w->« f'^W -A- Speci; .1' Collect. 1 follo- qHll -2 ( R88 V.4. ! 0 '^T^ O lO : Ttf D. H. HILL LIBR;«y NORTH C/ßOUfM ST4TE COLLEftE couecticJnsI Polio-P ENTOMOLOaiC^L COLLEGTION This book must not be taken from the Library building. in Europa, Asien und Afrika, mit besonderer Rücksicht auf die iiatuiwissenscliaftlielien Verhältnisse der betreffenden Länder, unternonimen in den Jahren 1885 bis 1§41 . Joseph Musseggetu k. k. österr. Gubernialrath , Salinen-Administrator und Dlstriktual-Bcrgricliter zu Wiellczka, Ritler des goldncn Kreuzes des königl. griechischen Ordens des Erlösers etc.. korrespondirendes Mitglied der k. k. Akademie der Wissenschaften zu Wien etc, Mit eiuein Atlas, enthaltend: geographische und geognostische Karten, Gebirgs - Profile, Landschaften, Abbildungen aus dem Gebiete der Flora und Fauna. VIERTER BAND. Helfe in "bet l'eoante unli in Curopa. STUTTGART. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung'. 1848. REISE m der Levante und in Europa, mit besonderer Rücksicht auf die naturwissenscliaftliclien Verhältnisse der betreffenden Länder, unternomnien in den Jahren 1839 bis 18*1, JToseph Russegger. k. k. österr. Gubernialrath etc. iWit vxt\)xtxt\\ ePebtr0spr0ftl(n. STUTTGART. E. Schvveizerbart'sche Verlagshandliing;. 1848. Vorworte Mit dem Augenblicke als ich am 7. Februar 1839 den Bord des im Hafen von Alexandria liegenden französischen Dampfschiffes Mentor bestieg und der Yordertheil des schönen Schiffes sich heimwärts wendete, waren meine Reisen in den Ländern Mehemed-Ali's faktisch beschlossen. Meine Aufgabe, die mich dahin berief, war, so weit sie in meinem Wirken lag, gelöst und wie ich mir schmeichle mit Ehren gelöst. Dass der Antheil an dem Nutzen dieser Reisen grösstentheils und fast ausschliesslich der Wissenschaft zu- fällt und die überspannten Erwartungen eines pekuniären Gewinns hieraus nicht in Erfüllung gingen ist nicht meine Schuld, da eben einerseits diese Erwartungen überspannt waren, andererseits die unpraktischen und unreifen Mass- regeln der egyptischen Verwaltung selbst jede rationelle und konsequente Durchführung von Vorn her unmöglich machten. Ich hatte endlich, als meine Verbindung mit der egyptischen Regierung zu Ende gegangen war, einer mir schon längst lieb und heilig gewordenen Idee gehuldigt und das heilige Land durchzogen und trat nun meine Heimreise an. Ein reicher Schatz von Erfahrungen und Beobachtungen wurde mir durch meine, nun bereits über drei Jahre dauernde Reise zu Theil und ich brachte aus dem Oriente, der Wiege unserer Kunst und unseres Wissens, so zu sagen eine Welt in meiner Brust zurück. Aber in dieser Welt sah es noch sehr wenig geordnet aus 5 Anschauungen, wie der flüchtige Moment sie gibt, wohl durchdachte und in sich abgeschlossene IdeeUj unabänderliche, festgestellte Erfahrungen und Grund- sätze j vage Vermuthungen und Nebelbilder lagen da bunt durch einander. Ich fühlte es, dass ich nur gesammelt, fleissig gesammelt hatte, dass es aber auch gebieterische Nothvvendigkeit sej diese Sammlung erst zu ordnen, bevor ich es wagen dürfe mit ihr vor das Forum der Öffentlichkeit hinzutreten. Noch den Staub der Reise an meinen Füssen hätte ich um keinen Preis den Muth gehabt meine Erfah- rungen und Beobachtungen als ein geschlossenes Ganzes hinzustellen und diese daher vorerst zu ordnen und darüber reiflich nachzudenken, war zunächst meine Aufgabe. Dass durch eine solche Verzögerung das lebendige Kolorit der Bilder hie und da etwas leidet gebe ich gerne zu 5 die Wahrheit derselben aber kann nur gewinnen, jedoch muss eine solche Rektifikation der Anschauungen nicht bis zum beginnenden Verwisclien der Erinnerungen getrieben werden. Auf manchem Felde, das meine Forschungen berührten, stand ich nur sehr schwankend und um so weniger sicher genug, als während meiner Abwesenheit die Wissenschaft fast in jeder Richtung ihre raschen Schritte vorwärts ver- folgt hatte. Vieles schon an andern Orten Geordnete, Durchdachte, mehrfach Geprüfte musste ich sehen, mit vielen an Erfahrungen und Wissen mich hoch Ueberragenden musste ich mich besprechen , um die von mir gesammelten Daten im vergleichenden Wege mit dem bereits feststehenden prüfen und so weit möglich selbst feststellen zu können 5 kurz mit einem Wort: um mit mir selbst darüber eins zu werden- Vor meiner Rückkehr in mein schönes Vaterland be- schloss ich daher zu diesem Zwecke eine Reise durch Europa zu machen. Unsere hohe Regierung kam mir hiebei durch die Ertheilung eines unbeschränkten Urlaubes wie immer auf das gnädigste entgegen und die ehrenvolle Berufung Sr. Majestät des Königs von Griechenland zur geognostischen Bereisiing seines Staates bildete den schönsten Anfangspunkt zu meiner europäischen Tour, welche sich über zwei Jahre hinaus erstreckte und erst im Jahre 1841 mit meiner Zurück- kunft nach Wien am 21. Februar, also nach einer Dauer der ganzen Reise von 5 Jahren 3 Monaten und 3 Tagen endete. Die Erlebnisse und gesammelten Beobachtungen während meiner Reise dnrch Europa bilden nun den Inhalt des vorliegenden, nur in einem Theile erscheinenden vierten und lezten Bandes meines ganzen Reisewerkes, welches, obwohl schon heute vor 6 Jahren begonnen, früher zu beenden mich theils die Masse des vorhandenen Materials, theils und zwar vorzüglich meine vielen Berufsgeschäfte und inzwischen fallende Dienstreisen verhinderten. Die von Bociios-Bey mir für meine lezte Reise in Arabien und Syrien überlassenen und der egjptischen Regierung gehörenden physikalischen Instrumente hatte ich derselben zurückgegeben und meine während der Reise durch Europa angestellten wissenschaftlichen Beobachtungen beschränken sich daher auch fast ausschliesslich nur auf die geognostischen Verhältnisse des durchwanderten Terrains und auf Beobachtungen im Bereiche meines Berufsfaches, nämlich in dem des Berg- und Hüttenwesens. Unter diesem Umstände glaube ich daher auch von der bisher beobach- teten Ordnung, der nach ich den historischen Theil der Reise scharf von dem wissenschaftlichen trennte und jeden separat behandelte, in so weit abgehen zu dürfen, dass ich in diesem Bande meine Darstellungen in chronologischer Reihe folgen lasse und den wissenschaftlichen Inhalt gleich an Ort und Stelle folgerecht mit dem historischen verbinde. Was den leztern überhaupt betrifft, kann mir die Bemerkung nicht entgehen, dass ich mich nun keines- wegs mehr auf gänzlich unbekanntem oder nur wenig 8 erforschtem Boden bewege, sondern dass ich, einige Theile von Griechenland, von Italien und des höchsten Nordens von Europa ausgenommen, ein Terrain betrete, welches vielfach durchwandert, erforscht, in jeder Richtung durch- studirt und von den geübtesten P'edern geschildert und beschrieben worden ist. Einerseits erleichtert sich mir da- durch meine vorliegende Arbeit durch die mir zu Gebot stehenden Vorstudien •, andrerseits aber wird sie erschwert, weil ich mich zu hüten habe mit der Darstellung von Gegenständen zu ermüden, worüber wir bereits die gedie- gensten Abhandlungen besitzen und denen nur die pikanteste Feder, welche einem praktischen Geschäftsmanne selten zur Hand steht, noch einigen Reiz abgewinnen kann. Die beste Art und Weise diese gefährliche Klippe zu umschiffen sind, wie ich glaube, eine angemessene Kürze in der Dar- stellung und eine sorgfältige Auswahl des vorhandenen Materials. Ob mir dieses gelingt muss ich der freundlichen Nachsicht der Leser, die mich bisher so sehr beglückte, überlassen. Jede gründliche, anständige Kritik werde ich mit Dank anerkennen, denn Überzeugung ist die schönste, humanste Zurechtweisung, während die grobe Kritik sich durch sich selbst richtet und von keinem für das öffentliche Leben Berufenen beachtet wird. Wieliczka, 14. März 1847. tWoseph MlusAeyye»', Eiiileituiig^ Der vorliegende vierte und lezte Band meines ganzen Reisewerkes umfasst meine Reisen in Europa, die ich mit der geogiiostischen Durchforschung; Griechenlands begann. Wohl wissend jedoch, dass mich in lezterer Richtung die Tendenz meiner Wanderung voraussichtlich zur Besteigung hoch über das Meeresniveau sich erhebender Gebirge be- stimmen werde und hiezu im Momente meiner Abreise von Alexandria noch keineswegs die geeignete Jahreszeit ange- brochen war, so benüzle ich vorerst noch die bereits damals ins Leben getretene Frequenz der Dampfschiflfe auf dem Mittel- und Archipelmeere, um einige der interessantesten Küstenpuukte der sogenannten Levante, namentlich Smirna und Konstantinopel, zu besuchen. Von Smirna, um mich der Quarantaine zu unterziehen, auf die Insel Sira zurückgekehrt, verliess ich leztere der damals noch sehr mangelhaften dortigen Kontumaz-Anstalten wegen bald wieder und vollendete die Quarantaine in dem schönen Lazarete im Piräus, dem Hafen von Athen. Athen bildete für meine Reisen in Griechenland das Hauptquartier. Von da aus durchzog ich Attika , die Insel Eiiböa mit ihren Braunkohlen - Lagern, Eisenminen und Thermalquellen , Böotien, die Umgebung des Parnasses und ganz Rumelien, den ganzen Peloponnes bis zur Südspitze des alten Lakedämons und besuchte sodann nach der Reihe die Inseln Thermia, Serpho, Sira, Naxos, Paros, Santorin, Kaimeni, Polinos, Kimolos, Milos, Paros und Egina. Von D, H. HILL LIBRARY KI#M4k CjkrrAtnM S»a»a Colleo« 10 Athen oder vielmehr vom Piräus aus ging ich, die jonischen Insehi berührend, zur See nach Ankona und hielt im Laza- rete dasßlbst meine lezte Quarantaine. Nach Vollendung derselben trat ich meine Reisen in Italien an, ging über Rieti nach Rom, von da nach Neapel, besuchte Ischia u. s. w. , schiffte mich nach Sizilien ein, ging nach Messina, Palermo, Cafania, bestieg den Ätna, bereiste von Syrakus aus die Südküsle der Insel bis Girgenti und kehrte von da durch das Innere nach Palermo und weiter nach Neapel zurück. Von Neapel ging ich zur See nach Livorno, besuchte die Kupfergruben am Monte Catini, die Salinen zu Moja, die sogenannten Boraxseen am Monte Cerboli und befand mich im Beginne des Jahres 1840 zu Florenz. Von Florenz ging es über Bologna und Modena nach Mailand, über den Splügen nach Chnr, Bregenz, St. Gallen, Zürich, Schaflfhausen und nach Besichtigung der Salinen am Schwarzwalde nach Stuttgart. Von da aus besuchte ich die Salinen am Kocher, ging nach Heidelberg, Darmstadt, Frankfurt am Main, Mainz, besuchte die Eisenhütten im Schleydenthale, die Bleigruben bei Commern , ferner Neu- wied, Bonn, Köln und verweilte einige Zeit in Aachen, von wo aus ich die Berg- und Hütfenweike der Eschwciler Revier, bei Moresnet und im Ländchen von dei" Heide bereiste. Von Aachen begab ich mich nach Lüttich, besichtigte Sareign, begab mich nach Brüssel, von da nach Paris und endlich über Havre nach London. In England besuchte ich nach einem längern Aufenthalte in London: Portsmouth, Plymouth, die Kupfer- und ßloiberg- baue in Devonshire, die Berg- und Hüttenwerke in Cornwallis, desgleichen jene in Southwallis, begab mich nach Liverpool und Manchester, besah Fabriks- und Montanetablissements der dortigen Umgebung, besuchte die Berg- und Hüttenwerke in Flintshire, machte Streifzüge in Nortliwallis, kehrte nach Liverpool zurück und ging yon da zur See nach Schottland. In Schottland besuchte ich Glasgow, Edinburgh, die Lochs Lomond, Inverary, Rostall, Fine, Long und Awe, schiffte mich von Oban nach den Inseln Mull, Ikolmkill (I-ona) und Staffa 11 ein , kehrte nach E(linburg;li zniiick und begab mich von da zur See nach Hamburg-. Vou Hanjburg ging es über Lübeck nach Kopenhagen und von da nach Christiania. In NoiAvegen besuchte ich das IMaufaibenwerk zu Modum, das berühmte Kongsberg, das Kupferueik zu Vinoien und ging sodann von Christiania über das Dovrefjeld nach Dront- jem , besuchte das Kupferweik zu Röraas, das Chromfarben- werk zu Leerfoss und schiffte mich in Drontjem nach dem hohen Norden ein. Am 19. August 1840 passirte ich zumersten- male den nördlichen Polarkreis, besuchte jenseits desselben Tromsoe, machte einen kleinen Ausflug in das nördlichste Lappland und gelangle endlich bis zu den Kupferwerken in Kaaffjord und Reipaass im Alten Fjord bei Hammerfest (70^25' n. Br,), von wo aus ich nach Dronljem zurückkehrte und von da über die Gebirge nach Sundsvall in Schweden giug. In Schweden besuchte ich die Berg- und Hüttenwerke zuFahlun, Awesta, Sala und Danemora, ging über Upsala nach Stockholm und von da auf dem Trolhättankanal , das Eisenwerk zu Motala und die grossen Binnenseen passirend, nach Götheborg. Zulezt besuchte ich noch Lund und Malmoe und kehrte über Kopenhagen und Kiel nach Hamburg zurück. Von Hamburg reiste ich nach Berlin und von da über Magdeburg an den Harz. Daselbst besuchte ich die Berg- und Hüttenwerke bei Goslar, Klausthal, Zellerfeld, Andreasberg, die Rothehütte und die Hütte zu Tanne, die Werke bei Harz- gerode und Mägdesprung, ging nach Thüringen und bereiste die Berg- und Hüttenwerke um Eisleben im 31ansfeldischen, ging über Halle und Leipzig nach Dresden und endlich nach Freiberg. Nach Besichtigung der bedeutendsten Berg- und Hütteu- werke im sächsischen Erzgebirge betrat ich am 8. Januar 1841 wieder österreichischen Boden, besuchte die Berg- und Hütten- werke zu Joachimsthal, Mies und Przibram , ging nach Prag, von da nach Linz und Salzburg , meine Vaterstadt und traf endlich am 21. Februar 1S41 wieder glücklich in VV^ien ein. Erster Abschnitt. Reise an den Küsten der Levante. Reise von Alexandria nach Sira , Smirna und Kon- sfantinopel. Aufeutlialt daselbst. Rilckkelir nach Sinirna und Sira. Am 7. Februar 1839. Um 9 Uhr Morgens verliess der Mentor den Hafen von Alexandria. Bald entschwand die flache Küste Egyptens unsern Äugen, die Pompejus-Säule und das Pascha-Serail tauchten am Horizonte in die Wogen nieder und die hohe See umgab uns in ihrer bewegten Einförmigkeit. Die Reise- Gesellschaft bestand grösstentheils aus englischen Familien , die auf der Ri'ickkehr aus Ostindien nach England begriffen waren : den eigentlichen Glanzpunkt bei Tische je- doch bildete, seinem sichtbaren Wunsche gemäss, der Kapitän, der vom Morgen bis dahin nicht weniger als bereits viermal seine Toilette gewechselt hatte. Am 9. Februar. Am Morgen befanden wir uns auf der Höhe von Kandia, am Kap Salamon (Samoninm), sahen rechts die Berge der Insel Coxo (Casos) und näherten uns ersterer Insel mit ihren hier kahlen, ausdruckslosen Küsten -Bergen. Den schönen Ida verhüllten dichte Wolken. Abends sahen wir nur in der Ferne mehr das Kap Sidero (Sunio) südlich hinter uns und hatten, uns nordwestlich wendend, wieder offene See*. "' Bezüglich der genauen Durchforschung der Insel Kandia (Kre(a) mache ich auf das vorzügliche Werk: „Reise nach der Insel Kreta im Jahr 1817 von F. W. Siebeb; zwei Bände, Leipzig 1823" aufmerksam. 13 Am 10. Februar «elangten Kir zeitlich früh auf die Höhe von Santorln (Thera), sahen westlich die kleine Insel Christi- ania (Ascania), östlich Nanphio ('\naphe) und Nanphio Pulo, Der Anblick von Santorin mit seinen vulkanischen Bergen, seinen bunten, kahlen Lava- Wänden, dem frischen Grün der Thäler und den schwarzen Felsmassen , des Ansehens als hätte die Natur das Feuer erst gestern hier ausgelöscht*, ist ungemein überraschend. Wir hatten nun das Meer der Cy- claden erreicht, besäet mit den schönsten , fruchtbarsten In- seln, die unter einem glücklichen, warmen Himmel, voll klas- sischer Erinnerungen, alle Heize entwickeln, welche der grie- chischen IMythe ihren heissen Farbenton geben. Der Mentor wendete sich zwischen den Inseln Nio (Jos) und Sikino (Sicinos) durch , passirte in der Nacht Anti Faros und warf kurz nach Mitternacht, nachdem wir einen kleinen und der vielen Inseln und Klippen wegen mit Gefahr verbun- denen Sturm überstanden hatten, am 11. Februar im Hafen von Sira Anker. Die Stadt gleichen Namens, einstens ein Lieblingsaufenthalt der Piraten, gegenwärtig der Hauptstapelplatz der Dampfschiffe im Archipel- Meere , wo sie aus allen Richtungen der Levante zusammen- treffen, liegtauf der Ostseite der Insel, umgibt amphithea- tralisch einen hohen Kegelberg , zieht sich terassenartig an seinem steilen Gehänge hinauf und endet auf dem Gipfel mit einem Kloster. Eine Kette höherer Berge schliesst im Halb- kreise diese Gruppe ein und bildet den schönen Hafen , der voller Schiffe lag, worunter mehrere Dampfschiffe. Die englischen Familien verliessen sogleich den Mentor und begaben sich an Bord des nach Malta abgehenden Vapors, ich aber liess meine Sachen an Bord des österreichischen Dampfschiffes Graf Kolowrat bringen, welches bestimmt war, Nachmittags nach Smirna und Konstantinopel abzufahren, ße; kanntlich sind die Dampfschiffe des österreichischen Lloyd nicht nur die besten, sondern insbesondere für den Reisenden ohne Unterschied die am meisten zu empfehlenden unter allen, welche in der Levante coursiren. Der Reisende ßndet an Bord " Auf die geognostische Beschaffenheit der interessanten Insel San- torin werde ich gelegenheitlich meines zweiten Besuches zurück kommen. 14 derselben eine artige, freundliche Aufnahme; eine kleine, aber mit Beziehung auf den Orient meist sehr gewählte Sammlung von deutsclien, englischen, französischen und italienischen Bü- chern, wird billig, reinlich, in jeder Richtung sehr gut bedient, während die Existenz auf den französischen Dampfbooten in dieser Beziehung Vieles zu wünschen übrig lässt und der Rei- sende von einer oder der andern Seite auch wohl hören kann, dass man am Bord der leztern sich um die Passagiere dess- halb weniger kümmere, weil die Spesen ohnehin von der Re- gierung bezahlt werden. Ich spreche hier durchaus nur vom ersten Platze, undschliesse : dass auf den niederen Plätzen die berührten Lebelstände nur noch schlimmer seyn mögen. — Dm so mehr fiel es mir daher auf, als einige Offiziere des Mentorsich demungeachtet bemühten, mich von dem Gedanken, meine Reise auf einem österreichischen Dampfboote fortzu- setzen, abzubringen und sich hiebei nicht enthielten Anschul- digungen gegen die Dampfschiffe des Lloyd vorzubringen, von denen ich gerade das Gegentheil fand. Um 5 Uhr Abends verliess der Kolowrat den Hafen von Sira. Wir passirten zwischen den Inseln Tino (Tenos) und Mykone, hatten in der Nacht sehr stürmische See und befan- den uns am Morgen des 12. Februar zwischen den beiden Inseln Ipsara und Chios, leztere eben so bekannt durch ihre Schönheit als durch die brutalen Grausamkeiten, welche zur Zeit des griechischen Freiheitskampfes die Türken daselbst verübten. Der hohe Ellasberg auf Chios war noch tief mit Schnee bedeckt, vor uns im Norden sahen wir das herrliche Metelin (Mitylene) mit seinen prachtvollen Bergen und tiefen Küsten-Einschnitten, im Osten erhob sich die Küste von Kleinasien, ein ausgedehntes, gewaltiges Bergland , die höchsten Gipfel noch mit Schnee bedeckt , dessen blendend Weiss auf tief azurnem Blau des anatolischen Himmels, strahlend im ätherischen Lichte einer südlichen Morgensonne und in Verbindung mit der starkbe- wegten Meeresfläche , welche unser Dampfer rasch durch- furchte, dem schönen Bilde eine Farbenpracht, ein Leben ein- hauchten, die hoch über jede Schilderung erhaben und nur dem Süden eigen sind. 15 Um Mittag- iimfuliien wir das Kap Kara Buruni und wen- deten uns südöstlicli, in den Meerbusen von Smirna. Die be- waldeten Berge , welche den Eingang der herrlichen Bucht zu beiden Seiten einschliessen , Aveichen nach und nach ins Innere zurück ; auf der weiten Ebene, welche die Mündung des Hermus umgibt, sieht man ausgedehnte Meer-Salinen, schon erblickten wir die Citadelle und obersten Häuser von Smirna und die mit Schnee bedeckten Knppen des Tartali und Sa- bundschi Dagh (Sipylns) bildeten den Hintorgrund des herr- lichen, in dunklem VValdgrün prangenden Bildes. Nachdem wir den Boghas (Hafenpass) am Fnsse des Dreibrüderberges passirt und dicht an den Kanonen des dortigen, gut angelegten, aber türkisch, d.h. schlecht erhaltenen Kastells vorüberge- fahren waren, entfaltete sich Smirna vor unsern Blicken; rechts Olivenwälder mit Landhäuschen, links die Ebene des Hermus; die Stadt selbst am Fusse des Festnngsberges um- schlossen von dunklen Cypi'essenwäldern und Gärten, die sich nordöstlich bis an das schöne Burnabat, den Sommersitz der reichen Smirnioten, forterstrecken. Im Hafen, der einem grossen Landsee gleicht, fanden wir mehrere Kriegsschiffe der französischen und österreichischen Eskadre liegen , darunter auch unsere Medea. Der Kolowrat ankerte am Frankenvicrtel nur wenige Ruderschläge vom Ufer entfernt. Smirna, in der Nähe vom Meere aus betrachtet, bietet einen recht freundlichen, netten Anblick dar. Es mangeln der Stadt, einige Moscheen und die neue Kaserne ausgenommen, zwar die grossartigen Bauten, welche z. B. den grossen Platz hu Frankenviertel zu Alexandria so vortheilhaft auszeichnen, dafür aber sind die verhältnissmässig kleinen, hölzernen, mit Ziegel gedeckten Häuser sehr niedlich und ungeachtet der orientalisch engen Strassen recht rein gehalten. Da für den Abend des nächsten Tages bereits die Abreise des Kolowrat nach Konstantinopel bestimmt war, so musste ich mich am 13. Februar sehr beeilen das Interessanteste von Smirna zu besehen, und leider den Gedanken Fürst Pijkler in Burnabat, wo sich derselbe damals gerade aufhielt, zu besu- chen aufgeben. 10 V. Chabert*, derösterreichisclie Generalkonsul, eine nicht gewülinliche Erscheinung', mit dem man aher längere Zeit und über verschiedene Gegenstände sich besprechen musste , um seinen hohen wissenschaftlichen Wert!) und seine gediegenen Kenntnisse des Orientes die etwas sonderbare äussere Hal- tung durchdringen zu sehen, gab mir zu meiner Wanderung sehr gefällig seinen Dragoman und einen Janitscharen. Unser Weg fi'ihrte uns durcii die Frankenstadt und einen Theil der Türkenstadt, Der Basar der bedeutendsten Handelsstadt der Levante ist zwar nicht so grossartig in seiner Anlage wie jener zu Aleppo, der schönste den ich im Oriente sah, aber er ist sehr reich mit Waaren besezt. Was der Orient, mit Ein- schluss von Persien und Indien, Schönes hervorbringt ist hier zu finden und würdig der schönsten Frauen , an denen Smirna reicher ist als jede andere Stadt des Orientes und wodurch dieselbe eine Berühmtheit erlangte, die selbst einen Asceten aus der Fassung bringen könnte. Besonders sind es die Grie- chinnen der wohlhabendem Stände, denen der goldene Apfel unbedingt gehört und die des Schönen Alles vereinen , was südlicher Himmel nur zu schaffen im Stande ist. Die Moschee Issar Dschämessi entzückt durch die Schön- heit ihrer freien Stellung, indem sie nicht, wieso viele unserer schönsten Bauwerke in Europa, ohne alle Poesie zwischen Häusern und Buden versteckt ist, sondern umgeben nur von Cypressen und andern Bäumen, die auch den Vorhof zieren, von allen Seiten die Schönheit des byzantinischen Baues be- wundern lässt. Am Südende der Stadt steht die neue Kaserne, ein grosses, hübsches, modernes Gebäude. Exerzierplatz, Stiegen, Gallerien u. s. w. sind rein gehalten, man sieht nicht jene kolossalen Anhäufungen von Unrath, wie in den Kasernen Egyptens und es scheint, dass man in dieser Beziehung hier einen bedeutenden Schritt vorwärts gethan hat. Die Truppen, welche gerade exerzierten, fand ich besser gekleidet und über- haupt besser gehalten als die egyptischen, im Ganzen aber dürften sie weicher und bedeutend weniger Soldat seyn als der Araber es ist, was die Schlachten von Koniah und Nissib, * Laut öflFentlichpn Blättern bereits fodt. 17 wo sich beide miteinander massen , nnr be.stiitif>en. Ebenso beobachtete ich an den tiirkisciien Offizieren eine gewisse Toninnre, die sie in der Civilisation offenl)ar über die Araber stellt, im Kampfe aber möchte ich letztere doch nnbedinot vor- ziehen. Wie ich hörte werden die Truppen ordentlich ge- nährt, bekommen jeden zweiten Tag Fleisch und werden regel- mässig gezahlt. Ihr Sold ist übrigens bedeutend gerin^^er, als jener der egyptischen Soldaten; da leztere aber oft Jahre- lang ohne alle Löhnung bleiben, folglich von ihrem höheren Solde keinen Nutzen ziehen, so ist auch in dieser Beziehung der türkische Soldat dennoch im Vortheile. Von der Kaserne führt eine breite, gepflasterte, gräniich conservirte Strasse den Festnngsberg hinan. Ein dichter Cypressenwald bedeckt den südlichen Abhang desselben und im nächtlichen Schattendunkel der uralten Bäume breitet sich dei' mohamedanische Friedhof aus. Mit mehr Poesie könnte dieser Platz nicht gewählt seyn; der Tod verliert, glaube ich, das Schreckliche , das er für weichere Gemüther haben mag, an einer Stelle, die im wahren Sinne des Wortes dem müden Wanderer eine Ruhestelle bietet; ob aber die Lage dieses weit ausgedehnten Friedhofes in Verbindung mit dem ewigen, dunklen Schatten, in welchem die Verwesung der Leichen vor sich geht, die stete Feuchtigkeit des Bodens u. s.w. fürSmirna nicht höchst verderblich in Sanitäts-ßeziehung einwirken, das ist eine wichtige Frage, die ich fast unbedingt mit Ja! be- antworteh möchte und der Ansicht bin, dass die Wahl einer offenen, den Winden ausgesezten, möglichst hoch liegenden und insbesondere sonnigen Lage des Friedhofes eine weise Massregel für Smirna seyn würde und auf das endliche Ver- drängen der fast jährlich dort wüthenden Pest den kräftigsten Einfluss üben müsste *. Die alte Festung liegt ganz in Trümmern , nur ein Paar alte Thürme bestehen noch, die einige elend zugerichtete Kanonen beherbergen. Am Eingfanostliore sieht man rechts Dass di(! Sonnenhitze, walirscheinlich durch Zerstörung der Miasmen, ein kräftiges Reagens gegen die Pest bildet, ist eine in Egypten allgemein bekannte und auch anderwärts schon konstatirtc Thatsache. Russegger, Reisen. IV. Band. 2 18 in der Mauer einen alten Sarkophag-, als Brunnentrog benüzt, und darüber eine Büste, welche die schöne Amazone Smirna vorstellen soll. Innerhalb der Festung liegen auch die Ruinen einer Moschee, die mir einst eine christliche Kirche gevseseii zu seyn scheint. Tritt man hinter dieser Kirche auf die Mauer vor, so geniesst man eine ungemein liebliche Ansicht, die des Thaies von Seidiköi. Ein stark er Bach schlängelt sich zwischen dicht bewaldeten Bergen, eine Mühle im Schatten dunkler Cypressen liegt zu den Füssen und hohe, mit Schneebedeckte ßergkuppen bilden den Hintergrund dieser kleinasiatischen Alpenlandschaft. Gegen Smirna hin ist der Anblick allerdings grossartiger. Die ein Dreieck bildende, mit der Basis gegen das Meer gekehrte Stadt, nahe an 120,000 Einwohner haltend, mit ihren weiss getünchten Moscheen, Kuppeln, Minarets und zwischen den Häusern stehenden Cypressen -Parthien macht einen äusserst gefälligen Eindruck. Auf der Nord- und üst- seite ist Smirna von Gärten mit Landhänseru umgeben , die sich bis zu dem 2 Stunden ungefähr entfernten Burnabat am Fusse des Sabundschi Dägli hinausziehen. Von der Zitadelle stiegen wir zur Karawanen - Brücke hinab, die über einen breiten, tiefen Bach führt, wo alle aus dem Innern kommen- den und dahingehenden Karawanen anhalten, die Massen von Baumwolle gewaschen werden und stets das regste Leben herrscht. Im Schattendunkel riesiger alter Platanen liegen da mehrere türkische Kaffeehäuser, Älährchen-Erzähler bilden ihre Kreise um sich ; da ist kein störender europäischer An- strich, man bewegt sich ganz im Bereiche von Tausend und einer Nacht. Abends ging ich wieder an Bord und gleich darauf ver- liess unser Dampfer das schöne Smirna. In der Nacht hatten wir auf der Höhe von Mitylene so hohes Meer, dass die ge- waltigen Wellen das eine Maschinenrad durch einen für den Augenblick nicht herzustellenden Bruch unwirksam machten, wir es daher leer laufen lassen mussten und die Maschine nur mit dem andern Rade arbeiten konnte. Dem ungeachtet machten wir pr. Stunde noch 7 — 8 Seemeilen und kamen mit dem französischen Dampfbote Mentor , das nicht lange nach uns Smirna verliess, fast zu gleicher Zeit in Konstantinopel an. 19 Die Kürze des Aufenthaltes zuSminia erlaubte mir nicht in geognostischer Beziehung in der dortigen Umgegend mieli >veiter umzusehen und meine diessfälligen Exkursionen blieben auf den Besuch des Festnngsberges beschränkt. Derselbe besteht in seinen untern Theilen aus Feldsteinporphyr mit Feldspathkrystallen, dem sich gegen die Höhe zu Trachyt und Basalt auflagein, Ersterer zeichnet sich durch eine grosse Menge von Krystallen glasigen Feldspathes aus; leztcrer, eigentlich ein basaltischer Trachyt, sowohl durch diese als durch zahlreich eingewachsenen Olivin. Die höhern Gebirge, welche Smirna umgeben, als namentlich in Ost der Tartali (Mastusia) und der hohe Gi'isselldscheh Mussa Dägh mit dem Ermos, sowie in Nordost der Sabundschi Dagh scheinen mir der Formation des dichten Kalksteins anzugehören (Kreide- reihe?), wofür schon der Umstand spricht, dass diese Berge den westlichsten Vorsprung der grossen Kalkkette desTaurus bilden, die sich von da aus in OOS. erstreckt und ihre Zweige gegen N. und S. aus sendet. Am 14. Februar. In den frühesten Morgenstun- den eilte ich schon auf das Verdeck, um ja den Anblick von lliums klassischem Gestade nicht zu versäumen , fand aber leider, dass unser hinkender Dampfer erst auf der Höhe von Kap Sigri der Insel Mitylene stand. Auf dem asiatischen Festlande die hohen schneebedeckten Kup- pen des Dikili Dagh (Cillaeum) und des Gargara Dagh am Meerbusen von Adramyti zur Seite sahen wir später in Nord- ost den trojanischen Ida und um Mittagszeit tauchten in West die Spitzen des hohen mit Schnee bedeckten Monte Santo (Berg Athos) auf, während wir in Nordwest die Insel Stalimene (Lemnos) und nördlich Tenedos, unser näch- stes Ziel erblickten. Auf der Höhe von Tunedos begegneten wir dem schönen österreichisciien Dampfschiff Fürst Metternich, wir begrüssten uns; dasselbe flog südwärts gegen Smirna, wir fuhren wacker mit dem einen Beine gegen Norden. Um 2 Uhr Nachmittags waren wir in die kaum über 1 Stunde breite Meerenge zwischen Tenedos und dem Festlande Klein- asiens eingelaufen, hielten, um Passagiere einzunehmen, an dem Städtchen Tenedos, welches am östlichen Gehänge des kuppel- 20 förmigfeii Berges angebaut ist, der eigentlich die ganze kleine Jnsel gleiclien INamens bildet und befanden uns bald darauf der Ebene von Troja gegeni'iber. Es war ein herrlicher 3Io- ment, ähnlich dem, wenn man zum erstenmale vor einen Mann höchster Bedeutung hintritt, den man noch nie im Leben ge- sehen hat und von dessen Persönlichkeit man bisher nur die vagen Umrisse der Phantasie festhielt. Eine sanfte, nnrvon wellenartig grnppirten Hiigeln unter- brochene Ebene zieht sich gegen Nord undSi'ul in einer Breite von ungefähr zwei Stunden längs der Küste hin. Weiter in Ost steigen die Hngel zn Bergen an, deren Hintergrund der blaue Rücken des Ida bildet. Das ist lliums klassisches Ge- stade, weniger pittoresk vom Ansehen, als die meisten Punkte der kleinasiatischen Küste, aber hoch gefeiert und verewigt durch That und Lied. Hier lag die alte Troja an den Win- dungen desSimois, auf dieser Ebene bewegte sich der unsterb- liche und unsterblich besungene Heldenkampf ; als dessen Zeugen noch heute nach verflossenen Jahrtausenden auf den Hügeln der Küstenebene die Tumnli des Ajax, des Aisiettes, des göttergleichen Achilles u. s. w. sich erheben. Wir fuhren der Küste entlang in Nord und sahen, als wir wieder in das offene Meer hinaus gelangten, in NW. die hohen Berge der Insel Imbros und weiter hin die weissen Häupter der Saniotrakcn. Mit Anbiuch des Abends befanden wir uns bei Kap Jenischer und den neuen Dardanellenschlössern am Eingange des Hellespontes. Zu meinem nicht geringen Ver- drusse schickte sich der Kapitän an die Dardanellenstrasse in der Nacht zu passiren; ein anhaltend konträrer Wind aber, verbunden mit der starken Gegenströmung, verzögerte unsere Fahrt und als wir uns den alten Dardaiiellenschlössern näher- ten, wo die Strasse kaum über yo Stunde breit ist, wurde uns zu meiner grössten Freude von den Schlössern ans die Weiter- fahrt in der Nacht durch Feuersignale eingestellt und wir ankerten auf europäischer Seite. Der Eintritt in den Hellespont vom Archipelmeere aus hat, wenn wir etwa das hochliegende Dorf Jenischerköi asiatischer Seite mit seiner Menge Wind- mühlen ausnehmen wollen, nichts besonders pittoreskes, ini- Dosant aber ist der Anblick der alten Dardanellenschlösser, 21 stlion durch die Masse ihres Baues; wodurch sie für das Äuge ersetzen, was ihuen, als zu hoch liej^^end, in Marine-militärischer Bedeutung mangelt. In lezterer Beziehung verdienen die neuen Festungswerke, die sich sowolil asiatischer als europäi- scher Seite nördlich und siidlich der alten Schlösser unmittel- bar am Gestade des Meeres hinziehen und wo die Schiffe dicht an den Mündungen der Kanonen passiren müssen, weit mehr Rücksicht und es dürfte bei einer zweckmässigen Leitung des Fenersallerdings jedem Schiffe schwer halten mit heiler Haut durchzukommen, da die Kugeln ihre Richtung fast im Niveau des Meeres nehmen. Am 15, Februar. Vor ungefähr 15 Tagen hatte in der Dardanellenstrasse ein gewaltiger Sturm gewüthet, dessen traurige Wirkungen wir im Verfolge unserer heuti- gen Fahrt sahen, indem wir nicht weniger als 17 theils gestrandete , theils gescheiterte Schiffe zählten. Nach- dem wir am alten Schlosse asiatischer Seite Passagiere und darunter einige betrunkene Türken, missrathene Kinder des nüchternen Propheten , eingenommen hatten , passir- ten wir die Ruinen von Äbydos und Sestos, lezterer Ort noch heutzutage seiner schönen 3Iädchen wegen berühmt. Um Mittag gelangten wir aus dem Hellesponte in das Marinora- meer und hielten vor Gallipoli, ausgezeichnet durch seine schöne Lage und sein nettes, freundliches Ansehen. Frische Austern, die augenblicklich an Bord gebracht wurden, kamen uns zum Frühstück äusserst willkommen und als ich hiezu auch einige der anwesenden Türken einlud nahmen sie ihrerseits keinen Anstand einen mit sehr starkem anatolischen Wein gefüllten Schlauch herbeizuschleppen und uns dessen Inhalt zur Verfü- gung zu stellen, wobei sie sich, um nns einen Beweis ihres Fortschrittes zu geben und zum grossen Ärger einiger anwe- sender Orthodoxen, selbst am reichlichsten bedachten. Je mehr wir auf nnserer Fahrt aji nördlicher Breite ge- wannen, desto empfindlicher fiel meinem durch tropische Hitze ganz verwöhnten Körper die zunehmende Kälte. Schon in Sniirna hatte ich an schattigen Stellen, selbst nm Mittagszeit, Eis gefunden, ohne jedoch dem Gefühle nach einen dieser Erschei- nung entsprechend niedrigen Temperaturstand bemerken zu 22 können; hier aber machte der schneidende Nord die Kälte so eindringlich, dass ich recht gerne meine wärmsten Kleider hervorsuchte. Nachdem wir an den Trümmern eines geschei- terten englischen Schiffes vorübeigefahren waren und gleich darauf einem griechischen Kauffahrer begegneten , dem, vom schwarzen Meere kommend, die Wellen den ganzen Bord bis auf das Verdeck und die Masten rasirt hatten, befanden wir uns um 3 Uhr Nachmittags auf der Höhe der Insel Marmara (Proconnesus), welche mit ihren wilden weissen Felsen, nebst mehreren kleineren Inseln und der Halbinsel Artaki mit dem hohen schneebedeckten Aitace, östlich uns zur Seite lag. Die Gebirge Anatoliens nehmen in dieser Breite bedeu- tend an Höhe zu und eine mächtige Kette verbindet, wie es wenigstens von der See aus gesehen den Anschein hat, den blauen Ida lliums mit den hohen Schneegipfeln des misischen Olymps bei Brussa. Am Fusse dieser Gebirge, demMarmara- meer zugekehrt, zieht sich eine lange Hochebene hin, welche steil, an manchen Orten senkrecht zur Ki'iste abfällt. Euro- päischer Seite hingegen liegt Hügelland ohne scharfen Aus- druck der Umrisse. Am 16. Februar. Ein duftiger Schleier lag noch auf Meer und Land und wie ein Nebelbild von riesen- hafter Ausdehnung entfaltete sich in der Ferne ein Ge- menge von Häusern , Moscheen , Minarets , Cipressen, Schiffsmasten u. s. w. Immer mehr hellte sich das Dunkel, die einzelnen Theile des undeutlichen Bildes traten mehr auseinander, gestalteten sich; es ward heller Tag und in den Strahlen der Morgensonne , vom ätherischen Lichte umflossen, lag Konstantinopel vor uns, die alte Kaiserstadt, die grösste Stadt des Orientes und schon ihrer feenhaft schönen Lage wegen mit Recht der Stolz des Muselmannes. Nicht lange und unser Dampfer ankerte im herrlichen Stambul am Eingange des Bosphorns. Berg und Thal ringsum bedeckt von Stadt und Gärten macht Konstantinopel mit seinen zuge- hörenden Theilen: Ejub, Galata, Pera, Skutari und dem unver- gleichlichen Bosphorns den Eindruck der enormsten Grösse, der, was ich sah, nur von jenem des Häusermeeres von London, vom Thurme der Paulskirche herab angesehen, übertroffen wird. 23 Kaum lag unser Dampfschiff an seinen Ankern fest, so erschienen Qnarantänsbeamte zur Untersuchun«:^ unseres Ge- sundheitszustandes; da jedoch zugleich untereiuem unbeanstan- det die Ausschiffung der türkischen Passagiere begann, auch eine Menge Lastträger und müssiges Volk an Bord gekommen waren und nur von uns Europäern, ungeachtet der uns bereits angekündigten libera pratica, gefordert wurde in das Lazaret zu wandern und uns dort räuchern zu lassen, so brach der Faden der Geduld von allen Seiten entzwei und in deutscher, franzö- sischer, englischer und italienischer Sprache wurde den pfiffigen Jüngern der Civilisation dargethan, dass in dieser Form ihre ganze Quarantäne eine haare Dummheit sey und man sich diese off'enbare und unverschämte Prellerei durchaus nicht gefallen lasse. Der Lloydische Agent, ein äusserst gefälliger Mann, machte dem babylonischen Spektakel dadurch ein Ende, dass er unser mehrere in seine Barke nahm und, ohne sich welter um diese Vorposten der europäischen Sanitätspflege zu küm- mern, an's Land brachte. Himmlisches Stambul! Man muss dich nur von Aussen, von der Höhe sehen, um die Poesie deines Anblickes ungetrübt, wie ein schönes Traumbild zu erhalten ; denn der erste Tritt an's Land und zwischen die Häuser und der schöne Wahn rcisst entzwei! Galata nahm mich zuerst in die Kothpfütze seiner engen Gassen auf, die in Betreff dieses garstigen Elementes unstrei- tig die Gassen des eigentlichen Konstautiuopels gegenüber weit übertreffen. Von da ging es in das ebenfalls enge und schmutzige, aber doch etwas mehr mit europäischer Farbe an- gestrichene Pera hinauf, wo ich in der Pension der Madame Balbiani mein Quartier nahm. Diese Frau, eine wahre Perle für den müden Wanderer, als eine geborne Elsässerin der deutschen wie französischen Sprache gleich mächtig, ist Be- sitzerin eines Hauses, worin der Reisende die beste Unterkunft findet, die er nur wünschen kann. Die Zimmer sind rein, schön; die Tafel gewählt; die Tischgesellschaft, den gebildet- sten Ständen angehörend, die beste; die Preise verhältuiss- mässig ungemein billig. Sehr angenehm war es mir noch diesen x\bend bei Tische General Jokmüs und den damaligen 24 k. russischen Gesandtschaftssekretär v. Fock, an den ich durch Grafen Medem bereits aus Egypten adressirt war, kennen zu lernen. Nach Tische ein Stiindchen im Zimmer der Hausfrau, v\o uns ihre Tochter, die liebenswürdige Emilie mit ihrem mu- sikalischen Talente, das leider ihre Bescheidenheit nur zu wenig glänzen liess, die Zeit verfliegen machte und ich sah mich plötzlich wie durch einen Zauberschlag in Mitte der Ci- vilisation versetzt, nachdem ich noch vor Kurzem unter Wilden und Halbwilden im Innern von Afrika mich herumgetrieben hatte. Im höchsten Grade unbequem fiel mir aber die herrschende Kälte. Auf den Dächern Stambuls lag Schnee und in den Zimmern hatte man wegen mangelnden Ofen die Wahl zwischen Frost oder dem Schwindel erlegenden Kopfschmerz in Folge der zur Erwärmung iiblichen Kohlenbecken. Mein erster Gang in Konstantinopel war der zu unse- rem Internuntius, Sr. Exzellenz Grafen Stürmer, in dessen Hausesowohl als von Seite sämmtlicher Gesandtschaftsmitglie- derich die liebreichste Aufnahme fand. Unvergesslich werden mir die Stunden bleiben, die ich im Hause des Grafen verlebte, wo eine geistreiche Hausfrau und der bekannte edle und ge- diegene Charakter des Grafen dem Salonleben eine seltene Weihe geben. Der Plan zur Besichtigung des vielen Sehenswerthen und denkwürdigen im alten Stambul war bald gemacht und wie sehr ich in Ausführung desselben von anderer Seite, nament- lich von der des sächsischen Konsuls Schneider, des für das Interesse der Humanität im Oriente viel zu früh verstoibenen Dr. Bernard und mehrerer werther Landsleute auf das freund- lichste unterstüzt wurde, kann ich nur mit wärmstem Danke erwähnen. Durch den Cipressenwald des Friedhofes von Pera, meiner Ansicht nach eine älmlicde Pestfjibiick wie jene zu Smirna, führte der Weg hinab nach Galata , zum Hafen, der diesen Stadttheil vom eigentliclien und nur von Türken be» wohnten Konstantinopel trennt, wohin eine an 300 Klafter lange hölzerne, auf Bohlen schwimmende, mit Ankern fest- 25 g;elialtene und an zwei Stellen für die »^rössten Schiffe zu öffnende Brücke fi'ihit. Oberlialb der Brücke vor dem Paläste des Kapiidan-Pasclia lag; die grosslierrliclie Flotte, daiunter mehrere Linienschiffe, bessern Ansehens als jene Mf.hemed- Alis, aber anerkannt in jeder Beziehung- schlechter bemannt. Ein schöner Anblick — bei dem man sich nicht gedacht hätte, dass wenige Monate später diese Flotte zum Gegenstande des schändlichsten Verrathes eines Dieners g"egen seinen Herrn werden wird, wie die Geschichte kaum ein zweites Beispiel aufzuführen haben düifte. Durch enge Gassen, voll Buden, Menschen , Hunden und Unrath gelangten wir auf den Basar, seiner Ausdehnung nach wohl der grösste in Kuropa; im Baii- stiele freundlicher, aber was die Höhe der überwölbten Gänge und die Beleuchtung von oben anbelangt, weniger grossartig als jener von Aleppo. Dass der Basar von Konstantinopel mit allem besetzt ist, was der Westen und Osten, besonders aber letzterer hervorbringt versteht sich von selbst und auch hier fand ich die in vielerlei Beziehung sehr weise und alt- orientalische Einrichtung, dass jede Zunft ihre eignen Lokali- täten ausschliesslich behauptet. Man sieht daher einen Basar der Sattler, einen solchen der Goldschmiede etc., selbst einen der Quacksalber unter dem Titel der Pharmazeuten; wodurch einerseits für den Käufer der Voitheil einer grossen Auswahl der VVaare auf einem Fleck, andrerseits für den Produzenten der sehr nützliche Umstand Platz greift, dass er sich jeden Augenblick und offenbar zu Gunsten industrieller Fortschritte von den Leistungen seiner Handwerks- und Kunstgenossen und den Vorzügen der Produkte, Fabrikate und Manufakturen überzeugen kann, mit welchen er zunächst zu konkuriiren hat. Von da führte uns unser Weg' auf die traurige Brand- und Mordstätte der Janitscharen, wo noch die Trümmer ihrer Kaserne Zeugniss der Gewaltthat ablegen ; endlich zum Pallaste des Seraskiers und auf den bekannten Thurm , von dem aus man die oft beschriebene, allerdings wunderschöne Ansicht von Konstatitinopel geniesst, die jedoch meinem Erachten nach von jeuer auf dem Bulgurlu, welche ich später genoss, noch übertroffen wird. Bereits müde des Herumgehens setzten wir uns zu Pferde, 26 deren stets, gleich den Fiakern andrer Städte, eine Menge gegen Miethe auf den Hauptplätzen Konstantinopels zur Dispo- sition stellt. Bald hatten wir die Halle der tausend Säulen erreicht, ein grosses unterirdisches Gewölbe mitten in der Stadt, unter Konstantin dem Grossen als Cisterne erbaut, nun eine Seidenspinnerei; begaben uns sodann auf den At Meidau (Hippodrom) und besahen die herrliche Sultan Achmeds- Moschee, die schönste aller Moscheen Konstantinopels ; ein kunstvolles , schwunghaft und kühn durchgeführtes System aufeinander stehender Bogen und Kuppeln, mit einer grossen, den Schluss des Ganzen bildenden, Blei gedeckten Haupt- kuppel; mit sechs schlanken, hohen Minarets und einem um- gitterten mit Bäumen bepflanzten, sehr freundlichen Vorhofe. Grösser und grossartiger in ihrer Bau -Anlage, aber meinem Geschraacke nach einen weniger ästhetisch schönen Eindruck bedingend als die Sultan AcHMEDS-Moschee, ist die Sophien- Moschee, die ehemalige christliche Kirjche der heiligen Sophia*. Sie steht ganz nahe an der hohen Pforte, dem Eingange ins alte Serail. Die Stürme der Zeit und noch mehr die türkische Verwahrlosung haben dem kolossalen Bau stark mitgespielt. Der Platz vor der Moschee ist schön und hat einen seiner würdigen, im orientalischen Geschmacke reich ausgestatteten öffentlichen Brunnen; während die hohe Pforte, dicht daran der hohe schmale Zutritt durch die finstere Mauer des Serails, ausser seiner geschichtlichen Bedeutung wenig Merkwürdiges darbietet. Die Gassen, welche dem Seraile zunächst liegen und von selbem ausgehen, sind breit, licht und rein, jedoch nicht gepflastert. Die Buden in diesen Gassen haben einen sehr freundlichen Anstrich, die Waaren sind geschmackvoll arrangirt und gleich wie man sich auf dem At Meidan im schönsten Theile, so bewegt man sich hier im freundlichsten Theile Stambuls. Auf dem Rückwege nach Pera holten wir eine jener gräulichen Kutschen oder vielmehr Rumpelkästen ein, in denen In BetreflF aller der Herrlichkeiten Konstanfinopels niaclic ich auf das schöne Bilderwerk: Coustantinople and the scenery of the seveii Chiirches of Asia Minor ilustrated. By Tu. Ai.lom and Rob. Walsh. London. II Vol. aufmerksam. 27 vorzüglich die türkischen Damen ihre Spazierfahrten zu machen pflegen. Ein paar tüchtige Ochsen, mit hohen hölzernen gerade aufstehenden mit ßinmen und Glöckchen verzierten Bögen zwischen den Hörnern , sorgten bedächtigen Schrittes für die Vermeidung eines zu schnellen Tempos', verhinderten sammt ihrem dummen Kutscher aber nicht, dass der mit Frauen voll gepfropfte Kasten plötzlich in eine der vielen Grubenjener infernalischen Strassen gerieth und dicht vor uns seinen schönen Inhalt ausschüttete. Schön war der Inhalt, wenigstens zum Theil, das hatte uns die Manier der Jüngern Damen, sich nur ganz leicht zu verschleiern, schon längst ver- rathen. Ritterlich eilten wir daher durch tiefen Koth den Unglücklichen beizustehen, deren Lachen übrigens den guten Ausgang verbürgte und schon bereit den gordischen Knoten von seidenen Pantalons, gelben Stiefelchen und weissen Schleiern im tristen Elemente zu lösen , schon anticipando belohnt durch dankbare Blicke einiger brennender, dunkler Augen trat auf einmal die schwarze Fratze eines Eunuchen inzwischen , der neben dem Wagen in dummer Thellnahm- losigkeit stand und befahl mit heiserm, widerlichem , aber doch gehörig grobem Gequäcke uns weiter zu packen. Ich muss gestehen grosse Lust gehabt zu haben, den fatalen Kerl zu corrigiren , jedoch mein Begleiter rieth mir es bleiben zu lassen. Der 19. Februar war zur Fahrt durch den Bosphorus bestimmt, auf welcher mich der Sohn meiner Hausfrau be- gleitete. Der Bosphorus hat von Galata bis zu seinem Aus- gange im schwarzen Meere, bei Rumeli Feuer europäischer und Anatoli Fener asiatischer Seite, eine Länge von ungefähr 9 Gehstunden und ist in dieser ganzen Strecke beiderseits eigentlich nur ein grosser Garten, mit Landhäusern besezt. Die grösste Breite des Bosphorus, an den beiden Feuers (Leucht- thürmen) im schwarzen Meere und bei Bujukdere, beträgt an 1600, die kleinste Breite hingegen, bei ÄrnautKöi und Vani Köi, nur 300 Klafter. Um abwechselnd auf der Hin- und Rück- fahrt die schönste Beleuchtung der paradiesischen Ufer zu geniessen und um zugleich die starke Strömung möglichst zu unserem Vortheile zu benützen , hielten wir uns auf dem Hin- 28 we^e an die europäische , auf dem Rückwege aber an die asiatische Seite. lii Topchana bestiegen wir eine leichte Barke, passirten den alten und neuen Pallast des Sultans, letzterer ein ausnehmend schönes im neuesten Geschmacke und mit allem Luxus aufgeführtes Gebäude, besahen die beiden vor letztern vor Anker liegenden schönen Kutter des Grossherrn und bewunderten die zarte, höchst poetische Idee eines Armeniers, der einen mitten im Bosphorus hervorragen- den Felsen in Form eines niedlichen Piedestals ummauern und auf den Gipfel eine grosse Korb- ähnliche Vase setzen liess, in deren Mitte ein kräftiges Bäumchen grünt und welche zugleich die irdischen Reste des Armeniers umschÜessen soll. Nun folgen von Garten-Anlagen unterbrochen roth, gelb, grün , blau angestrichene Häuschen*, mehrere Palläste hoher Personen, die alten Festungswerke von Rumeli Hissär, gegen- über von Anatoli Hissar, auch die 7 Thürme genannt ; aber nicht so gross und bedeutend wie die eigentilichen 7 Thürme am südlichsten Ende von Konstantinopel; Therapia mit den dicht vor den Fenstern der Hänser ankernden Kriegs- und andern Schiffen und endlich Bujnkdere, der Sommersitz der meisten der in Konstantinopel sich befindenden Diplomaten. Im letzten Theile unserer Fahrt fanden wir die Gegen- strömung so stark, dass die Barke stellenweise gezogen werden mnsste. Bevor man sich Bujnkdere nähert, dessen Lage un- beschreiblich schön ist, geniesst man die Aussicht auf die un- absehbare Fläche des schwarzen Meers. Unsern Rückweg nahmen wir asiatischer Seite, nicht minder schön als die gegenüberliegende, und lenkten am Leander- Thnrme, der mitten im Bosphorus steht, wieder Topchana zu. Der 21. Februar war zur Exkursion auf den Bulgurlu, das asiatischer Seite hinter Skntari sicli erhebende Ge- birge, bestimmt. In Skntari fanden wir Pferde, die uns nur mit unsäglicher Mühe durch den tiefen Koth der Strassen brachten; als wir aber Bulgurlu Köi hinter uns hatten ging es rasch den Rücken des Berges hinauf zum Gipfel, um * KoiKstaiifinopcl hat, wie bekannt mit hüchst vvenio-cn Ausnahmen, lauter hölzerne Häuser mit Zicareldürhcin. 29 dort, uo einige Bäume im Kreise um eine kleine steinerne Plattform stehen, den Punkt zu betreten, der, was die höchste Pracht einer malerischen Ansicht anbelangt, der schönste ist, den ich anf njeinen lleisen sah. Skutari , das ganze Stambul mit seinen Vorstädten , der ganze Bosphorus in der Farben- pracht südlicher Beleuchtung, der Hafen mit seinem Rlasten- walde nnd dem regsten Leben, liegen wie ein buntes Tuch zu den Füssen ausgebreitet. Zur Linken liegt dem Blicke das Marmara-Meer mit den blühend schönen Prinzen-Inseln und darüber hin , als würdiger Schlusssteiii des entzückenden Gemäldes, erhebt der misische Olymp bei Brussa seine schnee- bedeckten Gipfel hoch über die Berge Bithyniens und Niko- mediens in das strahlend glänzende, reine Blau des anato- lischen Himmels. Schöner kann es nicht mehr seyn, ruft der Wanderer anf dem Monte Pellegrino bei Palermo, im Anblicke des Etna vom Theater zu Taormina und zu Syrakus , auf dem Vesuv, auf Ischia im Angesichte Neapels; hier aber heisst es: prachtvoller kann es nicht mehr seyn ! dem Auge schwindelt nnd es bedarf der Zeit um des göttlichen Bildes ganz bewusst zu werden. Stunden lang lag ich an jener Stelle und schuf mir ein Blatt der Erinnerungen, dessen ich noch im Tode mit Wärme gedenken werde. Ich sah im Geiste das stolzereiche Byzanz stürzen unter den Schwertern ritterlicher Sarazenen; sah Stambuls Glanz und Stambuls Fall, in seinem Keine vermodert und überflügelt durch die unaufhaltsamen Schritte der Zeit; ich sah Hellas neuen Ruhm, ich sah von den Zinnen der Aja Sophia das griechische Kreuz wieder leuchten in neuem Glänze ; kühn und stark nnd was ich in jenem unver- gesslichen Augenblicke sah, an dem hält mein Glaube umsomehu fest je bewegter die Gegenwart ist. Der ganze Bulgurlu (Wallachenberg) besteht aus schwärzlich grauem Kalkstein, mit grosser Neigung zurkrystal- linischen Struktur. Am Fusse des Berges wird dieser Kalk- stein \on Schieferthon bedeckt. Denselben Kalkstein beob- achtete ich im nördlichem Theile des Bosphorus, wo derselbe unter ganz gleichen Verhältnissen auftritt; aber unmittelbar von einem grauen feinkörnigen Sandsteine bedeckt wird, wor- auf mächtige Schichten von Schieferthon liegen, welche 30 Braunkohlen führen. Die Schichten scheinen aus NO. in SW. zu streichen und gegen NW. zu verflachen. Dieselhen, oder wenigstens ähnliche geognostische Verhältnisse dürften auch an der Küste des schwarzen Meeres zunächst dem Bos- phorus und hei Nikomedia stattfinden, da man bereits zur Zeit meines Aufenthaltes zu Konstantinopel davon sprach, daselbst Grubenbaue auf Steinkohlen eröffnen zu wollen. Auf unserm Rückwege durch Skutari besuchte ich die Moschee der Derwische im Kloster des Said Achmed Rufai, eines ihrer Heiligen. Wie jede Religion durch Missbrauch der Formen eine unwürdige Seite gewinnt, so auch beim Islam. Man betritt diese Moschee mit der Absicht die bis zum Krampfhaften sich steigernden Tollheiten der Derwische zu sehen, welche dieselben durch sinnloses Herabschreien ihres Hauptglaubens-Artikels, durch Fechten und Tanzen mit blossen Waffen u. s. w. zum Besten geben und woran gerade, als ich eintrat, auch einige Soldaten als Dilettanten Theil nahmen. Wohl zu unterscheiden von diesen tobenden Derwischen sind die blos Tanzenden, die Mewiewis, welche wöchentlich zwei- mal in ihrem Bethause zu Pera ihren Sphärentanz abhalten, in welchem ungleich mehr Sinn liegt als in den Rasereien der erstem *. Als ich diese Derwische tanzen sah , waren ihrer 25 ver- sammelt. Der Vorsteher, ein würdiger, schöner Greis mit silberweissem, langem Barte stand in einer Nische und diri- girte mit Ruhe und Anstand. Die übrigen hatten sich in zwei Parthien getheilt. Vier drehten sich in der Mitte, die Augen himmelwärts gerichtet und die Arme horizontal ausgestreckt, die eine Hand mit der äussern, die andere mit der Innern Seite * Das Nähere hierüber sowohl, als in Beziehung der Merkwürdig- keiten Konstantinopels überhaupt, in: Jos. V. Hammer: Konstantinopcl und der Bosphorus. Pesth 1821. 2 Bde. H. V. Schubert : Reise in das Morgenland. Erlangen 1840. 3 Bde. DuFREz : Voyage ä Athenes et k Constantinople ou collection de portraits, vues et costumes grecs et ottomanes. 10 livres. Fol. Paris 1825. Hackländer, Daguerreotypen. Stuttgart 1842. 2 Bde. Wittmann, Reisen in der Türkei etc. Leipzig 1805. 2 Bde. Ferner in den Werken von Dellaway, Andreossy, Farlane u. v. A. 31 nach oben j^ekelirt , eine Stunde lang- Jeder nm sich selbst, ohne den Platz zu verlassen. Die übrigen bildeten um jene vier einen Kreis und drehten sich in gleicher Stellung Jeder eine Stunde lang um sich herum, zugleich aber bewegten sie sich, so um ihre eigene Axc sich drehend, im Kreise um die vier, welche das Centrum bildeten. In dieser Zeit machten sie nur zwei sehr kurze Pausen, in denen sie plötzlich stehen blieben, im Kreise einmal herum giengen, sich verbeugten, ihrem Vorsteher die Hand küssten und die drehende Bewegung sogleich wieder begannen. Von einem Schwindel erregenden Einflüsse dieses Drehens konnte ich an den Derwischen, unter Avelchen sich auch einige junge Leute von 17 bis 18 Jahren befanden, nicht eine Spur bemerken. Die Derwische tanzten auf dem parquetirten und mit Wachs eingelassenen Boden blossfüssig; ihre Kleidung war gleichförmig und bestand bei Jedem in einem ganz geschlos- senen, oben engen, unten sehr weiten, faltenreichen, grünen Rock, der sich beim Drehen wie ein Fächer ausbreitete, da- rüber eine Jacke und auf dem Kopfe eine hohe, weisse Filz- mütze in Form eines abgestumpften Kegels. Als ihr Tanz beendet wurde, zu welchem eine nicht unharmonische und sehr melancholische Musik mit Flöten, Tambourinen und Gesang den Takt angab, warfen sie sich vor ihrem Vorsteher auf das Antlitz und sprachen ein kurzes Gebet, während dem ihre Diener sie mit Mänteln bedeckten. So sonderbar und bizarr der ganze Akt sich ansieht, so verfehlt doch derselbe nicht einen ernsten, feierlichen Eindruck zu machen und wie aus einem Traume weckte mich daher die prosaische Bemerkung eines unterrichteten Anwesenden : „Jezt gehen die Derwische nach Haus und betrinken sich in Branntwein wie Bestien". — So begleiten sich Licht und Schatten überall! A m 23. Februar, als am Vorabende des Beiram-Festes, war die türkische Frauenwelt von Konstantinopel in Bewe- gung. Auf dem herrlichen Ad-Meidan und auf dem Platze vor der Moschee des Sultan Bajased waren deren vielleicht ein paar Tausende versammelt, die der untern Klassen um zu Fusse, die der höhern um in den vorne erwähnten Rumpel- kasten, theils mit Pferden, theils mit Blumen geschmücktea 32 Ochsen bespannt, ihre Promenade, ihren Corso zu halten. Alle, besonders aber die Jüngern, waren nur leicht versehleiert und da wir, ohne irgend einem Hindernisse zu begeonen, mitten unter ihnen herumgehen konnten, so halten wir die beste Gelegenheit die znm grossen Theil schönen , nur dem Schnitte nach etwas einförmigen Gesichtchen zu bewundern. Wenige derselben sahen blühend gesund aus, die meisten be- deckte eine Blässe, die aber um so interessanter war, als die Sprache der brennend schwarzen Äugen doch unverkennbar sagte^ dass diese Blässe nicht krankhaft sey. Vergnügen, sich einmal wieder und wenigstens nicht so bemerkbar auf jedem Schritte bewacht im Freien bewegen zu können, war allgemein sichtbar und eine bescheidene Anerkennung ihrer Reize, wie sie sich für blöde Ritter geziemt, wurde mit ebenso freund- lichen Blicken belohnt, als es mitten in der Christenheit zu geschehen pflegt. Der Inhalt eines Wagens war besonders interessant; es waren unstreitig die vier schönsten Frauen aus der ganzen Menge; die nur bis an die Nase reichenden Schleier Hessen Augen und Stirne ganz frei. Wir folgten lange diesem Viergestirne, welches allgemeines Aufsehen un- ter den anwesenden Männern enegte. Officiere in voller Galla, mit über die Ohren gezogenen Fessen , die militärisch formlosen Gehröcke bis oben zugeknöpft, aber schöne Pferde reitend, sprengten heran, coqnettirten ganz ultra in den himm- lischen Rumpelkasten hinein, zogen sich aber auf das con- servativste zurück, wenn ihnen der Verschnittene neben dem Wagen, der sehr viel zu thun hatte, sein dummes Gesicht zu- wendete. Auf der diesem Scheusal, das seine Lage desperat machen muss, entgegengesetzten Seite des Wagens fiel eine Blume heraus. Ich hob sie schnell auf, ein freundliches Nicken sagte mir, ich darf sie behalten und ich habe sie noch. Kanonendonner Abends, in der Nacht und am frühen Morgen des 24. Februars feierte den Beginn des Beiram. Gleich nach Mitternacht bewegte sich kriegerische Musik durch die Strassen der Stadt, die Truppen zogen aus. Alles bereitete sich zum Feste. Ich war zum Internuntius geladen, wo ich in aller Frühe schon fast das ganze Botschafts - Per- sonal und mehrere Damen versammelt fand. Wir begaben 3» Ulis nach Topcliana liinal), auf der scliönen Barke des Gesand- teiMvelite lustig in kühler Morgenluft die vaterländische Flagge. Schnell waren wir in Constantinopel angelangt, begaben uns auf den At-l\Ieldan und traten im Hanse eines hohen Offiziers der Pforte ein, an welchem der Zug des Sultans zur Moschee voriibcr kam. Mehrere ßeys waren zugegen, die meisten sprachen französisch, obwohl der Gesandte selbst und mehrere seiner Umgebung des Türkischen vollkommen mächtig sind. Ein glänzendes Dejeuner ganz nach europäischer Sitte war arrangirt und der Hansherr machte auf das liebenswürdigste den Wirth. Unter solchen, der Hunger machenden frischen Seeluft wegen ganz unvergleichlichen Prämissen rückte der Zug heran. Soldaten, blau uniformirt mit rothen Aufschlägen, mach- ten Spalier, um den Ungeheuern Andrang des Volkes abznweli- ven. Voran kam eine Abtheilung der Leib -Pferde des Sul- tans, prachtvolle Thiere, wie ich sie selbst unter den Arabern nicht gesehen habe, von i\en edelsten Ra^en, auf das reichste geschirrt und gesattelt, jedes Pferd von zwei Dienern im alt- türkischen Kostüme geführt. Hierauf erschien ein langer Zug von Hofchargen und ho- hen Offizieren in reich mit Gold gestickten neu -türkischen Uniformen, Alle auf das schönste beritten. Dann folgten die höchsten Würdeträger des Reiches zu Pferd, der Grossvezier mit sämmtlichen Ministern, ein zweiter Zug von Leibpferden des Sultans und sodann dessen Leibwache. Letztere im neuern Style prachtvoll und auf das reichste uniformirt, durchgehends ans schönen grossen Männern bestehend , ging zu Fusse und umgab zunächst die Person des Sultans, welcher, obwohl selbst reitend, durch die hohen Reiherbüsche der Garde den Augen des Volkes auf den Strassen fast entzogen wird. Mit- ten in den schneeweissen Wogen dieser kolossalen Pracht von Federn, eine allegorische Darstellung der weissen Tauben, welche das Haupt Salomons umöatterten, wenn er sich öffent- lich zeigte, sahen wir den Sultan (Mahmud U.) zu Pferde, ein hübscher Mann, sehr blassen , leidenden Gesichtes, dessen schönes, dunkles Auge und schöner schwarzer Bart jedoch einen äusserst angenehmen Eindruck machten. Nach dem Riissegger, Reisen. IV. Bd. 'i Sulfan folgten wieder hohe Offiziere inolänzeiiden Uniformen, Handpfeide und zulezt eine Abtheilung Soldaten, weiche rie- fen : „der Sultan lebe tausend Jalire ! " Die Herren von der Gesandtschaft, welche zum Theil noch den alten Orient vor den jüngsten Reformen des Kostüms kennen, versicherten mich, dass ehemals diese Aufzüge viel prachtvoller gewesen sind und hiezu das frühere, alt-türkische Kostüm mit Turban und Kaftan wesentlich heigetragen hat, indem es den IMann, wie bekannt, viel malerischer kleidet als der jung-türkische Gehrock und der Schlafmützen -ähnliche Fess. Nachdem wir auch den Rückzug aus der Moschee mit an- gesehen hatten nahmen wir die mit kostbaren Shawls ge- schmückten und reich mit Gold verzierten Barken des Sultans in Augenschein und besuchten zum Schlüsse die Grabmäler der verstorbenen Familien-Glieder des regierenden Grossherrii in der Sultan Achmeds-Moschee, welche sich durch riihrende Einfachheit in ihrer Anlage, andrerseits durch einen wirklich prachtvollen Luxus an Verzierungen auszeichnet. A m 26. F e b r u a r rüstete sich das französische Dampf- boot Dante zur Abreise nach Sira. Auch ich wollte meine geschäftslose Anwesenheit in Constantinopel umsoweniger länger ausdehnen, als mich in Griechenland eine grosse Auf- gabe erwartete. In Eile wurden daher die Abschiedsbesuche gemacht, Abends ging ich an Bord des Dante und um 10 Uhr INaclits verliess ich Konstantinopel. Am Bord traf ich meh- rere Bekannte vom Mentor, die Engländer Fridrich Morris, Arthur Ravenskrofft und Dr. Wicht, nebst einem Belgier Na- mens Glas, sehr angenehme, viel gereiste Gefährten, welche zugleich mit mir angekommen, auch zugleich mit mir das alte Stambul verliessen. Der Wind wurde uns bald konträr, die See ging sehr hoch, wir machten daher wenig Weg und litten fast sämmt- lich durch die starken Bewegungen des Schiffes. Dabei war es höchst unfreundlich kalt; tiefer Schnee bedeckte die Berge sowohl des Chersonesus als jene anatolischer Seite. Inder folgenden Nacht hatten Avir Sturm, nachdem wir noch früher die Küste lliums in Mondbeleuchtung sahen. 35 Am 28. Februar um IMitfagszeit warfen wir auf der Rhede von Sminia Anker, g;ing;en aber mit Anbrucb der INacbt wieder in See. Die Nacbt war still und der Mond be- leuchtete die schöne Kiiste und das weite Meer so prachtvoll, dass wir uns schon alle der heriiichen Fahrt freuten. Doch das treulose Element hatte sich gegen uns verschworen, denn kaum hatten wir die Spitze von Kara Burum passirt, so erhob sich neuerdings Sturm und zwar so gewaltig, dass wir nicht See halten konnten, sondern iu den breiten Kanal zwischen Chios und Anatolien einlaufen mussten. Am folgenden Mor- gen beabsichteten wir am Si'id-Ende von Chios in die offene See zu gelangen, aber es war unmöglich, denn am CapoBianco warf uns der Sturm zurück und wir mussten in dem kleinen, aber sichern Hafen von Dschesme in Anatolien Zuflucht su- chen, wo wir denn auch in Gesellschaft von ungefähr 20 Kauf- fahrern, denen es ähnlich ergangen war, den ganzen Tag und die Nacht hindurch, während der Sturm mit Donner, Blitz und Regen fortwüthete. vor Anker liegen blieben. Dschesme, das alte Cyssos , auf der Halbinsel des Kara ßnrum Dägh, ist ein kleines Städtchen, dem Ansehen nach von wenig mehr als 1000 Einwohnern. Im Hintergründe er- hebt sich der Corykus. Der kleine, sichere Hafen ist ganz von kahlen Hügeln umschlossen, auf welchen sich die weissen Häuschen niedlich ausnehmen. An der Einfahrt befinden sich mehrere Felsenriffe, die Vorsicht nöthig machen und unter denen eine Klippe , ganz isolirt stehend , besonders pittoresk sich ausnimmt. Am 2. März liefen wir früh des Morgensaus. Der Tag begann sehr schön , doch kaum hatten wir Chios hinter uns und sahen in Südost die Berge des schönen Samos auf- tauchen, da fasste uns der heillose Sturm neuerdings und warf den guten Dante so herum, dass wir alle seekrank wur- den. Nach einigen dem Neptun gebrachten Opfern liefen wir endlich um 7 Uhr Abends im Hafen der Insel Sira ein und vraren herzlich froh wieder ruhig auf den Beinen stehen zu können. 3* Zweiter Abschnitt. Reisen in Griechenland. 1) Quarantaine auf der Insel Sira. F'alirt nacli Anten und Aufenthalt daselbst. Dolirung-en artesischer Brunnen. Ifleeresitölien verscliiedeuer Punkte Griechenlands. Am 3. März 1839. In Gesellschaft meiner Leidensgefähr- ten Morris, Ravenskrofft und Glas betratich das Lazaret zu Sira mit der süssen Aussicht 15 Tage dort in Quarantaine zuzu- bringen, d. h. diese Zeit aus dem Leben wegzustreichen *. Der erste Anblick war zum Entsetzen, üeberall Schmutz und Prel- lerei. Die Zimmer im Erdgeschosse förmliche Arreste. Ratten trieben da am hellen Tage ihr loses Spiel und ein griechischer Passagier erzählte uns , dass ihm dieselben in einer Nacht, sündigend auf seinen gesegneten Schlaf, die eine Hälfte des schönen Schnurrbartes abgefressen hatten. Wir, die wir uns auf unsere Barte auch etwas einbildeten, waren daher nicht wenig froh , alle zusammen ein Zimmerchen im ersten Stocke zu erhalten, wobei man uns mit vieler Manier, welche alles mit Geduld ertragen macht, eröffnete, dass wir, sollten wir etwa zufällig auch Betten, Tisch und Stühle wünschen, * Ausdrücklich muss ich erwähnen , dass hier mir vom alten La- zarcte die Rede ist; denn im neuen, damals (1839) erst im Bau begrif- fenen Lazarete zu Sira wird den hier berührten l'ebelständcn ganz ohne Zweifel in jeder Richtung begegnet und die Quarantaine, gleich jener im Lazarete des Piraeus, so angenehm gemacht werden, als es eine kostspielige, zeitraubende und zum grossten Theile, meiner Ansicht nach, unnütze Gefangenschaft nur immer seyn kann. 37 diese Requisiten besonders zu miethen, i. e. zu zahlen belie- ben wollen. Ich hatte meinen Koffer , meinen Teppich, mei- nen Mantel, folglich für den Nothfall genug; nicht so aber meine Engländer, bei denen ein Wunsch den andern jagte und wobei mir einleuchtete, welch ein schrecklicher Dienst der eines Dollmetschers seyn müsse, indem dieselben, wie es sich fast von selbst versteht, nur die Sprache Alt- Englands redeten. Die Kost brachte meine Gefährten vollends zur Verzweifluug, da sie in derThat lebhaft an die der lateinischen Klöster in Sy- rien zur Fastenzeit erinnerte, folglich sehr schlecht war, obwohl wir dafür enorme Preise zahlen mussten. So von allen Seiten aufgeregt kam bald ein Complottzu Stande und wir drei, Morris, Ravenskrofft und ich, beschlossen in bester Form Rechtens durchzugehen, d. h. eine Barke zu miethen, einen Guardian des Sanitäts-Amtes mitzunehmen und unter gelber Flagge nach dem Pyräus abzusegeln, um dort der Kapitale näher die vorgeschrie- bene Quarantaine unter günstigeren Verhältnissen zu voll- strecken. Der österreichische Konsul sowohl als der russische, an weicheich mich dieser Angelegenheit wegen wendete, unter- stützten uns in unserem Vorhaben auf das gefälligste. Bald war eine griechische Golette, Evangelistria, gefunden, deren Kapi- tän Georgios Wassilji sich verbindlich machte uns für 45 spa- nische Thaler nach dem Pyiäus zu bringen. Am Abend des 4. IMärz begaben wir uns daher mit unserem Sauitäts-Guar- dian au Bord, zogen die gelbe Flagge (Quarantains-Flagge) auf und richteten uns in der kleinen, einem Kätig täuschend ähnlichen Kajüte ein, wo wir denn doch leider mit den ver- maledeiten Ratten und einigen andern organischen Geschö- pfen , deren Nützlichkeit ich noch heut zu Tage nicht recht im Stande bin zu begreifen, in nächste Berührung kamen. Das Grundgebirge der Insel Sira bildet ein meist dunkel- grüner, chloritischer Glimmerschiefer, der üebergänge in chlo- ritischen Gneiss wahrnehmen lässt. Die Lagen desselben sah ich in der Nähe der Stadt aus NO. in SW. streichen und unter beiläufig 40 bis .50 Graden gegen NW. verflachen. Auf diesem chloritlschen Glimmerschiefer, dessen Scbicliten- system mannigfaltigen Störungen ausgesetzt gewesen zu seyn scheint und der auf untergeordneten Lagerstätten stäng- 38 liehen Kalkspatli mit Aragonit, an der Südseite des Hafens der Stadt Sira liontemporäre Gänge von reinem, glasigem öimrz, so wie an vielen Stellen Rutileund Granaten und dicht hinter der Stadt ein sehr mächtiges Lager von Brauneisenstein und Eisenocker führt, liegt krystallinischer körniger Kalk- stein, zum Theil die hauhen förmige oberste Ablagerung der Schieferberge bildend. Dieser körnige Kalkstein ist übrigens dem Schiefergebirge nicht blos aufgelagert, sondern er steht mit selbem auch im Verhältnisse der Wechsellagerung und bildet im Schiefer besondere, mächtige Lagerstätten, die meist senkrecht stehen und sich dem Streichen und Verflachen nach auskeilen *, * Unter den vielen über Griechenland bestehenden Werken erlaube ich mir vorz-üglicli auf folgende neuere und fiir jeden Reisenden in jenem Lande unentbehrliche aufmerksam zu machen : Dr, LcDwiG Rüss, Reisen und Rriserouten durch Griechenland. Ber- lin 1841. Dr. L, Ross, Reisen auf den griechischen Inseln des ägäischen Meers. Stuttgart 1840. 2 Tiieile. Dr. J. F. NKUGEBAtER und Fd. Alpenhofen, Handbuch für Reisende in Griechenland. Leipzig 1842. 2 Bände. Dr. Chr. A. Bkindis, Mittheilnngen über Griechenland. 3 Bände (Interessant namentlich ob der nach griechischen Quellen bear- beiteten Geschichte des griechischen Freiheits- Kampfes.) BoRY PE St. Vincent, Expedition scientifique de Moree. Paris 18 38. Dr. K. G. Fiedler, Reise durch alle Theile Griechenlands. Leipzig 1840 und 1841. 2 Bde. (die einzige raineralogisch-gcognostische, auf alle Theile des Landes bezugnehmende Beschreibung und in dieser Richtung eine werthvolle Arbeit). Unter den über Griechenland und die demselben zunächst liegen- den Theile des türkischen Reiches erschienenen Karten bezeithne ich, ausser den zum obenerwähnten Werke : Expedition scientifique de Mo- ree, ordonnee par le gouvernement franc. gehörenden Blättern , noch insbesonders folgende: Karte der europäischen Tüikei nebst einem Theile von Klein-Asien. Vom k. k. österr, Oberstlieulenant Franz v. Weiss (Generalquar- liermcister Stab). Wien 1829. 21 Blätter. Carte du Royaume de la Gr^ce. Par F. Aldenhofen. Athenes 1838. 8 Blätter (französisch und griechisch. Ist ziemlich genau, lässt jedoch bezüglich der Ausführung sehr Viel zu wünschen übrig). Gcognostisch - bergmännische Karte von dem Königreiche Griechen- 39 Am 5. Mni'Z kurz iiacii IMitternacht licliteten wir mit leichtem Landwinde die Anker nnd befanden uns am Morgen an der Südwestseite von Siia, nm{»eben von einem |na(litvol- len Panorama der C'ykladen, den Inseln Naxos, Paros, Anti- paros, Siplianto, Serplio, Tliermia, Zea nnd Jura. Nachdem wir noch etwas Ballast eingenommen hatten iialfen wir uns der einj;;etretenen Windstille halber mit Rudern fort, sahen Nachmittags die Berge auf Andros, bald darauf jene der In- sel Tinos und In weiter Ferne die Schneegipfel auf Euböa. Der Anblick dieser blauen, zum Theil noch mit Schnee bedeck- ten Inselberge bei ganz ruhiger , spiegelglatter Meeresfläche und unter dem reinen, vielfach besungenen attischen Himmel, ein Bild voll der wärmsten Farbentöne , war zum Entziicken schön und tröstete uns über den langsamen Gang unserer Fahrt, Abends hatten wir Sira noch im Gesichte, in der Nacht jedoch erhob sich frischer Wind , wir passirten zwischen Thermia und Zea und standen am Morgen des 6. März an der Westseite letzterer Insel, ganz nahe an Isola Longa (Makronisi). Siebenzig Segel zählten wir in unserem Gesichtskreise, grösstentheils griechische Kauffahrer, Briggs und Goletten, ein sehr erfreuliches Zei- chen des Aufblühens des griechischen Seehandels. In Nord lagen uns die hohen Gipfel von Euböa, in Nordwest die Berge von Ättika mit dem Hymethus im Hintergrunde; im Westen Kap Sunium (Kap Colonne, K. Laurion) mit seinem herrlichen Tempel auf der Spitze des Vorgebirges ; in Südwest die Berge der Insel Belbina (S. Giorgio d'Arbora) , nur von Hirten be- völkert. Um 10 Uhr Vormittags umsegelten wir Kap Sunium mit frischem Winde, hatten Nachmittags Egina mit dem Pik laiid. Von Dr. K. G. Fikdler. Leipzig 1840 (Beilage zu oben- erwähntem Werke). Carte de la Turquie d'Eiirope. Roctifiee par A. Boue (auch geogno- stisch ausgearbeitet als Beilage zu Esquisse geologiqtie de la Tur- quie d'Europe. Par A. Boue. Paris 1S40. Ein Auszug aus des- sen grossem^ Reisewerke). H. Kiepert, Karte von Klein-Asien. Berlin 1844. 6 Blatter. (Be- züglirh der Benutzung des gesammelten Materiales ein klassi- sches Werk, in der Ausführung ungemein schön.) 40 Elias, auf dessen Spitze einst der Tempel des Jupiter Pan- Hellenion sicli erhob, im WNW. nahe vor uns, sahen weiter nördlich auf der {>leichen Insel den schönen Tempel der Pal- las-Athene, und erblickten zugleich in Südwest die hohen Felsspitzen von Hydra und Berge des Peloponeses, wäiirend die Berge von Korinth^ der Parnass, der Helikon, der Clthe- reon, die Insel Salamis, der Parnes und der Hymethus bei Athen unsern nördlichen Gesichtskreis begränzten. Gegen Abend wurde der Wind stärker, unsere Golette flog an Egina vorüber und um 10 Uhr Nachts liefen wir im Pyraeus ein. A mT.März. DerHafen war zufälligziemlich leer, ausser einigen Korvetten zur Disposition der Gesandten der betreffen- den 31ächte , ein paar Dampfschiffen und einigen Kauffahrerii lagen keine Schiff'e vor Anker. Dagegen bot der Ort Pyräus selbst den erfreulichsten Anblick dar. Seit 3 Jahren, als ich das erstemal mich hier befand, war aus demDorfe eine blühende Stadt geworden, und dort, wo früher elende hölzerne Hütten standen, erhoben sich nun die ansehnlichen Häuser wohlhaben- der Privaten. Der erste Schritt ans Land strafte daher be- reits die erbärmlichen Verläumdungen Lügen, welche die Partei -Wuth und Partei -Literessen durch ihre obligaten Organe des Li- und Auslandes über das jugendliche , seit wenigen Jahren aus dem Stande der Sklaverei und politischen Verwüstung erwachte, geordnete, aber noch nicht erstarkte Hellas auszustreuen bemüht waren und leider noch sind; deren Rechtfertigung und respective Rächung aber der Zeit, der parteilosen Anschauung , dem Selbstgefühle der Nation und der — Geschichte unabwendbar anheim fallen. — Wir bezo- gen sogleich unsere Zimmer im Lazarete , die auf das beste, sogar mit Eleganz eingerichtet waren und traten unsere Qua- rantaine an. Obwohl der Dr. des Lazarets sich durch unsern Hunger, mit welchem wir über das Frühstück herfielen, von dem gänzlichen Abhaudenseyn gefahrdrohender Symptome überzeugte, so mussten vAir uns doch, schon der leidigen Form wegen, zur Gefangenschaft bequemen, deren Zelt mir aber um so schneller verstrich, als ich sehr viel zu arbeiten hatte, und als die Güte des k. k. österr. bevollm. Ministers Freiherrn v, Pkokesch und des Dr. Roeser, Leibarztes S. M. des Königs, 41 mich mit geistigen nnd leibliciieii Erquiekungen reichlich ver- sahen. Frülie am Moigen des 16. März schlug die Stunde der Freiheit. Ich eilte mit meinen Gefälirten nach Atlien , wo icli bei meinem Freunde Dr. Roeser die lierzlichste Aufnalime fand. Wie hatte Athen seit meiner dreijährigen Abwesenheit sich anders gestal- tet! — Damals noch ein Haufe von Trümmern * und ein ganz kleines Städtchen am Fusse der göttlichen Akropolis, lag nun eine ansehnliche Stadt vor mir, regelmässig angelegt, mit schönen breiten Strassen , vielen recht hiibschen Gebäuden, mit dem im Baue begriffenen, königlichen Sclilosse und, wo man hinblickte, mit Beweisen einer allgemeinen Regsamkeit, eines allgemeinen Erwachens des Volkes unter der schirmen- den Hand seines guten, nur für dessen Wohl denkenden, für das Heil seines Volkes begeisterten Königs. Athen hatte nun bereits seine Bildungs-Anstalten, seine Hochschule, eine po- lytechnische Anstalt, ein naturwissenschaftliches Museum u. drgl. m. Alles zwar noch jung, im Werden begriffen, aber doch schon so weit gediehen , um als Lichtfunke in die Mitte eines bildungsfähigen, leicht erregbaren Volkes gebracht, zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft zu bereclitigen. Dass alle diese Beweise liebender Sorgfalt und des reinsten, aufrichtigsten Strebens von Oben auf kein unfruchtbares Erd- reich fielen, sondern im Geiste und im Herzen des zwar tief gesunkenen, aber mit Selbstgefühl und Kraft sich wieder em- por richtenden Volkes den wärmsten Anklang finden, das kann ich bezeugen, der ich als unabhängiger Mann, ohne politi- sches Vorurtheil, ohne politische Tendenzen das Land in allen Richtungen durchzog und vom königl. Pallaste zu Athen he- rab bis zur Hütte des armen Hirtens auf dem Parnass und Taygetos, vom Thurme des Mainoten -Häuptlings bis in die enge Kajüte des griechischen Kauffahrers, mit gesunden Sin- nen die Lebensverhältnisse anzuschauen Gelegenheit hatte. Sterben und Abgaben zahlen muss man überall, sagte ein be- rühmter Amerikaner, d. h. mit anderen Worten: Jedes Land, jedes Volk, jede Verfassung u. s. w. haben ausser ihrer Licht- * I, 1, p. 80. 42 Seite auch ihre Schattenseite, so auch Griechenland. Setzen wir jedoch das, was für das Land und das Volk seit dem Tage der Wiedergeburt geschah, in's Verhältniss zur Zeit, so miis- sen wir staunen über das, was geleistet wurde und eine Na- tion acliten , die in wenigen Jahrzehnten aus dem Zustande der tiefsten Sklaverei und gänzlicher Anarchie, somit aus dem Zustande des bürgerlichen Todes, sich auf eine Civilisations- stufe erschwang, bis zu welcher so manches Volk einige Jahr- hunderte brauchte. Wir dürfen uns nicht wundern im jugend- lichen Hellas noch hie und da trübe Anklänge aus alter Zeit zutreffen; wir dürfen uns nicht wundern in einem Lande auf wilden Gebirgen noch hie und da einem Räuber zu begegnen (1839), wo noch vor wenigen Jahren Räuberhandvverk und Heldenthum verwandte Begriffe waren. Würde man z. B. nicht jedem ins Gesicht lachen, der aus Folge einzelner An- schauungen irischen Elendes oder mancher Szenen aus den My- steres de Paris die Engländer und Franzosen für Barbaren und ihre Regierungen geradezu für schlecht erklären würde? Wundern müssen wir uns aber in einem Lande feste gesetzliche Ordnung, ohne die keine Freiheit denkbar ist, allgemeines Erwa- chen der Volksbildung, zum grossen Theile hohes religiöses Gefühl und musterhafte Sittlichkeit (ich verweise auf die so- zialen Verhältnisse auf den griechischen Inseln) und im Her- zen der Nation ungeheucheltes Vertrauen zu seinem edlen Könige und zu dem erleuchteten Staatsmanne zu sehen, der gegenwärtig an der Spitze der Verwaltung steht *, wo noch zu Kapodistrias Zeiten 31ainoten-Häuptlinge die zu den Volks- versammlungen reisenden Deputirten anderer Provinzen und Städte auffingen, um sie jenen Orten, von wo ans sie gesandt wurden , für Lösegeld , das Stück zu 500 bis 600 Drachmen wieder zurück zu stellen, respective zu verkaufen und wo noch heut zu Tage die Umtriebe der Partei - Interessen biszu den Stu- fen des Thrones sich drängen. Leider sehen wir aber auch , dass die schweren Prüfungen derZelt, welche übcrHellas ergingen, '' Kurze Zeit nachdem ich aus inni^sler Ueberzeugung diese Worte niederschrieb, wurde Kolettis, der grösste Grieche der neuesten Zeit, und nur er kann hier gemeint seyn , zu den Vätern heimberufen. Der liärtestc Schlag, der Griechenland werden konnte. 43 dass der vereinte blutig^e Kampf für seine politische Existenz nicht Motive genug gab, um den Ideengang Aller nur auf den einen Punkt hinzulenken , von dem allein das Heil aus- geht; dass so viele Einzelne , fremden Einflüsterungen und fremden Umtrieben huldigend, den Ausbrüchen politischer Un- fähigkeit, boshafter Verläumdung und matrosenhafter Roh- heit ihr Ohr schenken und darob zu Verräthern ihres eigenen Vaterlandes und seiner heiligsten Interessen werden. In dieser unglückseligen Parteisucht, in dieser Manie sich frem- den Interessen als blindes Werkzeug in die Hände zu geben, das man abgenüzt wegzuwerfen pflegt, in diesem grössten- theils auf Eigennutz und Eitelkeit basirten Verkennen des- sen, was eigentlich Noth thut, würde für Griechenland die grösste Gefahr liegen, wenn dieses unglückliche Streben ein Allgemeines wäre, so aber steht es vereinzelt und wird ver- einzelt im Selbstgefühle des Volkes untergehen. Griechen- land, als jugendlicher Staat, braucht Ruhe, politische Einheit und innere feste Ordnung, um in sich selbst materiell zu er- starken und sich mit Vermeidung jeder Uebereilung und un- reifer Kriegsgelüste zu jener Stellung vorzubereiten, die ihm seiner örtlichen Lage, seiner geschichtlichen Bedeutung nach die Vorsehung bestimmt zu haben scheint. Kaum hatte ich mich in meiner Wohnung etablirt, so eilte ich zu Freiherrn v. Prokesch, dem bevollmächtigten Mi- nister Oesterreichs am k. griech. Hofe , zu dem Manne, wel- chem ich von meinem Aufenthalte in Egypten her so unend- lich viel zu danken hatte. Ich muss gestehen, mir schlug das Herz ungewöhnlich rasch, als ich ins Zimmer trat und der freundschaftliche Empfang mir all die bittern Momente im Pharaonen-Lande veigessen machte. Nun war ich zu Hause und es begann eine schöne, für mich ebenso angenehme als lehrreiche Zeit, welche leider nur dadurch getrübt war, dass die Frau des Hauses schwer erkrankt darnieder lag, der Ge- fahr zwar entrissen war, ihr leidender Zustand aber doch dem kleinen Kreise , der sich täglich gestaltete, ihre geistreiche, belebende Gegenwart entzog. Hr. v. Prokesch nahm sich meiner Angelegenheit, meines wissenschaftlichen Reise- zweekes nämlich, mit aller Wärme an und stellte mich in dieser 44 Richtung' vor allen Ihren Majestäten , dem Könige und der Könio^in, vor. Ich hatte im Verlaufe meines fernem Aufent- haltes in Griechenland oftmals das Glück sowohl in Athen, als auf Ausfiiigen ausserhalb der Residenz, eine kurze Zeit in der Nähe des hohen Herrscherpaares zuzubringen und Jeder, der in derselben Lage sich befand, der sah wie der König nur und ausschliesslich nur das Wohl des von Gott ihm anver- trauten Volkes im Sinne trägt und die jugendliche, schöne Königin ihm mit aller Wärme in dieser erhabenen Richtung folgt und in jeder Beziehung, in jedem Kreise, der sie umgiebt, als Königin glänzt, der wird es auch begreiflich finden, dass ich diese Älomente meiner Reise unter den schönsten dersel- ben voran stelle. Mein erstes Geschäft, um mich zur wichtigen Aufgabe einer geognostisch-bergmännischen Bereisung des Landes vor- zubereiten , war die Einsicht in die bezüglich dieses Gegen- standes vorhandenen Materialien. Ausser einigen unsichern Angaben verschiedener Reisender, meist nicht vom Fache, und den Daten, welche in dem Werke der französischen Ex- pedition niedergelegt sind , sind es ausschliesslich die For- schungen des Dr. Fiedler, welche mir hierin den sichersten und genügendsten Leitfaden an die Hand gaben. Durch die Güte Sr. Majestät des Königs erhielt ich Fiedlers sämmtliche Original -Berichte zur Einsicht^ deren Inhalt grösstentheils durch den Autor selbst in dem vorne erwähnten Werke ver- öffentlicht wurde und welcher Inhalt einen Beweis giebt, mit welcher Liebe und Hingebung zum Fache Fiedler die schwie- rige Aufgabe löste. Auf diese Daten hin, nach deren sorgfäl- tiger Durchgehung ich sowohl die in bergmännischer Beziehung mir am wichtigsten scheinenden, als die noch gar nicht untersuchten Lokalitäten zur besondern Rücksichts- nahme vormerkte, entwarf ich meinen Reise-Plan, legte den- selben Sr. M. dem Könige vor und erhielt hierüber auf das gnädigste die a. h. Genehmigung. Diesem Plane nach hatte ich beschlossen vorerst durch den nördliclien Theil von Atlika nach der Insel Euböa (Negioponte) zu gehen, diese Insel in ihrer nördlicheren Hälfie zu durchreisen , auf das Festland zurück zu kehren und sodann Rumelien, von Theben in Böotien 45 aus bis zu den Ufern des Aspro-Potanios und Missolonghi, zu durchkreuzen. An diese Tour beabsiclitete ich die Berei- sung- des Peloponeses unmittelbar anzuknüpfen, im westlichen Theile desselben von Patras gegen Süden bis zum Kap Ma- tapan (Maina) zu gehen, sodann im östlichen Theile über Sparta und Tripolitza nach Nauplia mich zu wenden und von dort nach Athen zurück zu kehren. Einen zweiten Abschnitt der Reise sollte der Besuch der geognostisch und bergmännisch wichtigern Inseln des ägäi- schen Meeres, namentlich der Cykladen und westlichen Spo- raden, bilden. Für den ersten Theil dieser Reise wurde mir zum Begleiter der griechische Sprachlehrer Ihrer M. der Kö- nigin, der Professor Joannes Philupos, in Deutschland aus- gebildet, zugetheilt und unter seiner Obsorge begannen nun unverweilt die Rüstungen zur Abreise , welche sich jedoch einiger Hindernisse halber noch bis zum 30. März hinaus verschob. Bevor ich Athen verlasse sey mir ein Rückblick auf die geognostischen Verhältnisse seiner nächsten Umgebung ge- stattet, wobei ich insbesondere auch die Resultate derauf der Ebene bis zum Pyräus vorgenommenen Bolirungen, arthesi- scher Brunnen halber, ins Auge fassen zu müssen glaube. Die Ebene von Athen erstreckt sich von der Meeresküste am Pyräus nordwärts den Kephissos entlang hinauf bis zum Fusse der Gehänge des Pentelikon und Parnes, während sie westwärts von dem südlichen Auslaufer des Parnes* und ge- gen Ost, jenseits des Ilissos, von der Kette des Hymettus be- gränzt wird, folglich die Bucht zwischen den genannten beiden Gebirgen ausfüllt. Das Grundgestein dieser Ebene, die nach- weisbare tiefste Felsablagerung, bilden Glimmerschiefer, Chlo- ritschiefer und Thonschiefer, unter sich im innigsten geogno- stischen Verbände und überlagert von krystallinisch-körnigem Kalke, der auch auf untergeordneten Lagerstätten in der Reihe der Schiefer selbst auftritt. Wir sehen daher hier ein ähn- liches Verhalten, wie das auf der Insel Sira beobachtete und wie es sich überhaupt als Haupt-Typus der Felsablagerungen * Wohl zu unterscheiden vom Parnass. 4ri in ganz Griechenland und auf den dazu gehörenden Inseln ausspricht. Auf der Schieferformation mit dem krystaUinischkörni- gen Kalke liegt die über ganz Riimelien und den nördlichen Theil des Peloponeses ausgebreitete Bildung des dichten, Feuerstein fiihrenden und sehr häufig in Dolomit iibergehen- den Kalksteins der Kreide-Reihe (zum Theil Hippuriten-Kalk), zu Unterst grau und hart (ältere Kreide), nach oben mit Mer- geln wechselnd, thonig, zum Theil lichter gefärbt (jüngere obere Kreide). Tertiäre Bildungen, Alluvial- und Diluvial- Ablagerungen bedecken stellenweise das erwähnte Felssystem und bilden lokale Becken-Ausfüllungen. So sehen wir die ganze Ebene zwischen dem Pyräus und Athen mit tiefen Alluviouen erfüllt, wozu die umliegenden Ge- birge das Material hergaben. Nur in der unmittelbaren Nähe der Küste erheben sich einige Hügelzüge von dichtem Kalk- stein mit Dolomit. Athen selbst ist zunäclist in einem wei- ten Halbkreise von mehreren isolirten , kleinen, mit stellen Felswänden, zum Theil in Folge künstlicher Skarplerungen und Steinbruchsarbeiten der Alten, abfallenden Bergen umge- ben; so der Pnyx, der Berg der Akropolis, der Anchesmos. Diese Berge bestehen aus einem auf der Schieferformation abgelagerten blaullch-grauen, im Bruche splitlrigen, in mas- sige Blöcke abgesonderten und sehr Höhlen-reichen Kalkstein. Am Anchesmos führt derselbe auf Drusenräumen Krystalle von Kalkspath und Bitterspath und geht stellenweise in Do- lomit über, so wie er überhaupt eine grosse Neigung zurkry- stalllnlsch - körnigen Struktur wahrnehmen lässt. Leztere Eigenschaft ist in der der Schiefer und krystallinisch- körnlgen Kalkstein -Formation Griechenlands aufgelager- ten dichten Kalksteinbildung so allgemein, namentlich in den unteren Ablagerungen derselben, dass man nicht umhin kann daraus eine Folgerung auf die nächste Foimatlous-Verwaudt- schaft dieser beiden Glieder der Kalkreihe zu ziehen, und es drängt sich die Frage auf: ob nicht auch in Griechenland, wie in den Apennlnen von Modena und Toskana und in den Apu- anischen Alpen bei Massa, Serravezza und Carrara, und zwar 47 ans denselben Gründen *, die Bildungen des dichten Kalksteines, des rein krystaliiniscli-köinigen Kalksteines und, wenn nicht der ganzen, doch eines grossen Theils der Schieferformation, insbesondere der obern, stets mehr mit Thonschiefer-artigem Charaktersich anssprechenden Abtheilung derselben, ein und derselben Formation nnd zwar jener des italienischen Maci- gno, d. i. den nntersten Gliedern der Kreide-Reihe, angehören, somit anch die Verschiedenheiten im Habitus der diessfalls geognostisch gleichgestellten Gesteine, jene der körnigen Kalke nämlich gegenüber den dichten und jene der thonigen Glimmerschiefer nnd Thonschiefer gegenüber den schiefrigen Mergeln und Mergelschiefern, nur sekundäre Formen und als solche, Folgen späterer, äusserer Einflüsse seyn? Ich getraue mir diese Frage nicht zu beantworten , denn als die hierauf Bezug nehmende von meiner früheren Meinung (I, pag. 85 und 86) abweichende Ansicht zuerst in mir auftauchte, lag Griechenland schon weit hinter mir und ich war der unmittel- baren, unumgänglich nöthigen Anschauung bereits entrückt; aber andere , zukünftig Griechenland in geognostischer Ten- denz durchwandernde Reisende hierauf insbesondere aufmerk- sam zu machen, halte ich für eine wissenschaftliche Pflicht. Die drei Stunden breite Ebene zwischen den erwähnten Kalkbergeu zunächst Athen und dem Pentelikon ist mit Dilu- vial-Gebilden : Schutt, Sand und Sandstein, Süsswasserkalk- Ablagerungen ect. erfüllt, wie man sich aber dem zu ungefähr 4000 Rar. Fuss Meereshöhe ansteigenden Pentelikon nähert, beobachtet man dasselbe Lagernngs-Verhältniss, wie am Hy- metus(Band 1,1, p. 84 etc.). Thonschiefer und Glimmerschie- fer mit stellenweisen Uebergängen in Chloritschiefer bilden den Fuss des Berges. Je höher man ansteigt, desto reicher an kohlensaurem Kalk werden diese Schiefer. Sie gehen end- lich in körnig schiefrigen, vielen Glimmerführenden Kalk über. Unterhalb des Zechenhauses der Steinbrecher sieht man Thonschiefer mit krystallinisch-körnigem Kalke wechsel- lagern ; am Zechenhause selbst aber, wo die Steinbruchs- M. s, V. LEONHARUund Bronn, neues Jahrb. für Mineralogie ect. .Tahrgaiif? 1843, p. 769. Meine geognost. Reisen in Modena im Jahre 1843. 48 Albeilen der alten und neuen Zeit beginnen und sich zur Höhe hinan Steinbruch an Steinbruch reiht, betritt man die Ablage- rung dieses Kalkes in ihrer Reinheit , welcher nun in mächti- ger Entuickelung den ganzen obern Theil des Pontelikon bil- det und bis auf dessen Spitze anhält. Die Gesteinslage der Schiefer scheinen am Fusse des Berges aus Ost in West zu streichen und gegen Si'id zu verflachen. Si'idlich vom erwähnten Zechenhause bemerkt man im krj'stallinisch-körnigen Kalke, der mit Schiefern vvechsellagert, mehrere Gänge von Brauneisenstein mit schönem, schwarzem Glaskopfe. Diese Gänge streichen den Gesteinslagen ganz parallel. Der Eisenstein und namentlich der Glaskopf durch- diingen den Kalk theils gleichförmig, theils setzen sie auf so- genannten Haarklüften weit ins INebengestein fort, während die Hauptmassen dieses Eisenerzes an den Gesteinsscheidnn- gen sich anhänfen und Drusenräume erfüllen. Die geringe Mächtigkeit dieser Erzlagerstätte und die Strengflüssigkeit dieser Erze gegenüber dem grossen Mangel der Provinz At- tika an Holz und Wasser halten hier jede Benützung in berg- und hüttenmännischer Beziehung ferne. Eine sehr interes- sante Eigenthümlichkeit des Lagerungs- Verhältnisses der weissen, reinen, durchscheinenden Varietäten des krystallinisch- körnigen Kalkes, des Marmors des Pentelikon, ist die, dass dieser schöne Marmor dort, wo er nicht frei zu Tage geht, was hingegen in allen höher liegenden Punkten des Berges der Fall ist, stets von reinem, silberweissem Glimmerschie» fer bedeckt wird, so dass man sicher ist, unter diesem Ge- steine auch stets einen schönen, reinen Marmor zu finden, während die unreineren, die schieferigen und vielen Glimmer enthaltenden Varietäten des Marmors stets von dunkelfarbi- gen Schiefern bedeckt werden ''\ Der körnige Kalk führt übrigens auf seinen Ablosungsklüften sehr häufig Talk, soge- nannte Schmierklüfte bildend , welche den Betrieb der Stein- bruchsarbeiten zwar sehr erleichtern, andrerseits jedoch die Ge- winnung grosser Blöcke von Marmor nicht minder erschweren, * Ganz ähnliche Erscheinangeii beobachtete ich in den Marmor- Briichen bei Carrara. 49 da sie hiedurcli wälirend der Bearl)eitim|>* selir leicht zn Bruche {>elien. In den höher liegenden Ge}>enden des IJerges, wo der Glimmerschiefer ganz verschwindet und der Marmor unbedeckt zu Tage geht, weiden auch die erwähnten Abson- derungs- und Sciimierklüfte seltener, der Marmor wird so zu sagen ganzer und man gewinnt daher auch aus den oherii Steiubri'iclien leichter grössere Blöcke als in den tiefer liegen- den. Auch ist die Beobachtung mehrfach interessant, dass die Talk führenden Schmierkli'ifte dem Fusse des Berges nä- her sich im Verflachen sanft gegen Süden neigen, während sich dieselben der Höhe des Berges zu immer mehr heben und endlich ganz senkrecht stehen , so dass in den tiefer liegen- den Steinbrüchen die Blöcke söhlig aufgekeilt, in den höher liegenden hingegen senkrecht abgekeilt werden. Eingesprengt im körnigen Kalke finden sich in ganz klei- nen Parthieu Kupferkies und Schwefelkies. Nachdem ich in kurzen Umrissen die geognostischen Verhältnisse der Umgebung von Athen dargestellt habe kehre ich in die Ebene, welche die Hauptstadt zunächst umgibt, zurück. VVassernoth und wieder Wassernoth (Folgen der gänzlichen Entblössung aller Berge ringsum von VValdbäu- men) sind die allgemein hei rschenden Klagen in Attika , be- sonders natürlich in der wärmeren Jahreszeit, wo nur eine sehr weise Oekonomie mit dem Trinkwasser der wenigen Brun- nen grosse Verlegenheiten ferne halten kann. DerKephissos und llissos liegen dann trocken ; die öuellen am Fusse des Anchesmos, sehr wichtig in anderer Beziehung, da sie den Be- weis liefern, dass hier Grundwasser zu Tage dringen, rei- chen nicht zu und die Entstehung des heissen Wunsches in der Nähe der Stadt mittelst Bohrungen artesische Brunnen zu eröffnen liegt daher auf der Hand. Zur Erreichung dieser Absicht liess die Regierung in der Ebene am Pyräus und ganz in der Nähe der dortigen Wasserleitung ein Bohrloch nieder- stossen, mit welchem man zur Zeit meiner Ankunft in Athen im Monate März 1S39 die Teufe von ungefähr 3(» Meter er- reicht hatte, die Bohrung, ohne den Zweck erlangt zu haben, sodann wieder einstellte, auf meinen Antrag aber, das Bohr- loch jedenfalls bis auf das Grundgebirge (Glimmerschieferund Russeggcr, Reisen. IV, Bd. 4 50 Thonscliiefer) niederzutreiben , das ünternelimen wieder be- gann, am Tage als ich Griechenland verh'ess (12. September 1839) eine Teufe von 52,37 Meter erreichte und endlich den Betrieb am 19. März 1840 mit einer gewonnenen Bohrlochs- tiefe im Ganzen von 72,12 Meter* oder 222 Par. Fuss ein- stellte, nachdem man sechs Meter tief in das erwähnte Grund- gebirge eingedrungen war. Ich war von Anfang mit der W ahl des Platzes zu dieser Bohrung nicht einverstanden und dieselbe mit der Nähe der Wasserleitung zu begründen schien mir zu einseitig, da die Motive zur Bestimmung der Lokalität für eine Bohrung artesischer Brunnen bekanntlich von ganz andern Prinzipien ausgehen müssen. Man erreichte, wie vorherzusehen, mit dieser Bohrung den vorgesezten Zweck nicht, in anderer Beziehung aber, namentlich für die Erkennt- niss der Lagerungsfolge der Felsgcbilde in der athenischen Ebene, waren die Resultate, wie wir sehen werden, höchst interessant. Ein zweites Bohrloch wurde von einem Privaten, dem In- spektor und Gutsbesitzer Ruf (ans Württemberg), in der Nie- derung der athenischen Ebene , zwischen der Stadt und dem Pyräns, im Niveau des Oelwaldes und nahe au demselben nieder- gestossen. Nachdem man ohne den Hauptzweck, nämlich die Lösung von Springquellen , aber auch ohne das Grundgebirge, daher ohne eine meiner Ansicht nach genügende Tiefe erreicht zu haben, bis zur Teufe von 80,70 Meter oder 249 Par. Fuss niedergegangen war, stellte man, dem Vernehmen nach we- gen Mangel an Geldmitteln , diesen Bohrversuch wieder ein, der in Bezug der Wahl der Lokalität unstreitig mehr Hoff- nung des Gelingens darbot, als jener am Pyräus vorgenommene. Weitere Bohrversuche in und um Athen fanden meines Wis- sens nicht statt. Bei dem erwähnten grossen Wassermangel, bei den über alle Schätzung hinaus reichenden erfreulichen Folgen, welche die Erbohrung von Springquellen für die He- bung der Bodenkultur um Athen und für den Wasserbedarf der Stadt selbst haben müsste, ist ein aus dem Auge verlie- ren dieser wichtigen Frage um so mehr zu bedauern, als die * 1 Meter = 3,078 Par. Fuss. 51 Gestaltung des ßodens und insbesondere die am Fusse des Anchesmos hervortretenden Quellen allerdings Hoffnungen auf ein günstiges Resultat gewähren und unter andern Lokali- täten, besonders auch die Ebene zwischen dem Anchesmos und dem Hymettus, hinter der neuen königlichen Residenz, zum Betriebe solcher Bohrlöcher einladen dürfte. Nach den mir zugekommenen Bohrjournalen wurden mit dem erstem Bohrloche, jenem am Pyräus nämlich, folgende Schichten vom Tage aus durchfahren : C • , Meter •g^ \ Dammerde 1,25 ^ ^^] Gerolle mit Sand 2,50 ig Kalkstein mit Mergel 1,75 g o ' Eine Quelle erbaut. ^ :5 I Reiner Kalkstein 3,40 S -c l Kalkstein mit schiefrigem Mergel 0,75 ^JlMergel 1,00 K^ ^ ISchiefriger Mergel wechselnd mit gewöhnlichem 0,85 = = IReiner Kalkstein 5,95 ~ 5 „ „ mit kieseligen Einlagerungen . 0.60 cJ^ Reiner Kalkistein 20,38 ^ CS ( Zwei Quellen mit Hochdruck erbaut. ^^ \Kalkstein mit Mergelschichten ...... 1,91 •5 _2 Desgleichen und mit Feuerstein 0,40 i2 'S JKalkstein mit einer Schichte Salzthon . . . . 0,37 ^Su JKalkstein mit Feuerstein 0,24 ^^älLehm 1,20 j; "^ f Kalkstein mit Mergel 3,34 \'^\ Mergel 0,30 cj .5 ^ohlenschiefer, wechselnd mit Kalk, kiesig . . 1,70 Q ^\ Schwarzer Thon, Kohlenlehm mit Pechkohle . 0,92 £ rt iGelber Thon 0,63 ~ CJ I » >, wechselnd mit Kalkstein . . . 0,81 j^ .= ( >, „ mit Quarztrümmern 0,44 9^ ^ 1 Eisenschüssiges, quarziges Gestein, Hornstein . 1,68 I i / ~^^ 4 * 52 Meter Uebeitrag; 52,:87 = S / Kalkstein, wechselnd mit Tlionstiaten . ... 1,75 .2 — l Derselbe mit Feuerstein und Hornstein . . . 1,00 ^„S^I Mergel 1,00 'g._. J Kalkstein, wechselnd mit Mergel ,3,00 c ^/Mergel 1,00 ^ ^ \ Scliiefriger Mergel, wechselnd mit Kalk, kiesig 1,00 j. . Schwarzer Thon, Kohlenlehm 1,00 ^ ^ \ Thon, eisenoxydhaltig,kiesig,mitKalk-Trümmern 2,00 cj © 'Thon mit Quarz-Trümmern 0,50 Derselbe und mit Eisenerz-Triimmern .... 1,50 ^ 1 Grundgebirge. Quarz und Glimmerschiefer . . 6,00 Ganze Tiefe 7-1,12 Mit dem im Jahre 1830 betriebenen zweiten Bohrloclie auf dem Gute des Inspektors Ruf, zunächst dem Oelwalde, durchfuhr man folgende Schichten : Meter Lehmerde mit Kalksteintrümraern 1,98 Schutt-Konglomerat 1,88 Dasselbe mit grossen Geschieben 3,05 Sandiger und kalkhaltiger Mergel 5,03 Konglomerat 1,90 Sandiger und kalkhaltiger Mergel 1,90 Sandstein 2,45 Mergeliges Konglomerat mit Konchylien-Resten , er- kennbar Pecten 7,16 Fester Kalkstein, wahrscheinlich ein grosses Geschiebe 0,46 Mergel, sehr kalkhaltig 1,45 Thon 5,48 Konglomerat mit Quarzgeschieben 1,68 Thon und Mergel 0,60 Mergel mit Kalksteintrümmern 1,44 Mergel .'i,42 Thon 1,11 Mergel 5,67 Kalkhaltiger Thon 27,54 Sandiger Thon O»-^^ Ganze Tiefe S0,76 53 Mit diesem Bohrloche scheint man deinnacli die Mäclidgkeit der Alluvial- und Diluvial- Ablagerungen der athenischen Ebene noch gar nicht durchfahren zu haben. Sind nun ieztere in der tiefsten Niederung dieses Terrains, in der eben dieses Bohrloch, ungefähr eine deutsche Meile von der Küste ent- fernt, angeschlagen wurde, unbezweifelt von einer sehr gros- sen Mächtigkeit, so ist es um so auffallender, dass die Mäch- tigkeit dieser jüngsten Ablagerungen in der Nähe desPyräus, wo das erste Bohrloch niedergetrieben wurde, so sehr gering ist und es lässt sich diese Erscheinung nurdurch die auch über Tags zu beobachtende Muldenform des Beckens erklären, in- dem das Grundgebirge vom Oelwalde gegen die Küste hin an- steigt, folglich auch die Auflagerungen der Kreide in dersel- ben Richtung sich emporschwingen und in dem Verhältniisse als diess geschieht, auch die Mächtigkeit der jüngsten Aufla- gerungen abnehmen muss. Bestätigt wird diese Ansicht durch das zu Tage treten der Kreide, folglich durch das lokale gänz- liche Verschwinden der Alluvionen am Küsteiirande des Pyräus. Die wichtigsten Momente aus der Reihe der Resultate, welche man mit dem ersten Bohrloche erreichte, sind die Erbohriing von Salzthon, jene von Pechkohle (alte Braunkohle) und die Lösung mehrerer Quellen, Erstere beide gewähren einen Blick in die technische Bedeutung der Kreideformation dieses Lan- des, leztere geben einen Beweis für die Richtiokeit der so eben ausgesprocheneu Ansicht über die Muldenform des athenischen Beckens und einen Beleg mehr für die Hoffnungen in den Nie- derungen der Ebene, wenn auch nur mit bedeutend tieferen Bohrlöchern als jenes von Ruf niedergetriebene ist, Spring- quellen zu erbohren. Die unteren Ablagerungen der Kreide, die der grauen harten Kreide , zeichnen sich in driechenland, sowie an vielen andern Orten, durch den häufig und zum Theil in grosser Mäch- tigkeit als Begleiter auftretenden Hornstein und durch das Voikommen von Eisenerzen aus. ich zog daher dort, wo in der Reihe der durchbohrten Felsschichten diese Erscheinun- gen beginnen , die Gränze zwischen den obern und untern Gliedern der Kreide -Reihe und glaube, der Analogie mit an- dern Vorkommen nach, die Thongebilde, w eiche den untersten 54 Kalkstein vom Grundgebirge trennen, zum Wälderthon zäh- len zu dürfen. Bevor ich mit der Darstellung meiner Rundreise in Grie- chenland beginne erlaube ich mir in der Ueberzeugung , dass eine richtige Auffassung der Bodengestalt, somit auch die Keniitniss der Hebungen und Senkungen des Terrains ganz unumgänglich der Schilderung geognostischer Fakta vorher- gehen muss, um diese vollkommen würdigen zu können, auszugsweise ans dem vorn erwähnten Werke der franzö- sischen Expedition die Resultate der von derselben veranstal- teten barometr. Höhenmessungen hier einzuschalten und zwar «msomehr, als ich, aus Mangel an Instrumenten, in Griechen- land selbst keine Höhenmessungen veranstaltete. PpInnnnP«? Meereshöhen, feiopones. 1^,^,^^, pariser Fuss, Taygetos in Lacedämonien .... Berg 2409 . 7415 Kyllene (Ziria) in Arkadien .... „ 2374 . 7307 Chelmos. Kyllenya, Arkadien ... „ 2355 . 7249 Olenos „ „ . . . „ 2224 . 6S45 Hagios Elias von LevidiCOstracine) bei Mantineia „ 1981 . 6097 Malevo bei Hagios Petros (Parnon). Kynnyrias „ 1937 . 59Ö2 Voida, in Achaia „ 1927 . 5931 Pteri „ „ „ 1780 . 5480 Malevo (Artemisios) bei Mantineia, Ar- kadien „ 1772 . 5454 Mawron Oros (Chelidoria) in Korinth . „ 1759 . 5414 Apano Krepa (Menalos) bei Mantineia, Arkadien „ 1559. 4799 Diaphorti in Gortinos, in Arkadien . . „ 1420 . 4371 Makriplagi (Gerania) in Korinth . . „ 1370 . 4217 Hellenitsa bei Mantineia, Arkadien . „ 1297 . 3992 Tsimberu „ „ „ . . „ 1252 . 3854 Alvena. Triphylias in Elis .... „ 1222 . 3761 HagiaVarvara (Barbara). Triphylias in Elis „ 1220 . 3755 Rhoino cParthenius) bei Mantineia in Arkadien „ 1217 . 3746 da Me«reshöhen Meter. Pariser Fuss. Cheli (Hagios Elias Araclinion) in Korinth Kalaviitfa in Kylleiiia, Achaia . . . Scliioss Oi'tliolitlii in Argolis ßerg Didyma „ „ „ Zavitsa in Kynoiia, in Lakonien ... „ Lykodimo in Pylia, Älessenien ... „ Kalpaki (Akropolis von Orchomenos) bei Mantineia. Station .... >, Kurkula in Lacedämonien » Velonidia in Korinth „ Martys bei Mikenä, in Arg^olis ... „ Wurkano (Ithonie) in Messenieii . . „ Clielmos in Lacedämonien „ See von Plionias, in Arkadien ... „ Brücke von Kalavritta, in Kyllenia, Ar- kadien „ Mistr (Sparta), höchster Punkt der Fe- stung. Lacedämonien „ Mantineia, Ebene von Tripolitza, Arkadien „ Hydra, höchster Punkt der Insel. . . „ Akro Korinth, Moschee in der Festung „ St. Nikolaos, in Pylia, Messenien . , „ Sinaiio, Ebene von Megalopoleos, Ar- kadien „ Kapo Grosso (Thy rides), in Lacedemonien „ Porös , Insel, St. Nikolaos-Kirche . . ,> Sparta , Ruinen des Theaters. Lacedä- monien ,> Vereinigung des Alpheus mit dem La- thenos, in Elis ,, Insel E uböa. Delphi „ Kandili „ 1 I !)!) 11S9 1102 1077 975 957 946 914 858 811 802 977 3690 3660 3392 3315 3001 2946 2912 2813 2641 2496 2469 3007 752 . 2315 701 . 634 . 630 . 591 . 575 . 482 . 427 . 308 . 298 . 244 . 72 . 1700 1307 2158 1951 1939 1819 1770 1484 1314 948 917 751 222 5233 4023 56 Anika undRumelien. M^rer'''parrser Fuss. Paitlienon, in der Akropolis zu Athen . 178 . 548 Anchesmos cLikapethos) bei Athen . Berg 278 . 856 Kerato Vuni. Attika „ 614 . 1800 Makronisi (Helene) , Attika (Isola ioiirra) Insel 281 . 865 Argaliki bei Marathon Berg 550 . 1093 Koraki „ „ „ 519 . 1597 Hymettus bei Athen „ 1028.3164 Daphni (Aegaleos), Attika .... „ 468 . 1440 Hypatos bei Theben, Böotien ... „ 749 . 2305 Kiibeli (Helikon) bei Livadia, Böotien „ 1313 . 4041 Kallidrome (Tyniphrestos) , Verbin- dungskette des Oeta- mit dem Othryx-Gebirge, Aetolien ... „ 1393 . 4288 Geroleka, bei Chiomos in Phokis . . „ 1717 . 5285 Elapho Kastro bei Delphis, in Phokis „ 1228 . 3780 Hagios Elias, Insel Egina .... „ 534 . 1644 Kastri (Delphis), Städtchen . auf dem Parnass 694.2136 Kalybia Arachova, Dorf . . „ „ „ 1087 . 3346 Kalybla de Kastri „ • • ,, „ >, 1579 . 4860 Gerondo Varko, ßergspitze . „ „ „ 2434 . 7492 Liakuri (Likeri) „ . „ „ „ 2456 . 7560 3) Reise von Atlien durcli AttiUsk nacli der Insel Euhöa. jiureniliali und Reisen auf dieser Insel. Rie Rraun- kolilen von I&uini. Rie Tlierinen von liipsö. jIus« flug- auf dasF'estlaud zu deuHatabotlira desHopais- Sees in Röotien. Am 30. März 1839. Um 9 Uhr Morgens sassen wir zu Pferd ; Röser driJckte mir zum Abschiede noch einmal herzlich die Hand und in wenigen Ärinuten lag^ Athen hinter uns. Ausser mir und meinem werthen Freunde Philippos bestand unsere Karawane in zwei Fionniers, zwei Gendarmen und drei Pferdeknechten zur Besorgung und Pflege unserer sieben Reit- und Packpferde. Den Anchesmos vorüber zogen wir i'iber die Ebene zwischen dem Pentelikon und Hymettus, hübsch gelegene Dörfchen, einige nette Landhäuschen und 57 Olivenhaine zur Seite. Da wir zu unserem heutigen Nacht- quartier Kephisia, am westlichen Gehänge des Pentelikon, bestimmt hatten, so sandten wir unsere Leute mit den übrigen Pferden daiiin voraus, Philippos und icli aber ritten mit einem der Pionniers den Pentelikon hinan , um uns die beiühmten Steinbri'iclie mit Muse anzusehen. In dem sehr niedlichen Zechenhanse" am untern Steinbruche trafen wir den mit der Leitung der Marmorgewinniing beauftragten Oberlieutenant Obstreich , der mit seiner jungen netten Frau daselbst ein bergmännisch idyllisches Leben auf klassischem Boden fiihrte und sich uns gefälligst als Begleiter anschloss. Vom untern Steinbruch führt der Weg einer langen Reihe von Steinbrüchen nach zur Höhe des Gebirges. Die meisten dieser Brüche stammen aus uralter Zeit, es sind deren sehr viele; keinen aber sah ich von besonderer Ausdehnung, da man überall den grossen und bei Steinbrtichsarbeiten nur zu oft vorkommenden Fehler beging, die Halde auf dem untersten Theil des Bruches liegen zu lassen und sich so , wenn man sich den Unkosten der Abräumnng grosser Haldeniiaufen nicht unterziehen will, den Weg zur Gewinnung der tieferliegenden Bänke, hier ge- rade die reinsten, selbst zu versperren. Aus dieser Folge erhielt daher keiner der Brüche eine besondere Ausdehnung, sondern jeder derselben wurde nach verhältnissmässig kuizer Zeit wieder eingestellt und ein neuer in der Nähe begonnen. Unter den obern Steinbrüchen zeichnet sich der sogenannte grosse Steinbruch durch das Malerische seiner Felsgruppirnng und durch eine grosse, meiner Ansicht nach rein künstliche Höhle aus: den schönsten Moment unserer heutigen Wande- rung bildete aber die unbeschreiblich schöne Fernsicht von der Höhe des Pentelikon. Man überblickt den grössten Theil von Attika, sieht die Inseln Salamis und Egina (Aegina), Korinth und die heiligen Berge Hellas, das Schlachtfeld von Marathon. Mit Anbruch der Nacht langten wir in Kephisia an. * Jenes Haus, wo die Arbeiter vor und nach der Sctiiclit zu er- scheinen haben, die Zuweisung; ihrer Aibeit und das hiezu nothige Material eilialten, wo ihre Leistungen eingetragen weiden u. s. w. und wo ancli meistens zHo;leich Wohnungen für die Mannschaft oder deren Offiziere angcbraulit sind. 58 Am 31. März. Nach einer Regennacht hatte die Natur, sich der seltenen Erquickung freuend, ihr Festkleid angezogen. Der Weg führte uns am lauen, duftenden Morgen längs dem Fusse des Parnes hin. Gestrüppe und Wald, kleine Bäche, Tiiäler und Berge wechselten , alles umher war mit frischem Grün und Blumen geschmückt. Nach vier Stunden erreichten wir Attika's östliche Küstenberge und schnell änderte sich die Szene. Dürre kahle Kalkberge, die Vegetation auf Spal- ten und Schluchten beschränkt, ein Anblick, der lebhaft an viele Theile Palästina's erinnert. Am Wege stand ein kleines hölzernes Kreuz und auf einem Steine nebenan lag Geld, ringsum kein menschliches Wesen. Dieses Geld , die milde Gabe der Vorüberziehenden, ist zum Bau irgend einer Kapelle bestimmt; es liegt an offener Strasse sicher im Schutze des Glaubens. Nach sechsstündigem Ritte hatten wir die Berg- kette des Mavro Vuni * überstiegen, hielten im Angesichte des Kanals von Egripos, der Euböa vom Festlande trennt, am Dorfe Markopulo, ritten das Gehänge vollends bis zum Meere hinab, passirten Oropos und schlugen in brüderlicher Eintracht mit Hühnern und schreienden Kindern unser Nachtlager in einer Bauernstube im kleinen Dorfe Dramei auf. Die Wege der lezten Strecke sind entsetzlich schlecht; der schöne Anblick des naben Euböa und seiner schneebedeckten Berge aber entschädigt in etwas. Nun an der nordöstl. Küste von Attika angelangt sey es mir eilaubt einen geognostischen Rückblick auf die vom westlichen Gehänge des Pentelikon bis hierber durchzogene Landstrecke zu werfen. Das ganze Thal zwischen dem Pen- telikon und dem Parnes, welche beide Gebirge der Formation der metamorphen Schiefer mit krystallinisch-körnigem Kalke angehören, ist mit Diluvial- und Alluvial-Ablagerungen erfüllt, in welchen die Regenbäche tiefe Wasserrisse gezogen haben. Vier Stunden nördlich von Kephisia und zwar zuerst am Dorfe Tschurka betritt man das Gebiet des dichten Kalksteins (Kreide), der das Berg- und Hügelland der Küste constituirt. Die For- * Ein Gebirgsiiame, der sich in Griecheuiand oft wiederholt und dem mau oft begegnet. $9 men der Berge sanft gewölbt, nur selten von schärferem Ausdruck. Dieser Kalkstein, von gelblich-grauer Farbe, vorherr- schend dicht im Bruche, Krystalle von Bitterspath umschlies- send, dolomitisch und beim Zerschlagen häufig den Gernch nach Schwefelwasserstoff entwickelnd, zeigt auch hier die be- reits erwähnten üebergänge zur krystallinisch- körnigen Tex- tur. Seine Schichten streichen aus Ost in West und ver- flachen sich gegen Nord. In den Becken- artigen Thahveitun- gen, welche die Berge dieses Kalksteines umschliessen, wird derselbe von schiefrigem Kalkmergel bedeckt, ein Süsswas- sergebilde , wahrscheinlich der pliocenen Bildungs-Periode angehörend, mit häufigen Resten von Dikotyledonen. Es ist ganz dasselbe Gebilde, welches wir auf Euböa als das Dach- gesteiu der dortigen Braunkohlen- Ablagerung werden kennen lernen. Die Mächtigkeit dieses Kalk -Mergels ist mitunter sehr bedeutend. Bei Oropos bildet der dichte Kalkstein, wie auf Euböa und anderen Punkten Griechenlands durch mächtige Serpen- tin- und Euphütid - Durchbriiche* charakterisirt, eine grosse Mulde, welche theils mit Diluvial-Sandstein, ein nagelflue- artiges Gebilde, theils mit dem darunter liegenden, obener- wähnten pliocenen Süsswasser-Kalkraergel erfüllt ist. Diese jungen Felsgebilde ziehen sich von Oropos über Markopulo in der Einsattlung des Kalksteins bis Kapandriti, auf welcher ganzen Strecke daher das Terrain offenbar zu Schürfuugsver- suchen auf Braunkohlen angezeigt ist. Mit dem Kalk-Mergel treten Lager von blauem, plastischem Thone auf, der in Oro- pos zur Verfertigung vortrefflicher Töpfervvaaren benüztwird. Verfolgt man von Oropos die Gränze des Kalksteins und des aufgelagerten Kalkmergels 1 Stunde lang gegen das Dorf Mylossi (Mylosi) und wendet sich sodann westlich in die Schlucht, in welcher das Kloster Zootoro Pigi liegt, so gelangt man eine kleine Strecke oberhalb des Klosters, und fast am Ende des Grabens, an eine Stelle, wo vor Kurzem der Armenier Hadschi Georgio aus Erivan (ein Philhellene aus der Zeit des Befreiungskrieges) Braunkohlen erschürft '' Oder Einlagerungen meinetwegen. 60 hatte. Die Braunkohle bildet daselbst ein sichtbar 18 Fnss mächtiges Flötz, dessen ganze Mächtigkeit aber nicht bloss eeleet ist. Die Erschürfung geschah mittelst Schrammen, wodurch man dem Streichen nach das Flötz ungefähr auf 500 Klafter weit nachwies, ohne sich jedoch 3Iühe zu geben auch dessen ganze Mächtigkeit aufzudecken. Die Kohle liegt auf dem Süsswasser-Kalkmergel und wird theils nur vom Rasen, theils von einem blauen, plastischen Thon (Kohlen- lehm) bedeckt. Sie scheint daher jünger als jene bei Kumi auf Euböa zu seyn, welche unter dem erwähnten Kalkmer- gel liegt, üebrigens ist die Kohle, so weit ich sie untersuchen konnte, sehr mit Thon in ganz dünnen Lagen durchfahren, folglich unrein und voll von unvollkommen verkohlten Massen, von bituminösem, halb verkohltem Holz. Das erschürfte Flötz scheint ganz söhlig gelagert zu seyn und da es gegen Süd und West von dem naiien Serpentine begränzt, folglich jedenfalls daselbst abgeschnitten wird, in Ost hingegen sich zu Tage schwingt, so ist nur eine weitere Ausdehnung desselben gegen N. und INW. denkbar. Demun- geachtet aber machen die grosse Mächtigkeit der Kohle, die Hoffnung in grösserer Teufe reinere Kohlenbänke zu erbauen und vor allem die äusserst günstige Lage, vom Walde umgeben und nur 1 Vi Stunden vom Meere entfernt, die Fortsetzung der Schürfungen um so wünschenswerther, als die bisherigen dies- fälligen Arbeiten unter aller Kritik ausgeführt und nur auf Geradewohl hin eingeleitet wurden. In der Kohle finden sich häufig Landschnecken gewöhnlicher, noch lebender Arten, de- ren Kern eine kastanienbraune, bituminöse IMasse bildet. Der Serpentin , welcher hier die Kohlenbildung begränzt, ist in einem thonigen, sehr aufgelösten Zustande. In der Umgebung von Markopulo entwickelt sich der Kalkmergel in sehr bedeutender Mächtigkeit und Bohrungen auf Kohle v^ären daher dort ganz geeignet. Dieser Kalk- Mergel, überlagert von nagelfiueartigem Diluvial-Sandsteine, zieht sich vom leztgenannten Orte das Thal hinab bis zum Meere, wo er am rechten Gehänge und nur eine kleine halbe Stunde vom Meere entfernt ebenfalls Braunkohlen umschliesst, die in den dortigen Wasserrissen zu Tage gehen. Die Kohle Gl wird liier von dem bereits erwälinten blauen Tlione begleitet und liegt im Kalkniergel selbst. Da die Ausdehnung des Terrains, welches hier der Kalkmergel einnimmt, sehr bedeu- tend ist, und derselbe von keinem äWern Felsgebilde durch- brochen , respective unterbrochen wird , so ist liier auch die Lokalität in Bezug- auf die Hoffnung weit anhaltende Kohlen- flötze aufzufinden höchst einladend und die Anbringung von Schürfschrämmeu durch die Steilheit der Gehänge sehr ver- einfacht, üebrigens können die Kohlen an allen bis nun er- wähnten Punkten bei Oropos und Markopulo mittelst Stollen gefasst werden und da die Herstellung einer Strasse bis zum Meere mit geringen Auslagen verknüpft wäre, zudem an Gru- benholz in der Umgebung kein Mangel ist , so empfehle ich die weitere Untersuchung dieses Terrains ganz besonders. Vor nicht langer Zeit haben die Kohlenflötze hier stellenweise gebrannt und man sieht noch deutlich die Merkmale hievon. Das Gestein der Meeresküste, entlang dem Egripos, bil- det theils jüngster Meeressandstein, theils besteht die Küste aus den Schuttanhäufungen des Meersund der kleinen Küsteii- flüsse. Am 1. Ap ril. Eine schöne, fruchtbare Ebene, mit niedli- chen Dörfchen besezt und gut bebautzieht sich längs der Küste hin. Nach zwei Stunden betraten wir wieder Bergland, einen Vorsprung des Klephto Vuni, von dessen Höhe aus wir uns eines lierrlichen Anblickes zu erfreuen hatten. Uns gegenüber brei- tet sich die Insel Euböa mit ihren hohen, zum Theile noch mit Schnee bedeckten Berggipfeln, dem Wlacho Vuni, dem Kaudili, Delphi, Xero Vuni, Mavro Vuni, Marmarion und Hagios Elias (Ocha), aus. Im Vordergrunde, auf der Spitze der im frischen Grün prangenden Landzunge, liegt die kleine Stadt und Festung Chalkis_, die Hauptstadt der Insel Euböa, ganz noch in der Färbung des Islams, mit Minarets und Cipressen. Fast zu unsern Füssen führt von der alten türkischen Festung Kara Baba * auf dem Festlaude die schwarze Brücke der Venetianer (daher der neuere Name von Euböa: Negroponte) hinüber nach Chalkis iiber den bis zu * Schwarze Pforlft, schwarzes Thor. 62 ungefähr 40 Schritte Breite verengten Meeresarm, den Enripos. Den Gesanimtanbllck dieses schönen Bildes ziehe ich jenem der Dardanelienschlösser weit vor. Kaum hatten wir diesen Punkt verlassen, so betraten wir heiligen Boden der Mythe. Unser Weg führte uns nämlich dicht am kleinen Hafen von Aulis vorüber, wo einst die tausend Schiffe der Ächaier lagen und die göttliche Iphigenia den waidmännischen Missgriff ihres angeblichen Herrn Vaters Agamkmnons durch ihren Opfertod hätte sühnen sollen. Was den Hafen betrifft, so muss derselbe entweder einst bedeutend grössei gewesen seyn oder die Schiffe der Achaier waren Nussschalen. Auf langen Um- wegen und entsetzlich schlechten Pfaden umritten wir die vielen an der Küste entlang sich folgenden Meeresbuchten, passirten endlich die Brücke, welche Euböa mit dem Fest- lande verbindet und setzten uns in der griechischen Lokanda zu Chalkis fest. Chalkis hat ungefähr 4000 Einwohner und darunter noch (183!)) an 150 Türken, die einen eigenen kleinen Stadttheil bewohnen. Die Stadt ist schlecht gepflastert, aber nicht un- rein, die Moscheen sind in christliche Kirchen und Wohn- häuser umgewandelt, die Festung ist stark gebaut, wird aber von den ganz nahen Höhen des Festlandes zu sehr beherrscht. Das Interessanteste ist der Euripos, das Verbindungsglied des Kanals von Egripos mit jenem von Talanti, die ganz schmale Meerenge nämlich zwischen Chalkis und Kara ßaba. Wir eilten daher auch sogleich wieder zurück auf die schwarze Brücke und schauten hinab in die dunkle Fluth. Wie bekannt spricht sich im Mittelmeere und dessen Seitenmeeren die Er- scheinung der Ebbe und Fluth an den offenen Küsten weder so grossartig, noch so regelmässig aus, als im Weltmeere. In den Meerengen jedoch, z. B. zwischen Patras und Lepanto, in den Dardanellen, im Bosphorus etc. bestehen sehr starke Strömungen, welche periodisch ihre Richtung wechseln und offenbar nur Wirkungen eben der Fluth und Ebbe der anlie- genden Theile des Meeres sind , wobei der Andrang des Wassers in einem und dem andern Falle mit einer um so grössern Strömungsgeschwindigkeit verbunden seyn muss , je kleiner das Minimum des Querschnittes der bezüglichen Meer- 63 eng^e ist. Im Euripos beträgt dieses Minimum nur an 30 bis 40 Schritte und uir sehen daher auch das Meer unter der Brücke von Chalkis bald aus Nurd in Si'id , bald aus Süd in Nord gleich einem starken Flusse dahin strömen, welcher einige Schiffsmühlen treibt, deren Räder bald von der Rechten zur Linken, bald von der Linken zur Rechten laufen. In so weit wären wir mit der Erklärung- dieser frappanten Erschei- nung, welche einst einem griechischen Philosophen, dessen Name mir nicht beifällt, den Kopf so warm machte, dass er sichselbst in die räthselhaften Wogen stützte, in Ordnung; wie aber kommt es, dass diese periodisch wechselnde Strömung mit der auch stets ein Steigen oder Sinken des Meeresniveau bis zu 3 Fuss verbunden ist , zu gewissen Zeiten des Monats eine grosse, dem gewöhnlichen Gange der Ebbe und Fluth entsprechende Regelmässigkeit zeigt; zu andern Zeiten des Monats aber wieder, wenn anders die dieser Angabe zu Grunde liegenden Beobachtungen * vollkommen richtig sind, die grösste Unregelmässigkeit in der zeitlichen Aufeinander- folge ihrer Wechsel wahrnehmen lässt? — Diese Frage lässt sich durch den blossen Machtspruch „Lokaleinflüsse", keines- wegs beantworten und angenommen, dass auch solche zu Grunde liegen, woran kaum zu zweifeln ist, so sind sie erst nachzuweisen und durch alle Stadien ihrer Wirksamkeit zu verfolgen. Wir befinden uns daher bezüglich dieser und ver- wandterErscheinungenznmTheile noch bedeutend im Dunklen und es wäre wirklich zu wünschen, wenn Jemand, der z. B. in Chalkis wohnt und wissenschaftlich hiezu berufen ist, den Gegenstand zu seinem ganz besondern und längere Zeit an- dauernden, mit ausgedehnten Beobachtungen über Fluth und Ebbe an den nächst liegenden Küsten, über Luftdruck und Lnftwärme etc. verbundenen Studium machen möchte. Ge- wisser fühlen sich die Türken hierüber; denn sie erzählen: Es war einmal ein Heiliger, der sich bei seinen täglichen Gebeten stets im Euripos zu waschen pflegte. Das Meer, seinen Wünschen sich fügend, bespülte ihm die Hände mit wechselnder Strömung bald von der Rechten zur Linken, bald Hipriibcr sehe man: das Werk der Expedition scieutifiqu« de MoREE und Dr. Fiedj.er I, S. 442. Ö4 umgekehlt. Der Heilige starb zwar, doch die Bewegung des Meeres blieb, weil einmal die Natur keine halben Älassregeln kennt und gleich alles definitiv einleitet. Als wir lange auf der ßriicke über den Euripos nachge- dacht hatten und uns am Ende doch nicht klüger fühlten, als weiland der verrückte griechische Philosoph , schlenderten wir durch die Stadt zurück und in Begleitung einiger der un- gemein artigen und freundlichen Honoratioren hinaus auf den Hügel, wo die niedliche Forstmeistersvvohnung, ehemals eine Moschee, steht. Die Forstleute, als Söhne der INatur, zeigen fast immer in der Wahl ihrer Wohnplätze einen gediegenen Geschmack, dieser Punkt aber ist besonders schön. Wir sa- hen unter Andern von da die schneebedeckten Gipfel des Ota an den Thermopylen scheinbar ganz nahe vor uns. Den Hü- gel selbst bildet eine Serpentiukuppe. Auch näher an die Stadt zu geht Serpentin zu Tage , landeinv^ärts aber beginnt in geringer Entfernung der dichte Kalkstein des Festlandes, splittrig im Bruche, grau von Farbe, mit grosser Neigung zur krystallinisch körnigen Struktur, besonders dort, wo derselbe in unmittelbarer Berührung mit dem Serpentine steht. Am 2. April. Früh des Morgens verliessen wir Chal- kis und ritten gerade dem Hochgebirge zu, welches Euböa seiner ganzen Länge nach aus NW. in SO. durchzieht. Vor- aus eilte als Führer einer jener schnellfüssigeu Gensdarmen, die besten Truppen Griechenlands und die Schrecken der Kleph- ten. Der Weg führte uns über eine fruchtbare, zum Theile gut bebaute Ebene, wir passirten die alten und noch heut zu Tage benutzten Aquädukte und stiegen endlich die kahlen Kalk- berge an, welche die Vorberge der Centralkette bilden. Hier wird die Gegend ziemlich syrisch, die Thäler sind eng und kurz, eine üppige Vegetation umschliessend, ausserhalb aber ist alles kahl und öde. Wir verfolgten in einem dieser engen Thäler, von senkrechten Felswänden umgeben, eine Wasser- leitung, bis sich vor uns ein weites Längenthal öffnete, welches entlaug dem westlichen Gehänge des Delphi aus M. in S. sich erstreckt. Was der gemässigte Süden Schönes aufzuweisen hat, hatte der Frühling über dieses Thal hin gebreitet. Schnee- bedeckte Bergkuppen , mit dem alle überragenden Delphi, 05 d.as dunkle Grün derMyrtlien und Lorbeer-Gebüsche, das helle Roth des blühenden Oleanders am Kande der Bäche, Orang^en- blütliendiift und goldene Früchte, ein azurner Himmel im strah- lendsten Lichte, alles war hier beisammen, um selbst das an südliche Szenen dieser Art gewöhnte Auge zu entzücken. Nachdem wir dieses schöne Thal durchkreuzt halten ritten wir durch wilde Schluchten im Kalk- und Schiefergebirge das Hochgebirge hinan. Unser Pfad schlängelte sich den vom Delphi herab stürzenden Bächen nach hinauf; beiderseits das mannigfaltigste, fast undurchdringliche Gesträuche, ein wahrer pygmäischer Urwald. Nach einem sechsstündigen Ritte hiel- ten wir am Dörfchen Burnu, auf einer Kuppe mitten in einer engen Schlucht liegend; einige wilde Oelbäume gaben uns spärlichen Schatten während dem frugalen Mittagsmahle. Von Burnu führt der sehr steile, aber sonst recht gute Weg immer zwischen dichten Gebüschen einem grossen Bache nach, dessen Ufer mit prächtigen Platanen besezt sind, daher dieser Pfad auch der Weg der Platanen genannt wird, hinauf bis zur Höhe des U eberganges über das Gebirgsjoch. In einer Meereshöhe von ungefähr 3.500 Fuss hielten wir unsere Pferde an. Wir sahen von da das Meer zu beiden Seiten von £uböa, die südlichen Sporaden, einen Theil der Cykladen, ganz Attika mit seinen klassischen Bergen vom laurischen Vorgebirge bis Theben in Böotien. Auf steilen schlechten Wegen zogen wir durch wilde Schluchten des Kalkgebirges das östliche Gebirgsgehänge hinab^ passirten das auf der andern Seite einer tiefen Schlucht liegende Dorf Mavrlchori am Mavro VunI , ritten und ritten, der flügelfüssige Gensdarme voran, bis endlich der Weg so abscheulich und die Nacht so finster würde, dass wir mitten im Walde, nachdem wir heute über 11 Stunden im Sattel ge- sessen waren, unser Lager aufschlagen mussten. Im Scheine unseres Feuers bemerkten wir eine um uns herumschleichende dunkle Gestalt; augenblicklich hatte der Gensdarme sie festge- packt. Es war ein fahrender Schullehrer, der gegen Kumi zog, und unschlüssig, ob er uns anfänglich für Spitzbuben oder or- dentliche Leute halten sollte, seelenfroh war im unheimlichen Walddunkel eine so honorable Gesellschaft zutreffen. Mitter- Russe g g c i- , Reisen. IV. Bd. O C6 nacht war vorüber, als es zu regnen anfing^. Ich miiss ge- stehen, dass ich mit meiner Beduinen-Natnr es unbegreiflich fand, wie man sich, in gute Matrosen-Mäntel eingehüllt, durch einen Regen in der Ruhe, wenn auch im Freien, stören lassen könne. Meine Gefährten, mit Ausnahme des Gensdarme und der Pferdeknechte, dachten aber ganz anders. Der eine phan- tasierte vom Fieber, der andere von Rheumatismen und mit vereinten Kräften plagten sie mich so lange, bis ich am li. April um 2 Uhr Morgens satteln Hess. I^in Rudel Wölfe heulte uns ein garstiges Morgenlied vor; die Pferde, welche sich etwas fürchteten, stolperten um die Wette; ich verwünschte, der ich so gut geschlafen hatte, den un/.eiti- gen Aufbruch und fand die ersehnte Ruhe erst auf der Haus- flur des Orts-Vorstandes zu Agaje wieder , avo wir nach zwei Stunden anlangten und welcher Ort nach der sonderbaren Zeitrechnung unseres Gensdarmen — vier — Stunden nur von Chalkis entfernt liegen soll. Oie Häuser der griechischen Bauern auf Euböa sind von Aussen meist sehr niedlich, weiss getüncht, mit Ziegeldächern oder Steinplatten bedeckt. Im Jnnern aber herrschen nur zu häufig Unordnung und Unreinlichkeit, da Vieh und Menschen zusammen die engen Räume theilen. Unser Wirth zu Agaje war ein recht verständiger Mann, der offen und gescheid über die Landes- und Unterthanen-Verhältnisse sprach. Im Gan- zen lebt seiner Aeusserung zu Folge das Volk recht zufrieden und nur die zuweit getriebene Zerstückelung des Kulturbodens, also die zu beschränkte Betheilung der Einzelnen mit baubarem Lande giebt auf Euböa Grund zur Klage. Ein Uebelstand, dem, wenn er wirklich besteht, offenbar zu begegnen wäre, da ich auf der schönen Insel grosse Strecken des besten Lan- des aus Mangel an Händen unbebaut liegen sah. Wie auf der Westseite des Central-Gebirges so trennt auch auf seiner Ostseite ein schönes, hügeliges Längentbai dessen Gehänge von den Küstenbergen. Weniger geschmückt als sein westlicher Gefährte ist das östliche Thal, dem entlang wir nun unsern Weg fortsezten , viel mehr bebaut; auf den zahlreichen Mergelhügeln gedeiht der feurige Kumi; an ein- zelnen reizenden Fernsichten hinaus aufs nahe Meer mangelt 67 es nicht und ebenso wenig .in hübschen, freundlichen DörfcJien mit ihren Kirchen, deren Glockenklang in frischer, duftiger Morgenluft so gcmi'ithlich zum Herzen sprach, dass ich nnsern Hefnk nicht begreife, wie er seinen Unmiith auch über die ar- men Glocken erstrecken kann. Unter diesen Dörfern zeich- nen sich besonders Konistra und Kastrovalla durch Grösse und reizende Lage aus. Lezterer Ort, von Agaje 3 Stunden entfernt, zieht sich dem Gehänge der Berge nach bis zur Bucht von Kumi hinab. Hübsche Mädchen, nonnenartig gekleidet, mit brennenden Augen und gesundem Teint , nahmen unsere Aufmerksamkeit etwas stark in Anspruch, bis uns der garstige Weg einen hohen steilen Berg hinan uud durch wilde kahle Felsschluchten wieder hinab prosaisch zur Vorsicht mahnte. Nach einer Stunde erreichten wir das Städtchen Kumi in einem mit Weinreben bepöanzten, von hohen Kalkbergen um- gebenen, nur gegen das Meer zu offenen Kesselthaie. Kumi hat einige Kirchen und ungefähr 3000 Einwohner, die über 80 grössere und kleinere Schiffe besitzen, mit welchen sie nach llussland und in die Türkei besonders in Wein be- deutende Geschäfte machen. Die Sporaden liegen von hier ganz nahe. Wir stiegen bei Dr. Hormler, einem hier woh- nenden Deutschen ab, wo wir den Schichtenmeister der eine Stunde entfernten Kohlengruben von Kumi trafen , in dessen Begleitung wir Abends uusern Weg dahin einschlugen. Wir ritten in westlicher Richtung das Gebirge hinan. Eine breite für den Transport der Kohlen zur Küste errichtete, aber nur sehr schlecht fahrbare Strasse führt durch wilde Schluchten bis zum Zechenhause, das in einer Meereshöhe von ungefähr 2000 Paris. Fu.ss in einem einsamen , nur von den eine eigene Kolonie bildenden Arbeitern belebten Thale auf einer Anhöhe liegt, von der man nach Kastrovalla und auf das weite Meer hinau.ssieht. Zur gründlichen Untersuchung des ganzen Kolilenterraius, der Kohlengruben und aller auf den Betrieb derselben Bezug nehmenden Verhältnisse beschloss ich hier ein paar Wochen zu verweilen. Die gesunde, luftige, rauhe Lage unseres Standpunktes, das Bergmannsleben, selbst mein Stübcheu im Zechenhause erinnerten mich so lebhaft an die in meiner früheren Dienstperiode bei den sehr hoch liegen- 5 ■•= 68 den Gnibcnbaiien in Gastein und Rauris verlebten Zeiten , dass mir ganz eii»^enthiimlich wohl war, als mich der Bergofficiant Schiller vom Harze, der hier als Betriebsleiter angestellt war, miteinem herzlichen„Glückanf!" empfing. Schiller, einjnnger, thätigerMann, der sich durch eigenes Studium und praktische Verwendung viele bergmännische Fachkenntnisse angeeignet hatte und die conditio sine qua non aller Weisheit ^^einen ge- sunden Menschenverstand" von Hause aus besitzt, war schon im Voraus von unserer Hierherkunft unterrichtet, hatte Haus und Tisch besorgt und auf alles fürgedacht. Um die Verhältnisse, unter welchen die Braunkohle bei Kumi auftritt, näher zu erfassen, erlaube ich mir nach Chalkis zurück zu kehren, und den Weg bis zum Zechenhanse am Gehänge des Mavro Vuni noch einmal und zwar als Geogiiost zu wandern. Wenn man sich von Chalkis östlich wendet und die lo- kalen Serpentin-Durchbrüche hinter sich hat , so betritt man unmittelbar, wie bereits erwähnt, das Gebiet des Kalksteines des Festlandes, dessen wellige, sanft gewölbte Berge die grosse Bucht des Centralgebirges ausfüllen, welche die Gehänge des Kandili, Delphi und Xero Vuni bis zur Küste bei Amarynthos im weiten Bogen umscliliessen. Dieser Kalkstein lässt an den kahlen Gehängen seiner Berge eine massige, regellose Abson- derung beobachten. Hat man diese Vorberge der Centrai- kette passirt, so gelangt man in ein weites Thal, welches sich am westlichen Gehänge des Delphi hin erstreckt, ein hügeli- ges, fruchtbares , schönes Land. Dieses Thal ist ganz von Alluvial- und DiluvialBildungen erfüllt und erstreckt sich bis zum Fusse des Centralgebirges, wo man, fünf Stunden von Chalkis entfernt, wieder den dichten Kalkstein, aber in hohen wilden Bergformen trifft. Beide Kalkzüge sind geschichtet, während jedoch die Schichten des Kalksteines der Vorberge gegen das Centrale einschiessen, lehnen sich die des leztern Zuges den» Centrale an. Die erstere Fallrichtung erscheint daher von den Serpentinknppen an der Küste abhängig. Eine kurze Strecke vor dem Dörfchen Burnu gelangt man zu einer grossen Ablagerung von Thonschiefer, der mit Serpentin und dichtem Kalkstein wechsellagert, auf untergeordneten Lager- 09 Stätten Quarz und gelben Tlioneisenstein führt und westlich verflachend den vorn erwähnten Kalkstein untertenft. Die Thäler des Centrale sind tief und enge, Schluchten, mit Ge- rolle und Schuttland erfüllt und zum Theil eine sehr iippige Vegetation beherbergend. Der Serpentin ist häufigsehr quar- zig, der Thonschiefer schwarz und in dünnen Lagen geschich- tet. Am südwestlichen Abhänge des Delphi fand ich diesen dunkelfarbigen Thonschiefer voll von Qnarzlagern und über- haupt sehr ähnlich dem Guldrührenden Thonschiefer unserer süddeutschen Alpen, namentlich jenem des Ziilerthales ; aber auch hier wechselt er mit Serpentin und dichtem Kalkstein. Weiter im Centrale der Insel werden die Berge bedeu- tend höher, die Thäler noch enger und tiefer, dieSchichtnugs- Vcrhältnisse sehr verworren, die Vegetation zu einem fast un- durchdringlichen Gestrippe. Die Wechsellagerung des Thon- schiefers mit Kalk hört endlich auf, ersterer wird allein herr- schend und nur in der Nähe des Cebergangs- Punktes vom Westgehänge hinüber zum Ostgehänge des Centralgebirges beobachtet man noch ein sehr mächtiges Lager von dichtem, zur krystallinisch -körnigen Textur sich neigendem , schwarz und blaulich gefärbtem Kalksrein, der sich bis zu den höchsten Kuppen hinanzieht. Der oberste Rücken des Centralgebirges selbst, welches man ungefähr in einer Meereshöhe von 4000 Fuss übeischreitet, besteht ans Thonschiefer, wechsellagernd mit Chloritschiefer und chloritischem Gneiss. Der Gneiss ist grob-flaserig, die Stelle des Glimmers vertritt Chlorlt und der Feldspath findet sich häufig Porphyr-artig eingewachsen. Ser- pentin tritt sowohl mit dem Thonschiefer als mit dem Gneisse auf und bildet sogar Uebergänge in leztern. Auf dem Joche sieht man eine Strecke lang den chloritischen Gneiss ganz allein anstehen, dann aber folgt am östlichen Gehänge, wie am westlichen, wieder der Wechsel dieses Gesteins mit Thon- schiefer und Chloiitschiefer. Das Streichen und Verflachen der Schichten ist beständig dasselbe wie am westlichen Ab- hänge. Drei Stunden oberhalb Agaje (Gagia?) erscheint neuerr dings der dichte Kalkstein des Westgehänges , wie dort die ganze Schieferformation bedeckend und sich steil am Aus« 70 gehenden derselben in die Höhe richtend. Die gegenseitifje Schichtenstelhing gewährt hier viel Interesse. Die Schich- ten des Thonschiefers nämlich streichen aus NO. in SW. und verflachen in NW., während jene des darauf liegenden Kalkes aus NW. in SO. streichen und wenn nicht ganz senkrecht stehen, doch sehr steil unter einem Winkel von nahe 80* in NO. einschiessen , daher den Lagen des tiefern Gebirges ge- rade ins Kreuz, dem Centrale aber auch von dieser Seite, wie am westlichen Gehäuge , angelehnt. Unter ganz ähnlichen Lagerungsverhältnissen erhebt sich in Attika die Kette der Schiefer und körnigen Kalke aus dem dichten Kalkstein und hier wie dort und überall bedingte die Centralerhebung die weitere Gestaltung des Landes an den beiden Gehängen und gab den Grund-Typus zur Formirnng des ganzen Terrains. Agaje liegt bereits ganz im Bereiche des dichten Kalk- steins, der theils in sanft geformten Bergen, theils wilde Grup- pen bildend mit senkrechten, zerrisseneu Felswänden und en- gen Schluchten das Dorf umgibt. Wie am westlichen Ab- hänge der Delphi-Kette, so zieht sich auch am östlichen ein hügeliges Längenthal, oder vielmehr eine vier Stunden lange in die Länge gestreckte Mulde hin. Am nördlichen und südli- chen Ende derselben springt der dichte Kalkstein mit Serpen- tin, welch lezterer gangartig in ersterem eingedrungen zu seyn scheint, bis ans Meer vor und bildet eine hohe, senkrecht abfallende Küste. Die Mulde selbst ist mit Jüngern Felsge- bilden erfüllt und war unverkennbar Meeresgrund. Zunächst auf dem dichten Kalksteine liegt blauer Lehm, ein tertiärer Thon mit sehr wenig Versteinerungen, aber in grosser Mäch- tigkeit entwickelt. Auf diesen blauen Lehm lagert sich zwi- schen Agaje und Konistra ein 60 bis i)0 Fuss mächtiges, Na- gelflue artiges Gestein, ein Konglomerat aus Quarz und Kalk- geschieben mit kalkigem Zemente und sehr wenigen orga- nischen Resten. • i\ '■ Dieses Konglomerat bedeckt unmittelbar der bereits er- wähnte pliocene Süssvvasser-Mergel, ein Kalkniergel von äus- serst mächtiger Entwickelung, ganze Berge bildend, schiefri- ger Struktur, von weisser, gelblicher, blauer Farbe, sehr fest und sich in Platten von wenigen Linien bis mehrere Zoll Dicke 71 absondernd. Einezalilreiche Menge von rflanzen-Resteii cha- laktci'isii't dieses Felsg;ebHde ; vorzüglich sind es Dikotyledo- nen-BlJitter, Stämme in Braunkohle umgewandelt, Zapfen von Coniferen; seltener sah ich Reste von Monokotyledonen und zviar nur Gräser. Ausserdem enthält dieser Mergel fossile Fische und Schalthiere, unter welchen lezteren ich Planorhis, aber auch ganz kleine Pecten gesehen habe, ein Beweis, dass mit dieser ausgedehnten Süssvvasserbildiing auch Meeresbil- diiugen in Verbindung stehen, die ohne Zweifel gleichzeitig dieser Ablagerung ihr Daseyn gaben. Da dieser Kalkmergel bei Kumi das Dachgestein der dortigen Braunkohlen bildet, und leztere daselbst auf blauem Thone liegen, so ergibt sich daraus, dass diese Braunkohlen und das vorn erwähnte, zwi- schen Agaje und Kouistra anstehende, nagelflueartige Kon- glomerat als Parallelgebilde anzusehen sind. Die Schichten des Kalkmergels lehnen sich mit denen der übrigen Felsgebilde , welche die Mulde erfüllen , an das Centralgebirge der Insel und streichen, bei einem Verflachen unter 15** gegen SO., aus NO. in SW. Der Mergel zeigt sich häufig sandig und wechsellagert auch stellenweise mit Sand- stein-Schichten von geringer Mächtigkeit. — Um aus dem Becken von Konistra in die Bucht von Kumi zu gelangen, muss man den östlichen Ausläufer des Centralgebirges bei Kastro- valla, wo der dichte Kalkstein bis ans Meer vorspringt, über- steigen. Oberhalb dem lezterwähnten grossen Dorfe sieht man zwischen dem dichten Kalksteine des Centrale und dem darauf liegenden blauen Thone ein sehr mächtiges Serpentin- Lager in grossen Felsmassen zu Tage gehen und da dieser Serpentin an seiner Oberfläche sehr starke Verwitterung und (Jmstaltung in blauen Thon wahrnehmen lässt, so bin ich ge- neigt, den hier auf dem Serpentin liegenden blauen Thon überhaupt nur als das Resultat der gänzlichen Auflösung jenes Gesteins anzusehen. In diesem Serpentine und zwar ober- halb des nach Kumi führenden Weges fand ich auf einer La- gerstätte von Feldspath, der grösstentheils zu Kaolin verwit- tert ist, Diopsid in grosser Menge. Am westlichen Gehänge des Thaies bei Kastrovalia, die- sem Dorfe gegenüber und in der Nähe vom Metochion (Filiale) 72 des Klosters des Erlösers bei Lero , erlieben sich zwei hohe, spitze Kegelberge, von denen der vordere den Namen des lielllg-en Nikolaos trägt. Beide, ungefähr bis zu 1000 Fuss über das Meer ansteigende Kegel, bestehen ans Porphyr, Trachyt und Dolerit, welche Gesteinesich, gleich dem Serpen- tine zwischen dem dichten Kalksteine »ind dem Kalkmergel, der das Dachgesfein der Brannkohlen bei Knmi bildet, derart ein- geschoben haben, dass dieselben gegenSüd vom dichten Kalk- steine, von allen andern Seiten aber von dem erwähnten Mer- gel begränzt werden. Der Mergel verliert an seiner Berüh- rungs-Liiiie mit dem Porphyre sein dickschiefriges Gefiige und wird mehr erdig. Die Schichtenstellung desselben ist mir nicht genauer bekannt, doch scheint es , dass die Schichten sich insgesammt den beiden Kegelbergen anlehnen. Der P o r- phyr besteht aus einer rothen thonlgen Feldsteinmasse mit weissen Feldspath-Krystallen; der Trachyt aus einer röth- lich-grauen, stark zerfressenen, porösen Feldstein-Masse mit Krystallen von gemeinem und glasigem Feldspathe, von Diop- sid. Olivin und tombakbraunem Glimmer; der D o 1er i t aus einer röthlich-grauen, dichten, ins Körnige übergehenden, Ba- salt-ähnlichen Feldspath-Masse mit Krystallen von Olivin und Glimmer. Alle drei Gebilde gehen häufig ineinander über und zeigen die Innigste Verwandtschaft. Die Gehänge der beiden Kegelberge sind sehr steil, doch zum grössten Theile mit Ve- getation bedeckt, nur die Kuppe des einen Kegels ist kahl, wild, zertrümmert und in senkrecht abgesonderten Felsmasvsen aufgethürmt. Die Schluchten dieser Berge sind zum Theile mit Allnvien angefüllt. Auf dem Wege von Kastrovalla gegen Knmi hinab durch- wandert man tiefe Spaltenthäler, von senkrechten Felswänden eingescblossen, eine wilde, kräftige Natur. Der dichte Kalk- stein nmschliesst hier grosse Lagerstätten von rothem, eisen- schüssigem Thonschiefer, der in Tlioneisenstein übergeht und auf Klüften faserigen Branneisenstein führt. Näher an Knmi wird der dichte Kalkstein sehr eisenschüssig, nimmt eine gelb- lich rothe Färbung an, wird aber in Knmi selbst von Kalknier- gel und Allnvien bedeckt, welche das kleine Becken daselbst ausfüllen, das von hohen, kühn geformten Fels-Partliien des 73 dirliteii Kalksteins und Serpentins, mit tiefen, engen Schluchten umschlosseil wiid. Das grosse Becken von Konistra und Kastrovalla ver- engt sich gegen NW. und zieht sicii als ein Thal das Gebirge hinan, wo es am Fusse der Centralkette , am Gehänge des Mavro Vuni, sich neuerdings erweitert und ein zweites Becken hildet, welches mit dem oft besprochenen Si'isswasser-Kalk- mergel und mit Alluvien erfüllt ist und wo sich der Steinkoh- lenbergbau befindet, dessen ich weiter erwähnen werde. Von Knmiaus gelangt man in dieses zweite Becken, W'enn man die Kalkberge in westlicher Richtung überschreitet, welche die Blicht von Kumi einschliessen. Der Weg führt durch eine wilde, enge Schlucht im dichten Kalksteine hinauf, dessen Schichten sehr steil einfallen und sich gegen das Centrale an- lehnen. In den tiefsten Punkten seiner Ablagerung geht der Kalkstein in Kalkthonschiefer über und dieser liegt auf Thon- schiefer von grosser Mächtigkeit und gleicher Schichtenstel- lung mit dem dichten Kalksteine. Unter diesem Thonschiefer liegt Serpentin, der sich an der innern Gränze des dichten Kalk- stein-Gebirges nm das ganze Becken herumzieht und mit der vorn erwähnten mächtigen Serpentin- Ablagerung bei Kastro- valla offenbar im Zusammenhange steht; daher auch diese unbezweifelbar den dichten Kalkstein unterteuft, ohne dass man übrigens dort den Thonschiefer, das Mittelglied zwischen Serpentin und dichtem Kalksteine, beobachtet. Der Serpen- tin, welcher stellenweise, namentlich am Wege nach Kumi, auf untergeordneten Gängen und Lagern : Chromeisensteiii, Asbest, Diallage, Diopsid , edlen Serpentin , Speckstein und als Anflug auf Ablösungen Kobaltblüthe führt, bildet das Grund- gebirge des ganzen Beckens und die Unterlage aller der Jün- gern Felsablagerungen, welche dasselbe erfüllen und ein hü- geliges Terrain darstellen, das in allen Richtungen von einer Menge Regengräben durchschnitten wird. Unmittelbar auf dem Serpentine liegt in der Sohle des Beckens blauer Thon, Lehm, und darüber in wechselnder, zum Theile über 200 Fiiss betragender Mächtigkeit liegt jener schiefrige Süsswasser- Kalkmergel, i\en wir bereits kennen. Zwischen diesem Mer- gel und dem blauen Thone, zum Theile auch im Mergel selbst, 74 finden sich Braunkohlen, von denen zwei Bänke, jede zu drei Fuss Mächtigkeit lind durch eine, ebenfalls an drei Fuss mäch- tige Schichte von schwarzen Kohlenletten von einander ge- trennt, besondere Erwähnung verdienen, da sie Gegenstand bergmännischen Abbaues geworden sind. Der Mergel liegt an einigen Stellen unmittelbar auf dem Serpentine, an an- dern auf dem dichten Kalksteine, so dass die Schichte des blauen Thones und die Kohle lokal mangeln. Die Braunkoh- len bestehen ganz aus Dykotyledonen-Resten und enthalten häufig noch gut erhaltene, an der Rinde deutlich erkennbare, jedoch verkohlte, plattgedri'irkte und den Schichten parallel liegende Stämme noch lebender Baum- und Strauch- Arten, insbesondere von Pinien und von Arbutus Unedo Linn. (Erd- beerbaum). Die Dachkohle ist meist durch Thon CKohlenlet- teii) sehr verunreinigt 5 die tiefer liegende Kohle aber ist sehr rein; selten sah ich auf den Ablösungsflächen einen leichten Anflug von Schwefel, jedoch keinen Schwefelkies; sie ent- hält viel Ulmiu, brennt leicht, mit heller Flamme, ohne einen besonders üblen Geruch zu verbreiten , backt gut , hiuterlässt aber eine bedeutende Menge, nach Landerers in Athen (jedoch offenbar mit unreinen Stiicken) abgeführter Analyse bis zu lOTo dem Gewichte nach, erdigen Rückstandes. Ausser den ermähnten fand ich weder in der Kohle noch im Kohlenletten andere organische Reste. — Die reine Braunkohle von Kumi hat einen faserigen Längenbruch und einen muschligeu Quer- bruch , ist stark fett- bis wachsglänzeud und hat einerein schwarze Farbe. Die vorne erwähnten, in Abbau stehenden zwei Kohlen- bänke gehen in mehreren Regenrissen, welche das hügelige Terrain durchziehen, zu Tage. Gebirgsabrutschungen und ähnliche Terrainumstaltungen , die auch auf die Lagerungs- Verhältnisse der Kohle rückwirken, sieht man nur wenige und da man auch in der Kohle selbst nur ganz geringe Ver- werfungen wahrnimmt — die grösste, welche ich sah, beträgt nur drei Fuss, so dass man d.as Gegentrum mit der Strecken- sohle wieder anfuhr — so wird hiedurch der Abbau sehr ver- einfacht und erleichtert. Hie und da scheint die Kohle unmittelbar auf dem Ser- 75 pentin zu lieg;en, doch meist bildet das Liegende derselben eine mäclitige, von Kuhlenschniiren durclizogene Lebmbank. Bituminöses Holz enthält der Kohlenlehin nur sehr \venis:es. Der Zug dichten Kalksteins, welcher vom Centralgebirge «ier Insel zwischen Kumi und Kastrovalla bis ans Meer voispringt, scheint die Lagerstätte der Kohle rückenarlig erhoben zu haben, indem die Schichten des Kalk-Mergels und denselben analog- die untergeordneten Kohlenbänke, si'idlich dieses Kalk- zuges in SO., nördlich desselben aber bei einem Streichen aus NW. in SO. unter ungefähr Iß"^ in SW. einfallen. — Den Kalk-Mergel , das Dachgestein der Braunkohlen , bedecken mächtige Schutt- und Gerolle - Ablagerungen , sowie erdige Schuttkonglomerate, in welch' leztern man in grosser Menge Knollen von gelbem Thoneisenstein und thonigemSphäroside- rit findet. Besonders ist diess der Fall an den Grenzen der Becken-Ansfülliing, in der Nähe des dichten Kalksteins. An dem thonigen Sphärosiderite beobachtete ich hier eine sehr interessante Erscheinung. Er bildet sich nämlich zum Theil um ganz fremde Körper, indem ich mehrere Knollen zerschlug, welche ein Stück dichten Kalksteins oder Serpentins als Kern der ganzen Konkretions-Masse (Krystalloid) in sich schlössen. Ueberhaiipt glaube ich, dass die Natur in der Bildung dieses Eisenerzes hier einen ganz gleichen Weg verfolgt, wie bei jener des Raseneisensteins, bei dem bekanntlich ähnliche Er- scheinungen vorkommen. — Auch gegen Nord hat das Mer- gelgebilde, das Dachgestein der Kohle, eine bedeutende Aus- dehnung und erstreckt sich eine Stunde weit bis in die Nähe des Klosters des Erlösers nordwestlich vom Kap Kili. Auf halbem Wege vom Zechenhause dahin sieht man an mehreren Stellen Kohle zu Tage gehen und da hier das Terrain dem Bergbau umsomehr günstig ist , indem die Meeresküste ganz nahe liegt, so wären hier nähere Untersuchungen durch Boh- rungen etc. besonders angezeigt. Der Kalkmergel liegt hier unmittelbar auf Serpentin, welcher auf Klüften und Nestern Chalcedon und rothen, schönen Jaspis mit Quarz führt. Dem Berghause näher und nur eine geringe Strecke nördlich \on demselben entfernt bildet das Liegende der Kohlenformatiou ein eissenschüssiger, und an kohlensaurem Kalke so reicher 70 Serpentin , dass dieses Gestein als ein Uebergang des leztern zum dicliten Kalksteine betrachtet werden nniss. Vom 4. April bis 19. April verweilte ich mich bei dem Steinkohlenberwbaue am Mavro Vnni bei Kumi, theils mit der möglichst genauen Erhebung der Verhältnisse dieses Bergbaues, mit jener der geognostischen Beschaffenheit der Umgebung und mit Ausarbeitung meiner Berichte hierüber an Sr. Majestät beschäftigt, thells daselbst festgebannt durch ab- scheuliches Schnee- und Regenwetter, welches alle Gebirgs- pfade unwegsam machte und uns nöthigte den ganzen Tag hindurch das Feuer in unserem kleinen Stubenofen, vielleicht der einzige auf Euböa, zu unterhalten. Der Grubenbau auf Steinkohlen wurde am Mavro Vnni bei Kumi zur Zeit Kapodistrias begonnen ; man fasste die obere der beiden Braunkohlenbänke mit einem Stollen, nahm sie in Abbau und beging sogleich von Vorne her einen groben Feh- ler, da die Verbruchbeige der mit einem unregelmässigen Pfei- lerabbaue ausgefahrenen Zechen die untere, weit bessere Kohlen liefernde Bank bedeckten und ihre nachfolgende Ge- winnung dadurch sehr bedeutend erschwerten , zum Theile sogar, wegen den damit verbundenen zu grossen Auslagen, ganz uuthuiilichmacliten. Abgesehen jedoch hievou, so führte der in technischer Beziehung ganz kenutnisslose Betrieb bald jenes Resultat herbei, das unvermeidlich zu gewärtigen war; man konnte nämlich wegen Verbruchsgefahr, Wasserandraug und Wettermangel nicht mehr vorwärts und eröffnete einen zweiten Stollen, endlich einen dritten, der zur Zeit meiner An- wesenheit als der liauptstollen zu betrachten war. Ueberall jedoch beging man den Fehler , den ganzen Streckenbetrieb auf der oberen, anstatt auf der unteren Bank zu führen. Mit dem unteren Bau fand man die ganze Kohlenablageruiig be- deutend mächtiger , indem sie eiuschlüssig der Zwischenlage von Letten eine Mächtigkeit bei 12 Fnss besizt, was allerdings den Abbau etwas schwieriger macht. Im Jahre IS.*?! uuter- suchte der k. sächs. Beigkomissär Gustav Fiedler diesen Berg- hau und theilt im I. Bande seines Werkes über tiriechenlaiid seine Ansichten hierüber mit. Sehr riclitig hebt deiselbe als Hauptgrund der verfehlten Richtung des ganzen Unternehmens 77 den Manj^el einer sachverständig;en Oberleitung hervor, ein Uebeistand, der auch zur Zeit meiner Anwesenheit noch statt fand, indem der J5etrieb des Steinkohlenbergbaues der Mili- tär-Zenghans-Verualtung zu Nauplia und durch diese dem — Kriegs Ministerium unterstand, ßergofficiant Schiller verlor unter Anordnungen, die sich mehr als unnütze Vexationen als als ein sachgemässes Einschreiten darstellten, den zum Dienste erforderlichen und nebst der bezüglichen vollen Sachkenntniss die Seele desselben bildenden freudigen Muth und im Ganzen geschah Nichts. Wenn es auch nicht zu liiugnen ist, dass die Braunkohlen von Kumi den Schwarzkohlen und namentlich den englischen weit nachstehen, so sind sie , gehörig sortiit, doch immer zu jeder Feuerung brauchbar, bei der es sich nur um Hitzkraft handelt und die abgeführten Versuche haben ihre Anwendbarkeit zur Feuerung auf Dampfschiffen, in Schmiede- essen , in Stubenöfen und geschlossenen Herden dargethan. Da jedoch die hohen Erzeugungs - Kosten beim Grubenbau, die hohen Transportskosten bis zur Küste und die den bestän- digen Auslagen gegenüber nur sehr geringe jährliche Produk- tion von höchstens 20,000 bis 25,000 Zentner die Kohle auf einen Preis hinaufbringen, der jede Konkurrenz mit den bessern eng- lischen Steinkohlen behebt, so gelang es den zahlreichen Ein- streuungen und Reaktionen der mit ausländischen Kohlen Ge- schäfte machenden Spekulanten nur um so leichter, den Auf- schwung des Unternehmens von dieser empfindlichen Seite darnieder zu halten. Als ich zu den Gruben kam, fand ich daselbst einen Bergoffizianten , ein Schichtenmeister (Rech- nungsführer), einen Wegmeister und siebenzehn Arbeiter an- gestellt. Bei der grossen Ausdehnung der Flötze und bei der er- wiesenen Brauchbarkeit der Kohle fand ich den Zustand des Etablissements keineswegs trostlos. Das ganze Unternehmen kann übrigens nur dann mit günstigem Erfolge resultiren, wenn von Seite der Regierung Mittel und Wege ergriffen werden der Kohle den möglichsten Absatz zu verschaffen; wenn die Anwendung derselben zum Bedarfe der eigenen An- stalten , Institute u. s. w. , nöthigenfalls kathegorisch, ins Leben gerufen und so die Möglichkeit herbeigeführt wird, die 78 jälirliclie Produktion um ein bedeutendes zu erhöhen , indem nur ein grossartiger Betrieb die Gewinnung eines Materials kostenlohnend machen kann, welches auf dem Weltmarkte so niedrig im Preise gehalten wird und die tlückvvirkuiig der aus- gebreitetsten und mächtigsten Konkurrenz zu bekämpfen hat. Jn technischer und administrativer Beziehung erachte ich nach Anfertigung verlässlicher Tag- und Grubenkarten und der er- forderlichen genauen Ourchschnitte vor allem nöthig: dem Ab- baue der beiden altern obern Gruben, als gänzlich verfehlt, durch Presshauung der noch vorhandenen aufgeschlossenen Mittel ein Ende zu machen , den mit dem tiefsten Stollen er- öffneten, noch jugendlichen Grubenbau aber vom Grunde aus zu regulieren, d. h. neu zu beginnen, nach einem technisch durchdachten Plane durchzuführen und nach gewonnener Ueberzeugung vom Anhalten der Kohlenbänke in die Teufe bei Zeiten auf die Eröffiiung eines Erbstollens von Kastrovalla herein Bedacht zu nehmen, um die Steinkohlen -Mulde in ihrem Tiefsten zu unterfahren und so dem Betriebe die grüsst- möglichste und nachhaltigste Ausdehnuug zu geben. Ausser- dem ist die Herstellung einer guten, zu jeder Jahreszeit und bei jeder Witterung ohne Schwierigkeiten befahrbaren Strasse vom Bergbaue an die Küste bei Kumi ein un verschiebliches Bedürfniss; die Förderung der Berge und der Kohlen müssen reguliert und so wie die Arbeit auf dem Gesteine in angemes- senen Gedingen bewerkstelligt werden, bei welchen das Inter- esse des Arbeiters sowohl an die Menge, als an die Güte der Eroberung gebunden wird ; die den Gruben nachtheiligen Tagwasser sind aufzufangen und durch Ableitung uuschäd- lich zu machen; die Stollen sind, wo sie des Ausbaues bedürfen, auszumauern und nicht auszuzimmern, weil die besten Bau- steine gleich vor den Stollen-Mundlöchern gebrochen werden können, das Grubenholz aber weit und schwierig zuzubringen ist, folglich sehr hoch zustehen kommt; dieSchichtenordnnng, die stal)ilen Löhne, dieSortirung der Kohlen müssen mit aller Sparsamkeit und in lezterer Beziehung mit aller Rücksicht auf die Ansprüche der Konsumenten geordnet und strenge überwacht werden. In dieser und weiterer Richtung erstat- tete ich meine Anträge an Sr. Majestät den König und belegte 79 dieselbe mit dem im mögliclisteii Detaile nach meiner Ansicht ausgearbeiteten Betriebspläne, wobei ich übrigens nur die Hauptsaclie, den Betrieb nänilicli, festhielt und die sonstigen vvi'inschensvverthen Modalitäten der Zeit iiberliess, da sie aus einer gründlichen Regulierung an und für sich und ohne allen künstlichen Impuls hervorgehen. Am 10. April machteich mit Philippos und Schiller einen Ritt nach Kap Kili, eine Stunde nürdlicJi von Kumi, um die dort zu Tage gehende Eisenstein-Lagerstätte zu besichti- gen. Die Gegend am Vorgebirge ist äusserst wild. Auf ho- hen Kalkfelsen stehen die Ruinen der Venetianer-Burg Lerö; kahle Kalkfelsen , von den Wellen tausendfach zerrissen und durchlöchert wie ein Schwamm, bilden die Küste, an der die Brandung bei sturmbewegter See ihren Schaum thurmhoch emporwirft ; draussen im Meere steht ein einzelner Fels mit einer Kapelle. Die Bucht von Kumi bildet eine Mulde, welche sich süd- lich vom Kap Kili landeinwärts zieht, immer enger wird und endlich an dem Passe endet, durch welchen man in den Koh- lendistrikt, in die nordwestliche Verlängerung der grossen Mulde von Kastrovalla, hinaufsteigt. Längs der Küste zeigen die jüngeren Felsgebiide, welche die Mulde von Kumi erfül- len, eine Längenerstreckung \o\\ ungefähr zwei Gehstunden und bestehen , wie in der Mulde von Kastrovalla, aus mächti- gen Ablagerungen vonSüsswasser-Kalkmergel, der auf einem jungen Sandsteine ruht. Die Schichten des Mergels streichen NO. — SW. und verflachen in SO. Sie richten sich folglich in ihrer Lagerung, die viel steiler ist, als jene in der ober» Mulde, nach dem Kalkstein -Rücken, der sie von einander trennt. Bei der unmittelbaren Nähe der Küste wäre eine ge- naue Untersuchung der vielen und tiefen Wasserrisse des Ter- rains, der allenfalls ausbeissenden Kohlenflötze halber, von grosser Wichtigkeit. — Die so eben erwähnten Jüngern Fels- gebilde bedecken am Kap Kili den dichten Kalkstein unmittel- bar. Lezterer erhebt sich zu hohen Bergen von wilden schar- fen Formen; mit senkrechten Felswänden und einer grossen Anzahl von Höhlen, ähnlich dem Kalksteine um den Kopais- See auf dem Festlande. Der Kalkstein zeigt ein dichtes Ge- 80 füge Ist weiss bis dunkclgrau, splitteng; im ßruelic. Steigt man das Vorgebirge zum Meere hinab, so hat man Gelegen- heit die wirklich imponirende Einwirkung der Meeresbrandung auf den ganz kahl liegenden Kalkfelsen zu bewundern, der von oben angesehen im Grossen einem nach allen Richtungen zerspaltenen und in sein Innerstes zerrissenen Gletscher nicht iinähnlich sieht. Das ganze Vorgebirge wird von einem Eisen- steingange durchsezt, der aus NO. in SW. streicht, unter bei- Jäufig 14*^ gegen SO. verflächt und dessen Mächtigkeit, die ich zwar nicht genauer auszumitteln im Stande war, jedenfalls über acht Fuss beträgt. Der hangende Kalkslein des Eisen- steinganges ist bis auf eine Distanz von zwei Fuss von Eisen- oxyd stark durchdrungen und ganz ockergelb, während der liegende Kalkstein die interessante Erscheinung zeigt , dass das Eisenerz auf unendlich vielen Adern in das Nebengestein eindringt und dasselbe in mannigfaltigen Richtungen durch- schwärmt. In den kleinen buchtenartigen Vertiefungen der Küste ist das Ausgehende des Eisensteinganges von einem eigen- thümlichen Konglomerate bedeckt, welches als Gestein be- trachtet ein sehr schönes Ansehen hat. Dasselbe besteht aus ganz scharfkantigen Bruchstücken von Eisenerz und Kalkstein, welche durch eine zermalmte Masse dieses Erzes zu einem sehr festen und daher für architektonische Zwecke benutzba- ren Felsen verbunden sind. Das Eisenerz des Ganges selbst zeigt eine merkwürdige Mannigfaltigkeit. Man unterschei- det: Magneteisen, strahligen Eisenglanz, faserigen und dichten Rotheisenstein, faserigen und dichten Brauneisenstein, körni- gen Thoneisenstein, Eisenrahm, Elsensinter, Eisenkies. Ausser den Eisenerzen führt der Gang auch Braunstein undBraun- spath. — Der Kalkstein, welcher das Nebengestein des Ganges bildet, enthält nesterartig grosse Massen von gemeinem Kalk- spath und Stinkspath. Da das Hangende des Ganges gegen das Meer zu weithin entblösst ist, so Hesse sich der Abbau dieser Eisenerze steinbruchmässig mit grossen Vortheilen ein- leiten; nur fragt es sich zur hüttenmännischen Benützung der- selben vor allem um die Bedeckung mit dem erforderlichen Brennstoffe, worauf ich später zurückkommen werde. 81 Auf dem Rückwege von Kumi zum Bergbaue verfolgten wir die mit grossen Kosten aber so schlecht angelegte neue Strasse, dass sie als gänzlich unbrauchbar f'i'ir Fuhrwerk in die Keihe jener unglücklichen Unternehmungen gehört, in welche auch jene Sägemühle gezählt werden muss, welche man vor einigen Jahren auf der Höhe des Delphi erbaute und die nun verlassen ihrem Verfalle entgegensieht, weil man nach ihrer gänzlichen Vollendung erst in Erfahrung- brachte, dass sie ein Stück Brett nur für 25 Drachmen durchschnittlich zur Küste zu liefern im Stande sey, während ein solches Brett von Triest dahin gestellt ungefähr nur auf 2% Drachmen zu stehen kommt. Am 16. April unternahmen wir vom Zechenhause einen Ausflug in das Thal von Metochi am Ostgehänge des Delphi. Wir ritten in der Gebirgsmulde von Kastrovalla gegen NW. eine Stunde lang thalaufwärts, überstiegen einen Vorsprung der Kalkkette und gelangten mittelst eines abscheulichen Weges in ein zweites mit Eichen dicht bewaldetes Thal, in dessen Hintergrunde wir unsere Pferde zurücklassen mussten, da es nicht mehr möglich war, sie vorwärts zu bringen. Die kohlenführende Formation hält die ganze Strecke hindurch bis zum Kalksteine an und da ich an vielen Punkten dieses Terrains Kohlenbänke zwischen Mergel und Thon zu Tage gehen sah, die offenbar ein und demselben Flötzzuge angehören, so erhellt daraus, dass hier der bergmännischen Industrie noch ein weites Feld vorliegt, das die vollste Beachtung verdient. Der Mergel, der die Kohlen in diesen höhern Punkten der Mulde bedeckt, ist bedeutend reicher an Dikotyledonenresten als der weiter unterhalb in der Nähe des Zechenhauses an- stehende, auch enthält er ausgezeichnet schöne fossile Fische. Dieser Mergel besitzt eine rein schiefrige Textur und wird, da ihm, der atmosphärischen Einwirkung ausgesezt, eine aus- serordentliche Dauerhaftigkeit eigen ist, mit grossem Vortheile als Dachschiefer gebrochen und benüzt. Der Kalksteinrücken, welcher hier die kohlenführende Mergelbildung abschneidet, ist eine halbe Stunde breit. In dem Thale jenseits desselben, wo wir unsere Pferde zurückliessen, fanden wir im Kalke an- stehend eine sehr mächtige Lagerstätte, welche Rotheisenstein Russeggerj Reisen. IV. Bd. 0 82 und Thoneiseiisteiii führt und sich dem Streichen nach eine Stunde weit verfoIg;en lässt. Als wir, unsern Weg zu Fusse fortsetzend, auf die Höhe des Joches gelangten, welches das erwähnte Thal von der tiefen Schlucht Karigi trennt, wurden wir durch einen ausser- ordentlich schönen Anblick erfreut. Die blaue See mitsänimt- lichen Sporaden lag unabsehbar vor uns ausgebreitet: zur Seite sahen wir nordwärts in weiter Ferne die schneebedeckten Berge Thessaliens, denPelion und Ossa, während wir zunächst von dunkelgrünem Eichenwald und grauen Kalkwänden in den malerischsten Grnppirungen umgeben waren. Auf einem steilen Fusspfad stiegen wir durch den Eichen- wald in die Schlucht Karigi hinab, passirten sie an einer Stelle, wo sie kaum über eine Klafter breit ist und ruhten an einem Brunnen mit köstlichem Wasser, im einsamen Dunkel uralter Eichen und phantastisch wild geformter Felsmassen. Am entgegengesezten Gehänge der Schlucht fanden wir das Aus- gehende der Eisenerzlagerstätte aus ersterwähntem Thale nach der Richtung ihres Streichens neuerdings. Sie geht hier mit einer Mächtigheit von mehreren Klaftern zu Tage. Wir ver- folgten sie und gelangten auf das Joch, von welchem man in das schöne Thal von Metochi niederblickt. Zur Linken hatten wir den Skutini, vor uns die höchste Kuppe des Delphi, beide zur halben Höhe herab mit Schnee bedeckt. Am Fusse der beiden Berge dehnen sich bebaute Felder und Waldung aus, welch' leztereauf den Höhen aus Kastanien und Tannen besteht. Das gegenseitige Gehänge von Metochi bildet ein schmaler Bergrücken, der dieses Thal von dem nächsten, dem Thale von Stropones, scheidet. Um zum Bache in Metochi hinabzugelan- gen brauchten wir eine Stunde. ^Vir fanden daselbst die Ruinen eines alten Klosters sammt Kirche und in idyllischer Einsamkeit eine junge Albaneserin, schön, aber zum Zurück- schrecken scinnutzig. Sollte der griechischen Regierung jemals beifallen die in diesen Gegenden sich findenden Eisenerze zu benützen und sie auf Eisen zu Gute zu bringen, wozu ich es aber gegen- wärtig, im Vorbeigehen gesagt, der wichtigern Unternehmun- gen wegen, noch nicht an der Zeit finde; sollte sich in Folge 81) einer soigTältigen Taxation der Waldungen am Delphi und in Folge einer regelmässigen Forstkultur, da die gegenwärtige (1839) nicht zu loben ist, ergeben, d.ass diese Waldungen in den Stand gebracht werden können den erforderlichen ßreun- stofT zu einer Eisenhütte nachhaltig zu liefern; sollten die un- abweichlich erforderlichen Strassenanlagen eine nicht gar zu unverhältnissmässig grosse Auslage erfordern , oder sollte es bezüglich des Brennstoffes gelingen die Braunkohlen von Kumi entweder im verkoakten Zustande oder im Wege der Gasfeuerung zum Eisenschmelzprozesse mit Vortheil anzu- wenden, woran Ich bei den jetzigen Fortschritten in der Be- nützungsweise der manchfaltigen Brennstoffe ganz und gar nicht zweifle, so wäre allerdings das Thal von Metochi der Nähe des Meeres, der Erze und des Brennstoffes wegen, so wie der reichlichen Wasserkraft und des erforderlichen Ge- fälles halber um so mehr bei Anlage eines solchen Etablisse- ments zu beachten , als sowohl am Bauplatz als an Baumate- rial kein Mangel ist und nöthigen Falles auch Eisenerze und Brennstoffe aus andern Gegenden, von den Sporaden, aus dem Norden von Euböa u. s. w., sehr leicht und mit geringen Kosten zur See an die, Mündung des Thaies von Metochi gebracht werden können. Jedenfalls ist aber ein solches Unternehmen mit Rücksicht auf die Schmelzwürdigkeit der Erze und die Konkurrenz der Produktion vorerst von allen Seiten zu erwä- gen , jeder Schritt zu berechnen und jede Übereilung ferne zu halten. Am 19. April früh des Morgens verliess ich mit meinen Begleitern, denen sich auch Schiller anschloss, das Zechen- haus am Mavrovuni bei Kumi. Am Fusse dieses Berges, wo die Ruinen einer alten Burg stehen, betraten wir einen der schlechtesten Wege, die ich je passirte und der uns eine Stunde lang durch eine steile Schlucht hinanführte. Wir überschrit- ten mehrere alte Schneelawinen, nicht ohne Gefahr für unsere Pferde wegen Einbruch der unterhalb hohlen Masse, sahen in den an und für sich nicht geschlossenen, sondern sehr gelich- teten, aus Rotheiben, Kastanien und gewöhnlichen Tannen bestehenden Wäldern gräuliche Verwüstungen des Borken- käfers, fanden in den Schluchten sehr viel altes überständiges, 6* 84 dem Verfaulen preisgegebenes Holz, gelangten, als wir das Joch vonKarigi passirt hatten, in das Gebiet des neuen, jüngst gefallenen Schnee's und es begann nun für unsere Pferde und für uns ein harter Kampf. Längst sclion abgestiegen, des ab- scheulichen Weges halber, mussten wir nun auch unsere Pferde abpacken, denselben durch die steilen Sclineegehänge einen Weg bahnen, wobei wir selbst häufig bis an die Brust einbra- chen und sonach das Gepäcke nachtragen. Eine Strecke weit zogen wir hierauf durch Wald am Gehänge des Skutini hin ; der Schnee wurde wieder tiefer, wir passirten das Joch von Metochi (alle diese Stellen jedoch viel höher am Gebirge als das erstemal am 16. April), ruhten ganz ermattet an einer frischen Quelle etwas aus und versuchten endlich in der Ein- sattelung zwischen dem Skutini und Delphi durchzukommen, um auf die Westseite der Zeutralkette zu gelangen. Jedoch vergebens, der Schnee lag so tief und leistete den Tritten der Pferde so wenig Widerstand, dass wir sammt unsern Thieren endlich ganz erschöpft den Versuch aufgeben und umkehren mussten. Glücklicherweise fanden wir einen Fusssteig, der uns steil durch den Wald hinab in das Thal von Makrochori, auf der Westseite des Delphi, führte und welchem nach wir endlich Abends das Alpeudörfchen Sedda erreichten, wohin Avir ohne dem Kampfe mit dem Schnee vom Zechenhause aus leicht in 4 Stunden hätten gelangen können. Die Bewohner von Sedda, wild wie die Lage des Ortes, verweigerten uns, natürlich gegen Bezahlung verlangt, alles Futter für unsere äusserst angegriffenen Pferde und ich nahm daher, da hinläng- licher Vorrath vorhanden war, keinen Anstand zum lezten Mittel greifen zu lassen, nämlich zur Gewalt, was auch nach Wunsch wirkte. In der Nähe der erwähnten Ruinen einer alten Burg am Fusse des Mavrovuni verliessen wir das Gebiet des kohlen- führenden Mergels und betraten jenes des dichten Kalksteins, welcher bis auf die Höhe der Einsattlung zwischen dem Delphi und Skutini anhält, wo er In senkrechter Stellung seiner Ge- steinslagen Thonschiefer, Gneiss, Glimmerschiefer und chlo- ritische Gesteine bedeckt. Der dichte Kalkstein ist voller Höhlen, die meistens ganz senkrecht in eine unbekannte Tiefe 83 niedergehen und zum Tlieile mehrere Klafter weite Öffnungen haben. Im Frühjahre ergiessen sich in viele dieser Höhlen starke Berghäche und da sich dieselben demungeachtet nie mit Wasser füllen, so ist das Vorhandenseyn unterirdischer Abflüsse ausser allem Zweifel, wenn auch diese Abflusskanäle nicht bekannt sind. Am 20. April. Unsere Agoiati (Pferdeknechte) bedurften fast derselben Mittel, um sie am Morgen zum Aufbruche zu bewegen, welche man bei den Arabern so häufig anzuwenden gezwungen ist. Endlich sassen wir im Sattel, ritten bergan und bergab, erreichten nach zwei Stunden das Thal der Plata- nen, somit den Weg , den wir bereits von Chalkis nach Kumi gereist waren, passirten die beiden Dörfer Mistra rechts und links des Weges und gelangten endlich nach 5 Stunden in die Ebene der westlichen Küste. Wir wendeten uns nun und zo- gen fast genau im Mittel der Insel gegen Nord und Nordwest. Auf einem Felde beliebte es den Bauern aus Muthwillen ihre Hunde auf uns zu hetzen. Als wir jedoch einen derselben niederschössen und den Eigenthümern begreiflich machten, dass sie , um w eitere Beweise unserer Kunst ferne zu halten, ihre Hunde augenblicklich zurückzurufen haben, thaten sie lezteres ohne Widerrede. Wir schlugen unser Nachtquartier im Dorfe Psachna auf. Ungefähr eine Stunde vor Psachna, nämlich südlich vom Dorfe, fanden wir ein sehr mächtiges Lager von Rotheisen- stein aus Ost in West zum Meere hinstreichen, welches kaum zwei Stunden entfernt ist. Ohne Zweifel setzt dieses Lager im dichten Kalksteine auf; denn diesem und dem Serpentin gehören alle umliegenden Berge an. Am 21. April. Durch einen schönen stämmigen Wald auf guten Wegen und in duftender Morgenluft zogen wir munter zu wiederlioltenmalen das Westgehänge der Centralkette, hier die Verbindung des Delphi mit dem Kandili, hinan, um neuer- dings auf die östliche Abdachung der Insel zu gelangen. Auf der Höhe angelangt, im Angesichte beider Meere, grüner Wälder und schneebedeckter Kuppen fanden wir die Ruinen eines Försterhäuschens und eine Quelle mit herrlichem Wasser. Um sich uns aber nicht nur im grossartigen Festkleide, sondern 86 auch in ihrem wundervollen Stillleben zu zeigen, Hess Maman Natur, während wir unsere sattelmüden Glieder im Schatten streckten, einenZug wandernder Raupen an uns auf dem Wege vorbeidefiliren. Es waren ihrer wohl einige Hunderte, welche einzeln aneinandergereiht, indem jede sich amHintertheile des Vorgängers festhielt, eine lange Kette bildeten. Das Thal, durch welches wir amOstabhange derCentral- kette hinabzogen, wurde immer felsiger, der bisher gute Weg schlechter. Nach 7 Stunden, während denen wir beständig im Walde ritten, langten wir in Achmed Agä an. Der daselbst bestehende Chan zog uns nicht als besonders wohnlich an, wir traten daher bei dem Engländer Noel ein, der hier am Fusse des Kandili einen höchst romantischen Landsitz bewohnt und in dessen Familienkreise, bestehend aus seiner jungen Frau, seiner Taute und einem Deutschen Namens Müller, wir die liebenswürdigste Aufnahme fanden. Die 3 Stunden lange Strecke vonPsachna bis zum West- gehänge des Centrale hatten wir uns fortan im Bereiche des dichten Kalksteins, wechselnd mit Serpentin, befunden. Das Centrale selbst besteht aus Glimmerschiefer, Thonschiefer und gneissähnlichen Felsgebilden. Wenn man am Ostgehänge niedersteigt stösst man zuerst auf Serpentin mit Lagern von Rotheisenstein, welche Felsbildung eine Stunde weit .tnhält; dann folgen kühn gebaute Felsgrnppen des dichten Kalksteins, mit tiefen, engen Schluchten, bis man endlich das Becken von Achmed Agä am Ostgehänge des Kandili betritt, welches sanft in Nordost verflächt und in dieser Richtung sich gegen das Meer hin bei Mantndis öffnet. Das ganze Becken ist mit AUuvien und Diluvien erfüllt. Man beobachtet Schnttland, nagelflueartige Konglomerate, jungen Sandstein und besonders vorherrschend in der ganzen Umgebung von Achmed Agä, namentlich alle Niederungen ausfüllend, ein ganz eigenthüm- liches, in mancherlei Beziehung höchst interressantes Konglo- merat. Dasselbe bildet zunächst dem genannten Orte kleine Berge von mehr als hundert Fuss Höhe, von tiefen, schmalen Schluchten zerrissen und besteht aus Trümmern von Roth- und Brauneisenstein, von thonigeni Sphärosiderit, von dichtem Kalkstein, von Serpentin verbunden durch Thon, thonigem 87 Spliärosiderit und ein kaikigthonig^es Zement, mitunter vun grosser Festigkeit. Wie einerseits dieses Konglomerat durch seine konstitui- renden Bestaudtlieile lokal als Eisenerz zu betrachten ist^ so gewinnt es andrerseits ein nicht minder hohes industrielles Interesse durch den Umstand, dass es auf ganz schmalen Gän- gen Gypsspath und vorzüglich auf Lagern, Nestern und KnoU len, Tripel und Meerschaum fiihrt, welch lezterer stets von milchweissem Halhopal, den Kern der Meerschaumknollen namentlich bildend ■', begleitet wird, Tripel, Meerschaum und Halbopal, obwohl verschieden in ihrer chemischen Zusammensetzung, jedoch insgesammt Silikate, sind hier offenbar nur die Resultate eines und des- selben Bildungsprozesses und zwar, wie ich glaube, des der polarischen Ausscheidung ihrer Elemente aus der Gesammt- masseund der Anordnung derselben in Folge ihrer polarischen Eigenschaften zu separaten Älassen; ein Akt, welcher zunächst jenem der Krystallisation steht und aus welchem jene polyhe- drischen Körper (Nester, Knollen, Konkretionen «. s. w.) her- vorgehen, welche man auf dem neuesten Standpunkte der Wissenschaft unter dem Namen Krystalloide bereits vielseiti- ger iu's Auge zu fassen beginnt und denen wir in der Natur iiberall begegnen, wo wir nur hinblicken. Mit Bezug auf den Massstab der Entwicklung ist der Tripel weit untergeordneter, während der Meerschaum mit dem ihn stets begleitenden Halbopal zum Theil Lager, jedoch stets stockartige , von abbauwi'irdiger Mächtigkeit bildet, findrerseitt sich, in Knollen zerstreut, im Ganzen dem erwähn- ten Konglomerate angehörenden Schuttlande ringsherum findet. Alle Meerschaumknollen, welche ich sah, bestehen aus einem Kerne und einer konzentrischen Schaale, ersterer milchweis- ser Halbopal, leztere reiner Meerschaum. Liegen die Knollen an der Luft so verliert der Meerschaum rasch das ihm me- chanisch beigemengte Wasser, seine Theile ziehen sich un- gleichartig zusammen, er zerspringt und zerfällt in kleine Welche Erscheinung wir auch bei'ni Meeischaume von Theben in Böotien ganz ausgezeichnet wahrnahmen. 