul.: (Land), alfo yrmırıa | 73, „der Sohn diejes Landes’. Wahrſcheinlich im Genitivverhältnig und zwar eines Genitivs, ber die Kraft ber Präpofition J hat, dem Borhergehenden unterzuorbnien. Alfo „dieſe Zufluchtsftätten für den Sohn diefes Landes”.

by | onıPp.... Bei dup (daS zweite m gehört den Mimation an) ift entweder an das arabifhe „5 (strenuus, audax) oder etwa an das äthiopif—he PR-I® ı *), substant. de loco, „das Vordere”, id quod ante est, pars antica (frons) zu denfen. “Die particula de loco P£-wms würde zwar hier faft denfelben Sinn geben, aber die Mimation Tünnte vielleicht Schwierigkeiten machen, wenn anders

wir nicht das Wort adverbialifch als Kos auffaffen dürfen. by wird ähnliche Bedeutung wie \nıby haben und fi) zu diefem ver- halten, wie das obige 3py zu dem vorhergehenden naps. Halten wir jedoch die erftere Bedeutung von op feſt, fo ergiebt fi der Sinn, „die Fühne (mächtige, ftarke) Zufluchtsſtätte“.

Dritte Zeile.

Die 3. Zeile beginnt mit einer Yüde von 3—4 Zeichen, auf die die Buchſtaben na und dann ein Zrennungsftrich folgen. Der Keft der Zeile ift intact. Er beginnt mit:

| np | aa | min | na | Was das erfte Wort betrifft, Jo ift von den verfchiedenen Notizen des Qümus (S. 1713) diejenige

bier am braudjbariten, welche “e al8 mit „vocem emisit‘ über: fett. Ein hiervon gebildetes Nomen würde vielleiht die Bedeutung „Ausrufsftätte”‘ haben, wobei wir an die Warnung vor Gefahren durch den Auf der Feftungsmächter denken Könnten.

ar... Die gewöhnliche Bedeutung von >, „ſtark und dit von Körper fein‘, findet hier Feine Anwendung. Dagegen treffen wir im Dämus andere Notizen, von denen vielleicht eine brauchbar

*) Dillmann, Lexicon linguae Aethiop., p. 461.

Himyariſche Juſchrift von Obne. 347

fein dürfte. So heißt es: wo 6 2) el & , ‚was von Der Erde aufragt‘‘, alfo vielleicht „ein Hügel‘. Hier müſſen wir wohl bildlich ‚eine hohe Warte”, einen allwärts in der Umgegend fichtbaren Signalpunft, annehmen. Das = am Schluffe dürfte, wie Oſiander bemerkt, für das Pronominalfufficr 17 ftehen, wie ja für wa an mehrern Stellen (Br. M., 34, 6. u. |. w.) die der obigen verwandte Form a fteht. Dfiander ift der Anficht, daß diefe Form nur beim stat. constr. pluralis in Anwendung fommen fünne. Doc brauchen wir deshalb nicht anzunehmen, daß, um das 7 anı Plate zu finden, an unferer Stelle ftatt mw, mnioa ftehen müßte, denn das ı des stat. constr. plur. ijt zwar die Regel, fehlt aber in fehr vielen Bei- fpielen, an welche ſich auch unfer maiwa reiht. Auf wen fich freilich dieſes Suffir bezieht, ift nicht zu erfchen, da es im Sing. fteht und das Subject (die vorher in der 2. Zeile genannten Eigennamen) cine Mehrheit bilden. Vielleiht auf ar oder auf Zn.

n5p | x „die Gärten der Thäler“. Wie wir oben gefehen haben, bildet ſich der stat. constr. von 7” jo, daß er das am Schluffe abftößt und , in | verwandelt; eine Bildung, die cbenfo wohl an ben status constr. al® an den status emphaticus des Plurals der Masculina im Syrifdhen erinnert, wo auch das n am Schluſſe wegfällt und aus LT zuerft SIE und dann Tas wird. Das

arabifche Ki> ſowohl, wie das äthiopifche 177 (beides „Garten“ bedeutend) iſt freilich feminin und wenn wir den innern arab. Plural „u> hier annehmen wollten, fo dürfte das n am Schluffe im st. constr. nicht wegfallen, da e8 mater lectionis ift. Deshalb bleibt nur übrig, ein mascul. vorauszufegen, ähnlich dem Hebräifchen ya, deffen st. absol. 753 und st. constr. 82% wäre, das Nun wahrfchein- lich mit Teſchyyd. nbp als „Thäler“ haben wir fehon oben gehabt.

Taffen wir alſo den Sinn der genannten vier Wörter zufammen,

jo erhalten wir: „eine Ausrufsftätte und eine hohe Warte für die Gärten in den Thälern“.

346 Zweiter Anhang.

na tft gewiß das äthiopifhe Nd.C: (Land), alfo na | ya, „der Sohn diefes Landes“. Wahrfcheinlich im Genitivverhältnig und zwar eines Genitivs, ber die Kraft ber Präpofition J bat, dem Borhergehenden unterzuordnen. Alfo ‚‚diefe Zufluchtsftätten für den Sohn diefes Landes‘.

59 | onıP.... BeinTp (das zweite n gehört ben Mimation an) ift entweder an das arabifhe „SF (strenuus, audax) oder etwa an das äthiopifche PAY": *), substant. de loco, „das Borbere”, id quod ante est, pars antica (frons) zu denken. “Die particula de loco PR-weı würde zwar hier faft denfelben Sinn geben, aber die Mimation Lönnte vielleicht: Schwierigkeiten machen, wenn anders

wir nicht das Wort adverbialifch als LAS auffaffen dürfen. may wird ähnliche Bedeutung wie nmb> haben und fi zu diefem ver- halten, wie das obige Sp» zu dem vorhergehenden napy. Halten wir jedod die erftere Bedeutung von op feit, fo ergiebt fi) der Sim, „die kühne (mächtige, ftarke) Zufluchtsftätte‘‘.

Dritte Zeile.

Die 3. Zeile beginnt mit einer Yüde von 3—4 Zeichen, auf die die Buchftaben na und dann ein Zrennungsftrich folgen. Der Ref der Zeile ift intact. Er beginnt mit:

| np | 83 | mio | nam | Was das erſte Wort betrifft, fo ift von den verfchiedenen Notizen des Dämus (S. 1713) diejenige

hier am brauchbarſten, welche ee als mit „vocem emisit‘ über: ſetzt. Ein hiervon gebildetes Nomen würde vielleicht die Bedeutung „Ausrufsftätte‘‘ haben, wobei wir an die Warmıng vor Gefahren durch) den Ruf der Feftungsmächter denken könnten.

aan... Die gewöhnliche Bedeutung von >, „ftart und did von Körper fein‘, findet hier Feine Anwendung. Dagegen treffen wir im Dämus andere Notizen, von denen vielleicht eine brauchbar

*) Dillmann, Lexicon linguae Aethiop., p. 461.

Himyariſche Iufchrift von Obne. 347

fein dürfte. So heißt es: wo! JR N Ü , ‚mas von der Erde aufragt”, alfo vielleicht „‚ein Hügel‘. Hier müffen wir wohl bildlich „eine hohe Warte’, einen allwärts in der Umgegend fihtbaren Signalpunft, annehmen. Das 7 am Schluffe dürfte, wie Ofiander bemerkt, für das Pronominalfuffig 17 ftehen, wie ja für m an mehrern Stellen (Br. M., 34, 6. u. ſ. w.) die der obigen verwandte Form m fteht. Dfiander ift der Anficht, daß diefe Korm nur beim stat. constr. pluralis in Anwendung kommen könne. Doc brauchen wir deshalb nicht anzunehmen, daß, um das = am Plage zu finden, an unferer Stelle ftatt mais, nis ftehen müßte, denn das 1 des stat. constr. plur. ift zwar die Regel, fehlt aber in fehr vielen Bei— fpielen, an welche fich auch unfer "mios reiht. Auf wen fich freilich diefes Suffix bezieht, ift nicht zu erfchen, da es im Sing. fteht und das Subject (die vorher in der 2. Zeile genannten Eigennanten) eine Mehrheit bilden. Vielleicht auf an oder auf Yrınıa.

nbp | a2 | „die Gärten der Thäler“. Wie wir ‚oben gefchen haben, bildet ſich der stat. constr. von 7” jo, daß er das am Schluffe abftößt und 5 in | verwandelt; eine Bildung, die chenfo wohl an ben status constr. als an den status emphaticus bes Plurals der Masculina im Syriſchen erinnert, wo auch dag n am Schluffe wegfällt und aus IT zuerft A und dann Tas wird. Das

arabifche Ki> fowohl, wie das äthiopifche 7372 (beides „Garten“ bedeutend) ift freilich feminin und wenn wir den innern arab. Plural „u bier annehmen wollten, fo dürfte das n am Schluffe im st. constr. nicht wegfallen, ba es mater lectionis ift. Deshalb bleibt nur übrig, ein mascul. vorauszufegen, ähnlich dem hebräifchen 75, deffen st. absol. 733 und st. constr. &33 wäre, das Nun wahrjchein- lich mit Teihdyd. nbp als „Thäler” haben wir fchon oben gehabt.

Faſſen wir alfo den Sinn der genannten vier Wörter zufammen, jo erhalten wir: „eine Ausrufsftätte und eime hohe Warte für die Gärten in den Thälern“.

348 Zweiter Anhang.

| yınaps | „Diefe Schugwehr‘ bereits aus Zeile 2 befannt.

"na | Sn | nn...

