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REISEN UND FORSCHUNGEN

AMUR-LANDE

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BAND 1.

Erste Lieferung. EINLEITUNG. SÄUGETHIERE DES AMUR-LANDES.

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D* L. v. SCHRENCK’S

REISEN UND FORSCHUNGEN

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AMUR-LANDE.

BAND I.

ERSTE LIEFERUNG.

Einleitung. Säugethiere des Amur-Landes.

Mit-9 Tafeln und einer Karte.

MT

Gedruckt auf Verfügung der Kaiserl., Akademie der Wissenschaften.

C. WESSELOWSEY,

beständiger Secretair. 5. Januar 1859.

EINLEITUNG.

Indem ich an die Veröffentlichung der von mir im Auftrage der Kaiserlichen Aka- demie der Wissenschaften zu St. Petersburg ausgeführten Reisen und Forschungen im Amur-Lande gehe, halte ich mich für verpflichtet, zunächst einige Worte über die nächste Veran- lassung derselben zu sagen. Wenn man die unverwandte Aufmerksamkeit in’s Auge fasst, mit welcher die Akademie seit jeher der Erforschung Sibirien’s vorgestanden hat, und in’s Besondere auch die letzten Unternehmen derselben, die Reisen Hrn. v. Middendorff’s in den äussersten Norden und Osten Sibirien’s in Erwägung zieht, so wird man darin auch die unmittelbare Veranlassung erkennen, welche zur Ausrüstung der Amur-Reise führte. Durch Hrn. v. Middendorff’s Reise nach dem Südosten Sıbirien’s wurde nämlich unsere Kennt- niss des nordöstlichen Asien’s bis nach den Südküsten des Ochotskischen Meeres, den Schantarischen Inseln, dem Stanowoi-Gebirge, dem oberen Laufe der nördlichen Amur- Zuflüsse, des Amgunj, der Bureja, der Dseja, und sogar bis zum oberen Amur-Strome vorgerückt. War damit unter den damaligen politischen Verhältnissen dem Chinesischen Reiche gegenüber auch die äusserste Gränze möglicher Forschung im Südosten Sibirien’s erreicht, so stand man damit doch keineswegs an einer natürlichen Gränze, welche geeignet wäre der Erforschung Sibirien’s in räumlicher Beziehung, wenn auch nur auf kurze Zeit, eine Schranke zu setzen. Man hatte damit vielmehr einen Boden erreicht, von dem man unaufhaltsam weiter gedrängt werden musste. Denn wie konnte man nunmehr, da man im Westen und Norden bereits an den Quellarmen und Zuflüssen des Amur-Stromes stand, noch länger sich damit befriedigen, den Hauptstrom selbst noch unbekannt zu lassen ? Wie sollte das Amur-Land von wissenschaftlicher Forschung noch länger unbetreten bleiben, da man die Mauer, die es von uns trennte, das Stanowoi-Gebirge, bereits überschritten und die Ab- zweigungen betreten hatte, die von hier in das Stromsystem des Amur verlaufen? So muss- ten also in allgemein geographischer Beziehung, in Rücksicht auf die oro- und hydro- graphischen Verhältnisse Sibirien’s, die Blicke wissenschaftlicher Forschung nach der Reise Hrn. v. Middendorff’s unmittelbar auf das Amur-Land sich wenden. Allein nicht bloss in geographischer Beziehung, auch in Hinsicht auf die Pflanzen- und Thierwelt und die ethno- graphischen Verhältnisse Sibirien’s hat uns die Reise Hrn, v. Middendorff’s die Brücke zum Amur-Lande geschlagen. Denn indem sie die Verbreitung theils früher bekannter, theils

Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. I

I Einleitung.

neu entdeckter sibirischer Pflanzen- und Thierarten bis an die äussersten Gränzen Südost- sibiriens, ja zum Theil bis in das Amur-Land hinein verfolgte, öflnete sie uns den ersten Blick in die Flor und Fauna dieses noch unbekannten Landes und machte es für die fort- schreitende Kenntniss Sibirien’s und des nordöstlichen Asien’s überhaupt zur dringenden Aufgabe, die bis dahin aufgedeckten Fäden nunmehr im Amur-Lande weiter zu verfolgen. Zugleich wies sie uns auch die Verbreitung sibirischer Völkerfamilien, der Tungusen und Giljaken, bis in das Amur-Land nach, auch hier die Aufgabe erweckend, im Amur-Lande ihrem physischen und geistigen Leben und ihrer geographischen Verbreitung weiter nachzu- forschen. So musste also nach der Reise Hrn. v. Middendorff’s das Amur-Land in geogra- phischer, naturhistorischer und ethnographischer Beziehung als das nächste und nothwen- digste Glied zur weiteren Kenntniss Sibirien’s, des natürlichen Bodens fortlaufender und un- ausgesetzter Forschung russischer Reisenden und Gelehrten, erscheinen. Neben dem Interesse aber, das das Amur-Land der Akademie in dieser, ich möchte sagen national-wissenschaft- licher Beziehung, als Boden unmittelbarer Anknüpfung an die von ihr seit Gmelin, Pallas u.a. glänzend begonnenen und bis zu unserer Zeit fortgeführten Arbeiten bot, musste es auch in allgemein wissenschaftlicher Beziehung die Forschung in hohem Grade herausfordern. Denn es konnte nicht fehlen, dass das Amur-Land, bei seiner bedeutenden Ausdehnung, seiner voraussichtlich mannigfaltigen Bodengestaltung, seiner reichen hydrographischen Aus- stattung und seiner südlicheren Lage im Vergleiche mit Sibirien, auch einen bedeutenden Reichthum in seiner Pflanzen- und Thierwelt besass. Mit Recht konnte man hoffen, dort nicht bloss die Fortsetzung und gewissermassen das Ausgehende der pflanzen- und thiergeographi- schen Verhältnisse Sibirien’s, sondern daneben auch neue, eigenthümliche Pflanzen- und Thierarten zu finden, die zugleich einen Uebergang zur Flor und Fauna der südlicher gelege- nen, immer noch ungenügend bekannten Länder Ostasiens, wir meinen China’s und Ja- pan's, bilden dürften.

Abgesehen aber vom wissenschaftlichen Gewinne, musste die Erforschung des Amur- Landes auch von einem praktischen, auf die Culturverhältnisse Sibirien’s gerichteten Ge- sichtspunkte für Russland von besonderem Interesse sein. Es bedarf nur eines flüchtigen Blickes auf die Karte, um zu erkennen, wie viel wichtige ceulturgeographische Elemente das reich ausgestattete Amur-Land dem angränzenden Sibirien, mit dem es schon vor zwei Jahrhun- derten in politischem Verbande stand, entgegen trägt. Man denke nur an den mächtigen Strom, der, aus dem Innern Sibirien’s näch dem Stillen Ocean führend, zu einer leichten und wichtigen commerciellen Verkehrsader für Sibirien werden konnte, an die in südlicheren Breiten als irgendwo sonst in Sibirien gelegenen, den Häfen China’s und Japan’s genäher- ten Meeresküsten, an die mit milderem Klima begabten, fruchtbaren Landschaften, die den mittleren Lauf des Amur--Stromes und seiner grossen südlichen Zuflüsse begleiten, u. dgl. m. Gewiss lag es daher nahe, die vielversprechenden culturgeographischen Elemente, mit denen das Amur-Land ausgestattet zu sein schien, zur richtigeren Würdigung derselben, auch einer vorurtheilsfreien, wissenschaftlichen Prüfung zu unterwerfen.

Entstehung der Reise. m

So durfte man sich also in doppelter, wissenschaftlicher und praktischer Beziehung von der Erforschung des Amur-Landes einen reichen Gewinn versprechen. Es konnte daher nicht - fehlen, dass die Akademie, den hervorgehobenen mannigfachen Interessen Rechnung tragend, die erste sich darbietende Gelegenheit ergriff, um die bereits bis an die Gränzen des Amur- Landes fortgeschrittene Forschung auch in dieses Land hineinzutragen. Diese Gelegenheit bot sich im Jahre 1853 dar, als durch die hohe, allen wissenschaftlichen Unternehmungen frei- gebig zugewandte Gunst Sr. Kaiserlichen Hoheit des Grossfürsten Konstantin an die Akademie die Aufforderung erging, den nach der Mündung des Amur-Stromes abzusendenden Schiffen eine aus ihren Mitgliedern zusammengesetzte, vom Etat der Marine besonders zu un- terstützende wissenschaftliche Expedition anzuschliessen. Dieser huldreiche Antrag Sr. Kai- serlichen Hoheit war es, der die wissenschaftliche Expedition nach dem Amur-Lande in’s Leben rief. Denn nunmehr war der Akademie die Möglichkeit eröffnet, wissenschaftliche Rei- sende nach dem noch unbetretenen, aller Forschung bisher verschlossenen Amur-Lande ge- langen zu lassen, und zwar auf einem Wege, der um so sichereren Erfolg versprechen musste, als er nicht bloss zum bequemen Trausporte aller von einer wissenschaftlichen Expedition un- zertrennlichen Gegenstände geeignet war, sondern zugleich auch die Gelegenheit bot, wäh- rend der langen Dauer der Hinreise eine Reihe interessanter naturhistorischer Beobachtungen zur See auszuführen. Gehäufte wissenschaftliche Beschäfugungen in ihrem Amte machten es jedoch den betreflenden Mitgliedern der Akademie nicht möglich, persönlich an einem Reise- unternehmen sich zu betheiligen, welches voraussichtlich mehrere Jahre lang dauern musste. Diesem Umstande ist es zuzuschreiben, dass, statt der in ähnlichen Unternehmen bereits be- währten Männer der Akademie, mir, einem Anfänger in der Wissenschaft, die Ehre zu Theil ward, von der Akademie zur Ausführung dieser Reise erwählt zu werden. Die Dauer dersel- ben vorläufig auf 3 Jahre veranschlagend, ermöglichte die Akademie, dass zur Ausführung derselben eine Summe von 10,800 R. S. aus den Ersparnissen der Einnahmen der Aka- demie verwendet werden konnte, wozu später, nach Ablauf der 3 Jahre, zur Reise den Amur aufwärts und der Rückreise durch Sibirien noch eine Summe von 3500 R.S. aus der- selben Quelle hinzugefügt wurde. Den vielfachen wissenschaftlichen Beschäftigungen, die dem Reisenden auf verschiedenen Gebieten und vornehmlich auf demjenigen zoologischer Forschun- gen zur Aufgabe gestellt waren, Rechnung tragend, gesellte mir zugleich die Akademie zwei Begleiter, einen Zeichner, in der Person desHrn. Poliwanoff’s, und einen im Abbalgen und anderweitigem Zubereiten naturhistorischer Gegenstände kundigen Präparanten bei.

So trat die Reise in’s Leben, von der ich gegenwärtig zu berichten habe. Bei dem oben motivirten Gange derselben, der Hinreise zur See, und zwar um die Südspitze Amerika’s herum, und der Rückkehr zu Lande, durch das Amur-Land und Sibirien, gestaltete sie sich zu einer Reise um die Erde. Wenn ich daher gegenwärtig, bei ausführlicher Beschreibung dieser Reise, bloss des einen Theiles derselben und zwar, wie es die Aufschrift dieses Wer- kes besagt, bloss des letzteren Theiles, der Reisen im Amur-Lande zu gedenken beabsichtige, so dürfte man darin füglich eine Unterlassung erblicken, von der ich Rechenschaft zu, geben

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ıv Einleitung.

schuldig bin. Dass der erste Theil meiner Reisen, die Reise zur See, über den Atlantischen und Stillen Ocean bis nach Kamtschatka und zur Mündung des Amur-Stromes, hier zu- nächst keine Beachtung finden soll, hat seinen Grund nicht etwa darin, dass diese Reise, theil- weise schon von Vielen gemacht, keine der wissenschaftlichen Bearbeitung werthe Materia- lien mitgebracht hätte. Wäre das der Fall, dann könnte sie ja grade mit einem kurzen Ab- risse, als blosse Hinreise zum Amur-Lande, auch hier schon abgemacht werden. Der Grund dieser Unterlassung liegt vielmehr in dem direkt entgegengesetzten Umstande: weil nämlich die Seereise nicht als blosse Hinreise zum Amur-Lande betrachtet wurde, sondern eine be- sondere Aufgabe in physikalischen und zoologischen Beobachtungen erhielt, hat sie auch ein Material mitgebracht, das einer besonderen wissenschaftlichen Bearbeitung bedarf und daher füglich von den Reisen und Forschungen im Amur-Lande getrennt und in einem separaten Werke niedergelegt werden soll. Lag aber somit ein genügender Grund zur getrennten Bear- beitung beider Reisen vor, so konnte es ferner keinem Zweifel unterworfen bleiben, dass der Vorrang dabei jedenfalls den, wenn auch der Zeit nach späteren, Reisen im Amur-Lande gebührte. Denn wie interessant und vielfach neu das Material auch sein mag, welches das weite und vielseitige Feld oceanischer Erscheinungen dem wissenschaftlichen, auf einem be- stimmten, speciellen Gebiete forschenden Reisenden zuführt, so ist doch nicht zu vergessen, dass in unserem Falle die Seereise immer nur eine zweite, untergeordnete Rolle spielte: die Hauptveranlassung zu derselben gab die Erforschung des Amur-Landes, zu der sie füh- ren sollte und die den Hauptzweck der gesammten Reise bildete. Diesem vor Allem beab- sichtigten Zwecke der Reise ist auch bei Weitem die meiste Zeit gewidmet worden, indem von den 31 Jahren der gesammten Dauer meiner Reisen nahe 2! Jahre auf das Amur-Land fallen und nur ein Jahr in See verbracht worden ist. Aus diesem Grunde und weil die Reisen im Amur-Lande ein von wissenschaftlicher Forschung noch ganz unberührtes Gebiet umfass- ten, konnten sie auch ein viel reichhaltigeres und vielseitigeres Material als die Seereisen zu- sammenbringen, welches somit auch ein grösseres Anrecht auf unverzügliche Bearbeitung hat. So musste also ohne Zweifel mit der Veröffentlichung der auf das Amur-Land bezüg- lichen Materialien begonnen werden.

Was nun im Speciellen die mit dem vorliegenden Bande begonnene Bearbeitung der Amur-Materialien betrifli, so ist als Grundsatz befolgt worden, das sachlich Zusammengehörige auch stets zusammenzustellen, wie auch der historische Faden der Aufdeckung aller hingehö- rigen Einzelthatsachen gewesen sein mag. Alles auf ein einzelnes Gebiet, z. B. auf die Zoolo- gie, die Klimatologie, die Ethnographie des Landes u. s. w., bezügliche, sei es an mitge- brachten Sammlungen, oder an den in Tagebüchern zerstreut niedergelegten Beobachtungen und Nachrichten vorhandene Material ist daher einzeln zusammengestellt und einer besonde- ren wissenschaftlichen Bearbeitung theils vom Reisenden selbst und theils wo es sich um einihm minder bekanntes oder gar fremdes Gebiet handelte von respectiven Fachgelehrten, bekannten Männern der Wissenschaft, die dazu ihre hülfreiche Hand reichen wollten, unter- worfen worden. Auf diese Weise allein durfte man hoflen, aus den mitgebrachten Materialien

Bearbeitung der Materialien. v

in jedem Einzelgebiete und in der Gesammtheit einerseits einen wirklich wissenschaftlichen Gewinn zu ziehen, und andererseits dem Leser auch ein abgerundeteres, geordneteres und gegenständlicheres Bild von dem in Rede stehenden Lande vorführen zu können. Blicken wir nun auf die einzelnen Gebiete zurück, auf denen während unseres Aufenthaltes und unserer Reisen im Amur-Lande gearbeitet worden ist, so können wir auch schon vorläufig bezeich- nen, in welcher Weise das gesammte Material unserer Reisen und Forschungen im Amur- Lande in dem vorliegenden Werke sich zusammenstellen lassen wird. Es ist nämlich unsere Absicht sämmtliche Resultate unserer Reisen und Forschungen im Amur-Lande in vier Bände zu ver- theilen: davon sollen die beiden ersten alle auf die Fauna des Amur-Landes in ihren Einzel- theilen bezüglichen Nachrichten enthalten; der 3!® Band soll ethnographisch - linguistischen Inhalts sein und der 4!° endlich die meteorologischen und geognostischen Beobachtungen, so- wie einen ausführlichen historischen Bericht über die im Amur-Lande von mir ausgeführten Reisen nebst geographischen Bemerkungen über dieses Land aufnehmen.

In diesem vorläufigen Inhaltsverzeichnisse unseres Reisewerks wird man auf den ersten Blick auffallend finden, dass der Flora des Amur-Landes gar keine Erwähnung geschehen soll. Zur Erläuterung muss ich anführen, dass gleichzeitig mit mir auch ein Reisender des Kaiserlichen botanischen Gartens, Hr. Maximowicz, das Amur-Land, mit der speciellen Aufgabe botanischer Forschungen in demselben, bereist hat. So oft wir daher gemeinsame Reisen ausführten, hielten wir es für zweckmässig und die Sache der Wissenschaft fördernd, wenn ein Jeder von uns dem speciellen Theile seiner Forschungen mit allen Kräften oblag. Wenn ich dagegen allein reiste und zumal solche Gegenden des Am ur-Landes betrat, die von Hrn. Maximowiez nicht besucht worden sind, habe ich stets auch der Flor des Landes so viel möglich meine Aufmerksamkeit geschenkt. Natürlich konnte ich aber dabei nur bezwecken nicht sowohl ein selbstständiges Material zur Flor des Amur-Landes zusammenzubringen, als vielmehr manche Ergänzungen zu dem von Hrn. Maximowicz gesammelten botanischen Ma- teriale zu liefern. Dem gemäss sind denn auch meine botanischen Sammlungen von Hrn. Ma- ximowicz bei Bearbeitung seiner Flora des Amur-Landes, welche gegenwärtig der Veröf- fentlichung durch den Druck in den Memoiren der Akademie entgegensieht, mit in Betracht gezogen worden.

Einen anderen auffallenden Punkt in dem oben angegebenen Programme dieses Reise- werkes dürfte man darin finden. dass es mit einem speciellen Theile der Forschungen, den auf die Fauna des Amur-Landes bezüglichen Nachrichten beginnen soll, und den historischen Bericht über den Hergang der Reise mit den geographischen Bemerkungen über das Amur- Land, die uns in die Natur desselben einzuführen und uns einen allgemeinen Ueberblick über dasselbe zu geben im Stande wären, an den Schluss des ganzen Werkes setzt. Um diesem zum Theil gerechten Vorwurfe zu begegnen, muss ich aber bemerken, dass es bei einer Reise durch ein noch ganz unbekanntes, an unerwarteten und selbst neuen Pflanzen und Thierarten reiches Land für den historischen Bericht der Reise und die geographischen Be- merkungen über das Land, wenn sie einen allgemeinen Einblick in die Natur desselben geben

vi Einleitung.

sollen, gewiss wünschenswerth und sogar nothwendig sein musste, sich erst in den Besitz der systematischen Kenntniss der Gesteine, Pflanzen und Thierarten dieses Landes zu setzen. Um das zu erreichen konnte also nicht anders als mit der Bearbeitung der in den einzelnen Ge- bieten gesammelten Materialien begonnen werden. Zu dem bildeten die zoologischen Forschun- gen, wie es schon die von der Akademie getroffene Wahl des Reisenden beweist, den vor- nehmlichsten Zweck der Reise. Billig also, dass ihnen auch der erste Platz bei Veröffentlichung der Resultate der Reise eingeräumt werde. Dennoch müssen wir es als gerechte Anforderung an ein Reisewerk bezeichnen, dass es dem Leser, bevor er in ein Gebiet specieller Forschun- gen eingeführt werde, einen allgemeinen Ueberblick über die Reise selbst gebe, der ihn in den Stand setze, über die Mittel, die dem Reisenden zu Gebote standen, über den Gang und Umfang der Reise und somit auch den Kreis der durch Autopsie gewonnenen Erfahrun- gen des Reisenden, über die allgemeine Beschaffenheit des Landes und die davon abhängige, leichtere oder schwerere Möglichkeit der Forschung u. s. w. selbst sich ein Urtheil zu bilden. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, halte ich es daher am Orte hier einen vorläu- figen kurzen Abriss von dem Gange meiner Reisen im Amur-Lande folgen zu lassen, den einige, ebenfalls vorläufige, allgemeinere Bemerkungen über die orographische Beschaflen- heit und das Klima des Amur-Landes begleiten sollen.

Sogleich nach meiner Ernennung zum Reisenden der Akademie, im Juli 1853, beeilte ich mich die vielfachen Vorbereitungen zu treffen, welche eine mehrjährige wissenschaftliche Reise zur See und zu Lande erforderlich macht. Im Anfange Augusts begab ich mich mit mei- nen Begleitern nach Kronstadt, und am 21. Aug. (2. Sept.) lichtete die vom Capit. Isylmetjeff befehligte Fregatte Aurora, an deren Bord wir, Dank huldreicher Verfügung des Gross-Admirals der Russischen Marine, Sr. Kaiserlichen Hoheit des Grossfürsten Konstantin, aufgenommen wurden, die Anker. Wie oben erörtert, liegt es nicht in meiner Absicht in dem vorliegenden, den Forschungen im Amur-Lande gewidmeten Werke über meine Reise zur See und deren Erfolge zu handeln. Es darf hier daher auch nur ganz kurz des Ganges derselben, als der Hinreise zum Amur-Lande, erwähnt werden *). Nach einer Reise von neun Tagen, während welcher wir das Unglück hatten auf einem nahe der schwedischen Küste vor dem Städtchen Troelleborg gele- genen, auf den russischen Karten noch nicht verzeichneten Rifle zwei mal 24 Stunden zuzu- bringen, gelangten wir nach Kopenhagen. Hier wurde eine Rast von 4 Tagen gemacht und am 3. (15.) Sept. wieder aufgebrochen. Die häuligen Stürme, die sich zur Zeit der Herbst- aequinoetien im Kattegat und Skagerrak ereignen und an denen das Jahr 1853 besonders reich war, machten unsere Fahrt durch diese engen und klippenreichen Gewässer zu einer sehr beschwerlichen und gefahrvollen. Am 16. (28.) Sept., nach Tags zuvor überstandenem, äusserst heftigem Sturme, der uns viele Stunden angesichts der jütländischen Küste in Lebens-

*) Ausführlichere Angaben über den Gang unserer Seereise und meine wissenschaftlichen Beschäftigungen wäh- rend derselben findet man vorläufig in meinen während der Reise geschriebenen Berichten an den beständigen Secre- tair der Akademie. S. Bullet. de la classe physico-math@m, de l’Acad, des Sc. de St.-P£t,. T, XII, p, 361. T, XIII, p. 90 u. T. XIV. p. 40, Desgl. Melanges physiques et chimiques, T. Il, p. 82, 119 u. 346,

Gang der Reise. vu

gefahr gehalten hatte, sahen wir uns genöthigt, in Folge einiger Beschädigungen, die das Schiff im Sturme erlitten hatte, in den Hafen von Christiansand einzulaufen. Erst nach 12 Tagen, die mir zur flüchtigen Bekanntschaft mit der Natur des südlichen Norwegen’s gedient hatten, ward es uns möglich unsere Reise fortzusetzen, die nunmehr, von keinem ferneren Un- fall begleitet, am 3. (15.)October uns auf die Rehde von Spithead brachte. Die auf dem Riffe erlittenen Beschädigungen am Schiffe machten es nothwendig die Fregatte in Portsmouth einer gründlichen Ausbesserung im trockenen Dock zu unterwerfen, was uns einen Aufenthalt von 7 Wochen in England verursachte, eine Zeit, die ich zumeist in London unter vorbereitenden Beschäftigungen im British Museum und ferneren Ausrüstungen zur Reise zubrachte. Am 25. Nov. (7. Dec.) verliess unsere Fregatte, zur weiten oceanischen Reise gerüstet, die Rehde von Spithead und eilte dem Atlantischen Oceane zu. Dort wurde der gewöhnliche, direkteste Cours nach Rio de Janeiro eingeschlagen, welcher uns östlich von den Azoren und west- lich von den Canarischen und Cap-Verdischen Inseln rasch nach Süden führte. Am 30. Dee. (11. Jan.) kreuzten wir den Aequator und am 15. (27.) Jan., dem 52sten Tage nachdem wir Portsmouth verlassen hatten, liefen wir in die Bai von Rio de Janeiro ein. Den Aufenthalt von 15 Tagen in einer tropischen Natur nach Möglichkeit nutzend, brachte ich die Zeit zu- meist auf naturhistorischen Exceursionen in die prächtige Umgegend Rio de Janeiro’s zu. Der 31. Jan. (12. Febr.) sah uns wieder in See. Wir eilten das stürmische Meer am Cap Horn noch vor Eintritt einer winterlichen Jahreszeit zu erreichen. Wechselnde Winde und heftige Stürme in den Breiten der Falklands-Inseln hielten uns jedoch lange zurück und gestat- teten uns erst am 5. (17.) März im 59° s. Br. den Meridian von Cap Horn zu kreuzen und somit in den Stillen Ocean einzutreten. Neunzehn Tage später hatten wir die Insel Juan Fernandez, in der Breite von Valparaiso, in Sicht, steuerten aber, die günstigen Winde benutzend, noch weiter nordwärts und liefen am 3. (15.)April in die Rehde von Callao ein. Hier durfte jedoch unser Aufenthalt, so nothwendig er uns nach einer Reise von 63 Tagen auch war, nur ein ganz kurzer sein, da die politischen Zerwürfnisse Europa’s inzwischen eine Kriegserklärung zwischen Russland und den verbündeten Mächten von Frankreich und England herbeigeführt hatten, auf der Rehde von Callao aber vier feindliche Fregatten vor Anker lagen, die nur der Ankunft officieller Nachrichten aus Europa harrten, um den Angriff auf unsere Fregatte zu beginnen. Zudem herrschte in Callao und mehr noch in dem nahe gelegenen Lima das gelbe Fieber, welches, zum ersten Mal epidemisch an diesen Küsten auf- tretend, unserer Mannschaft den Besuch des Landes unrathsam machte. In dem kurzen Zeit- raume von 10 Tagen, einer Zeit, die ich in Lima mit Bereicherung meiner Sammlungen und kleinen Ausflügen in die Umgegend zubrachte, wurden die nöthigen Vorräthe zur Weiterreise eingenommen und am 14. (26.) April lichteten wir von Neuem die Anker. Die erwähnten politischen Ereignisse machten es nothwendig den Cours direkt nach dem Amur-Lande zu nehmen und keine der Inselgruppen des Stillen Oceanes zu besuchen. Unter Begünstigung der Passate hatten wir nach Verlauf von etwa 7 Wochen fast die ganze Breite des Stillen Oceanes hinter uns und näherten uns nun dem Meere der südlichen Kurilen. Dort empfin-

vi Einleitung.

gen uns aber beständig contraire W.-Winde, die unseren Lauf hemmten, und ein kaltes, un- ausgesetztes Regen- und Nebelwetter, das, rasch auf die Hitze der Tropen folgend, den Ge- sundheitszustand unserer Mannschaft in kurzer Zeit schwächte und sehr zahlreiche Erkran- kungen hervorrief. Unter solchen Umständen musste es rathsam erscheinen, den bis dahin ein- gehaltenen Cours aufzugeben und statt zum Amur-Lande nach dem Peterpaulshafen in Kamtschatka zu steuern. Dennoch hatten wir noch eine lange und beschwerliche Fahrt zu bestehen, bis wir endlich am 18. (30.) Juni, nach einer Reise von 66 Tagen, in die Bai Awatscha in Kamtschatka einliefen. Der geschwächte Gesundheitszustand unserer Mannschaft machte hier einen längeren Aufenthalt nothwendig. Auf Verfügung des damaligen Gouverneurs von Kamtschatka, Hrn. Contre-Admiral Sawoiko’s, erhielt daher die im Peterpaulshafen vor Anker liegende Corvette Olivuzza (Capit. Nasimoff) den Befehl, an Stelle der Fregatte Au- rora nach den Küsten des Amur-Landes sich zu begeben. Ich erwirkte mir, um an den Ort meiner Bestimmung zu gelangen, die Erlaubniss mit meinen Begleitern an Bord der Corvette aufgenommen zu werden. Schon am 27. Juni (9. Juli) lichteten wir wiederum die Anker; doch hielten uns contraire Winde und Windstillen noch 5 Tage in der geräumigen Bai Awa- tscha zurück, und erst am 3. (15.) Juli ward es uns möglich dieselbe zu verlassen. Sobald wir jedoch die Küsten von Kamtschatka hinter uns hatten, traten wiederum anhaltende eon- traire W.- und SW.-Winde und Windstillen unter beständigem Regen- und Nebelwetter ein. Wir waren daher genöthigt uns in östlicheren Längen den südlichen Kurilen zuzuwenden. Am 16.(28.)Juli Abends mussten wir uns endlich am Eingange in die Strasse der Boussole befinden, ohne jedoch bei dem dichten Nebel auch nur eine Spur vom Lande sehen zu kön- nen und mehr als die Schiffsrechnung für uns zu haben, da unter den beständigen Nebeln seit unserer Abreise von Kamtschatka keine einzige astronomische Ortsbestimmung möglich gewesen war. Jetzt brach eine stockfinstere Nacht an, und während eine todte Windstille je- des Wenden des Schifles erfolglos machte, trieb uns eine überaus starke Strömung in der Richtung nach West fort. Diese Erscheinung, so wie der brandungsähnliche Lärm der sich durchkreuzenden Strömungen belehrten uns, dass wir uns in der That in der Strasse der Boussole, zwischen den felsigen Inseln Urup und Ssimuschir befanden. Am folgenden Morgen sahen wir uns im Ochotskischen Meere, ob wir gleich bei dem fortdauernden Nebel auch jetzt keine Spur von der nunmehr hinter uns liegenden Kette der Kurilischen Inseln gewahren konnten. Und von diesem Momente, dem Eintritte in das Ochotskische Meer an, durfte ich mich bereits als an dem Schauplatz der mir bevorstehenden Forschungen angelangt ansehen; denn mit dem Ochotskischen Meere hatte ich zum Theil das Mündungsmeer des Amur-Stromes und das Küstenmeer Sachalin’s erreicht, das Meer, dessen Fauna in ihren an den Küsten des Amur-Landes vorkommenden oder gar in die Flüsse aufsteigenden Formen, dessen klimatische Einflüsse, dessen eulturgeographische Bedeutung u. s. w. bei der Erforschung des Amur-Landes ein nolhwendiges Glied abgeben mussten. Auch liegen die von nun an zur See von mir besuchten Küstenorte schon in dem Bereiche des Amur-Landes. Ich glaube daher auch den vorläufigen histo- rischen Abriss meiner Reisen von nun an etwas ausführlicher als bis dahin fassen zu müssen.

Gang der Reise. ıx

Unter wechselnden Winden und Windstillen langsam vorwärts rückend, erblickten wir am 20. Juli (1. August) Morgens die Südostspitze der Insel Sachalin, das Cap Aniwa, uns gingen zwei Tage später in der Bai Aniwa vor Anker. Wider Erwarten fanden wir hier den im Jahre vorher angelegten Posten der russisch- amerikanischen Compagnie aufgehoben und die K“ste wieder im ausschliesslichen Besitze der Japanesen. Diese emplingen uns zwar sehr freundlich und mit dem bei ihnen üblichen Ceremoniell, baten uns jedoch ihre Ansiedelungen nicht zu betreten, was ihnen auch gewährt wurde. Meine ursprüngliche Absicht, die Insel Sachalin von der Bai Aniwa aus zu bereisen, musste ich daher aufgeben und mıch auf die Hoffnung vertrösten,, die Insel später von der Mündung des Amur-Stromes aus besuchen zu können. Nach einem Aufenthalte von mehreren Stunden am Lande gingen wir wieder unter Segel und umschifften in derselben Nacht die Südwestspitze der Insel Sachalin, das Cap Crillon, in der Strasse La Perouse. Am folgenden Morgen befanden wir uns im Ange- sichte der Insel Monneron, in der Meerenge (dem ehemaligen vermeintlichen Golfe) der Tar- tarei. Das heitere Wetter und die ungewöhnliche, nebelfreie Luft gestatteten uns, nordwärts steuernd, fast ununterbrochen beide Küsten der Meerenge, diejenige der Insel Sachalin und des Festlandes, am Horizonte zu verfolgen. Am 25. Juli (6. Aug.) näherten wir uns dem Cap Putjatin an der Küste der Mandshurei und liefen in die gleich nordwärts von demselben im 49° n. Br. gelegene, sehr geräumige und tiefe Bai Hadshi ein, die von ihren ersten rus- sischen Entdeckern, im Jahre 1852, den Namen Kaiserhafen erhalten hat, von den Engländern aber 4 Jahre später Barracuta-Bai genannt worden ist. Auch dort fanden wir den im Jahre vorher gegründeten russischen Posten bis auf eine Besatzung von 11 Mann Kosaken verlassen. Drei Tage verblieben wir in der Bai Hadshi, während welcher Zeit ich an diesen noch völ- lig unbekannten Küsten möglichst viel Pilanzen und Thiere zu sammeln bemüht war, auch den hier einmündenden Fluss Hadshi eine Strecke aufwärts befuhr und die erste Bekannt- schaft mit den dortigen Eingeberenen, den Orotschen, einem Volke von tungusischem Stamme, machte. Fast ununterbrochene Nebel begleiteten uns von hier bis zu der an derselben Küste ungefähr zwei Breitengrade nördlicher gelegenen Bai de Gastries, in die wir am 30. Juli (11. Aug.) einliefen. Wenige Stunden nach uns traf auch der Dampfschooner Wostok (Capit. Rimskij-Korssakoff), der von der Braunkohlenbai von Sachalin kam, ın der Baı de Castries ein, und da die Corvette zunächst nicht weiter gehen sollte, der Schooner aber nach der Mündung des Amur-Stromes bestimmt war, so begab ich mich mit meinen Begleitern und sämmtlichen Reiseeffecten an Bord desselben. Am 1. (13.) Aug. lichteten wir Anker und steuerten längs der Festlandsküste nordwärts zum Cap Lasarefl, das am nördlichen, sehr schmalen Ende der Meer- enge der Tartarei, am Eingange in den Amur-Liman liegt. Dort fanden wir die Fregatten Pallas und Diana vor Anker liegen, auf welcher letzteren der Reisende des botanischen Gar- tens, Hr.Maximowicz, sich befand, der nunmehr mein Reisegefährte auf dem Schooner Wo- stok nach der Mündung des Amur-Stromes wurde. So gering hier die Entfernung auch ist, so dauerte unsere Fahrt durch den Amur-Liman doch mehrere Tage. Denn unser Schooner,

mit dem sehr unregelmässigen Fahrwasser des Amur-Limanes noch völlig unbekannt, gerieth Schrenck’s Amur-Reise Bd. 1. a

x Einleitung.

zu wiederholten Malen auf Sandbänke, von denen es nicht immer leicht war in kurzer Zeit wieder loszukommen. Das gab uns Gelegenheit die Festlandsküste des Amur-Limanes und die anliegenden kleinen Inseln zu wiederholten Malen und an vielen Punkten zu besuchen, um die geognostische Beschaffenheit der Ufer und ihre Flor und Fauna zu studiren und die erste Be- kauntschaft mit den dortigen Eingeborenen, den Giljaken, zu machen. Am 6. (18.) August liefen wir endlich in die Mündung des Amur-Stromes ein, und am folgenden Tage warfen wir vor dem etwa 30 Werst von der Mündung des Stromes entfernten, am linken Ufer des- selben gelegenen Nikolajewschen Posten ‘) Anker. Damit war nun der Ort unserer Bestim- mung erreicht und die Seereise beschlossen, die, von unserer Abreise von St. Petersburg an gerechnet, genau ein Jahr gedauert hatte.

Wir verliessen am selben Tage das Schiff uud bezogen ein Zelt am Ufer des Stromes. Die für meine Zwecke äusserst günstige Lage des Nikolajewschen Postens an der Mündung des Amur-Stromes, der Hauptverkehrsader im Amur-Lande, und zugleich in der Nähe der Insel Sachalin und der Küsten des Ochotskischen und Tartarischen Meeres bewog mich diesen Ort zum Mittelpunkie meiner Forschungen und zum Ausgangspunkte aller ferneren Reisen im Amur-Lande zu wählen. In diesem Jahre unternahm ich jedoch, der bereits vorge- rückten Jahreszeit wegen, keine grössere Reise mehr, sondern begnügte mich mit häufigen Ausflügen in die Umgegend des Nikolajewschen Postens, welche den Zweck hatten, die erste Grundlage zu naturhistorischen Sammlungen im Amur-Lande zu legen. Nach Mög- lichkeit suchte ich mich dabei auf grösseren Streifzügen von einem Giljaken begleiten zu lassen, um zugleich durch Verkehr mit diesen Eingeborenen der Amur-Mündung zur Kennt- niss ihrer Sprache zu gelangen, die mir sowohl zu ethnograpischen Forschungen, als auch zur Einziehung naturhistorischer Nachrichten über das Amur-Land unumgänglich nothwendig war. Sobald als möglich wurden auch regelmässige meteorologische Beobachtungen im Nikolajewschen Posten eingeleitet, welche acht mal täglich den Staud des Barometers, des Thermometers, die Richtung des Windes und den Zustand der Atmosphäre aufzuzeichnen hatten. Um nun für diese Beobachtungen über das Klima des Amur-Landes eine grössere Ba- sis zu gewinnen, trafen wir mit Hrn. Maximowicz, der den etwa 300 Werst oberhalb am Amur gelegenen Mariinskischen Posten zu seinem Winteraufenthalte gewählt hatte, Br Abmachung, unsere Beobachtungen siets zu denselben Stunden zu machen.

Neben diesen wissenschaftlichen Beschäftigungen nahm endlich auch ein Interesse prak- tischer Natur d.e erste Zeit meines Aufenthaltes im Nikolajewschen Posten in Anspruch. Da nämlich der zur Zeit meiner Ankunft erst seit einem Jahre begründete Posten nicht mehr als ein paar Häuser zählte und mir keine feste und beständige Wohnung bieten konnte, so

*) Obgleich dieser Ort, bei der raschen Entwickelung der russischen Colonieen am A mur- Strome, gegenwärtig schon zu dem Range einer Stadt, unter dem Namen Nikolajewsk, erhoben und zum Sitze der Gouvernements-Regie- rung gemacht worden ist, die sich über das ganze Küstenland am Ochotskischen Meere, Kamtschatka mit einge- rechnet, erstreckt, so lleiben wir doch in den folgenden Mittheilungen hei der zur Zeit unseres Aufenthaltes im Anıur-Lande für diesen Ort gebräuchlichen Bezeichnung «Nik olajewscher Posten». =

Gang der Reise.

musste ich selbst zum Aufbau eines Hauses schreiten, das uns um so nothwendiger war, als meine Sammlungen zunächst des Schutzes gegen die nahenden Herbstregen und in Zukunft, bei völliger Unmöglichkeit sofortiger Absendung nach St. Petersburg, eines bleibenden Ortes der Niederlage während meiner Reisen im Amur-Lande bedurften. So schwer dieses Unter- nehmen bei den anfänglichen Zuständen und geringen Mitteln des Nikolajewschen Postens auch auszuführen war, so sah ich mich doch bereits im Anfange November’s mit meinen Be- gleitern und allen Sammlungen unter Dach und gegen die nunmehr rasch einbrechende winterliche Jahreszeit geschützt.

So wenig nun der Winter nordischer Breiten im Allgemeinen zu naturhistorischen Rei- sen geeignet ist, so war doch im gegenwärtigen Falle der Nutzen, den ich mir von Winter- reisen im Amur-Lande versprechen musste, ein so vielseitiger und bedeutender, dass ich den festen Entschluss welche auszuführen fasste. Bieten nämlich die durchweg gebirgigen und waldigen Wildnisse am unteren Amur dem Reisenden im Sommer keine anderen Verkehrs- wege als den Hauptstrom selbst und etwa noch den unteren Lauf der meist reissenden Zu- flüsse desselben dar, so eröffnet ihm dagegen der Winter die Möglichkeit, in leichten, mit Hunden bespannten Schlitten seinen Weg direkt durch die Wälder und über die Gebirgszüge hinweg in die vom Strome entfernteren Landschaften zu nehmen. Indem daher die Winter- reisen nach solchen Gegenden führen konnten, die im Sommer nicht zu erreichen waren, stand von ihnen zunächst eine wesentliche Erweiterung unserer Kenntnisse der oro- und hy- drographischen Verhältnisse des Amur-Landes zu erwarten. Daneben aber mussten sie auch zu einem umfassenderen ethnographischen Bilde des Amur-Landes führen, indem sie uns die Gränzen der Verbreitung der zahlreichen das Amur-Land bewohnenden Völker ermitteln hal- fen und. uns namentlich auch mit den dem Amur-Strome entlegeneren Stämmen in Berührung brachten. Zudem bürgte die allgemeine Lebensweise dieser Völker dafür. dass der Winter auch diejenige Jahreszeit sei, welche dem Reisenden die häufigste Berührung und den erfolg- reichsten Verkehr mit ihnen gestatten müsse, da diese ichthyophagen Halbnomaden alsdann in grösserer Menge in ihren festen Winterwohnungen versammelt sin:!, während der Sommer sie zum Fischfange und zur Bereitung von Wintervorräthen auf die Inseln und längs den zahl- reichen Flussarmen des Amur’s’zerstreut. Ausser dem ethnographischen Interesse aber, das der Verkehr mit den Eingeborenen versprach, liess sich aus demselben auch in zoologischer Beziehung die Erlangung mannigfacher Erfahrungen und Nachrichten über die den Eingebo- renen nutzbaren oder überhaupt bekaunten Thierarten erwarten, wozu wiederum der Winter, als die bei den Eingeborenen des unteren Amur-Landes dem Jagderwerbe gewidmete Jahres- zeit, die meiste Gelegenheit darbieten musste. Inwiefern in dieser letzteren Beziehung auf den Winterreisen in der That schätzbare Materialien zur Fauna des Amur-Landes gewonnen werden konnten, soll noch im Besonderen bei Abhandlung der Säugethiere des Amur-Landes hervorgehoben werden.

Die angeführten Umstände erwägend, schritt ich mit dem Eintritte des Winters an die

Reisevorbereitungen, welche im Einkaufe von Provision und Tauschwaaren und in der *

x Einleitung.

Besorgung eigener, bei den Russen am Ochotskischen Meere und in Kamtschatka ge- bräuchlicher Schlitten, sogenannter «Narten», bestanden, deren jede mit 10—13 Hunden be- spannt wird. Das Ziel meiner Reise sollte für dieses Mal die Insel Sachalin sein. Da der südliche Theil des Amur-Limanes und die Meerenge am Cap Lasarefl erst gegen Mitte Ja- nuar’s (alt. Stiles) mit einer bleibenden Eisschicht sich bedecken, trat ich am 27. Jan. (8. Febr.) auf 4 Narten meine Reise an *). “Wir folgten dem Festlandsufer des Amur-Limanes bis zum Cap Lasarefl und’setzten von dort am 1. (13.) Febr. nach der Insel Sachalin beim giljaki- schen Dorfe Poghobi über. Längs der niedrigen, mit krüppeliger Lärchenwaldung bedeck- ten Westküste der Insel südwärts reisend, erreichten wir am 3. (15.) Febr. das Dorf Tyk, wo wir von heftigen Schneegestöbern 3 Tage lang zurückgehalten wurden. Während dieser Zeit hatte ich viel mit der Ungastlichkeit der Giljaken dieses Dorfes zu kämpfen, welche mir sowohl den Einkauf von Futter für meine Hunde, als auch Obdach und Feuer zum Bereiten des Essens zu verweigern suchten. Letzteres konnte zwar durch Drohung mit be- waflneter Hand erzwungen werden, was aber das Hundefutter betraf, so war daran lei- der an der gesammten Westküste der Insel in diesem Jahre ein grosser Mangel und hatten die Giljaken der südlicher von Tyk gelegenen Dörfer sich sogar genöthigt gesehen, ihre Wohn- plätze an der Meeresküste zu verlassen und landeinwärts nach dem Tymy-Flusse zu ziehen, wo der Fischfang im letzten Herbste ein ergiebigerer gewesen war. Dadurch an der Weiter- reise behindert, begab ich mich wieder an den Amur-Liman zurück, in der Absicht mich dort mit einem grösseren Vorrathe an Hundefutter zu versorgen. Da jedoch auch dort alle Versuche erfolglos blieben, sah ich mich genöthigt, die Reise nach der Insel Sachalin für dieses Mal aufzugeben und sie für den nächsten Winter mir vorzubehalten, wo ich bei Zeiten die nöthigen Vorräthe an Hundefutter machen konnte. Für jetzt dagegen beschloss ich, land- einwärts nach dem Amur-Strome mich zu wenden und von diesem aus die bei den tungusi- schen Völkern am unteren Amur als reiches Jagdrevier bekannten waldigen Wildnisse am Gorin-Flusse zu besuchen. in dieser Absicht brach ich am 13. (25.) Febr. vom Cap Lasareff auf und begab mich über das grosse Giljaken-DorfTschomi nach der Mündung des Tymi- Flusses im Limane. Von dort folgte ich dem genannten Flusse aufwärts bis zum Gebirge, das zwischen dem Amur-Strome und Limane sich hinzieht, überschritt dieses bei starkem Schnee- gestöber und kam dann längs dem Chaselach-Flusse an den Amur-Strom bei dem Mangunen- Dorfe Pulj heraus, von wo ich nach zwei Tagen, am 19. Febr. (3. März), den unweit vom mangunischen Dorfe Kidsi **) gelegenen Mariinskischen Posten erreichte. Nach einer mehr- tägigen, Aurch die Erkrankung zweier meiner Kosaken veranlassten Rast setzte ich meine

*) Vorläufige Nachrichten über diese und die folgenden im Amur-Lande von mir ausgeführten Reisen sind auch in den an den beständigen Secretair der Akademie von mir eingesandten Berichten zu finden. S. Bullet. de la Classe physieo-mathem. de l’Acad. Imp. d. so. de St.-Pet. T. XIV. p. 184 u. 217. T. XV. p. 169 u. 241. Desgl. Melanges phys. et chimiques. T. II. p. 446. T. UI. p. 60. Melanges russes. T. II. p- 8.

**) Im Sommer desselben Jahres (1855) ist der Ort, wo dieses Dorf lag, zur Ansiedelung eines Bataillones Liniensoldaten erwählt und in Folge dessen von den Mangunen gegen Entschädigung verlassen worden. Die russische Ansiedelung behielt jedoch den Namen Kidsi oder i. der Aussprache der Russen «Kisi» bei,

Gang der Reise. xum

Reise den Amur aufwärts durch das Gebiet der Mangunen und Golde fort und gelangte am 6. (18.) März an die Mündung des Gorin-Flusses. Dort verliess ich den Amur und begab mich in das vom Gorin durchströmte Nebenthal desselben. Nachdem wir die unbewohnten, nur von zahlreichen Jägern aus den Stämmen der Golde und Ssamagern (oder Kile vom Gorin) besuchten waldigen Wildnisse am unteren Laufe dieses Flusses überschritten hatten, erreichten wir das Dorf Ngagha am Gorin, wo ich die Bekanntschaft des tungusischen Stammes der Ssamagern machte. Gern hätte ich dort längere Zeit verweilt, um im Verkehre mit den Eingeborenen und durch Jagden, die ich von dort aus anstellte, meine Erfahrungen über diesen Theil des Amur-Landes in ethnographischer und zoologischer Beziehung zu erweitern. Die späte Jahreszeit mahnte mich jedoch an die Rückreise. In Bitschu an der Gorin-Mündung angelangt, trat ich daher am 13. (25.) März die Rückreise auf dem Amur- Strome an. Die während des Tages nunmehr regelmässig vor sich gehende Schneeschmelze machte die Fahrt mit Hunden sehr beschwerlich und erlaubte mir fast nur Nachts, wenn wie- derum Frost sich einstellte, weiter zu reisen. Vom Dorfe Pulj an betrat ich einen mir noch unbekannten Theil des Amur-Stromes, der bald unterhalb jenes Ortes, vom Dorfe Chjare an und bis zur Amur-Mündung von Giljaken bewohnt wird. Je weiter wir übrigens abwärts auf dem Amur -Strome kamen, desto weniger war das nahende Frühjahr zu merken, zumal in der letzten Biegung nach Ost, die der Strom etwa 100 Werst oberhalb seiner Mündung erfährt. Das beschleunigte unsere Fahrt und gestattete mir am 28. März (9. April) wieder im Nikolajewschen Posten einzutreffen, nach einer Abwesenheit von 2 Monaten, während wel- cher ich ungefähr 1600 Werst mit Hunden zurückgelegt hatte.

Im Posten angelangt, übernahm ich sogleich wieder die meteorologischen Beobachtungen, die während meiner Abwesenheit von Hrn. Poliwanoff sorgfältig fortgesetzt worden waren, und die mir für den Monat April insofern noch von besonderem Interesse sein mussten, als dieser für die Amur-Mündung grade die Zeit der Ankunft der meisten Zugvögel und über- haupt des ersten Wiedererwachens der organischen Natur ist. Daneben aber musste auch auch ohne Verzug an die Vorbereitungen zur Sommerreise geschritten werden, die ich mit Aufgang des Amur-Stromes anzutreten beabsichtigte. Da der auch an jenen fernen Küsten Asiens fühlbare Kriegszustand alle wissenschaftlichen Forschungen an'den Meeresküsten des Festlandes sowohl als auch der Insel Sachalin unmöglich machte, so mussten sich unsere Blicke für diesen Sommer ganz dem Innern des Landes und in diesem dem Amur-Strome zu- wenden. Um hier aber im Laufe eines Sommers zu einem möglichst umfassenden Ueberblicke der klimatischen Verhältnisse und organischen Erzeugnisse des unteren Amur-Landes zu ge- langen, schien es uns wünschenswerth von der Mündung des Amur-Stromes bis zu möglichst südlichen Breiten innerhalb des Amur-Systems vorzuschreiten. Wir beschlossen daher zu- nächst den unteren Amur-Sirom bis zu dessen südlicher Biegung und der Mündung des Us- suri in denselben zu befahren, und alsdann diesem letzteren, ebenfalls in ungefährer Meri- dianrichtung laufenden Flusse aufwärts zu folgen.

Auf den Erfahrungen der Eingeborenen fussend, rüstete ich zu dieser Reise zwei giljakische

xıv Einleitung.

Böte aus, die durch ihre eigenthümliche Bauart besonders befähigt sind der starken Strömung im Amur Widerstand zu leisten. Am 2. (14.) Mai befreite sich die Mitte des Stromes vom Eise, und am 13. (25.), als auch die Ufer und Buchten des Stromes zum grössten Theil eisfrei geworden wa- ren, {rat ich meine Reise an. Sobald wir die unterste, nach Ost gerichtete Biegung des Stromes am Cap Tebach hinter uns hatten, liess sich in der Pllanzen- und Thierwelt ein bedeutend vor- gerückterer Zustand wahrnehmen, was nun in dem Maasse, als wir weiter stromaufwärts ka- men, mit raschen Schritten zunahm. Im Mariinskischen Posten, den wir nach 10 Tagen er- reichten, fanden wir Alles schon im üppigsten Grün. Nach einem Aufenthalte von 2 Tagen setzte ich meine Reise fort, «dem rechten, höheren Ufer des Amur-Stromes folgend. Allein beim Dorfe Puljssa, am 30. Mai (11. Juni), begegnete ich dem General-Gouverneur von Ostsibi- rien, Hrn. General-Lieutenant Murawjoff, und erhielt von demselben den Befehl umzukehren und mich nach der Bai de Castries an der Meerenge der Tartarei, behufs naturhistorischer Untersuchung der Küste daselbst, zu begeben. Ich traf daher wieder im Mariinskischen Posten ein und brach von dort am 3. (15.) Juni nach der Bai de Castries auf. Die Reise dahin geschieht anfangs zu Boot über eine weite und tiefe Bucht des Amur-Stromes, den so- genannten See von Kidsi, und alsdann mit Hülfe von Packpferden oder zu Fuss durch einen sumpfigen Wald und über eine unbedeutende Höhe bis zur Meeresküste. Gegenwärtig war der kleine, im Jahre 1853 gegründete Alexandrowsche Posten in der Bai de Castries ver- lassen, und es stationirte eine Abtheilung Kosaken im dichten Walde an der Meeresküste, der stündlich zu erwartenden Ankunft feindlicher Schiffe in der Bai harrend. So ungiinstig auch dieser Zeitpunkt für wissenschaftliche Forschungen in der Bai war, so suchte ich doch meinen Aufenthalt in derselben nach Möglichkeit dazu zu benutzen, mich von der noch völlig unbekann- ten Meeresfauna jener Küsten mit Hülfe des Dredge-Instrumentes zu unterrichten. Leider hatte ich nicht die Mittel erhalten mein eigenes Boot nach der Bai hinüberzubringen und musste mich daher zu den Fahrten auf der weiten, den frischen Seewinden ausgesetzten Mee- resbai eines kleinen und schlechten Orotschen - Bootes bedienen, das mir überdies auch nicht immer zu Gebote stand. Zudem zog der Aufenthalt im sumpfigen Walde und die schlechte und ungenügende Kost, auf die wir angewiesen waren, in kurzer Zeit meinen beiden Begleitern und zweien meiner Leute Unpässlichkeiten zu, so dass ich mich bald auf einen einzigen Ma- trosen beschränkt sah. Dadurch ausser Stand gesetzt, meine Arbeiten in der Bai länger fort- zusetzen, hielt ich es für zweckmässig nach Verlauf von 10 Tagen die Bai de Castries zu ver- lassen und mich wiederum nach dem Mariinskischen Posten zu begeben. Dort traf ich mit Hrn. Maximowiez zusammen, der inzwischen ebenfalls von einer begonnenen Reise nach dem Ussuri zurückberufen worden war. Auf unser gemeinsames Gesuch erhielten wir nun- mehr vom General-Gouverneur die Erlaubniss, unsere unterbrochene Reise nach dem Ussuri wieder aufnehmen zu dürfen. Ohne Verzug, am 24. Juni (6. Juli), sogleich nach erhaltener Erlaubniss zur Reise, verliessen wir nun den Posten. Da wir jedoch nur je zwei Mann Rude- rer auf unsere Böte erhalten hatten, und diese Anzahl nicht genügen konnte, die Böte gegen die starke Strömung im Amur vorwärts zu bringen, sahen wir uns genöthigt beständig noch

Gung der Reise. xv

2 und 3 Ruderer unter den Eingeborenen zu miethen, was unsere Mittel natürlich sehr rasch schmälerte. Bis zur Mündung des Gorin-Flusses in den Amur folgten wir abwech- selnd dem einen und dem anderen Ufer des Stromes. Von dort an aber hielten wir uns beständig an das höhere rechte Ufer desselben, das linke für die Rückreise uns vorbehaltend. Am 16. (28.) Juli rasteten wir an der Mündung des Chongar-Flusses, eines für die Einge- borenen um so bedeutungsvolleren rechten Zuflusses des Amur’s, als er eine vielbesuchte Verkehrsstrasse zwischen den Golde am Amur und den Orotschen an der Meeresküste bil- den hilft. Dort befanden wir uns bereits in einer im Vergleich zum Mariinskischen Posten sehr merklich südlicheren Natur, indem dort alles Nadelholz schon auf das höhere Gebirge verdrängt ist und üppiger Laubwald das Ufer bedeckt. Vierzehn Tage später erreichten wir die Mündung des Ussuri. Dort begegneten uns die ersten mandshurischen Beamten, die sich aber wider Erwarten zuvorkommend gegen uns benahmen und sich sogar behülflich zeigten, uns frische Ruderer den Ussuri aufwärts zu verschaffen. Es war uns im höchsten Grade in- teressant, diesen nächst dem Ssungari bedeutendsten rechten Zufluss des Amur-Stromes aus eigener Anschauung kennen zu lernen. In seinem unteren Laufe machten wir die erste Be- kanntschaft mit den ausgedehnten, grasreichen, nur hin und wieder mit lichtem Walde von Laubhölzern und vorzüglich Eichen bestandenen Prairieen des Amur-Landes, die in schnei- dendem Contraste zu der fast ausschliesslich aus felsigen Gebirgen und dichten Nadelwaldun- gen zusammengesetzten Natur des unteren Laufes und besonders der Mündung des Amur- Stromes stehen. Weiter aufwärts sahen wir jedoch auch am Ussuri kleinere Gebirgszüge dem Sirome mehr oder weniger und bisweilen bis an die unmittelbaren Ufer desselben sich nähern. Wir gelangten auf dem Ussuri bis zur Mündung des Flusses Noor in denselben, die wir am 12. (24.) August erreichten. Dort sahen wir uns leider durch den Mangel an ferneren Mitteln zur Bezahlung der Ruderer und durch theilweises Erkranken unserer Leute genöthigt unserer Reise ein Ziel zu seizen. Nach zweitägiger Rast traten wir die Rückreise an und lang- ten am 17. (29.) August wiederum an der Mündung des Ussuri an. Von dort dem Amur abwärts folgend, hielten wir uns beständig an das linke Ufer desselben, welches noch lange unterhalb der Ussuri- Mündung einen niedrigen, zum Theil prairieartigen Charakter behält und erst nahe gegenüber der Chongar-Mündung ebenfalls gebirgig wird. Am 4. (16.) Sept. erreichten wir den Mariinskischen Posten und am 17. (29.) traf ich wiederum im Nikola- jewschen Posten ein, nachdem ich dieses Mal über vier Monate abwesend gewesen war und eine Strecke von etwa 2500 Werst zu Boot zurückgelegt hatte.

Im Posten nahmen nun wiederum beständige meteorologische Beol:achtungen, häufige Jagdstreifzüge in die Umgegend und ein beständiger Verkehr mit den Giljaken meine Zeit in Anspruch. Bei Zeiten musste auch an die Besorgung eines Vorrathes von Hundefutter zu der mir bevorstehenden Winterreise nach der Insel Sachalin gedacht werden. Da der Lachs- fang im Amur-Limane und Strome in diesem Jahre ein sehr ergiebiger gewesen war, so hielt es nicht schwer einen Vorrath zu machen, der hinreichen musste, um mich bis nach dem Tymy-Flusse, im Innern der Insel, zu bringen, wo ich auf frische Vorräthe bei den

xvI Einleitung.

Giljaken rechnen durfte. Am 30. Jan. (11. Febr.) trat ich auf 3 Schlitten meine Reise an. Wir eilten über den Liman und betraten am 1. (13.) Febr. beim Dorfe Poghobi die Insel. Südlich von dort, im Dorfe Tyk überraschten mich wiederum stürmische Schneegestöber, die 4 Tage lang mit grosser Heftigkeit anhielten. Dank dem mitgenommenen Vorrathe an Hunde- futter konnte ich jedoch nach Verlauf derselben meine Reise fortsetzen und erreichte am 8. (20.) Febr., längs der Westküste von Sachalin nach Süden reisend, das Dorf Arkai, von wo die von den Giljaken und Oroken der Insel gewöhnlich befolgte Strasse in’s Innere der Insel führt. Durch die letzten Schneegestöber war aber dieselbe leider vollkommen verstümt und zeigte sich kein Giljake im Dorfe willig mir zum Führer auf dem schweren, angeblich über drei Gebirgsrücken führenden Wege nach den Quellen des Tymy-Flusses zu dienen. Ich brach daher am Morgen des folgenden Tages ohne Führer landeinwärts auf. Die anfangs noch sichtbaren Spuren des Weges verloren sich bald und mussten durch häufiges Sondiren des Schnee’s wieder aufgefunden werden. Mit vieler Mühe überstiegen wir den ersten Gebirgs- rücken und lagerten uns zur Nacht. Es war die letzte, für die unser Vorrath an Hundefutter noch vorhielt. Leider brach jetzt wiederum ein stürmisches Unwetter mit Schneegestöber an, das uns für den nächsten Tag auch die letzten, noch hin und wieder sichtbaren Spuren des Weges rauben musste. Nur unter beständigem Sondiren der tiefen Schneemassen konnten wir daher am nächsten Morgen unseren Weg fortsetzen. Bald versagte jedoch auch dieses letzte Mittel und jetzt befanden wir uns in völliger Unkenntniss über die ferner einzuschlagende Richtung. Zum Glücke begegneten uns hier zwei giljakische Schlitten, die vom Tymy-Flusse kamen. Die Spuren, die sie hinterlassen hatten, benutzend, setzten wir unsere Reise fort, kreuzten noch zwei Gebirgsrücken und erreichten am Abend bei heftigem Schneegestöber eine giljakische Hütte im Tymy-Thale. In den nächsten Tagen besuchte ich nun die zahlreichen giljakischen Dörfer am oberen Laufe des Tymy-Flusses, die in Folge ihrer geographischen Lage an diesem für das nördliche Sachalin höchst bedeutungsvollen Flusse und zugleich unfern von den Quellen des nach dem Golfe der Geduld gerichteten Ty-Flusses (der Newa von Krusenstern) einen natürlichen Verkehrsmittelpunkt für alle drei die Insel bewohnenden Volksstämme, die Giljaken, Oroken und Aino abgeben. Neben ethnographischen Studien war mir dort auch reiche Gelegenheit geboten, Nachrichten und eigene Erfahrungen über die höhere Fauna der Insel Sachalin einzusammeln. Namentlich bot auch der im oberen Laufe niemals gefrierende Tymy-Fluss ein fruchtbares und lohnendes Terrain für Jagden dar. Gern verweilte ich daher im oberen Tymy-Thale so lange, als die Umstände es gestatteten und als nothwendig war, um mir neue Vorräthe an Hundefutter zur Weiterreise zu verschaf- fen, was bei dem Argwohne und der Habsucht der Sachalin-Giljaken nicht so leicht aus- zuführen war. Am 16. (28.) Febr. trat ich unter Begleitung eines giljakischen Führers die Reise das Tymy-Thal abwärts zur Ostküste der Insel an. Mehrere Tage hindurch begleitete uns noch eine kräftige, mannigfaltige aus Laub- und Nadelhölzern gemischte Waldung, wie sie das Innere der Insel besitzt. Als’'wir jedoch der Meeresküste uns näherten und auch die hohen Gebirgszüge, welche den Tymy-Fluss in ziemlicher Entfernung begleiten, hinter uns

Gang der Reise. xvu

hatten, stellte sich eine mehr und mehr ausschliessliche und oft krüppelige Lärchenwaldung ein, ähnlich derjenigen, welche auch die Westküste der Insel in ihrem nördlichen Theile be- deckt. Am 20. Febr. (4. März) erreichte ich die Ostküste von Sachalin und setzte auf der- selben meine Reise noch bis zur Bai Nyi nördlich von der Mündung des Tymy - Flusses fort. Dort setzten Mangel an fernerem Hundefutter und die Weigerung meines Führers weiter zu gehen, so wie der äusserst rege Argwohn der zur Plünderung und selbst zum Raubmorde sehr geneigten Giljaken des nördlichen Sachalin’s meiner Reise ein Ziel. Nach mehreren Tagen Aufenthaltes an der Ostküste begab ich mich daher wieder ins Tymy-Thal und an die West- küste der Insel zurück. Ehe ich jedoch an dieser weiter reiste, besuchte ich noch die beim giljakischen Dorfe Dui befindliche Bai de la Jonequiere und die südlicher gelegene Bai Choindsho, wo die ansehnlichsten Lager von Braunkohle auf der Insel zu Tage treten. Die Rückreise längs der Westküste der Insel musste nach Möglichkeit beschleunigt werden, da inzwischen unsere sämmtlichen Lebensmittel für uns und unsere Hunde ausgegangen waren. Am 4. (16.) März betrat ich wieder die Festlandsküste im Amur-Limane beim Dorfe My. Von dort schickte ich sogleich einen meiner Schlitten nach dem Nikolajewschen Posten ab, um uns neue Lebensmittel und Tauschwaaren an die Mündung des Amur-Siromes entgegen zu bringen, da ich noch einen Abstecher nach der Südküste des Ochots kiıschen Meeres auszu- führen beabsichtigte. Diesen trat ich zwei Tage später, mit dem Nöthigen versehen, von dem giljakischen Dorfe Tscheharbach an der Amur-Mündung an. Ich lernte dabei den nörd- lichen Theil des Amur-Limanes und die Südküste des Ochotskischen Meeres bis nahe zum giljakischen Dorfe Kullj kennen. Leider begleiteten mich auf dieser Reise sehr heftige und fast ununterbrochene Schneegestöber , welche dieselbe sehr erschwerten. Am 12. (24.) März traf ich endlich wiederum im Nikolajewschen Posten ein, nach einer Abwesenheit von 1} Monaten, während welcher ich ungefähr 1400 Werst auf Hunden zurückgelegt hatte. Während des nunmehr folgenden Aufenthalts im Nikolajewschen Posten musste meine Aufmerksamkeit, neben den gewöhnlichen, obenerwähnten wissenschaftlichen Beschäftigungen, hauptsächlich auch auf die Zurüstungen zu der nahe bevorstehenden Sommerreise gerichtet sein. Diese sollte nämlich, als Rückreise aus dem Amur-Lande, den gesammten Amur auf- wärts gehen. Da mir zugleich kein anderer Weg zum Transporte aller auf der Seereise und im Amur-Lande gemachten, im Nikolajewschen Posten angehäuften naturhistorischen und ethnographischen Sammlungen offen stand, so mussten dieselben ebenfalls reis.fertig gemacht werden, um die voraussichtlich lange und beschwerliche Reise stromaufwärts und alsdann zu Lande durch ganz Sibirien und das europäische Russland bis nach St. Petersburg schad- los bestehen zu können. Jede Kiste musste zu dem Zwecke sorgfältig gepackt, vertheert und in Rindsleder oder Seehundsfelle eingenäht werden, was bei der grossen Anzahl von Kisten und den mangelhaften Mitteln des Nikolajewschen Postens viel Mühe, Zeit und Kostenaufwand in Anspruch nahm. Daneben musste auch den vielfachen Bedürfnissen der Reise selbst vorge- sorgt werden, welche, als wissenschaftliche Expedition behandelt, fortgesetztem naturhistori-

schem Beobachten und Sammeln gewidmet sein sollte. Schrenck’s Amur-Reise Bd. I, 1

xvin Einleitung.

Sobald der Amur-Strom die Eisdecke abgeworfen hatte, was in diesem Jahre (1856) am 9.(21.)Mai statt hatte, schickte ich meine sämmtlichen, zur Reise hinlänglich gerüsteten Samm- lungen nach dem Mariinskischen Posten voraus und brach dann selbst mit meinen beiden Be- gleitern am 13. (25.) Mai auf zwei giljakischen Böten auf. Die Natur war in diesem Jahre im Vergleich mit dem vorigen sehr merklich zurück und gab, mit Ausnahme zahlreicher Enten und Gänse auf dem Strome, nur wenig Ausbeute. Um so mehr Zeit konnte dem ethnographischen Studium der Giljaken gewidmet werden, durch deren Gebiet ich zum letzten Mal reiste. Nach 9 Tagen langten wir im Mariinskıschen Posten an, wo ich meine Sammlungen wohlbestellt vorfand. Dort stand uns ein längerer Aufenthalt bevor; denn da ich von nun an die Sammlungen selbst weiter zu führen hatte, so mussten mehrere geräumige mandshurische Böte und eine hin- längliche Anzahl von Ruderern herbeigeschaflt werden. Letzteres aber hielt besonders schwer, da der Krieg in einem nur von Militair besetzten Lande Alles in Anspruch nahm. Unsere einzige Hoffnung war daher auf die rückkehrenden Leute der russisch-amerikanischen Companie ge- richtet, deren Ankunft aber noch zu erwarten stand. Inzwischen benutzte ich den unfreiwilligen Aufenthalt im Mariinskischen Posten, um mit Hrn. Maximowicz zusammen einen Ausflug über den See von Kidsi nach dem Jai-Flusse auszuführen, an welchem eine der winterlichen Verkehrsstrassen zwischen den Mangunen am Amur und den Orotschen der Meeresküste besteht. Nach unserer Rückkehr vom Jai, am 3. (15.) Juni, fanden wir im Mariinskischen Posten die Friedensnachricht aus Europa vor. Zugleich war ein Befehl vom General-Gouverneur von Östsibirien gekommen, einen Theil der am Amur befindlichen Truppen sogleich stromauf- wärts zur Rückkehr in die Heimath zu befördern. Das gab uns Gelegenheit die nöthige Anzahl von Ruderern auf unsere Böte zu erhalten. Auf mein Gesuch wurden mir 26 Mann Kosaken als Ruderer zur Verfügung gestellt, was mit den drei bereits von mir gemietheten Leuten der russisch-amerikanischen Companie eine Mannschaft von 29 bildete. Diese wurden nun auf 3 grosse mandshurische Böte, welche meine sämmtlichen Sammlungen und reichliche Vorräthe an Lebensmitteln und Tauschwaaren fassten,, und ein kleines giljakisches Boot vertheilt, wel- ches ich selbst bestieg, um, dem Zuge vorausgehend, mit Beobachten und Sammeln mich zu beschäftigen. Ausserdem aber schloss sich mir noch ein 51° Boot an, welches die Sammlun- gen von Hrn. Maximowiez, der noch im Mariinskischen Posten blieb, enthielt und das, mit allem Nöthigen ausgerüstet, meiner Aufsicht und Leitung anempfohlen war. Mit den acht Kosaken desselben zählte daher unsere gesammte Mannschaft, meine Begleiter und mich mit- gerechnet, 40 Mann, wozu im unteren Laufe des Stromes noch stets ein Führer aus den Ein- geborenen kam. So beschwerlich eine Reise mit so zahlreicher Mannschaft im Falle eines Mangels an Lebensmitteln auch werden konnte, so erwies es sich doch im gegenwärtigen Falle, wie die Folgezeit lehrte, als ein Glück, dass die Mannschaft nicht geringer war, denn nur das allein setzte mich in den Stand, trotz der äusserst zahlreichen Erkrankungen, die im Laufe unserer beschwerlichen Reise erfolgten, ununterbrochen weiter zu gehen. Wir verlies- sen am 15. (27.) Juni den Mariinskischen Posteu und brauchten einen vollen Monat um bis zum russischen Wachtposten gegenüber der Ssungari-Mündung zu gelangen. Der grösste

Gang der Reise. xıx

Theil dieser Strecke, bis zur Ussuri-Mündung, war mir schon vom Sommer vorigen Jahres her bekannt. Oberhalb der Ussuri- Mündung aber lernte ich ein mir noch neues Gebiet am Amur kennen, welches zum grössten Theil eine Niederung ist, mit nur wenigen kleinen Ge- birgszügen, die sich dem Strome und zumal seinem rechten Ufer nähern. Im Wachtposten (Ssungarskij-Piket) waren die zur Versorgung der rückkehrenden Truppen bestimmten Vorräthe noch nicht angelangt, und mussten wir daher mit den in Kidsi gemachten Vorräthen weiter gehen. Nach einem Tage Rast, am 16. (28.) Juli, brachen wir wieder auf. Der Amur- Strom wird oberhalb der Ssungari-Mündung, wo er bei den Mandshu den Namen Sachali oder Sachalin-ula, d. h. schwarzer Fluss, trägt, ansehnlich schmäler. Fünf Tage lang be- gleitete uns noch an beiden Ufern desselben eine weite, hin und her mit Baumgruppen oder auch mit lichtem Laubwalde bestandene Prairie; am 6t°0 betraten wir den Fuss des Bureja- Gebirges, das vom Amur-Strome durchbrochen wird. Leider war das Wasser im Strome, ver- muthlich in Folge häufiger Regengüsse an seinen Quellarmen und oberen Zuflüssen, sehr an- sehnlich gestiegen, was einerseits die ohnehin reissende Strömung desselben noch um ein Be- deutendes verstärkte, und andererseits bei dem engen, von steilen Felsen eingeschlossenen Bette des Stromes uns die Möglichkeit, unsere Böte hin und wieder, vermittelst einer Leine stromaufwärts zu ziehen, völlig raubte. Es blieb uns daher nichts übrig, als durch Rudern ge- gen die reissende Strömung anzukämpfen, wobei wir uns oft genöthigt sahen, wenn die ange- strengteste Arbeit nichts fruchten wollte, auf das jenseitige Ufer hinüberzugehen, ob dies gleich bei der starken Strömung mit einem jedesmaligen Verluste gegen den schon gewonne- nen Ort verbunden war. Acht Tage solcher Arbeit bei brennender Sonnengluth und bei bereits geschmälerten Lebensmitteln mussten gewiss dazu beitragen, die Zahl der Kranken in meiner Mannschaft rasch zu vergrössern. Häufige Erkältungen und in Folge davon heftige rheumatische Uebel, welche die Leute beinahe in einen Zustand von Lähmung versetzten, Ty- phus und die Folgen scorbutischer Leiden, denen sie an der Mündung des Stromes ausgesetzt gewesen, raubten mir täglich mehr Kräfte und liessen die Hindernisse wachsen. Am 28. Juli (9. Aug.) erreichten wir endlich den westlichen Fuss des Bureja-Gebirges : vor uns lag wie- derum weite Prairie und im Beginn derselben der russische Wachtposten Chinganskoi Pi- ket. Nach einer Rast von 14 Tagen brachen wir, mit frischen Lebensmitteln versehen, wie- der auf. Jetzt setzten uns die niedrigen und ebenen Ufer des Amur-Stromes keine solchen Hindernisse mehr wie im Gebirge in den Weg. Je weiter aufwärts wir kamen, desto ausge- breiteter und allgemeiner wurde auch die Prairie zu beiden Seiten des Stromes. Bald oberha'b der Bureja- Mündung traten auch an Stelle der Zelte nomadischer Biraren, eines tungusi- schen Stammes, der die Bureja (Njuman der Eingeborenen) und den angränzenden Theil des Amur-Stromes bewohnt, feste, von Gemüsegärten und selbst kleinen Feldern umgebene Ansiedelungen der Dauren, Mandshu und Chinesen, in denen wir Gelegenheit hatten für unsere Mannschaft frische Lebensmittel sowohl zum gegenwärtigen Bedarfe, als auch zum Vorrath für den uns noch bevorstehenden oberen Theil des Stromes zu besorgen. Gegen Ende dieses bisher einzigen Culturstückes am Amur-Strome erreichten wir am 11. (23.) Aug. die

xx Einlertung.

mandshurisch-chinesische Stadt Aigun (Aicho der unteren Amur-Völker, Sachalin-ula- choton, d. h. schwarzen Flusses Stadt, der Mandshu), ohne uns jedoch von dem Befehls- haber derselben die Erlaubniss zum Besuche der Stadt erwirken zu können. Nachdem wir nun am folgenden Tage an der Mündung der Dseja (Dsi der Eingeborenen) vorübergekommen waren, erreichten wir am späten Abend den unweit oberhalb derselben gelegenen russischen Wachtposten Ustj-Seiskoi-Piket *). Die grosse Zahl Kranker in meiner Mannschaft nöthigte mich hier den Befehlshaber des Postens um eine Verstärkung zu bitten, die mir auch an 10 Mann Liniensoldaten zu Theil- ward. Nach zweitägiger Rast, am 15. (27.) Aug., setzten wir unsere Reise fort, abwechselnd dem rechten und dem linken Ufer des Stromes folgend, je nach- dem wo uns die oberhalb der Dseja wieder an den Strom herantretenden Gebirge und die damit verbundene reissende Strömung weniger Hindernisse in den Weg setzten. Am $ten Tage langten wir im folgenden russischen Wachtposten, Komarskoi Piket, nahe gegenüber der Komar-Mündung an. Mit einem Vorrathe an Lebensmitteln für 10 fernere Tage brachen wir am 24. Aug. (5. Sept.) wieder auf. Bald oberhalb der Komar-Mündung nimmt die Na- tur ein viel nordischeres Gepräge an. Rasch nach einander häuften sich jetzt die Beschwerden unserer Reise. Längs den gebirgigen und oft felsigen Ufern des Stromes hatten wir meist ge- gen eine reissende Strömung zu kämpfen, welche durch ein ungewöhnlich starkes, in Folge anhaltender Regen eingetretenes Änschwellen des Stromes noch um ein Bedeutendes verstärkt wurde. Wiederum verloren wir die Möglichkeit stellenweise an der Leine vorwärts zu gehen. Zugleich hemmten beständig eontraire und oft sehr frische Winde die Erfolge unseres Ruderns. Zudem stellten sich mit dem 1. (13.) September regelmässige Nachtfröste ein, welche bei der leichten, durch die lange Reise sehr mitgenommenen Bekleidung der Kosaken und Soldaten zu immer häufigeren Erkältungen und Erkrankungen aller Art führten. Während wir daher bei wachsenden Hindernissen und schwindenden Kräften nur äusserst langsam vorwärts rück- ten, sahen wir zugleich einem baldigen Ende unserer Lebensmittel entgegen, einem Uebelstande, dem in den öden Wildnissen dieses Stromtheiles nicht wohl abzuhelfen war. Denn selbstver- ständlich konnten wir nicht hoflen in den einzelnen, spärlich zerstreuten Zelten der Monja- gern, eines nomadischen Tangusen-Stammes, der die Ufer der Dseja und des Amur-Stro- mes oberhalb derselben durchstreift und gegenwärtig, der Jagd nachgehend, zumeist in’s In- nere der Gebirge sich zurückgezogen hatte, Lebensmittel für 50 Mann vorzufinden, und was mein eigenes, dem Sammeln gewidmetes Gewehr stellte, konnte natürlich ebensowenig hin- reichen. Ich sah mich daher sehr bald genöthigt unsere tägliche Ration auf ein sehr geringes Maass einzuschränken, so hart auch diese Maassregel bei der angestrengten Arbeit des Ru- derns erscheinen musste. Dennoch gingen uns am 11. (23.) Sept., noch weit unterhalb des nächsten russischen Postens, unsere letzten Vorräthe zu Ende. Zum Glück erreichten wir nun am folgenden Tage ein mit Mehl beladenes Flussboot, das im Frühjahr auf einer Sandbank gestrandet war. Das setzte uns in den Stand die Reise fortzusetzen und am 16. (28.) Sept.

*), Im Frühjahr 1858 ist dieser durch den Zusammenfluss des Amur’s mit der Dseja höchst wichtige Ort zum Range einer Stadt, unter dem Namen Blagowestschensk, erhoben worden.

Gang der Reise xx

den russischen Wachtposten Kotomandu (Kotomanga der Eingeborenen) zu erreichen. Bereits fiel Schnee; ich eilte daher am folgenden Tage weiter. Die starken Nachtfröste begannen Eis an den Ufern zu bilden; am 21. Sept. (3. Oct.) begegneten wir auch dem ersten treibenden Eise, das jedoch aus einem linken Zuflusse des Amur-Stromes, dem Urutschi, kam. Oberhalb desselben gab es daher wiederum eisfreies Fahrwasser, auf dem wir endlich am 25. Sept. (7. Oct.) den ersten Kosakenposten, Ustj-StrjelotschnoiKaraul,am Zusammenfluss der Schilka und des Argunj’s erreichten. Damit war jedoch meine Flussreise noch keineswegs zu Ende, da mir bis zur näch- sten fahrbaren Landstrasse, auf der die Sammlungen weiter befördert werden konnten, noch etwa 500 Werst auf dem einen oder dem anderen der beiden Quellarme des Amur--Stromes bevorstanden. Mehrfache Gründe und darunter besonders der gegenwärtig niedrige Wasser- stand des Argunj’s im Vergleiche zum hohen der Schilka, so wie der Umstand, dass es am ersteren Strome bis an seine Mündung Kosakenansiedelungen giebt, die Schilka dagegen in ibrem unteren Laufe bis zur Gorbiza, d. i. auf etwa 240 Werst unbewohnt ist, bewogen mich zu einer Zeit, da ich täglich Eisgang erwarten konnte, den Argunj zur Weiterreise zu wählen. Wir verliessen das Kosakendorf Ustj-Strjelotschnoi am 26. Sept. (8. Oct.). Die erste Strecke schien uns nach den Beschwerden am Amur leicht zu überwinden, da der nie- drige Wasserstand uns fast allenthalben an der Leine fortzugehen erlaubte, die mondhellen Nächte aber unsere Arbeitszeit verlängern halfen und die Kosakendörfer uns frische Lebens- mittel und hin und wieder auch ein warmes Nachtlager gewährten. Bald aber fanden sich auch hier die Hindernisse ein. Am 1. (13.) Oct. trieb uns Eis am linken Ufer des Argunj's entgegen. Wir erreichten das grosse Kosakendorf Urjupina, versorgten uns dort mit frischen Lebensmitteln bis zum nächsten, auf etwa 100 Werst stromaufwärts entfernten Dorfe und gin- gen am folgenden Morgen weiter. Bereits war Eisgang an beiden Ufern des Stromes; auch nahmen die Menge und Dicke der treibenden Eisschollen und die Ausbreitung des Ufereises in den folgenden Tagen bedeutend zu und machten uns den Gebrauch der Leine oft unmög- lich. Unter solchen Umständen blieb uns wenig Hoffnung den noch etwa 200 Werst oberhalb Urjupina gelegenen Ort Argunskoi Ostrog, von welchem die erste Landstrasse beginnt, zu Boot erreichen zu können. Glücklicherweise liess die scharfe Kälte nach drei Tagen nach und der Fluss wurde wiederum eisfrei. Jetzt trat uns aber ein neues Hinderniss in dem weithin Jachen Wasser und den zahlreichen steinigen Untiefen (russisch : schiwera) entgegen, über die eine reissende, durch Rudern nicht zu überwindende Strömung geht. Am 5. (17.) Oct. waren wir genöthigt die ganze Nacht durchzuarbeiten, bis wir am Morgen im Dorfe Ustj-Urovskoje landen konnten. Zwei Tage später, vom Dorfe Baschurowa an, wurde es uns möglich unsere Böte mit Hülfe von Pferden Aussaufwärts ziehen zu lassen, was jedoch bei dem steinigen Bette des Argunj’s. seinen zahlreichen Untiefen, kleinen Inseln, vorspringenden Felsen u. drgl. m. mit vielem’ Aufenthalte und mancher Gefahr für die Böte verbunden ist. Wiederum trat scharfe Kälte ein und diesmal ging die Eisbildung äusserst rasch vor sich. Am 9. (21.) Oct. erreichte ich nach vielstündigem, angestrengtem Kampfe gegen das treibende Eis in stockfinstrer Nacht das Dorf Mulatscha. Meine grossen Böte aber, die gegen das Eis in der Nacht nicht hatten

xxu Einlertun g-

aufkommen können, blieben zurück und konnten erst am folgenden Tage mit Hülfe zahlrei- cherer Mannschaft bis zu dem Dorfe gelangen. Da ich von Mulatscha nur noch 15 Werst bis nach Argunskoi Ostrog hatte und die Sammlungen mit weniger Mühe za Lande als auf dem Flusse zwischen den dicht zusammengedrängten Eisschollen hindurch transportirt werden konnten, so beschloss ich hier meiner Flussreise ein Ende zu setzen, nachdem dieselbe vom Mariinskischen Posten an 4 und vom Nikolajewschen 5 Monate gedauert und mich über eine Strecke von etwa 3500 Werst stromaufwärts geführt hatte. Am 12. (24.) Oet. langten wir in Nertschinskoi Sawod an, wo ich meine Sammlungen dem Befehlshaber der dortigen Berg- werke, Hrn. Obrist Deichmann, mit der Bitte um Weiterbeförderung mit der Goldkarawane ablieferte. Nunmehr lag die Poststrasse Sibiriens vor uns. Ueber die Schilka, die wir kurz vor der Stadt Nertschinsk zu passiren hatten, mussten wir am 24. Oct. (5. Nov.) noch zu Boot, zwischen den dicht angehäuften Eisschollen uns durchdrängend, übersetzen. Die übri- gen Flüsse Transbaikalien’s, die uns im Wege lagen, die Nertscha, Ingoda, Sselenga, fanden wir schon mit einer fahrbaren Eisdecke versehen und gelangten am 6. (18.) Nov. noch rechtzeitig an den Baikal-See, um im Dampfboot über denselben herüberzukommen. Auf Winterbahnen, die sich während unseres Aufenthaltes in Irkutsk eingestellt hatten, eilten wir nun durch Sibirien weiter und trafen am 7. (19.) Januar 1857 wieder in St. Peters- burg ein:

Nach diesem kurzen Abrisse meiner Reisen im Amur-Lande wird es, glaube ich, nieht überflüssig sein, von der im Vorhergehenden schon theilweise angedeuteten, den Amur-Strom in seinen einzelnen Theilen begleitenden Landschaft in gedrängten Zügen eine kurze Ueber- sicht zu geben. Es kann nicht fehlen, dass ein Strom von solcher Riesengrösse wie der Amur, der von dem Ursprunge seiner Hauptquellarme bis zur Mündung über 30 Längengrade kreuzt und im Ganzen gewiss gegen 4500 Werst zurücklegt, in diesem weiten Laufe auch ein Terrain von sehr mannigfaltiger Beschaffenheit durehströmt. Auf die nackten Hochebenen Innerasiens, an deren Rande die Quellarme des Amur’s, die Schilka, mit der Jngoda und dem Onon, und der Argunj entspringen, folgt bekanntlich gegen den Zusammenfluss dieser Ströme hin ein weites, von vielen Gebirgszügen zusammengesetztes Bergland, welches meist abgestumpfte, oft terrassenförmig abgesetzte und zuweilen nach Art von kleinen Hochebenen erweiterte Höhen, mit einer im Allgemeinen vorherrschenden Vegetation von Nadelhölzern und Birken und dar- unter besonders auch von der Betula daurica besitzt. Ein solches Alpenland, aus Vorbergen und Ausläufern des Stanowoi- und des Chi ngan-Gebirges zusammengesetzt, umgiebt auch den oberen Lauf des Amur- oder oberen Sachali-Stromes, der offenbar nur die Fortsetzung sei- nes mächtigeren Quellarmes, der Schilka, ist und daher mit Recht bei den dortigen tungusi- schen Völkern, den Orotschonen und Monjagern, den Namen Schilkar oder Ssirkal trägt. Langgedehnte, zum Strome hin bald steile und nacktfelsige, bald sanfter geneigte und mit vorherrschendem Nadelwalde aus Lärchen und Kiefern bewachsene Höhen begleiten den Strom. Stellenweise treten sie beiderseits dicht an denselben heran und verleihen dem en- gen, gradlinigen Thale das Ansehen eines Gebirgsdurehbruches; meistens jedoch ist das Thal

Orographischer Charakter des Amur-Landes. xx

geräumiger und der geschlängelte Lauf des Stromes abwechselnd rechts und links von nack- ten Felswänden oder bewaldeten Bergabhängen und von grösseren oder kleineren Wiesen be- gleitet. Bis etwa zur Mündung des Komar-Flusses in den Amur bilden noch Nadelhölzer und die Bet. daurica die Hauptwaldung der Ufer. Alsdann aber werden die ersteren mehr und mehr verdrängt und von Laubhölzern und namentlich Eichen in lichter Waldung ersetzt. So geht es bis zur Einmündung der Dseja. Dort bricht die Berglandschaft ab und es breitet sich nunmehr eine ausgedehnte, hin und wieder gewellte oder von kleinen Hügelzügen durch- schnittene, ab und zu mit Laubholz bewachsene Ebene aus, die namentlich nach Norden, an der Dseja und ihren Zuflüssen weit hinaufzureichen scheint, am südlichen Horizonte dagegen meist von einem langgedehnten Höhenzuge begränzt bleibt. Dies ist die Prairie am oberen Amur- oder Sachali-Strome, das zur Cultur am meisten geeignete Stück des Amur-Lan- des, in welchem die Ansiedelungen der Mandshu, Chinesen und Dauren längs dem Strome liegen. Sie breitet sich am Amur bis unterhalb der Mündung der Bureja aus, wird jedoch gegen ihr unteres Ende hin allmählig eingeschränkter, indem dort wiederum kleine Gebirgs- züge dem Strome sich nähern. Etwa 100 Werst unterhalb der Bureja-Mündung stösst der Amur-Strom auf den vom Stanowoi-Gebirge nach Süd verlaufenden Gebirgszweig, den wir nach Middendorff’s Vorgange das Bureja-Gebirge nennen wollen *). Dieses Gebirge wird vom Amur in der Richtung NW. nach SO. durchbrochen, auf einer Strecke von etwa 200 Werst, wo der Strom, in ein enges Bett eingezwängt, meist in gewundenem Laufe zwi- schen beiderseits hohen, bald steilen und nacktfelsigen, bald sanfter geneigten und üppig be- laubten Ufern mit reissender Geschwindigkeit dahineilt. Es ist nicht möglich im Durchbruch des Amur-Stromes durch das Bureja-Gebirge, das zugleich mit der südlichsten Biegung des Stromes nahe zusammenfällt, nicht eine natürliche Abtheilung, einen Gränzpunkt im Laufe des Amur-Stromes zu erkennen. Denn mit dem Bureja-Gebirge ist nicht bloss in geognostischer Beziehung, wie in manchen Punkten der Pflanzen- und Thiergeographie und in den ethnogra- phischen Verhältnissen des Amur-Landes, sondern auch in der Entwickelung des Amur- Stromes selbst eine wichtige Gränzlinie gegeben. Befanden wir uns nämlich bisher im oberen Amur-Lande oder, wenn man die Schilka als oberen Lauf des Amur - Stromes ansieht, am mittleren Laufe des Stromes, so treten wir nunmehr unterhalb seines Durchbruches durch das Bureja-Gebirge an den unteren Lauf desselben und in das untere Amur-Land ein. Die rie- senmässige Zunahme, die der Amur-Strom gleich im Beginne seines unteren Laufes erfährt, verdankt er seinem Zusammenflusse mit dem Ssungari. Der herrschenden Ansicht, dass die- ser letztere nur ein Zulluss des Amur-Stromes sei, müssen wir die richtigere Anschauung der Mandshu entgegensetzen, die den Mangu oder unteren Amur-Strom erst aus dem Zu- sammenflusse des Ssungari und Sachali entstehen lässt. Ja, wenn man in Erwägung zieht, dass bei der Vereinigung dieser Ströme die ansehnlichere Grösse und maassgebende Richtung auf Seiten des Ssungari bleibt, so dürfte man sogar geneigt sein, ihn und nicht den Sachali

*) Darüber s. eine spätere Anmerkung.

Xaıv Einleitung.

für die Hauptader des Amur- Systemes zu halten. Längs dem vereinigten Strome zieht sich nun anfangs dieselbe Landschaft fort, die auch den Sachali gleich unterhalb seines Aus- tritts aus dem Bureja-Gebirge und noch oberhalb seiner Vereinigung mit dem Ssungari begleitet: es ist dies nämlich eine ebene, grasreiche Prairie, die aber im Vergleich mit der zuvor erwähnten Prairie am Sachali-Strome niedriger, sumpfiger und von geringerer Aus- dehnung zu sein scheint. Namentlich treten am rechten Ufer niedrige Gebirge oft bis hart an den Strom heran, während sie am linken meist nur am Horizonte sichtbar bleiben. Auch bricht der Prairiecharakter am rechten Ufer früher und zwar schon an der Mündung des Us- suri völlig ab, während er am linken noch eine geraume Strecke weiter geht. An der Mün- dung des Ussuri erreicht nämlich der Amur-Strom mit seinem bis dahin im Allgemeinen östlichen Laufe die westlichen Vorberge des Küstengebirges der Mandshurei und wendet sich nun nach Nord, um dieses Küstengebirge zu umgehen. Von nun an breitet sich bis an die Mündung des Amur-Stromes ein weites und durchgängiges, wenn auch nicht besonders hohes Alpenland aus, welches am rechten Ufer von den westlichen Vorbergen und Abfällen des Kü- stengebirges und am linken von einzelnen Zweigen und Vorbergen des nördlichen Bureja- Gebirges gebildet wird, die die Quellen des Kur, Gorin, Amgunj und anderer linken Zu- flüsse des Amur-Stromes entsenden und begleiten. Namentlich hat der Strom, indem er sich näher an das Küsten- als an das Bureja-Gebirge andrängt, in diesem Theile ein durchgängig hohes, gebirgiges rechtes Ufer, während am linken die Gebirge nicht überall bis an den Strom herantreten und daher stellenweise, wie z.B. am unteren Kur, am Boolang-und Udalj-See, am unteren Amgunj u. s. w., auch niederes Land sich einfindet. So durchgäugig aber auch das Alpenland in diesem Theile des unteren Amur- Stromes ist, so lässt sich hier doch, in Folge der ungefähren Meridianrichtung seines Laufes, ein rascher Wechsel im Vegetations- charakter der Landschaft bemerken. Bis etwa zur Mündung des Gorin-Flusses bilden Laub- hölzer der verschiedensten Art die herrschende Bewaldung der Uferabhänge, während alles Nadelholz auf die Höhe der Gebirge verbannt ist. Alsdann aber beginnen auch die Nadel- hölzer allmählig von der Höhe bis zum Niveau des Stromes hinabzusteigen, um nun je weiter nach Norden, desto mehr überhand über das Laubholz zu nehmen. Mit der Biegung endlich, die der Strom nahe dem 53ten Breitengrade nach Osten macht, um, zwischen den nördlichen Ausläufern des Küstengebirges der Mandshurei und den nach Osten vorgeschobenen Aus- läufern eines Zweiges vom nördlichen Bureja-Gebirge hindurch, zum südlichen Ende des Ochotskischen und nördlichen des Japanischen Meeres (der Meerenge der Tartarei) einzu- münden, ist der Charakter ein vollkommen nordischer geworden, indem nun allenthalben, auf den Höhen wie am unmittelbaren Ufersaume, eine beinahe ausschliessliche, ausgedehnte und fast ununterbrochene Nadelwaldung von Tannen und Lärchen über einer dicken Moosdecke von Hypnum u. dgl. sich ausbreitet. Dieser Vegetationscharakter herrscht nun im Allgemeinen auch an der Meeresküste des Festlandes der Mandshurei und der Insel Sachalin bis weitnach Süden, zum wenigsten bis zum 49° n. Br. hinab. Nach Norden zu, an der Südküste des Ochot- skischen Meeres gewinnt er aber ein noch nordischeres Gepräge, indem dort meistentheils nur

Klimatischer Charakter des Amur-Landes. xxV

ein lichter und oft verkrüppelter Lärchenwald die Meeresküste bedeckt. Dasselbe ist auch an den niedrigen Küsten des nördlichen Theiles der Insel Sachalin der Fall. Im Innern dersel- ben aber, wo das Land von gebirgiger Beschaffenheit ist, findet sich hoher und mannigfaltiger Nadelwald, mit vielem Laubholze, vorzüglich Weiden, Espen und Birken, aber auch Eschen, Ahornen, Eichen u. a. m. untermischt. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die in Meri- dianrichtung -langgestreckte Insel Sachalin ein mit dem Küstengebirge der Mandshurei ziemlich paralleles Mittelgebirge mit mannigfachen Abzweigungen besitzt, deren Zahl und Ausbreitung im mittleren, vom Golfe der Geduld nach Norden gelegenen Theile besonders ansehnlich zu sein scheint. Solche Gebirgszweige sind es auch, welche die grössten Flüsse der Insel Sachalin, den Ty und Tymy, in ihrem von den Quellen an nach SO. und NO. diver- girenden Laufe begleiten. Letzterer Fluss läuft in einem ziemlich weiten Thale zwischen dem Mittelgebirge an der linken und einem an Höhe nicht geringerem Nebenzweige desselben an der rechten Seite und erreicht erst nachdem er den letzteren Gebirgszug umgangen ist, mit einer Biegung nach Osten das Ochotskische Meer. Im Allgemeinen schienen mir die Gebirge in dem von mir besuchten, mittleren Theile von Sachalin denjenigen auf dem Continente im unteren Amur-Lande an Höhe nicht nachzustehen. Nach Angabe der Eingeborenen soll es aber auf der Insel, und zwar im nördlichen Theile derselben, auch Gebirgsgipfel geben, die mit ewigem Schnee bedeckt sind, was wir im Amur-Lande nirgends gesehen haben.

Gern möchten wir an diese kurze orographische Skizze des Amur-Landes auch eine vorläufige kurze Uebersicht der klimatischen Verhältnisse desselben anschliessen ; allein hier „fehlen uns, um vom gesammten Laufe des Stromes sprechen zu können, gegenwärtig noch die Materialien. Nur vom Mündungslande des Amur-Stromes besitzen wir schon mehrfache Er- fahrungen : es sind dies namentlich die von Hrn. Maximowicz im Mariinskischen und von mir im Nikolajewschen Posten während der beiden Jahre unseres Aufenthaltes im Amur- Lande, 1854—1856, regelmässig fortgeführten meteorologischen Beobachtungen. Ausserdem liegen mir einige meteorologische Aufzeichnungen vor, die von zwei Officieren der Russischen Marine während einiger Monate Aufenthaltes in der Bai Hadshi au der Küste der Mandshu- rei in 49°n.Br.und in der Bai Aniwa am Südende Sachalin’s gemacht worden sind. Diese Materialien, die am entsprechenden Orte in extenso bekannt gemacht werden sollen, gestatten uns auch vorläufig schon einen flüchtigen Blick in das Klima des unteren Amur-Landes und in’s Besondere der Amur-Mündung zu thun.

Als ein Theil der Ostküste des weiten asiatischen Continentes muss das Mündungsland des Amur-Stromes in klimatischer Beziehung .maritime und continentale Elemente in sich vereinigen. Die ersteren bezieht es jedoch nicht vom offenen Oceaue, sondern zumeist von einem hochnordischen, im Winter ebenfalls gefrierenden Binunenmeere, dem Ochotskischen, und in geringerem Theile von der nördlichen Hälfte des Japanischen Meeres; die zweiten kommen ihm von einem nach Westen äuss.rst ausgedehnten und nach Norden bis in hohe, arktische Breiten vorgeschobenen Contineute zu. Beiderseits sind daher die geographischen Verhältnisse nicht wohl greigret ein m des Klima an der Amur-Mündung hervorzurufen.

Schrensk’s Amur-Reise. Bd. 1. 1v

xxvI Einleitung. .

Dabei lehren die Beobachtungen den Antheil, den die einzelnen Jahreszeiten an den maritimen und continentalen Factoren im Klima haben, in folgender Weise abschätzen: im Herbst und Winter herrscht der Einfluss des Continentes, im Frühjahr und Sommer derjenige der See aor eine Vertheilung, die gewiss im hohen Grade ungünstig ist, indem die scharfen Win- erfröste nicht durch eine entsprechende Sommerhitze compensirt werden. Genauer lässt sich der allgemeine klimatische Charakter der einzelnen Monate, wie wir ihn im Nikolajewschen Posten beobachtet haben, in folgender Weise angeben. Im October (alten Stiles, wie alle übri- gen Angaben) stellen sich bereits vorherrschende Westwinde ein, die einen heiteren und schö- ben, aber kalten Herbst bedingen: der einmal ausgefallene Schnee bleibt liegen und der Strom nedeckt sich von seinen Ufern aus; ohne dass ein herbstlicher Eisgang stattfände, allmählig tweiter und weiter mit Eis. In den ersten Tagen des November’s (in den Jahren 1854 und 1855 am 2. (14.) Nov.) ist er in seiner ganzen Breite, das zuletzt gefrierende tiefere Fahr- wasser des Stromes nicht ausgenommen, mit Eis bedeckt und wird alsdann auch sogleich in Schlitten befahren. Im November, der ebenfalls meist heiter bei vorherrschenden Westwinden ist, sinkt das Thermometer bereits nicht selten unter 20° R. Im December thut sich der Einfluss der See durch sehr starken Schneefall kund.' Zugleich ereignen sich häufig stürmische Schneegestöber, welche zumeist bei Westwinden stattfinden und nicht selten von einer Kälte von 20° R. und mehr begleitet sind. Diese Schneegestöber (von den Russen in Sibirien «Purga» genannt, wir möchten sie deutsch «Schneestürme» nennen) halten oft mehrere Tage lang an: die Luft ist alsdann von dichten Mengen wirbelnden Schnee’s erfüllt, allenthalben häufen sich ungeheure Schneemassen an und aller Verkehr, selbst zwischen nahe gelegenen Orten, wird gehemmt und zeitweise ganz unterbrochen. Bei der wirbelnden Bewegung, mit welcher der Wind oft um die ganze Windrose umspringt, wird man sich die Erscheinung dieser Schneestürme aus einem Zusammenstossen und Gegeneinanderkämpfen der Ost- und Westwinde erklären können. Zuweilen, wenngleich sehr selten, nimmt auch der Ostwind überhand und alsdann stellt sich mitten im Winter Thauwetter ein, welches aber ebenso rasch wieder von scharfem Froste verdrängt werden kann. So hatten wir z. B. im Winter 1854 im Nikolajewschen Posten am 5. (17.) Dec. + 0°,5 R. in der Luft und am 10. (22.) Dee. 31°,6, welches letztere zugleich auch der niedrigste im Nikolajewschen Posten von mir beobachtete Thermometerstand ist. Im Januar pflegt ein beständigeres Wetter, bei meistens heiterem Himmel und scharfen Frösten vorzuherrschen, welches, allmählig milder werdend, auch den Februar und März über anhält. Gegen Ende des letzteren Monats lässt sich jedoch schon die Wirkung der Frühlingssonne an der in den Mittagsstunden stattfindenden Schnee- schmelze verspüren. Im April nehmen die Ostwinde entschieden überhand. Von häufigen und dichten, oft plötzlich heraufziehenden Nebeln begleitet, färben sie den Himmel fast beständig grau und lähmen die Wirkung der Frühlingssonne, ohne diesen Verlust an Wärme durch eine viel niedrigere Temperatur der Luft zu compensiren. Ihrem hemmenden Einflusse ist wahr- scheinlich auch der späte und langsame Aufgang des Stromes zuzuschreiben; denn so rasch und, ich möchte sagen, entschlossen der Strom im Herbst sich beeist, so langsam und zögernd

Klimatischer Charakter des Amur- Landes. xxvil

wirft er im Frühjahr die Risdecke wieder ab. Einen grossen Theil des April-Monats hindurch ist daher das Eis auf dem Strome noch fahrbar, obgleich von vielem Aufwasser bedeckt. Erst im Anfange Mai’s (in den Jahren 1855 und 56 am 2. (14.) und 9. (21.) Mai) befreit sich die eigentliche Stromrinne oder das tiefere Fahrwasser vom Eise; längs den Ufern aber und in den Buchten des Stromes hält sich das Eis noch 8 bis 10 Tage länger. Viel später wird der Amur-Liman eisfrei, da in demselben ausser seinem eigenen Eise auch noch bis weit in den Juni hinein treibende Eismassen aus dem Ochotskischen Meere sich ansammeln. Wie lange endlich Treibeis an den Südküsten des Ochotskischen Meeres sich finden lässt, dafür diene zum Belege der Umstand, dass im Jahre 1856 in der Bai beim Petrowskischen Posten noch am 26. Juni (8. Juli) starke Eismassen angehäuft waren *). Unter solchen Umständen ist es leicht zu ermessen, wie sehr die an der Amur- Mündung im Mai und Juni vorherrschenden kalten und nebelreichen Ostwinde dem Klima jener Gegenden nachtheilig sein müssen. Darin liegt ohne Zweifel auch der Grund des späten Wiedererwachens der organischen Natur an der Amur-Mündung. Im Mai liegen in den Wäldern noch vielfache Ueberreste der grossen Schnee- mengen des Winters, die die spärlich wirkende Frühlingssoune nicht hat entfernen können. Erst gegen Ende Mai’s und im Anfange Juni’s beginnen Bäume und Sträucher sich zu begrü- nen. In den wärmsten Monaten, Juli und August, scheinen nun Ost- und Westwinde sich ziem- lich das Gleichgewicht zu halten und bald eine Temperatur von nahe 10° und darunter, bald eine von über 20° R. hervorzurufen. Das Maximum, das bisher im Nikolajewschen Posten beobachtet worden, ist 25° R. am 31. Juli (12. Aug.) 1856, wogegen aber am 6. (18.) Juli Nachts das Minimum-Thermometer nur Wärme zeigte. Im September endlich nehmen wie- derum Ostwinde überhand und rufen ein regnigtes und nebelreiches Wetter hervor, auf welches im October, wie wir bereits erwähnten, Schnee und anhaltende, im Gefolge der West- winde 'eintretende Fröste folgen. So sehen wir also im Klima der Amur-Mündung den abküh- lenden Einfluss, den die kalten, über das sibirische Festland streichenden Westwinde im Win- ter ausüben müssen, mit dem ebenfalls abkühlenden Einfluss, den ein nordisches Binnenmeer im Sommer bewirkt, sich vereinigen. ‚Ohne Zweifel ist also das Klima der Amur-Mündung viel rauher als man es der geographischen Breite nach zu erwarten geneigt sein dürfte.

Sehr ähnliche klimatische Verhältnisse wie an der Amur-Mündung scheinen auch, im gesammten Küstengebiete des Amur-Landes, in der Meerenge der Tartarei und auf der In- sel Sachalin zu bestehen.

Begreillicher Weise lässt sich der abkühlende Einfluss, den das Ochotskische Meer auf das Klima der anliegenden Länder ausübt, auch südlich von der Amur-Mündung, in der Meerenge der Tartarei verspüren, die durch den Amur-Liman in direkter Verbindung ‚mit dem Ochotskischen Meere steht. Bis zum Cap Lasarefl, in ungefähr 52° n. Br., setzt sich nach Süden die feste, ununterbrochene Eisdecke fort, mit der sich der Amur-Liman allwin- terlich zu überziehen pflegt. Südlich vom Cap Lasareff bleibt die Meerenge der Tartarei in

*) Nach einer Mittheilung des Dr. Pfeiffer’s, der die von mir begonnenen meteorologischen Beobachtungen im Nikolajewschen Posten seit meiner Abreise von dort fortsetat.

xxvun Einleitung.

ihrem mittleren Theile den ganzen Winter über oflen, gefriert aber, vom November und De- cember an, längs den Ufern und in den Buchten und Baien. Zwar wird auch dieses Eis durch frische Seewinde bisweilen plötzlich zerbrochen, allein in den geschützteren Baien bleibt es lange Zeit, in der Bai de Castries z. B. bis Ende und in der Bai Hadshi im 49° n. Br. bis Mitte Aprils liegen. Zudem werden im Frühjahr zuweilen starke Eismassen aus dem Ochotskischen Meere und Amur-Limane in die Meerenge der Tartarei getrieben. Aus den meteorologischen Beobachtungen, die Hr. Lieut. Kusnezofl vom Juni 1855 bis Januar 56 in der Bai Hadshi angestellt hat, ergiebt sich, dass auch dort die Temperatur der Sommer- monate durch den abkühlenden Einfluss vorherrschender Ostwinde niedergedrückt: wird, wäh- rend in den Wintermonaten, vom October an, besonders häufige West- und Nordwinde we- hen, welche das Thermometer nicht selten unter 20, ja bis 25° R. sinken lassen. Und doch ist damit, den Stunden der Beobachtung nach zu urtheilen, gewiss noch nicht der nie- drigste Stand angegeben, den das Thermometer dort erreichen mag. Obgleich daher im Klima der Bai Hadshi im Vergleich zur Amur-Mündung schon eine bedeutende Milderung be- merkbar ist, so bleibt es doch immer noch weit rauher als es der Breite von 49° zukom- men müsste.

Was die klimatischen Verhältnisse der Insel Sachalin betriflt, so scheint bei der an- sehnlichen Längenerstreckung dieser Insel ein bedeutender Unterschied zwischen dem nörd- lichen und südlichen Theile derselben statt zu haben. Denn während der erstere an der un- günstigen Verbindung continentaler und maritimer Elemente, wie wir sie im Klima der Amur- Mündung bemerkt haben, in einem noch höheren Grade Theil zu haben scheint, besitzt die Südspitze ein milderes und offenbar reiner maritimes Klima. Ersteres ist uns aus der geogra- phischen Lage der Insel leicht erklärlich: denn von dem Ochotskischen Meere und dem Amur-Limane umgeben, ist es dem rauhen, abkühlenden Einflusse derselben im Frühjahr und Sommer noch mebr als die Amur-Mündung unterworfen. Andererseits aber lässt die Nähe der Insel zum Festlande, mit dem sie im Winter durch die Eisdecke des Amur - Lima- nes und des südlichen Ochotskischen Meeres sogar in continuirlich-feste Verbindung tritt, sie auch an den excessiven Winterfrösten des Festlandes ia gleichem und vielleicht noch hö- herem Grade Tbeil nehmen. Die schärfste Kälte, die ich im Amur-Lande beobachtet habe und die jedenfalls unter dem Gefrierpunkte des Quecksilbers stand, indem mein Quecksilber- Thermometer (von Greiner in Berlin gearbeitet) 42° R. zeigte, fand ich am 18. Februar (1. März) 1856 im weiten, nach NNO geöflneten Tymy-Thale auf der Insel Sachalin. Zu- gleich ist die Insel im Winter nicht weniger reich au Schnee wie die Amur- Mündung und vielleicht noch häufigeren stürmischen Schneegestöbern unterworfen. Setzt sich nun dieser Einfluss des nahen Continentes auf das Klima der Insel längs dem hohen Mittelgebirge der- selben vermuthlich recht weit nach Süden fort, so scheint er doch nach der Südspitze der In- sel zu allmählig zu schwinden und in Folge des Einflusses des Japanischen Meeres einem milderen, maritimen Klima Raum zu geben. Nach den Bemerkungen des Lieut. der Russ. Marine, Hrn. Rudanoffski, der vom October 1853 bis Mai 5% meteorologische Beobachtun-

Klimatischer Charakter des Amur-Landes. xxıX

gen in der Bai Aniwa gemacht und einige Reisen im südlichen Theile der Insel ausgeführt hat, ist die am Ochotskischen Meere gelegene Ostküste des südlichen Sachalin’s merklich rauher als die zum Nordjapanischen Meere (oder der Meerenge der Tartarei) gekehrte Westküste desselben. In der nach Süden geöffneten Bai Aniwa betrug der niedrigste Ther- mometerstand, den Hr. Rudanoffski beobachtet hat, nicht mehr als 20° R., am 1. (13.) Januar Morgens. Die Mitte der Bai bleibt während des ganzen Winters offen und nur längs den Ufern bildet sich Eis, das von frischen Winden oftmals zerbrochen wird. Bereits um die Mitte März’s (alten Stiles) ist aller Schnee geschmolzen; dennoch beginnt erst im Mai das erste Grün bervorzubrechen. Trotz ihrer südlichen Lage von ungefähr 461° n. Br. ist also auch die Bai Aniwa an der Südspitze Sachalin’s noch mit einem verhältnissmässig rauhen Klima ausgestattet.

Kehren wir nun wieder zum Amur-Strom zurück. Aufwärts von der Mündung desselben gegangen, nimmt das Klima des Amur-Landes bald einen anderen Charakter an. Denn nicht bloss gelangt man, bei der ungefähren Meridianrichtung des unteren Amur-Stro- mes, bald in südlichere Breiten, sondern man entfernt sich zugleich auch aus dem Bereiche des unmittelbaren Einflusses des Ochotskischen Meeres und der, wenn auch minder rauhen, Meerenge der Tartarei. Im Mariinskischen Posten, etwa 350 Werst oberhalb der Amur- Mündung , sind jedoch die nordisch-maritimen Elemente noch sehr merklich, was nicht bloss aus der im Allgemeinen noch bedeutenden Nähe des Stromes zur Meeresküste, sondern auch auch aus der eigenthümlichen Bildung des sogenannten See’s von Kidsi sich erklären lässt. Durch diese weite, in östlicher Richtung langgedehnte Bucht, die dem Amur-Strome das An- sehen giebt, als wollie er hier schon in’s Meer münden, näbert sich derselbe bis auf dıe un- bedeutende Entfernung von etwa 10 Werst der Meerenge der Tartarei. Kalte und feuchte Seewinde streichen hier über die niedrige Landenge und den See von Kidsi ebenso wie an der nach Ost geöffneten Mündung des Amur-Stromes weg und setzen sich noch weiter längs dem Strome fort. Wie an der Amur-Mündung tragen sie also auch hier zur Abkühlung des Frühjahrs und Sommers bei, während Herbst und Winter die excessiven Fröste eines conti- nentalen Klima’s in kaum geringerem Grade theilen. Nach den Beobachtungen von Hrn. Ma- ximowiez sinkt das Thermometer im Mariinskischen Posten im Winter bisweilen bis auf 30° R., während es im Sommer auch nicht über 25° erreicht. In der Zeit des Zufrierens und Aufgehens des Stromes scheint zwischen dem Mariinskischen und Nikolajewschen Posten ein Unterschied von nur wenigen Tagen zu bestehen *). Nicht grösser scheint auch der Unterschied im Zeitpunkte des Wiedererwachens der organischen Natur zu sein.

Erst weiter oberhalb vom Mariinskischen Posten, nach Maassgabe als der Strom von

*) Die Beobachtungen über das Zufrieren und Aufgehen des Stromes im Mariinskischen Posten selbst können insofern nicht ganz maassgebend sein, als dieser Posten nicht am Haupistrome selbst, sondern an einem Flussarme liegt, wo die Eisdecke früher sich bildet und länger liegen bleibt. In den Jahren 1854—56 beobachtete Hr. Maximo- wicz den Zugang des Flussarmes beim Mariinskischen Posten am 2. (14.) Novbr. und 28. Oct. (9. Nov.), also gleich- zeitig und sogar etwas früher als er im Nikolajewschen Posten in denselben Jahren stattfand, den Aufgang dagegei am 26. April (8. Mai) und 28. April (10. Mai), also um 6—11 Tage früher als im Nikolaje wschen Posten.

xxx Einleitung.

der Küste weiter entfernt bleibt und durch das schützende Küstengebirge mehr und mehr aus dem Bereiche der maritimen Einflüsse tritt, scheint das Klima einen milderen und entschieden continentaleren Charakter anzunehmen. Namentlich dürfte, dem Vegetationscharakter der Amur-Ufer nach zu urtheilen, die Mündung des Gorin-Flusses einen bedeutenden Wende- punkt in den klimatischen Verhältnissen am Amur-Strome bezeichnen, da, wie wir bereits erwähnten, von dort an aufwärts eine merklich südlichere, ausschliesslich aus Lauhhölzern zusammengesetzte Vegetation die Ufer des Stromes bedeckt. Diese günstige Aenderung im Klima dürfte jedoch nicht sowohl in einer verhältnissmässig viel geringeren Winterkälte, als vielmehr in einem milderen, durch höhere Temperatur die Winterkälte compensirenden Früh- jahr und Sommer zu finden sein. Ungeachtet daher des milderen Charakters, den das Klima des Amur-Landes stromaufwärts gewinnt, wird es nur ein mehr und mehr excessives und somit rein continentales. Dennoch lässt sich im Klima des gesammten unteren Amur- Landes bis zum Bureja-Gebirge darin vielleicht noch ein Einfluss der See erkennen, dass es reich an Niederschlägen und namentlich auch an Schnee im Winter ist. Allenthalben im unteren Amur-Lande, bis zum Ssungari und bis zu den Quellen des Ussuri, kann man daher bei den Eingeborenen den Gebrauch von Schneeschuhen auf ihren winterlichen Jagden und von Hunden zum Ziehen der Schlitten finden. In diesem Schneereichtkume liegt gewiss auch ein charakteristischer Zug des unteren Amur-Landes im Vergleich zum oberen. Mit dem Schwinden dieses letzteren Einflusses der See nimmt das Klima im oberen Amur-Lande, ober- halb des Bureja-Gebirges, einen ganz continentalen Charakter an. Die in der gesammten südlichen Biegung des Amur-Stromes und oberhalb bis über die Mündung der Dseja hinaus bei den Eingeborenen und bei den angesiedelten Chinesen allgemein übliche Cultur ziemlich südlicher Feld- und Gartenfrüchte, wie Mais, den wir im Anfange Augusts (alten Stiles) be- reits gereift fanden, Melonen und Wassermelonen, Eierfrüchte (Solanum Melongena), Taback u.s. w., lassen uns auf eine hohe Temperatur des Sommers in jenem Theile des Amur-Stro- mes schliessen. Gleichzeitig soll aber das Thermometer im Winter so tief sinken, wie wir es an der Amur-Mündung nicht beobachtet haben. Auf unserer Reise den Amur aufwärts stiessen wir im oberen Laufe des Stromes schon am 21. Sept. (3. Oct.) auf treibendes Eis, das aus dem Urutschi, einem linken Zuflusse des oberen Amur’s, kam. Am 1. (13.) Oet. begann der Eisgang im Argunj. Dies ist auch der Zeitpunkt, wo sich im oberen Amur Eis einzufinden pflegt. Bekanntlich gehört ein excessives, continentales Klima, mit schneearmem , äusserst kaltem Winter zum Charakter Transbaikalien’s. In Nertschinskoi Sawod, das etwas südlicher als der Mariinskische Posten liegt, sinkt bekanntlich das Thermometer im Winter bis zu 36°R.und wohl noch tiefer hinab. Im Vergleich mit dem Klima Transbaikalien’s müssen wir daher die ebenfalls niedrige Wintertemperatur des unteren Amur-Landes noch als eine durch den Einfluss der See gemilderte ansehen. Diese Milderung im Winter hört jedoch im oberen Amur-Lande ebenso wie die Abkühlung im Sommer mehr und mehr auf und endlich schliesst sich das Klima desselben unmittelbar an dasjenige Transbaikalien’s an.

Bemerkungen. xxxI

In Beziehung auf die in der vorstehenden Einleitung wie in den nachfolgenden Abhand- lungen unseres Reisewerkes beobachtete Schreibart der fremdländischen und namentlich der bei den Amur-Völkern gebräuchlichen Orts-, Völker-, Thiernamen u. drgl. ist zu bemerken, dass dieselbe nur eine möglichst richtige Aussprache im Auge gehabt hat, den feineren Nüancirungen der Laute im Munde jener Völker nur insoweit Rechnung tragend, als diese durch unsere lateinischen Schriftzeichen wiedergegeben werden konnten. Es kommen in den Sprachen jener Völker so viel eigene Laute vor, zu deren Angabe unsere Schriftzeichen nicht hinreichen und die, um erschöpfend wiedergegeben zu werden, besonderer, conventionell gewählter Zeichen bedürfen, deren Wahl wir aber füglich, zugleich mit der Bearbeitung des von uns mitgebrachten sprachlichen Materiales, sachkundigen Linguisten überlassen müssen. Hier genügt es daher bloss auf folgende Punkte in unserer Schreibart aufmerksam zu machen:

gh soll das mit dem Laute h gemischte oder aspirirte g ausdrücken.

sh drückt den Laut des französischen j oder russischen » aus.

ss oder s’ (letzteres ist namentlich in den Thiernamen der Amur-Völker gebraucht wor- den), drückt das harte, zischende s aus. Von dieser Schreibart sind nur solche Namen ausgenommen worden, deren Aussprache als allgemein bekannt vorausgesetzt werden konnte und die wir bereits im allgemeinen Gebrauche mit einem s geschrieben finden, wie Sibirien, Sachalin (Insel) und darnach auch Sachali (Fluss) u. dgl. m., obgleich diese der Aussprache gemäss ebenfalls Ssibirien, Ssachalin u. s. w. geschrieben werden müssten. Auch dürfte man in dieser Schrift zuweilen solche Namen, die ich ge- wöhnlich mit ss zu schreiben pflege, mit einem einfachen s geschrieben finden, wie Sun- gari, Samagern u. dgl. statt Ssungari, Ssamagern u. s. w., was hoffentlich zu kei- nen Missverständnissen führen wird.

y bezeichnet den Laut des russischen or. Die übrigen Bezeichnungen dürften ohne Vorbemerkungen verstanden werden.

SÄUGETHIERE DES AMUR-LANDEN.

Bearbeitet

Dr. Leopold v. Schrenck.

Inaem ich in den nachfolgenden Blättern die Ergebnisse meiner Reise in Beziehung auf die Fauna und namentlich zunächst auf die Säugethiere des Amur-Landes zusammenstelle, halte ich es für nothwendig, zur richtigeren Auffassung derselben einige Bemerkungen über die ihnen zu Grunde liegenden Materialien und den bei Bearbeitung derselben befolgten Ge- sichtspunkt vorauszuschicken.

Selbstverständlich wird man von Reise-Ergebnissen nicht ein vollständiges, erschöpfen- des Bild der Fauna eines so ausgedehnten, an wechselnder Terraingestaltung, klimatischen Differenzen und organischen Formen so reichen Gebietes, wie das Amur-Land, erwarten. Sie können und sollen nur die erste wissenschaftliche Kenntniss von der Fauna dieses, uns bisher noch völlig unbekannten Landes geben, so weit natürlich, als die gesammelten Materialien eine solche gestatten. Diese Materialien bestehen nun theils in mitgebrachten Bälgen und Ske- letten, theils in Beobachtungen, die auf Reisen und während des Aufenthaltes im Nikolajew- schen Posten gemacht, und theils endlich in Nachrichten, die durch Erkundigungen von den Eingeborenen eingezogen worden sind. Dass den ersteren unter ihnen die Hauptstimme ge- bührt, indem sie, neben dem besten Beweise von dem Vorkommen der betreffenden Thierarten im Amur-Lande, zugleich auch die Möglichkeit genauer Vergleichung mit den in unserem aka- demischen Museum zahlreich vorhandenen Formen angränzender Gebiete liefern, braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden. Dieser Bedeutung derselben eingedenk, habe ich mich stets bemüht während der Reise, sowohl durch eigene Jagden, wie durch Verkehr mit den Einge- borenen möglichst viele Thierformen in Bälgen und Skeletten oder Schädeln zu sammeln, und oft in Ermangelung vollständiger Exemplare auch mangelhafte Felle und sogar einzelne Fell- und Knochenfragmente der Aufbewahrung werth gefunden. Dennoch durfte ich im besten Falle nur darauf rechnen, in den Sammlungen die meisten Säugethiere des Amur-Landes in einzelnen, oft sehr unvollständigen Stücken repräsentirt zu sehen, während die Beobachtung an Ort und Stelle, neben manchen biologischen Momenten, auch in systematischer Beziehung oft ein massenhafteres Material vorfand, das über den herrschenden localen Character der For- men Aufschluss geben konnte. Indem nämlich die meisten Säugethiere in einer oder der an- deren Beziehung eine Bedeutung für die Eingeborenen haben und manche tief in den Haushalt und das sociale Leben derselben eingreifen, musste man erwarten durch gesteigerten Verkehr mit den Eingeborenen aüch mit den ihnen zu Gebote stehenden zoologischen Schätzen in nähere

4 Säugethiere.

Berührung zu kommen. Dazu boten namentlich die Wintermonate, welche bei den ichthyo- phagen Eingebornen des unteren Amur-Landes fast ausschliesslich der Jagd auf Pelzthiere ge- widmet sind, die beste Gelegenheit dar. Alsdann sammeln sich bei ihnen nicht selten grosse Vorräthe der geschätztesten Pelzwerke an, welche bestimmt sind im Sommer auf Handelsreisen zu den Mandshu und Chinesen am Sungari gebracht zu werden, inzwischen aber auch dem un- erwarteien, mit Tauschwaaren versehenen Reisenden gern zum Kaufe angeboten werden. Neben diesen geschätzten Pelzwaaren finden sich denn oft auch andere, für die Eingeborenen werth- iose Thierarten, welche unbeabsichtigter Weise in den für die Pelzthiere ausgestellten Fallen erbeutet worden sind und in der Strenge winterlicher Jahreszeit sich völlig unversehrt erhal- ten haben. Wollte man daher diese Jagdausbeute der Eingeborenen als zoologisches Material benutzen, so musste man suchen recht viele uud an den verschiedensten Orten des Amur-Lan- des vorhandene Niederlagen derselben kennen zu lernen. Dies ist denn auch mit ein Grund der alljährlichen, oben erwähnten Winterreisen gewesen, die ich vom Nikolajewschen Posten aus unternahm und denen ich in der That wohl den grössten Theil meiner Erfahrungen über die Säugethierfauna des Amur-Landes zu verdanken habe. Es kommt hier nämlich noch der andere Umstand hinzu, dass im Winter die Eingeborenen im Amur-Lande, auf deren Vermitte- lung ich rechnete, durch ihre sesshaftere Lebensweise dem Reisenden weit zugänglicher als im Sommer sind. Denn während sie im Sommer durch ihre ausschliessliche Beschäftigung mit dem Fischfange und der Bereitung von Fischvorräthen für den Winter meistens genöthigt sind, den Zügen der verschiedenen Fische und ihren besten Fangplätzen folgend, in leichten Zelten eine halb nomadische Lebensweise zu führen, versammelt sie die rauhere Jahreszeit des Winters in ihre festen Winterwohnungen, von denen aus die im Walde aufgestellten Thier- fallen beaufsichtigt und zeitweise auch die entfernteren, in den Gebirgswaldungen landeinwärts gelegenen Jagdzelte besucht werden. Im Winter darf man daher stets hoffen in den Dörfern am Amur-Strome eine zahlreiche und meistens müssige Bevölkerung versammelt zu finden, welche geneigt ist mit dem Reisenden, sei es aus Handelssucht, aus Neugier oder auch nur aus langer Weile, sich in Verkehr zu setzen und dabei auch seinen Erkundigungen und Nach- fragen, so weit sie nicht ihr Misstrauen erregen, ein williges Ohr zu leihen. Füge ich noch hinzu, dass ich durch eigenes Radebrechen ihrer Sprachen, welches ich im beständigen Ver- kehre mit den Eingeborenen erlangt hatte, und durch stets gastliche Aufnahme vieler derselben in meinem Hause im Nikolajewschen Posten ein gewisses Vertrauen weithin unter ihnen ge- wonnen hatte, so wird man erklärlich finden, dass ich auf diesem Wege viele schätzbare Aus- künfte über das Vorkommen und die geographische Verbreitung der ihnen wohlbekannten Säugethiere erhalten konnte. Freilich musste jede dieser Aussagen nur mit Vorsicht aufge- nommen und durch wiederholtes Nachfragen an verschiedenen Orten einer mehrfachen Con- trolle unterworfen werden, wobei ich jedoch nur in seltenen Fällen auf widersprechende Aus- sagen stiess und dagegen oft durch die grösste Uebereinstimmung mich von der Richtigkeit derselben zu überzeugen Gelegenheit hatte.

Ausser den von mir selbst aus dem Amur-Lande mitgebrachten Materialien erhielt ich

Säugethiere. B)

aber ferner auch noch .schätzbare Beiträge zur Säugethierkunde des Amur-Landes durch die Herren Maximowicz und Maack, von denen ersterer gleichzeitig mit mir, also in den Jahren 185% bis 56, das Amur-Land in bo:anischer Hinsicht durchforschte, letzterer aber im Jahre 1855 von Transbaikalien aus eine Reise den Amur-Strom abwärts und zurück ausführte. Herr Maximowiez trat mir noch während unseres gemeinsamen Aufenthaltes und unserer zum Theil gemeinsamen Reisen im Amur-Lande stets die von ihm erbeuteten Thiere ab. Von Hrn. Maack erhielt ich aber nach meiner Rückkehr die freundliche Erlaubniss, bei Bearbeitung meiner Materialien über die Säugethiere und Vögel des Amur-Landes auch die von ihm mit- gebrachten, ebenfalls im Museum unserer Akademie befindlichen Bälge mit in Betracht zu zie- hen. Die auf solche Weise erhaltenen Beiträge werden in den folgenden Blättern an dem betref- fenden Orte stets besonders erwähnt werden. Hier aber kann ich es mir nicht versagen, bei- den Herren für dieselben meinen wärmsten Dank öffentlich auszusprechen.

Es bleibt mir nun noch übrig, einige Worte über die in der nachfolgenden Bearbeitung der Säugethiere des Amur-Landes eingehaltenen Gesichtspunkte zu sagen. Wie in der allge- meinen Einleitung erwähnt worden, ist es zur directen Aufgabe meiner Reise von Seiten der Akademie gemacht worden, unsere durch Middendorff bis an die Südabhänge des Stanowoi- Gebirges und die Südküsten des Ochotskischen Meeres nebst den Schantarischen Inseln nach Südost vorgeschobene Kenntniss der russisch-sibirischen Fauna, bei nunmehr eingetretener Mög- lichkeit weiterer Forschung, südwärts über jene Gränzen hinaus auf das Amur-Land und die Insel Sachalin auszudehnen. Somit sollten sich also meine Reisen und Forschungen im Amur- ' Lande unmittelbar an diejenigen Middendorff’s im Südosten Sibiriens anschliessen und, nach Raum und Zeit, gewissermassen die Fortsetzung derselben bilden. Im Sinne solcher Fort- setzung musste es mir denn besonders obliegen auch den ächt naturhistorischen Gesichtspunkt festzuhalten, der meinen grossen Reisevorgänger leitete und der seit den unsterblichen Arbei- ten von Pallas in der Zoographie Russlands überhaupt der leitende geworden ist. Demnach musste das Hauptinteresse nicht in der Entdeckung neuer Säugethierformen, deren das Amur- Land voraussichtlich nur wenige enthalten konnte, sondern in dem fortgesetzten biologisch- geographischen Studium der nordasiatischen Säugethierfauna sich concentriren, wie es von Pallas angebahnt und von unseren späteren Akademikern Baer, Brandt und Middendorff fortgesetzt worden ist. Vor allem musste also bei Aufdeckung bereits bekannter Thiere im Amur-Lande die grösste Aufmerksamkeit auf die locale Erscheinung derselben innerhalb dieses geographischen Bezirkes im Vergleiche zu derjenigen in anderen und namentlich den benach- barten Theilen ihres gesammten, grösseren oder geringeren, geographischen Verbreitungsge- bietes verwendet werden. Die nächsten Vergleichungspunkte mussten hier natürlich die Fauna des südöstlichen Sibiriens einerseits und diejenige China’s und Japan’s andererseits bieten. In ersierer Beziehung konnte diesem Bedürfniss durch die fortgeschrittene Kenntniss der russisch- sibirischen Fauna und namentlich durch die Arbeiten Middendorff’s über dieFauna des süd- östlichen Sibiriens, wie durch die reichhaltigen, von ihm und von Herrn Wosnessenski her- rührenden, auf jene Gegenden bezüglichen Sammlungen in unserem Museum in reichem Maasse

6 Säugethiere.

entsprochen werden. Wo daher Bälge, Skelette oder Schädel von Säugethieren aus dem Amur- Lande vorlagen, konnten dieselben unmittelbar gegen die entsprechenden Sibirien’s gehalten und mit letzteren verglichen werden. Im Zwecke lag es, diese Vergleichungen möglichst ge- nau und detaillirt und, wo es die Gegenstände erforderten und zuliessen, auch mit numeri- schen Maassangaben auszuführen. Denn nur auf diese Weise durfte man hoffen, die uns bei erweitertem Gesichtskreise nothwendig entgegentretenden abweichenden Erscheinungsformen bereits bekannter Thierarten richtig zu würdigen, und somit, durch neu erkannte Variations- reihen, zur Erweiterung unsrer bisherigen Kenntniss von der Variabilität der Thierarten bei- tragen zu können. Leider stand uns nun kein solches Vergleichungsmaterial auch nach der anderen Seite zu Gebote. Denn in Betreff der Fauna China’s und Japan’s musste mit dem Wenigen vorlieb genommen werden, was über die Säugethiere dieser Länder bisher durch Beschreibungen und Abbildungen bekannt geworden ist. Dennoch deckte die Vergleichung auch nach dieser Seite nicht unansehnliche Variationsreihen auf, indem sie namentlich, durch Vermittelung der Amur-Formen, in manchen bisher für selbstständig gehaltenen Japanischen Formen nur Varietäten bekannter, auf dem Continente verbreiteter Thierarten zu erkennen im Stande war. Nach dieser Seite konnte also die Bekanntschaft mit den Amur-Formen zugleich zur Reduction einiger Arten führen und somit zur Vereinfachung der Systematik beitragen. Wichtiger als diese Vereinfachung ist aber, dass mit der Reduction für die betreffenden Arten zugleich auch mehr Boden zur Aufdeckung der Causalbeziehungen gewonnen wird, welche zwischen den Thierarten in ihren verschiedenen Varietäten und den physischen Bedingungen des jedesmaligen geographischen Bodens, auf dem wir sie finden, bestehen mögen. Es ist durchaus ein Gesichtspunkt meiner Reisen und Forschungen gewesen, diesen biologisch-geo- graphischen Gausalbeziehungen, aus denen wir dereinst die Gesetze geographischer Verbrei- tung der Thierarten abzuleiten haben werden, in dem mir angewiesenen Gebiete möglichst nachzuforschen, wenn ich gleich bekennen muss, dass die nachfolgenden Arbeiten, weit hinter dem vorgesteckten Ziele zurückbleibeud, nur über einige der nothwendigsten Vorbedingungen zur Kenntniss dieser Causalbeziehungen theilweise Aufklärung zu geben im Stande sein dürf- ten. Zu diesem Zwecke ist es daher, neben der Aufmerksamkeit auf die locale Erscheinung und Variation der Thierarten im Amur-Lande, mein Bestreben gewesen, auch die geographi- schen Gebiete und Gränzlinien ihrer Verbreitung, wo solche innerhalb des von mir bereisten Gebietes sich darbieten konnten, möglichst genau zu erforschen. In der That fanden sich bei der ansehnlichen Erstreckung des Amur-Landes und noch mehr in Folge der bedeutenden Differenzen seiner Bodengestaltung, seines Klima’s und seiner Vegetation nach Nord und Süd die Verbreitungsgränzen verhältnissmässig recht vieler Thierarten innerhalb desselben auf. Diese Gränzlinien konnten jedoch, wegen der kurzen Dauer meiner Reisen im Amur-Lande, nur an wenigen Punkten aus eigener Erfahrung bestimmt, im grössten Theile ihres Verlaufes aber auf die Aussagen der Eingeborenen begründet werden. Künftigen Reisenden bleibt es daher anheimgestellt, neben der Prüfung und Berichtigung der in Folgendem angegebenen Gränzlinien der Verbreitung, auch die physische Beschaffenheit der einzelnen Verbreitungs-

Ursus arctos - u

gebiete der Thierarten im Amur-Lande näher zu erforschen, um somit auch den leitenden und maassgebenden Bedingungen der Verbreitung auf die Spur zu kommen. Wo mir solche aus einzelnen Thatsachen horvorzuleuchten schienen, habe ich nicht unterlassen auf dieselben auf- merksam zu machen.

Es bleibt mir ferner zu bemerken übrig, dass in der folgenden Abhandlung über die Säugethiere des Amur-Landes nur diejenigen Thierarten Aufnahme gefunden haben, die ent- weder direct beobachtet oder erkundet worden sind, oder aber die, nach ihrem Vorkommen in den Nachbarländern oder nach älteren Muthmassungen von Pallas, im Amur-Lande erwartet werden konnten und wo die Nachforschungen ein mehr oder minder zuverlässiges negatives Resultat ergaben. Desgleichen ist hier auch der bei den Amur-Völkern vorkommenden Haus- thiere Erwähnung geschehen. Diese beschränkt sich jedoch bloss auf eine kurze Angabe ihrer Bedeutung für die Eingeborenen und der Geschichte ihrer Verbreitung im Amur-Lande, so weit diese erkundet werden konnte. Alle weiteren Beziehungen dagegen, in denen sowohl die Hausthiere, wie auch viele der wilden Säugethiere zu den Eingeborenen des Amur-Landes, zu ihrem Haushalte, Handel, ihren Sitten und religiösen Anschauungen stehen, mussten aus dem Rahmen rein zoologischer Abhandlung ausgeschlossen und dem ethnographischen Bande meiner Reisebeschreibung vorbehalten bleiben. Dort hoffe ich daher neben den ethnographi- schen Nachrichten auch in eulturzoologischer Beziehung manchen nicht uninteressanten Bei- trag liefern zu können.

Endlich in Betreff der hier befolgten Anordnung der Säugethiere, habe ich mich fast durchgängig an die von Middendorff im 2. Bande seiner Sibirischen Reise für die Säuge- thiere des Nordens und Ostens Sibirien’s beobachtete Reihenfolge gehalten, indem es mir als ein Vorzug der nachfolgenden Mittheilungen erschien, wenn sie mit den bekannten Arbeiten meines Reisevorgängers, an die sie dem Inhalte nach stets anzuknüpfen hatten, auch in der Form möglichst parallel gingen.

. CARNIVORA.

1) Ursus arctos L.

Bei den Giljaken des Continents: kotr und ischehyf. Var. U. collaris Gadd: molk. “oa« « der Insel Sachalin: ischehyf. « « Mangunen (Oltscha), Golde unterhalb des Geong-Gebirges, Kile am Gorin (Samagern): mafa (d. i. der Alte). Var. U. collaris Gadd: monvko.

8 Säugelhiere.

Bei den Golde oberhalb des Geong-Gebirges bis zum Ussuri, Kile am Kur: itka und mafa. “o@ « oberhalb des Ussuri: mafka. « « Orotschen an der Meeresküste: mapa. « « Biraren und Monjagern: njonjuko. « « Orotschonen: kongoldor.

« « Dauren: kara-guros. Der Bär des Amur-Landes gehört ohne Zweifel zu der durch den ganzen Norden beider

Welten verbreiteten Art U. arctos L. Wie an anderen Orten seines weiten Verbreitungsgebie- tes, kommt er auch im Amur-Lande in vielfachen Farbenschattirungen, vom reinen Schwarz und dunklen Schwarzbraun bis zum Fahlbraunen vor. Vorherrschend scheint jedoch die schwarze Farbe zu sein, eine Erscheinung, die wir im Folgenden noch an mehreren Thicrarten im Amur- Lande zu bemerken Gelegenheit haben werden. Desgleichen kommt die mit weissem Hals- bande (UT. collaris Gadd) oder mit unterbrochenen weissen Flecken am Halse und der Vorder- brust gezeichnete Farbenvarietät vor, die von den Eingeborenen mit besonderen Namen be- zeichnet wird. Meistens ist der Bär im Amur-Lande von bedeutender Grösse, obgleich zuwei- len auch völlig ausgewachsene kleinere Individuen vorkommen. Ohne Zweifel lässt sich also die von Middendorff als allgemeine Regel für U. arctos nachgewiesene Existenz zweier Ab- arten oder Racen, einer grösseren und einer kleineren, ') auch über das Amur-Land ausdehnen. Ferner giebt uns die von Middendorff aus einer vergleichenden, auf äusserst zahlreichen Messungen begründeten Betrachtung der Bärenschädel verschiedener geographischer Gebiete dargethane Existenz mehrerer geographischer Bären-Varietäten”) auch für den Amur-Bären die Frage, ob und zu welcher der erwiesenen Varietäten derselbe gehören dürfte, an die Hand. Zwei Bärenschädel, die ich aus dem Amur-Lande, von Pachale (nahe der Gorin-Mündung) und von Burri (nahe der Ussuri-Mündung) mitgebracht und zu dem Zwecke der Varietäts-Be- stimmung genau nach dem von Middendorff beobachteten Verfahren vermessen habe, dürften uns Auskunft auf diese Frage geben. In Folgendem theile ich daher die an den Bärenschä- deln des Amur-Landes beobachteten Maasse mit. Vorläufig ist jedoch zu bemerken, dass die dabei nur kurz angegebenen Maassabstände genau dieselben sind, welche von Middendorff‘) in den Erläuterungen zu seinen Tabellen der Bärenschädelmaasse -genauer bezeichnet sind, und darum keiner wiederholenden Erläuterung bedürfen. Auch folgen sie in derselben Rei- henfolge wie dort, mit Ausschluss nur derjenigen Maassabstände, welche nach Middendorff's Erfahrungen‘) zum Zwecke der Varietätenkunde unnütz sein dürften. Endlich sind zur voll- ständigeren Parallelisirung mit den Middendorff’schen Tabellen auch dieselben Grössen, und zwar einmal der Abstand der beiden ersten Backenzähne des Oberkiefers von einander und

I) Middendorff, Reise in den äussersten Norden und Osten Sibirien’s, Rd. I1., Thl. 2 p. 44 u. a. Desselben Untersuchungen an Schädeln des gemeinen Landbären. St. Petersb. 1851. (Verhandlungen der Mineralog. Gesellschaft

zu St. Petersb. Jahrgang 1850—51) p. 74. 2) Middendorff, Sibirische Reise l. c. p. 50. Untersuchungen an Schädeln*des genı. Landbären p. 74.

3) Sibirische Reise I. e. p. 18 fl. 4) Sibirische Reise 1. c. p. 25.

Ursus arctos. R)

zweitens die Gesammtlänge des Schädels, als Maasseinheit (= 100) angenommen und alle übrı- gen Grössen auf dieselben reducirt worden. Die auf diese Weise erhaltenen Verhältnisszahlen sind dann eben so durch besondere Schrift kenntlich gemacht und über und unter einer dritten Zahl gesetzt worden, welche das direct abgelesene Maass einer jeden Entfernung in Millimetern angiebt. Diese Maasse nnd Maassverhältnisse der Schädel des Amur-Bären sind nun folgende:

1. Abstand der beiden er- sten Backenzähne i.Ober- kiefer von einander,

2. Abst.der beid.letzten Ba- ckenz.imOberk. von ein-| 97 ander (an beid. Schädeln 21,6 | 24 zwischen den ersten Hö-

29. Abstand des Stirnleisten-| 14 winkels von einer Linie,| 1 welche beide Jochfort-|24, sätze des Stirnbeins mit einander verbindet.

30. Abst. einerLinie, welche| 169 | 165

16. Vordere Breite beider|51,3 152,1 beide Jochfortsätze des, 132 | 117 k 3 Skern des letzt. Backenz.), Nasenbeine zusammen. 37 Stirnbeines mit einander|29,3 |31,2 3. Abst.des Innenrandesder! 115 | 120 9,9 verbindet, von dem Vor-

beid. Gelenkflächen (mit| 90 | 85 x - derrande d. Nasenbeine. d.Unterkief.) von einand.| 20 |22,7 17. Höhe der Schnauze zwi-\96,2 187,3

schen beiden Unterau- 4, Länge des Unterkiefer-\70,5 78,9| genhöhlenlöchern. N leluee

gelenkkopfes. 3 128 18. Höhe der Schnauze zwi- 124 Schneidezähnen im Ober-|39,1 |41,6 } e schen beiden Jochfort-| 114 | 88 kiefer. “+ an der äusseren| 182 | 185 sätzen des Stirnbeins. 23,5 ehöröffnungen von ein-| 142 | 131 i { o)) 32.Länge der Backenzahn-| 103 | 106 ander. 31,6 134,9 Sl = reihe im Oberkiefer. 80 | 75

6. Grösste Breite des Hinter-| 256 | 255 20: des Schädelgewöl- = 17,8 | 20

en BE uenlzere m 183 26,1 | 33 zen re ey DR = C ; auer u. dem 1. Backen- 2 Be Breite des Hin-|53,8 52,1 a we zahne im Oberkiefer. 8,9| 8 terhauptloches. 42 | 37 9,3 | 9,9 2,1 || 34, Abstand d. Hinterrandes| 351 | 345 ö N : 22. Tiefe der Stirnrinne. 14 der Schneidezähne i. Un-| 274 | 245 8. ae des Hinter- = > 10 terkiefer von dem Ge-60,9 65,3 5 6.7 |75 - 2,7 lenkkopfe desselben. 3

9. Breite des Schädelgewöl-| 167 | 169 || 2%: Grösste Länge des Schal 577 [SP || 35. Länge der drei letzten 197,4 | 101 bes über den Gehöröfl- 130 | 120 , 100 Backenzähne im Unter-| 76 | 72 nungen. _ 28,9 | 32 kiefer. 16,9 119,2

10. Brei z : 24. Länge des Schädels an| 495 | 476

Zen. En nuen | 126 | 134 seiner Grundlage. 338 || 36. Abstand zwischen dem|66,7 49,3 den Scheitelbeinhöckern.| 98 | 102 21,8 27,2 90,1 Hauer u. Sm 1. ı EIe 22

11. Breite desSchädelgewöl- 403 || 25. Länge der Schnauze bis) 168 | 169 zahne; im; Unterkiefer, Be bes in der Scheitelstirn-] | 73 = Unteraugenhöhlen: 231 2 37.Länge des Jochbogens. | 269 | 249 nath. 19,5 Sch: 210 | 177

12. Grösste Breited. Schädels| 310 | 320 || 26. Länge der Schnauze bis| 213 | 199 ei

indenJochbögen {fälltauf| 242 | 227 A höhl die Jochfortsätze des|53,8 |60,5 UlilhCE Schläfenbeins).

13. Grösste Breite der Stirn) 182 | 161 in den beiden Joch- oder| 142 | 114 || 28. Abstand des Stirnleisten- Postorbital-Fortsätzen d.|31,6 |30,4 winkels von den Schnei- Stirnbeins. dezähnen.

37,6 || 38. Höhe (Breite) des Joch- 57,7 |50,7 bogens. 45 | 36

27. Stirnleistenwinkel. 65° 10 | 9,6

366 || 39. Mittlere Höhe des hori-|79,5 |70,4 260 zontalen Unterkiefer-| 62 | 50 69,1 astes. 43,6 113,3

Fügen wir diesen Maassen sogleich auch diejenigen der Backenzähne des Ober- und Un-

terkiefers an den Bärenschädeln vom Amur hinzu: Schrenck Amur-Reise Bd. 1. 2

10 Sängethiere.

TImeuymter kierem

Im Oberkiefer.

2ter Backenzahn. | 3ter Backenzahn,

4ster Backenzahn. ister Backenzahn. | 4ter Backenzahn.

Verhältniss der Breite der Breite zur Länge.

zur Länge.

Verhältniss zur Länge. |

der Breite

zur Länge.

der Breite

Verhältniss der Breite zur Länge. Verhältniss

Pachale .

Ehe wir nun einige Schlussfolgerungen aus diesen Maassen ziehen, müssen wir einige Bemerkungen über das relative Alter der beiden vermessenen Bärenschädel des Amur-Landes vorausschicken. Nach den von Middendorff in dieser Beziehung als leitend angegebenen Momenten dürften wir den ersteren Schädel, von Burri, als den eines recht alten, den letzte- ren, von Pachale, als den eines bereits abgängigen Individuums ansehen. Das ergiebt sich namentlich aus dem abgeriebenen Zustande der Zähne und der Verwachsung der Näthe. Hin- sichtlich des ersteren dieser Momente finden wir an beiden Schädeln und besonders am letztern alle Backenzähne so weit abgeschliffen, dass die Seulptur der Zahnkronen unkenntlich geworden ist und statt derselben nur eine breite und tiefe Rinne längs der Mitte der Zahn- kronen verläuft. An dem zweiten Exemplare sind zugleich auch die Spitzen der Hauer ange- schliffen, während sie am ersteren noch unversehrt sich erhalten haben. Von den Lückenzäh- nen sind an beiden Schädeln im Oberkiefer tiefe Alveolen des 1sten und 3ten derselben vor- handen; diejenigen des 2ten Lückenzahnes aber sind am ersten Schädel gänzlich, am zweiten bis auf sehr verflachte. Gruben verschwunden. Im Unterkiefer beider Schädel ist nur die tiefe Alveole des 1sten Lückenzahnes vorhanden, von den übrigen aber keine Spur mehr sichtbar. Was die Verwachsung der Näthe betrifft, so ist sie an beiden Schädeln sehr ungleich. An dem ersteren derselben ist nur der obere Theil der Schädelhinterhauptsnath so weit verwachsen, dass keine Spur derselben sichtbar ist; alle übrigen Näthe dagegen sind entweder völlig un- versehrt, oder bekunden durch Abnahme der Zäckchen die beginnende Verwachsung. Das ist namentlich an der Scheitelstirn- und Scheitelschläfenbeinnath zum Theil der Fall. Darnach dürfte dieser Schädel noch keinem alten, sondern nur einem vollkommen entwickelten Indivi- duum angehört haben. Bei genauerer Betrachtung entdeckt man aber, dass an demselben die Kieferzwischenkieferbeinnath an der einen Seite in einem, freilich nicht bedeutenden, Theile ih- rer Länge spurlos verwachsen ist. Erwägt man nun, dass diese Nath nach Middendorff’s') Erfahrungen zu den am spätesten verwachsenden Näthen gehört, so hat man Recht den in Rede stehende Schädel einem alten Individuum zuzuschreiben und die unversehrte Erhaltung der übrigen Näthe für einen Ausnahmefall zu halten, wie ihn auch Middendorff”) an

I) Sibir. Reise, 1. c. p. 35. Untersuchungen etc. p. 42. 2) Sibir. Reise 1. c.

Ursus arctos. 11

einem Bärenschädel in ähnlicher Weise beobachtet hat. An dem zweiten Schädel finden wir alle Näthe, mit Ausnahme der Jochschläfen- und der Grundfelsenbeinnath, spurlos verschwun- den. Nur im vorderen Theile der Nasenbeine lässt sich noch ein kleines Stück der Nasen- beinnath erkennen. Nach beiden Momenten dürften wir daher im Rechte sein diesen letzteren Schädel für älter als den ersteren zu halten.

Ausser dem verschiedenen Alter zeigen die beiden Schädel aus dem Amur-Lande auf den ersten Blick eine grosse Verschiedenheit der Umrisse, indem der eine ven ihnen ein hoch-, der andere ein flachstirniger ist. An dem ersteren, von Burri, ist nämlich der Gipfel des Schädels, in der Gegend der Scheitelstirnbeinnath, sehr ausgesprochen hügelartig empor- getrieben, und von dort senkt sich die obere Umrisslinie des Schädels sehr stark sowohl nach vorn, zum vorderen Rande der Nasenbeine, als auch nach hinten, zum Hinterhauptshöcker, hinab. Am Schädel von Pachale dagegen verläuft die obere Umrisslinie in ihrer ganzen Länge, von dem Vorderrande der Nasenbeine bis zum Hinterhauptshöcker, der Grundlinie des Schädels fast parallel, mit einer nur geringen, keineswegs hügelartigen Erhebung in der Gegend der Scheitelstirnbeinnath. Mit dieser Verschiedenheit der Umrisse, welche nach Mid- dendorff’s Nachweisungen durchaus von keinem specifischen Belange ist, fällt an unseren Schädeln zufälliger Weise auch eine Ungleichheit in der Stirnabstufung zusammen, welche, wie die obigen Maasse angeben, an dem ersteren Schädel viel stärker als an dem letzteren ist, der sich dagegen durch eine ungleich tiefere Stirnrinne auszeichnet.

Diese Alters- und Formverschiedenheiten der beiden Bärenschädel vom Amur machen sie um so geeigneter zur Prüfung an denselben der von Middendorff als Kennzeichen ver- schiedener geographischer Bären-Varietäten nachgewiesenen, in den Grössenverhältnissen einzelner Schädeltheile ruhenden Charaktere. Halten wir zu diesem Zwecke die obigen Maasse der Bärenschädel des Amur-Landes gegen die von Middendorff den Schädeln verschie- dener geographischer Reviere entnommenen Maasse, so fällt uns auf den ersten Blick die grosse Uebereinstimmung der absoluten Maasse aller Schädeldimensionen der Amur-Bären sowohl mit denen der NW-Küste-Amerika’s, als auch besonders mit denjenigen des Ochotski- schen Meeresbeckens, der Schantar-Inseln, der Uda-Bucht und Kamtschatka’s auf. In den meisten Fällen nämlich lassen sich die Maasse der Amur-Bären als ganz gleiche oder als Zwischen - und bisweilen auch als etwas zu- oder abnehmende Grössen jenen Maassen der Bären beider Beringsarme und vorzüglich des westlichen derselben einschalten. Wie an diesen finden wir daher auch an den Bärenschädeln des Amur-Landes die charakteristi- schen Dimensionsverhältnisse der von Middendorff als Var. Beringiana') bezeichneten Bären- Varietät genau und bisweilen sogar in gesteigertem Maasse wieder. Es sind diese charakteri- stischen Dimensionsverhältnisse’) namentlich folgende: } 1) Die ausnehmende Grösse des Schädels in seiner Längendimension. Diese fällt beson-

1) Untersuchungen an Schädeln etc. p. 74. 2) Middendorff, Sibir. Reise l. c. p. 53.

12 Säugethiere.

ders an dem ersten Schädel, von Burri, auf, dessen Gesammtlänge 450 Millim. beträgt und somit den grössten bisher bekannten, von Middendorff beobachteten Bärenschälel der Jetztwelt noch um ein Beträchtliches übertrillt. Die.Länge des letzteren, eines Bären von der grossen Schantar-Insel (No. 48 der Middendorff’schen Tabellen), beträgt nämlich 418 Millim. und also nur 0,93 von der Gesammtlänge unseres grössten Schädels vom Amur. Dabei ist zu erinnern, dass jener riesige Schädel von der Schantar-Insel einem äusserst alten, ganz abgängigen und vermuthlich an Altersschwäche erlegenen Individuum, mit ungemein abgenutztem Gebisse, ange- hört hat"), während der in Rede stehende Bärenschädel vom Amur in den oben erwähnten Momen- ten der Verwachsung der Näthe und der Abnutzung der Zähne die Zeichen eines zwar vorgerück- ten, jedoch noch lange nicht abgängigen Lebensalters an sich trägt. Um diese ausnehmende Grösse des Amur-Schädels noch mehr zu würdigen, halten wir denselben, nach Middendorffs Vorgange°), auch dem grössten bisher bekannten Schädel vom Höhlenbären, Urs. spelaeus, gegenüber. Als Middendorff diesen Vergleich mit seinem Schantar-Bären anstellte, war der grösste bekannte Schädel vom Höhlenbären der von Schmerling auf 468 Millim. Länge angegebene. Middendorff konnte daher die Angabe Cuvier’s, dass die fossilen Bären- schädel diejenigen der Jetztwelt um 4 ihrer Grösse überträfen, auf $ reduciren. Demselben Schädel von U. spelaeus gegenüber dürfen wir mit Hülfe unseres Amur-Schädels den erwähn- ten Unterschied sogar auf „!, zurückführen. Seitdem ist aber ein noch grösserer Schädel vom Höhlenbären und zwar von 488 Millim. von Nordmann in der Umgegend von Odessa (in den Steinbrüchen von Nerubaj) aufgefunden worden). Dieser übertrifft den Schädel unseres Amur-Bären um 38 Millim. und es würde sich also der vorhin erwähnte Unterschied, um welchen der grösste Schädel des Höhlenbären den grössten bisher bekannten Schädel des Bären der Jetztwelt übertrifft, ein Unterschied, den Cuvier, wie erwähnt, auf 4 angab, Mid- dendorff auf 4 redueirte, nunmehr auf = zurückführen lassen. So sehen wir also das Moment der verschiedenen Grösse, welches Wagner noch für absolut unterscheidend zwi- schen den Bärenschädeln der Vor- und Jetztwelt hielt‘), mehr und mehr auch als relatives Unterscheidungskennzeichen an Gewicht verlieren. Aus der ausnehmenden Grösse dieses Bä- renschädels vom Amur lässt sich endlich, in Beziehung auf die vorstehende Tabelle von Maassen, auch die im Vergleich zu den von Middendorff gemessenen Schädeln des Ochots- kischen Meeresbeckens fast durchgängig geringer erscheinende Grösse aller derjenigen Verhältnisszahlen erklären, welche aus der Reduction der absoluten Maasse dieses Schädels auf die als Einheit angenommene Gesammtlänge desselben erhalten worden sind.

2) Die bedeutendere Grösse aller Breitendimisionen am Schädel. Alle darauf bezüglichen, in der vorstehenden Tabelle mitgetheilten Maasse an den Bärenschädeln vom Amur, wie die G&sammtbreite des Schädels in den Jochbögen, die Breite desselben in den Zitzenfortsätzen, die

1) Middendorff, Sibir. Reise l. c. p. 32 und 53.

2) Untersuchungen etc. p. 42.

®) Alex. v. Nordmann, Palaeontologie Südrusslands. 1. Urs. spelaeus (Odessanus). Helsingfors 1858. p. 2. 4) Middendorff, Untersuchungen etc. p. 78.

Ursus arctos. 13

Breite über der Gehöröffnung , die Breite der Stirn in den Postorbitalfortsätzen und dgl. m., reihen sich auf das Engste den grössten von Middendorff an den Bärenschädeln der Var. Beringiana und namentlich den Schädeln der Küstenländer des Ochotskischen Meeres- beckens beobachteten Maassen an. Dass diese Maasse aber an dem ersteren der Amur-Schä- del, trotz seiner ausnehmenden Länge, dennoch im Vergleich zu dem oben erwähnten grössten Schädel der Middendorff’schen Tabellen (No. 48) nicht im selben Verhältniss grösser, sondern meistens sogar um ein Geringes kleiner sind als bei jenem, dürfte zum Theil in dem oben besprochenen verschiedenen Alter der bezüglichen Thiere liegen, da die meisten dieser Breitendimensionen, wie Middendorff nachgewiesen hat'), auch im späteren Alter der Thiere noch fortwachsen. Aus demselben Grunde sind vielleicht auch die meisten Breiten- dimensionen an dem ersten Schädel des Amur-Bären verhältnissmässig kleiner als am zweiten, welcher, obwohl von geringerer Gesammtlänge, doch nachweislich einem viel älteren Individuum angehört hat.

3) Die grössere Höhe des Jochbogens und des horizontalen Unterkieferastes. Auch in diesen Maassen übertreffen die Bärenschädel des Amur-Landes diejenigen der europäischen und kaukasischen Thiere,, oder der Varr. normalis und meridionalis Middendorff’s?), sehr bedeutend und schliessen sich genau an diejenigen der beiden Beringsarme an.

4) Die ansehnlichere Grösse der Lückenräume. Diese ist besonders an dem ersten, grösseren Amur-Exemplare, weniger an dem zweiten, kleineren Schädel sichtlich.

#) Die bedeutendere Grösse der Backenzähne. Die beiden Bärenschädel vom Amur ordnen sich in diesem, nach Middendorff”) für den Charakter der geographischen Varietät besonders sprechenden Punkte genau denjenigen aus den Küstenländern des Ochotskischen Meeresbeckens an. Zwar hat der kleinere der beiden Schädel vom Amur nicht grössere Backenzähne, als wie sie die grössten Bärenschädel der baltischen Küstenländer ebenfalls besitzen; allein dafür gehört der andere Schädel, von Burri, zu den grosszahnigsten Exem- plaren, die uns vom Bären der Jetztwelt überhaupt bekannt geworden sind.

Zu diesen die geographische Bären-Varietät der Küstenländer des Ochotskischen Meeresbeckens charakterisirenden Kennzeichen können wir endlich noch den gröberen Kno- chenbau hinzufügen, welchen die Bären des Amur-Landes mit jenen in gleichem Maasse theilen. Nach allem dem dürfte es daher keinem Zweifel mehr unterliegen, dass wir die Bären des Amur-Landes ebenfalls zu den durch grösseren Wuchs, bedeutendere Gesammt- länge und stärkere Entwickelung der Breitendimensionen am Schädel, wie durch vorzügliche Grösse der Backenzähne ausgezeichneten, den Küstenländern beider Beringsarme und nament- lich den Küstenländern des Ochotskischen Meeresbeckens eigenthümlichen Bären-Varietät, der Var. Beringiana Middendorff’s, rechnen müssen. Ja es ist vielleicht nicht ohne Bedeu- tung, dass wir die beiden grössten der uns bisher bekannten Bärenschädel der Jetztwelt in

1) Sibirische Reise, 1. c. p. 40. 2) Untersuchungen etc. p. 74. 3) Sibirische Reise, 1. c. p. 54.

14 Säugethiere.

nahe benachbarten Gegenden finden, indem der eine derselben von den Schantar-Inseln, also nahe der Südküste des Ochotskischen Meeres und dem Mündungslande des Amur-Stromes, der andere vom Amur-Strome selbst, noch in dessen unterem Laufe, herrührt. Füge ich die ungewöhnlich grossen Bärenfelle hinzu, welche ich oft im unteren Amur-Lande gesehen habe, so liegt die Vermuthung nahe, welche wir späteren, auf reicheres Material gestützten Forschungen anheimgeben, dass nämlich im unteren Amur-Lande und dessen nächster Umge- bung vielleicht die stärkste Entwickelung der grosswüchsigen Bären-Varietät zu finden sein dürfte.

Was die geographische Verbreitung des gemeinen Bären im Amur-Lande betrifft, so gehört derjenige Theil der Mandshurei, über welchen ich, theils durch eigene Erfahrungen auf Reisen und theils durch Erkundigungen bei den Eingeborenen, Nachrichten besitze, noch ganz in das Verbreitungsgebiet dieser Thierart. Auf dem Continente umfassen diese Nach- richten den ganzen Lauf des Amur-Stromes und erstrecken sich auch südlich von demselben, namentlich bis an die Quellarme des Ussuri und an der Meeresküste bis über die Bai Hadshi oder den Kaiserhafen der Russen, d. i. den 49° nördl. Breite, nach Süden hinaus. Ohne Zweifel geben uns aber diese Punkte noch nicht die Aequatorialgränze des Bären an, sondern es geht die Verbreitung desselben hier noch viel weiter südwärts. In dem bezeichneten Gebiete der Mandshurei ist der Bär namentlich in den ausgedehnten Waldungen des gebirgigen unteren Amur-Landes und der Meeresküste allenthalben ein häufiges Thier. An der südlichen Biegung des Stromes dagegen, wo ein ebener, prairieartiger Charakter des Landes herrscht, bewohnt er die waldigen Gebirge landeinwärts und nähert sich den Ufern des Stromes nur mit den Gebirgen selbst, wie das beim Durchbruch des Amur’s durch das Bureja-Gebirge'), oder beim Oettu, Kinnale und anderen kleineren Gebirgszügen der Fall ist. Nirgends kommt

I) Mit diesem von Herrn von Middendorff vorgeschlagenen Namen werde ich in Folgendem stets den ge- sammten, hohen Gebirgszug bezeichnen, der gleich östlich von den Quellen des Silimdshi in der Richtung nach Süd vom Stanowoi-Gebirge sich abzweigt, an seinen westlichen Abfällen die Quellen der Bureja entsendet und bald unterhalb der Mündung dieses Flusses vom Amur - Strome, nahe seiner südlichsten Biegung, durchbrochen wird. Es ist dieses dasselbe Gebirge, welches auf einigen russischen Karten unter dem Namen Chingan-Gebirge sich eingetragen findet und demzufolge auch von Herrn v. Middendorff sowohl wie von mir, in unseren Reiseberichten an die Akademie, unter demselben Namen erwähnt worden ist. Gleichwohl lässt sich dieser letztere Name nicht wohl rechtfertigen, da er zwar von chinesischem Ursprunge ist, von den Chinesen selbst aber keineswegs diesem Gebirge, sondern, mit der Unterscheidung eines grossen und kleinen Chingan’s, zwei anderen Gebirgszugen, nämlich dem Stanowoi-Gebirge und einem südlich vom oheren Amur verlaufenden Gebirge gegeben wird. Die Beibehaltung dieses Namens für einen dritlen Gebirgszug dürfte daher nur zu Missverständnissen und Verwechselungen Veranlas- sung geben. Dennoch ist das Bedürfniss nach einem Gesammtnamen für dieses Gebirge bei Beschreibung des Amur- Landes ein sehr fühlbares. Ob die Chinesen einen solchen haben und wie er laulet, ist uns unbekannt, da wir bisher bloss die Bezeichnungen derselben und auch einiger Eingeborenen des Amur-Landes für mehrere der Einzeltheile dieses Gebirges kennen gelernt haben. So erfuhr Herr v. Middendorff, dass der nördliche Theil desselben, nörd- lich von den Amgunj-(Quellen, bei den Chinesen Jam-alin und ein südlicher Theil D&usin-alin heisse. Aehnlich verhält es sich auch mit dem auf älteren Karten eingetragenen Namen Wuanda-Gebirge, welcher, wie ich aus eigner Erfahrung weiss, nur einem Zweige des Bureja - Gebirges zukommt, der, ostwärts verlaufend, dem A mur- Strome nabe unterhalb der Ussuri-Mündung sich nähert, ohne ihn jedoch zu erreichen. Nicht'minder beschränkten Umfangs ist natürlich die Bezeichnung Tarjange, welche ich von den Sungari-Golde, die ich am Fusse des Bureja-Gebirges in ihren nomadischen Zelten antraf, für dieses Gebirge hörte. Ohne Zweifel durfte keine dieser

Ursus arctos. 15

er jedoch im Amur-Lande in der Häufigkeit vor, wie Steller'), Langsdorff?) und spätere Reisende von Kamtschatka berichten. Auch scheint er am Amur, den Erzählungen der Eingeborenen zufolge, niemals von dem gutmüthigen Naturell der Bären Kamtschatka’s, son- dern stets bösartig zu sein, was vielleicht seinen Grund in einem geringeren Ueberfluss an Nahrung, als in dem mit äusserst fisch- und besonders lachsreichen Gebirgsflüssen versehenen Kamtschatka hat. Im Amur-Lande scheint der Bär einzig auf die Nahrung des Waldes ange- wiesen zu sein und die Flüsse, an deren Ufern man oft seine Spuren und eingetretenen Pfade fin- det, nur des Trinkens halber zu besuchen, oder aber um dieselben auf seinen Wanderungen zu durchschwimmen, wie er es oft selbst mit dem Amur-Strome thut. Im unteren Amur-Lande ist es auch, wo der Bär bei den Eingeborenen eine culturhistorische Bedeutung gewinnt. Als mäch- tiges Raubthier gefürchtet, spielt er nämlich in -den religiösen Vorstellungen derselben eine wichtige Rolle. Zugleich aber seines schmackhaften Fleisches wegen gesucht und theuer ge- schätzt, wird er lebendig eingefangen, in kleinen Häuschen gehalten, gefüttert und endlich unter vielfachen, vom Aberglauben dictirten und ängstlich eingehaltenen Gebräuchen getödtet und verzehrt. Dem ethnographischen Bande meiner Reisebeschreibung bleibt die ausführlichere Besprechung dieser auf den Bären bezüglichen Gebräuche vorbehalten, die, mit besonderen Festlichkeiten und unter vielfachem Conflux von Theilnehmern begangen, tief in die Oecone- mie und das sociale Leben jener Völker eingreifen. Namentlich ist solches bei den am weite- sten unterhalb am Amur-Strome wohnenden Giljaken und Mangunen, weniger bei den Golde, Samagern und anderen Stämmen des Amur-Landes der Fall. Bei den ersteren sieht man daher fast in jedem Dorfe gefangene, in kleinen, eigens dazu hergerichteten Häuschen gehaltene Bären. Leider raubt nur die Sitte dieser Völker, den Bärenschädel nach gehaltener Mahlzeit mit einem Beile zu zerspalten, dem Naturforscher das brauchbare Material an Schädeln. Erst weiter aufwärts, bei den Golde, die sich mit dem Einschlagen eines Loches in den Schädel begnügen und ihn dann an einen Baum hängen, lässt sich dasselbe leichter herbeischaffen. In solchen Anschauungen der Eingeborenen in Beziehung auf den Bären findet auch die oben erwähnte, bei vielen derselben übliche, ehrerbietige Bezeichnung «mafa», d. i. der Alte, oder, zum Unterschiede von dem Tiger (s. weiter unten), bisweilen auch «s’achare mafa», d. i. der schwarze Alte, ihre Erklärung. Dieselbe Stellung wie bei den Eingeborenen des Continentes hat der Bär auch auf der Insel Sachalin, bei den dortigen Giljaken und Ainos. Auf dieser gebirgigen , waldreichen Insel ist der Bär bis an die Südspitze verbreitet und nicht minder häufig wie auf dem Continente. Zahlreiche Bärenfelle,; die ich dort bei den Eingeborenen gesehen habe, zeigten dieselben, vom Schwarzen und Schwarzbraunen bis zum

Local- und Einzelbezeichnungen, wenn man nicht neuen Verwechselungen und Missverständnissen Raum geben wollte, zum Gesammtnamen für das ganze Gebirge erhoben werden. Und so blieb denn nichts übrig, als einen neuen Namen zu wählen, der übrigens in den oben erwähnten Beziehungen dieses Gebirges zur Bureja, dem mächtigsten Zuflusse des Amur-Stromes in diesem Theile, eine hinlängliche Begründung findet,

1) Beschreibung von dem Lande Kamtschatka. Leipzig 1774. p. 113.

2) Bemerk. auf einer Reise um die Welt. Frankf. a. M. 1812. II. p. 223.

16 Säugelhiere.

Fahlbraunen gehenden Farbenschattirungen wie auf dem Continente. Namentlich soll, den Erzählungen der Sachalin-Giljaken zufolge, im Norden der Insel eine sehr helle Färbung häufig vorkommen, welche die Giljaken im Gegensatz zur schwarzen bisweilen auch schlecht- weg als weissen Bären bezeichnen, wobei sie jedoch selbst die fernere Auskunft geben, dass es dasselbe von ihnen geschätzte und verehrte Thier wie die dunkelfarbige Varietät sei. Auch ist es bei der Nähe der Insel zum Continente nicht anders denkbar, als dass sie von derselben Bärenart wie der Continent, d. i. also von U. arctos, bewohnt sei. Temminck irrt daher, wenn er den Bären der Inseln Jesso und Tarakai (oder Sachalin) für U. ferox Lew. et Clarcke hält'). Abgesehen von der in Zweifel gestellten Selbstständigkeit dieser letzteren Art, giebt auch die von Temminck mitgetheilte Beschreibung des Bären jener Inseln gar keinen Grund zu einer solchen Annahme. Bloss die-sehr ansehnliche Grösse der Thiere, deren eines er nach einem Felle auf 8 Fuss Länge angiebt, scheint ihn zu dieser Annahme bewogen zu haben. Hinsichtlich dieser giebt uns aber die oben besprochene, von Middendorff nachgewiesene, von mir auch für das Amur-Land bestätigte Existenz einer ausnehmend grosswüchsigen Bären - Varietät in den Küstenländern des Ochotskischen Meeresbeckens eine hinlängliche Erklärung. Temminck’s Angabe kann also nur dazu dienen, das Vorkommen der Var. Beringiana von U. arctos auch auf den Inseln Sachalin und Jesso zu bekräftigen. Von dem Vorkommen des Bären auf letzterer Insel hatten wir vor Siebold und Temminck auch schon durch Pallas, aus älteren russischen Quellen”), und durch Langsdorff®) Nachricht. Durch letzteren und später durch Siebold erfahren wir zugleich, dass auch bei den Ainos von Jesso dieselben Gebräuche in Beziehung auf den Bären wie bei ihren Landsleuten auf Sachalin herrschen. Südlich von Jesso, auf der Insel Nippon, scheint aber U. arctos, nach Temminck’s Angaben, nicht mehr vorzukommen, sondern dureh U. tibetanus ersetzt zu sein‘). Hier hätten wir also mit der Insel Jesso, in etwa 414° n. Br., die Südgränze von U. aretos. Das nöthigt uns zugleich uns die Verbreitung von U. arctos vom Continente nach den Japani- schen Inseln nicht über Korea, wo sein Vorkommen auch noch nicht erwiesen ist, sondern vom Amur-Lande nach der Insel Sachalin und von dort nach Jesso zu denken.

2) Ursus maritimus L.

Da Siebold von Eisbären erzählt, die, laut Japanischen Aufzeichnungen, an den Küsten der Provinz Jetsigo, im 37—38° n. Br., gesehen und wahrscheinlich auf Eisschollen dahin verschlagen worden seien°), so erkundigte ich mich auch bei den Eingeborenen des Amur-

1 lt) Fauna Japonica, auct. Siebold. Mammalia elabor. Temminck et Schlegel. Lugd. Batav. 1842. Dec. 2. p. 29. 2) Nach Otscheredin und Antipin. Pallas, Neue nordische Beiträge. St. Petersb. und Leipzig 1783. Bd. IV. p- 137. 3) Bemerk. auf einer Reise um die Welt. I. p. 285. *) Fauna Japon. Mammalia, Dec. 2. p. 30. %) Fauna Japon. Mammalia. Dec. 2. p- 30.

r Ursus marttimus. Meles Taxus. 17

Landes nach ähnlichen Fällen an ihren Küsten. Allein weder die Giljaken des Festlandes, noch diejenigen der Insel Sachalin hatten jemals gesehen oder gehört, dass weisse Bären auf Eisschollen an ihre Küsten getrieben worden wären. Ihre Erzählungen von «weissen Bären» hatten stets nur auf die obenerwähnte hellfarbige, gelbliche oder hellbraune Varietät des gemeinen Landbären Bezug, welche auf der Insel Sachalin vorkommt.

3) Mieles Taxus Schreb. Taf. 1. fig. 1—4.

Bei den Giljaken des Continentes: torskeh. « « Mangunen: toro. « unteren Golde, bis zum Geong-Gebirge, Kile am Gorin (Samagern): doro. « « Golde oberhalb des Geong-Gebirges und am Ussuri: o1jo und doro. « « oberhalb des Ussuri: dorko. « « Kile am Kur: doroko. « « Biraren und Monjagern: awuare.

Dieses bisher bloss bis an die Lena nach Osten bekannte Thier kommt auch im Amur- Lande und zwar in interessanten Färbungen vor. Fasst man die abweichendste Färbung des Dachses im Amur-Lande in’s Auge, so dürfte man leicht geneigt sein, dieselbe für eine besondere, von M. Taxus Schreb. verschiedene Dachsart zu halten, Ich habe jedoch Gelegen- heit gehabt im Amur-Lande zahlreiche, den Uebergang vermittelnde Zeichnungen des Felles zu beobachten und gegenwärtig liegen mir 8 Dachsfelle aus dem Amur-Lande vor, deren 5 von mir selbst und 3 von Hrn. Maack mitgebracht worden sind. Diese bieten einen so allmähligen Uebergang von der typischen Zeichnung des Dachses in Europa zu der sehr ab- weichenden des Amur-Landes dar, dass an der specifischen Identität dieser Formen nicht zu zweifeln ist. Dabei aber bieten mehrere derselben auch eine solche Vermittelung zu dem von Temminck als eigene Art unterschiedenen Japanischen Dachse, M. Anakuma, dar, dass wir uns genöthigt sehen, auch diese Form mit dem gemeinen Dachse in eine Art zusammen- _ zuziehen.

Vergleichen wir zunächst den Dachs des Amur-Landes mit dem europäischen, so lässt sich im Allgemeinen sagen, dass er dunkler als der europäische ist, indem alles Weiss an ihm mehr gelblich, ja sogar bräunlich wird. Dabei stellt sich aber ferner auch eine abwei- chende Zeichnung namentlich des Kopfes ein, welche bekanntlich hauptsächlich dazu dient M. Taxus Schreb. und M. labradoria Say von einander zu unterscheiden. Diese abweichende Zeichnung des Kopfes besteht darin, dass die beiden schwarzen oder schwarzbraunen Streifen, die über Auge und Ohr gehen, beim Dachse des Amur-Landes schmäler und das Weiss zwischen ihnen und unterhalb derselben schmutziger , gelblicher, mit mehr oder weniger braun gespitzten und ganz braunen Haaren untermischt, ja bisweilen sogar ganz braun ist. Auch reicht diese hellere, weissliche bis braune Färbung zwischen den beiden Seitenstreifen

am Kopfe minder hoch nach der Stirne hinauf, indem schon zwischen den Ohren die, durch Schrenck Amur-Reise Bd, I. 3 3

18 Säugethiere. .

eigenthümliche Zeichnung der einzelnen Haare hervorgebrachte, weisslich oder gelblich und schwärzlich oder schwarzbraun gewellte Färbung des Rückens beginnt. Dabei zeigen die schrägen Seitenstreifen des Kopfes an den einzelnen Exemplaren nach Breite und Verlauf mannigfache Abänderungen, wie sie auf der Tafel I. zu sehen sind. Bisweilen entspringen sie unmittelbar hinter der Nase, bisweilen etwas weiter aufwärts, so dass ein schmutzig weissli- cher oder gelblicher bis bräunlicher Gürtel die Nase umgiebt; bei einigen verlaufen sie bis an dieOhren scharf von einander gesondert, bei anderen convergiren sie mehr nach innen und schmelzen auf dem Schnauzenrücken zum Theil zusammen; bei einigen erstrecken sie sich tiefer unter das Ohr, bei andern minder tief hinab. Immer aber ziehen sie sich auch auf die äussere und innere Fläche des Ohres fort, und es bleibt nur ein heller, weisslicher oder gelb- licher Streifen übrig, der den Innen- und Vorderrand des Ohres bezeichnet, wie das auch beim europäischen Dachse der Fall ist. Auf diese Weise erscheint im Allgemeinen die Zeich- nung des Kopfes beim Amur-Dachse, durch das Schwinden der weissen Farbe, minder markirt und viel dunkler als beim europäischen Thiere. Dass das nun aber keine specifische Differenz vom europäischen Dachse bildet, geht, wie gesagt, schon aus den zahlreichen Mittel- zeichnungen zwischen den extremen Formen hervor. So ist an einem meiner Amur-Exem- plare die bezeichnete Verschiedenheit in der Zeichnung des Kopfes vom europäischen nur schwach ausgesprochen, an einem zweiten viel merklicher und an den übrigen nimmt sie, allmählig fortschreitend, so zu und wird so auffallend, dass von einer weisslichen Zeichnung des Kopfes gar nicht mehr die Rede sein kann und die den M. Taxus charakterisirende Zeichnung des Kopfes sich nur insofern noch erhält, als die beiden dunklen Augenstreifen immer noch einen helleren Streifen zwischen sich und einen helleren jederseits unter sich haben. Diese helleren Streifen, die unteren sowohl wie die Mittelstreifen, sind jedoch nicht mehr weiss, sondern an zweien meiner Exemplare schmutzig gelblich mit einigen braungespitz- ten Haaren, an drei anderen vorherrschend braun mit nur wenig durchschimmernder gelbli- cher Färbung, indem sämmtliche Haare braune Spitzen bekommen haben und viele ganz braunge- worden sind. An dem dunkelsten, achten Exemplare endlich (Fig. 1.) ist von dem Mittelstreifen. nur der vorderste Schnauzenrücken, unmittelbar hinter der Nase, noch heller braun, weiter- hin aber schimmert auf dem Schnauzenrücken nur wenig von einer helleren Färbung zwischen den beiden schwarzen Seitenstreifen des Kopfes durch, indem sämmtliche Haare schwarzbraune oder schwarze Spitzen bekommen haben und auch viele ganz schwarzbraune Haare sich ein- gestellt haben. Gleichmässig damit sind denn auch die hellen Streifen unterhalb der Augen- streifen dunkier geworden. Bei weiterem Vergleiche des Amur-Dachses mit dem europäischen findet man, dass die Zeichnung der einzelnen Haare am Rücken des Thieres bei beiden genau dieselbe und nur die Farbe beim Amur-Dachse wiederum etwas dunkler ist.. Das Wollhaar ist entweder weiss, oder gelblich und bisweilen an den Spitzen mehr oder weniger bräunlich. Die Deckhaare sind weiss oder gelblich, mit einem breiten schwarzbraunen bis schwar- zen Ringe unterhalb ihrer Spitze gezeichnet. Längs der Mittellinie des Rückens ist dieser schwarzbraune Ring am dunkelsten und breitesten; nach den Seiten zu wird er schmäler und

Meles Tuxus. 19

heller und verschwindet bisweilen ganz, so dass zwischen der gemischten Farbe des Rückens und dem einfachen Schwarzbraun des Bauches jederseits ein Streifen einförmiger, schmutzig- weisslicher oder gelblicher Farbe entsteht. Diese Zeichnung, die ich am europäischen Thiere nicht kenne, findet sich an dreien der Amur-Exemplare, fehlt aber an allen übrigen, zum Beweise, dass sie ebenfalls keine specifische Verschiedenheit bilden kann, sondern nur zu den Abänderungen innerhalb einer und derselben Art gehört. Die gesammte Unterseite des Amur-Dachses und die Extremitäten desselben sind an den helleren Exemplaren, wie beim europäischen Thiere, schwarzbraun, an den dunkleren ganz schwarz. Der Schwanz endlich ist beim Amur-Dachse genau wie beim europäischen, weisslich oder gelblich, mit wenig durchschimmernder brauner Zeichnung der Haare unterhalb der langen weisslichen Spitzen. derselben. So finden also die Uebergänge in der Zeichnung und Färbung vom europäischen zum Amur-Dachse so stufenweise und allmählig statt, dass an der Arten-Identität beider Formen kein Zweifel sein kann, Fasst man aber ihre extremen Verschiedenheiten in’s Auge, so lässt sich die dunklere, mit gelblicher Färbung am gesammten Körper und mit bräunlicher Zeichnung und minder markirter Streifung des Kopfes versehene Form als besondere, dem Amur-Lande eigene Varietät desselben bezeichnen.

Vergleichen wir nun die Amur-Form des Dachses mit dem Japanischen Dachse, M. Anakuma Temm., indem wir sie, beim Mangel an Exemplaren von letzterem, gegen die Beschreibung und Abbildung desselben in der Fauna Japonica') halten. Die dunkleren, gelb- lichen und bräunlichen Färbungen des Amur-Dachses nähern sich dem M. Anakuma Temm. so weit, dass die Beschreibung des letzteren fast vollkommen auch auf sie passt, indem M. Anakuma ganz dieselbe Zeichnung zu haben und nur noch dunkler zu sein scheint, wenigstens in seinem völlig erwachsenen Zustande, denn vom jungen Thiere bemerkt Temminck selbst, dass es heller als das erwachsene sei. Der Haupt- und einzige Unterschied in der Zeichnung beider Formen dürfte noch darin zu suchen sein, dass dem M. Anakuma, nach Temminck’s Angabe, die markirte Zeichnung des Kopfes, welche zur Charakteristik für die beiden ande- ren bekannten Dachsarten, M. Taxus Schreb, und M. labradoria Say, dient, gänzlich fehlen soll. Allein gegen diese Behauptung Temminck’s lässt sich anführen, dass einerseits auch die Amur-Form eine minder markirte Zeichnung des Kopfes als die europäische Form besitzt und dass andererseits Temminck selbst durch die Beschreibung und Abbildung, die er vom Japanischen Dachse giebt, jene Behauptung widerlegt, indem Beschreibung wie Abbildung eine immer noch recht markirte Zeichnung des Kopfes angeben, und zwar eine Zeichnung, wie wir sie im Allgemeinen bei M. Taxus zum Unterschiede von M. labradoria finden und im Speeiellen beim Amur-Dachse kennen gelernt haben. Denn auch bei M. Anakuma ist, wie beim Amur-Dachse, die helle Färbung des Kopfes zwischen den dunklen Augenstreifen nieht weiss, sondern schmutzig-gelblich und reicht minder hoch nach der Stirne hinauf als beim europäischen Dachse ein Charakter, der eben in Verbindung mit den schwächerer

4) Mammalia, elabor. Temminck et Schlegel. Dec. 2. p. 30 und 31. Tab. 6.

20 Säugelhiere.

Augenstreifen die minder markirte Zeichnung des Kopfes bedingt, der aber jedenfalls nicht hinreichend ist, die japanische Form von der europäischen specifisch zu trennen, da er nach Temminck’s eigner Angabe mit dem Alter sich verändert und: das Weissliche in der Zeich- nung an Reinheit und Ausdehnung abnimmt. Weniger als die Beschreibung entspricht unse- ren Exemplaren des Amur-Dachses die Abbildung von M. Anakuma in der Fauna Japonica. Allein vergleicht man diese mit der zugehörigen Beschreibung, so scheint sie in der That zu dunkel gehalten zu sein ein Fehler, den wir noch mehrmals an der Fauna Japonica bemerkt zu haben glauben und auch einige Ungenauigkeiten zu enthalten, wie .z. B. die ganz weisse Schnauze, welche in der Beschreibung gelblich angegeben ist, und die gelbliche Kehle, welche nach der Beschreibung schwarzbraun sein soll. In Betreff dieses letzteren Punktes mussich übrigens bemerken, dass auch an zweien der Amur-Exemplare gelbliche Flecken im schwarzbraunen Felde der Kehle sich finden. Wenn daher die Zeichnung der Fauna Japo- nica hierin auch correct wäre, so dürften wir dennoch auf diesen Punkt als. artenunterschei- dendes Moment nichts geben. Somit fallen also alle diagnostischen Kennzeichen verschie- dener Färbung und Zeichnung zwischen M. Taxus und M. Anakuma fort. Eben so geht es aber auch mit der angeblich verschiedenen Grösse der Thiere.. Denn obgleich Temminck seinen M. Anakuma im Vergleich. zum europäischen Dachse für kleiner erklärt, so giebt er doch selbst die Grösse desselben auf 27 —10” an, davon 5—6” auf den Schwanz kommen, was mit der Grösse des europäischen Dachses, an dem ebenfalls einige Grössenvarietäten vor- kommen, ganz übereinstimmt. Dass endlich in dem Schädelbau und in der Zahnbildung, in den biologischen Verhältnissen und in der Lebensweise kein Unterschied des M. Anakuma vom M. Taxus stattfinde, giebt Temminck selbst an. Und so sehen wir uns. denn genöthigt, durch Vermittelung der Dachsformen des Amur-Landes, den Japanischen Dachs, M. Anakuma Temm., als besondere Art in Abrede zu stellen und mit M. T: azxus, als. dessen östlichste, dun-

kelste Varietät, in eine Art zu vereinigen. Scheint uns dieses Resultat durch den Weg der _ Vergleiebung, auf dem es gewonnen worden ist, schon hinlänglich begründet zu sein, so kön- nen wir für dasselbe nachträglich auch noch die Ansicht eines mit der Fauna Japan’s vertrau- ten Naturforschers anführen. Vor dem Erscheinen der Fauna Japonica erklärte nämlich H. Schlegel"), auf Grund der von Siebold und Bürger aus Japan mitgebrachten Thierfelle, den Japanischen Dachs nur für eine dunklere und etwas kleinere Varietät des gemeinen, euro- päischen Dachses. Diese damals allerdings noch unbegründete und später durch die Fauna Japonica zurückgedrängte Ansicht ‚findet daher jetzt durch Vermittelung der Amur-Formen ihre Bestätigung.

Verfolgen wir nun genauer die Verbreitung des Dachses im Amur-Lande. Wie bereits. oben erwähnt, kannte man den Dachs bisher bless bis an die Lena?). Middendorff fand ihn weder an der Südküste des Ochotskischen Meeres, noch im Jakutskischen Gebiete, vermu- thete ihn aber nach den Erzählungen eines Jakuten in der nördlichen Mandshurei und na-.

en nn !) Essai sur la physionomie des Serpens. Partie generale. Amsterdam 1837. p. 222. 2) Pallas, Zoographia Rosso-Asiatica. I. p. 71.

Meles Taxus. 21

mentlich am oberen Laufe der Bureja'). Diese Vermuthung können wir nunmehr bestätigen und das Verbreitungsgebiet des Dachses somit bedeutend erweitern. Denn wir lernen ihn nun durch das ganze Amur-Land bis an die Küsten des Ochotskischen und Tartarischen Meeres, ja, durch die Identifieirung desselben mit dem M. Anakuma Temm., sogar auf den Ja- panischen Inseln kennen, Innerhalb dieses weiten Gebietes können wir uns seine Verbreitung nicht besser vergegenwärtigen, als indem wir dem Laufe des Amur-Stromes folgen, denn das Amur-Thal scheint mir seiner weiten Verbreitung nach Osten hauptsächlich Bahn gege- ben zu haben. Wie schon aus den oben angeführten Bezeichnungen der Amur-Völker für den Dachs zu ersehen ist, kommt er am gesammten Amur-Strome als einheimisches Thier vor. Allein als vorziüglicher Bewohner gemässigter Klimate und dabei theilweise ebener, hü- geliger oder mässig bergiger Landschaften mit lockerem Erdreich, das ihm beim Graben seiner Baue keine Hindernisse in den Weg setzt, ist der Dachs am Amur-Strome am häufigsten in dessen mittlerem, südlichstem Theile, wo die Landschaft, eben und wellig und mit waldbe- wachsenen Hügelzügen versehen, einen vorherrschenden Prairiecharakter trägt. Wir meinen damit die Gegend zwischen der Mündung der Dseja (Dsi der Eingeborenen) und dem Ussuri, ja-am linken Amur-Ufer bis in die Gegend des Gorin. Zwar findet sich in diesem Theile der Stromlandschaft auch ein gebirgiges Stück, es ist der Durchbruch des Amur-Stromes durch das Bureja-Gebirge, allein auch in diesem fehlt der Dachs nicht und wo, bei einer Ser- pentine des Stromes oder am Ausgange eines kleinen Nebenthales, ein lockeres Erdreich sich findet, habe ich seine Baue gesehen. Aus dem Amur-Thale geht der Dachs in die Nebenthä- ler und zwar wahrscheinlich so weit hinauf, als ihm Terrain und Klima derselben gestatten. Es ist anzunehmen, dass ihm dabei an den nördlichen, linken Zuflüssen des Amur-Stromes die baldige Veränderung der oflenen Prairielandschaft in eine gebirgige mit meist felsiger Beschaffenheit des Bodens, so wie die rasche Zunahme eines excessiven, centinentalen Klima’s mit starken Winterfrösten, welche den Boden in einiger Tiefe beständig gefroren er- halten, eine frühe Gränze der Verbreitung setzen. Denn Middendorff fand ihn hier an dem oberen Laufe der Dseja und der Bureja nicht, während er von seinem Vorkommen am un- teren Laufe des; letzteren Flusses Kunde erhielt. Es scheint mir kaum zweifelhaft, dass er auch am unteren Laufe der Dseja vorkommt. Von den östlicheren linken Zuflüssen: des Amur-Stromes weiss ich durch Mittheilungen der Eingeborenen von dem Vorkommen des Dachses am Kur, einem Flusse, der, vom Wuanda-Gebirge kommend, unweit unterhalb des Ussuri in den Amur mündet; ferner am Ssedsemi, der gegenüber dem Bokke-Gebirge und etwas oberhalb der Chongar-Mündung in den Amur fällt; dann am Gorin, wo ich im Dorfe Ngagha, etwa 150 Werst oberhalb der Mündung des Gorin in den Amur, bei den Samagern zahlreiche Felle des Dachses gesehen und eins auch mitgebracht habe, und end- lich am kleinen Flüsschen Patchä, nahe der Mündung des Amur-Stromes, von wo ich ein gelblich gezeichnetes Exemplar erhalten habe, Ehe wir nun an die rechten Zuflüsse des.

1) Middendorff, Sibirische Reise,.l.. c. p. 3.

22 Säugethiere.

Amur’s gehen, verfolgen wir noch den Dachs am Hanptstrome selbst. Obgleich die Land- schaft am Amur unterhalb der Ussuri-Mündung ihren Prairiecharakter verliert und, zumal am rechten Ufer, gebirgig wird, oft und besonders gegen die Mündung hin mit steilen Felsen den Strom säumend, kommt der Dachs an demselben doch bis an die Mündung vor, nimmt aber dabei an Häufigkeit ab. Ich habe ihn selbst aus den Gegenden von Dshare, Gauwne, Aure und aus der Umgegend des Nikolajewschen Postens kennen gelernt. Die an diesem letzteren Orte von den Giljaken erhaltenen Exemplare sind die hellsten und nähern sich der europäischen Form am meisten, während die Exemplare von südlicheren Fundorten dunkler sind und als Mittelformen und Uebergänge zum M. Anakuma Temm. erscheinen eine That- sache, die ebenfalls zur Bekräftigung der oben besprochenen Gleichartigkeit von M. Taxus Schreb. und M. Anakuma Temm. dienen kann. Unterliegt es aber keinem Zweifel, dass der Dachs an der Amur-Mündung im Gebiete der Giljaken ein einheimisches Thier ist, so muss es auffallen, dass dieGiljaken für ihn keine eigene, rein giljakische Bezeichnung haben, son- dern sich dafür eines fremden, der Sprache ihrer tungusischen Nachbarn entnommenen und offenbar nur giljakisirten Wortes bedienen. Dergleichen findet sonst bei den.Giljaken bloss für solche Thiere statt, die bei ihnen selbst nicht vorkommen und deren Bekanntschaft sie durch ihre Nachbarn oder durch Vermittelung der Mandshu und Chinesen gemacht haben, wie z. B. für den Edelhirsch oder die Hausthiere, die sie (mit Ausnahme des überall einge- bürgerten Hundes) fast nur nach Hörensagen kennen. Die einzigen Ausnahmen aus dieser Regel machen ausser dem Dachse nur noch das Elennthier und das Reh, welche ebenfalls nur giljakisirte tungusische Bezeichnungen bei den Giljaken haben, obgleich sie auch im giljaki- schen Gebiete am Amur - Strome vorkommen. Allein diese beiden letzteren Thiere sind im giljakischen Gebiete des Stromes viel seltener als bei den tungusischen Amur - Völ- kern und nehmen oflenbar ihre Verbreitung im Amur- Thale stremabwärts. Es ist da- her anzunehmen, dass auch die erste Kenntniss vom Dachse den Giljaken von ihren tungu- sischen Nachbarn gekommen ist, aus deren Gebiete das Thier auch zu ihnen sich verbreitet hat. Auf diesem Wege, längs dem Amur-Thale, ist aber der Dachs nicht bloss bis an die Mündung des Stromes, sondern noch weiter, längs dem Amur-Limane, bis an die Südküsten des Ochotskischen Meeres gelangt, wo er in der Umgegend der giljakischen Dörfer Olgh-vo, Tägl, Kullj, wenn aueh selten, doch vorhanden ist. Noch etwas nördlicher und westlicher an der Südküste des Ochotskischen Meeres, wo Middendorff dieselbe bereist hat, kommt er nicht mehr vor. Er steht hier also genau an seiner Nordgränze, welche hier in etwa 531° nördl. Breite liegt. So genau ist kaum ein anderer Punkt seiner Verbreitungsgränze be- stimmt. Zieht man nun von diesem Punkte eine Linie, welche den mittleren Lauf des Gorin schneidet und dann an den mittleren Lauf der Bureja und Dseja geht, so hat man, nach den oben mitgetheilten Daten und Erörterungen, mit ziemlicher Genauigkeit die Polargränze der Verbreitung des Dachses im Amur-Lande und damit auch im continentalen Osten Asiens be- zeichnet. Ehe wir nun auf die dem Amur-Lande anliegenden Inseln übergehen, verfolgen wir den Dachs noch an den rechten Zuflüssen des Amur-Stromes. An diesen geht er weiter

Meles Tasxus. 23

aufwärts als an den linken Zuflüssen. Vom Vorkommen des Dachses am Sungari haben wir keine Nachrichten, aber am Ussuri weiss ich von seinem Vorkommen bis zur Mündung des Flusses Noor, da weiter hinauf meine Nachrichten nicht reichen. Er soll ferner, nach Aussage der Eingeborenen, an den Flüssen Da und Mumamu, welche vereinigt beim Dorfe Naichi und daher auch unter dem Namen Naichi-Fluss, unweit Dondon'), in den Amur mündet, und am Chongar-Fiusse häufig,sein und die Ufer des Jai-Flusses, der un- weit Kidsi in den Amur fällt, in dessen ganzem Laufe bewohnen. Am Jai und auch am Chongar und dessen rechtem Zullusse Uldji gelangen die Eingeborenen, Mangunen und Golde, über niedrige Wasserscheiden zum Tumdshi-Fluss, der in das Meer der Tartarei unweit oberhalb der Bai Hadshi, d. i. in 49° nördl. Br., mündet. Von diesen Gegenden ha- ben sie daher auch eine genauere Kenntniss, als sonst von den dem Amur-Strome entlegenen Landschaften der Fall zu sein pflegt. Am Tumdshi-Flusse soll nun der Dachs im gesamm- ten Laufe desselben vorkommen und auch an der Meeresküste nördlich und südlich von der Mündung des Flusses verbreitet sein. Hier wurde mir sein Vorkommen vom Dorfe Choji an, d. i. etwa 4—5 Tagereisen südlich von der Bai de Gastries, bis nach Idi genannt, dem letzten Orte, bis zu dem die Kenntnisse meines mangunischen Berichterstatters reichten und der etwa eine Tagereise südlich von der Bai Hadshi liegen soll. Offenbar wird dieses nicht der südlichste Punkt der Verbreitung des Dachses in der Mandshurei sein, ja es ist vielmehr zu vermuthen, dass er hier noch viel weiter nach Süden, vielleicht bis nach der Südspitze von Korea reicht, wo er den Japanischen Inseln nahe kommt, auf denen wir ihn im M. Anakuma Temm. wiedererkennen. Auf diesem südlichen Wege müssen wir uns auch seine Verbreitung vom Continente auf die anliegenden Inseln denken, nicht auf dem nördlichen, vom Amur-Li- mane nach der Insel Sachalin hinüber. Denn auf der Insel Sachalin, zum wenigsten in ihrem nördlichen Theile, so weit die giljakische Bevölkerung derselben reicht, d. i. an der Westküste der Insel bis etwas südlich von der Bai de la Jonequiere, kommt der Dachs den wiederholten Nachrichten zufolge, die ich auf der Insel selbst von den Eingeborenen einzog, nicht vor. Diese Thatsache, dass der. Dachs auf der Insel Sachalin fehlt, scheint auch mit dessen fremder, der tungusischen Sprache entlehnter und nur giljakisirter Bezeichnung, die bei den Amur-Giljaken üblich ist, im Zusammenhange zu stehen. Denn man kann überhaupt bemer- ken, dass in der Reihe der bei den Giljaken des Continentes gebräuchlichen Thiernamen fremde, der tungusischen Sprache entlehnte und später giljakisirte Bezeichnungen sich nur für solche Thiere finden, welche auf dem Festlande allein vorkommen, auf der InselSachalin aber fehlen, nämlich für den Dachs, das Elennthier und das Reh, während alle auf der Insel ebenfalls einhei- mischen Thiere auch ächt giljakische, wenngleich hier und dort dialektisch verschiedene Bezeich- nungen tragen.”) Vielleicht dürfte uns dieser Umstand schon zu der Vermuthung berechtigen,

1) Auf den Karten daher auch unter dem Namen Dondon-Fluss eingetragen.