88 Stückchen, während der Halbopalkern unverändert bleibt. Liegen die Knollen jedoch imKono;lomerate, bedeckt von Erde oder sonst gegen den Zutritt der Luft geschüzt, so erhält sich der Meerschaum in der ihm eigenen weichen Konsistenz. So wie demnach bei dem einzelnen Stücke Meerschaum die Masse des den Halbopal umgebenden reinen Meerschaumes bezüglich der technischen Beniitzbarkeit dieses Stückes von vornherein entscheidet, so hängt die fernere Erhaltung dieser Benützbar- keit davon ab, dem Meerschaume durch künstliche Mittel seine Feuchtigkeit so langsam als möglich zu entziehen, um eben dessen Zerspringen zu verhüten. Auf diesen Gegenstand werde ich später zurückkommen. Am Gehänge des Kandili fand ich im dichten Kalksteine und Serpentine mehrere mächtige Lager vonRoth- und Braun- eisenstein aufsetzen. Am 22. April. Unsere Route weiter gegen NW. führte uns durch ein herrliches, fruchtbares Land am Ostgehänge des Kandili hin. Die Centralkette sinkt in ihrer Höhe gegen das Nordende der Insel zu bedeutend herab und wir fanden sie dort, wo wir sie zumleztenmale überschritten, um noch einmal auf die Westseite der Insel zu gelangen, bereits sehr unan- sehnlich. Von der Höhe des Centrale aus sahen wir auf dem Festlande (Rumelien) grosse Bergmassen, darunter den schönen Oeta und uns gerade gegenüber am Strande des Meeres lagen die Thermopylen. Gegen die Küste zu wurde der Weg schlechter. Bald sahen wirLimni, dicht am Meere, ein nettes Städtchen mit ungefähr 1000 Einwohnern, das wir Nachmit- tags erreichten und wo Avir uns auf dem Ottoplatze in einem freundlichen Häuschen einlogirten. Auf dem Markte fanden wir die so eben eingelaufene Neuigkeit, dass der Seeräuber Karabarisis nebst dreien seiner Spiessgesellen an den Spora- den vor ein paar Tagen glücklicli getödtet worden sey. Friede seiner Asche! Noch hat übrigens Griechenland an solchen Strauchrittern, den letztenResten der alteuHeldenzeit, desshalb keinen Mangel; nur müssen sich dieselben, um mit Anstand er- scheinen zu können, politisch mit Oppositionsfarbe anstreichen. Von Achmed Agä nach Limni, in der Richtung Ost- West, durchwandert man anfänglich 2 Stunden lang das Diluvial- 89 teirain des Beckens, hestehend in jüngster Nagelflue, Sandstein lind dem erwähnten nieerselianmfülirenden Konglomerate. Sodann betritt man wieder das (iebiet dichten Kalksteins, der hier den ganz niedern Zentralrücken bildet, jenseits wel- chen man, indem man sich gegen Linini an die Westküste hinabsenkt, eine Stnnde lang eine muldenförmige Einbucht im Serpenlin- und Thonschiefergebirge durchschneidet. Neuer- dings verdrängt von dichtem Kalkstein beobachtet man in einzelnen Thalschluchten desselben wiederholt das meer- schaumführende Konglomerat und gelangt endlich, gerade oberhalb der Bucht von Limni, zu einer sehr mächtigen, einen ganzen Hügelzug bildenden Einlagerung von Thonschiefer mit Rotheisenstein, welche, begleitet von Serpentin, offenbar dem dichten Kalksteine untergeordnet ist, der in steilen Wänden zur Küste abfällt. Die Bucht von Limni selbst ist mit dem brauukohlenführenden Süsswasserkalkmergel von Knmi ange- gefüllt, der sich von da iiber 6 Stunden weit gegen NO. in das Innere der Insel erstreckt und sowohl bei Kechries, als zwi- schen Kurkulus und Kerasia zu Tage gehende ßraunkohlen- flötze von sehr beachtenswerther Mächtigkeit führt. Bei Limni liegt dieser Süsswassermergel auf altern Süsswasser- gebilden, die häufig Landkonchylien (Univalven) noch lebender Arten führen und deren Schichten insgesammt 22 h. 10" strei- chen und in 16 h. 10'' verflachen. Im Serpentine der umlie- genden Berge setzen Gänge mit Schwerspath auf. Am 23. April. Um die Thermen bei Lipso, die Bäder des Herakles, im Norden der Insel zu besuchen mietheten wir in Limni einen Kutter und schifften uns heute mit dem ersten Granen des Tages dahin ein. Wir fuhren in der Richtung NW. längs der Küste und erreichten in 6 Stunden unser Ziel. In der schönen Bucht von Lipso, umgeben von hohen Kalkstein- und Serpentinbergen, treten in geringer Entfernung von der Küste, am Fusse der Berge, viele heisse Quellen mit starkem Hochdrucke zu Tage. Das Wasser dieser Quellen sezt ausserordentlich viel kohlensauren Kalk mit Eisenoxyd gemengt ab und bildet so fortan eine grosse Menge Sinter, der zum Theile ganz dem sogenannten Travertino gleicht. Jede Quelle bildet der Art um sich herum einen Sinterkegel, 00 mitunter bis zu 12 Fuss Höhe, auf dessen Spitze sie hervor- sprudelt und sich, wenn sie sich diesen Kanal im Laufe der Zeit durch den fortdauernden Sinterabsatz selbst verschliesst, im Terrain nebenan einen neuen Ausfluss durcharbeitet. Auf diese Weise hat sich nicht nur die ^anze Küstenebene, in einer Längenstrecke von einer halben Stunde, mit einer mächtigen Siutcriage bedeckt, auf welcher man eine Menge kuppeiför- miger und kegelartiger Quellenbaue beobachtet und aus wel- cher die heissen Quellen in grosser Anzahl hervorbrechen, sondern es gehört auch das ganze Hi'igelland am Fusse der Bergkette bis zur Meereshöhe einiger hundert Fuss dieser Sinter-Bildung an, was zu dem Schlüsse berechtigt, dass diese heissen Quellen einst höher am Gebirge in grösserer Menge hervorgebrochen seyu miissen. An den ji'ingsten Sinterbildun- gen bemerkt man häulig alle jene bizarren gewächsartigen Formen, Avelche diesen Quellensedimenten eigen sind ; der ältere Sinter aber, welcher gleich dem Jüngern Pflanzenreste und Landkonchylien einschliesst, jedoch nur die höchsten und am weitesten landeinwärts liegenden Hügel bildet, zeigt ein mehr dichtes Gefüge, ist manchen Grobkalkgebilden ähnlich und gleicht ganz den Süsswasserbildungen von Limui, welche unter dem braunkohlenführenden Süsswasserkalkmergel liegen, so dass ich auch diese für verwandte Quellengebilde anzuspre chen geneigt bin Bei einigen Quellen ist derEisenoxydgehalt so beträchtlich, dass dadurch der Schlamm, welchen sie absetzen, ganz dunkelroth gefärbt wird, im Quellensinter beobachtet man Krystalle von salzsaurem Natron und schwefelsaurem Kalke. Im Allgemeinen hat das Wasser dieser Thermen * einen stark salzigen Geschmack und riecht mehr nach schwefeliger Säure als nach Schwefelwasserstoff. In der nördlichsten dieser Quellen, welche ici» als die mächtigste fand und die 1 Fuss hoch über ihre Mündung emporsprudelt, stieg das Thermo- meter bis zu 70*^ Reaum. Das Wasser ist daher nahe siedend heiss und wirklich kochten wir darin auch einige Eier in 4 Minuten vollkommen. Das spezifische Gewicht des Wassers Dk Cigalia: Zerlegungen der Mineralwasser in Griechenland. Im Giornale Toscano di Szienze mediche, fisichc et natural!. Pisa. 1843. Lkonh. Jahrb. 1847, pg. 835. 91 fand ich bei einer Temperatur von 12,5" Reaum. = 1,021. Der Hochdruck, mit welchem diese Quelle in ihrer natürlichen Röhre aufsteigt, ist so stark, dass hineingeworfene faustgrosse Steine augenblicklich zurück herausgeschleudert werden. Der Boden um die Quellen herum ist hohl und daher wegen allfäU lig;em Einbrechen in die kochende Lauge nicht ohne Gefahr zu passiren, ausserdem ist derselbe so heiss, dass man es hie und da kaum mit gut bekleideten Füssen lange anshält und einer unserer Agoiati, der blossfüssig- zur grossen Quelle lief und überrascht von der wirklich grossartigen Erscheinung- die grosse Hitze des Bodens zu spät verspürte, mit den komisch- sten Bockssprüngen entfloh. Hie und da beobachtet man am Rande der Qnellenmündungen einen leichten Schwefelanflug. Eine der heissen Quellen wird von den umliegenden Land- leuten vorzüglich zum Abbrühen und putzen des Geflügels benuzt und da in Folge dessen der Sinter eine Menge kalzi- uirter Federn u. s. w. umschliesst, so kann dieser Punkt einst Tür künftige Geologen eine ergiebige Fundgrube grossartiger, imposanter Hypothesen werden. Bei einer andern dieser Quel- len bemerkte ich eine ausserordentlich sclinelle Sinterbildung;. Das Wasser bedeckt sich nämlich in Berührung mit der atmo- sphärischen Luft fortan mit einer anfänglich dünnen Haut, die endlich zur festen Kruste wird. Bricht man nun diese durch oder wird sie von der Quelle selbst durchbrochen, so erneuert sich jene Haut augenblicklich wieder und der Sinterbildungs- prozess beginnt von Meuem. In der Nähe dieser Thermen befanden sich einst bei dem alten Aedepsos die Bäder des Herakles, von denen man die heutzutage noch sichtbaren Reste, z. B. in Felsen ausgehauene Badekammern und Badewannen u. s. w. wahrnimmt. Wollte man den einstigen Zustand dieser Badeanstalt, deren sich auch Sulla, in seinen fatalen Zuständen bedient haben soll, nach dem heutigen Bestände derselben beurtheileu, so müsste sie scheusslicli gewesen seyn. Am meisten interessirten mich hiebei die hübschen Stalaktitenbildungeu, der Kochsalzanflug an den Wänden und besonders die gigantischen Infusorien, die ganz lustig in dem lauwarmen Salzwasser, das eine dieser antiken Badewannen erfüllte, herumschwammen: vvalzenför- 92 iiiige, 1 Zoll lange und mit noch langem Schwänzen begabte Thiere von Gallertartiger Konsistenz. Spät am Abende schifften wir uns wieder zur Rückkehr nach Limni ein, welchen Ort wir aber konträren Windes und hoch gehender See wegen erst am 24. April um lUhrMorgens erreichten und auch bereits um 7 Uhr wieder verliessen, um nach Chalkis zurückzureiten. Einen Abstecher nach Mantudis abgerechnet wählten wir zur Rückreise ganz den früher genommenen Weg , passirten mehrere recht freundlich situirte Landhäuser, durchzogen schöne, heimatlich ansprechende Wälder und kamen Abends am 25. April in Chalkis an, wo wir im Hause unseresFreundes Dr. Hahn die herrzlichste Aufnahme fanden. Der Besuch der so viel besprochenen und in neuester Zeit manche erfolglose Auslage wiederholt in Anspruch genom- menen Katabothra* des Kopaissee's in Böotien bildete unter andern eine der wichtigsten und interessantesten Aufgaben meiner Reise in Griechenland und da die Exkursion dahin wegen derNähe des Kopaissee's und vorzüglich wegen der Nähe der hypothetischen zVusmündungen der Katabothra an der Küste am leichtesten von Chalkis aus abgethan werden konnte und ich mir auch hiedurch eine Unterbrechung meiner vor- habenden Route von Theben über Livadia an den Parnass ersparte, so trat ich am 30. April in den frühesten Morgenstunden die Reise dahin an. Wir begaben uns von Chalkis auf das Festland hinüber, ritten an der böotischen Küste zwei Stunden gegen Nordwest, hielten an einer salzigen, dicht am Strande zu Tage tretenden öuelle und wendeten uns sodann links das Gebirge hinan, wo wir in einer Stunde das Dorf Lukissia erreichten. Von diesem Dorfe zogen wir das Gebirge in nordwest- licher Richtung weiter hinan und gelangten nach einer halben Stunde in das Bassin, welches sich am südöstlichen Abhänge „Karo^C))3pov" eigentlich die „Untergrübe". Wäre somit be- zeichnend für Erbstollen. Hier bezeichnet aber uazaßdd^pa (Plural) die unterirdischen natürlichen Kanäle, durch w e 1 cii e das Wasser des Kopaissee's zum Meere abfliesst. 93 des Ptoos Viina ausbreitet und dessen tiefste Niederung der Paralimni (Nebensee) erfüllt. Der Paralimni liegt östlich vom Kopaissee, von welchem er durch den Ptoos Vuna getrennt wird und ist ungefähr 2 Stunden Weges von der Küste entfernt. Er ist der östlichste der böotischeu See'n ; seiner Lage nach tiefer als der Kopais, von welchem er wahrscheinlich unterirdisch den Hauptzutluss erhält; er besizt eine Länge von ungefähr zwei Stunden und eine grösste Breite von beiläufig einer halben Stunde. DerAb- fluiis dieses Sees ist ebenfalls unterirdisch und zwar befindet sich an seinem nordöstlichsten Ende, in der Nähe einer verlas- senen Mühle, die grosse Öffnung eines Katabothron, in wel- chen sich der aus dem See kommende Bach hinabstürzt. Da die Sohle des Mundloches dieses Katabothron ungefähr 18 Fuss tiefer als das Niveau des See's liegt und der inzwischen liegende natürliche Felsendamm nur eine Breite von beiläufig 72 Fuss hat, so würde hier durch die Aussprengung eines etwa 5 Fuss breiten Kanals nicht nur das gegenwärtige Niveau des Sees um 18 Fuss tiefer gebracht und somit eine bedeutende Fläche des schönsten Kulturlandes trocken gelegt werden können , sondern es wäre, da der Paralimni nicht sehr tief zu seyn scheint, auch hiedurch die Hoffnung begründet, diesen See auf solche Weise ganz oder wenigstens zum grössten Theile abzapfen zu können. Meiner oberflächlichen Schätzung zu Folge dürften diemit einem solchen Entvvässerungsbaue ver- knüpften Unkosten kaum über 3000 bis 4000 Drachmen* betra- gen, wofür hingegen die Aussicht bestünde, 60 bis 70 Tagebaue oder 240 bis 280 Stremmata** des besten Kulturbodens, ein schwarzer, fetter, tiefgründiger Thonboden, zu gewinnen. Sollte der erwähnte sichtbare Katabothron weiter nach Innen, wie zu vermuthen steht, noch mehrere und stärkere Abfälle besitzen, so könnte natürlich, im Falle man esfürnöthig halten sollte, mit dem Kanäle auch noch ein viel beträchtlicheres Gefälle eingebracht werden. * 1 Draclmic = 100 Lepfa = 21 Kreuzer Conv.-Münz. 1 Lepta = 0,21 Kreuzer Conv.-Münz. 1 Ottothalcr = 5 Drachmen. *" Vier Stremmata auf 1 Tagbau gerechnet. 94 Vom Paralimni, nachdem wir ihn seiner Länge nach ver- folgt hatten, ritten wir nordwärts 1 Stunde lang den Ptoos Vuna hinan und genossen von der Höhe des Weges eine herr- liche Fernsicht über einen Theil des Kopais, nach Theben und Livadia; wir erblickten in einem weiten Umkreise viele der heiligen Berge Hellas, den Parnass, Helikon, Cithereon, Kyr- tonon u. s. w. und sahen hinter uns in Süd liegend die beiden andern Nebensee'n des Kopais, den ansehnlichen Likeri und den kleinen Morikios. Nachdem wir noch weiter 2'/, Stunden in nordwestlicher Richtung unsern Weg durch ein wildes Gebirgsland fortgesezt hatten, dessen Kuppen zu nahe 5000 Fuss Meereshöhe anstei- gen dürften, erreichten wir das Dorf Kokkinos, wo wir unser Nachtquartier aufschlugen. Im Abendlichte lag der bleiche Spiegel des Kopais vor uns, wir sahen die alte Burg auf der Insel Topolias und im See den Streifen des am nordwestlichen Hände desselben einmündenden Mavro Potamos (Cephlssus). Am 1. Mai 1839. Als die ersten Strahlen der Morgen- sonne die wild gezackten Felsgipfel des Parnasses rötheten stand ich schon lange auf der Höhe des Dorfes und schaute das wunderbare Bild. Zwischen den Gebirgsstöcken des Parnasses, des Helikon, des Knemis, des Kyrtonon und jenen der Küstenberge dehnt sich das grosse Becken von Livadien aus. Die Niederung dieses Beckens, welche der Mavro Potamos der Länge nach durchfliesst, war einst eine fruchtbare Ebene, ein Segen brin- gender Kulturboden, bedeckt mit blühenden Städten und Dör- fern, durchzogen von belebten Strassen "''- und Kanälen. Die am Ostrande dieses Beckens, im Kalksteine des Küstengebir- ges sich befindenden Katabothra, meiner Ansicht nach Kalk- schlotten von stundenlanger Ausdehnung, nahmen nicht nur das Wasser des Mavro Potamos, sondern auch jenes aller übrigen Zuflüsse des Beckens auf und führten dasselbe auf unterirdischen Kanälen durch den Felsendamm , welcher das Becken Livadiens vom Meere trennt, der Küste und den Küstenthälern zu, wo es durch Gesteinsspalten seinen Ausweg fand. Sehr wahrscheinlich wurden die Katabothra mit '^' Fiedler, I, p. loo etc. 05 Sorgfalt offen erhalten, da der nngeliinderte Wasserabzug durch sie die Lehensfrage für die reiche Ebene bildete. Zeit- verhältnisse und Naturereignisse jedoch scheinen die feindliche Oberhand gewonnen zu haben , die Kanäle verstopften sich zum grossen Theile , wahrscheinlich durch Verbrüche, in Folge von Erdbeben, durch Verschlammung, durch Ausfüllung mit Holz, Reisig und dergleichen Gegenständen und das Resul- tat war die Zurückstauung der Wasser, somit die Umwand- lung der blühenden Ebene in See und Sumpf. Spätere berg- männische Anstrengungen unter Alexander dem Grossen, mit Sachkenntniss und grossem Kostenaufwande angelegt, hatten die Absicht dem Wasser wieder Abzug zu verschaffen; es scheint jedoch dieser grossartige Plan nur zum Theile gelun- gen zu seyn und auch das bereits Errungene ging im Verlaufe der Zeit grösstentheils wieder zu Grunde oder wurde wenig- stens ausser brauchbarem Zustande versezt. So kam es nun, dass auch jezt, wie schon vor Zeit Alexanders des Grossen, der Mavro Potamos im Winter und Frühjahre die ganze Nie- derung des livadischen Beckens mit Wasser erfüllt und einen grossen See bildet. Im Laufe des Sommers, bei Abnahme der Zuflüsse, legt sich auch ein Theil dieses Seebodens trocken, da noch immer ein Theil des Wassers, wenn auch nicht alles, durch die Katabothra abzieht. Der eigentliche Seespiegel be- schränkt sich sodann nur auf die am tiefsten liegenden Punkte in der Nähe der natürlichen Eingänge der Katabothra; der grösste Theil der Niederung aber bildet im Sommer einen Sumpf, die reichste ftuelle bösartiger Krankheiten für die Umgebung und der Stein des Anstosses für die Wiederkulti- virung der einst blühenden Ebene. Diese weite Fläche von See und Sumpf, zur Zeit des höchsten Wasserstandes zwei starke Tagereisen im Umfange messend, ist der Kopaissee der Alten und Neuen, auch der See von Topolias genannt. In der Nähe des Kopais liegen noch drei andere kleinere See'n, nämlich der Likeri und Morikios östlich desselben und südlich vom Ptoos Vuna und der Paralimni, nordöstlich dei* ersterwähnten beiden Nebensee'n und südöstlich vom Ptoos Vuna. Alle diese drei Nebensee'n, deren ich bereits früher erwähnte, liegen tiefer als der Kopais, haben wahrscheinlich 96 .unterirdische Zuflüsse von diesem Hauptsee und fliessen eben so wie der Kopais durch Katabothra ab. Die Katabothra, deren viele sind, grosse und kleine und von denen die meisten gar nicht sichtbar seyn dürften, sind durchaus nur Werk der Natur und der Mensch hat ausser einigen Erweiterungsarbeiten, Nachhülfen und jenen bergmännischen Durchschlagsbauen aus der Zeit Alexanders des Grossen, deren ich gleich im Weitern erwähnen werde, daran keinen Tlieil. Sie sind meiner Ansicht nach, wie bereits gesagt, wahre Kalkschlotten, ohne Zweifel in Verbindung mit Gesteinsklüften, vielleicht auch denselben im Ganzen in der Richtung folgend, röhrenförmige Höhlen, von äusserst unregelmässiger Gestalt, ungleichem Gefälle und sehr oft und stark wechselnder Innern Weite; daher auch die allfällige Gewältigung eines solchen Katabothron keineswegs mit der eines Stollens oder einer Strecke identifizirt werden darf. Das Felsterrain , in welchem sich die Katabothra des Kopais und seiner Nebensee'n befinden, so wie das der ganzen Umgebung des livadischen Bassins, gehört dem dichten Kalk- steine an, der alten, grauen, harten Kreide, weichein der Nähe der Küste mit Serpentin wechselt und mächtige Lager- stätten von Rotheisenstein enthält. Die Gesteinslagen dieses Kalkes streichen 5 h. und verflachen an der Küste in 23 h., am Kopais hingegen gerade entgegengesezt, nämlich in 11 h. Wenn man vom Dorfe Kokkinos in die Niederung des Kopais niedersteigt und seinen östlichen Rand nordwärts verfolgt, so stösst man zuerst auf den sogenannten grossen Katabothron, in neuester Zeit mit No. 1 bezeichnet, welcher im Sommer allein den ganzen Mavro Potamos, der seinen Lauf dahin durch die Ebene richtet, aufnimmt und sich in der ßucht von Skroponeii dicht am Meere mündet, wo man Süss- wasseraus mehreren Offnungen in deuKalkfelscu hervortreten sieht. Die Länge dieses Katabothron muss sonach über 3000 Klafter betragen. Den Eingang dieses Katabothrons vom See aus bildet eine schöne, durch allmäligen Einsturz der Decke entstandene Grotte von 10 Klafter Breite bei 6 Klafter Höhe. Durch Felsen, Holzwerk, Schlamm u. s. w. ist dieser Katabo- thron gleich von vornherein verstopft, so dass das nur in sehr geringer Menge durch ihn abziehende Wasser äusserst kleine 97 Strömung zeigt, meiner Beobachtung nach, in einerZeitsekunde nicht mehr als einen Zoll betragend. Ich fand diesen Kata- bothron ganz mit Wasser voll, im Sommer jedoch soll man eine bedeutende Strecke weit eindringen können. Derselbe scheint sich gerade aus West in Ost zu erstrecken und ottcnbar haben die Alten auch seine Oeffnung schon versucht; denn Ich fand ein auf der Höhe des Bergabfalles auf diesen Kata- bothron niedergehendes, verstürztes Lichtloch. Verfolgt man vom grossen Katabothron den Rand des Sees weiter gegen ]Nord, so gelangt man zu zwei anderen Katabothra minderer Bedeutung* nnd endlich zum Katabothron Nro. 4, Fiedlers sogenannten Martini-Katabothron , dem in technischer Bezie- hung interressantesten und wichtigsten unter Allen. DerKa- tabothron Nro. 3 scheint offenbar nur ein Seitenzweig des Nr. 4 zu seyn, der sich vom See aus unterhalb einer Thalschlucht durch den Felsendamm der Küstenberge, ungefähr nur 1000 Klafter weit, bis in das Thal von Kephalaris erstreckt , wo seine Wasser an einem Felsabsturze aus unzähligen Spalten der Felswand mit Gewalt hervorbrechen, einen starken Bach bilden und daselbst die sogenannten Martini-Mühlen treiben. Die Oeflfnung dieses Katabothrons und respektive dieRe- gulirung desselben in Form eines selbstständigen Wasser- stollens zur Abzapfung des Kopais war der Hauptgegenstand der Bemühungen der Alten. Sie hatten zu diesem Zwecke 15 Lichtlöcher (nach Fiedler) , von denen ich zehn besichtigte, in dem Thaleinschnitte des Gebirges auf den unterhalb durch- ziehenden Katabothron mit sauberer Schrämmarbeitnieder«*-e- teuft und den Betrieb mittelst Orten und Gegenorten eingelei- tet. Alle diese Schächte, meist quadratisch mit vier Fuss iiu Lichten betrieben, sind zum kleineren Theile unvollendet und zum grösseniTheile verstürzt, nur jener auf dem höchstenUeber- gangspunkte angeschlagene ist über 100 Fuss in die Tiefe noch offen und geht bis auf den Katabothron nieder, den man von diesem Schachte aus nach der Angabe des Pionier-Korporals Kleinknecht , der in neuester Zeit bei den in Kephalaris vor- genommenen Versuchsarbeiten die Arbeiter überwachte, in " In allem zählt man am Ostrandc des Kopais 7 Katabothia, sichev aber sind deren mehrere. Russegger, Reisen IV. Bd.. 7 98 einer Längeiistiecke von iingefähi- 300 Klafter, obwohl mit oiosser Gefahr wegen Verbrnch, soll befahren können. Wäh- rend dem Verlanfe des Sommers soll dieser Katabothron ganz trocken stehen nnd darin nngehindert gearbeitet Averden kön- nen. — In nenester Zeit wurde die Idee der Wiedereröffnung der Katabothra und somit die der Abzapfung des Kopaissees, lim an 30,000 Tagebaue des fruchtbarsten Bodens der Kultur wieder zu geben, von der griechischen Regierung mit Eifer aufgegriffen. Die x\rt und Weise jedoch , in der man diese Absicht zu realisiren suchte, sowie die hiezu zu Gebote ste- hende, zu geringe pekuniäre Kraft, Messen keinen günstigen Erfolg daraus erwachsen. Von Vorne herein machte man sich eine irrige Vorstellung von der Natur der Katabothra, indem mau sich dieselben zu regelmässig, als Kanäle, als natiirliche Stolleu vorstellte und auf den Gedanken verfiel, das Mundloch des Katabothron Nro. 4 in Kephalaris zu suchen : denn anders kann ich mir den ausgedehnten Angriff auf die Felswand daselbst, aus deren Spalten an den Martini-Mühlen das Wasser her- vordringt, nicht erklären. Mir scheint, dass man hiebei mehr der Mythe traute, als der einfachen Naturanschauung. Zu- dem wurde die pekuniäre Kraft nicht auf einen mit allseitiger üeberlegung gewählten Punkt konzentrirt, sondern man zer- splitterte sie, ohne sich das Beispiel der Alten vor Augen zu halten , auf zu viele Punkte und es geschah an vielen Orten etwas, aber Nirgends Vieles. Paliative Mittel, um wenigstens einen Theil des Kopais trocken zu legen, gibt es Manche, als z. B. die Ziehung mehrerer Kanäle in der Ebene, Eindämmungen der Rinnsale, theilweise Räumungen der Katabothra etc. Diese Mittel blei- ben aber stets paliativ und Elementar-Ereignisse, Erdbeben, üeberschwemmungen würden nur zu leicht den Erfolg wieder vereiteln , der ohnediess stets nur ein partieller, nie aber ein totaler seyn würde. Meiner Ansicht nach taugen die von Vorne herein höchst unregelmässig gestalteten, an den Mündungen sichtbar verbrochenen und verstopften, ohne Zweifel auch weit in ihr Inneres verwüsteten Katabothra zu selbstständigen Kanälen gar nicht, könnten höchstens nur durch zufälliges Zusammentreffen mit einer gegebenen Kanalrichtung strecken- iveise benüzt werden und ihre Räumung wird grössere Aus- 99 lagen verursachen und weniger bleibenden Erfolg versprechen als der Betrieb eines neuen, selbstständigen Wasserstollens. Lezteres ist das einzige und sicherste Mittel, um den Kopais ga nz abzuzapfen und den alten Kulturboden wieder herzu- stellen. Der grosse Katabothron w ürde ohnediess hiezu nicht taugen ; er ist zu lang, das Taggebirge ist zu hoch, der Licht- löcher nü'issten zu viele und zu tiefe seyn und die Unkosten würden eine unverhältnissmässige Höhe erreichen. Sehr richtig bezeichnet Fiedler mit bergmännischer Sach- kenntniss den Katabothron Nro. 4, seinen Martini-Katahothron, als denjenigen, der zum Betriebe eines Wasserstollens die meiste Beachtung verdient. Ein solcher Stollen, von dessen Eingang am Kopais bis zu den Martini-Mühlen, würde unge- fähr nur eine Länge von 1000 Klafter erreichen. Die Licht- löcher würden zumgrösstentheile der Einsattlung des Gebirges wegen eine verhältnissmässig nur geringe Tiefe erfordern, man würde die meisten der schon von den Alten begonnenen Schächte hiezu benützen können und vielleicht wäre auch der alte Wasserstollen, respektive der Katabothron selbst, wenig- stens streckenweise, eine willkommene Aushülfe. Zudem stünde in dieser Richtung die Hauptsache , nämlich einsehr bedeutendes Gefälle zu Gebote ; denn ein solches müsste der Wasserstollen , der übrigens auch mit doppelten Schleusen- thoren, Fangdämmen und Fangrechen zu versehen wäre, durch- aus und gleichförmig erhalten, um Verstopfungen zu verhüten, deren Beginn übrigens zu Sumpfe der Lichtlöcher durch Ab- nahme der durchfliessenden Wassermasse leicht zu bemerken, lokal schnell auszumltteln und daher auch nicht schwer zu überwachen wäre. Sollte ein solcher Wasserstollen, für den eine Höhe von IS Fuss bei einer grössten Breite von 12 Fnss vielleicht ge- nügen dürfte und dessen Querschnitten ich eine elyptlscheForra geben würde, zur gänzlichen Abzapfung des Kopais je in Be- trieb gesezt werden, so müssten , um ja keine Fehltritte zu machen, gründliche Vorarbeiten vorhergehen. Vor Allem müsste das Bette des Mavro Potamos und die JNiederung des Kopais genau nivellirt werden, um mittelst Kanälen alle Was- ser zum Eingange des Katabothron Nro. 4 zu bringen und 7 * 100 durch llegiiliiiHig «ler verschiedenen Gefälle sie dort, als im tiefsten Punkte des glänzen Beckens, zu vereinen. Da- durch ergäbe sich daselbst zuerst die Tiefe des neuen Stollen- inundloches unter dem gegenwärtigen niedersten Niveau des Sees, welches sich bis nun nicht am Katab. Nro. 4, sondern am Eingange des Katab. Nro. 1 oder des grossen Katabothron befindet. Ausserdem wäre, um die Grösse des Stollenhiebes genau bestimmen zu können, das Maximum jener Wassermasse auszumitteln, welche der Stollen zu fassen im Stande seyn inüsste, um jede Befürchtung eines Zurückstauens ferne zu halten. Ferner wäre es nöthig, die Lichtlöcher der Alten zu gewältigen, um die Lage und das Gefälle des alten VVasser- stollens, respektive des Katab. Nr. 4, zu erforschen und hier- aus zu ersehen, ob dieser alte Stollen mit Rücksicht auf den neu gewählten Punkt des Mundloches am Kopais und auf das dem neuen Stollen zu gebende, möglichst starke Gefälle streckenweise als Wasserstollen zu benützen wäre und wie tief man die Lichtlöcher noch niederteufen müsse. Alle diese Daten, zur Anfertigung genauer Karten und Durchschnitte benüzt, würden den Unternehmer in Stand setzen: Richtung, Lage, Gefälle und Grösse des neuen Stollens genau zu bestimmen, hieraus den Punkt des Aus- flusses, des zweiten Stollenmundloches, in Kephalaris zu deduziren, um die Gegenbaue allseitig einzuleiten und so den Bau mit Beruhigung beginnen zu können. Angenommen der alte Wasserstollen oder der Katabofhron Nro. 4 würden beim Betriebe des neuen Stollens, wegen allenfalls unvorthellhafter Lage, gar nicht benüzt werden können und der neue Stollen müsste sonach im wenigst vortheilhaften Falle ganz durch festes Gestein durchgeschlagen werden , so glaube ich doch nach oberflächlicher Schätzung, dass die Auslagen dieses Stol- lenbetriebes , sammt Lichtlöchern , Schleusen und Fangdäm- men, die Gesammtsumme von einer bis anderthalb Millionen Drachmen nicht übersteigen dürften und der Zweck bei ge- hörig schwunghaftem Betriebe der Oerter und Gegenörter in 10 bis 15 Jahren erreicht seyn könnte. Ob nun eine solche Auslage für Griechenland unter den gegenwärtigen Verhältnissen an der Zeit ist, wo noch aus Mangel an Händen grosse Striche des besten Bodens brach 101 liegen , folglich der Erwerb neuen Kulturbodens wenigstens nicht dringend erseheint, auch der Regierung andere, noch wichtigere und allgemeine Bedeutung habende Aufgaben zur Lösung obliegen , z, B. die Hersteilung brauchbarer Strassen durch das ganze Königreich u. s. w. , das wage ich allerdings zu bezweifeln, aber grosso Beachtung verdient die Abzapfung des Kopais für eine fernere Zukunft immerhin. Zurückgekehrt von unserer Besichtigung der Katabothra und ihrer Umgebung nach Kokkinos brachen wir noch am Abende zurück nach Chalkis auf, wo wir spät in der Nacht anlangten und an den Thoren der Festung unausstehlich lang auf Einlass warten mussten, A m 2. Mai hielten wir zu Chalkis Rasttag. 3) Reise durcIiKuiiielieii. Von Chalkis nacli Tliebeu In Böotien. ITIeerscIiauin. liivadia. SBusamnientreJi'eu mit iliren IVIaJestäten. Der Parnass. Delphi. Der Oeta und die Tiierniopylen. Tiainia» Marpenifli. Hissoloug-lii* Anti Rliion. Am 3. Mai 1839. Nachdem wir einen Monat auf Eu- höa verlebt hatten, verliessen wir die schöne Insel, zogen aus Chalkis über den Euripos auf das Festland und zurück bis Oropös, wo Avir auf dem Gute des k. russischen Consuls Pa- pARiGOPULos aus Athcu den k. russischen Gesandten Kata- KASi und den k. baierischen Gesandten Grafen von Waldkirch mit ihren liebenswürdigen Frauen unter Zelten gelagert fan- den. Obgleich es am 4. Mai stark regnete, sezten wir uns doch zu Pferde und durchstreiften in Begleitung des russischen Konsuls den gan- zen Tag hindurch die Umgegend, besuchten das Dörfchen My- lossi, das Kloster Zootoro Pigi, Markopulo, ritten bis zur Küste hinab und besahen die verschiedenen Braunkohlen-An- stände dieses Terrains, von denen ich bereits anfangs des vori- gen Kapitels ausführlicher gesprochen habe. Die schone Waldgegend mit blühenden Rosen und Immortellen zwischen Tannen und Eichen, das freundliche Geleite des Konsuls , die treuherzige Aufnahme in dem reinlichen Hause des Geistlichen zu Markopulo versüssten uns das Mühselige des Rittes in Regen und Sturm. 102 Am 5. Mai traten wir von Oropös unsere Reise durch Rumelien an , indem wir uns zuerst westwärts ^egen Tlieben in Böotien wendeten. Eine herrliche fruchtbare Gegend voll Getreidefelder, Rosenhecken und den schönsten Friihh'ngsblu- men durchziehend gelangten wir zum Dörfchen Anjata, Das «anze Terrain von der Küste bis Theben bildet eine meist hügeh'ge Ebene, fast durchgehends Kulturland, begränzt von dichtem Kalkstein mit Serpentin, nämlich von den Bergen des Ptoos Vuua, Daphni und Klephto Vuni gegen IMord, von den Vorbergen des Parnes gegen Si'id. Die Grundlage des Kul- turlandes bilden die bereits bekannten Diluvien, unter denen in der Ebene von Anjata besonders der oft erwähnte Süsswas- serkalkmergel in grosser Ausdehnung sich bemerkbar macht und zu Bohrversuchen auf Braunkohlen einladet. Weiter gegen West am Dorfe Andritza, welches durch- aus von Albanesern bewohnt wird, die schon seit unden41ichen Zeiten hier sesshaft sind und doch uoch nicht griechisch kön- nen, geht der dichte Kalkstein kammartig, wie ein kolossaler Gang, zu Tage. Als wir die eigentliche Ebene von Theben betraten, welche die alte Stadt des Kadmus zunächst umgibt, ein trefflicher Getreideboden, doch wenig bebaut, trafen wir mit nomadisi- renden Thessaliern zusammen, ein schönes, kerngesund aus- sehendes Volk. Sie beklagten sich bitter, dass die Regierung sie zur Ansiediung zwingen will, was fiir sie eine ganz entsetz- liche Zumuthnug zu seyn schien. Nach einem achtsti'indigen Ritte endlich waren wir Thebens ansichtig, ein trauriges Nest auf einem traurigen Hügel und mit der grossen Namensschwes- ter in Egypten , mit der hnndeiithorigen Götterstadt, nicht leicht zu verwechseln. Nachdem wir den schönen Brunnen mitseineu dreizehn Quellen am Dorfe Hagios Theodoros nord- seits dicht an der Stadt passirt hatten rückten wir in Theben ein. Es war gerade der Festtag des hl. Georgs und da die Böotier den grossen Nutzen der Massigkeit« - Vereine noch immer nicht einsahen, so waren wir auch gar nicht überrascht bei einer so schönen Gelegenheit unter den mit uns in Berüh- rung kommenden nur diei nicht Betrunkene zu finden. Der Demarch gehörte zu seinem Ruhme nicht zu diesen wenigen 103 Auswürflini>en, er leuchtete vielmehe der Mehrzahl als ein Stern erster Grösse vor. Nicht ohne Mühe, wenigstens nicht ohne eindrino-liche Voistellnngen, gelang es uns ihm begreif- lich zu machen, dass wir ein (Quartier ))rauchen und das wir denn auch im sogenannten neuen Chane fanden. Die ganze Nacht durch zogen an unsern Fenstern ohne Fenster Liebe näselnde I'alikaren auf und ah, die Lyra tönte griisslich, nervenzerrüt- tend scheusslich aber überbot der bekannte Nasengesaug der Sühne Hellas alles Andere und in dieser Jammernacht wurde es mir klar, w ie der Kalliope zweifelhafter Sprössling selbst das liebe Vieh zur Courtoisie bewegen konnte — er hatte das Aermste wahnsinnig gemacht. Am (i. Mai. Der erste Gegenstand der zunächst in Theben unsere Aufmerksamkeit fesselte, waren die in der Nähe sich befindenden, vom Bankier Haeslin zu Athen von der Regierung gepachteten und im Betriebe stehenden Meer- schaumgruben. Haeslins Gruben vorsteher und der gastfreund- liche Kapitän Georgios begleiteten uns dahin. Wie man von der Küste bei Oropos kommend die Ebene von Theben betritt beobachtet man in den Schluchten, durch welche der Weg führt, das Diluvial-Konglomerat von Ach- med Agä auf Euböa mir seinen eigenthümlichen Konkretionen von thonigem Sphärosiderite und Meerschaum, jedoch innicht sehr bedeutender Entwicklung. Ein ähnliches Konglomerat, nurseinem Ursprünge, meiner Ansicht nach , jünger und erste» res überlagernd, sieht man weiter hin als herrschende Fels- formation in der ganzen Umgebung Thebens. Dasselbe bil- det parallele Hügelzüge von geringer Höhe, die sich aus Süd in Nord erstrecken, vom Fusse der Vorberge des Parnes aus- gehen und sich nordwärts in der ausgedehnten Ebene von Theben verlaufen. Dieses Konglomerat, offenbar ein Diluvium , besteht aus mittelmässig grossen Geschieben des nahe liegenden dichten Kalksteins mit Serpentin, verbunden durch ein vorwaltendes, stellenweise die ganze Felsart bildendes, kalkig-thoniges Bin- demittel von weisslich-grauer Farbe. In der Masse desselben vertheilt, besonders häufig aber in den tieferliegenden Straten, finden sich Nester von thonigem Sphärosiderite, Thonelseu- 104 stein« und Meerscliaum-Knollen ; leztere meist einen Kern von Halbopal uniscliliessend und in grösserer Teufe sowohl der Anzahl als der Grösse nach zunehmend. Der (honige Sphärosiderit sowohl als der Meerschaum, sind hier, ungeachtet der Form ihrer Massen . keineswegs als Geschiebe, als Findlinge, von den nächsten Bergen stammend, zu betrachten. Sie sind ganz einfache Konkretionen in und aus der Masse des Konglomerates selbst hervorgegangen und befinden sich auf ihrer primären Lagerstätte. Das Meerschaum fiihreiide Konglomerat von Theben mit Dr. Fiedler als ein Reibungs-Konglomerat anzusehen finde ich keinen Grund, doch gebe ich umsomehr zu, dass mau im tiel'er liegenden Gesteine den Meerschaum auf zusammenhängenden Lagerstätten an- stehend finden dürfte, als meiner Ansicht nach das Konglome- rat von Theben jenes am Rande der Ebene beobachtete be- deckt und lezteres kein Anderes ist , als das Meerschaum-La- gerstätten beherbergende Konglomerat von Achmed Agä auf Euböa. Die Schichten des Konglomerates von Theben fallen durch- schnittlich in West und auch die Meerschaum- undThoneisen- stein-Konkretionen scheinen sich stellenweise konform nach Straten zu ordnen, gleich darauf aber findet man sie wieder nach allen möglichen Richtungen zerstreut. Die Mächtigkeit der ganzen Ablagerung ist unbekannt. Die Grösse der Meerschaumknollen wechselt von der eines Kubik-Zolles bis zu jener eines halben Kubikfusses und selbst darüber. Der Meerschaum ist von gelblich- und grün- lich-weisser Farbe, im feuchten Zustande weich wie Wachs, beim Trocknen an der Luft zerspringt er jedoch sehr stark. Die schönsten Stücke werden hiedurch unbrauchbar und darin liegt der Grund des noch immer sehr hohen Preises; da es ausserdem bei dem häufigen Vorkommen einem Manne nicht schwerfallen dürfte täglich auch bis zu zwei Kubikfussbrauch- baren Meerschaum zu gewinnen. Viele der zu Tage geför- derten Knollen sind übrigens auch durch Vorwalten ihres kie- seligen Kernes (Halbopal) von Vorne her unbrauchbar, indem der eigentliche Meerschaum diessfalls nur eine dünne Ueber- zugskruste darstellt. 105 Das Meerscliauin-fülirende Konolomerat ist in derUmge- bung von Tiiebeii sehr verbreitet, alle umliegenden Hügel ge- boren demselben an . so ancb jener, worauf die Stadt steht. In der Verlängerung des leztern gegen die Ebene liegt der bisher als der reiohste bekannte Punkt , >vo Haeslin u. Cpg. Bergbau treiben. Die oberste Strate dieses Hügels bildet die Dammerde, dann folgen zwei bis drei Fnss mächtig Sand und (jruss und unmittelbar darunter beginnt das Konglomerat. Zur Zeit meiner Anwesenheit war man mit den» Grubenbaue dreis- sig bis secbsnnddreissig Fuss tief unter die Solile der Ebene am Fusse des Hügels niedergegangen und je tiefer man vor- drang , desto mehr und bessern Meerschaum fand man. Die Wester und Knollen des Meerschaumes fand ich stets scharf vom Nebengesteine getrennt, nicht so jenedesThoneisensteins, deren Masse sich melir in die des Nebengesteins verläuft. — Den bestehenden Grubenbau fand ich unter aller Kritik; plan- los, gefährlich, in jeder Beziehung untechnisch. Man hat be- reits den grössten Theil des Hügels durchwühlt. Da sich die leichsten Punkte des Konglomerates unter der Thalsohle be- finden und wahrscheinlich noch tiefer liegen , als man bisher niedergedrungen ist, so erübrigt zur Einleitung eines geregel- ten Grubenbaues Nichts, als des anfänglichen Haldensturzes wegen auf dem Hügel selbst, gleich unterhalb der Stadt, einen Hauptschacht niederzuteufen und mit demselben die ganze Mächtigkeit des Meerschaum -führenden Konglomerates bis zum tauben Liegenden desselben zu durchsinken. Vom Tiefsten des Schachtes aus wären sonach die nothigen Hauptstrecken auszufahren, dieselben durch Querstrecken zu verbinden und auf diese Art mit möglichster Rücksicht auf die erforder- liche Bergfeste in der unmittelbaren Nähedes Hauptschachtes der Pfeilerabbau von den äussern Punkten gegen den Schacht und von unten nach oben etagenweise einzuleiten. Eine zunehmende Ausdehnung der Grube würde der Wetterkommu- nikation, der Förderniss und der Sicherheit wegen auch die Anbringung mehrerer solcher Schächte und ihre gegenseitige Verdurchschlägerung seiner Zeit bedingen. An Versatzbergen zur Versicherung der durch den Abbau entstehenden Zechen- räume dürfte es dem zerstreuten Vorkommen des Meerschau- 106 mes zu Folge nie mangeln. So sclilecht als den Grubenbau, so schlecht fand ich auch die Grubenwirthschaft. Eine Menge Meerschaum wird unnützerweise vor Ort zerhauen, verwüstet und nicht weniger wird gestohlen. Da das Aerar seinen be- dungenen Antheil, respektive Frohne, nur von jenem Quantum des Meerschaums nimmt, welcher als vollkommen kaufmänni- sche VV^aare in Handel kommt, dieses Quantum aber sehr ge- ring ist, indem der meiste Meerschaum beim Trocknen in kleine Stückchen zerspringt , welche man sich zu einer künstlichen Masse wieder zu vereinen keine Mühe gibt , so ergibt sich auch für die Regierung aus dem Betriebe dieser Grubenbaue nur ein äusserst unbeträchtlicher Gewinn und es wäre offen- bar für dieselbe vortheilhafter sich mit geringern Prozenten zu begnügen, diese aber nicht von der Kaufmannswaare, son- dern von dem geförderten rohen Meerschaume einzubringen. Das bereits mehrmals erwähnte Zerspringen des Meer- schaumes beim Trocknen, wobei derselbe sein mechanisch-ge- bundenes Wasser verliert uud sich ungleichförmig zusammen zieht, bildet eigentlich das Haupthinderniss für das ganze Unternehmen, indem hiedurch meistens gerade die schönsten und grössten Stücke unbrauchbar werden. Dadurch kommt es auch, dass die Arbeiten aus Meerschaum , ungeachtet der- selbe sich in beträchtlicher Menge findet, noch immer so hoch im Preise stehen, indem man kaum den zehnten Theildes ge- wonnenen Rohstoffes als Kaufmannswaare verwerthen kann. Da dieses Zerspringen immer in Berührung mit der Luft erfolgt, so dürfte es angezeigt seyn zu versuchen, den Meer- schaum beim Trocknen diesem Einflüsse nicht auszusetzen und ihn dagegen mit einem Körper zu umgeben, der im Stande ist die Feuchtigkeit langsam in sich aufzunehmen und sie nach und nach dem Meerschaume zu entziehen ; z. B. Löschpapier, Sand u. s. w. Wirklich gelang es mir mehrere Stücke feuch- ten, dieser Grube entnommenen Meerschaums dadurch während des Trocknens vor dem Zerspringen zu bewahren , dass ich dieselben täglich zweimal mit trockenem Löschpapiere um- wickelte und diess einige Wochen lang fortsezte. Dass eine solche Methode im Grossen ausgeführt mehr als langweilig seyn dürfte, ist nicht zu läugnen : ich will dadurch aber auch 107 mir die Richtigkeit des Prinzipea dargetlian haben ; den geeig- netsten Weg zur Ausführung muss der Versuch zur Hand ge- ben und liiezu den Impuls zu geben, so wie auch eine Beloh- nung auf die Entdeckung einer zweckmässigen Art und Weise zu setzen, um die kleinen Meerschaumstücke künstlich zu einer homogenen , dem Meerschäume möglichst ähnlichen Masse wieder zu vereinen, dürfte in einem Lande, wo die Privat-In- dustrie noch schlummert, allerdings Sache der Regierung seyn. Auf dem Rückwege zur Stadt besichtigten wir die alten interessanten Wasserleitungen und man zeigte uns sogar Pin- DARs Haus sammt Quelle, dessen wir uns mit gläubiger Rüh- rung freuten. Am 7. Mai. In vier Stunden erreichten wir den Zug von kleinen Kalkbergen , welcher den Helikon mit dem Ptoos Vuna verbindet und die fruchtbare Ebene von Theben vom Becken des Kopals trennt. Der ganze Kopaislag, auf der Höhe des Weges angelangt, vor unsern Blicken ausgebreitet und um die Pracht des uns umgebenden Panoramas der heili- gen Berge Griechenlands zu erhöhen trennte sich der VV^olkenschleier, der uns anfänglich den Anblick der Schnee- gipfel des Parnasses neidisch entzog. In einem Bauernhause am Wege trafen wir den Gouver- neur von Livadia, ein bejahrtes, freundliches Männchen , in schwarzem Frack. Wir sezten in seiner Begleitung die Reise fort. Der Weg steigt aus der Ebene des Kopais das Nord- gehänge des Helikon hinan ; die Gegend wird immer schöner und endlich nach einem zehnstündigen Ritte kamen wir in Li- vadia an, welches malerisch in einem engen Thale des Heli- kons verborgen liegt. Die Häuser, worunter einige von sehr niedlichem Ansehen, sind meist aus sogenannten Riegelwänden aufgeführt und an die steilen Gehänge wie hingeklebt. Zu oberst liegt die Festung, grösstentheils Ruine. Ein starker Bach, die Herkyna, strömt mitten durch die Stadt, deren Lage übrigens des nahen Kopais wegen sehr ungesund seyn soll. Da man in Livadia Ihre Majestäten auf ihrer diessjährigen Rundreise im nördlichen Theile des Staats erwartete, so blieben auch wir daselbst und verliessen den Ort erst am 14. Mai. Auf den 10. M a i war di& Ankunft des hohen Herrscher- 108 paaves angekündet. Alles warf sich in seine Festkleider, die aufrichti«*^ste Freude sprach sich unverhohlen auf allen Gesich- tern aus und Jung und Alt war in Bewegung. Ich ritt mit Phillippos auf der neu angelegten, bis nach Athen führenden Strasse, an welcher gerade eifrigst gearbeitet wurde, unge- fähr drei Stunden weit entgegen und traf die hohen Reisenden mit ilirem Gefolge, worunter auch Roeser, Brandis und Forch- hammer aus Kiel sich befanden, auf der Ebene des Kopais. Die schöne Königin an der Spitze ging es im raschen Galoppe auf Livadia zu. Wir mochten jedoch kaum die Hälfte des Weges zurückgelegt haben, so^välzte sich vom Parnasse her ein üngewitter in das livadische Becken, welches seinen In- halt unter gewaltigem Gewitter-Sturm der Art über uns ergoss, dass in wenigen Minuten das Wasser stromweise von unsern Kleidern lief. Alle Bäche waren angeschwollen, der Thon- boden so schlüpfrig, dass die Pferde nur schwer Stand halten konnten und an komischen Szenen mangelte es nicht. Trotz Ungemach und Ermüdung behielt die erhabene Frau ihre lie- benswürdige Munterkeit und als die ganze Bevölkerung mit lautem Jubel das Herrscherpaar am Eingange der Stadt em- pfing und alles sich an den König und die Königin drängte, um sie zu begrüssen^ um wenigstens ihre Pferde, ihre Kleider zu berühren, wir im Gedränge kaum mehr vorwärts konnten und der gesunde Sinn des Volkes, auch ohne Anwendung roher Gewalt, Ordnung hielt, da würde doch so mancher kennt- uisslose Schwätzer an seiner Meinung über Griechenland und Griechen und über die herrschende Stimmung dem königlichen Paare gegenüber Manches zu ändern befunden haben. Am Morgen darauf wurde eine Wallfahrt zur nahen Orakelhöhle des Trophonius im Thale der Herkyna vorgenom- men und zu Mittag brachen Ihre Majestäten wieder auf, um die Reise gegen Lamia fortzusetzen. Ich folgte bis auf die Ebene von Chäronea, begab mich aber dann nach Livadia wie- der zurück, um meine geognostischen Exkursionen in der dor- tigen Umgegend zu beenden. Eine kleine Bergkette, Lithereon genannt und dem Hip- puritenkalke angehörend, trennt, wie bereits erwähnt wurde, die Ebene Thebens von jener des Kopaisbeckens. Verfolgt 109 man den Weg- nach Livadia längs dem Kopais, so beobachtet man in der Gegend der Miihlen lokale Anflagernngen von Kalktuft' nnd am Wege findet man lose Trümmer von Brauneisenstein und Magnetelsenstein. Weiterhin am Nord- gehänge des Helikon beobaclitet man unter dem dichten Kalk- stein Thonschiefer und (dem Ansehen nach) Grauwacken- artige Gesteine zu Tage gehen. Diese interessante Formation welche ich nach der Analogie mit verwandten Felsbildungen in den Apenninen als den untersten Gliedern der Kreidereihe, den sogenannten Macignogesteinen angehörend, anzusprechen geneigt bin, hält ungefähr zwei Stunden lang an und auf dieser Strecke trifft man die obenerwähnten Findlinge von Brauneisen- stein ganz besonders häufig. Der dichte Kalkstein ist weiss und lichtgrau; er zeigt starke Neigung zur krystallinischkör- nigen Struktur; der Thonschiefer ist von rother und brauner Farbe; die grauwackenartigen Gesteine bestehen in einem schiefrigen, chloritischen Sandsteine und in einem feinkörnigen hochfesten Konglomerate, dessen Gemengtheile sehr innig unter sich verbunden sind und das stellenweise sogar ein porphyrartiges Ansehen gewinnt. Der Hügel, worauf im Thale der Herkyna die Stadt Liva- dia steht und welcher zu den Vorbergen des Helikon gezählt werden muss, gehört der so eben erwähnten Schiefer- und Konglomeratbildung an, welche übrigens vom dichten Kalk- steine der Ausläufer des Hauptgebirges mehrmals unterbro^ eben wird. Die untersten Schichten des Kalksteins sind hier von dichtem Gefüge und schwarz gefärbt, mit Neigung zur schiefrigen Textur; die obern Schichten sind grau und mehr krystallinischköinig. Auf dem schwarzen Kalksteine unmit- telbar liegt Stinkstein , ein krystallinischkörniger Kalk , der beim Zerschlagen starken bituminösen Geruch entwickelt. Die Schichten des Kalksteins streichen aus Ost in West und fallen mit geringer Neigung gegen Nord. So z. B. in der Thal- schlucht der Herkyna, innerhalb der Orakel-Höhle des Tro- phonius, wo offenbar der Kalkstein die Schiefer- und Konglo- meratbildung bedeckt. Der Kalkstein ist voll zum Theil gros- ser Höhlen von sehr unregelmäsigen Formen. Man trifft in dieser Schlucht auch Findlinge von Roth» und Braun- 110 eisensteil), deitMi Lagerstätte mir jedoch unbekannt blieben ; aucli erinnere ich mich daselbst lose Trümmer eines fein- körnigen, sehr viel kohlensauren Kalk haltenden Diorites und von besondern (iesteinen gefunden zu haben, welche mir vulkanische ümwandlungsformen der umliegenden Felsarten zu seyn schienen. An dem Hügel oberhalb der Stadt, auf welchem die Ruinen des alten Jupitertempels stehen, beob- achtet man zu oberst ein grobkörniges, Grauwacken-artiges^-" Trümmergestein, welches gegen den Fuss des Hügels zu feinkörniger wird, endlich in rothen thonigen Schiefer und Thonschiefer übergeht, der die Anhöhe bildet, worauf der nordwestliche Tlieil der Stadt liegt, und der hier den dichten Kalkstein sichtlich bedeckt. Am 14. Mai. Früh des Morgens verliessen wir Livadia; aber nicht in freudiger Stimmung; denn Phillipos hatte das Fieber wirklich und ich hatte die gegründetste Aussicht es bald zu bekommen. Langsam ritten wir bis zur kleinen Bergkette, einen Ausläufer des Parnasses, von deren Höhe, Kerata (Hör- ner) genannt, der Weg in die Ebene von Chäronea niederführt, auf welcher einst Griechenlands Republiken ihre Freiheit im Kampfe gegen Philipp von Macedonien aushauchten , Sulla den Feldherrn des Mithrida.tes schlug und Plutarch (Stadt Chäronea) das Licht der Welt erblickte. Eine Brücke führte uns über den Cephissus (Mavro Potamos, Mavro Neri), der zu dieser Jahreszeit noch bedeutend hoch ging und um Mittag erreichten wir Bogdan mit seinem schönen Brunnen und den Ruinen von Festungen. Die Einwohner feierten gerade das Fest des heil. Athanasius und überhäuften uns Fremde mit Gastfreundschaft mehr, als uns armen Fieberkanditaten zuträg- lich schien. W^ir entflohen daher den Lockungen der ver- schiedenen gebratenen Lämmer u. s.w., die wir in anderer Lage keineswegs blöde zurückgewiesen haben würden und sezten unsere Reise über die Höhen des Kyrtonon fort, wo sich damals noch jene Räuber hätten aufhalten sollen^ welche vor Kurzem die ärarische Kasse zu Talanti geplündert hatten. Wir bekamen keinen dieser Herren zu sehen, sondern langten '•' Dem üiissern Ansehen nach versteht sich. 111 oanx iiiianüefüchtcn, abei- zum Umsinken miule, Abends in dem 1 Stunde vom Meere nnd wunderhübsch am Berggehiinge liegenden Talanti an, wo uns der Gouverneur, der Demarch und der ßischoi" sogleich mit ilirem freundh'chen Besuche be- ehrten. Alle die Ortschaften , welche wir heute passirten, sind durch die von der Nation in ihrem Freiheitskampfe gegen die Türken gebrachten Opfer ausserordentlich herabgekom- men. Mehrere derselben zählen kaum mehr die Hälfte der früher dort etablirten Familien und das Land bedarf noch lange des Friedens mit Aussen und der innern Ruhe, um diese tiefen Wunden zu heilen. In geognostischer Beziehung war für uns die Reise von Livadia nach Talanti von hohem Interesse. Wenn man näm- lich die kleine Bergkette passirt , welche die Thalmün- dung der Herkyna von der Ebene von Chäronea trennt, und deren Übergangspunkt unter dem Namen Kerata (Hörner) bekannt ist, so gelangt man auf dem Joche, bevor man, von Livadia kommend, in die Chäroneische Ebene niedersteigt, an einen Punkt, wo sich der Weg trennt. Der zur rechten Hand ist ein schmaler steiniger Pfad, auf welchem man eine kurze Strecke unterhalb der Höhe zu einer Stelle gelangt, wo im dichten Kalksteine eine Menge Hippuriten (Hippurites cornu vaccinum Bronn, daher Kerata, Hörner) vorkommen und gleich darauf trifft man thalab eine ganze Schichte des Kalksteins, welche fast ausschliesslich nur aus solchen Hippuriten besteht. Diese Schichte ist zwei Fuss mächtig, streicht aus NW. in SO. und verflächt sanft gegen SW. Die Hippuriten sind dem Kalksteine fest eingewachsen, meistens nur Steinkerne; doch an einigen konnten wir auch die Schale deutlich beobachten. Der Kalk selbst ist dicht, sehr fest, weiss und grau gefärbt. Da diesem Kalksteine nicht nur alle umliegenden niedern Berge, mit wenigen Ausnahmen, angehören, sondern derselbe auch fast allgemein die Vorberge aller dominirenden Gebirge aufEuböa und in Rumelien bildet, überhaupt in ganz Griechen- land sich unzähligemal w iederholt und durch dieses ausgezeich- nete Vorkommen der genannten Hippuriten meiner Ansicht nach entschieden als Kreide sich charakterisirt, so haben wir hierin einen sichern Anhaltspunkt zur geognostischen Bestiin- 112 niung dieses Kalksteins. Ungefähr 1 Stunde vom üorfe Bog- dan auf der Route nach Talanti entfernt, sieht man diesen Hippuritenkalk auf den Höhen des Kyrtonon in einen mergeli- gen, leicht verwitterbaren Kalk übergehen, der Lagen von blauem Schieferthon umschliesst. Dieser mergelige Kalk ist weiss und blaulichgrau , entwickelt beim Zerschlagen einen schwefligen Geruch und enthält in der Nähe von Basilika, nördlich von Talanti, gediegenen Schwefel in kleinen Partien eingesprengt. Der blaue, diesem mergeligen Kalke unter- geordnete Schieferthon enthält stellenweise kleine Massen einer schwarzen, wie Russ abfärbenden Materie, weicheich für erdigen Anthrazit ansehe. Sehr interessant ist die geognostische Zusammensetzung der Berge zunächst der Küste bei Talanti. Dieselben be- stehen aus Euphotidgebilden, Gabbro und Serpentin, welche Felsarten aber mehrmals Übergänge in Diorit wahrneh- men lassen , der einen offenbar vulkanischen Habitus an sich trägt und einerseits dem äussern Ansehen nach sich demßasalte, andrerseits gewissen Formendes Trachytes nähert. Selbst die in diesen Gebilden auf untergeordneten Lager- stätten vorkommenden Roth- und Brauneisensteine tragen ein Ansehen, welches auf erlittenen starken vulkanischen Einfluss hindeutet. Der aus der Metamorphose der Euphotide hervor- gegangene Diorit ist sehr dicht, gleichförmig in seinem Gemenge und äusserst fest. Seine Masse wird stellenweise ganz basalt- ähnlich und auf den sodann sich findenden Blasenräumen beob- achtet man das Vorkommen unveränderter Diallage und kleiner Krystalle, welche ich für solche glasigen Feldspathes ansehe. Ob man es hier nicht mit mächtigen , gangartigen Bildungen dioritischer Gesteine unter korrespondiiender Umstaltung des Nebengesteins zu thun hat, folglich die erwähnte Metamor- phose der Euphotidgesteine faktisch doch nur scheinbar ist, wage ich nicht bestimmt zu beantworten. Dr. Fiedler er- wähnt meines Wissens in seinen Berichten dieses Vorkom- mens nicht. Diesem merkwürdigen Terrain gegenüber, jen- seits des Kanals von Talanti auf der Insel Euböa, liegen ähnliche Züge von Euphotidgesteinen im Bereiche der Kalk- 113 stein-Formation und etwas weiter nördlich die heissen Quellen bei Lipso. Zwischen den erwähnten Euphotidbergen bei Talanti und dem Meere sind , den eigentlichen Strand bildend , tertiäre Gesteine und Alluvionen abgelagert. Leztere bestehen grös- stentheils aus Meeressand und Schutt, erstere charakterisirt vorzüglich ein ganz aus Konchylienresten bestehender Kalk- stein, meiner Ansicht nach eine pliocene Muschelbank, in deren Masse man Nester von Eisenocker und einer erdigen, schwar- zen, Kohle ähnlichen Substanz findet. Am 15. Mai. Nachdem wir die schönen Morgenstunden zu einer geognostischen Exkursion in der Umgebung von Talanti benuzt hatten, verliessen wir den freundlichen Ort, in devssen Nähe sich auch Braunkohlen finden sollen, welche wir aber, da Hadschi Greoorios aus Theben , der uns dahin zu führen versprach, nicht zu erscheinen beliebte, auch nicht zu sehen war. Wir ritten den alten Weg nach Bogdan zurück, wendeten uns aber dann südwestlich gerade dem Fusse »les Parnasses zu, passirten einige Dörfer und begannen end- lich das steile Gehänge anzusteigen. Mit Anbruch der Nacht erreichten wir das hochliegende Dorf Daulis, wo wir im ärm- lichen Häuschen des Demarchen, geplaijt von Wind, Kälte und Knoblauchduft, die Nacht verlebten. Die Lage von Dau- lis erinnerte mich lebhaft an manche unserer Alpengegenden. Auf drei Seiten von den grauen, kahlen, himmelanstrebenden Felswänden des Parnasses und starren Schneefeldern umge- ben, steht dem Blicke nur eine Seite offen, mit der Aussicht auf die w eite Fläche des Kopais. Das Gehänge ist sehr steil, und es steht daher ein Hausso zu sagen auf dem andern. Die Vorberge des Parnasses an seinem östlichen, südlichen und westlichen Gehänge gehören durchgehends dem Hippuri- tenkalke an. Ungefähr eine Viertelstunde unterhalb dem Dorfe Daulis sieht man diesen Kalkstein \o» mächtigen Bän- ken weissen Kalkmergels bedeckt, dessen sich die Einwohner zum Antünchen ihrer Häuschen bedienen. Am 1(5. Mai. Von Daulis führte uns der Weg durch enge Felsschluchten steil zu den Höhen des Parnasses hinan. Es regnete am Morgen etwas und die Kälte Avar äusserst Russe ggetj Reisen. IV. Bd. 8 114 empfindlich. Sehr wilde Felspartie'n, hie und da ein Häuschen in anachoretischer Einöde, der Weinstock noch in einer Mee- reshöhe von nahe 3000 Fuss, alles zusammen mit dem ßewust- seyn auf dem heiligen Parnasse sich zu befinden, diM' schon so manchem Dichter Hals und Bein kostete, gaben der heutigen Wanderung einen ganz unvergesslichen Reiz. Nach zwei und einer halben Stunde erreichten wir den Chan Seminö, der mitten auf einem Joche liegt und in welchem wir des heftiger werdenden Regens wegen Zuflucht nahmen. Vom Chane aus, ganz geeignet um der Welt und ihren Genüs- sen zu entsagen, sahen wir über den Istmus von Korinth hinaus in das weite Meer und bewunderten zugleich den herrlichen Wasserfall, der sich malerisch oberhalb des Chans über die graue Felswand stürzt. Durch tiefe, enge, mit Gebüsch er- füllte Schluchten führte uns der Weg am Südgehänge des Parnasses wieder thalab. Bei Ärachowa, wo einst Karaiskakis heldemnüthig mit den weit überlegenen Türken sich schlug und die Griechen aus Albaneserschädeln eine hohe Pyramide als grauenhaftes Denkmal aufschichteten, trafen wir eine grosse Schaar Landleute, Hirten, auf offener grüner Wiese. Die Weiber und Mädchen tankten nach Herzenslust, die Männer aber fielen, wie sie uns ansichtig wurden, nnsern Pferden in die Zügel und baten uns so eindringend, doch ja nicht vorbei- zuziehen, ohne bei ihnen Milch und Käse zu uns zu nehmen, dass wir einige Zeit bei dem lustigen Völkchen zubrachten. Später trafen wir noch einige solcher fröhlicher Gruppen und da wir uns des Zeitverlustes wegen nicht mehr aufhalten woll- ten, trugen sie uns die angebotenen Erfrischungen so lange nach, bis wir sie annahmen. Mach einem fast achtstündigen beschwerlichen Ritte erreichten wir das hoch am südwestlichen Gehänge des Parnasses liegende, an steile Felswände hinge- klebte Kastri, das alte berühmte Delphi mit seinem Orakel. Die Lage dieses Ortes ist eben so kühn als schön. In der Wahl dieses Platzes zum Sitze desHeiligthums begegnen wir wieder jener Poesie, welche die Alten so wunderbar beseelte, die sie zu ihren genialsten Werken begeisterte, befähigte und nie hätten die Griechen jene ästhetisch hohe Stellung erlangt, hätte nicht die Poesie das Innerste ihres Staats-, ihres bürger- 115 liehen, ihres religiösen Lebens durchdrungen. Vom Hause des Demarchen, bei dem wir die freundlichste Aufnahme fanden, sahen wir hinab in die reiche krissäische Ebene mit ihren Olivenhainen und in die Bucht von Salona, wo gerade ein zier- licher Kutter vor Anker ging. Ein alter Kapitän erbot sich, uns die Denkwürdigkeiten von Delphi zu weisen, ein Anerbieten, das wir sehr gerne an- nahmen. Vor Allem richteten wir unsern Weg zur Orakel- Höhle an den phädriadischen Felsen östlich von Kastri. Sie besteht aus zwei Abtheilungen, die untere ist gegenwärtig in eine Kapelle umgewandelt, die obere ist ohne Leiter nur sehr schwierig zugänglich. Hier soll nun einst Pythia jenen be- rechneten Unsinn geplaudert haben, den man drehen konnte, wie man wollte und hier entspringt die kastalische Quelle. Ersteres ist unglaublich, denn ohne Zweifel befand sich das Orakel im Tempel, der aber hier nicht gestanden haben kann; aus lezterer tranken wir, wie es sich für Pilger geziemt. Von dieser Höhle weg ist die ganze Felswand entlang dem Wege voller Nischen, wahrscheinlich Gräber, da mau auch unterhalb mehrere geöffnete Sarkophage herumliegend sieht *. Sowohl in Kastri selbst, als an dem unterhalb in der Nähe der beiden phädriadischen Felsen und der kastalischen Quelle liegendem Kloster beobachtet man eine Menge Reste kolossaler Mauern, Terrassen , Trümmer von Säulen u, s. w. und an dieser Stelle dürfte der Tempel des delphischen Apollo sammt der eigentlichen Orakelhöhle, dürften die berühmten nationalen Schatzkammern einst gestanden haben. Von dem obersten Hause der Stadt, am Gehänge hin gegen West, gelangt man hinaus auf das grossartig angelegte Stadium, in welchem einst die pythischen Spiele gefeiert wurden. Der Gebirgsstock des Parnasses, den wir heute in einer mittlem Meereshöhe von 3000 Fuss an seinem südöstlichen, südlichen und südwestlichen Abfalle umritten hatten, besteht ans dichtem, grauem, sehr höhlenreichen Kalksteine. In den Vertiefungen der Thäler, der Einsattlungen, der zahllosen Schluchten sieht man häufig rothen und grauen Thonschiefer, dünnschiefriger Textur, seideglänzend, zu Tage gehen. So "' Näheres hierüber Dr. Fiedler. I. p. 135 etc. 8 '^ 116 beobachtet man auch vom Chane Seminö thalabwärts geg^en die krissäische Ebene den erwähnten Kalkstein alle die zahl- losen Felsgipfel des Parnasses ringsum bilden, während in den Tiefen der Thaleinschnitte jener Thonschiefer ansteht, von Quarzklüften nach allen Richtungen durchsezt und mit Kalk- thonschiefer wechsellagernd. Die Schichten dieser Schiefer- gebilde streichen aus NO. in SW. und verflachen in NW., stehen auch häufig auf dem Kopfe und zeigen die manchfaltig- sten , wellenförmigen Krümmungen. Diese Schiefer bilden meiner Ansicht nach die Grundlage des dichten Kalksteins des Parnasses. Weiterhin gegen Arachowa wird der Kalkthon- schlefer vorherrschend, doch beobachtet man auch immerfort einzelne Kalksteingruppen, die in w ilden, schroffen Felsmassen sich aneinanderreihen. Endlich schneidet der dichte Kalkstein die Schieferbildungen wieder ab nnd in der ganzen Umgebung von Kastri ist derselbe die herrschende Felsart, höhlenreich, quellenreich, durch tiefe Schluchten bizarr zerrissen. Am 17. Mai. Als wir von Kastri den Parnass hinab in die krissäische Ebene ritten, trafen wir auf dem Wege ganz unvermnthet den französischen Gesandten aus Athen und ihn begleitend Prof. Domnandos, meinen spätem Reisegefährten auf der Inselreise. Beide waren gestern mit dem schönen Kntterin der Bucht vonSalona angelangt und pilgerten nun zum Orakel. Nach einer Stunde ungefähr erreichten wir das schön gelegene und noch immer bedeutendeKrissa am Rande derEbene, die wir nun thalaufwärts, zwei und eine halbe Stunde lang, fast beständig durch Olivenwald, bis Salona(Amphissa) verfolgten, welches freundliche Städtchen am Nordwestende der krissäi- schenEbene, umgeben von hohen Gebirgen liegt. Salonamagjezt 3000 bis 4000 Einwohnerzählen und scheint im Freiheitskampfe nicht gelitten zu haben. Den Haupterwerb der Bewohner bildet die Erzeugung von Olivenöl und der Handel damit. Die Verpachtung der der Regierung gehörenden Olivenbäume, ungefähr die Hälfte jener des ganzen Waldes, soll allein jähr- lich über 60,000 Drachmen abwerfen, wozu noch der Zehent des Privatbesitzes zu rechnen kommt. Die Stadt leidet Man- gel an Trinkwasser, was ich der nahen Bäche wegen nicht recht begreifen kann. Am Fussc des südwestlichen und westlichen Gehänges des 117 Parnasses, wo derselbe in die krissäische Ebene abfällt, bildet wieder alle Vorberge der Ilippnritenkalk des Kerata, der be- sonders in der Nabe von Salona sich dnrcb seinen Reichthum an Feuersteinknollen auszeichnet. Auch in der Ebene selbst tritt dieser Kalkstein in isolirten Felspartie'n mehrmals zu Tag^e und verräth i'iberall durch seine Färbung; einen bedeu- tenden Gehalt an Eisenoxyd. Die das Thal hinter Salona schliessenden hohen Berge gehören örtlich und geognostisch der Formation des Parnasses an. Am 18. Mai. Von Salona wendeten wir uns wieder nord- wärts gegen Lamia(SeitMn). Wir verfolgten auf dieser Route das westliche Gehänge des Parnasses, jedoch in bedeutender Meereshöhe, überstiegen seine nordwestliche Verlängerung, um in das Quellengebiet des Cephissus (Mavro Potamos) zu gelangen, jenseits welchem wir die Kette des Oeta passirten, um endlich durch die Thermopylen hinaus in die weite Thal- ebene an der Mündung der Hellada (Sperchios) zu treten. — Durch ein wildes Thal führte uns ein grässlicher Weg steil den Parnass bis zum Dorfe Topoly hinan, welches unter der üppigen Hülle von Feigen , Maulbeerbäumen und Weinreben kaum herauszufinden ist. An dem kleinen, im Schatten riesen- hafter Platanen liegenden Kloster mit seinen frischen Quellen Hessen wir unsere armen Pferde etwas ausruhen und strebten dann weiter zu den luftigen Höhen der Musen hinan. Mehr und mehr umschlossen uns wieder die Schneegipfel des Par- nasses, dichter Wald von Eichen und Tannen bedeckte die nächsten Gehänge, vaterländisch von allen Seiten fühlten sich unsere Herzen angeregt, als wir endlich nach 4 Stunden unsere müden Pferde auf dem hohen Joche anhielten und an der Stelle frühstückten, wo einst Karaiska.kis im Angesichte des Oeta, auf den Höhen des Parnasses mit einer weit überlegenen Anzahl Türken sich schlug und — siegte. Noch sahen wir die Gebeine der Erschlagenen auf einem Haufen unter Felsen liegen. — Auf der Höhe steht nun eine Wache, um — den Reisenden die Pässe abzufordern und sich zu gebehrden als wenn sie dieselbe lese. Eine tiefe Schlucht führte uns durch dunklen Eichenwald wieder thalab, der Weg nicht zum beschreiben schlecht. 118 Plötzlich gelangten wir, mitten im Walde, wider alles Erwar- ten zu einer Sägemiilile. Sie wurde von einigen industriellen Albanesern betrieben, rob, schlecht, voller Mängel. Im Herzen von Deutschland wiirde ich dieses Duodezunternebmen, wel- ches des Transportes halber nur 6 Fuss lange Bretter liefert, keines Blickes gewürdigt haben, hier erfüllte es mich mit Achtung für ein Volk, das mit so geringen Hülfsmitteln und bloss aus sich doch etwas zu leisten im Stande ist. "Nach 2y2 Stunden erreichten wir den nördlichen Fuss des Parnasses am Chane Gravia, wo einst der beknnnte Kapitän Odisseüs mit 95 Mann gegen 3000 bis 4000 Türken sich ver- theitigte, als er keine Lebensmittel mehr hatte mit dem Säbel in der Faust sich durchhieb und mit einem Theile der Seinen glücklich in die Gebirge entkam. Am Chane Gravia, gegen- wärtig eine Gendarmenstation, betritt man ein breites, theils bebautes, theils mit prächtigem Eichen- und Platanen- Walde bedecktes Thal , das sich zwischen dem Gebirgsstocke des Oeta und jenem des Parnasses hinzieht, gegen Südost in die Ebene von Chaeronea einmündet und der Länge nach vom Mavro Neri durchströmt wird. Nachdem wir anderthalb Stunden lang durch Wald schräg über dieses Thal hingeritten waren, gelangten wir zu dem aus elenden Strohhütten bestehenden und mitten im Walde am Südgehänge des Oeta liegenden Dörfchen Brallö, vor drei Jahren durch Hänber verwüstet und niedergebrannt. Auch diese Nacht wurde von unsern Gens- darmen der Räuber wegen Wache gehalten. Bevor wir heute vonSalona aus das Dorf Topoly erreicht hatten, beobachteten wir im dichten Kalksteine das Ausgehende einer ungefähr 2 Meter mächtigen Lagerstätte von Rotheisen- stein, sahen dem südlichen Gehänge des Parnasses nach hinauf mehrere und zum Theile sehr mächtige Einlagerungen des rothen Thonschiefers in demselben Kalksteine und stiessen am höchsten Punkte des Uebergangsjoches anfeinen grünlich- braunen, festen, sehr glimmerreichen und dem Grünsandsteine des Libanon vollkommen ähnlichen Sandstein, der von einem grobkörnigen, Nagelflue- artigen , wahrscheinlich tertiären, Trümmergesteine bedeckt wird. Die Schichten dieser Fels- gebilde streichen aus N. in S. und verflachen in Ost. Im 119 weiteni Vertolge des Weges bemerkten wir noch mehrmals die Einlagerungen des rothen Thonschiefers im dichten Kalk- steine und ganz nahe am Chane Gravia sahen wir wieder mächtige Lagerstätten von Rotheisenstein zu Tage gehen. Am 19. Mai. Man hatte uns zu Vieles von den Räubern erzählt, die sich damals noch in den Wäldern am Oeta aufge- halten haben sollen, als dass nicht einige Vorsicht nöthig ge- wesen wäre. Wir zogen daher wohlgeordnet und schlagfertig begleitet von 6 Gensdarmen, durch wilde Schluchten und auf steilen Pfaden dasOeta-Gehänge hinan, passirten auf der Höhe einen ganz verlassenen Chan und langten nach sy^stündigem Ritteam nördlichen Fusse des Gebirges in derEbene der Hellada (Älamanna, einst Sperchios) an. Im Schatten von Platanen frühstückten wir an einer herrlichen Quelle. Die weite Ebene breitete sich vor uns aus; in der Entfernung von ungefähr 3 Stunden sahen wir das freundliche Lamia (Seitun) am Südge- hänge des Othris, eine Parallelkette des Oeta*, auf einem Hüo-el liesren : zur Rechten hatten wir das Meer in der Bucht von Seitun, die nördlichsten Berge von Euböa und dicht an uns die klassischen Thermopjlen. Der ganze Oeta ist bis auf seine damals noch mit Schnee bedeckten Felsgipfel mit Wald bekleidet. Wir sendeten von der Quelle unsere Packpferde voraus nach Lamia und lenkten rechts ab in die Thermopylen. Zur einen Seife Meer und Sumpf, zur andern die senk- rechteu Felswände des Oeta, das ist die Physiognomie des Passes (wenn man die Stelle so nennen will), wo Leonidas den Heltentod starb. Gegenwärtig steht daselbst ein Gens- darmenblockhaus mit Thurm und Zugbrücke, neu und nett erbaut. Die ganze Gebirgsmasse des Oeta besteht aus dichtem Kalkstein, der sich bis zur Küste zieht und an den Tbermo- pylen in hohen senkrechten Wänden gegen das Meer hin ab- fällt. Hat man das so eben erwähnte Blockhaus passirt und wendet sich südlich, so bemerkt man mehrere Bäche warmen Wassers aus Spalten dieses Kalksteins hervorbrechen und dem Meere zueilen. Der Boden, zum grösstentheile versumpft, ist mit einer Kruste von Kalksinter überzogen, jedoch nicht in dem Maasstabe wie bei Lipso auf Euböa. Weiterhin wird "^ Und Grenzgebirge gegen Thessalien. 120 dieser üeberzug herrschender und zwischen dem Blociihause und dem Grabe desLEONiDAS entspringt ans dem dichten Kalk- steine ein ßach warmen W.assers in solcher Masse, dass meh- rere Mühlen dadurch getrieben werden könnten. Er iiberzieht den ganzen Boden, über welchen sich das Wasser verbreitet, mit einer dicken Kruste von kohlensaurem Kalke. Auch hier sieht man die deutlichsten Beweise, dass diese Thermen ihren Ursprung, ihre Lage, häufig verändern, indem mau das Vor- handenseyn dieses Kalksinters, das unbezweifelbare önellen- Sediment, auch an solchen Stellen beobachtet, wo heut zu Tage keine Thermen mehr bestehen, die hingegen wahrschein- lich damals , als sie daselbst noch bestanden haben , an den Stellen nicht hervortraten , wo man sie heut zu Tage trifft. Den Thermen an den Thermopylen beinahe gegenüber, jen- seits des Kanals von Talanti, liegen die heissen öuellen von Lipso auf Euböa. Diese örtliche Lage und der Umstand, dass fast in derselben Linie weiter westlich von den Thermopylen und in der geringen Entfernung einiger Stunden die Thermen von Patradschik (Hypata) sich finden, welche wir später wer- den kennen lernen , scheinen die Meinung hervorgerufen zu haben, dass diese drei Thermenpunkte einem Quellen-Systeme angehören und alle drei Thermahvasser, unter sich nahe ver- wandt, somit nur als Zweige eines und desselben öuellen- Stammes zu betrachten seyen. Dem ist jedoch meiner Ansicht nach nicht so , indem sich wenigstens zwischen den Thermen der Thermopylen und jenem bei Lipsö sehr bedeutende Unter- schiede wahrnehmen lassen. Während das Wasser der Leztern fast siedend heiss ist, zeigt das der Erstem höchstens nur eine Temperatur von 28° Reaum. Der fieschmack des Wassers an den Thermopylen ist mehr langenhaft als salzig : das Wasser enthält sehr viel freie Kohlensäure , die häufig in Blasen dem Boden wie dem Wasser entsteigt, dagegen scheint der Gehalt an kohlensau- rem Kalk verhältnissmässig geringer zu seyn und die Sinter- bildung geht weniger schnell und kopios vor sich. In Lipsö finden hievon gerade die Gegentheile statt. Mit der Kohlen- säure entwickelt sich an den Thermopylen sehr viel Schwefel- wasserstoffgas und der Geruch ist sehr stark ; in Lipsö hingegen 121 findet (Hess in einem viel geringeren Maasstabe statt und der Geruch erinnert mehr an schweflige als an Schwefelvvasser- stoflfsäure. Der Gehalt an Eisenoxyd ist geringer als im Wasser von Lipsö, dagegen setzen die Thermen der Thermo- pylen weit mehr Badeschlamm ab. Längs der Felswand des Oeta sieht man die Ruinen einiger alter Mühlen, welciie zum Betriebe ihrer Räder der Thermen sich müssen bedient haben, da deren Schussgerinne ganz und gar in Sintermasse eingehüllt und zum Theile in solche umge- wandelt sind. In der Thalebene der Hellad/i verschwinden unter Kulturboden und Sumpfland alle Felsablagerungen ; an mehreren Stellen jedoch beobachtet man die deutlichsten Merkmale, dass auch hier ähnliche Thermalquellen (Schwefel- quellen), Avie an den Thermopylen , ans dem Grunde empor- dringen. Die Versumpfung der Ebene, welche die Hellada auf ihrem untersten Laufe durchströmt, geht offenbar von diesem ßergstrome aus und ist eine Folge menschlichen Nichtslhuns, denn dass sich bei dem voihandenen Gefälle durch Kanäle, zweckmässige Verdammungen und Rinnsalsäuberung abhelfen Hesse, dürfte kaum einem Zweifel unterliegen. Auf steiner- nen Brücken und alten Dämmen führt der Weg durch dieses äusserst ungesunde Sumpfterrain. Die Brücke zunächst dem Chane am Beginne des Sumpfes ist diejenige, wo die Griechen ihren tapfern Kapitän Diako (Diakonus, was er vordem war, bevoj- er die Waffen zur Befreiung seines Vaterlandes ergriff) verloren. Er wurde von den Türken in einem hitzigen Ge- fechte gefangen und nach Lamia gebracht, wo ihn der ßey lebend an einen Spiess stecken und braten liess. Aufforde- rungen, zum Islam überzutreten, beantwortete der für seine Sache hochbegeisterte Grieche mit Schmähungen und Schimpf- reden und starb standhaft den Märtyrertod für seinen Glau- ben und sein Vaterland im Jahre — 1821. Nach einem tüchtigen Regengusse kamen wir in Lamia an, ein recht niedliches Städtchen im türkischen Typus, mit ungefähr 2000 Einwohnern, einer Festung, einerneuen Kaserne, mit 150 Mann Besatzung 18.39 und nur Avenige Stunden von der türkischen Gränze entfernt. DerGutsbesitzer Gimbroko nahm 122 uns auf das Freundlichste in seinem Hause auf. Abends Soiree, Versammlung; der Honoratioren, darunter der ehrwürdige Gou- verneur Lithorikis, der Vater der schönen Philo in Livadia, einer der schönsten Griechinnen, die ich im eigentlichenGriechenlande kennen lernte. Am 20. Mai hielten vvirRasttag in Lamiä. Am 21, M a i. Die Besichtigung- der bei Gardiki entdeck- ten Braunkohlenlagerstätte bestimmte uns zu einer Exkursion dahin. Drei Stunden führt der Weg an der Nordküste des Golfes von Seitun über das schönste Kulturland gegen Osten bis zur neuangelegten Stadt Stillida. Bereits erheben sich mehrere recht artige Häuser auf den Trümmern des alten, zur Zeit des Freiheitskampfes gänzlich zerstörten Ortes. Zwanzig Handelsschiffe lagen auf der Rhede vor Anker. Nach weitern zwei Stunden erreichten wir Echinos, das schöne Gut der Skumpordis aus Janina , mit einer alten Citadelle, neuen Kasernen und einer Kolonie. Vor ungefähr drei Jahren hatten sich in dieser Citadelle 300 Klephten festgesezt. Die gegen sie ausgesandten Truppen der Regierung, schlecht geleitet wie man sagt, wurden zurückgeschlagen, die Klephten verein- ten sich mit mehreren ihrer Genossen und verheerten und brandschazten nun alle Dörfer ringsum, bis sie endlich einer verstärkten Trnppenanzahl unterlagen. Drei Stunden von Echinos, der Küste nach gegen Ost und etwas landeinwärts sich wendend, gelangt man in fortwähren- dem Verfolge eines in Fruchtbarkeit schwelgenden Kultur- landes zu dem zwischen Obstbäumen versteckten , aus unge- fähr 50 Häusern bestehenden Dorfe Gardiki, am südlichen Gehänge des Othris ■'■. Am 22. Mai. Mit Tagesgrauen traten wir unsere Ex- kursion zu den Braunkohlen an. — Längs der ganzen nörd- lichen Küste des Golfes von Seitun, über Stillida, Echinos bis Gardiki, herrscht mit wenigen Unterbrechungen des stellen- weise zu Tage gehenden Hippuritenkalkes ein tiefgründiger Kulturboden und fast die ganze Strecke ist bebaut. In einer höchstens zweistündigen Entfernung vom Meere hingegen zieht sich parallel der Küste eine niedere Hügelreihe desHip- Das tli oder 3 im Ncugriechisclien wird fast gleich dem eng- lischen th im Artikel the ausgesprochen. « 123 puriteiikalkesbiii, der bei der alten Citadelle von Ecliinos Ab- drücke lind Resfe von Monokotyledoiien enthält und unter wel- chem unmittelbar der dichte Kalkstein des Othris emporsteigt, derselbe, welcher den Parnass und Oeta bildet, mit Kalkthon- schiefer und Thonschieter wechsella|oert und mächtioe Einlage- rungen von Wetzschiefer, Serpentin, Rotheisensteiu und rothen, sehr eisenschüssigen Hornsteiufels einschliesst. Bei Gardiki springt dieser Kalkstein als Vorgebirge , der Nordküste von Euböa gegenüber, bis an das Meer vor und schneidet somit den Hügelzng- des Hippuritenkalkes ab. Wendet man sich von Gardiki nordwestlicJi nach dem kleinen Dörfchen Miles in der Nähe des Klosters Hagia Ka- tharina, so beobachtet man Kalkthonschiefer , wechselnd mit Thoiischiefer und viel Hornsteiu nebst Rotheisenstein enthal- tend, als herrschendes Felsgebilde: unmittelbar am Dorfe Miles selbst aber erheben sich die schroffen Kalkstein -Wände des Othris. Unterhalb dieser Kalkstein- Wände und etwas östlich von Miles sieht mau in den dortigen Wasserrissen, un- mittelbar unter der Dammerde und im jüngsten Alluvium lie- gend, mehrere Bänke von bituminösem, halb verkohltem Holze, wechselnd mit schwarzem Lehm, zu Tage gehen. Diess ist die Braunkohle von Gardiki. Diese Kohlenbänke, deren ich viere zählte, liegen ganz horizontal, haben jede für sich höch- stens eine Mächtigkeit von 2 Fuss und sind durch das ganz nahe Kalkgebirge ihrer Ausdehnung- ins Feld nach nur auf ein sehr kleines Terrain beschränkt. Diese Umstände, verbunden mit der schlechten, zu keinem technischen Gebrauche und nicht einmal zur gewöhnlichen Feuerung; geeigneten Beschaffenheit dieser Kohle, lassen das ganze Vorkommen als keiner weitem Berücksichtigung w erth erscheinen, wenigstens nicht insolange, als sich die Gasfeneiiing nicht auch auf die Benützung derley Materials ausdehnt. Vor ungefähr acht Jahren geriethen au einer Stelle diese Kohlenbänke in Brand und glimmten drei Jahre lang am Ausgehenden fort. Die zu schlechte Beschaf- fenheit der Kohle verhinderte jedoch selbst das Weitergreifen des Brandes; derselbe erlosch, und als Rückstand sieht man nun einen unreinen, rothgebrannteujstellen weise verschlacktenThon. Abends ritten wir den alten Weg bis Echinos zurück, wo 124 wir beim Bruder des gerade abwesenden Gutsbesitzers die freundlicbste Aufnahme fanden. Derselbe wurde bei der Klepbtenatfaire vor drei Jahren von den Räubern gefangen und fortgeschleppt. Drei Monate von diesen Unholden in den rauhesten Gebirgen herumgezogen, übrigens aber mit Schonung behandelt , kam er endlich , Beraubung und Lösegeld gerech- net, mit einem Verluste von 25,000 Drachmen davon. Gegen- wärtig hat das Gut das Ansehen einer kleinen Festung und ist im besten Vertheidigungsstande, desto elender aber sind die Wohnungen der Bauern , schlechter als Neger-Toguls. Mir fiel diess umsomehr auf, da die Leute sonst ganz vortrefflich aussahen und es Thatsachc ist, dass von dem griechischen Landvolke (1839) viel Gold dem Verkehre entzogen und im Versteck behalten wird. Auf die Frage, warum sie sich denn nicht wohnlicher etabliren, ward uns hier wie an vielen Orten Griechenlands die Antwort, dass sie dem Schutze der Regie- rung noch nicht Kraft genug zutrauen, um sie vor üebergriffen ihrer Grnndlierren, vor Angriffen der Räuber, namentlich an den tinkischen Grenzlinien und überhaupt vor derlei Calami- täten zu bewahren. Diess klang fast türkisch; doch sprach ich den bekannten Trost: „Es wird schon besser werden" — mit innigster Ueberzengung aus. Der Morgen des 23. Mai war einer der schönsten , die ich im gemässig- ten Süden erlebte. Die hohen Berge auf Euböa, der Knemis, die Schneekuppe des Parnasses, der Oeta und im tiefsten Hintergründe des waldbedeckten Hellada-Thales die Felsen- zacken des Tymphrestos umgaben uns, strahlend im Rosalichte der aufgehenden Sonne, in weitem Bogen; dicht vor uns Meer, weisse Segel, reich bebautes Land, Blumenduft ringsum und aus den Gebüschen die lezten Töne der Nachtigallen; es war in derThat ein unvergesslich schönes Bild. — Abends langten wir in Lamia an. Am 24. Mai. Unter Begleitung des Richters Dexeras verliessen wir Lamia , passirten nicht ohne Gefahr die hoch- gehende Helladä und kamen nach drei Stunden an den Ther- men von Patradschik (Hypate) an. Die schöne Tlialebene, welche diese warmen Quellen umgibt, ist zum grössten Theile 125 versumpff, dürfte aber diiicli zweckmässig; angebrachte Kanäle ohne besondere Schwierigkeifen zu entwässern seyn. Bis zum Fusse der Anhöhe am Nordgeliänge des Oeta, auf welcher Patradschik liegt, breitet sich zu beiden Seiten der Hellada tiieils Sunipfland, theils ein tiefgründiger Kultur- boden aus, der alle Felsablagerungen dem Auge entzieht. Wie man sich aber dieser Aniiöhe selbst nähert beobachtet man am südlichen Rande der Thalebene ein paar niedere Hügel von weisser Farbe. Auf der Kuppe des einen dieser beiden Hügel befindet sich ein ungefiihr 48 Fuss im Durchmesser haltendes Bassin , in welchem die Therme mit einer solchen Wassermasse emporsprudelt, dass dadurch mehrere Mühlen getrieben werden könnten. Im Mittel des Beckens soll das Wasser, welches eine milchig weisse Farbe besitzt und sehr trübe ist, unergründlich tief seyn. Die Therme enthält sehr viel freie Kohlensäure, welche in Blasen fortan aufsteigt. Ihre Temperatur ist lau, dürfte 20*' Reaum. in keinem Theile des Beckens übersteigen; sie entwickelt sehr stark den Geruch nach Schwefelwasserstoff und hat einen faden, leicht salzigen Geschmack. Das Wasser enthält viel kohlensauren Kalk, sezt sehr viel Sinter ab und ist an seiner Oberfläche beständig mit einer Sinterhaut bedeckt. Offenbar hat sich die Therme, ähnlich den Thermen bei Lipso auf Euboea, die erwähnten beiden Hügel, auf deren einem übrigens sie gegenwärtig nur hervortritt, selbst gebaut. Dieser Sinter oder Quellenkalk ist weiss, zeigt nur stellenweise einen Stich ins Röthliche und Gelbe und erhärtet mit der Zeit zu einer bedeutend festen Gesteinsmasse, welche aber voll röhrenartiger leerer Räume bleibt, welche meiner Ansicht nach nur das Resultat des Ent- weichens der freien Kohlensäure sind , die als Gas die noch weiche, teigige Masse vor ihrer Erhärtung nach allen Rich- tungen durchdringt. Die Hügel des Quellenkalkes sind mit hohem Pfriemengrase bedeckt. Das Gehänge des Oeta in der Nähe von Patradschik be- steht ans dichtem Kalksteine mit Thonschiefer- und Serpentin- Lagerstätten, Der W^eg zu dem ungefähr eine Stunde von der Therme bergan liegenden Städtchen Patradschik führt durch eine wild- 126 romantische Schlucht, Um im weiteren Verfolge unserer Tage- reise, da wir Patradschik nach kurzer Ruhe wieder verliessen, die reissende Wistiitza zu passiren, mussten wir einen gros- sen Umweg machen. Auf einer Brücke üher einem Seitenarm dieses wilden ßergstiomes brach der arme Dexeras mit seinem Pferde durcli, kam aber doch glücklich davon, um an der Ge- fahr des Uebergangs über den Hauptstrom mit uns Theil zu nehmen, welche besonders für die Packpferde sehr bedeutend und für uns sehr anstrengend war. Das Kloster Hagia Agathane im dichten Walde am Oeta blieb uns links zur Seite. Im Dörfchen Agä beeilten sich die Landleute, uns die Nachricht zu eröffnen, dass in der Rich- tung unserer Reise und in geringer Entfernung- heute meh- rere Reisende von zwölf Klephten rein ausgeplündert worden seyen. Angenehm war uns diese Nachricht wohl nicht, denn am Ende gibt es doch schönere Gelegenheiten das Leben ein- zusetzen, als der Kampf mit Strassenränbern darbietet; aber desshalb nicht vorwärts zu gehen wäre mir um keinen Preis mög- lich gewesen: so sehr auch Dexeras dafür sprach, der alsRich- ter ganz richtig halkulirte. Indem er im g;ünstig;sten Falle die beste Tracht Prügel für sich reservirt sah. Wir trafen übrigens weder die Klephten , noch erhielt Dexeras. der am künftigen Tage nach Lamiä zurückkehrte, seine voraussichtlichenSchläge. Zwei Stunden lang führte uns der Weg' des Abends durch prachtvollen IMatanen-Wald. Wir mussten noch einige wilde ßergbäche mit Ungeheuern Gerolle- Anhäufungen passiren, gelangten aber auch mehr und mehr in das kräftig schöne Al- penland Rumeliens. Zur Rechten hatten wir fortan in der Entfernung von ein paar Stunden die türkische Gränze, wo auf dem lange gezogenen Rücken des Othris abw echselnd bald eine türkische, dann wieder eine griechische Kaserne steht. Nach vierstündigem Ritte von Patradschik, ohne den vielen Aufenthalt gerechnet, kamen wir in dem ganz im dichten Walde verborgenen Paläovracha an. wo uns ein guter Alter freundlich in sein Haus aufnahm: demungeachtet aber einige Vorsicht wegen dem räuberischen Charakter der Einwohner für nöthig erachtet wurde. Die Gerolle der Wistritza, Avelche man auf der Route von 127 Patradscliik nach Karpeiiisi pnssirt, deuten darauf hin, dass hier dasOeta-Gebiroe nicht bloss aus dichtem Kalksteine besteht, sondern dass daselbst auch Thonschiefer , ein grob- körniger, grauwackeiuirtiger Sandstein und ein feinkörniger schiefriger Sandstein anstehen. Indem ich namentlich beide leztere als unverkennbare Parallel-Glieder des appenninischen Macigno ansehen zu müssen glaube, bin ich der Ansicht, dass wir es hier offenbar mit Formen der untersten Kreidereihe, mit Formen des Grünsandsteins zu thun haben, wozu wir im Verlaufe der Reise hinlängliche Belege erhalten. In der Gegend von Paläovracha erscheint nebst dem Thonschiefer auch Chloritschiefer, wahrscheinlich das Grundgebirge des aufgelagerten Felssystems der alten, grauen, harten Kreide (Älpenkalk), sowie man nebst den erwähnten Trümmern von Sandstein auch solche von Diorit und Uuarzfels findet, die von untergeordneten Lagerstätten abzustammen scheinen. Am 25. Mai. Fünf Stunden lang zogen wir in streng militärischer Ordnung durch dichten Wald, noch immer des Erscheinens der zwölf Hochstrassenmänner von Gestern ge- wärtig. In den Tiefen des Thaies besteht der Wald durch- gehends aus Platanen , in den höhern Regionen aus Eichen und Tannen. Zur Rechten lagen uns die scharfen, zum grossen Theile noch mit Schnee bedeckten Felsgipfel des Tymphrestos, die meiner Schätzung nach zu 5000 bis 6000 Fuss Meeres- höhe ansteigen *. Die meisten Bäche, welche wir passirten, dürften mittelst Klausen zjir Triftung geeignet seyn und da sich diese Bäche in derHelladä einmünden, diese aber gerade dem Meere zueilt, so dürfte auch der Gedanke zur Be- nützung dieser W^^sservvege für die Verwerthung des grossen Holzkapitals in den Wäldern des obern Helladä-Thales umsu- weniger ein unfruchtbarer seyn , als die Holzabfälle zum Be- triebe einer Glasfabrik, wozu die enorme Masse des vorkom- menden reinsten öuarzes einladet, einer Pottasche-Fabrik etc. sehr zweckmässig benüzt werden könnten. Am Ausgange des Waldes betraten wir waidereichen Alpenboden, begegne- ten einer starken Streifparthei von Pallkaren, passirten einige * Mir ist keine Höhenmessung der höchsten Felsgipfel des Tym- phrestos bekannt. 128 sehr hoch liegende Dörfer, trafen aber anch hie und da ein verlassenes Häuschen oder eine von Räubern niedergebrannte Kaserne (Blockhaus). Der Weg führte uns nun gerade am Gehänge des Tym- phrestos hinan bis auf das Üebergangs-Joch, von dem man in das Thal von Karpenisi (Kerveuesch) niedersteigt. So weit wir vom Joche aus das Thal der Hellada, überblicken konnten sind dessen Gehänge dicht mit Wald bedeckt. Die drei Fels- gipfel desTymphrestos lagen uns nun ganz nahe und an ihnen vorüber trägt der Blick weit in die Berge und Ebenen Thes- saliens, bei deren Anblick gewiss jeder Grieche dieGränzlinie verwünscht, welche hier so nahe ihn von seinen uralten Stamm- genossen auf acht griechischem Grund und Boden in einer un- natürlichen Weise trennt. Von der Höhe thalab erreichten wir in anderthalb Stunden das Städtchen Karpenisi, am süd- lichen, steilen Gehänge des Tymphrestos hingeklebt, voll Schutt und Trümmer, in einer rauhen, windigen Lage. Noch vor wenigen Tagen war daselbst Schnee gefallen. Die lezte Anhöhe vor dem Städtchen gewährt einen üeberblick des gan- zen triftenreichen Alpenthales, zum grossen Theil von Wald- bergen umschlossen, über welche die Fels-Pyramiden des Tymphrestos und jene der Chelidonia und Kaleokuda, süd- westlich von Karpenisi und die höchsten des ganzen Gebirgs- stockes, emporragen. Ihre Majestäten hatten vor wenigen Tagen Karpenisi ver- lassen und sich nach Vonitza am Golfe von Artas gewendet. Im Hause des Gouverneurs Oekonomides, des Schwagers meines Freundes Philippos, auf das herzlichste empfangen, blieben wir in Karpenisi bis zum 29. Mai, Das nördliche Aetolien mit dem nordöstlichen Akarna- nien (das obere Flussgebiet des Aspro Potamos, Achelous) und der Provinz Dryopes gehören den örtlichen Verhältnissen nach zum Hochlande des Epirus. Ein gewaltiger Gebirgsstock, der alte Korax, die südliche Fortsetzung des Pindusgebirges bildend und soweit ich denselben kennen lernte der Formation des dichten und körnigen Kalksteins mit Thonschiefer und Sandstein (Macigno) angehörend, nimmt das erwähnte Terrain 129 ein und sendet, den Tymphrestos als Centrale iinig;ebend, drei mächtige Bergketten gegen Osten aus. Die nördliche und zugleich niederste dieser Berg- ketten ist die des Othris, das heutige Grenzgebirge gegen tür- kisch Thessalien ; die mittlere, höhere, ist jene des Oeta^ von ersterer durch das Thal der Helladä getrennt; die dritte, siidliche und höchste ist jene des Parnasses, von der des Oeta durch das Flussgebiet des Mavro Potamos geschieden. Alle drei Bergzüge durchsetzen das heutige grie- chische Rumelien aus West in Ost bis zum Archipel-Meere; indem der Othris mit den Vorgebirgen Nea Mangeli und Stav- ros am Meerbusen von Volo , der Oeta an den Thermopylen und mit dem Knemis, die Kette des Parnasses hingegen einer- seits mit dem Kyrtonon und Ptoos Vuna, andrerseits, mit dem Helikon und Cithereon sich südöstlich wendend, mit den Ber- gen der attischen Halbinsel endet. Die höchsten Kuppen des Korax und namentlich jene des wilden, scharfgezackten Pin- dus im Epirus dürften den Gipfeln des Parnasses an Höhe wenig nachgeben. Von Paläovracha bis zum Tymphrestos gehört der Oeta der Formation der tlionigen Schiefer, des Sandsteins und schiefrigen Sandsteins, mit untergeordneten mächtigen Lager- stätten reinen Ouarzes an. Beide leztere Gebilde sind den Trümmergesteinen der Grauvvackenperiode in Handstücken sehr ähnlich. Auf dem Uebergangsjoche am Tymphrestos in das Thal von Karpenisi steht grobkörniger Sandstein als herr- schende Felsart an und hier fanden wir im Gestein fremdartige Körper und Abdrücke, jedoch von gänzlich unbestimmbaren Formen, die icli organischen Ursprungs halte. Die Felskup- pen des Tymphrestos bestehen aus dichtem und körnigem Kalkstein, welcher in den höhern Punkten des Gebirges mit Thonschiefer wechselt. Oft kommen die dichte und körnige Varietät des Kalksteins zusammen vor und beide erscheinen sogar an ein und demselben Handstück; meistens aber sind sie in verschiedene Lagen getrennt. Der dichte Kalkstein, besonders am südlichen Gehänge des Tymphrestos, führt auf Nieren uud Lagern, von wenigen Zollen bis zu sehr bedeu- Russegger, Reisen. IV. Band, 9 130 . tender Mächtigkeit: Feuerstein, Honistein, Jaspis, Kalzedon, Rotlieisenstein, gemeinen und Prasemquarz. Wo diese Lager im Kalke aufsetzen, z. B. in der Nähe von Karpenisi, ist der- selbe ausgezeichnet geschichtet. Seine Schichten streichen aus NO, in SW,, stehen theils senkrecht, theils fallen sie steil gegen NW., theils lassen sie durch Biegungen, konzentrische Anordnung und Verwerfungen die manchfaltigsten und bizarr- sten Durchschnitte wahrnehmen. Am 29. Mai. Früh des Morgens sassen wir schon im Sattel und ritten über den heillosen Steinpfad in die Thalebene unterhalb der Stadt hinab. Dort am Ausgange des Alpen- thalcs, dicht am Bache, ist die Stelle wo Marko Bozzaris bei seinem kühnen Angriffe des türkischen Lagers den Helden- tod starb. Nach 3 Stunden erreichten wir das Dorf Mikrochorio, dem Dorfe Tranochorio gerade gegenüber. Ersteres liegt am Fusse der Chelidonia, lezteres an jenem der Kaleokuda; zwi- schen beiden zieht sich der Weg zusammen mit dem Bache von Karpenisi durch eine tiefe enge Schlucht hinab, stellen- weise nur wenige Schritte breit. Der Weg könnte kaum abscheulicher seyn. Zwei Stunden weiter triff*t man in der Tiefe dieser Schlucht das Dörfchen Garitza, wo man auf einer Steinbrücke den Bach von Karpenisi passirt und an dessen linkes Ufer übertritt. Hoch an den senkrechten Felswänden der Chelidonia befindet sich eine Höhle, welche die ganze Kuppe durchsezt. Der offenbar dort herrschende starke Luft- zugverhinderte jedoch keineswegs einst einen wilden Drachen mit einer geraubten, wunderschönen Jungfrau den bedenklichen Aufenthalt daselbst aufzuschlagen. In einer Stunde verliessen wir das enge Thal des Baches von Karpenisi, welchersich westwärts um die Chelidonia herum zum Aspro Potamos wendet und lenkten links, um die Kaleo- kuda herum, in ein noch wilderes Seitenthal ein, in die Fels- schlucht von Porsoss. An der Wendung- des Weges schlugen meine Griechen ein Kreuz nach dem andern. £in Marienbild hatte sich einst ans Thessalien in diese Schlucht geflüchtet. Ein vorübergehender Türke verspottet dasselbe und wird dafür 131 von einem sogleich losstürzenden Felsen unverziiglich an jener Stelle tüdtgesclilagen. Eine Stunde lang führt nun der Weg sehr steil den Berg hinan bis zu zwei ganz nahe beisammenstehenden Felsen, wo der Pass von Porsoss, hier Typoraa genannt, beginnt. Der Weg fällt nun eben so steil wieder thaiab; die fast senk- rechten Gehänge sind theilweise bebaut; der Weinstock grünt auf den Terrassen, hie und da erblickt man ein einzelnes Häus- chen an fast unzugänglich scheinender Stelle; Mädchen sangen Klephtenlieder bei ihrer Arbeit als wir vorüberritten. Der Pass wird nun immer wilder und pittoresker. Man wird des Dorfes Porsoss und des gleichnamigen Klosters ansich- tig; doch, um eine Felsenecke beugend, scheint plötzlich der Weg, Thal und Pass zu enden; denn eine gewaltige senk- rechte und wohl an 1000 Fuss hohe Felswand steht wie eine Mauer da und versperrt die ohnediess enge Schlucht. Brau- send tobt in der schwindelnden Tiefe der Wildbach und nur ein ganz schmaler Pfad für Sammpferde führt in weiten Krüm- mungen ausgesprengt die Wand hinauf. Mir pochte das Herz vor Freude, denn ich glaubte mich wieder in mein schönes, heimathliches Alpenland versezt. Das Dorf Porsoss , zwischen lieben, Feigen- und Nuss- bäumen am steilen Gehänge, liegt oberhalb dem gleichnamigen Kloster*. Ein Thurni vertheidigt den Pass. Das Kloster, wo wir recht gut aufgenommen und sogar in das Königszimmer einlogirt w urden, ist gross , w ie mit wenigen Ausnahmen alle orientalischen Klöster, höchst nnregelmässig gebaut, die Kirche klein und mit Schmuck überladen; die Lage zum kontempla- tiven Leben ganz geeignet. im Thale von Karpenisi, unserer Route gegen S. entlang, wechseln ein paar Stunden hindurch dichter Kalkstein, Thon- schiefer und Sandstein, bis endlich lezterer an Ausdehnung gewinnt und bei den Dörfern Tranochorio und Mikrochorio zum herrschenden Felsgebilde wird. Unterhalb der Höhe von Mikrochorio herrscht wieder dichter Kalkstein, der gegenüber bei Tranochorio ein sehr mächtiges Lager von armem Roth- * Auch Brossoss geuaunt, was vielleicht richtiger sey» dürfte. 9 ? 132 eiseiisteiii enthält, dessen Fortsetzung man am Dorfe Garitza, in einer zweistündigen Entfernung" von Trunochorio, wieder trifft. Bei Garitza wechselt der dichte Kalkstein mit rothem Thonschiefer; weiterhin erscheint auch stellenweise wieder der Sandstein. Wo der Kalkstein mit Thonschiefer wechselt ist derselbe in sehr dünnen Lagen geschichtet, welche häufig die manchfaltigsten wellenförmigen Biegungen zeigen. Am nördlichen Ende des untern Passes von Porsoss herrscht der dichte Kalkstein ausschliesslich. Er wird daselbst von einem bei 20 Klafter mächtigen Lager von armem Rotheisen- stein, Thonschiefer und Hornstein begleitet und enthält auch in seiner Masse selbst Knollen von Hornstein bis zur Kopf- grösse. Die Schichten streichen hier aus NO. in SW. und stehen auf dem Kopfe. Näher am Kloster wechseln unter denselben Verhältnissen der Schichtenstellung dichter Kalk- stein und Hornstein in sehr dünneu Straten, deren Mächtigkeit mitunter nur zwei Zoll beträgt. Um das Kloster herum sah ich nur den dichten Kalkstein als anstehenden Fels. Am 30. Mai. Vom Kloster führt der Weg steil an dem Gehänge des Aracynthus* (Plokapari) hinan und man gelangt in den obern, südlichen Pass von Porsoss, nicht minder wild als der nördliche, aber bei weitem nicht so grossartig. Ein herrenloser, schwarzer, schöner Schäferhund, der sich unserer Karavane angeschlossen, hätte dem einen oder andern von uns hier bald das Schicksal des vorne erwähnten gottlosen Türken bereitet. Er löste nämlich, rücksichtslos herumsprin- gend, ein grosses Felsstück oberhalb des Weges los, das mit gewaltigen Sprüngen zwischen uns Reitern durchflog und in den Abgrund stürzte, ohne glücklicherweise Jemanden zu beschädigen. Nach dreistündigem Ritte gelangten wir auf die Höhe des Weges über den Aracynthus und bestiegen eine nahe liegende Kuppe desselben. Die hohen , schneebedeckten Berge von Achaia und Arkadien auf dem Peloponnes, ein Thell des adriatischen Meeres, der ganze Korax mit seinen * Auch der Zygos , zwischen Vrachori und Missolonghi , wird als Aracynthus bezeichnet , wahrscheinlich jedoch nicht mit so gutem Grunde. 133 Hauptgriippen : dem Tymphrestos, der Chelidonia und Kaleo- kuda, sowie weiterhin gegen Nord das ebenfalls noch in tiefen Schnee gehüllte Pindusgebirge im Epirus breiteten sich vor uns aus. Wir selbst standen in der Region des noch nicht abgeschmolzenen Schnee's, wahrscheinlich zwischen 4000 und 5000 Fuss Meereshöhe. Zwei Stunden lang führt der Weg durch steile Wald- schluchten thalab, dann wieder eine Stunde lang die südlichen Vorberge des Aracynthus hinan, von deren Joche man aus plötzlich durch den schönen Anblick der Ebene von Vrachori überrascht wird ; ein weites, Vegetations-reiches Thal zwischen der Kette des Aracynthus und jener des Zygos, mit zwei gros- sen See'n, dem See Trichonia oder von Vrachori und dem See Lysimachia oder von Angelokastron. In der Ebene angelangt brauchten wir 4 Stunden, um dieselbe aus Nord in Süd zu durchschneiden und zwischen den beiden See'n durchzupassiren. Drei Viertheile dieses Weges wanderten wir durch Gestrippe, über Felder und trefflichen,^ kulturfähigen, aber nicht kultivir- teu Boden ; eine Stunde lang hingegen führt der Weg über tiefen Sumpf mittelst eines Steindammes, welcher mit Durchzü- gen für das aus dem Trichonia- in den Lysimachiasee abziehende Wasser, da beide Seen dem Wassersysteme des Aspro Pota- mos angehören, versehen und zu Pferde verzweifelt schlecht zu passiren ist. Die Dörfer, welche wir sahen, sind elend; das schöne Land ist schlecht bebaut und es wunderte uns somit auch nicht, nach fast zwölfstündigem Ritte, in Keras- sowa Kalybia am Nordgehänge des Zygos eine unfreundliche Aufnahme und ein Nachtquartier zu finden, das auch für solche, die an Entbehrungen aller Art gewohnt sind. Vieles zu wünschen übrig liess. Eine Stunde oberhalb des Klosters Porsoss, das wir heute Morgens verlassen hatten, trafen wir im dichten Kalksteine ein sehr mächtiges Hornsteinlager als scharfen Felsrücken zu Tage gehen. Der Hornstein führt auf ganz dünnen Straten, zum Theil nur 1 Zoll mächtig, Roth- und Brauneisenstein. Die Schichten, welche im Ganzen NO. — S W.Streichen und theils senkrecht stehen, theils in SO. fallen, lassen die manchfaltigsten Biegungen und Krümmungen wahrnehmen, jedoch immer mit unverkennbar konzentrischer Anordnung-. Bemerkenswerth ist es, dass auf dem Rücken des aus dem dichten Kalksteine hoch hervorragenden Horn- steinkamms sich wieder Kalkstein und zwar der gleiche aufgelagert findet, so dass man allerdings in Versuchung kommt, hier an eine gangartige Erhebung des Hornsteins zu glauben. Weiterhin erscheinen nun melirmals im dichten Kalksteine grosse Lager von Dach- und Wetzscliiefer, bis man auf der Höhe des Aracynthus, dort, wo der Weg nach Missolonghi das Joch überschreitet, neuerdings auf ein mächtiges Horn- steinlager stösst, das jedoch zum grossen Theile aus kugel- förmigen Konkretionen dieses Gesteins, Menschenschädeln nicht unähnlich *, besteht; daher auch die Grieclien diese Stelle Arabokephala (Äraberköpfe) nennen. Auch dieses Hornstein- lager wird von armen Eisenerzen begleitet. Von hier bis in die Ebene bei Vrachori wechseln fortan dichter Kalkstein, Thonschiefer und Hornstein. Besonders mächtig entwickelt zeigt sich der Kalkstein. Das weite Thal von Vrachori ist mit Kulturboden, See und Sumpf bedeckt 5 die Berge hingegen, welche dasselbe zunächst südlich begrän- zen, bestehen aus feinkörnigem Sandstein mit Chlorit- und Glimmerblättchen , braungrün, von mittlerer Festigkeit und seiner Schichtenstellung nach wahrscheinlich dem weiter südlich folgenden Kalksteine der Klissura aufgelagert. Am 31. 31 ai. Ein dichter Eichenwald bedeckt das Nord- gehänge des Zygos. TNach zwei Stunden erreichten wir die Klissura; ein wilder Felsenpass, der die Küstenebene, den Zygos quer durchschneidend, mit der Ebene von Vrachori ver- bindet. Der We^ zieht sich zwischen hohen , senkrechten Felswänden hin; man geniesst durch die Schlucht hinaus einer schönen perspektivischen Ansicht der Lagunen von Anatoliko, sieht eine Menge Höhlen und am Ende des Passes zur Rechten in der Felswand die Zelle eines frommen Anachoreten. Der lezte Besitzer soll gelegenheitlich auch das edle Ränberhand- werk nebst seinen Bussübungen betrieben haben. An der Meeresküste angelangt verfolgten wir den Strand, * Wenn man es hier nicht mit einer kugeligen Absonderung des Hornsteins zu thun hat. 135 passiileii den Bach Kephalaris, hatten zur Rechten die kleine Stadt Auatoiikon, die treue Gefährtin Missolonghis im Frei- heitskriege, auf einem Inselchen liegend und mittelst zweier sehr langer Biiicken mit dem Festlande verbunden und erreich- ten endlich Nachmittags das durch seinen Heldenkampf hoch berühmte Missolonghi. Die Geschichte ist weltbekannt; wer jedoch Missolonghi selbst sieht, nniss fragen : Wie ist es möglich, dass eine Stadt mit Gräben nnd Wällen, iiber die man beinahe springt, mit Mauern, die beim eisten Kanonenschusse zusammenzustürzen scheinen, sich so lange gegen einen so weit überlegenen, wutheiitbrannten Feind halten kann ? Jedoch nicht die Mauern, nicht die Wälle waren es, die Missolonghi hielten — die Herzen der Vertheidiger sind es gewesen, die das Unglaub- liche leisteten. Wer kann eine Truppe besiegen, in der jeder Einzelne sich für unbesiegbar hält und sich dem Tode weiht? Vernichtet kann sie allerdings werden, aber nie unterjocht, denn die Gefallenen deckt der Lorbeer der Geschichte. Das war die Macht, die Missolonghi hielt, das durch seinen klassisch gewordenen Kampf inBezug auf mora- lischen Impuls der Griechen und Gewinnung europäischer Sympathien ebenso zum Haupthebel der Befreiung Griechen- lands wurde, wie die Schlacht vonNavarin durch die materielle Zerstörung der feindlichen Macht. Wir wallfahrteten zu den Gräbern Marko Bozzaris und NoRMANNS, zum Mausoleuni Lord Byron's , der durch seine Gesänge, ebenso wie unser Theodor Körner, mehr als eine Schlacht gewann. Die Stadt sieht ärmlich aus, dürfte kaum (1839) über 3000 Einwohner zählen, ist zum Theil noch ein Trümmerhaufe und hat als Waffenplatz für Rumelien eine günstige, für den See- handel aber eine ungünstige Lage, denn kein Schiff kann sich des seichten Wassers wegen nähern. Der Kalkstein der Klissura verdient eine nähere Unter- suchung; denn aus dem Wenigen, was ich während des heutigen Tagmarsches zu beobachten Gelegenheit hatte, möchte ich ihn vor der Hand nicht dem Kalke der Kreidereihe, sondern viel- mehr jenem der Jurareihe zurechnen, wodurch sich auch die 136 Stellung; des Sandsteins am Nordgehänge des Zygos als ein Parallelgebilde unseres Grünsandsteins nur noch mehr befesti- gen würde. Der Kalkstein der Klissura ist theils dicht, mit muscheligem Bruche und von weisser Farbe, theils ist ergrau, von oolithischem Gefiige, die Körner innig mit der Masse ver- wachsen, voll von Versteinerungen. In seinen höher liegen- den Ablagerungen ist der Klissura-Kalkstein sehr höhlenreich und zugleich sehr eisenschüssig. Am 1. Juni 1839. Kanonendonner verkündete uns früh des Morgens das Geburtsfest Sr. Maj. des Königs. Auf dem mit Heldenblute benezten Boden hatte die Feier, das einfache Gebet für Hellas und seines edlen Königs Wohl, etwas eigen- thümlich Ergreifendes und der Wunsch, unter jenen gewesen zu seyn, die sich das, was uns allein bleibt, „d er N ame", auf eine so glänzende Art errangen, lag in einem solchen Augen- blicke nahe. Gegen Mittag verliessen wir Missolonghi, gelangten in :* Stunden an den Phidaris (Evenos), wo einst der grobe Her- kules den pfiffigen Centaüer Nessos mausetod schlug, was ihm aber bekannterweise keine guten Früchte trug; passirten den Bergstrom nicht ohne Gefahr, überstiegen den Chalkis, einen Vorsprung des ätolischen Gebirgslandes, kamen wieder zur Küste und erreichten endlich den Klokova (Taphiassos), ein zweites Küstengebirge am Beginne der sogenannten Kaka Skala. Die Kake Skala oder Kaka Skala ist ein Weg, der an der Kiiste um den senkrechten Abfall des Klokova herumführt, ein entsetzlich schlechter Weg, wie buchstäblich der Name sagt. Der Anblick von dem auf dem Peloponnes gegenüber- liegenden Patrass und der ganzen malerischen Bucht, welche im weiten Bogen die Stadt umgibt, ist allerdings ausnehmend schön, dajedoch stellenweise jeder Fehltritt des müden Pferdes auf den glatten Felsen den Sturz in eine schauerliche Tiefe, wo die Meeresbrandung tobt, zur Folge haben würde, so ist der Genuss der herrlichen Fernsicht auf Augenblicke oft ge- stört. Dieser Weg soll einst noch viel schlechter gewesen seyn, was schwer zu glauben ist. In der Festung Anti Rhion angelangt, der Festung Rhion auf dem Peloponnese gerade gegenüber , wurden wir von den 137 Offizieren wie alte Kameraden aufo^enommen und verlebten mit ihnen einen änsserst angenelimen Abend. Der Kalkstein der Kiissura zieht sich in einig^er Entfer- nung längs der Küste hin und endet erst am Phidaris, wo er sichtlich unter dem Kalkstein des (Mialkis einschiesst, der offenbar dem Hippnritenkalke angehört. Die Kalkfelsen des Chalkis steigen schroff bis zu 1500 Fuss über das Meer an. In den Thaleinschnitten zwischen beiden Kalkbildnngen beob- achtet man den Sandstein von Vrachori zu Tage gehen, dessen oberste Bänke sehr grobkörnig, fast uagelflneartig sind. Sie streichen NW. in SO., verflachen NO., scheinen daher auch hier dem Kalksteine, der Kiissura aufgelagert, während sie jenen des Chalkis unterteufen dürften. Zwischen dem Chalkis und der Kaka Skala am Klakova stösst man anf grosse Alluvial-Ablagernngen ; der Klakova hingegen gehört wieder dem Hippnritenkalke an, so wie die Küste bei Anti Rhion den Gebilden der Dilnvial- und Alin- vial-Zeit. 4) Reise iliircli den Peloponues. Rliioii. Patrass. Ka- lavrita. IVIeg^alospileon. Olympia, jtndritzina. Ha- laiiiata. Uie Iflaina. Porto «iuag^Iio und Hap Iflata- paii. iriaratlionisi. Üparta. Tripolitza. IVauplia* Rttckkeltr nacli AUien. A m 2. Jn n i 1830. Am Morgen schifTlen Avir uns sammt unsern Pferden, mit denen wir Ursache hatten zufrieden zu seyn, über die Meerenge von Lepanto nach Rhion auf dem Peloponnese hinüber. Rhion, an und für sich grösser als Anti Rhion, nimmt sicli auch, da die Festung von den Franzo- sen reparirt wurde, besser und stärker aus. Nach einem anderthalbstündigen Ritte entlang der Küste waren wir in Patrass, wo wir bis zum 6. Juni ausruhten, Tagebücher ord- neten, Briefe erhielten und schrieben, Mineralien nach Athen spedirten und uns zur neuen Reise, zu der durch den Pelopon- ues rüsteten. Drei Jahre und einige Monate waren nun verflossen, dass ich Patrass das leztemal gesehen hatte. Zerstreute, kleine, hölzerne Häuschen, sehr wenige ansehnlichere Gebäude, viele Schutthäufen und eine schlechte Lokanda gaben dem durch 138 seine Lage bedeutenden Platze ein ärmliches Aussehen. Nun, ichmusste staunen, sali ich eine bedeutende Stadt, der Angabe des Demarchen nach mit ungefähr 10000 Einwohnern, mit breiten, geraden Strassen, vielen grossen, zum Theile sehr hübschen Häusern, mit einem recht artigen Kasino und einem Hotel zum goldenen Löwen, das ausser einer etwas billigeren Rechnung Nichts zu wünschen übrig liess. Vor Allem wurde ein alter Bekannter, der österreichische Consul Zuccoli auf- gesucht. Er war einst der Begleiter des Reisenden Cailliaud auf dessen Zug mit isMABL-Pascha nach Sennaar, Fassoki und Schongollo. Ich kam so zu sagen noch warm von der tropi- schen Sonne aus jenen Ländern und wir hatten uns daher Vieles zu sagen, Vieles gegenseitig zu fragen. Mein Reise- plan w ar zunächst : von Patrass nach Kalavrita zu gehen, das berühmte Felsenkloster Megalospileon (die grosse Höhle) zu besuchen, sodann den westlichen Theil des Peloponneses bis zur Südspitze der Maina, Kap Matapan, zu durchstreifen und von dort über Spaita, durch den östlichen Theil des Pelopon- neses, mich nach Nauplia zu wenden und nach Athen zurück- zukehren. Dieser Plan wurde auch binnen einem Monate ausgeführt. Am 6. Juni traten wir unsere Reise an. üeber Felder und durch Gärten auf der Küstenebene von Patrass führt der Weg bis zum Fusse des Gebirges Panachaikon (Voida), das wir 2% Stunden lang im Thale des Glavkos bis zum Hirten- dörfchen Paladuna auf gutem W^ege hinanritten. Ein schöner Eichenwald hält bis in das Thal von Kalavrita an. Von der Höhe des Weges sahen wir rechts die schneebedeckten Fels- gipfel des Lampe und Olenos (fi672 Fuss) ; vor uns aber hatten wir das noch höhere Kyllenegebirge mit dem Chelmos (7065 Fuss) und dem Zyria (7122 Fuss), insgesammt nach dem Tay- getos in Lakedämonien die höchsten Berge des Peloponneses und den Nordrand von Arkadien bildend. Nach einem sieben- stündigen Ritte trafen wir auf dem Gebirge bei Guzumista einen isolirten Chan, in welchem wir die Nacht zubrachten. Am 7, Juni. Durch sehr pittoreske Thäler und Schluch- ten, inmitten prächtiger Eichen und Platanenwälder und hoher kühn gebauter Bergform, gelangtgen wir in 6^/2 Stunden 139 nach Kalavrita; ein kleines Städtchen mit höchstens 300 Hänsern am Nordwestoehänoje des Cheimos. Die Lage von Kalavrita am ohern Ende derSchIncht, welche Megalospileon vorüber an die Küste des Meerbusens von Lepanto hinansführt, ist niedlich; aber nng^eachtet der bedeutenden Höhe über dem Meere* wegen der Versumpfung- der Thalebene ungesund. Hier wurde im eigentlichen Griechenlande, nachdem die Insu- rektion in der Moldau und VVallachei bereits organisirt war, zuerst am 6. April 1821 in Folge der Aufforderung des Erz- bischofes Germanos von Patrass zur Theilnahme am Freiheits- kampfe, die Fahne des Anfstandes öffentlich erhoben, der sich sonach auch gleich einem Lauffeuer von Berg zu Berg und von Tbal zu Tbal über den Peloponnes verbreitete **. Eiue sehr interessante Bekanntschaft war mir die des Oberlieutenants und Gendarmerie - Stationskommandanten Berthier, welchen ich beim Gouverneur traf. Geboren in Frankreich kam er noch als Kind nach Tarsus, lebte in Kara- maniei) und im Jiördlicheu Syrien 13 Jahre und spricht daher fertig türkisch nud arabisch. Später kam er nach Egypten, zog in Nubien bis Waddi Haifa und gelangte endlich gelegen- heitlich einer Loskaufung griechischer Sklaven in griechische Dienste, Ich fand an ihm einen Menschen voll gesunden Ver- stand, mnthig und vom feinsten Anstände. Er drang wieder- holt in mich, nicht ohne Bedeckung weiter südlich gegen An- dritzina zu gehen , da die Bande des berüchtigten Gazavos (wenn ich den Namen recht aufzeichnete) vollen Ernstes diese Wegstrecke sehr unsicher mache. Zwölf Palikaren und zwei Gensdarmen wurden mir daher zu Begleitern bestimmt und um diesen geplagten Leuten nicht nur das Bittere der Reise, sondern auch das Süsse derselben zukommen zu lassen, welchen Witz ich in seiner Bedeutung erst später einsah, beredete mich Berthier die mir vor der Hand ganz unnütze Mannschaft gleich nach Megalospileon mitzunehmen, wohin ich noch des Abends abging. Das Scliloss mit 3567, die Brücke im Thale mit 2103 Paris. Fuss Meercshühe. *'* Theilweise Kämpfe, die kurz zuvor an andern Orten vorfielen, trugen noch nicht den Charakter der allgemeinen Erhebung an sich. 140 Eine tiefe Felsschlucht zwischen senkrechten, kahlen^ zerrissenen Wänden der Nagelflne führt der Kalavrita nach, welche man zweimal passiren mnss, gegen Nordost. Das wilde Styxgebirge, ein Theil des Chelmos, erhob sich uns zur Rechten. Der Styx, ein Schneewasserbach, entspringt sehr hoch und noch im August soll am Ursprünge, wie man uns sagte, Schnee liegen =*, Nach zwei Stunden wendeten wir uns auf das rechte Ufer des Baches und ritten auf einen vielfach gewundenen, aber breiten und guten Weg das steile Gehänge hinan zum Felsenkloster. Beim Anblicke von Megalospileon ging es mir, wie oft im Leben geschieht, ich fand nämlich meine Erwartung getäuscht, da ich mir, irregeleitet durch bildliche Darstellungen, das Ganze noch weit wilder und bizarrer vor- bestellt habe**, üebrigens ist auch das faktisch Bestehende seltsam genug. Das Kloster liegt amFusse einer senkrechten, etwas überhängenden und ungefähr 400 Fuss hohen Felswand. Ein Theil desselben, nämlich Kirche, Keller, Küche, sind in das Innere einer grossen Felshöhle eingebaut (daher der Name), von welcher man aber, da die Fronte des ganzen Gebäudes gerade vor dem Eingange derselben steht und sich der Fels- wand von allen Seiten anschliesst, von Aussen fast nichts be- merkt. Merkwürdig ist die Unregelmässigkeit des ganzen Baues. Auf dem alten, soliden, festungsartigen, mit 10 Fuss dicken Mauern versehenen Unterbau hat man nach und nach, wie es scheint nach Bedarf, Zimmer an Zimmer der Felswand nach bis zur Höhe von 7 Stockwerken hinauf geklebt. Der ganze Oberbau ist von Holz, wo sich Gang auf Gang bis zu einer schwindelnden Höhe folgen. Am Fusse des Klosters befinden sich auf Terrassen die vielen Gärten der Geistlichen und neben dem Kloster liegen rechts und links an der Fels- wand die Wohnungen der Klosterbedienten, so wie gerade vor dem Hauptthore das Lokale zur Aufnahme von Fremden min- deren Ranges. Steine, welche von der Felswand über dem Kloster losbrechen, fallen zwar nicht auf dieses, weil die Nei- * Ueber den Styx s. m. Dr. Fiedler I, p. 398. '■'* Der Anblick von Megalospileon macht bei weitem nicht den tiefen Eindruck, wie jener von Mar Saba bei Jerusalem. 141 gnng der Felswand selbst dasselbe schüzt; die in den Gärten Promenirenden hingegen weiden dadurch sehr unliebsam molestirt und nach Umständen auch todtgeschlagen. Oben auf der Felswand befinden sich zur Vertheidigung des Klosters zwei Blockhäuser und eine kleine Redoute, auch besitzen die Geistlichen zu diesem Zwecke zwei Feldstücke, eine Menge Flinten, Säbel u. dgl. Von den Blockhäusern zieht sich eine steile Schlucht nieder, in welcher man an das Kloster kommen kann, ohne von da aus gesehen zu werden. Die Befestigungsanstalten sind im Ganzen ziemlich verwahr- lost, doch gaben sie im Freiheitskampfe einer Menge reicher, in das Kloster geflüchteter Familien Schutz. Damals wurde dasselbe von 800 Bewaffneten vertheidigt und IßRAHiM-Pascha musste unverrichteter Sachen wieder abziehen, was ihm, wenn die Absicht das Kloster zu nehmen wirklich sein Ernst war, gerade nicht zum Ruhme gereichen dürfte, denn dasselbe scheint mit seiner schwer zu vertheidigenden und ganz blossgestellten Fronte und bei den von mehreren Seiten möglichen, zum Theil maskirten Zugängen, keineswegs uneinnehmbar zu seyn. — Durch den in die Höhle eingebauten Theil des Klosters theilt sich dieselbe in drei Etagen. Die Kirche ist klein, aber reich. Da den Angaben der Geistlichen zufolge, denen ich nicht nach- rechnen will, das Kloster bereits 1400 Jahre zählen soll, so darf man sich nicht wundern, in der Kirche ein vom Evange- listen Lukas eigenhändig gemaltes Marienbild zu finden. Die Küsse von Jahrhunderten haben das Gemälde etwas undeutlich gemacht und ein ürtheil über dessen Kunstwerth ist daher nicht leicht möglich. Am besten fanden wir den'Keller besezt. Da ist ein wahrer Schatz von Wein niedergelegt und die Fässer, berühmt so weit Hella's Zunge reicht, geben dem Hei- delberger wenio- oder nichts nach. Bedeutend schlechter be- stellt ist die Bibliothek und nur an Eckel erregender, jede Vorstellung übersteigender Unreinlichkeit reichen sich alle Elemente des klösterlichen Stilllebens auf Megalospileon brüderlich die Hand. Das Kloster zählt jezt (1839) 125 Mönche, darunter sehr viele junge Leute, auch Knaben; wahrscheinlich des Unterrichtes und der Vorbereitung zum kontemplativen Leben wegen innerhalb dieser Mauern. Die jährliche Einnahme 142 des Klosters gab man uns, Avaiirscheinlieh viel zu geringe, auf 72,000 Drachmen an. Wir wurden freundlich aufgenommen und in dem Frem- denzimmer oberhalb des Haupteinganges einquartirt, unsere Palikaren und Diener aber mussten ausserhalb des Thores bleiben. Das war auch recht gut, denn es mochte wohl kaum eine Stunde vergangen seyn, so war unsere ganze Bedeckung schon so betrunken, dass nur mehr ein unartikulirtes Geschrei zu uns herauf erscholl und es mir nun mit einemmale klar wurde, was Berthier mit dem Süssen der Reise verstanden hatte. Ich wähnte durch diesen Lärm den klösterlichen Frie- den gestöit — doch nein ! — am nächsten Morgen erfuhr ich durch unsere Pioniers, von denen der eine, ein Baier, mehr aushalten konnte als die üebrigen, dass sich, nachdem wir zu Bette waren, mehrere der Geistlichen jüngeren Schlages aus- serhalb der heiligen Pforte einfanden und unsere becherfesten Palikaren in ihrem Kampfe mit dem Klosterkeller die Nacht durch auf das Kräftigste unterstüzten. Am 8. Juni. Um Mittag verliessen wir Megalospileon. Ich keineswegs mit jenem wehmüthigen Gefühle, mit dem ich einst vom Sinaikloster, seinen heiligen Erinnerungen, seinem stillen Frieden schied. Unsere liebenswürdige Bedeckung, „der kanibalisch wohl war, wie zwölfhundert Säuen", beliebte sich mit Schiessübungen zu ergötzen. Die Kugeln ihrer langen Arnautenflinten pfiffen in allen möglichen Richtungen um unsere Köpfe. Fs war nur Spass, doch erlaubte mir mein Nationalgefülil nicht, ihrem Vergnügen Einhalt zu thun. denn wie leicht hätten Arkadiens halbwilde, knoblauchdufteude Söhne einen solchen Verbot falsch deuten und ihn als Furcht auslegen können! — Ueberdiess machte ein tüchtiger Gewit- terregen der Geschichte bald ein Ende und durchnässteuns alle, bevor wir noch Kalavrita erreichten, bis auf die Haut. Bei einem geognostischen Rückblicke auf das von Patrass bisher durchzogene Terrain sehen wir im Ganzen, mit Ausnahme der mächtigem Entwicklung jüngerer Gebilde, dasselbe Fels- systeni, welches wir im gegenüberliegenden Theile von Rume- lien beobachteten. So besteht das ganze Gebirge Panachai- kon, welches im weiten Bogen die Bucht von Patrass vom 143 Gestade des lepantischen Meerbusens bis zur Thalebene der Kamenitza umschliesst, aus dichtem Kalkstein, der von mäch- tigen Lag;erstätten von Hornstein und einem eigenthümiichen, quarzigen, rothen, eisenschüssigen Gesteine begleitet wird, welches leztere ich dem offenbar dem dichten Kalkstein unter- geordneten Hornsteine ganz parallel stellen zu dürfen glaube. — Auf dem Wege von Patrass nach Kalavrita fand ich auf dem Panachaikon bei Guzumista in einem Blocke des dichten Kalksteins einen grossen Belemniten. Mit dem Hornsteine, der den Kalk begleitet, brechen meistens auch rother Kiesel- schiefer und ein sehr armer Rotheisenstein ein. Stellenwelse findet man den Kalk sehr dünne geschichtet, so dass man steinbruchmäsig Deckplatten gewinnt. Reitet man von Guzumista auf dem Wege nach Kalavrita das Thalgehänge hinab, so sieht man den dichten Kalkstein von einem Nageflue-artigen Konglomerate bedeckt, v\'elches an seiner Äuflagerungsgrenze Schichten eines grünen, chlori- tischen Sandsteins führt, den ich als das unmittelbare Liegend- gestein dieses meiner Ansicht nach der tertiären Zeit angehö- renden Konglomerates ansehe. Die Ausdehnung dieser Nagel- flue ist sehr bedeutend, denn sie findet sich nicht nur längs des nördlichen und nordwestlichen Saumes des peloponnesi- sehen Gebirgsstockes aufgelagert, sondern sie dringt auch buchtenartig in die meisten Thäler, welche die Ablagerungen der altern Fcisgebilde durchschneiden, ein, und steigt mit leztern, als deren oberste Auflagerung, zur Meereshöhe von einigen tausend Fuss empor. Sie bildet ein sehr festes Kon- glomerat von Kalk-, Hornstein-, Kieselschiefer- u. dgl. Ge- schieben, verbunden durch ein kalkigsandiges Zement. Die Geschiebe finden sich von der Grösse eines Taubeneies bis zu der eines Knbikfusses. Die Nagelflue ist immer geschichtet und zwar meistens in sehr mächtigen Bänken, deren durch- schnittliches Streichen ich NW.— SO., bei einem sehr sanften Einschiessen gegen SW. fand. Häufig wechsellagert dieses Konglomerat mit einem grobkörnigen Sandstein und geht stellenweise in diesen über. Sehr interessant war mir die Physiognomie der Berge, welche dieses merkwürdige Konglomerat bildet und welche 144 zum Tlieile ganz ähnlich jener der grobkörnigen Granit- und Syenitberge Oberegyptens und Arabiens ist. Die nämlichen unförmigen, gerundeten, kuppenartigen, nackten, wild über einander geworfenen und aufeinander gethürmten Felsmassen sieht man hier, wie dort, bei einer doch so sehr verschiedenen Gesteinsnatur. Besonders ausgezeichnet zeigt sich diese Er- scheinung auf dem Wege von Kalavrita nach Megalospileon, dessen ganze Umgebung dieser Nagelflue angehört, welche daselbst in senkrechten, an 1000 Fuss hohen Felswänden an- steigt, zu den höchsten Punkten der zunächst liegendeu Berge sich erhebt und reich an Höhlen und Quellen ist. Das Centrale des Kyllenegebirges besuchte ich selbst nicht, nach Dr. Fiedlrr aber, der eine Wallfahrt zum Styx unter- nahm, besteht dasselbe, ganz entsprechend der zentralen Bil- dung der Gebirgsstöcke Griechenlands i'iberhaupt, aus dichtem Kalksteine, Glimmerschiefer, ftuarzfels, Thonschiefer und Epidotgestein. A m 9. J u u i. Unsere Bedeckung war nun wieder nüchtern geworden und wir zogen mit Anstand in schönster Schlacht- ordnung aus, der Generalstab voran. Der Weg führt am rechten Ufer der Kalavrita das Gebirge hinan. Man passirt das am andern Thalgehänge liegende, grosse Dorf Wissoga, zugleich gegenüber ein niedlich auf dem Gebirge im Eichen- walde halb verborgenes Kloster, und erreicht in 3 Stunden das bereits hoch am Olenos liegende Dorf Sabanos, wo auf den Feldern umher die Bauern gerade mit Vertilgung der Heu- schreckenlarven beschäftigt waren. Ein alter Phalangiten- kapitän bevvirthete uns mit Kaffe und von ihm erfuhren wir, dass oberhalb des Dorfes im Gebirge eine Thermalquelle sich befindet, deren Nymphe übrigens eine gemeine Denkweise zu besitzen scheint, denn um geheilt zu werden, müssen die Kran- ken vorerst Geld in das Wasser legen. Ein entsetzlich schlechter Weg führt von hier über einen Rücken des Olenos nach dem Dorfe Dessinos. Ein schönes Alpenthal, waldgrüne Berge, hie und da ein Kloster oder Land- haus machen übrigens die Tour nicht unangenehm und erst als wir ein paar Stunden weiter in einem am Wege liegenden Chane gar nichts, was einem Nahrungsstoffe für Mensch und 145 Vieh g^leicli sehen möchte, vorfaiulen, wurdeinvir etwas unge- halten und lenkten rechts ab in eine tiefe Felsschlucht hinauf, Avo wir in dem eine Stunde entfernten Dorfe Liwarzi, am Fusse des Lykotheasselo, eines Theils des Olenos, Unterkunft fan- den. Die Bewohner dieses Adlernestes, welche uns schon von Ferne die Schlucht heraufkommen sahen, empfingen uns unter Vortritt des Grammatikos vor dem Dorfe. Der Zustand des leztern liess mich fast vermuthen er habe die grosse Schlacht unserer Palikaren gegen die W^einfässer auf Mega- lospileon mit Auszeichnung mitgeschlagen. Sobald wir in sein Haus eingetreten waren erschien er mit zwei riesenhaften Laiben Brod, welche er mir und meinem Freunde Philippos vorschnitt und schon war er im Begriffe deren mehrere zu holen, als seine kleine, nette Frau auf unsere Bitten seinem Beginnen kategorisch Einhalt that. Im Oriente ist immer, in solange man sich nicht einsperrt, freier Entree. Der Besuche war daher kein Ende, unter denen mich iibrigens der eines alten Kapitano aus der poeti- schen Klephtenzeit am meisten ansprach. „Wenn die Sonne aufgeht", so eröffnete er uns sein politisches Glaubensbekennt- niss, „kann sie unmöglich alle die tiefen Thäler und Schluchten sogleich erwärmen, es geschieht diess vorerst nur an den höch- sten Punkten, je höher sie aber steigt, desto mehr verbreiten sich ihre belebenden Strahlen und steht sie auf ihrer Höhe, dann erfiillt sie Alles mit Licht und Wärme". Möchten doch viele der kenntnissloseii und boshaften Schwätzer über Hellas und seine administrative Entwicklung bei diesem alten Klephten auf den wilden Höhen des Olenos sich Takt und Weisheit holen, vielleicht wi'irden sie nicht fortan den natürlichen Lauf der Sonne so unnatürlich stören wollen. Dem Thale der Kalavrita nach aufwärts und jenseits des Olenos-llückens, den wir heute passirten, in den Thälern des Qnellengebietes der Dogana (Erymantlios), beobachtet man an mehreren Stelleu lokale Auflagerungen von Kalktuff den dichten Kalkstein bedecken. Wahrscheinlich sehen wir in diesen jüngsten Kalkgebilden nur die Absätze einstiger, längst versiegter Thermen ; eine Ansicht, die sich auf das natürlichste aus der Anschauung des Terrains bei Lipso, an den Termo- Rus segger, Reiseu. IV. Bd. 10 146 pylen bei Patiaclscliik u. s. \v. folgert, wo sich die Thermen g;anze Berge inul Hiigel bauten niid noch fortan bauen. Dort wo ich auf dem Wege von Kalavrita nach Diwri den Olenos passirte besteht derselbe ganz aus dichtem Kalkstein, begleitet von rothem eisenschüssigem Quarzfels , Hornstein und chlori- tischem Sandstein, der in einen dickschieferigen, chloritischen, sandigthonigen Schiefer überg^eht, wieder ein wahres Muster- bild des Macigno. In der Umgebung- des Dorfes Liwarzi , zwischen dem Olenos und Lampe und am Lykotheasselo, erhebt sich der Kalk in grauen, kahlen, senkrechten Wänden. Er ist ge- schichtet, seine Schichten sind jedoch ^ übrigens unter steter konzentrischer Anordnung, auf das mannigfaltigste gebogen und gekrümmt. Am Fusse des Lykotheasselo sezt im Kalke ein mächtiges Hornsteinlager mit Kieselschiefer und Euphotid- gesteinen auf. Am 10. Juni. Von Liwarzi begaben wir uns wieder auf den Hauptweg- von gestern zurück, der im Ganzen das Flussthal des Erymanthos verfolgt, sehr häufig- aber hoch an den Gehäugen hinführt. Nach zwei Stunden waren wir am Kloster Tripotamos , nur von einem Mönche und einer Nonne bewohnt, wurden zwei Stunden weiter im dunklen Eichen- walde von Hirten mit ein paar ganz vorzüglich gebratenen Lämmern bewirthet, Messen Diwri am Lampe rechts zur Seite lieo-en und gelaugten endlich von da nach sy^stündigem Ritte über hohe Berge und durch tiefe Hohlwege' hinaus auf das schöne Plateau von Elis , welches westlich gegen die Küsten- ebene, südlich gegen den Alphios (lluphia, Carbonaro) abfällt. Wir wendeten uns nun westlich, ritten theils zwischen Weingärten, theils durch Eichenwald nach dem Dorfe Kumaui und fanden dort bei Kapitän Kosta die gastfreundlichste Auf- nahme. Ringsherum hat die Natur alles aufgeboten, um das Land zu schmücken, doch ist das Volk arm, weil es faul ist und sich dadurch von dem sonst so thätigen Griechen, namentlich von jenem der Inseln und RumelienS; sehr zu seinem Nach- theile unterscheidet. Die Berge, welche zunächst das schöne Thal von Liwarzi bis Diwri einschliessen und als die Vorberge des Olenos und 147 Lampe betrachtet werden müssen , bestellen durchweg aus dichtem Kalkstein, der jedoch jüngerer Bildung als jener, welcher die Hauptgebirgsmasse bildet, zu sej n und mehr dem Hippuritenkalke des Kerata parallel zu stehen scheint. Dieser Kalk ist dicht, hellgrau und enthält Nieren und Straten jener schwarzen Feuersteinmasse , welche der Engländer „ehert« nennt. Am Kloster Tripotamos herrscht der ältere Kalkstein vor, begleitet von chloritischem Sandstein, drei Stunden süd- licher aber ändert sich neuerdings die Formation. Der Kalk- stein wird sehr schiefrig-, im Querbruclie dicht, enthält viel Kalkspath, Nieren und Straten des erwähnten schwarzen Feuersteins und einzelne Schichten dieses Kalksteins nehmen einen sandigmergeligen Charakter an *. Zwei Stunden südlich von Diwri, auf dem Wege nach Lala, beobachtet man in den dortigen äusserst wilden Gebirgs- schluchten mehrere jüngere, ohne Zweifel tertiäre Felsbildun- gen, welche die Kreidekalke und den Macigno bedecken. Es sind diess scliiefrige Mergel und ein grünlichbrauner, glimme- riger Sandstein, der der Nagelflue von Kalavrita und 3Iegalo- spileon parallel stehen dürfte. Bald darauf betritt man das Plateau von Elis, die Hochebene von Lala, die so, wie das ganze Terrain im untern Flussgebiete des Alphios, aus Plio- cen-, Diluvial- und Alluvial-Bildungen besteht, durch welche die altern Felsbildungen nur hie und da zu Tage gehen. Diese Jüngern Gesteine sind theils Meeres-, theils Süsswassergebilde und bestehen in Sandstein, nagelflueartigen Konglomeraten, Mergel, Tlion (Braunkohlen führend) u. s. w. Sie werden von ^chuttland und den Aliuvien der neuesten Zeit bedeckt. Bei Kumani** trifft man den pliocenen Süsswasserkalk- mergel von Kumi auf Fuböa, nur etwas sandiger als dort. Derselbe bedeckt im Peloponnes die Nageltlue von Kalavrita. Bei Diwri sali Dr. Fiedlkr mit diesen liieseligen Straten bitu- minösen Schiefer in ganz dünnen Lagi>n auftreten, der sehr leicht brennt, zwar grossen Rückstand hinterliisst, aber doch znm Theerscbwellen be- nüzt werden könnte. — Sollten diese bituminösen Schiefer zur Asphalt- erzengung geeignet seyn, dann würde der Gegenstand sehr an technischer Bedeutung gewinnen. Ich fand den kieseligen Einlagerungen hie und da Schwefelkies beigemengt. "* Küuiäni, 10* 148 Am II. Juni. In Duka, 2 V, Stunden südlich von Ku- mani und nordwestlich von Lala im Gouvernement Pyrgos, sollten wir unsere Bedeckung- wechseln. Der Grammatikos, als Stellvertreter des Demarchen, verweigerte uns jedoch nicht nur diese, sondern auch die Anweisung eines Quartiers. In ersterer Beziehung sandte Philippos sogleich einen Boten nach Pyrgos an den dortigen Gouverneur, in zweiter hinge- gen wurde der boshafte Grammatikos von unsern Pionieren eines bessern belehrt. Um jedoch, da wir von hieraus eine Exkursion zu den bei Gummero vorkommenden Braunkohlen vorhatten, keine Zeit zu verlieren, Hessen wir unsere Sachen einstweilen in der Gendarmeriekaserne unterbringen, behielten unsere alte Bedeckung bei und machten uns ungesäumt nach dem nordwestlich von Duka liegenden Gummero (Gymeria?) auf den Weg. Hohe und sehr steile Berge, gefährliche Abgründe und tiefe Hohlwege, bei einem ganz mit Eichen- und Tannenwald bedeckten Terrain, machten die Anwendung einiger Vorsicht nöthig, um nicht in einen Hinterhalt des Gazavos zu gerathen, mit welchem mir hier ringsum die ganze Bevölkerung in Com- pagnie zu stehen schien. Bei der Nähe des Meeres und des im grÖssten Theile des Jahres hindurch triftbaren Alphios liegt der Gedanke an eine zweckmässige Benützung der schö- nen Waldungen, die sich über einen grossen Theil von Elis ausbreiten, sehr nahe. Ungefähr in der Hälfte des Weges von Kumani nach Gummero liegt das Dorf Persena. Von der Höhe oberhalb des- selben geniesst man eine bezaubeinde Aussicht auf die weite Ebene von Elis, wo scharf und zackig die olenischen Felsen bei Gastuni emporsteigen, auf das offene Meer und die Insel Zante, il fiore di Levante. In Gummero verweigerte man uns zur Abwechslung gegen Bezahlung jede Verabfolgung von Lebensmitteln, bis auch hier die Pioniersdressur den erwünsch- ten Erfolg hervorbrachte. Bis Duka hatten wir auf unserer heutigen Wanderung ein bergiges Schuttland durchzogen, in welchem sich unter andern auch Trümmer von Quarz und Feldspathgesteineii finden. Bei Persena wechselt ein junges Nagelfinegestein 149 mit Gerolle niul loekerm, j^elbem, merg;eligeni Sandstein, welch' lezterer auch, sowie Kalktuff, dieses Naoeflue-artige Konglo- merat stellenweise bedeckt. Am 12. Juni. Eine halbe Stunde nordwestlich vom DorfeGummero tritt der Diluvialsandstein von Persena in sehr mäclitijier Entwickiuno auf. Eine dem Ansehen nach zu 1000 Fuss über die Meeresflache ansteigende und aus Lehm und Sand mit Meeres- und Siisswasserkonchylien bestehende Kuppe lässt in iliiem obern Tiieile eine söhlig durchsetzende, ungefäiir 3 Fuss mächtige Lelimbank beobachten, welche von gering mächtiger Braunkohle oder vielmehr bituminösem Holze, unrein, von ganz schlechter Qualität und zudem von geringer lokaler Ausdehnung, begleitet wird. Unterhalb die- ser Kohle sezt in der Lehmbank eine Muschelstrate auf, die sowohl Meeres- als Siisswasserkonchylien, vorwaltend aber erslere, enthält. Von Gummero eine Viertelstunde in Nordost zieht sich ein Ri'icken des nagelöueartigen Konglomerates (ebenfalls Dilu- vium) gegen die Kiiste zu. Am Fusse dieses Riickens findet man im Schuttlande einzelne, wenig verkohlte Stämme bitu- minösen Holzes. Eine zusammenhängende Bank desselben konnte ich nicht ausmitteln. Obwohl dieser Sachverhalt sehr wenig Einladendes zu einem Bergbauunternehmen hat und ich wenig Hoffnung zur Erbauung einer nutzbaren Braunkohle in diesem Terrain hege, so wäre es doch nicht ganz ohne Interesse, gelegenheitlich hier einige Schürfversuche vorzunehmen. Von Gummero ritten wir wieder den alten Weg nach Duka zurück, wo sich unterdessen durch den Einfluss des Gouver- neurs von Pyrgos so Manches geändert hatte. Eine rüstige, frische Bedeckung stand bereit, beim Pfarrer erwartete uns ein gutes Uuartier und nicht nur dessen hübsche Tochter machte recht liebenswürdig die Honneurs, sondern alle Leute, selbst der boshafte Grammatikos, waren freundlich und höflich geworden. Am 13. Juni wendeten wir uns, wiederholt in Braun- kohlenangelegenlieiten , westlich nach dem von Duka 'i'/j Stunden entfernten, von 6 Familien bewohnten Dörfchen Strabo Kephala. Auf dem Wege dahin sahen wir nur Kalk- 150 inergel, bedeckt vom Nagelflue-artigen Konglomerate der Diluvialzeit. — Eine halbe Stunde nordöstlich von Strabo Kephala, wo der von Duka dahin führende Weg- über den Bach gellt, hat man zur Linken eine senkrecht abstürzende Mergehvand. Ungefähr in der Mitte dieser Wand sezt eine 2 bis 3 Fnss mächtige Braunkohlenbank durch, welche NW. in SO. streicht und unter 19^^ in SW. verflächt. Die Kohle am Ausgehenden ist schiefrig und thonig, folglich unrein und schlecht, Avie es übrigens an dem Ausgehenden der Braunkoh- len sehr häufig beobachtet wird. Dieses Vorkommen gehört hier einem Erdfalle an, da aber unmittelbar hinterhalb dessel- ben das Gebirge in seiner Gänze ansteht, so wäre es nicht unwichtig das eigentliche Lager daselbst aufzusuchen, zu welchem Zwecke ein wenige Lachter tiefer Schlamm gerissen werden müsste, da am Fnsse der Wand, wo die Abrutschung geschah, Anhäufungen von Schutt und Gerolle liegen, welche das Ausgehende der Kohle bedecken. Dass diese Bank im ganzen Gebirge ansteht, dürffekaum zu bezweifeln seyn, denn eine halbe Stunde dem Graben nach aufwärts .sieht man sie unterhalb des Waldes wieder zu Tage gehen, in dem Falle, dass es gelänge die Kohle unten am Bache im ganzen Gebirge mittelst eines Versuchsstollens bauwürdig auszurichten, wozu die grosse Masse des Gebirges, welche auf der Kohle liegt, grosse Hoffnung geben dürfte, da meiner Ansicht nach die Grösse des Druckes einen wesentlichen Eiufluss auf die Be- schaffenheit der Kohle ausübt, so würde auch die obenerwähnte Ausdehnung dieser Kohlenbank ihrem Ansteigen nach um so mehr an Bedeutung gewinnen, als eigentlich das ganze Plateau von Elis und das ganze untere Flussgebiet des Alphios der Braunkohlen-führenden Formation angehört, eine Ausdehnung, welche jene des Kohlenterrains bei Kuuii auf Euböa weit über- trifft, als an Grubenholz ringsumher kein Mangel ist und ein ungefähr 3 Stunden langer Fahrweg bis zur Stelle an den Alphios, wo er für leichtere Barken einen grossen Theil des Jahres hindurch bis zum Meere schiffbar ist", des Teirains halber keine gar so bedeutende Auslage herbeiführen würde. In der Umgebung dieses Vorkommens gehen im sandigen Mergel noch an mehreren Stellen Kohlenbänke zu Tage. So 151 sieht man, wenn man von dem Pnnkte, wo der Weg von Dnka nacli Stiabo Kephala den Bach durchschneidet, eine halbe Stunde in der Schlucht, welche die Landleute Tholon neron (schwarzer Schlamm vom trüben Wasser) nennen, aufwärts geht, unterhalb dem links auf dem Berge liegenden Dorfe Potho, nach einander an 3 Orten Kohlenbänke zutage gehen. Die am tiefsten liegende Bank ist 3 Fuss mächtig und die Kohle vom Ausgehenden zum Theile vollkommen brauchbar, üebrigens liegt die ganze Schlucht voller Kohlenstücke, welche das Wasser von Zeit zu Zeit losschwemmt. Eine halbe Stunde nördlich von Strabo Kephala befindet sich ein Berg, der Merovigli genannt wird. Er bildet gegen das genannte Dorf eine senkrecht abgestiirzte Wand und be- steht ganz aus sandigem Diluvialmergel, der In thonigen, lockern Sandstein übergeht und von Schutt und Konglomerat bedeckt wird. Wenn man die tiefen, engen Schluchten hinan- steigt, was mit grosser Beschwerde verknüpft ist und mich sogar, alsGebirgsländer, bis zur Erschöpfung ermüdete, wobei ich jedoch das interessante Schauspiel des Kampfes eines gros- sen ühn mit einer Schlange genoss, so bemerkt man in der Mitte des Berges eine Schicht blauen Kohlenlettens mit Meeres- konchvlicn, hierauf liegt eine Atisternbank, dann wieder Kohlenletten und hierauf folgen im sandigen Mergel, der sehr locker ist und zu Sand zerfällt, zwei Braunkohlenbänke paral- lel übereinanderliegend. Sie sind unter sich etwa 14 Fuss entfernt und jede für sich ist 1 bis 2 Fuss mächtig. Die Kohle ist ganz schlecht, das lokale Vorkommen in der Ausdehnung beschränkt, folglich wenig Hoffnung vorhanden. Diesssind im Ganzen die Braunkohlenvorkommen, welche ich in Elis zu sehen bekam. Mit Rücksicht auf die erster- wähnten beiden Lokalitäten bei Strabo Kephala und am Tholon ISeron, auf die grosse Ausdehnung der Braunkohlen- führenden Düuvialformation im Flussgebiete des untern Alphios überhaupt und insbesondere auf den Umstand, dass aller Wahrscheinlichkeit nach unter der Thalsohle sich noch tiefer liegende Kohlenbänke befinden werden, deren Kohlen der zusitzenden Grundwasser halber ohne Zweifel frischer und besser seyn dürften, sehe ich die Einleitung einiger tiefer 152 Bolirversuclie als offenbar angezeigt an. Am besten dürfte sich zur Wahl der Bohrplätze die kleine Ebene auf dem Weoe von Strabo Kephala nach Olympia am Alphios in der Nähe der Mühlen und ungefähr 1 Stunde vom erstgenannten Dorfe entfernt eignen. Würden auch Bohrlöcher bis zu 300 Fuss und selbst darüber niedergestossen werden müssen, so wäre der Milde des zu durchbohrenden Gesteines halber die Auslage verhältnissmäsig nicht von grosser Bedeutung. Von Strabo Kephala ritten wir in zwei Stunden thalab zum Alphios, an dessen rechtem Ufer wir die geheiligten Ruinen von Olympia, den Sitz der olympischen Spiele, betra- ten. Bei dem ästhetischen Sinne der alten Griechen, die ihre heiligsten Tempel meistens aus dem edelsten Baumateriale aufführten, möchteich es bezweifeln, dass die Ruinen des sehr grossen Tempels, welche man daselbst noch sieht und die in wenigen Trümmern kanellirter Säulen ans nagelfl uearti- gern Konglomerate bestehen, einst dem Tempel des Jupi- ter Olympius angehörten. Vielleicht ist lezterer spurlos ver- schwunden. Nebenan stehen die bescheidenen Reste zweier kleiner, christlicher Kirchen. Der Uebergang über den Alphios war seines hohen Wasserstandes wegen nicht ohne Gefahr und eines unserer Pferde wurde vom Strome umgeworfen, aber glücklich noch gerettet. Leider war es gerade dasjenige, was die Bücher und Karten nebst Kleider und Wäsche meines Gefährten Philippo's geladen hatte. Im Angesichte von Olympia wurde daher eine grosse Trockenanstalt aufgeschlagen. Gerade 1 Stunde vor uns hatten 6 lumpicht aussehende, scharf bewaff- nete Männer den Alphios passirt. Vielleicht war es Gazavos mit seinem Stabe, da wir aber, im Walde von Strabo Kephala jagend sehr oft schössen und diese Leute unsere Schüsse gehört haben müssen, so scheinen sie nicht Lust gehabt zu haben, zu warten was da komme. Eine halbe Stunde vom linken Ufer des Alphios entfernt liegt das grosse Dorf Makris- sia, wo wir blieben und von Mücken gemartert die Nacht zu- brachten. Am 14. Juni. Südlich des Alphios betritt man ein ausgedehntes und hoch ansteigendes Gebirgsterrain, die Berg- 153 kette des Myntlias, welche sich in massigen, wilden Gruppen beiderseits, gegen die Kiiste und nacli Arkadien, verzweigt, die Landschaft Triphylia ans Nordwest in Siidost dnrchsezt, weiterhin als Grenzgebirge zwischen Messenien und Arkadien, jedoch unter andern Namen, auttritt und sicii endlich der hohen Gebirgskette des Taygetos oder Pentadaktylon in Lakedämo- nien anschliesst. VV^ir ritten von Makrissia 3 Stunden lang die Vorberge des Myuthas hinan, passirten das sehr grosse Dorf Krestina, das kleine Dorf Mundrisa und gelangten endlich in das nicht minder unbedeutende Dorf Greka. üeberall fanden wir Schmutz, Faulheit, Armuth, Nichts, was uns an das Arkadien sentimentaler Schwärmer hätte erinnern können, ausser eine wildkräftigo, erhabene Natur. Nachdem wir den Riicken der Vorberge des Myntlias iiberstiegen hatten, Hessen wir uns in das Thal von Longo hinab. Das Centrale des Myntlias gehört dem dichten Kalksteine und dem ihn begleitenden Sandsteine (Macigno) an; die Vor- beige jedoch, bis auf die Höhe oberhalb Greka, bestehen aus den Diluvialablagerungen, die wir bereits aus dem Flussge- biete des untern Alphios kennen und welche hier nur hie und da vom Grundgebirge durchbrochen werden. Oberhalb Greka verschwinden die ji'ingern Auflagerungen und das Gebirge ge- hört ganz dem chloritischen, quarzigen Sandsteine an, der von weissem, dichtem Kalkstein bedeckt wird , welcher beim Zerschlagen einen sehr starken bituminösen , zum Theile an Schwefelwasserstoff erinnernden Geruch entwickelt. Auf der Höhe des Gebirgsrückens, von dem mau in dasTlial von Longo niedersteigt, sezt ein mächtiges Hornsteinlager auf, welches 1 h. streicht und 7 h. verflacht. Der Hornstein ist geschichtet. Auf den manchfach gebogenen, dünnen Straten des sehr eisen- schüssigen Gesteins zeigt sich zwischen den Gesteinsablosun- gen Eisenglimmer und Anflug von Kupfergrün. Unterhalb dem Dorfe Longo, längs des Weges nach Zile- cliowa, sieht man an 4 Stellen Braunkohlen zu Tage gehen. Diluvien und Alluvien erfüllen das ganze Thal und die Kohlen, an ihrem Ausgehenden von schlechtester Beschaffenheit, ein sehr jugendliches Gebilde und durch die nahen Kalkrücken in 154 der lokalen Ausdehnung- jedenfalls seht' beschränkt, liegen theils ganz frei und unbedeckt am Tage, theils befinden sie sich unmittelbar unter der Dammerde oder setzen im Schutt- lande auf. Die bedeutendste dieser Kohlenbänke besitzt eine Mächtigkeit von 6 Fuss. Auf ihr liegen im Lehm und Schutte Straten eines thonigen Raseneisensteins, dessen Vorkommen sehr an dasjenige des thonigen Sphäroslderits oberhalb der Braunkohlen zu Kumi erinnert. Auch das Vorkommen dieses Raseneisensteins ist nur beschränkt, dürfte aber doch den Thalbevvohnern wegen der Leichtflüssigkeit der Erze und bei Benützung sogenannter Stücköfen um so leichter zu einer kleineit Erwerbsquelle werden, da sich in der Nähe Holz und Wasserkraft finden. Der Diluvialschult enthält Meereskon- chylien. Nachdem wir über die Entfernung von Andritzina die ver- schiedensten und widersprechendsten Angaben anhören muss- ten, fanden wir endlich, dass es für heute nicht mehr möglich sey, diesen Ort zu erreichen. Unsere Packpfeide waren so ermüdet, dass wir neue requiriren mussten und um zuletzt Andritzina im Dunkel der Nacht nicht ganz zu verfehlen, blie- ben wir in dem hoch auf dem (iebirge zwischen wilden Kalk- felsen liegenden Dorfe Zilechowa über Nacht, welche ver- schiedener lebender Kleinigkeiten halber gerade nicht zu den süssesten des Morgenlandes gehörte. Gegen Zilechowa steigt man das Centrale des Myntiias (hier Cotylas) hinan. Das herrschende Gestein ist der dichte Kalkstein, begleitet von dem oft erwähnten Honisteine und quarzigen Sandsteine. Am 15. Juni. In zwei und einer halben Stunde gelang- ten wir nach Andritzina, das schönst gelegene ßergstädtchen in Arkadien, mit ungefähr 1600 Einwohnern. Umgeben von hohen Bergen geniesst man gegen Norden einer herrlichen Fernsicht in das Flussthal des Alpliios und darüber hin bis zu den schneebedeckten Felskuppen des Olenos, Lampe und Kyllene. Am 16. Juni. Von Andritzina östlich eine Viertelstunde entfernt soll sich Kupfererz finden. Ich ritt dahin, konnte aber diese Stelle nicht finden, welche übrigens Dr. Fiedler beschreibt und deren Vorhandenseyn ich auch keineswegs 155 bezweifle. Das Gebirge fatid ich (lurchoehends aus Sandstein, wechselnd mit dichtem Kalkstein , bestehen , die von grossen Lagern von Hoinstein, von einem eigenthiimllchen dunkel- brannrothen, harten, schiefrigen, thonigen Gesteine und von Thonschiefer begleitet 'werden. Gliicklichcr war ich bezüglich einer zweiten Fundstätte die- ser Erze", zwei Stunden si'idw estlich von Ändritzina. Auf dem Wege sieht man gleich ausserhalb der Stadt, das Gebirgsge- hänge hinan, den dichten Kalkstein mitThonschlefer indüiiiien Lagen wechsein , dann folgen Sandstein und sandiger Thon- schieferj endlich wechseln wieder, w ie anfänglich, Kalkstein und Thonschiefer. Der Thonschiefer wird endlich sehr eisenschiissig, roth, vorherrschend, wechselt stellenweise in dünnen Lagenmit Hornstein (ganz die Macignoform) und scheint eigentlich das fragliche erzführende Gestein zu seyn. Die Erze, so weit ich sie kennen lernte, finden sich auf den Schichtnngsflächen und Ge- stcinsablosungen als Anflug und Ueberzug und bestehen in llothkupfererz und aiisgezeichnefer Antimonblende : dunkel- voth. grauroth, büschelförmig, strahlig in blumigen Zeichnungen. Das ganze Vorkommen ist mehr wissenschaftlich als technisch interessant; denn für eine Bergbauunternehniung möchte ich mir nicht getrauen einen günstigen Erfolg hier vorherzu- sagen. Am 17. Juni. Nach einem Ritte Non 4 Stunden in süd- licher Richtung erreichten wir von Ändritzina aus die auf der Höhe des Gebirges liegenden Reste des Tempels des epikuri- schen Apollo bei Bassä. Theils durch die poetische Wahl des Standpunktes mit der Aussicht über die Bucht von Messe- uien, in die Ebene von Kalamata, in die Gegend von Navarin, auf den schneebedeckten Taygetos und die wilden Berge der Maina. sowie in das Innere aou Arkadien, theils durch das herrliche Ebenmaas seiner architektonischen Verhältnisse haben die Reste dieses Tempels, welche unter die besterhalte- Dr. Fiedler gibt diese Eiilfeniung zu 3 Stunden südlich an. Deniuiigeaclitet vermuthe icli. dass wir beide ein und dieselbe Stelle meinen dürften, da mich der Dcmarch dahin führte und ihm die frühere Exkursion meines Freundes avoIiI bekannt zu seyn schien. ' 156 neu Gnechenlands gehören, einen hohen Grad von Berühmt- heit erlangt, daher anch Lord Elgin nicht umhin konnte, ihnen seine innigste Zuneigung; zu schenken und die Reliefs des Frieses nach London abzufiihren. Noch stehen 35 Säulen aus Kalkstein (Marmor), wenn ich nicht irre dorischer Ordnung. In zwei Stunden thahib auf garstigen Wegen gelangten wir in das Dorf Amplona. Die Fortsetzung der Kette des Mynthas gegen Südost besteht aus dichtem Kalkstein mit Thonschiefer und Sand- stein , begleitet von vielen Ilornsteinlagern. Unterhalb des Tempels bei ßassä sieht man den Kalkstein ausgezeichnet geschichtet. Seine l bis 2 Fuss mächtigen Gesteinslagen streichen 1 h. 10*^ und verfläclien unter Winkeln von 36*^ bis 40'^ in 7 li. 10, Auf der Höhe des Gebirgsrückens, am Tempel selbst und am W^ege, der nach Amplona hinabführt, beob- achtet man sehr interessante geognostische Verhältnisse. Mit dem dichten Kalksteine nämlich wechsellagern Schichten eines sehr festen, harten Konglomerates, welches ans Trümmern von Kalk, llornstein und Kieselschi^er besteht, die durch Kalk als Bindemittel vereint sind, der stellenweise eine grosse Neigung zur krystallinisch-körnigen Textur wahrnehmen lässt. In der Umgebung von Amplona herrschen wieder: dichter Kalkstein, Sandstein, schiefriger Sandstein und Thonschieferj in den bisher bereits oft erwähnten Verhältnissen. Am 18. Juni. W^) die Kette des Mynthas in ihrer süd- östlichen und die des Taygetos in ihrer nordwestlichen Ver- längerung zusammentreffen und der Lykaos mit dem Kerasia den Wasseischeider zwischen den Uuellengebieten des Alphios, desEurotas und des Pamisos konstituiren, traten wir aus Arka- dien in das Gebiet von Messenien ein. Londari blieb uns, ungefähr 4 Stunden entfernt, östlich zur Seite liegen. Von der Höhe des Gebirges hatten wir einen prachtvollen üeber- blick über Messenien. Nach einem sechsstündigen Ritte von Amplona aus erreichten wir die fruchtbare Thalebene des Pamisos, welche sich fortan erweiternd diesem Flusse nach bis zum Meere erstreckt und-als die niessenische Ebene ihrer Schöuheit wegen berühmt ist. Nach weitern zwei Stunden bezogen wir im Dorfe Konstantinos unser Nachtquartier. 157 Messenien liat vielen Waldbestand und besonders dürften die Waldungen im Tliale des IMavro Znmeiia, der südlich von Konstantinos aus VV^esten her in den Pamisos einmündet, Rücksicht verdienen. Doch sind die niesscnischen Waldungen nicht so im natürlichen Schlüsse, wie jene der Provinz Elis, welche in Betreff des Waldstandes jeden andern Distrikt Griechenlands Aveit übertrifft. Mir erscheinen diese Wälder als ein Kapital von hoher Wichtigkeit, vvelches alle Aufmerk- samkeit der llegierung- verdient und durch eine weise Be- nützung- mit Zuhülfename der für den Wassertransport bis zur Küste sich darbietenden Wege zu einer bedeutenden Ein- nahmsquelle für Jeden werden kann , dem diese Benützung' nach den Landesgesetzen zusteht. Bevor man Konstantinos am Rande der messenischen Ebene betritt, sieht man noch einmal den dichten Kalkstein mit dem erwähnten Trümmergesteine von Bassä wechseln. Dicht unterhalb des Dorfes und zu beiden Seiten des Weges zeigen die obersten Schichten des Kalksteins scliiefrige Textur nnd lassen sich in Platten spalten. Die Schichten dieses Kalkes, welchen ich dem Hippuritenkalke Rumeliens parallel stellen zu dürfen glaube, worauf auch dessen Einschlüsse von Knollen scliwarzcii Feuersteins (cliert) hinzudeuten scheinen, streichen in h. 5^ und verflachen unter 30" in SO. Zu oberst beträgt die Mächtigkeit der Schichten nur 1 bis 6 Zoll. Die Eigenschaft dieses Kalksteins, sich in kleinen Stücken zu litho- graphischen Arbeiten benützen zu lassen, verschaff^ten ihm den Ruf als lithographischen Schiefer, was er, geognostisch betrachtet, an und für sich nicht ist nnd technisch genommen, wie schon Dr, Fiedler bemerkt, seiner diessfälligen Benützung eine Menge Schwierigkeiten entgegenstellt. Leztere bestehen vorzüglich in der zahllosen Menge von Ablosungsklüften (Fissuren) und Kalkspathadern, die dieses Gestein in allen Richtungen durchziehen und es theils von vorn her unmög- lich machen, eine grössere, auch nur einen Quadratfuss mes- sende, vollkommen ganze Platte zu erhalten, theils, wenn auch die Spaltung- oder der Schnitt gelingen sollte, eine solche Platte zu liefern, welche im Stande wäre, den Druck der Presse auszuhalten ohne zu zerspringen. In der Tiefe werden zwar 158 die Kalkstciiilagen dicker und dichter, zugleich aber auch muschelig im Bruche. Sie lassen sich nicht mehr spalten, die Platteinnüssten durchgeheuds geschnitten Averden und wiirden doch ganz und gar keine Sicherheit bezi'iglich ihrer Anwen- dung darbieten. Ich sehe daher an diesem Punkte keine Hoffnung zjim Gelingen eines technischen Unternehmens und würde zu lithographischen Zwecken lieber den schiefrigen, dünne geschichteten Kalkstein bei Porsoss in Rumelien und an mehreren andern Punkten Griechenlands vorziehen. Am 19. Juni. Noch hiengen Gewitterwolken der lezten Nacht an den Spitzen der Felspyramiden des Taygetos, der höchsten unter den gemessenen Bergen des Peloponneses*, als wir, froh uns einmal wieder in der Ebene und auf sichern Pfaden zu bewegen, Instig gegen Süden trabten. Bis zum Dorfe und Chane Gliata, 47^ Stunden von Konstantinos, ist die Ebene nur zum Theile bebaut, zum Theile liegt sie unbe- nüzt und nicht unbeträchtliche Strecken derselben sind durch den Pamisos versumpft, da jedoch alle Gräben, alle Nieder rungen mit Oleandergebüsch besezt sind, welches gerade in vollster Blüthenpracht prangte, so war der Anblick doch ent- zückend sdiön und bereitete uns auf das Kommende vor, Maulbeerbäume sieht man in der Ebene etwas mehr als in den Gebirgen, obwohl gerade doit der rechte Platz für sie wäre und die Regierung sehr gut thun dürfte, solche Bäume aus 'dem klimaverwandten Syrien bringen, an die Bauern im süd-. liehen Peloponnese vcrtheilen zu lassen und so die Industrie der Seidenkultur, gleich am Libanon, ins Leben zu rufen. Als wir den Pamisos passirt hatten und uns, dem schönen Ithome (2409 P. Fuss M.H.) gegenüber, näiier an die himmel- unstrebende Kette des Taygetos hielten, änderte sich das An- sehen des Landes. Alles ist bebaut, jedes Fleckchen benüzt, Garten an Garten, Dorf an Dorf, von welchen fast jedes einen gut besezten Basar besizt. üeberall bewegt sich das Leben des Handels. Zwei Stunden lang führt der Weg durch einen förmlichen Wald von Feigen- und Olivenbäumen, Kaktusse bilden die Hecken. Wir waren wieder im warmen Süden an- gelangt und begeistert rieft'reund Philippos: O! möchte doch "^ 7415 Par. Fuss Meereshöhe. 159 mein tlieures Vaterland tlnrchans in ähnlichem Maassfabe sich gestalten! nnd mit warmem Mitgefühle sprach ich: Amen! Nach vierstündigem Ritte hatten wir Kalamata erreicht. Die Stadt liegt am Fnsse des Taygetos, eine Viertelstunde von der Küste des Mittelmeers in der Bucht von Koron und zählt angeblich ungefähr 2000 Einwohner, die sich durchaus mit Handel beschäftigen. Der Demarch Penathis räumte uns freundlichst den zwei- ten Stock seines schönen Hauses ein. Als ich durch die hohen, weiten, modern meublirten Zimmer schritt und meines holden Ichs in den grossen Wandspiegeln ansichtig wurde, erschrack ich vor mir selbst. Dunkelbraun gebrannt, ärger als die tropische Slonne meinem ohnehin nie zartgewesenen Teint je zugesezt hat, zerlumpt an Kleidern durch die wirklich nicht kleinen Strapazen der langen Reise, kam ich mir vor wie eine Eule in einem goldenen Käfig und die ersten Regungen der Civilisation waren eine blöde Befangenheit, die mir spassig muss gelassen haben. Den nächsten Tag hindurch ruhten wir in Kalamata ans und rüsteten uns zur beschwerlichen Reise'-' durch die 3Iaina , deren wilde, graue, kahle Fels- massen, kühn wie iiire Bewohner, an der Ostseite des Meer- busens aufsteigen. Wo in der schönen fruchtbaren Ebene von Kalamata Gesteine zn Tage gehen sind es jene der nächsten Gebirge, die wir bald werden kennen lernen. Am 21. Juni. Lange führte uns der Weg über ebenes Küstenland bis wir endlich im nordöstlichsten Winkel des Meerbusens von Koron , wo Meer und Fels sich zu begegnen beginnen, das Gebirgsterrain betraten uud nach 4Y, Stunden im Dorfe Borruss am Taygetos anlangten. Hier beginnt die Maina, ein Tlieil ties alten Lakedämoniens, und zwar gleich von vorne her in den ihr eigenthümlichen Formen. Die Ver- längerung des hohen Taygetos gegen Süd bis zum Kap Mata- pan (Teuaron) , dem südlichsten Vorgebirge Griechenlands, ' Meines Wissens wurde bisher zu Lande die Maina von Rolscn- den noch sehr weuio; und in naturwissenschaftlicher Beziehung fast gar nicht durclistreift. Die französische Expedition umschiffte sie und auch Dr. FiKPLER besuchte zu Schiffe nur einzelne, ihm besonders interessant erscheinende Plätze. 160 im nördlichem Tlieile ein grösstentheils, weiter gegen Süden aber ganz steriler, ivaiiler Felsriicken zwischen dem Meerbusen von Koron und jenem von Lakunien , beiderseits steil, zum Theile senkrecht zum Meere abfallend ; das wildeste, uu; dankbarste Felsterrain, das mir mit Ausnahme der eigentlichen Wi'iste noch je voikam , gegen das unser illyrischer Karst noch als ein gesegnetes Land erscheint, das ist die Mai na, der verhältnissmässig- am stärksten bevölkerte Theil Grie- chenlands. Auf hohem Bergrücken liegt das grosse Dorf Borruss, umgeben von Terrassen, Gartenmauern und beschattet von Zipressen. Viereckige Thürme überragen die um sie herum g;ebauten kleinen , aber fest aus Stein aufgeführten Häuschen. Nach weitern zwei Stunden gelangten wir in das Städt- chen Skardemule (Kardemüle), wo wir im Thurme des alten, patriarchalischen Mainottenkapitäns Murzinos die gastfreund- lichste Aufnahme fanden. Leiterartige Treppen, die man uöthigenfalls hinter sich nach hinaufziehen und hierdurch jeden Zutritt ins Innere des Thurmes abschneiden kann, führen auf eine nicht geiade beqiieme Weise von Etage zu Etage. Der Hausherr empfing uns in dem ersten Stockwerke, das zweite wurde uns zum Schlafgemache eingeräumt. An Meublirung fand ich nicht viel mehr als in den Zelten und Häusern wohl- habender Turkomanen. Ein alter, wackelnder Tisch, ein paar Stühle sind schon Luxus. Waffen, das nöthigste Geschirre, Teppiche und Betten, die zum Gebrauche auf den Boden hin- gebreitet werden, das ist Alles, was der Mainotte bedarf. Beim Abendessen ergriff Murzinos das volle Glas und trank zuerst auf des Königs, dann auf der Königin Wohl, welchen warmen Anklang in unseren Herzen findenden Toast wir mit dem auf das Gedeihen Griechenlands erwiderten. Der gute Alte wurde nun gesprächiger. Er machte uns über Landesverhältnisse, Sitten seiner Landsleute u. s. w. interessante Mittheilungen, deren Richtigkeit der in Betreff der Maina kompetenteste Beurtheiler, MajorFEUDER, welchen wir später kennen lernten, bestätigte. Schon war es fast Mitternacht als Avir in unser Schlafgeniach hinaufkletterten und ermüdet hinsanken. Die 161 Wege der Maina sind die mii- bekannt sclileclifesten und auf der Route von Bonuss nach Skardeuiule hört streckenweise so zu sagten jede Idee eines Weges auf. Wir mussten ab- steigen und konnten zu Fusse gehend nur mit Mühe unsere Pferde iiber die scharfen, löciierigen Kalkfelsen hinter uns herschleppen, wobei wir genöthigt waren mehr auf die Beine der armen Thiere, als auf unsere eigenen Acht zu haben. Ungeachtet dieses felsigen, kahlen Terrains sahen wir doch zur Seite unseres Weges viele und recht hübsche Dörfer mit festgebauten Häusern und Kirchen. Wenn man von Kalamata aus die Küste verfoIg;t beob- achtet man anfänglich nur jüngsten Meereskalk und Meeres- sandstein, bevor man jedoch gegen Borruss in das Gebirge hinauf sich wendet, überschreitet man einen Streifen altera 31eereskalk, welcher mit Diluvialmergel, ganz ähnlich jenem der Braunkohlen-führenden Formation von Kumi, wechsel- lagert. Weiterhin sieht man dieses Diluvium auf einem der Nagelflue von Megalospileon ähnlichen und mit derselben nach meiner Ansicht geognostisch parallel stehenden Konglo- merate liegen ; welches aber von dem altern, rothen Konglo- merate, das wir bald werden kennen lernen, wohl und stets zu unterscheiden ist. Diese junge Nagelflue steigt zu Bergen von 3000 bis 4000 Fuss Meereshöhe an und liegt unmittelbar auf dem krystal- linisch-körnigen Kalke, welcher den ganzen Taygetos formirt und das herrschende Gestein des Gebirgsrückens ist, der sich bis zum Kap Matapan erstreckt und die Maina bildet. Das Bindemittel, eine dichte Kalkmasse von grauer und g;raulich- schwarzer Farbe, mit Neigung- zur krystallinischen Struktur und stellenweise von Kalkspathklüftcheu durchzogen, ist in diesem Konglomerate stets vorherrschend. Der Äleereskalk, welcher diesem Konglomerate aufgelagert ist, ist voller Meeres- konchylien, besizt theils ein poröses, theils ein dem Krystal- linischen sich näherndes Gefüge und enthält hie und da grosse. Rhomboeder von Kalkspath. Den Kalkstein des Zentrale sieht man nun häufig in mächtigen Bergrücken bis an die Küste vorspringen, wo er senkrecht abfallende Vorgebirge Russegger, Reisen. IV. Bd. 11 1G2 bildet. Er ist sein' liölilenreich und stellenweise stark kiesel- erdehaltig. Noch waren als ich die 3Iaina bereiste nicht 6 Jahre verflossen, dass auf diesem merkwürdigen, stark bevölkerten Felsrüeken der vollste Geist des Mittelalters und der Zeiten des Faustrechtes existirte. Das Land war von einigen mäch- tig^en Familien beherrscht, unter denen die Mauromichalis vornean standen ; uralte, in ihrem Stamme rein erhaltene Ge- schlechter. Um diese Familien sammelte sich das Volk. Es war im vollsten Sinne derFeudalverfassnng Vasall und Knecht seiner Fürsten, jeden Augenblick gewärtigt sich für dieselben schlagen zu müssen, wollte es nicht seine Hütten in Flammen aufgehen sehen. Ein Schutz- und Trutzbündniss, ohne Kon- trakte bewährt und erhärtet in unzähligen Fehden und Käm- pfen, vereinte beide, trennte aber auch das Ganze in eben so viele Theile als Häuptlinge waren und dieser Umstand beför- derte im Jahre 1S34 den Ausg^ang; des bekannten Mainotten- krieges , als zu den Zeiten der Regentschaft die kühnen, aber wilden Felsbevvohner, ohne Zweifel in Folge des Einflusses ihrer Häuptlinge, sich noch einmal gegen die Einführung bür- gerlicher Ordnung- und einer geregelten Verwaltung- erhoben. Jede nur etwas bedeutende Familie hatte damals ihren Thnrm (ihre Burg), worin sie sich, wie sie in Feindseligkeifen gerieth, verschloss und von wo ans sie ihre Fehden leitete. Diese Thürmesind viereckig- und sehr massiv aus Steinen aufgeführt, haben Schiessscharten und zwei oder drei Etagen, zu oberst eine Plattform mit Brustwehr. Die Armee der Regentschaft nahm und demolirte viele dieser Thürme, viele und wie ich glaube wohl die meisten stehen aber noch. So sieht man bereits bei Borruss mehrere derselben auf den Höhen rings- umher und im Dorfe selbst. Berücksichtigt man dabei noch, dass auch die vielen Terrassen und Gartenmauern gleichsam Festungswerke bilden und durch ein so kühnes Volk, wie die Älainotten sind, äusserst erfolgreich vertheidigt werden können, namentlich in einem Terrain, wo Kavallerie und Artillerie nur stellenweise wirksam zu agiren im Stande sind, so müsste man sich, im Hinblicke auf den Kaukasus z. ß., wundern, dass die Mainotten unterlagen, wenn nicht eben die innere bürgerliche IG3 Zei'trümmernng; derselben, gleich in Syrien, das Geheimniss ganz einfach erklären möchte, üebrigens wnrde der Krieg beiderseits mit barbarischer Gransamkeit geführt, worüber ich aus sichern Quellen Einzelnheiten erfuhr, die ich zu erzählen Anstand nehme. Der stete Kampf mit den Elementen, die Mühe, die Gefahr, mit welcher sich der Gebirgsländer von Kindheit an sein ßrod erringen mnss, geben demselben durchgehends einen gewissen Grad von Kühnheit, Entschiedenheit und oft vorkommender Charakterstärke, die ihn, gut geleitet, besonders im Kampfe für seine Freiheit, seinen Glauben und den im Grunde betrach- tet undankbaren Boden, welchen er sein Vaterland nennt, allgemein bemerkbar machen. Häufig verbindet sich damit ein gewisser Grad altritterlicher Denkweise neben andern oft höchst unedlen Gesinnungen und eine Anhänglichkeit an seine Berge, seyen sie auch noch so treulos und so karg, die Erstau- nen erregt, daher z. B. die stets sich wiederholende Wahl der ursprünglichen VV^ohnsitze auch bei oftmaliger Zerstörung derselben durch Lawinen, Felsenbrüche u. s, av. So auch der IVlainotte, der damals, als ich die Maina bereiste und Strecken dieses Landes sah, wo es unbegreiflich ist, wovon die Men- schen leben, wenn sie nicht Steine essen, durchaus noch nicht zu bewegen war, seine ewig kahlen Felsen mit den blühenden und verhältnissmäsig menschenleeren Gefilden in den Ebenen 31esseniens und im weiten Thale des Enrotas zu vertauschen, obwohl ihm alle möglichen Vortheile geboten wurden. Die scharf ausgezeichneten Gesichtszüge der Mainotten, in welcher Beziehung sie sich von allen übrigen Bewohnern Griechenlands eigenthümlich unterscheiden, die mehr als bei leztern rein erhaltene Muttersprache, so dass ganze Sätze des altgriechischen Idioms in ihrer Rede unverändert vorkommen, ihre frühere und zum Theile auch noch jezt stattfindende Ab- schliessnng, so dass z. B. kein Mainotte sich herbeilassen wollte in einem andern Reglmente zu dienen, als in dem seines Landes, ihre besondern Sitten und Gebiäuche, die zum Theile sehr an die der rauhen Spartaner erinnern und mehrere der- gleichen Eigenthümlichkeiten machen es mir unmöglich, mich mit der mehrseitig ausgesprochenen Idee zu befreunden, dass 11 * 164 diese Maiiiotten Mischlinge aus vielen Stämmen Griechenlands, Fliichtlinge aus verschiedenen Provinzen seyn sollen, welche zur Zeit der Eroberung- des Landes durch die Türken auf den B'elsen der Maina Schutz und Sicherheit fanden. Ich schliesse mich vielmehr der Ansicht an, dass wir es hier mit den Abkömmlingen der alten Lakedämonier zu thun haben, mit Lakedämoniern in reiner Rasse, die ich wohl von den eigentlichen Spartanern zu unterscheiden hitte, welche als die Eroberer des Landes von vorneher eine isolirte Stellung be- haupteten, später aber, wie es den Eroberern bei Minderzahl häufig geschieht, mit den Eroberten sich vermischten und in sie übergingen. Jedenfalls betrachte ich die Mainotten als die reinsten Griechen, während wir 5uf dem ganzen übiigen Festlande Griechenlands allgemein den Sprösslingen des alba- nesischen Blutes begegnen. Unter jene Gebräuche der Mainotten, welche an die wil- desten Zeiten des Faustrechtes erinnern und die sie auch noch nicht ganz abgelegt haben, obwohl die Furcht vor den Folgen der Gesetzübertretung sie mehr zurückhält, gehört die Blut- rache. Dieselbe wird nicht nur in Mord- und Todschlags- fällen von Seite der betheiligten Familienglieder an jenen der Familie des Thäters nach dem Grundsatze: Blut gegen Blut, Leben gegen Leben ausgeübt und hiebei oft jahrelang die günstige Gelegenheit abgewartet, sondern das südlich heisse Blut der Mainotten findet auch in geringern Beleidigungen, vorzüglich bei'm Raube einer Braut, ein Fall, der sich früher gar nicht selten ereignet haben soll, hiezu Veranlassung. Einer aus der Familie des Thäters, wenn auch nicht dieser selbst, mussdaun fallen und zwar geschieht der3Iord meistens mit derKuoel. Die Blutrache war zum Theile auch die Grund- Ursache der häufigen Fehden zwischen den Dynasten der Maina. Die Männer schlössen sich entweder zur Vertheidigung oder zur Vorsicht gegen allfälligen Hinterhalt in ihre Thüime ein oder griffen die der Gegenpartei an. Die Frauen und Mädchen aber bestellten unterdessen das Feld und die äussere Wirth- schaft, denn auf sie durfte, wie mich die Mainotten versicher- ten, nicht geschossen werden. Erst die Armee der Regent- schaft, nachdem man einige Spione in Frauenkleidern erwischte, 1G5 machte im Mainotteiikiiege Inevon eine Ausnahme. Man erzählte mir, dass bei der Erstüiimin«; soichei* Thiume einig;e- male «anz alte M.