Wieder das fehwererflärbare nn. Da 177m offenbar von ara- biſchen „> (fürchten) abzuleiten, aber hier die I. Conj. feinen reiten Sinn ergeben würde, indem ein Subject zu „fürchten“ fehlt, fo ziehe ich vor die II. Conj., den Steigerungsftamm, der bei diefem

Berbum Caufativbedeutung hat, hier anzunehmen und 1,d> zu leſen,

was „ſie haben Furcht eingeflößt‘ oder „fie haben zu fürchten befohlen“ bedeuten würde. "ara ift offenbar die Präpofition = (in) und der

Stammes» oder Ländername ee. Alſo „... Furcht haben fie (d. 5. die oben in dev 2. Zeile Genannten) eingeflößt in Himyar“.

Nun kommt wahrſcheinlich ein ganz neuer Sag, der durch ben doppelten Zrennungsftrih am Anfange angedeutet if. Er beginnt mit einer Wiederholung der obengenannten Eigennamen Haythi'el und Daus, von denen erfterer hier Tobba' genannt wird, nämlich:

bioym | base | sarı „Und der Tobba’ Haythiel und Daus“. >an kommt ſchon auf andern himyarifchen Infchriften (3.2. Br. LVI) vor. Es unterliegt keinem Zweifel, daß hier der bekannte ſüdarabiſche Fürſtentitel „Zobba gemeint ſei. Dieſem bekannten Eigennamen iſt nun eine Reihe anderer angehängt, die bis jetzt noch nicht vorkamen, wahrſcheinlich von kleinen Stammeshäuptern, Untergebenen der obengenannten Haythiſel und Daus, die bei dem Werke der Er— richtung der Feſtungsmauer mit Rath oder That mitwirften, wenn fie auch unter den Stiftern ſelbſt nicht namentlich angeführt find. Zuerft:

namen | naar | 73 | alas) Ammſamyn, Sohn des Obhatay Hadhramant. nöny befteht in feinem letztern Theile aus einem bereits be-

kannten arabifchen Eigennamen, nämlich Samyn, ew (Wüftenfeld, Regiſter, ©. 412). Der erfte Theil 29 ijt entweder es, „der 2

Oheim“ oder verſchrieben für „I, „Mutter, das befanntlich aud bei

Himyariſche Inſchrift von Obne. 349

Männernamen als Zuſanmenſetzungswort vorkommt. Richtiger iſt jedenfalls die Ableitung von pe. Der Name ‚sie! ift nicht be-

Tannt, dürfte wahrſcheinlich von (ſsplendor, magnificentia) abzuleiten fein, alſo „der Prächtige“ bedeuten. namen hier als NR, gebraucht, ift der fchon oben vorgelommene befannte Stammes⸗ oder Landesname.

Tenn, ua, der Berbündete (ähnlich dem äthiopifchen FaA,h:) ift VII. Conj. von Aus, ein Verbum, das fich im Arabifchen nicht,

wohl aber im Aethiopifchen ale Ahr" erhalten hat. @Ahh: bedeutet ‚‚binzufügen”. Fadhh: (der VIII. arab. Conj. entſprechend) „ver⸗ binden, verbündet fein‘.

Vierte Zeile.

n92m2.... Ohne Zweifel der Name „Mayfa'at“ (nad) heutiger Ausſprache Mayfa’a), arabifch Rai, weldyen das Thal von Nagb el Hadſchar, unweit von Obne führt. Hierauf wäre das obige Anke zu beziehen, alfo „und der Bundesgenofje in Mayfa'at“, ein Präbdicat, welches vielleicht dem obigen Ammſamyn beigelegt werden ſoll, deſſen Vaterland durch) den AS als Hadhramaut bezeichnet wird.

Nun folgt ein Wort, von dem nur das 1 am Anfange und das enflitifche pron. demonstr., 77, am Ende fi erhalten haben und darauf deutlich

35 | op „Es hat fie (d. 5. obige Männer) vereinigt oder verbunden ‘Obne“. 73 Gunzit) mit dem Suffig der III. pers. pluralis und 339 nad) Oſiander der Name des Fundortes der Infchrift, nad) Wrede Obne geſchrieben, aber in ältefter Zeit vielleicht "Obnay.

yanpsz | aps | sm |...

= ijt wahrſcheinlich * zu vocaliſiren und als dfchezmirter

Aorift (Erp. fut. apocopatum) mit Iuffivbedentung von 3.3 (aorist

ye) anfzufaffen. Diefes heißt unter Anderm aud) impedivit, inhi-

350 Zweiter Anhang.

buit oder bildlich „ſchwer zugänglich machen”. pr ift das oben Ihon mehrmals vorgekommene Wort, weldes wir als „Schutz“, „Schutzwehr“ oder „Schutzwacht“ überjett haben.

INDIE...» von SL, wahrſcheinlich das arabiſche —E welches im gewöhnlichen Sinne „Hospitalitas, convivium‘‘ Heft, aber auch bildlih für ‚„„Wohnort” ftehen kann. 7 ift das befannte Pron. enc. Mit dem vorhergehenden ÄS 8 bätten wir alfo hier vielleicht fo zu überfegen: „und die Schugwacdht verbindere den Zugang diefes Wohnortes”.

yarıı | 9921... und die Söhne, d.h. ‚die Bewohner diefer Gärten‘. 23 st. constr. von 193 plur. von 73, Sohn. w>a oben Zeile 2 ſchon als „Gärten“ überjekt.

MIO .... Diefer Wortftamm ift fchon in der Form eines nom. abstract. nern (administratio) bei Fresnel (LV md LII) vorgeflommen. Die Pluralendbung 7 und der Mangel des die Abstracta meift Tennzeichnenden n am Scluffe laffen bier auf eim nom. appellativum fchließen, deffen Form die eines adj. verb. der II. Conj. Als fein und deffen Bedeutung dem befannten arabifchen als (minister) entfprechen dürfte. Wir können alfo bier wohl „die Be: amten“ oder vielmehr (wegen des enflitifchen Pron. demonstr.) „und deife Beamten” überfegen.

zan7mı | 37877 | offenbar zwei Xoriftformen eines und defjelben Stammes, die erfte in der I., die andere in der VIII. Coni. Was aber diefer Stamm fei, ift fehr dunfel. Daß das» am Schluffe nicht , zum Stamm gehöre, ift höchft wahrfcheinlich, da die himyariſche Aorift- form mit fchließendem Nun von Ewald und Ofiander (3. D. M. G., XX, ©. 216) erkannt wurde. Als Radicalen würden uns alfo nur

2 n5 übrig bleiben. Aber die arabifchen Wurzeln ‚sIö (propulit ca- melos), ‚sid (ad summam mollitiem coxit) wollen ebenfo wenig

hierher paffen, wie die mit „IS (wovon ein Pflanzenname und ein das Sammeln diefer Pflanze bezeichnendes Verbum) gebildeten Wörter.

Himyarifhe Inſchrift von Obne. 351

Es bleibt uns daher Nichts übrig, als hier den dem Dial zunächſt verwandten Buchſtaben, das Zayn anzunehmen; eine Annahme, zu der uns die Eigenthümtlichkeit der Wrede’fchen Infchrift, welche Tein eigenes Zeichen für Zayn befigt, indem das gewöhnliche Symbol defjelben von Tha (ww) fo zu fagen ufurpirt wurde, gewiß berechtigen dürfte. Im Arabiihen haben wir nun eine Wurzel h, von der fich freilich in der ausgebildeten Sprade nur ein vierbuchjtabiges, die Wurzel ver-

doppelndes Berbum 1 erhalten bat. Aber da alle diefe verdoppelten Berba (devm Form dem hebräifchen Bilpel umd aramäiſchen Palpel entfpricht) gewiß im älteften Arabifch einfady waren, fo hindert ung Nichts, bei einer fo alten Sprache, wie dem Himyariſchen, ein ein- faches Berbum mit den ſtarken Radicalen ) und anzunehmen, deſſen volfftänbige triliterale Form entweder >15 (ein concaves, am Schluſſe hamzirtes Verbum oder >>) (ein doppelt hamzirtes Verbum) war, dem für die Pilpelformen gültigen Grundfatz zu Folge, daß der erſte und lebte Radical verdoppelt, der mittlere, ſchwache ausgeftoßen wird.