2) Die einzige Ausnahme macht Mustela Sibirica, welche, ob sie gleich auf der Insel Sachalin nicht vorkommt, eine, wie mir scheint, ächt giljakische Bezeichnung hat. Allein dieses Thier ist an der Amur-Mündung im Gebiete der Giljaken häufiger als in dem ihrer Nachbarn.

24 Säugethiere.

dass die Giljaken ursprünglich nur auf der InselSachalin ansässig gewesen und von dort aus an den Amur gelangt seien, wo sie für die ihnen bis dahin unbekannt gewesenen Thiere von ih- ren tungusischen Nachbarn Bezeichnungen erborgten. Ich werde diese Vermuthung über die Heimath der Giljaken, für die es noch andere Gründe giebt, an dem geeigneten Orte bespre- chen, hier genüge es auf die Bedeutung hingewiesen zu haben, welche thiergeographische Forschungen auch für die Lösung ethnographischer Fragen gewinnen können. Durch das Fehlen des Dachses auf der Insel Sachalin rückt die Polargränze desselben, welche wir an der Südküste des Ochotskischen Meeres die Breite von 534° N. erreichen sahen, vom Conti- nente zu den Inseln rasch nach Süden hinab; denn nun müssen wir sie auf den Japanischen Inseln annehmen, wo Temminck den M. Anakuma anführt. Dieser Umstand scheint unsere obige Annahme, dass das Amur-Thal der weiten Verbreitung des Dachses nach Osten und Norden auf dem asiatischen Continente hauptsächlich Bahn gegeben habe, noch mehr zu be- kräftigen. In Japan soll der Dachs nach Temminck auf allen Inseln, wenn auch in gerin- ger Anzahl von Individuen, vorkommen und vorzüglich an bewaldeten, bergigen Orten sich aufhalten, seltner in der Ebene. Weiter südwärts ist uns das Vorkommen dieser Form nicht bekannt und es scheint somit der Südrand der Japanischen Inseln die Aequatorialgränze des Dachses zu bilden.

4) Gulo borealis Nilss.

Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin: kusr). « « Mangunen und Kile am Gorin (Samagern): ongdo. « « unteren Golde, bis zum Geong-Gebirge: ongdo. « « Golde oberhalb des Geong-Gebirges: arloki. « « Kile am Kur: ausko. « « Biraren: kaltywke. « « Monjagern: kyltywki. « « Orotschonen: awelkan. « « Dauren: chowwyr.

Der Vielfrass kommt im Amur-Lande in denselben, bald helleren, bald dunkleren Fär- bungen vor, die in Europa und Nordasien von ihm bekannt sind. Zwei Exemplare des Thie- res, die ich aus dem Amur-Lande mitgebracht habe und von denen ich eines selbst vom FlusseChongar, das andere durch Hrn. v. Ditmar aus derselben Gegend erhalten habe, zeigen diese verschiedenen Färbungen. Das dunklere entspricht der Zeichnung in Nilsson’s Illum. Figurer') fast ganz und ist vielleicht nur wenig heller. Es ist dunkelbraun, auf dem Kopfe, zwi- schen Auge und Ohr, nur wenig heller; der Rückensattel. die Beine und der Schwanz beinahe schwarz, die Seitenbinden hellbraun; an der Kehle sind nur wenige kleine weisse Flecken vorhanden. Das andere, hellere Exemplar ist hellbraun, auf dem Kopfrücken, zwischen Auge

!) Häftet 13, Tab. 31.

Gulo borealıs. 25

und Ohr, weisslich, indem hier den weissen, hellbraungespitzten Haaren noch viele rein weisse Haare untermischt sind; der Rückensattel ist dunkler braun, von einer breiten gelblichen Binde umgeben; die Extremitäten und der Schwanz sind schwarzbraun; an der Kehle einige kleine weissliche Flecken.

Das Verbreitungsgebiet des Vielfrasses, dieses hochnordischen Raubthieres, erfährt durch seine Ermittelung im Amur-Lande eine grosse Erweiterung nach Süden. Middendorff hat ihn in den Abzweigungen des Stanowoi-Gebirges, innerhalb der nördlichen Mandshurei, nicht selten’ angetröffen '). In unmittelbarem Anschluss daran können wir ihn im Amur- Lande noch eine geraume Strecke nach Süden und an manchen Punkten bis an seine Aequa- torialgränze verfolgen. Dasselbe Moment, welches, nach Nilsson °),-der Verbreitung des Viel- frasses durch Skandinavien zu Grunde liegt, nämlich das Vorkommen des Rennthiers, dem der Vielfrass hauptsächlich nachstellt, das er auf allen Wanderungen desselben vom Gebirge bis zur Meeresküste und zurück verfolgt und mit dem er daher auch ungefähr dasselbe Ver- breitungsgebiet einnimmt, dieses Moment scheint auch für seine Verbreitung im Amur-Lande leitend zu sein. Denn auch im Amur-Lande sehen wir die Gränzen der Verbreitung dieser beiden Thiere, wo wir sie ermitteln konnten, stets zusammenfallen. Wo daher das Rennthier, dem nordischen Charakter des Landes gemäss, durchweg, im Gebirge wie an der Meeresküste vorkommt und die ausschliessliche oder wenigstens häufigste Hirschart ist, eine Charakterform des Landes bildend, wie in der nördlichen Hälfte der Insel Sachalin, an der Küste des Ochotskischen Meeres, im Amur-Limane und selbst noch an der Küste des Tartarischen Meeres, da ist auch der Vielfrass ein allgemein verbreitetes und nicht seltenes Raubthier. Auf der InselSachalin weiss ich von seinem Vorkommen durch das ganze giljakische Gebiet an der Ost- und Westküste der Insel und in dem von mir bereisten Tymy-Thale im Innern derselben und zweifle nicht, dass er mit dem Rennthier längs den Gebirgen des Innern bis an die Südspitze der Insel hinabsteigt. Auf den Japanischen Inseln aber nennt ihn Temminck nicht mehr; er müsste demnach hier an seiner Aequatorialgränze stehen. Auf dem Con- tinente, längs der Küste gegangen, kommt er im gesammten, in den Bereich meiner Reisen fallenden Theile, an der Südküste des Ochotskischen Meeres, im Amur-Limane und an der Küste des Tartarischen Meeres vor, wo ich in der Bai Hadshi, im 49° n. Br., ein schönes, dunkles Exemplar des Thieres gesehen habe. Dort ist der Charakter des Landes noch ein recht nordischer, die Nadelholzwaldung erstreckt sich vom Gebirge bis an die Meeresküste und das Rennthier ist noch sehr verbreitet. Dort steht daher auch der Vielfrass noch nicht an seiner Aequatorialgränze, welche wohl erst eine geraume Strecke südlicher gesucht werden dürfte. Am Amur-Strome selbst, vom Limane aufwärts gegangen, ist der Vielfrass zwar noch auf einer geraumen Strecke einheimisch, nimmt aber an Häufigkeit rasch ab und wird in dem Maasse, als die Ufer des Stromes ihre felsig-gebirgige Beschaffenheit und nordi- sche Nadelholzwaldung verlieren, um ein ebenes, prairieartiges Ansehen mit südlicherem Ve-

1) Middendorff Sibirische Reise Bd. II. Th. 2. pag. 4.

2) Skandinavisk Fauna. 1? del. p. 132. . Schrenck Anur-Reise Bd. I. A

26 Säugethiere.

getationscharakter zu gewinnen eine Veränderung, die das Rennthier in das höhere Gebirge landeinwärts bannt, am Strome aber es durch südlichere Formen, Elennthier, Reh, Edelhirsch, ersetzt in demselben Maasse wird auch der Vielfrass von der unmittelbaren Stromland- schaft nach den felsigen, nordisch bewaldeten Gebirgsrücken im Innern des Landes ver- drängt. Bis etwa an den Gorin, wo noch Nadelholzwaldung, mehr und mehr schwindend, die hohen, meist gebirgigen Ufer des Amur-Stromes säumt, ist auch der Vielfrass in der un- mittelbaren Stromlandschaft ein einheimisches, wenngleich nur seltenes Thier. Oberhalb der Gorin-Mündung aber ändert sich rasch der Charakter der Amur-Ufer und der Vielfrass bleibt nunmehr bloss auf die höheren, landeinwärts vom Strome gelegenen Gebirge angewie- sen. An der Chongar-Mündung ist er daher nicht mehr vorhanden, bewohnt aber wohl das höhere Gebirge aufwärts am Chongar-Flusse, von wo auch die beiden oben erwähnten Exem- plare des Thieres rühren. Dasselbe findet bei Sargu statt. Noch weiter südwärts bewohnt der Vielfrass den höchsten Theil des Geong-Gebirges. Und dort ist es auch, wo er, zugleich mit dem Rennthier, an seiner Aequatorialgränze steht: denn nach Süden vom Geong-Gebirge soll es, nach Aussage der Eingeborenen, auch im höchsten Gebirge weder Vielfrasse noch Rennthiere geben. Wie das Geong-Gebirge am rechten, so bildet am linken Ufer des Stro- mes das mehr landeinwärts gelegene wildreiche Wanda-Gebirge die Aequatorialgränze der Verbreitung von Vielfrass und Rennthier. Wir sehen daher den südlichsten Theil,des Amur- Stromes, in welchem die Mündungen seiner grössten rechten Zuflüsse, des Ussuri und Sun- gari (wenn man diesen riesigen Strom, wie es bisher üblich war, auch als einen Zufluss und nicht als den Hauptquellarm des Amur-Stromes ansehen will”) aus dem Verbreitungsgebiete des Vielfrasses ausgeschlossen bleiben. Im Bureja-Gebirge aber, das einen Zweig des Sta- nowoj-Gebirges bildet, rückt wahrscheinlich der Vielfrass wieder weiter nach Süden und vielleicht bis an den Strom vor, worüber wir jedoch keine bestimmten Nachrichten haben. Oberhalb des Bureja-Gebirges breitet sich am Amur-Strome ein weites und schönes Prairie- Land aus in welchem weder Rennthier noch Vielfrass vorkommen können. Es ist daher anzu- nehmen, dass dieBiraren, die am Njuman (Bureja) abwärts bis zum Sachali (oberen Amur) und an diesem letzteren Strome nomadisiren und denen der Vielfrass bekannt ist, ihn aus den Ge- birgen am oberen Laufe des Njuman kennen. Dasselbe dürfte auch von den Monjagern der Dseja gelten. Letztere müssen jedoch auch am Sachali-Strome mit dem Vielfrass in Berüh- rung kommen, da er an dem oberen Theile dieses Stromes, wo der Charakter der Landschaft wieder ein nordischer wird und die Ufer gebirgig, steil felsig oder mit Nadelholz bedeckt sind was ungefähr mit der Mündung des Komar-Flusses eintritt zugleich mit dem Rennthier sich wieder einfindet und auch den Orotschonen bekannt ist. Hier könnte er auch wieder auf das rechte Ufer des Amur-Stromes hinübertreten und im Gebirge vielleicht bis an die Quellen der linken Sungari-Zuflüsse sich ausbreiten, woher ihn wahrscheinlicherweise

il) Ueber das Verhältniss dieser Ströme zu einander habe ich mich bereits in meinem letzten brieflichen Reise- Berichte an die Akademie s. Bull. de la Cl. phys.-math. de l’Acad. T. XV. p. 244 und Melanges russes T. III. p. 349 ausgesprochen,

Gulo borealis. Mustela zibellina. 97

auch die Dauren kennen mögen. Zieht man nun, um das ganze Verbreitungsgebiet des Vielfrasses im Amur-Lande zu überblicken, eine Linie von dem Südende Sachalin’s nach dem Continente zum Geong-, Wanda- und Bureja-Gebirge und setzt sie dann zum obe- ren Lauf der Bureja über die Dseja wieder zum Sachali-Strome, in der Gegend der Ko- mar-Mündung fort, so hat man damit die ungefähre, der Wahrheit jedenfalls genäherte Aequatorialgränze der Verbreitung des Vielfrasses im Amur-Lande und zugleich im Osten Asiens bezeichnet.

5) Mustela zibellina L.

Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: lumr.

“« « des Innern und der Ostküste von Sachalin: oghrob und myghr-nga (d. h. braunes Thier).

« « Orotschonen der Meeresküste: schaipa.

« « Oroken von Sachalin, Mangunen, Samagern (Kile am Gorin) und Golde un- terhalb des Ussuri: s’äfa.

« « Kile am Kur: s’öbu.

« Golde oberhalb des Ussuri: s’öba.

« « Biraren, Monjagern und Orotschonen: neka.

« « Dauren: balgha.

« « Mandshu: s’yka

« « Aino von Sachalin: goinu. (?)

Wie für die nordischen Wildnisse Asiens überhaupt, so hat auch für das Amur-Land der Zobel die Rolle des goldenen Vliesses gespielt, welches zur ersten Entdeckung und Erobe- rung des Landes führte. Denn die Bereicherung mit diesem geschätzten Pelzwerk hat ohne Zweifel auch jenen ersten kühnen Freibeutern, die vor mehr als zwei Jahrhunderten das Amur-Land zuerst betraten und in blutigen Kämpfen mit den Eingeborenen und mit der chi- nesischen Macht bis an die Mündung des Stromes sich Bahn brachen, als ein nicht geringer Lohn ihrer Mühen und Gefahren vorgeschwebt. Wir erfahren, dass sie während mehrerer Jahre aus dem Amur-Lande einen reichen Tribut an Zobeln, den sie von den Eingeborenen erhoben, nach Jakutsk und Moskau einsandten. Namentlich soll zuerst Pojarkov, der im Jahre 1644 in der Nähe der Amur-Mündung überwinterte, von den Giljaken 12 Zimmer Zobel und 16 Zobelpelze als Tribut mitgebracht ') und später Stepanof und Puschtschin eine Tributskasse von 120 Zimmern Zobel eingesandt haben Sn Zwar konnte dieser Tribut, welcher noch im Jahre 1672 für die Stadt Albasin aus beinahe 4 Zimmern Zobel bestand’),

1) Müller, Samml. Russ. Gesch. St. Pet. 1736. II. p. 303. Fischer, Sibirische Geschichte St. Pet. 1768. II. P. 789. 2) Müller, l. c. p. 355. Fischer, I. c. p. 849. €) Müller, l. c. p. 372.

28 Säugethiere.

wegen der fortwährenden Kriege mit den Chinesen kein regelmässiger sein und hörte mit dem Rückzuge der Russen vom Amur-Strome (nach dem Traktat von 1689) ganz auf; allein durch russische und chinesische Jäger und Händler mussten stets wieder Zobel aus dem Amur-Lande nach Sibirien kommen. Daher konnten Müller ') und Pallas”) vom Vorkom- men des Zobels im Amur-Lande und auf der Insel Sachalin sichere Kunde haben, ob sie gleich von der Beschaffenheit desselben in diesem Lande nichts Genaueres anzugeben vermö- gen. Ich habe den Zobel im gesammten von mir bereisten Theile der Mandshurei getroflen und durch eingesammelte Nachrichten von seinem Vorkommen auch über das bereiste Gebiet hinaus erfahren. Ueberall spielt er wegen seines vonMandshu, Chinesen, Japanesen und Russen hochgeschätzten Pelzwerkes bei den Eingeborenen eine grosse Rolle: er ist das wich- tigste ihrer jagdbaren Pelzthiere, die Einheit in der relativen Werthschätzung aller Pelzwerke, die gangbarste Münze im Tauschhandel jener Völker kurz ein unentbehrlicher Faktor ihres Wohlstandes. Bei dieser hohen Bedeutung des Zobels für die Haushaltung und sogar für die Schicksale der Amur-Völker behalte ich es mir vor, von allen Beziehungen, in denen er zum Leben jener Völker steht, von der Art und Weise des Zobelfanges bei den Amur-Völkern, von seiner Bedeutung im Handel, von den auf ihn bezüglichen abergläubischen Ansichten bei den Eingeborenen u. dgl. m., in einem späteren, der Ethnographie des Amur-Landes gewid- meten Theile meiner Reisebeschreibung zu handeln. Hier dagegen schicke ich nur das rein Zoologische, die Erscheinung und Verbreitung des Zobels im Amur-Lande Betreflfende voraus.

Da, wie bereits erwähnt, der Zobel im gesammten von mir bereisten Theile der Mand- shurei vorkommt, so habe ich in Beziehung auf die räumliche Ausdehnung seines Verbrei- tungsgebietes nur die Gränzen anzugeben, bis zu welchen meine Erfahrungen und Nachrich- ten über den Zobel im Amur-Lande reichen. Dass sie die Quellarme des Amur-Stromes, Schilka und Argunj, und die dem nordöstlichen Sibirien, dem eigentlichen Zobellande, nä- her gelegenen linken Zuflüsse des Amur-Stromes wie den ganzen Strom selbst bis zu dessen Mündung umfassen und in das Verbreitungsgebiet des Zobels ziehen, verdient kaum einer be- sonderen Erwähnung. Was aber die rechten Zuflüsse des Amur-Stromes betrifft, dürfte es wünschenswerth sein bestimmtere Angaben über die Verbreitung des Zobels zu haben. '.Vom Vorkommen des Zobels am Komar-Flusse und bis an das rechte Ufer des Argunj ist uns durch die häufig dorthin stattfindenden Jagdstreifzüge der Kosaken vom Argunj bekannt. Den eifrigen Nachstellungen derselben ist es auch zuzuschreiben, dass der Zobel dort und über- haupt am oberen Amur an Zahl bereits sehr abgenommen hat, so dass die Jäger sich genö- thigt sehen gegenwärtig ihr Hauptaugenmerk nicht mehr auf den Zobel, sondern auf das Eichhörncheh zu richten, das mit der Abnahme seines Hauptfeindes, des Zobels, sehr zuge- nommen hat und jetzt den Hauptertrag ihrer Jagden bildet, welche sie daher auch schlechtweg mit dem Namen «Eichhörnchen-Jagden» (bjelkowjo) belegen. Ohne Zweifel geht hier der Zobel auch an die linken Zuflüsse des Sungari über, doch fehlen uns vom Sungari bisher

!) Samml. Russ. Gesch. Bd. III. p. 509. 2) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 84.

Mustela zibellina. 29

alle Nachrichten. Der Ussuri aber ist in seinem gesammten und vorzüglich oberen, gebirgs- und waldreichen Laufe mit Zobeln versehen und wird auch von den Chinesen als Tributsland für Zobel regelmässig besucht. Ich selbst traf dort mit einem chinesischen Beamten zusam- men, der, mit Pelzwerken verschiedener Art und vorzüglich mit Zobeln reich beladen, von einer solchen, mit dem Zwecke der Tributerhebung unternommenen Reise zurückkehrte. Hier dürfte daher der Zobel noch südwärts vom 44° nördl. Br. vorkommen und wahrschein- lich setzt erst das Verschwinden aller Nadelholzwaldung auch im Gebirge seiner Verbreitung nach Süden eine Gränze. Denn Waldung und namentlich Nadelholzwaldung scheint ein noth- wendiges Element für die Verbreitung des Zobels zu sein. Gegen die Mündung des Ussuri, wo diese verschwindet und die Ufer eben und prairieartig werden, findet sich daher der Zo- bel nur in den angränzenden Gebirgen. Dasselbe ist auch am Amur in seinem Laufe durch die Prairie der Fall, und hat daher die chinesische Regierung stets die nördlich vom Amur gelegenen, waldbedeckten Gebirge, als reiches Zobelland, für sich zu wahren gesucht.') Un- terhalb des Ussuri, wo der Amur-Strom sich nach Norden wendet und bis an seine Mün- dung ein gebirgiges und waldreiches Terrain durchströmt, nähert sich der Zobel mit der Na- delholzwaldung mehr und mehr den unmittelbaren Ufern des Stromes, welche er etwa an der Mündung des Gorin-Flusses erreicht. Und von hier an abwärts ist er am Amur-Strome selbst und seinen beiderseitigen Zuflüssen wie an der Meeresküste, welche ich in der Bai Hadshi, in 49° n.Br., noch mit vorherrschendem Nadelhelze bewachsen fand, überall und in einer bisher noch sehr grossen Zahl zu finden. Schon jene ersten raublustigen Entdecker des Amur-Landes lobten daher diesen Theil des Amur-Stromes und namentlich das Gebiet der Giljaken als die einzige Gegend, wo, wegen der Menge von Zobeln, noch ein reichlicher Tri- but erhoben werden könne”). Während der beiden Jahre meines Aufenthaltes im Amur-Lande, von 1854—56, flossen den Handelsleuten aus Irkutsk und von der Russ.-Amerik. Compagnie vom unteren Amur-Strome viele Tausende von Zobelfellen zu. Vom Continente aus hat sich der Zobel auch über die anliegenden Inseln verbreitet. Von seinem Vorkommen auf den Schantarischen Inseln wissen wir schon durch die Reisen der russischen Kosaken (Semjon Anabara u. a. m.) im Anfange des vorigen Jahrhunderts®). Auf der Insel Sachalin kommt der Zobel nicht minder häufig, ja vielleicht noch häufiger als auf dem Continente vor und ist bis an das Südende der Insel verbreitet, wo er im Handel der Japanesen eine wichtige Rolle spielt. Südlich von Sachalin, auf Jesso und den japanischen Kurilen (Kunaschir, Iturup) giebt zwar Pallas, nach russischen Quellen #\, den Zobel an, allein auffallender Weise kennt ihn Temminck für Japan nicht. Man dürfte daher geneigt sein mit dem Südende Sacha- lin’s die Aequatorialgränze des Zobels anzunehmen, wenn nicht Temminck’s eigene Nach- richten über die Fauna Japan’s Grund gäben, den Zobel auch über Sachalin hinaus zu ver-

1) Müller, l. c. II. p. 422.

2) Müller,l.c. II. p. 355. Fischer,l.c. p. 849. 3) Müller, l. c. III. p. 99 und 108.

#4) Neue Nordische Beiträge IV. p. 133 —137.

30 Säugethiere.

muthen. Ehe ich dieses jedoch wahrscheinlich machen kann, muss ich die äussere Erschei- nung, die verschiedenen Färbungen des Zobels innerhalb seines oben bezeichneten Verbrei- tungsgebietes im Amur-Lande mit einigen Worten besprechen.

Bekanntlich gehört der Zobel zu den in ihrer Farbe am meisten variirenden Thieren und bietet eine Reihe von Schattirungen von einer beinahe schwarzen bis zu einer hellbraunen, röthlichen uud gelblichen Färbung dar Verschiedenheiten, die bei Beurtheilung der Güte des Felles im Handel hauptsächlich in Betracht kommen und die man daher frühzeitig in ihrem Zusammenhange mit verschiedenen Theilen des weiten Verbreitungsgebietes des Zobels kennen gelernt hat. Müller') und Pallas?) und in späterer Zeit Galächowskij°) theilen uns eine ganze Reihe von Abstufungen von den besten (dunkelsten) bis zu den schlechtesten (hellsten) Zobelfellen mit, wie sie die Erfahrung der hauptsächlich längs den Strömen Sibirien’s fortschreitenden Jagd allmälig herausgestellt hat, und Pallas bemerkt sogar, ohne den zahl- reichen Farbenschattirungen, die jedenfalls auch innerhalb eines umschriebenen Gebietes noch immer stattfinden, Rechnung zu tragen, dass ein geübter Zobelkenner beim ersten Anblick eines Felles die Gegend Sibiriens oder den Eluss wird bezeichnen können, von welchem das Thier herrühre. Sehen wir nun, wie sich der Zobel des Amur-Stromes und der angränzen- den Theile der Mandshurei in dieser Beziehung verhält und welche Stelle er in jener Reihe von Abstufungen einnehmen dürfte. Als allgemeine Regel für das Amur-Land darf man aus- sprechen, dass der Zobel je weiter nach Ost und Süd, und also je weiter von dem Innern des Continents nach der Meeresküste und von den nordischen Wildnissen Sibirien’s nach den ge- mässigteren Gegenden des chinesischen Reiches, desto mehr an Güte abnimmt, indem das Haar desselben nach diesen Richtungen an Schwärze und Dichtigkeit verliert. Der Zobel des oberen Amur-(oder Sachali-)Stromes schliesst sich an die seiner oberen Quellarme, des Schilka und Argunj, an und dürfte daher den sehr geschätzten Nertschinskischen Zobeln nur wenig nachstehen. Auch heben jene alten Eroberer des Amur-Landes, welche bekannt- lich aus den besten Zobelgegenden, von der Olekma und dem Aldan, an den Amur-Strom kamen, die schönen Zobel der Umgegend von Albasin und überhaupt des oberen Amur-Lau- fes zu wiederholten Malen hervor‘). Weiter abwärts am Amur bis an den Ussuri und am Us- suri selbst wird der Zobel heller und schlechter. Dieser Zobel dürfte sich daher vielleicht nur dem Jenisseischen Zobel an die Seite stellen. Aber vom Ussuri abwärts, wo der Amur-Strom sich nach Nord wendet und die hohen Ufer desselben sich mehr und mehr mit Nadelholz be- walden, wird der Zobel wiederum besser. Und hier stehen namentlich die Zobel der westli- chen, linken Zuflüsse des Amur-Stromes, des Gorin und Amgunj, bei den Eingeborenen wie bei den russischen und chinesischen Handelsleuten in höherem Rufe als die Zohel des

I) Samml. Russ. Gesch. Bd. II. p. 504 fl.

2) Spicilegia Zoologica Fasc. XIV. p. 64 fl.

3) Baer, Uebersicht des Jagd-Erwerbes in Sibirien, besonders im östlichen, Baer und Helmersen, Beiträge zur Kenntn. des Russ, Reichs. Bd. VII. p. 128 fl.

“4 Müller l.c. II. p. 311 u. 352. I. p. 317. Letzteres nach Nic. Witsen’s Noord en Oost Tartarye. Amsterd, 1671.

Mustela zibellina. 31

Amur-Thales selbst. Die Eingeborenen, Mangunen und Giljaken, unterscheiden nach der Güte, des Felles den Zobel des linken und den Zobel des rechten Amur-Ufers (Giljakisch: pyrehjerch-lumr und djulachjerch-Iumr, Mangunisch: pyrehr-s’äfa und djulachi-Säfa) und geben dem ersteren den Vorzug. Vergleicht man den Zobel dieses unteren Amur-Landes mit dem Sibirischen, so dürfte er den ihm am nächsten gelegenen Udschen Zobeln, zu denen Galä- chowskij') die Amur-Zobel überhaupt zu bringen scheint, allerdings am nächsten stehen, ihnen jedoch an Schwärze nachgeben. Ich finde ihn dunkler als den Zobel des Wilui und der unteren Tunguska; auch scheint er mir im Tone der Färbung ein wenig schwärzer, wenngleich weniger dichthaarig uud vielleicht auch kleiner als der Kamtschatkische Zobel zu sein, dem er sonst sehr an die Seite zu stellen ist. Ein Exemplar, das wir in einer Falle beim Nikolajewschen Posten fingen, steht in Hinsicht auf Färbung und Zeichnung dem von Hrn. Akad. Brandt beschriebenen”), von der Insel Tolbatschansk, bei Kamtschatka, rüh- renden Wald- und Tundra-Zobel am nächsten. Doch finden sich am unteren Amur auch häufig sehr helle, gelblich-braune Zobel. Im Amur-Limane und an der Meeresküste, der Ochotskischen wie Tartarischen, ist der Zobel merklich heller als am Amur; die Zobel der Bai Hadshi stehen denjenigen des unteren Amur-Stromes entschieden nach. Noch schlechter endlich wird der Zobel auf der Insel Sachalin. Hier kommt er meist von so hel- ler Farbe vor, dass man auf den ersten Blick, wenn man der starken Variabilität des Zobels nicht eingedenk ist, kaum mit dem asiatischen Zobel zu thun zu haben glaubt. Ein Exemplar dieser auf Sachalin vorherrschenden, hellen Zobelvarietät, das ich vom Dorfe Poghobi, an der Westküste der Insel, mitgebracht habe und das ich jetzt sowohl mit den nordasiatischen, wie mit einigen nordamerikanischen Zobeln unseres Museums (von Norton-Sound und einer anderen, südlicheren Gegend) und den dazu gelieferten genauen Beschreibungen des Hrn. Akad. Brandt’s zu vergleichen Gelegenheit habe, lässt mich im Zobel Sachalin’s eine interessante Mittelform erkennen. Offenbar zeigt er die grösste Aehnlichkeit.mit dem amerikanischen Zobel, und na- mentlich sind Farbe und Zeichnung des Kopfes, des Nackens und der Brust an beiden so übereinstimmend, dass ich den Sachalinischen Zobel nicht besser beschreiben kann, als in- dem ich die Beschreibung des Hrn. Akad. Brandt’s für den amerikanischen Zobel?) fast wört- lich ausschreibe. Am Sachalinischen Zobel ist der Kopf sehr hell, schwach bräunlichweiss, oben auf dem Schnauzenrücken und unten an der Kehle stärker braun gestichelt; die Ohren vorn weiss, oben breit weiss gesäumt, hinten hellgraubraun, von der Kopffarbe abgesetzt. Der Nacken ist schmutzig gelblich-bräunlichweiss, in der Mitte mehr gelblichbraun gesti- chelt. Die Kehle und Mitte des Unterhalses ist wie bei dem von Hrn. Akad. Brandt zuerst erwähnten Exemplare: gelblich, nach der Seite mehr bräunlich-weiss, wobei die weissliche,

l) Baer I. c. p. 220.

2) Brandt, Selbstständige Mittheilungen über den äusseren Bau des Zobels (M. Zibellina, Var. asiatica und americana) im Vergleich'zu dem des Baum- und Steinmarders. Memoires de l’Acad. des sciences de St. Petersb. T. VI. Beiträge zur näheren Kenntniss der Säugethiere Russlands. St. Petersb. 1855. p- 13.

3) Brandt, l. c. p. 17 fl.

32 Säugelhiere.

mit Hellbraun gewässerte Färbung in der Mittellinie bis an die Beine sich fortsetzt, wo ein unregelmässiger, quer liegender weisser Fleck zwischen und etwas vor den Vorderbeinen sich befindet eine Zufälligkeit, die auch an einem der mir vorliegenden amerikanischen Exemplare sich findet. Nicht ganz so übereinstimmend ist der Rumpf. Das Wollhaar des Rumpfes ist hellgrau oder bräunlichgrau, an den Spitzen gelblich. Die Farbe des Rumpfes ist etwas ver- schieden von der des amerikanischen Zobels, gelblich braun, auf dem Rücken dunkler, beinahe einen unregelmässigen, dunkleren Rückenstreifen bildend, an den Seiten und am Bauche heller, schmutzig gelblich- oder graubraun; am Bauche steigt ein schwacher, heller, gelblichbrauner, mit den Seiten gleichfarbiger Streifen, gleichsam als Fortsetzung vom weisslichen Halsstreifen, längs der Mittellinie herab, zwischen zwei ihn einfassenden, dunkleren, aber verwaschenen braunen Streifen, welche an den Vorderbeinen beginnen, längs dem Bauche einander genä- hert und parallel verlaufen und dann plötzlich nach den Hinterbeinen auseinander treten. Diese schwachangedeutete Zeichnung findet sich auch an zweien der amerikanischen und an mehreren asiatischen Exemplaren des Continentes deutlich genug ausgesprochen. Die Farbe und Zeichnung der Beine stimmt wieder mit der des amerikanischen Zobels ganz überein: die Beine sind braun, schwärzlicher und dunkler als der Rücken und auf ihrer Vorderseite mit einem scharf markirten, hellbräunlichen, weissgestichelten Fleck versehen. Der Schwanz ist dunkelbraun, von der Farbe der Extremitäten, an der Spitze beinahe schwarz und, wie der ganze übrige Körper und besonders die Schwanzwurzel, mit weissen Stichelhaaren hin und her versehen. Der einzige Unterschied des Sachalinischen Zobels von dem amerikani- schen scheint also bloss darin zu liegen, dass er mehr graubraun, der amerikanische dagegen mehr röthlich-braun ist, was, nach den vielfältigen Farbenschattirungen des Zobels zu urthei- len, gewiss keine speeifische Verschiedenheit bilden kann. Der Sachalinische Zobel nähert sich im allgemeinen Tone seiner Farbe mehr dem nordasiatischen; doch sind die von Midden- dorff von der unteren Tunguska mitgebrachten Felle röthlieher und zugleich dunkler als der Sachalinische Zobel. Letzterer bildet daher oflenbar eine Mittelform zwischen dem nord- asiatischen und dem nordamerikanischen Zobel, wodurch die Ansicht des Hrn. Akad. Brandt’s, dass der amerikanische Zobel als Varietät mit dem asiatischen in eine Art zu vereinigen sei, eine weitere Bestätigung erhält.

Ich kann nun nicht umhin hier die Vermuthung auszusprechen, dass auch Mustela brachyura Temm., von welcher Temminck nach verstümmelten Fellen, au denen der Kopftheil fehlte, eine oberflächliche Beschreibung entworfen hat, vielleicht nichts anderes als diese helle Varietät des Zobels sein dürfte, wie sie auf Sachalin vorkommt. So weit Temminck’s Beschreibung reicht, lässt sich nämlich kein anderer Unterschied zwischen diesen Formen wahrnehmen , als nur etwa der kürzere Schwanz von M. brachyura; allein dieser Unterschied beträgt in absolutem Maasse nicht einmal einen Zoll und erscheint nur im Vergleich zur Länge des respectiven Felles von M. brachyura bedeutender, wobei aber nicht zu vergessen ist, dass die Maasse an einem im Handel erhaltenen Felle genommen sind, welches

!) Fauna Japonica. Mammalia Dec. 2. p. 33 und 34.

Mustela zibellina. 33

bedeutend ausgereckt sein konnte. Wer die von den Eingeborenen im Amur-Lande und auf der Insel Sachalin in den Handel gebrachten, durchweg lang gereckten Felle von Zobeln, Oitern u. dgl..m. gesehen hat, sieht sich genöthigt auf die Maasse solcher Felle nicht viel zu geben, zumal wenn sie als diagnostisches Moment zur Unterscheidung zweier Arten dienen sollen. Wie nach dieser mangelhaften Unterscheidung, so haben wir auch ferner nach den von Temminck angegebenen Fundorten der M. brachyura Grund sie für identisch mit unse- rem Sachalinischen Zobel zu vermuthen. Die Felle, welche Temminck’s Beschreibung von M. brachyura vorlagen, hatte Siehold von der Insel Jesso erhalten. M. brachyura soll ausser- dem auf den Japanischen Kurilen und überhaupt nur in den nördlichsten Provinzen des Ja- panischen Reiches vorkommen, wo die Felle für den Handel bereitet und von wo sie in die verschiedenen Theile des Reiches gebracht‘ werden. Dürfte nun in dieser allgemeinen An- gabe der «nördlichen Provinzen des Japanischen Reiches» die den Japanesen unterworfene und tributpflichtige Südküste der Insel Sachalin schon unter den Fundorten für M. bra- chyura mit einbegriffen sein, so möchte ich noch, ohne das Vorkommen von M. brachyura auf Jesso streitig machen zu wollen, hervorheben, dass bei der gewöhnlichen Unsicherheit von Fundortangaben für Felle, die man im Handel erhält, auch die von Jesso an Siebold ge- langten Felle sehr wohl ebenfalls von Sachaiin herrühren konnten. Denn die minder be- wohnte, waldige und gebirgige Insel Sachalin ist gewiss der an Pelzwerken reichste und er- giebigste Theil des Japanischen Reiches, die Fundgrube der von Norden in den Japanischen Handel kommenden Felle. Auch stehen die Japanesen mit der Südküste von Sachalin, von Jesso aus, in direetem und regelmässigem Verkehre und haben auf Sachalin ihre Ansiede- lungen und Handelsplätze, die sie unter anderen Gründen auch deshalb besuchen, um von den ihnen unterworfenen Aino Pelzwerke durch Tributerhebung und Kauf einzusammeln und in den eigenen Handel zu bringen. Nun weiss ich von Giljaken, welche den Haupthandelsplatz der Japanesen auf Sachalin, Siranussi auf der südwestlichen Spitze der Insel, zu wieder- holten Malen besucht haben, dass die im Japanischen Handel allein vorkommenden Pelzwerke (die die Japanesen verkaufen) Zobel, Füchse und Ottern sind. Ohne Zweifel müssen also Zobel- felle von Sachalin auch in den Handel nach Japan kommen. Auffallend ist es daher, dass Siebold des Zobels für Japan gar nicht erwähnt und im Handel nur die ihm ähnliche M. brachyura als aus dem Norden kommend kennt; während dagegen meines Wissens auf Sa- chalin, von wo, als der nördlichsten Japanischen Provinz, die M. brachyura ebenfalls kom- men soll, keine solche und nur der Zobel vorkommt und im Handel der Japanesen eine Rolle spielt. Diese Widersprüche lösen sich aber auf, wenn man Temminck’s M. brachyura mit dem Sachalinischen Zobel für identisch annimmt, wozu uns, wie wir oben erwähnten, auch Temminck’s Beschreibung der M. brachyura zu berechtigen scheint. Es darf uns auch nicht auffallen, dass Temminck, geneigt in der Thierwelt Japan’s besondere, eigenthümliche Arten zu sehen, in einem Thiere, das so verschieden von der typischen dunklen Form des asiatischen Zobels wie der helle Sachalinische Zobel ist, der sich dem amerikanischen beinahe mehr

als dem asiatischen nähert und von dem Temminck nur verstümmelte Felle, ohne Kopfiheil, Schrenck Amur-Reise Bd. 1. 5

34 Säugelhrere.

kannte, dass er in diesem eher eine besondere, dem Zobel nahe stehende Mustelen-Art als eine Varietät des Zobels selbst annahm. Ist aber Temminck’s M. brachyura mit dem Sa- ehalinischen Zobel identisch, so müssen wir das Verbreitungsgebiet des Zobels über Jesso und die Japanischen Kurilen erweitern, während er in den südlicheren Provinzen Japan’s nach Temminck nicht vorkommt. Und mit diesem Resultate stimmen denn auch die oben er- wähnten, von Pallas mitgetheilten Angaben der alten russischen Seefahrer, dass es auf Jesso und den Japanischen Kurilen (Kunaschir, Iturup) Zobel gebe, völlig überein. Hier dürfte also gegenwärtig die Aequatorialgränze des Zobels liegen. Ob sie in früheren Zeiten noch südlicher auf den Japanischen Inseln gelegen haben mag und später durch starke Zunahme der Bevölkerung, durch Lichtung der Wälder und häufige Nachstellungen des Thieres nach Norden zurückgedrängt worden sei, darüber fehlen uns alle Nachrichten.

Die oben beschriebene, helle Färbung des Sachalinischen Zobels nöthigt uns ihn in Beziehung auf die Güte des Felles in eine Reihe mit den westsibirischen Zobeln zu stellen. So lernen wir im Amur-Lande in Beziehung auf die Schwärze und damit auch die Güte der Zobelfelle eine ähnliche Abnahme von West nach Ost kennen, wie sie in Sibirien in umge- kehrter Riehtung von Ost nach West stattfindet. Der Ausspruch Müller’s') und Pallas’s?), dass der (asiatische) Zobel je weiter nach Ost desto besser werde, hat daher nur für die eine Hälfte des Verbreitungsgebietes des Zobels seine Richtigkeit. Dass hierin noch innerhalb Si- birien’s ein Wendepunkt eintritt, geht auch schon aus den Angaben beider Schriftsteller über die Heimath der besten Zobel hervor: denn sind ihre Angaben darüber auch nicht ganz gleich- lautend, so stimmen doch beide darin überein, dass die Kamtschatkischen Zobel heller als die Ostsibirischen seien, ja Pallas lässt sogar den Zobel vom Witim an nach Ost an Güte abnehmen °), während Müller, auf die Zobel vom Flusse Uth (oder Uda) gestützt, sich dahin zu neigen scheint, die Küste des Ochotskischen Meeres für die Heimath der besten Zobel zu halten. Solche Meinungsverschiedenheiten finden in der schon erwähnten Variabilität des Zobels auch innerhalb eines umschriebeneren Gebietes, zumal wenn die Kenntniss einer Ge- gend noch gering ist, leicht ihre Erklärung. Pallas hatte jedenfalls eine spätere und grössere Erfahrung für sich. Dennoch geht daraus hervor, dass die Abnahme der Zobel an Schwärze nach Ost, vom Innern des Continentes nach der Meeresküste, in jenen höheren Breiten des Ochotskischen Meeres langsamer vor sich gehe als am Amur-Strome, was zugleich auch eine Abnahme der Schwärze nach Süden bekundet. Der Ansicht Pallas’s nähern sich die neueren, auf reiches Material gestützten Mittheilungen Galächowskij’s‘), und mit diesen stimmt auch überein, was ich auf meiner Durchreise durch Sibirien über diesen Gegenstand habe erfahren können. Demnach sind die besten, schwärzesten Zobel diejenigen von der Olekma und von dort findet eine Abnahme der Schwärze nach West über den Witim und

!) Samml. Russ. Gesch. III. p. 504 und 509. 2) Spice. Zool. XIV. p. 65.

3) ].c. p. 66.

4) Baer, I. c. p. 418 fl.

Mustela zibellina. 3)

nach Ost über den Aldan wie auch nach Nord und Süd statt. Mit dieser Erscheinung stehen denn auch-unsere Beobachtungen im Amur-Lande völlig im Einklange und schliessen sich an dieselben ergänzend und erweiternd an. Wir sehen daher die Linien wachsender, schönerer und kräftigerer Entwickelung des Zobels gleich Radien nach einem Mittelpunkte, der Gegend an der Olekma, zusammenlaufen. Dort, im Innern Ostasiens, müssen wir daher auch die ursprüngliche Heimaih, den Mittel- und Ausgangspunkt der Verbreitung des Zobels annehmen. Wir sehen diesen Punkt innerhalb des Sibirischen Continentes, in einem ausgesprochen conti- nentalen Klima, mit den excessivsten Winterfrösten, in der Nähe .der Kälte-Pole und dabei in einer gebirgigen und mit hoher nordischer Nadelholzwaldung bedeckten Gegend liegen. In der Vereinigung dieser verschiedenen Momente müssen wir daher auch die der Entwicke- lung des Zobels günstigsten Bedingungen erblicken und in deren theilweiser, allmähliger, grösserer oder geringerer Alınahme von jenem Punkte aus den Grund seines allmähligen Ver- kümmerns und die Erklärung der Gränzen seiner Verbreitung suchen. Pallas giebt an, in- dem er diese Momente zergliedert, dass namentlich die Schwärze des Felles von der Art der Waluung abhängt, welche der Zobei bewount: die besten sollen darnach in Tannenwaldungen, weniger dunkle in Pappel- und Weidengehölzen und die hellsten endlich in Lärchen- und Cedernwäldern oder Gestrüppen vorkommen '). Mit diesen Bemerkungen stimmen auch meine Beobachtungen im Amur-Lande überein. Denn, wie schon mehrmals erwähnt, geht der Strom im oberen Laufe, wo der beste Zobel vorkommt, durch eine gebirgige, meist mit Nadelholz bedeckte Gegend; dann folgen Laubwälder und im südlichsten Theile des Stromes die Prairie, und der Zobel wird schlechter oder entfernt sich vom Strome; im unteren Theile des Stromes aber, wo er wiederum besser wird, nehmen, vom Gorin an, Tannenwaldungen mehr und mehr überhand. Der Amur-Liman und die Meeresküste, besonders die des Gontinentes am Ochotskischen Meere und der Insel Sachalin in ihrer nördlichen Hälfte, sind dagegen häufig und die letzteren fast ausschliesslich mit Lärchen bewachsen. Sachalin, wo der schlechteste Zobel vorkommt, ist zugleich das Cedernland des Amur-Stromes: ein dichtes und ausgedehntes Gederngestrüppe breitet sich dort an vielen Orten von der Küste landein- wärts aus. So dürften Abnahme und Veränderung der continentalen, nordischen, sibirischen Waldung jedenfalls die wichtigsten bestimmenden Momente für die Verbreitung und mehr oder minder kräftige und schöne Entwiekelung des Zobels sein. Gleichwohl scheint mir, bei Ueberblickung des ganzen Verbreitungsgebietes des Zobels, welches nach Westen trotz fort- gesetzier Waldung abbricht, dass der Charakter der Waldung nicht als einziges leitendes Moment angesehen werden dürfe, sondern dass das Bestimmende für die Verbreitung und kräftigste Entwickelung des Zobels in der Vereinigung mehrerer Momente gesucht wer- den müsse. {

1) Pallas, Spie. Zool. 1. c. p. 65.

36 .. Säugelhiere.

6) Mustela Martes L.

Ich würde dieses im Amur-Lande nicht vorkommenden Thieres auch nicht weiter er- wähnen, wenn es hier nicht einige Vermuthungen von Pallas, die direet auf das Amur- Land Bezug haben, zu beantworten gäbe. In den Spicil. Zool. ) hebt nämlich Pallas als be- kannt hervor, dass in der Gegend zwischen den Flüssen Amur und Uth (oder Uda) zur Mee- resküste hin und auf den anliegenden Inseln (worunter also die Schantarischen Inseln und vielleicht auch Sachalin verstanden sind) zugleich mit Zobeln auch die besten Marder ge- jangen würden, was ihn vermuthen lasse, dass der Baum- und Steinmarder (Martes et Foyna), ob sie gleich in Sibirien nicht vorkämen, in südlicheren Breiten durch ganz Mittelasien verbreitet seien. Darnach hätten wir also den Marder im Amur-Lande zu suchen. Al- lein später, in der Zoographia Rosso-Asialica A); spricht Pallas die Vermuthung aus, dass es, neben den zahlreichen localen und zufälligen Varietäten des Zobels, noch eine besondere, nahe verwandte Mustelen-Art im Innern Asiens gebe, die mit dem Zobel wie mit dem Marder die grösste Aehnlichkeit habe. Auf dieses Thier, heisst es weiter, müsse man, scheint es, auch die Berichte der Jäger beziehen, welche behaupten, dass auf den Inseln an der Mündung des Flusses Uth (oder Uda) in den östlichen Ocean und auf der grossen Insel Sachalin an der Mündung des Amur-Stromes zugleich Marder und Zobel gefangen würden. Es scheint also, dass Pallas mit diesem späteren Ausspruche seine erste Behauptung vom Vorkommen des Marders am Amur und auf den anliegenden Inseln, ob er es gleich als ekannte Thatsache hervorgehoben hatte, selbst in Zweifel zog, indem er an Stelle des Marders eine besondere, nahe verwandte Art am Amur und auf Sachalin wie auf den Schantarischen Inseln ver- muthete. Wie dem nun auch sei, glaube ich nach meinen Erfahrungen das Vorkommen des Marders sowohl wie einer, anderen Üesonderen und nahe verwandten Mustelen-Art im Amur- Lande und aufSachalin entschieden verneinen zu dürfen. Denn während meines zweijährigen Aufenthaltes im Amur-Lande habe ich, irotz eigener Jagd und fortgeseizter Nachforschung bei den Eingeborenen, weder selbst einen Marder oder eine ähnliche, noch unbekannte Mustelen-Art gesehen, noch auch jemals bei den Eingeborenen von einer solchen Thierart gehört. Dass sie mir aber dennoch entgangen sein könnte, ist aus mehrfachen Gründen nicht wohl anzunehmen. Denn der Marder oder eine andere marder- oder zobelähnliche Musielen-Art dürfte in einem Lande, wo der Zobel eine so wichlige Rolle spielt, wie es im Amur-Lande der Fall ist, der Aufmer‘samkeit und Kenntniss der Eingeborenen gewiss nicht entzogen bleiben. Nun kennen aber weder die Giljaken, noch die Mangunen oder Golde, bei denen ich häufig Erkundi- gungen über die Thierwelt ihres Landes einzog, neben dem Zobel noch ein anderes, zobel- ähnliches Thier. Mit den Giljaken namentlich stand ich, durch bessere Kenntniss ihrer Sprache, durch bleibenderen Aufenthalt im Nikolajewschen Posten, der innerhalb ihres Ge- bietes liegt, und durch zweimalige Winterreisen nach dem Amur-Limane und der Insel Sa- chalin, in näherem und beständigem Verkehre. Im Winter zumal, der bei den Eingeborenen

I) Fasc. XIV. p. 37. 2) I. p. 84. Nota 1.

Mustela Martes. M. sibirica. | 37

für die Jagd bestimmten Jahreszeit, hatte ich fast täglich Gelegenheit durch die Giljaken selbst mit den Säugethier-Arten ihres Landes mich bekannt zn machen. Denn ausser den un- vermeidlich.n Zobelfellen, die jeder von ihnen zum Kaufe anzubieten hat, trugen sie, mit mei- ner zoologischen Liebhaberei bekannt, mir alle Ergebnisse ihrer Jagd, und wenn es auch nur die werthlosen Felle von Mustela sibirica, vom Hermelin, vom Eichhörnchen u. dgl. m. waren, zu, da sie in mir oft einen Käufer für diese Dinge fanden, in jedem Falle aber einer gastli- chen Aufnahme und eines kleinen Geschenkes für ihre Mittheilungen sicher waren. Ich kann daher nicht wohl annehmen, dass mir die Bekanntschaft mit dem Marder oder einem besonde- ren, zobelähnlichen Thiere im Amur-Lande entgangen sein dürfte. Desgleichen hat auch Middendorff weder auf den Schantarischen Inseln, noch an der Küste des Ochotski- schen Meeres, noch weiter landeinwärts in der nördlichen Mandshurei neben dem Zobel auch den Marder oder eine dritte, nahe verwandte Mustelen-Art gefunden. Was konnte daher Pallas zu der Vermuthung dieser Thierart im Amur-Lande veranlasst haben? Es scheint mir, dass die Veranlassung dazu sehr wohl in dem oben beschriebenen, hellfarbigen Sachalinischen Zobel gesucht werden kann. Denn aus beiden Stellen, in den Spicil. wie in der Zoogr., geht hervor, dass Pallas die Nachrichten vom Marder oder einer nahe verwandten Mustelen-Art nur von der Küstengegend und den Inseln, den Schantarischen und Sachalin, bezogen hatte, und das ist gerade auch die Gegend, wo, wie wir gesehen haben, die hellfarbige Va- rietät des Zobels vorherrscht. Diese helle, gelblichbraune Farbe des Zobels konnte ferner die nach möglichst dunkelfarbigen Zobeln suchenden Jäger leicht zum unwilligen Ausspruche be- wegen, dass diese hellfarbigen Thiere nicht mehr Zobel, sondern nur Marder seien, wie ich z. B. selbst einen solchen Ausspruch von den russischen Handelsleuten im Nikolajewschen Posten gehört habe. Fügt man endlich noch hinzu, dass in der That die hellfarbige Zobel- varietät Sachalin’s von der typischen Form so verschieden ist, dass sie dem amerikanischen Zobel fast näher als dem asiatischen steht, so muss man zugeben, dass Pallas, der darüber bloss nach Berichten urtheilen konnte, Grund genug hatte in ihr einen«Marder oder eine neue, dem Marder wie dem Zobel sehr ähnliche Mustelen-Art zu vermuthen, ähnlich wie sie in neuerer Zeit vielleicht auch Temminck zur Annahme einer besonderen Art, der M. bra- chyura, gedient hat.

7) Mustela sibirica Pall. . Bei den Giljaken des Continentes: zongrsk.

« « Mangunen und unteren Golde bis zum Ussuri: tscholtschi und ngwakkole. (Die letztere Bezeichnung ist bisweilen bei den unteren Golde bis zum Geong-Gebirge im Gebrauche).

« « Golde oberhalb des Ussuri: s’olor.

« « Kile am Kur: sole.

« « Biraren und Monjagern: s’oluge.

« « Orotschonen: s’olongo.

38 Säugelhiere.

Von dieser durch Pallas zuerst beschriebenen Mustelen-Art habe ich aus dem Amur- Lande neben mehreren Skeletten fünf Felle mitgebracht. Drei derselben sind Winterfelle und zeigen die bekannte, intensiv gelbe, bald etwas dunklere, bald etwas hlassere Farbe und die markirte, abgesetzt braune Zeichnung der Schnauze. Von den beiden anderen Fellen kann ich leider nicht angeben, welchem Monate sie angehören, da sie von den Eingeborenen das eine an der Küste der Mandshurei, in der Bai Hadshi, das andere in der Umgegend des Nikolajewschen Postens ge%auft worden sind; allein, ihrem Ansehen nach zu urtheilen, m"ssen es Herbst- oder Frühlingsfelle sein, da sie eine geringe Einmischung von Braun be- sitzen. Da Pallas von der Farbe und Zeichnung des Sommerfelles von M. sibirica nichts mehr sagt, als dass es auf dem Rücken hellgraubräunlich, heller als das Sommerfell des Her- melin’s, unten gelb ist "% und ich auch keine andere Beschreibung des Thieres im Sommer- felle kenne, so will ich die beiden mir vorliegenden Herbst- oder Frühlingsfelle, an denen die Winterfärbung jedenfalls modifieirt ist, näher besprechen. Vergleicht man das dunklere derselben, aus der Bai Hadshi, mit dem Winterfelle, so bemerkt man folgende Unterschiede. Während am Winterfelle von M. sibirica nur der Nasenrüchen und die Augengegend braun sind und das Braun von der gelben Farbe des übrigen Kopftheiles und ganzen Körpers über- haupt sich scharf absetzt, zieht sich an unserem Exemplare von Hadshi das Braun auf dem Kopfe, nur allmälig und wenig verblassend, bis etwa zur Ohrgegend fort und geht dann un- merklich in die röthlich gelbe Farbe des Rückens über, welche aber ebenfalls einen leichten bräunlichen Antlug behält und mit einzelnen braunen Haaren, zumal längs der Mittellinie, ge- stichelt ist. Auch die Unterseite und die Extremitäten sind dunkler als am Winterfell. Die Schnauzenspitze und das Kinn sind wie am Winterfell weiss. Das andere Exemplar, aus der Umgegend des Nikolajewschen Postens, steht dem Winterfell sehr nahe. Der Rücken ist kaum merklich dunkler, aber die braune Färbung des Nasenrückens zieht sich, von den Augen an allmälig aber stark verblassend, auf dem Kopfrücken bis zur Ohrgegend fort, wo sie sich in das Gelb des Rückens verliert. Alles Uebrige ist wie am Winterfelle von M. sibi- rica. Aus diesen beiden Exemplaren scheint hervorzugehen, dass die bräunliche Farbe, welche das Thier im Sommer bekommt, von der beständig braun bleibenden Schnauzenspitze aus über den Rücken sich ausbreitet und bei herannahendem Winter in umgekehrter Weise sich wieder verliert. Auch an unseren Amur-Exemplaren von M. sibirica bestätigt sich die Bemerkung Middendorff’s über die Unwesentlichkeit des zuerst von Wagner”) in der Be- schreibung des Thieres erwähnten weissen Fleckes am Unterhalse. Nur eines unserer Exem- plare besitzt ihn und zwar als länglichen, mehrmals unterbrochenen, vom Weiss des Kinnes gesonderten Fleek; an den anderen Exemplaren sind nur sehr wenige, hie und da einge- streute, weisse Haare am Unterhalse aufzulinden.

Mustela sibirica, die nach Pallas°) erst mit dem Altaischen Gebirge und dem Jenissei

t) Pallas, Spicil. Zool. Fasc. XIV. p. 87. 2) Die Säugethiere von Schreber, Supplbd. Abth. 2. p. 232. ?) Spicil. Zool. XIV. p. 86. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p- 90.

* Mustela sıbirica. 39

nach Osten beginnt, ist auch durch das ganze Amur-Land verbreitet. Alle Eingeborenen am Amur-Strome, von den Orotschonen bis zu den Giljaken, sind mit diesem Thiere, sei es an den unmittelbaren, waldbewachsenen Ufern des Stromes, sei es aus den entlegeneren Gebir- gen des Landes, bexannt. Eine Bewohnerin nordischer Nadelholzwaldungen, wird M. sibirica, wie der Zobel, wohl erst mit dem Aufhören der Nadelholzwaldung auch in den Gebirgen nach Süd ihre Aequatorialgränze erreichen. Nach Norden, gegen die Mündung des Stromes, n:mmt sie mit der Zunahme der Nadelholzwaldung an Häufigkeit zu. In den Gebirgen am Chongar und am Gorin ist sie nicht selten, hat aber bei den Eingeborenen keinen Werth, da ihr Fell von den Chinesen im Handel nicht geschätzt wird. Auch habe ich keine andere Benutzung des Felles gesehen als zu kleinen Teppichen, welche die Chinesen und Mandshu zum Sitzen auf die Bänke der Häuser oder auf den Erdboden im Zelte ausbreiten. Doch spielt auch da- bei das-Fell der M. sibirica eine ganz nebensächliche Rolle, da es allein zu den Teppichen nicht hinreicht, sondern, in kleine viereckige Stücke zerschnitten, mit den Beinfellen des Moschus- thieres, welche das meiste Material liefern, schachbrettartig zusammengenäht oder auch nur als Einfassung hinzugefügt wird. Vom Gorin abwärts, wo die Nadelholzwaldung auch an den unmittelbaren Ufern des Stromes mehr und mehr vorzuherrschen beginnt, trifft man M. sibirica überall häufig und im Gebiete der Giljaken, gegen die Amur-Mündung,, habe ich im Winter fast in jedem Dorfe Felle derselben zu Gesichte bekommen. Denn ob ihr gleich wegen der Werthlosigkeit des Felles nicht besonders nachgestellt wird, so verfängt sie sich doch häulig in den für den Zobel ausgestellten Fallen. Auch an der noch weit nach Süden mit nordischem Charakter der Waldung versehenen Küste der Mandshurei fand ich sie vom Ochotskischen Meere durch den Amur-Liman bis an die Bai Hadshi, den südlichsten Punkt der Küste, den ich besucht habe, durchweg verbreitet. Und dass sie dort mit dem Nadelwalde noch südlicher geht, unterliegt keinem Zweifel. Allein, trotz ihrer Häufigkeit im Amur-Lande und an der Meeresküste, bleibt M. sibirica doch nur auf den Continent beschränkt, und wie sie im Norden nicht nach der Halbinsel Kamtschatka hinübergeht'), so betritt sie vom Amur-Strome aus auch nicht die nahe gelegene Insel Sachalin. Diese Gränze ihrer Ver- breitung nach Ost im Amur-Lande kann ich mit Bestimmtheit behaupten. Denn auf wieder- holtes Nachfragen nach diesem Thiere erhielt ich an beiden Küsten wie im Innern der Insel stets die bestimmieste Behauptung vom Fehlen desselben zur Antwort. Erwägt man aber wie lästig dieses Thier den Giljaken an der Amur-Mündung und im Limane als zudringlicher Besucher und Vereitler der Zobelfallen ist, so begreift man leicht, dass sein Fehlen für die Giljaken der Insel nicht ohne Bedeutung ist, und muss daher annehmen, dass sie davon wohl unterrichtet sein müssen. Dazu muss das Fehlen der M. sidirica auf der Insel Sachalin dem auf gleiche Nahrung mit ihr angewiesenen Zobel ein um so reicheres und freieres Terrain bieten, und es mag darin mit ein Grund für die grössere Häuligkeit des Zobels auf der Insel liegen. Wie auf Sachalin, so scheint M. sibirica auch auf den Japanischen Inseln zu fehlen,

1) Pallas, Zoogr.l.c.

» 40 Säugelhiere.

da Siebold ihrer in der Fauna Japonica nicht erwähnt. So bleibt also M. sibirica wie nach West, so auch nach Ost hinter dem Verbreitungsgebiete des Zobels zurück, bloss auf den Osten Asiens angewiesen, und bei der Beschränkung derselben auf das Festland, mit Aus- schluss der nahe anliegenden Inseln sowohl wie der Halbinsel Kamtschatka, müssen wir in ihr eine ausschliessliche Charakterform des continentalen östlichen Sibirien’s erkennen.

8) BEustela erminea L. Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: (ymr und !ymrsch. “au « des Innern und der Osiküste von Sachalin: tchymr. « « Mangunen und Golde unterhalb des Geong-Gebirges: dshjuli. « « Golde oberhalb des Geong-Gebirges: djek und dshyk. « « Samagern (Kile am Gorin): djuli. « « Kile am Kur: djelakı. « « Orotschonen: krenass).

Middendorff fand das Hermelin auf den Höhen des Stanowoi-Gebirges und auf des- sen südlicher Abdachung'). Von dort nach Süden ist es durch das ganze Amur-Land ver- _ breitet. Ich habe directe Nachrichten von seinem Vorkommen im Geong-Gebirge, in den Gebirgen am Chongar u. dgl.m. Besonders häufig fand ich es aber an der Mündung des Amur- Stromes und am Ochotskischen Meere, wo ich aus den Dörfern Kuik und Wassj, in der Nähe des Nikolajewschen Postens, und Kullj, an der Meeresküste, Exemplare mitgebracht habe. Sie sind genau wie die europäischen Thiere beschaffen. Bei den Giljaken ist das Hermelin ein beliebtes Thier, weil es den in ihren Häusern in der Regel zahlreichen Ratten nachstellt, und manches giljakische Dorf, das von dieser Plage weniger heimgesucht wird, wie Puir am Amur-Limane, Hisska am Ochotskischen Meere, soll diesen Vorzug dem Aufenthalte von zahlreicheren Hermelinen verdanken. Vom Ochotskischen Meere und dem Limane nach Süd ist das Hermelin längs der Küste der Mandshurei durchweg verbreitet; ich habe vom südlichsten von mir berührten Punkte, der Bai Hadshi, ein Exemplar er- halten, das im October bereits den vollständigen Winterpelz angezogen hatte. Nicht minder ist das Hermelin auf der Insel Sachalin an der Küste wie im Innern verbreitet, von wo ich aus dem oberen Tymy-Thale ebenfalls ein Exemplar mitgebracht habe. In Japan aber hat Siebold das Hermelin nicht kennen gelernt. Wir müssen daher, nach den bisherigen

Erfahrungen, am Südende Sachalin’s die Aequatorialgränze des Hermelines im östlichen Asıen annehmen.

9) Mustela vulgaris Briss.

Ich habe nur ein Exemplar des gemeinen Wiesels und zwar von den Giljaken des Dorfes Allof in der Umgegend des Nikolajewschen Postens erhalten. Es war ein Sommerfell:

!) Sibirische Reise, 1. c. p. 70.

Mustela vulgarıs. 41

oben kastanienbraun, unten weiss, etwas gelblich; der Schwanz ist kürzer als die ausgestreck- ten Hinterbeine, mit dem Rücken ganz gleichfarbig, kastanienbraun, ohne Haarpinsel an der Spitze und, wie Pallas namentlich für seine M. Gale bemerkt'), mit einigen weissen Haa- ren an der Spitze versehen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass das mitgebrachte Fell der M. vulgaris und nicht einem jungen, an der Schwanzspitze beschädigten Hermeline angehört hat. Bemerkenswerth ist aber, dass an unserem Amur-Exemplare die Unterseite nicht rein weiss, sondern gelblichweiss ist, was nach Erfahrungen an den europäischen und asiatischen Thieren bis- her bloss dem Hermeline zugeschrieben wurde. So von Erxleben?), Pallas®), Desmarest‘), Fischer’), Wagner‘), Nilsson’) u. a. m., ja Bell°), Keyserling und Blasius‘) u. a. heben sogar als eines der unterscheidenden Momente zwischen M. erminea und M. vulgaris hervor, dass beim Hermelin die Unterseite schmutzig- oder gelblichweiss, beim Wiesel rein weiss ist. Am gemeinen Wiesel Nordamerika’s dagegen, welches von Einigen zur selben Art M. vulgaris gezogen, von Anderen als besondere Art, M. pusilla De Kay, betrachtet wird, wird die Unterseite bald weiss”), bald weiss oder gelblich "), bald schlechtweg gelblich '’) be- schrieben. Richardson namentlich, der das amerikanische Wiesel mit dem europäischen für identisch hält, giebt am genauesten an, dass am Sommerfelle desselben die Unterseite gelblich- weiss ist, mit Ausnahme des Unterkiefers und eines Theiles des Oberkiefers, welche rein weiss sind. Genau so ist es auch an unserem Amur-Exemplare, und nähert sich dieses daher am meisten der amerikanischen Form. Wir achten aber diesen Umstand nicht für hin- reichend, um unser Amur-Wiesel, oder auch das amerikanische Wiesel, vom europäischen specifisch zu trennen, sondern halten uns darnach bloss für berechtigt die bisherigen Beschrei- bungen von M. vulgaris dahin zu erweitern, dass die Unterseite derselben, eben so wie am Hermelin, bald rein weiss, bald gelblichweiss ist, "wobei jedoch zu bemerken ist, dass die er- stere Form auf dem europäisch-asjatischen, die letztere auf dem amerikanischen Continente die vorherrschende zu sein scheint.

Das gemeine Wiesel fand Middendorff häufig im Gränzgebirge der Mandshurei ”).

1) Zoogr. Rosso-As. I. p. 98.

2) Syst. regni anim, Lipsiae 1777. I. p. 471 u. 473.

3) Zoogr. ı c.

4) Mammalogie, Paris 1820. p. 179.

5) Synopsis Mammal. Stuttg. 1829. p. 223.

6) Die Säugethiere v. Schreber. Supplbd. Abth. 2. p. 237.

7) Skandin. Fauna. Lund. 1847. I. p. 162. :

®) A hist. of Brit. Quadr. London 1837. p. 142.

?) Die Wirbelthiere Europa’s. Braunschw. 1840. p. 69.

10) Pennant, Thiergesch. der nördl. Polarländer. Aus dem Englischen von Zimmermann. Leipzig 1787. I. Abthl. 2. p. 77.— Spencer F. Baird, General report upon the Zoology of the sey. Pacif. rail road routes. Washing- ton 1857. p- 159.

il) De Kay, Zool. of New York. Albany 1842. I. p. 34, giebt M. pusilla als unten weiss an, fügt aber zugleich hinzu, dass sie der Sommerfärbung seiner M. noveboracensis gleich sei, und diese ist unten gelblich.

12) Richardson, Fauna boreaii-americama. London 1829, I. p. 45.

13) Sibirische Reise 1. c. p. 70, Schrenck Amur-Reise Bd. I. : 6

42 | Säugethiere.

Im Amur-Lande ist es jedenfalls viel seltener als das Hermelin,, vielleicht wegen der gros- sen Anzahl von Zobeln, welche nach Middendorff’s Vermuthung dem Wiesel gefährlich

sein dürften.

10) Lutra vulgaris Erxl.

Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: ngy.

“au « des Innern und der Ostküste von Sachalin: pehyik.

« « Orotschen der Meeresküste, Mangunen, Samagern, Golde unterhalb des Us- suri: mudu.

« « Kile am Kur: mugdshekt.

« « Golde oberhalb des Ussuri: dshulu.

« « Biraren und Monjagern: djuki. _

« « Orotschonen: djukun.

« « Dauren: kalo.

Die Flussotter ist durch das ganze Amur-Land verbreitet, wenn auch nirgends häulig. Sie ist bei allen Eingeborenen des Amur-Landes ein sehr gesuchtes Thier, weil ihr Pelzwerk von den Mandshu und Chinesen hoch geschätzt wird. Als regelmässiger Handelsartikel im Verkehre der Eingeborenen mit denChinesen und Japanesen spielt sie nächst dem Zobel die wichtigste Rolle, und der Werth, den die Chinesen auf ihr Pelzwerk legen, verleiht diesem auch in den Augen der Eingeborenen ein besonderes Ansehen. Es wird daher bei den Gil- jaken, Mangunen und anderen Stämmen des unteren Amur-Landes gern zur Verbrämung von Weiberpelzen, Pelzmützen, Handschuhen, Ohrenwärmern u. dgl. m. benutzt. Ich werde bei Besprechung der ethnographischen Verhältnisse des Amur-Landes Gelegenheit nehmen, auch von der Bedeutung der Flussotter für die Amur-Bewohner mehr zu sagen. Hier nur das Zoologische.

Middendorff') fand die Flussotter besonders häufig in dem Stanowoi-Gebirge und dessen Verzweigungen. Von da nach Süden ist sie durch das reich verzweigte Stromsystem des Amur’s überall verbreitet und kommt am Hauptstrome wie an dessen linken und rech- ten Zullüssen, am Amgunj, Gorin, Ssedsemi, Kur, an der Bureja und Dseja, am Jai, Chongar, Naichi- oder Dondon-Flusse, Ussuri u. a. m. vor. Am letzteren Strome habe ich sie noch unweit des südlichsten von mir erreichten Ortes, der Mündung des Flusses Noor, gesehen. An der Meeresküste ist die Flussotter ebenfalls allgemein am Ochotskischen wie am Tartarischen Meere verbreitet; ich erhielt Nachrichten von ihrem Vorkommen noch etwas südlicher von der Bai Hadshi. Ohne Zweifel steht sie aber an diesen südlichsten Punkten meiner Erfahrungen über das Amur-Land, an der Meeresküste wie bei Noor am Ussuri, noch nicht an ihrer Aequatorialgränze, sondern kommt auch weiter nach China hinein vor; ja vielleicht dürften die zweifelhaften Arten, die uns aus dem Süden Asien’s

I) Sibirische Reise, 1. c. p- 70.

Lutra vulgarıs. L. aterrima. Enhydris marına. 43

namhaft gemacht werden, wie L. chinensis Gray, L. ındica Gray, L. Nair Fr.Cuv.') u.a. m. nur Varietäten derselben weit verbreiteten Art sein. Nicht minder wie auf dem Continente ist die Flussotter auf den anliegenden Inseln weit verbreitet. Ich habe sie an den Küsten wie im Innern der Insel Sachalin kennen gelernt, wo sie bis an das Südende vorkommt und einen wichtigen Artikel im Handel der Japanesen abgiebt. Siebold”) nennt sie uns von den Japanischen Inseln als einen nicht unbedeutenden Handelsartikel mit China. InJapan soll sie, nach Siebold’s Bemerkungen, namentlich in den nördlichen Provinzen und auf den Kurilen von besonderer und höherer Güte des Felles als im südlichen Theile des Reiches sein und die europäischen Felle an Güte übertreflen. Pallas°) hebt die Flussottern von Kamtschatka als die grössten hervor. Somit wären also die Kurilen und Kamtschatka die Heimath der grössten und schönsten Flussottern. Es liegt uns daher nahe dort, wo Jie zu ihrer Entwicke- lung günstigsten physischen Bedingungen geboten sind, auch den Mittel- und Ausgangspunkt der Verbreitung der Flussotter anzunehmen, um so mehr als die Gegenden, wohin dieser Punkt fällt, zugleich in dem Bereiche der Heimath einer anderen, mit der Flussotter nahe verwand- ten Thierart, der Seeotter (Enhydris marina Schreb.), liegen.

11) Hutra (?) aterrima Pall.‘)

Eben so wenig wie es Middendorff an der Küste des Ochotskischen Meeres ist es mir ım Amur-Lande gelungen, von diesem otterähnlichen Thiere, das nach Pallas an der Meeresküste und den Flüssen zwischen dem Uth (oder Uda) und dem Amur häufig sein soll, irgend etwas zu erfahren. Erwägt man aber, welche Aufmerksamkeit die Giljaken und an- dere Eingeborene des Amur-Landes der Flussotter schenken, so lässt sich nicht wohl anneh- men, dass mir, ungeachtet mehrmaliger Reisen nach den Küsten nord- und südwärts von der Amur-Mündung und nach der Insel Sachalin und trotz meines vielfachen nnd beständigen Verkehres mit den Giljaken, dessen ich oben erwähnt habe, die Bekanntschaft mit einem ot- terähnlichen Thiere, das dazu noch häufig sein soll, entgangen sein dürfte. Ich glaube daher das Vorkommen einer solchen Thierart im Amur-Lande verneinen zu dürfen und theile mit Middendorff die Vermuthung, dass Pallas nur eine schwarze Varietät der Flussotter vor

sich gehabt habe.

12) Enhydris marina Schreb. Bei den Giljaken: /ygni(?). ' « « Mangunen: takko (?), targa und targach’ssa (?).

!) Wagner, Die Säugethiere v. Schreber. Supplbd. Abth. 2. p. 254.

2) Fauna Japonica. Mammalia. Dec. 2. p. 35.

3) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 78.

4) Yiverra aterrima Pall. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 81. Mustela aterrima Pall. Middendorff, Sibir. Reise

l. c. p. 70. *

44 Säugethiere.

Siebold erfuhr während seines Aufenthaltes in Japan nur von wenigen Fällen des Er- scheinens der Seeotter an den nördlichen Küsten von Nippon und Jesso, von wo sie sich in Folge der Nachstellungen zurückgezogen haben soll N: Meinen Erkundigungen zufolge ist dieses Thier zwar den Aino’s der Südküste von Sachalin bekannt, soll jedoch von denselben nicht gejagt werden. Auch wurde im Winter 1853 auf54, als die russisch-amerikanische Com- pagnie in der Bai Aniwa eine zeitweilige Handelsstation errichtet hatte, kein einziges Fell dieses Thieres von den Eingeborenen ihr zugebracht. Eben so wenig geben sich die Gilja- ken der Insel mit der Jagd auf die Seeotter ab. An der Westküste der Insel bleibt ihnen dieses Thier auch fern, da es im Meere der Tartareı nicht vorkommt, an der Ostküste aber könnten sie mit demselben wohl in Berührung kommen. Den Giljaken, welchen ich das Fell zeigte, schien es meistentheils bekannt zu sein: sie bezeichneten es mir auf der Insel wie auf dem Continente mit dem Namen «/ygni». Allerdings könnten sie, auch ohne selbst Jagd auf dieses Thier zu machen, durch ihren häufigen Verkehr mit den Aino’s die Bekanntschaft mit demselben gemacht haben. Dennoch muss ich bemerken, dass ich dieselbe Bezeichnung von ihnen bisweilen auch der Otaria ursina L. habe beilegen hören, obgleich letztere bei den Gil- jaken noch einen besonderen Namen”) trägt. Diese Verwechselung dient jedenfalls zum Be- weise, dass die Seeotter den Giljaken nur wenig und wohl mehr nach Hörensagen bekannt ist. Ich mag ihr daher auch nicht mit voller Gewissheit den oben erwähnten giljakischen Namen zuschreiben. Noch geringer ist die Kenntniss der Seeotter bei den Mangunen, welche nur bei Gelegenheit ihrer Besuche bei den Aino’s von Sachalin eine zufällige Bekanntschaft mit dem Felle dieses Thieres machen können. Die Mangunen, denen ich das Fell zeigte, nann- ten das Thier bald targa oder targach’ssa, und bald takko. Die erstere Bezeichnung, obgleich die häufigere, hört man aber auch für die Otaria ursina brauchen, was mit der letzteren nicht der Fall ist. Aus diesem Grunde und weil die mangunische Bezeichnung «takko» zugleich eine Aehnlichkeit mit dem Namen der Seeotter bei den Aino’s von Sachalin («raku»” oder «rakko»“)), durch deren Vermittelung die Mangunen die Seeotter kennen mögen, für sich hat, sind wir geneigt diese letztere Bezeichnung der Mangunen für die richtige zu halten.

13) Canis Iupus L.

Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: ligs.

“au @ des Innern und der Ostküste von Sachalin: attk. « « Mangunen, unteren Golde bis zum Geong-Gebirge, Kile am Gorin (Samagern): ngöla.

« « Golde oberhalb des Geong-Gebirges und am Ussuri: jengur und nönguru.

!) Fauna Japon. Mammalia. Dec. 2. p. 36.

2) «tung» s. weiter unten.

?) Langsdorff, Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. Frankf. a. M. 1812. I. p. 301. 4) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat, I. p. 100.

en [7

Canis lupus.

Bei den Kile am Kur: nyölaki. « « Golde oberhalb des Ussuri: nöluke. , « « Biraren, Monjagern, Orotschonen, Dauren: gussjka.

Die Wolfsfelle, die ich bei den Giljaken im Amur-Limane gesehen habe, waren den europäischen ganz gleich, bald ziemlich hell, bald dunkler und von ansehnlicher Grösse. Auch an einem Schädel des Thieres, den ich vom Amur-Strome mitgebracht habe und der sich den grössten Exemplaren in unserem Museum anreiht, kann ich nichts vom europäischen Thiere Abweichendes wahrnehmen.

Was die Verbreitung des Wolfes betrifft, so kommt er zwar im gesammten Amur-Lande, aber nicht überall gleich häufig vor. Es richtet sich dieses hauptsächlich nach dem verschiedenen Charakter des Reliefs und der Bewaldung der einzelnen Theile des Amur-Landes. Denn der Wolf liebt hauptsächlich ebene und theilweise oflene, nur hin und wieder mit Wald bedeckte Gegenden, während hohe Gebirge und dichte ausgedehnte Waldungen seiner Verbreitung weni- ger günstig sind. Er ist daher im Amur-Lande am häufigsten im nördlichen Sachalin, wo ein lichter und oft verkrüppelter Lärchenwald, mit niedrigem Cedern- und Ellerngesträuch oder auch mit ganz waldlosen Stellen abwechselnd, von der Küste aus weit landeinwärts bis ‚an den Fuss des Gebirges sich ausbreitet, und desgleichen an den lichter bewaldeten Küsten des Ochotskischen Meeres und des Amur-Limanes. In diesem nördlichen Gebiete des Amur-Landes stellt der Wolf hauptsächlich den häufigen, grösseren und kleineren Rudeln wilder Rennthiere nach, ähnlich wie er es im ganzen Norden Asien’s mit den Rennthierheer- den der Nomaden, der Lappen HR Samojeden, Ostjaken u. a. Völker thut, bei denen er daher bisweilen auch schlechtweg den Namen «Rennthier - Verwüster» trägt”). Dort, an der Küste Sachalın’s und im Amur-Limane, habe ich auch selbst auf meinen Winter- reisen Wölfe oder deren Spuren so wie Felle des Thieres bei den Eingeborenen zu wieder- holten Malen gesehen. Auch erzählten mir die Giljaken der'Westküste der Insel am Limane, dass die Wölfe sich bisweilen in Rudeln den Dörfern und einzelnen Häusern der Eingeborenen näherten und ihre Hunde zerrissen. Aber landeinwärts vom Limane, am Amur-Strome wird der Wolf selten, denn dort breitet sich eine unabsehbare dichte Waldung über ein gebirgi- ges Terrain aus und zugleich hat auch das Rennthier an Zahl sehr abgenommen, ohne von einer anderen, entsprechenden Thierart im selben Maasse ersetzt worden zu sein. Wie,sehr hier dieses letztere Moment auf die Häufigkeit der Wölfe von Einfluss ist, hatte ich selbst Ge- legenheit zu bemerken. Im ersten Winter meines Aufenthaltes im Nikolajewschen Posten an der Amur-Mündung waren die Wölfe in der Umgegend sehr selten; im zweiten dagegen. zeigten sie sich im Verhältniss recht oft und wurden zwischen den Dörfern Kalgho und Kalm am Amur von den Giljaken rasch nach einander drei Wölfe erlegt, von denen ich den Schädel des einen Thieres erhielt. Es hatten sich aber in diesem letzteren Winter, zugleich mit dem Erscheinen der Wölfe, nomadische Tungusen mit Rennthierheerden, von Norden

!) Nilsson, Skandin. Fauna. I. p. 225. 2) Bei den Samojeden an der Petschora u. den Ostjaken am Obj. Pallas, Zoogr. Rosso-As. I. p. 36 u. 37.

46 Säugethiere.

kommend, dem Amur-Strome genähert und an den sogenannten Seen Orelj und Tschla ihren zeitweisen Aufenthalt genommen. Auch hatte man zu gleicher Zeit, behufs der Versor- gung der Mannschaften im Nikolajewschen Posten, Rennthiere von Udskoi Ostrog nach der Amur-Mündung getrieben. Die Wölfe hatten sich daher oflenbar im Gefolge der Renn- thiere in grösserer Zahl am Amur eingefunden. Ueberhaupt aber scheint das Amur-Thal, wo es immer noch oflene und minder bewaldete Stellen giebt und wo im Winter die Eisdecke des breiten Stromes und die zahlreichen niedrigen, mit Weidengebüsch bewachsenen Inseln dem Wolfe ein günstiges Jagdterrain bieten, dem Eindringen desselben vom Limane aus und seiner Verbreitung im Lande mehr Raum als die Jandeinwärts liegenden waldigen Gebirge zu geben. Middendorff bemerkt, dass nach Aussage der Nomaden in den Gebirgen zwischen der Uda und Bureja die Wölfe immer zu den Seltenheiten gehört häften und seit den letzten 12 Jahren (vor 1844) sogar ganz verschwunden seien '). Im unteren Amur-Thale aber ist der Wolf, wenngleich selten, doch jedenfalls vorhanden. Auch kennen ihn die Eingeborenen im unteren Amur-Lande durchweg und schätzen seia Fell, wegen eines conventionellen Wer- {hes, den es bei den Mandshu und Chinesen hat, recht hoch. Weiter aufwärts, in der Prairie am Amur und Ussuri und oberhalb dieser, wo wiederum gebirgiges Ufer beginnt, das aber viel lichtere Waldung als im unteren Laufe des Amur-Stromes trägt und auch waldlose Strecken besitzt, tritt der Wolf, bis nach Transbaikalien hinein, wiederum häufiger auf. In diesem oberen und südlicheren Theile des Amur-Stromes bildet aber nicht mehr das Renn- thier, sondern das sehr häufig vorkommende Reh die Hauptbeute des Wolfes. Kehren wir von hier wieder an die Meeresküste zurück, so sehen wir auch dort den Wolf vom Limane nach Süden an Häufigkeit abnehmen. Doch weiss ich von seinem Vorkommen auf dem Con- tinente bis nach Idi, etwas südlich von der Bai Hadshi, wo er aher gewiss noch nicht an seiner Aequatorialgränze steht; und auf der InselSachalin ist er bis an das Südende verbrei- tet. Dort müsste der Wolf seine Aequatorialgränze erreichen, wenn man der Ansicht Tem- minck’s, dass der Japanische Wolf eine besondere Art sei, beistimmen will. Sollte diese Ansicht aber wirklich haltbar sein? Zwar liegt uns kein Material vor, um sie zu widerlegen, doch können wir nicht umhin unsere Zweifel an ihrer Richtigkeit hier auszusprechen. Die Gründe, die Temminck bewogen, im Jamainu der Japanesen nicht mehr die weit verbrei- tete Form des €. lupus L., sondern eine besondere Art, €. hodophilax, anzunehmen, kommen uns jedenfalls nicht hinreichend vor. Bei der ersten Anzeige dieser neuen Art machte Tem- minck auf die grössere Kürze des Schwanzes, die niedrigere Gestalt und die viel stumpfere Schnauze des C. hodophilax als unterscheidende Momente von C. lupus aufmerksam ?), Später, als er in der Fauna Japonica eine Beschreibung und Abbildung dieses Thieres gab°), legte er alles Gewicht auf die geringere Länge der Extremitäten bei C. hodophilax, während er der übrigen Momente, der stumpferen Schnauze und des kürzeren Schwanzes, deren er noch in

I) Sibirische Reise, 1. ec. p. 71. 2) Tijdschr. voor natuurl. Gesch. V. 1839. p. 284. Wiegmann, Archiv für Naturgesch. V. Jahrg. 1839. 2. p. 409.

Wagner, Die Säugethiere von Schreber. Supplbd. Abthl. 2. p. 371. %) Fauna Japonica. Mammalia. Dec. 2, p.38 u. 39. Tab. 9.

Canıs lupus. 41

der Einleitung desselben Werkes erwähnte '), nicht weiter gedenkt. Von dem letzteren giebt er statt dessen das Maass selbst an, welches an dem von ıhm gemessenen Felle, von 3 Fuss 9 Zoll Länge, etwa einen Fuss betragen haben soll ein Verhältniss, das den Maassen an europäischen Thieren jedenfalls so nahe kommt, dass es kein artenunterscheidendes Moment sein kann. Wie dieses Maass, so sind übrigens auch die auf die Gestalt, die Länge und Höhe des Thieres Bezug habenden Maasse an einem Felle genommen und daher höchst unsicher und zu diagnostischen Momenten untauglich. In Beziehnng auf die Gestalt, die kürzeren Extre- mitäten des ©. hodophilax, können daher bloss diejenigen Maasse gelten, welche Temminck an den Knochen des Japanischen Wolfes nehmen konnte. Allein hier lagen ihm bloss ein Radius und eine Tibia vor, die übrigen Theile fehlten und, wie er selbst sagt, konnte er an keinem anderen Theile osteologische Vergleichungen machen. Grössenverhältnisse aber be- dürfen beinahe mehr wie alle übrigen Momente des äusseren oder inneren Baues der Thiere eines reichen Materiales, wenn sie zuverlässige diagnostische Momente der Unterscheidung abgeben sollen, und können daher nicht von einem einzelnen und noch dazu unvollständigen Exemplare entnommen werden. Die Maasse dieser beiden einzigen, der Unterscheidung zu Grunde gelegten Knochen von €. hodophilax giebt Temminck im Vergleiche zu denen von C. lupus folgendermassen an: Radius bei €. hodophilax 7” 6". Tibia bei ©. hodophilax 6" 6". « « €. lupus Yız; « « C. lupus 8” 4”.

Demnach stimmen (©. hodophrilax und C. lupus in der relativen Grösse dieser Knochen ganz überein, indem bei beiden der Radius etwa um einen Zoll grösser ist als die Tibia; der Unterschied zwischen diesen Arten dürfte also nur in der absolut geringeren Grösse dieser Knochen beim Japanischen Wolfe liegen, was’eben die verschiedene Gestalt dieser Thiere be- dingen soll. Ebenso sollen nach Temminck auch die Metacarpal- und Metatarsalknochen bei C. hodophilax kleiner als bei €. lupus sein. Bei solchem Zusammenstimmen der relativen Grössen liegt aber der Gedanke nahe, dass Temminck’s C. hodophilax nur ein kleineres Exemplar von C. lupus gewesen sei. Ob übrigens auf die oben angeführten Grössenangaben überhaupt viel Gewicht zu legen sei, erscheint uns noch zweifelhaft. Ich habe an einem kau- kasischen Exemplare des gemeinen Wolfes in unserem Museum folgendes Grössenverhältniss zwischen dem Radius und der Tibia gefunden:

Radius bei €. Zupus 7” 9 (Pariser M.) Tibia bei €. Iupus 8” 6". Ferner giebt Nilsson’) bei Ausmessung eines Skelettes aus Schweden an: Radius bei €. Iupus 8” 2”. Tibia bei €. lupus 9” 2”.

In diesen beiden Fällen findet also das direete Gegentheil von der Angabe Temminck’s statt, indem die Tibia etwa um einen Zoll länger als der Radius ist. Es scheint daher in den Grössenverhältnissen dieser Knochen eine so grosse Variabilität zu herrschen, dass sie nicht zu diagnostischen Momenten gebraucht werden können. Damit fällt aber auch der einzige

1) Dec. 1. p. 5. 2) Skandin. Fauna. I. p. 221 u. 222.

48 - Säugethiere.

Unterschied zwischen den beiden Arten C. hodophilax und C. lupus weg. Denn dass in der Farbe, im äusseren Habitus oder in der Lebensweise ein erheblicher Unterschied zwischen dem ge- meinen und dem Japanischen Wolfe stattfände, stellt Temminck selbst in Abrede. Von der Farbe und Zeichnung des letzteren bemerkt er selbst, dass sie von der des europäischen Wol- fes nur wenig verschieden seien, und die nähere Beschreibung des Japanischen Wolfes weiss in der That kein Moment der Verschiedenheit anzugeben und passt auf den europäischen Wolf vollkommen. ‘Weniger die Abbildung; allein diese ist gegen die Beschreibung entschieden zu dunkel gehalten und bringt einen fremdartigen, röthlichen Farbenton hinein, welcher nach der Beschreibung dem Thiere nicht zukommt. Es dürfte daher richtiger sein den Japanischen Wolf, so lange keine Momente specifischer Verschiedenheit desselben vom europäischen nach- gewiesen sind, mit diesem, auf Grundlage gleicher Farbe und Zeichnung beider Formen, in eine Art zu vereinigen. Die Verbreitung von €. lupus L. im Osten Asien’s ginge alsdann von Sachalin und den Kurilen südwärts auch auf die Japanischen Inseln hinüber.

14) Canis alpinus Pall. Taf. 1.

Bei den Giljaken des Continentes: tschoramlatsch. “au « der Insel Sachalın: tschehodamlatsch. « « Mangunen, Golde, Kile am Gorin und Kur, Orotschonen: dshargul.

Dieses zuerst von Pesteref') unter dem Namen «rother Wolf» aus dem Altaischen Ge- birge am Us, einem Nebenflusse des Jenissei, erwähnte, von Pallas und später von Gebler beschriebene Thier kommt auch im Amur- Lande vor, wird aber einer abergläubischen Furcht wegen, welche die Eingeborenen vor demselben haben, von ihnen in der Regel nicht gejagt. Es ist mir daher auch nicht möglich gewesen mehr als ein einziges Fell dieses Thieres zu erhalten. Dieses rührte aus dem Geong-Gebirge her und wurde mir von den Golde im Dorfe Dshare am Amur gebracht. Da die Beschreibungen von Pallas und Gebler die einzigen sind und das Thier noch wenig bekannt ist, will ich von dem aus dem Amur-Lande mitgebrachten Felle eine genauere Beschreibung geben. Im Wesentlichen stimmt es mit der Beschreibung, die Pallas gab), überein. Der Kopf ist kurzhaarig, fahlroth, schwarz gestichelt, indem die einzelnen Haare entweder im oberen und unteren Drittheil schwarz, in der Mitte rötltlich, oder aber durchweg röthlich und nur an der Spitze schwarz sind. Die Oberlippe, der Unterkiefer und die Kehle sind schmutzig weiss; die Barthaare heller und dunkler braun. Die Ohren etwa von der Länge wie beim Wolfe, innen schmutzig weiss, aussen fahlröthlich- grau, schwarz gestichelt, am Rande kurzhaarig, vorn mit unregelmässiger , unterbrochener, schwarzer Binde versehen. Der Rumpf ist langhaarig, fahlroth, schwarz gestichelt, zumal auf dem Rücken; nach den Seiten und dem Bauche zu heller, mit weniger Schwarz, unten schmutzig

I) Bereisung der Sinesischen Gränze. Busse, Journal von Russland Bd. 2. Jan. —Juni, 1794. p- 23% 2) Zoographia Rosso-Asiatica. I. p. 34 u. 35.

Canis alpınus. 49

gelblichweiss. Das Wollhaar am Rumpfe hellgelblichgrau, auf dem Rücken dunkler, nach den Seiten und dem Bauche zu heller. Die Contourhaare sind meist verschiedenfarbig gerin- gelt: auf dem Rücken in der Regel an der Basis weisslich, dann schwärzlich, dann röthlich, an der Spitze schwarz; bisweilen, jedoch selten, in ihrer ganzen Länge schwarz, indem die röthlichen Ringe sehr klein werden oder auch ganz verschwinden; an den Seiten und nach dem Bauche zu nimmt das Schwarz an den Contourhaaren mehr und mehr ab, es wird blas- ser, erstreckt sich über einen kürzeren Theil der Haarspitze und dagegen nehmen das Röth- lichgelb und Weiss an Ausdehnung zu, bis zuletzt die Haare entweder nur noch eine blass schwärzliche Spitze behalten oder, was zumeist am Bauche der Fall ist, in ihrer ganzen Länge gelblich und weisslich werden. Die Beine sind aussen fahlroth, innen weisslich. Der Schwanz ist buschig behaart, gelblich grau, mit Schwarz stark untermischt, an der Spitze ganz schwarz; die einzelnen Haare wie am Rumpfe geringelt, aber mit vorherrschendem Schwarz, bisweilen ganz schwarz. Am ganzen Körper finden sich hin und wieder ganz weisse Haare einge- streut. Vergleicht man unser Amur-Exemplar von C. alpinus mit einem von Gebler aus dem Altaischen Gebirge unserem Museum zugestellten Thiere, so findet man ersteres viel dunkler, röther und mit mehr Schwarz versehen, welches letzterem beinahe ganz fehlt. Dieses ist sehr hell, vielleicht auch in Folge langer Aufbewahrung im Museum schon zum Theil ver- blichen. Es ist auf Kopf und Rumpf fahlgelb, nur auf der Schnauze, auf dem Rücken und an den Aussenseiten der Vorderbeine etwas mehr röthlich. Die Oberlippe, das Kinn, der Bauch und die Innenseiten wie die Enden der Extremitäten sind weiss. Der Schwanz ist gelb und grau gemischt, an der Spitze schwarz. Das Wollhaar ist schmutzig gelblich ; die Contour- haare entweder wie bei unserem Amur-Exemplare schwarz und gelb geringelt, aber mit be- deutend schwächerem Schwarz, oder auch ganz gleichfarbig gelblich und weisslich, welches Letztere selbst auf dem Rücken zum Theil der Fall ist. Am Schwanze herrscht das Schwarz an den Contourhaaren bloss gegen das Ende des Schwanzes vor. Was die Grössenverhältnisse des Thieres betriflt, können weder das Fell des Amur-Exemplares, noch das ausgestopfte Thier vom Altaischen Gebirge zuverlässige und gültige Maasse bieten, da Manches auf Rech- nung des gereckten Felles geschrieben werden dürfte. Gleichwohl theile ich sie in Ermange- lung anderer mit:

Amur. Altai. Länge des ganzen Körpers von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel 1240 Millim. 1120 Millim. « des Schwanzes ohne Haarbüschel am Ende desselben ..... 410 « 460 « « des Haarbüschels am Schwanzende .... 2.2... 22202... 140 « 140 « @Gmmder’ Ohren ; 1. 2 5:. 2. 2W HE E lala ee 90 «, 35 «

Die Länge der einzelnen Schwanzhaare habe ich am Amur-Exemplare bis zu 165 Millim. gefunden. Diese Maasse stimmen mit den von Pallas ebenfalls nach Fellen angege- benen sehr überein.

In Beziehung auf die geographische Verbreitung von €. alpinus im Amur-Lande ist es

mir gelungen von den Eingeborenen zahlreiche Nachrichten über das Vorkommen dieses Thieres Schrenck Amur-Reise Bd. I. 7

50 Säugethiere.

zu erhalten. Sie bestätigen die Vermuthung Middendorff’s, dass dieses Thier erst weiter süd- wärts vom Stanowoi-Gebirge am Amur in grösster Häufigkeit vorkomme '). Doch stimm- ten die Ansichten der Eingeborenen alle darin überein, dass es nicht im Flachlande, son- dern in den Gebirgen seinen Aufenthalt habe, wo es in Rudeln, die bisweilen sehr zahlreich sein sollen, zusammenhalte. Diese grössere Anzahl der Alpenwölfe vor den gemeinen im Amur-Lande, so wie ihr Vorkommen im Gebirge, wohin die Jäger im Winter nur einzeln oder in kleinen Gesellschaften hinkommen, mögen auch die Hauptveranlassung für die Furcht der Eingeborenen vor diesem Thiere sein. Als Bewohner der Gebirge ist mir €. alpinus von den Eingeborenen im Laufe des ganzen Amur-Stromes und vieler seiner Zuflüsse genannt worden; so am oberen Amur, in den Gebirgen am Ussuri, im Geong-Gebirge, in den Ge- birgen am Ssedsemi, Chongar, Gorin, Chelasso und Jai und im gesammten, gebirgigen Mündungslande des Amur-Stromes. Desgleichen erfuhr ich von seinem Vorkommen in dem Küstengebirge am Amur-Limane und dem Meere der Tartarei bis nach Idi, dem südlich- sten Punkte der Meeresküste, über den ich Nachrichten einziehen konnte. Nicht minder wie auf dem Continente war C. alpinus den Giljaken auf der Insel Sachalin bekannt, wo er ebenfalls in grosser Zahl in den Gebirgen vorkommen soll. Bei den Giljaken der Insel und des Continentes fand ich auch die Furcht vor diesem Thiere am grössten und weit stärker als bei den tungusischen Amur-Völkern, was vielleicht auf dem Umstande beruhen mag, dass die Giljaken überhaupt zu abergläubischer Furcht mehr als ihre tungusischen Nachbaren geneigt sind und dass sie weit weniger als diese mit der Jagd sich beschäftigen, welche sie auch dieses gefürchtete Thier zu überwinden lehren müsste. Nach Süden von Sachalin, auf den Japanischen Inseln wird uns der Alpenwolf nicht genannt. Er dürfte daher auf Sacha- lin seine Aequatorialgränze erreichen. Wie weit nach Süden er auf dem Continente geht, lässt sich nach den bisherigen Erfahrungen nicht bestimmen. Nach Norden aber scheint €. alpinus die Gränze seiner Verbreitung bald zu erreichen. Wie erwähnt, fanden ihn Pesteref und Gebler im Altaischen Gebirge. Pallas hatte auch Felle von Udskoi Ostrog und von der oberen Lena. Im Stanowoi-Gebirge dagegen fand Middendorff niemals Spuren des Alpenwolfes, und hatten die Nomaden daselbst auch nur wenig Kenntniss von demselben. Noch andere, nördlichere Fundorte als die erwähnten sind uns bisher nicht bekannt. Es scheint daher €. alpinus Pall. eine dem mittleren Asien eigenthümliche Form zu sein, welche wenig nordwärts sich verbreitet, ostwärts dagegen über die ganze Strecke vom Altaischen Gebirge durch das Amur-Land und die anliegende Insel Sachalin bis an das Ochotskische Meer sich hinzieht.

15) Canis vulpes L.

Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: Fuchs überhaupt: käkch.

!) Sibirische Reise, 1. c. p. 71.

Canis vulpes. 51 Rother Fuchs: pasnga'). Kreuzfuchs: pasnga-pladf. Schwärzlicher Fuchs (Var. nigro-argentea Nilss.): pladf. Schwarzer Fuchs: hädf. Bei den Giljaken des Innern und der Ostkuste vonSachalin: Fuchs überhaupt: paghlant und paghlantsch (d. h. der Rothe). Die Var. wie bei den Giljaken des Continentes.

Bei den Mangunen: Fuchs überhaupt: s’ull.

Rother Fuchs: chyldagdä. Kreuzfuchs und Schwärzlicher F Be y Schwarzer Fuchs: awata. Bei den unteren Golde bis zum Geong-Gebirge und Samagern: Fuchs überhaupt: s’ole. Die Var. wie bei den Mangunen. Bei den Golde zwischen dem Geong-Gebirge und Ussuri: Fuchs überhaupt: s’ole. ‚Rother Fuchs: chyldagdä. Kreuzfuchs und Schwärzlicher Fuchs Schwarzer Fuchs: awata.

} ketschere.

Bei den Kile am Kur: Fuchs überhaupt: s’olakr.

Rother Fuchs: chyldagdä. Kreuzfuchs und Schwärzlicher Fuchs } euere. Schwarzer Fuchs: awata. Bei den Orotschen der Meeresküste: chole. « « Golde oberhalb des Ussuri, Biraren, Monjagern, Orotschonen: s’olakı. « « Dauren: chungu.

Der Fuchs kommt in allen Farbenvarietäten im Amur-Lande vor. Ich;habe heller und dunkler rothe Füchse, Kreuzfüchse, mehr oder minder schwärzliche, auf der Oberseite weiss gestichelte (Var. nıgro-argentea Nilss.) und ganz schwarze, nur mit weisser Schwanzspitze versehene Thiere gesehen. Die Eingeborenen belegen diese Zeichnungen des Fuchsfelles mit verschiedenen Namen, da sie auch im Handel einen verschiedenen Werth haben. Als regel- mässiger Handelsartikel mit den Mandshu, Chinesen und Japanesen hat das Fuchsfell überhaupt für die Eingeborenen des A mur-Landes nächst dem Zobel und der Flussotter die grösste Bedeutung, da diese drei Pelzwerke allein den beständigen Handel bilden, alles Uebrige dagegen entweder von all zu geringem Werthe ist, oder gar zu selten vorkommt, um von Be-

I) Das s ist weich auszusprechen.

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52 Säugelhiere.

deutung für den Handel zu sein. Mehr über die relative Werthschätzung des Fuchsfelles und seiner verschiedenen Varietäten im Handel der Eingeborenen werde ich im ethnographischen Bande meiner Reisebeschreibung sagen. Zoologisch unterliegt es keinem Zweifel, dass es die bekannten Varietäten von C.vulpes L. sind. Desgleichen zeigt ein Schädel des gemeinen Fuch- ses, den ich aus dem unteren Amur-Lande mitgebracht habe, dieselben Verhältnisse wie beim europäischen Thiere.

Der Fuchs ist im gesammten mir bekannten Theile der Mandshurei verbreitet und überall häufig. Ich konnte mich durch Felle, die ich bei den Eingeborenen sah, durch wie- derholtes Begegnen mit dem Thiere selbst oder dessen Spuren und durch Erzählungen der Eingeborenen von seinem Vorkommen am gesammten Amur-Strome und dessen Zuflüssen wie an der Meeresküste bis südlich von der Bai Hadshi und auf der ganzen Insel Sachalin überzeugen. Oefter als gewöhnlich schienen mir die mehr oder minder schwarz gezeichneten Varietäten vorzukommen. Namentlich soll die Insel Sachalin an schwarzen Füchsen beson- ders reich sein. Von dieser dem Norden eigenthümlichen Varietät erzählt Pallas'), dass sie auf den Adrianowschen oder Fuchs-Inseln beinahe zahlreicher als die rothe Färbung sei. Ferner berichtet Steller, dass die schwarzen Füchse Kamtschatka’s, deren zu seiner Zeit noch viele jährlich in die Kasse einliefen, zumeist von den Oluforschen Korjaken (an der Ostküste Kamtschatka’s) kämen und dass namentlich auf einer der Olutorschen Bucht ge- genüber, auf etwa zwei Meilen Entfernung vom Lande gelegenen Insel (wohl der Insel Ka- raginskoi) durchgehends schwarze Füchse und in grosser Menge vorkommen sollen°). Es scheint daher jenes Insel- und Küstengebiet im Nordosten Asien’s der Entwickelung der schwarzen Varietät des Fuchses hauptsächlich günstig zu sein. Südlich von Sachalin, auf den Japanischen Inseln ist der gemeine Fuchs, nach Siebold, durchweg verbreitet und steht bei den Japanesen in hohem Ansehen, indem zur Verehrung desselben eigene Tempel errichtet werden®) ein Cultus, den ich bei den Giljaken auf Sachalin und im Amur- Lande nirgends gefunden habe.

16) Canis lagopus L.

In Siebold’s Fauna Japonica findet sich die Bemerkung, dass der Polarfuchs, €. lago- pus L., die Kurilischen Inseln (wohl die südlichen, japanischen) bewohne und im Winter dort von ganz weisser Farbe sei‘). Im Amur-Lande und auf der Insel Sachalin konnten mir die Eingeborenen kein Beispiel von seinem Vorkommen anführen; das Fell dieses Thieres, das ich ihnen zeigte, war ihnen ganz unbekannt, und meine Behauptung, dass es eine weisse Fuchsart sei, wollte bei ihnen durchaus keinen Glauben finden. Auf diesem Wege, über Sa-

un TE 2 2

!) Zoographia Rosso-Asiat. I. p- 48

2) Beschreibung von dem Lande Kamtschatka, Frankfurt und Leipzig 1774. p. 124. °) Fauna Japonica. Mammalia. Dee. 2. p. 40.

*) Fauna Japonica. Mammalia. Dec. 2. p- 40.

Canıs lagopus. C. procyonotdes. 53

chalin, kann also der Polarfuchs nicht nach den Japanischen Kurilen gelangt sein. Es bleibt ihm daher, wenn er wirklich auf den Japanischen Kurilen vorkommen sollte, kein anderer Weg als der von Kamtschatka längs der Kette der nördlichen, russischen Kuri- len übrig. Und dass er auf diesen letzteren ebenfalls nicht vorkommt, sondern nur durch Verwechselung mit C. vulpes irriger Weise von Einigen als Bewohner dieser Inseln angeführt worden, ist durch die kritische Beleuchtung der bisherigen Erfahrungen über diesen Gegen- stand von Hrn. Akad. v. Baer hinlänglich erwiesen worden'). Wir sehen uns daher genöthigt die Richtigkeit der oben erwähnten Angabe Siebold’s entschieden in Zweifel zu ziehen.

17) Canis procyonoides Gray. Taf. II. fig. 1 u. 2. Taf. IV. fig. 1. Taf. V.

€. (Nyetereutes ) viverrinus Temm. Van der Hoeven en Vriese, Tijdschr. voor natuurl. Geschied. V. p. 285. Siebold, Fauna Japonica. Mammalia. Dec. 2. p. 40. Tah. 8. €. drachyotos Blainville, Osteographie des Carnass. Heft 13. p. 47.

Bei den Giljaken: jandak. « « Mangunen, Golde, Samagern: jandako. « « Biraren: jandako und ölbiga. | « « Monjagern: ölbiga.

Im Amur-Lande lernte ich eine bei den Eingeborenen unter den oben angeführten Na- men bekannte Hunde-Art kennen, welche ich auch selbst in zwei lebenden Individuen zu be- kommen Gelegenheit hatte und von der ich 5 Felle, 2 Schädel und ein Skelett mitgebracht habe. An diesen in verschiedenen Jahreszeiten erhaltenen, unter einander nach Farbe und Zeichnung zum Theil abweichenden, aber sämmtlich dem Jandako der Golde angehörenden Fellen lassen sich nun theils C. procyonoides Gray, theils €. viverrinus Temm., theils Mittel- und Zwischenfärbungen erkennen. Ich sehe mich daher nach genauer Vergleichung und Prü- fung der unterscheidenden Charaktere genöthigt diese beiden Arten in eine einzige zusammen- zuziehen, für welche ich den älteren und bezeichnenderen Namen C. procyonoides Gray bei- behalten will. Es ist, wie unser Material lehrt, eine in ihrer Färbung nach den Jahreszeiten und ausserdem auch local ziemlich stark variirende Form, welche bei mangelhaftem Materiale leicht in mehrere Arten zersplittert werden kann, wie es denn auch in der That geschehen ist. In Folgendem will ich daher zuerst die Identität dieser vermeintlich verschiedenen Arten darzuthun und alsdann eine ausführlichere Beschreibung dieser interessanten und bisher noch wenig bekannten Form nach dem uns hinsichtlich derselben zu Gebote stehenden, gegenwärtig wohl reichsten Materiale zu entwerfen suchen.

Die erste Kenntniss von dieser Thierart verdanken wir einer Abbildung von C. procyo- noides Gray in den Illustrations of Indian Zoology chiefly selected from the collection of Maj. Gen. Hardwicke by J. E. Gray, London 1834. Vol. II. Tab. 1. und einer etwas später in dem Magaz. of natur. hist. conducted by Edw. Charlesworth, 1837. p. 578. von Gray

1) Bull. scient. publie par l’Acad, des sciences de St. Petersb. T. IX. p. 94.

54 Säugelhiere.

gelieferten dürfligen Diagnose dieses Thieres. Dies ist denn bisher auch das Einzige, was über die Art €. procyonoides Gray bekannt geworden ist. Zwei Jahre später kündigte Temminck in van der Hoeven’s und Vriese’s Tijdschrift vor natuurl. Geschied. en Physiol. Bd. V. 1839. p. 285'), nach den von Siebold aus Japan mitgebrachten Materialien, eine neue Hunde-Art, €. viverrinus, an, welche mit €. procyonoides Gray in aller Hinsicht gleich ge- formt und nur durch die Färbung specifisch verschieden sein sollte. Beide Arten sollten nach Temminck durch eine geringe Anomalie in der Zahnbildung von dem Geschlechte der Hunde zum Theil abweichen und eine besondere Gruppe bilden, fir die er den Namen Nyetereutes vorschlug. Worin aber diese angebliche Verschiedenheit der Färbung beider Arten bestand, gab Temminck zunächst nicht an, und blieb somit die genaue Beschreibung der neuen Art der Publication der Japanischen Materialien vorbehalten. Inzwischen entwarf A. Wagner’) eine ausführliche Beschreibung von (. viwerrinus Temm., nach einem im Münchner Museum aufgestellten, aus Japan stammenden Exemplare. Ein Jahr später gab Temminck selbst in der Fauna Japonica eine Abbildung vom Winterfell und Schädel des Thieres, blieb jedoch die nähere Beschreibung schuldig, da der bisher publicirte Text der Fauna Japonica im Beginne der Beschreibung von €. (Nyctereutes) viverrinus abbricht”) und wir daher, ausser der in der Vorrede desselben Werkes‘) enthaltenen Wiederholung einer angeblichen Verschiedenheit zwischen C. procyonoides und C. viverrinus, über die letztere Art nichts Näheres erfahren, Statt dessen kündigte uns aber die Fauna Japonica an, dass es ausser den beiden genannten Arten inJapan noch eine dritte Art derselben Gruppe gebe, den Mami-Tanuki der Japanesen, von der wir jedoch nichts weiter erfahren und die von Temminck glücklicherweise auch keinen systematischen Namen erhalten hat. Endlich theilte Blainville im Jahre 1843 in seiner Osteographie des Carnassiers auch einige osteologische Bemerkungen über diese Form und zwar nach einem Exemplare des Pariser Museums mit, welches durch Temminck’s Vermittelung aus Japan stammte°). Es muss demnach €. viverrinus gewesen sein, da Tem- minck. nach seiner eigenen Behauptung‘), von C. procyonoides ausser einem sehr mitgenom- menen Felle keine Exemplare aus Japan hatte. Dennoch erwähnt Blainville dieses Namens gar nicht, sondern spricht von dem Thiere unter der Bezeichnung C. procyonoides ou Chien du Japon , der wegen seiner kurzen Ohren auch den Namen (. brachyotos erhalten haben soll”). Blainville scheint daher die Identität dieser Formen ohne Weiteres anzunehmen. Doch ist uns der Name C. brachyotos sonst nirgends vorgekommen.

Das ist Alles, worauf sich unsere bisherige Kenntniss der Gruppe Nyectereutes Temminck’s

I) Vergl. auch Wiegm. Archiv für Naturgesch. Jahrg. V. 1839. Bd. Il. p. 409. Desgl. Schmarda, Die geogr. Verbreitung der Thiere. Wien 1853. Bd. II. p. 257 u. a. m.

2) Die Säugethiere von Schreber. Supplbd. Abthl. 2. p. 438.

®) Fauna Japonica. Mammalia. Dec. 2. p. 40.

*) 1. c. Dec. 1. p. 3.

°) Blainville, Osteogr. Heft 13. p. 154.

6) Fauna Japonica l. c. Dec. 2 p- 40.

7) 1. c. p. 47.

Canis procyonoides. 3 beläuft. Eine vergleichende Gegeneinanderhaltung beider Formen hat wegen des mangelnden Materiales bisher noch nicht vorgenommen werden können. Denn Wagner, dem ein Exem- plar von (©. viverrinus vorlag, kannte von C. procjonoides nur die Abbildung und dürftige Diagnose Gray’s, die ihm zur Unterscheidung der Formen ebenfalls ungenügend erscheint, und verlässt sich daher bloss auf die «Versicherung» Temminck’s, dass diese Arten verschie- den seien. Temminck aber behauptet freilich in der Tijdschrift, dass diese Formen der Fär- bung nach hinlänglich von einander verschieden seien, um getrennte Arten bilden zu können, führt aber in der Fauna Japonica selbst an, dass er von C. procyonoides nur ein unvollständi- ges und sehr mitgenommenes Fell (une peau mutilee et fort endommag£e) in einer Sendung aus Japan erhalten habe, das nur hinreiche ihn über das Vorkommen dieser Art in Japan zu belehren, im Uebrigen aber ihn nöthige für diese Species auf die Abbildung Gray’s zu verweisen.

Fragen wir nun worin nach den bisherigen Beschreibungen und Abbildungen dieser bei- den Arten die angebliche Verschiedenheit derselben besteht? Temminck sagt bei Ankündi- gung seiner neuen Art ausdrücklich, dass die Verschiedenheit bloss in der Färbung beruhe. Wir dürfen die speeilischen Unterschiede daher nicht etwa in der allgemeinen Gestalt oder in der Form und den Grössenverhältnissen einzelner Theile suchen. Wenn daher Giebel"), aus den oben angegebenen einzigen Quellen schöpfend, angiebt, dass C. procyonordes, der Hatsi- monsi der Japanesen, eine spitzere Schnauze als €. viverrinus, der Tanuki der Japanesen, habe, so findet man dafür bei Temminck gar keine Begründung, es sei denn, dass Temminek’s Abbildung von (©. viverrinus ein Thier mit längerer und deshalb minder rasch zugespitzter Schnauze als Gray’s Abbildung von C. procyonordes darstellt, worin wir jedoch Temminck, nach Vergleichung der von ihm gegebenen Schädelabbildung mit den von uns mitgebrachten Schädeln, welche der Form C. procyonoides angehören, nicht beistimmen können. Es liessen sich ja nach den erwähnten Abbildungen noch manche Verschiedenheiten der Form zwischen diesen beiden Thieren herausfinden, wie z. B. die mehr gestreckte Gestalt und der längere Schwanz von (. viverrinus im Vergleich zu C. procyonoides u. dgl. m., da die beiden Abbildun- gen uns überhaupt zwei auf den ersten Blick sehr weit von einander verschiedene Thiere vor- führen. Allein solche Folgerungen sind, bei Temminck’s eigener Behauptung vollkommener Uebereinstimmung beider Arten in allen Punkten mit Ausnahme der Färbung, ganz unzulässig. Wir sind daher genöthigt anzunehmen, dass die Abbildungen den Charakter der Thiere nicht getreu genug wiedergeben. Namentlich muss ich aus eigener Bekanntschaft mit dem lebenden Thiere Temminck’s Abbildung, welche vermuthlich nach einem Balge entworfen ist, für sehr verzeichnet erklären und Gray’s Abbildung dagegen bei weiten den Vorzug geben. Ferner dürfen wir aber eben so wenig wie aus den Abbildungen auch aus den von Wagner und Gray angegebenen Maassen eine Verschiedenheit in den Grössenverhältnissen beider Arten zu finden erwarten. Denn die von Wagner für C. viverrinus mitgetheilten Maasse sind einem

!) Die Säugethiere in zoolog. anatom. u. palaeontol. Reziehung. Leipzig 1825. p. 826.

56 Säugethiere.

Balge entnommen, welcher verschiedentlich gereckt sein konnte, und die von Gray für C. procyonoides angegebenen sind so ungenau, dass sie nicht zur Vergleichung dienen können. So führt Gray z.B. nicht an, ob er die Länge des Schwanzes mit oder ohne Endhaare gemes- sen habe, was bei einem Thiere mit buschig behaartem Schwanze einen bedeutenden Unter- schied macht. Uebrigens stimmen diese Grössenangaben auch noch ziemlich mit einander überein, und es bleibt uns daher um so weniger Zweifel übrig, Temminck’s Ausspruch, dass die beiden Arten in jeder Hinsicht mit Ausnahme der Färbung übereinstimmten , beizutreten.

Was nun aber die Färbung, dieses angeblich allein unterscheidende Moment beider For- men, betrifft, so muss zunächst bemerkt werden, dass Temminck angiebt, die Färbung bei- der Arten sei im Sommer und Winter eine verschiedene'). Wo nun eine Form im Sommer und Winter verschiedene Färbungen hat, da muss es je nach den Jahreszeiten auch zahlreiche Uebergänge und Zwischenfärbungen geben, welche zunächst leicht für besondere Arten ge- halten werden können. Temminck selbst sieht sich daher genöthigt, zwei von den Japane- sen unterschiedene Formen, den Tanuki und Musina-Tanuki derselben. als Winter- und Som- merfärbungen einer und derselben Art, C. viwerrinus, zusammenzuziehen”). An solehen Formen dürfte es denn auch von Hause aus sehr gewagt erscheinen, bloss auf die Färbung hin ver- schiedene Arten zu begründen, es sei denn, dass einmal die Verschiedenheiten der Färbung äusserst praegnant und dass ferner die Uebergänge und Zwischenfärbungen innerhalb einer jeden Art erschöpfend bekannt seien. Dass Letzteres hinsichtlich der Nyetereutes-Arten nicht der Fall sein kann, versteht sich bei dem oben erwähnten mangelhaften Materiale, das über dieselben bisher vorlag, von selbst. Aber auch Ersteres findet bei denselben durchaus nicht statt. Denn vergleicht man die einzigen Beschreibungen dieser Thierarten, Gray’s Diagnose von (. procyonoides und Wagner’s Beschreibung von C. viverrinus, so findet man für beide Thiere dieselbe Grundfarbe, ein schwarz gesticheltes Graubraun, dieselbe schwarzbraune Zeichnung der Wangen und Extremitäten angegeben, und es bleibt in Beziehung auf die Färbung bloss der Unterschied, dass €. procyonoides am Schwanze weiss-, C. viverrinus schwarz- gespitzte Haare haben soll ein Unterschied. der bei Thieren mit überhaupt gemischter, weisslich und schwärzlich gespitzter Behaarung, gewiss sehr prekär ist. Wenden wir uns aber mit diesem einzigen, aus den Beschreibungen zu entnehmenden diagnostischen Momente der verschiedenen Arten an die Abbildungen, so überrascht es uns hier bei €. procyonoides am buschigen Schwanze nicht weiss-, sondern ebenfalls deutlich schwarzgespitzte Haare zu sehen. Und so fallen denn die angeblichen Verschiedenheiten in der Färbung ganz weg. Halten wir aber ferner auch die von Temminck und Gray gelieferten Abbildungen dieser Thiere hin- sichtlich der Färbung gegen einander. Auf den ersten Blick scheint es allerdings, dass diese Abbildungen , abgesehen von der Gestalt und den Grössenverhältnissen, die wir schon oben besprochen haben, auch in der Färbung sehr verschiedene Thiere darstellen. Vergleicht man sie aber genauer, so findet man an beiden fast genau dieselbe Zeichnung wieder: dieselbe

!) Tijdsehrift voor natuurl. Geschied. 1. c. Fauna Jap. Mammalia. Dec. 1. p. 5. 2) Fauna Jap. Mammalia. Dec. 2. p- 40.

Canis procyonoides. 97

hellere Farbe der Stirne und dunkelbraune Zeichnung der Wangen, denselben hellen Fleck am Halse, dasselbe braune Band am Widerrist, das von der dunklen Mittellinie des Rückens zu den vorderen Extremitäten hinabsteigt, dieselbe hellere Farbe hinter diesem Bande, dieselbe dunkelbraune Zeichnung des hinteren Randes der Hinterschenkel und der Schwanzwurzel, dieselbe dunkelbraune Farbe der Extremitäten u. s. w. Der einzige Unterschied dürfte sich nur darin finden lassen, dass bei ©. viverrinus, nach Temminck’s Abbildung, die Seiten des Leibes eine dunklere Färbung als bei ©. procyonoides haben, wodurch sowohl der helle Fleck hinter den Schultern des Thieres, als auch die hellere Zeichnung der Hinterschenkel markir- ter und deutlicher hervortreten. Dass aber auch bei C, procyonoxdes eine dunklere Farbe von der Mittellinie des Rückens sich zum Theil nach den Seiten hinabzieht, giebt auch Gray’s Abbildung zu erkennen. Der erwähnte Unterschied in der Färbung beschränkt sich also bloss darauf, dass dieselbe Zeichnung bei einem Thiere etwas mehr, beim anderen etwas weniger ausgesprochen ist, was unmöglich Grund zur speeifischen Trennung der Formen abgeben kann. Dazu muss ich vorgreifend bemerken, dass Temminck’s Abbildung dieses Verhältniss der Zeichnung markirter, Gray’s Abbildung dagegen verwischter darstellt, als an irgend einem meiner Exemplare der Fall ist, und dass diese selbst wieder unter einander wie in diesem, so auch in anderen Punkten der Zeichnung mannigfach variiren. Zudem endlich hebt ja Temminck selbst hervor, dass diese Thiere im Sommer und Winter ein verschiedenes Kleid haben, und von Gray’s Abbildung wissen wir nicht, von welcher Jahreszeit es das Thier dar- stellt. Und so drängt sich uns schon aus der Vergleichung der bisherigen Beschreibungen und Abbildungen von C. procyonoides Gray und C. viverrinus Temm. die Ueberzeugung von ihrer speeifischen Identität auf, eine Ueberzeugung, welche sich nun ferner durch die aus dem Amur-Lande mitgebrachten Exemplare auch in positiver und directer Weise begründen lässt, „Dabei sind die Amur-Exemplare, indem sie uns über die Identität zweier vermeintlich verschiedener Arten belehren, zugleich auch geeignet uns mit einer ziemlich ansehnlichen Variation dieser noch sehr wenig gekannten Thierart bekannt zu machen. Gehen wir daher zur ausführlicheren Beschreibung derselben über.

Zwei von der Mündung des Amur-Stromes durch Vermittelung der Giljaken aus dem oberen Amur-Lande von mir erhaltene Felle, lehren uns das Thier im Winterkleide kennen. Diese beiden Felle stimmen mit Temminck’s Abbildung und Wagner’s Beschreibung von C. viverrinus sehr und mit Gray’s Abbildung von C. procyonoides theilweise überein. Die Hauptfarbe derselben (Taf. IM. fig. 1.) ist licht gelblich bräunlich, an dem einen Exemplare mit intensiverem gelblichen Farbentone, wie in Temminck’s Abbildung, an dem anderen mit blasserer , graugelblicherer Tinte, wie in Gray’s Abbildung, und an beiden mit gleicher sehwarzbrauner, gelblich und schwarzgestichelter Zeichnung. Der Kopf ist an der Schnauzen- spitze, auf dem Nasenrücken und der Stirne graugelblich; an den Lippen heller, auf dem Na- senrücken dunkler mit etwas röthlicher Einmischung; auf der Stirne etwas dunkler als über den Augen. Die Bartborsten sind schwarzbraun. Vor und unter dem Auge entspringt ein schwarz-

braunes Band, welches unter dem Auge wegläuft, dieses nach oben ebenfalls mit einem schma- Schrenck Amur-Reise Bd. I. 8

58 Säugethrere.

len Streifen umgebend, und an den Halsseiten, indem es zugleich auch gegen das Ohr in einem verwaschenen Streifen vorspringt, allmählig blasser wird und verschwindet. Diese Farbe und Zeichnung des Kopfes ist genau und viel besser von Gray am (. procyonoides als von Tem- minck am (. viverrinus dargestellt. Nach dem Scheitel zu wird die gelblichgraue Farbe der Stirne allmählig dunkler graubräunlich, wie es ebenfalls an Gray’s Abbildung zu sehen ist. Das entsteht dadurch, dass die Deckhaare, welche auf dem Nasenrücken in ihrem unteren Theile braun, im oberen weisslich und gelblich, mit kaum merklichen braunen oder schwärz- lichen Spitzen gezeichnet sind, auf der Stirne und nach dem Scheitel zu allmählig längere schwarze oder richtiger schwarzbraune Spitzen bekommen und zugleich auch durch die min- der anliegenden Deckhaare das braune Wollhaar stärker durchschimmert. Die Ohren sind ziemlich kurz, aussen graubräunlich, innen schmutzig gelblichgrau, am Rande und hinten an der Ohrwurzel schwarzbraun. Unterhalb der Ohren befindet sich ein heller Backenbart aus verlängerten Haaren, welche entweder in ihrer ganzen Länge weisslich oder gelblich, oder aber an ihrer Basis bräunlich, im oberen Theile weisslich oder gelblich und an der Spitze bis- weilen wiederum bräunlich oder schwärzlich gezeichnet sind. Das Rumpfstück beider Felle ist licht gelbbräunlich mit folgender markirter Zeichnung. Vom Nacken an verläuft eine un- regelmässige schwärzliche Binde längs der Mittellinie des Rückens bis an das Schwanzende, durch welche die gelbliche Grundfarbe zum Theil durchschimmert. Diese Binde entsteht da- durch, dass hier die an ihrer Basis bräunlichen, im unteren Verlaufe gelblichen Haare lange schwarze Spitzen haben. Von diesem schwärzlichen Rückenstreifen entspringt über den Schultern ein schwärzlichbraun schattirtes Querband,, welches nach den Vorderbeinen hinab- steigt und in welchem die Deckhaare theils lange schwarze, theils kürzere bräunliche Spitzen über dem gelblichen Mittelstücke haben, theils auch einfach gelb gespitzt sind. Unmittelbar vor und hinter diesem Querbande ist die gelbliche Farbe des Felles am lichtesten, indem. hier die Haare nur an der Basis lichtbräunlich, im ganzen übrigen Verlaufe aber gelblich sind. Durch solche Vertheilung der Farben entsteht auf dem Vorderrücken des Thieres die sehr markirte Zeichnung eines dunklen, schwärzlichen Kreuzes auf hellem, gelblichem Grunde. Diese Zeichnung ist auch an den Abbildungen von Gray und Temminck deutlich zu erken- nen. In ähnlicher Weise zieht sich am Hinterrücken von der schwärzlichen Längsbinde des Rückens eine dunkle, schwärzliche Schattirung auch nach den Seiten des Leibes, allmählig verblassend, fort, indem hier die schwarzen Spitzen der Deckhaare des Rückens allmählig kürzer werden und zuletzt ebenfalls verschwinden. Dieses ist nun der Punkt, in welchem die Abbildungen Gray’s und Temminck’s am meisten difleriren. indem bei ersterer an den Seiten des Leibes kaum eine dunklere Schattirung als unmittelbar hinter der braunen Querbinde der Schultern zu merken ist, während bei letzterer an den Seiten des Leibes eine sehr deutliche breite dunkle Querbinde hinabsteigt, die nicht bloss nach vorn, von der hellgelblichen Färbung hinter den Schultern, sondern auch nach hinten, wenn auch in geringerem Grade, von der helleren Zeichnung der Schenkel absticht. An meinen beiden Exemplaren vom Winterfelle des Thieres ist nun diese Zeichnung, die an Gray’s Abbildung so gut wie verschwindet, eben-

Canis procyonoides. 59

falls in der Weise wie Temminck sie angiebt, aber in viel weniger markirtem Grade und mit geringer Abweichung der beiden Exemplare unter einander vorhanden. Zunächst ist an beiden die schwärzliche Schattirung der Seiten viel heller als Temminck sie darstellt, indem sie deutlich heller als das Querband der Schultern ist, was bei Temminck nur kaum der Fall sein dürfte. Dadurch sticht sie ferner nach vorn, von dem hellgelblichen Fleck hinter den Schultern, minder scharf als in Temminck’s Abbildung ab. Alsdann breitet sie sich auch abwärts minder weit aus, als Temminck’s Zeichnung angiebt, indem sie ohne den Bauch zu erreichen verblasst. Nach hinten zu finde ich diese schwärzliche Schattirung der Seiten an einem meiner Exemplare zum Theil, wenn auch viel weniger scharf als Temminck angiebt, gegen eine hellere Färbung der Schenkelgegend abstechend, wodurch ein ungefähres, aber sehr verwaschenes und undeutliches Querband an den Seiten des Leibes entsteht. Am anderen Exemplare dagegen ist ein solches dunkler schattirtes Querband an den Seiten des Leibes durchaus nicht zu finden, indem die schwärzliche Schattirung an dem ganzen Hinter- rücken allenthalben nach dem Bauche zu gleichmässig verblasst und nur vorn etwas rascher abbricht als hinten. So zeigen also meine beiden Exemplare neben der Zeichnung, welche sie mit Temminck’s Abbildung von C. viverrinus gemeinschaftlich haben, doch, in Folge der helleren Schattirung und der minder markirten Absetzung der Farben, eine solche Näherung an Gray’s Abbildung von C, procyonoides, dass ich nicht zu bestimmen wage, wohin sie mehr gehören. Vielleicht dürfte auch Temminck die Zeichnung des Thieres in der That markir- ter und die Farbe der Schattirungen etwas dunkler dargestellt haben, als sie in der Natur sind, während Gray dieselben zu verwischt gezeichnet hat. Wegen dieser Uebereinstimmung der Abbildung Gray’s mit meinen Winter-Exemplaren, wie wegen der starken und reichen Behaarung des Pelzes an derselben muss ich sie auch für eine Abbildung des Thieres im Win- terfelle halten. Die weitere Färbung des Felles anlangend, sind Kehle und Brust licht grau- braun, der Bauch gelblich graubraun; die Extremitäten sind im oberen Theile dunkler, schwärz- liehbraun, im unteren heller, auf dem Fussrücken kastanienbraun; an der Innenseite mit eini- gen gelblichen und röthlichen Haaren gemischt; die Nägel braun. Von den hinteren Extremi- täten zieht sich an meinen Exemplaren die schwärzlichbraune Farbe nicht bis an die Schwanz- wurzel hinauf, wie es an den Abbildungen Gray s und Temminck’s angegeben ist, sondern bricht früher ab, so dass die Seiten der Schwanzwurzel von der Farbe der Schenkel, d. i. bräunlichgelb mit schwacher schwärzlicher Schattirung sind. Der Schwanz ist oben von der Farbe des Rückens, d. i. schwarzbraun, zumal an der Spitze, in Folge der langen schwarzen Spitzen der in ihrem unteren Theile weisslichen oder gelblichen Haare; unten schmutzig gelb- lich. Das Wollhaar des Rückens ist grau bräuulich. Die Länge der Deckhaare des Rückens beträgt etwa 75, derjenigen des Schwanzes 80 Millimeter,

Von dem Winterfelle ist recht abweichend das Sommerfell des Thieres, und zwar lässt sich dabei, neben der im Sommer viel dunkleren Färbung des Thieres, auch ein verschiedent- liches Verschwinden der markirten Zeichnung des Winterfelles wahrnehmen. Drei Exemplare,

welche ich vom Sommerfelle habe, sind sehr geeignet uns über diese Variation zu belehren, *

60 Säugelhrere.

indem an einem derselben die Zeichnung des Winterfelles noch vollkommen deutlich, an den beiden anderen aber in verschiedenem Grade verwischt ist.

Das erstere derselben erhielt ich im unteren Amur-Lande von den Golde des Dorfes Ssoja, in dessen Umgegend es erlegt worden war. Statt der licht gelblich-bräunlichen Farbe des Winterfelles ist dieses Sommerfell (Taf. Il. fig. 2.) gelblichgrau mit schwärzlicher Schat- tirung, und alle braunen und schwarzbraunen Zeichnungen sind fast in reines Schwarz umge- wandelt. Der Kopf des Thieres hat genau dieselbe Zeichnung wie am Winterfelle, nur allent- halben in dunkleren Farbentönen: so ist die Schnauzenspitze licht bräunlich -gelblich, der Nasenrücken dunkler bräunlich mit etwas gelblichweisser Einmischung, die Stirne gelblich- weiss mit schwarzer Schattirung gemischt, welche im Beginne der Stirne und in einem Bande über dem Auge zum Ohre hin heller, im mittleren Theile aber nach dem Scheitel zu dunkler ist und zwischen den Ohren fast in reines Schwarz übergeht. Diese Zeichnung wird dadurch bedingt, dass die im Beginne der Stirne und über den Augen an ihrer Basis lichtbräunlichen, im weiteren Verlaufe weisslichen und an der Spitze schwarzbraunen Deckhaare nach dem Scheitel zu längere schwarze Spitzen bekommen und zugleich auch die braune Farbe an ihrer Basis dunkler wird und eine grössere Ausdehnung gewinnt, so dass der weisslich-gelbliche Ring derselben mehr und mehr an Ausdehnung verliert. Das am Winterfelle braune Band, das unter den Augen zum Halse verläuft, ist am Sommerfelle dunkler schwarzbraun, fast rein schwarz und rückt etwas mehr vor das Auge als am Winterfelle. Es sticht daher auch um so greller von dem hellen, schmutzig weisslich-gelblichen Barthaare unterhalb der Ohren ab. Die dunkle Längsbinde des Rückens hat zwar einen schwärzeren Ton als am Winterfelle, ist aber im Ganzen verwaschener und nur auf dem Vorderrücken noch deutlich kenntlich, auf dem Hinterrücken aber von der schwärzlichen Schattirung der Seiten kaum zu unterscheiden. Wie am Winterfelle wird sie durch die längeren schwarzen Spitzen der an ihrer Basis schwarz- braunen, im weiteren Verlaufe schmutzig gelblichen Deckhaare hervorgebracht; indem aber die Behaarung eine minder dichte ist, schimmern die gelblichen Mittelstücke der Deekhaare stärker durch als am Winterfelle und lassen eben dadurch die Binde verwaschener als an je- nem erscheinen. Von den Schultern steigt ebenfalls ein deutlich schwarz schattirtes Querband nach den Vorderbeinen hinab, zu dessen Seiten, unmittelbar vor und hinter demselben, die Färbung des Felles am lichtesten und zwar schmutzig hellgelblich ist, indem die Deekhaare dort entweder nur an der Basis schwärzlich, im übrigen Theile weisslich, oder auch im gan- zen Verlaufe weisslich oder gelblich sind. Dadurch ist an diesem Sommerfelle die Zeichnung eines dunklen, schwärzlichen Kreuzes auf lichtem, schmutzig gelblichem Grunde deutlich aus- gesprochen. Der Hinterrücken des Thieres ist, wie bereits gesagt, durchweg graugelblich mit schwarzer Schattirung,, welche auf der Mittellinie des Rückens nur etwas stärker als an den Seiten des Leibes ist. Der Unterkiefer, die Kehle, die Brust und die Extremitäten sind dunkel schwarzbraun , die letzteren an der Innenseite mit theilweiser Einmischung lichterer, gelblich-bräunlicher Haare. Der Bauch ist gelblich graubraun. Der Schwanz fehlt an diesem Exemplare und ist daher in der Abbildung nach einem anderen Sommerfelle dargesiellt.

Canıs procyonoides. 61

Das oben beschriebene Sommerkleid des Thieres lässt sich wegen der deutlich vorhan- denen markirten Zeichnung, welche das Thier auch im Winterfelle charakterisirt, als die nor- male Färbung des Thieres im Sommer ansehen. Dagegen glaube ich zwei andere Exemplare dieses Thieres, an denen jene Zeichnung zum Theil verwischt ist, für eine Varietät des Thie- res halten zu müssen. Das eine derselben, ein altes Weibchen, ist von den Biraren von Os- sika am oberen Amur-Strome, oberhalb des Bureja-Gebirges und nahe der Mündung der Bu- reja in den Amur, am © u erlegt worden; das andere, ein junges Männchen, erhielt ich lebend im Dorfe Emmero am unteren Amur-Strome und hielt es in der Gefangenschaft bis zum >. October, wo es getödtet und abgebalgt wurde. Beide stimmen sehr mit einander überein und scheinen auf den ersten Blick von jener oben beschriebenen Zeichnung des Thie- res sehr abzuweichen. Vergleicht man dieselben aber genauer, so findet man die einzelnen Stücke der Zeichnung, wenn auch bisweilen nur in Andeutungen, wieder. Im Allgemeinen ist die Farbe dieser Felle ein Gemisch von Gelblichgrau mit starker schwarzer Schattirung. Im Einzelnen betrachtet, ist der Kopf genau so wie an dem erstgenannten Sommerfelle gezeich- net, mit dem geringen Unterschiede, dass an dem einen Exemplare (vom Juli) der Schnauzenrücken bis an die Nase dunkler bräunlich und das schwarze Band, das unter dem Auge verläuft, noch etwas mehr nach vorn vorspringt. Am anderen Exemplare (vom October, Taf. IV. fig. 1.) findet das nicht statt, und die ganze Schnauzenspitze ist heller und mehr von der Farbe des Winterfelles, wogegen die dunklere Farbe der Stirne bis zwischen die Augen vorspringt. Die Ohren sind genau wie am Winterfelle beschaffen: aussen gelblichbraun, innen schmutzig weisslich, am Rande und hinten an der Wurzel schwarzbraun. Ein Backenbart aus weissli- chen und gelblichen Haaren ist ebenfalls vorhanden. Weniger übereinstimmend ist die Zeich- nung des Rückens dieser beiden Exemplare. Die dunkle Längsbinde des Rückens ist an dem einen Exemplare (vom Juli) wohl so gut wie gar nicht mehr, am anderen nur sehr schwach zu unterscheiden, indem einerseits auch längs der Mittellinie des Rückens, vom Nacken an, eine gelbliche Farbe der Haare durch die schwarze durchschimmert und andererseits eine schwarze Schattirung, und zwar in stärkerem Maasse als an dem normalen Sommerfelle, auch die Seiten des Leibes und fast gleichmässig bedeckt. Dennoch lässt sich an beiden Fellen, und besonders an dem dunkleren (vom October), auf dem Vorderrücken in der Schulterge- gend sowohl ein Stück der unregelmässigen Rückenbinde, als auch eine verwaschene, dunkler als ihre Umgebungen schattirte, schwärzliche Querbinde erkennen, welche nach den Vorder- beinen hinabsteigt. An beiden Fellen lassen sich ferner auch die lichten gelblichen Stellen des Felles unmittelbar vor und hinter dieser Querbinde erkennen, an denen die Deckhaare nur an ihrer Basis schwärzlichbraun, im übrigen Verlaufe aber schmutzig gelblich sind. Na- mentlich ist der helle Fleck vor der Querbinde ansehnlich und deutlich ausgesprochen, derje- nige hinter der Binde aber weniger deutlich, indem die Zahl der ihn bildenden gelblich ge- spitzten Haare geringer ist. Diese Stellen sind denn auch die einzigen an den Seiten des Lei- bes, wo sich bei diesen beiden Exemplaren weisslich oder gelblich gespitzte Haare finden. Und so sehen wir die markirte Zeichnung eines schwärzlichen Kreuzes auf gelblichem Grunde,

62 Säugethrere.

welche die zuerst besprochenen Exemplare von (. procyonoides lebhaft kennzeichnete, an die- sen beiden Exemplaren so weit sich verwischen, dass sie auf den ersten Blick gar nicht aul- fällt und sich erst bei genauerer Betrachtung und mit geringer Deutlichkeit herausfinden lässt. Ebenso fallen aber auch an Gray’s Abbildung von C. procyonoides die lichten Stellen vor und hinter der Querbinde der Schultern weniger scharf in die Augen, und finde ich, bei Verglei- chung meiner Exemplare mit dieser, zwischen ihnen nur den Unterschied, dass die Abbildung Gray’s eine geringere schwarze Schattirung der gesammten Leibesseiten als meine Exemplare hat. Hier schliessen sich daher die Formen nur mit gradueller Verschiedenheit der Schatti- rung an einander. Wie Gray’s Abbildung darstellt, sind nun auch meine Exemplare an den Seiten des Leibes hinter jenem helleren Flecke, der sich unmittelbar hinter der dunklen Quer- binde der Schultern befindet, gleichmässig gelblichgrau und schwarz schattirt, wobei sich zwischen den Schattirungen der Seiten und des Rückens nur etwa der Unterschied bemerken lässt, dass an den Seiten die schwarze Schattirung mehr gleichmässig mit dem Gelblichgrau vermischt ist, während auf dem Rücken die schwarzen Spitzen der Deckhaare stellenweise mehr zusammenhängende schwarze Flecke bilden, welche so die unregelmässige Längsbinde des Rückens einigermassen ersetzen. Diese schwärzliche Schattirung der Seiten des Leibes ist an meinen beiden Exemplaren nur wenig heller als die Querbinde der Schultergegend, wo- durch sich wiederum eine Näherung an Temminck’s Abbildung des Thieres herausstellt. Ferner zeigt eines derselben (dasjenige vom Juli) auch eine dunklere, schwarzbraune Schatti- rung der Hinterschenkel bis an die Schwanzwurzel hin, so dass auch dieses Moment, das wir an den anderen Exemplaren nicht fanden und das Gray und Temminck abbilden, in den Bereich der Variation fällt. Die Unterseite des Thieres ist genau wie an dem ersterwähnten Sommerfelle beschaflen: Unterkiefer, Kehle Brust und Extremitäten dunkel schwarzbraun, die letzteren im oberen Theile fast rein schwarz; der Bauch heller, graubraun, nach hinten, an den Geschlechtstheilen und dem After, schmutzig gelblich. Der Schwanz ist schmutzig graugelblich, oben schwarz schattirt und an der Spitze, durch die langen schwarzen Spitzen der Haare, ganz schwarz; unten schmutzig gelblich. Die Länge der Deckhaare beträgt auf dem Rücken etwa 80—85, am Schwanze 90 Millim. Das Exemplar vom October hat bereits ein dichtes Wollhaar von derselben graubraunen Farbe wie die Winterfelle. Auch hat es am Nacken bereits eine bräunlichere, dem Winterfelle näher stehende Färbung als das Exemplar vom Juli. Da ich dieses Thier (von Emmero) lebendig gehalten habe, will ich noch bemer- ken, dass die Iris desselben graubraun und die Pupille rund war. Beide Thiere, die ich in der Gefangenschaft, das eine einen halben Monat, das andere anderthalb Monate lang hielt und auf der Reise im Boote mit mir führte und deren eines mir später in Kidsi entkam, fütterte ich, dem Vorgange der Eingeborenen folgend, mit Fisch und dazwischen auch mit dem Fleische geschossener Vögel, das sie gern assen. Die Thiere, obgleich noch jung, waren recht bissig und bewegten sich besonders Nachts unruhig in ihren Käfigen umher. Ohne Zweifel sind es nächtliche Thiere. Niemals habe ich sie bellen gehört, sondern nur einen grunzenden Ton von sich geben. In ihren Bewegungen hatten sie viel Schleichendes, was ich namentlich

Canis procyonondes. 63

bei der Gelegenheit bemerken konnte, als einmal eines derselben, im Entspringen begriffen, von uns wieder eingefangen wurde. Beide Exemplare waren von den Eingeborenen an ver- schiedenen Orten aus Erdbauen genommen worden, die sie, nach Aussage der Eingeborenen, den Dachsen oder Füchsen ähnlich anlegen. Im October gab ich dem mir nachgebliebenen Thiere eine Dosis Strychnin, welche es nach einer Viertelstunde in ein rasches und heftiges Zittern am ganzen Leibe versetzte, worunter es auch alsbald verreckte. An dem frisch getöd- teten Thiere nahm ich folgende Maasse: Gesammtlänge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze ....885 Millim.

Länge von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel....... 610 « UNE KB EEE DR 155 « « des Schwanzes ohne Endhaare .......... 22... 190 « « der Endhaare am Schwanze ........:cr cr 000. 35 «

Ich füge zugleich die hauptsächlichsten ungefähren Maasse der übrigen mir vorliegenden Exemplare bei, ob diese gleich, am Felle genommen, nur einen sehr geringen, approximativen Werth haben können:

Winterfelle Sommerfelle

Erstes. | Zweites, || Ossika.

Gesammtlänge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze ...| 940 900 860 Länge von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel ..... 700 660 660 « des Schwanzes ohne Endhaare............... 170 170 150 « der Endhaare des Schwanzes..... 22er r200 70 70 50

Nach dieser vergleichenden Besprechung der äusseren Charaktere von C. procyonotdes Gray und C. viverrinus Temm., sowohl nach den bisher bekannten Beschreibungen und Ab- bildungen, als auch nach den uns vorliegenden Exemplaren, dürfte es wohl keinem Zweifel mehr unterliegen, dass diese vermeintlich verschiedenen Arten eine einzige Art bilden, welche im Sommer und Winter eine verschiedene Färbung hat und ausserdem auch localen Variatio- nen in der Zeichnung unterworfen ist. Die im Amur-Lande beobachtete, oben beschriebene Varietät zeigt uns aber im Allgemeinen eine stärkere schwarze Schattirung, durch deren Aus- breitung auch über die an der normalen Form helleren Partieen des Felles die markirte Zeich- nung des Thieres undeutlicher wird. So findet also auch an dieser Form die schon an meh- reren Thierarten im Amur-Lande beobachtete Neigung zum Ueberhandnehmen dunklerer, schwärzlicher Farbentöne statt.

Ehe ich nun an die geographische Verbreitung von C. procyonoides im Amur-Lande gehe, will ich mir noch einige Bemerkungen über die Stellung dieser Art im Hundegeschlechte sowohl nach den osteologischen Verhältnissen, wie nach dem Gesammthabitus derselben er- lauben. Wie erwähnt schlägt Temminck') vor, die genannten Arten, C. procyonoudes und

I) Tijdschr, voor natuurl. Geschied. l. c. Fauna Jap. Mammalia Dec. 1. p. 5.

64 Säugethiere.

€. viverrinus, als besondere Gruppe unter dem Namen Nyctereutes von dem Canis-Geschlechte zu trennen. Als Grundlage dafür giebt er nur im Allgemeinen an, dass diese Arten eine kleine Anomalie im Zahnbau zeigen und in ihrem Habitus sich einerseits den Waschbären Amerika’s und andererseits den Viverren Indiens nähern. Specieller giebt Wagner’), der in diesen Thieren nach Gestalt, Grösse und Färbung eine Näherung an die Marder findet und sie daher als besondere Gruppe «Marderhunde» (Martin?) im Geschlechte Canis unterscheidet, die Ano- malie im Zahnbau darin an, dass «die beiden oberen Höckerzähne länger (d.h. von vorn nach hinten), zugleich aber auch (von innen nach aussen) kürzer als bei anderen Gruppen sind, und dass überdiess der untere grosse Höckerzahn ein Höckerchen mehr hat.» Blainville endlich bringt nach osteologischen Verhältnissen C. procyonoides zur Abtheilung der ächten Wölfe, hebt aber im Allgemeinen hervor, dass er mit einigen anderen nächstverwandten Ar- ten, wie C. cancrivorus und brachyteles, durch einen kürzeren und entfernter stehenden Dau- men sich auszeichne (weshalb Blainville?) für diese Arten auch den Namen «chiens brachy- teles» vorschlägt), ferner auch einige Aehnlichkeit mit den Schakalen habe und durch die Form des Kopfes sich den Hyänen nähere°). In Betrefl der Zahnbildung macht er aber nur auf die grössere Entwickelung der oberen Höckerzähne im Vergleich zum Reisszahne und auf die beson- dere Kleinheit des letzten unteren Höckerzahnes aufmerksam‘). Leider stehen mir zur Ver- gleichung keine Schädel oder Skelette von den dem C. procyonoides vermuthlich nächstver- wandten Arten, C. cancrivorus u. a. m., sondern nur diejenigen europäischer und sibirischer Hunde-Arten zu Gebote. Es bleibt mir daher auch nichts Anderes übrig, als meine Verglei- chungen diesen Arten gegenüber zu thun.

Prüfen wir zunächst die angegebenen Besonderheiten im Gebisse der Nyctereutes-Arten an den uns vorliegenden Schädeln, welche den beiden zuletzt beschriebenen Thieren der schwärzlichen Varietät des Amur-Landes angehören und von denen das eine ein altes, das andere ein ziemlich junges Thier war.

Was zunächst den grossen unteren Höckerzahn betrifft, so ist Wagner’s Behauptung nicht haltbar, denn von den beiden mir vorliegenden Exemplaren finde ich an dem einen, und zwar dem älteren, mit ziemlich abgeriebenem Gebisse, allerdings statt der beiden vorderen Höcker drei, und zwar einen grösseren inneren und zwei kleinere nach aussen von jenem; an dem anderen, jüngeren Exemplare dagegen, mit sehr gut erhaltenem Gebisse, sind an dem unteren grossen Backenzahne vorn ebenfalls nur zwei und überhaupt genau eben so viel Hö- cker wie bei den anderen Hunde-Arten vorhanden. Das lässt sich auch an den Abbildungen Blainville’s®) und Temminck’s°) erkennen. Erstere giebt deutlich am grossen unteren Höckerzahne vorn nur zwei neben einander stehende Höcker an; aus letzterer scheint es eben-

I) 1. c. p. 437. 2) Osteogr. 1. c. p. 47.

3) Osteogr. 1. c. p. 30.

4) Osteogr. 1. c. p. 47 u. p. 156. tab XII.

5) Osteogr. 1. e. tab. XII.

6) Fauna Japonica. Mammalia., tab. 8. fig. 3.

Canıs procyonoides. 65

falls hervorzugehen, obgleich das Exemplar Temminck’s, nach der Abbildung zu urtheilen, ein sehr abgeriebenes Ge»iss gehabt haben muss, was Temminck’s Bemerkung einer Ano- malie im Zahnbau dieser Thiere um so auffallender macht. Jedenfalls fällı also diese von Wagner erwähnte, vermeintliche Eigenthümlichkeit der Nyctereutes- Arten als Gattungs- charakter weg.

In Betreff ferner des Verhältnisses der Länge und Breite der oberen Höckerzähne finde ich, beim Vergleiche meiner beiden Schädel von C. procyonoides mit den europäischen und si- birischen Canis-Schädeln unseres Museums, folgende Grössenverhältnisse (in Millim.):

Aster oberer s|=5 2ter oberer ‘| »5 Höckerzahn. 5 © = © Höckerzahn. 5 3 = S @ Name und Fundort der Arten. 5A Eee ® = es Sa |2< 2 = = »s.’E2| 55 Sr "S..le35 SR Een Arasselrä Asa rss > 3. #54 CO. procyonoides Gray. Amur, Ossika w 10 |1 h. AR 6 6,5| 0,92 \, so « « « « EBmmero| 9,5/10 0,95 ! 5,9) 6,5, 0,85 J ; C.lagopus L. Nowaja Semlja ....| 8,5110 | 0,85 6) 6 , 0,83 } « « « NW-Amerika......| 8 9 0,89 | 5 6 0,83 | ea. s | 9,5! 0,84 [9971 5 | 6 | 0,83 Re: ee Fe Patriatiner® . et, 8,5| 9,5| 0,89 |) 4,5| 6 0,75 C. vulpes L. Amur, Kidsi....... 10 |11,5| 0,87 5,5! 85| 0,65 «@ «a « St Petersburg...... 10,512 0,88 R 80 6 8 0,75 |, 23 ea a Be 10 |11 | 0,91 | ß 6 | 7,5| 0,80 | i « « « Nishnaja Tunguska .| 11 |12,5| 0,88 6 8,5| 0,71 C.Karagan Gm. Caucasus.......| 9 10,5! 0,86 |) 5,5] 7,5| 0,73 |) « « « en RE 9 ,10,5| 0,86 | 6 7,5| 0,80 | RER « ER TERN) 9,5 | 11 0,86 3,51 7,5| 0,73 “oo U I: 02 9 111 | 0,82 5 | 7,5| 0,67 « « « Fun A 9,5/11,5| 0,83 0,84 6 7,3! 0,80 0,74 « (aa « N Be) 9 10,5 0,86 5 7 0,71 « « « ei, are 9,5111 0,36 6 7,5! 0,80 « « « pad ae 9 111 0,82 :3,5| 7 | 0,79 « « « a 9 111 0,82 h) 7 0,71 « « « ee ri 10 113 0,77 6 9 0,67 C.aureus L. Caucasus.......... 12 113,5) 0,89 7 9 0,78 ee 12 |14 | 0,86 )0,00 7 | 95| 0,74 lo.

il) Die Breite der Höckerzähne messe ich nicht vom vorderen, sondern’ vom hinteren äusseren Höcker nach innen, weil dies die zur Dimension der Länge senkrecht gestellte Dimension der Breite ist, während jene erstere sie unter spitzem Winkel schneidet, Schrenck Amur-Reise Bd. I. 1)

66 Säugelhiere.

1ster oberer Höckerzahn.

2ter oberer Höckerzahn.

Name und Fundort der Arten.

niss der Länge zur

Breite. niss der Länge zur

Mittleres Verhalt- Breite.

vorn nach Verhältniss der Länge zur Breite. Mittleres Verhält- Verhältniss der Länge zur Breite,

hinten.

aussennach

innen. aussennach

innen,

vorn nach

Breile von Länge von hinten,

| Länge von

in Breite von

> u)

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9,5

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C. tupus L. Amur, Kalm ....... ©" dimieeisPatrsineisine

0,74

« « a GC , nu lien er

« « « « .oo

€. Azarae Pr. M. Brasilien......

Aus diesen Maassen geht allerdings hervor, dass an den Höckerzähnen des Oberkiefers bei C. procyonoides die'Länge im Verhältniss zur Breite eine ansehnlichere als. bei anderen Hundearten ist. Von den hier angeführten ist €. proeyonoides die einzige Art, bei welcher der erste obere Höckerzahn bisweilen. ganz und der zweite fast ganz ebenso lang wie breit ist. Hält man in absolutem Maasse die Höckerzähne des Wolfes dagegen, so ist die Verschieden- heit sehr sichtlich, indenı bei diesem die Differenz in den genannten Dimensionen der Höcker- zähne im Durchschnitt 2 und 3 und in einzelnen Fällen sogar 34 und % Millim. beträgt. Dennoch findet sowohl an einigen Schädeln des Wolfes, als auch an denjenigen der zwischen- genannten Hundearten auch in absolutem Maasse eine allmählige Ausgleichung dieser Dif- ferenz bis auf die unbedeutende Grösse von ! bis 1 Mi!lim. statt. Nimmt man nun aber, um das. allein richtige Maass dieses Verhältnisses zu haben, nicht die absolute Diflerenz dieser Dimen- sionen, sondern das jedesmalige Verhältniss der Länge eines Zahnes zu seiner Breite, so stellt sich. eine noch sichtlichere Näherung der Formen gegen einander heraus. Wir finden nämlich, dass

1) in einer grösseren Anzahl ven Schädeln der genannten Hundearten es stets auch solche giebt, an denen das Verhältniss der Länge zur Breite an den oberen Höckerzähnen demjenigen von €. procyonoides äusserst nahe und fast.gleich kommt. So ist das Maximum dieses Verhältnisses an den uns vorliegenden Schädeln folgendes :

Canis procyonoides. 67

ister Höckerzahn. 2ter Höckerzahn.

a ee ne RE 0,89 0,83 PART ra Er Re o ne 0,91 0,80 Ba Karagan. 2% ons 0 De Ge N 3. 0,86 0,80 RETTET BAER 2.00...0,93 0,83 Gas a Se Pe 0,94 0,80

Die grössten dieser Zahlen, die wir beim Schakal und Wolfe finden, nähern sich den Verhält- nisszahlen des 2ten Exemplares von C. procyonoides, wo sie 0,95 uud 0,35 betragen, bis auf die unbedeutende Differenz von 0,01 und 0,02.

2) Nimmt man nun, da. wir von C. procyonoides nur 2 Schädel haben, auch für die an- deren Arten die Mittelwerthe des in Rede stehenden Verhältnisses nur für je 2 Schädel und zwar für diejenigen derselben, an welchen die Länge der Höckerzähne im Verhältniss zur

Breite derselben am grössten ist, so stellen sich folgende Verhältnisszahlen heraus: ister Höckerzahn. 2ter Höckerzahn,

C. lagopus. sense 0r.. ET Re ed, 0,89 0,83 GE valpba EA TETTE T 0,90 0,78 OU Koragansl. 1... 4 Me ee. 0,86 0,80 C. aureus cn 22. Ba NE 0,93 0,83 Gr upush 0%... BE A! Sc ER RN 0,93 0,80 C. procyonoides ....... ER et. 2: 0,98 0,89

Hier sehen wir die geringste Differenz der Verhältnisszahlen, die uns wiederum der Schakal und der Wolf bieten, zwar steigen, allein immer noch die unbedeutende Grösse von 0,05 und 0,06 betragen.

3) Vergleichen wir endlich die in der Tabelle gegebenen mittleren Verhältnisszahlen aller gemachten Messungen der Länge und Breite der Höckerzähne, so finden wir, dass die geringste Differenz derselben für beide Höckerzähne, und zwar für den 1sten zwischen C. pro- ceyonoides und C. aureus und für den 2ten zwischen ©. procyonordes und C. layopus, trotzdem dass wir nicht die dem €. procyonoides nächst verwandten, sondern entfernter stehende Hundearten, bei denen also die Diflerenz eine grössere sein muss, in Vergleichung nahmen, dennoch nicht mehr als 0,08 beträgt. Dagegen sehen wir, dass die Variation in diesem Ver- hältniss innerhalb einer und derselben Art bisweilen 0,11 und 0,15 beträgt. Wir können daher die verhältnissmässig grössere Länge der Höckerzähne bei C. procyonordes unmöglich als eine Anomalie auffassen, die genügend wäre aus dieser Art eine besondere Gattung zu bilden, sondern finden darin bloss eine gewisse Gradation innerhalb des Canis-Geschlechtes. In Betreff’ dieser Gradation können wir aber, da uns die dem C. procyonoides vermuthlich näch- sten Glieder fehlen, nur so viel hervorheben, dass im Vergleich zu den angeführten Arten C. procyonoides in der verhältnissmässigen Länge und Breite der Höckerzähne sich mehr dem Schakal und dem Wolfe als den Füchsen nähert.

In ähnlicher Weise lässt sich auch in Beziehung auf die verhältnissmässige Entwicke- *

68 Säugethiere.

lung der Höckerzähne im Vergleiche zu den: Reisszähnen eine Abstufung im: Hundegeschlechte darthun. Blainville giebt eine selche Gradatien für die Länge der Höckerzähne und des Reisszahnes im Oberkiefer an, indem er die verhältnissmässig grösste Entwickelung des.Reiss- zahnes bei €. primaevus Hodgs., die geringste bei ©. megalotis Desm. findet. Schliessen wir aber letzteren, als. besondere Gattung Otocyon„ vom Canis-Geschlechte aus, so. bleibt, nach Blainville’s Angabe, als. die durch die grösste Entwickelung der Höckerzähne im Vergleiche zum Reisszahne im Oberkiefer gezeichnete Form C. procyonoides stehen. Während nämlich bei €. primaevus der Reisszahn ansehnlich länger ') sein soll als die beiden Höckerzähne zu- sammengenommen, sollen bei €. procyonoides umgekehrt die Höckerzähne zusammengenom- men den Reisszahn an Länge um ein Bedeutendes übertreflen. Numerische Angaben sind uns von Blainville leider nieht mitgetheilt. An meinen beiden Schädeln von €. procyonoides finde ich darin. im Vergleiche zu einigen anderen Hundearten folgende Maasse:

er | Länge der | Verhältnis der- ‘Mittleres Verhält- oberen Hök- |Länge der oberen|niss derLänge der- kerzahne zu- Höckerzähne zu- | oberen Höcker-

sammengenoni- sammenge- | men zum Reiss- nommen. -

Länge des

Name.und Fundort, der: Arten. oberen Reiss- zähne zusanmen- genommen zum

Reisszahn,

zahnes.?)

C.. procyonoides Gray. Amur, Ossika......

« « « « Enmero, ....

C. lagopus L. Nowaja Semlja ........... )

« « « NW-Amerika n ate fell ofefala,.n oa |

« « «- Amerika .......0.% 4 A |

a“ « WE Pair > inc. er Spree > |

C. vulpes L. Amur, Kidsi ......... atralın, 26H :

@ ‚,“ ®«. Petersburg SE wear. oe SER B, 1,10 | tt « « « « 0er en. rennen. 15 1,07 | 5;

« « « Nishnaja Tunguska ........| 14 118 aM

C. Karagan Gm. Caucasus..... Ren ara zn een ee 13 1,08

« « « « nfelete, . 14 1,07

« « « « near erelofatets 12,5. 1,12

« « « « SEE ehe eher ehe 12 1,21

« « « « tele here ne ° 12 1,17. 1.13 « « « « Eee 1075 13 1,15 I:

« « « « natee . 12,5 1,12

« « « Rn ET B 5 12,5 1,20

« « « « en reune . 13 1 ‚08

« « « ua p ae oinlejeie.n .. 13 1,08

!) Blainville nennt übrigens diese. Dimension «Zargeur».. Osteogr. I..c. 2) Am äusseren Rande gemessen, den vorderen inneren Ansatz nicht mitgerechnet.

Canis procyonoides. 69

3 Länge der Verhältuiss der Mittleres Verhält- Länge des oberen Hök- Lan) Be ae Du der Länge der

SSmeond Enndor ten! nn Mr _ | Höckerzähne zu- | oberen Höcker- ort der Arten oberen Reiss- | kerzähne zu sanımengenom- | zähne zusammen-

sammenge- | men zum, Reiss- | genomnien zum

zahnes, nommen: zahn. Reisszahn. C. aureus L.Caucasus...ooocceenee nn 17 18,5 1,09 7 Fer 17 18,5 1,09 « ER: ET 5 fu ve: lanaria! one Te Keen 17 19 1,12 ET RG « CET NE ERREE = ou 15 16,5 1,10 “oa« « « tele cn She 17 18 1,06 1,10 RER « « ee 17 19,5 1,15 ee. 3 5.0.00 18,5 20,5 1,11 | “au « ER E.. - 17 18,5 1,09. Beklupus’ba Amur,:Kalm:ı oa. Schon. 27 26 0,96 werd ‚Pati ine: ve 21 21 1,00 OIHT a Gaucasus.. „ann... Pauken 26 26 1,00 iu a A 23,5 25 1,06 tar a I 24 25 1,04. |f. 101 ch. .d NA N: 3 26 27 1,04 RR RL u ger, 28 27 0,96 “a, .d BE RE. . . 25 26 1,0%

C.. AzaraelPr. Mi Brasiliens... ...@8.... 8,9 14 1,65 —_

Diese Maasse stimmen nicht ganz mit den allgemeinen Angaben Blainville’s überein. Den mittleren Verhältnisszahlen zufolge, findet nämlich die grösste Entwickelung der oberen Hök- kerzähne im Vergleich zum Reisszahne beim Wolfe statt, wo diese Zähne fast völlig gleich lang sind, ja in einzelnen Fällen sogar der Reisszahn länger als die beiden Höckerzähne zusammenge- nommen ist, was wir bei keiner anderen der erwähnten Hundearten bemerkt haben. Alsdann folgen mit unter einander ziemlich gleicher, im Vergleich zum.Wolfe aber stärkerer Entwickelung der Höckerzähne, der Polar- und gemeine Fuchs und der Schakal und dann endlich der Kara- gan, bei dem das Verhältniss um ein Geringes zu Gunsten der Höckerzähne steigt, jedoch im- mer noch sichtlich hinter der Entwickelung derselben bei €. procyonoides zurückbleibt. Nach Blainville dagegen soll der Polarfuchs dasselbe Verhältniss der Höckerzähne zum Reisszahne zeigen wie der Wolf; beim Schakal steigt es etwas zu Gunsten der Höckerzähne und beim Fuchse soll die überwiegende Länge derHöckerzähne schon sehr merklich und dem Verhältniss von C. Azarae gleichkommen. Ein mir vorliegender Schädel des letzteren zeigt aber auflal- lender Weise eine noch stärkere Entwickelung der oberen Höckerzähne als C. procyonordes, während Blainville an 5: Schädeln dieses Thieres ein ähnliches Verhalten wie beim Schakal bemerkt zu haben angiebt. Solche Differenzen dürften theils aus der ansehnlichen Variation

70 Säugelhiere.

dieses Verhältnisses an den 'einzelnen Schädeln, wie wir sie auch unter den oben mitgetheil- ten Maassen finden, sich erklären lassen, theils aber auch aus dem Mangel numerischer An- gaben bei Blainville herzuleiten sein.

Fügen wir nun zu diesen Betrachtungen der Zähne im Oberkiefer eine ähnliche Ver- gleichung der verhältnissmässigen Entwickelung der Höckerzähne im Unterkiefer hinzu, und zwar indem wir den zweiten, kleinen Höckerzahn, der bisweilen kaum merklich ist, biswei- len auch schon in den aufsteigenden Ast des Unterkiefers rückt, dabei ganz ausser Acht lassen und nur den ersten Höckerzahn und den Höckeransatz des Reisszahnes einerseits und anderer- seits die Schneide des Reisszahnes gegen einander halten. An den oben erwähnten Schädeln unseres Museums finde ich in dieser Beziehung folgende Maasse:

= Verhältniss der |Mittleres Verhält- Länge der keransatzes am x Zn 2 = Schneide des |Reisszahne u. des Länge d. Höcker-/niss derLänge der

zähne zum Reiss-/Höckerzähne zum Name und Fundort der Arten. Reisszahnes im. |„ersten unteren | zehn (di. zur | Reisszahn (d. i.

Unterkiefer. | sanmengenon- ne C.procyonoides Gray. Amur, Ossika ...... Eh 1 1,22 } iso « « « « Emmero..... 8,5 11,5 1,35 3 C. lagopus L. Nowaja Semlja .n.......-» 9 9,5 1,06 a «a NW-Amerika ......2....- 10 10 1,00 1,03 © « « Amerikar...,.. BEN Se RR 9,5 10 1,05 | “«oa« « Patria ine....... IE 10 10. 1,00 C. vulpes L. Amur, Kidsi ....,...-... 4 11 11 1,00 KA CS PELeTSbunEn „iemmopre Aus. ZU 11 12 1,09 | 1,02 IR aD ER RTTRN ENE 12 12 1,00 ; « «@ « Nishnaja Tunguska ........ 12 12 ' 1,00 C. Karagan Gm. Caucasus......eer...0.) 10 a | 1,10 « « « EN? DEREN TURN IDEE 10 11 1,10 « « « ER TERN ATENTE EN, 10 11 1,10 « « « Er ML 802 9,5 10,5 1,11 « « « a ET A A Small 10 11,5 1,15 1,11 « « « KA A ec 9,5 10,5 ° 1,11 ! « « « a EUER NEE, BER ACHERN: 10 „1 1,10 « « « DRAMEN, TAN N iR 10 10,5 1,05 « « « Pl Ba u ae ER LER I ' 10,5 10,5 1,00 « « « NET EN HERS 10 in 129,5 1,25 C. aureus L. Caueasus....22..0.. ANAR SR 13 1,00 el EIER ANNE TUT TER 13 13,5 1,04 1,08 aa au a DIIEIIRBRHRTND TRIER, vis us 2 1,08

Canıs procyonoides. 71

Länge des Hök- Länge der keranpatage anı - Reisszahne u. des Name und Fundort der Arten. San de ersten unteren 3 Reisszahnes ım |Yöckerzahnes zu- Unterkiefer. sammengenom=- men.

Verhältniss der |Mittleres Verhält- Länge d. Höcker-|niss der Länge der zähne zum Reiss-|Höckerzähue zum

zahn (d.i. zur | Reisszahn (d. i. Schneide dessel- |zur Schneide des-

ben.) selben).

Ü. aureus L. Caucasus.... 2222 cenen0n 1,08

« “au REED EL Se 1,09

« ER Er EN EEE TE 1,08 1,08 TR « NEE ER 1,15 |

« ABER a RE N. EEE 1,08

C. lupus L. Amur, Kalm.....2....0.. 1,00 Pte ee SIR TE 1,00

ab rc Gau casUS, Net 1,05

a a « « ee 1,00

ZECHE Be Ds em: OR 1 1,03 1,01 KR RER « ee EN ar Se fan. sh 0,98.

«rue ı« « Ban ea gg ae 1,00

« « « N en 1.0, een 1,03

C. Azarae Pr. M. Brasilien... ..2:::..... 1,36 2

Diese Maasse geben für die verhältnissmässige Länge der Höckerzähne im Unterkiefer eine mit der obigen, für den Oberkiefer gefundenen fast ganz parallele Reihe. Wir finden wiederum die geringste. Länge der Höckerzähne im Vergleiche zum Reisszahne (d. i. zur Schneide desselben) beim Wolfe, wo diese Theile fast gleich lang sind, ja in einzelnen Fällen sogar die Schneide des. Reisszahnes den. Höckeransatz desselben und den ersten Höcker- zahn zusammengenommen an Länge übertrifft, was. bei anderen der erwähnten Hundearten nicht vorkommt. Dann folgen, mit etwas stärkerer Entwickelung der Höckerzähne, der ge- meine und der Polarfuchs. Beim Schakal und Karagan endlich steigert sich das Verhältniss. noch um etwas mehr zu Gunst n der Höckerzähne, bleibt aber auch bei letzterem. noch merk- lich hinter demjenigen von (.. procyonoides zurück. Dabei lässt sich im Unterkiefer ein noch stärkeres Varliren dieses. Verhältnisses als im Oberkiefer bemerken. So. finden wir z. B. an einem Schädel von €. Karayan das Verhältniss der Länge ‘des ersten Höckerzahnes und. des. Höckeransatzes am Reisszahne zusammengenommen zur Schneide des letzteren 1,25 be- tragen, was. die Grösse dieses Verhältnisses bei einem der Schädel von €. procyonoides, näm- lich 1,22, übertrifft, während an einem anderen Schädel vom Karagan dasselbe Verhältniss nur 1,00 beträgt, also. dem beim Wolfe stattfindenden Verhältnisse nahe gleichkommt,

Nehmen wir nun, um das mittlere Maass der Entwickelung der Höckerzähne im Ver- hältniss zu den Reisszähnen in beiden Kiefern zu haben, die Mittelwerthe der für beide gefun- denen Verhältnisszahlen, so haben wir folgende Grössen:

72 Säugelhiere.

Mittleres Verhäkniss der Länge der Hörker- zähne zu den Reisszähnen in beiden Kiefern.

C. procyonoides ...--runneneieenoseneonencine ernennt €. layapus >: = uuicla 2 SB REEL „12 Se.2e Eee. I. 0. vulnes. Sein =. 2,000 ae en ee ee en St C. Karagan. 2. a rn al nen Bo EL. 2 GC OUT ES ee A ee EEE 2 en EOS PB Bpus ar nie nu u sonne a er > 0 a 2a OEM e .1,01

Aus diesen Zahlen geht hervor, dass die grösste Entwickelung der Reisszähne und die geringste der Höckerzähne beim Wolfe statt hat. Es folgen dann, mit stets zunehmender Ent- wickelung der Höckerzähne, der Polarfuchs und der gemeine Fuchs, dann der Schakal und dann der Karagan. endlich €. procyonoides. Zwischen diesem letzteren und» dem Karagan ist die Differenz grösser als zwischen je zweien der vorhergehenden, was ohne Zweifel daher rührt, weil uns die dem €. procyonoides zunächst stehenden Hundearten fehlen. Dennoch lässt sich auch aus dieser kleinen Anzahl mit einander verglichener Hundearten in der verhältniss- mässigen Entwickelung der Höckerzähne eine gewisse Gradationsreihe im Canis- Geschlechte erkennen, innerhalb welcher €. procyonoides wohl gegen das eine Ende der Reihe, mit verhält- nissmässig starker Entwickelung der Höckerzähne, zu stellen sein wird.

Bei dieser Betrachtung des Verhältnisses der Höcker- und Reisszähne haben wir den zweiten Höckerzahn im Unterkiefer ganz ausser Acht gelassen. Dieser ist nun bei C. procyonoides, wie auch bei manchen anderen Hundearten sehr klein. An dem einen mei- ner beiden Schädel von C. procyonoides, und zwar dem des alten Thieres, ist er ganz be- sonders klein; an dem anderen, jüngeren Thiere ist er zwar grösser, rückt aber schon in den aufsteigenden Ast des Unterkiefers. Es liegt dieses wohl zum Theil auch an der eigenthümlichen Form des Unterkiefers, welche €. procyonoides vor vielen anderen Hunde- arten auszeichnet. Bei ihm ist nämlich der aufsteigende Ast des Unterkiefers mit dem stark entwickelten Kronenfortsatze mehr nach vorn gebogen und also mehr senkrecht auf den horizontalen Ast des Unterkiefers gestellt als bei anderen Hundearten. Dabei hat der horizontale Ast einen geraderen Verlauf und zugleich ist der Unterkieferwinkel, der beim Wolfe, Fuchse und den anderen oben genannten Arten, bei einem allmähligen Uebergange des horizontalen Astes in den aufsteigenden, kaum merklich ist, bei ©. precyonotdes sehr stark ent- wickelt und nach hinten deutlich abgesetzt. Auf eine horizontale Fläche gelegt, berührt da- her der Unterkiefer von €. procyonoides dieselbe mit der ganzen Länge des horizontalen Astes, derjenige der anderen oben genannten Hundearten dagegen nur mit einem Theile desselben. Ferner ist bei €. procyonoides der Winkel- oder hintere Kronenfortsatz ') sehr viel stärker ent- wickelt als bei jenen Hundearten. Bei letzteren ist er nämlich nur klein, noch am grössten beim Schakal, und ragt nicht oder (beim Schakal bisweilen) nur sehr wenig über den Ge- lenkfortsatz nach hinten vor; bei €. procyonoides dagegen ist dieser Fortsatz sowohl von oben

!) Carus, Lehrbuch der vergleichenden Zootomie. L p. 238.

Canis procyonotdes. 73

nach unten von bedeutender Höhe, als auch nach hinten stark über den Gelenkfortsatz vorra- gend. Diese Bildung des Unterkiefers, die eine verhältnissmässig starke Entwickelung der zum Ansatz der Kaumuskeln dienlichen Theile erkennen lässt, dürfte vielleicht auch mit der oben bemerkten verhältnissmässig grösseren Entwickelung der Höckerzähne bei €. procyonoides im Einklange stehen. Sie bildet jedoch keine so ausschliessliche Eigenthümlichkeit von €. procyo- noides, sondern findet sich in ähnlicher Weise auch bei einigen anderen Canis-Arten, nament- lich bei €. cancrivorus u. a. m. In Blainville’s sonst getreuer Abbildung vom Schädel von C. procyonotdes') finde ich diese Bildung des Unterkiefers im Vergleich mit meinen Exemplaren zu wenig ausgesprochen, indem an meinen beiden Schädeln, und namentlich an dem des älte- ren Thieres, der Kronenfortsatz mehr nach vorn gebogen, der Winkelfortsatz viel stärker und an der Basis desselben ein deutlicher Einschnitt vorhanden ist, welcher ihn vom Kiefer- winkel absetzt.

Endlich muss ich, bevor ich an die Betrachtung des eigentlichen Schädels von C. pro- eyonoides gehe, noch in Betreff der Zahnbildung desselben bemerken, dass ich auch die in einigen zoologischen Handbüchern°) angeführte, angeblich die Gattung Nyctereutes charakteri- sirende Beschaffenheit der Schneidezähne dass nämlich jederseits der äussere derselben von den beiden inneren durch eine Lücke getrennt ist als Gattungskennzeichen an meinen bei- den Schädeln des Thieres nicht bestätigen kann. An dem einen derselben ist allerdings an der betreffenden Stelle eine Lücke von 2— 3 Millim. vorhanden, an dem anderen dagegen stehen die äusseren Schneidezähne von den inneren kaum auf ein Millimeter auseinander, was auch an manchen anderen der mir vorliegenden Canis-Schädel der Fall ist.

Gehen wir nun zur Vergleichung des Schädels von C. procyonoides mit denjenigen der oben genannten europäischen und sibirischen Hundearten über. Keyserling und Blasius finden das Unterscheidende im Schädelbau der verschiedenen Gruppen und Arten des Hunde- geschlechtes in dem verschiedenen Verhältniss des Vorspringens der Nasenbeine in die Stirne und der verhältnissmässigen Länge der Nasenstirnbein- und Nasenzwischenkieferbeinnath’°). Prürft man aber die von ihnen angegebenen Verhältnisse an einer grösseren Anzahl von Schä- deln, so lassen sich dieselben nicht durchweg bestätigen. Behufs der Unterscheidung der äch- ten Hunde und Wölfe von den Füchsen geben Keyserling und Blasius an, dass bei erste- ren die Nasenbeine über die Wangenbeine (soll heissen Oberkieferbeine) hinaus nach hinten in die Stirne vortreten, was bei letzteren nicht der Fall sein soll. C. procyonoides stimmt in dieser Beziehung mit den Wölfen überein, indem bei ihm die Nasenbeine nach hinten die Oberkieferbeine um etwa 3 Millim. überragen. Doch finde ich dieses Verhältniss an einem Wolfs- und zwei Schakalschädeln unseres Museums nicht bestätigt, indem an denselben die Nasen- beine die Oberkieferbeine nach hinten nicht überragen, ja an einem der letzteren sogar das

1) 1. c. tab. VII. 2) Wiegmann und Ruthe, Handbuch der Zoologie. Berlin 1848. p. 47. 3) Keyserling und Blasius, Die Wirbelthiere Europa’s. 1. p. 63 sqq. 'Schrenck Amur-Reise Bd. I. 10

74 Säugelhiere.

Gegentheil stattfindet'). Noch weniger haltbar scheinen mir die Angaben in Beziehung auf die verhältnissmässige Länge der Nasenstirnbein- und Nasenzwischenkieferbeinnath zu sein. Nach Keyserling und Blasius legen sich am Schädel des Wolfes die Stirnbeine an das obere Drittheil, die Zwischenkieferbeine an die ganze vordere Hälfte der Nasenbeine an; am Schä- del des Schakals dagegen legen sich die Stirnbeine an die ganze hintere Hälfte, die Zwischen- kieferbeine nicht bis an die Mitte der Nasenbeine an. An 8 Schädeln beider Arten in unserem Museum finde ich folgende Grössen (in Millim.): C. lupus L.

Mittel- werthe.

Patria

Caucasus inc.

Länge des Nasenbeines, längs dem äusse-

ren Rande gemessen’).......... 92 | 76 | 86 | 86 | 86 | 90 Länge der Nasenstirnbeinnath ........ 27. | 2071.30.) 28 317°) 37 | 29,1 « der Nasenzwischenkieferbeinnath.| 48 | 33 | 4i 47 | 42,6

C. aureus L.

Miltel- werthe.

Caueasıuıns

Länge des Nasenbeines.............. 24 | 24 |20 | 24 | 23

« . der Nasenstirnbeinnath ....... E « der Nasenzwischenkieferbeinnath .

25,6

|

Daraus ergiebt sich, dass das Verhältniss der Nasenstirn- und Nasenzwischenkieferbein- nath zur ganzen Länge des Nasenbeines ein ziemlich variables ist. Beim Wolfe sehen wir die Nasenstirnbeinnath bald mehr, bald weniger als ein Drittheil der Nasenbeinlänge einnehmen, im Mittel aber ziemlich genau einem Drittheil der letzteren gleichkommen; die Nasenzwischen- kieferbeinnath beträgt ebenfalls bald mehr, bald weniger als die Hälfte der N asenbeinlänge, bleibt aber im Mittel etwas hinter derselben zurück. Weniger richtig ist die Angabe Key- serling’s und Blasius’s für den Schakalschädel. An keinem der von mir gemessenen Schä- del nimmt die Nasenstirnbeinnath die halbe Nasenbeinlänge ein, sondern bleibt stets hinter der- selben zurück, während dagegen die Nasenzwischenkieferbeinnath dieselbe bisweilen erreicht und sogar übertrifft. Fast in jedem einzelnen der angeführten Fälle und auch im Mittelwerthe ist daher die Nasenzwischenkieferbeinnath länger als die Nasenstirnbeinnath, während nach Keyserling und Blasius das Gegentheil stattfinden müsste. Die Verschiedenheit zwischen den Schädeln beider Thierarten in dieser Beziehung dürfte sich daher nur darauf beschränken,

!) Auch Wagner hat mehrere Fälle der Art beobachtet. Vergl. Die Säugethiere von Schreber, Supplbd. Abth. 2 p. 365.

2) Bei vorkommender geringer Ungleichheit der Suturen an beiden Seiten, welche bisweilen ein paar Millim, beträgt, ist die mittlere Grösse genommen, Stets ist die geradlinige Entfernung der beiden Endpunkte der Suturen von einander gemessen,

Canis procyonvides. 75

dass am Wolfsschädel die absolute Differenz zwischen der Nasenstirn- und Nasenzwischenkie- ferbeinnath immer eine ansehnliche (an unseren Exemplaren zum wenigsten von 10 Millim.) ist und stets zu Gunsten der letzteren ausfällt, während am Schakalschädel diese Differenz nur eine geringe (an unseren Exemplaren stets unter 5 Millim.) ist und zu Gunsten bald der einen, bald der anderen, meist aber der Nasenzwischenkieferbeinnath ausfällt.

Aehnliches lässt sich auch über die Angaben Keyserling’s und Blasius’s in Betreff der Fuchsschädel darthun. Denselben zufolge legen sich bei C. vulpes und seinen nächsten Verwandten, wie Ü. melanogaster und C. Corsac, die Stirnbeine viel weiter an die Nasenbeine hin- ten als die Zwischenkieferbeine vorn an, während bei C. lagopus beide Theile, der Stirnbein- und Zwischenkieferbeintheil der Nasenbeine, gleich lang sind. An vier Schädeln beider Arten in unserem Museum finde ich in dieser Beziehung folgende Grössen:

C. vulpes L.

Umgegend von Nishnaja Mittel-

Petersburg. Tunguska. | werthe.

Länge des Nasenbeines............... « der Nasenstirnbeinnath ....»..... ‘« der Nasenzwischenkieferbeinnath....

C. lagopus L.

Nowaja | NW-Ame- a E

40 40

Mittel- werthe,

Länge des Nasenbeines .........s2cr... « der Nasenstirnbeinnath .......... « . der Nasenzwischenkieferbeinnath....

Daraus folgt, dass beim Polarfuchs in der That die Nasenstirn- und Nasenzwischenkiefer- beinnath einander ziemlich gleichkommen, indem die Differenz bisweilen O0, bisweilen eine sehr geringe zu Gunsten der einen oder der anderen ist. Beim gemeinen Fuchs dagegen ist die Differenz zwischen beiden eine ansehnliche, aber nicht zu Gunsten der ersteren, wie Key- serling und Blasius angehen, sondern der letzteren, indem jene nur ungefähr (und in unse- rem Mittelwerthe ziemlich genau) ein Drittheil, diese dagegen ungefähr die Hälfte der ganzen Nasenbeinlänge einnimmt. Am Schädel des gemeinen Fuchses findet daher in dieser Beziehung eine grosse Uebereinstimmung mit dem Wolfsschädel, an demjenigen des Polarfuchses dagegen mit dem Schakalschädel statt.

Was C. procyonoides betriflt, so findet bei demselben weder ganz der eine, noch ganz der andere der oben erwähnten Fälle, sondern ein Mittelverhältniss, jedoch mit grösserer Annähe- rung an den Wolf und Fuchs als an den Schakal oder Polarfuchs statt. Die Maasse an unse- ren beiden Schädeln sind in dieser Beziehung folgende:

®

76 Säugelhiere.

Mittelwerthe.

Länge des Nasenbeines ........ ae ERNREE RR 44,5 « der Nasenstirnbeinnath . „2... 2.222 ceeceeeerenn 17,5 « der Nasenzwischenkieferbeinnath ..... ee EN: 22

Die Differenz zwischen der Nasenstirnbein- und Nasenzwischenkieferbeinnath ist also bei C.procyonoides eine ziemlich merkliche, und zwar zu Gunsten der letzteren, welche auch nahe der halben Nasenbeinlänge gleichkommt, während die erstere in beiden Fällen mehr als ein Drittheil derselben beträgt. Uebrigens scheint schon aus den angegebenen Maassen hervorzu- gehen, dass dieses Verhältniss nicht wohl geeignet ist zur Unterscheidung natürlicher Gruppen im Canis-Geschlechte zu dienen.

Den eigenthümlichsten Zug am gesammten Schädel von C. procyonoides finde ieh in sei- ner verhältnissmässig ansehnlicheren Höhe, wenn man vom Unterkieferwinkel über den Kro- nenfortsatz zum Scheitel oder zum hinteren Ende der Stirnbeine hinauf misst. Das rührt aber von der oben erwähnten starken Entwickelung des Unterkieferwinkels und überhaupt des aufsteigenden Astes des Unterkiefers her. Am oberen Theile des Schädels finde ich dagegen ‚weder die Höhe, noch eine der anderen Dimensionen merklich verschieden. Abweichend ist an ihm aber, im Vergleich zu den genannten Canis-Arten, die Gestalt des Jochbogens. An beiden Schädeln ist er nämlich viel weniger aufwärts gebogen als bei jenen Arten, indem so- wohl der Jochfortsatz des Schläfenbeines als auch das Jochbein eine horizontalere, minder aufsteigende Richtung haben. Dieser Unterschied tritt namentlich sehr deutlich im Vergleiche zu den Fuchsschädeln (C. vulpes, C. Karagan, C. lagopus) hervor, während Wolf und Schakal ein ähnlicheres Verhalten zeigen. Ferner lässt sich bemerken, dass bei €. procyonoides die Augenhöhlen verhältnissmässig kleiner und, in Folge etwas stärkerer Entwickelung des Stirn- fortsatzes am Jochbein und des Jochfortsatzes am Stirnbein, auch etwas geschlossener als bei den oben erwähnten Hundearten sind ein Unterschied, auf den auch Blainville') aufmerk- sam macht und in dem er vielleicht die Annäherung zum Schädel der Hyänen’ sieht. Unter den erwähnten europäischen und sibirischen Hundearten kommt ihm in dieser Beziehung wiederum der Schakal am nächsten, während die Füchse am fernsten zurückbleiben.

Theilen wir endlich die Hauptmaasse der beiden uns vorliegenden Schädel von €. pro- eyonoides mit:

Amur-Strom.

Ossika. | Emmero.

Grösste Länge des Schädels, vom Halse eines der oberen mittleren Schneide-

zähne bis zum äussersten Ende des Hinterhaupthöckers. ......- 2% 122

1) Osteogr. 1. c. p. 31.

Canis procyonoides. 77

Amur-Strom,

Ossika. Emmero.

Länge des Schädels an seiner Grundlage, vom Halse eines der oberen mitt-

leren Schneidezähne bis zum unteren Rande des Hinterhauptloches .| 117 111 Länge der Schnauze, von dem Halse eines der oberen mittleren Schneide- zähne bis zum Hinterrande des Unteraugenhöhlenloches ......... 40 41 Länge der Schnauze bis zum Vorderrande der Augenhöhle ........... 50 46 . Länge des Stirnbeines, von der vorderen Stirnbeinschneppe bis zur Scheitel- Beikhteinnathe 00.0 Ve Nr rt. le 50 51 Länge des Scheitelbeines, von der Scheitelstirnbeinnath bis zum oberen hin- teren Winkel des Scheitelbeines ......-.nuu22eeseeeeeneeen 36 35 Länge des Jochbogens, vom hinteren Rande des Foramen infraorbitale bis zum vorderen Rande der äusseren Gehöröfnung. .............. 63 97 Länge des Unterkiefers, von dem vorderen Ende, nahe dem Halse eines der mittleren Schneidezähne, bis zum äussersten Ende des Winkel- oder hinteren Kronenfortsatzes desselben . ..........22rc202 0. 96 92 Länge des Zusammenstosses beider Unterkieferhälften. .............. 21 20 Eänge des Unterkiefergelenkkopfes . .. „2.2... 22er aaa 15 Grösste Breite des Schädels an den Jochbögen (fällt auf die Jochfortsätze der Schläfenbeine) .:......2..2..2... BER Kt ET H 74 66 Breite des Schädelgewölbes in der Scheitelstirnbeinnath, zwischen den Punk- ten, wo Scheitelbein, Stirnbein und Keilbein zusammenstossen .... 33 32 Breite des Schädels in den Scheitelbeinhöckern. .............2.0... 40 ‚38 Breite des Schädels über den Gehöröffnungen, oberhalb der Knochenlamelle,| welche vom Jochbogen zum Hinterhaupte geht und die Gehöröffnung BEIDE BREI PER EURE Alan. AERALNERR R EA h DD 42 42 Abstand der Gehöröffnungen von einander, jederseits von dem vorderen un- teremik ander @BmEsserHk.ulun . ar. a are 38 33 Grösste Breite des Hinterhauptloches, zwischen den Punkten wo die Gelenk- _ köpfe des Hinterhauptes sich vom Hinterhauptloche ab und aus- wärts Wendler Mlaeslarde u A re a 12 13 Höhe des Hinterhauptloches ...... Br ee ARE 10 iE Abstand der beiden Gelenkflächen (mit dem Unterkiefer), zwischen den In- nenrändern: derselben gemessen. . „49 „ne ..uoeseseneennen- 30 26 Grösste Breite der Stirn in den Joch- oder Postorbitalfortsätzen des Stirn- Beinen. Ste ae weinen nn EEE Bere ne... 38 33 Geringster Abstand der Augenhöhlen von einander (fällt in die Nähe der äussersten Zipfel der Stirnkieferbeinnath) ............... ERS 24 23

78 Säugethrere.

Amur-Strom,

Breite der Schnauze in ihrer Mitte, in der Mitte des Abstandes des For.

infraorbitale von den oberen Schneidezähnen gemessen. ........- 22 Vordere Breite beider Nasenbeine zusammen .........». BE Ehe elauane 11 Hintere Breite beider Nasenbeine zusammen, zwischen den Spitzen der

Stirnbeinschneppen....... Te ende a0 02 DEREN Khe Ai 9 Abstand der Kronenfortsätze des Unterkiefers von einander, zwischen den

oberen hinteren Winkeln derselben.......... RE EHE 47 Grösste Höhe des Schädels mit dem Unterkiefer zusammen, vom Kiefer-

winkel zum Scheitel in der Scheitelstirnbeinnath .......».....- 65 Höhe des Schädelgewölbes, vom höchsten Punkte des Schädelgewölbes (die

Scheitelleiste ausgeschlossen) zur Nasenfläche des Grundbeines .... 33 Höhe des Scheitelbeines, zwischen dem vorderen oberen und vorderen un-

teren Winkel desselben... ..ssocsecnooesserensnen nennen 26 Höhe des Hinterhauptbeines, zwischen dem oberen Rande des Hinterhaupt-

loches und der Mitte des Hinterhaupthöckers .....s.2ccsnor0 0. 22 Höhe der Schnauze zwischen den Jochfortsätzen des Stirnbeines, von der

Mitte einer die beiden Jochfortsätze verbindenden Linie zum harten

(BITTE a ARE RER EIHR RE > N 33 Höhe der Schnauze zwischen den Unteraugenhöhlenlöchern, von der Mitte

einer die beiden For. infraorbitalia verbindenden Linie zum harten

(ERINNERN A RER NA ee RE ET Rz 21 Höhe (Breite) des Jochbogens, am hinteren Ende der Jochschläfenbeinnath 8 Höhe des aufsteigenden Astes des Unterkiefers, vom Kieferwinkel zur ober-

sten Spitze des Kronenfortsatzes .....eroreeennnorennnnnnen 46 Höhe des horizontalen Astes des Unterkiefers am Kieferastwinkel, vom obe-

ren Rande, zwischen dem 2len und 3ten Liickenzahne, zum unteren,

diesen als Horizontale angenommen. ... zerceeeseneeeeennne 11 Höhe des horizontalen Astes des Unterkiefers am hinteren Ende, vom obe-

ren Rande, hinter dem grossen unteren Höckerzahne, zum unteren,

diesen als Horizontale angenommen. ....2 screen eeeeennnnnn s 18

In Beziehung auf das Rumpfskelett von C. procyonoides muss als erste Eigenthümlich- keit die abweichende Anzahl von Wirbeln hervorgehoben werden. Blainville, dem, seinen Bemerkungen nach zu urtheilen, auch ein Skelett dieser Thierart vorgelegen haben muss, hat diese Verschiedenheit ganz übersehen, indem er die bei den Hundearten gewöhnliche

Canis procyonotdes. | 79

Anzahl von Wirheln auch auf C. drachyotos überträgt") und nur am C. (Proteles) Lalandii eine Ausnahme findet. Dagegen hat sie neuerdings, wenn auch nur zum Theil, nämlich für die Brust- und Lendenwirbel, van der Hoeven an einem Exemplar von C. viverrinus Temm. be-

. merkt, wobei er aber irrthümlicher Weise die gewöhnliche Anzahl der Lendenwirbel bei den

Canis-Arten auf 5, statt auf 7 angiebt’). Der Kreuz- und Schwanzwirbel gedenkt er gar nicht, obgleich die Anzahl derselben ebenfalls abweicht. Während nämlich alle übrigen Hundearten, den bisherigen Angaben zufolge, 13 Brustwirbel und also auch 13 Rippenpaare, 7 Lendenwirbel, 3 Kreuzwirbel und eine zwischen 18 und 22°) variirende Anzahl von Schwanzwirbeln haben, besitzt €. procyonoides 14 Brustwirbel und also auch 1% Rippenpaare, 6 Lendenwirbel, 4 Kreuzwirbel und, an meinem Exemplare, 16 Schwanzwirbel. Von den anderen Canis- Arten zeichnet er sich also durch eine grössere Anzahl von Brust- und Kreuzwirbeln und dagegen eine geringere Anzahl von Lenden- und Schwanzwirbeln ans. Dass das keinen Gattungscharakter abgeben kann, folgt aus zahlreichen bekannten Fällen ähnlicher Abweichungen innerhalb anderer Thiergattungen, z. B. der Hyänen, Mangusten, Bären u. s. w.‘) Blainville erwähnt sogar eines Schakalskelettes aus Indien, das an der einen Seite 14, an der andern 43 Rippen hatte’). Dennoch scheint, nach der Uebereinstim- mung der Angaben van der Hoeven’s für die Brust- und Lendenwirbel mit dem mir vor- liegenden Skelette zu urtheilen, obige Anzahl von Wirbeln die regelmässige bei C. procyonor- des zu sein, was uns nöthigen dürfte C. proeyonoides gegen das eine Ende des Canis-Geschlech- tes zu setzen, mit theilweiser Annäherung an andere Thiergattungen, wie Otocyon und Prote- les. Die geringe Anzahl von Schwanzwirbeln stimmt auch mit der am Balge bemerkten Kürze des Schwanzes überein, welche hinter derjenigen aller übrigen Canis-Arten zurückbleibt, was gewiss eine specifische Eigenthümliehkeit von ©. procyonoides bildet.

In Betreff der Form der Wirbel finde ich mehr Aehnlichkeit mit dem Schakal als mit den Füchsen. Der Dornfortsatz des 2ten Halswirbels ist recht stark und nach hinten allmäh- lig sich senkend, wie beim Schakal, nicht plötzlich abgebrochen, wie bei den Füchsen. Der Dornfortsatz des 3ten Halswirbels ist kammartig, niedrig; die folgenden werden spitzer und steigen allmählig höher auf; der ist ziemlich spitz aufwärts gerichtet. Die Querfortsätze der Halswirbel sind ebenfalls stark; derjenige des 6ten Wirbels besonders in die Breite er- weitert und ohne Einbuchtung am Aussenrande. An den Brustwirbeln ist der Dorufortsatz des 2ten Wirbels am längsten; die folgenden bis zum 9ten werden niedriger und richten sich mehr und mehr nach hinten; der 10° ist sehr kurz und legt sich ganz auf den Bogen des folgenden Wirbels; der 11!° ist stumpf und kaum merklich. Vom 12!*" an werden die Dorn-

1) Osteogr. 1. c. p. 144. S. 2) Van der Hoeven, Handbuch der Zoologie. Leipzig 1852—56. II. p. 752. 3) Blainville, Osteogr. 1. c. p. 144.

4) Cuvier, Lecons d’Anatomie comparee. 2 Edit. Paris 1835. I. p. 179.

8) Osteogr. ]. c. p. 23.

80 Säugelhiere. -

fortsätze der Brustwirbel denjenigen der ersten Lendenwirbel ähnlich, kammartig, seitlich zusammengedrückt und am Ende mehr und mehr breit abgestumpft. Die letzten Lendenwirbel haben aber wiederum spitzere, nach oben und vorn gerichtete Dornfortsätze. Die Rippen sind wenig breit; nur die ersten 9 derselben erreichen das Brustbein, die übrigen 5 legen sich mit ihrem knorpeligen Theile stets an die vorhergehende Rippe an. Am Brustbein, das wie bei anderen Hundearten 8 Stücke zählt, ist der Processus xiphoideus nach hinten sehr breit und zweitheilig mit breiten Enden, was ich an keiner der oben genannten europäischen und sibi- rischen Hundearten finde. Die Querfortsätze der Lendenwirbel sind kurz. Von den Kreuz- wirbeln legen sich nur die drei ersten an das Hüftbein an; der 4!e ist jedoch mit den vorher- gehenden noch vollkommen verwachsen. Die Schwanzwirbel verdünnen sich rasch, bleiben aber im Vergleich mit denjenigen der Füchse viel kürzer. Die Maasse der einzelnen Theile der Wirbelsäule an meinem Skelette von ©. procyonoides sind ungefähr folgende:

Länge der Halswirbel, vom vorderen Rande des unteren Bogens des Atlas bis

zum hinteren Rande des Körpers des 7ten Wirbels .........22.2.... . 116 Millim. Länge der Brustwirbel, vom vorderen Rande des Körpers des 1sten bis zum hin-

teren Rande des Körpers des 14en Wirbels..........eseenerenenen. 160 « Länge der Lendenwirbel, vom vorderen Rande des Körpers des 1sten bis zum

hinteren Rande des Körpers des 6te® Wirbels .......zurreeeeeucee 102 « Länge der Kreuzwirbel, vom vorderen Rande des Körpers des 1steun bis zum hin-

teren Rande des Körpers des Aten Wirbels .....2eeeooeseeeeeceen. 37 « Länge der Schwanzwirbel ....2........ OR RT - 205 «

Fügen wir endlich noch einige Bemerkungen über die Knochen der Extremitäten von C. procyonoides hinzu. An diesen zeigt sich bei C. procyonoides, im Vergleich zu den oben genannten Hundearten, ein eigenthümliches Verhältniss: während nämlich die Gürtel- knochen, Schulterblatt und Becken, ‘eine ansehnliche Grösse haben, sind die Knochen der eigentlichen Extremitäten verhältnissmässig viel kürzer und dafür robuster als an jenen. Blainville bemerkt Letzteres für C. cancerivorus, welcher dem C. procyonoides am nächsten zu stehen scheint, übersieht aber die ähnliche Bildung bei diesem, den er dem Schakal ver- gleicht, fast gänzlich. Ich finde bei C. procyonoides, im Vergleiche zu den genannten europäi- schen und sibirischen Hundearten, folgende Grössen (in Millim.):

Länge des Schulterblattes, am hinte- ren Rande, von oben nach unten Breite desselben von vorn nach hinten (den hinteren Rand als Horizontale angenommen) ....-reneeene Länge des Oberarmbeines, am äus- „seren Rande, vom oberen äusseren Höcker an gemessen ......... Länge der Ulna, v. oberen Knorren an « desRadius, am inneren Rande

« des Carpus, über dem Mittel- knochen des Metacarpus........ Länge des mittleren Metacarpalkno- EISEN SAME ET Tre Länge des Mittelfingers bis zur Nagel- NEISSE ca rn ENE RL Länge des Nagelgliedes mit dem Na- gelam Mittelfinger .......... Länge des Beckens, v. oberen Rande des Hüftbeines bis zum hinteren unteren des Sitzbeines ........ Grösste Breite des Hüftbeines von oben nach unten. ........... Abstand der vorderenHüftbeinspitzen beider Seiten voneinander ..... Grösster Abstand der Gelenkpfannen von einander, zwischen den oberen äusserenRändern ........... Abstand d.Sitzbeinhöcker v. einander Länge d. Schenkelbeines v. äusseren Höckera.d. Aussenseiteangemess. Länge der Tibia, am inneren Rande . « „der Fıhulat. Sara

« d.Fersenbeines a. äuss. Rande

« des Würfelbeines .........