änner gefunden worden seyn sollen, welche seit ihren Knaben jähren nicht mehr ans dem Thnrme gekom- men waren , da sie es, als Hanptgegenstand der Blutrache einer andern Familie, nicht wagen durften, ausserhalb zu er- scheinen. Am 22. Juni. Ein garstiger Felssteig führte uns 4 Stun- den lang von Skardemule der Küste nach bis zum üorfe Losua. Während wir mühsam im Brande einer glühenden Sonne auf den kahlen Felsen unsere Pferde fortzuschleppen suchten, zog draussen auf hohem Meere ein dampfender Vapor rasch seines Weges und nicht ohne tiefen Seufzer sah ich die lang- gezogene, schwarze Rauchwolke am Horizonte in kurzer Zeit verschwinden, als ich gerade mit beiden Beinen in einem tiefen Loche stecke und mein Pferd auf das standhafteste sich gegen jeden Fortschritt anstemmte. Dummes Ross! dachte ich mir — es nüzt dir nichts, bewegen musst du dich oder unbedauert hier kiepiren! — Eine Stunde weiter erreichten wir Nomize mit seinen alten Steinbrüchen. Noch sieht man in den Felsen die tiefen Spuren der alten Wagengeleise. Die Geleise sind geblieben, der Erwerb aber ist verschwunden, ungeachtet der ewigen Älarmormassen ringsum und ungeachtet der starken Population: eine durch die vielen Dörfer mit ihren Kirchen und Dynastenthürmen sich klar aussprechende und doch den kahlen Felsen gegenüber betrachtet kaum glaubliche Erschei- nung. Noch zwei martervolle Stunden und wir waren in Püliana, wie überall auf das Freundlichste von den Mainotten aufgenommen. Am DorfeLosna setzt in krystallinischkörnigem Kalksteine ein sehr mächtiges Lager von kalkigem Chloritschiefer auf, den mau sonach weiterhin mehrmals mit weissem und grauem körnigem Kalk, als Marmor in technischer Beziehung Jenem des Pentelikon wenig oder nichts nachstehend, wechsellagern sieht. Es ist der Centralkalk der Maina, der, zum grössten Theile als Marmor benutzbar, bis zum Kap Matapan in den mannigfaltigsten Müancirungen fortsetzt. Am Dorfc Nomize erscheint Sandstein dem körnigen 106 Kalke aufgelagert und bei Poliana fand ich, jedoch nur als Findlino'e, die ersten Anzeichen jenes rdtlien, grobkörnigen KonglomerateSj welches wir weiter südlich eine so bedeutungs- volle Rolle werden spielen sehen. In der Nähe von Poliana wechsellagert der körnige Kalkstein mit schwarzem Thon- schiefer in senkrecht gestellten Schichten. Der zwei Stunden lange Weg von Poliana nach dem Dorfe Itelos führt über den Rücken des Ariolaxis, eines Vorsprunges des centralen Taygetos und ist so beschaffen, dass unsere Pferde, obwohl wir sie beständig am Zügel hinter uns her- schleppten, vor Ermattung zu erliegen drohten. Von Itelos stiegen wir in einer Stunde nach Limene, dem Haupthafen der westlichen IMaina hinab, dem Sitze der Mauromichalis und damals der Wohnort des Major Fehder. Wir kehrten, ohne viel anzufragen, sogleich bei diesem in jeder Richtung- ausge- zeichneten Offizier ein, der dieMaina und dieMainotten durch und durch kennt, leztere eigentlich erst bändigte und sie, von denselben auf das Höchste verehrt, der bürgerlichen Ordnung zugänglich machte. Wir lernten in ihm, was ein charakte- ristisches Kennzeichen aller wirklich erhabenen Individualitäten ist, einen einfachen, schlichten Mann kennen, mit dem wir bis Abends die Zeit äusserst interessant verlebten und sodann nach einem erfrischenden Seebade nach Tsimowa hinaufritten, der eigentlichen Hauptstadt der Maina, eine Stunde weit oberhalb Limene auf dem Gebirge liegend. Am 24. Juni. Hier mussten wir unsere Pferde zurück- lassen und Maulthlere miethen, denn mit erstem die Reise fortzusetzen, hätte sie muthwillig opfern heissen. Wie eigent- lich, einzelne Landstriche ausgenommen, das ganze grosse Arabien eine Wüste ist, demnngeachtet aber die Geographen eiu steiniges, wüstes und glückliches Arabien schufen, ebenso können wir die Maina eintheilen. Die glückliche Maina ist sehr klein, das Ganze besteht eigentlich aus dem wüsten und steinigen Antheile und lezterer, die wahre Maina petraea, ein heil- und trostloses Land, ein kahler Fels ; selten in einer Schlucht ein kümmerndes Feigenbäumchen, eine stachelige Opnntia oder Aloe, ein Bischen dürres Gias oder gar einige öuadratklafter einer bebauten Erdscholle erblicken lassend; 167 beginnt von Tsimowa an, südwärts nahe bis Porto Quaglio sich erstreckend. Auch hier ist das Land noch seiir stark bevölkert, es steht streckenweise fast Dorf an Dorf, ünbe- « reiflicher Weise sehen demnngeachtet die Menschen ganz wohlgenährt ans, viel besser als die Fellahs in der Kornkam- mer der alten Welt. Nur das übrige Aeussere ist etwas ab- schreckend wild, daher sie anch von ihren Machbarn xaxo ßovvi (in derBedeutnng „böse Geister") genannt werden. Halbnackt, besonders die Weiber fast durchgehends ohne Hemden, von sehr dunklem Teint, starrend von Schmutz und umgeben von einer nndurchdriuglichen Knoblauchatmosphäre, stehen sie in glühender Sonne auf kahlem Fels und begaffen unheimlich lächelnd den Wanderer, der fluchend obdessatanischen Weges an ihnen vorüberzieht. Dieses Volk, in tiefste llohheit ver- sunken, kühn, räuberisch, treulos, ist nicht zu bewegen seine Klippen zu verlassen, um in den fruchtbarsten Theilen des Pelopouneses sein reichliches Auskommen zu finden. Nach 4 langen Stunden erreichten wir das kleine Kloster Mbriki und 3 Stunden weiter das Dorf Alika, wo wir beim Demarchen abstiegen. Die Menge der Dynastenthürme rings- umher gibt der wilden , vegetationslosen Felswüste am Rande des Meere.s einen seltsamen, höchst eigenthümlichen Anstrich. Abends ging ich, um zu baden, ans Meer und fand in einer abgelegenen Bucht die Reste eines kleinen Tempels der Aphro- dite. Ein recht hübsches, abyssinischbraunes Mainotten- mädchen von der Sekte der bösen Geister, jedoch zum Ver- wundern sogar gewaschen und ohne Knoblauch, fischte unter- halb x\phroditens Heiligthum, dessen Priesterin sie schien. Weniger schön und freundlich war die Erscheinung, die uns zu Hanse überraschte. Der Sohn des Demarchen, zum Un- glücke ein Dichter und furchtbar duftend, bekam den unseli- gen EinfalV, als wir ermüdet die Glieder strecken wollten und bereits Schaaren von Moskittos eine Höllennacht prophe- tisch sumsend ankündeten, eines seiner — längsten Gedichte uns vorzunäseln. Der Gegenstand war die lezte Revolution, der Vortrag war höllisch. Goldener Freund Philippos! rief ich endlich in Verzweiflung , fahren Sie mit dem Kerl 168 ab oder ich stehe für nichts! und siehe — als Freund Phi- lippos ihm den Sinn meiner Ekstase verdolmetschte er fuhr ab. Von Poliana über Itelos, Tsimovva, Mbriki bis nahe an Alika setzt der weisse und graue krystallinischkörnige Kalii ohne alle Unterbrechung fort. Beim Zerschlagen dieses Kalk- steins in Stücke, bei jedem Hammerstreiche, ja sogar durch den blossen Hufschlag der im Schritte auf den Felsensteigen wandelnden Maulthiere, entwickelt dieses Gestein einen auf- fallend üblen Geruch, oft in einer Stärke, die fast üebelkei- ten erregt. Dieser Geruch ist zum Theil unverkennbar bitu- minös, zum Theil erinnert er an SchwefelwasserstofT. Jeden- falls ist er ebenso eigenthümlich als jener noch immer räthselhafte , heftige Geruch des Wieliczkaer Steinsalzes an solchen Stellen , an welchen dasselbe verkohlte orga- nische Reste, insbesondere Stämme, Zapfen u. s. w. von Coniferen umschliesst. In beiden Fällen sehe ich diesen Geruch, das begleitende Kennzeichen eines eigenthümli- chen, durch mechanischen Impuls freiwerdenden Gases, als organischen Ursprunges an. Mit was für einer gasartigen Verbindung haben wir es aber hier zu thun, findet sich dieses Gas bereits fertig in den Poren des Gesteins und wird es nur in solchem Zustande durch das Zerschlagen desselben H. s. w. frei , oder liegen im Gesteine nur die Elemente dieses Gases und bildet sich dasselbe erst in Berührung mit atmo- sphärischer Luft? Diese und viele daran sich reihende Fragen zu beantworten ist eine der delikatesten Aufgaben der che- misch-physikalischen Untersuchung, welche die geübtesten Hände erfordert; die Lösung derselben aber ist für die Er- kenntniss vieler Körper, namentlich der Thermal- und Mine- ralwasser, der Schwefelquellen, der Gesteinsexhalationen II. s. w. vom höchsten Interesse. Dass man unter solchen Um- ständen diesen Kalkstein nicht leicht als ein Urgebilde, als ein Gebilde aus einer Zeit ansehen kann, in der noch kein organi- sches Leben bestand, auch nicht auf der niedersten Entwick- lung, ist klar. Noch schlagendere Beweise für das verhält- nissmässig geringe Alter dieses krystaliinisch-körnigen Kalk- steins und somit per analogiam auch für das der gleichen Fels- 160 bildung' an vielen andern Oifen Griechenlands, liefern zwei andere Tliatsachen, die ich ebenfalls heute zu beobachten Gelegenheit hatte. Die einen sind: ganz eigenthümliclie. ko- nische, gefurchte Eindrücke von Steinkernen organischer Körper (vielleicht Belemniten, Hippuriten oder dergleichen), Avelche Kerne ich jedoch selbst nicht auffinden konnte, obwohl ich dergleichen Eindrücke an mehreren Stellen zwischen Mbriki und Alika sah. — Die zweite Thatsache und zwar, wie ich glaube, die wichtigste, ist das Vorkommen eines eigenthüm- lichen Trümmergesteins sowohl als Auflagerung des körni- gen Kalksteins, als auch als Einlagerung desselben. Am Dorfe Alika nämlich bedeckt eine 12 bis 18 Fuss mächtige Ablagerung- eines rothen , sehr festen Konglomerates den körnigkrystallinischen Kalkstein und tritt zugleich auf Lagern in demselben Kalksteine auf; ist daher mit ihm, meiner Ansicht nach, kontemporär. Dieses Konglomerat, auf welchem die Alten Steinbruchsarbeiten betrieben haben, besteht aus Trüm- mern und Geschieben von körnigem Kalk und Thonschiefer bis zur Kopfgrösse, welche durch Kalk als Bindemittel, der durch Eisenoxyd roth gefärbt ist, zum neuen Fels regenerirt wurden. Diese Einlagerungen eines Trümmergesteins im körnigen Kalke erinnern sehr an die Einlagerungen des Ma- cigno-Sandsteins in dem körnigen F^alke der apuanischen Alpen bei Massa und Serravezza und wenn es erlaubt ist, aus der nach allen Richtungen sich zeigenden Aehnlichkeit beider Formalionen einen Schluss auf ihren geognostischen Parallelis- mus zu folgern, so glaube ich keinen Anstand nehmen zu dür- fen meine Ansicht dahin auszusprechen, dass der körnige Kalk des Taygetos und der Maina mit seinen Schiefern eben so gut der Macigno-Gruppe, d. h. den ältesten Gliedern der Kreidereihe angehören, wie diess bereits als höchst wahr- scheinlich von den Felsgebilden der apuanischen Alpen nach- gewiesen ist. Unterhalb dem Dorfe Alika, an der Küste und am Wege nach Porto Quagiio, treten mächtige Ablagerungen von grün- lichgrauem und schwarzem Thonschiefer auf, dessen Schichten KW. — SO. streichen, in SW. verflachen und somit den körni- gen Kalk bedecken oder vielmehr demselben angelehnt sind. 170 All den tiefste» Niederungen der Küste beobachtet man nur Meeresalluvien. Am 25. Juni. Ueber dieHöhen der Berg-e fülirte uns der Weg in zwei und einer halben Stunde von Äliiia nach Porto Quaglio (Wachtelhafen) am Vorgebirge Matapan (Tonaron der Alten). Unserer Route zur Linken blieb das Dorf Bathia auf einem hohen Berge, dessen Gehänge ganz mit Terrassen- anbau bedeckt ist, der mich lebhaft an den Libanon erinnerte; weiterhin genossen wir einer schönen Fernsicht auf die jonische Insel Cerigo, die mit ihrem langgezogenen , einförmigen Berg- rücken in ihrer ganzen Ausdehnung vor uns lag und gegen Osten sahen wir in weiter Ferne, jenseits des Meerbusens von Lakonien, Kap Malio oder Kap Ängelo, die zweite Sndspitze desPeloponneses. Zur Rechten Messen wir das auf eine hohe, senkrecht zum Meere abfallende Felsenspitze hingeklebte Döifchen Kastri, von ^\o aus wir bald nach Porto Quaglio hinabstiegen. Der Hafen, bekannt durch die grosse Menge von Wachteln, die alljährlich hier gefangen werden und theils einen Handelsartikel, tiiells getrocknet ein Hauptnahrnngs- mittel der Mainotten bilden, ist klein, aber schön und sehr geschnzt. Die Gegend ist öde, ein einsames Kloster am Berg- gehänge und am Strande des Meeres zwei Häuser, das des HafenkapitänSj unseres freundlichen Wirthes und das eines Mainotten-Kapitäns, der uns zu den Eisenminen begleitete sind die einzigen menschlichen Wohnungen. Auf der Höhe des Bergrückens, der den Porto Qnaoflio. an der Ostseite des Vorgebirges Matapan, vom Porto Marinari, auf der Westseite desselben, trennt, steht ein Thurm, von dem aus man beider- seits eine weite Fernsicht auf das Meer hinaus geniesst. Hier lauerte noch vor Kurzem der räuberische Häuptling auf die vorbeisegelnden Kauffahrer und sah er sich mit seinen Barken denselben gewachsen, so wurde sogleich mit diesen Schnell- Seglern Jagd darauf gemacht. Nachdem wir die Eisenminen besehen und ein erfrischendes Seebad genommen hatten ritten wir Abends wieder nach Alika zurück. Der dunkelfarbige Thonschiefer von Alika hält südlich bis nahe an Kap Matapan fast ohne alle Unterbrechung an , nur bemerkte ich, dass auf den Höhen der Berge die obersten Lagen desselben in Glimmer- 171 schiefer übergehen, der von Talkschiefer begleitet wird und voller Quarzlageistätteii ist. Auf den höchsten Punkten des Vorgebirges selbst tritt aus dem Schiefer wieder der körnlg- krystallinische Kalk hervor. Es ist der schon den Alten be- kannte schöne Marmor vonTenaron, buntfarbig, mit herrlichen Farbentönen und, was dem i'jbrigen Kalke der Maina gegen- über interessant ist , weder beim Zerschlagen noch beim Rei- ben den erwähnten Geruch entwickelnd. Steigt man auf der Ostseite des Vorgebirges Matapan das Gehänge gegen Porto Quaglio hinab, so gelangt man bald wieder in das Bereich des Glimmer- und Thonschiefers, dessen Schichten in Ost und Nordost fallen, folglich dem Kalke gerade in entgegengesezter Stellung aufgelagert sind, als diess auf der Westseite des Vorgebirges stattfindet, eine Erscheinung;, die allerdings geeignet ist dem Emporsteigen des Kalkes aus dem Schiefer das Wort zu spiechen. Diese Schiefer sind hier sehr kalkhaltig und enthalten kleine Lager von Brauneisen- stein der diciifen und faserigen Varietät (sogenannten Glas- kopf). In Porto Quaglio selbst befindet man sich mitten im Be- reiche des Glimmer und Thonschiefers. Ersterer ist vorherr- schend. An der nordwestlichen Seite des Hafens, zwischen dem Kloster und dem Hause des Hafenkapitäns, fällt das Schiefergebirge mit senkrechten Wänden zum Meere ab. Hier besonders ist der Glimmerschiefer von hänfigen Quarzlagen dnrchzogen, die ganz parallel den Gesteinsschichten liegen. Dieser Quarz zeigt eine auffallende Aehnlichkeit mit «lern Gold-führenden Quarze des Gebirges Fasanoorn in Fassoki. Wie lezterer ist er sehr glasig- und porös, die Zwischenräume sind ausgefüllt mit Eisenocker, er führt eingespreng^t Braun- eisenstein und Kiese. Das Resultat der Probe, welche ich von diesem Quarze zur Untersuchung auf Gediegengold nahm und nach Athen sandte, ist mir unbekannt. Hinter dem Hause des Hafenkapitäns und von demselben gegen SO. und S. sezt das Schiefergebirge in massigen, wellig geformten Bergen fort. Häufige Findlinge von Eisenglimmer, Brauneisenstein, Brauneisenocker, auf welche man in den kleinen Thaleinschnitten dieser Berge stösst, lassen auf das 172 Vorhandenseyn bedeutender Erzlagerstätten schliessen und wirklich sieht man ungefähr in der halben Höhe des Berg- gehänges aus Schutt und Gerolle ein 12 bis 18 Fuss mächtiges Lager zu Tage gehen, das ganz aus Branneisenstein und ßraun- eisenocker besteht, welche Erze auf ihren Ablösungen von Eisenglimmer und Glaskopf begleitet werden. Ohne Zweifel ist dieses Lager dem Glimmerschiefer ein- und nicht aufge- lagert. Es treicht aus Ost in West, scheint in Nord, nämlich i n das Gebirge einzuschiessen und lässt sich dem Streichen nach iiber 500*^ weit verfolgen. Vielleicht sezt dasselbe durch den ganzen Bergrücken hindiircli. Nahe an diesem Lager sezt ein zweites kleineres und weiter in S. ein drittes, beide mit dem ersten von gleicher Beschaffenheit auf. Wahrschein- lich sind solcher Lagerstätte noch mehrere, ihre Ausgehenden sind jedoch mit Scliutt bedeckt. Da die Erze offenbar zu den reichern gehören, zumTheile auch leichttliissig sind, jedenfalls ein gutes, zähes Eisen geben und die Lokalität so nahe am Meere die giinstigste ist, so bin ich nicht nur der Ansicht, dass die alten Spartaner aus dieser Formation am Kap Matapan sich ihren Bedarf an Eisen geholt haben mögen, sondern glaube auch, dass gegenwärtig, wenn die Regierung ihre wichtigeren Aufgaben, z, B. Herstellung der erforderlichen Kommunikationen im Lande und dgl., gelöst haben und pekuniär mehr erstarktseyn wird, sie diesen Lager- stätten eine besondere Rücksicht schenken oder, was schneller zum Ziele führen würde, ein diessfälliges solides Privatunter- nehmen auf alle mögliche Weise unterstützen sollte. Vor Allem wäre das Ausgehende der beiden grössern Lagerstätten sorgfältig abzuschürfen und ihre Ausdehnung im Streichen zu ermitteln. Für die weitere Untersuchung mittelst Versuch- stollen und Abquerung der parallelen Hangend- und Liegend- lagerstätte ist die Lokalität sehr günstig, da man unmittelbar im Streichen selbst stollenmässig ansitzen kann und der erste Schuss auch bereits Erze schüttet. Bei dem Umstände, dass in den beiden Provinzen Elis und Messenien grosse Waldungen sich befinden, deren Holz zum grossen Theile an den triftbaren Alphios bringbar ist; dass dieser Fluss von seiner Mündung an eine gute Strecke landeinwärts mit Flössen und bei höherem Wasserstande auch mit Barken befahren werden kann ; dass derselbe so viel Gefälle besizt, um als be\veg"ende Kraft für Maschinen benüzt werden zu können und dass die Erze in Porto Quagiio ganz nahe am Meere einbrechen, ihr Transport daher zur See bis an die Mi'uulung; des Alphios und, so weit es sich als vortheilhaft herausstellen wird, auch noch weiter landeinwärts keinen Schwierigkeiten unterliegt, folglich auch nur geringe Kosten verursachen wird, wäre es offenbar ange- zeigt, das Etablissement an diesem Flusse zu errichten, die Erze aus Porto öuaglio zur See dahin zu bringen, das zur Verkohlung erforderliche Brennholz hingegen aus den Wäldern am obern Alphios dahin zu triften. Hiedurch könnten nicht nur die fraglichen Erze und das in jenen Wäldern erliegende grosse Holzkapital einer gewinnbringenden Verwendung zuge- fiihrt werden, sondern es würde auch in politischer Richtung der grosse Zweck erreicht, sowohl den Bewohnern der an den Alphios angrenzenden Theile vonElis und Messenien, als auch insbesondere den armen Mainotten auf ihren unwirthbaren Felsen eine ergiebige Erwerbsquelle zu eröffnen, ohne dass die Regierung nöthig hätte, die nicht populäre Massregel einer üebersiedlung der leztern in Anwendung bringen zu müssen. An den nöthigen Zuschlägen ist in Porto Quagiio kein Mangel und da auf dem Gebirgsjoche zwischen diesem Hafen und dem Dorfe Kastri reiner Talkschiefer mit dem Glimmerschiefer ein- bricht, der sich mit V^ortheil zu Gestellsteinen benützen lässt, so wäre sogar auch für dieses Material unter einem gesorgt. Das zum Grubenbau nötliige Holz würde beim Erztransporte eine sehr angemessene Rückfracht für die von der Mündung des Alphios nach Porto öuaglio rückkehrenden Barken bilden. Am 26. Juni traten wir unsern Rückweg durch die Mainaan, verliessen früh des Morgens Alika, übernachteten in Tsimowa, gingen aber daselbst, nachdem wir unseie nun aus- geruhten Pferde wieder in Empfang genommen hatten, am '27. Juni von unserer früheren Route ab und wendeten uns landeinwärts, um von der Westküste der Maina, dieselbe quer durchschneidend, über den Central-Rücken des Taygetos an die Ostküste derselben zu gelangen. Der über ein niede- res Joch der Centralkette und durch freundliche Querthäler 174 führende Weg ist leidentlich und besonders an der Ostseite als die einzigefür Reiter brauchbare Kommunikation derMaina zu betrachten. Nachdem wir viele Ortschaften passirt hatten und sechs Stunden im Sattel gesessen waren, kamen wir in Marathonisi(G}'thion) an, wo der königl. Dampfer Otto vor Anker lag, in dessen Kapitän, dem wackern Sachinis, wir einen alten Bekannten fanden und wo wir, die Höllenwege der Maina hinter uns, einen recht angenehmen Rasttag ver- lebten. Aus unserer Route quer durch die Maina, von deren West- küste hinüber an die Ostküste, ergibt sich folgender geogno- stischer Durciischnitt, der zugleich als der Lagerungstypus der Felsgebilde des Taygetos zu betrachten ist: Von Tsimowa zwei Stunden lang gegen Ost hatten wir nur krystallinisch- körnigen Kalk, Marmor von weisser, grauer, schwärzlich- orauer Farbe und beim Zerschlagen im höchsten Grade den bereits erwähnten, eigenthümlichen Geruch entwickelnd. Dann folgt Thonschiefer mit Lagern von rein weissem körnigem Kalke. Die Schichten desselben streichen aus NW. in SO. und fallen in NO. ; sie sind daher dem ersteren Kalke ange- lehnt. Dieses Felsgebilde dauert, indem wir dessen Terrain in NO., also der Schichtung gerade ins Kreuz durchschnitten, ungefähr eine Stunde; dann folgt wieder und zwar vorwaltend körniger Kalk, der mit Serpentin und Thonschiefer wechsel- lagert und bis Marathonisi anhält. Am 29. Juni. Anderthalb Stunden veifolgten wir den ebenen Strand in nördlicher Richtung, wendeten uns aber so- dann etwas mehr nordwestlich in das Beigland des Taygetos und erreichten nach zwei und einer halben Stunde das Dorf Lebetsowa, ausgezeichnet durchweine schöne Lage und durch die von den Alten in dessen Nähe betriebenen Steinbruchs- arbeiten auf Porfido verde autico (Serpentino v. a.). Nach- dem wir uns daselbst umgesehen schlugen wir wieder eine nordöstliche Richtung ein, und gelangten in einer Stunde in das breite, fruchtbare, wunderschöne und doch so menschen- leere Thal des Eurotas, Uns fiel der Kontrast bezüglich der Bevölkerung um so mehr auf, als wir gerade von den mit Dör- fern bedeckten kahlen Felsklippen der Maina kamen , wo der 175 Mensch mitunsäg^IidieiMiilie sein Leben fiistef, während über dieses herrhche Thal der warme Süden sein Füllhorn vergeb- lich anszuschütten bereit ist. Noch ein anstreng^ender Ritt von fünf Stunden das Euro- tas-Thal hinauf und wir hielten auf der Stelle, wo einst Sparta stand , heut zu Tage die gleichnamige Kolonie sich befindet und eine halbe Stunde westwärts am Fusse der, gerade in Abendröthe glühenden, Fels-Pyramiden desTaygetosdas Städt- chen Mistra liegt. Das herrschende Felsgebilde der Küste bei Marathonisi ist Meeres-Alluvium , wechsellagernd mit Austerbänken und bedeckt von jungen Kalkmergeln. In diesem Terrain ent- springen die Salzquellen von Gythion. Wendet man sich weiterhin gegen Nord in das ßergland des östlichen Gehänges desTaygetos, so sieht man wieder den körnigen Kalk mit Thonschiefer wechsellagern , in welchem leztern aber Gänge von rothem Porphyr aufsetzen. Bei Le- betsowa tritt mit diesen Gebilden zugleich Serpentin auf. Die Masse des leztern erscheint stellenweise ganz homogen, Feldspath undDiallage sind in einem für das Auge nicht mehr unterscheidbaren Verhältnisse auf das Innigste eemeufft, Krv- stalle von Labrador sind dem Gemenge eingewachsen und aus dem Serpentine geht somit jener schöne grüne Por- phyr hervor, der in der Kunst gefeierte Porfido verde antico, dem Wesen nach wahrer Serpentin - Porphyr und daher mit gleichem Rechte auch Serpentino verde antico genannt. Die lezte Ablagerung dieses Gesteins, gerade vor Lebetsowa, scheint sehr mächtig zu seyn. Unmittelbar darauf liegt Glim- merschiefer *. Auf den Ablosungsklüften des Serpentins fand ich hier und da, jedoch stets in sehr geringer Menge, Kupferoxyd und kohlensaures Kupferoxyd. Im Thale des Eurotas, zwischen dem Taygetos und Ma- levo Vuna, wechseln Süsswasser- mit Meeres-Alluvien, Schutt- land mit Austerbänken ; längs der ganzen Kette des Taygetos aber und die Vorberge seines östlichen Abfalles bildend, " Näheres über den Porfido v. n. von Lebetsowa Dr. Fiedler I. p. 326 ed. 176 erstreckt sich im Enrotas-Thale eine Bergkette , die g-anz aus einem nagelflueartigen Konglomerate bestellt, wozu der Tay- getos das Material lieferte •=. Diese JSagelflue erliebt sich zu Bergen von nahe an 5000 Fuss Meeresliöhe, während die Kalk- und Schieferkuppen des Centrale am Hagios Elias bis zu 7415 Paris. Fuss über das Meer ansteigen. Ohne Zweifel ist diese Nagelflue tertiär und parallel jener hu nördlichen Arkadien und in Achaia A m 30, J n n i. Nach einem kurzen Besuche beim Bischof von Sparta besahen wir uns die Umgebung der jugendlichen Kolonie. Von der alten Kapitale männlicher Tapferkeit und eiserner Strenge istkaumeine Spur mehr; denn um einzusehen, dass die wenigen Reste von gemauerten Gebäuden, die man hier und da trifft, nicht dem alten Sparta angehört haben kön- nen, bedarf man gerade uicht Alterthumsforscher zu seyn. Wirklich antik mögen einige zerstreut sich findende Säulen- Trümmer und das sogenannte Grab des Leonidas seyn; unbe- zweifelbar aber sind es die noch zum Theile erhaltenen Reste des Theaters. Die Umgebung könnte übrigens nicht leicht schöner seyn — ein blühendes Thal, ein klarer Fluss, die wunderlich- wilden Zackenformen des Taygetos und ein reiner, strahlender Himmel lassen TNichts zu wünschen übrig als Menschen und Kultur. Nachmittags verliessen wir Sparta, ritten anderthalb Stunden in der Thalebene , passirten den krystallhellen Eu- rotas und stiegen sodann allmählig die Gebirgskette an, welche das Becken von Arkadien vom Spartaner Thale trennt, als Querkette den Taygetos, westlich des Eurotas, mit dem Malevo Vuna(Parnon)**, östlich desselben, verbindet und am schönen Tsimberu bei den Quellen des Eurotas zu 3S54 Paris. Fuss, so wie am Chelmos, dem Uebergangsjoche zwischen Lakonien und Arkadien , zu .'iOOT Paris. Fuss 31eereshöhe ansteigt. Nachdem Avir anderthalb Stunden bergan geritten waren hiel- ten wir am Chane Wurlia , eine Gensdarmerie-Station, wo "' Nach Dr. Fjedler's geognostischer Karte scheint dasselbe Ge- stein auch auf der Ostscite des Eurotas, am West- Gehänge des Malevo Vuna zu herrschen. " Bei Hagios Petros 5962 Paris. Fuss Meereshöhe. 177 uns der galante Sergeant sogleich die Waclitstube zum Nachtquartier einräumte. Am 1. Juli 1S39. Fünf und eine halbe Stunde lang, vom Chane Wurlia bis zum Chane Chryabrisi (Kyparissi ?) am Fusse des Tsimberu, führt der Weg über ganz ödes Gebirge. Bald hierauf öffnet sich das Becken von Arkadien ; noch hat mau wellig geformte, kahle Berge zur Seite, nach vier und einer halbe Stunde aber hält man zu Tripolitza, mitten in der schönen grossen Ebene, unverkennbar einst Seeboden, rings umgeben von den Bergen Arkadiens. Die Stadt ist unregel- mässig und unrein. Hier lernte ich in dem Gensdarmerie- Hauptmanne Zinnus den berühmten Ränbervertilger kennen, ein Mann von mehr als gewöhnlicher Thatkraft, etwas wild, aber gehörig unterstüzt, ganz dazu geeignet, diesen Krebs- schaden des Landes zu heilen. Schade, dass er so Vielen im Wege ging, die das edle Räuberhandwerk als einen Hebel ihrer politischen Tendenzen, zwar auf eine plumpe, aber doch gefährliche Weise zu protegiren pflegen. Interessant ist es, dass die grössten Bassins von Griechen- land, das des Kopais und jenes von Arkadien (Tripolitza), welche den Charakter einst gewesener grosser Binnenseen, was das Becken des Kopais zum Theile noch ist, unverkenn- bar an sich tragen, zunächst von Hügeln und Bergen umgeben sind, die dem Hippuritenkalke angehören. So sieht man auch hier, zwischen dem Flussgebiete des Eurotas und dem Becken von Tripolitza, eine mächtige, breite Bergkette, welche, kaum über 3000 Fuss Meereshöhe ansteigend, aus Hippuritenkalk besteht", der auf körnigem Kalk und Thonschiefer ruht. Mit dem Thonschiefer tritt zugleich Glimmerschiefer auf. Die Schichten beider streichen NW. — SO. und fallen in SW. Der Kalk mit den Schiefern tritt mehrmals hervor, wird aber mei- stens vom Hippuritenkalke bedeckt. Vom Chane Chryabrisi bis nahe an Tripolitza bemerkt man an mehreren Stellen, dass jenes Grundgebirge von Euphotid und Sandstein-Gebilden be- gleitet wird , aber eben die massigen Auflagerungen des ''•' Diesem Kalke jj^ehüreii auch zweifelsohne jene Nuiuuiuliten an, die Dr. Fiedler (I, p. 313) bei Tripolitza fand. Russsgger, Reisen. iV. Bd. 12 178 Jüngern Kalksteines und die Alluvionen der Ebene hindern die Erforschung der nähern Lagerungsverhältnisse. Am 2. Juli. Wir wandten uns nun, um nach Nauplia zu gelangen, östlich dem Meerbusen von Argos zu und konn- ten sonach die von Tripolitza dahin angelegte neue Strasse benützen. Die Anlage dieser Strasse ist sehr gut, die Unter- haltung derselben fand ich aber unter aller Kritik. Auf dem fünf Stunden langen Wege bis Achladokampos überstiegen wir den Parthenius - , ein Mittelglied des Malevo Vuna**, genossen noch vorher des interessanten Anblickes des durch Epaminondas klassischen Heldentod berühmten Schlachtter- rains von Mantineia, durchwanderten aber im Ganzen eine öde wilde Gebirgs-Gegend , in welcher wir uns räuberischer An- fälle halber in Acht nehmen mussten. Weiterhin kamen wir zu der hoch im Gebirge liegenden Gensdarmeriestation Daule, wo ein paar Tage früher die Miliz und Gensdarmen sich mit Räubern geschlagen hatten und wobei erstere, wie gewöhn- lich, sattsam durchgeprügelt wurde. Bald hierauf lag der schöne Meerbusen von Argos vor unsern Blicken. Uns ge- genüber, jenseits desselben , Nauplia mit dem Adlerneste Pa- lamides, links im Lande Argos auf weiter, grüner, sumpfiger Ebene. Nach fünfstündigem Ritte von Achladokampos stiegen wir in Mylos dicht an der Küste ab, wo die Regierung zur Aufarbeitung des in dem Arsenale sich ansammelnden alten Eisens einen Eisenhammer erbaute, jedoch bisher (1839) kein besonders günstiges Resultat hiedurch errang. Ganz dieselben geognostischen Verhältnisse , wie ich sie zwischen Lakonien und Tripolitza beobachtete, finden auch am Parthenins statt. Am Dorfe Achladokampos liegt derHippu- vitenkalk sichtbar auf Sandstein und nimmt von da die Höhe des Gebirges hinauf mehr und mehr einen schiefrigen und mer- geligen Charakter an, eine für dessen obere Schichtung ohne- hin eigenthümliche Erscheinung. Einige dieser obern, schief- rigen Straten desHippuritenkalkes dürften übrigens sich noch besser zu lithographischen Zwecken brauchbar erweisen, als ■' Als „Rhoino" bei Mantineia 3746 Par. Fuss Meeresliöhe. *^* Als „Artemisios" bei Mantineia 5454 Par. Fuss Meereshöhe. 179 diess bei dem sooenannten litliog^raphischen Schiefer voiiKoii- stantinos in Messeiiien der Fall ist, obwohl sich auch hier der Gewinniino; grösserer, vollkommen ganzer Platten bedeutende Schwierigkeiten entgegenstellen Avürden. Im obern, schiefri- gen Hippuritenkalke fand ich grosse nesterartige Massen von stänglichem, krystallisirtem Kalkspath, nebst Hornsteinla- gern von geringer Mächtigkeit. Bei Argos sollen in dem altern Kalke mit seinen Schie- fern ähnliche mächtige Eisensteinlagerstätten sich finden, wie bei Porto Quaglio. Näheres hierüber ist mir unbekannt. Am 3. J u 1 i ritten wir an den lernäischeii Sümpfen vor- über der Küste nach gegen Nauplia, wo wir in zwei und einer halben Stunde anlangten. Die Stadt hatte sich seit der Zeit meiner ersten Anwesenheit wenig vergrössert. Der kleine Dampfer Maximilian war gerade zur Abfahrt bereit, wir nahmen daher sogleich unsere Plätze und um zwei Uhr Nachmittags waren wir in See. Um sieben Uhr Abends passirten wir Spezzia , in der Nacht Hydra, am frühen Mor- gen Egina und um sieben Uhr Morgens a m 4. Ju 1 i liefen wir im Piräus ein , von wo wir uns so- gleich nach Athen begaben und ich wieder bei meinem unver- gesslichen Freunde Dr. Roeser abstieo-. o 5) Atlieit. Uas laurii^clie Vuri^^ebitg^e. Itie Inselreise. Tltermia, Seripho« Sira , Maxos, Paxos, Sautorin, ^ea-Kainineiii , I>oIiiioü, liimolos, jtlilos , Porös. Halbinsel Metliana, Kg^ina. RücUUelir nach Atlien. Am 5. Juli 18;}J>. Kaum war ich in Athen angelangt, so machte die Natur ihre Ansprüche. Ich erkrankte — es waren die wiederholten Erinnerungen au die tropischen Fieber, von denen mich jedoch Freund Rokser bald wieder befreite und mich in die Lage versezte, meine Berichte ausarbeiten und dieselben Sr. Majestät dem Könige vorlegen zu können. Sowohl am Hofe auf das Huldreichste empfangen, als im Hause des österreichischen Ministers von Prokesch mit alter Herz- lichkeit aufgenommen flogen die Tage wie Stunden und die Zeit der Abreise nach den Inseln näherte sich fast schneller, als mir lieb war. Als Begleiter auf meiner Inselreise wurde 12 * 180 von Si". Majestät der Professor Domnandos bestimmt und mir hiezu der königl. Kutter Leon, ein sehr seliönes, sclinell se- gelndes und elegant eingerichtetes Schiff zur Disposition gestellt. Am 11. Ju li lief weiland Se. kaiserl. Hoheit unser ge- liebter Erzherzog Friedrich mit seiner Korvette im Pyräus ein. Beinahe zu gleicher Zeit erhielten wir in Athen die Nach- richt über den Ausgang der Schlacht von Nissib , so wie bald darauf jene des üeberganges der türkischen Flotte zu Mehe- MED-ÄLi, eines Verrathes, wie deren die Geschichte nicht viele aufzuweisen hat. Freiherr V. Prokesch hatte die Güte mich dem Erzherzoge vorzustellen. Abgesehen von der persönlichen Liebenswür- digkeit dieses Prinzen , welche die Herzen gewinnen musste, waren es vor Allem die Erinnerungen an die Heldenlaufbahn seines gefeierten Vaters, bei dessen Namen jedes österreichi- sche Herz wärmer schlägt, die beim Anblicke des damals in Gesundheit und Jugend blühenden Sohnes einen tiefen Ein- druck machten. Unter den Hoffesten, welche die Anwesen- heit unseres kaiserl. Prinzen herbeirief, war für mich als Fremd- ling ein Hofljall von höchstem Interesse, denn ausser dem wahr- haft Schönen, das von oben aus vertreten wurde, waren da all die in Athen anwesenden griecliischen Notabilitäten versam- melt, zum Theile bereits durch den Freiheitskampf bekannt gewordene Namen. Mit scharfen, grösstentheils schön ge- zeichneten Gesichtszügen, mitAugen treffend und voll Ausdruck, wenn auch nicht immereines Zutrauen erweckenden, mit einer Haltung stolz und edel und jene Elastizität, jenen ganz eigen- thümlichen Schwung in jeder Bewegung und im Gange ent- wickelnd, der den Palikaren selbst im hohen Alter nicht ver- lässt , wanderten diese Kämpen einer wild bewegten Zeit im prächtigen Nationalkostüme im glänzend dekorirten Saale umher. Viele historische Erinnerungen knüpften sich an manche dieser Gestalten und ich muss gestehen, dass mir der Anblick dieser Individualitäten ganz unvergesslich ist. Am 14. fand in dem aus Schutt und Trümmern der Bar- barei neu wieder erstandenen Athen die feierliche Grundstein- leg^ung des neuen Üniversitäts-Gebäudes statt. 181 Am 19. Juli waren alle unsere Rüstungen zur Insel- reise beendet, wir begaben uns an Bord und um sieben Uhr Abends flog der niedliche Leon mit vollen Segeln an der Insel Salamis voriiber südwärts, gegen Kap Sunium. A m 20. Juli. Windstille in der Nacht verzögerte unsere rasch begonnene Fahrt. Wir standen Morgens vor Kap Su- nium *, das Meer um uns war ruhig und glatt wie ein Spiegel, kein Lüftchen regte sich und wir hatten Zeit den noch in sei- nen Trümmern herrlichen Tempel der Athene auf der Kuppe des Vorgebirges zu bewundern. Gegen Mittag kräuselten sich die Wellen, die Segel schwellten sich, der Kutter legte sicii schmiegsam zur Seite, wir passii ten zwischen der Insel Ma- cronisi und dem Vorgebirge und liefen Nachmittags zwei Uhr in dem kleinen, aber sehr schönen und sichern Hafen Mandri auf der Ostküste von Attika ein, wo gerade einige englische Offiziere mit der Küstenaufnahme beschäftigt waren. Wäh- rend einer unserer Pioniere in das Dorf Keratia (Laurion) ge- sandt wurde, um von dort für Morgen einen ortskundigen Führer zu den alten Grubenbauen der Athener mitzubringen, besah ich mit meinem liebenswürdigen und gefälligen Reise- gefährten DoMNANDos die nächsten Punkte der Küste. Am 21. Juli. Die alte Lauria, nämlich der südlichste Theil von Attika mit Einschluss des Vorgebirges Sunium, ist in bergmännisch historischer Beziehung der interessanteste Punkt Griechenlands, indem auf diesem Terrain der grosse Silber- und Bleibergbau der alten Athener umging. Der- selbe wurde von Gewerken betrieben, welche dem Staate gegenüber, der Eigenthümer der Gruben war, den Standpunkt von Erbpächtern einnehmen. Ausser der bestimmten Summe, welche der antretende Gewerke für seine Bergantheile dem Staate von Vorneher zu entrichten verpflichtet war, um das Recht der Bearbeitung dieser Antheile zu erwerben, war der- selbe auch im Laufe des Fortbetriebes verbunden dem Staate jährlich einen gewissen Theil der geförderten Erze als Frohne zu stürzen , deren Einsammlung und Verschmelzung besonders verpachtet war. Eigene Gesetze (meines Wissens das älteste '•' Kap Colonne, das laurische Vorgebirge. 182 Bergrecht) stellten die rechtlichen Verhältnisse zwischen Gewerken und Staat auf eine positive Basis. Vorzüglich wurde hiebei von rein kamnieralistischem Gesichtspunkte aus- gegangen , jedoch von Seite des Staates auch die technische nnd polizeiliche Einflussnahme sich vorbehalten. Zur Zeit der Blüthe wurden bei diesen Bergbauen über 20,000 Sklaven beschäftigt, die gänzliche Krlöschnng derselben fällt in das erste Jahrhundert unserer Zeitrechnung *. Die ganze Lauria besteht aus sehr kalkhaltigem Glimmer und Thonschiefer, welche von schiefrigem und krystallinisch- körnigem Kalke bedeckt werden. Beide Felsformationen füh- ren auf Lagern, kontemporären Gängen, Nestern und Putzen ; Brauneisenstein, Rotheisenstein, Spatheisenstein (sämmt- liche Eisenerze in mannigfaltigen Arten und Varietäten) und silberhaltigen Bleiglanz *•=. Mit diesen Erzen brechen auch, jedoch in einem sehr untergeordneten Verhältnisse, einige Arten Kupfererze und Galmei. Der Bergbau der Athener hatte nur die Gewinnung des silberhaltigen Bleiglanzes, wel- cher die Elsenerzlagerstätte theils an ihren Gränzen begleitet, theils auf untergeordneten Klüften dieselben duichsezt und in sogenannten Putzen für sich ausgeschieden sich findet, zum Gegenstande. Die Eisenerze Hessen die Alten entweder an- stehend vor Ort zurück, oder wenn sie dieselben des Bleiglan- zes halber gewinnen mussten , Hessen sie solche unbenüzt als Halden liegen ** '. Die Gesteinslagen der Schiefer und Kalke streichen aus ''■* Schätzbare Aiifsclilüssc über die recbflicbcn, poHtiscbeii und ka- incralökononiiscben VerbäMnisse uiui gogenseitigcn Beriihriings-Punkle dieses grossartigeii Unternehmens gibt Böckh im ersten Bande seines treflfliclien Werkes: die Staalshaushaltnng der Athener. Berlin 1817. II Bde." Dann in dem Wcrkchen: die laurisrhen Silberbergvverke in Attika. Berlin 1814. Dr. Fiedier in seinem Rcisewerke I, p. 36—80 gibt eine sehr ausführliche Beschreibung der alten laurischen Gruben- baue, ihrer Lage, ihrer Erzanstände etc., wie er sie im Jahre 1835 fand. Der Sübcrgehait beträgt nach Dr. Fiedlers Probe nur 3i Lofh pr. Zentner rein geschiedenen Erzes. *;::> Ganz so verfuhren die Alten an vielen Orten Deutschlands etc., wo Eisenerze, Galmei und silberhaltige Bleiglanzc zusammen einbre- chen und auch nur lezfrrc auf^schliesslich von ihnen gewonnen, respek- tive aufgebracht wurden. 183 JS. in S. und verflachen in 0. Auch amThoiikos, eine Kuppe chloritischen Serpentins, mitten aus Kalk und Schiefer empor- steigend, ist keine Veränderung- in dieser Schichtenstellung der beiden leztgenannten Felsgebilde w.ihrzunehmen; dieGe- steinslagen des Serpentins selbst aber stehen ganz senkrecht. In der nächsten Umgebung des Hafens Mandri stösst man im Bereiche des schiefrigen Kalksteins, also im Hangenden der Schiefer, auf mehrere Bingen von sehr bedeutender Grösse. Weiter südlich nimmt die Zahl der Bingen beträchtlich zu und da zwischen denselben und den Berg- und Eisensteinhalden sich häufig Schlackenhalden befinden , so lässt sich daraus der Schluss folgern, dass die Alten die gewonnenen silberhaltigen Bleiglänze gleich ueben ihren Gruben, wahrscheinlicli in klei- nen Stücköfen, verschmolzen haben. Vom Hause des Hafenwächters gerade in West erschei- nen dieser Bingen- und Schlackenhäufen noch viel mehrere und in einer Entfernung vom Meere von ungefähr zwei Stun- den traf ich unter jenen Spuren der alten bergmännischen Be- triebsamkeit und zwar im Bereiche des hangenden Kalkes zu meiner Freude eine noch offene Grube. Die Stelle nannte mein Führer: „Kamini" *. Der Zutritt zur Grube ist tonnlag. In Begleitung eines der Pioniere fuhr ich an. Die Strecken fand ich unregelmässig nach allen Richtungen betrieben und sehr niedrig. Kleine zurückgelassene Bergfesten deuten dar- auf hin , dass die Alten eine Art Pfeilerabbau geführt haben. Jedenfalls haben sie den vorkommenden Bleiglanz sehr rein abgebaut; denn ich fand keineSpur mehran den verschiedenen Stössen, welche ich beleuchtete. Der Eisenstein des Lagers besizt eine Mächtigkeit von zwölf Fuss, die Schichten des Kalkes streichen 24 h. 5° und verflachen 6 h. 5". Diese Grube scheint eine sehr bedeutende Ausdehnung gehabt zu haben, dieselbe jedoch auch nur annähernd ausznmitteln , hinderten mich die weiter im Innern stattgefundenen Hangendbrüche. Anderthalb Stunden von der Stelle Kamini weiter in West beginnt das Schiefergebirge in grossen, regelmässigen Schich- ten, welche 23 h. 5^ streichen und 5 h. 5^ einfallen, unter dem =•' i) Haf-ilveia, die Schinelzofeuarbeit. 184 Kalke hervorzutreten und bildet weiterhin das herrschende Gestein. Ungefähr y^ Stunde westlich der Hangendgränze des Schiefers gelangt man zur ersten alten Grube im Gebiete desselben. Es ist ein tiefer, senkrechter, schön geschrammter Schacht mit drei Tagkränzen nebeneinander. Auch hier scheint man auf einer flach einfallenden Eisenstein-Lagerstätte angesessen zu seyn. Die Stelle nannte mir der Fiihrer Kephalluza. Noch weiter V2 Stunde westlich erreichten wir ein kleines Schieferplateau ; die umliegenden Kuppen jedoch bestehen aus körnigem Kalk, der dem Schiefer sichtbar aufgelagert ist. — Hier bekommt man erst den eigenllichen Begriff von der riesenhaften Ausdehnung der alten laurischen Bergbaue; denn auf einer Fläche von kaum einer Quadratmeile sieht man Hunderte von Bingen, Berg- und Schlackenhalden. Wie einst die Mauren in Spanien , Wie noch heut zu Tage die Neger im Innersten von Afrika, so teuften hier die Athener einen Tag- schacht neben dem andern ab, oft so nahe, dass die Ulmen gegenseitig fast zusammenbrechen. Einige dieser Schächte sind noch zum Theile offen. Wenn man von diesem Plateau sich in N. wendet, so ge- langt man , ganz übereinstimmend mit dem Schieferstreichen, nach einer Stunde wieder in das Gebiet des Hangendkalkes und trifft auf der Lagerungsgränze zwischen Schiefer und Kalk ein i'iber 20 Fuss mächtiges, ganz aus Brauneisenstein und Eisenocker bestellendes Lager, welches die Alten steiu- bruchmässig bearbeiteten. Auf was sie hier eigentlich bauten ist mir unbekannt; denn ausser Eisenerzen fand ich hier keine Spur eines andern Erzes. Vielleicht verarbeiteten sie dennoch die leichtflüssigsten Eisenerze auf Eisen, nur wie es scheint und die Schlacken zeigen, nicht an Ort und Stelle, was darauf hindeuten würde, dass auch damals schon in der Lauria kein üeberfluss an Brennstoff war. Noch Yo Stunde weiter gegen Nord und man gelangt neuerdings und zwar hier im Bereiche des Kalkes in ein Ter- rain, auf welchem der Beweise einer einstigen enormen berg- männischen Thätigkeit nicht weniger vorliegen, als auf dem vorerwähnten Schieferplateau. In einer wilden , felsigen 185 Get»:end trifft man neuerdings Schacht an Schacht, BInge an Binge, Halde an Halde und eine Menge von Schlackenhäufen. Hier waren entschieden nur die silberhaltigen Bleighänze Gegenstand des Abbaues. Bei einer genauen Beschauung der laurischen Tagreviere drängt sich nothwendigervveise die Beobachtung auf, dass die Alten zwar sowohl in der Schieferformation als in der Kalk- forniation mit denselben Erzen es zu thun hatten, dass aber die Natur der Lagerstätte dieser Erze in beiden Formationen eine sehr verschiedene ist. In der Schieferformation brechen dieselben nämlich vorwaltend aut regelmässigen, weit dem Streichen nach zu verfolgenden Lagerstätten ein, während im Kalke sie giösstentheils nur auf Nestern und sogenannten Putzen vorkommen. Daher auch die Erscheinung des gänzlich regellosen Zerstreutseyns der alten Gruben im Kalke und die der mehr reihenweisen Aufeinanderfolge der Bingen im Schiefer- gebirge. Bei der sichtbaren Unregelmässigkeit im Bergbaue der Alten und der nothwendigerweise hieraus sich ergebenden Folgerung, dass sie bei ihren technisch sehr beschränkten Hülfsmitteln wegen Wetternoth , Wasserandrang und Ver- bruchsgefahr schwerlich in bedeutende Teufe niedergegangen seyn können, ist nicht in Abrede zustellen, dass im laurischen Grubenbezirke noch viele bergmännische Hoffnung vorhanden seyn dürfte und zwar umsomehr, als die jezt zu Gebote ste- henden technischen Hiilfsmittel den Betrieb nicht mehr blos auf die Gewinnung der silberhaltigen, jedoch keineswegs rei- chen Bleierze beschränken, sondern vor Allem das Augenmerk anf die reichen , ein vortreffliches Produkt liefernden Eisen- erze hinzuwenden gebieten. Nimmt man aber andrerseits, dass diese Erze bei dem absoluten Mangel an Brennstoff nnd Wasser in loco , sowie überhaupt in Attika , zu ihrer Zugutebringung ausgeführt werden müssen ; dass eine zweckmässige Untersuchung der alten Grubenbaue, eine Auf- schliessung der bezüglichen Lagerstätte bedeutende Voraus- lagen erfordern wird, desgleichen die Begründung eines Hüt- ten-Etablissement irgendwo, z. B. anf Euböa, noch grössere Verläge in Anspruch nimmt, so kann ich diessfalls einem Staate 18« in der Lng-e Griechenlands nur lathen , solche Unternehmun- gen entweder der Privat-Industrie zu überlassen, mit welcher ohnehin die Regierung, ohne dieselbe zu drücken, zu konkur- riren kaum im Stande seyn dürfte, oder einen geeigneteren Zeitpunkt abzuwarten. Dass die Athener diese Gruben so lange Zeit hindurch mit bedeutendem GcAvinne betrieben ha- ben, soll zu keiner Täuschung Anlass geben ; denn die Alten arbeiteten, abgesehen von allem übrigen auf einen vergleichen- den Kalkül diessfalls Einfluss nehmenden Umständen, mit Sciaven und zwar mit den schlechtesten derselben, denen ausser einer kargen Kost Nichts fürihre Mühe gelohnt wurde ; nun aber arbeitet man mit freien Leuten, die gut bezahlt und anständig gehalten werden wollen. Ermüdet durch eine zwölfstündige Exkursion kehrten wir an liord unseres Kutters zurück, verliessen noch Abends Mandri, passirten in der Nacht zwischen Zea (Keos) und Thermia (Kythnos) und liefen am 22. Juli Morgens 5 Uhr im Hafen Hagia Irene auf der Ostküste der Insel Thermia ein. Dass man es auf der Insel Thermia mit Thermen zu thun hat, sagt schon dieser neuere Name. Das herrschende Gestein der Insel bilden Glimmerschiefer und Thonschiefer, beide stellenweise sehr reich an kohlensaurem Kalk und als eine Forfsctziiiig der Schieferformation der Lauria zu betrachten*. Im nordwestlichen Winkel des Hafens Hagia Irene, eine Stunde von der Hauptstadt der Insel „Messaria" entfernt, treten aus solchem sehr kalkhaltigem Glimmerschiefer, der zum Theile in glimmerigen Kalkschiefer übergeht, mehrere warme Quellen und ein paar Salzquellen zu Tage, von welchen erstere schon von den Türken zu Bädern benuzt wurden und zu welchem Zwecke in neuester Zeit die Regierung ein neues Badehaus daselbst erbauen liess, welches zur Zeit unserer Anwesenheit gerade vollendet war. Die Schichten des Glimmerschiefers in der Umgebung von Hagia Irene streichen aus N. in S. und verflachen in Ost. Unmittelbar unter den kalkigen * Uebcr die vielen Eisciisleiu - Lagerstätten auf Thermia gibt Dr. FiKDLER II, p. 97 etc. ausführlichen Bericht. 187 Schiefern liegt ein quarzreicher Glimmerschiefer mit vielem Talk. Unser erster fian»- galt der neuen Badeanstalt mit ihren öuellen. Dicht vor dem Badehause entdeckte man in neuester Zeit eine Salzquelle von gewöhnlicher Temperatur. Sie fliesst sehr sparsam, der Geschmack des Wassers ist nicht rein salzig, sondern etwas sauer und da sie fiir die Anstalt immerhin von Wichtigkeit werden kann, so konnte icli mich nicht geniig wun- dern , dass man , ohne noch das Wasser aualysirt zu haben, daran war die Quelle mit einer Kikhe zu i'iherbauen. Eine zweite öuelle, eine Therme von 31 bis Si** Reaum. Tempera- tur, entspringt im Badehause selbst und versieht die dort er- richteten Bäder. Da aber auch ihr Zufluss nur sehr geringe ist. so diirfte sie diese Rolle nur in solange ausschliesslich spielen, als die Anstalt so wenig beni'izt seyn wird, wie bisher. Die drei bedeutendsten Thermen liegen ungefähr 100 Schritte von» Badehause abseits und bedeutend tiefer als dieses, so dass diessfallsiu Bezug eines nati'ulichen Abflusses ihres Was- sers dahin ohne künstlicher Hebung desselben gar keine Rede seyn kann. Diese Quellen dringen am Fusse der Glimmer- schiefer-Felsen mit einigem Hochdrucke aus dem Erdreiche hervor und ergiessen sich, gegenwärtig unbenüzt, in das nahe Meer. Die Menge des Wassers, welche sie liefern, ist wenig- stens zehnmal so gross als jene der Quelle im Badehause. Ihre Temperatur fand ich zwischen 40° und 42" Reaum. ; doch sollen, wie man mich berichtete, Temperatur sowohl als Wassermenge bei diesen Quellen veränderlich seyn. Der Geschmack des Wassers ist salzig und etwas laugenhaft, es enthält wenig freie Kohlensäure, auch bemerkte ich keinen Geruch nach Schwefelwasserstoff, desto reicher aber sind diese Thermen an kohlensaurem, eisenschüssigem Kalk, den sie, einen wahren durch Eisenoxyd rothgefärbten Travertino dar- stellend, in grosser Menge absetzen, den Boden umher damit überziehen, aber nicht so schöne Quellenkegel bilden, wie diess die Thermen bei Lipso thun. Ganz nahe an diesen heissen Quellen befindet sich eine sehr salzige Quelle von ge- wöhnlicher Temperatur, die in medizinischer Beziehung gewiss Rücksicht verdient und deren Wasser daher von jenem der 188 Thermen mehr zu separireii wäre. — Abgesehen davon , dass bei der Errichtung- der neuen Badeanstalt übersehen wurde, den eigentlichen Hauptgegenstand derselben, nämlich die drei reichsten und heissesten Thermen, in ihr Bereich einzubeziehen, was leicht angegangen wäre, wenn man dasselbe in schacht- förmigen, kleinen, mit hydraulischem Mörtel gut aufgemauer- ten Bassins gefangen und leztere so hoch aufgeführt hätte, als der Hochdruck der Quellen mit Bezug auf freien Wasserab- fluss es gestattet und wenn man zugleich mit der Anlage der neuen Bäder auf das Niveau dieses Abflusses bedacht genom- men haben würde, drangen sich beim Anblicke dieses neuen Baues noch mancherlei Gebrechen auf, die leicht hätten ver- mieden werden können. Die Solitärbäder z. B. sind eigentlich blosse Wannen und offenbar zu klein, sogenannte Kommun- bäder sind gar keine; aus den Fenstern des Konversations- saales geniesst man von einer Seite die Aussicht auf die nur 3 bis 4 Fuss davon entfernte Felswand, was für einen Arrest ganz zweckmässig seyn dürfte u. dgl. m. Um die berühmte Höhle Kataphygi bei Silakka zu be- suchen, segelten wir Nachmittags aus dem Hafen Hagia Irene nach dem ebenfalls auf der Ostküste der Insel, aber etwas süd- licher liegenden Hafen Hagios Stephanos. Das grosse Dorf Silakka liegt von da anderthalb Stunden entfernt auf dem steilen, kahlen Gebirge. Am Eingange des Dorfes kam uns ein nach Art der katholischen Geistlichen gekleideter Mann ent- gegen, stellte sich uns als österreichischen Agenten vor und nahm uns auf das Freundlichste in seinem reinen netten Hause auf, wo sich auch derDemarch einfand, der uns mit dem Haus- herrn zur ganz nahen Höhle begleitete. Die Höhle Kataphygi Hegt, nach Angabe der französischen Expedition, ungefähr in 1300 Par. Fuss Meereshöhe, am Rande des Kesselthales, in welchem Silakka sich befindet. Am Eingange der Höhle steht Kalkstein an, der Eisenerzlager führt, weiter im Innern hin- gegen sah ich nur kalkigen Glimmerschiefer. Der Eingang führt tonlag vom Tage nieder, ist sehr eng und hat seine Richtung gerade dem Streichen der Schichten nach aus Nord in Süd. Die Erweiterung am Mundloche ist offenbar künstlich und wahrscheinlich durch die Gewinnung der dort anstehenden 189 Eisenerze herbeigeführt, denn weiter im Innern sah ich keine Spnr mehr von Bearbeitung; des Gesteins. Wenige Sehritte innerhalb des Mundloches erweitert sich die Höhle zu einem grossen Saal, in welchem am Osterfeste die Mädciien von Thermia tanzen. Dieser Raum verästet sich wieder in eine Menge enger Schluchten und Kanäle, welche wieder mit Wei- tungen in Verbindung stehen und so ein Labyrinth dgt in Porto Seripho fühlte ich mich so schwach, dass ich kaum ein Glied bewegen konnte, doch aber fasste ich den Entschluss zur Stadt hinanzusteigen, um wenigstens das von Fiedler beschriebene Magneteisenstein-Lager zu besuchen. Dieser Gang, zu dem ich fast zwei Stunden brauchte, wurde mir äusserst sauer und als ich endlich, nur mit Hülfe Domnan- Dos , die Stadt erreicht hatte, war ich so erschöpft, dass Ich micii im nächsten Hause eines Kaufmanns, der mich freundlich aufnahm, sammt den Kleidern auf ein Bett warf. Am Abend erreichte ich nur mit grosser INoth wieder das Schiff und da ich wohl fühlte, dass es nun hohe Zeit sey sich um einen Arzt umzusehen, so änderten wir unsere Route und beschlossen noch diese Nacht nach Syra zu segeln. Auf Seripho können die Wege unstreitig mit den schlech- testen der Maina wetteifern und w ie vollends in der Stadt zur Nachtszeit ein Fremder von einem Hause zum andern kommt, ohne vielmals Gefahr zu laufen, ein Bein zu brechen, ist nicht leicht einzusehen. Von den geognostischen Verhältnissen der Insel sah ich meiner Erkrankung wegen nichts , als dass der 101 Berg-, auf welchem die Stadt erbaut Lst, aus feinkörnigem Granite mit schwarzem Glimmer besteht. Eisenerzlager sollen sich in Menge finden. Unter den Einwohnern fanden wir eine schreckliche Krankheit sehr verbreitet, nämlich den Krebs oder wenigstens krebsartige Geschwiire und es di'nfte von g;rosser Wichtigkeit seyn, diesem Umstände die vollste ärzt- liche Aufmerksamkeit zu schenken. Am 24. Juli Morgens ankerten wir im Hafen von Syra. Die See war in der Nacht sehr hoch gegangen und mein Zn- stand hatte sich verschlimmert. Durch Domnandos freundliche Bemi'ihungen erschien sogleich Dr. Belisaris, der erste Arzt der Insel und brachte mich mit Hülfe meiner kräftigen Natur binnen ein paar Tagen wieder auf die Beine, doch konnten wir der sti'irmischen See wegen die Insel Syra, deren geognostischei* Verhältnisse ich bereits pag. 37 dieses Bandes erwähnt habe, erst am 27. Juli zur Mittagszeit verlassen. Wir wen- deten uns nun gerade gegen Naxos. Der Wind, obwohl unse- rer Fahrt sehr günstig, ging äusserst heftig, das Meer sehr hoch, die Wellen schlugen zu beiden Seiten über Bord, der leichte Kutter flog wie ein Pfeil, so dass wir die Strecke zwischen Syra und Naxos in weniger als 4 Stunden zurück- legten, dabei aber waren die Bewegungen des Schiffes so unangenehm und stark, dass Domnandos und ich seekrank wurden und nicht minder hörten wir vom Verdecke herab ein magenumdrehendes Röcheln. Der Hafen an der Hauptstadt der Insel Naxos, gleichen Namens und an der nordwestlichen Küste liegend, steht den Nordwinden gänzlich offen, ist klein und seicht. Niedere Granithügel umschliessen ihn von der Landseite, von deren einem die kleine Stadt Naxos bis zum Strande herab sich erstreckt, von der Seeseite hingegen liegt vor dem Eingange eine kleine Insel mit den Ruinen des be- kannten Baciinstempels. Der alte Molo, der einst die im Hafen liegenden Schifie vor den wüthenden Nordwinden schüzte, liegt in Trümmern, auf denen sich eine Kapelle erhebt. Die Stadt Naxos mit ihren weiss getünchten Häuschen sieht sich von der See aus nicht unfreundlich an; die engen, unreinen Gassen ihres Innern zerstören aber bald den schönen Wahn. 192 Die Bevölkerung; hat sich seitdem ßefi'eiungskampfe vermehrt. Es befinden sich darunter, als Reste verflossener Zeiten der Venetianerherrschaft, ungefähr an 300 Katholiken, welche gleich jenen auf Syra den obersten Theil der Stadt bewohnen. Der Handel beschränkt sich vorzüglich auf den Verkehr mit den vortrefflichen Inselweinen und Früchten, worunter die Cedratebis zur Kopfgrösse eine Hauptrolle spielen, sowie nicht minder der Smirgel, der mineralogische Hauptschatz der Insel, eine sehr bedeutende Rubrik des Verschleisses bildet. Sogleich nach unserer Ankunft bestellten wir durch den Demarchen die nöthigen Maulthiere zur Bereisung der Insel und am 28. Juli mit Tagesgrauen zogen wir bereits der schön bebauten und stark bevölkerten Kiistenebene entlang gegen SO. Nach einer Stunde Weges ungefähr gelangten wir in die Vorberge des Zia (Dia), des höchsten Gebirges der süd- lichen Inselhälfte* und erreichten nach weitern 3 Stunden das Dorf Zokaria, wo wir unter einer grossen Platane, umgeben von einem gaffenden aber sehr freundlichen Publikum, unsere Mittagsruhe hielten. Die Umgebung des Dorfes ist ausneh- mend schön und ein Beweis, welchen guten Geschmack Bachus hatte, als er sich die Schönste derCykladen zum Wohnsitze wählte. Hohe, schroffe Gipfelformen des Granit- und Schiefer- gebirges kontrastiren bezaubernd mitdersüdlichen Vegetations- fülle des Thaies, eines grossen Gartens von Feigen-, Maulbeer-, Orangen-, Zitronen-Bäumen, gebeugt durch die Last ihrer goldenen Früchte, von Reben, die sich zu den höchsten Wip- feln der Platanen und Pappeln emporranken, von riesenhaften Aloen (Agave americana), deren Blüthenstengel Stämme von 8 Zoll Dicke und darüber bilden, gemischt mit Opuntien, blü- henden Oleander- und Myrthen-Gebüschen nebst einigen Dattel- palmen. Von Zokaria führt der Weg in 3 Stunden nach Aperathos, fortan im Gebirge mit einer herrlichen Fernsicht über Naxos und die benachbarten Inseln. Vor Paros lag damals gerade die englische, im Archipelmeere stationirte Flotte, 8 Segel stark. * Meereshöhe 3101,5 Par. Fuss. 193 Das Städtchen Aperathos liegt liocli im Gebirge , die Häuser sind teirassenartig- i'ibereinander gebaut, die Gassen eng und sehr unrein. Desto reiner sehen die Bewohner in ihren ganz weissen Kleidern ans und da die Männer zugleich häufig weisse, seltner schwarze Schlafmi'itzen als gewöhnliche Kopfbedeckung tragen, so möchte man in der That meinen in eine Kolonie von lauter Köchen gerathen zu seyn. Das weib- liche Geschlecht zeichnet sich durch reinen, frischen Teint aus und schöiiere schwarze Augen, als in Aperathos wird man nicht bald sehen. Dass sie auch sprechen versteht sich im warmen Süden von selbst und unsere liebenswürdige, junge Hausfrau bekam wegen dieser Sprache sogar von ihrem Herrn und Gebieter, dem alten Demarchen mit einer ellen- langen Schlafmütze, einen belehrenden Verweis, der jedoch bei ihrer naiven Natürlichkeit wenig Wirkung zu äussern schien. Abends besuchten wir noch eine der naheliegenden Smir- gellagerstätten und wenige Stunden darnach erkrankteich plötz- lich an einem choleraähulichen Anfalle. Gemartert während der Nacht durch heftige, krampfhafte Schmerzen, oftmaliges Erbrechen und Diarrhöe war ich am Morgen des '29. Juli bereits so in Kräften herabgekommen, dass ich, als ich dennoch auf der Weiterreise bestand, mich wäh- reud des Reitens halten lassen musste, um nicht herabzufallen. Die Hitze war drückend, der Weg abscheulich und endlich so schlecht, dass wir absteigen und zu Fusse gehen mussten. Das war nun allerdings für mich eine furchtbare Aufgabe, aber gerade die ungeheure Anstrengung brachte meinen Körper in Schweissuud verschaffte mir einige Linderung meines Leidens. Zwei Stunden nordwestlich von Aperathos, in der Tiefe des Thaies am Fusse des Fanaris, an einer Stelle Namens Gako- riaka, besichtigten wir die dort zu Tage gehende Smirgel- lagerstätte. Von da stiegen wir nun pfadlos das Gehänge des Fanaris hinan, des höchsten Berges im Mittel der Centralkette, welche die Insel Naxos aus Süd in Nord durchschneidet, er- reichten nach einer Stunde die Höhe des Bergrückens, der zur Ostküste abfällt und um Mittagszeit eine grosse Platane, in deren dunklen Schatten ein ruhiger Schlaf von ein paar Stun- Kusseggci) Reisen. IV. ßd. 13 194 den mich wieder in soweit herstellte, dass ich nnr noch eine grosse Schwäche verspürte. Nachmittags besichtigten wir die grossen Smirgellager am Nordostrande der Jnsel und gingen Abends über das den Fanaris mit dem Koronis (Koronon), dem höchsten Berge in der Nordhälfte der Insel, verbindende Gebirgsjoch nach dem Dorfe Wothris, wo gerade das Kirchweihfest gefeiert wurde. Am oO. Juli. INachdem wir nun von der Stadt Naxos aus den Westen und Süden der Insel besucht hatten, sodann an der Ostseite, jenseits des Centralbergrnckens, gegen das Nord- ende derselben gezogen waren und uns nun wieder am West- gehänge der Centralkette befanden, so beschlossen wir unsere Tour mit der Rückkehr durch den nordwestlichen Theil der Insel. Die Wege sind hier bedeutend besser und voll herrli- cher Partien, besonders zeichnet sich in dieser Richtung die Umgebung des Dorfes Melanes mit ihren Orangengärten, den vielen Bächen und netten Häuschen aus. Von einer der An- höhen sahen wir die englische Flotte vor Faros gerade unter Segel gehen, ein eigenthümlich schönes Schauspiel auf weiter Meeresfläche. Nachmittags erreichten wir die Stadt Naxos. Die See ging noch immer sehr hoch, unserKutter machte noch immer seine Bockssprünge mit Variationen rechts und links und verhiess uns daher keine besonders tröstliche Existenz. Abends gingen wir an Bord. Die Insel Naxos, die grösste und schönste der Cykladen, wird ihrer ganzen Länge nach aus Süd in Nord von einer hohen Bergkette durchzogen. Diese Centralkette hat drei ausge- zeichnete Kulminationspunkte, nämlich den Zia oder Dia in der südlichen Hälfte, den Fanaris ungefähr im Mittel und den Koronis im Norden der Insel. Die westliche Abdachung dieser Bergkette ist bedeutend sanfter als die östliche. Während dort zwischen dem Meere und deji Bergen des Innern eine schöne, hügelige, reich bebaute Küstenebene liegt, fällt das Cenlralgebirge gegen Ost steil, zum Theile fast senkrecht zum Meere ab. Die nächste Umgebung der Stadt Naxos bildet ein sehr grobkörniger, feldspathreicher Granit; der Feldspath in grossen krystallinischen Partie'n auftretend, das Gestein dem Granite 195 der Katarakten bei ,\ssuaii stellenweise sein* äiinlicli. Verlässt man die Kiistenebone in der Richtung' SO. gegen die Gruppe des Zia hin, su gelangt man aus dem Terrain der felsigen, nackten (jranithiigel sogleich in jenes des Schiefers. Es ist reiner (ilinimerschiefer mit sehr vielen ftuarzlagern, der nicht in Thonschiefer übergeht. Hie und da vvechsellagert dieser Schiefer in grossen Fartie'n mit körnigem Kalke, Marmor, ganz ähnlich dem der IMaina, aber beim Zerschlagen nicht jenen eigenthiimlichen Geruch entwickelnd, wie lezterer. Die Schichten des Schiefers streichen aus Nord in Süd und fallen thells in West, theils stehen sie auf dem Kopfe, theils und be- sonders in der INähe des Kalkes sind sie auf die mannigfal- tigste Weise wellenartig gebogen. Vor dem Dorfe Zokaria ist der Glimmerschiefer vorherr- schend, unter ihm tritt jedoch in mächtigen Massen grobkör- niger Granit hervor, der weiter insinnere der Insel zu ungefähr 2000 Fiiss Meereshühc ansteigt. Es ist diess ein Randstück jenes grossen Granitbeckens, dessen ich später bei meiner Rück- kehr aus dem Innern der Insel nach der Stadt Naxos erwäh- nen werde. Der Granit bildet lauter isolirte Kuppen, auf deren höchsten einei- bei Zokaria die Ruinen einer mittelalterlichen Burg sich erheben. Für sich betrachtet ist die Granitmasse jeder dieser Kuppen gänzlich zertrümmert und eigentlich ein Hanfe von Blöcken ungeheurer Grösse. Obwohl diese Blöcke an Ort und Stelle liegen, wo sie im W^ege der dem Granite eigenthümlichen massigen Absonderung entstanden sind, zeigen sie doch nichts Scharfkantiges, sondern sind durch die an der Aussenseite stark vorgeschrittene Verwitterung mehr oder weniger rauh und abgerundet. Ihr Anblick erinnert diessfalls sehr an viele inneratrikanische Granitpartie n, z. ß. an die phantastisch gruppirten Granitblöcke der Kataraktengebirge des Nils, an jene des Dschebel Szegeti in Sennaar etc. Die Thäler zwischen diesen Granitbergen sind schluchtenartig, kurz, jedoch im Gegensatze der sterilen Kuppen mit einer üppigen Vegetation erfüllt. Unterhalb des Dorfes Zokaria steht wieder Glimmerschiefer an, der mit schönem, weissem Marmor wechsellagert, dessen Schichten aber, im Gegensatze zu jenen des Schiefers vvestlicli des Granites, nicht in West, 13* 19G sondern in Ost einfallen, was allerdings auf eine Emporliebnng der Gianitmasse durcli den Schiefer hinzudeuten scheint. Unmittelbar am westlichen Gehänge des Zia Avechselt der weisse krystallinischkörnige Kalk mit schwarzem (schwar- zer Marmor), worauf sodann ersterer als herrschendes Fels- gebilde auftritt, die ganze Centralkette zusammensezt und sich ununterbrochen bis an den Ostrand der Insel erstreckt. Die Berge des körnigen Kalkes erheben sich zu mehr als .3000 Fuss Meereshöhe, die Schichten, wo man solche annehmen kann, scheinen in Ost /u fallen. An mehreren Punkten des östlichen Abhanges der Centralkette setzen in diesem Kalke stockartige Lagerstätten von Smirgelauf, die schon seit langer Zeit Gegenstand industrieller Unternehmung sind. Das erste Smirgel*-Lager wurde uns eine halbe Stunde nordwestlich der Stadt Aperathos gezeigt. Die Lagerstätte liegt im hohen, schroffen Gebirge, mehr als 2000 Fuss hoch über dem Meere. Sie steht seiger, ist iiber IS Fuss mächtig und lässt sich unge- fähr 40 Klafter nach dem Streichen aus NO. in SW. verfolgen. Der Smirgel dieses Lagers ist stark mit Magneteisen und Brauneisenstein gemengt, wirkt daher auf die Magnetnadel, ist unrein und nicht von jener guten Oualität, wie der der übrigen Lagerstätte, besonders jener am Koronis im Norden der Insel. Ausser obigen Hauptgemengtheilen finden sich in diesem Smirgel noch als zufällige Gemengtheile: Glimmer in bedeutender Menge, Eisenkies, Kupferkies, die Verwitte- rungs- und Zersetzungs-Produkte beider lezteren, Spuren von Malachit und ßerggriu). Von einem abbauwürdigen Vorkom- men von Kupfererzen ist keine Rede. Der in unmittelbarer Berührung mit dem Smirgel stehende Kalk zeigt sich nicht im mindesten verändert. Da die Schlucht, welche sich von dieser Lagerstätte zum Meere hinabzieht, sehr tief ist, so wird da- durch die Möglichkeit geboten, selbst für den Fall, wenn der Smirgel in bedeutende Teufe niedersetzen sollte, was ich jedoch sehr bezweifle, die Gewinnung lange Zeit hindurch steinbrucli- mässig fortsetzen zu können. * Die iniiieralogischeii Ei[*'cnscliafteii des Siuiigels von ^faxos (Korund mit Magneteisen) erörtert Dr. Fiedler II, p. 305 etc. 197 Zwei Stunden iiordwestlicli von Aperathos, an der Stelle Gakoriaka genannt, sezt im körnigen Kalke ein zweites Smir- gellager auf, welches ebenfalls im Abbaue steht. Dasselbe streicht 10 h. 5", verflächt l(i h. 5" und besitzt eine Mächtig- keit von 18 bis 24 Fuss, Das Ausgehende dieses Lagers ragt als Kamm aus dem Nebengestein empor und lässt sich dem Streichen nach ungefälir 20 Klafter weit verfolgen. Hier, so wie bei allen Smirgelbauen auf Naxos, sind es gerade diese Ausgehenden der Lagerstätte, welche von den Lisnlanern steinbruchsmässig in Abbau genommen werden. In die Teufe ist nirgends gedrungen und die bisher gewonnene Masse ver- schwindet gegen die noch vorhandene, welche als ein wahrer Schatz der Zukunft aufbewahrt ist. Der Smirgel bei Gakoriaka ist bedeutend reiner, als jener der zuersterwähnten Lagerstätte, er ist nur mit Glimmer und Magueteisen gemengt und enthält als Seltenheit krystallisirten Korund. In der Umgebung, namentlich das Gehänge des Fanaris hinan, finden sich noch mehrere solcher Smirgelstöcke, sie werden aber theils ihrer grösseren Entfernung vomÄleere wegen, theils der Schwierig- keiten halber, welche sich der Anlage eines Weges in diesem Felsterrain entgegenstellen, nicht bearbeitet. Eine Stunde nordwestlich vom Dorfe Wothris steht ein sehr bedeutendes Smirgellager in Abbau, der steinbruchartig betrieben wird, wo sich aber auch mit grossem Vortheil seiner Zeit ein zweckmässiger Grubenbau einleiten lässt. Das Ge- stein ist hier sehr rein und liefert eine vorzügliche Waare. Gerade oberhalb dem Dorfe Wothris endlich und etwas öst- lich desselben treffen mehrere solcher Lager von sehr reinem Smirgel zusammen und bilden ein grosses Stockwerk, welches fast die ganze Mulde erfüllt, aber demungeachtet nicht bearbeitet wird. Da der Smirgel an seinem Ausgehen- den sehr stark und sehr kurz zerklüftet ist, so würde Spreng- arbeit zur Gewinnung desselben nicht ganz den gewünschten Erfolg haben und die Steinbrecherarbeit geschieht daher ganz angemessen mittelst Schlegel und Eisen, grossen Fäusteln, Brechstangen und Treibkeilen. Gewinnt der Smirgel, wie zu erwarten ist, mit zunehmender Teufe an Gänze, so muss sich natürlich auch die Methode der Arbeit auf dem Gesteine ändern. 198 Bezüglich der Gewinnung- des Smirgels und der Verwertliung desselben als Kaufmannswaare herrschte damals (1839) ein eigenthümlich sonderbares Verhältniss. Die Regierung Hess die Lagerstätte durch die Kinwohner bearbeiten und vergiitete denselben jeden Zentner reinen Smirgels, zur Küste gestellt, mit 1 Drachme (21 kr. Con.-M.)- Bei dem Smirgel ist be- kanntlich nur die Brechung des Gesteins und die Äushaltung des Tauben erforderlich und die Kaufmannswaare ist fertig. Nachdem nun die Regierung auf ihre Kosten Gewinnung und respektive Transport bestritten hatte und nichts mehr zu thnn gehabt hätte, als den Erlös für die Waare einzustreichen, iibergab sie dieselbe für den vertragsmässigen Preis von 4 Drachmen pr. Zentner einer Gesellschaft von Unternehmern, meist Engländer, die den Smirgel für 20 und mehr Drachmen dem Vernehmen nach reissend an Mann brachten. Das der Art jährlich zu gewinnende und der Gesellschaft abzuliefernde Quantum war. ebenfalls vertragsmässig, auf 12000 Zentner fest- gestellt, wobei aber die Unternehmer noch grosse, für die Re- gierung drückende Gewichtsbegünstigungen genossen. Von Seite der Regierung war zur Beaufsichtigung der Gewinnung ein eigener Beamter bestellt, dieser aber wohnte auf Faros und soll sich auf Naxos selten sehen gelassen haben ; der Abbau geschah daher ausnehmend schlecht, die Unternehmer nahmen nur die allerfeinste Waare an, die mindern Qualitäten wurden auf die Halden geworfen und an Unterschleif aller Art Süll durchaus kein Mangel gewesen seyn. Es lag in meiner Pflicht den König auf das Nachtheilige dieser Verhältnisse aufmerksam zu machen und zwar um so mehr, als die Smirgelgewinnung auf Naxos sich ganz zu einem Unternehmen für die Regierung eignet. Es sind dabei keine Betriebs- und Anlagskapitali&n im Voraus, keine Errichtungen von kostspieligen Fabriksgebäuden nothwendig, es wird dabei gar nichts gewagt, sondern das Geschäft ist in technischer Richtung das einfachste, was sich nur denken lässt. Mein Antrag ging daher dahin, dass die Regierung sogleich nach Erlöschen des erwähnten Vertrags das Unternehmen in eigener Regie betreibe, den Einwohnern unter Zutheilung fachskuudi- ger Arbeiter und gegen genügende Ablösnngspreise die 190 Ge\viniimi|;- des Smiigels. die Sortiriing desselben bei den Gruben in verschiedene Qualitäten nach eij>ens zu errichten- dem Preistarif, sowie den Transport der Waare an die Küste iiberlasse, \on dort aber dieselbe nach einem Mao;azine im Piräus bringen lasse, ^\o sonach der Veikanf im Wege der freien, öffentlichen Konkurrenz oder im Detail nach festgesez- tcn Preisen stattfinden könne. Beziiglich dei- Verfrachtung des Smirgels von.Naxos in den Piräus könnten mit soliden Kauf- fahrern Verträge geschlossen werden, für die Leitung des Betriebes würde ein technisch ausgebildeter Beamter, wohn- haft zu Wothris oder Aperathos, genügen, und ohne allen Nach- theil für den bergmännischen Nachhalt könnte die jährliche Produktion auf :J6000 bis 40000 Zentner, nach Bedarf auch weit darüber, erhöht werden. Nach später mir durch öff"ent- liche Blätter zugekommenen Nachrichten scheint die Regie- rung diesen Anträgen, wenigstens grösstentheils, auch Folge gegeben zu haben. Von Wothris nahm ich den Rückweg nach der Stadt Naxos in der Richtung NO.— SVV. Der Koronis besteht ganz aus smirgelführendem körnigem Kalk, Avorauf westlich Glimmer- schiefer, wechsellagernd mit gleichem Kalke folgt. Nach 3 Stunden Weges erhebt man sich auf ein Granitplateau, auf welchem Granitbeige ein (iranitbecken von ungefähr einer halben Stunde Durchmesser und mit vielen kleinen, zerstreut stehenden Granitkegelbergen umschliessen. Zu allen Seiten dieses Granitbeckens, ein Erhebnngskrater nach v. Büch's Theorie, stellen sich die Schieferschichten gegen den Granit auf und bedecken ihn. Auf der Hinreise hatten wir den süd- lichen Rand dieses Beckens bereits berührt. Westlich des- selben folgt wieder Glimmerschiefer, wechsellagernd mit Kalk und gegen West einfallend, worauf sodann das bereits erwähnte Granithügeltcrrain der Westküste von Naxos beginnt. Am 31. Juli. Die See ging heute so hoch, dass wir erst um Mittag auslaufen konnten, wo uns aber dann auch der frische NO. in zwei Stunden bereits nach dem Hafen Trios auf der Südostküste der Insel Paros brachte. Der Hafen ist gross, jedoch seichte und wenig geschüzt, die Umgebung ist kahl und öde, die Gebirge haben keinen Ausdruck. 200 Am 1. August 1839. Wir blieben, mit Ordnen unserer Tagebücher und Vorstudien für Santorin beschäftigt, an Bord und beschlossen erst morgen die alten berühmten Marmor- brüche zu besuchen. Am 2. August früh des Morgens ritten wir 1 Stunde in nordwestlicher Richtung nach der kleinen, auf einer freund- lichen Anhöhe liegenden Stadt Tsibida *. In der Nähe dieses Ortes erhebt sich ein hoher, spitziger Berg und oben darauf steht ein Kloster. Von da ritten wir wieder 3 Stunden gegen NW. nach dem Kloster Hagios Minas auf dem Rücken des Marpessa, wo sich ganz in der Nähe die vorzüglichsten Mar- morbrüclie der Alten befinden. Ringsumher ist das Land felsig und kahl, die Formen der niedern Berge sind sehr ein- förmig. Wir kehrten denselben Weg zu unserem Schiffe zurück und fuhren noch Abends, ohne Antiparos mit seiner ge- plünderten Felshöhle zu besuchen, voll Begierde nach dem geognostisch berühmten Santorin ab. Die östliche Küste der Insel Faros bildet derselbe Glim- merschiefer, den wir auf Naxos trafen, nur geht er hier an mehreren Stellen in Gneiss über. Dieses Gestein erstreckt sich ein paar Stiniden landeinwärts, dann wird dasselbe von körnigem Kalk, von dem klassischen Marmor der Insel Faros bedeckt, der die einförmigen, flachgewölbten Berge des Innern bildet. Die Älarmorbrüche der Alten liegen zunächst in der Umgebung des Klosters Hagios Minas und zwar die bedeutend- sten am Berge 3Iarpessa, ly^ Stunden östlich von Faroikia, die Hauptstadt der Insel , an deren Westküste liegend und 4 Stunden nordwestlich vom Hafen Trios. Vorzüglich war es eine Bank des Marmors, von ganz ausgezeichneter Reinheit und Schönheit, welche die Alten in Abbau nahmen. Sie streicht aus NO. in SW., verflächt unter ungefähr 25^ gegen SO. und besizt eine Mächtigkeit von (5 bis 7 Fuss (dort wo ich sie sah). Das Ausgehende derselben zu Tage ist steinbruchmässig in weiten Bogen verhaut, jedoch wurde ihr auch dem Verflachen nach mit bedeutendem Grubenbau in die Teufe nachgegangen. Die Arbeit auf dem Gesteine geschah mittelst Schrämmung und Keilung. In der tiefen Grotte (Ver- Wahrscheinlich das Dorf Kepidi oder Tschipidi nach Dr. Ross. 201 hau) zu Unterst des untern Steinbruches steht die edle Bank in vollendeter Reinheit und abhauwindiger Mächtigkeit an, besonders gegen NO., wo das bekannte llelief, den Nymphen geweiht, am Eingange sich ))efindet*. In den obern Stein- brüchen sind die Alten bedeutend tiefer niedergegangen und die dortige Zeche hat einen bergmännisch grossartigen Charak- ter, Eben wegen dieser grösseren Tiefe der Baue aber wären gegenwärtig Marmorblöcke ans dem Tiefsten fast gar nicht zu Tage zu bringen und die Abteufnng eines tonnlagen Schachtes im Fallen der Bank diirch die alten Verhaue miisste der Wiedereröffnung des Abbaues unabweichlich vorhergehen. A m 3. A u g u st. Als wir früh des Morgens auf das Verdeck traten befanden wir uns mitten im Krater von Santorin, rings umgeben von erloschenen Feuerbeigen in wunderlichen, phan- tastischen Formen, ein zauberhafter, unvergesslicher Anblick. An der Nord-, Ost- und Südseite umschliesstden elliptisch- geformten Krater, dessen grössere Achse ungefähr 1 %, die kleinere % deutsche Meilen (15= 1^' des Aequators) beträgt, halbmondförmig die Insel Santorin (Thera) und bildet da den Kraterrand. Gegen West ist lezterer eingestürzt und nur die zwei Inseln Therasia und Aspronisi sind als Reste des west- lichen Randes zurückgeblieben. Von dieser Seite ist daher das Meer in den Krater eingedrungen und erfüllt ihn nun, wenn auch nicht in einer unergründlichen Tiefe, doch immer in einer solchen, zu deren Messung ein paar hundert Faden nicht zu- reichen. Santorin mit den genannten beiden Inseln ist Erhe- bungs- und Eruptionskrater zugleich, für ersteres sprechen die Schichtenstellungen, für lezteres die Natur der vorliegenden vulkanischen Felsgebilde und die historisch nachgewiesenen Eruptionen und Emporhetungen im Innern des Kraters selbst, welchen die drei Kammeni-Inseln ihr Daseyn verdanken. Von diesen Inseln entstand: Paläa Kammeni (Hiera) im J. 107 v. Chr. Mikra „ im J. 157:J n. Chr. Nea oder Megali Kammeni vom 23. Mai 1707 bis zum J. 1712 n. Chr. Freih. v. Pkokesch. Wiener Zeitsclir. für K. L. «. M. April 1834. Kunstblatt 1836, No. 13. TouRKEFORT, Voyage du Levant. 2 Bde. Paris 1817. 202 Es würde hier nur zu Wiederholungen fremder Mitthei- lungen führen, die historisch nachweisbaren und mit Bezug auf Nea Kammeni so zu sagen aktenmäsig konstatirten, höchst interessanten vulkanischen Erscheinungen, welche mit dem durch 5 Jahre gedauerten Emporsteigen dieser Insel, so wie mit andern Eruptionen im Krater und an der Nordost-Seite von Santorin (J. 1050) verbunden waren, näher auseinander zu setzen und ich erlaube mir diessfalls mich auf die sehr ans- führlichen Darstellungen und Nachweisungen zu berufen, welche hierüber : Dr. Ross in seiner Reise auf die griechischen Inseln 1, p. 88—101, dann p. 187—204 und Dr. Fiedler in seinem Reisewerke II. p. 494 — 509 geben, woraus auch erhellt, dass im Bereiche des Kraters der Akt der vulkanischen Emporhebung noch keineswegs als geschlos- sen betrachtet werden kann, sondern vielmehr noch stets ähn- liche tumultuarische Fenergeburten, wie die Kammeni-Inseln, oder doch das ruhige Emportreten neuer Inseln und Felsmassen aus der Tiefe des Meeres daselbst zu erwarten stehen. Nachdem wir durch die nordwestliche Öffnung des Kraters zwischen Therasia und Apanomeria , auf Santorin , in demsel- ben eingetreten waren und die an die schwarze Trachitwand Santorins hingeklebte Stadt Paläoskaros passirt hatten, liessen wir die Kammeni-Inseln, die gigantischen Schlackenhaufen, zur Rechten und befestigten unseru Kutter am Fusse der 76ä Paris. Fuss hohen vulkanischen Felswand, welche die Haupt- stadt der Insel, Thera oder Thyra (ausgesprochen fast wie Phyra), trägt und zum Theil den eigentlichen Hafen, vielmehr Rhede, in weitem Bogen nmschliesst. Hier standen wir nun auf dem Verdecke, erstaunt über den bizaircu Anblick unserei' nächsten Umgebung, der viel- leicht nicht in der Welt seines (bleichen hat. Eine senkrechte, theils schwarze, theils bunt gefärbte Felswand liegt vor uns, auf deren oberstem Rande die weissgetünchten Häuschen von Thera, 7(53 Fuss über dem Meere, so perpendikniär über den Köpfen hängen, dass man fast meinen sollte, sie werden jeden Augenblick in den Hafen herabstürzen. Die Wand ist durch tiefe Spalten und Klüfte zerrissen, die sich senkrecht zum 2o;; 3Iecre niederziehen; der Farbenkontrast zwischen den weissen Häuschen oben nnd den wilden, schwarzen Felsmassen nnter- halb ist an und fi'ir sich iiberraschend, wird es aber noch melir dadurch, dass von den Magazinen am Meere ans ein Weg' schlangenartio- gekrjimmt, oeiade an der Wand hinauf nach der Stadt fiihrt nnd die Terrassenmanern dieser mit Fleiss ansoefiiiirten Weganlage ebenfalls weiss getüncht sind. Zudem sind dort, wo die Milde des Gesfeins dieser aus den mannigfaltigsten vulkanischen Felsgebilden zusammen- gesezten Felswand eine leichte und wenig kostspielige Bearbei- tung desselben zulässt, eine Menge künstlicher, mit Offnungen für Thüren und Fenster versehener Grotten angebracht, die zu Wohnungen eingerichtet besonders von der der Schifffahrt obliegenden Volksklasse bennzt werden. Sonderbar lässt der Anblick, da der Handel alle Volksklassen unter sich in engere Berührung- bringt, wenn man aus einer solchen Troglod) ten- wohnung plötzlich eine nach europäischer Mode gekleidete Frau oder gar einen Herrn in Fiack hervortreten und auf schmalem Felsensteige seinen Weg fortsetzen sieht. Da die Bewohner von Thera unsern eleganten Kutter schon von Ferne als königliches Schiff erkannten , so erschien nicht lange nach unserer Ankunft derDemarch von Thera, ein bejahrter Mann von feinem Anstände, mit einem italienischen Geistlichen an Bord. Die afrikanische Hitze im Hafen bewog uns heute erst gegen Abend mit diesen beiden Herren zur Stadt hinaufzugehen, wo wir im Hanse des Demarchen nicht nur eine äusserst freundliche Aufnahme fanden, sondern auch von den Fenstern aus eine prachtvolle Fernsicht auf die Umgebung genossen. Senkrechte, zerrissene, schwarze. Trachytwände, unmittelbar zum Meere abfallend, bilden fast die ganze West- küste von Santorin, d. h. den östlichen Kraterrand, während die Insel gegen Ost sehr Hach abdacht. Die Kultur des Bodens auf dieser Abdachung beschränkt sich fast ausschliesslich auf den Weinbau, der ein feuriges, vortrefliliches Produkt liefert, das vorzüglich seinen Absatz nach Bussland findet und zusam- men mit den Südfrüchten, welche die Insel erzeugt, den Hanpt- gegenstand ihres Handels bildet. Der Demarch sowohl als der Gouverneur gaben uns die Bevölkerung der Stadt zu 4000, 204 die von ganz Santorin zu 13,000 Seelen an. Die Stadt selbst ist niedlich, kühn an die Felsmassen derPuzzolana hingeklebt, zum Theil auch in sie hineingebaut: man sieht mitunter recht hübsche Häuser, terrassenartig- übereinander gestellt; die Gassen jedoch sind enge, wie überhaupt im Oriente. Im Augenblicke des Sonnenunterganges zeigte sich uns Santorin aus den Fenstern des Demarchen in einem Farben- glanze, der nnbeschreiblich ist. Die grüne Fläche der Insel, der hohe, kahle Eliasberg im Süden derselben mit dem Kloster auf seiner Kuppe, die schwarzen Trachitwände zu unsern Füs- sen, Conlissen aus der Unterwelt, die drei schwarzen Feuer- inseln Kämmen! im (iolfe von Santorin , weiter hinaus Therasia und Aspronisi, deren weisse Bimssteindecke den Bergen dieser Inseln ein Ansehen gibt, als wenn sie mit Schnee bedeckt wären ; der unbegrenzte Meeresspiegel als Einfassung des herrlichen Bildes und darüber hingebreitet ein reiner, strah- lender Himmel — so was muss man durchaus sehen, um es in seiner Vollendung aufzufassen. Ich hätte darüber bald ein Paar schwarze Augen vergessen, die mir gegenüber glänzten und dem schönsten Mädchen auf Santorin angehörten , warm wie ihr vulkanisches Vaterland. Spät kehrten wir zum Schiffe zurück , noch regte sich im Hafen das Leben des Handels. Man ankert daselbst nicht, sondern befestigt die Schiffe mit Tauen am Ufer, da dicht an den Magazinen das Meer noch eine Tiefe von 48 Fnss hat. Das Wasser ist dabei so klar, dass man in dieser Tiefe auch das kleinste Steinchen am Grunde deutlich ausnimmt, und die Menge von Fischen , welche sich zwischen den Schiffen herumtummeln, viele Unterhaltung gewährt. Am 4. und 5. August unternahmen wir geognostische Exkursionen auf der Insel. Wir untersuchten zunächst die Umgebung des Hafens, besuchten im Süden der Insel die Um- gebung von Pyrgos und bestiegen den zwei Stunden vonThera entfernten Eliasberg, den höchsten der Insel *. Gleich dem herrlichen Karmel steht auf seinem Gipfel ein Kloster mit einer hübschen Kirche. Die Fernsicht vom Gipfel des Elias ist, wenn nicht schöner als jene aus den Fenstern * Meereshöhe '2309 Paris. Fuss. 205 des Hauses des Demarchen zu Thera, doch viel grossartiger dadurch, dass man von dort aus nicht nur viele der umliegen- den griechischen Inseln , sondern sogar auch die Berge auf Kandia erblicUt. Wir tafelten im Kloster vortrettlieh, kehrten Abends zum Schiffe zurück und verliessen Santorin in der Nacht des 5. A ugust, um nächsten Tages die Nea Kamnieni zu besuchen. Bei weitem der grösste Theil von Santorin besteht aus rein vulkanischen Felsgebilden, vorwaltend aus Trachyten, vulkanischen Trümmergesteinen und wirklichen Laven. Die Trümmergesteine zeigen diegrösste Entwicklung. Der Heerd welcher diese vulkanischen Massen lieferte, ist gegenwärtig dem Auge entrückt, denn er fällt offenbar in das Bereich des grossen Kraters, welchen nun das Meer erfüllt. Im Süden der Insel lehnen sich die vulkanischen Gebilde an den körni- gen Kalk, der den Eliasberg konstituirt und als das Grundge- birge der ganzen Insel betrachtet werden muss. Den schönsten und für die Lagerung der vulkanischen Gesteine auf Santorin, so wie auf Therasia und Aspronisi, wichtigsten Durchschnitt gibt unstreitig die Felswand am Ha- fen von Thera ". Die ganze Bildung scheint submarin und erst nach ihrer Vollendung hervorgetreten zu seyn. Man kann aus der Lagerungsfolge einige Perioden nach der Verschie- denheit der vulkanischen Produkte unterscheiden, ersieht aber auch zugleich hierin die öftere Wiederholung ganz identischer Gesteine zu verschiedenen Zeiten und das Vorkommen fremd- artiger Massen in Mitte einer andern , als Folge lokaler Ein- flüsse, der Verschiedenheiten der Temperatur und Zeit, unter und in welcher die Abkühlung statt fand, zum Theile auch als Folge mechanischer Translokationen durch verwerfende Klüfte und als Resultate der verschiedensten Combinationen von Kniporhebungen und Senkungen. Die Wand von Thera ist ob der Mannigfaltigkeit ihrer Gesteine ein vulkanisches Kabinet, aber auf den ersten Blick ein etwas verworrenes, ■ M. s. den Durclischnilt auf Tafel VII der Gebirgsdurcli- sclinitte. Ein äluiliclies Bild der Lageiungsfolge , das aber einige Be- richtigungen wünschenswerlh erscheinen lässt , findet sich im grossen Werke der französischen Expedition, 200 denn mehr Licht in Beziehung der zeitlichen Aufeinanderfolge dieser Felsgehilde erhält man erst bei einem Ueberblicke über den Bau der ganzen Insel , worauf ich später zurückkommen Averde. Wenn man vom Meere aus die steile Wand hinansteigt, so beobachtet man bis in eine Höhe von ungefähr 400 Fuss nur Lagen von Trachyt- Trümmergesteinen und von vulkani- schen Tuffen der verschiedensten Art , im ersten Drittel obiger Höhe jedoch mit einer inzwischen liegenden mächtigen Lage grauen Trachytes. Diese Lagen scheinen mit südlichem An- steigen aus N. in S., entsprechend dem Kraterrande zu streichen und sanft gegen Ost zu verflachen. Die erwähnten Trümmer- gesteiue bestehen aus Trümmern von schwarzem Trachyte, von schwarzer und rother Lava, von Bimsstein etc. und sind verbunden durch ein aus vulkanischer Asche, zerriebener Lava und Bimsstein bestehendes Zement von mannigfaltigen Farben. Zwischen den Lagen des vulkanischen Tuffes setzen solche von weisser Piizzolana, meist nur drei bis vier Fuss mächtig auf und geben durch ihre weisse Farbe zwischen den rothen und schwarzen JNüancen der übrigen Gesteine dem ganzen Bilde einen ungemein schmucken Ausdruck. Diese Puzzolaua besteht aus zerriebenem Aveissem Bimsstein und vulkanischer Asche. In ihr liegen Tri'immer schwarzen Trachytes, mitunter von sehr bedeutender Grösse. In Mitte der vulkanischen Tuffe, oberhalb dem grauen Trachyte , stösst man auch auf zwei sehr mächtige, stockförmige Ablagerungen eines ganz eigenthümlichen vulkanischen Konglomerates. Dasselbe be- steht aus Trachyt, Lava und Bimssteintrümmern, welche durch Pechstein, der stellenweise in Obsidian übergelit, zusammen verbunden sind. Sehr wahrscheinlich haben wir es hier mit dem Produkte einer am Kraterraude selbst stattgefundenen lokalen Eruption, oder, was ich jedoch weniger glaube, einer spätem lokalen ümstaltung der Tuff'e durch höhere Tempera- tur zu thun. Ueber diese mannigfaltigen Lagen von vulkanischen Trüm- mergesteineu, vulkanischen Tuff^en (Posilipotuff) , Puzzolaua und Pechsteinkonglomerate hat sich ein iiber 20 Fuss mäch- tiger Strom schwarzer und grauer Lava ergossen. Sie ist 207 sehr poröSj scliliesst Trümmer von Trachyt und Bimsstein ein und gellt mittelst Zersetzung in ihren unteren Lagen in jenen grauen, wackenartigen TutFiiher, den man in Italien mit dem Namen Peperino bezeichnet und der eigentlich nichts anderes ist, als ein vulkanisches Trümmergestein mit einem grauen, erdigen, lavaartigen Bindemittel. Auf diesem Lavastrome liegt nun wieder eine Reihe Ab- lagerungen der bereits beschriebenen vulkanischen Trümmer- gesteinc und Tnflc und zwischen ihnen, stockartig, gleich dem vorne erwähnten Pechsteinkonglomerate, eine grosse Masse rother, ockeriger, der Textur nach bimssteinartiger Lava. Diese rothe Lava ist sehr porös und leicht; sie geht einerseits in rothen Bimsstein, andrerseits in Bimssteintuft" iiber. Ungefähr in einer Meereshöhe von 500 bis 600 Fuss hat sich iiber alle diese Ablagerungen der Trümmergesteine und Laven ein mächtiger Trachytstrom ergossen, dessen Gehänge am Kraterrande ein Gehäufe von kahlen, höchst bizarr über- einander gethürmten, senkrecht abfallenden Felsmassen bildet. Im Norden der Lisel ist dieser Trachytstrom stellenweise an 300 Fuss mächtig, gegen Süden nimmt jedoch diese Mächtig- keit mehr und mehr ab und südlich von der Stadt Thera keilt er sich zwischen Trümmergesteinen und der mächtigen Puz- zolanadecke ganz aus, d. h. er ist langsam stehen geblieben. Diesen Trachyt bildet theils eine dunkelschwarze, pechstein- artige, theils, namentlich in seinen tieferen Lagen, eine asch- graue, schiefrige, manchen Phonoliten ähnliche Masse. Beide Varietäten dieses Gesteins sind dicht, nicht porös, haben mnsch- ligen ins splittrige übergehenden Bruch und sind voll von Kry- stallen glasigen Feldspaths. Die Absonderung ist sehr mas- sig ; jede regelmässige Theilung in Gesteinslagen verschwin- det. Zunächst an diesem Trachyte werden die Trümmerge- steine und Tuffe ganz dicht und ihre Masse scheinbar homogen, in welchem Zustande sie auch nicht selten glasigen Feldspath führen. Auf dem schwarzen Trachyte endlich liegen mächtige Ablagerungen von Puzzolana und sogenanntem Posilipotuffe, w eiche sonach unmittelbar von vulkanischer Asche, dem frucht- baren, besonders dem Weinbaue günstigen Kulturboden der 208 Insel, bedeckt werden. Die Piizzolana besteht aus ganz fein zerriebener, weisser Biinssteinmasse und vulkanischer Asche, welche ein tuffartiges Gemenge bilden, dem zahllose Trümmer von schwarzen und grauen Trachyten, von Bimsstein und Lava inne liegen. Die Konsistenz dieser Masse ist weder hart, noch besonders fest, somit gleich der der übrigen vulkanischen Tuffe ; daher viele der Insulaner sich in diesem Gesteine ihre Wohnungen ausbrachen. Die Puzzolana liefert auch die be- kannte Santorinerde, die mit Mörtel gemengt besonders zu Wasserbauten ein vortreffliches Material liefert, da eine solche Masse unter Wasser schnell zu Stein erhärtet. Diese Erde kann in beliebiger Menge gewonnen werden und dürfte mit der Zeit einen sehr wichtigen Handelsartikel bilden. Im südlichsten Theile von Santorin erhebt sich der Elias- berg zu 2309 Par. Fuss Meereshöhe (nach den Bestimmungen der französischen Expedition) und bildet den erhabensten Punkt der ganzen Insel. Verfolgt man den Rand des Kraters aus N. in S. bis dahin, wo sich derselbe dem Eliasberge an- schliesst, so bemerkt man keine andere Felsbildung als die erwähnte Puzzolana. Nur an einer Stelle tritt auf diesem Wege ganz lokal die ebenfalls schon beschriebene rothe Bims- steinlava auf. Wie man aber den eigentlichen Fuss dieses Berges betritt, so sieht man körnigen Kalk in mächtigen Massen zu Tage gehen und beiderseits in Ost und West steil abfallen. Körniger Kalk ist das Gestein, aus welchem der ganze Elias besteht, soweit ich ihn kennen lernte, und von dem Thonschiefer, aus dem er nach der fianzösischen Expe dition zum grossen Theile bestehen soll , fand ich nur einige lose Stiicke am Fusse des Berges, welche wohl wahrschein- licher nur von untergeordneten Lagerstätten herstammen, keineswegs aber der Hauptmasse des Berges angehören diirften. Der körnige Kalk des Eliasberges ist durch vulkanisclien Ein- fluss sichtlich verändert; er ist stellenweise wie gebrannt und seine ganze Masse ist wenigstens an der sichtbaren Oberfläche ausserordentlich zerklüftet, eigentlich zerborsten. Die Ge- steinslagen desselben streichen aus NW. in SO. und fallen unter ungefähr CO*' in NO. Der Berg verzweigt sich , Vorgebirge bildend, worunter 209 ilei* Stephaiisberg das Bedeutendste, nach Ost und Süd und ein Abstamni desselben (St. Johann Ladrarie, wenn ich u ic h t i rre , da ich iu meinem Tagebuche diesen Namen nicht mehr deutlich lesen kann) tritt als ganz isolirter Fels in der sanften Abdachung der östlichen Ki'iste der Insel auf. Der Rücken des Eliasberges, fast bis zum Gipfel hinauf, ist mit einer Menge von Bimsstein bedeckt, der theils in losen Stücken als sogenannte Lapilli zerstreut umherliegt, theils in Massen, jedoch ohne anderes Bindemittel als zerriebenen Bimsstein, ziemlich mächtige Auflagerungen bildet. Die losen ßimssteinstücke erreichen höchstens die Grösse von '/^ eines Kubikfusses, sie sind abgerundet, derBimstein selbst ist rein, weiss, sehr leicht und zeigt häufig eine krystallinisch-faserige Textur, dem Asbeste nicht unähnlich. Ausser diesen Bims- steinen findet man auf dem Rücken des Elias zerstreut umher- liegend auch noch eine Menge Trümmer und Blöcke des erwähnten schwarzen Trachytes bis zu ungefähr lUKubikfuss Grösse. Dass diese Bimssteine nur als die Auswürflinge einer gewaltigen Eruption betrachtet werden können, wodurch sie an ihren gegenwärtigen Platz geschleudert wurden, dürfte wohl kaum einem Zweifel unterliegen; ob diess aber auch mit den so eben erwähnten Trachytblöcken der Fall ist, lasse ich dahin gestellt. V ielleicht gehörten dieselben Auflagerungen von Puzzolana als deren bekannte Einschlüsse an, die einst den Rücken des Elias bedeckt haben mögen. Die Bindemasse der Puzzolana zerfiel im Laufe der Zeit zu Staub , welchen Wind und Regen fortführten, während die schwerer verwitter- baren Trachyttrümmer an Ort und Stelle liegen blieben. Betrachtet man die mannigfaltigen Felsgebilde , welche Santorin konstituiren , petrographisch , so erhalten wir eine Reihe von Gesteinen, die durch ihren Umfang Erstaunen erregt betrachtet man dieselben jedoch vom geognostischen Stand- punkte aus, auf welchem die Gesteine gleichartiger und gleich- zeitiger Entstehung sich vereinen lassen, so wird das Bild bedeutend einfacher, klarer und in allen seinen Umrissen be- stimmter. Vom leztern Gesichtspunkte aus ergibt sich meiner Ansicht nach für die Lagerungsfolge der Felsgebilde auf Santorin von unten nach oben folgendes Schema: RuR»oggci-, Reisen. IV. Bd. 14 210 1) Krystallinisch-köniiger Kalk, weiss und orau- lich weiss, (iesteiii ties Elias, vulkanisch verändert, zerborsten und gebrannt; Kalk der benachbarten griechischen Inseln und als solcher parallel jenem der IMaina mit seinen Schiefern; eine Formation der ältesten Kreidezeit (Macigno etc.) ist mei- ner Ansicht nach zusammen mit Schiefern das Gm nd gebirge von Santorin und der übrigen vulkanischen Cykladen. 2) T r a c h y t - T r i'i m m e r g e s t e i n e , vulkanische Tuffe und erhärtete v u Ikani sehe Asche mit zwischen- liegenden Lagen von Puzzolana. 3) Grauer Trachyt. Feldsteinmasse, Krystalle von glasigem Feldspath enthaltend. In diesem Trachyte finden sich röhrenartige leere Räume, Abzugskanälc der Dämpfe. An den Wänden dieser Kanäle ist derTraehyt porös, schwam- mig, zur Lava geschmolzen. 4) P e c h s t e i n - K o n g 1 o m e r at. Das Bindemittel zum Theile obsidianartig, körnig, krystallinisch mit Andeutungen des Leuzit-Trapezoeders. Von Nr. :J dnrch Zwischenlagen vulkanischer Tuffe und Puzzolana getrennt, 5) Triimmergestei ne und Tuffe wie INr. 2. 6) Untere schwarze Lava; Uebergang in Peperino. 7) Obere r o t h e, mitunter lilafarbige B i m ss t e i n la v a ; Trachyttrümmer umschliessend. Der Trachyt dieser Ein- schlüsse rothgebrannt, im Beginne der Zersetzung. Von Nr. 6 durch eine Zwischenlage Puzzolana getrennt. 8) T r ü m m e r g e s t e i n e und Tuffe, w ie Nr. 2. 9) Schwarzer, fester Trachyt. Die augitische Grundmasse, zum Theile obsidian- und pechsteinartig, Krystalle von glasigem Feldspath und Augit enthaltend , zum Theile porös, zur Lava geschmolzen. Ein grosser mächtiger Strom, dessen oberste und unterste Lagen aber wesentlich von der Hauptmasse verschieden sind , indem sie sich als ein schiefri- ges, phonolithartiges, blaugraues Gestein mit Krystallen gla- sigen Feldspathes darstellen. 10) Puzzolana und Pos il ippotu f f. Weiss, grau, erdig. Trümmer vom Trachyte Nr. 9 umschliessend. 11) Weisser B i m s s t e i n t u f f . 12) Bimsstein- Aus würflinge 5 Lapilli; lose 211 T r ü 111 111 e r von sclnvaizem T r a c hy t luul von L a v a. V n I- k a n i s c li e Asche '', K n 1 1 u i' b o d e n. Am 6. August. Am Morgen befanden wir uns in dem kleinen Hafen südlich vom Eruptionskegel der unter Kaucli und Klammen geborenen, damals (1S39) erst 127 Jahre alten Insel Nea Kammeni*. Deber scharfe Lava kletterten wir den Kegelberg hinan, dessen Spitze mit dem Hanptkrater sich zu ungefähr 300 Fuss über das Meer erhebt. Beinahe im Mittel des grossen Kraters oder des Golfs von Santorin liegend gewährt dieser Punkt eine höchst interessante Rundschau und ein eigener Eindruck wird durch das Bewusstseyn hervor- gerufen 5 auf diesem jugendlichen Abkömmling einer unbe- kannten , räthselhaften Tiefe zu stehen. Bereits ist organi- sches Leben auf diesen starren Schlackenhaufen erwacht, man sieht einige Grasbüschel und in Vertiefungen ein paar kümmernde Feigenbäume. Auch das Reich der Mammalien hatte schon seinen Repräsentanten hier; ein Heterochthone aus Thera war es, ein armer Esel, der auf seiner Waide sich nicht glücklich zu fühlen schien. Das Hinabsteigen ging, wie auf andern Vulkanen der unter den Füssen wegrollenden Asche und losen Lava halber sehr schnell vor sich und in einem Nu standen wir am Kanäle, der Nea von Mikra Kammeni trennt. Daselbst finden Schiffe sichern Schutz vor Wind und mehrere Leute waren gerade beschäftigt an beiden Küsten grosse Sleinsäiilen einzusetzen, um die Schiffe fest anzuhän- gen, indem das Meer viel zu tief ist, als dass ein Anker den Grün«! erreichen möchte und die Lavablöcke am Ufer so scharf sind , dass die Kabeltaue häufig durch sie zu Grunde gehen. Der Eruptionskegel, zugleich der Kulminationspunkt der Lisel, welche im Umfange ti Seemeilen messen dürfte, befin- det sich am Südostrande derselben. An der Südseite dieses Kegels befindet sich dicht am Meere eine grosse Masse Bims- stein, weiss, sehr rein, von faseriger Textur und wahrschein- * Auf Nea Kammeni sieht man solclic vulkanische Asche, fest zusammengebacken, ein schiefrigcs Gestein darstellen von rolher. grau*'»', blauer Farbe. Nea Kammeni „die neue Ansgcbrannte". 14 * 212 lieh (las Produkt eines später erfolgten Seitenausbruehes. Ausser diesem Bimsstein bildet die ganze Insel nur ein Hauf- werk von Lava, als Resultat vieler Eruptionen, die tlieils um den Kegel herum, theils aus dem Hauptkrater auf seiner Spitze statt gefunden haben. Die Lava am Fusse des Kegels ist trachytisch , glasig, tlieils obsidian-, theils pechsteinartig. Auch reiner Pechsteiu findet sich, dunkelsehwarz, ohne bei- gemengte Krystalle anderer Mineralien , während die Lava sehr viele Krystalle von glasigem Feldspath führt. Diese Lava bildet den ganzen Theil der Insel, welcher zunächst den Erup- tionskegel umgibt. INur an wenigen Punkten, in der Nähe tiefer Spalten, beobachtet man eine Umänderung dieser Lava in eine poröse, schwammige Masse, wahrscheinlich das Resul- tat von Dämpfen, mit weleiien dort die Lava noch im weichen Zustande in Berührung- stand. Das ganze Terrain dieser Lava ist ausnehmend zerrissen und zerspalten, ein Haufwerk von scharfkantigen Blöcken, welche hie und da die Passage ganz unmöglich machen. Steigt man den Eruptionskegel weiter hinan, so sieht man die Lava einen andern Charakter annehmen. Sie wird mehr steinartig-, dichter, ist nur wenig- porös, voll von Krystallen glasigen Feldspaths, verliert das glasige Ansehen und den muscheligen Bruch, Avird ganz zum Trachyt. In der Nähe tiefer Spalten und der Kratere zeigt sich auch diese Lava schwammig und porös. Die Gehänge des Kegels sind mit einer Masse Lapilli bedeckt, Auswürflinge von der ßeschafienheit der übrigen Lava, welche aber, besonders dort, wo sie zusammengebacken eine Art Konglomerat bilden, Aveiss, roth und gelb angeflogen sind. Diese dünnen üeber- züge von Eisenoxyd, Erden und, jedoch seltner, Schwefel sind offenbar Erzeugnisse einer heftigen Hitze der hiednrch einge- leiteten oberflächlichen Zersetzung und, betreffend den Schwe- felanflug, der vulkanischen Sublimationen. Diese Erschei- nung zeigt übrigens auch die massige Lava hie und da an ihrer Oberfläche. Zugleich mit den Lapilli finden sich grössere Auswürflinge, sogenannte vulkanische Bomben, Lavablöcke bis zu 15 Kub.-Fuss Grösse und darüber. Massen, wie diese, sollen laut den vorhandenen Berichten bei den stärksten Erup- tionen über eine halbe Stunde weit geschleudert worden seyn. 213 Der Hauptkrater lieot auf der Spitze des Kegels, er ist kreisförmig- von ungefäiir 40 Klafter Durchmesser, der liöchste Punkt seines Randes liegt gegen Süden, der innere llaum ist voll mit ungeheuren Lavahlöcken , Lapilli und Asche. Man beobachtet am Rande mehrere Kliifte, jedoch nur zwei dersel- ben scheinen in eine bedeutende Tiefe niederzugehen. Erhöhte Temperatur oder Dampfexhalationen konnte ich in denselben niclit wahrnehmen. Ausser den Hauptkrater besizt der Erup- tionskegel mehrere Seitenkratere, darunter zwei bedeutend grosse, der eine gegen Nord , der andere gegen Ost im ober- sten Drittel des Kegels liegend. Auch gegen West und Süd, ungefähr in der halben Kegelhöhe, bemerkt man solche Seiten- kratere, sie sind aber bedeutend kleiner als die erwähnten. Alle diese Nebenkratere scheinen sich erst gebildet zu haben als der Hauptkrater schon verstopft war und sie selbst sind alle gegenwärtig mit Lapilli angefüllt. Das Meer, dicht an den Kämmen i-Inseln über 200 Faden tief, sezt am Küstenrande von Nca Kammeni eine Menge Eisenoxyd ab, so dass der Strand ganz roth gefärbt ist, auch wirft dasselbe mit dem Sande viel Titaneisen ans. Beständig steigen aus dem Wasser Luftblasen auf, welche die fort- dauernde submarinische Gasexhalation beurkunden und die kleine Bucht, südlich am Ernptionskegel, wo unser Kutter anlegte, ist jene bekannte Stelle, wo das Meer durch die aus ihm emporsteigenden schwefelsauren Dämpfe die Eigenschaft besizt, mittelst Zersetzung und Auflösung der Kupfersalze am Kupferbeschlage der Schiffe, lezteren unentgeldlich blank zu putzen. Mikra Kammeni, ebenfalls mit einem Krater auf der Spitze seines Eruptionskegels , hat denselben geognostischen Bau wie die jüngere Sclnvester; Paläa Kammeni aber besteht ganz aus Trachyt und Trachyt-Lava. Um Mittag verliessen wir die Kammeni-lnseln, um nord- vvestwärts nach Milos zu segeln. Gegen Abend standen wir bereits zwischen Sikinos und Pholegandros (Schiefergesteine und körnig krystallinischer Kalk) und um Mitternacht standen wir noch dort, wie angebunden, denn es war totale Wind- stille. 214 A ni 7. A u g- 11 s t. Den g-anzen Tag- liegen wir mit Wind- stille vor Polinos. Delphine umgeben in Menge unser Schiff, die Hitze ist drlickend. Gegen Abend gehe ich auf unserer Barke mit Domnandos ans Land und mit Anbruch der Nacht mussten sich unsere Matrosen und Pioniers zum Rudern ent- schliessen, um den Kutter doch etwas vorwärts zu bringen. Das Meer leuchtete in der Nacht sehr stark, jeder Ruder- schlag sprühte Funken und vom Steuer ging ein Lichtstrom aus, dessen Ende das Auge nicht absehen konnte. Manchmal waren Avir wie von einem Feuermeere umgeben und alles Tau- werk, das mit dem Meerwasser in Berührung kam, leuchtete anhaltend. Ich habe diese bekannte Erscheinung auf meinen vielen Seereisen nicht bald so ausnehmend scliön und gross- artig gesehen, als in dieser Nacht und darf nicht unbemerkt lassen, dass zwei Tage später ein gewaltiger Sturm losbrach, der mehrere Tage hindurch anhielt. Es war Mitternacht als wir vor dem Hafen von Kimolos ankamen; wir liefen jedoch nicht ein, sondern lavirten bis zum Morgen. Polinos, Kimolos (Argentiere) und Milos gehören den vulkanischen Cykladen an, jedoch nicht bloss den Bildungen der neuern und heutigen Vulkane, wie Santorin mit seinen Nebeninseln, sondern zum grossen Theile auch jenen einer altern Feuerzeit, deren Produkte einen ganz andern Habitus wahrnehmen lassen. Die ganze Insel Polinos, ein w üstes, unbewohntes Eiland, besteht, in soweit ich sie kennen lernte, ans metamorphosir- tem vulkanischem Gesteine älterer Zeitfolge, nämlich ans Tra- chyten und Trachytporphyren, die im vulkanischen Wege und zwar durch schwefligsaure Dämpfe in A 1 a u n f e I s umgewan- delt sind. Die ursprüngliche Masse dieser Feldspathgesteine ist unbez^veifelt älteren Ursprungs als die vulkanischen Ge- steine von Santorin; der Prozess jedoch, welcher ihre Um- wandlung in AI a u n fe Is herbeiführte, dauert, Avie wir be- sonders auf Kimolos und Milos deutlich sehen werden, gegen wärtig noch fort. Der Alaunfels bildet an derKüsteeine an drei Seemeilen lange, senkrechte Felswand, die bis zu 600 Fuss Meereshöhe 215 ansteigen dürfte. Von einer Scliichtung-, wenn ohnediess die- ser Ausdrnck hier anwendbar seyn sollte, ist nichts zn erken- nen, denn die Gesteinslagen sind zu chaotisch durcheinander geworfen und nur an einigen Stellen , hei zufällig mehrerer Kegelnlässigkeit, sieht man sie auf dem Kopfestehen. Da- bei ist das Gestein ausserordentlich brüchig, so dass mau sich hie und da der Felswand niilit ohne Gefahr nähern kann. Der Ursprung des Gesteins. ist nicht zu verkennen, denn stel- lenweise sieht man noch gegenwärtig die Keldspathmasse mit ihren eingewachsenen Feldspathkrystallen , obwohl auch da nicht mehr im gänzlich unveränderten Zustande und dass das ümwandlungsprinzip nur in schwefligsauren Dämpfen zu su- chen ist, dürften das Vorkommen des Alauns, der sich häutig schon durch den Geschmack verräth, die Ausscheidungen von gediegenen) Schwefel , das aufgelöste, verwitterte Ansehen des ganzen Gebirges und vor Allem jene auf der Insel Milos uns vor Augen liegenden Fakta bestätigen , deren ich später am geeigneten Orte erwähnen werde. Zur Kathegorie dieses Alaunfelses gehören ohne Zweifel, wenigstens zum Tlieile, als metamorphe Gesteine auch jene herrlichen, schneeweissen, von Ferne wie reinste Kreide sich ansehenden, leichten Bausteine, welche man von Kimolos und Milos nach Athen bringt, die sich aber auch auf Polinos finden. Der Alaunstein ist nicht gleichförmig durch das ganze Felsgebilde verbreitet, obwohl auch kein Theil desselben ganz frei davon zu seyn scheint, sondern es sind vielmehr nnr ge- wisse stockartige und gangartige Massen eines besonders po- rösen, zelligen, zeifressenen Gesteins, das sich vom Nebew- gesteine, dichter Alauufels mit muschligem Bruche, wesentlich unterscheidet, welche den Alaunstein in besonderer Menge führen. Die Haiiptfarbe des Alaunfelseus ist ein reines Weiss, doch nimmt er durch die Ausscheidungen von Eisenoxyd und Schwefel mannigfaltige Nuancen von roth undgelban. Kleine Klüfte von Clialzedou, Agat und Jaspis durchziehen das Ge- stein häufig nach allen Richtungen. Der Alaunfels klingt beim Zerschlagen wie Phonolit. — Längs der steilen Küste bemerkt mau au mehreren Stellen, wie bei INea Kammeni, fortan Luftblasen uns dem Meere aufsteigen, ein Beweis, dass 21(5 die Exhalationen von Gasen und Dämpfen submariniscli hier noch immer fortdauern. Der Alannfels , schon durch seine leicht zerstörbaren, zum Theile auflöslichen Bestandtheile der Verwitterung- sehr preisgegeben , zeigt die sonderbarsten physiognomischen Formen. Seine Gehänge sind voll spitzer Zacken, die wie kleine Thürmchen hoch emporragen, während kr eisförmige Thäler viele kleine Kegelberge von der üb- rigen Masse trennen und isolirt stellen. Dicht am Rande des Meeres beobachtet mau ferner eine Menge von Höhlen , ohne Zweifel ursprüngliche vulkanische Spalten , durch den Impuls der Wogen erweitert. Mehrere derselben scheinen sehr tief in das Gebirge zu reichen , denn das Toben der Brandung, das man aus ihrem Innern oft hört, scheint dem Schalle nach auf eine bedeutende Distanz hinzudeuten. Einige dieser Höh- len, unter sich in Verbindung, bilden eben durch dieses Ein- und Ausströmen des Meeres und des dadurch auf die Luft in den Seitenkanälen ausgeübt werdenden Drukes, starke Ge- bläse. Auch am Grunde des äusserst klaren Meeres sieht man im Alaunfels Höhlen, runde röhrenartige Löcher, durch welche wahrscheinlich die erwähnten Gas- und Dämpfeexha- lationen statt finden. Am 8. August. Wie der Tag graute liefen wir im Hafen von Kimolos, auf der Südwestseite der Insel , Polinos gegenüberliegend, ein. Der Hafen ist zwar klein, aber sehr gut. Ungefähr in der Entfernung einer halben Stunde liegt die armselige Hauptstadt, der einzige bewohnte Ort auf Ki- molos, auf steilen Felsen. Die Umgebung ist kahl, aber doch hübsch durch die blendend weissen, scharf geformten Fels- wände. Ein neues Schiff lag fertig im Hafen und wurde heute durch ein grosses Fest eingeweiht. Die Mädchen sangen und tanzten auf dem Verdecke bis tief in die schöne Nacht und muth- willig, wie unter allen Zonen, Hessen sie nicht ab uns aufzufor- dern : von unserem Schiffe zu ihnen hinüber zu schwimmen. Unsere heute begonnenen geognost. Exkursionen sezten wir am 9. A ugust fort. Wir bestiegen, um zum Schlüsse die Insel zu überblicken, den kleinen Berg, auf dem das Kirch- lein steht und verliessen Kimolos um 2 Uhr Nachmittags, stan- den jedoch wegen Windstille wechselnd mit konträrem Winde 217 in der Naclit noch immer zwischen Milos und Kimolos, umge- ben von wunderlich-scJiönen Felsparthieen. Zuerst hatten wir den Nordost- und Nordrand der Insel Ki- molos besucht. Das Gestein der Kiiste bildet Schutt und ein ganz junges Scliuttkonglomerat. Letzteres besteht ans Trümmern des unmittelbar darunter lieoendeu und in oeringer Entfer- nung landeinwärts zu Tage gehenden Bimssteintuffes , sowie aus Gerollen aller Felsarten, welche die Insel enthält. Dieses Konglomerat, weiss wie der JJimssteintnff, dem es vorzüglich sein Daseyn verdankt, tritt in Bezug der Grösse seiner Ein- schlüsse sehr grossartig auf, denn es umhüllt zum Theil ganze Felsmassen. Die fortwährende Brandung des Meers, bei Nordstürmen äussert heftig , bildet in dem weichen Gesteine die. mannigfaltigsten Auswaschungen und launigsten Felsfor- nien. — Der unter diesem Konglomerate vorkommende Bims- steintuflF ist ein höchst interessantes Gestein und ein merk- würdiger Beitrag zur Naturgeschichte der Verä,nderungen, denen vulkanische und pintonische Gebilde unter gewissen Bedingungen unterworfen sind. IMan unterscheidet zwei Ar- ten desselben. Die eine besteht aus fein zerriebenem Bims- stein und umschliesst 'unveränderte ßimssteinstücke ; die an- dere ist thoniger Natur und entstand offenbar durch Zer- setzung des Mühlstein- und Perlsteinporphyrs ■' (die wir bald werden kennen lernen), indem die Feldspathmasse sich zu Thou umwandelte, der Perlstein aber, als empyrodoxer öuarz nur die Form wechselte und nun als glasiger, faseriger Bims- stein auftritt. Beide Arten sind weiss, spezifisch sehr leicht und gehen in grossen Massen zu Tage. Dass auch bei dieser Gesteinsnmbildung schwefelige Säure eine grosse Rolle spielte und zum Theil noch spielt, dürften die stattgefundene Ent- färbung der nrspiünglichen Gesteine, das Vorkommen des Alaunfelsen mit dem thonigen ßimssteintuff , unter denselben Verhältnissen wie aufPolinos, nur nicht in so grossartiger Entwicklung, und vor allem die fortdauernden Ausströmungen Beide zur Trachytgruppe j,-eliüren(I. M. s. Beudant , Voyage niiii. et Rcoloi^. cn Hong^iic pendant ranncc 1S18. III. Vol. Paris 1822. Deufsclie Bearbeifiinen des Hnfeisens bilden Alluvien von Thon und Schutt, mit kleinen Schlammvulkanen, Thermen und Solequellen. Das (irnndi>ebii'ge der ganzen dem IMeere entstiegenen Insel bilden (ineiss und Glimmerschiefer. Am 16. August, Die Nacht von gestern auf heute war Avnndeischön, Mondhelle, laue Luft und reiner Himmel, gerade so viel Wind , um die weite Fläche der ofl'eneu See ein bischen zu kräuseln und die Segel voll zu erhalten, ohne den Kutter zu unangenehmen Bewegungen zu bestimmen. Eine jener attisciien Näciite, heller als mancher Tag zu Lon- don, die keiner mehr vergisst, der sie je gesehen hat. Am Morgen befanden wiruns auf derHöhe vonSeriphos undTher- mia , am Mittage vor Hydra. Da trat plötzlich Windstille ein. Sogleich waren wieder die Delphine da, und trieben ihr Spiel um das Schiff; die Möven sezten sich, wie sie auftauch- ten, auf ihren breiten Rücken und pickten begierig das Unge- ziefer weg. ja tauchten sogar manchmal mit ihren temporären Kostherrn unter. Abends standen wir noch vor Hydra, vor Griechenlands heiligem Boden , dem es zum grossen Theile seine Fieiheit verdankt ; denn hätten die reichen Hydrioten in jener schweren Zeit des Kampfes nicht ihren Reichthnm auf den Altar des Vaterlandes hingelegt, ich glaube kaum, dass Griechenland je frei geworden wäre. A m 17. August. Mit Tagesanbruch liefen wir im Ha- fen von Porös ein. Derselbe ist gross, von allen Seiten ge- schüzt und für die grössten Kriegsschiffe tief genug. Die Stadt liegt au der Südwestseite der gleichnamigen Insel dem Peloponese zugewendet, auf einem steilen Vorgebirge an Tra- chytfelsen hingeklebt und ist abscheulich unrein *. Dieses Vorgebirge bildet für sich eine kleine Halbinsel, die nur durch eine schmale Landenge mit dem grössern Theile der Insel Porös, mit der alten Insel Kalanria, verbunden ist. Gegen- über, jenseits der schmalen Meerenge, die Porös vom Festlande trennt, erheben sich hohe Berge des Peloponneses, vor sich am '* Wenn icli niclit irre . so war im Jalne 1835 in Porös die Pest ausjfebroclien. 246 Küstensaume Landliäuser, Gärten und etwas nördlicher den berühmten Zitronenwald. In Porös ist das Arsenal für die griechische Flotte, klein, aber nett und sehr zweckmässig ein- gerichtet. Wir durchstreiften den grössten Theil der Insel, besuchten das romantisch gelegene Kloster Zootocho Pigi und segelten Abends nach der Halbinsel Methaiia ab, dem Haupt- sitze der Erdbeben in Griechenland. Wenn man sich durch die vulkanischen Inseln Santorin, Polinos und Kimolos, welche beide leztere in geologischer Beziehung zusammen mit Milos als ein Ganzes zu betrachten sind, eine Linie gezogen denkt, so trifft dieselbe in ihrer nord- westlichen Verlängerung sehr nahe mit Porös und Methana zusammen. Diese Linie beginnt auf vulkanischem Terrain, geht durch solches und endet auf vulkanischem Boden. Sie hat die Richtung ans SO. in NW. und ich möchte sie den vul- kanischen Meridian der Cykladen nennen. Wahrscheinlich trifft sie mit der Hanptrichtung einer gros- sen vulkanischen Spalte zusammen, der als ein Seitenzweig derselben auch Egina oder Aegina zuzurechnen ist und in welcher Hanptrichtung wir daher auch weitere vulkanische Erscheinungen, wenn solche je in jener Gegend wieder statt finden sollten, zunächst zu erwarten haben «lürften, da, wie wir auf Milos gesehen haben , die vulkanische Thätigkeit auf dieser Linie noch keineswegs erloschen ist. Die Insel Porös ist offenbar ein durch eine vulkanische Spalte vom Peloponnese losgerissenes Stück Land , daher sie auch grösstentheils und zwar der ganze Theil, welchen die Alten Kalanria nannten, die geognostische Konstruktion des gegenüberliegenden Festlandes besizt. Die tiefste Ablagerung des grössern (nordöstlichen) Thei- les der Insel Porös bildet der chloritische Sandstein des Fest- landes von Griechenland , dessen bereits oft erwähnt wurde und der hier in ganz dünnen Schichten, oft nur wenige Zoll mächtig, mit schiefrigem Sandstein, Thonschiefer und dichtem Kalkstein wechsellagert. Da diese Schichten meistens wel- lenförmig gebogen sind und überhaupt mancherlei Störungen in der ursprünglichen Lagerung erlitten zu haben scheinen, so ist es schwer über ihre Position etwas Bestimmtes zusagen, 247 jedoch glaube ich, tlass dieselbe Im Ganzen ganz sanft gegen Ost einschiessen. Nach oben werden die mit dem Sandstein wechselnden Kalklagen häufiger und mächtiger, bis endlich ein grauer, dichter Kalkstein die Sandsteine ganz bedeckt und sämmtliche Hauptberge der alten Kalauria bildet. Der (lichte Kalkstein ist ausgezeichnet geschichtet. Seine mit- unter mehrere Klafter mächtigen Straten streichen aus TV. in S. und verflachen in Ost. Die Bedeckung der Sandsteinbil- dung durch den dichten Kalkstein ist keineswegs hier lokal- sie ist allgemein und entlaug der ganzen Südküste hin deut- lich zu sehen, daher auch der Durchschnitt der französischen Expedition bezüglich dieses Terrains einiger Berichtigungen zu bedürfen scheint. Charakteristisch für den dichten Kalk- stein , ganz ähnlich dessen Verhalten auf dem Festlande, sind die stockartigen Einlagerungen von Euphotidgebilden , so ins- besondere eines schönen, dunkelfarbigen Serpentins bei Zoo- tocho Pigi am Ostrande der Insel. In der engen Meerstrasse zwischen Porös und dem Fest- lande, 0 Meter von den Thermen = 22,3" Oft — 'i^ 00 An den Thermen selbst , = 25,5" (Reanni.). Ohne Zweifel di'irften diese Quellen in ärztlicher Beziehung hohen Werth haben, um sie aber vom Meerwasser abzuschliessen und rein zu erhalten, müsste nicht nur dem Meere der Eintritt in die Lagune durch einen Damm versperrt, sondern diese selbst miisste ausgetrocknet werden, welch lez- terer Akt in sanitätlicher Beziehung aber wohl zu überlegen ist , da unter solchen Umständen dergleichen Austrocknungen örtlich oft den grössfen Nachtheil bringen. In der Nähe der Thermen lässt der dichte Kalkstein in- teressante Veränderungen wahrnehmen. Einerseits zeigt sich derselbe wie gebrannt, ist ganz zerborsten und klingt wie Phonolith ; andrerseits ist er porös , zellig, zerfressen, wie durch entweichende Gase alterirt. Ueber Schichtung und Schichtenstellung lässt sich nichts sagen. Auf Klüften im Kalke beobachtet man gewöhnlichen Kalkspath, Braunspath, 250 Aragoiiit. An der Nordseite der Insel erstrecken sich meh- rere Zvveig;e des Trachytstoekes ström arti g bis zur Ki'iste. Diese Trachytdiirchbriiche, die hiedurch herljeigeführten Ver- änderungen im dicliten Kalksteine, die Thermen '• mit iiiren Gasexhalationen beurkunden nicht nur eines Tlieils die ge- waltigen vulkanischen Katastrophen . die einst über Methana ergingen, sondern leztere thun in Verbindung mit den vielen und heftigen Erdbeben, denen Methana mit seiner Umgebung noch heut zu Tage ausgesezt ist, faktisch dar, dass auch am nordwestlichen Ende des vulkanischen Meridians der Cykla- den vulkanische Kraft und Thätigkeit noch keineswegs er- loschen sind. Es war ungefähr Mittag als wir aus Bromolimni nach Egina unter Segel gingen und gerade sank die Sonne hinter Akro Korinth hinab, als wir im Tempel der Athene auf Egina standen. Vor uns tagten Athen mit der Akropolis, der Istmus von Korinth, Salamis, die heiligen Berge Griechenlands und die ganze sarouische Bucht, zur einen Seite die Lauria mit den weissen Säulen des Minerventempels auf Kap Sunium, auf der andern Seite die hohen Bergkuppen des Peloponneses, zunächst um uns und ohne Gränzen gegen SO. das weite Meer mit den Cykladen ; ein zauberhaftes Rosalicht breitete sich über das mehr als prachtvolle i*anorama aus. Noch heute fühleich mich tief bewegt, wenn ich an diesen Augenblick denke; er war es. in welcfiejn ich von Griechenland Abschied nahm. Wir hatten in einer Bucht der Ostküste gelandet, dicht am Fiisse des Berges, auf welchem die Ruinen des Tempels der Pallas Athene liegen. An der gegen SO. gekehrten Seite dieser Bucht gehen entlang der Küste Tertiärgebilde zu Tage; es sind Sti-ateu eines sandiocn Grobkalkes, der auf mergeli- gem Grobkalke liegt. Die Schichten, ungefähr 2 bis 4 Fuss mächtig, liegen beinahe horizontal und lassen nur iiie und da ein ganz sanftes Fallen gegen SW. walirnehmen. Besonders zeichnet sich der untere, mergelige Grobkalk durch den Reich- Nach (Ifii UufPisuchuiigcn der franzosisclicn Expedition sollen «ich solche auch am Nordrande der Halbinsel finden. 251 Hiiim iiiid die Mannigfaltigkeit der Coiicliylieit aus, die er in sicli schliesst und welche zu dem Schlüsse berechtigen, dass >Yii' es hier mit miociinen Bildungen zu thun haben. Diese Tertiärbildung zieht sich den» Gehänge nach über die Hälfte des Tempelberges hinan, wo man dieselbe endlich deutlich auf dem Hippuritenkalke aufliegen sieht, (legen SO. hinge- gen, iu der Richtung zum dortigen Vorgebirge der Bucht, wer- den die tertiären Ablagerungen von Trachyttri'immergestein bedeckt. Lezteres scheint ein Alluvium, ein Schuttkonglo- merat zu seyn , bestehend aus lauter zum Theil sehr grossen Trümmern von Trachyt- und Feldsteinporphjr, ähnlich den vulkanischen (iebildeu von Porös und IMethana. Das Binde- mittel ist eine sandig thonige Kalkmasse, ein wahres Meeres- produkt und ohne Zweifel aus der Zerstörung einzelner Bänke der erwähnten tertiären Bildungen hervorgegangen : auch haben sich an der Aussenseite mehrerer grosser Trachytblöcke Serpu- len angesezt. Mitten in diesem Trümmergestein und durch das- selbe zu oberst auch bedeckt, beobachtet man eine kuppeuar- tige Eihebuug des Trachytes, eines sehr schönen Gesteins, dessen Feldspathmasse durch verschiedene Färbung sich aus- zeichnet. A m 19. A ugust. Um 3 Uhr Morgens lief unser Leon im Piräus ein und einige Stunden darauf war ich wieder in Athen. G) Itczter Aut'eiidialt zu .lllinn. Abreif«« von f>irleclien> laiid. Patrass. Corf'u. Ankunft zu Ankona. Äleiue Aufgabe, in dem mir gestellten umfange derselben, war nun gelöst. Der Rückblick auf die bisher angegebenen geognostischen Details gewährt im Ganzen ein höchst einfa- ches Bild der bezüglichen Struktur des Landes und der zu Griechenland gehörenden Inseln. Wir sehen als älteste Ab- lagerungen zwei, unter sich fast parallel aus NW. in SO. laufende Formationszüge von körnigem Kalk mit Glimmer-, Thon- und Chloritschiefer und mit lokalen Durchbrüchen von Granit (Tinos, Mykone, Naxos etc.) und Euphotidgesteinen. Zu dem einen dieserZüge gehören : Euböa, Attika undsämmt- liche Cykladen, mit Ausnahme der vulkanischen; zum zweiten 252 Zuge gehören das alte Lakonien östlich und westlich des Eu- rotas, so wie die Kyllenegruppe in Achaja und Korinth. Den ganzen übrigen Theil des Festlandes, des Peloponneses so- wohl als Rumeliens, nehmen chloritischer Sandstein und dich- ter Kalkstein , lezterer mit häufigen Hornsteineinlagerungen und Serpentindurchhriichen ein. Die erstere Formation , die des körnigen Kalkes mit seinen Schiefern, glaube ich der Ma- cignobildung Italiens parallel stellen zu diirfen ; die zweite Formation, charakterisirt durch den Hippuriten führenden Kalk- stein , gehört offenbar der Kreide und dem Grünsandstein an. Lokale Ablagerungen der Tertiär-, Diluvial- und Allnvialzeit finden sich als Becken- und MuldenajisfüUungen , mitunter von sehr grosser Ausdehnung, über das ganze Land ver- breitet. Zwischen dem Formationsznge der Cykladen, als Fort- setzungen von Euböa und Attika gedacht , und jenem des al- ten Lakoniens, so zu sagen in der grossen Mulde zwischen beiden und daher im Bereiche des körnigen Kalkes mit seinen Schiefern, liegt eine Linie aus NW. in SO. gestreckt, entlang welcher sich nicht nur die Bildungen längst erloschener Feuer- berge vorfinden, sondern sich auch viele Beweise der noch heute andauernden vulkanischen Thätigkeit klar aussprechen (Santorin mit den Kammeniinseln , Polinos, Kimolos, Milos, Porös, Methaua, Egina , Spezzia und Kap Mylonnas). Es ist diess der vorneerwähnte vulkanische Meridian der Cykladen. Theils die Ausarbeitung meiner Berichte zur Vorlage an den König, theils wiederholte Anfälle des Wechselfiebers, dessen ich immer noch nicht loswerden konnte, hielten mich in Athen vom 19. August bis zum 12. September fest. Das Resultat meiner Foischiingen in Bezug auf die Frage: „ob die Regierung Griechenlands sich auf ihre eigene Regie in Berg- bau-Unternehmungen einlassen , oder dieselben vielmehr der Privatindustrie überlassen sollte" beantwortete sich, ohne mich Selbsttäuschungen hingeben zu wollen, ganz einfach da- hin , dass ersteres mit Aussicht auf Erfolg nur bezüglich der Braunkohlen auf Euböa, des Smirgel und Salzes auf Milos und bedingungsweise des Schwefels daselbst geschehen könne; 253 (lass es aber zu aiuiern, weiter ausselienden. grosse Vorans- lageii und bedeutende Fonds erfordernden Berobau-Unterneh- niungeu für die Regierung' selbst noch durchaus nicht an der Zeit sey, dieselbe jedoch die diessfällige niöglicliste Begünsti- gung der l^rivatindustrie nicht aus dem Auge verlieren möge. Sr. Majestät geruhten meine offene Darstellung; huldreichst aufzunehmen, durchgingen mit mir selbst alle die wichtigeren Momente derselben und überreichte mir zum Schlüsse eigen- händig" zum Beweise der allerhochsteii Zufriedenheit das gol- dene Ritterkreuz des Erlöserordens, ein Akt, der mich zu- gleich zum Schlüsse meines Aufenthaltes im Oriente für Man- ches ehrenvoll entschädigte, was meinen frühern Aufenthalt in Egypten nicht zum angenehmsten gemacht hatte. INachdem ich dem hohen Herrscherpaare meinen nie er- löschenden Dank für die huldreiche Aufnahme in Griechenland ausgedrückt und von meinen Fi eunden, Freiherr von Prokesch war damals leider in Wien abwesend , Abschied genommen hatte , ging ich am 12. September an Bord des im Piräus lie- genden , schönen österreichischen Dampfschiffes Baroji Eich- hoff und noch am Abende desselben Tages gingen wir nach Ankona ab. — Meine Begleiter von Athen aus waren die bei- den Professoren Büros und Domnandos, welche von Seite der Regierung zur Versammlung der italiänischen INaturforscher nach Pisa gesandt wurden, und ein deutscher Kaufmann aus München, Namens Lindauer, der mich nach Sizilien begleitete. Heftiges Fieber fesselte mich ins schwankende Kajüten- bett, als wir zwischen Kap Matapan und Cerigo passirten; am 14. September lagen wir den Tag hindurch vor Patrass, wo wir den geistreichen Marc Girardin , über Korinth von Athen kommend, au Bord nahmen. A m 15. September Morgens liefen wir im Hafen von Corfu ein. Bei meinem ersten Aufenthalte daselbst hielten mich öuarantainsrücksichteu an der Skala fest; diessmalaber, da wir bis Nachmittags vor Anker blieben, konnte ich die nächsten Parthieen der paradiesischen Umgebung, die schönen Gärten auf den Glacis, den Pallast des Gouverneurs etc. mit Muse besehen. Zulezt zeigte mir mein Cicerone das eben- 234 falls auf dem Glacis stehende Konstitntionsdenkmal. Es ist ein kleiner Tempel, mit einer festen Eisentliüre unter Riegel und Scliloss g^ut verwahrt. Am 17. September, nachdem konträre Winde unsere Fahrt sehr verzögert hatten, lag um zwei Uhr Nachmittags die Küste Italiens dicht vor uns. Zwischen schönen Berg- gruppen das freundliche Loreto , weit hinaus in's Meer sicht- bar. Um fünf Uhr Abends warfen wir im Hafen von Ankona Anker und zogen sogleich die traurige Quarantainsflagge auf. Dritter Abselmitt. Reisen in Italien und Sizilien. 1) Itie Quarautaiue zu Ankona. I^oreto. Jflaceraia. Tolenfino. Folii^iio. Spoleto. Terul. Der F'all des Velino. RIeti. Die Abruzzen. Rom. Tivoli. Die poutiuisclien Sümpfe. Terracina. Capua. ]Veapel. Herkulauum. PozxuoII. Die Solfaren. Der Serapi8no. Der Austritt aus dem Centrale der Gebiroskette in das Thal oder eigentlich die Hochebene von Follgno gewährt durch den Kontrast der vol- lendeten Kultur der Kbene mit den wilden Felspartie'n des Apenninenpasses einen ausnehmend schönen Anblick. Man sieht von der Höhe bis Perugia. Die Kbene von Foligno ist häufig von Erdbeben heimgesucht, die jedoch, dem Ansehen der Gebäude zu Folge, nicht sehr zerstörend zu wirken scliei- nen. Spoleto, am Fusse eines Zweiges der Centralapenninen, welcher den siidlichen Rand der Hochebene von Foligno bildet, erfreute uns durch seine malerische Lage, vorzüglich aber durch den sehenswerthen Anblick einer nahe liegenden Brücke, welche, über einem furchtbaren Abgrund schwebend, die Spitzen zweier Berge verbindet. Am 4. Oktober. Dicht an Spoleto betritt man neuer- dings einen Apenninenpass, der hier den südlichen Bergrand der Hochebene von Foligno durchschneidet, bis zur Post Stret- tura unter dem IN amen Sommapass bekannt ist und bis ganz nahe an Terni anhält. In Terni verliess ich die von Ankona nach Rom führende Poststrasse und wandte mich südöstlich, mehr in das Cen» trale des Apenninenzuges gegen Rieti im Gebiete der Abruzzcn*. Eine gute, aber schmale Gebirgsstrasse führt unmittelbar von Terni stell das Apeuninengehänge hinan. Die Strasse ist mit IMühe und Kunst den Felsen abgerungen, tief im Thale braust die Nera, deren Berggehäuge thells bebaut sind, theils als kahle Felswände senkrecht bei (iOO Fuss hoch in das Thal abfallen. Nachdem man In das von Süden her einmündende * Jener Tlicil der Apcnnincnkeltc in Miticlilalicn an der römiscli- neapulitanisclicn Grenze, welcher unter dem Namen Abruzzi allgemein bekannt ist, umTasst die drei neapolitanischen Grenzprovinzen: Abr. iilter. 1"'-, nlfer. 2''- und Abr. citer. In der zweiten Provinz liegt der Mte. Vclino, in der ersten der Grand Sassü dltalia, beide die höchsten Gipfel der j;anzen Apennincnkette und beide nahe der römischen Grenze bei Rieti, welcher Ort durch den Sieg der Ocsferreiclier über die Nea- politaner bekannt ist. 17* 260 Thal des Velino eingelenkt und sodann das unterhalb der Strasse auf einer steilen ßergspitze liegende Dorf Papigno, mit einigen grossen Gebäuden und einem Schlosse, passirt hat, bei dessen Anblicke, wunderbar kühn an die Felsen hinge- klebt, man nur staunen muss, dass nicht das Ganze schon längst herabgestürzt, nachdem man weiter die zur Rechten liegenden Ruinen eines Kastells, welches einst die Neapolitaner gegen die Franzosen hätten vertheidigen sollen, hinter sich gelassen hat, sieht man auf einmal rechts, oberhalb der Strasse, auf hoher Felswand den Velino schäumend hervorbrechen und sich in die Tiefe des Thaies hinabstürzen. Der Fall des Velino, der grossartigste, welclien ich in Italien sah, ausnehmend schön durch seine herrliche Umgebung, besonders durch den Anblick des zu den Füssen liegenden Thaies mit seinen Dörfern und Burgen, verdankt sein Daseyn eigentlich der Kunst der alten Römer, welche diesem Flusse, der die ganze oben auf dem Gebirge liegende Ebene versumpfte, die Richtung gaben, welche er heutzutage hat. Sie durchschnitten nämlich den Felsrand der Ebene mittelst eines Kanals, was keine besondere Schwierigkeit haben konnte, da Kalktuff das herrschende Gestein bildet, sammelten hierauf die Verzweigungen des Ve- lino in der Ebene, leiteten die Wassermasse in den Kanal und zwangen so den Fluss sich auf kürzestem Wege über die hohe Wagd in das Thal hinab zu stürtzen. Der senkrechte Sturz des Velino beträgt ungefähr 360 Fuss, die ganze Höhe des Falls aber sicherlich mehr als 1000 Fuss. Die Wassermasse ist bedeutend. Da wo die Strasse mittelst einer Brücke über den Fall führt, sind unterhalb derselben einige sehr gut ge- haltene Gartenanlagen, von denen man den Fall in mancherlei Situationen, eine schöner als die andere, bewundern kann, für den Fremden ein Hochgenuss, den die Einheimischen durch unverschämte Betteleien auszubeuten nicht ermangeln. Wie man die Höhe des Gebirges erreicht hat, führt die Strasse fortan auf der Hochebene bis Rieti. Die höchsten Gipfel der Apenninen, hier eigentlich der Abruzzen, begrenzen die schöne Fläche gegen Ost und Südost. In ersterer Richtung erhebt sich die Felspyramide des Grand Sasso d'ltalia zu S255, in lezterer Richtung die Kuppe des Velino zu 786G Paris. Fuss 261 Meereshölie*, ein erhabener Anblick, den die Abendbeleucb- tiwg verherrlichte nnd doch — wie weit steht derselbe hinter iinzählio^en Ansichten unserer süddeutschen Hochalpen zurück, sowohl an Grösse als an Schönheit! Rieti , nach Landessitte starrend im ekelhaftesten Schmutze, lieget dicht an der neapolitanischen Grenze und scheint vorzüglich in dieser Richtung auch seine Bedeutung erlangt zu haben. Am 5. Oktober. Wir wandten uns nun direkt nach Rom. Waldige Thäler, verwahrloste und von vornher schlecht angelegte Wege, wenig bebautes Land und dünne Bevölke- rung charakterisiren den westlichen Abhang der A penninen. An hübschen Aussichten zurück auf die Abruzzengipfel bei Rieti und Aquila mangelt es auf dieser Route nicht. Das vereinzelt auf der Höhe des Gebirges stehende Wirthshaus Osteria nuova, wo der Schmutz seinen Kulminationspunkt er- reicht haben dürfte, scheint eine bessere Zeit gekannt zu haben, wenigstens deuten die aus kolossalen Quadersteinen ohne Mörtel aufgeführten Grundmauern darauf hin, dass dieses Asyl alles Unflates einst eine höhere Bestimmung gehabt haben mag. Unmittelbar auf der Berghöhe oberhalb Correse wird man der Hauptstadt der alten Welt, hoch überragt von der Riesenkuppel des St. Peter, zuerst ansichtig und die Ebene der Campagna mit zerstreuten vulkanischen Berg- gruppen breitet sich nun mehr wie ein grosses Leichentuch vor den Augen bis zum fernen Meere hin aus. Bei Correse verlässt man das Gebirgsland und betritt die wegen den stets dort herrschenden Fiebern beriichtigte Campagna von Rom. Je näher man der Hauptstadt rückt, desto öder wird die Ge- gend, desto entvölkerter, desto weniger kultivirt und nur wenige Miglien vor den Thoren glaubt man eine Savanne zu durchwandern, nur im Winter von Hirten besucht. Jede an- dere Hauptstadt macht sich durch vermehrte Bevölkerung, durch erhöhte Regsamkeit schon auf einige Ferne bemerkbar; die Wege sieht man bedeckt mit Fuhrwerken aller Art, das Gewühl der Menschen nimmt mehr und mehr zu, je näher man '■ Neigebacer's trefflichps Handbuch für Rei.sende durch Italien. Leipzig 1833. im dem Centialpunkte kommt; — nur in Rom, wo so vieles anders ist als an andern Orten, ist das nicht der Fall und man glaubt sicli einer Leiciie zu nähern. A m 6. Oktobe r. Bald hatten wir die Tiber erreicht, ein kleiner, garstig trüber Flnss, dessen Niemand erwähnen würde, wäre er nicht der Fluss von Rom. Durch die Porta Salara betraten wir die Hauptstadt, keineswegs ein so gross- artiger Eintritt wie jener durch Porta del Populo, denn erst nachdem wir den Öuirinale am Monte Cavallo erreicht hatten, tauchte jene Masse von herrlichen Palästen, Kirchen, Plätzen, Monumenten auf, welche die majestätische Stadt weltbekannt bezeichnen. Während der Zöllner in der Dogana mit langen, dürren Fingern und dummpfiffigen Augen in meinem Koffer nach verbotenen Büchern und derlei entsetzlichen Artikeln, sucht, erlaube ich mir einen Rüchblick auf die geognostischen Verhältnisse des von Ankona bis nach Rom durchstreiften Terrains*. Der geognostische Haupttypus der Apenninen ist ebenso einfach als interessant. Wir sehen am Nord- und Südende dieser mächtigen Bergkette krystallinische Gesteine (Granit, Gneiss, Glimmerschiefer, körnigen Kalk, Euphotidgebilde) als centrale Gebirgsbildung, welcher die Glieder der Kreidereihe. Macigno zu nnterst, aufgelagert sind nnti wonach sich sodann die jün- '" Deljcr ilic geognüslisclit:» Veiliältiiisse von Italien, insbesondere von Unter- und Miltelifalien, s. m. unter vielen andern: Abich, geologische Betrachtungen über die vulkanischen Erscheinun- gen und Bildungen in Unter- und Mitlelitalien, Braunschweig 1811. HoFFMA^^'s Briefe über Italien in Karsten's Archiv. Jahrgang 1831. Orsim und Graf A. SpaDa Lavim, geologische Bcscliatfenheit von Miltelitalien im Bullet, geol. Bd. IT , p. <108 etc. Im Auszuge, in V. Leoin'hard und BRo^^'s Jahibucb. Jahrgang 1847, p. 360 etc. Meine eigenen geologischen Skizzen , auszugsweise au.«J Briefen in V. Lko^'hard's und Brown's Jahrbuch. Jahrgang 1840, p. 329 etc, wobei ich übrigens bemerken muss, dass ich viele der liierin aus- gesprochenen Aii.sichtcn keineswegs mehr theile, nachdem ich durth Erfalirung und fortgeseztes Studium eines Bessern mich belelirt zu haben glaube. G. Brocchi, Catalogo ragionato di una raccolta di rocce. Milano 1817. MoNTicELLi c CoviUFi, Prodiomo della Mineralogia Vesuviana. Napoli 1825. (Auch für die Umgebung von Rom von Interesse.) 2G3 gern Felsformeii anschliessen*. Weiter gegen das Centrale Italiens verselnvinden mit Ansnahme der Euphotidgesteine die kiystallinisclien Felsgebilde und es herrschen mit dem Macigno die iibiigen Glieder der Kreidereilie in massenhafter Entwicklung, als Grundlage der jüngeren Ablagerungen, Das Mittelglied endlich, welches das nördliche mit dem südlichen Apenninensystem verbindet, die Bergkette im Herzen des Landes, der die Abruzzen mit den höchsten Berggipfeln Ita- liensangehören, besteht vorherrschend nur ans den Kalksteinen der Kreidezeit mit Jüngern Auflagerungen, dennobdie thonigen, feuersteinführenden Kalke, dann der Ammonitenkalk Mittel- Italiens, sammt deren Uebergäuge in Dolomit, als daselbst sichtbar tiefste Felsablagerung, wirklich der Jurazeit angehö- ren, wie Manche glauben, möchte ich sehr dahingestellt seyn lassen und ich sehe die dafür angeführten Beweise keines- wegs für genügend an. Das mit bedeutenden Unterbrechungen des Zusammen- hanges am Westrande Italiens ausgedehnte Gebiet der noch thätigen und der längst erloschenen Vulkane bildet einen Abschnitt für sich, der mit der geognostischen Struktur des Apenninensystemes nichts gemein hat**. Der ganze östliche Abhang der Apenninen von Ankona l)is Tolentino, einschlüssig des Küstenlandes, besteht aus AI- luvien und Diluvieu mit darunterliegenden Tertiärgebilden der subapennineu (pliocenen) und miocenen Zeitfolge. An mehre- ren Orten sollen in diesen Ablagerungen Braunkohlen vor- kommen. 3Ian zeigte mir in Ankona einige Stücke hievon, über die Lagerungsverhältnisse, nicht einmal über die Fund- orte, wusste mir jedoch Niemand etwas Näheres anzugeben. Dieselben geognostischen Verhältnisse beobachtet man auch zwischen Tolentino und Valcimarra, nur werden hier die Berge '•' Man seile rarino geognostischen Bemerkungen über die Apenninen in Modeiia und die Apuanischen Alpen in v. Leonhard's und Bronn's Jahrburh. Jahrgang 1844 und 1845. Dr. PniLirpi, geognosfische Skizze Kalabriens in v. Leonhabd's und Bronn's Jahrbuch. Jahrgang 1840. ■~'^^ Lkop. PiLi.A; Puralieio fra i tre Vulcani ardenti dell' Italia. Letto nell' Acrademia Giocnia di Catania. Ao. 1835. 264 höhei' und in den Schluchten des Chienti zeigt sich bereits hie und da der tiefer liegende Kalkstein entblösst. Zwischen Valcimarra und Mnccia erscheint als vorherrschendes Fels- gebilde ein dichter, mergeliger Kalkstein, ausgezeichnet und dünn geschichtet. Die Straten dieses von Alluvionen bedeck- ten Kalksteins streichen aus NO. in SW. und f.allen vorzugs- Aveise in SO., hie und da auch in NW. Dieser Kalkstein ge- hört, wie icl« glaube, bereits der Kreide an, jedoch den ober- sten Lagen derselben, er bedeckt unmittelbar den dichten Kalkstein von Serravalle, ebenfalls Kreidekalk, der deutlich geschichtet den höchsten üebergangspunkt der bezeichneten Route über die Apenninen einnimmt und sich bis Foligno er- streckt, wo sich in ihm am Ausgange des Gebirgspasses eine Höhle befindet, welche ihrer schönen Stalaktiten halber be- kannt ist. Die ßergformen dieses Kalkes sind jenen des Li- banons auffallend ähnlich. Südlich von Spoleto, im ganzen Sommapasse und weiterhin über Strettura bis Terni bildet derselbe Kalkstein (weiss, dicht, muschelig im Bruche) das herrschende Felsgebilde , dessen Schichten hier aus Ost in West streichen und das sich durch seine vielen Höhlen cha- rakterisirt. Oberhalb dem DorfePapigno im Thale des Velino, auf der Route zwischen Terni und Rieti,stösst man auf dünne geschich- teten und horizontal gelagerten Kalkstein, dessen Straten mit Lagen von Feuerstein und Chalzedon wechseln. Dieser Kalkstein, welcher häufig Ammoniten führt, steht zu dem früher erwähn- ten dichten, festen, weissen Kalkstein von Terni, in welchem ich keine organischen Reste bemerkte, in einem interessanten Lagern ngs Verhältnisse, indem sich lezterer mit sehr steilem Einfallen, hie und da mit fast senkrecht gestellten Schichten, an den horizontal gelagerten Kalkstein anlehnt, demselben somit abweiciiend aufgelagert ist. Diesem weissen, dichten Kalksteine scheinen alle höheren Berge in der Umgegend des Falles des Velino anzugehören, am Falle selbst aber sehen wir dieses Gestein von einer sehr mächtigen Ablagerung Kalktuff (Travertino) bedeckt,.ein ähnliches Süsswassergebilde wie der Travertino bei Tivoli. Am westlichen Abhänge der Apenninen, auf der Route 205 von Rieti nach Correse, sehen wir den Kalkstein von massigen Anhänfungen der Diluvial- und Alluvialg;ebilde bedeckt, unter denen sich besonders ein Trümmergestein, bestehend aus lauter kleinen, scharfkantigen Kalksteinstückchen, auszeich- net. Bei Correse beginnt die Campagna. die hügelige Ebene, welche Rom umgibt nnd mit ihr treten zugleich, isolirte Berg- gruppen bildend, die vulkanischen Felsgebilde auf, welche sich bis zur Küste verfolgen lassen. Um die unendlich vielen Sehenswürdigkeiten des alten Roms zu beschauen, w enigstens in so weit sie jeden Menschen, der Gefühl für das Schöne hat, interessiren müssen, ohne dass man desshalb selbst Künstler oder Alterthumsforscher zu seyn braucht, dehnte ich meinen Aufenthalt daselbst bis zum 16. Oktober aus und glaube dass mir, unermüdet jeden Tag meinen Zweck verfolgend, nichts besonders Wichtiges entgangen seyn dürfte. Es kann hier aus mancherlei Gründen durchaus nicht mein Zweck seyn Gegenstände zu beschreiben, über welche ganze Werke existiren und die von andern auf das Gründ- lichste und mit der gediegensten Fachkenntniss studirt wur- den, denn ich müsste nachschreiben. Daher erlaube ich mir sogleich auf das überzugehen, was mich ausschliesslich von meinem wissenschaftlichen Standpunkte aus in und zunächst um Rom am meisten interessirte. Die Umgegend von Rom, so wie das Terrain der Sieben- hügelstadt selbst, umfasst drei geognostische Hauptmomente. Wir sehen Süsswasserbildungen (Travertino und Tiberthon), darunter folgen jüngste tertiäre Gebilde der subapenninischen Zeitfolge, vorwaltend Thon, mit dem entschiedenen Charakter einer Meeresbildung. Mit diesen jüngsten Tertiärbildungen finden sich die Reste urweltlicher Elephanten , von denen ein riesenhafter Zahn in der Sapienza sich befindet. Den dritten und mineralogisch interessantesten Abschnitt bilden die vul- kanischen Felsarten, welche wir in zwei Klassen theilen kön- nen, nämlich: in vulkanische, submarinisch gebildete Trüm- mergesteine: Peperino und verschiedene Tuffe, dann in Lava und Lava- artige Bildungen, steinartig, fest und dicht, mit den verschiedenartigsten Einschlüssen. Trachyt soll sich um Rom gar nicht finden, jedoch erwähnte Monsignore Medici-Spada •266 einer Auflagerung- von Basalt auf jüngsten Meeresbildungen, welchen interersanten Punkt er nächstens aufzusuchen be- sclilossen hatte. Mit den Diluvialbildiingen um Rom tritt ein eigenthüm- licher, armer Raseneisenstein auf, der Schalthiere und ver- kohlte Pflanzenreste umschliesst. Auch vulkanische Tuffe sah ich mit ausnehmend schönen Blätterabdrücken, Den besten Ueberblick über alle mineralogischen Vor- kommnisse der Umgebung von Rom gibt Medici-Spada's aus- gezeichnete Sammlung. Durch die Güte unseres österreichi- schen Gesandten Grafen von Lützow wurde ich mit Medici- Spaüa bekannt, der mir mit bekannter Liebenswürdigkeit seine reiche Sammlung öffnete; was Eleganz der Stücke und des «ranzen Arranj>emenf, Reichhaltigkeit an den seltensten Mine- ralien. Vollständigkeit und Studium anbelangt, meiner Ansicht nach die erste oryktognostische Sammlung Italiens. Medici- Spada versprach in Bälde einen Katalog dieser Sammlung herauszugeben. Vorzüglich umfassend ist die Gegend von Rom vertreten, die unter andern auch fast alle Vesuvianer aufzuweisen hat und zwar zum Theil in überraschender Schön- heit. Man sieht da, vorzüglich ans dem Bereiche des Peperino, der die Hauptrolle diessfalls spielt, die herrlichsten Exemplare von: Hiimboldtit, Sodalit, Nephelin , Melanit, Feldspath, Leuzit, Hauyne, Mejonit, Lazurstein, Pleonast, Spinell, Gis- mondin, Znrlit (beide vom Capo diBove), VVollastonit, Melilit, Breislakit, Glimmer, Killinit, Thomsonit n. s. w. Sehr interessant ist aus der Nähe von Rom ein dolomi- tisches Gestein mit Adern \on Lazurstein durchzogen. Aus- ser den inländischen Mineralien enthält aber auch Medici- Spada's Sammlung ausgezeichnet schöne Exemplare aller aus- wärtigen Mineralien von nur irgend einer Bedeutung, die neuesten und seltensten nicht ausgenommen. Höchst sehenswerth in paläontologisch-topographischer Beziehung ist die Sammlung des Artillerieoffiziers Galandrelli, der allein vom Monte Mario in Rom über 150 Arten fossiler Schalthiere aufgestellt hat. Das Gestein des Monte Mario ist eine Art Muschelsandstcin, zum Theil ganz und gar aus Schalthierresten bestehend, welche vorzüglich den Gattungen: 267 Pecteii (darunter Jacobaeus), Troclius, Terebratula, Panopaea (unter andern eine sehr grosse Art von seltner Schönheit), IsocardiiMii (('liama etc.), Caidium (eine Art unter andern ganz ähnlich C. multicostatum), Turbo, Heli.v (eine Art ähnlich der H. obvallata etc.), Mytilus u. dgl. m. angehören. Einige der am Monte Mario vorkommenden Arten der Schalthiere Hndeu sich noch heutzutage lebend, besonders in den ostindischen Gewässern und alle sind auf das Beste erhalten, so z\Yar, dass man an einigen Individuen, wenn man sie starker Hitze aus- sezt, sogar noch i\en deutlichen Geruch der thierischen Sub- stanz wahrnimmt. Die Sammlungen der Sapienza (Universität) lassen man- ches zu wünschen übrig. Das 3Iineralienkabinet, in zwei grossen Sälen aufgestellt, ist zwar reich an Stücken der Zahl nach, enthält aber mit Ausnahme der Insel Elba, von welcher prachtvolle Exemplare, besonders von Eisenerzen, sich vor- finden, verhältnissmäsig nur wenig Ausgezeichnetes. Die Sammlung ist übrigens schlecht arrangirt. Das physikalische Kabinet ist schwach besezt, enthält aber einige sehr hübsche Apparate, unter denen sich besonders ein ganz neuer und sehr starkei- magnetischer Hufeisenapparat bemerkbar macht. Das zoologische Kabinet ist im Entstehen, enthält jedoch bereits einige recht hübsche Sachen, so z. ß. fielen mir die sehr gute Schmetterlingssammlung, die Affensammluug, einige schöne anatomische Präparate und nntei- den Vögeln ein ganz pur- purrother Ibis mit lazurblauen Schwungfedern, ein wahres Prachtthier, vorzüglich auf. Die Kürze meines Aufenthaltes in Rom erlaubte mir nur wenige Exkursionen ausserhalb der Stadt und ich nahm mir vor auf meinem Rückwege von Neapel, von Civita vechia aus, sowohl die Alaunwerkc von Tolfa, als auch, wenn möglich, Capo di Bove zu besuchen. Leider unterblieb beides im Drange der Zeit. Einen Ausflug nach Tivoli aber unternahm ich noch kurz vor meiner Abreise. Zwölf Miglien weit führt die Strasse über die hügelige Ebene der C'ampagna, unbewohnt und unbebaut, eine Haide, die grösstentheils nur zur Winterszeit von Hirten besucht wird. Die herrschende Felsbildung der Campagna ist hier 2C8 vorherrschend vulkanischer Tuff, regelmässig; geschichtet. Die Schichten desPeperino sieht man mehrmals seiger aufgestellt. Ungefähr 8 bis 9 Miglien von Rom entfernt beginnt ein weit ausgedehntes Süsswassergebilde, der sogenannte Travertino, die vulkanischen Tuffe zu überlagern. Man passirt den Lago di Tartaro, dessen trübes Wasser sehr viel kohlensauren Kalk enthält, daher eine copiose Sinterbildung stattfindet, die sich durch ihren Reichthum an vegetabilischen Resten auszeichnet und das ganze Terrain ringsum überzieht. Es ist diess der jüngste Travertino, die fortdauernde Bildung derselben. Wei- terhin gegen das Gebirge liegen am Wege die Schwefelquel- len „Aqua alba", drei kleine See'u bildend, nämlich den Lago delle isole natante, den Lago diSt. Giovanne und den L. delle eolonuelle, wahrscheinlich nur Ausfüllungen dreier Kratere einer alten Solfatara. Das Wasser dieser Seen ist milchig und ganz trübe und entwickelt Schwefel vvasserstoflFgas in solcher Menge, dass der Gestank desselben die Luft weit um- her verpestet, üeber den Kanal, durch welchen das Wasser dieser Seen in den nahen Teverone abfliesst, führt Ponte della solfatara. Hier hatten die alten Römer einst eine Badeanstalt zum Gebrauche der Schwefelbäder. Von hier an ist der Travertino das allein herrschende Felsgebilde, der das ganze Stück Gebirge, worauf Tivoli be- steht, oberhalb und unterhalb der Wasserfälle des Anio oder Teverone * und welches in dem tiefen Thale dieses Flusses muldenartig zwischen den Bergmassen des Apenninenkalkes abgelagert ist, zusammensezt. Je mehr man sich dem Gebirge nähert, desto schöner wird die Landschaft. Man lässt das Grabmal der Familie Plautia zur Linken, die Villa Hadrians mit ihren schönen Pinien und Zipressen zur Rechten und gelangt endlich im Schatten eines Olivenwaldes den Berg hinauf nach Tivoli. Vor allen besahen wir den Tempel der Vesta, eine schöne Rotonda auf dem Vorsprunge der hohen Felswand erbaut, mit Poesie placirt, wie fast alle öffentlichen Bauten der Alten. " Heutzutage nennt man gewölinlicli den FIuss von Tivoli oberhalb seiner Fälle „Anio" unterhalb derselben „Teverone". 2C9 Von da gingen wir zur sogenannten neuen Kaskade. Plus VI. leitete hier den Anio über die 200 Fuss holie Fels» wand, um die Stadt, deren in allen Richtungen durchhöhltes Terrain dem Andränge des Wassers eine Menge gefährlicher Angriffspunkte darbietet, zu sichern. Dieser Fall des Anio ist sehr schön, steht aber an Pracht der Umgebung dem untern Falle noch weit nach. Ein wahres Meisterwerk ist der neue vom Piüs VI. angelegte Kanal, welcher den ganzen Anio auf- nimmt und von dem aus dann derselbe den so eben erwähnten Fall bildet. Der Kanal besteht in zwei durch den Berg im Travertino ausgehauenen, parallel nebeneinander liegenden Gallerien, jede derselben ist 840 Fuss lang, 20 Fuss hoch und 25 Fuss breit, mit Schieusenthoren und einem schönen Trot- toir der ganzen Länge nach versehen. Besonders grossartig ist die Konstruktion des Baues am Ein- und Ausflusse des Anio in die beiden Gallerien, in welche sich der Fluss gleich verthcilt. Zur Zeit des hohen Wasserstandes beträgt die Flusstiefe in den Gallerien 12 Fuss. Durch diesen Bau ist allerdings der wahrscheinlichen Gefahr vorgebeugt, jedoch die Möglichkeit einer solchen ist noch immer vorhanden, wenn z. B. der Fall eintreten sollte, dass sich beide Gallerien bei Hochwasser mit Wurzelstiicken, Gesträuche u. dgl. verlegen und so den Fluss abdämmen würden. Von der neuen Kaskade stiegen wir in den furchtbaren Kessel, gerade unterhalb der Stadt liegend, hinab, dessen oberster Theil einst die sogenannte INeptunsgrotte bildete, nun aber, wenn ich nicht irre seit dem Jahre 1835, eingestürzt ist. Den untersten Theil dieses Kessels bildet die Sirenengrotte, vielleicht das Schönste dieser Art, was man sehen kann. Die launigsten Felsformen des Travertino, wie sie nur die kühnste Phantasie schaffen kann, bilden hier die Wände der Höhle, während der Theil des Anio, der hier herabstürzt, sich in einem gähnenden, schwindelnden Abgrunde verliert. Zum nicht ge- ringen Entsetzen meines furchtsamen Cicerone stieg ich auf einen der über dem Schlünde vorragenden Felsen hinaus, um gerade hinabzusehen, sah aber nichts als ewige Nacht und anstatt Sirenenstimmen hörte ich das dumpfe , weit herauf hallende Donnern des Stromes. 270 Von da kehrten wir wieder zum Kanäle hinauf zuriick und ritten nun auf sanft trabenden Eseleins am entgegenge- sezten Gehänge des Thaies herum, passirten die Villa des HoRAZ und andere klassische Punkte und besahen uns den grossen Fall des Anio saninit den sogenannten Kaskadellen. Dieser Anblick Ist allerdings iiber jede Beschreibung schön. In der Tiefe des Thaies braust der Teverone, gegenüber auf senkrechter Felswand steht Tivoli, so kühn, dass man für den nächsten Augenblick fürchten möchte; über die 200 bis ItOO Fuss hohe Wand stürzt sich schäumend der Anio in wenig- stens 10 Kaskaden, Wasserstaub und der Donner der Fälle erfüllen die Luft, alle Felsen ringsum sind mit dem üppigsten Grün bekleidet, in der Nähe grüne Wälder, Felsen und Land- häuser, draussen vor dem Thale die Ebene der Campagna bis zum Meere und in ersterer Mitte das alte ehrwürdige Rom mit der alles überragenden Kuppel des S, Peters. Man ist hier, wie ich bereits gesagt habe, ganz im Gebiete des Travertino. Seine Masse, gelblich und gelblichgrau von Farbe, ist voller Höhlen, umschliesst häufig Gerolle älterer Gesteine und vegetabilische Reste, ist aber dabei so dicht und fest, dass man ihn als Baustein benüzt, wie die Peterskirche zeigt, welche ganz aus Travertino aufgeführt ist. Die Schich- ten desselben haben eine scheinbar sehr verworrene Stellung, welche sich jedoch bei näherer ßeschauung auf das Natur- gesetz der konzentrisch-schaligen Anordnung im Grossen und der Biegung um einen gleichartigen Kern zurückführen lässt, ein Verhältniss, das sich besonders klar an den senkrechten Felsdurchschnitten der Kaskaden entwickelt und meiner An- sicht nach offenbar das Resultat eines im grössten Maasstabe stattgefundenen Krystallisationsaktes ist. Eine Brücke führte uns im Thale über den Teverone. Wir stiegen nun wieder nach Tivoli hinauf, besuchten dort die prächtige Villa des Mäcenas, nun eine Eisenfabrik , wo mit- telst Hammer- und Walzwerken ausländisches Roheisen ver- arbeitet wird, da das inländische, von einer nur 19 Miglien weiter im Gebirge liegenden Hütte produzirte Eisen den Consumenten zu hoch zu stehen kommt und kehrten dann nach Rom zurück, welches ich am 10. Nachts 11 Uhr verlless. 271 Am 17. Oktober. Die Sclmellpost des Ängrisani zu Rom war damals mit voitrefTlichen VVäf>en versehen und da diese Nacht mein Reisegefährte und ich die zwei einzigen Reisenden nach Neapel waren, so hatten wir den Hochgenuss einen solchen Wagen ganz für uns beni'itzcn zu können, was besonders bei Fassirung- der langweiligen pontinischen Sümpfe des ungestörten Schlafens halber von grossem Vortheil ist. Schnell hatten Avir Albano hinter uns, waren mit Taoeserauen in Velletri und betraten bei Tone di tre Ponti die berüchtigten pontinischen Sümpfe: eine weite zum Theil mit Niederwald bedeckte, zum Theil noch immer versumpfte Ebene, über welche eine ti geographische Meilen lange, zum Verzweifeln kerzengerade, zum grossen Theile mit einer hübscheu Allee eingefasste, sehr gute Strasse führt. Nach solcher Geduld- prüfung athmet wohl jeder Reisende frei auf, wenn er das schöne, au der Küste liegende Terracina mit seinen maleri- schen Felspartie'n, Ruinen und seinem guten Gasthofe betritt. Bald erreicht man Torre delle Confine, die neapolitanische Grenze und das erste Stadium der landesüblichen Vexatlonen, den Pass betreffend^ sodann Fonti, am Beginne des herrlichen Landstriches von Terra di Lavoro, zugleich zweites Stadium, wo über die Koffer hergefallen wird, man sich jedoch gegen eine Kleinigkeit der liberalsten Behandlung zu erfreuen hat. Sogar Bücher kann man unter dieser Bedingung mitführen und da zudem die Gedanken überall, selbst in China, zollfrei sind, so möchte man fast auf die Vermuthung kommen, dass eine solche Absperrung nichts anders als ein missglückter, sehr kostspieliger Verdunuuungsversuch sey. Hoch auf dem Rücken des Vorgebirges von Gaeta liegt das Städtchen Itri und unten am Meere das in der üppigsten Pracht eines in südlicher Fülle schwelgenden Kulturbodens ausneh- mend schön situirte Gaeta, einerseits mit der Aussicht auf das offene Meer, die Ponzainseln und das ferne Ischia, anderer- seits der auf die malerischen Apenninengipfel. Am 18. Oktober. Bereits um Mitternacht sezten wir unsere Reise wieder fort und erreichten mit Tagesanbruch das im neapolitanischen Schmutze prangende Capua. Ganz im Gegensatze mitRom wird nun das Land immer bevölkerter, 272 die Strasse wird immer voller von Soldaten , Geistlichen und Bettlern aller Farben, man merkt es, dass man einer grossen süditalienischen Hauptstadt sich nähert, gelangt endlich zwi- schen lange Reihen von Weingärten, in denen die Reben an sehr hohen Bäumen aufgezogen werden und befindet sich plötzlich, ohne sich vorerst einer weitern Ansicht der Stadt zu erfreuen, an der Dogana in Neapel. Der Weg von Rom hieher führt zum grossen Theile über Ebene mit tiefgründigem Kulturboden ; wo man jedoch Ge- birgsland durchschneidet sind es entweder Vorsprünge der Apenninen und gehören dem Gesteine nach dem Apenninen- kalke und den Jüngern Auflagerungen desselben an oder es sind isolirte Berggruppen, welche in der Nähe von Rom den vulkanischen Bildungen zuzurechnen sind, z. B. das Terrain des Albaner Gebirges und jenes von Frascati. Enge und unreine Gassen voll Müssiggänger und zer- lumpter Lazaroni führen, einen argen Gegensatz mit dem ehr- würdigen Rom bildend, bis in das Herz der Stadt, denn erst am Museum und im Toledo, der übrigens weit hinter dem Corso von Rom zurücksteht, beginnt die Kapitale ein etwas würdigeres Ansehen zu gewinnen. Schön dagegen ist der an der Küste liegende Stadttheil Sta. Luzia, von dem aus man die Glanzpunkte der weltbekannt prachtvollen Umgebung vor sich hat. Neapel war, als ich ankam, voll von Fremden, und nur mit Mühe gelang es mir endlich in dem schönen Gasthofe alle crocelle in St. Luzia mein Unterkommen zu finden. Von meinem Fensler aus sah ich den Vesuv, das offene Meer, die Insel Capri etc. und ich muss gestehen, dass ich dort so manche Morgenstunde verträumte, verloren in dem wunderschönen Anblicke, der seines Gleichen kaum auf der Erde hat. Da es in meinem Plane lag der bereits so sehr vorgerück- ten Jahreszeit halber baldmöglichst nach Sizilien zu kommen, indem das Reisen daselbst in der Regenzeit mit grossen Schwierigkeiten verknüpft ist, so konnte ich mich vor der Hand auch nur wenige Tage in Neapel aufhalten und verschob daher vor allen die grösseren Exkursionen, z. B. die Bestei- gung des Vesuvs, den Besuch ton Pompeji u. dgl. bis zu meiner Rückkehr. 27:{ Leider waren die wissenschaftlichen Notabilitälen von Neapel in g^egenwärtiger Jahreszeit noch fast alle auf dem Lande nnd nur mit Mi'ihe gelang^ es mir endh'ch ihrer habhaft zu werden. Die mineralogischen Sammlungen der Professo- ren PiLA *, ScACCHi und MoNTicELLi siud in topographischer Beziehung vom höchsten Interesse, indem dieselben, nament- lich mit Bezug auf den Vesuv und dessen Umgebung, alle Voikommnisse und zwar zum Theil in Prachtexemplaren eutlial- ten, welche bisher auf diesem, in mineralogischer Beziehung klassischen Terrain aufgefunden wurden. Pila's Sannnlung, reichhaltig und lokal vollständig an und für sich, ist unstreitig die durchstudirteste und voi-trefflich geordnet; Scacciu's Samm- lung ist zwar klein, enthält aber nur Ausgezeichnetes und dürfte, was die Eleganz der Stücke und des ganzen Arrange- ments anbelangt, zunächst der Sammlung des Medici-Spada in Rom stehen ; Monticelli's Sammlung "" endlich ist unter diesen in jeder Beziehung die reichhaltigste, enthält viel Ausgezeich- netes, lässt aber bezüglich einer zweckmässigen Anordnung im gegenwärtigen Geiste der Wissenschaft Manches zu wün- schen übrig. Alle drei Sammlungen bieten übrigens dem Beschauer höchst interessante Gegenstände dar. So sah ich bei PiLA gefritteten Sandstein vom Vesuv. Weiss und glasig, ganz einigen jener Varietäten des Sandsteins von Nubien ähnlich, die ich aus den Wüsten jenes Landes mitgebracht habe und somit ein Beweis mehr, dass diese Umstaltung-, wenigstens zum Theile, wirklich auf vulkanischem Wege, z. B. am Gekdul*** im Contakte mit den Porphyren, vor sich ging. Sehr instruktiv sind die Sublimationsprodnkte des Vulkans, von denen man ausgezeichnete Stücke sowohl bei PiLA als ScACCHi sieht und unter denen mich vorzüglich : salz- * Kam später als Professor nach Pisa. *''' M. s. Prodromo della Mineralogia Vesuviana di Monticelli et di CovEi.Li. Napoli 1825. Cataloojo de Minerali esotici della collezione del Cuv. Monticelli. N.ipoli. — Ferner über die vulkanischen Formationen Neapels und SizilieDS : Elib de Beaumont, Meinoires pour servir ä une description geologique de la France. IV. T. Paris 1838. *■ " Bd. II, 3, p. 146 etc. u. a. m. a. 0. Rus segger, Reisen. IV. Bd. 18 274 saurer Ammoniak, gediegenes Knpfer (in Blättclien aus der Lava von 1794 oberhalb Torre del Greco), Kupferoxydnl, salzsaures Blei, Atakamit, salzsaures Natron, mehrere Eisen- erze, als: Rotheisenrahm, Brauneisenstein, Eisenglimmer etc. interessirten. Es lassen diese Sublimationen einen tiefen Blick in die Werkstätte der Natur thnn und manche alte Hy- pothese wird durch sie über den Haufen geworfen. Man hüte sich aber aus dem Einzelnen zu rasch auf das Ganze zu schlies- sen , die Natur hat vielerlei , oft ganz diametral entgegenge- sezte Wege, auf denen sie dieselben Prodnkte erzeugt und würde man aus dem Vorkommen des Kochsalzes in den Lava- spalten des Vesuvs i\en Schluss folgern, dass alles Kochsalz auf vulkanischem Wege entstanden sey, daher auch z. ß. die Steinsalzlagerstätte von Wieliczka u. s. w. , dann hat man, wie ich glaube, rasch jene Grenze überschritte», die der ein- fache Verstand zwischen Hypothese und Wahnsinn zieht. Ein ähnliches Feld betreten wir iu Monticelli's Sammlung beim Anblicke der Granit- und Gneissauswürflinge des Vesuvs, Trümmer von Gesteinen, die nirgemis in der Umgebung dieses Feuerberges anstehen. Die italienischen Geologen, durch die von Jugend auf gewohnte Anschauung zum grössten Theile vulkanische Ultras, sind sehr geneigt, diese Gesteine im Vulkane selbst sich bilden zu lassen. Abgesehen jedoch davon, dass eine solche Bildungsweise schon vor dem Richterstuhle der Chemie nicht besteht, dürfte auch noch ein anderer sehr ein- facher Weg zur Erklärung dieses Faktums offen stehen, näm- lich die Annahme, dass jene Granite und Gneisse, welche den Kern der Halbinsel im nahen Calabrien bilden, auch hier im Meerbusen von Neapel als tiefste Ablagerung auftreten, je- doch dem Auge durch die massige Bedeckung mit Jüngern Felsgebilden (vulkanischer und nicht vulkanischer Natur) ganz entzogen sind, und dass der Heerd des Vulkans bis in jene Ablagerungen, wahrscheinlich noch tiefer niederreicht, somit diese Auswürflinge im engsten Sinne des Wortes nichts ande- ros als solche sind, nämlich herausgeschleuderte Trümmer des tiefer liegenden Gesteins. Dass die Vulkane ihre Heerde, besonders mit Bezug auf Tiefe, ändern, dürfte beim Anblicke der Laven älterer und neuerer Zeit, am Aetna sowohl als am 275 Vesuv und an jedem Feuerberge, durchaus keinem Zweifel unterliegen, ebensowenig als dass die Lava, das umgewan- delte (Jesteiii, endlich alle Kanäle erfiillt und die empordrin- gende neue Masse ausser Berührung mit dem Grundgesteine sezt. Ein Vulkan wird daher, je nach der Zeitdauer seiner Thätigkeit, je nach der Tiefe seines lleerdes, die wahrschein- lich immer geringer wird, und je nach der Masse, welche den Schmeizraum umgibt, sehr verschiedene Produkte liefern und dass ein Vulkan, der einst in unmittelbarer Berührung mit Granit und Gneiss Trümmer dieser Gesteine emporschleuderte, es aber dann nicht mehr thut, wenn er mit solchen nicht mehr in Berührung steht, wenn nur Lava, als bereits umgeschmolze- nes Grundgestein seine Kanäle erfüllt, ist zu natürlich, um nicht aucli einleuchtend zu seyn. Neu enstehende V^ilkane geben als Lavadas geschmolzene Grundgestein mit Trümmern desselben, alte Vulkane hingegen können der Regel nach, wenn den empordringenden Massen nicht neue Berührungs- punkte dargeboten werden , nur Lava aus Lava, d. h. wieder und wieder umgeschmolzene Lava auswerfen. Daher die Ver- schiedenheiten zwischen den Produkten alter, längst erlosche- ner Vulkane und noch gegenwärtig wirkender, zwischen alter und neuer Lava, selbst zwischen den Laven der verschiedenen Eruptionen aus unserer Zeit. Auffallend ist in den alten Laven des Vesuvs die Menge Glimmer, welche sie enthalten. Ich glaube nicht, dass sich derselbe in der Lava bildet, son- dern sehe ihn , dem Gesagten konsequent, nur als die dem Grundgesteine (Granit und Gneiss) entnommene , schwer schmelzbare Mineralmasse an, welche einst die Lava unver- ändert mit sich zu Tage förderte. Dass man dieses Mineral in den alten Laven des Aetna nicht findet kann nur darthun, dass der einstmalige Herd dieses leztern Vulkans in einem ganz andern Grnndgesteine gelegen habe. MoKTicELLi zeigte mir unter anderem auch mehrere Stücke Mergel mit tertiären Versteinerungen der subapenninischen Zeitfolge, welcher sich auf Trümmern (vielleicht zerstörte Straten) in den Thälern und Schluchten des Vesuvs finden soll. Diesem nach muss also das Meer einst bis dahin gereicht haben und war diess der fall , so sehen wir hier 18* 276 eine vulkanische Terrainliebung in grossartigem Maasstabe vor uns. Was Kunstscliätze betrifft, so ist bekanntlich Neapel kein Rom , aber immerhin eine der ersten Städte der Welt und das Museum Bourbon kann man noch so oft betreten, man wird neuen und höchsten Genuss stets finden. Unter den vie- len Meisterwerken der Skulptur steht hier im separaten Ge- mache, das, wie ich hörte, kein Priester und kein Kind betreten darf, die schönste Venus, welche existirt , die Venus Kalu- PYGE *. In ihr ist die Idee „Venus« des schönen, nur Liebe athmenden Weibes in einer unerreichten Vollendung aufge- fasst. Während die schüchterne Medizäerin im Säle derTri- bune zu Florenz sich ihrer Blosse zu schämen scheint, ist sich die göttliche Gestalt im Museo Bourbon gerade in dieser Si- tuation ihres unüberwindlichen Sieges bewusst. Die Samm- lung der römischen Älterthümer aus den Ausgrabungen in Pompeji findet nicht ihres Gleichen. Hier breitet sich vordem Ethnographen das ganze häusliche Leben der Römer vor 2000 Jahren aus. Welcher Luxus mag sich damals in der Kapi- tale entfaltet haben , wenn schon eine Provinzialstadt wie Pompeji solche Beweise des Reichthums nnd der Verschwen- dung zu liefern im Stande war. Nach unermüdlichen Besu- chen aller Theater, Kirchen, der bekannten Katakomben und aller dieser Sehenswürdigkeiten, auf welche schon der gewöhn- lichste Cicerone und jedes Reisehandbuch den Fremden auf- merksam machen, beschloss ich denn doch, da das Dampfschiff nach Sizilien erst in ein paar Tagen abging, meinen Exkur- sionen schon während meines gegenwärtigen Aufenthaltes eine etwas weitere Ausdehnung zu geben und wählte hiezu * Der Name rechtfertigt vollkommen die Leistung der Kunst, welche sich auch so eminent ausspricht, dass ich nie ein Meisterstück der Skulp- tur so beschmuzt durch häufige Berührungen mit den Händen fand, als dieses. Hiedurch mag sich wohl die obenerwähnte Ccschränkuug des Eintrittes erklären und zwar umsomehr in einer Residenzstadt, in wel- cher noch im Jahre 1839 keine ordentliche Buchhandlung existirte, den Sitzungen der Akademie Polizeybeamte dienstlich beiwohnten und die giöbste Unwissenlieit, bis zum Mangel der Kenntniss des Lesens und Schreibens, selbst in die höchsten Kreise hinaufreichte. 277 vor Allem den Besuch von Herkuinniiin nnd jenen von Pox- znoli mit seiner für den Geognosten klassischen Umgebung-. Die Ausgrabungen , durch welche man einen Theil des aifcn Herkulaniim zugänglich machte, befinden sich mitten im heutigen Portici. Das höchste Jnteresse nimmt unstreitig das 62 Fuss tief unter der Lavadecke * begrabene und nun mit- telst einer Art bergmännischen Streckenbaues in allen Punk- ten zugänglich gemachte Theater in Anspruch. Es ist, was die Ausdehnung der Bühne betriflft, grösser als jedes unserer heutigen Theater, Während wir in den Logen der alten Rö- mer uns befanden, rasselten über unseren Köpfen die Karossen auf dem Pflaster von Portici — ein seltsamer Eindruck. Auf ähnliche Weise wie das Theater hat man auch die dahin führende Strasse der alten Stadt mit der Häuserreihe zu beiden Seiten von der Lava möglichst befreit. Das Innere der durchgehends zweistockigen Häuser, der Bäder, der hohen und engen Zim- mer u. s. w. zieren Mosaikarbeiten und Freskomalereien. Der Luxus sciieint den der heutigen Tage weit übertroffen zu ha- ben. Weiter hat man bisher nicht gewagt die Ausgrabungen hier auszudehnen, da man hierin grosse Gefahr für Portici er- blickt. Diess hat auch, im Falle man unvorsichtig zu Werke geht, allerdings seine Richtigkeit; ich glaube jedoch, dass sich durch einen regelmässigen, bergmännisch-technisch ge- leiteten Betrieb ohne alle Gefahr für die über dem Kopfe lie- gende Stadt diesen Exkavationen eine viel bedeutendere Aus- dehnnug geben liesse. Um von Neapel nach Pozzuoli zu gelangen, passirt man die Gallerie des Posilippo, ein Stollen von ungefähr 2400 Fuss Länge, 25 Fuss mittlerer Breite, und 40 bis 50 Fuss mittlerer Höhe, der durch die Puzzolana (Posilippotuff) des Berges Po- silippo betrieben die Strasse nach Pozzuoli bedeutend abkürzt. Es ist ein mehr als gewöhnliches Meisterwerk, das aber den- * Bekanntlich wurde Herkulanum durch die Lava des Monte Sonima bederkt, während Pompeji unter Massen vulkanischer Asclie und Lapilli, vielleicht in Folge einer Schlammflulh begraben wurde. — Fu il fuoco, 6 racc|ua, che sotterö Pompeji ed Ercolano ? Di C. Lippi. Napoli 18 16. Abgesehen von mauchen überspannten Ideen ein nicht uninteressantes Buch. 278 noch jenen grandiosen Eindiuck nicht hervorbringt, wie das sogenannte neue Thor zu Salzburg durch das herrliche Eben- mass seiner Dimensionen. Die Posilippogalleiie , an und für sich eine überraschende Perspektive gewährend , ist gut ge- pflastert, wird aber sehr schlecht beleuchtet und die Unord- nung, das Gedränge der Wagen und Menschen in dem finstern Tunnel , das damit verbundene Geschrei sind bezeichnend für Neapel und dessen polizeiliche Anstalten. An beiden Enden dieses Stollens ist die Strasse noch eine bedeutende Strecke lang im Berggehänge niedergeschrämmt, einen nur von oben offenen tiefen Graben bildend , bis sie endlich das Freie er- reicht. Am See d'Ägnano, das kreisförmige Becken eines alten Kraters, besuchten wir vor allem die durch ihre Exhalationen von kohlensaurem Gas bekannte Hundsgrotte. Sie ist ihren Dimensionen nach ganz unbedeutend, indem sie bei einerTiefe von nur 10 Fuss, 5 Fuss in die Breite und 6 Fuss in die Höhe misst. Sie liegt im vulkanischen Tuffe (Puzzolana), der das herrschende Gestein der ganzen Umgebung bildet. Aehnliche Exhalationen wie in der Hundsgrotte bemerkt man auch im See, ans welchem fortan Luftblasen aufsteigen, sowie bei den Luftbädern von S. Germano. In der Nähe der leztern befin- det sich auch eine kleine Solfatara, aus deren Fumarolen die sehr heissen Dämpfe mit starkem Rauche hervordringen *. Auf dem Wege von Posilippo direkt nach Pozzuoli , wo- bei der See von d'Ägnano rechts zur Seite bleibt, sieht man der Küste entlang an der Strasse Trachyt und trachytische Lava in grossen Felsmassen unter den vulkanischen T«iffen zu Tage gehen. Es ist eine graue Feldspathmasse mit einer Menge Krystallen von glasigem Feldspath, Sodalit und Augit. Auch empyrodoxer Quarz erscheint sehr häufig, besonders dort, wo der Trachyt in trachytische Lava übergeht. In MoNTicELLis lehrreicher Begleitung eilte ich , in Poz- zuoli angelangt, vor Allem zu dem bereits so viel besprochenen Seiapistempel. Die denkwürdige Erscheinung der von den * Bezüglich des Raiiclies der Fumarolen s. ni. : Melloni und Piria, Untersuchungen der Fumarolen; Compt. rend. XI, 352; Poggend. Anna- len. Erg. Bd. I, p. 511, LEo^HAl\D, Jahrbuch 1844, p. 859. 270 Plioladen (Modiola lithopliag;a Lamk.) ungefähr 4 Meter ober dem heutigen Meeresniveau angebolirten Säulen, von denen noch drei aufrecht stellen, ist zu bekannt in der geognosti- schen Welt, als dass ich derselben erst umständlich zu erwähnen brauche *. Bei der Sorgfalt, welche die Alten bei allen ihren öflFentlichen Bauwerken beobachteten, lävsst sich allerdings, was übrigens die einfachste Erklärung wäre, nicht leicht an- nehmen, dass man die Monolite zu den Säulen von solchen Kalkbänken an der Küste genommen habe, welche in einem gewissen Niveau bereits schon seit lange von Pholaden ange- griflFeu waren und dass somit die Löcher derselben auch schon von vorncher an den Säulen sich befanden. Gibt man dieses nicht zu, so erübrigen n«ir zwei Annahmen und zwar die, dass der Tempel mit dem Boden so tief sank, dass die Säulen we- nigstens 4 Meter tief unter den Meeresspiegel zu stehen ka- men und sich dann später wiederhob, wodurch die Säulen und der ganze Tempel auch wieder in's Trockene gelangten — oder dass das Meer an und für sich einst nach Erbauung des Tempels höher stand, als vordem und später, und in diesem höhern Stande auch längere Zeit sich erhielt. Die erstere Annahme, welche, wenn ich nicht irre, Arago zuerst aussprach und welcher grosse Notabilitäten der * Arago , Bericht über Capoccis Abhandlung von der Emporhebnng des Serapistempcis bei Pozzuoli. L'lustit. 1837, V. 213. LEo^H. Jahib. 1838, 453. — Basii, Hier,, Noti« über den Mangel von Perpendikularität an den nocli stehenden Säulen des Tempels von Jupiter Serapis bei Nea- pel. Lond. and Edinb. philos. Mag. 1835. VI, 313. Leokh. Jahrbuch 1838, 711. Ch. Babbage, Beobachtungen über den Serapistempel bei Pozzuoli, mit Bemerkungen über gewisse Ursachen, welche langdauernde geo- log. Perioden bedingen dürften. Lond. and Edinb. phil. Mag. V, 213. LEO^HARD, Jahrbuch 1835, 539. D. Paoli 5 Bemerkungen über Hebung und Senkung des Bodens. Isis 1841, 557. Leonh., Jahrb. 1813, 107. NiccoLiNi, über den Höhenwechsel der Küsten Italiens. Isis 1843, 605. Nuov. Ann. delle scieuze nat. di Bologna, 1841, V, 35. Leonh. , Jahrb. 