Die Bedeutung von Ih, „Schrecken oder Furt einflößen”, paßt ebenso gut hier für die I. Conj., wie der Sinn der VIIL (als Re- flexiv oder, was hier faft denfelben Sinn ergiebt, als Paffiv), „‚fich fürchten” oder „von Furcht ergriffen werden”, ganz bem Zwecke unferer Erklarung entfpricht. Freilich müßten die beiden Verbalformen ol und „Lys, wenn fie ſich auf das vorhergehende 5040 beziehen follen, im Plural ftehen, aljo ein , oder zwei am Schluffe Haben (ſ. 3. D. M. G., XX, 217); aber die Fälle kommen doch auch vor, wo leßtere zwei .., in ein einziges (verftärktes) zufammengezogen erfcheinen, ja ſelbſt ſolche, wo fie alle beide wegfallen, wie Ofiander deren mehrere angiebt (a. a. D., XX, 216). Der Modus diefer

Berbalformen ol und vu ift gewiß der dichezmirte Aoriſt mit Suffiobedeutung, ähnlich wie beim vorhergehenden ya> und die biefem Modns im Arabischen eigenthämliche Verkürzung der Endungsform fünnte aud) als Erklärung dienen, warum hier die zwei ..,, melde im Himparifchen als Endung der III. Berfon Plur. im Aorift ftehen

352 Zweiter Anhang.

müſſen, zu einem einzigen verkürzt erfcheinen, ähnlich wie beim obigen al das im Singular fteht, alſo ein ., haben follte, dies eine .., fehlt. Das wäre aljo in unfern beiden Berbalformen nur da8 Zeichen des Plural, und wir könnten vielleicht den Sat aufftellen, daß der dfchezmirte Aorift im Himyariſchen das Nun des

gewöhnlichen Aorift abwarf. Die Ueberfegung von BEER of wäre alſo „ſie follen Furcht einflößen und ſich fürchten‘, d. h. die Beamten, sus, was wohl fo viel fagen will, als „fie follen durch heilfame Furcht alle Eindringlinge und Beſchädiger von ber Feſtung abhalten, und ſich felbjt vor den Oberhäuptern fürchten, damit diefe nicht Grund Haben, fie der Nadläffigkeit im Dienfte zu zeihen‘.

| 31993 | y9° | yrebrm | Erfteres Wort, arabiſch le (suc- cessor fuit alicujus), äthiopifh "Ad. (transiit de loco in locum), wird bier vielleicht im Sinne von „abwechſeln, ablöfen‘ gebraucht und zwar als nom. act. der Form MAas. In 391 haben wir das arabifche

FE (dfehegmirter Aoriſt), das äthiopifhe EW-F1, d. h. „es fei, es finde Statt‘ und 205 ift ganz deutlich das arabiſche & —* (Abend, Sonnenuntergang), wobei uns der Umſtand, daß » hier durch £ wiedergegeben wird, nicht ftören dürfte, denn bekanntlich find die wenigen Fälle, in denen man bis jet im Dimbarifchen ein eigenes Zeichen für & vermuthete, noch ſehr problematiih. Möglich ift es, daß das Himparifche, wie das Aethiopifche, Tein eigenes Zeichen für & beſaß, ebenfo wenig wie bis jegt ein eigenes Zeichen für > mit einiger Beſtimmtheil conftatirt it. Obiges würde aljo fo zu überjegen fein, „und diefe (d. bh. der Beamten) Ablöfung finde Statt um Sonnenuntergang”.

| eva | om |... Im on haben wir, da das n der Mimation angehört, als Radicalen nur 7m. Im Arabiſchen findet fich eine

Wurzel G, deren nom. act. si (bewäffern) heißt (Dämus,

S. 1752) und ganz unferm „JS entipridt, nur daß bei letztern der ſchwache Wurzellaut vor. der Mimation verloren ging. Nebtere

Himyariſche Inſchrift von "Obne. 353

Bedeutung dürfte wohl hierher paſſen, aljo „die Bewäſſerung“, da vielleiht bei Errichtung der Mauer von Obne außer dem Veftungszwed noch ein anderer, auf Irrigation der Felder abzielender beabfihtigt: war. In dwe Haben wir diefelbe Form des nom. act., jedod ohne daR der ſchwache Schlußradical verkürzt wurde.

Der Stamm ift 5, nom. act. Sys und der Umftand, daß in diefem nom. act. der Schlußradical das Tanwyn Hat, während im vorhergehenden 60 das Tanwyn ſchon auf dem Mittelradical ruht und der letzte Radical ſtumm iſt, dürfte erklären, warum Sr im Himyariſchen vor der Mimation das ya beibehält, während. (sAS 8 -

e8 verliert. (ss heißt die „Zuflucht“ und die „nächtliche Einkehr”. Wahrfcheinlich enthielt das folgende Wort (am Anfange der 5. Zeile), welches auf der Infchrift durch Verlegung umleferli geworben ift, eine nähere Bezeichnung über das „Wie oder „Wann“ der „Bewäſſerung“ und der „nächtlichen Einkehr“ in Bezug auf die Feſtungsmauer von Obne, etwa folgenden Siunes: „die Bewäfferung und die nächtliche Einkehr gehe ordnungsmäßig vor ſich“.

Bünfte Zeile.

| sa | "nam | Zwei fehr dunkle Wörter. Das erfte erinnert an yal, ein unregelmäßiger Plural von yo (Fromme Handlung). Das ı am Schluffe wäre in diefem Falle die Endung des st. constr.; doch möchte ich eher hier dem äthiopifchen AP: (alternatio, alterna vices) den Vorzug geben und etwa eine Elativform oder einen unregelmäßigen Plural defjelden ANZ: annehmen, um fo mehr als die Bedeutung bes von derfelben Wurzel gebildeten AN&T (tempus functionis seu administrationis cujusvis officii) trefflih auf die kurz vorher genannten 560450 paßt. Ya, da bie IV. äthiop. Conj. deffelben Berbums ANhtNde: die Bedeutung „‚ablöfen‘ hat, jo dürften wir wohl auch hier an einen ähnlichen Sinn, wie beim obigen “il>,

A. v. Wrede's Reife in Habhramaut. 23

354 Zweiter Anhang.

denken. Nur fragt es fi, ob wir ein Intenſivadjectiv in der Elativ⸗ form („der Abloſende“) oder einen Plural der einfachiten Form des Nomens na annehmen follen? Lieber möchte ich jedoch hier an eine Abftractbedeutung, etwa im Sinne von „die Ablöfung” denten und zwar an einen jener durch äußern Vorſatz gebildeten Namensſtämme, wie fie im Arabifchen zwar urfprünglich von Klativadjectiven gebildet wurden, im Laufe der Zeiten aber die adjectivifhe Bedeutung ver-

foren und ſich der von Abftracten genähert haben, 5.8. op (ratio, modus) *), (error), Kal (res optata) u. f. w.

Man vergleiche hiermit das äthiopifhe AFNdr (Thräne), AnACa **) (Reberkrankheit) und andere. Das am Schluffe des Wortes wäre alfo hier Radical.

Was Jollen wir aber aus m13 mahen? Cin Stamm a eriftirt weder im Arabifchen, noch im Aethiopifchen. ***) Dfiander glaubt, das Wort fünne für wma (filius eorum) oder vielleicht gar für ma (filii eorum) ftehen. Da jedoch zu einer ſolchen Voraus⸗ fegung bis jetst (meines Wiffens) nur ein einziges Beiſpiel berechtigt }), in weldhem noch dazu der Tall nicht ganz derfelbe ift, indem dert zwei »ı nebeneinander zu ftehen famen und in ein einziges zufammen- gefchrieben wurden, fo fcheint e8 mir gerechtfertigt, für das m Feine pronominale Bedeutung anzunehmen. 7 allein ift aber aud fein himyariſches Pronominalfuffir. Es ift als angehängte Schlußſilbe überhaupt nur im Plural des Perfectum und im Nominativ einiger Nominaga mit äußerm Plural, wie 12, im Gebrauche. Dies würde aber eine Wurzel D32 vorausjeken. Da nun eine foldhe nicht eriftirt, müffen wir das 1 am Schluffe ale zur Wurzel felbjt gehörig und vie: leicht N als Präpofition anfehen. Der Stamm 103 mit den nom. act.

*) Silvestre de Sacy, Grammaire arabe, I, $. 519, ©. 19. **) Dillmanı, Aethiopiſche Grammatik, 8. 113, ©. 191. et), Das Us im Qaͤmus wird nur als ein Sprachfehler aufgeflihrt und deutlich gefagt, daß das Mim zu viel fei. +) Oftander in 3. D. M. G., 8b. XIX, ©. 240.

Himyariſche Inſchrift von "Ohne, 355

pt: findet fih im Däamus.*) Don den verfchiedenen Bedeutungen deſſelben, weldhe der Dämus unter der Rubrif „es bringt, 1) cre- vit, 2) saturata fuit rubore etc., 3) retulit dietum ad aliquem, will Teine einzige recht hierher paffen. Da jebod der Gedanke nahe liegt, dag „es mit „+ verwedfelt werden konnte, jo Tönnen wir vielleicht auch die Bedeutungen, welche der Dämus uns unter leßterer Rubrik giebt, zu Hülfe nehmen. Gleich die erfte derſelben ift: ignem elevavit et saturavit ardorem ejus. Hierin haben wir wohl die Be⸗ zeichnung von „Senerfignalen‘, welche ſich auf die Ablöfung der Feſtungswächter beziehen laffen dürften. Halten wir diefe Bedeutung fejt und nehmen wir al® Verbum das obige 7127 hinzu, das Teines- wegs wiederholt zu werden brauchte, jo würde fid) der freilich keines⸗ wegs mit Gewißheit feftzuftellende Sinn: „und die Ablöfung gejchehe durch Feuerſignale“, ergeben. | 9953 | onpe | w | 2aan ||...

In Ban ein nom. propr. anzımehmen, wie Dfiander will,

wärbe hier durchaus dem Sinne widerjprechen. ‘Das Einfachfte fcheint

mir, e8 als den Plural (op ,) vor >) (der Herr) anzufehen, denn da® 9, ift hier Lediglich Prolungationsbuchftabe und wurde im Himha⸗ rischen in folchen Fällen ebenfo wenig gefchrieben, wie das Alf pro- lungationis. Da das Tanwyn der Mimation entfpricht, fo ift das

arabiſche Co7 buchſtäblich identiſch mit na=n.

voop | "> | findet ſich bei Fresnel, LV, 2. und onpo | | Fresnel, LVI, 4. So gewagt es nun auch fcheinen mag, bei einer jo alten Sprade, wie dem Himyariſchen, bereits die Verwechſelung von Ayn und Hamza anzunehmen, fo ift doch hier die Achnlichkeit zu groß und wir müſſen wohl Dfiander’s Bemerkung, daß unfer BP | m | ganz daffelbe fei, wie das obige Fresnel'ſche papö| >|. . und daß das fi zu dem nächjtverwandten ſchwächern Kehllaut, Hamza, in dialectifcher Verderbtheit abgefchwächt Habe, als vollkommen

*) Qaͤmus von Caleutta, S. 1957. 23*

356 Zweiter Anhang.

begründet anerkennen. *) Die Bedeutung dieſes 77 hat’ Dfiander im Sinne einer Präpofition „bis zu (fowohl in örtlicher als zeitlicher Richtung gebraucht) feftgefteltt.