« des 3ten Mitielfussknochens ..

« d, 3ten Zehe bis zur Nagelbasis

« desNagelgliedes mitdem Nagel ander 3tenZehe...... 2:22...

Canıs procyonoides.

92

60

17

i-| C.lagopus L.

Nowaja| NW- * |Semlja. |Amerika.|tersburg.

St. Pe-

70| 74 42| 45 109 1132 127 |146 106 [127 91 11 44| 50 31 | 36 21| 19 91 | 92 23 | 28 46 | 47 48| 51 64| 73 112 |138 132 |150 124 |142 31 | 32 12 | 14 96 | 67 36 42 20 | 20

C. vulpes L.

67

40

19

€. Karagan m.

70

42

17

Nishn. Tunguska. Caucasus.

66

41

119 132 113

16

sl

C. aureus L. et Caucasus. ae

a

83| 74/131

51] 46 90

136 125 210 159 |144|250 135,122 1215 15| 13| 23

63) 56) 84

36| 33| 55

21| 19| 29 1201081178 31| 28| 53

60) 55| 92

97| 56| 86

78| 75/126

150/135|223 159/140 |233 151 122 |220 40 35| 58

15| 13| 23

69) 61| 97

39| 36| 56 19| 18| 27

1) Die Länge der Hand- und Fussknochen dürfte etwas zu gering angegeben sein, da an den Skeletten die Gelenk- köpfe meist in den Gelenkgruben versteckt waren. Diese Grössen haben daher nur approximativen Werth.

Sehrenck Amur-Reise Bd. I.

11

82 Säugethtere.

Aus diesen Zusammenstellungen lässt sich ersehen, dass C. procyonoides in absolutem Maasse in Beziehung auf die Länge der Extremitäten hinter allen oben genannten Hundearten zurückbleibt, während er in Betrefl der Länge der Gürtelknochen, des Schulterblattes und Be- ckens, viele derselben und namentlich die kleineren übertrifft und sich den an Wuchs weit grösseren, wie dem Schakal, nähert. Als ganz durchgängiger und praegnant charakteristischer Zug tritt uns aber diese Bildung im Bau von (. procyonoides erst dann entgegen, wenn wir die Knochen der Extremitäten im Verhältniss zur Grösse der Gürtelknochen betrachten. Neh- men wir daher für die hauptsächlichsten der oben angeführten Maasse, nämlich für die Länge und Breite des Schult.rblattes, die Länge des Oberarmbeines, der Ulna und des Radius einer- seits, so wie für die Länge und Breite des Beckens, die Länge des Schenkelbeines, der Tibia und Fibula andererseits die Verhältnisszahlen, und zwar indem wir für die ersteren die jedesmalige Länge des Schulterblattes, für die letzteren dagegen die Länge des Beckens als Einheit annehmen, die wir gleich 100 setzen und auf die wir die übrigen respectiven Grös- sen zurückführen, so ergiebt sich uns folgende Reihe von Verhältnisszahlen:

Länge der Extremitäten im Verhältniss zu den Gürtelknochen.

C.procy- Br FRE onoides | C. lagopus L. C. vulpes L. |C.KaraganGm.| C. aureus L. Sur, Gray. pP E Nowaja NW- St. Pe- | Nishnaja Amur. | Semlja. | Amerika. | tersburg. |Tunguska. Caucasus. Caucasus. Caucasus.

Länge des Schulterblat- tes angenommen —=| 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100

Breite desselben ...... 61,6) 56,7 60,0| 60,8 59,7! 60,0) 62,1) 61,4] 62,2) 68,7

Länge desOberarmbeines 135,6 166,7 155,7 178,4 186,6 167,11180,3163,9]168,9| 160,3

a der UM. ....2.. 143,81181,7 181,4197,3|210,4|191,4200,0|191,6|194,6|190,8

« desRadius ..... 126,0 151,7/151,4171,6/182,11164,3|171,2]162,7|164,9] 164,1 Länge des Beckens an-

genommen —= ....| 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100

Breite des Hüftbeines....| 25,3] 28,01 25,3) 30,4 26,4! 28,4 27,6| 25,8! 25,9] 29,8 Länge desSchenkelbeines! 110,1)132,0|123,1/150,0|144,0|138,6|141,4125,0 125,0/125,3 « der Tibia ...... 110,1/153,3 145,1/163,0 159,3160,2)158,6/ 132,5) 129,6)130,9 « derFibula...... 104,0/144,0 an 150,5/148,9,149,4 125,8 al 123,6

Hieraus ergiebt sich, dass bei €. procyonoides die Knochen der Extremitäten im Verhält- niss zu den Gürtelknochen durchgängig kürzer als bei irgend einer der anderen hier angeführ- ten Hundearten sind, und zwar ist diese Differenz eine ganz ansehnliche. Während z. B. die Ulna bei den meisten Hundearten fast die doppelte Länge des Schulterblattes hat und bei den Füchsen diese bisweilen sogar übertrifft, erreicht sie bei €. procyonoides nicht die anderthalb- malige Länge des Schulterblattes. Ebenso übertrifft die Tibia bei den Füchsen zumeist die anderthalbmalige Länge des Beckens, während sie bei €. procyonoides nur um ein Geringes

Canis procyonoides. 83

länger als das Becken ist. Nach den wenigen oben mitgetheilten Messungen ist die Länge der Knochen der Extremitäten im Verhältniss zu den Gürtelknochen im Allgemeinen am grössten bei den Füchsen, beim gemeinen Fuchs und Karagon, geringer beim Schakal und Wolfe, welche daher dem C. procyonoides in dieser Beziehung näher stehen. Letzteres gilt besonders für die Knochen der hinteren Extremitäten im Verhältniss zum Becken, während bezüglich der vorderen Extremitäten die Verhältnisszahlen beim Polarfuchs denjenigen von C. procyonoides am nächsten zu stehen scheinen. An den hinteren Extremitäten zeigt sich auch noch darin beim Wolf und Schakal ein ähnliches Verhältniss wie bei C. procyonoides, dass das Schenkel- bein und das Schienbein, welche an unserem Exemplare von C. procyonoides ganz gleich lang sind, einander an Grösse näher kommen als bei den Füchsen, bei denen die Differenz zwischen denselben ansehnlich zu Gunsten des Schienbeines steigt. In Beziehung auf die Form der Gür- telknochen, das Verhältniss der Breite derselben zur Länge, lassen unsere Messungen keine er- hebliche Verschiedenheit zwischen C. procyonoides und den übrigen Hundearten erblicken, in- dem dieselbe bis auf geringe Differenzen bei allen nahe dieselbe zu sein scheint. Von den Knochen der Extremitäten aber habe ich bereits oben bemerkt, dass sie im Verhältniss zu _ ihrer Länge bei €. procyonoides robuster als bei den anderen oben genannten Hundearten sind."

Aus den obigen vergleichenden Betrachtungen des Zahn- und Knochenbaues von C. pro- eyonoides können wir in Beziehung auf seine Stellung zum Canis-Geschlechte folgende Schlüsse ziehen:

1) Die Sonderung von C. procyonoides oder derjenigen mehreren Arten, in welche diese Form irriger Weise zersplittert worden ist, als eigene, vom übrigen Canis-Geschlechte unter- schiedene Gattung, Nyctereutes, ist osteologisch unstatthaft.

2) Die Zusammenstellung von C. procyonoides innerhalb des Canis-Geschlechtes mit den Füchsen') ist osteologisch unrichtig, da er den Wölfen und Schakalen näher steht als den Füchsen.

3) Im Zahn- und Knochenbau von C. procyonoides lassen sich Eigenthümlichkeiten er- kennen, welche, wenn sie auch keine Gattungscharaktere abgeben, dennoch hinreichen dürften, um C. procyonoides, vielleicht mit einigen nächstverwandten Arten zusammen, als besondere Gruppe im Canıs-Geschlechte zu kennzeichnen. Und zwar dürften diese Eigenthümlichkeiten in folgenden Verhältnissen zu suchen sein:

a) in einer verhältnissmässig grösseren Länge der Höckerzähne im Vergleich zur Breite derselben und überhaupt einer stärkeren Entwickelung der Höckerzähne im Ver- gleich zu den Reisszähnen.,

b) in einer abweichenden Form des Unterkiefers, hauptsächlich in Folge einer stärkeren Entwickelung des Winkels und Winkelfortsatzes am aufsteigenden Aste desselben.

e) in einer abweichenden Anzahl von Brust-, Lenden- und Kreuzwirbeln und einer be- sonders geringen Anzahl von Schwanzwirbeln.

d) in einer verhältnissmässig geringeren Länge der Knochen der Extremitäten im Ver- gleich zu den Gürtelknochen.

h Van der Hoeven, I. c.; auf Grundlage der ebenfalls irrigen Angabe’ einer senkrechten Pupille. S. oben.

E 3

84 Säugethiere.

Die angeführten osteologischen Verhältnisse geben uns zugleich auch einige der auffal- len'sten Züge im Gesammthabitus von €. procyonoides an die Hand. Es gilt dies namentlich für die im Vergleich zu anderen Hundearten geringere Länge des Schwanzes und der Extremitä- ten. Letzteres Moment mag Wagner hauptsächlich dazu bewogen haben, dieser Gruppe von Hunden die Bezeichnung «Marderhunde» zu geben. Sie ist aber für den Gesammthabitus von €. procyonoides, der bisher einzigen Art dieser Gruppe, durchaus nicht bezeichnend. Dass sie auch osteologisch keine Begründung hat, ist aus Obigem zu ersehen. Dagegen muss ich, nach Erwägung der Haltung des lebenden Thieres und namentlich auch seiner Färbung, der Bemerkung Temminck’s beistimmen, dass sich im Gesammthabitus von C. procyonoides eine Annäherung einerseits an die Viverren und andererseits an die Waschbären findet. Letzteres ist besonders auffallend und hat offenbar auch Gray bei der Wahl des trefienden Namens C. procyonoides geleitet. \

Gehen wir nunmehr zur geographischen Verbreitung von C. procyonoides über. Unsere bisherige Kenntniss derselben beschränkte sich bloss auf die allgemeine Angabe zweier Län- der, China’s und Japan’s, ohne alle bestimmtere Bezeichnung des Fundortes der wenigen 'von dorther erhaltenen Exemplare, ja ohne Bezeichnung ob diese aus dem Norden oder Süden jener Länder herstammten. Dabei hat die durch Temminck bewerkstelligte Trennung der Japanischen Form als einer besonderen Art, C. viverrinus, die Ansicht veranlasst, als sei €. pro- cyonoides bloss auf dem Continente, in China, verbreitet, auf dem Japanischen Archipel aber durch eine entsprechende Art ersetzt'), obwohl Temminck selbst auch ein Fell von €. pro- cyonoides aus Japan erhalten zu haben angiebt?). Diese mangelhaften Kenntnisse können wir nun einerseits durch die oben dargethane Identität beider Formen berichtigen und anderer- seits durch die Aufdeckung von C. procyonoides im Amur-Lande bedeutend erweitern. Wir lernen demnach C. procyonoides als eine Form des gemässigten Ostasiens kennen, welche so- wohl auf dem Continente, als auch auf den Japanischen Inseln verbreitet ist und auf dem er- steren sogar recht weit nach Norden geht. Vom nördlichen China breitet sich nämlich €. pro- cyonoides in das nordwärts gelegene Amur-Land aus. Dort ist er namentlich an den grossen, von Süden in den Amur fallenden Strömen, dem Sungari und Ussuri, wie an der südlichen Biegung des Amur-Stromes selbst ein häufiges Thier. Am südlichen Amur und am Ussuri habe ich selbst zahlreiche Felle desselben gesehen, die von den mandshurischen Beamten im Tribut oder durch Kauf und Erpressungen von den Eingeborenen erhalten worden waren. Denn C. procyono:des ist im Winterhaare bei den Mandshu und Chinesen und somit auch bei den Eingeborenen ein geschätztes Thier. Von der südlichen Biegung des Amur-Stromes ist €. procyonoides sowohl den Amur auf- wie abwärts verbreitet. In der ersteren Richtung, an dem oberen Amur- oder Sachali-Strome, geht er über das Bureja-Gebirge weg und findet sich noch ziemlich häufig in der Prairie oberhalb desselben, an der Mündung der Bureja und Dseja. Von dorther rührt auch eines der oben beschriebenen Exemplare her, welches

I) A. Wagner, Die geogr. Verbreitung der Säugethiere. 1. Abthl. p. 143. 2) Siebold, Fauna Jap. Mammalia. Dec. 2. p. 40.

Canıs procyonondes. 85

ich auf meiner Reise als frisch geschossenes Thier von den Biraren erhielt, die es in einem kleinen Gebirge, wahrscheinlich einem Seitenzweige des Bureja-Gebirges, nahe der Mün- dung der Bureja erlegt hatten. Im Sommerfelle hatte es jedoch für die Biraren keinen an- deren Werth als den eines geringen, essbaren Wildprets. Ueber diese Prairie hinaus kommt C. procyonoides zwar noch ziemlich weit nord- und westwärts am oberen Amur-Strome vor, wird aber, den Aussagen der Eingeborenen zufolge, viel seltener. Monjagern, die ich einige Tagereisen oberhalb der Komar-Mündung an den Ufern des Amur-Stromes in nomadischen Jagdzelten antraf und die von dem kleinen Flusse Gerbilak, einem linken Zuflusse des Amur-Stromes, kamen, nannten mir C. procyonoides, den sie, den Biraren gleich, mit dem Namen «ölbiga» bezeichneten, noch unter den bei ihnen einheimischen Thieren. Die Mündung des Flüsschens Gerbilak in den Amur liegt aber nahe der nördlichsten Biegung des oberen Amur-Stromes, etwa 4 bis 500 Werst unterhalb des Zusammenflusses der Schilka und des Argunj, und die Landschaft daselbst trägt bereits einen nordischen Charakter mit vorherr- schender Nadelholzwaldung. Es ist anzunehmen, dass C. procyonoides dort nahe der nord- westlichen Gränze seiner Verbreitung stehe, da von seinem Vorkommen bei Ustj-Strjelka, am Zusammenflusse der Schilka und des Argunj zum Amur, oder über den Amur hinaus, in Transbaikalien, trotz der alljährlich dort stattfindenden anhaltenden Jagden der Kosaken, bis- her niemals eine Kunde verlautet hat. Ebenso scheint er auch an den Südabhängen des Sta- nowoi-Gebirges und am oberen Laufe der Dseja und Bureja, wo Middendorff’s Reise durchging, nicht mehr vorzukommen, während er den unteren Lauf dieser Flüsse bewohnt N). Wir dürfen daher seine Polargränze im oberen oder westlichen Theile des Amur-Landes von der nördlichen Biegung des Amur-Stromes, unterhalb Ustj-Strjelk a, quer über den mittle- ren Lauf der Dseja und Bureja annehmen. Im unteren oder östlichen Amur-Lande brei- tet sich €. procyonordes ven der Mündung des Ussuri, wo er am häufigsten ist, noch ziemlich weit abwärts aus. Den einmüthigen Aussagen der Golde zufolge, ist er dort namentlich am linken Ufer des Amur-Stromes häufiger als am rechten. Ich selbst habe ihn dort in gefange- nen, lebenden Individuen in den Dörfern Imminda und Emmero und in Fellen an vielen ande- ren Orten gesehen. Dieses linke Ufer des Amur-Stromes ist das niedrigere und hat noch weit abwärts vom Ussuri einen prairieartigen Charakter der Landschaft, mit wenigen Gebirgszü- gen, wie das Wanda-Gebirge u. a., während das rechte fast durchgängig gebirgig ist. An dem genannten Wanda-Gebirge soll auch C. procyonordes, nach Aussage der Eingeborenen, noch ziemlich oft vorkommen. An diesem linken Ufer des Amur-Stromes geht nun C. pro- cyonoides bis an den Ssedsemi-Fluss und den Bolong-See, einer seitlichen Ausbuchtung des Amur-Stromes etwas südlich vom Dorfe und Vorgebirge Odshal, mit dem wiederum ein ge- birgiger Charakter am linken Amur-Ufer beginnt. Diesem Punkte fast genau gegenüber

1) Höchst wahrscheinlich ist auch die Nachricht, welche Middendorff von einem Jakuten erhielt, dass es näm- ich im Lande der chinesischen Buraler (welche offenbar unsere Biraren an der Bureja und am Sachali sind) ein an Gestalt und Grösse fuchsähnliches Thier mit sehr strengem Harne gebe (Midd. Sibir. Reise 1. c. p. 3.), auf C. procyonotdes zu beziehen.

86 | Säugethiere.

liegt auch seine Polargränze am reehten Amur-Ufer. Dort soll er nämlich in seltenen Fällen bis in die Umgegend von Ssargu und bis an den Chongar-Fluss vorkommen. Abwärts von diesen Punkten, Odshal undGhongar-Mündung, kommt er aber nirgends, weder am Amur- Strome selbst, noch an dessen Zuflüssen, vor. Wo man daher noch weiter unterhalb Felle von C. procyonordes bei den Eingeborenen findet, wie es mir noch bei den Giljaken an der Mün-, dung des Amur-Stromes begegnet ist, da rühren dieselben stets von oben, etwa aus der Ge- gend der Ussuri- oder Sungari-Mündung her und sind durch die Handelsreisen der Einge- borenen abwärts gebracht worden. Das bekräftigten mir sowohl die Ssamagern am Gorin, wie die Golde, Mangunen und Giljaken am Amur. So ist die Polargränze von €. proeyo- noides am unteren Amur-Strome genau zu erweisen. Weiter ostwärts vom Amur findet sich C. procyonoides, den Aussagen der Eingeborenen zufolge, am Tumdshi-Flusse, dessen Quellarme von den Zuflüssen des Chongar, namentlich vom Uldji, nur durch eine niedrige Wasserscheide getrennt sind und der etwa 25 Werst oberhalb der Bai Hadshi (des Kaiser- hafens der Russen) in die Meerenge der Tartarei einmündet. Dagegen soll €. procyonoides die nordwärts gelegene, niedrige Wasserscheide zwischen dem Tumdshi und dem bei Kidsi in den Amur fallenden Jai-Flusse nicht überschreiten und somit an letzterem Flusse sich nicht mehr finden. Endlich an der Meeresküste soll €. procyonoides von dem Dorfe Choji an, d. i. etwa 4 bis 5 Tagereisen südlich von der Bai de Castries, nach Süd verbreitet sein. Hier bleibt er also weit südlich von den Breiten zurück, in welchen die Insel Sachalin sich dem Continente nähert und wo sie allwinterlich mit demselben durch das Eis des Limanes in zeitweise feste Verbindung gesetzt wird. In Uebereinstimmung damit fehlt auch €. procyonoides der Insel Sachalin, nach Aussage der dortigen Giljaken, gänzlich. Und zwar gilt das nicht bloss für den nördlichen, von Giljaken bewohnten, sondern auch für den südlichen Theil der Insel, von dem die Giljaken durch ihren Handelsverkehr mit den Aino und Japanesen Nach- richten haben. Diesen Nachrichten zufolge, finden sich unter den Fellen, welche sie in Siranussi an der Südspitze von Sachalin von den Japanesen erhandeln, niemals Felle von €. proeyo- noides, obschon die Giljaken diese Felle, wegen ihres hohen Werthes bei den Mandshu und Chinesen, gewiss gerne kaufen würden. Leider giebt uns Temminck nicht an, wie weit (. procyonoides in Japan verbreitet sei und ob er die Insel Jesso erreiche. Erwägt man aber, dass die auf Sachalin mit den Giljaken handelnden Japanesen meist von Jesso herüberkommen, so scheint es wahrscheinlich, dass sie auch auf letzterer Insel sich nieht mit Fellen von C. procyonoides versorgen können. Demnach scheint €. proeyonoides Gray oder viverrinus Temm. nicht über Nippon nach Nord hinauszugehen. Wir sind daher genöthigt uns die Verbreitung desselben nach den Japanischen Inseln nicht über Sachalin und Jesso sondern über Korea zu denken, So bleibt also seine Polargränze auf den Inseln an der Ost- küste Asien’s weit hinter derjenigen auf dem Continente zurück. Fasst man alle obigen Daten zusammen, so lässt sich die Polargränze von C, proeyonoides durch eine Linie bezeich- nen, die von der Meeresküste beim Dorfe Choji, zwischen dem 50°ten und 51sten Breitengrade, nach dem Tumdshi und von da nach der Mündung des Ghongar-Flusses in den Amur,

Canis procyonotdes. CO. familiarıs. Felis Lynx. 87

dann nach Odshal und von diesem über das -Bureja- Gebirge und den mittleren Lauf der Bureja und Dseja zum oberen Amur, nahe der Mündung des Flüsschens Gerbilak,, gezo- gen wird. Diese Linie bringt also den grössten Theil des Amur-Stromes und namentlich seinen mittleren Lauf in das Verbreitungsgebiet von C. procyonoides. Indem sie zugleich eine geraume Strecke nördlich vom Amur-Strome verläuft, nöthigt sie uns C. procyonoides auch als ein Glied der russisch-sibirischen Fauna anzusehen. Dieser gehört er aber bloss am Amur-Strome, d. ı. also im äussersten Osten ihrer südlichen Gränzen an. In der Fauna des Amur-Landes bildet also C. procyonoides einen praegnanten und charakteristischen Zug, durch welchen dieselbe von der sibirischen Fauna sich unterscheidet und an die Faunen China’s und Japan’s sich anschliesst.

18) Canis familiaris L.

Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin: kann. « « Mangunen, Golde, Ssamagern, Orotschen der Meeresküste, Oroken von Sa- chalin: enda und inda. « « Biraren: katschtkan. « « Monjagern: ninakin. « « Orotschonen: nennakın. « « Dauren: nugh.

Der Hund ist bei den Eingeborenen des Amur-Landes ein durchweg verbreitetes und allgemein eingebürgertes Hausthier, das ihnen entweder als Zugthier auf ihren Winterfahrten und Reisen, oder aber als Begleiter auf der Jagd dient. Ersteres findet auf der Insel Sacha- lin und auf dem Continente, an der Meeresküste wie am Amur-Strome und dessen Zuflüssen bis zur Mündung des Sungari, und zwar je mehr stromabwärts in desto grösserem Maass- stabe, Letzteres an dem oberen Amur- oder Sachali-Strome, bei den nomadisirenden und hauptsächlich von der Jagd lebenden tungusischen Stämmen, den Biraren, Monjagern und Orotschonen statt. Auch fehlt er nicht als treuer Wächter in den Gehöften der am Sa- chali-Strome ansässigen, mit Viehzucht und Ackerbau beschäftigten Dauren, Mandshu und Chinesen. Als Zugthier insonderheit greift der Hund tief in die Oekonomie jener Völker ein, und ist es nicht möglich ein noch so flüchtiges und oberflächliches Bild von dem Leben der- selben zu entwerfen, ohne dabei des Antheiles, den der Hund an ihrem Haushalte hat, wie- derholentlich zu gedenken. Wir müssen daher die Besprechung desselben ganz in den ethno- graphischen Theil unserer Reisebeschreibung verweisen.

19) Felix Lynx L

Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sacha in: ischlyghi. « « Mangunen: tugdshä.

88 Säugethiere.

Bei den Golde unterhalb des Ussuri, Kile am Gorin (Ssamagern): tubdsha. “« « oberhalb des Ussuri, Kile am Kur, Biraren und Monjagern: ubdshaki. « « Orotschonen: nondo.

Die Luchsfelle, deren ich im Laufe von zwei Jahren im Amur-Lande eine ziemliche Anzahl gesehen habe, gehörten sämmtlich der fein- und schwachgefleckten Varietät F. Lynx Temm. et Nilss.') an. Sie waren von ziemlich heller Grundfarbe, mit kleinen, sehr verwa- schenen Flecken auf dem Rücken und an den Seiten; die Schwanzspitze war im letzten Drittheil schwarz. Es blieb mir kein Zweifel übrig, dass ich es mit dieser Luchsvarietät des europäisch- asiatischen Continentes und nicht mit der Luchsart des amerikanischen Nordens, F. canadensis Geoffr., zu thun hatte. Niemals sind mir im Amur-Lande die Varietäten F. cervaria Temm. et Nilss. und F. virgata Nilss. begegnet. Doch ist es auch nicht so leicht in kurzer Zeit eine grössere Anzahl von Luchsfellen im Amur-Lande zu Gesichte zu bekommen, da der Luchs, als einsa- mer Bewohner der Wälder, verhältnissmässig immer nur selten erlegt wird und ausserdem sein Fell bei den Mandshu und Chinesen sowohl wie bei den Eingeborenen in einem hohen conventionellen Werthe steht, was die Eingeborenen, und vorzüglich die Giljaken, veranlasst, das erbeutete Fell entweder baldmöglichst an die chinesischen Kaufleute zu veräussern, oder aber als besonders geschätztes Stück, mit anderen nominellen Schätzen zusammen, in beson- derer, dem Auge der Umgebung entzogener Verwahrung zu halten. Wo daher bei den Gilja- ken auch ein ganzer Pelz von Luchsfellen vorhanden ist, wird er nicht getragen, sondern als grosse und werthvolle Seltenheit aufbewahrt, welche auf den Besitzer das Licht aussergewöhn- lichen Reichthumes wirft. Minder selten bekommt man das Luchsfell in der Form einer besonde- ren Art Wintermützen bei den giljakischen Weibern zu Gesichte; doch ist es auch in dieser Form nicht häufig und stets ein Zeichen grossen Wohlstandes. Genaueres über diese Gegenstände der Eingeborenen und die relative Werthschätzung desLuchsfelles bei denselben wird im ethnographi- schen Bande meiner Reisebeschreibung zu finden sein. Das hohe Ansehen des Luchsfelles im Amur-Lande nöthigt uns bei den Eingeborenen auch eine genaue Kenntniss dieses Thieres vor- auszusetzen. Und in der That habe ich von ihnen oft, wenn kein Fell vorlag, genaue Schilderun- gen des Thieres gehört, welche die’bekannte Form nicht leicht verkennen liessen. Sämmtliche Eingeborene im Amur-Lande kennen aber nur eine einzige Luchsart, für die ich in jedem Volksstamme auch nur eine einzige Bezeichnung gehört habe. Sollten sich daher bisweilen auch die Formen F. cervavia Temm. et Nilss. und F. virgata Nilss. unter den Luchsen im Amur-Lande finden, wie es wohl möglich ist, so werden sie doch jedenfalls von den Einge- borenen nicht als besondere Thierarten angesehen, sondern unter einer und derselben Bezeich- nung Luchs schlechtweg verstanden. Ausser den mir zu Gesichte gekommenen Luchs- fellen, belehrte mich auch ein Schädel dieses Thieres, den ich aus dem Dorfe Dyra am unte- ren Amur erhielt, über die Identität der dortigen Form mit unserem europäisch - asiati-

!) Nilsson, Skandin. Fauna. 12 del. Däggdjuren. Lund. 1847. p. 126. Desgl. meine Schrift: Ueber die Luchs- arten des Nordens und ihre geographische Verbreitung. Dorpat. 1849. p. 27.

Felis Lynx. | 89

schen Luchse. Nach einer Vergleichung desselben mit vier Luchsschädeln unseres akad. Mu- seums aus der Umgegend St. Petersburg’s, aus Tyrol, dem Caucasus und Nordsibirien kann ich an ihm nichts Abweichendes finden. Seiner Grösse nach steht er den vier an- deren Schädeln unseres Museums nach. Folgendes ist ihre Länge und Breite (in Millim.):

= £ E

E |»o2 hl

E 155 = 83

Länge des Schädels, von dem Halse eines der oberen mittleren! 1®= | Sue.® Schneidezähne bis zum äussersten Ende des Hinterhaupthöckers| 131| 134] 149| 154.162 Breite des Schädels an den Jochbögen ....... SEE 89 | 98/103) 106

Auch am Amur-Exemplare des Luchsschädels wie an den 4 anderen Schädeln unseres Museums bestätigt sich die Unhaltbarkeit des von Keyserling und Blasius zur Unterschei- dung des Luchstypus vom Typus der eigentlichen Katzen angegebenen osteologischen Momen- tes, dass nämlich am Schädel der Luchse die Stirnbeine in langen Fortsätzen längs den Nasen- beinen bis über deren Mitte hinausreichen, wo sie mit den Zwischenkieferbeinen zusammen- treffen, so dass die Nasen- und Wangenbeine (soll heissen Oberkieferbeine) einander nicht berühren '). Wie ich schon früher aufmerksam gemacht habe?), ist dies ein variirendes Ver- hältniss, und dürfte nach meinen Erfahrungen sogar häufiger eine Berührung der Oberkiefer- beine mit den Nasenbeinen als der von Keyserling und Blasius angegebene Fall stattfinden. Unser Amur-Exemplar vom Luchsschädel zeigt den auch von Wagner’) einmal beobachte- ten Fall, dass das Oberkieferbein an der einen Seite das Nasenbein berührt, an der anderen dagegen durch das Zusammentreffen der Stirn- und Zwischenkieferbeinfortsätze von der Be- rührung mit dem Nasenbeine ausgeschlossen bleibt.

Ueber die Verbreitung des Luchses im Amur-Lande konnte ich, wegen der grossen Werthschätzung und allgemeinen Kenntniss dieses Thieres bei den Eingeborenen,, zahlreiche Nachrichten einsammeln. Diesen zufolge kommt der Luchs im gesammten Amur-Lande, aber stets nur in ®einen waldreichen Gebieten vor, was meine früher ausgesprochene Ansicht, dass die Verbreitung des Luchses wesentlich an das Vorhandensein hochstämmiger Waldung ge- bunden sei‘), auch hier bestätigt, Folgt man dem Laufe des Amur-Stromes, so findet man im oberen Theile desselben den Luchs auch als Bewohner der unmittelbaren waldigen Ufer des Stromes, während er weiter abwärts, im Prairietheile des Stromes, von den unmittelbaren Ufern entfernt und auf die landeinwärts gelegenen bewaldeten Gebirge beschränkt bleibt, In dem waldreicheren unteren Amur-Lande habe ich den Luchs nach Aussagen der Eingeborenen oder nach den bei ihnen vorhandenen Fellen, einzelnen Knochen, Krallen des Thieres u. dgl. m.

I) Keyserling und Blasius, Die Wirbelth. Europa’s. p, 62. 2) Ueber die Luchsarten des Nordens. p. 8. 3) Die Säugethiere von Schreber. Supplbhd. Abthl. 2. p. 515. Anm. 19, 4) Ueber die Luchsarten des Nordens. p. 38. Schrenck Amur-Reise Bd. I 13

90 Säugethiere.

am Amur-Strome selbst wie an dessen linken und rechten Zuflüssen kennen gelernt. Am Ussuri nannten ihn mir die Golde als Bewohner der waldigen Gebirge landeinwärts wie zur Meeresküste hin, und vermuthlich zieht er sich dort auch noch weiter südwärts nach Korea und dem östlichen China fort. Nordwärts kommt er nachweisslich im Chöchzyr-Gebirge an der Mündung des Ussuri, im oftmals erwähnten Geong-Gebirge, in den Gebirgen am Naichi- oder Dondon-Flusse, am Chongar, am Ssedsemi, am Gorin, am Jai und bis an die Mündung des Amur-Stromes vor. Er wurde mir ferner als Bewohner der Wälder landein- wärts von der Südküste des Ochotskischen Meeres, der Waldungen am Amur-Limane und der Küste des Tartarischen Meeres bis südlich von der Bai Hadshi genannt. Auch bleibt der Luchs in diesem gebirg- und waldreichen Lande nicht bloss auf das Festland beschränkt, son- dern geht auch auf die nahe anliegende Insel Sachalin hinüber, welche im Winter durch die ununterbrochene Eisdecke des Amur-Limanes mit dem Continente in steter Verbindung und mannigfachem Austausch ihrer Thierwelt steht. Auf Sachalin bewohnt aber der Luchs nur das besser bewaldete Innere und bleibt von den im Norden der Insel waldlosen Küstenstrecken fern. So erreicht er auch nicht die mit lichter und krüppeliger Lärchenwaldung bedeckte Mündung des Tymy-Flusses an der Ostküste der Insel, während er im waldreiehen oberen Laufe dieses Flusses heimisch ist. In diesen Waldungen des Innern steigt er gewiss bis an das Südende der Insel hinab. Dort aber müssen wir, wenn wir Siebold’s Nachrichten über Japan auch auf Jesso ausdehnen wollen, die Aequatorialgränze des Luchses annehmen, da er für Japan von Siebold nicht mehr genannt wird.

20) Felis Tigris L.

Bei den Giljaken des Continentes: att, märeder, chalowitsch.

“oa « der Westküste von Sachalin: ati, märeder, klutsch. “« « des Innern und der Ostküste von Sachalin: kluntsch. « « Mangunen: mare-mafa, dussä. =

« « Golde unterhalb des Ussuri: mare-mafa, auch schlechtweg mafa (d. h. der Alte). « « Golde oberhalb des Ussuri: kutty-mafa.

« « Biraren: lawgun').

« « Monjagern: migdu.

« « Orotschonen: baber.

Von besonderem Interesse war es mir im Amur-Lande einige Thatsachen zur Erwei- terung unserer Kenntniss von der Verbreitung des Tigers erfahren zu können. Kein ande- res Thier hat die Aufmerksamkeit der Forschung in solchem Maasse auf sich gezogen, wie dieser König der asiatischen Thierwelt, und von keinem anderen besitzen wir daher so genaue

!) Sehr äbnlich der chinesischen Bezeichnung des Tigers: «Zao-houn (Du Halde, Descr. geogr., hist., chronol., polit. et phys. de l’Empire de la Chine. La Haye. 1736. IV. p. 35.) oder «Zou-chu» (Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 13.)

Felis Tigris. 91

Darstellungen der geographischen Verbreitung in früherer und gegenwärtiger Zeit, wie uns vom Tiger durch Ritter, Humboldt und neuerdings in umfassender Weise durch Herrn Akad. Brandt ') gegeben worden sind. Um so mehr dürften daher ergänzende Angaben, zumal aus einem Lande, wo die noch immer nicht genugsam erforschte Polargränze der Verbreitung dieses Thieres liegt, einiges Interesse finden. Durch Pallas’) ist uns bereits das Vorkom- men des Tigers am Argunj, einem Quellarme des Amur-Stromes, und durch Middendorff®) sein Vorkommen nördlich vom Amur-Strome, am Kebeli, an den Zuflüssen der Dseja, an der Tyrma und, in ausnahmsweisen Fällen, am Südabhange des Stanowoi-Gebirges bekannt. Gleichwohl wusste man bisher von seiner Verbreitung am Amur-Strome noch nichts. Wir sind nun im Stande diese Nachrichten längs dem gesammten Stromlaufe zu geben. Am oberen Amur ist der Tiger zwar den Orotschonen wie den Monjagern bekannt, allein vom Irbis (F. Irbis Müll.), wie es scheint, nicht genugsam unterschieden. Zwar gaben mir die Eingebore- nen von beiden Thieren genaue Beschreibungen, welche sie unverkennbar machten, allein in der Bezeichnung fassten sie beide Thiere zusammen, was wohl zum Beweise dafür dienen kann, dass sie mit diesen Thierarten zu selten in Berührung kommen, um ihre Selbständigkeit aus eigener Erfahrung zu kennen. Aehnlich scheint es sich mit der Kenntniss des Tigers auch bei den weiter abwärts wohnenden Biraren zu verhalten. Erst bei den Golde unterhalb des Bureja-Gebirges, am Ussuri und am Amur ober- und unterhalb der Ussuri-Mündung konnte ich, mit der Sprache der Eingeborenen besser bekannt, mich überzeugen, dass der Tiger und Irbis als verschiedene Thierarten auch in den Bezeichnungen auseinandergehalten werden. Dieses ist aber auch derjenige Theil des Amur-Landes, in welchem der Tiger häufiger als in allen anderen vorkommt, offenbar weil es der südlichste Theil ist, in welchem die gröss- ten aus Süd und Südwest kommenden Zuflüsse des Amur-Stromes, der Sungari und Us- suri Jiegen, deren Haupt- und Nebenthäler dem Tiger von den Gränzen Korea s und des nordöstlichen China’s eine Bahn nach Norden bieten. In diesem Theile des Amur-Stromes wird auch dem Tiger in den feuchten, oft sumpfigen Niederungen und den mit Gebüsch, mit hohem Grase und oft mit dichtem, über mannshohem Schilfe bewachsenen Ufern des Stromes ein viel günstigeres Terrain als in dem oberen und unteren, gebirg- und waldreichen Laufe des Amur-Stromes geboten. Auch ist der Tiger dort, nach Aussage der Eingeborenen, nicht bloss ein seltener Gast, sondern im Winter und Sommer ein stetiger Bewohner des Landes, dem man häufig begegnet und der nicht selten für Menschen und Vieh verderblich wird. ‚So erzählten uns die Golde von Turmi und Dshuada an der Ussuri-Mündung, dass ihnen im letzten Winter sämmtliche Pferde, welche sie vom oberen Amur bekonmen hatten, von Tigern zerrissen worden seien. Im Dorfe Agdeki (oder Mutscha) am Ussuri berichteten die Golde, dass die Tiger bisweilen, zumal im Winter, ihren Wohnungen nahe kämen und ihnen Hunde

l) Untersuchungen über die Verbreitung des Tigers (Felis tigris) und seine Beziehungen zur Menschheit, St. Petersburg 1856. In den Mem. de l’Acad. des sciences de St. Betersb. 6”® Serie. Sc. natur. T. VII.

2) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 16.

?) Sibirische Reise, 1. c. p. 75.

92 Säugethiere

und Schweine zerrissen, und dasselbe erzählten auch die Golde von Dawanda am linken Amur-Ufer unterhalb des Ussuri. Die Golde sind den Angriflen des mächtigen Thieres nicht gewachsen und tragen daher grosse Furcht vor demselben, zu welcher sich natür- lich, bei dem Gefühle ihrer Ohnmacht, manche abergläubische Vorstellungen gesellen. Fast allenthalben findet man daher aus Holz geschnitzte Tigerfiguren, welche entweder in der Nähe der Häuser, am Fusse grosser Bäume aufgestellt, oder aber, in kleinerer Gestalt, an die Kleidungsstücke angeheftet werden, um deren Träger jederzeit vor einem Angriffe dieses Thieres zu schützen. Diese Tigergötzen sind zwar nur sehr roh gearbeitet, lassen aber den- noch das Thier nicht verkennen. Sie geben den gestreckten Körper, den langen Schwanz, den breiten Kopf mit kurzer Schnauze und die gestreifte Zeichnung dieses Thieres wieder. Meist ist dasselbe in aufrechter Stellung mit ausgestrecktem Schwanze, bisweilen auch liegend mit. auf den Rücken zurückgeschlagenem Schwanze dargestellt. Die Zeichnung besteht aus einem längs der Mittellinie des Kopfes, Rückens und Schwanzes verlaufenden schwarzen Streifen, an den Seiten aus quer gestellten, abwechselnd schwarzen und rothen Streifen und am Schwanze

aus eben solchen Ringen. Ich werde im ethnographischen Bande meiner Reisebeschreibung einige Abbildungen dieser Tigergötzen, deren ich mehrere mitgebracht habe, mittheilen. Was diese Tigergötzen nur roh audeuten, weiss die Beschreibung, welche die Eingeborenen von dem Thiere geben, genauer zu zeichnen. Das gefürchtete Thier wird stets als eine Katze von sehr bedeutender Grösse beschrieben, einer Grösse, welche die übertreibende Furcht der Golde bisweilen sogar auf ungefähr 2 Faden Länge und 1 Faden Höhe anzugeben weiss. Die Farbe des Thieres soll gelb mit schwarzen Querstreifen, der Schwanz gelb und schwarz geringelt und an der Spitze schwarz sein. Schleichend soll das Thier sich seiner Beute nähern und sich dann mit einem Sprunge auf dieselbe werfen. Es ist mir leider nicht gelungen selbst ein Fell des Tigers am Amur zu sehen, da die grosse Furcht der Eingeborenen sie von einer wirk- lichen Jagd auf denselben zurückhält und nur gelegentlich und selten ein Individuum erlegt wird, dessen Fell alsdann sogleich denChinesen oder Mandshu verkauft wird, bei denen es

in hohem Ansehen steht und zur Kleidung der Vornehmen verwendet werden soll. Selbst alle Auskunft über den Tiger gaben mir die Eingeborenen nur mit Widerstreben, da sie die aber- gläubische Furcht haben, dass sogar das Sprechen vom Tiger ihnen Unheil und Verderben

durch das mächtige Thier zuziehen könne. Nicht selten bemerkte ich bei ihnen, wenn wir auf den Tiger zu sprechen kamen, ein Dämpfen der Stimme, als fürchteten sie belauscht zu wer-

den, und nach Möglichkeit vermieden sie den Namen des Thieres zu nennen. Auch fügen

sie diesem Namen, wohl aus Ehrfurcht und um sich schadlos zu halten, das schmeichelnde

und ehrende Beiwort «mafa», d. i. «der Alte», bei ein Prädikat, das ausser dem Tiger nur

noch dem allgemein geachteten und abergläubisch gefürchteten Bären zukommt. Ja, wie die-

ser bei den unteren Golde, Mangunen und anderen tungusischen Stämmen des unteren

Amur-Landes schlechtweg «Mafa» (Alter) genannt wird, so habe ich bei den Golde am

Ussuri und am Amur in der Gegend der Ussuri-Mündung, wo der Bär in den Augen der

Eingeborenen bereits an Ansehen verloren hat, oftmals den Tiger schlechtweg «Mafa» nen-

Felis Tigris. 93

nen hören. Dort ist also der Tiger unstreitig noch ein König der Thierwelt. Geht man nun von dort weiter abwärts am Amur-Strome, zu den unteren Golde und Mangunen, so findet man den Tiger zwar noch allgemein bekannt, allein, nach Angabe der Eingeborenen, weit seitener als an der Ussuri- Mündung. Doch müssen wir aus diesen Angaben entnehmen, dass er bei Naichi und Dshare am Geong-Gebirge, am Chongar, am Nor- oder Bolong- See, bei Ongmoi, bei Adi oberhalb der Gorin-Mündung und weiter abwärts noch am Jai, einem Zuflusse des Amur-Stromes bei Kidsi, im Sommer und Winter, wenn auch sehr sel- ten und vereinzelt, vorkommt. Bis dahin habe ich ihn stets auch in der Bezeichnung der Ein- geborenen vom Irbis unterscheiden hören. Bei den unteren Mangunen aber, die auch eine andere Bezeichnung, dussä, für den Tiger haben, findet man bereits ein Zusammenwerfen der Tiger- und Irbis-Namen, obgleich beide Thiere in ihrer charakteristisch verschiedenen Zeich- nung beschrieben werden. Die Veranlassung dazu liegt offenbar nur in der dort weit grösseren Seltenheit dieser Thiere, welche eine geringere Kenntniss derselben bei den Eingeborenen zur Folge hat. Auch ist hier das Terrain für das Vorkommen des Tigers allmählig viel ungünsti- ger als oberhalb geworden, indem der Boden fast durchweg gebirgig und zumeist mit dichter Nadelholzwaldung bedeckt ist. Trotz dieses nordischen Charakters des Landes, kommt aber der Tiger auch noch weiter unterhalb, im Gebiete der Giljaken bis an die Mündung des Amur-Stromes vor. Doch scheint es, dass er diesen äussersten Norden des Amur-Landes nur bisweilen und auf Streifz"gen besucht, indem er sich dort, nach Aussage der Giljaken, nur im Sommer und auch dann in sehr seltenen Fällen sehen lässt. Die Giljaken sind der Ansicht, dass der Tiger und der Irbis zu einer und derselben Thierart gehören, welche in der Jugend gefleckt, im Alter gestreift sei, und bezeichnen beide mit denselben Namen, deren sie mehrere haben. Die gebräuchlichsten von diesen sind «att» und «märeder», während die Bezeichnung «chalowitsch» viel seltener zu sein scheint. Was es jedoch für eine Bewandtniss mit diesen ver- schiedenen Namen für eine und dieselbe Thierart habe, konnte ich nicht ermitteln; nur so viel erfuhr ich mit Bestimmtheit, dass sie nicht einzeln, eine dem Tiger, die andere dem Irbis zu- kommen, sondern auf beide vermeintliche Altersverschiedenheiten des Thieres bezogen wer- den. Von beiden Thieren, dem Tiger wie dem Irbis, gaben mir übrigens die Giljaken ge- naue und charakteristische Beschreibungen, welche wie diejenigen der Golde lauteten und die Thiere unverkennbar verriethen. Es scheint daher nur das gleiche und sehr seltene Vorkom- men beider Thierarten wie die gleiche abergläubische Furcht der Giljaken vor beiden sie zu dieser Verschmelzung beider Formen in eine Thierart bestimmt zu haben. Aus dieser Ver- schmelzung allein kann ich mir auch die Thatsache erklären, warum man bei den Gilja- ken niemals Irbis-, wohl aber häufig Tigergötzen findet. Denn als die ältere und erwachsene Form müsste der Tiger, nach Vorstellung der Giljaken, auch schon den Irbis in sich fassen, und dürfte daher ein Abbild des ersteren den Besitzer vor den Angriffen beider Thiere schützen. Die Tigergötzen der Giljaken stellen übrigens das Thier auch nicht mit der Genauigkeit und Treue wie diejenigen der Golde dar. Ebenfalls aus Holz geschnitzt, geben sie das Thier in aufrechter ‚Stellung wieder. Wie an den Tigergötzen der Golde und Mangunen erkennt

94 Säugelhiere.

man auch an denjenigen der Giljaken den breiten Kopf mit kurzer Schnauze, den langgesireck- ten Körper auf verhältnissmässig sehr kurzen Beinen und den langen Schwanz des Thieres; al- lein es fehlt die farbige Angabe der gestreiften Zeichnung des Thieres. Statt durch Farben sind an diesen giljakischen Tigergötzen die Streifen durch eine Reihe quer gestellter Einschnitte an den Seiten des Thieres dargessellt. Bisweilen jedoch fehlt die Angabe der Streifen auch ganz, und dann kann allerdings der Götze ebensogut auch auf den Irbis wie auf den Tiger bezogen werden. In diesem Falle wird es aber auch überhaupt schwer, bei der rohen Arbeit dieser Götzen, in der stark verkleinerten, gestreckten, mit kurzen Beinen und langem Schwanze ver- sehenen Gestalt, welche einer Ratte weit ähnlicher als einem Tiger aussieht, dieses mächtige Raubthier zu erkennen. Ich habe selbst einen solchen Tigergötzen bei mir gehabt, welchen ich lange Zeit auf die Ratte (Mus decumanus) beziehen zu müssen glaubte, bis ich mit der gilja- kischen Sprache mich so weit vertraut gemacht hatte, dass ich von den Giljaken selbst eine Erklärung dieser Götzengestalt erfragen konnte, in der ich nunmehr, mit den Tigergötzen der Golde un! Mangunen bekannt, denselben Typus wiederfinde. Ein anderer Zug der gilja- kischen Tigergötzen, in welchem sie von denen derGolde und Mangunen abweichen, besteht darin, dass das Ende des bisweilen ziemlich kurz dargestellten Schwanzes mit einer scharf abgesetzten Anschwellung versehen ist. Dies ist namentlich bei den durch Quereinschnitten gestreiften Tigergötzen der Fall, welche ich bei den oberen Giljaken am Amur häulig ge- sehen habe. Eine Erklärung für diese seltsame Abweichung von der Natur kann ich nicht finden. Soll diese Anschwellung vielleicht die schwarze Schwanzspitze angeben? oder haben wir sie nur als eine in Folge mangelhafter Kenntniss des Thieres entstandene Erfindung der Phantasie anzusehen? Letzteres kann um so eher möglich sein, als der Tiger dort jedenfalls sehr selten ist, die Phantasie der Giljaken aber sich sehr viel mit ihm abgiebt. Denn die abergläubische Furcht vor dem Tiger, deren ich oben bei den Golde erwähnt habe, findet sich in einem noch höheren Grade bei den zu abergläubischen Vorstellungen jeder Art geneig- teren Giljaken. Nicht nur dass sie gleich den Golde vom Tiger zu sprechen oder gar ihn beim Namen zu nennen sich scheuen und darum beim Sprechen von ihm in der Regel die Stimme dämpfen und den Namen umschreiben, sondern sie sind auch der Ansicht, dass jede sehleehte Handlung überhaupt dem Uebelthäter leicht das Erscheinen des «At» nach sich zie- hen könne. Der blosse Anblick des «Attv dürfte aber schon genügen dem Menschen Unheil und Verderben zu bringen, wenn er auch nicht sogleich zur direkten Beute desselben wer- den sollte, Bei solchem unheilvollen Begegnen sucht daher der Giljake dem Anblicke des Thieres sich möglichst rasch zu entziehen und lässt sich niemals in einen direkten Kampf mit ihm ein. Ich habe selbst Giljaken gesprochen, welche den Tiger gesehen zu haben behaup- teten; aber niemals, meinten sie, habe ein Giljake einen Tiger erlegt. Der umgekehrte F all dagegen, dass Giljaken vom Tiger zerrissen würden, soll wahl vorkommen, Auch knüpft sich bei den Giljaken eine Reihe religiöser Gebräuche an die Bestattung und Aufbewahrung der aufgefundenen Ueberreste eines vom Tiger Zerrissenen oder an die Feier seines Gedächt- nisses, Es würde uns zu weit von unserem zoologischen Ziele entfernen, wallten wir hier

Felis Tigris. 95

eine Schilderung dieser religiösen Gebräuche der Giljaken geben, welche zweckmässiger dem ethnographischen Bande meiner Reisebeschreibung vorbehalten bleibt. Nur so viel will ich hier bemerken, dass diese Bestattungsgebräuche der Giljaken gleichmässig auf die vom Tiger und vom Bären Zerrissenen Bezug haben und auf dem Glauben an eine Seelenwanderung in Betrefl dieser Thiere beruhen. Auch finden sieh unter den Götzengestalten der Giljaken Zu- sammenstellungen von menschlichen mit Tiger- und Bärenformen , welche auf diese Vorstel- lungen von Metempsychose in direkter Weise hindeuten dürften. Es bleibt uns nunmehr noch übrig der Verbreitung des Tigers an den Meeresküsten des Amur-Landes zu erwähnen. Die Mündung des Amur-Stromes ist keineswegs die Polargränze der Verbreitung des Tigers. Nach Aussage der Giljaken am Ochotskischen Meere lässt er sich auch dort als seltener Gast im Sommer sehen ein Vorkommen, welches sich unmittelbar an das von Midden- . dorff in Erfahrung gebrachte Vorkommen des Tigers an der Tyrma') anschliesst und das viel- leicht wohl die Polargränze des Thieres bezeichnen dürfte. Längs den Küsten des Amur-Limanes und der Meerenge der Tartarei ist der Tiger ebenfalls vorhanden und zwar, nach Aussage der Mangunen, bis etwa nachSsurku, nahe dem 50°n.Br., sehr selten, von da an südwärts aber häufiger und an der Küste wie an den in’s Meer fallenden Flüssen, dem Tumdshi u.a. m. zu finden. Höchst auffallend endlich ist mir die Thatsache, dass der Tiger, trotz seiner Seltenheit im nördlichen Amur-Lande und dem Küstengebiete desselben, doch nicht auf das Festland beschränkt bleibt, sondern-auch auf der Insel Sachalin sich finden soll. Zum we- nigsten versicherten mir die Giljaken der Westküste und des Innern dieser Insel, dass er, wenn auch sehr selten, dennoch sich dort sehen lasse, zum grössten Schrecken der Giljaken, welche in Beziehung auf den Tiger die Furcht und die abergläubischen Vorstellungen ihrer Landsleute auf dem Continente in gleichem Maasse theilen. Auch haben die Giljaken von Sa- ehalin für den Tiger, ausser den auch bei ihnen gebräuchlichen Namen «att» und «märeder», noch eine dritte, eigene Bezeichnung, welche mir auf der Westküste «klutsch», im Tymv- Thale im Innern der Ansel «kluntsch» genannt wurde. Jedenfalls aber darf der Tiger nur als seltener Gast der Insel angesehen werden, und ist demnach anzunehmen, dass er bei Cap La- sareff oder nördlicher das Eis des Amur -Limanes überschreite, um sich auch auf der Insel zu verbreiten. Auf den Japanischen Inseln, südlich von Sachalin, soll er aber, nach dem Zeugnisse Siebold’s‘), nicht vorkommen. Ausser den südlichen, dem asiatischen Continente sehr genäherten Inseln Hainan, Sumatra, Java und Ceylon, ist alsoSachalin die einzige Insel welche vom Tiger bewohnt oder zum wenigsten besucht wird. Ueberhaupt ist es im Haushalte der Natur begründet, dass die grössten Raubthiere ihre Heimath und grösste Ver- breitung auf den Continenten haben, wo eine reichere Säugethierfauna ihnen die nöthigen Nahrungsmittel liefert, und dass sie dagegen den Inseln, wo in der Regel eine Verarmung der Säugethierfauna stattfindet, fehlen. Bilden nun die mit continentalem Charakter ihrer Säuge- thierfauna versehenen Sunda-Inseln, und ebenso vielleicht auch Hainan und Ceylon, eine

I, Sibirische Rejse l. c. 2) Fauna Japonica. Mammalia. Dec. 1. p. 5. und Dec. 2. p. 28.

96 | Säugethiere.

Ausnahme von dieser Regel, so lässt sich dasselbe doch kaum vom nordischen Sachalin er- warten. Blicken wir daher genauer, welche Nahrungsmittel der Tiger bei seinen Besuchen auf der Insel Sachalin dort finden dürfte. Hauptsächlich sind es wohl die grossleibigeren Ruminantien und Pachydermen, welche dem Tiger in seinem gesammten weiten Verbreitungs- gebiete die nöthigen Nahrungsmittel liefern müssen. Im südlichen Theile des Amur-Stromes, wo der Tiger am häufigsten ist, giebt es mannigfache Repräsentanten der genannten Gruppen: Edelhirsch, Reh, Elennthier, Moschusthier, Wildschwein und im Küstengebirge eine Antilo- penart. Nach Norden, nahe der Mündung des Amur-Stromes, schwindet freilich die Hälfte derselben, Edelhirsch, Reh und Wildschwein, dafür aber findet sich zu den drei noch übrig gebliebenen Thieren ein neues, das Rennthier, ein. Von diesen vier Thierarten schwindet endlich äuf Sachalin wiederum ein sehr wichtiges, nämlich das Elennthier, und vielleicht auch die Antilope, die aber als ein ausschliessliches und sehr seltenes Gebirgsthier kaum in Betracht kommen kann, und es bleiben also nur Moschusthier und Rennthier nach, von denen ersteres nur im Innern der Insel, das Rennthier aber allenthalben und häufiger vorkommt. Wir sind daher genöthigt anzunehmen, dass der Tiger, wenn er die Insel Sachalin besucht, mit seiner Nahrung zumeist auf das Rennthier angewiesen sein müsse. Und so sehen wir den Tiger, den man gewohnt ist sich in der Nähe von Palmen und Bambusen zu denken, auf der Insel Sachalin nicht bloss mit der polaren Form des Rennthieres zusammentreflen, sondern auch seine meiste Nahrung von derselben beziehen. Fügt man noch hinzu, dass ich im unte- ren Amur-Lande und auf der Insel Sachalin im Winter zu wiederholten Malen eine unter dem Gefrierpunkte des Quecksilbers stehende Temperatur beobachtet habe, so beweist dies wohl mehr als alle bisher bekannten Thatsachen, wie unrecht man thun würde, den Tiger als eine exclusiv tropische oder auch nur subtropische Form betrachten zu wollen.

21) Felis Irbis Müll.

Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin wie der Tiger. « « Mangunen und Golde: jerga.

Da'ich bei Besprechung des Tigers im Amur-Lande, wegen der häufig mangelhaften Unterscheidung bei den Eingeborenen zwischen Tiger und Irbis, an mehreren Orten zugleich auch des letzteren habe erwähnen müssen, so brauche ich mich hier nur kurz zu fassen und das auf den Irbis allein Bezügliche nachzuholen. Aus dem oben Gesagten geht bereits hervor, dass der Irbis im Amur-Lande dieselbe Verbreitung wie der Tiger hat, d. h. längs dem gan- zen Amur-Strome, an den Küsten des Ochotskischen und Tartarischen Meeres und auf der Insel Sachalin vorkommt. Allein nur im südlichen Theile dieses Verbreitungsgebietes, bei den Golde am Ussuri und am Amur-Strome ober- und unterhalb der Ussuri-Mün- dung, wird der Irbis als selbständige Thierart vom Tiger genau unterschieden und auch in der Bezeichnung auseinandergehalten, Bei ihnen findet man denn auch Irbis-Götzen, welche

Felis Irbıs. 97

dieselbe Bestimmung wie die Tiger-Götzen haben, indem sie zum Schutze und Schadloshalten vor den Angriffen des gefürchteten Thieres dienen sollen. Diese Irbis-Götzen, deren ich meh- rere am Ussuri gesehen und auch welche mitgebracht habe, geben die Gestalt und Zeichnung des Thieres in ebenso roher Weise wie die Tiger-Götzen wieder. Dennoch verrathen der kurze breite Kopf, der gestreckte Körper, der lange Schwanz und vor allem die charakteristische, wenngleich nur sehr schematisch gehaltene Zeichnung diese grosse Katzenart des angränzen- den Ost- und Mittelasiens zur Genüge. In den Hauptzügen besteht die Zeichnung darin, dass am Kopfe abwechselnd rothe und schwarze Querstreifen, längs der Mittellinie des Kopfes, des Rückens und des Schwanzes ein schwarzer Streifen und an den Seiten des Rumpfes und des Schwanzes entweder schwarze, oder abwechselnd schwarze und rothe Rosetten angegeben sind. Offenbar kommt es dabei den Golde nicht sowohl auf eine getreue Zeichnung, als auf eine specifisch selbständige Darstellung des Irbis und eine hinlängliche Unterscheidung des- selben vom Tiger an. Ich habe oft an den Kleidungsstücken oder unter dem Hausgeräth der Golde kleine Tiger- und Irbis-Götzen neben einander gesehen, welche in der:Grösse und Ge- stalt vollkommene Seitenstücke zu einander bildeten und nur durch die verschiedene, hier ge- streifte, dort rosettenförmig gefleckte Zeichnung verschieden waren. Auch in ihren Beschrei- bungen vom Irbis hoben die Golde stets die grosse Aehnlichkeit desselben mit dem Tiger in der Grösse, Gestalt und Lebensweise hervor und gaben die vom Tiger verschiedene Zeichnung des Irbis an. Nach ihren Angaben soll der Jerga eine Katzenart von etwa ve Faden Länge sein, davon yA Faden auf den Schwanz kommt; wie der Tiger soll er ‘einzeln vorkommen, bisweilen auf Bäume klettern, schleichend seiner Beute sich nähern und mit einem Sprunge sie erhaschen. Auffallender Weise soll der Irbis in den Gegenden am Ussuri und am Amur nahe der Ussuri-Mündung viel seltener als der Tiger sein, und ist es wahrscheinlich diesem Umstande zuzuschreiben, warum er von den Golde noch mehr als der Tiger gefürchtet wird. Nach Erzählungen der Golde sollen nur Wenige den Jerga gesehen haben und es wage Nie- mand ihn zu jagen, während Tiger, wenngleich in seltnen Fällen, doch erlegt werden. Ebenso scheint der Irbis auch weiter abwärts am Amur-Strome und gegen die Mündung desselben, wo er bei den Giljaken mit dem Tiger, als dessen jugendliche Form, für eine und dieselbe Thierart angesehen wird, noch seltner als der Tiger vorzukommen. Pallas’s Angabe, dass der Irbis zwischen den Flüssen Uth (od.Uda) und Amur häufig sein soll '), müssen wir daher, im selben Maasse wie Middendorff es für das Stanowoi-Gebirge thut °), auch für den zum Amur-Strome fallenden Theil dahin berichtigen, dass der Irbis dort sehr selten sei. Wie be- reits oben erwähnt, ist nach Angabe der Giljaken anzunehmen, dass der Irbis auch auf der Insel Sachalin als seltner Gast vorkomme. Auf den Japanischen Inseln lernte ihn Siebold nicht kennen. Doch erwähnt Middendorff >) eines Felles im Museum von Leyden, das aus Nangasaki herrührte; auch giebt Pallas einen japanischen Namen für den Irbis

1) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 17.

2) Sibirische Reise. 1. c. p. 76.

3) Sibir. Reise. 1. c.

Schrenck Amür-Reise Bd. I. 13

98 Säugelhiere.

an '). Es scheint also derselbe auch in Japan vorzukommen und somit auf den Inseln Ostasiens eine weitere Verbreitung als der Tiger zu haben.

22) Felis domestica Briss.

Bei den Giljaken: kyssk. « « Mangunen, Golde, Ssamagern, (Kile am Gorin): kysska, seltner : koksja. ‘« « Biraren und Monjagern: kaka.

Obgleich die Katze als Hausthier bei Besprechung des Haushaltes der Amur-Völker besondere Erwähnung finden wird, glaube ich doch das zur geographischen Verbreitung der- selben Gehörige schon hier mittheilen zu müssen. Die Hauskatze ist bei den Eingeborenen des Amur-Landes bisher noch wenig eingebürgert. Sie hat auf zweierlei Wegen ihre Verbreitung in das untere Amur-Land gefunden: einmal durch die Mandshu und Chinesen von Süden, und dann, in späterer Zeit, durch die Russen von Norden her. Betrachten wir diese Wege genauer. Wie bereits Pallas °”) und Nilsson °) bemerken, fehlt die Katze allen nomadischen Völkern, deren wandernde Lebensweise, ohne einen bleibenden festen Wohnort, nicht wohl geeignet ist der Katze, welche sich stets an das Haus zu schliessen pflegt, eine Heimath zu bieten. Vergeblich würden wir sie daher bei den wandernden Tungusischen Stämmen am oberen Amur, den Orotschonen und Monjagern, suchen. Zwar ist sie den ersteren durch die Russen, und darum auch unter dem russischen Namen «koschka», und den Monjagern und wandernden Biraren durch die am Amur ansässigen Mandshu, Chinesen und Dau- ren unter dem Namen «kaka» bekannt, allein in ihre unstäten Zelte ist sie ihnen nicht ge- folgt. In den festen Ansiedelungen der mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigten Mandshu, Chinesen und Dauren am oberen Amur- oder Sachali-Strome ist sie dagegen wohl zu finden, und dasselbe soll in den mandshurischen Dörfern und Städten am Sungari der Fall sein. Von den Ortschaften am Sungari ist sie durch mandshurische und chinesische Kaufleute auch in das untere Amur-Land, zu den Golde, Mangunen und Giljaken gebracht worden. Ich habe sie in vielen Dörfern dieser 3 Völker, in Turmi an der Ussuri-Mündung, in Ssa, Ssamachagdu, Dshai, Kidsi, Mongole, Tyr und Wair gesehen. Ueberall mögen sie die Eingeborenen sehr gern, angeblich weil sie den in ihren Häusern zahlreichen Ratten nach- stellt, in der That aber weil sie an dem fremdländischen, bei den Mandshu geschätzten Thiere Gefallen finden. Grossen Nutzen können sie von der Katze nicht haben, weil sie dieselbe ge- wöhnlich, um sie vor den in grosser Zahl von ihren gehaltenen Hunden zu schützen, in einer gewissen Gefangenschaft, bald in einem Winkel des Hauses angebunden, bald in einem höl- zernen Käfige eingesperrt halten. Sie wird daher zum blossen Luxusartikel bei den Eingeborenen,

!) Zoogr. Rosso-Asiat. 1. c. 2) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 26. %) Skandin, Fauna, 1-a del: Däggdjuren. 1847. I. p. 113.

Felis domestica. 99

den sich der Wohlhabende unter ihnen gegen einen bedeutenden Preis entweder selbst von den Mandshu am Sungari holt, oder von einem stromabwärts gekommenen chinesischen Kaufmanne eintauscht. Die gewinnsüchtigen Mandshu und Chinesen sollen aber, um die- sen Handelsartikel nicht aus den Händen zu geben, nur verschnittene Kater zu den Amur- Völkern bringen ‚, so dass eine Vermehrung der Katzen im unteren Amur-Lande selbst un- möglich ist und jedes einzelne Thier vom Sungari gebracht werden muss. Im Aeusseren sind diese mandshurischen Katzen den russischen oder europäischen ganz ähnlich, meist schwarz und weiss gescheckt, bisweilen auch blass fuchsroth und weder von aussergewöhnlicher Grösse, noch mit langem Haare und hängenden Ohren versehen, wie man sie in der nordchi- nesischen Provinz Pe-tscheli finden soll '). Letzterer Charakter kommt also nicht allen chi- nesischen, zum wenigsten nicht den mandshurischen Katzen zu. Auffallend ist aber, dass die Katze bei den Eingeborenen des unteren Amur-Landes, trotz ihres unzweifelhaft mandshuri- schen Ursprunges, eine Bezeichnung trägt, welche mit der russischen grosse Aehnlichkeit hat "—ein Umstand, der auf eine ursprünglich durch die Russen vermittelte Bekanntschaft der Amur- Völker mit der Katze hinzudeuten scheint. Wie dem aber auch sei, beziehen gegenwärtig die Eingeborenen des Amur-Landes die Katze von den Mandshu und Chinesen, und ist daher auch die Verbreitung derselben an die Ausdehnung und die Häufigkeit ihres Verkehres mit den letztgenannten Völkern gebunden. Aus diesem Grunde besitzen die den Mandshu und Chinesen näher wohnenden, ihnen zum Theil unterworfenen Golde und Mangunen, welche überdies auch alljährlich von chinesischen Kaufleuten besucht werden, die Katze häufiger als die entfernteren und unabhängigen Giljaken, zu denen die chinesischen Kaufleute sich nicht mehr hinwagen. Von den beiden genannten Stämmen sieht man aber wiederum bei den sesshafteren Mangunen die Hauskatze häufiger als bei den nomadischeren Golde, welche im Sommer, ihren Ort oft. wechselnd, nur leichte Zelte von Birkenrinde bewohnen. Die Giljaken des Amur-Stromes endlich haben noch auf ihren Handelsreisen zu den von chinesischen Kauf- leuten besuchten Orten am Amur oder zu den Mandshu am Sungari Gelegenheit sich mit diesem beliebten Thiere zu versorgen. Aber zu den mit den Mandshu und Chinesen so gut wie in gar keinem direkten Verkehre stehenden Giljaken der Insel Sachalin und Oro- tschen der Meeresküste gelangt die Katze nicht mehr. Ich habe sie in keinem der von mir mehrmals besuchten Dörfer des Amur-Limanes und der Insel Sachalin gefunden. Allerdings kannten sie die Sachalin-Giljaken dem Namen und Aussehen nach, schon in Folge ihres Verkehres mit ihren Landsleuten am Amur, allein sie besassen sie nicht und wussten mir auch nicht zu sagen, ob die Japanesen, bei denen die Katze ebenfalls ein beliebtes Hausthier ist, dieselbe zu den Aino im Süden der Insel bringen. So wenig hat sich also bisher die Katze auf dem mandshu - chinesischen Wege im unteren Amur-Lande verbreitet und einge- bürgert; offenbar aus dem Grunde, weil ihrer Verbreitung zwei Hindernisse im Wege stehen: einmal die hundezüchtende Lebensweise der Eingeborenen, welche sie nöthigt die Katze in der

1) Du Halde, Descript. de la Chine. I. p. 134.

100 Säugelhiere.

Gefangenschaft zu halten, wodurch sie ihrer Nützlichkeit beraubt und zum Luxusartikel ge- macht wird, während sie doch in den von Ratten wimmelnden Häusern der Eingeborenen ein unumgängliches Thier sein dürfte, und dann zweitens die gewinnsüchtige Sitte der Mandshu und Chinesen nur verschnittene Kater in den Handel zu briugen. Ohne Zweifel viel rascher wird daher die Katze auf einem anderen, neueren Wege, durch die Russen, ihre Verbreitung und Einbürgerung im Amur-Lande finden. Gleich bei der ersten Ansiedelung der Russen im Amur-Lande, im Jahre 1853, wurden einige Katzen in den Petrovskischen Posten am Ochotskischen Meere, nahe dem Eingange in den Amur-Liman, und von dort im folgen- den Jahre in den eben angelegten Nikolajewschen Posten, an der Amur-Mündung, gebracht. Sie vermehrten sich bald, und die Giljaken, welche den Posten des Handels wegen häufig besuchten, baten sich bisweilen statt anderer Zahlung eine junge Katze aus. In den nächsten Jahren, 1855 und 56, konnte man daher schon in mehreren giljakischen Dörfern der näch- sten Umgegend des Nikolajewschen Postens, wie Wair, Tscheharbach und a. m., Katzen von russischem Ursprunge sehen. Weiter waren sie zur Zeit meines Aufenthaltes im Amur- Lande noch nicht gelangt, allein es ist vorauszusehen, dass bei der Vorliebe der Eingebore- nen für die Katze und der Nützlichkeit, die sie in ihrem Haushalte haben kann, ihre Verbrei- tung nunmehr rasch weiter gehen und der ferneren Einführung mandshurischer Katzen bald ein Ende setzen wird.

1. INSECTIVORA.

23) Erinaceus europaeus L. Taf. IV. fig. 2.

In der Nähe der Stadt Aigun, im mandshurischen Dorfe Gulssoja am Amur, erhielt ich von den Eingeborenen das Fell eines Igels, welchen ich nach genauer Vergleichung mit den Igel-Arten unseres Museums und den Beschreibungen der bisher bekannten Igel-Arten für Erinaceus europaeus halten muss. So sehr nun diese Thatsache unseren bisherigen Erfah- rungen über die geographische Verbreitung des E. europaeus zu widersprechen scheint, so kann ich mich doch nicht entschliessen aus dem Igel des Amur-Landes, auf Grundlage einiger geringen Abweichungen vom europäischen Igel Abweichungen, welche in den Bereich der Va- riation einer und derselben Art fallen dürften eine neue Art zu bilden, sondern glaube viel- mehr, dass wir unsere bisherigen Ansichten über die geographische Verbreitung dieses Thieres modifieiren müssen. Eine genaue Beschreibung des Amur-Igels im Vergleiche zu den be- kannten Igel-Arten und besonders zum gemeinen Igel Europa’s soll diese Ansicht rechtfertigen.

Nach den bisherigen Erfahrungen über die Verbreitung der Igel- Arten dürfte man ge- neigt sein im Amur-Lande den E. auritus S.Gmel. zu vermuthen. Ich selbst schrieb daher die

Erinaceus europaeus. 101

ersten Spuren, welche ich vom Igel im Amur-Lande fand, dieser Art zu '). Allein das von mir mitgebrachte Fell gehört keineswegs dem E. auritus an. Die kurzen Ohren, die einfach gefurchten, glatt anzufühlenden Stacheln,, die borstenförmige Behaarung des Kopfes und der Seiten, die derberen Füsse und Nägel und die dunklere Färbung des Kopfes und der Unter- seite lassen keinen Zweifel übrig, dass unser Amur-Igel weder zur Sibirischen Igel-Art E. au- ritus, noch zu einer der wenig gekannten, aber sämmtlich durch lange Ohren charakterisirten, entfernter nachbarlichen Formen Indiens und des Himmalaya-Gebiges, E. collaris Gray, E. Spatangus Bennet und E. Grayi Bennet, gezogen werden dürfe. Dagegen bringen die ange gebenen Charaktere den Amur-Igel in die unmittelbare Nähe der europäischen Form; ja es bleibt mir, indem ich ihn mit Exemplaren des E. europaeus vergleiche, nicht ein einziges haltbares Kennzeichen zur Unterscheidung beider Formen als besonderer Arten übrig. Ge- hen wir diese Vergleichung Stück für Stück durch.

Die Stacheln des Amur-Igels bieten, unter dem Mikroskop betrachtet, in ihrem Baue ‚keine Verschiedenheit von denjenigen des E. europaeus dar. Sie zeigen dieselbe einfache Fur- chung, ohne alle Höckerchen, und fühlen sich daher auch glatt an, während die des E. auritus durch eine Menge Höckerchen an ihrer Oberfläche rauh anzufühlen sind. In der Farbe aber zeigen die Stacheln des Amur-Igels allerdings eine geringe Abweichung von denen des eu- ropäischen Igels. Bei diesem sind nämlich die Stach In mehrfach braunschwarz und weiss gerin- gelt: an der Basis braunschwarz, dann bis über die Hälfte hinaus weiss, dann wiederum braunschwarz, wiederum weiss und an der äussersten feinen Spitze schwärzlich. Sie sind also mit zwei weissen Ringen auf braunschwarzem Grunde versehen. Die Stacheln des Amur- Igels dagegen haben nur einen weissen Ring: sie sind an der Basis braunschwarz, dann hel- ler bräunlich , dann wiederum braunschwarz, dann weiss und an der äussersten feinen Spitze schwärzlich. Der Unterschied von der europäischen Form besteht also nur darin, dass der untere weisse Ring am Stachel des E. europaeus beim Amur-Igel hellbräunlich ist. Dieser helibräunliche Ring setzt sich aber, ebenso wie der weisse an der europäischen Form, von den beiden ihn einschliessenden, dunkelbraunschwarzen Ringen ab. Es ist also beim Amur-Igel dieselbe Anzahl verschiedener Farbenringe am Stachel wie bei der europäischen Form vorhanden, aber mit einer Neigung der schwarzen Farbe überhand über die weisse zu nehmen. Durch solch’ ein Ueberhandnehmen der schwarzen Farbe über die weisse ist der untere weisse Ring der europäischen Form hier durchgängig hellbräunlich oder schwärzlich geworden; der obere weisse Ring dagegen erhält sich in der Regel auch beim Amur-Igel weiss, allein nicht durchweg, indem er an vielen Stacheln entweder sehr eingeschränkt, oder aber ebenfalls mit bräunlichem Anfluge versehen ist. Durch ein mehr oder weniger starkes Ueberhandnehmen der bräunlichen Farbe über die weissen Ringe ist an den Stacheln der Amur- Form eine Reihe von Uebergängen zur Farbenzeichnung der europäischen Form wahrzunehmen, wie umgekehrt auch an der europäischen Form sich manche Stacheln finden, an denen der

1) Bull. de la classe phys. math, de l’Acad. des sc. de St. Petersb. T. XV. p. 246. Dsgl. Melanges russes. T. III. p. 352.

102 Säugethiere.

untere weisse Ring einen bräunlichen Anflug erhalten hat. Es ist aber das Ueberhandnehmen einer schwarzen oder überhaupt dunkleren Färbung eine in der Thierwelt Östasiens schon mehrmals beobachtete Erscheinung. Wir erinnern nur an die Bemerkung Baer’s, dass Daurien sich durch vorherrschende Schwärze in allen Fellen auszeichne '), eine Bemerkung, die bisher am Eichhörnchen, Zobel u. a. m. ihre Begründung*hat. Ich glaube daher auch in den schwärzeren Stacheln des Amur-Igels, im Vergleich zum europäischen, nicht sowohl ein Kennzeichen speeifischer Verschiedenheit der Formen, als vielmehr eine fernere Kundge- bung jener Erscheinung des Schwarzwerdens europäischer oder westasiatischer Formen im Osten Asiens erblicken zu müssen. Uebrigens finden sich auch am Amur-Igel, wie am euro- päischen, einige bis auf die feine schwärzliche Spitze ganz weisse Stacheln, nur minder zahl- reich als beim europäischen Thiere und, wie es scheint, in einem noch unentwickelten Zu- stande der Stacheln : ich habe an meinem Exemplare nur kurze, stärker gedrungene Stacheln von solcher Farbe gesehen, niemals Stacheln, die ihre volle Länge erreicht haben, während man am europäischen Thiere auch ganz lange weisse Stacheln findet. Die Länge der Stacheln endlich ist beim Amur -Igel ebenfalls dieselbe wie beim europäischen und erreicht im Maxi- mum nahe einen Zoll.

Ein ferneres wichtiges Kennzeichen zur Identifieirung des Amur-Igels mit dem euro- päischen bietet das Ohr. Dieses ist beim Amur-Igel im Vergleich zu E. auritus entschieden kurz und stellt sich dem Ohre des E. europaeus, das es an Länge durchaus nicht übertrifft, ganz an die Seite. Wie dieses hat es eine längere und rauhere Behaarung als das Ohr von E. auri- tus und wird von den Stacheln und der umgebenden Behaarung des Kopfes überragt. Der ein- zige, sehr minime Unterschied, der sich zwischen ihm und dem Ohre der europäischen Form noch wahrnehmen liesse, dürfte darin bestehen, dass es weniger abgerundet und etwas spitzer zu sein scheint. Doch ist dies, wie gesagt, ein sehr geringer Unterschied, und finden sich an den fünf mir vorliegenden Exemplaren des europäischen Igels, aus der Umgegend Peters- burgsund Sarepta’s, ebenfalls einige geringe Modilicationen dieses Verhältnisses. Ein genügen- der Grund zu speeifischer Trennung der Formen dürfte also in diesem Umstande nicht gegeben sein.

Das nächst wichtigste Kennzeichen zur Unterscheidung der Igel-Arten bietet die Behaa- rung des Kopfes, der Seiten und des Bauches derselben. Diese ist beim Amur-Igel nicht kurz und weich, wie bei E. auritus, sondern länger, rauh und borstig, wie bei E. europaeus, und nähert sich diesem auch in der Farbe, während es jenem fern steht. Bei den mannigfachen Farbenabänderungen, die man innerhalb unserer europäischen Igel-Art findet und die auch an den mir vorliegenden fünf Exemplaren sich kundgeben ‚zeichnet sich £. europaeus doch immer durch eine dunklere, mehr mit Braun und Schwarz gemischte Farbe aus, während bei E. auritus die Unterseite schmutzig weisslich ist, die Oberseite des Kopfes aber und die Seiten bräunlich sind. Beim Amur-Igel ist der Kopf auf dem Nasenrücken und im Umkreise der Augen schwarz mit weissen und hellbräunlichen Haaren gestichelt; die Oberlippe ist ebenfalls schwärz-

I)Baer, Uebersicht des Jagd-Erwerbes in Sibirien, Besonders im östlichen. Baer und Helmersen, Beiträge zur Kenntniss des russ. Reiches, VII. p. 212.

Erinaceus europaeus. - 103

lich, aber stärker weiss gestichelt, das Kinn schmutzig weisslich ; die Stirne und Ohrgegend sind hellbräunlich und schwärzlich mit Weiss gestichelt, die Ohren schmutzig weisslich. Diese Fär- bung des Kopfes finde ich an zweien, aus Sarepta stammenden Exemplaren von E. europaeus genau und nur mit etwas stärkerer weisser Stichelung wieder. An der Stirne und Ohrgegend rührt sie von der gemischten Färbung der langen, borstenförmigen Haare her, welche in ihrer unteren Hälfte braunschwarz, in der oberen, bis auf die schwärzliche Spitze, hellbräunlich oder schmutzig gelblich sind und mit ganz weissen Haaren untermischt stehen. Dieselbe Färbung zieht sich beim Amur-Igel von der Stirne und Ohrgegend längs den Seiten unterhalb der Stacheln fort, nur sind hier die Borsten noch länger, in ihrer unteren Hälfte stets braunschwarz, in der oberen gelblich und weisslich und an der Spitze schwärzlich. Es findet demnach an den Bor- sten eine ganz entsprechende Farbenzeichnung wie an den Stacheln statt. An denSarepta’schen Exemplaren von E. europaeus findet sich zwar ebenfalls ein schmaler, unterbrochener Streifen ebenso wie beim Amur-Igel gefärbter Borsten unterhalb der Stacheln, allein es nimmt doch im Vordertheile des Körpers das Weiss, im Hintertheile das Schwarz entschieden überhand, wobei jedoch der schwarze Grund des Hintertheiles mit zahlreichen weiss oder gelblich gerin- gelten oder auch ganz weissen Haaren gestichelt ist. Drei Exemplare von E. europaeus aus der Umgegend St. Petersburg’s zeigen dagegen diesen Contrast von schwarzer und weisser Färbung an den Seiten und dem Bauche nicht, sondern sind überall gleichförmig, und nur unter einander verschieden, heller oder dunkler braungrau gefärbt, wobei die Borsten eben- falls in der Basalhälfte dunkler, bräunlich, in der Endhälfte heller, schmutzig weisslich sind. Das dunkelste dieser letzteren Exemplare ist dem Amur-Exemplare sehr ähnlich und nur um ein Geringes heller gefärbt. Die erwähnte gemischte Färbung der Seiten setzt sich beim Amur-Igel, wie bei E. europaeus, auch auf die Extremitäten fort und verliert sich erst am Fusse, welcher ziemlich einfarbig braun ist, heller als bei den Sareptaschen und dunkler als bei den Petersburger Exemplaren von E. europaeus. So bietet also die Färbung des Igels im Amur-Lande ebenfalls keine diagnostischen Verschiedenheiten von dem europäischen Igel dar, sondern schliesst sich vielmehr eng an die mannigfach variirende Färbung dieser letzte- ren Form an.

Ein ferneres Kennzeichen, welches den Igel des Amur-Landes zu E. europaeus bringen lässt, entnehmen wir der Bildung seiner Zehen und Nägel. Diese sind nicht fein und schlank, wie bei E. auritus, sondern viel derber, kräftig und gedrungen gebaut, wie bei E. europaeus. Die Nägel sind im Verhältniss minder lang als bei ersterem, an der Basis breit und von brau- ner Farbe wie bei letzterem.

Endlich stimmt der Amur-Igel auch in der minder verlängerten Schnauze und der stum- pferen Nase mit E. europaeus überein. Und so lässt sich denn in der That kein einziges Kenn- zeichen specifischer Verschiedenheit zwischen dem Igel des Amur-Landes und dem europäi- schen finden. Wir sehen uns daher genöthigt in demselben nur eine durch dunklere Färbung der Stacheln und ein vielleicht etwas spitzeres Ohr ausgezeichnete Varietät von E. europaeus anzunehmen.

104 Säugelhiere.

In Beziehung auf die geographische Verbreitung ist das Vorkommen von E. europaeus am Amur eine äusserst überraschende Thatsache. Bekanntlich war Pallas der Ansicht, dass E. europaeus eine nach Osten sehr eingeschränkte Verbreitung habe, indem er das Ural-Ge- birge nicht überschreite ') eine Ansicht, welche wir noch heut zu Tage bei den meisten Zoologen, wie Wagner °), Keyserling und Blasius°), Nilsson ‘) u. a. m. wiederfinden. In der That ist er in höheren Breiten bisher von keinem Reisenden östlich vom Ural-Gebirge beobachtet worden. Südlicher aber erwähnte ihn schon Georgi für das gemässigte Sibirien östlich vom Ural-Flusse, in den Kirgisischen und Songorischen Steppen vom Ural zum Obj, am Tobolund Irtysch’) eine Angabe, auf welche auch H. Akad.Brandt aufmerksam macht‘). Da Georgi auch den E. auritus mit besonderen Fundortangaben nennt, so ist nicht anzuneh- men, dass seine Angabe auf einer Verwechselung dieser, übrigens nur all zu sehr verschiede- nen Formen beruhe. Auch hat ein anderer von ihm zuerst erwähnter Fundort von E. europaeus, Georgien ”), durch die späteren Beobachtungen Menetries®) und M. Wagner’s”) im Kau- kasus seine Bestätigung gefunden. Ja in dieser Richtung südwärts hat ihn Schubert sogar aus der Umgegend Jerusalem’s, wo er nicht selten sein soll, mitgebracht '). Nach Süden also ist E. europaeus keinesweges eine bloss europäische, sondern auch eine asiatische Form. Da wir ihn nun am Amur-Strome nachweisen, so liegt es nahe anzunehmen, dass er in süd- licheren Breiten als das Ural-Gebirge, in den von Georgi angegebenen Breiten und vielleicht noch südlicher, vom Kaukasus und von Palaestina ostwärts durch ganz Mittelasien bis nach China und dem Amur-Lande verbreitet sei. Es ist dies allerdings eine so grosse plötzliche Erweiterung des Verbreitungsgebietes einer Thierart, wie wir sie in der Geschichte unserer Wissenschaft selten finden, allein sie betrifft auch solche Gegenden, welche uns in Beziehung auf ihre Thierwelt noch eine Terra incognita sind und an deren Kenntniss wir daher noch manche Modification unserer bisherigen Ansichten über die Verbreitung organischer Formen erwarten dürfen. Am Amur habe ich den Igel nur an einem Orte, nahe der Stadt Aigun, also im Prairie-Theile des Stromes oberhalb des Bureja-Gebirges kennen gelernt. Niemals ist mir eine Spur desselben im unteren Amur-Lande, an der Mündung des Stromes oder auf der Insel Sachalin vorgekommen. Möglich also, das ihm dass Bureja-Gebirge eine Gränze der

l) Zoogr. Rosso-Asiatica. I. p. 137.

2) Die Säugethiere von Schreber. Suppltbd. Abth, 2. p. 20.

3) Die Wirbelthiere Europa’s. p. XVII. Dsgl. Blasius, Fauna der Wirbelthiere Deutschlands und der angränzen- den Länder von Mitteleuropa. Bd. I. Naturgesch. der Säugethiere. Braunschweig 1857. p. 154.

4) Skandin. Fauna. 1847. I. p. 96.

5) Georgi, Geograph., physikal. und naturhistor. Beschreibung des Russ. Reiches. III. Theil. 6. Bd. p. 1552.

6) Bemerkungen über die Wirbelthiere ‚des nördl. europäischen Russlands, bes. des nördl. Urals. pt 10. Hof- mann, Der nördliche Ural und das Küstengebirge Pae-Choi. St. Petersb. 1856. II.

7) Georgi, ll. c.

8) Catal. raisonn& des objets de Zool. recueillis dans un voyage au Caucase et jusqu’aux front. act. de la Perse. St. Petersb. 1832. p. 17.

9) Brandt, Bemerkungen über die Wirbelthiere etc. 1. c.

10) Wagner, Die Säugethiere von Schreber. |. c.

Erinaceus europaeus. E. auritus. 105

Verbreitung nach Osten setzt. In das Amur-Land muss E. europaeus oflenbar aus China sich verbreitet haben, da er im östlichen Sibirien, westlich vom Amur-Lande, unbekannt ist. Dass es in der That in China Igel gebe, erfahren wir durch Siebold. Nach dessen Zeug- niss ') sollen nämlich lebendige Individuen einer Igel-Art aus China nach Japan gebracht worden sein, wo es ursprünglich keine Igel gegeben habe und wo sich dieselben, seit jener Importation, in einigen bergigen Distrikten der Provinz Mito fortgepflanzt haben, immer je- doch sehr selten sind. Ferner sollen nach Siebold getrocknete und in der Regel sehr mit- genommene Igel--Felle, als ein in den japanischen Officinen gebräuchlicher Artikel, im Han- del aus Tibet und China nach Japan gebracht werden. Leider besass ein solches Fell, das Siebold selbst in Japan erhalten hatte, weder Kopf noch Extremitäten und gestattete ihm daher nicht über die Art‘, der es angehörte, abzuurtheilen. So viel bemerkt aber Siebold, dass das Rumpfstück (und also auch die Stacheln) mit demjenigen von E. europaeus ganz über- einstimmend war. Uns kommt es in Folge des Auffindens von E. europaeus am Ämur-Strome in der That nicht unwahrscheinlich vor, dass die aus China und Tibet nach Japan wan- dernden Igel-Felle dem E. europaeus angehören mögen. Jedenfalls ist die Angabe Siebold’s geeignet unsere Vermuthung, dass E. europaeus durch ganz Mittelasien verbreitet sei, noch mehr zu bestärken.

24) Erinaceus auritus S. Gmel.

Ob neben E. europaeus auch die sibirische Form E. auritus das Amur-Land bewohne, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, da mir keine Spur dieses letzteren Thieres begegnet ist. Wahrscheinlich ist es wohl, da bekanntlich schon Pallas, ober gleich das Verbreitungsgebiet von E. auritus bis an den Baikal-See angiebt, daurische Exemplare dieses Thieres beschreibt’). Auch die durch Middendorff erhaltene Auskunft über das Vorkommen von E. auritus an der Bureja oberhalb ihrer Mündung in den Amur °) muss unbestimmt bleiben, da wir gegen- wärtig, durch das Auffinden von E. europaeus am Amur, nicht wissen können, auf welche der beiden Arten die Aussage des Tungusen, der Middendorff die Nachricht vom Igel gab, zu beziehen sei. Nach der Combination unserer bisherigen Erfahrungen über die Verbreitung der Igel-Arten müsste sie allerdings auf die nachbarliche, sibirische und daurische Form, - E. auritus, bezogen werden. Seitdem aber das Vorkommen von E. europaeus am Amur und zwar in demselben Stromtheile, der Prairie oberhalb des Bureja-Gebirges, auf welchen auch

jene Aussage des Tungusen Bezug hat, eine erwiesene Thatsache ist, dürfte man eher geneigt sein sie zu Gunsten des E. europaeus auszulegen. Demnach wird es also wahrscheinlich, dass E. europaeus im Amur-Lande, in dessen oben bezeichnetem Prairie-Theile, nicht bloss am

l) Fauna Japonica. Mammalia. Dec. I. p. 19. 2) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 139. = 3) Sibirische Reise. ]. c. p. 76. r Schrenek Amur-Reise Bd. I. 1%

106 Säugethiere.

Hauptstrome, sondern auch über diesen hinweg an den linken Zuflüssen desselben, wie an der Bureja u. a. m., verbreitet sei, an diesen letzteren aber noch unterhalb ihres oberen, gebirgigen Laufes, über welchen Middendorffs Reise ging, seine Polargränze erreiche. Uebrigens wiederholen wir nochmals, dass uns auch das Vorkommen von E. auritus im obe- ren Theile des Amur-Stromes sehr wahrscheinlich dünkt. Im unteren Amur-Lande aber, an der Mündung des Stromes und auf der Insel Sachalin scheint er jedenfalls nicht vorzu- kommen.

25) Sorex vulgaris L.

Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste der Insel Sachalin: muchir und kongs chrä. “o« « des Innern und der Ostküste von Sachalin: kongtschk.

Sorex vulgaris trägt im Amur-Lande eine Farbe, welche von der des europäischen Thieres etwas abweichend ist und mit der von Middendorff ') an den nordsibirischen Thieren bemerk- ten Färbung übereinstimmt. Alle meine an der Mündung des Amur-Stromes und auf der Insel Sachalin im November bis Januar, und also im Winterkleide, gefangenen Thiere stimmen unter einander in ihrer Färbung sehr überein und zeichnen sich dureh den Mangel des röth- lichbraunen und gelblichen Farbentones von den europäischen Exemplaren aus. Die Oberseite ist an ihnen nicht sowohl rothbraun, als vielmehr dunkelgraubraun und die Unterseite er- scheint, durch den viel schwächeren hellgelblichen Anflug, heller und weisslicher als an den europäischen Thieren. Nur wo die dunkle Farbe der Oberseite mit der hellen der Unterseite zusammenstösst, zeigt sich bisweilen etwas mehr vom gelblichbraunen Farbentone. Diese dunklere, graubraune Färbung der Amur-Exemplare rührt aber nicht sowohl von einer län- geren Behaarung und dem damit verbundenen stärkeren Durchschimmern der mausegrauen Färbung des unteren Theiles der Haare, wie Middendorff es für die sibirischen Thiere an- nimmt, sondern von der verschiedenen Färbung der Haarspitzen selbst her. Allerdings ist auch an den Amur-Exemplaren, wie an den nordsibirischen, die Behaarung eine längere als an den europäischen Thieren und beträgt 8—9 Millim., davon über 6 von dunkelgrauer Farbe sind und nur kaum 2 auf die anders gefärbten Haarspitzen kommen; diese Haarspitzen aber zei- gen, denjenigen europäischer Thiere gegenübergehalten, eine entschieden andere Farbe, in- dem ihnen der röthliche Farbenton fehlt und sie statt dessen dunkelgraubraun sind. Aehnlich verhält es sich auch mit der weisslicheren Färbung der Unterseite bei den Amur-Exemplaren. Genau dieselbe dunkelgraubraune Färbung wie am Amur trägt S. vulgaris auch in Kam- tschatka,so viel ich aus einer Vergleichung der durch Hrn. Wosnessenski von dorther mit- gebrachten Exemplare mit den meinigen ersehen kann. Eine Mittelfärbung zwischen den roth- braunen europäischen Thieren und den dunkelgraubraunen nordsibirischen, kamtschatkischen und Amur-Fornen findet man an den nur schwach röthlichbraun oder röthlichgraubraun gefärb-

!) Sibirische Reise. 1. c. p. 77.

Sorex vulgaris. $. pygmaeus. 107

ten Thieren dieser Art im Caucasus und im Altaischen Gebirge. Es scheint somit an diesem Thiere die Schwärze nach Nord und Ost zuzunehmen. Wie an den Spitzmäusen häufig bemerkt worden ist, variiren auch die Amur- Exemplare von S. vulgaris ansehnlich in der absoluten

Grösse’ und in der verhältnissmässigen Länge der Schnauze und des Schwanzes. An drei, in Weingeist aufbewahrten Exemplaren aus dem Amur-Lande finde ich folgende Maasse (in Millim.):

Tymy-Thal im Innern v. Sacha- lin. Jan.

Dorf Wair am Amur. Nov.

Nikolajewscher Posten. Dec.

Länge von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel, 73 75 Länge des Kopfes... .....2.222..: once She —_ 25 Länge des Schwanzes ohne Haarpinsel...... er 37 49

Sorex vulgaris ist im unteren Amur-Lande die häufigste Spitzmaus. Ich habe sie von der Mündung des Amur-Stromes und von der Insel Sachalin in mehrfachen Exemplaren mitgebracht. Auf dem Continente wie auf der Insel findet sie sich im Winter nicht selten in den Hütten und Häusern der Giljaken, und habe ich sie in solcher Weise an der Westküste und im Tymy-Thale, im Innern der Insel, gefangen. Bei ihrer Kleinheit und geringen Anzahl fügt sie jedoch den Fischvorräthen der Eingeborenen keinen der Rede werthen Schaden zu.

26) Sorex pysmaeus Laxm.

Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin wie S. vulgaris.

Sorex pygmaeus ist im Amur-Lande auf der Oberseite von der gewöhnlichen schwach röthlichgraubraunen Farbe, auf der Unterseite schmutzig weisslich mit mehr oder weniger gelblichem Anfluge. An den Seiten gehen die Farben allmählig in einander über. Die einzelnen Haare haben eine Länge von etwa 7 Millim., davon kaum 2 auf die röthlich- graubraunen Spitzen kommen, das Uebrige aber von mausegrauer Farbe ist. Wie andrer Orten variirt $. pygmaeus auch im Amur-Lande und ist bald mit spitzerer, bald mit stumpferer Schnauze, bald mit länger, bald mit kürzer behaartem Schwanze versehen. Ich habe ein typisch gestaltetes Exemplar aus dem Innern der Insel Sachalin mitgebracht, an welchem der Schwanz in seiner ganzen Länge mit abstehenden langen Haaren bedeckt und die Schnauze sehr spitz ist. Andere Exemplare von Sachalin und von der Mündung des Amur-Stromes haben einen kürzer behaarten Schwanz. An allen aber ist der Schwanz an der Wurzel ziemlich stark eingeschnürt, im Verhältniss recht dick und von ansehnlicher, wenn- gleich variirender Länge im Verhältniss zu derjenigen des Körpers. An vier, in Weingeist er- haltenen Exemplaren finde ich folgende Maasse \ia Millim.):

*

108 Säugethiere.

Tymy-Thal im |Dorf Poghobi an Innern v. Sacha- [der Westküste v. lin. Jan. Sachalin. März.

Nikolajewscher | Nikolajewscher Posten. Herbst. Posten. Nov.

Länge von der Nasenspitze bis zur

Schwanzwurzel......ere..» Länge des Kopfes. ......e.0... Länge des Schwanzes ohne Haar-

pinsel.. our. sedeeononnns

Sorex pygmaeus ist in seiner Verbreitung durch Sibirien seit Laxmann und Pallas ') bloss bis an den Jenissei nach Osten bekannt gewesen, bis ihn H. Akad. Brandt, nach eini- gen von ‘Hrn. Wosnessenski mitgebrachten Exemplaren, auch aus Kamtschatka bekannt machte °). Wir können nun, weiter ergänzend, das Verbreitungsgebiet dieser kleinen Spitz- maus, durch das Auffinden derselben am Amur und auf der Insel Sachalin, bis an die Kü- sten der Mandshurei und des Ochotskischen Meeres aufdecken. Ich selbst fing sie im Au- gust 1854 an den Ufern des Amur-Stromes in der Nähe der Amur-Mündung und erhielt sie später, im Herbst und Winter, noch mehrmals aus des Umgegend des Nikolajewschen Postens. Desgleichen fand ich sie an der Westküste und im Innern der Insel Sachalin, wo sie im Winter, ebenso wie auf dem Continente, bisweilen in den Hütten der Giljaken sich aufhält. Ueberhaupt scheint sie im Amur-Lande weniger selten als in Sibirien vorzu- kommen.

I. CHIROPTERA.

27) Vesperugo (Vesperus) horealis Nilss.

Ein Exemplar dieser Fledermaus-Art, das wir durch Hrn. Maack aus dem Quelllande des Amur-Stromes haben, stimmt, nach genauer Vergleichung, mit den Beschreibungen dieser Art und den Exemplaren unseres Museums aus der Umgegend St. Petersburg’s vollkommen überein. Die Farbe des Amur-Exemplares ist ebenfalls dieselbe: oben dunkelbraun mit einem unregelmässigen, nach hinten verschmälerten gelblichen Fleck auf dem Rücken und ei- nem anderen Fleck von derselben Farbe an der Ohrwurzel und hinter dem Ohre; unten

!) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 133. ?) Brandt, Bemerkungen über die Wirbelthiere des nördl. europ. Russlands, bes. des nördl. Urals. p. 7. s. Hof- mann, Der nördliche Ural und das Küsten-Gebirge Pae-Choi. Bd. II.

Vesperugo (Vesperus ) borealis. Vespertilio mystacınus.

109

gelblichgrau. Die einzelnen Haare sind in ihrem unteren Theile auf etwa ”/, ihrer Länge dunkelbraun, im oberen Drittheil oben gelblich, unten sage gelblichgrau. Die Maasse

des Amur-Exemplares sind folgende:

250 Millim.

Birgawerte. een Mao se seien 8 Ed Ah se

Länge von der Nasen- biszur Schwanzspitze........... 95 a ES TE ec er on i . 18 » » Schwanzes..... eine . TREEEN 42 ». » Ohres am Aussenrande. „2.22 eerc200: s ale | » » Obhres am Innenrande... Be ha inne 21al. 12 » » Tragus am Aussenrande. ............ N » » Tragus am Innenrande. .......2.... ee 4 0%,5,2 1 Oherasnes En a en nenstsine.ne Ktelstein ah 007% 3 ALINIETATIIEN BER van Ann nn win feichegn aim Sareneiinenn; e 40 » » Daumens ohne Nagel. ..... .e.22erece00 6 »...». dien Fingers ...». en 38-+15+12+7 Bi na len ira ee lnjnın sin. 36--13-+ 8-+3 a A RE 35+ 9+ 5+2 N 15 DI IE SCHIENHEINS;. een agents den Le leranay again ase edge = 19 » » Fusses und der Zehen ohne Nägel......... SR » der frei vorstehenden Schwanzspitze. .......... 5

Von dieser durch Middendorff am Ostabhange des Stanowoi-Gebirges aufgefunde- nen ') und also bis nach dem Ochotskischen Meere in ihrer Verbreitung nachgewiesenen Fledermaus hat H. Maack ein Exemplar von der Mündung des Flusses Daban in die Ich sah Fledermäuse, welche wahrscheinlich zu dieser Art gehörten, noch am 30. Sept. (12. Oct.) Abends längs den felsigen Ufern des Argunj-Flusses schwärmen, bei einer bereits so niedrigen Temperatur, dass an den Ufern Eis sich bildete und in derselben Nacht auch der erste Eisgang auf dem

Schilka und also vom oberen Theile des Amur-Stromes mitgebracht.

Flusse sich einstellte.

28) Vespertilio mystacinus Leisl.

Bei den Giljaken des Continentes: jurjur und jurjursch. « « Golde unterhalb des Geong-Gebirges: chyragdafuı,

« « «

« « Kile am Kur: ylagde.

I) Middendorff, Sibirische Reise. ]. c. p. 78.

oberhalb des Geong-Gebirges : chyragdafı.

110 Säugelhiere.

Bei den Biraren und Monjagern : kutschidu. « « Orotschonen: tschingrikan.

(Diese Bezeichnungen beziehen sich wahrscheinlich auf die Fledermäuse überhaupt.)

Indem ich für das Amur-Land diese und die folgende Art Fledermäuse (V. Daubentonüt Leis].) nenne, folge ich der in»der zoologischen Systematik bisher üblichen, in manchen Fäl- len vielleicht allzusehr artensplitternden Unterscheidung nahe verwandter Formen, welche in Zukunft durch Vergleichung eines an einem Orte reichlicher angesammelten Materiales viel- leicht manche Reduction erleiden dürfte. Ehe jedoch eine solche geschehen ist, bleibt uns bei einer Aufzählung und vergleichen:'en Beschreibung der Thierarten einer bisher noch unbekannten Gegend, wo die allgemein übliche Artenunterscheidung den Maassstab abgeben muss, nur übrig die uns vorliegenden Formen mit den bekannten um so genauer zu vergleichen und die etwa vorkommenden Abweichungen und Mittelbildungen, die uns allmählig den Variationskreis der Arten kennen lehren sollen, ın allen ihren Einzeltheilen aufzuzeichnen.

Nach Kuhl, welcher die von Leisler entdeckte Art V. mystacinus zuerst beschrieb, bil- det ein dichter, langer, weichhaariger Bart längs der Oberlippe das diagnostische Kennzeichen derselben '). Aus Kuhl’s fernerer Beschreibung lässt sich nur noch die Form und Lage der Talgdrüse, welche bei V. mystacinus eiförmig ist und nur über dem Auge liegt, bei V. Dau- bentonii dagegen als ein Wulst über dem Auge verläuft und sich abwärts um den hinteren Rand des Auges herumbiegt ?), als unterscheidendes Kennzeichen zwischen diesen beiden Arten entnehmen. Nach den späteren, genaueren und schärferen Diagnosen von Keyserling und Blasius, in Wiegmann’s Archiv °) und in den Wirbelthieren Europa’s *), von Nils- son °), von Blasius in der Fauna der Wirbelthiere Deutschlands °) u. a. m. geben noch die Beschaffenheit des Ohres, die Anheftung der Flughaut an die hintere Extremität, die ver- hältnissmässige Länge des 2ten und 3ten Gliedes am 3!en Finger der vorderen Extremität und die Beschaffenheit der Schwanzflughaut diagnostische Merkmale zur Unterscheidung zwischen V. mystacinus Leis]. und V. Daubentonii Leisl. ab. Alle übrigen von mehreren Autoren eben- falls hervorgehobenen Verschiedenheiten zwischen den genannten Arten, wie z. B. in den Grössenverhältnissen der Zähne u. dgl. m., bilden so minime und unmerkliche Abstufungen, dass sie keine specifische Unterscheidung begründen können. Prüfen wir nun, wie sich die ange- führten Momente der Verschiedenheit beider Arten an unseren Amur-Exemplaren kundgeben.

Von den fünf mir vorliegenden Amur-Exemplaren beider Arten zusammen, davon zwei von mir selbst.und drei von Hrn. Maack gesammelt worden sind, gehören, nach den oben angeführten diagnostischen Kennzeichen, drei zu V. mystacinus und zwei zu V. Daubentonii Leisl.

Das Kennzeichen eines längeren Bartes an der Oberlippe bei V. mystacinus ist schwer

t) Kuhl, Die deutschen Fledermäuse. Hanau. 1817. p. 58.

2) Kuhl, I. c. p. 51 und 38.

3) Jahrgang V. 1839. Bd. I. p. 310 und 311.

4) p. 53 und 54.

5) Skandin. Eauna. 1847. I. p. 45—50.

6) Bd. I. Naturgesch. der Säugelhiere Deutschlands. Braunschweig. 1857. p. St und 96—101.

Vespertlio mystacinus. 111

festzuhalten, da sich in diesem Punkte vielfache Abstufungen finden und V. Daubentonii eben- falls eine behaarte Schnauze hat. Als alleiniges.diagnostisches Kennzeichen, wie Kuhl es auf- fasst, dürfte es daher wohl nicht hinreichen V. mystacinus von V. Daubentonii in allen Fällen zu unterscheiden. Dennoch haben von den Amur-Fledermäusen die drei Exemplare, welche ich für V. mystacinus halte, eine entschieden stärkere Behaarung der Oberlippe als die von mir zu V. Daubentoni gebrachten Thiere.

In Beziehung auf die Form und Erstreckung der Talgdrüse lassen sich die Amur-Exem- plare ebenfalls in der angegebenen Weise in zwei Arten unterscheiden. Ich zweifle jedoch sehr, dass dieses Kennzeichen ein durchgreifendes sein dürfte, da sich auch an meinen Exem- plaren verschiedene Grössenverhältnisse an der Talgdrüse bemerken lassen und mit der Grösse zugleich auch die Erstreckung der Drüse nach hinten eine Veränderung erleidet. Auch hat dieses Moment nach Kuhl von keinem der späteren Zoologen weitere Berücksichtigung gefun- den, vielleicht auch aus dem Grunde, weil es kein äusserliches und darum auch nicht immer und an trockenen Exemplaren der Museen niemals brauchbares Kennzeichen ist.

Das Moment aber, auf welches die neueren Zoologen bei Unterscheidung der genannten Arten und der Fledermäuse überhaupt das grösste Gewicht legen, ist bekanntlich die Beschat- fenheit des Ohres. Dieses ist bei V. mystacinus am Aussenrande stärker und tiefer buchtig aus- gerandet als bei V. Daubentonü; auch soll der Ohrdeckel bei ersterer etwas länger und von der Basis an, bei letzterer bloss in der Endhälfte verschmälert sein. Blasius legt, bei Erwäh- nung der Variabilität von V. mystacinus, auf die Beständigkeit dieses Kennzeichens besonderes Gewicht‘). An meinen drei Amur-Exemplaren finde ich ebenfalls den Aussenrand stark buch- tig ausgerandet, so dass sie nach diesem Kennzeichen unzweifelhaft zu V. mystacinus gehören. Dennoch finden sich in diesem Verhältniss ebenfalls Abstufungen, wodurch sich die beiden Formen V. mystacinus und V. Daubentoni so weit nähern, dass die Unterscheidung zweifelhaft wird. Ja dies kann um so leichter geschehen, als die gleichzeitige Verschiedenheit in der Länge und Form des Ohrdeckels zwischen V. mystacinus und V. Daubentonü, wie Keyserling und Blasius sie angeben, sich nicht durchweg zu bestätigen scheint. So ist an den Amur- Exemplaren von V. mystacinus, mit deutlicher und starker Einbuchtung am Aussenrande des Ohres, der Tragus dennoch nur in seiner Endhälfte deutlich verschmälert und läuft am Ende bald mehr, bald weniger abgerundet spitz zu. Seine äusserste Spitze ist nicht nach aussen ge- bogen, sondern verläuft grade, und kann ich ihn der Form nach vom Tragus von V. Dauben- ton! kaum und nur durch eine sehr wenig grössere Breite an der Basis als im weiteren Ver- laufe unterscheiden. Ebenso ist die verschiedene Länge des Tragus sowoh wie des ganzen

Ohres bei V. mystacinus und V. Daubentonii zu gering, um hinzureichen beide Formen immer mit Sicherheit auseinander zu halten.

Ein ferneres Kennzeichen, auf welches sowohl Keyserling und Blasius, als auch Nilsson grossen Nachdruck legen, ist die verhältnissmässige Länge des 2ten und 3Zten Gliedes am

I) Fauna der Wirbelth. Deutschlands. 1. c. p. 98.

112 Säugethiere.

3ten Finger der vorderen Extremität, indem diese beiden Glieder bei V. mystacinus gleich lang sind, bei V. Daubentoni dagegen das 31° Glied kürzer als das 2te ist. Blasius fügt ausdrück- lich hinzu, dass das eine Eigenthümlichkeit von V. mystacinus sei, die sich bei keiner anderen europäischen Fledermaus finde '). Die unten mitgetheilten Maasse bestätigen dieses Verhältniss auch an den Amur-Exemplaren bis auf die unbedeutende Differenz von Ya Millim. Doch scheint diese Differenz bisweilen auch grösser zu sein. Denn bei einer der von Hrn. Wosnes- senski aus Kamtschatka mitgebrachten Fledermäuse, welche mir, ungleich den anderen vonHrn. Akad. Brandt zu V. Daubentonii gebrachten Exemplaren, nach der Länge des Bartes, der Beschaffenheit der Ohren und der Anheftung der Flughäute längs den Fusssohlen zu V. mystacinus zu gehören scheint und mit den Amur-Exemplaren im Uebrigen sehr übereinstim- mend ist, sehe ich die Differenz zwischen dem 2ien und 3ten Gliede am 3ten Finger sogar auf 1 Millim. steigen. Erwägt man nun, dass andrerseits diese Differenz bei V. Daubentoni oft, und auch bei den Amur-Exemplaren, nur 2 Millim. beträgt, so bleibt zum Unterschiede zwi- schen beiden Arten in diesem Punkte nur eine Differenz von 1 Millim. nach. Allein genom- men, dürfte daher dieses Moment ebenfalls nicht immer zur unzweifelhaften Unterscheidung der genannten Arten dienen.

Aehnlich verhält es sich mit der Differenz in Beziehung auf die Anheftung der Flughaut längs der Fusssohle. Uebereinstimmend mit den Diagnosen der beiden Arten, reicht auch bei den Amur-Exemplaren von V. mystacinus die Anheftung der Flughaut längs der Fusssohle bis zur Zehenwurzel, bei V. Daubentonii dagegen bis etwa zur Mitte des Mittelfusses. Da aber die ganze Fusssohle nur etwa 3— 4 Millim. beträgt, so bleibt nur ein Raum von 1'/, 2 Millim. freier, von der Flughaut längs ihrem Rande unberührter Fusssohle bei V. Dauben- .tonii zur Unterscheidung von V. mystacinus übrig.

Das Kennzeichen ferner, das Nilsson in den Diagnosen dieser beiden Arten allen übri- gen voraussetzt, dass nämlich die Schwanzflughaut bei V. mystacinus mit zahlreichen (10—12) merkbaren Querstreifen versehen sei, bei V. Daubentonii dagegen keine solchen, sondern, wie Nilsson in der ferneren Beschreibung dieser Art anführt, nur eine grosse Menge vermittelst der Loupe sichtbarer, punktirter Linien habe, kann ich an den Amur-Exemplaren nicht ganz bestätigt finden. An diesen sind nämlich Querstreifen bei V. mystacinus sehr deutlich und sogar bis zur Anzahl von 14 vorhanden; dieselben fehlen aber auch den Exemplaren von V. Dau- bentonii nicht ganz, sondern sind nur viel schwächer und übrigens bei beiden mit kleinen, dem unbewaflneten Auge sichtbaren Punkten oder Wärzchen versehen.

Uebereinstimmend endlich mit den Beschreibungen dieser beiden Arten, ist der Pelz bei den Amur-Exemplaren von V. mystacinus langhaariger als bei denjenigen von V. Daubentoni. Seine Farbe ist bei V. mystacinus oben schwärzlich gelbbraun, unten schmutzig gelblichgrau. Die einzelnen Haare sind in ihrem unteren Theile bis über die Hälfte hinaus schwarz, an den Spitzen auf der Oberseite fahlgelblich braun, auf der Unterseite fahlgelblich grau. Der Bart

!) Fauna der Wirbelth. Deutschlands. 1. c. p. 97.

,

Vespertilio mystacınus. 113

an der Oberlippe ist dunkelschwarzbraun oder schwarz. Die Unterseite der Schwanzflughaut trägt viele einzelne graue Haare, namentlich längs dem Schwanze und von diesem aus auf und zwischen den Querstreifen der Flughaut. Die Amur-Exemplare stimmen in ihrer Fär- bung ganz mit den in unserem Museum befindlichen europäischen Thieren aus dem Böhmer- Walde, dem Caucasus und dem Kasan’schen Gouvernement,, wie mit einem Exemplare aus Kamtschatka überein.

Die Maasse der drei mir vorliegenden Amur-Exemplare von V. mystacinus sind folgende (in Millim.):

Nikolajewscher Posten. 5 5 I 10 29) Fe en Bai Hadshi. August. Amur oberhalb Borbi.

Bürsveite. .. 2er one... Länge von der Nasen-bis

zur Schwanzspitze. .. Länge des Kopfes... .. Länge des Schwanzes... Länge des Ohres am Aus- BENTAnde on. 2 .2..0.00%. Länge des Ohres am In- nenrande..... te Länge des Tragus am Aussenrande....... Länge des Tragus am Innenrande........ Länge des Oberarmes... Länge des Unterarmes .. Länge des Daumens ohne

Länge des 3ten Fingers . |291+-104+10+-6 | 27+93+9 +41 |2853+10+10 +4 ». » Atem Fingers. [28 + 8 + 8+3| 27+7 +62+2 |28 + 8-+ 71-+2 » » 5ten Fingers. 128 + 8 + 6+2| 27+71+6 +1 |27 + 7-+- 51-+2

» » Schenkels... 12 10 11

» » Schienbeins.. 15 14 141 Länge des Fusses u. der

Zehen ohne Nägel... | 7 5 51

Länge der frei vorstehen- den Schwanzspitze... 3 2 3

Das Verbreitungsgebiet von V. mystacinus, einer Fledermaus, welche bisher bloss in Europa bis zur Ukraine und dem Caucasus bekannt war, gewinnt in unseren Augen durch Schrenck Amur-Reise Bd. 1. j 15

114 Säugelhiere.

das Auffinden derselben im entferntesten Osten Asiens eine bedeutende Erweiterung. Zunächst stellt sict nach einer genauen Prüfung der von Eversmann ') als neu aufgestellten und von Hrn. Akad. Brandt’) bereits in Zweifel gezogenen Art V.Brandti und einer Vergleichung derselben mit den Amur-Exemplaren von V. mystacinus deutlich heraus, dass dies.Ibe nicht, wie H. Akad. Brandt vermuthete, zu V. Daubentonü, sondern zu V. mystacinus gehört. Ein Exemplar der- selben, das unser Museum besitzt und das von Eversmann selbst herrührt, hat eine lange Behaarung der Oberlippe, stark ausgebuchtete Ohren, eine ganz gleiche Länge (von 95 Millim.) des 2ten und 3ten Gliedes am 3!en Finger, eine längs der ganzen Fusssohle bis an die Zehen- wurze] angeheftete Flughaut und eine sehr deutlich quergestreifte Schwanzflughaut Merk- male, nach denen diese Fledermaus ohne Zweifel zu V. mystacinus gebracht werden muss. Auch stimmt es in seiner Färbung ganz mit den europäischen und den Amur - Exemplaren überein. Demnach käme also V. mystacinus in den Vorbergen des Urals, an der Ssakmara und im Kasan’schen Gouvernement vor. Ferner muss ich eine der von Hrn. Wosnessenski aus Kamtschatka mitgebrachten Fledermäuse, wegen der bereits oben erwähnten Charaktere derselben, ebenfalls zu V. mystacinus bringen. Endlich habe ich selbst diese Fledermaus von der Mündung des Amur-Stromes und von der Bai Hadshi, an der Meerenge der Tartarei im 49° n. Br., mitgebracht, während H. Maack sie am Amur-Sirome oberhalb des Dor- fes Borbi (d. i. etwa 400 Werst oberhalb seiner Mündung) erhielt. So scheint also diese Fledermaus quer durch den ganzen europäisch - asiatischen Continent verbreitet zu sein. An der Mündung des Amur - Stromes ist sie die häufigste Fledermaus; dort habe ich sie im Au- gust und Anfang September’s an heiteren Abenden, gleich nach Sonnenuntergang, sowohl über dem Strome, wie an gelichteten Stellen des Waldes und zwischen den Häusern des Ni- kolajewschen Postens fast täglich fliegen sehen. Ihr Flug ist wenig hoch, aber rasch und mannigfaltig und das Thier daher schwer zu fangen. Etwa nach dem 15. (27.) Sept. liess sie sich nicht mehr sehen.

29) Vespertilio Daubentenüi Leis].

Bezeichnungen bei den Eingeborenen wie für V. mystacinus.

Die Beschaffenheit der Amur-Exemplare von V. Daubentonit ist bereits oben, bei Gele- genheit einer’ Vergleichung mit V. mystacinus, besprochen worden. Die Farbe der Amur- Exemplare ist mit derjenigen europäischer Thiere ganz übereinstimmend, oben röthlichgrau- braun, unten weisslichgrau. Die einzelnen Haare sind auf der Oberseite in ihrem unteren Theile bis über die Hälfte hinaus dunkel schwarzbraun, an den Spitzen licht röthlichgrau- braun, auf der Unterseite unten schwarzgrau, an den Spitzen weiss. Die Unterseite der Schwanzflughaut hat einzelne graue Härchen, welche am Rande derselben eine schwache Spur

%) Bullet. de la soc. des natur. de Moscou. 1845. T. XVIIL No. II. p. 505. ?) Die Handfügler des europ. und asiat. Russlands. $. dessen Beiträge zur näheren Kenntniss der Säugethiere Russlands. p. 39. Auch in den M&moires math&m., phys. et nat. de l’Acad. des sc, de St. Petersbourg. T. VII.

Vespertilio Daubentonü. Plecotus auritus. 115

von Wimperung bilden. Die Maasse der beiden mir vorliegenden Amur-Exemplare sind folgende (in Millim.) :

Amur oberhalb der Bureja-| Amur oberhalb der Dseja-

Mündung. 23. Sept. Mündung. 8. Oct. Bee eaueenenneonnneen RE Länge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze . . Länge des Kopfes. ...«.ecooseeeoorcn wei ED TESCHWANZESI Ae ae ne. se rlemreie Breie » » Ohres am Aussenrande....22.... DAT) » » Imnenrande..s.er2.00.. » » Tragus am Aussenrande......... De» » » Innenrande .......... Des» Oberarmescacaocceneoamen Re are Bevsnlinferarmes®. „ae ec. oe sin a male en e » » Daumens ohne Nagel........ age DEE Den Fingers... ecseueeceewen .. Dem) len Fingers. „Aacasnaun ars De ee BINEehS.n. eu 00,86 Sleis area alas » Schenkels......... N DER BEHSCHIENDEINSI.%. eislersrei nie sn talent

» » Fusses und der Zehen ohne Nägel..

» der frei vorstehenden Schwanzspitze....

In Beziehung auf die geographische Verbreitung ist V. Daubentonü durch Eversmann und Brandt vom Altaischen Gebirge und durch die vonHrn. Wosnessenski mitgebrachten Exemplare auch aus Kamtschatka ') und also durch ganz Nordasien bekannt. Zwei Exem- plare derselben Art sind von Hrn. Maack am Amur-Strome, eines oberhalb der Dseja-Mün- dung, das andere oberhalb der Bureja-Mündung erhalten worden.

30) Plecotus auritus L.

Das einzige mir vorliegende Exemplar dieser Fledermaus aus dem Amur-Lande, und zwar von der Küste der Mandshurei, finde ich, nach genauer Vergleichung aller Charaktere, mit dem europäischen Thiere ganz übereinstimmend. Die Farbe desselben ist oben gelblich- graubraun, unten blasser, hellgelblichgrau. Die einzelnen Haare sind in ihrem unteren Theile bis über die Hälfte hinaus schwarzbraun, an der Spitze oben hellgelblichbraun, unten hell- gelblichgrau. Die Maasse des mandshurischen Exemplares von Pl. auritus sind folgende :

1) Brandt, Die Handflügler des europ. u. asiat. Russl. S. dessen Beitr. z. näh. Kenntniss d. Säugeth. Russl. p. 39. + \

116 Säugethiere.

Flugweite..eoeessensensessenennsnsnennennenn er 200 Millim.

Länge von der Nasen-bis zur Schwanzspitze, ..2.s..... 98» » des Kopfes.„uunnnenuuntnsnon nen nenn euer MOHhn » » Schwan RER TER I EEE » » Ohres, von der Basis des Innenrandes an...... 35 > 5 Ohrdeckals-T EEE VRR ES FR

»: » 1 Oberanmmas Ta RT IR

>»: » Ünateranmasin aueh

» » Daumens ohne.Nagel..surseoreeeenerenn 800»

» Zen Fingers oseneeceereern es 86H 57T 9

» » Zi Fingers .ersenereerenr nr 98610 92

» » Hm Fingers sonen eererene en. 840 82

Ba Schankels I RT RI TIER

BE» ‚Schienbains. au RR RR ER

» » Fusses und der Zehen mit den Nägeln........ 11»

» der frei vorstehenden Schwanzspitze. „score .. 21»

In Beziehung auf die geographische Verbreitung von Plecotus auritus gab schen Pallas

das von Steller beobachtete Vorkommen dieser Fledermaus in Kamtschatka an"). Hrn. Akad.

Brandt hat sie neuerdings von der Küste des Ochotskischen Meeres bei Ajan bekannt ge-

macht 9. Wir können nun, weiter nach Süden ergänzend, unsere Kenntniss von der Ver-

breitung dieser Fledermaus im Osten Asiens auch über die Mandshurei ausdehnen, indem

ich ein Exemplar dieses Thieres von der Bai Hadshi, an der Meerenge der Tartarei im

49° n. Br., erhalten habe, und H. Maack dieselbe Fledermaus bei Nertschinsk, also im oberen Theile des Amur-Systemes angetroffen hat.

IV. GLIRES.

31. Pteromys volans L.

Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: tumr und tumrsch. “.« a des Innern und der Ostküste von Sachalin: olvıla-nga. « « Mangunen, Golde, Ssamagern (Kile am Gorin): chongme.

I) Zoogr. Rosso-Asiat. L p 1. ?) Brandt, Die Handflügler des europ. und asiat. Russlands, s. dessen Beiträge etc. p. 40.

Pteromys volans. 117

Bei den Kile am Kur: omoki, « « Biraren und Monjagern: umkt, « « Orotschonen: notaga ').

Die Amur- Exemplare des fliegenden Eichhörnchens dürften mit den sibirischen ganz übereinstimmend sein. Nur scheint mir Pallas’s treflliche und ausführliche Beschreibung von Pt. volans "), welche vielen späteren Beschreibungen dieses Thieres zur Grundlage gedient hat, bei Erwähnung der gemischten Färbung des Thieres den wohl meist vorhandenen, bald stär- keren, bald schwächeren, schmutziggelblichen Farbenton desselben zu sehr ausser Acht zu lassen. An den Amur -Exemplaren von Pt. volans ist die Farbe oben aschgrau, mehr oder weniger schmutziggelblich untermischt; unten weiss, bisweilen ebenfalls mit theilweisem schmutziggelblichem Anfluge. Das Wollhaar ist dunkel mausegrau, Die Deckhaare des Rückens sind in ihrem unteren Theile dunkelgrau, im oberen weisslich oder gelblich und an der Spitze wiederum schwärzlich,— eine Zeichnung, durch welche die gemischte, grauweisslich gelbliche

Färbung des Thieres entsteht. Auf der Unterseite sind die Deckhaare in ihrer unteren Hälfte dunkelgrau, in der oberen weiss, einige auch gelblich und mit schwärzlichen Spitzen, zumal nach den Seiten hin und unter der Flughaut. Der Schwanz ist graugelblich mit schwärzlichem Anfluge; das Wollhaar an demselben ist grauweisslich, die Contourhaare weisslich und gelb- lich, viele, zumal gegen das Ende des Schwanzes, mit langen schwarzen Spitzen versehen,

Pallas’s Ansicht, dass das fliegende Eichhörnchen nach Osten kaum die Lena über- schreite®), wurde neuerdings durch das Auffinden dieses Thieres von Hrn. Akad. Middendorff‘) im Stanowoi-Gebirge und von Hrn. Wosnessenski in den Waldungen bei Ajan am Ochot- skischen Meere °) widerlegt. Wir können nun auch das ganze Amur-Land in das Verbrei- tungsgebiet dieser Thierart ziehen. Pt. volans ist allen dem Amur-Strome anwohnenden Völkern, von den Orotschonen bis zu den Giljaken, bekannt. Im oberen und unteren wald- reichen Stromlaufe kommt es als Bewohner der unmittelbaren Ufer des Amur-Stromes und seiner beiderseitigen Zuflüsse, wie des Kur, Chongar, Gorin, Jai u. a. m., vor. Im Prairie- theile dagegen kennen es die Eingeborenen nur von den Abhängen der landeinwärtsgelegenen, mit Wald bedeckten Gebirge. An der Mündung des Amur-Stromes habe ich dieses Thier aus der nächsten, meist mit Nadelholz bewachsenen Umgegend des Nikolajewschen Postens wäh- rend des ganzen Winters, vom November bis Mai, zu wiederholten Malen erhalten. Nicht min- der bewohnt Pt. volans die bewaldeten Küsten des südlichen Ochotskischen Meeres, des Amur-Limanes, wo ich es im Dorfe Tschomi gesehen habe, und der Meerenge der Tartarei, an der Bai de Castries und, nach Aussage der Eingeborenen, bis über die Bai Hadshi nach Süden hinaus. Auch setzt ihm die Meeresküste hier nicht sogleich eine Gränze der Verbrei-

1) Wahrscheinlich bloss eine Verstümmelung des russischen Wortes /jetjaga.

2) Novae Species Quadr. e Glirium ordine, Erlangae 1778. p. 355 sq.

3) Novae Spec. Quadr. e Glir. ord. p. 360. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 191.

4) Sibirische Reise. 1. c. p. 78.

5) Brandt, Bemerk. über die Wirbelth. des nördl. europ. Russlands, p. 32. s. Hofmann, Der nördl. Ural und das Küstengeb. Pae-Choi. II. F

118 Säugethiere.

tung. Ungleich seinem Verhalten im Norden, wo es durch waldlose Strecken von der Halb- insel Kamtschatka ferngehalten wird, hat sich das fliegende Eiehhörnchen im Amur-Lande von der Küste der Mandshurei, wohl bei Cap Lasareff, auch über die nahe anliegende Insel Sachalin verbreitet, wo es beide Küsten sowohl als auch das mit gemischter Nadel- und Laubholzwaldung und darunter häufig auch mit der Betula Ermanni bewachsene Innere des Insel bewohnt.

32) Sceiurus vulgaris L.

Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste der Insel Sachalin: /akr und lakrs. “« « des Innern und der Ostküste von Sachalin: lafkor. « « Mangunen, Golde am Amur unterhalb des Ussuri und am Ussuri, Ssamagern (Kile am Gorin): chulu und chuluch'ssa. « « Kile am Kur, Golde oberhalb des Ussuri, Biraren, Monjagern, Orotschonen: uluki. L « « Dauren: kyrmo.

Nach den ausführlichen Beschreibungen, welche wir durch Müller, Pallas und in neue- rer Zeit durch Middendorff von der in den verschiedenen Theilen Sibirien’s variirenden Fär- bung des Eichhörnchens haben, und den zahlreichen verschiedenfarbigen Exemplaren, welche unser Museum durch Hrn. Akad. v. Middendorff und Hrn. Wosnessenski aus dem Norden und Osten Sibirien’s besitzt, wird-es uns möglich auch über die Farbe des Eichhörn- chens im Amur-Lande im Vergleiche zu derjenigen sibirischer Thiere Genaueres mitzu- theilen. Schon Müller ') und Pallas ?) heben hervor, dass die ostsibirischen Eichhörnchen, in den Gegenden am Baikal-See und an den Flüssen Angara, Sselenga, Argunj, Witim, Lena und bis nach Ochotsk, dunkler als die westsibirischen und im Sommer sogar von braunschwarzer oder beinahe ganz schwarzer Farbe sind. Genauer bezeichnet Middendorff das rechte Ufer des Jenissei als die Gränze, von wo an nach Osten eine tiefer dunkelgraue Winterfärbung beginnt und die rothen Tinten mehr und mehr schwinden, um durch Braun- schwarz ersetzt zu werden. Noch um einen Ton dunkler und durch einen noch grösseren Aus- schluss der rothen Tinten charakterisirt fand Middendorff die Eichhörnchen am Stano- woi-Gebirge, an dessen Ostabhange er im Sommer auch beinahe ganz schwarze Thiere antraf °). Vergleicht man nun die Eichhörnehen des Amur-Landes mit den sibirischen, so reihen sich dieselben diesen zuletzt von Middendorff erwähnten ziemlich genau an und sind nur, wie es scheint, noch etwas dunkler und durch einen noch grösseren Ausschluss der ro- then Tinten gezeichnet. Betrachten wir die Färbung derselben nach den Jahreszeiten be- sonders.

!) Sammlung Russ. Gesch. III. p. 519. 2) Novae Spec. Quadr. e Glir. ord. p. 373. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 185. 3) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 81.

u

Sciurus vulgaris. 119

»

Die Winterfärbung der Amur-Eichhörnchen ist ein recht dunkles Grau. Es ist beträcht- lich dunkler als das winterliche Grau der Eichhörnchen des rechten Jenissei-Ufers. Diese dunklere Färbung der Amur-Eichhörnchen rührt von einer Zunahme der schwarzen Farbe an den Deck- und Oberhaaren her. Nach Middendorffs genauen Untersuchungen unterschei- den sich nämlich die dunkler grauen Jenissei-Eichhörnchen von den europäischen der Ost- seeküsten dadurch, dass bei letzteren die Deck- und Oberhaare weisse Spitzen haben, bei den Jenissei-Eichhörnchen dagegen nur die Deckhaare weisse Spitzen behalten, die einzeln aus diesen hervorstehenden Oberhaare aber schwarze Spitzen bekommen, wodurch die Felle na- türlich dunkler als die der baltischen Eichhörnchen werden. Bei den Jenissei-Eichhörnchen sind demnach die Deckhaare an der Spitze weiss, dann schwarzbraun, dann wiederum weiss und endlich in der Wurzelhälfte grau; die Oberhaare an der Spitze schwarz, dann weiss, dann schwarz oder schwarzbraun, dann wiederum weiss und endlich in der Wurzelhälfte grau. Bei den Amur-Eichhörnchen dagegen sind die Deckhaare an der Spitze schwarz, dann weiss, dann schwarz oder schwarzbraun, dann wiederum weiss und endlich in der Wurzelhälfte grau ; die Oberhaare an der Spitze in einem langen Stück schwarz, dann eine kurze Strecke lang weiss und in der Wurzelhälfte grau. Die Schwärze hat also an den Amur-Eichhörnchen, wie ich aus einer direkten Vergleichung derselben mit den Middendorff’schen Exemplaren von‘ der unteren Tunguska entnehmen muss, in doppelter Weise zugenommen: einmal haben die Deckhaare ebenfalls schwarze Spitzen bekommen, wie an den Jenissei- Eichhörnchen im Vergleiche zu den baltischen die Oberhaare, und dann ist an den Oberhaaren der obere weisse Ring durch das zunehmende Schwarz der Spitze zumeist verschwunden, so dass also die schwarze Spitze der Oberhaare viel länger geworden ist. Die erstere Zunahme an Schwärze, an den Deckhaa- ren, findet bei den Amur-Eichhörnchen durchgängig statt, so dass es mir kaum gelungen ist ein Deckhaar zu finden, das keine schwarze Spitze hätte; die letztere dagegen hat nur zumeist statt, indem sich immer noch Oberhaare finden, an denen der obere weisse Ring mehr oder we- niger deutlich erhalten bleibt. Es ist dies ein ganz ähnliches Ueberhandnehmen der schwarzen Farbe am Haar, wie wir es oben beim Igel des Amur-Landes an den Stacheln gesehen haben. Natürlich aber, dass durch diese zweifache Zunahme an Schwärze, an den Deck- und Ober- haaren, bei den Amur-Eichhörnchen im Vergleich zu den Jenissei’schen ein viel dunkleres Grau entsteht. Zwischen den Amur- und Jenissei-Eichhörnchen mitten inne stehen die Eich- hörnchen des Stanowoi-Gebirges und der Westküste des Ochotskischen Meeres, bei denen man daher auch schon den Anfang zu jener zweifachen Weise des Dunklerwerdens an den Deck- und Oberhaaren findet. So sind an den Eichhörnchen der Küste des Ochotskischen Meeres bei Ajan die Deckhaare bald mit weissen, bald, und zumeist, mit schwarzen Spitzen versehen, und an den Oberhaaren ist der obere weisse Ring zwar meistentheils vorbanden, bisweilen

‚jedoch auch verschwunden. Dasselbe findet an den Eichhörnchen statt, die wir durch Midden-

dorff vom Westabhange des Stanowoi-Gebirges bei Balyktach-Munaly erhalten haben und die im September schon ihre volle Wintertracht angezogen hatten. Was die Ausschliessung rother Tinten betriflt, so ist diese an den Winterfellen der Amur-Eichhörnchen noch vollständiger

120 Säugethiere.

als an denen des Stanowoi-Gebirges und der Küsten des Ochotskischen Meeres. Midden- dorff erwähnt, dass an den Eichhörnchen des Südabhanges des Stanowoi-Gebirges bis nach Nertschinsk hin das dunkelgraue Winterfell der Eichhörnchen nicht selten einen Anflug von gelblich-röthlicher Tinte hat )). An den Amur-Eichhörnchen habe ich das nicht gesehen, und dürfte es daher bei ihnen nur sehr selten statt haben. An den fünf mir vorliegenden Winter- fellen vom oberen Amur, von der Mündung des Stromes und von der Einmündung des Gorin in denselben beschränkt sich die einzige schwache Spur gelblich-röthlicher Färbung darauf, dass an den Deckhaaren des Kopfes und der Schwanzwurzel die weisse Farbe etwas schmutzig gelblich - bräunlich getrübt ist; die Ohren aber sind dunkel braunschwarz und die Ohrenpinsel beinahe rein schwarz und ohne den geringsten röthlichen Anflug, während die Eichhörnchen von Ajan am Ochotskischen Meere einen solchen besitzen. Die Beine sind braunsehwarz, die hinteren dunkler ; der Schwanz dunkelbraunschwarz, ebenfalls schwärzer als an den Eichhörnchen um Ajan und vom Stanowoi-Gebirge und ohne den geringsten röthlichen Anflug. Ich bemerke ferner, dass auch an den Amur-Eichhörnchen, wie nach Middendorff’s Bemerkung ?) an denjenigen des rechten Jenissei-Ufers und der östlich von

diesem gelegenen Gegenden Sibirien’s, Unterkiefer und Kehle grau oder schwärzlich, von der

Farbe des Kopfes sind, und das Weiss des Halses oft, durch Vorrücken der dunklen Fär- bung der Oberseite nach unten, mehr oder weniger verschmälert ist. Von den neun mir vorliegenden Amur-Exemplaren, davon eines von Hrn. Maack und die übrigen von mir ge-

sammelt worden sind, ist nur an einem, von der Mündung des Gorin-Flusses in den Amur, ein

schmaler weisser Streifen längs der Kehle vorhanden, der sich vom Unterkiefer an ununter-

brochen nach dem Halse hinzieht. Endlich ist auch an den Amur-Eichhörnchen, wie nach »

Middendorffs Bemerkung, an denjenigen des Stanowoi-Gebirges, das Fell minder weich anzufühlen als an den Eichhörnchen des Jenissei-Stromes.

Das Sommerfell der Eichhörnchen im Amur-Lande scheint vorherrschend von dunkel- braunschwarzer oder beinahe ganz sehwarzer Farbe zu sein, Es schliesst sich an die Sommer- färbung der Eichhörnchen an der Westküste des Ochotskischen Meeres von Ajan bis Ud-

skoi-Ostrog und an den Ostabhängen des Stanowoi-Gebirges an. Wie bei diesen ist es

bald "beinahe rein schwarz, bald mit schwachem röthlichem Schimmer versehen, je nach- dem in, welchem Grade sich, die röthlichen Ringe unterhalb der schwarzen Spitze der Haare in\der schwarzen Grundfarbe verlieren. Ein Exemplar vom Bureja- Gebirge, am 24. Juli (5. Aug.) geschossen, ist auf der Oberseite dunkel braunschwarz, an den Deckhaaren unterhalb der, schwarzen Spitzen mit rothbraunen Ringen versehen, welche zumal am Nacken, am Vorderrücken und an den vorderen Extremitäten deutlich durchschimmern, am Hinterrrücken dagegen in der schwarzen Grundfarbe verschwinden. Der Kopf an demselben ist braunschwarz

mit weisslich-gelblichen Ringen an den Haaren, die Ohren rothbraun, der Schwanz dunkel-

braunschwarz mit durchschimmerndem Rothbraun in der Wurzelhälfte der Haare. Ein I) Sibirische Reise. 1, 'c. p. 82. 2) Sibirische Reise. 1. c, p. 81.

BR A

Sciurus vulgaris. 121

anderes Exemplar, aus der Bai Hadshi an der Küste der Meerenge der Tartarei vom Juni Monat, ist dunkler als das vom Bureja-Gebirge, mit weniger durchschimmerndem Rothbraun der Deckhaare;; die Extremitäten und der Schwanz an demselben sind ganz schwarz. Rothe Eichhörnchen, deren es im Amur-Lande vermuthlich eben so selten und ausnahmsweise, wenn nicht noch seltner, wie an der Küste des Ochotskischen Meeres bei Ajan welche geben mag, habe ich nicht gesehen.

Es bleibt uns nun noch übrig des Ueberganges der Sommer- in die Wintertracht bei den Amur-Eichhörnchen zu gedenken. Ein Exemplar, das am 28. Sept. (10. Oct.) in der nächsten Umgegend des Nikolajewschen Postens geschossen wurde, steht im letzten Uebergange aus der Sommer- in die Wintertracht. Es ist auf dem Hinterrücken bereits ganz von dem dunklen Grau des Winterfelles, mit einer geringen, kaum merklichen hellbräunlichen Trübung der weissen Farbe an den Deckhaaren in der Mittellinie des Rückens und im Beginne des Schwan- zes. An den Seiten ist das Weiss des Bauches von dem Grau des Rückens durch einen etwa 10— 15 Millim. breiten schwarzen Streifen geschieden, welcher nach Middendorff ') an jenen dunkel gefärbten Eichhörnchen-Varietäten des östlichen Sibiriens den äussersten Ueber- gang von der Sommer- in die Wintertracht bezeichnet. Am Vorderrücken befinden sich aber ausserdem noch unregelmässige schwarze Flecken als Ueberreste der schwarzen Sommerfär- bung. Der Kopf ist dunkelgrau mit schwach hellbräunlicher Trübung ; die Ohrenpinsel, die Extremitäten und der Schwanz sind dunkel braunschwarz, beinahe ganz schwarz. Die Aende- rung der Sommer- in die Wintertracht scheint, abgesehen von allen Verschiedenheiten, die in dieser Beziehung an jedem Orte stattfinden, an der Amur-Mündung ungefähr um dieselbe Zeit wie am Stanowoi-Gebirge ?) oder um Krassnojarsk °) und überhaupt in ganz Sibi- rien °), d. i. gegen Ende September’s alten oder Anfang October’s neuen Stiles, ihrer Vollen- dung nahe zu sein. Doch hat Middendorff auch vom 7. 10. Sept. bei Udskoi Ostrog noch Eichhörnchen in vollem Sommerhaar geschossen °). Ferner beobachtete Pallas zu Krass- nojarsk an einem in der Gefangenschaft gehaltenen Eichhörnchen’ den Beginn der Winter- tracht am 4. (16.) October und die volle Wintertracht am 4. (16.) November °, Ja mir liegt sogar ein Exemplar vor, dass ich durch Maximowicz von Kidsi am Amur-Strome erhalten habe und das im November noch das volle schwarze Sommerhaar trägt. Dieses Exemplar ge- hört überhaupt zu den schwärzesten Eichhörnchen, welche ich gesehen habe. Es ist bis auf

die schneeweisse Unterseite fast durchweg dunkelbraunschwarz; nur am Kopfe und dem Vor- _ derrücken finden sich häufig unter den schwarzen Haarspitzen trübe weissliche Ringe und an den Ohren und dem Nacken schimmert eine schwache röthliche Tinte durch. Der Schwanz ist dunkel braunschwarz und nur in seinem oberen Theile, nahe der Mitte, mit einer durch-

l)]. c. p. 81.

2) Middendorffl.c.

3) Pallas, Novae Spec. Quadr. e Glir. ord. p. 372.

4) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 185.

5) Sibirische Reise. 1. c. p. 82.

6) Novae Spec. Quadr. e Glir. ordine. p. 373. Schrenck Amur-Reise Bd. I. 16

122 Säugethrere.

schimmernden, gemischten, röthlich - weisslichen Färbung an der Wurzelhälfte der Haare gezeichnet. Das Winterkleid scheinen die Eichhörnchen im Amur-Lande weit in das Früh- jahr hinein anzubehalten; im März zum wenigsten sind sie im unteren Amur-Lande noch im vollen Winterhaar.

Aus dieser Vergleichung der Amur-Eichhörnchen mit den Sibirischen können wir den Schluss ziehen, dass das Eichhörnchen des Amur-Landes zu den schwärzesten der bisher be- kannten Varietäten gehört. Nach Müller sind die schwärzesten Eiehhörnchen östlich vom Bai- kal-See, bei Bargusinsk, an der Werchnaja Angara, am Ursprunge des Witim-Flusses und im Nertschinsker-Gebiete zu finden '). Letztere, die schon zum oberen Theile des Amur- Systemes gehören, sollen nach Müller die schwärzesten und berühmtesten von ganz Sibirien sein. In Nertschinsk mussten sich damals auch die Eichhörnchen-Felle vom unteren Argunjund oberen Amur sammeln, wie es noch heut zu Tage geschieht. Nachrichten zufolge, welche ich von einem um den Pelzhandel in Sibirien sehr interessirten Kaufmanne in Nertschinsk, wie von den mit der Eichhörnchenjagd eifrig sich beschäftigenden Kosaken am unteren Argunj- Flusse eingezogen habe, soll das beste (schwärzeste) Eichhörnchen dasjenige vom unteren Argunj (russisch: Argunskaja nisowaja bjelka) sein. Diesem soll wenig nachgeben das Eichhörnchen aus dem Nertschinsker- Gebiete. Alsdann folgt das Olekminsker-Eichhörnchen,, welches ebenso dunkel, aber kleiner sein soll, und endlich folgen, an Güte abnehmend, auf einander die Eichhörnchen vom Witim, von der Werchnaja Angara und von Bargusinsk. Weiter nach Süden von letzterem Orte soll das Eichhörnchen schlechter werden und am Tschikoi zum Bei- spiel, einem Nebenflusse der Sselenga, einen röthlichen Anflug haben. Die Jäger Transbai- kalien’s sind geneigt den Grund dieser verschiedenen Färbung des Eichhörnchens der ver- schiedenen Nahrung des Thieres zuzuschreiben. Sie meinen, dass das beste (dunkelste) Eich- hörnchen das sogenannte Schwammeichhörnchen (russ.: gubnaja bjelka) sei, das sich vorzüglich von Schwämmen nährt, die es, in der Weise wie es auch Pallas beschreibt”), für den Winter sammelt und aufBäumen aufbewahrt. Auf dieses folgt das Zapfeneichhörnchen (russ.: schisch- kowaja bjelka), das hauptsächlich von den Zapfen der Cedern und anderen Coniferen lebt und ebenfalls noch recht dunkel ist. Am schlechtesten endlich und von röthlicher Färbung soll das Nusseichhörnchen (russ.: orjechowaja bjelka) sein, dessen Nahrung aus Haselnüssen und dergl. besteht. Ich theile diese Ansicht beobachtender Jäger desshalb mit, weil sie gewiss mit, vielem Rechte dem Einflusse der Nahrung auf die Färbung der Eichhörnchen grosse Rechnung trägt, wie Solches ja auch an anderen Thierarten durch direkte Beobachtungen erwiesen ist. Den- noch vermag sie nicht uns die allmählige, von West nach Ost stattfindende Zunahme an Schwärze am Eichhörnchenfelle zu erklären. Gewiss dürften daher neben den Nahrungsbedin- gungen auch andere physische und namentlich klimatische Verhältnisse dabei mit im Spiele sein,

Mit dem Eichhörnchen des unteren Argunj gehört in eine Kategorie das Eichhörnchen des oberen Amur-Stromes. Beide fallen auch in dasselbe, von russischen Jägern alljährlich

I) Müller, Sammlung Russ. Gesch. II. p. 519. 2) Novae Spec. Quadr. e Glir. ord. p. 376. Zoogr. Rosso-As. 1. p. 184.

Scurus vulgarıs. 123

zum Zwecke der Eichhörnchenjagd durchstreifte Gebiet, welches den unteren Lauf der beiden Quellarme des Amur-Stromes, des Argunj und der Schilka, und den oberen Amur bis etwa zur Mündung des Komar - Flusses umfasst. Dort ist das Eichhörnchen noch ein sehr häufiges Thier und daher die Jagd auf dasselbe, trotz des geringen Preises jedes einzelnen Felles, ein sehr ergiebiges Geschäft. Alljährlich begeben sich daher mit dem Eintritt des Herbstes, gegen Ende September’s und Anfang October’s, die Kosaken des unteren Argunj und der Schilka auf ausgedehnte Jagdstreifzüge in das bezeichnete Gebiet. Namentlich sind es die Waldungen am unbewohnten rechten, und also chinesischen, Ufer des Argunj-Flusses und die Wildnisse am oberen Amur, welche ihnen reiche Beute gewähren. In Kleinen, meist aus Verwandten oder Angehörigen eines Ortes gebildeten Gesellschaften zusammenhaltend, wählen sie in den Wäl- dern hier und dort ihre zeitweiligen Standquartiere, von denen aus sie ihre Streifzüge aus- führen und die sie nach Ausbeutung einer Gegend gegen andere vertauschen, so weit vordrin- gend, als ihnen die auf Pferden mitgeführten Jagd- und Nahrungsvorräthe gestatten. Bisweilen auch begeben sich die Jäger kurz vor dem Gefrieren des Amur-Stromes in Böten eine Strecke weil stromab, bis sie eine günstige Lokalität erreicht haben, wo sie denn ihr zeitweiliges Stand- quartier für weitere Streifzüge aufschlagen. Den weit vorgedrungenen Jägern bietet nicht selten im Winter, wenn die Vorräthe zu Ende gegangen sind, der Lauf des Komar-Flusses, dessen Quellen sich der Bystra, einem rechten Zuflusse des Argunj, ansehnlich nähern, einen kür- zeren und desshalb oft von ihnen befolgten Rückweg dar. Ich erwähne hier dieser Jagden ge- nauer, weil sie speciell auf das Eichhörnchen gerichtet sind und von der Häufigkeit dieses Thieres in jenen Gegenden einen Begriff geben. Zwar verschmähen die Jäger auch andere Thierarten, die sich ihnen als Beute darbieten, nicht und ohne Zweifel am wenigsten den Zo- bel, da ein paar Felle von diesem den ganzen Ertrag eines Jägers an Eichhörnchen aufbieten dürften ; allein diese letzteren sind so selten, dass sie nicht als sicherer Gewinn in Rechnung gebracht werden können, während die Menge von Eichhörnchen dem geschickten und aus- ‚harrenden Jäger eine zuverlässige Garantie bietet. Diese allein sind daher beabsichtigt, und werden demnach auch die Jagden mit dem speciellen Namen «Eichhörnchen - Erwerb» (russ.: bjelkowjo) belegt. Ein jeder Jäger bringt von diesen herbst- und winterlichen Streifzügen einige Hunderte dieser Thiere zurück, deren jedes, um das Fell nicht zu verderben, nur mit einer klei- nen Büchsenkugel durch den Kopf geschossen worden ist. Diese Häufigkeit der Eichhörnchen am oberen Amur hängt aber ohne Zweifel mit der Seltenheit seines grössten Feindes, des Zo- bels, in jenen Gegenden zusammen, den dieselben Jagden theils unmittelbar an Zahl vermin- dert, theils, und noch mehr, durch den.Lärm und die häufig verursachten Waldbrände ver- scheucht haben. Nicht so im unteren Amur-Lande. Dort sind der-Zobel und die dem Eich- hörnchen wohi nicht minder verderbliche Mustela sibirica bis jetzt noch häulige Thiere, deren Zahl durch die Nachstellungen der im Verhältniss zum ausgedehnten Terrain nur sehr wenig zahlreichen Eingeborenen um so weniger merklich vermindert wird, als diese stets nur durch Fallen den Thieren beizukommen suchen, wodurch sie nicht verscheucht werden. Im un- teren Amur-Lande ist daher das Eichhörnchen, obschon überall vorhanden, gewiss nicht so

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124 Säugethiere.

häufig wie im oberen Theile des Stromes, ungeachtet es dort von den Eingeborenen viel we- niger gejagt wird. Denn fast nur gelegentlich verfängt es sich selbst in die für den Zobel, mit etwas getrocknetem Fisch als Köder, ausgestellten Fallen. Giljaken und Mangunen ge- brauchen es alsdann zur Verfertigung von Hals- und Stirnwärmern (Boa’s), wozu jedoch auch nur die langhaarigen Schwänze der Eichhörnchen benutzt werden. Ich werde dieser Benutzung des Eichhörnchenfelles bei den Eingeborenen des Amur-Landes im ethnographischen Bande meiner Reisebeschreibung ausführlicher gedenken. Sie ist immer nur eine geringe. Erst wenn der Zobel durch russische Jäger in den Waldungen am unteren Amur-Strome bedeutend an Zahl abgenommen haben wird, werden dort ebenfalls die an Schwärze und Güte des Felles den Thieren des oberen Amur-Stromes um nichts nachstehenden Eichhörnchen an die Reihe kommen und gewiss auch ein Gegenstand eifriger Nachstellungen werden. Als ein an die Waldung gebun- denes Thier, kommt das Eichhörnchen im Prairietheile des Stromes natürlich nur in den wald- bewachsenen Gebirgen landeinwärts vor. Wo aber Gebirge und Waldungen den Strom säu- men, da ist es auch an den unmittelbaren Ufern desselben überall vorhanden. So habe ich es selbst an einem mit hohen Cedern bewachsenen Abhange im Bureja- Gebirge erlegt. Ohne Zweifel geht es im Amur-Lande, im Innern wie an der Meeresküste, wo ich es aus der Bai Hadshi an der Meerenge der Tartarei erhalten habe, der Waldung folgend, noch viel weiter nach Süden. Desgleichen bewohnt das Eichhörnchen die Waldungen im Innern und an den Küsten der Insel Sachalin bis an das Südende derselben. Sehr wahrscheinlich geht es dort auch weiter nach Süden, auf die japanischen Inseln hinüber, da die Selbstständigkeit der von Temminck aufgestellten japanischen Art Sc. lis noch als fraglich betrachtet werden muss.

33) Tamias striatus L.

Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: tar. “o« « des Innern und der Ostküste von Sachalin: taghr. « « Mangunen: uldshe. « « Golde am Amur unterhalb des Ussuri und am Ussuri: ulge. « « Kile am Kur: onjotscho. « « Golde oberhalb des Ussuri: dshurga-ulki und dshurgangat-ulki. « « Biraren und Monjagern: ulkischan. « « Orotschonen: ulgukitschan.

Wie am Stanowoi-Gebirge und an den Küsten des Ochotskischen Meeres nach Mid- dendorff’s Bemerkung '), so ist Tamias striatus auch im Amur-Lande äusserst häufig und stets von derselben constanten Färbung, welche er durch ganz Nordasien besitzt. Ich habe ihn im gesammten Laufe des Amur-Stromes und an den von mir besuchten Zuflüssen desselben überall häufig beobachtet und geschossen, oder durch Aussagen der Eingeborenen von seinem

1) Sibirische Reise. I. c. p. 83.

Tamxas striatus. T. uthensıs. 125

Vorkommen mich überzeugen können. Dabei ist dieses Thier ebenso häufig in der mit völlig nordischem Charakter versehenen Nadelwaldung der Amur-Mündung, wie weiter oberhalb am Strome, wo eine Laubholzvegetation die unmittelbaren Ufer bedeckt. An felsigen Ufern zumal, wo ein stark verwittertes und zerklüftetes Gestein hin und her mit mannigfaltigem Gesträuch und verschiedenartigen Laubhölzern bewachsen ist, habe ich regelmässig den kurzen, schnalzenden Schrei dieses Thieres gehört und oftmals auch das Thier selbst beobachten kön- nen. Ja sogar in der Prairie am Ussuri-Strome, wo nur Laubhölzer und vorzüglich Eichen in einzelnen Gruppen aus dem hohen Grase der Ebene sich erheben, wie bei Dsamo, oder aber in liehter Waldung die sanften Abhänge der Vorberge bedecken, wie an der Mündung des Noor-Flusses in den Ussuri, habe ich T. striatus oft an den Stämmen der Eichen klettern sehen und auch mehrmals geschossen. Diese Exemplare aus der Prairie zeigen jedoch nicht die geringste Verschiedenheit von denjenigen der Nadelwaldungen der Amur-Mündung. Wie am Amur-Strome und seinen Zullüssen, so ist T. striatus auch längs der gesammten Küste des süd- lichen Ochotskischen Meeres, des Amur-Limanes und der Meerenge der Tartarei bis nach der Baı Hadshi, dem südlichsten Punkte der Küste, den ich besucht habe, verbreitet. Des- gleichen findet sich dieses Thier zahlreich auf Sachalin, an den Küsten wie im Innern der Insel, von wo ich aus dem Tymy- Thale ein Exemplar mitgebracht habe. Ja es ist auch süd- wärts von Sachalin über die japanischen Inseln verbreitet. Ein Exemplar, das unser Museum durch Temminck aus Japan besitzt, weicht nicht im Geringsten von der constanten Farbe und Zeichnung dieses Thieres auf dem asiatischen Continente ab. An der Mündung des Amur- Stromes, beim Nikolajewschen Posten, scheint T. striatus mit dem ersten Schneefalle und dem Beginne starker Herbstfröste, gegen Ende September’s und Anfang October’s, in seine Winterhöhlen sich zurückzuziehen. Im Frühjahre (1855) liessen sich die ersten Thiere schon am 13. (25.) April sehen, als in der Umgegend des Nikolajewschen Postens noch ringsum Schnee lag.

34) Tamias uthensis Pall.

Dieser von Pallas ') beschriebenen Tamias-Art, welche am Flusse Uth (od. Uda) häufig sein soll, bin ich im Amur-Lande, ebenso wie Middendorff im Stanowoi- Gebirge °), weder auf Reisen und Jagdstreifzügen, noch im Verkehre mit den Eingeborenen jemals be- gegnet. Dagegen liegt mir ein bis auf einen weissen Kehlleck ganz schwarzes Fell von T. striatus vor, welche! H. Maack vom Witim erhalten hat. Es gewinnt daher die Ansicht Wagner’s°), Middendorffs u. a., dass T. uthensis Pall. nur eine schwarze Abänderung von T. striatus sei, mehr und mehr Wahrscheinlichkeit.

1) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 189. 2) Sibirische Reise. 1. c. p. 83. 3) Die Säugethiere v. Schreber. Supplbd. Abthl. 3. p. 232.

126 Säugethiere. 35) Spermophilus Eversmanni Branlt.

Bei den Monjagern: gadagan.

Ein Exemplar von Sp. Eversmanni, das Hr. Maack aus Nertschinsk mitgebracht hat, und zwei unvollständige Felle desselben, die ich im Amur-Lande erhalten habe, stimmen mit den Beschreibungen dieses Thieres von Brandt') und Middendorff?) vollständig überein und geben nichts Abweichendes zu erkennen. Die weiss gesprenkelte Zeichnung des Rückens ist an ihnen sehr deutlich. Die Zeichnung der einzeinen Haare ist ebenso beschaffen, wie Midden- dorff an den jakutskischen Thieren angiebt. Ich füge nur hinzu, dass unter den Deckhaaren des Rückens, welche zumeist schwarz mit weisser oder gelblicher Binde nahe unterhalb ihrer Spitze gezeichnet sind, auch viele ganz schwarze Haare sich finden. An den Seiten und nach dem Bauche zu sind die Deckhaare untereinander verschieden gezeichnet, indem das Schwarz der- selben mehr und mehr schwindet und durch die gelbliche und weissliche Farbe des Bauches ersetzt wird. Zuerst verschwindet nämlich die schwarze Spitze, die das Rückenhaar hat, so dass eine lange gelbliche oder weissliche Spitze am schwarzen Haar entsteht; dann stellt sich ausser- dem noch ein gelblicher oder weisslicher Ring mitten in dem schwarzen Theile des Haares ein, so dass dieses nunmehr an der Basis schwarz, im oberen Theile gelblich oder weisslich mit schwarzem Ringe erscheint; und zuletzt verschwindet auch dieser schwarze Ring und die Haare sind nur an ihrer Basis schwärzlich, im langen oberen Theile einfarbig weisslich oder gelblich. Diese helle Zeichnung der Seiten und des Bauches variirt aber an den Transbaikali- schen und Amur-Exemplaren in derselben Weise, wie Middendorf£ es an den jakutskischen hervorhebt, indem der Antheil rostfarbner Zeichnung grösser oder geringer ist. So ist eines der Amur-Felle an den Seiten heller, das andere intensiver gelblich und mit röthlicher Färbung versehen, während das Nertschinsker Exemplar an den Seiten und dem Bauche mehr weiss- lich und mit einer intensiv rostrolhen, unregelmässig begränzten Binde gezeichnet ist, welche bald hinter den vorderen Extremitäten beginnt, dann, längs den Seiten des Körpers verlaufend, auf die Hinterschenkel tritt und sich bis auf die Zehen der hinteren Extremitäten fortsetzt. Die vorderen Extremitäten dieses Exemplares sind an ihrer Aussenseite ebenfalls mit rost- rothen Flecken versehen.

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass diese von Hrn. Akad. Brandt im Jahre 1843 nach Exemplaren, die das Museum durch Gebler und meinen Bruder Alexander v. Schrenck aus dem Altaischen und dem Alatau-Gebirge erhielt, für selbstständig erkannte Zieselart schon Pallas unter der allgemeinen, viele Arten umfassenden Bezeichnung M. citillus be- kannt war, und dass namentlich die von Pallas erwähnten Ziesel von Jakutsk und der Lena (Ciulli Jacutenses) wie auch wahrscheinlich diejenigen von Daurien, an der Sselenga, Ingoda und bis an den Amur, ja vielleicht sogar die Ziesel aus den Gegenden am Uth-Flusse °)

!) Bull. scient. publ. par l’Acad. des Sciences de St. Petersbourg. T.IX. p. 43. Bull. de la Classe phys.-math. de l’Acad. des sc. de St. Petersbourg. T. II. p. 373.

2) Sibirische Reise. 1. c. p. 83.

®) Pallas, Novae Spec. Quadr, e Glir. ord. p. 120—126.

Spermophilus Eversmanni. Arctomys Bobac. Mus decumanus. 127

auf diese Art zu beziehen sind. Seit der Unterscheidung von Sp. Eversmanni als besonderer Art ist dieselbe von Middendorff bei Jakutsk, von Maack am Baikal und bei Nertschinsk und von mir am Amur gefunden worden. Es scheint also diejenige Art unter den Ziesel- mäusen zu sein, welche die grösste Verbreitung über den asiatischen Continent hat. Am Amur entdeckte ich sie nach zwei Fellen, welche ich bei den Mandshu eines kleinen Dorfes, eine Tagereise oberhalb der Stadt Aigun, zu einem Tabacksbeutel verarbeitet fand. Das Stück wurde von ihnen für ziemlich werthlos gehalten, da das Thier ihren Angaben zufolge in der Prairie der Umgegend sehr zahlreich sein soll. Weiter oberhalb bestätigten mir auch die Mo- njagern, bei denen ich mich nach diesem Thiere erkundigte, das Vorkommen desselben am Amur-Strome. Ohne Zweifel ist also Sp. Eversmanni von Transbaikalien ostwärts im gan- zen oberen Theile des Amur-Stromes und in den Prairieen desselben zum wenigsten bis an das Bureja-Gebirge verbreitet. Ob es aber im unteren Amur-Lande ebenfalls vorkommt, ver- mag ich nicht zu sagen, da mir dort keine Spur dieses Thieres begegnet ist.

_

36) Aretomys Bohae Schreb.

Ob ich gleich dieses Thier im Amur-Lande nicht gefunden habe, ist es doch zu erwar- ten, dass es zum wenigsten im oberen Theile des Stromes und in den Prairieen desselben sich finden werde, da es nach Pallas bekanntlich bis nach Kamtschatka verbreitet und auch in Transbaikalien und namentlich am Argunj ein sehr häufiges Thier ist '). Auch hat H. Maack neuerdings ein Exemplar von dem anderen Quellarme des Amur-Stromes, der Schilka, in der Umgegend von Nertschinsk, mitgebracht. Es ist eine Varietät von Arct. Bobac, deren Beschreibung durch Hrn. Akad. Brandt wir in nächster Zeit entgegensehen.

37) Mus decumanus Pall.

Bei den Giljaken: njagrsch. « « Mangunen,Ssamagern,Golde: s’ingare. « « Biraren: anjaka. « « Orotschonen: kuttyr. j Die Wanderratte im Amur-Lande ist mit dem in Europa eingebürgerten Thiere ganz “übereinstimmend. Die Farbe derselben ist oben bräunlichgrau, schwarz gestichelt; unten . scharf abgesetzt weissgrau. Die Deckhaare des Rückens sind in ihrer unteren Hälfte grau, in der oberen gelblich-bräunlich, mit vielen längeren schwarzen Haaren untermischt, Mus deeumanus ist im Amur-Lande allentha ben, sowohl in den Häusern der Mandshu, Chinesen und Dauren am Sachali- oder oberen Amur-Strome und in den Hütten aller sesshaften Völker des unteren Amur-Landes, der Golde, Ssamagern, Mangunen und Gilja-

I) Pallas, Novae Spec. Quadr. e Glir. ord. p. 101. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 156.

128 Säugethiere.

ken, als auch in den Ansiedelungen der Russen am Amur-Strome in grosser Zahl vorhan- den. Es ist anzunehmen, dass die Wanderratte auf mehrfachen Wegen in das Amur-Land eingewandert sei. Die älteste und bedeutendste Einwanderung, seit welcher M. decumanus sich im Amur-Lande eingebürgert hat, muss ohne Zweifel von China aus stattgefunden haben. Auf diesem Wege muss sie sowohl in die chinesischen Colonien, nach der Stadt Aigun und den Dörfern am Sachali-Strome, als auch, durch die häufigen Handelsreisen der Chinesen und der Eingeborenen, den Sungari abwärts in das untere Amur-Land bis an die Mündung des Stromes sich verbreitet haben. Zu dieser Annahme werden wir durch den Umstand genö- thigt, dass M. decumanus weder von Sibirien aus, noch auf dem Seewege zuerst in das Amur- Land gelangt sein kann. Nach Sibirien war M. decumanus bekanntlich zu Pallass Zeiten noch nicht vorgedrungen ') und fand sie in neuerer Zeit auch Middendorff daselbst nicht vor. Andrerseits aber war M. decumanus lange bevor russische Schiffe die Mündung des Amur-Stromes berührt hatten in den Hütten der sesshaften Amur- Völker eine allgemeine Plage. So fand ich sie im Jahre 185%, im Beginne der russischen Colonisation der Amur- Mündung, bei den Eingeborenen schon allenthalben und weit oberhalb der russischen Ansie- delungen eingebürgert. Die grosse Zahl und Gefrässigkeit derselben hatte die Eingeborenen schon längst gelehrt ihre Vorräthe an getrocknetem Fisch, Seehundsfleisch und Häuten und dgl. m. in eigenthümlich gebauten Vorrathskammern halten, welche auf mehreren einzel- nen, einige Fuss über den Erdboden erhöhten und an ihrem oberen Ende mit einem grossen Stücke Baumrinde bedeckten Pfählen errichtet werden. Auch stellen die Giljaken diesem schädlichen Thiere eigenthümlich gemachte Fallen aus, von denen ich im ethnographischen Bande meiner Reisebeschreibung eine Abbildung und Beschreibung mittheilen werde. Bei den Golde ist die Gefrässigkeit der Ratte zum Theil sprüchwörtlich geworden und dient ihnen daher das Wort «s’ingare» (Ratte) zum Spott- und Schimpfnamen für die durch gierige Tri- butserhebung und ungerechte Erpressungen sie ausplündernden Mandshu. Wenn daher M. decumanus später, mit der russischen Colonisation der Amur-Mündung, ohne Zweifel auch auf dem Seewege und zwar auf Schiffen aus Kamtschatka, wo die Wanderratte gegen- wärtig ebenfalls in grosser Zahl sich findet, in das Amur-Land gebracht worden ist, so betriflt dieses doch nur die Amur-Mündung und ist, bei der schon früher vorhandenen Ueberzahl dieser Thiere am Amur, von keinem weiteren Belange. Dass die Wanderratte ferner auch auf der Insel Sachalin vorkommt, ist aus den Angaben der Eingeborenen zu entnehmen. Doch muss sie dort, vielleicht in Folge einer anderen, für ihre Einnistung weniger günstigen Bauart der Hütten bei den Eingeborenen, weit seltner sein. So habe ich sie in den Erdhütten der Gilja- ken südlich von Poghobi an der Westküste der Insel, im Tymy-Thale im Innern derselben und bei Nyi an der Ostküste während meiner Winterreisen auf Sachalin niemals gesehen. Anders mag es sich in den nordwärts von Poghobi gelegenen giljakischen Dörfern verhalten, wo dieselbe Bauart der Häuser wie auf dem Continente herrscht. Wahrscheinlich hat sie auf doppeltem Wege ihre Verbreitung nach der Insel Sachalin genommen, indem sie sowohl von

I) Pallas, Nov. Sp. Quadr. e Glir. ord, p. 92. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 164.

Mus decumanus. M. musculus. Arvicola [ Hypudaeus ) amurensis. 129

der Amur-Mündung, durch die Handelsreisen der Giljaken und Mangunen, als von Süden her, aus Japan, wo M. decumanus ebenfalls allgemein verbreitet ist '), durch die von Jesso alljährlich herüberkommenden Schiffe nach Sachalin gebracht worden ist. Wie leicht M. de- cumanus in den kleinsten Fährzeugen von Ort zu Ort transportirt werden kann, habe ich selbst zu beobachten Gelegenheit gehabt, indem ich auf einer Reise von Kidsi nach der Bai de Castries zwei Ratten mitten auf dem See von Kidsi aus meinem kleinen Boote über Bord springen sah.

38) Mus musculus L.

Obgleich in Sibirien bis in den hohen Norden ?) und andrerseits in Japan °) und viel- leicht auch in China verbreitet, ist die Hausmaus im Amur-Lande weder in den Häusern und Hütten der Eingeborenen, noch in den Ansiedelungen der Russen zu finden. Vielleicht dürfte das Fehlen derselben auch der grossen Anzahl von Ratten, M. decumanus, im Amur- Lande zuzuschreiben sein.

39) Arvicola (Hypudaeus) amurensis Schrenck n. sp. Taf. VI. fig. 1 u. 2.

Bei den Giljaken: wytsch-wyb-nga.

Im September 1854 fing ich an der Mündung des Amur-Stromes eine Feldmaus, welche ich gegenwärtig, nach genauer Vergleichung mit ihren Gattungsverwandten, für eine neue Art halten muss. Sie hat auf den ersten Blick im Gesammthabitus, durch die ziemlich langen Ohren und einen recht langen Schwanz, beinahe mehr Aehnlichkeit von den ächten Mäusen als von den Feldmäusen, reiht sich aber bei genauerer Betrachtung der von Keyserling und Blasius als Untergattung Hypudaeus Mlig. *) oder Waldwühlmäuse °) bezeichneten, den wah- ren Mäusen am meisten genäherten Abtheilung der Gattung Arvicola an. Bekanntlich zählt diese Unterabtheilung hisher nur wenige Repräsentanten: im mittleren Europa nur A. (Hyp.) glareolus Schreb., im nördlichen Europa und Asien A. rutilus Pall.und A. rufocanus Sundev. Unsere Amur-Feldmaus trägt nun dieselben charakteristischen Kennzeichen der Unterabthei- lung Hypudaeus wie jene, ist aber von ihnen durch specifische Charaktere scharf unterschieden. Beschreiben wir sie genauer.

Wie es der Unterabtheilung Hypudaeus zum Unterschiede von den übrigen Arten der Gattung Arvicola zukommt, sind auch bei Arvicola amurensis die Schmelzbuchten der Backen- zähne nicht nach aussen scharfkantig und nach innen tief in die Zahnsubstanz einspringend,

1) Siebold, Fauna Japon. Mammal. Dec. I. p.6. Dsgl. Temminck, Kenntniss und Verbreitung der Säugethiere von Japan. s. Wiegman ’’s Arch. für Naturgeschichte. Jahrg. V. 1839. II. p. 409. 2) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 114. 3) Siebold, Fauna Japon. Mammal. Dec. 1. p. 6. 4) Keyserling und Blasius, Die Wirbelthiere Europa’s. p. VIII. 5) Blasius, Fauna der Wirbelthiere Deutschlands. Bd. I. Naturgesch. der Säugethiere. p. 333 u. 336. Schrenck Amur-Reise Bd. I. 17

130 Säugelhrere.

sondern gerundet und flach, so dass sich die Schmelzwände des äusseren und inneren Randes der Backenzähne oftmals gar nicht berühren und die Zähne daher das Ansehen, als seien sie aus dreiseitigen Prismen zusammengesetzt, verlieren. Solche flache Schmelzbuchten charakteri- siren namentlich den 2te" unteren Backenzahn, welcher in Folge dessen dem folgenden, 3ten Zahne desselben Kiefers ähnlich wird. Dadurch nämlich, dass die äusseren und inneren Schmelz- wände einander nicht ganz berühren und die Schmelzbuchten an der Aussen- und Innenseite einander fast ganz entsprechen, lassen sich am 2!°n unteren Backenzahne nicht mehr 5 geson- derte Schmelzschlingen oder Prismen, wie bei den übrigen Arten der Gattung Arvicola, sondern nur 3 deutlich von einander getrennte Schmelzschlingen unterscheiden, von denen jedoch die beiden vorderen jede aus 2, in der Mitte etwas getrennten Abtheilungen bestehen. Eine ähnliche, unvollständige Trennung der Schmelzschlingen in Folge der flachen Schmelzbuehten findet mehr oder weniger auch an den übrigen Zähnen und namentlich an dem {ten unteren und 3ten oberen Backenzahne statt. Ferner ist bei A. amurensis, ebenfalls dem Charakter der Untergattung Iypudaeus entsprechend, die ganze Zahnreihe im Ober- wie im Unterkiefer kür- zer als bei den übrigen Arvicola-Arten. Ich finde an ihr in dieser Beziehung im Vergleiche mit einigen anderen Arvicola- Arten folgende Grössen (in Millim.) :

4A. Nageri

4.amuren-) Schinz, | A. rutilus sis n. sp. [(4 glareo-| Pall. lus Schr.)

4. Maxi- mowiczii n. sp. }).

I . A.ralticeps Keys. et A. oecono-

Blas, mus Pall.

A.rufoca- nus Sun- dev.

4.sarati- lis Pall.

Länge der Zahnreihe

im Unterkiefer... . 61 63 Länge der Zahnreihe im Oberkiefer .. . 61

Bei A. amurensis spricht sich also in diesem Punkte die typische Bildung der Untergat- tung Hypudaeus noch deutlicher als bei den ihr nächstverwandten Arten A. glareolus, rutilus und rufocanus aus. Gegenüber den übrigen hier angeführten Arvicola-Arten ist die Kürze der Zahn- reihen besonders sichtlich im Vergleiche zu A. saxatilis und 4. Maximowiezü, von denen das ge- messene Exemplar der ersteren an Grösse unserem Exemplar der A. amurensis ziemlich gleich kam, letztere aber sogar kleiner als A.amurensis ist. Was die Anzahl der Schmelzschlingen und Kanten an den Zähnen betrifft, so ist darin, bis auf die oben bereits hervorgehobene Ver- schiedenheit des 2er unteren Backenzahnes, in den übrigen Zähnen, und namentlich dem 1 !en unteren und 2ten oberen Backenzahne, keine ausschliessliche Eigenthümlichkeit der Untergat- tung Hypudaeus im Vergleiche mit den anderen Arvzcola-Arten zu finden, da ein grosser Theil der letzteren dieselbe Anzahl von Schmelzschlingen und Kanten hat. Ich theile daher die wei- teren Verhältnisse der Zahnbildung von A. amurensis in der folgenden specielleren Beschrei- bung derselben mit und hebe hier nur im Allgemeinen hervor, dass wo die Schmelzbuchten flach sind und die äusseren und inneren Schmelzwände einander nicht immer berühren, so

!) Ueber diese neue Species s. weiter unten.

Arvicola (Hypudaeus) amurensıs. 131

dass die Schmelzschlingen oft unvollständig von einander getrennt bleiben, wie das bei der Untergattung Hypudaeus der Fall ist, dass dort auch in der Anzahl der Schmelzschlingen sehr leicht differente Angaben entstehen können, indem die unvollständig getrennten Schmelz- schlingen bald für eine, bald für mehrere gerechnet werden. Eine genaue Angabe der Be- schaffenheit aller einzelnen Schmelzschlingen, verbunden mit getreuer Abbildung derselben, kann | hier allein vor Missverständnissen bewahren.

A. amurensis hat im Gebiss 16 Zähne. Die Vorderzähne sind ziemlich schmal, an meinem Weingeist-Exemplare schmutzig weiss. Von den Backenzähnen hat im Oberkiefer (Fig. 2. a.) der 1°!e Zahn 5 Schmelzschlingen, von denen die 3 ersten ganz, die beiden letzten nicht ganz vollständig von einander getrennt sind, und aussen und innen 3 Kanten; der 2te hat 4 Schmelz- schlingen, von denen die beiden ersten ganz, die beiden letzten nicht ganz vollständig von einander getrennt sind, und aussen 3, innen 2 Kanten ein Verhältniss, wodurch sich A. amu- rensis mit vielen anderen Arvicola- Arten von A. agrestis und der Untergattung Agricola Blas. auf den ersten Blick unterscheidet. Der 3!° Zahn im Oberkiefer hat 6 Schmelzschlingen oder, da dieselben nicht alle vollständig von einander getrennt sind, auch nur 4 Schmelzschlingen. Rechnet man 6, so ist die 15t® von gewöhnlicher Beschaffenheit und vollständig abgesondert; die 2!e und 3!° sind unvollständig von einander getrennt und die Schmelzbuchten der Aussen- und Innenseite einander sehr entsprechend, so dass beide Schmelzschlingen für eine einzige, in ihrer Mitte in zwei Abtheilungen getheilte Schmelzschlinge genommen werden können. Dasselbe ist mit der 4!en und 52 Schmelzschlinge der Fall, von denen jedoch die erstere (an der Aussenseite liegende) nur sehr klein ist. Die letzte, Schmelzschlinge könnte in Folge einer flachen Einbuchtung an der Innenseite ebenfalls als aus 2 Schmelzschlingen zusammen- gesetzt angesehen werden. An der Aussenseite hat der 31° Backenzahn des Oberkiefers 3, an der Innenseite 4 Kanten und eine abgerundete Kante nach hinten. Im Unterkiefer (Fig. 2. b.) hat der 1ste Zahn 8 Schmelzschlingen oder, da dieselben nicht alle vollständig von einander getrennt sind, auch 7 und 6. Rechnet man 8, so ist die erste kleine Schmelzschlinge an der Aussenseite gelegen und ziemlich, wenn auch nicht ganz, vollständig von der 2ten, parallel ne- ben ihr liegenden getrennt eine Bildung, die ich bei keiner anderen Feldmaus kenne und die mir daher zu den wesentlichsten specifischen Charakteren von A. amurensis zu gehören scheint. Die bis 4!® Schmelzschlinge des ersten Unterkieferzahnes sind deutlich unvoll- ständig getrennt: die erstere derselben liegt am vorderen und inneren Ende des Zahnes, neben der iten Schmelzschlinge ; die 31° liegt ebenfalls an der Innenseite und könnte leicht mit der 2ten für eine einzige, in ihrer Mitte durch eine Einbuchtung in 2 Abtheilungen getheilte Schmelzschlinge genommen werden ; die liegt an der Aussenseite, etwas mehr nach hin- ten als die 3!e und ist von dieser etwas mehr getrennt als die 3!® von der 2ten, Die te Schmelzschlinge, an der Innenseite liegend, ist vollständig getrennt. Die 61° und 7!e sind un- vollständig von einander getrennt und die Schmelzbuchten der Aussen- und Innenseite ent- sprechen einander sehr, so dass beide Schmelzschlingen leicht für eine einzige, in ihrer Mitte in 2 Abtheilungen getheilte Schmelzschlinge genommen werden können. Die 8!e oder letzte

+

132 Säugethiere.

Schmelzschlinge ist von der 7!en vollständig getrennt. Die Zahl der Kanten am 1ten Unter- kieferzahn beträgt aussen 4 und eine abgerundete Kante nach vorn, innen 5, davon jedoch die vorderste, sehr kleine, noch zu dem etwas ausgesehweiften Vorderrande des Zahnes gehört. Der 2te Zahn des Unterkiefers ist bereits oben beschrieben worden; er hat 3 Schmelzschlingen oder, wenn man die je 2 Abtheilungen der beiden vorderen Schmelzschlingen einzeln rechnen will, auch 5 Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten. Der 3!° Zahn im Unterkiefer ist, wie oben erwähnt, dem 2ten äusserst ähnlich und hat ebenfalls 3 vollständig getrennte Schmelzschlingen oder, wenn man die je 2 Abtheilungen der beiden vorderen Schmelzschlin- gen einzeln rechnen will, auch 5 Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten. Sämmt- liche Kanten an allen Backenzähnen sind, wie bereits erwähnt, abgerundet und viel weniger scharf als bei den übrigen, nicht zur Untergattung Hypudaeus gehörenden Arvicola-Arten.— Am Gaumen von A. amurensis sind, wenn man bei der theilweisen Unterbrechung der Falten in der Mittellinie des Gaumens die einander entsprechenden Falten der beiden Gaumenseiten nicht einzeln rechnen will, 11 Falten. Davon befinden sich 5 ın der Zahnlücke zwischen den Vorder- und Backenzähnen und die übrigen 6 zwischen den beiden Zahnreihen des Oberkie- fers. Die erste Falte ist seitlich zusammengedrückt, dachförmig und hängt an ihrem hinteren Ende mit der 2!en zusammen. Diese ist 3spitzig, die mittlere Spitze am höchsten, die seitlichen niedriger und nach den Seiten herabsteigend. Die 3!° Falte ist ein einfacher, kurzer und dicker Querwulst. Die 4te ist länger und dünner als die vorhergehende und in der Mitte mit einer kleiren Einsenkung versehen. Die ist in der Mitte unterbrochen, flachbogig, die Enden an der Mittellinie nach hinten gerichtet. Die 6t® Falte liegt zwischen den vorderen Enden der Backenzahnreihen und ist in der Mitte ebenfalls unterbrochen. Die 7'° entspringt an der ten inneren Kante des 1te2 oberen Backenzahnes, ist nur ganz kurz und bleibt jederseits weit von der Mittellinie zurück. Die 8! entspringt von der 3ten inneren Kante des 1ten oberen Backen- zahnes, verläuft bogig nach innen und vorn und ist in der Mittellinie unterbrochen, wobei die Enden jederseits nach hinten gerichtet sind, so dass sie sich auf jeder Gaumenseite mit der in der Mitte ebenfalls unterbrochenen und mit ihren Enden an der Mittellinie nach vorn gerich- teten 9ten Falte zu einer fast ganz geschlossenen Schlinge verbinden. Die 10!° Falte ent- springt von der 2ten inneren Kante des 2!en Backenzahnes und stösst in der Mittellinie mit der ihr entsprechenden an der anderen Gaumenseite zu einer nach vorn gerichteten Spitze zu- sammen. Die letzte, 11!°, ist Qach bogig, ohne Unterbrechung in der Mitte. Die Lippen sind fleischig; die Oberlippe ist ganz gespalten, aussen und innen, die Unterlippe vorn und am Rande weisslich behaart. Inwendig am Mundwinkel liegt jederseits eine drüsige, weisslich behaarte Warze.— Die Nasenlöcher sind nierenförmig, mit der hohlen Seite nach oben gerich- tet, schief seitlich und etwas nach vorn geöffnet; vorn durch eine Mittelfurche von einander getrennt. Die Schnauzenspitze ist bis auf die nackten Nasenwülste behaart.— Das Auge ist ziem- lich gross, etwas näher zum Ohr als zur Schnauzenspitze gelegen .— Das Ohr ist etwas mehr als von halber Kopfeslänge, deutlich aus dem Pelze hervortretend, breit, rundlich, ganzrandig; an der Basis des Aussenrandes mit einem kleinen, rundlichen Läppchen versehen; vorn an der

Arvicola [ Hypudaeus) amurensis. 133

Basis mit langen Haaren bewachsen, welche in die Ohrmuschel hineinragen. Die Ohrmuschel ist ın der Basalhälfte nackt, in der Endhälfte aussen und innen mit kurzen röthlichen Härchen bedeckt, am Innenrande bis nahe zur Mitte des Ohres lang behaart. Der zur theilweisen Ver- schliessung des Ohres dienende Lappen der inneren Ohrfläche liegt nach innen von der Inci- sur am Läppchen des Aussenrandes und hat etwa 5 Millim. Länge und 2! Mill. Breite. Die Vibrissen sind von verschiedener Länge: die vordersten reichen nicht bis an die Ohrbasis, die hinteren ragen angedrückt in die Ohrmuschel hinein und ein paar von ihnen überragen sogar das ganze Ohr. Einige derselben sind ganz weiss, die meisten braun an der Basis und weiss in der Endhälfte, wenige ganz braun. Die Extremitäten sind schwach. Am Vorderfusse ist die Daumenwarze mit einem kurzen, stumpfen Nagel versehen; die beiden Mittelfinger sind weniger tief gesondert als die seitlichen; der Finger ist am längsten; der 1!® reicht ohne Nagel bis an die Ballenbasis des 2ten; der 3te ist nur um ein Geringes kürzer als der 21°; der 41° reicht mit dem Nagel bis an die Ballenbasis des 3ten. An der Sohle haben die Vorderfüsse 5 rund- liche Schwielen, davon die 3 vorderen an der Basis je zweier, auf einander folgender Zehen, die beiden hinteren in einer Querreihe etwas hinter der Daumenwarze liegen. Die Zehen sind unten geringelt. Die Sohle ist nackt; oben ist der Fuss mit kurzen, an der Basis der Nägel mit etwas längeren, die Nägel zumeist überragenden, weisslichen Haaren bedeckt. Die Nägel sind ebenfalls weisslich. Am Hinterfusse sind die drei mittleren Finger viel länger als die beiden seitlichen; der 2teund sind tiefer von einander gesondert als der 3!® und 4t®; die seitlichen noch tiefer. Der 3t® und 4!® Finger sind gleich lang und am längsten; der nur wenig kür- zer, reicht ohne Nagel bis an die Ballenmitte des 3!en; der 5te erreicht mit der Nagelspitze die Ballenbasis des 4ten; der reicht ohne Nagel bis zur Wurzel des 2ten Fingers. Auf der Sohle tragen die Hinterfüsse 6 länglich-rundliche Schwielen, davon die 4 vordersten in 2 schie- fen, einander parallelen Reihen an der Basis je zweier, auf einander folgender Zehen liegen; die beiden hinteren befinden sich ebenfalls in einer schiefen, mit jenen fast parallelen Reihe, die kleinste nach vorn und aussen, die grössere nach hinten und innen. Die Zehen sind unten geringelt. Die Sohle ist im vorderen Theile nackt, hinter den letzten Schwielen behaart. Oben ist der Hinterfuss mit kurzen, an der Basis der Nägel mit etwas längeren, die Nägel zumeist überragenden, weisslichen Haaren bedeckt. Der Schwanz ist ohne Haarpinsel kürzer als die halbe Körperlänge, mit den Endhaaren zusammen gleich der halben Körperlänge; er ist ziem- lich sparsam und in seiner ganzen Länge gleichmässig, an der Spitze aber länger behaart. Die Farbe anlangend ist die Oberseite von A. amurensis rothbraun, schwarz gestichelt, an der Schnauze und den Seiten des Körpers gelblich; die Unterseite und die Extremitäten scharf ab- gesetzt, schmutzig weiss. Der Schwanz ist zweifarbig, oben von der rothbraunen Farbe des Rückens, unten heller, gelblich. Die Deckhaare der Oberseite sind von 13— 14 Millim. Länge, in ihrem unteren Theile etwas über die Hälfte (8 Mill.) hinaus dunkel schwärzlichgrau, im oberen, kürzeren Theile entweder einfarbig rothbraun, oder röthlich mit schwarzer Spitze; nach den Seiten zu ist der obere Theil der Deckhaare an einigen einfarbig gelblich, an anderen gelb- lich mit schwarzer Spitze. Unten sind die Deckhaare von 9 Millim. Länge, in der unteren

134 Säugelhiere.

Hälfte, auf 5 Millim. Länge, grau, aber heller als auf der Oberseite, in der oberen Hälfte schmutzig weiss. Das mir vorliegende Exemplar ist ein Weibehen und hat 8 Zitzen, davon 2 Paar vorn an der Brust, zwischen und hinter den Vorderbeinen und 2 Paar hinten, zwi- schen und hinter den Hinterbeinen liegen. Die Hauptmaasse unseres Exemplares von A. amurensis sind folgende:

Länge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze......2e22222222000. 138 Millim. » von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel... 2.2.2222... gan » des Schwanzes ohne Endhaare ..... vu. sec c near een 377» » der Endhaare am Schwanze. . sense nenn Yo » Ides) Kopfes. N DREIER a ETF REITER Ya

Breite des Kopfes unter den Augen... 22.2202 ccneeernenennn 4abund » » zwischen den Augen und der Nasenspitze......... Ge

LängerderAugenspaltet ir aan RR u)

Entfernung zwischen dem vorderen Augenwinkel und der Nasenspitze.. 1 BI

Entfernung zwischen dem hinteren Augenwinkel und der Ohröffnung.. Ir

Länge des Ohres, von der äusseren Ohrbasis an... ...22c2cceec00. 15 » » » von der Incisur am äusseren Ohrlappen. .........» 13» » » vom Scheitel......... EN LEN NE en

Grösste Breite des Ohres I Dr md RER 14 »

Länge der längsten Vihrisseg 2%. .mikkiuen nur «7» Deekhaare ohen u eh 1 RATE RT ER 2.19" "Deckhaare unten. ae s. 20» a ae Se 9.» »" + des-Ünteranmes u Auen elta aan nd he) A ee 16 » » » Vorderfusses bis zur Krallenspitze. ......cc2cecsencr.n 10» »4 ph Schienbeines „Rt zur Se % “Lola 1a feE MALEN Een hr randls 23 » » Hinterfusses, von dem Hacken bis zur Krallenspitze....... 18»

Es dürfte nach dieser Beschreibung nicht schwer sein A. amurensis von allen anderen Arvicola-Arten sogleich zu unterscheiden. Von den durch tiefe und scharfkantige, fast überall und namentlich auch am 2ten Backenzahne des Unterkiefers vollständig getrennte Schmelz- schlingen charakterisirten Arten scheidet sie sehr scharf die abweichende Zahnbildung ab. Von den mit ähnlicher Zahnbildung versehenen Arten, also der Untergattung Hypudaeus, näm- lich von der europäischen A. glareolus Schreb. und deren Varietäten, wie 4. NageriSchinz, so wie von den asiatischen und nordeuropäischen Arten A. rutilus Pall. und A. rufocanusSundev. unterscheidet sie sich aber durch die abweichende Bildung des ersten unteren Backenzahnes, dessen erste Schmelzschlinge, wie oben erwähnt, nicht vor, sondern nach aussen neben der 2ten, fast vollständig von ihr getrennten Schmelzschlinge liegt, wodurch der vordere Zahnrand wie mit einer Einkerbung versehen erscheint. Auch haben die beiden letzterwähnten Arten einen kürzeren Schwanz und kürzere Ohren, so wie eine andere Farbe, indem 4. rutilus auf der Ober- seite mehr rostroth, nicht rothbraun, 4. rufocanus aber auf der Unterseite mehr mausegrau,

Arvicola [Hypudaeus,) amurensis. A. rutilus. 135

nicht weisslichgrau wie A. amurensis ist. Endlich soll auch A. rutilus nach Pallas ') nur 2 Paar Abdominalzitzen und gar keine Brustzitzen haben, während A. amurensis 2 Paar Abdo- minal- und 2 Paar Brustzitzen hat. An jenen beiden Arten, A. rutilus und A. rufocanus, spricht sich auch der Charakter der Untergattung Hypudaeus, der in flachen, abgerundeten Schmelzbuchten und einer mangelhaften Berührung der Schmelzwände der Aussen- und Innen- seite der Zähne besteht, viel schwächer als bei A. glareolus und noch mehr bei A. amurensis aus. Jene beiden Arten bilden daher gewissermassen den Uebergang von der Untergattung Hypu- daeus zu den ächten Feldmäusen, A. arvalis, oeconomus u. s. w., während sich diese durch die Zahnbildung sowohl als auch im Gesammthabitus, durch längere Ohren und längeren Schwanz, mehr den ächten Mäusen nähern.

Der Fundort meines Exemplares von A. amurensis ist der Nikolajewsche Posten, un- weit der Amur-Mündung, wo das Thier am 14. (26.) Sept. beim Roden des Waldes gefangen wurde, indem es aus einem Erdloche unter der Wurzel eines Lärchenbaumes herauskam. Erwägt man, dass die dieser Feldmaus zunächst verwandte europäische Form, A. glareolus Schreb., in ihrer Verbreitung ostwärts, nach den bisherigen Erfahrungen, bloss bis an die Wolga und den Ural geht ?), so möchte man geneigt sein A. amurensis als die jener west- lichen Art entsprechende Form im Osten Asiens zu bezeichnen.

40) Arvicola rutilus Pall.

Die Amur- Exemplare dieser Feldmaus stimmen mit den sibirischen und europäischen Thieren, wie sie uns Pallas °), Nilsson ‘) u. am. beschrieben haben, völlig überein. Auch die Färbung ist an den drei mir vorliegenden Exemplaren genau dieselbe. Diese ist oben rost- röthlichbraun, etwas schwarz gestichelt; auf der Schnauze, an den Seiten des Körpers und von hier i'ber die Hinterschenkel nach der Schwanzwurzel hin ist die Farbe heller, gelblich- grau; unten grauweiss; der Schwanz ist oben dunkelgelblich und schwärzlich gemischt, unten hellweisslichgelb ; die Extremitäten sind weiss. Die Deckhaare sind oben von etwa i3 Millim. Länge, in ihrem unteren Theile, auf etwa 9 bis 10 Millim. Länge, dunkel schwärzlich grau, im übrigen, oberen Theile röthlichgelb, bisweilen an der äussersten Spitze schwärzlich. Sie wer- den von etwas längeren Oberhaaren überragt, welche im unteren Theile grau, dann blass- gelblich und am Ende mit einer langen schwarzen Spitze versehen sind. An den Seiten des Körpers und besonders über den Hinterschenkeln nach der Schwanzwurzel zu, wo die Farbe gelblichgrau ist, wird die Spitze der unten dunkel schwarzgrauen Deckhaare hellgelblich, und die schwarzen Oberhaare gewinnen ebenfalls hellgelbliche Spitzen , welche über den Hinter-

1) Novae Spec. Quadr. e Glir. ord. p. 249.

2) Pallas, Novae Sp. Quadr. e Glir. ord. p. 247. Blasiws, Fauna der Wirbelth. Deutschlands, Bd. I. Naturgesch. der Säugethiere. p. 342.

3) Noyae Spec. Quadr. p. 246. sqq.

4) Skandin. Fauna. 1847. I. p. 366. sqq.

136 Säugethiere.

schenkeln und an der Schwanzwurzel die Länge von etwa 3—4 Millim. erreichen. Am Kopfe bleibt die Farbe aus hellgelblich und schwarzgespitzten Haaren gemischt. Unten haben die Deckhaare etwa 7 8 Millim. Länge, davon etwas mehr als die Hälfte, nämlich 5 Millim., auf den dunkelgrauen unteren Theil und die übrigen 3 Millim. auf die weisse Spi ze kommen. Diese typische Färbung, welche auch Pallas’s Abbildung ') wiedergiebt, findet sich an zweien unserer Amur-Exemplare; das 3!® aber weicht davon etwas ab. Es ist nämlich im Einzelnen zwar ebenso gezeichnet, aber viel heller, auf dem Rücken gelblichroth, schwarz gestichelt, an den Seiten graugelblich, unten weiss, theilweise mit schwachem schmutzig gelblichem An- fluge ; der Schwanz ist ebenfalls viel heller, oben gelblich mit schwarzgespitzten oder ganz schwarzen Haaren gemischt, unten einfarbig gelblich; über der Schwanzwurzel läuft von einem Hinterschenkel zum anderen eine verwaschene schwärzliche Binde, welche von der durch- schimmernden schwarzen Farbe unterhalb der gelblichen Spitzen an den Oberhaaren herrührt.

Diese in ihrer geographischen Verbreitung bereits durch Steller”)undPallas°) bis nach Kamtschatka bekannte, von Middendorff *) häufig am Stanowoi-Gebirge gefundene Feldmaus kommt auch im gesammten Laufe des Amur-Stromes vor. Ich erhielt sie an der Mündung desselben und H.Maack brachte 2 Exemplare vom oberen Amur-Strome, das eine von der Mündung des Komar-Flusses, das andere (hellere) aus der Gegend oberhalb Alba- sin’s mit. Pallas berichtet, dass diese Maus den ganzen Winter hindurch munter bleibe und häufig über den Schnee hinlaufe. An der Mündung des Amur-Stromes fand ich sie jedoch am 15. (27.) Nov., bei einer Temperatur von etwa 14° R., unter der Wurzel eines Baumstam- mes im Schlafe versunken liegen. In die Stube gebracht, wachte das Thier nach kurzer Zeit auf. Es scheint daher dieses Tbier bei stärkerem Froste bisweilen auch in einen zeitweisen Winterschlaf zu versinken.

41) Arvicola amphibius L. 4. terrestris L. et Auct.

Ein mitgebrachtes Exemplar der Wasserratte aus dem Amur-Lande gehört der helleren, kurzschwänzigen Varietät A. terrestris Auct. an. Der Schwanz derselben ist wenig länger als ein Drittheil des Körpers, indem die Länge des Körpers von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel 130, die des Schwanzes 45 Millim. beträgt. Die Farbe des Amur- Exemplares ist oben graubraun, an den Seiten heller, gelblichbraun, unten weissgrau mit schmutzig gelblichem Anfluge ; die Extremitäten sind hellbraun, der Schwanz oben braun, unten weisslich. Die Deckhaare des Rückens sind von 15 17 Millim. Länge und von ver- schiedener Farbe: die meisten sind zweifarbig, in ihrem unteren Theile (auf etwa 12 Millim, Länge) dunkel schwarzgrau, im oberen entweder bräunlichgelb mit äusserster schwarzer Spitze,

I) Nov. Sp. Quadr. tab. XIV. B.

2) Die von Steller (Beschreib. von dem Lande Kamtschatka. p.129. Nota a.) unter dem Kamtschadalischen Namen Tschetanaustschu angeführte rothe Maus scheint 4A. rutilus Pall. zu sein.

3) Nov. Sp. Quadr. 1. c.

4) Sihirische Reise. 1. c. p. 114.

Arvicola amphibius. A. saxatılis. 137

oder einfarbig bräunlichgelb ; ihnen sind einfarbig schwarze Haare beigemischt. An den Sei- ten wird die Zahl der einfarbig gelblich gespitzten Haare grösser und die Farbe der Haar- spitzen heller gelblich. Auf der Unterseite endlich sind die Deckhaare von 10 12 Millim. Länge, davon etwas über die Hälfte auf den dunkelgrauen Basaltheil und das Uebrige auf die weissliche oder gelbliche Spitze kommt.