1844, 225. NiccoLiNF , Tavola metrica chronologica delle varie altezze tracciatc dal- la superficie del mare fra la costa di Amalti ed il promontorio di Gaeta ncl corso di dicianovc secoli. Napoli 1839 u. s. w. 280 Wissenschaft anhängen , stösst bei technischer Beschaunng der Loliah'tät auf einen Gegensatz, der die Richtigkeit der- selben in hohem Grade zweifelhaft macht. Wir sehen näm- lich am ganzen Tempel, an seinem Pflaster, an den noch ste- henden Mauern nirgends eine Störung des Verbandes der einzelnen Theile, welche ein solches Oszilliren des Bodens, ein solches Heben und Senken desselben bestätigen möchte und dass diese Oszillationen so regelmässig, so sachte vor sich gegangen seyn sollten , wie die Versenkungen auf einer Bühne, diess ist schwer einzusehen. Zudem ist es auffallend, dass eine solche Veränderung des Bodens einer bewohnten Küste der Geschichte ganz entgangen seyn sollte. Der von Hüllmantel * gelieferte Beweis für die Veränderlichkeit des dortigen Bodenniveaus aus dem Umstände, dass der Tliorweg am Kapuzinerkloster zu Pozzuolihei starkem Westwinde vom Meere bespült wird, was vor 30 Jahren nicht statt gefunden haben soll, hat meiner Ansicht nach nicht volle überzeugende Kraft; denn erstens ist es denkbar, dass gerade vor 30 Jahren die Westwinde nicht so stark und anhaltend waren , wie ge- genwärtig und zweitens kann ich ans meiner praktischen Lauf- bahn versichern, dass ich von Baumeistern noch ganz andere Fehler begehen sah, als der einer etwas zu tief ausgefallenen Anlage eines Thorweges seyn dürfte. Die zweite Ansicht, dass ohne Veränderung der Boden- lage das Meer nach Erbanung des Tempels einst höber ge- standen als vordem und später, und sich längere Zeit in dieser Höhe erhalten habe, stüzt sich auf die Forschungen des Cav. NiccoLiNi, denen nach dieser höhere Stand des Meeresniveau dem gegenwärtigen gegenül)er im 8. Jahrhunderte nach Chr. 4 Meter, im 9. und 10. 6 Meter, am Ende des 13. 3 Meter etc. betragen habe. Dieser höhere Meeresstand in Verbindung mit einer allenfalls langen Zeitdauer wäre Jiinreichend , die Erscheinung zu erklären, sowie auch die Zeit seines Eintretens den Umstand begreiflich machen kann , warum dieses Ereig- nlss zum grossen Theil gerade in jene Zeit fällt, aus welcher wir, jenes Terrain betreffend, die wenigsten historischen Da- ■'•" C. HuLLMANTEL , ubcf fortdaucmdes Sinken der Küste bei Pozzuoli. Geol. Procced. 1840, IH, 290. Leon», Jahrb. 1811, 257. 281 ten besitzen. Es walten aber hiebe! noch andere Umstände ob, welche anch gegen diese Ansicht starke Zweifel auftau- chen machen. Es kann nämlich (jede Veränderung; in der ßo- denlage selbst bei Seite gesezt) ein solches Ansteigen nndSin- ken des Äleeres nur auf eine zweifache Weise vorsieh gehen, nämlich allgemein verbreitet über die ganze Fläche des Mee- res, folglich an allen, wenigstens an allen benachbarten Kiisten bemerkbar oder rein lokal, im Wege heftiger Seestürme, starker Springtluthen u. drgi. Im ersteren Falle drängt sich wieder die Frage auf: wie ein solches lang andauerndes Stei- gen oder Sinken des Meeres, wenn auch diese Erscheinung- gerade an dieser oder jener Küste der GeschicJite entgangen seyn sollte, allgemein historisch unbekannt bleiben konnte; im zweiten Falle hingegen muss aus leicht begreiflichen hy- drostatischen Gesetzen die Ausgleichung des Meeresniveau's so bald wieder Platz greifen, dass von einer den Lithodomen gegönnten hinlänglichen Zeit zur Anbohrung der besprochenen Säulen keine Rede seyn kann. Weit entfernt, zeitweise Hebungen und Senkungen des Bodens an jener vulkanischen Küste bestreuen zn wollen, was ein sehr unglücklicher Gedanke wäre , auch keineswegs geneigt, den geistreichen Forschungen des Cav. Niccolini ent- gegenzutreten, muss ich doch gestehen, dass ich mich ans oben- angegebenen Umständen nicht entschliessen kann zu glanl)en, dass Boden und Tempel je die ihnen zugemulhete Beweglich- keit hatten, oder dass ein lokales Ansteigen des Meeres lange genug gedauert habe, um den Lithodomen Zeit zn ihrer müh- seligen Arbeit zu göinien. Ich kann mich nicht des Gedankens entschlagen , dass denn doch die Pholaden- löcher schon von Vorne her im Kalksteine vorhanden waren , aus welchem die Säulenmonolite gebrochen wurden und dass die Alten, nicht ahnend, welche harte Nuss sie da- durch i\cn Gelehrten späterer Zeiten aufzubeissen gaben, sich kühn über diesen kleinen üebelstand hinaussezten. Dass üb- rigens das Meer auf diese oder jene Art in das Innere des Tempels eingedrungen war, beweist der Schutt, welcher den Temj)el zunächst umgibt und ohne Zweifel denselben auch einst bis zu einer gewissen Höhe erfüllte. Dieser Schutt ist 282 voll von Schaltliierresten noch lebender Arten und ich muss daher die Richtigkeit der Angabe des Andrea di Jorio, der von dem Schutte, welcher aus dem Innern des Tempels weg- geräumt wurde, das Gegentheil behauptet, in Zweifel ziehen *. Gegenwärtig liegt der Fussboden des Tempels im Niveau des Meeres, dessen Wasser denselben bedeckt und aus welchem Thermen emporsteigen, die die Alten zu Bädern benüzteu, was man auch heut zu Tage wieder beabsichtigt. Solcher Thermen finden sich in der Umgebung mehrere, wie es bei diesem rein vulkanischen Terrain ganz natürlich ist. Nach Besichtigung des Serapistempels ging ich mitMoN- TicELLi zur grossen Solfare. Dieselbe liegt nahe an Pozzu- oli auf dein Berge und scheint ein alter Krater zu seyn , der ungefähr 500 Klafter Durchmesser hat. Wie bei den Solfaren auf den vulkanischen Inseln Griechenlands, so besteht auch hier das Gestein ringsumher aus Alaunfels, ein durch saure Dämpfe umgewandelter Trachyt. Aus den Spalten der Fel- sen und aus den Fumarolen im Schutte, der den alten Krater ausfüllt, steigen heisse schwefligsaure und Wasserdämpfe em- por und mit einem tiefen Schachte fand man im Grunde der Solfare siedend heisses Wasser. Die Spannung der Dämpfe ist so gross, dass sie den Fumarolen nicht nur mitstarkem Ge- räusche, sondern mit einer solchen Gewalt entströmen, dass hineingeworfene kleine Steine zurück heraus geschleudert wer- den. Die Wände der Fumarcden sind mit Schwefelkrystallen bekleidet und Felsen und Schutt, besonders aber lezterer, sind von Alaun , gediegenem Schwefel und Schwefelhydrat ganz durchdrungen. In die Tiefe nimmt der Schwefelgehalt zu und manche Stellen sind sehr reich , so dass man an einem Punkte von ganz kleinem Umfange über GOO Zentner Schwe- fel gewann. Die Gewinnung des Schwefels und des Alauns aus dieser Solfare ist in Privathänden. Zur Zeit meiner An- wesenheit war General Pepe der Unternehmer und die Unter- nehmung selbst, in technischer Beziehung, auf der untersten Stufe , so dass man vielleicht kaum den fünften Theil des Schwefels gewann, der gewonnen werden könnte. Anstatt * Ricerclie sul lempio di Sirapide in Pozzuoli. Napoli 1820. M. s. Fb. Hoffmann's Briefe in Karsten'« Aicliiv. Jahrj^ang 1831, p. 381 etc. 283 die Solfare mit gegen ihre tiefsten Punkte geneigten, breiten Sohlenstrassen in verschiedenen Richtungen zu durchfahren, beünüffte man sich zur Ausförderung: des Schwefels und alann- halti(>;en Schuttes enge Gruben zn graben, in denen nati'nlich die Arbeiter, vertrieben durch Hitze und Dämpfe, die Arbeit nie lange fortsetzen können nnd dieselbe stets unreine höchst oberflächliche bleibt. Die Haupterzeugung besteht vorzüg- lich in der des Alauns, zu welcher man sich eines sehr rohen Anslangnngsprozesses bedient. Man benüzt hiezu das heisse Wasser der Solfare und lässt den Alaun ans der gesättigten Lauge in ganz kleinen hölzernen Trögen anschiessen. Jener Schutt, welcher entweder unmittelbar oder erst nach gesche- hener Auslaugnng des Alauns den Schwefelöfen übergeben wird, hält an Schwefel nicht unter 25%, wohl aber oft mehr und zwar bis zu 50%. Damals wurden aus der Solfare zu Pozzuoli jährlich ungefähr an 1500 Zentner Schwefel erzengt, welcher in geläutertem Zustande zu ungefähr 10 fl. Conv. Mz. pr. Zentner in loco verkauft wurde. Die Manipulation zur Ausbringung des Schwefels ist wohlfeil. Mau bedient sich liiezu eines kleinen, bedeckten Herdes, in welchem eine oder zwei Reihen irdener Töpfe stehen , die an ihrem obein Rande mittelst thonener Röhren mit eben so vielen Töpfen ausser- halb des Herdes verbunden sind. Werden nun die erstem Töpfe mit Schwefelerzen gefüllt, sie sowohl als jene ausser- halb des Herdes gut bedeckt und luftdicht verschlossen, so- dann im Herde Feuer gemacht, so treten die Schwefeldämpfe aus den inuern Töpfen in die äussern und kondensiren sich daselbst als Schwefel, der geläutert und in Stangen gegossen in den Handel gebracht wird. Der Aussage des Grubenvor- stehers nach soll General Pepe der Regierung für den Betrieb dieser Solfare jährlich eine Abgabe von 800 bis 900 Thaler zu entrichten haben. Mach einer flüchtigen Besichtigung des Gefängnisses des heiligen Januarius, noch dato Generalkapitän der neapolita- nischen Armee, Grosskreutz etc. und im Genüsse eines Jahres- gehaltes von 4000 Thalern — ein sehr seltener Fall — be- gaben wir uns zum Amphitheater des Kaisers Kaligula. Das Gebäude selbst ist noch wenig entblösst, ausgezeichnet aber •284 durch ilie lierrliche Aussicht, welche man von der Arena des- selben ans geniesst. Man überblickt den ganzen Meerbusen von Bajä mit seinen feenhaft schönen Ufern, sieht gerade ge- genüber das weiche wollüstige Bajä, sieht noch einzelne Pfei- ler der Brücke, welche Kaligula. über den Meerbusen von Pozzuoli aus dahin führte und welches Riesenunternehmen er durch seine Narrlieiten so sehr entwürdigte. So bewegten wir uns fort auf klassischem Boden, bis wir an den Avernosee gelangten, bekannt durch die Ruinen in seiner Umgebung, durch die Grotte der Sibylle und für mich besonders interessant durch den in seiner Nähe liegenden Monte nuovo, einen der jüngsten Berge der Erde. Der Monte nuovo , zu 428 Paris. Fuss über das Meer an- steigend, ist rein das Resultat vulkanischer Wirksamkeit und zwar einer zusammeugesezten , nämlich jeuer der Erhebung und der Eruption. Der auf dem Gipfel des Berges sich befin- dende , sehr regelmässig komisch geformte Krater hat unge- fähr '/4 Stunde im Umfange und dürfte nahe zu 400 Fuss tief seyn , d. h. nahe bis zum Niveau des Meeres niedergehen. Gegenwärtig sind die äussern Gehänge des Berges sowohl als die Innern des Kraters, welchen ich von allen Seiten be- ging, zum grossen Theile mit Vegetation bedeckt, bieten je- doch Entblössungen und am Kraterrande auch kahle Wände genug dar, um mit Bestimmtheit sagen zu können, dass der ganze Berg aus einem zweifachen Gesteine besteht , nämlich ans vulkanischen Tuffen , ähnlich jenen von Pozzuoli und des Posilippo, und aus einer erdigen, wie es scheint schlecht ge- flossenen Lava. Die Tuffe sind geschichtet, die Fallwinkel der Schichten jedoch fand ich verworren und zum grossen Theile undeutlich ausgesprochen. Dem Ansehen nach ist offenbar eine gewaltige Blähung (Erhebung) des Bodens vor- hergegangen , wodurch sich die Tuffe erhoben haben und der eigentliche Bergsich bildete. Erst dann öffnete sich der Kra- ter, die Eruption erfolgte und die Lava bahnte sich am süd- lichen Kraterrande den Berg hinab zur Küste. Diese ans der Anschauung des gegenwältigen Zustandes des Monte nuovo hervorgehende Ansicht stimmt buchstäblich mit den histori- schen Angaben überein, die zum Theile von Augenzeugen 285 dieses grossartig^en , im Jahre 153S stattgefiindenen Natur- ereijj^nisses henühreii und welche Haagen v. Mathiesen in zwei Abhaiidliinn;eii der gelehrten Welt vorlegte *. Am 24. Oktober Vormittags 10 Uiir ging ich an Bord des nach Palermo und Messina bestimmten Dampfl)ootes Fran- cesco 1'"". — Bisher grösstentheils anf Kriegsschiffen oder österreichischen Dampfbooten gereist, war ich znr See an jene musterhafte Ordnung gewöhnt, die Manchem vielleicht übertrieben erscheinen mag, bei näherer Beschauung aber als nothwendiges festes Band des kleinen Staates erscheint , der da von einigen Brettern eingeschlossen sich selbst überlassen anf den Wogen dahin schwimmt. Ganz anders war es am Bord des Neapolitaners. Von einer solchen Verwirrung, Un- ordnung, von einem solchen tobenden Geschrei und Andränge der gemeinsten Proletarier im Augenblicke kurz vor der Ab- fahrt hatte ich bisher keine Vorstellung und je ruhiger der bausbackige Kapitän mit einem entsetzlich stupiden Gesiclite der Meute zusah, desto mehr bekam ich Lust zum Dreinschla- gen. Auch die innere Einrichtung des grossen Dampfers fand ich unter aller Kritik. Jm Sal<»n des ersten Platzes, wo sich unser über 100 Personen einfanden, lagen nach alter Manier rings an den Wänden herum in zwei Reihen übereinander die Schlafstellen, ganz offnen, ohne besondere Kajüten für sich zu bilden und ohne durch eine Zwischenwand von dem Salon ge- getrenut zu seyn. Das 31eer ging hoch, die trübe Witterung entzog uns Neapels herrlichen Anblick von der See aus, star- ker Regen vertrieb uns gerade alswir an Capri vorüberfnhreii vom Verdecke und unten im Salon begann nun eine furchtbare Scene. Alles um-de seekrank und verkroch sich in die Schlaf- nischen, nur unserer sechse blieben auf den Beinen und sezten sich zur Tafel inmitten eines grässlichen Röcheins von allen Seiten. Zugleich mit den dampfenden Schüsseln wurden an- dere Geschirre in Menge herbeigeschleppt, die nicht auf den Tisch gehören. Besonders zeichnete sich ein Franzose in '* Haagen v. Mathiesen über die Entstehung des Monte nuovo etc. in V. Leonhard's Jahrbuch, Jahrgang 1846, p. 586 etc. Derselbe ebendaselbst, p, 699 etc. über die Wiedeiherstellung der Stadt Pozzuoli. 286 einer grossen Schlafmütze aus, in dessen Magen jeder Stoss des Schiffes den entschiedendsten Widerspruch fand. Es war nicht mehr zum Aushalten, ich sezte mein Diner auf dem Verdecke im heftigsten Regen fort, denn — da unten war es fürchterlich. Gleiches Schicksal mit mir theilten zwei deutsche Landsleute: Kaufmann Ott ans Livorno und Marxen aus Hamburg, welche beide eine Erholungsreise nach Sizilien machten und in welch Lezterem ich ganz unvermuthet einen alten Bekannten aus Gastein wieder fand , der dort einst die Bäder besuchte , während ich in der Nähe als Bergverwalter angestellt war. Nicht mehr allein, gewannen wir der Sache bald die komische Seite ab. Am Morgen des 25. Oktober lag Siziliens Küste vor unsern Äugen. Hoiie, schön geformte Berge, aber kahl. Zwischen dem Kap Zafferano, dem Monte Cuccio und Monte Pellegrino entwic- kelte sich nach und nach Palermo mit seiner entzückend schö- nen Umgebung. Hoch auf der Kuppe des Pellegrino glänzt die bekannte Kiiche der heiligen Rosalia in den ersten Strahlen der südlich leuchtenden Sonne, weit im Hinteigrunde Mon- reale auf schwunghaft gezeichneten Bergrücken. Je näher wir rückten, desto schöner wurde das Bild, an Grösse des Ge- sammteindruckes dem von Neapel und Konstantinopel zwar zurückstehend, an malerischen Detailschönheiten aber uner- reichbar. Es war schon Mittag, als wir im Hafen von Palermo ein- liefen. Die Ausschiffung glich einer förmlichen Enterung. In einem Augenblicke war das Dampfschiff voll sizilianischer Lazaroni, die ihre Dienste nicht blos anboten, sondern im mo- dernen Wege von Sturmpetitionen durchzusetzen suchten. An den Schiff'swänden kletterte das Gesindel empor, die Schiffs- treppe wurde zerrissen, das Schiff legte sich auf die eine Seite, Koffer wurden herumgeworfen , man kämpfte um sie , einer fiel gar ins Meer, gelärmt und geschrie'n wurde zum toll wer- den — und doch war alles nur eine Manifestation der Bereit- willigkeit, daher auch der Kapitän schweigend der Szene zusah. 287 S) Reisen in Sizilien. Palermo* Ufesüina. Taorntina« JKatauia. 19er itetiia. Valle di Rove« Rie CyklO' pen. Syrakiis. IVoto. F'alconara« Rie SolTaren bei Castro f>iiovauni. liicata. Ciiirg:enti. Rie Tem- pel. Caltanisseta. Palermo« Ressina. RAciiii.elir naclt ^'eapel* Am 25. O k tob er 1839. Palermo, die europäische Stadt, umgeben von tropischer Pracht und Pflanzeufülle, theilt zum Theile mit Koii.stantinopel eine Eigenschaft. Wie man näm- lich das Innere betritt reisst der schöne Wahn entzwei. Horden von Bettlern und schmutzigen Lazaroni, enge unreine Strassen , an den Fenstern die zum Trocknen ausgehängte Wäsche verlezten das Auge des an derlei Gegenstände nicht gewöhnten Reisenden. — Selbst die an und für sich schönen Hanptgassen : Toledo, Cassaro und Macqueda, die, sich recht- winkelig durchschneidend, Palermo in vier fast gleiche Theile theilen , sind von diesen Uebelständen nicht frei. Nur am Anblicke einzelner Prachtgebäude, unter denen die herrliche Kathedrale aus dem 12, Jahrhundert voran steht, erholt sich der Blick und vollends versöhnt wird man mit dem Schmutze, dem Elende und der ekelhaften Trockenanstalt im Innern der Stadt, wenn man die sogenannte Marina , den Quai entlang der Meeresküste zwischen Castello ä Mare und Forte St. Erasmo, vielleicht eine der schönsten Promenaden der Welt, betritt. Unter des k. preuss. Konsuls Wedekind freundlicher Anleitung sah ich im Fluge das Schönste, was Palermo dar- bietet und wohin fast ausschliesslich seine prachtvolle Um- gebung gehört. Seit meinen Ileisen in den Gebirgen Klein- Asiens und an den grossen Strömen im Innern von Afrika hatte ich keine solche Vegetationsfülle mehr gesehen als in den Gärten von Palermo. Hier unter Siziliens glücklichem Himmel gedeiht Alles; europäische Gemüse und Früchte neben Palmen und Bananen. Die Pflanzen der Tropen stehen hier im Freien, nicht minder schön und kräftig als im heissen Vater- lande. Und doch, überall wo man hinblickt Verarmung, Elend und Volksverdummung, herbeigeführt durch das heil- lose (später aufgehobene) bekannte Schwefelmonopol, wo- durch der Erwerb des Volkes auf den dritten Theil gegen 288 früher hei-abgesezt wurde, durch unmässige Abgabeu, schmach- vollen , unmächtigen Polizeidruck und Legionen von Pfaffen. Die Demoralisation des Volkes war allgemein; noch vor einem Jahre wurde man bei hellem Tage auf der Marina beraubt oder geradezu durch die Räuber von der Promenade weg als Geisel abgeführt. Zur Zeit meiner Anwesenheit herrschte zwar, abgerechnet einzelne Mordthaten, zum Theile mitten in den Strassen von Palermo verübt, eine gewisse Ruhe auf der Insel ; sie war aber der einem Gewitter vorgehenden, un- heimlichen Schwüle gleich; aligemein sprach sich Hass und Verachtung gegen die neapolitanische Regierung und deren Organe aus und die Vorzeichen desStrebens, sich von der verhassten Herrschaft frei zu machen, waren schon damals unverkennbar. In geognostischer Beziehung gewährt die nächste Um- gebung von Palermo wenig Abwechslung. Die höheren Berge, welche die weite Bucht umschliessen , gehören dem Apenninenkalke (der alten Kreide) an, während die Küsten- ebene aus Tertiärbildungen und Meeresalluvien besteht. Am 26. Oktober Abends S Uhr verliess ich mit dem- selben Dampfschiffe, mit welchem ich gekommen war, Palermo, um mich nach Messina zu begeben und von dort meine Reise durch die Insel anzutreten. Früh am nächsten Morgen standen wirbeiCapo d'Orlando, wo der Vapor Passagiere aufzunehmen hatte. Das Meer ging sehr hoch und einer Barke mit einer hübschen jungen Dame fehlte wenig, dass sie unter den Dampfer gerieth. Schon war das zerbrechliche Fahrzeug dem Umschlagen nahe, die Angst der Schiffsleute durchlief jammernd den ganzen Heiligenkalender, ohne jedoch zu arbeiten ; die scliöne Frau fiel in Ohnmacht und, wären wir nicht schnell zurHand gewesen, das nasse Grab wäre ihr Loos geworden. Die sehr gebirgige Küste ist gut bebaut; alte Buigen zieren die Kuppen der interessanten Bergformen. Um Mittag hatten wir die lipari- schen Inseln ganz nahe zur Linken und deutlich sahen wir die Rauchsäule des Stromboli *. Um 2 Uhr Nachmittags liefen " Friedr. HoffmaNN , über die geognostische Beschaffenheit der liparischen Inseln. Leipzig- 1832. 280 wir in den Faro von Messina ein, näclist dem Busphorns ge- uiss eine der schönsten Meerengen der Welt. Scylla und Cliarybtils h i.en längst ihre Schrecken ver- loren und die Barken der betriebsamen Messinesen gleiten mit vollen Segeln durch sie hin. A:i ersterem Orte, der uns zur Linken a: Jer Küste Kala'riens blieb, sind es Felsen und heftige Strömungen, '/eiche die Schiffcrfa'jel hervorriefen; an lezterem Orte hingingen, an der Charybdis, welche sich beim Leuchtthnrme auf Capo Peior»» betindet , ist das Meer fortaii in einer wallenden Bewegung, als wenn vS koche. Wirk- lich interessant sind die sogenunnlei Fili (die Fäden). Gleich dem Eripos zwischen Euböa und d.^m Festlande von Griechen- land '^ hat nämlich auch der Faro zwischen Kalabrien und Si- zilien, wie seiir viele andere Meerengen, eine periodische Strömung und Gegei«ströinung, ie nach dem Wechsel der Fluth und Ebbe dc's Meeres. i:i dieser Strömung, die wech- selweise ans JNord in Süd ui.d umgekehrt ihre Richtung be- hauptet, sieht ma I Wasserstreifen C^''")- tlie gleichzeitig ge- rade in der entgegengesezten Richtung sich bewegen. Offen- bar beruht die auffallende Erscheinung rein nur in lokalen^ Gestaltungsverhältnissen des Meeresbodens und der Küste, nähere Untersuchungen hierüber sind mir aber niclit bekannt. Bald nach unserem Eintritte in den herrlichen Faro fiel der Anker im Hafen von Messina, die schönste Stadt Siziliens, schön von Aussen durch ihre himmlische Lage und schön von Innen durch die weiten, geraden, reinen, ausgezeichnet gut gepflasterten Strassen und die fast durchgehends hübschen, zum Theile schönen Gebäude. Bestens addressirt und herzlich aufgenommen verlebte ich in Messina ein paarsehr angenehme Tage, in den Schwei- zerhäusern Jaeger und Gonze .uach bildete sich eine mir sehr erwünschte Reisesresellschaft aus dem alten Junker Gonzen- BACH, der mit seinen beiden Töchtern aus St. Gallen auf Be- such hierher gekommen war, und deren jüngerem Bruder, welcher ich mich um so freudiger anschloss, da unser gemein- schaftliches Reiseziel der Gipfel des Aetna war. Gleich der Küste bei Palermo ist auch jene bei Messina * Vorne S. 62 etc. Ru sseggcr, Reisen. IV. Bd. 19 290 feiliäv, «lie zunächst He«;en«ieii Bero^e liiiioeoeii geliören ins- {^esammt und zwar vom Kapo Rasocolmo (nördlichstes Vor- gebiroe der Insel) südlich bis zum Kapo Scaletta der Forma- tion des Granit-, Gneiss- und Glimmerschiefers an, ähnlich je- ner im geg;enüber liegenden Kalabrien und so wie dort Erze führend. Die Erze erscheinen meist auf Gängen und beste- hen in silberhaltigem Bleiglanz, Kupferkies, Eisenkies, Blende, Jamesonit, Bournonit, Eisenspath , Brauneisenstein, Fahlerz u. s. w Paillette weist sizilianischer Seite 15 solcher La- gerstätten nach , auf deren einigten Bergbau umging- und zum Theile noch umgeht *. Besondere Aufmerksamkeit erregte zur Zeit meiner Anwesenheit die Anftindnng fossiler Kohle sowohl in der unmittelbaren Nähe von Messina, als auch an der gegenüber liegenden Küste von Kalabrien. Der k. bai- rische, zugleich k. griechische Konsul Kilian zu Messina, der sich für diesen, der Dampfschifffarth und des Holzmangels auf Sizilien wegen, allerdings sehr wichtigen Fund besmiders interessirte, zeigte mir mehrere Stücke dieser Kohle vor. Es ist eine schöne, obwohl etwas kiesige Glanzkohle, ähnlich der Kohle des Libanon. Dem Lagerungsverhältnisse nach ist sie offenbar tertiär, was jedoch die Ausmittluiig ihrer Mä.ch- * PjiiLLETTK. Erzlagerstätte in Caiabrien und im nördlichen Sizi- lien. Ann des Min. d. 11, 629 etc. Lkonh. Jahrb. 1844, 372 etc. Ueber die geof^nostischen und paläontologischen Verhältnisse Si- Kiliens sehe wan übrigens: Fh. Hoffmamv, Gcognostische Beobachtungen auf einer Reise durch Italien und Sizilien, den Inhalt des 13. Bandes von Karsten Ar- chiv, Jahrgang 1839 bildend. Diese für die geognostisehe Er- kenntniss Siziliens höchst wichtige Arbeit ist von einer sehr voll- ständigen geognostischen Karte der Insel begleitet. PniLiPPi, Enumeratio molluscorum Siziliae cum viventium, tum in tellure tertiaria fossilium, quae in itiiiere suo observavit. Der I. Theii dieses Werkes erschien zu Berlin 1836, der II. zu Halle 1844. Ferner : Memoires pour scrvir a l'histoire naturelle de la vSicile. Par M. C. Maravigna. Paris 1838. Ein bis zum Jahre 1834 reichendes und sehr umfassendes Verzeicb- niss der Literatur Siziliens im Allgemeinen findet sich in (Dr. Partheys) „Wanderungen durch Sizilien und die Levante". Berlin 1834 , I. Theil, pg. 411- !53. Co>sT*^T Pr.EvosT, Hauptduichschnitt von Sizilien Im Bulletin de la Societe geologiquc de Fiance. Tom. II. 201 (igkclt und ihres Aiilialtens anbelangt, so ninss ich die bishe- ijoen ünteisuthunoen als «ranz unziilänsrUch erkennen, indem man die Stluufschächte auf die in das Gebirge einfallende Kühle säiumtlich zu nahe dem Ausgehenden am Tag^e nieder- brachte. Am 31. Oktober. Kurz vor Taormina, auf der Strasse von Messina nach Catania, sieht man über das mit Gärten, mit Rehen und Orangen bedeckte Hügelland plötzlich den Aetna sich erheben. Ausser der Ansicht des Meers von der Höhe bei Optschina herab, habe ich nicht bald einen überraschen- dem Anblick genossen. Vollends in unvergesslicher Pracht aber entwickelt sich das Bild , wohl eines der schönsten der Erde, oben auf der Kuppe des Vorgebirges St. Andrea, auf dem noch in Trümmern herrlichen , alten Theater von Taor- mina. Vor sich das unbegränzte Meer, zur Linken die grauen, nakten Felskuppen Calabriens, zu den Füssen ein v\eit ausge- dehnter Garten, prangend in der üppigsten Fülle des Südens und darüber hin zur Rechten hoch emporragend deralte Feuer- riese, sein mit blendendem Schnee bedecktes Haupt über 10,000 Fuss erhebend. Gleich einer Pinie im gigantischen Maas- stabe stieg auf seiner Kuppe die schwarzgraue Rauchsäule himmelhoch in das strahlende Blau der Luft empor. Vor einer solchen Grösse der Natur beugen sich fast unwillkührlich die Kniee und könnte ich frei meinen Wohnplatz wählen — nir- gend anderswo als auf Taormina! Die Anlage des Theaters gibt wieder einen Beweis , welche Poesie die Alten bei der Wahl der Plätze für ihre öffentlichen Anstalten beseelte. Im Mangel dieses Geistes liegt das Geheimniss unseres be- züglichen niederen Standpunktes und ich möchte sagen auch unserer politischen Unreife; denn worauf stüzte sich jener hohe Schwung im Kunst- und Staatsleben? — auf die unbedingte Achtung vor Allem, was Geist und Herz heiligt — und daher auch vor dem sich selbst gegebenen Gesetze. Nicht lange soll- ten wir uns ungestört dieses Hochgenusses freuen, denn auf be- scheidenem Eselein trabte ein betrunkener Geistlicher heran, angethan mit dreieckigem Hute, schwarzen Unaussprechlichen und einem isabellfarbenen Fracke, vor Jahren einem Englän- 10 * 292 der abgebettelt, eine trübe Erscheinung, Hie uns mit grober Hand in das neunzehnte Jahrhundert Siziliens versezte und gewaltig mit der Natur kontrastirte, die uns umgab. üeber Giardini und Jace re.ile trafen wir spät in der Nacht in Catania ein. Am 1. November 1839. Von Messina bis Taormina beobachtete ich, insoweit es die Schnelle der Reise znjiess, nur dichten grauen Kalkstein , wechsellagernd mit bunten Thonschiefern. Die mit diesen Schiefern vorkommenden Grauwackenkonglomerate dürften die relative Stellung dieser Formation mit Bestimmtheit bezeichnen und sie vor Verwechs- lung mit ähnlichen Gebilden aus der Reihe des apenninischen Macigno bewahren, eine Verwechslung, die um so leichter wäre, als man kurz vor Taormina auf Sandsteiiiablagerungen stösst, welche o^enbar dem Apenninensandsteine ganz paral- lel stehen. Der Rücken von Ta rmina besteht aus Kalkstein der Jurazeit. Sein isolirtes Erscheinen hat unstreitig etwas räthselhaftes, doch die zahlreichen und wohl untersuchten Ver- steinerungen , welche einzelne Bänke desselben charakterisi- ren, dürften über seine Identität als Jurabildung kaumeinen Zweifel zulassen '•. Südlich von Taormina betritt man neuer- dings dieGrauwackenformation und dasGebiet des Apenninen> Sandsteines, bald darauf aber erscheinen die Lavaströme des Aetna und mit ihnen beginnt das Bereich dieses Riesen- vulkans. * Catania, der vulkanische Boden, raucht in Gelehrsam- keit. Im Verhältnisse zu ihrer Grösse dürfte die Stadt durch ihre Bildungsanstalten, durch die Menge literarischer Notabi- litäten, welche hier und in der Umgebung ihreii Wohnsitz auf- geschlagen haben, eine der ersten Italiens seyn. Die Nähe des gewaltigen Vulkans, die tropische Pracht der Vegetation, der südliche Himmel i.aben den Geist vorzüglich auf das Stu- dium der Natur und der Kunst hingewiesen. Catania hat "^ D scrizlone geog^nostica della costa uieridiouale del Valle di Meüsina. Ca^lo G^mmellaro. Catania 1831. Derselbe: Kopra il terreno giurassico di Sicilia. Memoria prima: sul terreno giurassico di Tauromina. Catania 1836. Im kürzesten Auszuge in Lkonhard's Jahrbuclie 1836, p. 200. 293 seine Universität, seine Akademie (die accademia gioenia), mehrere iVIuseen und Bibliotheken. Die Weihe der Tiefe mangelt zwar, wie überhaupt im Allgeuieincn den wissen- schaftlichen Anstalten in Italien, so auch hier densell)en und ihren Priestern. Lez-leren abei* ist viel Ernst iti ihrem Streben und üire weltbekannte Gefällif^keit und Liebenswürdigkeit macht sie dem Reisenden uuvergessllch. Ich brauche da nur den Namen Ge5 ellaro zu nennen , dem geiviss Jeder dank- bar verpflichtet ist, der dem Aetna nahe kam. Catania ist eine schöne Stadt, mit geraden, breiten , rei- nen Gassen, unter weichen sich vorzüglich die Aetnea durch den prachtvol'en Anblick des Vulkans auszeichnet, der ihren fernen Hintergrund bildet. Die Penediktinerabtei bildet un- ter den Gebäuden die Zierde der Stadt. Dicht vor der Garteu- mauer derselben blieb im Jahr l,i69 der kolossale Lavastrom stehen, der Tod und Verderben über Catania brachte. Der Kegel des Aetna war bereits tief mit Schnee bedeckt. Von allen Seiten rieth man mir daher von der Besteigung des Berges zu dieser Jahreszeit ab . stellte mir das Unternehmen als einen reinen Wahnsinn dar und erklärte das Gelingen ge. radezu für unmöglich. Da ich jedoch als Sohn der Alpen wohl wissen musste . wie gut sich's auf solchen Höhen und in den frühesten Morgenstunden auf dem Schnee geht, der am Tage von der Sonne erweicht, während der Nacht ganz fest wird, da ich ferner die Furcht der Südländer vor Schnee bereits kannte, ich aber das Gehen auf harten, wenn auch steilen Schneeflächen , dem auf scharfen Lavablöcken weit vorzog, so blieb ich fest bei meinem Vorsatze und beredete auch die Familie Gonzenbach die Tour mitzumachen. Am 2. November fuhren wir zeitlich am Morgen * nach Nicolosi, am Fusse des Berges. Der alte Don M.^rio * Jedem, der mit Genuss den Aetna besteigen will, r tlie ich, diess nicht nach Manier unprakti.-^cher T misten in einem A(heni zu fhiin, sondern am ersten Tage über Nicolotii nHv b"« zur Casa inglese zu ge- h;n, dort zi übeinaLhten und erst am cächsfen Morgen, vor Sennen- a ifgan* den Gipfel zu dsfeigcn. Man thut dies mit tri.sclien Kräflen, f-'lgich mit frischen Sinnen , während ein ermüdeter Körper zu nichts tau^t; am wenigsten zu einer gesunden Naturanschauung. 204 Gemellaro, il filio del Aetna, beriilimt durch seine den lleison- den erwiesenen zahllosen Gefälligkeiten, w.ar leider seit Kur- zem todt, doch war dessen liebenswürdige Persönlichkeit ganz auf seinen jiingern Bruder Don Giuseppe übergegangen, den ich sogleich besuchte, um mich vor Besteigung des Vulkans in seiner in lokaler Beziehung viel Interessantes enthaltenden Mineraliensammlung umzusehen. Damals befand sich auch, um Sizilien und insbesondere den Aetna gründlich und vom neuesten Standpunkte der Wissenschaft aus zu studiren, schon seit geraumer Zeit Sartoriüs v. Waltershausen ans Göttingen zu Catania. Seit meinem Aufenthalte in Gastein mit diesem unternehmenden Gelehrten persönlich bekannt und befreundet, tliat es mir leid ihn gerade in dem Augenblicke von Catania auf dem Lande abwesend zu wissen, wo mir sein reicher Schatz an Kenntnissen und Erfahrungen bezüglich des Terrains, das ich nun betrat, so erwünscht gekommen wäre, sichrere Jahre waren seit unserem Beisammenseyn in den süddeutschen Hochalpen verflossen und mit Sehnsucht erwar- tete ich zu Nikolosi die Ankunft des Freundes, den ich von meiner Anwesenheit in Catania und von meiner Absicht den Aetna zu besteigen in Kenntniss setzen liess. Doch, als ver- gebens ein paar Stunden verflossen waren, bestiegen wir un- sere Maulthiere und traten den 7 Stunden langen Weg zur Casa inglese an. Der alte Junker Gonzenbach, den Strapa- zen eines so langen Rittes nicht mehr gewachsen, blieb in Ni- kolosi zurück, die beiden jungen Schweizerinnen aber Messen sich durch nichts abschrecken , sondern blieben mit ihrem Bruder der kleinen Karawane treu. Von INicolosi (2141 Paris. Fuss Meereshöhe*) bis zur Casa de la neve oder del Bosco (49C1 Par. Fuss), wo wir ein bischen ausruhten, sind die sanften Gehänge des Vulkans spar- sam mit Eichen bedeckt und der Weg ist sehr gut. Von die- ser Hütte an erheben sich aber die Gehänge steiler, der Weg führt über das nackte , scharfe Gestein der Lavaströme und '•■ Nach den baromefrisolicn Messungen des Sartoriüs v. WAr.TErvs- HAUSEiV, Ein Hmf!.ngreiclics Veizcidiniss von Hölienmessnngcn in Sizihen s. ai. in Kahstüns Aiiliiv, Jalng-. 1839, p. 710 etc. 295 wird somit bedeutend schlechter. Dieses fühlten unsere ar- men Maulthieie nur zu sehr, denn sie wurden endlich so matt, dass sie häufig' unter uns zusammenstürzten und wir Männer es vorzogen , den Weg lieber zu Fusse fortzusetzen. Die Nacht brach an als wir auf dem ncugefallenen Schnee anlang- ten, auf dem aber , fest und hart durch den schneidend kalten Wind, recht gut zu gehen war. Lebhaft erinnerte mich diese Scene an meine heimathlichen Berge und wäre der Wind nicht gar so eisig gewesen, es hätte mir recht gemüthlich wohl seyn können, so aber war ich wirklich froh, als wir endlich am Fusse des vulkanischen Kegels, in 89JI0 Paris. Fuss Meereshöhe, ganz umgeben von Schneefeldern und wild gezackten, schwar- zen Lavamassen, die Casa inglese oder di (iemellaro in tiefer Nacht erreichten. Wir trafen daselbst Gesellschaft, aber eine schweigsame, nämlich einen einzelnen Engländer, der Geognosie trieb und vtHi dem ich erst beim Eremiten auf dem Vesuv, wo wir uns wieder trafen, erfuhr, dass er auch sprechen könne. Die Casa inglese, durch deren Erbauung allein der edle Mario der den Aetna besteigenden Menschheit einen unbezahl- baren Liebesdienst erwies, ist eine Alpenhütte und besteht aus zwei Kammern mit einer gemeinsamen Küche, z„gleich Vor- zimmer. Der stumme Engländer bezog den linken Flügel, wir den rechten. Bald flackerte das trauliche Feuer, dev Pnnschnapf brachte Leben in die erstarrte Gesellschaft, an Stoff zum Lachen mangelte es auch nicht und doch gehörte diese Nacht nicht zu den freundlichsten, denn der Wind, der durch alle Ritzen pfiff, war zu schneidend und der Rauch des feuchten Holzes beizte die Augen ärger als in einer Lapplän- derhütte. A m 3. N o vember. Mit dem ersten Tagesgrauen trat ich vor die Hütte, theils um nach Hochländers Sitte das Wet- ter zu schauen, theils um den beissenden Qualm unseres Salon durch frische Alpenmorgenluft niederzuschlagen. Da stand vor mir, dicht vermummt und gegen Frost verwahrt, mein Freund Waltershalsen, der mit seinem Gefährten Peters in der Nacht von Nicolosi heranfgeritten war. Die Freude des Wiedersehens auf der Höhe des Aetna war «ewiss die herz- 29« lichste. Wir beschlossen, nach einem tüchtigen Frühstück versteht sich, den Gipfel sogleich zu besteigen, was für einen gewohnten Steiger von der Casa inglese aus als eine Lust- partie in einer Stunde abgethan ist, dann noch ein paar Tage auf dem Aetna uns in geognostischer Beziehung umzusehen und zusammen durch das so höchst interessante Valle del Bove, über Zaifrana und Nicolosi nach Catania zurückzu- kehren. Der Weg von der Casa inglese bis hinauf zur Spitze des Riesenkegels, d. h. bis hinauf zum Kraterrande, führte über Lava, Schlacke, vulkanische Asche und zum grossen Theile über Schnee, der ganz, wie ich vorausgesehen habe, in dieser frühen Morgenstunde fest nnd hart, folglich so gut zu gehen war, dass selbst die Damen die ganze Strecke mit Leichtig- keit zurücklegten und nur einige von der Gesellschaft in der Nähe des Gipfels (lOKö P. Fuss über dem Meere)* leichte, doch stets schnell vorübergehende üebelkeiten anwandelten. Die Lava der Eruption des verflossenen Jahres (183S) war noch warm und dampfte. So standen wir denn auf dem Gipfel des Aetna, am Rande des Kraters und während w\r über den •'»rat desselben noch den höchsten Punkt hinanstiegen- hatten wir zur Linken den rauchenden, furchtbaren Schlund mit schwindelnder Tiefe, während zur Rechten das Auge weithin über Siziliens herr- liches Land erst dort sein Ziel fand wo Himmel und Meer sich berühren. Es war ein unvergesslicher Moment, ein Blatt im bewegten Leben, auf das der Wanderer n ch im Tode mit Entzücken hinblickt. Mit fenrigem Marsala brachten wir dem grossen Vaterlande und unsern fernen Lieben so manches donnernde Hoch und feierten auf unserem höchst poetischen Standpunkte zugleich einen Abschied, indem GoNZENE\CK^i und Lri \UER. mein Reisegefährte von Athen aus, ihre Rückreise antraten, ich aber mit W lthrshai sen auf dem Aetna zurück- blieb und nun ihm und der Wissenschaft angehörte. * Narh R"f m ^N IO'J'3 P. '^»ss — In der Casa i glese poft «ias Wasser bei 73" Rcauin. und mein Puls, stets voll und rasch, maelite daselbst am .Vlorgen, nach gepflogener Ruhe , in einer Zeitminute 120 Scliläsre. 297 Der Krater des Aetna, eine aus Ost in West gestreckte Ellipse, hat beiläufig 1 Stunde im Umfange und ist von der höchsten Spitze an gerechnet, welche am südwestlichen Theila des Randes liegt, ungefähr 800 Fus-» tief. Das Tiefste des Schlundes war mit Schnee erfüllt. Die Felswände, welche den Rand des Kraters bilden, fallen senkrecht in denselben ab und nur an der östlichen Seite war es zur Zeit meiner Anwesen- heit möglich über ein steiles Äschengehänge in das Tiefste zu gelangen. Der Rand des Kraters und dessen ganze Form waren seit der lezten Eruption bedeutenden Veränderungen unter- worfen. Es erhoben sich am Umfange zwei hohe Kegel, von denen der südwestliche, der höchste Punkt des Aetna, eine gerundete, knppelartige Form besizt, während der nordöst- liche eine scharfe, überhängende, bereits dem Einstürze nahe Spitze bildet. Die steilen , grösstentheils ganz senkrechten Kraterwände sind durch tiefe, enge Spalten in den wunder- lichsten Gruppirungen zerrissen. Mehrere dieser Klüfte enthalten Fumarolen; sie daiupften sehr stark und es stieg aus ihnen ein dichter, weisser, stark nach schwefliger Säure riechender Rauch empor. Im Uebrigen verhielt sich Jedoch zu meinem grössten Leinwesen der alte Aetna ganz ruhig. Eine Nachmittagstour von der (^asa ingleseauszum Torre del Filosofo («1026 Par. Fuss M. H.) und von dort in den ober- sten Theil des Valle del ßove, wobei wir mehrere kolossale Lavaströme passirten, bezahlten wir mit u-isern Schuhen und Kleidern, denn die verschiedenen Zacken Haken, Spitzen etc. der Lavablöcke lassen , bezüglich des Angriffes auf alle Bekleidung die stacheligen Schlingpflanzen eines tropischen Urwaldes weit zurück. Schon auf unserem Hinwege zum Torre del Filosofo bemerkten wir, dass der Krater viel stär- ker rauche, als am Morgen, und als wir zurück kehrten, stie- gen bereits aus ihm dichte, massenhafte Rauchwolken auf, ein Zeichen, dass wir sehr bald einen Wechsel der Witterung zu erv\ arten hatten. Wir machten es uns in der Hütte be- quem, der stumme Engländer war fort Doch wir mochten kaum ein paar Stündchen ganz gemüthlich am Feuer geplau- 298 dert haben, als schon gewaltiger Stuini an die festverschlos- senen Fensterläden schlug nnd am 4. November Morgens hatten wir Schneegestöber von solcher Stärke, dass wir bei der vorgerückten Jahreszeit ernstlicli befürchten mnssten eingeschneit, d, h. von aller Kommunikation mit dem Lande zu nnsern Füssen abgeschnitten zu werden — ein Ereigrnss, worauf unsere Küche nnd Keller keineswegs eingerichtet waren. Nach kurzem Kriegsrathe bliesen wir daher zum Aufbruche und sagten dem Aetna Lebe wohl ! — Im dichtesten Schneegestöber stiegen wir dreie , Wal- tershausen, Peters und ich, mit unserem Führer Antonio und einem Träger, am Torre del Filosofo auf einem ziemlich schlechten Steige in das Valle del Bove hinab — schlecht desshalb . weil wir hiebe! 4 Stunden lang über die über jede Vorstellung zerrissene, scharfe Lava verschiedener Erup- tionen hfnabklettern mussten , was besonders auf steilen Ge- hängen keine angenehme Aufgabe ist und wohl meistens mit einer gänzlichen Zerstörung der Fussbedeckung endet. Auf diesem Wege besuchten wir nun zuerst die Felswände ober Giannicola, bestiegen sodann den noch heissen und rauchen- den Monte Simone (Eruption von 1811), besahen uns die Wände und Gänge der Concazze und verfolgten das Valle del Bove, wobei wir auch zu jener Stelle gelangten, an der sich ein paar Lavaströme, jeder so breit wie der Rhein bei Schaff- hausen, bei 300 Fuss hoch herab in die Tiefe stürzten. Welch' einen über jede Vorstellung erhabenen Anblick müssen diese Feuerfälle zur Nachtzeit dargeboten haben ! Wir befanden uns noch im Valle del Bove als die Nacht anbrach und es bald so finster wurde , dass wir uns auf dem schlechten Wege nur mit grÖsster Anstrengung forthelfen konnten. Endlich gelangten wir zu einem einzeln stehenden Bauernhause, wo man uns eine Laterne gab. Es war schon nahe an Mitternacht, als wir ohne Schuhe, mit zerrissenen Kleidern und in der Wirklichkeit zum Umfallen n)üde, Zaffa- raiia erreichten und in einem Trivathause die trefflichste Auf- nahme fanden. ♦299 Bei abscheuliclieni Regenwetter ritten wir am 5. No- vember über Nicolosi nacli Cutania zurück. Der Aetiia, ein kolossaler Vulkan, gegen den der Vesuv nur als ein ganz kleiner Zwerg erscheint, erfordert zur Auf- fassung seiner so höchst interessanten Details ein Jahre lan- ges Studium. Waltershausen hat sich dieser Aufgabe mit glänzendem Erfolge unterzogen * und ich schwelgte so zu sagen während den Tagen unseres Beisammenseyns in der Fülle seiner Erfahrungen. Von Catania bis Nicolosi wandert man theils über Lava- ströme, theils über schwarzen Lavasand, welchen die Monti rossi ausgeworfen haben. Der Centralstock des Vulkans, der eigentliche Aetna, ist von nahe an 200 kleineren Vulkanen umgeben. Es sind Eruptionskegel , meistens mit eigenen Krateren, welche ihr Daseyn rein nur lokalen Seitenausbrü- chen des Hauptvnlkans verdanken, welche ihre Lavaströme weit über die fruchtbare Ebene hin, zum Theile bis aus Meer aussendeten und in ihrer Gesammtheit ein ganzes System kleinerer Vulkane um den grossen herum darstellen, aus welchem Systeme bei näherer ßeschauung das Prinzip der Spaltenwirkung (Reihenvulkane) ganz unverkennbar hervor- tritt. Interessant ist es, dass jeder dieser jungen Aetnas nur eine einzige, historisch nachweisbare Eruption zählt, nämlich die, der er sein Daseyn verdankt. Spätere Ausbrüche eines solchen Eruptionskegels sind bei keinem derselben bekannt, wohl aber erfolgten solche, neue Kegel bildend, in der unmit- telbaren Nähe der altern. Unter die merkwürdigsten und höchsten (2011 P. Fuss) dieser peripherischen Eruptionskegei des alten Aetna gehören die Monti rossi bei Nicolosi. Nörd- lich von dem Monti rossi, an deren Fusse, bildeten sich bei dem Ausbruche lü69, dessen Lavaströme Catania erreichten und bis zum Meere vordrangen, vier kleinere Auswurfskegel, von denen einer in seinem Krater den Zugang zu der höchst inter- essanten grotta delle colombe enthält. Es ist diess ein Kanal, * Als Resultat seiner Forscliung^cn sind bisher erschienen: Der Atlas vom Aetna. Herausgegeben mit ßeihülfe der Herren Saverio Cavali.ari. C. f. Puters und C. Roos. 1. — 3. Lieferung, Roy.-Fül. Göttingen. 300 der steil nach abwärts, bald weit und hoch, bald enge, bald senkrecht mit treppenartigen hohen Absätzen, tief unter die Basis der Monti rossi führt und sich endlich so verengt, dass man nicht weiter vordringen kann. Zweifelsohne stieg durch diesen Kanal, von dem Waltersha' sen eine genaue Zeicliiiung verfertigte, die Lava empor, und seinen Vorsatz . vor Ort zur weitern Verfolgung des Kanals arbeiten zu lassen, kann die Wissenschaft, wenn er ihn zur Ausführung brachte, gewiss nur dankbar anerkennen. Dicht hinter Nicolosi beginnen die Seitenkegel des Aetna in vermehrter Anzahl aufzutreten und man wandert nun bis zum Hauptkrater über neue La/aströme von riesenhafter Masse und über Ablagerungen vulkanischer Tuffe Die Lava des Aetna lässt sich, geognostisch betrachtet *, in zwei Hauptklassen theilen- in die alte Lava, das sogenannte Grundgestein des Aetna und in neue Lava, jene, wie sie der Vulkan noch heutzutage liefert. Erstere , die alte Lava nämlich, aus einer Periode der vulkanischen Wirksamkeit abstammend, deren Ende weit über alle historischen Daten zurück hinausfällt, besteht aus einer Grundmasse von Labra- dorfeldspath mit Krystallen von Augit, Olivin, Zeolit, gemeinem Feldspath und, doch selten, gl.xsigem Feldspath u. s. w. Bei dem vorlierrschenden Vorkommen des Augites könnte mau dieses alte Aetnagestein: augitischen Labradorfels, Pyroxenit u. s. w. nennen, ich ziehe jedoch die Lokalisation vor und nenne es der Kürze wegen, d. h. nur im Nachstehenden, schlechtweg das Grundgestein des Aetna. Dieses Grundgestein zeigt im Ganzen in seinen Formen wenig Abänderungen, nur neigt es sich hie und da zu Uebergängen in Diorit und Basalt, ohne dass ich mich jedoch erinnere, wirklichen Basalt oder Diorit am Aetna gesehen zu haben. Die zweite Lavabildung, d i e * Vom gcrgnostischen Siandpuükle fus 8??:f sehen sir.d tiämlich euch Besaite, n neue T ac! yte und deigleic!un vulkmiKcbe Gesteine, weif;! d •• Ch »raktev einstige.' Ge^chmolzensr-y »s unvei.-ennbar ^n t.ick Ir en u i\ in die A;l iri''-.';; lu'''rf(;n', Verhältr'i-se w h'/iiv h > e;j las^t-nj gleich di'ue:) , di ; w r an öer Litva d.r heui«^ t! ätige.j Vulkane ,seh? i, h-' hu c-ndercs als Laven, aber solt'.e e;,:.r 'än^ t e-'oscheneu vulka- ui.sc ;eu )/S i ksamkeit. 301 neue Lava, ist das neuerdings geschmolzene Grundgestein, das Kesnltat der jezt noch thätigen vulkanischen Wirksamkeit. In der neuen Lava ist das Gemenge der Aggregatthelle, be- dingt durch die erneuerte Umschmelzung, ein viel innigeres, doch trägt auch sie häufig ein porphyrartiges Ansehen an sich, Avelches sich besonders an der in Verwitterung begriffenen Gesteinsoberfläche wahrnehmen lässt. Die oberste Lage der neuen Lava bildet eine schwammige, ganz poröse, äusserst scharf anzufühlende Masse, das Resultat de* schaumigen Aus- sfosses der geschmolzenen Masse und der fortdauernden Ein- wirkung der Atmosphäre. Das sogenannte Grundgestein des Aetna, der augi- tische Labradoifels, ist aus der Umwandlung älterer Felsge- bilde auf ulkanischem Wege damals hervorgegangen, als der Herd des Vulkans noch in unmittelbarer Pserührung mit diesen tiefsten Ablagerungen, dem eigentlichen Grundgesteine, stand und ich glaube als solches die Schiefer- und Grauwacken- Gesteine mit ihren untergeordneten Kalklagern ansehen zu dürfen, welche wir am Nordrande des Aetnastockes, bei Taor- mina, in mächtiger Entwicklung zu Tage gehen sehen. Dass sowohl die alte La\a als auch die neue Kaiktheile enthalten, dürfte dadurch als erwiesen betrachtet werden können, weil in dem durch Hitze und schwefeligsaure Dämpfe solfarenartig zersezten Gesteine am Rande des Hauptkraters (alte und neue Lava) Gyps in grosser Menge sich findet. Mit Granit, Trachyt und ähnlichen Ablagerungen krystallinischer Gesteine scheint der Herd des Aetna nie in Verbindung gewesen zu seyn, denn unter seinen Auswürflingen vermisst man diese Felsarten ganz, während sie sich unter jenen des Vesuvs z. B. sehr oft finden. Wenn man von derCasa inglese zu dem nur wenig höher liegenden Tone del filosofo hinangeht und von da sich in den obersten Theil des Valle del ßove wendet, wobei man den grossen, in der Mähe seines Ursprunges noch heissen und dampfenden Lavastrom von 1838, sowie noch mehrere andere kolossale Lavaströnie, worunter auch die vorne erwähnten sind, welche sich über hohe Felswände in das Thal nieder- stürzten, passirt und zugleich Gelegenheit hat mehrere aus- nehmend schön und regelmäsig geformte Kratere von Seiten- 302 aushriiclien zu beobachten, deren einige, wie z. ß. jener am Torre del filosofo, durch Lavaströme von oben wieder ausge- füllt wurden, so werden einem zwei wichtige Fakta klar : 1) nämlich, dass alle Seitenausbrüche des Aetna als vulkanische Spaltenwirkung zu betrachten sind und 2) dass die von Wal- TKRSHAüSEN ausgesprochene Ansicht über die älteren Formen des Hauptkraters und deren ümstaltungen sich auf vollstän- dig genaue Anschauung gründet. Den sprechendsten Beweis für ersteres gibt, ausser der üeberblick über alle Seitenausbrüche des Aetna auf der Karte, die Erscheinung, dass die Ansvvurfskegel einer und derselben Eruption sich stets in einer gewissen Richtung aneinander- reihen, wie man besonders schön an den Kegeln des Ausbru- ches von ISll sieht. Entweder treten die Eruptionen auf bereits vorhandenen Spalten ein oder die Bildung einer solchen neuen Spalte und die des Ausbruches aus ihr fallen in ein Stadium zusammen. Was die Formenveränderungen am Hauptkrater des Aetna anbelangt, so erlaube ich mirWALTERSHAUSENS Idee durch fol- gende Skizze anzudeuten : A bezeichnet das Centrale des ganzen vulkanischen Aetna- stockes, a den heutigen Krater mit seinen beiden Randgipfeln. b ist der ältere Krater, dessen Rand mau bei der Casa inglese 303 zum Tlieile noch ganz deutlich fiusnimnit und welcher wie ein Wall um den grossen Eiuptionskegel, den heutigen Aehia- gipfel, sich herumzieht, der eben in diesem älteren Krater emporgestiegen ist und den heutigen Krater auf seiner Spitze trägt. (Die ganz ausgezogenen Linien bezeichnen den stehen- gebliebenen Tlieil des Kraterrandes, die punktirten den ein- gestürzten desselben, die Ringelchen o stellen die einzelnen kleineren Ernptionskegel und Gipfel vor, z. B. d den schönen Monte Simone) c ist der älteste unter den noch kennbaren Hanptkrateren des Aetna. Er ist ebenfalls elliptisch geformt, sein Rand ist theils stehen geblieben, theils, und zwar beson- ders bei B am obersten Ende des Valle del Bove C, ganz eingestürzt. Das Gestein des Kraterrandes c gehört nicht mehr der neuen Lava, sondern schon dem Grnndgesteine, dem augitischen Labradorfels an. Zu dem noch heut zu Tage erhaltenen Rande dieses ältesten Kraters gehören die soge- nannten Concazze bei f und die Felsparthien e oberhalb Gia- nicola. An beiden Lokalitäten bildet das Grundgestein, das weiter unten im Valle del Bove mit vulkanischen Tufl'en wech- sellagert, senkrecht abfallende Felswände. Die ganze ältere Felsbildung ist hier ausgezeichnet geschichtet und obwohl das ursprüngliche System der Aufeinanderfolge dieser Schichten mannigfaltige Störungen erlitten hat, die Gesteinslagen gebo- gen, gebrochen und zertrümmert wurden , so ist demungeach- tet das wichtige Gesetz hierin nicht zu verkennen, dass alle Schichten sich gegen das Thal unter Winkeln von 30'^ bis 35° aufstellen und in der Richtung der eingezeichneten Pfeile ver- flachen, somit einen Beleg abgeben, der an der Emporhebung dieser Massen nicht wohl zweifeln lässt. Wahrscheinlich ist es, dass die Emporhebung dieser Massen mit dem Einstürze des alten Krateirandes bei B zeitlich zusammen fiel, dieses Faktum vielleicht sogar bedingte und hiebei auch der oberste Theil des Valle del Bove wieder ausgefüllt wurde. Die vielen Gänge an den Felswänden der Concazze und oberhalb Giani- cola können diese Ansicht nur bestätigen, denn ihre Strei- chungsrichtungen convergiren zu ein und demselben Centrum, nämlich zum Mittelpunkte des Aetnastockes , von dem der Impuls ausging. Das Valle del Bove selbst kann durchaus 304 nicht als ein alter Krater für sich betrachtet werden. Es ist ein durch lokale Erhebungen und Senkungen, durch partielle Eruptionen u:,d Einstürtze . durch Auswaschung der Regen- strönie und durch viele andere Einflüsse entstandenes Thal, das als eine wahre Schule für vulkanische Erscheinungen aller Art betrachtet werden niuss. Steigt mau vcm Torre däl Filosofo über die Lavaströme hinab zu den Felsen von (liannicola, so sieht man an mehreren Steile:! das Grundgesteir zu Tage gehe». Theils bildet das- selbe kammait:g in das Thal sich hinabzicheii^d< Rückei , hoch über die Ströme der n' neu Lava emporragen!, die dieselbe von allen Seiten umCoss. Diesi Rücken , gleich Gangansge- henden, sind o .cnbar nur Reste des ältesten, am obersten Ende des Valle del Bove eing\;stürzten Kraterrandes. Theils bil- det das Grundgestein, das hier sehr homogen, basaltähnlich, mit viel Olivin und Augit gemengt auftritt, grosse geschich- tete Massen mit konzentrischschaliger Absonderung, ange- messen dem Akte des Erstarrens einer grossen feueifl ssigen Masse. Das Grundgestein ist von zahllosen Gängen durch- schnitten. Von den Felsen oberhalb Giannicola uns zu der Concazze hinüber wendend, und so das Valle del Bove an seiiiem ober- sten Ende bei B quer durchschneidend , bestiegen wir zuerst den Monte Simone. Einer der vielen Seitenkegel des Aetna ist derselbe bei der Eruption im Jahre ISll entstanden und noch nicht erloschen , deim heisse schweflige bämpfe entstei- gen fortan seinem scharfen Kraterrande. Denken wir uns den M. Simone mitten durch seinen Krater durchschnitten, so ergibt sich folgendes Bild : 305 a bezeichnet uns die zunächst lieg^ende Felswand derConcazze, bestehend aus dem geschichteten Grundgesteine , wechsella- geind mit vulkanischen Tuffen, b vulkanisches Gerolle und Trümmergestein, c derM. Simone; Lava, bedeckt mit Asche, d der Krater, e die Lava der Eruption, verändert und aufge- löst durch heisse schwefligsaure Dämpfe. Auf dem Gipfel des Simone am Krater fand ich die Asche zu Tuff zusammen- gebacken. Die Lapilli , welche mit der Asche vorkommen, sind buntfarbig, mit starkem Schwefelanflug. Die äussere Neigung der Gehänge beträgt, wie an den meisten Seitenke- geln des Aetna, 24<' bis 26«. Die Felsmasse der Concazze , augitischer Labradorfels, wechsellagernd mit vulkanischen Tuffen, ist ausgezeichnet ge- schichtet und wird von einer Menge Gänge durchsezt, welche ebenfalls das Grundgestein zur Ausfiillung haben , jedoch mit dioritischen und phonolitischen Abänderungen. Die Ausge- henden dieser Gänge bilden häufig scharfgeformte, hervor- stehende Kämme, welche sich an der ganzen Felswand hinauf verfolgen lassen und ein sehr verschiedenes Verflachen zeigen, im Streichen jedoch (aus 4 h. in 16 h.) zum Centrale des Aetna convergiren. Das Fallen dieser Gänge ist durchgeiiends sehr steil und viele stehen senkrecht, während die Schichten der Hauptfelsmasse der Concazze, zunächst am M. Simone , in 8 Russegger, Reisen. IV. Band. 20 300 Ii. streichen und g"egen ONO. unter ungefähr :10° verflachen. Solclier Gänge folgt eine grosse Anzahl parallel nach einan- der. Sie treten in Mächtigkeiten von 24 bis 2 Fuss auf, ver- ursachten viele kleine Verwerfungen der Gesteinsschichten, veränderten aber das Nebengestein seiner innern Beschaffen- heit nach nicht. Weiter aussen im Valle del Bove wird der Wechsel des Tuffes mit dem Grundgesteine des Aetna noch viel ausgezeich- neter, auch tritt jener stellenweise selbstständig in grosser Mächtigkeit auf. Dieser Tuff, mit Bezug auf den lokalen Herd der vulkanischen Wirkung, erscheint hier keineswegs als ein sekundäres, regenerirtes Gebilde , aus den Trümmern vulkanischer Gesteine durch später folgende Vermittlung von Meer- oderSüsswasser hervorgegangen : er spricht sich offen- bar als eine primäre, vulkanische Bildung des alten Aetna aus, als das Resultat gewaltiger Wasserausbrüche , gleichzeitig mit Aschen- und Lapilliauswürfen, denen Lavaeruptionen vor- gingen und nachfolgten. Es ist der älteste vulkanische Tuff, den ich kennen lernte. Der Aetna ist so, wie er heute vor uns steht, nicht gleich Santorin fertig dem Meere entstiegen, er hat sich durch Erup- tionen vom Fusse auf selbst gezeugt und alle dieunbezweifel- baren Fakta von Emporhebungen, wenn auch in noch so grossem Maasstabe wie z. B. im Valle del Bove ausgesprochen, sind lokale, der Gesammterscheinung des reinen Eruptions- berj>es unteroeordnete Momente. Der Tuff im V. del Bove ist ockerig, thonig, von rostgel- ber Farbe und umschliesst eine grosse Menge der schönsten Angitkrystalle. Zusammen mit diesen Tuffen und unter den- selben geognostischeu Verhältnissen tritt auch ein eigenthüm- liches vulkanisches Trümmergestein auf, bestehend aus Lava- trümmern durch Tuffmasse verbunden. Im untern Theile des au den wunderbarsten Felsformen überaus reichen Thaies erscheinen die Gänge mächtiger, ihre Ausfüllung, besonders jene der senkrecht stehenden, zeigt sicli stratenartig abgesondert; sie durchsetzen gleichförmig sowohl das Grundgestein , als die Tuffe und die soeben er- wähnten Trümmergesteine. Trachytische Abänderungen des 307 aiig;itisclieii Labradoifels sah ich nur an den untersten Theilen des Aetnagehänges *. A m 6. No vem b er. Die Regenzeit, der sizilische Win- ter, rückte rasch heran und ich musste auf baldigste Fort- setzung- meiner Reise denken. Unter der Führung Walters- UAUSENS durcliging ich nun schnell alle Sammlungen von Bedeutung, die sich in Catania finden und unter denen ich die des Benediktineipriors la Via, ein sehr aufgeklärter Priester, voranstelle. Reich an den schönsten Schwefel-, Analzim-, Coelestin- etc. Krystallen enthält sie auch in Bezug auf vul- kanische Umwandlung der Gesteine schätzbare Belege, z. B. ganz ausgezeichnet die Umwandlung desKalkspathes inGyps durch schwefelsaure Dämpfe. Bemerkenswerth sind ferner die schöne Konchyliensammlung des Dr. Aradas und der bo- tanische Garten der Benediktinerabtei unter der geschickten Hand des Padre Francesco Tornabene. Am S. November besuchte ich mit Waltershausen die Cyklopeneilande bei Aci Reale. Die Umgebung von Catania bilden tertiäre Ablagerungen und darüber hin sich ergossene Lavaströme des Aetna und * Ausser den im Verlaufe des so eben Gesagten angegebenen Meereshöhen verschiedener Punkte am Aetna theiltc mir Waltershausen auch noch folgende barometrisch und mit grosser Sorgfalt bestimmte Höhen mit, als : die Montagnuola 8261 Paris. Fuss Monte Zoccolaro. Gipfel. — Auf der Südseite des Valle del Bove 5391 „ „ Fuss des M. Zoccolaro .... 4438 „ „ Monte Illice 2728 „ „ Zaffarana. Dorf 1724 „ „ Catania. Observatorium meines Freundes 61 » >» Mit Bezug auf die Geognosie des Aetna sehe man : Carlo Gemmellaro, sulla Valle di Bove. 1835. Elie de Beacmont, über die Struktur und den Ursprung des Aetna in den Memoires pour servir ä unc description geologique de la France. Toni. IV. Paris 1838. Cenno suU attuale eruzione dell' Aetna. Dal. C. Gemmellaro. Catania 1838. C. Gemmellaro, sul terrcno di Carcaci e di Troina (West- und Süd- westseife des Aetna). Catania 1838. 20 * 308 seiner Seitenkegel. An den schönsten gegenseitigen Bezie- liungen beidei' Felsbilduugen , besonders des tertiären plasti- schen Thous mit Versteinerungen , der hie und da inseiartig aus der Lavadecke hervorragt, mangelt es daher nicht. Das ähnliche Verhalten sehen wir, wenn wir die Küste von Catania nordwärts gegen Aci Reale verfolgen. Auch hier haben wir Thon und thonige Älergel der Tertiärzeit und darüber hin die neue Lava des Aetna. Am Kap Mulini, südlich von AciReale, erscheint auf einmal Basalt als die Unterlage der tertiären Bildungen und nahe der Küste erstreckt sich eine Reihe von vier Basaltinseln, die Cyklopen, aus Ost in West, steile, kühn gebaute, schwarze Felsklippen, deren höchste zu 150 Fuss über den Meeresspiegel ansteigen dürfte. Bei zweien dieser Inseln bemerkt man, dass nur der untere Theil derselben, der Fuss der Klippe aus Basalt besteht, der obere Theil hingegen, eine haubenförmige Auflagerung bildend , den tertitiären Ab- lagerungen der Küste angehört. Die beideiseitige Korre- spondenz der tertiären Straten auf der Küste mit jenen auf den erwähnten Basaltklippen spricht sich klar aus, nur liegen leztere in einem durchschnittlich 100 Fuss höheren Niveau. Ein klareres Beispiel einer Emporhebung lässt sich wohl kaum denken und dass diese tertiären Hauben der Cyklopen mit dem Basalte emporgestiegen sind ist um so weniger zu bezweifeln, als von der Basaltmasse aus sich eine Menge Basaltgänge in den thonigen Mergel hineinziehen, somit der Basalt selbst da- hin eindrang und die Klüfte wieder ausfüllte, welche während des Aktes der Eniporhebung in den darauf ruhenden tertiären Straten entstanden sind. Der Basalt erhob sich hier aus einer grossen , aus Ost in West gerichteten Spalte und zwar in ver- schiedenen , getrennten Parthien , w eiche sich auf der Küste verfolgen und deutlich nachweisen lassen. Die Basaltgänge, welche von der Hauptmasse des Basaltes aus in die tertiären Straten eingedrungen sind, haben eine nur geringe Mächtig- keit, verzweigen sich in mancherlei Richtung, fallen aber fast alle in N. , wie es dem Spaltenbruche der tertiären Schichten gemäss nicht anders erfolgen konnte. Der Basalt, welcher an der Küste und auf einer der Inseln eine ausgezeichnete prismati.sche Absonderung wahrnehmen lässt und namentlich 309 bei Ace Reale eine desslialb sehr sehenswertlie Grotte enthält, führt in seinem Gemenge sehr klare Änalzime, ]Ne|)heIine und Hornblende. Die Anaizime sind, kleine Haarklüftchen aus- füllend, auch in den auf dem Basalte liegenden Mergel einge- drungen, was nicht minder mit der Hornblende geschah, nur tritt leztere im Mergel als Asbest auf. Am 9. Novem be r früh des Morgens verliess ich Gata- nia und Avendete mich gegen Syrakns. VValtershausen hatte die Güte mir seinen Führer Matheo zu überlassen , ein treff- licher Mensch, voll Aufmerksamkeit, Muth und guten Willen. Er stellte mir zur ganzen Reise bis Palermo zwei Maulthiere um den billigen Preis von 7 Karolin pr. Reisetag, 5 Karolin pr. Rasttag und 24 Karolin für die Heimreise von Palermo nach Catania. Matheo war zugleich, da er nebst dem mir unverständlichen sizilianischen Idiom recht g;ut italiänisch spricht, mein Dollmetscher, dann Kammerdiener, Koch, kurz mein fac totum und betrog- er mich auch wie üblich, sog;eschah diess doch regelmässig;, systematisch und in einem sehr be- scheidenen Maasstabe, daher stets zur beiderseitigen Zu- friedenheit. Wir ritten entlang der Küste über die fruchtbare Ebene von Catania, anfänglich zwischen Baumwollenpflanzungen mit Aloen- und Caktusheckeu (Agave americana und Cactus ficus indica) , dann über Waideland. Die amerikanische Agave gedeiht im warmen Sizilien so schön wie in ihrem eigentlichen Vaterlande und gewinnt eine mächtige Grösse. Häufig stösst man auf Exemplare, deren Blätter über 6 Fuss Länge messen, deren Kandelaber-artige Blüthenstengel bis zu 20 Fuss Höhe und darüber emporragen und Stämme von 1 Fuss Durchmesser bilden. Bei Agosta (Augusta), das, auf einer Insel liegend, uns zur Linken blieb, waren die Leute gerade mit der Oliven- ernte beschäftigt. Wir hatten nun den Tbonboden der cata- nischen Ebene hinter uns und bereits das weit ausgedehnte Terrain des Kreidekalkes und des tertiären Kalksteins von Syrakus betreten. Bei Priolo an der Halbinsel Magnisi, wo dieser Kalkstein an der Küste neuerdings von mächtigen Thon- ablagerungen bedeckt wird, hat man dieselben benüzt, um eine sehr umfangreiche Meerwassersalinc zu etabliren. Die Ein- 310 rlchtung ist ganz gleich Jener auf der Insel Milos *, nur fand ich die Manipulation hier weniger vollkommen. Noch bevor wir Priolo erreichten hatten wir die Stadt Mililli zur Rechten liegen gelassen. Die Gegend wurde nun einsamer , der Aetna glänzte in den lezten Strahlen der Abendsonne und warf seinen Riesen- schatten weit hinaus ins Meer. Schweigen umgab uns und schweigend zogen wir rascher unseres Weges, denn die Nacht %var nicht mehr ferne. Stellenweise auf alter, in Felsen aus- gehauener Strasse wandernd sahen wir uns bald vou Felsen- gräbern und Steinbrüchen umgeben und als es vollends dunkel wurde erreichten wir das nun so kleine und doch einst so grosse Syrakus, wo ich in dem iiberraschend schönen Gasthofe ein sehr freundliches Unterkommen fand. Am 10. November. Von der Landseite ist Syrakus stark befestigt und durch die Festungsgräben, welche das 3Ieer ausfüllt, zur Insel gemacht. Die Stadt selbst ist übrigens elend ; ungeachtet eines der schönsten Häfen des Mittelmeers liegt der Handel ganz darnieder; seit der lezten Revolution hat die Regierung der Stadt alle Hülfsmittel entzogen und einen wirklich traurigen Eindruck machte es auf mich, als man mich mehrseitig versicherte, dass nun in Zukunft der von Ne- apel nach Malta gehende Vapore hier anhalten werde, wovon man der Fremden wegen den grössten Nutzen erwarte. Diese Hoffnungen auf ein einziges Schilt in einer Stadt gebaut, welche einst anderthalb Millionen Einwohner gezählt haben soll und deren Bürger wohl hunderte von Schiffen gleichgül- tig aus - und einlaufen sahen , welch' ein Wechsel des Schicksals ! Der herrliche Morgen führte mich augenblicklich an's Fenster. Welch ein unbeschreiblicher Anblick ! Vor mir der schöne Hafen, wie ein Landsee, und darüber hin der rauchende, schneebedeckte Aetna mit seiner in Fruchtbarkeit schwelgen- den Umgebung. Nie in meinem Leben wäre es mir beigefal- len violette, rothe, azurblaue Berge zu malen, und doch sah ich solche jezt vor mir in den herrlichsten Farbentönen und * Vonie S. 228. 311 vuii ätherischem Lichte umtlosseii , dazu das sanft bewegte Meer, eine Reihe historischer Kriniieriingeii — und es ward mir fast uiimöolich mich von diesem Zaiiberhildc zu trennen. Das wäre so ein Plätzchen, um sich aus dem Drange des Le- bens zurückzuziehen! Je mehr ich den Aetna und seine Umgebung betrachtete, desto klarer ward es mir, dass dieser Vulkan einst als Insel in einer grossen Meeresbucht gestanden habe. Von Meeres- gebilden der jiingsten Tertiär- und der Diluvialzeit rings um- geben, welche diese Bucht nach und nach ausfüllten, die altern vulkanischen Felsbildungen bedeckten und von den neuesten der leztern zum Theil wieder bedeckt wurden, kann diese meine Ansicht wohl kaum einem Zweifel unterliegen. Bei Agosta und Syrakus springt der Kreidekalk , der zusammen mit alten vulkanischen Gesteinen basaltischer Natur die Berge des Innern bildet, bis an's 31eer vor und wird daselbst von ei- nem tertiären, dem Grobkalke des Mokattam in Egypten sehr ähnlichen, in einzelnen Bänken sehr uummuiitenreichen Kalk- steine* bedeckt. Die niederen Berge um Syrakus charakteri- siren sich durch ihre schöne Teirassenform. Professor Maravigna zu Catania gab mir an einen gewis- sen Cavaliere, dessen Namen mir glücklicherweise nicht mehr beifällt, ein Empfehlungsschreiben , damit mich derselbe bei Besichtigung der Denkwürdigkeiten von Syrakus mit seiner auserlesenen Gelehrsamkeit unterstütze. Um mir jedoch so- gleich einen Beweis zu geben, dass Gelehrsamkeit und Bil- dung nicht immer auf ein und demselben Stamme wachsen, sandte mir der Cavaliere den Brief zurück mit dem Bedeuten: er habe heute keine Zeit. Unter diesen umständen hielt ich mich daher an den braven Lohndiener des Gasthauses, Pietro Rossi, der unter andern schätzbaren Eigenschaften auch recht gut englisch und französisch spricht. Wir wanderten zuerst zu dem prachtvollen Amphitheater **, besahen dann das soge- nannte Ohr des Dionysius, eine theils natürliche, theils künst- *" C. Prevost, über das Nummiilitengebirge auf Sizilien. Bull. geolog. 1845, B. IT. Leonhard's Jalirbuch 1845, p. 239 etc. ** Reperlorio di antichi monunienti siracusani etc. Da Vincekzu PoLiTi. Giigenfi 1835. 312 lieh erweiterte Höhle ; die grossen Steinbrüclie, aus denen das alte Syrakus hervorgegangen ist , das Theater und die Kata- komben bei der uralten Kirche di S. Giovanni. Um mir einen klaren Begriff des hohen Alterthums der leztern zu geben versicherte mich der Mönch, Avelcher uns herum führte, dass diese christliche Kirche nun als solche bereits 1839 Jahre zähle und als ich beisezte, der Bau dürfte somit gerade am Geburtstage Christi vollendet worden seyn, freute sich der gute Mann ob meiner glücklichen Auffassungsgabe. — Vom Grabmale des Archimedes kehrten wir in die Stadt zurück, besuchten die Kathedrale , das kleine Museum mit einer sehr schönen antiken Venus, leider ohneKopf, und schlössen sodann unsere Wallfahrt an der öuelle Arethusa. Gegen Abend verliess ich Syrakus und ritt über die sehr kultivirte Ebene bis nach Avola (Auola). Nachdem ich in dem garstigen Gasthause von acht sizilianischem Typus, wel- chem nach der Reisende nichts erhält als Tisch, Stuhl und Bett, lezteres jedoch so ekelhaft schmutzig, dass man keinen Gebrauch davon machen kann , abgestiegen und mein Matheo ausgegangen war, um sich um einige Lebensmittel und Wein für uns umzusehen, rief mich der Wirth , der mich für einen Arzt hielt, zu einer kranken Frau, welche kurz vor mir ankam und seiner Angabe nach sogleicli sterben werde. Ich eilte auf ihre Stube mit dem Vorsatze , mein ärztliches Wissen nö- thigenfalls durch ein thatloses Schweigen in Ansehen und mein Gewissen in Ruhe zu erhalten; als ich aber eine durch die Mühen der Reise aufs Aeusserste erschöpfte schwangere Frau fand, verordnete ich ganz kühn derLeidenden die streng- ste Ruhe und eine warme kräftige Suppe , für welche mein Matheo Sorge trug. Schon hatte sich eine Masse Volks un- ter Vortritt des Ortspfarrers versammelt. Man sang bei bren- nenden Kerzen der armen Seele , deren Reisepass man schon für ausgefertigt ansah, ein rührendes Adieu, war aber übri- gens auf ein freundHches Wort von mir so human, sich zu entfernen, was in diesem Winkel von Europa hoch angerech- net werden kann. — Dass ich einen glänzejiden ärztliclien Triunipf feierte will ich nicht so unbescheiden seyn weiters zu erwähnen. 313 Am 11. November. Bald hatte» wir am Morgen Noto erreicht, eine auf einem Berge liegende bedeutende Stadt von ungefähr 12000 Einwohnern, mit schönen Häusern und Kirchen, einem Tribunale und mehreren öflfentlichen Anstalten. Modica, unter den bedeutendem Städten Siziliens die si'idlichst liegende und nicht minder stattlichen Ansehens als Noto , liessen wir links unserer Route liegen und wendeten uns, des kürzern Weges nach Terranuova halber, nördlich in die Gebirge. Mit den Bergen hört die Bodenkultur auf. Un- fruchtbarkeit und Armuth umgaben uns von allen Seiten, be- sonders aber zeichnet sich hierin unsere Nachtstation, das schmutzige Dorf Giarratana aus, welches wir einiger in Syra- kus entsprungener Räuber wegen mit Gensd'armevie besezt fanden. Zwischen Noto und Modica und von da bis Giarratana wer- den die Ablagerungen der Kreide ganz von jenen der Tertiär- zeit bedeckt und selbst an den wenigen Punkten, wo Kreide- kalk zu Tage geht, tragen die obersten Schichten desselben einen mergeligen, zweifelhaften Charakter an sich und sind horizontal abgelagert. Bei Giarratana nähert man sich den alten , erloschenen Vulkanen des Innern und das Flussbett füllt sich mit Geschieben von Basalt und basaltischen Laven*. Am 12. November. Beim schlechtesten Wetter und im wilden Sturmgeheule , die unerfreulichen Anzeichen der bereits angebrochenen Regenzeit, überschritten wir das aus Kreidekalk bestehende kahle Gebirge zwischen Giarratana und Chiaramonte. liessen diesen Ort links auf einem hohen Berge liegen und senkten uns wieder zur Küstenebene hinab. Bei Biscari ist das aus einem fetten Thonboden mit Muschel- bänken bestehende Land schön bebaut, Agave und Cactusse geben ihm wieder den eigenthümlich tropischen Anstrich ; nä- her der Küste jedoch wird das Terrain sandig, hügelig und am Meere ziehen sich hohe Dünen hin , an welchen die Brandung der sturmgepeitschten Wogen tobt. Am Abend erreichten wir Terranuova, ein lebhaftes Städtchen. In der Nacht wuchs der Sturm zum förmlichen Orkan. * Carlo GEMiMELLAHO, sopra i vulcani csfinli dcl Val di Noto. Cata- iiia 1S35. f 314 Am 13. N ovember sezten wir unsern Weg; der Küste nach fort. Noch Immer stürmte es gewaltig , dieMeereswogeii schlugeil hoch über die Dünen auf und warfen mehrere Ballen Baumwolle vor nnsern Füssen ans Land. Leztere gehörten einem unglücklichen französischen Kauffahrer an, der entweder im Sturme der lezten Nacht auf offener See zu Grunde ging, indem nirgends ein Wrack oder die Trümmer eines Schiffes zu sehen waren, oder der diese Ballen, um sich zu erleichtern, über Bord geworfen hat. Von den Sanddünen, welche die Küste bilden, landeinwärts scheint der Boden sehr fruchtbar zu seyn, demnngeachtet aber ist das Land sehr wenig bebaut. Butera , der Stammsitz der gleichnamigen Fürsten, lag uns zur Rechten auf dem Gebirge und vor uns auf dem Felsen- vorsprunge eines kleinen Vorgebirges Falkonara, ein Gut der Fürsten von Butera. Um lezteres möglichst bald zu erreichen, da gerade ein neuer Regensturm sicherhob, sezten wir unsere Maiilthiere in schnellsten Galopp. Das nächste Oekonomie- gebäude bot uns Schutz und mir noch mehr, denn kaum war ich abgestiegen, so trat ein Mami ein, in welchem ich nach wenigen Worten den Bruder des damaligen Fürsten v. Butera, den englischen Älajor Wilding aus Hannover kennen lernte. An die Fortsetzung der Reise war natürlich für den Augen- blick nicht zu denken, denn Wilding nahm mich so freundlich auf und der Umgang mit ihm, der mit vielseitiger Bildung die genaueste Landeskenntniss verbindet, war für mich so anzie- hend, dass Ich auch den folgenden Tag hier blieb. Noch am Abende durchsehe ärmten wir auf vortrefflichen englischen Pferden die nächste Umgebung , besichtigten Oekonomlege- bäude, Gärten, Schwefelquellen etc. und sahen endlich von den Fenstern aus den Wasserhosen zu , die gerade heute in bedeutender Anzahl draussen auf dem Meere ihr zauberhaftes Spiel trieben, für mich als Reisenden kein freundliches Vor- zeichen auf günstige Witterung. Früh des Morgens am 14. November, bei abscheulichem Regenwetter, ritt ich mit Wilding zuerst nach dem Gestüte des Fürsten, wo wir unsere für den bevorstehenden Weg zu zarten Tliiere gegen stärkere umtauschten und arbeiteten uns min durch bo- denlosen Koth über fruchtbares , doch zum grössten Theile 315 unbebaut liegendes Land zur Solfare * bei Galati , zwischen Mazzarino und Castro Giovanni , 25 Miglien von Falkonara entfernt. Abgerechnet die Sanddünen der Küste zwischen Terrannova und Licata, welche sich übrig^ens bei ersterem Orte und entlang- dem gleichnamigen Flusse weit ins Land hineinerstrecken, besteht dieser ganze Strich und somit auch die Umgebung von Falkonara aus tertiären Felsgebilden: Thon, Mergel, Gyps , Muschelbreccie und Kalkstein, welche dem Kreidekalke aufgelagert sind, weiter im Innern in massenhaf- ter Entwicklung auftreten und mächtige Lagerstätten von Steinsalz und Schwefel beherbergen. Die Kreideformation, repräsentirt durch Kalkstein, Mergel, Thon- und Mergelschie- fer, wie in den Äppenninen Italiens "*, tritt häufig rückenartig aus den sie bedeckenden Tertiärgebilden hervor und durch- zieht leztere, hohe, scharf geformte Kämme, wie Gangausge- hende bildend, in mannigfaltigen Richtungen, zum Theil bis zur Küste sich erstreckend. Die Gesteinsschichten dieser Felskämme sind häufig ganz zertrümmert, anderwärts sieht man sie senkrecht stehen, gebogen, mannigfaltig gekrümmt; die Straten der aufgelagerten tertiären Felsgebilde jedoch, welche unter sich wechsellagern , fand ich stets gegen diese Kämme zu mehr oder weniger aufgestellt. — Wo Gyps und Mergel zusammen vorkommen und besonders dort, wo lezte- rer vorherrscht , finden sich auch meistens Lagerstätten von Steinsalz oder Schwefel, mitunter von ausserordentlicher Mächtigkeit. Der Gyps, selbst häufig mit Schwefel gemengt, wird überhaupt als leitendes Kennzeichen naher Schwefella- gerstätten betrachtet, von denen jedoch die reichsten stets nur im Mergel aufsetzen. Schwefel und Steinsalz zusam m en findet sich meines Wissens nirgends. Beide Mineralien, der Gyps sowohl als der Schwefel, scheinen mir ganz entschieden vulkanischen Ursprungs und zwar das Resultat von Solfaren in dem Sinne, nur in viel grösserem Maasstabe der Entwick- lung zu seyn, wie wir solche auf den griechischen Inseln des * Hier in der Bedculunp; : „Schwefelg^rube". ** HoFFMANN, über die sizilisclicn Kieidcmei^cl. Karsten, Aithiv. 1839, p. 377 etc. Leomiard, Jaliibuth 1846, p. 104 etc. 316 Archipelai^us kennen lernten. Die von CGemmellaro ausge- sprochene Ansicht *, dass der Schwefel das Resultat der Ver- vvesun£^ derMolIuskenthieresey, kann ich daher auch in keiner Richtung theiien. — Beinahe überall lässt derGyps eine aus- gezeichnet krystallinische Struktur wahrnehmen; seine Kry- stalle ordnen sich hie und da zu den schönsten Formen und an mehreren Stellen sah ich blumenartige Gruppirungen der- selben von ausnehmender Pracht. In den Thaleinsenkungen und Mulden zwischen den Ri'icken der Kreide brechen sehr häufig Quellen hervor, welche einen Beweis vom Andränge der Grundwasser liefern, der die Bohrung arthesischer Brunnen an der wasserarmen Kiisten- ebene als keineswegs erfolglos bezeichnet. Diese.'Quellen führen theils gewöhnliches süsses Wasser, theils sind sie Schwefelquellen mit starken Exhalationen von Schwefelwasserstoff verbunden. Man findet mehrfach Spuren, dass diese Quellen in alter Zeit zu Bädern benüzt wurden. Sie besitzen meistens die mittlere Temperatur der Atmosphäre und erscheinen daher um so wärmer, je niedriger die Tempe- ratur der Luft steht. In den Bergen zunächst Falkonara liess Wilding an eini- gen Punkten den hangenden Gyps durchbrechen , und mit Schürfstollen den darunter liegenden Mergel und Thon, deren Straten sich an die Felsrücken der Kreide anlehnen , unter- suchen. Man fand im Mergel Schwefel , jedoch in Nestern und Knollen zerstreut, keine zusammenhängende Lagerstätte. Da man hier offenbar nur die Schichtenköpfe der tertiären Ablagerungen gefasst hatte und ich Grund zu haben glaube zu vermuthen, dass alle diese Schvvefelablagernngen in grös- serer Tiefe der betreffenden Mulden sich reicher gesi alten, so rieth ich diese Untersuchungen lieber mit kleinen Scluirf- schächten und zwar mehr in der Einsenkung als mit Stollen am äussersten Rande der Mulde vorzunehmen. Die Solfare oder der Schwefelgrubenbau bei Galati ge- hört nur zum einen Theile dem Fürsten von Butera, den an- * C. Gemmellaro . Considcrazioni geoloftiche sullo Zolfo. Cataiiia. 1833. LEo^HAnD• .Talirbucli 1835, p. 1 etc. ;5i7 dem Theil besizt ein anderer Fürst und ihr gegenseitiges Be- sitztheilungsverliältniss ist ein ganz eigenthümliclies. Demeinen geliört z. ß. der Goppel, dem andern gehören die Maulthiere, welche denselben treiben, und da gerade am Tage meiner An- wesenheit der Eigenthümer der leztern dieselben verkauft hatte, so hätte die Maschine stille stehen mi'issen, wenn nicht zufällig der gemeinsch ältliche Werksmeister der Käufer ge- wesen wäre. Das ganze Terrain zwischen Falkonara und Galati ge- hört der bereits beschriebenen Formation an, nämlich den er- wähnten, der Kreide aufgelagerten Tertiärgebilden. Bei Ga- lati selbst erstreckt sich ein langer Hucken der Kreide, eine Reihe niederer Berge mit scharfen Felskämmen bildend, aus Ost in West und wird zu beiden Seiten von tertiären Ab- lagerungen bedeckt. Am westlichen Ende dieses Kreide- rückens finden sich im tertiären Mergel, der theilvveise Gyps zum Hangenden hat, mächtige Schwefellager und hier geht der Grubenbau um. Die Lager streichen aus N. in S. und fallen mit ungefähr 30*^ in W. Das Hauptlager führt den Schwefel in grossen Massen , theils rein , theils mit Mergel, Thon und Gyps gemengt , theils wechsellagert der Schwefel in zusammenhängenden Straten mit solchen eines harten, weis- sen Mergels. Die ganze Lagerstätte besizt eine Mächtigkeit von 12 bis 18 Fuss, ist also noch eine der minderen, da es auf Sizilien solche Schwefellager von einer Mächtigkeit bis zu 50 Fuss geben soll. Der Schwefel , theils gediegen , theils als Hydrat vorkommend , ist von grauer und gelber Farbe. Auf den Drusenräumen finden sich Krystalle von Kalkspath, Gyps und Coelestin. Krystallisirten Schwefel in ausgezeichneten Exemplaren sah ich jedoch hier nicht, sowie er sich überhaupt der Art an Orten nicht finden soll, wo er in grossen Massen auftritt. An einzelnen Gränzpunkten dieses Schwefellagers beob- achtet man Saalbänder von einer grauen , sehr fetten, glän- zenden Thonmasse, welche sich übrigens hie und da auch in der Lagermasse selbst vorfindet. Dem Streichen nach hat man bei Galati für die Zukunft wenig Hoffnung, da das Lager zu beiden Seiten des Hügelzuges zu Tage geht; der Teufe 318 nach aber scheint noch ein grosser Reichthum vorzuh'egen, in- dem der Schwefel in den tiefsten Punkten der Grube gediegen in einer Mächtigkeit von mehreren Fuss ansteht , auch dürf- ten mehrere solcher Lager untereinander liegen. Die Gewin- nung geschieht mittelst Pfeilerabbau, kenntnisslos und höchst unregelmässig, daher auch die Erze zu Tage getragen wer- den müssen. Es hat übrigens der Abbau daselbst viel Schwie- riges und kann nie ganz rein geschehen, indem man des sehr flüchtigen Hangenden halber stets eine Masse Schwefel an der Firste zurücklassen muss. Am besten wäre es mit einem seigern Hauptschachte durch die ganze Schwefelablagerung bis zum tauben Liegenden niederzugehen, daselbst die ganze Wasserhaltung zu konzentriren , die Förderutig einzuleiten und von der Teufe aus den Abbau mittelst regelmässigen Strecken und Pfeilern zu beginnen, wodurch wegen den weni- ger schädlichen Zechenbrüchen der Abbau auch reiner erfol- gen könnte. Wo Luftzug statt findet ist das Wetter in der Grube gut. Eben so untechnisch und unwirthschaftlich wie der Gru- benbau ist die Hüttenmanipulation. Es findet keine Abschei- dung des reinen Schwefels , den man sogleich läutern könnte, von dem weniger reinen Erze statt, sondern man wirft das ganze Hauwerk in kleine, Kugelsegment -artige, im Freien ohne Dach stehende Herde mitSeitenöfFnungen am Boden, be- deckt die Masse mit Grnbenklein und zündet sie von oben an. Der Abbrand ist natürlich ungeheuer. Der tropfbar abflies- sende Schwefel wird in grossen hölzernen Formen aufgefangen und nach Umständen geläutert. Die erzeugte Waare ist übrigens ungemein schön und bei dem massenhaften Vorkommen des Schwefels auf Sizilien ist an eine nachhaltige Konkurrenz von Seiten Griechenlands gar nicht zu denken; denn das Schwefelquantum auf Milos und Kimolos verschwindet gegen jenes. In früherer Zeit war die Erzeugung des Schwefels auf Sizilien frei; der grösste Theil der Bewohner, namentlich im südlichen Theile der Insel, fand hierin sichern Erwerb; das Land war ruhig. Später verfiel die neapolitanische Regierung auf den unglücklichen Gedanken, die Schwefelproduktion der 319 freien Industrie zu entziehen und gründete das berüchtigte Schwefehnonopol, welches an eine französische Gesellschaft verpachtet wurde. Handelsconjunkturen bewogen die Gesell- schaft die anfänglich fixirte jährliche Erzeugung auf y^ dersel- ben herabzusetzen. Hiebei aber verlor nicht nur die Regie- rung durch Entgang des hohem Nutzzinses, sondern vor allem das sizilianische Volk und jeder Minenbesitzer durch Aufhe- bung des Verdienstes. Schnell griffen Arniuth niid Elend um sich und die mit diesen stets gepaarte Demoralisation sprach sich durch das Auftauchen verschiedener Räuberbanden und dffl. nur zu klar aus. Zum Glücke für Sizilien kamen einige auf der Insel etablirte englische Häuser bei dieser Geschichte sehr zu Schaden und England war es, welches durch kathego- rischen Imperativ kurz nach meiner Abreise von Sizilien einem Monopol ein Ende machte , das von vorne her der neapolita- nischen Regierung weder zur Ehre noch zum Vortheile ge- reichte. In der Nacht kehrte ich mit Wilding wieder nach Falko- nara zurück, das ich am 15. November verliess und über Alikata oder Li- cata und Palma am 16. N ovember dasauf einem hohen Berge liegende, anderthalb Stunden vom Meere entfernte Girgenti (Agrigen- tum) erreichte. Die am Fusse des Berges auf einem Hügel- zuge aus Ost in West zum Meere sich hinziehende Reihe alter Tempel ist es vorzüglich, welche dem Anblicke von Girgenti einen ganz eigenthümlichen Reiz gewährt ; denn die bedeu- tend grosse Stadt selbst ist von Innen schmutzig, die Strassen sind enge, steil, schlecht gepflastert und scheinen ausschliess- lich von Geistlichen bevölkert, welche in Unzahl und in uner- freulichen Exemplaren herumschwännen. Mein rothköpfiger Cicerone, der weniger wusste als ich , führte mich den Berg hinab, zuerst zum Tempel der Juno Lucina. Derselbe ist zur Hälfte eingestürzt , ein länglichtes Viereck , wie alle andern mit dem sehr schönen Verhältnisse der Länge zur Breite =13:6 und wie die übrigen aus Muschelsandstein er- baut. Zunächst daran folgt der Tempel der Concordia, bis auf das eingestürzte Dach sehr gut erhalten und ähnlich dem 320 Minervatempel in Athen. Zwischen diesen beiden Tempeln ist der Felsen skarpirt und voller Nischen , ohne Zweifel Be- gräbnissstellen. Von da gelangten wir zum Tempel des Her- kules, grösser als der vorige , aber ganz zerstört. Ebenfalls ganz zerstört ist der nächstfolgende Tempel, der grösste aus allen , der des Jupiter Olympius. Ein Koloss liegt auf dem Rücken, die Zeit hat an ihm ihre Rechte geiJbt und für einen , bei dem noch die riesenhaften Götterbilder Egyptens im frischen Andenken stehen, verliert der Anblick an Interesse. Bei diesem Tempel haben sehr tiefe Fundaraentausgrabungen statt gefunden. Zunächst daran sah ich von einem Tempel noch 3 stehende Säulen. 3Ian nannte ihn mir >,il tempio delle tre colonne", ein gewöhnlicher Lohnbedientenunsinn. Wahr- scheinlich ist diess der Tempel des Vulkan, wobei mich nur das irre macht, dass Parthey bei dem Tempel dieses Namens ausdrücklich nur zwei Säulenschäfte noch stehend gesehen zu haben angibt *. — In der Stadt selbst gewähren die alte Kir- che S. Niccolo , die auf dem höchsten Punkte der Stadt sich erhebende Kathedrale mit ihrem sonderbar gestalteten Hoch- altare und dem schönen Sarkophage als Taufstein, vor allem aber die ausnehmend schöne Fernsicht von dort auf Meer und Land das meiste Interesse. Auf unserem Wege vonFalkonara überLicata und Palma nach Girgenti sah ich in den bisher erwähnten geognostischen Verhältnissen der Südküste Siziliens keine wesentliche Ab- änderung. Die Berge bei Palma , welches selbst auf Gyps steht, gehören der Kreide an. In den tertiären Felsgebilden, welche die Kreideablagerungen zwischen Palma und Girgenti bedecken, stösst man auf mehrere Solfaren, von denen mir eine links der Strasse besonders berücksichtigungswerth schien. Die Schichten des kammartig zu Tage gehenden Kreidekalkes sind daselbst senkrecht aufgestellt und mannigfaltig gekrümmt und gebogen. Daran lehnen sich die Straten des schwefel- führenden Mergels und Thons und am Fusse des Hügels tritt ein feldspathiges, hartes, im Bruche splittriges Gestein zu Tage. '•' Parthevj Wanflerungen durch Sizilien und die Levante. Berh*n 1834. I, pag. 113. 321 Bei Girgenti werden der Kreidekalk und walirsclieiiilich auch die bisher getroffenen Tertiärgebilde von mächtigen Ab- lagerungen von Mnschelsandstein und Muschelbreccie bedeckt, welche beide der pliocenen Zeitfolge anzugehören scheinen. Der Muschelsandstein besteht zum Theile ganz aus zerriebe- nen, zum Theile aus noch gut erhaltenen Konchylien, er fiihrt Austernbänke, ist sehr eisenschüssig, von ockergelber Farbe und bildet Berge von mehr als 1000 Fuss Meereshöhe. Die Lagerungs- und Schichtungsverhältnisse dieses Sandsteins sind vollkommen regelmässig. Am 17. November verliess ich die Siidküste Siziliens und wendete mich ins Innere der Insel , um über Caltanisetta nach Palermo zurück zu gehen. Wir passirten Favara, ein hübsches Städtchen in einem schönen, sehr fruchtbaren und gut bebauten Thale, genossen auf dem Wege nach Canicatti einer Ansicht des Aetna, der bereits tief herab mit Schneebe- deckt war, von seiner Westseite und trafen auf unserer Route durch das gebirgige, wüste Land mehrere grosse, im Betriebe stehende Solfaren. Canicatti ist ein nettes Bergstädtchen; noch hübscher und auch grösser ist aber die Bergstadt Calta- nisetta *, wo wir Abends anlangten. Caltanisetta, im Herzen der Insel, hat freundliche Strassen , Plätze und Häuser und, was ein Reisender in Sizilien nicht hoch genug schätzen kann, ein gutes Gasthaus. Auf unserer heutigen Route beobachteten wir fortan die durch Kalkstein, Mergel und Mergelschiefer repräsentirte Kreideformation, bedeckt von Schwefel und salzführenden Tertiärgebilden. Hinter Canicatti betraten wir ein schönes Plateau, umgeben von hohen Bergen des Kreidekalkes, der übrigens auch rückenartig die Hochebene in vielerlei Rich- tungen durchzieht; tertiäre Ablagerungen mit grossen Solfa- ren erfüllen alle Thaleinsenkungen und Mulden. Eine dieser Solfaren gibt folgenden Durchschnitt , der zugleich als Lage- rungstypus für die meisten Solfaren Siziliens anzusehen ist. * 1558 P. Fuss Meereshölle. Russegger, Reisen. IV, Bd. 21 3-2-2 a bezeichnet tertiären Mergel mit plastischem Tlion; b Gyps, zum grossen Theile mit krystallinischem Gefüge ; c Schwefel wechsellagernd mit Mergel- und Thonschichten; dKreidckalk, als kammartiger Kücken hervortretend. Der Mergel a liegt unter dem Mnschelsandsteine von Girgenti. Am IS. November. Von Caltanisetta führt eine gute fahrbare Strasse nach St. Catharina, wo man die von l'alerma nach Catania durch die ganze Insel führende Hauptpoststrasse betritt. Das schöne Bergland gewinnt mehr und mehr an pit- toreskem Interesse; hinter uns liegt der rauchende Aetna, vor uns die Madoniakette mit ihren hohen, scharfgeformten Kup- pen ; zur Rechten sehen wir auf hohen Bergen liegend Castro Giovanni und Caltascibetta * nebst mehreren andern Orten. Spät des Abends gelangten wir nach Valle longa, ein armes Dorf an der Poststrasse. Zwischen Caltanisetta und St. Catharina gewinnt der geognostische Habitus des Landes eine andere, von der bisher im Süden der Insel beobachteten wesentlich abweichende Ge- stalt. Die Ablagerungen der tertiären, seh w ef el f ü h r e n- den Mergel und Thone verschwinden, mit ihnen die kammar- tigen Rücken der Kreide ; dagegen erhebt sich der Appenni- nenkalk ** mit seinen Mergeln und Schiefern in grossen Bergmassen, die sich der Madoniakette anschliessen , bis zu 5000 und 6000 Fuss Meereshöhe. Stelleuweise wird der Appeuninenkulk von Appenninensandstein bedeckt, der mit groben Konglomeraten wechsellagert. Als oberste Ablage- rung erscheinen aber noch im Süden der Madoniaberge sa lz- f üb ren de Gypse und Thone, welche jedoch nicht mehr der Tertia rzeit, sondern den obersten Kreideschichten angehören * In 2864 und 2417 P. F. IMccicshöbc. Der nnU'isJen Gruppe der Kreidereilie angehörend. ;i23 dürften und jedenfalls nur lokal sind. Am öftesten sieht man den Appcnnincnsandstein von blauem Tlion bedeckt und ins- besondere bei St. Catliarina von einem Gemenge ans Gypsmit Tlion. uM^lclics zwischen beiden gelagert seyn diiiftc. Weiter auf der Strasse von da nach Valle longa beobachtet man mehr- mals und zwar in Meereshöhen bis zu 2000 Par. Fuss Gyps lind Tlion in ganz dünnen, kaum einige Zoll mächtigen Stra- ten wechseln, die mit ihren wellenförmigen Krümmungen die schönsten Zeichnungen bilden. Am 19. November. Von der Höhe der Strasse über die Madoniakette bei Vikari , umgeben von den herrlichsten Bergformen , sehen wir nun wieder zur Nordküste der Insel nieder. Die Schichten des Appcnniuenkalkes , der nun als vorherrschendes Felsgebilde bis nahe an Palermo anhält, ste- hen hier grösstentheils senkrecht. Appenninensandstein und diesem angehörende grobe Konglomerate bedecken den Appen- ninenkalk, der selbst auf einem dichten grauen Kalksteine mit buntem Thonschiefer * aufliegt. Die Nacht brach an, häu- fige Gensd'armeriepatrouillen zogen die Strasse , auf der vor wenigen Tagen Reisende von Räubern angefallen wurden. Es war heute seit wir Girgenti verliessen der dritte und sehr forcirte Ritt und nur mit Mühe brachten wir unsere armen Thiere noch nach Misilmeri. Am 20. November zeitlich Vormittags langte ich /wie- der in Palermo an. — Nach einer beschwerlichen Reise folgte eine Woche gleich einem schönen Traume. Ungern verliess ich Sizilien , dessen Zauber gewiss in der Erinnerung eines Jeden fortlebt, der je mit frischem Lebensmuthe jene herrliche Insel betrat. Nach einer bittern Sturmnacht langte der Dampfer Fran- cesco 1"'" am 27. November Mittags in Messina an, welches wir erst am 29. wieder verliessen. Der gespaltene Gipfel des Stromboli rauchte gewaltig, ein schlimmes Zeichen und wirk- lich brach, kaum dass wir das an die Felsen hingeklebte Tro- pea in Calabrien, wo wir anhielten, verlassen hatten, der Sturm wieder aus. Im schlechtesten Wetter, bei sehr hoher See * Grauwackeformafioii aus dem Vallr di Messina. 21 * 324 liefen wir am 30. No vem her Mittags im Hafen von Nea- pel ein. 3) Meapel. Pompeji. Der VeHnv und Somma. Die Inseln Iscliia und Procida. Falirt von IVeapeft nach Civita veccliia und l/ivornot Am 1. Dezember 1839. Bei meinem ersten Anfent- lialte in Neapel musste ich , um die gute Jahreszeit noch so viel möglich zur Reise in Sizilien zu benutzen^ die wichtigsten Exkursionen bis zu meiner lli'ickkehr von da verschieben. Pompeji und der Vesuv waren nun zun.ächst diejenigen Punkte, deren Besuch keinen weitern Aufschub erlitt. Am 3. Dezember trat ich meine Wallfahrt an. Durch eine weltbekannt wunderschöne Gegend , durch den Anblick des Meers , des rauchenden Vesuvs, des zackigen Monte An- gelo, des blühenden Sorrento, Castell' ä mare etc., durch eine Reihe historischer Erinnerungen , aus mehr als 2000 Jahren herüber datirend, in Geist und Gemüth vielfach angeregt, be- tritt der Reisende die Strassen der alten Römerstadt. Wir besahen uns die prächtigen Häuser mit ihren ausgemalten Zimmern, ihren kostbaren Mosaikböden, den Säulenhallen, Regenbassins, den prachtvollen Brunnen mit Musciielmosaik, Bädern und Penatenkapellen. Wir besuchten die öffentlichen Wirthshäuser und sonstigen Anstalten , über deren einstigen Zweck die kolossalen Embleme ober den Eingängen selbst einem deutschen Gelehrten keine Zweifel übrig lassen, wir schlenderten auf dem Pflaster der schönen Strassen, das noch die Geleise der Wagen trägt, besuchten die Tempel, insbeson- dere den der Isis, das Forum civile mit seinem Portikus, das kleine aber sehr niedliche Theater, das grosse mit aller Pracht ausgeführte Amphitheater mit seinen Älarmorsitzen und thji- ten somit manchen Blick in das häusliche, allen Comfort dar- bietende Leben der alten Römer. Die gewöhnliche Schluss- frage: was niuss einst Rom geboten haben, wenn schon eine kleine Provinzialstadt solchen Luxus entwickelte, konnten auch wir nicht unterdrücken. Der Ueberschüttung oder vielmehr Bedeckung der Stadt Pompeji muss ein gewaltiges Erdbeben vorhergegangen seyn, 325 weil bei allen zweistöckigen Häusei'ii, bis auf eines vor dem Thore von Herknlannm, die 2. Etage eingestürzt ist. Auf die- ses Erdbeben, wie die Schiebten der bedeckenden Masse zei- gen, erfolgte ein Auswurf von lauter Bimssteinlapilli, mit wel- chem der ßedeckungsakt der ung;liicklichen Stadt begann, der endlich mit dem noch weit massigem, unmittelbar darauf fol- genden Auswurfe von solchem Lapilli mit Asche und Lava- stückchen endete. Nach Kesina zuriickgekehrt verschaffte ich mir dort den sehr empfehinngsvverthen Fi'ihrer Vincenzo Cozzolino, Avobn- haft an der Kirche St. Maria in Pugliano sopra Resina und stieg mit ihm noch spät des Abends den Vesuv hinan, wo ich beim sogenannten Eremiten nicht nur das beste Unterkommen, sondern auch Gesellschaft fand, nämlich meinen schweigsamen Engländer aus der casa inglese auf dem Aetna. A m4.D e z embe r. Wie amAetna,so beobachtet man auch am Vesuv zwei Gattungen Lava, denen sich alle die daselbst vor- kommenden unzähligen Arten und Varietäten dieses Gesteins un- terordnen lassen. Wirsehenam Vesnvd ie alte Lava, wiesle der Vulkan heut zu Tage nicht mehr liefert, und die neue Lava, das Produnkt seiner gegenwärtigen Thätigkeit. Er- stere ging meiner Ansicht nach aus der unmittelbaren Schmel- zung des eigentlich e n G r u n d g e s t e i n s , den Auswürf- lingen zu Folge bestehend in körnigem und dichtemKalkstein, Dolomit, Granit, Gneiss etc., hervor, sie bildet das gegenwär- tige sichtbare, s o g e n a n n t e G r u n d g e s t e i n des Vesuvs, die L e u zitlava oder das L en zi t g e s te in und spielt als solches am Vesuv ganz dieselbe Rolle, welche dem augitischen Labradorfels am Aetna zukommt. Die neue L a v a ist das Umschmelzungsproduktder Alten, nämlich desLeuzitgesteins, so wie ich am Aetna die neue Lava als ümschmelzungspro- dukt des augitischen Labradorgesteins und so fort ansehe. Hieraus dürften sich alle die diese Gesteine charakterisireuden Eigenthünilichkeiten erklären lassen. Gleich wie am Aetna der älteste, noch deutlich erkennbare Kraterrand, in dessen Mitte der heutige Aetuakegel mit sei- nem gegenwärtigen Krater sich erhebt, nicht mehr der neuen Lava anjrehört, sondern aus dem sogenannten Grundgesteiue 3iG besteht, so auch am Vesuv. Wir sehen nämlich den heutigen vulkanischen Kegel mit seinem gegenAväitigen Krater inmitten des alten Kraters stehen , dessen noch erhaltener Rand , als Monte Somma, den neuen Kegel von Nordwest über Nord und Ost bis Süd gleich einer gewaltigen 3Iauer umgibt, wahrend der der Küste zugewendete westliche und südwestliche Theil des alten Kraterrandes, der noch zu Strabo's Zeiten in seiner Gänze bestand, eingestürzt ist und den neuen Lavaströmen mehr oder weniger freien Abzug gestattet und wie am Aetna so besteht auch dieser alte Kraterrand aus dem sichtbaren Grund- gesteine, nämlich hier ans Leuzitlava. Zwischen dem alten Kraterrande (dem Monte Somma) und dem heutigen Vesuv- kegel zieht sich im Bogen das interessante vulkanische Thal Atrio del Cavallo herum, selbst ein Theil des alten Kraters, dessen Solile von Asche, Lapilli und Lavatrümmern bedeckt ist. Das Leuzitgestein oder die Leuzitlava lässt in Bezug der Grundmasse weit mehr Verschiedenheiten wahrnehmen, als der augitische Labradorfels des Aetna; doch lässt sich als herrschender Typus ein mehr oder weniger inniges Gemenge aus Leuzit, Labrador, gewöhnlichen Feldspath und Augit an- nehmen, in welcliem Gemenge viele andere Mineralien por- phyrartig, der Leuzit aber als wesentliclier Bestandtheil vor- herrschend, charakteristisch und grossentheils in ausgezeich- neten Krystallen , auftreten. Zwischen der Bildung des augitischen Labradorfelses und der neuern Aetnalaven liegt ein viel grösserer Zeitabschnitt, als zwischen jener des Lenzitgesteins und der neuern Vesuvlaven , daher sehen wir auch am Aetna den Unterschied beider Gesteine schärfer und konstanter gehalten als am Vesuv, wo wir, wenn auch selten, unter den Produkten der Jeztzeit Gebilden begegnen, die dem Leuzitgesteine, aus dessen unmittelbarerer ümschmelzung sie hervorgingen, noch sehr nahe stehen. Von Resina aus führt der Weg durch die fossagrande bis zum Eremiten über lauter Lavaströme neuerer Eruptionen. Die Lava stellt sich meist als inniges Gemenge einer Menge Mineialsubstanzen dar, unter denen nur hier und daFeldspatli und Äugit zu erkennen sind. Den Strom von der lezten Erup- tion (Januar 183!)) fand ich unterhalb desEremiten noch sehr ;527 lieiss. Seit dieser Zeit ist aiicli der Kegel des Vesuvs an sei- ner Nordwestseite, wo iiian ihn gewöliiilicli zu besteij^en pttegt, mit Lava bedeckt und seine Besteigung- ist daher bei weitem nicht mehr so ermüdend, als damals, da man noch mit nnsäg- liclierMiilie auf dem steilen, losen Aschengehänge sich hinauf arbeiten musste. In der Lava von 1S39 beobachtet man viele Kryslalle von Sodaiit und Augit, auch glasigen Feldspath und Eisenglimmer, so wie in den basaltischen Varietäten derselben viel Olivin und übsidian als Ueberzug. Als wir am Krater ankamen , dessen oberster Rand ganz mit Asche und Lapilli bedeckt ist, Hessen wir die höchste Spitze des Aschenkgels *, welche überden mittleren Horizont des Kraterrandes ungefähr SO Fuss hoch ansteigt, links und umging;en der starken, die Lungen unausstehlich reizenden Dämpfe wegen, den Krater von der westlichen und südwest- lichen Seite. So viel ich bei dem in dichten Vi^olken aufsteigende» Rauche wahrnehmen konnte, so hat der Krater (am 4. Dezem- ber 1S39) eine kreisrunde Form und bei einerTiefe von unge- fähr 600 Fuss eine kleine halbe Gehstunde im Umfange. Der innere Rand des Kraters, welcher ganz aus neuerer, zum grossen Theile zersezter Lava besteht, fällt in senkrech- ten Wänden ab, deren fortwährend losbrechende Trümmer das Tiefste des Kraters, soweit er dem Auge offen liegt, er- füllen. Wenn die unzähligen Klüfte und Spalten der innern Kraterwände, denen damals Feuer und Rauch entströmte, nicht zu sehr dampfen, wie es leider zur Zeit meiner Anwesenheit der Fall war, so kann man an einer Stelle des Gehänges leicht hinabsteigen, jedoch muss das Heraufsteigen der losen, unter den Füssen wegroUenden Asche halber jedenfalls äusserst er- müdend seyn. Wir gingen am Rande, der bei weitem nicht so schmal als jener des Aetnakraters ist, über den sehr heissen Boden gegen Süden fort und trafen in dieser Richtung auf mehrere grosse Lavaspalten, aus denen fortan Feuer und Rauch fuhren. Lezterer besteht aus W^asserdämpfen , schwefliger * Finita del Palo, nach Hoffmaisn 3640 P. F. Mecreshöhc. ^ar- »TtN's Archiv, Jahrgang 1839. p. 304. 328 Säure und sehr viel salzsaurem Gase , welches ihn «änzlich irresphabel macht. Während wir den Kratenand verfolgten schlug der Wind plötzlich um und ich war so unglücklich mit- ten in eine dichte Rauchwolke zu gelangen. Fast augenblick- lich verlor ich, unter dem stärksten Reiz zum Husten, das klare Bewusstseyn, ich fing an zu taumeln und, noch in Kenntniss der mir drohenden Gefahr, hatte ich nur so viele Kraft mich immer zur Rechten zu halten , um nicht in den Krater zu stürzen. Wieder aus der Rauchwolke in die freiere Luft ge- langt, wo ich auch meinen Führer fand, fühlte ich ausser der höchsten Ermattung einen erschütternden Schmerz in den Schenkeln und Oberarmen, der mich erst nach einigen Tagen ganz verliess und den ich nur als ein Anzeichen des mir sehr nahe gestandenen Schlagflusses betrachten kann. An den rauchenden Spalten des Kraterrandes fand ich starke Ansätze von schwefelsauren und salzsauren Salzen, besonders von salzsauren Eisen, so wie in der zersezten Lava und in dem Tuffe, der sich am Kegel selbst aus dem Gemenge von Lapilli und Asche in steter Berührung mit Wasserdämpfeu bildet, viele lose, sehr schöne Augitkrystalle. Die meisten der vulkanischen Spalten öffnen sich als wahre Fummarolen in diesem Tuffe und zur Zeit meiner Anwesenheit waren deren am Rande und Boden des Kraters, so wie an den Innern Wän- den desselben unzählige, welche eine solche Thätigkeit wahr- nehmen Hessen, dass man allgemein eine starke Eruption als nahestehend vorhersagte. Diese Vorhersagung traf auchrich- tig ein, aber leider erst dann, als ich das schöne Neapel schon weit im Rücken hatte. Schnell glitten wir über das mehr als 1000 Fuss hohe, steile Aschengehänge des Kegels an seiner Südseite hinab und gelangten in den Atrio del Cavallo. Auf dieser Tour trafen wir unterhalb des grossen Kraters mehrere grosse Spalten, Fummarolen, aus denen Feuer und Rauch fuhr und an deren Wänden sich Sublimationsansätze von salzsaurem Nation, salzsaurem Kupferoxyd, salzs. Eiseiioxyd und salzs. Kali fanden , lezteres Wespennester-artige Krusten von beson- derer Schönheit bildend. Auf diesem Wege stösst man auch auf die merkwürdigen Erscheinungen der Eruption vom J. 1S34. Dieselbe begann 329 oben im Hauptkrater und die Lava ergoss sich auf der Süd- seite des grossen Kegels in das Thal. Als die Eruption oben aufhörte, erhoben sich unten im Atrio del Cavallo acht kleine Eruptionskegel, jeder mit einem Krater und alle in einer Linie liegend, folglich offenbar einer grossen Spalte angehörend. Ihre Lava verbreitete sich im Thale. Im Jahre 1835 warfen alle diese Kratere neuerdings unter Feuer- und Rauchentwick- lung aus, jedoch nicht so stark als im vorhergegangenen Jahre. Durch diese wiederholte Eruption unterscheiden sich diese Parasitkegel des Vesuvs von jenen des Aetna, deren jeder nur eine Eruption zählt. Diese kleinen Kegel steigen mitten aus der Aschenmasse verschiedener älterer Eruptionen des Hauptkegels empor und ihre Lava besteht in einer schön ge- flossenen, glasigen, faserigen Schlacke. Bei dem untersten dieserkleinen Eruptionskegel, welcher ungefähr .50 Fuss hoch über das Thal ansteigt, beobachtete ich den schönsten Miniaturkrater, der mir je vorkam. Der- selbe bildet einen, gleich einem Brunnen senkrecht niederge- henden, über 50 Fuss tief offenen, oben 4 Fuss im Durchmes- ser haltenden, nach unten aber sich erweiternden Schacht von kreisförmigem Querschnitte. Die Seitenwände sind glatt, wie durch Kunst gearbeitet. Den zur Hälfte bereits einge- stürzten Rand dieses Kraters bildet ein Kranz von schlackiger Lava von ungefähr 10 Fuss Höhe bei 12 Fuss Durchmesser. Aus diesem Krater stiegen jedoch oben nur Rauch und Flam- men empor, während die Lava selbst 20 Fuss tiefer durch eine Seitenspalte des Kegels hervordrang. An den Seitenwänden dieser Spalte beobachtet man ausser verschiedenen andern Salzsublimationen auch Anflug von salzsaurem Ammoniak. Sehr interessant ist auch der Krater des zunächstdaran liegen- deuKegels, des vorlezten derReihe nach thalabw ärts. Durch ein Loch, durch welches Feuer und Rauch ausfuhren, steigt man einige Fuss tief erst in den eigentlichen Krater hinab, der aus zwei Theilen besteht, aus dem Zuflusskanale nämlich und aus der Abflussöffnung. Ersterer ist ein enger, schief gegen Nord, somit unter die Basis des grossen Vesuvkegels , in eine grosse Tiefe nieder- führender Kanal, der anfänglich nur 2 Fuss Durchmesser hat, ot»U sich aber sodann erweitert und einigermassen an die Grotta delle colorabe der Monti rossi am Aetna erinnert. Die Lava stieg dnrch diesen Kanal empor, baute sich einen haubenarti- gen Berg, welcher sich obe;, gleich einer Blase öffnete und durch deren Loch Feuer und Rauch entwichen , während die Lava durch einen zweiten , horizontalen Kanal an der Seite des Kegels ausbrach. Dieser Abflussktiaal bildet einen Stol- len von 5 Fuss Höhe und 4 Fuss Weite an der Sohle, da an der Firste die beiden Ulmen convergiren. Ich verfolgte diesen Stollen 27 Fuss weit, wo man sodann auf einen steilen Abfall stösst. An der Sohle des Stolleus sieht man deutlich die tie- fen Furchen, welche die ausströmende Lava verursachte. Leztere ist schlackenartig und enthält Brauneisenstein und Eisenglimmer. Von diesen Eruptionskegeln weg überschritten wir den Atrio del Cavallo und ein niederes Joch des Monte Somma am südwestlichen Ende seines Bogens und gelangten an der Südseite dieses Berges , auf der steilen Abdachung gegen Bosco Reale, zu den sogenannten Graujpe (Krallen) del Dia- volo. Man befindet sich da am obersten Ende eines kleinen Thaies, durch das sich einst ein grosser Lavastrom in die Ebene hinabstürzte, der aber nun durch Asche und Lapilli be- deckt ist. Die obern Gehänge dieses Thaies bildet ein Kon- glomerat aus Bimsstein- und Lavastückchen, verbunden durch erhärtete Asche und durch ein kalkiges, braunspathartiges Cement. Regengüsse und heftige Stürme reissen tiefe Fur- chen an demGehäoge dieses mit der Zeitin seinem Zusammen- hange ganz lose werdenden, tuffartigen Gesteins und sind dem zerstörenden Elemente einmal Angriffspunkte geboten, so ar- beiten auch Wind und Wasser fortan an ihrem Werke. Wo die Älasse am wenigsten Widerstand leistet wird sie fortge- führt; wo ihre Theile aber Kohäsion genug haben, länger zu widerstehen, bleiben einzelne, isolirte Stücke an Ort und Stelle, gleich Säulen. Ich zählte deren 12 stehende, jede 4 bis 5 Fuss hoch, mit 2 bis 3 Fuss im Durchmesser, sehr un- regelmässig gestaltet, meist oben dicker als unten. Man sieht mehrere derlei Auswaschungen, wo die Säulen erst im Ent- stehen sind, andere, wo die früher gestandenen bereits ganz unterwaschen zu Boden g;e\vorfen liefen. Ich erinnere micli solche Ersclieinunoen schon oft im Sciiuttlande gesehen zu haben, sie haben im Ganzen i^ein besonderes Interesse und die Grampe del Diavolo am Monte Somma verdanken ihre Wiciiti<>keit nur der glühenden Phantasie einiger italiänischer Geologen. Wir kehrten in den Atrio del Cavallo zurück und verfolgten nun das merkwürdige Thal, den Hauptkegel des Vesuvs umkreisend , bis an sein nordwestliches Ende in der Nähe des Eremiten. Wie ich bereits erwähnt habe , so besteht die Masse des Monte Somma aus Leuzitgestein und Leuzitlava, wechsella- geiiul mit vulkanischen Tuffen. Schichtung ist allerorts un- verkennbar, nur ist die Richtung der 1 Fuss bis 10 Fuss und auch darüber mächtigen Schichten im Streichen und Fallen, der mantelartigen Umlagerung wegen, eine sehr verschiedene ; der Fallwinkel hingegen beträgt durchschnittlich 25^ bis 30** und konstant behauptet sich ringsum die Aufstellung der Sciiichten gegen das Centrale des alten Kraters, d. h. gegen den gegenwärtigen Hauptkegel des Vesuvs. An lokalen Störun- gen dieses Lagernngssystems mancherlei Art ist natürlich auf rein vulkanischem Boden kein Mangel. Das innere, mit senkrechten Felswänden abfallende Ge- hänge des Monte Somma ist sowohl von einer Menge tiefer Schluchten, Spaltungsklüfte, zerrissen, als von zahllosen, stets sehr steil fallenden Gängen durchzogen, die den ganzen Somma von einem Gehänge zum andern durchsetzen und alle, ihrer verlängerten Richtung nach, mit geringen Abweichungen, im Centro des alten Kraters convergiren, somit gleich Radien von einem Mittelpunkte ausgehen. Dort, wo das Leuzitgestein mit den vulkanischen Tuffen wechsellagert, was besonders in den höhern Punkten des Somma der Fall ist, zeigt die basaltartige Grundmasse dessel- ben sehr häufig eine grosse Aehnlichkeit mit dem augitischen Labradorfels des Aetna. Ausser den in charakteristischer Menge eingewachsenen Leuzitkrystallen, enthält dieses Ge- stein auch solche von Augit, Olivin, Zirkon, Idokras etc. Die mit dem Leuzitjiesteine wechsellauernden Tuffe scheinen grossentheils nichts anderes als zerscztes , aufgelöstes Leu- 332 zitgestein zu seyn. Die Ausfüllungsmasse der Gänge besteht aus einem Gemenge veiscliiedener Mineialkörper, vorwaltend Feldspatli und Augit, bald ein basaltartiges, bald ein diorit- ähnliehes Gestein bildend, übrigens, wie das Nebengestein, meistens eine grosse Anzahl Leuzitkrystalle enthaltend. Am Canale * de la neve erreicht die Mächtigkeit einzel- ner dieser Gänge 24 Fuss. 3Iit ihren Ausgehenden , wie an denConcazze im Valle del ßove, kammartig und hoch aus dem Nebengesteine hervorragend , durchsetzen sie den ganzen Somma von einem Gehänge zum andern , steigen ihrem Ver- flachen nach von der Thalsoiile zu den höchsten Gipfeln em- por, durchsetzen alle Schichten der Leuzitlava und der Tuffe, und scharren und verwerfen sich unter sich selbst in den mannigfaltigsten Verhältnissen. In der genannten Felsschlucht befindet sich neben dem grössten dieser Gänge ein anderer von S Fuss Mächtigkeit und mit derselben Ausfüllungsmasse, führt aber keine Leuzite, sondern nur Augit, Zii^kon und Olivin. Im Canale della montagnia rossa wechseln starke Lagen der Tuffe und Lavakonglomerate mit solchen des Leuzitge- steins. Im Canale di Vento beobachtet man ein merkwürdiges Labyrinth von Gängen, die sich in den verschiedensten Rich- tungen kreuzen , scharren und verwerfen. So auch an der Punta del Nasone (3431 Par. F. Meereshöhe), der höchsten Spitze des Somma. Im Canale del Arena herrschen, wie man schon von ferne sieht und selbst der Name andeutet, Tuffe und Lavakonglo- merate vor und das Leuzifgestein tritt nur in untergeordneten Lagen auf, während rechts und links der Schlucht gerade das entgegengesezte Verhältniss obwaltet. Es scheint daher, dass einst hier mehr Auswürfe von Lapilli und Asche, als wirkliche Lavaergüsse statt gefunden haben. An den Felswänden des Can. del Arena bemerkt man tiefe Spalten, aus denen bei star- ken Eruptionen des Vesuvkegels Rauch aufsteigen soll und wirklich sah ich daselbst starken Schwefelanflug. * Canale in der Bedeutung „Felsscliluclil". 333 An der sof^en.inntcn Casa del Diavofo herrscht wieder die Leuzitlava vor und die Tuffe treten zuri'ick. Unmittelbar daran liegen die Felswände der Punta del Nasone mit ihrem bereits erwähnten Ganglabyrinthe. Im weitern Verfolge des Atrio del Cavallo gegen NW. gelangt man nun zum Canale della Forciella, zum Can. del Inferuo, Can. del Pertuso, an dessen Fusse man im Thale die Lava des heutigen Vesuvs mit gewundenen Lagen, gleich dem sogenannten Gekrössteiiie erblickt 5 ferner zum Can. de Mena- turo, wo ein Gang mit basaltartiger Ausfüllung, welche Oli- vin und Zirkon enthält, das Lavakonglomerat durchsezt; dann zum Canale de la morte und endlich zum Can. di 3Iassa, der lezten Felsschlucht am Somma, von wo an der alte Kraterrand eingestürzt ist und der Atrio del Cavallo sich gegen den Ere- miten hinab öffnet. Am Can. di Massa wechsellagern wieder Tuffe mit Leuzitlava und eine Menge der schönsten Gänge durchsetzen das Gestein. Besonders zeichnet sich darunter ein Gang aus , dessen Ausfüllungsmasse ein dioritisches Ge- stein mit vielen Augitkrystallen bildet und welcher, in 2.1 h. streichend, nach 17 h. verflächt. A m 5. Dezember bei eingetretener schlechter Witte- rung kehrte ich wieder nach Neapel zurück und besah auf dem Hinwege die Kraters von 1794 oberhalb Torre del Greco. Sie haben sich entlang einer vulkanischen Spalte gebildet und einer dieser Krater bildet eigentlich selbst nur eine lange Spalte, aus deren unterem Ende die Lava sich ergoss. Der Durchbruch erfolgte hier im Bereiche der vulkanischen Tuffe. Am 7. Dezember. Ohne Ischia gesehen zu haben soll kein Reisender Neapel verlassen. Der blosse Tourist wird durch den Besuch der herrlichen Insel sich eine schöne Erinnerung mehr erobern, der wissenschaftliche Reisende * in Genüssen schwelgen. Ich hatte mir eine vierrudrige Barke gemiethet und in * Dcscriptlon des caux minerolhermales des etuves de l'ile d'lscina par J. E. Chevalley de Rivaz. Naples 1S37. Leop. V. Buch in v. Moll's neuem Jahrbuclie der Berg- und Hiit- lenkundc. Bd. I, DuFREPiOY in den Annalcs des Mines, 3"'p. Serie. Vol. XI. 334 früher Morgenstunde passirten wir mit leichtem Winde die Bucht von Pozzuoli, dann jene von ßajä. Als wir an die In- sel Procida kamen fing das Meer an hoch zu gehen und un- sere Fahrt wurde sehr unangenehm. Ich war daher, obwohl bereits an Seereisen gewohnt, sehr froh, als wir an dem Städt- chen Ischia auf der Ostküste der Insel landeten. Unweit da- von erhebt sich auf einem isolirt im Meere stehenden Trachyt- felsen das gleichnamige Kastell, auf welches die neapolitani- sche Regierung einen besondern , geheimnissvollen Werth zu legen scheint; denn noch vor Kurzem verweigerte man einem Naturforscher daselbst sein Barometer aufzuhängen. Wir wendeten uns an die Nordküste der Insel und verfolgten die- selbe gegen Nordwest bis in die Nähe von Lacco , wo ich in dem vortrefflichen, auf einem Vorgebirge liegenden Gasthause „la Sentinella" mein Quartier aufschlug. La Sentinella ist nicht nur der schönste Punkt auf Ischia, sondern auch einer der schönsten im ganzen Golfe von Nea- pel. Wenn auch in fernen , doch bei dem reinen Himmel in den klarsten Umrissen überblickt man die Küste des Festlan- des von Terracina bis zur Punta della Campanella, den Hin- tergrund bilden die Äppenninen , vor ihrer Fronte steht der schön gebaute Vesuv mit seiner pinienförmigen, himmelhohen Rauchsäule, im Vordergrunde die Insel Procida. Zur Rech- ten liegt die Insel Capri, zur Linken tauchen die Ponzainseln aus der weiten, blaulichgrünen Meeresfläche. Professor Pilla zu Neapel empfahl mir als besten Führer einen gewissen Bernardo Siano, wohnhaft in Lacco. Ich Hess ihn kommen und begann mit ihm, dem alles Lob gebührt, am 8. Dezember Morgens, bevor noch die Sonne sich über die Gipfel der Abruzzen erhob, meine weitere Tour auf Ischia. Wir gingen zuerst zur Küste hinab nach Lacco. Rings- um erblickte ich nur Bimssteintuff, dasselbe Gestein, welches den eigentlichen Epomeo, den Kulminationspunkt * der Insel zusammensezt und in welchem ich einen alten Bekannten von den vulkanischen Cykladen des griechischen Archipelagus * Mocrcsliöho des Eponit-osipfels nacli Hoffmann : 2423 P. Fuss, 335 wieder begeonete. Bei Laceo steht ein grosses, säiileiiartiges Stiick dieses Tuflfes als isoliiter, losgei Essener Felsen im Meere, wenige Scliiitte von der Küste eiiifernt. Am Monte Vico bei Lacco wird der Tnff von Trachyt durchbrochen. Die Masse desselben bildet Feldspath, dem eine Menge von Krystalien glasigen Feldspaths porphyrartig eingewachsen ist. Aus den Spalten des wunderlich zerklüf- teten Vico strömen hier und da heisse Wasserdämpfe, offen- bar eine Folge daselbst sich befindender und nicht zu Tage tretender Thermen. Nebstbei seheinen aber auch Exhala- tionen entzündlicher Gase hiebei statt zu haben ; denn Siano versicherte mich ganz bestimmt und wiederholt, dass er seit dem Jahre 1803 mehrmals aus den Trachytspalten oder Funi- marolen, wie man sie hier nennt, des Vico Feuer herausfahren gesehen habe und dass namentlic!i im Dezember des Jahres 1S;J6 sich auf einmal über diesem Theile von Ischia (ich be- diene mich seiner Worte) „die Luft entzündete und mit heller Flamme kurze Zeit und ohne Geräusch brannte". Starke Ex- halationen von Schwefelwasserstoff habe ich selbst an mehre- ren Punkten der Insel beobachtet, üebriffens zeifft der Tra- chyt des Vico sehr häufig an den erwähnten Spalten die sicht- barsten Merkmale von Einwirkung des Feuers; denn er ist gebrannt, als wenn er lange in einem Ofen gelegen hätte und auch die Bimssteintuffe, welche daselbst dem Trachyte auf- liegen und mit ihm emporgehoben scheinen sind offenbar ge- brannt, haben alle Farben gebrannter, gemischt-thoniger Mas- sen und je nach dem verschiedenen Grade der erlittenen Hitze eine verschiedene Consistenz. Gegenüber vom Monte Vico befinden sich die Dunstbäder von St, Lorenzo *. Sie sind auf Fumarolen erbaut, denen heisse Wasserdämpfe entströmen und so eingerichtet, dass man entweder in gemauerten Bassins (Wannen) den ganzen Körper, oderin besondern thonenen Apparaten einzelneTheile desselben der Wirkung des durch die Löcher am Boden auf- steigenden heissen Dunstes aussetzen kann. Uebrigens ist die ganze Anstalt roh , zum Theile unzweckmässig und sehr unrein. "' De Rivaz, |). 159. 33G Auf dem Wege von Lacco nach Foria, an der Westküste der Insel, passirt man zur Linken den Monte Marococco, der aus demselben Trachyte besteht wie der Vico. Feldspath- masse voll Krystalle glasigen Feldspaths. Die ganze Masse zertrümmert und an den Wänden der Spalten die Spuren er- littener grosser Hitze zeigend. Ganz eigenthümlich, wie ein Bild aus der Unterwelt, ist der Anblick des Städtchens Foria vom Marococco herab. Auf wilder, schwarzer Felsenküste nehmen sich die weissgetünch- ten Häuschen sonderbar aus und bei sturmbewegter See soll der Anblick wahrhaft imposant seyn. — Auf dem Rückwege von Foria zur Sentinella wendeten wir uns von Lacco aus rechts gegen den Epomeo in die tiefe und zum Theil nur we- nige Fuss breite Schlucht, Valle di mezza via genannt. Das offenbar aus dem Meere emporgehobene Terrain lässt hier einen interessanten , durch die bis 200 Fuss Meereshöhe an- steigende Schlucht entblössten Durchschnitt wahrnehmen. Die tiefste bemerkbare Ablagerung bildet ein harter, fester Thon, auf welchem der Bimssteintuff des Epomeo liegt. Ich glaube diesen Thon als ein Parallelgebilde des rothen Thons, auf Ischia „Kreta« genannt, dessen ich bald näher erwähnen werde, ansehen zu müssen. Zum Theil ist die Schlucht mit Meeressand ausgefüllt, der aus der Zerstörung desBimsstein- tuffes hervorgegangen zu seyn scheint und eine Menge Scha- len von Meeresconchylien noch lebender Arten enthält. Ein ähnliches Vorkommen findet sich auch an der Marina di Caf- fiera, nur dass sich dasselbst der aus der Zerstörung des Tuf- fes hervorgegangene Sand stellenweise wieder zu einem neuen, somit sekundären Tuffe regenerirt hat, welcher ebenfalls eine Menge wohlerhaltener Schalen von Meeresconchylien um- schliesst. Vom Valle di mezza via stiegen wir das Gehänge des Epomeo am Monte Citro hinan. Ringsum beobachtet man Bimssteintuff als herrschendes Felsgebilde. Derselbe trägt stellenweise ein gebranntes Ansehen und enthält häufig ne- sterartige Einlagerungen von buntem , gebranntem Thon, der in Porzellanjaspis von allen Farben übergeht und unter den- selben Verhältnissen auftritt, wieauf Milos und.Kimolos. Auch 337 auf dem Monte Citi'o und zwar im Sclinttlande des Bimsstein-» tiiffes befinden sich Fumarolen, aus denen sehr heisse Wasser und Schwefeldämpfe hervordringen. An den Wänden der Spalten findet man Sublimationen von Schwefel, Alaun und Salmiak nebst Krusten von (iyps und Ilyalit. Auf dem Wege von Sentinella nachCasamicciola besuch- ten wir das Valle di Tamburo. In einer ganz engen und tie- fen Schlucht des Bimssteintuffes gehen mehrere warme und heisse öuellen, an denen hier überhaupt ringsum ein lieber-' fluss ist, zu Tage. Man hat einige derselben kurze Strecken laug mit Stollen aufgeschlossen und leitet sie in die Bäder. In einem dieser Stollen verursacht dieQuelle ein Getöse, das täuschend feinem Trommelschlage gleicht und nicht so sehr von einem Falle des Wassers, als vielmehr von einer wallen- den Bewegung desselben herzurühren scheint, daher der Name. — Bei Casamicciola befinden sich mehrere solcher Ther- men von besonders hoher Temperatur, welche für die dortige Badeanstalt benüzt werden. Eine der bedeutendsten , deren Wasser vollkommen rein und klar ist, einen leicht salzigen Geschmack, aber keinen Geruch hat, zeigte 60*' Reaum. Die- Badeanstalt scheint von vorne her recljt gut gewesen zu seyn ; man hat sie jedoch so verwahrlost, dass sie in ihrem gegen- wärtigen Znstande unstreitig zu den garstigsten gehört, die mir in civillsirten Ländern vorgekommen sind. Zwischen Casamicciola und dem Städtchen Ischia erhebt sich an der Nordküste der Insel der Monte Tabore. Derselbe besteht aus Trachyt, welcher den Bimssteintuft des Epomeo zum Hangenden und einen plastischen, rothen Thon, hierKreta genannt, zum Liegenden hat. Dieser Thon liegt wieder auf altem Meeressand und da aus den in diesem Thone sich fin- denden Schalthierresten hervorgeht, dass derselbe mit aller Bestimmtheit der subappenninischen Zeitfolge untergeordnet werden muss , so ist dieser Punkt einer der interessantesten der ganzen Insel; denn er bildet die Basis zur Bestimmung des ganzen Lagerungssystems derselben und thut dar , dass die gesammte vulkanische Felsbildung von Ischia jünger ist, als die subappenninischen Ablagerungen, somit jünger als die Periode der ältesten Diluvien. Rus«egger, Reise». IV. Bd. 22 338 Man beniizt diesen rothenThon zurZleg-eIfabrikation,nnd gewinnt ihn mittelst Grubenbau, welcher, was Unzweckmäs- sig^keit des Betriebes und somit auch Gefährlichkeit desselben anbelangt, alles dieser Art übertrifft. DerTrachyt desTabore zeigt übrigens dieselbe ßeschaff'enheit, wie jener des Vicound Marococco, nur ist derselbe durch Feuer noch weit mehr ver- ändert und stellenweise förmlich zu einer trachytischen Lava umgeschmolzen, welche jener des nahen Arso ganz gleicht und so wie diese sehr reich an den ausgezeichnetsten, meistens aber zersprungenen Krystallen von glasigem Feldspath ist. Im Jahre K102 ereignete sich auf Ischia eine gewaltige Eruption, die einzige, über welche wir historische Daten be- sitzen. Es öff'nete sich an der Südostseite des Epomeo, nach Hoffmann 562 P. Fuss über dem Meere, eine tiefe Kraterspalte, die sogenannte Bocca am Cremate, aus welcher der Lavastrom hervortrat, sich zuerst ostwärts, dann aber nordöstlich wen- dete und zwischen Casino reale und Stadt Ischia in einer Breite von mehr als 200 Klafter die Meeresküste erreichte. Die Lava des Arso, wie man diesen mächtigen Strom nennt, ist reintra- chytischer Natur und meiner Ansicht nach ist sie auch nur ein ümschmelzungsprodukt des Tiachytes von Ischia. Die schwarze Grundmasse, theils dicht, theils porös, bla- sig, krystallinisch glänzend , ist voll von Krystallen glasigen Feldspathes, von derselben Beschaffenheit wie jene am Vico Marococco und Tabore, nur häufig zersprungen. Noch jezt steigen aus den phantastisch zerrissenen und zerworfenen La- vamassen des Arso heisse Wasserdämpfe und Schwefeldämpfe empor, welche jedoch, wie ich glaube, mit dem Abkühlungs- prozesse der lange schon erkalteten Lava nichts zu thun ha- ben , sondern Thermen angehören , welche der Arso zufällig bedeckte. Ischia, dessen Grundform derEpomeo im Mittel der Insel bedingt, ist meiner Ansicht nach theils dem Meere entstiegen, theils blos durch Ausbrüche und Auswürfe von Bimssteinlava und trachytischer Lava, aus deren ersterer die Bimssteintnffe hervordringen, aufgebaut. In ersterer Richtung erinnert Ischia lebhaft an Santorin, zu welchem jene Insel überhaupt manches treff'ende Seitenstück liefert, in zweiter Richtung steht Ischia dem Vesuv naher. Betrachten wir die sichtbaren Felsabia- gerungen, so sehen wir von unten nach o b e n : 1. Alten Meeressand und Meeressandstein. 2. Die sogenannte Kreta, einen rothen, plastischen Thon, der siibappenninischen Zeitfolge angehörend. 3. Trachyt, Feldspathraasse mit vorwaltend beigemengten Krystallen von glasigem Feldspath iiberlagert die Kreta. 4. Bimssleintuff des Eponieo, wahrscheinlich ein Umwand- lungsprodukt von Bimssteinlava. 5. Trachytische Lava aus historischer Zeit. 6. Lokale, jüngste Meeressedimente, wozu die leicht zer- störbaren Tuffe das Material lieferten. Die Periode der Emporhebung dürfte der Katastrophe, welche die ßimssteinlava lieferte und den obern Theil des Epomeo bildete, unmittelbar gefolgt seyn oder mit ihr zusam- men fallen. Die Insel Procida, nordöstlich von Ischia, gehört zum vul- kanischen Lagerungssysteme lezterer Insel. Auch hier sieht man, namentlich an der Nord- und Nordwestküste, die üeber- lagerung der Trachyte durch die Tuffe. Am 16. Dezember Abends verliess ich mit dem Dampf- boote Maria Kristina Neapel und kam des nächsten Tags zur Mittagszeit in Civita vecchia an, wo man nicht ermangelte mir sogleich auf der Citadelle den berüchtigten Raubmörder Gas- PARONi (wenn ich nicht irre) zu zeigen. Der Lohnbediente hat mir den Anblick dieses wüsten Kerls als die grösste Rarität von Civita vecchia gepriesen. Ecco ! il assassino famosissimo, chi ammazzato una cinguantiua ! Der Gefangenwärter hält dem Fremden hiebei die offene Hand hin und macht ein den höchsten Schauder ausdrückendes Gesicht; der Spitzbube, je nach dem Publikum, ein grimmiges oder er lacht. Welche Achtung aber kann der Reisende vor einer Regierung haben, die ihre strafrichterlichen Akte zu solchen Komödien her- leiht. Am frühen Morgen des 18. Dezembers fuhren wir an der eisenreichen Insel Elba " vorüber und sahen zu gleicher * Kranz, gcognostische Beschreibung der Irrscl Elba. Karstens Arcliiv, Jahrgang 1841, p. 347 etc. 22 * 340 Zeit die Berge auf Corsika — zwei inhaltscliwere Erimiernn- gen aus der Zeit des grossen Kaisers. Hin 0 Uhr liefen wir im Hafen von Livorno ein. 4) liivorno» Pisa* Di« Maremmen bei VoKerra. HupferQ-rulien am ]Vlonte Catiui. Die Salinen zu Moja. Die Horaxseen am 9Ionte Cerboli. Piorenz. Bologcna. Modeua. IVIailand. Reise von Mailand über den Splifcg-en nacii Ciiur* Am 19. D e 7> e m b e r 1839. Die maritime Lage von Li- vorno, obwohl bekanntlich gar nicht zu vergleichen mit jener von Neapel, ist schön und zwar besonders durch die Fernsicht auf die apuanischen Alpen bei Massa undCarrara und die hin- ter ihnen emporsteigenden Appennineu. Bereits waren die höchsten dieser Berge mit tiefem Schnee bedeckt =■'. * Im Jahre 1843 unternahm ich im Aiiffrage des damals regierenden Herzogs vonModena eine gpognostisch- bergmännische Bereisungder Appen- ninen imestensischon Staate und der apuanischen Alpen bei Massa und Car- rara. Durcli die öitlichenVerhältnisse bestimmt dehnte ich meine Reise einer- seits bis zum Golfe von Spezia, andrerseits biszu den Quecksilber-, Blei- und Kupferbergwerken im Toskanisclicn bei Pietrasanta und in die Gebirge bei Lucca und Pisa aus. Die Ergebnisse dieser Reise stehen mit den hier folgenden geognostisclien Bemerkungen über den von mir durchwander- ten Theil der Maremmen von Toskana in Verbindung und indem ich mir desshulb erlaube auf die durch Hrn. Dr. v. Leonhard in dem neuen Jahrbuche für Mineralogie , Geognosie , Geologie und Petrefaktenkunde in den Jahrgängen 1844 und 1815 erschienenen Auszüge aus meinem ausführlichen Berichte aufmerksam zu machen, kann ich nicht umhin hier auch einiger andererer wissenschaftlicher Arbeiten zu erwähnen, die auf diesen Gegenstand nächsten Bezug nehmen, nämlich: Fr. Hoffmann , über die Gebirgsverhältnisse in der Grafschaft Massa- Carrara. In Karstens Archiv. Jahrg. 1833, pag. 229 etc. Kloeden , Bemerkungen über die Monti Pisani. In Leokhards Jahrbuch, Jahrg. 1840, p. 505 elc. Carta geologica dei Monti Pisani levata dal vero, dal Prof. Paolo Savi, nel 1832. Pisa. G. GuiDONi, Sul Cinabro o Mercurio solfurato di Ripa nel Vicariato di ; Pietrasanta in Toscana , e sulla Conversione dei Calcarei oscuri in Calcarei saccaroidi o Dolomiti. Letto al Congresso di Torino. Nel Giornale Agrario Toseano. Nro. 60. Brignom di Brcmshoff e Ferd. Reggt, Saggio di storia naturale degli «tnti Estensi. Modena 1840. 341 Mein lieisezwcek war ziitiiichst der Besuch der Kupfer- bergwerke am Monte Catini , der ISaliiien zu !>loja und der nierkwürdij^en Boraxseen am Monte Cerboli , welche Orte sämmtlich in den toskajiischen Maiemnien hei Volterra h'e»»;en. Um jedoch diese wissenschaftliche Exkursion nicht ohne Vor- bereitung-zu unternehmen , begab ich mich zuerst nach Pisa und besichtigte die Sammlungen des dortigen 3Iuseums. Die- selben sind nicht so sehr durch Reichhaltigkeit im Allgemei- nen als, was gerade für den Reisenden das wichtigste ist, durch ihren hohen topographischen Werth von höchstem In- teresse. Besonders zeichnet sich die geognostische Samm- lung von Toskana durch ihre Reichhaltigkeit, durch Reinheit und gewähltes Format der Stücke und durch zweckmässige Anordnung aus. Ebenso verdienen die zoologische und bota- nische Sammlungalles Lob ; die Thiere sind vortefflich präparirt und aufgestellt. Kurz durch das Ganze weht ein wissenschaft- licher Geist, der den beiden Professoren Savi umsomehr Ehre maciit. da eineso musterhafte Ordnung in derlei Gegenständen in Italien nicht immer getroffen wird. Nach Besichtigung der Museen widmeten wir unsere übrige Zeit jener der bekannten Bauwerke, des Doms , des härigenden Thurms, der offenbar seine Neigung schon von Vorne her erhielt, des Battisterio und des Campo santo, eines der schönsten Kirchhöfe in Italien. Wieder nach Livorno zurückgekehrt, trat ich am 22. Dezem ber meine Reise in die Maremmen an. Ich fuhr mit einer gemietheten Gelegenheit von Livorno auf der Hanptstrasse nach Florenz bis Ponte d'Era, wendete mich dann Brignoli Dl BHU^'^HOFF, Relazioiie accadeinica dell'ultima Eruzione ac- caduta nel Vulcaiietto aeico, o tosi detta salsa di Sassuolo iiel Mo- danese. Rcggio 1836. PiETRO Akt. RiGHi, Relazioni di scopcrte e ritrovati, sovrantendente alla Escavazione deile Miniere nei Stati di Modeiia 1752. Manuskript, das Original im herzoglichen Archive zu Modena. G. Guidom, Osservazioni geogn. et niineralog. sopra i monti, che cir- condano il Golfo della Spezia. Genova 1827. A. SISIVIü^DA : Osservazioni geologiche sulIe Alpi Marittime e sugli Ap- pennini Liguri. Torino 1841. Memoire della Accademia reale delle Scienzc di Torino. Ser. II , Tom. IV. M. D. ViviANi, Voyage dans les Appennines de la ti-devant Ligurie. Gents 1807. 34*2 rechts ab nach Ponsecca oder Ponte secca und fuhr fortwäh- rend über freundh'che Ebene ^ mit Alleen und Landg;ütern, bis ich im Thale der Sterza *• ein niederes , wellenförmiges ßergland betrat. Am 2;j. Dezember. Der durch das Regenwetter sehr schlecht gewordene Weg führt durch das Gebirgsland auf ein hügeliges Plateau zum Monte Catini. Ich sparte den Besuch der dortigen Kupfergruben auf meinen Rückweg und sezte meine Reise nach der Saline zu Moja fort. Das Etablissement, welches ganz Toskana mit Salz versieht, liegt in einem klei- nen Seitenthale der Cecina und zwar am Fusse des Gebirges, auf dessen Höhe das Städtchen Voltera *** steht. Mit grös- ster Freundlichkeit zeigte mau mir alles, was ich zu sehen wünschte und man konnte diess umsomehr mit gutem Gewissen thun, als die ganze Anstalt sehr gut eingerichtet ist und zweck- mässig geleitet wird. Von Moja aus gelangten wir über einen Berg in das Hauptthal der Cecina, passiiten den kleinen Fluss auf einer schönen Kettenbrücke und fuhren auf der andern Seite wieder das Gebirge hinan nach dem Städtchen Pomerance in 892 P. Fuss Meereshöhe. An Dr. Biondi empfohlen fand ich in dessen Hause nicht nur die gastlichste Aufnahme, sondern in dem Doktor auch einen sehr werthen Begleiter nach Monte Cerboli , wohin ich früh am Morgen des '24. Dezembers abging. Das Thal am Monte Cer- boli, wo das Etablissement des Conte Larderel sich befindet f, ist keineswegs rauh, doch aber durch Mangel an Vegetation und durch die häufig und in Masse aufsteigenden Wasserdämpfe * Nacli des Prof. Pim.a in Pisa Mittlieilung wird auf dieser Ebene ein artesischer Bohrversuch gemaclit. Man ist mit dem Bohrloche bereits 139 Meter durch Molasse und blauen Subappenninenmcrgel niedergegan- gcn. Der weitere Erfolg ist mir unbekannt. Leonh. Jahrbuch, Jahrg. 1847, p. 364. *•"'■' Südlich vom Monte Cerboli findet sich ebenfalls ein Flüsschen gleichen Namens. Hoffjviann in Kastens Archiv. Jahrg. 1839, p. 22. »** In 1485 P. Fuss Meereshöhe, t 1038 P. F. Meereshöhe. 343 von einem eigentli iiinlich wilden Ansehen. Das kleine Döif- clien Cerboli ist auf die Spitze eines hohen , senkreckt abfal- lenden Felsen hingeklebt, ein acht mittelalterliches Bild, wäh- rend in geringer Entfernung die Fabrik in ihrer modernen So- lidität Leben in dieser Einöde schafft, physisch betrachtet aber auf trügerischem, treulosem Boden steht. Von Pomerance wendete ich mich wieder an den Monte Catini zurück, brachte den Christabend in dem einzeln auf dem wüsten Plateau liegenden Gasthause, della Signora genannt, zu und besuchte von da aus am 25. D e zeni ber die Kupfergruben. Der Direktor, ein Sachse Namens Schneider, ein junger tüchtiger Bergmann, befuhr mit mir die Gruben , führte mich in die Aufbereitungs- werkstätte und gestattete mir auf das bereitwilligste die Ein- sichtnahme der Grubenkarten. Noch an demselben Abend kehrte ich nach Ponte d'Era zurück, von wo ich a m 26. Dezember Nachmittags in Florenz eintraf. Bevor ich aber nun in der schönen Hauptstadt Toskanas mich weiter umsehe, sey mir ein zusammenhängender geognosti- sclier Rückblick auf den von mir durchwanderten, sehr inter- essanten Theil der Maremmen erlaubt. Von Livorno bis an die Sterza ist das Land eine weite Ebene, welche südlich von den Gebirgen von Livorno, nördlich von jenen bei Pisa (Monti Pisani), westlich vom Meere und östlich von den Beigen im Arnothale begräuzt wird. An der Sterza, einem Seitenthale der Era, beginnt ein niederes, hü- geliges Bergland. Als tiefste Ablagerung beobachtete ich einen grünen , glimmerigen Sandstein. Derselbe wird von einem mergelartigen Thon bedeckt, welcher Austernbänke und eine Älenge anderer Conchylien, grösstentheils noch leben- den Arten augehörend, umscliliesst und wieder von Alluvium überlagert wird. Gegen das Thal der Cecina hin erhebt sich das Terrain mehr und mehr, die Berge werden höher , behal- ten aber ihre wellenförmigen, kuppenartigen Formen bei. Als oberste Lage ist hier ein fetter, blauer Thon vorherrschend, der für sich hügelige Plateaus bildet, voll kleiner, kuppenför- miger Berge, so dass das Ganze aussieht, als wenn sich der 344 Boden gebläht, gehoben hätte. Unter dieser mächtigen Thon- ablagerung sieht man hier und da einen grauen, dichten, tho- nigen Kalkstein zu Tage gehen, der mit thonigen, bunten Schie- fern wechseliagert und der, wie mir scheint, zum Theile die Hauptmasse der umherliegenden höhern Berge bildet, von dem erwähnten, glimmerigen Sandsteine aber, der mitunter sehr fest und quarzig ist, unter teuft wird. Wenn man von dem vereinzelt auf dem Plateau und bei- läufig 800 Fuss über dem Meere stehenden Gasthause della Signora den ganz nahe liegenden Monte Catini hinansteigt, so zeigt sich am untersten Gehänge des Berges als oberste Ablagerung Thon und Alluvialschutt. Darunter geht, etwa auf dem halben Wege zum Dorfe Catini, ein grüner, sehr tho- iiiger Sandstein zu Tage, welcher von dem früher erwähnten an derSterza, der die Grundlage der dortigen Thonmergel bildet und selbst nicht thonig, sondern quarzig ist, sich wesent- lich unterscheidet. Unter diesem Sandsteine am Monte Ca- tini liegt eine Bank von Schuttkonglomerat, nagelfiueartig, und tiefer folgt wieder derselbe Sandstein. In diesem Sand- steine finden sich Fucoiden und in der Nähe des Catini auch Braunkohlen, jedoch von sehr schlechter Qualität. Von dem neu angeschlagenen Erbstollen den Berg weiter hinan sieht man nun als herrschendes Felsgebilde das merk- würdige Grundgestein des Catini zu Tage gehen. Es gehört, wie ich glaube, den Euphotidgebilden an und ist theils ein von Serpentinmasse ganz durchdrungener, thoniger, dichter, sehr eisenschüssiger Kalkstein , welcher stellenweise in dichten Roth- und Brauneisenstein übergeht, theils wirklicher Serpen- tin. Dieses Gestein ist, wo es zu Tage tritt, durch Verwitte- rung sehr aufgelöst, wozu wohl seine häufige und ungeregelte Zerklüftung von Vorne her vieles beiträgt. Von dem Dorfe Catini zu den Griibengebäuden hinan beobachtet man das Grundgestein durch den bereits erwähnten grauen, thonigen, dichten Kalkstein bedeckt, welcher aber hier einen sehr sciiief- rigen, stellenweise mergelartigen Charakter annimmt. Anden Gruben selbst geht wieder Serpentin zu Tage, zum Theile sehr kalkhaltig und in grauen , eisenschüssigen Kalkstein über- gehend. »45 Fast VOM der höclisten Kuppe des Catiiii nieder durclisezt diese Felsmasse ein contemporärer Gang (Lager), dessen Aus- fiillung Serpentin und Tlion bilden und welcher an seinem Ausgehenden bei den obersten Gruben nur als Schmierkinft sich darstellt, d. h. als ein ausgezeichnetes Gesteinsblatt mit ßesteg und Erzauswitterung; während er in die Teufe sehr an Mächtigkeit zunimmt, die bis zu 15 Meter anwächst, und In der Teufe von 75 Meter, bis wohin er gegenwärtig durch Grubenbau aufgeschlossen ist, einen grossen Reichthum an Kupfererzen : Kupferkies, Kupferglanz und ßuntkupfererz entwickelt. Das dieser Lagerstätte zunächst liegende Nebengestein ist unbezweifelbar Serpentin, der auf Klüften krystalli- nische Massen von Gyps und Alaun führt, blosse Zersetzungs- Produkte des Gesteins und der Erze. Die Lagerstätte hat eine Menge Trümmer und zeigt überhaupt, entsprechend der Stellung der Gesteinslagen , grosse Abweichungen in ihrer Richtung; so z. ß. verflächt dieselbe im höhern Horizonte in Nord, stürzt sich dann und fällt in grösserer Teufe geoen Süd. Es ist daher allerdings verzeihlich, dass man mit einem, übri- gens mit aller Raison vom Tage nieder abgeteuften Hangend- schachte die ganze Lagerstätte verfehlte. Die Tümmer der Lagerstätte sind erzführend, wie sie selbst. Der die Aus- füllung bildende Serpentin ist weich, thonig, zum Theil ganz in eine specksteinartige Thonmasse umgewandelt und enthält sehr viel Kalk. Die Erzführung nimmt mit der Teufe zu ; die Erzmassen, welche sich getreu dem bekannten Naturgesetze stets inLinsenfonn aussprechen, werden nämlich mit wachsen- der Tiefe häufiger und mächtiger, hängen aber untersich nicht zusammen. Unter gleichen oder doch ähnlichen Verhältnissen sind mehrere solcher Erzlagerstätten in der Umgebung be- kannt. Der schiefrige, thonige Kalkstein , der die Enphotidkup- pen des Catini bedeckt, soll Abdrücke von Dikotyledonenblät- tern führen, die ich jedoch nicht selbst sah, so wie ich über- haupt keine Versteinerungen aus dieser Formation zu Gesichte bekam. Der Durschnittskupfergehalt der gewonnenen Erze be- 346 trägt 33 Prozent und es ist daher leicht einzuselien, dass man nur die besten Erze der Zugutebringung unterzieht. Bisher hat man diese Erze, wegen Mangel an Betriehskräften an Ort und Stelle, zur Verschmelzung zwei Tagereisen weit in die Maremma verfrachtet, da jedoch mit dieser Art des Zugute- bringens sehr bedeutende Auslagen verknüpft sind, so ist man auf den Gedanken verfallen , die rein geschiedenen Erze in Fässern nach England zu transportiren und sie dort verschmel- zen zu lassen. Die Grubenbaue in den Maremmen datiren zum Theile aus den ältesten Zeiten und man will solche kennen, die schon von den alten Römern undEtruskern in Betrieb gesezt wurden. Lezteres vermuthet man auch am Monte Catini, bestimmt aber ist nur, dass die alten Baue, welche man in den obersten Strec- ken des heutigen Grubenbaues anfuhr, aus der Zeit Cosmus I, d. h. aus der Mitte des 15. Jahrhundertes stammen. In neue- ster Zeit hat man die Lagerstätte mittelst eines Hauptschachtes und mehreren Hauptstrecken etagenweise aufgeschlossen, man hat einen Erbstollen bereits durchschlägig und einen zweiten, tiefern am Fusse des Berges angeschlagen, kurz die Anlage ist sehr gut und durchdacht; die Ausführung aber lässt Man- ches zu wünschen übrig, besonders in Betreff des Abbaues der grösseren Erzmittel. Bei der grossen Konzentration des Erz- gehaltes im Hauwerke hat man es vor der Hand gar nicht nöthig Pocherze darzustellen, deren weitere Verarbeitung we- gen der Entfernung der nöthigen Betriebskraft grossen Schwie- rigkeiten unterliegen müsste. Mau trennt die Erze vom Tauben mittelst der Handscheiduug , konzentrirt den Erzgehalt des Scheider- und Grubeukleins mittelst Siebsetzarbeit, wascht den erzigen Grubeuschmand auf einem kleinen Kehrheerde, zieht ihn zu Schlich und stellt so Gezeuge dar, deren Durchschnitts- gehalt an Kupfer, wie oben gesagt, 33% ungefähr beträgt. Das ganze Etablissement beschäftigte zur Zeit meiner Anwesen- heit bei 100 Mann und soll ungefähr einen jährlichen Ertrag von 10,000 Thalern abwerfen, vorausgesezt, dass die Erze nicht in der Maremma verschmolzen, sondern nach England ver- kauft werden. Wenn man sich vom Catini weiter südlich gegen das 347 Thal dei'Ceciiia Aveiidet, so sieht man nach und nach allcThä- ler und Buchten des Avellenförmi^en Gebii'g;slandes mit selir mächtigen Ablagerungen von Gyps und Thon erfüllt. Der Thon wechsellagert mit dem weissen , fernehin sichtbaren, körnigen und in grossen Felsraassen zu Tage gehenden Gypse. Diese Thone und Gypse führen Kochsalz und Schwefel, auch Braunkohlen finden sich in ersteren. Auf den ersten Blick fällt eine gewisse Aehnlichkeit die- ser Formation mit den tertiären Gebilden an der Südküste Si- ziliens auf; wie dort führen sie auch hier Salz, Schwefel und Braunkohlen, wie dort befinden sie sich auch hier in der Nähe eines grossen vulkanischen Heerdes und wie dort tragen sie selbst die unverkennbarsten Merkmale fortdauernder vulka- nischer Einwirkung und Zersetzung an sich. In dem kleinen Scitenthale derCecina unterhalb Volterra befindet sich die schöne Saline zu Moj a^ wo man dieSalz- fülirung der obenerwähnten tertiären Gebilde auf eine sehr einfache Weise benüzt. Man teuft nämlich im Gyps und Tiion Schächte ab, mitunter bis zu SOFuss und darüber, laugt die salzfülirenden Straten sowohl durch Tagewasser, als auch durch zufällig erbaute Grundwasser aus und fördert die sud- würdige Soole zu Tage. Bohrversuche auf Steinsalz wären hier sehr anzurathen; denn an und für sich bleibt diese Me- thode der Auslaugung, sowie die verwandte durch Bohrlöcher doch nur ein Raubbau. Man gewinnt zwar eine Quantität Salz sehr wohlfeil in kurzer Zeit, verliert aber bei weitem dengrös- sten Theil desselben dadurch, weil, wie bekannt, die Auslau- gung nur im obersten Theile der salzführenden Schicht vor sich geht, insofern nicht die Wasser durch Bergbau ins Innere derselben geführt, d. h. Sinkweike angelegt werden. Die Bohrlöcher haben als üntersuchungsbaue gewiss ihren hohen Werth, sie selbst aber als Abbaumittel salzführender , berg- männisch abbauwürdiger Lagerstätten zu benützen, ist einer guten Bergbauökonomie gerade entgegen. Man besizt zu Moja gegenwärtig (1839) acht Soolen- schächte, die eine reiche, reine Soole liefern. Beim Abteufen dieser Schächte stösst man stets auf Straten von Salzthon und Steinsalz, welche mit Thon und Gyps wechsellagern, zwar nur 348 eine geringe Mächtigkeit haben , immerhin aber eine Auffor* ilerung; sind mit diesen Schächten tiefer niederzugehen. Die 18- bis 24- g;radige Soole leitet man von den im ganzen Schrotte ausgezimmerten Schächten in einer hölzernen Leitung in grosse hölzerne Reservoirs und aus diesen in die doppelten Wärmepfannen, deren jede Sudpfanne zweie hat und welche durch die bei den Sudpfannen abgehende Hitze geheizt wer- den. Zur Versiedung der Soole hat man 4 eiserne Pfannen, mit denen man in je 24 Stunden 800 Zentner * sehr schönes, weisses Salz erzeugt. In trockenen Sommern tritt manchmal durch Verminde- rung der Tagewasser Soolemangel ein. Tagverbri'iche (Bin- gen), herbeigeführt durch fortwährende Auslaugung des Ge- birges, sind selten. Im Ganzen ist das Etablissement einfach schön und sehr zweckmässig eingerichtet und würde es noch mehr seyn, wenn man sich das Prinzip der württembergischen Salinen: Holzersparung, recht angelegen seyn liesse. Von Moja nach Pomerance werden die Berge immer hö- her und steigen endlich zu 2000 Fuss über das Meer an. Die Felsbildungen sind fortwährend Gyps, wechselnd mit Tlion, mitunter in sehr dünnen Lagen, wie in Sizilien, und stellen- weise durchbrochen von dem dichten, grauen, tlionigen Kalk- stein. Für sich tritt aber auch der Gyps in sehr bedeutender Mächtigkeit auf und ist mit dem Thone salzführend. Auch gediegener, grauer und gelber Schwefel findet sich, zumTheil in nicht unbedeutenderMasse, daherer früher ein Gegenstand bergmännischen Abbaues war. Bei Dr. Biondi sah ich sehr schöne Stücke Schwefels in Stalaktitenform aus diesem Ter- rain. Die Braunkohle ist hier offenbar durch schwefelsaure Dämpfe verkohltes Holz. Die Umgebung des Städtchens Pomerance, auf dem Rüc- ken eines Berges liegend, ist noch tertiär- wie man aber das Thal südlich hinabsteigt und an die Gehänge des Monte Cer- boli kommt, da sieht man plötzlich aus den tertiären Thonen undGypsen den Serpentin in grosser Mächtigkeit hervortreten. Er schliesst ein über zwei Stunden im Umfange haltendes * 1 Zentner (Cantaro) in Toskana = 100 lib. = 60,63 Wiener Pfuudj somit 800 Zentner = 185 Zentner 4 Pfund Wiener Gewicht. 340 Kesseltlia! ein, welches gegen Nord offen ist und das Ansehen eines alten, grossen Kraters hat. Der Serpentin tritt hier entschieden in der Rolle eines vulkanischen Gesteins auf und zeigt sich den Trachyten in allen seinen diessortigen Verhältnissen als sehr nahe stehend. Er ist am scharfen Rande des Kesselthaies wenig zersezt, reich an Diallage; auch finden sich in ihm Augite und Chaba- site, ja stellenweise zeigt er sogar einen basaltischen Charak- ter. Die Felsparthieen an der Nordseite sind schroff und wild und auf einer dieser Zinken mit senkrechten Felswänden steht höchst malerisch das kleine Dörfchen Cerboli. Die Schluchten und Vertiefungen sind meist mit den erwähnten Tertiärgebilden und mit Alluvium angefüllt, besonders ist diess im siidlichen Theile des Kesselthales , am Fusse des Gebirgs- kammes der Fall, wo sich die vulkanische Thätigkeit am mei- sten entwickelt. Dicht unterhalb des Etablissements zurDar- stellnng der Boraxsäure, von seinem Eigenthümer Larderel „Larderello<< genannt, sieht man den grauen, dichten, thonigen Kalkstein in Schichten von 1 bis 2 Fuss Mächtigkeit und mit schiefrigen, thonigen Mergeln wechsellagernd zu Tage gehen und sich in Südwest verflachen. Das Kesselthal am Cerboli gibt aus Südwest in Nordost folgenden Durchschnitt: sw. NO. in welchem a den Serpentin , der das Kesselthal von Cerboli umgibt; b Gyps und blauen, fetten Thon; c den dichten, grauen, thonigen Kalkstein mit schieferigem Mergel und d das Terrain des Alnviums und der tertiären Ablagerungen mit den vielen Soffioni * (auch Fumacchie genannt) bezeichnet. Wenn wir die Ablagerungen der Felsgebilde von der '•' Soffione „Her Blasbalg", selir bezeichnend mit Bezug auf die mit grosse.i' Heftigkeit aus diesen Ocflfnungen ausströmenden Dämpfe. 350 Ebene herein über Monte Catini, Pomerance bis zum Monte Cerboli verfolgen, so dürfte sich von oben nach unten folgen- des Lagerungsschema ergeben: 1. Alluvium, Diluvium und subappenninische Ablagerungen: Ebene von Livorno an die Sterza, der Thon auf dem Plateau des Catini, Schuttland bei Larderello. 2. Tertiäre Sandsteine und Conglomerate, mit Fukoiden und Braunkohlen, am Monte Catini. 3. Tertiäre r Gyps u n d Th o n, mit Schwefel, salzsau- rem Natron und Braunkohlen : Monte Catini, Pomerance, Thal der Cecina, am Monte Cerboli. 4. Kreidekalk undKreidemergel. Dichter, grauer, thoniger Kalkstein, schiefrige, thonige Mergel (mit Dy- kotyledonen?); Monte Catini, Thal der Cecina, Monte Cer- boli. An lezterem Orte fortdauernde, durch schwefelsaure Dämpfe bedingte Umwandlung in Gyps wahrnehmen lassend. 5. G r ü n sa n d s t e i n. Sandstein an der Sterza und Era. 6. £u photid. Serpentine, basaltartige Serpentine, Gabbro, eisenschiissiger Serpentinkalk, Specksteinthon , eisen- schüssiger Thonstein, mit Rotheisenstein, Brauneisen- stein, Kupfererzen ; Catini, Cecina, Cerboli. Das sichtbare Grundgestein bildend. Die ersten Spuren der fortdauernden vulkanischen Thä- tigkeit trifft man dicht an der Strasse nach Larderello, beim Dorfe Cerboli *. Daselbst befindet sich im Serpentine eine kleine Solfatare. Der Serpentin ist zersezt und aus der gänz- lich aufgelösten, thonigen Masse treten Schwefel- und schwef- "•' Ueber die höchst interessanten sogenannten Boraxseen (Lagoni) in Toskana findet man in der Continuazione degli atti dell' i. r. accade- mia econoni. agraria dei Georgofili di Firenzc , Vol. II, 1833, eine Ab- handlung, die um so wichtiger ist, als wir über diesen Gegenstand noch sehr wenig besitzen. Sic führt den Titel Rapporto di una commissione speciale incaricata di render conto di una memoria del Sign. Larderel sull' acido boracico scoperto in Toscana e sulle suc applicazione. Letto nell' adunanza ordinaria dei 14 Aprile 1833. Ein kurzer Auszug hicvon in Leonh. Jahrbuch, Jahrg. 1835, pg. 346. HoFFMANN erwähnt des Monte Cerboli etc. nur ganz kurz in Kars- tens Archiv, Jahrg. 1839, 13. Bd., pg. 19. 331 ligsaiire Dämpfe hervor. Am gesteigertsten zeigt sich jedoch diese vulkanische Thätigkeit inLarderello selbst, Ersclieiiiun- geii darbietend, ebenso wissenschafth'ch interessant, als über- raschend für Jedermann. Unter den sehr mächtigen Thon- und Schuttmassen bestehen vulkanische Spalten, die wahr- scheinlich unter sich in Verbindung stehen und deren Richtung aus S. in N., überhaupt deren Vorhandenseyn eine Reihe von Softioni darthut, welche sich längs des Gehänges herab durch den Schutt öffneten und sich noch fortwährend, ihren Platz häu- fig verändernd, aufthun. Aus diesen Soffioni treten heisse Was- serdämpfe, mit Schwefelwasserstoff", schwefliger Säure, Ammo- niakverbindungen, Borax säure* u. s. w. gemengt, mit solcher gewaltiger Heftigkeit hervor, dass alles, was zufällig in diese Dampflöcher gelangt, als: Erde, Wasser, Steine u. s. w-, wiederzurückherausgeworfen wird und sich auf diese Weise die Kanäle offen erhalten. Die Temperatur dieser Wasserdämpfe fand ich nirgends unter SO^Reaum., wohl aber steigt dieselbe an einigen der Soffioni, wo die Dämpfe einer grossen unterirdischen Spannung unterworfen mit besonderer Heftigkeit ausströmen, auch bis zu 140^ Reaum. Um die Bo- raxsäure zu gewinnen ist man auf einen sehr einfachen und höchst rationellen Gedanken verfallen. Man ummauert näm- lich die stärksten Soffioni mit mehreren Fuss hohen Mauern, wodurch sich Bassins bilden , in deren Mitte die Dämpfe mit furchtbarer Gewalt hervorbrechen. Da ein Bach zu Gebote steht, so leitet man Wasser in diese Bassins, die so angebracht werden, dass man dasselbe aus einem in das andere ableiten kann. So bilden sich kleine künstliche Teiche, die Lagoni ** oder Boraxseen. Die heissen Dämpfe bringen das Wasser in den Bassins sogleich zum Sieden , was natürlich äusserst tumultuarisch vor sich geht. Der Anblick einer öden, wilden, von Vegetation ganz entblösten Umgebung, umhüllt von dich- tem Dampfe , am Rande dieser Bassins, in denen das Wasser, eine trübe, lehmige Lauge, mit solcherGewalt kocht und wallt, * Pa¥en in Paris machte bei seinem Besuche des Monte Cerboli Analysen, deren Resultat mir jedoch unbekannt ist. *'^' Es gibt auch natürliche Lagoni, wo sich nämlich in den Vertie- fungen um die Soffioni das Wasser von selbst sammelt. a52 dass es voii den mit grossem Geräusche ausströmenden Däm- pfen in der Mitte fortwährend mehrere Fnss hoch in die Luft geschleudert wird und wieder zurück fällt, hat in der That etwas ganz Infernales an sich. — Um die Lauge gehörig zu sättigen wird das Wasser, welches in Berührung mit den Dämpfen die mit diesen mechanisch fortgerissenen löslichen Salze und Säuren , somit auch die Boraxsäure zum grossen Theile aufnimmt, sobald es einen Boraxsäuregehalt von unge- fähr 0,5 Prozent zeigt, welches nach einigen Tagen geschieht, aus dem ersten Bassin in ein zweites, dann in ein drittes u.s. w. abgeleitet, bis die Lauge endlich jenen Sättigungsgrad zeigt, der sie zur weitern Manipulation geeignet macht. Ist diess der Fall, so lässt man sie in die Sudgebäude abfliessen. Zuerst kommt daselbst die ganz trübe Lauge zur Klärung in ein Bassiu, aus welchem sie mittelst Hebern in grosse, flache, bleiene Pfannen abgezogen wird, in denen man sie durch Ver- dunstung so weit konzentrirt, dass sie geeignet ist bei Ruhe und Herabsetzung der Temperatur die aufgelöste Boraxsäure krystallinisch auszuscheiden. Diese Abdünstung der Lauge geschah früher sehr kostspielig durch Holzfeuerung, während man gegenwärtig ebenso sinnreich als einfach und wohlfeil die heissen Dämpfe der Soffioni, die zunächst der Sudhütte liegen , auffängt und in bleienen Röhren unter die Pfannen leitet. Aus den Dunstpfannen fliesst die hinlänglich konzen- trirte Lauge in die Krystallisationsbottiche ab, wo man sie der Ruhe überlässt und wo sodann bei eintretender Abkühlung sich die Boraxsäure krystallinisch ausscheidet. Die Mutterlauge, noch Boraxsäure enthaltend, kommt in die Manipulation zurück; die krystallisirte Boraxsäure aber gelangt in die Trockenkammern , welche ebenfalls durch die heissen Dämpfe der Soffioni geheizt werden und von wo so- dann dieses Fabrikat, in Fässer verpackt, entweder und zwar zum grössten Theile unmittelbar in den Handel, besonders nach England, oder zum kleinern Theile nach Livorno zur Er- zeugung des künstlichen Boraxes oder zur Raffinirung mittelst neuer Auflösung und wiederholter Krystallisation abgegeben wird. Die Boraxsäure , wie sie aus den Trockenkammern kommt, hat das ihr eigenthümliche glimmerartig glänzende AiisehcMiJst etwas oelhlioi, gefärbt 1111,1 vonvaltcndtliiicIiAlaiHi vei'imi'eiiii*>f. In der Unigebuno des Monte Ceiboli, namentlich zu Ca- stelnuovo, Monterotondo, Leccia , Lnstij[,niano und Seiazzano, finden sich unter gleichen Veihältnissen noch an neun Punkten ähnliclie Lagoniund Soffioni, welche zusammen zur Erzeugung- der Boraxsäure an 300 Arbeiter beschäftigen und nach A u- gäbe de s F a b ri k d i r e k t o r s zu Lanlerello jährlich ein Quantum an Boraxsäure von 12,000 Wiener Zentner liefern, ohne hiezu eines besondern Brennstoffaufwandes zu bedürfen ' .' Die Schutt- und Thonablagerungen , in deren Bereiche sich am Cerboli die Soffioni befinden , sind durch die heftige Einwirkung der Dämpfe nicht nur ganz zerrissen und zeigen die sonderbarsten Formen, sondern ihre Masse ist zum grossen Theile aufgelöst, zersezt und umgewandelt. Man beobachtet daher eine Menge von Salzbildungen; Alaun, Kochsalz, Ku- pfersalze, Eisensalze, Ammoniaksalze u. s. w. Inder ümgebuno- des Cerboli befinden sich nicht nur viele Mineralquellen , soin dern darunter auch einige sehrheisse Thermen, die zu Bädern benüzt werden. Erdbeben sind ziemlich häufig, doch erinnert man sich keiner heftigen. Ich verweilte zu Florenz bis zum 4. Januar 1840. Ein eigener Geist ist es, der in dieser schönen Stadt der Paläste dem Reisenden überall entgegen- tritt. Noch ist man im eigentlichen Italien ■ Sprache, Sitten, Gebräuche, Menschenrasse, alles Avas eineji umgibt, ist noch acht italiänisch, aber es liegt im Ganzen, besonders in den Erscheinungen aus dem Bereiche der Wissenschaft, mehr Ernst, mehr Kraft, mehr System, kurz eine höhere Weihe, der man weiter im Süden nur ausnahmsweise begegnet. Es ist ein deutscher Zweig auf italiänischen Stamm gepropft, eine glück- liche Mischung von deutscher Grund lickeit mit südlichem Feuer. Toskana ist eines der wenigen Länder, die seit langer Zeit zum grossen Theile weise , durchaus gute Fürsten haUen in denen die Liebe zu ihrem Volke mit Sinn für Wissenschaft L.r.DEKEL -ab in seiner Denkschrift vom J. 1833 das Produk- |.o.i,quantuni ,m Ma.imo z« 700000 Pfund an; mir i.st jedoch ni.ht be- kannt nach welcher Gewicirtsnorm. K 11 ssr i;^ ,_. l . JJpiscii. IV. Bd. 2.'j 354 und Kunst sich paarte. Toskana ist unstreitig der civilisirte- ste Theil Italiens und die neuesten Ereignisse, als die wahn- sinnioen Umtriebe einer fanatischen Parthei im niedrigsten Pöbel Kraft und in einer, hoffentlich vorübergehenden Schwäche der Regierung Nahrnng fanden, machen mich in diesem meinem Uitheile nicht irre. Betreten wir in Florenz was immer für Sammlungen, Museen, Kabinete etc. so sehen wir des Vorzüg- lichsten sehr vieles, des mittelmässigen wenig, überall aber finden wir Ordnung, Studium und Wissen. Eine ^'«r interes- santesten Anstalten, die in ihrer Art ganz einzig in der Welt dasteht, ist jene der Mosaik mit harten Steinen, ein Pnvat- „nternehmen des Grossherzogs mit wahrhaft fürstlichem Auf- wände. Die Leistungen dieses Institutes , der Stolz von Mo- renz, gehen ins Unglaubliche. Alles, was der Pinsel des Malers liefert, wird hier aus harten, geschliff-enen Sternen in ihren natürlichen Farben zusammengesezt, ohne dass das freie Auge eine Fügung erkennen kann. Ich sah da Landschaften, verschiedene Figuren, Früchte, besonders aber Blumenstucke, von denen ein Kranz auf einer Porphyrplatte der Anstalt selbst auf mehr als 2000 Louisd'or zu stehen kam , welche m der nächsten ISähe betrachtet als Gemälde erscheinen und doch nur Mosaik sind, aber eine Mosaik, gegen die in technischer Beziehung und im Effekte jene der Altarblätter des S|. Peters in Rom weit zurück steht. Alle Schatten sind trefflich gehal- ten und es lässt sich daher denken , dass ein Steinmagazin, welches so unendlich viele Farbentöne umfasst , die mineralo- oischeu Fundörter der ganzen Erde repräsentirt und wirklich fiudet man da Agate, Karniole, Lazursteine, Kalzedone etc. aus allen Erdtheilen , von Kamtschatka bis zum teuerland. Auch erhabene Blumenarbeiten werden in dieser Anstalt aus harten Steinen angefertigt, deren höchse Vollendung nichts zu wünschen übrig lässt. Mit Amici, berühmt durch seine Leistungen im optischen Fache und durch seine mikroskopischen Arbeiten nnBei-eiche des Ptlanzeulebens, aus denen die bekannten vortreffhchen Pflanzen - physiologischen Wachspräparate hervorgingen hesuchte ich das physikalische Kabinet. Dasselbe zeichnet sicli nicht nur durch Reichthum an den schönsten Apparaten, 355 durch Nettigkeit und wiikliclie Pracht im ganzen Arrangement, sondern vorzüglich auch durcli die liistorisch vollständigen Entwickiungsreihen der wichtigsten physikalischen Instru- mente, von ihrem ersten Ersciieinen bis zur gegenwärtigen Vollendung aus. Da sieht man z. B. alle Arten von Fernröh- ren, Thermometern u. s, w., von denen angefangen, deren sich Galiläi bediente, bis auf die Fabrikate des heutigen Tages. Unter den neuern Apparaten machen sich vorzüglich bemerk- bar: eine schöne Elektrisirmaschine mit einer riesenhaften Leydnerflasche, durch deren Funken es gelang im Sande künst- liche Fulgurite zu erzeugen , ein grosser Hufeisenmaguetap- parat, der bei plötzlichem OefFnen und Schliessen der Kette starke, am heilen Tage sichtbare Funken entwickelt und tüch- tige Schläge ertheilt; ein elektro-magnetischer Apparat, des- sen Kraft mittelst einer sehr einfachen Vorrichtung als ße- wegungsprinzip jedw elcher Maschine benüzt werden kann; eine sehr lehrreiche Zusammenstellung der elektrischen Farben und Figuren des unsterblichen Nobih auf Stahlplatten; riesen- hafte voltaische Elemente, durch welche Platin augenblicklich geschmolzen wird u. s. w. Nicht minder vorzüglich als das physikalische Kabinet ist die Sternwarte eingerichtet, welche dem Bedürfnisse der Wis- senschaft folgend nicht blos mit den besten astronomischen In- strumenten, sondern auch mit solchen zu den schärfsten Beo- bachtungen der terrestrischen und atmosphärischen Funktionen besonders in magnetischer Beziehung ausgerüstet ist. Auch dieoryktognostische Sammlung des naturhistorischen Museums enthält viel Schätzbares und die paläontologische ist ausge- zeichnet in Bezug auf fossile Mammalien. Die reichen Samm- lungen von Samen- und Holzarten, von Zoophiten, Mollusken, Insekten, Fischen und Reptilien gehören in jeder Richtung zum ausgezeichnetsten, wasjedoch die Mammalien und Vögel anbe- langt, so fand ich das Museum in diesem Fache weder reich noch mit vorzüglichen Exemplaren ausgestattet. Das Kabinet, der anatomischen Wachspräparate steht zunächst jenem des Josephinum in Wien. Durch die Güte des gefälligen Amici wurden mir auch jene Mineralien gezeigt, welciie noch nicht zur allgemeinen Beschaunng aufgestellt waren und die des 356 Seltenen und Schönen viel umfassen : i>anz zufällio stiessich bei (lieser Gelej>enlieit auf drei aus Wachs angefertigte Tahleauv, uelche die Gräuel der Pest vorstellen und wahre Meisterstücke sind. Die Phantasie, welche jedoch hiebei dem Künstler vor- .sclnvebte, ist so grässlich und besonders ist der Anblick eines kleinen, lieben Kindes, welches an der lebU)sen Brust der bereits in Verwesung- übergehenden nackten Leiche seiner schönen Älutter saugt, soergreifend, dass es wirklich das Zart- gefühl erfordert, nur nervenstarken Personen diesen Anblick zu erlauben. Hat Florenz schon im Bereiche der Wissenschaft Vorzüo^- liches aufzuweisen, so werden diese Schätze doch von jenen aus dem (iebiete der Kunst noch weit übertroffeu und hierin ist Florenz nächst Rom die erste Stadt der Welt. Wenn man die unglaublichen Leistungen des bereits besprochenen Mo- saikinstitntes bewundert, wenn man die prächtigen Kirchen durchschritten hat und in Sta, Croce zwischen den Gräbern eines Raphael Buoisiaroti, eines Dante, Machiavelli, Galii:!», ]>IicnEL Angklo, d'Alfieri etc. Italiens Vergangenheit im Geiste vorübergehen liess, wenn man aus der Schule der schönen Künste in die G.illerie der Rledici — der reichsten — und in die Gallerie des Palastes Pitti — dei" schönsten der Welt tritt und diesen Pailast selbst betrachtet, wie er da steht auf der riesenhaften Terrasse , jeder Zoll klassisch; wenn man alle die vielen andern Gailerien, Kabinete, Paläste u. s. w. oft und lange durcliwaiulert — so taucht endlich ein eigenes Gefühl in der Brust auf, zusammengesezt aus heiligem Staunen und höchster Achtung für solche Geistesgrösse und andrerseits aus Scham über, mit ehrenwerthen Ausnahmen , die Nichtig- keit der Leistungen unserer jetzigen Zeit, die schmählichen Sudeleien und (Jemeinheiten, u eiche die Salons unserer Kunst- ausstellungen erfüllen. Es ist kein Wunder, dass nach sol- cher Entweihung des Tempels die Grazien sich weinend ab- wenden. Abgerechnet die herrlichen Gebäude und eine ausnehmend liiibsche Lage, macht übrigens das Äenssere von Florenz durch- aus keinen heitern Eindruck. Es liegt etwas Aengstliches, Drnrkeiuies in diesen, verhältnissmässig zu den grossen und 357 hohen Gebäuden, engen Gassen und im Mangel Aveiter, heiterer Plätze. Am 4. Janjiar IS40. Abends veiliess ich Florenz um! war Tags darauf Vormittags in Bologna, wieder in den päpst- lichen Staaten, wie ich ohne Zuhülfenahmc geographischer Kenntnisse schon aus den Schaaren von iJettlern , Geistlichen und IMüssiggiingern aller Farben entnehmen konnte. Vorzüglich in derx\bsicht, uin den nubischen Reisenden Dr. Ferlini kennen zu lernen und seine in den Pyramiden des si'idlichen Nubiens eroberten alt-äthiopischen , werthvollen Antiquitäten =^' zu besichtigen, blieb ich zwei Tage in liologna. Einen grossen Theil seiner Sammlung hatte damals Ferlini bereits S. M. dem Könige von Baiern verkauft; aber auch der Best, den ich noch sah, war höclist interessant. Ausser diesen äthiopischen Alterthihiiern besizt Ferlini auch eine recht ar- tige Sammlung naturhistorischer Gegenstände ans Nubien und den anliegenden Ländern, welche als alte Bekannte und so ganz in Ruhe und bequem wieder zu sehen mir viel Ver- gnügen machte. Die Gallerie dev schönen Künste zu Bologna enthält manches Gute und unter den Sammlungen der alten beiülimten Universität mache icli besonders auf die Reichhal- tigkeit des Mineralienkahinetes an subappeniiinischen Ver- steinerungen aufmerksam. Im zoologischen Fache sind die Fische sehenswerth, in der Abtheüungder Mammalien befindet sich eines der besten ausgestopften IXilpferde und im kleinen anatomischen Kabinete zeichnen sich die vortrefflichen Mem- branenpiiiparate ans. Das Schönste übrigens, was Bologna aufzuweisen hat, ist der eine halbe Stunde von derStadt ent- fernte Kirchhof, ein weit ausgedelintes System von Arkaden- gängen und schönen Hallen mit prächtigen Marmormonumen- ten 5 das Ganze , viel zu grossartig für eine Provinzialstadt, würde London oder Paris zieren. Am 7. Januar um 4 Uhr Morgens verliess ich Bologna, war um 1) Uhr in Modena, um 2 Uhr in Reggio, Abends in Parma und würde unbedingt schneller fortgekommen seyn, wenn nicht die unzähligen Doganen mit ihren lächerlichen * M. s. dicst's Rpiscwcrk. II, I. p^. 187 etc. 338 mittelalterliclien und doch fruchtlosen Vexatloiieii so oft Auf- ciithnlt verursacht hätten. A m 8. Ja n u a r. Bei Piac enza passirte ich den Po, je- doch nicht ohne Beschwerde und grossen Zeitverlust. Der riuss war vor Kurzem ausgetreten und hatte gräuliche Ver- wüstungen angerichtet. ISoch war derselbe nicht in seine (iränzen zurückgewiesen und nur auf weiten Umwegen konnte sich der Wagen dem Uebergangspunkte nähern. Zum üebcr- gange dienten zwei fliegende Brücken und eine Schiffsbrücke. Nach drei Sttinden Zeitaufwand stand ich am andern Ufer, auf österreichischem — folglicli vaterländischem Boden. Es war ein schöner Morgen, frisch, für mich fast zu kalt, die Luft rein, und in den herrlichsten, schärfsten Umris» sen erhoben jenseits der lombardischen Ebene die Alpen ihre eisigen Häupter, eine Kette vom IMoutblanc bis gegen die Ortelesspitze. Es war einer der schönsten Augenblicke wäh- rend meiner langen Reise. Wie oft habe ich auf den weiten Savannen im Innern von Afrika, im Momente der Gefahr, ge- fesselt auf das Krankenlager, mit glühender Sehnsucht an die fernen, schönen Berge gedacht und wohl gezweifelt sie je wieder zu sehen — und nun — nun standen sie vor mir in ihrer duftigen Bläue, mit ihren reinen, weissen Häuptern. Es war gerade Mitternacht, als ich in Mailand ankam. A m 9. J an u a r. Mailand ist eine der wenigen Provin- zialhaiiptstädte, in denen man die Provinz nicht merkt, sondern in der Hauptstadt eines ganzen Reiches zu seyn glaubt. Ist schon in Florenz, in wissenschaftlicher Beziehung, der Einfluss des deutschen Genius unverkennbar, so ist diess mit Bezug auf das öffentliche Leben, jedoch mit Ausnahme der sogenannten Signoria, in Mailand noch weit mehr der Fall. Dass Mailand und die ganze Lombardei an Wohlstand, an Bildung , an bür- gerlicher Ordnung und Sicherheit und ich getiaue es mir zu behaupten, i n j ed er Rieh tung, unter der österreichischen Regierung entschieden gewonnen haben, ja sogar in manchen Beziehungen vor andern Provinzen der österreichischen Mo- narchie günstiger gestellt sind, kann Niemand abläugnen , der die Lombardei und ihre neueste Geschichte kennt , ausser er legt seine Unwissenheit oder seinen Undank offen an den T.ig. .