Das nun folgende orpo ift jedenfalls dunkel. Keine der ge- wöhnlichen Bedeutungen von zii (colorem rubrum habuit, men- titus fuit etc.) will pafjen. Vielleicht, daß hier die Bedeutung des

abftracten Subftantive „AS (res factu necessaria) einiges Licht geben

önnte. Bon diefem ließe fih ein Adjectiv „NÄS denfen, das etwa bie Bedeutung „nothwendig“ oder auf Perfonen angewendet, „ges zwungen‘ haben würde. Diefes „gezwungen“ Tieße fi bildlich als „gehorchend“ auffaffen und künnte etwa im Sinne von „der Unter gebene stehen. ulki bildet feinen Plural rl, welches, da das lange U im Himparifchen nicht gefchrieben wird, und das Tanwyn der

Mimation gleihlommt, der Form nad) genau unferm DIPS entipridt. Wenn wir bedenfen, daß wir aber in pas) wahrſcheinlich einen Plural von

>) (der Herr), im Bulral or , haben und zwiſchen beiden eine Präpoſition, welche „bis zu“ bedeutet, ſo drängt ſich uns von ſelbſt der Sinn: „von den Herrn bis zu ben Untergebenen“ auf. Wört- lid) müßten wir freilid ‚die Herren bis zu den Untergebenen‘ über- ſetzen. Aber daß die Bedeutung die obige ift, dürfte ſehr wahrfchein- lich fein. Auch erlaubt die arabiſche Sprache ſolche Licenzen.

Nun wird noch einmal das myſteriöſe 2 wiederholt, welches wir „durch Feuerfignale‘ zu überfegen verfucht Haben. Seine Wieder: holung muß natürlich) auf das Vorhergehende Bezug haben und mag hervorheben, daß die Signale der Ablöfung (in der Feſtungswacht) ſowohl für die Herren als die Untergebenen galten.

87797 | band | 975 | Da

ab, „dem Sohne”. wa, „die Sonne”, wahrfcheinlicd im

Sinne von Sonnengott, in welchem e8 oft auf den Infchriften des

*) Oſiander in 3. D. M. ©., XX, 244, Rote.

Himyariſche Infchrift von "Obne. 357

Britischen Mufeums vorkommt. *) 5 von Eey, welches gleich Led, „glänzen“, „herrlich lein“, „prunken“, „ſtolz ſein“, wahrfcheinlic ein Adjectiv von der Form M weshalb das ı beibehalten ift, ausnahms⸗ weife jedenfalls, da fonft das lange I (Ü) nicht gefchricben wurde. Das Wort erinnert fehr an das äthiopifhe Ah, „Sonne, Sonnen glanz“, das zwar zunächſt fi) an das arabifche Isis anfehnt, aber doch verwandten Klanges und verwandter Bedeutung ift.

dan kann ich nur für einen Eigennamen halten und zwar deffelben Urfprung wie das nyöbr, womit die LV. Infchrift von Fresnel beginnt. In beiden Fällen witrde der Name „Deus amplia- vit“ bedeuten.

87597 | „der Herr der Mächtigen ober der Kraft”, 7 das be-

fannte arabifche sd. 779 entweder für je (Kraft) oder was wahr- ſcheinlicher ift, ftatt —* Plural von zeye, der Mächtige.

Alſo „dem Sohne der Sonne, der Glänzenden, Scharahel, der Herr der Mächtigen“. Da dieſer Scharahel früher nie genannt wurde, alfo nicht unter den direeten Gründern der Mauer von Obne erfcheint, und da er es doch ift, der die Schlußwidmung der Infchrift aus- ſpricht, fo liegt es wohl am nächften, anzunehmen, daß er der Ober- herr jener unmittelbaren Gründer war, dem die Ehre zulam, am Schluſſe als Widmer des Werkes an die Gottheit genannt zu werben, eine Vermuthung, die durch das Prädicat „der Herr ber Mächtigen” an Wahrjcheinlichkeit gewinnt. Vielleicht war jener Scharah£l identiſch mit dem Elfcharad) der LV. Inſchrift von Fresnel und beide mög- licherweife mit einem der drei Aliſchrah, welche in Cauffin de Per- ceval’8 Genealogie der Könige von Yemen vorkommen. Einer ber drei Aliſchrah bei Cauffin de Perceval- hieg mit dem Hauptnamen Schorahbyl. Nun wurde aber Ickterer nad den Dämus (©. 1475)

*) Man fehe die Abhandinng Über den Gott Schams bei Ofiander, 3. D. M. G., XX, ©. 284.

358 Zweiter Anbang.

aud mit Scharähpl, Ae5, verwechſelt, was offenbar berfelbe Name ift, wie unfer Je &, denn der Gottname be wurbe von ben Arabern Aa! gefhrieben und in Zufammenfegungen fiel das Alif weg. Wenn Scharahel ein König von Yemen war, jo erklärt ſich zugleid ber Titel „Herr der Mächtigen‘, indem er als Oberlehnsherr über die Fürften von Hadhramant (die obengenannten Haythrel, Daus u.f.w.) gebieten mochte und andererfeits au, warum ihm die beſondere Ehre zu Theil wird, als Widmer am Schluffe der Iufchrift genannt zu werden. Wer aber tft der „Sohn der glänzenden Sonne”? Gewiß fein Menſch, da eine ſolche Anfchauung dem arabiſchen Götterdienfte fern lag. Wahrſcheinlich nichts Anderes, als der vergätterte Typus einer befondern Phafe des Sonmenlaufes, etwa die Sonne beim Sonnenaufgang, gleichſam die junge, neugeborene Sonne, ähnlich wie bei den Aegyptern Horus und Harpokrates Götter der aufgehenden Sonne, jugendlihe Sonnengötter und zugleih Söhne des Sonnen- gottes Dfiris waren. Im Vollscultus mochte dieſer „Sonnenſohn“ von dem „Sonnengott“ felbft kaum unterfchieden werden. | maeaı | noya | nimm | näbo | Yan | Diefer allerdeutlichfte Theil der Infchrift, der das Datum ent- bält, wurde zum größten Theil jchon von Ofiander erklärt. an ift gewiß Ordinalzahl, das arabifche „U oder 3. Mit dem enfti- tiſchen Demonftrativpronomen 77 verbunden, ergiebt fih der Sinn | „dieſen zweiten‘ (wohl den zweiten Tag). nAbw, neben nbn und ndbn, auf andern Infchriften (namentlich den Fresnel'ſchen) vorfommenb, ift Hier vielleicht auch Ordinalzahl in der Femininform KU, „der dritte”, oder das n am Schluffe ift Zeichen des st. constr., indem das folgende ern ſich dem Zahlworte im Genitiv unterorbnet. br ift genau das äthiopifche Am-ZT:, Plural von @LY:, Mond, Monat. ns wahrſcheinlich das arabiſche Ho⸗S, „der zwanzigſte“,

welches im st. constr. im Himyariſchen sy“ lauten mußte. nam die urfprünglich arabifche Form für „hundert“, weLe, aus der das

Himyariſche Inſchrift von “Ohne. 859

fpätere ul entſtand. Alfo „den zweiten des dritten Monats im hundertundzwanzigften (Jahre)“.

bratoa box | Hier, wo wir ein Wort für „Jahre“ erwarten, finden wir dieſen auffallenden Ausdrud. Er befteht offenbar aus zwei Hauptwörtern, jedes durch die Mimation abgefchloffen, und das zweite von der Präpofition > regiert.

Das erfte ift Ton. Nehmen wir e8 in feiner einfachſten, ver-

breitetften Bebentung als Sa, ber Löwe, ſo ſcheint zwar auf den erſten Blick dieſe Ueberſetzung nicht zu paſſen, dürfte aber doch aus dem Folgenden ſich als weniger paradox herausſtellen. nmio halte ich für daſſelbe, wie das arabiſche „w und das äthiopiſche N7 Die urſprüngliche ſemitiſche Wurzel dieſes Wortes hatte möglicherweiſe ein = am Schluſſe, wie das hebräiſche nd (altus fuit), von dem bad abgeleitet ift, anzudeuten fcheint. Der Umftand, daß es in den andern femitifhen Sprachen jetzt durch * erjetst ift, braucht ung nicht abzuhalten, e8 einer jo alten Sprache, wie dem Himyariſchen, zu vindiciren. Außer⸗ dem fagt der Dämus (S. 1825) ausdrücklich —* xund iſt das nom. act. von Lew, welches ganz dieſelbe Bedeutung

hat, wie das hebräifche Tao. Beide Wörter por und ornin ftehen hier wahrſcheinlich im Genitiv mit der dem Tanwyn entfprechenden *

Mimation und würden im Arabiſchen Auf und *— geſchrieben worden ſein. Da die Mimation genau dem Tanwyn entſtſpricht, fo fommt fte, wie Oſiander bewiefen hat, ebenfo gut im casus obliquus, wie im casus rectus vor. Der erfte Genitiv würde von nam oder vielmehr von der ganzen vorhergehenden Datumsbezeichnung, der zweite von der Präpofition 3 regiert. Daraus erhalten wir bie Ueberſetzung „des Löwen im Himmel“.