Arvicola amphibius kommt im Amur-Lande nicht häufig vor. Das oben beschriebene Exemplar erhielt ich durch Hrn. Maximowicz, der es im November (1854) erfroren auf einer mit Weiden bewachsenen Insel des Amur-Stromes in der Gegend von Kidsi fand. Ich selbst habe dieses Thier im September 1854 in einem Flussarme des Amur-Stromes zwi- schen sumpfigen Inseln unweit vom Nikolajewschen Posten im Wasser schwimmen sehen, konnte seiner aber nicht habhaft werden. }

42) Arvicola saxatilis Pall. Taf. VI. fig. 3.

Diese seit Pallas nicht wiedergefundene Feldmaus liegt mir in einem von Hrn. Maxi- mowicz aus dem Amur-Lande mitgebrachten Exemplare vor. Die grösseren Ohren und der verhältnissmässig längere, dünnbehaarte Schwanz, welche sie den ächten Mäusen nähern, las- sen in ihr sogleich das von Pallas ') beschriebene Thier erkennen. Da jedoch die erste, von Pallas nach dem lebenden Thiere entworfene Beschreibung in Folge eines Unglücksfalles

‚verloren gegangen ist und nur eine spätere dürftige Beschreibung dieses Thieres nach Fellen uns vorliegt, so dürfte hier eine genauere Beschreibung des Amur-Exemplares am Orte sein.

Arvicola saxatilis gehört zu den ächten, mit scharfkantigen, nach innen tief einspringen- den und meist vollständig getrennten Schmelzschlingen versehenen Feldmäusen. Das Gebiss besteht aus 16 Zähnen. Die Vorderzähne sind ziemlich breit, gelb, die unteren heller gelblich. Von den Backenzähnen hat im Oberkiefer (Fig. 3. a.) der 1!° Zahn 5 vollständig getrennte Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten; der 2te hat 4 vollständig getrennte Schmelz- schlingen und aussen 3, innen 2 Kanten; der 3t® hat 6 Schmelzschlingen , davon die 4 ersten vollständig, die beiden letzten unvollständig von einander getrennt sind; an der Aussenseite hat der 3te Zahn im Oberkiefer 3, an der Innenseite 4 Kanten und ausserdem eine nach hin- ten gerichtete, abgerundete Kante. Im Unterkiefer (Fig. 3. b.) hat der 1! Zahn 9 Schmelz- schlingen, davon die 3 vordersten unvollständig, die übrigen vollständig von einander ge- trennt sind ; an der Aussenseite hat er 5 Kanten, davon die vorderste abgerundet ist und zur Endschlinge gehört, an der Innenseite 6 Kanten, von denen die vorderste, ebenfalls zur End- schlinge gehörig, sehr wenig vorspringt. Der 2te Zahn im Unterkiefer hat 5 vollständig ge- trennte Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten; der 3!° hat 3 vollständig getrennte Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten. Im Gaumen sind 9 Falten, von denen 4 in

I) Nov. Sp. Quadr. e Glir. ord. p. 255. sqq. Schrenek Amur-Reise Bd. I. 18

138 Säugethiere.

der Zahnlücke zwischen den Vorder- und Backenzähnen liegen. Von diesen ist die vorderste 3eckig, die 21° und 3!® einfach bogenförmig, in der Mittellinie nicht unterbrochen ; die 4!® , unmit- telbar vor dem ersten Backenzahne entspringend, ragt jederseits nach hinten und innen in den Zwischenraum zwischen den Zahnreihen hinein und ist in der Mitte unterbrochen. Auf diese folgen zwischen den Zahnreihen 5 schwache, ziemlich parallele, in der Mitte mehr oder we- niger unterbrochene Falten, deren letzte von der 1!" Innenkante des 3!en Backenzahnes ent- springt. Die Lippen sind fleischig; die Oberlippe aussen und innen, die Unterlippe unten und am Rande behaart. Inwendig am Mundwinkel liegt eine drüsige, mit langen, weisslichen Haa- ren bedeckte Warze.— Die Nasenlöcher sind rundlich-nierenförmig, mit der hohlen Seite nach hinten gerichtet, vorn dureh eine Mittelfurche von einander getrennt. Die Schnauze über und unter denselben ist bis auf die Nasenwülste stark behaart. Die Bartborsten sind kürzer als der Kopf, verschiedenfarbig: schwarz, schwarz im unteren Theile und weiss am oberen Ende. und ganz weiss. —Das Auge liegt in der Mitte zwischen der Nasenspitze und der Ohröflnung. Das Ohr hat über ein Drittheil der Kopfeslänge, ist von ovaler Form und tritt aus dem Pelze her- vor; es ist aussen und innen ziemlich behaart, an der Basis inwendig mit langen Haaren ver- sehen. Die Extremitäten sind ziemlich robust. Am Vorderfusse ist die Daumenwarze klein, mit kurzem Nagel; der 2! Finger ist am längsten ; der 1°te reicht ohne Nagel bis an die Ballen- basis des 2ten; der 3le ist nur wenig kürzer als der 2te und reicht ohne Nagel bis zur Ballen- mitte des 2ten; der 4!° reicht mit dem Nagel bis zur Balleubasis des 3ten. Die Mittelfinger sind weniger tief als die seitlichen gesondert; die Zehen unten geringelt. Die Sohle der Vor- derfüsse hat 5 länglich-rundliche Schwielen , davon die 3 vorderen an der Basis von je 2 auf einander folgenden Zehen, die beiden anderen hinter jenen in einer Querreihe in der Gegend des Daumens liegen ; die innere der letzteren. an der Basis des Daumens, ist die grösste. Die Sohle ist nackt; der Fuss und dieZehen sind oben und an den Seiten stark behaart; die Haare an der Basis der Nägel die Nägel an Länge überragend. Am Hinterfusse ist der 3!® Finger am längsten; der 2!e reicht ohne Nagel bis an die Ballenmitte des 3!en; der 4t® ist um ein Gerin- ges länger als der 2!® und kürzer als der 3!®; der 51° reicht mit der Kralle beinahe bis an die Ballenbasis des 4ten; der 1s!e reicht ohne Nagel beinahe bis an die Basis des 2ten Fingers. Der 3!e und 4!® Finger sind etwas weniger tief von einander gesondert als der 2! und 3te; die seitlichen sind viel tiefer gesondert. Die Sohle des Hinterfusses hat 5 längliche Schwielen, da- von die 4 vorderen in 2 schiefen, einander fast parallelen Reihen an der Basis der Zehen liegen, die 5!e, hinterste, am Innenrande des Fusses hinter der 4!en, an der Daumenbasisgele- genen Schwiele sich befindet. Die Zehen sind unten geringelt und ebenso wie die Sohle nackt; der Fuss an den Seiten und oben und die Fusswurzel unten, bis an die hinterste Schwiele, stark behaart; die Haare an der Basis der Nägel von ansehnlicher Länge, die Nägel weit überragend.— Der Schwanz ist ziemlich dünn und wird gegen das Ende noch dünner; er ist ohne Haar- pinsel beinahe von halber, mit demselben von mehr als halber Körperlänge, schwach behaart, mit durehschimmernden Schuppenringen ; die Behaarung an demselben ist ziemlich gleich- mässig, nur an der äussersten Spitze länger. Die Farbe des Amur-Exemplares ist der Be-

Arvicola saxatılıs. 139

schreibung und Abbildung von Pallas ') entsprechend : oben dunkelröthlich graubraun, nach den Seiten zu heller, unten scharf abgesetzt weissgrau; die Extremitäten bräunlich ; der Schwanz oben braun, unten weisslich. Die Deckhaare der Oberseite sind von 10 Millim. Länge, in ihrem unteren Theile, auf etwa 6 Millim. Länge, schwarzgrau, im oberen röthlich- gelb, an der äussersten Spitze bisweilen schwärzlich. Ueber die Deckhaare ragen einzelne längere, etwa 13 Millim. betragende, ganz schwarze oder bisweilen auch mit röthlich - gelb- licher Spitze versehene Oberhaare hervor. Unten sind die Deckhaare von 7 Millim. Länge, ebenfalls zweifarbig: in der Wurzelhälfte, auf etwa 4 Millim. Länge, dunkelgrau, im oberen Theile weisslich. Die Nägel sind weisslich. Das mir vorliegende Exemplar ist ein erwachsenes Weibchen und hat 8 Zitzen, davon 2 Paar vorn, zwischen und hinter den Vorderbeinen, und

2 Paar hinten, zwischen und hinter den Hinterbeinen liegen. Die Maasse des Thieres sind folgende: \ Länge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze.......22ccseesneeneenn 160 Millim.

» von der Nasenspitze his zur Schwanzwurzel..........2.22... ..103 »

» des Schwanzes ohne Endhaare.......... KERN RÄT AIR 46 »

EEE taare am) Schwanze...180 ale) A REDNER 14 43

» des Kopfes..... EL LE | Ba Fre, 77 E0-e he Melde 29 um

» der Augenspalte...... FAR daran ke En Acker ES eh Entfernung zwischen dem vorderen Augenwinkel und der Nasenspitze..... 11 »

» zwischen dem hinteren Augenwinkel und der Ohröffnung ..... 11 » Länge der längsten Vibrisse (ungefähr)... ..........crsoececceeneen 26 »

» des Ohres von der äusseren Basis an... .....:.:ceeceeeersnnnn 12 » BaSSRabiententles Ohren... 210 SE IR TRIAN. 10» Bee Ges Oberammesı. 2 TR EEEE RE 5 NEE

ER BL ETATTIES ee 17»

» des Vorderfusses bis zur Krallenspitze. . !..2.2ceeeceneceenne: 11 »

» des Hinterfusses vom Hacken bis zur Krallenspitze ..... a. 20 »

Es bleibt mir nun noch übrig A. saxatilis gegen die nächstverwandten Arten prägnanter abzugränzen. Nach der Zahnbildung, und namentlich der Anzahl von Schmelzschlingen am jten unteren Backenzahne, steht A. saxatilis unter den europäischen Thieren nur A. arva- lis Pall. und A. campestris Blas., so wie den Arten A. subterraneus Selys und A. Savı Selys nahe, von welchen letzteren sie sich aber sehr entschieden schon durch die Körper- verhältnisse, durch längere Ohren und eine grössere Anzahl und verschiedene Lage der Zitzen entfernt °). Von den ersteren ist sie durch die Anzahl von Schwielen an der Sohle des Hinter-

!)1. c. tab. XXIII. B. R f 2) Beide letztgenannten Arten, A. subterraneus und A. Savii, haben nach Blasius (Fauna der Wirbelth. Deutschlands. I. p. 336 u. 387) 4 Zitzen, welche in der Abdominalgegend liegen. Nach Selys (Etudes de micro- mammalogie. Paris 1839. p. 101 u. 103) selbst aler hat erstere 6, letztere 8 Zitzen, welche alle in der Abdominal- und Inguinalgegend liegen. *

140 Säugethiere.

fusses verschieden, deren jene 6, A. saxatilis nur 5 hat. Zwar giebt Blasius ' auch A. sa- zatilis 6 Knorpelschwielen an der Sohle des Hinterfusses, allein es ist wohl anzunehmen, dass er keine Exemplare der wirklichen A. saxatılis vor sich gehabt habe. Von beiden ist sie auch ferner durch den längeren, dünnbehaarten Schwanz, durch die Form der vorderen Schmelz- schlingen am f!en unteren Backenzahne und von A. campestris auch durch die Anzahl der Kan- ten am 3ten oberen Backenzahne unterschieden. Was die nahe verwandten sibirischen Arten betrifft, so unterscheidet sich A. saxatilis von denselben, ausser der abweichenden Form des jten unteren und bisweilen auch des 3ten oberen Backenzahnes, von den meisten, wie A. oeco- nomus Pall., A. gregalis Pall., A. socialis Pall. und der seit Middendorff’s?) Beschreibung genau bekannten A. obscurus Eversm., auch durch längere Ohren und besonders durch einen viel längeren Schwanz. Die einzige ihr in dieser Beziehung näher kommende sibirische Art A. al- kiariıs Pall. unterscheidet sich aber von ihr, abgesehen von der verschiedenen Farbe, schon durch eine geringere Anzahl von Zitzen, deren A. sazatilis 8, A. alliarius nach Pallas °) nur 6 hat. *

Pallas hielt A. saxatilis für eine nur Transbaikalien und der Mongolei eigenthüm- liche Form. Wir müssen aber diese Gränzen ostwärts auch über das Amur-Land erweitern, indem unser Exemplar von Hrn. Maximowicez am linken Ufer des Amur-Stromes nahe un- terhalb seines Durchbruches durch das Bureja-Gebirge am 12. (24.) August 1856 Rz worden ist.

43) Arvicola MWaximowiczii Schrenck n. sp. Taf. VI. fig. 4 u. 5.

Durch Hrn. Maximowicz haben wir aus dem Amur-Lande eine Feldmaus erhalten, welche ich trotz der genauesten Vergleichung mit den bisher beschriebenen und theils auch in unserem Museum vorhandenen, vielfachen Arten dieses Geschlechtes, dennoch unter keine der bisher bekannten Arten zu bringen weiss. Ich sehe mich daher genöthigt dieses Thier für eine neue Art zu halten, muss aber bedauern die Beschreibung nur nach einem einzigen und a nicht ganz gut erhaltenen Exemplare entwerfen zu müssen.

A. Maximowiezii reiht sich dem Gesammthabitus wie dem Charakter der Zahnbildung nach den ächten Feldmäusen an. Die Schmelzschlingen der Backenzähne sind tief einspringend und seharfkantig und die Schmelzwände der Aussen- und Innenseite berühren sich vollständig, so dass die Schmelzschlingen, bis auf die vordersten am {ten Unterkiefer- und die hintersten am 3ten Oberkieferzahne, vollständig von einander getrennt sind. Die speciellen Charaktere betreflend, hat A. Maximowiezitl ziemlich breite und starke Vorderzähne, von gelber Farbe; die oberen glatt und ohne Furchen. Von den Backenzähnen hat im Oberkiefer (Fig. 5. a.) der 1ste Zahn 5 vollständig getrennte Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten; der

1. c.p. 387. 2) Sibirische Reise. I. c. p. 109. sqq. 3) Nov. Sp. Quadr. p. 253.

Arvicola Maximowiezü. 141

2te Zahn hat 4 vollständig getrennte Schmelzschlingen und aussen 3, innen 2 Kanten; der 3te Zahn hat 6 Schmelzschlingen, davon die 4 vordersten vollständig, die beiden hintersten aber unvollständig von einander getrennt sind. An der Aussenseite des 3ten Zahnes sind 3, an der Innenseite 4 Kanten und eine abgerundete Kante nach hinten und etwas nach innen. Im Unterkiefer (Fig. 5. 6.) hat der 1! Zahn 9 Schmelzschlingen, von denen die 3 vordersten unvoll- ständig, die übrigen vollständig von einander getrennt sind; an seiner Aussenseite sind 5 Kanten, von denen die vorderste sehr schwach ist, an der Innenseite 6. Der 2te Zahn im Unterkiefer hat 5 vollständig getrennte Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten ; der 3te hat 3 voll- ständig getrennte Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten. Im Gaumen sind 10 Fal- ten, davon 5 in der Zahnlücke zwischen den Vorder- und Backenzähnen und 5 zwischen den Zahnreihen des Oberkiefers liegen. In der Zahnlücke ist die 1ste Falte ungefähr 3eckig;; die 2te einfach bogenförmig;; die 3 folgenden bestehen aus einem in der Mitte geknickten und mit der Spitze nach hinten gerichteten Bogen, wobei die erste derselben in der Mittellinie gar nicht, die 2teschwach und die 31° deutlich unterbrochen ist; letztere, die 5t®, entspringt unmittelbar vor dem ersten Backenzahne und reicht in der Mittellinie weit in den Zwischenraum zwischen den Zahnreihen hinein. Es folgen. nun 5 Falten zwischen den Backenzahnreihen, davon die 3 ersten, von der 2ten und 3!en Innenkante des fter Backenzahnes und der ften Innenkante des 2tenBackenzahnes entspringend, ziemlich schwach, flach bogenförmig und in der Mittellinie unter- brochen sind; die beiden letzten, von der 2ten his letzten Innenkante des 3ten Backenzahnes ent- _ springend, steigen bogenförmig nach vorn und innen auf, die vorletzte mit einer in der Mittellinie nach vorn gerichteten Spitze, die letzte einfach mit einer leisen Spur von Unterbrechung an der Mitttellinie. Die Lippen und die Schnauzenspitze sind bis auf die Nasenwülste behaart. Das Auge liegt etwas näher zur Ohröflnung als zur Schnauzenspitze. Das Ohr beträgt mehr als ein Drittheil, ja beinahe die Hälfte der Kopfeslänge. Die Extremitäten sind ziemlich schwach. Am Vorderfusse ist die Daumenwarze klein, mit kurzem, stumpfem Nagel versehen; der darauf folgende, 1t® Finger reicht mit der Kralle bis zur Ballenmitte des 2ten Fingers; der 2!e und 3!e Finger sind ziemlich gleich lang und am längsten ; der Finger reicht mit der Kralle bis zur Ballenbasis des 3ten, Die Mittelfinger sind weniger tief gesondert als die seitlichen. Die Sohle der Vorderfüsse hat 5 Schwielen, von denen die 3 vorderen an der Basis der 1!en bis 4!e0 Zehe, die 2 hinteren in einer Reihe in der Gegend des Daumens liegen; die innere der letzteren, an der Basis des Daumens, ist am grössten. Die Zehen sind unten gerin- gelt; die Sohle nackt; der Fuss und die Zehen oben und an den Seiten behaart; die Haare an der Basis der Nägel ziemlich lang, die Nägel an Länge überragend. Am Hiuterfusse reicht die erste, innerste Zehe mit der Kralle bis an die Basis der 2ten ; die 2te ist nur wenig kürzer als die 3te und reicht ohne Nagel bis an die Ballenmitte der 3ten; die 3!e und 4!e sind gleich lang und am längsten; die 5!®reicht mit der Kralle beinahe bis zur Ballenbasis der 4ten, Die Sohle des Hinterfusses hat 5 längliche Schwielen, davon die 4 vorderen in 2 schiefen, einander fast parallelen Reihen zwischen der Basis je zweier auf einander folgender Zehen liegen und die 5t® hinter der Schwiele der Daumenbasis am inneren Rande des Fusses sich befindet. Die

142 Säugelhiere.

Zehen sind unten geringelt; die Sohle nackt; der Fuss und die Zehen oben und an den Seiten, so wie die Fusswurzel unten bis an die Schwiele des Daumens stark behaart. Die Nägel sind ziemlich stark, weisslich. Der Schwanz ist von der Länge des Kopfes, beinahe gleich einem Drittheil der Körperlänge. Die Farbe dieses Thieres ist oben rothbraun, schwarz ge- stichelt, an den Seiten heller, unten scharf abgesetzt gelblichweiss. Die Extremitäten sind grau. Der Schwanz ist oben schwarzbraun, unten scharf abgesetzt weisslich; die Schwanzspitze ziemlich steifhaarig, zumeist aus den schwarzbraunen Haaren der Oberseite des Schwänzes gebildet. Die Deckhaare der Oberseite sind im unteren, längeren Theile dunkel schwärzlich- grau,im oberen röthlich mit feiner schwarzer Spitze, manche auch einfarbig röthlich; sie wer- den von längeren, ganz schwarzen Haaren überragt. Auf der Unterseite sind die Deckhaare im unteren Theile grau im oberen gelblichweiss. Das mir vorliegende Exemplar ist ein Männ- chen. Die Maasse desselben sind folgende: Gesammtlänge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze.......2.....2.....113 Millim. Länge von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel........r2erc0e00.. 81 » des Schwanzes ohne Endhaare ....... une nemananenenennen 260 » «der: Endhaare’am.Schwanzei es u. 0.2 Duden a u a A der Köpfesstnat ... en TIERE IRA TEE Entfernung zwischen dem vorderen Augenwinkel und der Nasenspitze..... 10» » zwischen dem hinteren Augenwinkel und der Ohröffnung..... 7 » Länge:der AugenspalteniunInaunt an lad nv Alone Aalen rn a » des Ohres von der äusseren Basisan.....:.:2.cceeeseecceea. 110» Breiterdes Ohresir enter Fiat ee. le N eere I He Länge des Oberarmes. .... sus sc... 0... ee ee er » des Ünterarmesirn ander] 2 BO » des Vorderfusses bis zur Krallenspitze. .. 2.22. seeseeeeeec.n MD »-lSchenkels cinkind. sinn ser ha er a re 5) bSchienheines +1. 4l. in gie iiber te re » des Hinterfusses vom Hacken bis zur Nagelspitze .............. 19» Heben wir nun prägnanter die Hauptkennzeichen hervor, durch welche sich A. Maai- mowieziü von den ihr zunächst stehenden Arten unterscheidet. Die Abgränzung muss hier na- mentlich gegen die Gruppe der ächten Feldmäuse, d. i. unter den europäischen Thieren gegen A. arvalis Pall., A. campestris Blas. und die kurzöhrigen A. subterraneus Selys und A. Savır Selys, und unter den asiatischen Formen gegen A. oeconomus, A. greyalis u. a. m. geschehen, da A. Maximowiezii von den anderen Gruppen desselben Geschlechtes durch die Zahnbildung zu sehr unterschieden ist, um eine Verwechselung zuzulassen. Von A. arvalis und A. campestris unterscheidet sie sich sowohl durch die Form der Schmelzschlingen am 1!°0 unteren (und von A. campestris auch am 3!en oberen) Backenzahne, als auch durch die Anzahl der Hinterfuss- schwielen, deren jene 6, A. Maximowiezii nur 5 hat. In diesem letzteren Punkte stimmt sie mit der Untergruppe Microtus Selys überein. Durch die Länge des Ohres aber unterschei-

Arvicola Maximowiezü. 143

det sie sich von beiden europäischen Arten, A. sublerraneus und A. Savii, jener Untergruppe; von letzterer Art ausserdem auch durch einen längeren Schwanz und eine andere Anzahl von Schmelzschlingen am 3!e0 oberen Backenzahne. Mit A. subterraneus Selys scheint A. Mazi- mowiczi die grösste Aehnlichkeit in den Charakteren zu haben, unterscheidet sich jedoch eben- falls durch eine etwas andere Form der Schmelzschlingen am 1te® unteren Backenzahne und durch etwas andere Körperverhältnisse, namentlich durch längere Ohren und wie es scheint durch einen kürzeren Schwanz. Das Unterscheidende von den asiatischen Formen muss ebenfalls hauptsächlich in der Form der Schmelzschlingen, dann in den Verhältnissen der Ohr- und Schwanzlänge und endlich in der Farbe gesucht werden. Von A. gregalis Pall., wofür ich das in Weingeist aufbewahrte Exemplar von A. Maximowiezii anfangs hielt, steht mir leider weder ein Schädel, noch eine Abbildung desselben zur Vergleichung der Zahnbildung zu Gebote. Allein KeyserlingundBlasius') geben als charakteristisches, nur der A. gregalis zukommendes Kenn- - zeichen an, dass dieselbe am 1!en Backenzahne im Unterkiefer nur 8 Prismen habe, während 4. Maximowiezit ihrer 9 hat. Auch unterscheidet sie sich von A. gregalis, nach den Maass- angaben von Pallas °), durch einen etwas längeren Schwanz und durch eine viel dunklere und röthlichere Farbe. Von A. oeconomus Pall. ist unsere Art durch die abweichende Form des ersten unteren Bac'senzahnes sehr unterschieden : zwar ist die Anzahl von Schmelzschlin- gen dieselbe, allein die vordere Endschlinge ist bei A. oeconomus von den anderen weniger getrennt und etwas nach aussen gekehri, während sie bei A. Maximowiezii schärfer getrennt “und nach innen gekehrt ist, wodurch auch die Zahl der Innenkanten des 1!en unteren Backen- zahnes bei letzterer eine grössere wird. Endlich ist auch die Farbe dunkler als bei A. oecono- mus. Mit A. obscurus Eversm. ist schon wegen des längeren Schwanzes bei A. Maximowiezii keine Verwechselung möglich; noch weniger bei Vergleichung der Zahnbildung, welche eben- falls in der Form des 1ten unteren und 31er oberen Backenzahnes verschieden ist ?). Eine grös- sere Aehnlichkeit im Zahnbau hat A. Maximowiezi mit A. saxatilis Pall.; allein auch hier ist der Unterschied in der Form der Endschlinge des 1ten unteren Backenzahnes sehr ausge- sprochen; auch lassen der bei A. sawatilis verhältnissmässig viel längere Schwanz und die ver- schiedene Färbung keine Verwechselung zu. Von den Arten A. socialis Pall. und A. alliarius Pall., von denen mir keine zuverlässig denselben angehörende Schädel oder Zahnabbildungen zu Gehote stehen, ist unsere Art durch die dunklere, rothbraune Farbe und durch den länge- ren Schwanz unterschieden. Von den meisten der genannten Arten müsste sich endlich A. Ma- zimowiezii auch durch die Anzahl der Schwielen an der Sohle des Hinterfusses unterscheiden, da A. oeconomus, greyalis, socialis und saxatiis nach Blasius’s ‘) Angaben 6 Hinterfuss- schwielen besitzen sollen, A..Maximowiezü aher ihrer nur 5 hat. Dass diese Angabe von Bla- sius jedoch für A. saxatilis nicht richtig sei, habe ich bereits oben bemerkt.

1) Memoires presentes ä l’Acad. des Sc. de St. Petersb. par divers savants. T. IV. 1845. p. 332. 2) Nov. Spec. Quadr. p. 245.

3) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. tab. XI.

4) ]. c. p. 387.

144 Säugethiere.

Diese Feldmaus ist von Hrn. Maximowiez am oberen Amur-Strome, an der Mündung “des Flusses Omutna in denselben, auf sandigem Boden unter Weidengebüschen am 7. (19.) October 1856 gefangen worden.

44) Siphneus Aspalax Pall.

Mus Aspalax Pall. Nov. Sp. Quadr. e Glir. ord. p.165. Tab. X. Ü) Spalax talpinus Pall. Zoogr. Rosso-Asiatica. I. p. 159.

Ein Exemplar dieses Thieres, das wir aus dem Amur-Lande haben, stimmt mit dem sibirischen Thiere und mit der Beschreibung von Pallas ganz überein. Nur finde ich Pallas’s Angahe über die verhältnissmässige Länge der Zehen und Nägel am Hinterfusse des Thieres nicht ganz richtig. Nach Pallas soll nämlich am Hinterfusse der 21° Finger der längste sein und einen grösseren Nagel als der etwas kleinere 3!® Finger haben. An dem Amur-Exem- plare dagegen und an 6 altaischen Exemplaren unseres Museums ist der 3!® Finger am längsten: er ist etwas grösser und auch stärker gebaut als der 2!*. Am Amur-Exemplare ist an dem einen Hinterfusse auch der Nagel des 3ten Fingers etwas länger als der des 2ten, indem jener 4, dieser nur 3 Millim. misst; am anderen Fusse aber sind die Nägel des 2ten und 3ten Fingers einander gleich und zwar je 3 Millim. lang. In der Farbe und Zeichnung lässt unser Amur-Exemplar ebenfalls genau dasselbe Thier erkennen: es ist oben röthlich- aschgrau, Stirn und Ohrgegend weisslich grau; Unterseite grau, stellenweise bald mehr weiss- lich, bald mit schwachem röthlichem Anfluge versehen. Betrachtet man die einzelnen Haare genauer, so findet man sie auf dem Rücken von etwa 12 Millim. Länge, zweifarbig: im un- teren, längeren Theile, auf etwa 9 Millim. Länge, dunkel mausegrau, an der Spitze röthlich- weisslich; ihnen sind nur wenige statt der hellröthlichen mit schwarzen Spitzen versehene Haare beigemischt. Auf der Unterseite sind die Haare kürzer, im unteren Theile heller grau, im oberen weiss oder blassröthlich wie auf dem Rücken. Der Schwanz ist bis auf wenige kurze weissliche Härchen nackt.

Dieses von Laxmann in den Vorbergen des Altai-Gebirges entdeckte, nach Pallas in Transbaikalien jenseits des Stanowoi-Gebirges zwischen der Jngoda und dem Argunj, also an den Quellarmen des Amur-Stromes, hauptsächlich häufige Thier ist von Hrn. Maack auch am Amur-Strome und zwar etwas unterhalb der Komar- Mündung gefunden worden. Nach der Beschaflenheit des Landes zu urtheilen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass es auch weiter unterhalb am Strome, zum wenigsten bis an das Bureja - Gebirge, vorkommen dürfte. Im unteren Amur-Lande aber ist mir keine Spur dieses Thieres begegnet.

!) Im Texte des genannten Werkes ist irriger Weise auf p. 168. für Mus Aspalax tab. VIII statt X, und ebenso auf p. 158. für Mus Typhlus tab. VII statt VIII citirt, ein Druckfehler, der sich schon aus der Explicatio Iconum, p. 386, berichtigen lässt.

Castor Fiber. Lepus variabilis. 145

45) Castor Fiber L.

Bekanntlich hat Middendorff keine Spur des Bibers im Stano wo i-Gebirge gefunden '). Ich habe ihn ebenfalls vergeblich am Amur-Strome und dessen Zuflüssen gesucht. Gleichwohl kann er in jenen wenig bevölkerten, zum Theil nur von Nomaden durchstreiften Wildnissen nicht wohl durch Nachstellungen bereits so weit ausgerottet sein, dass auch die Kunde von demselben unter den Eingeborenen verloren gegangen sein sollte. Erwägt man dazu, dass meine Reisen im Amur-Lande sich fast immer längs dem Laufe der Flüsse bewegten, so scheint es wohl erlaubt, das Vorkommen des Bibers im Amur-Lande völlig in Abrede zu stellen. Dasselbe dürfte auch für die Insel Sachalin gelten. Auch ist mir durch mündliche Mittheilungen bekannt, dass der russisch-amerikanischen Companie während des einen Win- ters, von 1853 auf 54, als sie eine temporäre Handelsstation in der Bai Aniwa hatte, von den Eingeborenen der Insel niemals ein Fell des Bibers zugebracht worden ist. Desgleichen weiss Siebold nichts von seinem Vorkommen in Japan.

46) Lepus variabilis Pall.

Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste der Insel Sachalin: chyi und chyik. “u « des Innern und der Ostküste von Sachalin: ossjk und kanak (d.h. der Weisse). « « Mangunen, Golde unterhalb des Geong-Gebirges, Ssamagern (Kile am Gorin):

toksa und tochsa. « « Golde zwischen dem Geong-Gebirge und dem Ussuri: tochsa und golmochong. “u « zwischen dem Ussuri und Ssungari: gurmacho. « « Biraren, Monjagern, Orotschonen: toksake.

Der Schneehase kommt im Amur-Lande in seiner typischen Form, mit veränderlichem,

im Winter bis auf die schwarze Spitze der Ohren vollkommen weissen Kleide vor. In dieser

Tracht habe ich ihn oft auf meinen Winterreisen im Amur-Lande gesehen. Der Schädel eines

solchen Thieres aus dem unteren Amur-Lande stimmt, nach genauer Vergleichung, mit dem

des europäischen Thieres ganz überein. Das Hinterhauptsbein springt an demselben ebenfalls mit abgerundeter Schneppe in die Scheitelbeine vor und die Stirnbeine schieben sich mit ziem- lich spitzer Schneppe in der Medianlinie zwischen die Nasenbeine vor °). Letztere scheinen auch im Vergleich zu den Nasenbeinen von L. europaeus Pall. (L. timidus L.) weniger entwickelt zu sein. Die Gesammtlänge des Schädels vom Amur-Exemplare beträgt 95, die grösste Breite an den lochbögen 50 Mill. Ein Herbstexemplar vom selben Hasen, das ich am 2. (1#.) Oct. vom Flusse

Kamr in der Umgegend des Nikolajewschen Postens erhielt, ist im Wechsel der Sommer- in

die Wintertracht begriffen. Es ist bereits in seinem grössten Theile weiss, am Kopfe und Mittel-

rücken aber noch roströthlich gemischt. Am Kopfe ist namentlich der Nasenrücken licht rost- 1) Sibirische Reise. 1. c. p. 115. 2) Middendorff, Ueber die als Bastarde angesproch. Mittelform. zwisch. L. europ. Pall. und Z. variab. Pall.

S. Bull. phys.-math. T. IX. A? 14—16. Dsgl. Melanges biologiques. T. I. p. 249. Schrenck Amur-Reise Bd. J. 19

146 Säugelhiere.

röthlich ; die Stirne und der Scheitel sind etwas dunkler roströthlich mit schwarzen Haaren gemischt und wenig durchschimmerndem Weiss, indem hier aus dem weissen Wollhaar und den anwachsenden, noch kurzen, etwa 9 bis 10 Millim. langen, weissen Deckhaaren andere, längere Haare, von etwa 16 19 Millim., hervorragen, welche theils, und zumeist, in der Basalhälfte grau, in der Endhälfte schwarz mit roströthlicher Spitze oder auch mit rost- röthlichem Bande unterhalb der schwarzen Spitze, theils ganz schwarz sind. Die Kopfseiten unterhalb der Augen sind weiss, mit wenigen röthlich und schwarz gezeichneten Haaren un- termischt. An den Ohrwurzeln und auf dem Oberhalse ist das Fell fast rein weiss, mit sehr wenigen röthlich und schwarz gezeichneten Haaren. Die Ohren erreichen angedrückt die Schnauzenspitze nicht; sie sind auf der Aussenseite vorn röthlich mit schwarz gemischt wie die Stirn , hinten weiss, an der Spitze, und zwar am Aussen- und Innenrande gleichmässig, dunkelschwarzgrau; auf der Innenseite sind die Ohren schmutzig weisslich, nach dem Aussen- rande zu gelblichgrau. Die Mittellinie des Rückens ist roströthlichgrau mit durchschimmern- dem Weiss, indem hier aus dem weissen Wollhaar theils weisse, theils und zumeist schwarze, mit grauer Basalhälfte und röthlichem Bande unterhalb der schwarzen Spitze versehene Dec!haare von etwa 25 Millim. Länge hervorragen, welche von einzelnen ganz weissen und ganz schwarzen Stichelhaaren von etwa 37 Millim. Länge überragt werden. Diese Farbe der Mittellinie des Rückens bricht nach den Seiten sehr unregelmässig und verwaschen ab, indem das Weiss mehr und mehr überhand nimmt. Die Unterseite endlich ist vom Unterkiefer an, mit Ausnahme des Halses, wo sich schwarz und röthlich gezeichnete Haare finden, rein weiss. Die Extremitäten sind ebenfalls weiss, mit wenigen eingemengten röthlichen Härchen, welche sich namentlich an den Vorderbeinen von der Schulter auf das Bein hinabziehen; die Läufe sind schmutzig gelblich. Der Schwanz ist weiss, auf der Oberseite mit einzelnen, theils schwar- zen, gegen die Spitze hin mit röthlichem Bande versehenen, theils ganz schwarzen, und theils auch weissen, schwarzgespitzten Haaren untermischt. Das eben beschriebene Exemplar bietet zum Theil den Uebergang zu einem reinen Sommerfell, das wir durch Hrn. Maack aus dem Amur-Lande erhalten haben und das von ungemein dunkler Farbe ist. Letzteres gehört eben- falls nach allen Charakteren, und namentlich nach der geringen Länge der Ohren, welche angedrückt die Schnauzenspitze nicht erreichen, nach der kurzen, hellen, oben dunkel asch- grauen Schnauze, nach dem grauen, mit röthlichen Spitzen gezeichneten Wollhaare der Ober- - seite, nach dem Mangel des weissen Streifens hinter dem Auge, nach der geringen Grösse und nach der ziemlich, wenn auch nicht ganz zugespitzten vorderen Stirnbeinschneppe, unzweifel- haft zu L. variabilis. Der Kopf desselben ist genau wie an dem oben beschriebenen Exemplare, aber ohne durchschimmerndes Weiss und vielleicht um ein Geringes dunkler roströthlich, schwarz gestichelt. Die Ohren sind auf der Aussenseite vorn roströthlichgelb, stärker schwarz gestichelt, hinten schmutzig gelblichgrau, an der Spitze dunkel schwarzgrau ; die schwarze Farbe reicht auswendig an beiden Ohrrändern gleich weit, inwendig am Innenrande etwas tiefer abwärts als am Aussenrande. Der Rücken ist rostgelblichbraun, schwarz gestichelt, nach den Seiten zu mehr rostgelblichgrau, am Hinterrande der Schenkel schwärzlichgrau. Die Un-

Lepus variabilis. Lagomys hyperboreus. 147

terseite ist weiss, mit Ausnahme des Halses und der Vorderbrust, die rostgelblichgrau sind. Die Extremitäten sind aussen rostgelblichgrau, an den Enden dunkler, auf der Innenseite weiss. Der Schwanz ist unten weissgrau, oben schwärzlichgrau. Am ganzen Körper finden sich im Deckhaare auch einzelne weisse Haare eingestreut. Nicht weniger als dieses Som- merfell zeichnet sich auch das Bruchstück vom Felle eines jungen Thieres dieser Art, das ich im Amur-Lande erhielt, durch dunkle Farbe aus. Das Wollhaar desselben ist ziemlich reich- lich, auf der Rückenseite grau mit röthlichgrauen Spitzen ; die Deekhaare sind im unteren Theile grau, im oberen dunkel schwarzbraun mit gelblicher Spitze oder gelblichem Bande un- terhalb der schwarzen Spitze, von längeren, theils ganz schwarzen, theils gelblich gespitzten Stichelhaaren überragt.

Der Schneehase kommt im gesammten Amur-Lande, so weit ich dasselbe kennen gelernt habe, vor. Im Laufe des Amur-Stromes und seiner Zuflüsse fand ich die Eingeborenen allent- halben mit ihm als einem sehr gewöhnlichen und häufigen Thiere bekannt. An der Meeres- küste konnten sie ihn mir nach Süden bis über die Bai Hadshi, d.i. bis über den 49 Breiten-. grad hinaus angeben. Vorzüglichgoft habe ich das Thier oder zum wenigsten Felle oder Spu- ren desselben auf meinen Winterreisen im unteren Amur-Lande gesehen. Sowohl in den Wäl- dern am Ufer des Stromes und in den Nebenthälern desselben, als auch auf den offeneren Flächen und zwischen den Weidengebüschen der Amur-Inseln sieht man im Winter den Schnee von zahlreichen Hasenfährten durchkreuzt. Besonders war das auch in dem mit mannigfaltigem Terrain und sehr gemischter Waldung versehenen Gorin- Thale der Fall. Die Hasenspuren sind es auch, welche den Zug der Hunde vor dem Schlitten oft in Unord- nung bringen, indem sie dieselben seitab vom Wege locken. Nicht minder häufig als auf dem Continente kommt der Schneehase auf der Insel Sachalin vor, wo ich Felle und Spuren des- selben an beiden Küsten und im Innern der Insel oft genug gesehen habe. Ohne Zweifel ist er dort auch bis an die Südspitze der Insel verbreitet.

47) Lagemys hyperboreus Pall. Taf. VII. fig. 1 u. 2. Taf. VII. fig. 1 u. 2.

Bei den Orotschonen am Amur: tschipa.

Ein paar von Hrn. Maack aus dem Amur-Lande mitgebrachte Pfeifhasen dieser Art, welche ich mit den Exemplaren unseres Museums verglichen habe, nöthigen mich etwas ge- nauer auf die verschiedenen Farbenzeichnungen dieser seit Pallas ') nicht wieder beschriebe- nen Thierart einzugehen. Es liegen mir nämlich 10 Exemplare dieses Thieres aus verschie- nen Gegenden des östlichen Sibiriens von Kamtschatka bis an den Amur vor, welche einerseits die von Pallas nach Winterfellen aus dem Tschuktschen-Lande entworfene Be- schreibung bestätigen, und andererseits durch abweichende Färbungen uns über den Varia-

tionskreis dieser noch wenig bekannten Thierart belehren.

1) Zoogr. Rosso-Asiat. I, p, 152,

148 Säugethiere.

Gehen wir zunächst auf die von Pallas gegebene Beschreibung dieses Thieres ein, so fin- den wir dieselbe Färbung nur an einem unserer Exemplare genau wieder. Es ist dieses ein von Hrn. Wosnessenski im Cholsanischen Gebirge, im Innern des südlichen Kamtschatka’s, am 9. (21.) August erbeutetes Thier. Für dieses (Taf. VII. fig. 1.) können wir die Beschrei- bung von Pallas fast wörtlich brauchen. Der Rücken des Thieres ist längs der Mittellinie graubräunlich, der Scheitel mehr rostfarben, die Seiten des Kopfes, Halses und Rumpfes rost- farben; die Unterseite ist heller rostgelblich (nach Pallas gelblichweiss); die Ohren sind weiss- lich gerandet, die Bartborsten (wie auch an allen übrigen Exemplaren) theils schwärzlich mit weisser Spitze, theils einfarbig schwärzlich oder weisslich ; die Extremitäten sind schmutzig gelblichweiss, die Nägel braun. Bei solcher Uebereinstimmung mit der Pallas’schen Beschrei- bung muss es auflallen, dass unser kamtschatkisches Exemplar kein Winter-, sondern ein Sommerfell ist. Es dürfte uns das schon die Folgerung erlauben, dass Z. hyperboreus im Sommer und Winter genau dieselbe Färbung habe, wofür übrigens noch mehrere Belege unter unseren Exemplaren vorliegen. Doch kann ich mit Pallas darin nicht übereinstimmen, dass auch in der kürzeren Behaarung, und namentlich des Rückgens, ein Charakterzug von Z. hy- perboreus zu finden sei, da ich die Deckhaare des Rückens am Sommerfelle von etwa 16, am Winterfelle von 20—22 Millim. Länge finde, wogegen allerdings ein Winterfell von L. alpi- nus Pall. 23 25 Millim. lange Deckhaare, ein anderes von L. ogotona Pall. dagegen nur etwa 18 Millim. lange Deckhaare hat.

Von dieser oben beschriebenen Form, welche wir, weil sie die zuerst und schon durch Pallas bekannt gewordene ist, als die typische Form oder Var. normalis bezeichnen wollen, giebt es nun mehrere Abweichungen in der Färbung und namentlich zwei markirtere, in wel- chen entweder die eine, oder die andere der beiden, in der Var. normalis neben einander vor- handenen, rostrothen und graubraunen Farben überwiegend wird und welche wir daher als Var.ferruginea und Var.cinereo-fusca bezeichnen können, und eine 3!®, zwischen diesen beiden stehende, durch Verbleichung der rostrothen Farbe in eine gelbliche und durch theilweises Sicheinfinden der graubräunlichen Farbe bezeichnete Mittelform, welche wir Var. cinereo-flava nennen wollen.

Was nun zunächst die erste derselben, die Var. ferruginea betrifft, so liegen uns zwei an demselben Orte und zur selben Zeit wie jenes Exemplar der Var. normalis, nämlich im Chol- sanischen Gebirge in Kamtschatka am 3. (15.) und 7.(19.) Aug. von Hrn. Wosnessenski erbeutete Exemplare von Z. hyperboreus vor, welche uns über die Färbung dieser Varietät und den Uebergang der Var. normalis in dieselbe belehren können. Betrachtet man nämlich die Zeich- nung der einzelnen Haare, welche an der letzteren die eigenthümliche Färbung hervorbringen, so . findet man, dass die von den rostfarbenen Seiten deutlich, aber nicht scharf, sondern ziemlich verwaschen gesonderte graubraune Färbung des Rückens dadurch entsteht, dass die in ihrer Basalhälfte (wie auch an allen ‘brigen Exemplaren) dunkelgrauen Deckhaare in dem kürzeren oberen Theile schmutzig gelblich, mit kürzerer oder längerer schwärzlicher Spitze gezeichnet sind. An den Seiten haben dagegen die Deckhaare einfach rostgelbliche Spitzen. Doch findet

Lagomys hyperboreus. 149

man unter diesen letzteren auch welche, an denen der rostgelbliche Endtheil des Haares eine kurze schwärzliche Spitze hat, was namentlich nach dem Rücken zu mehr und mehr der Fall ist. Dabei wird zugleich in derselben Richtung auch die rostgelbliche Farbe des Endtheiles der Deckhaare etwas dunkler, so dass an den Gränzen des graubraunen Rückenstreifens eine mehr rostbraune Färbung entsteht, welche sich unregelmässig gegen den graubraunen Rückenstreifen absetzt und stellenweise auch mitten in jenen hineinreicht. An der Var. ferruginea (Taf. VI. fig. 2.) nimmt nun diese rostbraune Färbung so weit überhand, dass der graubraune Rücken- streifen ganz verschwindet. Das Thier ist alsdann längs dem ganzen Rücken rostbraun und wird von hier aus nach den Seiten zu allmählig heller rostfarben, wie auch die Var. normalis, indem die schwarzen Spitzen der Deckhaare allmählig schwinden und auch- ihr rostfarbner Endtheil heller, rostgelblich wird. Die Unterseite endlich ist entweder hell rostgelblich, oder, wie Pallas angiebt und wie auch eines meiner Exemplare darthut, gelblich weiss. An diese beiden kamtschatkischen Exemplare der Var. ferruginea schliesst sich ferner ein Exemplar aus dem östlichen Sibirien, von den Ufern des Flusses Maja an, das am 12. (24.) Sept. von Hrn. Wosnessenski erbeutet worden und das zwar genau wie jene gezeichnet ist, aber in Folge der längeren sehwärzlichen Spitzen der Deckhaare eine etwas dunklere, rothbraune Farbe am Rücken hat. Zugleich ist an diesem Exemplare die Färbung der Kopfseiten und des Nackens nicht sowohl rostfarben, als vielmehr gelblich graubraun, wie zum Theil bei der Var. normalis, in- dem die Deckhaare hier im Endtheile heller, gelblich (nicht röthlich) und mit schwarzer Spitze gezeichnet sind. Mit diesem letzteren Thiere stimmt ferner im hohen Grade überein ein Exemplar vom Flusse Olenek, am 2. (14.) October von Hrn. Maack erhalten, das sich von jenem nur durch eine etwas mehr ausgesprochene graubraune Färbung der Kopfseiten und des Nackens auszeichnet, während dagegen der Schnauzenrücken von der Nase an mehr rostbraun als an dem vorhergehenden Thiere ist. Ziemlich von derselben Zeichnung, nur durchweg von hellerer Farbe ist auch ein 2tes, zur selben Zeit und an demselben Orte erbeutetes Exemplar von L. hyperboreus. Dieses ist überhaupt das hellste von allen mir vor- liegenden Exemplaren, indem an demselben alles Rostfarbene zu einer schwach röthlich-gelb- lichen Tinte verblichen ist. Die Oberseite ist daher weniger rostbraun als gelblichbraun, die Seiten des Kopfes, Halses und Rumpfes weniger rostfarben als schwach röthlich - gelblich zu nennen, und die Unterseite ist schmutzig gelblichweiss. Diese Verschiedenheit der Färbung fällt deutlich in die Augen, wenn man das letzterwähnte Exemplar gegen die beiden oben be- schriebenen kamtschatkischen Exemplare der Var. ferruginea hält, findet aber an dem zwi- schenerwähnten Thiere von der Maja und dem ersten Exemplare vom Olenek ganz allmäh- lige und unmerkliche Uebergänge. An das hellste Exemplar vom Olenek reiht sich end- lich sehr nahe ein Exemplar von L. hyperboreus von Udskoi Ostrog an, das während der Reise Hrn. von Middendorff’s am 18. Febr. (2. März) erbeutet worden ist und von dem- selben bei Beschreibung seiner zoologischen Ausbeute im reichen Materiale übersehen wor- den ist. Dieses Exemplar (Taf. VII. fig. 1.) ist von dem hellsten Thiere vom Olenek kaum und nur darin verschieden, dass es an den Kopfseiten und besonders am Nacken eine um ein

150 Säugethiere.

Geringes merklichere Einmischung von gelblich-graubrauner Farbe zeigt. Diese letzterwähnten, durch Verbleichung der röthlichen Tinte in eine gelbliche und durch eine theilweise schon graubräunliche Färbung markirten Exemplare sind es, welche wir als Var. cinereo-flava be- zeichnen. Von ihr findet durch allmählige weitere Zunahme der graubraunen Farbe der Uebergang zur graubraunen, sogar schwärzlichen Form des Amur-Stromes, der Var. cinereo- fusca statt. Unter den 3 Amur-Exemplaren von Z. hyperboreus liegt mir ein solches, beide letzteren Farbenvarietäten deutlich vermittelndes Exemplar vor. Hält man dieses neben dem Exemplare von Udskoi Ostrog, so findet man am Hinterrücken des Amur-Exemplares die- selbe gelblichbraune Farbe wie an jenem; am Vorderrücken aber und nach dem Nacken zu verschwindet die röthlich-bräunliche Farbe mehr und mehr und macht einer graubräunlichen Platz, welche auch an den Exemplaren von Udskoi Ostrog und vom Olenek am Nacken und an den Kopfseiten zum Theil sich kundgiebt, Neben dem Exemplare von Udskoi Ostrog erscheint also das erwähnte Amur-Exemplar als eine ganz allmählige Abstufung und zwar als fortgesetzte Verbleichung der röthlichen und gelblichen Farben in Grau. Hält man es da- gegen neben einem der rostfarbenen Exemplare Kamtschatka’s, so ist die gelblich-grau- braune Farbe sehr auffallend. Indem nun diese letztere Farbe den gelblichen Ton noch weiter verliert und in Grau umsetzt, wird die Färbung dunkler graubraun mit etwas schwärzlichem Anfluge. Dies ist denn die Var, einereo-fusca, die wir in zweien, von Hrn. Maack am oberen Amur-Strome, am 18. (30.) Mai und am 20. Mai (1. Juni), erbeuteten Exemplaren besitzen. An diesen (Taf. VII. fig. 2.) ist die ganze Rückenseite des Kopfes und Rumpfes graubraun, der Schnauzenrücken etwas heller graubraun, das Ende des Hinterrückens mit etwas röthlicher Einmischung ; die Seiten des Kopfes, Halses und Rumpfes, so wie die Unterseite des Halses sind röthlichgrau ; die ganze übrige Unterseite und die Extremitäten sind heller, schmutzig röthlich- und gelblich-grau. Entfernt sich die Var. einereo-fusca in dieser extremen, wenn auch allmählig vermittelten, graubraunen, mit schwärzlichem Anfluge versehenen Färbung sehr von den rostfarbenen Exemplaren Kamtschatka’s, so schliesst sie sich doch wieder nahe an die ganz zuerst genannte, typische Form an, um so den ganzen Variationskreis von L. hyperboreus zu schliessen, Vergleicht man nämlich diese beiden letztgenannten Formen unter einander, so findet man, dass die graubraune Farbe der Amur-Form dieselbe ist, welche an der typischen Form längs dem Rücken verläuft, und nur um ein Geringes dunkler ist als jene, Während sie sich aber bei letzterer gegen die Seiten hin deutlich absetzt, um einer rostrothen Farbe Raum zu geben, breitet sie sich bei den Amur-Exemplaren, allmählig verblassend, auch nach den Seiten aus und lässt diese nur röthlichgrau, statt rostfarben, erscheinen. Desgleichen zieht sich die graubraune Farbe an den Amur-Exemplaren auf den Kopf und bis zur Nasenspitze fort, während sie bei der Var. normalis früher abbricht und am Kopfe zumeist durch eine rostrothe Farbe ersetzt wird. Es nimmt also bei der Var. einereo-fusca, im Vergleiche zur Var. normalıs, ebenso die graubraune Farbe überhand, wie wir es oben an der Var. ferruginea mit der rost- rothen und rostbraunen Farbe gesehen haben. Und so dürfte denn die Var. normalis als die Mittelform zwischen den nach verschiedenen Seiten auseinander gehenden, aber untereinander

x

Lagomys hyperboreus. 151

durch die Var. einereo-flava vermittelten Färbungen der Var. ferruginea und Var. cinereo-fusca angesehen werden. !

Es entsteht nun die Frage, ob und in wie weit diese verschiedenen Farbenvarietäten von L. hyperboreus auch mit verschiedenen Gebieten der geographischen Verbreitung dieser Thier- art in Beziehung stehen? Aus den uns vorliegenden Exemplaren scheint allerdings eine solche Beziehung deutlich hervorzugehen. Durch Pallas, der einzigen Quelle unserer bisherigen Kenntniss von L. hyperboreus, war bloss das Tschuktschen-Land als Heimath dieses Thieres bekannt. Wir sehen nunmehr die Gränzen seiner Verbreitung weit nach Süden und Westen sich erweitern. Denn nach den uns vorliegenden Exemplaren bewohnt L. hyperboreus das ganze östliche Sibirien, von dem Tschuktschen-Lande und dem Olenek im Norden bis nach der Südspitze Kamtschatka’s und dem Amur-Lande im Süden. Innerhalb dieses Verbreitungs- gebietes tritt Z. hyperboreus in mehreren Farbenvarietäten auf, welche in folgender Beziehung

zu den einzelnen Theilen seines Verbreitungsgebietes zu stehen scheinen. Auf der Halbinsel 'Kamtschatka scheint die am meisten röthliche, rostfarbene und rosibraune Form, die Var. ferruginea, am Amur dagegen, und zwar am oberen Strome, die am wenigsten röthliche und dagegen dunkelste, graubraune und schwärzliche Färbung, die Var. cinereo-fusca vorzuherrschen. Während so die beiden extremen Färbungen sich auch an den äussersten und zugleich südlich- sten Punkten des Verbreitungsgebietes von L. hyperboreus finden, kommen in dem zwischenliegen- den Theile des östlichen und nördlichen Asiens die Mittelfärbungen vor, und zwar scheint nach Norden von Kamtschatka, im Tschuktschen-Lande die durch einen graubraunen Rücken- streifen gezeichnete Mittelform, die Var. normalis vorzuherrschen, während westlich davon, am Olenek und von dort nach Süden zum Amur hin, an der Maja, bei Udskoi Ostrog u.s. w. die durch Verbleichen der röthlichen Tinten in gelbliche und durch eine mehr und mehr sich einstellende graubraune Farbe charakterisirte Mittelform, die Var. cinereo - flava vor- herrscht. Diese Verbreitung der Farbenvarietäten von Z. hyperboreus giebt uns demnach wie- derum einen Beleg für die schon mehrmals ausgesprochene Bemerkung, dass nämlich die Ge- gend am oberen Amur-Strome durch das Ueberhandnehmen schwarzer Farben an seinen Thier- arten sich auszeichnet. In Beziehung auf Kamtschatka erinnert uns aber das Verhalten von L. hyperboreus an das ähnliche Verhalten der Füchse, deren rötheste Varietät, die russisch sogenannten Ognjofki (oder Feuerfüchse), ebenfalls auf jener Halbinsel sich findet.

Was nun noch die specielle Verbreitung von L. hyperboreus im Amur-Lande betriflt, so rühren jene drei Exemplare vom oberen Strome, eines von der unteren Schilka, die beiden anderen vom Amur selbst nahe dem Zusammenflusse der Schilka und des Argunj her. Dort am oberen Amur-Strome habe ich ebenfalls oft das schrille Schreien von Pfeifhasen an den zerklüfteten Felsen der Flussufer gehört. Leider konnte ich aber dieser scheuen Thiere selbst nicht habhaft werden. Ich vermuthete anfangs, dass diese schrillen Töne von einer der Arten L. ogotona oder, noch wahrscheinlicher, Z alpinus kämen, und glaubte auf diese letztere

Art auch die oben erwähnte Bezeichnung dieses Thieres bei den Monjagern beziehen zu müssen. Da jedoch Z. hyperboreus bisher die einzige im Amur-Lande nachgewiesene Pfeit-

152 Säugethiere.

hasen-Art ist, so wird wohl Beides auf diese Art zu beziehen sein. Aus dem unteren Amur- Lande habe ich keine Exemplare dieses Thieres erhalten, zweifle jedoch nach seinem Vorkom- men bei Udskoi-Ostrog nicht, dass L. hyperboreus auch in den Gebirgen an der Amur-Mündung vorkommen dürfte. Merkwürdig bleibt es mir aber, dass ich sein Pfeifen dort niemals gehört habe,

V. PACHYDERMATA.

48) Sus scrofa L. a) 5. scrofa ferus Gmel. Bei den Giljaken: ajara und ajerda; « « Mangunen, Golde unterhalb des Ussuri, Kile am Gorin und Kur: nyghty. « « Golde oberhalb des Ussuri: nykta, « « Biraren und Monjagern: toroki. « « Orotschonen: tokalagda. « « Dauren: gagha.

Das Wildschwein scheint im Amur-Lande durchaus von derselben Beschaffenheit wie im westlicheren Asien oder in Europa zu sein, Das von mir mitgebrachte Fell eines jungen Weib- chens, das noch kein volles Jahr alt und im Februar-Monat im unteren Amur-Lande bei Ssamachagdu, nahe der Chelasso-Mündung, erlegt worden war, ist von gemischter, schwarzer und gelblichbrauner Farbe. Es ist allenthalben mit dichtem, graubraunem Woli- haare bedeckt, aus welchem braunschwarze, unterhalb ihrer Spitze mit schmutzig gelbem Bande gezeichnete Borsten hervorstehen, die von anderen, längeren, ganz schwarzen Borsten überragt werden. Auf der Stirne, dem Nacken und dem Vorderrücken befindet sich ein Bor- stenkamm, der von längeren, gemischten, theils ganz schwarzen, theils nur in ihrem unteren Theile braunschwarzen, im oberen schmutzig gelblichen, bisweilen wiederum mit schwärz- licher Spitze versehenen Haaren gebildet wird. Die Ohren und die Schwanzspitze sind ganz braunschwarz. Die Extremitäten sind an diesem Felle mangelhaft vorhanden und von ge- mischter, schwärzlicher und gelblich-brauner Farbe; an alten Thieren im Amur-Lande habe ich sie jedoch von ganz braunschwarzer Farbe gesehen, Zwei Schädel junger Thiere von dersel- ben Art aus dem Amur-Lande, die noch das Milchzahngebiss mit 5 Backenzähnen tragen und darnach kein volles Jahr alt sein können, bieten mir im Vergleich zu kaukasischen Schädeln dieser Thierart nichts Bemerkenswerthes dar. Nach den von mir gesehenen und theils auch mitgebrachten Hauern und Extremitäten alter Thiere zu urtheilen, muss das Wildschwein

im Amur-Lande von ganz ansehnlicher Grösse sein, was auch mit den Angaben der Einge- borenen übereinstimmt.

Sus scrofa. | 153

Die geographische Verbreitung des Wildschweines betreffend, wurde bis zu Midden- dorff's Reise, den Angaben von Pallas ') zufolge, der Baikal-See und die Lena für die öst- liche Verbreitungsgränze des Wildschweines gehalten. Middendorff brachte zuerst Nach- richten von dem Vorkommen desselben weiter ostwärts, in der Mandshurei, und zwar sollte es den Aussagen der Jakuten und Tungusen zufolge in den morastigen Niederungen des linken Amur-ÜUfers nicht selten sein und an der Bureja mit dem Jorach, einem linken Zu- flusse derselben, seine nördliche Verbreitungsgränze erreichen °). Wir können nun diese von den Eingeborenen eingezogenen Nachrichten Middendorff’s, so weit sie den Amur-Strom betreffen, aus unseren Erfahrungen bestätigen und zugleich auch nach Süden und Osten erweitern, In dem betreffenden Theile des Amur-Stromes, oberhalb des Bureja-Gebirges, wo derselbe die Büreja aufnimmt, fand ich den tungusischen Stamm der Biraren mit dem Wild- schweine durchweg unter dem oben erwähnten, auch von Middendorff ermittelten Namen «toroki» bekannt. Ihren Aussagen gemäss, ist es in diesem mit einem ausgesprochenen Prairie- charakter und mit niedrigen, oft sumpfigen Ufern versehenen Theile des Stromes zu beiden Seiten desselben ein häufiges Thier. Das ist jedoch nicht der einzige vom Wildschweine be- wohnte Theil des Amur-Stromes; es kommt vielmehr auch weiter ober- und unterhalb und fast im gesammten Laufe des Amur-Stromes vor. In der ersteren Richtung, stromaufwärts, kennen es über jenen Prairietheil des Stromes hinaus die Monjagern, und zwar unter demselben Namen wie die Biraren, und noch weiter aufwärts die Orotschonen bis über den Anfang des Amur-Stromes oder den Zusammenfluss der Schilka und des Argunj hinaus. Strom- abwärts von der Bureja- Mündung gegangen, findet man das Wildschwein in der südlichen Biegung des Amur-Stromes noch häufiger als in jenem oberen Prairietheile desselben. Es gilt dies namentlich für den Durchbruch des Amur-Stromes durch das waldreiche Bureja-Ge- birge, für die niedrigen, sumpfreichen Prairieen unterhalb des Bureja-Gebirges bis zum Us- suri, wo die Ufer des Amur-Stromes oft auf weite Strecken hin von hohem, diehtem Schilfe bewachsen sind, und von dem an feuchten, üppigen Laubholzwaldungen und sumpfigen Inseln reichen Laufe des Amur-Stromes unterhalb der Ussuri-Mündung. In dem zuletzt erwähnten Theile des Amur-Stromes konnte ich durch die dortigen Eingeborenen, denen das Wild- schwein ein Gegenstand vielfacher Jagd ist, manches Genauere über die Verbreitung dieses Thieres erfahren. Am Ussuri nannten es die Golde der Gefahr wegen, die es dem Jäger bringt, unmittelbar nach dem Bären. Dort und am unterhalb gelegenen Amur-Laufe werden von den Eingeborenen jährlich viele dieser Thiere erlegt, da das Fleisch derselben von ihnen zur Nahrung, das Fell aber in derselben Weise wie das Bärenfell bei den Giljaken und Man- gunen, d.i. zu Deeken in den Sommerzelten und auf Reisen benutzt wird. In solcher Häu- figkeit bleibt das Wildschwein am unteren Amur-Strome am linken Ufer bis zum Gorin und am rechten wohl bis zum Chelasso, da es noch beim Dorfe Ssamahagdu, gleich unterhalb der Mündung des letzteren Flusses, wo ich im Winter 1855 drei jüngst erlegte Individuen

t) Zoogr, Rosso-Asiat. I. p, 266. 2) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 116. Schrenck Amur-Reise Bd. 1. 20

154 Säugelhiere.

dieses Thieres sah, zahlreich sein soll. Von dort an aber wird es, mit der Abnahme der Laub- holzwaldung, in raschem Maasse seltener. Dennoch kommt es weiter unterhalb und nordwärts am Amur-Strome noch an den Flüssen Jai, Kada und wohl bis zur Mündung des Chase- lach-Flusses vor, da ich etwas oberhalb des letzteren, im Dorfe Aure noch die Hauer eines nach Angabe der dortigen Eingeborenen in der Umgegend erlegten Thieres gesehen habe. Unterhalb der Chaselach- Mündung aber kommt das Wildschwein, nach den einstimmigen Aussagen der Giljaken, nicht mehr vor. Es ist dieser Punkt am Amur-Strome, an der Gränze zwischen der Mangunen- und Giljaken-Bevölkerung gelegen, zugleich auch ein merklicher Wendepunkt in dem Vegetationscharakter der Amur-Ufer, indem mit dem Gebirge nördlich von demselben auch eine viel nordischere Natur mit ausschliesslicherer Nadelholzwaldung beginnt. Vergleicht man denselben mit dem von Middendorff an der Bureja ermittelten nördlichsten Punkte der Verbreitung des Wildschweines, so liegt er ziemlich unter demselben Breitengrade, vonetwa514°N. Eine Linie, die man vom Chaselach-Flusse am unteren Amur zum Jorach an der Bureja zieht, würde uns also die nördlichste Verbreitungsgränze des Wildschweines im Amur-Lande bezeichnen. Westwärts dürfte diese Linie über den oberen Lauf der Dseja und jedenfalls nördlich vom oberen Amur verlängert werden. Nach Osten aber vom Amur, zur Meeresküste hin, scheint die Polargränze des Wildschweines sich mehr nach Süd zu senken, da der Amur-Liman und wohl auch der nördliche Theil der Meerenge der Tartarei, viel- leicht bis zur Bai de Castries, nach den Aussagen der Eingeborenen zu urtheilen, von der Verbreitung des Wildschweines ausgeschlossen sind. Südlich von der Bai de Castries dage- gen soll es an der Meeresküste und an den dort einmündenden Flüssen, wie dem Tumdshi u. a. m., vorkommen. Gewiss scheint für eine solche Senkung der Polargränze des Wild- schweines nach der Meeresküste hin auch der Umstand zu sprechen, dass an diesen Küsten ein nordischer Naturcharakter viel weiter südwärts als im Amur-Thale vordringt. Mit dem Feh- len des Wildschweines am Amur-Limane steht endlich auch das Fehlen desselben auf der Insel Sachalin im Einklange. In ihrer nördlichen Hälfte wenigstens, soweit das Gebiet der Giljaken geht, kommt es, nach den wiederholten und einstimmigen Angaben dieser Eingebo- renen, weder an den Küsten, noch im Innern der Insel vor. Ob es südlicher von Sachalin, auf Jesso und den Japanischen Inseln vorkomme, muss noch dahingestellt bleiben, da Tem- minck bekanntlich das japanische Wildschwein als eine besondere Art, Sus leucomystax, un- terscheidet, welche er zugleich auch für die Stammart des in Japan gezogenen (siamischen) Hausschweines hält. Das Wenige jedoch, was uns bisher über diese neue Art bekannt ge- worden ist, eine Abbildung nämlich und die wenigen, mit derselben nieht übereinstimmenden Worte Temminck’s, dass es meist von ganz schwarzer Farbe sei "), ist für die Unterscheidung einer besonderen Art noch keinesweges hinreichend. Aus diesem Grunde nun und weil anderer- seits die Verbreitung des Wildschweines im Osten Asien’s nunmehr bis an die Meeresküste erwiesen ist, liegt uns die Vermuthung nahe, dass Sus leucomystax Temm. ebenfalls nur das

!) Siebold, Fauna Japonica. Mammalia. Dec. I. p. 6. Tab. 20.

Sus scrofa. N 155

gemeine, europäisch-asiatische Wildschwein sei, welches sich vom Festlande auch nach den anliegenden japanischen Inseln verbreitet habe.

b) S. scrofa domesticus Briss. Bei den Giljaken: o/ghonk. « « Mangunen, Golde und Ssamagern: o/ge und orge. « « Biraren und Monjagern: ulge.

Das Hausschwein ist auf doppeltem Wege in das Amur-Land gebracht worden: einmal und zuerst durch die Chinesen von Süden und auf dem Landwege, und dann durch die Russen von Norden. und auf dem Seewege. Bloss auf dem ersteren Wege jedoch hat es bisher eine theilweise Einbürgerung im Amur-Lande gewinnen können. Es findet sich nämlich als Haus- thier in den mit Viehzucht, Feld- und Gartenbau beschäftigten Ansiedelungen der Chinesen, Mandshu und Dauren im oberen Prairietheile des Sachali- oder oberen Amur-Sitromes. Von dorther ist es denn auch den Monjagern und Biraren dem Namen und Ansehen nach bekannt, ohne jedoch in ihren Haushalt selbst Eingang gefunden zu haben. Etwas mehr Ter- rain als bei diesen nomadischen Jagdvölkern hat das Hausschwein, durch Vermittelung der Mandshu undChinesen vom Ssungari, bei den sesshafteren Golde am Ssungari, Ussuri und am Amur-Strome noch eine Strecke weit unterhalb der Ussuri-Mündung gewonnen. Am Ussuri namentlich habe ich bei den Golde im Dorfe Agdeki eine ordentliche und ver- hältnissmässig ansehnliche Schweinezucht gefunden. In geringerem Maasse findet sich eine solche auch in vielen grösseren Golde-Dörfern am Amur, wie in Da, Naichi, Ssargu u.a. m. Dort hatten wir daher auf unserer Reise oft Gelegenheit von den Eingeborenen einzelne Thiere im Kaufe zu erstehen, die bei unseren spärlichen Vorräthen an Lebensmitteln uns wesent- liche Dienste leisteten. Doch ist das Fleisch dieser Thiere nur sehr unschmackhaft, da die Golde als Fischervolk auch ihre Schweine mit Fischen zu füttern genöthigt sind. Weiter ab- wärts von den genannten Dörfern am Amur-Strome, gegen die nördliche Gränze der Golde- Bevölkerung hin und bei den Mangunen hört die Schweinezucht ganz auf, und findet man immer nur einzelne Thiere, die stets in der Gefangenschaft, sei es in einer bretternen Abthei- - lung im Hause der Eingeborenen selbst, oder aber in kleinen, eigens dazu hergerichteten Häuschen, ähnlich den Bären gehalten werden. Diese Thiere rühren entweder aus den Golde-Dörfern oberhalb, oder auch direkt vom Ssungari durch Vermittelung der Handels- reisen chinesischer Kaufleute oder der Eingeborenen selbst her. Beim Mangel eigener Zucht müssen jedoch stets wieder neue Thiere von oberhalb gebracht werden. In diesem unteren Stromtheile bleibt daher das Schwein nur ein Handelsartikel der chinesischen Kaufleute und der oberen Golde, der aber bei den Eingeborenen am unteren Amur nur wenig Nachfrage findet. Man sieht ihn daher auch verhältnissmässig nur sehr selten bei ihnen. Mir ist es am unteren Amur begegnet, einzelne Schweine in den Dörfern Bitschu an der Gorin-Mündung, Mongole und Pu]j zu sehen. Letzterer Ort, an der nördlichen Gränze der Mangunen-Bevöl-

kerung gelegen, ist zugleich auch der äusserste am Strome, wo ich das Hausschwein gesehen x*

156 Säugelhiere.

habe. Denn in den giljakischen Dörfern ist es mir niemals zu Gesichte gekommen, weder am Amur-Strome selbst, noch an der Meeresküste, noch endlich auf der Insel Sachalin. Wir sehen also die Gränze der Schweinezucht am unteren Amur -Strome ziemlich mit der Gränze goldischer und diejenige einzeln gehaltener Thiere mit der Gränze mangunischer Bevölke- rung am Strome zusammenfallen, das Gebiet der Giljaken aber bisher noch ganz ausserhalb der Culturheimath dieses Thieres liegen.

Unabhängig nun von dieser durch die Mandshu und Chinesen vermittelten Verbrei- tung des Hausschweines im Amur-Lande, welche stromabwärts geht und bisher weder die Mündung des Amur-Stromes, noch die Meeresküste erreicht hat, ist dieses Hausthier auch auf einem zweiten Wege in das Amur-Land und zwar grade in die bis-dahin von ihm noch unberührten Gebiete, die Mündung des Stromes und die Meeresküste, gebracht worden. Es geschah dies im Jahre 185% durch die russische Fregatte «Pallas» und im folgenden Jahre durch die von Kamtschatka nach der Bai de Gastries angelangten Schiffe. Von beiden Ma- len hatten sich jedoch bis zum Jahre 1856 keine Thiere mehr im Amur-Lande erhalten, da einige derselben sehr bald in den waldigen Wildnissen der Umgegend sich verliefen, und die übrigen, bei den geringen Lebensmitteln jener Colonieen in den Kriegsjahren, hingeschlachtet werden mussten. So fand also bis zum Jahre 1856 russischerseits noch keine Schweinezucht im Amur-Lande statt. er

Es wäre endlich möglich, dass das Hausschwein noch auf einem dritten Wege in das Amur-Land gebracht worden sei. Nach Siebold’s Angaben züchten nämlich die Japanesen das Hausschwein und zwar die siamische Race desselben (s. oben). Durch deren Vermittelung könnte daher das Hausschwein auch zu den Aino der Insel Sachalin gelangt sein. Während meines kurzen Besuches der japanischen Colonie in der Bai Aniwa auf Sachalin, im Jahre 1854, habe ich jedoch keine Hausschweine daselbst gesehen.

VI. RUMINANTIA.

49) Ovis (Aegoceros) montana Desm.

Da Middendorff das Vorkommen dieses Wildschaafes im Stanowoi- Gebirge an den Quellen des Utschur und im Gebirgskamme Chaptscha, östlich vom Flusse Polowinnaja, wie überhaupt im Küstengebirge des Ochotskischen Meeres nachgewiesen hat '), so lag es nahe dieses Thier auch in den Gebirgen des Amur-Landes und namentlich der Amur- Mün- dung und der Meeresküste der Mandshurei zu erwarten. Sämmtliche Nachfragen jedoch,

2) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p- 116.

Ovis (Aegoceros) monlana. O. aries. 157

die ich desshalb bei den Eingeborenen des Amur-Landes anstellte, führten zu negativen Re- sultaten. Das Horn eines Wildschaafes von Kamtschatka, das ich zu diesem Zwecke vielen Giljaken und Mangunen zeigte, war sämmtlichen unter ihnen unbekannt, und hatten die- selben dergleichen im Amur-Lande niemals gesehen. Auch bin ich selbst bei ihnen niemals auf Bruchstücke von Wildschaafhörnern gestossen, ob es mir gleich bei den meisten Thier- arten begegnet ist, durch Bruchstücke irgend welcher Art, die ich bei den Eingeborenen fand, auf die erste Spur ihres Vorkommens im Amur-Lande geleitet zu werden. Es kommt mir daher wahrscheinlich vor, dass jenes von Middendorff ermittelte Vorkommen von Ovis mon- tana in den Gebirgen an den Utschur-Quellen und östlich von der Polowinnaja die Süd- gränze dieses Thieres bezeichne, über welche hinaus es nach der Mündung des Amur-Stro- mes zu nicht mehr vorkomme, gleichwie es nach Middendorff’s Erkundigungen auch weiter westwärts, in den Gebirgen an den Ssilimdshi-Quellen, auf ausdrückliche Aussage der Tun-

gusen, nicht mehr zu finden sein soll.

50) Ovis aries L. Bei den Giljaken: chosom. « « Mangunen, Golde, Ssamagern: choni und ema. «, « Biraren und Monjagern: konin. « « Orotschonen: der Schaafsbock baran (von den Russen entlehnt), das weibliche Schaaf njami. « « Dauren: choni.

Das Schaaf wird im Amur-Lande nur am oberen Ussuri und, in grösserer Menge, am Ssungari gezüchtet. Am Sachali- oder oberen Amur-Strome hingegen, wo bei den Mandshu, Chinesen und Dauren Rindviehzucht und Feldbau in allgemeinem Gebrauche sind, habe ich seltsamer Weise keine Schaafe gesehen. Dennoch ist dieses Thier, durch Vermittelung der Mandshu und Chinesen vom Ssungari, den Biraren und Monjagern und, durch Vermitte- lung der Russen vom Argunj und der Schilka, den Orotschonen am Amur dem Namen und Ansehen nach bekannt. Den ersteren verdanken auch die Eingeborenen des unteren Amur- Landes ihre Kenntniss von diesem Thiere. Zu diesen gelangen nämlich im Handelsverkehre mit den Mandshu und Chinesen vom Ssungari fertig genähete Schaafspelze, die ziemlich theuer geschätzt werden und sich daher auch nur bei den Wohlhabenderen unter ihnen finden. Ich habe dergleichen bei den Golde, Mangunen und Giljaken bis an die Amur-Mündung, so z. B. in den giljakischen Dörfern Kalm, Tebach, Wair, ja selbst noch auf der Insel Sachalin, im Dorfe Tyk an der Westküste derselben gesehen. Diese Felle sind nur kurz- haarig, von schwarzer und weisser Farbe und werden von den Golde darnach auch mit ver- schiedenen Namen belegt. Zum Pelze werden in der Regel schwarze und weisse Felle bunt durcheinander genäht; seltener sind einfarbige Pelze zu sehen. Russischerseits war das Schaaf bis zum Jahre 1856 noch nicht in das Amur-Land gebracht worden.

158 Säugelhiere.

51) Antilope erispa Temm. Bei den Giljaken: yighy. » » Mangunen und Golde: dshüra, djüra und djära.

Von den Mangunen der Dörfer Aure und Adi im unteren Amur-Lande erhielt ich zwei Antilopenhörner, welche ich der japanischen Art A. crispa Temm. zuschreiben muss. Diese Hörner sind nämlich von schwarzer Farbe, einfach und schwach nach rückwärts gebo- gen, mit einer vielleicht nur etwas stärkeren Krümmung als die Tafl. 18 und 19 der Säuge- {hiere in Siebold’s Fauna Japonica angeben. Sie haben Individuen von verschiedenem Alter, einem jüngeren und einem vie] älteren, angehört. Das erstere dieser Hörner ist ziemlich un- versehrt erhalten, das letztere hingegen von den Eingeborenen halbirt und der obere Theil stark abgeschabt und mit Einschnitten versehen worden. Die Länge des ersteren Hornes beträgt, wenn man die Chorde oder gradlinige Entfernung von der Basis zur Spitze misst, 135 Mill. Das Horn des älteren Thieres scheint um etwa 30—50 Millim. länger gewesen zu sein. Der un- tere Theil des ersteren Hornes, auf 48 Millim. Länge, ist rauh und mit etwa 12 oder 13 er- habenen Ringen oder Querwülsten versehen, der obere glatt. Die Ringe sind unregelmässig gewellt, stellenweise und besonders nach hinten zu mit einander verschmolzen und daher vorn in grösserer Angahl vorhanden als hinten, wo dagegen die zwischen den Ringen sicht- baren erhabenen Längsstreifen des Hornes deutlicher hervortreten. Das Horn des älteren Thie- res ist im unteren Theile, auf etwa 64 Millim. Länge, mit Querwülsten versehen, welche nach Zahl und Verlauf im Umkreise des Hornes noch grössere Unregelmässigkeit als beim jün- geren Thiere zeigen. Denn während es ihrer vorn, wo sie deutlicher sind, ebenfalls 12 und 13 giebt, lassen sich hinten kaum 8 unterscheiden. Dabei sind die Ringe noch stärker gewellt, theilweise mit einander verschmolzen und allenthalben, und besonders an der hinteren Fläche, von sehr starken Längsstreifen durehschnitten. Die Basis der Hörner ist nicht rund, sondern oval; das grössere Horn ist an der Basis im grösseren Durchmesser 37, im kleineren 30 Mill. breit; das kleinere im grösseren Durchmesser 23, im kleineren 19 Millim. breit. Es scheint mir, dass die Hörner in solcher Weise der Stirne aufsitzen, dass der grössere Breitendurch- messer ihrer Basis von vorn und innen nach hinten und aussen, der kleinere von vorn und aussen nach hinten und innen verläuft. Bei solcher Stellung hätten sie, neben der Krümmung nach hinten, zugleich nach der Spitze hin auch eine divergirende Richtung nach aussen, wie es auch die Schädelabbildung bei Temminck angiebt. Bekanntlich hat Temminck keine Be- schreibung der A. crispa von Japan, sondern nur die oben: erwähnten Abbildungen dieses Thieres und seines Schädels in der Fauna Japonica bekannt gemacht. Mit diesen verglichen, ist das kleinere Antilopenhorn vom Amur um 4 länger und hat einige Querwülste mehr, da das japanische Thier ihrer nur 5—6 zu haben scheint, was jedoch keinen specifischen Unter- schied abgeben kann.

Leider sollte es mir, trotz beständiger Nachfragen bei den Eingeborenen, nicht gelingen das Thier selbst oder dessen Fell zu Gesichte zu bekommen, da es bei seinem Aufenthalte im Gebirge den Jägern am Amur-Strome nur sehr selten in die Hände fällt. Aus den Beschrei-

Antilope erispa. 159

bungen aber, die diese Leute, und selbst Augenzeugen unter ihnen, mir von dem Thiere ent- warfen, lässt sich natürlich in Bezug auf die Farbe und Zeichnung desselben nichts Zuverläs- siges entnehmen. Nur so viel kann ich bemerken, dass die allgemeine Farbe dieses Thieres eine bräunliche sein soll, was sowohl mit der Abbildung von Temminck, als auch mit der kurzen Beschreibung dieses Thieres von Sundevall ') in keinem Widerspruche zu stehen scheint, Reichen nun diese Angaben über die Farbe des Thieres und die mitgebrachten Hör- ner allein nicht hin, uns in der Antilope vom Amur mit völliger Gewissheit die A. erispa Temm. erkennen zu lassen und sie namentlich von der mit ähnlichen Hörnern und ähn- “licher Farbe versehenen Himalaiischen Art A. Goral Hardw. zu unterscheiden, so wer- den wir ferner durch zoologisch - geographische Rücksichten in unserer obigen Annahme be- stärkt. Denn einerseits ist A. crispa Temm. die dem Amur zunächst benachbarte Form, und andererseits ist die Antilope vom Amur, wie wir unten darthun werden, auch nur auf die Küstenregion der Mandshurei beschränkt und kommt weiter landeinwärts nicht mehr vor. Mit Bestimmtheit lässt sich nach der oben erwähnten Beschaffenheit der Antilopenhörner vom Amur behaupten, dass dieselben nichts mit der A. gutturosa Pall. zu thun haben, welche letztere Art man nach Pallas’s Angaben’) über die Verbreitung derselben in den daurischen Gebirgen, an der Ingoda, Schilka, am Amur und bis zum stillen Ocean, wie nach der mit der Amur-Antilope fast gleichlautenden Bezeichnung «Dseren», welche sie bei den dortigen mongolischen Völkerschaften trägt, zunächst im Amur-Lande erwarten dürfte. Es ist hier da- her ebenso vor einer durch zufällige Aehnlichkeit in den Bezeichnungen der Eingeborenen nahe liegenden Verwechselung der Dshüra oder Djära der Amur- Völker ‚(A. erispa Temm.) mit dem Dseren der Mongolen (A. guiturosa Pall.) zu warnen, wie Pallas und Güldenstädt es für die letzterwähnte Art und den Dshatran der Perser (A. subgutturosa Güld.) thun °). In hohem Grade übereinstimmend unter einander waren die zahlreichen Nachrichten, welche ich von den Eingeborenen über die Verbreitung der A. erispa im Amur-Lande erhielt. Alle lauteten dahin, dass dieses Thier nur im Gebirge der Meeresküste vorkomme und weder den unteren Amur-Strom, noch den ungefähr in Meridianrichtung in denselben einmündenden Ussuri nach West überschreite. Innerhalb dieser Küstenregion am Japanischen Meere und an der Meerenge der Tartarei hat es aber eine recht weite Verbreitung nach Norden. Gilja- ken der Amur-Mündung, denen ich ein Horn desselben zeigte, kannten das Thier und mein- ten, dass es im Gebirge am Amur-Limane vorkomme. Nördlich von der Amur-Mündung, an der Südküste des Ochotskischen Meeres, habe ich dagegen von dem Vorkommen dieses Thieres nicht gehört. Von dorther haben wir auch durch Middendorff keine Nachrichten über dies Thier erhalten. Vermuthlich bildet ‘daher die Amur-Mündung die nördliche Ver- breitungsgränze desselben. Weiter aufwärts am Amur-Strome gaben mir Mangunen aus den

1) Linne's Pecora. S. Hornschuch, Archiv Skandin. Beiträge zur Naturgesch, II. p. 232.

2) Spieileg. Zoolog. Fasc. XI. p. 47. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 251.

3) Güldenstädt, Acta Petropol. 1778. I. p. 254. Pallas hielt den Dshairan der Perser anfänglich für A. Ke- vella, s.Spicil. Zool. Fasc. XII. p. 6 und p. 47, später für 4. subgutturosa Güld., s. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 252.

160 Säugethiere.

Dörfern Tyr, Aure, Gauwne und Golde aus den Dörfern Chongar, Onmoi, Maji, Dondon Ua, m, ve Vorkommen dieser Antilope im Küstengebirge ostwärts vom Amur an. Namentlich sollte sie von Choji an, d. i. etwa in 501° n. Br., nach Siiden häufiger werden, dabei aber immer nur auf das Küstengebirge beschränkt bleiben und daher weder an den westwärts vom Küstengebirge in den Amur fallenden Flüssen, am Jai, Chelasso, Chongar, Naichi- oder Dondon-Flusse u. a., noch auch am rechten Amur-Ufer sich finden. Ausdrücklich wurde mir auch das Vorkommen dieser Antilope am linken Ufer und den linken Zuflüssen des unte- ren Amur-Stromes, am Gorin, Ssedsemi und Kur geläugnet, Ganz unbekannt mit diesem Thiere endlich fand ich die Golde oberhalb der Ussuri-Mündung und also auch westwärts vom Ussuri-Strome. Ostwärts von diesem hingegen soll es im Gebirge der Meeresküste vor- kommen und ist mir namentlich auch für das Gebirge am Por, einem rechten Zuflusse des Ussuri, genannt worden. Ob endlich diese Antilope auch auf der Insel Sachalin vorkomme, konnte ich nicht ermitteln, doch kommt mir solches, bei ihrer allgemeinen Verbreitung in der Küstenregion am Japanischen Meere, sehr wahrscheinlich vor.

52) Bos taurus L. Bei den Giljaken: erra. « « Mangunen und Golde: erra und echa. « « Biraren, Monjagern, Orotschonen, Dauren: ukur.

Das Rind ist zwar allen Völkern des Amur-Landes bis hinab zu den Giljaken der Amur-Mündung dem Namen nach bekannt, wird aber als Hausthier nur an sehr wenigen Orten desselben gehalten. Man findet es nämlich bloss in den Ansiedelungen der Chinesen, Mandshu und Dauren am oberen Amur- oder Sachali-Strome und ferner am Ssungari und oberen Ussuri. Am ersteren Strome sieht man zahlreiche Heerden von schönem, gross- wüchsigem und kräftigem Rindvieh, welches in den üppigen Prairieen jener Gegend vortrefi- lich gedeiht. Die Gränzen dieser Rindviehzucht am Sachali erstrecken sich so weit als die festen Ansiedelungen der oben genannten Völker reichen, d. i. also stromaufwärts bis zur Mündung der Dseja und stromabwärts bis zum Biraren -Dorfe Kadagan, welches ein paar Tagereisen oberhalb der Bureja-Mündung liegt. Ohne Zweifel stammt dieses Rindvieh am Sachali von den grösseren und zahlreicheren mandshurischen und chinesischen Ortschaften am Ssungari her, wo die Rindyiehzucht eine noch ausgedehntere als am Sachali sein soll. Desgleichen soll sich Rindviehzucht auch am oberen Ussuri finden. Dortsollen, nach Angabe der Ussuri-Golde, die Ochsen im Sommer auch als Zugvieh zum Transporte von Lasten und zum Verkehre über das Gebirge dienen, welches zwischen der Meeresküste und dem obe- ren Ussuri liegt. Am unteren Ussuri dagegen, bis zur Mündung des Flusses Noor in den- selben, habe ich kein Rindvieh gesehen. Darauf beschränkt sich nun auch die gesammte Cul- turheimath, welche das Rind im Amur-Lande bisher gewonnen hat. Unterhalb des Dorfes Kadagan, wo das Gebiet der nomadischen Biraren am Sachali beginnt, und am Amur-

Bos taurus. Moschus moschiferus. 161

Strome unterhalb der Ssungari-Mündung, bei den ichthyophagen Golde, Mangunen und Giljaken, so wie bei den Eingeborenen an der Meeresküste und auf der Insel Sachalin ist nirgends eine andere Spur von der Bekanntschaft mit dem Rinde als nur der Name dieses Thie- res, zu finden. Kein von dem Rinde bezogenes Produkt irgendwelcher Art wird ihnen im Han- delsverkehre mit den Mandshu und Chinesen am Ssungari gebracht. In ihrer Unkenntniss von diesem Thiere und seiner Nützlichkeit bezeichneten sie auch stets die Butter, die sie bei uns sahen nnd die sie für ein Analogon des bei ihnen zur Nahrung gebräuchlichen Fisch- und Seehundthranes hielten, als «Rindviehthran» (giljakisch : erra-tomm, mangunisch und gol- disch: echan-ssimoch’ssa). Diese Unkenntniss derselben dürfte jedoch bald schwinden, da nach Besitzuahme des Stromes durch die Russen, in den Jahren 1854 56, eine grosse Anzahl Rindviehes von Transbaikalien den Amur abwärts in die russischen Niederlassungen an der Mündung des Stromes gebracht worden ist.

53) Moschus moschiferus L. '

Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin: wong’:. « « Mangunen, Ssamagern, Golde unterhalb des Geong-Gebirges: udja. « « Golde oberhalb des Geong-Gebirges: akke, auch udja und udsa. « « Kile am Kur: mikitscha. « « Biraren und Monjagern: miktschan. « « Orotschonen: myktscheka.

Schon Pallas gab nach den ihm zugegangenen Nachrichten an, dass das Moschusthier durch das ganze Amur-Land bis an die Küsten des Stillen Oceanes verbreitet sei '). Wir können nun aus eigenen Erfahrungen diese Verbreitung desselben im Amur-Lande mit Rück- sicht auf die vielfach verschiedene Terrainbeschaffenheit desselben genauer angeben. Be- kanntlıch hält sich das Moschusthier, wie schon Pallas bemerkt, vornehmlich in den Nadel- holzwaldungen felsiger und gebirgiger Gegenden auf. Am oberen Amur-Strome kommt es daher nur im obersten Theile desselben, etwa bis zur Komar- Mündung, unmittelbar bis an die felsigen, mit Kiefern, Lärchen u. a. Baumarten bewachsenen Stromufer vor. Weiter ab- wärts dagegen, wo erst die Nadelhölzer vom Strome sich entfernen und sodann, von der Mün- dung der Dseja an, eine ausgedehnte, beinahe waldlose Prairie beginnt, welche, mit alleini- ger Unterbrechung durch das Bureja-Gebirge und einige kleine Gebirgszüge am rechten Amur-Ufer, bis an den Ussuri, ja am linken Ufer des Stromes noch weiter sich ausbreitet, bleibt das Moschusthier vom Strome entfernt und auf die Gebirge landeinwärts beschränkt. So ist es den Monjagern und Biraren am Sachali von der oberen Dseja und der oberen Bu- reja, denGolde am Ussuri vom oberen Laufe dieses Stromes und seinen Zuflüssen, den Kile am Kur vom Wanda-Gebirge bekannt. Erst unterhalb der Ussuri-Mündung nähert sich das Mo-

1) Pallas, Spieil. Zool. Fasc. XII. p. 16. Schrenck Anur-Reise Bd. 1. 21

162 Säugethiere.

schusthier wieder dem Amur-Strome und wird namentlich in der Gegend der Gorin-Mündung und weiter unterhalb, wo ausgebreitete Nadelholzwaldungen die hohen, gebirgigen Ufer des Stro- mes bedecken, ein häufiges Thier. Dort ist es auch, wo ich besonders zahlreiche Felle vom Mo- schusthiere $esehen habe. Von den Eingeborenen werden sie theils zu Pelzröcken und theils zu Decken verarbeitet, welche letztere aber bloss aus den Beinfellen dieser Thiere zusammen- genäht werden und durch Vermittelung der Eingeborenen auch bei den Mandshu und Chi- nesen im Gebrauche sind. Ein Stück der Art, welches die Beinfelle von mehr als 20 Thieren zählte, konnte ich bei den Ssamagern am Gorin gegen wenige Tabacksblätter erhalten, zum Beweise wie häufig das Moschusthier dort sein muss. Für denselben niedrigen Preis kaufte ich auch im Winter 1855 am unteren Gorin-Flusse ein jüngst erlegtes, im 2ten Jahre stehen- des Moschusthierweibchen, von dem ich Fell und Schädel mitgebracht habe. Dieser niedrige Preis ist um so erklärlicher, als auch das Fleisch des Moschusthieres, das von den Eingeborenen gegessen wird, in jenen an Hochwild und namentlich an Rehen, Elennthieren und Wild- schweinen reichen Gegenden nur einen geringen Werth hat. Einen besonderen Vorzug in den Augen der Eingeborenen haben dagegen, ausser den im Handel mit den Mandshu und Chi- nesen wichtigen Moschusbeuteln, auch die Extremitäten des Moschusthieres, da die dünnen Röhrenknochen derselben ihnen zum Verfertigen von Pfeilspitzen dienen. Fast in gleicher Häu- figkeit wie am Gorin bleibt das Moschusthier in den Gebirgen am Amur-Strome noch bis un- terhalb Kidsi; alsdann aber wird es seltner, obgleich das Land gegen die Mündung des Stromes nur noch gebirgiger und die Nadelholzwaldung auschliesslicher wird. Doch kommt es, nach Aussage der Giljaken, bis an die Mündung des Stromes vor. Auch wurden dort im Winter 1856, während meines Aufenthaltes im Nikolajewschen Posten, drei Thiere dieser Art dem Posten gegenüber am rechten Amur-Ufer gesehen. Nördlich von der Amur-Mündung, an der Südküste des Ochotskischen Meeres gaben mir die Giljaken an, dass das Moschusthier bei ihnen fehle. Wahrscheinlich bleibt es dort im höheren Gebirge landeinwärts zurück und nä- hert sich nur mit diesem wiederum der Meeresküste, da Middendorff es auf dem Kamme.des Stanowoi-Gebirges überall häufig fand '). Südlich von der Amur-Mündung dagegen ist das Moschusthier in den Gebirgen der Meeresküste allenthalben verbreitet. Am Amur-Limane kannten es die Giljaken als ein häufiges .Thier der dortigen Gebirge, wofür mir auch der Umstand zu sprechen schien, dass ich im Dorfe Tschomi eine Menge von Fussknochen dieses Thieres sah, die den giljakischen Knaben zum Spielzeuge dienten. Noch weiter südwärts, an der Meerenge der Tartarei soll das Moschusthier, nach Angabe der Eingeborenen, im Gebirge der Küste und an den dort einmündenden Flüssen, dem Tumdshi u. a., so weit ihre Kenntnisse reichten, d. i. bis über die Bai Hadshi nach Süden hinaus, häufig vor- kommen. Endlich ist das Moschusthier auch auf der Insel Sachalin verbreitet. Ausdrück- lich gaben mir aber die Giljaken beider Küsten an, dass es nur im hohen, waldreichen Gebirge im Innern der Insel zu finden sei, den niedrigeren und oft waldlosen Meeresküsten hingegen fehle. Auch kannten es die Giljaken an den Quellen des Tymy-Flusses im Innern

4) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 118.

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Moschus moschiferus. Cervus Capreolus. 163

Sachalin’s aus ihrer nächsten Umgegend. Desgleichen ist mir durch zuverlässige Mittheilung von Augenzeugen bekannt, dass der russisch - amerikanischen Compagnie in ihrer im Winter 1853 zeitweise errichteten Handelsstation in der Bai Aniwa auf Sachalin von den dortigen Aino Moschusthierfelle und Moschusbeutel zum Kaufe gebracht wurden. Dem Gebirge fol- gend, ist also das Moschusthier auf der Insel Sachalin bis zur Südspitze derselben ver- breitet. Weiter südwärts, auf Jesso und den japanischen Inseln scheint es aber nicht mehr vorzukommen, da wir sonst durch Siebold von diesem des Moschus wegen gewiss auch den Japanesen bekannten Thiere Nachrichten erhalten hätten. Seine Verbreitung nach Sachalin scheint also nur durch die grosse Nähe dieser gebirgigen und waldigen Insel zum Continente am Amur-Limane vermittelt worden zu sein.

54) Cervus Capreolus L.

Bei den Giljaken’ des Continentes: kighu, « « Mangunen, Ssamagern, Golde unterhalb des Ussuri: giwu. « « Golde oberhalb des Ussuri, Kile am Kur: giutscha. « « Biraren: gewischa. « « Monjagern und Orotschonen: giwischan. « « Dauren: djura.

Beianntlich hat Pallas das sibirische Reh, welches er anfangs als besondere Art, C. Py- gargus, vom europäischen C. Capreolus unterschied '), später mit diesem letzteren als Varietät wieder vereinigt ’). Seitdem sind jedoch diese Formen von mehreren Seiten her und nament- lich durch Brandt, Bonaparte, Sundevall u. a. wiederum specifisch getrennt worden, eine Trennung, die sich aber bei wachsender Erfahrung über diese Formen nicht zu bestätigen scheint. So musste Middendorff, nach Vergleichung des sibirischen Rehes mit dem europäi- schen, für die Identität derselben sich erklären °). Zu demselben Resultate führt uns eine Ver- gleichung des Amur-Rehes mit der sibirischen und europäischen Form. Prüft man nämlich das Amur-Reh auf die zwischen diesen Formen angeblich specifisch unterscheidenden Cha- raktere, so hält es schwer zu bestimmen, zu welcher derselben es eher zu rechnen sei, da sich an ihm die Charaktere beider Formen mehr oder weniger durcheinander finden. Im All- gemeinen ist ©. Pygargus von grösserem Wuchse und hellerer Färbung als C. Capreolus. Letz- teres Moment scheint nur auch den Amur- Exemplaren eigen zu sein. Das Sommerfell ist nämlich röthlichgelb, auf dem Rücken dunkler, an den Seiten und zum Bauche hin heller, schmutzig weisslichgelb; das Winterfell ist gelblichgrau, in der Mittellinie des Rückens dunk- ler, bräunlichgrau. Dabei ist aber die Zeichnung des ganzen Thieres und namentlich auch sei-

l) Pallas, Reise durch verschied. Prov. des russ. Reiches. I. p. 97 u. 453. 2) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 219. 3) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 118.

164 Säugethiere.

nes Kopfes genau wie am europäischen Thiere beschaffen, so dass es hier auch keiner wieder- holenden Erwähnung derselben bedarf. Will man daher das Amur-Reh, nach dem allgemeinen, helleren Farbentone, zu C. Pygargus rechnen, so kann ich an ihm die Behauptung Sundevall’s, dass C. Pygargus durch einen weiter ausgedehnten, beinahe das ganze Kinn einnehmenden schwarzen Fleck an der Unterlippe von dem europäischen Reh verschieden sei '), nicht bestä- tigt finden. Meine vom oberen und unteren Amur-Strome mitgebrachten Exemplare zeigen vielmehr, mit den europäischen ganz übereinstimmend, nur einen schwarzen oder richtiger braunschwarzen Streifen in der Mitte der Unterlißpe, vor dem Mundwinkel. Zugleich ist aber dieser braunschwarze Fleck an einem meiner Exemplare ziemlich lang ynd etwa 5—6 Millim. breit, an einem anderen dagegen kaum merklich, zum deutlichsten Beweise, dass in diesem variablen Verhältniss überhaupt kein specifischer Unterschied zwischen dem sibirischen und europäischen Reh gesucht werden darf. Daneben haben ferner die Amur- Exemplare einen weissen Rand der Oberlippe, wie das, nach der Bemerkung des Hrn. Akad. Brandt’s ?), dem C. Pygargus zum Unterschiede von C. Capreolus zukommt. Doch dürfte auch dieses Moment zu den variirenden gehören und von keinem artenunterscheidenden Belange sein, da sich der schwarze Streifen, der sich längs der Oberlippe zum Mundwinkel hinzieht, dem Rande der Oberlippe bald mehr und bald weniger nähert. Aehnlich scheint es sich auch mit den Unterscheidungen in Beziehung auf die Form und gegenseitige Stellung der Gehörne von C. Capreolus und C. Pygargus zu verhalten. Schwerlich dürften sich zwei Rehgehörne fin- den, welche in dieser Beziehung einander völlig gleich wären, indem die Richtung und Bie- gung der Hauptstange sowohl wie der Nebensprossen nicht bloss an verschiedenen Indivi- duen, sondern nicht selten auch an den beiden Gehörnhälften eines und desselben Thieres eine mannigfach variirende ist. Es dürfte daher schwer halten nach diesem Merkmale die beiden Formen stets auseinander zu halten, zumal es Gehörne giebt, an denen die Kennzeichen bei- der Formen durcheinander sich finden. Das beweisen z. B. auch die beiden von mir mitge- brachten Rehgehörne vom Amur. Beide sind regelmässige Sechser, eines vom Ussuri, das andere vom oberen Amur stammend. Ersteres entspricht mehr dem Gehörne von (. Capreolus, indem die Hauptstangen einen fast geraden Verlauf haben, mit einer nur geringen Divergenz nach aussen und einer sehr unbedeutenden (an beiden Gehörnhälften übrigens verschiedenen) Biegung oberhalb der ersten Sprosse nach hinten, wobei zugleich auch die Spitzen des Gehör- nes entschieden nach innen gekehrt sind. Das andere Gehörn dagegen trägt unverkennbar die Kennzeichen von ©. Pygargus an sich, indem die Biegung oberhalb der ersten Sprosse nach hinten eine ganz ansehnliche ist und die obersten Spitzen, deren Abstand von einander grösser als derjenige der Hauptstangen in ihrer Mitte ist, nach oben gekehrt sind. Trotzdem beträgt aber an diesem letzteren Gehörne der Abstand der Hauptstangen an ihrer Basis von einander nicht mehr als 10 Millim. oder 3 rheinl. Linien, was ein Charakter von €. Capreolus sein soll. Diese Thatsachen an den Gehörnen und in der Kopfzeichnung der Amur-Rehe scheinen mir

!) Sundevall, Linne’s Pecora. S. Hornschuch, Archiv Skand, Beiträge zur Naturgesch. II. p. 137. 2) Bull. de la classe physico-math6em. de l’Acad. Imp. des sc. de St.-Pelersb. T. III. p. 280.

Cervus Capreolus. 165

daher geeignet zu sein, die spätere Ansicht von Pallas, dass €. Capreolus und C. Pygargus spe- eilisch identische Formen seien, mehr und mehr ausser Zweifel zu stellen. Beide oben erwähnten Rehgehörne vom Amur haben übrigens eine ganz ansehnliche Grösse, indem das eine derselben, vom Ussuri, in gerader Entfernung von der Basis bis zur Spitze etwa 270, das andere, vom oberen Amur, in derselben Dimension etwa 255 Millim. beträgt. Der Schä- del einer erwachsenen Ricke, den ich vom unteren Amur mitgebracht habe, misst vom vor- dersten Ende des Zwischenkieferbeines bis zum Hinterhauptshöcker 216 Millim. Länge.

Was die geographische Verbreitung des Rehes betrifft, so war es durch Pallas im Osten Asien’s bis nach Daurien und zur Lena bekannt '). Middendorff lehrte es weiter ost- wärts, in einem Theile des linken Amur-Ufers und nordwärts bis zum Stanowoi Gebirge kennen; am Amur-Strome sollte es namentlich je weiter nach Süden, desto häufiger vorkom- men). Von der Richtigkeit dieser Angabe habe ich Gelegenheit gehabt mich durch eigene Er- fahrung zu überzeugen. Denn obgleich das Reh fast am gesammten Amur-Strome, mit allei- niger Ausnahme der Mündung desselben, vorkommt, so ist es doch nirgends so häufig wie in der südlichsten Biegung desselben. Bereits im oberen Laufe des Amur-Stromes ist das Reh ein häufiges Thier und ein Hauptgegenstand der Jagd bei den dortigen nomadischen Völkern, den Orotschonen und Monjagern. Die gebirgige Beschaffenheit des Landes am oberen Amur, die gemischte Waldung, die vielen oflenen Grasplätze, die mit den felsigen Ufern längs dem Strome abwechseln, bieten dem Reh ein sehr günstiges Terrain zum Aufenthalte dar. Im Herbst zumal steigt es dort häufig aus dem Gebirge auf die offenen Grasplätze und bis an die Stromufer herab, um, wo es auf der anderen Seite ein besseres Terrain findet, auch den Strom zu durchschwimmen. Mir selbst ist es auf meiner Flussreise zweimal begegnet das Reh bei solcher Gelegenheit zu überraschen und das einemal, am 30. Aug. (11. Sept.), oberhalb der Komar-Mündung einen alten Rehbock, das andremal, am 15. (27.) Sept., unterhalb des Po- stens von Kotomandu eine Schmalricke mitten im Amur-Strome zu erbeuten. Der Herbst ist auch die Zeit der meisten Rehjagd bei den dortigen Eingeborenen. Die Monjagern und Orotschonen, durch deren Gebiet wir zu dieser Jahreszeit kamen, fanden wir daher durchweg mit dieser Jagd beschäftigt und von ihren temporären Zelten am Amur zumeist abweseud, wo inzwischen die Familien der Jäger vom Fleische der bereits erbeuteten Thiere zehrten. Ausser dem Fleische muss aber die ergiebige Herbstjagd den Eingeborenen auch die zur Kleidung nöthigen Rehfelle liefern. Alle Pelze der Art, die man bei den dortigen Eingebo- renen und durch deren Vermittelung auch bei den Mandshu und Chinesen findet, sind da- her stets aus Fellen im röthlichgelben Sommerhaar dieses Thieres verfertigt. Noch häufiger wird das Reh weiter abwärts am Amur-Strome im Gebiete der Biraren, gegen die Mündung der Bureja hin, wo Hügelzüge mit Laubholzwaldung die Prairie durchschneiden und auch einzelne Zweige vom Bureja-Gebirge den Ufern des Amur-Stromes sich nähern. Bei den Biraren spielt es daher vollkommen dieselbe Rolle wie bei den Monjagern oberhalb. Des-

!) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 220. 2) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. 119.

166 Säugethiere.

gleichen kommt das Reh häufig in den mit Laubholz bewachsenen Abfällen des Bureja- Ge- birges und in den kleineren Gebirgszügen der Prairie unterhalb desselben vor. Am Ussuri gaben mir die Golde das Reh als ein allgemein und bis zum oberen Laufe dieses Stromes verbreitetes Thier an. Nicht minder bleibt es auch am unteren Amur-Strome bis zur Gorin- Mündung und an seinen Zuflüssen bis dahin, am Kur, Ssedsemi, Päch’ssa, Naiche- und Chongar-Flusse ein häufiges Thier. Wie oberhalb, so ist es auch dort bei den Eingeborenen, den Golde am Amur, den Ssamagern am Gorin u, a. m., ein beliebtes Jagdthier, dessen Fleisch ihnen zur Nahrung, das Fell aber zur Kleidung beitragen muss. Doch wird man in diesem Theile des Stromes stets nur das Winterfell des Rehes zu diesem Zwecke benutzt fin- den, da dort der Winter allein den Eingeborenen zur Jagd dient, der Herbst hingegen noch mit Fischfang verbracht wird. Unterhalb der Gorin- Mündung, wo die Laubholzwaldung am Amur rasch abnimmt, wird das Reh viel seltner, kommt aber noch im gesammten Gebiete der Mangunen, am Amur und dessen Zuflüssen, am Chelasso, Jai u,a.m. vor, Erstim Ge- biete der Giljaken erreicht es im Gebirge bei den Dörfern Tylm und Tyr seine Nordgränze. Die Eingeborenen in diesen Dörfern gaben mir ausdrücklich an, dass das Reh unterhalb die- ser Orte am Amur nicht mehr vorkomme. Dasselbe bestätigten auch die Giljaken der unter- halb gelegenen Dörfer bis zur Amur-Mündung hin. Ferner stellten mir auch die Giljaken an der Südküste des Ochotskischen Meeres gleich nördlich vom Amur-Limane das Vorkom- men des Rehes in ihrer Umgegend entschieden in Abrede, Auch habe ich während meines Aufenthaltes im Nikolajewschen Posten bei den Giljaken der Amur-Mündung niemals von einem bei ihnen erlegten Reh gehört: Dem entsprechend endlich hat das Reh bei den Gilja- ken auch nur eine giljakisirte tungusische Bezeichnung, Es bleibt also das Mündungsland des Amur-Stromes von der Verbreitung des Rehes ausgeschlossen, Seine Nordgränze am Amur betreflend, muss aber noch erwähnt werden, dass sie bei den oben genannten Dörfern Tylm und Tyr zugleich auch an der Mündung des von links in den Amur fallenden Amgunj-Flus- ses liegt, an welchem auch Middendorff noch das Vorkommen des Rehes angiebt, Midden- dorff nennt jedoch das Reh auch noch eine geraume Strecke nördlicher, am Gallam, einem rechten Zuflusse des Udj, wo es freilich nur selten sein soll '), Es scheint hier daher di® Polargränze des Rehes, welche weiter westwärts, den Erfahrungen Middendorff's zufolge, längs dem Stano woi-Gebirge verläuft und dieses nach Norden nicht überschreitet, in diesem östlichen Theile sich plötzlich stark nach Süden zu senken, indem sie vom Gallam-Flusse, in etwa 541° n. Br., zur Amgunj-Mündung am Amur-Strome, in etwa 53° n. Br., gezogen werden muss. Diese Senkung der Polargränze des Rehes nach Süden setzt sich nun auch wei- ter ostwärts vom Amur-Strome fort, indem das Reh an der Meeresküste, den Aussagen der Eingeborenen zufolge, weder am Amur-Limane noch am nördlichsten Theile der Meerenge der Tartarei vorkommt, sondern erst südlich von der Bai de Castries, in etwa 51° n, Br,, beginnt, Vielleicht dürfte man diese Erscheinung mit dem sehr ausschliesslichen Vorherrschen ausgedehnter nnd geschlossener Nadelholzwaldungen im Mündungslande des Amur - Stromes

!) Middendorff, Sibirische Reise. I. c. p. 119.

Cervus Capreolus. €. Tarandus. 167

und an der Meeresküste in causale Verbindung bringen. Damit im Einklange steht end- lich auch das Fehlen des Rehes auf der Insel Sachalin. Es ist mir dort von den Giljaken beider Küsten und des Innern auf wiederholtes Nachfragen entschieden in Abrede gestellt worden, und nie habe ich selbst irgend welche Spuren von dem Vorkommen desselben auf der Insel gefunden. Bekanntlich wird uns das Reh von Siebold auch für die japanischen Inseln nicht genannt. Es scheint daher die Verbreitung desselben im Osten Asien’s auf das Festland sich zu beschränken und die anliegenden Inseln nirgends zu berühren.

55) Cervus Tarandus L.

Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: ischalangai. «u « des Innern und der Ostküste von Sachalin: tang:. « « Oroken von Sachalin:

das wilde Rennthier: hıru und s’iru. das zahme Rennthier: oro und ulja (d. h. der Gute). « « Mangunen, Golde unterhalb des Ussuri, Ssamagern: das wilde Rennthier : hiru, hirun und s’iru. das zahme Rennthier : oro und oron. « « Golde oberhalb des Ussuri, Kile am Kur: ıru. « « Biraren: das erwachsene Thier: oro. das junge Thier: yngnekan. « « Monjagern und Orotschonen: oron.

Das Rennthier muss für das Amur-Land in doppelter Beziehung nahmhaft gemacht wer- den, da es einmal wild über einen ansehnlichen Theil desselben verbreitet ist, und dann auch im gezähmten Zustande, als Hausthier, bei mehreren seiner Völker im Gebrauche steht.

Was zunächst die Verbreitung des wilden Rennthieres im Amur-Lande betrifft, so ist dieselbe schon mehrfach früher, bei Besprechung der Verbreitung des Vielfrasses und des Wolfes (s. oben), für die das Vorkommen des Rennthieres hauptsächlich bestimmend und maassgebend zu sein scheint, in ihren Hauptzügen berührt worden. Im Amur-Lande ist das Rennthier eine Charakterform seines nördlichsten Theiles, des Küstengebietes und der Amur- Mündung, von welcher die übrigen Hirscharten mehr oder weniger südlich zurückbleiben. In der grössten Häufigkeit kommt es namentlich im nördlichen Theile der Insel Sachalin, an der Südküste des Ochotskischen Meeres und am Amur-Limane vor, wo die nordische Na- delholzwaldung einen grossen Reichthum an Flechten und Moosen aufzuweisen hat und theil- weise auch moorige, nackte oder nur von krüppeligen Lärchen bewachsene Niederungen längs der Küste sich ausbreiten. Auf meinen Winterreisen habe ich dort fast täglich einzelne Indi-

168 Säugelhiere.

viduen oder grössere und kleinere Rudel von Rennthieren an den Küsten der Insel und des Continentes gesehen und auch die Schneedecke des Limaneises von zahlreichen Rennthier- spuren durchkreuzt gefunden. Auf der Insel Sachalin geht das Rennthier,, dem Gebirge des Innern folgend, bis nach der Südspitze derselben, in etwa 46° n. Br. hinab, wo es von den Aino noch häufig erlegt werden soll. An der Küste des Festlandes ist das Rennthier bis zur Bai Hadshi in 49° n. Br., wo noch ausgedehnte Nadelwälder bis an die Meeresküste sich erstrecken, nicht selten und soll nach Angabe der Eingeborenen auch weiter südwärts noch zu finden sein, Am Amur-Strome dagegen wird es durch das Vordringen einer südliche- ren Vegetation weiter nach Norden, als es an der Meeresküste der Fall ist, früher von den Stromufern verdrängt und auf das höhere Gebirge landeinwärts gebannt. Während es daher im Mündungslaufe des Amur-Stromes bis an die unmittelbaren Ufer des Stromes vorkommt und von den Giljaken noch bisweilen während des Uebersetzens über den Strom erlegt wird, zieht es sich schon unterhalb Kidsi, im Gebiete der Mangunen, in das höhere Gebirge ab- seits vom Strome zurück. Längs dieser Gebirge breitet es sich nun weiter südwärts aus und kommt sowohl am Jai, Tumdshi und Chongar östlich vom Amur, als auch am Gorin westlich von demselben vor. Die Mangunen und Golde am Amur und die Ssamagern am Gorin wussten mir von dieser Verbreitung des Rennthieres im Gebirge, wo sie es im Winter bisweilen erlegen, oft zu erzählen; niemals aber soll es in diesen Breiten am Amur-Strome selbst sich finden, In solcher Weise kommt das Rennthier, nach Aussage der Eingeborenen, bis zum Geong-Gebirge nach Süden vor. Südlicher von diesem aber wurde es mir von denGolde am Amur und Ussuri auch für das Gebirge in Abrede gestellt. So sollte es namentlich auch im Chöchzier-Gebirge an der Mündung des Ussuri nicht mehr vorkommen. Wir können hier daher die Aequatorialgränze der Verbreitung des Rennthieres mit dem Geong-Gebirge, in etwa 49° n.Br. annehmen, Nach Westen von dort, am linken Amur-Ufer bildet das ungefähr in gleicher Breite gelegene Wanda-Gebirge, wo das Rennthier noch vorkommt, ebenfalls die Südgränze desselben. Wie weit es im Bureja-Gebirge nach Süden geht, ist mir unbekannt, doch muss ich durchaus bezweifeln, dass es dort den das Gebirge durchbrechenden Amur- Strom erreiche, da es den nomadischen Biraren, die ich an der Bureja-Mündung am Amur- Strome antraf, nur dem Namen nach bekannt war. Auch führt Middendorff an, dass es an den Quellzuflüssen der Dseja, südlich vom Stanowoi-Gebirge, nicht leicht über den Gebirgs- zweig Tukuringra, ungefähr in 54°n, Br., nach Süden vorkomme. Dort drängt ohne Zwei- fel die an der Dseja weit nordwärts sich ausdehnende Prairie die Aequatorialgränze des Rennthieres nach Norden zurück. Erst im oberen Laufe des Amur-Stromes, oberhalb der erwähnten Prairie, kommt das Rennthier mit dem Gebirge wiederum bis an den Amur-Strom vor und wird von den Monjagern und Orotschonen, wenn auch viel seltner als die übri- gen Hirscharten, erlegt, Ja dort soll bekanntlich, einer Angabe von Pallas ') zufolge, das Rennthier auch südlich vom Amur-Strome, im Chingan-Gebirge, das zwischen dem Amur und dem Naun-Flusse sich hinzieht, noch vorkommen eine Angabe, die wir zu bezweifeln

!) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p, 208,

Cervus Tarandus. 169

keinen Grund haben. Dieses Gebirge liegt ziemlich in demselben Breitengrade wie das Wanda- und Geong-Gebirge im unteren Amur-Lande. An beiden Orten aber bleibt die Aequatorial- gränze des Rennthieres,, mit ihrer Lage an der Meeresküste und auf der Insel Sachalin ver- glichen, nach Norden zurück. Den anderen Hirscharten entgegengesetzt, dringt also das Renn- thier im Küstengebiete des Amur-Landes in südlichere Breiten als im Innern Ostasiens vor, eine Erscheinung , die gewiss mit der weiteren Erstreckung eines nordisch-maritimen Kli- ma’s und Vegetationscharakters längs den Küsten des Amur-Landes nach Süd im Zusam- menhange steht.

Im gezähmten Zustande, als Hausthier,, spielt das Rennthier im Amur-Lande eine nur unbedeutende Rolle, da es es bei sehr wenigen der dortigen Völker sich findet. Zunächst ist hier der nomadischen Tungusen zu erwähnen, welche bisweilen, und namentlich im Winter und ersten Frühjahr, mit ziemlich zahlreichen Rennthierheerden, aus den Gegenden am Udj und Tugur kommend, dem Amur-Strome sich nähern und an den sogenannten Seeen Tschlja, Orellj u.a., welche zumeist nur flache und weite Buchten des Amur-Stromes sind, wie auch an der Südküste des Ochotskischen Meeres bis in das Gebiet der Giljaken hin- ein ihre zeitweisen Sitze nehmen. In den Jahren meines Aufenthaltes an der Amur-Mündung wurden diese Züge der Rennthier-Tungusen, welche zu dem Zwecke eines Handels mit den sesshaften Amur- Völkern geschehen, noch durch die Anwesenheit der Russen in dem nahen Nikolajewschen Posten besonders begünstigt. Auch hatten einzelne dieser Tungusen con- tractmässig die Lieferung von zahlreichen Rennthieren zur Nahrungsversorgung der russischen Mannschaften am Amur, so wie die Beförderung der Post übernommen, welche sie mit Hülfe ihrer Rennthiere von der Amur-Mündung nach den Orten Udskoi-Ostrog und Ajan be- sorgten. Ungleich wichtiger für die Culturverbreitung des Rennthieres im Amur- Lande als diese nur den Mündungstheil des Amur-Stromes berührenden Tungusen sind die auf der Insel Saehalın mit Hülfe von Rennthieren nomadisirenden Oroken. In dem Umfange, wie wir das Amur-Land betrachten, d. h. mit Hinzuziehung zu demselben auch der Meeresküste und der Insel Sachalin, sind die Oroken die einzigen Rennthiernomaden, denen wir stetig in demselben begegnen. Obgleich zum tungusischen Stamme gehörig, bei dem das Rennthier in der Regel nur zum Reiten dient, weichen die Oroken darin von ihren Stammgenossen ab, dass sie das Rennthier nicht als Reit-, sondern als Zugthier gebrauchen, gleich wie es die Korjaken, Ssamojeden, Lappen u. a. Völker des Nordens thun. Dabei gestattet ihnen aber die bergige und waldige Beschaffenheit ihres Landes nur während des Winters ihre Wanderungen mit Hülfe von Rennthieren zu unternehmen; im Sommer hingegen sind sie zu einer mehr oder minder sesshaften, auf Fischfang angewiesenen Lebensweise genöthigt. ‘Das Gebiet der Oroken und mit ihnen also auch die Culturheimath des Rennthieres auf Sachalin erstreckt sich über einen Theil der Ostküste der Insel, von dem Golfe der Ge- duld im Süden bis über die Bai Nyi nach Norden hinaus, d. i. ungefähr von 494 bis 521° nördl. Breite. Innerhalb dieser Gränzen bieten den Oroken namentlich die Thäler der von

ihren Quellen an nach SO und NO divergirenden Flüsse Ty und Tymy die hauptsächlichsten Schrenck Amur-Reise Bd. 1. 22

170 Säugethiere.

Bahnen zu ihren winterlichen Wanderungen dar. Einmal im Jahre jedoch, im December oder Januar, wenn der Amur-Liman sich mit Eis bedeckt hat, überschreiten die Oroken ihre ge- wöhnlichen Gränzen und ziehen des Handels wegen in ansehnlicher Anzahl von der Insel nach dem Festlande hinüber, dieselbe Route befolgend, welche ich auf meinen Winterreisen in den Jahren 1855 und 56 gegangen bin. Ihre von Rennihieren bespannten Schlitten überschreiten alsdann die Gebirge im Innern Sachalin’s von den Tymy-Quellen nach der Westküste der Insel bei Arkai und Mgatsch, folgen dieser Küste nordwärts bis zum Dorfe Poghobi am Amur-Limane, durchschneiden dann den Amur-Liman nach dem Dorfe Tymi und der Mündung des gleichnamigen Flusses und gehen endlich an diesem letzteren aufwärts bis zum Gebirge, welches sich zwischen dem Amur-Limane und Amur-Strome hinzieht. Dort auf der Höhe des Gebirges pflegen einige der Oroken mit den Rennthieren zurückzubleiben, während andere auf hundebespannten Schlitten, welche jeden Rennthierzug begleiten, nach dem Amur- Thale zu den Mangunen und den zeitweise bei diesen sich aufhaltenden chine- sischen Kaufleuten hinabsteigen. Wie wir daher oben das Rennthier mit den Tungusen als Reitthier dem Amur-Strome von Nord und West sich nähern sahen, so rückt es hier mit den Oroken als Zugthier von Ost und Süd an den Strom hinan, ohne jedoch denselben auch hier ganz zu erreichen. Dies sind denn auch die beiden einzigen Völker des Amur-Landes, bei denen das Rennthier eine Culturheimath gewonnen hat. Nirgends sonst begegnen wir ihm im Amur-Lande. Nur eine Tradition soll sich bei mehreren seiner tungusischen Stämme, z. B. den Mangunen und Golde, erhalten haben, laut welcher dieselben in früheren, längst ver- gangenen Zeiten zahlreiche Rennthierheerden besessen und mit deren Hülfe eine nomadische Lebensweise geführt hätten, bis eine verderbliche Seuche die Heerden gelichtet und zerstört und die Nomaden somit zum Fischfang und zur festen Ansiedelung am Strome gezwungen habe. Vielleicht dürfte auch der Umstand, dass wir bei allen unteren Amur-Völkern tungusi- schen Stammes, ob diese gleich gegenwärtig das Rennthier nur im wilden Zustande kennen, dennoch eine verschiedene Bezeichnung für das wilde und das gezähmte Rennthier finden, auf einen solchen Wechsel in ihrer Lebensweise, wie ihn die Tradition angiebt, hindeuten. Warum wäre sonst eine solche besondere Bezeichnung für das gezähmte Rennthier nur bei den tun- gusischen Stämmen am Amur und nicht auch bei den Giljaken zu finden, welche gegen- wärtig, als nächste und unmittelbare Nachbarn jener zum Theil sogar durch ihr Gebiet wan- dernden Rennthiernomaden, mit dem gezähmten Thiere ohne Zweifel viel bekannter als die entlegeneren tungusischen Stämme am Amur sein müssen?

56) Cervus Elaphus L. Bei den Giljaken: boischa.

« « Mangunen: butscha. « « Golde unterhalb des Ussuri, Ssamagern: bozza. « « Golde oberhalb des Ussuri, Kile am Kur, Biraren, Orotschonen: komaka.

Cervus Elaphus. sr

Bei den Monjagern: buy. « « Dauren: bugho.

Wie Pallas '), Eversmann °), Middendorff °) u. a. vom sibirischen Hirsche bemer- ken, so ist auch der Edelhirsch des Amur-Landes im Vergleich zum europäischen von grös- serem Wuchse und, wie ich nach den von mir im Amur-Lande beobachteten und zuni Theil mitgebrachten Fellen schliessen möchte, zugleich von hellerer und mehr grauer Färbung des Sommer- wie des Winterfelles als jener. Das Sommerfell eines noch ziemlich jungen Thie-

res, das ich am oberen Amur-Strome oberhalb der Kom ar-Mündung erhalten habe, ist näm- lich von gelblichgrauer Farbe, auf dem Rücken dunkler, bräunlichgrau, an den Seiten und nach dem Bauche heller, fast rein grau mit schwacher gelblicher Einmischung. Diese Fär- bung entsteht durch ein Verbleichen der gelblichen Tinte an den einzelnen Haaren: diese sind nämlich auf dem Rücken an ihrer Basis bräunlichgrau, dann gelb und an der Spitze schwärz- lich. Die gelbe Farbe macht aber, von dem Rücken nach dem Bauche zu rasch verblassend, einer weisslichen Farbe mehr und mehr Raum, wobei zugleich auch die dunkle Farbe der Haarspitze sowohl wie der Haarbasis mehr und mehr verblasst, und abnimmt und die weiss- liche Farbe auch auf deren Kosten überhand nimmt. Gleichzeitig ist jedoch an diesem Som- merfell des Edelhirsches vom Amur der Spiegel um die Schwanzgegend von intensiv röthlich- gelber Farbe, mit braungrauer, nach hinten zu allmählig dunklerer und zuletzt schwarzbrauner seitlicher Einfassung und einem schwärzlichen Fleck in der Mitte. Das von mir mitge- brachte Winterfell des Edelhirsches stammt vom Gorin-Flusse her. Es gehört einem Zwölf- ender und ist von ansehnlicher Grösse. Der Hals dieses Thieres ist von gelblich-graubrauner Farbe, nach unten zu dunkler, schwärzlichbraun. Der Rumpf ist gelblichgrau, längs der Mittel- linie des Rückens dunkler bräunlich, nach den Seiten zu rasch verblassend, hellgelblichgrau. Die Unterseite ist gelbliehbraun, nach der Mitte zu dunkler, bis schwarzbraun. Der Spiegel um die Schwanzgegend ist röthlichgelb, heller als am Sommerfell, mit ziemlich heller, bräunlicher, nur am hinteren Ende dunklerer, schwarzbrauner Einfassung. Die erwähnten, stellenweise helleren und dunkleren Schattirungen in der Färbung des Winterfelles sind durch ein ähnliches Verhal- ten in der Zeichnung der Deckhaare wie am Sommerfelle bedingt. Die Deckhaare sind nämlich in der Mittellinie des Rückens dunkel-braungrau mit gelblichem Bande unterhalb ihrer schwärz- lichen Spitze. Nach den Seiten zu verblasst aber die gelbliche Farbe mehr und mehr zum Weisslichen und breitet sich über ein längeres Stück des Haares auf Kosten der braungrauen Farbe der Haarbasis aus, welche zugleich eine hellere graue Farbe gewinnt. Allenthal- ben ist das Winterfell mit grauem, am Halse und in der Mittellinie des Rückens dunklerem, an den Seiten hellerem Wollhaare bedeckt. Das Geweih dieses Edelhirsches vom Gorin trägt, wie erwähnt, jederseits 6 Enden und zeigt die ungewöhnliche, übrigens auch an europäischen Thieren vorkommende Bildung einer fehlenden Krone, indem an Stelle derselben nur eine

Y) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 217. 2) Bullet. de la Soc. Imp. des Natural. de Moscou. T. XXI. 1848. No. 1. p. 197. 3) Sibirische Reise. 1. c. p. 120.

1 Säugethiere.

doppelte, in ungleicher Höhe statthabende Gabelung der Hauptstange oberhalb ihrer Mittel- sprosse eintritt, wobei zugleich die beiden Endgabeln unter einander in einer und derselben Fläche, gegen die Gabel an der Mittelsprosse aber gehalten, in verschiedenen Flächen liegen. Seit Pallas wusste man von der Verbreitung des Edelhirsches ostwärts bis nach Dau- rien, dem Witim und der Lena’). Ueber diese Gränzen hinaus machte uns Middendorff ’) mit der Verbreitung desselben durch die nördliche Mandshurei bekannt, indem er das Sta- nowoi- oder Gränzgebirge der Mandshurei als Polargränze des Edelhirsches nachwies und von dem Vorkommen desselben am Inkanj und Kebeli, oberen Zuflüssen des Ssilimdshi und der Burej a, Nachrichten mitbrachte. Es bleibt mir daher nur übrig die Verbreitung des Hirsches noch weiter ostwärts, im unteren Amur-Lande und das Vorkommen desselben am Amur-Strome selbst zu besprechen. Am gesammten oberen Amur ist der Edelhirsch nicht min-. der häufig als das Reh und giebt seiner grösseren Nützlichkeit wegen in noch höherem Maasse ein Hauptjagdthier der dortigen Eingeborenen, der Orotschonen, Monjagern und Biraren ab. Im Herbst, während meiner Reise am oberen Amur, habe ich fast allabendlich entweder das laute Schreien dieses Thieres, oder aber den einförmigen Lockton der ihm nachstellenden Jä- ger durch die Waldung am Strome schallen hören. So oft ich aber mit den oben erwähnten Eingeborenen selbst zusammentraf, hatte ich stets Gelegenheit die hohe Bedeutung, die der Edelhirsch für ihren Haushalt hat, zu erkennen. Denn nicht bloss, dass das Fleisch desselben, frisch oder getrocknet, ihnen mit zur hauptsächlichsten Nahrung, das Fell aber, kunstvoll zum Leder gegorben, zur vornehmlichsten Kleidung dient, sondern es bieten ihnen auch noch das Hirschleder sowohl wie auch das frische, noch unverhärtete Geweih dieses Thieres die wichtigsten Artikel zum Handel mit den Mandshu, Chinesen und Russen dar. Letzteres zumal (bei den Mandshu und Dauren punto und funto, bei den tungusischen Eingeborenen des Amur-Landes, den Golde, Mangunen u. a. puntu genannt) giebt einen sehr geschätzten Gegenstand ab, weil es von den Chinesen und darnach auch von den Eingeborenen des Amur-Landes selbst für ein höchst wirksames Confortativ gehalten wird. Ausserdem dienen den Eingeborenen der Edelhirsch und das Elenn, neben den Pelzthieren, auch zur Zahlung des Tributes an die Chinesen, während das kleinere Reh von letzteren nicht angenommen wird. Geringere Bedeutung hat der Edelhirsch bei den Eingeborenen unterhalb des Bureja-Gebirges, deren Lebensweise mehr und mehr eine ichthyophage wird und denen zur Tributzahlung und zum Handel ein grösserer Reichthum an Pelzthieren und namentlich an Zobeln zu Gebote steht. Dennoch ist €. Elaphus am Amur-Strome unterhalb des Bureja-Gebirges noch über eine geraume Strecke hin die vorherrschende Hirschart. In diesem Stromtheile, nahe der Us- suri-Mündung und unterhalb derselben, habe ich oft zahlreiche Hirschspuren auf den niedri- gen, mit Weiden und hohem Grase bewachsenen Inseln des weit ausgebreiteten Stromes gese- hen. In der That soll der Hirsch, den Angaben der Eingeborenen zufolge, diese Inseln sehr gern besuchen und zu diesem Zwecke die breiten Arme des Stromes durchschwimmen,

!) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiatı I. p. 217. 2) Sibir. Reise. 1. c. p. 121.

Cervus Elaphus. C. Alces. "173

wobei er oft von den Eingeborenen überrascht und erlegt wird. Etwa bis zur Mündung des Chongar-Flusses ist der Edelhirsch am Amur-Strome und dessen beiderseitigen Zullüs- “sen häufig ; alsdann aber wird er, vielleicht in Folge zunehmender Nadelholzwaldung und des hohen Schneefalles im Winter, seltner, erreicht jedoch noch die Mündungen des Gorin-Flus- ses am linken und des Chelasso am rechten Amur-Ufer. Vom Gorin habe ich selbst das oben erwähnte Fell und Geweih dieses Thieres mitgebracht. Bis zum Chelasso , ungefähr in 51° n. Br., lauteten die weitesten Angaben, die ich von den Golde und Mangunen über die Verbreitung des Edelhirsches gehört habe. Weiter unterhalb im Amur-Lande sind mir von den Mangunen und Giljaken stets nur verneinende Angaben über den Hirsch ertheilt worden und niemals habe ich selbst Spuren von dem Vorkommen desselben zu Gesichte be- kommen. Bei den Giljaken, von deren Gebiete der Edelhirsch ganz ausgeschlossen bleibt, trägt er daher auch nur einen fremden, von den tungusischen Nachbarvölkern entlehnten Na- nen, dessen allgemeinere Kenntniss wohl nur der auch bei ihnen renommirten Eigenschaft der Hirschgeweihe zuzuschreiben ist, ob diese gleich‘ nur sehr selten bis zu den Giljaken selbst gelangen. Die grosse Zahl und Uebereinstimmung obiger Angaben der Eingeborenen lassen mich die erwähnte Polargränze der Verbreitung des Hirsches am Amur, die Mündung des Chelasso, für eine zuverlässig bestimmte halten. Ostwärts von ihr, zur Meeresküste hin gaben mir’ die Eingeborenen den Edelhirsch am Jai, Tumdshi und an der Meeresküste, an letzterer jedoch nicht eher als ein paar Tagereisen südwärts von der Bai de Castries an. Vergleicht man diese Punkte der Polargränze des Hirsches im unteren Amur-Lande mit den weiter westwärts durch Middendorff ermittelten nördlichsten Punkten seiner Verbreitung, so liegen sie sehr ansehnlich südlicher als letztere. Auch in der Verbreitung des Edelhirsches findet also wie beim Reh eine starke Senkung der Polargränze im unteren Amur-Lande statt, eine Erscheinung, die wahrscheinlich ebenfalls mit der schon erwähnten raschen Zunahme nordischer Nadelholzwaldung im unteren Amur-Lande unterhalb der Gorin- Mündung und dem höheren winterlichen Schneefall in diesem Theile des Amur-Landes zusammenhängen dürfte. Gleich dem Reh bleibt endlich auch der Edelhirsch auf das Festland Ostasiens be- schränkt und geht, nach einstimmigen Aussagen der Giljaken von Sachalin, niemals auf diese Insel hinüber. Desgleichen scheint er, nach Siebold’s Angaben, auch auf den japani- schen Inseln zu fehlen und dort durch eine besondere, kleinere Art, Cervus Sika Temm., er- setzt zu sein.

57) Cervus Alces L. Bei den Giljaken: toch. « « Mangunen, Ssamagern, Golde unterhalb des Ussuri: to und duju (d. h. das Thier). - « « Orotschen an der Meeresküste, Kile am Kur, Golde oberhalb des Ussuri: toke. « « Biraren, Monjagern, Orotschonen: ioke und bojun. « « Dauren: chandaga.

174 Säugelhiere.

Schon Pallas gab an, dass das Elennthier in den Gegenden am Uth-Flusse, so weit es dort Waldungen gebe, zu finden sei D); Middendorff traf es in grosser Anzahl am Stano- woi-Gebirge und erfuhr auch von seinem sehr zahlreichen Vorkommen am linken Ufer des Amur-Stromes südöstlich vom Tugur?), also nahe der Amur-Mündung. Von diesem Punkte im Norden des Amur-Landes ausgehend, können wir nun das Elennthier noch über eine ge- raume Strecke nach Süden verfolgen, indem es in der That fast das gesammte, wald- und sumpfreiche Amur-Land bewohnt. In der grössten Zahl kommt es namentlich im unteren Laufe des Amur-Stromes vor, wo die ausgedehnten, dichten, anfangs fast ausschliesslich aus Nadelholz bestehenden, weiter stromaufwärts mit Laubholz gemischten, oft moorigen und sumpligen Wälder dem Elennthiere das günstigste Terrain darbieten. Beim Nikolajewschen Posten an der Amur-Mündung habe ich selbst das Elennthier in den Wäldern der nächsten Umgegend zu wiederholten Malen getroffen. Im Herbst 1854, am 24. Sept. (6. Oct.), wurde dort vor meinen Augen ein Thier erlegt, das aus dem Walde mitten auf den Posten herausge- kommen war und über den Strom zu schwimmen im Begriffe stand. Dieses Thier, dessen Fell und Schädel ich mitgebracht habe, war ein Gabelhirsch, der bereits das heller braune Herbstkleid angezogen hatte. Dennoch muss ich bemerken, dass das Elennthier an der Mün- dung des-Amur-Stromes minder häufig ist als eine Strecke aufwärts, noch im unteren Lauf des Stromes, und dass es namentlich das niedrigere und landeinwärts ebenere linke Amur- Ufer in grösserer Zahl als das höhere, gebirgige rechte Ufer und die Meeresküste zu bewoh- nen scheint, Gleichwohl kommt,es auch an der Meeresküste, am Amur-Limane sowohl wie an der Meerenge der Tartarei bis über die Bai Hadshi nach Süden vor. Auflallend ist es aber, dass es der Insel Sachalin, zum wenigsten der nördlichen Hälfte derselben, den aus- drücklichen Aussagen der Giljaken beider Küsten und des Innern der Insel zufolge, gänzlich fehlt. Sollten wir daher Recht haben die’ursprünglichen Wohnsitze der Giljaken, wie oben erwähnt worden, auf der InselSachalin zu vermuthen, so dürfte das Fehlen des Elennthieres auf dieser Insel vielleicht auch der Grund sein, wesshalb wir bei den Giljaken für dieses Thier keine eigene, ächt giljakische, sondern nur eine von ihren tungusischen Nachbaren erborgte und giljakisirte Bezeichnung finden. Jedenfalls kommt, wie gesagt, das Elennthier im Gebiete der tungusischen Stämme am Amur häufiger als bei den Giljaken an der Amur-Mündung vor und spielt bei jenen auch eine wichtigere Rolle als bei diesen. Schon im Gebiete der Mangunen am Amur wird das Elennthier merklich zahlreicher und erhält den gewöhnliche- ren Namen «buju», d, h. das Thier insonderheit, eine Bezeichnung, die noch weiter aufwärts, bei den Golde am Amur und den Ssamagern am Gorin ihre volle Bedeutung gewinnt. Nir- gends im Amur-Lande kommt das Elenn in solcher Häufigkeit wie am Gorin und am Amur etwas ober- und unterhalb der Gorin-Mündung vor. Immer wieder sah ich, während mei- ner Reise am Gorin, frische Elennsfährten die Schneedecke des Flusses durchkreuzen und an den Bäumen der Ufer hie und da bald frische, zum Trocknen ausgespannte Felle, bald zahl-

!) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat, I, p. 202. ?) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 121.

Cervus Alces. Equus Caballus. 175

reiche, trophäenartig aufgesteckte Schädel und Knochen dieses Thieres, die Reste ehemaliger Ausbeuten, hängen. Die Ssamagern am Gorin fand ich zumeist in Elennsleder gekleidet. Zu wiederholten Malen begegneten mir auch die mit reicher Beute an Elennsfleisch und Häuten beladenen Schlitten rückkehrender Jäger. Denn es sind diese waldigen ‚Wildnisse am Gorin ein besuchtes Jagdgebiet nicht bloss der dort ansässigen Ssamagern, sondern auch der ent- fernter wohnenden Golde am Amur. Oberhalb der Gorin-Mündung wird das Elennthier all- mählig seltner, kommt jedoch noch in ziemlicher Anzahl am Chongar, Ssedsemi und Kur vor. Mit Bestimmtheit lässt sich auch sagen, dass es bis zur südlichen Biegung des Amur- Stromes an der Ussuri- Mündung die entlegeneren,, waldbewachsenen Gebirgsthäler sowohl wie auch die unmittelbaren Ufer des Stromes bewohnt. Nahe der Ussuri-Mündung habe ich nicht selten die Fährten des Elennthieres auf den niedrigen, sumpfigen, mit Weidengesträuch und hohem Grase bewachsenen Inseln des Amur-Stromes gesehen. Am Ussuri kommt das Elennthier, so weit ich den Strom besucht habe, den Angaben der Golde gemäss ebenfalls vor. Doch soll es dort schon seltner als unterhalb am Amur-Strome sein. Die Golde am Ussuri pflegen daher die zu ihrem Bedarfe nöthigen Elennsfelle, und namentlich die zum Be- kleiden der Schneeschuhe bei allen tungusischen Völkern am Amur hauptsächlich beliebten Beinfelle des Elennthieres, zum Theil von ihren nördlichen Nachbarn zu kaufen. Oberhalb des Bureja-Gebirges ist anzunehmen, dass das Elennthier in der trockenen, fast waldlosen Prairie am Amur-Strome von den unmittelbaren Ufern desselben entfernt bleibt. Ueber diese Prairie hinaus aber wird es wiederum ein häufiges Thier, das von den Monjagern nicht minder wie das Reh und der Edelhirsch gejagt wird und eine vielfache Benutzung bei densel- ben sowohl zu ihrem eigenen Bedarfe an Nahrung und Kleidung, als auch zum Handel mit den Russen und zur Tributzahlung an die Chinesen findet. Von allen Hirscharten im Amur- Lande ist also das Elennthier diejenige, welche dem Raume nach die grösste Verbreitung und im Allgemeinen auch die grösste Bedeutung für die Eingeborenen hat. Fügt man daher noch hinzu, dass es zugleich auch das grösste aller Säugethiere im Amur-Lande ist, so wird man den Namen, den es bei den tungusischen Amur-Völkern als «das Thier» insonderheit trägt, ge-

wiss sehr bezeichnend finden.

VI. SOLIDUNGULA.

——

58) Equus Caballus L.

Bei den Giljaken und Mangunen: mur. « « dGolde, Biraren, Dauren: morre. « « Monjagern und Orotschonen: murrin.

ze

176 Säugelhiere.

In Beziehung auf das Vorkommen des Pferdes im Amur-Lande muss man die ältere, vor dem Beginne russischer Colonisation am Amur-Strome bereits stattgehabte Verbreitung dieses Thieres bei den Amur-Völkern und die spätere Einführung desselben durch die Rus- sen unterscheiden.

Was die erstere betrifft, so fand ich sie in den Jahren 1854—56 bereits ziemlich weit vorgeschritten, da sie mehr als den halben Lauf des gesammten Amur-Stromes umfasste. Im Allgemeinen lässt sich hinsichtlich derselben bemerken, dass je weiter stromabwärts, desto grösser die Abnahme wird, welche das Pferd in seiner Bedeutung für die Eingeborenen und somit auch in seiner Cultur bei denselben erleidet, eine Abnahme, die natürlich mit den Ver- änderungen in der physischen Beschaffenheit des Landes und in der Lebensweise seiner Be- wohner in vielfachem und innigem Zusammenhange steht. Im oberen Theile des Amur-Stro- mes, angefangen vom Zusammenflusse der Schilka und des Argunj, ist das Pferd in grosser Zahl bei den Orotschonen und besonders bei den Menjagern vorhanden, denen es als noth- wendiges Lastthier auf ihren periodischen Wanderungen dient. Im Gefolge derselben ist es dort auch nicht bloss am Amur, sondern auch an den Zuflüssen desselben, am Komar, an der Dseja u. a. m. verbreitet. Oft habe ich in diesem Theile des Stromes zahlreiche Pferde in einiger Entfernung von den Zelten der Eingeborenen weiden sehen. Auch ist es mir einmal begegnet, ein einzelnes Thier am Strome aufzutreiben, wo ich weit und breit keine Einge- borenen fand. Durch den Lärm unserer Ruder aufgescheucht, rannte es scheu davon, den Ein- druck eines verwilderten Thieres hinterlassend. Doch ist mir von den Eingeborenen niemals von einem Falle wirklicher Verwilderung der Pferde am Amur erzählt worden, ob sie gleich in den vielen und weiten Grasplätzen am oberen Amur und noch mehr in der Prairie unter- halb der Dseja ein nicht minder günstiges Terrain dazu wie in den Steppen Südrusslands oder der Mongolei finden dürften. Der Ursprung dieser Pferde der Orotschonen und Monjagern ist offenbar bei den Russen am Argunj und der Schilka zu suchen, wo Pferde in grosser Zahl gehalten werden. Die Monjagern versorgen sich auch gegenwärtig noch bisweilen in direkter Weise mit Pferden von den Russen, um sie an die unterhalb wohnenden Chinesen und Mandshu zu verkaufen. Ich habe selbst Flösse mit zahlreichen Pferden gesehen, die von Monjagern zu diesem Zwecke stromabwärts getrieben wurden. Dies dürfte daher auch der Ursprung der meisten Pferde sein, die wir unterhalb der Dseja in den Ansiedelungen der Mandshu, Chinesen, Dauren und Biraren in der Prairie finden. Andere mögen vom Ssungari her in diese Colonieen am Amur gebracht worden sein. Eine Sonderung von Racen aber habe ich dort nicht bemerken können. Die Pferde kamen mir überhaupt von robustem starkem Bau und ziemlich, jedoch nicht übermässig kleinem Wuchse vor und trugen wie in Europa die verschiedensten Farben. In diesen festen mandshurisch - chinesischen Ansiedelun- gen in der Prairie spielt das Pferd auch ganz dieselbe Rolle wie in Europa, indem es nicht bloss zum Reiten und Lasttragen, sondern auch zum Ziehen von Fuhrwerken dient und der ackerbauenden Bevölkerung dieser Colonieen daher von besonderem Nutzen ist. Auch muss es dazu beitragen die Verbindung zwischen Aigun, der einzigen chinesischen Stadt am Sachali-

Equus Caballus. 177

oder oberen Amur-Strome, und den am Ssungari und dessen Zuflüssen gelegenen chinesi- schen Ortschaften zu unterhalten, zu welchem Zwecke geebnete Wege über den südlich von Aigun von West nach Ost laufenden, den Biraren (vielleicht aus diesem Grunde) unter dem Namen «Morre-urra»,d.hs Pferde-Gebirge, bekannten Gebirgszug führen sollen. Diese Benutzung des Pferdes bleibt durch die ganze Prairie, so weit die festen Ansiedelungen reichen, dieselbe, So habe ich sie noch in der kleinen Biraren-Ansiedelung Kalta, gleich oberhalb des Bu- reja-Gebirges, gefunden. Dieses Gebirge setzt ihr aber eine Gränze; denn unterhalb desselben hat das Pferd nur eine sehr untergeordnete Bedeutung. Bei den nomadischen Golde, die ich dort antraf und die angeblich vom Ssungari kamen, war es nur in sehr geringer Zahl vorhanden und diente in derselben Weise wie bei den Monjagern zum Lastthiere auf ihren Wanderungen. Noch geringer wird die Zahl und Bedeutung des Pferdes bei den weiter ab- wärts, zwischen der Ssungari- und Ussuri-Mündung in festen Wohnsitzen lebenden Golde. - Ihr beständiger , durch den Fischfang bedingter Aufenthalt am Strome, inmitten eines nie- drigen, oft moorigen und brüchigen und von vielen Flussarmen durchschnittenen Terrains, gestattet ihnen das Pferd nur auf kurzen Strecken zum Reiten zu gebrauchen, während aller weitere Verkehr im Sommer zu Boote, im Winter auf Schlitten mit Hülfe der bereits allge- mein gehaltenen Hunde geschieht. Das Pferd findet sich daher bei ihnen nur noch als ein Luxusartikel im Handelsverkehre mit ihren oberhalb wohnenden Nachbarn ein. Im Dorfe Sselgako, unterhalb der Ssungari- Mündung, wo ich, stromaufwärts gegangen, die ersten Pferde sah, gaben mir die Golde ausdrücklich an, dass sie dieselben von dem oberhalb der Stadt Aigun am Sachali-Strome wohnenden Volke der Ssolo erhielten, welche sich mit dem Pferdehandel beschäftigten eine Angabe, die sich, dem oben Mitgetheilten zufolge, auf kein anderes Volk als die Monjagern beziehen lässt. Von diesen kommen denn auch die Pferde, welche sich bei den Eingeborenen am Ussuri finden. An der Mündung dieses Flusses, im Dorfe Turme, wo es deren welche gab, waren dieselben im Sommer 1855 kurz vor unserer Ankunft daselbst von Tigern zerrissen worden. Weiter oberhalb am Ussuri sind uns keine begegnet, zum Beweise, dass auch dort das Pferd, nur zeit- und stellenweise vorkommend, eine sehr untergeordnete Rolle spielt, da der stetige Verkehr im Sommer zu Boote, im Win- ter auf hundebespannten Schlitten geschieht. Am oberen Ussuri soll jedoch das Pferd, den Angaben der Golde zufolge, wiederum zahlreicher gehalten und auch als Lastthier im Ver- kehre mit den südlich vom Gebirge an der Meeresküste gelegenen chinesischen Ortschaften gebraucht werden. Die Mündung ‘des Ussuri ist nun auch die Gränze der Verbreitung des Pferdes im Amur-Lande. Unterhalb derselben findet sich kein Pferd mehr, weder bei den Eingeborenen des Amur-Landes, noch bei den zum Handel oder zur Tributserhebung hinkom- menden Mandshu und Chinesen. Den Golde unterhalb der Ussuri- Mündung, den Man- gunen, Giljaken u. a. m. ist daher das Pferd aus eigener Anschauung nur den Wenigen, welche Handelsreisen an den Ssungari gemacht haben. im Allgemeinen aber bloss dem Namen nach bekannt. Diese Bekanntschaft nimmt auch stromabwärts mehr und mehr ab und verliert sich endlich bei den Giljaken so weit, dass man bei ihnen die allerunähnlichsten Darstellungen

Schrenck Amur-Reise Bd. I. 23

178 Säugelhiere.

desselben, z. B. in Holz geschnitzte, purpurroth mit schwarzen Flecken und Streifen bemalte Figuren, die es versinnlichen sollen, u. drgl. m., findet.

In dieser Begränzung der Culturheimath des Pferdes im Amur-Lande lässt sich nun ein inniger Zusammenhang mit der Beschaffenheit des Landes, mit seiner Bodengestaltung und seinen klimatischen Verhältnissen erkennen. Mit der Mündung des Ussuri beginnt nämlich stromabwärts am Amur ein durchweg gebirgiges Terrain, mit steiler, oft felsiger Beschafle n- heit der Ufer und mit ausgedehnten Waldungen, sei es aus Laubhölzern mit dem dichtesten Gebüsch im Süden, oder aus Nadelhölzern im Norden, deren noch ungelichtete, von zahl- reichen Flüssen durchschnittene und oft mit moorigem und brüchigem Boden versehene Wild- niss bisher noch keinen Pfad für den Fussgänger und wie viel weniger also für das Pferd dar- bietet. Wie diese Beschaffenheit des Bodens im Sommer, so machen im Winter klimatische Verhältnisse und namentlich der hohe Schneefall und die häufig sich ereignenden Schneestürme den Gebrauch des Pferdes im unteren Amur-Lande unmöglich. Stellen die ungeheueren Schnee- massen doch selbst den leichten, mit Hunden bespannten Schlitten oft unüberwindliche Hin- dernisse entgegen. Dabei entziehen diese Schneemassen dem Pferde auch die Möglichkeit, im Winter durch Aufscharren des Schnee’s, wie das im schneearmen oberen Amur-Lande und in Transbaikalien geschieht, die nöthige Nahrung zu finden. Abgesehen daher von der Nutz- losigkeit des Pferdes für die Eingeborenen des unteren Amur-Landes, gäbe ihnen die Cultur desselben noch die ansehnliche Mühe der Bereitung von Heuvorräthen im Sommer, während der nützliche Hund für die Eingeborenen auch noch den Vorzug hat, dass er ihre ichthyophage Nahrung theilt. So fällt also die Culturgränze des Pferdes im Amur-Lande mit der Natur- gränze sowohl des höheren oder geringeren Schneefalles, als auch der mehr oder minder aus- schliesslichen Prairie einerseits und des Gebirgs- und Waldlandes andrerseits zusammen. Durch diese physischen Bedingungen genöthigt, muss die Cultur desselben am unteren Amur-Strome derjenigen des Hundes weichen, dessen Verbreitung im Amur-Lande daher gewissermassen in direktem Gegensatze zu derjenigen des Pferdes steht.

Abgesehen aber von dieser älteren, durch die Naturbeschaflenheit des Landes im Layfe der Zeit bedingten Verbreitung des Pferdes bei den Amur-Völkern, ist nun auch noch einer späteren, durch die russische Colonisation veranlassten Einführung desselben in das Amur- Land zu gedenken. Mit der Gründung der russischen Posten an der Amur-Mündung im Jahre 1854 wurden nämlich zahlreiche Pferde aus Transbaikalien den Amur abwärts ge- bracht, ja sogar eine Abtheilung reitender Kosaken im Mariinskischen Posten angesiedelt. Die oben angedeuteten Schwierigkeiten für den Gebrauch des Pferdes im unteren Amur-Lande, so lange dieses die Eingriffe der Cultur noch nicht in grösserem Maasse erfahren hat, ver- minderten jedoch rasch die Zahl dieser Pferde und schränkten die Benutzung derselben im Sommer sowohl wie im Winter fast vollkommen ein. Dass unter solchen Umständen an eine Einbürgerung des Pferdes vermittelst der Russen auch bei den Eingeborenen des unteren Amur-Landes bisher noch im Entferntesten nicht zu denken ist, versteht sich von selbst. Einen günstigeren Boden dagegen fanden die Pferde der Russen in den kleineren, oberhalb

Equus Caballus. E. Asinus. Trichechus Rosmarus. 179

der Ssungari- Mündung gegründeten Posten, wo, wie erwähnt, auch die Eingeborenen mit der Pferdezucht in grösserem oder geringerem Maasse sich beschäftigen.

59) Equus Asinus L.

Den Esel habe ich im Amur-Lande nur an einem Orte und zwar in der chinesischen Stadt Aigun oder Sachalin-ula-choton am oberen Amur gesehen, wo er den Chinesen und Mandshu zum Reiten dient, wie das von Pallas auch für die nach Kjachta kommen- den Chinesen bemerkt worden ist '). Als ich nämlich in dieser Stadt landete, kam mir ein Gehülfe des Gouverneurs derselben, von zwei Beamten begleitet, entgengeritten. Letztere sassen auf Eseln, welche den europäischen ganz ähnlich, von grauer Farbe mit schwärzlichem Rückenstreifen gezeichnet waren. Der Gouverneursgehülfe aber ritt auf einem Maulesel. Letztere Bastardform scheint somit auch bei den Chinesen im Amur-Lande in einem höheren Ansehen als der Esel zu stehen.

viM. PINNIPEDIA.

60) Trichechus Rosmarus L. Bei den Giljaken: tschu-ngych.

Das Wallross ist den Giljaken natürlich nur durch seine Zähne dem Namen nach be- kannt. Diese erhielten die Giljaken schon vor dem Beginne russischer Colonisation am Amur-Strome durch Vermittelung ihrer nördlichen Nachbarvölker. Seit dem Jahre 1853 be- ziehen sie dieselben im Handel mit der russisch - amerikanischen Compagnie im Nikolajew- schen Posten. Doch ist die Abnahme, die dieser Gegenstand bei ihnen findet, nur eine sehr ge- rınge, weil die Giljaken zu Schnitzereien für ihren eigenen Bedarf mit dem reichen Mate- riale an Rennthier- und Elennsgeweihen vorlieb zu nehmen pflegen, die Wallrosszähne aber nur zu dem Zwecke kaufen, um sie zu den Chinesen am Ssungari zu bringen und gegen andere Gegenstände mit Vortheil wieder zu vertauschen eine Handelsspeculation, welche natürlich nur Wenige von ihnen zu unternehmen im Stande sind.

I) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 263.

180 Säugelhrere.

61) Phoca nummularis Schleg.

Ph. Largha Pall. Zoogr. Rosso=Asiat. I. p. 113. Bei den Giljaken:

Das erwachsene Thier: pyghi-langr (langr heisst Seehund überhaupt).

Das jüngere Thier : ngyss’chy]).

Das noch jüngere Thier: orongr und odontsch. Bei den Mangunen: gjäuch'ssa.

Diese schon von Pallas theils als Varietät von Ph. vitulina L. und theils als besondere

Art unter dem oben angeführten Namen erwähnte '), von Schlegel nach Siebold’s japani- schen Materialien ?) genauer beschriebene Art kommt auch an den Küsten des Amur-Landes, im Ochotskischen Meere, in der Meerenge der Tartarei und im Amur-Strome vor. Wie Schlegel für die japanischen Exemplare angiebt, so kann man auch im Amur-Lande die mannigfaltigsten Varietäten in der Zeichnung dieser Robbe bemerken, indem die besonders auf dem Rücken zusammengedrängten schwarzen Flecken bald zahlreicher, grösser und dunk- ler, bald spärlicher, kleiner und heller sind. Auf diesen Verschiedenheiten der Fleckung, welche im Allgemeinen mit dem Alter der Thiere stärker hervortritt, beruhen auch die oben angegebenen Bezeichnungen der Giljaken für die verschiedenen Alterszustände dieses Thie- res. Für das Amur-Land ist Ph. nummularis unstreitig die wichtigste Robbenart. An den Meeresküsten zumal bildet sie bei den auf den Seehundsfang vielfach angewiesenen Giljaken einen für ihren Haushalt unumgänglichen Gegenstand, indem Fleisch und Thran derselben ihnen und ihren Hunden zur Nahrung, das Fell aber zu den verschiedensten Kleidungsstücken dient. Der Fang derselben wird daher sowohl im Sommer, mit Hülfe besonderer, im ethnogra- phischen Bande meiner Reise näher zu heschreibender Harpunen, als auch im Winter betrieben, wenn der Amur-Liman gefroren, die Meerenge der Tartarei aber in ihrer Mitte eisfrei ist, indem alsdann die zahlreich auf das Eis herauskommenden Thiere vom Wasser abgeschnitten und erschlagen werden. Am Amur-Strome nimmt natürlich mit der Zahl der Seehunde auch ihre Bedeutung für die Eingeborenen ab. Nach Angabe der Giljaken geht das alte, besonders schön gefleckte Thier nur selten in den Amur-Strom hinein und entfernt sich alsdann auch“ nur wenig von der Mündung desselben, während die jungen Thiere häufig und bis zu einer sehr ansehnlichen Entfernung von der Mündung aufwärts steigen und auch in die Mündungen der Nebenflüsse sich begeben. Im Gebiete der Giljaken habe ich im Amur-Strome häufig Seehunde gesehen. Bei ihnen ist auch das Seehundsfell in einem weit grösseren Gebrauche und steht in niedrigerem Preise als bei den stromaufwärts wohnenden Mangunen. Dennoch sind auch diese mit dem Seehunde noch aus dem Strome selbst bekannt. Nach den überein- stimmenden Angaben derselben kommt dieser Seehund im Gebiete der Mangunen bis nach dem Dorfe Yrri vor, welches etwa 400 Werst oberhalb der Mündung des Amur-Stromes, nahe dem 51° n. Br. gelegen ist. Diese Gränze seines äussersten Aufsteigens im Strome land-

!) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 113 u. p. 117. Nota 2. 2) Fauna Japonica. Mammalia, Dec. 3. p.-3 u. 4.

Phoca nummularis. Ph. barbata. Ph. ochotensis. 181

einwärts möchten wir seine Binnenlandgränze im Gegensatz zur oceanischen oder maritimen nennen. Oberhalb derselben, bei der bald darauf am Strome beginnenden Bevölkerung der Golde verschwindet mit dem Seehunde auch der Gebrauch des Seehundsfelles gänzlich.

62) Phoca harhata Müll. Ph. nautica und Ph. albigena Pall. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 108 u. 109. Bei den Giljaken: Das erwachsene Thier : kighitsch und kighitsch-langr. Das junge Thier : naf-nga. Bei den Mangunen: amischupi.

Dieser Art möchte ich die bei den Giljaken unter den angeführten Namen bekannte Robbe zuzählen,, deren Felle ich sehr häufig im Amur-Lande gesehen habe. Dieselben waren von schmutzig gelblicher Farbe, in der Regel ganz ungefleckt und nur längs dem Rücken dunkler graugelb. Nach Angabe der Eingeborenen kommt diese Robbe häufig an den Südküsten des Ochotskischen Meeres, in der Meerenge der Tartarei, im Amur-Limane und selbst noch im Amur-Strome vor. Auch von ihr gilt, was von der vorhergehenden Art gesagt worden, dass nämlich das ältere Thier im Amur-Strome nur selten vorkommt und alsdann auch nur wenig von der Mündung desselben sich entfernt, während das jüngere Thier höher aufwärts steigt. Wie weit das jedoch geschehe und ob sie ebenso hoch aufwärts im Strome vorkomme wie die vorhergehende Art, konnte ich nicht ermitteln. Die Giljaken schätzen die Häute die- ser Robbe hauptsächlich wegen ihrer grösseren Dicke und Festigkeit und brauchen sie daher ‚auch vornehmlich zur Bereitung von Riemen, Stiefeln, und zwar der unteren Stiefeltheile und der Sohlen, und drgl. m. Diese von den Giljaken verfertigten Gegenstände, und besonders die Stiefel von Seehundsleder, finden auch weiter aufwärts bei ihren Nachbarn am Amur eine vielfache Abnahme und liefern daher den Giljaken, und zumal denjenigen der Meeres- küste und der Insel Sachalin, einen ergiebigen Tauschartikel im Handel mit den Mangu- nen, Golde und anderen Völkern des Amur-Landes. b

63) Phoca ochotensis Pall.

Bei den Giljaken: matsch-nga (d. h. kleines Thier). « « Mangunen: kongoro.

Diese kleine Robbe von schmutzig gelblicher Farbe mit grauer Fleckung des Rückens kommt auch im Amur-Lande, an den Küsten des Ochotskischen Meeres, in der Meerenge der Tartarei und im Amur-Limane vor. In den Amur-Strom aber soll sie nach Angabe der Giljaken nur in sehr seltnen Fällen sich begeben und alsdann auch niemals weit über die Mündung desselben hinaufgehen. Eine genauere Beschreibung dieser noch sehr un-

182 | Säugethiere.

genügend bekannten Art, welche nach Pallas zuerst von Hrn. Wosnessenski im Ochotski- schen Meere wieder aufgefunden wurde, steht uns in nächster Zeit von Hrn. Akad. Brandt

zu erwarlen.

64) PPhoca equestris Pall. Taf. IX. fig. 1—3. Ph. fasciata Shaw, Gener. Zool. or System. Natur. Hist. Vol. I. Part. 2. Mammal. London 1800. p. 257. Bei den Giljaken: alch. « « Mangunen: alcha. i

Von besonderem Interesse war es mir im Amur-Lande einige Felle von der noch sehr ungen“gend und nur nach einem Fellfragmente bekannten Robbenart Ph. equestris Pall. zu sehen und zu erhalten. Bekanntlich hat Pallas diese Art nur nach einem aus dem Rücken des Thieres auseeschnittenen Fellstücke gekannt '), welches wir bei Pennant, dem er eine Zeich- nung desselben zugeschickt hatte, zuerst beschrieben und abgebildet finden Pennant be- zeichnete dabei dieses Thier bloss mit dem englischen Namen Rubbon-Seal (Band-Robbe), was später Shaw veranlasste demselben die systematische Bezeichnung Ph. fasciata zu ertheilen eine Bezeichnung, die jedoch gegenwärtig gegen den ursprünglichen, vom Entdecker selbst stammenden und nur durch das verzögerte Erscheinen der Zoographia Rosso - Asiatica später bekannt gewordenen Namen Ph. equestris zurücktreten muss. Seit jener Entdeckung dieser Robbe durch Pallas ist aber unsere Kenntniss derselben um nichts weiter gefördert wor- den. Ja der völlige Mangel an weiteren Nachrichten über dieselbe veranlasste sogar manche neuere Schriftsteller, dieses Thier als besondere Art ın Zweifel zu ziehen und es mit anderen Robbenarten für identisch zu erklären. So stellen z. B. Keyserling und Blasius Ph. eque- stris Pall. als synonym mit Ph. foetida Fabr. od. Ph. annelata Nilss. zusammen °), von wel- cher sie durch Zeichnung, Zahnbildung u. s. w. sehr verschieden ist. Dem Conservator unseres akademischen Museums, Hrn. Wosnessenski, gebührt das Verdienst, während seines Auf- enthaltes in Kamtschatka die ersten vollständigen Exemplare von Ph. equestris Pall. aufge- trieben zu haben, welche uns gegenwärtig mit der Beschaffenheit des alten und jungen Thie- res beiderlei Geschlechts bekannt machen und somit auch alle Zweifel über den specifischen Werth dieser Robbenart in Zukunft nehmen. Dieses schätzenswerthe Material über die Ph. equestris in unserem Museum ist aber bisher noch nicht beschrieben worden. Nur eine sehr ungenaue und sogar falsche, von wenigen beschreibenden Worten begleitete Abbildung dieses Thieres, die ihre Entstehung einem flüchtigen Einblicke in das erwähnte Material zu verdan- ken scheint, ist von Siemaschko in dessen russischer Fauna bekannt gemacht worden *). Es drängt mich daher um so mehr, nach dem reichen, von Hrn. Akad. Brandt mir freund- lichst zur Disposition gestellten Materiale des akademischen Museums und nach den von Hrn.

!) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 111. 1 2) Pennant, Hist. of Quadr. III. Edit. London 1793. Vol. II. p. 276. Die Abbildung auf p. 263. ®) Keyserling und Blasius, Die Wirbelthiere Europa’s. I. p. XX1.

*) Cunammxo, Pycckaa Payna. (. Ilerep6ypr» 1851. U. p. 1022. tab. 85. fig. 1.

Phoca equestris. 183

Wosnessenski an Ort und Stelle über diese Robbe eingesammelten und zur Veröffentlichung an diesem Orte mir gefälligst mitgetheilten Nachrichten eine genauere, von Abbildungen begleitete Beschreibung dieser interessanten Robbenart zu entwerfen.

Wie alle ächten Phoken hat auch Ph. equestris im Gebisse $ Schneidezähne, 1 Eck- zähne und = Backenzähne, welche letzteren, mit Ausnahme de ersten, zum Unterschiede von der Gattung Halichoerus Nilss., mit je 2 Wurzeln versehen sind. Trotz dieser Beschaffen- heit der Backenzähne, welche Zh. equestris von der Gattung Halichoerus entschieden absondert, nähert sie sich derselben doch sehr durch die äussere Form der Zähne, Wie in der Gattung Halichoerus sind nämlich auch bei Ph. equestris die Vorderzähne spitz, kegelförmig, mit ihrer Spitze etwas nach hinten gebogen, die äusseren viel grösser als die inneren; die Eckzähne sind stark; die Backenzähne ziemlich weit auseinander stehend, ebenfalls eckzahnähnlich, ke- gelförmig,, mit ihrer Spitze etwas zurückgebogen, vorn und hinten mit einer Längskante be- zeichnet und fast einfach oder nur mit kaum merklichen Nebenspitzen versehen, welches letz- tere Moment an verschiedenen Individuen sehr verschiedentlich zu variiren scheint. So finde ichan einem erwachsenen Männchen im Oberkiefer den 1ten und 2ten Backenzahn ganz einfach, den 3ten und 4ten mit einer kleinen Spitze hinten versehen und den 5!°%, immer stumpferen, kleineren und durch eine grössere Lücke von den übrigen gesonderten Zahn wiederum ein- fach ; im Unterkiefer ist der 1te Backenzahn einfach, der 2! hinten und der bis 5!° vorn und hinten mit einer kleinen Spitze versehen. An einem erwachsenen Weibchen hingegen finde ich alle Backenzähne, vielleicht in Folge stärkerer Abreibung, einfach, und nur an den 3 letzten Backenzähnen des Unterkiefers sind schwache Spuren einer hinteren Spitze zu unterscheiden. Im Gebisse zweier jungen Thiere, die im Allgemeinen spitzere Zähne haben, finde ich im Ober- kiefer dasselbe Verhältniss wie beim erwachsenen Männchen, im Unterkiefer dagegen bei dem einen am 1!en bis Aten, bei dem anderen am 2ten his Aten Backenzahne eine Nebenspitze hinten und am 5ten hei beiden eine Nebenspitze vorn. An einem dieser letzteren Schädel findet sich zu- gleich die seltsame Anomalie, dass im Oberkiefer jederseits ein 61er, sehr kleiner und durch eine ansehnliche Lücke vom vorhergehenden Zahne getrennter Backenzahn sich findet. Ihrer Zahn- bildung nach steht also Ph. equestris gewissermassen zwischen den ächten Seehunden und den Kegeirobben, der Gattung Halichoerus, mitten inne. Dagegen scheint mir der Schädel, und nament- lich der Schnauzentheil desselben, nicht länger gestreckt als bei den ächten Seehunden zu sein. Am lebenden Thiere ist nach den Bemerkungen Hrn. Wosnessenski’s die Schnauze stumpfer- als bei Ph. vitulina, mit dicken, aufgetriebenen Lippen. Das Auge der Ph. equestris ist gross, die Iris dunkelbraun. Die Bartborsten stehen in 6 Reihen zusammen, sind plattgedrückt und wellen- förmig gerandet. An den vorderen Extremitäten ist der erste Finger am längsten, die übrigen nehmen an Länge allmählig ab; die Krallen sind stark, etwas zusammengedrückt, spitz und reichen ungefähr mit einem Fünftheil bis zu einem Drittheil ihrer Länge über die behaarte Schwimm- haut hinaus. Die hinteren Extremitäten sind stark ausgeschnitten zweilappig, der nntere Lappen etwas grösser als der obere; die Krallen ziemlich grade, spitz, ragen nicht über die Schwimmhaut hinaus; die Kralle des unteren Lappens ist am grössten. Der Schwanz ist plattgedrückt und kurz.

184 Säugelhiere.

Die schon von Pallas theilweise angegebene Farbenzeichnung von Ph. equestris ist höchst eigenthümlich und, wie Pennant richtig bemerkt, in Worten schwer wiederzugeben. Erwachsene und junge Thiere, Männchen und Weibchen zeigen darin eine ansehnliche Ver- schiedenheit. Das erwachsene Männchen ist es namentlich, welches die auflallende, von Pal- las und Pennant theilweise beschriebene Zeichnung besitzt, während das Weibchen und die jungen Thiere die bei den Seehunden sehr gewöhnlichen schmutzig gelblichen und grauen Farben tragen und jene Zeichnung des Männchens nur theilweise und sehr schwach wieder- erkennen lassen. Diese auflallende Zeichnung des erwachsenen Männchens (Fig. 1 u. 2.) be- steht darin, dass das ganze Thier in grossen, sehr regelmässigen Flecken schwarzbraun und schmutzig graugelblich gescheckt ist, indem Kopf, Rücken und Extremitäten dunkel schwarz- braun sind, zwischen diesen dunklen Flecken aber breite Bänder von heller , schmutzig grau- gelblicher Farbe sich hinziehen, Genauer beschrieben , befindet sich hinter dem schwarzbrau- nen Kopfe ein breites, schmutzig graugelbliches, vom Nacken zur Kehle hinabsteigendes Hals- band, welches in der Mittellinie oben und unten nach vorn vorspringt, an den Seiten aber bogenförmig, mit der Convexität nach hinten gerichtet, verläuft. Hinter diesem hellen Hals- bande breitet sich auf dem Rücken des Thieres ein grosser, länglicher, sattelförmiger, schwarz- brauner Fleck aus, der nach vorn in der Mittellinie mit einer Schneppe in das helle Halsband vorspringt, seitlich aber in zwei schmalen Bändern nach der Unterseite des Halses hinabsteigt, wo sich die beiden Bänder begegnen und auf der Vorderbrust eine nach hinten gerichtete, spitze, schwarzbraune Schneppe bilden. Nach der Mitte zu verschmälert sich der schwarz- braune Fleck des Rückens allmählig und nimmt dann weiter nach hinten rasch wieder an Breite zu, so dass er an seinem Hinterende ebenfalls in zwei Schenkel ausläuft, die jedoch kürzer als die vorderen sind und an den Seiten des Körpers abbrechen, ohne die Un- terseite zu erreichen. Zu den Seiten dieses dunklen Rückenfleckes verläuft jederseits ein breites, bogenförmiges, mit der Convexität nach oben gerichtetes, helles, schmutzig graugelb- liches Band, welches vorn und hinten nach der Unterseite hinabsteigt ; dort vereinigen sich die Bänder beider Seiten und bilden die helle Färbung des Bauches. Innerhalb dieser hellen, nach oben bogenförmigen, auf der Unterseite des Thieres aber mit einander verllossenen Bän- der befindet sich jederseits ein grosser, ovaler, schwarzbrauner Fleck, in dessen vorderer Hälfte die gleichfarbige vordere Extremität liegt. Zwischen und hinter diesen dunklen, die vorderen Extremitäten umgebenden Flecken liegt in der hellen Mittellinie des Bauches ein kleiner, länglicher, schwarzbrauner Fleck. Mit den erwähnten graugelblichen Seitenbändern fliesst ferner an ihrem hinteren Ende noch ein drittes, breiteres, ebenfalls graugelbliches Band zusammen, welches quer über den Hinterrücken des Thieres läuft, das hintere Ende des dunk- len Rückenfleckes wellenförmig begränzend. Im hellen Felde dieses Bandes befindet sich auf der Unterseite nahe der Mittellinie jederseits ein kleiner, länglicher, schwarzbrauner Fleck, und hinter dem Bande endlich breitet sich wiederum eine schwarzbraune Farbe aus, welche das ganze hintere Ende des Thieres, oben und unten, so wie den Schwanz und die hinteren Extremitäten umfasst. In der Regel sind die Gränzen der beiden genannten, hellen und dunälen

Phoca equestris. 185

Farbe sehr scharf gezogen; bisweilen jedoch scheidet sich auch hie und da von einem der grossen dunklen Flecke ein kleinerer Fleck ab, der in das ihn begränzende helle Band mehr oder weniger inselartig getrennt vorspringt.

Diese nicht wohl kürzer zu fassende Beschreibung von dem Farbenkleide des erwachse- nen Männchens von Ph. equestris ist nach einem von Hrn. Wosnessenski von der Ostküste Kamtschatka’s mitgebrachten Individuum entworfen. Halten wir dagegen das Exemplar eines ebenfalls erwachsenen und in seinen Dimensionen noch grösseren Männchens, das ich aus dem Amur-Lande und zwar von den Küsten der Meerenge der Tartarei mitgebracht habe, so finden wir an letzterem zwar ganz dieselbe Zeichnung, nicht aber ganz dieselbe Farbe wieder. Denn statt des Schwarzbraunen hat das Amur-Exemplar ein dunkles Grau- schwarz und statt des Schmutzig-Graugelblichen ein weissliches oder Strohgelb. Indem daher an dem Amur-Exemplare die dunklen Flecken noch dunkelfarbiger und die hellen Bänder dazwischen noch heller sind, gewinnt das ganze Fell ein noch auffallenderes, prägnanteres Ansehen. Im Uebrigen aber wiederholt sich an demselben, wie gesagt, die Zeichnung des kamtschatkischen Exemplares bis in das kleinste Detail hinein.

Bei solcher Uebereinstimmung zweier, von so weit auseinanderliegenden Fundorten herrührender Exemplare muss es uns um so auflallender erscheinen, in der Abbildung Sie- maschko’s, welche dasselbe Thier darstellen soll, eine ganz abweichende Zeichnung zu fin- den. An dieser (l. c. Tab. 85. fig. 1.) sehen wir nämlich das helle Halsband nicht quer über den Hals vom Nacken zur Kehle, sondern schräg vom Nacken zu den Vorderbeinen hinab- steigen, so dass die ganze Vorderbrust mit dem Kopfe gleichfarbig schwarzbraun ist, während an unseren Exemplaren die schwarzbraune Farbe des Kopfes schon an der Kehle durch ein breites gelbliches Band begränzt wird. Ferner giebt die Abbildung Siemaschko’s (. c. fig. 3.) an, dass die schwarzbraune Farbe des Rückens vorn wie hinten bis auf die Unterseite des Thieres sich fortsetzt und die ganze Bauchseite einnimmt, mit Ausnahme zweier, von einander ganz getrennter, heller Bänder, welche kreisförmig um die dunkel begränzten Extremitäten verlaufen, und eines ebenfalls abgesonderten hellen Bandes, das quer über den Hintertheil des Thieres geht. An unseren beiden Exemplaren aber sehen wir die dunkle Farbe des Rückens nur vorn in einem schmalen Bande jederseits bis auf die Unterseite des Thieres hinabsteigen und auf der Vorderbrust eine spitze, nach hinten gerichtete Schneppe bilden; die ganze Bauch- seite dagegen ist an ihnen nicht schwarzbraun, sondern hellgelblich, und die hellen Bänder, diejenigen um die vorderen Extremitäten sowohl wie das Querband über den Hinterrücken des Thieres, bleiben nicht abgesondert, sondern fliessen mit einander und mit der hellen Bauchseite zusammen. Die Abweichung in der Zeichnung zwischen unseren Exemplaren und der Abbildung Siemascko’s ist mithin so gross, dass wir sie mit einander zu identifieiren nicht im Stande sind. Zwar scheint es, als ob diese Abweichung zum Theil aus dem Umstande sich erklären liesse, dass Siemaschko’s Abbildung, seiner eigenen Angabe zufolge, nur nach einem ihm zugekommenen Fellstücke dieses Thieres entworfen ist und also leicht irren konnte; allein das könnte doch füglich nur auf die falsch combinirte Fig. 1. und nicht

Schrenck Amur-Reise Bd. I. 2%

186 Säugethiere.

auch auf die angeblich nach der Natur copirte Fig. 3. desselben Bezug haben, welche das erwähnte, der ganzen Abbildung zu Grunde gelegte Fellstück selbst darstellt. Dieses letz- tere, angeblich nach der Natur copirte Stück ist aber grade dasjenige, welches jene oben erwähnten, starken Abweichungen von unseren Exemplaren am Auffallendsten darbietet. Den- noch können wir dieser Abbildung, in Folge der erwähnten grossen Uebereinstimmung unse- rer Exemplare mit einander, keinen Glauben schenken. Zudem muss es uns auch auffallen, dass Hr. Siemaschko nicht ein Wort über den Fundort des ihm zugekommenen Fell- stückes mittheilt. Es bleibt uns daher nichts übrig, als die Angabe desselben, dass die in Rede stehende Abbildung von Ph. equestris in der That eine Copie nach der Natur sei, in Zweifel zu ziehen.

Von dem Farbenkleide des erwachsenen Männchens von Ph. equestris ist sehr verschie- den dasjenige des erwachsenen Weibchens (Fig. 3.). An diesem sind Kopf, Unterseite und Extremitäten von schmutzig graugelblicher, an den vorderen Extremitäten etwas intensiverer gelblicher Farbe; der Rücken ist dunkler gelblichgrau und giebt den dunklen Sattelfleck, den das Männchen hat, nur schwach zu erkennen, indem die gelblichgraue Farbe desselben nicht immer scharf abgegränzt ist, sondern an vielen Stellen ganz allmählig in das Graugelb der Unterseite übergeht. Gleichwohl sind am Nacken die vorspringende Spitze dieses Fleckes und am Hinterrücken eine Unterbrechung durch ein quer verlaufendes helles Band deutlich zu erkennen. Hinter diesem letzteren Querbande breitet sich endlich auch beim Weibchen eine dunklere, gelblichgraue Farbe aus , welche aber nicht das ganze Hinterende des Thieres, wie beim Männchen, sondern nur die Oberseite, den Beginn der hinteren Extremitäten und die Mitte des gelblich gerandeten Schwanzes umfasst.

Mit der Färbung des Weibchens stimmt auch diejenige der jungen Thiere beiderlei Ge- schlechts überein. Bei dem jungen Männchen beginnen jedoch frühzeitig die dunklen Flecken des Rückens und der Extremitäten mehr und mehr hervorzutreten. Das Exemplar, das Hr. Wosnessenski mitgebracht hat, zeigt, ob es gleich noch ansehnlich kleiner als das erwachsene Weibchen ist, doch schon einen dunkleren und schärfer abgegränzten, immer aber noch mit gelblichem Schimmer versehenen, grauen Rückenfleck. Gleichzeitig fängt der Kopf an von der Stirne aus sich dunkler zu verfärben, indem er ebenfalls eine graue Farbe wie der Rücken an- nimmt. Diese graue Farbe zieht sich an unserem Exemplare bereits bis unter das Auge und zur Ohrgegend fort und lässt schon das helle, gelbliche Halsband auf der Oberseite deutlich erkennen. Desgleichen beginnt auch der dunkle ovale Fleck, der die vordere Extremität um- giebt, von einem etwas über und hinter der Extremität liegenden Punkte aus hervorzutreten : an unserem Exemplare finden wir die graue Farbe schon oberhalb der ganzen Extremität und können auch schon den Beginn der hellen Seitenbinde zwischen dem Rückenfleck und der dunk- len Umgebung der vorderen Extremität in schwacher Andeutung erkennen. In den übrigen Stücken aber ist dies junge Männchen noch ganz wie das Weibchen gezeichnet.

Fast von gleicher Farbe bei allen Exemplaren verschiedenen Alters und Geschlechts sind endlich die Bart- und Augenborsten und die Nägel; beim erwachsenen Männchen nur

Phoca equestris. 187

um etwas dunkler als beim Weibchen und dem jungen Thiere. Die Bartborsten sind nämlich theils einfarbig hornbraun, theils mit einer weissen Linie jederseits längs ihrem Rande ge- zeichnet. Von derselben Farbe und Beschaffenheit wie die Bartborsten, nur bedeutend kürzer, sind auch die Augenborsten. Die Nägel endlich sind dunkel schwarzbraun, am Rande, und diejenigen der hinteren Extremitäten auch an der Spitze, heller hornfarben.

Was die Grösse von Ph. equestris betrifft, so schloss schon Pallas nach den Maassen des ihm zugekommenen Fellstückes, dass diese Robbe zu den grösseren gehören müsse, indem das erwähnte unvollständige Rückenstück 6 7 Spannen oder 44 5 Fuss mass. Die von Hrn. Wosnessenski an den noch unabgebalgten Exemplaren genommenen Maasse geben

Erwachsenes Weibchen.

5'3’(1600) | 3°5”(1041) | #4 7”(1397)

uns folgende Grössen '):

Junges Männchen.

Junges Weibchen.

Erwachsenes

= in. Männchen,

Länge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze......- «22...» Abstand des Hinterrandes des Schä- dels von der vorderen Extremität

Breite der Brust ...... ou... _ _ Umfang des Halses (längs dem hel-

len Halsbande gemessen). .... 1113" (603) _— Umfang des Rumpfes in der Mitte

Be Slhene eii .. [3° 6” (1067) _ _ _

Umfang des Rumpfes am hinteren Ende, gleich hinter der Ruthe. Länge des Ruthenknochens......

2’ 5 (641) 6’ (152)

Dazu lassen sich nach den Bälgen derselben Thiere noch folgende Maasse hinzufügen:

Ungefähre Länge der vorderen Ex-

TEORHtAa Se en De. 230 185 165 165 Ungefähre Länge der hinteren Ex-

tremität mit dem Nagel...... 270 250 220 220 Länge des Schwanzes.. ........ 80 70 60 80

» der längsten Bartborste ... 112 103 111 102

» der längsten Augenborste.. 61 55 53 55

Länge des längsten Nagels an der vorderen Extremität (so weit der- t selbe aus der Haut hervorragt). 32 31 30 29

Länge des längsten Nagels an der hinteren Extremität.......-- 22 22 19 22

1) Die Maasse sind von Hrn. Wosnessenski in russischen oder englischen Fussen und Zollen genommen wor- den. Um sie mit den folgenden, an den Bälgen derselben Thiere von mir genommenen Maassen zu parallelisiren, ist

ihnen in Klammern dieselbe Grösse in Millimetern beigefügt worden. *

188 Säugethiere.

Das von mir mitgebrachte Fell eines erwachsenen Männchens aus der Meerenge der T artarei misst vom Nacken bis zur Schwanzwurzel 1450 Millim. oder über #9" (engl.). Es ist also ungefähr von derselben Grösse wie das von Pallas beobachtete Rückenstück und scheint einem etwas grösseren Thiere angehört zu haben, als das von Hrn. Wosnessenski vermessene erwachsene Männchen war. Letzteres soll übrigens nach Angabe der kamtschatki- schen Jäger, von denen Hr. Wosnessenski seine Exemplare kaufte, noch nicht zu den grössten gehört haben, indem dieses Thier bisweilen auch die Länge von 61 Fuss erreichen soll. Nach allen diesen Maassen zu urtheilen, scheint daher Ph. equestris den mittelgrossen Robben, wie Ph. groenlandica u. a., ungefähr gleichzukommen, der Ph. barbata aber, deren grösste Individuen bekanntlich eine Länge von 8— 10 Fuss erreichen, an Grösse entschieden nachzustehen.

Ueber das Verhalten des lebenden Thieres erzählten die Jäger, von denen Hr. Wosnes- senski die noch unabgebalgten Thiere kaufte, dass es in der Regel auf dem Bauche, seltner auf dem Rücken schwimme. Wenn es senkrecht aus dem Wasser steigt, pflegt es den Kopf wie die Seeotter steil gegen den Wasserspiegel zu halten und den Hals länger als die gemeine Robbe (Ph. vitulina) auszurecken.

Alle 4 von Hrn. Wosnessenski mitgebrachten Exemplare von Ph. equestris sind an der Ostküste Kamtschatka’s, an der Mündung des Kamtschatka-Flusses, am 18. (30.) und 20. März (1. April) erlegt worden '). Nach den Erzählungen der Jäger soll es sich jedoch nur sehr selten ereignen, dass diese Robbe in so früher Jahreszeit, auf Eisschollen getrieben, an die Mündung des Kamtschatka-Flusses komme. In der Regel pflegt sie dort erst in der 2ten Hälfte des Aprils oder im Mai (alten Stiles) und später als alle übrigen Robben anzulangen. Nach Pallas soll Ph. equestris sehr selten im Ochotskischen Meere, häufiger dagegen an den Kurilen vorkommen. An der Südküste des Ochotskischen Meeres, nördlich vom Amur- Limane, habe ich ebenfalls nur selten Fellstücke dort erlegter Thiere dieser Art gesehen. Die Giljaken benutzen dieselben ebenso wie die Felle anderer Seehunde zum Bekleiden der Schnee- schuhe, zum Verfertigen verschiedener Taschen u. dgl. m. Ihren Angaben zufolge kommt Ph. equestris auch im Amur-Limane, niemals aber im Amur-Strome vor. Desgleichen findet sie sich in der Meerenge der Tartarei, zwischen Sachalin und dem Festlande, von wo ich durch Vermittelung eines Mangunen das oben beschriebene Fell erhalten habe. Südlich von Sacha- lin dagegen, im Japanischen Meere scheint sie nach Siebold’s Erfahrungen zu fehlen. Ueber- haupt ist uns ausser den genannten Fundorten bisher kein anderes Vorkommen der Ph. eque- stris bekannt. Es scheint daher diese Robbe, den bisherigen Erfahrungen zufolge, nur eine beschränkte Verbreitung zu haben, welche das Beringsmeer, die Küsten Kamtschatka’s, die Kette der Kurilischen Inseln, das Ochotskische Meer, den Amur-Liman und die Meerenge der Tartarei bis nach der Südspitze Sachalin’s umfasst.

!) Die Angabe Siemaschko’s (l. c. p. 1023), dass Ph. equestris den Nachrichten Hrn. Wosnessenski's zufolge aur in der See von Olutorsk vorkommen solle, ist also falsch.

Otarıa ursina. 189

65) Otaria ursina L. Bei den Giljaken: tung. « «a Mangunen: mu-nyghty (d. h. Wasser-Wildschwein).

Zu wiederholten Malen habe ich Gelegenheit gehabt, bei den Eingeborenen des Amur- Landes einzelne Stücke vom Fell des Stellerschen Seebären ') zu sehen und zu erhalten. Das grösste derselben, das ich durch Vermittelung eines Mangunen von Kidsi erhielt und das angeblich aus der Meerenge der Tartarei ziemlich weit südlich vom Cap Lasareff stammte, gehört offenbar einem erwachsenen Männchen, einem von den Russen sogenannten «Ssäkatsch» an. Es ist im Allgemeinen von grauer, schwarzgemischter Farbe, auf dem Nacken und Vor- derrücken am hellsten, nach hinten zu allmählig dunkler, gegen die hinteren Extremitäten hin dunkel kastanienbraun. Genauer betrachtet, findet man die Deckhaare von verschiedener Farbe, indem einige derselben an der Basis lichtbraun, dann dunkelschwarzbraun und an der äusser- sten Spitze weisslich, andere dagegen an der Basis lichtbraun, im übrigen Theile weisslich sind. Am Nacken und Vorderrücken ist die Zahl der letzteren überwiegend, während nach hinten zu die Zahl der schwarzbraunen, nur weisslich gespitzten Haare zunimmt. An den kastanienbraunen Stellen oberhalb der hinteren Extremitäten sind die Deckhaare ebenfalls heller und dunkler braun. Mit der Farbenmischung ist zugleich auch die Länge der Deckhaare an den verschiedenen Körpertheilen eine verschiedene: am Nacken und Vorderrücken sind die Deckhaare am längsten, von 50—55 Millim. Länge; nach hinten zu werden sie viel kür- zer und betragen nur etwa 17— 20 Millim. Unter dem ziemlich rauhen und steifen Deckhaare ist ein dichtes und weiches, lichtkastanienbraunes, etwas in’s Röthliche spielendes Wollhaar vorhanden. |

An der Südküste des Ochotskischen Meeres habe ich niemals von Seebären gehört. In der Meerenge der Tartarei hingegen, südlich vom Cap Lasareff, und im Ochotskischen Meere an der Ostküste von Sachalin soll dieses Thier, den Aussagen der Giljaken dieser Insel zufolge, vorkommen. Den Beweis dafür lieferten mir die zahlreichen Stücke vom Fell die- ses Thieres, die ich bei ihnen sah. Im Dorfe Tyk an der Westküste von Sachalin, wo mir die ersten dieser Fellstücke begegnet sind, rührten dieselben von Thieren her, die, nach An- gabe der Giljaken, südlich von Tyk in der Meerenge der Tartarei erschlagen worden waren. Die Sachalin-Giljaken wussten mir nicht genug von der grossen Zahl dieser Thiere daselbst und dem lauten Gebrüll zu erzählen, das sie bisweilen erheben. Bis zur Küste von Tyk und zum Cap Lasareff sollen jedoch die Seebären nicht hinaufsteigen. Damit stimmten auch ganz überein die Angaben der Giljaken und Mangunen am Amur, die im Verkehre mit den Bewohnern von Sachalin bisweilen ebenfalls Felle vom Seebären erhalten, wie z. B. das oben beschriebene Fell ein solches war. An der Ostküste von Sachalin habe ich Fellstücke vom Seebären im Dorfe Nyi gesehen, die nach Angabe, der dortigen Giljaken von Thieren aus dem angränzenden Ochotskischen Meere rühren sollten. Zur Benutzung dieser Felle pflegen die Giljaken das rauhe und steife Deckhaar zu entfernen, um das weiche

1) Nicht zu verwechseln mit Otaria Stellerö Schleg.

190 Säugelhiere.

Wollhaar zu entblössen, in derselben Weise, wie das auch von den Russen mit den für die Chinesen bestimmten Fellen dieses Thieres zu geschehen pflegt. Die auf solche Weise er- haltenen, weichen und zarten Felle dienen den Eingeborenen des Amur- Landes zur Verbrä- mung verschiedener Gegenstände, wie Taschen, Ohrenwärmer u. dgl. m. Dass eine häufige Verwechselung dieser Felle mit denjenigen von Enhydris marina bei den mit letzterem Thiere nur sehr wenig bekannten Eingeborenen des Amur-Landes vorkommt, ist bereits bei Gele- genheit der Besprechung der Seeotter erwähnt worden (s. oben). Die hier mitgetheilten Thatsachen lehren uns also das Vorkommen von ©. ursina in den Gewässern der südlichen Hälfte von Sachalin, im Ochotskischen und Tartarischen (oder Nord-Japanischen) Meere zum wenigsten bis zum 46° n.Br. (der Südspitze von Sachalin) nach Süd kennen. Sie dienen daher auch zur Bestätigung der schon von Steller erhaltenen Nachrichten, dass der Seebär auch an den südlichen Kurilen und bei Japan vorkomme Nachrichten, denen Steller vielleicht nur aus dem Grunde keinen vollen Glauben zu schenken wagte '), weil er die Lage Japan’s viel südlicher sich dachte, als es in der That der Fall ist °). Hielt er es doch selbst für sehr wahrscheinlich, dass die Seebären an der Kurilischen Insel CGompagnie-Land (Urup), welche nach ihm im 45° n. Br. liegen sollte®), oder an einer anderen in der Nähe der ersteren ihren Winteraufenthalt nähmen ‘). Auffallend ist aber, dass Siebold während seines langen Aufenthaltes in Japan keine Felle von Otaria ursina aus dem Japanischen Meere erhielt. Sollte daher dieser Seebär vielleicht nur im Norden und nicht mehr im Süden des Japani- schen Meeres vorkommen ?

IX. CGETAGEA.

66) Delphinapterus Leucas Pall.

Bei den Giljaken: pomi-tscho (tscho heisst Fisch überhaupt). « « Mangunen: malta.

Die Verbreitung des Weissfisches anlangend, gab bekanntlich Pallas im Allgemeinen den 56° n.Br. und für das Ochotskische Meer im Speciellen die noch etwas südlicher, nahe dem 5öten Breitengrade gelegene Mündung des Uth-Flusses als dessen Südgränze an °). Middendorff fand ihn jedoch über diese Gränze hinaus in grosser Anzahl an den Südküsten

l) Steller, s. Novi Comment. Acad. Sc. Imp. Petrop. II. p. 346. Desselben Beschreibung von sonderbaren Meer. tbieren. Halle 1753. p. 131. Y

2) Vrgl. die Karte von den Kurilischen Inseln in Steller's Beschreibung von’dem Lande Kamtschatka.

%) Vrgl. die angeführte Karte v. den Kur. Ins.

*, Novi Commentar. 1. c. p. 359. Desgl. Steller, Beschreib. von sonderb. Meertbieren. p. i50.

®) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 274.

Delphinapterus Leucas. 191

des Ochotskischen Meeres. Noch weiter südwärts haben wir ihn in grosser Menge im Amur-Limane und Amur-Strome beobachtet. An der Südküste des Ochotskischen Meeres, gleich nördlich vom Amur-Limane, erzählten mir die Giljaken, dass der Weissfisch bei ihnen bereits in der ersten Hälfte Mai’s (alten Stiles), wenn der Amur-Strom vom Eise sich befreit habe, die Küsten des Ochotskischen Meeres aber noch mit Eis bedeckt seien, in gros- ser Menge sich einfinde, indem er den gedrängten Schaaren des kleinen, von den Giljaken «prschok» oder «prschon-ischo» genannten Fisches (einer dem Salmo Eperlanus L. nahe ste- henden, vermuthlich neuen Lachsart) an die Meeresküste folge. Diesen zum Fange der Weiss- fische günstigsten Zeitpunkt benutzend, sollen die Giljaken alsdann eine grosse Anzahl dieser Thiere erbeuten, wozu sie sich besonderer, im ethnographischen Bande meiner Reise näher zu beschreibender Harpunen bedienen. Im Amur-Limane habe ich selbst Schädel vom Weissfische an den Küsten liegen sehen. Es war dies namentlich an der Mün- dung des Amur-Stromes der ‚Fall. Südlich von derselben und in der Meerenge der Tartarei sind mir keine begegnet. Auch habe ich die Giljaken an der Westküste von Sachalin, in der Meerenge der Tartarei, niemals vom Weissfische sprechen hören, noch weniger selbst Schädel oder andere Theile dieses Thieres dort gesehen. Siebold nennt ihn auch nicht unter den ihm bekannten Thieren des Japanischen Meeres. Ohne es daher mit Bestimmtheit behaupten zu wollen, halte ich es für möglich, dass der Weissfisch nicht über die Mündung des Amur-Stromes oder zum wenigsten nicht über den Amur-Liman hinaus nach Süden vorkomme, was die Südgränze seiner Verbreitung an den Küsten Ostasiens ungefähr in den 52° n. Br. versetzen würde. Eine noch südlichere Breite erreicht aber der Weissfisch im Amur-Strome, den er vom Ochotskischen Meere aus bis zu einer sehr ansehnlichen Ent- fernung von seiner Mündung besucht. Nach Aussage der Giljaken der Amur - Mündung be- ginnt der Weissfisch schon 10 Tage nach dem Eisgange im Amur, der stets in den ersten, Tagen Mai’s (alt. Stiles) stattfindet, in den Strom zu steigen. Ich habe ihn im Jahre 1855 am 17. (29.) Mai, 15 Tage nach dem Eisgange, bereits bei den Dörfern Kuk und Tyr, d. i. der Amgunj-Mündung gegenüber, etwa 100 Werst oberhalb der Amur- Mündung, im Strome ziehen sehen. Er hält sich dabei stets an das tiefste Wasser des Stromes und ist daher zumeist in der Nähe des höheren, rechten Ufer des Amur’s zu sehen, wo das Bett dessel- ben eine grössere Tiefe hat. Auf einer Strecke von etwa 200 Werst von der Mündung bleibt der Weissfisch im Amur recht häufig ; alsdann wird er seltner, steigt jedoch, den ein- stimmigen Angaben der Mangunen zufolge, noch bis zum Dorfe Yrri aufwärts. Dieser letz- tere Ort liegt an einer sehr ansehnlichen Biegung des Amur-Stromes, gleich unterhalb der Mündung des Chelasso-Flusses in denselben, ungefähr 400 Werst oberhalb der Amur- ‚Mündung , in etwa 51° n. Br., und bezeichnet den äussersten Punkt, bis zu welchem der Weissfisch sich jemals im Amur-Strome gezeigt haben soll. Es ist derselbe Punkt, an wel- chem auch die Binnenlandgränze der Verbreitung der Seehunde im Amur liegt. Vergleicht man dieselbe für den Weissfisch mit derjenigen in anderen Strömen Nordasiens, so fällt ihre verhältnissmässig sehr südliche Lage auf. Denn sie liegt im Amur um volle 10 und 15°

192 Säugethiere.

südlicher als im Obj und Jenissei, in denen der Weissfisch, nach Pallas '), im ersteren bis zur Einmündung des Irtysch, im letzteren bis zur Einmündung der (unteren) Tunguska auf- wärts steigt. Diese südliche Lage der Binnenlandgränze des Weissfisches im Amur erinnert an das sehr ähnliche Verhältniss an den Ostküsten Amerika’s, wo der Weissfisch im Lo- renz-Strome bekanntlich bis nach Quebek °), d. i. ungefähr bis zum 48° n. Br. und also noch um südlicher als im Amur hinaufsteigt. Diesen äussersten Wendepunkt im Amur- Strome erreichen aber natürlich nicht alle den Strom besuchenden Weissfische. Wie man aus der stromaufwärts zunehmenden Seltenheit derselben entnehmen kann, kehren vielmehr die meisten schon weit früher um, je nachdem sie vielleicht durch die zu verschiedenen Zeiten stattfindenden Züge der aus dem Meere in den Strom steigenden Fische und namentlich der verschiedenen Lachsarten, denen die Weissfische gern entgegenziehen, zur Umkehr bestimmt werden mögen. So dürften sehr wahrscheinlich im Mai und Juni die Züge von Salmo proleus und S./ycaodon Pall. und im August und September diejenigen von S. lagocephalus Pall. auf die Wanderungen der Weissfische im Amur einen bestimmenden Einfluss üben. Namentlich scheinen die sehr zahlreichen Züge der letzteren Lachsart im Spätsommer und Herbst eine besonders grosse Anzahl von Weissfischen in den unteren Theil des Stromes zu locken. Im Nikolajewschen Posten kann man alsdann täglich und fast beständig dieses Thier mit sei- nem blendend weissen Rücken längs dem tiefsten Fahrwasser des Stromes auf- und nieder- tauchen sehen. Dies ist denn auch die Zeit, wann die Giljaken am Amur die meisten Weiss- fische erlegen. Ich habe manche Stelle am Ufer des Stromes gesehen, wo zahlreich angehäufte, zum Theil an Baumästen hängende Weissfisch - Schädel mir von oftmals ausgeführten Jagden dieser Art bei den Giljaken Zeugniss gaben. Eine grössere Bedeutung im Haushalte der Ein- geborenen hat jedoch der Weissfisch nicht:

Was endlich die an den Küsten des Amur-Landes vorkommenden Wallfische betrifft, so bin ich, bei dem oben angegebenen Gange meiner Reisen, die sich meist nur auf das Innere des Landes, auf den Amur-Strom und dessen Zuflüsse beschränkten, die Meeresküste aber nur sehr wenig und auch dann zumeist nur im Winter berührten, natürlich auch ausser Stande mehr als einige Vermuthungen auszusprechen, welche sich theils auf die Angaben der Einge- borenen und theils auf einige bei ihnen gesehene Knochenbruchstücke dieser Thiere gründen. Darnach glaube ich für die Küsten des Amur-Landes folgende zwei Wallfischarten namhaft machen zu dürfen,

67) Balaenoptera longimana Rudolphi. Bei den Giljaken: keng.