{59 Das nas Alailaiid in vviss e n s cti attlic h e i* Beziehung auf- zinveisen hat , Ist zum grossen Theile erst eine Frucht der neueren Zeit, während Florenz, die hernhmte Stadt der Me- diti, diessfalls schon auf Jahilinnderte alter Basis steht. Da- her auch die meisten Anstalten dieser Art in Mailand blos das Gepräge des neuesten Standpunktes, in Florenz jenes des hi- storischen Vorwärtsschreitens an sich tragen. Seihst im Äus- sern zeigt sich in beiden Städten eine auffallende Verschieden- heit und der Reisende wird in den von hohen, prächtigen Pal- lästen eingesäumten , verhältnissmässig engen Gassen von Florenz einen andern Eindruck erhalten , als in den breiten, geraden, lichten Gassen Mailands mit seinen modernen, schönen Häusern und seinen freundlichen Plätzen. Stösse man nicht hie und da anfein Baudenkmal der altern Zeit und des Mittel- alters, man würde in Mailand sehr oft in eine ganz neue Stadt sich versetzt glauben, besonders seitdem unter der österrei- chischen Regierung so viel veiwendet wird, den früher unter Buden und garstigen Häusern halb vergrabenen, weltberühm- ten Dom von seiner schmählichen Umgebung zu befreien und ihm jene Fieiheit der Stellung zu verschaffen, die der Kunst gebührt. Ohne mich in eine Beschreibung dieses Meister- stückes der veredelten gothischen Baukunst oder in eine solche des Triumphbogens, des merkwürdigen Monumentes, welches ohne Gefährde seiner klassischen Vollendung die politische Farbe wechselte, oder der Arena, der riesenhaften Skala u. s. w. einzulassen, erlaube ich mir nur auf einige der in natu rw i s- senschaf tl i eher Beziehung interessantesten Anstalten und Sammlungen aufmerksam zu machen. Dahin gehören vor Allem das k. k. Mineralienkabinet von Sta. Teresa , das Museum Kristophori und Jahn und die k. k. Sternwarte. Unter den vielen sehenswerthen und durch den sehr ge- fälligen Prof. Balsamo Crivelli in bester Ordnung gehaltenen Gegenständen der k. k. Mineraliensammlung von Sta. Teresa zeichnen sich ganz besonders die fossilen Mammalien und Saurierreste aus. Crivelli hat hievon bereits in den Jahren 1839 und 1840 in zwei Abhandlungen * einen Elephanten, ein '^ G. B. CRivEi-MjlNota sul Riiioceiontc foshilc esistentc nell' I. P». CabincUo de iiiineruli c fossili iicl luialc di suiita Teicsa iii Mi- 360 Rhinozeros, einen Delphin, zwei Wallfische, dainnter ein Exemplar ganz vollständig- nnd eine Spezies Paleosauins be- Nchrieben. Später finden wir von demselben Autor eine nene Abliandinng *, worin aus der Reihe dieser fossilen Thiere besonders heiausgehoben erscheinen : Delphinus Corte^si , D. ßrocchii; Balaenopteia Cuvierii; Elephas primigenius; Rhino- ceros leptorhinus, R. de Filippi und Dorcatherium Kauf. Sehr interessant und besonders instruktiv für den Bau der südlichen Voralpen ist die Petiefaktensamminng des be- rühmten, als Märtyrer der Wissenschaft zu Charduni gefalle- nen** Brocchi, welche sich ebenfalls in dem Kabinete von Sta. Teresa befindet und seinem bekannten ausgezeichneten Werke zur Basis gedient hat. Diesen Sammlungen zufolge bestehen die lombardisch- venetianischen Voralpen bei Verona von oben nach unten in folgenden Ablagerungen. Subapennine und tertiäre Gebilde. Kreide, mit Feuersteinen und versteinerungsreichen, kie- selig^en Scliiciiten. Oolithformation, mit Gjps und sehr vielen Ammoniten, wovon eine ausgezeichnete Sammlung- vorlieg;t. Im Gypse finden sich Fische und Sanrierreste; im Oolithsandstein: Ortho- ceratiten. Ein schwarzer Schiefei', entsprechend dem englischen Lias. lano; Desrrizionc di aicuni dend cli Rinoceronte , e d' ima nuova specie d' Jn|^!andite trovati nclla lignile de Lc ffe , e Cenni sovra aicuni altrl fossili liscontrati nel calcareo nero sopra Varenna e presso BcJlagio. — Biblioteca italiana, toino 95. iMilaiio 1840. Derselbe; Descrizione d'uii miovo rettile fossile, della famiglia de» Paleosauii, c di due pesci fossili, trovati nel calcuico nero, sopra Varenna sul Lago di Como, dal nob. Sign. LuDovico Trotti, con aleune riflcssioni gcologiclie. Politecnico di Milano ; fasc. di niago^io 1839. * B. Crivkm.i im Giornale dell' Istitiito Lombarde und in der Bi- blioteca iluliana; besonders abgedruckt: Milano 1842. Leoivhabd's .Jahrbucli, Jahrgang 1844, p. "241. "'* M. .s. dieses Hcisewerkes H. 2, p. 632. Kalksteil) mit Enkriiiiteii und scliwarzem Feuerstein (Clieit); Alpenkalk. Granwacke und Porphyre. l>Iit Crivki-li besuchte ich das städtische Naturalienkabi- jiet , vom früheren Besitzer: Museo Kristophori et Jahn ge- nannt. Dasselbe ist ausnehmend reich, aber wenig geordnet. Besonders finden sicii in der mineralog-ischen Abtheilung wahre Frachtstiicke, z. B. eine der grössten Berylldrusen aus Sibirien, die ich je sah und von ausserordentlichem Werthe, ein Stück gediegenes Silber aus Kongsberg von seltener Grösse u. dgl. m. Sehr reich und schön adjustirt sind die Sammlungen der ter- tiären Fossilien, dann die der Konchylien, Insekten, Fische, Reptilien und Pflanzen, besonders aber jene der Schmetter- linge, worunter eine Luna von mehr als 10 Zoll Flügellänge. Vögel und Vierfusser sind von geringerer Bedeutung und noch iiegen viele Bälge unaufgearbeitet. Ein kaiserlich ausgestattetes und auf den neuesten Stand- ))unkt der Wissenschaft gestelltes Institut ist die k. k. Stern- warte. x\bgesehen von den zu Gebote stehenden vorzüglichen astronomischen Instrumenten ist die Anstalt durch die Bemü- hungen des damaligen Atljunkten Kreil * zu anderweitigen pliysikaüsciien Beobachtungen auf das vollkommenste einge- richtet «md besonders waren es die mit vortreffiichen^GAUSs'- schen Apparaten schon seit 1S36 im Zuge stehenden Beobach- tungen über magnetische Deklination, Inklination und Intensi- tät, welche das höchste Interesse in Anspruch nahmen **. Diese Beobachtungen wurden in einem besondern Lokale bei * Gcgpimartig (l848) Direklor der Sternwarte zu Prag und seit 1846 mit einer Bereisung der ganzen österreicliisclien Moiiarcliie, Beliufs der tiuifasscndsten magiietischen Bestimmungen über und unter der Erd- oberfläclie beschäftigt. "* M. s. hierüber: Osservazioni sull' inlensita 'e sulla Direzione dclla forza magnetica, istituite negli anni 1836, 183^, 1838 all' I. R. os- servatorio di Milano. Da C. Kreil e Pietro dbli.a Vedova. Milano 1839. Hiemit steht in Verbindung: Primo supplemento alle EfFemeridi astro- nomiche di Milano — enthaltend: Misura assoluta delT Intensita" della forza magnetifa terrestre. Memoria di C. F. Gai'ss, tradotta c comuiea- tata da Paoi.o Fk'siani. .36*2 Lampenliclitmit einer Ruhe, einer scharfen Genauigkeit, einer Präzision abgeführt, wie ich sie nirgends fand. Am 16. Januar. Nachmittags verliess ich Mailand, passirte in schönster Mondbeleuchtung die zauberischen Ufer des Comosee und langte am 17. um 4 Uhr Morgens in Chia- venna an, wo die Alpenstrasse über den Splügen nach Gran- bündten beginnt. In Campo dolcino, das erste Posthaus, wo ich jeden Hausgenossen fertig die deutsche Sprache reden hörte, vertauschten wir den Wagen mit Schlitten. Seit mehr als 4 Jahren war mir diess Alles so ganz ungewöhnlich ge- worden und meine Freude über diese Schlittenfahrt, auf einer tler bekanntlich herrlichsten Alpenstrassen bis zum Dorfe Splügen, schweizerischer Seite, von wo wir wieder zu Wagen reisten, die Lust nun wieder mit jedem Menschen meine reiche Muttersprache reden zu können, stimmten mich zu einer last kindischen Heiterkeit. Das Rheinthal entlang erreichten wir Abends Chur, das ich aber noch in der Nacht verliess. Eine lange Strecke von Campo dolcino die Alpen hinan herrscht grobkörniger Granit- Gneiss, dann folgt ein dick- schiefriger Glimmerschiefer, welcher auch die höchsten Punkte an der Strasse einnimmt. Am nördlichen Gehänge tritt der Granit-Gneiss in dem bekannten Passe Via mala wieder auf, verschwindet aber dann unter den mächtigen Ablagerungen von Thonschiefer, wechselnd mit dichtem Kalksteine, welche bis in die Nähe von Chur anhalten. Vierter Albü^cliiiltt. Reisen in der Schweiz und im westlichen Deutschland. Am 18. Januar 1S40 kam ich hi Bregen z, an den Ufern des Bodensee's, auf unbezweifelbar deutschem Boden an, wo durchaus kein vväisches Prinzip mehr waltet, sondern bereits der schwäbische Hauch der nahen Alp die Luft erfüllt. Ich stehe nun auf allgemein bekannter Erde und bleibe auf solcher in der Fortsetzung;^ meiner Reise durch Deutschland , Belgien, Fiankreich, England, Schottland und Dänemark , bis ich mit meiner Ankunft in Christiania den hohen Norden Europas be- trete. Dass ich auf meiner weiten Wanderung bis dahin des Scliönen Vieles sah, dass ich meinen Gesichtskreis nicht bloss auf mein Fach beschränkte, dass ich auch das sah und mich für das interessirte, was jeder gebildete Mensch zu sehen trachtet und wofür sich jeder interessirt, dass Ich überall mit der grössten Gefälligkeit, ja mit Herzlichkeit aufgenommen und mir auf das Bereitwilligste und überall zur Erfüllung meines Reisezweckes die Hand gereicht wurde, das sind Facta, deren ich weiter nicht glaube im Detail erwähnen zu sollen, da sie in jeder Beziehung theil^ bekannte Dinge umfassen, die schon unzähligemal und besser als ich es zu tlinn im Stande wäre, beschrieben wurden, thells Individualitäten berühren, deren Namen einen zu schönen Klang in Nah und Ferne haben, denen ich zu dankbar verpflichtet bin und deren Bild zu un- verlöschlich mir eingeprägt ist, als dass ich mir mit weiland 3C4 einem falueiideii Ritter einbilden könnte, eine Erwähnung von mir werde fiir sie zum Nimbus. — Zudem drängt es mich in der jetzigen Zeit (1848) in der die Ereignisse sich überholen, icli mit dienstlichen Geschäften iiberhäuft bin, grosse Verant- wortlichkeit auf meinen Schlitten ruht und jeder Staatsdiener, der es ehrlich und vernünftig mit seiner Pflicht, seiner Regie- rung, mit der Ordnung und folglich mit der Freiheit im edleren Sinne des Wortes meint, ganz und ungetheilt auf seinem Platze stehen muss, ein Werk zu vollenden, an dem ich nun schon seit sieben Jahren arbeite. Um daher schneller zum Ziele zu gelangen, verlasse ich für den Äugenblick die bisher beibehal- tene Form des Tagebuches, gebe nur in abgesonderten Abhand- lungen die wichtigsten Momente der Reise, insoferne sie im engern Sinne des Wortes mein bergmännisches Fach berühren und werde erst dann wieder zu der bisher beachteten Form zurückkehren, wenn ich meine Schritte in den noch keines- wegs allgemein bekannten hohen Norden von Europa wende. Meine Reise durch den westlichen Theil von Deutschland, den Norden der Schweiz berührend, umfasst folgende Route : ßregenz. St. Gallen. Zürich. Schaffhausen. Die Salinen am Schwarzwalde. Tübingen. Stuttgart. Die Salinen am Kocher. Mergentheim, Heidelberg. Mannheim. Darinstadt. Frankfurt a. M. Mainz. Koblenz. Neuwied. Königswinter. Bonn. Comern und das Schleydenthal. Köln. Stollberg und Eschweiler. Aachen ". * Im II. Ba.ide 3. Tiioile, p. ISS iiiul im III. Bande, p. 264 und 265 meines Reisewelkes habe ich der nähorii Behtimimingen jener oiganisL'Iieii Reste •j;cdachf, welche ich in den Tertiär- und Diluvialforniationen Kryp- tons und Klein.'isicns gesammelt und in dem monfanistiseii-mineralogi- schen Mnseum zu Wien niedergelegt habe. Nun kommt mir der IV. Bd. No. 1 — 6 der Berichte über die Mittheilungen von Freunden der Natur- wissenschafton in Wien, herausgegeben von Hrn. dirig. Bergrathe Hai- DiNGKK und ausgegeben II. August 1848, zu Gesiclite und ich finde p. 308 bis 313 das nähere Detail dieser Bestimmungen, welche von unserem ausgezeichneten IWitgliede Hrn. Franz v. Hauer (.Sohn des von mir er- wähnten Hrn. Vizepräsidenten) vorgenommen und veröffentlicht wurden. Indem ich mir erlaube, zum Theil zur Berichtigung- meiner nur auf vor- läufige Notiz hin gegebenen Mitlhcilung, auf diesen werthvollcn Aufsatz hinzuweisen , muss ich zugleich die Ansicht aussprechen . dass icli die 3G5 1) Iter Steiukolileii - Herg^buii bei Bregrciiz am Ro* deusee. Zwischen den Alpen Stcyermarks, Tyrols und der Schweiz cineiseits und den Gebiro;en Böhmens, Baierns, WürUembergs und dein französischen Jura andererseits zieht sich im weifen Bogen aus Ost in Südwest, aus dem grossen Becken von Ungarn und Wien bis in das Flussthal der untern Rhone und bis zum Mittelmeere, also das deutsche Donauthal, das untere Flussgebiet der Inns, die bayerische Hochebene und den mitt- lem Theil der Schweiz über Ziirich, Bern, Lausanne und Genf in sich fassend, ein Streifen von Tertiär- und Diluvialablagc- rungen hin, gleich einem gewaltigen Meeresarm, der einst das ganze System der Alpen von den nordwärts liegenden Gebir- gen trennte. In diesen Strich fallen die grossen Massen der schweize- rischen Molasse und NagelHue, des Wiener Sandsteins u. s. w. und dahin gehören auch die Felsablagerungen am Bodensee und namentlich am Nordwestrande der Alpen in V'orarlberg. Die Umgegend vonBregenz gehört ganz der Molasse und der dersell)en aufgelagerten Nagelflne an, welche beide Felsarten in ihren obern Schichten unter sich vvechsellagern, Avährend in den untern die Molasse allein auftritt. An mehreren Punkten ist in diesem Sandsteine das Vorkommen von Braunkohlen, zusammen mit einem schwarzen, schiefrigen, Konchylienreste führenden Kohlenlehm schon seit längerer Zeit bekannt und am sogenannten Wirtatobel, in der Nähe von Bregenz, setzte sich auf solchen Kohlenbänken kurz vor der Zeit meiner An- kunft eine Gewerkschaft fest. Schon die Gestalt des Terrains iiber Tags gibt keine Hoffnung auf ein nachhaltiges Andauern dieser Flötze und nur die Menge der Punkte, wo man Kohlen McimiDg- V. Hauers wegen der cocenen Stellung' des Mokattam nicht theilen kann , sondern vielmehr noch immer diese Ablagerungen für aiiocen halte und zwar um so mehr, als die auch von Hauer als miocen bezeichneten Vencricardia Jouanelti Bast, und Ranella niarginata BROccni nicht aus den dem Mokattam nordscits aufgelagerten Sandsteinniassen, sondern aus solchen herstammen . welche dem Mokattam selbst einge- lagert, somit untergeordnet sind (I. Bd., 1. Thl. dieses Reisewerke» 1». -268). 306 auffand und die Erwartung-, dass ein oder das andere Flötz, welclie insgesammt von geringer Mächtigkeitsind, weiterins Ge- birge sieh gestaltiger zeigen werde, konnten das Aerar bewe- gen , in einer Zeit , wo das Aufsuchen von Steinkohlen fast zur Manie geworden war, grossartige Bohrversuche in jener Gegend vorzunehmen, welche gerade im vollen Gange waren, als ich bei der Berg- und Salinendirektion für Tyrol und Vor- arlberg als Vizedirektor Dienste leistete. Die Resultate, unge- achtet aller Anstrengung und grosser Geldopfer, waren jedoch die ungünstigsten und man fand weder mächtigere Flötze, noch die Bekannten besser gestaltet. — Die aufgefundenen Kohlen, deren man am WirtaTobel in der Molasse sechs Bänke kennt, welche wechselnd mit Kohlenlehm, in einer grössten Mächtig- keit von 12 Zoll, flach gegen Nordwest einfallen, sind übrigens ziemlich rein und dürften, wenn sie sich mächtiger und abbau- würdig gestalten möchten, für die Dampfschifffahrt auf dem ßodensee allerdings sehr willkommen seyn *. 3) Die Saline IVillielnisliall bei Rott^veil am ÜTeckar in fViiirtteinberg:. Wenn man den vorne erwähnten, längs dem ganzen Nord- rande der Alpen sich hinziehenden Streifen von Molasse und Nagelflueablagerungen , von Schaffhausen aus sich gegen Norden wendend , überschritten hat , so gelangt man zuerst auf den Jurarücken der rauhen Alp und sodann , jenseits des Donauthales sich nordwestlich an den obern Neckar w endend, in den langen Streifen des Muschelkalkes, der den Ostrand des Schwarzw aldes in seiner ganzen Ausdehnung aus Süd gegen Nord begleitet und in dessen Bereiche die württembergischen f^'Mi!« ^ p^^ Schmidt, Vorarlberg nach den von dem {^eognostiscli-nion- tanistischen Verein für Tyrol und Vorarlberg veranlassten Begeh- ungen geognostisch beschrieben. Mit einer geognostischen Karte und einer Tafel Durchschnitte. Innsbruck 1843. G. Leonhard , geognostische Skizze das Grossherzogthunis Baden. Mit einer geognostischen Karte. Stuttgart 1846. Bach, geognostische Karte von Württemberg, Baden und Hohenzollern. Stuttgart. V. DECHE^, geognostische Uebcrsichtskartc von Deutschland, Frank- reich, England und den angrenzenden Ländern. Berlin 1839. 3fi7 und badischen Salinen bei Schwennlngen, Rottweil, Snlz, Dürrlieim u. s. w. liegen. Ich besuchte von diesen Salinen nur jene zwischen Rottweil und Rottenmi'inster , ]Sainens Wilhelinshall, theils weil sie in jeder Richtung die bedeutend- ste ist und als Typus der üebrigen angesehen werden kann, theils weil ich von dem dortigen Bergrathe und Direktor V. ÄLBERTi, als wissenschaftlich ausgezeichneten Manne, viele Belehrung erwarten konnte und auch fand. Das Centrale des Schwarzwaldes besteht aus Granit und Gneiss, wovon erster grobkörniger Art, manchen Formen dieses Gesteins in Oberegypten , Nubien und Sudan in Handstücken gar nicht unähnh'cii ist und gleich diesen im Gegensatze der Centralgranite der Alpen, zu den jüngeren Gliedern dieser Felsart gerechnet werden muss. Schreitet man von dieser Centralformation des Schvvarzwaldes in der Richtung aus West gegen Ost, in welcher Richtung auch alle ostseits des Schwarzwaldes aufgelagerten und geschichteten Gesteine ein- schiessen, so stösst man zuerst auf oftmals unterbrochene Auf- lagerungen der alten Steinkohlenforraation, ohne Zechstein, aber mit häufigen Durchbrüchen von Basalt und Porphyr. Hierauf lagert sich entlang dem ganzen Rücken des Schwarz- Avaldes, in unbekannter Mächtigkeit, jedoch durch die Salinen- bohrlöcher bis zu 100 Fuss angebohrt, der bunte Sandstein, worauf sodann von unten nach obe n, den ßohrjournalen und den Begehungen über Tags zufolge, nachstehendes eben so geregeltes als belehrendes Auflagerungssystem beginnt: Bunter San dstein als unmittelbare Grundlage der salz- führenden Formation. W e 1 1 e n k a I k. Dolomitisch 200 Fuss mächtig \ Muschel- Anhydrit m it Steinsalz 350 „ „ / kalk. 850 Kalkstein von Friedrichs- (Fuss mäcli< hall und Dolomit . . 300 „ » ) tig. Letten kohle. Dunkel- grauer Kohlenschiefer Dolomit Gyps mit bunten Mergeln Feinkörniger Sandstein Konglomerat . . . . 30 » » 10 n >} i K e H p e r. \ 310 Fuss 00 n >y l mächtig. 3Ö8 Sandstein 20 Fiiss mäclitio; Kalks tei n mit Schiefer 100 U n t e t e r B e 1 e in n 1 1 e n- f L i a s. Schiefer .... 50 „ „ )210 Fiiss Posid o nie n schiefer . 25 „ „ i mächtig;. Oberer B e 1 e m n i t e n- \ schiefer 15 „ „ / Seh warzer Schi ef er . 500 „ „ j Unterer Marlysandstein . . • ) .qq [OolitöOOF. Eisenoolit. Roggenstein i " " ) mächtig. Jurakalk. Am Heuberg Bradfordthon . . . .i list dieMäch- ünterer lieller Kalk-| 500 „ » f tigkeit des stein J ) Jurakalkes Oberer heller Kalk- (=13IOFuss, stein oder Coralrag . unbestimmt I mit Aus- jschluss des ' / Coralrag. Gerolle Letten und Lehm . . .( 15 Fuss mächtig. Diluvium. E i s e n n i e r e n > Gerolle, T h o n und Sand Kalkt uff V «= I? • I *• All _ „ > 25 r uss machtig. A 1 1 u v i u m. Torf ( " D a m m e r d e . . . , Die charakteristischen lokalen Eigenthümlichkeiten des Bun- ten Sa n dst eins sind: dass er vorwaltend nur Körner und Geschiebe von Quarz, selten von Kieselschiefer, nie aber von Kalkstein enthält, obwohl leztere im Keuper vorkommen. Er enthält wenig Gyps, kein Steinsalz, höchstens gesalzenen Thon , wenig Versteinerungen , kugelförmige Konkretionen seiner eigenen Masse, auf Gängen Brauneisenstein, auf unter- geordneten Lagern Roggensiein, ähnlich dem Oolit des Jura, sehr eisenschüssig und in linsenförmigen Thoneisenstein über- gehend. Alberti unterscheidet den jenseits des Rheins gegen- überliegenden bunten Sandstein der Vogesen, als ein oberes Glied dieser Formation, von dem bunten Sandsteine an der 309 üstseite «les Rheins, mir nianoelt jedoch hieriiber die eigene Anschauung. Dem auf den bunten Sandstein reoehnässig aufgelageiten M u s c h e I k a 1 k e gehört in jener Gegend das Vorkommen des Steinsalzes, zusammen mit Salzthon und Anhydrit, an. Es scheint, dass aller schwefelsaure Kalk , welcher sich nicht auf vulkanischem Wege durch schwefelsaure oder schwefelig- saure Dämpfe gebildet hat, in Avelchem Falle er stets als Gyps auftritt, dort, wo er in grösserer Tiefe und ausser Berührung mit Luft und Wasser abgelagert ist, als Anhydrit, im Gegen- falle aber als Gyps erscheint und dass lezterer in vielen Fäl- len nur eine Uniw andlungsform des erstem bildet. Die unterste Schichte des Muschelkalkes, der sogenannte Wellenkalk, ist reich an Enkriniten, aber nicht an andern organischen Resten, er ist thells von grauer Farbe und dicht, theils licht gefärbt und dolomitisch. Die Letten kohle ist ein dunkelgrauer Kohlen- schiefer mit sehr wenig Kohle und wo sich solche findet ist sie thonig, folglich schlecht. Dieses interessante Mittelglied zwischen Muschelkalk und Keuper scheint, seiner geognosti- schen Stellung nach, mehr dem letztern anzugehören. — Der Heuberg, der Bergrücken, welcher dem Schwarzwalde gegen- über das Neckarthal von der Ostseite begleitet und einen Tlieil der rauhen Alp bildet, gehört in seinen obern Theilen ganz dem Jura an. An seinem westlichen Abfalle gegen den Neckar hinab entblössen sich die vorne erwähnten tiefern Ablagerungen mit östlichem Einfallen und in der Mulde zwischen beiden Bergzügen, im Neckarthaie selbst, mangeln sonach die bedeckenden Glieder und der Muschelkalk des Salinenzuges tritt unmittelbar als oberste Ablagerung auf. Dieses ganze Terrain erhebt sich im Ganzen zu einer bedeu- tenden Meereshöhe, ohne übrigens einzelne hohe Berge wahr- nehmen zu lassen. So liegen: Dnnningen , die Kapelle bei Rottweil Hochthurm in Rottweil . . die Neckarbrücke bei Rott- >veil „ 1710 „ R US segger, Reisen. IV. Bd. 24 in 2500 Par. Fnss Meereshöhe „ 1984 „ » » „ 11)67 „ » » 370 Frankenliaiisen u. Balgheim auf ,,» .> Bekanntlich hat Bergvath v. Alberti zu Wilhelmshall den bunten Sandstein, den Muschelkalk und den Keupei- als drei unter sich innigst verwandte Formationen, welche die meisten ihrer charakteristischen Versteinerungen gemeinschaftlich fiih- ren in eine Formation zusammengefasst, welche alle Glieder zwischen dem Zechstein und dem Lias in sich schliesst und welcher Formation er den Namen Trias gab*. Die Saline zu Wilhelmshall hat die Auslaugung des im Muschelkalke sich findenden Steinsalzes und Salzthons und die Vevsiedung der Soole zu Kochsalz zum Zwecke. Gleich den iibrigen Salinen am Neckar bewerkstelligt sie diese Aus- laugung durch Bohrlöcher, welche mit einer durchschnittlichen Tiefe von 500 Fuss bis zum Wellenkalke niedergebracht wer- den. Die Bohrung hat oben, wo die Pumpenstöcke eingehängt Averden, 6 Zoll, unten, wo die Saugröhren hängen, 4 Zoll im Lichten. Die ganze Röhrentonr ist von Kupfer oder Messing, wasserdicht zusammengeschraubt, die ganze Arbeit genau und schön, die Einrichtung der Pumpen s§hr einfach mit sogenann- ten Katzenköpfen. Da das Steiiisalzgebirge sehr trocken ist und nur an einem Orte unterirdische Quellen in geniigender Menge zusitzen, so miissen süsse Tagewasser zugeleitet werden. Leztere dringen neben den Röhren, welche bis zur Sohle des Bohrloches nieder- gehen, in die Teufe, verbreiten sich daselbst, das salzfühvende Gebirge auslaugend und die Soole steigt durch den hydrosta- tischen Druck der Wassersäule ausserhalb der Röhre inner- halb derselben so hoch empor, bis sie vermöge ihres grösseren spezifischen Gewichtes ungefähr 12 Fuss unter dem Spiegel ■^ F V. Alberti, die Gebirge des Köiiigieiclis Württemberg in be- sonderer Beziehung auf Halurgie. Tübingen 1826. Derselbe, Beitrag zur Monographie des Trias. Tübingen 1834. Ch. H. V. Zjeten, die Versteiaerungen Württembergs u. s. w. Stutt- gart 1830-1832. 371 der süssen Tagewasser stehen bleibt, von wo sie mittelst der Pnmpen in die lleseivoirs lieranfgelioben wird. Dass bei diesem Ansiangeprozesse, der alle die Unznkönini- licbkeiten nnd Nachtheile mit sich verbindet, deren ich bereits vorne S. 347 bezüglich der Sooleerzeugnng mittelst Bohrlö- chern iiberhanpt gedacht habe, ancli Cinbri'iche der Bohrlochs- wände sich manchmal ergeben, ist niclit zn vermeiden, doch haben dieselben nicht so grosse Bedeutnng und die Bofirlöcher wurden stets wieder gewältigt. Weit gefährUcher hingegen ist die unvermeidliche Verschlammung, die trotz aller Anstren- gung jedem Bohrloche früher oder später das Ziel seiner Be- nützung- setzt. An mehreren Stellen hat man Steinsalz, das übrigens nirgends zu Tage geht, in grosser Mächtigkeit durcli- sunken und an einem Punkte, bei dem Dorfe Lauffen, fand man dieselbe 42 Fuss betragend daher man auch beabsichtigt daselbst einen Schacht abzuteufen und einen ordentlichen Grubenbau zu eröffnen, so wie ein solcher bereits zu Wilhelms- glück am Kocher besteht. ünterschlächtige Kader mit gusseisernen, zusammenge- schraubten Wellen setzen die Pumpen in Bewegung und be- wegen auch zugleicii eigene Druckwerke, mittelst welchen die Soole einen kleinen Hügel hinaufgedruckt wird, von dem aus sie zu den Kokturen abfliesst. Die fast sudwürdig zu Tage kommende Soole ist sehr rein und enthält ausser dem salzsau- ren INatron sehr wenige andere Salze aufgelöst; um sie aber dennoch mehr anzureichern, wird sie vor den Sudhäusern in grossen Reservoirs mit den Salzabfällen der Koktur in Berüh- rung gesetzt. Ans diesen Reservoirs wird die Soole theils in die Siedepfannen, theils, jedoch beiderseits ohne Verwär- mung-, somit kalt, in die sogenannten Dampf- oder Dunst- pfannen geleitet, welch' leztere eine Eigenthümlichkeit dieser Salinen bilden und nur der möglichsten Benützung des bei den Siedepfannen abziehenden Dampfes wegen eingeführt worden zu seyn scheinen. Die Heizung der Siedepfannen, deren jede lOOOQua- dratfuss Bodenfläche besitzt*, geschieht theils mit Holz, theils '•' Man scIie über die nähern Details und die Apparate der niirttem- berjfi scheu Sal/.koktiir : Bergrath v. Ai.BEKxr.s AMiandlung über das 24 - 372 mit Torf, beiderseits auf eine meisterhaft ökonomische Weise luul ganz dem Priiizipe der ßrennstoflersparung entsprechend, Avelches alle vviirttembergischen Salinenmanipulationen durch- greift und Avodurch sich dieselben wesentlich von den bei uns in Oesterreich in Uebung stehenden unterscheiden, bei welch' lezteren es sich mehr darum handelt: möglichst viel Salz in möglichst kurzer Zeit darzustellen. Der Herd für die Holzfeuerung hat eine doppelte, schmale, lange Feuergasse, in welche die Luft sowohl von unten als von oben zuströmt. Die Flamme zieht, von jeder Herdabthei- lung in eigenen Kanälen eirkulirend, unter der Pfanne herum, die Zwischenmauern dieser Kanäle tragen zugleich die Pfanne und erst nach wenigstens dreimaliger Cirkulation zieht der noch heisse Rauch unter die mit Blech belegten Salzdarren ab, auf denen das Salz getrocknet wird und von wo er sodann ins Freie geht. Die Torffeuer haben theils eine gleiche Ein- richtung, nur mit einem mehr ansteigenden Roste, theils eine ganz eigenthümliche Konstrnktion. Statt den beiden Herd- abtheilungen der Holzfeuer sind nämlich zwei Schächte ange- bracht, welche mit Torf gefüllt vserden. Die Luft tritt von unten zu und das Feuer zieht seitwärts von jedem Schachte in die unter der Pfanne cirkulireuden Heizkanäle ab. Die Sudpfannen sind mit hölzernen Mänteln ganz bedeckt, durch welche der Dampf abzieht und unter die Dampfpfan- neu tritt, deren Bodenfläche ungefähr die Hälfte jener der Sudpfannen beträgt. In den Dampfpfannen wird die kalt ein- gelassene Soole durch die Hitze des von den Sudpfannen ent- weichenden Dampfes langsam abgedampft und somit von selbst auf jene Konzentrationsstufe gebracht, auf welcher eine kry- stallinische Ausscheidung des Kochsalzes stattfinden muss. Dieses Salz, grobkörniger als jenes der Siedepfanne, wird von Zeit zu Zeit, ungefähr alle 48 Stunden einmal, ausgebährt. Die Dampfpfannen sind offen, d. h. ohne Dampfmäntel, ihre Böden sind theils aus Platten des lithographischen Schiefers zusammengekittet, theils bestehen sie aus Eisenblech, in welch lezterem Falle, zur Verhinderung des Röstens, zwischen Salincnwc'sen in Deutschland , vorziiglicli in pyroteclinischer Beziehung^ In clor deutschen Vierleljahrschrift 1839. Heft IV, No. VIII. 373 die Plattenränder, wo die Nietiiii»- stattfindet, Ziiikstreifeii einj>elegt werden. Aus dem Räume unter den Danipfpfannen zieht der Dampf unter die Steindarren zur Trocknung des Salzes und von da ins Freie. Der grossen Reinheit der Soole wegen bihlet sich nur wenig Pfannenstein, die Mutterlauge geiit in die Fhitii und die jährliche Produktion an Kochsalz beträgt hei 170,000 Zentner, könnte jedoch mit denselben Anstalten auch höher gesteigert werden. Das ganze Etablissement ist ohne allen äussern Glanz und besondern Aufwand sehr zweckmässig eingerichtet und wird niit streng wissenschaftlichem Geiste geleitet. Nur glaube ich treibt man das Prinzip der ßrennstoffersparung etwas gar zu weit und opfert demselben manch andern bedeu- tendem ökonomischen Vortheil. So wenig ich z. ß. in dem Vorwärmen der Soole bei andern Salinen einen wirklichen, nicht bloss illusorischen Vortheil erblicke, so weiu'g will es mir einleuchten, dass die Anbringung der erwähnten Dampf- pfannen, bei ihrer nicht zu lätjgnenden Rückwirkung auf den freien Dampfabzug der Siedepfanne, für die Koktur von reel- lem Nutzen seyn sollten. Uebrigens aber gestehe ich gerne, dass hier nur mit grösster Genauigkeit , gleichen Rohstoffen und gleichartigen Arbeitskräften abgeführte, vergleichende Versuche evidenten Aufschluss geben können : die Konstruk- tion der Pfannenhöden aus Eisenblech oder lithographischem Schiefer verwerfe ich jedoch unbedingt und gebe ans eigener Ueberzeugung jenen aus gusseisernen zusammengeschraubten Platten, wie solche bei der Saline zu Hall in Tyrol, seit neue- ster Zeit eine der ersten derartigen Anstalten in Deutschland, angewendet werden, den Vorzug*. " Bei dieser Gelei^enlieit kann ich nicht umhin auf die höchst in- teressanten, auf Veranlassung unseres unverj>csslichen Hofrathes Stadler durcli unsere tüclitigen Montanistikcr Bergrath Millkr und Vcrualter Fächer zu Jenbach in Tyiol abgefiilnten Versuche: zum Betriebe der Salzkoktnr mittelst Gasfeueinng- aus Holz- und Steinkohlenabfälirn , all- gemein aufmerksam zu machen und im Interesse der Wissenscliatt , des allgemeinen Bedürfnisses und insbesondere jenes des Landes Tyrul, wo der Hülzmang-el vor der Thiire steht , den Wunsch auszusprechen , dass von den Genannten recht bald eine VcröftViitlichung der heziigli( hen ivichtigon Resultate nnd des ganzen Vorganges slaltlindc und dass diese 374 8) Die Saline ^«'iliielniBgrlück bei Hall aiu Moclter In 'VWürtieinberg-. Eine »rosse, weit ausgedehnte üebei lagern ng- des Keu- pers, eigentlich ein gegen West bis in das Rheinthnl reichen- der Vorsprung der grossen, unter dem württembergischen und bayerischen Jura, im Norden der Donau, hervortretenden Keuperformation, trennt scheinbar die salzführende Muschel- kalkablagerung am obern Neckar von jener am untern Neckar, am Kocher, an der Jaxt, an der Tauber, am Main bei Würz- burg u. s. w. — Hier wie dort, vom Muschelkalk abwärts und aufwärts, sprechen sich die gleichen Lagerungsverhältnisse aus, nur im lezteren Terrain in einem viel grossartigeren Maas- stabe. Auch hier ist der Muschelkalk salzführend und zu Hall am Kocher besteht, schon wie der Name andeutet, seit uralter Zeit eine Koktur. — Man benüzte in früherer Zeit daselbst Soolquelleu und gewann aus ihnen eine ganz arme Soole, welche man in ungeheuren Gradierhäusern gradirte und sodann in kleinen Pfannen versott. Später fuhr man zwei Stunden am Kocher weiter aufwärts, zu Wilhelmsglück , mit einem ßohrloche nieder und begann das erbaute sehr mächtige Stein- salz mittelst desselben auf die gewöhnliche Weise auszulaugen. Endlich stellte man diesen garstigen Raubbau wieder ein und fuhr mit einem Treibscliachte nieder, durchfuhr das reine Steinsalz in einer Mächtigkeit von 28 Fuss und leitete nun den Abbau desselben der Art ein, dass das südöstliche Feld der Grube mittelst Sinkwerken ausgelaugt wird, während man im nordwestlichen Felde das Steinsalz mittelst eines sehr schönen Pfeilerabbaues gewinnt. Die Lagerungsverhältnisse sind dieselben wie am obern Neckar. Der Schacht ist 400 Fuss tief. Zwei unterschlächtige, vom Kocher getriebene Räder bewegen den Goppel und die Salzmühlen, gewöhnliche Mahlmühlen zur Zermalmung des Steinsalzes, das mittelst kaneliirter Walzen vorgebrochen wird. Der Tagkranz des Schachtes liegt am Gehänge hoch in der Geschichte des Saliuciuvesens Epoche inacliendc Manipulations- methode in kürzester Zeit auf den fruchtbare» Boden der Au.siibung im Grossen j^ebraclit werde. :J75 über dem liegenileii Korbe und das Dach der Seilbahn Ist so vorgeiichtet, dass es sich von selbst mit dem Seile nach beiden Seiten verschiebt. Das im Anhydrite des Muschelkalkes aufsetzende Stein- sal/Jager, dessen Begrenzung- und Ausdehnung man nicht kennt, streicht in einer Mächtigkeit von 25 bis 30 Fnss aus Nordwest in Südost und verflächt ganz sanft gegen Nordost. Ohne Ver- werfung oder sonstige Störung ist die Lagerung äusserst re- gelmässig und daher dem Abbaubetriebe höchst günstig. Die- ser oeschieht, wie ich bereits erwähnt habe , im südöstlichen Felde mittelst Sinkwerken und zwar auf eine in mancher Be- ziehung eigenthümliche Art. Der Bau der SInkvverke geht wie gewöhnlich von den Hauptstrecken aus, jedoch in einer zweifachen Weise. Man fährt nämlich entweder von der im tauben Liegenden aufgefahreneu Hauptstrecke durch das Salz tonnlag in das taube Hangende empor und eröffnet dort die Uuerstrecke, oder, wie es meistens der Fall ist, man betreibt zwei Hauptstrecken übereinander, die eine im tauben Hangen- den, die andere im tauben Liegenden, und verdurchschlägt sie gegenseitig in gewissen Distanzen durch kleine Schächte oder vielmehr Gesenke. Von der Hauptstrecke Im Hangenden ge- hen sodann, folglich mit Beseitigung des im ersten Falle er- wähnten tonnlagen Aufbruches durch das Salz, die öuer- strecken aus, von denen dort, wo man Sinkwerke anlegen will, Schächte durch das Salz bis in das taube Liegende abgeteuft werden. In diese Schächte wird nun mittelst Röhren aus dem Hauptschachte und durch die Strecken Tagvvasser eingeleitet, welches man vermöge der bedentenden Druck höhe leicht an Ort und Stelle bringt. Die Auslaugung beginnt. Während dem Verlaufe derselben fliesst dicSoole des Sinkwerkes durch einen'aus Eisenblech verfertigten Heber ab, dessen einer Schen- kel beinahe bis zum Sumpfe des Sinkwerkes, avo die schwerste Soole steht, niederreicht , wählend der andere, längere, vom Sinkwerksschachte weg durch die Querstrecke odeiSinkstrecke auf die hangende Hauptstrecke und von da auf die liegende Hauptstrecke hinabführt , wo der Heber einige Fuss tiefer als das Niveau seiner Einzngsöffnungausglesst und von wo sodann die Soole zum Hauptschachle abfliesst. Offenbar haben wir es hier der Theorie nach mit sogenann- ten Schöpfwerken zuthun, jedoch mit dem wesentlichen Unter- scliiede, dass die Soole hier nicht durch Menschen- oder Ma- schineiikraft gehoben wird, sondern durch die Heber von selbst abfliesst, und da es sicli im vorliegenden Falle nicht um Aus- laugung von Hasel gebirg, sondern um solche eines an und für sicli sehr reinen Steinsalzes handelt, bei welcher in den Sink- werken nur äusserst wenig Lcist abfällt, so finde ich fiir die bestehenden Lokalverhältnisse diese Abbau- oder Auswässe- rungsmethode, in so lange man sich auf dem ansteigenden Flötze befindet, sehr zweckmässig; wird jedoch der Abbau auf das abfallende Flötz übertragen, so muss natürlich schon von Vorne her demselben eine andere Basis gegeben werden, ent- weder durch weitere Niedertenfung des bestehenden Haupt- schachtes oder durch Abteufung eines neuen und Anlage neuer Strecken. Auffallend scheint es für den ersten Blick, dass die Anlage der Sinkwerke von den Hauptstrecken weg nach Innen erfolgt, anstatt, wie es die Regel will, umgekehrt, nämlich von hinten nach vorne, zur Vermeidung von Verbruchs- gefahr. Berücksichtigt man jedoch die grosse Festigkeit des Hangenden, indem selbst in den weiten Räumen der versottenen Werke sich der Himmel nichtlöst, sowie die undurchdringliche Dichte des krystallreinen Salzes, welchesogar erlauben würde mit dem Ffeilerabbaue dicht andie vollen Sinkwerke unbesorgt vorzurücken ; so sieht man, dass bei der bestehenden Methode gar keine Gefahr droht und dass man in ökonomischer Bezie- hung ganz recht thut, aus seinen Vorbereitungsbauen auch so bald als möglich Nutzen zu ziehen. Im nordwestlichen Felde wird das Steinsalz durch Pfeiler- abbau gewonnen, welcher mehr als regehuässig, welcher meisterhaft geführt wird und einer der schönsten ist, die ich zu sehen bekam. 31an eröffnet den Bau mit Haupt-, Quer- und Parallelstrecken, das taube Hangende zur Firste, das Salz zur Sohle nehmend und bereitet sicli so die Pfeiler vor, welche anfänglich nur 1 LachterHöhe bei 14 Fuss im Quadrate haben. Nun fährt man unmittelbar unter der obern Hauptstrecke mit einer zweiten unter das Flötz, wobei man das taub Liegende zur Sohle, das Salz hingegen zur Firste behält, geht mit einer 377 Ouersfrecke unter einer obern von der Ilanp(strecke ab nnd bricht in der zweiten l'arallelstrecke das Salzmittel mit einem grossen Schachte bis in die obere Etage durch, %vomit der eigentliche Vorbereitiingsban beendet ist, denn nun werden alle Mitfei zwischen den Pfeilern durch Sohlenstrassenbau gewonnen und man erhält zulezt eine weite Halle, deren Pfeiler die £:anze 3Iächti"keit des Flötzes zur Höhe haben. Die Pfeiler werden seiner Zeit herausgenommen. Die Gewinnung des Salzes geschieht mit Sprengarbeit. — Häuerarbeit und Förderung stehen im Gedinge. Die Grubenklein wird in grosse durchlöcherte Kästen gestürzt, welche in andern, mit Wasser gefiillten stehen, nnd so ausj>elaugt. Bei Befahrung dieser Grube kam ich auch an die Stelle, wo einst das alte Bohrloch niederging. Da kann man den Gang der Anslaiignng genau studiren und sehen, wie sich dieselbe stets nur an den Himmel hält, sich zwar in weite Ferne herum erstreckt, wunderbar verzweigt, nie aber in die Tiefe dringt, daher stets nur ein Raubbau im \ ollsten Sinne des Wortes bleibt. Die Koktur gleicht im Ganzen jener zu Wilhelmshall, nur ist im neuen Sudhause bereits mehr auf Eleganz gesehen, ohne jedoch die Zweckmässigkeit aus dem Auge zu verlieren. Der Trockensaal z.B. macht einen wirklicli hübschen Eindruck. Auch im Wesen der Anlage und der Manipulation finden den Salinen am obern Neckar gegenüber einige Eigenthümlich- keiten statt. So werden hier die Feuer der Pfannen mit er- hizter Luft gespeist, welche man in eiserneu Röhren durch die Cirkulirräume des Feuers in den Ascheufall leitet. Die Herde sammt den Pfannen stehen isolirt und ausser Berüh- rung mit den Hauptmauern des Gebäudes , wodurch diese vor der Einwirkung der Hitze, Soole und Dämpfe möglichst geschüzt werden. Die Dampfpfannen sind ganz bedeckt, gleich den Sudpfannen. Die Eisenblechböden der lezteren werden der geringen Hitze wegen, welche man in Anwendung bringt, nur einfach gelöthet und zwischen die Blechränder Streifen von Fliesspapier eingelegt, was gute Dienste leisten soll. Zur Zeit meiner Anwesenheit war ein zweites, neues Sudhaus mit Benützung der neuesten Erfahrungen im Baue, 378 wogegen man beabsiclitet die alten Sudhäuser, bei denen znui Tlieil noch die sehr mangelhafte Korbtrocknung statt findet, eingehen zu lassen. Das sehr schöne Dampfpfannensalz und der grösstcTheil des Sudsalzes werden iii's Ausland verschlossen, das Steinsalz aber wird in gemahlenem Zustande im Innlande verkauft. Die Abfalle benüzt man zu Viehsalz. Der Verkauf des Salzes geschieht iibrigens in den Maga/Juen ans freier Hand, zu herab- gesezten Preisen und mit Umgehung aller Verpackungsans- lagen, wodurch sich sowohl dIeConsumtion als der Ertrag des Werkes bedeutend gehoben haben soll. -«) Hiirzer UeberblicU der Tour von »'raiiliffur* am main nacli JMainz und dem Rlieine nach bis Bonn. Auf der Ebene nördlich von Frankfurt treten unter mäch- tigen Tertiär- und Alluvialablagerungen vulkanische Felsge- bitde: Trachyt, Dolerit und Basalt hervor. Ihre Ausdehnung ist der Jüngern üeberlagerungen wegen unbekannt, sie schei- nen jedoch offenbar nur Ausläufer des nordöstlich zwischen Frankfurt und Fulda liegenden vulkanischen Vogelgebirges oder damit zunächst verwandte lokale Durchbrüche zu seyn. Der Trachjt ist aschgrau, zum Theil voller Blasenränme und lavaartig. In diesen vulkanischen Gesteinen findet sich häufig Hyalit und brauner Glaskopf von ausgezeichneter Schönheit in vollkommen kugelförmigen Massen. Im Alluvium, welches diese vulkanischen Felsgebilde bedeckt, beobachtet man grosse Geschiebe eines weissen, ganz aus Quarzkörnern bestehenden Sandsteins. Dort, wo der Rhein bei Bingen plötzlich in die Gebirge einbricht, betritt man, den Taunus zur Hechten und den Hunds- vück zur Linken, das Bereich der grossen Ablagerungen von Granwacke, Thon.;chiefer und Grauwackenkalk (silurisches und devonisches System), welche im W^esten des Rheins den Uuudsrück, die Ärdennen, den hohen Veen und die Eifel, im Osten dieses Stromes aber den Taunus und die Distrikte zwischen der Lahn , Sieg , Lenue und Ruhr als herrschende Felsjicbilde zusammensetzen und sich somit über einen grossen Tlieil von Belgien und Nordwcsttleutschlaiul erstrecken *. (ie- ^eii Norden wird dieses in geoonostisclier nnd bcrgmiinnisclier BezielHinf»;Iiocliwiclitige Terrain , im Westen des Rheins von dem aus \V est in Ost ziehenden Strirhe der grossen alten Kohlenformation in Belgien und lici Aachen, im R h e i n t h a I e selb st durch das nahe bei Bonn beginnende Diluvium und Allu- vium des Kiederrheius , östlich vom Rheine hingegen, durch die alte Kohlenformatiou bei Elberfeld und an der Ruhr begränzt. Wählend g e g e n O s t e n diese Grauwackenablage- rnngen in ihrer ganzen Breite durch den Lias bei Gicssen und Marburg-, mit dem vulkanischen Vogelgebirge, und durch den Zechstein bei Corbach abgeschnitten werden , scheinen sich dieselben in den Ardennen gegen Westen zwischen dem belgischen Kohlenzuge und dem französischen Jura aiiszukei- len und verschwinden endlich unter den Kreide- und Tertiär- gebilden des nördlichen Frankreichs. Gegen Süden wer- den diese Grauvvackebildungen , und zwar w estlich vom Rheine, durch die Triasformation in Luxemburg und Trier, sowie durch das Kohlengebirge mit seinen Melaphyren im Sanrbri'ickenschen, an der Glahn und Nahe, im RheiU' und untern IMainthale hingegen durch Diluvium, Alluvium und ji'ingere Tertiärbildungen, sowie durch die erwähnten vul- kanischen Gesteine nördlich von Frankfurt bedeckt. Gleich wie es im Innern dieses grossen silurischen und devonischen Terrains an mniden- und beckenförmigen üeber- lagerungeu desselben durch Glieder jüngerer Formationen, namentlich solcher des alten Kohlengebirges, der Tiias und tertiären Reihe nicht mangelt, so fehlt es auch nicht an isolir- ten, massenhaften Durchbrücben vulkanischer Gesteine, welche mit den \erwandten Vorkommen an der Süd - und Ostgränze in nächster Beziehung zu stehen scheinen und zu deren grössten und interessantesten vor allen die vulkanische Eifel , der Westerwald (zum Theil) und das Siebengebirge gezählt wer- den müssen. Thonschiefer und dichter Kalkstein begleiten ausschlless- • G. Leonhabd. g;eognostisclie Karte der Rliciiilande. Stutt- gart 1844. 380 lieh die Ufer des Rheins von Bin«en bis Coblenz, wo man so- dann, bereits von Neuwied ans, die schönen vulkanischen Dome der Eifel jenseits des Rheins und ähnliche Bergformen des Westerwaldes am rechten Cfer landeinwärts erblickt. Bei Linz steigt aus Schiefern und Kalkstein eine Basaltktippe von besonderer Schönheit empor. Das Gestein ist in senkrecht stehenden Sänlen abgesondert oder vielmehr, wie ich glaube, krystal lisirt. Die Berge bei Königswinter gehören zur Gruppe des Siebengebirges ; so der D r a c h e n f e I s , Trachyt mit ausgezeichneten grossen Krystallen von glasigem Feld- spath und mit senkrecht prismatischer Absonderung ; der S t e n- zelberg, Dolerit und Basalt, mit grossen Krystallen von Hornblendeund dieselbe Absonderungzeigend wie der Drachen- fels ; die sehr schön betriebenen Steinbrüche, genannt die W o I k e n b r ii c h e , dichter , feinkörniger Trachyt u. s. w. Bei den neu eröffneten Steinbrüchen am Stenzelberge stösst man auf ein sonderbares Gestein, nämlich auf einen Sandstein von ganz verglastem Ansehen, gleich dem desjenigen, welchen man so häufig in Nubien, oft weit von jedem sichtbaren vul- kanischen Einflüsse entfernt, zu beobachten Gelegenheit hat. Es scheint, dass auch bei diesem Sandsteine hier, der offen- bar zum Braunkohlensandsteine der Umgebung des Siebenge- bir»-es gerechnet werden muss, diese Eigenthümlichkeit nicht auf vulkanischem Wege durch Feuersgewalt herbeigeführt wurde, sondern eine Folge der überwiegenden, zementartigen, kieseligen Materie ist, welche das Gestein durchdringt. 5) »er Bleiberg^ba« und die BleirölireiifaljriU xn Comern Mud die Eisenliülten im Sclileidentlial , in Rlieinpreui^sen. Der in seiner Art, meines Wissens, ganz einzig in der Welt vorkommende Bleiberg bei Comern, eine der interessan- testen geognostischen Erscheinnngen, liegt von Bonn ungefähr in südwestlicher Richtung und in einer Distanz , welche man zu Wagen über Euskirchen sehr leicht in .5% Stunden zurück- legt. Das herrschende Felsgebilde am Bleiberge ist bunter Sandstein, welcher daselbst die Grauwackengebilde in bedeu- tender Ausdehnung muldenförmig bedeckt. Diesem bunten 381 Sandsteine ist eine sehr mächtige LageistiUte von liclifgefürb- tenij feinköini<;cm, qnarzi<>eni uimI ^^elli<>fesfenl Sandsteine nn- teigeordnet, der offenbar selbst znr Formation des bunten Sand- steins «ebörtnnd daher ohne Zweifel nur als eine gewisse Reihe von Schichten desselben betrachtet werden ninss. Dieser unter- geordnete Sandstein ist mehr oder weniger erfiillt mit Körnern vonBleiglanZj theils von reinem Bleiglanz, theils Konkretionen von (iuarzkörnchen mit Bleiglanz, sogenannte Knoten und da- her die Lokalbenennungen : Knotensandstein und Kuoteuerz. Mit dem Bleiglanze zusammen findet sich auch Brauueisenerz und Eisenkies. Der Knotensandstein zu Coniern bildet den Gegenstand des dortigen Bergl)aues ■■'■. Er liegt , wie gesagt, zusammen mit dem bunten Sandsteine, welchem er eingelagert ist, auf den Grauwackegebilden und wird unmittelbar von dem sogenannten Wackendeckel , theils ein aus ftuarzgeschieben bestehendes Conglomerat, theils ein sandiger, eisenschüssiger Kalkstein, bedeckt. Nördlich von Comern findet sich Braun- kohlensandstein, welcher Braunkohle und sehr gute Moorkohle fiihrt, die bei der Fabrik des Hrn. Abels zu Comern die besten Dienste leistet und von ihm abgebaut wird. Bei dem Dorfe ]>Iechernich sah ich die Auflagerung des Knotensandsteins auf der Grauwacke; leztere fällt daselbst in S. und führt auf den Ablösungen ihrer Schichten Grünbleierz und Weissbleierz, Am Bleiberge zu Comern selbst beobachtet man zwei getrennte Züge der Grauwacke, den Griesberg und Meiuerzhagen , bei denen die Schichten einander entgegenfallen , somit zwischen sich eine grosse Mulde, das Bleibachthal, bilden, in welcher der Knotensandstein die Grauwacke bedeckt. Der höchst interessante und in vieler Beziehung eigen- thümliche Grubenbau am Bleiberge geht gegenwärtig (1840) Hioaichtlich der nälicren Deltiils über diesen Bergbau und die Kalur seiner Erze erlaube ich mir auf folgende Schriften liiiizuwf isin : NÖGGERATii: Besilueibnng des Bleiberge.s. In den Annalen der Wetter- auer Gesellscliaft. III, 1S12. 1. Heft. pg. 29 elc. Oeynhausen: über den Bleiberg bei Comern. Karstens Arehiv. IX, 18-2Ö, pg. 60. Bergemann: cbnnische Uiitei sutluing der Mineralien und Iliittenpro- dukte des Bieiberges in Rin-inpieussen. Bonn, 1830. ;58'i scliwnugliafter als je um. Wie man mich versicherte hetiäg^t der jährliche Reinertrag- aller Gewerkschaften zusammen (die Regierung besizt keine Antheile) , ungeachtet der so sehr ge- sunkenen Bleipreise, über 100.000 Thaler und man schäzt den bergmännischen Nachhalt der in ihrer ganzen Ausdehnung noch nicht bekannten Lagerstätte immerhin auf eine Dauer von ^venigstens 300 Jahren 5 besondeis seit man in neuester Zeit die Erztiihrnng des Wackendeckels bestätigt fand. Die dem Grafen Lipp zugehörende Grubenrevier Meinerz- hagen ist sowohl die ausgedehnteste, als auch die am regel- mässigsten bebaute, am besten bewirthschaftete und in den reichsten Anbrüchen stehende. Ich fuhr durch den 36 Lach- ter tiefen Tagschacht Virginia an und besichtigte die Abbaue des ersten Flötzes, welche pfeilermässig mit aller Umsicht und Oekonomie geführt werden. Das gewonnene Knotenerz wird sogleich in der Grube durch einen ganz einfachen Siebsetzpro- zess, das sogenannte Beuteln, vom Sandsteine, respektive vom tauben Sande, möglichst getrennt. Den Abhub, hier Hübel genannt, verwendet man sehr zweckmässig sogleich wieder zum Versätze der Zechen, während das Knotenerz zu Tage gefördert wird. Von den Erzbauen am Schachte Virginia fuhr ich auf dem Elisabethauptstollen gegen Ost bis zum Ge- brüderschachte , wo man auf Sohle Elisabet sowohl einen Hangend- als einen Liegendqnerschlag ausgefahren hat : lez- teren um vermeintlich vorliegende Lagen des Knotensandsteins zu finden, ersteren um das auf dem Hauptstollen verworfene, sogenannte erste FlÖtz wieder zu erbauen. Beide Flügelörter geben in ihren Durchschnitten eines der interessantesten Ver- werfungsbilder, das zugleich für die Theorie der ßauführnng im ßleiberge von grösster Wichtigkeit ist und das ich desshalb hier beifüge : :{8;i Süd. Nord . b ist der Stoss des Elisabetliauptstollens, welcher 1300 Lacli- ter im Streiclien der Lager aus Ost in West anfgefaliren ist; a bist derGebri'iderstolleii-Tagschacht ; e dder Beriihard-Tag- scliacht; b d das Pferdeacker-Flüoelort ; c eine Abendstrecke; b r das Gebrüderstollen-Fliigelort. Mit dem Schachte a b liat man die zwei Knotensandsteinflötzei und k mit dem dazwischen liegenden VVackendeckel durchfahren. Mit dem hangenden Fliigelorte b d suchte man später das auf dem Hanptstollen durch die Verwerfung verlorene Flötz, fand aber nichts; den gleichen Erfolg hatte der Betrieb des ßernhardschachtes e d, mit der Äbendstrecke c hingegen fuhr man das Lager in der Sohle an, weit vom Verwerfer f entfernt. Eine sorgfältige Untersuchung; klärte diese räthselhafte Erscheinung- dadurch auf, dass zwischen n und c, nämlich zwischen den beiden rechtsinuigen Verwerfern f und h mehrere widersinnige Ver- werfer g\ g und gsich befinden, welche durch ihren entge- gengesezten Einfluss das Flötz ober der Streckenfirste schwe- bend erhalten m, m, m, m — bis endlich der Verwerfer h dasselbe unter die Streckensohle driickt. Hätte man den Schacht e d weiter abgeteuft . so wiirde man die Fort- setzung des Flötzes 1 diirchsunkeu haben. Merkwürdig ist es, dass durch die Verwerfung bei f beide Flötze in eines ver- eint zu werden scheinen, ein Fall, der zwar öfters statt findet und den man auch im siidlichen Fliigelorte b r beobachtet, welches auf vorliegende Flötze betrieben wurde. Man sieht nämlich daselbst eine Reihe widersinniger Kliifte o, p, p . . ., 384 welche die jenseits der Verwerfmio- o in ein Flötz q, q . . ver- einten beiden Flötze i nnd k gegen das Ansteigen des Gebirges mehr nnd mehr in die Solile der Flügelstrecke drücken. Dass durcii solche Störnngen der Lagernngsverhältnisse nnd nebst- bei durcli die sehr interessanten keilförmigen Einsenknngen des Wackendeckels in den Knotensandstein der Bergbanbe- trieb in jeder Richtung äusserst erschwert wird und ein langes, fleissiges, auf praktische Selbstanschauung basirtes Studium erfordert, versteht sich so zu sagen von selbst. Der Grubenbau am Griesberg bietet im Ganzen dieselben Verhältnisse dar. nur ist hier das Fallen der Schichten dem im Rleinerzhagener Zuge stattfindenden gerade entgegenge- setzt. Auch umfasst der Grubenbau am Griesberge ein klei- neres Terrain und ist weniger regelmässig. Man baut auf zwei Lagern des Knotensandsteins, von denen das obere, das ärmere, nur Schmelzerze, das untere, reichere, aber auch Glasurerze schüttet. Verwerfungen der Lagerstätte sind nicht selten. DieZugutebringung der Grnbengefälle ist auf allen Zechen gleich. Die aus der Grube kommenden und dort selbst mit- telst des erwähnten Siebsetzprozesses vom tauben Sande mög- lichst getrennten Knotenerze werden separirt, und wenn sie ganz reinen ßleiglanz enthalten auf Glasurerze, wenn sie aber eisenschüssig, kiesig, befunden weiden, auf Schmelzerze be- handelt. Li beiden Fällen wird das Knotenerz in Senngitter- pochwerken gepocht, diePochschlämme werden aufliegenden Herden, da man für Stossherde zu wenig Wasser hat, ge- schlämmt, und die Aftern unterliegen, wie bei Bleiglanzgezeugen vorauszusetzen ist, einer mehrfachen Ueberarbeitu ng. Zu letzterem Zwecke bestehen ausnahmsweise in Meinerzhagen zwei nach Salzburgischer Manier konstruirte Stossherde. Der reine Bleiglanzschlich bildet das G lasu rerz. Als sol- ches wird derselbe ohne weitere Behandlung partienwefse zu 9 bis 10 Zentnern in Fässer verpackt und in Handel gebracht. Das Seh melzerz hingegen, kiesiger Bleiglanzschlich , wird den Bleihütten übergeben, dort mit gelöschtemKalke zu Ziegeln geformt und in Schachtöfen auf Blei durchgestochen. Scuunken-Olischlägers ilütte enthält ein Dampfpochwerk, eine Dampfmaschine von zwei Pferdekräften, welche S Poch- 385 eisen in Bewegung- setzt. Die Poclikolben sind prismatisch, foiglicli schlecht geformt; die Sätze sind mit feingeiochteii Senngittern, ähnlich den Ziiierthaiern , geschlossen, und das Ganze sieht einer Spielerei niciit unähnlich, welche allerdings Anwendung in einem grösseren Maasstabe verdiente. Uebri- gens steht die ganze Aufbereitung ihrem Systeme nach auf einer sehr rationellen Stufe, wird mit technischer Oekonomie und Umsicht geleitet, lässt aber in ihrer Ausführung vor Allem mehr Reinlichkeit wi'inschen. Eine sehr wichtige Verwendung des zu Comern erzeugten Bleies bildet unter andern die Bleiröhrenfabrik des Hrn. Abels daselbst, eine höchst niedliche und ihrer eigenthümlichen, scharfsinnigen Manipulation wegen sehenswerthe Anstalt. Die Röhren, jedes beliebige Kaliber umfassend, werden da- selbst mittelst Walzen gestreckt. Man giesst zuerst einen hohlen Bleizylinder von 2 Fuss Länge, dessen innere Lichte gleich dem Kaliber der zu bildenden Röhre mehr einer ganz kleinen Zugabe ist, um denselben leichter an eine lange, eiserne Stange stecken zu können, deren Durchmesser genau gleich dem Kaliber der werdenden Röhre seyn muss und welche dazu bestimmt ist, während des Walzens die Seele derselben zu bilden. Ein einziger Druck der Rundwalzen reicht hin, den Bleicylinder an dieser Stange festsitzen zu machen. Nun passirt der Cylinder an der Stange alle die verschie- denen Äbtheilnngender Rundwalzen, bis er dadurch zur Röhre gestreckt die gehörige Länge bei entsprechender Bleidicke besitzt, wobei es Hauptbedingung ist bei jedesmaligem Durch- gange der Röhre durch die Walzen die Seele, d. h. die Stange, so zu drehen, dass auf einen Durchgang eine ganze Umdre- hungkommt, indem sonst der Röhre die vollkommene Rundung fehlen würde. Um zu beseitigen, dass man die Röhre summt Stange nach jedesmaligem Durchgange über die Walzen heben muss, um sie neuerdings einzusetzen, ist bei der üebertragung der Bewegung der Hauptwelle auf jene der Hülfswelle mittelst fixer und freilaufender Getriebe und einer vor- und rückwärts verschiebbaren Axenhülse sehr sinnreich die Einrichtung ge- troffen, dass man ohne mindeste Störung im Gange der Haupt- welle die Walzen von der Rechten zur Linken und umgekehrt Rus se gg er, Reitrn. IV. Bd. 25 380 kann laufen lassen % so dass die Einsetzung der Rohre ohne Anstand auf jeder der beiden Seiten schnell erfolgten kann. Das Ausziehen der Kaliberstange aus der fertigen und daran durch den erlittenen Walzendruck sehr fest sitzenden ßleiröhre geschieht ganz einfach, indem raan an die Stange eine starke, durchlochte Eisenplatte steckt, deren Loch genau dem Kaliber der Stange entspriciit, somit wohl diese, aber nicht die Röhre passiren lässt. Das obere Ende der Stange ist durch- lochtj daselbst wird ein Stift eingesteckt und die Stange zwi- schen zwei starke, fest im Boden eingeramirtte Pflöcke so ge- legt, dass das Ende derselben mit dem Stifte vor den Pflöcken, die Eisenplatte an der Stange aber hinter den Pflöcken zu liegen kommt. Mittelst des Stiftes befestigt man nun die Stange an einem gewöhnlichen Zugwerke, die Eisenplatte legt sich fest an die Pflöcke, die Eisenstange passirt durch das Loch derselben, die llöhre aber bleibt, ihrer Seele ledig, zurück. Unweit Comern, im Schleidenthale, insbesondere bei Gemiind , bestehen mehrere Eisenhütten , deren Prozess nach der alten wallonischen Manier betrieben wird **. Die Eisen- erze, welche diese Hütten zu Gute bringen, bestehen in Thon- eisenstein und Brauneisenstein mit Glaskopf und Eisenmulm. Sie brechen auf Nestern, zerstreut, ohne Zusammenhang, im Grau- wackenkalke, werden mit Schächten ausgerichtet und sodann abgebaut, daher sich das noth wendig ünregelmässige eines solchen Grubenbaues von selbst versteht. Die g-ewonnenen Erze, welche immer Thon und Kalk mit sich führen, werden ohne wei- tern Zuschlag bloss unter sich zu 34% Elsengehalt gattirt, in * Es kann hier nicht Aufgabe seyn Maschinen und Maschinen- thcile, besonders solche zusamineiigesezterer Natur, ausführlich zu be- schreiben, da einerseits solche Beschreibungen am wenigsten allgemei- nem Interesses sich zu erfreuen haben, andrerseits ohne vollständige Zeichnungen unverständlich sind. Sollte übrigens irgend Jemand für einen derartigen Gegenstand sich insbesondere interessiren, so stehe ich jederzeit mit meinen nähern Notizen , im Falle ich solche besitze, be- reitwilligst zu Diensten. '"* Fulda: Darstellung des Hochofen- und Frischfeuerbetriebes auf den Eisenhütten des Schleidencr Thaies in der Eifel. In Karsten's Archiv, Bd. VII. a. R. p. 9. ;}87 sop^enannten, 20 bis 25 Fiiss hohen , Blaaöfen mit Holzkohlen verschmolzen. Wenn das Gestell voll zn werden beginnt lässt man die Gichten ganz niedergehen, reinigt sonach das Gestell von der Sehlacke nnd liisst durch ungefähr \\/., Stunden den Wind frei auf die geschmolzene Eisenmasse einwirken, wo- durch sich dieselbe zum Theile fiischt und im Ganzen in ein sehr weisses Roheisen umwandelt. Bevor jedoch lezteres bei vorschreitendeni Gaaren steif zu werden beginnt, wird abge- stochen und es werden Gänze (Flossen) von der unförmlichsten Grösse bis zu 20 Fuss Länge gegossen. Der Querschnitt des Ofenschachtes ist viereckig. Während des Frischens im Ge- stelle wird der Form eine stärkere Neigung gegeben. Die Frischfeuer, zu welchen die gegossenen grossen Gänze nicht ohne Schwierigkeit transportirt werden, sind, abgesehen von den grösstentheils schlechten Maschinen , zweckmäs- sig konstruirt. Jedes Feuer hat zwei Arbeitseiten , von denen die eine der Windseite an der Rückwand , die an- dere jener Seite gegenübersteht , wo durch ein grosses Loch in der Mauer die gigantische Ganz auf Walzen in den Herd geschoben wird. Alanchmal geschieht es, dass eine solche Ganz, die man ihres Gewichtes wegen stets im Schwerpunkte unterlegen mnss, auf der Walze laufend wird, wobei es natürlich im Herde ohne einige Verwüstungen nicht leicht abgeht. Die Ganz wird über der Form ins Feuer ge- bracht, so dass das schmelzende Eisen den Windstrom passirt. Die fertige Luppe wird mit Zangen herausgenommen, zu Däuel geschmiedet, welche sonach mit Hülfe eines eigenen Glüh- feuers zu Stabeisen ausgearbeitet werden. Die Anlage der Ge- bäude und Oefen macht den unfreundlichsten Eindruck, das erzeugte Eisen aber ist vortrefflich. In Gemünd bestellt übrigens auch eine andere, auf engli- schem Fusse eingerichtete und den HH. Pönsgen und Rodscheid angehörende Frischhütte. In 3 Puddlingsfeuern wird daselbst sowohl Eisen von den nächstliegenden Hütten, als auch solches von Charleroi in Belgien und von England verfrischt. Die Campagne im Puddlingsfeuer dauert nur 1'% bis 2 Stunden, das4iiedurch erzeugte Eisen ist jedoch bei weitem nicht so gut als das aus dem Wallonenherde, insbesondere kann es zu so- 25 * 388 genannten harten Waaren, als zn welcli, nicht verwendet wer- den. Die Hütte besitzt ausser den erwähnten Pnddllngsfeuei'n noch mehrere Glüh- und Anwärmeöfen für die Walzwerke, deren mehrere Arten, z. ß. ßlechwalzen, Stabwalzen, Rund- walzen, Schneid walzen für Nagelzaine, Walzen für ganz kleine Sortimente, von jeder Art aber nur ein Walzenpaar, vorhan- den sind. Ferner finden sich da: eine Walzendrehbank, ein grosser, 100 Zentner wiegender Hammer ans Schmiedeeisen, ein Drahtzng, bei dem sich der Draht während des Ziehens auf Walzen windet, eine sogenannte englische Scheere zum Abschneiden der Enden des gewalzten Stabeisens u. s. w. und alle diese Vorrichtungen, ausgenommen den Drahtzug, werden durch ein einziges, sehr breites Wasserrad in Bewegung ge- setzt, für deren Stetigkeit durch die an den Hülfswellen, welche ohne Störung des Radumlaufes ausser Bewegung gesetzt wer- den können, angebrachten Schwungräder vorgesorgt ist. Das ganze Etablissement ist übrigens schön und nach neuen Prin- zipien eingerichtet; die Feuerung geschieht durchaus mit Steinkohlen. 6) mieinyreagsen : die Steinkohlenreviere bei Escii- ^veiler und Escliweilerpumpe. Die Kiseniiiitten und F'abriiien daselbst. fHaiineiberj^bau, Kinkhiitteu und Iflesflint^fabrihen bei Stollberg-. Die Tunnels bei liUnigsdorf, Kulendorf und am Aacltner Ruscli. Zu Aachen, wo ich mich längere Zeit verweilte, theils um die bergmännisch interessantesten Punkte der Umgebung zu besuchen, theils um meinen werthen Freund Oberbergrath NöGGERATH aus Bouu ZU erwarten und mit ihm die Reise nach Brüssel und Paris gemeinschaftlich fortzusetzen, befindet man sich eigentlich am nördlichen Rande des belgisch -rheini- schen Kohlenzuges, der, die Nordgrenze des vorneerwähnten grossen Grauwackenterrains von Belgien undNordwestdeutsch- land bildend, vonMons und Valenciennes überNamur, Lüttich, Aachen und Eschweiler sich erstreckt, dann unter Jüngern Auflagerungen im Rheinthale verschwindet, ostseitsdes Rheins aber wieder auftaucht und von Düsseldorf, zwischen Elbevfeld und Dortmund, über Arnsberg bis gegen Corbach fortzieht. 389 Eine bedeutende Kiiibiichtiing; durch die diesem alten Kohlen gehiige gegen Norden aufgelagerten CJIieder der Kreidereihe, sowie die gegen Osten hin sich darüber ausbreitenden Saud- steine der jüngsten Tertiiirzeit und Dilnvial/eit uiaohen die geognostischen Verhältnisse bei Aachen auf den ersten Blick etwas weniger einfach, in eben diesem Masse aber auch interessanter. Die Berge westlich und südwestlich von Aachen, so na- mentlich der Louisberg-, gehören dem Grüusandsteiue an, der auf seinen Höhen von weisser, feuersteinreicher Kreide bedeckt wird. Weiter gegen West entwickelt sich die Kreide immer mächtiger, bis sie endlich an der Maas als das herrschende Felsgebilde auftritt und auf ihr bei Mastricht am Petersberge die berühmten Steinbrüche umgehen. Oestlich von Aachen, ganz nahe auiThore nach Düren, sieht man das Grundgebirge, die Grauwacke mit iiireu Schiefern, noch einmal zu Tage gehen, bald darauf verschwindet aber dieselbe unter Kultnriand und erst bei Euiendorf tritt der sie unmittelbar bedeckende, erz- führende Kohlenkalk liervoi*. Nahe an der Grenze der weiter gegen Ost folgenden Eschweiler Kohlenmulde führt der Koh- leukalk auf ebenfalls muldenförmigen Lagerstätten: Galmei, Bleiglanz, Thon- und Brauneisenstein mit Glaskopf. Das aus Kohlenschiefer mit Kohle bestehende Eschweiler Kohlenge- birge liegt dem Kohienkalke, eine grosse fluide in demselben ausfüllend, unmittelbar auf und wird wieder von lokalen Auf- lagerungen eines Braunkohlen-führenden alten Diluviums be- deckt. In der weitem Erstrecknng dieser Kohlenmulde gegen Eschweiler wird dieselbe in einer weiten Niederung durch die grosse Brannkohlenniederlage endlich ganz bedeckt, aber nicht abgeschnitten und verworfen, denn man kennt das Einscliies- seu des Kohlengebirges, die Senkung der Kohlen-Flötze unter das jüngere Braunkohleugebirge gegen Ost. 390 SW. . w.. NO. a Griinsandstciii mit aufgelagerter Kreide, b Grauwacke mit ihren Schiefern. c Kulturland. d Erzführender Kohlenkalk, e Stein- kohlengebirge. f altes Diluvium mit Braunkohlen. Die Erze des Kolilenkalkes bilden in demselben lauter muldenförmige Ausfüllungen von unregelmässiger, wellen- förmiger Gestalt. Meistens finden sich die Erzkörper in der Nähe der Gesteinsgränze zwischen dem Kohlenkalke und dem Steinkohlengeljirge oder auf dieser Grenze selbst. Der den Erzen zunächstliegende Kalk ist stets in Dolomit umgewandelt, welche Umstaltung sich oft bedeutend weit erstreckt. Mei- stens sind zu Unterst die Eisenerze abgelagert, bestehend in Thon mit Thoneisenstein , Brauneisenstein, Glaskopf, Eisenkies; hierauf folgt Galmei. Bleierze, vorzüglich Bleiglanz und Weivss- bleierz durchwandern auf Klüften diese sämmtlichen Gebilde. Der Galmei dringt in den Dolomit ein, umgibt, zarte Klüftchen ausfüllend, dierhomboedrischen Formen seiner Massetheilchen. Im Zustande der Verwitterung wird der Dolomit zerstört und es bleiben nur die hohlen, rhomboedrischen, zarten, drusigen Umhüllungen des Galmeis , jene Form darstellend, die diesem Minerale so häufig zukommt. Auch die Eisenerze des Kolilen- kalkes enthalten sehr oft Galmei und können daher ziimTheil auf Zink benüzt werden. Der Bleiglanz tritt stellenweise zurück, so vermisst man denselben ganz in dem Revier Herren- berg, wo auf einer Mulde sehr reinen Galmeis ein bedeuten- der Grubenbau umgeht. Die Steinkohlenmulde von Eschweiler erstreckt sich über zwei Stunden weit, ihre Felsgebilde bestehen in Kohlen- schiefer mit Steinkohlenflötzen und zwischenliegenden Straten von Sandstein und Pnddingstein, welche zusammen sowohl von mächtigen Kalkzügen, als auch von Kalkrücken durchbrochen werden. Erstere trennen die Eschweiler Mulde von der weiter 391 gegen Nordwest iiiul nördlich von Aachen liegenden Kolilen- niulde des Ländcliens von der Heide (gemeinhin das Liindchen genannt), heide Mulden aber finden gegen Ost ihr schein- bares Ende am sogenannten Feldbisse, d. i. an der aus SO. in NW. sich erstreckenden Lagerungsgrenzlinie des aufliegen- den Braunkohlengebirges. Die Rücken des Kohiengebirges sind Erz-, nämlich Bleiglanz-fi'ihrend und es scheint, dass sie nur die Kämme von Gängen des tiefer liegenden Kohlenkalkes sind. Sie bedingen mitunter bedeutende Vervverfungen der Fiötze. Eine äusserst interessante, von dem ehrwürdigen berg- männischen Veteranen Gräser zu Eschweilerpunipe nachge- wiesene Thatsache ist es, dass jedem Kohlenflötz, insbesondere aber den zwischeuliegenden Schicliten des Kohlenschiefers, gewisse Pflanzenarten als fossile Reste eigenthümlich sind, die sich in den übrigen Flötzen und Schichten nicht finden, während wieder andere Pflanzen alle Schichten des Koh- lengebirges durchwandern. Gräser führt den schlagend- sten Beweis hierüber durch seine ausgezeichnete, lokal ganz vollständige Sammlung fossiler Pflanzen; was das alte Stein- kohlengebirge anbelangt, wohl eine der ersten in Europa*. Aus dem hier beigefügten Querschnitte der Eschweiler Kohlenmulde Nord. Süd. zeigt sich, dass im südlichen Felde die Kohlenflötze gegen Tage sich nicht nur ganz aufstellen, sondern sogar widersin- nig einfallen, während sie im nördlichen Felde ganz sanft verflachen. Der Längendurchschnitt der Kohlenmulde gibt ungefähr nachstehendes Bild: * Entliält unter anderem auch senkrecht im Kolilcnschiefer stellende Mouükotyledonenslämme. 392 We.f. In a baut die Grube Centrum, in b die Jamesgrube, in c die Grube Birkengang;, d e ist der sogenannte Feldbiss, die aus NW. in SO. streicliende Lagerungsgrenze des aufgelagerten Braunkohiengebirges f , unter welchem die Kohlenflölze der Mulde höchst wahrscheinlich fortsetzen. Man kennt in der Eschweiler Mulde, in verschiedenen Horizonten, in verschie- denen Entfernungen unter sich und mit verschiedener Bauwür- digkeit, in welchem Falle sie meistens 2 bis 3 Fuss Mächtigkeit besitzen, 45 Kohlenflötze. Die Flotze fallen nach allen Seiten in die Mulde, ihr Streichen ist zwischen 3 h. und 5 h. Ver- werfungen sind im Ganzen sehr zahlreich, doch hindern sie die Regelmässigkeit des Abbaues nicht. Zum Theil gehen die Kohlenflötze frei zu Tage, zum Theil werden sie nur vom Kulturlande bedeckt. Die obersten Gru- benhorizonte sind bereits ganz verhaut und man hat daher den Plan in die Teufe vorzudringen , mehrere mächtige Flötze als Bergfesten stehen zu lassen, die tieferen hingegen pfeilermäs- sig abzubauen und zulezt diesen Abbau auch auf die Gewin- nung der Bergfesten auszudehnen. Ungeachtet des gegen- wärtigen (1840) sehr schwunghaften Betriebes glaubt man noch einen Nachhält auf 300 bis 400 Jahre vor sich zu haben. Auf Centrum, wo man alle Flötze in Bau bekommt. 303 gehen die tiefsten Haiiptscliäclite 120 Lacliter nieder und man beabsichtigt sie bis zu ISO Lachter abzuteufen. Auf James und Birkeng;ang kann man sich der Conzessionsgr<änzen halber nur der äussern Flötze bemächtigen. Bei allen diesen Gruben ist der stark verhauten Tagreviere und der geringen Bedeckung der Flötze an ihrem Ausgehenden wegen der An- drang der Wasser in der Grube ausserordentlicii stark und auf Centrum müssen z. B. in je 24 Stunden 170000 Cnbikfuss gehoben werden. Dieses Quantum des zu hebenden Wassers macht den Grubenbau durch den hiednrch bedingten Bedarf vieler und tiefer Tagschächte und vieler Wasserhebmasciiinen zwar sehr grossartig und interessant, aber auch enorm kost- spielig. Für die ganze Grube Centrum, der grössten und wichtigsten in der Eschweiler Revier, besteht ein einziger Wetterschacht, Avelcher in der Teufe von 70 Lachter einen Wetterofen, einen einfachen Rost nämlich, besizt. Schlagende Wetter, auf den belgischen Kohlengruben so häufig, sind hier sehr selten. Alle Gruben sind rein gewerkschaftlich , der Staat hat nur die bergpolizeiliche Oberaufsicht. Die Jamesgrube hat in je 24 Stunden bis zu 120000 Cnbikfuss Wasser zu fördern. Hiezu bestehen auf einem Schachte zwei Dampfmaschinen , eine stehende und eine lie- gende, welche 3 Schachtgestänge mit ihren zugehörigen Pum- pen bewegen. Bei ersterer sah ich zum erstenmale die soge- nannten elastischen Kolben aus Gusseisen in Anwendung, eine sowohl in physikalischer Beziehung höchst interessante, als technisch wichtige Erfindung. Der Kolben besteht aus einem gusseisernen Ringe von 4 bis 5 Zoll Höhe bei 3 bis 4 Zoll Breite. Um demselben die erforderliche Federkraft zu er- theilen, damit er sich in jedem Momente seines Standes ganz genau an die innere Cylinderfläche anschliesst, wird derselbe, nach erfolgter sorgfältigster Abdrehung von Aussen , auf sei- ner inuern Seite im kalten Zustande durch 48 Stunden unun- terbrochen gehämmert, wodurch das Gusseisen in einen solchen Zustand der Elastizität versezt wird, dass der Ring, wenn er sonach an irgend einer Stelle nur bis zu V;j seiner ganzen Dicke eingeschnitten wird, rasch abspringt. Beim Gebrauche 394 wird dieser Kolbenring zwischen zwei eisernen. g;enan auflie- genden Scheiben, deren Durclunesser ein paar Linien weniger beträgt als jener des Ringes, an der Kolbenstange fest ver- schranbt und sodann sammt dieser, während man ihn gleich- zeitig mittelst eines Zugbandes zusammendrückt, in den Cy- linder eingeführt, an dessen innere Fläche er sich nach Wie- derhinvvegnahme des Zughandesauf das genaueste anschliesst und keiner Liederung bedarf. Um das Entweichen des Dam> pfes an jener Stelle zu verhindern , wo nach erfolgtem Ein- schnitte der Kolbenring zersprang, werden auf der obern und untern Seite desselben , zwischen ihm und den beiden Deck- scheiben, zwei kleine eiserne Platten eingelegt, welche mit ihren innern und äussern Rändern genau mit der innern und äussern Peripherie des Kolbenringes correspondiren und somit, bei nur ein paar Zollen grösster Breite, kleine Segmente der Kreisflächendes Ringes bilden. Zur Bewiikung der genauesten Absperre wird jede dieser Platten in die ihraufliegende Deck- scheibe eingelassen, d. h. eingetieft, so dass ungeachtet der zwischenliegenden Platte die Deckscheibe doch vollständig und gleichförmig auf dem Kolbenringe aufliegt. Zugleich ist an jeder Deckscheibe am innern Rande des Kolbenringeseine starke Feder angebracht, welche diese Platte fortan nach aussen, somit, gleich dem Kolbenringe selbst, fest an die innere Fläche des Cylinders andrückt. Ob sich durch kaltes Hämmern eine ähnliche Potenzirung der Federkraft auch bei Leguren, wie Messing, Glockenspeise u. dgl., erzielen lässt, wäre eines Versuches sehr werth. Die Förderung am Förderschachte, wo übrigens auch eine Dampfmaschine zur Wasserhebung besteht, geschieht eben- falls durch Dampfkraft und mit Bandseilen von 4 bis 5 Zoll Breite, bei 0,.t bis 1 Zoll Dicke. Leztere , theils aus Hanf, theils aus Aloefasern angefertigt (liemp ropes und Manilla ropes), winden sich auf eiserne Scheibenkörbe, was natürlich für die fortwährend nöthige Reguliruug der Momente von Haupt- und Hülfslast vom grössten Vortheile ist. Sehr un- günstig ist hingegen der Bau des Schachtes , der anfänglich seiger und dann tonnlag niedergeht. Man beabsichtigt alle WasserhebungsDampfmaschiiien, die grössteutheils schlecht 395 sind, zii kassireii und eine neue grosse Maschine auf einem neuen Schachte , den man heieits sehr weit niedeigehracht hat, zu errichten. Diese neue Maschine eriiält einen Treibe- Cyliiidervon 84 Zoll und Steigrohren von 15 Zoll Durchmesser. Jamesgrube hat den Nordfliigel der äussern Flötze noch für sich. Grube B i r k e n g a n g hebt ihre Wasser ebenfalls durch mehrere Maschinen. So hebt ein mittelschächtiges VV^asser- rad. welches die vier Feldgestiinge eines sogenannten Harzer- zuges in Bewegung sezt, das Wasser aus 32 Lachter Teufe auf die Sohle des W^asserstollens, während zugleich eine sehr schöne Dampfmaschine mit einer wirklich prächtigen Steue- rung die Wasser ans dem Tiefsten gewältigt. Au allen Dampfkesseln, deren jeder Cy linder drei besizt, wovon zwei stets in Aktivität sich befinden, während der dritte in Reserve bleibt, sind doppelte Sicherheitsventile angebracht. Der Stand des Wassers im Kessel wird durch eine zweifache Vorrichtung angezeigt, nämlich durch den Schwimmer und durch die zwei Hahnen , von denen der eine bei ordentlicher Fiillnng Wasser, der andere Dampf geben mnss. Zudem wird der Arbeiter, im Falle der Kessel Wasser bedarf, durch die sogenannte Dampfpfeife hierauf aufmerksam gemacht. Zur Förderung besteht auf Birkengang eine stehende Niederdrucksmaschine mit Condensationscylinder. Man fördert mit Drahtseileu und zwar mit solchen ohne und mit solchen m i t Haufseele, von denen man lezteren wegen ihrer geringeren Steife und ihrer längeren Dauer entschieden den Vorzug gibt. Ausnehmend schön und solid konstruirt sind die über 100 Fuss hohen Schornsteine der Dampfmaschi- nen. Sie werden ans Backsteinen , ohne äusseres Gerüste, aufgeführt, indem ganz einfach auf dem obersten Kranze ein eiserner Dreifuss steht, in dessen Mitte das Seil mit der Bühne hängt, auf der man sowohl die Arbeiter als auch die Bau- materialien in die Höhe zieht und welcher Dreifuss natürlich mit vorschreitender Mauerung gehoben werden mnss. Auf der Grube Centrum sind die Wasserhebungs- Anstalten besonders grossartig. Aus drei, dicht nebeneinander stehenden Schächten heben drei mittelschächtige Wasserräder, 396 jedes mit 42 Fiiss Durcliniesser, das Wasser durch Stang^en- kiiiistc mit 12 Schachtgestängen, so dass bloss auf diesen drei Schächten 12 Pumpensatzsysteme bestehen. Dicht daran steht eine grosse, alte, atmosphärische, sogenannte Newcomen'- sche Dampfmaschine, die nur in besonders dringenden Fällen in Gang gesezt und mehr ihrer alterthi'unlichen Seltenheit wegen erhalten wird. Zwei sehr schön konstruirte ober- schlächtige Wasserräder heben unterirdisch aus zwei Kunst- schächten mittelst Stangenkünsten und mit S Schachtgestängen das Wasser aus der Teufe, Am Gerhardschachte steht ferner zur Wasserhebung eine grosse Dampfmaschine mit72zölligein Cy linder, deren Balancier 3G,000 Pfund wiegt und höchst kühn auf einer einzigen Säule aus Gusseisen liegt. Hier sau- gen und heben die Pumpen und zwar auf eine sehr einfache, sinnreiche Weise. Der Pumpensatz a z. B. saugt und hebt das Wasser aus dem Tiefsten 70 bis 80 Fuss hoch. In dieser Höhe giesst derselbe aber nicht aus, wie gewöhnlich, sondern das Wasser tritt aus ihm unmittelbar durch eine Verbindungs- röhre in die Saugröhre des zunächst höher folgenden Pumpeu- satzes h über, bei dem sich dasselbe Spiel wiederholt und so fort. Durch den Umstand, dass man bei so eingerichteten Sätzen keine Behälter für den Äusguss derselben benötliigt, gewinnt man in den Schächten bedeutend an Baum; es muss aber die Bedingung erfüllt werden, dass ein Satz wie der andere arbeitet, indem sonst die stärkeren Sätze übergiessen. Die Kolbenventile sind so eingerichtet, dass man sie durch einen an einem Seile befestigten Haken leicht herausholen kann, ohne den Kolben ausziehen zu müssen. Auf dem Schachte Grosskohl endlich stehen zur Wasserhebung zwei Dampf- maschinen, von denen eine ganz neu, mit Hochdruck, Expansion, Dampfmesser und einer vortrefflichen Steuerung, auf das ele- ganteste durch Gräser Jun. konstruirt und aufgestellt wurde. Auf jeden Zoll Hub kann dieselbe augenblicklich eingestellt werden. Auf dem Schachte Wilhelmine wird mittelst einer Dampfmaschine und mit Aloebandseilen gefördert, über deren lezterer Anwendbarkeit ich daselbst verschiedene Urtheile pro und contra hörte. An verschiedeneu Stellen der Kschweiler Revier werden 397 die In den Mulden dcsi Kolilcnkalkes nesteraiiio einltreelieiiden Eisenerze gewonnen und sodaun iu lloiieu<">fen mit tlolzkolilen versclimolzcu. Das erlinitene Kulieisen wird tlicils nss- waare verkauft , theiis auf" Scliuiiedeeisen umgearbeitet, zu welch lezterem Zwecke mau übrigens des grossen Bedarfes wegen auch Roheisen aus Belgien bezieht. Unter den bezüg- lichen Anstalten , besonders die weitere Verarbeitung des Eisensznversciiiedenen Fabrikaten betreffend, besteben iu der Escliweiler Revier einige sehr schöne Etablissements, so : das Pu dd ling- Walz werk zu Eschweiler Pumpe. Diese Hütte arbeitet mit mehreren Puddelfeueru, verv\ endet hiezu Koaks aus den selbst gewonnenen Steinkohlen und er- zengt ein mittelmässiges, weiches Eisen. Aus dem Puddel- feuer kommt der Ball unter den kolossalen Hammer^ wo die Luppe zurechtgemacht wird, welche die Luppenwalzen einige- mal passirt und dann in das Glühfeuer gelangt. Aus diesem geschieht das Auswalzen auf Stab-, Rund-, Zain- etc. Eisen so schnell, dass die fertige Waare noch in voller Rothglüh- hitze aus den lezten Walzen kommt. Das W^alzwerk wird durch eine Dampfmaschine bewegt, welche samnit ihrem Zu- gehör einen schönen Anblick gewährt ; nicht kann ich dasselbe auch vom Walzwerke selbst sagen, wo schon von Vorne her ein allgemeines Schlottern einen sehr unangenehmen Eindruck macht. In der Hüttestehen auch noch zwei Kupolöfen, mit denen man zusammen, da bei jedem die Form beliebig höher gestellt werden kann, 100 Zentner auf einmal zu giessen im Stande ist. Mit dieser Anstalt iu Verbindung steht: Gräsers Maschinenfabrik. Dieses Etablissement ist nicht sehr ausgedehnt, aber sehr gut gehalten. Zu ebener Erde befindet sich eine schöne , geräumige Schmiede; dann folgen in zwei Etagen die Drehbänke, Bohr-, Schneid-, Hobel- etc. Maschinen , die durch eine kleine, recht hübsch konstruirte Dampfmaschine bewegt werden. Bei dem Bohren oder viel- mehr Ausdreiien der Cylinder, wobei sich der Bohrer bewegt, wird der Wagen, auf dem der Cylinder fest liegt, durch Schrauben vorwärts geschoben , welche mittelst eines ganz einfachen Vorlegewerkes von der Drehscheibe des Bohrers 308 aus bewegt werden. Ein eiserner Ventilator dient als Gebläse für den Kupolofen. Ein höcbst interessantes Etablissement und mit vieler Eleganz ausgeführt ist Emglert's Drahtwalzwerk zu Es ch weil er, welches mir durch die freundliche Gefälh'gkeit des Eigenthümers ganz ins Detail gezeigt wurde. Die Draht- zaine, 2 Fnss lang, werden weissglüheiid ans einem Flammen- ofen zwischen di^ harten Hund walzen gebracht. Je drei sol- cher Walzen liegen übereinander, von denen die obere und untere in gleicher Richtung sich um ihre Axe drehen, während die mittlere, auf jeder Seite im Verhältniss zur einen oder andern, entgegenläuft, so dass von beiden Seiten eingetragen werden kann, ohne dass man genöthigt ist den Zain über die Walzen hin und her zu reichen. Der Zain passirt nun, was den Hauptvortheil der Manipulation bildet, alle Walzenspuren schnell und in einer Hitze, so dass nach 45 Sekunden, vom Augenblicke des ersten Eintragens an gerechnet, der zum dicken Drahte umgewandelte Zain noch rothglühend von der lezten Walzenspur weg aufgewunden wird. Das Feinziehen des gewalzten Drahtes geschieht dadurch, dass derselbe mit- telst stehender Walzen, auf welche er sich gleichzeitig auf- wickelt, durch die Löcher einer harten, in aufrechter Stellung befestigten Eisenplatte der Art gezogen wird, dass er, da jedes dieser Löcher einem gewissen Drahtnumero oder einer gewis- sen Drahtfeine entspricht, vom grössten Kaliber an alle Grade der Feine nach und nach bis zu jenem Nro. erhält, in welchem man ihn ausgefertigt haben will. Diese stehenden Walzen werden durch dieselbe Maschine bewegt, welche das früher erwähnte Walzwerk in Bewegung sezt; das Ziehen geht sehr schnell vor sich und nach jedem zweiten Zuge wird der Draht in eigenen Oefen ausgeglüht, um ihn wieder weich und bieg- sam zu macheu, da er durch das Ziehen spröde geworden ist. Die Drahtglühöfen bestehen in eisernen geschlossenen Cylin- dern, in welche die Drahtkränze eingelegt werden und welche der Art in einem ebenfalls cylindrischen Ofen stehen, dass sie dessen Flamme von allen Seiten gleichförmig umspielt. Die hier angegebene Art den Draht zur Feine zu ziehen, wobei er schwarz bleibt und erst später blank gebeizt wird. 391) findet übrigens nur bis zu einem gewissen Grade der Feine statt; feinere Drahtsorten hingegen werden auf ähnliche Weise sogleich aus der Beize gezogen, deren vorwaltender Besfand- theii Bierhefe ist, die grässlich stinkt und sich in Fässpin befindet, in denen zugleich die Haspel mit dem abzuwindenden Drahte umlaufen. Der nach der Fassirung der Kaliberlöcher in der erwähnten Eisenplatte sich auf die stehenden Walzen aufwindende Draht ist solchergestalt schon auf das glänzendste polirt und unterliegt keiner Adjustirung mehr, ausser dass einige der feinern Sorten , worunter sich solche von ausser- ordentlicher Feine befinden, zur Ausgleichung jeder allfälligen Biegung, zwischen stehenden Stiften durchgezogen werden, welche man in einer geradlinigen Reihe einschlägt, was eine sehr langsame und viele Geduld erfordernde Arbeit ist. Am Herrnberge bei Stollberg, halben W^egs von da nach Aachen, oberhalb Eulendorf, geht an der Scheide des Kohlenkalkes und des eigentlichen Kohlengebirges, auf einer Erzmulde des ersteren , ein starker Bergbau um. Der Kalk, der die Mulde umgibt, ist in Dolomit verwandelt, die vorkom- menden Erze bestehen in Eisenerzen und Galmei : den Haupt- gegenstand der Gewinnung bildet aber hier lezterer. Durch die wellenförmige Gestalt derErzraulde ist der Bau an und fi'ir sich sehr unregelmässig und verworren und zwar um so mehr, da auch eine Menge Verwerfungen störend eintreten. In alter Zeit hat man eine Menge Schächte abgeteuft und von diesen aus einen wahren Raubbau betrieben ; nun aber hat man den Erz- körper mit einem Hauptstollen angefahren, umgeht die erzfiih- rende Masse an ihrer Grenze mittelst Strecken und dringt quer- schlagmässig in das Innere derselben vor, um sich hierdurch den Abbau vorzubereiten. Die Ausdehnung der Lagerstätte ist sehr bedeutend; der Andrang des Wassers ist auch hier sehr gross und die Zimmerung des starken Druckes wegen kostspielig. Wenn die Erze aus der Grube kommen werden die grösseren Stücke sogleich ausgehalten ; Grubenklein so- wohl als Setzerz werden aber auf langen Schlämmgräben ge- waschen , das gewaschene Erz noch einmal dnrchgeklaubt und so in grobes und kleines Erz geschieden. Die abHiessende Trübe wird in Sümpfe geleitet, wo sich der Schlamm sezt und, 400 wenn er erzhaft befunden wird, einem weitern Sclilämmpro- zesse unterliegt. Die ganze nasse Aufbereitung steht übrigens auf einer niedern Stufe. Die grossen Erzstücke werden in einem Ofen geröstet, der ganz die Struktur gewöhnlicher Kalköfen besizt; das Erzklein hingegen wird dem Flammen- ofen übergeben und die gerösteten Erze werden zusammen nach Stollberg geführt, wo an der Jamesgrube die Zinkhütte steht. Hier werden die gerösteten Erze vorher fein gemahlen, dann zu -/^ mit Kohlenklein und Koaksabfällen beschickt. Diese Beschickung wird in sogenannten belgischen Oefen der Destillation oder vielmehr Sublimation unterzogen, eine Mani- pulationsmethode, die in ihrer Ausführung voller Mängel ist und meines Erachtens hinter jener auf den oberschlesischen und krakauischen Zinkhütten zurücksteht. Man bedient sich sogenannter Galeerenöfen, in welchen sich reihenweise über- einander die kolbenförmigen, nach Innen etwas geneigten, gegen die mit korrespondirenden Löchern versehene Vorder- wand aber sich öffnenden Retorten befinden, zwischen denen die Flamme spielt. Wenn sich in diesen Retorten die einge- tragene Beschickungsmasse entzündet hat, werden an die Hälse derselben thonene Röhren angesezt, welche aus der Vorder- wand des Ofens hervorragen und daselbst an ihrer Peripherie mit Lehm verpuzt werden. Sobald sich nun an den Mündun- gen dieser Röhren die reine Zinkfiamme zeigt, werden thonene, konisch geformte Tuten an dieselben angesteckt, deren Mün- dung an der Spitze offen erhalten werden muss. In den er- wähnten thonenen Ansatzröhren sezt sich der Zink metallisch ab, wird alle drei Stunden ausgekrazt und sogleich in Kellen umgeschmolzen ; in den Ansatztuten hingegen sezt sich der Zink als Zinkasche ab, welche als solche in den Handel kommt; ein grosser Theil Zink verbrennt und ist verloren. Der in den Kellen umgeschmolzene Zink wird sogleich in Tafelformen gegossen und kommt unter die Walzen, deren Maschine zu- gleich die Blechscheere in Bewegung sezt. — Um hiebei den Druck der obern Walze auf die untere stets zu reguliren, be- steht eine sehr schöne Einrichtung. Jeder der beiden Anwell- stöcke der obern Walze ist nämlich zwischen dessen beiden Prechlsäulen auf und ab beweglich und ruht eigentlich auf 401 zwei starken , eisernen Spindeln , welche von ihm aus durch den fixen Anwellstock der untern Walze durchgehen und mit ihren untern Enden sich auf zwei Wagehaiken stützen , die mittelst der an ihren längern Armen angehrachten Gewichte, deren Schwere natürlich veränderlicli ist, den Gegendruck ausüben und so die Walze stets in jener Schwebung erhalten, die man mit Bezug auf ihre Aufgabe für die angemessenste hält. Zur weitern Benützung des Zinks oder des Galmeis bestehen in Stollberg mehrere Messingfabriken, die in ihrer äusseren Einrichtung zwar durchaus keine Eleganz zeigen, aber gute Waare liefern und vorzüglich nach Amerika handeln. Das norwegische Kupfer zieht man zur Beschickung allen übrigen Kupfergattungen vor. Der erhaltene Rohmessing wird wieder unigeschmolzen und in jene Formen gegossen, wie man sie zur weitern Bestimmung desselben benöthigt. Grosse Messingtafeln werden zwischen Granitplatten gegossen, eine sehr schwierige Manipulation ; kleinere Tafeln hämmert man zu Geschirren aus 5 aus Messingstangen wird Draht gezogen u. s, w. Den Drähten versteht man eine ausnehmend schöne Beize zu geben und ein Theil derselben wird zu Stecknadeln in einer eigenen Fabrik verarbeitet, welche sehenswerth ist. D i e E i s e n b a h n von Köln nach Belgien durchschnei- det als ein mächtiger Nerv das hier besprochene, durch seine industrielle Entwicklung höchst wichtige Terrain. Sie erhielt bis zur Landesgränze 5 Tunnels, von denen der grösste jener von Königsdorf bei Köln ist. Er durchfährt das Braunkohlen-, Sand- und Sandsteingebirge in einer Länge von 5100 Fuss. Ein zweiter grosser Tunnel istder, welcher durch den Herrnberg bei Eulendorf, zwischen Stollberg und Aachen führt. Ich befuhr die damals gerade im Betriebe ste- henden Durchschlagsarbeiten. Der östliche Theil dieses Tunnels ist theils ein blosser tiefer Schramm im Braunkohlen- gebirge, welches vorwaltend aus losem Diluvialsande mit Thon und einem mächtigen Braunkohlenflötze besteht, theils durch- fährt er als Stollen dieses Gebirge. Der westliche Theil des Tunnels ist im Steinkohlengebirge ausgefahren und zwar theils im festen Kohlenschiefer, theils im Dolomite. Der Be- trieb des westlichen Theils ist offenbar wegen der grösseren Ru SS egger, Reisen. IV. Bd. 26 402 Bestäm1ij>keit des Gebirges der leichtere , daher man auch da den Tunnel gleich in seiner ganzen Höhe und Breite vor- örtert. Die Zimmerung vor Ort ist musterhaft * und rasch wird derselben mit der elyptischen Mauerung aus Backsteinen nachgefahren, damit das Gebirge in Berührung mit der atmo- sphärischen Luft, wie der Bergmann sagt, nie Zug bekommt. Von Strecke zu Strecke gehen kreisförmigausgemanerte Licht- löcher nieder, deren Mauerwerk auf grossen, gusseisernen Kränzen ruht, denen das Gewölbe des Tunnels selbst zur Basis dient. Das eiyptische Tunnelgewölbe, für doppelte Bahn ein- gerichtet, hat 20 Fuss Höhe und 18 Fuss Breite. Den Schiuss des Gewölbes an der Sohle bilden beiderseits grosse behauene Steine, zwischen welchen die Sohlenbögen eingesezt und auf welchen die beiden Ulmenbögen aufgefiihrtwerden. Die Sohle wird sonach, um die Schienen fest legen zu können , wieder ausgefüllt. Viel schwieriger und zum Theil sehr gefährlich ist der Tunnelbau indem leichtgängigen, streckenweise nur aus losem Sande bestehenden Braunkohlengebirge. Man ist jedoch hie- bei auf eine Betriebsweise verfallen, die ich als Bergmann nur mit „meisterhaft« bezeichnen kann und die, würde man sie bei dem berühmten Tunnelbau unter der Themse zu London angewendet haben, ganz geeignet gewesen wäre, eine Menge Unfälle ferne zu halten, welche dadurch herbeigeführt wurden, dass man unter den dortigen anssergewöhnlich schwierigen Lokalverbältnissen das Tunnelort gleich in seiner ganzen Höhe und Breite betrieb, folglich tollkühn das Gebirge auf einmal zu sehr öffnete. — Hier verfährt man in folgender Weise: man treibt zuerst einen ganz gewöhnlichen Stollen, den sogenannten Direktionsstollen, mit geringen Slollenhiebs- dimenslonen, gut verzimmert und wenn nöthig auf Getriebe, durch das ganze mit dem Tunnel zu durchfahrende Mittel, so dass die Firste des Direktionsstollens jene des werdenden Tunnels fortan beibehält. Sodann betreibt man zwei Stollen nahe an der Sohle des Tunnels, den einen am rechten, den andern am linken Ulm, verzimmert sie und führt zugleich in denselben den untern Theil der Ulmenbögen der elyptischen '•' Detailzeichnungen hierüber verdanke ich dci- Güte des Herrn Geschworenen Bauer und des Herrn Schichtmeisters Himmrich. 403 Ttinnelmaiierun^ auf. Um diesen, so zu sngen noch sclnve- benden Seitenmanerii die nötliij>en festen Widerlrtjren zu ver- schaffen, wird von Distanz zu Distanz, am Herrnberge von 40 zn 40 Fiiss, an der Sohle von einem Stollen zum andern durchj^ebrochen und in jedem solchen Durchbrnche ein ge- mauerter Sohlenbogen eingesezt, der als ein Element des Sohlengewölbes des zukünftigen Tunnels zn betrachten ist. Oberhalb dieser beiden untern ülmenstollcn fährt man nun mit zwei andern korrespondirenden Stollen der Art durch, dass die stark verzimmerte und zum Theile auch schon in Maue- rung stehende Firste der beiden untern Stollen den obern Ulmen- stollen zur Sohle dient. In diesen leztern wird nun die in den untern Stollen begonnene Mauerung fortgesezt , d. h. die Ul- meubögen werden von der Sohle bis zur Firste der obern Stol- len erhöht. Hat der Tunnel nicht eine sehr bedeutende Höhe zn erhalten, was für den Zweck der Eisenbahn unnöthig wäre, so nähern sich die beiden innern Ulmen der zwei obern Stollen schon bereits so dem Direktionsstollen an der Tunnelfirste, dass der obere Schluss des Gewölbes ohne Anstand erfolgen kann; sollte jedoch die Tunnelshöhe beträchtlicher ausfallen müssen, dann kann auf gleiche Weise auf das zweite Ulmen- stollenpaar ein drittes und so fort folgen , bis die zugleich mit erhöht werdenden Ulmenböoen sich zu Genüge dem Gewölbs- Schlüsse, d. h, dem Direktionsstollen nähern. Ist nun lezteres der Fall, so wird im Direktionsstollen das Firstengewölbe des Tunnels geschlossen , d. h. es werden die beiden von unten heraufgemauerten Ulmenbögen durch die ganze Länge des Tunnels hindurch zusammen nach den Grundsätzen des elyp- tischen GeAVÖlbes verbunden. Wenn dieser Schluss bewerk- stelligt ist, hat man einen aus Gebirge und Zimmerung beste- henden Körper, der an der Firste und an beiden Ulmen von vollständiger elyptischer Mauerung , an der Sohle hingegen von den distanzenweise sich folgenden Sohlenbögen um- schlossen ist und man kann sonach diesen Kern, wie ich ihn nennen will, ohne alle Gefahr eines Verbruches oder Durch- bruches herausnehmen. Durch diese Herausnahme steht der Tunnel offen und es erübrigt zu seiner Vollendung nnr die vollständige Ausmauerung des Sohlengewölbes zwischen den 20 * 404 bereits anfanolicli eingesezten Solilenhö{>en, die Ausmauerung, der Lichtlöcher und die Herstellung der Bahn. In ganz gleicher Weise fand ich den Betrieb des T u n- n eis am sogenannten A a c h n e r Busche, in der INähe der belgischen Gränze. Derselbe durchfährt in einer Länge von 1800 Fuss, mit 25 Fuss Höhe und 24 Fuss Breite, einen Bergrücken des Grünsandsteins, welcher auf besondern Schich- ten fossiles Holz und Echiniten führt. Zwischen dem ersten Paare der Ulmenstollen werden hier die Sohlbögen in Distan- zen von 30 Fuss gespannt und zugleich der leichtern Kommuni- kation wegen an mehreren Stellen öuerschläge durch den Tun- nelkern von einem ülmenstollen zum andern betrieben. Das Gewölbe wird durchgehends aus gutgebrannten, festen Back- steinen construirt. Sieben grosse Tagschächte von 11 Fuss im Quadrate und mitunter über 200 Fuss tief führen auf den Tunnel nieder und dienen theils zur Anfahrt, theils zur För- derung, zu welchem lezteren Zwecke im Schachte 4 Tonnen spielen. Drei von diesen Schächten werden nach Vollendung des Tunnels als Lichtlöcher beibehalten , die übrigen werden sodann wieder verstürzt. 'S) IJie Oaliiieigrrulie und Kinkliiitte zu ÜMToresuet Iiel Aaclien in I%lieinpreui«)$en. ' '', Westlich von Aachen und dicht an der belgischen Gränze erhebt sich ein Bergrücken, ein Ausläufer des hohen Veen, der vorbenannte Aachner Busch, jenseits welchem das Kohlen- gebirge wieder unter dem Grünsandsteine hervortritt. Li den Mulden des dortigen Kohlenkalkes finden sich Ablagerungen von Thoneisensteiuj Thon undGalmei, auf welchen zur Ge- winnung des lezteren mehrere Tagarbeiten statt finden. Die Gefälle derselben werden theils an Ort und Stelle weiter ver- arbeitet , theils zu den Zinkhütten nach Lüttich transportirt. Unter diesen Tagbauen befindet sich auch die auf neutralem Gebiete zwischen der belgischen und preussischen Gränze steinbruchsmässig umgehende Grube Moresnet. Sie baut auf einer nach 3 h. — 4 h. in die Länge gestreckten und nicht über 40 bis 50 Fuss tiefen Erzmulde von ziemlich regelmässiger Form. Die Gränzen sind ringsherum bekannt und der Nach- halt dürfte, nach den gegenwärtigen Anforderungen zu beur- 405 tlieilen. sich wohl kaum mehr über 30 Jahre hinaus erstrecken. Der Abbau ist einfache Steinbruchsaibeit ohne S(hnieii<;kei- tcn und wird sehr zwcckmiussig" geleitet Inder unmittelhaien Nähe der Cüahiieimulde und in derselben selbst ist der Kohlen- kalk in Dolomit umt^ewandelt, welch lezterer insbesondere in Berührung mit der Erzmasse ein stark aufgelöstes, dem gänz- lichen Zerfallen nahes Ansehen wahrnehmen lässt. Uebiigens gibt die Färbung der ganzen Masse den Eisengehalt derselben zu erkennen. Der Galmei bricht in ungeheuren Massen ein, ist meistens derb und von dichtem Gefüge, seltenerkrystallisirt, immer aber mit gewöhnlichem Kalkspathe und ßitterspathe vereint. Man gewinnt gegenwärtig (1840) jährlich 2 bis 3 Millionen Kilogramme Galmeierze , zu deien Förderung eine selir zweckmässig konstruiite Eisenbahn, deren Schienen auf die Kante oder schmale Seite gestellt sind, im ganzen Stein- bruche herumführt. Bei der unmittelbar am Tagbaue sich befindenden Zink- hütte werden die Erze in Scliachtöfen geröstet , sodann ge- mahlen und an die Galeerenöfen abgegeben, welche ganz nach derselben Weise eingerichtet sind, wie jene an der Jamesgrnbe bei Stollberg, auch die Manipulation ist ganz dieselbe; Unrein- lichkeit und Verwahrlosung in der ganzen Anstalt sind aber hervorragend. t^) Die Uolileiireviere im Liäiidclieii voit der Heide bei jlaclieu iu Rlieiupreus!<,eii. Das sogenannte Ländchen von der Heide . insgemein das Ländchen genannt, eistreckt sich von Aachen nördlich bis Her- zogenrath. Die VV urni, ein kleines Flüsschen, durchzieht den Distrikt aus S. in N. der Mitte durch. Der westliche Theil ist meist eben, der östliche ist bergig, voller Mulden , Sättel und Kücken. Dieses ganze Terrain gehört dem Steinkohlen- gebirge an , welches theils von zVIluvien bedeckt wird, thcils gehen Steinkolilen , Kolilensandstein und Kohlenschiefer un- mittelbar zu Tage. Das Ganze bildet eine Mulde von fast gleicher Länge und Breite, beiderseits nämlich eine Stunde betragend, deren Kohlenflötze ans Ost in West streichen. Am nördlichen und südlichen Flügel wird das Kohleuge- bilde von den altern Schichten des K(dilengebirges begränzt; 40G gegen West wird dasselbe vomGrlinsaiidsteine abgeschnitten, stellt aber wahrscheinlich mit dem noch weiter gegen West unter dem Grünsandsteine und der Kreide wieder auftauchen- den Kohlengebirge des belgischen Kohlenzuges in Verbindung; gegen Ost enden die Kohlenflötze des Ländchens an dem uns schon aus der Eschweiler Mulde her bekannten , sogenannten Feldbisse, jedoch, wie ich glaube, auch hier nur scheinbar, denn auch hier senken sich die Flötze gegen Ost und setzen sehr wahrscheinlich unter dem aufliegenden Braunkohlenge- birge fort. Die inneren Lagernngsverhältnisse der Kohlen- mulde im Ländchen sind ungemein interessant und zumTheile jenen der Flötze bei Lüttich ähnlich. Die einzelnen Kohlen- flötze bilden hier im Streichen lauter Vorgebirge und Buchten, kammartige Auszackungen , während sie zuoleich nach ihrem Breitendurchschnitte (Kreutzrisse) lauter Sättel und Mulden darstellen. Die Mulden, zusammenfallend mit den Buchten, öffnen sich alle gegen Ost, gegen den Feldbiss hin , während die Vorgebirge, übereinstimmend mit den Sätteln, sich gegen West aufthun, d. h. breiter werden und beide in den entgegen- gesezten Richtungen sich ausspitzen, verschmälern : Gnindriss. West. Ost. 407 Süd. Kreuzrist. Noi'A y' i/Ayt^ in bezeichnet uns hier die Vorgebirge und Sättel, n hingegen die Buchten und Mulden. Jeder Sattel und jede Mulde haben zwei Flügel a und b , von Avelchen ersterer, der „Rechte" genannt, immer in Nord und sehr steil in die Mulde fällt, manchmalganz seiger steht, während der andere, der „Platte'* genannt, stets flach, manchmal ganz schwebend in Süd ein- schiesst. c d ist der Feldbiss, nämlich die Lagerungsgränz- linie des Braunkohlengebirges, gegen welche hin, somit gegen Ost, die Einsenkung der ganzen Mulde gerichtet ist. Be- trachten wir die Sättel einzeln , so sehen wir in A ihre gewöhn- lichste Form, wo b den gegen Süd fallenden Platten, a den gegen Nord fallenden Rechten darstellt; in B hingegen 408 stellt sich uns dei* ebenfalls oft vorkommende Fall dar, in wel- chem eine Kluft o p als Rücken , die beiden Flügel a und b des Sattels trennt und verwiift. Noch interessanter und allerdings auf den einst erfolgten mechanischen Einfluss einer gewaltigen Kraft hindeutend, welche das ursprüngliche , mehr geregelte Lagerungssystem gestört zu haben scheint, sind die üebereinauderschiebungen und Umstülpungen der Flötze, von denen man auf der Grube Kircheich am Furthflötze folgende zwei besonders schöne Fälle beobachtet : In C sehen wir nämlich das 4 Fuss mächtige Kohlenflötz a durch die Kluft b c nicht nach den für die Verwerfungen der Lagerstätte bisher beobachteten Gesetzen verworfen, sondern denselben gerade entgegen verschoben. 409 Die Distanz e d auf der Tremuingskluft b c beträgt 10 Lachter , der Abstand der beiden Flotztrümmer von einander bei e nnr 4 Zoll, den Zwischenraum derselben erfüllt das ge- wölinliche Nebengestein der Kohlen , nämlich der Kohlen- schiefer. Einen öfters vorkommenden Fall sehen wir in D. Hier sind die Flötze nicht blos wie bei C verschoben, sondern an der Scharrungslinie der Trennungskluft b c, bei d und e, umgestülpt. Von einer Verwerfung im gewöhnlichen Sinne kann hier keine Redeseyn, auch partielle Erhebungen und Senkungen können die Er- scheinung nicht erklären, und hat man es liier niciit mit den Resultaten ursprünglicher Struktursbedingungen der Lager- stätte zu thun, von welcher Theorie ich mich bisher noch nicht lossagen konnte, so erübrigt nur die Annahme einer einzigen, das ganze Terrain beherrschenden Emporhebung von Süden her, verbunden mit einer Uebereinanderschiebung der Schich- ten des ganzen Kohlengebirges — was übrigens mit Bestimmt- heit nachzuweisen wohl manchen Schwierigkeiten unterliegen d ürfte. Auf der Kohlenmuldc des Ländchens, besonders auf dem südlichen Flügel, wo die grossen Gruben Guley, ISeulangen- berg, Abgunst u. s. w. bauen, geht sehr starker Bergbau um und es bestehen auf einem an und für sich kleinen Terrain gewiss an 30 Dampfmaschinen zur Förderung und Wasser- hebung. Die ganze Kohlenniederlage ist in 10 Konzessionen vertheilt, deren bergmännischer Nachhalt, wenn auch sehr be- 410 deutend, doch bei weitem niclit mit jenem der Escinveiler Mulde zu vergleichen ist. Die grössten Huffnun^en für die weitere Fortsetzung der Flötze hegt man gegen Westen und Osten hin, nämlich dort, wo die Jüngern Ablagerungen des Grün- sandsteins, und andrerseits jene des Braunkohlensandsteins das Kohlengebirge bedecken. Man ist im Ländchen mit den tiefsten Schächten bereits bis zu 120 Lachter Teufe nieder- gegangen, hathiebei wohl mit Wasserandrang sehr zu kämpfen, ist aber von einer Hauptplage der Kohlengruben , von den schlagenden Wettern nämlich, bisher so ziemlich befreit ge- blieben , obwohl dieselben auf den nahen belgischen Gruben sich im gefährlichsten Massstabe einfinden *. Auf Guley grübe, bekannt durch das furchtbare Un- glück, das sich vor einigen Jahren dort ereignete, indem 5(» Arbeiter durch einen Wasserdurchbruch abgesperrt wurden und nicht gerettet werden konnten, gehen zur Förderung und Wasserhebung einige recht hübsche Dampfmaschinen um, die meistens mit INiederdruck arbeiten. Der Andrang der Wasser ist übrigens hier nicht so stark, als aut Grube Centrum bei Eschweiler. Ich befuhr den neuen Stollen , hier Tunnel ge- nannt, der vom Wurmthale aus bis zum Hauptschachte führt, um seiner Zeit als Wasserstollen zu dienen. Man hat damit * Auf einigen belgischen Gruben entwickeln sich die schlagenden Wetter oft beim blossen Stürzen der Kohlen drirch die Gesenke und entzünden sich selbst an den Sicherheitsiauipen , welche übrigens der Vorsicht wegen auf den Gruben im Lündchen allgemein eingeführt sind. Manchmal trifft man die schlagenden Wetter selbst in solchen Streckenj ivo starker Wetterzug statt findet und es ereigneten sich schon Falle, dass sie durch die Schächte zu Tage ausziehend sich noch im Schacht- hausc an einem dort zufällig brennenden Feuer entzündeten. Bei An- wendung der Oefen in Wetterschächten ist daher die grösste Vorsicht nothig und selbst die Methode, den Ofen und die Rauchleitung im Schachte ganz gegen die äussere Luft zu verwahren, die Heizung des Ofens ausser dem Schachte von einer Strecke aujj vorzunehmen und eben so die Rauchröhre in einer höher liegenden Strecke münden zu lassen, ge- währt manchmal keine Sicherheit, in welchem Falle man sonach zu gigantischen Wctiersaugern seine Zuflucht nimmt. So stehen z. B. auf Grube Bon Esperancc bei Lüttich, berühmt durch das Vorkommen der ■sclilagenden Wetter, solche durdi Dampfmaschinen in Bewegung gesezte VVcttcrsauger, deren Cylinder 15 Fuss im Durchmesser messen. 411 ein sehr scliüiies Kohlenflötz erbauf, welches die einzigen fetten Kohlen liefert, die man im Ländchen trifft. Die Kohlen liegen im Kohlenschiefer nnter Kohlensandstein, der an meh- reren Stellen im Ländchen mit Kohle und Kohlenschiefer wechsellagert, und streichen 5 h. Auf Neu-Langen be rg und Abgunst war man damals gerade im Baue einer grossen, sehr schönen Dampfmaschine begriffen. Der Cylinder hat 7'2 Zoll Durchmesser und 12 Fuss Hubhöhe. Sie arbeitet mit Hochdruck und Expansion bis zu 300 Pferdekraft, ihr Balancier wiegt 400 Zentner. Auf der Grube Kircheich sind die untersten Baue er- säuft. Die Wasser werden mittelst äusserst fest koustruirten Klotzdämmen in Schranken gehalten. Hier wie überall in der Reviei" baut man pfeilermässig ab und sieht sehr auf die Ue- winuung grosser Stücke Kohlen, daher man auch die Kohlen- pfeiler stets so abtreibt, dass die Ablösungen der Masse dem Arbeiter entgegen fallen. Fünfter Abi§cliaUt. Reise in Belgien und Frankreich* litttticli, Uie Steinkoltleurorinatiou In Belgien. JTuliu Cockerill's Eisenhütte und ff^abriken zu i>eraing. Paris. Havre. Am 28. März 1840 verliess ich mit meinem Freunde, dem k. preuss. geheim. Obeibergiath Nöggkrath aus Bonn, Aachen. Unsere Reiserichtung ging über Lüttieh, Brüssel, Valenciennes nach Paris, dem ich a m 29. A pri 1 wieder Lebe- wohl sagte und meine Reise allein über Ronen nach Havre de Giace fortsezte, wo ich mich am 2. Mai nach London ein- schiffte. Zu Lüttich befindet man sich am östlichen Ende des grossen belgischen Kohlcnzuges, eine Fortsetzung des rheini- schen. Derselbe erstreckt sich gegen West über Namiir und Mons bis in das Flussthal der Scheide und wird nördlich von den Ablagerungen der Kreide und der Tertiärzeit von Mastricht und Brüssel, südlich von den Giauvvackegebilden der Ärdennen begrenzt; da nun aber leztere auch am Nordrande des Kohlen- zuges , zwischen dem Kohlenge!)irgo und den Kreide- und Tertiärauflagerungen stellenwei.se hervortreten , so hat es allen Anschein, dass die ganze Kohlenniederlage von Belgien, mit jener bei Aachen und Eschweiler, in muldenförmigen Auf- lagerungen besteht, welche die Grauwackenbildung an ihrem Nordrande begleiten und dieselbe bedecken. Mit dieser An- sicht stimmt ein \ou dem k. nicderläud. (ieiieralslabs-Major 413 VON Panhuys mir zu Fraiikfiiit gefälligst inifgetlieilter Diirch- sclinitt der Gel)iroslao;erungen , von Genappe über Namiir und Philippeville bis ßrulii, vollkommen überein; denn wir se- hen in: Nord. Süd. Genappe. Namiir. Philippeville. Bruln. ^--^3,.--:^^^- a. densihirischenGrauwackenschiefer von Genappe mit südlich einfallenden Schichten. b. Ein altes Konglomerat von sehr geringer lokaler Ent- wicklung-, älter als der old red und wahrscheinlich silurisch. c. Kalk von Namur, ältest er üebergangskalk in Bel- gien. In ihm oder besser auf ihm liegt muldenförmig die grosse steinkohlenführeude Mulde von Kohlensandstein g. Sie ist die Fortsetzung des Steiukohleugebirges von Lüttich, wenigstens reiht sie sich demselben mit einer geringen Unter- brechung durch den Kalk unmittelbar an. d. Alter, rother Sandstein und Konglomerat (old red etc.) mit südlich einfallenden Schichten. e. Der grosse Kalkzug von Philippeville; mittlerer Üebergangskalk von Belgien, die südliche Gränze der grossen Kohlenformation bildend. In diesem Kalke liegen Mulden von Schiefern und Kouglomeiaten h, welche der Jüngern Grau- wacke angehören (devonisches System). In dieser Jüngern Grauwacke liegen wieder Mulden des jüngsten üebergaugs- kalkes von Belgien (devonisch) i, und endlich in diesem Mulden von Eisenerzen k, einer neuen, nach Panhuys vielleicht ter- tiären Periode angehörend. f. Silurischer Grauwackenschiefervon Brulumit nördlich einfallenden Schichten. Die ganze Umgebung von Lüttich gehört dem Steinkoh- lengebirge an. Steiukohlengrubeu, Eisenhütten, Fabriken der verschiedensten Art umgeben den staunenden Reisenden von allen Seiten. Der Deutsche, an einen solchen massen- haften Aufschwung der Industrie iu seinem Lande nicht ge- wohnt, vermag anfänglich das Kolossale des Eindruckes kaum 414 zu fassen *; erhält aber hiedurch die beste Vorbereitung^ für England , wo der Betrieb in einem noch riesenhafteren Mass- stabe sich darstellt. Die Anzahl der Gruben, welche in der Umgebung von Lüttich auf 64 bauwürdigen Steinkohlenflötzeii umgehen, dürfte gegenwärtig 200 übersteigen. Dieser Reichthum an Steinkohlen, die vortrefTlichenTrans- portmittel, die Lage an der schiffbaren Maas, umgeben von Ländern, deren Bedarf an Roliprodukten zu weiteren indu- striellen Zwecken sehr bedeutend ist, die starke Bevölkerung, folglich verhältnissmässig geringe Arbeitspreise, eine freie Verfassung- und mehrere dergleichen günstige Momente in Verbindung mit dem massenhaften muldenartigen Vorkommen von Eisenerzen im Kohlenkalke , haben ganz natürlich auch die Eisenindustrie in einem Umfange entwickelt, wie vielleicht in keinem zweiten Lande des Continents. So bestehen bei Seraing sechs der anonymen Gesellschaft in Brüssel gehörende hohe Oefen, die, eine Fronte bildend, einen wirklich prächti- gen Anblick gewähren, im Ganzen aber mögen über 20 hohe Oefen in der Umgebung im Betriebe stehen. Das grossartig- ste und zugleich schönste Etablissement dieser Art auf dem ganzen Continente ist wohl ohne Zweifel jenes des John Coc- KERiLL zu Seraing, Grössere Hüttenanlagen , ausgedehntere Fabriken sieht man allerdings in England, aber auch dort fand ich bei keiner derselben den ganzen Gang des Betriebes, vom Koaksofen und dem hohen Ofen angefangen bis zur fer- tigen, zusammengeseztesten, automatenartig wirkenden Ma- schine, so zusammen auf einem Platze als bei diesem Eta- blissement. Die Gesammtheit aller dieser Momente macht einen wunderbaren Eindruck; es ist ein Studium des gesamm- ten Steinkohlenbergbaues und Eisenhüttenbetriebes , wie das- selbe vielleicht kein zweiter Platz der Welt darzubieten hat. * Ueber das Technisclie und Industrielle des belgischen Steinkohlen- und Eisenbetiiebos : Dr. Fr. Heeren : Zusammeuslellung; technisdi-sfatistischpr Bemerkungen tiber die Industrie des Königreiches Belgien und der leztjährigen Gewerbeausstellung zu Brüssel. Hannover 1842. V, Dechen und Oeynhausen: über den Steinkohlenbergbau in den Niederlanden. Kaksten's Archiv, 10. Band. 1825. 415 Nicht bald hat der Fall eines Mannes in Folge nnabwcndharer finanzieller Krisen eine so allgemeine Theilnahmc mit vollem Rechte erregt alsdcr des unternehmenden, redlichen, edelden- kenden CocKERiLL, eines Mannes, der, ans dem Volke hervorge- gangen, blos durch die Macht seines Geistes so Ausserordent- liches geschaffen hat *. Ich kam gerade in der (ram igen Epoche nach Seraing, als das prachtvolle Weik zum Verkaufe atis« geboten ward. Wir besahen zuerst die beiden an (50 Fnss hohe» und nach englischer Manier frei und unbedeckt stehen- den Hochöfen mit ihren riesenhaften Gebläsen; sodann die Gichtförderung auf thonlagen Bahnen mittelst allerliebster, kleiner, stehender Dampfmaschinen, Miniaturmeisterstücke nach den neuesten Principien und Vervollkommnungen dieses Zweiges der Mechanik ausgeführt; ferner die Kohlengruben an der Hütte mit ihren VVasserhebmaschinen bis zu 500 Pfer- dekräften **, die Puddelfeuer, Walzwerke u. s. w. Das gross- artige Maschinenhaus, wo die Dampfmaschinen für die Gebläse und Walzwerke beisammen stehen, macht einen imponirenden Eindruck. Die vortrefflich eingerichtete und auf das reinste gehaltene Maschinenwerkstätte mit ihren Drehbänken, Bohr- maschinen , Hobelmaschinen , Schmiden etc. können Ausser- ordentliches leisten, so dass man im jährlichen Durchschnitte auf jeden Tag die vollendete Ausfertigung eines Lokomotivs oder sonst einer neuen Maschine rechnen kann. Die Anstalt beschäftigte zur Zeit meiner Anwesenheit 3000 Menschen, wodurch täglich blos für Löhne sich eine Auslage von ßOOO Francs ergab. — Nicht minder erstaunens- * Ueber Cockerills Eisenwerk und Fabriken zu Seraing: Leo: ein Besuch zu Seraing. In Hartmaniv's borg- und hüttenmän- nischer Zeitung. Jahrgang 1845, p, 909 etc. Fl. Hailer: Cockerill's Werke zu Seraing. Ebendaselbst: Jahrgang 1847, p. 569 etc. Ein kleines, aber sehr werthvolles Schriftchen über Seraing soll von Dr. Poppe in Frankfurt erschienen seyn; da ich es aber nie selbst zu Gesichte bekam, so niuss ich mich begnügen , desselben hier blos andeutend zu erwähnen. ■^"^ Die Förderung geschieht mittelst Eandseilen. Als sehr zweck- mässig erkenne ich die daselbst eingeführten eiserne» , flachen Fahrt- sprossen. 416 würdig ist CocKERiLLS Spiniimaschineiifabrik zu Lütticli, sowohl ihrer Ausdehnung als ihrer vollendeten Leistungen halber. Man befindet sich da auf der Geburtsstelle der scharfsinnigst ausgedachten Mechanismen , des üeberganges zur Autoniatie möchte ich sagen *. Das Tertiär becken von Paris ist eines der durchstudir- testen und durchforschtesten Terrains. Leicht ist es daher für den reisenden Geognosten sich in dieser Beziehung schnell zu Orientiren, vreil der Punkte viele sind, durch deren Besucii man die schlagendsten ü ebersichten der ganzen Lagerungs- folge erhält, weil vortreffliche Sammlungen zu Gebote stehen und weil endlich die Pariser Geologen ein wahres Verdienst darin suchen dem Reisenden auf die gefälligste, liebenswür- digste Art an die Hand zu gehen. In Gesellschaft meines Reisegefährten Nöggerath und der Herren Elie de Beaumont, Duj'RENOY, DE Verneuil, Combes, älex. Brongniart, Walferdin u. m. wurden von Zeit zu Zeit die interessantesten Exkursionen in die nächste Umgebung von Paris gemacht. So besuchten wir den Steinbruch von Vaugirard, die Steinbrüche am Mont- martre, die Umgegend von Meudon bei Sevres, das Val Fleury, den artesischen Brunnen zu Grenelle u. s. w. Im Steinbruche von Vaugirard sehen wir den zum Theil wellenförmig geschichteten Grobkalk bedeckt von Alluvium. Seine obern Bänke sind kieselig, hart, voll von Kieselkonkretionen und Schalthierresten , dem Ansehen nach ähnlich den obern Schichten des Mokattam. Die untern Bänke sind sandig mit grünen Körnern. Sodann folgen älteste Süss- wasserformationen. Andere Gebilde mangeln hier. Am Montmartre liegt der in sehr grosser Mächtig- keit anstehende Süsswassergyps unter den schiefrigen Mergeln, welche unter dem Namen Klebschiefer bekannt sind, und auf Grobkalk, dessen oberste Bänke mit ähnlichen Süsswasser- mergeln wechsellagern. Der Gyps des Montmartre ist fein- " Ucber die tertiäre Umgebung- von Brüssel sehe man: A. H. Dumont: Rapport sur les travaiix de la Carte geologique pen- dant Tannec 1839. Aus den Bulletins de l'academic royaie de Bruxelles. Tom. VI, Nro. U. Sammt einer geognostisclien Karte. 417 körnig;, nicht sein* fest, ohne hervorragende Entwicklnng- kry- stailinischer Struktur. Er wird durch einen 2:rossarti»^en. schönen Pfeilerabbau gewonnen , wobei man die Gypsmasse olnie Verbruchsgefahr bis zur Sohle des darauf ruhenden Mergelschiefers heraus nimmt. Den Pfeilern gibt man hiebei folo-ende Gestalt: wo a den Mergelschiefer als stehen bleibendes Hangendes «nd b die GypspfeUer bezeichnen. Der gewonnene Gyps wird gleich an Ort und Stelle in Oefen gebrannt, welche nach Art der gewöhnlichen Kalköfen eingerichtet sind, und sodann in sehr roh konstruirten Mühlen, welche durch Pferde bewegt werden und wobei die an der Peripherie der Bahn wirkenden Mühlsteine auf gepflastertem Boden laufen, fein gemahlen. In der ü m g e b u n g V o n M e u d o n bei Sevres sehen wir als tiefste Ablagerung die feuersteinreiche Kreide. Sie wird, wie der Gyps des Montmartre, durch einen grossartigen Pfei- lerabbau gewonnen, gemahlen, mit Thon gemengt, getrocknet und gebrannt, als hydraulischer Mörtel verwendet. Auf der Kreide liegt Pisolithenkalk, allem Anscheine nach ein üeber- gangsglied aus der jüngsten Kreidezeit in die älteste Periode des Grobkalkes und zum Theile die organischen Reste beider Formationen enthaltend. Auf dem Pisolithenkalke liegt bun- ter, plastischer Thon, worauf der Grobkalk folgt, welcher wieder von Sandschichten und porösem Süsswasserquarze (Meuliere;Saamenkörner, Kalzedon, Jaspis etc. umschliessend) bedeckt wird *. Im Valfleury bei Meudon konnte man zur Zeit unserer Anwesenheit in Paris eine ausnehmend interessante geologi- A. M. Pkrbot : Carte geologique des cnviroiis de Paris. Paris 1840. Russegger, Reisen. IV. Bd. 27 418 sehe Ers(!lielnniig beohacliteii. Die auf dem linken Ufer der Seine von Paris nach Versailles führende Eisenbahn geht mittelst eines Viadnktes über das kleine, im Grobkalke bis nieder zum plastischen Thone flacli eingeschnittene Thal. Während und in Folge der nöthigen Abränmungsarbeiten hat man den in ungeheuren Massen sich g-esaramelten Schutt ab- seits des Viadnktes im Thale aufgehäuft. Die Schwere dieser Schuttmassen übte auf den tiefer liegenden plastischen Thon einen solchen Druck ans, dass sich derselbe anfing zu blähen und nach der vom Drucke freien Seite auszuweichen. Ein paar im Thale stehende Häuser wurden umgeworfen , Klüfte entstanden und eine derselben durchsezt nichtnur eine Mauer, dann eine Allee und endlich einen Gartenzaun , sondern ver- wirft auch alle diese T» Objekte aus ihrer linfaren Richtung und zwar übereinstimmend mit den für Gangverwerfungen ausgemittelten Gesetzen. Nöggerath hat den merkwürdigen Sachverhalt umständlich und wahrheitsgetreu beschrieben * und durch Zeichnung erläutert, worüber ich sonach, blosse Wiederholung vermeidend , nur bemerken will , dass in der Watur die Verwerfung der Allee und jene nebst Biegung C"icht Zerreissung) des Gartenzauns in einem weit grösseren Ver- hältnisse ausgesprochen sich darstellten, alsdiessin der Zeich- nung angegeben ist, wo man diese Erscheinung an den beiden leztgenannten Objekten nicht wahrnehmen kann. Das in der Geschichte der artesischen Brunnen zu einem gewissen Grade von Berühmtheit gelangte Bohrloch zu G reu eile hatte damals die jetzige Springquelle noch nicht gelöst. Am 23. April 1840 betrug die Tiefe des bereits seit 6 Jahren im Betriebe gestandenen Bohrloches 510 Meter oder 1570 Far. Fuss; 65 Stangen waren eingehängt, jede zu zwei Par. Zoll Eisenstärke im Quadrate. Man hat mit diesem ßohrloche, dessen Durchmesser im Lichten 7,5 Zolle** beträgt und von dessen damaliger Tiefe = 510 Meter ungefähr 400 Meter in Röhren standen, von oben nach unten das Alluvium und Diluvium, die tertiären Schichten und die Kreide durchsunken, Karsten's Archiv. 15. Band, 1841, p. 210 etc. '^'* Alle Dimensionen im Pariser Mass. 419 kam endlich in die Ablagerungen des Griinsandsteins und stellt nun (1840) im Gault , in einem mächtigen Thonc, der dem Grünsandsteinc angehört und unter welchem man mit einiger Sicherheit gespannte Grundwasser, Springquellen, zu lösen erwartete *. Bis zur Erreichung des weichen Thongehirges hatte man das Bohrloch niedergestossen. Der Bohrer hatte dabei die bekannte Form, welche denselben geeignet macht zu gleicher Zeit vor- >ind nachzubohren. Bei der ungeheueren Schwere des Bohrgestänges waren natürlich der Unfälle unzählige und einmal hatte man sogar 7 Stangenbrüche zugleich. Seit man das Thongebirge erreicht hat ist man nun von dieser Manier abgegangen und wendet den Löffelbohrer an, welcher durch ein ganz einfaches Getriebe vom Goppel aus, an der obersten Stange, eine um seine Achse sich drehende Bewegung erhält, während die Direktion des Gestänges im Bohrschachte durch IMenscbenhäude geschieht. Die hiebei sich nothwendigerweise ergebenden Nachtheile, als Verdrehungen des Bohrgestänges, zu starkes Anziehen der Schraubengewinde u. dgl. sind un- vermeidlich. Auf diese Weise wird das Bohrloch in 24 Stun- den durchschnittlich nur ly^ Fuss niedergebracht, wobei zu Diese Hoffnung wurde im Jahre 1841 am 22. Februar nach 7- jähriger Arbeit glänzend erfüllt , indem man mit 548 Meter oder 1687 Fuss Tiefe, nach gänzlicher Durchsinkung des Kreidegebirges, eine ge- waltige Springquelle von 28*^ C. Temperatur erbohrte. M. s. hierüber: Arago im rinstit. 1841. IX, p. 71 und 106. Walfeudin im Bullet, geo- log. 1841. XII, p. 166 etc. Leonhard's Jahrbuch, 1841, p. 711 und 604. Unter ähnlichen geognostisrheu Verhältnissen wurde zu Tours an der Loire bei der Seidenmanufaktur des Mr. Champoiseaü ein Bohrloch niedergestossen , die Kreide bereits im 9. Meter erbohrt und nachdem man die, wahrscheinlich dem Jura angehörenden Mergel in 212,66 Me- ter Teufe erreicht hdttc , eine sehr starke Springquelle erbohrt, welche auf die Minute 4000 Litres Wasser von 18,2" C. Temperatur zur Höhe von 0j5 M. über den Boden treibt und noch in einer Höhe von 6 M., bis wohin man das Wasser künstlich steigen lässt, 2800 Litres pr. Min. liefert. Ueber dieses Bohrloch und die durchfahrenen Schichten erschien zu Paris durch den Lithographen Delarue (rue N. D. dos Victoires. 16) ein nicht uninteressantes Blatt unter dem Titel : Coupe geologique d'un puits forc, dit artesien, fait ä Tours etc. par Mulot Ing. Mccan. ä Epinay. 27 * 420 berücksichtio-en ist, dass alle 4 Stunden der Schmand ausge- löffelt weiden muss und dass das Löffeln mit £inschluss des Aus- und Einhängens des Gestänges, welches mit Hülfe von Flaschenzügen bewirkt wird , jedesmal volle 4 Stunden in Anspruch nimmt. Der zu Greuelle in Anwendung gebrachte Schmandlöffel für sich betrachtet ist eine 5 Fuss lange eiserne Röhre, die am untern, in die Schmandmasse dringenden Ende mit einem Kugelventile versehen ist ■■'. Bei der Anwendung wurden zu Greuelle, um iu möglichst kurzer Zeit eine möglichst grosse MengeSchniaud auf einmal auszuheben, stets mehrere solcher Röhren aneinandergeschraubt , von denen jede ihr eigenes Kugelventil besass uudsomit jede, die unterste ausgenommen, den Schmand von der andern empfing. Man beabsichtet das ganze Bohrloch auszubüchsen , d. h. mit Röhren auszu- füttern. Zu diesem Ende werden die Röhren aus Eisenblech in möglichst langen Touren, die Stücke unter sich zusammen- genietet, so in einander eingesenkt, dass das oberste Ende der neuen Röhrentonr sich keilförmig ganz genau an die innere Seite der altern Röhrentour anschliesst, damit nie ein Aufsitzen des Bohrers am Röhrenstosse erfolgen kann. Das sehr gängige Gebirge schliesst sich bald an die Röhren so stark an, dass sie fest stehen bleiben; sollte aber demungeachtet ein (heilwei- ses Nachsitzen statt finden, so werden zur Verwahrung der hiednrch blosgestellten innern Bolniochswand sogleich neue Röhren eingesenkt. Das Einsenken der Röhrentourea geschieht ganz einfach dadurch , dass man in die Innenseite des obersten Röhrenendes ein Schraubengewinde schneidet und sonach einen hölzernen Klotz, von entsprechendem Durch- messer, einschraubt, Sizt die eingesenkte Röhrentour fest auf, so wird der am Bohrgestänge befestigte, erwähnte Klotz losgedreht und herausgezogen. Eben so einfach erfolgt die Zusammennietung der einzelnen Stücke der einzusenkenden Röhrentour. Man steckt nämlich die beiden Röhrenstücke mit ihren betreffenden Enden so in einander, dass die Nietlöcher * Ch. Combes: Handbufli der Ber^baukunst. Deutsche Ausgabe. Weimar 1844. 2 Bände. Atlas. Tafel HI, Fig. 24, 25, 20. 421 ganz g;eiiiui auf eiiiaiKiei' passen. Denn lässt man in die auf^ recht gestellte llölire die Nietnägel der Art natii einander ein, dass man jeden derselben mit seinem diii-clilöclu>i-ten Stifte an einem Bindfaden befestigt, diesen Bindfaden mittelst eines Häckchens durch die zwei aufeiuanderpassenden, au die lleihe kommenden Nietlöcliersammt dem Stifte der Niete herauszieht und sodann den lezteren i\ber eine in die Röhren eingeführte cylindrische Kiseuseele, als Gegeuhalt, von Aussen breit schlagt. Vom höchsten Interesse sind die Resultate der von Araoo und Walferdin während dem Betriebe des Bohrloches zu (ürc- uelle gemachten Beobachtungen über die Zunahme der Tem peratur mit wachsender Tiefe *. Als man mit 50.5 Meter den (iault erreicht hatte, betrug die Temperatur im Tiefsten 26,43^' C. und bringt man die ferner zu (irenelle gemachten Beobach- tungen mit jenen bei den artesischen Brunnen zu St. Andre und in der Ecole militaire in Verbindung, so ergibt sich für je 31,25 Meter oder 96,19 Par. Fuss Zunahme der Tiefe auch an der Temperatur eine Zunahme um 1" C. Bei diesen Tempera- turbeobachtungen bediente sich Walferdin einer sehr scharf- sinnigen Methode **. Er hatte hiezu zwei Arten von Ther- mometer , die eine zur Bestimmung der Temperaturmaxima, die andere zu jener der Minima, d. h. der Temperaturgrade über oder unter einer gewissen, für die Erdoberfläciie in loco angenommeueu Normaltemperatur. Das Thermometer für die Maxima, nämlich jenes zur Messung der Wärmegrade ober der so eben erwähnten Normaltemperatur, ist ein ge- wöhnliches, aber sehr gut kalibrirtes, mit einer sehr feineu Haarröbrc und einer verhältnissmässig grossen Kugel verse- henes Thermometer , dessen Haarröhre oben knieförmig gebogen in einer kleinen Birne endet. Der Raum obei- der Quecksilbersäule mnss natürlich möglichst luftleer seyn. Die- ses Tiiermometer ist mit Beziiw- auf die Feine undLänue seiner Röiire und das Verhältniss seiner übrigen Theile so konstruirt, dass in Temperatnrsgraden über der Normaltemperatur die Quecksilbersäule nicht nur bis zu Ende der Röhre steigt, sou- * Lkoinhard'}; J.iliibiuli, ISJI, p. 810. ** Bulletin de iu suc. gcolog. de Fiaiice. T. VII, 1835 — 1836, 422 dem das Quecksilber auch durch die knieförmige Verbhidung in die erwähnte Birne übertritt, somit das Thermometer über- giesst. Dieser übergetretene Theil des Quecksilbers istdas ein- zige, sichereMerkzeichen des Quecksilberstandes am Tliernio- meter, welcher in jener Tiefe, zu welcher dasselbe eingesenkt w uide, statt fand und es erhellt somit hieraus , da wir jeder andern Notirung des Quecksilberstandes in der unzugänglichen Tiefe des Bohrloches ermangeln, dass zu solchen Messungen nur solche Thermometer zu branchensind, welche übergiessen und dass man daher entweder sehr viele Thermometer haben müsse, welche bei verschiedenen Temperatursgraden überzu- giessen anfangen, oder, was wohl am besten ist, dass man das Thermometer gleich von vorne her so konstruirt, dass dieses Uebergiessen bereits bei einer kleinen Erhöhung der Tempe- ratur über die Normaltemperatur erfolgt und somit die Brauch- barkeit des Thermometers eine um so umfassendere ist , je empfindlicher es sich hierin zeigt. Dieses so konstruirte Thermometer wird nun nach einem genauen Normalthermometer sorgfältigst eingetheilt und anfeiner Skala werden die Werthe dieser, bekanntlich in keinem arithmetischen Verhältnisse stehenden Theile nach Thermometergraden und deren Bruchtheilen notirt. Auf diese Weise kenne ich nun den Stand dieses Thermometers, gegen- über dem des Normalthermometers, genau, bei jeder Tempe- ratur u n t e r der Normaltemperatur nnd über derselben, bis zu jenem Punkte, au dem dasselbe überzngiesseu beginnt. Lasse ich nun das Thermometer in die Tiefe des Bohrlo- ches , wobei man bei grossen Tiefen die Thermometerröhre gegen den stärkern Luftdruck möglichst schützen muss , da derselbe für sich das Quecksilber in der Röhre steigen und die Säule osziliren macht , so wird das Quecksilber in der zunehmenden Temperatur steigen, nach und nach bis zum Ende der Röhre und endlich in die Birne übertreten, d. h. das Ther- mometer wird und zwar so lange übergiessen, als es in eine höhere Temperatur vorrückt; augenblicklich aber wird diese Erscheinung aufhören, wenn das Thermometer in eine miiide- rere Temperatur gelangt, somit beim Rückgange, wenn man dasselbe wieder herauszieht. 42:i Hiedurch hat sich iniftelst des in die Birne über^efietcnen Quecksilbers der Temperatuistand an jenem tiefsten Punkte notirt, bis zu welcheui das Theitnometei hinabgelassen wtirde und vergleiche ich nun dasselbe mit demNormalthermonieter, so wird sich eine Abweichung darthun; das ans dem Btdirloche genommene Thermometer wird nämlich, des ans der Röhre in die Birne übergetretenen (inecksilbers halber, nicht mehr den Stand zeigen, der ihm seiner Skala und dem Stande des Nor malthermometers nach zukömmt , sondern das Quecksilber w ird tiefer stehen. Bezeichne ich daher mit : L die Länge der ganzen Thermometerröhre inTlieilen, deren jeder einem Grade des INormalthermometers entspricht, mit a die Anzahl Theile (Grade), welche die Quecksilbersäule nach Herausnahme des Thermometers in einer gewissen Ttim- peratnr C'iftch dem Normalthermometer bestimmt), die jedoch nicht so hoch seyn darf, dass das Thermometer wieder über giesst, an der Skala einnehmen sollte: mit b hingegen die Anzahl Theile (Grade), welche die Queck- silbersäule sodann w irklich einnimmt und mit T den fraglichen Temperaturstand am tiefsten Punkte, bis zu welchem das Thermometer eingesenkt wurde, so ist : T = L -j- (a — b) in Graden des Norm. -Thermometers. Für Minima der Temperatur , wobei den so konstruirten Thermometern keine üebergiessung, folglich keine Bemerk- barmachung des Quecksilberstandes erfolgt und b =:: a ist, ist auch dieser Ausdruck nicht anwendbar und Walferdin be- dient sich daher zur Bestimmung der Temperaturen unter der Normaltemperatur besonders konstruirter Theiiuometer. Ein solches Thermometer besteht aus einer feinen Haarröhre, wei- che an jedem der beiden Enden eine Kugel besizt. Die eine grössere ist mit Quecksilber gefüllt; die andere, kleinere hingegen sammt der ganzen Röhre mit gefärbtem Weingeiste. Adjustirung und Eintheilung erfolgen nach einem Norraalther- mometer wie in dem vorhererwähnten Falle. Bringe ich nun dieses Thermometer umgekehrt, die Quecksilberkiigel oben, in eine niederere Temperatur, so wird sich das Quecksilber 424 zusammenziehen und in diesem Verhältnisse steigt der Wein- geist vermöge seines kleineren spezifischen Gewichtes in die Höhe und nimmt den obersten Raum in der Quecksilberkugel ein. Führe ich iiingegen das Thermometer wieder in eine höhere Temperatur zurück, so dehnt sich das Quecksilber aus, und dringt nach nnten in dem Verhältnisse in die Röhre vor, als derselben vordem Weingeist entzogen wurde, während der Theil des lezteren , der oben in der Quecksilberkugel steht, seines geringeren, spezifischen Gewichtes halber, auch vor der Hand oben bleibt. Aus der in die zuerst ganz mit Wein- geist erfüllten Röhre eingedrungenen Quecksilbersäule wird nun, da man die Länge der Röhre und die der Quecksilbersäule in Graden des Norraalthermometers ausgedrückt ablesen kann, der Stand des Thermometers berechnet und es ist mit Beibe- haltung der vorigen ßuchstabenbezelchnung diessfalls : T = L — (a+b) oder, wenn für den Zustand der Nor- maltemperatur a = o ist, worauf bei der Konstruirung des In- strumentes Bedacht genommen werden kann : T = L — b Ich habe die Anwendung dieses Thermometers selbst nicht gesehen, glaube aber doch den interessanten Gegen- stand nicht unrichtig aufgefasst zu haben und muss bemerken, dass obige Formel aus Folge der verschiedenen Ausdeh- nung des Quecksilbers und des W eingeistes , ferner des Wi- derstandes, welchen die Adhäsion des Quecksilbers am Glase dem emporsteigenden Weingeiste entgegensezt u. dgl. m. einiger Correktionscoeffizienten bedarf, um sich durch sie einem evidenten Werthe möglichst zu nähern. Dass eine Weltstadt wie Paris, der Sammelpunkt aller gelehrten Notabilitäten des Landes, ausgestattet mit den um- fassendsten Mitteln , nicht nur der wissenschaftlichen Sammlungen viele, sondern ausgezeichnete hat; dass dieselben , getragen von dem Ehrgefühle eines durch die geistigen Errungenschaften seiner Vertreter im Bereiche der Wissenschaften hoch hervorragenden Volkes, in ihrer äussern Ausstattung des Innern Gehaltes sich würdig zeigen — ist all- gemein bekannt. Ich will daher auch in eine nähere Beschrei« 425 bui»!»; aller dieser Schätze, welche Paris auf diesem Felde dar- bietet, nicht eingehen und zwar umsoweniger, als mein Freund NüGGERATH mit besonderem Bezug auf das 31 o n t a n w e s e ii diesem Gegenstande seine Aufmerksamkeit geschenkt und den- selben in seinem Aufsatze *: „die Bergwerksschulen in Frank- reich und Belgien, nach ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihrem jetzigen Stande" mit bekannter Gründlichkeit öffentlich zur Sprache gebracht hat **. Gerade zur Zeit meiner Anwesenheit in Paris erregte eine Erfindung im Bereiche der Technologie viele Sensation, näm- lich die sogenannte G a I v a n i s i r u n g des Eisens , d. h. die Verzinkung desselben, um durch die Contaktelektrizität beider Metalle das Rosten des Eisens zu verhindern. Die Manipu- lation ist einfach. Man legt nämlich die Gegenstände aus weichem Eisen einige Stunden lang in eine Beize, aus ver- dünnter Schwefelsäure bestehend, und taucht sie dann, sorg- * Karsten's Archiv, 16. Band. 1842, pg. 3 — 109. *'' Hier kann ich einige ganz ungcwölinliclie Voikoninmissc. welclic wir in der geologischen Sozietät zu selien bekamen, nicht imemähnt lassen. Nämlich; Niederschläge von marmorartigem Kalksinter im Cy- linder einer Dampfmaschine. Diese Niederschläge enthalten nacl» Bkkthier: Kolilensauren Kalk 96,6 Scinvi felsaiiron Kalk 2,8 Organische Materie, wahrscheinlich von der Maschincnschmicre her- stammend 0,6 Toö,o Diese als eine 7 Zoll mächtige, im Cylinder einer NKWCoinEN'schcn Maschine niedergeschlagene Schichte erscheinende Masse bildet ein durch die organische Materie dunkelgrau gefärbtes Gestein , welches gleich Marmor eine schöne Politur annimmt. Offenbar sind also hier die festen Bestandtheile des Wassers mit dem Dampfe in den Cylin- der übergetreten und haben sich dort bei vermindertem Drucke ausge- schieden. Uuio, Grypheen und Ammoniten aus dem Lias , in strahligen E is en glänz umgewandelt , eine ganz neue Erscheinung. (Nöggebath in Leonhard's Jahrbuch. 1840, p. 555.) Gyps- (nicht Anhydrit-) Krystalle, gebildet in den Drusenräu- men von Koaks, während ihrer Darstellung aus Steinkohle. Lauter Erscheinungen , die uns in Bcurtheilung der grossen Werk- slätte der Natur wieder einen Schritt vorwärts helfen. 426 faltig gereinigt 5 ungefähr V2 Minute lang in geschmolzenes, heissesZink, nimmt sie heraus und polirt sie kalt auf Scheii)en von Holz, Kork und Leder, wodurch sie einen ausgezeichneten Silberglanz erhalten. Die Anwendung dieser Methode er- streckt sich nicht nur auf die Verfertigung von Galanteriege- genständen, sondern vorzüglich auf jene von verzinkten Dach- blechen , Röhren zu Wasserleitungen , artesischen Brunnen, (Sooleleitungen ?), Strigeln u. s. w. Die Oefen , in welchen das Zink eingeschmolzen wird , bestehen in elyptischen Cy- lindern aus starkem Eisenbleche, die von einem Flammenfeuer umspielt werden. Jeder solcher Cylinder hat 4 Fuss Tiefe, die längere Achse seines Querschnittes beträgt 5 Fuss, die kürzere 2 Fuss. Zu Havre angelangt musste ich 3 Tage auf die Abfahrt des direkte von da nach London gehenden Dampfschiftes warten. Ich hatte daher Zeit genug mich umzusehen und mich mit aller Innigkeit wieder an der Beschauung des Meeres zu weiden, ein x\nblick, den ich lange nun entbehrt hatte, der zu grossartig und zu bewegt ist , um einförmig zu seyn und den wohl jeder lieb gewinnt, der sich dessen je erfreut. Re- gelmässig beobachtete ich am 30. April, am 1. und 2. Mai die Ebbe und Fluth und fand, dass die Fluth des Abends genau um 5 Uhr l.i Minuten begann, schnell, d. h. in wenigen ^^tunden , den höchsten Stand erreichte und sich dann in dem- selben bis gegen 11 Uhr Nachts erhielt, worauf sich die Ebbe einstellte. Den Eintritt der F luth am Morgen habe ich nicht beobachtet, ihr Maximum aber erreichte dieselbe um 10 Uhr Vorm,, worauf sogleich die Ebbe wieder eintrat, deren Mini- mum regelmässig zwischen 4 und 5 Uhr Abends eintraf. Diesemnach stimmten die periodischen Oszillationen des Mee- res während den 3 Beobachtungstagen scharf mit jenen des Luftdruckes , d. h. mit den stündlichen Schwankungen der Quecksilbersäule im Barometer, sowie die Extreme des Meeres- standes mit jenen des Luftdruckes am Tage und in der Nacht überein und obwohl ich weit entfernt bin aus einer so verein- zelt dastehenden Beobachtung ein Gesetz ableiten zu wollen, fühle ich mich doch um so mehr zur Mittheilurig derselben veranlasst, als sie nüt dem im lU. Bande, pg. ISii etc. diesem 427 lleisewerkes über diesen Gegenstand gesagten in ge- nauester Verbindung steht und eine Aufforderung mehr seyn dürfte, mit den Beobachtungen der Fluth und Ebbe des Meeres die genauesten der stündlichen Oszillationen des Luftdruckes an möglichst vielen Punkten der Erde zu verbinden. Die Differenz des Meeresstandes zwischen höchster Fluth und niederster Ebbe betrug zu Havrc während obigen 3 Beobachtungstagen 12 Fuss. Sechster A bscliiiitt. Reise in England und Schottland. 1) liOUflon. Portsmoutl«. Plyinoiitli* A m 3. M ai 1840, um Mitternacht, hielt das Dampfschiff am Customhouse. Ich war nun in Lundun und muss ge- stehen, dass mich, als jeder meiner Reisegefäinten von Havre lierüber sich beeilte seinen Weg weiter zu verfolgen , fast ein Gefühl des Verlassenseyns überkam. Doch die freundliche Aufnahme in einem der zunächst liegenden Hotels, am nächsten Morgen die Fahrt durch einen grossen Theil der Riesenstadt bis zu meiner Wohnung am Leicester Square im Westend, der Anblick des durch und duich praktischen Treibens , ver- bunden mit der nothdürftigsten Kenntniss der Landessprache, befreundeten mich sehr bald mit allem, was mich umgab und kaum war der erste Tag vorüber, so fühlte ich mich schon wie zu Hause. London ist keine Stadt der Träume, sie trägt in Jeder Richtung den Typus des Materiellen an sich , jedoch nicht in einem burlesken Style, sondern in einem ernsten , erhabenen, für uns Continentbewohner kolossalen Massstabe. Ich ver- weilte in London bis zum 20. Mai, wonach ich meine Reise über Southampton nach Portsmoiith, der Insel Wight und ent- lang der Südküste von England nacli Plymouth fortsezte. In beiden diesen Seestädten standen mir die berühmten Arsenale a>if Vorweis der hohen Admiralität offen und es wurde mir mit derselben treuherzigenj sich selbst achtenden (»efälligkeit 429 alles Interessante gezeig;t , mit welcher man mir aiicli bei allen eng;lischen Berg- nnd Hi'ittenwerken , die ich besiulite, in Folge John Taycdrs , ein im Montaiivvesen wohlbekannter Name, warmer Empfehlnnoen anf das freundlichste entgegen- kam. Man erzählt viel von Schwierigkeiten beim Besnche englischer montan-industrieller Anstalten. Ich fand sie nie und nirgends. Wahr ist es allerdings , dass sich der prak- tische Engländer im Fremden vorerst seinen Mann atisc-liant nnd dass er theils in einem schönen Selbstbewnsstseyn seiner Freiheit und Macht, theils als Fabrikant und Kantmann natür- licherweise auf seinen Vortheil bedacht, bei den Worten „ein Fremder" nicht sogleich in Servllismns zerfliesst, oder rück- sichtslos seine ihm angehörenden, ihm persönlichen Nutzen bringenden Fabrikseinrichtungen öffentlich vor Augen legt. Er will wissen mit wem er zuthun hat und sowenig er Anstand uimmt, wie es sich für reife Leute geziemt, einen gänzlich Unbekannten in angemessener Entfernung zu halten , so sehr lässt er sichs angelegen se) n dem rechten Manne mit aller Biederkeit entgegen zukommen, wobei sein schönes Familien- leben und eine gewisse, angeborene, höchst solide Noblesse seiner grossen Gastfreundschaft eine eigene Weihe gibt. Von Plymouth aus besuchte ich einige Berg- und Hütten- werke in Devonshire und mehrere in Cornwall , ging sodann über Oakhampton nach Ilfracombe, von wo ich mich nach Swansea in Glamorgan (Southwales) überschiffte. Nach Be- sichtigung mehrerer der wichtigsten Montanwerke in South- wales führte mich mein Weg über Glocester nnd Birmingham nach Liverpool. Hier schlug ich für einige Zeit mein Haupt- quartier auf und machte Ausflüge nach Manchester, zu den Fabriken bei St, Helens, zu den Salinen bei Northwich, über ehester nach Northwales, zu den Berg- und Hüttenwerken in Flintshire nnd sodann weiter bis Bangor an der Menai Strait. Am 23. Juni schiffte ich mich zu Liverpool nach Schott- land ein , passirte die Insel of Man , die irländische Küste bei Belfast, die Insel Arran , Greenock und Dumbarton am Fritli of Clyde und war bereits am 24. Abends in Glasgow, Wieder ein Hauptquartier, von wo aus ich die schottischen Hochlande, die Gegenden an den Lochs: Lomoinl, Long, Goyle, Restall, 430 Flne oder Iinerary, Awe, Etive und Linnlie besuchte, von Oban aus die Insel Mull umschiffte, auf Icolmkill (l-ona) und Staffa landete, wieder nach Oban und mit einigen Abweichungen endlich nach Glasgow auf derselben Route zuriickkehrte. A m 30. Juni langte ich in Edinburgh an , und verliess Grossbritanien am 4. Juli mit dem scliönen Dampfschiffe City of Ham- burgh, um mich nach Hamburg zu begeben. Der erste Blick auf die geoguostische Karte von England, mit Irland und Schottland *, macht einen ziemlich bunten Ein- druck, bei näherer Beschauung der Lagerungsverhältnisse je- doch vereinen sicii alle diese mannigfaltigen Parzellen zu einem ebenso schönen , als einfachen System. Legen wir eine Durch- schnittslinie aus Südost in Nordwest durch ganz Englau d, von Dover bis zur Insel Man, so sehen wir: dass der ganze siidöstliche Theil von England der Kreide und den darauf ab- gelagerten untern Tertiärschichten (London ('lay und Plastic Clay) angehört. Nur wo die Grafschaften Kent, Surrey und Sussex zusammenstossen, sehen wir die tiefer liegenden Fels- gebilde: die Wealdenformation aus der jüngsten Jurazeit (Weald Clay, Purbeck Beds, Hastings Sand)mitdolomitischeu Schichten (magnesiau limes) und fast ringförmig derselben aufgelagert den Grünsandstein in mächtiger Entwickinng zu Tage gehen. Weiter gegen Nordwest folgt ein durch ganz England aus Südwest in Nordost sich ziehender, verhältnissmässig schmaler Streifen von Grünsandstein und Grünsand (green '•' Ausser Greepjoughs prächtiger geognosfisclier Karte von Eng- land und Wales (sec. cdit. 1840), ausser den klassischen geognostischen Arbeiten Murchison's und anderer englischer Geologen, weiche ohnediess weltbekannt sind, muss ich hier auf ein kleines , zum blossen Reisege- brauche recht bequemes, geognostisches Handkärtchen aufmerksam, nämlich : Map of the united kingdom of great Britain and Ireland. By James Wyld. Es ist diess ein sehr praktisches, wenn auch weniger vollkommenes Seitenstiick zur schönen, kleinen geognostischen Handkarte der öster- reichischen Monarchie von Scheda. 431 sandstone aiul green saiul), als unmittelbare Grundlage vorne- erwähnter Kreidebildnu«»*. Unter dieser Formation tritt die Jurabildung hervor. Auch diese bildet einen, jedoch viel breiteren Streifen aus Südwest in Mordost durch ganz England. Sie beginnt si'idwestlich an der Siidküste Englands und wird nordöstlich nahe der Ostkiiste von dem Grünsandstein - und Kreidezuge bei Kingston upon Hüll scheinbar abgeschnitten , erscheint aber sodann weiter nördlich in North Iliding wieder, wo sie bis an die Ostküste Englands vortritt. Zu diesem Jurazuge gehören von oben nach unten 5 also in der Reihenfolge aus Südost in Nordwest, der Upper 0 o l i t e (Portland Oolite, Kimmeridge Clay), der M i d d l e 0 0 li t (upper Calcareons Grit, Coralline Oolit, Ox- ford Clay) und der L o w e r O o l i t (Feruginous Oolit, Lime- stone, Slaty Sandstone, Clay, Marie). Weiter gegen Nordwest sehen wir unter dem Jnra den Lias hervortreten. Der Lias, als Liegendes des Jura, beglei- tet den Lezteren in seiner ganzen A u sdeh n u n g aus Südwest in Nordost und bildet einen mächtigen Zug mitten durch England. Er theilt sich in Upper , Low und Middle Shale, Lias sandstone, Maristone und Lias Limestone. Unter dem Lias sollten nun, analog dem Lagerungssy- steme in Deutschland, der Keuper und sodann der Muschelkalk folgen ; beide diese Felsformationen aber mangeln in England und es tritt unmittelbar unter dem Lias in mächtiger Entwick- lung der bunte Sandstein (new red Sandstone) hervor. Auch diese Formation, Gyps und Steinsalz führend und mit bunten Mergeln wechsellagernd , bildet gleich den vorne benannten einen Zug durch England aus Südwest in Nordost, oder viel- mehr aus Süd in Nord, jedoch von sehr ungleicher Breite. Während im Süden Englands, bei Exeter z. ß., der Zug des new red Sandstone nur in massiger Ausdehnung auftritt und weiter gegen Nord über Bristol sich immer mehr verschmälert, ja stellenweise unter den Jüngern Auflagerungen gänzlich ver- schwindet, gewinnt diese Formation plötzlich in Worcester und Warwick eine gewaltige Ausdehnung, erstreckt sich einer- seits über Birmingham, Northwich, Chester und Liverpool an die Westküste, andrerseits über Nottingham und York an die 4»2 Ostküste und innschliesst mit diesen beiden Armen die g;rosse Kohleiibucht von Leeds , Sheffield , Derby und Manchester. Die im deutschen Lagerungssystenie zunächst unter dem bun- ten Sandsteine folgenden Formationen des Zechsteins und Todtliegenden (deutscher rother Sandstein) fehlen zwar in England nicht ganz, sind aber doch nur sehr schwach und kei- neswegs vollständig nach dem ganzen Umfange ihrer Charak- teristik durch den magnesian limestone und das Exeter red Conglomerate (new red Conglomerate) vertreten. So sehen wir Aen magnesian limestone, zwischen dem newred sandstone und dem Kohlengebijge, in einem langen Streifen aus Süd in Nord, von Nottingham fast bis Newcastle zu Tage gehen und im nördlichsten Theile desselben, unter dem magnesian lime- stone, das Kohlengebirge überlagernd, den rothen Sandstein (das rothe Todtliegende) in einem schmalen Streifen hervor- treten. Das eigentliche, ältere Steinkohlengebirge *, die Haupt- kohlenniederlage des Landes, tritt bereits hie und da inselar- tig ans dem newred sandstone hervor, so besonders in StaflFord, Leicester; ia seiner vollsten Entwicklung und grössten Aus- dehnung aber geiiört es ganz dem Westen Englands an. Es begleitet als Liegendes den new red Sandstone mit wenigen Unterbrechungen in seiner ganzen Ausdehnung, lagert sich auf die Felsbildungen der silnrischen Reihe und gewinnt seine grösste Entwicklung in South Wales, in Shropshire, in Flintshire. in der vorne erwähnten grossen Kohlenbucht von Manchester, Derby, Sheffield, Leeds, bei Newcastle "*. Die tiefste Ablagerung des Steinkolilengebirges, womit sich das- selbe der tiefer liegenden silurischen Felsreihe anschliesst, VVoliin natürlich die jungem Kohlonbildungeu aus dem Lias, Oolit u. s. w. nicht zu rechnen sind. ""'■' Grosse Steinkohlenniederlagen finden sich übrigens auch an vie- len andern Punkten. Man sehe: England und Wales in geognostischer und hydrographischer Bezie- hung. Von Mkidinger. Frankfurt a. M. 1844. Besonders wichtig ist die Abhandlung: V. OKy>HAUSt;N und v. Dechen, über den Steinkohlenbergbau in Eng- land, gesammelt auf einer Reise in den Jahren I82G und 1827. Karsten 'S Archiv, Jahrgänge 183'i uud 1833. V und VI. 433 ist der alte rothe Sandstein (old red sandstone and conglome- rat). Derselbe, als selbstständige Formation gedacht, die so- genannte devonische Grnppe oder das devonische System darstellend , tritt jedoch nicht überall sichtbar auf und zeigt seine grösste Entwicklung nur in South Wales, Here- ford , Flintshire , an der Nordküste von North Wales und auf Anglesea. Das eigentliche Steinkohlengebirge, dem old red unmit- telbar aufgelagert, besteht in: Kohlenkalkstein (Carbonife- rous limestone), Kohlensandstein, flötzleerem Kohlensandsteiii (Millstone grit), Kohlenschiefer, Steinkohle. Der äusserste Westen Englands endlich, nämlich: Corn- wall, ein grosser Theil von South Wales, ein grosser Theil von Anglesea, die Insel Man, Cumberland, gehören der tiefsten normalen Ablagerung in England , dem sogenannten üeber- gangsgebirge an. Dasselbe theilt sich in zwei Hauptsysteme, in das obere oder silurische System, die unmittelbare Grund- lage des Steinkohlengebirges und respektive des devonischen Systemes; dann in das untere oder cambrische System. Zum silurischen System (obere Grauwacke mit ihren Schie- fern, Sandsteinen und Kalken) rechnet der Engländer: die Ludlow rocks und den Äymestry Limestone, die Dudley und Wenlock rocks, den Caradoc sandstone, die Llandeilo flags und den Llandeilo Limestone, zum cambrischen System hingegen (untere Grauwacke mit ihren Schiefern, Kalken und Conglomeraten) die Plynlimmon rocks, den Bala Limestone, die Snowdon und Skiddaw rocks =■=. Somit wäre das allgemeine geognostische Bild der Fels- lagerungen Englands geschlossen, da die vereinzelten Durch- brüche krystallinischer, sogenannter abnormer Gesteine, wie z. B. die Granit- und Porphyrmassen (Elvan und Elvangänge) in Cornwall und Devon, die Trappmassen in North und South Wales, die Porphyrmassen an der schottischen Gränzeu. s.w., dann die lokalen Auflagerungen jüngerer Gesteine im Bereiche der altern Formationen Sache eines Details sind, das hier nicht zur Aufgabe gestellt werden kann. '•■" Zum cambrischen Systeme gehört auch der sogenannte „Ki II as", Thonschiefer im üebcrgange zum Glimmerschiefer. Rus segger, Reisen. IV. Bd. 2S 434 Noch . einfacher ist die geo^nostische Struktur von Schottla n d. Unmittelbar an die im äussersten Norden Englands auf- tretenden Ablagerung-en des new red sandstone und carbonif. limestone legt sich ein Streifen des tiefer liegenden cambri- schen und devonischen Sj^stems quer durch Schottland aus Südwest in Nordost. In gleicher Richtung reiht sich hieran ein zweiter, jedoch noch breiterer Streifen des old red sand- stone mit gewaltigen und weit ausgedehnten Durchbrüchen von Trappgesteinen, Melaphyren etc. und mit zwei grossen beckenartigen Auflagerungen des Steinkohlengebirges. Es sind diess die grossen Kohlenniederlagen in Ayr, dann jene um Glasgow, Linlithgow, in Fife, um Edinburgh und in La- nark. An der Westküste Schottlands reicht diese Formation bis zum Frith of Clyde, an der Ostküste aber bis über Berwic hinauf. Ein schmaler Streifen des Millstone grit trennt nordseits diese Formation von den nun folgenden Chloritschiefer-, Glim- merschiefer- und Gneissgebilden, mit vielen und massenhaften Durchbrüchen von Granit, welche krystallinische Felsarten von hier an gegen Nord den ganzen übrigen Theil von Schott- land zusammensetzen ; nur im nördlichsten Theile der West- und besonders der Ostküste, sowie auf den Orkiieyinseln , se- hen wir Ablagerungen des old red sandstone und weiter süd- lich erheben sich ander Westküste jene merkwürdigen Trapp- massen der Inseln Skye, Mull, Staflfa etc. — Den südlichen und südöstlichen Theil von Irland bilden Ablagerungen des cambrischen Systems mit grossen Granitzügen : die Mitte des Landes erfüllt beckenartig der old red sandstone und der Kohlenkalk mit zwei sehr ausgedehnten Kohlenniederlagen, jener in Cläre, Limerick , Kerry und Cork an der Westküste und jener in Queens County , Tipperary und Kilkenny im öst- lichen Theile der Insel. Den Norden von Irland konstitiiiren abermals Ablagerungen des cambrischen und devonischen Systems, nebstbei aber auch solche von Glimmerschiefer und Chloritschiefer mit isolirten Granitmassen. Auflagerungen von Millstone grit und Steinkohle (z. B. zwischen Enniskillen und Monaghan) sind lukal beschränkt ; grossartig aber ist die 435 bekannte, ans dem new red sandstone emporsteigende Trapp- masse in Antrin, am nordöstlichsten Tlieile der Insel, sowohl ihrer kolossalen Ausdehnung als ihrer höchst interessanten Felsgestaltungen wegen (z. B. Giants causeway). So wie in den Sammlungen des british Museums zu Lon- don im wahren Sinne des Wortes die Welt vertreten ist, wir daselbst des Schönsten und Seltensten genug aus allen Theilen der Erde, die Mineralien aber leider nach einem nicht mineralogi- schen Systeme autgestellt sehen und ich in dieser Beziehung ganz besonders die in ihrer Art einzige Sammlung der fossilen Saurier hervorheben zu dürfen glaube, so sehen wir andrer- seits in der Sammlung der geolog. Society die Geognosie von Grossbritanien auf eine musterhafte Weise vor Augen gelegt. Ohne alles Haschen nach Effekt, daher auch ohne alle äussere Pracht, aber durch und durch studirt , sehen wir in dieser Sammlung, namentlich mit Bezug auf England, die ausseror- dentlichsten Seltenheiten in grösster Vollkommenheit. Unter den sogenannten Schaustücken zeichnen sich besonders aus: mehrere der seltensten und grössten Aramoniten, der Nautilus imperialis aus dem London clay, mehrere Platten des new red sandstone mit Thierfährten, worunter auch eine gleichzeitig mit einer Menge fossiler Fische, krystallinische Kohle aus Merthyr Tydvil, Meteorsteine und Meteoreisenmassen, Feuer- steine der Kreide von ungewöhnlicher Grösse und mit Ein- schlüssen von Kreide; aus dem Lias: Ammoniten auf Holzresten sitzend, die schöne Colcia antiqua, Cidaris Bechei, Hippopodium, ünio pachiodon etc.; aus dem Kohlengebirge: ISeuropteris macrophylla, die prächtige Sigillaria Murchisoui, Pecopteris, Lepidodendron gracileetc. . Graptolites aus dem cid red sandstone, Pentamerus und Orthoceras pyriformis aus den Upper und Iower Ludlow rocks, Phragmoceras ventricosura, Stromboidesplicatusausdem Aymestry limestone; sehr schöne und seltene Trilobiten (Caimene) , Actinocrinites moniliformis (Prachtstück) aus dem Wenlock limestone u. s. w. Ausnehmend interessant ob der Reste fossilerWirbelthiere ist die Sammlung im Surgeon College, so wie als ßijou einer vollständigen , die seltensten Vorkommnisse enthaltenden 2S * 43C Mineraliensammlung im kleinen , elegantesten Formate, die Sammlung des trefflichen Mr. Brooke *. Zur Zeit meiner Anwesenheit in London war man mit dem berühmten Themse-Tunnel von llotherhithe, am rechten Ufer, hinüber nach Wapping, am linken Ufer, bereits über 1100 Fuss weit vorgeschritten und hatte sonach, vom Mittel- punkte des einen Schachtes für Fussgeher zu dem des andern am gegenüber liegenden Ufer gerechnet, noch ungefähr 210 Fuss** auszufahren, da diese ganze Länge beiläufig IIJIO Fuss beträgt. Man war auf der Wappingseite bereits ausser dem eigentlichen Rinnsale des Flusses , daher auch ausser Gefahr eines massenhaften Wassereinbruchs vor Ort, wo aber übrigens der Zufluss auf jede Minute noch immer 400 Gallonen betrug. Der Tunnel endet eigentlich beiderseits mit oder vielmehr in dem Fussgeher-Schachte. Jeder dieser beiden, mit Wendeltreppen auf das bequemste ausgebauten Schächte hat bis zur Sohle des Tunnels 63 Fuss Tiefe und eine kreisförmige Lichte von ungefähr 40 Fuss Durchmesser. Rückwärts von jedem dieser beiden Schächte, und zwar diametral von Mittel- punkt zu Mittelpunkt gerechnet ungefähr 145 Fuss entfernt, befindet sich wieder ein Schacht, nämlich der für die fahrenden; ebenfalls kreisförmig ausgemauert, ebenso tief wie die Fuss- geherschächte; aber im Lichten von ungefähr 145 Fuss Durch- messer. Jeder dieser Fahrschächte für Wagen und Pferde ist mit dem zugehörigen Fussgeherschachte im Tiefsten durch eine kurze Gallerie, respektive eine Fortsetzung des Tunnels, verbunden. Ich habe die Tunnelarbeiten, diesen merkwürdigen Riesen- bau, welcher in Betreff der Schwierigkeiten, die zu besiegen waren und folglich auch des hiezu nöthigen Kapitals an Geist und Geld die berühmten Pyramiden Egyptens weit hinter sich zurücklässt ***, auf das genaueste besichtigt und muss bei * Diese schöne Sammlung betrachte ich als würdiges Seitenstück zu jener des Ms. Medici Spada in Rom und zu jener der Frau v. Hoenik- STEiN in Wien. '•* Englische Masse : 1 engl. Fuss = 0,9642 Wiener Fuss, 1 Gallone = 0,1438 Wien. Kub.-Fuss = 3,2108 Wiener Mass. *>.•=?. jjoch grossartiger in technischer Beziehung ist meiner Ansicht nach der Brack Water zu Plymouth, der Gigantendamui aus Granit- 437 meiner vorne S. 402 ^geäusserten Ansicht stehen bleiben; wo- nach der glänze Tunnelbau weit sicherer, in kiirzerer Zeit und mit geringeren Kosten hätte hergestellt werden können, wenn man dabei so verfahren wäre , wie diess bei den Tunnel- bauten in Rheiiipreussen geschieht. Anstatt dem aber hat man bekanntlich das ganze Tunneiort, 38 Fuss breit und 22 Vi Fnss hoch, auf einmal im allergefährlichsten Gebirge ausgefahren. Die häufigen Durchbrüche und die zur vollen Unmöglichkeit des weiteren Vordringens herangewachsenen Schwierigkeiten führten endlich auf eine sehr sinnreiche berg- männische Erfindung, nämlicii auf die des sogenannten Schildes, eine Vervollkommnung der gewöhnlichen Arbeit mit Getriebe- pfählen. Der Schild , zur Zeit meiner Anwesenheit noch in voller Anwendung, ist ein starkes, eisernes, gitterähnliches Fachwerk, welches den ganzen Raum vor Ort einnimmt, während sich dicht hinter ihm die der Vorörterung rasch nach- folgende Tunnelmauerung anschliesst. Der Schild ist in 12 Fächer getheilt, von denen auf jede der beiden Tunnel- Gallerien somit sechse entfallen. Diese Fächer haben die blocken, mit zwei Passagen für Kn'egsscliiflFe und solche minderer Grösse, aus dem Meeresgrunde herauf aufgeführt und quer über den weiten Hafeneingan'g gezogen, um den Wellenandrang des atlantischen Ozeans ahzulialten, eine Arbeit, die ihres Gleichen nicht in der Welt hat, und gegen die selbst die berühmten Muriazze zu Venedig nur ein Minialur- bild sind. Überhaupt reicht England in seinen Bauführungen am nächsten zu den riesenhaften Leistungen des Alterthums hinauf. Man sehe z. B. die 41 Docks (Bassins für Segelschiffe) entlang der Mersey bei Liver- pool mit ihren Granildämmen und Mauern von 9 engl. Meilen und 83 Yards Länge und ihrer summarischen Bassinfläche A'on 111 Acres. Wo ist das Land der alten Welt, das Ahnliches aufzuweisen hat ? Jedoch über dem Kolossalen geht in England das Schöne keineswegs verloren. Wer wird z. B. die niedliche Conway- Kettenbrücke , einige der Brücken über die Themse in London, oder die unübertrefflich .schöne Kettenbrücke über die Menai Strait bei Bangor, wenn der schwere Güterwagen auf der Brücke 100 Fuss über dem Meeresspiegel fährt und das Schiff mit vollen Seegeln unten durcheilt, und so Vieles andere sehen und nicht die schönsten Eindrücke aus diesem Lande mit nach Hause nehmen, nicht von Achtung für ein Volk erfüllt seyn , das so Ungeheures zu Stande bringt? Englands äussere Politik kommt bei diesem Urtheile nicht in die Wagschule, die ist nicht Sache der Nation, sie ist die Geburt oder Missgeburt weniger. 438 ganze Höhe des Einbruchs, jedes derselben ist wieder in drei Felder etagenartig- getheilt und in jedem solchen Felde arbeitet ein Mann, so dass gleichzeitig 36 Mann vor Ort be- legt seyn können. Da jedes dieser 12 Fächer oben und unten in Falzen läuft, so kann auch jedes, sobald das Gebirge vor ihm hinlänglich abgeräumt ist, mittelst Schrauben, die an dem am Schilde rückwärts anliegenden Gewölbe einen festen Widerhalt finden, sogleich vorgerückt werden. Wird nicht gearbeitet, so ist das Gebirge vor Ort in jedem Felde mittelst Vorleghölzern abgesperrt, welche durch Schrauben vom be- treffenden Fache des Schildes aus an die Ortsbrust ange- drückt werden. Wird aber gearbeitet, so werden in jedem Felde ein oder einige dieser Vorlagen abgenommen, das Gebirge wird schnell nach Bedarf hereingelassen oder herein- gehauen und die Vorlagen sodann gleich wieder vor Ort ge- bracht und festgeschraubt; so wird fortgefahren bis die Orts- briist eines jeden Feldes im Fache zur Genüge vorgetrieben ist. Ist diese Arbeit nun bei allen Fächern, was möglichst gleich- zeitig zu geschehen hat, beendet, so werden die einzelnen Fächer nach und nach durch Anziehen der rückwärts am Gewölbe anstehenden Schrauben und durch gleichzeitiges JNachlassen der Schrauben vor dem Schilde, somit letzterer selbst vorgerückt. Hiedurch nimmt der Schild den Raum ein, der durch gleichzeitiges Abräumen des Gebirges in allen 36 Feldern, oder respektive in allen 12 Fächern entstand und der durch das Vorrücken des Schildes rückwärts entstehende gleiche Raum wird so schnell als möglich durch die nach- folgende Tunnelmauerung versichert, worauf man wieder mit der besagten Vorörterung beginnt. Durch die Mauerung wird der ganze Raum des Tunnels in zwei Gallerien mit Mittelpfeilern getheilt. Die Mauerung selbst ist prachtvoll und bildet ein aus Stutzbögen verschie- dener Kreise wohl durchdacht konstruirtes , ungefähr 3 Fuss dickes Gewölbe, das aus sorgfältig bereiteten Backsteinen mittelst eines hydraulischen Kittes zusammengesetzt und mit hydraulischem Mörtel verputzt wird. Die Mächtigkeit des Gebirges über der Tunnelsfirste, also die Dicke des Gebirges zwischen dem Gewölbe und dem Flusse beträgt im Minimo nicht 430 mehr als 14 — ISFuss. Uer innere llaum ist mit Gas erleuchtet. Die Hebung^ des fortan zusitzenden und in den Schaclitsümptcu anfu^esanimelten Wassers geschieht in i\en Schächten für Fnssgeher mittelst Dampfmaschinen, deren Cylindcr eine schiefe Steiinn«^ haben und deren Kolbenstangen sich an der Krummzapfenwelle vereinen. Auf dem VV^eo^e von London nach Portsmouth bewegt man sich fortwährend auf dem Terrain des London Clay und Plastic Clay, bis man etwas nördlich von Basingstocke das Gebiet der obern, weissen, Feuerstein -reichen Kreide betritt, welche Formation, in flach gerundeten Hügelziigen sich aus- sprechend, bis Winchester anhält. Die Schichten der Kreide scheinen in N. zu fallen. Von Winchester bis Southampton und die ganze Umgebung von Portsmouth bildend beobachtet man wieder ausschliesslich nur London und Plastic Clay. Einigen während meines Aufenthaltes zu Southampton und Porthsmoiith von mir gemachten flüchtigen Beobachtungen zu Folge sind daselbst die Perioden der Ebbe und Flutli des Meers den gleichartigen an der französischen Küste gerade entgegengesetzt, was ich im Anhange zu dem vorne S. 426 hierüber Gesagten nicht unerwähnt lassen kann. Die Südküste von Devon undCornwall, von der malerisch schönen Torbay nach Plymoutli und bis über Falmouth zum Cap Lizard, gehört ausschliesslich den ältesten Bildungen der GrauAvackenzeit an. Die vorherrschenden Felsarten sind jene des cambrischen Systemes: Plinlimmon rock, Snowdon rock, Skiddaw rock und ßala limestone. An den Schiefern beob- achtet man jenen Uebergang des Thonschiefers in vollendeten Glimmerschiefer, welchen der Engländer mit dem Namen Killas bezeichnet. Die Felsgestalten entlang der Küste sind ungemein schön und wild, man sieht eine Menge Höhlen. 3) Tavistock, die Kupferg-rube "^Vlieal Friendsliip und die Dleig^rube ^Vlieal Betsey in IBevoushire* Das Terrain zwischen Devonport* bei Plymouth und Tavi- stock gehört ganz den Gliedern der ältesten Grauwacke an. * Devonport, der eigentliche Hafen von Plymoutli, wo das Arsenal und die Werfte sich befinden, der gewühuliche Absteigeort der Fremden. 440 Vorzüglich sind es Schiefer, sogenannte Uebergangsthon- schiefer (Killas), von verschiedener Färbung, reich an Quarz- lagern und an mehreren Orten mit graulichblauem, dichtem Kalksteine wechsellagernd. Wie in Cornwall so beobachtet man auch hier viele Granitdurchbrüche durch den Schiefer, isolirte Granitmassen, welche den Charakter einer Empor- hebung dadurch zu beurkunden scheinen , dass sich rings um sie die Gesteinslagen der Schiefer aufstellen und von ihnen abfallen. Auch deutet die Erscheinung , dass diese Granit- massen, gleich jenen in Schottland und Cornwall, in bestimmten Richtungen sich aneinander reihen, Züge bilden, meist aus Südwest in Nordost, darauf hin, dass hier eine Spalten- wirkung zu Grunde liegen dürfte und dass wir es so zu sagen bei diesen Granitmassen nur mit den Ausgehenden ungeheurer Gänge zu thun haben. Ich für meinen Theil glaube weder das eine noch das andere ; ich sehe diese isolirten Granitmassen auch als vollkommen isolirt, als wahre Stöcke an. Ich halte sie für Konkretionsmassen aus den Schiefern (Krystalloide im Riesenmassstabe) und ihre Reihenbildung aus NO. in SW. als die nächste Folge der bei diesen Ausscheidungen thätigen polarischen Kraft. Der Granit dieser Stöcke wird von einer Menge sich in allen Richtungen kreuzender Klüfte durchschwärrat, in deren Nähe er sich häufig von Zinnerzen, Zinnoxyd, durchdrungen zeigt. Weit bedeutender ist übrigens die Erzführung jener Gänge in Devon, welche die dortigen Schiefergebilde durchsetzen und die ihrer Richtuug und Erz- führung nach in zwei Klassen zerfallen. Der Richtung nach sehen wir Gänge, welche Ost in West mit geringen Abwei- chungen streichen und fast durchgehends in Nord fallen; dann solche, welche Nord in Süd streichen, meistens in West fallen und erstere durchsetzen und verwerfen. Erstere Gänge führen hauptsächlich Kupfer und Zinnerze, wenig Bleierze; Ungefähr 12 Seemeilen von da steht isolirt draussen im Ozeane auf dem Eddistone der gleichnamige berühmte Leuchtthurm, 100 Fuss hoch mit 26 Fuss im Durchmesser, Drei Wärter wohnen dort und besorgen das Leuchtfeuer. Bei heftigen Stürmen schlagen die Wellen über die Laterne auf. 441 letztere Iiing-eo^eii , wenn sie erzführend sind, vorzGglicli Blei- erze, wenig- Knpfererze und noch seltener Zinnerze. Vier bis fünf englische Meilen nordöstlich von Tavistock setzen im Schiefer-Gebirge mehrere Kupfererz führende Gänge auf, welche von einem mächtigen Bleierze führenden Gange beinahe rechtwinklicht durchsetzt werden. Auf ersteren so- wohl als auf letzterem geht Grubenbau um und wie sich unter den Kupfergruben jene von Wheal Friendship durch ihre Ausdehnung und ihren Reichthum auszeichnet, so ist auf dem ßleierzgange die übrigens arme Grube Wheal Betsey die interessanteste *. Die Taggegend um Wheal Friendship Kupfergrube, ein flach gerundetes einförmiges Hügelland, gewährt durch die vielen Halden und Maschinengebäude einen bergmännisch interessanten Anblick. Der Haupteigenthümer der Grube ist mein edler Freund John Taylor in London. Da man hier sehr viel Kraftwasser und hinlängliches Gefälle besitzt, so bedient man sich zum Betriebe der meisten Maschinen oberschlächtiger Räder, benüzt jedoch auch einige Dampf- maschinen. Wheal Friendship baut bis zur Teufe von 200 Fathom ■'*. Die Förderung geschieht durchgehends mit Ketten und ist schlecht eingerichtet. Gerade zur Zeit meiner An- wesenheit war man im Begriffe unsere deutschen Drahtseile einzuführen, und ein mir sehr werther Freund, Mr. Gordon, ein in Deutschland bergmännisch gebildeter junger Schotte, war von John Taylor hiezu beauftragt. Frühere Versuche mit Drahtseilen haben nicht entsprochen. Offenbar waren entweder die Drahtseile schlecht oder es war, was am wahr- scheinlichsten ist, die Behandlung derselben ganz ungeeignet. * John Taylor, über Metallproduktion in Grossbritauien. In Kar- stens Archiv. XII. Bd., l839, pag. 597 etc. Sedgwick und Murchison, über die Klassifikation der älteren Gesteine in Devonshire und Comwall. Geol. Proceed. 1839 , April 24 , III. Leonhards Jahrbuch, Jahrg. 1840, p. 237. Wbavbr, über die älteren Schichtgesteine in Nord -Devon mit bezüg- lichen Bemerkungen über Transilions- und Protozoische Gegenden im Allgemeinen. Lond. Edinb. philos. Magaz. 1839, XV. Leonhard, Jahrbuch 1840, p. 240. ♦♦ 1 Fathom = 2 Yards = 6 engl. Fuss = 5,7852 Wiener Fuss. 442 üeberhaupt fand ich, dass, namentlich im Montanfache, eine etwas allgemeinere theoretische Vorbildung, welche auch die Kenntniss der im Auslande bestehenden Einrichtungen mit umfasst, von Seite der Grubenvorsteher in England sehr w ünschenswerth wäre und glaube, dass dieser Zweck wenig- stens zum Theil durch das am 1. Mai 1S40 zu London (Pall. mal. 57) unter der Protektion des Herzogs von Buccleugh und mehrerer anderer hoher Personen in's Leben getretene Institut* zur Ausbildung der Ingenieurs, verbunden mit einer Arbeiter- schule und durch die seit 8. Juli 1839 eröffnete Bergschule zu Truro in Cornwall, erreicht werden dürfte. Im Ganzen fand ich sowohl in Devon, als besonders in Cornwall, die Förderung auf keiner hohen Stufe. Die Seile z. B. winden sich durchgehends auf stehende Körbe, während man eben so leicht liegende anbringen könnte; die Bandseile, wo man sie anwendet, lässt man häufig sich drehen wie sie wollen und gibt sich wenig Mühe sie einzurichten; die Maschinen stehen oft weit von den Schächten , man hat daher eine Menge unnützes Seil, welches, obwohl über Rollen laufend, die Reibung vermehrt, der Witterung ausgesetzt bald verdirbt, starke Schwankungen veranlasst etc. Der Andrang des Wassers auf Wheal Friendship ist sehr gross und man bedient sich zur Gewältignng desselben mehrerer Maschinen. Eine von diesen wird durch ein ober- schlächtiges Wasserrad von bewundernswürdig schöner Kon- struktion bewegt. Das Rad hat 51 Fuss im Durchmesser bei 9 Fuss Kranzbreite; es ist stark gebaut und macht doch den Eindruck einer eleganten Zierlichkeit. Die Schaufeln oder Zellenwände sind von Eisen. Besonders interessirte mich an diesem Rade die eigenthumliche Weise, in welcher man, ohne alle Schwächung und Verletzung der Welle, sowohl de» Wellzapfen als die Haupt- und Hülfsarme anzubringen und zu befestigen pflegt. An das vierkantig bezogene Ende der Welle w ird nämlich ein gusseisernes hohles Prisma, ebenfalls vierkantig und möglichst genau an die Welle passend, ange- trieben und beiderseits gut verkeilt. Dieses Prisma hat zwei ringförmige und am Ende einen scheibenförmigen, mit dem- * Das bezügliche Programm erschien zu London 1840 bei W. Hughes Kings hcad court, gough squarc. 443 selben aus einem Stücke bestehende Aufsätze. An erstem bei- den sind periplieriscli wieder so viele prismatische hohle Auf- sätze in der Richtung der Radien angebracht, als Radarme sind, deren jeder bei der Zusammensetzung der Radtheile in einen solchen Aufsatz gesteckt und darin festgeschraubt wird. Der scheibenförmige Aufsatz am Ende der Welle hingegen ist ringsum mit Schraubenlöchern versehen. Der VVellzapfen hat anstatt der gewöhnlichen Flügel eine gleiche Scheibe mit correspondirenden Schraubenlöchern; werden nun mittelst lezteren diese beiden Scheiben fest zusammengeschraubt, so sitzt der Wellzapfen vollkommen konzentrisch an dem be- treffenden W^ellenende und sollte sich ein Zapfenbruch er- eignen, so ist die Anbringung eines neuen Zapfens ohne Zeit- verlust leicht zu bewerkstelligen , während diess beim soge- nannten Flügelzapfen, der überdiess durch die erforderliche Ausstämmung die Welle sehr schwächt , so viele Zeit und 3Iühe kostet. Am entgegengesezten Wellenende, wo kein Rad sich befindet, hat natürlich das an die Welle gesteckte guss- eiserne Prisma nur den Scheibenaufsatz für den Zapfen. Was die Befestigung der Haupt- und Hülfsarme anbelangt, so gebe ich, als viel raebr Sicherheit und Festigkeit gewährend, der auf den salzbnrgischen Montanwerken üblichen Methode*, welcher nach dieHauptarme ungetheilt, folglich in ihrer ganzen Länge, durch das ganze Rad reichen und mit der Welle sich peri- pherisch fest verbinden, unbedingt den Vorzug; die erwähnte Anbringung der Wellzapfen aber ist sehr sinnreich und ver- dient allgemeine Anwendung, besonders bei grossen Rädern. Eine andere Wasserhebmaschine wird durch eine Dampf- maschine bewegt, deren Treibcylinder 80 Zoll misst. Sie arbeitet mit Kondensation und Expansion, mit Niederdruck und Hochdruck, wenn es nöthig ist mit mehr als 200 Pferde- kraft, und mit einer Hubhöhe von 10 Fuss. Mit 11 Bushel Kohlen ** hebt sie 600000 Zentner Wasser 1 Fuss hoch. Wie * Mau sehe meine Abhandlung über den Aufbereitungsprozess Gold- und Silber- haltiger Pocherze etc. Stuttgart 1841. Atlas, Tafeln II, III, V und VI. ** 1 Bushel = 1,4607 Wiener Kubikfuss = 0,7500 Wien. Hetzen. 1 Tonne = 20 englische Zentner = 1814,1560 Wiener Pfunde. 1 englischer Zentner = 112 engl. Pfunde = 90,7078 Wiener Pfunde. 444 sehr häufig in England, so hat auch hier der Cylinder einen hölzernen Mantel und der mehrere Zoll betragende Zwischen- raum wird mit Sägespänen ausgefüllt; die obere Fläche der Dampfkessel ist mit Schutt bedeckt, beides um so wenig als möglich die Wärme unbenüzt entweichen zu lassen. Die meisten dieser Maschinen wirken nur einfach , die Schacht- gestänge sind sehr schwer , die Pumpenröhren haben im Lichten ungefähr 12 Zoll Durchmesser, und da die Schächte in grösserer Teufe tonnlag werden , so werden daselbst die Schachtstangen mittelst grosser Winkelhebel gekuppelt. Die Hauptausfüllungsmasse der Gänge auf Wheal Friend- ship ist Quarz und Thonschiefer, beide Gesteine dem ähnlich, welches die Hauptmasse des Gebirges selbst bildet. Die Erze bestehen vorwaltend in Kupferkies, dann in Arsenkies, Zinn- oxyd und wenig Bleiglanz. Man baut auf mehreren solchen Gängen, die alle Ost in West streichen, in Nord fallen, häufige und mitunter sehr edle Trümmer absetzen und meistens eine Mächtigkeit von mehreren Fuss besitzen. Der Hauptgang ist ungefähr 1 Meile weit bereits aufgeschlossen *. Das taube Ganggestein ist sehr milde zu bearbeiten , viel Kraft- aufwand hingegen erfordert die feste, meist quarzige Erz- masse; man bricht daher imTauben vor und nimmt die Erze nach. Die Gangveredlungen , wie gewöhnlich linsenförmige Körper bildend, halten sich an bestimmte Blätter (Hangend- blatt und Liegendblatt, North und South Wall) und schütten fast durchgehends reiche Erze. Der Abbau, welcher firsten- mässig geführt wird, so wie der Ausbau sind gut, insoferne letzterer die Strecken betrifft: denn jener der Schächte lässt manches wünschen, besonders finde ich es zu tadeln, dass die Fahrtabtheilungen ganz offen sind , die Bühnen schlecht ge- schlagen, die Fahrten zu seiger gestellt werden. Bezüglich der Reinlichkeit in der Grube fehlt es überall, was übrigens in dem grossen Wasserandrange seine Entschuldigung findet. Alle Arbeiten auf dem Gesteine sind im Gedinge, entweder im Schnurgedinge oder in jenem des Erzkaufes, wobei ganz so wie auf den meisten deutschen Bergbauen die Häuer ihr nöthiges Sprengpulver, Geleuchte und die Reperatur des Ge- * 1 engl. Meile = 5280 engl. Fuss = 848,5008 Wiener Klafter. 445 zähes aus ihrem Verdienste zahlen müssen. Die Gedingpreise sind im Ganzen den Landesverhiiitnissen angemessen und man zahlt z. B. für eine Lachter Vorörterung 35 Gulden, wo man auf süddeutschen Grubenbauen nur 15 Gulden bezahlen würde. Ungeachtet der mindern Akkordpreise aber stehen sich unsere Arbeiter im Durchschnitte doch besser, während die englischen mir ärmer zu seyn scheinen, wozu ausser dem kostspieligeren Lebensunterhalte wohl auch die etwas gar starke INeigung der- selben zum Trünke beitragen mag. Bei der Arbeit auf dem Gesteine bemerkte ich , dass zu viel und sogar im ziemlich festen Gesteine mit Pickel und Keilhaue gearbeitet wird, während ich andrerseits von einer im Nebengesteine so vor- theilhaft auszuführenden eigentlichen Schrämmarbeit fast keine Anwendung sah. Wie ich bereits vorne erwähnte, so werden die Kupfer- erz führenden Gänge von andern durchsetzt und , wenn auch nirgends sehr bedeutend, verworfen. Leztere Gänge streichen aus Süd in Nord und fallen gegen West ein, Sie sind theils taub, theijs führen sie vorwaltend Bleierze. Der bedeutendste dieser Kreuzgänge ist der Bleigang von Wheal Betsey, welchem nach man von Wheal Friendship aus gegen Nord, einen ungefähr 1 Meile lang werdenden Tiefstollen zur Unter- fahrung der auf Wheal Betsey umgehenden alten Grube gleichen JNamens betreibt. Der bergmännische Nachhalt auf Wheal Friendship ist sehr bedeutend, besonders mit Bezug auf die hoffentliche Teufe. Die zu Tage geförderten Grubenerze werden mit der Hand geschieden und sorgfältig in Kupfererze , Zinnerze und Bleierze sortirt. Sämmtliche Erze, die reichern sowohl als die ärmeren, werden an die Walzwerke abgegeben und durch diese, ungefähr zu ßohnengrösse, zerquetscht, dann abergehen sie ihre besonderen W ege. Die reicheren Erze nämlich an die Schraelzhütten und zwar die Kupfererze zur Kupferhütte zu Swansea in South Wales, die Zinnerze zur Zinnliütte in Tavistock, die Bleierze zu der 10 Meilen entfernten ßleihütte anderTamer; die ärmeren Erze hingegen werden nach der Quetschung zur nassen Aufbereitung in loco abgegeben. Die Einrichtung der Walzwerke ist ausserordentlich 44G eiiifaclj. Durch einen Tnchter(Gosse) mit Schuber und Selbst- erschütterung gelangen die Erzsliicke ungefähr in Faustgrösse zwischen die sehr schnell umlaufenden und mittelst Balanciers stets in entsprechender Entfernung von einander gehaltenen gusseisernen Walzen, deren jede ly^ Fuss lang ist, und 1 Fuss äussern Durchmesser hat. Die in einem Augenblicke zerquetschten Erze rollen unter den Walzen fort über eine schiefe Ebene in ein grosses cylindrisches Sieb, welches schief stehend sich langsam um seine Achse dreht. Das zur gehörigen Feine (Bohnengrösse im Maximo) zerquetschte Erz fällt durch das Sieb durch auf den Boden und wird zur weitem Manipulation abgeliefert ; das grössere aber, welches die Sieb- löcher nicht passirt, rollt aus dem Siebe hinab und fällt in Kästchen, welche sich an der innern Seite eines grossen Schöpfrades befinden, das sich durch dieselbe Maschine bewegt langsam um seine Achse dreht, die empfangenen Erze mit emporhebt und dieselben in gleicher Höhe mit den Walzen, beim Uebergange aus der ansteigenden in die abfallende Drehung, auf dem Oberboden wieder auswirft, von wo sie ein Arbeiter zurück auf die Walzen, respektive in den erwähnten Trichter schleudert. Das Erz, welches das cylindrische Sieb passirte, kommtzum Siebsetzen, welche Manipulation mittelst Menschen- händen erfolgt. Der Abstrich der Siebe wird in die Poch- werke, die unterste Schichte als Schmelzerz zur Hütte, der durch das Sieb durchgegangene Schlamm, wenn er milde genug ist, zum Schlämmen abgegeben. Die Pochwerke sind klein , mit 3 oder 4 Schüssen! , schlecht konstruirt und sehr verwahrlost. Ein Wasserstrom führt an der einen längern Seite die Erze in den Satz, während an der einen kürzern Seite die Trübe durch ein Senngitter austritt. Leztere fiiesst in Sümpfe , aus denen die Schlämme mit Rücksicht auf ihr verschiedenes Korn ausgehoben und auf kleinen liegenden Sumpfherden geschlämmt werden. Die erhaltenen Schliche werden auf gleiche Weise mehrmals geläutert und kommen dann mit einem Durchschnittsgehalt von 12% zur Hütte. Das lJn>vollkommene, ja höchst Mangelhafte dieser Manipulations- methode erhellt auf den ersten Blick und die Einführung ordentlicher Pochwerke, stark gespannter Stossherde und 447 eines bessern Siebsetzprozesses vermittelst einer einfachen Mascliine mi'jsste tue besten Resultate geben. Zur Zeit meiner Anwesenheit fuliren auf Wheal Friendship über und unter Tags 400 Arbeiter an, Männer, Weiber und Kinder. Eine 31eile nördlich von Wheal Friendship baut auf dem Bleigange Wheal Betsey die Grube gleichen Namens. Sie ist arm an Erzen, hat sehr mit Wasser zu kämpfen und stand zum grossen Theile lange ersäuft, als John Taylor sie wieder gewältigen Hess. Der sehr mächtige Bleigang, dessen Blei- glanz auch etwas Silber hält, durchsetzt einige Kreuzklüfte, die hie und da, jedoch in geringer Bedeutung Kupfererz- führend befunden worden. Gebirgsgestein und Ganggestein sind ganz dieselben wie auf Wheal Friendship , nur zeigt sich das letztere niehrthonig, mehr aufgelöst, wozu das aus allen Klüften zusitzende Wasser nicht wenig beitragen mag. Wheal Betsey baut 100 Fathom tief, die neueren Arbeiten stehen jedoch noch weit zurück, sowohl im Abbaue als Aus- baue, welche beide wichtige Momente ich in einem erbärm- lichen Zustande fand. Dabei ist wegen der grossen Nässe die Säuberung wirklich zeitraubend und kostspielig, und Strecken mit knietiefem Schmand zu befahren gehört da keineswegs zu den Seltenheiten*. Die zu Tage geförderten Bleierze werden im Ganzen so behandelt, wie die Kupfererze auf Wheal Friendship; nur ist hier der Siebsetzprozess viel schöner in seiner Anwendung, da man sich hiezu einer ein- fachen Maschine bedient. Die Siebe sind gross und hängen an den einen Enden von Hebeln, während die andern Enden der lezteren durch die Däumlinge einer Welle niedergedrückt und wieder plötzlich losgelassen werden, wodurch daher und durch ein gut angebrachtes Spannwerk den unter Wasser auf- und niedergehenden Sieben zugleich die erforderliche Er- schütterung ertheilt wird. Der Abstrich der Siebe, das Setzerz, dann die durch das Sieb gegangenen Schlämme werden ganz so behandelt, wie die gleichnamigen Gezeuge auf * In solchen Fällen sind die aus einem eigenen sehr dichten Zeuge, Fosfion genannt, angefertigten Grubenkleider der englischen Gruben- beaniten ganz vorzüglich zu empfehlen. 