Der „Löwe im Himmel“ war ohne Zweifel das Sternbild des Löwen und eines der zwölf Himmelszeichen, ſchon den älteſten Völkern befannt. Vielleicht geben uns diefe Worte den Schlüffel zu einer Aera des himyariſchen Volles. Wenn eine folhe Aera in Ber-

360 Zweiter Anhang.

bindung mit der Stellung der Dimmelszeichen gedacht werben fol, fo erfcheint e8 am Natürlichiten, den Stand der Sonne zu dem— jenigen Himmelszeichen, welches die Infchrift nennt, und zwar zu einer der vier Anfangsepochen der Jahreszeiten als Ausgangspunkt anzunehmen. Als eine foldhe Epoche bietet in unferm alle das Sommerfolftitium am meiften Wahrfcheinlichleit dar. Schon bie Aeghpter begannen ihr Jahr mit einer Epache, welche in nächfter Ver⸗ bindung mit dem Sommerfolftitum ftand, nämlich mit dem Srüh- aufgange bes Sirius (ägypt. Sothis) nach der Zeit der Sommer⸗ fonnenwende. *) Auch dürfte Hier der Umſtand vergleichsweife berüd- fihtigt werden, daß fon bei den Aegyptern das Sternbild des Köwen als der Sonne geweiht angefehen wurde, jo daß man diejes Stern- bild das „Haus der Sonne‘ nannte. Deshalb iſt e8 wohl denkbar, daß auch die den Aegyptern geographiid jo nahen Himhariter ähn- liche Beziehungen der Sonne zum Löwen vorausfegen unb ihre Aera auf die Stellung jener zu biefem bafirten. Da nun die Somme alle 3000 Jahre einen Monat fpäter in ein Himmelszeichen und jet am 23. Juli in dasjenige des Löwen tritt, fo würde ihr Cintritt in leßteres Himmelszeichen zur Zeit des Sommerjolftitiums etwa im Jahre 1340 vor Chr. Geburt ftattgefunden haben. Nun würde uns aber die Annahme einer auf diefe Jahreszahl bafirten Aera viel zu weit zurücführen, denn nad aller Wahrſcheinlichkeit ift die Entftehung unjerer Infchriften gar nicht in ein fo hohes Alterthum zu verfegen. Die Infchriften geben freilich in Bezug auf Chronologie noch wenig Anhaltspunkte. Aber aus der NAehnlichkeit vieler Eigennamen mit benen der Künigsliften von Yemen, wie "Abd Kolal **), Alyfchrab, Abd Schams, Härith, Marthad und anderer, dürfen wir vielleicht ſchließen, daß die Iufchriften der Periode des Yemeniſchen Künig- reich8 angehören, und diefe Beriode begann nad) Cauſſin de Perceval's fehr einladender Berechnung erft im Jahre 794 vor Chr. und endete

*) Ublemann, Handbuch der ägyptiſchen Alterthumskunde, III, ©. 88. ”) Wellſted, Reife in Arabien von Röbiger Excurs, Bd. IL

Himparifche Infchrift vonObne. B61

im Jahre 490 nah Chr. Deshalb bleibt Nichts übrig, als den Anfang der Aera Furz vor oder binnen diefer Periode zu fuchen, und bier möchte ic ein Ausfunftsmittel vorschlagen, welches‘ allein die Schwierigkeit löſen kann. Wie wenn wir als den Anfang der Acra nicht den Cintritt der Sonne in den Löwen, fondern den Stand in der Mitte diefes Himmelszeihens zur Zeit des Sommerfolftitiung vorausfegten? Dies würde uns auf das Jahr 160 nad) Chr. führen. Das 120. Jahr einer ſolchen Acra wäre aljo ungefähr das Jahr 280 nad) Chr., d. 5. bald nad) der Zeit bes “Abd Koläl, des 44. Könige von Yemen nad) Cauffin de Perceval und des 46. nach der Wrede’: jchen Lifte, etwa Die Zeit des Tobba ben Haſan und des Härith und Marthad. Treilih muß Alles dies nur eine fehr gewagte Hypotheſe bleiben, bis einmal untrüglichere Wahrzeichen uns die Chronologie der Himyaren enthüllen follten.

Ueberſetzung. Aufſchrift. Eine wohlthätige Stiftung zu Gunſten der Bewohner der Hoch—⸗ thäler haben ſich vorgenommen .................. Sohn des Abyathi, des Fürſten von Hadhramaut, ..... ihr Häuptling und

ihre Stammesgenoffen.

Zweite Zeile. Haythiet, Alhän, Sohn des Benel und Daus ............. (haben errichtet?) diefe Schutzwacht der Thäler und diefen Schuß von Hadſchar, diefe Zufluchtsftätte für den Bewohner diefes Landes, eine mächtige Zufluchtsftätte..

Dritte Zeile,

. und eine Ausrufsftätte und eine hohe Warte für die Gärten der Thäler und mit diefer Schutzwacht .... haben fie Furcht eingeflößt in Himyar. Und der Tobba‘ Hapthiel und Daus und Amm Samin, der Sohn des Abhata von Hadhramaut und der Bundesgenofje in

368 Zweiter Anhang.

Bierte Zeile.

Mayfaiat ..... es hat fie vereinigt ‘Dbne und es verhindere den Zugang diefer Wohnftätten die Schutzwacht und die Bewohner dieſer Gärten und diefe Beamten (d. 5. die Wächter der Mauer) follen Furcht einflößen und auf ihrer Hut ſein und diefe (ihre) Ablöfung finde ftatt am Sonnenuntergang, auch die Bewäſſerung und die Einkehr für die Nacht, Künfte Zeile.

....... und die Ablöſung (geſchehe?) durch Feuerſignale (für alle?), von den Herren bis zu den Untergebenen durch Feuerſignale. Dem Sohn der glänzenden Sonne, Scharahel, der Herr der Mächtigen, am 2. (Tage) des 3. Mondes im 120. (Jahre) des himmliſchen Löwen.

Negifter.

1.

Abaͤ Midſchmar 298. Abaͤrike 322.

Abban, ſiehe Habbaͤn. "Abd Allah Ahmed 58. “Abd Allah Sſudaͤn 98. “Abd eg Samut 258.

“Abd el Aſys ibn Mohffin 78. “Abd el Hub 18. 47.

"Abd el Manäh 284.

"Abd el Dädir 98,

“Abd el Waͤhab 26.

‘Abd el Wähid 19.

“Abd el Yaghuth 286. Abd er Rahman Bi Dorra 102. Abdha’a 306.

"Ad Koläl 306.

Abd Schamfj 276. 300. Abraha 303. 306.

Abu el Fidk 39. 977.

Abu Malit 806.

Abu Sfaryr 44. 275. Abyan 299.

Achäb 802.

Achaͤmer 9.

Ad 158.

Aden 14. 19. 43.

Aditen 292.

Abyd 52.

Aethiopiſch B1—85. Afryqus 504.

Afryays 304.

Ahl el Hayik 821.

Ahgäf (ei) 3. 22. 241 fg. 291. Altäthiopifch 31—33. Alyſchrah 804.

Alyy ihn Hoffayn 72. Alyy ibn Nacçr 48. Amba 61.

Amd 214 fg. 241 fg. 285. Amhaͤriſch 32 386. Amir 299.

Amr 312.

Amr ben el Moltaͤt 301. Amr ben Tobba 306. Amru ben dſu "Ans 301. Amudy 30. 102.

Audaͤl 227.

Anik 204.

“Ans 301.

Anville (d’) 24.

Aqaba el Mahniye 67. Agaybere 50. 55 fg. 277. 320, Agnäb 280. 290.

Araͤba 290.

Aral 61.

Arka 66.

Ariba 38.

Aridha 230. 290. Armand 3. 7. 20. 41. Arr 106. 207.

Arſch 278,

Arſſame 88.

364 Kegifter.

Aryb 299. Baͤ Kaſchwyn 315. Aſaͤwire 321. Balhut 287. 288. Aſchrah 304. Baͤ Mardagha 121. 185. 320. Aſd 283. Bi Maur 316. Aſmaͤ 299. Bander 291.' Aſſnaͤr 300. Bi Roman 317. Aſſwyraͤ 86. Ba Nogayg 169. Athl 53. 62. Bi Omm Sfaduff 115. 322. Awra 95. 96. 283. Bi Darrayıı 59. 278. Ayman 298. 313. Baͤ Dodhä’y 318. Ayn Ahwayry 160. Bi Qarra 108. Ayn ba Mi'bet 160. Barahut 287. 288. Ayn beny Mi’yin 180. Baͤ Raſchyd 318. Ayn el Ghaſſaäny 52. 278. Bi Sa'd 315. Ayn er Raͤſſ ed Dyn 270. Bi Saͤlib 318. Azd 283. Bi Schaybe 185. 192. 315. Aa Schogayr 228. 316. B. Baͤ Sohra 108. Bi Sowayhdaͤn 322. Baͤ Amr 204. 319. Sſa'd 134. Baͤb el Mandeb 18. Bi Sfudan 118. Baͤ Caura 178. Bathaͤ 282. Bi Dhobayz 316. Bauwaͤq 52. 278. Baͤ Dorus 316. Bi Waddaͤ 317. Baͤ Dſchaͤh 75. 280. Bawwaͤq, fiehe Baumwäg. Bi Dſchahym 316. Baydhä (T.) 27. 170. 278. Ba Dſchanaf 317. Baydhaͤ (IT.) 21. 52. Ba Dihenin 246. Baydra 286. 2%. Bi Diehicäg 97. 253. Baͤyha 278. Bi Dſchohaym 316. 322. Ba Nomin 322. Ba Dſchonboq 320. Bayt Aghraͤf 322. Bi Dfibyan 316. Bayt "Alyy 322. Baͤ Dyaͤk 318. Bayt Baͤ Calih 328. el Haff 170 fg. Bayt Bi Waly 323, Bi Elyas 322. Bayt Gobhy 323. Ba Faq'as 316. Bayt el Ahmediye 323. Bagla 46. 275. Bayt el Didomayımy 322. Bi Haͤfir 178. 316, Bayt Ghoraͤb 322. Ba Halläbyn 318. Bayt Halam 323. Baham 20. Bayt Horr 323. Baͤ Hanaͤn 322, Bayt Oaͤrife 323. Baͤ Haun 302. Baͤ Zor'a 316. Bahrayn 29. Bedà 253. Bahr eff Sſafy 3. 241 fg. Beled Beuy Yſſa 21. 22. 26. 101. 132.