Unter dem angeführten Namen begreifen die Giljaken die an der Südküste desOchots- kischen Meeres, gleich nördlich vom Amur-Limane am häufigsten strandende Wallfischart, welche somit, den Angaben Middendorff’s zufolge, aller Wahrscheinlichkeit nach Balaeno-

\) Zoogr, Rosso-Asiat, I, p. 274. 2) Wagner, Die Säugethiere von Sc hreber. Bd. VII. p. 284.

Balaenoptera longimana. Balaena australıs. 193

ptera lonyimana Rud. sein dürfte '). Dieselbe Wallfischart findet sich, nach Aussage der Gilja- ken, nicht minder häufig auch an den Küsten der Insel Sachalin im Ochotskischen und im Tartarischen Meere, was auch mit den Angaben Siebold’s, der sie im Japanischen Meere kennen lernte ?), im Einklange steht. Die Giljaken des Continentes und der Insel Sa- chalin beuten die gestrandeten Thiere aus, um Fett und Fleisch derselben zum Futter für ihre Hunde, die Knochen aber und namentlich diejenigen des Unterkiefers zum Bekleiden der Schlittensohlen bei eingetretenem Thauwetter und nassem Schnee im Frühjahre zu verwenden. Zum eigenen Nahrungsbedarfe aber verabscheuen sie das Wallfischfett oder Fleisch voll-

kommen.

68) Balaena australis Desmoul. B. antarctica Schleg. Fauna Japon. Mammalia. Dec. 3. p. 18. Bei den Giljaken: kalm.

Auf das Vorkommen dieser Wallfischart an den Küsten des Amur-Landes und nament- lich der Insel Sachalin glaube ich aus den grossen Walltischbarten schliessen zu dürfen, welche ich bei den dortigen Giljaken gesehen habe. Zwei solcher Barten, die noch völlig un- beschädigt waren und die ich zu vermessen Gelegenheit nahm, hatten jede eine Länge von 21 Meter oder 8 Fuss und an ihrer Basis eine Breite von 200—210 Millimeter. Dennoch waren es, wie ich zuversichtlich weiss, noch nicht die längsten Barten des Thieres. Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass dieselben einer ächten Balaena angehört haben. Bekanntlich giebt nun Schlegel nach den von Siebold mitgebrachten Nachrichten an, dass B. australis (bei ihm B. antarctica) periodisch die Küsten Japan’s besuche und von den Japanesen erbeutet werde. Es liegt daher, nach den oben mitgetheilten Thatsachen, sehr nahe anzunehmen, dass dieselbe Wallfischart auch den Küsten von Sachalin sich nähere und gelegentlich an- den Strand geworfen werde. Von der Küste des nördlichen Sachalin’s rührten auch jene Barten her, welche von den dortigen Giljaken zu ihren Landsleuten auf dem Continente zum Verkaufe gebracht worden waren. Denn wie die Giljaken auf der Insel, so brauchen auch diejenigen des Festlandes das Fischbein zum Bekleiden ihrer Bögen, Schlittensohlen, Schnee- schuhe u. dgl. m. An diesen Gegenständen kann man daher sehr häufig ebenfalls Bartenbruch- stücke von 4 und 5 Fuss Länge sehen, die von derselben Wallfischart herrühren.

!) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 123. 2) Fauna Japon. Mammal. Dec. 3. p. 21.

Schrenck Amur-Reise Bd. I. 25

194 Säugethiere.

Zum Schlusse dieser Betrachtungen über die Säugethiere des Amur-Landes drängen sich uns noch einige Bemerkungen allgemeineren Inhalts auf. Können nämlich diese ersten, auf Reisen gesammelten Nachrichten auch nicht anders als sehr lückenhaft sein, so glauben wir dennoch, dass sie uns auch in ihrem gegenwärligen Umfange schon zu einigen, wenn- gleich nur vorläufigen, allgemeineren Schlussfolgerungen über den Charakter der Säugethierfauna des Amur-Landes berechtigen.

Zuvörderst ersehen wir aus denselben, dass das Amur-Land keineswegs durch viele oder durch besonders prägnante, ihm ausschliesslich eigenthümliche Säugethierarten sich aus- zeichnet. Denn mit Ausnahme zweier neuen Feldmäuse, welche bisher noch an keinem ande- ren Orte aufgefunden worden sind, treten uns im Amur-Lande nur bekannte Formen ent- gegen. Führen wir aber diese bekannten Formen auf ihre bisher erforschten Verbreitungs- gebiete zurück, so deckt sich uns allerdings in der Zusammensetzung der Säugethierfauna des Amur-Landes ein sehr prägnanter Charakter auf. Dieser prägnante, eigenthümliche Charakter bestehi darin, dass im Amur-Lande viele Formen neben einander sich finden, welche uns bisher nach Nord und Süd, nach Ost und West weit auseinander zu liegen schienen.

Fassen wir zunächst das Zusammentreffen nordischer und südlicher Säugethierarten ins Auge, so begegnen wir z. B. im Amur-Lande dem bengalischen Tiger bis nahe zum Htten Breitengrade als bleibendem Bewohner des Landes, und treffen ihn auf seinen Streifzügen noch bis über den 53!en Breitengrad hinaus. Im Amur-Lande sehen wir daher diese lange Zeit für ausschliesslich tropisch gehaltene Form auf einer Ausdehnung von 4 Breitengraden das Gebiet mit der polaren Form des Rennthieres (heilen, ja auf der Insel Sachalin scheint diese letztere polare Thierart sogar zur hauptsächlichsten Beute des Tigers dienen zu müssen. Nicht minder charakteristisch für das Amur-Land ist es, den Tiger daselbst, wenn er den Strom von Ufer zu Ufer durehschwimmt, in den Wellen desselben mit den nordischen Robben, der Phoca nummulartis und barbata, und mit dem Weisstische, Delphinapterus Leucas, diesem Bewohner arktischer Meere, zusammenstossen zu sehen. Wie der Tiger vom äussersten Süden Asien’s, so begegnet uns andrerseits im Amur-Lande eine Säugethierart, welche bisher nur aus dem äussersten Norden des ‚asiatischen Continentes bekannt war. Es ist dies der kleine, polare Pfeifhase, Lagomys hyperboreus, den wir seit Pallas nur aus dem Tschuktschen- Lande kannten. Im Amur-Lande aber steigt diese polare Thierart mit dem Bureja- Gebirge zum wenigsten bis zum 48ten Breitengrade nach Süden hinab. Im selben Sinne charakte- ristisch für das Amur-Land ist es, dass dort manche Thierarten nordischer und gemässigter Klimate, die anderer Orten zwar ebenfalls zusammentreflen, auf weiterer Raumerstreckung als gewöhnlich neben einander sich finden. So sehen wir in demselben manche Formen ge- mässigter Klimate verhältnissmässig noch recht hohe Breiten erreichen, indem der Edelhirsch 2. B. bis nahe zum 56ten '), das Wildschwein bis über den 52ten, der Dachs bis über den

Haten Grad nördl, Breite hinaufsteigen u. s. w. Ihnen kommen aber nordische Formen ent-

!) Bis zum Kamme des Stanowoi-Gebirges, s. Middendorff, Sibirische Reise. L. c. p. 120.

Schlussfolgerungen. 195

gegen, welche, fast das ganze Gebiet im Amur-Lande mit ihnen theilend, in diesen östlichen Längen der alten Welt südlichere Breiten als irgendwo sonst zu erreichen scheinen. Solche nordische Säugethierarten , deren Aequatorialgränze im Amur-Lande südlicher als im west- licheren Theile der alten Welt liegt, sind namentlich das Rennthier, der Vielfrass, der Schnee- hase u. a. m. Die beiden ersteren, Rennthier und Vielfrass, deren äusserste Aequatorial- gränze in Europa und dem westlichen Asien gegenwärtig, auch wo sie am weitesten nach Süd vorgeschoben ist, wie im südlichen Schweden, ım Ural und im Altai, ım ersteren nicht über den 60ten '), im 2ten nicht über den 53ten?) und im letzteren nicht über den 50ten Grad nördl. Breite °) geht, erreichen im Amur-Lande erst mit dem 49ten und auf der Insel Sa- chalin sogar erst mit dem 46!en Grade nördl. Breite ihre Südgränze. Der Schneehase, Lepns variabilis, findet in Europa und dem westlichen Sibirien, abgesehen von dem inselartig iso- lirten Vorkommen desselben nahe der Schneegränze der Hochgebirge, ungefähr mit‘ dem 50° n. Br. seine Südgränze ‘). Im Amur-Lande aber haben wir ihn bis zur südlichsten Biegung des Stromes, in 471° n. Br. verfolgt, ohne auch dort seiner Aequatorialgränze begegnet zu sein. Von der im ee weit nach Süden reichenden Verbreitung des nordischen Pfeif- hasen, Lag. hyperboreus, und des Weissfisches, Delph. Leucas, dessen Binnenlandgränze im Amur-Strome um 10 und 15° südlicher als im Obj und Jenissei liegt, ist bereits oben die Rede gewesen. Ohne Zweifel bildet diese weite Ausdehnung der Aequatorialgränzen vieler nordischer Thierarten im Amur-Lande nach Süden einen bezeichnenden zoologisch - geogra- phischen Charakterzug desselben. Ihr ist vornehmlich auch jenes auf weiter Raumerstreckung stattfindende Zusammenstossen nordischer Thierarten mit den Formen gemässigter und selbst südlicher Klimate im Amur-Lande zuzuschreiben.

Fragt man nun nach den physischen Bedingungen, welche dieser Erscheinung zu Grunde liegen dürften, so muss man die hauptsächlichsten derselben in den Verhältnissen des Klima’s und der geographischen Lage und Configuration des Amur-Landes erkennen. Ohne hier auf das Detail dieser Verhältnisse im Amur-Lande, die in einem anderen Bande unserer Reise- beschreibung besprochen werden sollen, eingehen zu können, wollen wir hier nur auf die wichtigsten Bedingungen aufmerksam machen, die jene Erscheinungen der Säugethierverbrei- tung im Amur-Lande vermitteln dürften. Gewiss lassen sich in den Verhältnissen der geogra- phischen Lage und Configuration des Amur-Landes manche für ein milderes Klima in dem- selben sehr günstige Momente erkennen, wozu wir namentlich die nach Norden schützende Mauer des Stanowoi-Gebirges, den continuirlichen Zusammenhang des Amur- Landes mit den nach Süd und West gelegenen, durch eine hohe Sommertemperatur ausgezeichneten Ge- genden Innerasiens und die weit nach Süden reichende Biegung des Amur - Stromes zugleich

1) Nilsson, Skandin, Fauna, 22 uppl. I. p. 505.

2) Brandt, Bemerk. über die Wirbelthiere des nördl. europ. Russlands, bes. des nördl. Ural’s. p. 20 und 46. S. Hofmann, Der nördl. Ural und das Künlenzebiree Pae-Choi. Bd. 11.

3) Brandt, ]. c. p. 21 und 45.

4) Middendorff, Ueber die als Bastarde angesproch. Mittelform. zwisch. Z. europ. und Z. variab. S. Bull. de la classe physico-mathem. de l’Acad. Imp. des sc. de St.-Pet. T. IX. p. 236. Desgl. Melanges biologiques. T. I. p. 254.

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16 - Säugethiere.

mit der ungefähren Meridianrichtung seines unteren Laufes und seiner mächtigsten südlichen Zuflüsse, des Ssungari und Ussuri, rechnen müssen. Diesen klimatisch günstigen Verhältnissen treten aber im Amur-Lande andere und zwar praevalirende Factore eines nordischen Klima’s ent- gegen. Als solche müssen wir namentlich die continuirliche Ausbreitung des asiatischen Fest- landes vom Amur-Lande nach West und Nord bis in arktische Breiten, ferner die vom Sta- nowoi-Gebirge in Meridianrichtung nach Süd sich abzweigenden Gebirgszüge, wie das Bu- reja-Gebirge, und endlich, und am meisten, die unmittelbare Nähe des Ochotskischen Mee- res bezeichnen, welches als nordisches Binnenmeer bis in den Sommer hinein ein Reservoir von Eismassen und eine stete Quelle von Regen und Schnee, von Nebeln und kalten Seewin- den ist. Wie nun jene ersteren Momente hauptsächlich in den ebeneren Landstrichen, in den Prairieen am oberen Amur- oder Sachali-Strome, am Ssungari und Ussuri und in dem nach Süden geöffneten, weiteren Amur- Thale selbst unterhalb der Mündung jener Ströme sich geltend machen, so erstreckt sich der Einfluss nordischer Factore im Klima des Amur- Landes hauptsächlich auf das Gebirgsland an den linken, nördlichen Zuflüssen des Amur- Stromes, auf das Mündungsland desselben, auf die Meeresküste der Mandshurei und auf die Insel Sachalin. Während daher im Amur-Thale eine südlichere Flor weit nach Norden sich vorschiebt, rückt umgekehrt an den Meeresküsten ein nordischer Vegetationscharakter in un- verhältnissmässig südliche Breiten vor. So trägt z. B. die Meeresküste an der Bai Hadshi in 49° n. Br. noch ziemlich denselben nordischen Nadelwaldcharakter wie die um etwa 4 Brei- tengrade nördlicher gelegene Mündung des Amur-Stromes, während im Amur-Thale an der Mündung des Chongar-Flusses, etwa nördlicher als die Bai Hadshi, schon aller Nadel- wald auf die Gebirgshöhen zurückgedrängt ist und nur Laubhölzer, wie Eichen, Ulmen, Lin- den, Ahorne, Wallnussbäume u. dgl. m., die Waldung der Ufer bilden. Wir sehen also im Amur-Lande in gleichen Breitengraden zwischen der Meeresküste und dem Strome bedeu- tende klimatische und vegetative Differenzen in räumlicher Nähe von einander liegen. Und wie für Klima und Vegetation, so gilt es auch für die Verbreitung der Thiere. Oeflnen daher die weiten, durch mildere klimatische Einflüsse begünstigten Thäler des Amur-Stromes und seiner südlichen Zuflüsse manchen Thierarten gemässigter und selbst südlicher Klimate eine leichte Verbreitungsbahn nach Nord, so gestatten andrerseits, und in noch höherem Grade, die Gebirgszüge und rauheren Gebirgsthäler an den nördlichen Zuflüssen des Amur-Stromes und besonders die nebel- und schneereiche Meeresküste vielen nordischen Thierarten eine weitere Verbreitung nach Süd. In dem Maasse jedoch als diese letzteren Umstände dahin wir- ken, die Aequatorialgränze mancher nordischer Thierarten im Amur-Lande, und zumal längs der Meeresküste desselben, weiter als gewöhnlich nach Süden vorzuschieben, müssen sie an- dererseits auch die Polargränzen der Thierarten gemässigter Klimate in denselben Gegenden nach Süd zurückdrängen. So erklärt sich uns also auch die in der Küstenregion des Amur-Lan- des stattfindende südliche Depression der Polargränzen vieler Säugethiere, wie des Rehes, Edel- hirsches, Wildschweines u. s. w., die wir bei Besprechung dieser Thierarten hervorgehoben haben und die in thiergeograpischer Beziehung ebenfalls einen Charakterzug des Amur-Landes bildet.

Schlussfolgerungen. 197

Neben dem Zusammentreffen nordischer und südlicher Formen können wir aber auch das Zusammentreffen östlicher und westlicher Formen als einen Charakterzug in der Zusam- mensetzung der Säugethierfauna des Amur-Landes bezeichnen. Ja hier sind die Erscheinungen zum Theil noch auffallender und prägnanter als in jenem ersteren Falle. Denn gewiss ist es in hohem Grade überraschend, die bisher für ausschliesslich europäisch und nur im Süden auch für westasiatisch gehaltene Form des gemeinen Igels, Erinaceus europaeus, als dessen östlichste Gränze bis dahin das Ural-Gebirge angenommen wurde, nunmehr auch in den Prai- rieen am Amur zu finden. Nicht minder auffallend ist es, an-der Mündung des Amur-Stro- mes einer Fledermaus, Vespertilio mystacinus Leisl., zu begegnen, deren östlichster Fundort bisher die Ukraine, also das östliche Europa war. Bilden diese Formen in der Amur-Fauna Züge eines westlichen, europäischen Charakters, so treten uns andrerseits im Amur- Lande zwei Säugethierarten entgegen, die uns auf dem asiatischen Festlande bisher bis zum fernsten Osten unbekannt waren und deren Heimath ausschliesslich auf den dem Ostrande Asiens an- liegenden Japanischen Inseln angenommen wurde. Es sind dies eine Antilope, Antilope crispa Temm., und eine Hundeart, Canıs viverrinus Temm., welche letztere uns durch Vermittelung der Amur-Exemplare mit der chinesischen Form €. procyonoides Gray als identisch sich er- weist und die wir über den grössten Theil des Amur- Landes verbreitet finden. Nicht minder sprechende Züge eines östlichen Charakters in der Säugethierfauna des Amur-Landes treten uns in der dunklen, dem Meles Anakuma Temm. aus Japan genäherten Dachsvarietät, in der nach Middendorff's Forschungen den Küstenländern des Beringsmeeres vorzüglich eigenen, ausnehmend grossen Bärenvarietät, in der hellen, der nordamerikanischen Form sehr genä- herten Zobelvarietät der Insel Sachalin u. a. m. entgegen.

Suchen wir nun auch diese Erscheinung auf die geographischen Grundlagen des Amur- Landes zurückzuführen, so müssen wir darauf hinweisen, dass das Amur-Land einerseits durch den von West nach Ost gerichteten Lauf seines Hauptstromes und die weit aus dem Innern des Gontinentes kommenden Quellarme desselben, so wie durch die in gleicher Richtung verlaufenden Gebirgszüge eng an das Innere Asien’s sich anschliesst, wo gewiss auch der ge- meinsame Mittel- und Ausgangspunkt vieler Thierarten des Ostens und Westens der alten Welt zu suchen ist. Im Anschlusse an Innerasien kann daher das Amur-Land manche mit Westasien und Europa gemeinsame Formen haben, die dem zwischenliegenden Sibirien fehlen, wie Eri- naceus europaeus u. dgl. Andrerseits aber tritt das Amur-Land durch seine gleichzeitige Aus- breitung am Nordjapanischen oder Tartarischen und am Ochotskischen Meere und durch die der Mündung des Amur-Stromes nahe gelegene, nach Japan, den Kurilen und sogar Kamtschatka hinüberführende Insel Sach alin sowohl mit der Japanischen Inselwelt, als auch mit den Küstenländern des Ochotskischen Meeres, mit Kamtschatka und durch dieses auch mit den Küsten des Beringsmeeres in nahe Berührung. In Folge dieser geographischen Verhält- nisse darf es uns daher nicht auffallen, in der Säugethierfauna des Amur-Landes manche mit Ja- pan, Kamtschatka oder gar NW-Amerika gemeinsame Züge, wie Canis ‚procyonoides, Antilope erispa, Lagomys hyperboreus, die erwähnten Zobel- und Bärenvarietäten u. dgl. m. wiederzufinden.

198 Säugelhiere.

Fasst man nun das Zusammentreflen geographisch ‚so diflerenter, östlicher (ostasiati- scher) und westlicher (europäischer), nordischer (sibirischer, kamtschatkischer und NW- amerikanischer) und südlicher (chinesischer und japanischer) Formen in der Säugethier- fauna des Amur-Landes zusammen, so muss. man derselben den Charakter eines nach ver- schiedenen Seiten vermittelnden und verbindenden Gliedes zwischen den Faunen weit ausein- ander liegender Gebiete zuerkennen. ‚Dabei konnten wir jedoch bemerken, dass die nordischen und östlichen Formen in der Säugethierfauna. des Amur-Landes entschieden vor den südliche- ren und westlichen vorherrschen. Ungeachtet daher der vielfachen Berührungen, welche die Säugethierfauna des Amur-Landes mit denjenigen. anderer geographischer Gebiete hat, schliesst sie sich doch, bei genauerer Vergleichung, am nächsten an die ostsibirische oder nordostasiatische Fauna an. Mit dieser hat sie bei weitem die meisten Formen gemein, und zeichnet sich ihr gegenüber nur durch einige theils mit China und Japan, theils mit Eu- ropa und theils endlich mit dem äussersten Nordosten Asien’s allein gemeinsame Züge aus. Solche Formen, die dem Amur-Lande zukommen, Sibirien dagegen, mit dem wir es nalur- gemäss zu vergleichen haben, ganz oder in seinem grössten Theile fehlen, wie Canis procyo- noides, Antilope erispa, Erinaceus europagus, Layomys hyperboreus u. a., bilden daher in der Zu- sammensetzung der Amur-Fauna die am meisten charakteristischen Züge.

Bei weiterer Vergleichung der Amur-Fauna mit der sibirischen muss es uns ferner auf- fallen, dass wir manche Theile der letzteren auch im Amur-Lande sehr stark, andere dagegen verhältnissmässig nur schwach vertreten finden. Namentlich lässt sich bemerken, dass in der Säugethierfauna des Amur-Landes die dem Walde eigenthümlichen Arten stark vorherrschen, die Steppenformen dagegen völlig zurücktreten. Ohne Zweifel muss hier Vieles noch auf Rech- nung unserer bisher sehr anfänglichen und lückenhaften Kenntniss der Amur-Fauna geschrie- ben werden, die im Laufe einer nur kurzen Zeit.und zumeist unter steter, für die Ermittelung der Säugethierfauna eines Landes nicht immer. günstiger Ortsveränderung gewonnen werden musste. Namentlich lassen sich unter solchen Umständen ‚besonders viel Lücken in der Kennt- niss der kleineren Säugethiere erwarten, welche sowohl der direkten Beobachtung durch den Reisenden, als auch der Erkundigung vermittelst der Eingeborenen, für die sie keinerlei Be- deutung haben, leichter entzogen bleiben. Wir sind daher überzeugt, dass eine spätere For- schung die Anzahl der von uns ermittelten Säugethierarten des Amur-Landes wie im Allge- meinen, so auch ganz besonders unter den kleineren und namentlich unter den Nagethieren um ein Bedeutendes erweitern wird. Dennoch scheint es schon aus unseren bisherigen Erfah- rungen hervorzugehen, dass das Amur-Land im Vergleich mit Sibirien in der That eine ge- ringere Anzahl von Nagethieren besitzt. Namentlich scheinen in demselben die zahlreichen Formen der sibirischen Steppen , die Springmäuse, die Hamster, die Wühlmäuse u. dgl. m. entweder ganz zu fehlen, oder nur in sehr geringer Zahl repräsentirt zu sein, während die auf den Wald angewiesenen Formen, wie die Eichhörnchen u. a., reichlich vorkommen. Nicht minder lässt es sich bemerken, dass im Amur-Lande keine von denjenigen Wieder- käuer- und Einhufer-Arten zu finden ist, welche für die Steppen und Hochebenen Innerasiens

Schlussfolgerungen. 199

so charakieristisch sind, wie Bos grunniens, Antilope gulturosa, A. Saiga, Equus Onager, E. He- mionus u. drgl. m., obgleich diese Formen zum grössten Theil sowohl westwärts bis in die Steppen am Aral- und Kaspischen See, als auch ostwärts bis nach Daurien hinein ver-- breitet sind. Noch auflallender endlich tritt uns das Fehlen, der Steppenformen im Amur- Lande unter den Raubthieren entgegen: denn obgleich die Zahl dieser letzteren im Amur- Lande auch eine sehr ansehnliche ist, so fehlen doch grade diejenigen, welche den Hochebe- nen und Steppen Innerasiens eigenthümlich sind, wie Canis Karayan und C. Corsac, Felis Manul u. drgl. m. Es lässt sich somit in der Säugethierfauna des Amur-Landes der ganz vorherr- schende Charakter einer Waldfauna nicht verkennen. Das’ dürfte uns auch nicht weiter auf- fallen, wenn wir das mit ausgedehnten und fast ununterbrochenen Waldungen bedeckte untere Amur-Land allein in Betracht zögen. Erwägt man aber die weiten Grasebenen und Prairieen an der südlichen Biegung des Amur-Stromes zwischen der Dseja und dem Ussuri und die eur theilweise bewaldeten Gebirgs- und Hochebenenabfälle am oberen Amur, nach den Grän- zen Dauriens oder Transbaikaliens hin, so dürfte man wohl geneigt sein, einen anderen Charakter in der Säugethierfauna des Amur-Landes zu erwarten. Gewiss werden auch grade diese letzteren, von mir nur flüchtig durchreisten Gegenden in Zukunft noch manche, sei es überhaupt, oder zum wenigsten für das Amur-Land neue Formen kennen lehren. Dennoch dürfte das, wie wir bereits erwähnten, voraussichtlich bloss auf manche kleinere Nagethier- formen und nicht auch auf jene grossen, den Hochebenen Innerasiens eigenthümlichen Wieder- käuer, Einhufer und Raubthiere sich erstrecken und somit den Gesammtcharakter der Säuge- ihierfauna des Amur-Landes nicht wesentlich ändern. Vom zoologisch-geographischen Ge- sichtspunkte erscheinen uns also jene Grasebenen und Prairieen am südlichen Amur keines- wegs als Fortsetzungen oder Ausläufer der Hochebenen- und Steppennatur Innerasiens nach Osten, sondern nur als locale' Unterbrechungen, gleichsam als ebene und waldfreie Oasen im Gebirgs- und Waldlande des Amur-Stromes, die als solche dem Waldlande gegenüber aller- dings auch mit local eigenthümlichem Charakter ihrer Säugethierfauna gezeichnet sind, im Verbande mit dem Ganzen aber dem Gesammicharakter ‘einer Waldfauna im Amur-Lande keinen wesentlichen Abbruch thun.

Neben diesen geograpischen Charakterzügen in der Säugethierfauna des Amur-Landes möchten wir hier endlich auch eines morphologischen Charakters gedenken, der sich sehr allgemein an derselben kundgiebt. Es ist dies die schon bei Besprechung der einzelnen For- men oftmals hervorgehobene Erscheinung einer vorherrschenden Schwärze oder eines Ueber- handnehmens dunkler, schwärzlicher Farbentöne an den Säugethierarten des Amur- Landes. Bekanntlich ist diese Erscheinung schon an mehreren Formen Ostsibiriens und unter den Säugethieren namentlich am Zobel und Eichhörnchen bemerkt und das Gesetz ausgesprochen worden. dass im Allgemeinen die Farbe der Säugethiere, wenn sie einem Wechsel unterworfen ist, je weiter nach Osten in Sibirien, desto dunkler werde " Im Amur-Lande kommen nun

') Baer, Uebersicht des Jagderwerbes in Sibirien, bes, im östlichen. S. Baer und Helmersen, Beiträge zur Kenntniss des russ. Reiches. Bd. VIE. p. 212., f

200 | Säugethiere.

zu den beiden genannten Thieren noch eine Menge anderer hinzu, an denen sich dasselbe be- merken lässt, wie der Dachs, der Wolf, der Fuchs, der Igel u. s. w. Zugleich aber lässt sich im Amur-Lande eine Zunahme an Schwärze an manchen Thierarten auch in anderen Rich- tungen als nach Ost bemerken. So finden wir z. B., dass der polare Pfeifhase, Lagomys hyper- boreus, dessen bisher bekanntes Verbreitungsgebiet ausser dem Amur-Lande noch den Nord- osten Asien’s und Kamtschatka umfasst, nichts destoweniger im Amur-Lande, also in der Richtung nach Süd und West die schwärzeste Färbung erhält. Ebenso ist das Eichhörnehen im Amur-Lande schwärzer als am Ochotskischen Meere, der Zobel am Amur-Strome schwärzer als auf Sachalin, am Ochotskischen Meere oder in Kamtschatka u. s. w. Wir sehen daher die Zunahme an Schwärze in der Färbung der Säugethiere Nordasiens nicht bloss in der Richtung nach Ost, sondern zugleich auch in derjenigen nach Süd vor sich gehen und dabei nicht immer bis an den äussersten Ostrand des Continentes fortschreiten, sondern bisweilen ihr Maximum auch früher auf dem Festlande Asien’s erreichen. Namentlich aber scheint das Amur-Land in denjenigen Längen- und Breitengraden Nordasiens zu liegen, wo sich das meiste Schwarz in der Färbung der Säugethiere findet. In Beziehung auf die Säuge- thierfauna des Amur-Landes müssen wir daher den Namen «Sachali» oder «Sachalin-ula», d. h. schwarzer Fluss, den der obere Amur-Strom bei den Mandshu trägt, gewiss sehr be- zeichnend finden. |

Beziehen sich diese Bemerkungen auf das Amur-Land überhaupt, so bleibt uns noch übrig zum Schlusse einige Worte im Speciellen über die Säugethierfauna der Insel Sachalin zu sagen. So mangelhaft auch unsere bisherigen, nur während zweier Winterreisen von mir gesammelten Nachrichten über dieselbe sind, so lässt sich aus ihnen doch schon entnehmen, dass die Säugethierfauna Sachalin’s eng an diejenige des nördlichen Amur-Landes sich an- schliesst und im Allgemeinen eine minder verarmte ist als man von einer Insel za erwarten geneigt wäre. So muss es uns überraschen auf Sachalin alle die zahlreichen und zum Theil sehr ansehnlichen Raubthiere des Festlandes, mit nur wenigen und unbedeuienden Ausnah- men, wie Meles Taxus, Mustela sibirica und Canis procyonoides, zu finden. Desgleichen sehen wir die Insel von zwei Arten aus der Familie der Cervinen, vom Rennthier und Moschusthier be- wohnt. Nicht minder endlich finden wir auf derselben die dem Walde eigenthümlichen Eich- hörnchenarten des Festlandes, Sciurus vulgaris, Tamias striatus und Pteromys volans wieder. Dieser Reichthum an Säugethieren auf Sachalin fällt uns um so mehr in die Augen, wepn wir diese Insel gegen die mit ihrem südlichen Theile in gleichen Breiten mit Nord-Sachalin gelegene und ebenfalls gebirgs- und waldreiche Halbinsel Kamtschatka halten. Erscheint uns daher letztere vom zoologisch - geographischen Gesichtspunkte, in Folge der starken Ver- armung ihrer Säugethierfauna, als eine mit insularem Charakter gezeichnete Halbinsel, so möchten wir umgekehrt Sachalin eine in Beziehung auf ihre Säugethierfauna mit halbinsu- larem Charakter versehene Insel nennen. Fasst man den nördlichen Theil der Insel in’s Auge, so dürfte auf demselben fast ganz dieselbe Säugethierfauna wie in gleichen Breiten auf dem Continente zu finden sein, indem wir von den Säugethierarten der Amur-Mündung auf

Schlussfolgerungen. 201

der Insel Sachalin mit Bestimmtheit nur den Dachs, die Mustela sibirica und das Elennthier vermissen. Grösser scheint dagegen die Verarmung der Säugethierfauna im südlichen Theile der Insel zu sein, insofern nämlich die auf dem Festlande in südlicheren Breiten auftretenden Säugethierarten, wie Canis procyonoides, Reh, Edelhirsch, Wildschwein u. a.. auf der Insel ausbleiben. Vermuthlich dürften dort auch die mit der Prairie im südlichen Theile des Amur- Landes auftretenden kleineren Säugethierarten, wie Erinaceus europaeus, Spermophilus Evers- manni, Siphneus Aspalax u. a. m., fehlen, wogegen vielleicht am Südende Sachalin’s unter den kleineren Säugethieren manche mit den Japanischen Inseln gemeinsame, dem Festlande dagegen fehlende Form sich auffinden wird.

Es dürfte nun nicht schwer sein, den Zusammenhang dieser thiergeographischen Ver- hältnisse der Insel Sachalin mit ihrer physischen Beschaffenheit und geographischen Lage im Vergleich zum Continente nachzuweisen. Dass die Insel Sachalin, als wald- und gebirg- reiches Land, nahe dieselbe Säugethierfauna wie das gebirgige Waldland am unteren Amur- Strome zu ernähren im Stande sein dürfte, haben wir schon mehrmals, bei Besprechung der einzelnen Thierarten, zu bemerken Gelegenheit gehabt. Erwägen wir daher neben dieser Be- schaflenheit der Insel auch ihre ansehnliche Nähe zum Continente, so wird uns die für eine Insel verhältnissmässig nur geringe Verarmung in der Säugethierfauna Sachalin’s nicht wei- ter auffallen. Dass aber diese Verarmung im Süden der Insel eine grössere als im Norden ist, scheint uns aus den geographischen Verhältnissen derselben ebenfalls leicht erklärlich. Bekanntlich schliesst sich die Insel grade mit ihrem nördlichen Theile am nächsten an das Festland, und zwar an das untere Amur-Land und die Amur-Mündung an. Denn nicht bloss liegt sie dort räumlich dem Festlande am nächsten, und am Gap Lasareff, wo man sie ehe- mals mit dem Continente in fester, halbinsularer Verbindung glaubte, sogar bis auf die un- bedeutende Entfernung von 3—4 Seemeilen genähert, sondern sie tritt dort auch allwinterlich durch die ununterbrochene Eisdecke des Amur-Limanes mit dem Continente in zeitweise feste Verbindung, welche einen mannigfachen Austausch der Thierwelt ermöglicht. Sahen wir doch, dass wahrscheinlicherweise selbst der Tiger diese temporäre, Brücke über den Amur- Liman zu seinen Streifzügen nach der Insel Sachalin benutzt. Weiter südwärts dagegen ent- fernt sich die Insel weiter vom Continente und bleibt von demselben auch im Winter durch die in ihrer Mitte niemals und längs den Küsten auch nur sehr unterbrochen gefrierende Meerenge der Tartarei getrennt. Dort muss daher auch der im Norden stattfindende, bestän- dige Austausch von Säugethierarten zwischen dem Festlande und der Insel aufhören, und so- mit bleiben also der letzteren auch die auf dem Continente in südlicheren Breiten auftretenden Formen fern. Zudem bietet die Insel Sachalin, bei ihrer gebirgigen Natur und ihrer mariti men, den Einflüssen des nordischen Ochotskischen Meeres im hohen Grade ausgesetzten Lage, gewiss weder die raschen klimatischen Differenzen nach Süden, die sich im Amur- Thale bemerken lassen, noch auch eine solche Aenderung der Gebirgs- und Waldnatur zur Prairie, wie das im Süden des Amur-Landes der Fall ist. Damit fallen aber tauf derselben

auch die physischen Bedingungen zum Vorkommen der im Amur-Lande mit der Prairie sich Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 26

202 Säugethrere.

einlindenden Säugethierarten weg, während andrerseits den nordischen, der Insel mit dem nördlichen Amur-Lande gemeinsamen Formen, z. B. dem Rennthier, Vielfrass u. drgl. m., eine weitere Verbreitung nach Süd als auf dem Continente möglich wird. Dennoch lassen sich in der südlichen Hälfte der Insel, zugleich mit der Milderung klimatischer Verhältnisse, auch manche südlichere Formen erwarten, und zwar macht die Nähe Süd-Sachalin’s von Jesso und den Japanischen Inseln das Vorkommen daselbst mancher mit Japan gemeinsamer Säu- gethierarten wahrscheinlich. So dürfte also die Insel Sachalin gewissermassen eine Brücke zwischen dem nördlichen Amur-Lande und der Inselwelt Japan’s bilden, und es lässt sich annehmen, dass eine genauere Erforschung derselben uns noch mehr verbindende und ver- mittelnde Züge zwischen den Faunen Ostsibirien’s und Japan’s nachweisen wird, als wir sie bereits auf dem angränzenden Festlande gefunden haben.

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Erläuterungen zur Karte des Amur-Landes.

Da die beifolgende Karte des Amur-Landes von Hrn. Samochwaloff zu dem Zwecke entworfen worden ist, um unsere Mittheilungen über das Amur-Land zu begleiten, so wird es hier-am Orte sein, einige Worte über die Entstehung derselben und das Verhältniss, in welchem sie zu unserem Reisewerke steht, zu sagen. Begreillicher Weise mussten wir gleich im Beginne der Bearbeitung unserer Reise- Materialien die Nothwendigkeit einer Karte des Amur-Landes empfinden. War uns eine solche schon wünschenswerth, um den Leser in den Stand zu setzen, dem in der Einleitung zu diesem Werke angegebenen Gange unserer Reisen im Amur-Lande folgen zu können, so machte sich ein noch grösseres Bedürfniss nach derselben bei der ebenfalls in der Einleitung vorausgeschickten kurzen Uebersicht der orographischen und klimatischen Verhältnisse des Amur-Landes geltend. Bei der Kürze dieser vorläufigen geogra- phischen Mittheilungen musste ausdrücklich darauf gerechnet werden, dass eine Karte ihnen selbstredend zu Hülfe kommen und mehr: als jene kurze Uebersicht es vermochte zu einem vor- läufigen allgemeinen Bilde der geographischen Verhältnisse des Amur-Landes, der Richtung und Entwickelung des Hauptstromes und seiner Zuflüsse, des Verlaufes der Gebirge, der Configuration der Küsten u. s. w., führen werde. Ganz unumgänglich endlich wurde uns eine Karte bei den speciellen wissenschaftlichen Arbeiten über das Amur-Land, die in dieser er- 'sten Lieferung unseres Reisewerkes mit den Säugethieren des Amur-Landes begonnen wor- den sind. Wie man bemerken wird, ist in dieser Abhandlung neben den zoologisch-systemati- schen Erörterungen, zu denen die Amur - Materialien Veranlassung geben konnten, auch eine besondere Aufmerksamkeit auf die geographische Verbreitung der Säugethiere im Amur- Lande verwendet worden. Dass aber unsere Erfahrungen in dieser Richtung nur ganz anfäng- liche sein konnten, versteht sich von selbst. Um so mehr musste man daher darauf bedacht sein, dieselben späteren, durch wachsendes Material zu umfassenderen Schlüssen berechtigten Forschungen nutzbar zu machen. Zu dem Zwecke nun sind von uns die Fundorte der an ein- zelnen Punkten des Amur-Landes aufgefundenen, sei es beobachteten oder mitgebrachten Thierarten mit möglichster Genauigkeit angegeben, das Vorkommen allgemein verbreiteter Formen nach den einzelnen Theilen des Amur-Landes besonders besprochen, die in demselben befindlichen Gränzlinien der Verbreitung einzelner Säugethiere nach möglichst genau ermit- telten Punkten verzeichnet und wo sıch uns im Verlaufe derselben ein gewisser Zusammen- hang mit anderweitigen, klimatischen oder überhaupt geographischen Verhältnissen des Amur- Landes zu verrathen schien, auch auf diesen hingewiesen worden. Es versteht sich nun von selbst, dass wir diese Angaben nicht anders als mit Hülfe einer dem Detail derselben ent- sprechenden Karte anschaulich zu machen hoffen durften. Dass endlich ein gleiches Bedürfnis

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204 Erläuterungen

nach einer Karte auch bei B£arbeitung anderer Theile der Fauna, so wie bei Besprechung der ethnographischen Verhältnisse des Amur-Landes sich herausstellen würde, war leicht vorauszusehen. Nach alledem schien es also zweckmässig mit dem Entwurfe einer Karte des Amur-Landes nicht bis zur Abfassung des letzten, dem ausführlichen historischen Berichte über unsere Reisen und den geographischen Bemerkungen über das Amur-Land gewidmeten Theile zu warten, sondern sogleich an denselben zu gehen, ob auch viele, auf unsere Erfah- rungen begründete Punkte der Karte erst später eine genauere Besprechung und respektive Erklärung finden können.

Ein gleiches Bedürfniss nach einer Karte musste natürlich auch Hr. Maximowicz bei seinen gleichzeitigen Arbeiten über die Flora des Amur-Landes empfinden. Wir trafen daher die Uebereinkunft, unsere beiderseitigen Erfahrungen über die geographischen Verhältnisse des Amur-Landes zu vereinigen und gemeinschaftlich einer auf die neuesten Quellen zu be- gründenden Karte zuzuwenden. Es lag uns diese Vereinbarung um so näher, als wir einen grossen Theil unserer Reisen im Amur-Lande gemeinschaftlich ausgeführt hatten und auch gegenwärtig bei Bearbeitung der Materialien in unseren Wünschen in Beziehung auf den Umfang, den Maassstab und das Detail der Karte vollkommen übereinstimmten. Was den er- steren betraf, so musste die Karte natürlich das gesammte Amur-System (mit Ausnahme viel- leicht der zum Theil schon nach Innerasien gehörenden Quellgegenden des Argunj’s und der Schilka)aufnehmen und konnte also ziemlich natürliche Gränzen an dem Stanowoi-Gebirge im Norden und dem Shan-alin im Süden finden. In Beziehung aber auf die Grösse und das Detail der Karte musste der doppelteZweck, dem sie zu dienen hatte, im Auge behalten wer- den. Sollte sie nämlich, neben möglichst getreuer und anschaulicher Uebersicht der geogra- phischen Verhältnisse des Amur-Landes, auch die Gränzlinien der Verbreitung vieler Pflan- zen- und Thierarten aufnehmen und zugleich dem Detail der Reise- und Fundortangaben ent- gegenkommen, so mussle sie in einem mittleren, weder sehr kleinen, noch sehr grossen Maass- stabe gehalten werden. Ersterer, obgleich zum Verzeichnen der pflanzen- und thiergeographi- schen Gränzlinien der bequemere, hätte es unmöglich gemacht, in die Karte das zur Orienti- rung bei speciellen naturhistorischen und ethnographischen Arbeiten nöthige Detail einzutra- gen; letzterer Maassstab dagegen hätte es zwar gestattet in den durchforschten Theilen des Amur-Landes alles Detail an Gebirgen, Flüssen, Ortschaften u. s. w. aufzunehmen, wäre aber der Karte in Beziehung auf die bisher noch überwiegenden unbekannteren Gebiete des Amur-Landes um so nachtheiliger geworden und hätte sie namentlich auch zum Eintragen der immer nur an wenigen Punkten bestimmt nachgewiesenen Gränzlinien der Verbreitung von Pflanzen und Thieren im hohen Grade ungeeignet gemacht.

Dass keine von den bisher vorhandenen Karten des Amur-Landes unseren Wünschen ge- nügen konnte, versteht sich von selbst. Bereits lagen aber viele schätzbare Materialien zu einer genaueren und zuverlässigeren Karte des Amur-Landes vor. Vor Allem ist hier auf die zahl- reichen, durch die Expedition der Russischen Geographischen Gesellschaft während der Jahre 1855 58 im Laufe des Amur-Stromes und seiner Zuflüsse, sowie an der Meeresküste des Fest-

zur Karte des Amur-Landes. 205

landes und der Insel Sachalin astronomisch bestimmten Punkte aufmerksam zu machen, die, wenngleich nur vorläufig berechnet, schon im Stande waren eine sichere Grundlage für den grössten Theil einer Karte des Amur-Landes abzugeben. Diesen besonders auf das Innere des A mur-Landes bezüglichen Materialien kommen nun von der Seeseite die beim hydrographischen Departement und im Journal der Russischen Marine (Morskoi Sbornik) zerstreut niederlegten Arbeiten russischer Seeofficiere entgegen, die uns eine Reihe höchst sorgfältig ausgeführter Kü- stenaufnahmen, angefangen vom Ochotskischen Meere und bis zur Südspitze von Korea, vor- führen. Ihnen lassen sich auch einige neuere, zum Theil auf dieselben Gegenden bezügliche Ar- beiten englischer und nordamerikanischer Seeofliciere anreihen. Für das Innere des Amur-Landes aber und vornehmlich den Amur-Strom haben wir ferner der mehrfachen aufBefehl des Hrn. General-Gouverneurs von Ostsibirien ausgeführten topographischen Arbeiten zu gedenken. End- lich bleibt uns noch einer unveröffentlichten, von Hrn. v. Middendorff theils nach eigenen Erfahrungen und theils nach chinesischen Quellen zusammengestellten Karte zu erwähnen übrig, die uns freundlichst zur Benutzung mitgetheilt worden ist und die uns namentlich über die linken Zuflüsse des Amur-Stromes ausführlicher unterrichten konnte. Es möge diese flüch- tige Aufzählung nur der wichtigsten kartographischen Vorarbeiten genügen, um darzuthun, dass bereits reiche Quellen zu 'einer zuverlässigeren Karte des Amur-Landes, als wir sie bis- her hatten, vorhanden waren, wenngleich dieselbe, noch vor der endgültigen Berechnung der zahlreichen, von der Expedition der Russischen Geographischen Gesellschat ausgeführten Ortsbestimmungen entworfen, gewiss in vielen Punkten irren konnte und einer baldigen Verbesserung entgegensehen durfte. Bis dahin galt es aber, um den oben hervorgehobenen Be- dürfnissen nachzukommen, die bereits vorhandenen Quellen durchzuarbeiten und zu sichten, sie zu einem Ganzen zu verschmelzen und mit den noch unveröffentlichten Nachrichten zu bereichern, welche uns eigene Reisen durch verschiedene Theile des Amur-Landes an die Hand gegeben hatten. Diese Arbeit war es, der sich auf unsere Aufforderung Hr. Samo- chwaloff unierzog und die er zu unserer völligen Befriediguug löste. Als Lieutenant im Steuermannscorps der Kaiserl.russischen Marine, hatte Hr. Samochwaloff an Bord der Fregatte Aurora selbst das Amur-Land besucht und anderthalb Jahre (1855 und 56) an den Küsten der Meerenge der Tartarei, im Amur-Limane, im Nikolajewschen Posten und auf einer Reise den Amur aufwärts bis zur Einmündung des Gorin’s in denselben zuge- bracht. Zu den übrigen Quellen über das Amur-Land konnte er daher auch noch seine eige- nen Erfahrungen über das Mündungsland des Amur-Stromes hinzufügen. Bei dem Verhält- nisse nun, in dem Hrn. Samochwaloff’s Karte zu unserem Reisewerke steht, sei es uns ge- stattet, ihm für diese, unsere Mittheilungen über das Amur-Land wesentlich ergänzende und erläuterude Arbeit unseren verbindlichsten Dank hier öffentlich auszusprechen. Zur ferneren Erläuterung der Karte aber, lassen wir hier die von Hrn. Samochwaloff selbst niederge- schriebene und uns zur Veröffentlichung an diesem Orte mitgetheilte Aufzählung der für die verschiedenen Theile der Karte von ihm benutzten Quellen folgen.

«Vorliegende Karte des Amur-Landes, in Mercator’s Projection, einen Raum von

206 Erläuterungen

1% Breiten- und 32 Längengraden im Maassstabe von 108,2 Werst auf einen englischen Zoll umfassend, ist nach den neuesten, zum Theil noch unveröflentlichten Quellen entworfen wor- den. Zur Grundlage derselben haben folgende astronomische Ortsbestimmungen gedient:

1) Für den Amur-Strom, den Amur-Liman und die Insel Sachalin folgende, von Hrn. Lieut. Roschkoff im Auftrage der Russ. Geographischen Gesellschaft in den Jahren 1855 und 1856 vermittelst mehrerer Chronometer und eines Passage-Instrumentes bestimmte Punkte: *)

Nördliche Breite. Oestl. Länge y. Greenw.

Ustj-Strelatschnoi Karaue 302... -...... 53° 19 56. on. 121°40 24” Ein Punkt am Amur-Ufer nahe dem Berge Zagajan.52 14 22 ....... 126 25 27 Mündung des Ssungari....ue2.c2mcconenuene a —_ Mündung; des Ussurs „Air lyene sehe. 20 mise FR RP aa 135 5 49,5 Sandsteinwand bei Uch’ssumi .......... 222... 48 31930: ak =

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2) Für Transbaikalien und namentlich die Quellarme des Amur-Stromes, die Schilka, den Argunj und deren Zuflüsse, folgende, von Hrn. Schwarz, Hauptastronomen der Ostsibirischen Expedition der Russ. Geograph. Gesellschaft, im Jahre 1855 vermittelst mehrerer Chronometer und eines Passage-Instrumentes bestimmte Punkte **):

*) Vergl. Oruer Umnep. Pycexr. Teorp. O6mecrsa 3a 1856 roA%. p. 26, und Oruer» Hnmn. Pycer. Teorp. O6m. aa 1857 r. p. 24. Ä

**) Vergl. Orger» Uno. Pyccx. Teorp. O6. 3a 1836 r. p. 24.

zur Karte des Amur-Landes. 207

Nördliche Breite. Oestl. Länge v. Greenw,

SladuBechataysltili. sinken ala li 52T 113° 36° 30”

BuaNseischinskis'i ld einlesen a a 116 42 0 Bester serhigdant u... =... : ee an are 50 34 40 ...... 115 31 30 KirchdorßSchelonugino.. ». - „u.:dadaenmean.cke 51439 :,,27.,% 0511722080 Wackiposien Abagaitu ...ve.. eu soraoanean a 117 57 15 Festung Zuruchaitu.......2.... an icde A PIE 119 10 0 Nertschinsk6i Sawod.. 2... son. Jareeone- 01832: 119 43 45 NEnSkOLOStrog.. NN vereinen. DERSRMISAR TUN 120 8 30 Mündung des Urov (in den Argunj)............ Er ee 120 51 15

3) Für beide Länder, Transbaikalien und das Amur-Land, noch folgende , zumeist ebenfalls von der Ostsibirischen Expedition der Geogr. Gesellschaft astronomisch bestimmte, aus dem Kataloge der bis zum Jahre 1857 in Ostsibirien ausgeführten Ortsbestimmungen entlehnte Punkte *):

Nördliche Breite. Oestl. Länge v. Greenw.

Buellenalen Nerischa Wr N, 5a Tl a5 Sea 1172 36. Bestuns:Gochizaz 2.2 Jeilege gene o elelhe en. N 1 Felsen Smeinaja-Gora (am oberen Amur)....... DB, > AA ae 125 44 Punkt gegenüber der Bureja-Mündung .......... EI BSR: 129 40

» » der Ssungari-Mündung........ WERD DA a rn. 132 33 DorkAmtischo en... ae ae ee ei 1 6 = Zweite Mündung des Gorin’s...2.c2ccceese co. 50,24) Dapaeh 137 44 Bai Hadshi (Kaiserhafen)............2..2.... IN N. 140 19,5

Für das Detail des Flussnetzes, die Richtung der Gebirge, die Umrisse der Küsten u. s. w. sind folgende Quellen benutzt worden : ; Für den Amur-Strom:

Kapra Amypesaro soaauaro noyra. 1857. (Karte der Amur-Strasse, 1857.) Herausgegeben beim Rechenschaftsberichte der Russisch-Amerikanischen Companie für das Jahr 1856. (Oraer» Pocc. Amep. Komn. 3a 1856 r.)

Manuscripte und mündliche Mittheilungen der Hrn. L. v. Schrenck und €. Maximo- wiecz (zumal in Beziehung auf den Verlauf der den Strom begleitenden Gebirge).

Meine, beim hydrographischen Departement niedergelegte Manuscriptkarte des Mündungs- laufes des Amur-Stromes.

Für die Flüsse Bureja und Dseja **):

Unveröffentlichte Karte Hrn. v. Middendorff’s Erster Versuch einer hydrogr. Karte des

Stanewoi Gebirges und seiner Ausläufer zwischen dem 45 und 62° n. Br. *) Vergl. Orzerg Hun. Pycer. Teorp. OOm. 3a 1857 r. p. 113. fi. **) Die im Laufe der Dseja -Zuflüsse von Hrn. Schwarz u.a. recht zahlreich bestimmten, zumeist jedoch nur

in sehr unbestimmten Bezeichnungen bekannt gemachten und deshalb von Anderen kaum brauchbaren Punkte lassen voraussehen, dass die Karte des Dseja-Systems in kurzer Zeit eine sehr veränderte Gestalt gewinnen wird.

208 Erläuterungen

Für die Flüsse Gorin und Amgunj:

Die obenerwähnte von der Russisch - Amerikanischen Kurupanie herausgegebene Karte des

Amur-Stromes, Für die Flüsse ae Päch’ssa, Dondon, Chongar, Chelass, Jai, Kur, Ssed- semi, Nummul u. a. Manusecript-Mittheilungen Ri Hrn. Schrenck und Maximowicz. Für den Tymy-Fluss auf der Insel Sachalin:

Manuseript-Mittheilungen Hrn. v. Schrenck’s.

Für den nördlichen Theil der Festlandsküste, die Küsten Sachalin’s und des nordösi- lichsten Theiles von Jesso:

Kapra Bocrosnoä yacru Cuöapn no onucn Hopyrıara Kospmuna, u31aH. Dpu 3anuckax® Unaporpa®. Aenaprameura. 4. IV. 1846 r. (Karte vom östlichen Theile Sibirien’s nach den Aufnahmen des Lieut. Kosmin, herausgeg. in den Schriften des hydrogr. De- partements. Bd. IV. 1846.)

Mepkaroperaa Kkapra chzepmoii Mo.10BaHBI ÜXOTCKRAaroO MOpA, COCTAB.ı. H3b PA3HBIXB yp- Ha.10Bb H KapT% npn T'uaporp. Aenapr. #& 1849 r. m nenpapaennaa 85 1857 r. (Karte vom nördl. Theile’ des Ochotskischen Meeres, entworfen nach versch. Journ. und Kar- ten im hydrogr. Depart. 1849, berichtigt 1857.)

Mepkaropckaa Kapra FAHOÜ MOAOBUHBI ÜXOTCKArO MopA, COCTABA. 135 PA3H. kypHaı. u kapT& npm raaporp. Aenapr. 1852 r. mn uenpas.ı. 55 1858 r. (Karte vom südlichen Theile des Ochotskischen Meeres, entworf. nach versch. Journ. und Karten im hydrog. Depart. 1852, berichtigt 1858.)

Mepkaropcraa kapra Tarapcraro npo.uga onuchn Amypckoü 3Kcneannin u mx yubı BocTor% 86 1853r. (Karte der Meerenge der Tartarei nach den Küstenaufnahmen der Amur-Exped. und des Schooners W ostok. 1853.) Herausg. im Moperoü Cöopuur®. 1858. XXXV.MW5.

Kapra Jeaosutaro mopa an Bocrtoauaro oReaHa, u3a. npu T'uaporp. Aenapr. 85 1844 r. u uenpas.ı. 86 1858 r. (Karte des Eismeeres und des Stillen Oceanes, herausgeg. im hy- drograph. Depart. 1844, berichtigt 1858.)

Für den südlichen Theil der Festlandsküste :

Kapra Bocrouuaro 6epera no.1yoctpoga Kopen , cocTaB.ı. C5 onucH npon3BeAenHoü Owune- pamn »perara Ila.ııaaa u n3aan. 86 Tuıporp. Aenapr. 35 1857 r. (Karte von der Ost- küste der Halbinsel Korea, entworfen nach den von den Offic. der Fregatte Pallas aus- geführten Küstenaufnahmen und herausgegeb. im hydrogr. Departem. 1857.)

ILıanpı nopros» B.aaaumipa u Oasra m Kapra KB MaaBamito napoxoaa Amepuka. 1857. (Karte der Fahrten des Dampfschiffs Amerika im Jahre 1857, nebst Plänen der Häfen Wladimir und Olga) herausgeg. im Moperoü C6opn. 1858. NNXXIV. 3.

Karte: The Kuril Islands frora Nipon to Kamtschatka (The coast from Castries Bay south ward to Low Cape by Mr. H. Hill Mast., from Low Cape to Hornet Bay by Mr. S.W.R.Freeman Mast. 1856). London. Published by the Admiralty 1855. Additions 1856.

zur Karte des Amur-Landes. 209

Für den westlichen Theil der Insel Jesso:

Track -Chart of the U. S. North - Pacific Surveying Expedition. John Rodgers U. S.N. Commanding 1854 1856 (by U. S. Steamer John Hancock, Lieut. Commdg. H. R. Stevens).

Für den übrigen nördlichen Theil der Karte:

Kapra Bocrouuoü Cuönpu, cocras.ı. no vopkünmmp crbabuiamn upu ynpa.ı. TeHepa.ısn. Lllraöa 8% Bocroua. Cu6upn 1855. (Karte von Ostsibirien, entworfen nach den neuesten Nachrichten beim General-Stabe in Ostsibirien. 1855.)

Die obenerwähnte unveröffentlichte Karte Hrn. v. Middendorff’s vom Stanowoi-Gebirge.

Für den übrigen südlichen Theil der Karte:

Ritter’s Karte von Asien.

Die Namen der Ortschaften, Flüsse, Gebirge u. s. w. sind durchweg nach den Angaben der Hrn. Schrenck und Maximowiecz eingetragen worden.»

‚Es bleibt mir nun noch übrig einige erläuternde Worte zu den auf der Karte verzeich- neten Gränzlinien der Verbreitung einiger Säugethiere im Amur-Lande zu sagen. Die That- sachen, auf denen sie beruhen, sind im Vorhergehenden ausführlich erörtert worden. Aus denselben wird man daher ersehen können, in wie weit uns eigene Erfahrungen und mehr oder weniger zuverlässige Angaben der Eingeborenen des Amur-Landes, oder aber nur Com- binationen und Vermuthungen, wie sie die Natur des Landes uns an die Hand geben konnte, den Lauf dieser Linien dietirt haben. Die verschiedene Tragweite dieser Grundlagen ermes- send, haben wir übrigens dieselben auch in der Ausführung der Linien stets auseinander ge- halten. Denn nur wo uns eigene Erfahrungen oder bestimmte Angaben von Eingeborenen vor- lagen, sind die Gränzlinien ausgezogen, im Uebrigen aber punetirt angegeben worden. Ja, wo das Feld der Combinationen ein zu weites war, da sind die Linien sogar zu öfters ganz abge- brochen worden, ob auch der Lauf derselben zuverlässig in den Raum der Karte fällt. Dies ist namentlich auch dann geschehen, wenn wir nicht mehr als an einem Orte einen bestimm- ten Gränzpunkt der Verbreitung eines Thieres ermitteln konnten, für den übrigen Theil aber nur unbestimmte Angaben besassen, da uns der Lauf der Linie alsdann noch zu wenig indi- eirt schien. So ist es gleich bei der ersten der von uns verzeichneten Linien, der Polargränze von Meles Taxus Schreb., geschehen. Denn ob wir auch Grund haben zu vermuthen, dass dieselbe im oberen Amur-Lande den mittleren Lauf der Bureja und Dseja schneidet, so fehlt es uns hier doch an allen direkten Erfahrungen und müssen wir uns daher zunächst mit dem einen, ziemlich bestimmt ermittelten Gränzpunkte an der Südküste des Ochotski- schen Meeres begnügen. Aehnlich verhält es sich auch mit unserer IIten Linie, der Aequa- torialgränze von Gulo borealis Nilss., die wir nach Verbindung zweier Gränzpunkte im unteren Amur-Lande, des Geong- und Wanda-Gebirges,, westlich von letzterem, in Er- mangelung noch mehrerer, bestimmt ermittelter Gränzpunkte, abbrechen müssen, ob es gleich wahrscheinlich ist, dass dieselbe, auch im Westen des Amur-Landes der Aequatorialgränze

des Rennthieres folgend, den oberen Amur in der Gegend der Komar-Mündung wieder er- Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 27

210 Erläuterungen.

reicht. Ebenso brechen wir die Gränzlinie des Vielfrasses auch im Osten vom Geong-Gebirge mit der Festlandsküste, wo sie jedenfalls südlich von der Bai Hadshi und von Idi liegt, ab, ob wir gleich den Vielfrass bis nach der Südspitze Sachalin’s vermuthen dürfen. Bedeutend mehr Punkte liegen uns für die ihr sehr genäherte, auf unserer Karte VIl! Linie, die Aequa- torialgränze von Cervus Tarandus L., vor, da uns hier die Südspitze Sachalin’s, das Geong- und Wanda-Gebirge, der Gebirgsstock Tukuringra (Middendorff) und das Chingan-Ge- birge zwischen dem Amur- und dem Nonni-Fluss (Pallas) als Gränzpunkte bekannt sind. Da jedoch letzterer Gebirgszug eine weite Ausdehnung hat und das südlichste Vorkommen des Rennthieres in demselben nicht ermittelt ist, so können wir unsere Linie an diesem Endpunkte auch nur andeutungsweise ziehen. Verhältnissmässig gut indieirt und daher leicht einzutragen war uns die Illt®e Linie unserer Karte, die Polargränze von Canis procyonoides Gray, da wir die Gränzpunkte der Verbreitung dieses Thieres an der Küste und am unteren und oberen Amur mit ziemlicher Genauigkeit ermitteln konnten. Für die drei folgenden Linien (IV, V u. VI), die Polargränzen des Wildschweines, des Rehes und des Edelhirsches, gaben uns Midden- dorff’s Forschungen im Norden vom Amur wesentliche Anhaltspunkte, welche es uns gestat- teten die im unteren Amur-Lande nachgewiesenen Gränzlinien der Verbreitung dieser Thiere westwärts fortzusetzen. Für das Wildschwein namentlich war uns westlich vom unteren Amur ein bestimmter Gränzpunkt mit dem Jorach an der Bureja gegeben. Als Polargränze des Rehes und Edelhirsches aber war uns durch Middendorff im NW. vom Amur der Kamm des Stanowoi-Gebirges bekannt und liess sich für die Senkung der Linien von dort zum un- teren Amur, wo wir die Gränzpunkte bestimmen konnten, das sehr seltene Vorkommen des ersteren noch an den Zuflüssen des Gallam und des letzteren am Inkanj (Middendorff) als maassgebend annehmen. Nicht für überflüssig hielten wir es endlich auf unserer Karte auch die Gränze des weitesten Aufsteigens der Phoca nummularıs Schleg. und des Weissfisches (Delphinapterus Leucas Pall.) im Amur (Linie VIII), so wie die Aequatorialgränze des letzteren (Linie IX) zu verzeichnen. Denn ob auch beide Gränzen, die erstere ihrer Natur nach und die letztere ihrer Lage an der schmalen Meerenge der Tartarei zufolge, auf einen einzelnen Punkt sich beschränken, so schien es doch wichtig auch auf der Karte auf die verhältnissmässig sehr südliche Lage dieser Punkte im Amur-Strome und Limane aufmerksam zu machen. Dagegen sind auf der Karte alle bisher durch keine bestimmten Gränzpunkte genauer zu fixirenden Angaben über die Verbreitung mancher wahrscheinlich nur der Prairie in der südlichen Bie- gung des Stromes eigenen, dem gebirgigen unteren Amur-Lande dagegen fehlenden Formen, wie Erinaceus europaeus, Spermophilus Eversmanni, Siphneus Aspalax u. s. w., weggelassen worden. Dasselbe ist mit der Verbreitungsgränze der noch viel zu wenig bekannten Antilope erispa Temm. geschehen, die den Angaben der Eingeborenen zufolge dem Küstengebirge der Mandshurei von der Amur-Mündung an südwärts folgt. Wird man aber die Unterlassung voreiliger graphischer Darstellung gut heissen, so haben wir schliesslich auch für die auf der Karte verzeichneten Verbreitungsgränzen noch eine gütige Nachsicht in Anspruch zu nehmen, da dieselben ebenfalls mehr punetirte und also nur vermuthungsweise angegebene

zur Karte des Amur-Landes. 21

als wirklich ermittelte, ausgezogene Linien enthalten. Möge uns dabei auch der Umstand ent- schuldigen, dass wir durch den Entwurf irgend darstellbarer Linien der Thierverbreitung auf unserer Karte die Aufmerksamkeit künftiger Reisenden im Amur-Lande unserem Gegen- stande in einem höheren Grade und auf unmittelbare Weise zuzuwenden hoffen durften.

Berichtigungen und Zusätze.

Felis Tigris L. Auf S. 95 ist angeführt worden, dass das durch Aussagen der Gilja- ken von uns erkundete Vorkommen des Tigers an der Südküste des Ochotskischen Meeres dem von Middendorff in Erfahrung gebrachten Vorkommen desselben an der Tyrma unmit- telbar sich anschliesse und dort vielleicht die Polargränze der Streifzüge des Tigers bezeichne. Als ich dies niederschrieb, war mir noch keine die Reisen Hrn. v. Middendorff’s im Süd- osten Sibirien’s erläuternde Karte zu Gesichte gekommen. Ich glaubte daher unter der Be- zeichnung Tyrma denselben Fluss verstehen zu dürfen, den wir auf der neuesten Karte von Ostsibirien (Rapra Bocrounoü Cuönpn cocrası. no HoBbümmmp cBbabuiamp npu yopazı. Tenep. Ilfra6a Bocros. Cn6. 1855 r.) als Torma oder Terma angegeben finden. Gegen- wärtig hat uns jedoch die von Hrn. v. Middendorff entworfene (unveröflentlichte) Karte vom Stanowoi-Gebirge und seinen Ausläufern dahin belehrt, das die Tyrma oder Tyrmy ein Ne- benfluss der Bureja sei. Von einem Anschlusse der oben erwähnten Fundorte an einander kann daher nicht mehr die Rede sein. Jenes von uns erkundete Vorkommen des Tigers im Gebiete der Giljaken an der Südküste des Ochotskischen Meeres ist somit gegenwärtig der nördlichste bekannte Punkt seiner Verbreitung im Küstengebiete Ostasiens.

Tamias striatus L. p. 125. Im selben Jahre (1855), als ich T. striatus im Nikolaje w- schen Posten im Frühjahre zuerst am 13. (25.) April bemerkte, hat Hr. Maximowiez das erste Wiedererscheinen dieses Thieres im Mariinskischen Posten am 7.(19.) April, also um 6 Tage früher beobachtet, was mit den klimatischen Diflerenzen dieser beiden Orte völlig im Einklange steht.

212

Erklärung der Tafeln.

Taf. I. Fig. 1. Meles Tarus Schreb. Var. amurensis, fünf mal verkleinert; nach einem Exemplare aus

dem unteren Amur-Lande nahe der Ussuri-Mündung. Fig. 2, 3 u. 4. Köpfe derselben Varietät von M. TaxusSchreb. in halber Grösse; nach Exem-

plaren vom Gorin und aus der Umgegend des Nikolajewschen Postens; nach Farbe und Zeich- nung den Uebergang zur typischen Form vermittelnd.

Taf. H. Canis alpinus Pall., acht mal verkleinert: nach einem aus dem Geong-Gebirge im unteren Amur-Lande erhaltenen Felle.

Taf. II.

Fig. 1. Canis procyonoides Gray im Winterkleide, vier mal verkleinert; nach einem durch die Giljaken der Amur- Mündung aus dem unteren Amur-Lande, vermuthlich aus der Gegend der Ussuri-Mündung erhaltenen Felle. L

Fig. 2. Derselbe im Sommerkleide; nach einem im Dorfe Ssoja im unteren Amur- Lande erhaltenen Felle.

Taf. IV.

Fig. 1. Can. procyonoides Gray Var. amurensis, im Sommerkleide, vier mal verkleinert; nach einem im Dorfe Emmero im unteren Amur-Lande lebendig erhaltenen Individuum.

Fig. 2. Erinaceus europaeus L. Var. amurensis, in halber Grösse; nach einem im Dorfe Guls- soja nahe der chinesischen Stadt Aigun erhaltenen Felle. Daneben ein einzelner Stachel in dop- pelter Vergrösserung.

Dark

Skelett von Can. procyonoides Gray, in halber Grösse, von einem erwachsenen Weibchen

vom oberen Amur bei Ossika, nahe der Bureja-Mündung.

Tat. VI.

Fig. 1. Arvicola (Hypudaeus) amurensis n. sp. in natürlicher Grösse; nach einem im Nikola- jewschen Posten gefangenen, weiblichen Individuum.

Fig. 2. Kauflächen der Backenzahnreihen von Arv. amurensis: a des Oberkielers, b des Un- terkiefers, in siebenfacher Vergrösserung.

Fig. 3. Kauflächen der Backenzahnreihen von Arvicola saxatilis Pall.: a des Oberkiefers, b des Unterkiefers, in siebenfacher Vergrösserung; nach einem am Amur, nahe dem Bureja-Gebirge ge- fangenen, weiblichen Individuum.

Fig. 4. Arvicola Maximowiezii n. sp. in natürlicher Grösse; nach einem am oberen Amur bei der Mündung des Flusses Omutna gefangenen, männlichen Individuum

Erklärung der Tafeln. 213

Fig. 5. Kauflächen der Backenzahnreihen von Arv. Maximowiezii: a des Oberkiefers, b des Unterkiefers, sieben mal vergrössert.

Kat. VER Fig.1. Lagomys hyperboreus Pall. Var. normalis ‚nach Exemplaren aus dem Cholsanischen Ge- Fig. 2. n » Var foren Bike inKamtschatka,-in natürlicher Grösse.

Taf. VII.

Fig. 1. Lag. hyperboreus Pall. Var. einereo-flava, in natürlicher Grösse; nach einem Exemplare von Udskoi Ostrog.

Fig. 2. Lag. hyperboreus Pall. Var. cinereo-fusca, in natürlicher Grösse; nach Exemplaren vom oberen Amur nahe Ustj-Strelka.

Taf. IX.

Fig. 1. Phoca equestris Pall., Männchen.

Fig. 2. Zeichnung der Bauchseite desselben.

Fig. 3. Ph.equestris Pall., Weibchen. Beide nach Exemplaren von der Ostküste Kamtschat- ka’s an der Mündung des Ramtschatka-Flusses, in neunmaliger Verkleinerung.

BEMERKTE DRUCKFEHLER.

12, Zeile 33 von oben statt Breitendimisionen lies Breitendimensionen

13

20 »

4 » 29 » 19 » 23 » 18 » 18u.19» 21 »

4)

Bureja über oberen

unteren

an

Hrn.

toksa und tochsa toksake

Farbe

5)

Bureja und über unteren

weiteren

von

Hr.

tokssa und toch’ssa tokssake

Farben

VÖGEL DES AMUR - LANDES.

Ble/ayr/brestitiert

Dr. Leopold v. Schrenck.

ih, D' Ph >

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D*.: L. v. SCHRENCK’S

REISEN UND FORSCHUNGEN

—_

AMUR-LANDE.

BAND I. ZWEITE LIEFERUNG. Vögel des Amur-Landes.

Mit 7 Tafeln.

Gedruckt auf Verfügung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.

K. Vesselotski, beständiger Secretär. im Juni 1860.

Buchdruckerei der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.

Trotz der beständigen Aufmerksamkeit, welche während unserer Reisen im Amur- Lande der Ornithologie desselben geschenkt worden, können die in den nachfolgenden Blättern niedergelegten Erfahrungen doch nur als erste ornithologische Nachrichten aus diesem wissen- schaftlich noch so unbekannten Lande, keineswegs aber als eine vollständige Darstellung der Vogelfauna desselben das Interesse der Wissenschaft in Anspruch nehmen. Was daher schon oben, bei Abhandlung der Säugethiere des Amur-Landes, über die vielfachen Lücken zoolo- gischer Reiseergebnisse gesagt worden, gilt insbesondere auch für diesen ornithologischen Theil derselben. Ja nach dieser Richtung dürften sogar die auf Reisen gesammelten Materia- lien in der Regel verhältnissmässig spärlicher als in Beziehung auf die Säugethiere ausfallen. Denn ob die befiederten Bewohner der Luft dem beobachtenden und sammelnden Reisenden im Allgemeinen auch zugänglicher als die in der Tiefe des Waldes, im Dickicht der Ge- büsche, im hohen Schilfe oder Grase oder gar unter der Erdoberfläche versteckt sich aufhal- tenden und zum grossen Theil mit nächtlicher Lebensweise versehenen Säugethiere sind; so ist doch dafür die Zahl der ersteren bei weitem grösser und dagegen die Zeit möglicher Beob- achtung für die meisten, in Folge ihrer periodischen Wanderungen, viel kürzer und meist nur auf einen geringen Theil, ja für manche Art nur auf wenige Tage oder gar Stunden des Jahres beschränkt. Zudem muss hier dem Reisenden, wenn er ein nur von rohen Natur- völkern bewohntes Gebiet durchwandert, auch noch eine andere und nicht unwichtige Quelle der Belehrung wir meinen die Erfahrungen der mit der Natur ihres Landes vertrauten Eingeborenen so gut wie gänzlich versiegen. Denn die Beobachtungen solcher Naturvölker pflegen in der Regel nicht über die mit der Befriedigung ihrer Bedürfnisse im nächsten Zu- sammenhange stehenden, ihnen unmittelbar nützlichen oder schädlichen Naturgegenstände hinauszugehen. Während ihnen daher die meisten Säugethiere ihres Landes nach ihrer Le- bensweise und Verbreitung wohl bekannt sind, ziehen nur sehr wenige unter den Vögeln und auch diese nur in sehr untergeordnetem Grade ihre Aufmerksamkeit auf sich. Fast nur für diese wenigen scheinen sie sich auch bis zu bestimmten, specifischen Bezeichnungen zu er- heben, für die meisten übrigen dagegen nur bei generischen und für die kleinsten und un- scheinbarsten sogar bei noch allgemeineren Namen stehen zu bleiben, welche dem Reisenden natürlich auch alle Möglichkeit specieller Nachfragen nach einer einzelnen Form entziehen.

Nur was er also mit eigenem Auge beobachtet und was ihm das eigene Gewehr gestellt, ver- Schrenck’s Amur-Reise Bd. 1, 28

218 Vögel.

mag ihn über die ornithologische Fauna des Landes zu belehren, und dass dies, während der kurzen Dauer seiner Reise gesammelt, nur einen geringen Theil vom Ganzen umfassen kann, versteht sich von selbst. Wenn daher die Zahl der im Folgenden nahmhaft gemachten Vögel des Amur-Landes nichtsdestoweniger noch eine ziemlich ansehnliche ist, so verdan- ken wir dies nur dem glücklichen Umstande, dass hier nicht die ornithologische Ausbeute unserer Reise allein, sondern auch diejenige Hrn. Maack’s zur Bearbeitung vorlag. Wie schon oben erwähnt, machte H. Maack ım Jahre 1855, zur selben Zeit als ich den unteren Amur und Ussuri befuhr, eine Reise von Transbaikalıien den Amur-Strom abwärts bis zum Mariinskischen Posten und zurück. Von unermüdlichem Eifer getrieben und mit tüch- tigen Begleitern versehen, brachte er in dieser kurzen Zeit neben anderweitigen Sammlungen auch ein höchst schätzenswerthes und verhältnissmässig sehr reiches ornithologisches Material zusammen, das mit dem meinigen um so mehr sich ergänzte, als es hauptsächlich dem Quelllande und oberen Laufe des Amur-Stromes angehörte, während meine Erfahrungen vornehmlich im unteren Amur-Lande und in diesem wiederum am meisten an der von Hrn. Maack nicht besuchten Mündung des Amur-Stromes gesammelt worden sind. Beide Materialien gehörten somit wesentlich zusammen und nur aus einer vereinten Bearbeitung beider durfte man sich schon jetzt eine ungefähre Uebersicht der ornithologischen Fauna des ganzen Amur-Landes versprechen. So weit also eine solche in den folgenden Blättern erreicht ist, verdanken wir sie dem freundlichen Anerbieten Hrn. Maack’s, bei Bearbeitung unserer ornithologischen Materialien die von ihm gemachte Ausbeute mit in Betracht zu ziehen. Ausserdem aber habe ich auch für diesen Theil meiner zoologischen Materialien aus dem Amur-Lande noch mancher Beiträge, welche mir während der Reise selbst von meinem Freunde und theilweisen Reisegefährten Carl Maximowicz zu Theil wurden, mit warmem Danke zu erwähnen.

Was nun die Bearbeitung dieser Materialien betrifft, so brauchen wir hier bloss auf den bereits in unserer Abhandlung über die Säugethiere des Amur-Landes entwickelten, biolo- gisch-geographischen Gesichtspunkt zu verweisen, der uns auch hier der leitende war. Ver- hältnissmässig häufiger als bei den Säugethieren mussten wir hier differirenden Ansichten über den specifischen Werth und die Artbegränzung einzelner Formen begegnen, und in sol- chen Fällen haben wir gesucht, der in der Ornithologie mehr vielleicht als in irgend einem Zweige der Zoologie vorgeschrittenen Zersplitterung der Arten, wo uns das Material gestattete, durch Zurückführung derselben auf natürlichere weitere Gränzen nach Möglichkeit entgegen- zuarbeiten. Die Umsicht jedoch, mit welcher man bei einer solchen Reduction der Arten, wenn man sich nicht den Vorwurf mangelhafter Formunterscheidung zuziehen will, nothwendig ver- fahren muss, hat uns oft zu einem sehr umständlichen und, wie wir fürchten müssen, ermü- denden Abhandeln einzelner, anscheinend geringfügiger, äusserer Charaktere gezwungen einer Umständlichkeit, die nur in der Tragweite der Resultate ihre Rechtfertigung findet. Denn dass die Zersplitterung der Arten durch Aufheben der natürlichen Einheiten alle Ein- sicht in die unter dem Einflusse physischer Verhältnisse vor sich gehenden Abänderungen

Vögel, 219

einer und derselben Art, in die Variabilität und Biegsamkeit derselben im Contacte mit der äusseren Natur und in die auf biologischen Bedingungen beruhende geographische Verbrei- tung derselben raubt und somit auch alle Grundlagen einer wissenschaftlichen zoologischen Geographie zerstört, ist leicht einzusehen. Die Feststellung und sichere Abgränzung mög- lichst natürlicher Einheiten unter dem Begriffe selbstständiger Arten mit ihren mannigfaltigen localen, klimatischen oder überhaupt geographischen Varietäten ist also eine nothwendige Vorarbeit der zoologischen Geographie, und nur von diesem Gesichtspunkte ist sie auch in den nachfolgenden Blättern betrachtet worden. Dass sie aber nur bei massenhafteren, aus verschiedenen Gegenden und Localitäten und in möglichst grosser Zahl vorliegenden Materia- lien, wie sie die grösseren europäischen Museen enthalten, mit Erfolg betrieben werden kann, versteht sich von selbst. Wenn daher auch die im Amur-Lande gesammelten Materialien manchen Beitrag nach dieser Richtung liefern konnten, so verdanken wir es nur der uns durch die Liberalität des Hrn. Akad. Brandt gewordenen Möglichkeit, sie mit den im aka- demischen Museum vorhandenen Sammlungen zu vergleichen. Mit der veränderten Begrän- zung mancher Arten musste sich aber auch das Bild ihrer geographischen Verbreitung vor unseren Augen unmittelbar und oft in nicht geringem Grade verändern und erweitern. Ja diese Veränderungen umfassen sogar in der Regel ein viel weiteres Gebiet, als dasjenige ist, welches die zoologische Geographie durch Aufdeckung der Fauna eines unserer Kenntniss bis dahin verschlossen gewesenen Landes unmittelbar gewinnt. Gleichwohl erstreckt sich jener erstere Gewinn der zoologischen Geographie nur über eine gewisse, verhältnissmässig immer nur geringe Anzahl von Arten, während der letztere für alle im bereisten Gebiete überhaupt in Erfahrung gebrachte Formen gilt. Auch dürfen wir uns schmeieheln, dass das Amur- Land in dieser Beziehung nicht bloss nach seiner bedeutenden Ausdehnung, sondern insbeson- dere auch nach seiner geographischen Lage, seinen klimatischen und vegetativen Verhältnissen u. dgl. m. für die zoologische Geographie ein mehr als gewöhnliches Interesse bietet. Mit Recht durfte man hier, wie unter den Säugethieren, so auch unter den Vögeln manche nördliche und südliche, östliche und westliche Formen neben einander zu finden und verhält- nissmässig recht viele Gränzen der Verbreitung aufzudecken erwarten. Leider konnten nur hinsichtlich der Vogelfauna aus Gründen, die wir bereits oben entwickelt haben die eigenen, während eines kurzen Zeitraumes gewonnenen Erfahrungen nicht wie bei den Säuge- thieren auch durch die Angaben der Eingeborenen vielfach ergänzt und bereichert werden. Um so unerlässlicher schien es uns daher, die eigenen Erfahrungen über die Verbreitung der Vögel im Amur-Lande mit der grössten Genauigkeit einzutragen und jedes Vorkommen der- selben nach Raum und Zeit speciell nahmhaft zu machen. Denn nur auf diese Weise durften wir hoffen, mit unserer Arbeit über das Interesse hinaus, das sie gegenwärtig als erste Nach- richt von der Vogelfauna des Amur-Landes finden könnte, auch den späteren, auf neuere Erfahrungen begründeten Arbeiten über denselben Gegenstand, denen sich in einiger Zukunft bereits entgegensehen lässt, ein brauchbares Material zu liefern.

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220 Vögel.

. RAPACGENS.

1) Aquila naevia Briss.

4A. Clanga Pall. Zoogr. Rosso-Asiat. I. pag. 351. -/

Obgleich Pallas seine A. Clanga für identisch mit der A. naevia Briss. hielt, eine An- sicht, die die meisten späteren Zoologen theilten'), hat man doch neuerdings versucht, diese Formen als selbstständige Arten hinzustellen’), wozu die klimatischen Abänderungen dieses Adlers in verschiedenen Lebensaltern und seine variirende Grösse Veranlassung gegeben haben. Es ist jedoch nicht möglich beide Formen durch constante Kennzeichen von einander abzu- gränzen, da die angeblich unterscheidenden Charaktere oft an einem und demselben Indivi- duum durch einander sich finden. Dafür liefert auch das uns vorliegende Amur-Exemplar einen Beleg, indem es der Farbe seines Gelieders nach fast vollkommen zu A. Clanga Pall. (der neueren Unterscheidung zufolge), seinen Grössenverhältnissen aber und der Schnabelform nach zu A. naevia Briss. gehört. Unser Amur-Exemplar ist ein ziemlich altes Männchen, an dem sich jedoch in der Farbe des Gefieders noch mehrere Spuren aus dem mittleren oder Uebergangskleide erhalten haben. Die Oberseite desselben ist einfarbig dunkelbraun, am Kopfe und Halse etwas heller und mit kaum merklich lichteren Spitzensäumen an den Federn; der Nacken gleichfarbig, ohne die geringste Spur eines rostgelben Fleckes; der Rücken dunkler braun mit kupferröthlichem Glanze; die hintersten Schwingen und letzten grossen Flügel- deckfedern wiederum heller, die ersteren zum Theil bräunlichgrau gebändert, die letzteren noch mit ein paar gelblichgrauen Flecken an der Spitze versehen. Die grossen Schwingen sind unterhalb ihrer Verengung braunschwarz, oberhalb derselben an der Innenfahne grau- weiss bespritzt und gebändert. Die oberen Schwanzdeckfedern theils braun mit rostgelblich- grauen Flecken an der Spitze, theils weiss mit hellbraunen Binden im Basaltheile. Der Schwanz ist dunkelbraun, auf den Mittelfedern mit verloschenen, auf den übrigen mit mehr oder weniger deutlichen helleren und dunkleren Querbändern, und mit schmutzig weiss- lichem Endsaume. Die Unterseite ist dunkelbraun, auf den unteren Flügeldeckfedern, den Schenkeln, Hosen und den kurz befiederten Läufen mit länglichen, weisslichen Flecken längs dem Schafte; die After- und unteren Schwanzdeckfedern schmutzig gelblichweiss mit weni- gen braunen Flecken. Am frischgeschossenen Vogel fand Hr. Maack, dem wir dies Exem- plar verdanken, die Iris oben schmutzig gelb, unten hellbraun, die Wachshaut hellgelb, den

!) Naumann, Naturgesch. der Vögel Deutschlands. Leipzig 1822. I. p. 217, Temminck, Manuel d’Ornithologie. Paris 1820. I. p. 42. Gloger, Vollständ. Handbuch der Naturgesch. der Vögel Europa’s. Breslau 1834. I. p. 68, Key- serling u. Blasius, Die Wirbelthiere Europa’s. Braunschweig 1840. p. XXX. u. a.

?) Kessler, Pykonoacreo aan onpeab.a. uruun Esponeückoü Poceim. Kiens 1847. p. 148, Naumann, Natur- gesch. der Vögel Deutschl. XII. Nachträge p. 13, 40, 81, Cabanis, Journal für Ornithologie. Jahrgang I. p. 60.

Agula naevia. 221

Schnabel in der Basalhälfte hellbläulichgrau, an der Spitze schwarz. Spricht sich in dieser Färbung des Amur-Exemplares in allen Zügen und zumal im Mangel des rostgelben Fleckes am Nacken, der nach Naumann '') der A. naevia in allen Lebensaltern zukommen soll, in den weissen oberen und gelblichen unteren Schwanzdeckfedern, in dem weisslich gefleckten Ge- fieder der Läufe u. dgl. m. unverkennbar die A. Clanga Pall. aus, so schliesst es sich dagegen in allen Form- und Grössenverhältnissen vollkommen der A. naevia an. Wie bei dieser letz- teren ist der Schnabel beim Amur-Exemplare fast von der Stirn, nämlich von der Mitte der Wachshaut an allmählig abwärts gekrümmt und hat ein kleines, nur 1} Linien hohes Nasen- loch Beides übrigens Charaktere, die Eversmann seinen Erfahrungen an diesem Vogel zufolge als sehr wechselnd und durchaus nichtssagend bezeichnet °). Wie angeblich bei A. naevia ragen ferner auch bei unserem Amur-Exemplare die Spitzen der ruhenden Flügel nicht nur bis an das Schwanzende vor, sondern auch noch etwas über dieses hinaus n); Ebenso entspricht endlich auch die Länge des Laufes (von 3”7” franz.) der für A. naevia angegebe- nen Grösse. Dasselbe gilt auch für alle übrigen Grössenverhältnisse. An unserem Exem- plare sind dieselben, am Balge gemessen, folgende 3):

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr)... ...2ee2sssn0000..237 6 » des zusammengelegten Flügels, vom Buge bis zur Schwingenspitze (ulnae ala- BRUHDEE alas en 2 3 ELENA ih

BE ESR ch wanzes 2. AT a9?

» des Schnabels, in gerader Linie von der Stirne zur Spitze gemessen’)....... 1 Bio sleseSchnabels an'seiner Basis 2. SuM ale sans nano een aenn een 0 De ES LEE ee Re ER A ER Re EEE Bee derälinttelzehe/ahnesKralle®) . . 22 Sea en en

» der Kralle an der Mittelzehe, in gerader Linie von der Basis zur Spitze gemessen °)

Nach allen diesen Dimensionen bleibt also unser Exemplar entschieden hinter den von Naumann für A. Clanga Pall. angegebenen Maassen zurück”). Vergleichen wir dagegen un- sere Maasse mit den von Pallas selbst für seine A. Clanga angeführten, so schliessen sich dieselben, mit Ausnahme der Gesammtlänge, welche in unseren Angaben, als am Balge ge-

1) 1. c. XIII. p. 84.

2) Eversmann, Einige Beiträge zur Ornithol. Russland’s. S. Cabanis, Journ. für Ornith. I. Jahrg. p. 60. Desgl. Bullet. de la Soc. Imp. des Nat. de Moscou XXI. 1848. p. 207. So bildet auch Gould (The Birds of Europe. London 1837. I. Tab. 8.) die A. naevia mit einem über die ganze Wachshaut hin geraden, nur in seiner Endhälfte gebo- genen Schnabel ab, wie er nach Naumann u. a. der A. Clanga zukommen soll.

3) Hinsichtlich dieses Punktes müssen wir übrigens bemerken, dass Pallas selbst seiner A. Clanga lange, über den Schwanz hinausragende und nicht kürzere Flügel als der Schwanz zuschrieb, wie es die neuere Unterscheidung thut.

*) Um den Vergleich unserer Maasse mit den von Pallas an russischen und sibirischen Vögeln angegebenen zu erleichtern, werden wir uns im Folgenden stets desselben, alten französischen Zoll- u. Linienmaasses bedienen.

5) Diese gradlinigen Dimensionen der Schnabel- und Krallenlänge sind im Folgenden in allen betreffenden Maass- angaben eingehalten worden.

6) Stets bis zur entblössten Nagelbasis gemessen.

7) Naumann, |. c. XI. p. 49.

222 Vögel.

nommen, von keiner Bedeutung sein kann, sehr genau an jene an. Namentlich gilt dieses auch für die angeblich am meisten diagnostische Länge des Laufes, welche Pallas selbst an seiner A. C/anga nicht auf 5, sondern nur auf 4’, also wie bei A. naevia angiebt. Welches Recht hätten wir demnach der A. Clanga Pall. längere, bis volle 5” lange Läufe zuzuschrei- ben? Wie unhaltbar aber diese vermeintlich specifischen Grössenunterscheidungen sind, können wir ferner auch aus dem Umstande ersehen, dass während Kessler, Naumann u. a. der A. Clanga Pall. im Vergleich zu A. naevia Briss. längere Läufe zuschreiben, Ssewer- zoff (der übrigens der Identität beider Formen zugeneigt ist) umgekehrt angiebt, dass A. Clanga sich durch kürzere Läufe auszeichne '). Die von letzterem an Moskauschen, Woronesh- schen und Altaischen Exemplaren von A. Clanga genommenen Maasse stehen den von Pallas angegebenen und den unsrigen (mit Ausnahme natürlich der in unseren Messungen unzuver- lässigen Gesammtlänge) sehr nahe, namentlich die der Altaischen Exemplare. Dennoch bleibt auch an den grössten (Woroneshschen) Exemplaren der Lauf stets unter 4” (engl.). Dass aber H. Ssewerzoff es in der That mit der A. Clanga der neueren Unterscheidung zu thun hatte, geht noch aus dem Umstande hervor, dass er an den Woroneshschen Individuen niemals den rostgelben Fleck im Nacken beobachtet hat?). Nach alle dem bleibt uns nichts übrig als beide Formen vorerst nur für Abänderungen einer und derselben Art anzusehen.

Seit Steller°) und Pallas ist uns der Schreiadler quer durch Sibirien bis nach Kam- tschatka bekannt. H. Maack hat ihn. nun auch aus dem Amur-Lande und zwar vom un- teren Laufe der Schilka mitgebracht, wo das oben erwähnte Exemplar am 21. Mai (2. Juni) erlegt worden ist.

2) Haliaetos pelagicus Pall.

Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: tscharngai-tscham (tscham heisst Adler überhaupt).

» » Mangunen: essoa. Middendorff hat diesen Seeadler an den Südküsten des Ochotskischen Meeres und

im Stanowoi-Gebirge häufig beobachtet‘). Von dem Vorkommen desselben im Amur-Lande konnte ich mich sowohl aus den mir zu Gesichte gekommenen Steuerfedern dieses Adlers, als auch durch die Aussagen der Eingeborenen überzeugen. Im Dorfe Chjare am unteren Amur hatte ich Gelegenheit sämmtliche, zu einem Fächer ausgebreitete Steuerfedern dieses Vogels zu sehen. Sie waren ganz weiss, nur an der Spitze sparsam schwarz bespritzt, genau wie die Abbildung eines Weibchens dieser Art in Siebold’s Fauna Japonica angiebt°); dabei

!) Cbsepmon», Hepioauueckia anıenia BL =Kusuu 3ubpeii, runs u raab Boponesxcroü ry6epnin, Mocksa 1855. p. 370.

2) ]. c. p. 332. 3) Beschreibung von dem Lande Kamtschatka. Frankf. u. Leipzig 1774. p. 193. #) Middendorff, Sibirische Reise. Bd. II. Thl. 2. p. 125.

5) Fauna Japonica. Aves. Tab. IV.

Haliaötos pelagieus. H. Albicilla. 223

waren die mittleren Federn bedeutend länger als die äusseren, so dass der Schwanz eine aus- gesprochen keilförmige Gestalt hatte. Die Giljaken und Mangunen unterscheiden diese Adlerart sehr genau von der folgenden (Hal. Albieilla) und geben an, dass die erstere, ausser dem viel längeren und ganz weissen Schwanze, noch durch ansehnlichere Grösse und einen intensiver gelben Schnabel sich auszeichne, Merkmale, die ohne Zweifel ebenfalls auf H. pela- gtcus hindeuten. Das Exemplar, von dem die oben erwähnten Federn herrührten, war am Amur erlegt worden. Der gegenwärtige Besitzer derselben, ein Sachalin-Giljake, der auf der Heimkehr nach der Insel begriffen war, bewahrte sie sorgfältig zwischen Birkenrinden auf, in der Absicht sie zu den Japanesen zu bringen, bei denen die Steuerfedern dieser Adler- art in besonders hohem Ansehen stehen und theuer bezahlt werden sollen. Giljaken, die die Japanischen Colonieen auf Sachalin des Handels wegen mehrmals besucht hatten, erzählten mir, dass die Adlerfedern den Japanesen zum Ausschmücken der Fenster dienen, um solchergestalt die Wohnungen der Vornehmen vor denen gemeiner Leute auszuzeichnen. Uebrigens erlegen die Giljaken am Amur diesen Adler nur selten, da ich, ausser jenen Steuerfedern in Chjare, ihn niemals bei ihnen gesehen habe. Doch soller, ausser am Amur, auch auf Sachalin vorkommen. Bekanntlich nennen ihn Pallas') und Kittlitz?) auch für Kamtschatka und die ostwärts gelegenen Inseln und Siebold für Japan °).

3) Haliattos Albicilla Briss.

Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: myghr-ischam (d. h. brauner Adler). DEE ar) 2 des Innern von Sachalin: ach-tscham. » » Mangunen und Golde unterhalb des Ussuri: gusst. » » Golde oberhalb des Ussuri: käktscha.

Haliaetos Albieilla ist die häufigste und gewöhnlichste Adlerart im Amur-Lande. Ich habe Gelegenheit gehabt, sie dort in mehrfachen, verschiedenen Alterszuständen zukommen- den Färbungen zu beobachten, wovon auch die drei von dort mitgebrachten Exemplare Zeug- niss geben. Das erste derselben, ein junges Männchen, das ich im September von den Man- gunen im Dorfe Beller am unteren Amur kaufte, entspricht ganz der Abbildung und Be- schreibung dieses Vogels bei Naumann‘), nur sind Kopf und Bauch des Amur-Exemplares dunkler braun. Auch waren an demselben der Schnabel und die Wachshaut noch nicht gelb- lich, sondern einfarbig.schwarz und die Iris dunkelbraun (der nackte Theil des Laufes aber und die Zehen gelb). Es ist demnach ein jüngerer Vogel als das von Naumann abgebildete «mehr als einjährige» Männchen gewesen. Nach den Beobachtungen von Tyzenhauz °) über

1) Zoographia Rosso-Asiat. I. p. 343.

2) Kupfertafeln zur Naturgesch. der Vögel. Frankf. a. M. 1832. 1. Hft. p. 4. 3) Fauna Jap. Aves. p. 10.

%) Naturgesch,. der Vögel Deutschl. I. p. 226. Taf. 14.

5) Guerin-MEnneville, Revue Zoologique. Paris 1846. p. 325.

224 Vögel.

die an diesem Vogel mit dem Alter vor sich gehenden Farbenveränderungen beginnen Wachs- haut und Schnabel nicht eher als im 4 Jahre gelblich zu werden '). Doch mögen, wie er selbst angiebt, diese Veränderungen am Vogel in der Gefangenschaft (an dem er seine Beob- achtungen machte) langsamer als im Freien vor sich gehen. Nilsson’) giebt ausdrücklich an, dass die Wachshaut und Schnabelwurzel bei H. Albicilla nicht eher gelblich werden, als bis der Vogel 2 Jahre alt geworden sei. Darnach glaube ich mein Exemplar für einen im 2‘ Jahre stehenden Vogel halten zu dürfen. Ist es nun aber auch jünger als die von Nau- mann und Dubois abgebildeten Exemplare, so finde ich doch, dass es unverhältnissmässig dunkler als der europäische Vogel ist, zumal am Kopfe, der eine fast rein dunkelbraune Farbe hat.

Die beiden andern von mir mitgebrachten Exemplare, ein Männchen und ein Weibchen, auf der Insel Sachalin im Januar und Februar erlegt, sind ziemlich alte Thiere: nach den erwähnten Beobachtungen von Tyzenhauz zum wenigsten im 9'* oder 10‘ Jahre. Die Farbe derselben ist im Allgemeinen ein dunkles Graubraun, mit helleren Federrändern; Kopf, Hals und Vorderbrust heller graubraun; die grossen Schwingen schwarz mit weisslichen Schäften (beim jungen Vogel sind sie schwarz); der Schwanz weiss, an der Wurzel braun- schwarz bespritzt; auch an der Spitze einiger Steuerfedern finden sich einige wenige, feine schwarze Spritzllecken; die oberen Deckfedern des Schwanzes in der Mitte weiss, an der Basis und Spitze braunschwarz gefleckt. Der Schnabel und die Füsse waren an beiden Exemplaren rein gelb, die Nägel schwarz; an dem ersteren, das ich selbst schoss, war auch die Iris hell- gelb. Hält man diese Sachalinischen Exemplare gegen ein Kamtschatkisches, das unser Museum dureh Kittlitz besitzt, und gegen Kittlitz’s Abbildung vom Kamtschatkischen Vogel°), so erscheinen sie merklich dunkler, ein Unterschied, den Temminck und Schlegel auch zwischen den Kamtschatkischen und Japanischen Individuen finden ‘). Desgleichen geht aus Pallas’ Beobachtungen hervor, dass die Sibirischen Exemplare dunkler als die Kamtschatkischen sind: an ersteren giebt Pallas Hals und Kopf von schwärzlichbrauner Farbe mit blasseren Federrändern, an letzteren grauweisslich an °). Ebenso sind meine Sacha- linischen Exemplare auch dunkler als ein in der Umgegend St. Petersburg's geschossener alter Adler dieser Art in unserem Museum. Aus diesen und den vorhin am jungen Vogel im Vergleich zu europäischen Exemplaren erwähnten Thatsachen dürfte daher der Schluss er- laubt sein, dass M. Albicilla im Osten Sibirien’s und namentlich auch im Amur-Lande

1) Auffallender Weise erwähnen Temminck (Manuel d’Ornith. I. p. 50), Naumann (I. c. p. 225) u. a. gar nicht der anfangs schwarzen Wachshaut, sondern geben sie auch in der ersten Jugend gelb an. Auch bei Dubois (Planches colorices des Ois. de la Belgique, Brux. Leipz. Gand. 1854. I. Tab. 1 a.) sehen wir den jungen Vogel mit schwärzlichem Schnabel, aber gelber Wachshaut dargestellt.

2) Skandin. Fauna. Foglarne. Lund 1835. I. p. 50.

3) Kittlitz, 1. c. Taf. 2. Fig. 2.

#) Fauna Jap. Aves. p. 13.

°) Dass Pallas in diesem Falle wirklich alte Thiere vor sich gehabt habe, lässt sich aus seiner gleichzeitigen An- gabe eines intensiv gelben Schnabels, einer ebensolchen Wachshaut und einer gelben Iris am sibirischen Vogel ent- nehmen. (S. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p- 347.)

‚Haliaetos Albicilla. 225

überhaupt von dunklerer Farbe als im Westen der alten Welt (in Europa) oder an den äussersten nordöstlichen Küsten derselben, wir meinen in Kamtschatka, zu sein scheint.

Die Maasse unserer drei Amur-Exemplare sind folgende: Alt. Männchen. Alt. Weibchen. Jung. Männchen.

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze ...... 29” 8” Breite in der Flügelspanne ......».zeseeecnennen 66” 9” a en Länge des zusammengelegten Flügels. ............. 22’ 341) 3340, ET EWAnNZES. cu su 0.8.0.4 0 ne aaearmieheinge ang 106” BLT., 4241 DeteseSchnäbels . susre.a u. 2 = Senereleronelekenuna.e slo/efe IE "6 BE Höhe des Schnabels an der Stirne...... Bun. 2. 13) vr 47. 2% Länge des Laufes ......er2orseronnentaree nen a Fur) 3 5% » der Mittelzehe ohne Kralle ........ 2222200: 2,7% rar 2’10” » der Kralle an der Mittelzehe ............... 179, I 13,

Diese Maasse schliessen sich, wie man sieht, sehr genau an die von Pallas mitgetheilten an. Eine besonders ansehnliche Grösse, wie im hohen Norden Europa’s und besonders in Grönland), kommt also den Amur-Adlern nicht zu.

Wie erwähnt kommt H. Albieilla im Amur-Lande und besonders in dem unteren sehr häufig vor. In der Gefangenschaft kann man ihn in den Dörfern der Eingeborenen, der Gi- ljaken, Mangunen und Golde sehr oft und nicht selten in mehrfachen Individuen zugleich sehen. Mir sind welche in den Dörfern Tyr, Beller, Köurmi, Ssinda, Dole, Messur u. a. begegnet. Um ibrer habhaft zu werden, pflegen die Eingeborenen die Horste derselben im hohen Walde auszukundschaften und so lange im Auge zu behalten, bis die Jungen bei- nahe flügge geworden sind. Alsdann wird der horsttragende Baum umgehauen und werden die jungen Adler in die Gefangenschaft gebracht, wo sie auf den zum Trocknen der Fischvorräthe dienenden Gerüsten an Ketten gehalten und mit Fisch aufgefüttert werden. Der Nutzen jedoch, den die Eingeborenen von den erwachsenen Adlern haben, beschränkt sich auf die Steuer- federn derselben, die theils von ihnen selbst zu verschiedenen Zwecken benutzt und theils als Handelsartikel zu den Japanesen gebracht werden. Im eigenen Bedarfe gebrauchen alle Eingeborenen des Amur-Landes, gleich anderen Völkern Sibirien’s?), die Adlerfedern zum Beschwingen der Pfeile, und die Giljaken ausserdem auch als ein symbolisches Zeichen in den Aschenhäuschen ihrer Abgeschiedenen, worüber wir bei Besprechung der Amur- Völker ein Mehreres sagen werden. In den Handel kommen natürlich nur die besser erhaltenen Steuerfedern und namentlich die weissen Federn älterer Thiere, die aber in der Gefangen- schaft schwer zu erzielen sind. Doch sollen auch diese letzteren Federn von den Japanesen viel weniger hoch als die der vorhergehenden Art geschätzt werden. Im Freien habe ich H. Albicilla im unteren Amur-Lande sehr häufig gesehen. Auf meiner Reise im Sommer 1855 stiess ich am 22. Mai (3. Juni) am Ufer des Amur-Stromes zwischen den Dörfern Mongole

I) Gloger, Das Abändern der Vögel durch Einfluss des Klima's. Breslau 1833. p. 67 u. 140. 2) Z. B. den Ostjaken, s. Pallas, Zuogr. I. p. 349. Schrenck’s Amur-Reise Bd. 1. 239

226 Vögel.

und Aure auf ein Nest dieses Adlers, das im Gipfel eines Lärchenbaumes lag und von kolossa- en Dimensionen zu sein schien. Das Weibchen flog, sobald es unsere Ruderschläge hörte, aus dem Neste auf und setzte sich auf die Spitze eines benachbarten Baumes, den es jedoch bei unserer Annäherung ebenfalls verliess. Die mich begleitenden Mangunen meinten, dass gegenwärtig noch Eier im Neste lägen und hielten mich von der Absicht den Baum umzu- hauen mit der Betheuerung ab, dass das Nest bereits seinen Eigenthümer an einem Mangu- nen von Mongole habe. Aus dem Neste war kein Schrei zu hören, selbst nicht nach einem Schusse, den ich in der Richtung auf dasselbe that. Bekanntlich pflegt H. Albicilla in Nord- deutschland und Skandinavien schon Ende März und Anfang April Eier zu legen '). Sollten daher die Mangunen mit ihrer Angabe Recht gehabt haben, wie man es von einem mit der Natur seines Landes vertrauten Naturvolke wohl erwarten kann, so trifft die Brütezeit von H. Albicilla im Amur-Lande zu einer sehr späten Jahreszeit ein. Sehr oft liess sich, während unserer Reisen, A. Albicilla über dem weiten Spiegel des Amur-Stromes sehen. Auch auf dem Ussuri sah ich am „%. Aug. unweit Aua drei mächtige Adler dieser Art von einer Sandbank im Flusse aufsteigen. Dies Vorkommen gilt jedoch nur für den Sommer. Im Herbst, etwa Ende Octobers, verlässt der Seeadler die Ufer des Amur-Stromes, um erst im Frühjahr wiederzukehren. Am Gorin trafen die Seeadler im Frühjahr 1855, während mei- ner Reise daselbst, schon in den ersten Tagen März’s (vor dem 9ten alt. Stiles) ein, und etwas später liessen sie sich auch bei Kidsi sehen. Das Fortziehen der Seeadler für den Winter erstreckt sich jedoch nur über das Innere des Amur-Landes, die Küsten des Ochotskischen Meeres und des Amur-Limanes. In der Meerenge der Tartarei, südlich vom Cap Lasa- reff, wo dieselbe in ihrer Mitte niemals gefriert und wo auch das Eis der Küsten durch Stürme häufig wieder zerbrochen wird, und auf der Insel Sachalin, an dem im oberen Laufe niemals gefrierenden Tymy-Flusse halten sich die Seeadler den ganzen Winter hindurch auf. Von letzterem Orte habe ich zwei alte Seeadler mitgebracht, welche am 123. Jan. und 44. Febr. erlegt worden sind. Einen derselben schoss ich selbst, als er vom Gipfel eines hohen Weiden- baumes mit einförmig gellendem Pfeifen nach der unter ihm liegenden oflenen Wasserfläche hinsah. Weiter unterhalb im Tymy-Thale, wo der Fluss gefriert, und an der Ostküste der Insel ist mir der Seeadler im Winter nicht begegnet. Dagegen liess er sich zu dieser Zeit an der Westküste der Insel bei den Dörfern Arkai und Dui zu wiederholten Malen über uns sehen. Er ist daher im Amur-Lande, die Insel Sachalin mit einbegriflen, nur soweit Stand- vogel als es dort auch im Winter oflene Wasserflächen giebt, d. h. nur an den Küsten der Meerenge der Tartarei und am oberen Tymy-Flusse im Innern Sachalin’s. Erwägt man nun, dass diese Meeresküsten im Vergleich zu gleichen Breiten am Amur-Strome kaum eines milderen Winters geniessen, ja dass im Innern Sachalin’s bisweilen eine so scharfe Kälte eintritt, wie wir sie auf dem Festlande an der Mündung des Amur-Stromes nicht beobachtet haben, so liegt hier ein neuer, sprechender Beweis dafür vor, dass das Fortziehen des See- adlers nicht durch die excessiven Winterfröste eines Landes, sondern durch den Mangel an

!) Nilsson, Skand. Fauna. Foglarne I, p. 52. Naumannia Jahrgang IM. 1883. p. 41 1.

Halraetos Albieilla. Pandıon Halıaetos. 227

zureichender Nahrung bedingt wird. Während die Eisdecke auf dem Amur-Strome, Amur- Limane und dem südlichen Ochotskischen Meere dem Seeadler die nöthige Nahrung an Fischen, Wasservögeln u. dgl. entzieht, kann er dieselbe an der oflenen Meerenge der Tar- tarei und an den ebenfalls offenen Quellen des Tymy-Flusses auf Sachalin auch im Winter reichlich finden. An der ersteren habe ich selbst im Winter zahlreiche Schwärme verschie- dener Wasservögel, besonders der Uria cristatella Pall. gesehen. Auch kann es ihm dort nicht an Fischen verschiedener Art fehlen. Namentlich zieht Ende Februar’s und Anfang März’s an den Küsten Sachalin’s der bei den Giljaken «Kangi» genannte Fisch (Gadus Wachna Pall.) in gedrängten Schaaren nordwärts. Aehnliches gilt auch für den oberen Tymy-Fluss: bei der schärfsten Kälte habe ich dort am offenen Wasser Enten, Säge- taucher, schnepfenartige Vögel, Wasserschwätzer u. dgl. m. gesehen und erlegt. Vermuthlich ziehen sich alsdann auch die Seeadler aus dem Norden Sachalin’s, wo gleiche Verhältnisse wie an den Küsten des Ochotskischen Meeres und an der Amur-Mündung herrschen, in grösserer Anzahl nach den Tymy-Quellen und zur Meerenge der Tartarei zurück. Desgleichen dürften auch viele Seeadler vom Amur-Strome für den Winter nur nach den Küsten der Meerenge der Tartarei sich begeben. Namentlich kommt es mir wahrscheinlich vor, dass die älteren, im Raube geübteren Thiere diese Orte zum Winteraufenthalte wählen, während die jüngeren im Winter vielleicht südlichere Gegenden aufsuchen, wo ihnen die Nahrung leichter zufliessen dürfte. Dafür scheint mir auch der Umstand zu sprechen, dass beide im Innern Sachalin’s im Winter von uns erbeuteten Seeadler altelndividuen waren, während bei vorausgesetzt gleicher Anzahl alter und junger Thiere die Chance letztere zu erlegen bekannt- lich immer eine viel grössere ist. Vergleicht man nun dieses Verhalten des Seeadlers im Amur-Lande mit demjenigen im westlichen Europa, so stellen sich die Insel Sachalin und die Küsten an der Meerenge der Tartarei den nordeuropäischen Küstenländern, Skandina- vien, Island u. a. an die Seite. Das Innere des Amur-Landes dagegen bietet einen merk- lichen Gegensatz zu den in gleichen Breiten gelegenen Gegenden Westeuropa’s dar. Denn während H. Albieilla das mittlere Deutschland, Belgien, Frankreich, England bekanntlich nur als mildere Klimate im Winter, von Norden kommend, besucht, im Sommer aber gegen den Norden wieder vertauscht, bewohnt er das Amur-Land umgekehrt nur im Sommer und flieht es im Winter. In diesem Verhalten desselben spricht sich daher gewiss ein Zug nordischen Continentalcharakters im Amur-Lande aus.

4) Pandion Haliaötos L.

Bei den Giljaken: hjulanga.

Ein in der Umgegend des Nikolajewschen Postens, an der Einmündung des Kamr-

Flusses in den Amur, am """ (1854) erlegtes altes Weibchen von P. Haliaötos trägt die

bekannte, ziemlich constante Farbe und Zeichnung dieses weit verbreiteten Raubvogels. An

der weissen Kehle hat es feine dunkelbraune Schaftstriche und am Kopfe eine gleichmässige *

228 Vögel.

lichtbräunliche Farbe. Der Schnabel war am frischgeschossenen Vogel schwarz, die Wachs- haut und die Füsse graublau. Mit einem Exemplare aus der Umgegend St. Petersburg’s in unserem Museum ist es ganz übereinstimmend.

Der Flussadler ist im Amur-Lande, besonders im unteren, ein nicht seltener Raubvogel, Der mächtige, fischreiche Strom mit seinen zahlreichen Armen und Zuflüssen und die ausge- dehnten waldigen Wildnisse an demselben bieten ihm allenthalben die günstigsten Bedingun- gen zum Vorkommen dar.

5) Falco Gyrfalco L. Var. ecandicans Gm.

Bei der gegenwärtig wohl so gut wie unzweifelhaften Identität der mehrfachen Arten, in die man die Jagdfalken zerspalten hat'), gebührt für die vereinigte Species ohne Zweifel der obigen, ältesten, schon bei Alb. Magnus und Kaiser Friedrich Il. für alle grossen Jagd- falken zusammen vorkommenden a auch von Linne, wenn auch nicht in dem gegenwärtigen Umfange, gebrauchten Bezeichnung der Vorzug. Bekanntlich ist es dieselbe Bezeichnung, deren sich auch Pallas, in weiter Ausdehnung, die Formen der Jagdfalken im gesammten Russischen Reiche zusammenfassend, bedient hat. Innerhalb dieser umfassenden Species können wir uns aber, um den geographischen Abänderungen derselben besser Rechnung zu tragen, mancher, für die vermeintlich verschiedenen Arten entstandener Namen als Va- rietätsbezeichnungen bedienen. So gehört unser Amur-Exempiar vom Jagdfalken zu der weissen Varietät, F. candicans Gm., welche auf Grönland und nach Pallas sehr häufig auch in Kamtschatka und in Ostsibirien vorkommt. Unser Exemplar theilt vollkommen die Grössenverhältnisse der Schwingen und des Schwanzes, die Keyserling und Blasius°) dem F. candicans Gm. (F. groenlandicus Hanc.) zum Unterschiede von F. Gyrfalco L. (F. islan- dicus Briss.) zuschreiben, indem an demselben die 3! Schwinge der 2!e2 merklich näher als der 1ten steht und der Schwanz reichlich um 31 Zoll über die Flügel hinausragt. In Bezie- hung aber auf die Farbe des Gelieders und die übrigen Verhältnisse haben wir für das Amur- Exemplar an Pallas’ Beschreibung des Kamtschatkischen Vogels dieser Art kaum was zu ändern. Der Schnabel ist an unserem Exemplar nur einfach gezahnt; die Läufe sind vorn auf 3 ihrer Länge befiedert. Die allgemeine Farbe desselben ist weiss, der Bartstreif kaum bemerkbar; auf dem Kopfe sind feine dunkelbraune Schaftstriche, am Halse und der Unter- brust etwas grössere Schaftllecke. Die Unterseite ist weiss mit sehr sparsamen, graubraunen Schaftstrichen, an den Weichen mit ähnlichen lanzettförmigen Flecken. Die Rückenfedern sind weiss mit hellen, graubraunen, ungefähr halbmondförmigen Flecken nahe ihrem Ende; die grossen Schwiogen mit dunkler, graubrauner Spitze und weissen Kanten, im Uebrigen

!) Bekanntlich handelten schon Naumano (l. c. I. p. 269), Gloger (Handb. der Naturg. der Vög. Eur. I. p. 41) und Andere den Jagdfälken als eine einzige Species, unter dem Namen F. candicans Gm. ab. Für die neueste Zeit vgl Protokoll der neunten Versamml. der Deutschen Ornitholog. Gesellschaft, s. Naumannia Jahrg. V. 1855. p. 227 I, Sse- werzoff, l.c.p. 350 u.a. m.

?) Thienemann, Rhea. 1 Heft 1846. p. 50, 56 u.a.

3) Die Wirbelth, Europa’s. p. 135.

Falco Gyrfalco. F. peregrinus. 229

ebenso wie die kleinen Schwingen mit mehr oder weniger braunen Schäften und graubraunen Querbändern, welche an den grossen Schwingen nicht bis an die Kante der Innenfahne reichen. Die Steuerfedern sind weiss mit bräunlichen Schäften, die mittleren mit 11—12 durchgehen- den graubraunen Querbändern, die übrigen nur mit solchen Flecken auf ihren Aussenfahnen, das Schwanzende weiss. Bei dieser Farbenvertheilung stimmt unser Amur-Exemplar mit 2 grönländischen in unserem Museum überein und giebt ihnen an Reinheit und Ausdehnung der weissen Farbe nichts nach. Die Maasse unseres Exemplares, am Balge genommen, sind

folgende:

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze ... 22.222 rconeeeeeernen nn DIUNER » des zusammengelegten Flügels...... ER Naeh SOSE ie ehe See RR » des Schwanzes .......... NE en REN DERe Velebafelalie fa llerote a rn des Schnabels® 1.3.2 NER ER SEHE

Eisherdes Schnahels :antder! Basis a Hu nn I ENT —_ 91”

BEE rdaSnlkaulesti a te ee ee Natakee ee ae eleree erste eteheteiniehe 2" 4" » der Mittelzehe ohne Kralle ..... 2.222 0cooceeeeeeneen nen RER, an" DekderKralleranrder. Mittelzehe KA EIER LEITLINIEN 40%

Auflallend ist, dass der Lauf um ein paar Linien länger als die Mittelzehe ohne Kralle ist.

Das oben beschriebene Exemplar vom Jagdfalken hat uns H. Maack aus dem Quell- lande des Amur-Stromes, von Nertschinsk mitgebracht, wo es im März 1855 erlegt worden ist.

6\) Falco peregrinus Briss.

Bei den Mangunen: dsholo-do.

Ein junger Wanderfalke, den ich im Amur-Lande erlegte, bietet mir nichts vom euro- päischen Vogel Abweichendes dar. Die Stirne an demselben ist gelblich, der Bartstreif sehr ansehnlich breit, schwarz; die Oberseite dunkelbraun mit hellen, rostfarbenen, auf dem Bürzel weisslichen Federsäumen; die Schwingen schwärzlich mit röthlichweissen Spitzenkanten; der Schwanz graubraun mit gelblichweisser Spitze und wenigen röthlichen Querflecken. Die Unterseite ist röthlichgelb mit braunen, an den Weichen breiteren, auf den Hosen lanzett- förmigen Längsflecken. Schnabel und Wachshaut waren am frischgeschossenen Vogel blau- grau, die Iris dunkelbraun, die Füsse hellgelb, die Nägel schwarz.

Der Wanderfalke ist im Amur-Lande nicht selten und nistet besonders gern auf der Höhe steiler Felswände und isolirter Felsstöcke am Ufer des Stromes. Am 27. Mai (8. Juni) traf ich ihn nistend auf einem steilen Felsstock am Cap Kada oberhalb Dshai: als wir uns dem Felsen näherten, stieg einer der Vögel, vermuthlich das Männchen, auf und umkreiste in der Höhe, laut schreiend, das Nest. Leider war dieses durch seine unerreichbare Lage geschützt. Genau einen Monat später, am 27. Juni (9. Juli) sah ich an demselben Orte schon zwei flügge Junge, welche, als ich mich dem Cap näherte, den Felsstock umflatterten, während die Mutter

230 Vögel.

hoch in die Luft stieg. Ich schoss beide Jungen, erhielt aber nur eines, da das andere auf einem unzugänglichen Felsvorsprunge liegen blieb. Später habe ich denselben Falken an den steilen Felswänden in der Nähe von Ykka und von Uch’ssumi im unteren Amur-Lande ge- sehen. Bekanntlich führt ihn Pallas, nach Steller’s Beobachtungen, von den Kurilen an"); Middendorff?) hat ihn auf den Schantarischen Inseln gesehen und Siebold°) aus Japan mitgebracht. Ohne Zweifel bewohnt er also auch die Insel Sachalin.

7) Falco subbuteo L. Bei den Giljaken: käk und käk-nga (nga heisst Thier überhaupt) ‘).

Ein junges Männchen dieser Art, das in seinem Gefieder dem europäischen Vogel in allen Stücken gleich war, erhielt ich lebendig am 30. Aug. (11. Sept.) 1854 von den Eingebore- nen im Dorfe Tyr im unteren Amur-Lande. Der Schnabel an demselben war bläulichgrau, an der Spitze schwarz; Wachshaut und Augenring bläulich, Iris braun, Nägel schwarz. Die Oberseite ist schwarzbraun mit roströthlichen, auf dem Kopfe sichtlicheren, auf dem Rücken meist verstossenen Federrändern; der Bartstreif sehr stark, schwarz; Kehle und Wangen schmutzig gelblich; das Genick gelblich gefleckt; Brust und Bauch sind blassrostgelb mit braunschwarzen Längsflecken, die Hosen dunkler rostgelb mit braunschwarzen Schaftstrichen. Ein roströthlicher Anflug an den Hosen, der dem europäischen Vogel auch in der Jugend zu- kommt, findet sich nicht. An einem alten, oben bläulichgrauen Männchen von Irkutsk, das wir Hrn. Maack verdanken, sind dagegen die Hosen von eben so schönem Rostroth wie bei taurischen und westasiatischen Exemplaren unseres Museums. Ich hielt den oben beschriebe- nen Vogel gefangen bis zum 21. Jan. (2. Febr.) des folgenden Jahres, wo er ohne sichtlichen Grund crepirte. In der Gefangenschaft fütterte ich ihn mit dem Fleische geschossener Vögel

und frischem Fisch, wobei er bald zahm wurde und im Freien ohne fortzufliegen auf meiner Hand sass.

8) Falco vespertinus L. Bei den Golde am Ussuri: dshul-da°). Vom rothfüssigen Falken liegen uns aus dem Amur-Lande ein unvollständiges Exem- plar vom alten Männchen und drei Exemplare vom jungen Vogel vor. Ersteres bietet eine interessante Abweichung von der gewöhnlichen Zeichnung dieses Falken dar. Leider erhielt

l) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 328.

2) Sibirische Reise. 1. c. p. 127.

3) Fauna Japon. Aves. p. 2.

4) Wahrscheinlich gilt diese Bezeichnung für mehrere kleine Falkenarten, gleich wie mir auch die von Pallas angegebenen, dem giljakischen Namen sehr ähnlichen, tungusischen Bezeichnungen: «jaektschan» für F, subbuteo u, egäktschan» für F. tinnunculus identisch zu sein scheinen. Mit letzterer ist auch sehr übereinstimmend die oben ange- führte Bezeichnung der oberen Golde für Hal. Albicilla («käktschav s. oben.)

°) Diese mit dem oben angeführten mangunischen Namen für F, peregrinus offenbar identische Bezeichnung scheint ebenfalls für mehrere Falkenarten gebräuchlich zu sein,

Falco vespertinus. 231

ich von demselben bloss Kopf, Flügel, Schwanz und Beine und kann ihn daher auch nur nach diesen Theilen mit dem europäischen Vogel vergleichen. Die Grösse unseres Vogels scheint ganz dieselbe wie die des europäischen rothfüssigen Falken zu sein, da ich an den mir vorliegenden einzelnen Körpertheilen folgende Maasse finde:

Länge des zusammengelegten Flügels ......... ke er I » des Schwanzes ..... hehe kagchhee Be tere tw PN » des Schnabels........... EOS EEE EA Tara LEER er

Breite des Schnabels an der Stirne „2222 cceeeeeeneen nn Veen

Länge des Laufes ........ BRHERRERETT EG: 00 RE AERE EN SEHR EIS TTIARHERN u » der Mittelzehe ohne Kralle........ En ehe RT RE le ale Shan Dosider. Krallesan’der. Mittelzehe gan ey een a 31”

Dabei ist der Kopf oben dunkelgrauschwarz, unten an der Kehle und zur Gurgel hin einförmig aschgrau, der Bartstreif durch eine dunklere Schattirung angedeutet. Der Schna- bel ist auch beim todten Vogel an seiner Basis intensiv orangefarben, dann scharf abgesetzt röthlichgrau, nach der Spitze zu allmählig dunkler blaugrau. Die Oberseite des Flügels ist bläulichgrau, am Buge und den kleineren Flügeldeckfedern dunkler, fast schwärzlich-blau- grau, an den grossen Flügeldeckfedern und den Schwingen heller, aschgrau-schimmelig, nur an den Spitzen und am Rande der Innenfahnen der grossen Schwingen dunkler, bräunlich. Unten sind die grossen Schwingen schwärzlich. Die Schäfte der Schwingen sind oben glän- zend schwarz, unten weisslich, zur Spitze hin schwärzlich. Die Grössenverhältnisse der Schwingen ganz wie beim europäischen Vogel: die 1! Schwinge länger als die 3te, um 1! Zoll länger als die 5!® '\. Der Schwanz und die oberen Schwanzdeckfedern sind blaugrau; die Unterseite der Steuerfedern hellgrau; die Schäfte derselben oben braunschwarz, unten weiss, nach der Spitze zu dunkler. Die Hosen und unteren Schwanzdeckfedern sind schön rostrothbraun; die Füsse noch im trockenen Zustande röthlich-orangegelb, die Nägel schmutzig weisslich. So weit lässt sich im Amur-Exemplar der europäische Vogel vollkommen wieder- erkennen. Im Vergleich mit einem südrussischen alten Männchen in unserem Museum finde ich am Amur-Exemplare das Rostbraun der Hosen und unteren Schwanzdeckfedern nur um etwas heller, ebenso den Schwanz oben und unten heller grau, dagegen aber den Kopf und Flügelbug dunkler grauschwarz geringe Differenzen, in denen sich theils individuelle und theils klimatische Abänderungen erkennen lassen. Eine auffallende Verschiedenheit des Amur- Exemplares von dem europäischen Vogel besteht aber darin, dass die unteren Flügeldeckfedern, welche beim alten Vogel in der Regel die dunklere, schwärzliche Farbe des Flügelbuges und Kopfes theilen, ja oft sogar ein volles Schwarz besitzen ?), beim Amur-Exemplar von einem reinen Schneeweiss sind, das sich gegen die schwarze Farbe am Flügelbuge und

l) Dass übrigens diese Grössenverhältnisse keine constanten sind, beweist uns ein Exemplar vom alten Männchen dieses Vogels aus Südrussland, indem an der einen Seite desselben die 1te Schwinge ganz gleich lang mit der 3ten, an der andern dagegen die (te kürzer als die 3te ist.

2) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 335.

232 Vögel.

der Flügelwurzel sehr scharf absetzt. Leider liegt uns nur ein einziges Exemplar vor und können wir daher nicht entscheiden, ob wir es hier nur mit einer individuellen Eigenheit, oder mit einer constanten geographischen Abänderung zu thun haben. Unter ersteren ist uns jedoch aus allen bisherigen Erfahrungen über diesen Vogel kein auch nur entfernt ähnlicher Fall be- kannt'). Vermuthlich dürften wir hier also eine wirkliche geographische Varietät vor uns haben, was um so wahrscheinlicher ist, als dieselbe ihrem Charakter nach nur ein Analogon zu den bekannten östlichen Abänderungen mancher anderer Vögel bietet. Wir brauchen hier bloss an den Corvus daurieus Pall., die Motacılla lugens Illig. u. a. m. zu erinnern. Gleichwie z. B. bei der Dohle in Transbaikalien die Halsseiten und der Unterleib rein weiss werden, während andere, auch beim europäischen Vogel dunklere Körpertheile, wie der Kopf, der Rücken u. s. w., reiner und dunkler schwarz sich färben; so dürften auch bei F. vespertinus in denselben östlichen Gegenden die beim jungen Vogel schwarz und weisslich gelleckten un- teren Flügeldeckfedern im Alter ein vollkommenes Weiss gewinnen und dagegen der Flügel- bug und der Kopf dunkler schwarz werden.

Unter den jungen Vögeln aus dem Amur-Lande sind zwei Weibchen und ein Männ- chen. Sie unterscheiden sich von einander nur dadurch, dass erstere etwas grösser von Wuchs und unten stärker gefleckt, an den Hosen aber ungefleckt, rostgelblichweiss sind, während das Männchen dort rautenförmige Flecke hat. Auch sind bei ersteren die schwarzen Quer- binden auf dem Schwanze breiter, gleichmässiger und am Schafte durchgehend, beim Männ- ch-n dagegen schmäler, am Schafte meist unterbrochen und nur fleckenförmig vorhanden, was jedoch nur eine individuelle Verschiedenheit sein dürfte. Alle drei Exemplare sind, mit einem jungen kaukasischen Vogel aus Awhasien in unserem Museum und mit den Abbildungen europäischer Vögel verglichen, viel dunkler: der Kopf ist in einem schmalen Bande an der Stirne schmutzig gelblich, alsdann dunkel bräunlich- und sogar schwärzlichgrau mit dunkleren Schaftstrichen; im Nacken sind nur wenige rostgelbliche Flecken; der Rücken ist ebenfalis viel dunkler braungrau als beim kaukasischen Vogel und mit minder breiten und weniger auffallenden rostfarbenen Federsäumen. Am Schwanze ist das Röthlichgrau einem reinen Asch- grau gewichen und die dunklen Querbänder sind nicht bräunlich, sondern schwarz. Ebenso sind auch die Flecken an der Unterseite viel dunkler, nicht braun, sondern fast rein schwarz. Die Hosen und unteren Schwanzdeckfedern dagegen sind blasser als beim kaukasischen Vogel, rostgelblichweiss. Die unteren Flügeldeckfedern endlich sind bei den Amur-Exemplaren wie bei den kaukasischen und europäischen gelblichweiss und schwärzlich gelleckt, aber mit reinerem und vorherrschenderem Weiss. So scheint also bei den jungen Individuen von F. vesper- tinus die östliche Abänderung im Amur-Lande durch ein Verdunkeln der braungrauen und ein Verblassen der Rostfarben sich auszusprechen. Als weiteren Beleg für die Unhalibar- keit der von Keyserling und Blasius u. a. für constant und diagnostisch gehaltenen

!) Auch Nordmann (Observalions sur la Faune Pontique. S. Demidoff, Voyage dans la Russie merid. et la Crimee, Paris 1840. II. p. 82), der diesen Vogel in der Krimm in solcher Anzahl antraf, dass er oft mit einem Schusse mehr als ein Dulzend Exemplare erlegle, führt kein individuelles Variiren solcher Art an.

Falco vespertinus. F. Tinnunculus. 233

Grössenverhältnisse der Schwingen kann ich anführen, dass an allen drei Amur-Exemplaren vom jungen F. vespertinus die 1°!® Schwinge nicht nur bedeutend kürzer als die 3!®, sondern auch um ein Geringes kürzer als die 4t® ist; die 3!e aber ist an zwei Exemplaren kürzer, am gten etwas länger als die 2! Schwinge. An allen Exemplaren war im frischen Zustande der Schnabel grau mit hellerer, weisslicher Basis, die Wachshaut hellbläulich-gelblich, die Iris dunkelbraun, die Füsse gelb mit weisslichen Nägeln.

F. vespertinus scheint im Amur-Lande eine der häufigsten Falkenarten zu sein. Das oben beschriebene alte Männchen fand Hr. Maximowicz am 21. Mai (2. Juni) bei Poddale, nahe der Gorin-Mündung, auf der Höhe eines felsigen, mit lichtem Espenwalde bewachsenen Ufers im Grase todt liegen. Ob es gleich noch in ganz frischem Zustande war, gab es keine Spuren von Verletzung oder von dem Uebel, das ihm den Tod zugezogen hatte, zu erkennen. Von den jungen Vögeln erhielt ich zwei lebendig: einen am Ussuri nahe der Por-Mündung am 75. Aug. 1855 von vorüberwandernden Orotschen und den anderen im mandshurischen Dorfe Gulama am Sachali- oder oberen Amur-Strome nahe der Stadt Aigunam 49. Aug. 56. Das 3!® Exemplar endlich schoss ich auf einer Insel des Amur-Stromes etwas oberhalb der Bureja-Mündung am -$,. Aug.56 in einem dichten Gebüsche von Weiden, Faulbäumen u. dgl.m. Ohne Zweifel ist also F. vespertinus im Sommer im gesammten Amur-l.ande zu finden.

9) Falco Tinnunculus L.

Ein Männchen vom Thurmfalken, das unsHr.Maack aus der Umgegend von Nertschinsk in Transbaikalien, vom 24. April (6. Mai) 55, mitgebracht hat, stimmt mit der von Gould gegebenen Abbildung ') bis auf ein etwas blasseres Rostbraun des Rückens ganz überein. Gegen ein Exemplar aus Südrussland in unserem Museum gehalten, ist an ihm sowohl das Rost- braun des Rückens, als auch das Gelbröthlichweiss der Unterseite blasser und das Grau auf dem Kopf und Schwanz heller. Im Uebrigen aber stimmen sie bis in das feinste Detail der Zeich- nung mit einander überein. Dasselbe lässt sich von zwei jungen Vögeln sagen, welche wir ebenfalls Hrn. Maack verdanken, einem jungen Männchen von der Birussa und einem Weib- chen vom Wilui (vom 49. Aug.). Neben ganz typischer Zeichnung sind sie, gegen süd- russische und westeuropäische Exemplare gehalten, in demselben Maasse wie das alte Männ- chen von Nertschinsk oben und unten um ein Geringes blasser, was nicht bloss von der Grundfarbe, sondern auch von den braunen Flecken gilt. An letzterem Exemplare fand Hr. Maack die Iris schmutziggrau mit hellbraunen Streifen, den Augenring schmutziggelb, Wachshaut, Mundspalte und Füsse citronengelb.

Wie an den Quellarmen des Amur-Stromes, so kommt F. Tinnunculıs ohne Zweifel

auch im unteren Amur-Lande vor. Ich sah am felsigen Ufer des unteren Ussuri beiDshoada

1) Gould, The Birds of Europe I. Tab. 26. Schrenck’s Amur-Reise Bd. 1. 30

234 Vögel.

am 7*;. Aug. einen Falken zu wiederholten Malen über uns schweben, den ich dem verhält- nissmässig langen Schwanze, den spitzen Flügeln, der Flugbewegung und dem Geschrei nach für F. Tinnunculus halten muss. Das dürfte uns beweisen, dass der Thurmfalke in Sibirien weiter nach Osten verbreitet ist, als Pallas vermuthete'); ja wahrscheinlich kommt er bis zur Ostküste des Continentes und auf den anliegenden Inseln vor, da wir ihn durch Siebold auch aus Japan kennen °).

10) Milvus niger Briss. War. melanotis Temm. et Schleg.

Bei den Giljaken: pisskch. » » Mangunen und Golde unterhalb des Ussuri: pitschu. » » Golde oberhalb des Ussuri: chiuischa.

Vom schwarzen oder schwarzbraunen Milan liegen mir aus dem Amur-Lande mehrere jugendliche Formen vor, die einer eingehenderen Besprechung werth sind, indem sie theils zur Widerlegung der schon mehrfach in Zweifel gezogenen Selbstständigkeit der japanischen Art Milv. melanotis Temm. et Schleg. dienen können, und theils einen weiteren Beitrag zur Kenntniss der geographischen Abänderungen der Vögel liefern.

Bekanntlich hielt Temminck, nach Ansicht der von Siebold und Bürger aus Japan mitgebrachten Bälge, den japanischen Milan für völlig identisch mit dem schwarzen Milan Europa’s, Aegypten’s und des Cap’s der guten Hofinung°). Später wurde jedoch durch Temminck und Schlegel der japanische Vogel als besondere Art, M. melanotis, vom euro- päischen getrennt‘). Die unterscheidenden Charaktere desselben sollten darin bestehen, dass er bei gleicher Grösse mit M. regalis Briss. einen nicht tiefer gegabelten Schwanz als M. niger habe, ferner einen schwarzen Fleck hinter dem Auge besitze und im Allgemeinen von dunkel- brauner Farbe sei mit grossen hellen Längsflecken am Kopfe, Halse und an der Unterseite. In allen übrigen Stücken dagegen sollte er, wie in der Fauna Japonica ausdrücklich angeführt wird und wie es auch die weitere Beschreibung des japanischen Vogels darthut, mit M. niger ganz übereinstimmen.

Betrachten wir nun unsere Amur-Exemplare genauer, so müssen wir in denselben die japanische Form wiedererkennen. Wie bei M. niger ist an denselben der Schnabel schwächer als bei M. regalis und nach der Spitze tiefer ausgeschnitten, so dass ein deutlicherer Zahn und eine schlankere Spitze entsteht °). Am Kopfe, Halse und auf der Brust sind die Federn ver- schmälert und spitz. Die Flügel sind lang und erreichen fast die Spitze des Schwanzes. Die

I) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 334.

2) F. tinnun. japonicus, s. Fauna Jap. Aves. p. 2. Tab. I. u. I. B,

%) Temminck, Manuel d’Ornithol. IH. p-L. u. 31.

*) Fauna Japon. Aves. p. 14. Tab. V. und V. B.

°) Untergeschlecht Hydroietinia Kaup, Klassification der Säugethiere und Vögel. Darmstadt 1844. p. 113.

Milvus niger. 235

1ste bis 5t® Schwinge sind an der Innenfahne, die 2te bis 6!° an der Aussenfahne stark verengt'). Der Schwanz ist nur seicht gegabelt, indem der Unterschied zwischen den äussersten und mittleren Steuerfedern an dem einen (jüngsten und noch nicht ausgewachsenen) Exemplare 31, am 2ten 8, am 3ten 10 Linien beträgt. Die Läufe sind bis zur Hälfte befiedert, die Zehen mit ziemlich abstehenden Schildern bedeckt, die innere kürzer und stärker als die äussere; die Nägel mässig gekrümmt. Die Farbe des Gefieders ist an meinen drei, dem Alter nach nicht ganz gleichen, aber sämmtlich jungen Vögeln im Allgemeinen ein dunkles Braun mit hellen, gelben und gelblichweissen Flecken, welche am Kopfe, Halse, zum Theil am Vorderrücken und an der Unterseite eine längliche Gestalt haben, indem die gelblichweisse Farbe von der Spitze der Federn längs dem dunkelbraunen Schafte jederseits weit in die braune Farbe hinein sich erstreckt. Auf dem Rücken aber und auf den oberen Flügel- und Schwanzdeckfedern nimmt die gelblichweisse Farbe mehr oder weniger nur die äusserste Spitze der Federn ein, während längs den dunkelbraunen Schaftflecken der Federn jederseits noch eine hellere Schat- tirung bemerkbar ist. Die grossen Schwingen sind schwarz, an der äussersten Spitze schmutzig- weisslich, an der Basis der Innenfahne weiss gefleekt. Der Schwanz ist braun mit I—12 ver- waschenen dunkleren Querbinden, von denen die letzte, vor der schmutzigweisslichen Spitze des Schwanzes, breiter ist. An der Innenfahne sind die Steuerfedern, mit Ausnahme der beiden mittleren, grauweiss bespritzt. Auf der Unterseite nehmen die gelblichen Längsflecken der Federn nach hinten an Ausdehnung zu; die Hosen sind schmutzig rostgelblich mit braunen Kanten der Federn, die Schwanzdeckfedern fast einfarbig schmutzig rostgelblich, die Steuer- federn braungrau, unten heller als oben. Fügt man zu dieser Beschreibung noch hinzu, dass in der Ohrgegend ein einfarbiger, dunkelbrauner oder schwärzlicher Fleck sich befindet, so lässt sich in den Amur-Exemplaren das Jugendkleid von M. melanotis nicht verkennen. Auch müssen wir noch bemerken, dass an zweien unserer Exemplare auf dem Kopfe und Halse unter den gelblichweiss gefleckten Federn auch mehrere rostrothe, mit dunkelbraunen Schaft- strichen versehene Federchen sich befinden, wie Temminck und Schlegel sie an den er- wachsenen Milanen angeben.

Neben dieser Uebereinstimmung des Amur-Milans mit M. melanotis muss ich aber auch eines abweichenden Zuges epwähnen. Es betrifft dieses die Farbe der Iris, der Wachs- haut und der Füsse. Diese fand ich nämlich an 2 Individuen, die ich lebendig beobachtet habe, nicht gelb, wie die Fauna Jap. angiebt, sondern die Iris dunkelbraun, die Wachshaut blau, die Füsse blassbläulich. Doch ist hier zu bemerken, dass einerseits Temminck und Schlegel nur Bälge dieses Vogels vor sich hatten und die Farbe jener Theile daher auch nur vermuthungsweise als hell ockergelb angeben und dass andererseits meine Exemplare junge Vögel waren, bei denen die Farbe jener Theile im späteren Alter, wie es bei vielen anderen Raubvögeln geschieht,

1) Dass die Grössenverhältnisse der Schwingen keinen constanten unterscheidenden Charakter abgeben, lässt sich auch an den Amur-Exemplaren vom schwarzen Milan bemerken: an dem einen derselben ist nämlich die 1ste Schwinge kürzer als die 7!e, die 2te kürzer als die 6te, die 3!e kürzer als die 5te, die 4te und öte fast gleich lang und am längsten;

an einem andern Exemplar dagegen ist die 1ste Schwinge gleich lang mit der 7ten, die 2te gleich lang mit der 6ten, die

3te etwas länger als die 5te und nur um sehr Weniges kürzer als die 4e oder längste Schwinge. *

236 Vögel.

sehr wohl zu einer gelben sich verändern dürfte. So fand in der That Hr. Maack an einem älteren Vogel dieser Art vom W ilui die Iris hellbraun, den Oberschnabel an der Wurzel und die Mundspalte hellgelb, die Füsse graubläulich. Auch ist nach dieser Richtung noch zu er- wähnen, dass Temminck und Schlegel später ihren M. melanotis für identisch mit M. go- vinda Sykes') erklärten, von dem sie ein Exemplar aus Tschusan gesehen hatten. Diesen Milan hält aber Bonaparte”), der gewiss nicht geneigt ist nur irgend erhebliche Differenzen zu übersehen, für identisch mit dem M. cheela oder M.indicus Hodgsen und dem M. lineatus Gray°), von welchem letzteren uns in den Illustr. of Indian Zoology eine Abbildung vorliegt‘). Diese stellt nun in der That denselben Milan dar, den wir ausdem Amur-Lande haben, und zwar muss es, nach dem vielen Weiss im Gefieder und der Art der Fleckung zu urtheilen, noch kein altes Individuum von M.melanotis gewesen sein. Trotz dem giebtaber auch Gray’s Abbildung Wachs- haut und Füsse nicht gelb, sondern erstere blassbräunlich, letztere grünlichbraun an. Ob jedoch Gray diese Abbildung nach lebenden Exemplaren oder auch nur nach Bälgen, wieTemminck und Schlegel, entworfen hat, wissen wir nicht. Jedenfalls bemerke ich, dass an meinen Bälgen der Amur-Milane die Wachshaut schmutziggelblich, an den Seiten schwärzlich, die Läufe und Zehen theils schmutziggelblich, theils einfarbig grünlichbraun, theils endlich grün- . lich mit gelbem Vorderrande eines jeden Schildes sind. Wollte man daher nach den Bälgen auf die Farbe jener Theile schliessen, so liegt es nahe sich dieselben entweder gelb oder grünlichbraun zu denken.

Mehr als in diesem Punkte stimmen endlich unsere Amur-Milane mit den japanischen in Hinsicht ihrer Grösse überein. Stellen wir den in der Fauna Jap. uns mitgetheilten Maass- angaben die gleichnamigen an unseren 3 Amur-Exemplaren gegenüber:

M. mel. aus Japan. M. mel. v. Amur. Fauna Japon.

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze.23” bis 24” 20” 23” 24"9” » des zusammengelegten Flügels... . ... 1773” 18” 14" 7 Ran v4 d&s Schwanzes...... le user. 10,6, 11! 8” 10’, SE 2, des. Laufes 2 ea er ee BU 114, 22, a

» der Mittelzehe ohne Kralle.......... 175” 16 57 7 Pag ze =

Erwägt man nun, dass von diesen Maassen dasjenige der Gesammtlänge, weil am Balge genommen, nur von annäherndem Werthe ist und dass ausserdem das erste unserer Amur- Exemplare ein noch nicht ausgewachsener Vogel war, so ist die Uebereinstimmung in der Grösse zwischen den Amur-Exemplaren und den japanischen eine ganz überraschende.

!) Fauna Jap. I. c. p. 136. Nota 6. Temminck u. Schlegel geben M. govinda Hodgson an, doch ist diese Art nicht von Hodgson, sondern von Sykes nach Exemplaren aus Dukhun aufgestellt worden. 8. Proceed. of Com. of Sc. and Corresp. of the Zool. Society of London. II. 1832 p. 81.

2) Conspectus gener. Avium. Lugd. Batav. 1850. p. 21.

°) Wie das auch unzweifelhaft aus der von Sykes gegebenen Beschreibung seiner Art (s. Proceed. 1. c.) folgt.

4) Gray, Illustr. of Ind. Zool., chiefly select. from the collect. of Maj. Gen. Hardwicke. London 1830 1832. Vol. I. Tab. 18.

Milvus niger. 237

Trotz dem jedoch, dass die Amur-Exemplare nach allen Charakteren unzweifelhaft zu M. melanotis gehören, können wir in denselben doch nichts mehr als eine geographische Va- rietät von M. niger Briss. sehen. Üm diese Ansicht zu rechtfertigen, wollen wir dieselben nach den oben angegebenen, vermeintlich specifisch unterscheidenden Charakteren mit sibiri- schen, westasialischen und europäischen Exemplaren vom schwarzen Milan vergleichen.

Was zunächst den schwarzen Ohrlleck betrifft, so bildet dieses Kennzeichen weder eine con- stante, noch eine ausschliessliche Eigenthümlichkeit von M.melanotis. Temminck und Schlegel geben selbst an, dass die Farbe und Ausdehnung dieses Fleckes individuellen Verschiedenheiten unterworfen seien und ausserdem auch nach dem Alter des Vogels variiren, indem er bei jungen Vögeln breiter und heller als bei alten sei. Dasselbe lässt sich zum Theil auch an den Amur-Exemplaren bemerken, indem bei ihnen der im Allgemeinen schwärzlichbraune Ohr- fleck bald heller, bald dunkler, bald grösser, bald kleiner ist. Bei einem Exemplar beginnt er z. B. schon über und unter dem Auge, bei einem anderen erst hinter demselben u. s. w. Ich finde ihn ferner an einem Exemplar vom Wilui recht dunkel schwärzlich, an einem an- deren, offenbar älteren Vogel aus derselben Gegend heller, braun, an einem dritten, ebenfalls alten und im Uebrigen mit dem vorhergehenden ganz gleich gezeichneten Exemplare vom Wilui kaum merklich. Desgleichen ist er an einem im mittleren Alter stehenden Weibchen aus Lenkoran (in unserem Museum) sehr deutlich, schwärzlichbraun, an einem alten Männ- ehen aus derselben Gegend gar nicht bemerkbar u. s. w. Letztere Exemplare tragen übrigens das ganz typische Kleid von M.niger. Dass endlich der schwärzliche Ohrlleck auch dem euro- päischen schwarzen Milan nicht immer fehle, ist längst von den Ornithologen bemerkt worden: Bechstein') z.B. giebt bei demselben hinter den Ohren eine schwarzgraue Stellean; Naumann’) beschreibt beim jungen Vogel die Ohrgegend dunkelbraun u.s.w. Nach allen diesen Thatsachen unterliegt es keinem Zweifel, dass der schwärzliche Ohrfleck kein specifisches Kennzeichen für M. melanotis abgeben kann. Ja nach den angeführten Beobachtungen an sibirischen und europäischen Vögeln müssen wir sogar die Ansicht Temminck’s und Schlegel’s, dass der schwarze Ohrfleck mit dem Alter dunkler werde, noch in Zweifel stellen. Die genannten Herren hatten jedenfalls nur wenige Bälge vor sich und ihre Abbildung vom alten Männchen scheint in der That kein altes Thier darzustellen. Nur so viel scheint aus den bisherigen Beobachtungen hervorzugehen, dass dieser dunkle Ohrfleck von M. niger je weiter nach Osten, desto allge- meiner und desto dunkler gefärbt sei. Er dürfte daher wohl einen Charakter geographischer Varietät abgeben.

Aehnlich verhält es sich mit der allgemein dunkelbraunen, statt rost- oder röthlichbraunen, Farbe und der hellen Längsfleckung von M. melanotis. Auf der Oberseite des Vogels lässt sich bei den Amur- und sibirischen Exemplaren vom schwarzen Milan bei sonst ganz gleicher Zeichnung kaum ein etwas düstereres Braun bemerken. Bedeutender ist der Unterschied in der Farbe der Unterseite. Sehen wir hier zunächstvon den hellen Längsflecken bei den Amur-

1) Naturgesch. der Vögel Deutschlands. 2ten Bds. 2te Abthl. p. 214. 2) Naturg. der Vögel Deutschl. I. p. 342.

238 Vögel.

Exemplaren ab, so trägt die Unterseite bei denselben ein dunkles, beinahe schwärzliches, bei den europäischen ein röthliches Braun. Hier müssen wir aber zunächst in Rechnung bringen, dass die Amur-Exemplare junge Vögel sind, an denen auch in Europa die Unterseite dunkler, ja bisweilen tiefbraun ist '). Bei alten Vögeln aus Sibirien gewinnt die Unterseite, und na- mentlich die Brust und der Oberbauch, ebenfalls eine schmutzig rostbraune Farbe, welche aber freilich noch hinter dem reinen Rostbraun der europäischen Vögel zurückbleibt. Dass aber hierin auch an europäischen und westasiatischen Vögeln manche Nüancirungen vorkom- men, ist hinlänglich bekannt und giebt sich auch an den uns vorliegenden Exemplaren aus Lenkoran kund. Dennoch müssen wir den Amur- und ostsibirischen Exemplaren im Ver- gleich zu den europäischen im Allgemeinen ein minder rostfarbenes und dunkleres Braun zu- schreiben eine Erscheinung, die aber keineswegs als Kennzeichen verschiedener Art auf- gefasst werden darf, sondern ganz in den Bereich klimatischer oder überhaupt geographischer Abänderungen gehört und viele analoge Fälle zählt. Die Neigung der rost- oder röthlich- braunen Farben in wärmeren und trockneren Klimaten und also auch im Süden und Westen der alten Welt intensiver hervorzutreten, im kälteren Osten dagegen einem düstereren und schwärzlicheren Braun zu weichen, ist eine bereits an vielen Vögeln und Säugethieren beobachtete Erscheinung). Zeigt sich doch schon ein Unterschied in der Intensität der rost- braunen Farbe zwischen den schwarzen Milanen des Woroneshschen Gouvernements und denjenigen des nahe gelegenen Moskau’s, indem erstere, als zeitweilige Bewohner eines süd- licheren und trockneren (sonnigeren) Klima’s schönere Farben besitzen°). Wie sollte es also nicht auch einen Unterschied zwischen europäischen oder westasiatischen Individuen und den- jenigen vom fernsten Osten Asien’s geben?

Hinsichtlich der Amur-Milane ist jedoch ferner zu bemerken, dass bei ihnen das Rost- braun der Unterseite europäischer Vögel nur an einzelnen Theilen durch ein dunkleres Braun, an anderen dagegen durch ein schmutziges Gelb ersetzt wird. Letzteres findet namentlich an den Hosen, unteren Schwanzdeckfedern und den länger sich erhaltenden hellen Längsflecken der Bauchseite statt. Dass solche weissliche Längsflecke an den Federn des Kopfes, des Halses und der Oberbrust nicht bloss dem M. melanotis eigenthümlich, sondern auch beim europäi- schen schwarzen Milan je nach dem Alter mehr oder weniger vorhanden sind, ist bekannt. Gloger z. B. führt es als einen Charakter der europäischen Milane überhaupt (M. niger u. M. regalis) an, dass sie an den erwähnten Körpertheilen im ersten Jugendkleide helle Schaft- striche haben, und bemerkt für den jungen Vogel von M. niger noch ausdrücklich, dass diese hellen Streifen zu den Seiten der dunkelbraunen Schäfte bisweilen so ansehnlich sein können, dass Kehle und Halsseiten ganz, der Kopf aber fast ganz rostgelblich oder gelbweiss erscheinen °). Genau dasselbe findet auch bei unseren Amur-Exemplaren statt, In einem

!) Gloger, Handbuch der Naturgesch. der Vögel Europa’s I. p. 83. £

2) Gloger, Das Abändern der Vögel. p. 16, 137 u.a. Wir verweisen hier auch auf die bei Abhandlung der Säugethiere des Amur-Landes besprochene Erscheinung schwärzlicherer Färbung derselben. S. oben p. 199 u. a.

3) Ssewerzoff, l. c. p. 343.

#4) Gloger, Handb. der Naturgesch. der Vögel Eur. I. p. 80 u. 83.

Milvus niger. 239

späteren Alter nimmt jedoch die braune Farbe an den Schäften der Federn zu und die gelb- lichweisse zu den Seiten derselben ab: an Stelle der mit weisslichen Schafiflecken versehenen Federn treten alsdann mit braunen Schaftflecken gezeichnete Federn auf, an denen die weiss- liche Farbe nur noch die äusserste Spitze und einen schmalen Streifen jederseits längs dem braunen Schaftflecke einnimmt. Diese Zeichnung liegt mir in ganz gleicher Weise an einem Exemplar vom Amur, einem vom Wilui und einem aus Lenkoran vor. Beim alten Vogel endlich breitet sich der braune Schaftfleck bis auf die äusserste Spitze der Feder aus und die weissliche Zeichnung bleibt nur noch zu den Seiten desselben zurück. Diese letztere, an alten europäischen Vögeln allgemein bekannte Zeichnung finde ich ganz ebenso an zwei Exempla- ren vom Wilui und einem aus Lenkoran wieder. Nicht ganz so wie mit den hellen Längsflecken am Kopfe, Halse und an der Oberbrust scheint es sich mit denjenigen am Bauche, an den Hosen und unteren Schwanzdeckfedern zu verhalten. Bei zwei jungen Individuen vom Amur sind diese hellen Flecke zu den Seiten der braunen Schäfte am Bauche sehr ausge- sprochen und stechen gegen die schwärzlichbraune Farbe des übrigen Theiles der Federn sehr scharf ab; auf den Hosen nimmt die helle Farbe noch mehr zu, indem sie das Braun auch vom Schafte und von den Federrändern theilweise verdrängt; die unteren Schwanzdeckfedern endlich sind einfarbig schmutzig rostgelblich. Bei einem 3" Individuum vom Amur und einem Exemplar vom Wilui nimmt zwar die helle Farbe in der Mitte der Bauchfedern stufenweise etwas ab und die braune am Schafte und an den Federrändern etwas zu, allein dennoch blei- ben die Längsflecke noch sehr deutlich, während bei den in der Kopf- und Halszeichnung mit ihnen ganz übereinstimmenden Exemplaren aus Lenkoran die gelblichweisse Farbe meist nur noch an den Spitzen der Federn und in schwacher Andeutung zu den Seiten der dunklen Schaftflecke sichtbar ist. Auch sind bei letzteren die Hosen und unteren Schwanzdeckfedern rostbraun mit dunklen Schäften und hellen Spitzen, bei ersteren dagegen schmutziggelblich mit hellbräunlichen Flecken. Bei den alten Wilui-Exemplaren endlich nimmt auf dem Ober- bauche die braune Farbe über die hellen Längsflecken ganz überhand, die nur theilweise als heilere Streifen neben den braunen Schaftllecken sichtbar bleiben; nach unten zu aber und auf den Hosen finden sich nichtsdestoweniger noch viele mit hellen, wenn auch schmutzigeren gelblichen Längsflecken versehene Federn, und die unteren Schwanzdeckfedern endlich, die an alten europäischen Vögeln schön rostrothbraun sind, bleiben schmutziggelblich mit nur stellen- weise bräunlicher Färbung. Dennoch haben wir es auch hier nur mit einer klimatischen Farbenabänderung zu thun; denn es ist eben nur dieselbe Abnahme an Intensität in der rostbraunen Farbe, die, wie oben einem düsteren Graubraun, so hier einem schmutzigen Gelb weicht.

Fassen wir nun die besprochenen Farbenabänderungen zusammen, so lässt sich der Cha- rakter der östlichen Form von M. niger dahin feststellen, dass bei derselben eine mehr oder weniger und beim jungen Vogel bis in die einzelnen Federtheile ausgesprochene Trennung der hellen, gelblichen und dunklen, graubraunen Farbentöne stattfindet, während bei der west- lichen Form jene Töne fast zu einem gleichmässigen, mit dem Alter mehr und mehr überhand

240 Vögel.

nehmenden Rostbraun sich verschmelzen. Bemerken wir hier nochmals, dass die jungen Milane des Ostens und Westens eine grössere Verschiedenheit von einander als die alten zeigen. Auch kommt es mir, nach den mir vorliegenden Amur- und ostsibirischen Exemplaren, nicht unwahrscheinlich vor, dass der Wechsel des Jugendkleides im Amur-Lande und im Osten Sibirien’s langsamer als im wärmeren Westen der alten Welt vor sich gehe.

Was endlich die von Temminck und Schlegel als Artencharakter hervorgehobene be- deutendere Grösse von M. melanotis betriflt, so haben wir schon oben die an Bälgen genom- menen und für die Gesammtlänge daher nur annähernd geltenden Maasse der japanischen und Amur-Exemplare gegen einander gestellt. Dieselbe Grösse scheinen nun auch die ost- sibirischen Vögel zu haben, indem ich an drei Bälgen vom Wilui die annähernde Länge von 21, 23 und 241 Par. Zoll finde. Demnach scheint nun die Grösse der ostasiatischen Form kaum oder jedenfalls nur um ein Geringes bedeutender als die gewöhnliche Grösse europäi- scher Vögel zu sein. Letztere unterliegen jedoch ebenfalls ansehnlichen Grössenschwankungen, die sich sogar an den Individuen nahe benachbarter geographischer Gebiete kundgeben. So fand z.B. Hr. Ssewerzoff, dass die schwarzen Milane derUmgegendenMoskau’s gewöhnlich nur 201-221, diejenigen des Woroneshschen Gouvernements dagegen 233— 26} Par. Zoll betragen"). Letztere übertreffen somit die grössten von Temminck und Schlegel in Japan oder von uns im Amur-Lande beobachteten Exemplare. Sollten übrigens zahlreichere numerische Angaben in Zukunft auch eine ansehnlichere Grössendiflerenz zu Gunsten von M. melanotis ergeben, so ist darin noch immer kein Kennzeichen specifischer Verschiedenheit zu erblicken. Bekanntlich kommen grade unter den Raubvögeln oft sehr bedeutende Grössendiflerenzen innerhalb einer und derselben weit verbreiteten Art vor Differenzen, die man der Einwirkung verschiedener Klimate, verschiedener Nahrungsverhältnisse u. s. w. zuzuschreiben hat. Liesse sich in unse- rem Falle namentlich die Erfahrung, die man bereits an vielen Vögeln gemacht hat, dass süd- liche oder überhaupt wärmeren Klimaten angehörende Abänderungen in der Regel den gleich- artigen Individuen nördlicher und rauherer Klimate hinsichtlich der Grösse nachsteheh °), auch auf den schwarzen Milan und seine ostasiatische Varietät, M. melanotis, anwenden, so möchten wir für letzteren schliesslich auch noch auf den Umstand aufmerksam machen, dass dieser Vogel eine vornehmlich dem Osten der Alten Welt angehörende Form ist”) und dort also, un- ter günstigeren Naturverhältnissen, leicht auch zu einer kräftigeren Entwickelung als im Westen und Süden gelangen dürfte.

Zu demselben Resultate, das die Gegeneinanderhaltung der äusseren Charaktere von M. niger und M. melanotis ergiebt, scheint uns endlich auch die Vergleichung der Eier beider Vögel zu führen. Drei Eier von M. melanotis, die ich an der Amur-Mündung erhielt, stimmen nach ihrer Grösse, Form, Farbe und Zeichnung sehr genau mit den von Thienemann von

!) Ssewerzoff, I. c. p. 373. Die in engl. Maasse a. a. O angeführten Grössen sind für die Moskauschen Exem- plare 22—24, für die Woronesbschen 25—28 Zoll.

2) Gloger, Ueber Grundsätze zur Beurtheilung wirklicher Arten und blosser Abänderungen. Vrgl. Cabanis, Journ, für Ornith. Jahrg. IV. 1856. p. 274 u. 276.

8) Darüber s. weiter unten.

Milvus niger. 241

den Eiern von M. niger gegebenen Abbildungen ') überein. Die Grösse derselben scheint nur um 1—2 Linien bedeutender als in den erwähnten Abbildungen zu sein, indem die Länge an allen dreien genau 2’2” und die grösste Breite 178” —1”9” beträgt. Dabei ist aber die Form dieser Eier ganz dieselbe, rundliche und gedrungene, und finden sich auch unter meinen drei Exemplaren stumpfere und spitzere wie in Thienemann’s Abbildungen b u. d. Nament- lich läuft das schmälste von den dreien zugleich auch etwas spitzer als die anderen zu. In ganz ähnlicher Weise variiren sie zum Theil auch in der Farbe und Zeichnung unter einander. Die Grundfarbe ist bei allen ein schmutziges Weiss, noch etwas schmutziger als in Thiene- mann’s Abbildungen, und mit ganz eben solchen, bald helleren und bald dunkleren braunen Marmorflecken, die entweder ziemlich gleichmässig über das ganze Ei zerstreut, oder aber an einem Ende desselben dichter zusammengedrängt und im übrigen Theile nur spärlich vorhanden sind. Zwei dieser Eier vom Amur wiederholen somit fast ganz die Zeichnung des Eies a bei Thienemann, das 3‘, spitzere, entspricht der Zeichnung d desselben, mit dem Unter- schiede, dass die Flecken beim Amur-Exemplar nicht am stumpfen, sondern am spitzen Ende des Eies zusammengedrängt sind.

Halten wir nun die hier dargethane Identität von M. niger und M. melanotis fest, so gewinnt in unseren Augen das Verbreitungsgebiet des schwarzen Milans eine andere und viel weitere Begränzung. Bekanntlich war M. niger zu Pallas’ Zeiten nicht über die Lena nach Osten beobachtet worden’). Middendorff sah zuerst über diese Gränze hinaus, bei Amginskaja Sloboda in etwa 61° n. Br. und im Stanowoi-Gebirge Milane über sich schweben, an denen er bei ansehnlicher Grösse einen schwach gegabelten Schwanz unter- scheiden konnte und die er demnach für M. niger halten zu müssen glaubte®). Wir müssen dieser Vermuthung nach den gegenwärtigen Thatsachen vollkommen Recht geben, indem wir im Amur-Lande den schwarzen Milan bis zur Mündung des Amur-Stromes und also bis zu den Ostküsten Asiens kennen gelernt haben. Jetzt wird es uns daher verständlich, wie Pallas, trotzdem dass er geneigt war die Lena für die Ostgränze von M. niger zu halten, dennoch eine tungusische, daurische und sogar kurilische Bezeichnung für denselben an- geben konnte. Ja in Folge der Identität von M. melanotis Temm. et Schleg., M. govinda Sykes und M. indieus Hodgs. oder M. lineatus Gray mit unserem schwarzen Milane lernen wir denselben auch in Japan‘), China und Indien kennen. Damit wird also auch die Vermuthung von Pallas, dass der schwarze Milan nicht bloss in Persien, sondern wahr- scheinlich auch im ganzen übrigen mittleren Asien seinen Winteraufenthalt habe, bestätigt. Im Amur-Lande speciell ist M. niger, in der besprochenen Varietät, nicht selten. Ich habe ihn am 29. Sept. (11. Oct.) am Kamr-Flusse beim Nikolajewschen Posten gefangen.

!) Thienemann, Fortpflanzungsgesch. der gesammten Vögel. Leipzig 1850. Taf. XLV. Fig. a—d, 2) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 357.

3) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 128.

4) Auch bei PaJlas (l. c.) findet sich schon eine japanische Bezeichnung für M. niger.

31

Sa

242 Vögel.

Obgleich scheinbar völlig gesund, liess sich das Thier mit der Hand von der Erde greifen; ich vermuthe daher, dass es ein krankes Individuum war, das durch irgend ein Uebel am Fortziehen verhindert worden ist. In der Gefangenschaft erholte es sich jedoch sehr bald, nahm Fisch und Fleisch zur Nahrung und zeigte sich sehr bösartig. Der gewöhnliche Ton, den es von sich gab, war ein gellendes Pfeifen; oft aber habe ich von ihm, bei Annäherung an den Käfig, auch das angstvolle Gickern gehört, das man am europäischen Vogel kennt. Aus derselben Gegend, beim Dorfe Wair nahe der Amur-Mündung, erhielt ich auch die oben beschriebenen Eier dieses Vogels, die ich am $; Maı noch unbebrütet fand. Weiter aufwärts am Amur-Strome habe ich den schwarzen Milan zu wiederholten Malen hei den Eingebore- nen gefangen gesehen. Diese nehmen die jungen Milane aus dem Neste und ziehen sie gleich den Adlern auf, so viel ich weiss nur zu dem Zwecke, um mit den Steuerfedern des erwach- senen Vogels ihre Pfeile zu beschwingen. Ein solches noch nicht völlig ausgewachsenes Indi- viduum kaufie ich von dem Golde des Dorfes Ssinda am 10 Juli; ein anderes erhielt H. Maack am 27. Juli (8. Aug.) im Dorfe Maji am Amur. Wie im Osten und Süden Asiens, so lernen wir gegenwärtig den schwarzen Milan auch weiter im Norden dieses Conti- nentes kennen. Nach den durch Hrn. Maack erhaltenen Nachrichten soll er bereits am 47 April in der Gegend von Jakutsk (in 62° n. Br.) sich einfinden, was mit dem Zeitpunkte, da Middendorff ihn bei Amginskaja Sloboda beobachtete (d. 23. April), nahe über- einstimmt. Hrn. Maack verdanken wir auch die oben erwähnten Exemplare vom Wilui, in etwa 64° n. Br., die uns beweisen, dass der schwarze Milan im Osten Asiens weit höher nordwärts als im Westen der alten Welt geht, wo er bekanntlich weder die britischen Inseln '), noch Skandinavien’) erreicht. Nach allen diesen Thatsachen dürften wir daher wohl im Rechte sein, M. niger für eine vornehmlich dem Osten der alten Welt angehörende Form anzusehen.

l) So kennen ihn weder Montagu (Ornithol. Diction. of Brit. Birds. London 1833.), Selby (Mlustr. of Brit, Ornith. Edinburgh 1833. p. 74.) und Macgillivray (Hist. of Brit. Birds. London 1840. II. p. 264.) für die britischen Inseln überhaupt, noch Thompson (The Nat. Hist. of Ireland. I. Birds. London 1849.) für Irland im Speciellen.

2) Weder Boie (Tageb. gehalten auf einer Reise durch Norwegen. Schleswig 1822. p. 347.) noch Nilsson (Scandin. Fauna. Foglarna. Lund 1835.) kennen ihn in Skandinavien. Zwar finden wir ihn später von Hammar- gren, im 3. Jahrgange der Naumannia (1853. p. 291.), unter den am Wenern-See beobachteten Vögeln, und zwar als «heckend und gemein» erwähnt, eine Angabe, die um so auflallender ist, als er auch im Norden Deutschlands nicht gerade zu den gemeinen und in Dänemark sogar zu den seltenen Vögeln gehört (Naumann, l.c. p. 342. Kjaerbölling, Danmarks Fugle. Kjöbenhavn 1852. p. 15); allein im folgenden Jahrgange derselben Zeitschrift bemerkt Wallengren in seinem nach eigenen Erfahrungen und reichen Quellen gearbeiteten Aufsatze «Brutzonen der Vögel innerhalb Skandinavien’s» (Naumannia, Jahrg. IV. 1854. p. 72.) ausdrücklich, dass M. niger noch nie in Skandinavien angetroffen worden sei. Derselbe kennt ihn auch nicht unter den auf der Insel Gothland als Stand- oder Zugvögel vorhandenen Arten (Naum,. Jahrg. II. p. 83.), und eben so wenig Gadamer unter den Vögeln des nordöstlichen Schonens (Naum. Jahrg. II. Heft 3. p. 1). Wir müssen daher diesen zahlreichen, sämmtlich übereinstim- menden Angaben vor der vereinzelten Hammargren’s Glauben schenken. Oestlich von Skandinavien ist dagegen M. niger bis nach Archangel im Norden beobachtet worden. $. Liljeborg, Beitr. zur Ornith. des nördl. Russland’s und Norwegen’s, Naum. Jahrg. II. Heft 2. p. 24.

Astur palumbarius. 243

11) Astur palumbarius L.

Bei den Giljaken: ngais und tollchasskrj '). » » Golde am Amur: gecho.

Vom Hühnerhabicht habe ich zwei Exemplare mitgebracht, welche das Vorkommen desselben im Amur-Lande in sehr extremen, dunklen und hellen Farben beweisen. Das eine derselben ist ein junger Vogel, in seiner Zeichnung Punkt für Punkt mit Exemplaren aus der Umgegend St. Petersburgs übereinstimmend, aber durchweg von dunklerer Farbe. Die Ober- seite desselben ist dunkelbraun mit rostgelblichen Federsäumen, die am Nacken besonders breit sind und dort eine hellere Färbung abgeben. Die Schwingen sind heller und dunkler braun gebändert; die oberen Schwanzdeckfedern mit helleren, schmutziggelblichen Säumen und theilweisen weisslichen Bändern. Der Schwanz ist braungrau mit 5 dunkelbraunen, weisslich gerandeten Querbändern und weisslichem Endsaume. Die Unterseite ist rostgelblich, am intensivsten an der Brust; Kehle, Gurgel, Schenkel, Hosen, die fast zur Hälfte befiederten Läufe und die unteren Schwanzdeckfedern mit schmalen schwarzbraunen Schaftstrichen; Brust und Oberbauch mit eben solchen breiteren Längsflecken; Weichen und untere Flügeldeckfe- dern mit schwarzbraunen, lanzett- und herzförmigen, nach innen oft wiederum gelblichschim- meligen Flecken. Die Unterseite der Schwingen und Schwanzfedern ist weisslichgrau und schwarzbraun gebändert. Am lebenden Vogel war die Iris gelblich, der Schnabel schwarz, an der Basis bläulich, die Wachshaut grünlichgelb, die Füsse gelb, die Nägel schwarz.

Das andere Exemplar aus dem Amur-Lande ist die durch Pallas bekannte weisse Va- rietät des Hühnerhabichts, die nach ihm hauptsächlich im Osten Sibirien’s und in Kam- tschatka vorkommt. Mein Exemplar ist ein altes Weibchen und scheint ziemlich dieselbe Farbe und Zeichnung zu haben, die Pallas an einem jungen Vogel vom Issetj-Flusse beschreibt”). Die Grundfarbe desselben ist weiss, stellenweise mit schwachem rostgelblichem Anfluge; auf dem Kopfe und Halse mit schwärzlichbraunen Streifen längs dem Schafte jeder Feder, auf dem Rücken und den Flügeln mit graubraunen, halbmondförmigen, längs dem Schafte auch nach aufwärts fortgesetzten Flecken vor der Spitze jeder Feder; die Schwingen braun und weisslich gebändert; der Schwanz hellbräunlich mit 5 dunkelbraunen, weisslich gesäumten Bändern und weisslichem Endsaume. Die Unterseite ist weiss, allenthalben, von der Kehle an, mit feinen graubraunen Schaftflecken, welche an der Brust gröber und zahl- reicher, an den Weichen lanzett- und herzförmig und nach innen zu gelbschimmelig sind. Die Unterseite der Schwingen und des Schwanzes ist weiss und graubraun gebändert. In den

1) Die erstere Bezeichnung, welche mir wiederholentlich von verschiedenen Giljaken genannt wurde, scheint die allgemeiner übliche zu sein. Oder sollte vielleicht die doppelte Bezeichnung auf die helle und dunkle Varietät dieses Vogels bezüglich sein, wie das bei manchen anderen Völkern des nördlichen Asien’s der Fall ist? (S. Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 367).

2) Pallas, Reise durch versch. Proy. des Russ. Reichs. 1773. II. p. 381; desgl. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 369. x

244 Vögel.

Grössenverhältnissen der Schwingen weicht unser Amur-Exemplar von dem Pallas’schen aus Kamtschatka darin ab, dass nicht bloss die 4', sondern auch die mit ihr ganz gleich lange Schwinge am längsten ist. Die Iris war am gefrorenen Exemplar orangegelb, der Schnabel schwarz mit blaugrauer Basis, die Wachshaut grünlichgelb, die Füsse citronengelb mit schwarzen Nägeln. Ist dieses Amur-Exemplar minder weiss und stärker braungelleckt als der von Pallas beschriebene alte Kamtschatkische Vogel, so besitzt andererseits unser Museum durch Kittlitz ein Exemplar aus Kamtschatka, das zwar ebenfalls noch zur weissen Varietät gehört, allein dunkler als das Amur-Exemplar ist. Von diesem lässt sich ferner durch Altaische und Petersburger Exemplare in unserem Museum ein ganz allmähliger Ue- bergang bis zu der vorhin erwähnten dunkelsten Färbung von A. palumbarius wahrnehmen.

Die Maasse der Amur-Exemplare vom Hühnerhabicht sind, am Balge genommen, folgende: Alt. Weib.d. weiss. Var. Jung. Vog.v.typ.Färb.

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr) ...25’ 7” al, ins » des zusammengelegten Flügels..... rn 147.30 12% 337 » . des Schwanzes”. . „On era... PR 10” 5” 8’10” ». des Schnahels@i. 24 3. SRameae un. 36 ee RE E 17 3% E73

Höhe des Schnabels an der Basis......cc. 2.2.0... N BE u. De

Länge des Laufes........ EEE Ni: 3’ 3a » der Mittelzehe ohne Kralle....2recceeeeonnen en. KITKE 1 18 » der Kralle an der Mittelzehe .... 2 seco essenenne ne 2 ll er » der Hinterzehe ohne Kralle...... 2.222 cceceenneen 12473 re— » der Kralle an der Hinterzehe .......z2e2escee2 0. a ee U:

Astur palumbarius ist im Amur-Lande ohne Zweifel ein Standvogel, da er nach Midden- dorff') auch nördlich vom Amur, bei Udskoi Ostrog, überwintert. Auch erhielt ich das oben beschriebene alte Weibchen der weissen Varietät am 28 März (9 April) 1855 von den Giljaken des Dorfes Wair, beim Nikolajewschen Posten, bei noch sehr winterlicher Jah- reszeit und im gefrorenen Zustande. Den jungen Vogel bekam ich am >, Juli von den Golde des Dorfes Köurmi, nahe der Gorin-Mündung, die den Vogel in zwei ganz gleichen, dunklen, aus dem anliegenden Gebirgswalde herrührenden Exemplaren besassen und diese auf den zum Fischtrocknen bestimmten Gerüsten vor ihren Wohnungen gefangen hielten. So sehen wir also im Amur-Lande die beiden Varietäten von A. palumbarius, die dunkle, typische und die helle, weisse, nicht sich ausschliessen, sondern neben einander vorkommen. Daraus lässt sich auch der Umstand erklären, dass Middendorff in der dem Amur benachbarten Gegend von Udskoi Ostrog (zufälliger Weise) nur die erstere Form fand, Pallas dagegen für den Amur nur die weisse Varietät ausdrücklich anführt, indem er zu dieser letzteren den Hühnerhabicht rechnen zu müssen glaubte, den Joh. Bell dem Kaiser von China aus dem Amur-Lande zubringen sah.

1) Sibir. Reise. L. c. p. 129.

Astur Nisus. Circus cyaneus. Strix (Ulula) uralensis. 245

12) Astur NisusL.

In den Weidengebüschen der Amur-Ufer beim Dorfe Dshare im unteren Amur- Lande habe ich am 4% Juli 1855 zu wiederholten Malen einen Sperber gesehen und mich demselben anzuschleichen versucht, ohne ihn jedoch erlegen zu können. Bekanntlich hat Mid- dendorff A. Nisus allenthalben im Stanowoi-Gebirge gefunden '); desgleichen ist er, nach Temminck und Schlegel, in zahlreichen Exemplaren aus Japan bekannt, die mit dem europäischen in allen Stücken übereinstimmen °). Vermuthlich kommt daher dieselbe Species auch am Amur vor.

13) Circus eyaneus L.

Ein Exemplar vom alten Männchen dieser Weihe, das in keinem Stücke vom europäi- schen Vogel abweicht, hat uns H. Maack aus dem Quelllande des Amur-Stromes und zwar der Umgegend von Nertschinsk mitgebracht, wo es am 19. April (1. Mai) 1855 ge- schossen wurde. Am frischerlegten Vogel war der Schnabel an der Basis schmutzig gelblich- grün, zur Spitze hin durch Blaugrau in Schwarz übergehend, die Wachshaut schmutzig grün- lichgelb, die Iris und die Füsse citronengelb, die Nägel schwarz.

14) Strix (Ulula) uralensis Pall. Bei den Giljaken: gikun°).

Was Middendorff von der Färbung dieser Eule in der Gegend von Udskoi Ostrog bemerkt‘), muss ich auch auf ein mir vorliegendes Exemplar vom unteren Amur ausdehnen. Bei Punkt für Punkt gleicher Zeichnung mit europäischen Exemplaren aus der Umgegend St. Petersburg’s°), finde ich das Weiss im Gefieder des Amur-Exemplares reiner und die schwarzbraunen Flecken der Unterseite um einen Ton dunkler, schwärzlicher. Ferner ist auch das Braun der Oberseite lebhafter und dunkler und auf den kleinen oberen Flügeldeckfedern stärker vorherrschend als bei den Exemplaren von St. Petersburg, bei denen es immer noch etwas mehr als in Gould’s Abbildung von diesem Vogel ausge- sprochen ist. Was dagegen die Grösse betriflt, so stimmt das Amur-Exemplar sehr nahe mit der von Pallas °) angegebenen überein und übertrifft somit die von Middendorff

1) Middendorff, Sibir. Reise. 1. c. p. 129.

2) Siebold, Fauna Japon. Aves. p. 4.

3) Sehr ähnlich der oben angeführten goldischen Bezeichnung für Ast. palumbarius «gecho». 4) Middendorff, Sibir. Reise. l. c. p. 129.

5) So wie aus Westeuropa, s. Gould, The Birds of Eur. I. Tab. 44.

6) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 320.

246 Vögel.

vermessenen Exemplare von Udskoi Ostrog sehr bedeutend. Die Maasse desselben sind

folgende:

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr) ............ Er. DL LE » des zusammengelegten Flügels ......... a ci an 13T » »des’Schwanzes 1.2... ch ER ANNIE EEE 1085 ». des’Schnabels .. »1. ....2..Re% EEE EN EHE 17037 ». des Laufes. 2.0.0 Re ee N IRRE. una ». „der Mittelzehe' ohne Krallen nr RENNEN SR 158% »...der Kralle-an der Mittelzeher .. .... .... 2.2.2... nn Se a a ah” 11”

Strix uralensis hält sich im Winter im unteren Amur-Lande auf. Das oben erwähnte Exemplar, ein erwachsenes Weibchen, wurde von Hrn. Maximowicz am „2, Octb. 1854 im Nadelwalde beim Mariinskischen Posten geschossen.

15) Strix (Aegolius) OtusL.

Gegenüber einem Exemplare dieser Eule aus der Umgegend St. Petersburg’s (im akademischen Museum) zeichnet sich unser Amur-Exemplar durch viel intensiveres Rostgelb und dunkleres Braun in der sonst völlig gleichen Zeichnung aus. Im Vergleich dagegen mit südrussischen Individuen, aus Odessa und dem Caucasus, gilt auch für das Amur-Exem- plar, was Middendorff von dem bei Udskoi Ostrog geschossenen Vogel bemerkt ''). Auf gleichem, rostgelbem Grunde sind nämlich bei demselben die braunen Flecken dunkler und im Ganzen auch etwas ausgedehnter als bei den europäischen Exemplaren, so namentlich an der Flügelwurzel, an den Flügeldeckfedern, in den Querstreifen der Aussenfahnen der grossen Schwingen, welche durchweg den Rand der Federn nicht erreichen, u. s. w. Auch in der Grösse ist nichts vom europäischen Vogel Abweichendes zu bemerken. Am frischge- schossenen Vogel war die Iris gelb, der Oberschnabel dunkelhornfarben, der Unterschnabel grau.

Das erwähnte Exemplar der Waldohreule, ein altes Weibchen, ist von Herrn Maack am unteren Amur nahe unterhalb der Einmündung des Ussuri am „, Sept. geschossen worden.

16) Strix (Aegolius) brachyotus Forst.

Fast ganz dasselbe, was wir von der Farbe von Str. Otus im Amur-Lande gesagt haben, lässt sich auch von derjenigen von Str. brachyotus bemerken. Exemplaren aus Südruss- land (Odessa) und vom Noor-Saissan gegenübergehalten, besitzt unser Amur-Exemplar ein viel blasseres, meist weissliches Gelb und dagegen ein um einen Ton dunkleres, schwärzlicheres

z !) Middendorff, Sibir. Reise, 1. c. p. 130.

Strix (Aegolius) brachyotus. Str. (Surnia) nyctea. 247

Braun. Ganz dasselbe gilt auch einem Petersburger Exemplare gegenüber, das mit jenen südrussischen und sibirischen, bis auf eine etwas gröbere Fleckung der Unterseite, ganz übereinstimmend ist. Im Uebrigen bleibt aber die Zeichnung beim Amur-Exemplar bis in das feinste Detail dieselbe wie beim europäischen Vogel. Desgleichen die Grösse.

Das uns vorliegende Exemplar der Sumpfohreule ist von H. Maack aus der Umgegend von Nertschinsk, also aus dem Quelllande des Amur-Stromes mitgebracht worden, wo es am 41 Mai erlegt wurde.

17) Strix (Surnia) nyetea L.').

Bei den Giljaken: tongn?.

Ein Weibchen von der Schneeeule, das ich im Amur-Lande erhalten habe, trägt die Zeichnung des jüngeren Vogels oder der nach Pallas in den gemässigteren Theilen Sibi- rien’s vorkommenden grösseren Varietät an sich”). Es ist nämlich auf schneeweissem Grunde durchweg mit zahlreichen, oben grösseren, braunschwarzen, unten feineren, schwärzlichgrauen Querflecken und Wellenbinden gezeichnet, mit Ausnahme des Gesichts, der Kehle, der Hals- seiten, eines Fleckes im Nacken, der Unterseite der Flügel, der Aftergegend, der unteren Schwanzdeckfedern und der lang befiederten Beine und Zehen, welche rein schneeweiss sind. Schnabel und Nägel sind schwarz. Eine sehr ähnliche, nur etwas weniger gefleckte Zeichnung besitzt ein grönländisches Exemplar in unserem Museum, während zwei andere, eines aus Nowaja Semlja und das andere wahrscheinlich aus der Umgegend Moskau’s fast einfarbig schneeweiss sind mit nur sehr wenigen schwärzlichen Flecken auf der Oberseite. Die Grösse der letzteren scheint übrigens fast ganz gleich, oder nur unbedeutend geringer als die des Amur-Exemplares zu sein, da ich an den Bälgen derselben folgende Maasse finde:

Amur. Moskau. Nowaja Semlja, Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr)25”5” 25’ 24 6" » des zusammengelegten Flügels .......-.......17’— 16” 3” 15’10” DERdESSISCHWANZES EEE er ei lea 902, 327792 Te D»egdessLaufesgiuureu ie ss RE a 12.11 1.11 » der Mittelzehe ohne Kralle........... RAN MKTE 1465. BARS » der Kralle an der Mittelzehe........ ae. 43" Alarıe 1 Oo

Das Amur-Exemplar schliesst sich somit sehr nahe an die von Pallas für die grössere Va- rietät angegebenen Maasse an, indem es dieselben meist nur um wenige Linien übertrifft.

Die Schneeeule ist im Winter ein Bewohner des Amur-Landes; im Sommer ist sie mir nicht begegnet. Das oben beschriebene Exemplar erhielt ich von den Giljaken im Dorfe Tylm im unteren Amur-Lande gegen Ende Januars 1855.

1) Obgleich dieser Name von vielen neueren Schriftstellern aus dem Grunde verworfen wird, weil die Schnee- eule bekanntlich keine Nacht-, sondern eine Tageule ist, so müssen wir doch der Priorität wegen bei demselben verbleiben.

2) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 314.

248 Vögel.

18) Strix (Surnia) funerea Lath. Surnia nisoriaMeyer et Wolff, Taschenb. der Deutschen Vögelkunde. Frankf. a. M. 1810. I. p. 84 ı), Bei den Mangunen und Golde: omolge.

Die Amur-Exemplare der Sperbereule stimmen in allen Punkten mit den in unserem Museum befindlichen Exemplaren aus Kamtschatka, aus Jakutsk, vom Wilui und aus der Umgegend St. Petersburg’s überein. Wie beim europäischen Vogel ist auch unter den Amur-Exemplaren das Männchen von etwas dunklerer braunschwarzer Farbe und etwas geringerem Wuchse als das Weibchen. Bei grosser Uebereinstimmung im Allgemeinen findet man jedoch bei dieser Eule oft individuelle Verschiedenheiten, indem stellenweise die eine oder die andere Farbe ihrer weiss und braunschwarz gefleckten Zeichnung mehr oder weniger an Ausdehnung gewinnt, worin ich jedoch an den mir vorliegenden Exemplaren keine Beziehung zu verschiedenen Gebieten der geographischen Verbreitung dieser Eule finden kann.

Strix funerea ist die häufigste Eule im Amur-Lande. Middendorff fand sie im Mai an ihrem Nestplatze im Stanowoi-Gebirge?). Ohne Zweifel bringt sie dort und im gesamm- ten Amur-Lande auch den ganzen Winter zu. Gegen Ende Octobers 1854, nach bereits aus- gefallenem Schnee, habe ich sie im Walde beim Nikolajewschen Posten zu wiederholten Malen in ihrem kurzen, bogenförmigen Fluge von Baum zu Baum beobachtet und sie auch nahe vor mir in den unteren Zweigen der Tannenbäume sitzen sehen. Besonders gern hält sie sich auch in den Weidenbüschen der niedrigen und meist sumpfigen Inseln des Amur-Stromes auf. In solcher Localität wurde sie von mir am 25. Jan. (6. Febr.) beim Nikolajewschen Posten und von Hrn. Maximowicz im December bei Kidsi geschossen. Am ersteren Exem- plar war die Iris gelb, der Schnabel grünlich, an den Schneiden schwärzlich.

19) Strix (Athene) passerina L.

Strixz acadica Gmel. Temminck, Manuel d’Ornith. I. p. 96, Str. pygmaea Bechst. Naturg. Deutschl. II. p. 978.

Mit einem Exemplare dieser kleinsten Eule aus der Umgegend St. Petersburg’s stimmt unser Amur-Exemplar, ein Weibchen, in der Farbe wie in der Zeichnung Punkt für Punkt überein. Beide sind auch ganz wie die westeuropäischen Vögel beschaffen. Nur finde ich die Zehen beim Amur-Exemplar etwas stärker befiedert, übrigens aber auch von schmut- zig gelblichweisser Farbe mit feinen graubräunlichen Querwellen. Am frischgeschossenen

!) Um jeder Verwechselung zu entgehen, führe ich bei dieser und der folgenden Art eines oder ein paar der be- kanntesten Synonyme an. . 2) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p- 131.

Strix (Athene) passerina. Sir. Bubo. 249

Vogel war die Iris gelb, der Schnabel grünlichgelb. Die Maasse des Amur-Exemplares sind, am Balge genommen, folgende:

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr) 7” 3” » des zusammengelegten Flügels... ur 000. sr dbsSch würzen’. Fre EB SR RR »" des Laufes.....0. essen ereekennen RZIEN » der Mittelzehe ohne Kralle ................ m 6" » der Kralle an der Mittelzehe ................. —5”

Dass diese von Pallas in der Zoogr. Rosso-Asiat. nicht angeführte ') kleine Eule nichts- destoweniger im europäischen Russland vorkommt, ist längst bekannt”). Wahrscheinlich ist sie aber auch quer durch ganz Sibirien verbreitet, da sie im fernsten Osten desselben von Middendorff bei Udskoi-Ostrog°) und von mir im Amur-Lande gefunden worden ist. Dort schoss ich das oben erwähnte Exemplar in der Umgegend des Nikolajevschen Postens, in einem ziemlich düsteren Nadelwalde, nach bereits ausgefallenem Schnee, am 23. Oct. (4. Nov.) 1854, als das Thier, der Jagd nachgehend, sich eben auf einen niederen Baumast hingesetzt hatte.

20) Strix Buho L.

Bubo mazimus Ranzani, Elem. de Zool. III. p. 7. Bei den Mangunen: uch’ssara.

» » Golde am Amur: goara.

» » Golde am Ussuri: chungssja.

Der Uhu kommt im gesammten Amur-Lande vor. Wie bekannt hat ihn Middendorff bei Udskoi-Ostrog geschossen ‘). Im Nikolajevschen Posten hielt ich im Herbst 1854 eine Zeit lang einen jungen Uhu bei mir, der im Frühling desselben Jahres an der Ustj- Strelka als Nestjunges gefangen worden war und mit den russischen Kosaken die Reise den Amur abwärts gemacht hatte. Vom europäischen Vogel schien er mir in keiner Weise ver- schieden zu sein. Im Juni des folgenden Jahres sah ich zwei junge, noch nicht függe Uhu’s in einem mangunischen Hause im Dorfe Ssutschu nahe dem Mariinskischen Posten. Diese waren aus einem Neste genommen, das in einer Felsspalte am gegenüberliegenden, linken Ufer des Stromes lag. Die Mangunen und anderen Eingeborenen des unteren Amur-Landes

i) Bekanntlich ist Pallas’ Strix passerina (s. Zoogr. I. p. 323) die Str. Tengmalmi Gmel. oder Str. Noctua Tengm.

2) Vergl. Meyer, Kurze Beschreib. der Vögel Liv- und Esthlands. Nürnberg ‘1815. p. 37; Keyserling und Blasius, Die Wirbelth. Europa’s. p. XXXII; Kecıepa, Pykos. aıa onpeaba. uranp Espon. Poccin. Kiess 1847. p. 170; Menetri6s, Catal. rais. des obj. de Zoo]. rec. dans un voyage au Cauc. et jusqu’aux front. act. de la Perse. St.-Pet. 1852. p- 28, u. a. m.

3) Middendorff, Sibir. Reise. ]. c. p. 131.

4) Sibir. Reise. 1]. c. p. 131.

Schrenck’s Amur-Reise Bd. 1. 32

250 Vögel.

schätzen den Uhu sehr, weil er angeblich den Ratten in ihren Häusern nachstellt, und sollen ihn daher mitunter auch von recht entfernten Orten herholen. In derselben Weise und angeb- lich zu demselben Zwecke habe ich ihn auch von den Golde am Amur und Ussuri, so in den Dörfern Zollazi und Dsamo, halten sehen.

I. SCANSORES.

21) Acanthylis caudacuta Lath.

Hirundo caudacuta Lath. Ind. Ornith. Suppl. p. LVII.

A. fusca Shaw, Gener. Zool. Vol. X. Part I. p. 133.

Chaetura australis Steph. Shaw, Gen. Zool. Vo]. XIII. Part II. p. 76.

Ch. macroptera Swains. Zool. Illustr. Vel. I. Sec. Ser. London 1829. Tab. 42.

Bei den Golde am Amur: tingalo.

Es ist Gould’s Verdienst in diesem vielfach verkannten und zu wiederholten Malen unter neuen und zuweilen sogar mehrfachen Namen zugleich erwähnten Vogel die Lathamsche Spe- cies wiedererkannt und zur Geltung gebracht zu haben‘). Nach eigener Prüfung stimmen wir auch mit der von Gould angeführten Synonymie überein, mit Ausnahme der Hirundo pacifica Lath. a), welche der abweichenden Beschaflenheit des Schwanzes nach nicht einmal zur selben Gattung Acanthylis Boie oder Chaelura Steph. gebracht werden darf, sondern eine Cypse- lus-Art in der eingeschränkteren Bedeutung dieser Gattung ist”). Ebenso bleibt uns auch hin- sichtlich der äusseren Erscheinung unseres Amur-Exemplars von A. caudacuta nichts übrig, als auf Gould’s Beschreibung und treflliche Abbildung dieses Vogels aus Australien zu ver- weisen. Die in letzterer angegebene charakteristische Zeichnung findet sich genau ebenso an unseren Amur-Exemplaren wieder und kaum lassen sich an einzelnen derselben einige unbe- deutende individuelle Verschiedenheiten wahrnehmen. Dazu gehört z. B., dass der grüne Me- tallglanz am Scheitel und Nacken bald mehr, bald weniger intensiv ist, dass der blasse, braun- graue Fleck des Rückens um ein Geringes heller und dunkler sein kann, dass das Weiss in der Zeichnung an Reinheit und Ausdehnung variirt und dergl. mehr. In letzterer Beziehung muss ich namentlich anführen, dass an einem meiner Exemplare das Querband an der Stirne

!) Gould, The Birds of Australia. London 1848. II. Tab. 10, nebst Text. Desgl. Reichenbach, Die neuent- deckten Vögel Neuholl. Dresd. u. Leipz. 1845. p. 183. In seinem älteren Werke über die Vögel Australiens (1838. Part II.) bildete Gould Acanth. caudacuta noch unter dem Swainsonschen Namen Chaet. macroptera ab und führte die Lathamsche Bezeichnung nur als ein fragliches Synonym auf. .

?) Latham, A Gener. Hist. of Birds. Winchester 1823. VII. p- 308.

*) Vergl. auch Bonaparte, Consp. gen. avium. p. 63.

Acanthylis caudacula. 251

sehr breit und schön, an zwei andern dagegen in der Mittellinie durch das vorrückende Braun des Scheitels fast unterbrochen erscheint. Ebenso ist auch das Weiss an der Kehle, an den Innenfahnen der 3 letzten Hinterschwingen, an den unteren Schwanzdeckfedern und an den Flanken seitlich von den Beinen von ungleicher Reinheit. So unbedeutend auch dieses letztere Varüiren ist, so dürfte es uns doch zur Vermittelung zwischen Acanth. (Chaetura) macrop- tera Swains. und A. caudacuta Lath. dienen. Denn bei sonst völliger Uebereinstimmung unterscheidet sich erstere, der Abbildung Swainson’s zufolge, von unseren Exemplaren von A. caudacuta und der Abbildung Gould’s nur dadurch, dass das weisse Querband auf der Stirn in der Mittellinie deutlich unterbrochen ist, und dass das Weiss an den Innenfahnen der 3 letzten Hinterschwingen fehlt, worin wir nach dem Vorstehenden gewiss nichts mehr als eine unwesentliche Abänderung von der typischen Zeichnung von A. caudacuta erblicken dürfen. In ähnlicher Weise lässt sich auch in den Grössenverhältnissen der Schwingen eine geringe Schwankung wahrnehmen, indem bald die beiden ersten Schwingen gleich lang und am läng- sten sind (wie auch Swainson angiebt), bald die erste um ein paar Millimeter länger als die zweite ist, Verschiedenheiten, die sich auch an den beiden Seiten eines und desselben Exem- plars kundgeben. Wie in der Farbe und Zeichnung, so stimmen endlich die Amu r-Exemplare auch in ihren Dimensionen mit dem von Gould in natürlicher Grösse abgebildeten australi- schen Vogel überein. Die Maasse derselben, an Bälgen genommen, sind folgende:

. Oberer Amur nahe Unterer Amur zwischen der der Oldoi-Mündung. Ssungari- und Ussuri-Münd. Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr) 7” 8” 7 7480 Bundes Schttahels ».......:4.. 21. „= an a 1 En —_ Bir in —_#" Höhe des Schnabels am Kinnwinkel...... 2 0 se Be 13” 13" Länge des zusammengelegten Flügels............. 776” m SE 778” Mes Schwanzesarach. . ars sul Fee ans 2 ati 370 » der längsten nackten Schaftspitze an den (mitt- leren) Steuerfedern .............. a de. 2” ı” » des Laufes........ en ikehin RR RN —_ 8” —_ 8" » der Mittelzehe ohne Nagel.............. 2.0 6" —6" » des Nagels an der Mittelzehe. .......22.... —#" at —4"

In Beziehung auf die geographische Verbreitung ist es höchst interressant A. caudacuta im Amur-Lande zu finden. Bisher war uns dieser Segler bloss aus der südlichen Hemisphäre und zwar von der Ostküste Neuholland’s bekannt'). Dass ihn weder die West- noch die Nord- küste bei Port-Essington besitze, bemerkt Gould ausdrücklich. An der Ostküste dagegen, in New-South-Wales, findet er sich im Sommer in grosser Menge ein und geht, besonders im Januar und Februar, bis nach Van-Diemensland hinab. Wo er den Winter der südlichen Hemisphäre zubringe, war uns bisher unbekannt. Gegenwärtig dürfen wir jedoch annehmen,

!) Latham und Gould I. c. Das Exemplar, auf welches Swainson seine Chaetwra macroptera gründete, war

von unbekanntem Fundorte, durch den Conservator Ward ihm zugestellt. S. Swainson |. c. *

252 Vögel.

dass er für diese Zeit die entsprechenden Breiten der nördlichen Hemisphäre an der Ostküste Asien’s bis nach dem Amur-Lande hinauf besuche. Denn er erscheint in letzterem nicht bloss in seltenen ‚Fällen, einzeln und zufällig verschlagen, wie das auch in Europa vorgekommen sein soll), sondern stellt sich, so weit unsere Erfahrungen reichen, regelmässig und in grosser Menge ein und bringt dort den ganzen Sommer vom Mai bis wenigstens in den Juli hinein zu. H. Maack hat ihn dort am 24. Mai (5. Juni) im oberen Laufe des Amur-Stroms, nahe der Oldoi-Mündung, und am „S, Juni zwischen der Ssungari- und Ussuri-Mündung in grosser Menge beobachtet und in 5 Exemplaren geschossen. Desgleichen glaubt er ihn auch an der Schilka gesehen zu haben. Ich sah ihn im Sommer 1855 in grosser Anzahl am 22. Juli (3. Aug.) im unteren Amur-Lande in der Gegend der Päch’ssa-Mündung, im 49° nördl. Br., und beobachtete ihn im folgenden Sommer am -& Juli zu wiederholten Malen und in grosser Anzahl ebenfalls im unteren Amur-Lande nahe der Ussuri-Mündung. Bald schwebten Hun- derte dieser Vögel hoch über uns, bald näherten sie sich vereinzelt dem Wasserspiegel und schos- sen pfeilschnell in geringer Höhe über demselben und oft auch quer über unserem Boote fort. Ich nahm diese Gelegenheit stets wahr, um nach ibnen zu schiessen, allein die ausserordent- liche Schnelligkeit ihres Fluges entzog sie allemal dem Schusse. Auf Bäume oder an Felswände habe ich sie niemals sich niederlassen sehen, wohl aber hart an letzteren vorüberschiessen. Bei dieser Verbreitung von A. caudacuta im Amur-Lande und bis nach Transbai- kalien hinein, drängt sich leicht die Vermuthung auf, dass es am Ende dieselbe Seglerart sei, welche Steller in nahe benachbarter Gegend, an den Ufern der Angara bei Irkutsk beobachtet hat und von der wir durch Pallas, der sie Hirundo Ciris nennt, erfahren, dass sie einzeln auch in Daurien gesehen worden sei, aber durch die Schnelligkeit ihres Fluges bis zu der Zeit allen Nachstellungen der Jäger sich entzogen habe”). Allein so nabe diese Ver- muthung aus Gründen geographischer Verbreitung auch liegen mag, so lässt sie sich doch aus Steller’s Beschreibung, der einzigen die wir von H. Ciris Pall. haben, vor der Hand nicht rechtfertigen. Denn aus dieser können wir in Bezug auf die Aehnlichkeit beider Formen nur entnehmen, dass H. Ciris der Beschaflenheit ihres Schwanzes zufolge ebenfalls eine Acanthylis- Art und zwar von ziemlich gleicher Grösse mit A. caudacuta sei. Nach Farbe und Zeichnung dagegen scheinen beide Formen wesentlich verschieden von einander zu sein. Denn während letztere bekanntlich von brauner Grundfarbe ist, soll H. Ciris nach Steller, der sie in der Nähe beobachtet hat, oben ganz schwarz, unten schwarz mit grauer Kehle und gelblichweissen, schwarzgefleckten Schwanzdeckfedern gezeichnet sein. Ferner erwähnt Steller für A. Ciris weder des grünen Metallglanzes am Scheitel, noch des blassen, braungrauen Fleckes am Rücken, noch auch der weissen Zeichnung an der Stirne, an den Flanken und an den Innenfahnen der drei letzten Hinterschwingen, kurz keines der Punkte, welche die charakteristische Z&ich- nung von 4. caudacuta bilden. Demnach glauben wir also diese Formen gegenwärtig noch

!) Bonaparte, Consp. gen. av. 1. c. ?2) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat, I. p: 54.