448 Wheal Fi'iendship; das Schlämmen wird jedoch auf liegen- den Herden vorgenommen. Auch auf Wheal Betsey sieht man sehr schön gebaute grosse Wasserräder. 3) Cliarlestotvn- nndCarg-laze-KinngrubeninCorn%vall« Eine Meile östlich von St. Austell und ebensoweit nördlich von dem kleinen Hafen von Charlestown liegt die grosse Zinngrube gleichen Namens*. Das herrschende Fels- gebilde der ganzen Umgebung ist der Killas. Bei Carglaze, eine Meile nördlich von der Charlestowngrube, tritt aus dem Killas ein ungeheurer, Zinnerze führender Granitstock hervor; bei Charlestown selbst hingegen ist es ein grosser, stellenweise iiber IS Fuss mächtiger, Zinnerze führender Gang, welcher den Gegenstand des bezüglichen Bergbaues bildet. Die Aus- füllungsniHSse dieses nach 20 h. streichenden und in 2 h. fallen- den Ganges bildet theils wieder Killas, theils besteht sie in einem dichten , sehr festen öuarze, welcher vorwaltend Zinn- erz, wenigen Kupferkies und keinen Bleiglanz führt. Die Erze brechen meist in der Mitte der Gangmasse. Mehrere Kreuzklüfte durchsetzen den Gang unter sehr spitzen Winkeln und verwerfen ihn zum Thell auf mehrere Klafter. Der grossen Ausdehnung der alten Verhaue nach zu schliessen muss der Grubenbau auf diesem Gange schon seit langer Zeit umgehen, vorzüglich gehoben aber hat er sich in letzter Zeit durch den Unternehmungsgeist John Taylors, des Hauptinteressenten, und durch die Bemühungen des als praktischer Bergmann ganz vorzüglichen Captain Baralt. Gegenwärtig (1840) baut die Grube bis in 85 Fathom Teufe und die Zahl der in derselben und bei den Äufbereitungsarbeiten über Tag anfahrenden Arbeiter beträgt an 900. * Henwood, die Erzlagerstätte in Cornvvall und Devon. Mining Journal 1844. Auszug in Leonhard's Jahrbuch, Jahrgang 1846, p. 6-29. DB LA Beche , Report on the geology of Cornwall, Devon and West Somerset. London 1839. Auszüge in Hartmamss berg- und hütten- männischer Zeitung. 1842. pg. 43 etc. NoTTEBOHM, Auszug aus dem Tagebuche eines Reisenden durch Gross- britanien und Belgien im Jahre 1841 , Berlin 1842. Auszüge in Hartmanns b. und h. Zeitung 1842 , pg. 466 etc Eine in tech- nischer Beziehung höchst werthvolle Arbeit. 449 Ich fuhr durch den Buccleiigh - Schacht an und be- leuchtete zuerst die Baue im westlichen Felde, ^Yelche ührigens jenen im östlichen in Betreff des reichen Erznachhaltes weit nachstehen. Die Grube hat nur geringen Wasserzufluss, ist daiier leiciiter rein zu halten als die meisten iibrigen in diesen Bevieren; ausserdem aber wird sie auch mit sichtbarer Sachkenntiiiss und Liebe überwacht. Die Streckenbaue fand ich hoch und geräumig; es fährt sich überall auch in den Schächten bequem; die Firstenbaue sind technisch schön ge- halten; auf den Strecken bestehen Eisenbahnen zur Hunde« förderuns:: die Zimmerun»" und die Wetter sind vortrefflich. Die Arbeit auf dem Gesteine nimmt ihren Fortgang ununter- brochen Tag und Nacht durch; die eigentliche Schichtzeit aber umfasst die bei der Grubenarbeit gewöhnlichen 8 Stun- den. Auf den Erzbauen können übrigens die Häuer nach Vollstreckung der achtstündigen Schichtzeit arbeiten so lange sie wollen. Zu meiner nicht geringen Verwtmderung fand ich hier noch durchgehends die zwei- und dreimännische Bohr- arbeit mit grossem, unförmlichem, sehr schwerem Gezähe. Wie grundlos die Einwendung klingt : „das Gestein sey zum einmännischen Bohren viel zu hart", weis jeder technisch ge- bildete Bergmann zu beurtheilen , und ich finde hieiin , du im konkreten Falle keiner jener Umstände stattfindet, welche die Anwendung des sogenannten grossen Bohrzeuges vortheil- haft erscheinen Messen, n>ir einen Beweis, wie weit man hieund da selbst in England in einzelnen Zweigen unseres Faches noch zurück ist. Zudem fand ich das Sprengpulver nicht aufs Beste, besonders viel zu ungleich-grobkörnig, indem sich darunter Körner bis zur Erbsengrösse befinden; noch sah ich überall bei Verladung der Bohrlöcher die Ladspindel (Baum- nadel) in Anwendung; noch brannte man die Sprengschüsse mittelst mit Pulver gefüllter, nicht einmal mit Pulversatz ein- gestrichener Zündhalme ab und selbst die in England er- fundenen und damals schon bekannten vortrefflichen Sicher- heitszünder (safety fuzzes) hatten also noch nicht Eingang gefunden. Die Zinnerze sind besonders beim trügerischen Scheine des Grubenlichtes häufig nur sehr schwer zu erkennen; der RnsscRger, Reisen. IV. Bd. 29 450 Zinnerzffehalt des Gesteins ist oft nur dnrch eine leichte braune Färbung desselben angezeigt und es gehört daher von Seite der Bergleute zur Aushaltung des Erzes in der Grube ein höchst geübtes Auge. Auf Charlestown- Grube kommen alle zu Tage geförderten Erze zur nassen Aufbereitung, welche besser eingerichtet ist als irgend eine unter denen, die ich in England sah. Die Erze werden eben ihres schwie- rigen Erkennens halber erst über Tag mit der Hand vom Tauben gehörig geschieden und sodann ungefähr in doppelter Faustgrösse, aber so viel möglich in länglichen Stücken, dem Walzwerke übergeben, das durch ein sehr schönes ober- schlächtiges , bis auf Welle und Arme ganz aus Eisen ver- fertio^tes Wasserrad bewegt wird, übrigens aber dieselbe Be- schaffenheit hat, wie jenes auf Wheal Friendship ; nur dass hier das cyliuderförmige Separationssieb und das Schöpfrad mangeln. Die Walzen haben eine Länge von 1'/, Fuss, einen äussern Durchmesser von 14 Zoll, bei einer Eisendicke von 4yo Zoll. Sie sind aus ganz gewöhnlichem Gusseisen, roh, und halten bei den harten Erzen, welche sie zerquetschen müssen, kaum mehr als 10 Wochen aus. Die Erze werden hier im eigentlichen Sinne nur vorgebrochen und kommen gleich von den Walzen weg, ungefähr in der Grösse eines Kubikzolls, zu den Pochwerken. Die Kraft, welche man zum Zerbrechen der Erze erzielt , muss gross seyn 5 denn letztere sind sehr hart und es passiren daher auch im Durchschnitte auf 24 Stunden nur 2SS0 Zentner. Es ist einleuchtend, dass die Leistung dieser Maschine durch Anwendung grösserer, wenigstens längerer Walzen, durch ein möglichst gleich- förmiges Aufgeben der Erze und dnrch die Anbringung eines Schwungrades, um mehr Stetigkeit in den Umlauf zu bringen, sich bedeutend erhöhen Hesse und besonderen Vortheil mit Bezug auf den nachfolgenden Pochpros»ess würde ein zweites Walzenpaar verschaff"en, dessen Aufgabe es wäre, die durch die ersten Walzen vorgebrochenen Erze noch weiter, bis zur Bohnengrösse, zu verkleinern*. Zum Pochen der durch die Walzen vorgebrochenen Erze besteht auf Charlestown-Grube '•' Man siehe über Walzwerke zur Zerkleinerung der Erze meine vovne zitirtc Abhandlung über die Aufbereitung der Pocherze. 451 ein selir hübsches Dampfpochwerk von 75 Eisen, die zu bei- den Seiten der Maschine in Feldern zu 4 und 3 vcrtheilt sind. Der Balancier bewegt unmittelbar die eiserne Krummzapfen- welle, welche nach je 3 oder 4 Feldern wieder mit der Welle für die nächstfoloenden knieförmig' zusammengeknppelt ist. Die Maschine wirkt einfach mit Kondensation und Expansion. Der C} linder hat 32 Zoll Durchmesser, der Kolbenhub beträgt 9 Fuss, der Hub der Pochstempel 9 Zoll. In einer Minute macht die Maschine 10,2 Hube und da während jedem solchen Hub jeder Pochstempel 5mal aufschlägt, so erfolgt letzteres während einer Minute Slmal; was für so harte Pocherze ein etwas zu lanf^samer Gang; ist*. Die Pocherze werden von der einen langen Seite des Satzes zugleich mit dem Laden- wasser eingetragen , während von der andern langen Seite die Austragung- der Pochtrübe durch ein Senngitter erfolgt. Die Pochstempel sind klein , wieder ein Fehler bei harten Ge- zeugen; sonst ist aber die ganze Einrichtung des Pochwerkes gut gehalten. Die Trübe fliesst in Sümpfe ab, aus denen die * Laut Leaks Engine reporter and advertiser, April -Heft, 1840, Nro. 345 bestehen in Cornwall : a) bei den Zinngruben 7 Dampfpochwerke mit zusammen 394 Pocli- cisen , von welchen Maschinen jede mit Konsumtion 1 Busheis Steinkohlen (im Gewichte ungefähr 94 engl, Pfunde) 10 — 12,3 Sack Zinnerz (l Sack = 12 Gallons = 1,7256 Wiener Kubikfuss) aufzuarbeiten im Stande und welche Leistung daher nichts weniger als grossartig ist. b) Ferner bestanden bei allen Gruben in Cornwall im April 1840 zur Wasserhebung: 62 Dampfmaschinen, deren grösste Cylinder 90 Zolle im Durchmesser haben. Diese Maschinen, von denen jedoch nur bei 52 die Daten einberichtet wurden, brauchten 4218 Tonnen = 84360 Zentner Steinkohlen, um 42 Millioneu Tonnen Wasser oder 840 Millionen Zentner 10 Fathom hoch zu heben, daher im Durchschnitte die Maschinen mit 1 Bushel Kohle 55 Millionen Pfunde Wasser 1 Fuss hoch hoben. c) Endlich bestanden im April 1840 im Ganzen 13 Fördern ngsdampf- raaschinen, wovon jedoch nur 10 im Betriebe waren. Diese 10 Maschinen hoben mit einer Konsumtion von 2241 Bushel Stein- kohlen 69936 Kübel (1 Kübel durchschnittlich = 719 Pfunde) 100 Fathom hoch, oder mit 1 Bushel Kohlen eine Last von 9140276 Pfunden bis zu einer solchen von 17406664 Pfunden 1 Fuss hoch. 29 * 452 Mehle lind Schlämme zum Waschen und Schlämmen abge- geben werden. Diese Manipulation erfolgt auf kleinen liegen- den Herden, die sehr gut konstruirt sind. Nun aber beginnt ein höchst eigenthümllcher Prozess , der auf den ersten Blick fast etwas antediluviauischesan sich hat, aber doch im Ganzen und in Ermangelung von Stossherden , die hier sehr gute Dienste thun würden , wenigstens zum Theil den Zweck der Separation erreichen macht. Die obersten Schaufeln der Herdanwäsche kommen nämlich in grosse Fässer, deren jedes durch beständiges Anschlagen mit einem Stocke erschüttert wird. Dieser mechanische Impuls, welcher natürlich die unter Wasser liegenden Theilcheu der Mehle oder Sclilämme in einer steten leichten Bewegung erhält, bewirktauch eine theil- weise Separation der erzigen und nicht erzigen Theilcheu nach der Verschiedenheit ihrer relativen Schwere und man erhält ganz am Boden schmelzwürdigen Schlich, während der obere Theil, der Abstrich, zu einer neuen Herd wasche abgegeben wird. Diese zweite Herdvväsche wird ebenfalls auf liegenden Herden vorgenommen, welche jedoch so angebracht sind, dass man sie umwenden kann. Um dem unvermeidlichen Erzveiluste nach Möglichkeit zu begegnen, werden stets nur ganz kleine Mengen Mehle oder Schlämme angewaschen und wie sich ein kleiner Schlichkeil gebildet hat, wird der Herd mit der obern Fläche nach abwärts gewendet, der Schlich in einen unter dem Heerde angebrachten Sumpf abgespült und von da mit den übrigen schmelzwürdigen Gezeugen zur Zinnhütte nach Truio geliefert. Die weitern wiederholten Anwäschen der Schlämme, Herdaftern u. s. w. werden durch Buben auf kleinen Sumpfherden besorgt. Bei dem geringen Wasserandrange in Charlestowngrube genügt zum Wasserheben eine einzige Dampfmaschine. Die- selbe ist ausgezeichnet schön gearbeitet, ihr Cy linder misst 50 Zoll, der Hub beträgt 9,3 Fuss und ihre Wirkung ist ein- fach mit Condensation und Expansion. Diese Maschine hebt das Wasser aus einer Tiefe von 95 Fathom; in einer Minute macht sie 4,44 Hube und hebt 178,7 Gallons. Bei der Kon- sumtion von 1 ßushel Kohlen hebt die Maschine eine Last von 52163670 Pfunden 1 Fuss hoch. 453 Eben SU schön kuiistruirt ist die zur Forderung; bestimmte Dampfmaschine. Oberhalb ihres ßalanciers ist ein gesperrter dezimniischer Huhzähler an<>;ebracht. Sie hebt mit 1 Bnshel Kuhlen 45, .l Pferdef;öppel Kübel* 100 Fathom hoch. Eine 31eile nördlich von Charlestown - Grube lie|;t die nierkwürdio e Z i n n g r u b e von C a r g I a z e. Ein gewaltiger Granitstock durchbricht hier inselartig den Killas , dessen Schichten sich ringsherum am Granite aufrichten und dem- selben ohne alle Veränderung ihrer Gesteinsnatur unmittel- bar aufgelagert sind. Der Granit, weiss und von mittlerem Korne, uird von einer 31enge Klüfte in allen Richtungen durchschwärmt. Theils auf solchen Klüften selbst, theils in ihrer nächsten Umgebung, vorzüglich aber dort, wo mehrere Klüfte sich scharren und kreuzen, folglich sogenannte Stock- werke bilden , brechen im Granite die Zinnerze. Der erz- führende Granit unterscheidet sich von seinem tauben Nach- bar meist nur durch seine dunkle, schwärzlich blaue Färbung, üeber die Richtung dieser Klüfte ist es sehr schwer etwas zu sagen ; doch scheint es , dass das Streichen aus N. in S. mit einem westlichen Fallen durchgreifend ist. Der Abbau der Zinnerze auf Carglaze ist uralt und wurde bis auf die neueste Zeit tagbaumässig geführt. Dadurch entstand eine gähnende Schlucht von höchst pittoreskem Ansehen. Sie mag bei 200 Schritte Breite und 150 Fuss Tiefe wohl '/, engl. Meile lang seyn , und gehört sonach zu den grössten der existirenden Tagbane. Die Wände der Schlucht gehen ganz senkrecht nieder und der Anblick vom Rande oben ist durch die aben- theuerlichen Felsformen, welche Verbrüche, Giessbäche und der Abbau selbst herbeiführten , durch die unzählige Menge von Löchern (alten Einbrüchen an den Wänden), durch die weisse Farbe des Granites, durchzogen von den dunklen Erze- führenden Streifen und durch die kleinen Pochwerke in der Tiefe der Schlucht zauberhaft — man wähnt an der Schwelle des Gnomenreiches zu stehen. Da man von je überall ein- brach, wo man Erze fand und den Bau wieder einstellte, sobald dieselben aufhörten oder sich verschmälerten , folglich mehr '' Horse «hini kibblis , Schaclittonneu. Der Kübel Erze (kibble als Mass) wiegt auf Charleslowii durchschnittlich 1120 Pfund. 454 wühlte als Bergbau trieb, so Ist auch natürlich der ganze Bau höchst unregelmässig. Gegenwärtig baut man bis zu 20 Fathoms Tiefe unter der Sohle der Schlucht und findet da die Erzführung noch am ergiebigsten. Im Ganzen sind jedoch die Erze (durchgehends Pocherze) sehr arm und dürften durchschnittlich den Gehalt von ^/^ Prozent kaum übersteigen. Auch Carglazegrube hatte einst bessere Tage gesehen, doch der gegenwärtige Betrieb ist sehr beschränkt. Nur wenige Fusssteige führen in die wilde Schlucht hinab , auf deren Grund man einige kleine Pochwerke, jedes mit 3 oder 4 Schüssern, trifft, welche bezüglich ihrer Konstruktion und Behandlung vor den berüchtigten wallachischen Pochwerken bei Verespatak wahrlich nichts voraus haben. Man wäscht die Pochmehle auf kleinen Sumpfherden und erzielt endlich ein ganz kleines Quantum Schlich , das zur Hütte in Truro gehefert wird *. 4) Die Kinnlitttte zu Truro uod die Eiseug-iesserei bei Penryn iu Corn^vall« Das kleine schöne Truro, die niedliche Hauptstadt von Cornwall, aus der mehrere hochberühmte Männer hervor- gingen, z. ß. Davy, Foote, Lander, der unternehmende afri- kanische Reisende, dem seine Landsleute gerade zur Zeit meiner Anwesenheit ein Denkmal setzen, u. m. a. ist ein viel- fach interessanter Platz. Es finden sich da ein Museum, eine gelehrte Gesellschaft, Buchhandlung etc. ; unter andern auch seit 1839 eine recht gut eingerichtete ßergschule , bei der Professor Hall Mathemathik, Prof. Moseley Mechanik, Prideaux Esqr. Chemie, Metallurgie und Mineralogie, Mr. CowPER über Fabriken- und Manufakturwesen lesen. Die Anstalt steht unter der Leitung desMr. Dickinson, der zugleich Anleitung zur praktischen Verwendung und Unterricht im * Die grösste Ziniigrube in Cornwall, Wlieal Vor bei Heiston, sah ich leider nicht. Interessant mit Bezug auf die Zinnproduktion und den Handel mit Zinn ist die im Mining Review, Mai -Heft von 1840, No. 29, Vol. VH, erschienene Abhandlung : Statistics of tbe Tin Mincs in Cornwall and of the Consumption of Tin in Grcat Britain. By Jos. Carne. 453 Situations-, G ruhen karten- und Maschinenzeichnen gibt*. Werden hiezu auch Lehrstühle über Bergbaukunde, Mark- scheidewesen, Hi'ittenkunde und Geognosie kommen, woran ich gar nicht zweifle, dann wird England im Hinblicke auf sein montanistisches Beamten- und Aufsichtspersonal einem der grössten üebelstände abgeholfen und demselben den Weg zur Ausbildung in seinem Fache eröffnet haben. Der litera- rische Aufschwung, der in dem gar so freundlichen Truro herrscht, hat unverkennbar auf die ganze Bevölkerung einen segenvollen Einfluss. Selbst der Pöbel in Truro ist nicht gar so stark Pöbel als an andern Orten Englands und es be- stätigt sich hier wieder: der kräftigste und in seinen Erfolgen nachhaltigste Missionär bleiben immer Wissenschaft und Kunst. Selbst der Glaube will auf den Fittigen des Wahren und Schönen dahin getragen werden, wo er wurzeln , nicht bloss als getrocknetes Exemplar ohne Leben , ohne Kraft figuriren soll , und dann bleibt er. Zu Truro befindet sich auch die Zinnhütte zur Verschmel- zung aller auf den Zinnbergwerken in Cornwall erzeugten Schliche. Das Etablissement**, ganz neu erbaut, solid, z. ß. die Ofenmauern aus Graiiitquadern, geräumig, licht, rein, von Innen eine der niedlichsten Hütten, die ich bisher sah, steht unter der Direktion des Mr. Vigers, einem nicht nur in seinem Fache tüchtigen, sondern allgemein gebildeten Manne, der unter andern auch der deutschen Sprache ganz voll- kommen mächtig ist. Ihm zur Seite stehen im Geschäfte seine beiden Söhne. Die Hütte enthält 4 Flammenöfen, 2 zum Rohschmelzen der Grubengefälle, 2 zum Rafiniren (ümschmelzen) des Roh- zinns; alle 4 haben eine gemeinsame Esse. Jeder dieser Flammenöfen wird mit Steinkohlen bedient; der Herd hat eine Länge von 9 Fuss, in der Mitte eine Breite von 4% Fuss und bildet im seigern Längendurchschnitte eine Ellipse. Die " Das Programm über diese Bergschule erschien ina Mining Review. Mai-Heft 1840. "'•" Irh brauche wohl nicht erst zu bemerken , dass in England alle industriellen Unternehmungen und so auch aller Bergbau und Hiitten- betrieb in Privathänden sind. 45G untere Herdfläche, im Mittel 14 Zolle von der obern abste- hend, stellt einen flachen Sumpf dar, in welchem sich die ge- schmolzene Masse sammelt. Die Beschickung beim lloh- schmelzen beträgt dem Volumen nach 4 Theile ganz reinen Anthrazits (hierCalm genannt) auf TTheile Schlich, oder dem Gewichte nach : 5 Theile Anthrazit auf 20 Theile Schlich. 20Zentner dieser Beschickung bilden einen Einsatz, zu dessen vollkommener Schmelzung 18 Zentner Steinkohlen und unge- fähr 6 Stunden Zeit erfordert werden. Nach Vollendung einer solchen Campagne wird die geschmolzene Masse aus dem Herdsumpfe in den Vortiegel abgestochen, aus dem das Rohzinn in Stücken zum Rafiniren oder Umschmelzen abffe- ö' geben wird. In zweien solcher Oefen können jede Woche, wenn keine Störung eintritt, 4S Tonnen oder 960 Zentner Zinnschlich verschmolzen werden. Die Temperatur im Herde wird im Verlaufe der Campagne bis zur Weissglühhitze ge- steigert; die Schlacke ist schwarz, glasig, leicht; das Aus- bringen steigt von 05 bis zu 75 %. Das rafinirte Zinn wird in Formen zu Blöcken gegossen, deren jeder 3 Zentner unge- fähr wiegt. Bei der Hütte, ohne Grubengestehungskosten und Traus- portkosten der Schliche zu rechnen, kommt der Zentner rafi- nirtes Blockzinn ungefähr auf 4 Schillinge (2 fl. C.-Mze.) zu stehen; hingegen wird die Tonne solchen Zinns durchschnitt- lich zu SO L. oder der Zentner beiläufig zu 40 fl. C.-M. ver- kauft. Man erzeugt übrigens auch Waare zu verschiedenem Zwecke und in verschiedener Feine. IVach allen Formen be- trägt der Verschluss in das Ausland jährlich 20000 bis 30000 Zentner. Bei Penryn befindet sich, 3 Meilen südlich von United mine, an der Küste einer tief ins Land gehenden Bucht, eines Zweiges der Bai von Falmoiith, eine nicht grosse, abei' recht gut eingerichtete Eisengiesserei mit einer Maschinenfabrik. Man bezieht das Roheisen aus South Wales, schmilzt es in Flammenöfen, sticht es in grosse Kessel ab und bewegt diese mittelst eines sogenannten Kraniches über die betreffenden Formen zum Gusse. Die weiteren Anstalten zur Ausarbeitung der Maschinentheile sind von geringem Umfange und bieten 457 Nichts von besonderem Interesse dar. Bedeutend grösser soll die zu Ileyle an der Bay von Ives liegende Eisengiesserei und Maschinenfabrik seyn, wohin ich Jedoch nicht kam. &) United- iiuenen Bögen rnhen, welche sich an die Hauptbögen der Brücke zur Seite anschliessen. Ro\aI Institution und die new higli School, am Fusse des Calton hül, sind Prachtgebände im griechischen Style: nur lassen dieSphynxe auf lezterer etwas sondeibar, fast wie ein Turban auf dem Kopfe eines in einem eleganten Fracke ge- kleideten Herrn. Die Sammlungen der Universität, ein grosses, ehrwürdiges, altes Gebäude, sind seltener Einzelnheiten halber sehr sehenswerth und ich erinnere liiebei nur an das ganz vollständige, am Rücken 0 Fuss hohe Skelet eines fossilen Hirsches von der Insel of Man, an mehrere sehr seltene Robben- arten, an ein riesenhaftes Exemplar von Elen aus Nordamerika, an eine schöne, wenigstens 40 Fuss lange Boa, an den Kopf eines fossilen Bibers, an mehrere sehr seltene Aflfen, an den Moschus javanicus, und vor Allen an die ausnehmend schöne ornythologische Sammlung, worunter z. B. die niedliche Strix Tengmalmi, die prächtige Schneeeule von den Schettlandsin- seln, der schön befiederte t^urylaimus Dalhusiae vom Himalaja (M.-H. 10000 Fuss) u. dgl. m. Alle Thiere sind vortrefflich präparirt. Die Mineraliensammlung hat ein sehr schönes De- tail; der allgemeine Eindruck leidet aber durch zu wenige Rücksiclit auf Format. Nicht minder interessant ist Surgeon College, ein herrliches Gebäude im griechischen Style, durch seine vortreffliche anatomische Sammlung. Edinburgh liegt mitten in der Steinkohlenformation, wel- che in Süd und Ost von den Bergen desold red sandstone um- schlossen wird, unter denen der schön geformte, 822 Fuss hohe, Arthurs Seat wie ein König hervorragt. Der alte rothe Sand- sfein tritt jedoch auch im Becken der Kohlenformation selbst in gewaltigen Felsmassen zu Tage; sobesteht z.B. dermitten in der Stadt zu 484 Fuss Meereshöhe ansteigende Calton hill ganz aus altem rothem Sandsteine und Konglomerate, welche Masse von einem mächtigen Melaphyrgange von unten nach oben durchsezt wird. Diesem augitischon Gesteine begegnen w-i." wieder am V orgebirge von Berwlck ; am Eingange des Russegger, Reisen. II. Bd. 3. ThI. .33 514 Fiitli of Fortli, der Bay von Etlinburgli, wo dasselbe als Stückge-, birge sich erhebt und kegelförmige Inselberge von ganz ei- genthüinlichen Gestalten bildet. Ungefähr zwei Meilen südwestlich von Edinburgh befinden sich im Kohlensandsteine die grossen Steinbrüche, welche das Baumaterial für die Stadt liefern. Das Terrain ist hügelig, die Steinbrüche sind tief und ausgedehnt und werden vortreff- lich, im grössten Massstabe betrieben. Zur Förderung der Bausteine bestehen Eisenbahnen, zur Förderung des Schuttes und des Wassers eine eigene Dampfmaschine. Der Kohlen- sandstein ist sehr fest und quarzig, besonders in seinen untern Bänken; seine Schichten streichen h. 8 und fallen flach in 14 h.; die oberen Bänke desselben führen ein bis zu 18 Fuss mächtiges Lager von Kohlenschiefer. Die Reste des organi- schen Lebens, welche hier der Kohlensandstein umschliesst, beschränken sich meistens auf solche der Pflanzenwelt , unter denen sich besonders ein grosser Monokotyledonenstamm aus- zeichnet (seine nähere systematische Bestimmung ist mir lei- der entfallen), der in seiner ursprünglichen Lage ausge- schrämmt und belassen wurde und nun von den Arbeitern , in einer Art Bretterbude eingefangen, für Geld gezeigt wird. Er ist 32 Fuss lang, etwas breit gedrückt, die längere Achse sei- nes öuerdurchschnittes misst 4 Fuss; er liegt ungefähr unter 50'' geneigt , dem Fallen der Schichten ins Kreuz und ist sei- ner Masse nach in Sandstein umgewandelt. Am 4. Juli schiffte ich mich zu Leith im Hafen von Edinburgh , am Bord des Dampfschiff'es Citty of Hamburg, nach Hamburg ein und verliess Grossbritanien. Als wir Abends durch den schönen Frith of Forth hinausfuhren, fiel mir die volle Richtigkeit der oft vernommenen Behauptung auf, dass nämlich Edinburgh sehr viel Aehnliches mit Athen besitze, eine Behauptung, die ich bisher nur auf die vielen scliönen Gebäude in griechischem Style bezog, welche die Stadt um- fasst. Aber nun sah ich , dass sich diese Aehnlichkeit wirk- lich ans dem Gesammteindrucke des Anblickes ergibt. Gleich der Akropolis, vom Pyräus aus gesehen, stellt sich, natürlich in verjüngtem Massstabe, das Nationalmonument auf Calton Hill dar; der Arthur Seat vertritt denPentelikon, die Vorhügel 515 desselben den Likapethos und wir sehen, ohne besondere An- strengung^ der Phantasie, auch die Supplenten des Hyinetus, der Nymphenhügel u. s. w. Um 8 Uhr Abends hatten wir das Vorgebirge von Ber- wick und den isolirt im Meere stehenden, von Millionen Vögeln bevölkerten Baas rock passirt. Die Witterung war sehr günstig; wir fuhren mit Dampfkraft und vollen Segeln und es ging nun hinaus in die weite offene Nordsee. Die Küsten von Schottland entschwanden bald unsern Augen. 33 Siebenter Abseliniti. ReiFie von Edinburgh nach Hamburg und Ropenh agen. Am G. Juli 1840. Um Mittag tauchte aus den hohen Wogen der stark bewegten See die kleine Insel Helgoland mit ihren senkrecht abfallenden Felswänden * auf und kaum hatten wir dieselbe noch in unserem Gesichtskreise, als wir um 4 Uhr Abends die Küste des deutschen Vaterlandes vor uns liegen sahen. Obwohl dem Blicke sich nur unwirthbare Sanddünen zeigten 5 an denen sich die gewaltigen Wellen der Nordsee wüthendzerschellen, ein Bild, das sehr an die Nordküste Afrikas erinnert, so wurde die heimische Küste doch jubelnd von mir begrüsst. Vaterland — bleibt immer ein heiliger Gedanke — und ich möchte doch den kennen, der in der Ferne den süssen Laut hört und sich nicht aufrichtet, schärfer horcht! Hölzerne Thürme, gleich unsern Triangulirungspyramiden bezeichnen den Zug der niedern und eben desshalb den Schif- fen sehr gefährlichen Küste, während das Fahrwasser selbst durch schwimmende Tonnen kennbar gemacht ist. Wir Hessen die kleine Insel Neuwerk (Newhaven) zur Rechten, nahmen bei einem Stationsschiffe einen Lotsen an ßord und liefen nun Cuxhaven zur Seite in die Elbe ein, mussten aber der Ebbe wegen mit Einbruch der Nacht mitten im Flusse vor Anker gehen. — Mit Tagesgrauen stand ich schon auf dem Verdecke; * VoLGER : Über die geo»nnstischeü Verliällnisse von Helgoland, Lüneburg, Segeberg, Läggedorf und Eiinsborn in Holstein und Schvvarzebeck im Lauenburgiscben etc. Braunschweig 1846. V. Lf.ojvhard's Jahrbuch, 1846, p. 857. 517 endlich bewegten wir uns wieder. Im frischen Glänze der Morgensonne lag ein wimderlicbes Land vor uns, ein grosser Garten, voll der freundliclisten Landhäuser. Wir flogen an Bhiti- kenese vorüber, der diciite Mastenwald breitete sich mehr und mehr vor uns aus und um 9 Öhr stieg ich in Hamburg an's Land. Hamburg istim Allgemeinen keiueStadt einer vorwaltend wissenschaftliciien Bedeutung; sie ist vielmehr durch und durch Geschäftsplatz, reich und somit auch ein Ort des mannigfal- tigsten sozialen Genusses, indessen Bereiche ein lebenslustiger Wanderer sehr gerne einige Zeit verweilt, ümsomehr ragen Individualitäten, wie: Struve, v. Pretis, mein verehrter Freund BooTHE, Pastur Kessler , Professor VV^iebel glänzend hervor und in ihrer liebenswürdigen, lehrreichen Gesellschaft Aergisst man des Mangels ausgedehnter Museen und Sammlungen, die sich in Hambuig vorzüglich nur auf die prachtvoll angelegte Bibliothek und auf das an interessanten Details sehr reiche, aber ganz und gar nicht geordnete , RöDiNo'sche Museum be- schränken *. Vom ßanquier der norwegischen Regierung, Arnemann, auf das Freundlichste mit Empfehlungen nachlSor- wegen ausgestattet, verliess ich Hamburg am 13. Juli und begab mich über Oldeslohe nach Lübeck, der alterthümlicheu, durch die perfide Politik Dänemarks fast zu Grunde gerichte* ten Hansestadt, von da nach Travemünde, wo ich mich am 14. Juli Abends an Bord des Dampfschiffes Frederik den Siette nach Kopenhagen einschiffte. Das ganze Terrain von Hamburg nach Lübeck besteht aus Alluvium, Schutt und Sand. In unbedeutender Tiefe finden sich Granitgerölle mit den au der Oberfläche liegenden erra- tischen Blöcken gleicher Abstammung. Dass dieses Terrain einst Meeresboden war, beurkunden ganz unwiderlegbar die Düiieuzüge. Entweder hat sich daher das Land gehoben, oder das Meer hat sich durch die von ihm ausgegangene Anhäufung des Landes zurückgezogen , Avelches leztere mir wahrschein- licher ist. Die erratischen Blöcke, ihrer Innern Gesteinsuatur nach ganz derselben Felsbildung angehörend , wie die an den "'■ Dr. Zimmermann : über die geognostisclieii Verhältnisse Ham- burgs uurl der nächsten Umgebung' desselben. In v. LEOiVHAno's Jahrbuch 1838, p. 371 etc.; 1841, p. 644 etc. und 1846, p. 49 etc. 518 Küsten Skandinaviens bis zum höchsten Norden hinauf anste- henden krystailinischen Gesteine, haben bekanntlich in Bezug; des vermutheten Transportes von ihrer ursprünglichen Lager- stätte bis in die norddeutschen Niederungen zu den mannig- faltigsten Meinungen und Hypothesen Veranlassung gegeben. Manche darunter sind sehr scharfsinnig, manche überschreiten geradezu die Gränze des gesunden Menschenverstandes; wahr- scheinlich hingegen ist mir nur eine, nämlich die, dass gar kein solcher Transport über Meer und Land je statt gefunden hat, weder aus Norden, noch aus Süden, sondern dass diese Blöcke nur die Reste lokaler Ablagerungen solcher krystallinischer Felsgebilde seyen *. — Ich habe diese Ansicht während mei- ner Reisen im Innern von Afrika lange vor der Zeit gewonnen, bevor ich wissen konnte, dass dieselbe auch von anderer Seite ausgesprochen werde. Centralafrika, nördlich vom Aequator, besteht bekanntlich zum grössten Theile aus einer unermess- lichen Ebene, durchschnitten vonperennirenden und von Regen- Strömen, bedeckt von Alluvionen in sehr grosser Mächtigkeit. Auf diesen Ebenen, gleich dem weiten Meere , dessen Boden sie zum grossen Theile einst bildeten, sehen wir in grosser Anzahl ganz isolirte Hügel, kleine Berge, die sich stellenweise näher an einander schliessen, Berggruppen bilden; immer aber bleibt der Charakter der Isolirung festgehalten und auf zusammenhängende Ketten stossen wir erst in Abyssinien und am Westrande der Galluländer. Häufig bemerken wir au solchen Hügeln eineAneinanderreihungin gewissen Richtungen, obwohl unter sich häufig sehr weit von einander entfernt, und in solchem Falle erscheinen sie gleichsam wie zu Tage ge- hende Schichtenköpfe, Gangkämme, Formationszüge u. s. w. Alle diese isolirten Hügel und Berge bestehen aus krystaili- nischen Gesteinen, aus Granit, Gneiss, Syenit, Porphyr, öuarz, jedoch ganz verschieden von den gleichnamigen Gesteinen der weiter gegen West und Süd vorliegenden abyssinischen und Gallaberge. Während die Gesteine lezterer mehr den Cha- rakter der Centralalpenbildung an sich tragen, zeigen die der ersteren eine ausserordentliche Aehnlichkeit mit den krystai- linischen Felsgebilden Skandinaviens, besonders mit den Gra- * V. RuMOHB in seiner Reise durcli die östlichen Bundesstaaten. 51» niten und Syeniten der Felsen (der Selieeren), welche die Kü- sten von Norwejren und Schweden bilden und deren Gesteine in Handstücken von vielen jener iiineratrikanischen Reihen- felsinsein gar nicht unterschieden werden können. Zu diesen Felsformen sind auch die meisten sog^enannten Katarakten des Nils zu rechnen, die}>^etrenesten Ebenbilder der Scheeren, nur in einem kleineren Massstabe. Es scheint eine Eigenthiimlichkeit dieser Gesteine, insbe- sondere des durch seinen g^rosskrystallinischen, meistens rothen Feldspath ans<»;ezeichneten Granites zu seyn , dass sich der- selbe viel leichter in lose, gerundete Blöcke trennt, als diess beim Granite der Centralalpen der Fall ist, der dem Gneisse näher steht und entschieden älter ist. So sehen wir auf den Savannen von Sennaar undKordofan sehr häufig isolirte Berge, welche nunmehr ganz auslosen, zum grossen Theile abge- rundeten Blöcken bestehen ; wir begegnen solchen Blöcken häufig mitten auf der Alluvialebene zerstreut, erratisch mit einem Worte, zum Theil auch in grosser Entfernung von Hü- geln oder Bergen desselben Gesteins. Wo sind nun diese erratischen Blöcke Centralafrika's hergekommen? Von den abyssinischen und Gallabergen nicht, denn deren Gestein ist ein anderes 5 von JNorden auch nicht, denn da müssten wir wohl gar den Stamm in Europa suchen, vvasselbst mit Zuliülfe- nahme einer Gletscherpost an Wahnsinn gränzen möchte. Sie stammen offenbar von solchen isolirten Hügeln ab, die wir so zusagen vor unsern Augen in Blöcke zerfallen sehen; von manchem solcher Hügel ist fast nichts mehr übrig als Gerolle und wie mancher mag schon auf diese Weise gänzlich ent' schwunden seyn. Die sogenannten erratischen Blöcke sind daher in Centralafrika erwiesenermassen keine Fremdlinge und somit auch nicht „erratisch" im eigentlichen Wortsinne: sie sind vielmehr an Ort und Stelle durch gänzliches Verfallen grösserer Massen des gleichen Gesteins entstanden und hie und da durch lokale Ursachen, durch Regenströme (sogenannte Chors) mehr oder weniger weit von ihrer ursprünglichen Fundstätte entfernt, als Gerolle zusammengehäuft, nie aber über Berg und Thal, über Meer und Land transportirtv^^orden. Wo man auf den Savannen von Kordofan mit Brunnen tief 520 genug niederging und die Alluvionen durchsank , fand man überall Granit oder älinliche krystallinische Felsbildiuigen als unmittelbare Grundlage derselben. Wenn ich niclit irre, so erzäiilte mir mein Freund Hoch- EDER in Wien von einem ganz gleichen Verhalten der errati- schen Blöcke auf den weiten Ebenen Brasiliens. Um wie viel schneller mag aber eine solche Zerstörung derartiger Granitfel- sen submarinisch vorsieh gehen, um wie viel leichter wird nicht daselbst den untermeerischen Strömungen derTransport und die Zusammenhäufung sulcher Blöcke zu und an gewissen Stellen. Ich kann mich daher, meiner bisherigen persönlichen Ueberzeugung gemäss , von der Anslcbt nicht lossagen , dass die sogenannten erratischen Blöcke keineswegs von den Ge- birgen Skandinaviens herstammen, dass somit auch ilirTrans- port von dort weder durch Gletscher , noch durch Eisschollen bis auf die INiedernngen INorddeutschlands statt fand , sondern bin vielmehr der Meinung , dass die vorgeschichtliche Nord- küste unseres Vaterlandes von eben solchen Scheereninseln begleitet nurde, wie wir sie heut zu Tage noch an den Küsten Skandinaviens sehen, dass die krystallinischen Gesteine der- selben,hier und dortdiegleichen, nach und nach in Blöcke zer- fielen , diese durch Strömungen zum Theil ihren Patz veiän- derten, stellenweise zusammengehänft wurden, stellenweise am ursprünglichen Orte liegen blieben, dass die beutige Linie der sogenannten erratischen Blöcke nahe zusammenfallet! mag mit der Richtung der alten Felsenküste, dass spätere Alluvionen sowohl das Grundgestein, als diese Blöcke wieder bedeckten, nach Umständen aber auch, je nachdem dieFluthen wirkten, sie wieder entblössten und dass somit die sogenann- ten erratischen Blöcke INorddeutschlands nichts anderes seyen, als die Reste der alten Felsenküste dieses Landes. Dass man bisher nicht krystallinische Gesteine als unmittelbare Grund- lage der mächtigen Alluvionen fand, kann ich erstens so ge- radehin nicht einmal glauben und zweitens sind mir keine bis zu genügender Tiefe niedergeführte Versuchbaue bekannt. Es handelt sich auch sehr darum , wo solche Baue (Schächte, Brunnen, Bohrlöcher), niedergebracht werden , denn sowohl hinter, als vor der alten Scheerenlinie kann damit der Zweck 521 verfehlt weiden ; kurz die Constatirung braucht Geld , Fleiss, lokales Studium; die flüchtig- hingeworfene Hypothese braucht nur Phantasie. Am 15. Juli Morgens standen wir an der Insel Möen, deren weisse Kreidefelsen Aveit hinaus in die See leuchten *. Bald darauf erblickten wir die niedere Küste von Seeland, gleichzeitig auch jene von Schweden und um 11 Uhr landeten wir in Kopenhagen. Die niedere Eibene, nur wenig über das JMeer ansteigend, mit den vielen emporragenden Thnrmen, machte auf mich einen sonderbaren Eindruck ; es kam mir vor, als niüsste das Ganze aus Mangel an Halt vor meinen Augen in die Fluthen versinken. Ich glaube daran war bei mir der Gebirgsländer etwas stark schuld, der an den Anblick seiner Berge von Jugend auf gewöhnt ist. Von unserem Gesandten Baron Langenau auf das lierz- liciiste empfangen und sogleich mitdem trefflichen Thomson, mit Of.rstedt, Varcas Bedkmar , mit Rheinmann , Bingel, Forch- hammer, Beck u. m. a. bekannt gemacht und S.M. dem Könige vorgestellt, der bekanntlich im Bereiche der Naturwissenschaf- ten Aveit über blossen Diletantismus stand , öff^neten sich mir schnell die reichen Schätze Kopenhagens. Die Sammlung skandinavischer Alterthümer, in jeder Richtung die erste dieser iVrt in der Welt, durchging ich mehrmals unter Thomson's lehrreicher Führung. Er theilt die ethnographische Entwicklung des hohen skandinavischen Alterthums in drei Zeiten : die Steinzeit, vorgeschichtlich, die Zeit der Götter, Kobolde, altceltischer Volksstamm, alle Werkzeuge und Waffen, Messer, Keile, Sägen u. s. w. aus Stein, der Schmuck roh aus Bernstein verfertigt ; die Kup- ferzeit, Periode der finnischen Einwanderung, Zeit der Rie- sen , welche mit den Göttern kämpfen , Schwerter, Dolche, kleine Sägen, Hals- und Armbänder aus Kupfer; die Eisen- zeit, Periode des Einfalles germanischer Volksstämme, Odin's Verehrer, Zeit der Helden und Krieger, anfänglich das Eisen noch kostspieligerals das Kupfer, daher: kupferne Werkzeuge mit eisernen Schneiden, Schwerter^ an denen der Griff von * Forchhammer : Danemarks geognostiskc ForhoUl Kjübenhaven, 1S35. Mit einen) geognostischen Kartellen. 52i Eisen, die Klinge von Kupfer ist. Mit der Eisenzeit beginnen die Runen, und die heutigen hölzernen christlichen Kalender im hoheuNorden, z.B. zu Martini mit der eingeschnittenenGans, sind ganz gleich jenen dieser alten Heidenzeit. — Diese Abtheilung der Sammlung enthält die interessantesten und werthvollsten Gegenstände, sie geht in die späteren Perioden hinüber, es er- scheinen Schwertknöpfe aus Glasmosaik, prächtige, schwere Arm- und Halsbänder aus Gold. Am spätesten scheint man die Bearbeitung des Silbers kennen gelernt zu haben. Auch die alten Skandinavier bewahrten zum Theile die Asche ihrer Verstorbenen in Urnen. Zu derselben Zeit befand sich gerade der Amtmann Ployen * von den Faröer-Inseln in Kopenhagen, ein sehr unterrichteter junger Mann , mit welchem zusammen ich oft stundenlang dem gefälligen, gelehrten Thomson zu- hörte — jedes Wort durchdacht, jedes Wort von Werth. Die Mineraliensammlung des Königs enthält, was nor- dische Stücke von den Faröern, von Island , Grönland u. s. w. anbelangt, das Seltenste und Schönste, z. ß. Mesotype, Avel- che ich der Art nie früher gesehen habe. Dasselbe ist auch der Fall mit der mineralogischen Abtheilung des Äluseums. Die zoologische Abtheilung des leztern ist besonders schön gehalten, zum Theile auch sehr vollständig. Die Reihe der Robben ist ganz vorzüglich, unter welchen die grönländische Klappmütze besonders bemerkt werden muss. Der Conchy- liensammlung dürften wohl wenige zur Seite zu stellen seyn, sowohl was Vollständigkeit als was einzelne Prachtstücke anbelangt, z. ß. der höchst seltene Conus Cedo nulli (Regina australis, gloria maris) und mehrere prachtvolle ünica. Aus- serdem enthält Kopenhagen mehrere, wenn auch sehr schlecht untergebrachte, doch ihrem inneren Gehalte nach hoch schätz- bare Bibliotheken und was die Stadt, ausser der mit Bezug auf das Mittelalter bekanntlich vverthvollen Sammlung auf dem Schlosse Rosenborg, an Kunstschätzen aufzuweisen hat, dafür bürgt allein schon der Name Thorwaldson. Begeistert aus dem Innern der Frauenkirche tretend, wo bekanntlich Thorwaldson's zwölf Apostel und sein unübertrefflicher Christus aufgestellt '' Bekannt durch seine Erindringcr fra en Reise til Scheflands- öerne, Öerken öeme og Skolland. Kjöbenhaven 1839. 523 sind, wo aber doch unter all' diesen Meisterstücken die wahr- haft himmlische Gestalt des in der Mitte des Presbyterinms knieenden Engels mich am meisten entzückte, eilte ich mit Langenau nach den Ateliers des leider abwesenden Kiinstlers. Er hatte gerade eine Venus in der Arbeit — welche Götter- fornien — und welche glühende Phantasie mnss Thorwaldson als jungen Mann begeistert, durchdrungen haben, da aus seiner 70jährigen Meisterhand noch solche Gebilde hervorgingen. Im Schlafzimmer Thorwaldson's hing nur eine vorzügliche Copie der lieblichen Maria Sixtina vonUAPUAEL neben seinem Bette — alles einfach — wie stets bei grossen Geistern. A m 17. Juli verliess ich, meine Reise nach dem hohen Norden Enropas antretend, Kopenhagen und schiffte mich an Bord des Dampfschiff'es Prinz Carl nach Christiania ein. Dem Zufalle, dass vor Kurzem die dieses Jahr in Kopenhagen ab- gehaltene Versammlung der skandinavischen Naturforscher zu Ende gegangen war , hatte ich das Glück zu danken , die beste Reisegesellschaftzu finden, welche ich mir nur wünschen konnte. Die Professoren Holst und Kaiser kehrten nach Christiania zurück ; Prof. Steffens aus Berlin mit seiner Fa- milie und Dr. Cheaüfpier aus Hamburg mit seiner geistreichen Tochter Henriette und einer Anverwandten, eine blühend schöne Blondine, gingen nach Norwegen auf Besuch; dazu gesellte sich ein schon seit Jahren in Deutschland lebender, fein gebil- deter Russe, mein werther L. Härder, und da wir in wenigen Minuten unsere gegenseitige Bekanntschaft gemacht hatten, so kam es, dass ich diese Seereise zu den angenehmsten rechne, die ich je unternahm. Abends hielten wir bei Hel- singör an der Küste von Seeland, gleich darauf gegenüber bei Helsinborg an der Küste von Schweden und liefen nun aus dem mit Segeln bedeckten Sund hinaus in den Kattegat. Der Kattegat , bekannt wie die ganze Nordsee seines stets hohen Meeres halber, forderte seine Rechte. Unsere schönen Damen wurden blässer und blässer, sie verloren sich und nur unserer Wenige, den Tanz der^ Wogen bereits Mehrgewohnte, blieben der überfüllten Kajüten wegen die Nacht durch auf dem Verdecke. Achter Abschnitt. Reisen in Norwegen und Schweden. «) Von üopeultag-eii nach Cröteborg^. Frainin«n. Kong'sberg-. modtiin. Vin- doren. Rückkehr nach Christiania. ningerig-e. Velo. liiilehannnBer. Ousdalen. Oulbraurti^dalen. Kringrelenpass. »er Üovrefjeld. JTerkSn.j Oester- dalen. Kliraas. Trondiijeni. I^eerfos. Am 18. Juli 1840. Wie gev\öliiilicli ging im Kattegat die See sehr hoch und die Nacht war daher, selbst für uns Männer, nicht gerade die freundlichste. Am Morgen befanden wir uns zwischen den Scheeren der schwedischen Küste an der Mündung des Götaelf bei Göteborg, Ein eigener sonder- barer Anblick, Ich glaubte micli mitten in einem der Schellais des Nils zurück versezf;. Hier, wie dort, eine Unzahl von Felsen- inseln, gross und klein, theils aus dem Wasser mit ihren ge- rundeten Rücken hervorragend , theils sich in demselben ver- bergend , nur das ganze in einem viel grösseren Massstabe. Durch das Labyrinth von Kanälen zwischen diesen zerstreut umher liegenden Inseln und Klippen wird natürlich die Schiff- fahrt zwischen den Scheeren sehr schwierig, erfordert sehr verlässliche Lotsen und die Menge der Leuchtthürme entlang der Küste macht schon von Vorneher einen v^arnenden Ein- druck, üebrigens für den Reisenden ist die Fahrt zwischen den Scheeren sehr angenehm ; denn da ist die See immer ru- hig, mag sie auch aussen noch so hoch gehen. Die Felsen- inseln selbst bieten von Moment zu Moment die interessante- sten Gruppirungen, manchmal recht hübsche Parthien dar, jedenfalls mehr Augenweide als die monotone, wenn auch be- wegte, unabsehbare Wasserfläche. 525 Da das Dainpfscliifl bis zum Abend vor Anker liegen blieb, so eilten wir alle uacii Göteborg, die meisten zu Lande, ich mit Härder auf einem Segelboot. Die Bucht des Göta Elf, des Ausflusses des grossen VVeiiernsee's, bietet durch die sanft gerundeten Granitinseln , durch das frische, nordische Grün der Bäume und Wiesen und durch die niedlichen, halb zwischen Bäumen und Felsen versteckten , roth oder gelb an- gestrichenen Häuschen einen reizenden Anblick dar. Goeteborg, welches ich später auf meiner Rückreise durch Schweden noch einmal besuchte^ ist durch seine Lage am süd- westlichen Ende des Trollhättankanals, der mit Benützung des Goeta Elf die Nordsee mit dem grossen VVenernsee und so- dann als Goetakanal lezteren mit dem VV^etternsee und wei- terhin mit der Ostsee bei Söderköping verbindet , folglich das ganze südliche Schweden querdurchschneidet *, ein sehr wich- tiger Handelsplatz, der zwar in dem Falle, als der dänische Sundzoll einst aufgehoben werden dürfte, wohl an Bedeutung verlieren kann , aber demungeachtet für den Binnenhandel stets ein belebender Nerv verbleiben wird. Wie überhaupt in den grösseren Städten Schwedens ein gewisses wissen- schaftliches Anstreben nicht zu verkennen ist, dem besonders im Bereiche der Technik und der Naturwissenschaften die neuere Zeit so manche ihrer Koryphäen zu verdanken hat, so auch Göteborg. Die daselbst bestehende polytechnische Schule,zwar klein vom Umfange, istvortrefTlich eingerichtet *. Ich besah sie auf meiner Rückreise zusammen mit meinem hochverehrten Freunde und Reisegefährten Prof. Carl Ritter, unter des Direktors derselben, Prof. Palmstedt, freundlicher Führung. Alle Modelle und Apparate des schön nnd elegant gehaltenen Kabinetes sind von den Zöglingen selbst gearbei- tet, die Bibliothek enthält das Beste und Neueste in gediege- ner Auswahl und da es der Zweck des Institutes ist, nicht bloss Jünglinge mit gelehrtem Firnisse, sondern theoretisch und praktisch durchgebildete Leute in die Welt hinaus zu ' Ich befuhr diesen Kanal in seiner ganzen Länge bei meiner Rückkehr aus Stliwedeii. Das Programm derselben : Öfersigt af Chalmerska Slöjd Skolans Göteborg Avbeten och FörhalJHnden. Göteborg, 1840. 526 senden, so sind das chemische Lahoratovium, die Schnaide- u. dgl. Weikstätte in einem Grade von Vollkommenheit, mit Vermei- dung' alles unni'itzen Luxus, ausgestattet, der die vollste An- erkennung verdient. Das herrschende Felsgebilde um Göteborg, sowohl das Festland als die Inseln bildend , ist Gneissgranit der Jüngern Bildung. Am 19. Juli. Die Nachtfahrt über den Skagerak war der unruhigen See halber noch schlimmer als die durch den Kattegat. Die starken Bewegungen des Schiffes machten fast Alle seekrank und ich selbst war herzlich froh, als wir am frühen Morgen in das ruhige Fahrwasser der Scheeren an der norwegischen Küste gelangten. Um 6 Uhr hielten wir bei Frederiksvärn in der Nähe von Laurvig, ein niedliches Städt- chen in einer wild romantischen Felsumgebnng *. Wir ver- liessen hier das dänische Dampfboot Prinz Karl und bestiegen das norwegische „Konstitutionen", mit dem wir um S Uhr M. in den herrlichen Cliristianiafjord einliefen. Die Menge von Felsinseln am Eingange des Fjord, zum Theil in den malerisch- sten Formen, die mit dunklen Tannenwäldern bedeckten Berge, die niedlichen Häuschen und dazu , was^ich am wenigsten er- wartete, eine fast an den gemässigten Süden erinnernde klare Beleuchtung, geben diesem nordischen Bilde einen eigenen Reiz und machen die Fahrt durch den Fjord zu einer der an- genehmsten. Wir hielten der Passagiere wegen bei mehreren Städtchen an, so in Tönsberg, Moss, Holmestrand, Dröback und erreichten endlich um6 Uhr Abends das keineswegs grosse aber ausnehmend hübsch gelegene Christiania *. Am 20. Juli. Durch Arnemann's freundliche Empfehlun- gen an den ausgezeichneten Staatsrath Vogt, dem Vorstande Das in der mineralogischen Welt so bekannte, südwestlich von Frederiksvärn ai) der Küste liegende Arendal gedachte ich auf der Rück- reise aus Norwegen zu besuchen. Da ich jedoch später meinen Plan änderte und von Trondhjem quer durch nach Schweden ging, so blieb es beim Vorhaben. M. s. über die Gegend bei Arendal : Bemerkungen über die geognostischen Verhältnisse der Küste von Arendal bis Laur- vig im südlichen Norwegen. Von Wbievk zu Krageröe. Leonhard'« Jahrbuch 1847, p. 697. *•' Mit 25000 bis 30000 Einwohnern. 527 vom Finanzdfipai'tement des wohlgeordneten und ncich walir- haft freisinmVen Prinzipien regierten Staates, sowie durch meine Reisegesellschaft seihst, gelang es mir augenblicklich die interessantesten Bekanntschatten anzukni'ipfen. Von allen Seiten mit der biedersten Gastfreundschaft aufgenommen un- terstüzte man die Verwirklichung meines Reiseplans mit einer Zuvorkommenheit, diemeinen wärmsten Dank verdient. Staats- rath Vogt hatte die Güte einen Beamten des Finanzdeparte- ments, da ich derskandinavischen Sprachen selbst uicht mäch- tig bin, mir in der Person meines theuern Freundes Fritz Tahlow für die ganze Reise mitzugeben ; Staatsrath Crogh, die Professoren Taulow, Bruder meines Reisegefährten, Holst, Kaiser, Esmark, die Konsnle von Dänemark und Frankreich gaben mir aus dem Bereiche ihrer ausgedehnten Kenntnisse des interessanten Landes und seiner Verhältnisse die schätz- barsten Notizen. Nur Hansteen und den mir dem Fache nach am meisten verwandten Prof. Keilhau hatte ich nicht das Ver- gnügen in Christiania zu treffen. An Sammlungen, ausge- nommen die schönen elektrischen Apparate für Mediziner im physikalischen Kabinete und die mineralogische und ornytho- logische Sammlung norwegischer Vorkommnisse des Professor Esmark, in welch' lezterer die aus hohen südlichen Breiten ab- stammenden und als verschlagene Wanderer in Norwegen geschossenen Vögel, z. B, der stahlgrüne Ibis vom Bacher el Abiad, wohl am meisten interessiren , ferner das wohl einge- richtete chemische Laboratorium des Prof. Taulow, sowie das kleine, aber hübsche Kabinet skandinavischer Alterthümer, hat Christiania im Ganzen wenig Wichtiges aufzuweisen *. Desto interessanter und lehrreicher aber ist die Umgebung der Stadt und des ganzen Fjords in geognostischer Beziehung. Hier ist das klassische Terrain, wenn man sich dieses Aus- druckes in geologischer Bedeutung bedienen darf, wo die ür- anfänglichkeit der krystallinischen Gesteine, namentlich des Granites und Syenites zuerst gestürzt wurde , als die klaren Thatsachen es unabweislich dargethan haben, dass diese Ge- * Gerade zur Zeit meiner Anwesenheit wurde im Christianiafjord, bei Dröback. ein junger 16 Fuss lanjjer Walifisch p^efangen nnd derselbe nofh frisch in Christiania zur Srhan uiisg^eslelit. 528 steine auf jüngeren , versteinerungsreichen Schichten regel- mässig aufgelagert, folglich neuerer Entstehung als diese sind. Es ist vor der Hand, da ausser einigen ganz vorzüglichen Detailarbeiten * meines Wissens noch kein geogn ostisch geschlossenes Bild von Norwegen und Schweden be- steht 5 wie diess z. B. mit den geognostischen Karten von Deutschland, England und Frankreich der Fall ist, sehr schwer mit scharf bezeichnenden Umrissen einen allgemeinen Ueber- * z. B. vor Alleu ausgezeichnet cliircli inuibertroiFene Klarheit der Darstellung: Leopold v. Buch, Reise durch Norwegen und Lapp- land. 2 Theile. Berlin 1810. Ferner : Vargas Bedehiar : ReJ.se nach dem hohen Norden durch Schwe- den, Norwegen und Lappland. Frankfurt a. M. 1819. Keilhac: Gaea norvegica, mit Durchschnitten und Karten. Chri.sti- ania, l. Lieferung 1838, 2. Lieferung 1844. Wird fortgesetzt. Esmark: Reise von Christiania nach Drontheim. Chrisfiania 1829. Robert: geologische Abhandlungen in den Bulletins de la Soc. geolog. de France. Paris 1842, XIII etc. Relation aux travaux physiques de la comission scientifique du Nord. Extrait des comptes rendus des Seances de l'Academie des Sciences. Seance du 17. Fevrier 1840. HisiNGER : Versuch einer mineralogischen Geographie von Sciuveden. Deutsch von WoEHr.KR. Leipzig 1826. Hisinger: Geoguostisk Karta öfver medlersta och södra Delarne af Swerige. SucKOw: Beiträge zur Kenntniss Skandinaviens. Parallele zwischen dem schwedischen und norwegischen Urgebirge. Jona 1841. Engeström: Guide du Voyageur aux Carriferes et mines de Suede. Stockholm 1796. FoRSELLEs: Berättelse om Sala Silfververk. Stockholm 1818. Mit Karten und Grubendurchschnitten. Hermelin: Minerographie von Lappland und Westbothnien. Deutsch von Bi.uMHOF. Freiberg 1813. Naumann: Beiträge zur Kenntniss Norwegen.«. 3 Theile. Leipzig 1824. Von allgemeinerem Interesse für Norwegen und Schweden: Blüm: das Königreich Norwegen statistisch beschrieben, 2 Theile. Leipzig 1843. Mit 2 Karten. Otte: Reise durch Norwegen. Berlin 1835. v. Schubert: Reise durch Schweden, Norwegen, Lapplund, Finnland und Ingcrmannland. Leipzig 1823. Acerbi : Reise durch Schweden und Finnland bis an die äusserstcn Gränzen von Lapplaiid. Berlin 1S03. Hogguer: Reise nach Lappland und dorn nördlichen Schweden. Mit einem Atlasse. Berlin 1841. 529 blick des Felsbaues dieser Länder zu geben. Fest stebt je- doch, dass das Grundgestein der ganzen skandinavischen Halbinsel der G n ei s s inseinen mannigfaltigen Uebergängen zum Granit und Glimmerschiefer bildet, mit welch' lezterer krystallinischen Felsbildung, wie in den Alpen, Cbloritschiefer Hornblendegesteine , Epidotgesteine u. s. w. zusammen auf- treten. Dieses Terrain von Granit-Gneiss und ältesten kry- staliinischen Schiefern, in einer Ausdehnung auftretend, die in Europa nicht ihres Gleichen findet, sieht man in gewissen Distrikten, jedoch ohne Zusammenhang unter sich , somit auf das Felsgebäude des ganzen Landes bezogen: „lokal'% von Gesteinen jüngerer Bildung überlagert und bedeckt, welche leztere offenbar nur in der Rolle von Mulden- , Buchten-, ßeckenausfüllungen auftreten und wobei der Akt vulkanischer Erhebung sich höchstens nur im südlichen Schweden vermuthen lassen könnte. So sehen wir im höchsten Norden, unter den ßreiteparallelen des 6!>. bis zum 71. Grade, ganz umgeben vom Grnndgesteine, von Gneiss und Glimmerschiefer, die isolirten Auflagerungen der Grauwackenperiode (Sandsteine, Conglo- merate, Quarz, Thonschiefer, Kalkstein) am Quänangen- und Altenfjord, landeinwärts bis zum Karas Jok und nahe an Kautokeino, ferner nördlich des Tanaelv und Varangerfjords, am Tana-, Laxe- und Porsangerfjord, so sehen wir die ganze Bucht von Christiania, nordwärts vom Mjösensee angefangen, dem schönen Fjord entlang bis herab nach Langesund , rings- herum eingeschlossen vonGnelssbergen, ausgefüllt mitGebilden der üebergangszeit (Thonschiefer, Kalkstein, Sandsteine, jün- gerer Granit und Syenit, Porphyr), so sehen wir endlich im südli- chen Schweden, abgerechnet die grossen Ablagerungen der Allu- vial-und Diluvialzeit als oberste Decke, zerstreut erscheinende, ganzisolirte, jedoch nirgends in beträchtlicher Ausdehnungauf- tretende Gebilde der Grau wackenzeit, der Keuper-, Lias-, Oolit- und Kreidereihe. Dahin gehören jene interessanten Kegel- berge und Beigrücken in W estgothland, zwischen dem Wettern und Wenernsee, bestehend aus Sandstein, Alaunschiefer, Kalk- und so viele Andere , nebst vielen in Zeitschriften zerstreuten Abhand- lungen, deren ich zum Thcile im weitern Verlaufe meiner Reise Er- wähnung^ thun werde. Russrgger, Reisen. IV, Bd. 34 530 stein uiul Tlionschieferder Uebergangszeit, zu oberst mit Diorit, nämlich die isolirten Klippen des KinneknIIejBillingen, bei Falkö- ping; etc. Dann der Halleberg- und Huneberg bei Wenersborg *, aufweiche Punkte ich später ausführlicher zu sprechen komme. Die wichtigste und belehrendste dieser hier erwähnten , das Grundgestein Skandinaviens bedeckenden üebergangsgruppen bleibt immer die von Christiania. Der Gneiss, als Grundge- stein, ähnlich dem Gneisse der Centralalpen, zieht sich an der Ostküste des Christianiafjordes ** von der schwedischen Gränze nordwärts über Dröbak nach Christiania , nimmt von da an mehr eine nordöstliche Richtung, berührt das südliche Ende des Hurdals Söen , jenes des grossen Mjösen, bildet dessen östliche Ufer, tritt ungefähr in der Mitte der ganzen Seelänge wieder auf die westlichen Ufer herüber und zieht sich nun gegen Südwest zum Randsfjorden, bildet dessen westliches Ufer, weiterhin gegen Süden jenes des Tyrifjorden , begleitet den Drammenelv bis Houg und erstreckt sich von da über Kongsberg, dann, einen weiten Bogen gegen Westen beschrei- bend, entlang dem ßöeelv über Skien, Porsgrund, Langesund an die Südküste von Norwegen, westlich vom Christianiafjord. Diese ganze, weite und beinahe durch zwei Breitegrade in die Länge gestreckte Einbucht im Gneisse erfüllen Ueber- gangsgebilde, deren lokales Vorkommen man am Klarsten aus Keilhaus schöner geogiiostischer Karte*"* entnimmt, v. Buch, der zuerst helles Licht über dieses Terrain verbreitete , gibt uns im Allgemeinen bezüglich der Lagerungsfolge der einzel- nen Glieder dieser Gruppe folgenden Durchschnitt von un- ten nach oben t- 1. Gneiss (eigentlich Gneissgranit) als Grundgebirge ff. 2. Th ons c h i ef er un d K al k ste i n. Von Buch mit gutem Grunde verrauthet, aber ohne bestimmte Beobachtung. 3. Granit und G n ei s s g r a n i t. Weit verschieden * M. s. HisiNGER , Versuch einer mineralogisclien Geographie etc. p. 20, p. 198 etc., sowie dessen vorn zitirte geog^nostischc Karte. ** Keilhau, Gaea norve»'. l. Lieferung. *** Gaea norvegica. Lieferung 1. t V. Buch, Reise etc. 1, p. 140. it Keilhau über die skandinavische Gneissformation. Nyt. Maga- zin für Naturvidenskaberne. 1844, IV, 267. Leonhard's .Jahr- buch 1846, p. 841 etc. 531 von dem der ('entialalpeiijähnlichjeneni der Katarakten lies Nils tiiid der Inseibeige anf den weiten Ebenen des innern Afrika. Znin Tlieile in Syenit übergehend. Grobkörnig;, feldspathreich, grosskrystallinisch, der Feldspath (Ortlioklas und Albit) mei- stens fleiscJMotli, die Hornblende schwarz. 4. T hon schiefer und schwarzer Ortocerathi- t e n k al k. 5. G r a u w a c k e n ähnlicher T h o n s c h i e f e r. 6. Kieselschiefer, Hornsteinschiefer (Keilhau's sog-enannte harte Schiefer). 7. Sandstein. 8. Feldstein porphyr, Euritporphyr , Hornstein- porphyr. 9. Granit mit Zirkonsyenit. 10. Zir k onsy en i t, als oberstes und neuestes Gestein, Hornblendegesteine verschiedener Art, insbesondere Dio- rit und ähnliche Trappbildnngen durchsetzen als Gangansfül- lungen fast alle so eben erwähnten Glieder der Uebergangs- gruppe. Insbesondere ist das Gebiet des Kalkes und der Schiefer reich an Dioritgängen. Wenn man diese hier ange- gebene Lagerungsfolge der Felsgebilde, in so Aveit deren Vor- handenseyn und geognostische Stellung unbezweifelbar nach- gewiesen ist, summarisch betrachtet, so ergibt sich uns folgen- des Lagerungssystem von unten nach oben: 1. Aeltester Gneissgranit. Grundgebirge von Norwegen und Schweden. Begleitet von Glimmer- und Chlo- ritschiefer. Formation der Centralalpen. 2. J ü n g e r e r G n e i s s g r a n i t. Vorherrschendes Ge- stein im mittleren und südlichen Schweden. 3. S i I u r i s c h e F o r m a t i o n. 4. Porphyre. Feldsteinporphyr. Eurit. Grünstein. 5. J ü n g s t e r Granit mit Zirkonsyenit. Christiania's nächste Umgebung, ausgenommen das ge- gen Ost anstehende Grundgestein, den Gneiss, gehört ganz dem Thonschiefer und Kalksteine an , denen welter landein- wärts Kieselscliiefer und Sandsteine, Granit und Syenit auf- liegen, während als Hintergrund hohe Porphyrberge das ganze Terrain im weiten Bogen umgeben. .14* 532 Auf dem Landgute des Professor Kaiser hatte ich Gele- genheit einen sehr mächtigen und in seinem Verhalten sehr interessanten Dioritgang zu besichtigen, der daselbst den vom Trilobitenkalk bedeckten Thonschiefer durchsezt.. Die Dio- ritmasse umschliesst theils scharfkantige , theils gerundete Trümmer, theils wirkliche Geschiebe von Gneiss und Granit, deren Ränder mit der Dioritmasse innigst verbunden, gleichsam verflossen sind. Ä m 24. Juli. Das Reisen in Norwegen bat etvras ganz Eigenthümliches. Soweit Strassen gegen Norden hinaufrei- chen, welche, wenigstens in der bessern Jahreszeit, gleich in Schweden, fast alle sehr gut sind, bestehen auch eigene Post- stationen. Bekanntlich gibt es in Norwegen nur Küstenstädte, oder vielmehr Städtchen und einzelne Bauernhöfe , Gaards. Dörfer, Marktflecken und dergleichen Erscheinungen eines gedrängteren Volkslebens kennt man in einem Lande nicht, das auf eine Area von .5571 geographische Quadratmeilen * kaum so viele Einwohner zählt als Paris. Von Strecke zu Strecke ist nun ein solcher Gaard als Poststation bestimmt und eingerichtet , d. h. man findet daselbst grossentheils ein leidentliches, oft ein vortreffliches Unterkommen und bekommt die verlangten Pferde. Da jedoch diese nicht auf der Station selbstgehalten, sondern nach Uebereinkommen der Gemeinden erst von den umliegenden Gaards herbeigeholt werden müssen, so geht das Reisen in Norwegen nnr dann schnell, wenn man einen sogenannten Laufzettel immer einige Stationen voraus- sendet, wobei man aber sodann auch verpflichtet ist die selbst bestimmte Zeit des Eintreffens auf jeder Station einzuhalten, oder, wenn die Verzögerung nicht durch einen Unfall herbei- geführt wurde, das Wartegeld zu zahlen. Ganz das gleiche Verhältniss besteht auch in Schweden. Kutschen und der- gleichen bequemere Reisewagen bekommt man ausser den Hauptstädten nirgends und Avill man sich daher nicht zum Ge- brauche der Postkarren bequemen , welche unsern Strassen- schoddertruchen täuschend ähnlich sehen und in denen zu fahren mehr als gewöhnliche Höllenpein ist, so erübrigt nichts ••' Nach Blom. Die ganze preussische Monarchie umfasst nur 5091 Quadralmeilen. Die Totalbevölkerung Norwegens nachBi.om =■ 1194979. 533 Anderes, als sicli zu Reisen im Innern einen eigenen Wagen zu kaufen. Kutschiren inuss der Reisende seihst, denn häu- fig bekommt man auf den Stationen nur ein Kind, Knahe oder Mädchen, mit, welches die leeren Pferde wieder zurückbringt und ich erinnere mich noch recht gut eines solchen kleinen Po- stillons, den ich immer auf den Wagen und vom Wagen heben musste. Bedient wird der Reisende in Bezug seines Glepäckes und seines Wagens auf den Stationen nirgends, dazu ist der Normann viel zu stolz — geschieht es, so ist es nur eine reine und immer sehr seltene , ausnahmsweise Gefälligkeit, Um unsere lange Reise so bequem als möglich einzurich- ten, kaufte daher auch ich in Christiania einen leichten, aber fest gebauten, zweispännigen Waagen, einesogenanntePritschka auf Federn , die uns durch ganz Norwegen und Schweden die vortrefflichsten Dienste leistete. Im Kutschiren lösten Freund Taulow und ich einander ab; Wagenschmieren etc. traf meinen Freund, Koff'er auf und abzupa!;ken hingegen behielt ich mir vor und so ist es natürlich, dass als ich in Stockholm ange- langt wieder zuerst die praktische Idee eines Hausknechtes verwirklicht sah, mir ein Stein vom Herzen fiel ; denn ich mnss bekennen, so gerne ich mir mein Pferd selbst sattle, dem Koff"6r- Auf- und Abpacken konnte ich keinen Geschmack abgewinnen. Es war ein prachtvoller Morgen, als ich mit Taulow Chri- stiania verliess um das Biaufarbenwerk zu Modum und das alte berühmte Kongsberg zu besuchen. Wir passirten über Ravnsborg die herrlichsten Parthien am Christianiafjord , so- dann die grossen Wälder bei Gjellebacknnd genossen von der Höhe des Paradiesbacken die unvergesslich schöne Ansichfdes Drammenfjords und der Umgebung des freundlichen Dram- men, wo wir zu Mittag anlangten. Drammen, am Ausflusse des mächtigen Drammenelv Im gleichnamigen Fjord, ein Seitenarm des Christianiafjords, hat eine ungemein schöne Lage, die sich besonders oben von der sogenannten Brandwache aus , ein die Stadt beherrschender Hügel, am Besten überblicken lässt. Der Handel des blühen- den Städtchens beschäftigt sich vorzüglich mit Bauholz, das mittelst grossartiger Triftanstalten auf dem Drammenelv aus dem Innern bezogen wird. 534 Nach einem kurzen Besuche bei Thorne , dem Besitzer des neuen Kupferwerkes am Vindoren, welches ich von Koiigs- berg aus zu besuchen wünschte, sezten wir unsere Reise nach dem Drammenelv hinauf durch das Thal von Ekern fort, pas- sirten bei Hongsund den Drammenelv in der Nähe seinerdurch den Lachsfang- bekannten Wasserfälle und sezten nun an dessen rechtem Ufer durch grosse Wälder und tiefe, male- rische Felsschluchten unsern Weg gerade gegen Norden fort. Noch hatten wir Hassel-Eisenwerk , auf halbem Wege zwischen Hougsund und Fossum liegend, nicht erreicht, als ich ganz unvermuthet die Bekanntschaft des Bergmeisters BöBiCRT von Modum . nun k. norweg. Bergdirektor, machte, der gerade auf einer Geschäftsreise begriffen war, jedoch so gütig war wieder umzukehren. Auf Hassel- Eisenwerk , den Herren Benecke , Wegner lu m. andern Interessenten gehörend, werden Erze von Aren- dal und aus andern Revieren verschmolzen. Man erzeugt vorzüglich Gusswaaren und, obwohl damals der Absatz schlecht stand, war man doch gerade im Baue eines sehr hübschen Hohen-Ofengebäudes begriffen. Von Hassel -Eisenwerk angefangen bis Fossum ist der Weg schlecht, die Gegend jedoch ungemein anziehend. Die zerstreuten Bauernhöfe auf den vvaldbedeckten Höhen, die niedlichen Kirchen in den freundlichsten Lagen , erinnerten mich theilweise so lebhaft an mein schönes Heimathland, dass die grosse Ferne schwand , die uns trennte. In der Nacht langten wir zu Fossum im Kirchspiele Modum an. Auf unserer Route von Christiania bis Fossum blieben wir im Gebiete der Uebergangsschiefer und Kalke bis in die Nähe des Paradiesbacken, der dem Jüngern Granite angehört, welcher nun bis Drammen anhält, dort eine Strecke weit vom Porphyr unterbrochen wird, dann aber zu beiden Seiten des Drammenelv wieder erscheint. Noch einmal durchschnitten wir weiter flussaufwärts einen Stieifen des Schiefer- und Kalkgebirges, bis wir endlich bei Hougsund das Terrain des Gneisses betraten, welcher die Uebergangsformation \on Christiania gegen West begränzt und dem alle Gebirge bei Kongsberg, Houg, Fossum, Skuterud u. s. w. augehören. 535 Am 25. und 16. Juli verweilten wir zu Fossuni und in dessen Umgebung, besichtigten das berühmte Blanfarbenwerk und befuhren mit Böbkrt die Kobaltgruben auf Skuterud. Die unte»' Leihing des Direktor Roschbu aus Sachsen rasch zu ihrer gegenwärtigen Höhe entporgestiegene , den Herren Benecke und VVrgner gehöieiide Fabrik liegt dicht am Simöeelv, wo derselbe den prachtvollen Houg-fos, einen der schönsten Wasserfälle Norwegens, bildet*. Eine Brücke führt über den gewaltigen Absturz zu den Poch- und Wasch- werken auf der andern Seite des Flusses. Ungefähr eine Meile ** von Fossuni nördlich liegen am rechten Ufer des Snarum Elv die Skuterud- und Saastadsgruben , welche ihre Gefälle zur Fabrik in Fossuni abgeben. Noch ein wenig wei- ter gegen Nord , aber auf dem linken Ufer des Snarum Elv, liegt das Blaufarbenwerk Snarum, welches jedoch von ge- ringerer Bedeutung ist als Fossum. Ich befuhr mit Böbert nur die Skuterudgruben , als die grössten und dem Reisenden den meisten Aufschluss gewäh- renden **■'■. Das ganze Etablissement ist nicht nur durchdacht und in jeder Richtung zweckmässig, es ist auch schön und die Ansicht von den zu höchst liegenden Gruben herab auf die waldigen Höhen, Felder, Bauernhöfe und den grossen Tyri- fjorden ist reizend. Wenn man bedenkt, unter welchen gün- stigen Verhältnissen die Fabrik zu Fossum arbeitet, dass ihr Bedarf an Kobalterzen auf eine unabsehbare Zeit gedeckt ist, dass der erforderliche Quarz in der nächsten Umgebung ge- brochen, die nöthige Pottasche aus den nahen Wäldern bezo- gen wird, dass Brennstoff in Menge vorhanden und wohlfeil zu beziehen ist, dass der mächtige Bergstrom für jedes Unter- nehmen die erforderliche Mascliinenkraft darbietet , so kann man sich nicht genug wundern, dass das Etablissement, so lange es in Händen der Regierung war, so sehr darnieder lag '" Nach Böbkrt 115, nach V'ibf. 110 Fuss hoch. M. s. Höheimiessunji^en in Norwegen, gesammelt von A. Vibe , lu- genieur-Kapitain. In Keijlhau's Gaea norvooica. '2. Lieferung. *-' 1 norueg. Meile = 5634,6 Wiener Klafter. *"* Böbert über das Modumer Blanfai benwerk in Norwegen. In Karstek's Archiv 1847, p. 207 etc. Eine umfassende, vortreff- liche Arbeit. 5.'J6 und erst lebensfrisch aufblühte, als es in die Hände von Pri- vaten und unter Roschers und Böbbrts tiichtige Leitung kam. Ich sehe darin einen neuen Beweis, dass Fabriksunternehmun- gen nicht in die Hände des Staats gehören, weil er der Indu- strie als Unternehmer nie jene freie Bewegung geben kann, die ihr der Private gibt, sondern vielmehr mit seinem un- fruchtbaren bureaukratischen Formenwesen gleich von Vorne her den Keim des Untergangs begründet. — Die Grubenbaue auf Skuterud und Saastad *, welche die nöthigen Kobalterze zum Blaufarbenwerke nach Fossnm liefern, gehen im Gneisse um , der als Grundgestein das Uebergangsgebirge von Chri- stiania gegen Westen begränzt. Sie liegen im Erzzuge von Kongsberg, nämlich in der Sfreichnngsrichtung der dortigen Fallbänder j die sich vielleicht noch weiter gegen Nord er- strecken. Auch hier brechen die Erze auf einem Fallbande ein, auf einer jener eigenthümlichen Lagerstätten, die wir we- der Gang noch Lager nennen können , wenn wir den Begriff festhalten, dass ein Gang oder ein Lager, wenn nicht ein vom Nebengesteine verschiedenes, doch ein von demselben durch Saalbänder, Bestege, Blätter u. s. w. getrenntes Gestein zu seiner Masse haben muss. Hier sind es gewisse Gesteinsla- gen des Gebirges selbst, welche mehr oder weniger von Me- tallsulphuriden durchdrungen sich eben nur dadurch und sonst in gar nichts vom Nebengestein unterscheiden. Solche mit Erzen imprägnirte , vom Nebengesteine weder wesentlich ver- schiedene noch getrennte, vielmehr mit demselben auf das innigste verwachsene Gesteinslagen heissen Fallbänder, meiner Ansicht nach, wie die Lager, mit dem Gebirge con- temporäre Lagerstätte, bei denen jedoch der x\kt der Aus- scheidung nicht in jener Vollkommenheit und mit jener pola- rischen Intensität erfolgte, welche allein nur im Stande sind, die wirkliche, sichtbare Trennung der Lagermasse von jener des Gebirges hervorzurufen. Das Fallband, worauf Skuterud und Saastad bauen, führt vorwaltend Glanzkobalt, Eisenkies * Das norwegische aa gleich dem schwedischen a , wie unser o lautend. 5»7 und Arsenkies *; sein Streichen zieht sich, gleich denKongs- berg:er Fallbändern , aus Süd in Nord mit gerinf^en Abwei- chungen, es fällt sehr steil bald Ost, bald West, hier und da sogar seiger und hat eine abwechselnde Mächtigkeit, welche stellenweise, wo sich mehrere solcher erzfiihrender Gesteins- lagen parallel aneinander reihen und grosse , linsenförmige Körper bilden, bis zu oOO Lachter anwächst. Dem Streichen nach ist das Skuteruder Fallband bis 3 Meilen bekannt; im nördlichem Felde aber bestehen nur Schürfe, welche vom Sna- rumer Werke betrieben werden. Oestlich vom Skuteruder Fallbande, am linken Ufer des Snarum EIv, setzt im Gebirge ein paralleles Fallband unter gleichen Verhältnissen, nur nicht, in soweit die bisherigen Aufdeckungen reichen, in so grossarti- ger Entwicklung auf. Auf diesem Fallbandebaut Snarumwerk. Beide Fallbänder ziehen sich mit ihrem Ausgehenden den Gebirgsrücken entlang hin , bilden eigentlich zum Theil den höchsten Grath derselben und da die Gehänge grössten- theils steil sind , so geht daraus der grosse Vortheil hervor, dass dem Ansitzen mit tieferen Stollen kein Hinderniss ent- gegen steht. Das Gestein der Kobaltfallbänder ist, wie ich schon im Allgemeinen gesagt habe, ganz das des übrigen Ge- birges, nämlich Gneiss in Begleitung von Glimmerschiefer, Chloritschiefer und Hornblendeschiefer. Ausser lokalen, mas- senhaften Ausscheidungen von öuarz und granitischen Fels- gebiklen, wie sie überhaupt dieser Formation eigen sind, durchsetzen Gänge von Granit und Feldspath , jedoch ohne alle E r z f ü h r u n g "" , die Fallbänder an mehreren Stellen und unter mehr oder weniger scharfen Winkeln. Diese Gänge, bis zu 2 Lachter mächtig und offenbar jüngerer Bil- dung, bedingen zum Theil grosse Störungen in der Richtung der Gesteinslagen. Auch taube Blätter, sogenannte Gänge '-'■' Ausserdem führt das Kobalt - Fallband : Kobaltbliithe , Kobaltbe- sclilag' und, jedoch nicht als wesentliche Erzfiihrung, nebst den erwähn- ten Sulphuriden, viele Kupfer-, Blei-, Eisen-, Molybdänsulphuride und mancherlei andere Mineralien , deren Böbert in seiner vorne erwähnten Abhandlung umständlicher gedenkt. ** Hierin liegt einer der Hauptunterschiede des Verhaltens in der Erzführung des Kobaltfallbandes und jener des Kongsberger Fallbandes, mit ihren beiderseitigen Kreuzklüften. 538 ohne Mächtigkeit, durchsetzen das Fallband und verwerfen zum Theil die erzführenden Lagen, schneiden sie wenigstens gleich den Feldspathgängen jederzeit scharf ab. Die Ans- fülhingsmasse der erwähnten Kreuzklüfte bildet im erzfüh- renden Fallbande grosse, taube Mittelkeile, welche beim Ab- baue desselben als Bergfesten zurückgelassen werden. Da das Gestein des Fallbandes sich von dem des Nebengesteins nicht unterscheidet und die Erzführung im Ganzen sehr arm genannt werden muss, daher auch nur Pocherze erzeugt wer- den, deren Gehalt an Glanzkobalt höchstens zu 'i% steigt, so ist das richtige Erkennen des erzführenden Gesteins häufig nicht ohne Schwierigkeit und den sichersten Leitfaden hiebet gibt die durch die Verwitterung der Sulphuride entstehende, braunrothe Färbung desselben. Der hier vorkommende Ko- baltglanz ist übrigens ganz frei von Nickel und ist höchstens nur mit Eisen- und Arsensulphuriden verbunden, ein Umstand, der auf die Güte der produzirten Blaufarben einen wesentlich vortheilhaften Einfluss nehmen dürfte. Bis auf die neueste Zeit ist man von der Meinung ausgegangen, dass die Verede- lung des Skuteruder Fallbandes sich gar nicht in die Teufe senke, sondern nur dem Streichen nach anhalte. Nach den von ßöBERT mit bestem Erfolge angelegten Tiefbauen aber stellt es sich als ganz gewiss heraus , dass der Adel sich in die Teufe lässt, obwohl andrerseits aus diesen Bauen auch hervorgeht, dass eine Erhöhung des Adels in die Teufe nicht statt finde, sondern im günstigsten Falle sich derselbe gleich bleibt. In früherer Zeit, das ganze Werk zählt gegenwärtig (1849) erst 73 Jahre, gewann man die Erze nur durch Tagbau und Feuersetzen und drang auf diese Weise in bedeutende Tiefe nieder; später hat man zwar das Feuersetzen des hochfesten Gesteins und des wohlfeilen Brennholzes halber in vielen Fäl- len beibehalten, die Tagbaue aber werden nach und nach in Grubenbaue umgewandelt. Gegenwärtig geschieht der Betrieb der Erzbaue nur mittelst Sprengarbeit, der Betrieb aller Feld- örter und Querstrecken aber , sowie der der Schachtörter er- folgt durch Feuersetzen. Da man die Erfahrung gemacht hat, dass das Feuer in kurzer Zeit eine gewisse Strecke, z. B. 6 5;i9 bis 8 Zolle, in das feste Gestein eingreift, dann aber wirkungs- los bleibt, so betreibt man das Fenersetzen in sehr kurzen Zwischenräumen. 31an brennt daher nur 1 Stunde bis 1 '/^ Stunden, nimmt dann in der g^rössten Hitze, bei einer über CO** Keaum. steigenden Temperatur, das mürbe gebrannte Gestein nach und setzt sogleich den neuen Host, wobei man stets da- raufsieht, dass das Feuer zuerst an der Sohle des Vorortes, dort wo der Einbruch erfolgt, angreift, weil mau sodann den obern Theil um so leichter durch erneuertes Feuersetzen und Sprengarbeit gewinnen kann. Die Forderung aus den mit den Tagebauen in Verbindung stehenden Grubenbauen geschieht mittelst Eisenbahnen und Haspel. Die ganze Einrichtung ist schön und zweckmässig, und so wie die aller Manipulationsstätten durchdacht und ohne unnützen Aufwand. Die geförderten Erze werden mit der Hand geschieden und nur Pocherze dargestellt, die Gruben- klein wird auf geneigten Herden gewaschen und dann eben- falls der Handscheidung unterzogen. Die neuen Scheide- kauen sind sehr hübsch konstruirt; sie bilden nämlich regel- mässige Polygone, so dass das Licht von allen Seiten einfällt. Des hochfesten Gesteins halber sind die Arbeitsgedinge vor Ort ziemlich hoch; doch übersteigen sie selten 72 fl. Conv.- Münze pr. Klafter. Zur nassen Aufbereitung der Pocherze erbaute Böbert ein Poch- und Waschwerk in der Nähe der Gruben; da aber dasselbe wegen Wassermangel nicht das ganze Quantum der Pocherze aufzuarbeiten im Stande ist, so besteht das Hauptpoch- und Waschwerk am Hougfos in der ISähe der Fa- brik. Dahin werden die Erze auf einem sehr schlechten Fahr- wege gebracht, dessen bessere Unterhaltung offenbar die Transportauslagen mindern würde. Alan pocht die aus vielem taubem Gesteine, Glanzkobalt, Eisen- und Arsenkies bestehen- den Pocherze in Pochwerken, welche über den Spund aus- tragen. Um die Mehle hiebei nicht noch mehr mit Eisen- theilchen zu verunreinigen wendet man anstatt eiserner Schies- serkolben solche von Quarz an, deren jeder ungefähr 100 bis 110 Pfunde wiegt. Die Pochwerke sind übrigens gut kon- struirt. Zur Verwaschung der Mehle bedient man sich mei- 540 stens liegender Herde, doch hat man versuchsweise auch Stossherde angebracht, mit deren Leistung man abei^ insbe- sondere bezüglich feinerer Schlämme, nicht zufrieden ist, was wohl daher kommen mag, dass man diese Herde, wie ich glaube, nicht ganz zweckmässig behandelt, wenigstens fand ich durch- gehends die Spannung derselben viel zu gering. Die Arten des Schliches, welche man erzeugt, sind nach ihrem Gehalte an Glanzkobalt verschieden, daher sie auch einer verschiedenen Verwendung zugeführt werden. Die reinsten und an Glanz- kobalt reichsten Schliche werden mit Quarz gattirt und zur Darstellung der feinsten Smalte-Sorten verwendet; die we- niger reinen und kobaltreichen Schliche hingegen dienen zur Erzeugung des Safflor. Zur Erzeugung der Smalte werden die Schliche vorerst geröstet und zwar durch 16 Stunden. Dieser Prozess erfolgt in Flammenöfen und da die Schliche nach ihrem Gehalte an Glanzkobalt verschiedener Röstgrade bedürfen, so ändert man hiernach das Einsatzquantum derselben, nie aber, der Gleich- förmigkeit der Arbeit wegen, die Röstungszelt. Die gerö- steten Schliche werden sodann mit Pottasche und reinem Quarze beschickt und in grosse Tiegel eingesezt, deren je vier in einem Flammenofen stehen. Diese Tiegel werden aus feuerfestem Thone aus der Gegend von Koblenz verfertigt und sind eben so schön gebaut, als sie sich , besonders wenn sie keine Blasen haben, die natürlich den Angriff des Feuers begünstigen, dauerhaft beweisen, indem sie die Schmelzungen bis zu 4 Monate lang aushalten. — Die jezeitige Schmelzung der ßeschickungs- Einsätze dauert 12 Stunden; die Oefen selbst, welche die Gestalt unserer bedeckten Treibherde ha- ben, dauern 3 bis 4 Jahre. Man fenert von zwei Seiten so, dass die Flamme regel- mässig unter und zwischen den Tiegeln spielt. Wenn der Einsatz vollständig geschmolzen und abgeklärt ist , so wird die flüssige Glasmasse mit eisernen Kellen ausgeschöpft und in Wasser gegossen; wodurch dieselbe einen höhern Grad von SprÖdigkeit annimmt. Der auf diese Weise erhaltene Smal- tefluss wird nun wieder gepocht und zwar ebenfalls, um jede Verunreinigung ferne zu halten, mit Schiesserkolben aus Quarz. 541 In cig,eneii Mühlen, bei denen Quarz, anf Quarz lauft, werden die Smaltemehle aus diesem Pochwerke durch 6 Stunden unter Wasserzutluss »emahlen, wobei jederzeit nur 1 Zentner aufgegeben wird. Nach dieser Zeit wird die Trübe in grosse Fässer ab- und ruhig stehen gelassen, wobei sich die reinere Snialte zuerst niederschlagt, die weniger reine aber noch in der Flüssigkeit bleibt, welche man in eigene Sümpfe leitet, in denen Schwimmer beständig den Stand der Füllung anzeigen. Das Sumpfmehl kommt anstatt Quarz in die Manipulation zurück, das Fassmehl hingegen wird getrock- net und sodann als eine kompakte Masse mittelst eines eigenen Hobels in das feinste Pulver verwandelt, womit sich der ganze einfache Prozess schliesst. Dieser Hobel besteht aus einem cylindrischen Gefässe, dessen Boden die in der Richtung der Radien angebrachten Hobelmesser bilden; auf diese werden die Stücke des getrockneten Fasssedimentes gelegt, der Läufer eingesezt und in Umlauf gebracht. Die fein zerschnit- tene Smalte fällt zwischen den Messern am Boden durch. — Der zur Smaltefluss-Erzeugung bestimmte Quarz wird zuvor unter Anwendung derselben Vorsicht, wie sie beim Pochen der Erze stattfindet, fein gepocht, die Pottasche ganz sorg- fältig kalzinirt. Als Brennstoff wird nur Tannenholz ange- wendet. Die kobaltärmsten Schliche, welche als solche auch nicht zur Erzeugung niederer Farbensorten angewendet werden können, werden auf Kobalt reduzirt. Dieses geschieht in den nämlichen Tiegeln und in denselben Oefen , in denen Smalte geschmolzen uird. Man beschickt hiebei die stark gerösteten Schliche mit Kohle, einem kleinen Antheile Pottasche und mit Glas, welch lezteres, ciiemisch indifferent, rein nur als Flussmittel wirkt, daher kein Quarz angewendet werden darf. Als Resultat ergeben sich Schlacke und ein Kobaltkönig, welcher zur Erzeugung der feinsten Farben dient*. * Auf ähnlichem trocknncm VVejj;e stellte Röscher aus säclisi.scliem Speiskobalte Nickel dar. Er be.schicklc zu diesem Zwecke das ge- röstete Erz mit Kohle, Pottasrhe, Quarz, Wismuth und Blei. Bei der Schmelzung des Einsatzes scheidet sich der Kobalt mit Pottasche und Quarz verbunden als Smalte aus , während Wismuth und Blei mit dem 542 Die Farbe der Smalte richtet sich theils nach dem Ko- baltgehahe, so dass sie um so tiefer ist, je reicher sie ist, theiis nach der Grösse des Korns, so dass Smalte von der- selben Qualität um so heller, lichter im Farbentone wird, je feiner man sie mahlt. Dass hiebei mit ßezno^ auf die quanti- tative Erzeugung^ der zu wählenden Sorten die Anforderungen der Abnehmer allein massgebend sind, verstellt sich von selbst; so lieben die Holländer z. ß. die dunkleren Sorten der Smalte nicht und fälschen sie, um sie lichter zu machen mit Kreide. Der Hauptverschleiss des Modnmer oder eigentlich Fossumer Blanfarbenwerkes g^eht nach England und die ganze jährliche Erzeugung beträgt ungefähr von 3000 bis ;»400 Zentner Smalte verschiedener Sorten und von 1200 bis 1400 ZentnerSafflor*. Die feinste Smaltesorte wurde zur Zeit meiner Anwesenheit der Zentner zu 76 fl. Conv.-Münze verkauft. Seit dem Jahre 1831 weist das Werk einen durchschnittlichen Reinertrag des Jahres mit 40056 Papier-Spezies aus**. Am 27. Juli verliessen wir Fossum, um nach Kongsberg zu gehen, zu vselchem Zwecke wir bis Hougsund zurück mussten. Diessmal wählten wir aber den Weg am linken Ufer des Drammen Elv, der weit besser ist und durch eine sehr schöne Gegend führt. Im Hougsund schifften wir uns wieder auf das rechte Ufer des Drammenelv hinüber, ver- folgten nun unsern Weg durch das herrliche Ekernthal, eine kurze Strecke entlaug dem Eckernsee, der sich mit seinen freundlichen Inselchen vor uns ausbreitet und kamen bereits zeitlich am Nachmittage in dem bergmännisch berühmten, im Thale des Lougenelv an dessen Wasserfällen liegenden Kongsberg an, wo wir im Gasthause der Mad, Hind ein vor- treffliches Unterkommen fanden. Ausser dem weltbekannten Silber und Nickel des Erzes einen Reg-ulus bilden, ans dem die drei erstem Metalle wieder durch Seigerun» ausgeschieden werden, der Nickel mit etwas Arsen aber, weiches leicht zu trennen ist, zurück bleibt. Safflor oder ZalFer, das Gemenge gerosteter, fein gepulverter und mit Quarzsand beschickter Kobaltschliche , welches ohne weitere Verarbeitung bei der Fabrik in diesem Zustande verkauft wird. Der Zentner ungefähr zu 124 fl. Conv.-Münze. ** Nach Böbkrt's vorne erwähnter Abhandlung. 543 Gnibeiibaue o;anz nahe bei Kon^sber»- befiiuleii sich in dieser Bergstadt die zur Ziiontel)iintvimo- der geuonneiien Erze be- stimmten Poch-, Wasch- und Hüttenwerke, die könlo;l. Münze, eine Gewehrfabrik , eine Pnivermühle und eine Eisenfrisch- hütte. Einige dieser Etablissements besahen wir noch heute unter der freundlichen Führung des ersten Direktors Steen- STRUP, ein noch immer erfindunosreicher Greis , des zweiten Direktors 31ölleu, eine in jeder Beziehung; schöne bergmcänni- sche Erscheinung, und des Münzmeisters Langenberg, Der 2S. Juli war zur Befahrung der Gruben bestimmt. Wir ritten zuerst dem Lougenelv nach, dessen Wasserfälle wir dicht zur Seite, vor uns aber den 2700 Fuss hohen Skrims- fjeld hatten , wendeten uns dann westlich in das Kopperbergs- thal und stiegen von Christian VII. tiefen Erbstollen aus den Store Aasen, das Haupterzgebirge, hinan. Nach Befahrung der Armengrube und der Königsgrube wendeten wir nns zur Grube Gotteshülfe in der Noth und überblickten an der Stelle, wo einst Christian der IV. das: Kongsberg Werde! aussprach, den Erzberg und seine schöne Umgebung. Der Bergmann, der Kongsbergs Geschichte kennt, der weiss, welcher merk- würdige Wechsel des Schicksals fortan über diese ßergstadt erging und wie der dortige Bergbau, wenn er auch ganz dar- nieder lag, in geschickten und energischen Händen immer wieder gleich dem Phönix verjüngt sich zu neuem Glänze er- hob, der kann nicht unbewegt an dieser Stelle stehen. Als aber bei dem mit liebenswürdiger Gastfreundschaft arrangirten Frühstücke der alte Steenstrup das Glas erhob, auf Oester- reichs Bergsegen trank und von den Kuppen des Store Aasen herab die Polier donnerten, deren Knall weithin über Berg und Thal verhallte, da pochte laut mein Herz; einerseits war es Freude über ein so liebes, mich auszeichnendes Ent- gegenkommen, andrerseits das Gefühl für mein schönes, fer- nes Vaterland , für meinen poesiereichen Stand und für das Land, auf dessen freiem Boden icii stand, die das Gemüth tief bewegten und mir diesen IMoment nie vergessen lassen. Am 29. Juli fuhr ich mit Möller und Taulow zu der am Vindorenfjeld , jenseits des Jondalselv, neu etablirten Kupferhütte, wo uns bereits der Eigenthümer Thounk aus 544 Drammeii und der dortige Hüttenmeister Weltz erwarteten. Ein später folgender Ritt zu den Gruben auf dem Dronning Kollen gewährte uns die herrliche Ansicht der hohen, mit Schnee bedeckten Gebirge im nahen Teilemarken, unter denen die Gletscherhörner des Gonsta Fjelds , eines der höchsten Berge Norwegens (6000 rheinläiidische Fuss), den hervor- ragendsten Punkt des schönen Panorama bilden. Auf jenen Bergen finden sich noch viele wilde Rennthiere, die Abkömm- linge der einst aus Lappland dahin verpflanzten zahmen Renn- thierherden und meines Wissens das südlichste Vorkommen dieses Thiers. Die ganze Umgebung von Kongsberg*, gleich jener von Fossum, bildet der Gneiss mit Glimmerschiefer und Hornblende- schiefer. In diesem Gneisse und zwar besondeis im Gebirgs- zuge des Store Aasen , welcher sich westlich an die Gebirge Tellemarkens anschliesst, gegen Nord vom Jondals Elv, ge- gen Ost vom Lougen Elv, gegen Süd vom Kopperbergs Elv begränzt wird und an dessen östlichem Gehänge die Bergstadt Kongsberg liegt, setzen mehrere Fallbänder auf, welche mit dem Gebirge aus Süd in Nord streichen, steil mit den Gneiss- lagen in Ost fallen, stellenweise eine Mächtigkeit von meh- reren hundert Fuss erreichen, in unbekannte Teufe nieder- setzen und, jedoch nicht gleichförmig, Sulpliuride von Eisen, Kupfer, Arsen, Blei und Zink führen. Kobalt scheint hier ganz zu mangeln und Silber tritt mit den oben genannten Sulphuriden auf Fallbändern nur in unabbauwürdiger Menge * Böbürt: über den Kongsberger Silberbergbau in Norwegen. Karsten's Archiv XII, 1839, S. 267. Derselbe: Bericht über eine vom Hrn. Bergdirektor Ritter P. Steen- STRUP zu Kongsberg konstruirte Wassersäulenmaschine. Eben- daselbst S. 347. Derselbe: Uebersicht über den Zustand der Bergwerke in Norwegen im Jahre 1835. Karsten's Archiv XI, 1838, S. 241 etc. De Laroq^uette: Siibergruben von Kongsberg in Norwegen. Annales des Mines, 3 Ser. XV, 3 etc. Kart over Kongsberg Sölvverks Grube-Feld. Ved. G. Münthe. Li- thographirt zu Christiania. Ein Auszug dieser Karte erschien mit Böbert's ersterwähnter Abhandlung. Nach Munthe liegt Kongsberg in 69*> 40' 6,4" nördl. Breite, 7" 20' O" östl. Länge von Paris und in 520 rheinl. Fuss Meereshöhe. 545 auf. Die Fallbänder des Store Aasen setzen nicht nur gegen !Nord, jenseits des Jondalselv , fort nnd sind dort am Dronning Kollen, Viiidorenfjeld , D}Mebofjeld durch Grubenbaue und Schürfe bekannt, sondern es ist diess auch gegen Süden jen- seits des Kopperbergselv, z. B. am Mark- Sätterfjeld der Fall. Auch jenseits des Lougenthals, im Osten des Lougen- elv , setzen im Gneisse ähnliche, grösstentheils parallele Fall- bänder unter gleichen Verhältnissen auf; ihre grösste Ent- wicklung in Anzahl und Masse, ihre reichste Erzführnng, sowohl selbst als mit Bezug auf die sogleich erwähnt wer- denden Krenzgänge, zeigen sie jedoch bisher am Store Aasen und dort ist auch seit 200 Jahren der Hauptsitz des Kongs- berger Grubenbaues. Der Gneiss und somit auch seine Fallbänder werden un- ter mehr und weniger scharfen Winkeln von Kreuzgängen durchsetzt, welche Quarz, Kalkspath und Flussspath zur Ausfüllung haben, meistens aus Ost in West streichen und theils gegen Nord, theils gegen Süd fallen. Wo diese Gänge e (im Grundrisse betrachtet) die fra Gneisse a liegenden Fal 1 bän d er b durchsetzen, also in d, sind sie erzführend, jedoch nicht immer. Ausser dem Be- reiche der Scharrnng mit den Fallbändern ist die Gangmasse stets taub. Die Erzfühiung dieser Gänge besteht vorzugs- weise in oediegenem Silber, ferner in Schwefelsilber (Silber- glanz) und in den auch auf den Fallbändern erscheinenden Metallsulphuriden, nur hier auf den Gängen in einem unter- Russegger, Reisen. IV. Bd. 35 546 geordneten Verhältnisse und stets silberhaltig. Der Halt der Gänge an gediegenem Silber steigert sich in einzelnen Punkten des Kongsberger Grubenbaues bis zum Beispiellosen und sehr oft eroberte man beim Erzbaubetriebe Stücke von grössten- theils gediegenem Silber, dessen Gewicht mehrere Zentner betrug und die sonach zu den grössten Silbermassen gehören, die je gefunden wurden*. Die Veredlung der Gänge inner- halb der Falibänder scheint mit der Teufe zuzunehmen und ich sah in mehreren der gegenwärtig tiefsten Baue die Gänge mit 2 Fuss mächtigem Erze anstehen, das zum grossen Theile über 50 Prozent an gediegenem Silber enthält — eine bergmännisch prachtvolle Erscheinung! üebrigens haben die erzeführenden Gänge meistens nur geringe Mächtigkeit, die von wenigen Zollen , höchstens nur bis zu 3 Fuss ansteigt. Scharrungen der Gänge unter sich sind nicht selten und auch die Fallbänder, besonders die weniger mächtigern, sieht man durch dieselben, wenn auch nicht bedeutend, hie und da ver- worfen. Durch den Umstand, dass die Veredlungen dieser Kreuzgänge sich rein nur auf die Theile derselben beschrän- ken, welche innerhalb der Mächtigkeit eines oder des andern Fallbandes liegen, kommt es, dass die Verhaue der Erzmittel bei einer grossen Erstreckung in die Teufe nur eine verhält- nissmässig sehr geringe Ausdehnung dem Gangsstreichen nach erhalten und somit lebhaft an die sogenannten Rinner, an jene gleichgestalteten Zechenräume auf den Fahlerze führenden Gängen im Kalksteine bei Schwatz** in Tyrol, er- innern. Der Store Aasen, der eigentliche Erzberg von Kongsberg, besteht aus zwei parallelen Bergzügen oder Bergrücken, aus dem sogenannten ünterberg ( ünder Bjerg ) zunächst an * In Lbonhard's Jahrbuch 1838, S. 564 ist aus Berzelius Jahres- berichten XV, S. 214 der im Jahr 1834 erfolgte Fund einer solchen Silbermasse mit 14443 Mark im Gewichte angegeben. Ist die Angabe des Mark gewichtes richtig, so würde sich hieraus das gewöhnliche Ge- wicht dieses Stückes mit 72 Zentner 21V2 Pfund, aber nicht mit T'/o Zentner berechnen, da ein Mark Silbergewicht = 16 Loth = '/j Pfund ist. '*" GuMPPENBEiic: über die Rinner, besondere Erzlagerstätte, Lbon- hard's Jahrbuch 1836, S. 50. 547 Kongsberg und aus dem weiter zurückliegenden, höheren Oberberg (Over Bjerg). Jeden dieser beiden Bergrücken begleitet ein Haiiptfaüband, ausgezeichnet durch Anhalten im Streichen, durch Mächtigkeit und durch Erzführung. Mehrere Fallhänder von geringerer Bedeutung begleiten wieder die Hauptfalibänder, unter welchen letzteren sich besonders jenes des Oberberges, wo bei weitem die meisten und reichsten Grubenbaue sich befinden, bemerkbar macht. Von jeher be- nüzte man diese beiden Hauptfallbänder um ihrem Streichen nach mit Stollen und Strecken die hoffentlichen Kreuzgänge zu durchörtern und zugleich unter einem, auf den Fallbäudern selbst die zur Verschmelzung der silberreichen Erze und Schliche erforderlichen Kiese zu erobern. Solcher Kreuz- gänge sind am Store Aasen sehr viele und wenn man von der Arraengrube hinauf geht nach Gottes Hülfe in der Noth^ so hat man über Tags Gelegenheit sie und ihr Verhalten zu den Fallbäudern recht deutlich zu beobachten. Der Betrieb des Grubenbaues beschränkte sich zur Zeit meiner Anwesenheit nur auf den Oberberg und zwar: 1) Auf den Betrieb des Christian des VII. Erbstollen. Ein sehr grossartiges Unternehmen, das sich zur Aufgabe stellt: nach dem Streichen des Oberberger Hauptfallbaudes den ganzen Store Aasen vom Thale des Kopperbergelv bis in das des Jondalenelv im Tiefsten zu durchfahren, somit alle vorhandenen und in diese Teufe niedersetzenden Kreuzgänge zu durchörtern und so zu sagen in einem Zuge das Erzgebirge in einer Strecke von 4330 Berglachtern * aufzuschliessen. Der Betrieb geht im hochfesten Gesteine um, wurde anfäng- lich mit Ort und Gegenort eingeleitet, dann die Anzahl der beantragten Lichtlöcher auf drei reduzirt, mit denen man auch ausreicht, und nun auf die Vorörterung des südlichen Flügels beschränkt, mit welchem man im Jahre 1864 die Grube Gottes Hülfe in derlNoth zu unterfahren hofft. Bei der hohen Wichtigkeit dieses Unternehmens, bei dem gegenwärtigen so sehr günstigen finanziellen Stande des Kongsberger Gruben- baues, kann ich diese Beschränkung nicht für gut erkennen * 1 Berglachtcr = 6' 7%" Wienei- Mass. 3.5 * 548 und ein schwunghafterer Betrieb dürfte in jeder Richtung an- gezeigt seyn '. 2) Auf den Betrieb der Königs- und Armengrube, von denen erstere, die älteste, gerade diejenige ist, wo man nach langer Unterbrechung, nach langem Taubbefinden der Gänge, in neuester Zeit die gegenwärtige reiche Veredlung in grossen Teufen erbaute. 3) Auf die Wiedergewältigung der Grube Gottes Hülfe in der Noth, welche einst sehr reiche Anbrüche dargeboten haben soll. „Soll" — muss man sagen, denn leider mangeln alle nur irgend verlässlichen Daten über den früheren Betrieb und das Verhalten der Gänge, die vorhandenen Karten sind unter aller Kritik und alles, was man über diese Grube besizt, beschränkt sich auf die Angabe der allerdings reichlichen Er- tragsausfälle vom Jahre 17S1 bis 1787 und die von Jahr zu Jahr herabgesunkene Ausbeute an Silber vom Jahre 1795 bis zum Jahre 1S06. Um so mehr wunderte ich mich daher, dass man sich bei Gewältigung dieser Grube in so lange nicht blos auf das allernothwendigste beschränkte, bis man über das dortige Erzvorkommen, das Verhalten der Gänge und die sich darbietenden Hoffnungen nähern Aufschluss erhält, sondern sogleich mit einem Aufwände und mit Auslagen vorging, die kaum zu rechtfertigen seyn dürften. Anstatt eine einfache Maschine zur Förderung und Wasserhebung zu benützen, baute man deren zwei mit riesenhaften Wasserrädern von 52 Fuss Durchmesser und gab dazu der einen, zur Wasser- hebung bestimmten, noch eine sehr ungeeignete, vom Schachte weit entfernte Stelle in einem alten Tagebaue, wodurch bei einem sehr langen und unter einem starken Winkel gebro- chenen Feldgestänge bedeutend an Kraft verloren wird. Auch ein neues Poch- und Waschvverk für die Erze in spe hat man bereits erbaut und endlich wollte man auch noch eine Wasser- säulenmaschine anbringen , wozu es aber noch nicht gekom- men war. Ich befnhr die Armengrube und die Königsgrube, welche unter sich durchschlägig sind, bis in ihr Tiefstes, d. i. 212 "^ lieber die näheren Verhältnisse dieses interessanten ErbstoUen- bctriohs: Büeert in Karsten's Archiv 1839, XII. S. 304. 549 Lachter untei' der Taghängebank des alten Tngschachtes und 106 Lachter unter der Sohle des jetzigen Hauptstollens. Den Betrieb der Gruben überhaupt, Führung und Erhaltung der Schächte, insbesondere die schöne Kastenziniuiernng und die durchgängige Anwendung der englischen Sicherheitszünder (safety fiizzes) beim Sprengen der Bohrlöcher, fand ich gana vorzüglich; zu wünschen aber wäre, dass der Abbau der Erz- mittcl anstatt sohlenmässig, wie gegenwärtig, firstenmässig geschehe, wozu sich die steil einfallenden und gering mäch- tigen Gänge besonders eignen , dass, anstatt der langsamen, unnützen Kraftaufwand erfordernden und doch in diesem Ver- hältnisse nicht entsprechenden Eifolg darbietenden zweimän- nischen Bohrarbeit, durchgehends die einmännische eingeführt werde, dass die Förderung in den Schächten mit steilem Fallen besser eingerichtet und die Ketten mit Drahtseilen vertauscht werden möchten, dass man bei der Gewinnung der 80 sehr reichen Erze etwas mehr Sorgfalt verw^ende und dass man endlich, obwohl das die Grube schonende Verhältniss nicht zu verkennen ist, in welchem der Abbau der Erzmittel zu deren Ausrichtung gestellt wird, bei dem gegenwärtigen, so günstigen finanziellen Stande des Werkes mit aller Umsicht und Energie auf zweckmässige Schürfungen, Hoffnungs- und Ausrichtungsbaue bedacht nehmen möge. Der Betrieb aller Ortsbaue, über sich, unter sich und im Felde, geht mittelst Feuersetzen vor sich; der Betrieb der Erzbaue hingegen nur durch Sprengaibeit. Beim Feuersetzen werden die mit denselben Rücksichten, wie sie auf Skuterud statt 6nden, angebrachten Roste immer am letzten Tage der Bergwoche, wenn die Arbeiter die Gruben verlassen, ange- zündet. Bei den hiesigen tiefen , mit keinen so gewaltigen Tagebauen in, Verbindung stehenden Gruben treten übrigens die grossen üebelstände der alten Methode des Feuersetzens noch weit greller hervor als auf den Kobaltgruben. Ich fand vor Ort am zweiten Tage nach Verlöschung des Rostes die Temperatur so furchtbar heiss, dass ich meine Brille nicht mehr auf der Nase vertragen konnte und sie abnehmen musste, und in solcherTemperatur müssen die Knappen arbeiten; ausser dem wird durch das Feuersetzen in Strecken, wo kein frischer 550 Wetterziig statt finden kann, das Wetter verdorben und der Rauch bildet in allen Theilen der Grube eine solche Masse von Russ, dass hiedureh, wie erst vor einigen Jahren die Er- fahrung lehrte, die grösste Gefahr v^egen Grubenbrand ent- steht, der man dadurch zu begegnen sucht, dass man viele Eimer mit Wasser gefüllt in die Strecken vertheilt. Unge- achtet der gegenwärtig noch statt findenden Wohlfeilheit des Brennstoffes kann ich mich mit der holzverschwendenden Me- thode des Fenersetzens fürKongsberg um so weniger befreun- den , da obenerwähnte üebelstände jedem ßergmanne in die Augen springen müssen und ich die individuelle üeberzeugung heffe. dass die Einführung; der einmännischcn Bohrarbeit und die Anwendung tiefer und enger Bohrlöcher auf dem Gesteine, welches an Festigkeit das aut vielen unserer salzburgischen Bergbaue, z. B. Gastein , vorkommende keineswegs übertriffst, den günstigsten Erfolg zeigen müssten und wenigstens eines Versuches werth wären". — Zur Erlangung des nöthigen Kraftwassers für die Förder-, Wasserheb- und Aufbereitungs- maschine bestehen in den Niederungen auf dem Store Aasen eine Menge Teiche, deren künstliche Dämme jedoch sehr schlecht beschaffSen sind. Hübsch sind die mehrere Stunden langen Fanggräben, zum Theil gemauert und mit Torf ausge- sehlagen. Werden solche Kanäle fleissig bedeckt, so gefriert das durch dieselben abfliessende Wasser selbst im Laufe des nordischen Winters nicht. Die geförderten Erze werden mit der Hand geschieden und man stellt folgende Sorten dar: * Selbst die über sich reichenden Bohrlöcher, die sogenannten Firstenlöcher, werden im Salzburgischen einuiännisch und zwar auf eine sehr gewandte Weise im festesten Gneisse, wo Gedinggelder bis zu 100 fl. Conv. ' Münze pr. Streckenlachter gezahlt werden müssen, ge- bohrt. Mit der einen Hand hält der aufrecht vor Ort stehende Häuer den Bohrer und dirigirt ihn, während er in der andern Hand den an einem elastischen Stiele aus dem Holze der Alpenfohre (Pinus pumilio) befestigten Fäustel schwingt und die Streiche von unten nach aufwärts mit einer solchen Sicherheit, ohne das Auge vom Bohrer wegzuwenden, führt, dass ich nie einen Häuer sah, der die Bahn seines Bohrers nicht Schlag auf Schlag getroffen hätte. Man nennt diese Methode im Salz- burgischen: „Schlenkern" von schlingen — schleudern — schwingen. 551 Gediegen Silber aus Erzen ausgeschieden, die bis zu 50 Proz. herab an Silber enthalten. Mittelerz mit 50 bis 20 Proz. an Silber. Scheid eerz mit 20 Proz. bis 16 Loth pr. Zentner an Silber; und Poch erz (Mala) von 16 Loth pr. Zentner herab bis zum Minimum des Silbergehaltes mit 6 Loth pr. Tonne; die Tonne Pocherze zu 700 Pfund gerechnet. Das ausgeschiedene Gediegensilber wird, wegen Zer- setzung des beigemengten Schvvefelsilbers mit Eisenspänen, in Tiegeln geschmolzen. Die Mittelerze und Scheideerze werden, natürlich jede Gattung für sich, in einem eigenen klei- nen Pochwerke nass gepocht. Die Trübe fliesst hiebei in eine Rinnenführung, aus der das alte Satzwasser wieder in den Pochsatz zurückgepumpt wird. Aus dem Mehle der obersten Rinnen wird das Silber mittelst des Handsichertroges ausge- zogen, das Mehl der untern Rinnen hingegen wird mit jenem der gewöhnlichen Pocherze dem Schlämmprozesse übergeben. — Zur Aufbereitung der Pocherze bestehen zwei Poch- und Waschwerke. Bei dem ersten, dem alten, befinden sich nur liegende Herde und die ganze Anstalt ist im schlechtesten Zustande; bei dem zweiten, das ganz neu von Möller erbaut wurde und recht hiibsch konstruirt ist , bestehen sowohl lie- gende Herde als Stossherde, welche leztere ganz gut resul- tiren , obwohl ich auch hier die so sehr nöthige veränderliche Spannung der vordem Hängketten vermisste. Ein mit Kehr- herden hier vorgenommener Versuch misslang ganz. Man pocht über den Spund mit einer Hubhöhe von 7 bis 8 Zoll und auf eisernen Schabatten; ein Stempel sammt Kolben wiegt 240 Pfund und da man keine Gossen (Gnmpen) hat, wird mit Handtrögen eingetragen. Die Trübe fliesst aus dem Satze über bewegliche Siebe, um zufällige Unreinigkeiten zu ent- fernen , passirt sodann die Rinnenführung, aus welcher die durchaus milden Mehle und Schlämme auf die Herde kommen. Die Pochsätze werden täglich gereinigt und das reiche Satz- mehl, der sogenannte Kern, auf einem besondern Herde ver- waschen. Die Schliche gelangen zur Verschmelzung an die Hütte in Kongsberg. 552 Der Hüttenprozess beschränkt sich bloss auf die Ziigute- bring^ung der Schliche; denn Erze in Stücken kommen nicht in die Oefen. Die Hütte fand ich (1840) in einem abscheu- lichen Zustande und der Art dem gänzlichen Verfalle nahe, dass die Erbauung einer neuen dringendes Bedürfniss war. Zur Verschmelzung werden die Silberschliche mit Lechen be- schickt, die man sich durch ein eigenes Vorbereitungsschmelzen aus den auf den Fallbändern eroberten Kiesen darstellt, indem man dieselben für sich mit Rohschlacke durchsticht. Das erste oder sogenannte llohschm elzen , bei dem die ärmeren Silberschliche mit den Lechen der Kiese und mit Schlacken der nächsten Schmelzung durchgestochen werden, erfolgt gleich allen übrigen Schmelzungen in Krummöfen. Die erhaltenen Rohleche werden geröstet und wieder ge- schmolzen; zweites oder A n reich schra el ze n, wobei auch die reichern Silberschlichsorten zugetheilt werden. Die An- reichleche kommen nach deren Verröstung zum Verbleien, wobei das Blei im Vortiegel zugeschlagen und der abfallende Oberlech oder Kupferstein zur nächsten Verbleiung abgegeben wird. Auf solche Weise erzeugt man Werkbleie, die bis nahe zu 25 Proz. an Silber halten und sollten sie bedeutend ärmer ausfallen, so theilt man sie so lange als Vorschlagblei beim Verbleien zu, bis sie ungefähr diesen Halt erlangen. Das Abtreiben der Werke geschieht aufgeschlossenen Treib- herden, ähnlich unseren Speissherden. — Wenn wir, ganz abgesehen von dem Zustande der altern Poch- und Wasch- werke und der sämmtlichen Hüttengebäude, den hier kurz auseinandergeseztcn Prozess überblicken, so sehen wir eine merkwürdige Reihe technischer Fehler und Missgriffe, zu denen ganz vorzüglich der ausserordentliche Reichthum der Kongsberger Erze verleitet zu haben scheint. Die Manipu- lation beginnt bereits mit einer ganz verfehlten Scheidung der Erze und da bekanntlich diese die Basis der nachfolgenden nassen Aufbereitung und des Hüttenprozesses bildet, so sehen wir hierin auch in Kongsberg die Grundlage aller weitern üebelstände. Zwischen gediegen Silber mit .'lO Prozent im Minimo und den Pocherzen mit 6 Loth pr. 700 Pfund oder mit 0,0268 Proz. Silbergehalt im Minimo sehen wir zwei ein- 553 zige Mittelgattmigen von Erzen, nämlich Mittelerz und Scheid- erz, welciie bezüglich ihrer Zugutebringnng die nun einmni bestimmte Manipulationsweise passiren müssen, ob sie nun hiefür passen oder nicht. Bei den Pocherzen tritt noch der grosse üebelstand ein, dass man viel zu reiche Gezenge mit verhältnissmässig; sehr armen mengt; erstere, offenbar Hüt- tenerze, dadurch muthwillig- dem mit jeder nassen Aufberei- tung, auch mit der besten, verbundenen grossen Metall- verlusteanssezt, während die daraus hervorgehenden Schliche sodann noch den Hüttenkalo zu erwarten haben; bezüglich lezterer aber sich dadurch jeder kalkulativen Einsicht ent- schlägt, um zu benrtheilen, ob sie denn wohl auch für sich die Auslagen der Zugutebringung- abtragen oder niclit viel- mehr nur einen schädlichen Schweif für die hessern Ge- zeuge bilden. Dass man die so sehr reichen Mittelerze und Scheideerze in einem, was dessen fehlerhafte Konstruktion anbelangt aller- dings nicht gewöhnlichen Pochwerke nass pocht und die rei- chen Mehle der Separation durch Rinnenführung übergibt, kann Niemand gut heissen. Dass hiebei alle 3 Stunden das Satzmehl ausgeräumt wird, erscheint als eine unnütze Ver- splitterung an Zeit und Arbeitskräften, wodurch zudem die einladende Gelegenheit zum Diebstahl nur begünstigt wird, lind dass man das Satzwasser aus den Rinnen wieder in den Satz zurückpumpt, um dem Verluste des Todtgepochten zu begegnen, ist eine unpraktische Selbsttäuschung, denn jeder mit der nassen Aufbereitung der Erze Vertraute soll wissen, dass hiedurch gerade das Gegentheil erzielt wird. Anstatt dem frischen Satzwasser, welches ein rasches, volles Austragen so sehr befördert, kommt nach und nach eine so schwere, trübe Schlammfluth in den Satz, dass von einem Nieder- schlagen der todtgepochten Silbertheilchen gar keine Rede mehr seyn kann , dieselben werden sich vielmehr durch das erschwerte Austragen nur vermehren und da endlich die Brühe doch abgelassen werden muss, so gehen sie natürlich unwieder- bringlich mit verloren. Bei dem Hüttenprozesse, dessen ßetriebsanstalten : Oefen, Gebläse, Vorrichtung zur Erhitzung des Windes u. s. w. keine 554 Kritik zulässig machen*, ist es auf den ersten Blick auffal- lend, dass man sich nur niederer Krummöfen bedient. Würde man hing^egen , wenigstens zum Roh- und Anreichschmelzen, sich der Halbhochöfen, ungefähr von 14 bis 16 FussHöhe, be- dienen, so würde man auch in derselben Zeit ein grösseres Aufbringen erzielen , verhältnissmässig an Kohlen ersparen, dadurch, dass man im Stande wäre , die Erze als solche zu- sammen mit den Kiesen und Silberschlichen durchzustechen, das Vorbereitungsschmelzen auf Kiesleche beseitigen, bei reichen Gezeugen vielleicht sogar unter Bedingung einer voll- kommenen Röstung der Rohleche in Flammenöfen das An- reichschraelzen umgehen und so den Hüttenprozess bedeutend abkürzen und vereinfachen. Die starke, bis zu 25 Prozent getriebene Steigerung des Silbergehaltes in den Werkbleien halte ich für ein schädliches Extrem, das unnütz beim Treiben einen unverhältnissmässig grossen Silberabbrand, zu reichen Herd, zu reiche Glätte u. s. w. herbeiführt. Einer Umgestaltung des Kongsberger Aufbereitungs- und Hüttenprozesses hätte übrigens meiner Ansicht nach je- denfalls der gänzliche Umbau der Manipulationswerkstätte voranzugehen. Es wären , ganz angemessen für die Gruben- gefälle, salzburgische Senngitterpochwerke und Stossherde einzuführen, so wie der Versuch zu machen, der Pochtrübe den grössten Theil ihres Haltes an gediegenem Silber durch die Amalgamation am Satze mittelst sogenannter Zeller- mühlen zu entziehen, worauf sodann erst die Separation der Trübe durch Rinnenführung und Stossherde zur Erzeugung der Schliche zu beginnen hätte. In der Hütte sollten , we- nigstens für alle Schmelzungen auf Leche, die Krnmmöfen mit Halbhochöfen vertauscht werden. Die zu hohe Steige- rung des Silbergehaltes der Werkbleie durch stets ernenerteS Vorschlagen beim Verbleien , somit ohne Verminderung des ßleiquantums, sollte ganz aufgegeben und dafür der Versuch gemacht werden, eine Konzentration des Silbergehaltes durch Verminderung des Bleiquantums auf dieselbe Art und Weise zu erreichen, wie ich sie auf der Bagilthütte in Flintshire fand und vorne S. 495 beschrieb. * Im Jahre 1840 gcseheu , was seitdem geschah ist mir unbekannt. 555 Die Scheidung «lerErze und sonach auch die Behandlunc;^, der jede Sorte unterzogen werden muss , dürfte etwa nach folgenden Grundsätzen zu modifiziren seyn: 1) Alles gediegene Silber, das mit der Hand ausgeschie- den werden kann, sollte sorgfältigst ausgehalten und das- selbe, wenn es nicht unmittelbar dem Treiben zug^etheilt wird, entweder für sich niit£isenspänen oder geröstet mit einem an- gemessenen Rednktionsflnsse, z. B. Glas mit Kohle und etwas Pottasche, in Tiegeln und Oefeu , wie dieselben auf dem Fos- sumer Blaufarbenwerke bestehen, eingeschmolzen werden. 2) Alle Ei'ze vom höchsten Gehalte, aus denen jedoch das gediegene Silber mit der Hand nicht ausgeschieden wer- den kann, bis herab auf eine Gehaltsstufe, deren Ziffer nur durch vergleichende Versuche und sorgfältigen Kalkül zu bc stimmen möglich ist, beispielshalber herab bis zu einem Silber- gehalt von 20 Mark pr. Zentner, dürften, wenn sie sich nicht unmittelbar zum Treiben eignen, in grossen eisernen Mör- sern zu stossen und das silberreiche Mehl mit Blei , Eisen- spänen und einem angemessenen Flusse, der wieder durch Versuche zu bestimmen wäre, beschickt, in Fossumer Tiegeln einzutränken seyn. Die daraus hervorgehenden reichen Werk- bleie wären sonach auf eigenen Testen für sich abzntreiben. 3) Alle Erze von 20 Mark z. B. pr. Zentner herab bis zu einer Gehaltsstufe, deren richtigen, ökonomisch vortheilhaften Ziffer, wie oben gesagt, nur der vergleichende Versuch und ein genauer Kalkül an die Hand geben können , z. B, also herab bis auf 1 Loth an Silber pr. Zentner, wären als Hütten- erze zu betrachten und in 3 Hauptklassen zu theilen : in reiche, welche dem Verbleien, in mittlere, welche dem Anreichschnielzen und in arme, welche dem Rohschmelzen, stets zusammen mit den im Gehalte korrespondirenden Schli- chen, zugetheilt werden. 4) Alle ärmeren Erze, in so weit sich ihre Zugutebringung zahlt, sind als Pocherze zu betrachten und zu behandeln. Diese Andeutungen wünsche ich nur als meine individuelle Ansicht betrachtet zu sehen, nach der ich bei einer Reglung der Kongsberger Prozesse vorgehen würde; Bestimmungen hierüber, ich wiederhole es, können nur sorgfältigst ange- 556 gellte Versuche und genaue Kalküle im Hinblicke auf Be- triebskosten, Materialaufwand, Arbeitskräfte u. s. w. an die Hand gehen. Im Verlaufe der 10 Jahre, von 1S30 bis 1840 inclusive, erzeugte das Kongsberger Werk mit einer Belegungsmann- schaft von 100 bis 113 Mann 244597 Mark FeinsiSber, folglich im Durchschnite auf ein Jahr 24459,7 Mark. Der reine üeberschuss während derselben Periode betrug 2249346 Speziesthaler 105 Schillinge oder auf 1 Jahr 224934 Spezies- thaler 82 Schillinge *. In runder Summe schlug man zur Zeit meiner Anwesenheit den jährlichen Reinertrag auf 200000 Speziesthaler an. Die in Kongsberg bestehende Münze, in welcher damals nur Scheidemünze geprägt wurde, bezeichnete man mir als provisorisch, was auch im buchstäblichen Sinne der Fall zu seyn schien, indem der Zusammensturz der Anstalt, die ganz so war wie sie nicht seyn sollte , stündlich zu gewärtigen stand. Die Gewehrfabrik , wo alles mit der Hand gearbeitet wird, bietet nichts von Interesse dar. Recht hübsch hingegen ist der Eisenhammer, wo man norwegisches Rohelsen zum ßedarfe der erwähnten Gewehrfabrik und des Bergbaues frischt. Die Frischfeuer sind gedeckt und haben ganz den Bau der Remeltingsfeuer bei den Puddllngsw^erken , man ar- beitet mit einer Form, die Arbeitsseite ist offen, an der Rück- seite hingegen befindet sich ein Absatz, wo die Gänze aufge- legt und vor dem Frischen angewärmt werden. Hat man sehr unreines Roheisen, so schmilzt man es in denselben Herden früher um. Das gegaarte Eisen wird als Luppe ausgehoben, übrigens ganz nach englischer Manier und zwar sehr gut manipnlirt. Nördlich vom Jonsdalelv , am Vindorenfjeld , dessen höchste Kuppen der Dronningkollen bildet, wird der Kongs- berger Erzzug durch eine grosse Dioritmasse scheinbar unter- brochen. Die Fallbänder des Erzzuges streichen bia dahin, erleiden aber dort in ihrer Stellung bedeutende Störungen *" Blom, das Königreicli Norwegen etc. I, S. 210. 1 Speziesthaler = 5 Mark = 120 Schillinge = 2 fl. 35 kr. Conv.- Münze ungefähr, d. h. dem Ausmünzungswerfhe nach (Blom. II, S. 41). 557 1111(1 scheinen sich o;Ieichsaui um den l)ii vom Silberberge aus über 20 Seen zählen. Wahrscheinlich ge- hören die meisten dieser isolirten Berge der Tiapp- oder Por- phyrbildung an, wenigstens sah ich bei Gran, Diorit in m<ächti- gen Massen zu Tage gehen. Die beiden hübschen, nach go- thischem Style erbauten Kirchen von Gran sind aus Diorit- quadern aufgeführt. Noch einmal sahen wir die nördliche Fortsetzung des 6 Meilen langen Randsfjordes, dann zogen wir langsam den bereits ganz in dem Bereiche der Gneissfor- mation liegenden Bergrücken, den Kjöl Veien(Kielvveg) hinan, welcher das Becken des Mjösen von dem des Randsfjordes trennt. Der Name dieses Gebirges „Kjöl Veien" beruht auf einer Volkssage , der nach König Svere im Verlaufe eines Krieges seine Flotte über dieses Gebirge nach dem Mjösen hinüber ziehen liess. Auf der Höhe des Kjöl Veien ist die Fernsicht noch er- habener als auf dem Krog Skoug. Die reich bebaute Umge- bung, die Menge der Seen, die hohen Schneeberge in West und Südwest, die Kuppen des Dovre Fjeld in Nord geben ein wundervolles Bild. Wir fuhren nun thalabv^ärts an den niedli- chen Enasee (Ena Vand — Ena Wasser), passirten viele schön gelegene, stattliche Bauernhöfe, die Stationen Teterud und Plyli, und gelangten durch Wälder und Auen -nach Lunden, wo sich der herrliche, mannigfach gewundene, schmale, aber wenigstens 10 Meilen lange Mjösensee, der grösste Binnensee Norwegens, vor uns ausbreitete. Die Umgebung des Mjösen, auf dem ein Dampfschiff Dienste thut *, ist reizend. Die theils bewaldeten, theils be- bauten Ufer, die freundlichen Inseln, darunter eine bedeutend grosse mit mehreren Höfen , gegenüber auf einer Landspitze ein niedliches Kirchlein, von dem über den See hei über der Klang der Abendglocke in langen Schwingungen hallte, mach- ten einen so tröstlichen beruliigenden Eindruck . dass wir uns lange nicht von diesem Punkte trennen konnten. Eine vor- *" Auf dem Tyrifjord mit seinen Zweigen gehen zwei Dampfschiffe, Russeg^er. ReUen. IV. Bd. 36 562 treflFliclie Strasse entlang dem See brachte uns bald nach Hund, wo wir des Nachts blieben. Unten am See steht die Glashütte Gjöbich, deren ähnliche am westlichen Dfer des Mjösen sich noch zweie befinden, welche aber insgesammt nur Flaschen erzeugen. Am 7. August. Längs den dicht bewaldeten Ufern des gegen Nord fortan schmäler werdenden Mjösen verfolg- ten wir unsere Route und berührten die Stationen Sven, Grythe und Vignaes. Letzterer Station gegenüber, am östlichen Ufer des Sees, wo der mächtige Laugenelv aus Gulbrandsda- len sich in denselben mündet, liegt das kleine, neu angelegte Städtchen Lillehammer. Hier betraten wir nun Gulbrandsda- len, ein von hohen Bergen umschlossenes Hauptthal , das sich fast parallel mit dem zunächst gegen Ost liegenden Oesterda- len, vom Gebirgastocke des Dovre Fjeld aus bis zum Mjösen, aus Nordwest in Südost erstreckt und mit dessen Becken endet. Nachdem ich die malerischen Kostüme vieler orientali- scher Völker, der griechischen Palikaren, der Bergschotten u. s. w. gesehen hatte und der schöne Eindruck mir noch le- bendig vor Augen schwebte, muss ich gestehen, dass mir die Tracht der Bauern in Gulbrandsdalen in hohem Grade phili- sterhaft erschien. Ein Frack und dazu eine Mütze mit Schild, welche beide bessere Tage gesehen haben , und der flotte Bruder Straubinger wäre fertig, wenn nicht der Kern gar so schwerfällig bliebe. Bei Begräbnissen, wobei sie alle schwarz erscheinen, bei Hochzeiten, Auktionen u. s. w., welche letz- tere sie auch quasi als Feste betrachten, wird furchtbar ge- trunken und manche üben sich hiezu schon einige Tage vorher. Bei der Station Teft lenkten wir eines Besuches halber, der dem würdigen Probst Vibe, einem Anverwandten T^aulow's, galt, links ab nach Gusdalen, ein Seitenthal von Gulbrandsda- len. In dem grossen alten , ganz isolirt mit den schönen Oe- konomiegebäuden im einsamen Thale liegenden Pfarrhofe tra- fen wir vortreifliche Gesellschaft; Pastor Holst aus Oester- dalen mit seiner jungen Frau, Professor Vibe, Lieutenant ViBE *, ein munterer lebensfroher Mann , der die ganze Nord- küste von Norwegen aufgenommen hat und dem ich äusserst * Jetzt Ingenieurkapitain. Dessen Höhenmessungen in der Gae» 5ß3 interessante Mitflieilnngen verdanke, sowie einige Damen , bil- deten ein frenndliches Kränzchen, in welchem die Sfunden flogen. Am 8. August. Am friihen Morgen fuhren wir auf sehr steilem Wege durch Gusdalen hinab zurück nach Gulbrands- dalen. Das Gebirge zur Linken mit seinen Alpen und Senn- hütten erinnerte lebhaft an die heimathlichen Tiiäler. Bei der Station Holmen setzten wir mittelst einer Fähre über den Laugenelv und richteten nun unseie Reise nach Norden an den Dovre Fjeld. Die Gegend entwickelt mehr und mehr den eigentlichen Alpencharakter. Hohe, steile Berge, dichte Wäl- der, niedliche, hölzerne Bauernhöfe, ein mächtiger, brausen- der Bergstrom, der sich hie und da zum See erweitert, wilde Felsparthien und manchmal ein kleines, hölzernes Kirchlein, farbig angestrichen. In der Station Lösnäs sahen wir die Schneekuppen auf Dovre Fjeld herüberragen, passirten so- dann in einem Felsenpasse mit grossen Felsbrüchen dieTroms- brücke über eine tiefe Felsschlucht mit schönem Wasserfalle, weiter die Stationen Elstad , Hnndtorp , Mön, Vüg, wo die Berge immer höher und höher ansteigen und pralle Felswände die tiefe Thalschlucht einengen und langten endlich, an eini gen Hünengräbern vorüber, in der tiefen Nacht gegenüber der Station ßreden an. Erst nach langem Rufen bewegte sich die Fähre, die uns zu dem ersehnten Gaard hinüber brachte. Bei unserer heutigen Wanderung zogen wir an grossen Heerden Hornviehs vorüber, welches durchaus an den Spitzen der Hör- ner grosse hölzerne Kugeln befestigt trug, eine bei diesen kampflustigen Thieren gewiss sehr praktische Einrichtung. Auf dem Wege durch Gulbrandsdalen, von Gusdalen bis Breden, wechseln Gneissund Glimmerschiefer, sowie Glimmer- schiefer undThonschiefer als wahre Parallelgebiide stets mit- einander. Am 9, August. Ungefähr Yg Meile ober Breden ge- langt man in den bekannten Pass Kringelen, wo am 24. Au- gust 1612 der Oberst Sinclair mit 900 Schottländern, mit wel- chen er den Schweden zu Hülfe kam, von 300 Bauern der Um- gebung angegriffen und tod geschlagen wurde. Eine hoch- norveg. II. — Brouillon der Karte von Norwegen iu zwei Blättern. Die grosse Karte war zu jener Zeit noch lange nicht fertig. .16* 564 trabende Inschrift verkündet dem Reisenden diese Tliat, die auch unser Skydsjunge in einem Volksliede uns vorsang, wo- bei wir aber nicht umhin konnten, den Hrn. Obersten seligen Andenkens einiger Unvorsichtigkeit zu beschuldigen, da der Pass durchaus nicht enge und besonders schwierig zu passiren ist. Rechts der Strasse Hessen wir weiterhin den kleinen ülle- fos, einen sehr pittoresken Wasserfall, so vviedessgleichen den Skelle Brö. Der Wald wird von hier an lichter, die Bäume werden niederer und es erscheint die Alpenfohre (PinusPumilio). In der Station Lauergaard , wo wir wegen des Bruches unserer Wagendeichsel zwei Stunden anhalten mussten, trafen wir einen einsamen Engländer, hierher gekommen um zu fischen und wilde Rennthiere zu jagen. Obwohl derselbe ausser seiner Muttersprache nicht ein sterbliches Wörtchen einer andern verstand, daher auch mit den Landleuten gar nicht sprechen konnte, so versicherteer mich doch, dass er sich hier ganz vor- züglich amusire und noch einige Zeit zu verweilen gedenke. Von Lauergaard ans führt der Weg steil zum ersten Plateau des Dovre Fjeld hinan. Mehrere hübsche kleine W^asserfälle machen die Gegend pittoresk; mau erreicht die Station Tofte ilDIO rheinl. Fuss M. H.), wo die äussern Sei- tenwände der Kirche der heftigen Stürme wegen mit Schiefer- platten bekleidet sind, die mittelst Klammern befestigt werden. Nun steigt die Strasse zum eigentlichen Hauptgebirgsstocke des Dovre Fjeld empor; sie ist, vorder Regierung unterhalten, vortrefflich. Die Bauernhöfe hören auf und es fangen dafür die sogenannten Stuen (Stuben) an, analog unsern Tauern- häusern in den Alpen. Der Schneeberge tauchen immer mehr und mehr auf, besonders gegen Westen. Von der Station Lie (2400 Fuss M. H.) steigt die Strasse nur ganz sachte das Gebirge hinan. Nun hörtauch das Krumm- holz auf und es beginnt hier im 62. Grade nördlicher Breite die Region der Hochalpen. Endlich breitet sich das 4'/, geo- graphische Meilen lange Hauptplateau des Dovre Fjeld aus und man erreicht, mehrere kleine Hochgebirgsseen und Sennhüt- ten passirend, bei denen man Gelegenheit hat, das ausneh- mend schöne Hornvieh zu bewundern, die Station Fogstuen in 3150 Fuss Meereshöhe. — Fogstuen ist, was die umliegen- 565 den Berge betrifff, einer der interessantesten Punkte Norwe- gens, weil man von da aus die Bergriesen des Landes «md da- runter die höchsten von ganz Skandinavien : die Kuppen der Jötun Fjelde, der Nantgardstinderne, derHnrnngen, den Snee- hätten u. s. v\\ erblickt, und zumTheile, z. ß. den Sneehätten gerade gegen Nord, dicht vor sich hat. DerSneehiitten (schwedisch Sneehättan, die Schneemütze) misst nach ViBE 7400 Fuss Meereshöhe, der zunächst daran lie- gende Skraahojen oderSkreahög nach Naumann 7295 Fuss, der Mjogssöhojen ist nicht gemessen. Unter den entfernteren Gebir- gen steigen die Gipfel der Jötun Fjelde, z. B. der Ymes Fjeld, wahrscheinlich der höchste Berg Skandinaviens, nach Vibe zu 8300 Fuss, jene der Hurungen • zu 7860 Fuss Meereshöhe empor. Obwohl diese Höhen, gegenüber den Gipfeln unserer Centralalpen , nicht von sehr grosser Bedeutung erscheinen, so steigen sie doch sämmtlich weit über die Schneegvänze empor, welche man nach v. Buch in dieser nördlichen Breite auf 4860 Par. Fuss , nach Vibe auf 5200 rheinl. Fuss 31eeres- höhe festsetzen kann. Von Fogstuen aus sahen wir auch, uns gegenüber auf dem Gebirge, die beiden Lässöseen , den Liissö Vand in 1670 und den Lässö Verks Vand in 19!)0 Fuss Meereshöhe, Lez- terer See besitzt eine sehr interessante lokale Eigenthümlich" keit; er hat nämlich, gerade auf der Höhe des Joches liegend, zwei entgegengesezte Ausflüsse und es entspringen aus ihm einerseits der gegen Nordwest in den Tingvold Fjord bei Christianssnnd, zwischen Bergen und Trondhjem, abfliessende Romsdalelv, sowie andrerseits der gegen Südwest durch Gulbrandsdalen fliessende und im Beginne seines Laufes den Lässö Vand bildende Langenelv. Die Strasse über das Plateau des Dovre Fjeld, dessen mittlere Meereshöhe nach Vibe 3500 Fuss beträgt, ist wie die Wege über unsere Tanern mit hohen Schneestangen ausge- steckt, um nicht im Winter bei stürmischer Witterung alle Richtung zu verlieren. Die nächste Station, Jerkind (3050 Fuss Meereshöhe), liegt am Fusse der Bergkette, welche den ' Die Hurungen bilden die östlichste Partie der Ska^stöistinderne in Indre So<>;n. 566 Nordraiid des Plateau bildet, das hier östlich ganz sachte ge- gen Foldalen abdacht, durch welches Querthal Gulbrandsda- len oder respektive der Dovre Fjeld mit Oesterdalen in Ver- bindung steht, während dieTrondhjemer Hanptstrasse gerade gegen Nord über die Höhe führt, im üehergangspunkte (Jer- kindshöe) bis zu 4000 Fuss Meereshöhe ansteigt und dann ge- gen Kongsvold abfällt. Jerkind ist eine Station , wo man sich erholen kann und welche viele Gasthöfe grosser Städte beschämt. Hübsch möb- lirte Zimmer, Reinlichkeit wo man hinblickt, vortreffliche Bet- ten , köstlicher Rennthierbraten, feiner Bordeaux, freundliche Wirthsleute und billige Rechnung. Was will man mehr auf der Höhe des Dovre Fjeld und im Angesichte des Sneehätten ? Nördlich vom Passe Kringelen gewinnt die Gneissbildung Gulbrandsdalen einen ganz eigenen Habitus; der Gneiss geht nämlich nach und nach in Weissstein, in sogenannten Eurit über. Kurz vor der Station Lauergaard befinden sich zwei sehr interessante Felsblöcke, der eine oberhalb, der andere unterhalb der Strasse. Beide gehören dem oben erwähnten Feldspathgesteine an und sind vielleicht Trümmer der Masse eines grossen Ganges oder einer Gesteinsablosung. Die eine Fläche des oberhalb der Strasse liegenden Stückes, ö Fuss lang und 4 Fuss breit, ist tief gefurcht, eigentlich kannellirt; denn die Furchen sind zum Theile Yz Zoll tief und vollkommen geradlinig und regelmässig. Weniger ausgezeichnet sieht man diese Erscheinung an dem unterhalb der Strasse liegenden Blocke. Von Kunst ist hier keine Rede und ebensowenig kann man an Strömungs- oder Gletscherfurchen denken. Sehr wahr- scheinlich daher ist die gefurchte Fläche nur das abgerutschte Blatt einer Gangmasse oder sonstigen Gesteinsmasse und wir sehen hier nichts anderes vor unseren Augen als das losgerissene Stück eines sogenannten Harnisches, wie die Bergleute sagen. Auf dem ganzen Dovrefjeld sah ich nur Gneiss, Glimmer- schiefer und Thonschiefer. Alle drei im innigsten geognosti- schen Verbände unter sich und begleitet von den ihnen häufig zukommenden besonderen Lagerstätten , unter welchen sich vorzüglich Talkschiefer, der zum Ofenbau gewonnen wird, und schwarzer Thonschiefer, den man als Dachschiefer benüzt, 5G7 auszeichnen. Die tiefen Tlhäler und Schluchten erfüllt das von den Bergstiömen zugeführte Gerolle. Auf dem Plateau selbst, in der Nähe des Sneehätten, beobachtete ich aus- schliesslich Glimmerschiefer und Thonschiefer. A m 10. A uffust. in Jerkind verliessen wir die gerade über Kongsvold nach Trondhjem führende Hauptstrasse und wendeten uns östlich, den Seitenweg durch Foldalen einschla- gend , um nach Oesterdalen hinaus zu gelangen. Der Weg, meistens durch Waldungen von Krummholz führend, ist ab- scheulich und nur der prachtvolle Anblick der zackigen Höruer des llondenfjeld , dessen höchste Spitze , der Högronden , zu 6730 Fuss Meereshöhe ansteigt, konnte uns einigermassen entschädigen. Die Gruppe des Rondenfjeld gehört zum Ge- birgsstocke des Dovrefjeld ; sie liegt am südöstlichen Rande des grossen Plateau, zwischen Aetnedalen und Gulbrandsdalen, südlich von Foldalen. Weiter hin passirten wir die Stationen Borkhuus und Husum, sahen links der Strasse auf dem Gebirge die von einer Röraaser Gewerkschaft betriebenen Grubenbaue auf Kupferkies und mussten uns in der Station Grimsboen zur Passirung des Foldalsfjeld , der das Plateau des Dovrefjeld von Oesterdalen scheidet, jedoch vomFoldalselv durchbrochen wird, um einen Führer umsehen. Der Eigenthümer des Gaard bot sich selbst hiezu an. Eine hohe schöne Normannsgestalt, mit blonden Haaren und blauen Augen, ein skandinavisches Originalstück, wie ich sie nur selten sah. Dabei war sein Verstand so helle, sein ürtheil so ruhig, gesund und voll Um- sicht, dass es uns wirklich leid that als er wieder zurückeilte. Beim Hinansteigen auf den hohen FoldalsQeld verschwanden wieder nach und nach die Bäume, dafür erschien Krummholz, endlich bedeckt dichtes Rennthiermoos alle die kahlen Höhen, hie und da flattert in der weiten, lautlosen, vom kalten Winde bestrichenen Einöde ein einsames Schneehuhn auf. Wir sahen ein acht nordisches Bild. Noch einmal erblickten wir von der Höhe hinter uns den Sneehätten. Rasch ging es nun hinab auf die Alpen von Lille Elve- dalen; in einer der Sennhütten gestärkt durch ein tüchtiges Frühstück fuhren wir gleich darauf wieder bergan 5 endlich 508 stiegen wir am Westgehänge Oesterdalens nieder, erreichten zuerst die gewerkschaftliche Kupferhütte Friedrichsgabe, passirten sodann den Foldalselv an einer Fürth, wobei uns jedoch das Wasser so in den Wagen drang, dass wir beide auf die Sitze springen mussten , überschritten den Glommen- elv, der Oesterdalen der ganzen Länge nach durchfliesst und der grösste Fluss Norwegens ist , auf einer schönen Brücke und waren nun in der Station Stejen. Hier veränderten wir neuerdings unsere Reiserichtnng, indem wir nun durch Oester- dalen , am Glommenelv hinauf, gegen Nord oder vielmehr Nordost zogen , gegen das Gebirge hin , welches als östliche Fortsetzung des Dovrefjeld im Allgemeinen das Wassersystem der Westküste von jenem der Si'idküste, ganz lokal betrachtet hingegen Oesterdalen von Guldalen, trennt, auf dessen Höhe der Bergbau von RÖraas umgeht und die gleichnamige Berg- stadt mit den Hüttenwerken steht und von wo wir durch Gul- dalen nach Trondhjem hinabzuziehen beschlossen. Anfänglich liess die Waldgegend nicht sehr viel pittores- kes Interesse dem Thale abgewinnen , näher an der Station Nebye aber entfaltete sich neuerdings eine ausnehmend schöne Alpenlandschaft, beherrscht von der gerade vor uns zu 5470 jheinl. Fuss Meereshöhe ansteigenden , mit ewigem Schnee bedeckten Felspyramide des Tronfjelds. Auf diesem Gebirge hausen viele wilde Rennthiere, wie auf Dovrefjeld; auch noch einige Elens finden sich daselbst, jedoch ist deren Stand so geringe, dass von Seite der Regierung aus es untersagt wurde mehr als ein Stück jährlich zu schiessen. Am 11. August. Der dichte Wald, durch welchen sich der mächtige Glommen mit seinem krystallhellen Wasser hinzieht, hält bis Tolgen (1730 Fuss Meereshöhe) an. Die neue achteckige Kirche , des Pastor Holst Pfarrkirche , ge- währt einen bizarren Anblick. Die Strasse steigt nun stark an, erreicht in der Station Ous bereits die Meereshöhe von 2040 Fuss und zugleich die in ganz Norwegen als die kälteste bekannte Gegend, nämlich das Plateau von Röraas, v^'o in den langen Wintern die Kälte öfters den Gefrierpunkt des Queck- silbers erreichen soll*. Der Anblick von Röraas, in 2100 * Leonhard's Jahrbuch 1836, p. 499. 569 Fuss Meereshöhe bei d'!^ 34' nördlicher Breite, hat etwas trostloses. Auf rauher, unfreundlicher, windijjer Höhe, rings- um alles kahl, nirg^ends ein Baum zu sehen, lie«t die aus arm- seligen Häusern bestehende Bergstadt. Die Einwohner waren gerade mit der Heuernte auswjy'ts beschäftigt; Röraas lag daher vor uns tod und leer, ein paar Kinder auf der Strasse und die Schwester der Wirthin, eine schöne Blondine, welche uns unser Zimmer wies, sonst war fast Niemand zu sehen. Tags darauf befuhr ich mit Direktor Schult die Storvart- knpfergrube und besichtigte die Hüttenwerke in Röraas selbst '•'. Die nächste Umgebung der ßergstadt Röraas bildet Gneiss; weiter nördlich aber herrschen Glimmerschiefer, Chloritschiefer und Thonschiefer im gegenseitigen innigen geognostischen Verbände. Hier, ungefähr eine Meile von Röraas entfernt , geht seit 200 Jahren auf einem mächtigen Lager von Chloritschiefer mit Kupferkies, Eisenkies und Zink- blende ein ausgedehnter Berghau um und da befindet sich Storvarts-Grube, die grösste und bedeutendste im ganzen Röraaser Bergdistrikte. Der Kupferkies in Verbindung mit den übrigen Metaüsulphuriden bildet in der Masse desClilorit- sciiieferlagers, dasausN. inS. streicht und dach gegen O. ein- fällt, einen Körper, welcher sich, bei einer geringen Ausdehnung dem Streichen nach, in einer Mächtigkeit von 0,5 bis 1,5 Lach- ter und ohne bedeutende Unterbrechung in unbekannte Teufe erstreckt, wohin er auch bereits nahe an 500 Lachter tonnlag bergmännisch aufgeschlossen wurde. Storvarts-Grube ** ist in ihrer Art die reichste, die mir noch vorkam, und sie gibt bei der Regelmässigkeit und Gleichförmigkeit ihres Erzvorkom- mens, bestehend in Kupferkies, Buntkupfererz, Eisenkies mit Beimengung von Zinkblende und etwas Bleiglanz, welche Erze zum Theil in ganz derbem Zustande einbrechen, nicht nur die beste Hoffnung auf Nachhält, sondern es wird dadurch auch der ganze Betrieb, insbesondere die Gewinnung der Erze, ausnehmend erleichtert. Leztere geschieht durch einen ziem- lich unregelmässigen Pfeilerabbau, wobei man der grossen Standhaftigkeit des Hangendgesteins halber, welches gar '' Sehr vorzügliche Details über die gewerkschaftlichen Kupfer- werke von Röraas liefert Otte in seiner Reise etc. p. 155 — 171. '■* Nach Vjbe 2870 rheinl. Fuss Meercshöhe. 570 keiner Verzimmerung bedarf, die Verhaue durchaus 2 bis 3 Lachter hoch führt. Die Erzverhaue erstrecken sich beinahe bis zu Tage, daher man unmittelbar durch dieselben und zwar sehr bequem ins Tiefste gelangt. Zur Förderung und Wasser^ hebung sind drei seigere Schächte niedergeteuft, von welchen der tiefste 50 Lachter einbringt. Zu diesen Schächten ge- schieht die Förderung aus den Verhauen und Strecken mittelst Pferdekarren ; wobei übrigens auf Reinhaltung der Bahn, An- bringung von Eisenschienen oder wenigstens doch solcher von Holz, für Instandhaltung ordentlicher Wasserabzüge u. dgl. nicht gedacht zu werden scheint. In den Schächten geht die Förderung mittelst Ketten vor sich. Die Fördermaschinen selbst werden durch grosse oberschlächtige Räder in Bewegung gesezt und es besteht hiebei die schöne Einrichtung, dass die Ketten auf den Körben , mittelst daselbst angebrachter Eisen- schienen, sich in Schraubenlinien auf- und abwinden, wodurch ein sehr ruhiger, gleichförmiger Gang der Maschine erzielt wird. Das Feldgestänge einer Wasserhebmaschine sah ich durch ein Drahtseil vertreten. Fackeln aus Kienholz bilden auch hier, wie meistens in Norwegen, das Geleuchte bei Be- fahrungen, wobei man zwar an Helle sehr gewinnt, desto mehr aber durch den Rauch leidet, den diese Fackeln verbreiten. Die Taggebäude bei der Grube sind gut und für das rauhe Klima sehr angemessen eingerichtet. Ungeachtet des Erzreichthums der Storvartgrube und der Hoffnung , dass derselbe auch noch lange anhalten wird, halte ich es doch der Sicherstellung für die Zukunft wegen für höchste Raison , das, den gegenwärtig in Abbau stehen- den Erzkörper enthaltende, Chloritschieferlager seinem Strei- chen nach gegen Nord und Süd auch ausserhalb der Gränzen des jetzigen Grubenbaues in verschiedenen Horizonten zu untersuchen und glaube hiebei auf die Auffindung neuer Erz- mittel um so sicherer rechnen zu können , als der Röraaser Grubenbau sich keineswegs auf diesen Erzkörper beschränkt, sondern ähnliche Mittel und ähnliche, wenn auch nicht so grossartige Grubenbaue, mehrere in der Umgebung unter glei- chen Verhältnissen bestehen *. * Auch die zur Chiomhiitlc am Leerfos bei Tioudhjcm gelieferi werdenden Chromeisensteine brechen in der JSähe dieser Grubenbaue. 571 Die In der Grube gewonnenen Erze werden mit der Hand geschieden, das Klein geschlämmt, der Schmaud , meistens reich, wird auf liegenden Herden gewaschen , die gröbere Klein wird siebgesetzt, wobei die grössern Stücke ausgehalten und zur Handscheidung zurückgegeben werden. Zur Aufbe- reitung der Pocherze und der ihnen gleichstehenden Gezeuge aus dem Siebsetzprozesse bestehen Poch- und VVaschwerke, welche ich jedoch leider nicht zu sehen bekam , da die betref- fenden Manipulationsgebäude gesperrt und die Schlüssel we- gen Abwesenheit des Aufsehers nicht zu bekommen waren. Der Hütte werden die Erze und Schliche, nach Angabe des Direktors, in einem durchschnittlichen Kupfergehalte von 5% übergeben und im Ganzen Gezeuge von yo% bis 15% verschmolzen *. Die Röstung der Erze und Schliche ge- schieht in offenen Haufen , die Rohschmelzung in Halbhoch- öfen. Die in bedeckten Rostfeldern stark gerösteten Rohleche werden sogleich auf Schwarzkupfer durchgestochen und dieses sodann rosettirt. Der Prozess ist daher der einfachste. Zur Zeit meiner Anwesenheit erzeugte das Röraaser Werk jähr- lich bei 6400 Zentner Gaarkupfer von vorzüglicher Qualität, welches loco Trondhjera der Zentner zu 40 fl. — 42 fl. C.-M. verkauft wird. In Allem beschäftigt das Werk 200 Arbeiter. Bei der Hütte bedient man sich eiserner Cylindergebläse; der Zustand des Hüttenwerks in Bezug auf Gebäude und Oefen ist jedoch im Ganzen der Verwahrlosteste. Am 13. August. Der Morgen war trübe und empfind- lich kalt, als wir das unwirthbare Plateau von Röraas verlies- sen. Um aus dem Flussgebiete des Glommen Elv in jenes des Guldals Elv zu gelangen mussten wir den Wasserscheider am Nordwestrande des Plateau's überschreiten. Unterhalb der rauhen kahlen Berghöhen folgte niederes Laubholzge- büsch und endlich betraten wir wieder Wälder und Kornland. Guldalen , welches etwas südlich von Trondhjem im Trondh- jem Fjorde mündet, ist ein schönes , grösstentheils an seinen * Die Hütte zu Röraas beschäftigt sich vorzüglich nur mit Zugnte- bringung der Gefälle aus Storvart- und Königsgrube. Ausser dieser Hütte bestehen aber noch im Röraaser Bergdistrikte die Kupferbütten: Drngaas, Tolgens, Drivsöe , Louise, Friedrichsgabe (in Oesterdalen), alle gewerkschaftlich. 572 beiden Gehängen mit dichten Wäldern bedecktes Thal , im obern Theile voll tiefer Schluchten und enger Pässe. Wir passirten von Röraas und dem Wasserscheider thalab die Stationen Ryen, Hov (1650 Fuss Meereshöhe), Ramblö, Kirk- vold (1380 Fuss Meereshöhe), Bogen, wo wir Auerhiihner auf offener Strasse sahen, und übernachteten in Stören (205 Fuss Meereshöhe nach Esmark)? wo wir in dem Pfarrhofe, fast so gross wie ein Dorf, bei Pastor Bull, ein ehrwürdiger Greis von nahe SO Jahren , die herzlichste Aufnahme fanden. Am 14. August. Unterhalb Soknäs schifften wir uns an das rechte Ufer des Guldalselv hinüber und kamen nach Volum. Die Berge werden nun niederer, das Kulturland brei- tet sich mehr und mehr aus, wir passiren Leer und erfreuen uns endlich von der Höhe des Steeusberges herab des herrlichen Anblickes von Trondlijem, des nordischen Neapels, wie es einige Reisende im üebermasse des Gefühles neuneu. Nun! den Vergleich mit Neapel hält wohl Trondhjem nicht aus, aber scliön bleibt der Anblick der alten norwegischen Königsstadt und ihrer malerischen Umgebung, meiner Ansicht nach noch reizender als jene von Christiania, immerhin. Die weite Bucht von hohen schön geformten Bergen umgeben, die niedliche Stadt * mit ihren buntfarbigen hölzernen Häusern und rothen Ziegeldächern am Nidelv, der sie schlangenartig umwindet und dadurch zur Halbinsel macht, die ehrwürdige, gothische Kathedrale, die Krönungskirche der norwegischen Könige, leider zur Hälfte in Ruinen, die kleine Insel Munk- holm im Hafen mit ihren Festungswerken, die reizende Umge- bung voller Landhäuser, die fernen Schneeberge gegen Süden, die vor Anker liegenden und unter Segel gelieudenSchiffe im grossen Fjorde und dazu einereine, strahlende Beleuchtung ge- ben allerdings ein Bild, das über dieGränze der Gewöhnlichkeit weithinausreicht, das den angenehmsten Eindruck hervorbringt und in einer so nördlichen Breite freudig überrascht **. Im Hotel d'Angleterre, derWirth ein Engländer, die Wir- thin eine lebhafte Quänin (Finnin) aus Finnmarken, deren '' Trondhjem zählt 12000 bis 13000 Kin wohner. Nördliche Breite 63" 26' 50". * Sehr interessante Notizen über Trondhjem finden sich in Otte : Reisen etc. pg. 91 — 147. 57JJ dunkeln, sprechenden Augen man die Abkunft von weit jen- seits des Polarkreises nicht ansah , fanden wir nicht nur ein ganz vorzügliches Unterkommen , sondeiii auch vortreffliche Gesellschaft. So befanden sich unter mehreren hier anwe- senden Engländern der Obersteiger des von einer englischen Gesellschaft betriebenen Kupferwerkes zu Kaafjord im Alten- fjord bei Hammerfest, Namens Thomas, ein sehr unterrichte- ter Bergmann , dem ich viele meiner geognostischen Notizen über jenes interessante Terrain, dem der nördlichste Bergbau und Hüttenbetrieb der Erde angehört, verdanke, und vollends überrascht fühlte ich mich, hier unter meinen Tischgenossen einen andern englischen Reisenden zu finden , w eichen ich ein paar Jahre früheran den ersten Katarakten des Nils kennen ge- lernt habe. WelcheKette von Erinnerungen auseinerStrecke von 40 Breitengraden schlang sich durch unsere gegenseitige Unterhaltung! Diess sind Lichtpunkte im Wanderleben, die für viele Mühen und Gefahren entschädigen. In Avenigen Tagen ging das norwegische , im Sommer zwischen Finnmarken und Trondhjem Dienst thuende Dampf- schiff Prinz Gustav, Kapitän Fasting, von hier nach Hammer- fest al) und da ich schon lange im Sinne hatte diese nördlichste Stadt der Welt und zugleich das Kupferwerk am Kaafjord zu besuchen , so beeilte ich mich vor Allem uns die Plätze auf dem Schiff'e sicher zu stellen. Empfohlen in den angesehenen Häusern Lork, Schreiner, Sknutzen , und dadurch eingeführt in die Elite der Gesellschaft, feine, gebildete, zum grossen Theile viel und weit gereiste Menschen, bleibt mir der Aufenthalt zu Trondhjem stets eine schöne Erinnerung. Auch das Innere der Stadt, mit Ausnahme des Pflasters, macht einen hübschen Eindruck; denn die Stras- sen sind gerade, weit, die Häuser ansehnlich ; die Aussicht von der Citadelle ist ausnehmend schön. Die Domkirche oder die Kirche des heiligen Olaus ist ein ehrwürdiger, gothischer Bau. Ursprünglich 3.'*0 Fuss lang und ins Kreuz gebaut, gehört sie an und für sich zu den grössern Kirchen und dürfte selbst jetzt noch, da nur noch die kleinere Hälfte erhalten ist, die grösste Kirche im hohen Norden seyn. Besonders schön fand ich den Chor, wo man 574 »ich gerade damit beschäftigte, einen Gypsabguss des Christus von Thorwaldson aus der Frauenkirche zu Kopenhagen auf- zustellen. Die zwölf Apostel, von einem norwegischen Künst- ler gearbeitet, standen bereits auf ihren Platzen und erwarte- ten den Meister. Die Sammlungen der Kathedralschule bie- ten, mit Ausnahme der sehr instruktiven Sammlung von Fels- arten , welche Keilhau aus dem hohen Norden mitbrachte, Nichts besonderes dar. Vortrefflich vertreten hingegen ist in Trondhjem das schöne Geschlecht, besonders in der sogenann- ten dienenden Klasse und bei Gelegenheit einer Bürgerparade, wo vielleicht alles auf den Beinen war, was nur auf Beifall rechnen konnte , musste ich staunen über die vielen schönen Gesichter und Gestalten, durch die man fast bewogen werden könnte, Trondhjem viele Grade südlicher zu setzen. Auf unserem Wege von Röraas hierher sahen wir vom erstgenannten Orte bis Ryen nur Gneiss und sehr krystallini- schen Granft mit weissem Feldspathe, beide Felsarten im Ver- hältnisse der Wecbsellagerung und gegenseitiger üebergänge. Von Hov an aber und durch ganz Guldalen bis zur Meeres- küste bei Trondhjem beobachtete ich nur Thonschiefer mit Ausscheidungen von öuarz und durchzogen von vielen Dioritgängen, eine Formation, welche lebhaft an den Killas in Devonshire und Kornwall erinnert und welche, gleich den Felsgebilden, die den Christianiafjord umgeben, der üeber- gangszeit und zwar den ältesten Schichten derselben zuzu- zählen seyn dürfte *. Eine sehr verwandte Rolle mit dem Diorite spielen in dieser Schieferformation dieEuphotidgebilde. Serpentin und ähnliche Gesteine durchbrechen häufig diese Schiefer, jedoch nicht so sehr in der Form von Gängen, wie der Diorit, sondern massenhaft, stockförmig, kuppenartig. Dieser Schieferformation entsprechend drückt sich auch die äussere Physiognomie Guldalens aus. Tiefe, enge Thalein- schnitte, steile, schroffe Gehänge, wo die Neigung des Bodens es erlaubt und die Bergströme nicht ihre zerstörende Wirkung äussern, deckt dichter Wald alle Höhen. Diese Schieferfor- mation bildet nicht nur das Gestein der Küste bei Trondhjem, * Ich zweifle nicht, dass man es hier mit Ablagerungen der altern Grauwackenzeit, des sogenannten cambrischen Systems zu thiin hat. 575 sondern wir finden sie auch nördliclier in Stördalen und VHr- dalen; sie zeigt bei Forbord ausgezeichnet die Furchen alter Meeresströmung und wir verlassen sie, uns östlich wendend, erst an der schwedischen Gränze, wo sie von Gneiss und al- tern Schiefern : Glimmerschiefer, Chloritschiefer und soge- nanntem ürthonschiefer verdrängt wird , welche ältere Ge- bilde die Gränzgebirge, den Kjölhaugen und Skickerfjeld, con- stituiren und vorgebirgsartigin die westlich vorliegende jüngere Schieferformation eindringen. Die altern Schiefer bilden an der Gränze hohe, rauiie Berge mit engen Felsenpässen (Ty- pus der Alpen) ; auf den Plateaus hingegen Sümpfe und Wälder von ausserordentlicher Ausdehnung (Typus von Lappland). Es scheint demnach, dass diese Uebergangsforraation auf eine ähnliche Weise wie bei Christiania und wie am Alten- fjord, Tanafjord, Varangerfjord u. s. w. auch hier eine Bucht im Grundgebirge (Gneiss und ältere Schiefer) ausfüllt, nörd- lich von Trondhjem sich über Stördalen und Värdalen , viel- leicht noch weiter, südlich über Guldalen und Orkedalen aus- breitet und es liegt wirklich im Interesse der Wissenschaft, dass wir durch die Fortsetzung der geognostischen Karte von Keilhaü recht bald über die lokale Ausdehnung dieser Forma- tion in nähere Kenntiiiss gesezt werden. An dem Berggehänge, der Stadt Trondhjem gegenüber, nämlich an der Westseite des Hafens und in Verbindung mit dem Steensberge, beobachtet man in einer Meereshöhe von ungefähr 400 bis 500 Fuss eine horizontale Linie, welche sich beiläufig eine Meile weit erstreckt. Das Gebirge bildet da so zu sagen einen Absatz , allem Anscheine nach hervorge- bracht durch eine lange angedauerte Einwirkung der Wellen des Meeres und ich glaube daher, dass wir diese Linie als eine Marke des einstigen Meeresstandes anzusehen haben. Obersteiger Thomas aus Kaafjord versicherte mich ähnliche Linien in Finnmarken bis zu 1000 Fuss Meereshöhe beobachtet zu haben und meine eigenen Beobachtungen daselbst im Be- zug der dort in grossen Höhen sich findenden ausgezeichneten Strömungsfurchen können diess nur bestätigen. Bringen wir diese Erscheinung in Verbindung mit den bei Forbord in Värdalen beobachteten Strömungsfurchen , so kann man es 576 nicht veikennnen, dass wir hier auf einem Boden stehen , w» klare Beweise für die bekannte fortdauernde Emporhebung- * Norwegens vorliegen. Wir stehen auf einem Boden, der uns durch seine vielfachen Bewegungen und seihst durch seine sonderbaren Temperaturszustände, die andern Ländern gegen- über ausser allem Verhältnisse mit der bezüglichen nördlichen Breite stehen '•* und vielleicht doch nicht so ganz allein den Einflüssen der Luft- und 31eeresströmungen zuzuschreiben seyn dürften, eine fortdauernde Thätigkeit ganz unbestreitbar vor Augen legt In Norwegen und Schweden bewegt sich der Boden buch- stäblich unter unsern Füssen; er hebt sich im Norden und steigt aus dem Meere fortan empor, sinkt dagegen im Süden. Einst erfolgte ersteres in einem viel grösseren Massstabe und wahrscheinlich ruckweise, jetzt geht die Erhebung allmählig und nur in einem sehr kleinen Massstabe vor sich. Für diese Emporhebung sprechen die Marken des früheren hohen Mee- resstandes in Norwegen und Schweden, die Brandungslinien, die Terrassen von Meeresschutt, die Furchen der Meeresströ- mungen bis auf die Höhen der Gebirge, die fortlaufenden po- sitiven Beobachtungen der Niveauveränderungen u. s. w. *•*. * Th. Scheerer: Beitrage zur Kenntniss des SEFSTRÖM'scheii Frik- tionspliänottiens (Ström ungsfurchea, Riesentöpfe, „Jättegrytor" schvved.) in Poggendorf's Annalen. J. 1845, 66. Bd., p. 269 etc. Leonhard's Jahrbuch 1846, p. 751. Bravais: über die Eniporhebung Norwegens. L'Institut 1840, VIII, 159. Leonhard's Jahrbuch 1840, 720. ■"''* Keilhaü : über die Erdbeben in Norwegen, Mag. for Naturvi- denskaberne. Mai 1835. Bullet, de la Soc. geolog. de France. VII, 18. Leonhard's Jahrbuch, 1837, p. 693. Meine eigenen brieflichen Mitlheilungen aus dem hohen Norden in Leonhard's Jahrbuch 1841, p. 82 etc. *'•=* Lyell: über die Beweise einer allmähligen Hebung des Landes in einigen Theilen Schwedens. Philos. Transact. 1835, I, 1 etc. Keilhau: Thatsachen über die Hebung Skandinaviens. James Edinb. n. philos. Journ. 1836. XX, 425. Leonhard Jahrbuch 1837, p. 337. Wilson: über die Niveauänderungen in Schweden. Berzelius Jahres- berichte, Nro, 18, 386. Pogoendorf's Annalen, 42. Bd. 472. Leonhard, Jahrbuch 1839, 475. MuRCHisoN : über das oberflächiirhe Schuttland in Schweden und die Kräfte, w-elche im mittlem und im südlichen Theile wahrschein- 577 Das Faktum, glaube ich, steht fest und ist durch die For- schungen Buchs, Lyell's, Berzeuus', Sefström's u. v. A. hinlänglich Consta tiit, ob aber diese Eniporhebung eine Folge vulkanischer Wirksamkeit sey und ob dieselbe in irgend einer Beziehung und in welcher zu dem eigenthümlichen , verhält- nissmässig zur nördlichen Breite so hohen mittleren Tempe- raturszustande in diesem Theile der Erde stehe, das sind aller- dingsFragcn, die wir noch niciit zu beantworten im Stande sind. Besonders jenseits des Polarkreises sprechen sich entlang dem ganzen Küstenstriche von Norwegen die Temperaturs- und die klimatischen Verhcältnisse in einer überraschenden Weise aus. In Tromsöe z. B., jenseits des 69. Breitengrades, soll der Thermometer im Winter nie unter l'i» Reaum. sirkeu während er zu Röraas in 62» 34' ri. Breite (freilich in euier Meereshöhe von 2100 Fuss) unter — .Joo fällt. In Finnmarken beträgt die mittlere Temperatur + 1 bis 0 und doch sehen wir am Alten Fjord, jenseits des 70. Breitengrades, die Gerste reifen, versuchsweise sogar Korn bauen, das nicht jedesmal missrathen soll; wir sehen da die Zvvergbirke bis 2576 Par. Fuss, die Weissbirke bis 14S3 Par. Fuss, die Fichte bis nahe an 700 Par. Fuss Meereshöhe hinaufreichen und können die Schneelinie erst in 3300 Par. Fuss Meereshöhe ziehen *. Jenseits des 71. Breitengrades , auf Mageröe bis zum Nord- kap, wohnen noch 3Ienschen für beständig. Der Boden ge- friert zwar im Winter überall im Verhältnisse der Lokalitäten lind der herrschenden Temperatur; welche Erscheinungen bieten aber andere Länder im 70. und 71. Grade nördlicher Breite dar? Welche ewige Eis- und Schneemassen sehen wir im nördlichen Grönland und Sibirien, während man in den Häfen von Hammerfest und Tromsöe kein Eis im Winter sieht. Kein Eis am Nordkap , wenn sich der Sund und die Ostsee mit Eis bedecken und die russische Flotte eingefroren im Hafen von Kronstadt liegt ! Wir sehen hier noch Bodenkultur und Wälder nördlicher, als die äussersten Missionen der mährischen Brüder auf Grönland reichen, deren lieh auf die Oberfläche der Felsen gewirkt haben. Lond. Quart. geolog. Journ. 1846,349. Leoivhard^s Jahrbuch 1847, 223 u. s.w. " Nach V. Buch. Russegger, Reisen. IV. Bd. S'T 578 ewioer, starrer Winter bekannt ist; Kultur und Wälder in Ge«>^enden, wo die lange Nacht des Winters drei Monate dauert. Mit Schreiner, einem der Hauptaktionäre des Chronnver- kes am Leerfos, fuhr ich dahin. Man verarbeitet daselbst Chromeisensteine aus der Um- gebung; von Röraas, wo dieses Erz mittelst Tagbau gewonnen wird und nach Angabe Strommaier's, des technischen Direk- tors der Fabrik, auf nierenförmigen Nestern im Serpentine einbrechen soll, der daselbst stockartige Einlagerungen im Gneiss- und Glimmerschiefergebirge bildet. Die Produktion des Werkes am Leerfos beschränkt sich auf die Darstellung des sauren, chromsauren Kali. Zu diesem Zwecke werden die eingelieferten Erze, welche durchschnittlich 45% an gelbem Oxyde abwerfen, in Senngitterpochwerken gepocht und die Pochmehle auf liegenden Herden zu Schlich gezogen. Die Schliche werden sodann mit Pottasche gemengt und in Flam- menöfen durch 6 Stunden stark gerostet, respektive geschmol- zen, wobei sich chromsaures Kali und Eisenperoxyd bilden. Diese geschmolzene Masse wird in eisernen Pfannen ausge- laugt. Das unlösliche Eisenperoxyd fällt zu Boden, chrom- sanres und unzersetztes kohlensaures Kali aber bleiben in der Lauge. Leztere lässt man sich klären und konzentrirt sie so- dann in bedeckten eisernen Pfannen durch gelindes Abdampfen bis anfeinen gewissen Sättigungsgrad, wobei man ein be- stimmtes Verhältniss von Schwefelsäure zusetzt. Hiedurch wird das kohlensaure Kali zersetzt. Es bildet sich schwefel- saures Kali, eigentlich schwefelsaures Chromoxyd-Kali, wel- ches sich bei fortschreitender Konzentration der Lauge wäh- rend des Abdampfens zu Boden schlägt, dagegen saures, chromsaures Kali in der Lauge aufgelöst bleibt. Diese kon- zentrirte Lange wird in die bleiernen Krystallisationsbottiche abgelassen, in welclien sie durch 10 Tage in Ruhe bleibt, die Mutterlauge aber wird mit der nächsten Rohlauge wieder ver- sotten. Die in den Krystallisationsbottichen angeschossenen Krystalle von saurem , chlorsaurem Kali werden neuerdings aufgelöst, die Auflösung wird wieder in die Bottiche gegeben und die nun anschiessenden Krystalle von saurem chromsau- 579 rem Kali bilden, nach erfo|o(cr Trorknuno;, das Handelspro- «liikt, wobei man, um recht schöne , im brennendsten Morgen- rothe prang^ende Krystallgrnppen dieses Salzes zu erhalten, solche Krystalle an Bleisfreifen in die Lauge hängt. — Das saure chromsaure Kali wird theils zur Kottondrnckerei ver- wendet, tlieils benützt man es zur Darstellimg des grünen und gelben Chromoxydes, zu welchen Zwecken es vorzüglich nach Deutschland geht. Das Werk erzeugt jährlich ungefähr 1200 Zentner dieses Salzes und verkauft den Zentner zu 38 fl. — 39 fl. C.Mz. Weit vortheilhafter ist daher dem Werke der Handel mit den rohen Erzen nach England , wo man den Zentner bis zu 40 fl. C.Mz. bezahlt. Das bei dem Konzentrationsprozesse der Lauge abfal- lende schwefelsaure Chromoxydkali wird oben auf dem Flam- menofen getrocknet, sodann mit Kohle und Kalk beschickt, stark durchgeglüht und aufgelöst. Hiebei schlägt sich der schwefelsaure Kalk (Gyps) zu Boden und die Lauge wird durch ihren Halt an kohlensaurem Kali und chromsaurem Kali weiter benutzbar. Dicht am Chromwerke, wo die ganze Wassermasse des ausnehmend schönen Leerfos zu Gebote steht, wurde ein Kupferwalzwerk errichtet, welches vortrefflich eingerichtet ist, S) Reiste von Trondlijem in den Iiöclisten ]Vorden von Kuroptt. Der Torg-liätten. Hestinandöe und der nördliclie Polarkreis* Das Kisineer. BodiSe am üaitenfjord. Der F'olden- und Vestrjord. Die liO- foten. Troinsöe. Besucft bei liaiipiänderu. V^inn- marken* TVördiiclisfer Reisepuukt in der Breite 70<) SB', Der Altenfjord* Die Kupfer-, Berg- und Hüttenwerke am Haafjord und auT Reipaasvara» Hammerfest* Rückreise nach Trondiijein* Am 18. August 1840. Um 6 Uhr Morgens, die Sonne brannte schon tüchtig auf dem Verdecke, bewegten sich die Räder des Prinz Gustav, und Trondlijem den Steuerbord zu- wendend, ging es nun nach dem eigentlichen hohen Norden. Vor noch nicht langer Zeit aus den Tropenlanden des Innern Afrika zurückgekelirt, war dieser Gegensatz allerdings etwas stark, aber auch um so interessanter. Noch standen lebhaft 37 * 580 vor meiner Phantasie die glühenden Sandfläehen der Wüste, die unübersehbaren Savannenebenen, die Riesenströme mitihrer blnmenreichen, kolossalen Vegetation der üferländer, noch sah ich im Geiste die Negervölker, die schönen äthiopischen Stämme, noch hörte ich die arabische Sprache, noch sah ich die Beduinen in ihren Feldlagern und Thebens übermensch- liche Baudenkmale und nun ging es in den geheimnissvollen Norden, weit jenseits des Polarkreises, in das Eismeer, an die Küsten, wo die Gletscher, die Steine in ihren phantastischen Formen Gegenstand der Zaubermährchen sind, in das Land der Nordlandssagen, der Riesen und Zweige, in das Land, wo Monate lang die Sonne nicht unter den Horizont sinkt und Monate lange Nacht die Erde deckt, wo auch Nomaden hausen, jedoch statt dem hohen, schlanken Araber mit seinen muthigen Rossen und seinen Kamelen, statt dem schön ge- formten Aethiopen, der Lappenzwerg mit seinen Rennthieren. — Es war ein ganz unnennbar eigenthümliches Gefühl , das sich meiner bemeisterte. Das nördliche Norwegen, den nordlige Deel af Norge, beginnt mit der nördlichen Grenze des Nordre Trondhjem-Amtes am Nordhafsfjorde bei Leköe und umfasst die beiden Aem- ter: Nord lan d mit ö52,5 und Finnmarken mit 1197 geo- graphischen Quadratmeilen Flächeninhalt. Das Amt Nord- land umfasst weiter die Fogderien: Helgeland, Saiten und Vesteraalen oder Lofoten; das Amt Finnmarken die Fog- derien: Senjen oder Tromsöe, Vestfinnmarken und Oestßnn- marken", welche alle gegen West und Norden an den atlan- tischen Ozean und das Eismeer, landeinwärts aber an das schwedische Lappland grenzen. Beide Aemter sind reine Küstengebirgsländer, grösstentheils jenseits des Polarkreises liegend und namentlich zählen zu Finnmarken die nördlichsten Punkte Europas, z. B. Hammerfest, das Nordkap, Vardöhuus am Varanger Fjord u. s. w. Lage, klimatische Verhältnisse und Erwerbszweige, vorzugsweise Fischerei an den Küsten und Rennthierzucht im Innern, bedingen von Vorneher eine sehr dünne Bevölkerung und man kann nach den neuesten '* Nach Bloim und Vibe. 581 Quellen im Nordlandsamte nur 00 und in Finnmarken gar nur 31 Menschen auf die geojiraphische Qnadratmeile rechnen. Schliesst man iiiebei die Städtebewohner aus mid kalkulirt man nur bezüjjlicli der Landbewohner, so stellen sich die Ziffer noch niedriger. Der Name „Finnmarken« im Norwegischen ist eigentlich ganz gleichbedeutend mit „Lapmark" im Schwe- dischen; denn durch eine seltene Verwirrung in den Volks- iiamen werden die Lappen in Norwegen Finnen oder Finner genannt, während man die schon in alter Zeit aus Finnland eingewanderten eigentlichen Finnen, ein den in Branntwein versumpften Lappen gegenüber rühriges, thätiges V^olk, mit dem Namen Quänen oder Qiiäner belegt. Im Falle als sich die schon lange auf die beständig eisfreien Häfen in Finnmarken und auf die dortige ergiebige Fischerei spekulirenden Russen nicht seinerzeit dieser Rüsten bemächtigen, worauf Norwegen nicht genug sehen kann, so Aveiden die Finnen, oder die soge- nannten Quänen, selbst die Lappen nach und nach bestimmt vertreiben oder vielmehr verschlingen. Es wird diess nur der natürliche Sieg der Industrie über Indolenz und starre Ge- wohnheit, der Sieg von Männern über die Knirpse seyn, was die Lappen als noidische Nomaden , trotz aller Bemühungen ausgezeichneter Pastoren, stets bleiben werden , so wenig als der Türke sich aus seinem Sumpfe herausraff"en kann^ so lange er Türke bleibt. Doch jetzt zurück an Bord des Prinz Gustav. Wir hat- ten zahlreiche Gesellschaft auf dem Schiffe, darunter mehrere schöne Damen , leider aber verliesseu dieselben uns bereits am Rhetiklostret, einst der Sitz norwegischer Könige. In den Strahlen der Morgensonne entwickelte der grosse Fjord heute seine vollste Schönheit. Die hohen Schneeberge im Süden leuchteten blendend herüber auf den ruhigen, dunklen Spiegel und gaben dem Bilde einen Ausdruck, den wir ver- gebens auf dem Christiania-Fjorde suchen. Um Mittag traten wir aus dem Fjorde in die offene See hinaus, wendeten uns aber sogleich rechts hinter die Scheereninseln der Küste, wo wir uns des ruhigsten Fahrwassers erfreuten. Zwischen den flach gerundeten Kuppen der Scheeren zur Linken und den schroffen, wilden Felsmassen der Küste des Festlandes zur 582 Rechten, g;litt unser Darapfboot ruliig dahin. Die Küste ist kahl, von Vegetation entblösst, die Formen der Berge sind scharf gezeichnet. Wir hielten an mehreren Stationen, ein- zelne Gaards, welche znsammen mit den wenigen Fischerboo- ten, welchen wir in den oft sehr engen Scheerenkanälen be- gegneten, allein in dieser grossartigen Einöde menschliches Thnn und Treiben repräsentiren. Um 2 Uhr Nachmittags, nachdem wir den 64. Breitengrad überschritten hatten, passir- ten wir die wegen ihrer geringen Breite und den senkrechten Felswänden, welche sie einschliessen, interessante Meerenge zwischen dem Festlande und Stocköe % Am Eingange des Passes, von Seiten der offenen See, steht ein kleines Häus- chen auf dem kahlen Felsen, bewohnt von einem armen Manne mit einer Menge Kinder, welche halbnackt auf den Klippen herumsprangen. Weiter im Passe und zwar in der wildesten Partie desselben erhebt sich ein einzeln stehendes, hölzernes Kirchlein, ein Denkmal christlicher Milde in dieser Felsen wüste. Seit dem Sinai mit seinen nackten Felsengipfeln , seinem stil- len Kloster und der lautlosen Wüste ringsum ist mir ein sol- ches Bild ascetischer Einsamkeit nicht mehr vorgekommen. Die Gestalten der Felsen werden immer wunderlicher; ein weiter Spielraum für die Phantasie bei einem Volke , das sich so gerne in das Bereich der Sage versetzt und selbst durch die Natur, durch die langen Winteruächte , durch die flackernden Nordlichter u. dgl. dahin geleitet wird. Während der Nacht hielten wir einige Stunden an Björöe, um in die jenseits der Bucht des Foldenfjordes, der übrigens mit dem gleichnamigen Fjorde nördlich von Bodöe in SaltensFogderie nicht zu verwechseln ist, beginnenden schwierigen Passagen zwischen den zahllosen Scheeren bei voller Tageshelle zu gelangen. Nördlich vom Trondhjemfjorde, entlang der Küste, stösst man sogleich wieder auf den rothen, grobkörnigen Granit, der hier, wie an der Südküste Skandinaviens, die zahllosen Schee- ren bildet. Die Inseln zeigen auch hier jene charakteristische Form flach gewölbter Kuppen, wodurch diese Formation schon * oe die Insel. 58» von Ferne kennh.ir wird. Die hohen Berge des Festlandes hing^eoen bestehen ans Gneiss. Sie sind kahl, scliarf «jefornit, ein Charakter, der an der ganzen, grösstentheilsunvvirthbaren Kiiste von Nordland anhält. Bei Stocköe ist der Gneiss re- gelmässig; in Gesteinslagen getheilt. Die Berge sind daselbst über alle Vorstellung zerrissen, von tiefen Schluchten durch- schnitten. A m 19. A u g- u s t. Wir hatten Björöe uiu 2 Uhr Mor- gens verlassen , ruhig den Foldenfjord durchschnitten, waren zwischen den grossen Inseln Vigtcn, umgeben von einem gan- zen Scheerenarchipel , und dem Festlande durchgegangen, iiberschritten den 05. ßreitegrad und standen , als ich auf das Verdeck kam, bereits vor Leköe *, welche Insel uns zur Lin- ken blieb. Hier sitzt die sterbende Jungfrau **, verwundet durch den Pfeil des sie verfolgenden Riesen, welchen derselbe von Hestmandöe, 130 Seemeilen nördlicher, nach ihr abschoss. Der Pfeil flog durch den ganzen, in der Schusslinie liegenden Torghätten, daher das merkwi'irdige Loch durch diesen Insel- berg, und traf das Mädchen auf Leköe. Beide wurden so- gleich versteinert und der kolossale Pfeil blieb als Denkmal dieses Riesenschusses vor der Unglücklichen liegen. Die Scheereninseln häufen sich an der Ki'iste zu einem wahren Felsenlabyrinthe. In der Ferne taucht der Torghätten wie ein spitzer Hut mit breiter Krempe aus den Wogen auf. Um 9 Uhr landeten wir im Bindalensfjord an Nordlands Post- comptoir, wo wir der Briefschaften und Passagiere wegen einige Zeit verweilten. W^ir haben nun Nordlandsamt und zwar die Fogderie Helgeland betreten. Der Schnee auf den Bergen in der Nähe des Gaard , wo man uns mit köstlicher frischer Butter bewirthete, mochte damals ungefähr mit 2000 Fuss Meereshöhe beginnen. Auf den Feldern sah ich Gerste, Korn und Haber: von Bäumen ist jedoch die Gegend, welche sonst ganz den Charakter einer an einem grossen See liegen- den Alpenlandschaft an sich trägt, entblösst. Das herrschende Gestein ist Gneiss mit rothem Feldspathe , reich an Höhleu, * 1000 Fus.s Mocicshölie nacli Vjbk. ''^'^' Ein FpIs in der Gt\s(aU eines silzeiidei] Mensclien. Alles iia- tüilicli im Mussstabe der Piicscii, su aucli der versteinerte Ptcil. 584 ivelche jedoch sämuitlich den Charakter offener Gangspalten an sich tragen. Um 2 Uhr Nachmittags fuhren wir dicht am Torghätten vorüher, indem wir diese zu 760 Fuss ansteigende Felseninsel zur Linken iiessen. In der Mitte der Höhe des Gneissberges, welcher die ganze Insel bildet, befindet sich eine Höhle, mei- ner Ansicht nach eine offene Gangspalte. Sie führt durch den ganzen Berg durch, mag ungefähr eine Länge von 1000 Fuss, eine mittlere Breite von 00 Fuss und eine Höhe von 80 bis 150 Fuss haben. Man sieht wie durch ein Fenster das Meer auf der andern Seite desTorghätten, sowie die jenseits liegen- den Inseln. Der öuerschnitt dieser merkwürdigen Höhle bil- det ein Trapez, die kürzere Parallele nach unten gekehrt. Bald darauf landeten wir an BrönÖe, ein niedliches Kirch- lein mit einigen Gaards auf dem Festlande, dem Torghätten gegenüber. Die der Küste in Menge vorliegenden Inseln sind grösstenthells flach, die Berge des Festlandes aber stei- gen bis zu 3000 Fuss und darüber an. Sie sind kahl und stark mit Schnee bedeckt , der gegenwärtig sich noch bis zu nahe 1000 Fuss über das Meer herabsenkt. Auf den Höhen dieser Berge zeigen sich im Nordlandsamte die ersten Gletscher. Auf der Küste und auf einigen Inseln wird Korn gebaut; die Häuser sind von Holz, farbig angestrichen , die Dächer, wie sehr häufig in Norwegen, aus Birkenrinde mit Rasen be- legt und hiedurch undurchdringlich für liegen und Frost. Diese Bauart bildet den üebeigang zu den förmlichen Erd- hütten, wie man sie im höchsten Norden auf Mageröe u. s. w. findet, wo sie allein den gewaltigen Stürmen am Nordkap, den ewigen Nebeln , den langen Wintern, bei Mangel an Brenn- stoff, Widerstand entgegenzusetzen vermögen. Wie ge- wöhnlich steht an der Kirche das Haus des Pfarrers und des Kaufmanns, ebenfalls aus Holz und angestrichen. Abends erreichten wirAlstenöe am Eingange desVessen- fjords und hielten an der Station Alstadhoug , bestehend aus der Kirche und einigen Häusern. Was Höhe der Berge, kühne Felsformen und überhaupt das, was wir romantische Wildheit nennen, anbelangt, istÄlstenöe einer der interessan- testen Punkte an der ganzen Nordlandsknste. Ein hohes, in 585 seinen wunderlich scharfen Formen mich lebhaft an den Sinai erinnerndes, zu mehr als 4000 Fuss Meereshöhe ansteigendes, ganz kahles und auf seinen Höhen mit ewigem Schnee und Eis bedecktes Gehirge, von seinen sieben Gipfeln die sieben Schwestern* benannt, bildet die Insel Alstcn. In Alstadhoug, umgeben von wilden, kahlen Felsmassen, soll der Kornbau nur selten gelingen, während man sich von einigen andern Punkten entlang der Küste am Siebenschwesterngebirge Wun- der der Vegetationskraft erzählt, die ans Unglaubliche reichen. Gewiss ist es, dass der Boden im Winter nur wenig gefriert und dass im Sommer während eines an 6 Wochen dauernden Tages die Sonnenstrahlen, von den kahlen Felsen zurückpral- lend , am Fusse der Berge eine Temperatur hervorbringen, ähnlich der in einem Treibhause. Nördlich von Alstenöe passirten wir den 66. ßreitegrad, durchschnitten die Buchten des Ranenfjordes und des Sionen- fjordes und näherten uns dem nördlichen Polarkreise. Wer in der Lage war die eine oder andere der Hauptparallelen unserer Erde zu passiren , der kennt auch den Eindruck , der sich mit dem Bewusstseyn verbindet, eine neue Zone zu be- treten; dieser Eindruck wird aber vollends nnvergesslich, wenn er durch das Zusammentreffen so sonderbarer Umstände eine zauberhafte W^eihe erhält, wie diess bei unserer Passirnng des Polarkreises der Fall war. — Es war Mitternacht und «och helle Dämmerung-, als wir an Hestmandöe (die Reiter- insel) standen, durch deren Mitte, sowie durch jene der nahen Insel Tränen, der Polarkreis geht. In Osten war der Mond aufgegangen und leuchtete helle i'iber den Gletscherbergen des Festlandes, '.vährend zu gleicher Zeit in Nordwest ein Nordlicht flammte, so stark , dass wir trotz Dämmerlicht und Mondenschein seine flackernden Strahlen deutlich ausnahmen. Das Mittel des Bogens lag nahe im magnetischen Nord und die Strahlen schössen hoch über den Zenit auf. In diesem Zauberlichte lag Hestmandöe uns dicht zur Linken, ein 700 bis 800 Fuss hoher Inselberg aus Gneiss und Granit , welcher die Gestalt eines riesenhaften Reiters hat, jenes Ungethüms, * Syv Söstre. 586 das der Nordlandssage n.ich die fliehende Jungfrau verfolgte und ihr jenen Pfeil nachsandte, der den Torghätten durch- bohrte und das Mädchen auf Leköe tödtete, ein Riescnsciiuss auf 130 Seemeilen. Die Aehnlichkeit dieser Felsgestalt mit einem Reiter ist auffallend und bedarf zur Wahrnehmung der- selben keiner lebhaften Phantasie. Die Haare des Riesen, der seinen Kopf etwas zurückbeugt, scheinen wild im Winde zu flattern, die eine Hand auf dem Sattel ruhend, die andere unter dem Mantel, den der Wind hebt. Wir waren nun jen- seits des Polarkreises im Eismeere angelangt und das Be- wusstseyn , von der Nähe des Aequators an alle Zonen der nördlichen Erdhälfte betreten zu haben, hob meine Brust; der Champagner schäumte und die Gläser klangen : dem Vater- lande und unsern Lieben. Am 20. August. Wir fuhren den Rest der Nacht durch und befanden uns am frühen Morgen vor den Einbuchten des Glommfjordes und Skarsfjordes. Im Hintergrunde dieser Fjorde steigen die Gebirge des Festlandes zu 4000 und 5000 Fuss Meereshöhe an. Weit ausgedehnte Gletscher *, deren Länge ich auf 12 geographische Meilen anschlage und deren Breite wenigstens sechs geographische Meilen betragen soll, decken die Höhen dieser Gebirge. Ihre meergrünen ** Eis- massen senken sich in den Thälern und Schluchten, gleich mächtigen Strömen, bis zu den Küsten der Fjorde nieder, und so wie wir in den Alpen das Vieh sehr häufig dicht am Rande der Gletscher weiden sehen, so erblicken wir hier noch Korn- bau an der Gränze des ewigen Eises. Der Anblick dieser Gletscher ist sehr malerisch, doch mangeln ihnen jene bizar- ren Eisnadeln, Pyramiden und Zacken, welche die Alpen- gletscher so ausserordentlich schön machen. Der Nordlands- gletscher ist mehr gerundet und wie mir im Allgemeinen schien weniger zerklüftet und weniger in Bewegung als der Alpengletscher. Um acht Uhr hatten wir, nach Passirung des hohen Vor- gebirges Kunnen und des 07. Breitengrades, die Insel Lande- * Im Norwegischen : lis Fjcld, Siieebräc. *' INicIit griiiilichblau wie bei uns iii den Alpen. 