Baͤ Karyb 322. 1 Beled el Dichauf 21.

Regifter.

Beled el Hadſchar 21. 28. 101. 132. Beled Hamum 22. 27. Bender 291.

Ben Dighal 138, 164.

Beny Dſchadſyma 318.

Beny Hafjan 44. 49. 320. Beny Labahit 317.

Beuy Ruh 134. 178. 315. Beny Oldſchyy 182.

Beny Ottoman 48.

Beny Schamlaͤn 224. 227. 318. Beny Tühir 233. 318.

Berlin (Dr. P.) 289.

Bilgiys 304. 305.

Biyr 'Alyy 161.

Biyr Barahut, fiehe 2. Borhut. Biyr Baͤ Raͤye 52.

Biyr Borhut 228. 287 fg. Biyr el Haſſy 200 fg.

Biyr Schyh 284.

Borhut 277. 288.

Borr 230. 2W.

Borum 25. 4548. 275. Boyut 204.

Buch (Leop. v.) 2.

Burdharbt 11.

C. Cane emporium 24. Caripeta 24. Cauſſin de Perceval 298 fg. Chalyf 204. 286, Chamfa 226. Chaͤmiye (Stamm) 52. 102. 121. 185. 320. Charibe 24. Chathromotiter 24. Cho ayre 253. Chodaydſch 254. Chodhara 283. Chomyr 277. Choraybe 24. 97 fg. 207. 281. Choraychyr 231. 2%. Chorbe 97. 110. 281.

365

Churyan Muryän 40. GSruttenden 16. 35. 161.

C. Gabaͤh 307. Gabahan 307. Gadifiten 29. Gafrä 206. Gahaͤh 277. Gahwa 24. 241 fg. 291. Gaͤlih 113. 283. Caumahänyn 320. Gawar 300. Gidära 281. Gily 76. 281. Kobayh 260. Godayre 178. Gughra 20. Gyra 44,

D.

Dachayl 53 fg. 278. Dahme 91.

Dahſſ 46. 275. Dau’an 283.

Daum 46. 275. Daw'an 283.

Dayın 186.

Dela 203.

Dhaha 284.

Dhayſſ 280.

Dhyq edh Dhyag 63. 270. 279. Dirys 39.

Diyn 119.

Do aͤn 283.

Dochn 62. Dompalme 53. 62. Doqum el Ayſſaͤr 92. 260. Doreni 24. 26. Doveni 25. Drummond Hay 8. Dſchabbaͤr 299. Dſchahädeme 203.

366

Didahätfime 821.

Dſchahys 213. 222.

Dſchanbuſch 92.

Dſchauf 20.

Dſchaybaͤn 800.

Dſchebel Acfun 176 fg.

Dſchebel "Alga 176.

Dichebel "Agaba el Mahniye 68. 84. Dichebel Agaybere 53. 61 fg. Dicpebel "Arar 158.

Dichebel Arçime 157. 177. 181. Dichebel Byhae 69. 88. Dichebel Ba Dſchanaf 139. 178. Dichebel Häyat 71—75. Dſchebel Biyr Schyh 134. Dſchebel Choraybe 77.

Dſchebel Gidara 77. 84.

Dſchebel Dſchofayye 146. Dſchebel El Ahliya 280. Dſchebel El Ghowahte 134. 191. Dſchebel EI Hamrän161. Dſchebel El Hamum 270. Dſchebel EI Idme 68. 83. 280. Dicebel EI Oçayde 157. 161. Dichebel EI Dära 58.

Dichebel Er Raydt 71—75. 280. Dichebel Eich Scherebbe 50. Dſchebel Fardichalät 77.

Dichebel Fath edh Dhayq 60 fg. Diehebel Fatha Walyme 69. 280. Dſchebel Foghar 76.

Dſchebel Hafar 19. 190 fg. Dichebel Hanbare 190 fg. 280. Dichebel Haraͤmy 82 fg.

Dſchebel Harf el Harz 84. 87. 279. Dſchebel Harmal 64. 279.

Dſchebel Kaur Sfayban 26. 78. 88. 282

Dſchebel Lahab 61. 279. Dſchebel Maſſya 1683.

Dſchebel Matny 145. 176 fg. Dſchebel Mäyile Matar 78. 281. Dichebel Mobärel 82—84, Dichebel Molk 135.

Dichebel No'äb 146.

Kegifter.

Dichebel No’mäan 146. Dſchebel Oçayde 157. Dſchebel Qabr efi Sfäyir 132.

| Diegebel Däret e8 Sohà 284.

Dichebel Darr eth Thamule 88. Dichebel Reſch 49 fg.

1 Diepebel Rod 78— BA.

Dſchebel Rughufi 64. 279.

| Digebel Schagg 125.

Dichebel Schebfcher 39 fg. Dſchebel Tſahura 26. 88 fe. Dſchebel Waifib 66. 280.

Dſchembiye 49. 276.

Dſchenaͤby 40. Dſchirdſche 279. Dſchochom 813. Diof, fiehe Dſchauf. Dſchofayn 285.

Dſchonayyde 89. Dſchoſcham 301.

Dſchul Yaghut 145 fg. 285. Dſchul el "Agyg 169.

| Dfchut eſch Schaych 113. 140. 164 18.

Dfiyayby 139 fg. 285. 316. Dfu "Ans 801.

| Dfu Afchrah 804.

Diu Dſchadaͤn 304. Dſu el Adhaͤr 804.

4 Din el Awwaͤd 306. -1 Dfu el Oarnayn 302.

Dfu Haͤbiſchaͤn 305. Diu Hobdan 804. Dſu Kifan 307. Dfu Mahra 3083. Dfiu Mo ähir 307. Dfu NRowäs 307. Dſu Schemäty 307. Dſu Yagdom 300. Diu Yazan 307. Dfyaybene 318. Du Eouret 6—8. 283. Duma 288.

Durra 62.

€,

Eber, fiehe Hub.

Er Sawar 300.

&c Girrayn 121. Ed Dayin 186. Edrus 48. 275. Eds Dfabiyn 321. Ehtyfy 31—36.

EI Acab 69.

El Adfemy 169. 317. El Af 282. EI Ahmady 817.

EI Ahgaf 241 fg. 291. El Allaͤmy 313.

El Aqyq 134.

Ei Araͤba 319.

El Arafa 69.

SL Arr, fiehe Arr. El Arfſaͤme 88. 254. El Aſſwad 281. 319. El Ayſſaͤr 282.

El Azeb 813.

El Bahaͤbihe 321.

El Bathaͤ 88.

El Dſcha da 214. 318.

Ei Dſchowayre 158. 162.

Ei Ebnaͤ 121 fg. 284. El Shafar 230.

El Ghauth 299. 300. El Shitamm 230. 288, EI Ghoraf 230. 288. El Soff 62.

El Hamum 269. 322. El Härith 808.

El Hatſa 69.

EI Haun 302.

El Hidſchelyn 204. EI Hobul 214. 287. El Hodà 183 fg.

El Hobäb 304.

El Hotfiy 69.

EI Hotfiye 279.

El Fome 280.

El Irme 52. 278.

Regifter.

El Koffufe 254.

El Ma 73. 258.

EI Mahfus 226 fg. 319. El Müs 313.

EI Medfarre 224.

El Modayne 52. 278. El Moghtafir 813.

El Moltamis 313.

EI Moltät 801.

EI Monaygyra 231. El Motaiammid 818. El Obayd 69.

EI Ogamen 318.

Ei Oſchr 62.

El Offayf 260.

El Oſſyuty 276 fg. El Dada 76.

EI Oalqaͤl 282.

El Dära 52. 81. 278, El Darr 75.

Ei Däyime 136. 284. El Dirbe 118. 278. Entf el Hamum 270. Er Raͤchiye 246.

Er Raͤyiſch 808.

Er Rihäb 254.

Cs Sälemy 317.

Es Sucul 224. Eſchhed Allah 276. Eſch Scha’be 230. Eſch Scha’amla‘ 823, Eid Sqhaff 282.

367

Eſch Scharg 95. 97. 102. 106. 283.

Eſch Scerla 204.

Eſch Scheryn 206. 286. Eſch Schillät 203. 204. Ef Sfabal 282.

Eſſ Sſalmy 169.

Eſſ Sſayf 281.

Eſſ Sfayib 169.

Eh Sſay'k 227.

Eſſ Sfitt 60.

Eſſ Sfolaymäany 168.

368

F. Fadhl Alyy 21. 75. Fadhly 21.

Falh eff Sfifle 63. 69. 279,

Fardſchalat 281.

Fath edh Dhayq 279.

Fatiha 276.

Fedſch min Allah 63. 279.