Acanthylis caudacute. Caprimulgus Jotaka. 253

auseinanderhalten zu müssen. Sollten aber künftige Erfahrungen in der noch problematischen H. Ciris nichtsdestoweniger dieselbe Seglerart wie am Amur und in Australien nachweisen» so gebührt jedenfalls der älteren, Lathamschen Bezeichnung der Vorzug.

22) Caprimulgus Jotaka Temm. et Schleg.

Siebold, Fauna Japon. Aves. p. 37. Tab. XII et XIII.

Zwar sind wir genöthigt die Nachtschwalbe des Amur-Landes, der grösseren Ueberein- stimmung wegen, die sie mit der japanischen Form zeigt, unter dem obigen Namen aufzufüh- ren, doch mögen wir für die Selbstständigkeit dieser von Temminck und Schlegel nach zwei Pärchen japanischer Vögel aufgestellten Art nicht einstehen. Denn ob auch die zur Abgrän- zung derselben von der ihr zunächst stehenden Art C. europaeus L. geltend gemachten Charak- tere zumeist auch an unseren Amur-Exemplaren sich bewähren, so sind diese Charaktere doch von der Art, dass sie uns eher eine Varietäts- als eine specifische Verschiedenheit der For- men zu bekunden scheinen. Diese Charaktere bestehen nach Temminck und Schlegel in einer bei ©. Jotaka weiter und zwar bis zur Zehenwurzel hinabreichenden Befiederung der Tarsen, in einer verhältnissmässig grösseren Länge der Flügel, einer dunkleren Farbe und einer zum Theil abweichenden Zeichnung, zumal der Kehle, der oberen F lügeldeckfedern, der Schwingen, Steuer- und unteren Schwanzdeckfedern. Legen Temminck und Schlegel ein ziemlich gleiches Gewicht auf alle diese Kennzeichen, so erlaubt uns dagegen ein nur wenig reicheres Material mehrere derselben als unwesentlich zu bezeichnen, während anderen auch nach unseren Erfahrungen eine gewisse Beständigkeit zuzukommen scheint. Betrachten wir zu dem Zwecke unsere Amur-Exemplare genauer.

Im Allgemeinen lässt sich in den Formverhältnissen des ganzen Vogels und seiner einzel- nen Körpertheile kein erheblicher Unterschied von C. europaeus finden. Die unten angeführten Maasse unserer Exemplare mögen zum Beweise dieser Behauptung dienen, hier heben wir ein- zelne in der Fauna Japonica besonders urgirte Punkte hervor. Dass der Schnabel vorn etwas länger und kräftiger als bei €. europaeus sei, kann ich nicht finden. Hierin variiren unsere Exemplare sehr bedeutend, indem bei ihnen der Schnabel bald kräftiger, bald schwächer, bald länger und flacher, bald kürzer.und merklich gebogener ist. Dass ferner in der Länge der Flügel kein von €. europaeus abweichendes Verhältniss bestehe, lassen unsere Maassangaben, wie übrigens auch diejenigen von Temminck und Schlegel selbst, hinlänglich erkennen. Noch weniger darf man hoflen, in den sehr variablen Grössenverhältnissen der einzelnen Schwingen constante unterscheidende Kennzeichen zu finden. Das in der Fauna Japonica angegebene Verhältniss, dass die dritie Schwinge um 3—4” länger als die erste und um 1— 2” kürzer als die zweite, überhaupt längste Schwinge sei, hat nur bei zweien meiner Exemplare statt; bei zwei anderen dagegen sind die zweite und dritte Schwinge gleich lang, die erste aber um 2—5" kürzer als

254 ögel.

die dritte, und beim fünften Exemplare endlich ist an einer Seite die zweite, an der anderen die dritte Schwinge die längste, mit respecetivem Grössenunterschiede von einer Linie, wobei zu- gleich im ersteren Falle die erste Schwinge um 8” kürzer als die dritte ist. So wenig sind diese Grössenverhältnisse constant! Auch die Grössenverhältnisse der Zehen und Nägel dürften die- selben wie bei C. europaeus sein. Dagegen scheint die Befiederung an den Läufen bei C. Jotaka allerdings tiefer als bei der europäischen Nachtschwalbe hinabzureichen, ein Moment, das jedoch bekanntlich oft klimatischen Abänderungen unterworfen ist. Dasselbe lässt sich in Be- ziehung auf den allgemein dunkleren Farbenton der japanischen Art sagen. Der Unterschied zwischen €. Jotaka und C. europaeus in diesem Punkte ist an meinen Amur-Exemplaren noch aullallender, zugleich aber auch die Variabilität sichtlicher, als Temminck und Schlegel an den japanischen Exemplaren bemerken konnten. Sollen die Abbildungen in der Fauna Japonica (Taf. Xll und XIII) schon den dunkleren Farbenton von C. Jotaka angeben, so stimmt von meinen drei Männchen dieses Vogels aus dem Amur-Lande nur eines mit jener Abbildung überein, die beiden andern dagegen zeigen stufenweise eine noch dunklere Grundfarbe sowohl der Oberseite als auch der Brust, und zugleich sind die Flecken auf den Flügeldeckfedern intensiver rostroth. Die beiden Weibchen aus dem Amur-Lande dürften hingegen eher um ein Geringes heller oder grauer als in der erwähnten Abbildung sein. Dabei stimmt jedoch die Zeichnung der Männchen wie der Weibchen in allen wesentlichen Stücken mit den Angaben Temmincks und Schlegels überein. Die rein weissen Flecke der Kehle beim Männchen sind nach Form und Ausdehnung wie auf Taf. Xll der Fauna Japonica, die roströthlichen oder gelblichen Flecke auf den Flügeldeckfedern meist augenförmig und die Schwung-, Steuer- und unteren Schwanzdeckfedern mit der für C. Jotaka charakteristischen Zeichnung versehen. An den Schwingen besteht diese darin, dass nicht die 3, sondern die 4 ersten Federn nahe ihrer Mitte mit einem grossen, beim Männchen weissen, beim Weibchen rosiröthlichen Querfleck versehen sind, der auf der zweiten und dritten Schwinge über beide Fahnen geht, an der ersten und vierten dagegen nur auf der Innenfahne liegt. In diesem Punkte finden jedoch so grosse Abänderungen statt, dass er als specilischer Charakter kaum festzuhalten sein dürfte. Von meinen Exempla- ren besitzen diese Zeichnung der Schwingen in vollem Maasse nur ein Männchen und ein Weibchen, bei den übrigen dagegen ist der erwähnte helle Querfleck auf der vierten Schwinge in bedeutender, übrigens an beiden Seiten oft ungleicher Weise eingeschränkt und bisweilen sogar auf ein kaum merkliches Minimum redueirt. Dabei ist auch die Reinheit dieser hellen Flecke eine sehr ungleiche: beim Männchen ist namentlich an der Aussenfahne der zweiten und dritten Schwinge bald reines, bald schmutziges Weiss und bald Rostgelb vorhanden, und beim Weibchen wird bisweilen das Rostgelb auf allen Innenfahnen von der schwarzbraunen Grund- farbe fast ganz verdrängt. Viel beständiger scheint mir dagegen die Zeichnung der Steuerfe- dern zu sein. Der Unterschied von C. europaeus besteht hier darin, dass beim Männchen nicht die 2 oder 3, sondern die 4 äusseren Schwanzfedern jederseits, d. h. also alle Steuerfedern mit Ausnahme der beiden mittelsten, vor ihrem schwarzbraunen Ende mit einem weissen, auf den Innenfahnen breiteren Querbande versehen sind. Diese Zeichnung hat an meinen drei

Caprimulgus Jotaka. 259

Exemplaren durchgängig statt; nur ist das Weiss nicht immer von derselben Reinheit, indem sich stellenweise einige feine bräunliche Spritzfleckchen in demselben einstellen. Ferner finde ich, dass diese Flecke auch beim Weibchen nicht immer ganz verschwinden, wie Temminck und Schlegel angeben, sondern sich noch auf den 3 oder 4 äusseren Federn jederseits als blasse, graubraun bespritzte Flecke erkennen lassen. Endlich besitzen auch alle Amur-Exem- plare die von Temminck und Schlegel als unterscheidend angegebene Zeichnung der unte- ren Schwanzdeckfedern, welche bei €. Jotaka mit minder zahlreichen Querbändern als bei €. europaeus versehen sind. j Zur äusseren Erscheinung von C. Jotaka bemerken wir ferner, dass am frischgeschosse- nen Vogel der Schnabel schwarz, die Iris braun, die Füsse bräunlichgrau waren. Die Maasse der mir vorliegenden 5 Amur-Exemplare sind, an den Bälgen genommen,

folgende: Pedanj. Albasim Yrri. Männchen. Männchen. Männchen. Weibchen. Weibchen.

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanz-

spitze (ungefähr) ............ a LU a ie ka in » des zusammengelegten Flügels .... 8’ 2” sa” 7 ask ka aa BAREGESISCHWANZES. sense one nen en» a a 5 a Ka ke sec ESS CITIEEI een ee ro a a ana a Breite des Schnabels an der Stine ...... —ı" 31” —ı” 31” Bedes Taler. .eeseecee. een ZN RS » der Mittelzehe ohne Nagel ....... —_ 3" —sı" —— 81” —_ 8” » des Nagels an der Mittelaehe ..... en A a sc 22 » der äusseren Zehe ohne Nagel .... En » der inneren Zehe ohne Nagel..... 414” 2" MT 4” Mn » der hinteren Zehe ohne Nagel .... 3” 3” neh ee » des Nagels an der Hinterzehe..... —_ 14” _ 1 2 1T° 11” ug

Demnach stimmen also unsere Amur-Exemplare in ihren Dimensionen sehr genau mit den von Temminck und Schlegel vermessenen japanischen Exemplaren dieses Vogels überein.

Aus dem Angeführten ist nun ersichtlich, dass C. Jotaka, bei gleichen Form- und Grös- senverhältnissen mit C. europaeus, von diesem letzteren nur durch eine etwas gröbere Zeich- nung der unteren Schwanzdeckfedern und eine grössere Ausbreitung der weissen Zeichnung an der Kehle, an den Schwingen und besonders an den Steuerfedern unterschieden ıst. Sollte aber dieser Unterschied wirklich genügend sein um die Japanische und Amur-Form als selbstständige Art zu betrachten? Allerdings müssen wir bei der grossen Aehnlichkeit, welche im Allgemeinen in der Farbe und Zeichnung des Gefieders aller Caprımulgus- Arten besteht,

1) Dieses Exemplar scheint etwas ausgereckt zu sein, während die Exemplare 3 und 5 umgekehrt im Balge an Gesammtlänge verloren haben.

256 Vögel.

selbst auf ganz geringe Verschiedenheiten bei denselben ein grösseres Gewicht legen. Dennoch können wir nicht umhin, auf die Variabilität der angeführten Zeichnungsunterschiede nochmals aufmerksam zu machen. Wie wechselnd die Zeichnung an den Schwingen von (. Jotaka ist, haben wir schon oben bemerkt. Dass sie aber auch an den Steuerfedern keine so constante sein dürfte, wie unsere bisher nur geringen Erfahrungen glauben machen, lässt sich schon daraus schlies- sen, dass beim Männchen von C. Jotaka die weissen Flecke von sehr ungleicher Reinheit der Farbe sind und beim Weibchen die sie ersetzenden blassgrauen Flecke bisweilen ganz fehlen. Andererseits ist bekannt, dass auch bei C. europaeus bald die 2 und bald die 3 äussersten Steuerfedern einen weissen Querlleck tragen. Es liegt daher die Vermuthung nahe, dass auch bei €. Jotaka diese Zeichnung eine variable sein und bald über 4, bald nur über 3 Steuerfe- dern sich erstrecken dürfte. Sollte sie sich aber auch von grösserer Beständigkeit erweisen, als wir erwarten, so bleibt es doch der zahlreichen Analogieen wegen noch immer möglich und selbst wahrscheinlich, dass wir es bei dieser weisseren Zeichnung von C. Jotaka mit einem ähnlichen Varietätscharakter wie bei der analogen von Corvus dauuricus, Motacilla lugens und dergleichen mehr zu thun haben. So lange nicht auch Unterschiede in der Lebensweise der japanischen Form bekannt sind, hätten wir es daher nach unseren Grundsätzen stets vor- gezogen, dieselbe nur für eine östliche Varietät von Ü. europaeus zu halten. Künfligen, weite- ren Erfahrungen bleibt die Entscheidung überlassen.

C. Jotaka kommt im gesammten Amur-Lande vom unteren Laufe des Stromes bis zu den Quellarmen desselben, an denen wir schon der (vielleicht identischen) europäischen Art be- gegnen '), im Frühjahr und Sommer zahlreich vor. Ich habe ihn am unteren Amur-Strome Ende Mai’s und im Juni häufig beobachtet und ein am -!, Juni beim Dorfe Pedanj an der Mündung des Jai-Flusses erlegtes Exemplar mitgebracht. Hr. Maack hat die Nachtschwalbe am 1%; Aug. in der Nähe des Dorfes Yrri im unteren Amur-Lande, am 23. und 24. Juni (5. und 6. Juli) in der Prairie unterhalb des Bureja-Gebirges und am 27— 31. Mai (8— 12. Juni) in grösserer Anzahl bei Albasin am oberen Amur geschossen.

23) Cuculus ecanorus L.

Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin. pyk. » » Mangunen: kykku.

Wie im Stanowoi-Gebirge einerseits”) und auf den Japanischen Inseln andererseits®), so trägt der Kuckuk auch im unteren Amur-Lande vollkommen dieselbe Farbe und Zeich- nung wie in Europa. Am frischgeschossenen Vogel, einem Männchen im gewöhnlichen grauen Kleide, war der Schnabel grau, am Unterkiefer heller, die Iris gelbbraun, die Augenringe gelb, die Füsse orangegelb, die Nägel fleischfarben.

!) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p- 543. 2) Middendorff, Sibir. Reise. I. c. p- 131. ?) Fauna Japon, Aves. p. 138.

Cueulus canorus. Ü. sparvertoides. 37

Den ersten Ruf des Kuckuks habe ich im unteren Amur-Lande beim Dorfe Tebach am 16 Mai gehört; später fast täglich; im Anfange Juni’s auch in der Bai de Castries. Im Walde an den Ufern des Amur-Stromes und in den Weidengebüschen der Amur-Inseln ist der Kuckuk oft zu sehen. Erlegt habe ich ihn dort am , Juni im Laubwalde an dem See von Kidsi. Desgleichen soll er, nach Angabe der Tymy-Giljaken, auf der Insel Sachalin nicht selten vorkommen. Wie beim gemeinen Mann Europa’s, so schliesst sich auch bei den Giljaken an den Kuckuk mancher Aberglauben an. Namentlich wird von ihnen dieser Vogel in Bezie- hung zu den Abgeschiedenen gebracht und daher in den Gebräuchen der Leichenbestattung in symbolischer Weise berücksichtigt, worüber im ethnographischen Bande meiner Reise ein Mehreres gesagt werden soll.

24) Guculus sparverieides Vig. Taf. X.

Vigors s. Proceed, of the Zool. Soc. of London. I. 1830 31. p. 173. Gould, A Cent. of Birds from Ihe Himalaya-Mount, London 1833. Tab. 53.

Zu dieser noch wenig gekannten Art müssen wir einen Kuckuk bringen, den wir durch Hrn. Maack aus dem Amur-Lande erhalten haben. Was über C. sparverioides bisher bekannt ist, beschränkt sich auf eine kurze Diagnose von Vigors und eine Abbildung von Gould, die beide nach dem im Himalaya-Gebirge entdeckten Vogel entworfen sind. Zwar stimmt unser Vogel mit den dort angegebenen Charakteren nicht in allen Stücken überein, allein die Unterschiede sind von der Art, dass wir dieselben eher einer Altersverschiedenheit zuschrei- ben, als für Beweise differenter Species ansehen möchten. Offenbar hat Gould das erwach- sene Männchen abgebildet, während unser Vogel ein junges Männchen ist. Vergleichen wir sie genauer.

Der Schnabel ist bei unserem Exemplare mit der Abbildung Gould’s an Gestalt, Länge und Höhe, völlig übereinstimmend, nur an der Spitze um ein Geringes stumpfer und rascher abwärts gekrümmt, was bekanntlich vielfach variirt. Auch die Farbe desselben ist am todten Vogel dieselbe: der Oberschnabel schwärzlich, nur längs den Schneiden und zumal kurz vor der Spitze heller, schmutziggelblich , der Unterschnabel, mit Ausnahme der schwärzlichen Spitze, schmutziggelblich. Im Flügel ist die 3'° Schwinge die längste, jedoch nur wenig länger als die 4°, die 2'° etwas kürzer als die 5', die 1“ bedeutend kürzer als die 7. Der Schwanz ist etwas stufig, indem die äusseren Federn um 7— 8 Linien kürzer als die mittleren sind. Hinsichtlich der Farbe und Zeichnung sind bei unserem Vogel: der Kopf mit dem oberen Theile der Kehle und die ganze Oberseite dunkelbraun; im Nacken treten einige weisse und blaugraue Federchen hervor. Die Schwingen sind auf ihren äusseren Fahnen mit rostbraunen Flecken gezeichnet, die unregelmässige Querbinden bilden; auf den verdeckten Innenfahnen tragen sie grössere weissliche und röthliche oder gelblichgraue Querflecken. Die oberen Deck- federn des Schwanzes sind graulraun mit rostfarbenen, an der äussersten Spitze weisslichen

Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 33

258 Vögel.

Säumen. Der Schwanz ist mit 4 breiten, braungrauen, theilweise und besonders am Rande der Federn rostfarben angeflogenen Querbinden versehen, die durch schmälere, braunschwarze Binden von einander getrennt sind, von denen jedoch die äusserste, vor der Schwanzspitze befindliche um das Drei- und Vierfache breiter als die vorhergehenden ist, während die ihr unmittelbar anliegende braungraue Binde nur schmal bleibt; die Schwanzspitze ist intensiv rostfarben mit äusserstem weisslichem Endsaume. Die Unterseite ist bis auf den dunkelbraunen oberen Theil der Kehle weiss, mit sehr schwachem, nur an der Gurgel stärkerem, röthlich- gelblichem Anfluge, und allenthalben, mit Ausnahme der unteren Schwanzdeckfedern, mit schwarzbraunen Längsstreifen gezeichnet, die am Halse, an der Brust, an den Weichen und Hosen stärker, in der Mittellinie des Bauches aber nur als feine Schaftstriche vorhanden sind. Die Unterseite der Schwingen und des Schwanzes ist röthlichgrau bis weisslich und schwarz- braun gebändert. Läufe, Zehen und Nägel sind am todten Vogel schmutzig strohgelb.

Bei solcher Beschafienheit weicht also unser Kuckuk aus dem Amur-Lande von (. spar- veriordes, wie ihn die obenerwähnte Diagnose und Abbildung zeichnen, nur darin ab, dass der Kopf nicht blaugrau, sondern mit dem Rücken gleichfarbig braun, der obere Theil der Kehle nicht weisslich, sondern ebenfalls braun, die Gurgel viel schwächer rostgelblich und die Un- terseite endlich nicht quer, sondern längsgelleckt ist. So bedeutend aber diese Unterschiede auch zu sein scheinen, so lassen sie sich, glaube ich, doch nur auf Altersverschiedenheiten zurückführen. Was zunächst die verschiedene Farbe des Kopfes betriflt, so ist schon erwähnt worden, dass im Nacken unseres Exemplares einige blaugraue Federchen sich befinden; eben solche lassen sich bei genauerer Betrachtung auch unter den Augen entdecken. Andererseits bildet auch Gould den Kopf von €. sparverioides nicht einfarbig, sondern nur stellenweise blaugrau, im Uebrigen aber ebenfalls braun ab. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass der Kopf in der Jugend mit dem Nacken gleichförmig braun ist und erst beim völlig erwachsenen Vogel, wenigstens dem Männchen, mehr oder weniger blaugrau wird '). Gleichzeitig damit dürfte auch die beim jungen Vogel braune Farbe des Kinnes und oberen Theiles der Kehle theilweise einer weisslichen weichen. Einzelne weisse Federchen lassen sich auch bei unserem Exemplare im braunen Felde sehen und der untere Theil der Kehle ist, wie in Gould’s Abbil- dung, ganz weiss. Aus letzterer lässt sich übrigens entnehmen, dass die braune Farbe hier auch beim erwachsenen Vogel nicht ganz schwindet. Was ferner die rostgelbe Farbe der Gurgel betriflt, so ist der Unterschied zwischen Gould’s Abbildung und unserem Exemplare nur ein gradueller: das Rostgelb ist bei letzterem eben nur eingeschränkter und blasser, übri- gens auf manchen Federn, nach den Halsseiten zu, auch in derselben Intensität vorhanden. Dass wir also in diesem Punkte keine specifische, sondern nur eine Alters- oder vielleicht durch klimatische Einflüsse bedingte Verschiedenheit vor uns haben, unterliegt keinem Zweifel. Fast mit derselben Bestimmtheit möchten wir endlich auch die verschiedene Fleckung der Unter- seite nur dem verschiedenen Alter der in Rede stehenden Exemplare von (. sparverioides zu-

!) Wir möchten hier auch an den ähnlichen Wechsel der braunen Farbe gegen eine graue beim gemeinen Kuckuk erinnern.

Cueulus sparverioides. Jyn& Torquilla. 259

schreiben. Dass Vögel, die im Alter quer gestreift und gewellt sind, in der Jugend Längs- streifen haben können, dafür liegen in der Ornithologie so zahlreiche Belege vor, dass wir keinen Anstand nehmen diesen Fall auch bei €. sparverioides zu vermuthen. Zudem sind auch in Gowld’s Abbildung die Querflecke nur kurz und mit einer deutlich abwärts gerichteten Spitze in ihrer Mitte, ganz von derselben Gestalt, welche bereits manche Flecke am Halse unseres Exemplares besitzen. Jedenfalls also müssen wir den zahlreichen Erfahrungen eines mit dem Alter vor sich gehenden Wechsels in diesem Punkte der Zeichnung so weit Rechnung tragen, dass wir in demselben nicht eher einen specifischen Charakter annehmen, als bis sein Ver- halten in den verschiedenen Alterszuständen eines Vogels genau erforscht ist. Für kaum der Rede werth halten wir schliesslich noch den Umstand, dass Gould’s Abbildung dem €. spar- verioides braune Nägel giebt, unser Vogel dagegen schmutziggelbliche Nägel besitzt. Uns liegt eben nur ein eingetrockneter Balg vor; wie die Farbe der Nägel am lebenden Vogel war, wissen wir nicht. Uebrigens wäre auch hier ein Dunklerwerden mit dem Alter nicht ohne Analogieen.

Dürften nun die angeführten Gründe auch noch nicht hinreichen, um es ausser allen Zweifel zu stellen, dass unser Amur-Exemplar nur ein junger Vogel von C. sparverioides ist, so machen sie es doch zum wenigsten sehr wahrscheinlich. Wir haben es daher vorgezogen unseren Vogel, bei einer Beschreibung und Abbildung, die ihn genugsam kenntlich machen, unter diesem Namen anzuführen, als die Systematik mit einem neuen, wahrscheinlich doch sehr bald unter die Synonyma zu verweisenden Namen zu bereichern. N

Fügen wir nun noch die hauptsächlichsten Maasse unseres Amur-Exemplares, so weit sich dieselben am Balge nehmen lassen, hinzu:

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr)... 11” 8”

» des zusammengelegten Flügels...... BE ee PR; SnidestSchwanzesm..rNngiat Be a ee ee 6 gen leseSchmahels) a —_ 9" Höhe desselben an der Stirne.:.......-..:....... ee ee Länge des Laufes ............ ae ae » der grossen (vorderen, äusseren) Zehe ohne Nagel .. —10” » des Nagels an der grossen Zehe.....- 2.2.2.2... 4”

C. sparverioides ist von Hrn. Maack am unteren Amur zwischen der Chongar- und Gorin-Mündung am rechten Ufer in einem gemischten Walde von Laub- und Nadelhölzern, wo er sich einzeln sehen liess, am -%, Aug. geschossen worden.

25) Jynx Torquilla L.

Ein uns vorliegendes Pärchen dieser Art aus dem Quelllande des Amur-Stromes

weicht in keinem Punkte der Farbe oder Zeichnung vom europäischen Vogel ab. Ich finde *

260 Vögel.

meine Exemplare um nichts blasser als’ diejenigen aus der Umgegend St. Peterburg’s und vom Altai in unserem Museum. Was dagegen die Grösse betrifft, so schliessen sich erstere genau an die von Middendorff an Exemplaren von Udskoi-Ostrog genommenen Maasse an, die übrigens gewiss zu wenig von denjenigen europäischer Vögel difleriren um, wie Bonaparte') will, eine selbstständige Art (Yunx japonica Bp.) zu bezeichnen. An unseren Bälgen sind die

Maasse folgende: Männchen. Weibchen. Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr) 67 4” 6 a

um n m 33

U n U iu al7,

» des zusammengelegten Flügels ....... re... 3” »" des: Schwanzes. 2 RR 1 2.0 a Tree 3.0 des. Schnabehsas Hrn ia re tete

3 8 6

Breite des Schnabels an der Stirne ... 2.2222 seeeeee. = za Höhe des Schnabels ebenda .........er22reeerern. 2 Länge des Laufesı 2 re Er mr > Slehfankeiee nee u » der grossen (vorderen, äusseren) Zehe ohne Nagel. 8

» des Nagels an der grossen Zehe ... „2.2.22... 3” —.,3%

Beide erwähnte Exemplare vom Wendehalse wurden von Hrn. Maack an der Schilka unterhalb der Einmündung der Polowinnaja in dieselbe, am 1$ und 38 Mai erlegt. Bei dem bereits bekannten Vorkommen dieses Vogels durch ganz Sibirien bis nach Kam- tschatka°), ferner bei Udskoi-Ostrog*) und in Japan‘) zweifle ich nicht, dass er auch im unteren Amur-Lande sich findet.

26) Picus (Geecinus) eanus Gm.

Bei den Goide am Ussuri: njungnjan-kurakta (d. h. grüner Specht) °).

Am Ufer des Ussuri beim Dorfe Agdiki trieb ich am „5, August in einem lichten, mit vielem Unterholze versehenen Eichenwalde ein Pärchen Grauspechte vom Erdboden auf. Sie setzten sich auf den nächster Baum, von wo ich das. Weibchen herunterschoss. Es war ein völlig erwachsener Vogel. Die Iris an demselben war bräunlichroth, nach aussen hin heller,

lt) Consp. Gener. Avium. p. 112.

2) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 417.

3) Middendorff, Sibirische Reise. l. ce. p. 132. 4) Fauna Japon. Aves. p. 75.

°) Sehr wahrscheinlich ist «kurakta» bei den Golde und andern benachbarten tungusisehen Amur-Völkern eine allgemeinere Bezeichnung für alle grösseren Spechtarten, wie «pelaktan» (s. unten) für die kleineren. Für Ersteres scheint mir der Umstand zu sprechen, dass Pallas die ganz ähnliche tungusische Bezeichnung «kyracta» für den Schwarzspecht anführt (Zoogr. I. p. 407). Dass «pelakta» oder das sehr ähnlich lautende «helakta», welches Pallas (l.c. p. 410.) als tungusische Bezeichnung für Pic. leuconotus angiebt, bei den Goldie und Mangunen nicht bloss auf diesen,

sondern auch auf andere kleinere Spechtarten, wie P. major, P. minor und P. tridactylus Bezug habe, kann: ich mit Bestimmtheit behaupten, 2

Picus (Gecinus) canus. P. (Dryocopus) Martius. 261

\

der Schnahel am Oberkiefer grünlichschwarz, am Unterkiefer, zumal an der Basis, heller, grünlichgelb, die Füsse grünlichgrau, die Nägel grau. In der Farbe des Gefieders stimmt er vollkommen mit dem europäischen Vogel und namentlich auch mit der Abbildung Gould’s') überein; nur- sind die Scheitelfedern mit deutlichen schwarzen Schaftstrichen versehen. Mein Vogel war noch in der Mauser begriffen und während die acht äusseren Steuerfedern (die kleine Seitenfeder nicht mitgerechnet) bereits durch ganz entwickelte neue ersetzt sind, brechen die beiden mittleren mit ihren Spitzen erst eben aus den Spuhlen hervor. Ausser dem ange- führten Orte ist mir der Grauspecht im Amur-Lande nicht begegnet. Ich zweifle jedoch nicht, dass er auch am Amur-Strome vorkommt; nur muss er dort jedenfalls viel seltner als alle folgenden Spechtarten sein.

27) Picus (Dryocopus) Martius_L.

Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin: wesskrj.

Nicht minder häufig als Middendorff den Schwarzspecht im Stanowoi-Gebirge und an dessen Südabhängen in der nördlichen Mandshurei beobachtet hat?), traf ich denselben im Amur-Lande und besonders am nördlichen unteren Laufe des Amur-Stromes, wo fast ausschliessliche und ununterbrochene Nadelwaldungen bis zu den Ufern des Stromes und bis zur Meeresküste sich ausbreiten. Besonders im Winter wird die tiefe Stille jener Waldeinöden durch sein lautes Hämmern und Pochen unterbrochen; so am Amur-Strome, am Amur-Li- mane und an der Meeresküste in der Bai de Castries u. s. w. Sehr oft habe ich es auch in den Wäldern von Sachalin, am oberen und unteren Laufe des Tymy-Flusses, bei Tschlo- wo, Miwwach u.s. w. gehört. Trotz der tiefen, ungestörten Wildniss bleibt aber der Schwarz- specht auch dort ein scheuer, vorsichtiger Vogel. Nur selten nähert er sich dem lichteren Waldrande und den Wohnungen der Eingeborenen am Strome, und so oft ich ihn dann erblickte, war er gleich wieder fort. Es gelang mir daher auch nur einmal, am -?; Dec. an der Amur- Mündung, ein Exemplar desselben zu erlegen. Dies war ein Weibchen, das vom europäischen Vogel nichts Abweichendes darbietet. Verhältnissmässig früh im Jahre, am 2, März, hörte ich im Amur-Lande das Männchen bereits das trommelartige Getöse hervorbringen, das kurz vor der Begattungszeit zu beginnen pflegt. Es war am Vormittage eines heiteren und sehr milden Märztages beim Dorfe Ssamahagdu, nahe der Chelasso-Mündung, wo ich im hohen, ge- mischten Tannen- und Laubwalde ein Pärehen Schwarzspechte lange Zeit beobachtete und verfolgte. Bald schallte ein laut gellendes Geschrei, bald ein schnurrendes Getrommel durch den Wald. Den Tönen folgend, bekam ieh die Vögel mehrmals zu Gesichte und konnte das Männchen in den Spitzen der höchsten Bäume, namentlich der Espen und Birken, durch heftige Schnabelschläge sein Getrommel hervorbringen sehen. Weiter oberhalb am Amur-Strome, wo

l) The Birds of Europe. Ill. Tab. 227. 2) Middendorff, Sibir. Reise. l. c. p. 132.

262 Vögel.

reine Laubholzvegetation herrscht, ist mir der Schwarzspecht nicht mehr zu Gesichte gekom- men, vermuthlich weil er sich dort mehr in den Nadelwaldungen der Gebirge im Innern des Landes aufhält.

28) Picus leuconotus Bechst.

Bei den Giljaken des Continentes: olsh'). » » Mangunen und Golde: pelakta.

Bei sonst völliger Gleichheit mit dem europäischen Vogel weichen die Amur-Exemplare dieses Spechtes in der Zeichnung der Schwanzfedern etwas von den Beschreibungen Bech- stein’s”), Naumann’s‘) u. a. ab. Bei zweien der Amur-Exemplare sind nämlich nicht bloss die beiden mittleren, sondern auch die beiden folgenden Steuerfedern ganz ungelleckt schwarz; bei einem dritten dagegen zeigt sich an den letzteren Federn auf der einen Seite ein kleines gelbliches Fleckchen nahe der Spitze derselben, Gleichzeitig nimmt, wie hier die schwarze, so umgekehrt an den beiden äussersten Steuerfedern die weisse Farbe im Vergleich zu den erwähnten Beschreibungen mehr überhand, indem sie die ganze Innenfahne in der Endhälfte dieser Federn, mit unbedeutender Unterbrechung durch 1 2 kleine, oft nur punktförmige schwarze Flecke, einnimmt. Ganz dieselbe Zeichnung wie bei den ersterwähnten Amur- Exemplaren findet sich übrigens auch bei einem Exemplare aus der Umgegend St. Peters- burg’s in unserem Museum, wogegen ein altaisches Exemplar mit den von Bechstein und Naumann entworfenen Beschreibungen übereinstimmt. Wir haben es hier also ohne Zweifel nur mit individuellen Verschiedenheiten zu thun, auf die in der specifischen Charakteristik dieses Vogels kein Gewicht zu legen ist. Im Uebrigen stehen die Amur-Exemplare von P. leuconotus den europäischen an Schönheit der rothen Farben, sowohl des Rosenroths der Un- terseite, als auch des Karminroths auf dem Scheitel des Männchens, um nichts nach, was sich auch vom Roth aller übrigen Spechtarten im Amur-Lande bemerken lässt.

P. leuconotus, dessen Verbreitung schon Pallas‘) durch ganz Sibirien bis nach Kam- tschatka angiebt, ist auch im Amur-Lande, in den Laubwäldern und besonders auch auf den mit Weiden bewachsenen Inseln des Amur-Stromes das ganze Jahr über zu finden. Ich habe ihn im December in der Umgegend des Nikolajevschen Postens und Hr. Maximowicz hat ihn im October und November beim Mariinskischen Posten geschossen.

!) «Olsh ist bei den Giljaken eine ebenso allgemeine Bezeichnung für alle kleineren Spechtarten, wie «pelakta» bei den Mangunen und Golde (s. oben).

?) Naturgesch. Deutschl, 2'°n Bds 21° Abthl. p. 1037.

®) Naturgesch, der Vögel Deutschl, V. p- 316.

*) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 410.

Picus major. P. minor. 263

29) Picus major L.

Bei den Giljaken des Continentes: olsh. »» » der Insel Sachalin: /or') und pilja-Ior (d. h. grosser Specht). » » Mangunen und Golde unterhalb des Ussuri: pelakta. » » Golde oberhalb des Ussuri: kellake.

Sechs aus dem Amur-Lande mir vorliegende Exemplare dieser Spechtart wiederholen die Farbe und Zeichnung des europäischen Vogels ganz genau und difleriren nur, je nach der Jahreszeit, aus welcher sie stammen, durch mehr oder weniger frische oder verschossene Far- ben untereinander. Wie bei der vorhergehenden Art, so lassen sich auch an den Steuerfedern von P. major individuelle Verschiedenheiten finden, indem bald nur das mittelste Federpaar, bald auch das folgende ungefleckt schwarz ist, und an den übrigen die schwarzen Flecke auf weissem Felde an Zahl und Ausdehnung sehr bedeutend variiren.

P. major ist im gesammten Amur-Lande zu allen Jahreszeiten ein häufiger Vogel. Doch habe ich ihn dort nicht so oft in Nadel- als in Laubwäldern und namentlich auch auf den mit Weiden bewachsenen Inseln des Amur-Stromes angetroffen. Von solcher Localität erhielt ich durch Hrn. Maximowicz ein im November geschossenes erwachsenes Männchen aus der Um- gegend von Kidsi. Eine grössere Anzahl, vermuthlich eine ganze Familie dieser Spechte, sah ich am 19 Juli im Weidengehölze einer Amur-Insel oberhalb der Ussuri-Mündung umher- streifen; ein Individuum derselben, das ich erlegte, war ein junges Männchen im Nestkleide und mit stark verstossenen Schwanzfedern. Am -!, Sept. wurde am oberen Amur, zwischen Albasin und der Komar-Mündung ein erwachsenes Männchen geschossen, das schon völlig ausgemau- sert hatte und ein ganz frisches Gefieder mit noch unverletzten Spitzen der Steuerfedern trug. Obgleich ebenfalls im Laubholze geschossen, verrieth es doch durch den mit einer Harzschicht bedeckten Schnabel seinen Aufenthalt im Nadelwalde. Hr. Maack hat uns ein Exemplar von den Ufern der Schilka etwas unterhalb der Mündung der Gorbiza vom 4% Mai mitgebracht. Wie auf dem Continente, so kommt P. major häufig auch auf der Insel Sachalin, sowohl in den Nadelwäldern, als auch in den gemischten und reinen Laubgehölzen von Espen, Birken und Weiden vor. So habe ich ihn oft im Tymy-Thale beobachtet und ein Pärchen aus den Weidengehölzen am oberen Laufe dieses Flusses, vom Januar und Februar 1856, mitgebracht.

30) Picus minor L.

Bei den Giljaken des Continentes: olsh. »» » der Insel Sachalin: lor und matsch-lor (d. h. kleiner Specht). » » Mangunen und Golde: pelakta. Nach Farbe und Zeichnung des Gefieders mit dem europäischen Vogel ganz übereinstim-

1) «Lor» ist bei denSachalin-Giljaken die dem «olsh» der Continental-Giljaken (s. oben) entsprechende, für alle kleineren Spechtarten geBräuchliche Bezeichnung.

264 Vögel.

. mend, lassen die Amur-Exemplare vom kleinen Buntspecht nur unbedeutende, individuelle Verschiedenheiten wahrnehmen. So variirt namentlich beim Weibchen die Farbe der Stirne, indem sie bald nur hellgraubräunlich, bald beinahe rein schwarz ist. Desgleichen sind bald die beiden mittleren Paare Steuerfedern ungefleckt schwarz, bald nur das erste derselben, das zweite dagegen mit schmutzigweisslichem Saume am Ende der Aussenfahne versehen Ver- schiedenheiten, die sich ohne Zweifel auch an europäischen Exemplaren finden lassen. Was die Grösse betriflt, so lässt sich Pallas’ Angabe, dass die daurischen Exemplare von kleinerem Wuchse seien, auf die Amur-Exemplare nicht ausdehnen. Diese stimmen vielmehr mit den von Pallas') für die russisch-sibirischen Vögel angegebenen Maassen, so wie mit denje- nigen westeuropäischer Exemplare’) sehr nahe überein. Folgendes sind die an Bälgen genom-

menen Maasse dreier erwachsener Vögel aus dem Amur-Lande: Sachalin. Kidsi. Albasin. Männchen. Weibchen. Weibchen.

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr). 67 2" 6” 4” 65

» des zusammengelegten Flügels... -........-... 3970 398 36

» des Schwanzes ......... De EUR —-

» des Schnabels....... el Auuyc he Ss PR ERR. 7” 61” 6" » des Laufes..... ee EEE EEE —.,6. 5.64 a » der vorderen äusseren Zehe ohne Nagel.......... 4 4” # » des Nagels an der vorderen äusseren Zehe ........ 3” _ 31” —_ 31”

P. minor ist ein beständiger und nicht seliner Bewohner der verschiedenen Pappel-, Birken-, Espen- und anderen Laubwälder des Amur-Landes und der Weidengehölze auf den Inseln des Stromes. Auf letzteren namentlich habe ich ihn oft gesehen; so bei Kidsi, Chacha an der Chongar-Mündung u. s. w. Durch die Hrn. Maack und Maximowiez haben wir ihn im August und November von den Amur-Inseln bei Kidsi und durch ersteren auch aus der Gegend der Ssungari-Mündung, vom 23. Juni (5. Juli), erhalten. Auf meiner Reise den Amur aufwärts wurde am 42 Sept. ein erwachsenes Weibchen im Laubwalde am oberen Amur nahe Albasin geschossen, das noch in der Mauser begriflen war und bereits die acht äusseren Steuerfedern gewechselt hatte, während die beiden mittleren mit ihren Spitzen erst eben aus den Spuhlen hervorbrachen. Nicht minder wie auf dem Festlande kommt P. minor auch in den vielen Laubwaldungen Sachalin’s, an den Küsten wie im Innern der Insel vor, von wo ich aus dem oberen Tymy-Thale ein im Januar geschossenes altes Männchen mitgebracht habe.

31) Picus (Apternus) tridaectylus L. Bei den Giljaken des Continentes: olsh. ».» » der Insel Sachalin: /or. » » Mangunen und.Golde: pelakta.

!) Zoogr. Rosso-Asiat, I, p- 415. ?) Naumann l.c. V. p. 338.

4

Picus (Apternus) trıdactylus. Alcedo ıspida, Var. bengalensıs. 265

Bekanntlich konnte Pallas') an einer grossen Anzahl sibirischer Exemplare dieses Spechtes keinerlei Farbenabänderungen bemerken. Dasselbe müssen wir auch von den uns ziemlich zahlreich vorliegenden Amur-Exemplaren bemerken, abgerechnet etwa, dass die Unterseite auch bei erwachsenen Individuen bald stärker, bald schwächer getleckt ist, und dass die oberen Schwanzdeckfedern bald einfarbig schwarz, bald schwarz mit kleinen weissen Endfleckchen gezeichnet sind. Ist die gelbe Scheitelplatte des Männchens bei jungen Vögeln immer weniger ausgedehnt als bei alten, so finde ich sie an einem Exemplar aus dem Amur-Lande so weit eingeschränkt, dass nur ein paar Federchen citronengelbe Spitzen haben, der ganze übrige Scheitel aber weisslich wie beim Weibchen ist.

P. tridactylus ist in dem mit ausgedehnten Nadelwaldungen bedeckten unteren Amur- Lande und im nördlichen Theile der Insel Sachalin die häufigste Spechtart. In der Umgegend des Nikolajevschen Postens habe ich ihn im August sehr oft in den hohen dichten Tannen- und Lärchenwäldern, später, im Herbst und Winter, auch in den mit Birken, Espen u. s. w. gemischten oder in ganz reinen Laubgehölzen an den Ufern des Amur-Stromes geschossen. Desgleichen traf ich ihn sehr oft im Winter in den Lärchen-, Ellern- und Birkengehölzen beider Küsten Sachalin’s, bei Poghobi, Tyk, Nyi u. a. m., so wie in den gemischten Waldungen im Tymy-Thale im Innern der Insel an. Im unteren Amur-Lande kommt er noch sehr oft bei Kidsi und stromaufwärts bis zum Gorin vor. Oberhalb dieses Flusses aber habe ich ihn im Sommer an den unmittelbaren Amur-Ufern nicht gesehen, offenbar weil diese ausschliesslich mit Laubholz bewachsen sind und er sich daher wahrscheinlich in den aus Nadelholz zusammengesetzten Gebirgswaldungen des Innern und der Meeresküste aufhält. An letzterer ist er in der Bai de Castries noch sehr häufig; auch zweifle ich nicht, dass er die ausgedehnten Nadelwaldungen in der Bai Hadshi bewohnt.

32) Alcedo ispida L. Var. kengalensis Gn.

Bei den Golde am Amur: ssudwi.

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die seit Gmelin”) von vielen Schriftstellern für selbstständig gehaltene Art A. bengalensis, zu der auch die japanische Form gehört°), nichts weiter als eine durch etwas geringeren Wuchs ausgezeichnete Varietät vom gemeinen, euro- päischen Eisvogel, A. ispida L., ist. Unsere Amur-Exemplare vom Eisvogel, die sich genau der japanischen Form anschliessen und die wir mit Exemplaren von A. ispida aus dem Altai, Caucasus, aus Persien und Westeuropa zu vergleichen Gelegenheit haben, gestatten uns die- sen Schluss mit ziemlicher Bestimmtheit zu ziehen.

1) Zoogr. Rosso-Asiat, I. p. 415. 2) Car. Lion. Syst. Nat. Ed. XII. I. p. 450. 3) Siebold, Fauna Japon. Aves. p. 77. Tab. XXX VIII. Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 3%

266 Vögel.

Dass zunächst in der Farbe und Zeichnung keinerlei specilische Verschiedenheit zwischen A. bengalensis und dem europäischen Eisvogel zu finden ist, darin stimmen auch diejenigen Ornithologen überein, welche erstere als besondere Art betrachten wollen; so Kittlitz') für die von ihm auf Luzon beobachteten, Temminck und Schlegel für die in grosser Zahl ihnen zugekommenen bengalischen und japanischen Vögel dieser Art. Ja letztere sprechen sich in dieser Beziehung so bestimmt aus, dass es fast scheinen möchte, als könne man an den bengalischen und japanischen Exemplaren nicht einmal ein Varüiren in der Intensität der Farbentöne bemerken, wie solches unter so verschiedenen klimatischen Verhältnissen im Ver- gleich zu Europa doch leieht zu erwarten wäre”). Dennoch müssen wir fast dasselbe auch von den Amur-Exemplaren aussagen. Denn diese stimmen sowohl in der Vertheilung, wie in der Intensität der Farben mit westeuropäischen, caucasischen und persischen so genau über- ein, dass wir in dieser Beziehung keinerlei klimatische Abänderungen bemerken können. Die alten Männchen vom Amur zeichnen sich namentlich durch ein ebenso schönes Blau und Grün auf der Oberseite und eine nicht minder intensive Rostfarbe auf der Unterseite als jene aus. Mit beiden verglichen, erscheint dagegen ein ebenfalls altes Individuum aus dem Altai-Ge- birge viel blasser, zumal in Beziehung auf die Rostfarbe der Unterseite. Bei den jungen Eis- vögeln vom Amur ist wie in Europa das Blaugrün auf der Oberseite minder schön und die Rostfarbe auf der Brust durch einen grünlichgrauen Anflug getrübt. Ein solches Exemplar besitzt unser Museum durch Temminck auch aus Japan, und dieses stimmt mit den Amur- Exemplaren des jungen Vogels ganz überein. Am frischgeschossenen jungen Vogel vom Amur war der Schnabel schwarz mit weisslicher Spitze, die Iris braun, die Füsse gelblichbraun.

Anders verhält es sich mit der Grösse unseres Vogels. So einstimmig ihm von allen Be- obachtern. das Zeugniss einer mit A. ispida gleichen Farbe und Zeichnung gegeben wird, ebenso einstimmig lautet auch das andere eines geringeren Wuchses und verhältnissmässig längeren Schnabels.. Ja es ist dieses Moment differirender Grösse sogar das einzige, auf welches hin die Selbstständigkeit der A. bengalensis Gm. behauptet wird. Um so mehr müssen wir es daher bedauern, dass man bisher nicht versucht hat diese Behauptung auch durch Zahlen: zu un- terstützen; denn mit Ausnahme einer Angabe in der Fauna Japon. über die Flügel- und Schnabellänge von A. bengalensis, liegt uns in dieser Beziehung durchaus nichts Numerisches vor. Wir sehen uns daher genöthigt, in Folgendem die wichtigsten an unseren Amur-Exem- plaren und einigen im akademischen Museum aus anderen, Gegenden vorhandenen Individuen genommenen Maasse zusammenzustellen:

!) Kupfertaf, zur Naturg. der Vögel. p. 22. Tab. 29, fig. 2.

*) Die betrellenden Worte in der Fauna Japon. lauten: «ceux du Bengale oflrent absolument les memes nu- ances des teintes que ceux du marlin-pecheur ordinaire de l’Europe» und weiter unten: «les individus du Japon res- semblent encore parfaitement ä ceux du Bengale sous le rapport des nuances de leurs teintes.» Bei so bestimmter Behauptung können wir daher auf die frühere, entzegengesetlzte, flüchtige Angabe Temminek'’s (Man. d’Ornith. Paris 1835. IT. p. 296), dass die japanische Form auch im Farbenton und in der Farbenvertheilung von der europäischen ver schieden sei (wobei er jedoch nicht angiebt, worin diese Verschiedenheit bestehe), kein Gewicht legen,

Alcedo ispida, Var. bengalensis. 26

it - | Per- ;‚Deutsch- Amur. Japan Altai) Lenkoran. ton! | NE

A.Ind. | 3. ind. | A. Ind. | A. Ind.

Alte Individuen. Junge Indiv. | J. Ind. [A. Ind. Länge von der Schnabel- bis er ) | , zur Schwanzspitze (ungef.) 5 Be a a Aa LE a a a a » . des zusammengelegten , Flügels 2 N SEE R " wi PR rad ag PD 9 a'sı’" 291” 3'g ın [72 1 » des Schwanzes........ 174 FL 1a al A Aa AA ea a al » des Schnabels ........ |1"4 " 1 a ar oe a Nr Höhe d. Schnabels a. d. Stirne | - 31 RT RUER ZB TEN SR LINE ZU LI IE ZH Breite d. Schnabels a. d. Stirne | -3 ER U EL EM SEINE re Tu ER RN Länge des Laufes........... | -3!” Er EL I Baal as FE el El u äln aulln/ » der Mittelzehe Öhnen R NagelW . : Sl 6 ee er = roller de » des Nagels an der Mit- BEIZERE ER ERRE on üecys (20 | > NR TOU IE Dr Bean al a a rer

Aus diesen Maassen scheint nun auf den ersten Blick hervorzugehen, dass die Grössen- differenzen zwischen A. ispida und A. bengalensıs als specifischer Character überschätzt worden sind. Leider sind wir nach unseren, an Bälgen genommenen Maassen nicht im Stande, über die Differenz in der Gesammtlänge dieser Formen mit Sicherheit abzuurtheilen. Jedenfalls ist aber auf diese die nach Alter und auch individuell stark variirende Schnabellänge von gros- sem und ungleichem Einfluss. Während z. B. unser deutsches Exemplar mit der von Pallas”) angegebenen Grösse des sibirischen Vogels ohne Schnabel ganz genau übereinstimmt, bleibt es in der Gesammtlänge (mit dem Schnabel) um 9” hinter dem letzteren zurück. Wollen wir hier daher Grössenvergleiche anstellen, so müssen wir vor Allem die Schnabellänge in Abzug brin= gen, was beim Vergleich zwischen A. ispida und A. bengalensis noch um so nothwendiger ist, als der Schnabel bei letzterer von verhältnissmässig grösserer Länge als bei ersterer angegeben wird. Im Mittel beträgt nun nach" unseren 5 Amur-Exemplaren und einem japanischen die Ge- sammtlänge von A. bengalensis 5” 8" und die Länge ohne Schnabel (die mittlere Schnabellänge von 17 3” abgerechnet) 4’ 5”. Diese letztere Grösse steht nun allerdings der von Naumann für A. ispida angegebenen ® ) um 15—10” und derjenigen unseres deutschen Kasnplen so wie der von Pallas an den russisch-sibirischen Individuen gefundenen Grösse um 11”, den persischen und caucasischen Exemplaren unserer Tabelle aber bloss um 412" nach und mit dem altaischen Exemplar endlich stimmt sie ganz überein. Hier sehen wir also eine ganze Reihe von Grössendiflerenzen nieht bloss zwischen 4A. ispida und A. bengalensis, sondern auch zwischen Exemplaren einer und derselben Art, aber von verschiedenen Fundorten. Wie will man nun die Gränze zwischen beiden Arten ziehen und zu welcher von ihnen soll man die mittleren, persischen und caucasischen Exemplare rechnen? Wie mit der Gesammtlänge, so verhält es sich nun auch mit den Grössenverhältnissen der einzelnen Körpertheile. So geben Temminck und Schlegel die Flügellänge bei A. ispida auf 2” 10”, bei A. bengalensis an japanischen Exemplaren auf 2”81” und an bengalischen auf 2" 7” an. Ganz ebenso geben unsere Maasse

I) Wohl ein etwas ausgereckter Balg. ?) Zoogr. Rosso-Asiatl. 1. p. 437. 3) Von 6-6! Zoll sächs. Arbeitsmaasses, ss, Naumann, I. c. V. p. 482.

268 Vögel.

für die Flügelläinge von den europäischen bis zu den Amur-Exemplaren die Grösse von DE 94" —2" 71”. Dieselbe Länge von 2” 7", die dem bengalischen Eisvogel zukommen soll, giebt Pallas bei den sibirischen Exemplaren von A. ispida an. Die Länge des Schwanzes ist nach Temminck und Schlegel bei A. ispida und A. bengalensis gleich. In der That lässt sich auch an unseren Maassen keine Differenz in diesem Punkte wahrnehmen, da bei bei- den Formen gleich geringe Schwankungen vorkommen. Ebenso in den Grössenverhältnissen der Läufe und Zehen. Was dagegen den Schnabel betriflt, so soll derselbe bei A. bengalensis verhältnissmässig länger als bei A. ispida sein. Temminck und Schlegel scheinen sogar da- für zu halten, dass er bei ersterer auch absolut länger als bei letzterer sei, indem sie ihn bei jener auf 1" 5—1" 6”, beidieser nur auf 1” 4” angeben. Gewiss ist es aber ganz unzulässig, dort, wo bekanntermaassen eine ansehnliche Zunahme in der Schnabellänge mit dem Alter statt hat und wo ferner auch bei Individuen gleichen Alters Schwankungen von 1—3” in der Schnabellänge vorkommen ); in einer Grössendiflerenz von 1—2” ein artenunterscheidendes Kennzeichen suchen zu wollen. Zudem kommt unter den Exemplaren unserer Tabelle die grösste Schnabellänge von t" 6”, die keines unserer Exemplare von A. dengalensis vom Amur oder aus Japan erreicht, einem persischen Individuum zu. Noch ansehnlicher ist die von Pallas bei sibirischen 'Exemplaren von A. ispida gefundene Grösse von 1' 9”, Allein nicht bloss absolut, auch verhältnissmässig scheint uns der Schnabel von A. bengalensis nicht oder wenig- stens kaum länger als der von A. ıspida zu sein. Nach unseren Maassen beträgt er bei der er- steren niemals ein volles 4, in der Regel und im Mittel zwischen 4 und $ und bei einigen nur kaum mehr als 4 der übrigen Körperlänge. Dagegen macht er freilich bei unseren deutschen Exemplare von A. ispida sogar weniger als 4 der übrigen Körperlänge aus; allein dieses Exemplar zeichnet sich auch gewiss durch einen selten kurzen Schnabel aus. In der Regel be- trägt er aber, nach den Angaben der Ornithologen, auch beim westeuropäischen Eisvogel1—4?) und bei unseren persischen und den von Pallas vermessenen sibirischen Exemplaren auch beinahe ein volles 4 der übrigen Körperlänge. Sollte hier übrigens auch ein geringes Plus auf Seiten der A. bengalensis übrig bleiben, so nöthigen uns schon die angeführten bedeutenden individuellen Schwankungen der absoluten wie relativen Schnabellänge, in diesem Momente nichts mehr wie einen Varietätscharakter zu erblicken.

Nach alledem dürften wir daher im Rechte sein die ostasiatische Form A. bengalensis nur für eine durch kleineren Wuchs ausgezeichnete Varietät von A. ispida zu halten. Und in dieser Ansicht dürften wir denn schliesslich auch durch ein paar biologische Bemerkungen an unserem Vogel unterstützt werden. Kittlitz führt ausdrücklich an, dass ihm A. bengalensis auf Luzon in ihrer Lebensweise mit A. isprda vollkommen übereinzukommen schien. Auch im Amur-Lande konnten wir im Betragen dieses Vogels, in seiner Stimme, Flugbewegung, Wahl des Aufenthaltsorts u. s. w. nichts vom europäischen Eisvogel Abweichendes bemerken.

1) So hat z. B. das von uns vermessene Exemplar aus Deutschland eine Schnabellänge von 1’, während Pallas bei den sibirischen 13” angiebt.

2) Naumann giebt z. B. die Länge des Schnabels bei den deutschen Exemplaren auf I jun die übrige Körperlänge auf 6—6}” sächs. Arbeilsmaasses an.

Alcedo ıspida, Var. bengalensıs. 269

Esliegt nun, nach dargethaner Identität von A. ispida und A. bengalensis, nahe anzunehmen, dass noch manche, mit letzterer von verschiedenen Schriftstellern bereits identificirte südasia- tische Eisvogelarten in Zukunft ebenfalls nur als geographische Varietäten von A. ispida sich erweisen dürften. Ohne uns, beim Mangel an hingehörendem Materiale, einen voreiligen Schluss zu erlauben, bemerken wir nur beiläufig, dass Temminck und Schlegel auch den Eisvogel von der Insel Timor für dieselbe, nur mit lebhafteren Farben gezeichnete Art mit A. bengalensis halten, dass Lesson') seine A. moluccana Var., sowie A. Meninting Horsf.”) als Synonyme von A. bengalensis aufführt, dass Gray°), Bonaparte‘) u. a. A. Meninting Horst. und A. asiatica Swains.°) als identisch zusammenstellen u. s. w. Hier stehen also ohne Zweifel noch umfassende Reductionen bevor.

Hinsichtlich der geographischen Verbreitung von A. ispida gewinnen wir durch die Identificirung derselben mit A. bengalensis und die Auffindung der letzteren im Amur-Lande ein anderes und sehr viel umfassenderes Bild. Statt der frühen Gränzen nämlich, die man in der Verbreitung des europäischen Eisvogels nach Osten wahrzunehmen glaubte, können wir ihn nunmehr in sehr verschiedenen Breiten bis zu dem Ostrande der alten Welt verfolgen, und zwar im Süden durch Indien undChina bis nach den Philippinen und japanischen Inseln, im Norden durch Sibirien und das Amur-Land bis zum Ochotskischen Meere. In Sibirien war er vonGmelin und Messerschmidt nur am Tom, von Pallas auch am Jenissei, wei- ter ostwärts aber nicht mehr beobachtet worden. Letzterer war daher geneigt anzunehmen, dass er dem östlichen Sibirien fehle. Da wir ihn jedoch im oberen und unteren Amur-Lande in grosser Häufigkeit beobachtet haben, so kommt es uns sehr wahrscheinlich vor, dass er auch in dem Raume vom Jenissei bis nach Transbaikalien nicht ausbleibe. Im Amur- Lande bieten ihm namentlich die ausgebreiteten dichten Weidengebüsche, welche den Strom in seinen vielfachen Armen und auf den zahlreichen Inseln fast wnaufhörlich begleiten, allent- halben die günstigsten Localitäten dar, an denen er in der Stile ungestörter Wildniss seinem Nahrungs- und Fortpflanzungsgeschäfte nachgehen kann. Da ihn in diesen Einöden auch der Lärm der Ruder nicht sogleich von dannen scheucht, so lässt er sich oft und leicht vom Boote aus überraschen. Besonders im nassen, regnigten Sommer 1356, als es im Amur einen fast be- ständig hohen Wasserstand gab und die Zahl der an ihrem Fusse überschwemmten oder unmittel- bar über dem Wasser hängenden Weidengebüsche besonders gross war, habe ich den Eisvogel vom Juni bis September und vom Dorfe Yrri am unteren Amur bis nach Albasin am oberen Laufe des Stromes sehr häufig beobachtet. Nicht selten geschieht es, dass ihn das dichte, ein- förmige Gebüsch den Blicken in nächster Nähe entzieht und man ihn nicht eher gewahrt, als bis man durch den hellen Farbenglanz und den schneidenden Schrei des aufgeflogenen Vogels

25 !) Traite d’Ornithol. Paris. 1830..p, 243. 2) Transact. of the Linn. Soc. XIU, p. 172. 3) The Genera of Birds. London 1849. 1. p. St. %) Conspeet. Gener. Avium. p. 158. 5) Zool. Illustr. Vol. I. London 1820. Tab. 50.

370 Vögel.

überrascht wird. Doch gelang es mir auch zu wiederholten Malen ihn zu erlegen; so am 19. Juni (1. Juli) bei Beller am unteren Amur, am 22. Juli (3. Aug.) am unteren Eingange in das Bureja-Gebirge und am „5 Sept. am oberen Amur nahe dem Gerbilak-Flüsschen. Desglei- chen hat ihn Hr, Maack am 24. Mai (5. Juni) am oberen Amur nahe der Oldoi-Mündung, am 5 Sept. in der Gegend der Ussuri-Mündung und am 35 Juli bei Dondon am unteren Amur geschossen. Auf meiner Reise an den Ussuri im regenarmen Sommer 1855 habe ich den Eisvogel weit seltner gesehen. Doch beobachtete ich ihn im Juni dieses Jahres auch in der Nähe des Mariinskischen Postens in einem schmalen, von hohen Weidengebüschen fast ganz verdeckten Flussarme, und im August 1854 auch in den Weidengebüschen der Amur-Ufer beim Nicolajevschen Posten. Somit lernen wir ihn also am gesammten Amur-Strome bis zur Mündung desselben kennen. -

33) Upupa Epops L.

Ein Pärchen vom Wiedehopf aus dem Amur-Lande besitzt genau dieselbe Zeichnung wie der europäische Vogel, zeigt aber, gegen die Abbildungen Naumann'’s') und Gould’s‘) gehalten, merklich blassere Farbentöne, sowohl im Rostgelb des Federbusches, als auch in der graulichen Rosenfarbe des Halses und der Brust und dem Rostgrau des Rückens. Mit Exem- plaren vom Caucasus und vom Uralflusse in unserem Museum stimmt es dagegen auch im Farbentone vollkommen überein. Nur als unbedeutende Abweichung muss ich es ansehen, dass bei beiden Amur-Exemplaren die schwarzen oberen Schwanzdeckfedern ein paar Milkm. breite weisse Endsäume haben, deren Naumann‘) u. a. nicht erwähnen und die vermuthlich dem noch frischen Gefieder zukommen, späterhin aber abgestossen werden. Von einer zweiten, wenn auch nur andeutungsweise vorhandenen weissen Schwanzbinde aber, die Gloger ‘) beim östlichen Vogel vermuthet, findet sich keine Spur. In Beziehung auf die Grössenverhältnisse der Schwingen ist bei einem unserer Exemplare die 4, beim anderen die 5!® Schwinge am läng- sten, mit respectivem Grössenunterschivde von einem Millimeter. Am frischgeschossenen Vo- gel war die Iris dunkelbraun, der Schnabel an der Basis auf 4 Länge schmutziggrau, zur Spitze hin in Schwarzgrau übergehend, üse Läufe und Zehen schmutziggrau. Auch in der Grösse scheinen unsere Amur-Exemplare dem europäischen Vogel ganz gleich zu kommen. Die Maasse derselben, am Balge genommen, sind folgende:

Nertschinsk. Kidsi.

Männchen, Weibchen. Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr) 107 9 inc " » des zusammengelegten Flügels... en N 5228 2 Sr » des Schwanzes....... EEE TRETEN! Wr BE, 2

}) Naturgesch. der Vögel Deutschlands. Taf, 142. ?) The Birds of Eur. Ili. Tab. 238.

3) 1.c. V.p. 440.

*) Das Abändern der Vögel. p. 156.

Upupa: Epops. Alauda (Phileremos) alpestrıs. 271

Nertschinsk. Kidsi.

Männchen. Weibchen.

m " - " 77 n m LanresuessSchnabels sm .ı. 2... 00 oa con a ee ne en. PAR | 1710

- 77 m aa BER N RENNER. —ı10 91

nl . vr m » der Mittelzehe ohne Nagel... .. .so.n0....... Ze. 71

. RZ Sr ». des Nagels an der Mittelzehe. .......r..2.... 51 31

Schon Pallas kannte die Verbreitung des Wiedehopfes in Sibirien bis nach Daurien, glaubte aber, dass er östlich vom Jenissei seltner werde und im äussersten Norden und Osten ons ganz fehle Er Dass er in südlicheren Breiten die Ostküste Asıen’s erreiche, beweist uns eine Angabe Temminck’s und Schlegels”), die eine Abbildung dieses Vogels in einer Sammlung japanischer Zeichnungen fanden, und ein in unserem Museum aus dem öst- lichen China vorhandenes Exemplar, das ganz wie die europäischen beschaffen ist und nur, als jüngerer Vogel, einen kürzeren Schnabel (von 1”41”) besitzt. Allein auch nördlicher, in den Breiten des Amur-Landes kommt der Wiedehopf noch bis zur Ostküste Asien’s vor. Wir haben durch Hrn. Maack aus dem. Quelllande des Amur-Stromes ein Exemplar erhalten, das am 21.. April (3. Mai) in der Stadt Nertschinsk geschossen wurde. Ich habe den Wiedehopf im unteren Amur-Lande, am linken, mit Weidengebüsch bewachsenen Ufer des Stromes gegenüber Maji am 26. Juni (8. Juli) beobachtet und durch Hrn. Maximowicz ein Exemplar aus dem Mariinskischen Posten erhalten, das am 41 April, als dieser Vogel dort im Frühjahr 1855 zum ersten Mal sich sehen liess, lebendig gefangen wurde. Den Magen die- ses Exemplares fand ich mit Ueberresten verschiedener Coleopteren und besonders mit zahl- reichen. Flügeldecken von Silphen angefüllt.

I. OSCINES.

34) Alauda (Phileremos) alpestris L.

Ueber das vielfache.Varüiren dieser nordischen Lerche in Beziehung auf die Intensität der gelben Farbe an der Stirne, Ohrgegend und Kehle und auf die grössere oder geringere Ausbreitung der schwarzen Zeichnung auf dem Kopfe, in. der Wangengegend und am Halse haben schon Pallas’), Middendorff‘) u. a. zahlreiche und umfassende Erfahrungen gemacht. Auch die Exemplare aus dem Amur-Lande gestatten einige dahin einschlagende Bemerkun- gen zu thun. Wir haben 2 Herbstindividuen und eines vom Frühling vor uns. Bei allen sind

T) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 434.

2) Siebold, Fauna Japon. Aves. p. 133.

3) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 519. %, Sibir. Reise. I. c. p. 133,

972 Vögel.

die oben genannten Stellen am Kopfe und Halse von gelber Farbe, wie Pallas es den im ho- hen Norden brütenden und zum Winter in südlichere Breiten wandernden Individuen zu- schreibt; bei den Herbstexemplaren jedoch intensiver oder minder verblichen als bei dem im Frühling erlegten Vogel. Bei ersteren finden sich zugleich auf dem Kopfe durchweg gelbe Federsäume, welche das schwarze Stirnband nur in einzelnen Flecken durchschimmern lassen und dem Kopfe bis zum Nacken ein gelblichgraues Ansehen geben, während beim letzte- ren das Schwarz auf der Stirne rein ist und hinter demselben, scharf abgesetzt, die rothgraue Farbe des Scheitels, Hinterkopfes u. s. w. beginnt. Ebensolche gelbliche Federsäume, aber in viel geringerer Zahl, finden sich bei den Herbstexemplaren an vielen Federn in den schwarzen Wangenstreifen und im schwarzen Querbande des Halses, wodurch das Schwarz dieser Theile ein etwas gesprenkeltes Ansehen gewinnt, ohne jedoch in seiner Ausbreitung auch nur im Ge- ringsten verdeckt zu werden, wie das beim Stirnbande der Fall ist. Dabei ist das schwarze Querband am Halse zwar ungleich, bei allen dreien aber recht breit. Bei einem unserer Exem- plare ist es auch nur durch ein sehr schmales weissliches Band vom herabsteigenden schwar- zen Wangenstreifen geschieden, so dass das Schwarz der Wangen und das der Kehle beinahe in Eins zusammenfliessen, wie das bei der A. albigula Brandt sein soll », während bei den anderen ein breites gelbes Band zwischen dem Schwarz beider Theile zurückbleibt. Ferner lassen sich bei den Herbstexemplaren auch die in Folge weisser Säume an den Flügeldeck- federn entstehenden weisslichen Querbinden auf den Flügeln deutlicher als bei dem Frühlings- exemplare wahrnehmen, worauf, wie auf die oben erwähnten gelben Federsäume, auch schon Naumann,°) Gloger°) u. a. aufmerksam machen. Wie die Zeichnung, so variirt bei A. alpestris vielfach auch das Grössenverhältniss der Schwingen: bei einem meiner Exemplare ist die 1ste Schwinge am längsten, die 2!e nur um ein ganz Geringes kürzer, die folgenden nehmen stufenweise an Länge ab; bei den beiden anderen dagegen ist die 2!e Schwinge am längsten und ragt um 1—3 Millim. über die 15t® und 3!°, einander gleich langen Schwingen hinaus‘). Ebenso variirt auch die verhältnissmässige Länge der Hinterschwingen: der Fall, den Middendorff an einem Aldan-Exemplare beobachtete, dass nämlich die längste Hinter- schwinge nicht nur die 7°, sondern auch die 6!° grosse Schwinge überragt, findet auch bei meinen beiden Herbstexemplaren vom Amur statt; beim 3ten Exemplar, aus Nertschinsk, ragt die längste Hinterschwinge zwar weit über die 7! hinaus, erreicht aber die Spitze der 6ten nicht, wobei sich jedoch bemerken lässt, dass bei diesem im Frühjahr erlegten Exemplar die Kanten und Spitzen der Hinterschwingen sehr stark und stärker als die der erwähnten grossen Schwingen abgestossen sind und also wahrscheinlich im frischen Zustande verhält- nissmässig länger vorgeragt haben mögen. So wenig dürften also die Grössenverhältnisse der

!) Vrgl. Middendorff, Sibir. Reise. I. c., Bonaparte, Consp. Gener. Avium. p. 246. u. a.

?) Naturgesch. der Vögel Deutschlands. IV. p. 152,

°) Handb. der Naturgesch. der Vögel Eur. I. p. 272,

) Dieses letztere Verhältniss der Schwingenlänge stimmt mit der Angabe Naumann’s (l. c. p. 150) überein, mit dem Unterschiede jedoch, dass Naumann noch eine abortive 1°!e Schwinge bei 4. alpestris annimmt, welche nicht existirt, und daher die 3te Schwinge als längste, die 2te und 4te als gleich lang bezeichnet.

Alauda (Phileremos) alpestris. A. arvensis. - 273

Schwingen zur Arten- oder gar Gattungsunterscheidung unter den Lerchen dienlich sein '). Den Maassen nach gehören die Amur-Exemplare ebenfalls zu der nach Pallas im hohen

Norden brütenden grösseren Varietät. Wir finden an ihnen folgende Maasse:

Amur. Nertschinsk. Männchen. Weibchen. Männchen.

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr). 6” 8” 6” 6” 6’10”

» des zusammengelegten Flügels... ..........- RN AR RE ka Berdes Schwanzes . ......... a nn. 400,677 1,07 5 Pe » des Schnabels....... RE ae a unnze 21 ne Ber Lanles . 2.» 0.0. Be nen 10 Qu FGLE » der Mittelzehe ohne Nagel......... en. 617 6" 6” » des Nagels an der Mittelzehe ..........».. ee ed a al 31” = der Hinterzehe’ ohne Nawel. .. ..n ..vuriu-ueacn. 317 31” _ 31” » des Nagels an der Hinterzehe ...... RIO TER 4’ —_ 4" 6"

Diese Maasse stimmen mit den von Pallas angegebenen sehr nahe überein; nur sind die Sporne bei beiden Amur-Exemplaren auflallend kurz.

A. alpestris scheint im Amur-Lande nur als Zugvogel im Frühjahr und Herbst vorzu- kommen; im Winter habe ich sie, zum wenigsten im schneereichen unteren Amur-Lande, niemals gesehen. An der Amur-Mündung beim Nikolajevschen Posten fand sie sich im Herbst 1354 schon am -?, Sept., nach Eintritt eines kalten und regnigten Wetters, auf dem Durchzuge ein: ein Schwarm dieser Vögel liess sich auf einer niedrigen Landzunge am Ufer des Stromes nieder, wobei ein Exemplar geschossen wurde. Vermuthlich sind es die frühesten Durchzügler gewesen; doch sind mir die späteren nicht zu Gesichte gekommen. Am oberen Amur schoss ich A. alpestris im Herbst 1856 am 21. Sept. (3. Oct.) nahe der Urutschi- Mündung. Hr. Maack hat sie am 20. Apr. (2. Mai) bei Nertschinsk in grossen Schwärmen beobachtet und auch ein Exemplar mitgebracht. Dass sie auch in Japan vorkomme, glauben Temminck und Schlegel aus einer japanischen Zeichnung schliessen zu dürfen °).

35) Alauda arvensis L.

Obgleich uns von der Feldlerche keine Exemplare aus dem Amur-Lande vorliegen, so nehmen wir doch Gelegenheit dieselbe hier nach einem Pärchen aus dem angränzenden Trans- baikalien zur Sprache zu bringen, um dabei einem offenbaren Missgriffe in der Fauna Ja- ponica zu begegnen, welcher leicht auch auf das Amur-Land ausgedehnt werden dürfte. Da nämlich Temminck und Schlegel die japanische Feldlerche für eine besondere Art, A. ja- ponica, halten °), so könnte man bei den vielfachen Berührungen zwischen der Fauna Japan’s und der des Amur-Landes leicht geneigt sein, letztere Form auch im Amur-Lande zu erwarten.

1)S. Keyserling u. Blasius, Die Wirbelthiere Eur. p. 94 fl.

2) Siebold, Fauna Japon. Aves. p. 138.

3) Fauna Japon. Aves. p. 87. Tab. XLVII. Schrenck’s Amur-Reise Bd. I.

274 Vögel.

An der Südküste des Ochotskischen Meeres fand jedoch Middendorff') die Feldlerche m der europäischen vollkommen gleich, und dasselbe können wir auch von den uns durch Hrn. Maack aus dem Uda-Thale in Transbaikalien mitgebrachten Exemplaren bemerken. Zu- gleich wird es uns aber unmöglich dieselben von der in der Fauna Japon. abgebildeten A. ja- ponica zu unterscheiden. Diese soll nämlich nach Temminck und Schlegel ganz dieselbe Farbenvertheilung und ganz denselben Farbenton wie A. arvensis haben und von letzterer nur dadurch sich unterscheiden, dass bei ihr die hellen Tinten, besonders auf den Flügeln, mehr ins Rostfarbene als bei jener spielen, und dass ferner die beiden äusseren Steuerfedern mehr Weiss als bei A. arvensis haben. Ersterer Unterschied muss jedoch so schwach sein, dass er in der Abbildung der A. japonica nicht wiedergegeben werden konnte. Ja, hält man letztere gegen die Abbildung Gould’s”) von A. arvensis, so dürfte man sogar zu dem entgegengesetzten Schlusse geneigt sein, dass nämlich A. arvensis einen viel mehr ins Rost- farbene spielenden Ton als A. japonica besitze. Es darf uns das aber nicht weiter auflallen, da bekanntlich im Farbentone von A. arvensis, je nach klimatischen und sogar lokalen Einflüssen, äusserst zahlreiche Schattirungen vorkommen. Wir können daher in dieser Beziehung der A. japonica Temm, et Schleg. nicht einmal den Werth einer geographischen Varietät einräumen. Gauz ebenso verhält es sich aber auch mit dem angeblichen Unterschiede in der Zeichnung der beiden äussersten Steuerfedern. Denn obgleich diese bei A. japonica mehr Weiss besitzen sollen, so beschreiben sie Temminck und Schlegel doch auf ein Haar so, wie sie bei A. arvensis sind. Die 1°te, äusserste derselben soll nämlich weiss mit ziemlich breiter dunkelbrauner Kante in den zwei oberen Drittheilen ihrer Innenfahne°), die 2t° mit weisser Aussen- und dunkelbrauner Innenfahne sein. Der einzige Unterschied zwischen 4. Japonica und A. arvensis könnte daher nur noch in der geringeren Grösse der ersteren liegen. Stellen wir zur Vergleichung die gleichnamigen Maasse unserer Uda-Exemplare und diejeni-- gen der A. japonica, wie Temminck und Schlegel sie angeben, zusammen:

4. arvensis. 4A. japonica. Männchen. Weibenen. Nach Temm.u.Schleg. Länge v. d. Schnabel-bis zurSchwanzspitze (ungef.) 67 5” 6’ #4” ET » des zusammengelegten Flügels ........ 4 4 2" Zu Ra des Schwanzesci Na ee a Zara DU 8, Da Suhles Schrahelschy u Sl rn cl. 9 u —_ 41" Audes, Linufesikit NE BRRR Ye len —10"7 » der Mittelzehe ohne Nagel ........... 7" 7" Be » des Nagels an der Mittelzehe .......... 24” 21” _ 21” » der Hinterzehe ohne Nagel rc... 0 HT Oo 4” —_ 41" » des Nagels an der Hinterzehe. ........ 5" 6" u 64”

!) Sibir. Reise. I. c. p. 134.

?) The Birds of Europe. Il. Tab. 166.

°) In der Fauna Japon. heisst es: «weiss mit weisser Kante» («paire externe de la queue d’un blanc pur, mais p our- vue ä son bord interne d’un bord blanc assez large» u. s. w.), was natürlich nur ein Druckfehler sein kann.

Alauda arvensis. Plectrophanes nwalıs. 275

Daraus ergiebt sich nun, dass nur die drei ersten Maassabstände sichtlich von einander differiren, in allen übrigen dagegen die grösste Uebereinstimmung zwischen A. japonica und A. arvensis herrscht. Von jenen drei differirenden Maassabständen dürfen wir aber auf den der Gesammtlänge kein grosses Gewicht legen, daer von Temminck und Schlegel so- wohl wie von uns an Bälgen gemessen worden ist, wobei eine Differenz von 5—6” leicht möglich ist. Sprechender ist die um 4—5” geringere Länge der Flügel und des Schwanzes bei A. japonica. Doch ist auch dieser Unterschied lange nicht so gross, dass er nicht durch die an der gemeinen Feldlerche oft, und nicht selten in ganz localer Weise, beobachteten Grössendifferenzen seine Erledigung fände"). Bevor es daher durch Erfahrungen erwiesen ist, dass die oben angeführten geringeren Maasse der A. japonica nicht ebenfalls bloss lokaler Na- tur seien, können wir in denselben kaum einen Charakter geographischer Varietät, geschweige denn ein Kennzeichen besonderer Art erblicken.

Da wir nun A. arvensis durch Steller und Pallas”) über ganz Sibirien bis nach Dau- rien, denKurilen und Kamtschatka, ferner durch Middendorff noch im Speciellen un- mittelbar nördlich vom Amur-Lande, am Aldan, am Ud und an der Südküste des Ochotski- schen Meeres, und endlich durch Temminck und Schlegel, nach dem was oben dargethan, auch in Japan und folglich fast im gesammten Umkreise des Amur-Landes verbreitet wis- sen; so unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass man sie auch im Amur-Lande antreflen wird. Namentlich dürfte es aber erlaubt sein, dieselbe in den ausgedehnten, mit dem reichsten und mannigfaltigsten Graswuchse und zugleich auch mit der ihrer Verbreitung in so hohem Grade günstigen Cerealiencultur versehenen Prairieen des Amur-Landes zu vermuthen.

36) Pleetrophanes nivalis L.

Seit Pallas°) ist es bekannt, dass die Schneeammern in Sibirien, in Folge der ostwärts wachsenden Winterkälte, je mehr nach Osten, desto früher und weiter nach Süden ziehen. Im unteren Amur-Lande nun stellen sie sich, des rauhen und excessiven Klimas wegen, im Herbst schon zu einer verhältnissmässig sehr frühen Zeit ein. Im Jahre 1854 liessen sich beim Nikolajevschen Posten die ersten Schneeammern am ;%, Oct., noch vor dem ersten Schnee- fall, in einem kleinen Schwarme sehen. Am 9ten fiel starker Schnee aus und am 11!en waren wiederum kleine Schwärme längs den niedrigen und ebenen Ufern des Amur- Stromes zu se- hen. Immer waren es jedoch nur kleine Schwärme, die, nach den mehrmals aus denselben geschossenen Exemplaren zu urtheilen, aus älteren, drei und viermal vermauserten Individuen bestanden; sehr grosse, aus jüngeren, ein und zweimal vermauserten Vögeln zusammengesetzte Schwärme, wie man sie im mittleren Europa und durch ganz Sibirien zu sehen gewohnt ist,

1) Vrgl. Naumann |. c. IV. p. 161. 2) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 525. 3) Zoogr. Rosso-Asiat, II. p. 33.

976 Vögel.

habe ich beim Nikolajevschen Posten niemals bemerkt. Es kommt mir daher nicht unwahr- scheinlich vor, dass jene mit fast ununterbrochener, dichter Waldung bedeckten Landstriche am unteren Amur überhaupt nur von wenigen und bloss älteren Individuen besucht werden, während die grossen Schwärme jüngerer Vögel an die minder bewaldeten Gegenden im Westen vom unteren Amur oder längs der unmittelbaren Meeresküste sich halten. Nur um 6 Tage später als beim Nikolajevschen Posten, am 43 Oet. (185%) wurden die ersten, ebenfalls nur kleinen Schwärme von Schneeammern von Hrn. Maximowicz beim Mariinskischen Posten beobachtet. Um dieselbe Zeit endlich, am 19 Oct., traf ich sie auch im Herbst 1856 im oberen Amur-Lande, beim Dorfe Mulatscha am Argunj an. Es scheint also die herbst- liche Ankunfts- oder Durchzugszeit der Schneeammern am oberen und unteren Amur mit der von Pallas für die Umgegend von Krassnojarsk am Jenissei angegebenen übereinzustim- men, obgleich letztere Gegend doch um 3—5° nördlicher als die oben am Amur genannten Orte liegt. Alle im Anfange Octobers im Amur-Lande erlegten Individuen trugen schon das vollständige Winterkleid, welches sie somit in diesen östlichen Gegenden, dem rauheren Klima gemäss, auch früher als im Westen der alten Welt anzulegen scheinen, da sie auf Island z.B. erst im Anfange Novembers (neuen Stiles) in voller Wintertracht sein sollen‘). Später im Herbst und Winter habe ich den Schneeammer im unteren Amur-Lande weder auf dem Con- tinente, noch auf der Insel Sachalin jemals bemerkt. Doch spricht Middendorff von dem Winteraufenthalte desselben in Udskoi Ostrog’). Möglich daher, dass er auch im Amur- Lande den Winter über sich aufhalte, aber in Folge der durchweg waldigen Beschaffenheit des Landes nur in geringer Zahl vorkomme. Wahrscheinlicher jedoch kommt es mir vor, dass ihn die excessiven Winterfröste des unteren Amur-Landes, zum wenigsten für die kältesten Win- termonate, noch weiter nach Süden treiben. Bezeichnend für das continental-excessive Klima des Amur-Landes ist in dieser Hinsicht der Vergleich mit Kamtschatka, dessen durch oceanische Einflüsse gemildertes, nordisch-maritimes Klima dem Schneeammer einen beständigen Aufent- halt im Sommer wie im Winter gestattet. Im Frühjahr habe ich den Schneeammer beim Ni- kolajevschen Posten nur zu einer verhältnissmässig sehr späten Jahreszeit gesehen: die ersten und einzigen bemerkte ich nämlich im Jahre 1856 im Anfange Aprils, was mit der von Mid- dendorff beobachteten Abzugszeit der Schneeammern aus Udskoi Ostrog vollkommen über- einstimmt. Es waren wiederum kleine Schwärme, die sich mitten im Posten, zwischen den Häusern desselben sehen liessen.

37) Plectrophanes lapponica L. Ein einzelnes, altes, dreimal vermausertes Männchen dieses Spornammers wurde am 19.

Sept. (1.Oct.) am oberen Amur nahe der Urutschi-Mündung, am ebenen, steinigen Ufer des Amur-Stromes geschossen. Es trug bereits das volle Winterkleid und war der ausführlichen

!) Faber, Prodromus der Isländ. Ornith. Kopenhagen. 1822. p. 15. ®) Middendorff, Sibir. Reise. L. c. p. 136.

Zieclrophanes lapponıca. Emberiza aureola. 277

Beschreibung Naumann’s') vom westeuropäischen Vogel vollkommen entsprechend. Bereits war eine sehr rauhe Witterung mit regelmässigen Nachtfrösten eingetreten und hatte sich vor drei Tagen auch der erste Schnee eingestellt. Schneeammern waren aber noch nicht zu sehen. Offenbar trifft also Pl. lapponica auch im Amur-Lande früher als der Schneeammer ein. Auch glaube ich nach seiner frühen Ankunftszeit und den excessiven Winterfrösten im Amur-Lande annehmen zu dürfen, dass er dort nicht überwintert, sondern weiter südwärts zieht, gleichwie Middendorff?) es auch für die Gegend am Aldan annimmt, wo er Pl. lapponica am 27. April auf dem Durchzuge beobachtete.

38) Embheriza aureola Pall.’).

Von diesem schön gezeichneten Ammer liegen uns aus dem Amur-Lande Männchen und Weibchen verschiedenen Alters vor, an denen sich bei grosser Uebereinstimmung mit den vortrefllichen Abbildungen Gould’s‘) auch alle die Abweichungen bemerken lassen, auf die Middendorff°) aufmerksam macht. Das alte Männchen aus dem Amur-Lande trägt ein ebenso vollständiges, breites, ja zuweilen noch etwas dunkleres rostbraunes Halsband, wie Gould es abbildet, während es bei den jungen Männchen nur schmal ist und aus einer Reihe mehr oder weniger unterbrochener, tropfenförmiger Flecke besteht. Zugleich ist bei letzteren auch die Rostfarbe der Oberseite und das Schwarz im Umkreise des Gesichts minder rein und dunkel als bei den alten. Die Weibchen variiren unter einander durch mehr oder weniger Rostfarbe am Bürzel, und während diese Farbe bei den meisten ebenso intensiv wie in Gould’s Abbildung vorhanden ist, verschwindet sie bei anderen fast ganz und wird durch Braungrau ersetzt. Bei einem derselben ist auch am Halse ein durch mehrere rostbraune Flecke ange- deutetes Querband zu sehen. Der Kopf trägt bei allen meinen Exemplaren die von Midden- dorff angegebene Zeichnung, indem das Mittelhaupt lichter ist und über dem Auge jederseits ein dunkelbrauner, bald mehr, bald weniger mit Rostfarbe durchsetzter Streifen verläuft. Bei allen ist auch der weissliche Streifen über dem Auge ausgesprochener als Gould ihn darstellt. Sehr variabel endlich ist in beiden Geschlechtern die Zeichnung der zweitäussersten Steuerfeder: denn bald zieht sich ein schmaler weisser Längsstreifen auf der Innenfahne nahe dem Schafte von der Spitze bis zu einem Drittheil der Feder hinauf, bald ist nur der erste Anfang dieses Streifens an der Spitze der Feder vorhanden und bald endlich verschwindet er gänzlich Differenzen, die sieh oft an den beiden Seiten eines und desselben Individuums bemerken las- sen. An frischgeschossenen alten Männchen von E. aureola fand ich im Juni und Juli die

l)1.e. IV. p. 324.

2) Sibir. Reise. 1. c. p. 137.

3) Für die meisten kleinen Singvögel, Ammern, Finken, Bachstelzen, Meisen, Grasmücken u, s. w. brauchen die Giljaken die meist als Lautnachahmungen gebildeten Bezeichnungen «tschebrik, äsirnga, sakch, tschrad, menj, na- ajachz» u. a. m., die Mangunen und Golde: «zi-20, zinda, zindako, zeoza, ssizirga» U. 5. W.

4) The Birds of Eur. III. Tab. 174. 5) Sibir. Reise. 1. c. p. 138.

278 Vögel.

Iris dunkelbraun, den Oberschnabel hornbraun, den Unterschnabel fleischfarben, die Füsse hellbraun. } Ä

E. aureola ist wohl eine der häufigsten Ammerarten im Amur-Lande und bewohnt na- mentlich die mit vielem Unterholze versehenen Laubwälder und hauptsächlich auch die aus- gedehnten, dichten Weidengebüsche derAmur-Inseln. Letztere Localität scheint sie besonders zu lieben, da Pallas sie ausdrücklich auch auf den mit Weiden bewachsenen Inseln des Ir- tysch und anderer Flüsse Sibirien’s angiebt'). Das früheste Exemplar im Jahre schoss ich am 12 Mai (1855), nahe der Chaselach-Mündung am unteren Amur. Doch muss sie bei Weitem früher, wahrscheinlich schon in den ersten Tagen Mai’s an der Amur-Mündung an- langen, daMiddendorff sie vom 10. Mai an im Stanowoi-Gebirge, im Flussgebiete desUd und an der Südküste des Ochotskischen Meeres beobachtet hat. Am „>; Juni scheuchte ich im Grase eines Laubwaldes am See von Kidsi ein oflenbar nistendes Pärchen auf, davon ich das Männchen schoss. Später im Juni und Juli habe ich E. aureola oft in den Weiden- büschen der Amur-Inseln beobachtet und erlegt; so bei Kidsi, Dshai, an der Ussuri- Mündung u. s. w. Vom oberen Amur hat uns Hr. Maack vom 25. und 26. Mai (6. und 7. Juni) mehrere Exemplare (lauter Weibchen) aus der Umgegend Albasin’s und der Oldoi- Mündung mitgebracht. |

39) Emberiza rustiea Pall.

Beim Vergleiche der Amur-Exemplare dieses Ammers mit den mehrfachen Beschreibungen und Abbildungen, die wir von demselben haben, finde ich nichts mehr zu bemerken, als dass auch bei ihnen durchweg der weisse oder, beim Weibchen und bei den jungen Herbstexempla- ren, gelbliche Nackenfleck sich findet, den man in Gould’s Abbildung?) vermisst und auf den Middendorff®) aufmerksam macht. Besgleichen sind bei den letzteren ausser jenem Nackenflecke auch der Hinteraugenstreif und die Kehle gelblich und wird das Schwarz des Scheitels durch gelbliche Federränder, die sich zum Frühjahr wahrscheinlich theilweise abreiben, mehr oder weniger verdeckt. Bei allen meinen Exemplaren endlich wird die weisse oder gelbliche Kehle jederseits von einer mehr oder minder unterbrochenen Reihe schwarzer Flecke eingefasst, wie wir das auch von Pallas und in der Fauna Japonica‘) angegeben finden, in Gould’s Abbil- dung aber vermissen. Am frischgeschossenen Vogel waren im September und October die Iris dunkelbraun, der Schnabel gelblich, auf der Firste und an der Spitze graubraun, die Füsse Neischfarben, die Nägel grau; im April die Iris gelbbraun, der Schnabel graugelblich, am Oberkiefer braun, die Füsse Nleischfarben.

!) Pallas, Reise durch versch. Prov. des Russ. Reichs. II. p. 711. ?) The Birds of Eur, IH. Tab. 177.

3) Sibir. Reise. 1. c. p. 139.

*) Fauna Japon. Aves. p. 98. Tab. LVIII.

Emberiza rustica. E. Pihyornus. 279

Dieser Ammer, der in Transbaikalien nach Pallas') schon im März, inKamtschatka aber erst im Mai?) sich einfindet, kommt im Amur-Lande in der 2ten Hälfte April’s an. Middendorff hat ihn im Stanowoi-Gebirge mit dem 26. April bemerkt. An der Mündung des Amur-Stromes beim Nikolajevschen Posten sah ich ihn im Frühjahr 1855 zum ersten Mal am 23. April (5. Mai) in Schwärmen im lichten Nadelwalde nahe dem Amur-Ufer. Im Herbst.1854 liessen sich dort die ersten, auf dem Durchzuge begriflenen Schwärme am 28. Sept. (10. Oct.) im Unterholze eines lichten Lärchenwaldes am Ufer des Stromes sehen. Einen einzelnen, offenbar verspäteten Nachzügler aber schoss ich dort noch am 43 Oct. nach bereits ausgefallenem Schnee.

40) Emberiza Pithyornus Pall.°).

Das bekannte Variiren dieses Ammers in Beziehung auf die grössere oder geringere Ausdehnung der weissen Kopfplatte, zumal beim Weibchen, und des weissen Halsfleckes, so wie in Beziehung auf die stärkere oder schwächere rothbraune Fleckung der weisslichen Un- terseite‘) lässt sich auch an den uns vorliegenden Amur-Exemplaren wahrnehmen. Im Ue- brigen stimmen aber dieselben ganz mit den bekannten Beschreibungen von Pallas, sowie mit Exemplaren aus Westsibirien in unserem Museum überein.

Bemerkenswerth ist, dass E. Pihyornus im unteren Amur-Lande unverhältnissmässig frühzeitiger als im Stanowoi-Gebirge sich einstellt. Denn während sie im letzteren im Jahre 1844, nach Middendorf£f’s Beobachtungen, erst am 10. Mai anlangte, traf sie im Frühjahr 1855 beim Mariinskischen Posten bereits am 14 April, also um einen vollen Monat früher ein. Hr. Maximowicz beobachtete sie an diesem Tage in 3 Individuen am Ufer des Amur- Stromes; zwei derselben, die er erlegte, waren Männchen, wahrscheinlich die ersten Ankömm- linge, da die Weibchen, nach Pailas, etwas später anlangen sollen. Am 2, Mai war E. Pı- thyornus bei Dshai unweit vom Mariinskischen Posten schon gepaart. Aus dem oberen Amur-Lande haben wir durch Hrn. Maack Exemplare von der unteren Schilka vom und 42 Mai erhalten.

1) Reise durch versch, Prov. des Russ. Reichs. III. p- 698., Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 43. f

2) Steller, s. Pallas, Zoogr. 1. c.

3) Wir müssen jedenfalls der Bezeichnung von Pallas, der diesen Ammer zuerst in vollkommen kenntlicher Weise beschrieb (vgl. dessen Reise durch versch. Prov. des Russ. Reichs. St. Petersb. 1773. Il. p. 710. und Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 37.), vor dem neuerdings durch Degland (Ornithol. Europeenne. Paris. Lille. 1849. I. p. 252) angeb- lich auf Grundlage der Priorität Brisson’s eingeführten Namen «Emober. esclavonicus» (!) den Vorzug geben. Denn ab- gesehen davon, dass Degland den von Brisson (Ornithol. Paris. 1760. III. p. 94.) gebrauchten Namen «Passer scla- vonicus (Moineau d’Esclavonie)» willkürlich abgeändert hat, lässt sich in Brisson’s ungenügender Beschreibung der Pallias’sche Ammer noch keineswegs mit Sicherheit erkennen. Vrgl. auch Bonaparte, Consp. Gener. Avium. p. 466. und desselben Revue critique de l’Ornith. Europ. de M. le Doct. Biegland. Bruxelles. 1850. p. 38,

*) Middendorff, Sibir. Reise. I. c. p 140.

280 Vögel.

41) Emberiza cioides Brandt.

Diese von Pallas) mit der E. cia L. für identisch gehaltene, von Hrn. Akad. Brandt’) zuerst als selbstständig erkannte Ammerart liegt uns durch Hrn. Maack in einem Exemplare und zwar einem Weibchen vor, das in Nertschinsk am 21. April (3. Mai) einzeln im Ge- büsch geschossen wurde. Dieses stimmt nun einerseits vollkommen mit den von Pallas und Brandt entworfenen genauen Beschreibungen und andrerseits auch sehr nahe mit der von Temminck und Schlegel ebenfalls unter dem Namen E. cioides (jedoch in selbstständiger Weise) gegebenen Abbildung ?) überein. Der einzige Unterschied zwischen unserem Exemplare und dieser Abbildung besteht nämlich darin, dass die Kehle in letzterer gelblich, bei unserem Exemplare dagegen rein weiss ist, und dass bei letzterem die Rostfarbe auf der Rückenseite und in der Mitte des Bauches, bei sonst völlig gleicher Zeichnung, blasser ist. Zwischen den Weibchen der sibirischen und der japanischen Form von E. croides lässt sich also lange kein so grosser Unterschied wie zwischen den respectiven Männchen finden. Denn bei letzteren geben Temminck und Schlegel den Wangenlleck nicht rothbraun, wie bei der sibirischen Form, sondern schwarz und die Unterseite dunkler und ohne das abgesetzte rothbraune Brustband an, welches sich bei allen sibirischen Exemplaren findet‘. Die Weibchen beider Formen difleri- ren dagegen in diesen Punkten so gut wie gar nicht von einander, indem der Wangenfleck bei beiden rothbraun ist und die Bauchseite bei unserem Exemplar auch ein kaum schärfer als in der erwähnten Abbildung abgesetztes Rothbraun trägt. Diese nahe Uebereinstimmung der japanischen und der sibirischen Weibchen unter einander unterstützt in hohem Grade die von Middendorff schon nach Vergleichung der respectiven Männchen ausgesprochene Ansicht, dass die japanische Form (E. cioides Temm. et Schleg.) nur eine Varietät der sibirischen E. cioides Brandt sei, während zugleich durch die ansehnliche Differenz, welche zwischen un- serem Exemplare und dem Weibehen von E. cia L. besteht, die Selbstständigkeit der E. cı- oides Brandt noch mehr ausser Zweifel gestellt wird°).

42) Embheriza rutila Pall.

Von unseren Exemplaren dieser Ammerart aus dem Amur-Lände ist das Männchen mit der Abbildung in der Fauna Japonica (Tab. LVI. B.) vollkommen übereinstimmend, indem die braunrothe Farbe bei demselben ebenso schön und gleichmässig über den Kopf, den Hals und

!) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 39.

2) Bullet. de la cl. phys.-mathem. de l’Acad. Imp. des sc. de St.-Petersb. 1843. I. p. 363.

3) Fauna Japon. Aves. Tab. LIX.

#) Vrgl. Middendorff, Sibir. Reise. I. c. 141. Ein japanisches Exemplar, das unser Museum durch Temminck besitzt und das der Abbildung in der Fauna Japon. genau entspricht, lässt diesen Unterschied zwischen dem sibirischen und dem japanischen Männchen von E. cioides ebenfalls deutlich erkennen.

°) Bekanntlich hielten nämlich Temminck und Schlegel ihre E. cioides aus Japan, trotz dem dass sie ihr einen besonderen Namen gaben, doch nur für eine Varietät von E. ciaL. (Fauna Japon. Aves. p. 98.), eine Ansicht. der auch Bonaparte (Consp, Gener. Av. p. 466.) beitrat, indem er E. cioides Temm, et Schleg. als synonym mit E. cia L. zusammenstellte, während er E. cioides Brandt (E. cia Pall.) für eine selbstständige Art hielt.

Emberiza rutila. E personata. 281

die ganze Oberseite mit Ausnahme der Schwingen und Steuerfedern sich erstreckt. Ja diese Farbe breitet sich bei unseren Exemplaren noch etwas mehr als in der erwähnten Abbildung aus, indem sie auch die ganze Aussenfahne der beiden letzten und einen grossen Theil der vor- hergehenden Hinterschwingen einnimmt. Das Weibchen ist wie Middendorff ) es beschreibt, auf dem Rücken ammerfarben mit braunrothem Bürzel und ebensolchem Anfluge auf den oberen Flügeldeckfedern und dem Scheitel. In beiden Geschlechtern ist bei unseren Exemplaren die äusserste Steuerfeder einfarbig schwarzbraun mit einem kurzen und schmalen weissen Saume an der Spitze der Innenfahne eine Zeichnung, die etwas variirt, da Middendorff den weissen Endsaum an der Aussenfahne, Temminck und Schlegel?) quer von einer Fahne zur anderen bemerkt haben. Im Flügel sind, ebenfalls etwas abweichend von den Angaben der letzteren, die 3 ersten Schwingen von gleicher Länge und um ein Geringes länger als die 4°. Am frischgeschossenen Männchen waren im Mai der Oberschnabel hornfarben, der Unterschnabel bläulichgrau, die Füsse fleischfarben.

Pallas°) kannte E. rutila nur aus Daurien, vom Onon und von den Gränzen der Mon- golei, und zwar als eine der seltneren Ammerarten. Middendorff traf sie jedoch häufig und vorzugsweise heimisch in der Gegend von Udskoi-Ostrog, und Siebold brachte sie aus Japan. Unser Pärchen ist von Hrn. Maack an der unteren Schilka nahe ihrem Zusammen- flusse mit dem Argunj am 42 Mai im Weidengebüsche am Flussufer geschossen worden. Ohne Zweifel kommt diese Ammerart auch im unteren Amur-Lande vor.

43) Emberiza personata Temm. et Schleg.

Die specifischen Kennzeichen dieser Ammerart im Vergleich zu der ihr nächstverwandten folgenden sind von Temminck und Schlegel‘) und ausführlicher noch von Middendorff?) besprochen worden. Es kann daher nicht schwer fallen, diese Arten auseinander zu halten. Uns liegen von E. personata zwei Weibchen aus dem Amur-Lande vor, die in jeder Bezie- hung ganz ebenso wie ein japanisches Exemplar in unserem Museum beschaffen sind: oben ammerfarben mit grünlichem Anfluge am Kopfe und Halse, unten vom Kinnwinkel an kana- riengelb, mit intensiverer Farbe als bei E. spodocephala und mit schwarzbraunen Schaftflecken, die auf der Vorderbrust am dichtesten stehen, an den Weichen aber am grössten und längsten sind. Deutlich tritt bei denselben auch der in der Fauna Japonica (Tab. LIX. B.) angegebene gelbe Streifen über und hinter dem Auge hervor, der die grünlichgraue, braungefleckte Wan- gengegend nach oben begränzt und den man ebenfalls zu den die E. personata von E. spodoce- phala unterscheidenden Kennzeichen rechnen darf. Am frischgeschossenen Vogel waren im

1) Sibir. Reise. 1. c. p. 142. 2) Fauna Japon. Aves. p. 95. 3) Reise durch versch. Prov. des Russ. a II. p. 698., Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 53. %) Fauna Japon. Aves., p. 99. 5) Sibir. Reise. 1. c. p. 143. Schrenck’s Amur-Reise Bd. 1. 36

282 Vögel.

August die Iris dunkelbraun, der Schnabel braunschwarz, der Unterschnabel an der Basis hel- ler, gelblich, die Füsse fleischfarben.

Beide Exemplare von E. personata schoss ich am 22. Aug. (3. Sept.) in der Umgegend des Nikolajevschen Postens im Gesträuch von Erlen, Birken und Weiden. Beide waren noch in der Mauser begriffen. Vermuthlich geht diese Ammerart nicht über das Amur-Land nach Norden hinaus, da man sie bisher im Osten Sibirien’s nicht beobachtet hat und aueh Mid- dendorff dieselbe, trotz seiner reichen Ausbeute, weder an der Südküste des Ochotskischen Meeres, noch im Stanowoi-Gebirge gefunden hat. Ja es dürfte demnach nicht unwahr- scheinlich sein, dass sie mit der Mündung des Amur-Stromes auch ihre Nordgränze erreicht.

44) Emberiza spodocephala Pall.

Indem wir für diese Ammerart auf die Beschreibungen von Pallas') und Middendorff und auf die Abbildungen in Middendorff’s Sibirischer Reise (Tab. XII.) verweisen, brau- chen wir für unsere zahlreichen Exemplare aus dem Amur-Lande bloss auf einige unbedeu- tende Abänderungen in der Farbe und Zeichnung dieses Vogels aufmerksam zu machen. Da- hin gehört, dass beim Männchen die schwarze Farbe am Kinnwinkel bald nur in leiser An- deutung, bald über das ganze Kinn, ja bisweilen sogar in einzelnen Fleckehen bis zur Kehle verbreitet ist; dass ferner der grünlichgraue Scheitel bisweilen mit schwärzlichen Schaftstrichen bedeckt ist, und dass beim Weibchen die gelbe Farbe der Unterseite bald mehr, bald weniger in das Grau des Halses vorspringt. In beiden Geschlechtern endlich variirt das Gelb der Un- terseite bei Exemplaren, die zu gleicher Zeit und am selben Orte geschossen worden sind, von einem sehr blassen, weisslichen Gelb bis beinahe zum Kanariengelb. Am frischgeschossenen Vogel waren im August die Iris dunkelbraun, der Schnabel hornfarhen, an der Basis des Un- terkiefers fleischfarben, die Füsse hellbraun.

Wie im Flussgebiete des Ud und an der Südküste des Ochoiäkischen Meeres, nach Middendorff’s Beobachtungen, so ist E. spodocephala auch im gesammten Amur-Lande die häufigste Ammerart. Namentlich belebt sie die ausgebreiteten und endlosen Weidengebüsche der Amur-Ufer und Inseln, das Unterholz aller Laub- und Nadelwälder am Amur .und an der Meeresküste, die Grasfluren der Prairieen u.s.w. Häufig habe ich sie auch in dem hohen Artemisia-Grase gesehen, welches die Wohnungen der Giljaken, Mangunen und Golde zu umgeben ER Obgleich ich sie im Nikolajevschen Posten, den ich in beiden Jahren (1855 nd 56) am 43 Mai verliess, im Frübjahr nicht habe ankommen sehen, fand ich sie am 42 Mai on der letzten Biegung des Amur-Stromes, bei Kalm, Tyr u. s. w. schon ge- paart. Noch weiter aufwärts, bei Dere, gleich oberhalb der Chelasso- Mündung, traf Hr. Maximowiez sie schon am „$, Mai vor. Aus dem oberen Amur-Lande, von der unteren Schilka, haben wir die frühesten Exemplare durch Hrn. Maack vom 38 Mai erhalten. Im

!) Reise durch versch. Prov. des Russ. Reichs. III. p. 698., Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 51.

Emberiza spodocephala. E. Schoeniclus. 283

Laufe des ganzen Sommers habe ich sie im unteren Amur-Lande häufig beobachtet und ge- schossen; so bei Kidsi, Ssutschu, Uch’ssumi, am unteren Ussuri u. s. w. Ein Exem- plar des jungen Vogels vom -?, Aug. ist in der Mauser begriffen.

45) Emberiza Schoeniclus L.

Bekanntlich führt Pallas') den Rohrammer für Sibirien sowohl in der typischen, durch ganz Europa bekannten Form, als auch in einer besonderen, dem Osten (und Norden) Sibi- rien’s eigenthümlichen Varietät (Var. ß.) an. Auch uns liegen aus dem Quelllande des Amur- Stromes beide Formen vor.

Die erstere, von der wir nur ein Weibchen aus dem Nertscha-Thale besitzen, ist nach Farbe und Grösse vollkommen so beschaffen wie westsibirische, vom Irtysch herrührende Exemplare in unserem Museum. Mit dem europäischen Vogel in der akademischen Sammlung und der Abbildung Gould’s”) verglichen, haben sie bei völlig gleicher Zeichnung nur eine etwas blassere Rostfarbe an den Kanten der Kopf-, der Flügeldeckfedern und der Schwingen. Namentlich sind bei ihnen die kleinen oberen Flügeldeckfedern ebenfalls rostfarben, und dem Weibchen fehlen weder der grosse, unregelmässig dreieckige, schwarze Fleck zu den Seiten der Kehle, noch auch deutliche bräunliche Schaftflecke an Brust und Weichen. Dabei sind aber unsere Exemplare aus Ost- und Westsibirien von etwas kleinerem Wuchse als die euro- päischen, indem sie die Mitte zwischen diesen und der weiter unten zu besprechenden klei- nen Varietät einnehmen. Aus diesem Grunde und weil sie auch im Verblassen der Rostfarben einen deutlichen Uebergang zur ostsibirischen Varietät bilden, könnte man sie auch als Var. media bezeichnen. Da jedoch auch unter den Rohrammern Europa’s, zumal wenn man In- dividuen von verschiedenen, nördlichen und südlichen Fundorten gegen einander hält, nicht geringe Grössen- und Farbendiflerenzen vorkommen, so kann man diese den Uebergang zur Var. ‘minor vermittelnden Exemplare noch recht gut zur typischen Form rechnen. Wie weit der Grössenunterschied derselben von der europäischen Form geht, mag aus folgenden Maas- sen unseres Nertscha-Exemplares ersichtlich sein:

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr) 5” 4”

» des zusammengelegten Flügels............. RE 2 u » des Schwanzes .. 2. someone. FO OO SC IARDL- 2a" 5” » des Schnabels............ MN Hair a Breite des Schnabels am Kinnwinkel.......... Eu ee, ze at Länge des Laufes ....... SINE EEE Sb fatehe jufaye je lei hhliie 91” » der Mittelzehe ohne Nagel ...... dee re _ 7"

1) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 47. 2) The Birds of Europe. III. Tab. 183.

%

284 Vögel.

Länge des Nagels an der Mittelzehe........... ee en al » der Hinterzehe ohne Nagel ...esseensenaneeun 31” » des Nagels an der Hinterzehe ......uc2r20... a

Am frischgeschossenen Weibchen fand Hr. Maack im April die Iris dunkelbraun, den Oberschnabel schwärzlichbraun, an der Basis heller, den Unterschnabel an der Spitze dunkel- braun, im Uebrigen bläulichgrau, die Füsse bräunlich mit dunkleren Zehen.

E. Schoeniclus L. Var. minor Midd.

Middendorff, Sibir. Reise. II. Bd. 2. Thl. p. 144.

E. Schoeniclus Var. ß. Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. II. 48. E. passerina Pall., 1. c. p. 49.

E. polaris Midd., Sibir. Reise. 1. c. p 146.

Die von Pallas und Middendorff entworfenen, erschöpfenden Beschreibungen dieser Rohrammervarietät lassen sich so vollständig auch auf unsere aus dem Amur-Lande stammen- den Exemplare beziehen, dass wir diese nicht besonders zu beschreiben brauchen und uns nur auf einige ergänzende Bemerkungen über die Art und Weise ihres Variirens beschränken können. Dieses scheint uns nämlich, nach unseren Exemplaren zu urtheilen, noch weiter zu gehen, als man bisher glaubte, da wir auch in der von Middendorff für selbstständig gehal- tenen E. polaris nur ein Weibchen derselben, kleinen Varietät vom Rohrammer zu erkennen glauben.

Bekanntlich tragen bei dieser Art Männchen und Weibchen ein sehr verschieden gezeich- netes Kleid. Was nun ersteres betriflt, so unterscheidet es sich in der Var. minor von der ty- pischen, europäischen Form hauptsächlich durch eine grössere Ausbreitung der schwarzen Farbe auf den Rücken- und besonders auch auf den oberen Flügeldeckfedern, zugleich mit einer Einschränkung und Verblassung der rostfarbenen Säume an denselben, und ferner durch einen helleren, weisslichen Bürzel und ebensolche obere Schwanzdeckfedern. Dass daneben oft auch die schwarze Farbe der Kehle eine geringere Ausdehnung hat, die schwarzen Federn des Kopfes mehr gelbliche Federkanten besitzen, das weisse Halsband eingeschränkter und schmutzi- ger, mehr gelblich und graulich als beim typischen Rohrammer ist u. dgl. m., lässt sich ebenfalls aus den erwähnten Beschreibungen, wie aus unseren Amur-Exemplaren ersehen. Zugleich wird man aber auch kaum zwei Individuen finden, welche in diesen variablen Zeich- nungen einander vollkommen gleich wären, und dagegen oft solche treffen, welche mit der typischen Form in einem oder dem anderen Punkte-ganz übereinkommen und somit auch den Beweis für die nur in den Gränzen der Varietät sich bewegende Verschiedenheit dieser For- men abgeben. So führt z. B. Middendorff an, dass obgleich das Schwarz der Kehle bei der Var. minor meist nicht über eine Linie hinausreicht, die man von Flügelbug zu Flügelbug zieht, dasselbe doch bei manchen Exemplaren auch ebensoweit und noch weiter als bei der typischen Form hinabreicht. Auch unsere Amur-Exemplare zeigen in dieser Hinsicht bedeu- tende Diflerenzen, indem das Schwarz bei einigen nur wenig über das Kinn, bei anderen über

Emberiza Schoeniclus, Var. minor. 285

die ganze Kehle und bei noch anderen auch über die oben angegebene Linie hinaus sich ver- breitet. Auch ist es an der Kehle wie am Kopfe in sehr ungleichem Grade mit gelblichen oder weisslichen Federkanten versehen. Bei einem Exemplar z. B. fehlen dieselben, bis auf einen schwachen weisslichen Streifen hinter dem Auge, ganz; bei einem anderen dagegen bedecken sie den ganzen Scheitel und sind besonders an der Stirn, am Hinterhaupt und über den Au- gen stark vorherrschend. An letzterem Orte bilden sie einen rostgelblichen Streifen, der von der Stirne bis zur Ohrgegend verläuft, beim Aufheben der Federchen aber natürlich verschwin- det. Gleichzeitig sind bei diesem Exemplar die Federn an den Wangen und am Kinn ganz schwarz, an der Kehle dagegen mit ansehnlichen weisslichen Spitzen versehen; während bei einem anderen umgekehrt der ganze Scheitel bis zum Nacken und die Kehle rein schwarz, Kinn und Wangen dagegen mit weisslichen Federspitzen gezeichnet sind. Dass das Mehr oder Weniger dieser hellen Federkanten und Spitzen mit dem Alter und mit der Jahres- zeit zusammenhängt, indem sie in der Regel bei jungen Männchen und im Herbstkleide am vorwaltendsten sind, ist auch an der typischen Form zur Genüge bekannt. Dennoch finden sich in dieser Hinsicht auch bei Individuen von scheinbar gleichem Alter und von einer und derselben Jahreszeit noch bedeutende Differenzen. In letzterem Falle wird man jedoch immer bemerken, ‚dass bei den mit stärkerem Rostgelb an den Kopfledern versehenen In- dividuen auch im übrigen Gefieder die Federkanten weniger abgenutzt sind. Dass aber diese Abnutzung je nach dem vorausgegangenen Aufenthalte der verschiedenen Individuen in ver- schiedener Localität, in höherem oder niedrigerem, lichterem oder gedrängterem, härterem oder weicherem Grase oder Gebüsche u. s. w. sehr verschieden sein muss, versteht sich von selbst. Dieser ungleichen Abnutzung des Gefieders sind denn meist auch die übrigen inviduel- len Verschiedenheiten in der Zeichnung unseres Vogels zuzuschreiben. So hängt von derselben natürlich auch die Breite und Reinheit des weissen Halsbandes und die mehr oder weniger schwarze, rostgelb gefleckte Farbe des Rückens und besonders auch der Flügeldeckfedern ab. Uns liegt ein Frühlingsexemplar vor, bei welchem der Hals oben ganz graugelb ist und die Rücken- und oberen Flügeldeckfedern nicht weniger breite rostgelbe Kanten als bei der typi- schen Form besitzen, während andere Exemplare 'ein fast rein weisses Halsband und nur we- nig Rostgelb auf dem Rücken und an den Flügeldeckfedern haben. Erklären sich aber damit auch die individuellen Verschiedenheiten bei unserem Vogel, so bleiben doch in der Farbe und Zeichnung desselben einige Charaktere übrig, welche ihn der typischen Form von E. Schoeniclus gegenüber als geographische Varietät kennzeichnen. Diese bestehen darin, dass das Schwarz auf den Rücken- und Flügeldeckfedern stärker vorherrscht und die Rostfarbe an den Federkanten schmäler und besonders auch viel blasser ist. Namentlich treten bei der Var. minor am Flügelbuge die auch bei der typischen, wenn auch in geringer Zahl, vorhandenen schwarzen, graugerandeten Federchen allgemein hervor und ersetzen die mit intensiver Rost- farbe gekanteten der europäischen Form, so dass der Flügelbug bei ihr nicht rostfarben, son- dern grau erscheint. Einzelne dieser Federchen tragen unter den grauen auch einige gelbe Kanten, allein diese verschwinden in der grauen Gesammifarbe ebenso wie bei der europäischen

286 Vögel.

Form umgekehrt die wenigen grauen Kanten unter den rostfarbenen. Ebenso tragen nun bei der Var. minor auch die mittleren und grossen Flügeldeckfedern, die Schwingen, zumal die hinteren, und die Rückenfedern statt der beim europäischen Rohrammer breiten und schönrost- farbenen nur schmale und bleichrostgelbe Kanten, die bisweilen sogar zu einem schmutzigen Weiss verbleichen. Letzteres findet sich schon bei einem unserer Amur-Exemplare, tritt aber noch entschiedener bei einem Individuum von der Birjussa hervor, das an den bezeichneten Stellen, namentlich an den mittleren und grossen Flügeldeckfedern und den hintersten Schwin- gen, fast rein weisse Kanten hat. Zu diesen Kennzeichen geographischer Varietät müssen wir ferner auch die hellere, weissliche Farbe des Bürzels und der oberen Schwanzdeckfedern bei den ostsibirischen und Amur-Rohrammern rechnen. Dass dies Alles aber nur Varietäts- und nicht Artkennzeichen sind, geht schon daraus hervor, dass der Unterschied hier nur in dem verschiedenen Grade der Intensität und Ausbreitung derselben Farben liegt, die man im All- gemeinen in derselben Vertheilung auch bei der typischen Form findet.

Ziemlich dieselben Charaktere zeichnen nun auch das Weibchen der kleinen Rohram- mervarietät aus. Auch dieses hat nämlich, bei einer im Allgemeinen röthlicheren Farbe als das Männchen, im Vergleich zur typischen Form einen helleren, blasseren Bürzel, eine überwiegend graubraune Farbe an den kleinen oberen Flügeldeckfedern und überhaupt blei- chere, nicht sowohl rostrothe als rostgelbe Kanten an allen Federn der Oberseite, was nicht bloss für die Rücken-, die oberen Flügeldeckfedern und die Schwingen, sondern auch für die im Kleinen ganz ebenso gezeichneten Kopffederchen gilt. Dabei findet oft auch ein Verblassen der Unterseite sowohl in der Grundfarbe, wie in den bräunlichen Flecken statt. Namentlich nimmt, gleich dem oft geringeren Schwarz an der Kehle des Männchens, beim Weibchen die- ser Varietät der schwarzbraune Fleck an den Halsseiten sehr ab, ja bisweilen so weit, dass er kaum grösser als die kleinen Tropfenflecken erscheint, die die Kehle nach unten begränzen. In solchem Falle ist denn unser Vogel an der Kehle ganz ebenso gezeichnet wie die Z. polaris Midd., bei der die weissliche Kehle nach unten von einem aus einzelnen kleinen braunen Flecken gebildeten Halsbande begränzt wird. Solche Rohrammerweibchen, die uns aus dem Amur-Lande vorliegen, stimmen denn auch in den übrigen Charakteren mit der E. polaris überein, bis auf ein stärkeres Rostgelb an der Oberseite, das sie einer geringeren Abnutzung ihrer Federkanten verdanken. Halten wir hier die betreffenden Exemplare gegen einander, so lässt sich Feder für Feder dieselbe Zeichnung und nur ein sehr ungleicher Grad der Ab- nutzung des Gefieders bemerken. Indem diese bei E. polaris, die beim Neste am 23. Juni, und also in viel späterer Jahreszeit als unsere, am 21. April bis 3. Mai erlegten Exemplare ge- schossen war, so weit gediehen ist, dass alle rostgelben Federkanten bis auf schwache, oft nur in einzelnen Bärtchen vorhandene Ueberbleibsel abgestossen sind, tritt allenthalben die graubraune Farbe der Federmitten mehr zu Tage und giebt dem Vogel ein dunkleres und minder röthliches Ansehen. Auch scheint mir diese graubraune Farbe der Federmitten bei E. polaris in Folge des fehlenden Schutzes der Federkanten etwas verblichener als bei den Rohrammerweibchen vom Amur zu sein. Wie in der Zeichnung, so stimmen letztere auch

Emberiza Schoenielus, Var. minor. 287

in den übrigen Punkten ganz mit dem von Middendorff an der Boganida geschossenen Exemplare (der E. polaris) überein: die Schwingen haben genau dieselben Grössenverhältnisse und Einengungen an der Aussenfahne; vom Schnabel der E. polaris giebt Middendorff selbst an, dass er mit dem der E. Schoenichts übereinkomme und dagegen von demjenigen der E. pusilla abweichend sei; dass auch die Maasse beider sehr nahe übereinstimmen, geht aus un- seren weiter unten angeführten Vermessungen der Amur-Exemplare hervor. Auch scheint das hochnordische Vorkommen der E. polaris, an der Boganida in 71° n. Br., nicht gegen unsere Ansicht, dass es ein Rohrammerweibchen der kleinen Varietät sei, zu sprechen. Be- kanntlich steigt E. Schoeniclus auch in Europa bis zu den Küsten des Eismeeres hinauf"), und in Sibirien kommt E. passerina Pall., in der man ebenfalls die Var. minor vom Rohrammer er- kannt hat”), bei Berjosov und also noch in sehr nördlichen Breiten vor. Endlich scheinen mir auch die Angaben Middendorff’s über das Nest und die Eier der E. polaris leicht auf die Var; minor vom Rohrammer bezogen werden zu können. Vergleicht man sie nämlich mit denjenigen Messerschmidt’s®) über das Nest und die Eier der daurischen Varietät von E. Schoeniclus, so lauten beide sehr ähnlich: hier wie dort lag nämlich das Nest im Gebüsche, nahe oder ganz auf dem Erdboden und war aus Grashalmen gewunden und mit weichen (bei E. polaris vom Rennthier entlehnten) Haaren ausgefüttert; die Eier beider waren schmutzig weisslich, mit kleinen Linien und Streifen gezeichnet. Leider giebt uns Messerschmidt die Maasse der von ihm beobachteten Rohrammereier nicht an. Allein hält man Middendorff's Abbildung der Eier von E. polaris gegen diejenige Thienemann’s von E. Schoeniclus‘), so findet man die ersteren, bei sehr ähnlicher, bloss etwas weniger gefleckter Zeichnung, nur um ein Geringes kleiner als die letzteren, wie das von der kleineren Varietät auch nicht anders zu erwarten stand, und übrigens mit dem kleinsten von Thienemann°) vermessenen Rohr- ammereie aus Lappland (von 8” Länge und 6” Breite) vollkommen gleich gross.

Kehren wir nun zu unseren Amur-Exemplaren vom Rohrammer zurück, so haben wir an denselben noch einen und zwar den hervorragendsten Varietätscharakter zu besprechen, wir meinen ihre im Vergleich zur typischen Form sehr merklich geringere Grösse. Die Maasse an unseren 5 Exemplaren vom Amur und einem von der Birjussa sind folgende:

An un Birjussa. Männchen. Weibchen. Männchen. Länge von der Schnabel- bis zur Schwanz-

Spitze (amsekihr) 2 BE a aa AT RR. 5 » des zusammengelegten Flügels .... 2’ 8” a’9” a’ 7" a”5” 2’6” a’g"”

!) Keyserling und Blasius (Die Wirbelth. Europa’s. p. XXXIX) führen sie zwar für Europa «mit Ausschluss des hohen Nordens» an, allein nach Nilsson (Skand. Fauna. Foglarna. I. p. 374) kommt sie im Sommer auch in den nördlichsten Theilen der skandinavischen Halbinsel vor, und Wallengren (Brützonen der Vögel innerhalb Skandi- navien’s, s. Naumannia. IV. Jahrg. 1854. p. 236) lässt sie ausdrücklich bis zu den Küsten des Eismeeres hinaufgehen.

2) Vrgl. Middendorff, I. c. p. 144.

3) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 47.

4) Thienemann, Fortpflanzungsgesch. der gesammten Vögel. Tab. XXXIIM. fig. 9. a. b. c.

5) 1. c. p. 370.

288 Vögel.

Aguım.aon.r, Birjussa, i gr onen gr gr . ae org ae Länge des Schwanzes . „22. e. +... onen D) = des Schnabels ........ In —33” 33" —33" —31" 3?" 2 2 Höhe des Schnabels vom Vorderende der Nasenlöcher zum Kinnwinkel ge- TIESSLT Sc racE u er Breite des Schnabels an derselben Stelle .. —11” —11”" —11” _11” —11"” —ı11" Länge des Laufes ....... EEE“. —_71" —71" —71" —71" I —_72" » der Mittelzehe ohne Nagel ....... —6"7 —6”" —6” —53” 6” —6”

» des Nagels an der Mittelzehe ..... —21” 21" —21", aa —21” . 224

» der Hinterzehe ohne Nagel....... —3” —3” —3” —23”" _3”7 —31”

» des Nagels an der Hinterzehe..... —21” Er. A iu —21” —.21" 23”

Aus einem Vergleiche dieser Maasse der Var. minor mit der typischen E. Schoeniclus geht hervor, dass erstere der europäischen Form oft um nahe einen Zoll, der westsibiri- schen dagegen nur um 2—8” an Grösse nachsteht. Zugleich aber lässt sich bemerken, dass auch unter den verschiedenen Individuen der kleinen Varietät noch ganz ansehnliche Grös- sendifferenzen, in unseren, freilich an Bälgen genommenen Maassen z. B. bis zu 6 vorkom- men. So bedeutend also auch die Grössendiflerenz zwischen den grössten und kleinsten Rohr- ammern ist, so finden sich doch zwischen denselben so allmählige Uebergänge und so zahl- reiche Mittelgrössen, dass wir auch hier die deutlichsten Beweise einer nur in den Gränzen der Varietät sich bewegenden Verschiedenheit der Formen haben. In ihren extremsten Re- präsentanten nimmt aber die Var. minor so weit an Grösse ab, dass sie, wie die obigen Maasse lehren, sogar unter die Grösse von E. pusilla sinkt und somit zur kleinsten Ammerart Sibi- rien's wird.

Fragen wir nun in welcher Beziehung diese Grössenabnahme des Rohrammers zur geo- graphischen Verbreitung desselben steht? Pallas hat uns keine direkten Angaben darüber hinterlassen, ob und wie weit beide Formen, die typische und die kleine Varietät, in Sibirien neben einander vorkommen, oder sich gegenseitig ausschliessen. Dass in der Gegend am Bai- kal-See, östlich und westlich, beide Formen neben einander sich finden, geht aus unseren Materialien unzweifelhaft hervor, da uns einerseits ein Weibchen der typischen Form aus dem Nertscha-Thale und andererseits ein an der Birjussa und also westlich vom Baikal erlegtes Männchen der kleinen Varietät vorliegt. Bildet aber derBaikal-See auch keine Gränze in die- ser Beziehung, so scheint doch östlich von demselben die kleine Varietät bedeutend vorzuherrschen. Nach Pallas scheint das schon an der Sselenga der Fall zu sein. Auch von der Nertscha be- sitzen wir die kleine Varietät durch Hrn. Maack viel zahlreicher als die typische Form, indem uns von derselben vier gleichzeitig mit einem Exemplare der typischen Form, am 22. April bis 2. Mai (4—14 Mai), erlegte Individuen vorliegen. Noch weiter ostwärts, im Amur-Lande scheint endlich die typische Form ganz durch die kleine Varietät ersetzt zu sein. Wenigstens

Emberiza Schoeniclus, Var. minor. E. pusila. Passer montanus. 289

ist uns erstere aus dem Amur-Lande bisher unbekannt, während die Var. minor von Mid- dendorff allgemein im Stanowoi-Gebirge und bei Udskoi-Ostrog nachgewiesen worden ist und nach unseren Erfahrungen auch am Amur-Strome vorkommt, von wo sie uns nament- lich in einem am 5 Mai bei Dshai, nahe dem Mariinskischen Posten, geschossenen Weib- chen vorliegt. Wie den äussersten Osten, so scheint ferner die kleine Varietät auch den hohen Norden Sibirien’s einzunehmen, indem sie bei Berjosov (als E. passerina Pall.) und an der Boganida (als E. polaris Midd.) gefunden worden ist. Aus diesen Thatsachen geht also her- vor, dass die Grössenabnahme von E. Schoeniclus von Europa nach dem Norden und Osten Asien’s stattfindet und in letzterem, bei der Var. minor, ihr Maximum erreicht.

46) Emberiza pusilla Pall.

Das einzige Exemplar dieses kleinen Ammers, das wir aus dem Amur-Lande heimge- bracht haben, schoss ich am 6; Sept. am oberen Amur, wenig unterhalb der Oldoi-Mün- dung. Es war ein Weibchen, das den Beschreibungen von Pallas') ganz entspricht. Im Herbstkleide haben die Federn des Kopfes rostgelbe Kanten, welche sowohl die schwarzen Seiten-, wie den rostfarbenen Mittelstreifen etwas undeutlich machen und nur in Flecken her- vortreten lassen. Ein Nest dieses Ammers fand ich im unteren Amur-Lande, in einer Lich- tung des Nadelwaldes zwischen dem See von Kidsi und der Meeresküste. Es lag auf der Erde zwischen Moorhümpeln und war kunstlos aus Grashalmen mit Nadeln von Lärchen und Tannen gewunden. ‚Die Eier in demselben, 5 an der Zahl, waren genau von der Grösse und Beschaffenheit, wie Middendorff?) sie darstellt, nämlich stark gedrungen, von 17,5 Millim. Länge und 14 Millim. Breite, auf schmutzigweisslichem Grunde allenthalben mit sehr vielen violettbraunen Punkten und Zeichnungen bedeckt. Am -?, Juni waren dieselben noch ganz unbebrütet. Bemerken wir beiläufig, dass zwischen den Moorhümpeln im Walde hin und wie- der noch Ueberreste von Schnee lagen,

47) Passer montanus L.

Obgleich der Feldspatz vonMiddendorff°) beiUdskoi-Ostrog und von Temminck und Schlegel‘) in Japan angegeben wird, so habe ich ihn doch sonderbarer Weise im unteren Amur-Lande weder in den Ansiedelungen der Russen, noch in den Dörfern der Eingeborenen jemals gesehen. Die ersten Feldsperlinge bemerkte ich am Sachali-Strome, in den mit Acker- bau beschäftigten Dörfern der Dauren, Mandshu und Chinesen. Dort waren sie im

1) Reise durch versch. Prov. des Russ. Reichs. III. p. 697; Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 42. 2) Sibir. Reise. 1. c. Tab. XII. fig. 4. A. 3) Sibir. Reise. 1. c. p. 148. 4) Fauna Japon. Aves. p. 89. Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 37

290 Vögel. l

August häufig zu sehen; die Jungen hielten sich in grossen Schwärmen auf den Feldern und in den Gebüschen nahe von den Dörfern auf. Ein am 41 Aug. bei der Stadt Aigun aus sol- chem Schwarme geschossener junger Vogel war in der Mauser begriffen. Die Oberseite des Kopfes ist nur blass, lehmfarben; Zügel, Augengegend, Wangen und ein vom Kinn zur Brust hinabsteigender Streifen auf der Kehle schwarzgrau, die weissen Querstreifen der Flügel gelb- lich überlaufen. Ein Unterschied vom europäischen Feldspatz ist nicht zu finden.

48) Passer domesticus L.

Dass der Haussperling nach dem Osten Sibirien’s, und zwar schon an derLena und in Transbaikalien, seltner als der ihn zum Theil ersetzende Feldsperling wird, ist uns schon durch Pallas') bekannt. Middendorff”) gab (für das Jahr 1843) Amginskaja Sloboda, im Strom- systeme der Lena, und Ustj-Strelotschnoi Karaul, am Zusammenilusse der Schilka und des Argunj, als die östlichsten Punkte seiner Verbreitung inSibirien an. Ueber diesen letzteren Ort nun scheint er auch zur Zeit meiner Reise noch nicht vorgedrungen gewesen zu sein, da ich ihn niemals im Amur-Lande gesehen habe. Möglich, dass er sich noch im oberen Theile desselben, in den erwähnten ackerbauenden Ansiedelungen der Mandshu und Chinesen fin- den könnte, obschon es mir wahrscheinlicher dünkt, dass er auch dort durch den Feldspatz ersetzt werde. Mit Bestimmtheit kann ich aber behaupten, dass er weiter unterhalb am Amur-Strome in den Dörfern der Eingeborenen und in allen russischen Ansiedelungen bis zum Jahre 1856 noch nicht ‘vorhanden war. Ohne Zweifel wird ihn jedoch die rasch vor- rückende Colonisation und Bodenanbauung am Amur bald von Transbaikalien auch nach den Ansiedelungen an Amur-Strome verpflanzen.

49) Pyrrhula (Uragus) sibirica Pall.

Loxia sibirica Pall. Reise durch versch. Prov. des Russ. Reichs. II. p. 711.

Pyrrh. caudata Pall. Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 10.

P. longicauda Temm. Manuel d’Ornith. I. p. 340.

P. sanguinolenta Temm. Siebold, Fauna Japon. Aves. p. 92. Tab. LIV. et LIV. B.

Von diesem schönen sibirischen Gimpel besitzen wir ein Pärchen von den beiden Quellarmen des Amur-Stromes, der Schilka und dem Argunj. Mit einer Reihe sibirischer Exemplare in unserem Museum verglichen, finden wir das erwachsene Männchen von dem lebhaftesten Rosenroth, einem Exemplar vom Irtysch vollkommen gleich und der Abbildung von P. san- guinolenta Temm. bei Bonaparte und Schlegel’) kaum nachstehend. Das ebenfalls erwach-

I) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 31. | 2) Sibir. Reise. 1. c. p. 149.

°) Monographie des Loxiens. Leiden et Düsseld. 1850. 'Tab. 36. Die Abbildung in der-Fauna Japon. (Tab. LIV.) ist in noch lebhafteren Farbentönen gehalten.

Pyrrhula (Uragus) sibirica. P. vulgarıs, Var. orientalıs. 291

sene Weibchen ist etwas dunkler bräunlich-gelbgrau als die sibirischen Exemplare und nimmt die Mitte zwischen diesen und der Abbildung von Bonaparte und Schlegel ein. Dass übri- gens P. sanguinolenta aus Japan keine selbstständige Art bilden kann, bedarf kaum der Er- wähnung. Bekanntlich machte schon Pallas auf die Abänderung der Farben bei ?. sibirica aufmerksam und bemerkte namentlich, dass die Individuen vom Jenissei schöner als die daurischen und diese wiederum lebhafter gefärbt als die altaischen seien. Zugleich sollte nach Pallas auch die Grösse (das Gewicht) der daurischen bedeutender als das der jenissei- schen sein. Auch stellte Temminck') im Jahre 1835 die japanische Form ohne Weiteres mit seiner P. longicauda zusammen. Es ist daher gewiss nicht zu billigen, wenn dieselbe später von ihm und von Bonaparte und Schlegel”) zwar auch nur als besondere Race von P. si- birica, nichtsdestoweniger aber unter einer specifischen Bezeichnung, Pyrrh. sanguinolenta oder Uragus sanguinolentus, erwähnt wird, was natürlich zur Folge hatte, dass wir sie bald auch unter den selbstständigen Arten finden?). Dennoch dürfte sie in keinem Falle mehr als eine durch etwas lebhaftere Farben und kleineren Wuchs ausgezeichnete Varietät von P. sibirica sein. Wie allmählig der Uebergang von der sibirischen Form zur japanischen in Beziehung auf die Lebhaftigkeit der Farben ist, haben wir schon oben erwähnt. Dass der Flügel bei ersterer vorherrschend weiss, bei letzterer dagegen vorherrschend schwarz sei, wie Temminck und Schlegel angeben, ist auch nicht immer der Fall: wir haben sibirische Exemplare vor uns, bei denen die Kanten der Flügeldeckfedern und Schwingen ebenfalls nur schmal und keines- wegs breiter als bei den japanischen sind, so dass der Flügel auch nur schwarz mit weissen Binden erscheint. Zudem hängt diese Zeichnung auch noch von der verschiedenen Abnutzung der Federkanten ab, und endlich scheinen die jungen Vögel auch in der Regel schmälere weisse Kanten als die alten zu besitzen. Dass die Grössendiflerenzen beider Formen nur ganz allmählige, durch Zwischenstufen vermittelte sind, führen auch Temminck und Schlegel an. Wir haben sibirische Exemplare vor uns, die in der Gesammtlänge unter einander fast um einen Zoll difleriren, wobei die grössten noch nicht ganz die von Pallas angegebenen Maasse erreichen, die kleinsten aber den japanischen bis auf wenige Linien nahe kommen. Hier sind also alle Zwischenstufen von 5’ 3”, den grössten japanischen, bis zu 67 10”, den von Pallas vermessenen sibirischen, zu finden.

Von unserem Pärchen von P. sibirica ist das Männchen an der Schilka, nahe der Ein- mündung der Nertscha in dieselbe, am 21. April (3. Mai) von Hrn. Maack, das Weibchen von mir am Argunj, nahe dem Dorfe Mulatscha, am 49 Oct. erlegt worden.

50) Pyrrhula vulgaris Briss. Var. orientalis Temm. et Schleg. Bei den Giljaken: huwgefk (?). » » Mangunen und Golde: thu.

1) Manuel d’Ornith. III. p. LI. und 252. 2) Monogr. des Loxiens. p. 31. 3) Bonaparte, Consp. gen. avium. p. 529.

292 Vögel.

Seitdem Middendorff') unter den Gimpeln von Udskoi-Ostrog 'die von Temminck und Schlegel als selbstständig hingestellte japanische Form, ?. orientalis?), mit der gemeinen europäischen ?. vulgaris gepaart fand, unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass wir in der ersteren nur eine Varietät von der letzteren haben. Dieser östlichen Varietät gehören nun auch die aus dem Amur-Lande von uns mitgebrachten Gimpel an. Männchen und Weibchen ent- sprechen so vollkommen der in der Fauna Japon. enthaltenen Abbildung (Tab. LI.) °), dass es keiner weiteren Beschreibung derselben bedarf und wir uns nur auf die Anführung einiger kleinen Abweichungen beschränken können, die zugleich die Unhaltbarkeit der P. orientalis als einer selbstständigen Art bekräftigen sollen.

Ohne Zweifel tragen Temminck und Schlegel der Variabilität der Farbe und Zeich- nung bei der japanischen Form zu wenig Rechnung. Vergleichen wir z. B. unser Männchen vom Amur mit zwei japanischen Exemplaren in unserem Museum und mit der erwähnten Abbildung der P. orientalis, so hat es zwar ganz dasselbe Roth in der Parotisgegend und an der Kehle, aber einen etwas röthlicheren Farbenton an der Brust und am Oberbauch, was of- fenbar mit dem höheren Alter desselben zusammenhängt, da es auch auf dem Rücken einen schwach röthlichen Anflug besitzt. Dabei ist das helle Querband auf dem Flügel nicht rein asch- grau, sondern weisslichgrau. Hierin finden aber bekanntlich auch bei den europäischen Exem- plaren von ?. vulgaris zahlreiche Schwankungen vom Aschgrauen bis zu fast vollkommenem Schneeweiss statt. Nähert sich durch die angeführten Züge das erwähnte Männchen vom Amur der P. vulgaris, so fehlt ihm dagegen wie bei der P. orientalis der rothe Fleck auf der Aussenfahne der letzten Hinterschwinge, welche nur einfarbig schwarz mit stahlblauem Glanze ist. Letzteres ist auch von Middendorff beobachtet worden und findet ebenso bei einem der japanischen Exemplare in unserem Museum statt, während beim anderen die Aussenfahne der letzten Hinterschwinge grau ist, wie dies auch Temminck und Schlegel angeben. Diese Thatsachen sprechen also gewiss auch für die Richtigkeit der Ansicht, dass P. orientalis nur eine Varietät vom gemeinen Gimpel sei. An unserem frischgeschossenen Weibehen der Var. orientalis waren im October der Schnabel bläulichbraun, die Iris dunkelbraun, die Füsse bräunlich.

Hinsichtlich ihrer Grösse stimmen unsere Amur-Exemplare vom Gimpel, wie aus den untenstehenden Maassen ersichtlich ist, mit den japanischen sehr genau überein. Ob sie aber deshalb zur kleinen Varietät zu rechnen seien, mit welcher Temminck und Schlegel die P. orientalis aus Japan gleichstellen, oder aber zur grösseren Varietät gehören, zu der Middendorff die Gimpel von Udskoi-Ostrog bringt, müssen wir dahingestellt sein lassen, da uns die Gimpel von allen drei Orten von einer mittleren Grösse zu sein scheinen. Zur Er- läuterung müssen wir bemerken, dass uns die Zerspaltung der P. vulgaris in zwei und mehr

!) Sibir. Reise. ]. c. p. 149.

2) Fauna Japon. Aves. p. 9. Anfänglich stellte jedoch Temminck die japanische Form ohne Weiteres mit der europäischen P. vulgaris zusammen. S. dessen Man. d’Ornith. III. p. LI. und 249.

3) Desgl. auch der Abbildung von Gould, The Birds of Asia. London 1853. Part V.

Pyrrhula vulgaris, Var. orientalıs. 293

Grössenracen '), aus denen man sogar selbstständige Arten gemacht hat °), in solchem Grade nicht haltbar zu sein scheint. Diese Racen- und Artenunterscheidung beruht nämlich, ausser den in der That vorhandenen Grössendifferenzen, auch auf angeblich constanten Verschieden- heiten in den Grössenverhältnissen der Schwingen. Wie sehr man aber die Beständigkeit die- ses letzteren Momentes sowohl im Allgemeinen, wie im Speciellen auch bei den Gimpeln über- schätzt, darauf hat schon Naumann’) aufmerksam gemacht. Auch braucht man in der That nur wenige Exemplare vor sich zu haben, um von der Unhaltbarkeit dieses Kennzeichens voll- ständig sich zu überzeugen, da man nicht selten das für die jgrössere Race (P. coceinea u. a.) angegebene Verhältniss bei der kleineren (P. vulgaris) und umgekehrt die Schwingenverhält- nisse der kleineren bei der grossen Race, oder aber auch solche Fälle finden wird, wo weder das eine noch das andere statt hat, indem die erste Schwinge weder der 5ten, noch der 4ten an Grösse gleich kommt, sondern genau die Mitte zwischen beiden hält. Alle diese Fälle lie- gen uns ebenfalls vor. Letzteres ist namentlich bei dem Männchen unseres Amur-Exemplares von P. orientalis der Fall, während das Weibchen das für die kleinere Race angegebene Ver- hältniss der Schwingenlängen theilt. Was sonst über das Zusammenhalten der beiden Racen oder Arten in gesonderten Schwärmen, über die verschiedene Stimme derselben u. s. w. an- geführt wird » beruht nur auf Vermuthungen. Wir können daher auch mit Naumann u.a. nicht sowohl verschiedene Racen (geschweige denn Arten), als vielmehr nur mehr oder weniger ansehnliche Grössendifferenzen, höchstens Grössenvarietäten innerhalb einer und derselben Art, P. vulgaris, annehmen, welche wahrscheinlich mit Differenzen desKlima’s, der Nahrung u. dgl. m. zusammenhängen, wobei namentlich die grösseren Individuen den nordischen, die kleineren den gemässigten und südlichen Klimaten vorzugsweise zuzukommen scheinen. Zu den ersteren gehören denn auch die Gimpel des Nordens und Ostens Sibirien’s, die uns vorliegenden Exemplare vom Wilui, nach Middendorff die Gimpel von Udskoi-Ostrog u. s. w. Da- bei fehlt es aber nicht an zahlreichen Zwischengrössen, welche von einer Varietät zur anderen führen und den besten Beweis abgeben, dass wir es eben nicht mit constanten Grössenracen oder gar Arten zu thun haben. Deshalb vermissen wir bisher auch alle numerischen Angaben, die im Stande wären, eine feste und genaue Abgränzung zwischen den vermeintlichen Grös- senracen abzugeben. Zwar führen Temminck, Schlegel und Bonaparte solche Zahlen an, indem sie die Flügellänge der grossen Race (oder respect. Art) auf 21", die der kleinen auf 2" oder 2” 1” bestimmen, allein diese Grössen finden sich bei keinem Rothgimpel, da die

1) P. vulgaris major und minor Temm. et Schleg. Fauna Japon. 1. c.; P. vulgaris und P. coccinea Selys Longchamps, Faune beige. Liege 1842. p. 78. Obgleich Selys auch nur verschiedene Racen annimmt, so führt er sie doch unter specifischen Namen in der Reihe und Numeration selbstständiger Arten auf!

2) So P. major, P. germanica und P. peregrina Brehm, Handb. d. Naturgesch. aller Vögel Deutschl. Ilmenau 1831. p. 252.; P. europaea Vieill. und P. coccinea Selys bei Degland, Ornith. europ. I. p. 185.; P. coccinea Sand. und P. rubicilla Pall. bei Bonaparte, Consp. Gener. Ay. p. 525. u. a. m.

3) 1. c. IV. p. 384.

4) Vrgl. Selys Longchamps, Degland u.a. Ersterer erklärte übrigens im Jahre 1856 (Naumannia VI. Jahrg. p. 388.), dass ihm P. coccinea keine gute Art zu sein scheine. Degland ‚aber führt zur Rechtfertigung der mehr- fachen europäischen Gimpelarten an, dass es im zoologischen System manche noch schlechtere Arten gebe!

294 Vögel.

Flügellänge der kleinsten Individuen wohl kaum unter 3" (fr.) zurückbleibt, die der grössten aber über 31” beträgt‘). Folgendes sind die Maasse unseres Amur-Pärchens und der beiden in unserem Museum befindlichen japanischen Exemplare, zusammengestellt der Vergleichung wegen mit denjenigen zweier Exemplare von Udskoi-Ostrog und eines oflenbar zur grösse- ren Varietät gehörigen Individuums vom Wilui.

Amur. Japan. Udskoi-Ostrog. Wilui. Männchen. Weibchen. Männchen. Männchen. Weibchen. Männch.

Länge von derSchnabel- bis zurSchwanz- spitze (ungefähr)... ....... 67&" 676”) 6"— 63” 62” 5710” 6 8” » des zusammengelegten Flügels.. 3’3” 3’2” 3’3” 3’3” 3’6” 3’ 3” 37 7” » indes, Schwanaes ar: +je.nweelarelehe 2 T B D Ze a2 Be

» des Schnahels.. iss £ are uhelanden ma) Man a HET ul N a 4” Höhe des Schnabels an der Stirme.... —h" kl —M" 44” Breite des Schnabels an der Stirne ... —31”—31" —31"—31"—4” 31” 4” Länge des Laufes „..-errerur.. 8" 8" 8” 8” —8” 73” 8"

» der Mittelzehe ohne Nagel .... —64”—6" —64"—61" 61" 64” 63” » des Nagels an der Mittelzehe .. —34”—3" —3” —3” —31”— 23” 3”

Aus diesen Maassen scheint hervorzugehen, dass die Gimpel vom Amur, aus Japan und von Udskoi-Ostrog eine mittlere Grösse haben und dass namentlich die beiden ersteren von sehr nahe gleicher Grösse sind, die letzteren aber zum Theil schon einen Uebergang zu den nördlicher vorkommenden grösseren Individuen bilden.

P. vulgaris kommt in der erwähnten östlichen Varietät im unteren Amur-Lande den ganzen Winter über vor. Die ersten Individuen bemerkte ich in der Umgegend des Nikola- jevschen Postens im Herbst 1854 am 23. Oct. (4. Nov.), nach ausgefallenem Schnee, im ge- mischten, mit vielem Unterholz versehenen Walde, wo ich aus einem Pärchen das Weib- chen schoss. Im Winter 1855 habe ich den Gimpel zu wiederholten Malen am unteren Amur beobachtet und am 26. Febr. (10. März) auch das Männchen im Weidengebüsche einer Amur-Insel bei Kidsi erlegt.

51) Pyrrhula (Carpodacus) erythrina Pall.

Uns liegt ein Pärchen vom Karmingimpel aus dem Amur-Lande vor. Beim Männchen breitet sich das schöne Karminroth der Kehle bis zur Brust aus und geht dann als röthlicher Anflug über die ganze Unterseite bis zu den unteren Schwanzdeckfedern hinab; desgleichen ist

l) Nach Naumanı (l. c.) bis 4” sächs. Arbeitsmaasses, nach Nilsson (Skand. Fauna. Foglarna. I. p. 422.) gr u. 8. w. Wir wären geneigt, in den angeführten Zahlen von Temminck, Schlegel und Bonaparte nur Druckfehler zu sehen, wenn diese Zahlen nicht wiederholentlich vorkämen und wenn es bei Bonaparte in der Diagnose der klei- neren Art nicht ausdrücklich hiesse: «alis brevioribus (bi-pollic.)».

2) Ein etwas ausgereckter Balg.

Pyrrhula (Carpodacus) erythrına. P. (Carp.) rosea. 295

auch der Scheitel von glänzendem Karminroth, während Bürzel und Mittelrücken blasser roth und die Säume der Flügeldeckfedern, der Schwingen und der Steuerfedern nur röthlich sind. Den in unserem Museum vorhandenen chinesischen Exemplaren steht das Männchen aus dem Amur- Lande an Schönheit und Ausdehnung der Karminfarbe nach, wogegen es die altaischen und kaukasischen, sowie, nach der Abbildung von Bonaparte und Schlegel) zu urtheilen, die europäischen in dieser Hinsicht übertrifft. Wie es sich zu den kamtschatkischen Exemplaren verhält, die sich durch besondere Schönheit der Farben auszeichnen sollen ?), können wir durch direkten Vergleich nicht entscheiden; nach Kittlitz’s Abbildung (Tab. 32. fig. 1.) zu urtheilen, scheint es ihnen jedoch kaum nachzustehen. Das Weibchen aus dem Amur-Lande trägt das bekannte düstere, olivenbraune Kleid, mit grünlichem Anfluge, besonders am Bürzel und Rücken. Dieses letztere Moment und die Längsfleckung der Unterseite, an Hals, Brust und bis auf den Bauch hinab, sind bei unseren Exemplaren bedeutend stärker ausgesprochen als in der Abbildung von Bonaparte und Schlegel’).

Der Karmingimpel, dessen Verbreitung uns durch Gmelin, Steller, Pallas‘), Kitt- litz und Middendorff°) über ganz Sibirien bis nach Kamtschatka bekannt ist, kommt auch im Amar-Lande vor und nistet dort in den dichten Weidengebüschen der niedrigen und oft sumpfigen Inseln des Amur-Stromes. In solcher Localität schoss ich am 23. Mai (#. Juni) bei Puljssa unterhalb Kidsi ein offenbar aus dem Neste aufgescheuchtes Weibchen, und Hr. Maack am 23. Juni (5. Juli) bei Dondon ein Männchen.

52) Pyrrhula (Carpodacus) rosea Pall.

Zwar bilden Bonaparte und Schlegel‘) das angeblich erwachsene Weibchen von P. rosea ohne den geringsten röthlichen Anflug ab, doch kann es nur das junge Weibchen sein, das so gezeichnet ist, denn beim alten giebt Pallas”) auf Kehle, Hals, Bürzel und besonders auf der Stirne einen stärkeren oder schwächeren zinnoberrothen Anflug an, was sich auch an den Amur-Exemplaren und an einem in unserem Museum befindlichen westsibirischen Weib- chen von P. rosea bestätigt. Bei allen reicht der an der Kehle und Oberbrust sehr sichtliche rothe Anflug. mehr und mehr verblassend, auch auf den Bauch und bis zu den unteren Schwanzdeckfedern hinab. Auf der Oberseite ist er besonders ausgesprochen an der Stirn, am Scheitel und Bürzel und in blasserem Tone an den sonst rostgelblichen Kanten der Rücken-

1) Monogr. des Loxiens. Tab. 14.

2) Bonaparte und Schlegel, l. c. p. 13, angeblich nach Kittlitzschen Exemplaren, worüber wir jedoch bei Kittlitz selbst (Kupfertaf. zur Naturgesch. der Vögel. p. 24.) nichts angegeben finden.

3) In Gould’s Abbildung dagegen (The Birds of Eur. III. Tab. 206.) vermisst man die beiden hellen, durch schmutzigweissliche Endsäume der mittleren und grossen Flügeldeckfedern gebildeten Querbinden auf dem Flügel.

4) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 9.

®) Sibir. Reise. 1. c. p. 150.

6) Monogr. des Loxiens. Tab. 19. p. 18: «Figures du mäle et de la femelle adultes.»

7) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 24.

296 Vögel.

und kleinen Flügeldeckfedern. Die Exemplare variiren in diesem Punkte nach dem Alter und vermuthlich auch nach klimatischen und anderweitigen Einflüssen. So ist auch das Roth bei unseren Amur-Exemplaren, obgleich genau ebenso vertheilt wie beim westsibirischen Vogel, doch blasser und mehr von Zinnober- als von Rosenfarbe, wie bei letzterem.

P. rosea überwintert nach Pallas in Transbaikalien an der Uda und Sselenga und zieht für den Sommer nördlich, nach den Ufern der Lena und Tunguska. Auch im Amur- Lande habe ich diesen Vogel im Sommer nicht bemerkt, wohl aber im Herbst, zur Zeit da er vermuthlich aus dem höheren Norden ankommt. Beim Nikolajevschen Posten zeigte er sich im Jahre 1854 am -$ October in einem kleinen Schwarme im lichten Laubwalde am Kamr- Flusse. Im oberen Amur-Lande schoss ich ihn am 22. Sept. (4. Oct.) nahe der Mündung des Amasare ın den Amur.

55) Pyrrhula (Corythus) Enucleator L.

Vom Fichtengimpel habe ich im Amur-Lande nur ein einziges Exemplar, ein 'erwach- senes Weibchen erhalten, das am 25. März (6. April) im Walde bei Magho, etwas oberhalb des Nikolajevschen Postens, geschossen wurde. Dieses zeichnet sich durch ein schönes röth- liches oder pomeranzenfarbenes Gelb auf dem Scheitel aus, welches jedoch, nach unten zu rasch verblassend, auf der Oberseite, mit Ausnahme eines schwachen Anfluges auf dem Bür- zel, nicht über den Hals, auf der Unterseite nicht über die Oberbrust hinabreicht. Dieses leb- hafte Gelb des Weibchens stimmt also sehr gut zu dem von Middendorff') beobachteten besonders lebhaften Roth beim Männchen dieses Vogels von Udskoi-Ostrog,

54) Fringzilla (Acanthis) linaria L. Var. canescens Gould.

Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin; pä.

Nach unseren Beobachtungen an den Birkenzeisigen des Amur-Landes müssen wir uns vollständig der Ansicht Middendorff’s?) anschliessen, welcher zufolge die von den Ornitho- logen unterschiedenen mehrfachen Arten von Birkenzeisigen nur als Abänderungen einer und derselben Art, "Fr. linaria L., anzusehen sind. Gleichwie es daher Middendorff mit den im Norden und Osten Sibirien’s von ihm beobachteten Abänderungen dieses Vogels ging, so will es uns auch nicht gelingen, die Birkenzeisige des Amur-Landes ganz genau unter eine oder die andere der in der Monographie von Bonaparte und Schlegel beschriebenen und abgebildeten Arten zu bringen, Uns fallen unter den Amur-Exemplaren zwei Farbenabän- derungen dieses Vogels in die Augen, Die erste derselben, welche die meisten Exemplare be-

1) Sibir. Reise. 1. c. p. 180. 2) Sibir. Reise. L. c.

Fringılla (Acanthis) hinaria, Var. canescens. 297:

greift und offenbar die gewöhnlichste Form im Amur-Lande ist, entspricht den von Mid- dendorff bei Jakutsk und Udskoi-Ostrog beobachteten Exemplaren. Wir müssen sie zu F. (Linaria) canescens Gould rechnen, obgleich sie weder mit der Abbildung Gould’s'), noch mit derjenigen von Bonaparte und Schlegel’) volle Uebereinstimmung zeigen. Mit der ersteren theilen sie namentlich die weissen Federchen der Stirne und den fast ganz weis- sen Augenstreifen, welcher in der letzteren rostgelblich dargestellt ist, sowie den weissen, bei beiden Geschlechtern mit schwarzbraunen Schaftflecken versehenen Bürzel, der nach Bona- parte und Schlegel beim Männchen ungefleckt sein soll, was nur bei einem unserer Exem- plare statt hat. Dabei ist aber die Farbe der Oberseite und besonders die helle Besäumung der Flügeldeckfedern und Schwingen mit der heller gehaltenen Abbildung von Bonaparte und Schlegel übereinstimmender als mit der dunkleren von Gould. Auch findet sich bei al- len unseren Exemplaren, mit Ausnahme eines einzigen, ein deutlich ausgesprochener und bis- weilen sogar recht tief abwärts fortgesetzter, bald rein schwarzer, bald nur grauschwarzer Kehlileck. Die rothe Kopfplatte reicht aber, wie das auch Middendorff an den Exemplaren von Udskoi-Ostrog bemerkt hat, durchweg weniger weit nach hinten als in der erwähnten Abbildung von Bonaparte undSchlegel. Nur bei zweien meiner Exemplare findet sich ein rosenfarbener Anflug an der Kehle, Oberbrust und dem Bürzel. Unter einander variiren unsere Exemplare noch durch breitere und schmälere weissliche Kanten an den Flügeldeckfedern und Hinterschwingen und durch einen bald etwas helleren, bald etwas dunkleren allgemeinen Far- benton der Oberseite. Der Schnabel ist bei allen gelb mit hornfarbener Firste und ebensol- chem Kiele; bei einem derselben ist aber am Kiel auch nur die äusserste Spitze hornfarben, wodurch sich, bei der gleichzeitig ansehnlichen Schnabellänge des Amur-Exemplares, auch eine bedeutende Uebereinstimmung mit F. Holbölli Brehm’) herausstellt.

Von dieser gewöhnlichen Form der Birkenzeisige im Amur-Lande sticht nun ziemlich auffallend ein ebendaher rührendes Männchen ab, dass sich, trotzdem dass es ein Frühlingsexem- plar ist, durch ein viel weisseres Kleid, einen ganz weissen Bürzel, breitere und reiner weisse Kanten an den Flügeldeckfedern und Hinterschwingen, eine bis auf ein paar bräunliche Schaft- flecke ganz weisse Unterseite und einen lebhafteren, wenn auch immer noch blassen, rosenfar- benen Anflug an der Kehle, Oberbrust und dem Bürzel auszeichnet. Dieses Exemplar kommt dem von Bonaparte und Schlegel auf Taf. 51 abgebildeten Männchen von F. (Acanth.) canescens sehr nahe, ist aber auf dem Kopf und Rücken viel heller, weisslich und hat eine minder ausgedehnte rothe Kopfplatte. Wir möchten dies Exemplar, dem sich noch ein 2‘ unter den zuerst er- wähnten ansehnlieh nähert, für die praegnanteste, am meisten typische Form der Var. canes- cens ansehen; auffallend ist es aber, dass es kleiner als die zuerst besprochenen Exemplare ist und somit von den von Bonaparte und Schlegel für die F. canescens angegebenen Maassen noch mehr differirt. Da nun die Unterscheidung von mehrfachen Arten unter den

1) The Birds of Eur. III. Tab. 193.

2) Monogr. des Loxiens. Tab. 51.

?) Bonaparte und Schlegel, Monogr. des Loxiens. Tab. 53.

Schrenck’s Amur-Reise Bd. 1. 38

298 Vögel.

Birkenzeisigen zumeist auch auf angeblich constanten Grössendiflerenzen zwischen denselben beruht, so theilen wir in Folgendem die Maasse unserer Amur-Exemplare mit:

Mariinsk.Posten. N i ko 1laj e v scher Posten. Mar. Post. Männchen. Weibchen.

Länge v. d. Schnabel- b. z. Schwanzspitze (ungef.). 411" 5" 5/4” 5’4" 53" 57%" 57" 57" 34” Länge d. zusammengelegten Flügels... sry 1 9 9 Sinn 200” Sta Länge des Schwanzes ....2". 1" 2’ 4 2’a” 2’3” a’a” 2’, 2’3” 29” 2’ 2" » des Schnabels. .... 33" 33" —4” 41” aM” 1" 2” 4” _ 4”

[273 [273 1224 m m [273 [77 L » des Laufes.......—- 64 7-61 614 -64° —61° 61° 61” 61” » - der Mittelzehe ohne w 1 2 e$ 1 rm e 1 m 8 1 m 23 1 m 1" 1 m 1 [77 tr Nagel an era leun .e... + +4, 4 4 45 41 —4l -H a 4

Länge des Nagels an der

Mittelzehe:-... 2... METER SEES!) u value Er Ze Länge der Hinterzehe ohne

Nagel ou eeenu.n 8" 8" 3” 37 28” _23” _93” 03” Länge des Nagels an der

Hinterzehe .........— 33 - 33-31” -31°” —31”” —33”” —33”" —31” 33”

Vergleicht man diese Maasse mit den Angaben von Bonaparte und Schlegel, so lassen sich unsere Amur-Exemplare unter keine der vier dort angeführten Arten bringen. Nament- lich muss vor Allem die ansehnliche Differenz mit den Maassen von F. (Acanth.) canescens bei Bonaparte und Schlegel auflallen, zu der unsere Exemplare doch ohne Zweifel gehören. Diese Differenz spricht sich hauptsächlich in der bei den Amur - Exemplaren geringeren Flügel-, Schwanz- und Schnabellänge aus. In diesen wie in allen übrigen Dimensionen findet dagegen die meiste Uebereinstimmung mit F. Holbölli Brehm statt, mit Ausnahme des ersten unserer Exemplare, das fast genau die Maasse der europäischen F. linaria hat obgleich gerade dieses Exemplar mit dem oben beschriebenen, besonders weissen Gefieder die praegnanteste Form der Var. canescens darbietet. Gewiss beweisen daher diese That- sachen, wie wenig die von Bonaparte und Schlegel zur Unterscheidung verschiedener Ar- ten von Birkenzeisigen angegebenen Maasse constant sind und wie unhaltbar somit die nur auf Grössendifferenzen begründeten Arten Acanth. Holbölli und A. rufescens sind’).

F. linaria kommtim Amur-Lande in allen Waldungen, besonders häufig aber in den Ge- hölzen von Birken und Ellern mit verschiedenem Unterholze, seltner inden Fichten- und Lärchen- waldungen vor. Beim Nikolajevschen Posten bemerkte ich sie im Herbst 1854 zuerst am 28. Oct. (9. Nov.), in zahlreichen Schwärmen. Von dann an waren dieselben während des gan- an !) Vergl.. Bonaparte und Schlegel.l.c. p. 48.

?) Auch Selys Longcehamps, der im Allgemeinen selbst auf geringe Differenzen Gewicht zu legen geneigt

ist, giebt von Acanth. rufescens, linaria und Holbölli an, dass sie ihm kaum 3 Racen einer und derselben Art zu sein scheinen (Naumannia. VI. Jahrg. 1856. p. 388).

Fringilla ( Acanthıs) linarıa, Var. canescens. F.(Ac.) Spinus. F. Montifringilla. 299

zen Winters beständig und in grosser Zahl zu sehen. Auch beobachtete ich sie auf meinen Winterreisen sowohl an der Festlandsküste im Liman und am Cap Lasareff, als auch auf der Insel Sachalin, im Innern und an beiden Küsten derselben. Im Frühjahr sah ich sie in der Umgegend des Nikolajevschen Postens den ganzen April hindurch und im Anfange des Mai, bis ich den Posten verliess. Zu dieser Jahreszeit hielten sie sich besonders gern auf dem noch mit Schnee bedeckten Erdboden der Nadelwälder auf, um die ausgefallenen Lärchen- und Fichtensamen aufzulesen.

55) Frinsilla (Acanthis) Spinus L.

Bekanntlich hielt man den Erlenzeisig lange Zeit hindurch für einen ausschliesslichen Bewohner des Westens der alten Welt, der das Ural-Gebirge nach Osten nicht überschreite'), bis ıhn Siebold’) aus Japan und Middendorff°) von Udskoi Ostrog, also aus dem fern- sten Ostens Asien’s brachten. Im unteren Amur-Lande sah ich ihn beim Nikolajevschen Posten im Herbst 1854 zuerst am 42 Oct. in sehr zahlreichen Schwärmen, die sich an die zapfenreichen Kronen hoher, am Waldrande stehender Fichten hielten. Die aus einem dieser Schwärme geschossenen Individuen zeigen nicht den geringsten Unterschied vom europäischen Vogel. Am Männchen waren im October die Iris dunkelbraun, der Schnabel gelblichgrau, am Kiele und auf der Firste braungrau, die Füsse violettgrau. In den folgenden Tagen waren die Zeisige verschwunden und liessen sich im Laufe des Herbstes und Winters nicht wieder se- hen, was mich vermuthen lässt, dass diese zahlreichen Schwärme südwärts zogen. Dennoch besucht der Erlenzeisig das Amur-Land nicht bloss auf dem Durchzuge, sondern nistet auch in demselben. Im Frühjahr 1855 erlegte Hr. Maximowicz beim Mariinskischen Posten am 75 April ein schön ausgefärbtes Männchen und am -?, Mai etwas oberhalb, bei Dshai, ein altes Weibchen. Am 19. Juni (1. Juli) schoss ich endlich im Unterholze eines Laubwaldes bei Kidsi auch ein umherstreifendes Junges im Nestkleide. Dieses bietet ebenfalls von dem noch unvermauserten jungen europäischen Vogel nichts Abweichendes dar.

56) Fringilla Montifringilla L.

Wie die Bergfinken des Stanowoi-Gebirges, nach Middendorff’s Beobachtungen ‘), so stimmen auch diejenigen des Amur-Landes mit den europäischen vollkommen überein. Mit diesen verglichen, finde ich die Rostfarbe bei den Amur-Exemplaren nicht schöner; den Kopf aber bei alten Männchen im Frühjahr und Sommer, mit Ausnahme des rostgelben Kinnes, von

I) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 17. 2) Fauna Japon. Aves. p. 89.

3) Sibir. Reise. 1. c. p. 153.

4) Sibir. Reise. ]. c. p. 153.

300 Vögel.

schönem stahlblauglänzendem Schwarz mit wenigen grauen Federspitzen hinter den Wangen und noch sparsameren gelblichen hinter den Augen. Bei dem Weibchen ist die Rost- farbe an der Kehle und Oberbrust bekanntlich viel blasser; auch erstreckt sich diese Farbe bei einigen gleichmässig bis in den Kinnwinkel hinein, bei anderen bleibt das Kinn scharf abgesetzt weiss. Am frischgeschossenen alten Männchen fand ich im Juni den Schnabel blau- schwarz, die Iris braun, die Füsse hornfarben.

Anders als im Westen der alten Welt, wo der Bergfink zu den nur im hohen Norden brütenden Vögeln gehört‘), nistet F. Montifringilla im rauheren Osten Asien’s schon in ver- hältnissmässig südlicheren Breiten. Middendorff fand ihn den ganzen Sommer über, vom 23. Mai an, im Stanowoi-Gebirge. Im Amur-Lande stellt er sich bei Weitem frühzeitiger ein. Durch Hrn. Maximowiez erhielt ich ein paar Männchen, welche am ‚>; Mai bei Dshai, nahe dem Mariinskischen Posten, erlegt worden waren. Ich schoss ein einzelnes altes Männ- chen am .S; Juni im gemischten, meist aber aus Nadelholz zusammengesetzten Walde der Bai de Castries, wo der Gesang der Bergfinken sehr häufig zu hören war. Gegen Ende des August sah ich die Bergfinken in der Umgegend des Nikolajevschen Postens in ziemlich star- ken Schwärmen zusammenhalten, aus denen zu wiederhoiten Malen welche geschossen wur- den. Einer derselben, ein Männchen, am 30. Aug. (li. Sept.) erlegt, hatte die Mauser noch nicht ganz überstanden. Ziemlich um dieselbe Zeit, am „>; Sept., trafHr. Maack F. Montifringılla in Schwärmen an der Ussuri-Mündung. Im Spätherbst und Winter habe ich die Bergfinken im unteren Amur-Lande nicht mehr gesehen und vermuthe daher, dass sie zu Ende des Sep- tember und im October südwärts sich begeben.

57) Coccethraustes vulgaris Pall.

Die Amur-Exemplare dieses Vogels stimmen in der Farbenvertheilung und Zeichnung mit den europäischen vollkommen überein. Nur finde ich an ihnen das Gelbbraun beim Männ- chen und Gelblichgraubraun beim Weibchen am Kopf und Bürzel viel blasser als in Gould’s offenbar zu dunkel gehaltener Abbildung?) und dagegen um ein Weniges dunkler als Tem- minck und Schlegel°) am japanischen Vogel angeben. Mit Exemplaren unseres Museums aus Odessa und Barnaul stimmen sie im Farbenton fast vollkommen überein und sind nur um ein ganz Geringes blasser, ziemlich die Mitte zwischen diesen und den japanischen einnehmend, welche letzteren nach Temminck und Schlegel auch nur durch die Blässe ihrer Farben von den europäischen verschieden sind, in allen übrigen Stücken aber mit denselben übereinkommen. Am frischgeschossenen alten Männchen waren im October die Iris

!) InScandinavien nistet der Bergfink nach Wallengren (Brützonen der Vögel innerhalb Skandin. Nau- mannia. IV. Jahrg. 1834. p. 239.) weder im südlichen, noch im mittleren Schweden, sondern erst innerhalb der Gränzen Lappmarkens unter dem 64° n. Br. und von dort je weiter nordwärts um so häufiger.

?) The Birds of Europe. Ill. Tab. 199 °) Fauna Japon. Aves. Tab. LI.

Coccothraustes vulgaris. Loxia curvirostra. 301

graugelb, der Schnabel und die Füsse hellviolett und gelblichgrau; am jungen Männchen im August die Iris grau, der Schnabel und die Füsse violettfleischfarben. Hinsichtlich der Grösse stimmen die Amur-Exemplare mit den Angaben von Pallas sehr nahe überein, wobei sich jedoch auch an unseren wenigen Exemplaren einige Schwankungen wahrnehmen lassen. So zeichnet sich ein junges Männchen, das in der ersten Mauser begriffen ist und an der Kehle ‘und Oberbrust noch viele gefleckte Federn des Nestkleides trägt, vor einem alten Männchen mit tief hinabreichendem schwarzen Kehlflecke durch ‚bedeutendere Gesammtgrösse und stär- keren Bau des Schnabels und der Füsse aus. Die Maasse der Amur-Exemplare sind fol-

gende: Nikol.P. Dshai. Ussuri-M.

Männchen. Weibchen. Junges. Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr). 7’ _ TRIM » des zusammengelegten Flügels. ............. ge we u an alte ae 3 Ulekpaafı a KU u LTE a os his 2 ee Be a TE A ice 73" si" 81” Breite des-Schnabels an der Stirne ..........e2r 22220. 517 _ 537 6" LEHE RT Sa er AR 91” 93” 10” » der Mittelzehe ohne Nagel............e...0... _ 57 31" 81” » des Nagels an der Mittelzehe ..........2...... —_ al" 23” 3”

Pallas kannte die Verbreitung des Kernbeissers durch Sibirien bis jenseits des Bai- kal’s, glaubte aber, dass er dem östlichsten Theile Sibirien’s fehle'). In südlicheren Breiten lernte man ihn durch Siebold aus Japan und also aus dem äussersten Osten Asien’s ken- nen. Auch in den Breiten des Amur-Landes erreicht er noch die Meeresküste, da unsere Exemplare aus dem unteren Amur-Lande und von der Mündung des Amur-Stromes herrüh- ren. In der Umgegend des Nikolajevschen Postens sah ich im Herbst 1854 am 42 Oct. auf den Ebereschen am Kamr-Flusse einen Schwarm von Kernbeissern, der wahrscheinlich im Abzuge begriflen war. Im Frühjahr des folgenden Jahres traf sie Hr. Maximowicz bei Dshai, etwas oberhalb des Mariinskischen Postens, am - Mai noch schaarenweise an. Ver- muthlich findet also ihre Ankunft dort nicht vor Ende April’s statt. Im Spätsommer desselben Jahres endlich sahen wir sie am 21. Aug. (2. Sept.) auf einer mit Weiden und Pappeln be- wachsenen Insel des Amur-Stromes nahe der Ussuri-Mündung in kleinen Familien umher- streifen. Ein aus denselben erlegtes junges Männchen war in der ersten Mauser begriffen und trug in seinem Gefieder noch zahlreiche Ueberbleibsel vom Nestkleide.

58) Loxia eurvirostra L.

Bei den Giljaken: tottranch (?). » » Mangunen und Golde: goımu.

1) Zoogr. Rosso-Asiat, II. p. 12.

302 Vögel.

Pallas bemerkt, dass er keine schöner gefärbten Kreuzschnäbel als die daurischen ge- sehen habe'). Auch diejenigen des Amur-Landes zeichnen sich in der Regel durch sehr leb- hafte rothe und gelbe Farben aus. Uns liegt eine ziemliche Anzahl von Exemplaren beiderlei Geschlechts vor, unter denen die Männchen, wie von den Kreuzschnäbeln bekannt, in sehr mannigfaltiger Weise mit Gelb und Roth und meist auch mit beiden Farben zugleich gezeich- net sind. Dass letztere, besonders bunte Färbung nicht bloss bei der 2!en Mauser, durch theil- weise vorgeschrittenen Wechsel des gelben Kleides gegen das rothe, wie Naumann’) u. a. Ornithologen annehmen, sondern auch schon bei der ersten Mauser sich einstellen kann, be- weist uns ein junges, im Wechsel seines Nestkleides begriffenes Männchen. Dieses trägt näm- lich noch an der ganzen Unterseite, am Halse, an den Kopfseiten und oberen Schwanzdeck- federn das helle, schmutzig weissliche, mit schwarzbraunen Schaftstrichen gezeichnete Nest- kleid, in welchem sich aber auf dem Kopfe, an der Kehle, Oberbrust, den Weichen und auf dem Bürzel bereits gelbe und rothe Federchen in gleich grosser Anzahl eingefunden haben, die dem Vogel ein sehr buntes Ansehen geben. Andere junge Männchen dagegen nehmen auch im Amur-Lande bei der ersten Mauser ein gelbes Kleid an, welches sie erst späler gegen ein rothes vertauschen, wodurch sie ebenfalls zeitweise ein sehr buntes, gelb und roth gemisch- tes Kleid tragen. Bei noch älteren Männchen endlich, welche über die 2! Mauser vollständig hinaus sind, finden sich in der Regel keine rein gelben Federn mehr, sondern statt deren nur hellere und dunklere zinnober- und karminrothe, welche, wie bekannt, besonders auf dem Bürzel, dann aber auch auf dem Kopfe, am Halse und auf der Unterseite am reinsten und schönsten sind und auch den Rücken, je nach Alter u. s. w., in verschiedenem Grade röthlich färben. Die Weibchen von L. curvirostra aus dem Amur-Lande tragen das bekannte dü- stere, grünlichgraue Kleid, zeichnen sich aber auch durch ein schönes Grüngelb auf dem Bürzel und meist auch durch eine intensiver gelblichgrüne Unterseite von der Abbildung von Bonaparte und Schlegel’) aus, der (offenbar identischen) Zoxia himalayana Hodgs.‘) gleichkommend.

Der Fichtenkreuzschnabel ist im Amur-Lande, soweit Nadelhölzer vorkommen, ein häufiger Vogel. In der Umgegend des Nikolajevschen Postens habe ich ihn fast in allen Mo- naten meines Aufenthaltes daselbst, vom August bis zum April, erhalten, und auf den Winter- reisen hatte ich Gelegenheit, ihn auch südwärts bis zum Gorin zu beobachten. Im Herbst 1854 liess er sich in den Fichtenwäldern bei Nikolajevsk meistens in kleinen Schwärmen oder einzeln sehen. Zu Anfang des März 1855 sah ich ihn aber beim Dorfe Ssamahagdu, nahe der Chelasso - Mündung, in äusserst zahlreichen, aus Männchen und Weibchen gemischten Schwärmen, welche 2 Tage hinter einander die unmittelbar vor den Häusern stehenden Lär- chen besuchten und in ihrer Ueberzahl selbst auf die Dächer der kleinen Nebengebäude sich

!) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 5.

*) Naturgesch, der Vögel Deutschlands. IV. p. 364. ®) Monogr. des Loxiens. Tab. 3.

*) Bonap. et Schleg. Monogr. Tab. 7.

Loxia eurvirostra. L. leucoptera. 303

setzten. Unter den beim Nikolajevschen Posten geschossenen alten Individuen fand ich an den Exemplaren vom August (13 bis 18) meist ein sehr stark verstossenes, jedoch noch nicht mauserndes, an denen vom November und December dagegen ein recht frisches Gefieder, so dass also auch im Amur-Lande die bei'den Kreuzschnäbeln der Zeit nach bekanntlich sehr variirende Mauser bei alten Individuen meistens im September und October stattzufinden scheint. Das oben beschriebene junge Männchen dagegen, das ich ebenfalls beim Nikolajev- schen Posten schoss, fand ich am 20. April (2. Mai) in seiner ersten Mauser begriffen. An diesem Exemplare lässt sich daher auch annähernd die Zeit, wann es ausgebrütet worden, bestimmen. Bekanntlich fängt nämlich die erste Mauser bei L. curvirostra drei bis vier Wochen nach dem Ausfliegen des Vogels an'). Erwägen wir nun, dass bei unserem Exem- plar schon eine bedeutende Anzahl gelber und rother Federn sich eingefunden hat (s. oben), so können wir es füglich für ein seit 5 bis 6 Wochen ausgeflogenes Individuum halten, und fügen wir die bei den Kreuzschnäbeln bekanntlich ansehnliche Zeit, die die Jungen vor dem Auslliegen im Neste zubringen, hinzu, so dürfte die Brütezeit in diesem Falle etwa in das Ende Februar’s alten Stiles fallen. Mit diesem Resultate stimmen denn auch die Beobachtun- gen in den zunächst benachbarten Ländern überein, indem Steller in Kamtschatka ein Nest mit Eiern dieses Kreuzschnabels im März und Pallas (in Sibirien?) ein Nest mit Jungen gegen Ende Februar’s erhielt”). Bemerken wir aber zugleich, dass im Nikolajev- schen Posten zu dieser Jahreszeit die Temperatur der Luft nicht selten noch unter —20 und 25° R. sinkt.

59) Loxia leucoptera Gm. L. bifaseiata Nilss., Selys Longch. Faune belge. p. 76°).

Dem Vorgange der Hrrn. Akad. Brandt‘) und Middendorff°) für den sibirischen Vogel folgend, führe ich das uns aus dem Amur-Lande vorliegende Exemplar dieses Kreuzschna- bels unter dem Gmelinschen Namen auf, obgleich die in Europa und Sibirien bisher beobach- teten Exemplare nach den artensplitternden Unterscheidungen Selys’s, Bonaparte's, Schlegel’s und anderer Ornithologen zu einer besonderen, von der amerikanischen L. leu- coptera vermeintlich verschiedenen Species, der L. bifasciata, gezogen worden sind. Wie un- haltbar aber diese bloss auf geringe Grössen- und Farbendifferenzen begründeten Unterschei- dungen sind, beweist unter Anderem auch unser Männchen aus dem Amur-Lande. Denn

1) Brehm, Beiträge zur Vögelkunde. I. p. 670.; Naumann, Naturgesch. der Vögel Deutschl. IV. p. 364.

2) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 5.

3) Selys Longehamps führt zwar die Autorität Nilsson’s an, allein bei letzterem (Skand. Fauna. Foglar. I. p- 440.) findet sich nur die L. lewcoptera Gm. genannt, zu welcher Nilsson auch die in Europa gefundenen Exemplare zählt.

%) Vrgl. Bullet. scientif. publ. par l’Acad. Imp. des sc. de St.-Petersb. IX. p. 288. Desgl. Brandt, Considerat. sur les anim, vert. de la Siberie occid. (Voyage de M. Tschihatscheff) p. 25.

5) Sibir. Reise. 1. c. p. 154.

30% Vögel.

neben einer ansehnlichen, die Angaben von Bonaparte und Schlegel') für die grössere Form, L. bifasciata, sogar übertreffenden Grösse, trägt es doch genau die Farbe, welche die amerikanische L. leucoptera charakterisiren soll. Es ist nämlich auf der Ober- und Unterseite keineswegs zinober-, sondern karminroth, der Abbildung Bonaparte’s und Schlegel’s von L. leucoptera (Tab. 9.) im Ton und in der Zeichnung vollkommen ent- sprechend, mit dem einzigen Unterschiede, dass auf dem Rücken der graue Untergrund stärker durchschimmert?) und dass an der Gränze des Unterrückens und Bürzels einige eitro- nengelbe Federchen sich finden. Dabei sind auch die kleinen oberen Flügel- und die oberen Schwanzdeckfedern nicht gelb gekantet, wie nach Bonaparte’s und Schlegel's Ab- bildung (Tab. 7.) bei L. bifaseiata, sondern ebenfalls blass karminroth. Auf der Unterseite endlich ist diese Farbe sogar lebhafter als auf der erwähnten Taf. 9 (von L. leucoptera) und zieht sich in schwachem Anfluge bis auf die unteren Schwanzdeckfedern fort. Von ebensol- chem karminrothen Farbentone ist auch ein Exemplar aus der Umgegend St. Petersburg’s in unserem Museum. Trotz dieser unzweifelhaften Uebereinstimmung mit L. leucoptera hat aber unser Amur-Exemplar folgende, der L. bifasciata, nach Bonaparte’s und Schlegel’s Angaben, näher kommende Maasse:

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr) 6” 10

» des zusammengelegten Flügels. ............... 67 u. des, Schiwänzes ef Au turn Dann een »ümdes;Schnabelsgetir „nuchnee SERIE RE N

Breite des Schnabels an der Stirne .......2ereeeer.- a 3

Höhe des Schnabels ebenda .. 2. ccneeeeeeeeennn nn m MT”

Länge des Laufes. un. sro een lem el een a, » der Mittelzehe ohne Nagel ......eerr.ecn. 0... 6 » des Nagels an der Mittelzehe.............. a » der Hinterzehe ohne Nagel . et, =. 31” » des Nagels an der Bine en een er 41”

Demnach müsste also unser Exemplar unzweifelhaft zur grösseren Form gehören, da es fast durchweg die Maasse von L. brifasciata noch übertrifft. Bemerken wir übrigens, dass der ganze von Bonaparte und Schlegel zur Unterscheidung dieser beiden Arten geltend ge- machte Grössenunterschied in der Gesammtlänge sich auf 3 Linien beläuft, was bei der Variabilität der Kreuzschnäbel hinsichtlich der Grösse von keinem spezifischen Belange sein darf. Beachtenswerth ist auch, dass Selys, der diese Formen zuerst schärfer abgränzen zu können glaubte, trotz des angeblichen Grössenunterschiedes, keine Zahlen anführte und übrigens von der amerikanischen L. leucoptera auch nur zwei Exemplare zur Vergleichung vor sich hatte gr

!) Monogr. des Loxiens. p. 7.

2) Was auch mit der Diagnose von Bonap. und Schlegel für L. lewcoptera (l. c. P. 8: «dorso nigricante» übereinstimmen dürfte.

3) Später erklärte sich übrigens auch Selys selbst zu der Ansicht, dass Z. lewcoptera nur eine lokale Race von 4. bifasciata sei. Vrgl. Naumannia. VI. Jahrg. 1856. p. 388.

Loxia leucoptera. Parus (Mecistura) caudatus. 305

Pallas kannte diesen Kreuzschnabel in der russisch-sibirischen Fauna nicht. Spä- ter ist er uns jedoch durch Brandt und Middendorff als ein regelmässiger Bewohner Si- birien’s und im Norden desselben, am Jenissei, sogar als die häufigste und am weitesten nordwärts vordringende Kreuzschnabelart bekannt geworden'). Nördlich vom Amur-Lande hat ihn Middendorff im October an der Südabdachung des Stanowoi - Gebirges und im Juni, als jungen Vogel, bei Udskoi-Ostrog beobachtet. Unser Exemplar ist im unteren Amur-Lande nördlich vom Nikolajevschen Posten am 45 Febr. in einer aus Lärchen und Fichten zusammengeseizten Gebirgswaldung geschossen worden, wo sich dieser Kreuzschnabel zusammen mit L. curvirostra aufhielt. Dass er auch in Japan vorkomme, glauben Temminck und Schlegel aus japanischen Zeichnungen schliessen zu dürfen?).

60) Parus (MHeeistura) caudatus L.

Nach Middendorff’s Beobachtungen an Exemplaren der Schwanzmeise von Udskoi- Ostrog?) dürfte die durch Temminck und Schlegel als eigene Art hingestellte japanische Form, P. trivirgatus‘), nur als eine durch etwas kleineren Wuchs und namentlich durch kürzere Flügel und kürzeren Schwanz ausgezeichnete Varietät von P. caudatus L. zu be- trachten sein. Die aus dem Amur-Lande von uns mitgebrachten Exemplare, zwei Männchen, schliessen sich aber sonderbarer Weise nicht, wie man erwarten sollte, an die kleinere Va- rietät, sondern an die grössere, typische Form an. Nach Farbe und Zeichnung mit dem euro- päischen und sibirischen Vogel in allen Punkten übereinstimmend, sind sie am ganzen Kopfe ebenfalls von rein weisser Farbe. Hinsichtlich der Grösse wiederholen sich an densel- ben, wie die folgenden Maasse beweisen, ganz die von Pallas°) nach russischen und sibiri-

schen Exemplaren angegebenen Zahlen:

Amasare-Münd. Kidsi.

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr) 5” 7” 5.7"

» des zusammengelegten Flügels ............... 4” DEREN

» des Sehwanzes .......... N A Be 7 34:54

» des Schnabels ..... BUT ARMEE ae BR 4 _ 21" _

» "des Daufes TER EL RE. u I an ar Kap N 71"

» der Mittelzehe ohne Nagel .........2.. 22220: 31” 317

» des Nagels an der Mittelzehe .......... re —_ 2"

lt) Vergl. Middendorff,l. c. 2) Nach Temminck und Schlegel (Fauna Japon. Aves. p. 139.) L.bifasciata, nach Bonaparte und Schle- gel (Monogr. des Lox. p. 5.) L. leucoptera. 3) Sibir, Reise. ]. c. p. 154. *) Fauna Japon. Aves. p. 71. Tab. XXXIV, °) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 552. Schrenck’s Amur-Reise Bd, 1. 39

306 Vögel.

P. caudatus ist uns aus dem oberen und unteren Amur- Lande bekannt. Im ersteren beobachtete ich sie auf meiner Reise im Jahre 1856 zu wiederholten Malen in den Gebüschen und Laubhölzern der Amur - Ufer und Inseln und schoss sie auch in solcher Localität am 24. Sept. (6. Oct.) nahe der Einmündung des Amasare in den Amur. Im untero Amur- Lande erhielt ich sie durch Hrn. Maximowiez am -3;; April aus der Umgegend von Kidsi. Da Middendorff dieselbe im Januar bei Udskoi-Ostrog erhalten hat, so unterliegt es kei- nem Zweifel, dass sie auch den Winter im Amur-Lande zubringt.

61) Parus cyanus Pall.

Bei den Mangunen und Golde: dauwanassan.

Die Amur -Exemplare dieser schönen Meise stimmen mit den europäischen und west- sibirischen in unserem Museum und der Beschreibung von Pallas u. A. vollkommen überein, vorausgesetzt natürlich, dass man Individuen gleichen Alters gegen einander hält, da mit dem Alter bei diesem Vogel mancherlei Veränderungen in der Farbe und Zeichnung des Gelieders vor sich gehen. Zu dem in dieser Beziehung bereits Bekannten sind wir nach unseren Mate- rialien, die in einer Reihe von Individuen verschiedenen Alters bestehen, im Stande einige ergänzende Bemerkungen hinzuzufügen.

Im Allgemeinen besteht die auflallendste, mit dem Alter vor sich gehende Veränderung in der Farbe der Lasurmeise darin, dass die blauen Farbentöne und stellenweise auch die weisse Zeichnung mit dem wachsenden Alter an Intensität, Reinheit und Ausdehnung zu- nehmen, in der Jugend dagegen durch eine graue Farbe mehr oder weniger getrübt und so- gar ersetzt werden. Dies findet namentlich an dem blauen Wangenstreifen und Halsringe, an den oberen kleinen Flügeldeckfedern, am Ober- und Mittelrücken und in gewisser Weise an dem schwärzlichblauen Streifen der Unterseite, weniger dagegen und nur kaum merklich an den grossen Schwung- und Steuerfedern statt. Nur beim ganz alten Vogel sind diese Theile von solcher Schönheit der Farben, wie in Gould’s Abbildung'); ja bei einem Exemplar unseres Museums aus der Umgegend St. Petersburgs sind sie zum Theil noch schöner, der Halsring breiter, die Flügeldeckfedern noch reiner blau und der blaue Anflug des Rückens intensiver. Bei jüngeren, jedoch ebenfalls ein oder mehrere Mal vermauserten Individuen sind der Wan- genstreif und Halsring düstrer blau, die oberen kleinen Flügeldeckfedern statt lasurblau nur graublau (von der Farbe, die der Rücken bei dem ersterwähnten, sehr alten Vogel trägt), der blaue Anflug auf dem Rücken schwächer und dieser daher heller und der schwärzlichblaue Bauchstreifen kürzer, verwaschener und heller. Beim ganz jungen, noch unvermauserten Vogel endlich sind die genannten Partieen nur einfach heller oder dunkler grau und der Bauch- fleck fehlt ganz. In diesem Alter des Vogels beschränkt sich also die lasurblaue Farbe bloss

!) The Birds of Europe. III. Tab. 153.

Parus cyanus. P. palustris, Var. borealıs. 307

auf die Schwingen und Steuerfedern, wo sie aber ebenfalls matter und blasser als beim alten Vogel ist, und auf einen Theil der mittleren und grossen oberen Flügeldeckfedern, wo sie aber noch von vielem Grau getrübt ist. Mit den Veränderungen in den blauen Farbentönen geht gleichzeitig auch eine in der weissen Zeichnung von P. cyanus vor sich. Nur beim alten Vogel ist der Kopf fast rein weiss, mit sehr schwachem blaugraulichem Anfluge nach dem Hinterhaupte zu: bei jüngeren ist dieser grauliche Anflug stärker und reicht bis zur Stirne vor, und beim ganz jungen, noch unvermauserten Vogel endlich breitet sich eine graue, weiss umrandete Platte über den ganzen Scheitel aus. Gleichzeitig ist beim alten Vogel auch der weissliche Fleck auf dem Hinterhalse deutlicher und heller, das auf dem Flügel befindliche, durch die weissen Spitzen der grossen Flügeldeckfedern gebildete Querband breiter und die Unterseite reiner weiss. Letztere trägt übrigens bei keinem unserer Exemplare, auch nicht bei dem besonders schön gefärbten aus der Umgegend St. Petersburg’s, den bläulichen An- flug, der sich in Gould’s Abbildung findet, sondern ist meistens schneeweiss'), nur hin und wieder mit einem schwachen grauen Staubanfluge, oder, bei den unvermauserten Individuen, stellenweise mit einem schwachen schmutziggelblichen Anstriche versehen. Endlich können wir zu den mit dem Alter vor sich gehenden Farbenveränderungen bei P. cyanus noch hinzu- fügen, dass die beim alten Vogel schwarzen Zügel beim jungen nur grau und zwar noch heller als der Wangenstreif und Halsring sind.

Die Lasurmeise kommt im gesammten Amur-Lande in den ausgedehnten Weidenge- büschen, mit denen die Ufer und die zahlreichen niedrigen und oft sumpligen Inseln des Amur- Stromes bewachsen sind, nicht selten vor. Am unteren Strom ist sie von Maximowicz, Maack und mir im Juni bis November beiKidsi, Maji und Zollazi geschossen worden. Am östlichen Fusse des Bureja-Gebirges schoss ich am 21. Juli (2. Aug.) ein noch unvermausertes Junges und im oberen Laufe des. Amur-Stromes nahe Albasin am 13 Sept. ein erwachsenes Männchen dieser Art.

62) Parus palustris L. Var. borealis Selys.

Bei den Giljaken von Sachalin: ngamghur. » » Mangunen und Golde: zenzpoika.”) Mit Middendorff®) können wir die durch Selys Longehamps von der gemei- nen Sumpfmeise als selbstständig abgetrennte Art, P. borealis‘), nur als eine durch etwas

1) Wie auch Pallas angiebt, s. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 553.

2) Wahrscheinlich auch eine mit anderen kleinen Vögeln und namentlich Meisen gemeinsame Bezeichnung.

3) Sibir. Reise. ]. c. p. 155.

4) $. Bullet. de l’Acad. Royale des Sc. et Belles-Lettres de Brux. X. 2. part. 1843. p. 24 fl. Desgl. Rev. Zool. Paris 1843. p. 212. Von P.borealis trennte später Bailly noch P. alpestris nach einem Schweizer Exemplare ab, wo- gegen aber schon Selys beide für eine und dieselbe Art erklärte (Naumannia, VI. Jahrg. 1856 p. 393.). Ausserdem wird eine von Selys als problematisch aufgestellte Art, P. frigoris, von vielen Ornithologen (Bonaparte, Consp. gener.

*

308 Vögel.

grösseren Wuchs und geringe Farbendiflerenzen unterschiedene Varietät von P. palustris betrachten. Letztere Differenzen beschränken sich darauf, dass die schwarze Kopfplatte etwas weiter abwärts und zwar bis auf den Oberrücken hinabsteigt, dass ferner das Schwarz der Kehle in der Regel ausgedehnter, das Weiss der Wangen-, Ohrgegend und Oberbrust reiner und endlich die Farbe des Rückens von reinerem, minder bräunlichem oder olivenfarbenem Grau ist, Verschiedenheiten, durch welche diese Meise, zugleich mit ihrer bedeutenderen Grösse, mehr der amerikanischen Form, P. atricapillus Gm., als der typischen europäischen, P. pa- lustris, sich nähert. In der That möchten wir auch der Ansicht Temminck’s'), Gloger’s”) und anderer Ornithologen beitreten, dass auch P. atricapillus nur eine Varietät derselben, weit verbreiteten Sumpfmeise, P. palustris, sei’). Dass die erwähnten Diflerenzen zur Unterschei- dung des P. borealis als einer selbstständigen Art nicht hinreichen dürften, beweist das starke Variiren dieser Charaktere. Im Allgemeinen bemerkt Selys später selbst, dass es unter den ihm aus Schweden zugekommenen Exemplaren der Sumpfmeise auch solche giebt, die ihm einen Uebergang von P. boreahs zu P. palustris zu bilden scheinen‘), eine Ansicht, zu der sich auch Blasius bekennt, indem er diese Exemplare, nach eigener Anschauung, für so entschiedene Mittelexemplare erklärt, dass man keiner von den beiden Arten ein besonderes Vorrecht auf dieselben zugestehen könne’). Specieller die genannten Unterscheidungscharaktere betref- fend, führt Middendorff unter seinen sibirischen Exemplaren von P.borealis auch solche an, bei denen das Schwarz der Kehle nur ganz gering und die Rückenfarbe viel heller und, wie wir aus einem Vergleich der betrefienden Exemplare mit den unsrigen entnehmen können, auch gelblicher oder bräunlicher ist. Der Unterschied im grauen Farbentone zwischen P. bo- realis und P. palustris ist übrigens ein so geringer, dass auch unter unseren, von einem Orte herrührenden Exemplaren der ersteren mehrere sich finden, die von dem typischen P. palustris in diesem Punkte nicht zu unterscheiden sind. Genau dasselbe lässt sich auch hinsichtlich der bald mehr weisslichen, bald mehr hellaschgrauen Schwingenkanten sagen, eines Charakters, auf den Wallengren hauptsächlich auch die Unterscheidung des P. borealis von P. palustris (bei ihm P. fruticeti) stützt‘). Dessgleichen muss ich bemerken, dass auch die weissliche Farbe der Unterseite sehr variirt, indem sie am Bauche und besonders an den Weichen bald einen rein grauen, bald einen röthlich- oder gelblichgrauen Anflug trägt und bald endlich beinahe

Av. p.230., Brehm u.a.) ebenfalls für eine selbstständige Art gehalten, obgleich Selys selbst bei Aufstellung derselben sich dahin aussprach, dass es vielleicht nur ein älteres Individuum von P. borealis im Hochzeilskleide sei (vergl. Bullet. de l’Acad. Roy. l. c. p. 29), eine Ansicht, die er später dahin modificirte, dass er P. frigoris mit P. atricapillus identi- fieirte (Naumannia, VI. Jahrg. p. 393.).

!) Manuel d’Ornith. 1. p. 292. Vgl. auch Selys Longchamps im Bullet. de l’Acad. Royale I. c. p. 27.