587 j^ode oder Landegodöe, indem wir ostwärts in den grossen Saitenfjord einlenkten, znr Linken. Dort sitzt, in Stein verwandelt, noch immer Landegos Weib mit ihrem Kinde auf dem Arme, und schaut, des geliebten Mannes harrend, in die offene, unermessliche See hinaus. Bodöe, der Hauptort des Nordlandamtes und Sitz des Amtmanns (Gouverneurs), liegt in Saiten Fogderie , am Ein- gange des SaltenQordes und an der Nordküste desselben, in einer freundlich grünen, zunächst der Küste baumlosen und im weiten Kreise von hohen, kahlen, mit ewigem Schnee und Eis bedeckten, ungefähr zu 4000 Fuss über das Meer anstei- genden Gneiss- und Glimmerschieferbergen umgeben. Die Gletscher senken sich hier bis nahe zu 1000 Fuss über dem Meere herab. Bodöeskirche mit dem Pfarrhofe liegt eine halbe Stunde weiter landeinwärts am Fjorde in der Nähe eines ßirkenwäldchens. Bodöe zählt einige recht hübsche hölzerne Häuser. Als Fremde wurden wir sogleich im Hause des Amtmanns Stabell eingeführt und mit der herzlichsten Gastfreundschaft aufgenommen. Alle Passagiere des Dampfschiffes, worunter mehrere und zwar sehr hübsche Damen , meistens Predigers- Frauen und Töchter, waren zum Diner geladen, wobei es im ächten Nordlandsstyle zuging. Stabell, der Hausherr, gleich tüch- tig als Geschäftsmann wie liebenswürdig als Mensch , präsl- dirte. Es dauerte nicht lange, so wurde Norwegens herrliche Nationalhymne angestimmt, darauf wurde von Stabell ein Toast auf Norwegens Verfassung und Freiheit, dann allen anwesenden Gästen ausgebracht; einer der Leztern erwie- derte diesen auf das Wohl des Hausherrn und der Hausfrau, nun ging es ins Endlose, der Hausherr musste der Sitte nach mit jedem Gaste ein Glas trinken und umgekehrt, und was für ähnliche Aufmerksamkeiten sich erst die Gäste gegenseitig erwiesen ! Mir hatte das Schicksal einen ultrademokratischen Dechant zum Tischnachbar gegeben, der mir nicht wenigwarm machte und ich konnte mich einer kleinen Schadenfreude nicht enthalten, als ich ihn endlich seinen Anstrengungen in Wort und That erliegen sah. Doch auch uns übrige erreichte die 588 Nemesis und bei dem Balle, der nach Schlnss der Tafel er- öffnet wurde, mangelte nach und nach manch theures Haupt. Am 21. August um fünf Uhr 3Iorgens verliessen Avir ßodöe und seine lieben, freundlichen Bewohner. Nachdem wir den durch seine scharfen Felskämme ausgezeichneten Kjerringfjeld (2800 Fuss Meereshöhe) bei Kjerringöe und die Einbucht des grossen Foldenfjordes, der sich weiter im Lande in den nördlichen und in den südh'chen theilt, passirt hatten, wendeten wir uns am Granitvoi-gebirge Skotstindeii gegen Nordwest, um die weite Bucht des Vestfjordes zu durchschneiden und die jenseits desselben aus Südwest in Nordost, fast über zwei Breitengrade, sich erstreckende In- selreihe der Lofoten zu erreichen. Zu unserem Vergnü'*^en war es Windstille und der an seiner Mündung bei 50 Seemei- len breite Fjord lag ruhig wie ein Spiegel vor uns. In der Mitte desselben trieben einige Wallfische ihr lustiges Spiel. Besonders machten sich zwei dieser Riesenthiere in der Nähe des Schiffes zu thun, so dass wir sie recht gut beobachten konnten. Gleich den Delphinen tauchten sie in Boo^enlinien auf und unter, wobei sie von Zeit zu Zeit das eingenommene Wasser, hohen Fontainen gleich, in die Höhe spritzten. Von den hohen Bergen am Saltenfjord gegen Nord über den Kjerringfjeld und Skotstinden bis zum Konsdalstind am Ofo- tenjord % auf Seite des Festlandes gegen Osten und Süden, sowie auf Seite der Lofoten gegen Norden und Westen: vom Helligtind aufTjäldöe am Eingange des Ofotenjordes , über die hohen Gebirge auf Hindöe **, über den Jomfrutind und Vaage Kallen *** auf Ost Vaagöe, den Himmeltinderne auf Vest Vaagöe und weithin bis zu den südlichsten Klippen der Lofoten, überblickten wir aus der Mitfe des Vestjordes ein Panorama von Gebirgen, dessen erhabene Schönheit sich jeder Beschreibung entzieht. Wunderbar gestaltete Felskolosse, tausendzackig und zerrissen, zahllose Hörner und Zinken, meistens hoch über die Schnecgränze bis zu 4000 und 5000 '■■' Die nordöstliclic Fortsefzune; flcs Vestfjordes. Die grösstc der Lofoten. Die höchste ßergspitze auf den Lofoten, 4000 bis 5000 Fuss Meereshöhe. 589 Fuss Meereshölie einporrageinl , zum Theil betleckt mit Glet- schern und ewigen Sclineefeldern, standen sie um uns die Nord- landsberge, mäcbtic^e Säulen jenes Riesentempels, in welchem sich die Natur in ihrer Grösse dem Menschen auch weit jen- seits des Polarkreises veroft'enbart. Wir erfreuten uns dieses Anblickes den ganzen Tag durch während unserer Fahrt an den Lofoten im Vestfjorde, bis wir Abends in den Tjäldesund, die enge Meeresstrasse zwischen Hiudöe und Tjäldöe eintra- ten und den Vest Fjord ver Hessen. Nachdem wir den ö8. Breitegrad passirt hatten lande- ten wir um 2 Uhr Nachmittags an der kleinen Insel Svolvär, einer der Lofoten an der Mi'indung des llaftsundes im Vest- fjorde, welcher Sund die grosse Insel Hindöe von der Insel Ost Vaagöe trennt. Ein Kaufmann mit seiner Familie, der in seinem grossen, hölzernen Hause, umgeben von VVaarenmaga- ziuen, mit allem Comforte wohnt, bildete die ganze Bevölke- rung von Svolvär: die vielen Trockengerüste jedoch und die vielen kleineu am Strande sich hinziehenden hölzernen Häus- chen beweisen , dass hier zu anderer Jahreszeit sich die Be- völkerung keineswegs nur auf die paar Menschen beschränkt, welche wir da trafen. Die Lofoten, jene Reihe unwirthbarer Felsinseln, mäch- tige Gebirge, zum Theil mit ewigem Eis und Schnee bedeckt, welche zwischen 67° 30' und 69*^ 30' nördlicher Breite an der NordwesJküste Norwegens sich hinziehen, ein gewaltiger Danimgegen die stürmischen Wogen des Eismeers, sind einer der wichtigsten Punkte der Erde, nicht nur von höchster Be- deutung für Norwegen , sondern für den Welthandel. Hier versammeln sich im Winter (Januar, Februar, März) an 20000 Menschen, um den Stockfisch zu fangen , der des Laichens wegen aus dem grossen Ozeane in einer Menge hierher zieht, deren Schilderung mährchenhaft klingt. Bestimmte Gesetze regeln das gemeinsame Geschäft, zu dem die Menschen, Alles des Gewinnes wegen wagend, auf grösstentheils otfenen Boo- ten oft aus weit über 100 geographische Meilen betragender Ferne zusammenströmen *, abgerechnet die grösseren Schiffe * Eine vorh'eflfliche, umständliclip Beschreibung: dieses Fisclifanges in V. Bucii's Reise I, p. 370-397. 590 welche des Handels wegen zu dieser Zeit hierher kommen. Die Abfälle der getrockneten Fische werden, wie überhaupt iu den Polarländern, als Viehfutter benijtzt , wodurch jedoch die Milch für den Ungewohnten einen sehr unangenehmen Beigeschmack erhält. Im Friihjahre stellen sich hier auch die Eidervögel (So- materia mollissima) ein und nähern sich um zu bri'iten den menschlichen Wohnungen. Sie sind zu dieser Zeit so zahm, dass sie sich mit den Händen fangen lassen. Zweimal werden' ihnen die Eier und die selbst ausgerupften Federn (Eiderdu- nen) genommen, das drittemal lässt man sie jedoch in Ruhe und sieht sehr darauf, dass sie nicht gestört werden, um diese werthvollen Gäste für den nächsten Besuch nicht zu verscheuen. Die periodischen Oszillationen des Meeres (Fluth und Ebbe) sprechen sich in den engen Kanälen, welche die Lofo- teninseln von einander trennen, mit grosser Schärfe aus und bedingen die Erscheinungen von Strömungen, welche manch- mal, wenn Winde mit ins Spiel kommen, eine ausserordent- liche Stärke erhalten und den leichten Booten derlnselbewoh- ner grosse Gefahr bringen , so z. B. der bekannte Malstrom (Mälström) zwischeuVäröe und Moskenäsöe. Als herrschendes Gestein der Lofoten sah ich durchge- hends Granit und Gueiss mit rothem Feldspathe. Bei Lödingen auf Hindöe verliessen wir den Vestfjord und liefen in den schmalen Tjäldesund ein , der Tjäldöe von Hindöe trennt. Um 9 Uhr Abends landeten wir in Sandtorv auf Hindöe. Die niedlichen Häuser erhielten durch die we- nigen in der Nähe stehenden Birken einen für uns bereits sel- ten gewordenen Reiz. Hier wird auch Gerste gebaut, aber nicht jedes Jahr gelangt sie zur Reife. In Sandtorv verlies- sen wir Nordlandsamt und betraten Finnmarken , die letzte nördlichste Provinz Norwegens , der nördlichste Theil Euro- pas. Die FogderieSenjen oderTromsöe, welche hier beginnt, wurde früher zu Nordlandsamt gerechnet. Am 22. August. Wir waren die Nacht durch gefahren, hatten Throndenäs auf Hindöe , den über .3000 Fuss hohen Faxtinden auf dem Festlande, gegenüber von Sandöe, den 09. Grad nördlicher Breite, die Insel Dyröe, den Solbergfjord 591 und die grosse Insel Senjen mit ihren hohen Gletscherbergen passirt und standen am frühen Morg^en vor Lenvik, der Nord« spitze von Senjen gegenüber und unweit der Mündung des IWalangen Fjordes. Hier verloren wir einen sehr lieben Theil unserer Reisegesellschaft, nämlich den Pastor Hüll mit sei- ner schönen Frau. Er war von Trondhjem hierher auf seinen Amtssitz zurückgekehrt und trat nun im freundlichen Pfarr- hofe, umgeben von Wiesen und Gesträuche, von Schneebeigeii und Meer, seine nordisch idyllische Einsamkeit wieder an. Nachdem wir den Bensjordtinden, das 3900 Fuss hohe Vorgebirge zwischen dem Malangen- und dem Baisfjorde, umfahren hatten, liefen wir in den die grosse Insel Kvalöe von dem an 4000 Fuss hohen Tromsdals Fjeld, auf dem Fest- lande zwischen demBals-und tllfsfjorde, trennenden Kanäle ein, in dessen Mitte die Insel Tromsöe mit der gleichnamigen Hauptstadt von Finnmarken liegt. — Die Berge ringsum sind zunächst mit Laubholzgebüsche und niederem Birkenwald be- deckt. Hohe Schneegipfel überragen sie von allen Seiten. Um 10 Uhr Vormittags landeten wir in Tromsöe , in CD** 38' nördl. Breite, somit so nördlicJi als die nördlichsten Kolo- nien auf Grönland und um mehr als drei Breitengrade nördli- cher liegend als die nördlichste Landspitze Islands. Tro.nsÖe, eine kleine Stadt, aus lauter hölzernen, aber mitunter recht hübschen Häusern bestehend, zählt bei 1800 Einwohner und treibt bedeutenden Handel mit Fischen, Thran u. dgl. Die meisten der hier anlegenden Schiffe sind russi- sche aus Archangel, welche, das Nordkap umsegelnd, Älehl bringen und dafür Fische, meist getrocknete, als Rückfracht nehmen. Wie oft dürfte vielleicht ein grosser Tlieil der Be- völkerung Nordlands und Finnmarkens des Hungers gestorben seyn, wenn diese Russen nicht wären? Die Lage der Stadt ist nur dadurch hübsch, dass hohe Schneeberge in geringer Entfernung den engen Sund umgeben, denn der Hügelrücken, an den sich die kleine Stadt lehnt, ist höchst einförmig. Auch in Tromsöe reift Gerste innerhalb der Zeit von 8 bis 1) Wochen, doch ist nicht jedes Jahr darauf zu rechnen. Der Boden gefriert zwar im Winter 3 bis 4 Fuss tief, das Meer aber nie. Leberhaupt sinkt die Temperatur 592 der Luft selten unter 10° Reauin., nie unter 12°, folglich er- reicht die Winterkälte nie eine Höhe, wie z. ß. am Nordrande der Alpen. Weiter im Innern des Festlandes ist zwar die Winterkälte bedeutender, jedoch nicht in dem Masse wie in anderen Ländern unter gleichen Breiten. Welche Eis- und Schneemassen bedecken z. ß. fortan den Norden Sibiriens, das hyperboräische Nova Zemlia, Grönland n. s. w. in der gleichen ßreite mit Tromsöe ? Selbst das bedeutend südlicher liegende Island ist zum grossen Theile viel unwirthbarer und eine wahre Schneewüste. Eine kümmernde Vegetation, Gesträuch und niederes Laubholz, bevölkert von einer Menge Schneehühner (Tetrao Lagopus), bedeckt die ganze Insel Tromsöe, Das Grund- gestein derselben sind Gneiss, Chloritschiefer, Glimmerschie- fer, körniger Kalk und Hornblendegesteine, welche von Schutt, Gerolle und Torfboden bedeckt werden. Vom Rücken des Hügelzuges aus, der die Insel durchschneidet, geniesst man eine sehr schöne Rundschau der umliesfenden Schneeberae. Da einerseits im Sommer nicht die eigentliche Zeit des Fischfanges ist. andrerseits der gänzliche Mangel an Strassen, die vielen reissenden ßergströme und der Mangel an Menschen im Innern des Festlandes, welche zu dieser Zeit theils auf die Gebirge, theils an die Küsten ziehen, das Reisen daselbst sehr erschweren, so ist es eine natürliche Folge, dass der Winter eigentlich die Jahreszeit ist, in welcher im hohen Norden das regste Leben zu Meer und Land beginnt und der grösste Ver- kehr statt findet. Gleich wie sich daher im Winter die fel- sigen Küsten der Lofoten bevölkern, so geht auch das Reisen zu Lande erst im Winter an. In den Richtungen zwischen Tromsöe, Tornea , Kautokeino, Enontekis und all den ver- schiedenen Marktplätzen in West- und Ostfinnmarken und im schwedischen Lapplande ziehen nun die Reisenden mit Renn- thieren und Schlitten über gefrorene See'n und Flüsse, schnell, ohne Umwege und Hindernisse, von Ort zu Ort; die grossen Märkte im Innern Lapplands werden abgehalten, die nomadi- sirenden Lappen wohnen zu dieser Zeit an ihren festen Win- terplätzen, Kein Sonnenstrahl durch drei Monate, wie es z. B. in Hammerfest und wenis: kürzer auch in Tromsöe der 593 Fall ist — das mnss zum Verzweifeln seyn, denkt der Südlän- der. Keineswegs, die langte Nacht, wenn wir diese Zeit mit Einschlnss der Mittag^sdämmeruno; so nennen wollen, ist nicht nur die Zeit der Geschäfte, sie ist auch die des geselligen Zu- sammenlebens, der Besuche, ßcäile u. s. w. Ausserdem wird der Polarländer dafür durch den langen Sommertag wieder entschädigt, da er z. ß. in Hammerfest durch drei Monate die Sonne nicht untergehen und dieselbe am Nordkap (71» 11' 40" nördl. Breite) um 31 i tternacht zurZeit des längsten Tages unter einem Winkel von ungefähr 15» über dem Horizonte stehen sieht. Was den dortigen Bewohnern Schrecklichstes drohen kann, sind: das Ausbleiben oder minder reichliche Ein- treffen der periodischen Fischzüge, zu massenhafter Schnee- fall im Winter und zu langes Liegenbleiben des Schnees, weit in den Sommer hinein, denn dann sind die Gefahren der Hungers- noth fast unvermeidlich. Nach den mir in Tromsöe gewordenen Mittheilungen legt man im Winter, bei gutem Wetter und günstiger Schneebahn, den Weg von dort nach Haparanda oder Tornea in sieben bis acht Tagen zurück. Ungefähr GO geographische Meilen des Weges macht man mit Rennthieren und im Pulke *, den üb- rigen Theil in Schlitten und mit Pferden. Die ersten 4 Tage der Reise kann man genöthigt seyn sich des Nachts in Schnee eingraben zu müssen, dann aber triffst man Stationen, wo sich meist auch eine Kirche, Pfarrhaus und sonst einige Häuser befinden. Von Tromsöe gehen jährlich Schiff"e nach Spitzbergen ab, wohin man mit sehr gutem Winde in 4 Tagen gelangen kann. Der Zweck dieser Expeditionen ist vorzüglich die Jagd auf Wallfische und Wallrosse, bei welcher Gelegenheit auch Eisbären, wilde Rennthiere, deren es viele auf Spitzbergen geben soll, ferner verschiedene Arten benutzbarer Vögel er- legt werden und Fischfang betrieben wird. Es ereignet sich manchmal , dass solche Expeditionen auf Spitzbergen über- wintern, zu welchem Zwecke mehrere hölzerne Häuser, wahr- scheinlich Erdhütten wie auf Älageröe , erbaut seyn sollen. * Der trogartige Rennfliierschlitfen des Lappländers ohne Kufen. Russegger, Reisen. IV. Bd. 3g 594 Ungeachtet dessen aber erliegen die Menschen häufig der Wucht des klimatischen Einflusses; eben so häufig- dem un- mässigen Genüsse des Branntweins, dem Mangel frischer Nah- rungsmittel, dem der Bewegung und angemessenen Beschäfti- gung in der langen, furchtbar kalten Winternacht. Vorzüglich rafft der Skorbut, der auch auf den Inseln an der Küste Nor- wegens jenseits des Polarkreises viele Verheerungen und grässliche Verunstaltungen anrichtet, die meisten Opfer hin und auf diese Art verlor z. B. Konsul Mack in Tromsöe vor drei Jahren (also 18:J7) eine aus 14 Mann bestehende der- arti»-e Expedition *. Auf Spitzbergen sollen sich unter andern den^mir in Tromsöe gewordenen Mittheilungen zufolge Stein- kohlen finden , ein - wenn es sich bestätigen sollte — wich- tiger, aber sehr schwer zu erobernder Schatz. Gerade zur Zeit meiner Anwesenheit in Tromsöe befanden sich gegenüber auf dem Festlande in den waldigen Thälern am Tromsdalsfjeld einige Familien nomadisirender Lappen mit ihren Rennthierherden. Eingeführt bei Konsul Mack durch die liebenswürdige Gefälligkeit unseres österreichischen Vizekonsuls Aagaard, ein in Hammerfest ansässiger Kauf- mann , schlug uns ersterer eine Exkursion dahin vor, auf der uns einer der Passagiere des Dampfschiffes, Konsul Ring aus Dröbak am Christianiafjord, ein vortrefflicher Gesellschafter, der einio^e Zeit in Peru und Chili verlebt hatte und dem der Fluss der Unterhaltung nicht leicht ausging, begleitete. Wir schifften über und gingen dann, natürlich nicht ohne ein paar Flaschen Branntwein für unsere neuen Freunde, ungefähr eine Meile weit durch Wald und Sumpf in das Innere. Ein sonderbares Knistern, gerade so als wenn man einer grossen Anzahl von Leydener Flaschen beständig elektrische Funken entzöge, nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch und wenige Schritte weiter durch das Gebüsch sahen wir uns von einer mehrere hundert Stücke zählenden Rennthierherde um- geben. Dieses Knistern ist eine sonderbare Erscheinung. Es lässt sich jedesmal hören, so oft ein Rennthier beim Gehen ein Kniegelenk seiner Läufe bewegt. Bald darauf erreichten wir die mitten im Walde auf einer kleinen Blosse aufgeschla- '' Nach seiner eigenen Angabe. 595 genen Hütten der Lappländer; eine Art Zelte, deren koniseh «gebautes Gerippe aus Stanoeii besteht, die oben so befestigt werden, dass eine Abzugsöffnung für den Rauch bleibt. Die- ses Gerippe wird sodann mit Birkenrinde, Rasenstücken, Renn- thierfellen bedeckt; in der Mitte des innern sehr beschränkten Raums befindet sich der Kochherd, um diesen herum die Sitz- und Liegestellen; der Eingang ist niedrig, so dass man sich znm Kriechen bequemen mnss, das Innere voll Rauch und Qualm. Unsere Lappländer rüsteten sich gerade zum Auf- bruche, um sich weiter in das Innere des Landes auf die Ge- birge zu ziehen; Avir kamen daher zur reciiten Zeit, um das Fangen jener Rennthiere mittelst Schlingen anzusehen, welche bestimmt waren die Zelte und das übrige Gepäcke zn tragen. Einige dieser Thiere gebehrdeten sich , als die Schlinge ihre grossen, starken, mit Bast überzogenen Geweihe umfing, un- endlich wild, was jedoch die Lappen durchaus nicht aus ihrer ruhigen Fassung brachte und wobei sie mehr Kraft entwickel- ten als man diesen , meistens nur unter 5 Fuss messenden Menschen zutrauen sollte. Die Aufsattelung und Bepackung der Rennthiere, deren beste bis zu 140 Pfund schwere Lasten tragen, geschah zweckmässig und schnell. Mehrere werden sodann, wie Saumpferde eines hinter dem andern, zusammen- gebunden, deren vorderstes ein Führer am Stricke führt; die übrige Heerde wird unter Beihülfe der gut abgerichteten Hunde*, welche die Schaar zusammenhalten, getrieben. Die Rennthiere geben ihren nomadischen Herren stets selbst den Zeitpunkt an, wenn er seine Lagerstelle verlassen und sich eine neue suchen muss. Sie bleiben nämlich nicht mehr, werden unruhig, ziehen selbst fort und zerstreuen sich. Der Instinkt treibtsie zur Aufsuchung besseren Futters und Schutzes gegen die in den sumpfigen Niederungen eine furchtbare Plage für Menschen und Thiere bildenden Mücken. In Tromsöe sah ich die schönsten Rennthiere zu 3 bis 4 Thaler das Stück verkaufen. Unser kleiner Branntweinvorratli verschaffte uns sogleich den freundlichsten Empfang. Leider lieben die Lappländer dieses Getränke leidenschaftlich und der Hang darnach, von * Von der Rasse der Spitze, freundlich, mit sehr heiserer Stimme. 38* 596 den Kaufleuten nicht immer auf die redlichste Weise henüzt, ist unbezweifelt der Haupthebel zum gänzlichen Untergange dieses Volkes. Sie trinken nicht den Branntwein, sie saufen ihn im wahren Sinne des Wortes und selbst ganz kleine Kin- der, von höchstens zwei Jahren, sah ich mit Ekel erregender Lust das Gift schlürfen. Die Gesichtszüge der klein, aber gedrungen und stark gebauten Lappen fand ich ausnehmend roh und derb, nicht dumm, vielmehr schlau und bei beiden Geschlechtern auffallend gleich , so dass wir nicht wenig lachten, als eine Frau ihrem Kinde die Brust gab, welche ich bis dahin für einen Mann angesehen hatte. Die Aehnlichkeit der Kleidung trägt natürlich zu diesen Verwechslungen bei. Die Lappen sind im Ganzen nicht faul, sie sind flink, behende. Alle ihre Bedürfnisse liefert ihnen das Rennthier, was darüber ist wird zu Branntwein oder Silberschmuck, den sie sehr lieben, und bei Festen , bei denen sie ganz gut gekleidet erscheinen, zur Schau tragen. Die Augen aller sah ich roth , entzündet, eine Folge des beissenden Rauches in ihren Hütten und des blendenden Schneeglanzes im Frühjahre. Ungeachtet dessen schien es mir, dass sie scharf sehen, wie alle Nomadenvölker. Die Klänge des noch nicht sehr lange verdrängten alten Heidenthums sind zum Theile mit in das neue Christenthum herüber gegangen und sprechen sich nun als Aberglaube in christlichen Formen aus. Noch findet sich hie und da unter den Lappen eine Art Zaubertrommel , und selbst heidnische Idole, doch wahrscheinlich nur als Curiosa, soll man noch treffen. Lange waren die Lappen ein von den Schweden ganz vernachlässigtes Volk und die Norweger thun noch nichts für ihre Civilisation. Lange stritt man sich darum , ob die Lappen schwedisch oder die Schweden lappländisch lernen sollen; denn das sah man doch ein. dass eine schwedische Bibel in lappländischen Händen nur ein unbrauchbares Werk- zeug sey. Endlich nahmen sich mehrere Seelsorger mit edler Aufopferung der Sache ernstlich an und besonders ist es der schwedische Pastor Stokflöt, der sich in neuester Zeit in dieser Beziehung einen unsterblichen Namen machte. Diese wahren Apostel des Glaubens lebten unter dem Volke, lern- ten dessen Sprache und predigen in derselben j die Bibel und 597 andere religiöse Bücher \viirdeii in das Lappländische über- sezt und erst jezt kann man das Christenthum in Lappland als feststehend annehmen. Die Sprache des Lappländers ist rauh, aber niciit übe! klingend; sie soll sehr schön konstruiren. üebrigens haben die Lappländer mit allen Naturmenschen das Schreien im Gespräche gemein , sie meinen sich dadurch leichter verständlich zu machen. Die Lappländer werden in Norwegen in See- und Gehirgs- lappen oder nach dortigem Ausdrucke in See- oder Gebirgs- finnen getheilt. Erstere leben an den Küsten von Finnmarken und beschäftigen sich mit Fischfang, Leztere, der eigentliche Kern ihres Volkes , streifen mit ihren Rennthierherden iu Schweden und Norwegen über Berg und Thal, durch Wald und Sumpf, und sind wahre Nomaden. Sie stehen unter der Regierung, auf deren Boden sie sich befinden. Bedeutende Rennthierbesitzer, sogenannte Rennthiermänner, sind wahl- fähig; doch glaube ich schwerlich, dass es je zu deren wirk- lichem Erscheinen beim Storting kommt. Unsere Lappen am TromsdaIsQeld bewirtheten uns mit Rennthiermilch. ünreinlichkeit und starrender Schmutz sind Elemente, in denen sich der Lappe wonnig fühlt; wir waren daher auch auf so manches Schauerliche gefasst; als jedoch unser gütiger Wirth einen grossen hölzernen Löffel von sei- nem Gürtel nahm, denselben anspie, mit dem Daumen reinigte und hierauf damit beim Melken die Milch des Rennthiers auf- fing, das war wirklich ein magenerschütternder Moment. Die Rennthiermilch schmeckt vortrefflich, sie ist fett wie Sahne. Während wir uns so im Lager umsahen waren die Lappen nach und nach mit der ßepackung ihrer Rennthiere zu Stande gekommen. Die Männer nahmen ihre Flinten auf die Schul- tern, die Hunde bellten — und die Karawane zog. — Dieser Augenblick erfüllte mich mit einer Art Wehmuth, mit Sehn- sucht nach dem hohen Süden. Hier wie dort Nomaden; dort der schlanke Araber, der schön geformte Aethiopier, hier der Lappenzwerg; dort das edle Ross, der flüchtige Dromedar, hier das Rennthier; dort die Gluth des Südens, hier der eisige Hauch des Nordens. Ich fühlte es in diesem Momente wie lieb ich mein freies einstiges Wauderleben gewonnen hatte; 598 die Erinnerung: erwachte in ilirer ganzen Stärke und die heu- tige Zeit ist wahrlich nicht im Stande den Eindruck derselben zu schwächen. Am 23. August blieben wir in Tromsöe liegen. Tliaten wir gestern einen Blick in das Thun und Treiben des Renn- thierlappen, so entfaltete sich uns heute ein Bild der Civili- sation jenseits des Polarkreises. Nachmittags Spaziergang; Herren und Damen zu Pferde; Abends Ball bei Konsul Mack; voller Salon, bildschöne Mädchen, alle Damen in den neuesten Pariser Moden ; deutsche, französische, englische, norwegische Conversation auf einem Flecke ; wer hätte doch da an die Nähe des 70. ßreitegrades gedacht? Am 24. August. Um 10 Uhr Vormittags verliesseii wir Tromsöe, passirten um 3 Uhr Nachmittags die Miindung des ülfsfjordes, dann jene des Lyngenfjordes und den 70. Grad nördlicher Breite. Im Hintergründe dieser Fjorde und die Vorgebirge derselben an der Küste bildend erheben sich in der Formation des Gneisses und Glimmerschiefers auf dem Festlande die höchsten Berge, welche ich im Nordlandsamte und in Finnmarken sah. Sie steigen meiner Schätzung nach zu wenigstens 5000 Fuss Meereshöhe empor und einige der- selben dürften diese Höhe noch überragen. Grosse Gletscher dehnen sich über die Rücken dieser Berge aus und hängen in mächtigen Massen am oberen Rande der hohen Felswände, so dass die sich lösenden Eistrümmer unmittelbar ins Meer herabstürzen. Gegen Abend senkt sich starker Nebel nieder, über welchem man noch einige Zeit die scharf geformten Berg- spitzen emporragen sieht; danfl aber wurde er so dicht, dass wir kaum zwei Kabellängen vor uns hinsahen, wodurch sich unsere Fahrt sehr verzögerte. Um 6 Uhr Abends hatte sich der Nebel wieder etwas verzogen, wir standen am Ausgange des Maursnndes im grossen Kvänangenfjord ; zur Rechten hatten wir die den Nebel hoch überragenden zahllosen Spitzen und Zacken des Kvänavigstinder, links die hohen Schneeberge auf Arnöe, Lögöe und Skjervöe ; das ganze Bild trug in hohem Grade den Charakter der grossartigsten Wildniss mit hoch- alpinischera Typus an sich. Bald senkte sich der Nebel wie- 599 der und umscliloss uns endlich so dicht, dass wir nur sehr langsam vorwärts kamen. Wir hielten an der Station Sker- vöe, ein kleiner Hafen, eine Kirche, einige hölzerne Häuser, das Ganze umgeben von kahlen Felsen, auf welchen nur küm- merlich Gras gedeilit. Um 10 Uhr Nachts, d. h. in dieser Breite und zu dieser Jahreszeit noch am hellen Tage, landeten wir in Loppen und betraten somit die Fogderie Vestfinnmarken. Da es die Wit- terung erlaubte fuhren wir langsam und voi'sichtig die Nacht durch, umschütten Sildenöe, wobei ich den nördlichsten Punkt meiner Reise in 70'^ 25' nördl. Breite erreichte und liefen in den Stjernsund ein, der die grosse Insel Stjernöe von dem Festlande trennt. Nacht und Nebel entzogen uns auf der Fahrt von Loppen hierher den Anblick der grossen Gletscher, welche sich zwischen dem Bergs-, Nuss- und Oex fjorde erheben, zu einer J>leereshöhe von nahe 5000 Fuss an- steigen und einen Flächenraum von 4 bis 5 Qnadratmeilen, bis hinüber zum Jökelfjorde auf der Südwestseite der vom Kvänangen- und Altenfjorde gebildeten Halbinsel, einnehmen. Auf der Rückreise hatte ich Gelegenheit diese Gletscherpartie genau zu betrachten. Der Gletscher bedeckt den ganzen Rücken des Gneissgebirges und tritt in einer sichtbaren Mäch- tigkeit von wenigstens 100 Fuss bis an den äussersten Rand der hohen Felswände vor, wo er gewaltige Abbruche des rein meergrünen Eises wahrnehmen lässt, deren grossartiger An- blick mich lebhaft an den schönen Schlapperebenegletscher am hohen Scharreck im Gasteiner Thale erinnerte. Die Schneelinie dürfte hier, gleich auf Seilandsöe, mit 28S0 bis 3000 Fuss Meereshöhe (nach Keilhau) zu ziehen seyn. Am 25. August. Am frühesten Morgen befanden wir uns am Eingange des Altenfjordes. Links lagen die grossen Inseln Stjernöe und Seiland zur Seite, deren leztere uns die Ansicht des nahen Kvalöe, worauf Hamnierfest liegt, ganz entzog. Vom Ausgange des Sternsundes im Altenfjord fährt das Dampfschiff in 4 Stunden nach Hanimerfest; wir wendeten uns aber südlich in das Innere des Fjordes, hielten kurze Zeit in Alten oder Bosekop und fuhren dann in die südliciiste Ein- bucht, in den sogenannten Kaafjord, wo das englische Kupfer- 600 berg- lind Hüttenwerk etablirt ist und wir, nachdem wir von Trondjentj bis hieher einen Weg von mehr als 700 Seemeilen zurückgelegt hatten , den Anker fallen Hessen. Der Dienst des Dampfschiffes erlaubte dessen Aufenthalt nur für wenige Stunden, dann ging es nach Hammerfest ab, blieb dort einen Tag und kehrte am dritten Tag wieder hierher zurück , um die Rückreise nach Trondhjem anzutreten. Mir blieb daher die Wahl: entweder ein paar Tage in Kaafjord zu bleiben, mich da mit Müsse umzusehen und auch die Gruben auf Reipaas Vara zu besichtigen — oder nach Hammerfest zu gehen, mich dort einen Tag zu langweilen, dafür aber die Genugthuung zu erhalten, die nördlichste Stadt der Welt gesehen zu haben. Nach einem kleinen Kampfe zog mein Fach ; ich blieb diese Zeit in Kaafjord zurück und Hess meinen Freund Taulow mit dem Prinzen Gustav nach Hammerfest wandern*. Der ganze Altenfjord bietet einen höchst interessanten Anblick dar. Man glaubt sich um mehrere Breitengrade süd- licher versezt. Die Berge einer andern Formation zugehörend (üebergangsgebirge),bieten freundlichere, gerundetereFormen dar, als die wilden Felskolosse der Küste; sie sind mehr mit Vegetation bedeckt und in den Thälern sieht man Wälder von Birken, Erlen und Fichten. Talvik, unweitdesStor Vand am Noonskarfjeld (3450 Fuss M.'H.) und Akka-oalgek (3.100 FussM.-H.), hateine reizende Lage mit einem hübschen Wasserfall. Nach v. Buch reicht da- selbst die Grenze der Weissbirken biszu 14S3 Par. Fuss , die der Fichten bis zu TOOFuss die derZwergbirke zu 2576 FussMeeres- '•' Bei seiner Rückkehr erstattete mir Taulow über seine Fahrt nach Haninierfest folgenden Bericht: Das Dampfschiff legte den Weg von Kaafjord dahin in 6 Stunden zurück. Hammerfest, an der Westküste von Kvalöe liegend, zieht sich als eine einzige Gasse, mit wenigen guten hölzernen Häusern, am Fusse eines steilen Berges hin , zählt un- gefähr 600 Einwohner und stinkt in allen Richtungen nach Thran von Walfischen und Walrossen. Die Berge, durchaus Gneiss, sind viel nie- driger als die bisher von uns auf dieser Reise gesehenen, dabei klippig, wenig scharf in ihren Formen, mehr scheerenartig, von alier Vegetation entblöst , sogar Gras findet sich nur sparsam. Taulow fand dort die französische Fregatte Recherche auf ihrev Rückreise von Spitzbergen vor Anker liegen. Die nördl. Breite von Hammerfest ist = 70" 40' 7". hohe hinan und die Grenze des ewigen Schnee's beginnt erst mit 3:»00 Par. Fiiss über dem Meere. Gerste wird, so wie an meh- reren Plätzen des Altenfjordes, mit gutem Erfolge gebaut, auch Korn (Roggen) soll sogar manchmal reifen — und alles diess im 70. Grade nördlicher Breite*. Wenn man Talvik, seine freundliche, gesunde Lage, seine für diese Breiten vor- züglichen klimatischen Verhältnisse betrachtet, so kann man die Existenz von Hammerfest als einen Haupthandelsplatz des hohen Nordens nicht begreifen und es dürften wohl einmal zwischen beiden die Hollen gewechselt werden. Ausser meh- reren achtbaren Handelsleuten haben sich auch deutsche Seifen- sieder in Talvik angesiedelt. In Alten (Altengaard, ßosekop) und Elvebaken am Rafs- botenfjord , gleich dem Kaafjorde ein südlicher Seitenzweig des Altenfjordes, so wie überhaupt an der Mündung des Altenelv, sind die Lokalverhältnisse nicht weniger freundlich und die hübschen Häuser an diesen Orten geben den besten Beweis, dass sich der Mensch da nicht schlecht befindet. In Kaafjord sieht man sich vollends mitten in ein grossartiges Etablissement versezt. Eine neue hübsche Kirche mit einer guten Orgel, die Hüttenwerke, die vielen Häuser der Beamten und Arbeiter; mau kann es kaum glauben, dass man das nörd- lichste Berg- und Hüttenwerk der Welt betritt. Es sind nun (1840) sechszehn Jahre, dass sich diese Bergwerke in den Händen einer englischen Compagnie befin- den. Früher wurden von derselben die Erze nach England gesandt, um sie in Swansea zu verschmelzen, gegenwärtig aber bringt man die Kohlen von England hieher und schmilzt die Erze hier selbst. Der würdige Vorstand des Etablisse- ments, Konsul Crow , empfing mich auf das herzlichste und mit nordischer Gastfreundschaft. Ihn umgaben im Dienste Hüttenmeister Ihle und Bergmeister Netto (beide aus Sachsen) ; ferner der zweite Direktor Smith, der Hüttenmeisters-Adjunkt Dr. NiLSON, Dr. Broke, John Crow, der Sohn des Konsuls, Obersteiger Thomas, Baumeister Gräffel. — Im Kreise BoBTHLiNGK beobachtete am Fusse des Nuortitunturi in Lappland 1,75" Reauni. Qucllentempeiatur und am Kennistronie 1,33 bis Ijöe^Reaum. Die Quellen gefrieren an den genannten Punkten im Winter nie. 602 dieser liebenswürdigen, gebildeten Männer verlebte ich nicht nur höchst angenehme, sondern auch für mich äusserst lehr- reiche Stunden. Ihle und Netto sind lange schon in ihr Va- terland zurückgekehrt, wo die übrigen jezt sind, ob sie ihre Geschäfte noch jenseits des Polarkreises festhalfen , ist mir unbekannt, wo sie aber auch seyn mögen, dahin folgt ihnen allen von mir ein treugemeintes, herzliches Glück auf! Die nach Spitzbergen abgegangene französische Expe- dition hatte den Hüttenmeister Ihle mit physikalischen Instru- menten zur Beobachtung der Erscheinungen des Erdmagnetis- mus, Luftdruckes, der Lufttemperatur u. s.w. ausgerüstet und ich fand da ein von ihm zu diesem Behufe recht zweckmässig eingerichtetes kleines Observatorium. Ihle's durch längere Zeit und mit Fleiss durchgeführte Beobachtungen mögen von grossem Werthe seyn; meine Zeit, vertheilt zwischen Gruben- befahrungen und Exkursionen über Tags, erlaubte mir jedoch nicht aus den mir freundlichst zur Einsicht mitgetheilten Jour- nalen Auszüge zu machen. Seinen Beobachtungen zu Folge beträgt die mittlere magnetische Abweichung zu Kaafjord 15" westlich. Die Schwingungen der Magnetnadel zeigen sich besonders stark kurz vor dem Anfange eines Nordlichtes und im ersten Stadio desselben. Die Nordlichter sind natürlich in dieser Breite, besonders zur Winterszeit, sehr häufig und glänzend. Was die stündlichen, die periodischen Schwankun- gen und Extreme des Luftdruckes, respektive derQuecksilber- säuleim Barometer, anbelangt, so ist es gerade im Gegensatze zu den von mir und Andern zwischen den Tropen angeführten Beobachtungen, wo die höchste Regelmässigkeit im Verlaufe dieser Erscheinung statt findet, fast unmöglich den hierin wal- tenden gesetzlichen Vorgang mit Bestimmtheit auszumitteln, indem die nicht periodischen Schwankungen , welche manch- mal über 1,5 Pariser Zoll betragen , so häufig und so tumulta- risch sind, dass unter ihnen der in dieser nördlichen Breite ganz subtile Gang der periodischen Schwankungen für den Beobachter unbemerkbar wird. Es ist diess vollkommen über- einstimmend mit meiner hierüber aufgestellten Theorie und mit meinen Erfahrungen. Wir haben es hier in der Atmo- sphäre, um mich eines andern Ausdruckes zu bedienen, nicht so sehr mit einer ganz regelmässigen Flutli und Ebbe zu thun, uie zwischen den Tropen , als mit vorwaltend liiinfigen, un- regelmässigen Springfiuthen, positiv und negativ (Ebbe). Nachdem ich mit Ihle die schönen Hüttenwerke besehen hatte, ging ich mit Bergmeister Netto zu den Poch- und Waschwerken und befiihr dann die Gruben. Abends machten unserer Mehrere einen Spaziergang zu dem Wasserfalle des Kaafjord Elv und besuchten dann die Kolonie der Arbeiter, 1200 an der Zahl, meistens Quänen oder Kvänen, eigentlich also Finnen. Hier zeigen sich die Verdienste der englischen Bergwerkskompagnie um die Civilisation dieses thätigen, fleissigen Volkes auf der glänzendsten Seite. Durch eine musterhafte Disziplin und durch sonstige Einrichtungen hat man diese Leute der thierischen Versumpfung im Branntweine entrissen. Die Arbeiter haben eine sehr gut eingerichtete Schule und man sorgt dafür, sie durch verschiedene Unter- haltungen, worunter Tanz und Musik die Hauptrolle spielen, in ihren freien Stunden vom dumpfen Hinbrüten und vom ver- dummenden Müssiggange ferne zu halten. Es war schon spät als wir zurückkehrten und doch konnte Ich nicht ruhen. Der lange Tag hatte für mich noch immer das Ungewohnte. Um Mitternacht konnte ich mit einiger Anstrengung noch lesen und nach 1 UhrMorgens war es schon Avieder heller Tag. Sehr zeitlich brach ich am 26. August auf und fuhr mit Netto in einem offenen Boote nach Alten , dort nahmen wir Pferde und ritten zwei Meilen landeinwärts nach Reipaas Vara , jenseits des Alten- elv, wo ^v\v die zum Kaafjordwerke gehörenden interessanten Grubenbaue befuhren. — Das Thal des Altenelv, dessen Quellengebiet südlich und westlich von Kautokeino, an der Grenze von Schwedisch-Lappland liegt, bietet für diese Breite einen merkwürdigen Anblick dar, denn es ist, so weit ich es sehen konnte, mit Fichten und Birkenwald bedeckt. Der Weg führt aus dem Thale steil das Gebirge hinan bis zu der ganz einzeln auf Reipaas Vara liegenden Steigerswohnung. Die Rückfahrt von Alten nach Kaafjord war der hohen See wegen nicht die angenehmste. Die geognostischen Verhältnisse der ganzen Umgebung 604 des Altenfjordes und insbesondere jene des Kaafjordes'' sind von hohem Interesse. Zwischen den Gneiss- und Glimmer- * J. Petherick: über die Geologie in der Nähe der Altensgruben in Finnmarken. Journ. of fhi^ geolog. Soc. of Dublin, I, 67. Leonmards Jahrbuch 1837, p. 51. Ihi£: Erzvorkommen und andere geologische Erscheinungen bei Kaafjord unfern Alten in Finnmarken. Bergwerkstreund Bd. I, No. 32. Leonhards Jahrbuch 1844, p. 369. G. A. Netto; Beobachtungen über die geognostischen Verhältnisse Finnmarkcns. Leoivhards Jahrbuch 1847, p. 129. Meine Notizen über die Kupferwerke zu Kaafjord und Reipaas, an der Nordküste von Norwegen bei Hammerfest. Karstens Archiv Bd. XV, 1841, Heft 2, p. 759. Bei diesen Notizen befindet sich ein geognostisches Kärtchen , auf welches ich mich zur leichtern Verständigung über das hier Gesagte zu berufen erlaube. Was die Notizen selbst anbelangt, niuss ich bemerken, dass unbeschadet der von mir angeführten Thatsachen, an denen ich mir nichts verändern lasse, da die Fakta stehen, meine Ansichten sicli im Laufe der Zeit und der Erfahrungen hie und da modifizirt haben, was sich bei einem Vergleiche des hier- und dortstehenden von selbst ergibt. Zu dieser Erklärung bewegen mich aber keineswegs die Be- merkungen des Hrn. Prof. Keilhau in seiner Gaea norveg., Lieferung If, sondern ganz einfach der gewöhnliche Gang des Wissens und des For- schens. Die erste Anschauung ist allerdings die lebendigste, die fri- scheste, aber nicht immer die richtigste. Die Zeit verwisclit etwas an den Farben, sie werden weniger grell, die Wahrheit des Bildes aber ge- winnt dadurch. Was soll man übrigens von Prof. Keilhaus Folgerich- tigkeit in seinen Angaben, in den angeführten Fakten nämlich, denn seine Ansichten sind mir zum grossen Theile noch bis heute nicht deutlich geworden, denken? Er sagt z. E. Gaea norveg. H, p. 280: „In der That ist es mir daher um der Wissenschaft willen schmerzlich gewesen, den berühmten Hrn. Russegger ohne Vorbehalt über diese Lokalität äussern zu sehen, dass die Schichten des Grauwucken- gebirges, welches das länglichfe Bassin des Fjord umgibt, rund um den- selben von ihm (d. h. doch nach Aussen) fallen" u. s. w. und be- hauptet dann: ich sage diess nur, um dem Hrn. v. Buch zu Gefallen, dadurch einen Erhebungskrater herauszubringen. Aisich dieses las, glaubte ich anfänglich, Prof. Keilhau habe die Stunden des Streichens und Ver- flächens der Gesteinsschichten unrichtig abgenommen; seit ich jedoch Hrn. Keilhaus seinem Aufsatze beigefügte schöne geognostische Karte von Finnmarken genau durchgangen und gesehen habe , dass er mit seinem gewählten Zeichen X. die Gesteinsschichten, sowie ich, rund um den Altenfjord herum (denn kein anderer kann hier gemeint seyn) als vom Fjorde fallend, d. h. nach aussen verflachend angibt, muss ich 605 scliiefei'g^ebirgen des inneni Lnpplandes am Knias Jok und im Quellengehlete des Altenelv bei Kautokeiiiü, dann jenen am Kvänangenfjord und Laxelv, jenen im Osten des grossen Altenthaies und endlich jenen , welche die hohen mit Schnee und Eis bedeckten Fjelde am Langenfjord , Jökelfjord , Oex- fjord, Bergsfjord u. s. w., d. h. das eigentliche Küstengehirge bilden, liegt eine grosse Einbuchtung, das Thal des Altenelv mit seinen Nebenflüssen. Dieses ganze Terrain ist, meiner Ansicht nach muldenartig, mit üebergangsgebirge ausgefüllt. Dasselbe besteht vorherrschend aus: Grauwackenschiefer, schieferiger Grauwacke, körniger Grauwacke mit Konglome- raten, welche häufig dem Old-red ganz ähnlich sind, ferner aus dichtem Kalksteine, mehr eine untergeordnete Rolle spie- lend und mit den Schiefern wechsellagernd. Im Ganzen dürfte diese Formation jener umChristianiasehr ähnlich und der silu- rischen Reihe zuzurechnen seyn. Grosse Massen von Diorit, gang- und kuppenartig, durchbrechen diese geschichteten Ge- steine und üben nicht nur auf die Schichtenstelinng derselben, sondern auch auf die Umgestaltung ihrer innern BeschafTen- heit einen wesentlichen, unverkennbaren Einfluss aus. Ausgezeichnete Wechsellagerung der Schiefer mit dem dichten Kalksteine, verbunden mit wellenförmigen Biegungen der Schichten , beobachtet man unweit Talvik und ich ver- muthe , dass in der gegen Nord verlängerten Richtung des Altenfjords , wo wir die Schiefer ganz nahe zur Hauptküste vordringen sehen, sich diese Formation auch noch auf einigen der vorliegenden Inseln finden dürfte. In der Nähe von ßo- jenen Verdacht widerrufen und kann mir nur denken : Hr. Keilhaü ist dessen, was er sagte, nicht ganz klar gewesen. Was endlich den nnir an den Hals geworfenen Servilisnius gegenüber dem Hrn. v. Buch an- belangt, niuss ich bemerken: dass dieser Name, auf den wir Deutsche stolz seyn können, an und für sich nicht nur im konkreten Falle, son- dern in tausend andern Fällen im Bereiche der Geologie als eine der ersten, würdigsten Autoritäten einen schönen Klang hat; hätte übrigens aber die Königin Pomabe z. B. bei der Theorie der Erhebungskrater sich vorzüglich betheiligt, so würde ich vielleicht so frei gewesen seyn ihren Namen zu nennen, und dann hätte allerdings Hr. Keilhau, anstatt wie diessmal „ohne Vorbehalt'' mit der Keilhaue drein zu schlagen, mehr Veranlassung gehabt, mir eine im Bereiche der Wissenschaft un- geeignete Galanterie vorzuwerfen. 60G sekop sieht man dem Schiefer, dessen Schichten auf das Man^ niofaltigste gebogen und durcheinandergeworfen sind, reinen, liörnigen Quarz eingelagert. Nach oben breitet sich diese öuarzraasse fächerartig auseinander und überlagert horizontal in bedeutender Mächtigkeit den zu beiden Seiten der Lager Stätte anstehenden Schiefer. Der Quarz zeigt sich nach allen Richtungen kreuz und quer zerborsten und das ganze Ver- halten gewinnt wirklich den Anschein, als sey der Quarz im flüssigen Zustande einer Gebirgsspalte entstiegen und habe sich auf die Oberfläche des Gesteins (Grauwackenschiefer) hin ergossen. Aehnliche Vorkommen des Quarzes beobachtet man auch auf und um Reipaas Vara. In Ost und West des Kaafjordes erheben sich Grauwackenschiefer und schieferige Grauwacke in schroffen Bergzügen von ungefähr 1500 Fuss Höhe und schliessen ein, zum grossen Theile mit Meer er- fülltes Thal ein. In den Schiefern fand ich selbst keine or- ganischen Reste, doch Obersteiger Thomas zeigte mir mehrere Stücke, welche ganz unbezweifelt Reste von Trilobitcn um- schlossen. In diesen Schiefern, besonders an den Berggehän- gen, beobachtet man Einlagerungen von dichtem Kalkstein, weiss und grau, der auch mit den Schiefern selbst wechsel- Jagert, folglich denselben geognostisch parallel steht. Auch tritt mit diesen Schiefern körnige Grauwacke auf, Trümmer und Körner von dichtem Kalkstein und Schiefer mit einem thonigeisenschüssigen Bindemittel umschliessend, ein sehr kompaktes, festes Gestein. Dieses Grauwackengebilde wird im Thale, an der West- seite des Kaafjordes, von einem mächtigen Dioritzuge durch- brochen, der sich bis zu 800 Fuss über das Meer erhebt und sich entlang dem Fjorde aus Nord in Süd, ungefähr eine Meile weit erstreckt. Der Diorit trägt einerseits den Charakter eines grobkörnigen Grünsteins an sich , andrerseits geht er durch Aufnahme von Diallage in eine Art Euphotid über. Die Masse dieses Dioritgesteins wird von parallelen Kalkspath- und Quarzgängen durchsezt, welche eine grosse Menge Ku- pferkies und ßuntkupfererz führen, meistens aus Nordost in Südwest streichen und vorzüglich in Nordwest, wohl auch, jedoch seltner, in Südost verflachen. Qnergänge von ganz 607 gleicher Natur sowohl, als auch die innige Verbindnnp; dieser Gänjre unter sich, indem sie sich i>eg;enseitii>^ durchsetzen nnd scharren, lassen vermuthen, dass sie auch unter sich gleich- zeitig sind, aber ihr stets scharfes Getrenntseyn vom Diorite deutet darauf hin , dass sie späterer Eutstehurt» als dieser seyn dürften. Wo diese Gänge (\en Schiefer erreichen, sclinei- den sie sich scharf ab und setzen nicht fort, ausser der Scliie- fer ist in der Nähe des Diorites in jenen schiefrigen , kiese- ligen Sandstein umgewandelt, von dem später die Rede seyn wird, in welchem Falle, z. B. in Woodfallsgrube , man das Fortsetzen der Erzgänge beobachtet. Lezteres, obwohl selten, ist auch der Fall, wo körniger Kalkstein (eine ümwandlungs- form des dichten Kalksteins) den Diorit begränzt, nur werden dann, was sehr interessant ist, die Erzgänge durch den Kalk verworfen. Sehr merkwiirdig ist es, dass die Schichten des Grau- wackengebirges , welches das länglichte Bassin des Alten- fjordes mit seinen Nebenfjorden umgibt, rund um denselben von ihm fallen, d. h. nach aussen verflachen, nämlich an der Westseite des Fjordes gegen Nordwest und West, an der Südseite gegen Süden, an der Ostseite gegen Südost und an der Nordseite, wo das Bassin offen ist, gegen Norden (man s. Keilhau's geognost. Karte). Offenbar dürften wir es hier mit einer Emporhebung zu thun haben, deren Längendurchschnitt mit dem des Altenfjordes zusammenfällt und welcher hier- auf in derselben Richtung der Einsturz der erhobenen Masse nachfolgte, das Bassin sich bildete und das Meer eindrang. Dass bei diesem Akte der Diorit in der Art und Weise seines gangartigen Hervortretens eine grosse Rolle spielte, kann ich nicht bezweifeln. Summiren wir diese Erscheinungen und erwägen wir das Uebereinstimmende der Schichtenfallwinkel im Verhältnisse der Höhe der Bergzüge, betrachten wir die vielen Gebirgsspalten , die wie Radien vom Fjorde ausgehen, so kommen wir, nach meiner Ansicht ohne Gebrauch einer literarischen Zwangsjacke, auf die Theorie der Erhebungs- krater des Hrn. v. Buch zurück, wodurch ich jedoch nicht ge- sagt haben will, dass man den genannten Fjord von Hechts- wegen als einen solchen Krater ansehen müsse. (iOS Wo der Dioiit mit den Nebengesteinen in Berühning stellt zeigen dieselben die entschiedensten Veränderungen. Der dichte Kalkstein wird körnig krystallinisch, dolomitartig und geht stellenweise in wirklichen Dolomit über; an anderen Orten wird er kieselig, verwandelt sich in Kieselkalk und geht in vollendeten Hornstein mit muscheligem Bruche über. Der Grauwackenschiefer (Thonschiefer) verwandelt sich in Alaun- schiefer^ die schiefrige Grauwacke nimmt ein mehr körniges Gefüge an, wird zum schieferigen Sandsteine, der sehr durch- drungen von kieseliger JMasse stellenweise einem gefritteten, halb geschmolzenen Sandsteine nicht unähnlich sieht*. Die Trümmergesteine werden porphyrartig, ihre Elemente zeigen mitunterNeigung zur krystallinischen Struktur. Nicht minder belehrend zeigen sich jene lokalen Ablagerungen von Trüm- mergesteinen, welche zwischen dem Diorite und den Schie- fern und Kalken hier und dort auftreten, welche grosse Bruch- stücke nicht nur der lezteren Gesteine, sondern auch vom Dio- rite selbst enthalten, und welche Bruchstücke wieder Diorit und krystallinischer Kalk als Bindemittel stellenweise um- schliessen, so z. B. unterhalb der Kirche zu Kaafjord. Diese Trümmergesteine tragen nach meiner Ansicht den Charakter der sogenannten Reibungskonglomerate ausgezeichnet an sich. In den Seitenthälern des Altenfjordes haben sich Allu- vionen abgelagert, zu welchen alle umliegenden Gesteine das Material hergaben. Diese Alluvionen, meistens aus grobem Gerolle und Sand mit Meereskonchylien bestehend, haben fast durchgehends die Form von Terrassen, deren Plateaux sich wie die Stufen einer Treppe übereinander erheben. Die Messun- gen des Hrn. Ihle , der sich als wissenschaftlicher Berg- und llüttenmaun um die Erforschung dieses Terrains sehr verdient gemacht hat, weisen nach, dass nicht nur hier, sondern an der ganzen Küste bis zum nahen Nordkap und hinüber gegen Vardöehuus die korrespondirenden Plattformen dieser Schutt- terassen in einem und demselben Niveau liegen. Diese wich- tige Thatsache deutet auf ein stufenweises, ruckweises Zu- " Eine Erscheinung, die wir bekanntlich auch im Bereiche ter- tiärer und noch jüngerer Sandsteine, weit entfernt von jedem denkbar vulkanischen Einflüsse, wahrnehmen. 609 rückziehen des Meeres oder vielmehr auf ein ähnliches Er- heben des Landes hin. Für leztercs sprechen auch , abg^e* sehen von den positiven Beobachtungen eines noch fortdau- ernden Erhebungsprozesses, die tiefen Schrammen auf der Gesteinsobei'fläche, welche mau ringsum auf den Gebirgen am Kaafjord und auf Reipaas Vara bis zu Höhen über 1000 Fuss beobachtet, die alle die Richtung aus Nord in Süd haben und welciie, wie ich glaube, als die Furchen von Älceresströ- mungen anzusehen sind. Im Diorite eingelagert findet man grosse Massen von Schiefer und Kalkstein mit allen ümvvandlungsformen dieser Gesteine in Berührung mit Diorit, deren ich vorne erwähnte. Diese Massen, zum Theile von vielen 100 Lachtern im Umfange, sehr irregulär gestaltet und ohne Ordnung in der Dioritmasse liegend, sehe ich als Trümmer des Gebirges an, die vom Dio- rite umschlossen, vielleicht mit ihm emporg;ehoben wurden. Ungefähr 2 Meilen südöstlich von Bosekop, auf der Ost- seite des Älteuelv, erheben sich die Berge von Reipaas, durch- g-ehends dem Grauwackenschiefer und der schieferigen Grau- wacke angehörend. In i\en Seitenthälern , dann zwischen diesen Berg;en und der Küste trafen wir wieder die erwähnten Terassen von Gerolle und Sand. Auf Reipaas Vara sezt ein mächtiges Kalklager in der schieferigen Grauwacke auf und erstreckt sich mit einer mittlem Mächtigkeit von ungefähr 240 Fuss sehr weit, öuer durch dieses Kalklager setzen Gänge von Kalkspath, Schwerspath und Quaiz, die sehr reich an Kupferkies und Buntkupfererz sind. Häufig erscheint auch die Gangmasse als ein Konglomerat von Kalkstein, Schiefer und Ganggesteinstrümmern, umschlossen von den Metallsulphuriden als Bindemittel. Das Kalklager streicht 11h. und verflächt unter einem Winkel von SO'' gegen We- sten; dasselbe Streichen und Fallen lassen die Schiefer wahr- nehmen. Die Gänge streichen dem Kalke fast ins Kreuz, durchschnittlich 3 h. und fallen sehr steil gegen Südost oder stehen auch ganz seiger. Ihre mittlere Mächtigkeit beträgt 2 bis '.i Fuss. Die Erzführung der Gänge beschränkt sich, ganz analog mit den verwandten Erscheinungen der Fallbän- der von Kongsberg und Modum, nur auf die Gränzen innerhalb Russegper. Reisen. IV. Bd, 39 CIO des Kalklag-ers, auch setzen sie im Schiefer, der das Neben- gestein des Kalklagers bildet, nur als blosse Blätter, als Gänge ohne Mächtigkeit fort, so dass wir also das Verhalten der Fallbänder und ihrer Gänge in vielerlei Beziehung hier klar vor Augen sehen. Mit der schieferigen Grauwacke treten auf Reipaas Vara auch Conglomerate auf, welche jenen des cid red sandstone in England sehr ähnlich sind, jedoch stellen- weise ein ganz porphjTartiges Ansehen gewinnen. Diese Konglomerate liegen zwischen Kalkstein und Schiefer und bestehen aus Trümmern von Kalkstein, Quarz und Schiefer, welche durch ein sehr festes, eisenschüssiges Bindemittel zu- sammengehalten werden. In der nächsten Umgebung der Gänge ist der Kalkstein zum Theil verändert, er wird kieselig, hornsteinartig und geht in vollkommenen Hornstein und Jaspis über, in welchem Zustande er die Erzführung der Gänge mei- stens verdrückt. Während sich die Gänge am Schiefer aus- schneiden und nur als Blätter fortsetzen, verlieren sich jene, die noch im Kalke selbst enden, ganz; sie verfliessen so zu sagen sammt ihren Erzen in der Masse des Kalksteins. — Der Bergbau auf den Kupfererze führenden Gängen im Dio- vite am Kaafjorde geht mittelst mehrerer Gruben um, als: die alte Grube, sie liegt am höchsten und steht gegen- wärtig in Ruhe, die Mich eis grübe, die Wood fa 11s- gru be und die kleine Grube, welche die am tiefsten, der Küste am nächsten liegende ist. Diese Gruben haben die seltene, günstige Lage, dass sie gerade oberhalb der Hütte am Gehänge liegen , so dass die Erze mit äusserst geringen Unkosten, zum Theil mittelst blosser Rollen, auf die Erzliöfe gebracht werden können. Betrachtet man hiebei noch die Lage der Hütte an der Meeresküste und das in hinlänglicher Quantität zu Gebote stehende Kraftwasser für Maschinen, die ganz nahe sich findenden Baumaterialien u. dgl., so sieht man, dass dieses Werk lokaler Begünstigungen sich erfreut, die durchgeschickteHändebenüzt, den Aufschwung desselben noth- wendigerweise bedingen müssen. Ausser den genannten Gru- ben sind in und um Kaafiord an verschiedenen andern Punkten Versuchs- oder Schürfarbeiten auf Kupfererze führende Kalk- sputh- und Quarzgänge im Diorite im Betriebe, welche Gänge (Ml entweder mit den übrigen parallel streichen oder zu den er- ■vvälinteii Kreuzoiingen gehören. Da die bedeutenderen dieser Gänge mit dem Diorite aus Nord in Süd streichen , so haben sie ins Feld die ganze Längenerstrecknng desselben vor sich und da sie von oben, im Falle sie bauwürdig bleiben, in grosse Teufen abgebaut werden können , so zeigt sich hier für den bergmännischen Nachhalt bei raisonmässigem Betriebe die grösste Hoffnung. Der Betrieb ist übrigens schwierig, denn der Störungen im Streichen und Verflachen der erzführenden Gänge sind unzählige, theils durch Verwerfungen , Verdrü- ckungen, theils durch die vielen Scharrungen, unter welchen man ganz ausgezeichnete Fälle beobachtet. Das Ausgehende der Gänge ist meistens von Tage nieder verhaut. Gerade oberhalb der Kirche besteht ein solcher grosser Tagverhau aus dänischer Zeit, welchen man, da mehrere der durchsetzen- den Kreuzgänge sehr edel sind , mit einem Stollen tiefer am Gehän2:e zu durchfahren beabsichtiat. Ein sehr verfehltes Prinzip der hiesigen Grubenwirth- schaft ist es, dass man in den Gruben k6ine tauben Berge ver- sezt. IMan fördert alles gemengt zu Tage und erhält dadurch ein so unreines Hauwerk zur Scheidung, dass diese nicht nur kostspielig, sondern es auch unmöglich ist, dieselbe rein durch- zuführen, ein üebelstand, der sodann besonders die nasse Auf- bereitung schwer belastet. Die durchschnittliche IMächtIgkeit der Erzgänge, welche als besonders bauwürdig betrachtet wer- den , beträgt 5 Fuss, die Fallwinkel derselben sind sehr ver- schieden, bald ganz flach, bald sehr steil. Schwer vermisste ich bei dem schönen Werke und ins- besondere der so sehr verworrenen Gangverhältnisse wegen die nöthigen Grubenkarten. Dadurch verlieren der Grubenbau und jede auf denselben Bezug nehmende Spekulation ihre sicherste Basis. Der Erzbestand in aufgeschlossenen Mitteln war allerdings zur Zeit meiner Anwesenheit sehr bedeutend, und man betrieb zur Erbauung neuer Erzgänge und zur Ausiich- tnng der bereits bekannten eine Menge Versuchsbaue, jedoch off'enbar mit zu wenig Beharrlichkeit, indem man den Bau, wie die Verhältnisse vor Ort sich weniger hoff'entllch gestalten, sogleich wieder einstellt und an einem neuen Orte ansizt. 39 * (»12 Diess mag^, vom rein finanziellen Standpunkte ausgehend, einiges für sich haben 5 handelt es sich aber, wie es beim Berg- baue seyn soll, um möglichste Feststellung des Nachhaltes auf eine lange Zeit, so sehe ich dieses Verfahren als ein ver- fehltes, als eine Zersplitterung der zu Gebote stehenden Kraft an. Die Streckenförderung in der Grube erfolgt auf Eiseu- bahnen , die Förderung über Tags von Grube zu Grube mit Benützung des steilen Berggehänges durch sogenannte Rollen ; die unterste Grube endlich steht mittelst einer kurzen Schie- nenbahn mit der Hütte in Verbindung. Das aus der Grube kommende Hauwerk wird mit der Hand geschieden, wobei es bei der Unreinheit desselben un- vermeidlich ist, dass eine Menge tauben Berges zum Nach- theile der nassen Aufbereitung unter die Pocherze geräth. Die Grubenklein wird Sieb gesezt und zwar nach einer sehr zweckmässigen, am Harze und in Sachsen üblichen Methode. Die Pochwerke, insbesondere die Sätze derselben, sind höchst eigenthünilich konstrnirt; sie tragen nämlich durch Senngitter ans, deren jeder der freistehenden Sätze vier, nämlich eines auf jeder Seite hat. Dieses wäre nun mit Bezug auf die mög- lichste Beseitigung des Todpochens, abgerechnet die hiebet aus der Konstruktion des Satzes hervorgehenden Nachtheile, nicht so unzweckmässig, sieht man jedoch , dass ein solches Senngitter auf den Quadratzoll nur 2 oder 3 Löcher hat und darunter, welche von einigen Linien im Durchmesser derLichte, so kann man nur staunen, indem man offenbar hiedurcb einer- seits zu resche , andrerseits im höchsten Grade ungleichför- mige Mehle erhält und selbst das Todpochen wieder wesent- lich befördert. Der Waschprozess geht auf liegenden Herden vor sich und zwar schleuderisch, daher sich auch reiche Herd- aftern zeigen. Hier, wo an Betriebswasser kein Mangel ist, wären doch Stossherde ganz an Ort und Stelle — vorausge- sezt eine zweckmässigere Einrichtung des Prozesses und der Pochwerke. Für den Grubenbau auf Reipaas Vara besteht zu Bosekop ein Erzmagazin, in welches die Erze mittelst Wagen oder Schlit- ten zugeführt und von wo sie dann zur See nach Kaafjord ge- bracht werden. Die auf Reipaas Vara gewonnenen Erze sind 613 selir reich, sie enthalten häufig über 'iO^/o an Kupfer und be- stehen ausBuntkiipfererz, Kupferkies und Rothkupfererz. Die Gruben sind noch jung , daher auch wenig ausgedehnt , dem- ungeachtet aber mit einer tadelnswerthen Unregelmässigkeit betrieben, wozu allerdings die verworrenen Lagerungsverhält- nisse, die häufigen Verwerfungen, Biegungen, Verdrückungen der Erzgänge, vor allem aber der Eigensinn der englischen Steiger beitragen mögen , gegen w eichen die technische Ein- sicht des fremden Bergoffiziers vergebens ankämpft. Auch hier hat man ausser den eigentlichen (i ruhen eine Menge von Schürfen und ähnlichen Versuchsbauen im Betriebe; aber eben- falls wie am Kaufjord ohne Beharrlichkeit. Der Bergbau auf Reipaas Vara erfordert einerseits sehr viele Vorsicht wegen der grossen Unregelmässigkeit der Erzgänge, andererseits aber auch sehr viele Rücksicht wegen der schönen sich dar- bietenden Hoffnung. Die Erzführung der •Gänge erstreckt sich zwar nicht über die Grenze des Kalkzuges, d. h. im Durcli- schnitte nicht über eine Streichenslänge von 240 Euss hinaus, dagegen aber hat man viele solcher erzführender Gänge und es steht eine grosse Teufe zu Gebot. Wir haben es hier mit einem den Fallbändern zu Kongsberg sehr älmlichen Vorkom- men zu thun, nur in einer andern Formation; erinnert man sich aber an dieses, so muss man auch einsehen, dass auf Reipaas Vara zur energischen Aufschliessung der Gänge in die Teufe viel zu wenig geschieht. Die Erze und Schliche von sämmtlichen der erwähnten Gruben werden jezt in Kaafjord geschmolzen. Man bedient sich hiezu des Swanseaprozesses , d. h, der Manipulation in Flammenöfen, hat aber, die Fehler desselben einsehend , be- reits zwei schöne Hochöfen in Bau genommen, um darin das Roh- und Lech- oder Steinschmelzen vorzunehmen. Das Hüttenetablissement ist sehr hübsch und wird, wie überhaupt im Ganzen das Werk, sehr rationell dirigirt. Man röstet zu- erst die gattirten Erze und Schliche, welche man der Hütte in einem Durchschnitts-Knpfergehalte von 7 bis 8% übergibt, theils in offenen Haufen, theils in Flammenöfen und schmilzt auch in solchen. Die erhalteneu Leche werden nicht granulirt, wie in Swansea, sondern in Stücke zerschlagen und so gerö- 614 stef, was sicher kein Vortheil seyn dürfte. Bis die zwei neuen Hochöfen in Betrieb gesezt werden, geschielit auch das Stein- oder Leelischnielzen in Flammenöfeii , das erhaltene Weiss- nietall (die aus dem zweiten Lechschinelzen abfallenden rei- chen Leche) kommt zum Schwarzkupfern, welches in ein und demselben Flammenofen wiederholt wird. Das Schwarzkupfer welches bereits fast die Farbe des Rosettenkupfers hat, wird in Flammenöfen gaar gemacht, Avobei man zulezt, um das Spratzen zu verhindern, einen ganz kleinen Theil Blei, höch- stens •/, % "j^^''^^^"^? zuschlägt. Das erzeugte Kupfer ist von vorzüglicher Güte. Die Arbeiter, aus Normännern, Lappen, vorzüglich aber Finnen (öuänen) bestehend . werden gut gehalten und durch die weise Disziplin, welche die Engländer einführten, übt die- ses Etablissement den wohltliätigsten Einfluss auf das ganze Volk weit umher aus. Der Handel des Werks hat seinen vorzüglicheu Zug nach Frankreich. Zur Zeit meiner Anwe- senheit in Kaafjord betrug die jährliche Gaarkupferprodnktion ungefähr 4500 Zentner, wovon der Zentner in loco zu 50 fl. Conv.-Mze. veikauft wurde. Die Steinkohlen kommen dem Werke, ungeachtet des weiten Transportes aus England, sehr billig zu stehen , nämlich die Tonne nur auf 8 Schillinge oder der Zentner auf ungefähr 12 kr. Conv.-Mze. Am 27. August um :i Uhr Nachmittags verliessen wir Kaafjord und seine freundlichen Bewohner, um die Rückfahrt nach Trondhjem anzutreten. Das Wetter am Morgen war trübe mit Regen. Tags darauf landeten wir in Tromsöe. Wir hatten star- ken Süd und Regen. Der Wind wurde später zum Sturme und wir mussten im Hafen zwei Anker werfen. Am 30. August überfiel uns südlich vouTjäldöe, im An- fange des Vestenfjordes, der mit geringen Unterbrechungen fortan wehende conträre und neuerdings zum Sturme ange- wachsene Wind mit einer solchen Gewalt, dass wir nur mit grosser Mühe endlich den kleinen Hafen der Insel Svolvär er- reichten, wo wir des tobenden Meeres und der vielen Klippen an den Küsten derLofoten wegen bis zum 2. Sept. liegen blei- ben mussten. Die wilden, kahlen Felsberge der Lofoten mit 015 ihren wunderlichen Geslalten, z.B. das liebende Paar, der Zwerg^, welcher das auf dem Rücken eines ßerg:es lieg^ende Haupt eines Riesen bewacht u. dgl. m., nahmen sich im Heulen des Windes, der die Nebel im Reigentänze um die Rergkup- pen trieb, geisterhaft aus. Taj^ebücher, Exkursionen am Lande, Nachmittags und Abends Ball beim Kaufmann, da wir wieder sog;liicklich waren, einij^e hiibsche Damen am Bord zu besitzen, füllten die Zeit aus. Es war der lezte Abend auf Svolvär und wir unterhielten uns ganz vorzüglich. Einer der Passa- giere riss auf seiner Violine herzbrechende Walzer herab, muss aber bei dieser Gelegenheit zufällig etwas tiefer als nothwen- dig in die Punsehbowie gesehen haben, kurz unser Paganini entschlief und als wir gegen Mitternacht an Bord fuhren und der Sturm plötzlich nachliess und als wir, um diese Pause zu benützen, um 3 Uhr Morgens plötzlich ausliefen, da dachte noch immer Niemand an den Armen, der zurückgeblieben und vergessen war. Er kann wohl 2 bis 3 Wochen auf den Lofoten bis zum nächsten Dampfschiffe haben warten müssen und mag in dieser Zeit seiner Kunst, wenigstens im melancho- lischen Genre , sicher eine besondere Weihe angeeignet haben. Am 2. September 1S40 passirten wir den Polarkreis zum Zweitenmale und langten am 4. September Abends wieder in Trondhjem an, wo mir die Freude ward Prof. Ritter aus Berlin im besten Wohl- seyn zu treffen. 3) Keise von Troudlijem Über Ijevang-er, Snltl und den üjölliaug-eurjeld na.clt Östersuud in Schweden. Sunds«« all am Bottnisclien Meerbusen. Oefle. Oie Hupfertverke -vomi V^alun. Hedemora. Die Silber- Yverke von Sala. IJpsala. Die Kiseng^ruben von Dannemoru» Sig-tuna. Stockholm. Am 8. September 1840. Dichter Nebel lag auf dem Fjorde und es regnete stark, als wir um 9 Öhr Morgens Trondh- jem verliessen und unsere Reise nach Schweden antraten. Mitten durch Kornland, an schönen Gaards vorüber, führt die guterhaltene Strasse zur Station Hougan. Weiterhin passirt G16 man einen pittoresken Felsenpass am Levano;erfjord, die Fort- setzung; des Trondlijemfjords*, übersehreitet zwischen wald- bedeckten Bergen den Stördalenelv und betritt mit der Station Stördalen den Distrikt von Värdalen , die Kornkammer von Norwegen. Es war gerade Erntezeit und die schönen Ge- treidefelder ringsumher, in einer nördlichen Breite zwischen dem 63. und 64. Grade, sind wirklich überraschend. Bei Forbord legen sich grosse Torfmoore zwischen die Berge des Thonschiefergebirges und ringsum lassen die Felsen die Spuren der alten Meeresströmung und Brandung wahrnehmen. Die Gegend gewährt viele Abwechslung, interessante Felspartien wechseln mit vvaldbedeckten Hügeln und fruchtbaren Korn- feldern; der Fjord mit vielen kleinen Inseln liegt wie ein gros- ser Landsee zur Seite. So passirten wir die Stationen Vor- dalen und Hammer, wo wir den norwegischen General Wedel trafen, der mit mehreren Abtheilungen der berittenen Jäger, Bauernmilizen, welche recht gut aussehen, aus dem üebungs- lager zurückkehrte. Unweit liegt der Hof Stikli auf histo- rischem Boden, auf dem Schlachtfelde nämlich, wo Olaf oder Oluf(Olaus?) der Heilige fiel, dessen Reste in der Domkirche zu Trondhjem liegen. Bald darauf erreichten wir die neu an- gelegte Stadt Levanger, Abends die Station Värdalen unweit der Mündung des Värdalenelv im Levangerfjord und spät in der Nacht erst den Gaard Näss, wo wir blieben. Am 9. September. Die Gegend ändert ihren Charakter. Die Berge werden hoch, der Weg führt durch tiefe Felsen- pässe, in den Thälern Wasserfälle in Menge, auf den hoch- liegenden Plateaux Wald und Torfmoore. So erreichen wir die Station Suhl, dielezte in Norwegen gegen die Reichsgrenze hin. Gerade vor uns liegt der Kjölhaugenfjeld, das Grenz- gebirge zwischen Norwegen und Schweden, über welches, uns weiter zur Rechten liegend , einst die alte Strasse von Trondhjem nach Schweden führte, auf deren Höhe im Februar 171.5 die von der Belagerung von Trondhjem heimkehrende schwedische Armee von 7000 Mann eifror. * Der Trondlijeinfjord mit seinen Nebenzweigen erstreckt sich an 80 Seemeilen weit in das Land. C17 Von Suhl steigt der Weg steil das Gebirge hinan , auf dessen Rücken , in einer Meereshöhe von 2480 Fuss •= man die norwegisch-schwedische Grenze passirt. So wie an der gan- zen Reichsgrenze, vom höchsten Norden bis zum Süden Skan- dinaviens, ist auch hier die Grenzh'nie auf das sorgfältigste bezeichnet; ein breiter Streifen ist durch den Wald gehauen, der von 10 zu 10 Jahren uiderholt von allem Nachwüchse gereinigt wird. Gerade an der Grenze haben die im Jahre 1835 aus einem Uebnngslager in Norwegen heimkehrenden schwedischen Truppen auf einem Steine der Nachwelt ihr Dankgefühl für die freundnachbarliche Aufnahme in jeiiem Lande aufgezeichnet. Wir befanden uns nun in Jemteland, In der schwedischen Provinz Ostersunds-Län. Grosse, sich meilenweit erstreckende Plateaux, bedeckt mit Wald und Sumpf, tiefe Schluchten, Schnee an den schat- tigen GehJingen der Berge , die sich auf diesen Hochebenen erheben, Verschwinden der Fichtentanne und Alleinherrschen der Birken neben traurigen Torfmooren — Diess bildet den Hauptcharakter dieses Gebirgslandes, der sehr an den des nahen Lapplandes erinnert. Skalstuga ist die erste Station in Schweden, wo uns, um ja dessen ganz gewiss zu seyn, sogleich Molterbeere mit Milch vorgesetzt wurden. Von da zieht sich der Weg sanft abfal- lend das Ostgehänge des Kjölhaugen hinab; die Gegend höchst einförmig; nichts als Wald, Torfmoor und Seen. In der Nähe der Station Stalltjernstugan befindet sich ein Kupfer- vverk, das erste Montanetablissement seit unserem Eintritte in Schweden. Diese Stationen, einzeln liegende Gaards, sind Fjeldstuben, gleich jenen auf Dovrefjeld und unsern Tauern- häusern, nur im Vergleiche mit letztern mit viel mehr Comfort für Reisende ausgestattet. Der dichte Wald hält an, ein See folgt dem andern, die Fichten erscheinen wieder; so erreichen 0 wir die Station Forssa, zur Linken in geringer Entfernung das o Gebirge Areskutan. Der Kjölhaugen besteht da, wo wir ihn passirten, ganz * Meereshöhe des Kjelahög auf dem Kjülhaugen nach Vibe : 4070 Fuss. 618 aus Glimmerschiefer und Chloritschiefer. Bei Slialstuga zei- g;eii die zu Tage gehenden Schichtenköpfe des steil einfallen- den Glimmerschiefers eine auffallende, räthselhafte Erschei- nung. Auf den Linien der Schichtenablosungen nämlich, nie ausserhalb derselben, beobachtet man Reihen kleiner, regel- mäsig gestalteter Löcher, manche bis zu mehreren Zollen tief, eines nach dem andern. Man sieht diese Löcher sowohl an der Oberfläche des festanstehenden Gesteines, als auch an den zahllosen, zerstreut umherliegenden Blöcken. Ich erinnere mich diese Erscheinung auch an den Meeresküsten gesehen zu haben und muss daher den Gedanken fassen, dass wir es hier vielleicht nur mit einer besonderen Form der Strömungs- furchen zu thun haben. In der IXähe von Stalltjernstugan beginnt mit dem Glim- merschiefer- und Chloritschiefergebirge auch Gneiss aufzu- treten, zudem sich weiterhin Granit gesellt, und je weiter man sich nun vom Gebirgsrijcken, der Norwegen von Schweden trennt, gegen Osten entfernt, desto vorherrschender werden Granit und Gneiss. Beide Gesteine sind von grosskrystallini- schem Gefüge; der Feldspath fleischroth. Man hat nun das Bereich des ältesten Gneissgranit-Gebirges mit Schiefern, des Grundgebirges Skandinaviens (vorne S. 530) verlassen und bereits das des jüngeren Gneissgranites betreten, welcher wahrscheinlich der Lebergangszeit angehört und dem Granite parallel steht, der bei Christiania unmittelbar unter den silu- rischen Felsgebilden liegt. Dieser Gneiss und Granit, auf grosse Strecken vom Alluvium bedeckt , sind das allein herr- schende, anstehende Gestein der grossen mit Wald bedeckten und von zahllosen See'n durchschnittenen , hügeligen Ebenen zwischen der Küste und dem norwegisch schwedischen Berg- rücken. Wo sie die jüngere Decke durchbrechen, erscheinen sie scheerenartig in flach gerundeten Felshügeln und isolirten Kuppen. Am 10. September. Bei andauernd starkem Regen- wetter, daher auch auf schlechter Strasse, durchwandern wir das einförmige Land. Fortan Wald ohne Ende, alle Augen- blicke wieder ein See , hie und da ein isolirter Gaard. Alle Berge von unten bis oben mit Wald bedeckt. Wir passirten 619 0 die Stationen Stammgarde, Cppland, den Kailen EIfven und n blieben in Aberg. Alle Stationen Imtelands, die ich kennen leinte, sind vortrefflich, überall henscht Reinlichkeit, die Leute sind gefällig". Wie man ankommt flackert sogleich im Kamine das Fener, von Holzeisparniss ist natürlich keine Rede. Die llansvvirthin bringt warmes Wasser, Rum und Zucker. Der Grog wird bereitet und nun durchgewärmt und gemütli- licher gestimmt, als Regen und ewiger Wald zulässig machten, beginnt die Konversation. Am 11. September. Der einförmige Charakter der Gegend, Wald und See'n, leider aber auch der Regen, dauern fort^ es mehren sich die Höfe und der Feldbau, oasenartig mitten im Waldlande. Jenseits der Station Foxelfven, von wo an die Strasse bedeutend besser wurde, genossen wir des Anblickes des Storsee's. Grösser als der Mjösen in Norwe- gen , hat er jedoch nichts von dessen Reizen. Melancholisch breitet sich die dunkle Wasserfläche, von ganz flachen Ufern begrenzt, in endlosem Walde aus, das Auge sieht nichts als Fichten und Wasser. Unweit der Station Haste fuhren wir auf einer an beiden Ufern mit Ketten befestigten schwimmenden Brücke, welche während des Ueberganges auf eine unliebsame Weise mit uns einige Zoll tief untertauchte, über einen Arm des Storsees auf die grosse, ungefähr 1 Meile lange und mit Wald, Höfen und Kornfeldern reichlichst ausgestattete Insel Frösön hinüber. Die Strasse führt mitten über die Insel und nach Überschrei- tung eines zweiten Seearms erreichten wir Oestersund, die Hauptstadt der Provinz. An einen niedern Hügelzug gelehnt, dicht am Storsee, bestellt Oestersund aus lauter hölzernen, meist schlecht gebauten Häusern. Uebrigens ist die Stadt sehr regelmäsig angelegt, die Strassen sind breit und gerade und schneiden sich unter rechten Winkeln. Zum Unglücke war gerade Jahrmarkt und wenigstens der Theil derBevölkC' rung, den Taülovi' und ich Abends zu sehen bekamen, war sammt und sonders betrunken. Dazu der tiefe Koth in den Strassen , der Regen von oben und ich kann mich , ausgenom- men die ungarischen Landstädte und Dörfer unter ähnlichen Verhältnissen, nicht leicht eines trostloseren Anblickes erin- C20 neni. Ein zwischen Aufrechtstehen und am Boden Kriechen osziliirender Unteroffizier, der einige deutsche Worte stam- melte, sezte uns mit seiner Gefälligkeit, mit der er Alles für uns besorgen wollte, fast in Verlegenheit. Man sperrte Zim- mer auf, in dem einen lag der Wirtli ausgestreckt, der fort- geschleppt wurde. Die Kleidung der Bauern passt ganz zu diesen wüsten Szenen. Lange Röcke bis zu den Fersen, unten mit einem breiten Dessin von Strassenkoth, kurze gelbe Bein- kleider, ein hoher runder Hut mit den unverkennbaren Spuren erlittener Antreibungen — ich möchte einen solchen Kerl zwi- schen einem Palikaren und einem unserer Zillerthaler sehen. Uebrigens ist das Landvolk fleissig, redlich, nur etwas schwer beweglich. Bei Oestersund beobachtete ich grosse Lager körnigen Kalksteins im Gneissgranit-Gebirge. Am 12. September früh am Morgen verliessen wir Ostersund. Noch waren die Gäste von gestern , wenigstens die ganz sattelfesten , in voller Thätigkeit und hie und da sah man in den Strassen langberockte Gestalten wanken. Wir o passirten die Stationen: Garde, Fanbyn , Grimnäs, Bracke, Jämt Krogen. Fort und fort nur hügeliges hand mit dichtem Walde und zahllosen Seen. Abends wurde endlich die Wit- terung günstig, der Mond leuchtete uns prachtvoll durch den dichten Wald und spät erreichten wir Bergsjö. Am 13. September. Durch schönes Land , Gaard an Gaard mit weit ausgebreitetem Feldbaue, führte uns der Weg entlang dem Mjurunda Elfven dem Meere zu. Die Sta- tionen sind nicht mehr bloss einzeln stehende Höfe, sondern Dörfer, mitunter von nicht unbedeutender Grösse. So: Alsta, Kjällsta, Nedansjö, Walljom. Der Anblick von Sundsvall, aus Jemteland kommend, ist recht niedlich; man sieht zwar das Meer nicht, denn das Städtchen deckt den schmalen Fjord, aber die Masten der Schiffe ragen über die Häuser empor. Sundsvall treibt bedeutenden Holzhandel. Wir sahen in dem guten und grossen Hafen mehrere Dreimaster liegen und ge- rade hatte das nach ümea gehende Dampfschiff hier angelegt, um Holz zu laden. Dieses Dampfschiff ging damals jährlich nur einmal bisTornea oder eigentlich bis Haparanda und zwar im Juni, kurz vor der Zeit des längsten Tages, um den Reisen- C21 den, hesondes Engländern, die bleiche Mitternachtssonne i'iher dem Gesichtskreise zu zei<;;;en. Sundsvall hat ungefähr 2000 Einwohner, unter welchen das bildschöne Mädchcnvolk sich ganz besonders auszeichuet, und zwar sieht man , wie der Regel nach aus den klimatischen Einflüssen zu erwarten stünde, nicht blonde nordische Statuen, sondern meistens lebensvolle Brnneten, mit ausnehmend schönem, etwas blassem Teint, mit sprechenden schwarzen Augen, Gestalten, die dem Süden Ehre machen würden. In Sundsvall wird unter andern auch Hopfen gebaut und derselbe gedeiht recht gut. Die vielen und grossen Granitblöcke auf den Ebenen bei Sundsvall, abgerundet und doch nicht transportirt, sondern offenbar nur das Resultat der lokalen Zerstörung isolirt aus dem Alluvium hervorragender, scheerenartiger Granitkuppen, befestigten meine vorne S. 517 ausgesprochene Ansicht über die sogenannten erratischen Blöcke. Am 14. September. Wir überschritten den Njnrunda Elfven ganz nahe an seiner Mündung im Fjorde von Sunds- vall, wo grosse Abladeplätze für das Bauholz, welches auf dem Flusse aus den Wäldern des Innern herabgebracht wird und einige recht hübsche Gebäude sich befinden. Zwischen den Stationen May und Gryttje verliessen wir die Provinz Hernösands-Län, welche wir zwischen Bracke und Jämt Kro- gen betreten hatten und befanden uns nun in Gefleborgs Län. Den ganzen Tag fuhren wir durch dichten Wald abwechselnd mit ebenem Kniturlande , eine höchst langweilige Gegend. Nachdem wir Bringsta passirt hatten blieben wir in Malsta. — Wo Felsen zu Tage gehen gehören sie dem Gneissgranit- Gebirge an. Am 15. September. Wald abwechselnd mit kultivir- tem Lande, hie und da mitten im Waldlande ein Dorf oder ein einzelirer Hof. Wir passiren die Station Sanna, lassen links zur Seite am Meere die kleine und hübsch liegende Stadt Hndiksvall und blieben mit geringer Unterbrechung fortan im geschlossenen Waldterrain, so an der Station Iggesnnd, mit einem sehr hübschen Eisenhammer, an der Station ßro, wo starker Flachsbau getrieben wird, der weiter gegen Süden G22 Immer mehr zunimmt, ferner an den Stationen : Kiing^so^arden, 3io-lVIyskie, Sko und Strakkära. Am 16. Septem)} er. Dichter Nebel lag auf den Wäl- dern. Stationen: Berg, Tiödje, Gefle. Die Ansicht von Gefle Hess uns durchaus nicht die Seestadt erkennen, denn man sieht, von Trödje kommend, vom Meere nichts und nur die zwischen den Häusern emporragenden Masten bezeugen dessen INähe. Gefie ist eine hübsche Stadt mit ansehnlichen Häusern und Strassen. Ein Kanal reicht vom Meere bis in die Mitte der Stadt und entlang demselben hat man eine ganz iiiediiche Promenade angelegt. Am 17. September. Wir verliessen nun die von Gefle über Upsala nach Stockholm führende Hauptstrasse und wen- deten uns landeiuwärs gegen Falun in der Provinz Stora Kopparbergs- oder Falu-Län, wohin auch das bekannte Dale- karlien gehört, welches entlang dem Oster-Dal-EIfven und Vester-Dal Elfven den westlichen und südlichen Theil der ge- nannten Provinz einnimmt. Es regnete in Strömen und stürmte gewaltig, als Avir Gefle verliessen. Bei solchem Wetter auf off'enem Wagen und zudem als Kutscher lässt bekanntlich viel zu wünschen übrig, der heutige Tag war aber fürchterlich. Wir waren durch Nässe und Kälte so herabgestimmt, dass wir, zu meiner Schande sey es gestanden, das wenigstens von aussen schöne Eisenwerk Förstbacka bei Högby, dem Baron Nordin gehörend, gar nicht näher besahen , sondern durch Wald, Koth und Sturm vorwärts nach Sandbacka und endlich nach Lumsheden eilten, wo wir bleiben mussten, denn keiner von uns beiden war mehr im Stande die Zügel zu führen. Am 18. September. Die Sonne lachte uns wieder ganz freundlich an und wohlgemuth fuhren wir jenseits der Station Borggardet durch den Wald, See'n zur Seite, einen kleinen Berg hinab, als plötzlich das alte, in der bergmännischen Weld so berühmte Falu n vor uns lag. Die Bergstadt liegt in einem weiten, flachen Thale, zwischen dem Runn - und Warpansee und nimmt sich mit ihren beiden Kirchen und einigen ansehnlichen Häusern um so hübscher aus, als der schlechteste Theil der Stadt, nahe an den die Hüttenwerke vorstellenden Baraken, fast stets in den mystischen Schleier (»23 des Rost- und Ofenraiiclies »»eliüllt ist. Der diesen Hiiffen- werken ziinächstliegende Theil des Landes, ein wüstes Hauf- werk von Schlacken und ftuarzblöcken, ist von aller Vegeta- tion entblösst, im weiteren Umkreise aber ist Falnn von Wald und Seen umschlossen. Die Stadt hat ungefähr 4500 Ein- wohner und ist regelmässig angelegt. Nachdem ein paar Gassenbuben, die gewöhnlichen Lohn- bedienten in schwedischen Gasthäusern, mit Ausnahme Stock- holms, heraufgeholt waren, um unsere Garderobe in Ordnung bringen zu helfen, ein wohlfeiler, aber nicht besonders ange- nehmer Gebrauch, traten wir unsere Besuche an. Wir wen- deten uns vor allem an den ausgezeichneten Prof. Äckermann an der Bergschule, welcher uns mit Hüttenmeister Bergsteen und Bergmeister Wallmann bekannt machte, in deren lehr- reicher Gesellschaft wir ein paar sehr angenehme Tage ver- lebten und die uns in Besichtigung des vielen Interessanten, wasFalun dem Berg- und Hüttenmanne darbietet, freundlichst an die Hand gingen". Von Gefle bis Falun beobachtet man in ziemlicher Ein- förmigkeit den steten Wechsel von Gneiss mit Ciiloritschiefer, bei Falun aber werden die geognostischen VerJiältnisse sehr interessant. Südwestlich von der Stadt liegt im Gneissgranit- gebirge ein ungeheurer ftuarzstock, ein Körper, dessen Gren- zen gegen den Gneiss niclit in jeder Richtung mit Bestimmt- heit nachgewiesen sind. Dieser Quarz ist graulichweiss, " A. Daubree : über die Erzlagerstätte in Schweden und Norwegen. Ann. des Min. IV, 199 etc. Deutsche Bearbeitung von Dr. G. Leonharo. Stuttgart 1846. Leonhard und Bronn Jahrbuch 1845, p. 223 etc. BÖBERT : Metallproduktion in Schweden im Jahr 1835. Karsten'« Archiv, Bd. XI, 1838, p. 240. Derselbe über denselben Gegenstand, betreflfend das Jahr 1836. Kar- stens Archiv, Bd. XIV. 1840, p. 606. lieber Schwedens Eisen und Metallproduktion und dessen Ausfuhr- handel im Jahr 1845. HARXMAtsN's Berg - und Hüttenmännische Zeitung, 1846, No. 50, 51, 52. Gali. : Reise in Schweden. Bremen 1838. Vor Allen aber: Hausmann, Reise durch Skandinavien in den Jahren 1S06 und 1807. Göttingen 1811—1818. 5 Bände. 624 körnig; und sehr häufig mit Talk gemengt. Hie und da \vech- selt derselbe lagenweise mit einem krystallinischkörnigen, graulichweissen Kalke, und in beiden, vorherrschend jedoch im önarze, liegen lagerartige Züge von Stöcken eines sehr talkhalfigen Chloritschiefers , der einerseits in wirklichen Talkschiefer, andrerseits in reinen Chloritschiefer übergeht. In diesem talkigen Chloritschiefer endlich, das Saalband ge- nannt, liegen grosse Körper, Stöcke, von Eisenkies — Körper von gigantischen Dimensionen und der Gegenstand des hiesi- gen Bergbaues. Diese Stöcke, welche nebst dem Eisenkiese, ihrem vorwaltenden Bestandtheile, auch Kupferkies, Kupfer- glanz und silberhaltigen Bleiglanz führen, haben nahezu eine konische Form, d. h. sie spitzen oder schneiden sich nach unten aus. Die Dimensionen des grössten dieser Kieskörper, über dessen Lagerungsverhältnisse zum umliegenden Gesteine ich einen Durchschnitt hier beifüge*, betragen oben am Aus- gehenden zu Tage 1200 Fuss in die Länge und 600 Fuss in die Breite, bei 1176 Fuss in die Teufe. Sehr interessant ist die Anordnung der Erze, welche wir an diesem Kiesstocke beobachten und die wir auch als masssfebend für die übrio^en Kiesstöcke dieses Terrains betrachten können. Wir sehen nämlich, dass der Kupferkies vorzüglich an den Grenzen des Kiesstockes, in der Nähe des Saalbandes vorkommt und auf Klüften sich sowohl in das Saalband als auch in den Quarz selbst hineinzieht (weiche und harte Erze). In grösserer Tiefe des Kiesstockes, also der nach unten gekehrten Spitze des- selben näher, tritt Bleiglanz auf und zwar bezüglich der Masse des Vorkommens zunehmend mit wachsender Teufe. Dieser Bleiglanz ist silberhaltig und meistens mit Kupferkies gemengt, auch erscheint mit ihm zusammen sehr viel Blende und man will sogar die Erfahrung gemacht haben , dass der Silbergehalt des Bleiglanzes mit zunehmender Teufe zunimmt. Das Silber ist goldig. In früherer Zeit fand man im Kiesstocke selbst bedeutend viel Kupferkies. Nachdem jedoch diese Mittel in Abbau ge- nommen worden sind, beschränkt sich gegenwärtig das Vor- kommen der Kupfererze grösstentlieils auf das Nebengestein, * M. S.Tafel VII derGebirgsduichscIin. im Atlasse diese» Reisevverkes. Ö25 nämlich auf die Erzführung des Quarzes und Chloritscliiefers. Die Erzführun« des Quarzes beobachtet man übrioens nur in der Nähe des Chlorit- und Talkschiefers, wo er selbst mit Talk gemeuo^t ist und mit Talkschiefer wechselt, denn in wei- terer Entfernung von den Saalbäudern zeigt sich der Quarz durchaus taub. Im Quarze, der die Kiesstöcke mit ihren Saalbändern um- schliesst , setzen mehrere Trappgänge auf, Gänge eines dio- ritischen Basaltes, die sich zum Theile in alle benannten Fels- gebilde erstrecken, alle durchsetzen, folglich auch jünger als alle zu seyn scheinen. Interessant sind die grossen Quarz- körper, welche sich in den Kiesstöcken selbst finden und das Ansehen ungeheurer Geschiebe haben, doch aber, da man sie auch in der Masse der Saalbänder antrifft, wirklich nur kiese- lige Konkretionen, Ausscheidungen der Kieselmasse in poly- hedrischen Körpern seyn dürften. Im Faluner Erzzuge finden sich Kiesstücke gleich den so eben beschriebenen auch im grauen, körnigen Kalke, welch' lezterer in diesem Falle ganz die Rolle des Quarzes spielt und dieselben geognostischen Verhältnisse wie dieser wahrnehmen lässt. Die Saalbänder umschliessen diese Kieskörper von allen Seiten, an den Sei- tenwänden sowohl als unten an der Spitze, was durch den Grubenbau mit Bestimmtheit dargethan ist. An eine vulka- nische Bildung dieser Kiesstöcke, an eine Emportreibung der Kiesmasse von unten, ist daher hiergar nichtzu denken, wohl aber liegt, auch diessfalls, die Annahme einer massenhaften Ausscheidung der Metallsulphuride aus der ganzen Lager- masse am nächsten. Mordwestlich von Falun, am Vesterdal-EIfven, erscheinen im Terrain des Gneiss-Granitgebirges Sandsteine der üeber- gangszeit, welche am Osterdal-EIfven wieder von einer mäch- tigen Porphyrbildung überlagert werden. Auf diesen Por- phyrmassen gehen die bekannten Porphyrsteinbrüche Dalekar- liens um. Ein ähnliches Vorkommen zeigt sich weiter östlich, an der Nordseite des Siljansee's, nur erscheint dort zusammen mit dem Sandsteine auch Uebergangskalk und die Stelle des Porphyrs vertritt Eurit. Im Gneiss-Granitgebirge bei Falun stösst man ferner häu- Russpgger, Reisen. IV. Bd. 40 020 fi^ auf Cliloritschieferlager von grosser Mächtigkeit , welche wieder auf untergeordneten, sehr mächtigen und dem Strei- chen nach nur geringe Ausdehnung zeigenden Lagerstät- ten Magneteisenstein und Rotheisenstein führen, die das Ma- terial zum Betriebe der vielen Eisenhütten in Wermeland und Dalekarlien liefern. Merkwürdig ist es, dass wir meines Wissens in ganz Schweden unter all' den vielen Lagerstätten nutzbarer Mine- ralien nirgends Gangbildungen von solchem Charakter und solcher Entwicklung beobachten, wie wir sie an so vielen an- dern Orten, z. ß. in den Alpen, in Sachsen, am Harze, in Un- garn , in Mexiko u. s. w., ja selbst in dem ganz nahen und scheinbar geognostisch so sehr verwandten Norwegen sehen. Nirgends trafen wir in Schweden ein langes Anhalten einer erzeführenden Lagerstätte dem Streichen nach hei einer durch- schnittlich sich wenig verändernden Mächtigkeit: immer sehen wir plötzliche Erweiterungen der Lagerstätte zu grossen, mit- unter ausserordentlichen Mächtigkeiten und dann wieder Ver- schmälerungen zu blossen Gesteinsblättern, so dass ein nächst- folgender Körper dieser Art jederzeit als ein neuer zu be- trachten ist. Wir haben es in Schweden durchaus nur mit Stöcken oder höchstens mit Stockwerken , d. h. mit lokalen Zusammenhäufungen vieler Gänge ohne bedeutendem Anhal- ten der einzelnen dem Streichen nach, zu thun und wo sich eine gewisse Stetigkeit in der Richtung ausspricht , ist diess nur ein reihen weises Aufeinanderfolgen, ein Zug solcher Stöcke oder Stockwerke, ohne wesentliche Verbindung der einzelnen unter sich. Es scheint demnach aus diesem hervorzugehen, dass selbst das älteste Granit- und Gneissgebirge in diesem Theile Schwedens einer andern Formation und zwar einer Jüngern angehört, als der Gneiss in Norwegen, welchem die Fallbänder und Erzgänge von Kongsberg , am Vindoren , bei Modum u. s. w. inneliegen. Wie verhält sich nun aber dieses schwedische Gneiss -Granitgebirge zu den vorneerwähnten Porphyren und normalen üebergangsbildungen in Dalekarlien und am Siljan? Wahrscheinlich wie das jüngere Gneiss- Granitgebirgezu den silurischen Gebilden und jenen Porphyren bei Chrlstiania, die zwischen den geschichteten Gesteinen und 627 dem Granite initZirkonsyenit Heiden, welche lezteredie oberste, liier fehlende Ablagerung * der dortigen Uebergangsfdrmation bilden. In der Umgebung- von Falnn treffen wir unverkennbare Kriterien der Emporhebung des Landes über den Meeres- spiegel. Dahin gehören die sogenannten Strömiingsfnrchen oder Schrammen und die Riesentöpfe. Beide findet man bis zu Meereshöhen von 800 Fuss, Die Strömungsfiirchen haben hier duichaus die Richtung aus Nordwest in Südost, wie man aus Sefström's interessanter Karte entnimmt *. Die Riesen- töpfe sind Auswaschungen kreisrunder Löcher im Felsen durch Wasserwirbel, oft mehrere Fuss tief. In denselben finden sich Geschiebe meistens desselben Gesteins , hineinge- schwemmte Felstrümmer, welche der rotirende Wasserschwall abgerundet hat, manchmal vollkommen kugelförmig und bis zur Grösse eines Kubikfusses, daher man sie im Wege dersel- ben Phantasie und zur Bereicherung der Terminologie auf deutsch Riesenknödel nennen könnte. Der berühmte Grubenbau zu Falun zählt wohl schon an tausend Jahre, die historischen Daten reichen jedoch kaum auf 600 Jahre zurück. Man baut auf mehreren Gruben , die alle Eigenthum einer grossen Gewerkschaft sind, welche sich in 1200 Aktien theilt. Der Bergbau wird auf Kosten dieses Vereins vom Staate geführt und geleitet; die gewonnenen Erze werden sodann unter die Gewerke nachMassgabe ihrerAntheile vertheilt und diese können dieselben auf eigene Kosten und nach ihrem Gutdünken weiters zu Gute bringen. Früher wurde von den Erzen der dritte Theil als Frohne für die Krone abgezogen, gegenwärtig aber begnügt sich leztere bei den so sehr herabgekommenen Ausbeuteverhältnissen mit dem sie- benten Theile. Abgesehen davon, dass in den rechtlichen Verhältnissen der Unternehmer zur Krone, sowie in der ge- genseitigen Abrechnung, faktisch eine grosse Verwirrung be- stehen und man ernstlich darauf bedacht seyn soll eine Ileor- ganisirung vorzunehmen, ersieht man auf den ersten Blick, "■' M. S. vorne S. 530 '■"•' Karta öfver Trakte» ooikring; Fahlun, i petridelanniskt af seende af N. G. Sefström, 1836. 40 * (i28 wenn man den Grundsatz festhält, dass die üebervvacliungf industrieller Privatnnternehmungen so wenig- als möglich die freie Verfügung mit dem rechtmässigen , anerkannten Eigen- thume und den Genuss desselben beschränken soll, wie hin- dernd und drückend eine solche Belastung auf den regen Lm- trieb des Bergbaues zurückwirken muss und ich glaube, dass eine im Geiste der Zeit durchgreifende und weniger g;edrückte Stellung der Gewerkschaft zur Regierung- das wirksamste Mittel wäre , dem gesunkenen Faluner ßergbaue wenigstens zum Theile wieder auf die Beine zu helfen. Da die Gewerk- schaft für die ümschmelzung alter, kupferhaltiger Schlacken keine Frohne an die Krone zu entrichten hat , so ist es um so natürlicher, dass man bei der herabgekommenen Erzeroberung Seitens der Hüttenbesitzer auf den Gedanken verfiel die ur- alten Schlackenhaufen des früheren Hüttenbetriebes wieder umzuarbeiten und da diess mit einem nicht unbedeutenden Vortheile geschieht, so dürfte hierin auch das einzige Gute liegen, was das sonst von V orne her nicht zu lobende System indirekte mit sich bringt. Der Abbau des grössten Kiesstockes ist noch fortan der Hauptmoment des Faluner Grubenbaues. Dieser Abbau ist sowohl durch seine Ausdehnung, als durch seine Unregelmäs- sigkeit wahrhaft kolossal, so dass ein Durchschnitt desselben dem eines Termitenhaufens nicht ganz unähnlich sieht. Diese Unregelmässigkeit, zum Theil bedingt durch das zerstreute, absätzige Vorkommen der Kupfererze, führte mehrere Gruben- und Tagebrüclie herbei. So ereignete sich im Jahre 1687 ein fürchterlicher Verbruch auf der sogenannten grossen Grube, der die bekannte ßinge von 1200 Fuss Länge, 600 Fuss Breite und 240 Fuss Tiefe zur Folge hatte. Der Anblick dieser Binge ist grossartig. Ringsum am Rande derselben stehen die Taggebäude der Wasserkunst und Förderschächte, welche im standhaften Tauben abgeteuft wurden und unter denen der Schacht Adolph Friedrich bis zu 1164 Fuss seiger nieder- geht, während sich in der Tiefe der Binge selbst einige Häus- chen für die Arbeiter und zum Zwecke verschiedener Betriebs- zweige befinden. Da man später fortfuhr ohne Anwendung der nöthigen 629 Voi'sichtsmassregelii unterhalb des Verbruclies fortzubauen, so ereignete sich in neuester Zelt ein zweiter Hrnch, der die bereits l)esteheiule Binge vertiefte, fortdauernde Seitenver brüche füllten jedoch von sel!)st die Binge biszurang;egebeneu gegenwärtig (IS40) noch offenen Tiefe wieder aus. Endlich verfiel man auf den Gedanken, unten in der Ausspitzuug- des Kiesstockes eine mächtige Bergfeste stehen zu lassen, wahr- scheinlicii kam man aber damit zu spät, denn die bedeutenden Sprüng;e in den Mauern deroben am Rande der Binge zunächst liegenden Taggebäude deuten daraufhin, dass noch keines- ^vegs die Ruhe des Verbruclies garantirtist. Die grosse Grube hat bis jezt eine Teufe von 1176 Fuss seiger, wovon die oben erwähnten 240 Fuss für die off'ene Binge abzurechnen sind. Der unterste Theil des konischeu Kiesstockes ist von den Schächten aus mit Strecken durchfahren und unterfahren, so dass über sein Lagerniigsverhältniss dort kein Zweifel ob- waltet. Alle Ortsbetriebe im Quarze und Kalke werden mit- telst Feuersetzen gefiihrt. Die Scliachtfördernng-, so wie die Wasserhebung sind vortreff"lich eingerichtet. Die bezüglichen Maschinen werden durch grosse, schön und leicht gebaute Wasserräder bewegt. Zur Wasserhebung bestehen Stangen- künste und Pumpensätze, deren Kolben, da die Grubenwasser sehr vitriolisch sind, anstatt mit Leder, mit Birkenrinde gelie- dert \verden. Die Schachtförderung wird , wie überhaupt in Schweden, mittelst Drahtseilen betrieben, welche sehr gut resultiren. Das zu dem Betriebe dieser Maschinen erforder- liche Kraftwasser liefert der kleine Fluss , welcher den War- pansee mit dem Runnsee verbindet. Man bedient sich bei den Förderungsmaschinen durchaus der doppelt konischen Körbe, aufweiche sich die Drathseile in flach gedrückten Schrauben- linien aufwinden. Um hierin sowohl, als auch beim gleichför- migen Abwinden der Seile jede Störung durch üebereinander- legen der Seilschläge u. dgl. zu vermeiden , besteht an jedem Goppel eine sehr sinnreiche Vorrichtung, ein mit derLeitungs- rolle, über welche das Seil läuft, vor- und rückwärts beweg- licher Wagen nämlich, der vom Korbe aus mittelst einem ein- fachen Getriebe in Bewegung erhalten das Drahtseil immer in die rechte Seilspur einführt. 630 Die Versicherung der grossen Zeclienvänme in der Grube geschieht theils durch Zurücklassen von Pfeilern, theils durch Kastenzimmerung. üeber Tags lassen sich die interessanten Lagerungsver- hältnisse der Erzkörper und Saalbänder, wenigstens in der Nähe der grossen Grube, nicht studiren , indem ein beispiel- loses Haufwerk von Gesteinsblöcken , Schutt und Schlacken- haufen das ganze Terrain im höchsten Grade verwüstet hat. Ausser der Beleuchtung in der Grube sind es aber die vor- züglich schönen, musterhaft gearbeiteten Grubenkarten und Durchschijitte, welche hierin jeden Aufschluss bis in das klein- ste Detail geben. Mir ist nicht bald ein Werk vorgekommen, wo dieser wichtige Zweig der Bergbau -Betriebsleitung in einem so hohen Grade der Vollkommenheit bestünde, als zu Falun. Die horizontalen Durchschnitte beziehen sich immer nur auf eine Etage, die seigern Durchschnitte aber verbinden diese Etagenkarten zur Einheit im Ueberblicke der ganzen Lagerungsfolge und vortreflFliche Modelle, auf diese Durch- schnitte gegründet, geben das Ganze in einer Klarheit, die Nichts zu wünschen übrig lässt. Die Verschmelzung der Erze wird von den Gewerken in ihren eigenen Hütten vorgenommen, deren früher in der Nähe von Falun .10 im Betriebe standen, nunmehr aber nur 14 bestehen , von denen jedoch jede wenigstens zwei Oefen besitzt. Das ganze Hüttenwerk ist ein regelloses Hauf- werk von hölzernen , nur für den momentanen Bedarf errichteten und sich in hohem Grade des Verfalls befin- denden Hütten und kolossalen Schlackenhaufen, in ersticken- den Rauch gehüllt und von höchst unerfreulichem Aeus- seren. Die rohen , reinen Kupfererze werden in offenen Haufen mit Holz geschichtet, geröstet, sodann mit Eisenkies und öuarz in dem Verhältnisse, welches zur Bildung von Bi- silikaten erforderlich ist, beschickt, in Halbhochöfen durchge- stochen. Um ein geeignetes Verhältniss dieser Art mit mög- lichster Umgehung ganz tauber Zuschläge zu erlangen, wer- den arme, kalkige und quarzige Erze mit in die Gattirung auf- genommen. Der Prozent- Kupfergehalt der Beschickung steigt nicht über 4"/'o. — Die beim Rohschmelzen abfallenden Roh- 63 1 steine mit 10% an Kupfer werden auf eine eigene Welse, sehr foicirt, so zu Saiden zu Tode geröstet. Zuerst giht man dem Stein zwei Holzfeuei" und zeischliigt nacli jedem die im Hoste sich findenden ztisammengesinterten Stücke auf das sorgfsil- tlgste. Zum dritten Feuer legt man die Steinstücke in ge- wölbten Haufen auf Holz, gibt dann bis zur Darstellung einer horizontalen Fläche Holzkohlen darauf, dann wieder einen ge- wölbten Haufen Stein und wieder Kohlen, so dass der Rost im Durchschnitt-e folgende Gestalt zeigt: wobei uns a die Unterlage von Holz, b den zerkleinerten, be- reits zweimal gerösteten Rohstein und c die Lagen von Holz- kohlen bezeichnet. Beim 4. und .*>. Feuer beobachtet man dasselbe Verfahren , nur mit dem Unterschiede , dass man immer stärkere Lagen von Holzkohlen in Anwendung bringt. Nach dem fünften Roste kommt der Stein , mit Umge- hung jeden Zwischenschmelzens, zum Schwarzkupfern, wel- ches in grossen Krummöfen vorgenommen wird. Man ersieht hieraus die ausserordentliche Einfachheit dieses Prozesses, der mit den günstigsten Resultaten und ohne allen Anstand durchgeführt wird. Die Rohschmelzcampagne dauert gewöhnlich 40 bis 50 Tage. Die Rohschmelzöfen haben grosse Vorsümpfe, aus welchen die Schlacken in Scheiben abgehoben, der Lech aber abgestochen wird. Man schmilzt meistens mit vier, auch mit fünf Formen, die an der Hinterwand des Ofens in einer hori- zontalen Linie liegen und etwas zu Sumpfe stechen. Die Schlacken vom Schwarzkupfern kommen zum Rohschmelzen zurück, die abfallendenOberleche werden beim neuen Schw^arz- kupfern zugetheilt, die Schwarzkupfer selbst endlich , mit 90 bis 96% Kupfergehalt , werden zur Gaarhütte nach Avesta, sieben Meilen südlich von Falun, geführt, wo sich ausser den Gaarlierden auch die Kupferwalzwerke und Kupferhämmer befinden. 632 Die alten Schlacken, mit deren ümschnielzuno- man sich gegen wältig vorzüglich beschäftigt, sind entweder einfache oder dreifache Silikate und enthalten durchschnittlich ein Pro- zent Kupfer als Ilohstein. Durch zweckmässige Beschickung leitet man die Bildung leichtflüssiger Bisilikate ein und ver- fährt im üebrigen bei dem Schmelzprozesse gerade so , wie mit den Erzen. Als Gestellstein wendet man reinen Quarz an. Die Holz- kohlen kommen aus der Umgebung und sind verhältnissmässig theuer, indem die Hütte durchschnittlich die Last = 12 Ton- nen = 72 Cub.-Fuss mit 2 Thaler ßanko, ungefähr also mit 1 fl. .38 kr. C.-Mz. vergütet. Die Gewerkschaft zu Falun erzeugt jährlich aus den ge- wonnenen Kupfererzen bei 4S00 Zentner Kupfer und eben so viel aus alten Schlacken, folglich zusammen bei 9600 Zentner, ungerechnet jene Aktionärs, welche ihre Werke in der wei- tern Umgebung haben , deren Produktion aber auch nicht so bedeutend ist. Ausserdem erzeugt Falun durch Verschmel- zung der Bleierze (Bleiglanz mit Kupferkies) ungefähr des Jahrs 600 Zentner Blei und 500 bis 600 Mark Silber; ferner durch Abschweflung von Eisenkiesen an 90 Zentner Schwefel und durch Versiedung der vitriolinischen Wasser, welche durch Dornengradirung mehr konzentrirt werden, bei 600 bis 800 Tonnen Eisenvitriol, endlich aus den kiesigen und ver- witterten Chloritschiefern an 1000 Tonnen Ockerfarbe, vor- züglich zum Anstreichen der Häuser. Die Verschmelzung der silberhaltigen Bleierze wird in eigenen Oefen vorgenommen, welche jenen der Kupferöfen ganz ähnlich sind, meistens aber nur mit einer Form arbeiten. Man trachtet im Verfolge des Prozesses ganz einfach dahin, Werkbleie und bleiische Schwarzkupfer zu erzielen, seigert sodann leztere aus und übergibt die gesammten Werkbleie dem Treiben. Die Seigerherde sind, ähnlich unsern ungari- schen Darrherden, gedeckt. Blei und Kupfer aus dieser Ma- nipulation sind schlecht. Die Eisenwerke in Dalekarlien gehören zum grossen Theile derselben Gewerkschaft an, welche zu Falun baut. Dieselben haben in neuester Zeit, bei der grossen Belastung 633 des Faliiner Bergb.iues und Äbnalime des Erzadels In den dortjoen Gruben, sehr an Bedeutung «gewonnen. Eine sehr schöne Erscheinung ist die Bergschule zu Fa- n hin. in deren Detail mich Professor Ackermann einführte. Die Haupttendenz des Unterrichtes ist praktische Ausbildung im Fache, daher die Theorie so gedrängt als möglich gelehrt und die weitere Ausdehnung derselben den Zöglingen selbst über- lassen wird. Von den pedantischen , albernen Schulformen, welche der Jugend die Wissenschaft entleiden, anstatt sie ihr zum Genüsse zu machen, von jenem gelehrten Schwulste, der nur arrogante Vielwisser, aber keine für das Geschäftsleben brauchbare Leute heranzieht, ist hier nichts zu finden. Ich sah daher aber auch die jungen Leute mit einer Liebe und einer Begeisterung sich ihrem Fache hingeben, die alle Ach- tung verdienen. Das Mineralienkabinet des Institutes ist klein, aber topographisch mit Bezug auf Schweden von hohem Interesse. Man sieht hier z. B. die eigentlich schwedischen Tantal- und Cerermineralien, die verschiedenen Vorkommen der Eisenerze aus Lappland, ferner Gadoliiiite, Falunite, ro- then Vitriol u. s. w. in einer seltenen Vollkommenheit. Ganz besonders schön ist das chemische Laboratorium eingerichtet. Man beschäftigte sich gerade mit Eisenproben auf trockenem Wege, bei denen man von dem unumstösslich richtigen Ge- sichtspunkte ausgeht, dass zwischen den Resultaten der Probe und jenen der Manipulation im Grossen nur dann eine an- nähernde üebereinstimmung möglich ist und über Zweckmäs- sigkeit der Gattirung und Beschickung , über die Natur der Schlake u. s. w. nur dann ein richtiger Schluss gezogen wer- den kann, wenn bei der Probe die Erze mit denselben Zu- schlägen beschickt werden , wie diess im Grossen geschieht. In diesem Laboratorio sah ich als eine interessante Erschei- nung eine Eisenstange aufljewahrt, welche lange Zeit als Ofenschleuder gedient hatte und durch die langangedauerte hohe Temperatur, wahrscheinlich verbunden mit langsamer Abkühlung, in einen krystallinischen Zustand versezt wurde, der sich ganz in den Formen des Eisenglanzes ausspricht; also wieder ein Beweis, dass zur Krystallbildung eines Kör- C34 pers der flüssige Zustand desselben durchaus nicht bednn- g-eii ist. Am 2!. September verh'essen wir Falun. Unser Weoj führte wieder einförmig durch Wähler und zwischen See'n fort. Wir passirten mehrere Kupferhütten, sahen rechts un- seres Weges am grossen Runnsee den Gaard Ränhättan, den- selben Hof, welcher einst den flüchtigen Gustav Wasa beher- bergte und wo derselbe noch heut zu Tage in Effigie ausge- stopft zu sehen seyn soll ; passirten ferner die Stationen Strand und Uppbo , den mächtigen Dal Elfven , sahen die Dalekar- lierinen mit ihren rothen Strümpfen, hohen Schuhabsätzen und den abscheulichen herabgeschlagenen Klappmützen , Da- lekarliens schwimmende Brücken, unheimlichen Angedenkens, so wie dessen schlechte Wirthshäuser, passirten die ärmliche Stadt Hedemora mit ihren hübschen Asphaltdächern , die sehr gute Station Gradö und erreichten Abends das Städtchen Avesta, am rechten Ufer des Dal Elfven, dessen viele kleine Abfälle als bewegendes Prinzip für die Maschinen bei den dortigen Hüttenwerken benüzt werden. Mit Direktor Kramer besuchte ich Tags darauf das Kupferwalzwerk, die Kupfer- und Eisenhämmer. Die von Falun nach Avesta transportirten Schwarzkupfer werden in der dortigen Gaarkupferhütte rosettirt. Diess ge- schieht ganz auf dieselbe Weise, wie auf den Kupferhütten Süddeutschlands, nur haben hier die Gruben der Rosettirherde keine kreisförmige Form, sondern die einer halben Ellipse und die Formen stechen unter Winkeln von SO** bis 35^ in den Herd. Beim neuen Kupferwalzwerke befinden sich zwei Ein- ßchmelzfeuer und zwei Feuer zum Anwärmen der Kupferbleche. Leztere Vorrichtung besteht in einem Herde mit einer, unge- fähr 4 Fuss im Quadrate messenden und 2 Zoll tiefen, tafel- artigen Einsenkung. Von der Hinterwand geht eine 5 Zoll tiefe und 8 Zoll breite Spur beinahe bis in die Mitte des Her- des. Diese Spur dient dazu . um den Wind aus der etwas geneigten Form aufzufangen und ihn gleichförmig zu beiden Seiten auf dem Herde zu verbreiten. Auf die tafelförmige Einsenkung des Herdes werden die Kupferbleche gelegt und 635 mit glü'ienden Kohlen bedeckt. — Das neue Walzwerk Ist ein schöner, lichter, j>eränmiger Bau und in Betreff der Ma- schinerien nach den neuesten Prinzipien ausgeführt. Zwischen den zwei Walzenpaaren, deren Fundamente ans Granitqua- dern aufgefiihrt sind, bewegt sich das elegant konstniirte Schwungrad, dessen Verbindung- mit den Walzen mittelst der gewöhnlichen Hülsen nach Belieben eingeleitet und wieder aufgehoben werden kann. Das ganze Gebäude hat einen eisernen Dachstuhl und ist mit Eisenblech gedeckt. In einer zweiten Abtheilung desselben befindet sich das neue Hammer- werk, bestehend in einem hübschen eisernen Cylindergebläse, vier Hämmern, welche von der Seite bewegt werden und den erforderlichen Einschmelz- und Anwärmfeuern. Der alte und sehr schlecht situirte Hammer bietet nichts bemerkenswer- thes dar. Die Kohlenpreise sind zu Avesta dieselben wie zu Falun. Das Rosettenkupfer stand damals in loco zu 30 fl. bis ."S fl. Conv.-Mze. pr. Zentner. Im Eisenhammer zu Avesta wird halbirtes Roheisen aus dalekarlischen Hohenöfen auf Stabeisen verfrischt. Zu diesem Zwecke enthält der Hammer vier sehr gut eingerichtete Frischfeuer, deren Herde den steyerischen ähnlicli konstruirt, nur etwas grösser sind. Man arbeitet mit einer Form und erzeugt in einem solchen Herde wöchentlich 4S bis 60 Zentner Stabeisen, wobei sich auf den Zentner ein Kohlen verbrauch von 24 Kubikfuss* ergibt. Der Zentner ordinäres Stabeisen wird in loco zu 3 fl. 40 kr. Conv.-Mze. verkauft. Als eine natürliche Folge der sehr guten Eisenerze und der ebenso rationell eingeleiteten, als mit grösstem Fleisse durchgeführten Frischmanipulation, ist das hier erzeugte Stabeisen von einer vortrefflichen öualität. Man rennt zweimal ein. Beim ersten Einrennen wird das Roheisen in kleinen Stücken eingezchmolzen und meiir- mals aufgebrochen; beim zweiten Einrennen wird die Luppe vom ersten wieder hinabgeschmolzen und ebenfalls mehrmals aufgebrochen. Das Aushämmern der fertigen Luppe, um die *■ Schwedische Masse: 1 Fuss = 0,9391 Wiener Fuss. 1 Zent- nei = 91,128 Wiener Pfunde. G36 Frisclisclilacke auszupressen , g^escliieht mit dem grössten Fleisse. Sodann wird die ansgehämmerte Luppe in Zargel zerschrotet, diese werden nach ihrer Qualität sorgfältigst sor- tirt und dem gewöhnlichen Ausschmieden übergeben. Das Anwärmen der Zargeln geschieht in denselben Herden wäh- rend des zweiten Einrennens, das Ausschmieden hingegen während des ersten Einrennens. Man arbeitet im Ganzen mit einem Frischkalo von 13 Prozent. Betrachtet man, welcher Fleiss bei dieser Manipulation auf das möglichst vollständige Auspressen der Frischschlacke aus der Luppe verwendet wird, wie man dahin trachtet , das Eisen in seinem weichen , teig- artigen Zustande mit der Gebläseluft in die innigste Berührung zu bringen , welchen Fleiss man überhaupt dabei anwendet, alle jene Momente herbeizuführen und zu benützen , welche die Bildung eines reinen, weichen Eisens befördern und be- dingen — und betrachtet man dagegen den Gang und das Wesen des Puddelprozesses, so wie die häufig, besonders aber in England, damit verbundene schleuderische Arbeit, so muss man es natürlich finden, dass der Zerennprozess im Gan- zen genommen eine reinere, bessere Waare liefert, wenn er auch ökonomisch durch grösseren Zeit-, Kraft- und Material- aufwand minder vortheilhaft erscheint. Ich habe mit Prof. o Ackermann vielerlei Puddeleisen mit Stabeisen von Avesta verglichen , keines erreichte aber das leztere an Reinheit. Schlägt man von ersterem die Stangen langsam, nach oft- maligem Biegen ab, so dass die Fiebern sich dehnen und ab- reissen , nicht abspringen, wodurch man tiefer ins Innere des Bruches sieht, so entdeckt man fast stets Schlackentheilcheu oder solche von halbgegaaitem Eisen. Schlägt man hingegen die Stangen durch einen starken Schlag rasch ab, dann sprin- gen die Fiebern und der Bruch erscheint mehr körnig, dann entdeckt aber auch das Auge die beigemengten Unreinigkeiten nicht leicht. Am 22. September. Südlich von Avesta wechseln fortan Wald und kultivirtes Land. Wir passirten die Station Fornby und erreichten Abends das in der Ebene liegende Berg- o Städtchen Sala in Westeraslän. Mit Berghauptmann Forselles, ß37 mit dem Geschworenen Saden nnd dem Stelger Tegström he- fiihr ich nächsten Tages die Grnhenj Hüttenmeister Billström fiihrte mich in die Hüttenwerke. Anf dem Wege von Fainn bis nahe an Sala heobachtet man nur Gneiss und Granit, Am Nord- und Nordwestrande des flachen Thaleinschnittes hingegen, jener Niederung näm- lich, in welcher Sala liegt, stösst man auf einen Zug von Chlo- ritschlefer mit Hornblendeschiefer, während jenseits dieser Niederung, an ihrem Süd- und Südostrande, wieder das Gneiss- nnd Granitgebirge das Terrain behauptet. Zwischen beiden diesen Felsformationen, also mit der Niederung zusammen- fallend, liegt ein grosses Lager von grauem, körnigem Kalk- stein, welches aus Nordost in Südwest streicht. Nach der kleineu geognostischen Karte des Berghauptmanns Forsel- LES •' ist dieses Kalklager dem Streichen nach ungefähr eine schwedische Melle weit bekannt und seine scheinbare grösste Mächtigkeit beträgt bis nahe an % einer Meile**. In dem südwestlichen Felde zeigt dieses Lager seine grösste Mäch- tigkeit und der Kalk füllt ohne namhafte Unterbrechung durch andere Gesteine die ganze Niederung zwischen dem Schiefer- und Gneissgranitgebirge daselbst aus, in dem nordöstlichen Felde hingegen sieht man Gneiss und Granit an mehreren Stellen sich in isolirten Kuppen mitten Im Kalklager erheben und zugleich dringt das Schiefergebirge vorgebirgsartig fast bis zur gegenüberliegenden Grenze des Gneissgraultes in die Lagermasse ein. Dadurch erleidet natürlich das Kalklager eine bedeutende Zertrümmerung und schneidet sich bei zuneh- mender gegenseitiger Annäherung des beiderseitigen Neben- gesteins endlich ganz aus, was lezteres auch gegen Südwest, bei Tyskbo, jedoch ohne vorhergehende Zertrümmerung, son- dern plötzlich geschieht. Da die Gesteinsgrenzen des Schie- fergebirges sowohl, als jene des Gneissgranites mit dem Lager- kalke eine Menge Vorgebirge und Einbuchten bilden, so er- hält man beim Anblicke der Taggegend gleichsam das Bild Beräftelse om Sala Silfververk. Stockholm 1818. Mit einer Karte und mehreren Disrchschnitten. = =■' 1 Schwedische Meile = ISono Sehwed. Ellen =.^6000 Schwed. Fuss =: 33807,6 Wienrr Fnss. 638 eines Biiinensee's, dessen Ufer nördlich von den Schiefern, südlich vom Gneissgranite gebildet werden und wobei es, wie erwähnt, auch an Inseln nicht fehlt. Offenbar haben wir es hier mit einem gerade an der Gesteinsgrenze eingelagerten, grossen Kalkstocke zu thun. In diesem Kalkkörper setzen quer durch, aus Nordwest in Südost, mehrere Gänge. Dieselben fallen entweder sehr steil gegen Südwest oder stehen ganz seiger, sprechen sich häufig nur als Gesteinsblätter aus, entwickeln aber auch stel- lenweise eine Mächtigkeit von 2 bis 3 Fuss. Die Äusfüllungs- inasse dieser Gänge bilden Kalk mit Salit und Malakolit oder Chlorit mit Epidot. Die Chloritgänge scheinen die jüngeren zu seyn. Im südvi estlichen Felde des Kalkstockes kennt mau sieben solcher Gänge, welche unter sich im Ganzen parallel strei- chen und durch ihre Erzführung zum Gegenstande eines aus- gedehnten , wichtigen Bergbaues geworden sind. Vorwaltend besteht diese Erzführung in silberhaltigem Bleiglanze, ausser- dem finden sich aber auch: Arsenkies, Eisenkies, Kupferkies (sehr selten), Zinkblende, Antimonsilber, gediegen Antimon, unter Antimon schwefliges Schwefelblei u. s. w. Wo diese Gänge sich gegenseitig schleppen und scharren und sogenannte bis zu 60 Fuss mächtige Stockwerke bilden, die zum Theil auf Strecken von nahe 200 Lachter bereits verhaut wurden und wobei sich auch stets das zwischenliegende Nebengestein von Erzen durchdrungen zeigt , entwickelt sich der Erzadel in besonderer Fülle. Alle diese sieben bekannten und in Abbau stehenden Erzgänge durchsetzen und verwerfen einen Trappgang, dessen Ausfüllungsmasse ein dioritischer Basalt bildet. Das Strei- chen dieses Ganges, offenbar älter als die Erzgänge, geht dem der lezteren gerade ins Kreuz, nämlich aus Nordost in Süd- west, daher übereinstimmend mit der Längenachse des Kalk- stockes. Das Einfallen dieses Trappganges ist meistens sei- ger, jedenfalls wenigstens sehr steil und obwohl seine Mäch- tigkeit nur an wenigen Punkten über 1 Fuss beträgt, so ist er doch über Tags dem Streichen nach bis auf y^ Meile bekannt und in der Grube an vielen Punkten mit Bestimmtheit nach- gewiesen. Ueberall zeigt sich seine Masse scharf vom Neben- 639 gesteinc geschieden, sowie jene der Dioritgänge im Cranife von Assiiaii, iibeiall spriclit sich der Trappgaiig deutlich «iiid unverkeiiiibar aus. Der Kalk ist von grauer Farbe, sowohl dichten, als kry- stallinisch-köniigen Gefüges ; er führt die ihm auch anderwärts zukommenden 31ineralien : Asbest, Tremolir, Schörl, Gramatit, Bergkalk u. s. w. Besonders charakteristisch für ihn sind aber Salit, Malakolit und, namentlich in derNähe des Gneiss- Granitgebirges, das Vorkommen besonderer Lagerstätten der Hälleflinta, einer kieseligen, zum Theile hornsteinartigen Feldspathmasse von rother und grüner Farbe, durchscheinend an den Kanten bis undurchsichtig, ähnlich unserer Jade, dem kieseligen Feldsteine. Die Hälleflinta tritt übrigens mitunter auch als Bestandtheil der Ausfüllungsmassen der vorne er- wähnten Gänge im Kalkstocke auf. Der alte Bergbau von Sala wird noch gegenwärtig zum Theil mittelst Feuersetzen betrieben, wodurch , wie in Falun, sehr grosse Räume entstehen. Mit Ausnahme des Malakoli- tes scheint sich das vorkommende Gestein sehr gut zu dieser Betriebsart zu eignen, denn ich sah in Folge der Einwirkung des Feuers sehr beträchtlich grosse Felswände hereinbrechen. Die Leitung des ganzen Grubenbaues ist musterhaft, überall ist die grösste Sachkenntniss , Ordnung und Reinlichkeit zu ersehen, die Befahrung ist mit seltener Bequemlichkeit ver- bunden, indem man auf sehr guten Treppen durch die Verhaue bis in das Tiefste gelangt. Einige dieser Zechen sind sehr bedeutend, indem sie sich dem Streichen nach über 200 Lacli- ter ausdehnen. Die ganze Teufe des Grubenbaues beträgt gegenwärtig (1840) 154 Lachter und noch sieht man die Erz- gänge im Tiefsten fortan edel niedersetzen. Die oberste, jetzige Abbauetage liegt 107 Lachter unter Tags oder 83 Lachter unter dem Niveau des Meeres. In diesem Horizonte werden fortlaufende thermometrische Beobachtungen gemacht. Der Thermometer hängt in einem tiefen, zum Theil mit Wasser angefüllten Bohrloche und zeigte am 23. September um 6 Uhr Abends 8,66 Cent, oder 6,9 Reaum. Wenn in den Zechen , nach erfolgtem Feuersetzen und G40 Abräiiniung der Roste, das mürbe gebrannte Gestein niitRenii- stangen hereingearbeitet wird , so beleuchtet sich an den Ulmen das Durchsetzen der Erzgänge durch den Kalk schön und klar. Die Gänge stehen ohne Saalbänder, meistens auch ohne Besteg, im Kalke; ihre Ausfüllungsmasse schliesst sich dem Nebengesteine innigst an und stellenweise verfliessen beide so zu sagen in einander. Ausserhalb des Kalkes ist kei- ner dieser Gänge bekannt. Die Abteufung des grossen Hauptschachtes wurde früher mittelst Feuersetzen betrieben und man brachte denselben auf diese Weise jährlich im Durchschnitte um 10,7 Lachter nieder. Gegenwärtig, wahrscheinlich des Rauches wegen, betreibt man die Abteufung mittelst gewöhnlicher Sprengarbeit, bringt den Schacht jedoch auf solche Art, abgesehen von den grösseren Auslagen, jährlich nur um 10 Lachter nieder. Man bezahlt für die Absinkung einer Lachter des mehr als zwei Lachter im Gevierte haltenden Schachtstosses, der im festen Kalke steht, 130 Thaler banco oder ungefähr 106 fl. C.M. Die Ab- teufung selbst geschieht auf eine sehr sinnreiche Art, so dass der obere Theil des Schachtes zur Förderung ungehindert be- nüzt werden kann , während man zu Sumpfe arbeitet. Man lässt nämlich imSchaclite selbst eine starke Bergfeste stehen, geht seitwärts mit einem kleinen Gesenke nieder, schlägt unter der Bergfeste wieder ein und setzt dort, das feste Ge- stein über dem Kopfe, die Arbeit fort bis die Wetter stocken, dann wird die Bergfeste einfach durchgebrochen und das Manoeuvre wiederholt. Das Gebirge ist durchaus trocken und das Gestein sehr standhaft , so dass nicht nur alle Strecken und Schächte, sondern auch die meisten Verhaue ganz ohne Zimmerung stehen. Die in Sala bestehenden Fördermaschinen sind nicht nur sehr schön konstruirt, sondern werden auch, was ich überhaupt in Schweden fast allgemein beobachtete, vortrefflich unter- halten. Man bedient sich der Wasserräder und der liegenden konischen Körbe, aufweichen sich die Drahtseile oder Anker- ketten, deren man sich ausschliesslich zur Förderung bedient, in ziemlich flach gedrücktenSpirallinienauf- und abwinden. Eine zweckmässige Eigenthümlichkeit dieser Wassergöppel ist, 041 dass sich die beiden Körbe für Ober- und Ünterseil nicht an ein und derselben Welle befinden , sondern nebeneinander an besondern Wellenspielen und einer dem andern mittelst eines starken Stirnrades die Bewegung der Hauptwelle mittheilt. Wird daher zu gleicher Zeit aus verschiedenen Teufen ge- fördert, so kann man den einen oder andern der beiden Körbe ohne erst mit Anbinden des betreffenden Seils Zeit zu verlie- ren, schnell mittelst einer einfachen Vorrichtung aus der Ge- triebsverbindung bringen, während der andere Korb ungestört seinen Umgang fortsetzt. Die Förderung aus einer Teufe von 12S Lachter erfolgtbeieinemruhigen, vollkommen gleich- förmigen Umgänge der Maschine in 8 Minuten. Die gewonnenen Krze werden in Poch- und Hüttenerze getheilt. Erstere erreichen einen Durchschnittsgehalt an Silber von 0,5 Loth pr. Zentner. Bei dem rationellen, muster- haften Betrieb des Grubenbaues konnte ich mich nicht ge- nug über die Beschaff'enheit der Poch- und Waschwerke und deren Betrieb wundern, welche ich, aufrichtig gestanden , un- ter aller Kritik fand. Bei der herrschenden Unreinlichkeit und gänzlichen Verwahrlosung dieser wichtigen Betriebsan- stalt konnte es mich daher gar nicht wundern, als mir die Beamten selbst ihren Poch- und Waschkalo auf 60% angaben. Wahrscheinlich beträgt derselbe noch mehr. Die Pochwerke sind mit Schlitzstempeln und Austrage- gittern von Messingdraht versehen. In 24 Stunden arbeiten 56 Eisen 280 Zentner Pocherze (Kalkstein , Chloritschiefer) auf, also nur den vierten Theil jenes Quantums Pocherze (Gneiss und Quarz), welches ein salzburgisches Pochwerk mit dersel- ben Eisenzahl und in derselben Zeit zu verarbeiten im Stande ist. Auch fand ich, dass man viel zu resch pocht und daher durch zu geringe Aufschliessung des Korns einen nicht unbe- deutenden Melallverlust herbeiführt. Die aus den Pochwer- ken erhaltenen Mehle, auf deren Separation nach der Grösse des Korns mittelst Rinnenführung nur sehr wenig Sorgfalt verwendet wird, werden auf sehr schlecht konstruirten und nicht minder schlecht behandelten Stossherden verwaschen. Die Hüttenerze, grössteutheils silberhaltiger Bleiglanz, halten im Durchschnitte 20% an Blei und vier bis sechs Loth Riiisegger. Reisen. IV. Ed. 41 642 an Silber pr. Zentner ; es finden sich jedoch auch Erze, deren Silbergehalt bis zu 40 Loth steigt. Die ärmeren Erze werden ungeröstet mit öuarz und Eisenkies in Halbhochöfen durchge- stochen, wobei man Schlacke und Leche (Scharstein) erhält. Lezterer wird geröstet und dem zweiten Schmelzen, dem so- genannten Bleischmelzen übergeben. Zu diesem Ofengange werden y, gerösteter Scharstein mit Yg gerösteten Schlichen und y^ rohen reichen Erzen beschickt und diese Beschickung in Halbhochöfen, mit jenen beim Rohschmelzen von gleicher Konstruktion, durchgestochen. Dabei fallen Werkbleie und wieder fjeche. Leztere werden dem Scharsteine gleich be- handelt, erstere hingegen mit ungefähr 2,5 Loth Silbergehalt pr. Zentner kommen zum gewöhnlichen Abtreiben. Nach den Angaben der Hüttenbeamlen weist sich bei diesem Prozesse ein Bleiabbrand von 40% aus, worüber man sich nicht wundern kann, wenn man die schlechte Hüttenanlage und den üebel- stand erwägt, dass die Brust derOefen viel zu offen, derVor- snmpf zu weit ist und dass das Ausbrechen der Ansätze im Vorsumpfe nach dem Schlackenabheben und Lechabstechen, wobei die Brust ganz off'en bleibt, so lange dauert, dass ein grosser ßleiabbrand erfolgen muss, wenn man sich auch be- müht die Gicht , während dieser Zeit wenigstens, dunkel zu halten. Die Ofenschächte sind 12 Fnss hoch und deren Quer- schnitt bildet ein Parallelogram , dessen längere Seite vier Fuss, die kürzere einen Fuss misst. Den erforderlichen Wind liefern drei eiserne Cylinder. Sala erzengt jährlich bei 920 Zentner Handelsblei und 3400 bis 3.500 Mark Silber. Ein Zentner Blei kostete damals in loco 10 fl. 37 kr. CM. Vom Bleie wird dem Staate keine Abgabe geleistet; jene vom Silber aber beträgt 10%. Eine Last Holzkohlen =12 Tonnen kam der Hütte auf zwei Tha- ler vier Sh. Banko zu stehen. Recht interessant mit Bezug auf die Vorkommnisse in Sala Ist die Mineraliensammlung des Geschworenen Saden. Bei ihm sah ich unter Anderem den schönsten Krystall \on Salit, den ich je gesehen habe. Er ist sehr rein und ganz durchscheinend. Am 24. September. Wir wendeten uns von Sala C43 gerade östlich über Härfsta und Kölfva nach Upsala. Die Wälder werden nun dünner, das Kulturland gewinnt nach und nach die Oberhand, nur die Felsstruktur bleibt sich gleich, immerfort Gneiss mit Granit. Endlich sehen wir die schönen Thürme der Kathedrale des alten, berühmten üpsala, wo wir bei unserer Ankunft wieder Professor IIitter aus Berlin tra- fen. Die liebenswürdige Persönlichkeit dieses ausgezeichne- ten Gelehrten in Verbindung mit der Gesellschaft des berühm- ten Wahlenberg, sowiemit jener von Walmstedt, Bergstrand, WALtauisT, machten mir die Trennung von Upsala nicht so leicht. Ausserdem in der Nähe liegenden Daunemora, ist in üpsala selbst des Seheuswerthen vieles aufgehäuft. Die Alineraliensammlung an der Universität gibt nicht nur den genauesten Ueberblick über die gesammten mineralogischen Verhältnisse des Landes, sondern sie enthält auch Einzeln- heiten, besonders an schwedischen Mineralien, wie man sie nur selten trifft. Im zoologischen Kabinete erregen insbeson- dere die Aufmerksamkeit die riesenhaften Exemplare von Elen, der nicht weniger gigantische Bos armis aus Indien , die sel- tenen Exemplare von Numida cristata, Tetropterix capensis, ein Uniciim der niedlichen Platalea pigmea u. dgl. — aus der fossilen organischen Welt der Entomolites paradoxus aus den Alannschiefern in Westgothland. Die japanische Sammlung des Reisenden Thunberg , sowie die von Dr. Hedenborg vom Bacher el Abiad undel Ahsrak mitgebrachten Pflanzen, welche sich damals in den Händen Wahlenbergs befanden und in de- nen ich alte Bekannte aus dem Innern von Afrika wiederfand, sind von höchstem Interesse. Der botanische Garten und die Gewächshäuser sind so, wie man sie unter der Leitung einer Meisterhand erwarten kann, was umso mehr Anerkennung ver- dient, als das nordische Klima der Pflege der Pflanzen , be- sonders der tropischen, mehr als gewöhnliche Schwierigkeiten entgegenstellt. Die im Freien ausgesetzten zarteren Pflanzen gedeihen unter dem Schutz mächtiger Tannen und hier sah ich die Linea borealis in ihrem Vaterland wieder, welche ich am Rathhausberge in Gastein hütete und endlich, um sie vor den räuberischen Händen fahrender Botaniker zu schützen, in meinen Garten zu Böckstein verpflanzte. 41 * 644 Die alte und neue Bibliothek mit ihren bekannten Schätzen, die Carolina rediviva, die Kathedrale, wohl die grösste Kirche Skandinaviens — Alles wurde eifrigst besichtigt und endlich hörte ich noch Wiener Sänger heimathliche Alpenlieder vortra- gen. Auf mich machten die süssen vaterländischen Klänge wohl denselben Eindruck, der sich eines Schweden bemeistern mag, wenn er seine Nationallieder aus dem Munde der reizenden Jenny Lind in Wien vernimmt. Der Beifall war gross, und das will in üpsala, inmitten eines Studentenpublikums, das im Ge- sänge vielleicht nicht seines Gleichen hat, viel gesagt haben. Eine schöne Strasse führt von Upsala nach Altupsala — alt im wahren Sinne des Wortes 5 denn die dortige Kirche soll noch aus der Heidenzeit herstammen und in der Nähe erheben sich drei Tumili, die der Sage nach nichts weniger in ihrem Innern beherbergen, als die Reste Odin's, Thor's und der göttlichen Freya. Weiter gegen Nordost, sechs geogra- phische Meilen von Upsala entfernt, liegt das Eisenwerk Oesterby, ausgezeichnet durch seine schöne Lage zwischen parkähnlichen Partien von Wald und Seen, und ungefähr eine halbe Stunde südwestlich von diesem Orte liegt in der Ebene die berühmte Eisengrube von Dannemora *. Nachdem wir bei dem Geschworenen Peronius Karten und Modelle eingesehen hatten, begaben wir uns zur grossen Grube, über welche man in vielen Büchern nicht weniger Lü- gen liest, als über unser Wieliczka. Der Anblick des Tag- baues, eines offenen Schlundes von 540 Fuss Länge, ISOFuss Breite und 450 Fuss senkrechter Tiefe, ist jedoch jedenfalls und zwar in hohem Grade imposant. Wir traten auf einer Göppelbühne über den Rand des Abgrundes vor und schauten in die dämmernde Tiefe hinab. Ein dünner, bläulicher Dunst, der Rest des Pulverdampfes der lezten Sprengschüsse, schwebte am Boden und erhöhte den Eindruck der Tiefe noch mehr. Unten sahen wir Knappen arbeiten, sie schienen klein wie Mäuse. Eine Tonne wurde am Drahtseile eines Goppels eingehängt, Taulow und ich stiegen ein. Als Bergmann er- gözte mich die Höllenfahrt, doch fand ich es begreiflich, dass mein Freund ganz ernst gestimmt w^urde, als zurück hin- ''"' M. s. Leonuaho, populäre Vorlesungen über Geologie. I. Band, Tafel IM, Fig. 2. 045 auf blickend das nicht einen halben Zoll starke Drahtseil dünner und dünner zu werden und endlich ganz verschwunden zu seyn schien, so dass es das Ansehen hatte, als baumelten wir haltlos in der Luft. Dicke Eismassen, ein ewiger filet- scher, bedecken den Grund der Grube und als der Donner der Sprengschüsse in dem unendlich grossartigen Räume über unsern Köpfen verhallte, die Kühnheit verherrlichend, mit der der Mensch in die Tiefe dringt, da war ich stolz darauf ein Bergmann zu seyn. Der ganze Bergbaubetrieb zu Dannemora ist in gewerk- schaftlichen Händen und das Eigenthum vieler Interessenten. Die geognostischen Verhältnisse sowohl als die technischen des Grubenbaues selbst sind sehr einfach. Im Gneiss- Granitgebirge bei Dannemora beobachteten wir nämlich ein sehr mächtiges Lager von theils krystalli- nischkörnigem , theils dichtem Kalk , welcher, von grau und schwarzer Farbe , stellenweise mit Magneteisen gemengt ist und an andern Orten wieder in ein mit Kalk gemengtes, dio- ritähnliches Gestein übergeht. In diesem Kalke liegen drei, unter sich parallele, aus NO. in SW. streichende Züge von Erzstöcken, von welchen lezteren jeder für sich einen grossen linsenförmigen Körper darstellt und die unter sich entweder durch besondere Gesteinsblätter, Schichtungsablosungen, in Verbindung sind, oder deren jeder ganz vereinzelt für sich be- steht. Die Masse dieser sehr steil, meistens unter mehr als 80^ gegen ^W. einfallenden Stöcke besteht aus Diorit, wech- selnd mit mächtigen Schichten von Magneteisenstein. Mit dem Magneteisenstein, theils atraktorisch, theils retraktorisch, welcher die Hauptmasse der erwähnten Stöcke bildet, finden sich Eisenkies, Arsenkies, gemeiner Quarz, Amethyst, Eisen- glimmer und Erdpech, welch' lezteres manchmal , jedoch sel- ten , tropfenweise als Einschluss von Araethystkrystallen vor- kommt. An tauben Mittelkeilen von Kalk mitten in der Masse eines und des andern Erzstockes mangelt es nicht, auch sind die Erze selbst mit dem Kalke meistens dicht verwachsen. Der Diorit ist stets ausgezeichnet und lässt hie und da talkige Rutschungsflächen , Gesteinsabsonderungen wie ich glaube, wahrnehmen. Die Erzstöcke setzen in eine noch unbekannte 646 Teufe nieder, scheinen aber nach unten an Mächtig^keit zu verh'eren. Der Abbau des Erzes geschieht sehr zweckmässige und möglichst billig durch stehende Sohlenstrassen, oder vielmehr Sohlenstösse, von oben nach unten. Es ist sonach eine reine Steinbriichsarbeit und die Äufschliessung in der Grube, vom Tiefsten aus, beschränkt sich vorzüglich niir darauf, dass man mit Streckenörtern die Gränze des Erzstockes mit dem Kalke auszumitteln und sich hiedurch die iiötliige Keuntniss über die Ausdehnung des ersteren zu verschaffen sucht. Auf den ver- schiedeneu Stöcken der drei erwähnten parnllelen Züge be- standen einst 70 besondere Grubenbaue; gegenwärtig stellen deren aber ungefähr nur 20 im Betriebe, Die grossartigste aller dieser, nach gleichen Prinzipien in Abbau stehenden und gestandenen Zechen, ist die vorne erwähnte grosse Grube, welche auf dem grössten Erzstocke im Mittel des mittleren Zuges umgeht. Am westlichen Rande, d. h. an der in die offene Zeche etwas überhängenden Hangendwand, des riesen- haften und in den angegebenen Dimensionen vom Tage nieder ganz offen stehenden Verhaues stehen in einer Reihe neben- einander die Wasserhebmaschinen und Förderungs- Pferde- göppel. Ersterer sind zwei, von denen die eine durch ein Wasserrad, die andere durch eine Dampfmaschine bewegt wird, Pferdegöppel hingegen, mit einfachen cylindrischeu Körben und Sclilepphunden nach alter Manier, sind wohl an zwanzig. Man bedient sich meistens zur Förderung ans drei Lützen bestehender und fünf Linien dicker Drathseile und hebt damit die SOO Pfund schwere volle Tonne in sechs bis sieben Minuten aus 450 Fuss Teufe. In der grossen Grube fahren täglich 200 bis 300 Arbeiter an. Die Hütten, aufweichen die Eisenerze von Dannemora verschmolzen werden , liegen ringsum in der Entfernung von wenigen Meilen. Die nächste ist die des Gewerken Thamm zu Oesterby. Die Erze sind zwar strengflüssig, aber von vor- zuglicher Güte. Man beuüzt sie vorzüglich auf Stahl , bläst in Hohenöfen grau und frischt sodann in sogenannten Wallo- nenfeuern. Am 28. September. Von Upsala führt ein Kanal, 647 mehrere Zvvischensee'ii unter sich verbindend, in den grossen Mälarn und sonacli bis Stockholm. Wir bestieg;en daher ein Dampfboot. Anfänj;;Iich macht die einförmifje Gep^end die Kanalfahrt etwas laii5>\veili»;, mit dem Eintritte in den Mälarn aber, beim Anblick seiner Inseln, seiner waldbedeckten Ufer mit Schlössern und Landsitzen , wird die Fahrt sehr amns.int. Wir flogen an Si«j^tnna mit ihren Ruinen, einst die Hauptstadt Schwedens , vorüber und befanden uns Nachmittags in Stockholm. 4) Aufenflialt zu Stockliolm. Hanalreise dnrclt Schüre» den. Södertelje. Söderköping:. MotMl«. Mer ll'et- tern«ee. Der IVenernsee. ^VeMcrsborg-, DerTrolI- Iiiittankanal und ^Wasserfall. OOteborg'. Helsins-* 1»OTS» I^und. Malintf. Hopenha^fen. Miel. Maanburg:* An beiden Seiten des Mälarausflusses und auf einigen kleinen Inseln, umgeben von waldbedeckten Hügeln , erhebt sich Schwedens Capitale wie in einem schönen Parke. Von der Seite des Meeres kommend ist der Anblick von Stockholm wirklich entzikkend. Das königliche Schloss, an und für sich eines der schönsten und die Stadt beherrschend , die Ritter- holmkirche mit ihrem gothischen Thnrme aus Gusseisen, Mo- sesbackeu mit seinen vvunderniedlichen Gaitenanlagen, bieten dem Auge Rnhepunkte, wie sie kaum eine zweite Stadt des Nordens aufzuweisen haben dürfte und würdigeiner Hauptstadt. Ich traf in Stockholm die Professoren Ritter, Heinrich Rose und Mitscherlich ans Berlin , durch sie und durch des österreichischen Gesandten, Grafen Woyna, herzliches Entge- genkommen standen mir die wissenschaftlichen Schätze der Hauptstadt offen, schnell wurde ich mit Berzelius, Mosander, Sefström, Hildebrand, Leven, Rhetius bekannt. Die Sammlung nordischer Alterthümer ist interessant, sie bietet jedoch nicht solche Schätze dar, wie jene zu Kopen- hagen, die erste dieser Art in der Welt. Ausgezeichnet, nicht durch seinen Umfang, sondern durch den wissenschaft- lichen Geist, der da waltet, ist das zoologische Kabinet. Hedenborgs Sammlung aus Afrika fand ich nur zum kleineren Theile erst aufgestellt. Die Abtheiluug , welche die skandi- navische Thierwelt umfasst, zeigt den höchsten Grad der Voll- 648 endung und ist äusserst lehrreich. Man sieht da die zahlreichen Kreuzungen der Hühnervögel nach allen Richtungen verfolgt, z. ß. jene des Auerhuhns mit dem Birkhuhn, des lezteren mit dem Schneehuhn u. s, w^. Man sieht eine Reihe jener Meta- morphosen, welche mit der Auerhenne vorgehen, wenn sie älter und steril wird und sich hiebei, was sehr interessant ist, in Sitten und Gefieder mehr und mehr dem Hahne nähert. Bei den Füchsen und Luchsen wird durch lange Reihen von Individuen der unabsprechliche Beweis geführt, dass die ver- schiedenen Abweichungen in der Farbe durchaus nur als Spiel- arten betrachtet werden müssen und somit die Farbe kein charakteristisches Kennzeichen ist, indem z. ß. schwarze, blaue, weisse, rothbraune Füchse auch Geschwisterte seyn können. Nicht minder lehrreich und zu den überraschendsten Schlussfolgerungen führend ist des Dr. Rhetiüs anatomisches Kabinet, die Schädelbildung aller Hauptvölker der Erde um- fassend. Eine Exkursion mit Sefström, Prof. Ritter, Leven und Baron Wrede galt der Besichtigung der Strömungsfurchen an den Granitfelsen in der Umgebung Stockholms*. Das merkwürdige Phänomen spricht sich hier, wo man nur eine leichte, parallele Streifung der Gesteinsfläche wahrnimmt, welche man allenfalls auch als eine Rutschungsfläche ansehen könnte, bei weitem nicht so scharf aus, als ich dasselbe im ho- hen Norden bei Kaafjord und auf Reipaas Vara beobachtete. Mehr interessirte mich dicht am Thore ein kleiner, aber ganz ausgezeichnet regelmässig geformter Riesentopf. Die Mineraliensammlung an der Akademie der Wissen- schaften ist klein gegen jene zu üpsala und enthält auch aus- * Ucber die Slrömungsfiirchen und verwandte Phänomene : Sefström: Undersökning af de räflFlor, hvaraf Skandinaviens berg äro med bestänid riktning farade, samt om deras sannolika upp- koust. Tillhor k. V. Akad. Handl. för ar 1836. Stockholm. Mit 3 Karten. BöTHi.iNGK : Reise durch Lapplaud und Finnland. Im Bulletin seien- tißque de rAcademie des sciences de St. Petersbourg. Tom. VII, Nr. 8, 9 und II. Aus Böthlingk's l]ntersuchu»g;en geht hervor, dass die Strömungsfurehen im höchsten Norden eine entgegen- gesetzte Richtung, jenen im Süden Skandinaviens gegenüber, haben. 649 ser den für Schweden eigentliümliclien Mineralien nichts be- sonders Bemerkenswerthes. Am 8. Oktober 1840. Dichter Nebel hinderte das Dampfschiff Admiral Platten, an dessen Bord Professor Ritter, Taulovv und ich schon gestern Abend uns eingeschifft hatten, bis 10 Uhr Stockholm zu verlassen. Erst um Mittag befan- den wir uns an Ekeröe im Malarsee und in einer reizenden Umgebung-. Die vielen Felseninseln, mit Wald bedeckt und mit niedlichen Landhäuschen besezt, geben dem Ganzen den Anstrich eines schönen englischen Parkes. Um zwei Uhr Nachmittags kamen wir in Södertelje , am Eingange des gleichnamigen Kanales an, der den Mälarsee mit dem Meere verbindet. Wir passirten die erste jener Schleusen, deren ich von hier bis Göteborg 75 zählte. Die über den Kanal führende eiserne Brücke ist sehr schön konstrnirt und ein ein- ziger Mensch bewirkte mit Leichtigheit die Oeffnung und Schliessung derselben , um das Dampschiff durchzulassen. Während der herrlichen Mondnacht lagen wir vor Oxelöe. Das Meer an der Küste ist mit Scheeren wie besäet. Am 9. Oktober Vormittags durchkreuzten wir den ßräviken, einen Fjord, an seiner Mündung , die einzige Stelle auf der Kanalreise zwischen Stockholm und Göteborg, auf welcher man die offene See sieht. Um Mittag liefen wir in den Slätbaken ein, ein Fjord, in dessen Hintergrunde beiMem sich der Östgötakanal , der den Wetternsee mit dem Boren- und Roxensee und diesen mit dem Meere verbindet, in lezte- ren mündet. Die Gegend entlang dem Fjorde ist reizend, wie bei Ekeröe *. Wir passirten das an der Nordküste des Fjordes liegende Kupferbergwerk Arvidsberg, dessen Haupt- schacht dicht am Meere niedergeht, befanden uns zu Mittag * Viktor DE Nouvion: Reise von GöteborgnachStockholmaufdeniGöta- kanal. Zeitschr.f. vergl. Erdkunde 1. Bd., 2. Heft. Magdeburg 1842. c Schultz: Karta öfver segelleden fran Stockholm genom Göthakanal tili Götheborg. 1837. Desselben Beschreibung zu dieser Karte. Schwedisch. Stockholm 1838. Karta utvisande Kanal-Ledningeu genom Sverige fran Nordsjon tili Östersjön. 1833. ■ Karta öfver södra Sverige med hänsigt tili Kanal Ledning^n genom o Landet fran Nordsjon tili O.ttersjön. 650 an den Rniiieii von Stegeborg; und traten bei Mem in den Göta- kaiial ein, auf welchem wir durch ein paar Schleusen nach Söderköping emporstiegen. Von dieser Stadt aus wird das Schiff durch mehrere einfache und doppelte Schleusen im weitern Verlaufe der Kanalfahrt bis ^um Asplangensee in 1)1. S Fuss IMeereshöhe emporgehoben. Der Kanal durchzieht eine ausnehmend niedliche Landschaft, die sich besonders in der Abendbeleuchtung günstig präsentirte. Landhäuschen und Tannenwälder glühten in den Strahlen der untergehenden Sonne und da man den Kanal selbst nicht auf bedeutende Strecken, seiner Windungen wegen, übersehen kann, so schienen die auf ihm sich bewegenden Segelschiffe über Wie- sen und durch Wälder hinzugleiten und plötzlich erschienen oft zwischen den dunklen Tannen die weissen Segel. Wir passirten eine Regulirungsschleuse, für den Fall angebracht, wenn der Wasserstand des nahen Roxensees sich ändern und hiedurch Strömung im Kanäle entstehen sollte. Die Nacht durch hielten wir am Orte Norsholm. Da in diesen Kanülen ein zu schnelles Fahren der Schiffe, insbesondere der Dampfschiffe, ein Hinauswerfen der Wellen auf die angränzenden Aecker durch den starken Wasserschwall zu Folge haben müsste, so besteht hierüber ein eigenes Regle- ment, welchem nach z. B. auf dem Söderteljekanal ein Schiff in fünf Minuten nur 1000 Fuss, auf dem Ijreiteren Götakanal aber lOOOEllen in derselben Zeit, alsodoppelt soviel, zurück- legen darf. Längs der Ostküste von Schweden , von Södertelje bis Söderköping, sah ich als anstehendes Gestein ausschliesslich grobkörnigen Granit mit rothem , grosskrystallinischem Feld- spathe. Der auf einer kuppenartigen Erhöhung liegende Kupferbergbau am Ärvidsberge geht unter ähnlichen Verhält- nissen , wie jener zu Falun, auf einem kupferkiesf'ührenden Erzstocke im Gneiss-Granitgebirge um. A m 10. O k t o b e r. In der Nacht war Lektor Wallmann von Linköping an Boid gekommen und schloss sich uns auf eine Strecke als Reisegefährte an. Er theilte uns viel Inter- essantes über Hünengräber mit, deren er viele geöffnet hat. Seiner Ansicht nach sind die kleinen Grabhügel die ältesten C51 Gräber. Die Steinkreise mit einem grossen Blocke in der Mitte, ähnlich jenen in Cornwall, hält er mit sehr viel Wahr- scheinlichkeit für altscandinavische Riclitplätze , auch Funda- mente von Tempeln will er gefunden haben und von bronzenen Schmucksachen ans Hünengräbern zeigte er uns manches Merkwürdige. Gegenwärtig mit Sanskritstudien beschäftigt, glaubt Lektor Wallmann die Identität von Odin und Buddha nachweisen zu können (?) , als er sich aber dann in's Gebiet der Geologie verstieg und mir beweisen wollte, dass der Erd- ball ein organisches Wesen, ein Vieh sey, und dass das Zu- rücktreten des Meeres nur die Folge des Austrocknens der Säfte der bereits schon so sehr alten Bestie wäre — da eilte ich schleunigst vom Schiffe ans Land. Am Moigen befanden wir uns auf dem Roxensee, 109,4 Fuss über dem Meere, und genossen, uns dessen westlichem Ende nähernd, einen wundervollen Anblick. Eine Bergreihe von 136 Fuss Höhe bildet daselbst das Ufer und auf dem Rücken derselben steht das Dorf Vreta mit seiner alten Kirche, Zu diesem Dorfe fährt man mittelst Schleusen hinauf und das Ansteigen Ist so stark, dass die gerade herabgehenden Schiffe, deren Segel man auf dem Berge zwischen den Häusern des Dorfes erblickt, über unsern Köpfen zu schweben schienen. Während dieser etwas langweiligen Schleusenfahrt ging ich mit Taulow nach Vreta und besah dort die alte Kirche. Die- selbe gehörte in früherer Zeit zu einem katholischen Kloster. Noch zeigt man daselbst mehrere alte Gräber schwedischer Könige sammt deren Gerippen , für deren Aechtheit ich übri- gens gerade nicht einstehen möchte, denn das Ganze, sammt den sich ebenfalls hier befindenden Begräbnissen mehrerer Douglas , zeugt von einem hohen Grade der Verwahrlosung. Der Anblick der umliegenden Gegend, des reichsten Kornbo- dens von Schweden, ist eben seiner Fruchtbarkeit wegen un- gemein schön. Die Kanalbrücken , welche wir hier trafen, sind alle zum Zurückschieben auf Walzen eingerichtet , was stets ein einzelner Mann mit Leichtigkeit mittelst einer ein- fachen Winde bewerkstelligt. Der nun zunächst auf der Kanalronte folgende Borensee liegt in 245,8 Fuss Meereshöhe, das Land, welches ihn und 652 Aen Kanal umgibt, ist wie ein grosser Garten. Ein steil an- steigendes System von Schleusen führt, mit Benützun»- des Motalaelf vom Horizonte des Borensees hinauf in den gros- sen Wetternsee, in 297,2 Fuss Meereshöhe. Unweit des Ansflusses des Motalaelf aus dem Wetternsee liegt der Ort Motala und in dessen Nähe diegleichnamige Dampfmaschinen- fabrik. Wir gingen noch Abends an den Wetternsee*, um die kolossale Wassermasse anzuschauen. Gegen Süd konn> ten wir dem See entlang, der ganz flachen Küste wegen, kein Land sehen. Bei Vreta tritt in bedeutender Ausdehnung Orthocerati- tenkalk zu Tage und es hat den Anschein, dass derselbe u n- ter dem ihn von allen Seiten umgebenden Granite liegt. Die dem Umfange nach im Vergleiche mit verwandten Anstalten in Belgien und England nicht sehr beträchtliche Dampfmaschinenfabrik zu Motala beschäftigte zur Zeit meiner Anwesenheit 230 Arbeiter. Die Fabrik ist hübsch eingerichtet und liefert schöne Maschinen. Am 11. Oktober. In^ Stunden durchkreuzten wir den Wetternsee in seiner grössten Breite, zwischen Motala und der Festung Carlsborg, avo der West-Götakanal beginnt, der den Wenernsee mit dem Wetternsee mittelst des Wikensees verbindet. Eine Schleuse bringt unser Schiff in das Niveau des Wikensees hinauf, in 308,2 Fuss Meereshöhe. Diess ist der höchste Punkt der ganzen Kanallinie zwischen der Ost- und Nordsee, denn vom Wiken an senken sich die Schiffe wieder zum Meereshorizonte hinab, den man in Göteborg an der Westküste erreicht. Der Westgötakanal führt durch sehr fruchtbare Ebenen, die früher Sumpf waren, durch den Kanal selbst aber entwässert wurden. Der westliche Theil des Kanals ist streckenlang im Granite ausgesprengt und ein System prachtvoller Schleusen bringt das Schiff aus dem Niveau des Wiken hinab in jenes des Wenernsee's (145,2 Fuss Meereshöhe), dessen Ufer wir bei Sjötorp erreichten. Gestern stürmte es auf dem Wetternsee, während wir * Der Wetternsee hat eine grösste Län^ von 17 und eine grösste Breite von 4 geogr. Meilen (15 = l*» des Äquators). Seine Wasser- fläche umfasst 45 geogr. DMeilen. ($53 unä bis Motala des sclionsteii Wetters erfreuten. Dieser Sturm war der Vorbote des heute eingetretenen Reg;envvetters. üeberliaupt wird der genannte See im ganzen Lande als ein zuverlässiger VVitterungsprophet angesehen. Manchmal soll die Wassermasse bei ganz ruhigem Wetter anfangen Wellen zu werfen, wie bei starkem Winde und darauf soll auch stets die Witterung sich ändern. Zwischen dem Wettern- und Wenernsee, so wie auch auf den Inseln des leztern sieht man nur Gneiss und Granit als anstehendes Gestein. Am 12. Oktober. Der Wenernsee, bekanntlich nach den grossen russischen Landsee'n der grösste Landsee in Europa, besitzt eine Länge von 20 geographischen Meilen, eine Breite von 9 und umfasst eine Wasserfläche von 110 geogr. DMeilen. Seine Ufer, mit Ausnahme des südöstlichen und südlichen Randes, sind durchaus eben und theils stark bevöl- kert, theils mit Wäldern bedeckt. Der Handel mit Eisen und Bauholz ist auf dem Wenern sehr beträchtlich und beschäftigt bei COO Schiffe, worunter einige von bedeutender Tonnenlast. Der See ging sehr hoch und die Fahrt war daher, wie es der kurzen, sogenannten gebrochenen Wellen halber sowohl bei grossen Landsee'n als in Meerbusen gewöhnlich ist, weit unangenehmer, als diess in gleichem Falle auf off"enem Meere zu seyn pflegt. Wir hielten an der Insel Brommöe, wo sich eine Glashütte befindet, sahen bald darauf zur Linken den kegelförmigen, bis zum Gipfel bewaldeten Kinnekulle, der höchste Berg der Umgebung und zu 936 Fuss über das Meer ansteigend, passirten die von zahllosen Scheeren umgebene Insel Kollandsöe mit dem Schlosse Lecköe, gelangten Abends in den Dalbo Viken, die südlichste Bucht des Wenern und erreich- ten Nachts das Städtchen Venersborg, wo der Götaelf den See verlässt und der weltberühmte Trollhättankanal beginnt, der mittelst des Götaelf den Wenernsee mit der Nordsee verbindet. Der Kinnekulle am südöstlichen Rande des Wenern gehört zu jenen interessanten Gruppen der üebergangsperiode, welche sich dem Granitgneiss-Gebirgezwischen dem Wenern- und Wet- ternsee auflagerten , die alle isolirt stehen , alle ein und den- selben Typus an sich tragen und denen ausser dem Kinnekulle «54 auch der Billingen , der Halleberg, der Huneberg lu s. w. an- gehören. Felsgebilde der siliirischen Reihe, der Grainvacken- zeit, ganz ähnlich denen um Christiania und hier, so wie dort, den Jüngern grosskrystallinischen, feldspathreichen Granit be- deckend, bilden diese isolirten Ablagerungen und wir sehen von unten nach oben: Sandstein, Älaunschiefer, dichten Kalk- stein mit Ortoceratiten , Trilobiten u. s. w. sehr häufig eine sandige Struktur entwickelnd, ferner Thouschiefer und zu oberst endlich die kegelförmige Kuppe oder einen niauerähn- liehen Rücken bildend. Grünstein*. Am Halleberg und Hune- berg bei Wenersborg fehlen die Ablagerungen des Thonschie- fers und dichten Kalksteins und der Grünstein, gleich einer gewaltigen, an zwei geographische Meilen langen Mauer, mit ganz senkrechten Wänden und prismatischer Absonderung, liegt hier unmittelbar auf dem Alaunschiefer, der den Sand- stein bedeckt. Ein vulkanischer Durchbruch des Diorites durch die übrigen unter ihm liegenden tiebergangsgebilde dürfte hier woiil schwer nachzuweisen seyn. Ich glaube, dass wir es hiermit einer gewöhnlichen Auflagerung zu thnn haben und stelle diesen Grünstein geognostisch parallel mit den Porphyren, welche bei Christiania zwischen den Felsgebildeu der silurischen Zeit und den Massen des jüngsten Granites mit Zirkonsyenit, welche leztere hier mangeln, abgelagert sind *. Vielleicht haben einst alle diese gegenwärtig isolirten Gruppen im Zusammenhange gestanden, jezt umgeben sie Alluvionen, Schuttland mit kolossalen Granitblöcken. Südwestlich vom Huneberg, am Beginne desTrollhättankanals, erscheint wieder das gewöhnliche Gneissgranitgebirge Schwedens und hält ohne Unterbrechung bis zur Meeresküste an. Am 13. Oktober. Am frühen Morgen liefen wir in den Trollhättankanal ein. Derselbe führt aus dem Wenern- see in den Götaelf und dann, die Fälle des lezteren umgehend, "•" Näheres hierüber in: HisiNGERS Versuch einer mineralogischen Geographie von Schweden. Deutsche Ausgabe von Wöhler. Leipzig 1826, pag. 20 etc., pag. 198 etc. Desselben Geognostisk Karta öfver Medlersta och Södra Delarne af Sverige. ** M. s. vorne pag. 530. (i55 eine langte Strecke demselben zur Seite, bis er sicli in der Küstenebene wieder mit dem Müsse vereint. Die schwarzen Felsmanern des Halleberg und Huneberg; lagen uns zurLinken bis wir in die Näiie des Falles gelangten. Auf wilden, nackten (iranitfelsen liegen da ringsumher Häuser und Sägemühlen *, Zwischen den P'elsen ist der enge Kanal ausgesprengt, mitfeist dessen Schleusen sich die Schiffe zur Ebene hinabsenken. Während unser Dampfboot diese langsame Thalfahrt bewerk- stelligte, gingen wir zum Tiollhättanfall. Der Fall des Stromes ist schön, er imponirt durch seine Wassermasse, die mehrmals sich über die Felsen stürzt, je- doch nie sehr hoch, so dass die ganze Fallhöhe mit Inbegriff aller kleineren Abstürze nur 112 Fuss beträgt. Die Schilde- rungen, die man häufig von der Grossartigkeit des Trolihättan liest und hört, sind wohl etwas zu phantasiereich. Den Rhein, fall bei Schaff^hausen finde ich z. B. schöner und den grossen Wasserfällen in unseren Alpen oder jenen kolossalen in Nor- wegen gegenüber, hält der Trolihättan nicht leicht einen Ver- gleich ans. Zum grossen Theile ist er eine tobende Strom- schnelle mit allerdings sehr pittoresken Ansichten, z. ß. jene von der hängenden Brücke, der Schneiderfels u. s. w. Uebri- gens mag wohl der mir gewordene Eindruck durch eine eben in Folge der früher gelesenen Beschreibungen zu hoch ge- spannte Erwartung gelitten haben. Höchst interessant sind die dicht am Falle im Granite ausgesprengten alten Schleusen, malerisch durch die tiefen Felsschluchten, welche die Kunst ausarbeitete, um sie nach Vervvendiuig ungeheurer Summen unbenüzt stehen zu lassen. Man fand nämlich diesen Kanal für grössere Schiffe zu klein und sprengte neben an im Granite einen neuen aus, ein wah- res Frachtwerk. Mehrere Schleusen , von denen jede das Schiff 15 Fuss hebt oder senkt, bringen in einer ununterbro- chenen Reihe nach einander einen Höhenunterschied von 75 Fuss ein. Steht man am untersten der eisernen Schleusen- thore, so sieht man das fallende oder steigende Schiff" gerade * Diese Sägemühlen treiben ihr Geschüft im Grossen. Mehrere derselben schneiden mit 7 Blättern an einem Fallgitter und zum Säumen der Bretter bedient man sich der Zirkelsägen. G5G über sich und dieser Anblick ist gewiss nicht weniger interessant, als jeuer des Trollhättanwasserfalls. Um Schiffen bis zur Korvettengrösse und selbst darüber diese Binnenfahrt möglich zu machen, hat man in neuester Zeit die Aussprengung eines neuen, somit dritten Kanals im Granite begonnen und war zur Zeit meiner Anwesenheit gerade mitten in diesem denkwürdi- gen Baue begriffen. Die Herstellung dieses neuesten Kanals war damals schon drei Jahre im Gange und man hoffte im Jahre 1844 oder 1845 damit zu Stande zu kommen. Die Ar* beit wurde auf Aktien unternommen und dürfte im Ganzen über eine Million Thaler banco kosten. Die Mauern , wo solche angebracht werden , bestehen aus grossen Granitqua- dern, welche durch hydraulischen Mörtel verbunden werden. Die Bewegung der Schleusenthore 5 deren Gerippe ganz von Eisen sind, geschieht durch Zugstangen und fixe Winden. Die Ausführung des ganzen Baues ist ebenso elegant, als tech- nisch betrachtet von grösstmöglichster Vollkommenheit. Nachdem wir noch einige kleinere Schleusen passirt hatten, traten wir, in der Ebene angelangt, wieder in den Gölaelf ein und fuhren nun rasch auf dem Strome durch die sumpfige Ebene mit kahlen Felsen, vorüber am Schlosse Kongself, nach Göteborg, wo wir Abends anlangten. Der Granit des Trollhättan führt rothen Feldspath, ent- hält häufig Hornblende , wobei der Glimmer zurücktritt und lässt auf Klüftchen Lazulit wahrnehmen. Dem Korne nach theilt sich der Granit in fein- und grobkörnigen. Ersterer bildet das eigentliche Gebirgsgestein ; lezterer mit grosskry- stallinischem Feldspathe ist auf Gängen und Stöcken dem ersteren untergeordnet. In der Umgebung des Falles sah ich besonders viele Riesentöpfe; sie scheinen jedoch überall nur als Zeugen aufzutreten, dass ihr Schöpfer, der Götaelf, einst andere Richtungen verfolgt haben mag. Unterhalb des grossen Wasserfalls durchschneidet der o Kanal ein kleines Becken, Akerström genannt. Hier sollen bei der Ausgrabung des Kanals in einem Torfmoore Trümmer von Schiffen, eine hölzerne Brücke, schwere Anker u. dgl. gefunden worden seyn. Die Ebene des Götaelf wird von niedern Granitbergen begleitet, denen man es ansieht, dass 657 sie einst Scheeren waren , denn sie unterscheiden sich in nichts davon. Ueberhanpt träg^t hier die Form des Landes, ein flacher sumpfiger Meeresboden , beinahe im Niveau des Meeres liegend, besäet mit zahllosen abgerundeten Fels- massen und Hügeln des Granites, einstige Scheereninseln, den Charakter seines jugendlichen Hervortretens aus dem Meere ganz unverkennbar an sich. Hier kann sich noch keine Thalbildung aussprechen, so wie am Säuglinge die Physiognomie noch keinen bestimmten Ausdruck hat. Am Iß, Oktober. Am Morgen verliessen wir Göte- borg. Professor Ritter und ich zogen südwärts gegen Lund und Malmöe, um uns von lezterem Orte aus nach Kopenhagen überzuschifFen ; Taulow zog nordwärts, heim nach Christiania. Die Trennung von dem biedern Freunde, meinem Gefährten in Freud und Leid, fiel mir um so schwerer, als ohne beson- deren Zufall ein Wiederselien wohl kaum statt finden dürfte. Im bequemen Wagen und mit leidentlichen Postpferden fuhren wir über die einförmige Küstenebene, passirten Kungsbacka, VVarberg und übernachteten in Falkenberg. Hier waren wir ge- zwungen unsere errimgenen schwedischen Sprachkenntnisse zum Erstenmale glänzen zu lassen. Wir wussten ziemlich gleich wenig und wenn der eine von uns beiden anfing zu sprechen, musste der andere unwillkürlich lachen. Wir ver- sezten aber dadurch unsere Zuhörer in nicht minder gute Laune und es ging, üeberhaupt soll man nicht glauben, wie leicht man ohne die Sprache zu verstehen auch im fremden Lande fortkommt. Es sind gewisse Worte, welche über die ganze kultivirte Welt eine Art Bürgerrecht geuiessen und am Ende kann man es oft selbst nicht begreifen wie es kam, dass man verstanden wurde. In der Umgebung von Göteborg, besonders aber nahe am Landgute des Apothekers Cavellini, beobachtet man viele Riesentöpfe von ausgezeichneten Formen. Sie liegen in ge- raden Linien nach einander und scheinen offenbar die Folgen von Stromabstürzen und der damit verbundenen Wirbel zu seyn. Da jedoch in diesen Richtungen gegenwärtig nach den Lokalverhältnissen unmöglich mehr ein Strom fliesseu Rassegger, Reisen. IV. Bd. 42 658 könnte, so sehen wir hieraus, welche Veränderangen in der Terraingestaltung; hier vorgegangen seyn müssen. Südlich von Göteborg erscheint entweder der Gneiss-Granit der jün- geren Bildung als herrschendes Gestein oder man bewegt sich durch jenes Schuttland mit grossen Granitblöcken , wel- ches zum Theil den Wettern- und Wenernsee umgibt. Am 17. Oktober. In der Nacht von gestern auf heute hatten wir Nordlicht. Während unserer Fahrt über Halmstad, Laholm, Engelholm bisHelsingborg, gegenüber von Helsingör, sahen wir auf der Kiistenebene eine Menge Hünengräber; vielleicht die Reste eines grossen Schlachtfeldes, wenn nicht die natürliche Folge einer einstigen starken Küstenbe- völkerung. Zwischen Laholm und Engelholm durchbricht ein Granit- o zug, der Hallands As, das Schuttland, erstreckt sich zum Meere und bildet da ein Vorgebirge. Die Umgebung von Helsingborg bildet kohlenführender Liassandstein, ein ganz lokales Gebilde, rings umschlossen landeinwärts vom Schutt- lande des Gneiss-Granit-Gebirges. Am 18. Oktober. Als wir Helsingborg verliessen zählten wir im Sunde über hundert Schiffe unter Segel, ein schöner Anblick! Uns zur Rechten erhebt sich Tyho de Brahk's Schloss „Urania" auf der Insel Hven ; von Landskrona aus sahen wir ferne jenseits des Sundes die Thürme von Kopenhagen und erreichten Abends die Universitätsstadt Lund. Die Umgebung von Lund bildet das erwähnte Schuttland. In Prof. Nilson's Sammlung sahen wir die Versteinerungen aus dem vorn erwähnten Liassandstein, durchgehends Pflanzen- reste: Cetaceen , mehrere Arten Philopteris und tropische Farnen. Aus dem schwedischen Grünsandsteine: Pflanzen- reste, Zähne des Mosasaurus, den Kopf eines Palaeosaurus u. dgl. Aus dem schwedischen üebergangsgebirge: viele Trilobiten, Mytilus, Modiola. Aus dem Diluvium : sehr schöne kugelförmige Konkretionen von Thon, konzentrisch-schalig, Wurzelstücke umschliessend. Aus den Torfmooren : das voll- 659 ständig;e Gerippe eines grossen Bison, so wie Reste von Elenn, Rennthier, Eber, Ochs u. s. w. Nach Prof. Nilson's Mittheilung- befinden sich an der Südkiiste von Schweden, in der Umgebung von Ystad, Torf- moore, weiche sich unter die Oberfläche des Meeres erstrecken. Man findet in denselben Süsswasserpflanzen und Conchylien, nebst verschiedenen Alterthümern , so namentlich am VogeU vik. Ein Beweis, dass hier eine Senkung des Landes und respektive ein Ansteigen des Meeres statt findet, gerade also die entgegengesezte Erscheinung von Skandinaviens Norden. An andern Stellen dieser Torfmoore, wo Baumstämme durch den starken Druck platt gedrückt erscheinen, finden sich kleine Straten von Braunkohle nnd zugleich Reste von Waffen und Werkzeugen der Steinzeit, nebst Rennthierknochen. Da die Reste der Steinzeit wohl 4000 Jahre alt seyn dürften, so haben wir hier einmal eine geognostische Formation mit einer wenigstens annäherungsweise aufgedruckten Jahrzahl. Sehr viel Interesse gewährt auch Nilson's Sammlung skandinavischer Alterthümer. Sie enthält besondere Ra- ritäten , z. ß. einen Hünenschädel von einer Lanzenspitze durchbohrt. Am 20. Oktober ging es mittelst Stellwagen nach Malmöe. Hier betreten wir das Gebiet der Kreide, der jüng- sten Kreide an der Südküste von Schweden, reich an Infuso- rien und dieselbe Bildung, wie im gegenüber liegenden Däne- mark. Da der Calcaire pissolitique aus dem Becken von Paris* parallel mit der obern Kreide Dänemarks steht, in diesem Lande aber auf dieser obern Kreide, somit auf dem Pisolithen- kalke, noch eine Strate der Kreide folgt, wohin auch die von Malmöe gehören dürfte, so haben wir hieralsonebst der obern noch eine oberste Kreide, die man somit als das jüngste Glied des üeberganges aus der Flötz- in die Tertiärzeit zu betrach- ten hat. Am 21. Oktober kam ich mit Prof. Ritter in Kopen- hagen an. Zurückgekehrt von meiner nordischen Reise hatte ich in den reichen Sammlungen Kopenhagens so Manches nachzu- * Vorne p. 417. 42 ♦ ()60 holen. Ich durchging; sie mit Dr. Bingel und Vargas Bedemar noch einmal und verliess Kopenhagen erst am 29. Oktober, meine Reise nun allein nach Kiel, wo ich den verehrten Freunden Olshausen, Chalybäus und Forchhammer manch lehrreiche Stunde zu danken hatte, und von da nach Hamburg fortsetzend, wo ich am 31. Oktober wieder anlangte. njeuiiter Abschnitt. Reisen in Nord- und Ost-Deutschland. Schluss der ganzen Reise. 1) Hainbnrg^. Berlin. Fernere Reiseroute durch DeutMCliiand. Am 4. November 1840 verliess ich das schöne, lebens- lustige Hamburg und war am 6. in Berlin; aus dem Bereiche des angenehmsten materiellen Lebens in das höhere der Wissenschaft versezt. Berlin bot damals, wie es auch noch gegenwärtig der Fall ist, da die Verluste einzelner Notabili- täten der Wissenschaft stets wieder, wenn auch nicht gerade mit Beziehung auf dasselbe Fach, durch neue Aquisitionen ersezt w urden , den Anblick einer wirklich massenhaften Ge- lehrsamkeit, eines Zusammendrängens der Wissenschaften und ihrer Koryphäen dar, wie solches ausser Paris meines Wissens an keinem Orte der Erde statt hat *. Um einen edlen Kern, wie Humboldt, v. Buch, Ehrenberg, MiTSCHERLicH, beide Rose, Ritter, v. Decken und so viele andere hochberühmte Namen, hatte sich eine Lichtmasse ge- sammelt, deren Strahlen weithin über die ganze Erde dringen nnd auf die wir Deutsche nicht ohne stolzes Selbstgefühl hin- blicken sollen. Als Wanderer aus fernen Ländern kommend wurde ich in allen diesen Kreisen mit mehr als verdienter Auszeichnung und wahrer Herzlichkeit aufgenommen. Mein Aufenthalt in Berlin bildet einen wichtigen Abschnitt in mei- nem wissenschaftlichen Leben; denn zum grossen Theil wurde mir in Bezug auf das Gesehene und Gesammelte erst hier Wir wollen hoffen, dass bei dem gegenwärtigen freien Auf- schwünge der Wissenschaft und unter dem Horte unserer mit Jugend- kraft emporstrebenden kaiserlichen Akademie in diesem Bunde recht bald auch der Name unseres Wiens glänzen wird. 662 eine bestimmte Richtung, wozu ganz vorzüglich die bekannten reichen, wissenschaftlichen Sammlungen, nicht so sehr impo- nirend durch ihren äusseren Glanz, als durch den Geist der geregeltsten Forschung, der sie durchdringt und der sich über- all ausspricht, beitrugen. Am 21. November trennte ich mich von Berlin und sezte meine Reise über die brandenburgischen Ebenen nach Magdeburg, Halberstadt und Goslar am Hannover'schen Unter- harze fort, wo ich der Grubenbaue am nahen Rammeisberge und der damit verbundenen Hüttenwerke wegen einige Tage verweilte. Der Harz erscheint als eine inselartige Erhebung der Grauwacke, welche einerseits den zunächst von Trappgesteinen, vorzüglich von Diorit, niantelförmig umlagerten Granitkern des Brocken und des Rammberges umschliesst , andererseits selbst von jüngeren Gebilden der Zechstein -, Kupferschiefer- und Rothliegendformation (so am ganzen Süd- und Ostrande), des Trias, der Jura-, Kreide- und tertiären Reihe rings umher umgeben wird. Am Harze sehen wir zuerst die Grauwacke im Osten des mächtigen Streifens von buntem Sandstein, Muschelkalk, Keuper, Lias und Jura, welcher Streifen Deutsch- land aus Süd in Nord, von der Schweizergränze bis zum Teutoburger Walde und dem Wesergebirge durchsezt, wieder auftauchen. Er ist die nordöstliche Fortsetzung der grossen Grauwackenablagerung von Belgien und Westphalen, jenseits und diesseits des Rheins, das nordwestlichste Vorgebirge Deutschlands*. Wenden wir uns vom Harze gerade gegen Südost, so stossen wir, nach Ueberschreitung des Kupfer- schiefer- und Rothliegendzuges im Mansfeldischen, so wie der ausgedehnten Triasablagerungen in den sächsischen Herzog- * Geognostische Uebersichtskarle von Deutschland, Fiankreicli, Eng- land und den angrenzenden Ländern. Von Dechen. Berlin 1839. HoFFMA^N, geognostische Karte vom nordwestlichen Deutschland. Berlin 1828. Dessen geognostischer Atlas vom nordwestlichen Deutschland. Ber- lin 1828. Geognostische Karte des Landes zwischen Magdeburg und Cassel. Berlin 1835. (56a Hiümern , auf einen zweiten Stock der Granwacke am Nord- westrande des dem Granite, Gneisse und den krystallinischen Schiefern angehörenden Fichtel- und sächsischen Erzgebirges. In Südost dieser Gebirgszüge, im Innern von Böhmen , er- scheint die Granwacke wieder und zwar in grösserer Ausdeh- nung als im Nordwesten der genannten Gebirge. Dieselbe wird hier an ihrem Süd - und Ostrande in weitem Bogen von der Granit - und Gneissformation des Bölimerwaldes und des mährischen Gebirges umschlossen, welche unmittelbar in das Donauthal und in das grosse Wienerbecken abdachen; wäh- rend Böhmens Grauwacke gegen Nord durch grosse Ablage- rungen der Kreide- und altern Flötzzeit, bis hinab zum Kohlen- gebirge, von den Granit-, Gneiss- und Schiefermassen der Lausitz, des Riesengebirges und der Sudeten getrennt ist. Am Fusse dieser Gebirge und jenseits derselben, am Rande der nieder- und oberschlesischen Ebene, so wie das Südost- ende der Sudeten umschliessend, erscheint die Grauwacke, einen parallelen Zug mit jenem vom Harze bis Böhmen dar- stellend, nochmals, entwickelt sich im nordwestlichen Theile vonOsterreichisch-Schlesien und im nördlichen Theile Mährens in grosser Ausdehnung und endet in den Ebenen, welche sie von den am Nord westrande der Karpathen abgelagerten Jüngern Felsformationen trennen und wodurch sich der vorne S. 365 am Bodensee begonnene und bis Köln und Aachen (S. 411) fortgesezte geognostischeCyklus in Deutschland schliesst. Von Goslar begab ich mich nach Klausthal, besuchte die dortigen Berg- und Hüttenwerke, ging sodann nach Andreas- berg, besuchte die Eisenhütten: die Rothehütte und jene zu Tanne; besichtigte von Harzgerode aus Mägdesprung und Viktor-Friedrich-Silberhütte bei Neudorf und wandte mich, den Harz verlassend, nach Eisleben im Mansfeldischen. Nach Befahrnng einiger Gruben auf dem Kupferschieferflötze (Krummhölzerarbeit) und nach Besichtigung der Kupferhütte zu Leimbach , des Amalgamirwerkes Gottesbelohnung und der Kupferhammerhütte zu Hettstedt, reiste ich von Eisleben über Halle nach Leipzig, von da nach Dresden und Freiberg, wo ich am 27. Dezember 1840 anlangte. Am 7. Januar verliess ich die alte berühmte Bergstadt 6G4 und ging über Annaberg, Joaehimstlial, Karlsbad, Marienbad, Mies, Pilsen, Pribram nach Prag, welclies ich am 2. Februar wieder verh'ess, von Linz aus einen kurzen Besuch meiner Vaterstadt Salzburg* unternahm und am 21. Februar 1841 , also nach einer Reisedauer von 5 Jahren ',i Monaten und 3 Tagen, wieder glücklich in Wien anlangte. Aus den bereits vorneS. 364 angegebenen Gründen unter- lasse ich auch bezüglich dieser Rückreise durch Deutschland die bisher beobachtete Tagebuchsform und werde nur die wichtigsten Momente meines Faches aus meinen Reisenotizen hervorheben. 2) Der Rainmelslierg: bei Ooslar im ItHuuoverscIien IJnterliarze* (^rrubenliau. llie Vitriollitttte zu Oos- lar. «fuliusliütte. Sopliienbiltte. Die Hütteu'«verke an der Ocker'-. Goslar, die alte deutsche freie Reichsstadt, mit dem nahe daran liegenden Rammeisberge, liegt auf hannoverschem Gebiete im Unter harze, d. h. in den Vorbergen des Haupt- gebirgsstockes , des Centrale des Harzes, des sogenannten Oberharzes. Der Grubenbau am Rammeisberge jedoch, sammt den hiezu gehörenden Hüttenwerken und ßetriebsan- stalten im Ockerthale, dann der Sophienhütte, der Juiiushütte * Ueber den Harz, sowohl den Ober- als ünlerharz, sehe man: HAUSM4^N: über den gegenwärtigen Zustand und die Wichtigkeit des Hannoverschen Harzes. Güttingen 1832. Zimmermann: die Erzgänge und Eisensteinlagerstätten des nordwest- lichen Hannoverschen Oberharzes. Berlin 1837. Mit einer Gang- karte. Zimmermann: das Harzgebirge in besonderer Beziehung auf Natur- und Gevverbskundc. 2 Bände. Darnistadt 1834. Zinken: der östliche Harz. Mineralogisch und bergmännisch betrach- tet. Braunschweig 1825. Zimmermann: die Wiederausrichtung verworfener Gänge, Lager und Flötze. Darmstadt 1828. Roemer: über den Harz. In Leonhard's Jahrbuch 1844, p. 56. Karte vom Harzgebirge mit geognostischer Bezeichnung. Darni- stadt 1832. Spezialkarte von dem Harzgebirge. Von Wbiland. Weimar 1838. 065 und endlich der Vitriolhütte zu Goslar selbst, sind Eigenthum der braunschweig-lüneburgisclien Communion, wobei Hanno- ver mit V7 u'id ßraunschweig mit y, betheiligt sind. Die Di- rektion ist getheilt unter die beiden ßerghauptmannsehaften zu Clausthal, auf dem hannoverschen Oberharze, und jene zu Braunschweig. Jedes Jahr wird die Oberleitung gewechselt, was übrigens auf den Bestand der Beamten des Communion- unterharzischen Bergamtes zu Goslar und auf den bestätigten Betriebsplan keinen Einfluss hat ". Der Bergbau am Ram- melsberge soll bereits im Jahre 972 begonnen haben , erlitt aber seit dieser Zeit mehrmals und zwar bedeutende Unter- brechungen. Die Lagerungsverhältnisse der Felsgebilde am Rammeisberge und in dessen nächster Umgebung sind von ausserordentlichem Interesse. Wenn man vom Brocken aus in gerader Linie gegen Nordwest geht und die Granitmasse dieses Centralstockes, sowie die den Granit mantelförmig um- lagernden Trappgebilde, Diorit, Labradorporphyr, Hypersten- fels und Hornfels, hinter sich hat, so betritt mau das erzefüh- rende Terrain der Harzer Grauwacke und ihrer Schiefer, wel- ches im Norden des Brocken sich in einem schmalen Streifen herumzieht, imSüden desselben in einer gewaltigen Ausdehnung auftritt und welchem ersteren Terrain auch der Rammeisberg angehört. Am Nordrande dieser Grauwackenablagerung, re- spektive am Fusse des Rammelberges und am Ausgange des Ockerthaies, betreten wir unmittelbar die Schichten des Trias und der darauffolgenden Jüngern Glieder bis zur Kreide, der das ganze Land nördlich von Goslar, zwischen der Innerste und Hseund hinaus bis in die Alluvialebenen von Braunschweig angehört. Betrachten wir diese Felsablagerungen von der Grauwacke aufwärts, wie sie der Durchschnitt des Wasser- stollens am Rammeisberge und jener von der Messinghütte bis zum Kupferhammer im Ockerthale darstellen , so sehen wir unmittelbar nach der Grauwacke den bunten Sand- stein mit Mergeln und Gyps (58 Lachter mächtig) , sodann den Muschelkalk mit Mergeln (116 Lachter mächtig), Die naheliegende kleine Saline Juliusball gehört ebenfalls dieser Communion an. Hausmann, p. 250 etc. 660 den Keuper (Mergel. Sandsteine, Gyps, 68 Lachter mäch- t\g), den Lias (125 L. mOj den unteren,eisenscliüs- sigen O olit (Dosfgergenannt, 82 L. m.), denjurakaik (98 Lachter mächtig), den G r ü n s a n d s t e i n , unterhalb Gos- lar in einem grossen Felsen zu Tage gehend (10 L. m.) und endlich die Kreide — welche stellenweise durch ein sand- steinartiges, sehr kieseliges und wahrscheinlich dem Grobkalke paralleles Felsgebilde bedeckt wird — folgen, jedoch mit wel- cher Stellung der Schichten ! ~ Alle diese Gesteine nämlich fallen entweder ganz senkrecht, oder unter einem sehr steilen Winkel gegen SW. , d. h. unter die Grauwacke, wodurch sich scheinbar die ganze systematische Altersfolge umkehrt und wir die Grauwacke zu oberst, die Kreide zu unterst sehen. Meiner Ansicht nach hat man es hier offenbar mit den Er- scheinungen einer massenhaften Gebirgsemporhebung zu thun, nämlich mit der des Brocken. Durch den Einfluss der Erhe- bung der Central-Granitmasse und der zwischen ihr und den zunächst angrenzenden Grauvvackengesteinen ringsherum em- porgestiegenen Trappgesteine " sind auch die Schichten des weiter nach Aussen folgenden jüngeren Gebirges aus ihrer urspri'ingliclien , regelmässigen Lagerung emporgehoben, auf- gestellt und sogar überworfen , d. h. in eine der früheren ge- rade entgegengesetzte Lage gebracht worden. Die Glieder der geschichteten Reihe führen die ihnen zu- kommenden charakteristischen, organischen Reste. Aus den Schiefern der Grauwacke sah ich einige Terebrateln und ein Stück, welches ich für den Hintertheil jenes silnrischen Fisches ansehe, den man früher für einen Trilobiten hielt und dessen systematische Bestimmung mir nicht bekannt ist. Der bunte Sandstein führt Gypse und die ihm eigenen , oolithischen Bil- dungen, der Keuper zeigt sich zwar ärmer an Gyps , dagegen aber sind seine bunten Mergel ausgezeichnet. Höchst beleh- rend für diese lokalen Lagernngsverhältnisse und besonders bezüglich der in den geschichteten Gesteinen vorkommenden * Wahrscheinlich die durch den Einfluss des Granites umgewan- delten, demselben zunächst gelegenen Schichten de»' Grauwacke und ihrer Schiefer. 