Foghar 281. Fogayde 69. Fowwa, fiehe Fuwa.

Fresnel 4. 25. 35. 304.

Fuwa 50. 277.

G.

Gara, ſiehe Daͤra. Geſez 31. 32. 33. Gerraei 24. Ghafar 230. Ghalbun 253. Ghaura 204. 287. Ghauth 276. 299. Ghaydun 205. Ghebeſſ 205. 287. Ghitamm 230. 288. Ghofar 288. Ghoraf 230. 288. Ghowayr 282. Ghowayre 204. Ghowayte 286.

9. Habab 225. Hararhayan 282. Hafiye 62. Hamayfa’ 298. Samum 269. Sarmal 279. Haun 302. Haura 228 fg. 288. Hawä 62. Haynes 19. 275.

Regifter.

Hodun 30. 253. 312.

Hodun (Stadt) 253.

Homayſcha 231. 291. Homeritae 24.

Horraya 287.

Horrayn 204,

Houlton 35.

Hud 18. 30. 47. 48. 276. 312. Sumboldt 2.

9.

Habban 19. 22. 140. 165. Habyb 251 fg. Hadhramaut 101. 239. 301. Hadhramy 299. Hadſcharyn 288.

Hadſchy "Abd el Haͤmid 6. Hälite 321.

Halle 277.

Hallet Baͤ Galyb 224. 247. Hamämedyn 320.

Hanän 230. 290, 312. Hanbare 280.

Hanefy 99.

Sannan 312,

Haräs 289.

Hardſcha 161.

Harf el Harys 67. 279. Härib 20. 170.

Härith 303. 306.

Harr Schiwäts 60. 279. Hafan ben Saybän 312. Hafan dſu Mo’ähir 807. Haſchid 308.

Haſchyſch edſ Diahab 292. Haflan el Qayl 308, Haſſan et Tobba‘ 59. Haſſuſſa 110.

Hanfa 260.

Hawaͤlyy 260.

Häyif 284.

Haynan 319.

Hayt el Darr 75. 280.

Regiſter.

Hebut 254.

Herraya 204.

Hirn Baͤ 'Abd 204.

Hien Baͤ el Haff 161.

Hien Baͤ Omm Sſaduſſ 204. Hien Bi Sſolaymaͤn 179. Hien Baydra 204. 230. 290. Hien ben Dighaͤl 113. 136. 183. Hicn ben Dommän 180. Hien es Gobäyb 183.

Him el Ghowayr 91. 280. Hin el Mine 145.

Hien el Obne 149 fg.

Hirn el Däyime 136. 183.. Bien et Tawyle 140 fg. Siem Ghoraͤb 24. 28.

Hiçen Howayre 267.

Hidſchas 277.

Himyar 48. 276. 298. Himyar eg Goghayr 303. Himyariſch 31—36. Himpariten 24.

Hobul 214. 287.

Hodä 184 fg.

Hodad 304.

Hodhäd 304. | Hodſchayn und Hodſchayny 94. 194. 219. Hoſſayn baͤ Sohra 102.

J.

Ibn Batuta 39. 276.

Ibn Dorayd 287.

Ibn Haͤyik 289.

Idryſj 275.

Idryſſy 288.

Joktan 276.

Journal Asiatique 304.

Sram diät el Amud 285. Kram dfät el Iſſnaͤd 151. 286.

8.

Ka'ba 108. Käftr 43.

A. v. Wrebe’s Reife in Habhramant,

369

Kaͤfira 260.

Kahlän 298.

Karana 25.

Karn, fiehe Darrayı. Kaſchwyn 132. 185. Kaukebaͤn 289. Kaydam 204.

Kelbub 52.

Kefjady (Stamm) 48. Kiepert 2.

Kinditen 29.

Kofayge 164.

Kohl 59.

Krapf 2. 83.

Kulang 52.

Kura 89.

L.

Lachme 280 fg. Lahidſch 19.

Lawi 313.

Laylebaͤt 66.

Lobb el Lobaͤb 276 fg. Lohde 75.

Lohun 214. 222, Logmän 301.

M,

Madhidſch 164. Ma'diy Karib 307. Ma'dudy 230. 20. Maer 313.

Mahafla 280. Mahfus 225 fg. Mahniye 279. Mahra 2640. Makalla 18—24. 53 fg. Makaͤrim 319. Mälit 298.

Manäh 164. 318. Mangura 169. Mannert 24. Maqryzy 289. 299.

24

370

Maqubet el Chomra 88. Mi Radhy 223. 287. Maraͤwa 231. 291. Marcha 20.

Marbicha 21. 170. Mariaba 12. 20. Maärib 20. 169. 304. Marthad 306.

Mafyyat el Däyime 184. Matämile 321. Mathub 306.

Matny 288.

Matrud) 212. 253. Mayfa'a 23. 169. 286. Mäyile Matar 281. Ma’yg 230. 290. May'iche 284.

Medaͤha 161. 162. Medfarre 224.

Mefat 23.

Mehaſſa 69.

Menäsih ibn "Abd Allah 102. 107.

Meſchhed "Alyy 101. 227. Metelle 201.

Minaei 24.

Minter 202. 205. 287. Mirbat 39.

Mifenät 18. 27.

Mifine 73.

Mo’amwiga 300.

Mochaͤ 19.

Mocyle 288.

Mohammed el Harr 53. 98. Moltät 301.

Monaygyra 231. 291. Mongir 285. 291. Montifch 281.

Moräbit 14.

Morafchide 102. 121. 252. 320. Morbtmann 39.

Morra 299.

Moſſaffaq 281.

Moſta riba 38.

Mota ariba 38.

Moyqaq 280.

Regiſter.

Murad Gobäyh 214. 318. Murdifon 2.

N.

Naͤchodaͤ 43. 45. 275.

Nahur 313. 818.

Naqb el Hadihar 28. 140. 161. 165. Nafinaff 292.

. Rebel 62.

Neby Allah Hud 47. 276. Nedſchd 277.

Nedſchd ibn Sſa'yd 73. 312. Nedſchraͤn 300.

Nefhun 204. 214. 226. 287. Neqr 235. 291.

Niçab 21. 170.

Niebubr 11. 19. 23. 87. No män el Mo'äfir 299. Nöſab, fiehe Nicäb. Nowayre 214.

Nowayry 304.

Nyr 204. 287.

O.

Obaͤra 20. 21. 170. Obne 5. 28. 285. Dcayde 285.

Odad 299.

Ofwe 281.

Dfämiff 209. Olamãa 256 fg. Omaͤn 19. 291. Omm Bäyha 278. Omm Dſchirdſche 279. Orayb 299. Orayſſime 260. Orudh 277.

Oſchr 62.

Oſſyuty 276.

P. Palgrave 11. 19. 27. Petermann 2. Plinius 24. Priou 23. Ptolemäos 24.

DO.

Oabadh 284.

Dabadh Hayif 120. 284. Qabadh Schaych 120. 284. Dabayl Bakry 51. 185. Dabr Bayt 95. 283. Dabr Hud 22. 229. 276. Dabyla 278.

" Dngäba 119. 284.

Dacr 288.

Dahdun 231.

Dabtän 80. 48. 276. 298. Dalay Darib 305. Däamile 225.

Qaͤmuſſ 23.

Däara 24-40. 278.

Däret es Sohaͤ 284. Darn el Manäfil 97. 110.

Darrayn 25. 95. 252. 278.

Darr el Fayn 75. Darr el Madſchyd 254. Darret Sjudan 231. Datan ben "Orayb 299. Däyime 284.

Dayl 301.

Days 301—303. Qeſchyn 37.

Dinnyne 284.

Dirbe (I) 52. 278 fg. Dirbe (II.) 225.

Dirbet Dahme 52. 87. 278.

Dobbe 52. 278. Dobbet el 'Ayn 158 fg. Dosay 164.

Oocayr 27.

Dobär 114. 283,

Regifter.

Dofahce 164. Dobtän 319. Dolahyle 282. Dolle 283.

Qorayf 260. Dorayichy 102. Oorra 287.

Ooru 282. Ootham 321. Dothäm 202. 319.

N.

Rabadh 206.

Rabadh ba Kaubal 225. Rabbat 182.

Rabiet 182.

Raby'a 312.

Raͤchiye 290.

Radun 164.

Raͤfidhy 43. 275.

Raſchyd 96. 252. 283. Raͤſſ Borum 45. 132. 275.

Raff el Ahmar 45. 50. 132.

Räff el Hadd 18.

Rafj el Ocayde 161. Raͤſſ Hardſcha 161. Raube 124.

Rayat 280.

Rayde 286.

Raym 311.

Rayyſſ 275.

Rhayde 204. 286. Rhobaba 119. 217. 283. Riäm 303. 310.

Ribät 97. 110. 118. Rim 303. 310.

Riſche 69.

Ritter (Carl) 2. 20. 38. Rochç 281.

©, Saba 304. Sabä el Albar 298. 24%

371

372

Sabäer 24.

Sabota 24. 289. Sabut 24.

Sabus 312.

Sahun 164.

Sakſak 298.

Saͤlim 313.

Salt 67.

Sänay 303. Saqquma 166. 168. Särah 304.

Sarh 304.

Saubatha 24. 289. Save 24.

Saybän, fiehe Sfaybän. Sayd (Imäm) 275. Sa’yd ben Yſa 812. Sayf 307.

Scha be 230. 290. Schäbith 203. Schabut 289. Schabwa 289.

Scaff 282.

Schaͤfiy 99. Schammir 305. Schamrir 305. Schamyr 298. Scharh 304.