®) Handb. d. Naturg. der Vögel Eur. I. p. 363.; desselb. Das Abänd. der Vögel durch Einfluss des Klima’s. p. 133.

°) Aus der Identität beider Formen erklärt sich auch, warum Selys selbst nicht wusste, zu welcher von beiden er seine P, frigoris rechnen sollte (s. oben).

*) Naumaunia, VI. Jahrg. p 393.

°) Naumannia, VI. Jahrg. p. 468.

6) Wallengren, Brülezonen der Vögel innerhalb Skandin. Naumannia, IV. Jahrg. p. 142. Trotz dieser Un- terscheidung bemerkt aber Wallengren am selben Orte, dass P. borealis vielleicht nur eine nördliche und östliche Form von P. fruticeti sei.

Parus palustris, Var. borealıs. 309

rein weiss ist. Wangen, Ohrgegend und Oberbrust sind aber bei allen meinen Exemplaren schneeweiss. So beschränkt sich also die ganze Farbendifferenz bei P. borealis auf ein rei- neres Hervortreten der weissen Farbe an einzelnen Körpertheilen und eine Zunahme der schwarzen an anderen, worin wir nach Analogie vieler anderen Fälle nichts mehr wie einen Varietätscharakter erblicken können. Ausser dieser Farbendiflerenz soll sich aber P. borealis auch durch einen etwas grösseren, wenn auch durch Mittelstufen vermittelten Wuchs vor P. palustris auszeichnen. Selys giebt zur Vergleichung beider nur die Maasse der Ge- sammtgrösse und der Schwanzlänge an. Gegen letzteres Moment bemerkt aber Liljeborg'), ob er gleich ebenfalls P. borealis als selbstständige Art anerkennt, dass es keinen specifischen Unterscheidungscharakter abgeben könne, da es bedeutend variire und er selbst Männchen von P. palustris gesehen habe, die einen gleich langen Schwanz mit P. borealis hatten. Die Maasse der Amur-Exemplare so wie einiger anderer, in der Farbe mit ihnen ganz übereinstimmender, aus verschiedenen Gegenden Sibirien’s stammender Exemplare unseres Museums sind folgende:

Udskoi- ER: $ A maurn Ostrog. Aldan. Wilui. Irtysch.

Länge v. d.Schnabel-b. z. Schwanzspitze (ungefähr) 575

rm

Dann 517, 10 AR On 2

Länge des zusammenge-

legten Flügels .......2’5” 2'5” a'5” a'4” 2’4” 2’5” a’6” 2’a 27° 25

Länge des Schwanzes... 2'5” 2’5”” @5”’ 2’4” a”3” a"3” a’5” a’n" 2’3” 2’5” » des Schnabels ... 41 41 MN _ 33” 4" 4” == 33” MT 4" » desLaufes......— 7a" age 117 an Zi m Lage 11" _7" = Tr" _ 71 » derMittelzehe ohne

Nagel. 00. Hl 41

Länge des Nagels an der

Mittelzehe .......... 21" 23” _ 22

Lässt sich nun aus diesen an Bälgen genommenen Maassen auch nicht mit Sicherheit über die Gesammtlänge unseres Vogels aburtheilen, so ist aus denselben doch schon ersicht- lich, dass auch innerhalb dieser Form nicht unbedeutende Grössendifferenzen vorkommen. In den Dimensionen der Schwanz- und Flügellänge namentlich sehen wir die Grössendifferenzen auf2 und 3 Linien sich belaufen, so dass der Unterschied zwischen den grössten und kleinsten Exemplaren von P. borealis kaum geringer als der zwischen diesen letzteren und dem P. palustris sein dürfte. Ausserdem aber nimmt noch die von Vielen ebenfalls nur als Varietät von P. palustris angesehene amerikanische Form, P. atricapillus (s. oben), ihrer Grösse nach ebenfalls eine zwischen P. palustris und P. borealis vermittelnde Stellung ein. So erscheint uns also auch hinsichtlich der Grösse die Zusammenziehung der genannten Formen in eine Gesammtart mit

mehreren Varietäten als ganz naturgemäss.

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m 3m 1 72 07 m m ul 1" 4a" _ 4" "u" MH A A

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"21" 22" Uu ne 2 21" 192722”

1) Beitrag zur Ornithologie des nördlichen Russlands und Norwegens.‘ Naumannia, II. Jabrg. p. 101.

310 Vögel.

In Beziehung auf die geographische Verbreitung sehen wir, nach dem oben Erörterten, die Sumpfmeise in drei, den Welttheilen der nördlichen Hemisphäre, Europa, Asien und Ame- rica entsprechenden Varietäten auftreten. Dass diese jedoch sich nicht durchweg aus- schliessen, sondern auch vielfach neben einander vorkommen, lässt sich aus den bisherigen Erfahrungen leicht entnehmen. Namentlich ist dies mit den einander räumlich näher ste- henden Formen Asien’s und Europa’s, also dem typischen P. palustris und der Var. bo- realis vielfach der Fall. Denn obgleich letztere hauptsächlich dem Norden Asien’s bis nach Kamtschatka') eigenthümlich ist und in diesem Welttheile am weitesten südwärts geht, so kommt sie doch auch im angränzenden europäischen Russland, bei St. Petersburg z. B., von wo uns ein Exemplar vorliegt, bei Archangel’), in Finnland, Lappland, Schwe- den, Norwegen‘) und bis nach Island‘) vor. Sie scheint demnach auch die nördliche, P. palusıris dagegen die südliche Form Europa’s zu sein’). Im Amur-Lande ist die Sumpf- meise in der erwähnten Varietät ein gemeiner und häufiger Vogel. Ich habe sie dort von der Mündung des Amur-Stromes bis zum Ussuri und an diesem Strome bis zur Mündung des Noor in denselben zu allen Jahreszeiten beobachtet und geschossen. Beim Nikolajevschen Posten war sie besonders häufig im Herbst und Winter, in kleinen Schwärmen oder paarweise in den Birken und anderen Vorhölzern der Nadelwälder. Im Winter habe ich sie häufig auch auf Sachalin, an beiden Küsten und im Innern der Insel, an der Festlandsküste, am unteren Amur und am Gorin in lichten Lärchenwäldern, Birkengehölzen,, Weiden- und Ellernge- büschen u. dergl. m. angetroffen. Im Juli 1854 schoss ich sie in der Bai Hadsbhi in einem hohen, aber ziemlich lichten Nadelwalde. Exemplare, die am ; Aug. an der Ussuri-Mün- dung und am 30. Sept. (12. Oct.) beim Nikolajevschen Posten erlegt wurden, befanden sich in der Mauser; die an letzterem Orte am 23. Oct. (4. Nov.) und später erhaltenen hatten die- selbe ganz absolvirt.

63) Parus ater L.

Bei den Mangunen und Golde: zokkozinda").

An alten und jungen Exemplaren dieser kleinen Meise aus dem Amur-Lande lässt sich keinerlei Abweichung, sei es in der Farbe und Zeichnung oder in der Grösse, von dem euro- päischen Vogel wahrnehmen. Unter einander variiren aber unsere Exemplare nicht selten in

!) Pallas’ Beschreibung von P. palustris in der Zoogr. Rosso-Asiat. (1. p. 557.) bezieht sich ohne Zweifel auf die Var. borealis.

2) Liljeborg, s. Naumannia, II. Jahrg. p. 100.

3) Gadamer, Angabe der im nordöstl. Schonen vorkommenden Vögel, S. Naumannia, U, Jahrg. 3. Heft p. 3 und 7; Wallengren, Brütezonen der Vögel innerhalb Skand. s. Naumannia, IV. Jahrg. p. 141. Nach Wallengren ist auch Linn&’s Diagnose von P. palustris auf P. borealis zu beziehen.

4) Selys Longchamps, s. Bullet. de l’Acad. Roy. 1. c.; Wallengrenl.c.u. a,

5), Liljeborg (Naum. 1. c.) schlägt daher fur die südlichere Form, P. palustris, den bezeichnenderen Namen P. meridionalis vor.

6) Wird vermuthlich auch für andere kleine Vögel gebraucht.

Parus ater. 31

der grösseren oder geringeren Ausbreitung der schwarzen Kehlplatte, die bald bis zur Ober- brust hinabreicht, bald schon früher abbricht. Am frischgeschossenen jungen Vogel waren im August: die Iris dunkelschwarzbraun, der Schnabel dunkelhornfarben, an der Spitze heller, die Füsse graublau, die Sohlen gelblich.

P. ater ist im unteren, an Fichten-, Tannen- und Lärchenwäldern überreichen Amur- Lande eine häufige Meise. In der Umgegend des Nikolajevschen Postens habe ich sie im August, September und October fast täglich in grösseren oder kleineren Schwärmen in den Nadelhölzern, seltner auf Birken, Ebereschen und anderen Laubhölzern beobachtet und ge- schossen. Mehrmals verflog sie sich auch durchs offene Fenster in meine hart am Walde gele- gene Wohnung, nahm jedoch in der Gefangenschaft keine Nahrung zu sich und war in wenigen Stunden dahin. Es waren dies junge, in ihrer ersten Mauser begriffene Individuen. Diese tritt bei ihnen auch im Amur-Lande bald früher und bald später im August und September ein. Mir liegt z. B. ein Exemplar vom 28. Aug. (9. Sept.) vor, das schon ziemlich mitten im Wechsel seines Jugendkleides gegen das des erwachsenen Vogels steht, indem es am Kopfe und Unterhalse ebensoviel mattgrünlichschwarze als glänzendblauschwarze, an den Wangen und Halsseiten ebensoviel gelbliche als rein weisse und auf dem Rücken endlich nicht weniger grünlichgraue als graublaue Federn trägt. Dieses Exemplar bietet zugleich die Anomalie eines deutlichen, linksschlagenden Kreuzschnabels dar. Gegenüber diesem frühe mausernden Exemplare erscheint aber ein anderes am 13 Sept. noch im vollen Jugendkleide, ohne ein Fe- derchen gewechselt zu haben. Bei diesem ist der Kopf mattgrünlichschwarz, die Kehle nur schwärzlichgrau, die Wangen und Halsseiten schwefelgelb, der Rücken düster graugrün. Bei noch einem anderen, am 22. Sept. (4. Oct.) ebenfalls beim Nikolajevschen Posten erlegten Jungen hat die Mauser unlängst begonnen, indem sich auf dem Scheitel schon eine schmale Platte von glänzend blauschwarzen Federchen , im Schwefelgelb der Wangen und Halsseiten einige rein weisse, im Grau der Kehle ein paar dunkelschwarze und am Flügelbuge endlich einige blaugraue Federchen finden. Während dieses Exemplar aber noch ganz im Beginne der Mauser steht, zeigt umgekehrt ein anderes, am folgenden Tage erlegtes Individuum schon fast das volle, nur durch wenige Nestfederchen noch getrübte Kleid des erwachsenen Vogels. In den angeführten Fällen dürfte also der Eintritt der ersten Mauser bei verschiedenen Individuen ziemlich um einen vollen Monat auseinanderfallen. Unter den mir vorliegenden Exemplaren vom erwachsenen Vogel finde ich eines, das am 26. Aug. (7. Sept.) im letzten Abschlusse seiner Mauser begriffen ist, und diejenigen vom 13 Sept. und später sämmtlich schon im vollen Winterkleide. Aufwärts vom Nikolajevschen Posten gegangen, habe ich die Tannenmeise mit der Abnahme der Nadelwaldung zwar viel seltner, jedoch noch an vielen Orten des Amur-Landes, so bei Ssamahagdu, Chome, Dshare und im Bureja-Gebirge beobachtet.

312 Vögel.

64) Sitta europaea L.

Bei den Giljaken von Sachalin: tschotschranch') (?) » » Mangunen und Golde: zolzomaika.

Nach den auf reiche Erfahrungen gestützten vergleichenden Untersuchungen von Blasius über die Kleiber”) dürfte es gegenwärtig wohl keinem Zweifel mehr unterliegen, dass die mehrfachen, vermeintlich selbständigen Arten, in die man Linne’s Sitta europaea zerspaltet hat, S. caesia Meyer et Wolf, $. europaea Auct. und $. wralensis Licht. (von den noch zahlreicheren Brehmschen Arten völlig abgesehen), nur als Abänderungen einer und dersel- ben Art zu betrachten sind. Innerhalb dieser einen, naturgemässen, umfassenden Art können wir mit Blasius die mitteleuropäische, auch von den nachlinneischen Autoren als S. europaea bezeichnete Form als die typische, S. caesia und uralensis dagegen als geographische Varie- täten jener ersteren ansehen. Aus dem Amur-Lande nun liegen uns die typische und die Var. uralensis vor, die in ihren extremen Formen zwar leicht auseinander zu halten sind, durch eine Reihe zwischenliegender Exemplare aber ganz unmerklich in einander übergehen und damit einen ferneren Beweis für die Identität dieser Formen liefern. Das am lebhaftesten ge- färbte, ausgesprochenste unserer Exemplare der typischen Form aus dem Amur-Lande ist am Halse schneeweiss, an der Brust mit leichtem rostgelbem Anfluge, am Bauche recht schön rostgelb und an den Weichen rostbraun. Es reiht sich somit hinsichtlich seiner Farben mitten zwischen die Exemplare 4 bis 7 von Blasius (aus Kopenhagen und Wologda) ein und ist unverkennbar die S. europaca Auct. An dieses Exemplar schliessen sich nun 3 andere an, bei denen die Farbe des Bauches allmählig verblasst, immer aber noch rostgelblich bleibt, wo- bei der rostgelbliche Anflug bei einem derselben sogar bis auf die Brust hinaufreicht. Diese Exemplare, die denjenigen von Blasius unter 7 und 8 entsprechen, müssen wir daher ebenfalls noch zur typischen Form rechnen. Dagegen besitzen wir drei andere Exemplare, bei denen der rostgelbliche Anflug so gut wie ganz verschwunden ist, indem er nur in der Aftergegend noch als leichte Trübung der weissen Farbe sichtbar bleibt, und bei denen zugleich auch das Rostbraun an den Weichen matter und geringer ist. Diese zwischen den Nummern 9 bis 12 von Blasius stehenden Exemplare müssen wir daher schon zur Var wralensis bringen, obwohl sie durch den erwähnten, wenn auch überaus schwachen, rostgelblichen Anflug noch um ein Geringes von den am Bauche ganz weissen Exemplaren dieser Varietät aus Westsibirien, vom Altai-Gebirge und aus Kamtschatka in unserem Museum verschieden sind. Wie nach dem Farbentone, so kann man ferner auch nach der Grösse unter den Amur-Exemplaren so- wohl die typische Form, als die Var. uralensis und die allmähligen Uebergänge zwischen

beiden erkennen. Die Maasse unserer Amur-Exemplare sind folgende®): ?

!) Aclınlich der Bezeichnung der Continental-Giljaken für Loxia curvirostra (s. oben).

2) Naumannia, VI. Jahrg. 1856. p. 433 N. °) Die Nummern geben die Exemplare in der Reihenfolge an, in der sie oben, bei Besprechung der Färbung,

angeführt worden sind.

Sitta europaea. 313

S, europaea typica. S. europaea, Var. uralensis. 1. D. 3. 4. 5. 6. r& Länge von derSchnabel- bis zurSchwanz- spitze (ungefähr). ......... Kan in A A An » des zusammengelegten Flügels... 371” 371” 3°— 3’— 3’— 2” 9” 210” BOFESSSCHWANZES.. 4. ie nassen Male Tara 1 Ga Az nr

m m m

». des Schnahels..............—8. —2. —ı7ı 71" 71" 6 » desLaufes ....2ucenueun. 83783” 8” 8181" 72” 8” » der Mittelzehe ohne Nagel .... 63” —61”" —61”—63”— 63” 61” 637 » des Nagels an der Mittelzehe .. —31"—3” —31”—3” —31”— 3” 31” Aus diesen Maassen geht zugleich sehr deutlich hervor, wie unhaltbar die auf Grössen- differenzen beruhenden Unterscheidungen der S. europaea und uralensis als selbständiger Arten sind. Denn nicht nur sehen wir zwischen diesen Formen ganz allmählige und unmerkliche Grössenübergänge, sondern es schliesst sich auch oft ein Exemplar, das nach dem Farbentone zu einer dieser Formen gehört, nach seinen Dimensionen an die andere an, oder aber es fällt nach einer Dimension zu einer, nach einer anderen zur anderen Form. So gehört z.B. No. 5 unserer Exemplare nach dem Farbentone und der Dimension des Schnabels zur Var. uralensis, nach der Dimension des Laufes dagegen zur typischen Form, während No. 2 umgekehrt nach dem Farbentone und der Dimension des Laufes zur typischen Form, nach der Schnabellänge dagegen zur Var. uralensis fällt u. s. w.

In Beziehung auf die geographische Verbreitung ist es sehr überraschend, im Amur-Lande ausser der leicht zu erwartenden Var. uralensis auch die typische Form des Kleibers zu ıreflen. Bekanntlich hielt man letztere, die $. europaea Auct., bisher für eine dem mittleren Europa allein eigenthümliche Form, welche im Osten durch eine besondere Art oder Varietät, die $. uralensis Licht. oder S. asiatica Gould oder, wie man sie am richtigsten bezeichnen dürfte, S. europaea Var. sibirica Pall.'), ersetzt werde. In der That gehörten zur letzteren bisher alle Exemplare vom Kleiber, die man durch ganz Sibirien bis nach Kamtschatka kennen gelernt hatte, und die Ausschliesslichkeit dieses Vorkommens schien mit für die Trennung selb- ständiger Arten zu sprechen, oder gestattete wenigstens nicht, in diesen Formen bloss klima- tische Varietäten einer und derselben Art anzunehmen’). Das Vorkommen derselben im Amur-Lande ist aber in dieser Hinsicht sehr belehrend. Alle Exemplare der typischen Form, die wir aus demselben mitgebracht haben, gehören nämlich dem südlichen Theile des Amur- Stromes, von dem Durchbruche desselben durch das Bureja-Gebirge bis zur Einmündung des Gorin in denselben ; diejenigen der Var. uralensis dagegen stammen aus dem nördlichen Theile des Amur-Landes, von dem Mündungslaufe des Stromes und aus der nördlichen Hälfte der

lt) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 546. 2) Blasius /Naumannia, 1. c. p. 439.) bezeichnet daher, auf die bis dahin vorliegenden Erfahrungen sich stützend, die Var. uralensis bloss als östliche «Localvarietät», nicht als klimatische. Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 40

314 Vögel.

Insel Sachalin. Ja dies Verhältniss trifft an unseren Exemplaren sogar soweit ein, dass das mit den lebhaftesten Farben gezeichnete Exemplar der typischen Form von dem relativ süd- liehsten Punkte, nämlich der Mündung des Ussuri, das blasseste derselben von dem relativ nördlichsten Orte, der Gorin-Mündung, herrührt. Nördlich von letzterer aber, beim Ma- riinskischen Posten u. s. w., tritt uns statt der typischen Form schon die Var. uralensis entgegen. Wie sehr nun diese Vertheilung der Formen mit den klimatischen Verhältnissen des unteren Amur-Landes im Einklange stehi, möge daraus erhellen, dass, wie bereits in der Einleitung zu diesem Werke bemerkt worden '), der Mariinskische Posten so wie die ganze Gegend unterhalb des Gorin am rauhen Küstenklima des nördlichen Amur-Landes Theil hat, die Gorin-Mündung dagegen, nach dem Vegetationscharakter und manchen Erscheinungen der Thierverbreitung zu schliessen, den Wendepunkt zu einem südlicheren Klima am unteren Amur- Strome abzugeben scheint. So findet also im Amur-Lande ganz dasselbe Verhältniss in der Verbreitung dieser beiden Kleiberformen wiein Europa statt, wo bekanntlich die typische Form im mittleren, gemässigten Theile einheimisch ist, nach Norden dagegen durch allmähliges Ver- blassen’) in die Var. uralensis übergeht. In letzterer dürfen wir also nach diesen Thatsachen ohne Zweifel nur eine klimatische, nordische Varietät von S. europaea erblicken. Während aber diese nordische Varietät in Europa nach Süden sehr bald durch die typische Form er- setzt wird, steigt sie im rauheren Osten der alten Welt bis zu viel südlicheren Breitengraden hinab und nimmt noch ganz Sibirien bis wenigstens zum Altai-Gebirge ein. Dass sie aber auch im Osten der alten Welt, noch weiter südwärts gegangen, der lebhafter gefärbten, typischen Form weichen muss, beweist uns eben das erwähnte Auftreten der letzteren im Amur-Lande. Dort findet es im Thale des Amur-Stromes ungefähr mit dem 50ten Brei- tengrade statt und mag der localen klimatischen Verhältnisse wegen®) vielleicht etwas früher als in westlicheren Längen, im Innern des Continentes sich einstellen. Ob endlich noch weiter im Süden Asien’s auch die südlichste Varietät des Kleibers, S. caesia, sich einfinde, wissen wir bisher nicht, möchten es aber nach Analogie der im Amur-Lande vorkommenden $. europaea allerdings vermuthen. Für den Westen Asiens ist dies übrigens nicht mehr eine blosse Vermu- hung, da uns aus dem Kaukasus, der Umgegend von Lenkoran, ein Exemplar von S. caesia vorliegt. Im Osten Asien’s können wir aber zu Gunsten unserer Vermuthung den Umstand an- führen, dass Temminck und Schlegel‘) den Kleiber Japan’s, soweit sich nach japanischen Abbildungen urtheilen liess, der europäischen S. caesia sehr nahe kommend fanden. Dass diese Thatsachen geographischer Verbreitung der Kleibervarietäten uns nun auch einen Rückschluss auf die völlige Unhaltbarkeit ihrer Unterscheidung als selbständiger Arten zu thun gestatten, versteht sich von selbst. Was endlich noch speciell das Vorkommen der $. europaea L. im

I) S. oben p. XXX.

?2) Die Brelim’schen Arten $. svecica u.a. S. Blasiusl. c.

°) Wir erinnern hier an die bei Abhandlung der Säugethiere besprochene klimatische Brundigung des Amur- Stromes durch die ungefähre Meridianrichtung seines unteren Laufes und seiner grossen, von Süden kommenden Zu- Qusse, des Ssungari und Ussuri. S. oben p. 196.

*) Fauna Japon, Aves, p- 138.

Sitta europaea. Garrulus infaustus. 315

Amur-Lande betrifft, so ist dieselbe dort durch alle Jahreszeiten hindurch ein häufiger und gemeiner Vogel. Vorzüglich oft aber habe ich sie in den an Laubhölzern verschiedener Art reichen Gegenden beobachtet. So fand ich sie (im Winter 1856) häufiger in dem mit zahl- reichen Weiden-, Espen- und Birkengehölzen versehenen Innern Sachalin’s als an der Mee- resküste oder an der Mündung des Amur-Stromes; an letzterem um so häuliger, je mehr die Laubhölzer stromaufwärts an Stelle der Nadelwaldungen treten; so bei Kidsi häufiger als beim Nikolajevschen Posten, noch häufiger am Gorin und in der grössten Häufigkeit end- lich in den reichen Laubwaldungen nahe der Ussuri-Mündung. Dort war sie im Juli und August auf den Stämmen alter Ulmen, Eichen u. s. w. paarweise und einzeln fast regelmässig zu finden und liess sich oft sogar auf den Balken, Dachgiebeln und Fensterhölzern der Häuser in den kleinen Golde-Dörfern (Messur, Turme u. a.) sehen.

65) Garrulus infaustus L.

Bei den Giljaken des Continentes: dshoppip. »» » der Insel Sachalin (im Tymy-Thale): chung. » » Mangunen und Golde am Amur: :ssokt. » » Golde am Ussuri: fongssocha.

Dieser nordische Heher kommt im gesammten Amur-Lande vor, ist aber besonders häufig und zahlreich in den Nadelwaldungen der Amur-Mündung, der Meeresküste und der Insel Sachalin. Beim Nikolajevschen Posten habe ich ihn vom August bis Februar in den Lärchen- und Fichtenwäldern der nächsten Umgegend fast täglich beobachtet und zu wieder- holten Malen geschossen. Auf Sachalin traf ich ihn im Februar nicht selten auch in den Birken-, Espen- und Weidengehölzen, oft hart an den Hütten der Eingeborenen. Dort und an der Amur-Mündung scheut er also auch nicht die unter den Gefrierpunkt des Quecksil- bers sinkende Kälte des Winters. Kaum weniger häufig sah ich ihn im Sommer, im Juni und Juli, in den Nadelwaldungen der Bai de Castries und bei Kidsi. Weiter aufwärts am Amur wird er mit dem Vorlierrschen der Laubhölzer seltner, kommt jedoch noch am unteren Ussuri vor. Dort schoss ich ihn am 49 August bei Aua, in einem hart am Strome gelegenen, reinen Laubwalde von Eichen, Ulmen, Wallnussbäumen u. dgl.m. und beobachtete ihn auch am folgenden Tage in einem lichten Eichenwalde in der Nähe von Noor, so dass er dort keineswegs selten zu sein scheint. Trotz dieses ungewöhnlichen, von den düsteren Nadelwaldungen der Amur-Mündung so verschiedenen und in der That mit sehr südlichem Charakter versehenen Fundortes, zeigt aber das Exemplar vom Ussuri nicht die geringste Verschiedenheit von den beim Nikolajevschen Posten oder im Tymy-Thale auf Sachalin erlegten Individuen, die wiederum mit unseren nordeuropäischen vollkommen übereinstimmen. Im Vergleich mit Europa, wo @. infaustus an der Küste Schweden’s z. B. im Sommer nicht südlich vom

*

316 Vögel.

63sten Breitengrade und im Winter selten bis nach Stockholm vorkommt"), müssen wir also sein Vorkommen im Amur-Lande noch unter 47 ° nördl. Br. für ein überraschend südliches erklären. Und dennoch dürfen wir nach Erwägung der Jahreszeit und Localität, in der wir ihn am Ussuri antrafen, unseren Fundort bei Aua und Noor noch lange nicht für die Süd- gränze des Sommer- oder gar Wintervorkommens von @. infaustus im Amur-Lande halten. Er- wägen wir vielmehr, dass weiter aufwärts am Ussuri, mit der wieder beginnenden Gebirgs- natur der Landschaft und der Näherung zur verhältnissmässig rauheren Meeresküste, auch wiederum ein nordischerer Vegetationscharakter sich einstellt, so müssen wir @. infaustus noch um ein Bedeutendes südlicher vermuthen. Dieses weite Hinabsteigen einer hochnordischen Form nach Süden bietet also gewiss einen sehr bezeichnenden u Cha- rakterzug des Amur-Landes und Ostasiens überhaupt dar.

66) Garrulus glandarius L. Var. Brandtii Eversm.

Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin: häwl und dshoppip’). » » Mangunen und Golde unterhalb des Geong-Gebirges: kafako. » » Golde oberhalb des Geong-Gebirges (in Dawunda u. s. w.): kabka.

Alle Eichelheher, die ich im Amur-Lande beobachtet habe und von denen mir 7 Exem- plare vorliegen, gehören zu der von Eversmann‘) als selbständige Art unterschiedenen Form @. Brandti, in der wir jedoch mit Temminck und Schlegel‘), Middendorff?), Blasius®) u.a. nichts mehr als eine durch etwas lebhaftere, nicht sowohl violettroth- als rostrothbraune Farbe des Kopfes und Halses und etwas stärkere schwarze Fleckung der Stirn- und Scheitel- federn ausgezeichnete Varietät von @. glandarius erblicken können. Bekanntlich ist die leb- haftere Färbung der sibirischen Exemplare vom Eichelheher auch schon Pallas’) bekannt gewesen, der sie aber deshalb keineswegs von der in allen übrigen Stücken, in der Zeichnung, Grösse, Lebensweise u. s. w. mit ihnen übereinstimmenden europäischen Form trennte. Unter einander variiren unsere Exemplare nur sehr wenig und zwar nur darin, dass das Rothbraun am Kopfe und Halse bald mehr, bald weniger lebhaft ist, und die schwarzen Flecken eine ungleiche, grössere oder geringere Ausdehnung haben. Es betriflt also dieses Variiren

1) Wallengren, Brütezonen der Vög. innerhalb Skand. S. Naumannia, IV. Jahrg. p. 122.

2) Letztere Bezeichnung wird ihm von den Giljaken aus dem Grunde gegeben, weil sie ihn für das Weibchen von G. infaustus halten.

3) Addenda ad celeb. Pallasii Zoogr. Rosso-Asiat. S. Yuen. 3an. na3aas. Unn. Rasanck. Se 1843. IH. p. 8. Desgl. Hartlaub in der Revue Zool. 1845. p. 52.

4) Fauna Japon. Aves. p. 83.

°) Sibir. Reise. I. c. p. 158.

6) Naumannia, VI. Jahrg, p. 146.

”) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 395.

Garrulus glandarius, Var. Brandt. Nucifraga Caryocatactes. 317

grade diejenigen Punkte, in welchen man die specifischen Kennzeichen des G@. Brandtü er- kennen zu müssen glaubte, ein Umstand, der ohne Zweifel auch für die Unhaltbarkeit dieser Species spricht. Am frischgeschossenen Vogel waren im October die Iris violettbräunlich, die Füsse schmutzigbraun.

Nach Pallas sollte @. glandarius im Osten Sibirien’s nur bis zur Lena verbreitet sein, über diese hinaus aber im nordöstlichen Winkel Asien’s, mit Ausnahme des südlichen Kam- tschatka’s, fehlen. Im Amur-Lande habe ich ihn jedoch bis zur Meeresküste und auf der Insel Sachalin kennen gelernt. Dort ist er in der erwähnten, auch dem ganzen übrigen Si- birien eigenen Varietät ein häufiger Vogel, der trotz der scharfen Winterkälte jener Gegen- den das ganze Jahr hindurch sich sehen lässt. Beim Nikolajevschen Posten habe ich ihn im Frühjahr, Herbst und Winter an den mit Laub- und Nadelholz untermischt bewachsenen Ufern des Amur-Stromes häufig beobachtet und geschossen. In den kältesten Wintertagen jedoch, am 8— 10. (20— 22.) Dec. 185%, als das Thermometer dort bis 26 und 311° R. sank, habe ich ihn auch mehrmals todt und wie es schien erfroren im Walde gefunden. Nichtsdestoweniger habe ich ihn aber später, im Januar und Februar, bei kaum geringerer Kälte, im Liman und auf der Insel Sachalin, an den Quellen und im gesammten Laufe des Tymy-Flusses, oft gesehen. Dort und am Amur fand ich ihn mehrmals auch bei den Ein- geborenen in lebenden und todten Individuen vor. Die ersteren wurden von ihnen ohne besonderen Zweck in den Hütten gehalten und mit Fisch gefüttert, die letzteren brachten sie meist nach Besichtigung der im Walde aufgestellten Zobelfallen heim, in denen sich der nach dem Fischköder lüsterne Eichelheher nicht selten verfängt. Weiter oberhalb vom Ni- kolajevschen Posten am Amur scheint der Eichelheher..mit dem Vorherrschen von Laubhöl- zern und vorzüglich Eichen, Haselsträuchern u. dgl. m. ein noch günstigeres Terrain zu ge- winnen. Auch habe ich ihn dort zu wiederholten Malen beobachtet und in Exemplaren, die bei Kidsi im December und bei Dawunda im August geschossen wurden, mitgebracht. "Wie erwähnt, gehörten aber auch diese südlicheren Exemplare der Var. Brandtii an, und ist mir dagegen weder die Var. japonica'), noch die typische europäische Form im Amur-Lande je- mals begegnet.

67) Nuecifraga Caryocatactes L.

Bei den Giljaken: parsh. » » Mangunen und Golde: ongolo’), bei letzteren auch ongolaka‘). Der Tannenheher ist im Amur-Lande allenthalben verbreitet und zu allen Jahreszeiten gemein. Ich schoss ihn im Juli 1854 im Nadelwalde der Bai Hadshi, im Herbst desselben

!) Temminck und Schlegel, Fauna Japon. Aves. p. 83. Tab. XLIII.

2) Dieselbe Bezeichnung lernte Middendorff (Sibir. Reise. 1. c. p. 158.) beiden Tungusen des Stanowoi- Gebirges, Pallas (Zoogr. I. p. 397.) bei den Burjaten und Tungusen Transbaikaliens kennen.

3) Nach mündlicher Mittheilung von Hrn. Maximowicz.

318 Vögel.

Jahres zu wiederholten Malen beim Nikolajevschen Posten, im Winter 1855 auf der Insel Sachalin im gemischten Lärchen-, Birken- und Espenwalde und im März an der Mündung des Gorin-Flusses in den Amur. In letzterer Gegend beobachtete ich ihn auch im Sommer, am 23.Juni und 7.Juli, in sehr zahlreichen, lärmenden Schwärmen und begegnete ihm dann in einzelnen Exemplaren bis zur Mündung des Ussuri hinauf. Ein einzelnes Individuum sah ich im Frühjahr bei Bitschu am Gorin so wenig Scheu zeigen, dass es bis hart vor die Häuser der Eingeborenen kam und sich auf die zum Trocknen der Fische bestimmten Gerüste setzte, so dass ich es von der Schwelle des Hauses bequem schiessen konnte. Alle meine Exem- plare stimmen mit den europäischen auf's Genaueste überein.

68) Pica eyana Pall.

Von dieser schönen Elster liegt unsaus dem Amur-Lande eine Reihe von Exemplaren vor, die uns den Vogel von seinem Nestkleide bis zu dem des vollständig erwachsenen Alters zu ver- folgen und die Beobachtungen von Pallas') in manchen Stücken zu ergänzen gestatten. Fügen wir zu dessen Beschreibung des jungen Vogels hinzu, dass das Schwarz des Kopfes nur matt- farbig und ohne Glanz ist, mit weisslichen Federsäumchen, welche am stärksten an der Stirne, am schwächsten in der Wangengegend und im Umkreise des Hinterkopfes sind und den Zü- geln endlich ganz fehlen. Der den Nacken begränzende weisse Halsring isı bald mehr, bald weniger deutlich, meist aber schmutzig grauweisslich. Die Farbe des Rückens ist ebenfalls ein schurutziges Bräunlichgrau; der Bürzel heller, gelblichgrau; die oberen Flügeldeckfedern grau mit schmutzig rostgelblichen Federsäumen. Wie Pallas bemerkt, verlassen die Jungen mit noch kurzen Flügeln und kurzem Schwanze das Nest. Bei unserem jüngsten Indivi- duum, vom 28. Juni (10. Juli), betragen erstere nur 3" 7”, letzterer nur 2” 3”. bei 5 an- deren, am selben Orte (an der Ssungari-Mündung) und zur selben Zeit geschossenen Indivi- duen sind Flügel und Schwanz schon bedeutend länger, und zwar betragen erstere 4’bis5’ 2”, letzterer 3” 3” bis 67 3”. Mit den grössten dieser Individuen stimmt auch ein Exemplar überein, das etwas später, am 49 Juli nahe der Ussuri - Mündung geschossen wurde. Die Flügel haben also bei denselben schon die Länge, die sie beim erwachsenen Vogel besitzen, erreicht, während der Schwanz noch ein bedeutendes Stück zuzusetzen hat. Ja diesen sehen wir noch bei einem am 20. Aug. (1. Sept.) nahe dem chinesischen Wachtposten Ulussu- modon erlegten Exemplare, das im Beschlusse seiner ersten Mauser steht und die volle Schwingenlänge von 5” 2” schon längst erreicht haben muss, erst 7' 3” und also noch einen Zoll weniger als beim erwachsenen Vogel betragen. Diese noch unvollständige Länge des Schwanzes bei demselben rührt daher, weil die beicen mittleren Steuerfedern, welche beim erwachsenen Vogel die längsten sind und das folgende Paar um nahe einen Zoll überragen,

1) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p- 392.

Pica cyana. 319

später als die übrigen sich entwickeln und bei unserem Exemplar noch um 14 bis 1} Zoll kürzer als die folgenden sind. Der Vergleichung halber fügen wir hier sogleich auch die übri- gen Maasse der uns vorliegenden alten Individuen vom Amur hinzu:

Männchen. Weibcenen, BZ [Z 7Z

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr).. 13” 13° 3 » des zusammengelegten Flügels .......r..e.r0 200. Da Din au Sch wanzen ga. Aa a eh ie nnd. 87 5 1870 re Schnahelsz rare ge ee eis rede race 101” —101” ae aabag as. a zul a a a in Ne Wi a Bu sder. Mittelzehe. ohne Napa 2 na al 9 9 » des Nagels an der Mittelzehe .. „..2ereeenc HT 4"

Die Maasse unserer alten Individuen stimmen also mit den von Pallas mitgetheilten sehr nahe überein.

Kehren wir nun zur Färbung von P. cyana zurück, so zeigt uns das erwähnte Exemplar vom 20. August den aus dem Jugendkleide schon fast ganz vermauserten Vogel. Rücken und Bauchseite haben schon ganz das Gefieder des erwachsenen Vogels erhalten, am Kopfe aber sind die glänzend blauschwarzen Federchen noch mit mattschwarzen, weiss gekanteten untermischt: erstere nehmen namentlich die Stirn, den Scheitel, das Hinterhaupt und die Ohr- gegend ein, letztere ziehen sich jederseits in einem Streifen über dem Auge zum Hinterhaupte hin. Die Iris war an diesem Exemplar dunkelbraun, der Schnabel schwarz, die Füsse bläu- lich dunkelgrau; am völlig erwachsenen Vogel im September war die Iris braun, der Schna- bel und die Füsse schwarz. Erst die am 4$ Sept. oberhalb des Bureja-Gebirges erlegten Exemplare zeigen den Vogel ganz vermausert und im Kleide der Alten.

Dieses Kleid nun ist der Beschreibung, die Pallas vom daurischen, und der Abbildung, die Temminck und Schlegel") vom japanischen Vogel entworfen haben, ganz entsprechend. Mit letzterer verglichen, besitzen unsere Exemplare nur ein etwas dunkleres Blau an den Schwingen und Steuerfedern und ein schöneres, etwas in’s Violette spielende Grau auf dem Rücken. Durch beide Farben nähern sie sich also merklich der von Vielen für verschieden gehaltenen spanischen Form, Pica cyanea Cook oder Cyanopica ( Cyanopolius) Cooki Bonap.’), und es drängtsich uns die Ueberzeugung auf, dass beide Formen, so diametral entgegengesetzt auch ihr Vorkommen in der alten Welt ist, nur zu einer und derselben Art gehören können. Bemerken wir zuvörderst, dass diese Ansicht auch von denjenigen getheilt wurde, welche die spanische Form zuerst beschrieben haben°), und lange Zeit hindurch auch die einzige war,

1) Fauna Japon. Av. Tab. XLII.

2) Conspect. Gener. Avium. p. 382.

3) So namentlich von Wagler (Systema Avium. Stuttg. et Tübing. 1827. Gen. Pica, Sp. 6), der die P, cyanea aus Spanien mit dem Corvus cyanus Pall. aus Daurien als synonym zusammenstellte; ebenso später von Temminck (Man. d’Ornitb. 1835. IH. p. 65.), von Gould (The Birds of Eur. 1837. III. Tab. 217.), der des Pallas’schen Vogels zwar nicht erwähnt, aber das durch den Capt. S. E. Cook aus der Umgegend von Madrid erhaltene Exemplar schlechtweg unter dem Namen P. cyanea W agler beschreibt und abbildet; ferner von Keyserling und Blasius (Die Wirbeltb. Eur. 1840. p. XLV.), von Schlegel (Revue crit. des oiseaux d’Eur. Leiden. 1844. p LV.) u.a. m.

320 Vögel.

bis Temminck und Schlegel in der Fauna Japonica und Bonaparte diese Formen speei- fisch zu trennen versuchten. Die unterscheidenden Kennzeichen sollten nach ihnen Jarin be- stehen, dass die Farbe des Rückens bei der daurisch-japanischen Form weinröthlichgrau, bei der spanischen roströthlichgrau, dass der helle Halsring bei ersterer nur kaum, bei letzterer deutlich weisslich sei, dass ferner die beiden mittleren Steuerfedern bei ersterer mit langer weisser Spitze, bei letzterer dagegen einfarbig blau oder nur mit schmalem weisslichem Saume versehen, und dass endlich der Schwanz, oder die beiden mittleren Steuerfedern, bei der euro- päischen Form kürzer als bei der daurisch-japanischen seien. Was nun das erstere Moment betrifft, so haben wir schon oben der Mittelfarbe unserer Amur-Exemplare erwähnt. In der That reihen sich dieselben vollkommen zwischen die Abbildungen des japanischen Vogels bei Temminck und Schlegel und des spanischen Exemplares bei Gould ein und difleriren von letzterer keineswegs durch einen verschiedentlich röthlichen, sondern nur durch einen blasseren Farbenton. Sollte übrigens auch ein geringer Unterschied im röthlichen Farbenton bestehen, so darf man darin doch keineswegs einen specifischen, sondern nur einen Varietäts- charakter erblicken, ganz ähnlich demjenigen, den wir so eben bei der Var. Brandtii vom Eichelheher besprochen haben. Noch weniger Gewicht darf man natürlich auf den angeb- lich in verschiedenem Grade deutlichen weisslichen Halsring beider Formen legen, da dieses Moment zum grossen Theil nur von der grösseren oder geringeren Abnutzung der Hals- federkanten abhängig ist. Auch sehen wir in Gould’s Abbildung vom spanischen Vogel keine Spur von einem solchen Halsringe, während er dagegen bei unseren Exemplaren vom Amur recht deutlich, wenn auch immer nur unmerklich in die dunklere Rückenfarbe übergehend, vorhanden ist. Das wichtigste der angeführten specifischen Kennzeichen dürfte ohne Zweifel in der verschiedenen Zeichnung der mittleren Steuerfedern bestehen, und dennoch lässt sich auch dieses Kennzeichen ganz unzweifelhaft widerlegen. Schon Wagler bemerkt, dass er ein im besten Zustande erhaltenes Exemplar aus Spanien gesehen habe, dessen Schwanz voll- kommen so gezeichnet war, wie Pallas am daurischen Vogel beschreibt, d. h. mit ansehn- lichem Weiss an den Spitzen der mittleren Steuerfedern. Andererseits bildet aber Pallas den daurischen Vogel auch nur mit schwachen weisslichen Endsäumen der mittleren Steuer- federn ab"), wie solches nach Temminck, Schlegel und Bonaparte dem spanischen zu- kommen soll. Wie variirend dieses Moment bei beiden Formen ist, beweist ferner der Umstand, dass Degland’) in diametral entgegengesetzter Weise den Charakter der spanischen Exemplare, einem Individuum aus dem Kaukasus(?) gegenüber, unter Anderem auch darin findet, dass sie einen weiss gespitzten Schwanz haben. Endlich liegen uns unter den Amur- Exemplaren sowohl solche vor, bei denen die mittleren Steuerfedern eine 10 11” lange weisse Spitze haben, als auch andere, und zwar zahlreichere, die nur einen schwachen, kaum eine Linie breiten weisslichen Endsaum besitzen; ja dieser verschwindet sogar bei einigen

1) [cones ad Zoogr. Rosso-Asiat. Fasc. sext. Tab, I. 2) Ornith. Europ. 1. p. 330,

Pica cyana. 321

bis auf ein schmutzigweisses Endfleckchen gänzlich‘). Auflallender Weise findet sich letz- tere Zeichnung, mit schmalen weissen Endsäumen an den mittleren Steuerfedern, unter mei- nen Exemplaren bei allen jungen Individuen, die erstere dagegen, mit breiter weisser Schwanz- spitze, bei den erwachsenen. Man könnte daher geneigt sein zu glauben, dass letztere Zeich- nung erst bei der 2!en Mauser des Vogels sich einstelle, wenn nicht das oben erwähnte, im Beschluss seiner ersten Mauser stehende Exemplar vom 20. August auch schon solche, mit 10° langen weissen Spitzen versehene mittlere Steuerfedern hätte. Beiläufig muss ich übrigens bemerken, dass diese weissen Spitzen auch da, wo man sie am schönsten und breitesten findet, doch nie von rein weisser Farbe sind, wie Temminck und Schlegel abbilden, sondern, von der Seite betrachtet, einen deutlichen blauen Anflug haben. Ebenso leicht scheint es uns endlich auch den in der Schwanzlänge zwischen der spanischen und daurisch-japanischen Form hervorgehobenen Unterschied zu widerlegen. Die Ansichten sind hier verschieden, indem Temminck und Schlegel die Gesammtläng® des Schwanzes bei der ersteren kürzer als bei der letzteren angeben, Bonaparte dagegen den Unterschied nur darin findet, dass die mittleren Steuerfedern bei der japanischen Form um ein längeres Stück als bei der spanischen über das folgende Paar hinausragen. Wollen wir nun beiden Ansichten Recht geben, so erklärt sich uns die Diflerenz derselben sehr leicht aus dem oben besprochenen langsameren Wachsthume der mittleren Steuerfedern im Vergleich zu den folgenden: haben sie nämlich ihre volle Länge noch nicht erreicht, so ragen sie weniger weit über die folgenden vor und zugleich ist die Gesammtlänge des Schwanzes eine geringere. Das muss aber bei bei- den Formen stattlinden. Uebrigens giebt Bonaparte das vermeintlich verschiedene Längen- verhältniss der Steuerfedern nicht bestimmter, in Zahlen an. Temminck und Schlegel da- gegen schätzen den Unterschied in der Gesammtlänge des Schwanzes auf 11”, indem sie den Schwanz bei der japanischen Form auf 81, bei der spanischen auf7” angeben. An daurischen Exemplaren beobachtete Pallas 81 und beim Weibchen sogar kaum 8” Schwanzlänge. So fehlt es also auch hier nicht an Mittelgrössen.

Gehören nun die Blauelstern Spanien’s, Japan’s und Daurien’s zu einer und der- selben Art, so fällt gewiss ihr isolirtes Vorkommen an den nach Ost und West diametral entgegengesetzten Punkten der alten Welt im hohen Grade auf. Ohne Zweifel mag diese auf- fallende Erscheinung auch mit zu der Annahme verschiedener Arten bewogen haben. Allein sol- chen Erscheinungen begegnen wir bei unserer gegenwärtigen Kenntniss der Verbreitung der Organismen mehr als einmal, ohne dass wir deshalb dem zoologischen Systeme Gewalt an- thun dürften. Treten sie uns doch selbst in solchen Theilen der Erde entgegen, wo uns die räumlichen Zwischenglieder weit bekannter als die die Verbreitung der P. cyana betreflen- den Länderstrecken sind, und wo eine Erklärung kaum anders als in dem Zurückgehen auf die im Laufe der Zeit an der Oberfläche unseres Planeten erfolgten Veränderungen gesucht werden kann. In dem gegenwärtigen Falle, bei der Verbreitung von ?. cyana, lässt sich aber

1) Ebenso lässt sich auch an den übrigen Steuerfedern bei einigen Individuen ein EANEE breiter weisser End-

saum, bei anderen kaum eine Spur davon bemerken. Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 41

323 Vögel.

noch eine Erklärung von der Erforschung der zwischenliegenden Länderstrecken erwarten, die uns noch eine terra incognita sind. Bereits ist auch ein Zwischenglied in der Verbreitung von P. eyana genannt worden, indem Degland eines Exemplares aus dem Kaukasus erwähnt. Doch bedarf dieses Vorkommen noch sehr der Bestätigung, da Degland nichts weiter sagt, als dass er das Exemplar in der Sammlung SelysLongehamp’s gesehen habe, kein Reisender aber bisher P. cyana im Kaukasus beobachtet hat.

Das Vorkommen von P. cyana im Amur-Lande schliesst sich unmittelbar an das durch Pallas bekannte in Daurien an und verbindet dieses mit dem Vorkommen derselben in Japan und China'). Den Amur aufwärts gegangen, begegnete ich den ersten Blauelstern im Bureja-Gebirge nahe dem westlichen Fusse desselben im Juli 1856 und beobachtete sie von dort an aufwärts im August und September am gesammten oberen Amur bis nach Trans- baikalien hinein. Bald belebten äusserst zahlreiche Schwärme derselben in lärmender Weise die dichten Weidengebüsche an den Ufern und auf den Inseln des Stromes, so im Bureja- Gebirge, bei Torel, Ulussu-modon u. s. w., bald liessen sich einzelne Individuen auf den Gipfeln isolirt stehender Bäume am Ufer sehen. Oberhalb des Bureja-Gebirges hat auch Hr. Maack sie in grösster Anzahl beobachtet und in vielen Exemplaren geschossen. Ausserdem traf er sie auch an der Ssungari-Mündung und bis nahe zur Mündung des Ussuri an. Unterhalb dieses letzteren Stromes ist sie aber weder Hrn. Maack noch mir, ungeachtet unserer mehrmaligen Reisen daselbst und meines längeren Aufenthaltes im unteren Amur-Lande, je- mals begegnet. Dennoch kommt sie nach Pallas in Transbaikalien an den weit nördli- cheren Quellarmen des Amur-Stromes, an der Schilka, am Onon und an der Ingoda, so wie an der Sselenga, am Tschikoi u. s. w. vor, erreicht aber auch dort das Nordende des Baikal-See’s nicht. Von dort nach Ost scheint also die Polargränze ihrer Verbreitung im Amur-Lande rasch nach Süd sich zu senken und den Amur-Strom nahe der Mündung des Ussuri in etwa481° n.Br. zukreuzen, um dann vermuthlich in noch viel südlicheren Breiten

zur Meeresküste und nach Japan hinüberzugehen.

69) Pica caudata L.

Bei den Giljaken: ischach-tschach. » » Mangunen und Golde: ssach'sst.

Alle aus dem Amur-Lande von uns mitgebrachten Exemplare Mr Elster stimmen mit den europäischen in ihrer Färbung vollkommen überein, zeichnen sich aber durch besonders schö- nen Metallglanz auf dem Schwanze und den Flügeln und, gleich den kamtschatkis chen’) und japanischen‘), auch durch ansehnlichere Grösse aus, indem die Flügel derselben 71—8”, der

!) In China ist sie von L&clancher an den Ufern des Yang-tse-kiang bei Nankin und von Montigny bei Schanghai gefunden worden (s. Rev. Zool. 1845, p. 94. uud 1858 p. 198.).

2) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 390.

®) Siebold, Fauna Japon. Aves. p- 81.

Pica caudata. 323

Schwanz 91— 93" messen. Besonders gross und schön finde ich diejenigen vom südlichen Amur. Die am 31. Juli (12. Aug.) bei Turme an der Ussuri-Mündung und am 40 August bei Torel, in der Nähe von Aigun, geschossenen Exemplare stehen in der Mauser.

Schon Pallas bemerkt, dass die Elster ostwärtsinSibirien und namentlich in Daurien ailmählig seltner werde. Wir konnten beobachten und durch wiederholte Nachfragen bei den Eingeborenen erhärten, dass sie dort manchen, mehr oder weniger eingeschränkten Locali- täten sogar gänzlich fehle. So soll sie sich z. B. niemals in der Umgegend von Nertschins- koi Sawod sehen lassen, ob sie gleich sowohl westlich als östlich von dort zu finden ist. Trotz diesem sporadischen Fehlen schwindet sie nach Osten von Tansbaikalien, im Amur-Lande, lange nicht so frühe, wie das nach Pallas in nördlicheren Breiten östlich von der Lena der Fall sein soll. Im Amur-Lande kommt sie vielmehr bis zur Meeresküste und bis zur Mün- dung des Amur-Stromes und zwar nicht grade selten, ja an manchen Localitäten sogar recht häufig, wenn auch niemals in Schwärmen vor. So habe ich sie am Argunj und oberen Amur oder Sachali-Strome beobachtet und an letzterem besonders dort, wo die Ausiedelungen der Mandshu, Chinesen und Dauren liegen. Recht häufig traf ich sie ferner am südlichsten Theile des Amur-Stromes, an den Mündungen desSsungariund Ussuri und an diesem letzteren bis zum Flusse Noor hinauf, so wie endlich im unteren Amur-Lande bei Gassien, Naichi, Ssargu, Kalm und in der letzten Biegung des Amur-Stromes nahe seiner Mündung bei den Dörfern Tebach. Kalgho, Ssabach u. s. w. In letzterer Gegend war sie im Winter in der nächsten Nähe der Giljaken-Häuser häufig zu sehen. Dort, an der Amur-Mündung scheint sie jedoch auch an der Nordgränze ihrer Verbreitung im Osten Asien’s zu stehen, da sie nach Middendorff’s') Erfahrungen weder bei Udskoi-Ostrog, noch im Stanowoi-Gebirge sich sehen lässt. An der Lena nennt Pallas Tschetschuisk als den Ort, wo die Verbreitung der Elster nach Norden und Osten abbricht. Jenseits desselben soll die Elster im nordöstlichen Winkel Asien’s nicht eher als in Kamtschatka wieder auftreten, wohin Pallas sie jedoch von China und Japan aus über Jesso und dieKette der Kurilen sich verbreiten lässt. Eine Linie, von Tschetschuisk an der Lena in der Richtung südlich vom Stanowoi-Gebirge zur Amur-Mündung gezogen, dürfte uns daher die Polargränze der Verbreitung von P. caudata im Osten Sibirien’s angeben. Vergleicht man aber diese beiden Punkte mit einander, so liegen sie um etwa 5 Breitengrade auseinander. So lässt sich also im Verlaufe der Polargränze von P. caudata im continentalen Osten Asien’s eine ähnliche Senkung nach Südost wie im Osten Nordamerika’s”) bemerken. In jenem wird uns diese Senkung noch dadurch sicht- licher, dass P. caudata auch weiter östlich von der Amur-Mündung, auf der nahe anliegenden Insel Sachalin, zum wenigsten im nördlichen Theile derselben, nicht mehr vorkommt. So lauteten wenigstens die Aussagen der Sachalin-Giljaken, und in der That ist sie mir dort wäh- rend zweimaliger Winterreisen niemals begegnet. Auch scheint mir auf dieses Fehlen derselben

1) Sibir. Reise, I. c. p. 158. 2) Swainson and Richardson, Fauna bor.-amer. IH. Birds. London 1831. p. 292.

324 Vögel.

im nördlichen oder giljakischen Theile von Sachalin der Umstand hinzudeuten, dass sie bei den Giljaken nur eine giljakisirte tungusische Bezeichnung trägt'). Durch diese That- sachen dürfte also die Ansicht von Pallas, dass die Elstern Kamtschatka’s ihre Verbreitung von China aus über Japan und die Kurilen genommen hätten, noch mehr an Wahrschein-

lichkeit gewinnen.

70) Corvus Monedula L.

Bei den Mangunen: toa.

Den bisherigen Erfahrungen zufolge konnte man zuverlässig erwarten, die Dohle auch im Amur-Lande und zwar in ihrer östlichen geographischen Varietät, dem €. dauricus Pall., anzutreffen. Auflallender Weise jedoch ist sie mir während meines zweijährigen Aufenthaltes im unteren Amur-Lande an der Mündung des Stromes und auf der Insel Sachalin niemals begegnet. Im Mündungslaufe des Stromes habe ich nur ein Individuum derselben bei Borbi, etwas oberhalb Kidsi, auf einer mit Weidengebüsch bewachsenen Insel des Amur gesehen. Dieses befand sich am 28. Juni (10. Juli) sehr stark in der Mauser und konnte von uns ohne Mühe gefangen werden. Das sehr schadhafte und mangelhafte Gefieder desselben liess aber keine Spur von der weissen Zeichnung des €. dauricus sehen. Später traf ich die Dohle auf meiner Reise den Amur aufwärts am 49 Juli in der Nähe des Dorfes Sselgako, oberhalb der Ussuri-Mündung. Zahlreiche, lärmende Schwärme liessen sich dort im dichtesten Weiden- gebüsch der Amur-Inseln sehen, waren jedoch so scheu, dass es mir nicht gelang, einen der Vögel zu erlegen. In derselben Weise sind sie mir mehrmals am Sachali- oder oberen Amur-Strome begegnet. So weit ich jedoch diese Schwärme beobachten konnte, habe ich in denselben keine weissgescheckten Individuen bemerkt, sondern nur solche, die mir mit den europäischen von gleicher Farbe und Zeichnung zu sein schienen, wobei aber freilich kleinere, den Uebergang zur weissbäuchigen Varietät (C. dauricus) vermittelnde weissliche Zeichnungen sehr leicht der Beobachtung entgangen sein können; oder aber es können die erwähnten Schwärme auch nur aus jungen Individuen von C. dauricus zusammengesetzt gewesen sein, die sich in ihrer Färbung zuweilen nicht im Geringsten von unseren gemeinen Dohlen unterscheiden’). Erin- nern wir übrigens auch an die Bemerkung Middendorff’s über das seltene Vorkommen des typischen, weissbäuchigen €. dauricus bei Udskoi-Ostrog, wo dagegen die meisten Dohlen in ihrer Tracht, mit Ausnahme eines weisseren Nackens und Halses, mit den europäischen über- einstimmen sollen. Auflallend bleibt uns aber die grosse Seltenheit der Dohlen am unteren Amur-Strome, da sie doch bei Udskoi-Ostrog und andererseits auf den japanischen In- seln°) häufig genug vorzukommen scheinen.

I) $. oben p. 23. 2) Middendorff, Sibir. Reise, 1. c. p. 139. 3) Siebold, Fauna Japon, Aves. p. 80.

-

Corvus Corone. (. japonensis. 325

71) Corvus Corone L. Bei den Giljaken: karr.

Im Amur-Lande ist mir nur die Raben-, nie die Nebelkrähe (0. Corniz) vorgekommen. Erstere zeigt in der Form und Grösse ihres Schnabels diejenigen Kennzeichen, welche nach Eversmann') den (, orientalis charakterisiren sollen, und stimmt in dieser Beziehung ganz mit den von Middendorff?) vermessenen Exemplaren von Udskoi-Ostrog überein. Doch sind diese Kennzeichen, wie schon Middendorff bemerkt, viel zu unwesentlich und unbe- sländig, um von specilischem Belange zu sein.

C. Corone ist am gesammten Amur-Strome häufig und hält sich besonders gern auch in der Nähe der Dörfer, Hütten, Zelte und Nachtlagerplätze der Eingeborenen auf, wo sie den Abfall beim Fischfange und Bereiten von Fischvorräthen, so wie die Veberbleibsel der Mahlzeiten der Eingeborenen verzehrt. In grosser Zahl ist die Krähe im Nikolajevschen und Mariinski- schen Posten, zumal im Winter, vorhanden. In der Umgegend des ersteren traf ich sie auch nistend, auf hohen Birken und Espen bei Ssabach, Wair u. s. w. DieEier, an Form, Farbe und Zeichnung, wie bekannt, sehr stark variirend, waren am /, Mai beim Nikolajevschen Posten noch unbebrütet, am 47, Mai bei Kuk schon stark bebrütet. Wie am Amur-Strome, so lässt sich die Krähe auch das ganze Jahr hindurch an der Meeresküste und auf der Insel Sachalin sehen. Auf letzterer beobachtete ich sie sowohl auf meinen Winterreisen im nörd- lichen Theile der Insel, als auch besonders zahlreich im Sommer in der Bai Aniwa, wo sie ebenfalls im Gefolge des von Aino und Japanesen in grossem Maassstabe betriebenen Fisch- fanges in Menge sich zu versammeln pflegt. Dass sie auch auf den japanischen Inseln zahi- reich vorkommt, ist durch Siebold bekannt’).

72) Corvus japonensis Bonap.

C, mocrorhynchus Schleg. Siebold, Fauna Japon. Ave». p, 79, Tab, XXXIX. B, Bei den Giljaken: wessj. » » Mangunen: gai.

Die Selbständigkeit dieser Rabenart scheint sich durch wachsende Erfahrungen mehr und mehr zu bestätigen, und zwar hauptsächlich auf Grundlage der von C, Coraz L. verschie- denen Grössenverhältnisse sowohl des ganzen Vogels, als namentlich auch seiner Schwingen unter einander. Genau dieselben Schwingenverhältnisse, die Middendorff*) an einem Exem- plar von Udskoi-Ostrog fand, wiederholen sich auch an unserem Amur-Exemplare: die

1) Addenda ad celeb, Pallasii Zoogr. 8. Yen. Ban. naaar, Han, Kasauen, Yunzepe, 1841. 1, p. 197. 2) Sibir. Reise, L e, p. 161.

2, Fauna Japon. Aves. p.79. Desgl. Temminck, Manuel d’Ornith. TIL p. 59.

#) Sibir. Beise. 1. e. p. 161.

326 Vögel.

Schwinge ist bei ihm die längste, die und 5'* sind gleich lang und nur um ein Ge- ringes (14—2”) kürzer als die 4%, die 6' ist länger als die 2" und hält die Mitte zwischen dieser und der und die 1“ endlich ist kürzer als die 9'° und gleich lang mit der 10‘, Die Farbe unseres Exemplares fällt durch ihren mehr grünlichen als bläulichen Metallglanz auf. Seiner Grösse nach entspricht es endlich sehr den Beobachtungen Temminck’s und Schlegel’s an japanischen und Middendorff’s an sibirischen Exemplaren. Wie diese hat es nämlich ebenfalls eine mittlere Grösse zwischen C. Corone und C. Corax und besitzt im Ein- zelnen folgende Maasse:

Länge des zusammengelegten Flügels ........-....... a6 »' +ides Schwanzest nl Hi ee SB ». "des Schnabelsk ask a us na RE ee 2’. 6"

Höhe des Schnabels am Vorderende der Nasenlöcher ..... 1"

Länge des Lanka en Re N ER 2 2ER » der Mittelzehe ohne Nagel ..........zcr.020. a » des Nagels an der Mittelzehe................. 31”

Nach Angabe der Giljaken nistet dieser Rabe ganz ebenso wie die Krähe in den Gipfeln hoher Bäume und baut ein eben solches, einzeln gelegenes Nest. Auch sind die Eier, die mir von den Giljaken als dieser Species gehörend zugebracht wurden, von denen der Rabenkrähe durch nichts Charakteristisches unterschieden: die Grösse derselben fand ich ebenfalls von 1” 64” bis 1” 81” Länge und 1” 1” bis 1” 2” Breite, die Form ebenso variirend, bald länglich, bald gedrungen, die Farbe ähnlich schmutziggrün mit feineren und gröberen grünlichbraunen Flecken. Die Zahl derselben im Neste soll 4 und 5 betragen. Beim Nikolajevschen Posten waren sie am -®%; Mai noch völlig unbebrütet.

C. japonensis scheint im Amur-Lande sehr häufig vorzukommen. Das oben erwähnte Exemplar, ein erwachsenes Männchen, wurde von mir im Nadelwalde beim Nikolajevschen Posten am 15 Aug. geschossen. Wie die Krähe hält sich auch €. japonensis gern im Gefolge der Eingeborenen auf, wenn diese mit Fischfang und Bereiten von Fischvorräthen beschäf- tigt sind. Ohne Zweifel kommt er auch bis in das obere Amur-Land und auf der Insel

Sachalin vor.

73) Corvus Corax L. Bei den Giljaken: kossj.

So bekannt der gemeine Rabe ist, so mag es hier doch zum Vergleich mit der vorher- gehenden Art bemerkt werden, dass bei einem an der Westküste von Sachalin erlegten alten Männchen dieser Art die Schwingenverhältnisse von denjenigen von C. japonensis darin ab- weichen, dass die 6'°Schwinge kürzer als die 2" ist, welche ungefähr die Mitte zwischen jener und der 4 hält, und dass die 1 länger als die 9" ist. In den Maassen übertrifft der Kolk-

Corvus Corax. Sturnus eineraceus. 327

rabe vom Amur-Lande den C. japonensis, wie die folgenden Maasse lehren, um ein An- sehnliches: Länge des zusammengelegten Flügels ................. 16°

» des Schwanzes ... 2.2222... A HELDEN PEN 15005 71). » des Schnabels..... SER a ne en ut Höhe des Schnabels am Vorderende der Nasenlöcher ..... 1” 1” Länge des Laufes ........ LER RR en

» The EEE RL nr 1 » des Nagels an der Mittelzehe „2. .2..ce2cccc... 81”

Der Kolkrabe scheint mir zwar im gesammten Amur-Lande vorzukommen, am häufig- sten aber an der Meeresküste und auf der Insel Sachalin zu sein. Dort liess er sich oft in der Nähe unserer Lagerplätze sehen; auch sah ich ihn dort im Winter auf dem Meereseise todte, erfrorene Individuen von Phaleris eristatella verzehren. Bei den Giljaken knüpft sich an den Raben mancher Aberglaube, von dem am geeigneten Orte die Rede sein wird.

74) Sturnus eineraceus Temn.

Zu den wenigen Beschreibungen und Abbildungen von diesem Vogel können wir nach unseren Amur-Exemplaren einige ergänzende Bemerkungen hinzufügen. Temminck gab zuerst in den Pl. color.') eine Abbildung von St. cineraceus im Uebergangskleide; später, in der Fauna Japon.”) finden wir das alte Männchen dargestellt. Unsere Exemplare vom Amur, fünf an der Zahl, tragen ebenfalls das Uebergangskleid, zeigen jedoch einige Abweichungen von der er- wähnten Abbildung. In der allgemeinen Färbung stinmen sie mit letzterer sehr überein und haben nur einen etwas mehr bräunlichen als grauen Farbenton, ohne den geringsten metalli- schen Glanz, der sich erst beim alten Vogel einzustellen scheint°). Hinsichtlich der Zeichnung ist anzuführen, dass die Ohrgegend constant weiss oder weisslich mit mehr oder weniger zahl- reichen braunen Schaftflecken ist, Stirn und Kinn aber variiren. Erstere, bei Temminck bis zum Scheitel hinauf weiss dargestellt, ist nur bei einem unserer Exemplare jederseits von einem weisslichen Streifen eingefasst, beinahe wie es der alte Vogel zeigt; bei den übrigen ist sie ein- farbig graubraun wie der Scheitel- und Hinterkopf. Das Kinn ist ebenfalls nur bei einem unserer Exemplare bis zur Kehle hinab fast rein weiss; bei den übrigen lässt sich ein ganz

1) Nouv. Rec. de Pl. color. d’Oiseaux. Paris 1838. II. Tab. 556.

2) Aves. Tab. XLV.

3) Temminck (Pl. col.) führt es als ein charakteristisches Kennzeichen von St. cineraceus an, dass er keinen metallischen Glanz am Gefieder habe; Temminck und Schlegel (Fauna Japon. Aves p. 85.) geben aber einen sol- chen an den oberen Flügeldeckfedern, an den Schwingen 2ter Ordnung und auf der Innenfahne der grossen Schwingen an.

328 Vögel.

allmähliger Uebergang von einer schmutzig -bräunlichweisslichen bis zu einer fast ebenso dunklen graubraunen Farbe wie der Scheitel verfolgen. Ferner findet sich bei keinem unserer Exemplare ein so reines Weiss an den Aussenkanten der Schwingen 2!e Ordnung, wie in Temminck’s Abbildung. Diese sind vielmehr auch bei den am hellsten gezeichneten Individuen nur schmutzig rostgelblichweiss und bei den dunkleren sogar nur matt rostgelblich gekantet. Ebenso ist endlich auch der weisse Fleck, der die Spitze jeder Steuerfeder, mit Ausnahme der beiden mittelsten, an ihrer Innenfahne einnimmt, zwar in der Regel rein weiss, bisweilen aber auch rostgelblich überlaufen. Am frischgeschossenen Vogel waren im Juni: die Iris kastanien- braun, der Schnabel an der Basis auf 3 seiner Länge schwärzlichbraun, an der Spitze gelb, die Füsse bräunlichgelb. In der Grösse stimmen unsere Exemplare, wie die folgenden Maasse lehren, mit den japanischen, nach Temminck’s und Schlegel’s Angaben, sehr nahe überein:

Männchen. Weibchen.

Länge v.d. Schnabel- b. z. Schwanzspitze (ungef.) 7’ 6” 611") a” 7" 72” » des zusammengelegten Flügels... .... TE er

» vdes Schwanzesh. 5,24. Re a FR" er ARE

». des Schnahels. 2. nun nn: 107 9” 10" 11” —10" Breite d. Schnabels am Hinterende d. Nasenlöcher 3” a 187 ee Höhe«ebendaselhst.. 1.0 SER I. u ee _ Länge des, aufs. dar sk aan ER » der Mittelzehe ohne Nagel .......... —11" 11” 104” 11” 101”

» des Nagels an der Mittelzehe ........ 31” 31” Er

» der Hinterzehe ohne Nagel ......... 5" 5” 9 Fe ne

» des Nagels an der Hinterzehe ....... 4" 4" 4" M’—

Wie in Japan, so wird auch im Amur-Lande der gemeine europäische Staar, St. vul- garis L., dessen Verbreitung nach Pallas’) in Daurien abbricht, durch St. cineraceus er- setzt. Letzterer scheint jedoch nur im südlichen Theile des Amur-Landes vorzukommen, da wir ihn nur von der südlichsten Biegung des Amur-Stromes, unterhalb des Bureja- Gebirges erhalten haben, wo unsere sämmtlichen Exemplare von Hrn. Maack am 21—24. Juni (3— 6. Juli) im lichten Eichenwalde der Prairie geschossen wurden. Im Mündungs- laufe des Stromes bin ich ihm niemals begegnet und ebensowenig am oberen Laufe desselben. Ohne Zweifel dringt er aus südlicheren Breiten Ostasiens°), vielleicht dem Laufe der grossen von Süden kommenden Ströme, dem Ssungari und Ussuri folgend, bis in das südliche Amur-Land vor, wo er seine Nordgränze erreicht.

I) Wohl etwas zu wenig. 2) Zoogr. Rosso-Asiat, I. p. 419. °) Bonaparte (Consp. gen. av. p. 421.) nennt ihn auch vom Himalaya und aus Indien.

Pastor sturninus. 329

75) Pastor sturninus Pall. Taf. X1. fig. 1.

Gracula sturnina Pall. Reise durch versch. Proy. des Russ. Reichs. 1776. III. p. 695.

Sturnus daurieus Pall. Kongl. Vetensk. Acad. Handl. Vol. XXXIX. 1778. Stockholm. p. 197. Tab. VII. fig. 1. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 422.

Turdus dominicanus Auct. s. Wagler, Systema Av. Stutig. et Tübing. 1827. Gen. Pastor, Spec. 20.

Wir besitzen von dieser Art aus dem Amur-Lande ein Exemplar vom alten Männchen und 3Exemplare vom jungen Vogel. Ersteres entspricht den vortrefllichen, mehrfachen Beschreibungen vonPallas ganz vollständig. Der junge Vogel unterscheidet sich, wieauch W agler bemerkt vom alten hauptsächlich nur dadurch, dass ihm die violettschwarze, metallisch glänzende Farbe auf dem Scheitel ünd Rücken fehlt, indem der Kopf nur bräunlichgrau, der Rücken dunkel graubraun ist. Bei zweien unserer Exemplare, die zuverlässig junge Männchen sind, findet sich ein schwacher grünlicher Metallglanz auf der Aussenfahne der grossen Flügeldeckfedern, der Hiuterschwingen und der mittelsten Steuerfedern; beim dritten dagegen, das vermuth- lich ein junges Weibchen ist, fehlt auch dieser Metallglanz gänzlich. Dabei ist bei letz- terem auch das Braun auf dem Rücken matter, Hals und Kopf dagegen bräunlicher und von der Rückenfarbe weniger scharf abgesetzt; auch die hellen Spitzen der Flügeldeckfedern, so wie die Aussenkanten der Schulterfedern und Hinterschwingen sind schmäler und dunkler, nicht so isabellgelb wie beim Männchen, so dass der ganze Vogel viel düsterer und unansehnlicher aussieht. Beide jungen Vögel unterscheiden sich ferner auch noch dadurch von den alten, dass der Bürzel heller weisslich ist, die unteren Schwanzdeckfedern, sowie die Aussenfahnen der äussersten Steuerfedern nicht rostgelblich, sondern nur weisslich sind, mit kaum merklichem rostgelblichem Anfluge, und dass endlich die Unterseite nicht so gleichmässig grauweiss, sondern grau gewölkt und stellenweise, wie in der Kropfgegend und an den Weichen, sogar mit un- deutlichen, mehr oder weniger verwaschenen bräunlichgranen Schaftflecken versehen ist. Im Uebrigen sind die jungen Vögel wie die erwachsenen gezeichnet, so dass wir auch für sie auf die oben erwähnten Beschreibungen von Pallas und Wagler verweisen können. Da jedoch Pallas nur das alte Männchen und auch dieses nur uncolorirt abbildet, vom jungen Vogel aber uns gar keine Abbildung bekannt ist, so dürfte hier eine solche vom jungen Männchen am Orte sein. An unseren frischgeschossenen jungen Individuen waren im Sommer: die Iris dunkel- braun, der Schnabel hornfarben, an der Spitze heller, an den Schneiden weisslich (beim alten Vogel nach Pallas schwarz), die Füsse grünlichgrau. Nach Wagler varüirt die Farbe des Schnabels und der Füsse sehr ansehnlich, was jedoch nicht sowohl von dem Alter, als von der Jahreszeit abhängen soll. Wagler fand die Pallas’schen Beschreibungen vom daurischen Vogel auch auf die von den Philippinischen Inseln stammenden Exemplare (Turd. dominicanus Auct.) vollkommen anwendbar, mit Ausnahme einer etwas bedeutenderen Grösse der letzteren. Genau dasselbe können wir auch von unseren Amur-Exemplaren im Vergleich zu den im akadem. Museum aus Java vorhandenen Individuen von Turd. dominicanus behaupten. Farbe und Zeichnung sind an beiden genau dieselben. Mit einem der alten javanischen Männchen

hat das alte Männchen vom Amur auch genau dieselbe Grösse; einem anderen dagegen steht Schrenck's Amur-Reise, Bd. 1. N

330 Vögel.

es an Grösse sehr entschieden nach. Genau zwischen diese beiden stellt sich aber ein in der Farbe und Zeiehnung ebenfalls ganz gleiches altes Männchen, das unser Museum aus China besitzt. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass wir es hier nur mit einer und derselben, an Grösse recht sehr varıirenden Form zu thun haben. An unseren Amur-

Exemplaren sind die Maasse folgende: Altes Junges Junges

Männchen. Männchen. Weibchen.

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr). 6”— 5’”10” 5”10” » des zusammengelegten Flügels. ........z..2200. KPD > A

» des Schwanzes »........ ee Heer u Khan EL I lie

» + des Schnabels .. ..0 CB 0e Aue RP Wa Ch. NE 617 6" 0 6" Höhe des Schnabels an der Stirne.........- RE IE En 21" a Breite des Schnabels ebendaselbst .......z..z22e2000. 317 3" 3” Längedes Laufes ........ooeoneoeoosnnnoreenunne 1 _ 111” _ int. » der Mittelzehe ohne Nagel.......r.22eecnen0n. 917 91" 91”

» des Nagels an der Mittelzehe ............. Ba 3 a

» der Hinterzehe ohne Nagel ..........eereen0r N N » des Nagels an der Hinterzehe ........ RE _ 31" 31”

Nach dem oben Erörterterten ist P. sturninus im ganzen Südosten Asien’s von den Sunda-Inseln und Philippinen bis nach Daurien und dem Amur-Lande verbreitet. In letzterem sind wir ihm jedoch nur am südlichen Amur begegnet. Ich stiess am -5 Juli auf einen Schwarm dieser Vögel am linken, niedrigen, mit Weiden, Faulbaum und anderem Gebüsch bewachsenen Ufer des Amur-Stromes gegenüber der Ussuri-Mündung, und Herr Maack traf sie am 22. und 23. Juni (4. und 5. Juli) in den Eichen- und Ulmenwäldchen der Prairie und im Weidengebüsch der Flussufer unterhalb des Bureja-Gebirges, in Gesellschaft von Sturnus cineraceus an. Sehr wahrscheinlich steht P. sturninus an den erwähnten Fund- orten nahe der Nordgränze seiner Verbreitung und erreicht den Mündungslauf des Amur- Stromes nicht. Westwärts dagegen darf man ihn wohl auch oberhalb des Bureja-Gebirges und continuirlich bis zu den Quellzuflüssen des Amur-Stromes, dem Argunj und Onon ver-

muthen, wo ihn Pallas entdeckte.

76) Certhia familiaris L.

Bei den Mangunen und Golde: ziraktar. Nach den schon von Naumann) und neuerdings in schlagender und erschöpfender Weise von Blasius”) beigebrachten Beweisen, dass esin Europa nur eine Art Baumläufer gebe,

!) Naturgesch. der Vög. Deutschl. V. p. 416. 2) Naumannia, VI. Jahrg. p. 440. fl.

Certhia familiaris. Cinclus Pallasi. 331

die bald heller, bald dunkler gefärbt, bald mit kürzerem, bald mit längerem Schnabel ver- sehen sei u.s. w., können wir unser Exemplar aus dem Amur-Lande schlechtweg unter dem Linneischen Namen auflühren, ob man gleich an demselben die meisten Charaktere der C. brachydactyla Brehm finden dürfte. Unser Exemplar ist nämlich auf der Oberseite ziemlich blass rostgelblich, weiss und schwarzbraun gefleckt; die Unterseite mit den Weichen rein weiss, der Schnabel und die Füsse verhältnissmässig kurz. Den Maassen nach steht es, wie die folgenden Zahlen lehren, den von Middendorff') bei Udskoi-Ostrog erlegten, kurzschnäbe- ligen Exemplaren recht nahe: Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungef.) 4” 10”

» des zusammengelegten Flügels ........,... 2” 4

» des Schnabels von der Stirn bis zur Spitze .... 6”

» des Schnabels von dem Vorderende des Nasen-

loches bis. zur Spitze “u 22.2. m » des Laufes. Mn» Men ee 64,” » der Mittelzehe ohne Nagel .......222.... 5” » des Nagels an der Mittelzehe. ............ 21” » der Hinterzehe ohne Nagel. ............. 3” » des Nagels an der Hinterzehe ............ #4”

C. familiaris hält sich das ganze Jahr über im Amur-Lande auf. Ich habe sie im August in den Fichtenwäldern der Umgegend des Nikolajevschen Postens zu wiederholten Malen beobachtet und durch Hrn. Maximowiez Exemplare vom Januar und März aus der Umge- gend des Mariinskischen Postens erhalten. Dass dieselbe Art auch in Japan vorkomme, glauben Temminck und Schlegel”) aus japanischen Zeichnungen schliessen zu dürfen.

77) Cinclus Pallasii Temm.

€. Pallasii Bonap. Amer. Ornith. Philadelphia. 1828. III. p. 1.

C. unicolor Bonap. A geogr. and comp. List of the Birds of Eur. and North-Amer. London. 1838. p. 18. Tab. 16. fig.1. Desselb. Consp. Gen. Av. p. 252.

C. mezicanus Swains. Syn. of Birds of Mexico. p. 367.

C. americanus Swains. and Richards. Fauna bor. amer. London 1831. II. p. 173. Audubon, Ornith. Biogr. Edinb. 1838. IV. p. 493. Tab. CCCLXX. Desselb. A Synops. of the Birds of North-Amer. Edinb. 1839. p. 86.

€. Pallasiü Vig. Gould, A Cent. of Birds from the Himal. Mount. London 1832. Tab. 24.

€. tenuirostris Gould, Bonap. Consp. Gen. Ay.l.c.

Bei den Giljaken von Sachalin: ospr und orpr. Die aus dem Amur-Lande und Ostsibirien uns vorliegende Cinclus-Art ist mit der amerikanischen, von Bonaparte, Swainson, Richardson, Audubon u. a. be-

1) Sibir. Reise. 1. c. p. 162. 2) Fauna Japon. Av. p. 138,

332 Vögel.

schriebenen Form vollkommen identisch und gleichwohl nichts Anderes denn der als Varietät von C. aquaticus Bechst. (Sturnus Cinclus L.) uns schon seit Pallas'), als eigene Art erst seit Temminck’) bekannte C. Pallasii des letzteren. Bekanntlich gehen die Ansichten der Orni- thologen in Beziehung auf die Unterscheidung der Cinclus-Arten sehr auseinander. Lassen wir hier die vielfach zersplitterte europäische Form, €. aquatieus Bechst., bei Seite und be- schränken wir uns auf die uns vorliegende ostasiatische (und amerikanische) Form, so ist der Namen C. Pallasii nach Gloger zwei, nachBonaparte sogar drei verschiedenen Arten ertheilt worden. Ersterer hält nämlich die ostasiatische (ostsibirische und japanische) Form, (€. Pal- lasii Temm., und die ebenfalls dunkle himalayische, ©. Pallasii Vig., nur für eine und dieselbe östliche Varietät von €. aquaticus Bechst., die amerikanische Form dagegen, €. PallasiiBonap., für eine besondere Art°). Bonaparte aber, der anfangs selbst die amerikanische Form für iden- tisch mit €. Pallasii Temm. hielt und ihr deshalb auch diesen Namen liess, erklärte sich später für die specifische Trennung der drei unter dem Namen (. Pallasii bekannt gewordenen, ostasiatischen, himalayischen und amerikanischen Formen ‘). Wir können nun nicht umhin, alle diese drei vermeintlichen Species in eine einzige Art zusammenzuziehen, die wir mit Be- achtung der ältesten Autorität als €. Pallasii Temm. bezeichnen, die aber vermuthlich selbst wiederum nur eine Varietät von ©. aqualicus sein dürfte.

Die Identität unserer Amur- und ostsibirischen Cinclus- Exemplare mit der amerika- nischen Form unterliegt keinem Zweifel. Grundfarbe, Zeichnung und Grösse sind bei ihnen genau dieselben. Erstere ist ein dunkles Rauchbraun mit Schiefergrau in solcher Vertheilung, dass Kopf und Nacken bis auf den Oberrücken und an der Unterseite Hals, Brust und Weichen entschieden braun, der Bauch bräunlichschwarz, der Unterrücken und Bürzel bräunlich-schiefer- grau und die Flügel nebst dem Schwanze endlich fast rein schiefergrau sind. Vergleicht man damit die Beschreibungen vom amerikanischen Vogel, so scheint bei letzterem, je nach dem geographischen Fundorte, in der Intensität und Vertheilung der braunen und grauen Farbe ein nicht unbedeutendes Variiren stattzufinden. So waren Swainson’s Exemplare aus Mexico am ganzen Kopf und am anstossenden Theil des Halses oben und unten schwarzbraun, die Schwung- und Steuerfedern von einem matteren Tone derselben Farbe, die verstossenen Kanten der Oberrückenfedern mit einigen schwachen Spuren von Braun und die Bauchfedern ebenfalls mitschwachem braunem Anfluge an den Spitzen. Die Exemplare aus dem Felsenge-

1) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 426.

2) Manuel d’Ornith. Paris 1820. I. p. 177.

3) Gloger, Das Abändern der Vögel. p. 148. Desselb. Handb. d. Naturgesch. der Vögel Eur. I. p. 248.

4) Bekanntlich hat Temminck seine Species nach deu ihm von Pallas aus der Krimm zugeschickten Exemplaren aufgestellt, deren Fundort nicht angegeben war und in denen er daher Bewohner der Krimm vermuthen zu dürfen glaubte. Nachmalige Schriften haben diese Vermuthung Temminck’s ia unkritischer Weise als sichere Fundortangabe aufgenommen, bis Gloger (l. c.) und später Keyserling und Blasius (Die Wirbelth,. Eur. p. XLVII.), Degland (Ornith. Europ. I. p. 447) u. a. darauf aufmerksam machten, dass Pallas diese dunkle Cinclus-Form nur im östlichen Sibirien, nicht in der Krimm erhalten habe. Bona parte dagegen, von der Ansicht ausgehend, dass der Wasserschwätzer Amerika’s nicht leicht nach Asien hinübergehen könne, glaubte, dass die Pallas-Temminckschen Exemplare aus Amerika herrühren dürften. $. Amer. Ornith. 1. c. p. 2.

Cinclus Pallasi. 333

birge in Nordkalifornien und dem Oregon-Gebiete beschreibt Audubon schwarzgrau oder tief blaugrau mit chokoladebraunem Kopf und Nacken. An den Exemplaren vom Athabasca- Flusse, am Ostabhange des Felsengebirges zwischen dem 54. und 56.’ n. Br., fandS$wainson nur Kopf und Kinn chokoladebraun, die übrigen Theile ohne Ausnahme schiefergrau, und bei den von Swainson für junge Individuen gehaltenen Exemplaren Richardson’s war auch das Chocoladebraun am Kopfe nur schwach angedeutet. Bonaparte endlich beschreibt den Vogel nach Exemplaren aus derselben Gegend von einförmig dunkelgrauer Schieferfarbe mit bräun- lichem Anfluge auf den grossen Schwingen. Trotz diesen verschiedenen Angaben rechnen die ge- nannten amerikanischen Autoren ihreExemplare, wie die respectiveSynonymie lehrt, doch sämmt- lich zu einer und derselben, der neuen Welt eigenthümlichen Art, die sie von der asiatischen Form Temminck’s nur dadurch unterschieden glauben, dass letztere am ganzen K örper einfarbig chokoladebraun sein soll. Dass dies aber bei unseren Exemplaren keineswegs der Fall ist, haben wir schon oben bemerkt. Es ist auch nicht der Fall bei den japanischen Exemplaren, bei denen Temminck') Flügel und Schwanz nicht braun, sondern schwärzlichgrau und die Flügel- deckfedern russfarben gekantet angiebt. Es konnte endlich auch nicht bei denjenigen Exemplaren statt haben, die Temminck zuerst durch Pallas erhielt, da letzterer selbst die dunkle ost- sibirische Varietät nicht einfarbig braun beschreibt, sondern Hals und Gurgel schwärzlichbraun angiebt und von den übrigen Theilen nur bemerkt, dass sie von schwärzerer Farbe als bei der vorher von ihm besprochenen, recht hellen Varietät vom Jenissei seien”). Aus dem Ange- führten geht also unzweifelhaft hervor, dass C. Pallasii in beiden Continenten dieselben Grund- farben, Braun und Dunkelschiefergrau habe, in America vielleicht nur mit etwas vorherr- schenderem Grau. Dabei scheinen ferner wie in Amerika, so auch in Asien, je nach ver- schiedenen Gegenden, Abänderungen in der Intensität und Ausbreitung der braunen Farbe vorzukommen. Nach den wenigen Worten von Pallas scheinen die ihm zu Gesichte ge- kommenen Exemplare vom Baikal, aus Kamtschatka und von den anliegenden Inseln von ebenso düster brauner Farbe wie die unsrigen aus Udskoi-Ostrog und Sachalin ge- wesen zu sein. Letztere sind aber, mit den Abbildungen in der Fauna Japonica und bei Gould’) verglichen, düstrer braun und mehr grau alsdie japanischen, und diese wiederum we- niger rein braun als die zur selben Species gehörenden *) aus dem Himalaya. Somit scheint also bei C. Pallasii in beiden Welten die braune Farbe nach Süden zu vorherrschender, rei- ner und intensiver, nach Norden dagegen düstrer und gegen das Grau eingeschränkter zu sein. Wie in der Grundfarbe, so stimmen ferner unsere Amur- und ostsibirischen Exemplare auch in der Zeichnung mit den amerikanischen völlig überein. Bei diesen sind nämlich nach Bonaparte und Audubon die Flügeldeckfedern und Hinterschwingen an ihrer Spitze mit schmutzigweissen Fleckchen und die Augenlieder mit weissem Untergrunde versehen eine

1) Man. d’Ornith. III. p. 108. Desgl. Siebold, Fauna Japon. Aves. Tab. XXXI. C. 2) Dass C. Pallasii Temm. keineswegs einfarbig chokoladebraun sei, führt auch Gloger an. S. dessen Handb.

der Naturgesch. der Vög. Eur. I. p. 249. 3) The Birds of Eur. II. Tab. 83. Nach japanischen Exemplaren entworfen.

4) S. weiter unten.

334 Vögel.

Zeichnung, die sich genau ebenso auch bei unseren Exemplaren findet. Dass die Grössen- verhältnisse der Schwingen ganz dieselben sind, braucht kaum erwähnt zu werden. In der Form und Grösse des gesammten Vogels und seiner einzelnen Körpertheile findet Audubon bei C. americanus keinen Unterschied vom europäischen Wasserschwätzer; Bonaparte hält den amerikanischen und Temminck den japanischen nur für etwas grösser als den europäischen. Die Maasse unseres Sachalin-Exemplares, eines erwachsenen Weibchens, sind folgende: Länge des zusammengelegten Flügels 3” »,.' des Sehwanzes a n.ceataun I Alu » des Schnabels .............— 9

Höhe des Schnabels am Kinnwinkel . 21”

Breite des Schnabels ebendaselbst... 133

Länge, despEankesy.a..... iuhlaklarene » der Mittelzehe ohne Nagel... 93” » des Nagels an der Mittelzehe. 3” » der Hinterzehe ohne Nagel... 43” » des Nagels an der Hinterzehe. 33”

Demnach kommt also unser Exemplar in seinen Dimensionen den japanischen') und amerikanischen Exemplaren’) sehr nahe. In den Schnabeldimensionen hält es die Mitte zwi- schen den von Middendorff°) beobachteten grössten und kleinsten Exemplaren von Udskoi- Ostrog. Da diese letzteren Dimensionen einem nicht unansehnlichen Variiren unterworfen sind, so lässt es sich auch nicht rechtfertigen, wenn ihnen die Bedeutung eines specißschen Charakters zur Abtrennung des C. Pallasii Vig. oder tenwirostris Gould beigemessen wird‘). Diese sonst nur noch auf eine blassere (weniger schwärzliche) Färbung begründete Art aus dem Himalaya-Gebirge dürfte daher füglich nur als geographische Varietät mit der amerikanisch-asiatischen Form vereinigt werden. Ob nun aber die gesammte Form €. Pal- lasii in dem Umfange, wie wir sie hier aufgefasst haben, nicht selbst nur eine östliche, dunkelfarbige Varietät vom gemeinen Wasserschwätzer Europa’s, C. aquaticus Bechst., sein dürfte, ist eine Frage, die wir hier beim Mangel an eigenem Materiale nicht näher erörtern wollen. So viel aber ist nach dem oben Dargethanen gewiss, dass wenn Gloger mit Recht die dunkelfarbige Cinelus-Form des Himalaya-Gebirges und die noch dunklere Ostsibirien’s, wie schon Pallas that, nur als geographische Varietäten von C. aquaticus betrachtet, auch die mit letzterer ganz identische Form America’s in die Gränzen derselben, weit verbreiteten und stark variirenden Art gezogen werden muss.

Fassen wir aus dem oben Angeführten das auf die Verbreitung von (€. Pallasii Bezüg- liche kurz zusammen, so sehen wir diese Form in America (vonMexico an), auf den Aleu-

!) Vrgl. Fauna Japon. Aves. p. 69. ;

2) Vrgl. Swainson and Richards., Fauna bor. amer. I. p. 475. Audubon. c. p. 502.

°) Sibir. Reise. 1. c. p. 163.

‘) Vgl. Bonaparte, Consp. Gen. Av.1.c. In den Birds of Europe Vol. Il. erklärte sich Gould für die Verei- nigung der himalayischen Form mit dem C. Pallasii Temm.

Cinclus Pallasıi. Anihus arboreus. 335

tischen Inseln, in Kamtschatka, Ostsibirien bis zum Baikal, im Amur-Lande, in Japan und im Himalaya-Gebirge kurz im ganzen Umkreise des nördlichen stillen Oceans und bis tief ıin’s Innere beider Welten verbreite. Im Amur-Lande glaube ich ihn im Winter 1855 an einigen unbeeisten, quelligen Stellen des Gorin-Flusses gesehen zu haben. All- gemein aber traf ich ihn dort im Winter des folgenden Jahres an dem in seinem oberen Laufe niemals gefrierenden Tymy-Flusse im Innern von Sachalin. An letzterem Orte war er ausserordentlich häufig und trotz der scharfen Kälte, die bis unter den Gefrierpunkt des Quecksilbers sank, immer in der lebhaftesten und muntersten Weise mit dem Aufsuchen seiner Nahrung an den Ufern und auf den aus dem Wasser hervorragenden Steinen des reissenden Flusses beschäftigt. Sein Benehmen dabei und seine Stimme, wenn er erschreckt auffliegt und, dem Flusse folgend, in die nächste Serpentine desselben sich begiebt, fand ich ganz wie beim europäischen Vogel. Leider war er aber in dieser Wildniss, durch die Stille der Natur verwöhnt, äusserst scheu, und es genügte das Brechen eines Astes oder ein ge- ringer Lärm in der Bewegung der Schneeschuhe, um ihn von dannen zu schrecken. Ob ich ihn daher am obern Tymy-Flusse auch täglich und wiederholentlich sah, gelang es mir doch nur ein Exemplar desselben zu erlegen.

785) Anthus arboreus Bechst.

Die Baumpieper - Exemplare aus dem Amur-Lande schliessen sich nach Farbe und Zeichnung ganz genau an die von Middendorff') im Stanowoi-Gebirge, bei Udskoi- Ostrog und am Aldan beobachteten, der japanischen Varietät sich nähernden Exemplare an. Wie diese zeichnen sie sich nämlich vom europäischen Vogel durch einen grünlicheren Far- benton der Oberseite, der aber noch lange nicht so intensiv und ausgesprochen wie in der Abbildung vom japanischen Vogel?) ist, ferner durch eine minder deutliche Fleckung der Ober- seite und endlich durch grössere und namentlich breitere Flecken auf der Brust und den Wei- chen aus. In der Grösse scheinen unsere Exemplare diejenigen vom Stanowoi-Gebirge meist zu übertreflen, den europäischen aber noch um etwas nachzustehen. Die Maasse dreier er-

wachsener Individuen vom Amur sind folgende:

Schilka wenig oberh.Ustj-Strelka. Kidsi. Dshai.

Männchen. Weibchen. Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr) 5710” ee » des zusammengelegten Flügels. .....zu...2... 83° 3” EalOm AABONT: HN: » des Schwanzes „2.2.2220... ER NEN ER Be » des Schnabels .......- a Bee et"

1) Sibir. Reise. 1. c. p. 163. 2) Siebold, Fauna Japon. Aves. Tab. XXIII.

336 Vögel.

Schilka wenig oberh.Ustj-Strelka.. Kidsi. Dshai.

Männchen. Weibchen. Länge des Laufes ........- Ba N Ba an ae RENTEN u). 91” » der Mittelzehe ohne Nagel .........enaser 2. _— 73" 7" 73” » des Nagels an der Mittelzehe .........ecrc00. _ ae ii —— 21" » der Hinterzehe ohne Nagel.............c00r.. —_- 1" 41” 4" » des Nagels an der Hinterzehe. ......e2euec0.u 0 33" 0 33" 33”

Diese Maasse kommen in den meisten Stücken den von Pallas (wohl nach sibirischen Exemplaren) angegebenen sehr nahe.

A. arboreus ist im Amur-Lande ein häufiger Vogel. In der Umgegend des Nikolajev- schen Postens schoss ich ihn im Spätsommer 1854 in mehrfachen Exemplaren, unter denen die vom 40 Aug. noch in der Mauser standen. Frühjahrsexemplare erhielt ich durch Hrn. Maxi- mowiez aus Kidsi und Dshai, wo sich dieser Vogel am -?; Mai in Schaaren, am 24. Mai (5. Juni) einzeln und paarweise sehen liess. Hr. Maack hat ihn am 4? Mai an der Schilka etwas oberhalb ihres Zusammenflusses mitdem Argunj erlegt, wo er sich einzeln im Weiden- gebüsche des Flussufers aufhielt.

79) Anthus pratensis L. Var. japonica Temm. et Schleg.

Siebold, Fauna Japon. Av. p. 59. Tab. XXIV}).

Von dieser Form, welche nach Temminck und Schlegel eine ebenso ausgezeichnete Race vom Wiesenpieper wie A. rufogularis Brehm und A. cervinus Pall. bildet’), liegt uns aus dem Amur-Lande ein einzelnes Exemplar vor, das mit der Abbildung in der Fauna Ja- ponica, mit Ausnahme einiger dem Alter und der Jahreszeit zuzuschreibenden Differenzen, sehr genau übereinstimmt. Unser Exemplar ist ein sehr altes Weibchen im Hochzeitskleide. Die Oberseite desselben trägt wie in der erwähnten Abbildung, dem Charakter der japani- schen Varietät entsprechend, statt der grünlichen und gelblichen Farben der typischen europäi- schen Form ein fast einförmiges, kaum durch einen schwachen bräunlichen Ton getrübtes Asch- grau, in welchem nur wenige dunkelbraungraue Schaftflecken auf dem Scheitel und Mittel- rücken sich bemerkbar machen. Flügel und Schwanz sind ebenfalls ganz wie in der erwähnten

1) Bonaparte (Consp. Gen. Av. p. 248) führt diese Form als eigene Art unter dem Namen 4. pratensis japo- nicus Temm. et Schleg. auf,

2) Dass die beiden letzterwähnten Formen nur Varietäten von A. pratensis seien, hatte Gloger schon in den Jahren 1833 u, 34 (Das Abändern der Vögel p. 149. Handb, der Naturgesch. der Vögel Eur. I. p. 26%) ausgesprochen. Keyserling u.Blasius (Die Wirbelthiere Eur. p. XLVIM.), Bonaparte (l. c.) u.a. hielten A. rwfogularis und A. cer- vinus zwar ebenfalls für synonym mit einander, von A. pratensis aber für verschieden. Middendorff (l, c. p. 164.) glaubte sogar die beiden ersteren aus zoologisch-geographischen Gründen für verschiedene Arten halten zu müssen, wogegen Blasius die Identität aller drei Formen darthat. $. Naumannia, VI, Jahrg. 1856. p. 461 u. 464.

Anthus pratensis, Var. japonica. Motacilla alba. 337

Abbildung gezeichnet. Die Unterseite unseres Vogels aber ist darin verschieden, dass das Rost- gelb, von der Kehle bis zu den unteren Schwanzdeckfedern gleichmässig verbreitet, intensiver und die Fleekung vielschwächer ist. Letztere beschränkt sich nämlich auf einige feine, matt grau- braune Flecke an den Halsseiten und der Oberbrust, während die Weichen, mit Ausnahme von ein paar linienförmigen schwarzbraunen Streifehen, ganz ungefleckt sind. Letzteres Mo- ment, so wie ein schöneres Rostgelb zeichnen nach Temminck und Schlegel das Hochzeits- kleid der Var. japonica aus; in der schwachen, beinahe verloschenen Fleckung der Halsseiten und der Oberbrust und in der sehr einförmigen Farbe der Oberseite dürften wir aber ohne Zweifel Zeichen eines hohen Alters unseres Individuums erblicken. Hinsichtlich der Grösse erwähnen Temminck und Schlegel leider nur im Allgemeinen, dass die Var. japonica etwas grösser als die europäische Form von A. pratensis sei, geben aber mit Ausnahme der Flügel- länge keine numerischen Bestimmungen an. Die Maasse unseres Exemplares sind folgende:

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungef.) 5" 9” » des zusammengelegten Flügels ............. 37 2

» »deseSchwanzes, . 1 OREEmı SENEE:, a DRRdESISCHRADEISTRTE N ee ee a yekdessbaufes: en ver N ere.s es SU, rn » der Mittelzehe ohne Nagel............ EA » des Nagels an der Mittelzehe................ 21” » der Hinterzehe ohne Nagel. ............... 41”

» des Nagels an der Hinterzehe ..............

Das erwähnte Exemplar der Var. japonica vom Wiesenpieper rührt aus dem Quellande des Amur-Stromes her und wurde von Hrn. Maack am -, Mai an der Schilka beim Dorfe Bjankina geschossen, wo es sich einzeln im Weidengebüsche sehen liess. Erwägt man, dass diese Form in Sibirien bisher nicht gefunden worden ist, so scheint sie eine nur Japan und dem nächstgelegenen Theile Ostasiens mit Einschluss des Amur-Landes und Transbaika- lien’s eigene Varietät vom Wiesenpieper zu sein, während im Norden Ostasien’s bis nahe zum Eismeer und in Kamtschatka bekanntlich die Var. cervina herrscht').

80) BHotaecilla alba L.

Die weisse Bachstelze haben wir im Amur-Lande in zwei Varietäten kennen gelernt: einmal in der schon durch Pallas aus Kamtschatka, durch Temminck aus Japan be- kannten Var. lugens Illig. und dann in einer zweiten, bisher unbekannten Varietät, welche wir der seltsamen Contraste wegen, die sie der erstgenannten und auch der typischen Form Europa’s gegenüber darbietet, die Var paradoxa nennen wollen. Betrachten wir beide genauer.

I) Vrgl. Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 511.; Middendorff, Sibir. Reise. 1. c. p. 165. Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 43

338 Vögel.

a) Var. lugens lllig.

M. albeola Var. (camtschatica) Pall. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 507. M. lugubris Temm. Man. d’Ornith. III. p. 175 1).

Von dieser Varietät liegt uns eine ganze Reihe von Individuen verschiedenen Alters und von verschiedener Jahreszeit aus dem Amur-Lande vor, die, mit den Beschreibungen derselben Form ausKamtschatka°), Ostsibirien°) und Japan‘) verglichen, einen ferneren Beitrag zur genaueren Kenntniss der Färbung und geographischen Verbreitung dieser interessanten Varietät abgeben dürften. Bekanntlich bilden die weisse Zeichnung der Flügeldeckfedern, der schwarze Zügel- und Hinteraugenstreif und die schwarze Rückenfärbung die charakteristischen Kenn- zeichen derselben. Je nach dem geographischen Vorkommen der Individuen ändern sich aber diese Kennzeichen verschiedentlich ab und geben sich eben dadurch als blosse Varietäts- charaktere zu erkennen. Weichen schon die kamtschatkischen und japanischen Individuen oft nicht unbedeutend von einander ab, so gilt dies noch mehr von den ostsibirischen, die sich von jenen in manchen Charakteren sehr stark entfernen und, wie Middendorff nachge- wiesen hat, den Uebergang zur typischen Form der M. alba bilden. Erscheint uns aber der Uebergang von den kamtschatkischen und japanischen Exemplaren zu den ostsibirischen noch nicht recht vermittelt, so lernen wir ihn jetzt an den Amur - Exemplaren ‘kennen, die sich in jeder Beziehung genau zwischen die beiden ersteren einerseits und die letzteren ande- rerseits einschalten.

Was zunächst die weisse Flügelfärbung betrifft, die durch starke Ausbreitung der weis- sen Zeichnung an den mittleren und grossen Flügeldeckfedern entsteht, so ist sie, wie wir durch direkten Vergleich unserer Exemplare mit den Middendorff’schen von Udskoi- Ostrog und mit anderen, die Hr. Maack vom Wilui mitgebracht hat, ersehen, bei den Amur-Exemplaren viel stärker und ausgesprochener als bei den ostsibirischen. Bei erste- ren erstreckt sie sich nämlich sogar über einige der am Flügelbuge befindlichen kleinen Deckfedern, so dass diese Exemplare den Abbildungen von Kittlitz und Gould’) sehr nahe kommen, ohne jedoch die grosse Ausbreitung der weissen Zeichnung, die sich an der Abbildung eines offenbar sehr alten Männchens in der Fauna Japonica findet, zu erreichen. Schon jüngere

I) Die im ersten Bande des Man. p. 253. von Temminck gegebene Beschreibung der M. lugubris darf nicht hierher gezogen werden, da sie später von Temminck selbst (Bd. III. 1. c.) als aller Genauigkeit ermangelnd wider- rufen wurde. Dass Pallas sich weder des Namens lugubris noch lugens bedient hat, wie Temminck ihm zuschreibt, (Man. II. 1.c. u. IV. p. 620.), davon kann man sich aus der Zoogr. Rosso-Asiat. leicht überzeugen. Auch machten darauf schon Gloger (Das Abänd. der Vög. p. 148. Handb. der Naturg. der Vög. Eur. I. p. 253), Nordmann (Obsery. sur la Faune Pont. s. Demidoff, Voyage dans la Russie merid. III. p. 154.), Schlegel (Rey. crit. des ois. d’Eur. p. 68) u. a. aufmerksam. Um so auflallender daher, wenn Degland (Ornith. europ. 1849. I. p. 435) den Irrthum Temminck’s neuerdings noch wiederholt.

2 Pallas, 1. c.; Kittlitz, Kupfertafeln zur Naturgesch. der Vög. p. 16. Tab. 21. fig. 1.

3) Middendorff, Sibir. Reise. 1. c. p. 166.

h Siebold, Fauna Japon. Aves. p. 60. Tab. XXV. Gould, The Birds of Europe. I. Tab. 142, ebenfalls nach Japanischen Exemplaren, s. Fauna Japon. |. c.

°) Wir bemerken nochmals, dass die Abbildung bei Gould, Tab. 142, wie Temminck und Schlegel aus- drücklich angeben, nach japanischen Individuen entworfen ist.

Motacilla alba, Var. lugens. 339

Herbstexemplare vom Amur haben so viel Weiss an den Flügeln, wie die alten ostsibirischen im Frühling, und bereits das Nestkleid der Var. lugens hat mehr Weiss an den Flügeldeckfedern als die europäische typische Form.

Aehnulich verhält es sich mit der schwarzen Kopf- und Halszeichnung. Zwar bemerkte’ Middendorff bei den ostsibirischen den schwarzen Zügelstreifen in der Regel, den Hinter- augenstreifen aber nur bisweilen, und bei einem Exemplare, von der Birjussa, fehlte auch der erstere. Bei den Amur-Exemplaren sind beide regelmässig vorhanden, und zwar bei alten Frühlings- und Herbstindividuen von dunkelschwarzer Farbe, in der Weise und dem Maasse wie Kittlitz und Gould angeben, bei jüngeren Herbstexemplaren, je nach dem Alter, blasser, nur schwärzlich- oder bräunlichgrau. Bei keinem unserer Exemplare erreichen aber diese Streifen die Ausdehnung wie in.dem alten Individuum der Fauna Japonica, wo sie, zu einem breiten Backenflecken ausgedehnt, nach unten mit dem Schwarz der-Kehle wie nach oben mit dem des Kopfes verschmelzen. In Folge dessen sind die Halsseiten bei diesem japa- nischen Individuum ganz schwarz, während sie bei den ostsibirischen einen breiten weis- sen Streifen haben, der vom Mundwinkel continuirlich bis zum Weiss der Brust und des Bauches verläuft und so das Schwarz des Scheitels und Nackens von dem der Kehle und Öberbrust scheidet. Bei den Amur-Exemplaren nun findet eine mittlere Zeichnung statt, in- dem das Schwarz des Kopfes und das der Kehle einmal am Hinterende des Augenstreifens und dann an den Halsseiten in einem schmalen Stücke sich berühren, so dass das Weiss der Wangen von dem der Halsseiten und dieses wiederum von dem der Brust und des Bauches durch einen schwarzen Querstreifen geschieden bleibt. Diese Zeichnung, die man auch bei Kitt- litz und Gould theilweise angedeutet findet, ist bei einem unserer Exemplare sehr deutlich, bei einem anderen weniger deutlich ausgesprochen. Siehängt von der bei den Amur-Exemplaren im Vergleich zu den ostsibirischen bedeutend stärkeren Entwickelung der schwarzen Kopf- und Kehlplatte ab, welche die weisse Zeichnung der Halsseiten theilweise verdrängen. Auch reicht die schwarze Kehl- und Brustplatte bei den Amur-Exemplaren reichlich so weit wie bei den kamtschatkischen und japanischen abwärts und ist auch im Herbsikleide für die Var. lugens, der typischen Form gegenüber, bezeichnend. Bei keinem unserer Exemplare beschränkt sie sich nämlich im Herbstkleide auf einen schmalen, halbmondförmigen schwarzen Fleck, son- dern bildet immer eine ganz ansehnliche Platte, welche in einzelnen, mehr oder weniger dichten Flecken auch die ganze Kehle einnimmt und seitwärts zum Hinteraugenstreif und Mundwinkel aufsteigt, so dass nur wenig mehr als das Kinn rein weiss bleibt. Bei jüngeren Herbstindividuen, bei denen das Weiss noch einen gelblichen Anflug hat, ist sie in der Regel kleiner und blasser; am Nestkleide nur durch braungraue Flecke auf schmutzigweissem Grunde angedeutet. Wie die Brust-, so reicht auch die Kopfplatte bei den Amur-Exemplaren tiefer abwärts und nimmt auch im Herbstkleide noch den ganzen Nacken ein. Bei jüngeren Individuen, deren Stirn noch schmutzig gelblichweiss ist, fehlt sie aber wie bei der typischen

Form ganz, indem der Kopf dann grünlichgrau ist (nur eines unserer Exemplare von diesem *

340 Vögel.

Alter hat am Scheitel schon einige schwarze Federchen), und im Nestkleide endlich ist der Kopf von der Stirne an schmutzig bräunlichgrau wie der Rücken.

Was endlich die Rückenfarbe betriflt, so ist dieselbe bei den kamtschatkischen und japa- nischen Frühlingsexemplaren ganz schwarz, bei den ostsibirischen dagegen fand sie Midden- dorff bläulichgrau wie bei der typischen Form. Letzteres ist auch bei den Wilui-Exem- plaren der Fall. Die Amur-Exemplare dagegen stehen zwischen den japanischen und sibi- rischen mitten inne, indem bei ihnen der ganze Rücken auf grauem Grunde dunkel-, aber ver- waschen schwarz gefleckt ist eine Färbung, die bekanntlich dadurch entsteht, dass die grauen Rückenfedern breite schwarze Kanten haben. Am dunkelsten ist dabei der Oberrücken, wo zwischen dem Schwarz nur wenig Grau durchschimmert, heller und nur wenig schwarz gefleckt der Unterrücken. Diese schwarz gelleckte Rückenfärbung findet sich aber nur bei den Frühlingsexemplaren vom Amur; die Herbstmauser giebt ihnen durchweg ein reines, etwas olivenfarben angeflogenes Grau, genau wie es auch die typische Form hat. Die japanischen Exemplare scheinen dagegen, der Beschreibung Temminck’s und Abbildung Gould’s zufolge, auch im Winter dunkler zu sein und ein sehr dunkles, im Vergleich zu unseren beinahe schwärzliches Grau zu haben '). So sehen wir also die Amur-Exemplare der Var. lugens in ihrer Färbung in jeder Beziehung den Uebergang von der dunkelsten, am prägnantesten schwarz und weiss gezeichneten Form des maritimen Ostasiens, wir meinen Kamitschatka’s, derKu- rilen und Japan’s, zu der viel helleren und mehr grauen Form des continentalen Ostsibi- rien’s bilden eine Erscheinung, die mit der vermittelnden Stellung, welche das Amur-Land zwischen jenen Theilen Ostasien’s in geographischer und klimatischer Beziehung einnimmt, ganz im Einklange steht.

In der Var. lugens ist die weisse Bachstelze durch das ganze Amur-Land verbreitet und allenthalben häufig: ihr gehört die Menge von Individuen an, welche man an der Meeresküste, in den Baien Hadshiund deCastries, im Amur-Liman und besonders an den Ufern des Amur- Stromes und seiner Zuflüsse, gleichviel ob diese Ufer niedrig-sandig, kiesig oder felsig sind, un- aufhörlich vor sich laufen sieht. Diese Bachstelze ist auch diejenige, welche am frühesten im Amur-Lande anzukommen und am spätesten wieder fortzuziehen pflegt. Beim Mariinski- schen Posten liess sie sich im Frühjahr 1855, den Beobachtungen von Maximowiez zufolge, zum ersten Mal und in einzelnen Individuen bereits am -%, April sehen, als noch tiefer Schnee lag, und war am 11ten schon in Schaaren vorhanden, aus denen mehrere Exemplare ge- schossen wurden. Beim Nikolajevschen Posten sah ich sie im selben Jahr erst am 48 April erscheinen, und zwar zeigte sie sich erst mehrere Tage hindurch einzeln, später in kleinen Schwärmen. Im rauheren Frühling des folgenden Jahres liess siesich beim Mar iinskischen Posten zuerst am 21. April (3. Mai) und beim Nikolajevschen am 27. April (9. Mai) sehen; allein sie war zu der Zeit schon in kleineren und grösseren Schwärmen da, die sich aufden schneefreien Stellen zwischen den Häusern und auf den Dächern derselben, so wie auf den noch mit Schnee

!) «Dos d'un gris tres-fonc6». Temminck, Man. d’Ornith. II. p. 176.

Motacilla alba, Var. lugens. M. alba, Var. paradoxa. 34l

bedeckten Ufern des Stromes aufhielten. Die ersten mögen daher schon einige Tage früher, jedenfalls aber nicht vor dem 16. April angekommen sein. Die erlegten Individuen hatten ihre Mauser vollständig abgeschlossen und trugen das oben beschriebene Hochzeitskleid. Die Herbstmauser der Yar. lugens scheint im Amur-Lande im August stattzufinden, ja auch schon zu Ende des Juli zu beginnen. An einem in der BaiHadshi am 26. Juli (7. Aug.) erlegten Indi- viduum fängt die Kehle schon zu vermausern an. und das übrige Gefieder ist in einem so stark abgenutzten Zustande, dass an den Rückenfedern z.B. die schwarzen Kanten vollständig abge- stossen sind und der Vogel hier nur einfarbig grau erscheint, während ein paar Federchen, an denen sich ein Theil der schwarzen Kanten noch erhalten hat, darauf hindeuten, dass er bei un- abgenutztem Gefieder auf dem Rücken ebenfalls schwarz gelleckt war. Ein zur selben Zeit und am selben Orte erlegtes Junges steht dagegen noch im vollen, unversehrten Nestkleide. Beim Nikolajevschen Posten zeigten die vom ;, Sept. an geschossenen, alten und jungen Individuen sämmtlich schon das volle, frische Herbstkleid. Bis gegen Ende dieses Monats sah ich dort weisse Bachstelzen an den Ufern des Stromes fast täglich; alsdann aber liessen sie sich mehrere Tage hindurch nicht mehr sehen, so dass ich sie schon für verschwunden hielt, bis ich am , Oct. noch auf ein einzelnes altes Weibchen stiess, das ich für ein verspätetes Individuum nahm. Höchst überraschend war es mir aber noch am 30. Oct. (11. Nov.), als bereits tiefer Schnee ausgefallen war und der ganze breite Strom bis auf eine schmale Rinne mit dicker Eisschicht sich bedeckt hatte, wiederum einem einzelnen Individuum dieser Bachstelze zu begegnen. Ich trieb es am Fusse einer steilen, erdigen, von Schnee entblössten Uferwand auf, wo es in einer Höhlung hinter den dicken Eiszapfen eines Quellbaches gesessen hatte. Es liess sich bald auf einen überhangenden Ast am Ufer nieder, flog aber, indem ich ihm folgte, immer sehr scheu wieder davon, bis ich es endlich hinter einer Eisscholle kauern sah und es dort niederschoss. Es war ein junges Männchen, nach dem starken grünlichen Anfluge am Kopf, der graugrün- lichen Stirne und dem wenigen Schwarz in der Kropfgegend zu urtheilen, ein nur einmal ver- mauserter Vogel, der sich ohne Zweifel über die Maassen verspätet hatte. Doch hatte es ihm bis dahin noch an Nahrung nicht gefehlt, da sein Magen mit Goleopteren und namentlich kleinen Carabiden angefüllt war.

b) Var. paradoxa nob. Taf. Xl. fig. 2.

Ausser der Var. lugens kommt im Amur-Lande noch eine andere, von ihr und von der typischen weissen Bachstelze so weit verschiedene Form vor, dass man bei einiger Neigung zum Artenspalten in derselben leicht eine besondere Species erblicken dürfte. Erwägt man aber, wie vielfach die Abänderungen in der Zeichnung der weissen Bachstelze sind, so kann man auch in dieser Form nichts mehr als eine Varietät von M. alba vermuthen, so seltsam sie auch in ihrer Zeichnung mit der typischen Form und ihren bisher bekannten Varietäten, wie M.lugens, Yarellii u.a., contrastirt. Bekanntlich besteht der Unterschied zwischen dem Frühlings- und Herbstkleide der weissen Bachstelze hauptsächlich in der verschiedenen Vertheilung der schwarzen und weissen Farbe am Halse derselben. Gewiss muss es daher im hohen Grade

342 Vögel.

auffallen, bei der Var. paradoxa im Frühlings- oder Hochzeitskleide genau diejenige Vertheilung von Schwarz und Weiss am Kopfe und Halse zu finden, die jene im Herbst- kleide haben. Statt der schwarzen Brustplatte also, welche bei den letzteren vom Kinn bis zur"Oberbrust sich ausbreitet, sind bei unserer Varietät im Frühlingskleide Kinn und Kehle schneeweiss und nur in der Kropfgegend findet sich ein ziemlich schmales, halbmondförmiges schwarzes Band; zugleich fehlt auch der schwarze Zügel- und Hinteraugenstreif, der die Var. lugens kennzeichnet, vollständig, so dass Stirn, Wangen, Ohbrgegend, Kinn und Kehle von einem continuirlichen, rein weissen Felde eingenommen sind. Somit ist also die Zeich- nung des Kopfes und Halses bei der Var. paradoxa im Frühlingskleide genau so wie bei der typischen Form (und nicht ganz wie bei der Var. lugens) im Herbstkleide beschaflen. Dieses Verhältniss ist so auffallend, dass wir uns nicht getrauen würden, es als Regel aus- zusprechen, wenn uns nicht die unzweifelhaftesten Beweise für die Riehtigkeit der Beobachtung vorlägen. Wir haben nämlich drei Exemplare dieser Varietät erhalten. Das erste derselben, am 27. April (9. Mai) bei Nertschinsk erlegt, ist neben jener Halszeichnung auch in allen übrigen Stücken mit dem Winterkleide der M.alba übereinstimmend, mit alleiniger Ausnahme der breiteren weissen Kanten an den mittleren und grossen oberen Flügeldeckfedern. Man könnte daher glauben, dass dies vielleicht nur ein Individuum der typischen Form oder der Var. lugens (aber ohne Zügelstreif, wie Middendorff ein Exemplar von der Birjussa gesehen hat) sei, welches durch irgend welche Umstände, vielleicht durch Ueberwintern in jenen rauhen Gegenden, an einer frühzeitigeren Mauser verhindert worden sei und deshalb im April noch in seinem Winterkleide erscheine. In solchem Falle wäre es jedoch zu erwarten, dass sich im April zum wenigsten der Anfang der verspäteten Mauser zeigte, wovon aber’keine Spur zu bemerken ist. Auch wird eine solche Annahme, abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit eines Ueberwin- terns der M. alba im höchst excessiven, rauhen Klima Daurien’s, durch unsere beiden an- deren Exemplare vollständig beseitigt. Diese sind nämlich am ->, Juli am südlichen Amur ge- schossen und stehen beide in der Mauser, welche sich namentlich an den Schwingen und Steuer- federn kund thut, unter denen es zum Theil alte, verstossene, zum Theil schon neue, aber noch kurze Federn giebt, während das übrige Gefieder von der Mauser noch kaum berührt ist und allenthalben und namentlich auch am Kinn und an der Kehle Spuren starker Abnutzung trägt. Hier liegt also der volle Beweis vor, dass wir es mit dem Frühlingskleide des Vogels zu thun haben. Dennoch zeigen auch diese beiden Exemplare genau dieselbe, oben beschriebene, dem Winterkleide der M. alba typica ganz gleiche, continuirlich weisse Zeichnung der Stirn, Wangen, Ohrgegend, des Kinnes und der Kehle. Im Uebrigen sind sie aber mit den schönsten Früh- lingsexemplaren der Var. Tugens gleich gezeichnet: die mittleren und grossen oberen Flügel- deckfedern sind rein weiss, die kleinen schwarz, der ganze Rücken ist bei einem derselben von eben so reinem und dunklem Schwarz wie der Nacken, beim anderen mit etwas durch- schimmerndem Grau eine Verschiedenheit, die daher kommt, dass bei ersterem die Rücken- federn fast in ihrer ganzen Länge, mit Ausnahme des äussersten Basaltheiles, schwarz, bei letzterem dagegen nur grau mit sehr breiten schwarzen Kanten sind. Dieses letztere Exemplar

Motacilla alba, Var. paradoxa. 343

bildet daher schon den Uebergang zu dem zuerst erwähnten, Nertschinsker Exemplare, das auf dem Rücken nur einfarbig grau ist. So lernen wir also die Var. paradoxa zugleich auch in den beiden Abänderungen kennen, die wir oben an der Var. lugens besprochen haben, in- dem die Exemplare der ersteren vom südlichen Amur den japanischen der letzteren, dieje- nigen von Nertschinsk aber den ostsibirischen (Udskoi- und Wilui-) Exemplaren der Var. lugens entsprechen.

Leider ist uns das Herbstkleid der Var. paradoxa nicht bekannt. So viel sich aber aus den wenigen bei unseren beiden mausernden Exemplaren an der Kehle durchbrechenden frischen Federchen schliessen lässt, scheint die Halszeichnung im Herbstkleide ganz dieselbe wie im Frühlinge zu sein. Nur die schwarze Farbe des Rückens, die sich bei den Exemplaren vom südlichen Amur findet, dürfte im Herbst vermuthlich, wie bei der Var. lugens, einer grauen Farbe Raum geben. Wenn dem aber so ist, so unterscheidet sich das Herbstkleid der Var. paradoxa von dem der typischen Form wahrscheinlich bloss durch breitere weisse Kanten an den oberen Flügeldeckfedern, und von dem der Var. lugens durch das Fehlen des weissen Zügel- und Hinteraugenstreifens, so wie durch geringeres Schwarz in der Kropfgegend, da wir anderweitige Unterschiede zwischen der Var. paradoxa und jenen Formen, sei es in der Schnabelbildung, in den Schwingenverhältnissen oder anderen Stücken, nieht entdecken können. Nur in der Grösse scheint sie, wie die nachstehenden Maasse lehren, der Var. lugens um ein Geringes nachzustehen.

Nertschinsk. Südlicher Amur. Weibchen. Männchen. Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungef.) 6"10" 6’ » des zusammengelegten Flügels ........... a. A Bu Bu nes Schwanzes Ban in. si sale een el 3,8, ER 3 des, Schmabelsn 0 ul Akne Auua.a tele) u 6 Breite des Schnabels am Hinterende der Nasenlöcher . . _ ER —ı1" 30T Höhe des Schnabels ebendaselbst .............. en = 20 —.- Bariep des Brehna a einneir a) age Bi 400, 0 100 » der Mittelzehe ohne Nagel ........... BAU. 5 eo 61” » des Nagels andern Mütelzehe, eusen uuucc _ SU —_ a 3 » der Hinterzehe ohne Nagel... ......: 2... al 31 312 » des Nagels an der Hinterzehe ..........-. : —.3\ ar zZ

Die drei beschriebenen Exemplare der Var. paraloxa wurden sämmtlich von Hrn. Maack, das eine bei Nertschinsk, die beiden anderen am südlichen Amur zwischen den Einmündungen des Ssungari und desUssuri in denselben erbeutet. Unterhalb dieses letzteren Stromes ist sie uns unter den zahlreich erlegten Exemplaren der weissen Bachstelze nicht be- gegnet, da diese sämmtlich der Var. lugens angehören. Wenn sie daher auch nicht aus- schliesslich auf jenen südlichen und westlichen Theil des Amur -Stromes beschränkt sein sollte, so scheint sie dort doch jedenfalls viel häufiger als im nördlichen und östlichen Theil des

344 Vögel.

Amur-Landes zu sein, wo dagegen die Var. lugens herrscht. Ueber die Ankunfts- und Ab- zugszeit der Var. paradoxa im Amur-Lande liegen uns keine Beobachtungen vor. Erstere dürfte jedoch höchst wahrscheinlich in die erste Hälfte des April fallen, da wir den Vogel am 27. dieses Monats schon bei Nertschinsk antreflen. Auffallend ist das äusserst frühe Eintreten der Herbstmauser bei der Var. paradozxa, da diese, wie oben erwähnt, schon am Juli und also mitten in der am südlichen Amur sehr beissen Sommerzeit vor sich geht.

st) Motacilla sulphurea Bechst.

Auflallenderweise kannte Pallas') diese Bachstelze nach eigenen Beobachtungen nur von der Ingoda in Daurien und nach Gmelin’s Aufzeichnungen aus Jenisseisk; sonst war sie ihm weder in Sibirien, noch inRussland jemals begegnet. Middendorff°) traf sie an den Küsten des Ochotskischen Meeres und im Stanowoi-Gebirge überall häufig an. Auch im Amur-Lande ist sie nächst der vorigen Art wohl die häufigste Bachstelze, ja an manchen Orten, so besonders im unteren Laufe des Amur-Stromes, wo das Terrain durch- weg gebirgig ist, wie beim Nikolajevschen Posten, scheint sie fast häufiger als jene zu sein. Von der Mündung des Amur bis zum Ussuri habe ich sie häufig angetroffen; alsdann aber wird sie jedenfalls weitseltner als die weisse Bachstelze und im Prairie-Laufe des Amur-Stro- mes habe ich sie nicht gesehen. Auch scheint sie mir im Amur-Lande, so weitich bemerken konnte, im Frühjahr etwas später sich einzufinden und im Herbst etwas früher wieder fortzu- ziehen. Beim Nikolajevschen Posten sah ich sie im Frühjahr 1855 zuerst am -?- Mai in einem einzelnen Individuum, das ich erlegte. Es war ein Männchen im Hochzeitskleide‘ mit schönem Hochgelb der Unterseite, dem europäischen Vogel in allen Stücken entsprechend. Gleiches gilt auch von dem Herbstkleide desselben. Dieses fand ich an erwachsenen Indivi- duen in der Umgegend des Nikolajevschen Postens vom }% August an vollständig angelegt; den jungen Vogel aber traf ich an der Ussuri-Mündung am -?; August noch im vollen Nest- kleide und beim Nikolajevschen Posten am 20. Aug. (1. Sept.) im Beginn der ersten Mau- ser. Die Abzugszeit dieser Bachstelze scheint an der Amur-Mündung in das Ende des Septem- ber zu fallen. Im Herbst 1854 schoss ich beim Nikolajevschen Posten das letzte Exemplar am 27. Sept. (9. Oct.) und sah später keines mehr. Im folgenden Jahre aber beobachtete ich am Stromufer nabe vom Posten ein einzelnes, wahrscheinlich verspätetes Individuum dieser Art noch am 43 Oct., nachdem der Strom sich längs den Ufern schon mit Eis bedeckt hatte. Nach den erwähnten Thatsachen zu schliessen, scheint also M. sulphurea im Osten Sibirien’s jedenfalls häufiger als im Westen desselben zu sein und überhaupt im Osten der alten Welt auch bis zu nördlicheren Breitengraden als im Westen derselben vorzudringen.

!) Reise durch versch. Prov. des Russ, Reichs. II. p. 696.; Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 501. 2) Sibir. Reise. 1. c, p- 168.

Motacilla sulphurea. Motac. (Budytes) flava. 345

In letzterem ist sie bekanntlich schon im nördlichsten Deutschland eine grosse Seltenheit ') und erreicht die skandinavische Halbinsel nicht mehr), auch nicht in ihrem südlichsten Theile°). In Sibirien dagegen dringt sie zwar nicht bis in den Hochnorden vor‘), kommt aber, wie uns ein durch Hrn. Maack erhaltenes Exemplar beweist, noch am Wilui, also noch ungefähr unter dem 63 64° n. Br. vor. Dies Exemplar ist ein altes Männchen im Hochzeitskleide, mit sehr schönem Hochgelb der Unterseite, und wurde dort am 47 Mai erlegt, was zugleich eine recht frühzeitige Ankunft dieses Vogels am Wilui bekundet.

82) Meotacilla (Budytes) lava L.

Die im Amur-Lande vorkommende gelbe Bachstelze gehört zur typischen, von Pallas’) unter dem Namen M. flaveola beschriebenen, von Gould) neuerdings als M. neglecta abgebil- deten Form und scheint von der europäischen in keinem Punkte abzuweichen. Das alte Männ- chen im Frühlingskleide hat einen schön blaugrauen Kopf, einen weissen Streifen über dem Auge, grauschwarze Zügel, ein weisses Kinn, einen olivengrünen Rücken und ein sehr schö- nes Hochgelb auf der Unterseite. Beim alten Weibchen in demselben Kleide ist das Grau auf dem Scheitel etwas olivenbräunlich, der weisse Augenbrauenstreifen zunächst dem Schnabel und theilweise auch hinterwärts rostgelblich angelaufen, das Gelb an der Unterseite etwas blasser, am Kropfe ockergelblich und mit braungrünlichgrauen Flecken versehen. Das Herbst- kleid des alten und jüngeren Vogels und das Nestkleid stimmen ebenso mit den Beschreibungen von Naumann‘) u. a. überein. In einer anderen Varietät ist mir die gelbe Bachstelze im Amur-Lande nicht begegnet.

Obgleich viel seltner als die beiden vorhergehenden und namentlich als die weisse Bach- stelze, kommt M. flava doch im gesammten Amur-Lande vor. In Exemplaren, die theils von Hrn. Maack und theils von mir geschossen wurden, besitzen wir sie von verschiedenen Punkten des Amur-Stromes, von der Schilka beim Dorfe Bjankina an bis zur Mündung des Amur. An letzterem Orte, beim Nikolajevschen Posten, beobachtete ich ihr Erscheinen im Frühjahr 1855 am 30. April (12. Mai), als noch recht viel Schnee lag, der sie nach den ent-

1) Naumann, Naturgesch. der Vögel Deutschl. III. p. 830. Das nördlichste bisher bekannte Vorkommen dort ist an der Swentine bei Kiel, wo sie von Boie (Tageb. gehalten auf einer Reise durch Norwegen. p. 29. Anm.) be- obachtet worden ist. Kjärbölling (Danmark’s Fugle. Kjöbenh.1852. p. 142.) nennt kein anderes Vorkommen in Dä- nemark.

2) Nilsson, Ornith. Svec. Havniae. 1817. I. p. 237. Desselb. Skandin. Fauna. Fogl. Lund. 1835. I. p. 257.

3) Gadamer (s. Naumannia, II. Jahrg. 3. Hft. p. 2.) nennt sie nicht unter den inSchonen, Wallengren (Naum. III. Jahrg. p. 86) nicht unter den auf der Insel Gothland vorkommenden Vögeln.

%) Middendorffl.c.

>) Zoogr. Rosso-Asial. I. p. 501.

6) The Birds of Europe. Il. Tab. 146.

7) Naturgesch. der Vögel Deutschl. III. p. 839.

Schrenck’s Amur-Reise Bd. I.

4

346 Vögel.

blössten Stellen in der Nähe der Häuser trieb. An der Schilka bei Bjankina traf sie Hr. Maack am „?, Mai schon recht zahlreich an. Am 23. Juni (5. Juli) gab es am südlichen Amar unterhalb des Bureja-Gebirges umherstreifende Junge im vollen Nestkleide. Die Herbstmauser muss schon im Juli beginnen, da beim Nikolajevschen Posten vom 49 Aug. an nur fertig vermauserte Individuen zu finden waren. Auch scheint mir M. lava die Mün- dung des Amur-Stromes schon früh im September und jedenfalls früher als die beiden vor-

hergehenden Arten zu verlassen.

83) ®riolus cochinchinensis Briss. Var. indiea Jerdon.

Bei den Golde am Ussuri: guelgo.

Indem wir der Ueberzeugung sind, dass die im Südosten Asien’s bisher bekannten, von neueren Ornithologen, wie Bonaparte u. a., bis auf fünf vermeintlich verschiedene Arten ge- brachten Pirole mit hufeisenförmiger schwarzer Zeichnung aufdem Kopfe sämmtlich zu einer und dersellien Art mit mehrfachen Varietäten gehören, wird es uns schwer unter der Menge syno- nymer, meist aber auf eingeschränkte Arten Bezug habender Namen, einem als Bezeichnung für die Gesammtart den Vorzug zu geben. Wollten wir dabei nicht dem relativen Alter der- selben Rechnung tragen, so würden wir ohne Zweifel den von Wagler') vorgeschlagenen, 0. Hippoerepis, für den entsprechendsten halten, da dies die erste und einzige Bezeichnung ist, welche, von einem allgemeineren Gesichtspunkte ausgehend, sämmtliche bis zu der Zeit bekannte Formen in eine Gesammtart vereinigt”). So sehr wir aber Wagler’s Ansicht thei- len, so können wir ihm doch darin nicht beistimmen, dass er die Zahl der hierher gehörigen Namen noch um einen neuen und zwar einen solchen vermehrt hat, der, als Gesammtbe- zeichnung, speciell auf keine der Einzelformen Bezug hat. Das Richtige in solchem Falle ist unserer Meinung nach, den ältesten zuverlässig hierher gehörigen Namen als Bezeichnung für

!) Systema Avium, Stuttg. et Tübing. 1827. I. Gen. Oriolus, Sp. 5.

?) Dass dies in der That der Fall ist, geht schon daraus hervor, dass Wagler für O. Hippocrepis alle diejenigen Fundorte anführt, an welchen bis dahin die vermeintlich verschiedenen Arten gefunden worden waren, nämlich Ost- indien, China, Cochinchina, Sumatra und Java. Auch zieht er selbst Chlorio indieus Aldrov. (O. indieus Briss.), O. cochinchinensis Briss., O. chinensis Gm., Vieill. und Temm. und O. maculatus Vieill. als Synonyme in seine Gesammtart. Ja in dieser dürften, der Synonymie neuerer Schriftsteller zufolge, auch die meisten von den spater aufgestellten Arten entbalten sein. So erklärt Jerdon (Illustr. of Ind. Ornith. Madras. 1847. Text zu Tab. XV.) seinen O. indicus mit dem gleichnamigen von Brisson, O. acrorkynchos Vig. mit O. cochinchinensis Briss. und O. coro- natus Sw. mil 0. Hippocrepis Wagl. für identisch; Bonaparte (Consp. gen. av. p. 348.) stellt O, coronatus Sw. mit O.indicus Briss. und Jerdon und 0. galbula Horsf. (oder Horsfieldi Bonap.) mit O. chinensis(?) L. oder javanicus(?) Alig. zusammen. Somit umfasst also die Waglersche Gesammtart alle bisher bekannten Pirole Südostasiens mit huf- eisenförmiger schwarzer Zeichnung auf dem Kopfe, mit alleiniger Ausnahme des in neuerer Zeit von Bonaparte auf- gestellten O. Broderipi aus Sumbava (s. Bonap., Revue crit. de l’Ornith. europ. de M. le Dr. Degland. 1850. p. 62., Proceed. of the Zool. Soc. 1830. p. 279, Consp. gen. av. 1. c.), dessen Diagnose aber auch nichts Charakteristisches und Besonderes zu erkennen giebt. Mit Unrecht identificiren also Bonaparte, Jerdon u. a. den O. Hippocrepis Wagl. mit einer oder der anderen ihrer vielen und sehr eingeschränkten Pirolarten.

Oriolus cochinchinensis, Var. indica. 347

die typische Form gelten zu lassen und die übrigen, falls sie auf wirkliche Abänderungen sich beziehen, ihm als Varietätsbezeichnungen unterzuordnen, gleichviel ob jener älteste Namen in seiner Bedeutung dem erweiterten Umfange der Gesammtart entspricht oder nicht"). Demnach müssen wir also dem von Brisson gebrauchten Namen, O. cochinchinensis, den Vorzug geben’) und von der darunter beschriebenen Form als der typischen ausgehen, welcher sich die an- deren als Varietäten anreihen. Aus dem Amur-Lande liegt uns nun diejenige Form vor, welche Jerdon als O. indicus Briss. beschrieben hat) und in der wir nur eine Varietät der ersterwähnten erblicken können. Unser Vogel ist mit der Beschreibung und Abbildung Jer- don’s vollkommen übereinstimmend und zeigt alle charakteristischen Kennzeichen, die letzteren bewogen haben, ihn als besondere Art hinzustellen. Die hufeisenförmige schwarze Zeichnung auf dem Kopfe erstreckt sich nämlich nicht bloss von Mundwinkel zu Mundwinkel, wie bei O. cochinchinensis, sondern von Nasenloch zu Nasenloch; an den Aussenkanten der Hinter- schwingen nimmt die grünlichgelbe Farbe nach hinten mehr und mehr an Ausdehnung zu und erstreckt sich an den hintersten über die ganze Aussen-, ja sogar noch über einen Theil der Innenfahne; an den Steuerfedern endlich ist die gelbe Spitze geringer als bei O. cochinchinensis und verliert sich an dem mittelsten Paare gänzlich. So gross aber diese Uebereinstimmung ist, so können wir in den genannten Kennzeichen ihrer Natur nach doch nichts mehr als Va- rietätscharaktere erblicken. Das erste derselben beschränkt sich nämlich darauf, dass die schwarze Kopfzeichnung bei O. indicus bloss um ein paar Millimeter weiter nach vorn als bei O. cochinchinensis sich erstreckt. Zudem hat diesen Charakter bloss das Männchen; bei dem ebenfalls erwachsenen Weibchen vom Amur dagegen beginnt das schwarze Band auch erst vom Mundwinkel, die unmittelbare Umrandung des Nasenloches aber ist grünlichgelb wie der Scheitel. Das 2! der erwähnten Kennzeichen bezieht sich zwar auf beide Geschlechter. allein es besteht ebenfalls nur in einer stärkeren Ausbreitung derselben Farbe, die auch bei O. cochin-

1) Dies von neueren Autoren vielfach beobachtete Verfahren ist im Vorhergehenden auch schon mehrmals ein- geschlagen worden, so bei Milv. niger, Par. palustris, Sitta europaea u. s. w. Dass die früheren Namen, zumal wenn sie vom ursprünglichen, engeren Fundorte entnommen worden, dabei als Gesammtbezeichnung oft unpassend werden, beweisen zahlreiche Fälle, wie z.B. Sitta europaea u. drgl. m. SolcheNamen verlieren aber oft auch ohne dass eine Zusammenziehung mehrerer Arten stattgefunden hätte, bloss in Folge eines erweiterten Gesichtskreises ihre Bedeu- tung, und dennoch dürfen wir sie deshalb nicht abändern.

2) O.sinensisGm. (Linn.Syst. Nat. Ed. XII1.I.p. 394) gehört nach Wagler zu Pastor turdiformis. O.indicus Briss. (mit dem von Brisson selbst angeführten Synonym Chlorio indicus Aldrov.) lässt sich bisher nicht mit Sicherheit mit einer der späteren Pirolarten identificiren, obgleich es ohne Zweifel auch eine mit hufeisenförmiger Zeichnung auf dem Kopfe versehene und hierher gehörige Form ist. @melin (l. c. p. 383.) sah ihn sogar nur als Varielät von O. gal- bula an. Ueber das Verhältniss desselben zu O. indicus Jerdon s. unten.

3) Jerdon wählte für diese Form den von Brisson gebrauchten Namen O. indicus, wie er selbst sagt, zum Theil aus dem Grunde, weil er glaubte, dass Brisson darunter vielleicht dieselbe Form, wenn auch unter falscher Be- schreibung, verstanden haben könnte(!). In der That lässt sich aber in Brisson’s Beschreibung (Ornith. Paris. 1760. Il. p. 328.) keines von den Kennzeichen finden, welche Jerdon bewogen haben, in dieser Form eine besondere Art an- zunehmen. Soll daher bei der gegenwärtig sehr complicirten Synonymie die Hinzufügung des Autornamens dazu die- nen, Jedermann die Form, die gemeint ist, mit Bestimmtheit anzugeben, so passt Brisson’s Autorität hinter dem von Jerdon verstandenen O. indicus durchaus nicht. Auf der von Jerdon der Beschreibung beigefügten Tafel XV. heisst

der Vogel O. sinensis. *

348 Vögel.

chinensis an den Aussenkanten der Hinterschwingen sich findet. Dasselbe gilt auch von der Zeichnung desSchwanzes. Dass die Ausbreitung der gelben Farbe an der Schwanzspitze va- riirt und also kein artenunterscheidendes Moment sein kann, beweist auch der Umstand, dass Jerdon bei den indischen Exemplaren die mittelsten Steuerfedern noch mit ganz kleinen gel- ben Spitzchen gezeichnet fand, die unsrigen, mit den indischen sonst ganz übereinstimmenden Exemplare aber ganz schwarze mittlere Steuerfedern haben. Ausser diesen Charakteren hebt Jerdon noch hervor, dass bei ©. indicus die schwarze Zeichnung im Nacken schmäler, die gelbe Farbe minder schön und auf dem Rücken grünlicher und der Schwanz endlich kür- zer als bei O.chinensis (oder cochinchinensis) sei, wogegen O.coronatus aus Java kleiner als O, indieus sei, mit kürzeren Flügeln, kürzerem Schwanz und Laufe und mit schmälerem Schwarz im Nacken, aber etwas grösserem Schnabel als bei letzterem. Uns liegen nieht allenthalben die Exemplare vor, um diese Charaktere zu prüfen, allein so viel ist gewiss, dass wenn jene ersteren, wesentlicheren Kennzeichen nicht als specifische zu betrachten sind, diese unterge- ordneteren Differenzen noch weniger Recht darauf haben. Unser Amur-Exemplar ist z. B. in der That bei sonst sehr schönem Hochgelb doch auf dem Rücken etwas grünlicher als ein javanisches. Allein das hängt gewiss sehr vom Alter und von klimatischen Einflüssen ab. Fer- ner ist das schwarze Band im Nacken bei ihm in der That etwas breiter als beim javanischen; allein auch nur beim Männchen, beim Weibchen dagegen ist es ganz von derselben Gestalt und Breite wie bei letzterem. Zudem stellt sich in dieser Beziehung die indische Form genau zwischen die chinesische undjavanische, so dass der Unterschied nur ein ganz allmähliger ist. Ebenso bieten endlich auch die Grössenverhältnisse ganz allmählige, vermittelte und übrigens auch in ihren Extremen immer nur unbedeutende Abstufungen dar. Jerdon legthier auf die wenigen vorhandenen numerischen Angaben oflenbar zu viel Gewicht '). Dass die Grössen- verhältnisse variiren, mögen auch folgende, an den Amur-Exemplaren der Var. indica und einem in unserem Museum vorhandenen Pärchen von ©. cochinchinensis aus Java genommene

Maasse beweisen: O. cochinch., Var. indica. O. cochinchinensis typ.

Amur J.anveas r i Männchen. Weibchen. Männchen. Weibchen. Länge v. d. Schnabel- b. z. Schwanzspitze (unge) 96" 95" 9” 8” 810”. » des zusammengelegten Flügels... ..... 5”10” et » des Schwanes DEN... rag astra DE » des Schnahelaitu isn hen 0. 200 RAP RI eN Dal " [27 [73 [23 Höhe des Schnabels an der Stine... ........ en, a se Länge des Laufes .. 222 oeeeeeeeeren nn 11" m” m —n” . - 5 72 7 72 77 » der Mittelzehe ohne Nagel ........... Frau Gen 9

!) Dabei giebt Jerdon bei Vergleichung der einzelnen Grössen die von Wagler angeführten als nach deut- schem(!) Maasse genommen an, während sie nach Pariser Maasse genommen sind. Vergl. Wagler, l.c. Prooem. p. paenultima.

Oriohus cochinchinensis, Var. indica. 349

O. cochinch., Var. indica. O. cochinchinensis typ.

Amur. Java Männchen. Weibchen. Männchen. Weibchen. Länge des Nagels an der Mittelzehe...........— 34" 337 33" » der Hinterzehe ohne Nagel..... ausgeht: —_ 54” —_ Bin 51 RER ER » des Nagels an der Hinterzehe ... 2... 4" u" mM" 4"

Gestehen wir in diesen Maassangaben der Gesammtlänge, weil am Balge gemessen, nur eine annähernde Richtigkeit zu, so ist die Grösse unserer Exemplare, mit Ausnahme des 4" (etwas jüngeren Weibchens), ziemlich dieselbe. Dabei sind auch alle anderen Maasse recht sehr über- einstimmend, mit Ausnahme der Flügellänge, die bei den javanischen Exemplaren von O0. eochinchinensis etwas kleiner als bei der Var. indica ist. Dies wäre somit der einzige Punkt, in dem unsere Vermessungen mit den Angaben Jerdon’s übereinstimmten. Jedenfalls sind wir also noch sehr weit davon entfernt, regelmässige Grössenunterschiede zwischen den hier in Rede stehende Pirol-Arten oder Varietäten feststellen zu können.

Ausser den besprochenen Charakteren in der Färbung unserer Amur-Pirole müssen wir noch bemerken, dass in beiden Geschlechtern ein recht sichtlicher, durch die gelben Spitzen der Deckfedern der grossen Schwingen gebildeter Spiegel vorhanden ist, der in der Abbildung Jerdon’s von den Hinterschwingen verdeckt wird. Das Weibchen vom Amur ist, wie nach Jerdon’s Angaben auch das indische, viel weniger schön gefärbt, unten blasser gelb, oben, auf dem Scheitel, Halse und Bürzel grünlichgelb, auf dem Rücken gelblichgrün; das Schwarz auf dem Kopfe ist schmäler und durch gelbliche Federkanten unrein, Flügel und Schwanz blasser schwarz und die Mittelfedern des letzteren mit gelblichem Anfluge, der gegen die Spitze hin allmählig abnimmt. Am frischgeschossenen Vogel waren im Juni: die Iris vio- lettbraun, der Schnabel fleischfarben, die Füsse bläulichgrau.

In dem Umfange, wie wir den O. cochinchinensis auflassen, sehen wir ihn über den ganzen Südosten Asien’s von Indien bis nach den Sunda- und Molukkischen - Inseln und nördlich bis zum Amur-Lande verbreitet. An diesem letzteren, ohne Zweifel nördlichsten Orte seiner Verbreitung tritt er in derselben Varietät wie in seinem westlichsten Gebiete, in Indien auf. Somit nimmt also die Var. indica zugleich den Norden und Westen, die mit mehr Schwarz auf den Hinterschwingen und breiterem Gelb auf den Steuerfedern gezeich- nete Form Java’s, Cochinchina’s u. s. w. den Süden und Osten des gesammten Verbrei- tungsgebietes von O. cochtnchinensıs ein. Am Amur findet sich dieser Pirol, wie es scheint, nur im südlichsten Theile des Stromes, wo sich dieser durch seine mächtigen südlichen Zu- flüsse, den Ssungari und Ussuri, an das nördliche China und Korea anschliesst, und zwar auch dort nicht häufig. Am unteren Amur habe ich ihn nach Norden nicht über Ssündaka hinaus, d. i. etwas südlich vom 49ten Breitengrade, beobachtet. Häufiger trafich ihn am Ussuri, im August, in den mit Unterholz versehenen lichten Espenwäldern der Prairie. Hr. Maack erlegte ihn in den Eichengehölzen der Amur-Prairie gleich unterhalb des Bureja-Gebirges am

350 Vögel.

23. und 24. Juni (5. und 6. Juli). In seinem Benehmen konnte ich nichts vom euro- päischen Pirol besonders Abweichendes bemerken; nur schien mir die Stimme weniger hell und der Püfl kürzer.

84) Turdus daulias Temm.

Nouv. Rec. de Pl. color. d’Ois. Paris 1838. Tab. 515.

Obgleich die zuerst von Temminck in den P]. color., später von ihm und Schlegel in der Fauna Japon. unter dem angeführten Namen beschriebene und abgebildete Drossel nach Bonaparte') dieselbe sein soll, deren schon Gmelin’) und Latham unter der Bezeichnung T. pallidus erwähnen, so müssen wir doch dem ersteren Namen aus dem Grunde den Vorzug geben, weil diese Synonymie eine sehr fragliche ist und wegen der Kürze und Mangelhaftig- keit der Gmelin’schen und Latham’schen Diagnosen immer eine zweifelhafte bleiben und zu Verwechselungen mit dem T. pallidus Temm. (T. obscurus Gm., T. pallens Pall.) Veranlassung geben wird. In der That muss es dahingestellt bleiben, ob die auf Latham’s Angaben be- gründeten Arten T. pallidus und T. obscurus Gmelin’s nicht bloss auf Abänderungen oder gar nur auf Altersverschiedenheiten einer und derselben Art, des nachmaligen T. pallens Pall., zu beziehen seien. Stellt doch der in der Fauna Sibirien’s so unvergleichlich erfahrene Pallas den aus Daurien herstammenden «Pale trush» Latham’s (T. palidus Gm.) mit seinem T. pallensschlechtweg zusammen. Auch finden wir diese Synonymie, mit Ausnahme Bonaparte’s, bei allen neueren Ornithologen, wie Gloger®), Temminck‘), Keyserling und Blasius’), Schlegel®), Degland’), Naumann‘), Brandt”), Homeyer'") u.a. wieder. T.daulia Temm. ist dagegen mit T. obscurus Gm. oder T. pallens Pall. nicht wohl zu verwechseln. Ein Originalexemplar des ersteren, das unser Museum durch Temminck aus Japan besitzt, stimmt mit der erwähnten Abbildung (Tab. 515.) vollkommen überein, mit Ausnahme einer vielleicht etwas düstereren olivenbraunen Farbe der Oberseite und einer etwas ausgedehnteren oliven- bräunlichen Färbung der Weichen. Von allen uns vorliegenden Exemplaren von T. obscurus Gm. unterscheidet es sich aber auf den ersten Blick durch seine viel ansehnlichere Grösse, durch die olivenbraune Farbe der Oberseite, die weisslichen unteren Flügeldeckfedern, das

!) Gonspect. gener. avium. p. 273.; desselb. Rey. crit. de l’Ornith. eur. de M, le Dr. Degland. p. 66.

2) Car. Linn. Syst. Nat. Ed. XIII. I. p. 815.

3) Handb. der Naturgesch. der Vögel Deutschl. I. p. 172.

4) Man. d’Ornith, III. p. 98.

°) Die Wirbelth. Eur. p. LI.

6) Rey. crit. des ois. d’Eur. p. XL. Desgl. Temminck und Schlegel in Siebold’s Fauna Japon. Aves. p. 63. 7) Ornith. europ. 1. p. 461.

*) Naturgesch. der Vögel Deutschl. Bd. XIII, p. 289.

9) Consid,. sur les anim. vertebr. de la Siber. oceid, (Voyage de M. Tschihatscheff) p. 26.

10) Ueber die Gattung Turdus. Vrgl. Rhea. 2. Hft. p. 151.

Turdus daulvas. 351

Fehlen des weisslichen Augenbrauenstreifens und endlich durch die grossen weissen Keilflecke, die sich auf den beiden äussersten Steuerfedern und namentlich auf der ersten finden. Alle diese für T. daulias charakteristischen Züge wiederholen sich nun auch an einer jungen Drossel, die wir aus dem Amur-Lande heimgebracht haben und die wir für nichts Anderes als 7. daulias im Nestkleide halten können. Da dieses aber bisher noch unbekannt ist, so mag eine ausführlichere Beschreibung desselben folgen.

Die Oberseite unseres Vogels von der Stirne bis zum Bürzel ist olivenbraun, von einem etwas helleren oder gelberen Farbentone als beim erwachsenen Vogel, auf der Stirne und am Halse etwas lichter, auf dem Scheitelund den Wangen düsterer, graulichbraun. Alle Federn des Kopfes, der Wangen und des Halses bis auf den Oberrücken hinab, sowie die oberen und mitt- leren Flügeldeckfedern haben helle, rostgelbliche Schaftflecke, die letzteren ausserdem auch rundliche rosigelbliche Flecke an ihren Spitzen; die grossen Flügeldeckfedern mit ähn- lichen, nur helleren, rostgelblichweissen Spitzenflecken, die eine Querbinde auf jedem Flügel bilden. Die Zügel sind grau; über denselben, zwischen Nasenloch und Auge verläuft ein rostgelblichweisslicher Streifen, der sich in undeutlicher Weise auch über dem Auge und bis zur Ohrgegend verfolgen lässt, aber lange nicht so sichtlich wie bei T. obscurus ist und beim erwachsenen Vogel, bis auf eine Andeutung zwischen Nasenloch und Auge, verschwin- det. Kinn und Kehle weiss, jederseits von einer von dem Unterkieferaste herabsteigenden, anfangs continuirlichen, weiter abwärts in eine Reihe rundlicher, schwarzbrauner Spitzenflecke aufgelösten Linie eingefasst, zu deren Seiten nach aussen ähnliche kleinere Fleckchen sich befinden. Kopf und Brust rostgelblichweiss mit rundlichen schwarzbraunen Flecken; der Bauch weiss, die Weichen schmutzig rostgelblichgrau gewölkt mit einzelnen sehr wenigen und verblassten schwarzbräunlichen Flecken. Die Schwingen graubraun, die grossen nach aussen fein weisslich gesäumt, die folgenden mit olivenbraunen Aussenkanten, welche Farbe nach hinten zu breiter und breiter wird und an den 3— 4 letzten Hinterschwingen die ganze Aussenfahne einnimmt. Im Flügel ist die 3!® Schwinge die längste, die nur wenig kür- zer, die 2!° und gleich lang mit einander, die 61° viel kürzer. Die Schwanzfedern sind auf der Innenfahne schwärzlich, auf der Aussenfahne olivenbräunlich, die äusserste mit einem über einen Zoll langen weissen Keilfleck an der Spitze ihrer Innenfahne, die 2! mit einem kleinen weissen Endfleckchen'). Auf der Unterseite sind die Schwingen und Steuerfedern grau, die unteren Flügeldeckfedern schmutzigweisslich mit rein weissen Spitzen. Am todten Vogel sind die Läufe und Zehen von der Farbe wie in der Abbildung Temminck’s, die Nägel hell, nach der Spitze bräunlich. In seinen Dimensionen stimmt unser junger Vogel vom Amur mit dem alten aus Japan, so wie mit den Angaben von Temminck und Schlegel?), wie die folgenden Zahlen lehren, sehr nahe überein:

1) Leider sind an unserem Exemplar die Schwanzfedern nicht ganz vollzählig. 2) Fauna Japon. Av. p. 62.

352 Vögel.

Amur. Japan. Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr). . 9. A » des zusammengelegten Flügels .... ser creeer0.0 #6 48 »...des:Schwänzes.. see ca e.aierejslevelchen tel euere RT ee BG” 3",6" » „des; Schnahels!. reitet 2 EEE gern Höhe des Schnabels am Hinterende der Nasenlöcher ...... 3” 3” Länge-des: Laufes . . 4. ARE ee ES ai 111% » der Mittelzehe ohne Nagel ......sc.sorercreeen 10,” 103” » des“Nagels an der Mittelzehe ......zerseerenunn 317 33” » «.der Hinterzehe, ahne-Nagel... „...... „oe Auen 5" 51” » des Nagels an der Hinterzehe . .... zer ceccec... 4 0

Da Bonaparte’s Angabe, dass T. daulias im Osten Sibirien’s jenseits des Baikal vor- komme), nur auf der oben besprochenen vermeintlichen Identität dieser Art mit T. pal- lidus Gm. beruht und somit nicht gelten kann, so bleibt als sicherer Fundort für T. daulias nur Japan stehen, zu welchem wir gegenwärtig auch das Amur-Land hinzufügen können. In letzterem bin ich aber dieser Drossel nur am südlichen Amur, bei Turme an der Us- suri-Mündung, am 31. Juli (12. Aug.) begegnet.

85) Turdus chrysolaus Temm.

Nouv. Rec. de Pl. color. d’Ois. Tab. 537. Siebold,Fauna Japon. Aves. p. 64. Tab. XXVII. Bei den Golde am Ussuri: pifika und fifika.

Wir haben aus dem Amur-Lande ein junges Männchen dieser Drosselart heimgebracht, welches mit der Abbildung in der Fauna Japon. im Wesentlichen übereinstimmt, in der Farbe und Zeichnung aber einige kleine Abweichungen darbietet. Unser Vogel ist namentlich we- niger grünlich, indem sich bei ihm nur ein durch olivengrünliche Kanten an den Federn ge- bildeter Anflug dieser Farbe findet, der auf dem Kopf und Mittelrücken am stärksten ist, dabei aber allenthalben die graue Grundfarbe der Federn durchblicken lässt. Die Stirne ist, wie auch Temminck und Schlegel angeben, etwas olivenbräunlich; Kinn und Kehle rostgelblich- weiss mit verwaschenen graubräunlichen Längsstreifen, die besonders in einer vom Mund- winkel jederseits herabsteigenden Linie am dichtesten zusammenstehen. Der Kopf ist rost- gelblich und grau gewölkt; Brust und Weichen von beinahe noch schönerem pomeranzen- farbigem Gelb als in der erwähnten Abbildung; Bauch und untere Schwanzdeckfedern weiss, die letzteren mit rostgelblichem Anfluge. Am frischgeschossenen Vogel waren im August: die Iris srünlichbraun, der Schnabel hellbraun, die Füsse bräunlich lleischfarben. Die Grösse unseres

!) Ausdrucklich bemerkt aber Bonaparte (Consp. gener. avium I, c.), dass er in Europa niemals vorge- kommen sei.

Turdus chrysolaus. T. Naumannt. 353

Exemplares stimmt, wie aus den folgenden Maassen ersichtlich, mit den von Temminck und Schlegel vermessenen japanischen Individuen sehr nahe überein:

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr) 8" 8” » des zusammengelegten Flügels ........-....... Kae » des Schwanzes ........ N EAN une ». des’Schnabels .= ....... aus RE NEE:

Höhe des Schnabels am Hinterende der Nasenlöcher ..... ae

Tanse des Laufes "re ss A RAN nen. LER » ° der Mittelzehe ohne, Nagel... .7... #.......... 10" » des Nagels an der Mittelzehe ................. u » der Hinterzehe ohne Nagel........... ER... 5" » des Nagels an der Hinterzehe .............. KR

T. chrysolaus, bisher nur aus Japan bekannt, kommt auch im südlichen Amur-Lande vor. Ich habe diese Drossel dort namentlich bei Aua am Ussuri im lichten Eichenwalde am 37 Aug. geschossen. Im nördlichen Amur-Lande ist sie mir nicht begegnet.

86) Turdus Naumanni Temm.

Von dieser mit der folgenden so häufig verwechselten Drosselart besitzen wir aus dem Amur-Lande ein Frühlingsexemplar vom jungen Männchen, das mit der ‘ausführlichen und vortrefllichen Beschreibung Naumann’s') vollkommen übereinstimmt und ohne Ausnahme alle die charakteristischen Kennzeichen an sich trägt, welche man dortund anderer Orten?) zur Un- terscheidung dieser Art von T. fuscatus Pall. übersichtlich zusammengestellt findet. So unter- scheidet es sich von einer Reihe von T. fuscatus, die wir aus dem Amur-Lande haben, sogleich durch seine viel hellere, olivengraubräunliche Farbe der Oberseite und die rostfarbenen Schaft- flecke auf jeder Feder, ferner durch die schwärzlichen und rostbraunen Flecken des Kropfes und der Brust, durch die rostfarbenen, in Folge weisser Kanten an den Federn pfeilförmigen Flecken an den Brustseiten und Weichen, durch die schmäleren rostbräunlichen Kanten an den grossen Flügeldeckfedern und Hinterschwingen und durch die bereits sehr ausgebreitete Rostfarbe an den äusseren Steuerfedern. Unser Exemplar kommt somit den Abbildungen Naumann’s Fig. 1. auf Taf. 68. und Fig. 2. auf Taf. 358. sehr nahe. Wenn daher Middendorff°) letztere nur für ein Junges von T. fuscatus im Herbstkleide hält, so können wir dem nicht beistimmen. Unser Exemplar zum wenigsten ist, nach den oben angeführten Charakteren und einer genauen

1) Naturgesch. der Vög. Deutschl. XIII. p. 296. 2) Vrgl. Homeyer, Ueber die Gattung Turdus. Rhea, 2. Hft. p. 153. u. 0, 3) Sibir. Reise, 1. c. p. 171.

Schrenck’s Amur-Reise Bd. I, 45

354 Vögel.

Vergleichung mit unseren jungen Herbstindividuen von T. fuscatus, gewiss kein solches. Eben- sowenig aber scheint es auch zu denjenigen Mittelformen zu gehören, welche Middendorff für junge Männchen von T. ruficollis im Hochzeitskleide hält, wie das vonNaumann auf Taf. 358 Fig. 1. dargestellte Individuum. Dagegen spricht bei unserem Exemplare der völlige Mangel der rostrothen Farbe an der (nur rostgelblichweissen) Kehle, der breite weissliche Augen- streif, die rostbraune Fleckung der Weichen, die rostrothen Schaftflecke im Rückengefieder u. dergl. m. Demnach wird man uns also Recht geben, wenn wir, ohne über die speeifische Selbständigkeit dieser Arten definitiv aburtheilen zu wollen, unser Exemplar als 7. Naumanni aufführen.

Dass erwähnte Exemplar der Naumannsdrossel wurde von Hro. Maack im Ingoda- Thale in Transbaikalien am 12 April geschossen.

37) Turdus fusceatus Pall.

Die Amur-Exemplare dieser Drossel, von der vorhergehenden durch die oben be- sprochenen Charaktere scharf unterschieden, stimmen mit den Abbildungen Naumann’s auf Taf. 359, so wie mit denjenigen, die er') und Gould) von diesem Vogel unter dem Namen T. Naumanni und Temminck°) unter dem Namen T. eunomus entworfen haben, vollständig über- ein. Auch gegenüber den in unserem Museum vorhandenen japanischen Exemplaren‘) bieten sie keinerlei Unterschiede dar. Unter einander variiren aber die Exemplare gleichen Alters ziem- lich ansehnlich in der stärkeren oder schwächeren schwarzbraunen Fleckung der Unterseite, in dem helleren oder dunkleren Farbenton der Rückenseite, in der Intensität der Rostfarbe an den Kanten der Flügeldeckfedern und Hinterschwingen u. dgl. m. Letztere Farbe brei- tet sich bekanntlich mit dem Alter mehr und mehr aus und nimmt zuletzt fast die ganze Fläche der mittleren und grossen Flügeldeckfedern und der Hinterschwingen, mit Aus- nahme eines schwarzbraunen Streifens längs ihrem Schafte, ein. Solche Altersdiflerenzen liegen uns wiederholentlich auch unter den Amur - Exemplaren vor. Am frischgeschos- senen Vogel waren im Herbst: die Iris dunkelbraun, der Schnabel hornfarben oder schwarz-

!) Naturgesch. der Vögel Deutschl. Taf. 68. Fig. 2. Dass diese Abbildung, so wie die zugehörige Beschreibung (Bd. II. p. 292.) von T. Naumanni, nicht auf diese Drossel, sondern auf 7. fuscatus zu beziehen seien, berichtigte Nau- mann selbst zu wiederholten Malen. S. Naumannia, I. Jahrg. 3. Heft p. 10., 4. Heft p. 4. Naturgesch. der Vögel Deutschl. XIII. p. 303.

?) The Birds of Eur. II. Tab. 79. Wie Gould selbst angiebt nach einem in der Umgegend München’s er- legten, laut Temminck und Schlegel aber (Fauna Japon. Aves. p. 61.) nach einem japanischen Individuum entwor- fen. Dass es T. fuscatus darstellt, unterliegt keinem Zweifel und ist auch von Homeyer (Rhea, 2. Heft p. 156.), Mid- dendorff (Sibir. Reise. 1. c. p. 171.) und neuerdings auch von Gould selbst, bei Gelegenheit der Abbildung dieser Drossel in den Birds of Asia, Part. IV. angemerkt worden.

?) Rec. de Pl. color. d’Oiseaux. Tab. 814.

*) In der Fauna Japon. 1. c. ist diese Art unter dem Namen 7. Naumanni aufgeführt,

Turdus fuscatus. Accentor alpinus. 395

braun, am Unterkieferrande gelblich, der Rachen und die Zunge gelb, die Füsse bräunlich, die Sohlen gelblichgrau.

T. fuscatus ist die häufigste Drosselart im Amur-Lande, die sich dort in grossen Schwär- men auf ihrem Herbstdurchzuge sehen lässt. Die ersten, vermuthlich schon aus dem Norden angekommenen Herbstexemplare traf ich am 31. Aug. (12. Sept.) beim Dorfe Belgu nahe der Gorin-Mündung. Beim Nikolajevschen Posten beobachtete ich sie im Herbst 1854 vom 19. Sept. (1. Oct.) bis zum 44 Oct. Innerhalb dieser Zeit liessen sich zu wiederholten Malen recht ansehnliche Schwärme sehen, die sich mit vielem Lärm meist an die Lärchenbäume am Waldrande und an den Ufern des Amur-Stromes und seiner kleinen Zuflüsse, des Kamr-, Litsch- und Patehä-Flüsschens hielten. Gegen Ende dieser Zeit traf ich jedoch meist nur einzelne Vögel und am 14. Oct. den letzten. Ziemlich um dieselbe Zeit, am 13 Oect., erlegte auch Hr. Maximowicz ein einzelnes Exemplar beim Mariinskischen Posten. Durch Hrn. Maack haben wir diese Drossel aus dem Bureja-Gebirge vom 12 Sept. erhalten.

88) Accentor alpinus Gm.

Ein altes Männchen dieses Flüvogels im schönen frischen Herbstkleide, das wir aus dem Amur-Lande erhalten haben, stimmt mit den europäischen und mit den von Middendorff') von der Südküste des Ochotskischen Meeres mitgebrachten Exemplaren in seiner Zeichnung Punkt für Punkt überein. Mit letzteren hat es auch dieim Vergleich zu den europäischen etwas geringere Grösse gemein, übertrifit sie aber an Schönheit und Ausdehnung der Rostfarbe im Gefieder fast um ebensoviel, als diese die europäischen. Unser Exemplar hat nämlich auf den Schulterfedern, an den Kanten der Hinterschwingen, auf dem Bürzel und auf den oberen Schwanzdeckfedern ein schönes Rostbraun; auf dem Rücken sind die Federn schwarzbraun mit rostgelblichen Kanten. Auch die Rostfarbe der Unterseite ist viel lebhafter. Dabei breitet sich aber letztere Farbe nicht bis an das weisse Kehlschild aus, sondern bleibt von diesem durch ein breites graues Band getrennt, welches die Kropfgegend und Brust einnimmt. In die- sem Punkte hat es also genau dieselbe Zeichnung wie der europäische A. alpinus und nicht die- jenige, die den A.altaicus Brandt auszeichnet, welchen wir mit dem Autor für eine selbstän- dige Art zu halten geneigt sind’). Wohlin Folge der herbstlichen Jahreszeit, dem unser Exem- plar angehört, hat es auch im übrigen Gefieder viel frischere Farben als die uns zum Vergleiche vorliegenden Frühlingsexemplare aus der Schweiz und Sibirien. So sind bei ihm das Grau des Kopfes und Halses, das Schwarz der mittleren und grossen Flügeldeckfedern und das Schwarzbraun der Schwingen und Steuerfedern schöner und dunkler, weil minder verblichen.

1) Sibir. Reise. 1. c. p. 173. 2) Middendorff (l. c.) vermuthet, dass A. altaicus nur eine kleinere, asiatische Race von A. alpinus sei. *

396 Vögel.

Von den letzteren haben die mittelsten auf beiden Fahnen rostbraune Spitzen, die übrigen tragen auf der Innenfahne einen weissen, mehr oder weniger rostgelblich angeflogenen, auf der Aussenfahne einen schmutzig-rostbraunen Spitzenfleck. Im Uebrigen ist aber, wie schon erwähnt, die charakteristische Zeichnung des europäischen Vogels auch an unserem Exem- plar vollkommen dieselbe und tritt durch die Frische und Schönheit der Farben nur um so deutlicher hervor. Selbst der Schnabel hat auch am todten Thiere noch ganz die am A. alpinus bekannte Farbenvertheilung. Ueber die etwas geringere Grösse der Amur- und ost- sibirischen Exemplare mögen folgende Maasse derselben Auskunft geben:

% Amur. Ochotsk. Meer, Männchen, Ins. Medweshij.

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr)....... 6’ 3” 6" » des zusammengelegten Flügels ......-------eese2200.. 37107 Zus‘ » . des Schwanzes) +1. „»les srl: rel seislehin incl BE Bil Br ». des Schnabels :jsr..- .ellolagele ini ausge intztnienn tet ala une eier ee DE Breite des Schnabels am Hinterende der Nasenlöcher ........... 21” 21” Höhe des Schnabels ebendaselbst ..........2csumneeeeenenn 70 Länge des/Laufes ::...0..1.... Ds. le nase Sana Dr ale I 10 »_ ..der'Mittelzehe ohne Nagel, 2122...) » 10... 20m ke re —_ 8” » des Nagels an der Mittelzehe .....unoeeeseneneeennn nu BT 0 2a” ». ‚der Hinterzehe ohne Nagel: „2.2... 2... + stem ed —i4" » des Nagels an der Hinterzehe .....u-2zerseesnnenene 347 0 31”

Das oben beschriebene Exemplar von A. alpinus wurde von Hrn. Maack im Bureja- Gebirge, wo dieses vom Amur-Strome durchbrochen wird, am 4& Sept. erlegt.

89) Saxicola saltatrix Menetr.

S. saltator Menetries, Catal. rais. des obj. de Zool. rec. dans un voyage au Caucase. St. Petersb. 1832. p. 30.

Mit den in unserem Museum befindlichen Originalexemplaren dieser Form mag nun die- selbe eine selbständige Art oder, wie es wahrscheinlicher ist, nur eine Varietät von $. Oenanthe sein die Hr. Menetries aus Baku mitgebracht hat, stimmen unsere Amur-Exemplare in allen Stücken genau überein. An ihnen bestätigen sich denn auch die meisten Kennzeichen, die Keyserling und Blasius') als diagnostisch für diese Art hervorheben; so namentlich die Beschaffenheit der unteren Flügeldeckfedern, die in beiden Geschlechtern gleiche, fahl- röthlichgraue Farbe der Oberseite und die mit S. Oenanthe gemeinsamen Grössenverhältnisse

!) Die Wirbelthiere Eur. p. 192.

Saxicola saltatrıx. 357

der Schwingen, von denen nur die 2'° und 3" auf ihrer Aussenfahne verengt sind '). Dagegen können wir in der angeblich verschiedenen Flügellänge dieser beiden Arten keinen Unter- schied finden, da uns alte Exemplare von S. Oenanthe vorliegen, deren Flügellänge, den nu- merischen Angaben von Keyserling und Blasius direkt entgegen, 3” 10” beträgt, während sie bei allen unseren Exemplaren von $. saltatrix, diejenigen von Baku nicht ausgenommen, nur 7” bis 3” 8” ausmacht. Noch geringer, nämlich von 3" 6”, fand Schlegel’) die Flügellänge bei einem Individuum der letzteren Form aus Griechenland. Statt dieses Momentes möchten wir aber ein anderes hervorheben, durch welches S$. saltatrix von $S. Oenanthe, wenn auch nur in den Gränzen einer Varietät, sich unterscheidet. Es ist dies der bei der ersteren längere, kräftigere und überhaupt robustere Schnabel. Ohne den folgenden Maassen einen constanten Werth beilegen zu wollen, bemerken wir zum Belege für das Angeführte, dass an den Exemplaren vom Amur und von Baku, ein Individuum im Nestkleide nicht ausgenom- men, die Schnabellänge von der Stirn (der Befiederungsgränze derselben) bis zur Spitze 6— 7”, die Breite am Hinterende der Nasenlöcher 21”” und die Höhe am Kinnwinkel fast 2" beträgt, während wir dieselben Dimensionen bei alten Individuen von S. Oenanthe von 54, 2 und 14 finden.

Was die Farbe und Zeichnung der Amur-Exemplare betrifft, so können wir auf die oben angeführten Beschreibungen dieses Vogels und darunter besonders auf die von Schlegel nach einem Exemplar aus Griechenland ausführlicher entworfene verweisen, die vollständig auch auf die Amur-Individuen passt. Da uns Frühlingsexemplare erwachsener Vögel bei- derlei Geschlechts vorliegen, so fällt die Verschiedenheit der Farbe und Zeichnung derselben von S. Oenanthe sehr entschieden in die Augen. Unter einander variiren die Exemplare darin, dass die Isabellfarbe der Brust und der blasse isabellgelbliche Anflug der Unterseite bald etwas dunkler, bald etwas heller ist; bei zweien derselben erstreckt sich dieser Anflug, wenn auch in sehr blassem Tone, his auf das Kinn, bei einem dritten dagegen bleibt das Kinn rein weiss. Bei diesem letzteren Exemplar ist denn auch der weisse Augenbrauenstreif, der von den Nasenlöchern bis in die Ohrgegend verläuft, breiter und reiner weiss und das Schwarz in der Endhälfte der Steuerfedern ausgedehnter als bei den ersteren, die offenbar jüngere Vögel sind. Hinsichtlich der Grösse finde ich an den Amur-Exemplaren, mit Ausnahme der be- reits mitgetheilten für den Schnabel, folgende Maasse:

Männchen. Weibchen.

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr) 6’ 30.6. » des zusammengelegten Flügels ........... Ir dh 2.8, v7, » des Schwanzes ........... een al oh rl SARTT. a a des, Laufesi 0, al re iel. Eon . 1 KO Do N oo

l) Durch diesen letzteren Charakter, wie durch viele andere, entfernt sich $. saltatriz auch wesentlich von S. aurita Temm. ($. stapazina L.), mit der sie Gloger (Handb. der Naturgesch. der Vögel Eur. I. p. 194.) ohne Wei- teres als synonym zusammengestellt hat.

2) Rey. crit. des ois. d’Eur. p. 65,

Männchen. Weibchen. Länge der Mittelzehe ohne Nagel ........ 2 Verdi 617 64” » des Nagels an der Mittelzehe ........ ray, Sr Bun gi"! _ 21” » der Hinterzehe ohne Nagel................ Br _ 31” 347 » des Nagels an der Hinterzehe....... 3 EN ers"

Abgerechnet die nur ungefähre, weil am Balge gemessene Gesammtlänge, stimmen diese Maasse mit den von Schlegel an dem Exemplar aus Griechenland gefundenen sehr nahe überein. Demnach müssten also unsere Exemplare ebenfalls zu den kleineren Individuen ge- hören, was die oben besprochenen Verhältnisse der Schnabelgrösse im Vergleich zu $. Oenanthe um so auflälliger macht. Wir können hier nicht umhin, auch auf die bedeutende Länge des Laufes aufmerksam zu machen, welche diejenige unserer ostsibirischen Exemplare von $. Oenanthe noch um etwas übertrifft. Gloger hatte also, abgesehen von anderen Charakteren, auch aus diesem Grunde vollkommen Unrecht, $. saltatrix mit der durch viel kürzere, nach ihm nur etwa 9—10” hohe Läufe charakterisirten S. aurita Temm. zusammenzustellen.

Bisher war uns S. saltatrix nur aus den Ländern des mittelländischen und caspischen Meeresbeckens von Nubien und Aegypten bis zum Ural bekannt; es ist daher interes- sant, dieselbe nunmehr auch im äussersten Osten Asien’s anzutreffen. Die oben besprochenen Exemplare rühren aus dem Quelllande des Amur-Stromes, und zwar von den Ufern des Nertscha-Flusses her, wo sie von Hrn. Maack am 19. und 20. April (1. und 2. Mai) ge- schossen wurden. Ein paar Tage vorher hatte Hr. Maack dieselbe Species auch im Ingoda- Thale bemerkt. Auffallenderweise ist uns im unteren Amur-Lande niemals eine Sazicola begegnet.

90) Saxicola Rubicola L.

Ein altes Männchen dieses Vogels aus dem Quelllande des Amur-Stromes ist mit dem europäischen ganz übereinstimmend. Als Frühlingsexemplar hat es ein fast ganz reines Schwarz auf dem Kopfe und der Kehle mit kaum merklichen Spuren rostgelblicher Feder- kanten; auf dem Rücken aber treten dieselben deutlicher hervor. Desgleichen finden sich auch rostfarbene Spitzen an den weissen Bürzelfedern. Auf der Brust scheint mir die Rost- farbe blasser als bei den gleich alten Frühlingsexemplaren vom europäischen Vogel zu sein. So steht es auch den Abbildungen Naumann’s'), Gould’s?) u. a. in dieser Beziehung ent- schieden nach. Desgleichen ist bei ihm die Rostfarbe der Kropfgegend und Brust viel blasser als bei einem Frühlingsexemplar, das unser Museum aus Westsibirien, vom Irtysch

!) Naturgesch. der Vögel Deutschl. Taf. 90. fig. 3. 2) The Birds of Eur. II, Tab. 94.

Sazxicola Rubicola. Lusciolakamtschatkensis. L. phoenicura, Var. aurorea. 359

besitzt. Dass die Schwanzfedern an ihrer Basis weiss sind, wie schon Pallas') (zum we- nigsten für die seitlichen Federn) und später Eversmann?) und Middendorff) hervor- hoben, lässt sich auch an unseren Exemplaren bemerken, doch bleibt dieses Weiss nur auf die äusserste Basis der Federn beschränkt und ganz unter den Deckfedern versteckt.

Unser Exemplar ist von Hrn. Maack an der Schilka unterhalb des Dorfes Bjankina, wo es einzeln angetroffen wurde, am „7, Mai geschossen worden.

91) Lusciola (Calliope) kamtschatkensis Gm.

Zwei männliche Individuen dieses schönen ostasiatischen Vogels, die mit den Midden- dorff’schen von Udskoi-Ostrog und mit Exemplaren, die unser Museum aus China besitzt, sowie mit der Beschreibung von Pallas‘) und der Abbildung von Gould’) vollkommen über- _ einstimmen, wurden von Hrn. Maack in den Weidengebüschen am Amur-Strome, das eine

am 44 Juli nahe der Ussuri-Mündung, das andere am 7, Sept. etwas oberhalb des Bureja- Gebirges erlegt. Das erstere zeigt am ganzen Körper ein so stark verstossenes Gefieder, dass die Hinterschwingen z. B. an ihren Spitzen und die mittelsten Steuerfedern in ihrer Endhälfte kaum mehr als die nackten Schäfte haben. Dennoch hat die Mauser an demselben noch nicht begonnen, und lässt sich nicht ein einziges frisches Federchen am ganzen Vogel finden. Das an- dere Exemplar dagegen hat die Mauser schon völlig abgeschlossen. Dieses hat denn auch viel frischere und schönere Farben: oben einen starken olivenbräunlichen, unten einen schmutzig- gelblichen Anflug, Farben, die mit der Abnutzung der Federkanten verschwinden, so dass der Rücken alsdann nur graubraun, die Kropfgegend grau und der Bauch und die Weichen weiss werden; auch das schöne Roth der Kehle verblasst alsdann und hat nicht mehr die silber- glänzenden Federspitzchen.

92) Luseiola (Ruticilla) phoenicure L. Var. aurorea Pall.

Von dieser Form, die wir mit Gloger°) ebenso nur als östliche Varietät vom gemeinen Gartenröthling betrachten müssen, wie etwa Mot. lugens Illig. nur eine solche Abänderung der weissen Bachstelze oder Corv. dauricus Pall. nur eine östliche Varietät von der gemeinen

1) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 470.

2) Bullet. de la Soc. Imp. des Nat. de Moscou. XXIII. 1850. No. IH. p. 570.

3) Sibir. Reise. 1. c. p. 174.

4) Reise durch versch. Prov. des Russ. Reichs. III. p. 697.; Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 483.

5) The Birds of Eur. II. Tab. 118, unter dem Namen Calliope Lathami.

6) Das Abändern der Vögel. pp. 11, 15, 16, 27, 146. Desselb, Handb. d. Naturgesch. der Vögel Eur. I. p. 204.

360 Vögel.

Doble ist, liegen uns aus dem Amur-Lande ein Weibehen und 4 junge Vögel vor. An allen tritt der durch ein breites weisses Querband auf den Hinterschwingen gebildete Spiegel, der den auflallendsten Charakter dieser Form bildet, sehr deutlich und ausgesprochen hervor, beim Weibchen nur stellenweise etwas rostgelblich angeflogen, wie das auch Temminck und Schlegel ') an den japanischen Exemplaren bemerkt haben. Mit einem solchen Exemplare in unserem Museum, wie mit der Abbildung in der Fauna Japon. (Tab. XXI.D.) stimmt unser Weibchen vom Amur auch in allen übrigen Stücken überein; nur hat es, gegen letztere ge- halten, ein etwas matteres und verschosseneres Rostroth am Bürzel und auf den Steuerfedern und einen viel schwächeren rostgelblichen Anflug auf der Unterseite, was zum Theil auch daher rühren mag, dass es ein Frühlingsexemplar mit stark verstossenem Gefieder ist. Bei den Jungen im Nestkleide dagegen, und zwar den Männchen so gut wie den Weibchen, ist die Rostfarbe auf dem Bürzel und Schwanze recht lebhaft und steht derjenigen der er- wachsenen japanischen Individuen nicht nach. Schon im Nestkleide übrigens scheinen die Weibchen daran von den Männchen erkennbar zu sein, dass bei ersteren das Weiss des Spie- gels bereits etwas rostgelblich getrübt ist, dass ferner die mittelsten Steuerfedern heller, schwärzlichbraun, bei den Männchen dagegen fast rein schwarz sind, und dass endlich bei jenen das ganze Gefieder blasser und unscheinbarer ist, indem die dunklen Querwellen und Flecke oben und unten nur graubraun, bei den Männchen schwarzbraun bis schwarz, und die hellen Tropfenflecke der Oberseite so wie die Grundfarbe der Unterseite nur schmutzig weisslich, bei den Männchen dagegen rostgelblichweiss sind. In der Grösse findet zwischen den Amur- Exemplaren und den japanischen ebenfalls eine grosse Uebereinstimmung statt, doch scheinen erstere von etwasgrösserem Wuchse zu sein. Folgende Maasse der Amur-Exemplare mögen zur Vergleichung mit den Angaben von Temminck und Schlegel dienen:

Junges Altes Männchen. Weibchen. Länge des zusammengelegten Flügels .......... 22...» 2 ae »1..des:Schwanzesih. Zee ME... 2% et. a... 2 RE 2; aHesıSchnaheli ar ee ie Be 41” » des Laufes...... ER ad a. area ererenn A 91” » der Mittelzehe ohne Nagel ............ SaCEnE IWW 61” hr » des Nagels an der Mittelzehe ......... este —_ 21" 21”

Da die Var. aurorea über Daurien ?) und Japan verbreitet ist, so durfte man sie leicht auch im Amur-Lande erwarten. In der That gehört sie zu den häufigen Vögeln der Laub- hölzer und Weidengebüsche der Amur-Ufer sowohl im oberen, wie im unteren Laufe des Stromes. Aus ersterer Gegend haben wir durch Hrn. Maack ein Exemplar erhalten, das am 7% Mai an derSchilka erlegt wurde. Am unteren Amur schoss ich sie im Sommer 1855 bei

!) Siebold, Fauna Japon. Av. p. 37. ®) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 478.

Lusciola (Ruticilla) phoenicura, Var. aurorea. L. (Nemura) cyanura. 361

Dshare, Naiche und Uch’ssumi in jungen Individuen, die, wie schon Pallas für die dau- rischen bemerkt, in der 2'° Hälfte des Juli függe sind. Von diesen hatten die an den beiden ersteren Orten am 12 und 1? Juli erlegten Exemplare noch ein ganz unversehrtes Nestgefieder, an denjenigen von Uch’ssumi dagegen fand ich am 23. Juli (4. Aug.) das Gefieder sehr lose und der Mauser entgegengehend. Erwägen wir, dass Middendorff') gleich nördlich vom Amur- Lande, bei Udskoi-Ostrog die Var. aurorea nicht, statt ihrer aber eine sehr nahe stehende Form, ja vermuthlich ebenfalls nur eine Varietät von L. phoenicura, wir meinen die Z. ery- ihronota Eversm., fand, während uns dagegen im Amur-Lande die letztere nicht begegnet ist, so liegt die Vermuthung nahe, dass die Var. aurorea nach Norden nicht über das Amur- Land hinausgehe, weiter nördlich aber durch die Var. erythronota ersetzt werde.

95) Lusciola (Nemura) eyanura Pall.

Zahlreiche Exemplare, die uns von diesem Vogel, vom alten Männchen bis zum Jungen im Nestkleide, aus dem Amur -Lande vorliegen, bekräftigen die Beschreibungen und Ab- bildungen, die uns Pallas”), Temminck und Schlegel”) und Middendorff‘) von ihm entworfen haben. Es bleibt uns daher nur übrig, hier einige ergänzende Bemerkungen zu denselben hinzuzufügen. Mit Recht vermuthete Pallas unter den zwei, auf der ganzen Oberseite mit einem lasurblauen Anfluge versehenen Individuen, die er in Daurien und am Jenissei erhielt und als Var. ß. anführt, den alten Vogel; und zwar ist es das sehr alte Männ- chen, das später von Temminck und Schlegel abgebildet worden ist. Dies ist auch ohne Zweifel derselbe Vogel, den Hodgson°) unter dem Namen Nemura rufilatus aus Nepal be- schreibt und von dem er nur Männchen hatte, während seine N. flavolivacea, wie er selbst vermuthet, das Weibchen dazu abgiebt. Ein solches altes Männchen liegt uns auch aus dem Amur-Lande vor, mit der erwähnten Abbildung in der Fauna Japon. ganz übereinstimmend, nur mit etwas mehr durchschimmerndem Grau auf dem Rücken. Die jüngeren Männchen da- gegen sind, wie Pallas richtig bemerkt, mit den Weibchen von ganz gleicher Färbung und letztere keineswegs, wie Temminck und Schlegel angeben, durch eine schmutzigere Unter- seite des Halses und ein blasseres Orange an der Brust und den Flanken von jenen unter- schieden; ja Middendorff fand diese letztere Farbe an einem Weibchen aus Udskoi-Ostrog sogar entwickelter als an irgend einem der Männchen. Bei dieser ziemlich gleichen Färbung der Männchen und Weibchen kann also Temminck’s und Schlegel’s Abbildung von letzterem für beide gelten, wobei wir jedoch die von Middendorff zu dieser Abbildung gemachten Be-

1) Sibir. Reise. 1. c. p. 175. 2) Reise durch versch. Prov. des Russ. Reichs. II. p. 709; Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 490. Tab. XXX. fig. 1. 3) Fauna Japon. Av. p. 54. Tab. XXI. 4) Sibir. Reise. l. c. p. 175. 5) Proceed. of the Zool. Soc. of London. 1845. p. 27. Schrenck’s Amur-Reise. Bd I. 46

362 Vögel.

merkungen auch für die Amur-Exemplare in Anspruch nehmen müssen. Auch bei diesen ist nämlich die Oberseite mehr olivenbräunlich als in jener Abbildung, die Kehle mit rostgelblich- grünlichem Anfluge versehen, und das Blau der Steuerfedern verliert sich gegen die Spitze der- selben gänzlich. Das Exemplar vom Nestjungen aus dem Amur-Lande stimmt mit der Ab- bildung Middendorff’s vollkommen überein. Am frischgeschossenen erwachsenen Vogel waren im August die Füsse schwärzlich, der Schnabel schwarzbraun, an der Basis des Unter- kiefers gelblich.

Diese im ganzen Osten Asien’s, vom Jenissei bis zu den Küsten des Ochotskischen Meeres und den japanischen Inseln und von Nepal (Hodgson, s. oben) bis nach der unteren Tunguska (Messerschmidt) verbreitete Form ist im Amur-Lande sehr häufig und gehört dort, ebenso wie in Daurien (Pallas), zu den am frühesten erscheinenden und am spätesten wieder fortziehenden Sängern. Im Frühjahr 1855 fand sie sich in der Umgegend des Ma- riinskischen Postens schon am 4% und beim Nikolajevschen Posten am 19. April (1. Mai) ein, als noch viel Schnee lag, und hielt sich paarweise und in kleinen Schwärmen in der Nähe der Häuser auf, wo ich sie auch noch am ?; Mai sah. Im August 1854 traf ich sie sehr oft in den Weiden- und Ellerngebüschen am Amur-Strome in der nächsten Umgegend des Nikolajevschen Postens und erlegte dort am 24. dieses Monats auch den jungen Vogel noch im vollen Nesikleide. Die letzten Individuen beobachtete ich beim Nikolajevschen Posten am 13 Sept., also um wenige Tage später als Middendorff hei Udskoi-Ostrog (13. Sept.). Zur selben Zeit, am 13 Sept., schoss sie Hr. Maack am südlichen Amur unter- halb des Bureja-Gebirges.

94) Phyllopneuste rufa Lath.

Syl. abietina Nilss. Vetensk. Acad. Handl. 1819. p. 113.

Ein Exemplar dieses kleinen Laubvogels, das mit den europäischen in den Schwingen- verhältnissen und in der Farbe des Gefieders ganz übereinstimmt, schoss ich am 26. Juli (7. Aug.) 1854 im lichten, hohen Tannenwalde der Bai Hadshi. Es stand im Beginne der Mauser und zeigte unter den abgenutzten Federchen schon manche frische.

95) Phyllopneuste sibirica Midd.

Middendorff, Sibir. Reise. II. Bd. 2. Th. p. 180. Tab. XVI. ig. 4—6. Von dieser durch Hrn. v. Middendorff im Osten Sibirien’s entdeckten Art liegen uns aus dem Amur-Lande mehrere Exemplare vor, die nach allen Charakteren, nach den Schwingen-

Phyllopneuste sibirica. Ph. (Phyllobasileus) superciliosa. 363

verhältnissen, der Schnabelform, dem Wuchse und der Farbe der von Middendorff entwor- fenen Beschreibung und Abbildung genau entsprechen. Bemerken wir nur, dass auch an un- seren Exemplaren einige Schwankungen in der Schnabellänge und in der Farbe sichtbar sind. Letztere hängt natürlich zum grossen Theil auch von der Jahreszeit und von dem grösseren oder geringeren Verstossen und Verbleichen des Gefieders ab. Bei den Hochsommerexemplaren, bei denen die Abnutzung bedeutend vorgeschritten ist, verschwinden der olivenbräunliche Anflug auf dem Bürzel und Rücken und die ebenso gefärbten Kanten an den Schwingen- und Steuerfedern, und der Vogel erscheint auf der Oberseite nur matt braungrau; auf der Unterseite ist die rostgelb- liche Farbe des Augenbrauenstreifens, der Wangen, Halsseiten, Brust und Weichen oft zu einem sehmutzigen und nur stellenweise graugelblichen Weiss verblichen, und'nur die dem Ver- bleichen minder ausgesetzten unteren Flügeldeckfedern haben ihre rostgelbliche Farbe be- halten. Frischere Exemplare haben die Farbe wie in Middendorff’s Abbildung. Noch frischer aber sind die Farben nach eben vollendeter Mauser im Spätsommer und Herbst. Als- dann ist die ganze Oberseite mit einem olivenbräunlichen Anfluge versehen, der am stärksten auf dem Bürzel ist; die Kanten der Steuerfedern und Schwingen (mit Ausnahme der 2—3 nur weisslich gesäumten äussersten) grünlichbraun; Wangen und Halsseiten rostgelblich, Brust und Weichen graubräunlichgelb. Am frischgeschossenen Vogel fand ich im Sommer die Iris heller oder dunkler braun, den Oberschnabel hornfarben, den Unterschnabel gelblich, die Füsse gelblichbraun oder gelblichfleischfarben, die Sohlen eitronengelb.

Ph. sibirica kommt im gesammten Amur-Lande häufig vor und hält sich in allen Laub- hölzern und Gebüschen, besonders aber in den ausgedehnten dichten Weidengesträuchen der Amur-Ufer und Inseln auf, die sie mit ihrem lauten, schmatzenden Gesange belebt. In solcher Localität hat sie Hr. Maack am 1% Mai an den Ufern der Schilka und im Juni am südlichen Amur unterhalb des Bureja-Gebirges erlegt. Ich habe sie zu wiederholten Malen im Juni, Juli und August in den Weidengebüschen am unteren Amur-Strome, bei Ssün- daka, Chache, Beller, Nikolajevsk und an der Meeresküste in der Bai de Gastries ge- schossen. Vom Ende des Juni an zeigten die Exemplare ein stark abgenutztes, am 4? August aber beim Nikolajevschen Posten schon das frische Herbstgefieder mit beinahe völlig abge- schlossener Mauser.

96) Phylliopneuste (Phyllohasileus) supereciliosa Gm.

Cabanis, Journ. für Ornith. IT. Jahrg. p. 81. Tab. 1. Mot..Proregulus Pall., Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 499. Regulus modestvs Gould, The Birds of Eur. II. Tab. 149 (ult.).

Was über diesen Vogel bisher nach indischen, daurischen und ostsibirischen Exemplaren bekannt ist, findet sich in dem Journ. für Ornithol. von Cabanis recht vollständig zusammen-

gestellt und durch die Beschreibung und Abbildung eines in neuerer Zeit auch in Deutschland *

en

364 Vögel.

erbeuteten Pärchens dieser Art ergänzt. Bekanntlich weicht dieser Vogel von den Goldhähn- chen, Reyulus-Arten, zu denen ihn die meisten Ornithologen bringen'), generisch durch den Mangel der einzelnen, die Nasenlöcher überschattenden Borstenfeder und durch den brei- teren, seitlich nicht zusammengedrückten Schnabel ab, was Blyth und Cabanis bewogen hat, ihn als besondere Gattung, Reguloides(!) des ersteren, Phyllobasileus des letzteren, zu betrachten. Uns scheint er jedoch den Laubvögeln in jeder Beziehung so nahe zu stehen, dass wir es mit Middendorff?) vorziehen, ihn unter der umfassenderen Gattung Phyllopneuste auf- zuführen. Mit Recht hat aber Cabanis gegen den gewöhnlich üblichen Pallas’schen Species- namen Proregulus die ältere, ihm schon von Gmelin und Latham ertheilte Bezeichnung .) geltend gemacht. "Den oben erwähnten genaueren Beschreibungen dieses Vogels entspricht unser Amur-Exemplar vollständig und von den ostsibirischen Individuen lässt es sich auch im Farbenton nicht im Geringsten unterscheiden. Wie die meisten dieser letzteren hat es auch nur einen gelblichweissen Augenbrauenstreif mit sehr schwachem, zunächst dem Schnabel noch am meisten sichtlichem gelbem Anfluge, kaum eine Spur vom gelblichen Mittelstreifen auf dem Kopfe, nur bleiche, gelblichweisse Spitzen an den Flügeldecken und keine gelblichweisse Binde auf dem Bürzel, indem dort auf die graue Farbe der Federn unmittelbar die grünlichen Säume folgen. Auch die Grösse und die Schwingenverhältnisse unseres Exemplares sind die- selben.

Ph. superciliosa, in ihrer Verbreitung bereits von Indien und Central-Asien (Blyth) bis nach Daurien (Pallas), dem Stanowoi-Gebirge und den Südküsten und Inseln des Ochotskischen Meeres (Middendorff) bekannt, wurde von Hrn. Maack am oberen Amur- Strome erlegt, einem Fundorte, der sich an die letzterwähnten unmittelbar anschliesst.

97) Regulus ceristatus Briss.

R. flavicapillus Naum. Naturgesch. der Vögel Deutschl. III. p. 968.

Obgleich bis nach Japan‘) im Osten Asien’s verbreitet, scheint R. eristatus in Sibirien doch nicht zu den sehr häufigen Vögeln zu gehören, da Pallas°) nur ein Exemplar des- selben durch einen Jäger vom Tschulym-Flusse in Westsibirien erhielt und Midden- dorff ihm gar nicht begegnet ist. Im Amur-Lande dagegen ist er in der That ein häufiger

l) So Gould (l. c.), Keyserling und Blasius (Die Wirbelth. Eur. p. LV.), Schlegel (Rey. crit. des ois. d’Eur. p- XLV.), Degland (Ornith. europ. I. p. 307), Gray (The Gen. of Birds. I. Fam. Luseininae.) u.a. Gloger (Handb. der Naturgesch. der Vög. Eur. I. p. 397.) und Nordmann (Observ. sur la Faune Pont. s. Demidoff, Voyage dans la Russ. merid. III. p. 196.) führen ihn sogar schlechtweg als Synonym von Reg. ignicapillus Naum. an.

2) Sibir. Reise. ]. c. p. 183.

®) Motac. superciliosa Gm., Syl. supercil. Lath, s. Cabanisl. c.

*) Siebold, Fauna Japon. Aves. p. 70.

®) Zoogr. Rosso-Asiat I. p. 498.

Regulus eristatus. Zosterops chloronotus. 365

Vogel. In den ausgedehnten Nadelwäldern der Umgegend des Nikolajevschen Postens habe ich ihn im Herbst 1854 zu wiederholten Malen beobachtet und geschossen. Dort konnte ich auch fast täglich in den dichten Kronen und Zweigen der Tannen und Fichten sein feines Zirpen und Wispern hören, das oft den einzigen Ton abgiebt, der die tiefe Stille des Nadel- waldes unterbricht. Am öftesten sah ich ihn dabei in Gesellschaft von Tannenmeisen (P. ater) in den Zweigen der Picea ajanensis, deren Samen sich auch im Magen der erlegten Individuen fanden. Inihrem Aeusseren finde ich die Amur-Exemplare mit den europäischen vollkommen übereinstimmend, was auch Pallas von dem Tschulym-Exemplare und Temminck und Schlegel von den japanischen bemerken. Bis in den Oktober und November hinein habe ich R. cristatus beim Nikolajevschen Posten beobachtet und durch Hrn. Maximowiecz auch aus der Umgegend des Mariinskischen Postens erhalten. Später ist er mir nicht begegnet, da ihn alsdann wahrscheinlich der viele Schnee, der vom December an auszufallen pflegt und in den dichten Zweigen der Nadelbäume oft Tage lang angesammelt liegt, sowie die scharfen Winterfröste von dannen treiben.

98) Zosterops chloronotus Gould.