667 fossilen organischen Reste ist die Sammlung des Oberberg- meisters Arnt zu Goslar. In den Scliiefern derGrauwacke des Rammeisberges setzt eine erzführende , stockförmige Lagerstätte auf, welche im Querschnitte ungefähr diese Gestalt hat: iNord Sie streicht fast Ost in West, verflächt mit 45** bis 60*^ in Süd und zwar im westlichen Felde weniger steil als im östlichen. Die grösste Mächtigkeit liegt im östlichen Felde und beträgt 30 Lachter, die grösste Ausdehnung im Streichen 300 Lach- ter, die linsenartige Ausschneidung dieses Körpers in allen Richtungen ist unverkennbar. Unter der Hängebank des Ka- nekuhler Schachtes, fi2 Lachter, theilt sich die Lagerstätte in ein Liegend- und Hangendtrum, welch' letzteres sich 24 Lach- ter tiefer, wo das Liegende dieses Trumes ganz flach unteF 24** fällt, wieder auskeilt. Der im Liegenden der Lagerstätte anstehende Thonschie- fer ist fest, der im Hangenden des Hangendtrumes ist sehr milde. Siebenzig Lachter vom äussersten Hangenden der La- gerstätte gegen Süd entfernt beginnt die sandsteinartige Grauwacke, auf welcher am Ausgehenden über Tags ein be- deutender Steinbruch umgeht , der das Material zu der um- fangsreichen Grubenmauerung liefert. Mit diesem Grau- 668 wackensandsteine wechselt Grauwackensclüefei* und in diesem setzen kleine, nach 11h. streichende Bleiglanzgänge auf. Die Hauptmasse der Lagerstätte besteht in Thonschiefer, Schwerspath und Kalkspath , deren Erzführung in Bleiglanz, Eisenkies, Arsenkies, Kupferkies und Zinkblende. Die Blei- erze erscheinen mehr im Liegenden und im östlichen Felde, die Kupfererze mehr am Hangenden und im westlichen Felde, auch kommen beide gemengt vor, nur das Hangendtrum liefert ausschliesslich Bleierze. Nach der Art des Gemenges der vorkommenden Metallsulphuride unterscheidet man : Grauerz: Baryt mit Blciglanz, Eisenkies und Arsenkies. Bleiglanz. Braunerz: Bleiglanz, Kupferkies und Zinkblende. Schwefelerz: Eisenkies, Arsenkies, mit etwas Bleiglanz. Kupfererz: Kupferkies mit Eisenkies und Arsenkies. Der Eisenkies ist an und für sich häufig arsenikalisch. Die Erze brechen meistens derb ein , am Liegenden und Hangenden jedoch kommen sie fein eingesprengt im Thon- schiefer vor, dessen Masse sie zum Theile ganz durchdringen und in welchem Falle man sie Kniest nennt. Ausserdem wird die Lagerstätte von sehr schmalen, oft kaum eine Linie mächtigen Klüften, rechtwinklicht auf ihr Streichen , durchzogen. Diese Klüfte heissen Steinscheiden. Sie setzen weder in's Hangend-, noch ins Liegendgestein des Lagers über, haben Quarz, Kalkspath, Baryt und Gyps zur Ausfüllung, und führen gediegen Kupfer, Buntkupfererz, sil- berreiches Fahlerz, blättriges Rothkupfererz und Bleiglanz. Die aufgeschlossenen, vorbereiteten und überhaupt be- kannten Erzmittel am Rammeisberge mögen nach den mir ge- wordenen Angaben noch 60000 Kub. - Lachter an Erzmasse betragen, wodurch sich, nach gegenwärtigen Verhältnissen be- urtheilt, der Betrieb noch auf 200 Jahre sicher stellen dürfte. Der Durchschnitts-Metallgehalt der Bleierze beträgt: 6% an Blei und % Loth Silber pr. Zentner. Jener der Kupfererze : 3 72 bis 4% an Kupfer und Vjg Loth an Silber pr. Zentner. Der Bergbau am Rammeisberge ist in fünf Reviere ge- theilt, welche zusammen zwei Treibschächte besitzen, nämlich G69 den Kanekuhler - und den neuen Schacht. Der erstere ist 120 Lachter tief, verflächt unter 87** gegen Süd und geht durch das Lager in dessen Liegendes. Der zweite geht nicht zu Tage, in ihm wird nur his auf die Tagförderstrecive getrie- ben, er war 1S34 108 Lachter tief, hat etwas Tonnlage und ist zum Theile ausgemauert. Zur Wetterführung und zur Ableitung des Rauches be- stehen mehrere Wetterschächte , von denen sechs zu Tage gehen. Weiters führen von dem Kanekuhler Schachte acht, und von dem neuen Schachte eilf Hauptfördernissstrecken oder Hauptläufe nach den im Betriebe stehenden Zechen. Zwei Stollen dienen zur Wasserhaltung, nämlich der obere, der Julius-FortunatusstoJIen , am Fusse des Rammeisberges angeschlagen, 51 G Lachter lang, mit 4 Lichtlöchern , 61 72 Lachter Teufe unter der Hängebank des Kanekuhler Schach- tes einbringend und zum Abflüsse der Tage- und Aufschlag- wasser dienend; ferner der untere, der Juliusfortunatus-Tief- oder sogenannte Wasserstolien , unter der Stadt Goslar ein- getrieben, 1191 Lachter lang, mit sechs Lichtlöchern, 23 Lach- ter Teufe unter dem obern Wasserstollen einbringend und zur Ableitung der Grundwasser dienend. Der Abbau findet auf nachstehende Weise statt. Von den Hauptschächten aus wird etagen weise von 10 Lachter zu 10 Lachter das Erzlager mittelst Zubaustrecken verkreuzt. An dem Punkte, wo mau in das Lager einschlägt, wird des Wetterwechsels halber zumachst oberen Strecke gesenkmäs- sig aufgebrochen, sodann dem Streichen des Lagers nach , au dessen Liegend nämlich, gegen Ost und West ausgelenkt und die hiedurch entstehenden Feldstrecken werden wieder in Di- stanzen von 20 bis 24 Lachter mittelst Wetterschächten mit den zunächst höher liegenden Feld- oder Auslenkstrecken ver- durchschlagt. Hiedurch entstehen nun getrennte vorbereitete Mittel, sogenannte Weiten, deren Abbau mittelst Feuersetzen so geführt wird, dass je unter einer abgebauten Weite, auf der nächst tiefer folgenden Etaoe eine solche in ihrer Gänze als Bergfeste stehen bleibt, welche Bergfesten sodann zum Schlüsse des Abbaues des ganzen Feldes nachträglich gewonnen werden, 070 Der Abbau der Weiten mittelst Feuersetzen erfolgt vom Liegenden gegen das Hangende. Man bedient sicli hiezu des fichtenen Spaltholzes, entweder stossweise übereinander ge- schichtet (beim Firstenbrand), oder an die Strassen gelehnt (Strassen- oder Seitenbrand). Da die Holzstösse beim Firsten- brande nicht höher als fünf Fuss seyn sollen , so werden die- selben nöthigen falls mit grossen Erzstücken untermauert, wo- bei zugleich diese selbst mürbe gebrannt werden. Ein Brand besteht aus zwei oder drei Stössen und be- nöthigt drei bis vier Malter Brennholz . Bei einem Firsten- brande fallen durchschnittlich 20, bei einem Seitenbrande 9 — 10 Scherben Stufferz. Die beim Brande abfallende Klein wird Brandstaub genannt. Fängt die Weite durch wieder- holte Brände an bogenförmig zu werden , so wird sie durch Sprengarbeit wieder rechtwinklicht hergestellt und beginnt endlich die Brandzeche an Weite und Höhe zu gewinnen , so wird mit der Ausmauerung begonnen , welche nicht nur zur Versicherung, sondern auch dazu dient, um im weitern Ver- fol2:e des Feuersetzens die Röste darauf zu errichten. In dem Verhältnisse daher , als die Zeche oder die Weite höher wird und dem Hangendblatte näher rückt, muss auch die Mauerung nachrücken und sie wird, wenn man am Hangenden bereits eine Höhe von 1,5 Lachter erlangt hat, demselben bis auf Offenlassung einer schmalen Communikationsstrecke ganz an- geschlossen. Auf dieses in solcher Art entstandene Mauer- prisma wird bei Fortsetzung des Abbaues dem Ansteigen des Lagers nach und unter denselben Verhältnissen ein zweites, darauf ein drittes u. s. f. gesezt ** , so dass endlich die voll- endete Ausmauerung einer oder mehrerer solcher Weiten übereinander eine Terrasse mit 1,5 Lachter hohen und vom Liegend zum Hangenden reichenden Absätzen darstellt. Am schwierigsten ist hiebe! der Abbau der letzten, obersten Ge- * 1 Malter = 24,792 Calenberger Cubikfuss. 1 Calenberger Fuss = 0,924 Wiener Fuss. 1 Scherben = 4 Cub. Fuss -\- 526,5 Cub. Zolle Harzer Lachtermass. 1 Harzer Lachter = 6,075 Wiener Fuss. ** Bei besonders starkem Firsten - oder Hangenddruck werden auf diese Mauern auch sogenannte verlorene Pfeiler zur Sicherheit aufge- mauert. Ü71 Steinslage, zwischen einer im Betriebe befindlichen und einer oberhalb liegenden, bereits abgebauten und in Mauerung ste- henden Weite, nämlich der Abbau des Mittels a+b. Es wird hiebei zuerst, von der offenen Hangendstrecke c nieder, derTheil b bis zur uächst unterhalb folgenden Mauer durch die ganze Länge der Weite abgebaut. Sodann wird der Theil a mit lauter schmalen Querstrassen vom Hangend zum Liegend in Angriff genommen und der öuerbau so geführt, dass die in der Firste schwebende Mauer beim Eintreiben der Strassen sorgfältigst mit Getriebszimme- rung aufgefangen und jede zu Ende gebrachte Querstrasse, bevor man eine neue eröffnet, sogleich wieder mit Mauerung ausgefüllt wird. Im Jahre 1839 betrug der Brandholzbedarf am Rarameis- berge 1199% Malter. Die anfahrende Mannschaft belief sich auf 170. In früherer Zeit Hess man den ßrandstaub in den Zechen liegen , daher die Grubenwasser vitriolisch wurden. Diese vitriolischen Wasser durchdrangen die Zechenberge der alten Verhaue , wodurch sich diese zum Theile zu einer so festen Masse regenerirten, dass dieselbe gegenwärtig mittelst Spreng- arbeit gewonnen werden muss. Mau neunt im Allgemeinen diese von Kupfervitriol , Eisenvitriol und Zinkvitriol (Feder- weiss genannt) durchdrungene Masse: Kupferraueh und wenn 672 sie steinartig ist : Atramentstein. Früher erzeugte man aus den Kupfervitriol-Iialtigen Wassern auch etwas Zeraentkupfer. Der Atramentstein findet sich vorzüglich im östlichen Felde, wo am meisten Eisenkies ansteht. Ist der Kupferrauch mit er- digen und metallischen Theilen gemengt, so heisstderselbeMisy. Die Erzarbeiten in den alten Zechen und die Gewinnung des Kupferrauches stehen im Gedinge ; die Erzarbeiten auf der Gänze jedoch, nämlich in den Weiten, erfolgen auf Schich- ten unter Aufsicht der Steiger, was gerade nicht zu loben ist. Die Grubenmauerung ist verdingt*, ebenso der Orts- und Ansrichtungsbetrieb: die Zimmerung hingegen ist eine Schich- tenarbeit. Zur Förderung, wie zum Wasserheben , bedient man sich der Kehrräder. Das Gezähe fand ich nicht sehr vorzüglich. Im Jahre 1839 wurden aus den fünf Revieren des Ram- raelsberges gefördert : Ordinäre Bleierze . . . . . 27335 Scherben Kupfererze 9660 „ Melirte Erze 23520 „ Kupferkniest 690 >, ßrandstaub 2720 „ Kupferrauch 4970 „ zusammen ...... 68895 „ oder geringe angeschlagen 276000 Zentner **. Bei dem Umstände als am Rammeisberge gar keine Pocli- erze, sondern nur Stufferze erzeugt werden, welche unmittel- bar zur Hütte gelangen, ist auch die Aufbereitung über Tags ausserordentlich einfach, beschränkt sich auf die blosse Schei- dung der Erze und macht nur beim sogenannten ßrandstaube eine Ausnahme. Dieser wird nämlich durch Siebe geworfen. Die nicht durchfallende Grobe wird gewaschen und ausge- klaubt, die durchgefallene Klein hingegen siebgesetzt, wobei Die weitläufigen Gedinge hier näher auseinander zu setzen, finde ich nicht angezeigt. "" 1 Scherben Bleierze ungefähr = 440 Pfund, 1 Scherben Kupfererze ungefähr = 420 Pfund. 20 „ machen 1 Treiben. 1,5 „ =1 Tonne. 673 sowohl das Fassmehl als det- Siebsatz zur Hütte abgeg^eben werden. Da die Grubenwasser des tiefen Julius-Fortunatusstollen sehr viel Eisenocker mit führen , so werden dieselben unter- halb der Stadt Goslar in flachen Erdbassins aufgefangen und das Ockersediment als Farbe gewonnen. Der Kupferstaub wird der Vitriolhütte in Goslar überge- ben , die Zinkvitriolerze hingegen werden zur Julius- Vitriol- hütte geliefert. Bei der Vitriolhütte zu Goslar wird aus der Mutterlauge Alaun erzeugt, indem man derselben, welche ohnehin schwefelsaure Thonerde enthält, angekauftes schwe- felsaures Kali zusetzt. Früher w urde zur Bildung des Doppel- salzes kohlensaures Kali, nämlich gewöhnliche Pottasche ver- wendet. Die Juliushütte j sowie die Sophienhütte, beschäftigen sich mit der Produktion von Blei, Silber, Zink und Rostschwe- fel, die Marienhütte an der Ocker überdiess noch mit der Er* Zeugung von Kupfer bis zur fertigen Handelswaare, mit jener von Schwefelsäure und mit der Goldscheidung. Die neue Blei- und Kupferhütte an der Ocker, zur Zeit meiner Anwe- senheit noch nicht vollendet, wird eine schöne Betriebsanstalt, schön schon dadurch, dass alle Oefen, 21 an der Zahl, in einer Fronte stehen. Zwei üebelstände drängen sich jedoch beim Anblicke dieser Anstalt auf : erstens, dass der Manipulations- raum vor den Oefen zu beschränkt ist, und zweitens, dass man die Gebläsecylinder in die, des Gefälles wegen tief in der Erde ausgemauerte. Radstube gestellt hat. Die Erzeugung des Rostschwefels erfolgt bei der ersten Verröstung der Blei- und Kupfererze. Diese VerrÖstung wird in offenen Haufen vorgenommen , welche bis über sechs Mo- nate in Brand bleiben. Auf der Oberfläche derselben werden kleine, nur sechs Zoll tiefe Grübchen angebracht, welche mit Vitriolklein ausgeschlagen werden und in denen sich sodann ein kleiner Theil des Schwefels absetzt, während natürlich der grösste Theil desselben verloren geht. Die übrigen Rö- stungen geschehen in bedeckten Haufen und sind sehr gut eingerichtet. Da die Röstung der Erze mit grossem Vortheile zur Darstellung der Schwefelsäure benützt werden kann , so Russcggcr, Reisen. IV. Bd. 43 674 hat man bei der Ockerhütte hlezu ein sehr sschönes Etabh'sse- ment errichtet, bei welchem man die Kiese in eigenen Oefen verröstet, sonst aber in gewöhnlicher Art vorgeht *. Das grosse Reservoir, die sogenannte Bleikamraer, in welcher die Condensirung der schwefelsauren Dämpfe vor sich geht, ist mit grossen Bleitafeln bekleidet, welche ohne Zinkloth, da dasselbe bekanntlich der Einwirkung der schwe- felsauren Dämpfe nicht wiedersteht, blos unter sich, Blei auf Blei, zusammengelöthet werden. Man bereitet sich zu diesem Zwecke aus Zink und Schwefelsäure in einem eigenen Appa- rate Wasserstoffgas, leitet dasselbe durch einen Regulator in eine lange, elastische Röhre, deren Mundstück die Form einer Löthrohrspitze hat, und mit Leichtigkeit an jeden beliebi- gen Punkt mit der Hand geführt werden kann. Das aus dem Mundstücke strömende Gas wird angezündet und mit dieser Flamme werden die sorgfältigst abgeschabten und nur wenige Linien übereinandergelegten Ränder der Bleitafeln zusammen gelöthet, indem man zu gleicher Zeit den einen Rand erhitzt und den andern Punkt für Punkt oberflächlich schmilzt und beide sodann fest aufeinander drückt. Am meisten üebung und Geduld erfordert die Löthung der stehenden Ränder, denn da muss sie Tropfen an Tropfen erfolgen. Sehr interessant , wenn auch meiner Ansicht nach nicht ganz zweckmässig, ist der Blei- und Kupferhüttenprozess, dem man durch die Gewohnheit, jedes abfallende Hüttenpro- dukt für sich zu behandeln , anstatt die gleichartigen zu gatti- ren, eine Ausdehnung gibt, wie sie vielleicht bei keiner an- dern Hütte besteht, und die selbst jene der sehr zusammenge- setzten Kupferprozesse von Brixlegg in Tyrol und Szaska im ßanate ** übertrifft. — Ich erlaube mir hier in möglichster Kürze eine systematische Üebersicht der beiden Prozesse fol- * Zur Zeit meiner Anwesenheit war auch diese Anstalt nach nicht vollendet; Freiherr von Leithiver aber, der Direktor der Wiener Por- zcllanfabrik, welcher dieselbe nach mir besuchte, hat hierüber schätzbare Notizen gesammelt. "* Meine Bemerkungen über den Kupfer-, Blei- und Silberhüttenbe- trteb im Banate. Karstens Archiv. 9. Band, 1836, p> $16 etc. 675 gen zu lassen, wie sie bei den Hüttenwerken der Communion statt finden. A. Bleihüttenprozess. 1) Die Bleierze, von denen man keine Proben nimmt, sondern deren Halt man aus dem Erfolge der nächst vorher^ gegangenen Sclimelzperiode berechnet , eine gewiss fehler- hafte Methode, werden in offenen Haufen dreimal geröstet. Anf einen Rosthaufen werden 720 Scherben rohes Erz ge- schichtet und dasselbe mit 100 Scherben Erzklein aus der vorigen ersten Röstung bedeckt. Von 100 Scherben roher Erze fallen auf oben angegebene Weise zwei bis drei Zentner gelber und grauer Schwefel. Nach dreimaligem Rösten, wel- ches :>2 bis 42 Wochen dauert, vergrössert sich das Erzvolum von acht auf neun. Um einen Ofen eine Woche lang speisen zu können , bedarf man zur dreimaligen Röstting 12 bis 14 Malter Brennholz, 2) Schmelzen der dreimal geröstetem Blei- erze. Dieselben werden im Halbhochofeii durcfige^toehen. Beschickung : Dreimal geröstete Erze 12 Theile* Oberharzer, sogenannte Altenauer Schlacken, durch die Ocker herbeigeschwemmt, lauter Geschiebe 2,5 „ Alte Haldenschlacken 2 ,> Dreimal gerösteter Bleistein und Lehmsohl« . . 1,5 „ Bleiische Vorschläge 1— «2 Zentner. Aus 100 Scherben dieser Beschickung werden ausgebracht: Ble istein und steinige Lehmsohle Ift bis 18 Scherben. Mit 5—8% an Blei und V4 bis % Loth Silber pr. Zent- ner. Der ßleistein kommt nach dreimaliger Röstung zum nächsten Bleierzschmelzen zurück und diess so lange, bis er zu kupferig wird. W e r k b 1 e i e. ;10 — 32 Zentner, mit 2 % bis 3 Loth Silber pr. Zentner. Gehen zum Treiben. Zink, im sogenannten Zinkstuhle, 10 — 12 Pfund. Speise. Zum nächsten Schmelzen zurück. Dient vor- züglich zur Reinigung der Oefen. " Dem Volumen nach. 43* 676 Ofenbrüche. Gehen zurück. Schlacke. Mit l bis 1 V2 7« »" ß*^'- Sachumständen und Halt entweder auf die Halde oder zu anderen Ver- schmelzungen. Auf eine Schicht rechnet man 33 Balgen Koaks. Gegen- wärtig werden -j^ Koaks mit Ya Holzkohlen gemengt. Die Steinkohle ist die des Wealderthons '^•. :.• 3) Die gerösteten Bleisteine werden, wenn sie stark kupferig sind, für sich durchgestochen. Lezteres, und aus demselben Grunde, geschieht auch mit denen, welche die Schmelzung Nro. 2 wiederholt passirt haben. Die Be- schickung ist ; Bleistein- und Lehmsohlenrost von TNro. 2 ... 18 Theile Verblaseschlacke aus dem Kupferprozesse . . 2—3 „ Aus 100 Scherben dieser Beschickung erfolgen : Werkbleie, mit 3— 4 Loth Silber pr. Zentner, 8—10 Zentner, zum Treiben. Kupferstein T— 8 Scherben, zur Kupferhütte. Schlacke mit l-27o an Blei. 4) Abtreiben derWerkbleie aus den verschie- denen Schmelzungen. 1 Herdeinsatz ist = 80 Zentner Werke. Auf ein Treiben werden gerechnet: 5—6 Schock Waasenholz. iA 24 Himten Treibasche. Ol 1 „ Lederkalk**. Das Ausbringen aufl 00 Zentner Werkbleie, je nach der Art derselben, berechnet sich : a) bei den Werken aus dem Bleierzschmelzen Nr. 2, auf: Blicksilber 18 Mark. Zum Goldscheiden mittelst Schwe- felsäure. Abzug 10 Zentner, zum Abzugschmelzen. ' 1 Karte Kohlen = 10 Mass = 100 Calenb. Cubikfuss. 1 Balgen Koaks = 2,5 Cubikfuss nach dem Ladeschein und 3 Cubik- fuss nach der Ausmass. 12,5 Bälgten Koaks werden 10 Mass Kohlen gleichgestellt. '* 1 Waase Holz ist 4 Fuss lang, mit 10 Zoll im Diaraeter. 8 Himten =-: 10 Kalenb. Cubikfuss. 677 Abstrich S Zentner, theils zum Bleierzschmelzen Nr. 2, theils zum Abstrichfrischen Nr. 0. Herd 31 Zentner, zum Bleierzschmelzen Nr, 2. Krätze 3 Zentner, desgleichen. Kaufglätte 12 Zentner, Handelswaare. Fri seh glätte 43 Zentner, zum Glättefrischen Nr. 5. b) Bei den Werken aus dem Bleisteinschmelzen Nr. 3, auf : Blicksilber. 18 Mark. A bzug-. 12 Zentner. Abstrich. 14 Zentner. Herd. 30 Zentner. Krätze. 3 Zentner. Kauf glätte. 9 Zentner. Frisch glätte. 3.5 Zentner. c) Bei den Werken aus dem Saigern der Abzugswerke Nr. y, auf: Blicksilber. 15 Mark. Abzug. 8 Zentner. x\bstrich. 11 Zentner. Herd. 32 Zentner. Kj'ä tze. 3 Zentner. Frisch glätte. 50 Zentner. 5) Frischen der Frischglätte aus Nr. 4. In Halbhochöfen, 100 Zentner Glätte geben : Frischblei. 88 -DO Zentner, mit V32 — %6 Loth Silber pr. Zentner. •I' Frischschlacken. 4— 6 Zentner mit 30 — 35% an Blei. Zum Bleierzschmelzen Nr. 2. Fr i s c h k r ä tz e. Zum Frischkrätzschmelzen Nr. 8. Man rechnet bei dieser Manipulation auf 100 Stück Gross- blei ä ly^ Zentner, 5^^ Karren Kohlen, 12—24 Stunden Zelt, und auf 100 Stück Kleinblei ä ly^ Zentner 4% Kar- ren Kohlen bei 10 bis 12 Stunden Zeit. .! (») Frischen des Abstriches aus Nr. 4. Wie Nr. 5. 100 Zentner Abstrich geben: Frischblei. 54-58 Zentner, mit y^ — 1 Loth Silber. 1^* Schlacke. 10—15 Zentner mit 15—20% an Blei. Krätze. 678 7) Schmelzen des Abzug; es aus Nr. 4. InKruram- öfen. Der Abzug, ein bleUschkupfriges Gezeuge, wird mit Kupferschlacken durchgestochen, wobei sich auf 100 Zentner desselben ergeben : Abzugswerke 50— ßO Zentner, mit 2—272 Loth an Silber. Kownien zum Saigern Nr. J). Arsenikalische r Abzugsstein 29 bis 30 Zentner, 80 - 907o Schwarzkupfer abwerfend. Krätze, 18 bis 19 Scherben, nebst dem Abzugsstein zur Kupferhütte. Schlacke zum Bleierzschmelzen Nr. 2. 8) Schmelzen d er Fr i seh kratz e aus Nr. 5. Im Halbhochofen. Hiebe! fallen : Krätzwerkblei. Nach dem Silberhalte entweder zum Treiben, oder gleich dem Frischblei gehalten. Frischkrätzschlacken zum Bleierzschmelzen. 9) Saigern der Abzugswerke aus Nr. 7. Es fallen : Abzugswerkbleie zum Treiben. Abzugssaigerkrätze zum Schmelzen Nr. 10. 10) Seh raelzen der Abzugs- Sa ige r kratze aus Nr. 9. Im Krummofen. Es fallen: Abzugs-Saigerkrätzkönig. Zum Schmelzen Nr. 11. Schlacken. Auf die Halde. Die Abzugs-Saigerkrätze wird auch, anstatt sie für sich im Krummofen durchzustechen , dem Ofenbruche des Gaar- schlackenschmelzen, oder der Saigerkrätze vom Saigern der Gaarschlackenkönige, oder endlich dem Ofenbruche des Ver- blase-Schlackenschmelzen bei der Kupferhütte zugetheilt und mit diesen Gezeugen zusammen zu Gute gebracht. 11) Verblasung der Abzu gs-S aiger krätzkö- n i ge aus Nr. 10, für sich im Spieissofen. Es fallen : A bzugs-S chw arz k upf er, zum Gaarmacheu Nr. 12. Verblaseschlacken, zum Verblase-Schlackenschmel- zeu bei der Kupferhütte. Die Abzugs-Saigerkrätzkönige werden auch zusammen mit den Verblase-Schlackenkönigen und dem Ofenbruche aus 679 dem Verblase-Schlackenschmelzen des Kupferpro2es$e5 im Spieissofen verblaseii. 12) Gaarmaclien des Abzu gs - Schwarzkup- fers aus Nr. 11. Hiebei fallen: A b z u g s - G a a r k u p f e r , Handelswaare. Abzugs-Ga arschlacken zum Verblase-Schlacken- schmelzen bei der Kupferhütte. B. Kupfer hütten prozess. 1) Röstung der Kupfererze. Die RÖstung ge- schieht in offenen Haufen, bei welchen auf 720 Scherben roher Erze 100 Scherben Klein von der vorigen Röstung als Decke gegeben werden. Die Erze erhalten drei Feuer und geben beim ersten auf 100 Scherben 3 — SZentner gelben und grauen Schwefel. Zur dreimaligen Röstung bedarf man 80— 92 Mal- ter Rüstholz und 34 — 40 Wochen Zeit. Der Kniestwird ebenfalls geröstet, jedoch, dahiebeikein Schwefel erzeugt wird, ohne Decke. Zum Knieströsten be- darf man unter sonst gleichen Verhältnissen mit den Erzen 45—50 Malter Rostholz und 2—3 Wochen Zeit. 2) Kupfer schmelzen. Im Krummofen. Beschickung : Dreimal geröstete Kupfererze 10 Theile *. Schlacken vom Schmelzen Nr. 2, 3, 4, 6 . . 6—8 „ Kniest oder getrockneter Thon 3 — 4 „ Auf eine Schicht, deren fünf auf ein Wochenwerk und 15 auf ein Zumachen lallen, bedarf man : % — y^ Karren Holzkohlen. 13 — 15 Balgen Koaks. Von 100 Scherben obiger Beschickung werden aus- gebracht : Rohstein, 30—46 Zentner, mit 40 — 50% an Schwarz- kupfer und 2 — 2V2 Loth pr. Zentner an Silber, zum Rösten. Zink, im Zinkstuhle, 1 — 3 Pfund. Schlacken mit y,% an Schwarzkupfer, Spuren von Sil- ber. Entweder auf die Halde oder zum nächsten Erzschmelzen. ' Dem Volum nach. 680 Ofenbruch zum Erzschmelzen zurück. Königskupfer, eine Art Speise, mit dem Rohstein zum Rösten. 3) Rohsteinschmelzen. Der Rohstein aus Nr. 2 wird mit drei Feuern geröstet. Man bedarf hiezu 3—4 Malter Rostholz und 230—290 Stun- den Zeit. 9 Scherben Rohstein bilden 10 Scherben rohen Rost. Der geröstete Rohstein wird im Krummofen durchge- stochen. Beschickung: Rohrost, d. h. gerösteter Rohstein 12 Theile Gebrannter Thonschiefer 4 » Materialverwendung auf eine Schicht: y4 Karren Holzkohlen, S Balgen Koaks. Zeitaufwand 6— S Stunden. Aus 100 Scherben der Beschickung fallen: Rohrost-Schwarzkupfer 35 — 40 Zentner. Mit 90—96% Kupfer und 4-6 Loth Silber pr. Zentner. Wird granulirt und kommt zum Frischen Nr. 9. Kupferstein 35-40 Zentner. Mit 60— 70% Schwarz- kupfer undiyj —2 Loth Silber pr. Zentner, zur Schmel- zung Nr. 4. Schlacken. Mit 2 - 3% Schwarzkupfer und V^»— Vg Loth Silber pr. Zentner, zum Erzschmelzen Nr. 2. 4) Kupfersteinschmelzen. Der Kupferstein aus Nr. 3 erhält 5—6 Rostfeuer; mit einem Rostholzaufwand von 4—5 Malter und in einer Zeit- dauer von 180-200 Stunden. Der Kupfersteinrost wird sodann für sich, ohneZuschlag, im Krummofen verbhasen und hiebei werden auf eine Schicht mit 6—9 Stunden Zeit ly^— 2 Karren Holzkohlen verwendet. Das Ausbringen auf 100 Scherben besteht in: Kupferrost-Schwarzkupfer, 85 — 95 Zentner fast reines Gaarkupfer mit 2^0 bis 4 Loth Silber pr. Zent- ner, kommt zum Gaarmachen Nr. 5. Armstein 24—30 Zentner, mit 50 — 60% Schwarzkupfer und y4— 1 V2 Loth Silber pr. Zentner, kommt zum Schmel- zen Nr. 6, 681 Schlacke mit 3— 4% Schwarzkupfer und Yao— -Vie Loth Silber pr. Zentner. Zum Erzschraelzen Nr. 2. 5) Gaar machen des Kupferrost-Scliwarz- kup f ers aus Nr. 4. Im kleinen Gaarhcrde. Es fallen : Gaarkupfer. Handelswaare. Gaar seh lacke, zum Gaarschlackenschmelzen Nr. 2.1. 6) A r m s t e i n s c h m e 1 z e n. Der Armstein aus dem Schmelzen Nr. 4 wird mit .*> — 6 Feuern verröstet. Jeder Rost beträgt 4 — 8 Zentner und er- fordert auf 1 Feuer 6—10 Stunden Zeit. Im Ganzen gehen hiebei 1—2 Malter Rostholz auf. 19 Scherben Armstein ge- ben 20 Scherben Armrost, Das Durchstechen des gerösteten Armsteins erfolgt im Krummofen. Derselbe wird ohne Zuschlag Verblasen und man rechnet auf 1 Schicht, zu G — 9 Stunden Zeitdauer, 12 Scherben Armrost mit einem Materialaufwande von ly^ — 2 Karren Holzkohlen. Es fallen hiebei auf 100 Scherben Armrost : Armros t-S ch w ar zkupf e r 65—75 Zentner mit 91 — 96Vo a" Gaarkupfer und ly, _2Vj Loth Silber pr. .<' Zentner. Kommt zum Gaarmachen Nr. 7. »I Sp urstei n , in geringer Menge. Wird dem Armstein aus 3 Nr. 4 gleich behandelt, geht daher zurück. Schlacke. Mit 3—4% an Schwarzkupfer und 764 — 732 an Silber pr. Zentner, zum Erzschmelzen Nr. 2. 7) Gaarmachen des A r m r o s t - S c h w a r z k u p- fers aus Nr. 6. Im kleinen Gaarheerde. Es fallen: Gaarkupfer, Handelswaare. Gaarsch lack en zum Gaarschlackenschmelzen Nr. 23. S) Behandlung des Kupfer Steins aus dem ß I e i s t e i n s c h m e 1 z e n Nr. 3 des Bleihüttenprozesses. Der Kupferstein wird nach jedesmal vorhergegangener Röstung, analog den hier angegebenen Schmelzungen, drei- mal durchgestochen. Der Gang der Manipulation ist derselbe; nichts wird zusammen gattirt, sondern jeder abfallende Stein für vsich behandelt, daher man auch, wie ich glaube, unter 4 Jahren nicht zu den richtigen Ziffern der Resultate eines ab- geschlossenen, jährlichen Auf- und Ausbringens gelangen kann. 682 Der Kupfersteio aus der Steinarbeit erhält bei der Rö- stung 2 Feuer und bedarf auf 100 Scherben und einmalige Röstung- 5—10 Malter Rostholz in 8 — 10 Tagen. Der Stein aus dem ersten Durchstechen 4 Feuer, mit 4 — 6 Malter Holz in 2 — 4 Tagen auf 100 Scherben und ein- malige Röstung. Der Stein ans dem 2. und 3. Durchstechen 5 Feuer, er- sterer mit 3 — 5 Malter Holz in 2 — 3 Tagen , zweiter mit 2—4 Malter Holz in 2 — 3 Tagen , auf 100 Scherben und einmalige Röstung. 9) Frischen der Roh r ost-Sch warzkupf er- g r a n a 1 i e n aus Nr. 3. Mit dieser Manipulation beginnt der ausgedehnte Frisch-, Saiger- undDarrprozess, der sich bis zur Manipulation Nr. 25 nachstehender Reihenfolge fortzieht und erst mit dieser als geendet angesehen werden kann. Zum Frischen werden die silberreichen Schwarzkupfer vorerst in einem eigenen Spleiss- ofen eingeschmolzen und granulirt. Die bleiischen Gezeuge werden beim Durchstechen mit aufgegeben, nicht vorgeschla- gen. Die Saigerherde haben jeder zwei gusseiserne Spuren und zwei eiserne Seitenwände. Auf einen Herd werden 6 oder 7 Frischstücke aufgesezt. Die Schwarzkupfergranalien werden nach ihrem Silberhalte den Frischarbeiten zugetheilt und zwar mit Ys zum Armfrischen Nr. 9, mit % zum Mittel- frischen Nr. 11 und mit % zum Reichfrischen Nr. 13. Das Frischen der Rohrost-Schwarzkupfergranalien erfolgt im Krummofen. Beschickung auf ein Armfrischstück : % Zentner Schwarzkupfergranalien. iy4 Zentner Krätzwerkblei und Glätte, vor Allem aus dem Treiben der Reichwerke Nr. 15, reicht man damit nicht aus, so wird von der ßleiarbeit geborgt. Es fallen : Ä r m f r i s c h s t ü c k e, zum Saigern N r. 10, F r i s c h s c hl a c k e n, zum Krätzefrischen Nr. 18. 10) Saigern der Armfrisch stücke aus Nr. 9. Von 100 Armfrischstücken fallen: 683 75—85 Zentner Kühn stocke mit 1 yo~-2 Loth Silber pr. Zentner. Zum Darren Nr. 16. 130-135 Zentner Arm werk mit Z—i^i L-^th Silber. Zum Mittelfrischen Nr. 11. 45 — 50 Zentner Krätze undSchlacken. Zum Frischen Nr. 18. Zu 35 Frischstücken sammt deren Saigerung- sind über- haupt erforderlich: 'i^/^ — Sy^ Karren Holzkohlen und 1% — 2 Malter Rostholz zum Saigern. Arbeitsdauer 20 — 24 Stunden. 11) Frischen der Armwerke aus Nr. 10 im Krummofen. Beschickung auf ein Mittelfrischstück : % Zentner Schwarzkupfergranalien. Ya >, bleiische Krätze. 1% „ Armwerk aus Nr. 10. Es fallen : Mittelfrisch stücke, zum Saigern Nr. 12. F r i s c h s c h 1 a c k e n, zum Krätzefrischen Nr. 18. 12) Saigern d erMittelfri sc hstücke. Aus Nr. 11. Von 100 Mittelfrischstücken fallen: 75— 85 Zentner Kühnstöcke mit ly« — 2 y4 Loth Silber pr. Zentner, zum Darren Nr. 10. 175— 160 Zentner Älittelwerk mit 4—474 Loth Silber pr. Zentner, zum Reichfrischen Nr. 13. 50 — 55 Zentner K rä tze und Sc hlack e n, zum Fri- schen Nr. 18. 13) Frischender Mittel werke aus Nr. 12, im Krummofen. Beschickung auf ein Reichfrischstück ; "'/^ Zentner Schwarzkupfergranalien. 2y^ Zentner Mittel werke aus Nr. 12 und Krätzwerkbleie aus Nr. 19 und 22. Es fallen: Reichfrisc hst ücke, zum Saigern Nr. 14. Frischschi ac ken zum Krätzefrischen Nr. 18. 14) Saigern der R e i c h f r i s c h s t ü c k e aus Nr. 1 3. Von 100 Reichfrischstücken fallen: 75 — 85 Zentner Kühnstöcke, 2 — 2y^ Loth Silber pr. Zentner. Zum Darren Nr. 16. 205—210 Zentner Reich werk, Werkblei mit 5— Sy^ Loth Silber pr. Zentner, zum Treiben Nr. 15, 684 50—60 Zentner Krätze und Schlacken zum Frischen Nr. 18. 15) T r e i b e n d e r Re i c h vv e r k e aus Nr. 14. SO Zentner auf ein Treiben gerechnet. Materialaufwand in tlO— 24 Stunden : 24 Himten Treibasche , 4%— 6 Schock Waasen-Treibholz. Auf 100 Zentner Werkbleie fallen; 70—75 Zentner Glätte, mit<)6— 987o »" ß*ei und VgLoth Silber pr. Zentner, zum Armfrischen Nr. 9, 30—33 Zentner Herd. Mit 74--807o an Blei und % Loth Silber pr. Zentner den Frischarbeiten Nr. 22 und 18 zugetheilt. 25 — 32 Mark, 15löthiges B 1 i c k s i 1 b e r. Zum Goldscheiden. 16) Dar re n derKühnstöcke aus Nr. 10, 12 und 14. Auf einen Darrofeneinsatz werden 35 Kühnstöcke ge- rechnet. Das Darren dauert 12 — 15Stunden mit einem Brenn- holzaufwande von 3 — 4 Malter. Aus 100 Zentner Kiihnstöcke fallen: 50—60 Zentner D a r r li n g e. Mit 90—96% Gaarkupfer und 1 y, — 2y,LothSilber pr.Zentner, zumGaarmachenNr.17. 45 — 55 Zentner Darrschlacke und Pick schief e r. Erstere mit 1 % Loth , lezterer mit 3 Loth Silber pr. Zentner. Beide mit 40 — 50% Blei. Kommen zusam- men zum Frischen Nr. 18. 17) Gaarmachen der Darrlinge aus Nr. 16. Es fallen : Gaarkupfer. Handelswaare. G aa rschlacken. Zum GaarschlackenschmetzeuNr. 23. 18) Gutkrätzfrischen. Frischen der Schlacke und Krätze aus den Manipulationen Nr. 9, 10, 11, 12, 13 und 14, dann der Darrschlacke und des Pickschiefers aus Nr. 16, so- wie des Herdes aus Nr. 15. Im Krummofen. 1 Schicht =: 4 Scherben liefert 5 Friscbstücke, a l'y^ — 2 Zentner. 15 Frischstiicke werden auf ein Krätzfiischen ge- rechnet und fordern lYo — 2 Karren Kohlen. Das Frischen dauert 10 — 15 Stunden. Beschickung auf eine Schicht ausser den obenerwähnten Gezeugen : IV4— 2 Zentner Bleizuschlag in Herd und Glätte. 685 i/j— Yj Zentner Zuschlag an gepochtem und gewaschenem Krätzkiipfer aus den verscliiedenen Saigerherd- und DaiTofenbrüchen. Es fallen hiebe! : Gutkrätzfrischstü eke. Zum Saigern Nr. 19. F r i s c h s c h 1 a c k e. Zum Frischen Nr. 22. 19) Saigern der G utkrätzfr isc hstücke aus Nr. IS. Auf die Saigerung von 7 Krätzfrischstücken werden Yg— y, Malter Rostholz gerechnet. Es fallen: ■ Kiihn stocke. Mit V/^ — 2 Loth Silber pr. Zentner, zum Darren Nr. 20. Gute Krätzwerkbleie. Mit 2V2--3V2 Loth Silber pr. Zentner, zum Frischen Nr. 13. Schlacke und Krätze. Mit 1 — 2% Gaarkupfer, 27—32% Blei und Vg Loth Silber pr. Zentner, zum Frischen Nr. 22. 20) Darren der Kühn stocke aus Nr. 19. Es fallen : Darrlinge. Mit 70— 807„ an Gaarkupfer und 1 — 1% Loth Silber pr. Zentner, zum Gaarmachen Nr. 21. Darrschlack e. j „ „. , -^ ,,^ „ . , , . ^ J Zum Frischen Nr. 22. Pickschieier. \ 21) Gaarm achen der Darrlinge aus Nr. 20. Im kleinen Herde. Es fallen: Gaarkupfer. Handelswaare. Ga arschlacke. Zum Gaarschlackenschmelzen Nr. 23. 22) Schlimmkrätzfrischen. Frischen der Schlacke und Krätze, des Herdes, der Darrschlacke und des Pickschie- fersaus den Manipulationen Nr. 15, 18, 19und20. Im Krumm- ofen. Es fallen: Schlimmkr ätz-Fri sehst ück e. Werden in dersel- ben Weise zu Gute gebracht, wie die Gutkrätz- F ris chstü ck e au s Nr. 18, sie durchlaufen näm- lich den gleichen Saiger-, Darr- und Gaarmachprozess. Frisch seh lac ke. Zum Bleierzschmelzen Nr. 2 beim Bleihüttenprozess. 23) Gaarschlackenschmelzen. Im Krummofen. Durchstechen der Gaarschlacken von Nr. 5, 7, 17 und 21 686 nebst 22, manehmal auch der Frrschachlacken von Nr. 9; wenn sie arm sind. Es fallen : G aar Schlackenstein, zur Schmelzung Nr. 24. Gaarschlackenkönig-, zur Saig^ening Nr. 2.'>. Ofenbruch, zum Frischkrätzeschmelzen Nr. 8 beim Bleiprozesse. Schlacke. Zum ßleierzschmelzen Nr. 2 beider Bleihütte. 24) Schmelzen d es Gaar Schlackensteins aus Nr. 23. Im Krummofen. Der Gaarschlackenstein wird vor- erst mit 6 — 8 Feuern geröstet, wobei man auf 1 Rost 1—2 Malter Holz und 3—4 Stunden Zeit rechnet. Beim Durchstechen dieses Rostes fallen: Gaarschl ac ken-Ros tkupf er. Wird mit den Darr- lingen aus Nr. 20 gegaart. S p u r s t e i n. Dem Rösten des Gaarschlackensteins wieder zugetheilt. Schlacke. Zum Erzschmelzen Nr. 2 des Bleiprozesses. 25) Saigern der Gaarschlackenkönige, aus Nr. 23. Es fallen : Gaarschlacken-Küh nstöeke. Zum Verblasen Nr.26. Gaar schl acken- Königs werkbleie. Zum Treiben. Saigerkrätze und Schlacken. Zum Schmelzen der Abzugssaigerkrätze, Nr. 10 beim Bleiprozesse. 26) Verblasen der Gaarsch lacken-Kühn- s töcke aus Nr. 25. Im eigenen Spieissofen. Es fallen : Gaar seh lacken -Königsschwarzkupfer. Zum Gaarmachen Nr. 27. Verblaseschlacken. Zum Schlackenschmelzen Nr. 28. 27) Gaarmachen des Gaarschlackenkönigs- Schwarzkupfer. Es fallen: Gaarkupfer. Handelsvvaare. Gaarschlacken. Zum Schlackenschmelzen Nr. 28. Das Gaarmachen der verschiedenen Schwarzkupfer ge- schieht entweder im kleinen Gaar- (Rosettir-) Herde, oder im grossen Gaar- (Spleiss-) Herde. Beim kleinen Gaarherde rechnet man auf 100 Zentner Gaarkupfer, dessen Silberhalt pr. Zentner bis zu 4l»: 81798 1S36 „ „ „ „ 90955 1837 „ „ „ „ 92373 1838 „ ,y „ „ 70353 Thalern ab. Unter den Hüttenwerken an der Ocker steht auch eine Messingfabrik im Betriebe, die jedoch nicht mit Lokalrohpro- dukten arbeitet, sondern ihr Kupfer aus Trondhjem und den Zink aus Schlesien bezieht. Die Mischung; beider geschieht daher im metallischen Znstande. Der Gnss der Messingtafeln erfolgt, wie am Rheine, zwischen grossen Granitplatten, jedoch mit grösster Sorgfalt. Nach jedem Gusse werden die noch warmen Platten mit Kuhmist bestrichen , dann rein abgekehrt und mit wollenen Decken bedeckt, um sie bis zum nächstfol- genden Gusse im Zustande einer gewissen Temperatur zu er- halten. Die Dicke der Messingtafeln bestimmt und regulirt man beim Gusse durch zwei zwischen die Granitplatten der ganzen Länge nach eingelegte flache Eisenstäbe. Die ge- gossenen Messingtafeln kommen in das Walzwerk, werden dort einen Tag lang massig geglüht, passiren dann dreimal die Walzen, werden wieder geglüht, wieder dreimal durch die "Walzen gezogen und so fort, bis sie die erforderliche Dimen- sion erhalten. Mit demselben Walzwerke werden auch Blei-, tafeln von grossen Dimensionen dargestellt. \) Die verschiedenen Messingbleche kommen theils als solche zum Verschlusse, theils werden sie im HaramerAverke zu Kes- seln ausgearbeitet, in Streifen geschnitten und zu Draht ge- zogen u. s. w. Die Beize, aus welcher der feinere Draht mittelst stehender Spindeln und durch durchlochte eiserne Re- gister gezogen wird, besteht in einer Eisenvitriollauge. 3} Der haunoversclte Oberliarz. Clausthal* Die Gru- .r-"t Uten : Hülfe Gottes am Grund nud Bergr^verks^vohl- T) fahrt. Die Auf bereitung deir Krze über Tag^s. Der Hüttenprozess. Ich kam in der interessanten Zeit auf den Oberharz, als die Oberleitung der dortigen Werke unter dem in der berg- G89 männischen Weif so berühmten Oberbergrathe Albert stand. Umgeben von den tüchtigsten Berg- nnd Hiittenmännern ward Ausserordentliches geleistet nnd es herrschte nnter dem gan- zen Personale ein wissenschaftlicher Bergmannsgeist, ein Vorwärtsstreben in jeder Richtung, das dem Vorstande und seinen Organen ebenso zur Ehre gereicht, als es zum Muster für Alle unseres Standes dient. Aus jener Periode stammt eine Reihe interessanter Abhandlungen *, welche das wichtig^- ste aus den in der lezten Zeit am Oberharze vorgenommenen Versuchen und Betriebsmodifikationen besprechen und durch deren Inhalt, unter gleichzeitiger Berufung auf die vorne p. (»64 angegebenen , auf den Harz Bezug nehmenden Schriften, ich es nur für überflüssig erachten kann In ein näheres Detail des Betriebes hier einzugehen. Ich werde vielmehr mich nur auf allgemeine üeberblicke einzelner Betriebszweige nach ihrem gegenwärtigen Stande (1840) und auf Mittheilung des- sen beschränken, was erst in lezter Zeit daselbst vorgenommen wurde und In den hier angegebenen Abhandlungen noch nicht besprochen Ist. Die Umgebung von Clausthal gehört ganz derGrauwacke und ihren Schiefern an; nur gegen Ost und Südost liegt ein grosser, aus NO. In SW. streichender und Eisensteinlager führender Dioritzug vor, auf welchem die Grubenbaue derLer- Karstens Archiv. 10. Band, 1837 : Albert: Resultate der Bergwerksverwaltung; des hannoverschen Ober- harzes in den Jahren 1831 — 1836. Zimmermann: die Erzgänge und Eisensteinlagerstätte des nordwest- lichen hannoverschen Oberharzes. Bartels: über das Verschmelzen der Bleierze im Flammenofeu. Derselbe: über die in den Jahren 1835 und 1836 auf dem Oberharze ausgeführten Versuche, Bleierze in einem mit der Rast zugestell- ten Hohenofen zu verschmelzen. Oberbergmeister Ey: über den jetzigen Stand des Aufbereitungswe- seus auf dem Oberharze. Oberpochsteiger Ey : über die Anwendung von Walzwerken statt der Pochstcmpel bei der Aufbereitung des Bleiglanzes. Doerell: über die seit dem Jahre 1833 beim obcrharzischen Berg- baue angewendeten Fahrmaschinen (Fahrkünste). Albert: über Treibseile (Drahtseile) am Harze. Jordan: Beschreibung der Wassersäulenmaschinen im Silbersegner Richtschachte bei Clausthal. Russe gg er, Reisen. IV. Bd. 44 690 baclier und Altenauer Eisensteinievier umgehen. Die Erze führenden Gänge der Grauwacke setzen im Allgemeinen nicht in den Diorit über. Die Schichten des Grauwackengebirges streichen ans NO. in SW. und verflachen SO. ; die Erze fiih- renden Gänge hingegen streichen durchschnittlich aus Ost in West mit abwechselnder Mächtigkeit und fallen in Süd. Betrachtet man diese Gänge nach ihrer lokalen Lage, so sehen wir, dass sie bestimmte Gruppen, Züge, bilden, bei wel- chen immer ein Hanptgang zur Basis dient, den verschiedene Trümmer und Nebengänge begleiten. Wir unterscheiden in dem Clausthaler und benachbarten ZeUerfelder Revier acht solche Gangzüge, uämlich * : den Lautenthaler und Hahnenkleer Zug, den Bockswieser Zug, den Festenburger und Schulenberger Zug, den Hütschenthaler und Spiegelthaler Zug, den Hausherzberger Zug, den ZeUerfelder und Burgstädter Hauptzug, den Rosenhöfer Zug, den Silbernaaler Zug, auf welchen zusammen eine Menge von Grubenbauen umgehen oder umgegangen sind. Die Ausfüllungsmasse dieser Gänge bilden : ein milder Schiefer, Kalkspath, Schwerspath, Braunspath, Spatheisen- stein, Quarz. Der Schwerspath ist vorzüglich vorherrschend auf dem Silbernaaler Hauptzuge. Die Erzführung dieser Gänge besteht vorwaltend in silberhaltigem Bleiglanze, ausser wel- chem aber auch Kupferkies, Schwefelkies, Zinkblende, Fahl- erz, Zundererz, Schwarzgültigerz und Bournonit einbrechen. Die Taggegend derZellerfelder-Clausthaler Revier bildet ein flachhügeliges Plateau, das sich in Ost an den Brocken unschliesst und im Durchschnitte zu ISOO Fuss Meereshöhe ansteigt. Von den vielen Gruben in der Umgebung von Clausthal befuhr ich nur : Hülfe Gottes am Grunde und Bergwerkswohl- fahrt. Beide gehen, zwischen der Bergstadt Grund und Claus- thal, auf dem Silbernaaler Gangzuge um und in beiden hat man Gelegenheit, nicht nur einen regelmässigen, sondern einen * M. s. Zimmermanns vorne bezeichnete Gangkarle. GOl in jeder Beziehiing' miistcrliaften Grubenbau zu studiren. Hülfe- gottes baut auf einem Hangendgange des Bergwerkswohl- fabrter Ganges und wurde schon in alter Zeit betrieben. Da man jedocii endlich den Hauptgang und die Hauptveredlung verfehlte, so wurde die Grube eingestellt und der gegenwär- tige Bau, der sich nur auf Hoffnnngs- und Ausrichtungsbetrieb beschränkt, zahlt erst 9 Jahre. In dieser kurzen Zeit wurde das Unternehmen mit einem wahrhaft glänzenden Erfolge be- lohnt, denn man hat viele und sehr reiche Mittel ausgerichtet, sie zum Abbaue vorbereitet, nimmt aber diesen selbst aus ei- ner sehr weisen Oekonomie gegenwärtig nicht vor, sondern überlässt ihn der Zukunft, wenn einst der £rzbedarf denselben erheischt. Ich fuhr mit dem Berggeschworenen Babe durch den Was- serstollen, der vom Bergwerkswohlfahrter Thale aus durch den Berg in das Thal Grund führt und den Zweck hat, von ersterem Thale ans das nöthige Aufschlagwasser durch den Berg hindurch zu leiten und zugleich als Communikation zwi- schen beiden Thälern für die umliegenden Bewohner zu die- nen. An dem ziemlich steilen Thalgehänge wird das Wasser in Lutten hinabgeleitet , theils um als Kraftwasser bei dem vierten Lichtloche des tiefen Georgsstollen zu dienen, theils um weiter unten in eine aus gusseisernen, zwölf Zoll im Lich- ten haltenden Röhren bestehende Wasserleitung einzutreten. In den Lutten zeigt sich ausgezeichnet die interessante Er- scheinung, dass die obern Schichten des schnell dahinflies- senden Wassers über die untern, welche die Reibung am Holzboden der Lutte überwinden müssen , hinweg- eilen , wodurch ein ganz eigenthümliches Wellenspiel ent- steht. Die aus eisernen Röhren bestehende Leitung bildet einen steilen Absturz , dessen Seigerhöhe 36 Lachter be- trägt, so dass das Wasser am entgegengesetzten Thalgehänge in einer gleichen Röhrenleitung mit Leichtigkeit 26 Lach- ter hinansteigt. Hier haben sich die bezüglichen hy- draulischen Formeln unseres unvergesslichen Bergrathes ScHiTKO " auf das genaueste bestätigt und im Ziffer ihrer '•' Mein ausgezeichneter Lehrer der Mathematik und Physik auf der Bergakademie zu Schemnitz. 44* 692 Wertlie haarscharf bewährt. Das aufsteigende Wasserquan- tum beträgt 10 Cub.-Fuss in einer Zeitsekunde, da man aber bei Hülfe Gottes nur 3 Cub.-Fuss benöthigt, so ergibt sich hieraus ein bedeutender Ueberschuss an Kraftwasser. Von dem Ausgusspunkte oberhalb Hülfe Gottes wird das Wasser wieder in Lutten fortgeleitet. Die Fall- und Steigröhren sind beständig ganz voll , daher man auch mit Anhäufungen von gepresster Luft hier nicht zu kämpfen hat. Die Röhren sind unter sich konisch zusammengefügt und die Zwischenräume mit Blei ausgegossen. Die ganze Wasserleitungsanstalt ge- währt einen grossartigen Anblick. Das Pochwerk für die Gotteshülfer Pocherze befindet sich im Thale Grund unweit des Älundloches des tiefen Georg- stollens ; die Erze müssen daher dahin transportirt werden, ein Uebelstand, dem man mittelst eines sogenannten Prems- berges und Zuförderung der Erze von der Höhe herab zu be- gegnen beabsichtet. Die Förderung geschieht, wie am ganzen Harze, mit Drahtseilen über cyÜndrische Körbe. Man bedient sich bei den Goppeln durchgehends der Kehrräderund arbeitet in gewissen Momenten der Hülfslast nicht nur ohne Treibwasser, sondern wie bei unsern grossen salzburgischen Kehrrädern mit Kehr- und Sperrwasser, als den für die Maschine wenigst nachthei- ligen Premsungsmitteln. Um gleichzeitig aus verschiedenen Teufen zu fördern, sah ich am Oberharze viererlei Vorrichtungen zurmoraentanen Fixirung des einen Seilkorbes. Sie sind ebenso einfach als sinnreich, diezweckmässigste bleibt jedoch immer die, wo so- wohl der Oberseilkorb, als der für das ünterseil, jeder seine eigene Welle hat, sich gegenseitig durch Getriebe bewe- gen und bei Auseinanderrücken derselben mittelst der Premse im Augenblick feststellen lassen *. Bei den Pumpensätzen der Wasserhebmaschinen bedient man sich zum Saugen und Heben der sogenannten Sturzkol- ben hölzerner, für den Wasserdurchzug durchlochter, abge- stuzter Kegel , bei welchen die oben angebrachten Scheiben von Sohlenleder sowohl die Stelle der Liederung, als jene der Man sehe die Anmerkung vorne p. 386. G93 Ventile vertreten. Zur Förderung- in der Grube sind Schienen- wege, mit Drehsclioiben auf den Kreuzo^estüngen angelegt. Die Schienen sind theils aus Gusseisen , theils aus Schmiede- eisen verfertigt; nur über Tags bedient man sich aucli solcher aus hartem HolzC;, welche sehr lange halten. Betreuend den eigentlichen Grubenbau, so ist die Ausrichtung- des Ganges und seiner Trümmer nach streng- wissenschaftlichen Grund- sätzen durchgeführt, so auch die Vorbereitung- der Abbaumit- tel. Der brüchigen Gangmassen wegen wird auf geregelte Abquerungen besondere Rücksicht genommen und wir sehen solche mitunter zur Vermeidung längerer Auslenkstrecken von 10 zu 10 Klafter. In allen Strecken und Schächten, in welchen das Holz der Zimmerung durch matte Wetter leidet, erstickt, wie der Bergmann sagt, ist das INasshalten des Ge- zimmers eingeführt und wird durch Spritzwerke , durch be- giessen, durch Traufbühneu u. s. w. erreicht. Auch das Bohr- gezähe, worin man bei unzähligen Grubenbauen noch immer einem ganz irrigen Prinzipe huldigt , ist am Oberharze sehr zweckmässig. Es ist klein, der Durchmesser der Bohrlöcher beträgt höchstens 10 Linien. Bergwerkswohlfahrt baut gegenwärtig (1S40) bis in eine Teufe von 174 Lachter. Das Gebirgsgestein bilden Grau- wacke und Thonschiefer; die Gangausfüllung Thonschiefer, Schwerspath , Kalkspat!» und Strontian. Die Erze bestehen vorzüglich in silberhaltigem Bleiglanze , der meistens den Gangschiefer begleitet und sehr häutig Trümmer desselben zusammen mit Kalkspath verbindet, wobei der ßleiglanz kon- zentrischschalig die Schiefertrümmer umschliesst und ganz das Ansehen eines Thermengebildes an sich trägt. Ich fuhr auf ßergwerkswohlfahrt mit Babe durch den Schacht Meden ein. Der Abbau, durchaus firstenmässig, ist musterhaft geregelt. Aus den vielen Abquerungen und den mit der Teufe zunehmenden vielen Ausrichtungen leuchtet das durchdachteste System hervor. An vorräthigen , ganz zum Abbaue vorgerichteten Mitteln ist kein Mangel und es wird überhaupt genau daraufgesehen, dass nach erfolgter Press- hauuug eines Erzmittels sogleich ein neues zum Angriffe be- reit steht. C94 Die ungewöhnliche Bruchigkeit der Gangmasse und der dadurch herbeigeführte Druck bedingen ausserordentiiclte Massregeln , vor allem aber eine Grubenzimmerung, die man als Schule derselben betrachten kann. Manche Reviere stecken so voll, wenn auch sehr zweckmässig angebrachten, Gezimmers, dass man sich schwer darin zurecht findet. Stem- pel von der Dicke mittlerer Wellbäume sind an solchen Orten nicht selten zu sehen. Da jedoch mit einem solchen Ausbaue und der Erhaltung desselben stets ein sehr bedeutender Un- kosten verknüpft ist, so bemüht man sich, wo es nur anwend- bar ist , die brüchigsten Strecken mittelst ümtreibsörtern zu umgehen. Zwischen den Firstenbauen und den Hauptstrecken lässt man ein drei Lachter hohes Mittel als Bergfeste stehen, wel- ches zulezt abgebaut wird. Die Sturzrollen , welche durch die Verhaue geführt und mit den Umbruchsörtern in Verbin- dung gesezt werden , bilden im horizontalen Querschnitte einen Kreis, haben aber sonst die Form abgestuzter Kegel, unten weiter als oben , was für das Stürzen des Hauwerkes vortheilhaft ist. Sie sind ausgemauert und zwar trocken, mit behauenen Steinen, in sehensvverther Solidität, daher auch eine Lachter solcher Mauerung bis zu 150 Thaler zu stehen kommt. Nicht minder fest und schön ist die Ausmauerung und Gewölbung der Schachtfüllörter. Wir fuhren eine Strecke im alten Haus-Braunschweiger- schachte. Derselbe ist mehr als 120 Jahre ersäuft gestanden und bei der Abzapfung seiner Wasser entwickelten sich schla- gende Wetter, welche heftig explodirten. Ich sah daselbst ein sehr schönes Vorbohrloch von mehr als 20 Fuss Länge und überzeugte mich, dass die Alten, anstatt Abquerungen zu be- treiben , häufig nur Löcher in die Ulmen eintrieben , um aus der Beschaffenheit des Bohrmehls die des hinterliegenden Ge- steins zu beurtheilen. Die Aufbereitung der Erze über Tags geht am Oberharze folgenden Weg: man theilt das aus den Gruben kommende Hauwerk in Wände und Grubenklein. Erstere, oft bis zu '/, Kubikfuss gross, werden zwischen kanellirten Walzen vorge- brochen und während man sodann mittelst Handscheidung das (i95 Stufferz anshält, wird das üebrige an ein zweites VValzenpaar abgegeben, welches die Erze zur BoUnengrösse zerquetscht. Die durch die Walzen , welche fünf bis sieben Wochen aus- dauern , dargestellte Grobe wird mittelst Gitterseparation in Waschwerkskorn und in Setzkorn getheilt. Bei diesen Walz- werken geschieht das Zurücktragen der durchpassirten grös- seren Stücke, welche neuerdings zerquetscht werden müssen, jiach englischer Manier mittelst eines eigenen Heberades. Die Siebsetzarbeit ist unstreitig am Harze zu ihrer höch- sten Vollendung gediehen und soweit gebracht, dass ein Mann des Tags 260 Zentner zu setzen im Stande ist. Er versieht zu diesem Zwecke zwei Siebe, welche in ihren zugehörenden Setzfässern durch eine einfache Hebelmaschine bewegt werden, so dass der Arbeiter hiebei nichts zu thun hat, als die Siebe auszuhängen, abzustreichen, neuerdings zu füllen und wieder einzuhängen. Der eigenthümlich prellende Stoss, die Seele des Prozesses wie beim Stossherde, wird den Sieben durch liölzerne, an den Hebeln eingehängte Spannstangen ertheilt. Während man so sich beweglicher Siebe bedient, ist man auf den Gedanken verfallen, die Siebe fix zu stellen und dafür die Wassersäule zu bewegen , d. h. man hat den sogenannten hydraulischen Siebsetzprozess in's Leben gerufen. Für die gröberen Gezeuge konstruirte man einen Kasten A mit drei gleichen, unter sich communizirenden Fächern, jedes drei Fuss tief und im Lichten 1,5 Fuss ins Gevierte. In den beiden aussein Fächern b sind die Siebe für das Setzgut in herausnehmbaren Rahmen befestigt. Die Siebe sind aus Eiseu- draht geflochten , mit länglichen Oeffnungen. Im mittlem Fache a wird soviel Weisser eingeleitet, dass es dicht unten an die Siebe in b reicht. JJewegt sich nun im mittlem Fache 690 der tafelförmig^e Kolben auf und nieder, z. B. mit einer Hub- höhe von 1—2 Zollen , je nachdem die Grösse des Korns es erfordert, so hebt und senkt sich mit ihm , da er auf die Was- sersäule in a drückt und die Scheidewände zwischen a und b unten offen sind, auch die Wassersäule in jedem der beiden äussern Fächer in demselben Verhältnisse. Mit dem Steio^en und Fallen der beiden Wassersäulen bewegt sich auch das Setzgut auf den Sieben ganz conform und die Separation nach der spezifischen und absoluten Schwere findet statt, wie im beweglichen Siebe, nur jene eigenthiimliche Prellung des lez- teren mangelt, daher ich auch zweifle, ob mit den fixen Sieben eine so scharfe Trennung des Haltigen vom Tauben sich er- reichen lässt, wie diess mit beweglichen Sieben gelingt. Um das Setzgut beim Abstreichen trocken zu legen, sind an den Seitenwänden des Setzkastens Abflussöffnungen für das Wasser angebracht, welche jedoch während des Setzens selbst verschlossen bleiben. Die Hauptbedingung des Gelingens dieses schönen Pro- zesses liegt in der richtigen Wahl derGrösseder Öuerschnitte jener Oeffnungen, durch welche das Wasser aus dem mittlem Fache (Kolbenfach) in die beiden Seitenfächer (Siebfächer) übertritt, sowie in der richtigen Wahl deröuerschnittsgrössen dieser Fächer selbst, denn hievon hängt, bei einer gegebenen Geschwindigkeit des Kolbens in a, die Geschwindigkeit ab, mit welcher sich die Wassersäulen in b heben und senken, so- mit der Impuls, den diese Wassersäulen auf das Setzgut aus« üben und auf welchem bekanntlich das Prinzip der diessfälll- gen Separation beruht. Hieraus ergibt sich von selbst, dass diese Durchzugsöffnungen aus a in b und das Verhältniss der Grösse des Querschnittes des Faches b zu jener des Quer- schnittes des Faches a um so grösser seyn müssen , je milder das Setzkorn isj, und umgekehrt. Bei mildem Setzgute muss daher der Querschnitt des Faches a bedeutend kleiner seyn, als jener des Faches b und der Apparat wird häufig so kon- struirt, wie die Zeichnung B zeigt, so dass jedes der beiden mittlem, oder Kolbenfächer sein eigenes, wenigstens doppelt so grosses Siebfach zur Seite hat. Hiedurch steigt die Was- sersäule in b mit einer geringern Geschwindigkeit, als jene in 697 a durch den Druck des Kolbens sinkt, wäre aber der entgeg;en- gesetzte Fall, so würde der Impuls des Wassers auf das milde Setzgut zu tumultuarisch seyn, als dass eine Separation statt finden könnte. (Jeberhaupt muss sorgfaltigst darauf gesehen werden, dass die Oszillationen der Wassersäule ruhig und gleichför- mig erfolgen, dass sich imSiebfache weder Wellen noch Luft- blasen bilden und dass daher der stete Wasserzufluss in a ge- nau regulirt werde. Im ruhenden Zustande des Kolbens soll das Setzgut im Siebe 1 — 1.5 Zoll hoch mit Wasser bedeckt seyn und die Fläche des lezteren muss mit der obern Fläche des ruhenden Kolben in ein und demselben JNiveau stehen. Da zumBehufe des nachfolgenden Wasch- und Schlämm- prozesses die schlefrige Gangart vom Schwerspathe getrennt werden muss, um jede fiir sich aufbereiten zu können, so er- gibt sich im Siebe ein zweifacher Abstrich. Zu oberst liegt die schiefrige Masse, dann folgt die schwerspathige und end- lich das schmelzwi'irdige Hüttengut, Die beiden Abstriche kommen zu den Pochwerken, Der Fassschlamm wird mit dem Sandkorne aus der Rätterwäsche , deren Aufgabe die üeber- arbeitnng des Grubenkleins ist, in die feinere Setzarbeit ab- gegeben. Der Abstrich nird bei lezterer so wie bei der erste- ren behandelt, der Fassschlamm aber kommt zum Schlämmen auf dem Durchlasse und von da auf die Herde. Das Klein des Grubenhauvverkes wird der Rätterwäsche unterzogen, worauf die Ausscheidung des Stufferzes folgt. Der Rest wird sodann nach seiner erzigen Beschaffenheit ent- weder in die Pochwerke oder zur Setzarbeit abgegeben. Der Durchlass hat den ZAveck die Mehle vom Schlamme zu befreien. Erstere kommen auf die Planherde, deren Fläche mit grobem Zwilche belegt ist, welcher alle halbe Stunden ungefähr ausgewaschen wird, leztere hingegen auf die Kehr- herde, auf welchen man auch die sogenannten zähen Mehle behandelt. Die Schlammgräben liefern theils Hüttengut, theils wird der untere Theil noch einmal auf Planherden über- arbeitet. Die ganze Aufbereitungsmanipulation * ist höchst ratio- " Ein sehr genaues Detail derselbea gibt unter andern B^achmamn's 698 iiell und vollkommen n issenscliaftlich durchgeführt : um so mehr war Ich daher erstaunt, an einem solchen Kulminationspunkte unseres Faches, wie der Oherharz ist, die wenigen, versuchs- weise angewendeten, Stossherde unter aller Kritik construirt und behandelt zu sehen. Der Arbeiter steht auf dem Herde während des Ganges desselben, wirft ein Quantum Mehl mit der Schaufel auf den Herdkopf, leitet Wasser auf und arbeitet nun fortan mit der Kiste wie in einem Schlämm- graben. Unter den drei zurZugutebringung der Erze und Schliche aus der Klausthaler-Zellerfelder Revier bestehenden Hütten- werken, nämlich: der Frankenschaarer Silberhütte, der Alten- auer und Lautenthaler Silber- und Kupferhütte , sah ich nur erstere, dieGrösste. Die vorwaltend Blei mitSilber haltenden und zum Thell von Kupferkies begleiteten Erze werden durch den sugenannteji NIederschlagsprozess zu Gute gebracht, kommen daher un verrostet, mit Eisengranalien und Schlacke beschickt, zum Roh- oder Erzschmelzen. Das Rohschmelzen wird in Halbhochöfen voigenommen , die Erze werden dabei trocken gepocht aufgegeben und bei heller Gicht und dunkler Nase durchgestochen. Der Herd ist über dem Sumpfe zuge- macht *. Beim Schmelzen in Rastöfen zeigte sich bisher eine inter- essante Erscheinung, nämlich: ein grösseres ßleiausbringen. jedoch verbunden mit einem erhöhten Silberverluste, ein Be- weis, dass lezterer mechanischen Einflüssen zuzuschreiben seyn dürfte. Als ich einen solchen Rastofen im Gange sah arbeitete derselbe roh, die Schlacke erschien sehr dickflüssig und offenbar zu reich. Beim Rohschmelzen fallen Werke und Stein. Erstere kommen zum Treiben, lezterer wird geröstet und dann wieder- holt, abwechselnd mit Röstungen, in Krummöfen durchgesto- chen, bis endlich der abfallende Stein so kupferreich wird, dass im Archiv der ehemaligey Hofkammei' im iUiinz- und Bergwesen zu Wien liititerlegtes Manuskript. " Man hat auch Versuche gemacht die Erze nach englischer Manier in Flammenöfen zu rösten und zu schmelzen, jedoch , ähnlich den von mir am Taurus erhaltenen Resultaten, nicht mit dem besten Erfolge. 699 er an die Altenaner Kupferhiitte znr weitern Behandlung^ ab- gegeben werden kann. Ausserdem finden Nacharbeiten zur Zngutebringung; der Krätze und reichern Schlacke statt, wo- bei Frischstücke fallen, die gesaigert werden und welche sonach wieder Werke und Kühnstöcke abvAerfen , welche lez- terc man ebenfalls znr Altenauer Kupferhütte abgibt. Die Oefen sind durchaus schön konstruirt, sehr gut und sehr rein erhalten *. Bei den Treibherden hat man an der x\rbeitsseite durch- gehends die bekannten Dampffänge, ähnlich gewöhnlichen-soge- nannten Rauchmänteln, angebracht, wodurch der schädlichen Einwirkung der Bleidämpfe auf die Arbeiter mit Erfolg begeg- net wird. Die Reduktion der Glätte geschieht im Krummofen. 3Ian hat jedoch den Versuch gemacht diese Reduktion nach russi- scher Manier gleich unmittelbar am Treibherde durch An- bauung eines kleinen Redukfionsofens, in welchen die Glätte al)fliesst. vorzunehmen. Das Resultat war, wie an mehreren anderen Orten, ein ungünstiges. Der Treibherd erhizte sich zu stark und die mit der Glätte zufällig abgehenden Theile des Werkbleies machten das reduzirte Blei zu reich und für Handelsblei ungeeignet. Bei den vielen Hüttenwerken, welche am Harze überhaupt bestehen und Jahr für Jahr ein sehr grosses Quantum von Holzkohlen und Röstholz konsumiren ; dann bei dem weit aus- gedehnten, uralten Grubenbaue, der der Brüchigkeit des Gang- gesteins zu Folge zum grossen Theile in Zimmerung und zwar in sehr starker Zimmerung steht, kann man sich nicht gennof wundern, dass die Wälder des verhältnissmässig kleinen Harz- gebirges fortan solchen ausserordentlichen Anforderungen Genüge leisten können , oiine an ihrem Stammkapitale bedeu- tenden Abbruch zu erleiden. Gleichwie jedoch der Bergmann auf den Harz gehen muss um zu lernen, besonders in Bezie- hung einer weisen Grubenökonomie, so auch der Forstmann, was Forstkultur und Forstwirthschaft anbelangt. Beide wer- den wirklich musterhaft betrieben , und die ausführlichen De- M. s. über das Detail dieses interessanten Prozesses : Hausmanns und Zimmebmann's vorne angegebene Werke. 700 tails, welche Hofrath Hausmann hierüber in seinem Werke gibt, sind von hohem, belehrendem Interesse. Sehr sehenswerth. ansserden übertagischen Werkstätten zur Fabrikation der Drahtseile und der verschiedenen Ma- schinen , sind die Modell- und Mineraliensammlung der vor- trefflich eingerichteten und geleiteten Bergschule. Die Mi- neraliensammlung ist besonders reich an den schönsten Exem- plaien der am Harze selbst, vorziiglich zu Andreasberg, vor- kommenden Mineralien, worunter sich z. B. die Prachtstucke von Apophyllit, Kalkspath mit Realgarüberzug, Bournonit (Antimonschwefelblei), Antimonsilber, Gediegensilber, Arse- niksilber, Gediegenarsenik, Manganerz, Rothgültigerze, ßlei- glanz u. s. w. auszeichnen. 4) itntlreaslierg- auf ileni laannoversciteii Oberliarze. nie Cirrube Sanisuu. Uie Silber-, Stlei- und Hiipfer- liiUte. Ose Arsenikliittte* Die geognostischen Verhältnisse von Andreasberg sind im Allgemeinen dieselben, wie jene der Clausthaler und Zel- lerfelder Revier, bezüglich der Gangbildungen aber herrscht ein bedeutender Unterschied. Das Gebirge von Andreasberg Avird von einer Menge Erzgänge, die sich in zwei Gangzüge, den inwendigen und auswendigen, unterordnen lassen , förm- lich durchschwärmt. Ihre gegenseitigen Lagerungsverhält- nisse sind höchst combinirt, die regelrechte Führung des Gru- benbaues Erfordert daher das gründlichste Lokalstudium, Die Andreasberoer Gänse sind weder im Streichen so anhaltend, noch in ihrerMächtIgkeit so bedeutend, als jene von Clausthal und Zellerfeld, auch ist ihre Erzführung viel absätziger, dage- gen aber übertreffen sie an Adel ihre Nachbarn auf der west- lichen Seite des Bruchberges weit. Unter den vielen Gruben auf den zwei Andreasberger Gangzügen befuhr ich die grösste und tiefste, nämlich die Grube Samson , und zwar durch den bekannten Samson- schacht , meines Wissens gegenwärtig der tiefste auf der Erde. Seine flache Teufe, bei einer Tonnlage von ungefähr 80", betrug zu Ende 1840 gerade 371 Lachter *. Er hat 37 * Die Höhe des Sfephanthurms in Wien beträgt 70 Klafter 1 Fuss. 701 Gezeugsti'ecken (Läufe) und sein damaliger Sumpf lag unge- fähr 450 Fuss unter dem Niveau der Ostsee. — Wegen der Tiefe dieses lliesenscliachtes war der Betrieb auf seinen tief- sten Gezeugstrecken mit ausserordentlichen Schwierigkeiten verbunden. Die An- und Ausfahrt auf Fahrten nahm fast die halbe Schicht in Anspruch, der Arbeiter kam ganz müde vor Ort und fiir einen grossen Theil des Personals war die Lösung einer solchen Aufgabe bereits unausfi'ihrbar. Ungeachtet der schönen Erzanbrüche im Tiefsten wäre daher ihre Gewinnung zu kostspielig und ein weiteres Vordringen in die Teufe ganz unmöglich geworden, da kam gerade zur rechten Zeit, und für Andreasberg wirklieb epochemachend , die Erfindung der be- kannten Fahrkünste, durch die nun für den Fortbetrieb des tiefsten Samson alle obenberührten Hindernisse auf einmal ge- hoben sind. Die Fahrkunst im Samsonschachte beginnt 32 Lachter unter der Hängebank und endet 10 Lachter über dem Sumpfe, ist daher 320 Lachter lang. Sie wird, wie jene auf Herzog Wilhelm, durch eine eigene, selbstständige Maschine bewegt. Zu oberst an den Winkelhebeln , welche wie bei Stangenkünsten angebracht und wirksam sind, bestehen die Fahrkunstgestänge aus stärken, ungefähr fünf Lachter langen, hölzernen Pfosten, deren je zwei und zwei zusammen ge- schraubt sind und zwischen denen die obern Enden der Draht- seile, aus denen weiter hinab die Fahrkunst allein besteht, inneliegen und festgehalten werden. Jedes der zwei Draht- seilpaare hat somit seine eigene Schiftnng, welche für den möglichen Fall eines Kunstbruches mit Fangketten angehängt ist. Von dieser Schiftung, welche den Zweck hat die Seile zu halten, abwärts spielen die Drahtseile für sich. Sie sind jedoch, da sie oben eine stärkere Last zu tragen haben , als unten, von verschiedener Stärke. Die obern bestehen aus 36 Drähten, nämlich drei Strängen, jeder zu 12 Drähten; die un- tern hingegen sind gewöhnliche Treibseile zu 12 Drähten, nämlich drei Stränge zu vier. Zur Vermeidung der Reibung und des gefährlichen Seilschwingens sind nach je fünf Lach- ter die Seile mit Dratli auf einem starken Brette befestigt, das auf einer Walze läuft, die abwechselnd bald am Liegend, bald am Hangend angebracht ist. IN ach je 25 Lachter gehen 702 die zwei Seilpaare durch die hölzernen, sogenannten Spann- stöcke. Diese sind schwere, quadratische Pfosten , deren je ein Paar, die Seile in die Mitte gelegt, zusammengeschraubt werden und dazu dienen, durch ihr Gewicht das Seil in der gehörigen Spannung zu erhalten. Um bei einem Bruche des Kunstgeschleppes dasselbe im Falle aufzuhalten , werden die korrespondirenden Spannstöcke der beiden, parallel neben- einander spielenden Geschleppe, an eine starke Fangkette ge- hängt, welche über eine zwischen den beiden Geschleppen be- festigte Rolle läuft. Sollte nun ein Bruch erfolgen, so hält das eine Geschleppe das andere und so kam es, dass einst die mittelst der Fahrkunst ausfahrende Mannschaft einen gesche- henen Bruch des einen Geschleppes gar nicht fühlte, sondern nur über das plötzliche und anhaltende Stillstehen der Kunst erstaunte. Zwischen den beiden Fahrknnstgeschleppen sind zur Sicherheit gewöhnliche Fahrten angebracht, auch befinden sich von 10 zu 10 Lachter starke Schachtbühnen. Am unter- sten Theile endet jedes Geschleppe mit einem Brette, welches zwischen zwei Walzen läuft und nur dazu dient, um das Ge- schleppe in seiner Richtung zu erhalten, denn bei der Schwere desselben und jener der Spannstöcke, ist hier kein Gewicht er- forderlich, um die Drathseile straff zu machen. Die Hubhöhe der Fahrkunst im Samsonschachte beträgt sechs bis acht Fuss und zur Regiilirung des Maschinenganges hat der Stürzmeister in seiner Kehrstube einen Bewegungs- weiser. Die Anlage der ganzen Maschine kostete. Alles zu- sammen gerechnet, 12000 Thaler oder ungefähr ISOOO Gulden C.-Mz. Die Leitung und Oberaufsicht versieht ein Kunst- wärter nebenan , die Unterhaltungskosten sind unbedeutend und die VV^artung der Maschine verursacht wöchentlich kaum eine Auslage von 2 6. C.-M. Als ich die Grube befuhr, ging die Maschine schon drei Jahre ohne mindesten Anstand. Der Samsongang, den ich im Tiefsten der Grube, auf der Strecke Nr. 37, sehr edel beleuchtete, hat nicht nur mehrere edle Nebengänge , sondern sezt auch viele edle Trümmer ab, daher es an mannigfaltigen Verwerfungen, Scharrungen und dgl. um so weniger mangelt, als auch noch eine Menge tauber 70;5 Gänge, die sooenamiten Riisclieln, die erzführenden Gänge durchsetzen, verwerfen oder doch sonst durch Zertrünimerung, Auskeihing derselben u. s. w, einen wesentlichen Einfluss dar- auf ausüben. Die Ausfülhing der selten über einen Fuss mächtigen Erzgänge bilden Kalkspath und Quarz , welch' lezterer hier offenbar jünger ist, da er den ersteren häufig einschliesst und umhüllt. Die Erzführnng besteht in Rothgültigerz, Antimon- silber, Gediegensilber, Bleiglanz, Eisenkies, Arseniksilber, Kupferkies, Fahlerz, Speiskobalt, Kupfernickel, sehr viel Ge- diegenarsenik U. S. AV. Die obenerwähnten Ruschein sind eine merkwürdige Er- scheinung; sie sind Lagerstätte eines ganz milden, so zusagen aufoelösten Schiefers im 2:ewöhnlichen Grauwackenschiefer und Thonschiefer , der das Gebirgsgestein bildet. Meistens Averden sie am Hangend oder Liegend, oft an beiden zugleich, von Grünstein und Kieselschiefer begleitet, welche beide auch mit dem milden Schiefer stellenweise wechseln. Die Ruschein insgesammt als jüngere, sogenannte faule, Gänge, überhaupt als Gänge anzusprechen scheint mir nicht stichhaltig und ich glaube vielmehr, dass höchstens nur die Grünsteinmassen als solche anzusehen, hingegen der Kieselschiefer und der Thon- schiefer nichts anderes als veränderte Gesteinslagen des Ge- hirges selbst seyen. Nur wo sich dei* Grünstein klar aus- spricht, die erzführenden Gänge durchsetzt und verwirft , dort kann von einer Jüngern Bildung dieser Gänge und überhaupt von einer Gangbildung meiner Ansicht nach die Rede seyn ; hingegen dort, wo der milde Schiefer für sich allein oder nur von Kieselschiefer begleitet auftritt, dort glaube ich haben wir es auch nur mit Lagerstätten zu thun, welche mit dem Gebirgsgesteine kontemporär sind. Ich möchte daher die Ruschein in zwei Arten theilen : in Gänge, zum Theil jünger als die erzführenden, mit Grünsteinmasse, und in Gebirgslager mit Kieselschiefer und aufgelöster Thonschiefermasse. Beide Arten Lagerstätte treten häufig zusammen auf. Die Erzgänge setzen bis an die Ruschein, schneiden sich dann häufig aus und setzen diessfalls manchmal als blosse Blätter, als Gänge ohue Ausfüllung , durch die RuscheJ, oder 704 zerti'üramern sich in ihr , wie es überhaupt oft der Fall ist, wenn eine Gesteinskluft ans einer festen Gebirgsmasse in eine weiche, milde übertritt. Ob im lezteren Falle wie ich z. B. auf dem hohen Goldberge in Rauris oft zu beobachten Gele- genheit hatte, die Gänge in sehr verworrenen , schwer zu er; kennenden Blättern nicht doch durchsetzen, ist erst eine Frage. Andere Gänge werden durch die Ruschein klar durchsetzt und verworfen, was aber auch noch kein evidenter Beweis für das geringere Alter derRuschel ist; denn wie oft durchsetzen und verwerfen Gebiigsgesteinslagen die Gänge, während man doch nicht annehmen kann , dass die Gänge älter als das Ge- birge seyen. Sie können höchstens kontemporär mit demsel- ben seyn. Die Ruschein fallen, einen einzigen Gang ausge- nommen, zu den Gängen widersinnig. Auf Andreaskreuz beobachtete ich folgende schöne com- binirte Verwerfung: n Die Ruschel d spielt hier als Verwerfer offenbar die Hauptrolle, a ist der Morgenröther Gang, b die flache ver- bindende Kluft, c der Andreaskreuz - Gang, eist einmal, b zweimal verworfen. Wir besichtigten auf öuerschlägen noch mehrere , sehr interessante Gangverhältnisse, besuchten viele der grössten- 705 tlieilslioffentlichen Ausrichtuiigs- und Hoffnungsbaue, mehrere Erzbaue, tlieils First-, tlieils Sohlenbaue, und beleuchteten endlich vor Ort der Gezeugstrecke 23 folgende, sehr seltene, im Kreuzrisse gezeichnete Verwerfung: der flache Gang kreuzt hier den stehenden unter einem sehr spitzen Winkel und verwirft ihn in das Liegende. Wir haben hier den vielleicht allein möglichen Fall einer rein en Ver- werfung ins Liegende verwirklicht, indem das Einfallsloth des verkreuzten Stehenden ins Liegende fällt. Merkwürdig ist, dass sich inderGriinsteinmasse der Ruschein besondere Klüfte zeigen, welche die durchsetzenden Erzgänge für sich wieder durchsetzen und verwerfen. Die Aufbereitung der Erze über Tags ist gerade dieselbe wie in Clausthal ; nur fand ich in Andreasberg den hydrauli- schen Siebsetzprozess schon viel weiter vorgeschritten, und Avährend er dort noch immer als Versuch behandelt wird, war er hier als Manipulation schon im vollen Gange. Die reichsten der zur Hütte kommenden Erze, welche 30 Mark und darüber an Silber halten, werden beim Treiben eingetränkt, die übrigen werden verschmolzen , und zwar von den reichen, mittlem und armen Gezeugen jede Gattung für sich. Zur Entsilberuug wünscht man natürlich so viel möglich bleiische Gezeuge zu erhalten und der Mangel derselben er- schwert die Manipulation sehr. Die Erze und Schliche werden ohne vorhergegangene Röstung im 21 Fuss hohen Halbhoch- ofen mit Eisengranalien auf Niederschlag durchgestochen, die Russ egg er, Reisen. IV. Bd. 45 70G erhaltenen Steine (Leclie) sodann geröstet und nnn wieder- holt, abwechselnd mit Röstungen, in Halbhochöfen und Krumm- öfen verschmolzen, wobei immer Werke und Steine fallen, bis leztere endlich so kupferreich werden, dass sie für sich auf Kupfer behandelt werden müssen. Die Werke werden nach ihrem Gehalte separirt vertrieben. Der zurKupferarbeit kommende kupferreiche Stein durch- wandert einen sehr eigenthümlichen Prozess. Er wird zuerst als Rauhstein im Spieissofen stark geröstet, und dann einge- schmolzen. Der auf diese Weise erhaltene Stein wird in Haufen geröstet und sodann im Krummofen durchgestochen, wobei wieder etwas Blei und Stein fallen. Lezterer kommt wieder in den Spieissherd, wird wieder stark geröstet und um- o-eschmolzen und sonach als Kupferstein der Entsilberungs- manipulation, dem Frischprozesse übergeben. Zu diesem Zwecke besteht ein Krummofen mit doppeltem Herde oder Sumpfe, einem Innern und äussern. Beide sind durch eine senkrecht stehende Eisenplatte von einander ge- trennt, die, an beiden Seiten mit Gestübewändcn versehen, auf einem Ueberlagsteine ruht, unterhalb welchem der innere Sumpf mit dem äusseren in Verbindung steht. Wird nun der mit viel armer Glätte beschickte Kupferstein in diesem Krumra- ofen durchgestochen, so sammelt sich das Blei nicht nur zu Unterst im Innern Herde, sondern es tritt unterhalb derSumpf- brücke, dem erwähnten Ueberlagsteine, auch in den äus- sern Herd über. Auf dem Bleie sammelt sich im Innern Herde der Stein und wächst dessen Säule so an , dass ihre Schwere auf die ßleilage unterhalb einen überwiegenden Druck aus- übt, so beginnt der Stein durch das Blei durchzugehen und sammelt sich, ganz analog der Theorie der kommunizirenden Röhren, im äussern Sumpfe über der Bleisäule. Bei diesem Durchgange des Steins durch das Blei findet eine Entsilberung des ersteren statt, jedoch nur theilweise, daher auch dieser Prozess fünf- bis sechsmal wiederholt werden muss. Die ab- fallenden Werke werden zum Treiben gegeben, derentsilberte Kupferstein aber wird geröstet und sodann, wie gewöhnlich, in einem Krummofen auf Schwarzkupfer durchgestochen, wel- ches zum Gaarmachen kommt. Man umgeht zwar auf diese 707 Weise den ganzen Saigernngs- und Darrnngsprozess, dagegen ist aber ein höherer Silbergehalt der Gaarkupfer unvermeid- lich. Vielleicht würde lezterer minder ausfallen , wenn die Frischöfen höher wären und der Stein genöthigt w iirde durch eine höhere Bleisäule hindurch zu gehen. Auf 455 Zentner Kupferstein wurden bei sechsmaligem Durchstechen 530 Zent- ner Glätte zugeschlagen. Hieraus entfielen an Werken 420 Zentner und an entsilbertem Stein 364 Zentner, aus welchem bei Aviederholtem Schwarzkupfern sich noch 28 Zentner Werke und 13(5 Zentner Schwarzkupfer ergaben. Die Glätte vom Treiben wird wie gewöhnlich im Krummofen reduzirt. Bei den Treibherden sah ich anstatt der gewöhnlichen grossen eisernen Hüte solche von gebranntem Thon. Ein solcher Hut besteht aus einer, einen bis zwei Fuss im Durch- messer haltenden, Centralscheibe, um die sich herum die das Gewölbe des Hutes bildenden, am äussern Rande sechs Zoll dicken und in Gestalt von Kreissektoren geformten Thonstücke anschliessen. Ein starker eiserner Ring hält, am äussern Rande herum angelegt, das ganze Gewölbe zusammen. Ein solcher Hut, dessen Fugen mit Thon verstrichen werden, kommt nicht auf den zehnten Theil des Betrages an Beischaf- fungskosten zu stehen , die ein eiserner erfordert und ist im Gewichte viel leichter, üeber die Dauer liegen noch keine Erfahrungen vor. Bei der Ärsenikhütte wird der gediegene Arsenik in gros- sen Muffelöfen geröstet, bei welchen vorne die atmosphärische Luft ein und liinten die Dämpfe aus und in den Giftfang zie- hen. Das in den Giftfängen gesammelte Mehl wird aus eiser- nen Kesseln in grosse eiserne Retortenvorlagen, welche die Gestalt von sechs Fuss hohen und zwei Fuss weiten Thürmen haben , übergetrieben , sublimirt. In diesen Vorlagen setzt sich das Arsenikglas, die arsenige Säure ab; der übrige Theil des Dampfes hingegen zieht weiter in eine gemauerte, ge- wölbte Vorlage , wo er sich als rein weisses Mehl nieder- schlägt. Die feinere Handelswaare, das Arsenikglas ist sehr schön. Dasselbe wird in Fässchen zu einem Zentner ver- packt und in loco zu 5 Thaler (7 fl. 30 kr. C.-Mz.) verkauft. 45* 708 Man ging zur Zeit meiner Anwesenheit mit dem Gedanken um, durch Röstung- von Arsenikkies Realgar zu erzeugen. &) Eisenliütien : die Rotliehütie am ]iannover§c]ien und. die Tanneliutte am lierzogi» braunscli>veigri~ lachen Oberliarze. Im nördlichen Deutschland dürfte die Rothehütte wahr- scheinlich das schönste Etablissement dieser Art seyn. Sie ist mit einigem Luxus erbaut und ihr mit dorischen Säulen verziertes Portal macht einen sehr angenehmen Eindruck. Sie beschäftigt sich mit Aufarbeitung der Eisenerze aus der Um- gebung, die von sehr verschiedener Art, meistens jedoch ßraun- wnd Rotheisenstein sind *. Zur Verschmelzung dieser Erze bestehen zwei hohe Oefen mit einer tiefen Dammgrube im Formraume, so dass selbst bedeutend grosse Säulen stehend gegossen werden können. Die Oefen stehen auf eigenen Ge- wölben, welche den Raum unter dem Bodensteine offenlassen. Man kann darunter hingehen, indem der Stein auf einer vier Fuss dicken, fetten Gestübesohle liegt, welche unmittelbar auf dem Gewölbe festgestampft wird. Als ich auf Rothehütte Avar stand der Ofen bereits seinem Ausblasen nahe, der Bo- denstein war verschwunden und das Gewölbe so heiss, dass man es nicht mehr berühren konnte und sich beeilen musste den zweiten, bereits zugestellten Hohenofen anzublasen. Diese hohe Fundanientalanlage hat manches Gute. Sie erhält den Ofen trocken und erleichtert die Anlage tiefer, trockener Dammgruben. Mit der äussern Ansicht der Hütte steht auch das Innere derselben im Einklänge, denn die Räume sind licht, bequem. Die Erze sind leichtflüssig; man arbeitet mit einer Beschickung von 35% Eisenhalt, bedient sich zur Verschmel- zung nur der Holzkohlen und bläst der Erzeugung von Guss- eisenwaaren wegen grau. Ein jeder der beiden Hohenofen liefert wöchentlich 700 bis 750 Zentner Roheisen. Sie sind mit Schöpfherden versehen , theils um kleinere Gegenstände zu giessen, theils um alte, zum Frischen bestimmte Eisenstücke zusammen zu backen, zu welchem Zwecke diese in eisernen * Reiche Glasköpfe schlägt man bei der Tannehütte dem Fri- schen zn. 709 Kästen gesammelt werden. Man bläst mit heisser, bis zu 126*^ Reaum. erhitzter Luft. Der hiezu erforderliche Röhren- apparat erfüllt einen eigenen Ofen, welcher durch die ganz üben an der Gicht, seitwärts, ausziehende Flamme geheizt wird 5 daher auch die Gicht selbst , wenn nicht aufgegeben wird, mittelst eines eisernen Hutes geschlossen ist. Der Ofen- schacht, dessen Rastwinkel 45*^ beträgt, ist cylindrisch zuge- stellt. Früher, als man noch mit kalter Luft arbeitete, dauer- ten die Ofencampagnen auch an sieben Jahre , seitdem man aber mit heissem Winde bläst, folglich das Gestelle stärker angegriffen wird , erreicht die Dauer der Hüttenreisen kaum mehr drei Jahre. Das Verfrischen des £isens geschieht durch die am Harze übliche Klumpfrischarbeit. Die herzogl. braunschweigische Hütte zu Taune fand ich in einem etwas verwahrlosten Zustande. Sie besitzt einen :15 Fuss hohen Ofen, der zu -/^ mit Kohlen, zu 73 mit Holz gc feuert wird *. Letzteres wird zu diesem Zwecke sehr luft- trocken gemacht und sodann mit einer Zirkelsäge in sechs Zoll lange prismatische Stückchen geschnitten. Auf der Gicht werden diese gleichförmig ausgebreitet, sodann mit gro- ben Kohlen und endlich mit kleinen Kohlen bedeckt, worauf der Erzsatz kommt. Die Erze bestehen in Roth-, Braun- und Spatheisenstein. Man röstet sie , sowie auch den Zuschlags- kalkstein und pocht sie trocken, was letzteres in Zukunft durch die Anwendung von Walzen umgangen und derselbe Zweck schneller erreicht wird. Die Beschickung hält auch hier 35%. Der Ofen ist mit einem Schöpfherde versehen und bläst grau. Die Gusswaaren sind hübsch. Die Schmelzcampagne des Ofens, der mit heissem Winde bedient wird , dauert ungefähr drei Jahre. Zum Gusswerke benützt man auch hohe Kupol- öfen, mit welchen jedem in 24 Stunden 40 Zentner gegossen werden können. Bei der Klumpfrischschmide werden hier an 81 % Eisen ausgebracht, zu dessen weiterer Verarbeitung auf Nagelzaine ein recht hübsches Walzwerk besteht. Das Eisen wird zu- erst in breite Stangen ausgestreckt und diese sodann mittelst " Auf dem nalipn Riibeland niinnit man '/j Kohleu und '/.^ Holz. 710 Schneidwalzen in schmale Stangen mit den erforderlichen Dimensionen geschnitten. G) Harzg'erofle am herzog'IiclianUalt'sclieiilJnterliarze. Ilflig^clegprung-. Viktor-Friedriclislitt-er elegant eingerichtet und nicht so ausgedehnt. Zum Zer- brechen der Erze bedient man sich der Walzen, welche einer- seits der Handscheidung, andrerseits dem Siebsetzprozesse vorarbeiten, und ein sehr verschiedenes Korn erzeugen. Das hiesige Pochwerk hat fünf Stempel auf jedes Feld und ist zum Theil nach Art der salzburgischen Pochwerke konstruirt, weicht aber in einigen Dingen auch bedeutend ab. So be- * In der Nähe dieser Hütte sah ich Grauwackenschiefer und Grün- gtein schichteaweisc wechsellagern. 712 schreiben z. B. die Däumlinge auf der Welle eine Schrauben- linie , was bekanntlich nicht gut ist , indem sich hiedurch die Welle endlich selbst dreht, so tragen zwar die Sätze durch Gitter an beiden Seiten aus, jedochnur an demeinen Satzende, so dass also das Korn alle Stempel passiren muss, bis es endlich einen Ausweg findet. Man wascht mit Kehrherden. Das hydraulische Siebsetzen ist zwar hier nicht so schön ar- rangirt wie am Oberharze, steht aber dafür seinen Leistungen nach bereits auf einer hohen Stufe, indem man damit sogar Schliche von grosser Reinheit erzeugt. Ais Vorarbeiter zu dem feinsten Setzgute sind die hiesigen Schlämmgräben zu betrachten. Jn der Hütte bestehen nur zwei Halbhochöfen, in welchen alle Manipulationen vorgenommen werden. Man röstet auch hier die Erze und Schliche nicht, sondern sticht sie roh mit Eisengranalien auf Niederschlag durch. Der Stein wird wie- derholt geröstet und geschmolzen, bis er endlich sehr kupfer- reich wird, dann sticht man ihn mit Herd und sonstigen blei- ischen Gezeugen durch, d. h. entsilbert ihn durch eine Art Frischprozess. Dabei fallen Werkblei und Stein. Ersteres kommt zum Treiben , lezterer wird geröstet und auf Vitriol zu Gute gebracht. Zur Zeit, als noch mit den Erzen Selen- blei einbrach, stellte man das Selen mittelst Schmelzung mit salpetersäurem Natron rein dar. Noch sah ich einen Vorrath desselben in Form kleiner Kuchen, wovon die Unze zu 10 Thaler verkauft wurde. ») Eisleben. «er Berg^bau im Hupferscliiererg^ebirg^e im manusfeldischen. DieSpIiaafbreiierllevier. Die Kupfer- und Siiberliiitten zu Iteimbacli und He(t- stedt. Das Amal^amirwerk auf «ottesbelolinuns. Iitttte. Der alte, berühmte Mannsfelder Bergbau auf dem Ku- pferschieferflötze, unter der tüchtigen Leitung des ausgezeich- neten Oberbergrathes Eckardt, gibt einen der schlagendsten Beweise, welche Erfolge der Bergmann selbst bei einer äus- serst armen Erzführung durch Ausdauer und weise Oekono- mie erringen kann. Die geringe Mächtigkeit der Lagerstätte in Verbindung mit einem brüchigen Hangendgestein , mit der 713 Aniiutli der Erze und der flachen, fast horizontaiea Lagerung des Flötzes, bescinänkt die Dimensionen des Abbaues, seiner Strecken und Zechen, zwischen Hanoend und Liegend auf die äussersten, mindesten Gränzen, innerhalb welcher der Mensch, obwohl in einer unnati'irlichen , liegenden Stellung, sich noch bewegen und arbeiten kann. Die sogenannte, im ganzen Mannsfeldischen iibliche, Kriimmhölzerarbeit, diese bekannte bergmännische Tortur, ist hiedurch entstanden und nur ihr, dem ununterbrochenen, stetigen Vorkommen des Erzes, wenn es auch im Ganzen sehr arm ist, dem Silbergehalte der Erze und der durchdachtesten Berg- und Hüttenökonomie, konnte es möglich werden, diesen wunderbaren Grubenbau nicht nur i'iber Jahrhunderte auszudehnen, sondern ihn so zu heben, dass z. B. noch im Jahre 1S39 ein reiner Ertrag von 180000 Thaler an die Gewerke aiisgetheilt werden konnte. Das Ku- pferschieferflötz streicht im Ganzen aus Nord in Süd und ver- flächt in Ost ". Unter den vielen Gruben betuhr ich mit Obereinfahrer Bolze die sogenannte Schaafbreiter Revier. Wir fuhren durch den Dampfmaschinenschacht an. Die mächtige Gypsablage- rung, welche den Zechstein bedeckt, zeichnet sieh durch ihre merkwürdigen Schlotten aus, grosse, unregelmässige, vielfach verzweigte Räume, deren Höhe bis zu 44 Fuss beträgt und welche sich zuniTheil in unbekannte Länge erstrecken. Mich erinnerten diese Schlotten, von Vorne her wahrscheinlich Ge- birgsspalten und durch unterirdisch strömendes Wasser zu den gegenwärtigen Räumen ausgewaschen, ihrer Form nach '•' Darstellung der Lagerungsverliältnisse des Kupfeischicferflötzes lind der Zechsteinformation der Grafschaft Mannsfeld, Von Pllmiche. In Karstkn's Archiv. Bd. 18, Jahrgang 184'i. Ger!\tar : die Versteinerungen des Mannsfelder Kupferschiefers, Halle 1840. Mt'LLER : Karte von den gesamniten Bergweiksbesitzungen aller in der Grafschaft Mannsftld, in dem Snalkreise und in dem Amte Sangerhausen bauenden Gewerkschaften auf Kupferschiefer: im Jahre 1835. Halle. V. Veltheim: über das Vorkommen der metallischen Fossilien in der alten Kalkformation im Mannsfeldischen und im Saalkreise. In Karsten's Archiv. Bd. 15, Jahrgang 1827 etc. 714 lebhaft an die Höhle Kataphygi auf Thermia * , an die Kata> bothia des Kopais etc. Die Meinung-, dass diese Räume durch Autlösung einst vorhandenei' Salzschichten entstanden seyen, kann ich nicht theilen , denn erstens sind meines Wissens keine Rückstände bemerkbar, welche diess beurkunden, zwei- tens mangelt diesem Gypse bisheriger Erfahrung gemäss eine derartige, massenhafte Salzführung und drittens kenne ich unter allen mir bekannten Steinsalzlagerstätten keine einzige , deren Form auch nur im entferntesten den bizarren Umrissen einer Schlotte ähnlich wäre. Als Sedimente der einstigen VVasserfüllung sehen wir in diesen Schlotten Schlamm, derben Gyps, krystallisirten Gyps (durchgehends Zwillinge) und Eisenerze, als wahrscheinlichen Rückstand von Mineral- wassern. Ein Beweis für die vielfache Verzweigung und weite Erstreckung dieser Räume liegt zum Theile in ihrer bergmännisch-technischen Benützung selbst, indem man sie ausser zum Versätze der Zechenberge auch zur Ableitung der Gruben Wasser gebraucht. So werden die Schächte wasser- dicht verzimmert und hiedurch, wie es z. ß. im Dampfmaschi- nenschachte der Fall ist , die Wasser aufgedämmt , welche sich sodann in die Schlotten desGypses ergiessen und in jenen geheimnissvollen Räumen gänzlich verschwinden ■■"'''. Bei den vielen Rücken, lokale Emporhebungen des fast söhlig liegen- den Flötzes und meistens verbundenmit verwerfenden Klüften, '' Vorne pag. 188 etc. '■'•' In Karste>'.s Aroliiv 14. Bd. Jahrgang l840: Bolze: Besclireibung der im Schuafbreiter Revier bei P^isleben aii.sge- führten wa.sserdicbfcn Zimmerungen und Verdammungen. V. Dechen: Bemerkungen über wasserdichten Schachlausbau und Ver- dammungen. Die im IMannsfeldischen üblichen Klotzdämme unter.sclieiden t^ich zum Theile .■^ehr von jenen auf den rheinpreussi.schen Steinkohlengru- ben. Letztere werden von Aus.sen mittelst eines Schlussklotzes unter Anwendung eines Zugwerkcs geschlossen, bei ersteren hingegen wird zu Ende eine 14 Zoll im Lichten haltende Röhre eingelegt, durch welclie ein Arbeiter hineinkriecht und den Damm von Innen mittelst Verkeilung schliesst. Diese Röhre wird sonach selbst geschlossen, ver- Rchraubt und dient zum beliebigen Ablassen des aut'gedämmten Wassers. Für allfällige Reparationen des Dammes ist letztere Einrichtung sehr zweckmässig. 715 mangelt es nicht an sehr interessanten Lao;ernnosveihältnissen; doch sind dieselhen bei der ausserordentlichen Renehnässia- keit und (jjeichförmigkeit der Lagerung im Allgemeinen nir- gends verworren und den Bergmann im Verfolge der Lager- stätte irre leitend. Die Hauptförderstrecken und Gezeugstrecken sind hin- länglich hoch und geräumig betriehen, nicht so die Abbau- strecken und Veriiaue selbst, welche höchstens nur eine Höhe von 20 Zollen, oft auch nur von 14 Zollen haben. Die be- kannte Krummhölzerarbeit ist daher bei allen Krzgewinnungs- arbeiten allgemein eingeführt. Die Förderjungen rutschen liegend auf den angeschnallten Krummhölzern mit einer be- wundernswerthen Behendigkeit auf dem ganz glatten Liegend- blatte hin , indem sie mittelst einer Schlinge an dem einen Fusse den oft bis mit fünf Zentnern beladenen Hund hinter sich herschleppen. Die Abbau- und zugleich Förderstrecken durch die Verhaue sind daher auch , um sie möglichst söhlig zu halten, alle diagonal im Flötze aufgefahren, hat jedoch demungeachtet irgend eine Strecke ein stärkeres Gefall, so premst der Förderer die Walzen seines Hundes mittelst ein- gesteckten Keilchen. — Die Strassen der Erzbaue , taube Mittel hat man nicht, werden so belegt, dass in jeder zweiten Lachter ein Häuer zu liegen kommt. Derselbe schrammt lie- gend mit der Keilhaue, dicht am Blatte des Todtliegenden ein paar Zoll hoch in den Kupferschiefer ein und nimmt so- dann das Hangende, nämlich den Rest des Kupferschiefers sammt einem kleinen Theil des darauf liegenden Zechsteius, entweder mittelst Sprengarbeit oder mittelst der Keilhaue nach. Der durch diese Art des Abbaues entstehende leere Raum wird sogleich vom Häuer durch die hereingebrochenen Berge, welche er nur hinter sich zu räumen braucht, wieder versezt. Zulezt wird das Todtliegende ein paar Zoll tief nachgeschossen, da dasselbe bis zur Tiefe eines Zolles mit Erzen imprägnirt ist. Diess geschah früher nicht, um sich durch den Angriff des reinen Blattes nicht die Förderung zu erschweren, nun aber findet man es vortheilhafter die dadurch in Eroberung kommenden sogenannten Sanderze mit den Schiefern zuGute zu bringen. EinHäuer verdient sich pr.Schicht, 716 in welcher er sieben Stunden anhaltend zu arbeiten hat , 20 bis 28 kr. C.-Mz. Die Förderjiingen beziehen pr. Schicht 10 kr. C.-Mz. Auffallend war mir bei diesem g;eringen Lohne, bei der i'iber jede Vorstellung harten Arbei^, verbunden mit der unnatürlichen, so viele Stunden andauernden Körperslage, das vortreffliche, frische Aussehen der Leute, Das ist die Macht der Gewohnheit. Die tiefste Gezengstrecke wird allein als Vorort betrie- ben, denn andere Ausrichtungsörter entfallen bei der Stetig- keit des Kupferschiefers gänzlich. Der Abbau ist daher sehr einfach , Pfeiler lässt man nirgends stehen, höchstens dass man sich hie und da mittelst einiger Streben, bis der Berg- versatz nachrückt, sicher stellt. Die Erze sind theils Schiefererze fKupferschiefer), theils Sanderze (mit Erzen imprägnirtes Todtliegendes). Erstere führen: Kupferkies, Buntkupfererz, Kupferglanz, gediegen Silber, Bleiglanz u. s. w. , grösstentheils in ganz dünnen La- gen ausgeschieden : leztere halten, einen Zoll mächtig, fein eingesprengt und mit dem quarzigen Sandsteine auf das Innig- ste gemengt: Kiese, etwas Bleiglanz, Zinkblende. Am Blatte, welches den Kupferschiefer begränzt, beobachtet man öfters gediegen Silber und gediegen Kupfer in gar nicht unbedeu- tender Menge: ersteres wie ein dünnes Blech, letzteres als ein dicker filziger Ueberzug, der sich mit dem Messer abneh- men lässt. Die Schiefererze halten bis zu 3,5 und 4"/^) an Kupfer, dessen Silbergehalt pr. Zentner bis zu 24 Loth be- trägt. Die Sanderze sind noch ärmer. Im ganzen Mannsfeldischen beschränkt sich die Aufbe- reitung der Erze über Tags auf die blosse Handscheidung und es passirt somit das ganze Hainverk die Oefen, was allerdings ein grosser Cebeistand zu seyn .scheint. Als Ursache, warum man einen einfachen Poch- und VVaschprozess so ganz umgeht, gibt man an, dass die Schiefer zu zähe Mehle geben, als dass leztere geschlämmt werden könnten und bezüglich der Sanderze schien es mir, dass man selbst noch nicht recht ent- schlossen sey, was man mit denselben machen sollte. Lez- tere würden sich zum Stossherdprozesse ganz unbezweifelt eignen und selbst was erstere anbelangt, glaube ich, dass mit 717 stark gespannten und mit frischer Prellung*, bei kleinem Ausscliwunge , arbeitenden Stossherden anch die zähesten Schlämme sich bewältigen lassen. Die zu den Hütten, deren im Mannsfeldischen mehrere sind, gelieferten Schiefererze werden in grossen Haufen ge- brannt, sodann (bei den Leirabacher Hütten) mit 4% ungerös- teten Sanderzen gattirt und mit 8% Flussspath beschickt in 25 Fnss hohen Hochöfen durchgestochen. Bei der Sangenhausener Hütte besteht nur ein kleiner Theil der Erze in Schiefer, der grössere hingegen in Sanderz, daher auch daselbst ein anderes Gattirungs« und Beschickungs- verhältniss statt findet. Die Oefen sind mit Rast zugestellt und haben Gestell und Sumpf. Man bläst bei übrigens sehr hitzigem Gange, wobei weder auf Blei noch Zink Rücksicht genommen wird, mit ganz dunklerNase, starkem Gebläse, so- wohl mit zwei als drei Formen und sowohl mit kaltem als heissem Winde. Die Schlacke ist ganz zähe, sie fliesst be- ständig in den Vortiegel, wird dort abgezogen, zu Knäueln geballt und dient in dieser Form allgemein als Heizungsmittel für die nächst Anwohnenden. Flugstaub sammelt sich in den Flugkammern in Masse, eine natürliche Folge der milden, ge- brannten Schiefer und des starken Gebläses. Mit dem erhaltenen Rohsteine oder Kupfersteine trennt sich gegenwärtig die weitere Hüttenmanipulation in die alte M e t h o d e und in d i e n e u e. Nach der alten Methode, welche nach und nach er- lischt, und der neuen Platz macht, werden die Rohsteine in offenen Haufen mit zwei Feuern geröstet und auf Kupfervitriol ausgelaugt. Der ausgelaugte Stein wird sonach ganz zu Tode geröstet und im Halbhochofen mit etwas Rohschlacke auf Schwarzkupfer durchgestochen*. Der Rohstein, mit 4S% und mehr an Kupfer, muss nach vollendeter Röstung, wenn sie weit genug getrieben wurde, ganz das Ansehen vonKoaks haben. — Die auf diese Weise erhaltenen Schwarzkupfer werden mit metallischem Blei in Krummöfen verblasen , ge- frischt. Man gewinnt: Werkbleie und Frischstücke. Erstere * Das Schwarzkupferschmelzen wird grösstentheils mit den Koaks von der Berliner Gasbeleuchtuugsaustalt betrieben. 718 kommen zum Treiben, letztere zum Saigern; die Kühnstöcke sodann zum Darren , die Darrlinge endlicli zum Gaarmaehen. Die neue Methode umfasst die Amalg;amation des Kupfersteins, wie er aus der Hütte kommt. Die Betriebsanstalt hiezu besteht auf Gottesbelohnunghütte zwi- schen Leimbach und Hettstedt *. Die zum Werke geliefer- ten Steine (Leclie) werden probirt und vorgewogen. Der Zentner dieser Steine hält: an Kupfer 48— 53% , an Silber 9 — 10 Loth, an Eisen 27%, Schwefel , nebst Spuren von Ar- senik , Kobalt, Zink etc. 5 auf welche jedoch keine Rücksicht genommen wird. Der ganze Prozess theilt sich in folgende Momente : 1) Poe hen d es Stei US in einem Trockenpochwerke. Auf jeden Umgang der Welle entfallen 4,65 Stempelhube. Für jedes Fach werden 3 bis 3,5 Zentner Stein vorgestürzt und dieses Quantum in y^ Stunden durchgepocht, wobei die Pochgezeuge des Staubens wegen etwas feucht gehalten wer- den. Dieses Pochmehl wird 2) durch ein von der Pochwelle aus bewegtes Messing- drahtsieb, mit 16 Löchern auf den Quadratzoll **, gerat- tert. Die auf dem Siebe zurückbleibende Grobe kommt in das Pochwerk zurück, das mildere, durchgegangene Mehl hin- gegen wird auf ein zweites, feineres Sieb gegeben, welches man füglich mit ersterem verbinden könnte. Die sich finden- den Knoten von Roheisen müssen sorgfältig ausgehalten werden. 3) Das durch die Rättersiebe gegangene , aber mit zu röschen Theilchen noch gemengte Mehl wird in einem ge- schlossenen Siebkasten gesiebt. Das aus Messingdraht ge- flochtene, bewegliche und bis zu % Jahre dienstleistende Sieb besizt auf den Quadratzoll Fläche 1296 bis 1444 Löcher, schlägt in einer Minute bei einer Hubhöhe von 1 — 2 Zoll 250mal auf und liefert ein Mehl, welches fein genug ist, um unmittelbar zum Rösten abgegeben werden zu können, wäh- '•■ Einen grossen Thcil des folgenden, interessanten Details ver- danke ich der freundlichen Mittheilung des Hüttcnoffiziantcn Böttgkr, den ich auf der Reise in Berlin kennen lernte. ** Preussisches Mass. 719 rend der Siebsclirott vorerst noch die Rolimülilen zu passiren hat. Mit zwei vierstenipeligen Sätzen können in 24 Stunden 40 bis 42 Zentner Stein gepocht, gerattert und gesiebt wer- den. Hiebei fallen 20 — 21 Zentner Siebmehl und ebensoviel Miihlschrotf. Man zahlt fiir 100 Zentner Stein :i i\. 48 kr. C.-Mz. im Gedinge und verwendet hiezu vier Mann. 4) In gewöhnlichen Kornmiihlen mit Läufern von Gra- nit, deren jeder ganz zugerichtet 14'/, bis 15 Zentner wiegt, wird der 3Iühlsclirott aus Nr. 3 gemah I en (Ilohmahlen), wobei auf jedem Umgang der Welle 16,2 oder auf eine Mi- nute 150 bis 165 Lauferumgänge zu zählen sind. In der Zeit von drei Monaten nützen sich die granitenen Laufer ungefähr um zwei Zolle ihrer Höhe ab. Ein Mahlaano- kann in 12 Stunden sechs Zentner fertiges Mehl liefern , wobei der Mül- ler für diese Zeit 26 kr,, der Aufseher hingegen , der gelern- ter Müller seyn muss, für den Tag 30 kr. erhält. 5) Rohrösten. Hiezu kommen die Siebraehle aus Nr. 3 und das Mehl aus den Mühlen Nr. 4. Man röstet in ßoRN'schen Flammenöfen mit Flugkammern und mit einer oder zwei Etagen. Wenn der Herd des Ofens sich in einer dunklen Rothglühhitze befindet, so dass ein auf ihn hinge- worfenes Stück n eisig sogleich Feuer fängt und mit frischer Flamme brennt, dann wird der aus drei bis vier Zentnern be- stehende Einsatz eingetragen. Das Anrösten dauert ungefähr % Stunde, Avobei bei halb offenem Fuchse das Mehl fortwäh- rend durchgerührt und gewendet wird , ferner die sich bilden- den Klümpchen zerschlagen werden, jedoch zur Verringerung der Flugstaubmenge möglichst vorsichtig und sachte. Glüht die ganze Rostmasse und brennt sie für sich , so wird das Feuer eingestellt und es tritt die Oxydationsperiode ein ; der 33 Zoll lange und 7 Zoll hohe Fuchs ist nun ganz offen , die Masse wird fortan fleissig gerührt und durchgeklopft. Nach y^ Stunden hört die Masse stellenweise auf zu glühen , das Mehl fängt an schwarz zu werden. Man feuert nun neuer- dings nach und es tritt die Periode der Entschwefelung ein. Bei einer Fuchsöftnung von vier bis fünf Zoll Höhe rö- stet man y^ Stunden und wendet dann , feuert sonach stärker und wendet nach % — 1 Stunde wieder, worauf man auch mit 720 den Geruchsproben beginnt. Nun verengt man den Fuchs auf :} bis 3,5 Zoll Höhe, gibt noch mehr Feuer und röstet tod. Die Todröstung dauert ^4— 1 Stunde, worauf man unter fort- währendem Umrühren die Masse etwa fünf Minuten lang kühlen lässt, so dass der ganze Rostprozess 3,5-4 Stunden dauert. Beim Herausnehmen des gerösteten Mehls wird der Fuchs ganz geschlossen, die Masse noch heiss auf den Kühl- platz gebracht, dort auseinander gebreitet und später, damit dem Stauben begegnet wird, vorsichtig mit Wasser befeuchtet. Bei den Rostöfen mit zwei Etagen wird in der obern das Oxydationsrösten, in der untern die Entschwefelung vorge- nommen. Zur Bedienung eines einfachen Rostofens sind zwei Röster und ein Holzfahrer mit einem Schichtenlohne von 21 kr. bis 24 kr. = bestellt ; zu jener eines doppelten Rostofens hingegen fünf Mann, nämlich zwei für die obere und drei für die untere Etage. In 24 Stunden kann man in einem einfa- chen Rostofen 18 bis 21 Zentner Mehle rösten. Im doppelten Rostofen röstet man einen Einsatz von drei Zentner in 274 bis 2yjj Stunden und braucht dazu % bis 1 Schock Hütten- hecke **, während man im einfachen Ofen, abgesehen von der längeren Dauer der Röstung, 1 1/4 bis 1 '/, Schock benöthigt, daher sich auch bei der Verröstung von 100 Zentner Stein im Doppelofen, gegen jene im Einfachen, stets ein pekuniärer Vortheil von sieben bis acht Reichsthaler berechnet. Das neue Rosthaus ist mehr als hübsch, es ist wirklich schön, mit einem zweckmässigen Aufwände aufgeführt und in jeder Rich- tung ein durchdachtes Werk zu nennen. 6) Beschickung des gerösteten Mehls. Die- selbe wird in wasserdichten hölzernen Kästen von je 75,34 Cubikfuss Inhalt vorgenommen. Das angefeuchtete geröstete Mehl, von den Einsätzen des vorigen Tages und im Gewichte von 45 bis 4S Zentner, wird zu unterst eingetragen, hierauf breitet man 1 1 bis 12% (des Gewichtes des ungerösteten Steins) von gepochtem, gesiebtem und feingemahlenem Kalk- stein gleichförmig aus (Zechstein mit 78% kohlensaurem Kalk) und gibt darauf 10% Kochsalz. Ist der Stein ärmer an * Alle Preis« auf C.-Mz. reduzirt. ** 1 Schock Hüttenhecke = 230 Pfund. 721 Kupfer lind Silber, so nimmt man etwas mehr Kalk; ist das Mehl sehr feucht , so «ibt man etwas Kochsalz unmittelbar darauf. Diese Masse wird «gemengt und mit Wasser zu einem dicken ßrci von der Konsistenz angerührt, dass derselbe von der schräg gehaltenen Schippe zusammenhängend und frei ab- fällt, in welchem Zustande er sodann 12 bis 14 Stunden ruhig stehen gelassen wird. Zur Einsumpfung von 30 Zentnern Rostmehl sind ungefähr 15 bis IG Cubikfuss Wasser erforder- lich. In 12 Stunden können durch zwei Arbeiter 36 Zentner beschickt und eingesumpft werden, wofür jeder 24 kr. Schieb- tenlohn erhält. Der Kalk zersetzt die Chloride und Chlorüre von Kupfer, Eisen und Zink, nicht aber das Chlorid des Silbers, ist daher der Masse zu wenig Kalk zugeschlagen, so bildet sich auf derselben ein grüner Beschlag von Kupferchlorid. 7) Diese Beschickung ivird auf Thonplatten in eigenen Trockenstuben, welche durch die von den Rostöfen abziehende Hitze erwärmt werden, getrocknet. Anfänglich geschieht diess durch die ausstrahlende Wärme des Leitungskanals, welche im Sommer bei geschlossenen Thüren 60 bis 70^ R. beträgt, später zieht man aber die Beschickung auf die Platten des Kanals selbst. So trocknet man an einem Tage 36—48 Zentner , wobei zwei bis vier Jungen beschäftigt werden, welche für die 12stündige Schicht 9 bis 12 kr. beziehen. 8) Wenn die beim Trocknen verbleibenden Knollen und Klümpchen beim Zerdrücken stauben , so betrachtet man die Beschickung als geeignet, um sie dem Öuetschen überge- ben zu können. Die hiezu bestimmten eisernen, hohlen, zwei Fuss langen und 15 Zoll im Durchmesser haltenden Walzen spielen in einem gut geschlossenen Staubkasten und werden beim Quetschen einander bis auf y^g Zoll genähert. Unter den Walzen befindet sich ein Sieb, welches 16 Oeffnungen auf dem DZoll bat. Das Quetschen von 100 Zentner Be- schickung dauert 20 Stunden und kostet 30 kr. 9) Mahlen der gequetschten Beschickung. Fünf durch eine Dampfmaschine bewegte und wie gewöhn- liche Mahlmühlen konstruirte Mühlen stehen in einem Kreise um die stehende Betriebswelle. Die Laufer sind aus Granit 20 Zoll hoch mit 42 Zoll im Durchmesser. Sie machen in Rusftegger, Reisen. IV. Bd. 46 722 einer Minute 100 bis 115 Umdrehungen und nützen sich in einem Jahre ungefähr y> Zoll hoch ab. Jedes Mehlsieb hat auf einen DZoll 3364 — 3481 Oeffnungen und schlägt bei iy^_iy, Zoll Hub in einer Minute bis 233mal auf. Der Schrott wird wieder für sich aufgegeben. Jeder Mehlkasten hat seinen Staubfang. Alle zwei Tage werden die Siebe, welche*bei fortwährendem Gange 10 Wochen dauern und zum wechseln vorräthig seyn müssen, ausgehoben und in Kalk- mehl gelegt, was auch dann geschieht, wenn die Mühle länger als 24 Stunden stille steht, weil sonst der Messingdraht durch die Chloride angegriffen wird. Ein Gang liefert in 24 Stun- den 15 Zentner Gaarraehl. Die Wartung geschieht durch drei Mann , zwei bei Tag und einer bei Nacht , w eiche mit 24—27 kr. pr. 12stündiger Schicht bezahlt werden. 10) Die nun folgende Röstung auf Chloride ge- schieht ebenfalls in Flammenöfen. Die Posten , deren jede 441 Pfund wiegt, werden bei geschlossenen Füchsen eingetra- gen, wenn die Oefen Rothglühhitze zeigen. Nach 35 Minu- ten und fleissigem Umrühren wird zum erstenmale gewendet. Dann wird nachgefeuert und nach einer Stunde erfolgt die zweite Wendung, worauf mit einem 35 Minuten dauernden Feuer und fleissigem Umrühren geschlossen wird. Die Tem- peratur darf die Kirschrothglühhitze nie übersteigen. Die Röstung einer Post dauert beiläufig nur zwei Stunden 35 — 40 Minuten und erfordert ly. Schock 6 Wellen-Hüttenhecke. Die abgekühlte Rostmasse wird vor der Abgabe an die Amalga- mation etwas angefeuchtet. Während des Verlaufes dieser Röstung wird dreimal Probe genommen ; das erstemal , wenn die Rostmasse gehörig glüht, das zweitemal y. Stunde nach der. ersten Wendung, das drittemal vor dem Ausziehen. Die Probe besteht darin , dass man in einer Porzellanschale et- was Rostmasse mit Wasser mittelst eines kupfernen Stäbchens zu dünnem Brei anrührt, hierauf etwas Quecksilber zugibt, und nun die nachfolgenden Erscheinungen beobachtet. Zeigt sich auf dem Quecksilber beim Umrühren eine Haut von Kalomel, faltig und den Glanz des Quecksilbers nicht durchdringen las- send, so muss Kalk nachgetragen werden, denn die Kupfer- und Eisenchloride sind nicht vollkommen zersezt. Erscheint 723 hiiio^eg;en derZusammenliano^ des Quecksilbers getrennt, tlieilt es sich in Küg;elchen, die sicli niclit vereinen lassen, belegt sich das ivupferne Stäbchen nicht mit Silberamalgani , zieht das Quecksilber Schwänze und ist es dickflüssig, so ist zu viel Kalk, und inaninuss etwas Rohmehl, z. B. von Nr. r>, nach- tragen. Zeigt endlich das Quecksilber sich dickfli'issig, aber spiegelglänzend, so ist zu wenig Kochsalz in der 'Masse. Geht der Prozess so, wie er gehen soll, so muss das Queck- silber lebendig seyn, eine matte blanke Überfläche zeigen und an dem kupfernen Stäbchen muss sich silberweisses Amalgam anlegen. 11) A mal g amati on. Die Amalgamation wird nach Freiberger Manier in Fässern vorgenommen, deren Form vollkommen cylindrisch ist und de- ren jedes einen kubischen Inhalt von 16,7 Cubikfuss besizt. Alle 24 Stunden findet nur eine Anquickung statt, wobei der Gang der Maschine derart eingerichtet ist , dass jedes der vorhandenen sieben Fässer in einer Minute 7,28 bis 8,4 Um- drehungen macht. In ein Fass werden sechs bis acht Zentner (ä 115 Pfund) Gaarrostmehl aufgegeben, wobei die Füllung im Ganzen nur die Axenlinie des Fasses erreichen soll, höchstens ein paar Zolle darüber stehen darf. Auf sieben Zentner dieser Fass- füllung gibt man zur Anquickung y., bis einen Zentner Was- ser, dessen Temperatur im Winter 20** bis 30^ R. betragen muss. Anfänglich lässt man durch drei Stunden das Gaar- rostmehl mit Wasser für sich im Fasse umgehen. Der hie- durch entstehende Brei darf nicht zu dick und nicht zu dünne seyn, er muss ein rauhes Ansehen haben und von einem ein- getauchten Stabe zwar zähe , aber rein und zerrig abfallen. Nach Verlauf dieser drei Stunden wird das ganze Quecksilber- quantum, 50 bis 57% vom Gewichte des Gaarrostmehls, auf einmal eingetragen und die Maschine durch weitere drei Stunden im Umgänge erhalten. Beim Eintragen des Queck- silbers soll die Temperatur der Fassfüllung im Sommer nicht über 3:i" bis 38% im Winter nicht über 2S0 bis 33" R. betra- gen. Zur Verhinderung der Kalomelbildung sowohl, als zur Beförderung einer innigeren Mengung der Füllungsmasse in 4Ü* 7M Folge eines mechanischen Impulses, wird nebst dem Quecksilber metallisches Eisen in Gestalt runder, linsenartiger Scheiben von IV2— 2 Öuadratzoll Oberfläche und drei bis sechs Linien Dicke, zusammen im Gewichte von 18% jenes des Gaarrostmehls, zugeschlagen. Alle 14 Tage werden 10 Pfund Eisen nachge- tragen und alle Monate werden die Scheiben, welche noch nicht consumirt worden sind, geputzt und ihr Gesammtgewicht auf die erwähnten 18% ergänzt. IN ach Ablauf einer dreistündigen l-mgangszeit der Fass- füllung im Contakte mit Quecksilber und Eisen werden die Fässer geöffnet, untersucht und höchstens etwas Wasser nachgetragen. Der Brei muss nun am Probestabe eine grosse Anzahl kleiner , feinzertheilter Öuecksilberkügelchen wahrnehmen lassen, ein krauses Ansehen haben, sich zähe am Stabe niederziehen, unten einen Klumpen bilden und dann rein abfallen. Nach 13 bis Hstündigem Umgänge der Fassfüllung mit Quecksilber kann man die Entsilbernng als vollendet ansehen und es tritt nun die Verdünnung ein. Zu diesem Zwecke wird in jedes Fass ein Quantum kaltes Wasser von 2^/4 bis 3 Zentner nachgetragen und die Maschine neuerdings vier bis fünf Stunden in Umlauf erhalten. Bei der nun folgenden Entleerung der Fässer wird zuerst das ganz flüssige Amalgam in einen grossen zwilchenen Beutel oberhalb des Presstroges oder Quecksilberkastens in der Amalgamkamuier abgelassen und dort, wie gewöhnlich, ausgepresst. Sodann setzt man die Fässer neuerdings kurze Zeit in Umtrieb und lässt end- lich den entsilberten Rückstand , nachdem man hievon jedes- mal Proben genommen hat, in die Waschbottiche abfliessen, spült die Fässer mit reinem Wasser aus und gibt die Eisen- scheiben in die Fässer wieder zurück. Das Amalgam wird geformt und sodann ausgeglüht; die in die Waschbottiche abgelassenen Rückstände aber werden daselbst durch eine Art Sprudelvväsche von dem noch damit gemengten Amalgame befreit, sonach, als ein blosser Schlamm mit Thon zu kleinen Ziegeln geformt, getrocknet und auf Schwarzkupfer durchgestochen, welches in einem kleinen Rosettirherde gaar gemacht wird. 725 Wenn wir diesen im Ganzen sehr wissenschaftlich durch- geführten Prozess genau betiachten , so stossen wir hiebei auf einen grossen IJebelsfand , ncämlich auf die Flüchtigkeit des Silberchlorits in höheren Temperaturen, dem zu Folge bei der Köstung auf Chloride ein bedeutender Verlust, viel- leicht an 20% betragend, als unvermeidlich sich herausstellt. Wären nicht wieder andere gegenseifige Nachtheile, so wäre es gewiss vortheilhafter die Bildung der Chloride auf nassem Wege durch den amerikanischen Magistralprozess herbeizu- führen. Ueberhaupt aber kann ich nicht umhin zu bemerken, dass die Ansalgamation im Allgemeinen , und sey sie auch noch so zweckmässig eingerichtet, in mancherlei Beziehung viel zu wünscheji übrig lässt und ich kann mich hiebei des Gedankens nicht erwehren, dass uns in dieser Beziehung eine gewaltige Revolution bevorsteht , die auf unser gesaramtes Silberhüttenvvesen zurückwirken dürfte. Bereits hat die hüttenmännische Intelligenz verschiedene Wege ausgemittelt, um mit der Chemie Hand in Hand gehend die Amalgamation zu beseitigen und die Entsilberung auf andere, vollkommenere Weise zu erreichen. Dahin rechne ich das Verfahren des Berggeschworenen Augustin zu Eisleben , der das durch die Röstung des fein gemahlenen Kupfersteins mit Kochsalz er- zeugte Silberchlorid in einer sehr konzentrirten Kochsalzlauge auflöst und hieraus mittelst metallischem Kupfer das Silber im metallischen Zustande fällt; ferner das Verfahren des Hüttenfaktor Ziervogel auf Gottesbelohnung-Amalgamirwerk, welcher die Bestandtheile des Kupfersteins in schwefelsaure Salze umwandelt und aus deren Auflösung das Silber durch Kupfer fällt; endlich das Verfahren des Grubenmitgehülfen Hauch zu Bochnia in Galizien, der, auf Basis dtfr Eigenschaft der unterschw efligsauren Salze : das Silberchlorid aufzulösen =•', das Silber in den Erzen oder Lechen durch Röstung mit Koch- salz in Chlorid verwandelt , die 3Iasse sodann mit einer Auf- lösung von unterschwefiigsaurem Natron behandelt und hier- aus das Silber durch Kupfer oder Zink metallisch fällt. Alle diese Methoden bewegen sich jedoch noch im Bereiche der " H. Rose: Handbuch der analytischen Chemie. Scrlin , 1838, pg. 216. 72(5 Versuche und wenn sie auch ihren Prinzipien nach feststehen, so dürften sich doch in der Ausführung mancherlei Schwierig- keiten ergeben. Sie stellen das erste Anringen gegen die umständliche und kostspielige Amalgamation dar, mit welchem Erfolge? das müssen die weitern Schritte der Zeit und der Wissenschaft lehren. Aus der ökonomischen Betrachtung des Amalgamations- verfahrens auf Gottesbelohnunghütte ergeben sich folgende Daten : 100 Zentner Kupferstein (ä 114 Pfund) gehen: 103 Zentner Rohrostmehl. 118 „ ßeschickungsmehl. 113 „ Gaarrostmehl. 130 „ angeknetete Rückstände. 220—235 Pfund Amalgam. 90 Zentner Schlacken beim Verschmelzen der Rückstände und diese 7 — 9 Zentner Randschlacken. 1 Zentner Kupferstein von Leimbach hält 47,098 Pfund Kupfer und 175,4 Grän Silber ■■: 1 Zentner Kupferstein von Eisleben 49,338 Pfund Schwarz- kupfer und 182 Grän Silber. 1 Zentner Spurstein von Kupferhammerhütte 57 Pfund Schwarzkupfer und 180 Grän Silber. 1 Zentner Dünnstein vom Verschmelzen der Kupferstein- Rückstände 69 Pfund Schwarzkupfer und dieses 18 Grän Silber pr. Zentner. 1 Zentner Amalgamationskupfer (ä 110 Pfund) 40,82 Grän Silber. 1 Zentner Amalgam. 15,25 Pfund Glühsilber und 84,75 Pfund Quecksilber. 1 Mark Glühsilber 279 Grän Brandsilber, 266 Grän Fein- silber. 100 Zentner entsilberter Kupferstein geben 36 Zentner Schwarzkupfer und 10,5 Zentner Dünnstein. 100 Zentner Schwarzkupfer geben 20 Zentner Gaarkrätze, 100 Zentner Kupferstein durch alle Schmelzungen 47.5 Zentner Schwarzkupfer und 14 Zentner Dünnstein. * 1 cöln. Mark = 288 Gran. 727 Auf 1 Zentner Gaaiknpfer werden dem Amalgamirwerke 162 Grän Silber für Betriebskosten gutgesezt, auf einen Zentner Schuarzkupfer als Entscbädigung für Rösten und Scliwarz- luacben 1 Thaler 27 Silbergroschen , ferner für höheren Ver- kaufspreis des Amaigamationskupfers gegen den des Saiger- kupfers für 1 Zentner Gaaiknpfer 15 Silbergroschen. Auf einen Zentner Gaarkupfer (a 110 Pfund) * werden 114 Pfund Schwarzkupfer, also nahe 4**/^ abgezogen. Der Zentner Schuarzkupfer koinmt zu 114 Pfund zur Silber- probe, der Silberhalt der 14 Pfund aber wird als Verlust an- gesezt. Leztercr berechnet sich im Ganzen mit 51,57 Grän, nämlich 40,82 Grän an Silber, welches im Gaarkupfer bleibt, und 10,75 Grän auf Verstieben. Auf 100 Zentner Kupferstein werden im Laufe der Amal- gamatiou und der Nacharbeiten verbraucht: 34 Schock Wellholz zum Vorrösten. 48 „ „ „ G aar rösten. 2'/, ,, ,. „ Rösten des Dünnsteins. 56 Tonnen*' harte Kohlen zum Schmelzen der Rückstände. 3 » » » ,) Dünnsteinrösten. 8 „ „ „ „ Dünnsteinschmelzen. 3 „ weiche ,> „ Dünnsteinrösten. 56 „ „ ,> >, Kupfergaaren. 1 „ „ „ ,> Amalgamglüheu. Yi „ » „ » Schmelzen des Glühsilbers. 5 „ Koaks, zum Gaarkrätz- und Schlackenschmelzen. 2 ,, „ y, Grätzkupfergaarmachen. 0,7 ,» Riestäter Braunkohlen zum Amalgamglühen. 10 Pfund Schmideisen zur Amalgamation. 9 „ Quecksilber beim Anquicken. 1 „ „ „ Ausglühen. 1 „ „ „ Feinbrennen und Schmelzen. Zu- sammen also 1 1 Pfund Quecksilber- Verlust auf 100 Zentner Kupferstein mit beiläufig 31 Pfund Silber; auf 1 Mark Silber daher 5-/^ Loth an Quecksilber. 1 preussisclier Zentner = 110 Berliner Pfund. ** 1 Tonne = 7,111 cub. Fnss. 1 Schock, trocken = 220 Pfund. 12 » 13 » A >» 0,5 n 1,5 >y 0,5 » 0,25 » 0,75 » 728 10 Zentner Kochsalz zur Amalgamationsbeseliickung. Kalkmehl „ „ ,> Thonmehle zum Kneten der Rückstände. Quarz zum Schmelzen der Rückstände. „ „ „ des Oünnsteins. „ ,. „ der Krätze und Rand- schlacken. Flnssspath zum Schmelzen der Rückstände. „ „ „ des Dünnsteins. „ „ yf der Krätze etc. Mit den zur Zeit meiner Anwesenheit bestandenen Ein- richtungen konnten in 250 Tagen 9456 Zentner Kupferstein bequem entsilbert werden. Alle bei Durchführung dieses Prozesses sich ergebenden Auslagen in Anschlag gebracht, berechnen sich dieselben auf 1 Zentn er K upfe r für: die Amalgamation mit 6 Tlilr. 17 Sgr. 1 Pf. Röstung und Schmelzung „ 1 „ 27 „ zusammen also mit 8 Thlr. 14 Sgr. 1 Pf. Dieser Kalkül ergab sich bei einer Erzeugung von 4000 Zentner Kupfer und 2250 Mark Silber aus 9450 Zentner Kupferstein. 9) Vreiberg'. Freiberg, die bergmännische Weltstadt, der Centralsitz berg- und hiittenmännischer Gelehrsamkeit, unsere deutsche, bergmännische Hochschule, die durch ihren alten Ruhm die Bedeutungen der Worte ; „Bergmann" und „Deutscher" fast zur Identität erhob, da sie ihre Jünger iiber die ganze Erde aussendet, ist aus allem diesem im weiten Kreise unseres Faches so bekannt und es existiren über die statistischen , ad- ministrativen, technischen und naturwissenschaftlichen Ver- hältnisse dieses merkwürdigen Ortes mit seinen Instituten so viele und zum grossen Theile so gediegene Werke und Ab- handlungen *, dass ich mir wirklich, der ich auch nur kurze Zeit * Aussei" den, Iheils in allgemeiner Bedeutung, theils mit beson- derer Beziehung auf Freiberg, in der ganzen bergmännischen Welt be- kannten Werken und zerstreuten Abhandlungen eines Mohs, Fbeiesleben, 729 daselbst verweilte, nicht beffalleii lassen kann , hier eine nra- ständliche Beschreibung; des riesenhaften Complexes alles In- teressanten zu liefern, was sich da dem Berg- und Ilüttenmanne darbietet, sondern ich beschränke mich darauf nur jener Ele- mente kurz zu erwähnen , die ich als reisender Bergmann be- sah und wobei man mir von allen Seiten mit kameradschaft- licher Liebe und Bereitwilligkeit entgegenkam. Die ganze Umgebung von Freiberg gehört dem Gneisse Breithaupt. Laivipadiijs, Kerstfn, Gätzschmann, Plattnek u. s. w. CI- laube ich mir hier noch insbesondere auf folgende Schriften und Karten aufmerksam zu machen : Breithaupt : die Bergstadt Freiberg im Königreiche Sachsen in Hin- sicht auf Geschichte, Stadstik, Kultur und Gewerbe, besonders auf Bergbau und Hüttenwesen. Freibcrg. 1825. WiKKLBR : die europäi.sche Amalgamation der Silbererze und silberhal- tigen Hiittenprodukte. Freiberg 1833. (Ist bereits eine zweite Auflage erschienen.) Derselbe: Beschreibnng der Freiberger Schmelzhiittenprozessc. Frei- berg 1837. Freiherr v. Herder : der tiefe Meissner Erbstollen. Leipzig 1838. \ \VHlssE^RACH : Sachsens Bergbau , national - ökonomisch betrachtet. Freiberg 1833. Freiesceben : der Staat und der Bergbau. Freiberg 1839. Reich: Beobachtungen über die Temperatur des Gesteins in verschie- denen Tiefen. Freiberg 1834. Derselbe: Fallvprsuche über die Umdrehung der Erde, angestellt in dem drei Brüder-Schachte 2u Freiberg. Freiberg 1832. ^VBrssE^BACn : Abbildungen merkwürdiger Gangverhältnisse aus dem sächsischen Erzgebirge. Leipzig 1836. Rünr.MANN: die horizontalen Wasserräder und besonders die Turbinen oder Kreiselräder. Chemnitz 1840. Naumann: geognostischc Karte von Sachsen. (Ein bekanntes Meister- werk.) Das Blatt mit dem Terrain des Erzgebirges im Jahre 1840 ausgegeben. ScnipeAN: geognostisch-bergmännische Karte der Umgegend von Frei- berg. 1822. Reich: Versuche über elektrische Ströme auf Erzgängen; angestellt auf der Grube Himmelfahrt s. Abraham Fundgrube bei Freiberg. In K4RSTE^'s. Archiv. Bd. 14, 1840. Die in dem zu Freiberg jährlich herausgegeben werdenden Kalender für den sächsischen Berg- und Hüttenmann fortan erscheinenden und grosstentheils sehr interessanten Abhandlungen über den sächsischen Gruben- und Hüttenbetrieb. 730 an, der von mächtigen Einlagernngen von öuarz* und Glimmer- schiefer und von Porphyrzüg^en begleitet wird. Dieses Ge- birge wird nach allen Richtungen von erzführenden Gängen dnrchsezt , vorzüglich aber erstrecken sich die bedeutendsten derselben aus Nordost in Südwest und bilden, unter sich mehr oder weniger parallel, einen gewaltigen Gangzug, welcher aus dem Muldenthale herauf, theils unter der Stadt, theils ganz nahe südöstlich derselben durchseztund sich südwestlich über Brand und Erbisdorf fortzieht. Die Ausfüllungsmasse dieser Erzgänge besteht in: Quarz, Kalkspath , Schwerspath, Flussspath, Braunspath, Manganspath und Gneiss , ähnlich den» Nebengesteine, nur etwas aufgelöster, milder; die Erz- führung in: ßleiglanz, Grünbleierz, gediegen Silber, Silber- glaiiz, Antimonsilberglanz , Rothgültig, Weissgiiltig, Fahlerz, Kupferkies, Eisenkies, Arsenkies und Zinkblende. Wo die Gänge sich scharren und schleppen , sind sie auch hier am reichsten. Unter den vielen und weit ausgedehnten Gruben derFrei- berger Revier befuhr ich : Chur-Prinz , Himmelfahrt sammt Abraham-Fundgrube und die alte Mordgrube, Am Treibschachte auf C h u r P r i n z hat man den Krumm- zapfen auf eine eben so einfache, als schöne Weise zur roti- renden Bewegung in Anwendung gebracht. Das Betriebsrad befindet sicii gerade unter dem cylindrischen , für Drahtseile einaerichteten Korb und an den beiden Enden der Welle sind die doppelten Krummzapfen befestigt, welche demnach in je- dem Momente ihrer Kraftäusserung nicht nur ziehen, sondern zugleich auch schieben , was die höchste Gleichförmigkeit in den Gang der aus 2*24 Lachter Teufe fördernden Maschine bringt. Die eine Hälfte des Korbes ist durch eine sehr ein- fache Vorrichtung mittelst eines starken eisernen Hackens, der an der Korbscheibe befestigt ist und wenn man will die- selbe mit der Welle, an der sich ein starker eisener Ring mit Aufsätzen befindet, in Verbindung sezt, für den Fall zum Aus- stellen eingerichtet , wenn mit Ober- und Unterseil aus ver- schiedenen Teufen gefördert wird. Der schöne Kunstschacht auf dem Ludwig-Spat mit seinen 20 Lachter langen ununterbrochenen Fahrten ist der Wasser- 731 lialttiiig' aut den Gezeugstreckeii wegen sehr interessant. So ist auf der vierten Gezenj^strecke ein Klotzdamni anf^ebraclit, der den Druck einer 84 Lacliter hohen Wassersäule anszu- halten hat * und auf der siebenten ein solcher, der gar dem Drucke einer 140 Lachter hohen Wassersäule entgegengestellt ist. Die prismatischen Klötze dieser merkwürdigen Dämme haben die Länge eines Lachters und der mittlere, der Schluss- klotz, welcher cylindrisch oder eigentlich abgestuzt konisch gestaltet ist, hat einen Durchmesser von 14 Zollen. Unge- achtet dieser Stärke wurde doch der Damm auf der siebenten Gezeugstrecke durch den Ungeheuern Druck vorwärts ge- schoben , was offenbar nur durch ein gleichzeitiges Zusam- mendrücken der Klötze rechtwinklicht auf ihre Längenachse erklärbar seyn dürfte. INlcht minder interessant als diese Dämme ist die herrlicheStreckenmauerung: vor allem sehens- vverth aber sind die von Zeit zu Zeit durch den Ortsbetrieb sichtbar werdenden , merkwürdigen Verhältnisse der inneren Gangstruktur und Anordnung der Elemente der Ausfüllungs- inasse, wovon ich, durch den Friedrich-Stehenden hinüber auf Ludwig-Spat fahrend, einige ausnehmend schöne Fälle beob- achtete, bezüglich welcher ich mich auf Weissrnbachs oben zitirte Gangzeichnungen berufe. Zwischen der sechsten und siebenten Gezeugstrecke bricht eine warme Quelle hervor. Die Grube H im m el fahr t, sammt Abraham-Fund- gr übe , südöstlich von der Stadt und derselben ganz nahe liegend, besizt in ihrem Treibschachte den schönsten Schacht der Freiberger Revier, streng nach technischen Regeln aus- gebaut. Auf dem Neuhotfnunger-Flachen ging zur Zeit meiner Anwesenheit einer der schönsten Firstenbaue gegen IN W. und SO. um. Die Strassen standen in einer seigern Höhe von mehr als 20 Lachter im fünf Fuss mächtigen ßleiglanze. Hier beobachtete ich wieder , wie auf den bleiglanzführenden Gängen im Gneisse der Centralalpen, dass dort, wo der Rlei- glanz in besonders mächtiger Entwicklung auftritt, meistens nicht die fremdartigen Mineralien, z. B. Quarz , Schwerspath. ■' Freiberger Berg- und Hüttenkalender für das Jalir 1841. 732 Kalkspath u. dgl. die Ausfüllungsmasse bilden, sondern lez- tere gleich dem Nebengesteine, also auch hier Gneiss, nur in einem milderen, mehr aufg'elösten Zustande ist. Die alte Mordg^rube, si'iduestlich von Freiber^ , be- fuhr ich ihrer in 60 Lachter flacher Teufe unter Tags stehen- den, durch ihre Einfachheit und Zweckmässigkeit, insbeson- dere der Steuerung, ausgezeichneten Wassersäulenmaschiue wegen. Zeigen sich dem unpartheiischen Beobachter bei Betrach- tung einer auch noch so rationell geleiteten imd durchdachten montanistischen Betriebsanstalt, wohin doch Freiberg obenan gehört, wesentliche Gebrechen, so liegen dieselben meistens in der Art und Weise der Aufbereitung der Erze iiber Tags, ein Beweis, dass dieser hochwichtige Zweig der bergmänni- schen Technik im Allgemeinen noch immer am schwächsten ver- treten ist und am meisten mit veralteten Vorurtheilen zu käm- pfen hat. Ohne durch Offenherzigkeit im mindesten verletzen zu wollen, muss ich aufrichtig gestehen, dass es mir schien, als sehmachte in Sachsen die Aufbereitung unter dem Drucke der Steiger. Zwei Uebelstände tielen mir hiebei vorzüglich auf und zwar eine mangelhafte Trennung des Bauwerkes nach seinen Bestandtheilen von Vorne her und eine gleich mangel- hafte Separation mit Bezug auf Herstellung eines möglichst gleicFiförmigen Korns für die nachfolgenden Prozesse. Ein- zelne schöne Details, z. B. die allgemein meisterhaft geführte Kehrherdwäsche , die ursprüngliche Anlage der übrigens schlecht gehaltenen Senngitterpochwerke auf Chur-Prinz, die Rinnenführung der Pochmehle daselbst, zum Theile auch die über die Wand austragenden Pochwerke bei der alten Mord- grube, dürfen nicht verkannt werden: betrachten wir hingegen die Behandlung der vorhandenen Stossherde, deren Konstruk- tion von Vorne iier ganz gut ist, und vor allem die Durchfüh- rung des Siebsetzprozesses, dann betreten wir die Nachtseite der sächsischen Aufbereitung, wie ich sie im Jahre 1841 sah. Bewirkt die unterlassene Trennung des schvverspathigen Hauwerkes von dem übrigen den Uebelstand , dass man den Schwerspath nicht aus den Schlichen zu bringen im Staude ist, dieselben daher zum grossen Theile sehr unrein ausfallen, 733 so verdoppelt sich diese seiilimmc Naclnvirkuno' für das Sieb- selzeii »och dadurch, dass hiebei alle Vorarbeiten zur Her- stelluii«^ eines möglichst oIeiehförmii>en Korns man(;^eln. Das Gruben- und Scheidklein wird nämlich abo;eschliimn)t und das grobe erzige Hauwerk ausgeworfen , das mildere hingegen wird durch ein unbewegliches Sieb gerattert und was durch- passirt ohne weitere Separation zum Siebsetzen abgegeben. Bei diesem Verfahren darf es daher nicht wundern, wenn wir in Freiberg- den wichtigen Siebsetzprozess auf einer keines- wegs hohen Stufe erblicken und hören müssen, dass die schöne Manipulation des hydraulischen Siebsetzens bei den damit an- gestellten Versuchen einen ungünstigen Erfolg zeigte. Was beim Siebsetzen durch das erste Sieb durchgeht, wird mittelst eines feineren Siebes wieder g;esezt und dieser zweite Fass- schlich kommt auf die Stossherde. Das nach dem Abstriche im Sieb verbleibende Setzgut ist meistens ein unreines Gemenge von Erz und Schwerspath , woraus ersteres durch Menschen- hände ausgeklaubt wird, eine unglaubliche, kostspielige Mühe. Der Abstrich gelangt in die Pochwerke. Alle bleiischen und Kupfer-Erze, sowie die reichsten Sil- bererze werden verschmolzen ; alle kiesigen (Eisenkies) sil- berhaltigen Erze hingegen, sowie die ärmeren Silbererze wer- den amalgamirt. Man kann daher annehmen , dass beiläufig die eine Hälfte der Erze geschmolzen, die andere amalgamirt wird. Diese Arbeiten werden in den Muldener und Halsbrücker Schmelzhütten, so wie im Halsbrücker Amalgamirwerke vor- genommen. Die Schmelzhütte an der Halsbrücke ist in vieler Bezie- hung ein Musterwerk. Der Bau ist einfach, schön, in hohem Grade zweckmässig. Der Prozess hat manche Eigenthümlicli- keiten. Die armen und reichen Erze werden getrennt für sich behandelt. Erstere, meistens kiesig, werden ungeröstet, mit starkem Winde und bei offener Brust auf Stein Verblasen. Dieser bekommt drei Feuer in offenen Haufen und wird sodann mit den in Flaminenöfen gerösteten, reicheren, bleiischen und Silber-Erzen, sammt Schlichen, im Halbhochofen bei dunk- ler .Gicht und mit schwachem Winde durchgestochen. Dabei fallen Bleistein und Werke. Ersterer wird stark geröstet 734 auf Kupferstein verblaseii , dieser auf Scliwarzkupfer behan- delt und dieses endlich gesaigert u. s. w. : lezteie werden ab- getrieben, wobei man, da ganz wenig Abstrich fällt, das Ver- frischen der Glätte nach russischer Manier unmittelbar am Herde zu versuchen beabsichtigt. Bei der Muldener Hütte besteht ganz derselbe Prozess, die Anlage selbst ist aber nicht so grossartig wie jene an der Halsbriicke. Sehenswerth sind das ausnehmend schöne Cy- lindergebläse und ein Kreiselrad von fünf Fuss Durchmesser, welches mit drei Fuss Druckhöhe eine Art Schneckengebläse beW'Cgt. Das Amalgamirwerk an der Halsbrücke ist wegen seiner trefflichen Einrichtung weltberühmt. Der Prozessist bedeutend einfacher, als die Amalgamation des Kupfersteins auf Gottes- belohnunghütteim Mannsfeldischen. Die Erze werden trocken gepocht und mit den Schlichen gattirt, sodann mit 10% Koch- salz beschickt , durchgerättert und zur Röstung abgegeben. Die geröstete Beschickung wird in gewöhnlichen Mühlen ge- mahlen und kommt zur Amalgamation. Die Rückstände wer- den verschmolzen. Auf eine Mark Silber berechnet sich bei der Freiberger Amalgamation ein Quecksilberverlust von vier Loth. Ausser einigen ganz vorzüglichen Privatsammlungen ist Freiberg, als Bergakademie, reich an öffentlichen Sammlun- gen verschiedener Art. Wir sehen da : Die ältere oder sogenannte w e r n e r i s c h e Mineraliensammlung, nach Werners System geordnet. Sie enthält vorzügliche Prachtstücke, besonders des früheren Vorkommens auf sächsischen Gruben; so z, B. von arsenik- saurem Blei, von Kobalt- und Wismutherzen, Weichge- wächse von seltener Grösse und Schönheit. Die niedliche Edelsteinsammlung, wo fast für jeden Edelstein eine eigene Farbenreihe und eine Suite seiner Krystallformen aufgestellt sind, ist sehr interessant. Die neue oryktogn ostische Sammlung unter Brkithaupt. Keineswegs glänzend mit Berechnung auf äus- sern Effekt, aber von einem wissenschaftlichen Geiste durch- drungen und mit einer Liebe und Lust gepflegt , welche die 735 höchste Anerkennung; verdienen. Besonders wichtig ist diese Sammlung- fiir das Studium der Mineral-Metamorphosen. Die ge o gu ostisch e Sammlung unter Naumann. Die Ortlioceratiten aus dem Zechsteine , die schiefrigen Por- phyre und vieles Andere haben hohes Interesse. Die Re V i e r s amm lung unter ßergmeister Fischer. Selir schön aufgestellt und sehr belehrend. Man unterschei- det in der Freiberger llevier vier Gangformationen nach ihrem Alter und zwar : 1) Die Nostner Silberformation, Gneiss und Uuarz. 2) Die Brandner Formation, Manganspath , Schwerspath, Braunspath, Kalkspath, an den Blättern Bleiglanz und Blende. 3) Die Freiberger Bleiformation, Manganspath, Kalkspath, Schwerspath u. s. w . 4) Die Spathformation , Schwer-, Kalk , Braun , Flussspath u. s. w. Die Sammlung von Hütte nprodukten unter Kersten. Voll des Interessanten, z. B. ausgezeichnete Kry- stalle von Oxyde sulfurate de Zinc als Sublimationsprodukt bei Oefen: ferner Gneiss aus den Gestellen der Rohschmelz- Öfen, gebrannt und theilweise geschmolzen. In lezterem Falle sind es Quarz und Glimmer, die zu einer glasigen Masse schmelzen, während der Feldspath sich länger hält, jedoch stark verändert, glasig erscheint. Der Gneiss gewinnt da- durch häufig ein porphyr- oder trachytartiges Ansehen, es scheiden sich Krystalle von Feldspathprismen aus , w eiche im Gneisse von Vorne her keineswegs ersichtlich waren. In die- sen Oefen finden sich auch Sublimationen von Blende und Bleiglanz in grossen Krystallmassen und zwar stets jene der Blende tiefer, jene des Bleiglanzes höher im Ofen abgesezt. Die Gangk arte von Freiberg, eine ebenso schöne als wichtige Arbeit. Ich sah sie unter der interessanten An- leitung des Baron Beust, damals Bergrath. Für das bisher kaum untersuchte nordöstliche Gangfeld, jenseits des Mul- dener Thaies, ist noch sehr schöne Hoffnung vorhanden; auch ist es offenbar hier, so wie an vielen Orten , unrichtig, wenn man geradezu behaupten will, die V eredlung der Gänge nehme mit der Teufe ab und die Gänge schütten daselbst nur mehr Pocherze; denn auf vielen derselbeuj z. B. auf Chur- 736 Prinz, Himmelfahrt, alte Mordgiube ii. m. a. , brechen in den grössten, bisher erreichten Teufen noch schöne Scheideerze ein. Das Mo d eil ka bin et in der Akademie. Nicht so sehr durch die Masse der vorhandenen Gegenstände, als durch wichtige, interessante Details und durch musterhafte Anord- nung-ausgezeichnet. Dahin zähle ich : mehrere Modelle von Kreiselrädern oder Turbinen: das eines sehr sinnreichen aus Tafeln , anstatt Röhren , konstruirten Apparates zur Erwär- mung der Gebläseluft: das eines Pfluges , der mit Anwendung von 12 Pferdekräften ganze Gräben in einem Zuge zieht: jene von Kehrherden, die unten anstatt dem Spalt eine verschieb- bare Lute haben, wodurch man die Herdfluth hinleiten kann, wohin man will; viele interessante Modelle von Pumpensätzen und Kolben * ; das einer Vorrichtung zur Hebung der Kähne, bei bergan führenden Kanälen und mangelnden Schleusen, in Anwendung auf dem Kanäle, der vöu Chur Prinz zur Hütte führt: mehrere Modelle interessanter Dampf- und Wasser- säulenmaschinen etc. 9) Joacliiiustlial in Btfliinen. Einen sehr umfassenden üeberblick der interessanten geognostischen Verhältnisse von Joachimsthal gewährt die bei dem dortigen Oberamte vorliegende Gangkarte *•'. Dem Gneisse und Granite des Erzgebirges schliesst sich eine ausgedehnte Schieferbildung an, Thonschiefer und Glim- merschiefer, welche contemporäre Lagerstätte \on dichtem Kalkstein enthalten und sämmtlich von gangartigen Massen von Porphyr und Basalt durchsezt werden. Das ganze Schie- *■• hl Freiberg werden die Kolbenröhreu (Kernguss), um iliiien nicht die innere iiarfe Rinde zu benehmen, nicht ausgedreht. Um sie so hart als möglich zu erhalten bedient man sich einer Legiir von Guss- eisen mit etwas Kupfer, welche beide in geschmolzenem Zustande ge- mengt und dabei mit Weidenruthen, die beim Verbrennen stark flackern, fleissig umgerührt werden. Auch legirt man das Eisen zu diesem Zwecke mit den Bestandthciien der Kobaltspeisc: Nickel, Arsenik, Kupfer. ~* M. s. ferner : Mayer : geognoslische Untersuchungen zur Bestimmung des Alters und der Eiidungsart der Silber- und Kobaltgänge zu Joachimsthal im Erzgehirge. Prag 1830. 737 .fergebirge wird ausserdem von einer Mengte Erzgänge dnrcli- zogeujdie wieder alle oben erwähnten Felsgebilde durchsetzen, theils aus Ost in West, theils aus Nord in Süd streichen und daher in Morgen- und Mitternachtsgänge getheilt werden. Die Ausfüllung dieser Gänge bildet theils ein seidenglänzender, vom Nebengesteine sich wesentlich unterscheidender Thon- schiefer, theils besteht dieselbe in Kalkspath und Quarz. Die Mächtigkeit ist meisteus von keiner grossen Bedeutung; sie steigt von der weniger Zolle höchstens zu einer solchen von zwei bis drei Fuss, übrigeus sprechen sich alle Verhältnisse klar und deutlich aus, die Gänge sind fast stets vom Neben- gestein scharf geschieden und nur selten damit verwachsen. Als Erze führend zeichnen sich besonders die Mitternachts- gänge aus, doch geht auch auf den Morgengängen Abbau um. Die Erzführuug säramtlicher Gäuge besteht in Eisenkies, Ar- senkies, Nickelkies, Rothgültigerz und silberhaltigen Kobalt- erzen. — Im Ganzen sind die Erzmittel sehr absärzig , und da man einstens , als man es hätte thun sollen und pekuniäre Kraft hiezu besass, nicht auf eine mit dem Abbaue gleichmäs- sig fortschreitende Ausrichtung Bedacht nahm , so kam es, dass der einst blühende Bergbau zu seinem gegenwärtigen Elende herabsank und sich auch hier jene bergmännische ün- kenntniss rächte, Avie wir es an so vielen andern Orten nament- lich in Salzburg und Tyrol sehen, wo ebenfalls die blühend- sten Bergbaue Opfer eines systematischen Raubbaues gewor- den sind. Die Erzgänge, welche untereinander sich unter scharfen Winkeln durchsetzen und zum Theile auch verwerfen, schei- nen un ter sich contemporär zu seyn, denn so, wie auf dem hohen Goldberge in Rauris, sehen wir auch hier, dass sich diese Gänge in verschiedenen Horizonten wechselseitig durch- setzen und verwerfen und es daher kaum möglich seyn dürfte, mit Bestimmtheit zu sagen , welche aus ihnen sonach die äl- teren und welche die jüngeren seyen. Im Ganzen bietet die Revier ein zwar sehr complicirtes , aber doch klares Netz einer grossen Älenge solcher Gänge dar. Die Erzgänge sind nicht nur jünger als die Schiefer mit ihren Kalken, welche der Centralalpenbildung anzugehören Russegger, Reisen. IV. Bd. 47 738 scheinen, d. li. sie sind mit dem Gebirge nicht contemporär, sondern sie sind auch entschieden jünger als die Porphyrstöcke lind Züge, und zum grössten Theile auch jünger als die Ba- saltgänge. Ausnahmen in lezteier Beziehung dürften nur sehr selten seyn , denn ich halte die Behauptung : „dass der Basalt den Erzgang durchsezt" meistens für nicht gegrün- det, indem man zu häufig nachweisen kann, dass in solchen Fällen die Gänge doch durch den Basalt hindurch gehen, wenn auch nur als blosse Blätter oder Stürze , wie nachstehende Figur zeigt, wo uns a den Basalt, b den Erzgang bezeichnet: üebrigens gehört allerdings zu dieser Beobachtung eine mehr als bloss flüchtige Anschauung. Namentlich ist diess dort der Fall, wo man annimmt, dass in dem einen Horizonte der Gang durch den Basalt, im andern der Basalt durch den Gang gehe, während doch in der Wirklichkeit der Basalt beiderseits der Durchsezte ist. An einem Orte, wo jedoch der Basalt wirklich und ganz unbestreitbar der durchsetzende Gang ist, sah ich einungemein schönes V erhalten : Der Basalt a nämlich uraschliesst ein Stück c des Gebirgsge- steins, welches er wahrscheinlich lostrennte und einhüllte, während der Erzgang b nicht nur bis an die Blätter des Ba- saltes sezt, sondern auch ausgezeichnet das Trume durchsezt. 739 d. Ii. seine ursprüngliche Richtung, wenn sie aucluinterbrochen ward, unverändert beibehielt. Der Basalt, alsGestein ftir sich betrachtet, tritt mit allen seinen charakteristischen Merkmalen auf, führt auch häufif>- Olivin und Zeolit. Nicht so klar wie beim Basalte . ungeachtet der grossen Mächtigkeit, welche dieser hie und da wahrnehmen lässt, spricht sich der Charakter unbezweifelbarer Gangbiidung am Porphyre aus. Der leztere tritt mehr stockartig, als gangar- tig auf; er bildet Massen von sehr grosser 31ächtigkeit , aber weniger determinirter Form, geht übrigens, wie die Basalt- gänge, meistens zu Tage, was bei den Erzgängen nicht der Fall ist. Betrachtet man hingegen andrerseits wieder das Anlialten und wiederholte Erscheinen solcher Stöcke nach einer gewissen Richtung, ihre Erzführung, ihre Drusenräume in der Nähe des Hangend und Liegend, die scharfe Trennung ihrer Masse vom Nebengesteine, häufig sogar mit deutlich ausgesprochenen, starken Salbändern, so muss man doch wie- der Anstand nehmen , diese Lagerstätte in die Reihe der gewöhnlichen Stöcke, der eigentlichen Ausscheidungsmassen, analog den Gesteinskonkretionen, einzureihen; und da sie pa- rallel den Gesteinslagen des Schiefers in das Gebirge einfallen, offenbar aber mit demselben nicht contemporär, somit keine Lager sind, so erübrigt allerdings am Ende kein anderer Ausweg, als sie doch als gangartige Massen von ganz eigen- thümlicher Struktur, als „stockartige Gänge" meinetwegen, zu betrachten. Die Grundmasse dieses Porphyrs ist ein blass- röthlicher, quarziger Feldspath, mit ausgeschiedenen Feld- spath- und Quarzkrystallen. In den Basalten finden sich ausser Olivin und Zeolit auch noch Krystalle von Glimmer und Augit, ja es scheint stellen- weise der Basalt in einen förmlichen Augitfels überzugehen. Die Nebengesteine sah ich nirgends unbezweifelbar vulkanisch verändert, wohl aber ist der Kalk in Berührung mit Porphyr und Basalt zu Dolomit umgewandelt. Wo die Erzgänge durch den Kalk setzen zertrümmern sie sich in viele kleine Klüft- cheu und setzen als solche fort; wie sie aber den Kalk wieder 47* 740 verlassen, vereinen sich diese Klüftcheii sogleich wieder zur ungetrennten Gangmasse. Die Basalte sind entschieden jünger als die Porphyre. Ein sehr interessantes, diese Behauptung vollkommen bestä- tigendes Verhalten zeigt die sogenannte Putzenwacke. Im Schiefer c, und parallel seinen Gesteinslagen, sezt der Porphyrzug P auf. Beide aber, Schiefer und Porphyr näm- lich, werden von einem mächtigen Gange aus Ost in West durchsezt , der auch den Porphyr bedeutend verwirft. Die Ausfüllung dieses Ganges ist merkwürdig. In der Mitte steht fester Basalt b an, der sich dem Hangenden und Liegenden stellenweise ganz nähert und dicht anlegt. Dieser Basalt ist gleich dem der übrigen ßasaltgänge ; er führt wie dieser Oli- vin und Zeolit. Den Raum zwischen diesem Basalte und dem Hangenden und Liegenden der grossen Kluft hingegen erfüllt ein eigenthümliches Trümmergestein a. Dieses besteht aus Porphyr-, Basalt-, Kalkstein-, und Ganggesteintrümmern, welche durch ein thoniges , mitunter schiefriges Bindemittel zusammengehalten werden, respektive zum neuen Fels rege- nerirt sind und welches Bindemittel offenbar aus den gänzlich zerstörten, genannten Gesteinsarten besteht. In diesem Trüm- raergesteine, der sogenannten Putzenwacke, finden sich rund- 741 liehe Massen eines basaltischen, wacken artigen Gesteins, von denen ich nicht entscheidend zu behaupten wage, ob man es mit Geschieben oder Konkretionen zu thun hat. Ferner fand sich darin, 150 Lachter unter Tags, an einer Stelle, wo von einem tViiheren Bergbaue nichts bekannt ist, — fossiles Holz. Ich sah dasselbe, das sogenannte Sündfluthholz , im Na- tionalmuseum zu Prag. Die Stücke, offenbar Dikotyledonen- stämmen , nicht unähnlich unsern Buchen, angehörend, sind nicht verkohlt, wohl aber, wahrscheinlich durch Grubenwasser, stark verändert, petrifizirt und von dunkelbrauner Farbe. Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich behaupte, dass man daran deutlich die 3Ierkmale menschlicher Bearbeitung, des Gespaltenseyns, beobachtet. Dass dieser Fund viel Aufsehens machte ist ganz natürlich. — Hier kann von einer Ausfüllung von Unten herauf verniinftigerweise nicht mehr die Rede seyn, sondern es ist nur die Ausfiillung von Oben umsomehr allein denkbar, da diese Gangspalte, die Putzenwacke , wirklich zu Tage geht. Entweder wurde in vorgeschichtlicher Zeit da- selbst schon Bergbau betrieben und man fi'ilirte am Hangen- den und Liegenden des festen Basaltes, wo vielleicht Erze an- gestanden haben mögen, Verhaue vom Tage aus bis in jene Teufe nieder, oder es blieb, nachdem der Basalt von Unten auf emporgestiegen war, am Hangenden und Liegenden des- selben ein offener Raum, eine offene Gangspalte. Ersteres ist wohl Avahrscheinlicher; in beiden Fällen aber ist es natür- lich, dass sich dieser Raum von Oben durch Gesteinstrümmer, Schlamm, Sand und zufällig hineingerathene Körper, z. B. Holz, wieder ausfüllte und diese Ausfüllung sich im Verlaufe der Zeit zum Trümmergesteine, scharf getrennt vom Basalte, wie man sieht, regenerirte, ganz auf eine ähnliche Art und Weise, welche wir der Entstehung des sogenannten Heiden- gebirges im Salzkammergute zu Grunde leget» müssen *. Je- denfalls sehen wir darin einen schlagenden Beweis für das jugendliche Alter dieser sogeuannten Putzenwacke. Der Porphyr ist nicht nur au der Gränze mitdem Schiefer, * Meine Notizen über das sogenannte Heideugebirge in der süd- deutschen Salzformation. In Karstens Archiv. Bd. 9. 1836. 742 wo lezterer sehr hart und oft im eigentlichen Kieselschiefer umgewandelt erscheint, erzführend , sondern die Erzführung desselben erstreckt sich durch seine ganze Masse, indem diese von kleinen Erzadern, aufweichen Rotligültig, Weichgewächs, Kiese, silberhaltio^e Kobalterze, Silberschwärze n. s. w, ein- brechen, nach allen Richtungen durchschwärmt wird, so dass der Abbau solcher Stockwerke viel Schwieriges hat und am be- sten nur durch eine Art öuerbau erfolgen kann. An manchen Orten zeigt der Porphyr, der vom Schiefer durch Thonsalbän- der getrennt ist, an den Gesteinsscheiden eine zerfahrene, drusige Textur, mit Quarzkrystallen auf den Drusenräumen. Ein solches Ansehen gibt auf Erzführung besondere Hoffnung und bereits von den Alten wurden auf diesen Veredlungen am Hangend und Liegend bedeutende Verhaue geführt. Die nasse Aufbereitung der Erze war zur Zeit meiner Anwesenheit, wegen Kälte und Eis, eingestellt und die Hütte stand wegen Mangel an Erzen schon seit Jahren kalt. lO) Mies in Btihinen. Der grösstentheils gewerkschaftliche Grubenbau von Mies liegt im Terrain der Grauwackenformation. Die Glieder derselben 5 Glimmerschiefer und Thonschiefer , werden von ausgezeichneten, anhaltenden , silberarmen Bleigianz-führen- den Gängen durchsezt, unter denen sich der Langenzuger Gang vorzüglich bemerkbar macht und der Hauptgegenstand des dortigen Bergbaues ist. Die Ausfüllung dieser Gänge bilden Quarz, Kalkspath und Schwerspath. Der Bleiglanz bricht in grossen Massen ein, ist sehr silberarm und dabei sehr rein; die aus ihm erblasenen Werkbleie müssten sich da- her ohne Zweifel ganz besonders zur Entsilbernng durch Kry- stallisation nach englischer Manier, wie ich sie in Flintshire sah, eignen. Bezüglich der Aufbereitung dürfte sich manches günstiger gestalten lassen. Man betreibt nämlich das Sieb- setzen ausschliesslich mit Menschenhänden und schenkt, wie in Sachsen , der Separation nach der Grösse des Korns zu wenig Aufmerksamkeit. Sogar das Pochen der Siebabhübe wird zum Theil durch Menschenhände verrichtet. Die Erze, sowohl als Stufferz, als in Granpen , sowie die Schliche wer- 743 den verkauft. Das Verhältniss der Gewerkschaft zum Staate, bei den noch immer bestehenden, den gegenwärtigen Verhält- nissen nicht mehr angemessenen alten Berggesetzen , scheint nicht das Günstigste und es mangelt jener rationelle Schwung des Betriebes", der, ausser dem blinden Zufalle, allein Segen hervorrufen kann und desselben würdig ist. So fand ich, dass zur Untersuchung der hofTentlichen Teufe Nichts geschieht ClSll), Nichts zur Erforschung des Ganges im nördlichen Felde, und zur Ausrichtung desselben im südlichen gerade nur so viel , dass man sich mit dem Abbaue daselbst bewegen kann. Das Feldort des Erbstollens im Streichen des Langen- zugers gegen Süd beleuchteten wirnichtunhoffentlich, jedoch sparsam in Erzen stehend, während weiter zurück einige aus- nehmend schöne Erzanstände zu sehen waren. Die Mächtig- keit des Ganges ist sehr abwechselnd, stellenweise beträgt sie bis zu einem Lachter. Durch den breiten Schramm, welchen der Gang führt, wird die x\rbeit sehr erleichtert. 11) i»ribrain in DÖImien. Schöner, als mit PTibram , hätte ich als Oesterreicher meine bergmännische Rundfahrt in Europa nicht leicht be- schliessen "können, denn was den wichtigen Bergbau auf Gängen anbelangt, ist Pribram das erste Montanwerk unserer »lonlirchie, ein Musterwerk, das durch die kenntnissreiche und kräftige Leitung zweier unmittelbar nacheinander gefolg- ter Vorstände, des in Wien verstorbenen Hofrathes Maier und des gegenwärtigen ünterstaatssekretärs Layer , sich auf die Stufe schwang, auf der es jenen Namen mit vollem Rechte verdient. Pribram liegt ebenfalls im Gebiete der Grauwacke, welche theils als körnige Grauwacke, theils als Grauwackenschiefer, theils als Thonschiefer auftritt. Mächtige Dioritgänge, zum Theil zu Tage gehend, durchsetzen die Gesteinslagen des Grauwackengebirges unter Winkeln von 30« bis 40% oder liegen denselben lagerartig conform. In der Nähe dieses, hie und da einen syenitischen Charakter annehmenden Diorites erscheint die Grauwacke dicht, kieselig, fast wie Guarzfeis; es tritt Hornblende in ihr Geraenge, sie wird selbst dioritähn- 744 lieh. In grösserer Entfernung erscheint diessfalis sehr oft schwarzer Schiefer. Höchst interessant sind die AusfiiUungsverhältnisse der erzführenden Gänge , welche sowohl die Gesteinslagen der Grauwacke, als die in dieser vorkommenden mächtigen Diorit- gänge durchsetzen. Wo diese Erzgänge in Dioritmasse auf- setzen, was in grösserer Teufe häufig der Fall ist, und wo sie also sehr oft Diorit im Hangenden und Liegenden zum Be- gleiter haben, dort bildet auch der Diorit, nur in einem auf- gelösten, gleichsam verwitterten Zustande, die Ausfüllung ; wo sie hingegen in der Grauwacke selbst aufsetzen , dort bil- det diese, wieder in einem sehr aufgelösten Zustande, die Gangmasse. In beiden Fällen hat diese Gangausfüllung nur in den untern Teufen statt, denn in den höheren Horizonten besteht die Gangmasse aus Brauneisenstein, aus dem bekann- ten eisernen Hut der Bergleute. Es scheint demnach, dass die Bildung der mächtigen Dioritgänge auch jene der übrigen Gänge bedingte, dass aber, als leztere statt fand, sowohl die Dioritbildung, als die der Grauwacke noch nicht zur Ruhe und Vollendung gelangt war, mit einem Worte, dass das Grau- wackengebirge mit den Diorit- und übrigen Gängen contempo- rärsey, die Erzführung gewisser Gänge aber spätem Ursprungs ist und als Folge polarischer Thätigkeit in den verschieden- artigen Ge.steinslagen betrachtet werden kann. Wobei übrigens noch die Frage entsteht, ob sich diese Annahme auch auf den Brauneisenstein der obern Etagen erstreckt, oder ob nicht der- selbe vielmehr als eine Ausfüllung von Oben , vielleicht als eine Thermenbildung anzusehen ist. — Die Erzgänge, deren sehr viele sind , streichen alle 1 h. bis 3 h. , kreuzen und schleppen sich dem Streichen und Fallen nach auf mannigfal- tige Weise und wechseln in ihrer Mächtigkeit von der weniger Zolle bis zu jener einer Lachter. — In südlicher Richtung werden alle Erzgänge nach und nach unedel, behalten aber ihren gangartigen Charakter ausgezeichnet bei; gegen Nord hingegen liegt eine quer aus Ost in West streichende, grosse Lettenkluft vor, deren Ausfüllung ein sehr aufgelöster, tho- niger Schiefer bildet und die in dieser Richtung das ganze Gangsystem von Pribram abschneidet. Sie hat in ihrem Han- 745 genden und Liegenden begleitende parallele Blätter, an denen die Gänge immer undeutlicher werden, bis sie endlich und zwar meistens früher, bevor sie die eigentliche Lettenkluft errei- chen, ganz aufhören. Ein einziger der erzführenden Gänge, der sogenannte Eusebigang, sezt bis an die Lettenkluft selbst und seine Veredlung dringt in sie ein , aber damit endet auch er. Ein Durchsetzen der Erzgänge durch die Lettenkluft in Form bhjsser Blätter konnte ich nirgends bemerken, obwohl es in vielfach verworfenen Gesteinsscheiden vielleicht doch statt linden kann. Die Kalkspathklüfte in der Näiie der Let- tenkluft sehe ich als ganz nnabhäugig von den Erzgängen an. Weit jenseits der Lettenkluft, im Hangenden derselben, setzen wieder Erzgänge auf, die auch zum Theile in Abbau stehen, da sie jedoch in ihrer Fortsetzung herwärts, gegen Süd, lange früher ausgehen, bevor sie in das Bereich der Lettenkluft ge- langen, so ist es sehr zweifelhaft, ob man sie als eine nörd- liche Fortsetzung der eigentlichen Pribramer Gänge betrach. ten kann. Interessant wäre es wenigstens einen der Pribra- mer Gänge gegen Süd bis zu dem ungefähr 2000 Lachter ent- fernten Granite zu verfolgen, um doch faktisch das Verhalten der Gänge in diesem Felde kennen zu lernen. Das Fallen der Erzgänge ist sehr verschieden , theils in Ost , theils in West, einige wechseln auch dasselbe. Die Veredlung der Gänge, vorwaltend ßleiglanz und Zinkblende, nimmt mit der Teufe eher zu als ab , so dass gerade in den tiefsten Bauen , in 200 Lachter Teufe, die schönsten Erzanstände einbrechen, üeber- haupt ist der Adel besonders der Diorit-Teufe eigen, indem sich die gleichartigen Erze im Brauneisensteine nur sparsam finden. Der Grubenbau wird höchst durchdacht und streng tech- nisch geführt. ''3 der Häuermannschaft beschäftigt sich mit Abbau, während % auf Hoffnung und Ausrichtung belegt sind (1841). Zugleich hält man in der Grube stets einen halb- jährigen Bedarf fertiger Scheideerze in Vorrath. Die obern Erzmittel werden sämmtlich als Reserve betrachtet und nur jene in grösserer Teufe nimmt mau in Abbau, wobei alle Anf- schliessung so rasch als möglich betrieben wird. Der Abbau 740 solcher Erzmittel , der z. B. eine kostspielige Verzimmerung erfordert, wird im Verhältnisse zu den übrigen forcirt. Alle Arbeit auf dem Gesteine steht im Laehtergedinge und nur Firstenbau wird betrieben. Dagegen hat aber auch Pribram einen grossen Vorrath au zum Abbaue vorbereiteten Erzmit- teln und steht ftuf festester Basis. Die Förderung geschieht mittelst Drahtseilen , zu deren Anfertigung eine eigene Ma- schine besteht, nach dem Prinzipe der am Harze errichteten ausgeführt *. Die in den Gruben gewonnenen Erze theilen sich in Schei- deerze und Pocherze. Sie bestehen vorwaltend in silberrei- chem Bleiglanz und Zinkblende, ferner in Rotligültig, Spröd- glaserz, gediegen Silber. Die reichsten Erze, als Rothgültig und gediegen Silber, werden unmittelbar dem Treiben zuge- rheilt. Die übrigen Scheideerze kommen unter verschiedenen Benennungen und Formen zum Trockenpochen und dann zur Hütte. Der Bleiglanz hält bis zu 25 Loth pr. Zentner. Die Pocherze theilt man in Trockenpocherze , sein reiche Poch- erze, die nach dem Pochen zum Siebsetzen kommen , und in gewöhnliche Pocherze, welche zum ordinären Poch-, Wasch- und Schlämmprozesse abgegeben werden. Die Grubenklein kommt zum Siebsetzen , was damals noch mit Menschenhän- den allein betrieben wurde. Die Verwaschung der Poch- mehle geschieht dnroligehends aufgutkonstruirten und zweck- mässig behandelten Stossherden : da dieselben jedoch zur Auf- bereitung der ganz zähen Schlämme nicht günstig resultiren, macht man diessfalls den Versuch mit liegenden Herden. Der Hüttenprozess ist höchst einfach ; die Erze und Schliche werden geraengt, mit drei Feuern in bedeckten Hau- fen geröstet, darauf mit altem Roheisen, bleiischen Rück- ständen und Schlacken beschickt und in Halbhochöfen durch- gestochen. Man arbeitet somit sehr energisch auf Entschwef- lung sowohl durch Röstung, als durch Niederschlag. Die aus dem Schmelzen sich ersrebenden Werkbleie werden abge- trieben , die Schlacken je nach ihrem Halte entweder auf die Wie ich liiirc hat man in neuester Zeit in den tiefen Pribramei" Schächten auch die Harzer Fahrkiinste in Anwendung gebracht. Nähe- res hierüber ist mir unbekannt. 747 Halde geworfen oder neiieidinos zugeschlagen. Das Blei Avird grössteiitlieils als Glätte vcrkanft. Im Jahre 1839 erzeugte Pribram : an Silber . . . Ü2150 Mark. „ ordin. Glätte . 13432 Zentner. „ rother Glätte . 2141 „ Hartblei . . 830,64 „ Der reine Ertrag belief sich auf 23047') (1. C.-Mz. und vertheilt wurden an sämnitliche Kuxe 240000 fl. In demsel- ben Jahre betrug die Hütteneinlieferung : an Scheideerzen 9683,10 Zentner. y, VVaschwerks-Gefälle . . . 33083,81 „ „ nassem Pochwerksgefälle . .5247,73 „ „ extra Gefallen 7,00 „ zusammen 48021,73 Zentner trocken, mit einem Halte von 2214.5 Mark Silber und 18034 Zentner Blei, oder dnrchschnittlieh pr. Zentner mit 7 Loth 1 Qnint 2 Denär an Silber und 37,55 % an Blei. Die Berg- und Pochwerkskosten betrugen 269157 fl. 23y., kr. die Frohne 51526 fl. 15 kr. zusammen 320684 fl. 52 Vo kr. folglich berechnet sich ohne Frohne auf einen Zentner Erze und Schliche ein Produktionskosten mit 5 fl. 36V4 kr. C.-Mz., oder zu gleichen Theilen repartirt auf 1 Mark Silber 6 fl. 4% kr. und auf 1 Zentner Blei 7 fl. 27% kr. C.-Mz. Das Werk beschäftigte 1750 Berg- und 54 Hüttenarbeiter. Dem Pribramer Oberamte sind ferner untergeordnet die Eisenwerke der Zbirower Staatsherrschaft zu Hollaubkau, Strassic, Karlshütte, Franzensthal, Dobriw und Padert. Aus den mir von dem damaligen V orstande, nunmehrigen Unterstaatssekretär Lvyer gütigst niitgetheilten Behelfen ergeben sich für die Manipulation dieser Eisenwerke nach- stehende Grundsätze : Auf lOOPfund Roheisen erfolgen 75 Pfund Extraeisen 1. Klasse. » » » » » 70 „ » 11. j, » » » » }) ^^ » » ***• » „ „ „ „ f, 75 „ vorbereitetes rundes Senkeisen. 748 Auf 100 Pfund Roheisen erfolgen 77 Pfund übrige Sclimideisen- gattungwen. % Zentner Roheisen werden im Bezug des Ausbringens 1 Zentner Wascheisen und 35 Zentner Roheisen 31 Zentner altem Schmideisen gleichgesezt. Der Kohlenbedarf beträgt zur Erzeugung von 100 Pfun- den bei : Extraeisen I. Klasse. . . 8 Tonnen *. » 11. ), . . 9 „ » 111. „ . . 10 „ Wagenachseneisen . . 6,45 Tonnen. Pflugschaareneisen , . 6,71 „ Verschied. Eisengattungen 6,35 „ Ersparnisse an Kohlen und Roheisen werden den Arbei- tern mit 40% des Zurechnungspreises gut gesezt, die Mehr- verwendung haben dieselben jedoch nach den Gestehungs- kosten zu bezahlen. Aus 100 Pfund Schmideeisen sollen ferner erfolgen: 96,67 Pfund Streckeneisen, desgleichen 98 Pfund Wagenach- sen und rundes Senkeisen. Der Kohlenbedarf beträgt auf Anfertigung von 100 Pfund bei : Wagenachseneisen . 1,55 Tonnen, Rundes Senkeisen . 2,65 ,, Ordln. Streckeisen . 1,36 „ In den Streck h litten wird nur Kohlenklein verwendet und hiebei 1.81 Kohlenklein = 1,36 Stiickkohlen gerechnet. Ucberschreitungen des Calo und des Kohlenverbrauches bezahlen die Arbeiter, Ersparnisse hingegen werden diessfalls nicht vergütet. Fri'iher war 1% des Verbrauches als Inven- tnrsabgang für die Kohlen genehmigt. Bei den nachstehenden Hohenöfen wurden im Jahre 1S39 an Roheisen und Gusswaaren erblasen : Bei der K a r Is h ü 1 1 e 7024.83 Zentner mit einem Unkosten von 1 fl. 55 kr. pr. 100 Pfund. Zu Strassic 7752,60 Zentner mit 1 fl. 59 kr. pr. Zentner. Zu HoUaubkau 9328,38 Zentner mit 1 fl. 43 kr. pr. Zentner. 1 Tonne = 3,8 Wiener Kubikfuss. 749 Zu F r a n z e nst li a 1 4755,75 Zentner mit 1 fl. 52 kr. (alle Geldbeträoe in C.-Mz.). Bei den Hammerwerken wurden an Sclimideiscn erzeugt 303SJ,07 Zentner, wobei sich an Gestehungskosten, ohne Ei- senwerth, auf 100 Pfunde berechnen : bei der Karlshiitte . . 2 fl. 15 kr. zu Strassic 1 „ 58 „ „ Hollaubkau . . . 2 „ S „ „ Dobriw 1 „ 54 „ „ Padert 1 „ 46 „ Bei denselben Hammerwerken •wurden an Streckeisen erzeugt 8313,96 Zentner, wobei sich der Gestehungskosten, ohne Eisenw ertii, bei : der Karlshütte mit 51 kr. In Strassic „ 44 „ „ Hollaubkau „ 49 „ „ Dobriw „ 34 ^j kr. „ Padert „ 33 Yo kr. auf 100 Pfund berechnete. Im Jahre 1839 betrug der Ertrag der Schmelz- und Ham- merwerke zusammen 5174S fl. 40y4 kr. ; die Abfuhr hingegen 137143 fl. 44% kr. C.-Mz. 13) Schluss. So liegt nun das vor mehr als acht Jahren von mir be- gonnene Reisewerk, in vier Bänden mit sieben Theilen und sechs Atlaslieferungen bestehend, vollendet vor mir. Es war für den Einzelnen gewiss eine mehr als gewöhnliche Aufgabe und die konsequente Durchführung derselben erforderte um so mehr eine unermüdete Ausdauer , als meine dienstliche Stellung die physische Zeit und in den gegenwärtigen beweg- ten politischen Verhältnissen auch die moralische Kraft ganz in Anspruch nimmt, so dass ich oft wirklich mit Minuten gei- zen musste , um eine Arbeit zu vollenden , welche durch die allerhöchste Unterstützung, deren sie sich von Vorne her zu erfreuen hatte, und durch die gütige und nachsichtsvolle Theil- nahme, die ihr allgemein geschenkt wurde, für mich zur Ehren- sache geworden war. Sr. Majestät Kaiser Ferdinand I. hatte die allerhöchste 750 Gnade, nicht nur die Widninng dieses Werkes huldreichst an- zunehmen, sondern auch zu bewilligen, dass die dem Werke beigefügten Karten auf kaiserliche Kosten und auf Basis mei- ner geographischen Protokolle entworfen und gezeichnet wer- den. Durch diesen Akt wurde von Vorne her meinem Unter- nehmen ein Glanz und eine Haltung verliehen, weicheich ohne meines Kaisers Gnade nie zu erringen im Stande gewesen wäre. Mit tiefster Ehrfurcht meinen unveilöschlichen Dank Sr. Majestät zu Füssen legend, ist es zugleich eine höchst an- genehme Pflicht für mich, jener Umsicht und jenes Kunstauf- wandes dankend zu erwähnen, mit welchen das k. k. militä- risch-geographische Institut zu Wien unter der Oberleitung des gegenwärtigen Feldmarschall-Lieuteuants v. Skribanek nicht nur die ihm gewordene Aufgabe löste , sondern auch die wei- tere Ausfertigung der Karten im lithographischen Wege auf Kosten des Verlegers bereitwilligst unternahm. Die Kusto- den des kaiserlichen ISaturalienkabinetes zu Wien, die Her- ren Fexzl, Kollar, Heckel, Rettenbacher übernahmen die Ausführung des botanischen und zoologischen Anhanges, lie- ferten schätzbare, mein Werk zierende Abhandlungen, fanden sich jedoch später bewogen von ihrer Zusicherung abzngelien und wollen die Fortsetzung im Wege unserer kaiserlichen Akademie der Wissenschaften der gelehrten Welt übergeben, wie Dr. Fenzl im Schlussworte zum zweiten Bande dritten Theile anzeigt. Indem ich diesen Herren für das Geleistete meinen Dank ausspreche, kann ich damit nur den Wunsch verbinden , dass sie recht bald ihr Wort erfüllen und die Re- sultate ihrer interessanten Forschungen recht bald vorlegen wollen. Gewiss alle Anerkennung verdient der wackere, uneigen- nützige Verleger dieses Werkes, der mit bekannter Lust und Liebe für wissenschaftliche Unternehmungen, so Vieles für die Ausstattung desselben gethan hat. Wissenschaftliche Ar- beiten dieser Art können ihres wenig zahlreichen Publikums wegen nie als Quellen reichlichen Geldgewinnes betrachtet werden. Desto ehrenvoller sind daher die Leistungen meines Freundes Schweizerbart und desto mehr ist es auch meine Pflicht diess öfl'entlich auszusprechen. 751 So leo-e ich denn die Feder mit der Bitte an meine thenern lieben Leser nieder, dass sie die vielen Mängel, die einem sorgsam priifenden Auge in meinem Werke gewiss niclit ent- gehen werden, mit ScJionung , mit Nachsicht beurtheilen wol- len. Der Wille war gut, die Aufgabe aber gross, fast zu gross für den Einzelnen. Die bewegte Zeit drängte mich zuleztzur Eile. Wer es ehrlich mit der öflentllchen Ordnung, mit der Treiheit, mit dem Vaterlande meint, wer treu und fest an sei- nem Kaiser, an der Pflicht hängt, der hat gegenwärtig in un- serem grossen, schönen Oesterreich keine disponible Zeit. Je- der muss an seiner Stelle stehen, jeder seine Pflicht thun, dann gibt sich die so viel besprochene und von so Wenigen verstandene Einigkeit von selbst. Es m u s s Ordnung werden und sie wird werden. Haben wir mit dem Schwerte und auf administrativer Bahn den entweihten Tempel wieder rein ge- macht und ist der Genius des Friedens wieder eingezogen, dann lieber, hochverehrter Leser begegnen wir uns vielleicht wieder auf dem Weire der Wissenschaft. Inhalt. Seit« Vorwort 5 Einleitung 9 Erster Abschnitt. Reise an den Küsten der Levante. Reise von Alexandria nach Sira, Smirna und Konstantinopel. Auf- enthalt daselbst. Rückkehr nach Smirna und Sira .... 12 Zweiter i\ b s c h n i 1 1. Reisen in Griechenland. 1) Quarantaine auf der Insel Sira. Fahrt nach Athen und Aufent- halt daselbst. Bohrungen artesischer Brunnen. Meereshöhe verschiedener Punkte Griechenlands 36 2) Reise von Athen durch Altika nach der Insel Euböa. Aufent- halt und Reisen auf dieser Insel. Die Braunkohlen von Kumi. Die Thermen von Lipsü. Ausflug auf das Festland zu der KaJabolhra des Kopaissee's in Böotien 56 3) Reise durch Rumeiien. Von Chalkis nach Theben in Böotieu. V^DIeerschauni. Livadia. Zusammentreffen mit ihren Majestäten. Der Parnass. Delphi. Der Oeta und die Thermopylen. Lamia. Karpcnisi. Missolonghi. Auti Rhion 101 4) Reise durch den Peloponnes. Rhion. Patras. Kalavrita. Me- galospii<^ou. Olympia. Andritzina. Kalamata. Die Maina. Porto Quaglio uud Kap Matapan. Marathonisi. Sparta. Tri- politza. Nauplia. Rückkehr nach Athen 137 5) Athen. Das laurische Vorgebirge. Die luselreise. Thermia, Seripho, Sira, Naxos, Paxos, Santorin, Nea-Kammeni, Polinos, Kimolos, Milos , Porös. Halbinsel Methana, Egina. Rück- kehr nach Athen 179 6) Lezter Aufenthalt zu Athen. Abreise von Griechenland. Patras. Corfu. Ankunft zu Ankona 231 754 Dritter Abschnitt. Reisen in Italien und Sizilien. Seite 1) Die Quarantaine zu Ankona. Loreto. Maceiata, Tolentino. Foligno. Spoleto. Terni. Der Fall des Velino. Rieti. Die Abruzzeii. Rom. Tivoli. Die pontinischen Sümpfe. Terracina. Capua. Neapel. Herkulanum. PozzuoH. Die Solfaren. Der Serapistcmpel. Monte nuovo etc. Fahrt nach Palermo . . . 255 2) Reisen in Sizilien. Palermo. Messina. Taormina. Katania. Der Aetna. Valle di Bove. Die Cyklopen. Syrakus. Noto. Falconara. Die Solfaren bei Castro Giovanni. Licata. Gir- genti. Die Tempel. Caltanisetta. Palermo. Mes.sina. Rück- kehr nach Neapel 287 3) Neapel. Pompeji. Der Versuv und Sonima, Die Inseln Ischia und Procida. Fahrt von Neapel nach Civita vecchia und Livorno 324 4) Livorno. Pisa. Die Maremmen bei Voltcrra. Kupfergruben am Monte Catini. Die Salinen zu Moja. Die Boraxsee'n am Monte Cerboli. Florenz. Bologna. Modena. Mailand. Reise von Mailand über den Splügen nach Chur 340 Vierter Absch nitt. Reisen in der Schweiz und im westlichen Deutschland 363 1) Der Steinkohlen-Bergbau bei Bregenz am Bodensee .... 365 2) Die Saline Wilhelmshall bei Rottweil am Neckar in Württem- berg 366 3) Die Saline Wilhelmsglück bei Hall am Kocher in Württemberg 374 4) Kurzer Ueberblick der Tour von Frankfurt am Main nach Mainz und dem Rhein «ach bis Bonn 378 5) Der Bleibergbau und die Bleiröhrenfabrik zu Comern und die Eisenhütten im Schleidenthal, in Rheinpreusscn 380 6) Rheinpreussen: die Steinkohlenreviere bei Eschweiler und Esch- weilerpumpe. Die Eisenhütten und Fabriken daselbst. Gal- meibergbau, Zinkhütten und Messingfabriken bei Stollberg. Die Tunnels bei Königsdorf, Eulendorf und am Aachner Busch . 388 7) Die Galmeigrube und Zinkhütte zu Moresnet bei Aachen in Rheinpreussen 404 8) Die Kohlenreviere im Ländchen von der Heide bei Aachen in Rheinpreussen 405 Fünfter Abschnitt. Reise in Belgien und Frankreich. Lüttich. Die Steinkoblenformation in Belgien. John Cockerill's Eisenhütte und Fabriken zu Seraing. Paris. Havre. . . . 412 755 Sechster Abschnitt. Reise in England und Schottland. Seite 1) Londou. Portsmouth. Plymouth 428 2) Tavistock, die Kupfergrube Wheal Friendshicp und die Blei- grube Wheal Betsey iu Dcvonshire 439 3) Charlestown- und Carglaze-Zinngruben in Cornwall , . . . 448 4) Die Zinnbiittc zu Truro und die Eiscngicsscrei bei Penryn in Coinwall 454 5) United- und Consolidated-Kupfcrgruben zwischen Truro und Redruth in Cornwall 457 6) Von Plymouth nach Swansea. Die Kupferhütten bei Swansea in South-Waies 459 7) Die Eisengiesserei zu Neath und die Eisenhütten bei Merthyr Tydvil in Soulh-Wales 465 8) Von Merthyr Tydvil über Birmingham nach Liverpool. Manchester 479 9) Die Sutton-Kupferhütte und die Spiegelglasfabrik bei S. Helen« in Lancaster 482 10) Die Salinen bei Northwich in Chester 489 11) Die Blei-, Berg- und Hüttenwerke bei Holywcll in Flint . . 492 12) Schottland. Reise von Liverpool nach Glasgow. Die Seen des Hochlandes. Oban. Die Inseln Mull , Icolmkill (I-ona), Staflfa u. s. w. Edinburgh. Abreise von Grossbritanien . . 500 Siebenter Abschnitt. Reise von Edinburgh nach Hamburg und Kopenhagen 516 Achter Abschnitt. Reise in Norwegen und Schweden. 1) Von Kopenhagen nach Göteborg. Frederiksvaern. Christiania. Drammen. Kongsberg. Modum. Vindoren. Rückkehr nach Christiania. Ringerige. Velo. Lillehammer. Gusdalen. Gul- brandsdalen. Kringelenpass. Der Dovrefjeld. Jerkin. Oester- dalen. Röraas. Trondhjem. Leerfos 524 2) Reise von Trondhjem in den höchsten Norden von Europa. Der Torghätten. Hestmandöe und der nördliche Polarkreis. Das Eismeer. Bodöe am Saitenfjord. Der Folden- und Vestfjord. Die Lofoten. Tromsöe. Besuch bei Lappländern. Finnmarken. Nördlichster Reisepunkt in der Breite 70° 25'. Der Altenfjord. Die Kupfer-, Berg- und Hüttenwerke am Kaafjord und auf Reipaasvara. Hammerfest. Rückreise nach Trondhjem . . 579 3) Reise von Trondhjem über Levanger, Suhl und den Kjölhaugen- Tjeld nach Oestersund in Schweden. Sundswall am bottnischen Meerbusen. Gefle. Die Kupferwerke von Falun. Hedemora, Die Silberwerke von Sala. Upsala. Die Eisengruben von Danncmora. Sigtuna. Stockholm 615 756 Seite 4) Aufenthalt zu Stockholm. Kanalreise durch Schweden. Söder- telje. Soderköping. Motala. Der Wetternsee. Der Wcnern- see. Wenersborg. Der Trollhättankanal und Wasserfall. Göteborg. Helsingborg. Lund. Malmü. Kopenhagen. Kiel. Hamburg 647 Neunter Abschnitt. Reisen in Nord- und Ost Deutschland. Schluss der ganzen Reise. 1) Hamburg. Berlin. Fernere Reiseroute durch Deutschland . 661 2) Der Rammeisberg bei Goslar im hannoverschen Unterharze. Grubenbau. Die Vitriolhütte zu Goslar. Juliushütte. Sophien- hiitte. Die Hüttenwerke an der Ocker 664 3) Der hannoversche Oberhavz. Clausthal. Die Gruben : Hülfe Gottes am Grund und Borgwcrkswohlfahrt, Die Aufbereitung der Erze über Tags. Der Hüftenprozess 688 4) Andreasberg auf dem hannoverschen Oberharze. Die Grube Samson. Die Silber-, Blei- und Kupferhütte. Die Arsenikhütte 700 5) Eisenhütten: die Rothehütte am hannoverschen und die Tannhütte am herzoglich Brauuschweigischen Oberharze 708 6) Harzgerode am herzoglich anhalt'schen Unterharze. Mägdesprung. Viktor-Friedrichshütte 710 7) Eisleben. Der Bergbau im Kupferschiefer-Gebirge im Manns- feldischen. Die Schaafbreiter R.evier. Die Kupfer- und Sil- berhütten zu Leimbach und Hettstedt. Das Amalgamirwerk auf Gottesbelohuunghütte 712 8) Freiberg 728 9) Joachimsthal in Böhmen 736 10) Mies in Böhmen 742 11) Pribram in Böhmen 743 12) Schluss . . . .' 749 Vcrbc§serung^eii. Seite Zeile 10 14 V. 11. statt Sareign lies Sereign 19 8 V. lt. 1) Tunedos i> Teiiedos 30 4 V. u. » oltomanes ottomans 33 15 V. u. )) Wiirdeträger 1) Würdenträger 48 4 V. 0. »> Pontelikon t> Pentelikon 77 12 V. u. )) ein II einen 92 13 V. 0. >> licrrzlicJiste >i herzlichste 10 2 V. u. » Rostall » Restall 11 5 V. 0. » Viiioreii II Vindoren 11 6 lt. a. m. 0, , statt Drontjem 11 Trondhjem 11 8 V. 0. statt ; Leerfoss II Leerfos 11 13 V. 0. » Reipaass » Reipaas 110 9 V. u. )> -kanditaten II •candidaten 113 17 V. o. » war 11 bekamen 114 3 V. 0. II Bewust- » Bewusst- 118 10 V. o. 11 beknnnte »1 bekannte 118 12 V. 0. II vertheitigte vertheidigte 119 11 V. u. » Heltcntod II Heldentod 131 18 V. o. »> Sanimpferde M Saumpferde 138 1 V. u. » gelangtgen 1» gelangten 142 13 V. u. II Fs 1» Es 158 11 V. 0. der (am Ende) )l des 172 8 V. 0. )> Es treicht >> Es streicht 177 8 V. 0. » einer » eine 206 3 V. u. » Posilipo yt Posilippo 207 3 V. u. » » >» » 225 11 V. 0. » immmer » immer 237 3 V. u. » ausgedroeknete ausgetrocknete 238 15 V. u. » Inssl »» Insel 211 18 V. 0. 11 Waide 1) Weide 213 8 V. o. tf den II dem 213 9 V. 0. u. a, . m. 0. statt Kratere lies Krater 223 14 V. 0. » sürd lies süd 245 9 V. u. 11 Peloponese II Peioponnese 255 7 V. u. 11 Boat II Boot 260 15 V. u. » Wagd » Wand 262 8 V. 0. » Populo »> Popolo 266 2 V. 0. }) intcrersanten 11 interessanten 273 6 V. u. )> Cuv. 1) Cav. 284 17 V. 0. )> komisch )> konisch 287 13 V. 0. 1) verleztcn 1) verletzen 325 18 V. n. II Produnkt II Produkt 327 12 V. 0. » Ascheukgels )> Aschenkegels 758 Seite Zeile 342 3 V. u. statt Kastens lese Karstens 345 17 V. u. » Tümmer Trümmer 354 8 V. u. yy höchse höchste 365 9 V. 0. » der des 415 11 V. 0. » thonlag'en tonnlagen 421 1 V. 0. » Denn Dann 430 8 V. u. » rouss mache 449 18 V. u. )) weis weiss 458 5 V. u. »> gräucher gräulicher 476 10 V. 0. }} Bremse Premse 483 18 V. 0. >} Titeln Tiegeln 491 19 V. u. )> Sohle Soole 552 14 V. u. l> Speissberden Splcissherden 572 2 V. u. » ::■• ::<* 602 7 V. u. )> tuniultarisch tumultuariscb 641 3 V. 0. » Wellenspielen Wellen spielen 641 1 V. u. » bis » bis Sehliiss-Bemcrkuii^ zum natu 1* historischen Anhang, Dem aiifäng^lich zwischen Herrn Guberniah-ath Rus- segger und Unterzeichneten, im tarnen seiner für die Be- arbeitung eines solchen Anhanges gewonnenen Herrn CoUegen, besprochenen Plane zufolge, sollte dieser in zwei Abtheilun- gen das Ergebniss der durch Herrn Theodor Kotschy's Sammeleifer gew onnenen Ausbeute an Fischen , Insekten und Pflanzen St/riens, Egyptena, Nubiens und des Sudans ent- halten. Die eine Abtheilung hätte nur das Neue und Wich- tigste der syrisch-egyptischen Ausbeute, die andere dagegen eine, nach Massgabe des bereits früher bekannten und nun- mehr vielfach bereicherten Materials möglichst vollständig zu bearbeitende Fauna und Flora Nubiens und des Sudans zu begreifen gehabt. — Bei der Bearbeitung der syrischen Fische stellte sich jedoch nur zu bald das dringliche Bedürfniss einer schon lang ersehnten ichthyologischen Fauna Mesopotamiens heraus, dem durch die gleichzeitige Einbeziehung der mittler- weile angelangten, von Th. Kotschy auf seiner Reise nach Persien, am Euphrat und Tigris g-esammelten Fische auf das vollständigste entsprochen werden konnte. Ein Umstand, den wir um so weniger unberücksichtigt lassen durften , als dadurch der Werth des Ganzen in den Augen der gelehrten Welt nur gewinnen, der übrige Theil aber nichts verlieren konnte. Die natürliche Folge dieser ersten Abweichung von dem ursprünglichen Plane aber war die Verweisung der nun- mehr analog zu haltenden Abhandlung über die Nilfische in die zweite Hälfte des Anhanges, um das Erscheinen der ersten nicht länger zu verzögern. — Aus den Insekten und Pflanzen der syrischen Ausbeute wurden desshalb nur die neuen und interessantesteu Gattungen und Arten gewählt und beschrieben^ für leztere die Fortsetzung zugesagt, diese aber später aufgegeben, als in Folge gleichzeitig begonnener Bearbeitung der Flora dieser Gegenden durch Boissier, Jaubert und Spach, nach einem noch reicheren Materiale als dem mir zu Gebote stehenden, sich herausstellte, dass einmal die Menge des Neuen aus den folgenden Abtheilungen der Di- und Monokotyledonen meiner Sammlung dadurch un- verhältnissmässig hätte zusammenschmelzen, endlich der Werth aller dieser simultanen und unter sich unabhängigen Arbeiten, bei einer Fortsetzung meinerseits, durch unver- meidliche Synonymen - Anhäufung entschiedenen Nachtheil hätte erfahren müssen. Bei der nunmehr begonnenen Bearbeitung der zweiten Hälfte des naturhistorischen Anhanges, die theils durch unab- weisbare zwischenlaufende Arbeiten sämmtlicher Mitarbeiter mannigfach gestört, theils schon durch die Masse des zu un- tersuchenden Neuen und Bekannten aufgehalten und erschwert blieb, wurden wir Alle in Mitte derselben durch die unheil- vollen, ganz Europa erschütternden, jedes grössere litera- rische Unternehmen zugleich lähmenden , politischen Ereig- nisse überrascht und veranlasst , ihre weitere Fortsetzung im wohl gewürdigten Interesse des zu den bedeutendsten Geld- opfern bisher stets bereiten Herrn Verlegers freiwillig einzu- stellen und den Abschluss dieses Theiles mit der Abhandlung über die Nilfische zu beantragen, womit sich denn auch der Verfasser des Reisewerks, so wie der Herr Verleger, gleich einverstanden erklärten. Um jedoch die Publikation der be- reits begonnenen Arbeit zu ermöglichen, ja sie noch mehr ver- vollständigen zu können, als diess überhaupt der Ausdehnung des naturhistorischen Anhanges halber hätte geschehen kön- nen , verständigten sich die dabei Betheiligten mit Herrn Gu- bernialrathe Russegge r dahin, das Ganze, unabhängig von dessen Reisewerke, wieder aufzunehmen und seiner Zeit als geraeinsame Arbeit, in einem Bande, den Denkschriften der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien einzuverleiben, Wien, den 1. April 1849. Dr. £d, Fenzl. '*'>; §^ rJ ;tfe\^ P«Äv t O '^ % ^ ^ 5 * <'•>; ■^ ifc-/ ' r*Ni wj;:a5 L*' ^m ik^ ^