Scharq 283. Schaybin 276. . Schaych 14. 301. 303. Schedſcher 3E—40.

Schedſcheret et Tä’a 284.

Scheraͤf 283.

Scherm Hardſcha 161. Scheryn 286.

Schibaͤh 289.

Schibäm 24. 230. 289. Scdi’be 204. 286. Schibwa 289.

Schihr 18. 38. 270. 292.

Schihra 292. Schillät 204. Schirka 287. Schobe 222.

Regiſter.

Schomcha 164.

Schorfaͤ 14. 283. Schorhabyl 304. Schorut 205. Schowayye 75. 280. Schura 69 fg. 280. Schyid 14.

Seeben 11. 19.

Sefam 61.

Seyal 62.

Sibde 230.

Smith 35.

Sokotra 37. Solaymäny 317. Sor’a el Yemäma 59. Sfaba 276.

Sfabal 253.

Sſabyl 224.

Sfafy 292.

Sſaͤh 288.

Sſaͤh Hud 229. 288. Sfaryr 275.

Sfaufira 38. 39. Sſaumahyn 86. Sfayban 49. 86. 276. 320. Sfa’yd ibn Yſſaͤ 102. Sfayf 231 fg. 254. fg. Sſayyd 15. Sfolaymäny 161. Sſowayq 231. 291. Sſyaͤra 18.

Stephanns Byzant. 25. Strabon 24.

Sultan von Borum 48. Sultan von Oeſchwyn 37.

T.

Tamarhind 62. Tamayhe 220.

Taraͤd 44. 275.

Tarr 286.

Terym 23. 230. 290. - Thowayry 230. 290. Tihama 277.

Tiſſ'a 230. Tiſſqiye 218. Toani 24. 25. Tobba‘ 302. 306.

- XZorbet el Moluk 231. 2%.

Tfahir 21. 95. 170. Tfofar 24. 38. 39. Zfohur 290. Tyärby 230. 290.

T.

Talib Rim 303. Tarfü 62. Taryſe 230. 290.

u. Umir 72.

W. Waͤbiça 302. Waͤcy 49. 276. Wädiy Ab, fiehe 'Af. Waͤdiy 'Af 87.

Wäadiy Amd 22—26. 205. 214 fg.

Waͤdiy Araͤr 149. 158. 161. Waͤdiy Ayffar 260 fg.

Waͤdiy Ba Auda 92.

Waͤdiy Dfehenan 214 fg. Waͤdiy Bi Darrayn 53. 69. 278. Waͤdiy Ba Rayyara 92.

Waͤdiy Ba Taryq 208.

Wädiy Boyut 134.

Wadiy Bu Dalayt 89.

Waͤdiy Butrach 87.

Waͤdiy Ga'ar 124. 128.

Waͤdiy Gafrä 135. 183. 204. 206. Waͤdiy Gahäh 50. 278.

Wädiy Garhyr 139. 183.

Waͤdiy Gidaͤra 76.

Waͤdiy Chadhaͤra 95.

Waͤdiy Chamfa 246 fg.

Waͤdiy Chamuda 110.

Regiſter.

Waͤdiy Chaͤrit 91-95. 280 fg. Waͤdiy Chäyile 92. 260 fg. Waͤdiy Chilafat 82.

Wädiy Chomyr 50. 278. Waͤdiy Dahme 90.

Waͤdiy Dahſſ 46.

Waͤdiy Dhayſſ 69. 75. 280. Waͤdiy Do an 25. 26.

Waͤdiy Dſchahys 205 fg. Wädiy Dſchandaͤn 22. 169. Waͤdiy Dſcharre 50. 278. Waͤdiy Dſchilwe 120.

Waͤdiy Dſchiswel 23. 139. 145. Waͤdiy Er Gafraͤ 183.

Waͤdiy EI 'Af 87. 89.

Waͤdiy EI Ahliye 72.

Madiy EI Ayfiür 88. 92. 259. Waͤdiy EI Ayifiry 87.

Waͤdiy EI Boyut 134.

Waͤdiy EI Ebnaͤ 121 fg. Waͤdiy EI Forayich 89.

Waͤdiy El Ghowayte 134,

Waͤdiy El Hadſchar 132. 135 fg. 178 fg.

Wädiy EI Hadſcharyn 229 fg. Waͤdiy El Idme 67.

Waͤdiy EI Ma’adin 132. Waͤdiy EI Ma Ghoräbe 89. Waͤdiy EI 'Obne 149 fg. Wadiy Er Nebyy 110. Waͤdiy Er Raͤchiye, ſiehe Raͤchiye. Waͤdiy Er Haube, ſiehe Raube. Waͤdiy Eſch Schaff 95. Waͤdiy Eſch Scherebbe 50. Waͤdiy Eſſ Sſabal 95.

Waͤdiy Eſſ Sſyrabbe 92. Waͤdiy Farte 132.

Waͤdiy Forayſch 89.

Waͤdiy Fuwa 25. 50.

Waͤdiy Ghaͤdun 113.

Wädiy Gharhaͤn 118. 120. Waͤdiy Ghaura 204.

Waͤdiy Ghaybun 101. 231 fg. Waͤdiy Ghowayr 92.

Wadiy Ghowayte 134.

Waͤdiy Haçarhayan 89.

373

374

Waͤdiy Hebat 95.

Waͤdiy Hiräwe 83.

Wadiy Howayre 82. 265 fg.

Wädin Habbän 139.

Wädiy Habhena 174.

Wadiy Hadſchar 23. 182. 185 fg.

Wadiy Hadiharyn 26. 229 fg.

Wadiy Hafar 186 fg.

Wädiy Halle 50. 183. 278.

MWäbiy Haraͤmy 82.

Waͤdiy Haſſy 180.

Wadiy Hataby 270.

Waͤdiy Hiçen ben Dighaͤl 136.

Waͤdiy Hidſchelyn 204.

Waͤdiy Hirma 83.

Waͤdiy Hotſiye 25. 63. 69.

Waͤdiy Kamiſch 268.

Waͤdiy Kotayfa 266.

Waͤdiy Kotub 87.

Waͤdiy Lachme 69. 280.

Waͤdiy Lakal⸗Lakal 89. 282.

Waͤdiy Lohde 282.

Waͤdiy Maͤ Allah 120.

Waͤdiy Maͤdſchid 87.

Waͤdiy Maghära 204.

Waͤdiy Mahniye 25. 64. 68.

Waͤdiy Maſſya 80 fg. 250 fg-

Waͤdiy Matära 87.

Waͤdiy Matharun 82 fg. 260 fg.

MWädiy Mayfa'a 20—23. 113. 139. 163 fg.

Waͤdiy Mäyile Matar 82. 268.

Waͤdiy May'fche 128. 129.

Waͤdiy Merret 50.

Waͤdiy Metelle 201 fg.

Waͤdiy Mintät 191.

Waͤdiy Minter 202.

Wädiy Minua 25. 26. 110. 118. 120.

Wäadiy Mobärel 81.

Waͤdiy Mocyle 27. 28. 229,

Waͤdiy Moll 135.

Waͤdiy Montiſch 78. 81.

Waͤdiy Moſſaffaq 81.

Waͤdiy No'ab 146. 147.

Regiſter.

Waͤdiy No'maͤn 135. 145.

Waͤdiy Nyr 205.

Waͤdiy 'Obne 149 fg.

Waͤdiy Odyme 220 fe.

Waͤdiy 'Ofwe 82.

Waͤdiy Omm Baͤhya 53. 278. Waͤdiy Omm Dſchirdſche 60. 62. 279. Waͤdiy Dacr 22. 27. 229.

Waͤdiy -Daret es Soha 133. Waͤdiy Dinnyne 136. 183.

Wäadiy Dirbe 25. 52. 120. 132. Waͤdiy Dolayle 95.

Waͤdiy Oolle 95. 106.

Waͤdiy Qoru 89.

Waͤdiy Rabadh 204. 206.

Waͤdiy Raͤchiye 22. 241 fg. Wädiy Raube 25..120. 123. 132. Wäadiy Raye 63.

Waͤdiy Rayyara 92.

Waͤdiy Rhayde ed Dyn 202 fg.

Wädiy Rhayde efi Sfowayde 202 ig.

Waͤdiy Schagg 124. 132. Waͤdiy Scharad 139. 178. Waͤdiy Schomayre 119. Wädiy Schura 69—75. 280. Wädiy Soggayme 176. Waͤdiy Sfabal 95.

Waͤdiy Sfalaf 128. Waͤdiy Sfanäwe 83. MWädin Sforbe 89.

Waͤdiy Tann Sfiybe 110. Waͤdiy Tſahura 83. Wäadiy Tſohur 230. Waͤdiy Werura 83. Waͤdiy Woayla 53. 278. Wädiy "Yan 21. 169. Waͤdiy Yſchybum 21. 170. Waͤhidy 19. 161.

Wa’la 242.

Waͤliya 306.

Wara 252 fg. 29%. Waͤthila 298.

Waͤyil 300.

Waͤyla 298300.

Wellſted 11—35. 161. Woayla 278. Wüftenfeld 299 fg.

J. Yäfla 2022. 170. Mäqut 287 fg.

Ya'rob 276. 298. 313.

Ya'rom 312. Yaſchoſchob 276. 298. Haſit 305.

‘Dean 21. 140. 169.

Regiſter. 375

Demen 19 fg. 277. Yon im 298.

Dia el Amud, ſiehe Mſa. Yſchybum 21. 170.

"Yıla el "Amud 30. 312.

3. - Zahrän 303. Zayd 802. Zayd el Agra‘ 305. Zohayr 299.

Zor'a 307.