Gould s. Proceed. of the Zool. Soc. of Lond. VIII. 1840. p. 165. The Birds of Austr. London 1848. IV. Tab. 32. Z. japonicus Temm. et Schleg. Siebold, Fauna Japon. Aves. p. 57. Tab. XXI1.})

Das uns aus dem Amur-Lande vorliegende Exemplar dieses Vogels entspricht nach Formverhältnissen, Grösse, Farbe und Zeichnung dem von Gould (a. a. 0.) beschriebenen und abgebildeten Vogel Westaustraliens. Bemerken wir nur, dass der Schnabel in der er- wähnten Abbildung etwas zu grade dargestellt ist, da eine leise Krümmung des Oberschnabels an seiner Spitze zu den generischen Charakteren von Zosterops gehört”) und auch dem Z. chlo- ronotus zukommt. In der Farbe bietet unser Exemplar den einzigen Unterschied vom neuhol- ländischen dar, dass der bräunlichgraue Anflug auf dem Bauche und den Flanken schwächer und diese daher heller, grauweisslich sind. Ganz dieselbe Farbenvertheilung und Zeichnung und nur durchweg etwas lebhaftere Tinten, sowohl im Grün der Oberseite, als auch im Gelb der Kehle und unteren Schwanzdeckfedern und im bräunlichgrauen Anflug der Weichen, hat der von Temminck und Schlegel als neu beschriebene und abgebildete Z. japonicus, den wir daher ebenfalls hierher zu bringen kein Bedenken tragen. Denn dass sich, wie man aus der Vergleichung der respectiven Abbildungen entnehmen möchte, ausserdem auch in der Form

1) Die von Gray (The Gen. of Birds. I. Fam. Mniotiltinae.) angeführte Synonymie habe ich nur zum Theil prüfen können; so viel aber scheint mir gewiss, dass die in den Pl. enlum. Tab. 681. fig.2. als «Grimpereau de l’ile de Bourbon» abgebildete und im betreffenden Texte (Bd. VI. p. 348) unter dem Namen «Soui-manga de V’ile de Bourbon» besprochene Certhia borbonica, die Gray unter den Synonymen anführt, mit unserem Vogel nichts zu thun hat.

2) Vrgl. Gray, The Gen. of Birds. c.

366 Vögel.

des Schnabels ein Unterschied zwischen beiden finde, dürfte nicht begründet sein: der Schnabel scheint nämlich, nach den Abbildungen zu urtheilen, beim japanischen Vogel verhältnissmässig grösser, dicker und gekrümmter als beim neuholländischen zu sein, während er doch nach den Maassangaben umgekehrt bei ersterem um 4” (engl.) kürzer als bei letzterem ist. Auch hält unser Exemplar in der Schnabelform genau die Mitte zwischen jenen Abbildungen vom japani- schen und neuholländischen Vogel. Ebensowenig können wir die von unserem Exemplare, nach den Angaben Temminck’sund Schlegel’s zu urtheilen, verschiedenen Schwingenverhältnisse des japanischen Vogels für unterscheidend halten. Letzterem soll nämlich die erste Schwinge vollkommen fehlen, während sie doch als kurze Abortivschwinge zu den generischen Charakteren von Zosterops gehört. Gewiss ist sie aber leicht zu übersehen und dürfte oft auch beim Bereiten des Balges u. s. w. verloren gehen. An unserem Exemplar ist sie an der einen Seite ebenfalls nicht zu finden, an der anderen dagegen lässt sie sich als ein sehr kleines, schmales und spitzes Federchen entdecken, das um 14” hinter den Deckfedern der Schwingen erster Ordnung zurückbleibt. Weniger Gewicht ist auf das abweichende Längenverhältniss der grossen Schwingen zu legen, da dieses bekanntlich sehr häufig und bei vielen Vögeln varüirt. Zudem giebt Gould es bei den australischen Exemplaren von Z. chloronotus auch nicht näher an. Beidem Amur-Exemplar aber stimmt es mit dem von Gray als Gattungscharakter angegebenen überein, indem die 3'° und Schwinge gleich lang und am längsten sind, die 2'%, noch zur Flügelspitze gehörig, etwa um eine halbe und die 5 um eine ganze Linie kürzer als jene ist. Wie beim japanischen, so sind auch beim Amur-Exemplar die 3' bis 5'° Schwinge auf ihrer Aussenfahne verengt. Am frischgeschossenen Vogel waren: die Iris dunkelbraun, der Schnabel und die Füsse hornfarben. Was endlich die Grösse betriflt, so stimmen, den respectiven An- gaben zufolge, der neuholländische und japanische Vogel in manchen Stücken ganz genau, in den übrigen, sehr nahe überein, und dasselbe findet, wie die folgenden Maasse lehren, auch zwischen ihnen, und besonders dem japanischen, und unserem Amur-Exemplare statt.

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungef.)... 2” » des zusammengelegten Flügels........ SEES! 2y Bin IN nr .dessSchanzesiee, nur) ara 0 spe eh ngeike 2 A nun, desySchnabelsee-inces s Sersiessiengae Sie a aielepete ee 42” Breite des Schnabels am Hinterende der Nasenlöcher ..... 13” Höhe des Schnabels ebendaselbst ........--..ser...- 11” Längesles, Laufesı 2 2% ups oje srgne «in aia neusten ae u, » der Mittelzehe ohne Nagel............ Kr ternääh. 5" » des Nagels an der Mittelzehe ........-...2.... 13” » der Hinterzehe ohne Nagel. ............ ei » des Nagels an der Hinterzehe. ............- er

Z. chloronotus war uns bisher bloss von der Westküste Neuholland's bekannt, wo er nach Gilbert"), als ein vorzüglicher Freund von Feigen und Trauben, in den Gärten der Kolonisten

t) Vrgl. Gould, l.c. Desgl. Reichenbach, Die neu entdeckten Vögel Neuholl. Dresd. u. Leipz. 1845. p. 85.

Zosterops chloronotus. Salicaria (Calamoherpe) Aedon. 367

am Schwanen-Flusse u. s. w. oft in ebenso grosser Anzahl wie die Sperlinge in England zu sehen ist. Im August bis Ende November soll er dort brüten. Ob er dort Zug- oder Standvogel sei, erwähnt Gould nicht; aus der Bemerkung jedoch, dass er an der Westküste Neuholland’s denan der Süd- und Ostküste dieses Continentes häufigen Z. dorsalis vertritt, der ein Standvogel in allen Theilen von Van-Diemensland, von New-South-Walesund South- Australia ist, möchten wir eher auf Letzteres schliessen. Dennoch lernen wir ihn gegenwärtig auch als Zugvogel über Neuholland hinaus, in der nördlichen Hemisphäre und zwar, nach der Identität mit Z. japonicus, in Japan und, nach dem uns vorliegenden Exemplare, im Amur- Lande kennen. In letzterem wurde er von Hrn. Maack am 27. Juli (8. Aug.) am unteren Amur in der Gegend von Dondon, d. i. etwa im 49° n. Br., auf einer niedrigen, mit Wei- dengebüsch bewachsenen Insel des Stromes erlegt.

99) Salicaria (Calamoherpe) Addon Pall. Taf. XII. fig. 1—3. Turdus Aödon Pall. Reise durch versch. Proy. des Russ. Reichs. III. p. 695.; Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 459.

Bei den Mangunen: tschok-tscho6. » » Golde: karkaı.

Dieser interessante, seit Pallas nicht näher beschriebene Rohrsänger liegt uns aus dem Amur-Lande in einem halben Dutzend von Exemplaren vor, die eine eingehendere Beschrei- bung möglich machen, welche uns um so nothwendiger scheint, als S. Aödon in der Farbe des Gefieders mit S. turdoides Meyer (Turd. Junco Pall.) und namentlich mit der Var. orien- talis der letzteren '), bei ungefähr gleicher Grösse, eine solche Aehnlichkeit hat, dass sie bei oberflächlicher Betrachtung leicht mit ihr verwechselt werden kann, während sie doch durch die praegnantesten diagnostischen Charaktere von ihr unterschieden ist. Diese Charak- tere sind namentlich in der Schnabelform, in den Schwingenverhältnissen und in der ab- weichenden Grösse einzelner Körpertheile und besonders der Flügel und des Schwanzes zu finden.

Was zunächst den Schnabel betrifft, so nähert sich $. Aödon durch die Form desselben sehr ansehnlich den Lusciolen und namentlich dem Sprosser, L. Philomela Bechst., so dass sie gewissermaassen als Zwischenform zwischen diesen und den ächten Salicarien betrachtet werden kann. Er ist beträchtlich kürzer, verhältnissmässig höher, gewölbter und an der Spitze stärker gekrümmt als bei S.turdoides, auch über den Nasenlöchern etwas eingedrückt, was bei jener nicht der Fall ist. Dabei ist die Farbe desselben eine andere: am Oberkiefer horn- braun, am ganzen Unterkiefer dagegen nicht dunkel wie bei S. turdordes, sondern hell, gelb- lich. Ganz verschieden ist bei beiden das Verhältniss der Schwingenlängen: während bei

1) Temminck und Schlegel in Siebold’s Fauna Japon. Aves. p. 50. Tab. XXI. B.

368 Vögel.

S. turdoides die erste oder Abortivschwinge ansehnlich kürzer als die Deckfedern der Schwin- gen erster Ordnung, die 2 und 3'° Schwinge gleich lang und am längsten sind und die weit überragen, ist bei $. Aödon die Abortivschwinge recht ansehnlich und ragt um’ 2 bis 4, ja sogar 5 Linien über die Deckfedern der grossen Schwingen hinaus; die 2' erreicht die Flügelspitze nicht, sondern bleibt um 21—4” hinter der Spitze der 3" Schwinge zurück; sie ist auch kürzer als die 5'° und und nur etwa gleich der 7°; die und Schwinge sind gleich lang und am längsten; die ist nur um 41—1” kürzer als die 4, bisweilen auch gleich der 4”; die 6 um etwa 2” kürzer als die 4. Nicht nur die 3'° Schwinge, wie bei S. turdoides, sondern auch die und 5'° sind auf ihrer Aussenfahne, und die letztere sogar besonders deutlich, verengt. Die Hinterschwingen sind bei $. Aödon verhältnissmässig länger, und der ganze Flügel ist minder zugespitzt und im Verhältniss viel kürzer als bei S. turdoides. Letzteres ist um so auflallender, als der Schwanz bei $. Aödon nicht nur verhältnissmässig, sondern, trotz der geringeren Grösse dieses Vogels im Vergleich zu S. turdoides, auch absolut länger als bei letzterer ist'). Er überragt daher bei $. Aödon die Flügel auch um ein viel an- sehnlicheres Stück und zwar um etwa 2 Zoll und darüber, während bei S. turdoides der über die Flügel hivausragende Theil des Schwanzes nicht volle 13 Zoll beträgt. Dabei ist der Schwanz bei ersterer merklich stufiger, indem die äusserste Steuerfeder bei ihr um 8— 10”, bei S. turdoides dagegen nur um etwa 4” hinter den mittelsten zurückbleibt.

Bei so differenten plastischen Verhältnissen kann daher $. Aödon nieht wohl mit $. tur- doides verwechselt werden, obgleich die Farbe ihres Gefieders fast ganz dieselbe ist. Halten wir beide Arten gegen einander, so erscheint S. Aödon von derselben gelblich-graubräunlichen Farbe der Oberseite, nur mit etwas weniger bräunlichem und mehr olivenfarbigem Tone. Letzterer scheint namentlich beim jüngeren Vogel vorzuwiegen, während der ältere düsterer und bräunlicher ist; immer aber ist am hellsten und gelblichsten der Bürzel. Schwinger und Schwanzfedern sind oben und unten ganz wie bei S. turdoides, die letzteren bei weniger ver- blichenem Gefieder auch mit feinen, helleren und dunkleren Querwellen gezeichnet. Am Kopfe ist die Zeichnung etwas verschieden, indem die Zügel nicht bräunlich. sondern weisslich sind, von derselben Farbe wie ein Streifen, der sich von den Nasenlöchern bis über das Auge hin- zieht; auch die Wangen sind heller graugelblich. Die Unterseite ist ebenfalls von derselben Färbung wie bei S. turdoides, nur fehlt ihr alles Grau, das letztere in der Kropfgegend hat; die Kehle und Mittellinie des Bauches sind weiss mit kaum merklichem gelblichem Anfluge; die Kropfgegend, Brust, Weichen, unteren Flügel- und unteren Schwanzdeckfedern sind mit Rost- gelb überlaufen, das in der Kropfgegend am reinsten ist, in den Weichen aber etwas in's Graue fällt. Männchen und Weibchen sind, nach den uns vorliegenden Exemplaren, in ihrer Färbung vollkommen gleich. Am frischgeschossenen Vogel waren im Mai und Juni: die Iris dunkelbraun, der Schnabel wie oben erwähnt, die Mundhöhle orangegelb, die Läufe und Zehen bläulichgrau. Was die Läufe betriflt, so bemerken wir noch, dass dieselben sehr ähnlich

!) Dies Verhbältniss ist auch schon aus den von Pallas augegebenen Maassen beider Vögel ersichtlich. S. Zoogr.l. c.

Salicaria (Calamoherpe) Aedon. 369

wie bei $. turdordes getäfelt sind: die oberen 5 Tafeln fast von gleicher Grösse, die folgenden, an der Zehenwurzel befindlichen nur kurz.

Hinsichtlich der in manchen Stücken bereits oben besprochenen Grösse von S. Addon mögen folgende Maasse unserer Amur-Exemplare die weiteren Details geben:

Männchen Weibchen, Länge v. d. Schnabel- b. z. Schwanzspitze (ungef.) 611” _— —_ -— 1" » des zusammengelegten Flügels. ...... 211” 2710” 37 a" a1" es 'Schwanzes u. : . ae gt tar at »ardes,Schnahels, .%,.n W. „EM EINE 61" 61” RU 61" —61" Breite des Schnabels an der Stime ........ 317 En. Be —_ 31: 31” » des Schnabels vor den Nasenlöchern ... —2” —.2” 21” —21” 21” Höhe des Schnabels an der Stirne...... a ST Proz 33” _ > » des Schnabels am Kinnwinkel ....... ZaR) Be —_ all —_ a1” 21" Be rles Laufen. . .ucetmade Bun a ir allen ah a 1 » der Mittelzehe ohne Nagel. ......... N 2n- 7,” _ mir —_ zıT ih » des Nagels an der Mittelzehe ........ a 31" 3" —23” » der Hinterzehe ohne Nagel ..... a u a! 44” a a1” » des Nagels an der Hinterzehe........ ga 337,337 31" 31”

Bekanntlich entdeckte Pallas diesen Vogel am Gebirgszuge Adon-tschelo, zwischen den Flüssen Onon und Onon-Borsa in Daurien, wo sich derselbe in den am Fusse der Felsen wachsenden Gebüschen aufhielt. Darnach dürfte es scheinen, als ob $. Aödon sich vor- züglich an die Gebüsche trockener Lokalitäten halte und nicht die unmittelbare Nähe des Wassers suche. Im Amur-Lande fanden wir sie jedoch stets an den unmittelbaren Ufern des Amur-Stromes, und zwar am öftesten dort, wo diese feucht und niedrig und mit vielem und dichtem, oft auch mit Rohr durchmischtem Weidengebüsch bewachsen sind. In diesem lässt sie, wie auch Pallas bemerkt, vorzüglich gegen Abend ihren nicht üblen, zum Theil an den Sprosser erinnernden Gesang') ertönen und im Frihjahr auch ihre abgebrochenen, zumeist aus einem oft nach einander wiederholten «tschok-tschok» bestehenden Locktöne hören. Den letzteren verdankt sie ohne Zweifel auch die oben angeführten, bei den Eingeborenen für sie üblichen Bezeichnungen, von denen die erstere namentlich sowohl bei den Russen in Daurien, wie bei den Mangunen am unteren Amur gebräuchlich ist’). Etwa um die Mitte des Mai scheint S. Aödon sich im unteren Amur-Lande einzufinden, da ich ihre Locktöne zuerst am 21. Mai (2. Juni) bei Koim unterhalb Kidsi und später im Mai und Juni weiter

1) Offenbar daher und vielleicht auch wegen der oben erwähnten Aehnlichkeit in der Schnabelform hat Pallas diesem Vogel einen mit dem Sprosser (bei ihm Motac. Aödon s. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 486.) gleichen Namen gegeben.

2) Bei der zweiten, ebenfalls als Lautnachahmung gebildeten Bezeichnung «karkaiw wird man unwillkürlich auch an die durch ähnliche Töne im Gesange veranlasste Bezeichnung «karrakiet» erinnert, welche die S. turdoides bei den Holländern hat. Vergl. Pallas, l.c. Naumann, Naturgesch. der Vög. Deutschl. III. p. 605.

Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 47

370 Vögel.

oberhalb sehr oft gehört habe. Am oberen Amur traf sie Hr. Maack am 27. bis 31. Mai (8. bis 12. Juni) recht zahlreich in der Gegend von Albasin an. Später hat er sie mehr- fach am südlichen Amur unterhalb des Bureja-Gebirges und an der Ssungari-Mündung am 23— 26. Juni (5—8. Juli) erlegt. Ich schoss sie im Weidengebüsch einer niedrigen Insel des unteren Amur-Stromes in der Gegend von Ssündaka am 27. Juli (8. Aug.). Dieses letztere Exemplar steht bereits im frischen Gefieder, während diejenigen vom Juni ein stark abge- nutztes Kleid haben. Ausser den erwähnten Fundorten im Amur-Lande besitzt endlich unser Museum auch ein Exemplar der $. Aödon aus dem nördlichen China, das mit den oben besprochenen vom Amur vollkommen übereinstimmt.

100) Salicaria (Calamedyta) Maackü Schrenck n. sp. Taf. XI. fig. 4—6.

In der ornithologischen Ausbeute Hrn. Maack’s aus dem Amur-Lande findet sich eine Salicaria, die wir nach genauer Vergleichung mit ihren Gattungsverwandten für eine neue Art erklären müssen und durch recht praegnante specifische Charaktere gezeichnet finden. Zum Subgenus Calamodyta gehörig, steht sie den Arten S. phragmitis Bechst., $. cariceti Naum. und S. aquaticaLath. am nächsten, unterscheidet sich aber von denselben sogleich durch ihren geringeren Wuchs, verhältnissmässig längeren Schnabel, verschiedene Schwingenverhältnisse und eine sehr abweichende Zeichnung.

S. Maackii ist unter den nordasiatisch-europäischen Arten ihres Geschlechts ohne Zweifel eine der kleinsten, da sie nur mit S. cisticola Temm. von ziemlich gleichem Wuchse ist, jenen, ihr nächstverwandten Arten aber sehr entschieden an Grösse nachsteht. Um so mehr fällt daher, mit letzterer verglichen, auf den ersten Blick ihr verhältnissmässig starker, mit dem der S. phragmitis ziemlich gleich langer Schnabel auf. Er ist auch genau von derselben Form: der Oberschnabel gerade gestreckt, vor der Stirn mit einer merklichen Rückenkaänte versehen, nach vorn ein wenig seitlich zusammengedrückt und an der Spitze etwas abwärts ge- bogen; der Unterschnabel ganz grade und spitz auslaufend. Am todten Vogel ist der erstere schwarzbraun, an den Schneiden heller, der letztere gelblich. Die Nasenlöcher sind länglich- oval, nach oben mit einem etwas vorstehenden häutigen Rande; zwischen denselben und den Mundwinkeln stehen jederseits drei ansehnlich grosse und an den Mundwinkeln viele kleinere Bartborsten. Im Flügel ist die erste oder Abortivschwinge ziemlich lang und ragt um 2 Linien über die Deckfedern der Schwingen erster Ordnung hinaus; die 2!° Schwinge ist ansehnlich kürzer als die 5te, ungefähr gleich der 6!en, ja vielleicht noch um ein Geringes kürzer als diese; die 3te und sind gleich lang und am längsten, die 5!® kaum kürzer als die 4e. Durch diese, von S. phragmitis und den anderen ganz verschiedenen Schwingenverhältnisse hat der Flügel eine viel abgerundetere Gestalt. Dabei sind die 3t® bis 51 Schwinge auf ihrer Aussenfahne verengt, die 2te bis 4! auf der Innenfahne etwas ausgeschnitten.— Der Schwanz,

a

Salıcarıa (Calamodyta) Maacküt. 371

aus 12 Federn zusammengesetzt, ragt ungefähr mit seiner halben Länge über die Flügel hin- aus und ist abgerundet-stufig, indem die mittelsten Federn um 3 4 Linien länger als die seitlichen sind. Die Läufe sind verhältnissmässig lang, da sie, trotz der viel geringeren Grösse unseres Vogels, kaum kürzer als bei $. phragmitis sind, dabei jedoch viel schlanker als bei letzterer und mit ebenso vielen und ebenso gestalteten Hornscheiden bekleidet, deren Suturen aber an unserem alten Individuum nur schwach merklichsind. Die Zehen sind ebenso wie bei S. phragmitis gebildet, nur kleiner und die Nägel im Verhältniss etwas stärker ge- bogen. Beim todten Vogel sind die Läufe und Zehen gelblich hornfarben, die letzteren etwas dunkler, die Nägel graubräunlich.

In der Farbe und Zeichnung hat $. Maackii mit den europäischen Arten $. phragmitis und $. carıceti und besonders mit der japanischen $. cantillans Temm. et Schleg.') die meisten gemeinsamen Züge, weicht jedoch noch von allen dreien sehr entschieden ab. Und zwar unterscheidet sie von den beiden ersteren sogleich die ungefleckte Färbung der Ober- und Unterseite und von der letzteren ebenso auflallend die markirte Zeichnung des Kopfes. Dieser ist nämlich bei $. Maackii auf dem Mittelhaupte mit einem breiten, von der Stirn zum Nacken verlaufenden graubraunen Bande gezeichnet, welches jederseits von einem an der Stirne schmalen, nach hinten aber ebenfalls breit auslaufenden dunkelbraunen Bande eingefasst ist, unter dem wiederum ein schmaler, aber sehr deutlicher weisser Augenbrauenstreif vom Schna- bel bis zur Ohrgegend verläuft. Diese Zeichnung erinnert also sehr an S$. cariceti, mit dem Unterschiede jedoch, dass das mittlere Band auf den Kopfe bei der ersteren viel dunkler ist. Die Zügel bei $S. Maackül und ein Streifen unmittelbar hinter dem Auge sind graubräunlich, die Wangen rostgelblichweiss; Nacken, Rücken und Schultern genau von derselben grau- braunen Farbe wie das Mittelband auf dem Kopfe und ohne eine Spur von Fleckung; der Bürzel lichter rostgelblichbraun. Die oberen Deckfedern des Flügels, die Schwingen und Steuerfedern sind graubraun mit lichteren, an unserem Exemplare recht abgenutzten Säumen und mit braunen Schäften. Die Unterseite unseres Vogels ist ebenfalls ohne alle Fleckung: Kinn und Kehle weiss, das Uebrige mit einem rostgelblichen Anfluge, der in der Mittellinie des Bauches und an den unteren Schwanzdeckfedern nur schwach, stärker in der Kropfgegend und an der Brust und am stärksten endlich in den Weichen und an den Schenkeln ist. Die unteren Flügeldeckfedern sind rostgelblichweiss, die Schwingen auf der Unterseite grau mit röthlichweissen Säumen der Aussenfahnen, die Steuerfedern unten röthlichgrau, beide mit weissen Schäften. Dies ist die Farbe und Zeichnung des alten Männchens, das uns vorliegt. Die Maasse desselben sind folgende:

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungef.) 3" 11” » des zusammengelegten Flügels ............. REF 3 »,. des Schwauzes Vs ib Ja DE au ad 18

!)Siebold, Fauna Japon. Aves. p. 52. Tab. XX. Wie weit S. cantillans in allen übrigen Verhältnissen, iu der Schnabelform, den Schwingenverhältnissen, der relativen Schwanz- und Flügellänge u. dgl. m. von unserer Art difie- rirt, davon kann man sich leicht aus der Fauna Japon. überzeugen.

*

372 Vögel.

Länge des'Schnabelsw. Inu un nr n Ba Breite des Schnabels an der Stirne.......c222220.. BEE 1 Höhe des Schnabels ebendaselbst ........2....... 137 LängeidesiBaufesi. 7 EN. _ 94” » der Mittelzehe ohne Nagel. ....... 2222222. 5 » des Nagels an der Mittelzehe............... IM » der Hinterzehe ohne Nagel ................ ug" » des Nagels an der Hinterzehe .............. 23”

Diese Salicaria wurde von Hrn. Maack am südlichen Amur, zwischen dem Bureja- Gebirge und der Einmündung des Ssungari in denselben, am 26. Juni (8. Juli), im lichten Eichenwalde der Prairie am Ufer des Stromes erlegt.

101) Salicaria (Locustella) ecerthiola Pall.

Die ausführliche Beschreibung Middendorff’s') von diesem seit Pallas”) wenig ge- kannten Rohrsänger passt in allen wesentlichen Punkten, so in Beziehung auf die Schnabel- form, auf die Schwingenverhältnisse, auf die Grösse des ganzen Vogels und seiner einzelnen Körpertheile und auf die Farbenvertheilung und Zeichnung so vollständig auch auf unser Amur-Exemplar, dass es hier keiner wiederholenden Beschreibung dieses letzteren bedarf. Dabei weicht es aber in den Farbentönen seines Gefieders von den uns im Original vorlie- genden Middendorffschen Exemplaren nicht unbedeutend ab. Es ist nämlich, bei genau gleicher Zeichnung, auf der Oberseite, die Schwingen und den Schwanz mit eingerechnet, um ein Bedeutendes dunkler, der S. ochotensis Midd. ganz gleich kommend, nur mit noch etwas dunklerer Färbung desKopfes. Scheint es aber in dieser Beziehung eine mittlere Stellung zwischen den beiden erwähnten, von Middendorff nicht mit voller Bestimmtheit von einander getrennten Arten einzunehmen, so findet das hinsichtlich der Färbung der Unterseite keineswegs statt. Denn diese ist eben auch nur dunkler als bei den Middendorffschen Exemplaren von S$. certhiola, nirgends aber gelb wie bei S. ochotensis gezeichnet. Kehle und Mittellinie des Bauches bleiben vielmehr fast rein weiss, während Hals, Brust, Weichen und Schenkel sich zu einem düstereren, kaum röthlichen Braungrau verdunkeln; die unteren Flügeldeckfedern bleiben ebenfalls ohne den geringsten gelblichen Anflug. In diesen Verhältnissen der Färbung unseres, im Vergleich zu den Middendorffschen Exemplaren der S. certhiola jedenfalls abgeänderten Individuums dürfte man daher nicht nur keine Widerlegung, sondern auch noch eine Bekräftigung des specifischen Werthes der S. ochotensis finden, die übrigens ausser der erwähnten Farbendifle- venz auch noch auf anderen Charakteren beruht.

1) Sibir. Reise. I. c. p. 184. 2) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 509.

Sahcaria (Locustella) certhiola. S. (Loc.) locustella. 373

Fanden wir aber unser Exemplar von $. certhiola den Middendorffschen gegenüber ab- geändert, so müssen wir es dagegen, mit der Beschreibung von Pallas verglichen, für ein ganz typisches erklären. Aus dieser Beschreibung geht nämlich ohne Zweifel hervor, dass die ihr zu Grunde liegenden transbaikalischen Individuen ebenfalls von dem dunklen Farbentone wie unser Exemplar sind, da Pallas den Kopf derselben schwärzlich mit kaum merklichen blassen Federsäumen, den Rücken deutlich schwärzlich gefleckt, die Steuerfedern dunkelbraun und schwärzlich u. s. w. beschreibt. Damit steht denn auch der Fundort unseres Exemplares ganz im Einklange, da es im oberen Amur-Lande, an den Ufern der Schilka gleich oberhalb ihres Zusammenflusses mit dem Argunj, am 22. Mai (3. Juni) von Hrn. Maack erlegt worden ist. Dieser dunklen Form Transbaikaliens und des oberen Amur-Landes stehen also die Middendorffschen, an der Küste des Ochotskischen Meeres bei der Mündung des Ud- Flusses erbeuteten Exemplare als helle Varietät gegenüber. Am frischgeschossenen Exemplar von der Schilka fand Hr. Maack die Iris kastanienbraun, die Läufe und Zehen fleischfarben.

102) Salicaria (Locustella) locustella Penn.

Das aus dem Quelllande des Amur-Stromes uns vorliegende Exemplar vom Busch- oder Heuschreckenrohrsänger ist ein junges Männchen, in der Farbe und Zeichnung mit dem euro- päischen Vogel ganz übereinstimmend, mit blass rostgelblichem Anfluge auf der Unterseite, feinen schwarzbraunen Flecken auf dem Kopfe und deutlichen Schaftflecken auf den Weichen und unteren Schwanzdeckfedern. In der Grösse, die nach neueren Erfahrungen ') bekanntlich sehr variabel ist, stimmt es, wie die folgenden Maasse lehren, mit den Pallasschen Angaben

fast ganz überein:

Länge des zusammengelegten Flügels... ..... - "

DARUESISCHWARZER Mrd ce eh ehe neuen une NZ IITUÜESUSCHDADEIS HH 6 aa He ee ne —.,5" Ir Mlesäatles ee NN te öl) »+* der Mittelzehegehme Nagel’ . . . wu. 0... —_ 63” » des Nagels an der Mitielzehe ............. 13” »"“der Kinterzehe: ohne Nagel... .N #22 ....2. _ oa » des Nagels an der Hinterzehe ............ _ 3"

Nach Pallas in Daurien sehr häufig, kommt $. locustella auch an den Quellarmen des Amur-Stromes vor, wo unser Exemplar von Hrn. Maack an der Schilka, nahe ihrem Zu-

1) Vrgl. Wodzicki in Cab. Journ. f. Ornithol. I. Jahrg. 1853. Extra-Heft p. 43. 2) Bei Pallas (Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 509.) ist diese Dimension, ohne Zweifel in Folge eines Druckfehlers,

auf 3’ angegeben.

374 Vögel.

sammenflusse mit dem Argunj, im Weidengebüsche der Flussufer am 21. Mai (2. Juni) erlegt worden ist. Höchst wahrscheinlich ist sie auch weiter abwärts am Amur verbreitet, wo sie allenthalben das günstigste Terrain finden dürfte.

103) WMuscicapa parva Bechst.

Wir besitzen von diesem Vogel aus dem Amur-Lande ein erwachsenes Männchen, das mit dem europäischen in allen Stücken übereinstimmt, mit Ausnahme einer geringeren Aus- breitung der ‚orangegelben Farbe an der Kehle. Diese Farbe nımmt nämlich bei unserem Exem- plar bloss das Kinn und die Oberkehle ein, worauf dann abwärts ein aschfarbiges Grau folgt, das von den Halsseiten über die Kropfgegend und Brust sich ausbreitet. Der Bauch ist schmutzigweisslich, an den Seiten rostgelblich angeflogen; die unteren Schwanzdeckfedern weiss. Die Oberseite ist einfarbig graubraun, ohne alle Spur von einem Spiegel auf den Flügeln. Von den Steuerfedern sind die beiden mittleren Paare in ihrer ganzen Länge, die übrigen nur im Enddrittheil mattbraunschwarz, in den beiden oberen Drittheilen aber an bei- den Fahnen weiss, wovon nur die äusserste Feder zum Theil eine Ausnahme macht, indem sie in der Endhälfte eine schwarze Aussenfahne hat. Genau dieselbe Zeichnung der Steuerfedern findet sich auch an den Exemplaren, die unser Museum aus der Umgegend St. Petersburg’s, Wien’s, Odessa’s und, durch Kittlitz und Wosnessenski, aus Kamtschatka besitzt. Die letzteren sind auch im Uebrigen ganz wie die europäischen Vögel gezeichnet: ohne weis- sen Spiegel aufden Flügeln; Kehle und Oberbrust beim Männchen orangegelb, beim Weibchen weisslich mit kaum merklichem gelblichem Anfluge. Die Maasse des Amur-Exemplares sind folgende:

Länge des zusammengelegten Flügels ........-..r.... 2 Da ASS SCHWORKESIENE © Eee noeh > wald m De » des Schnabels ......... ee Wieceig vun WIENER HEN _ a1" Breite des Schnabels an der Stirne .......ureeenenen —_ 21” Höhe des Schnabels ebendaselbst ........-.2rcce 000. 13” Dange'des Lawkes one 2.202 Aieteieg ale aielnı- Is Phaimehe 8" " » der Mittelzehe ohne Nagel ..... 2.2222 cseeen. 51” » des Nagels an der Mittelzehe ......»c.escc200- ne » der Hinterzehe ohne Nagel...» .. rc... c..000. u ar » des Nagels an der Hinterzehe ..........r 20: nn 2”

Da M. parva in ihrer Verbreitung nach Osten bisher sehr wenig bekannt ist und weder von Pallas, noch von Brandt ') und Middendorff für Sibirien genannt wird,

!) Consid. sur les anim. vert. de la Sib. oceid. (Voyage de M. Tschihatscheff). p. 27.

Muscicapa parva. M. luteola. 315

so ist es sehr interessant, dieselbe gegenwärtig im Amur-Lande zu finden, wo unser Exemplar von Hrn. Maack an den Ufern der Schilka, bei Schilkinskoi Sawod, am Il Mai erlegt worden ist. Dieses Exemplar, so wie ein anderes, das Hr. Maack am 17 Mai am Wilui schoss, und die oben erwähnten Individuen aus Kamtschatka gestatten uns also den Schluss zu ziehen, dass M. parva quer durch ganz Sibirien bis zum Stillen Ocean verbreitet und wahrscheinlich nur in Folge ihrer verhältnissmässigen Seltenheit bisher von den wenigsten

Reisenden bemerkt worden sei.

104) Museieapa Iuteola Pall. Taf. XII. fig. 1. u. 2.

Die Naturgeschichte dieses kleinen Fliegenschnäppers, der nach Messerschmidt ) erst von Middendorff°) wieder aufgefunden und genauer beschrieben worden ist, glauben wir gegen- wärtig nach einem im Amur-Lande erbeuteten Exemplare auch mit der Beschreibung und Abbildung des Nestkleides bereichern zu können. Uns liegt nämlich eine junge Muscicapa aus dem Amur-Lande vor, die wir nach allen Charakteren für nichts Anderes als das Nestjunge von M.luteola halten können. Lassen sich aber unter diesen Charakteren diejenigen der Schna- belform, der Grössenverhältnisse, der Schwingenlängen u. dgl.m. ebenso gut auch auf die sehr ähnliche M. parva beziehen, so verräth dagegen die Zeichnung der Flügel und des Schwanzes auch im Nestkleide die M. Zuteola hinlänglich. Die Flügel haben nämlich den durch gelblich- weisse Spitzen der grossen Deckfedern gebildeten Spiegel oder Querstreifen, der die M. luteola kennzeichnet; der Schwanz ist ganz wie bei dem uns vorliegenden alten Individuum dieser letzteren gezeichnet: nur dasmittelste Paar der Steuerfedern ist einfarbig braunschwarz oder, in dem noch ganz unverblichenen Nestkleide, beinahe rein schwarz; die folgenden haben in ihren oberen 2 Drittheilen eine weisse Zeichnung, die sich aber fast nur auf die Aussenfahne beschränkt, während die Innenfahne meist nur einen weissen, bisweilen auch noch braunschwarz be- spritzten Fleck im oberen Drittheil der Feder trägt, der auf der äussersten Feder endlich ganz verschwindet. An dieser letzteren erstreckt sich denn auch das Weiss der Aussenfahne nicht über das obere, zum Theil versteckte Drittheil der Feder hinaus, so dass der Schwanz von unten gesehen gar kein Weiss verräth, während er bei M.parva in 2 Drittheilen seiner Länge rein weiss ist. Im Uebrigen ist unser Nestvogel auf der ganzen Oberseite, von der Stirn bis zum Bürzel mit länglichen, rostgelblich-weisslichen Tropfenflecken versehen, welche die Mitte jeder Feder einnehmen und von braunschwarzen Kanten umgeben sind, die an den Schulter- federn nach der Spitze zu auch einen olivengrünlichen Ton annehmen. Diesen tropfenförmig gefleckten Federn sind auf dem Rücken auch einige einfarbig grünlichgraue Federn beige-

1) Vergl. Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 470. 2) Sibir. Reise. 1. c. p. 186.

376 Vögel.

mischt, die wohlschon in Folge der begonnenen Mauser sich eingestellt haben. Die Schwingen sind schwarzbräunlich mit graugrünlichen, an den Hinterschwingen rostgelblichen Aussen- säumen. Die Unterseite ist weisslich, am Kinn, an der Kehle, den Halsseiten, der Brust und besonders den Weichen mit gelblichem Anfluge, am Bauche rein weiss, allenthalben aber und besonders an der Brust und den Weichen schwärzlich bespritzt, was durch viele schwärzliche Kantenspitzen an den Federn hervorgerufen wird. Die unteren Flügeldeckfedern sind fahlgelb, die Schwingen unten grau mit weissen Säumen an den Innenfahnen. Am frischgeschossenen Vogel waren: der Schnabel dunkelhornfarben, an der Basis des Unterkiefers heller, gelblich, die Füsse bläulichgrau, die Sohlen gelblich. Die Maasse unseres Exemplares stimmen mit den- jenigen des erwachsenen Vogels ausOstsibirien, wie wir aus einem direkten Vergleiche mit diesem letzteren und mit den von Middendorff mitgetheilten Zahlen entnehmen können, sehr genau überein:

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungef.) 4” 8”

» des zusammengelegten Flügels ............- 3u

ir des Schwanzunk Ze a N, in

» des Schnabels ....... 22a RE EEE Breite des Schnabels an der Stirne............... a Länge des Laufes... 22.2.2220. LE NEN 2 Au —, 174%)

» der Mittelzehe ohne Nagel ..............:- 51”

» des Nagels an der Mittelzehe .............. u ol

» der Hinterzehe ohne Nagel ............:.» EN 2

» des Nagels an der Hinterzehe ............. 217

Das besprochene Exemplar der M. Iuteola schoss ich beim Nikolajevschen Posten am 26. Aug. (7. Sept.) 1854. Trotz der vorgerückten Jahreszeit befand es sich, wie erwähnt, noch beinahe im vollständigen Nestkleide, mit nur sehr wenigen bereits vermauserten Federn. Da uns M. luteola sonst nur noch von zwei Orten, nämlich durch Messerschmidt von der (unteren) Tunguska und durch Middendorff vom Flusse Polowinnaja, in der Gegend von Udskoi- Ostrog, bekannt ist, so giebt unser Exemplar einen nicht uninteressanten dritten Fundort für dieselbe ab. Demnach dürfte also M. luteola vermuthlich über ganz Ostsibirien, von der Tunguska bis zu den Küsten des Ochotskischen Meeres und der Amur-Mündung verbrei- tet sein ein Gebiet, das sie jedoch in Beziehung auf die ihr nahe verwandte M. parva, nach dem oben Angeführten, nicht allein zu bewohnen, sondern mit dieser zu theilen scheint.

I) Die Angabe Middendorff’s a.a.O., dass der Lauf von M. luteola 14,5 Millim. betrage, dürfte wohl nur einem Druckfehler zuzuschreiben sein, da wir ihn an dem betreffenden Exemplare 16,5 Millim., d. i. also genau ebenso lang wie bei unserem jungen Vogel finden.

Muscicapa sıbirica. 317

105) Muscicapa sibirica Gm.

M. fuscedula Pall. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 462.1).

M. pondiceriana Licht. Middendorff, Sibir. Reise. Bd. II. Th. 2. p. 188. 2).

. Nach sämmtlichen Exemplaren, die uns von dieser Form zum Theil aus dem Amur- Lande, zum Theil aus Kamtschatka, Ostsibirien und China vorliegen, unterscheidet sich dieselbe von der folgenden, ihr in der Färbung sehr ähnlichen und von Middendorff als synonym erwähnten Art, M. cinereo-alba Temm. et Schleg., durch constante spe- cifische Charaktere, die uns, vor der Hand wenigstens, eine gesonderte Betrachtung beider Formen abnöthigen. Diese Charaktere sind vornehmlich in der Schnabelform und in den Schwingenverhältnissen, alsdann aber auch in der Grösse und Zeichnung einzelner Kör- pertheile ausgesprochen. M. sibirica hat nämlich bei einem in der Regel grösseren Wuchse einen kürzeren und nach der Spitze zu rascher sich verjüngenden Schnabel, der daher auch schmäler als bei M. cinereo-alba aussieht. Im Flügel ist bei ersterer die Abortivschwinge stets und zwar um 11—21 Linien kürzer, bei letzterer um ebensoviel länger als die Deck- - federn der Schwingen 1ster Ordnung; bei jener ist ferner die 2!® Schwinge länger als die 5'®, bisweilen fast so lang wie die 4!°, die 3!e am längsten; bei dieser dagegen ist die 2!° Schwinge kürzer als die 5t°, die 3!e und 4!e einander gleich lang und am längsten. In Folge dieser Schwingenverhältnisse ist der Flügel bei M. sibirica spitzer als bei M. cinereo-alba, was um so auflälliger ist, als er bei ersterer auch eine verhältnissmässig grössere Länge hat. Bei

U

den kleinsten uns vorliegenden Exemplaren derselben beträgt er nämlich noch 2" 11” und beiden grösseren sogar 3” 3”, während die grössten Exemplare von M. cinereo-alba nur 2” 10" und die kleineren sogar nur 2” 7” und 2” 6” lange Flügel haben, wie es auch Temminck und Schlegel angeben°). Dieser Unterschied in der Flügellänge, der bis auf einen halben, ja sogar bis auf 3 Zoll steigt, fällt um so mehr in die Augen, als der Schwanz bei beiden in der Regel gleich lang und bei den grössten Exemplaren von M. sibirica kaum um eine oder ein paar Linien länger als bei M. cinereo-alba ist. Er wird daher bei ersterer auch auf einen grössern Theil und zwar auf etwa 3, bei letzterer nur ungefähr auf die Hälfte seiner Länge von den Flügeln bedeckt.

Neben diesen plastischen Differenzen lässt sich in der Färbung beider Arten, zum we- nigsten nach unseren Exemplaren, der Unterschied wahrnehmen, dass M. sibirica an den Hals- seiten, am Kropf, an der Brust und den Weichen (und oft auch auf den unteren Schwanzdeck- federn) stets mit mehr oder minder deutlichen, wenn auch nicht scharf begränzten, graubrau- nen Schaftllecken gezeichnet ist, die sich sowohl bei den jungen, noch mit Tropfenflecken im

1) Pallas giebt selbst die M. sıdirica Gm, (Car. Lin. Syst. Nat. Ed. XII. I. p. 936.) als Synonym seiner M. fuscedula an.

2) Soweit diese Art von Gmelin (l. c. p. 939.) charakterisirt ist, können wir dieselbe nicht für synonym mit M. sibirica Gm. oder fuscedula Pall. gelten lassen, da an jener die seitlichen Steuerfedern zur Hälfte weiss sein sollen, wovon bei M. sibirica keine Spur zu finden ist.

3) Fauna Japon. Av. p. 42.

Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 48

378 Vögel.

Gefieder versehenen, als auch bei den alten Individuen finden, während bei M. cinereo-alba die betreffenden Theile, auch wo das Weiss derselben am meisten getrübt ist und sowohl bei alten als bei jungen, noch mit Tropfenflecken gezeichneten Individuen, nur graubraun angelaufen und gewölkt sind, ohne deutliche Schaftllecke zu haben. Allerdings kann auch bei M. sibirica, wie uns ein Exemplar derselben aus Kamtschatka beweist, die graubraune Fleckung der Unterseite so weit zunehmen, dass diese an einzelnen Stellen, zumal an der Brust und den Weichen, einfarbig graubraun wird, allein auch dann lassen sich noch im Umkreise jener graubraunen Felder und an anderen Stellen deutliche Schaftflecke zahlreich genug unter- scheiden, um neben den oben besprochenen plastischen Differenzen zur Erkennung dieser Art zu dienen.

Im Speciellen können wir hinsichtlich der Farbe und Zeichnung von M. sibirica auf die Beschreibung von Pallas verweisen, in der wir nur die oben besprochene Fleckung der Un- terseite zu wenig und fast nur für die unteren Schwanzdeckfedern hervorgehoben finden, wo sie hingegen unseren Exemplaren bisweilen fehlen. Immer tritt aber, wie auch Pallas angiebt, ein rein weisses Feld an der Kehle und ein eben solches am Unterbauche hervor. Das Exemplar aus dem Amur-Lande stellt sich den grössten kamtschatkischen an die Seite. Es ist jedoch noch ein junger Vogel, an dem sich im frischen, auf der Oberseite ein- farbig graubraunen Herbstgefieder noch einzelne, an ihrer Spitze mit rostgelblichweissen Tropfen- flecken versehene Federn des Nestkleides auf dem Rücken, Bürzel und besonders auf der oberen Schwanzdecke erhalten haben. Die Spitzen der grossen oberen Flügeldeckfedern sind rostgelb- lichweiss und bilden eine helle Querbinde auf dem Flügel; die Hinterschwingen sind mit eben solchen rostgelblichweissen Aussenkanten und Spitzen versehen; die übrigen Schwingen einfarbig schwarzbraun wie die Steuerfedern. Die Unterseite trägt an den erwähnten Stellen sehr markirte, graubraune, von etwas röthlichem Weiss umgebene Schaftflecke. Am frisch- geschossenen Vogel waren im September: die Iris braun, der Schnabel dunkel hornfarben, an der Basis des Unterkiefers gelblich, der Gaumen und die Zunge intensiv gelb, die Füsse schwarz. Die Maasse desselben sind folgende:

U

Länge des zusammengelegten Flügels 3” 21

2 desiSchwanzes,'. „au. musste 1711. » des Schnabels........ a Breite des Schnabels an der Sürne ... 3” Länge des Laufes......... EB —_ 61” » der Mittelzehe ohne Nagel... 54” » des Nagels an der Mittelzehe . 13” » der Hinterzehe ohne Nagel... 3” » des Nagels an der Hinterzehe.. 2”

Diese Maasse stehen den von Pallas angegebenen recht nahe, nur sind letztere einem etwas kleineren Individuum entnommen.

Muscicapa sibirica. M. cinereo-alba. 379

M. sibirica ist über das östliche Sibirien, von Daurien (Pallas) bis nach den Küsten des Ochotskischen Meeres (Middendorff) und Kamtschatka (Steller) verbreitet. im Amur-Lande schoss ich sie am 19 Sept. in der Umgegend des Nikolajevschen Postens, wo ich sie einzeln im Gebüsche antraf. Trotz der vorgerückten Jahreszeit trug das Exemplar,

wie oben erwähnt, noch einzelne Ueberbleibsel aus dem Nestkleide an sich.

106) BHusceicapa einereo-alhba Temm. et Schleg.

Siebold, Fauna Japon. Ay. p. 42. Tab. XV.

Oben sind bereits die specifischen Charaktere besprochen worden, welche diese Form von der ihr in der Farbe und Zeichnung sehr ähnlichen M. sibirica unterscheiden. Für das weitere Detail unserer Exemplare können wir auf die ausführliche Beschreibung und vortreffliche Abbildung in der Fauna Japon. verweisen. Dieser letzteren entsprechen vollständig ein Exem- plar vom alten Vogel, das unser Museum von der Birjussa besitzt, und zwei alte Weibchen aus dem Amur-Lande. Bei einem der letzteren, das im frischen Herbstgefieder steht, sind auch die hellen Spitzen der oberen grossen Flügeldeckfedern, sowie die hellen Aussenkanten an den Hinterschwingen deutlich sichtbar; beim anderen, im abgenutzten Kleide des Hochsommers, sind sie fast ganz abgestossen und ist die Farbe des Gefieders allenthalben verblichener. Im Nestkleide, das uns an einem nicht ganz vermauserten Individuum zum Theil noch vorliegt, sind die Federn der Oberseite an ihrer Spitze mit rostgelblichweissen, von einem schwarzbrau- nen Saume umgebenen Tropfenflecken versehen. Am frischgeschossenen alten Vogel waren: die Iris dunkelbraun, der Schnabel schwarz, an der Basis des Unterkiefers gelblich, die Füsse schwarzgrau. Zum Belege des oben über die Grössenverhältnisse dieser Art im Vergleich zur vorhergehenden Gesagten lassen wir hier die Maasse der Amur-Exemplare folgen:

Altes Junger Weibchen. Vogel. Länge des zusammengelegten Flügels ......... ERARINALATEL SHE era 7a » des Schwanzes ..... rare RI A ee le En un Hl » des Schnabels...... INN RN 3 MT 41" Breite des Schnabels an der Stirne ..... IRTERBRTE NS ET et Länge: des Laufos Ei. at Aalen ara a, BERN NEST 37. » der Mittelzehe ohne Nagel ........ RR N LT ER » des Nagels an der Mittelzehe ....... ser. .... 13" 13” » der Hinterzehe ohne Nagel ............. Bi... 23” 23” » des Nagels an der Hinterzehe ............:.... m Male Bu

M. cinereo-alba, bisher nur nach einem Exemplar aus Japan bekannt, kommt auch am

gesammten Amur-Strome und westlich von diesem, im östlichen Sibirien wenigstens bis zur *

380 Vögel.

Birjussa, im Westen vom Baikal-See, vor. Im Amur-Lande ist sie von Hrn. Maack nahe der Ssungari-Mündung am -, Juli, von mir bei Messur, nahe der Ussuri-Mündung, am 30. Juli (11. Aug.) und in der Umgegend des Nikolajevschen Postens am „° Aug. erlegt worden. Das erstere dieser Exemplare, ein altes Weibchen, trägt noch das abgenutzte Som- merkleid; das 2', ein ebenfalls erwachsenes Weibchen, ist in der Mauser begriflen und hat zumeist schon ein frisches kleines Gefieder, auch frische Steuerfedern und Schwingen, die letzteren aber noch nicht vollständig entwickelt. Das 3'° Exemplar endlich ist ein in seiner

ersten Mauser begriffenes Junges, das noch viele Ueberreste aus dem Nestkleide besitzt.

107) Museicapa hylocharis Temm. et Schleg. Siebold, Fauna Japon. Aves. p. 44. Tab. XVII.

Zu dieser, bisher nur nach einem einzigen japanischen Individuum bekannten Art müssen wir zwei aus dem Amur-Lande stammende Exemplare einer Muscicapa rechnen, von denen das eine ein junges, das andere ein erwachsenes, aber leider durch die Mauser recht sehr ent- stelltes und beim Erbeuten etwas mitgenommenes Individuum ist. Dennoch reichen beide vollkommen hin, um in ihnen die erwähnte japanische Art zu erkennen, da die Schnabelform, die Schwingenverhältnisse und die Grösse der einzelnen Körpertheile recht genau und die Fär- bung im Wesentlichen mit der Beschreibung und Abbildung von Temminck und Schlegel übereinstimmen. Leider lässt uns letztere die Oberseite des Vogels und namentlich die Steuer- federn und den Bürzel nicht vollständig sehen. Kopf, Rücken, Flügeldeckfedern, Schwingen und die ganze Unterseite sind bei unserem erwachsenen Individuum ganz von derselben Farbe und Zeichnung wie in der Abbildung; der Bürzel dagegen scheint bei ihm schöner gefärbt zu sein, daer beim japanischen Exemplar nur gelblich war, bei unserem dagegen von reinem und schönem Kanariengelb ist, was mich vermuthen lässt, dass Temminck und Schlegel wahr- scheinlich das erwachsene Weibchen vor sich hatten '), während unseres ein erwachsenes Männchen ist. Einen anderen unbedeutenden Unterschied finde ich darin, dass beim japani- schen Individuum der Schwanz blassröthlichbraun angegeben wird, während bei unserem er- wachsenen Exemplar die kurzen und noch unentwickelten frischen Steuerfedern schwarz- braun und beim jungen verblichener und blasser schwärzlichbraun sind. Dieser junge, eben- falls in der Mauser begriflene und noch theilweise im Nestkleide stehende Vogel ist übrigens, dem zwar blasseren, aber doch nicht minder reinen Gelb auf dem Bürzel nach zu urtheilen, ebenfalls ein junges Männchen. Dieses ist nun auf der Oberseite zwar von derselben, nur etwas unscheinbareren, olivengrünlichgrauen Farbe wie der erwachsene Vogel, stellenweise aber, und zumal am Halse und Oberrücken, noch mit vielen, dem Nestkleide angehörigen, mit

!) Ueber das Geschlecht des japanischen Fxemplares hatten Temminck und Schlegel keine Angaben erhalten, s. Fauna Japon. |, c.

Muscicapa hylocharis. Pericrocotus cinereus. 381

feinen weisslichen Schaft- und Tropfenfleckchen gezeichneten Federn versehen. Die Hals- seiten und Wangen sind auch nur grau mit feinen gelblichweisslichen Flecken. Die Unter- seite ist weiss, in der Kropfgegend, an der Brust und den Weichen mit gelblichem Anfluge und fast allenthalben, und besonders an den genannten Stellen, in Folge schwärzlicher Federspitz- chen schwärzlich bespritzt oder fein gewellt. Am frischgeschossenen alten Vogel waren: die Iris dunkelbraun, der Schnabel und die Füsse hornfarben; am jungen ebenso und nur die Füsse etwas graubläulich. Hinsichtlich der Grösse lassen wir, um die oben ausgesprochene Uebereinstimmung mit dem japanischen Vogel numerisch zu belegen, die Maasse unseres jungen Individuums folgen:

> I S

n

Länge des zusammengelegten Flügels 6

» des Schwanzes.......... 17 9”

» des Schnabels 2.2.2... 4” Breite des Schnabels an der Stine.. 21” Höhe des Schnabels an d. Nasenlöchern (— 12”) Länge des Laufes . ............(— 74”)')

» der Mittelzehe ohne Nagl.. 51”

» des Nagels an der Mittelzeke 2” » der Hinterzehe ohne Nagel .. 3” » des Nagels an der Hinterzehe an

M. hylocharis, bisher nur aus Japan bekannt, ist von uns auch im Amur -Lande gefunden worden, wo sie sich einzeln in den Weidengebüschen der Stromufer und Inseln aufhält. In solcher Localität wurde sie von Hrn. Maack am 44 Juli an der Ussuri- Mündung und von mir am 20. Juli (1. Aug.) am unteren Amur, nahe der Päch’ssa-Ein- mündung geschossen. Das erstere Exemplar, ein erwachsenes Männchen, steht mitten in der Mauser, und während das kleine Gefieder schon ziemlich gewechselt ist, sind die Schwingen noch unvollzählig und theilweise ganz kurz und die Steuerfedern erst kaum über 3” lang.

Das 2' Exemplar ist der oben besprochene junge Vogel im theilweise vermauserten Nestkleide.

108) Pericrocotus einereus Lafr.

Revue Zoolog. 1845. p. 94.

P. modestus Strickland, Proc. of the Zool. Soc. of Lond. 1846. p. 102. The Ann. and Mag. of Nat. Hist. London 1847. p. 131.

Phaenicornis modesta Boie, Bonap., Consp, Gen. Ay. p. 357.

Dieser interessante Vogel war seit 1845 nach mehreren kurzen Diagnosen von La- fresnaye, Strickland und Bonaparte bekannt, die aber sämmtlich nach dem Weibchen

1) Diese beiden Maasse konnten am jungen Vogel nicht genommen werden, und sind daher statt derselben in Klammern die betreffenden (mit den Angaben in der Fauna Japonica übrigens genau übereinstimmenden) Maasse des alten Amur-Exemplares gesetzt worden.

382 Vögel.

allein entworfen waren, bis Gould ') 1857 eine von kurzer Beschreibung begleitete Abbil- dung von einem Pärchen dieser Art von den Philippinischen Inseln gab. Uns liegt aus dem Amur-Lande ebenfalls ein Pärchen in sehr wohlerhaltenen Exemplaren vor, die uns, eine eingehendere Beschreibung dieser Art möglich machen.

Wie sehr die Gruppe, zu der unser Vogel gehört, eine vermittelnde Stellung zwischen mehreren benachbarten Familien einnimmt, geht am besten aus dem Umstande hervor, dass die Ornithologen sie im System sehr verschiedentlich, bald zu den Muscicapiden”), bald zu den Lanüden°), bald zu den Ampeliden‘), bald endlich zu den Edoliüden°) gebracht haben. In der Amur-Fauna können wir daher dem Repräsentanten dieser Gruppe keine bessere Stelle als zwischen den Fliegenschnäppern und den Würgern geben, unter denen ?. cinereus den ersteren in der Schnabelform, den letzteren in der Schwanz- und Flügellänge und im gesammten Ha- bitus am nächsten steht. Der Schnabel von P. cinereus ist mässig stark, an seiner Basis breiter als hoch, nach vorn seitlich zusammengedrückt und vor dem Kinnwinkel höher als breit; der Oberschnabel ist an den Nasenlöchern mit einer deutlichen Rückenkante versehen, von den Nasenlöchern an sanft, an der Spitze stärker abwärts gebogen und hier mit einem kleinen, aber deutlichen Ausschnitt versehen; der Unterschnabel gerade, nach der Spitze zu etwas ansteigend. Die Nasenlöcher sind in einer Grube gelegen, rundlich-oval, von anliegenden Federchen und Borstenhaaren bedeckt; hinter denselben und bis zu den Mundwinkeln stehen zahlreiche, jedoch nur kurze Borstenhaare. Im Flügel ist die erste oder Abortivschwinge genau von der Länge der Deckfedern der Schwingen erster Ordnung; die 21° erreicht die Flügelspitze nicht und steht in ihrer Länge zwischen der 42 und 5ien mitten inne; die 3!® ist die längste, die Ate nur um sehr Weniges kürzer als die 3!°, die 5'° etwa um 4, die 6! um 8” kürzer als die 3te, Die 3teund Schwinge sind auf ihrer Aussenfahne schwach verengt. Die Hinter- schwingen sind verhältnissmässig kurz. Der ganze Flügel ist ziemlich lang und bedeckt zu- sammengelegt ungefähr die Hälfte des Schwanzes. Der Schwanz ist lang, etwas länger als der übrige Körper von der Schnabelspitze an, und aus zwölf ziemlich schmalen Federn zusam- mengesetzt, von denen das mittelste Paar am längsten ist, die beiden folgenden nur allmählig und wenig kürzer, die 3 seitlichen Paare aber sehr stark verkürzt sind, indem die Spitze der ten Feder um 1” 7” und diejenige der 6ten oder äussersten um 2” 3” von der Schwanzspitze absteht. Diese Verkürzung der 3 äussersten Schwanzfedern finde ich bei ?. cinereus stärker als bei allen übrigen, mir theils in Exemplaren unseres Museums und theils in Abbildungen zu Gesichte gekommenen Pericrocotus- Arten. Die Läufe unserer Art sind nur kurz, kürzer als die Mittelzehe mit ihrem Nagel, deutlich getäfelt, die oberste der Tafeln zumeist von der

l) The Birds of Asia. Part IX.

2) So Gmelin, Cuvier, Temminck u.a. Dass Linne, Latham u.a. die zu ihrer Zeit bekannten Arten dieses Geschlechtes (P. peregrinus, speciosus u. a.) unter den umfassenderen Gattungen Parus, Turdus, Motacilla u. s. w. erwähnten, versteht sich von selbst.

») Swainson, Zool. Illustr. Sec. ser. Vol. Il. Text zu Tab. 52.

*) Gray, The Gen. of Birds. Vol. I. Fam. Ampelidae, Subfam, Campephaginae.

°) Bonaparte, Consp. Gen, Av. 1. c.

Pericrocotus cinereus. 383

Befiederung verdeckt, die folgenden drei von gleicher Grösse und die übrigen, an der Zehen- wurzel, etwas kürzer. Die Zehen sind ziemlich stark, die äussere jederseits etwas länger als die innere, die Nägel mässig gekrümmt.

In der Färbung sticht ?. cinereus von seinen Gattungsverwandten sehr auflallend ab: denn während diese sämmtlich durch sehr schöne Farben sich auszeichnen, trägt P. cinereus nur ein sehr bescheidenes, aus Schwarz, Grau und Weiss zusammengesetztes, an unsere weisse Bachstelze in hohem Grade erinnerndes Kleid. Wir können hinsichtlich der Einzelbeiten in der Farbenvertheilung und Zeichnung desselben vollständig auf die getreue Abbildung von Gould verweisen und uns hier nur auf einige unsere Exemplare betreffende ergänzende Be- merkungen beschränken. Dem alten Männchen vom Amur fehlt in der Farbe des Rückens, vom Nacken bis zum Bürzel hinab, durchweg aller grünliche Anflug, der sich in Gould’s Ab- bildung findet; es ist vielmehr nur blaugrau und zwar am dunkelsten am Oberrücken, wo das Grau, ähnlich der Var. ugens unsrer weissen Bachstelze, wie mit einem schwärzlichen Schim- mer versehen ist, und heller und reiner grau zum Bürzel hinab. Beim Weibchen, das man in Gould’s Abbildung nur von der Unterseite sieht, ist das Grau, das sich gleichmässig vom Scheitel bis zum Bürzel ausbreitet, weniger blau- und mehr erdgrau als beim Männchen. Zugleich ist auch das Weiss der Stirn nicht rein, sondern mit Grau untermischt und geht all- mählig in das reine Grau des Scheitels über, während beim Männchen das reine Weiss der Stirn von der blauschwarzen Farbe des Scheitels scharf abgeschieden ist. Endlich sind beim Weibchen auch die Zügel heller und nur grauschwarz. Im Uebrigen ist es aber ganz wie das Männchen gezeichnet. Am frischgeschossenen Vogel fand Hr. Maack im Juli die Iris braun, den Schnabel und die Füsse dunkelhornfarben; am todten Vogel sind letztere Theile fast ganz schwarz. Die Maasse der Amur-Exemplare sind folgende:

Männchen. Weibchen.

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze (ungefähr)... 77 7 » des zusammengelegten Flügels ........-z.uc22.. Bee BEN Schwänzen Bo Eee een a peingieinig Sa 2 3 52 DE ES Sc hirErbp la et. 2 ara a uyage um engen anegs.a 0a 53" 51”

Breite des Schnabels an der Stirne ......ve.-»ec20r0.0. dl

Höhe des Schnabels ebendaselbst .......2-crccrec000. —_ 21" 2l ei

Tanzes desa Baubeginn u » der Mittelzehe ohne Nagel ..........uucceeeee. 61” 6” » des Nagels an der Mittelzehe .................. —_ 17 21” 2... der. Hinterzehe ohne Nagel. 2... „cu. esse 317 31” » des Nagels an der Hinterzehe ...........2...... —_ a1" —_ 21”

Da sämmtliche Pericrocotus-Arten bisher nur aus dem Süden Asien’s, von Indien bis zu den Philippinen bekannt waren, so istes höchst interessant,, einen Repräsentanten dieser Gruppe nach Norden bis in das Amur-Land hinauf verbreitet zu finden. Im Speciellen hatte man

384 Vögel.

P. cinereus bisher bloss aufSumatra'), Malacca (Striekland) und denPhilippinen, nament- lich auf der Insel Luzon gefunden, wo ihn Leclancher zuerst entdeckte”). Unsere Exem- plare sind am südlichen Amur etwas oberhalb der Ussuri-Mündung, in einem kleinen Laub- walde der Prairie, am -°, Juli von Hrn. Maack geschossen worden. Nach den bisherigen Er- fahrungen scheint es die einzige Pericrocotus-Art zu sein, welche in so nördliche Breiten vor- dringt, wie es auch die einzige ist, welche statt der schönen, tropischen Farben nur ein düste- res, unscheinbares Kleid trägt.

109) Lanius phoenicurus Pall.

Bekanntlich ist diese von Pallas°) nur mit wenigen Worten charakterisirte Form später von Gloger‘) u. a. bloss für eine östliche Varietät von L. CollurioL. erklärt worden, eine An- sicht, die sich jedoch bei genauerer Vergleichung dieser Formen nicht zu bestätigen scheint. Auch hat schon Sundevall’), dem wir nach Pallas die erste genauere Beschreibung von Z. phoenicurus verdanken, auf sehr wesentliche Unterschiede zwischen diesen Formen aufmerksam gemacht. Nach ihm, Strickland°) u. a. dürfte daher Z. phoenicurus nicht sowohl mit L. Callurio, als mit der im centralen und gesammten östlichen Asien, von Indien bis nach den Philippinen verbreiteten und unter mehrfachen Namen, wie L. cristatus und lueionensis L., L. supereiliosus Lath.‘) u. s. w., bekannten Art identisch sein. Wir müssen dieser letzteren Ansicht um so mehr beitreten, als die von Sundevall nach indischen Individuen entworfene Beschreibung von L. phoenicurus auch auf unsere, aus dem Osten Sibirien’s, dem Amur- Lande und China stammende Exemplare vollständig passt. Desgleichen müssen wir mitSun- devall der Pallasschen Bezeichnung nicht bloss aus dem Grunde den Vorzug geben, weil sie die am meisten bezeichnende, sondern auch weil sie die erste für diese Form wirklich zuver- lässige ist, da die beiden älteren Namen, L. eristatus und L. lucionensis, bei den ungenügenden, zum Theil nur das Weibchen umfassenden älteren Beschreibungen, immer nur als fragliche Synonyme gelten können‘). Da jedoch Sundevall später”) ebenfalls, wenn auch ohne weitere

1) Das im Leydner Museum befindliche Exemplar, s. Bonaparte. c.

2) Vergl. Lafresnaye in der Rev. Zool.]. c.

3) Reise durch versch. Prov. des Russ. Reichs. I. p. 693.; Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 405.

4) Das Abändern der Vögel. p. 143. Desselb. Handb. d. Naturgesch. der Vögel Eur. I. p. 136. Desgl. Sse- werzoff, Ilepioaugeck. ana. elc. p. 325.

°) Vergl. Physiogr. Sällskap. Tidskrift. I. Lund 1837—38. p. 64.

6) Vergl. Proceed. of the Zool. Soc. of Lond. 1846. p. 102. The Ann. and Mag. of Nat. Hist. London 1847. p. 132.

7) Ueber diese Synonymie s. ausser Sundevall und Strickland ll. ec. auch Bonaparte, Consp. Gen. Ay. p.362.

*) So führt Bonaparte z. B. neben dem L. cristatus (von dem er aber den Z. phoenicurwus sondert) den L. Iu- eionensis nur als fraglich an, während Strickland umgekehrt dem letzteren alle übrigen und auch den Z. phoenicurus unteror.ünet, ;

®) Vergl. Kongl. Vetensk. Acad. Handling. för är 1840. Stockh. 1842. p. 36.

Lanius phoenicurus. 385

Begründung, sich dahin erklärte, dass Z. phoenicurus nur eine Varietät von L. Collurio sei, so können wir nicht umhin, hier etwas näher auf die erstere Form und ihre speeifische Differenz der letzteren gegenüber einzugehen.

Sämmtliche Exemplare, ‘die wir von Z. phoenicurus haben, weichen, abgesehen von der Färbung, auch durch die Schwingenverhältnisse, durch die relative Flügel- und Schwanzlänge und durch die Form des Schwanzes von L. Collurio sehr entschieden ab. Während bei letz- terem bekanntlich die 2!e Schwinge beständig und oft sehr ansehnlich länger als die 5te ist, bleibt bei Z. phoenicurus umgekehrt die 2! Schwinge um ein bedeutendes Stück, von etwa 214”, hinter der Spitze der 5'en Schwinge zurück und ist nur etwa gleich der 6ten, ja bisweilen noch etwas kürzer als diese. Zugleich ist der ganze Flügel kürzer als bei Z. Collurio und dagegen der Schwanz länger. Dieses verschiedene Grössenverhältniss tritt auch aus den Sundevallschen Angaben sehr deutlich und ohne Ausnahme hervor und ist natürlich für den Gesammthabitus beider Formen sehr sprechend, indem bei Z. Collurio in F olge dessen der Schwanz auf einen viel grösseren Theil und zwar ungefähr auf die Hälfte, bei Z. phoenicurus dagegen nur ungefähr auf } seiner Länge von den Flügeln bedeckt wird. Ausser seiner grösseren Länge ist aber der Schwanz von L. phoenicurus auch in seiner Form, d. i. in der verhältnissmässigen Länge der einzelnen Steuerfedern von dem des L. Collurio sehr verschie- den. Denn während bei letzterem alle Steuerfedern, mit Ausnahme desetwas kürzeren äusseren Paares, von gleicher Länge sind und der Schwanz daher wie abgestutzt aussieht, hat er bei L. phoenicurus eine abgerundet-stufige Form, indem die mittelsten Steuerfedern in der Regel die längsten sind, die folgenden bis zum zweitäussersten Paare, das um etwa 3— 4" kürzer als das mitlelste ist, allmählig an Länge abnehmen, und das äusserste Paar endlich, das hei L. Collurio nur um etwa 4 kürzer als die mittelsten Steuerfedern ist, hier um mehr als das Doppelte, nämlich um 9—10” hinter der Schwanzspitze zurückbleibt. Nach Sundevall dürfte ausserdem auch die Länge des Laufes bei L. phoenicurus etwas grösser als bei L. Col- lurio sein, ein Unterschied, der uns aber nur sehr gering vorkommt.

Die angeführten Formdiflerenzen sind jedenfalls genügend, um L. phoenicurus, zur Zeit wenigstens und so lange jene plastischen Verhältnisse noch nicht als stark variirend erwiesen worden, für eine von L. Collırio verschiedene Art anzusehen. Sie reichen uns auch voll- ständig hin, um beide Arten, auch wo die Färbung derselben die grösste Aehnlichkeit hat, wie das namentlich bei den Weibchen der Fall ist, mit Sicherheit von einander zu unter- scheiden. Was nun das Detail dieser Färbung betriflt, so verweisen wir auf die von Sundevall entworfene Beschreibung, die, wie gesagt, auch auf unsere Exemplare passt. Bemerken wir nur, dass die Exemplare vonUdskoi-Ostrog, aus dem Amur-Lande und ausChina im Farbenton und in der Zeichnung einander ganz gleich sind: die Oberseite ist bei allen rostbraun, am inten- sivsten auf dem Scheitel und Bürzel; die Stirn und ein Augenbrauenstreifen weiss, beim Weibchen schwächer, nur weisslich; der Zügel und ein breiter Hinteraugenstreifen beim Männchen schwarz, beim Weibchen schwarzbraun; dieSchwingen schwarzbraun, ohne eine Spur von weissem Spiegel:

die oberen Flügeldeckfedern und die Hinterschwingen mit rostgelblichen oder weisslichen Aussen- Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 49

386 Vögel.

säumen; der Schwanz mit dem Rücken ziemlich gleichfarbig, rostbraun, von den Mittelfedern nach aussen blasser, bei beiden Geschlechtern mit feinen, helleren und dunkleren Querwellen, an der Spitze weisslich. Auf der Unterseite sind: Kinn, Keble und Halsseiten fast rein weiss, mit kaum merklichem gelbem Anlluge, das Uebrige sehr ansehnlich rostgelblich (nicht röthlich) überlaufen, besonders an der Brust und den Weichen, beim erwachsenen Männchen ohne alle Flecken, beim Weibchen dagegen an den Halsseiten, in der Kropfgegend, an der Brust und den Weichen mit feinen schwärzlichen Querwellen. Das Nestjunge ist auf der ganzen Ober- seite, von der Stirn bis zum Bürzel rostbraun mit feinen schwarzen Querwellen. Zum Be- lege der oben besprochenen Grössenverhältnisse mögen folgende detaillirtere Maassangaben an

den uns vorliegenden Exemplaren dienen:

Amur. Udskoi-Ostrog. China. Männchen. Männchen. Weibchen. Männchen. Weibchen.

Länge v. d. Schnabel- b. z. Schwanzspitze (ungef.) 7’ 7" 76" "a" 61” 7’

» des zusammengelegten Flügels... .:.. BB 0522 52 7.7 SRG DE er 5, 9, DERIERFSChwanzen ME re ie BE ur re. » desSchnabels ......22ue2cuen.. 641" 64" 61” 6" —64” Höhe des Schnabels an der Stime......... —3” —32” 31” —33” Breite des Schnabels ebendaselbst ........ —31” 31” 31” 31" 31" Länge des Laufes.......... ER TEE —111"—11" —11” —11” 114” » der Mittelzehe ohne Nagel ..... a1" 7" 71" 71” —_ 71" » des Nagels an der Mittelzehe ....... 3" 31” —3” —3” 3”

Vergleicht man diese Maasse mit den von Sundevall an Z. phoenicurus und L. Collurio genommenen, so wird man aus beiden Reihen entnehmen können, dass das Verhältniss der Flügel- und Schwanzlänge bei jeder dieser Arten immer nahe dasselbe bleibt, indem bei Z. phoenicurus die bezeichneten Theile fast gleich lang und der geringe Grössenunterschied zu Gunsten bald des einen, bald des anderen Theiles ausfällt, während bei L. Collurio der Grössen- unterschied zwischen dem Flügel und dem Schwanz ein bedeutender ist und immer zu Gunsten des ersteren statt-hat. Auch wird man leicht bemerken, dass die grösste der hier und beiSunde- vallangegebenen Flügellängen von L. phoenicurus immer noch kleiner als die kleinste Flügel- länge von ZL. Collurio, und umgekehrt die kleinste Schwanzlänge von jener immer noch grösser als die grösste von dieser ist. Ohne daher diesen Grössen einen absoluten Werth zuschreiben zu wollen, können wir nicht umhin, in den constanten Differenzen, die sich an den beiden in Rede stehenden Formen darthun, specitische Charaktere zu erblicken.

Nach der oben besprochenen Identität unserer Exemplare von L. phoenicurus mit den ausIndien stammenden und mit der unter den Namen L. lucionensis, L. eristatus u. dgl. m. bekannten Form, sehen wir diese Würgerart über den ganzen Osten Asien’s, von Indien, Malacca (Strick- land), Java bis über das Amur-Land hinaus nach Norden verbreitet. Für dieses letztere ist sie somit nicht eine mit dem Westen der alten Welt, mit Europa und Africa gemeinsame Art, wie L. Collurio, sondern eine von Süden vordringende, ost- und centralasiatische Form. Beide

Lanius phoenicurus. Hirundo rustica, Var. rufa. 387

Arten scheinen übrigens, zum wenigsten in einem grossen Theile ihres Verbreitungsgebietes, ' keineswegs einander auszuschliessen; denn im Westen Sibirien’s') z. B. und auch in Dau- rien kommen noch beide Arten vor, ja in letzterem fand Pallas sogar L. Collurio sehr häufig, L. phoenicurus nur einmal. Weiter ostwärts aber, an der Küste des Ochotskischen Meeres und im Amur-Lande ist bisher nur L. phoenicurus gefunden worden, und zwar von Midden- dorff?) bei Udskoi-Ostrog und von Maack sowohl an den Quellzuflüssen, wie am unteren Laufe des Amur-Stromes. Dort wurde nämlich das oben beschriebene alte Männchen von L. phoenicurus am 47 Mai an der Schilka, nahe dem Flüsschen Gorbiza, und das erwähnte Nestjunge am 27. Juli (8. Aug.) am unteren Amur, nahe der Chongar-Mündung erlegt.

110) Hirunde rustica L. Var. rufa Gm.

H. rufa G m., Linn. Syst. Nat. I. p. 1018. Bonaparte, Consp. Gen. Av. p. 339. H. domestica Var. Pall. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 530.

Bei den Giljaken: pahlesing. » » Mangunen: zbisk. » » Golde am Amur: ıbisst. »» » am Ussuri: tschibjako und tschifjako.

Wie schon aus Pallas’ und Middendorff’s°) Erfahrungen im Osten Sibirien’s zu er- warten stand, kommt die Rauchschwalbe auch im Amur-Lande in der durch rostbräunliche Färbung der Brust, des Bauches und der unteren Schwanzdeckfedern ausgezeichneten Var. rufa vor. Das mir vorliegende Exemplar, ein altes Weibchen, finde ich jedoch an den ge- nannten Theilen viel blasser als das alte Männchen unter den Middendorffschen Exemplaren von Udskoi Ostrog und nur wenig dunkler als das alte Männchen der europäischen Rauch- schwalbe in den Abbildungen von Naumann‘) und Gould’). Stirn und Kehle sind bei unserem Exemplar von einem schönen Rostbraun; das schwarze Band in der Kropfgegend ist nur schmal und trägt einige rostbraune Flecke, wie es Temminck und Schlegel°) auch bei den, auf der Unterseite übrigens mit den europäischen ganz gleichen, javanischen Individuen angeben. Wie bei diesen beiden letzteren sind auch bei den Amur-Exemplaren die Steuerfedern nur mit einem rein weissen und nicht, wie Pallas angiebt, rostfarben angeflogenen Flecken versehen. Ganz dasselbe findet auch bei den auf der Unterseite sehr lebhaft rostbraunen Exemplaren von

1) Brandt, Consid. sur les anim. vert. de la Siberie occid. (Voyage de M. Tschihatscheff) p. 27. 2) Sibir. Reise. 1. c. p. 188.

3) Sibir. Reise. 1. c. p. 188.

4) Naturgesch. der Vögel Deutschl. Taf. 145. fig. I.

5) The Birds of Europe. II. Tab. 54.

6) Fauna Japon. Av. p. 32.

388 Vögel.

Udskoi-Ostrog statt. Aus dem Angeführten ist also ebenfalls ersichtlich, dass die Intensität und Ausbreitung der Rostfarbe bei der Rauchschwalbe vielfach variirt und eben nur einen Varietäts-, nicht einen Artscharakter abgeben darf. Als individuelle Eigenthümlichkeit unseres Amur - Exemplares muss ich bemerken, dass bei demselben die beiden längsten unteren Schwanzdeckfedern nahe ihrer Spitze einen unregelmässigen schwarzen Fleck tragen.

Die Rauchschwalbe ist in Amur-Lande recht häulig und zahlreich zu sehen. Zwar hatte sie sich bis zum Jahre 1856 in den vor Kurzem gegründeten russischen Ortschaften am Amur, imNikolajevschen und Mariinskischen Posten noch nicht angesiedelt, allein in den am unteren Amur und Ussuri gelegenen Dörfern der Eingeborenen, wie z.B. in Wair, Tebach, Tentscha, Köurmi, Chongar, Turme, Agdiki u. a., trafen wir sie in grosser Menge vor. Die Eingeborenen, Giljaken, Mangunen und Golde, sehen es gern, wenn sie im Innern ihrer Häuser nistet, und pflegen daher, um ihr den Nestbau zu erleichtern, Bork- platten von verschiedener Grösse im Dachstuhl aufzuhängen, wohin die Schwalbe durch das in einer der Wände befindliche Rauchloch und durch die Fensteröffnungen und Thüren immer freien Zutritt findet. Im Freien habe ich H. rustica im Amur -Lande nicht nisten sehen. Wahrscheinlich stellt sie sich um die Mitte des Mai am unteren Amur ein, da ich sie am 21. dieses Monats (2. Juni) schon in grosser Menge und im eifrigsten Nestbauen im Dorfe Tentscha an der Chaselach - Mündung vorfand. Dort ist auch das oben erwähnte

Exemplar erlegt worden.

111) Hirundo (Chelidon) urbica L.

Aus dem Quelllande des Amur-Stromes liegt uns ein Exemplar von der Hausschwalbe vor, für welches wir vollständig auf die von Pallas') nach daurischen Individuen entworfene Beschreibung verweisen können. Es wurde von Hrn. Maack bei der Stadt Nertschinsk am 25. April (7. Mai) geschossen, was also auch völlig mit Pallas’ Angaben über die Ankunftszeit der Hausschwalben in Daurien übereinstimmt. Im unteren Amur-Lande dagegen ist uns die Hausschwalbe niemals begegnet. Auch Middendorff?) traf dieselbe nur auf dem Durchzuge am Westabhange des Stano w oi-Gebirges, nicht aber in der an das untere Amur-Land angränzenden Gegend von Udskoi-Ostrog an. Man könnte nun glauben, dass sie diese Gegenden vielleicht nur auf dem Durchzuge berühre, oder aber in denselben wegen der geringen Anzahl fester Ansiede- lungen an die unzugänglichsten Gebirgs- und Felsenlocalitäten sich halte und dadurch der Auf- merksamkeit der Reisenden bisher sich entzogen habe; allein merkwürdiger Weise lernte sie ebensowenig Siebold auf den gewiss sehr angebauten Japanischen Inseln kennen. Esscheint

!) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 533. 2) Sibir. Reise. I. c. p. 189.

Hirundo (Chel.) urbica. H.(Cotyle) riparia. Columba (Perist.) Turtur, Var. gelastıs. 389

also in der That, dass sie, obschon in nördlicheren Breiten bis nach Kamtschatka verbrei- tet, in jenen an das Amur-Land nach Nord und Süd anstossenden Küstengegenden Ostasiens ausbleibe.

112) Hirundeo (Cotyle) riparia L. Bei den Mangunen: :fara. » » Golde: :fare.

Die Uferschwalbe ist im Amur-Lande recht häufig und nistet dort in’ den steilen Lehm- und Sandsteinwänden, die sich an den Ufern und besonders auch auf den nur aus ange- schwemmtem Erdreich gebildeten Inseln des Amur-Stromes finden. Da jedoch diese Steil- wände in der Regel nicht sehr hoch und ausgedehnt sind und dazu von einem in seinem Niveau oft und stark wechselnden Wasser‘ bespült werden, so lässt sich auch die Ufer- schwalbe an denselben meist nur in kleineren und niemals in so zahlreichen Gesell- schaften finden, wie man sie oft an günstigen Localitäten in Europa sieht, oder wie sie z. B. Pallas') am Irtysch beobachtet hat. Nicht selten sah ich auch am Amur die Nester derselben in so geringer Höhe über dem Wasserspiegel liegen, dass sie bei etwas stärkerem Anschwellen des Stromes unfehlbar eine Beute desselben werden mussten. Ein anderer Theil dieser Nester geht ohne Zweifel alljährlich in Folge der Abstürze zu Grunde, denen das lockere Erdreich der Amur-Inseln in hohem Grade unterworfen ist. Vermuthlich stellt sich die Ufer- schwalbe im unteren Amur-Lande schon um die Mitte, sicherlich aber in der 2ten Hälfte des Mai ein, da ich sie im Frühjahr 1855 am 22. dieses Monats (3. Juni) recht zahlreich an den Uferwänden zwischen den Dörfern Aure und Bollao am unteren Amur antraf. Das dort er- legte Exemplar stimmt mit den europäischen nach Farbe und Grösse vollkommen überein.

IV. GALLINACEE.

113) Columba (Peristera) Turtur L. Var. gelastis Temm. C. gelastis Tem m. Nouv. Rec. de Pl. color. Paris 1838. Tab. 550, nebst Text. Siebold, Fauna Jap. Ay. p. 100. Tab. LX. B.

Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin: tatut. » » Mangunen: kutty. » » Golde unterhalb des Ussuri: kutz:. ».» » oberhalb des Ussuri: kuttyty.

1) Zoogr. Rosso-Asiat, I. p. 536.

390 Vögel.

Schon Prevost'), Middendorff?) u. a. haben sich dahin ausgesprochen, dass die von Temminck nach japanischen Exemplaren als selbständige Art unterschiedene C. gelastis nur eine durch grösseren Wuchs und dunklere Farbentöne ausgezeichnete geographische Varietät von der gemeinen Turteltaube sein dürfte eine Ansicht, zu der wir uns nach Vergleichung der Amur-Exemplare ebenfalls erklären müssen. Die im Amur-Lande erbeuteten Individuen besitzen Punkt für Punkt die bekannte Zeichnung der €. Turtur und entsprechen im Farben- tone der oben eitirten Abbildung in der Fauna Japon. am meisten. Namentlich findet in der Färbung der ganzen Oberseite, die Flügel- und Steuerfedern mit eingerechnet, eine völlige Ueber- einstimmung mit der letzteren statt; auf der Unterseite dagegen sind unsere Exemplare heller, am Bauche und an der Unterbrust reiner weinröthlich, ohne gelbliche Beimischung, und in der Kropfgegend und an der Oberbrust von weniger bräunlichem und mehr weinröthlichgrauem Farbentone, so dass sie gewissermassen die Mitte zwischen der letzterwähnten und der Pre- vost’schen Abbildung halten. Die unteren Schwanzdeckfedern und die Spitzen der Steuer- federn sind bei allen unseren Exemplaren grau, und zwar im Frühling etwas dunkler, bläu- lich-aschgrau, im Spätsommer dagegen mehr zum Grauweisslichen verblichen. Diese für die Var. gelastis charakteristische Trübung der bei €. Turtur weissen Farbe an den Steuer- und Unterschwanzdeckfedern zum Grauen und am Bauche zum Weinröthlichen findet auch beim Jungen statt. Im Uebrigen entspricht aber letzteres in seiner Zeichnung ebenfalls ganz derje- nigen der jungen Turteltaube und ist namentlich am Halse und Kropfe bis zur Brust graubraun mit rostgelben Federkanten und ohne Halsspiegel. Ausserdem sind bei ihm alle grossen Schwingen ebenso wie die Hinterschwingen gegen ihr Ende mit breiten rostbraunen Kanten und die oberen Deckfedern des Schwanzes sowie die beiden mittelsten Steuerfedern nach der Spitze zu mit schmalen rostbräunlichen, in der Mitte aber blaugrauen Säumen versehen. An diesem jungen Vogel im Nestkleide hatte die Iris zwei der Farbe nach scharf abgesetzte Ringe: einen inneren braunen und einen äusseren gelblichen; der Schnabel war bläulichgrau, die Füsse violettgrau. Am alten Vogel fand ich im Sommer die Iris am äusseren Umkreise in einem schmalen Ringe planchefarben, nach innen roth, den Schnabel violettgrau, zumal an der Basis, die Füsse violettroth.

Ebenso wie die erwähnten Farbenunterschiede lassen sich auch die Grössendifleren- zen zwischen C. gelastis und C. Turtur nur als Varietätscharaktere betrachten. Zwar gab Temminck anfänglich°®) an, dass €. gelastis einen kürzeren Schwanz und dagegen längere Flügel und in Folge dessen auch eine etwas andere Gestalt als die gemeine Turteltaube habe, allein er erwähnte dabei des überhaupt grösseren Wuchses der ersteren gar nicht und unterliess es auch seine Behauptung durch numerische Maassangaben zu belegen. Als daher Pre vost seine Exemplare darauf hin mit der Turteltaube verglich, fand er, dass dieselben nur von grösserem Wuchse als ©. Turtur, sonst aber an den genannten wie an

l) Les Pigeons par Mme Knip. Paris. II. p. 53. 2) Sibir. Reise. l. c. p. 189. 3) Rec. de Pl. color. 1. c.

Columba (Peristera) Turtur, Var. gelastıs. | 391

allen übrigen Körpertheilen von denselben Grössenverhältnissen seien. Der im Allgemeinen grössere Wuchs von (. gelastis ist denn auch der einzige Unterschied, den Temminck und Schlegel später, in der Fauna Japon., hinsichtlich der Grösse gelten lassen konnten ein Unter- schied, den auch Middendorff an den Exemplaren von Udskoi-Ostrog bemerkt hat und der auch an unseren Exemplaren, wie die nachstehenden Maasse lehren, sehr sichtlich ist. Ein soleher Grössenunterschied besteht jedoch nicht bloss zwischen C, gelastis und C. Turtur, son- dern nach Pallas') auch zwischen den russisch-europäischen und den ihnen ganz gleich ge- zeichneten daurischen Individuen von C. Turtur, welche letztere an Grösse beinahe der Feld- taube (C. Oenas L. und Pall., C. livia Briss.) gleiehkommen sollen. Wir können daher in diesem Grössenunterschiede auch nichts mehr als einen Varietätscharakter erblicken. Die Maasse unserer Amur-Exemplare sind folgende:

1] 3 Männchen. Weibchen. Junges.

Länge des zusammengelegten Flügels 7" 3" 61" ”—

» des Schwanzes ........... Hi #107 11” » des Schnabels............ —_ man _ Zu —_

Da des antenne 111" ı1" 1’

» der Mittelzehe ohne Nagel... 17 1"— 1” 11” » des Nagels an der Mittelzehke . 31” 3” 31"

Aus dem oben Besprochenen geht hervor, dass die Turteltaube ostwärts bis nach den Küsten des Stillen Oceans verbreitet sei, und zwar kommt sie bis nach Daurien in der typi- schen, im Osten nur bedeutend grösseren Form und von da ab, im Stanowoi-Gebirge bis nach den Küsten des Ochotskischen Meeres (Middendorff), im gesammten Amur-Lande und inJapan (Temminck) inder, ausser ihrer bedeutenderen Grösse, auch durch einige Far- benabänderungen ausgezeichneten Var. gelastis vor. Im Amur-Lande fand ich diese letztere recht häufig und zwar sowohl an der Mündung des Stromes, als auch weiter aufwärts und amUssuri. Desgleichen soll sie, nach Angabe der Eingeborenen, auf der InselSachalin vor- kommen. Am Amur hält sie sich so gut im Nadelwalde, wie im gemischten und reinen Laubholze, im Weidengebüsche der Inseln u.s. w. und, so viel ich bemerken konnte, besonders gern in der Nähe des Wassers auf. So sah ich sie oft wenige Schritte vom Strome auf ebe- nem Sand- und Kiesboden zwischen lichtem Weidengesträuch einzeln, paarweise oder in klei- nen Schwärmen von 4—6 Stück sitzen. Anfangs glaubte ich, dass sie sich an solche Orte nur des Trinkens halber oder aber zum Verschlucken kleiner Steinchen und grober Sandkörner begeben, allein die geschossenen Exemplare lehrten mich, dass sie dort auch eine, wie es scheint, ihnen nicht übel zusagende Nahrung finden, indem ich den Kropf derselben mit den am Amur so überaus zahlreichen Phryganeen verschiedener Art angefüllt fand einer Nahrung, die man bei unseren Turteltauben in Europa bisher, so viel ich weiss, nicht beobachtet hat.

1) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 565.

392 Vögel.

Schon recht früh im Jahre stellt sich die Turteltaube im Amur-Lande ein. Beim Nikolajev- schen Posten sollen sich im Frühjahr 1855 die ersten Tauben schon zu Ende des April und also noch vor Aufgang des Stromes gezeigt haben; ich selbst aber sah sie dort erst am „*, Mai, zu einer Zeit, als der Strom zwar aufgegangen, die Buchten desselben aber noch mit Eis bedeckt waren und im Walde noch vielfach Schnee lag. Auf der Reise stromaufwärts, die ich einige Tage später antrat, fand ich sie schon allenthalben am unteren Amur, beiChjare, Tentscha u.s. w.häufig. Hr. Maximowieztraf sie im selben Jahr schon am -?, Mai bei Dshai, etwas oberhalb des Mariinskischen Postens, an. Die Mauser scheint bei den alten Individuen in der ersten Hälfte des August zu beginnen, da uns durch Hrn. Maack ein altes Männchen aus der Gegend von Yrri am unteren Amur vorliegt, das, am -$; Aug. geschossen, im ersten Beginne der Mauser steht. Bei den Jungen stellt sie sich aber viel später und wahrscheinlich erst kurz vor dem Abzuge ein; so habe ich diese Taube beim Nikolajevschen Posten noch am 31. Aug. (12. Sept.) im Nestkleide mit eben begonnener Mauser geschossen. Sehr wahrscheinlich dürfte daher auch der Abzug aus dem Amur-Lande erst im September stattfinden. Dass die Taube auch in den religiösen Anschauungen der Amur-Völker eine Rolle spielt und namentlich in ähnlicher Weise wie der Kuckuk mit den Gebräuchen der Leichenbestattung bei den Giljaken in Be- ziehung steht, mag hier nur vorläufig erwähnt sein, da es im ethnographischen Bande unserer Reisebeschreibung näher besprochen werden soll.

114) Columba (Peristera) risoria L.

C. bitorguuta Temm. Les Pigeons par Mme Knip. Paris 1811. p. 86. Tab. XL. Temminck, Hist, nat. zen. des Pigeons et des Gallin. Amsterdam et Paris 1813. I. p. 301.

Zu den zahlreichen bereits bekannten Synonymen der Lachtaube sehen wir uns genö- thigt auch die €. bitorquata Temm. hinzuzufügen. Von dieser besitzt das akademische Mu- seum zwei Exemplare aus Java, die mit einem aegyptischen Individuum der €. risoria von ganz gleicher Grösse, Farbe und Zeichnung sind und den einzigen Unterschied darbieten, dass die unteren Schwanzdeckfedern bei ihnen weiss, bei C. risoria dagegen grau mit weissen Spitzen sind einen Unterschied, der von keinem speeifischem Belange sein kann und der jeden- falls viel geringer als derjenige zwischen der typischen Form und der Var. gelastis der Turtel- taube ist. Temminck gründete seine €. bitorquata hauptsächlich auf das Kennzeichen eines doppelten, nach vorn weissen, nach hinten schwarzen Halshandes; allein diese Zeichnung findet sich bekanntlich ebensowohl auch bei (. risoria L. Temminck selbst giebt sie in sei- ner Abbildung von dieser letzteren an"). Ebenso Wagler”), Rüppel“) u. a. Auch fehlt das

!) Les Pigeons ]. c. Tab. XLIV. Im betreffenden Texte (p. 99.) schreibt Temminck der C. risoria nur ein schwarzes Halsband zu,

2) Syst. Avium. Gen. Columba. Sp. 93.

2) Neue Wirbelthiere zu der Fauna von Abyssinien gehörig. Frankf. a. M. 1835—40. p. 66. Rüppel findet

Cohumba (Peristera) risoria. 393

Weiss am Halsringe keinem der in unserem Museum vorhandenen Exemplare der Lachtaube und tritt nur bald mehr und bald weniger deutlich hervor, gleich wie es auch an unseren beiden javanischen Exemplaren von C. bitorguata in ungleichem Grade vorhanden ist. Wie in dieser Zeichnung, so variirt aber C. risoria bekamntlich auch in ihrer Gesammtfärbung, zumal im domestieirten Zustande, recht sehr. Leider giebt Temminck nicht an, ob seine Abbildung nach einem wilden oder domesticirten Individuum entworfen sei. Unser Museum besitzt aber ein Exemplar von der domesticirten Lachtaube aus St. Petersburg, das mit der erwähnten Ab- bildung ganz übereinstimmt und nur eine etwas düsterere Isabellfarbe auf dem Rücken und ein reineres Weiss an der Schwanzspitze und den unteren Schwanzdeckfedern hat. Das oben erwähnte Exemplar der wilden Lachtaube aus Aegypten und ein anderes unseres Museums von unbekanntem Fundorte sind dagegen viel dunkler, erdbraun und, wie erwähnt, mit den javanischen Exemplaren von C. bitorquata von gleicher Farbe und Zeichnung, so dass wir für sämmtliche auf die Temmincksche Abbildung von dieser letzteren verweisen können, mit der Bemerkung jedoch, dass diese Abbildung unseren Exemplaren gegenüber in allen Farben zu grell gehalten ist.

Was nun das aus dem Amur-Lande uns vorliegende, im wilden Zustande geschossene Exemplar der Lachtaube betrifft, um dessentwegen die obigen Bemerkungen vorausgeschickt worden, so steht es seiner Farbe nach zwischen jenen Exemplaren des wilden Vogels aus Java und. Aegypten einerseits und dem domestifieirten Individuum aus St..Petersburg andererseits mitten inne. Mit jenen ersteren stimmt es in seiner Zeichnung völlig überein und ist nur in allen Farben verblasst. Kopf, Halsseiten, Kropfgegend und Brust sind blass wein- röthlich, der erstere an der Stirne etwas heller, weisslich; Kinn und Kehle weiss; der Hals oben mit einem doppelten, einem schmäleren weissen und einem breiteren schwarzen (übrigens durch weisse Kantenspitzchen auch noch theilweise weiss gefleckten) Halbringe versehen; der Rücken mit den Deck- und Schulterfedern, der Bürzelund die beiden mittleren Steuerfedern hell- gelblichbraun (die Mitte zwischen Erdbraun und Isabellgelb haltend), die beiden letzteren Theile mit durehschimmerndem Blaugrau. Die Deckfedern am Vorderrande des Flügels, sind bläulich- grau, die unteren heller, grauweisslich; die Schwingen braunschwarz mit feinen weisslichen Säumen; die Steuerfedern, mit Ausnahme der heiden mittleren, von oben blaugrau, an der Spitze mehr und mehr weiss, von unten in der Basalhälfte schwarz, in der Endhälfte, und die äusserste auch am Saume der (übrigens schwarzen) Awssenfaline, weiss. Der Bauch ist grau mit allmählig von der Brust an immer schwächerem weinröthlichem Anfluge; die Weichen, die Aftergegend und die unteren Schwanzdeckfedern bläulichgrau, die letzteren mit weissen Spitzen. Die Maasse unseres Exemplares sind folgende:

Länge des zusammengelegten Flügels. ..............- 6” ».: .des-Schwanzes/ un ci... un NE...) Asa Alm

darin einen Unterschied zwischen seiner C. semitorquata und der C. risoria L., dass bei jener der schwarze Halsring

nicht wie bei letzterer mit Weiss gesäumt ist. Ob jedoch C. semitorguata Rüpp. ebenso wie €. kumilis Temm. in der

That selbständige Arten, oder aber ebenfalls nur Abänderungen von C. risoria seien, muss noch dahingestellt bleiben. Schrenck’s Amur-Reise. Bd.I. 50

394 Vögel.

im

Länge des Schnabels | .i. = zu. tele sid aa See al 7 »... des Laufes!s A a raed erbaalane an 91” » der Mittelzehe ohne Nagel. ........o2ee22020. 10"

» des Nagels an der Mittelzehe ..........22r....— a

C. risoria, nach der oben besprochenen Identität mit ©. bitorquata über den ganzen Süden der Alten Welt, vom Cap der guten Hoffnung und dem Senegal (Tourterelle ä collier du Senegal von Buffon) bis nach Java und China verbreitet, dringt von dort aus auch in nörd- lichere Breiten und in Europa namentlich bis in das Balkan-Gebirge'), an die Ufer der Donau und nach Bessarabien) vor. In Asien haben wir dieselbe im Amur-Lande noch nördlicher und wahrscheinlich wohl an ihrem nördlichsten Fundorte überhaupt gefunden: dort wurde sie nämlich von Hrn. Maximowicz am 24. Oct. (5. Nov.) in der Umgegend des Mariinskischen Postens und also nahe dem 52°“ Grade n. Br. erlegt. Dass es ein aus der Gefangenschaft entkommenes domesticirtes Individuum gewesen sei, ist nicht anzunehmen, da es zu der Zeit im Mariinskischen Posten gar keine domesticirten Tauben und im Niko- lajevschen nur wenige Pärchen der gewöhnlichen Haustaube gab. Ob diese Taube aber regelmässig um so viel später als die vorhergehende aus dem Amur-Lande wegzuziehen pflege, oder aber, wie es mir wahrscheinlicher dünkt, nur ein ausnahmsweise verspätetes 2), am früheren Wegziehen verhinderies, oder gar nur zufällig in so hohe Breiten verflogenes In- dividuum gewesen sei, vermögen wir nicht zu sagen.

115) Columba livia Briss. Var. domestica Auctor.

Die Haustaube wurde in das Amur-Land erst im Frühjahr 1855 verpflanzt, und zwar in wenigen Pärchen, die man auf den alljährlich aus Transbaikalien nach der Mündung des Amur-Stromes schiffenden Flussböten nach dem Nikolajevschen Posten brachte. In den Ansiedelungen der Mandshu und Chinesen am Amur habe ich sie nicht gesehen.

1) Naumann, Ornith. Reise nach und durch Ungarn. S. Wiegmann’s Archiy für Naturgesch. II. Jahrgang 1837. I. p. 106.

2) Nordmann, s. Bull. scient. de l’Acad. Imp. des Sc. de St. Pötersb. III. 1838. p. 327. Sowohl Nordmann als Naumann bemerken übrigens, dass die Färbung der wilden C. risoria düsterer als diejenige der zahmen sei, was, wie oben erwähnt, auch an unserem Exemplare der Fall ist.

3) In der Türkei soll sie übrigens, wenn es dieselbe Species ist, nicht alle Winter fortziehen, sondern bis weilen auch beim Neste, unter Dächern, in Mauerlöchern u. s. w. Schutz gegen die Kälte suchen. S. Naumann in Wiegm. Archiv l. c.

Lagopus albus. 395

116) Lagopus alhus Gm.

Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: parrä. »» » des Innern und der Ostküste von Sachalin: tschleola-nga. » » Mangunen, Ssamagern, Golde unterhalb des Geong-Gebirges: päala. » » Golde oberhalb des Geong-Gebirges: fädala.

Lagopus albus ist das einzige Schneehuhn, das mir im Amur-Lande begegnet ist. Dieses kommt dort aber, zumal im Winter, in sehr grosser Zahl vor. Beim Nikolajevschen Posten kommt es 'schon im October und November, wenn etwas tieferer Schnee ausgefallen ist, aus den Gebirgsthälern und Mooren des Innern, die es im Sommer bewohnen mag, an die freieren und ofleneren Ufer des Amur-Stromes, wo es sich dann in lichten, niedrigen Birkenwäldern, im Ellerngesträuch und vorzüglich auf den niedrigen, mit Weidengebüsch bewachsenen Inseln des Stromes aufhält und den Winter über in grossen Schwärmen zu finden ist. In solcher Anzahl habe ich es selbst im nördlichen Theile der InselSachalin, im Amur-Limane und am unteren Amur-Strome bis nach Kidsi gesehen. Die Eingeborenen pflegen sie alsdann vermittelst ein- facher Schlingen in Menge zu fangen, und fast in jedem Dorfe wurden mir welche zum Kauf angeboten, ja im Nikolajevschen Posten brachten mir die Giljaken noch im April recht viele derselben zu. Aufwärts von Kıdsi wird das Schneehuhn seltner, kommt jedoch noch am Gorin und nach Angabe der Eingeborenen auch am Chongar vor; ja dem Namen nach ist es auch den Golde von Dawunda oberhalb des Geong-Gebirges bekannt, ob aber der Vogel selbst dort vorkomme, vermag ich nicht zu sagen.

Schon recht früh im Jahre stellt sich bei den Schneehühnern im unteren Amur-Lande die Frühlingsmauser ein. Die ersten Individuen im Federwechsel sah ich am 24. bis 26. März (5. bis 7. April) in den giljakischen Dörfern Chjare, Patt und Tylm: unter zahl- reichen ganz weissen Individuen fanden sich einige wenige, und zwar Männchen '), die bei sonst noch ganz winterlichem Gefieder entweder nur am Halse, oder nur am Bürzel, oder aber an beiden Stellen zugleich einen Flecken rostbrauner Federn und bisweilen auch am Kopfe einzelne Federchen von dieser Farbe hatten. Weiter nordwärts, beim Nikolajevschen Posten sah ich zu Anfang des April nur noch ganz weisse Individuen; ja noch am 28. April (10. Mai) wurden mir aus dem Dorfe Ngale-wo an der Amur-Mündung drei Exemplare gebracht, von denen eines ganz weiss war, die beiden anderen aber am Halse und eines auch am Bürzel rostbraune Federchen hatten. Somit scheint also der Federwechsel bei den Schneehühnern an der rauheren Amur-Mündung merklich später als in dem etwas südlicheren und vom Meere abgewandten Theile des Stromes zwischen Kidsi und der Amgunj-Mündung einzutreten. Die Herbstmauser fängt an der Mündung des Amur-Stromes vielleicht schon gegen Ende des August, jedenfalls aber im'September an. Ein Exemplar, das ich im Herbst 1854 in der Um- gegend des Nikolajevschen Postens am „!; Oct. erhielt, hatte das Winterkleid schon zum

1)-Vgl. Middendorff, Sibir. Reise. I. c. p. 190.

396 Vögel.

grossen Theil angezogen und sah in Folge dessen sehr buntscheckig aus: der Kopf, Hals und Bücken bis zum Bürzel und die oberen Sehwanzdeckfedern waren mit vielen weissen Federn untermischt; die Kehle war mehr weiss als rostbraun; an den Weichen gab es nur von einer Seite noch einige wenige rostgelbe, schwarz gewellte Federn, während die Brust, der Bauch und die untere Schwanzdecke schon ganz weiss waren. Gegen Ende des October schienen mir die Schneehühner, die ich in der Umgegend des Nikolajevschen Postens sah, schon ihr volles Winterkleid angezogen zu haben; auch liess ein Exemplar, das ich daselbst am „%, Nov. schoss, nur noch am Kopfe und Halse ein paar versteckte rostbraune Federchen in dem sonst ganz weissen Gefieder entdecken.

117) Tetrazo urogalleides Midd.

Middendorff, Sibir. Reise. II. Bd. 2. Th. p. 195. Tab. XVII. fig. 1—3.

Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin: tarkrach. » » Mangunen, Ssamagern, Golde uuterhalb des Ussuri: porro. » » Golde oberhalb des Ussuri: hoje. » » Biraren und Monjagern: orokt. » » Orotschonen: Auerhahn horoki, Auerhenne hurkt.

Die im Amur-Lande erbeuteten Auerhähne dieser Form, mag man sie nun für eine be- sondere Art oder, wie Middendorff anzunehmen geneigt ist, nur für eine geographische Va- rietät von T. Urogallus L. halten, stimmen mit der von Middendorff nach Exemplaren aus dem Stanowoi-Gebirge und von der Südküste des Ochotskischen Meeres entworfenen Ab- bildung und ausführlichen Beschreibung in allen Form- und Grössenverhältnissen, wie in der Farbe und Zeichnung ganz genau überein. Es bleibt uns daher nur übrig, hier einige Bemerkungen über die von Middendorff nicht besprochene Auerhenne dieser Art hin- zuzulügen.

Dass der Unterschied zwischen den Hennen von T. Urogallus und T. urogalloides bei ihrer geringeren Grösse und bunteren Färbung im Ganzen weniger auffallend als zwischen den Hähnen ist, versteht sich von selbst. Namentlich dürfte es schwer sein, die Hennen beider Arten nach der Form und den Dimensionen des Schnabels auseinander zu halten, da dieser bei der Henne von T. urogalloides nur etwas kleiner und schwächer, sonst aber von derselben Form wie bei der europäischen Auerhenne ist. Dagegen fällt auch hier der verhältnissmässig längere und stärker abgestufte Schwanz der ersteren sogleich in die Augen. An unseren Exem- plaren aus dem Amur-Lande undKamtschatka beträgt der Unterschied zwischen den mitt- leren und äussersten Steuerfedern 11—14” (franz.), während wir ihn bei der europäischen Auerhenne nur ungefähr auf 3” finden. Das Verhältniss der Schwanzabstufung bleibt hier also

Tetrao urogallordes. 397

ziemlich dasselbe wie bei den Hähnen beider Arten. Der verhältnissmässig grösseren Schwanz- länge ist es denn auch zuzuschreiben, dass uns die Henne von T. urogalloides um nichts klei- ner als diejenige von T. Urogallus erscheint. In der Färbung unterscheiden sich unsere Exemplare der ersteren von den europäischen Auerhennen ebenfalls durch mehr Weiss an den oberen Flügel- und Schwanzdeckfedern und durch eine viel weniger rostfarbene und dagegen stärker schwarz gefleckte Unterseite. So ist bei ihnen der ganze Hals vom Kinn an mit dich- ten schwarzen Querwellen auf rostgelblichem Grunde und weisslichen Federspitzchen gezeich- net, und am Kropfe findet sich keine Spur von dem ganz oder beinahe ganz ungefleckten rost- farbenen Felde, das die europäischen Auerhennen haben; vielmehr tritt dort die schwarze Zeichnung noch vorwiegender hervor, indem die schwarzen Querbinden breiter, dunkler und beim alten Vogel theilweise mit grünem Metallglanz versehen sind, das Rostgelb dagegen nur in schmalen Querbinden von recht blassem Tone zwischen dem Schwarz erscheint. Noch weiter abwärts endlich, an der Brust und dem Bauch bis zu den unteren Schwanzdeckfedern tritt das Rostgelb fast ganz zurück, indem dort die Zeichnung nur aus dichten, unregelmässigen, schwar- zen und weissen Querwellen besteht und nur in den Weichen noch einige blasse rostgelbe Querbinden sich finden. Besonders ist diese überwiegend schwärzliche und nur sehr wenig rostgelbliche Zeichnung der Unterseite bei den Amur-Exemplaren ausgesprochen; unter den kamtschatkischen ist eines fast ebenso und nur wenig heller gezeichnet, während andere mehr mit blassem Rostgelb überlaufen sind. So findet also auch in der Zeichnung der Hennen beider Arten noch eine sichtliche Differenz statt. Die Maasse unserer Amur-Exemplare sind folgende:

Hahn Henne Länge des zusammengelegten Flügels... ............... 1 et BEBNGERSSEHWANZES HEN U INN FE NCH I » des Schnabels von der Spitze bis zu einem senkrecht über dem Vorderende der Nasenlöcher befind- HeheniBankten ng ns nn. , 31” Höhe des Schnabels am Vorderende der Nasenlöcher ..... Bi 61” Breite des Schnabels ebendaselbst ...............2....- Ben RW —_ 51” Benger des Daulest IRm ON ES ee ven 3 0 » “der Mittelzehe’ohne Nagel... ..v.......... 00.0 BR S,. a NY: » des Nagels an der Mittelzehe ................. Rus Bag

Wie vermuthlich in Kamtschatka und am Ochotskischen Meere, so scheint auch im unteren Amur-Lande T. urogalloides die einzige Auerhuhnform zu sein. Wenigstens ist mir T. Urogallus dort niemals begegnet und habe ich bei den Eingeborenen auch keine Bezeich- nung für eine andere als jene erstere Art gehört. Diese scheint aber im Amur-Lande kei-

1) Die Schnabeldimensionen sind hier in denselben Abständen wie von Middendorff an den Exemplaren aus dem Stanowoi-Gebirge gemessen. S. dessen Sibir. Reise I. c. p. 196.

398 Vögel.

neswegs selten zu sein, da ich sie selbst zu wiederholten Malen getroflen und auch von den Eingeborenen mehrmals erhalten habe. Namentlich scheint sie häufiger in dem besonders waldreichen untersten Laufe des Amur-Stromes vorzukommen: dort habe ich sie durch die Eingeborenen im Frühjahr von Ngale-wo an der Amur-Mündung (von wo auch die oben vermessenen Exemplare stammen), von Magho, Tyr und Tentscha am Amur und von der Südküste des Ochotskischen Meeres beim Dorfe Kulj erhalten, und bin ihr selbst im Winter bei Poghobi auf Sachalin, bei Tylm am unteren Amur, in den Waldungen am Gorin und im Sommer bei Daisso am Fusse des Geong-Gebirges begegnet. Weiter oberhalb habe ich das Auerhuhn zwar nicht selbst gesehen, allein die Eingeborenen, Golde am Amur und Ussuri, Biraren, Monjagern, Orotschonen, allenthalben mit demselben bekannt gefun- den. Da Middendorff T. urogalloides auch an den Westabhängen des Bureja-Gebirges, in den Flussgebieten der Bureja, desSsilimdshi und der Dseja, so wie überall im Stanowoi- Gebirge gefunden hat'), so darf man wohl vermuthen, dass dieselbe Form auch am oberen Amur und seinen Quellzuflüssen verbreitet sei und erst weiter westwärts durch 7. Urogallus ersetzt werde.

118) Tetrao Tetrix L.

Bei den Biraren: tyghallan (?). » » Monjagern: upupe(?).

Uebereinstimmend mit den Angaben Middendorff’s”), dass das Birkhuhn nirgends an der Südküste des Ochotskischen Meeres vorkomme, darf ich behaupten, dass es auch im ge- sammten unteren Amur-Lande, sowohl in der Stromlandschaft wie an der Meeresküste und auf der InselSachalin, fehle. Denn niemals ist mir dort, seies aufeigenen Jagden, oder im Verkehre mit den Eingeborenen und trotz ausdrücklicher Erkundigungen , eine Spur von demselben begegnet. So viel vom ganzen unteren Amur-Lande bis zum Bureja- Gebirge. Westlich von diesem dagegen sprachen mir die Biraren von Ossika und Ssach’ssiwo und die Monjagern oberhalb der Komar-Mündung von einem Waldhuhn, das ihrer Beschreibung zufolge sehr wohl das Birkhuhn sein könnte. Ja, dies kommt mir um so wahrscheinlicher vor, als auch Middendorff im Flussgebiete des Ssilimdshi, am Nara einige Birkhühner selbst sah, und von den Eingeborenen erfuhr, dass sie in den südlich von dort gelegenen Morästen, welche also gerade in den von uns genannten Theil des Amur- Landes fallen, in Menge vorkämen. Inwiefern aber, wenn dem so sein sollte, auch hier

ı) Middendorff, Sibir. Reise. l. c. p. 200. 2) Sibir. Reise. 1. c. p. 201.

Tetrao Tetrix. T. canadensis, Var. Franklıni. 399

dasselbe Verhältniss in den Verbreitungsbezirken von T. Tetrix und T. canadensis statthaben dürfte, welches Middendorff im Osten Sibirien’s fand, soll bei der folgenden Arı be- sprochen werden.

119) Tetrao canadensis L. Var. Franklinii Dougl.

T. Franklinii Dougl., The Transact. of the Linn. Soc. Vol. XVI. London 1829. p. 139.

Bei den Giljaken des Continentes: pujäch und pyjerk. » » » von Sachalin: haseml. » » Mangunen: hatscht. » » Golde unterhalb des Geong-Gebirges: hatschcha. ».» » oberhalb des Geong-Gebirges: assingnja (?).

Indem wir mit Middendorff und den amerikanischen Ornithologen, Bonaparte'), Audubon”), De Kay ?) u. a., T. Franklini Doug]. nur als Varietät von T. canadensıs L. an- sehen können‘), brauchen wir für unsere Amur-Exemplare im Speciellen nur auf die von Middendorff nach Exemplaren aus dem Stanowoi-Gebirge, mit denen die unsrigen in jeder Hinsicht übereinstimmen, entworfene genaue Beschreibung und Abbildung dieser Form zu ver- weisen’). An unseren frischgeschossenen Individuen waren im Herbst: die Iris braun, der Sehnabel dunkel hornfarben, die Zehen blaugrau mit dunkleren, beinahe schwarzen Nägeln.

T. canadensis ist in der genannten Varietät über einen grossen Theil des Amur-Landes verbreitet und besonders in dem an Nadelwaldungen reichen Mündungslaufe des Amur-Stro- mes nicht selten. Beim Nikolajevschen Posten schoss ich dieses Waldhuhn im Jahre 1854, als es dort noch keine Jäger gab, zu wiederholten Malen im Fichtenwalde der nächsten Um- gegend; im folgenden Jahre hatte es sich aber schon weiter zurückgezogen. Im Magen der

l) Amer. Ornith. by Wilson, with a contin. by Bonaparte. 1832. III. p. 493. Desselb. A geogr. and compar. List of the Birds of Eur. and North-Amer. London 1838. p. 44.

2) A Synops. of the Birds of North-Amer. Edinb. 1839. p. 203. Desselb. Ornithol. Biogr. V. Edinb. 1849. p. 563.

3) Zool. of New York. 3I. Birds. Albany 1844. p. 206.

4) Selbst Swainson (s. Richardson, Fauna bor. amer. II. Lond. 1831. p. 348.), der noch bei der Ansicht von Douglas bleibt, dass T. Franklinii eine selbständige Art sei, kann nicht umhin zu erklären, dass in der Schwanzläng e kein Unterschied von T. canadensis zu finden und dass die Verschiedenheit in der Färbung beider Formen von der Art sei, dass man dieselben gern nur für Varietäten einer und derselben Art halten möchte. Es bleibt ihm daher nur der Unterschied geltend, dass bei T. canadensis der Schwanz stufiger und die Enden der Steuerfedern schmäler und dabei schwach, aber deutlich ausgerandet und mit einer kleinen, durch den Schaft gebildeten Spitze versehen seien, was bei 7. Franklinii nicht der Fall sein soll. Erinnern wir aber, dass Middendorff hinsichtlich der angeb- lichen Verschiedenheit in der Breite der Steuerfedern bei seinen Exemplaren das direkte Gegentheil von diesen Angaben beobachtet hat. An unseren Exemplaren sehen wir nun ausserdem auch die Enden der Steuerfedern, mit Ausnahme der beiden mittelsten, genau von der Beschaffenheit (nämlich schwach ausgerandet und mit einer kleinen vorragenden Spitze in der Mitte versehen), wie sie Swainson dem T. canadensis zum Unterschiede von T. Franklin zuschreibt. So fallen also mehr und mehr alle Charaktere zur specifischen Unterscheidung dieser Formen weg.

5) Middendorff, Sibir. Reise l. c. p. 202. Tab. XVII. fig. 4.

400 Vögel.

dort erlegten Individuen fand ich Reste von Fichtennadeln, von Cornus-Beeren u. dgl. m., nebst einer Menge kleiner Steinchen und Sandkörner. Die Exemplare vom 26. Aug. (7. Sept.) und 19. Sept. (1. Oct.) waren im Abschluss der Mauser begriffen und hatten die Schwingen und Steuerfedern bereits vollständig gewechselt. Mit Bestimmtheit kann ich ferner die Var. Frank- linii an den Küsten des Amur-Limanes und des nördlichen Theils der Meerenge der Tartarei, so am Cap Lasareff und in der Bai de Castries angeben. Nach Aussage der Giljaken soll sie auch auf der Insel Sachalin, zum wenigsten in deren nördlichem Theile, und zwar nicht gerade selten vorkommen. Desgleichen wurde sie mir ausdrücklich von den Mangunen am Amur, den Ssamagern am Gorin und den Golde am Amur und Chongar als ein Bewoh- ner jener Gegenden genannt. Ja, ich glaube auch in dem Waldhuhne, von dem mir ein Golde von Dawunda oberhalb des Geong-Gebirges sprach und das er «assingnja» nannte, der Be- schreibung nach die Var. Franklin vermuthen zu dürfen. Weiter oberhalb, im Prairietheile des Amur-Stromes, habe ich von den Eingeborenen nichts über dieses Waldhuhn erfahren können. Was ich aber von den Biraren oberhalb des Bureja-Gebirges hörte, glaube ich, wie oben erwähnt, nicht mehr auf T. canadensis, sondern auf das Birkhuhn beziehen zu müssen. Es scheinen daher auch im Amur-Lande, wie nach Middendorff’s Beobachtungen im Stanowoi-Gebirge, die Verbreitungsbezirke von T. canadensis Var. Franklin und T. Tetrix gegenseitig sich auszuschliessen. Hinsichtlich dieser Verbreitung sei hier ferner be- merkt, dass mit dem Bureja-Gebirge nach Westen auch der Charakter der Nadelwaldung die wesentliche Veränderung erfährt, dass wiederum Pinus sylvestris auftritt, welche dem ganzen unteren Amur-Lande sowohl in der Strom-, wie in der Küstenlandschaft und auf Sachalin fehlt. Hier dürfte also Middendorff’s Bemerkung, dass T. canadensis an die Ver- breitungsgränzen der mit den Küsten des Ochotskischen Meeres auftretenden Coniferen sich halte und namentlich nirgends vorkomme, wo P. sylvestris hinreiche, eine fernere Bestätigung erhalten.

120) Tetrae (Tetrastes) Bonasia L.

3ei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin: hang.

» » Orotschen der Meeresküste (Bai Hadshi): ocheme.

» » Mangunen: penju.

» » Golde unterhalb des Ussuri, Ssamagern: pimo.

»» » oberhalb des Ussuri: hinkt.

» » Biraren und Monjagern: inkı,

» » Orotschonen: hinkütschan. a

Wie in ganzSibirien und im Norden der Mandshurei'), so hat das Haselhuhn auch im gesammten Amur-Lande ein mit dem westeuropäischen Vogel sonst ganz übereinstimmendes,

!) Vrgl. Middendorff, Sibir. Reise. l. c. p. 208.

Tetrao (Tetrastes) Bonasia. 401

aber durch Vorherrschen der aschgrauen und Zurücktreten der rostbraunen Farbe auf der Oberseite ausgezeichnetes Kleid. Bei den Hähnen besonders ist die ganze Rückenseite vom Nacken bis zum Bürzel rein aschgrau mit feinen schwarzen Querwellen und Spritzflecken, und ein theilweises Rostbraun findet sich nur an den Schultern und sehr wenig an den oberen Flügeldeckfedern und Hinterschwingen. Auch in der Kropfgegend schimmert nur wenig von einer rostbräunlichen Farbe in der schwarz und weiss gewellten Zeichnung durch, und nur an den Brustseiten findet sich eine lebhafte Rostfarbe, die aber sehr eingeschränkt ist und nach den Weichen zu rasch verschwindet. Die Hennen, obgleich grauer als die europäischen, haben doch auf der Ober- und Unterseite mehr Rostbraun als die Hähne. So sind bei ihnen Hals und Oberrücken rostbräunlichgrau mit schwarzen Querbändern, und auf dem Unterrücken und Bürzel bleiben die Federn im Basaltheile rostbräunlich und haben nur lange graue, schwarz- bespritzte Enden, während sie bei den Hähnen in ihrer ganzen Länge grau mit schwarzen Zeichnungen sind. Desgleichen haben bei den Hennen auch die Unterseite des Halses und der Kropf mehr Rostbraun als bei den Hähnen.

Das Haselhuhn ist im gesammten Amur-Lande, so weit ich dasselbe kenne, von den Südküsten des Ochotskischen Meeres bis zur Baı Hadshi und auf der Insel Sachalin, so wie von der Mündung des Amur-Stromes bis zu den daurischen Quellarmen desselben allent- halben und zu jeder Jahreszeit das gewöhnlichste und häufigste Federwild. Ob es dort aber auch kaum eine Localität giebt, wo man es nicht fände, so kommt es doch im Norden des Amur-Landes vorzüglich in den mit Birken, Espen, Pappeln, mit Ellern und Weidengebüsch u. dgl. untermischten Waldrändern am Ufer der Flüsse, und im Süden hauptsächlich an den mit lichtem Laubwalde und vielem Unterholze bewachsenen Bergabhängen und felsigen Strom- ufern vor. Nicht selten ist es mir auch im Winter wie im Sommer auf den mit Weiden be- wachsenen Inseln oder an eben solchen Ufern des Amur, Gorin und Ussuri begegnet. Bei so grosser Anzahl fand ich das Haselhuhn in den Wildnissen des Amur-Landes auch noch sehr wenig scheu. Es ist mir beim Nikolajevschen Posten und am Tymy-Flusse aufSacha- lin mehrmals möglich gewesen, ein paar Individuen einer Kette einzeln vom Baume herabzu- schiessen, ehe die übrigen abstoben. Auf Sachalin und am Gorin flogen sie oft erst unmit- telbar vor unserem Schlitten auf, den Zug der Hunde stets in Verwirrung setzend. Im Som- mer, wenn sie der Lärm unserer Ruder aufscheuchte, setzten sie sich oft auf einen Baum hart am Strome nieder und gestatteten uns, sie vom Boote aus zu schiessen. Haselhühner waren daher fast unser tägliches Wildpret im Amur-Lande, an dem wir uns sowohl in der Bai Hadshi oder in den Schneegefilden Sachalin’s, als auch am oberen Amur oder in den lichten und sonnigen Eichenhainen am Ussuri delectirten.

Im Sommer 1855 gelang es mir, am See von Kidsi ein Nest mit Eiern des Hasel- huhnes aufzufinden: es lag im Nadelwalde am Fusse eines Baumes, im Reisig und Moose ver- steckt. Die Eier waren von gewöhnlicher Beschaflenheit, schmutziggelb mit vielen braunen Punkten und Flecken und enthielten am -*, Juni recht weit in der Entwickelung vorgeschrit-

tene Embryonen. Am „S, Juli stiess ich bei Pachale nahe der Gorin-Mündung auf eine Fa- Schrenck’s Amur-Reise Bd. 1. 51

402 Vögel.

milie mit lüggen Jungen, die sich im Laubunterholze einer Nadelwaldung aufhielt. Die Mauser der Haselhühner findet beim Nikolajevschen Posten im August und September statt. Am 23. Aug. (4. Sept.) fand ich sie sehr stark vorgeschritten und alle Schwung- und Steuer- federn bereits frisch gewechselt. An den Exemplaren vom }!, Oct. war sie ganz beschlossen.

121) Phasianus torquatus Gm. ')

Ph. albo-torguatus Bonnat. Tabl. encycl. et meth. des trois regnes de la nat. Ornithol. Paris. 1790. p, 184. Vregl. auch Brandt, Observat. sur les differ. esp. de faisans dans la Faune de Russie, s. Bull. de la cl. phys.-mathem. de l’Acad. Imp. des Sc. de St. Petersb. III. 1845. p. 52.

Ph. torquatus (primus) Temm. Hist. nat. gen. des Pig. et des Gallin. II. p. 326., III. p. 670.

Ph. colchicus Var. mongolica Pall. Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 84, Nec Ph. mongolicus Brandt ].c. p. 51.

Hrn. Baron Alex. v. Wrangell verdanken wir ein Exemplar dieses schönen Fasans aus dem Amur-Lande. Es ist ein erwachsenes Männchen von ganz typischer Färbung, mit den Beschreibungen der wilden chinesischen Form bei Bonnaterre, Temminck, Brandt u. a. und mit der Abbildung von Gray vollständig übereinstimmend. Mit letzterer verglichen, hat es nur etwas lebhaftere Farben und einen viel breiteren weissen Halsring; der Schwanz ist ganz ebenso mit breiten schwarzen Querbinden versehen, die im oberen Theile nicht im- mer bis an den Schaft reichen, nach unten zu aber sehr an Breite zunehmen und zuletzt in eine an den mittleren Steuerfedern beinahe 3" lange, an den übrigen kürzere schwarze Spitze auslaufen. Diese letztere Zeichnung ist auch beinahe das Einzige, wodurch es sich von einem Exemplar unseres Museums, das vermuthlich aus dem südlichen China (Macao) herrührt?), augenfällig unterscheidet, indem bei letzterem die schwarzen Querbinden des Schwanzes nur

lt) Um Missverständnissen vorzubeugen, wäre es vielleicht am zweckmässigsten, für diesen Fasan sich des späteren Namens Ph. albo-torquatus zu bedienen, unter welchem Bonnaterre (s. unten die angeführte Synonymie) zuerst die wilde, ursprüngliche Form von der bybriden, durch Vermischung mit dem gemeinen Fasan, Ph. colchicus L., entstan- denen und ebenfalls mit einem Halsrin ge versehenen Form unterschied, mit der sie bei Latham und Gmelin noch zusammengeworfen ist. Letztere Autoren fassten sie daher nur als Varielät von Ph. colchicus, Bonnaterre da- gegen zuerst als besondere Species auf. Dennoch lässt sich nicht läugnen, dass Latham (A Gen. Syn. of Birds. IV. p- 715. Uebersetz. von Bechstein Bd. II. 2. Th. p. 681.) bei Beschreibung seines Ring - Pheasant (Ph. torquatus Gm.) hauptsächlich auch die ursprüngliche, chinesische Form im Auge gehabt habe, da er obenan anführt, dass dieser Fasan in den Wäldern mancher Provinzen China’s, in der Mongolei u. s. w. einheimisch sei, und da er ausserdem auch von chinesischen Abbildungen dieses Vogels spricht, in denen wir die ganz charakteristischen weissen Streifen über den Augen angegeben finden. Darum hätte Bonnaterre für die als selbstständig erkannte chinesische Art auch keinen anderen als den auf Latham’s Nachrichten begründeten Namen Ph. torquatus Gm. wählen dürfen, wie später Temminck, Leach (The Zool. Miscell. II. Lond. 1815. p. 13.), Gray (Illustr. of Ind. Zool. Il. Tab. 41. fig. 1. The Gen. of Birds III. Fam. Phasianidae.) u. a. thaten.

2) Wir verdanken nämlich dieses Exemplar ohne Fundortangabe noch der Weltumsegelung Krusenstern’s, die bekanntlich auch Macao auf einige Zeit berührte. Dass es aus Japan (Nangasaki), wo Krusenstern am längsten verweilte, herstamme, ist aus dem Grunde unwahrscheinlich, weil weder Siebold, noch die neuere amerikanische Ex- pedilion unter Commodore Perry Ph. torquatus in Japan kennen gelernt haben, während durch beide PA. versicolor Temm. und Ph. Soemmeringii Temm. von dorther bekannt sind. (Vrgl. Siebold, Fauna Japon. Aves p. 104. Narrat.

Phasianus torquatus. 403

schmal sind, wie bei Ph. colchicus und Ph. mongolicus, und auch keine schwarze Schwanzspitze bilden. Letzteres stimmt in dieser Beziehung mit der älteren, im Uebrigen sehr mangelhaften Abbildung von Leach;') überein. Ohne Zweifel ist das aber keine specifische, sondern nur eine Varietätsdifferenz, um so mehr, als unsere Exemplare sonst in allen Stücken gleich sind und das südchinesische(?) nur ein etwas schöneres und ausgedehnteres Purpurroth auf dem Kropfe und der Oberbrust hat, was vielleicht seiner südlicheren Heimath zuzuschreiben sein dürfte. Dabei scheint die erwähnte Zeichnung des Schwanzes bei den nordchinesischen und mandshurischen Individuen eine ganz constante zu sein, da sie auch von Pallas an den in den nördlichen Gränzländern China’s, in der Mandshurei, am Argunj und in Transbaikalien vorkommenden Fasanen dieser Art ausdrücklich hervorgehoben wird°). Bekanntlich war Pallas zweifelhaft, ob er die Fasane der genannten Gegenden nur für eine Varietät (Var. mongolica) von Ph. colehicus, oder aber für eine selbständige Art halten sollte. Später entdeckte Brandt in den Fasanen des Altai-Gebirges eine von Ph. colchicus verschiedene Art, auf die er die Pallassche Varietät beziehen zu müssen glaubte und die er daher Ph. mongolicus nannte‘°). Allein so sehr wir ihm darin beistimmen müssen, dass Ph. mongolicus eine eigene Art sei, so möchten wir doch Pallas’ Var. mongolica nicht auf diese Form sondern auf den uns gegenwärtig auch aus dem Amur- Lande vorliegenden Ph. torquatus beziehen. Dies scheint uns sowohl aus den Fundortangaben von Pallas, wie aus der Beschreibung und den zur Unterscheidung von Ph. colchicus einzeln von ihm angeführten praegnantesten Charakteren der Var. mongolica hervorzugehen. Namentlich dürften der helle, olivenfarbige, grünlich glän- zende Scheitel mit einem weisslichen Streifen jederseits über den Augenbrauen, der weniger glänzende, beinahe etwas graue Nacken, die spitzer ausgeschweiften und am Schafte höher hinauf schwarz gezeichneten Federn des Kropfes, die gelben, an den Federspitzen schwarzge- fleckten Weichen, die Zeichnung der Rückenfedern mit schwarzer Mitte und breitem gelb- lichem Umkreise (am Oberrücken), oder mit breiterem, hellerem, schwärzlich bespritztem Mit- telfelde und rothbraunem Umkreise (am Mittelrücken), der helle, blaugrünliche, an den Seiten rothe Bürzel und die oben erwähnte Zeichnung der Steuerfedern diese und andere von Pallas an der Var. mongolica hervorgehobene Charaktere dürften auf Ph. torguatus hinweisen. In der Grösse kommt unser Exemplar dieses Fasans den von Pallas beobachteten zwar recht nahe, übertrifft aber dieselben nach allen Dimensionen um ein Weniges. Die Maasse des- selben sind folgende:

Länge des zusammengelegten Flügels ............. 9” 5” uuudes Schwanzes,. .i4 sogen seo are RD

of the Exped. of an Amer. Squadr. to the China seas and Japan,etc. under Commod. Perry. Zool. 1856. s.Cabanis, Journ. für Ornith. VI. Jahrg. p. 447.). Auch Hr. Akad. Brandt giebt bei Beschreibung dieses Exemplares (s. Bullet. 1. ec.) als Fundort «regaum Chinense» an.

I) The Zool. Miscell. II. Tab. 66.

2) «Rectricibus' caudae mediis paulo longioribus, fasciis transversis latioribus, nec strigis ut in Colchica ave.» Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 85.

3) S. Bullet. 1. c. Eine Abbildung von Pr. mongolicus Brandt s. bei@ould, The Birds of Asia. Part. IX. Tab.

*

My Vögel.

Länge des Schnabels ..... RE MEETS UN Ur a He

Breite des Schnabels an der Stürne .....rrer cc... _ 8"

Längedes Laufes.......... be RER di ER IE az » der Mittelzehe ohne Nagel ....... 22. r2220. ie 9" » des Nagels an der Mittelzehe .............. U y » der Hinterzehe ohne Nagel ................ =6" » des Nagels an der Hinterzehe ............. #4" »4) »des Spornes .jeneneitenene nina ENTER UST 5”

Ist nun Pallas’ Var. mongolica in der That der Ph. torquatus Gm., so lernen wir diesen Fasan in continuirlicher Verbreitung durch China bis in das Amur-Land und das anstossende Trans- baikalien kennen. Am häufigsten, sagt Pallas, begegnet man ihm an schilfreichen Orten des wärmeren südlichen Theiles der grossen mongolischen Wüste nach der chinesischen Mauer zu; doch fehlt er auch dem nördlicheren Theile nicht und wird im Sommer namentlich am russisch-chinesischen Gränzsee Dalai-Noor, in den Thälern am Argunj, bei Abagaitu und selbst noch in Transbaikalien bei den Silberbergwerken von Kutomar angetroflen und in Schlingen gefangen. Im Winter pflegen ihn die chinesischen Kaufleute gefroren auf den Markt von Kjachta zu bringen. Ostwärts vom Argunj soll er häufig am Chara muren (schwarzen Flusse) und nach Ysbrand Ides’ Zeugniss am Yalo, einem rechten Zuflusse des Naun oder Nonni oberhalb Tsitsikar, vorkommen. Von letzterem Flusse, dem nördlichen Quellarme des Ssungari, nur wenig ostwärts in denselben Breiten gegangen, stehen wir am Amur, und zwar gerade an demjenigen Theile desselben, wo dieser Fasan am häufigsten vorkommen soll, nämlich in der Gegend von Aigun und der mandshurisch-chinesischen Ansiedelungen. Dort wurde auch das uns durch Hrn. von Wrangell zugekommene Exemplar etwas oberhalb vom Bureja-Gebirge geschossen. Ohne Zweifel kommt Ph. torguatus auch im Bureja-Gebirge und wahrscheinlich auch noch unterhalb dieses letzteren, in der Gegend der Ssungari- und Ussuri-Mündungen vor. Noch weiter unterhalb aber dürfen wir ihn kaum vermuthen und am untersten Laufe des Amur, vom Gorin abwärts, fehlt er ganz entschieden. Mit Ph. torquatus lernen wir also den dritten Fasan in der russisch - sibirischen Fauna ken- nen: es ist die östlichste Form, auf die nach Westen, in den Altai- Gegenden und Westsi- birien Ph. mongolicus und noch westlicher, im Umkreise des Caspischen und Schwarzen Meeres Ph. colchicus folgt.

122) Gallus gallinaceus Pall.

Bei den Giljaken: pükk. » » Mangunen und den Golde am Amur und Ussuri: päkko. » » Dauren: kakra.

Gallus gallinaceus. Otis Tarda. 405

Das Haushuhn ist den Eingeborenen des Amur-Landes, den Giljaken, Mangunen und Golde von den Mandshu undChinesen her bekannt und wird von ihnen gern in Holz- schnitzwerken oder in metallischen Arbeiten u. dgl. m. dargestellt. In ersterer Weise haben wir es namentlich unter den Verzierungen der Aschen- und Leichenhäuschen, in letzterer auf verschiedenen Utensilien, wie Lanzen, Messern u. dgl., dargestellt gesehen. Als Hausgeflügel wird es jedoch von keinem dieser ichthyophagen und halbnomadischen Völker gehalten. Erst bei den mit Gartenbau beschäftigten chinesischen Ansiedlern am Ussuri, wie in Chaizo, Aua u. s. w., finden sich welche, aber nur in geringer Anzahl. In grosser Menge dagegen werden Haushühner ın den ackerbauenden daurischen, mandshurischen und chinesischen An- siedelungen am Sachali- oder oberen Amur-Strome, von Chormoldin bis zur Dseja-Mün- dung gehalten. Vonden Russen wurden einige wenige gleich nach Begründung der ersten russischen Posten am Amur im Jahre 1854 nach Nikolajevsk gebracht; grössere Mengen aber kamen im folgenden Frühjahr im Gefolge der russischen Colonisten, die sich von Transbaikalien an den unteren Amur zwischen dem Nikolajevschen und Mariinski- schen Posten übersiedelten.

V. GRALLATORES.

123) @tis Tarda L.

Wenn Pallas') die Verbreitung des grossen Trappen in Sibirien nicht über die Lena und die Baikalgegenden nach Osten reichen lässt, so sind wir, was den letzteren Ort betrifft, gegenwärtig nach den Erfahrungen Hrn. Maack’s im Stande, die östliche Gränze von O. Tarda etwas bestimmter anzugeben. Hr. Maack sah nämlich diesen Trappen in Transbaikalien im weiten Thale der Uda, eines Zuflusses der Sselenga, und zwar die ersten am 42 April, beob- achtete ihn später in grosser Anzahl in der ausgedehnten Burjatischen Steppe und erhielt endlich ein Exemplar desselben in Nertschinsk, ein Weibchen, das in der Umgegend der Stadt während des Brütens und mit den beiden Eiern, auf denen es sass, erbeutet worden war. Dieses Exemplar stimmt mit einem Weibchen, das unser Museum aus Tiflis besitzt, sowie mit dem europäischen Vogel vollkommen überein. Auch die Eier sind genau von der Grösse, wie Pallas sie angiebt, nämlich von 3” im Längen- und 2”2”’ im Breitendurchmesser, und ganz von der Gestalt und Farbe wie Thienemann’”) auf Taf. LVI. fig. 1. b. darstellt, nur etwas mehr

1) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 97 und 99, 2) Fortpflanzungsgesch. der gesammten Vögel. Leipzig 1850.

406 Vögel.

olivengrünlich und mit verwascheneren und weniger auflallenden bräunlichen Flecken. Weiter ostwärts, an der Schilka, am unteren Argunj und oberen Amur ist ©. Tarda weder Hrn. Maack noch mir jemals begegnet. Vergeblich sah ich mich nach derselben auch in den Prai- rieen am Amur, namentlich in den trockneren und ebeneren oberhalb des Bureja-Gebirges um. Demnach scheint also die Verbreitung von O. Tarda im Osten Sibirien’s nicht bloss auf die unmittelbar am Baikal-See gelegenen Gegenden sich zu beschränken, sondern auch das Quellland des Amur -Stromes, so weit dieses noch theilweise den Charakter der innerasiatischen Hochebenen und Steppen trägt, zu umfassen und erst mit dem Beginne einer ausgesproche- neren Wald- und Gebirgsnatur im Osten abzubrechen.

124) Fulica atra L. Bei den Giljaken: /ywwun-i.

Das gemeine Wasserhuhn ist im Amur-Lande genau von derselben Farbe und Zeich- nung wie in Europa. Auch finde ich nicht, dass es, wie die japanischen Individuen (F. atra japonica Temm. et Schleg.')), den europäischen an Grösse nachstehe. Ja, mit den von Temminck und Schlegel zur Unterscheidung mehrerer Grössenvarietäten unter den Wasser- hühnern zusammengestellten Maassen verglichen, scheint es sogar die europäischen in mancher Beziehung um etwas zu übertreffen. Folgendes sind die Maasse von vier alten Individuen vom Amur:

Männchen Weibchen. Länge.des zusammengelegten Flügels... # 57° "2a" 8 _ » Wrdes'Schwanzes . .". . Ale „ee. NED N A _ » des Schnabels in der Mundspalte .... 1" a1” a" a" a7 a7 17 317 Höhe des Schnabels am hinteren Ende der Na- ;

senlöcher U 4... el RR 62" 61 Tree Länge des Laufes ..........: en a er a SE » der Mittelzehe ohne Nagel ........ 3” 1” 2’10” " a’ 10" 2’ g” » des Nagels an der Mittelzehe ....... _ 717 67°. 5100

Gegen die Tabelle in der Fauna Japonica gehalten, stimmen diese Maasse am meisten mit den europäischen Individuen überein, indem sich in allen Dimensionen, mit Ausnahme der Flügellänge, entweder ganz dieselbe, oder eine sehr nahe stehende, oft auch zwischen den japanischen und europäischen Individuen genau vermittelnde Grösse findet Dilierenzen, welche uns bei der bekannten Grössenvariabilität von F. atra”) nicht weiter auflallen dürfen, Nur

I) Siebold, Fauna Japon. Av. p. 121. Tab. LXXVI. 2) Vrgl. Naumann, Naturgesch. der Vögel Deutschl, IX. p. 636.

Fulica atra. Grus Leucogeranus. 407

in einer Dimension findet eine entschiedene Abweichung statt: es ist dies die Flügellänge, welche bei allen unseren Exemplaren sehr merklich grösser als bei den europäischen, nach Temminck’s und Schlegel’s Angaben, ist'). Aus der erwähnten Maasstabelle in der Fauna Japon. wird man jedoch ersehen, dass dies auch derjenige Maassabstand ist, welcher bei den kleineren Varietäten des Wasserhuhnes in Japan, Hindostan und Java verhältnissmässig am meisten abnimmt. Es scheint somit bei F. atra nach dem Süden (Asien’s) zu nicht bloss eine allgemeine Grössenabnahme in allen Körpertheilen, sondern auch noch eine besonders merkliche in der Flügellänge stattzufinden eine Erscheinung, die wir uns vielleicht aus dem Umstande erklären dürfen, dass dieser zum Fliegen überhaupt wenig geschickte und träge Vogel im Süden, wo er Standvogel ist, auch viel weniger zur Ausübung des Flugvermögens kommt, als im Norden, wo ihn das Klima zu mehr oder weniger ausgedehnten periodischen Wanderungen nöthigt, in Folge deren auch seine Flugwerkzeuge sich kräftiger entwickeln müssen.

F. atra kommt wohl im gesammten Amur-Lande vor, da wir siesowohl aus dem Quell- lande, wie von der Mündung des Amur-Stromes erhalten haben. In ersterem wurde sie vom Hrn. Maack bei Nertschinsk und anderSchilka beider Nertscha-Mündung und bei Schil- kinskoiSawodam 29. April bis 5. Mai (1 1—17. Mai) erbeutet. An der Amur-Mündung er- hielt ich sie von den Giljaken aus derUmgegend des NikolajevschenPostens am 48 August. Die- ses Exemplar, ein altes Weibchen mit kaum merklichen weisslichen Federspitzen an der Unter- seite und mit einer bis zur Höhe der vorderen Augenwinkel hinaufreichenden Blässe, war in der Mauser begriffen und hatte noch unentwickelte, nicht volle sechs Zoll lange Schwingen. Ver- muthlich steht F. atra an der Amur-Mündung nahe der Nordgränze ihrer Verbreitung, da sie weder von Middendorff bei Udskoi-Ostrog, noch von Wosnessenski bei Ajan gefunden worden ist.

125) Grus Leucogeranus Pall.

Bei den Mangunen: kıru.

Ich glaube diesen majestätischen Kranich im Amur-Lande mehrmals beobachtet zu haben, ohne dass es mir möglich war, ihn zu erlegen, da ihn seine grosse Vorsicht stets noch vor Schussweite davontrieb. Zum ersten Mal sah ich mehrere dieser Vögel am 6, Juli 1855 auf einer völlig nackten, weiten Sandbank des Amur-Stromes in der Gegend der Gorin-Mündung. Sie fielen mir besonders durch ihre grosse, hohe Gestalt, welche diejenige der Fischreiher bei weitem übertraf, und durch ihr anscheinend ganz weisses Gefieder auf. Mein Führer, ein wohlbewanderter Mangune, meinte, dass es von den Reihern ganz verschiedene Vögel seien,

1) Bei Naumann findet man jedoch die Flügellänge der europäischen Individuen ebenfalls grösser und zwar auf 83—9!” sächs. Arbeitsmaasses angegeben.

408 Vögel. r

die bei ihnen den oben erwähnten Namen trügen"). Als ich mich denselben anzuschleichen versuchte, schritten sie erst eine Strecke weit weg, blieben dann wieder stehen und flogen endlich nach einer kurzen Weile mit lautem, schwanenähnlichem Geschrei von dannen. Ein anderes Mal, am 42 Sept., sah ich drei dieser Vögel auf dem flachsandigen Ufer einer Insel im unteren Amur-Strome in der Gegend von Tschelmok stehen. Wiederum liess mir die Grösse der- selben keinen Zweifel darüber, dass ich es nicht mit Reihern zu ihun hatte. Aber auch dies- mal liessen sie mich nicht näher kommen, sondern flogen, noch ehe unser Boot sich auf Schuss- weite genähert hatte, mit demselben lauten Geschrei auf, schwangen sich hoch in die Luft und senkten sich erst, als wir weit vorüber waren, wieder dem früheren Orte zu. Da dieser Kra- nich nach Pallas”) durch ganz Sibirien bis in den hohen Norden vorkommt und auch an der Lena und in Daurien, sowie in China und Japan’) beobachtet worden ist, so ist es wohl höchst wahrscheinlich, dass er auch das Amur-Land besucht und dass wir die obigen Beobachtungen auf diese Art beziehen dürfen.

126) Grus einerea Bechst.

Zwar liegt uns aus dem Amur-Lande kein Exemplar vom grauen Kranich vor, allein die Wanderzüge desselben glauben wir auch im Amur-Lande bemerkt zu haben. Im Früh- jahr 1855 sah Hr. Maximowiez beim Mariinskischen Posten die ersten Kraniche am 5 April; im Herbst 1854 zeigten sich beim Nikolajevschen Posten um die Mitte des September (alten Stiles) hoch in der Luft zahlreiche, in südwestlicher Richtung steuernde Züge grosser Vögel, die ich für Kraniche halten musste. Nach Pallas‘) ist bekanntlich Gr. einerea durch ganz Sibirien bis an die Flüsse Lena, Kolyma, Anadyr verbreitet und ist auf dem Zuge, wenngleich selten, auch inKamtschatka (inNishne-Kamtschatks und beiOlutora) beob- achtet worden. Desgleichen nennen Temminck und Schlegel’) den grauen Kranich, in

einer langschnäbeligen Varietät (Gr. cinerea longirostris), aus Japan.

127) Wanellus eristatus Meyer et Wolf.

Bekanntlich führt Pallas") an, dass der Kibitz im Osten Sibirien’s zwar noch hin und wieder an den Seen Daurien’s vorkomme, weiterhin nach Osten aber fehle. Mit der ersteren

!) Vermuthlich dem Schrei des Vogels entnommen, scheint dieser Name ebenfalls mehr auf einen Kranich als auf einen Reiher hinzudeuten,

2) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 104.

®) Temminck, Rec. de Pl. color. Tab. 467, nebst Text. Desselb. Man. d’Ornith. IV. p. 366. Siebold, Fauna Japon, Aves. p. 118.

4) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 106.

5) Siebold, Fauna Japon. Aves. p. 117. Tab. LXXII.

6) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 132.

Vanellus eristatus. Squatarola helvetica. 409

Angabe stimmen auch die Erfahrungen Hrn. Maack’s überein, der den Kibitz in Trans- baikalien im Uda- und Ingoda-Thale um die Mitte des April recht oft beobachtet und von ersterem Orte auch in mehrfachen Exemplaren mitgebracht hat, die von den europäischen in keinerlei Hinsicht abweichen. Zugleich verdanken wir aber Hrn. Maack auch ein Exemplar dieses Vogels vom südlichen Amur und zwar von der Mündung des Ssungari-Stromes. Es ist ein am 7; Juli geschossener junger Vogel in dem bekannten, rostgelb getüpfelten Jugend- kleide, dem europäischen in allen Stücken gleich. So fehlt also der Kibitz auch dem äussersten Osten Südsibiren’s, wir meinen dem Amur-Lande, nicht, ob er dort gleich am Amur- Strome selbst, wegen der bald felsigen, bald flachsandigen, bald mit dichtem Weidengesträuch oder hohem Grase bedeckten Ufer desselben, nur sehr sporadisch und jedenfalls viel seltner als in Daurien vorkommen dürfte. Mit dem Vorkommen von V. cristatus im Amur-Lande run- det sich nun auch sein ganzer Verbreitungsbezirk sehr wesentlich ab, und brauchen wir uns nicht mehr mit Temminck und Schlegel') darüber zu wundern, dass er auchinJapan, und zwar in ganz gleicher Tracht wie inEuropa und in manchen Gegenden sogar als ein recht ge- meiner Vogel auftritt.

123) Squatarola helvetica Briss. Bei den Giljaken: krungi”).

Dieser weit verbreitete Vogel, der im Osten Asien’s von den Eismeerküsten°) bis nach Japan, Borneo und Java bekannt ist“), fehlt natürlich auch dem Amur-Lande nicht. Beim Nikolajevschen Posten schoss ich im Herbst 1854 ein einzelnes Individuum, das sich auf dem niedrigen Ufer des Amur-Stromes sehen liess. Es stand am 1$ Sept. im vollen Winter- kleide und hatte nur einen schwachen grünlichen Schimmer auf dem Oberrücken und blasse gelblichweisse Tropfenflecke im Gefieder der Oberseite, mit dem europäischen Vogel ganz übereinstimmend. Am frischgeschossenen Vogel waren: die Iris dunkelbraun, der Schnabel grünlichschwarz, die Füsse blaugrau.

1) Siebold, Fauna Japon. Ay. p. 106.

2) Eine sehr allgemeine, für viele schnepfenartige Vögel, zumal aus den Geschlechtern Charadrius, Totanus, Actitis, Tringa u. a., gebräuchliche Bezeichnung.

3) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. II. Charadr. hypomelas p. 138. und Ch. Pardela p. 142.

%) Siebold, Fauna Japon. Aves. p. 106.

Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 52

410 Vögel.

129) Charadrius pluvialis L. Bei den Giljaken: krung:.

Der Goldregenpfeifer kommt im Amur-Lande nicht bloss auf dem Durchzuge, sondern auch als brütender Vogel vor, und zwar können wir ihn als solchen sowohl für den oberen Lauf, wie für die Mündung des Amur-Stromes anführen.

Vom oberen Amur haben wir durch Hrn. Maack ein in der Gegend von Albasin am 7; Juni erbeutetes Weibchen erhalten, das zwar der Hauptsache nach schon in der Som- mertracht steht, zum grossen Theil aber auch noch Federn aus dem Winterkleide trägt. So lassen sich namentlich auf dem Kopf und Rücken im frischen, mit schönem Goldgelb gefleckten Gefieder noch recht viele abgeriebene alte Federn entdecken, die entweder nur weissliche Sei- tenflecke haben, oder aber in Folge starker Abnutzung auch einfarbig braunschwarz sind. Am Halse sieht man auch manche frische Feder eben erst mit der Fahne aus der Spuhle hervorbrechen. Der Bürzel istnoch fast ganz mit alten Federn bedeckt. Das Kinn, die Kehle und der Kropf tragen frisches Gefieder; erstere sind dabei schwarz gefleckt, letzterer fast ganz schwarz. Die Brust und der Bauch sind scheckig, schwarz und weiss gemischt. Die Flügeldeckfedern, Schwingen und Steuerfedern sind sehr stark verblichen und abgenutzt, und zwar geht hier die Abnutzung, wie auch bei anderen schnepfenartigen Vögeln (Totanus u. dgl.), besonders stark an den pigment- losen, weissen Seitenflecken vor sich, welche theils nur in schwachen Ueberbleibseln sichtbar, theils ganz verschwunden sind, so dass die Federn nunmehr grob sägeförmige Umrisse be- kommen haben. So an den Flügeldeckfedern, Hinterschwingen und vielen Steuerfedern; die härteren und ungefleckten grossen Schwingen haben sich besser erhalten; an den Spitzen der mittleren Steuerfedern dagegen ragen nur die nackten Schäfte vor. Der Färbung und den Grössenverhältnissen nach entspricht unser Exemplar zwar am meisten der von Temminck und Schlegel") unterschiedenen östlichen Race, Ch. pluvialis orientalis, nähert sich aber zum Theil auch der amerikanischen, Ch. pluv. americanus, und giebt somit einen Beweis mehr für die von Middendorff”) an nord- und ostsibirischen Individuen dargethane Unhaltbarkeit sol- cher Racenunterscheidung unter den Goldregenpfeifern ab. Namentlich hat unser Exemplar die lebhaft goldgelben Flecke der Oberseite, die grauen, weiss gerandeten unteren Flügeldeck- federn, die geringere Länge der Flügel (von 5’ 10”) und die grössere Höhe der Läufe (von 1” 7”) mit der östlichen, die nur unvollständigen, kaum am Rande angedeuteten Binden der Steuerfedern dagegen mit der amerikanischen Race gemein. Letzteres fand Middendorff auch bei seinem Exemplar aus Udskoi-Ostrog, welches sich aber zugleich durch eine gerin- gere Länge der Tarsen sowohl an die amerikanische wie an die europäische Race anschloss. So steht also das Amur-Exemplar zwischen denjenigen von Udskoi-Ostrog und den südost- asiatischen, wie Temminck und Schlegel sie charakierisiren, mitten inne. Dass sich übri- gens noch viele Zwischenformen finden werden, versteht sich von selbst.

!) Fauna Japon. Av. p. 105. Tab. LXII. 2) Sibir. Reise. I. c. p. 210.

Charadrius pluvialis. Ch. mongolieus. 411

Wie am oberen Amur-Laufe und, nach Middendorff’s Erfahrungen, in der Gegend von Udskoi-Ostrog, so nistet Ch. pluvialis auch an der Mündung des Amur-Stromes. Zum Beweise dafür dient mir ein Ei, welches ich im Frühjahr 1855 von den Giljaken aus der Umgegend von Wair, etwas oberhalb des Nikolajevschen Postens erhielt. Es entspricht in seiner ganzen Beschaffenheit sehr nahe der von Thienemann') auf Taf. LIX. fig. 1. f. gegebenen Abbildung: die Form ist ganz dieselbe, die Länge von 2714”, die grösste Breite, nahe dem stumpfen Ende, von 1” 31”, die Grundfarbe etwas grünlicher, die Mitte zwischen den Figg. f. und b. von Thienemann haltend, die Flecken sind wie in letzterer, aber nahe dem stumpfen Ende in einen dicken Kranz zusammengedrängt, wie das bei den Eiern von Ch. pluvialis meistens der Fall zu sein pflegt’). Am -$, Mai war es noch ganz unbebrütet.

130) Charadrius mongolicus Pall.

Bei den Golde am Amur: tschitsche®). » » Ssamagern am Gorin: hirugn(?).

Die Amur-Exemplare dieser Art stimmen mit der von Middendorff*) nach Individuen aus Udskoi-Ostrog entworfenen Abbildung vollständig überein. Bemerken wir nur, dass die rostrothe Farbe der Brust und die schwarze Zeichnung der Stirn und Augengegend nicht immer von gleicher Intensität und Ausbreitung sind. Während z.B. eines unserer Männchen in dieser Hinsicht ganz der erwähnten Abbildung entspricht, bleibt bei einem anderen die Rostfarbe nur auf ein schmales Band in der Kropfgegend und ein etwas breiteres Feld an den Brust- seiten beschränkt, die Mitte der Brust aber hat nur einen schwachen, roströthlichen Anflug. Zugleich ist bei letzterem die schwarze Zeichnung der Stirn und Augengegend zwar ganz in derselben Weise vorhanden, aber die Streifen, die sie bilden, sind schmäler und ihre Farbe blasser, nur braunschwarz. Dies Exemplar steht somit dem durch den Mangel der schwarzen Stirnzeichnung und durch eine eingeschränktere und blassere Rostfarbe an der Brust markirten Weibchen näher und dürfte sehr wahrscheinlich das jüngere Männchen sein. Am frischge- schossenen Vogel waren: die Iris dunkelbraun, der Schnabel schwarz, die Füsse gelbbraun.

Ch. mongolicus, der uns schon durch Pallas’) aus dem Quelllande des Amur-Stromes, nämlich vom Onon und Argunj, und durch Middendorff von der Südküste des Ochotski- schen Meeres bei Udskoi-Ostrog bekannt ist, lässt sich auch im gesammten zwischenliegen-

1) Fortpflanzungsgesch. der gesammten Vögel. Leipzig 1850.

2) Vrgl. Naumann, Naturgesch. der Vögel Deutschl. VII. p. 157.

3) Eine sehr allgemeine, für viele schnepfenartige Vögel gebräuchliche, dem «krungi» der Giljaken (s. oben) und «täote» der Mangunen (s. weiter unten) entsprechende Bezeichnung.

%) Sibir. Reise. 1. c. p. 211. Tab. XIX. fig. 2. u. 3.

°) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 137.

412 Vögel.

den Amur-Lande sehen. Ich beobachtete ihn am unteren Amur bei Chome, zwischen der Gorin- und Chongar-Mündung, am „% Juli in grossen Schwärmen, die sich auf den nie- drigen, sandig-schlammigen Ufern des Stromes aufhielten. Auch dort schienen, wie nach Mid- dendorff’s Beobachtungen bei Udskoi-Ostrog, die Schwärme fast nur aus Weibchen zu- sammengesetzt zu sein, indem wir unter 8 aus einem Schwarme geschossenen Individuen 7 Weibchen und nur ein Männchen erhielten. Hr. Maack hat Ch. mongolicus am 29. Juni (11. Juli) am südlichen Amur nahe der Ssungari-Mündung erlegt.

131) Charadrius (Aegialites) euronicus Besecke.

Bei den Mangunen: täote'). » » Golde unterhalb des Ussuri: tschitsche. DE » oberhalb des Ussuri: ssekale”).

Die Tracht dieses kleinen Regenpfeifers ist im Amur-Lande genau dieselbe wie in Europa. Nur darf man kein zu grosses Gewicht auf die angeblich eonstante Zeichnung der Steuerfedern legen, da sie nicht selten variirt, indem das Weiss derselben bald stärker vor- herrscht, bald von der braunen Farbe mehr zurückgedrängt wird. Von den 7 Exemplaren, die mir aus dem Amur- Lande vorliegen, haben 6 an der äussersten Steuerfeder die Zeichnung, die man bei den europäischen Individuen an der zweitäussersten beschrieben fin- det°), dass nämlich auf der Innenfahne, ausser dem schwarzbraunen Querfleck nahe ihrem Ende, noch ein zweiter kleinerer und blasserer bräunlicher Fleck oberhalb des ersteren sich befindet; auf der 2ten Feder geht der braune Fleck auch schon auf die Aussenfahne hinüber und nimmt die halbe Breite derselben ein, was bei den europäischen Individuen an- geblich erst auf der 3'° Feder statt hat; die 3'° Steuerfeder hat beim Amur-Exemplar neben der weissen Spitze nur einen sehr schmalen weisslichen Aussenrand in ihrer Endhälfte; die und 5' haben nur abnehmend kürzere weisse Spitzen, und die 6' endlich hat gar kein Weiss mehr. Ganz dieselbe Zeichnung finde ich übrigens auch bei einigen westsibirischen und europäischen Exemplaren unseres Museums, wie umgekehrt auch eines der Amur-Exem- plare eine vorherrschend weisse Zeichnung hat. Es ist daher nichts mehr als ein individuelles Abändern, das sich allenthalben finden lässt. Am frischgeschossenen Vogel waren im April und Juli: die Iris dunkelbraun, der Augenring gelb, der Schnabel schwarzbraun, an der Basis des Unterkiefers gelb, die Füsse lleischfarben, die Nägel schwarz.

!) Ueber den Umfang dieser Bezeichnung s. oben p. 411. ?) Vermuthlich eine ebenso allgemeine Bezeichnung wie das «tschitsche» der unteren Golde. ?) Vrgl. Naumann, Naturgesch. der Vögel Deutschl. VIT. p. 228.

Charadrius (Aegialıtes) curonicus. Haematopus Ostralegus. 413

!

Ch. curonicus, von Europa und Westsibirien') bis nach Japan”) verbreitet, kommt auch im gesammten Amur-Lande vor und findet sich dort namentlich recht häufig auf den am Amur-Strome bei niedrigem Wasserstande sehr zahlreich vorhandenen sandigen und kie- sigen Uferstrecken, auf den vielen Landzungen, niedrigen Sandbänken u. dgl. m. In solcher Localität habe ich ihn im unteren Amur-Lande zu wiederholten Malen, so bei Pessui, Kulgu, Dsifu und Dshare geschossen. Und zwar traf ich ihn am -% Juli noch im abgenutzten Som- merkleide und am 1% (bei Dshare) schon im Beginne der Mauser. Hr. Maack hat ihn am 20. und 27. April (2. und 9. Mai) am Nertscha-Flusse im Quelllande des Amur-Stromes erlegt. Eines von diesen Exemplaren, ein junges Männchen, bietet die Abnormität dar, dass die eine Seite des Schwanzes aus alten, theilweise abgenutzten, die andere aus frischen, in der Entwickelung begriffenen und erst halb so langen Federn besteht. Ohne Zweifel ist hier, in Folge irgend welcher Umstände, die eine Schwanzhälfte eingebüsst worden und wird nun- mehr durch neue Federn ersetzt.

132) Haematopus Ostralegus L.

Vom Austernfischer liegen uns aus dem Amur-Lande ein alter Vogel im Sommerkleide und ein junger in seinem ersten, noch keinmal vermauserten Jugendkleide vor. Bei beiden ist die Vertheilung der Farben ganz mit den europäischen Individuen übereinstimmend; beim jungen Vogel ist das Schwarz, wie bekannt, durch Braunschwarz ersetzt und dieses auf der ganzen Oberseite und auf dem Kropfe mit lichteren, rostgelblich-bräunlichen Federkanten ver- sehen. Voneinem weissen Mondilecke auf der Gurgel findet sich keine Spur, da dieser wahr- scheinlich erst nach der Mauser im ersten Herbstkleide sich einstellen dürfte’). Am frischge- schossenen jungen Vogel waren: die Iris graubraun, der Schnabel röthlichgelb, die Füsse fleisch- farbig grau. In der Grösse stimmt unser Exemplar vom alten Vogel mit den von Pallas‘) an- gegebenen Maassen sehr überein, mit alleiniger Ausnahme des Schnabels, der ansehnlich länger, ja von so ausnehmender Länge ist, wie wir ihn nirgends angegeben ünden°). Folgendes sind

die Maasse unserer Exemplare vom Amur: Altes Weibchen. Junger Vogel.

Länge des zusammengelegten Flügels ............... 9’ 10” 9” 2" DB NER SE EN az Se le nee ae ea redet 3 37 8”

!) Brandt, Consid. sur les anim. vert. de la Siberie occid. (Voyage de M. Tschihatscheff). p. 28.

2) Temminck, Manuel d’Ornith. III. p. LII. u. IV. p. 358.

3) Vrgl. Faber, Ueber das Leben der hochnordischen Vögel. Leipzig 1825. p.78.; Degland, Ornith. europ. 11. p- 106. u.a. Naumann dagegen (l. c. VII.p. 330.) schreibt auch dem noch unvermauserten Jugendkleide einen weissen, oft nur sehr kleinen Mondfleck auf der Gurgel zu.

4) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 130.

°) Diesem Charakter nach möchte man beim Amur-Exemplar an die australische Art H. longirostris Vieill. (H. australasianus Gould) denken; allein, nach Gould’s Abbildung (The Birds of Austr. V1. Tab, 7.) zu urtheilen, über- trifft letztere die europäische Art in der Schnabellänge keineswegs; diese ist vielmehr bei beiden auf ein Haar dieselbe. Worin übrigens der Unterschied zwischen beiden bestehe, lässt sich weder aus der Abbildung, noch aus der Diagnose Gould’s für H. australasianus (Proceed. of the Zool. Soc. of London. 1837. p. 155.) entnehmen.

41% Vögel.

Altes Weibchen. Junger Vogel.

Länge, ‚desjSchnabelst.1# 1. Best ou, «1 . ME aa A 37,471"... ‚20, Al Höhe des Schnabels an der Stirne ......... RR? > ER 67 Breite des Schnabels ebendaselbst..........z...2.... 61" —5” Länge, ;des Lanlesgeud. Zi: a EEE ie 17119 » der Mittelzehe ohne Nagel ..... “oe. --oeren- A 2. 1” 2 » des Nagels an der Mittelzehe ..... 22.22.2220. A 3

Die in unserem Museum vorhandenen Exemplare alter Austernfischer aus den Umgegenden von Archangelsk und St. Petersburg und aus Westsibirien bleiben hinter dem Amur- Exemplar in der Schnabelläinge um $—13” zurück. Zwischen dem alten und jungen Vogel vom Amur beträgt aber der Unterschied sogar 14”.

Schon Pallas war das Vorkommen des Austernfischers in Westsibirien und an den Ostküsten Nordasien’s, in Kamtschatka und auf den Kurilischen Inseln bekannt; im In- nern Sibirien’s dagegen, am Jenissei und Baikal, ist er weder zu Pallas’ Zeiten noch später beobachtet worden. Durch Middendorff') haben wir H. Ostralegus auch von den Schantarischen Inseln und durch Siebold aus Japan’) kennen gelernt. Dass er also auch die Küsten des Amur-Landes bewohne, kann keinem Zweifel unterworfen sein. Allein wir haben ihn dort auch im Innern des Landes und zwar recht weit von der Meeresküste ange- troffen: denn das oben erwähnte alte Weibchen wurde von Hrn. Maack am „5, Juli nahe der Ussuri-Mündung und der junge Vogel von mir am 31. Juli (12. Aug.) am Amur-Strome oberhalb seines Durchbruches durch das Bureja-Gebirge, hart beim kleinen Dorfe Kalta. auf einem niedrig-sandigen Ufer erlegt. Bei der bekannten Vorliebe von H. Ostralegus für die Meeresküste ist es nun gewiss nicht wahrscheinlich, dass dieser junge Vogel sich bloss zufällig so weit landeinwärts verirrt haben sollte. Viel glaublicher scheint es mir, dass er sich nicht weit von dem Orte, wo er ausgebrütet worden, aufhielt. In solchem Falle gäbe es hier aber einen Brüteort des Austernfischers, dessen direkte und nächste Entfernung von der Meeresküste un- gefähr 85 geogr. Meilen beträgt eine Entfernung, die gewiss zu gross ist, um mit Nau- mann’) annehmen zu dürfen, dass der am süssen Wasser brütende Vogel sich wechselsweise immer wieder an die Meeresküste begebe, und nicht vielmehr eine Zeit lang auch entfernt von derselben zubringen könne.

1335) Totanus Glottis L. Bei den Golde am Ussuri: kaukale. Ganz so wie es nach den Erfahrungen der deutschen Ornithologen *) im mittleren Europa der Fall zu sein pflegt, haben wir auch im Amur-Lande die meisten Individuen von T. Glottis

1) Sibir. Reise. I. c. p. 213.

2) Freilich nur nach japanischen Zeichnungen, s. Fauna Japon. Av. p. 139. Desgl. Temminck, Man, d’Ornith. III. p. LIL. u. IV. p. 351.

3) Naturgesch. der Vögel Deutschl. VII. p. 334.

*) Vrgl. Naumann, |. c. VII. p. 148 u. 136. u. a.

Totanus Glottis. 415

im Spätsommer, in dem noch unvermauserten Jugendkleide erhalten. Nur eines unserer Exem- plare, das wir Hrn. Maack verdanken, wurde im Frühjahr und zwar am 20. Mai (1. Juni) an der Schilka wenig oberhalb ihres Zusammenflusses mit dem Argunj, vermuthlich wäh- rend des Durchzuges nach Norden, erlegt. Dieses Exemplar steht noch im Winterkleide, das aber theilweise recht abgenutzt und verblichen ist. Es scheint übrigens auch kein altes Indi- viduum gewesen zu sein, da es, wenn auch im Ganzen heller als im Jugendkleide, doch nur wenig Weiss im Gefieder der Oberseite und keineswegs die starke weisse Zeichnung hat, die Naumann‘) an den alten Individuen (aus dem nördlichen Africa) beschreibt. Auf der Unter- seite finden sich sehr deutliche und dunkle schwarze Flecke auf dem Kropfe und an den Brust- und Halsseiten und einige kleinere und hellere Fleckehen ausnahmsweise auch auf demKinn. Am unteren Amur bemerkten wir T. Glottis auf seinem Frühjahrsdurchzuge nicht. Dagegen trafen wir ihn recht oft im Spätsommer und dann stets in dem noch unvermauüserten Jugend- kleidean. Dieses ist mit demjenigen europäischer Exemplare vollkommen übereinstimmend und bleibt sich auch an allen unseren Individuen im Allgemeinen gleich, indem es nur unbedeutend im Tone der bald dunkleren, bald verblicheneren braunen Grundfarbe und der mehr oder we- niger rostgelblichweissen Federkanten variirt. Männchen und Weibchen sind dabei äusserlich von einander nicht zu unterscheiden. Ziemlich stark variiren dagegen unsere Exemplare in der Länge der Tarsen, deren Grössenunterschied bis zu 41” beträgt, indem der kürzeste Lauf 2" 1”, der längste 2” 54” misst, eine Differenz, die bekanntlichBrehm zur Aufstellung einer besonderen Art, des T. longipes, bewog’). Bei allen diesen jungen Vögeln waren im frischen Zu- stande: die Iris dunkelbraun, der Schnabel an der Basis bläulichgrau, dann schwärzlichgrau und an der Spitze schwarz, die Füsse heller oder dunkler gelblichgrün, die Nägel schwarz. In beiden Jahren meines Aufenthaltes am Amur zeigten sich diese jungen Individuen von T. Glottis im August, auf den schlammigen und feucht-lehmigen Ufern der- entlegeneren Buchten und kleineren Flussarme, auf den Spitzen der bei niedrigem Wasserstande entblössten Land- zungen, der kleinen Inseln, Sandbänke u. s. w., und bei dem Reichthum solcher Localitäten am Amur liess sich stets die Vorliebe, die diese Wasserläufer für einen schlammigen Boden haben, sehr deutlich beobachten; denn niemals waren sie auf dem höheren und trockneren Ende einer Sandbank oder Insel, sondern immer erst dort zu sehen, wo diese, allmählig zum Niveau des Stromes hinabsinkend, zum Theil schon einen weichen Schlammboden gewinnen. An solchen Stellen habe ich T. Glottis meist einzeln, seltner paarweise oder in kleinen Schwärmen ge- sehen. Letztere waren auch immer sehr scheu und flogen noch vor Schussweite mit laut gel- lendem und schneidendem Geschrei davon; den ersteren dagegen gelang es mir mehrmals mich schussrecht anzunähern. So erlegte ich T. Glottis im Spätsommer 1855 am 18 Aug. am Us- suri, bei Tamurgu und an der Mündung des Kij-Flusses, und im folgenden Jahre vom 3. bis 20. Aug. (15. Aug. bis 1. Sept.) zu wiederholten Malen am Sachali-Strome und zwar an

1) 1. c. p. 152. Tab. 201. fig. 2. £ 2) Brehm, Beitr. zur Vögelkunde. III. p. 517. Die Widerlegung dieser Ansicht s. beiNaumann, 1. c. VII. p. 148.

416 Vögel.

der Bureja-Mündung, bei Kadagan und an der Einmündung des Komar-Flusses. Zur sel- ben Zeit, gegen Ende des August, beobachtete auch Middendorff') die letzten Individuen dieser Art in der nördlichen Mandshurei. Unweit von dort, am Westabhange des Sta- nowoi-Gebirges, sah er sie im Mai auch recht häufig nisten, und es ist ohne Zweifel die ge- ringe Entfernung dieser Brüteorte vom Amur-Lande, welche T. Glottis in letzterem schon so frühzeitig auf seiner Wanderung nach Süd erscheinen lässt.

134) Totanus Glareola L.

Obgleich viel seltner als die vorige Art, lässt sich 7. @lareola doch am gesammten Amur- Strome sehen. Wir haben ihn durch Hrn. Maack von der Schilka nahe der Stadt Ner- tschinsk und von dem südlichen Amur nahe der Ssungari-Mündung erhalten. Das erstere Exemplar, am „7, Mai erlegt, steht im Frühlingskleide, mit einzelnen, noch vom Winter her stehen gebliebenen, stark abgenutzten und theilweise sägeförmig ausgerandeten Federn; das letztere, am -, Juli geschossen, hat ein schon sehr abgetragenes Sommerkleid. Ich schoss T. Glareola am oberen Amur- oder Sachali-Strome nahe der Bureja-Mündung, auf einer bei niedrigem Wasserstande entblössten schlammigen Sandbank, wo ich ihn einzeln antraf. Dieses Exemplar, vom 3; August, hatte ein sehr abgenutztes Gefieder, an dem die weissen Kanten und Randflecken fast ganz verschwunden waren, wodurch viele der Federn grob aus- gezackte Umrisse bekommen hatten. Am frischgeschossenen Vogel waren: die Iris braun, der Schnabel hornfarben, an der Basis grünlich, die Füsse gelblichbraun in’s Grünliche. Ver- muthlich befand sich dies Individuum schon auf der Wanderung nach Süden. Am unteren Amur habe ich T. Glareola zwar nicht geschossen, glaube ihn aber ebenfalls gesehen zu haben. Auch hat ihn Middendorff’) gleich nördlich von der Amur-Mündung, in der Gegend von Udskoi-Ostrog, an der Südküste des Ochotskischen Meeres und auf der grossen Schantar-Insel erlegt.

135) Totanus ochropus L.

Bei den Giljaken: krung:.

Diesen Wasserläufer besitzen wir sowohl aus dem Quelllande wie von der Mündung des Amur-Stromes, und zwar in ganz gleichzeitig hier und dort geschossenen Exemplaren.

I) Sibir. Reise. 1. c. p. 213. 2) Sibir. Reise. I. c. p. 215.

Totanus ochropus. Actitis hypoleucos. 417

In ersterem traf ihn nämlich Hr. Maack am 6, Mai an derSchilka unweit vom Dorfe Bjan- kina an, und an der Amur-Mündung schoss ich ihn am 55 Mai desselben Jahres (1855) auf dem schlammigen Boden einer der vielen mit Weidengebüsch bewachsenen Inseln, die sich etwas oberhalb des Nikolajevschen Postens im Amur-Strome ausbreiten. Um dieselbe Zeit, am 4. Mai, sah ihn auch Middendorff') im Stanowoi-Gebirge zum ersten Mal sich zeigen. Wahrscheinlich dürften demnach die ersten Tage des Mai- und vielleicht auch schon die letz- ten des April-Monats die gewöhnliche Zeit seines Erscheinens im Amur-Lande sein. Unsere drei Amur-Exemplare sind lauter Männchen im vollen Frühlingskleide.

136) Actitis hypeleucos L.

Bei den Giljaken: krunge. » » Mangunen: Läote. » » Golde unterhalb des Ussuri: tschitsche. »» » am Ussuri: täotekt. »» » oberhalb des Ussuri: ssekale?).

Unsere recht zahlreichen Exemplare dieses Vogels vom Amur lassen sich von den euro- päischen in keinem Stücke unterscheiden. Nur scheint es bei ihnen Regel zu sein, dass der weisse Fleck auf den Innenfahnen der Schwingen nicht erst von der 3 en, sondern schon von der 2ten orossen Schwinge an beginnt, was bei den europäischen nur bisweilen der Fall sein soll“). Bei manchen der Amur-Exemplare ist dieser Fleck auf der 2!en Schwinge schon sehr gross und rein weiss, beianderen kleiner oder noch braun bespritzt, immer aber sehr deutlich, und nur bei einem Individuum finde ich ihn auf dem einen Flügel kaum durch einen weiss- lichen Schimmer angedeutet, während er auf dem anderen sehr ausgesprochen ist. Dass die feine schwärzliche Streifung der Kropfgegend und der Hals- und Brustseiten auch bei den Amur-Exemplaren variirt, versteht sich von selbst.

A. hypoleucos ist an den Ufern des Amur-Stromes einer der gemeinsten Vögel, den man auf einer Reise stromaufwärts täglich und fast beständig zu beobachten Gelegenheit hat. Die fast immer von Wald und Gebüsch umgebenen, längs dem unmittelbaren Wassersaume aber meistens niedrigen, sandigen und kiesigen Ufer dieses Stromes, die unzähligen, von Weiden- gebüsch längs einem schlammigen Ufer überschatteten Flussarme, die seichten Buchten, die

1) 1. c. p. 215.

2) Ueber den Umfang aller dieser Bezeichnungen vergl. das oben, in den Anmerk. zu Squwat. helvetica, Charadr. mongolicus und Ch. curonicus Angefuhrte.

3) Vrgl. Naumann, |]. c. VII. p. 12.

Schrenck’s Amur-Reise Bd. 1. 53

418 Vögel.

tausendfachen Flusskrümmungen, an denen sich die Rückstände höherer Fluthen ansammeln u. s. w., bieten ihm allenthalben die günstigsten Lokalitäten dar, die er bei der Wildniss jener Gegenden ganz ungestört bewohnen kann. Neben der weissen Bachstelze trägt er daher auch unstreilig am meisten zur Belebung der oft ermüdend einförmigen Ufer des Amur-Stromes bei. Auch fand ich ihn dort im Ganzen wenig scheu, da er eine schussrechte Annäherung im Boote recht oft gestattete. In der Gegend der Amur-Mündung sah ich ihn auf meiner Reise stromaufwärts zuerst am 18 Mai bei Tebach; doch muss er sich dort gewiss schon früher eingestellthaben. Meistens war er einzeln oder paarweise, bisweilen auch in kleinen Schwär- men von 3 und 4 Individuen zu sehen. Diese Exemplare hatten sämmtlich das Sommerkleid an. Im Juli und August erlegten ihn Hr. Maack und ich an verschiedenen Orten des Amur- Landes, so bei Dondon am Amur, bei Tumurgu amUssuri, im Bur eja-Gebirge u. s. w., in Individuen im Jugendkleide, das bis zum 43 August noch keine Spur von Mauser zeigte. Durch Hrn. Maack haben wir ihn endlich auch von der unteren Schilka erhalten.

137) Phalaropus cinereus Briss.

Einen einzelnen Vogel dieser Art schoss ich am 21. Aug. (2. Sept.) auf dem oberen Amur-Strome unweit unterhalb der Komar-Mündung, als er, von der Strömung getrieben, meinem Boote ruhig und wenig scheu entgegengeschwommen kam). Es war ein junger, ganz typisch gezeichneter Vogel, mit lebhaft rostgelb geflecktem Rücken und mit recht vielem, übrigens etwas weinröthlich angeflogenem Grau an der Gurgel und in der Kropfgegend. Die Iris war am frischgeschossenen Vogel dunkelbraun, der Schnabel schwarz, die Läufe vorn bläulich, an den Seiten fleischfarben, die Zehen violettgrau mit gelblichen Lappen, die Nägel schwärzlich. Bekanntlich hat Middendorff”) Ph. cinereus im Südosten Sibirien’s auf der Schantarischen Insel Aehae und im Stanowoi-Gebirge und zwar in letzierem brütend am Gebirgsstocke Bos’uda Alamyta, an den Quellen des Ujan-Flusses, gefunden. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass auch unser junger Vogel in der Nähedes Ortes, wo wir ihn antra- fen, d. i. also nahe der Komar-Mündung, in etwa 514° n. Br. ausgebrütet worden sei, was für einen so borealen Vogel wie Ph. cinereus gewiss einen sehr südlichen und verhältniss- mässig tief im Innern des Landes gelegenen Brüteort abgeben dürfte.

ı) Naumann, (l. c. VIII. p. 249.) giebt an, dass Ph. cinereus (bei ihm PA. angustirostris) niemals auf Flüssen angetroffen worden sei; nach Pallas dagegen (Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 204.) kommt er in ganz Sibirien auf den Flüssen und Seen vor.

2) Sibir. Reise, I. c. p. 216.

Limosa cinerea. 419

138) Limosa einerea Güldenst.

L. recurvirostra Pall., Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 181.

Bei den Golde oberhalb des Ussuri: kaukale').

Mit den in unserem Museum zahlreich vorhandenen Exemplaren dieses Vogels aus dem arktischen Europa und Asien stimmt unser Amur-Exemplar in der Farbe und Zeichnung voll- kommen überein. Was die Grösse betrifft, so scheinen bei L. cinerea unabhängig vom geogra- phischen Fundorte einige Schwankungen stattzufinden. Namentlich spricht sich eine solche sehr deutlich in der Schnabellänge aus, indem hier die Differenz bei Individuen von anschei- nend gleichem Alter, nach unseren Exemplaren zu urtheilen, bis zu einem halben Zoll be- tragen kann. Das Exemplar vom Amur zeichnet sich in dieser Beziehung unter allen uns vorliegenden durch den kürzesten Schnabel aus. Wie weit aber diese Differenz auch von einem Grössenunterschiede in den übrigen Maassen begleitet wird, möge man aus folgender Zusammenstellung derselben mit den Maassen eines unserer grössten sibirischen Individuen

entnehmen: Alte Männchen. Amur. Wilui. Länge des zusammengelegten Flügels... ..............- #85 2 411” » des Schwanzes..... LER ET FR ee ROT v WESSENEIGN Asa dc 599 aaa dcr ee ER) Höhe des Schnabels an der Stirne ........ccercee0en RE en Breite des Schnabels ebendaselbst ...................— 47 0 3” Peimsehdes lautesent on -neeeceeonn u. a et pa derMitielzehe ohne Nagel... on. oooonnun.. _" 9” —_ 1” » des Nagels an der Mittelzehe ........cercce00: a. 3

Die von Pallas mitgetheilten Maasse stehen ziemlich genau zwischen diesen beiden mitten inne. An unserem frischgeschossenen Vogel waren: die Iris braun, der Schnabel horn- farben, an der Basis gelblich, die Füsse lederfarbengelb, die Nägel schwarzgrau.

L. cinerea, von den arktischen Küsten bis nach Bengalen, Sumatra, Borneo‘) und New-S outh-Wales‘) verbreitet, kommt auch im Amur-Lande vor, undzwar, wie es scheint, sporadisch während des Sommers und ohne dort zu brüten, gleich wie sie Middendorff?) auch an den Südküsten des Ochotskischen Meeres fand. Das oben erwähnte Exemplar schoss ich am ;%, Juli am niedrigen linken Ufer des Amur-Stromes gegenüber der Ussuri-Mündung.

1) Ohne Zweifel ebenfalls eine allgemeine Bezeichnung, da sie uns von den Golde am Ussuri auch für Tot. Glottis genannt worden ist (s. oben).

2) Bei einem alten Weibchen vom Wilui beträgt die Schnabellänge sogar über 2', was im Vergleich zum A mur- Exemplar eine Differenz von nahe einem halben Zoll abgiebt.

3) Siebold, Fauna Japon, Aves. p. 114.

4) Gould, The Birds of Austr. VI. Tab. 34.

5) Sibir. Reise. 1. c. p. 216.

420 Vögel. 139) Tringa erassirostris Temm. et Schleg.

Siebold, Fauna Jap. Av. p. 107. Tab. LXIV. Schoeniclus magnus Goald, Proceed. of the Zool. Soc. of Lond. 1848. p. 39. Desselb. Birds of Austr. VI. Tab. 33. Wir haben von diesem Strandläufer aus dem Amur-Lande ein Exemplar im Jugend- kleide erhalten, das mit der Abbildung in der Fauna Japon. sehr genau übereinstimmt und nur durch etwas dunkleres Graubraun auf der Oberseite und viel deutlichere weisse Kanten an den Rücken-, Schulter- und hinteren Schwungfedern sich auszeichnet. Auch die Grösse ist ganz dieselbe. Dass es ein junger Vogel ist, beweisen unter Anderem die noch sehr dicken Fersengelenke. Es wurde von Hrn. Maack am unteren Amur-Strome wenig oberhalb des Mariinskischen Postens am 47 Aug. geschossen. Vermuthlich befand es sich schon auf der Wanderung nach Süd. Nach Middendorff') halten sich grosse Schwärme dieses Strand- läufers den ganzen Sommer hindurch, jedoch ohne zu brüten, an den Südküsten des Ochotski- schen Meeres auf. Temminck und Schlegel nennen ihn aus Japan, Borneo und Java, und Gould erwähnt zweier Exemplare von der Nordküste Neuhollands und vom Schwa- nenflusse.

140) Tringa Canutus L. T. islandica G m., Linn. Syst. Nat. Ed. XIII. p. 682. Bei den Giljaken: krung:.

Ein Pärchen junger Vögel dieser Art schoss ich am 47 Aug. auf einem niedrigen kiesigen Ufer des Amur-Stromes in der Nähe vom Nikolajevschen Posten. Das Jugendkleid, in dem sie stehen, entspricht vollständig der Beschreibung und Abbildung Naumann’s’); nur sind an unserem Exemplare die Federkanten auf dem Mantel nicht gelblich, sondern rein grauweiss und viel ausgesprochener als in der erwähnten Abbildung. Kropfgegend, Brust und Weichen haben einen schwachen rostgelblichen Anflug, der übrigens auch an unseren beiden Indivi- duen von ungleicher Intensität und zwar beim Weibchen stärker als beim Männchen ist, was jedoch, wie bekannt, vielfach und ohne Beziehung auf das Geschlecht varüirt. Ohne Zweifel befanden sich unsere jungen Vögel schon auf dem Zuge nach Süden.

1) Sibir, Reise, I. c. p. 219. 2) Naturgesch. der Vögel Deutschl. VI. p. 376. Tab. 183. fig. 3.

Tringa subarquata. T. Cinclus. . 421

141) Tringa subarquata Güldenst.

Bei den Golde am Ussuri: niutscha.

Ein im Amur-Lande erlegtes Individuum, ein Weibchen im Jugendkleide, stimmt mit der Abbildung von Naumann ') vollständig überein und hat auf dem Mantel nur blasse weiss- lich-rostgelbe Federkanten, die noch am lebhaftesten auf dem Oberrücken und an den Hinter- schwingen sind. Der Schnabel ist für einen jungen Vogel verhältnissmässig recht lang, näm- lich von 1” 51” (fr.)°), was jedoch noch in den von Naumann°) angegebenen Variations- gränzen bleibt. Am frischgeschossenen Vogel waren: die Iris dunkelbraun, der Schnabel schwärzlich, die Füsse grünlichschwarz.

Das erwähnte Exemplar von T. subarquata schoss ich am 13 Aug. am Ussuri bei Agdeki unweit der Por-Mündung, wo es sich einzeln auf einem niedrigen, schlammigen Ufer hart am Wasser aufhielt. Aufgescheucht flog der Vogel eine Strecke weit in den Fluss hinein und kehrte dann an dieselbe Stelle wieder zurück. Offenbar wird er sich schon auf dem Zuge nach Süden befunden haben.

142) Tringa Cinclus L.

T. alpina L. Syst. Nat. Ed. XII. p. 249. h Numen. variabilis Bechst. Gemeinnütz. Naturgesch. Deutschl. IV. p. 141.

Bei den Giljaken: krungt.

Unsere Exemplare aus dem Amur-Lande gehören sämmtlich dieser Form und nicht der T. Schinzii Brehm an, obwohl diese letztere sich dort ohne Zweifel ebenfalls finden lassen wird. Alle sind unter einander in der Schnabel- und Tarsenlänge ziemlich gleich, mit nur ge- ringen Grössenverschiedenheiten, indem die erstere zwischen 32 und 38, die letztere respective zwischen 25—264 Millim. variirt. Im Gefieder findet, bei allgemeiner genauer Uebereinstim- mung mit den europäischen Individuen, je nach der Jahreszeit eine mehr oder weniger bunte Mischung von verschiedenen Kleidern statt.

An der Mündung des Amur-Stromes erhielt ich im Frühjahr 1855 das erste Exemplar von T. Cinclus am 44 Mai beim Dorfe Wair. Dieses trug auf dem Rücken, Bürzel und in der oberen Schwanzdecke noch einige Federn aus dem Winterkleide. Weniger davon findet sich bei 2 Individuen, die Hr. Maack am 48 Mai desselben Jahres an der Schilka nahe der Gorbiza-Mündung erlegte. Im Herbst 1854 zeigte sich T. Cinclus im unteren Amur-Lande schon recht frühzeitig, aber, so viel ich bemerken konnte, nur in jungen Individuen, da die

1) 1. c. Tab. 185. fig. 3.

2) Unter den zahlreichen alten Individuen unseres Museums hat nur eines einen ebenso langen, die anderen meist einen um 1— 2’ kürzeren Schnabel.

3) 1. c. p. 410.

422 Vögel.

alten vermuthlich in separaten Schwärmen längs der Meeresküste südwärts zogen. Der erste kleine Schwarm junger Vögel liess sich beim Nikolajevschen Posten am 1$ August sehen. Von den zwei aus demselben erlegten Individuen hatte eines noch beinahe das volle Jugend- kleid an, indem nur auf dem Oberrücken einige wenige Winterfedern zu sehen waren; bei dem anderen dagegen hatten letztere auf dem Ober- und Mittelrücken schon das Uebergewicht erhalten. Noch mehr herrscht das Wintergefieder bei einem am 31. Aug. (12. Sept.) desselben Jahres ebenfalls beim Nikolajevschen Posten erlegten Individuum vor, indem es hier ausser dem Ober- und Mittelrücken, wo es mit den schwarzen, rostbraun und weisslich-rostgelb ge- kanteten Federn des Jugendkleides gemischt ist, auch den Bürzel und die obere Schwanzdecke, und diese sogar ohne Beimischung aus dem Jugendkleide, einnimmt. Diese Thatsachen stimmen mit den Angaben über den Eintritt der Mauser bei den europäischen Individuen ') sehr genau überein. Wie bedeutende Diflerenzen aber in dieser Beziehung zwischen verschiedenen In- dividuen und zu verschiedenen Jahren stattfinden können, das beweist der Umstand, dass Mid- dendorff?) T. Cinclus (und T. Schinzii) an der Südküste des Ochotskischen Meeres am 11. Aug. schon im vollen Winterkleide eintreffen sah.

143) Tringa Temminckii Leisl.

Hinsichtlich der Tracht dieser Strandläuferart im Amur-Lande haben wir nichts weiter zu bemerken, als dass die Zeichnung der Steuerfedern, welche bekanütlich zu den unterschei- denden Charakteren zwischen T. Tenminckii und T. minuta gehört, nicht so constant ist, wie man anzunehmen pflegt. Nach unseren Exemplaren zu urtheilen, ist nämlich die äusserste Steuerfeder bei 7. Temminckü bisweilen nicht rein weiss, sondern ebenfalls mit einem grauen Streifen auf der Aussenfahne nahe dem Rande derselben versehen, wie den Beschreibungen zufolge®) die 2'°, diese zweitäusserste aber ist alsdann schon so gezeichnet wie die 3“, d. h. lichtgrau, am Rande, an der Spitze und längs dem Schafte weiss. Es ist dies eine Abände- rung, die wir schon bei mehreren schnepfenartigen und anderen Vögeln des Amur-Landes bemerkt haben ‘), die aber nur als individuelles, nicht als geographisches Variiren aufgefasst werden darf, da wir auch an den Amur - Exemplaren die typische Zeichnung, oder gar an einem und demselben Individuum beide Zeichnungen neben einander finden. In der Schnabel-, Tarsen- und Mittelzehenlänge stimmen unsere Exemplare unter einander sehr nahe überein, indem die erstere 17 bis 18 und die 2'° und 3'° (den Nagel mitgemessen) 174.bis 181 Millim. beträgt? -

!) Vrgl. Naumann, I. c. VII. p. 435.

2) Sibir. Reise, 1. c. p. 221.

3) Vrgl. Naumann,l. c. VII. p. 487. Keyserling und Blasius, Die Wirbelth. Eur. p. 215. u. a. m.

4) So bei Char. curonicus u. a.; desgleichen bei den Buntspechten, s. oben.

°) Wir geben die genannlen Maasse für diese und die beiden folgenden Arten in Millim. an, um die directe Ver- gleichung mit den von Middendorff (Sibir. Reise, I. c. p. 221—223) beobachteten Maassen zu erleichtern.

Tringa Temminckuü. T. minuta. 423

T. Temminckii scheint im Amur -Lande auf dem Frühjahrsdurchzuge verhältnissmässig recht frühzeitig sich einzustellen. Die ersten Individuen beobachtete Hr. Maack an der Schilka beim Dorfe Bjankina am „7, Mai. Eines der beiden dort erlegten Individuen hatte noch zumeist das Winterkleid, das andere schon zum grössten Theil das Sommerkleidan. Ein drittes, etwas weiter unterhalb an der Schilka, bei Schilkinskoi Sawod, am }} Mai ge-

schossenes Exemplar steht in dieser Beziehung zwischen jenen beiden.

144) Tringa minuta Leisl. Bei den Giljaken:'krung:.

Diese Strandläuferart liegt uns aus dem Amur-Lande in mehreren Kleidern vor. Was zunächst das Jugendkleid betriflt, so stimmt dieses ganz genau mit der Abbildung Naumann’s ') überein. Von den alten Individuen im Frühlingskleide müssen wir dagegen dasselbe bemer- ken, was Middendorff an den meisten Exemplaren im Südosten Sibirien’s fand. Wie diese zeichnen sie sich nämlich von der Abbildung Naumann’s °), mit welcher nach Middendorff auch die Individuen aus dem Hochnorden Asien’s übereinstimmen, durch eine blassrostrothe Färbung der Wangen und der Unterseite des Halses aus, die bald in höherem, bald in gerin- gerem Grade vorhanden istund die sie im Allgemeinen der Abbildung Gould’s°) entsprechend macht. Namentlich besitzen unsere Exemplare im frischen Frühlingskleide das Rostroth an den Wangen, Halsseiten und in der Gurgel- und Kropfgegend. An ersteren tritt es sehr deut- lich hervor und breitet sich bis vor das Auge und zur Zügelgegend aus. Dort ist es auch nur mit feinen und schwachen, an den Halsseiten mit gröberen und in der Gurgel- und Kropf- gegend mit noch breiteren, aber helleren schwarzbraunen Schaftflecken gezeichnet. An letz- teren Theilen ist jedoch diese Zeichnung nur bei aufgehobenem Gefieder deutlich sichtbar; bei anliegendem Gefieder dagegen wird sie durch die weissen Endkanten der Federn verdeckt und schimmert nur schwach durch dieselben durch. Erst später im Jahre, wenn diese Kanten ab- genutzt sind, dürfte sie so deutlich hervortreten, wie es in Gould’s Abbildung dargestellt ist. Kinn und Kehle sind auch bei unseren Exemplaren ungefleckt weiss. Bei drei anderen Amur- Exemplaren, die im abgenutzten Sommerkleide stehen, sind die Wangen blasser und weniger rostroth, wogegen aber die ganze Unterseite des Halses mehr oder weniger rostroth ist. Bei zweien derselben nimmt ein einfarbiges, nur nach der Brust hin mit schwarzen Schaftfleeken gezeichnetes Rostroth die ganze Kropfgegend und Gurgel ein und zieht sich von hier schwächer und in einzelnen Flecken auch über die Kehle und bis auf das Kinn fort; beim dritten Exemplar breitet sich das Rostroth nur fleckenweise vom Kinn bis zu der mit schwärzlichen

1) Naturgesch. der Vög. Deutschl. Tab. 184. fig. 3. 2)1. c. fig. 1. 3) The Birds of Europe. IV. Tab. 332.

4124 Vögel.

Schaftflecken gezeichneten Kropfgegend aus. Was die zur Unterscheidung der T. minuta von der vorhergehenden und folgenden Art besonders wichtige Schnabel-, Tarsen- und Zehen- länge betrifft, so zeigt sich an unseren Exemplaren kein bedeutendes Variiren, indem der Schnabel von 164 bis 18, der Lauf von 19 bis 21 und die Mittelzehe mit dem Nagel respee- tive von 17 bis 19 Millim. beträgt. An den frischgeschossenen alten Vögeln waren: die Iris braun, der Schnabel schwarz, die Füsse grünlichschwarz; an den jungen der Schnabel und die Füsse heller schwärzlich.

Tringa minuta scheint sich im Amur-Lande im Frühjahr wie im Herbst viel häufiger als die vorige Art sehen zu lassen. Im Quelllande des Amur-Stromes wurde sie von Hrn. Maack auf ihrem Frühjahrsdurchzuge am 48 Mai an der unteren Schilka nahe der Gor- biza-Mündung in 2 Exemplaren erlegt, von denen das eine im vollen Sommerkleide steht, das andere an den oberen Flügeldecken und auf dem Bürzel noch das Wintergefieder trägt. Ich habe T. minuta zu wiederholten Malen auf ihrem Herbstdurchzuge im oberen und unteren Amur -Lande geschossen. In ersterem stiess ich namentlich schon am ‚& Aug. etwas ober- halb der Bureja-Mündung aufeinen aus Männchen und Weibchen zusammengesetzten Schwarm alter Vögel, der sich an einer sandig-schlammigen Uferstelle aufbielt und aus dem die 3 oben besprochenen Individuen mit rostfarbenem Halse geschossen wurden. Alle drei haben ein recht abgenutztes Sommergefieder, das bei einem auf dem Oberrücken auch schon mit einigen we- nigen Winterfedern gemischt ist. An der Mündung des Amur-Stromes, beim Nikolajevschen Posten erlegte ich T. minuta in jungen Individuen, und zwar zu Ende des August, am 27. und 31. (8. und 12. Sept.), noch im vollen Jugendkleide.

145) Tringa subminuta Midd.

Middendorff, Sibir. Reise. II. Bd. 2. Th. p. 222.

Die Selbständigkeit dieser von Middendorff nach zwei Exemplaren aus dem Südosten Sibirien’s unterschiedenen Art sind wir im Stande, nach einem Pärchen alter Vögel aus dem Amur-Lande, an denen sich sämmtliche von Middendorff angegebene specifische Kennzeichen wiederlinden, zu bekräftigen. T. subminuta nimmt in vieler Hinsicht eine eigenthümliche mittlere Stellung zwischen T. minuta und T. Temmincki ein, indem sie manche Charaktere mit der ersteren, andere mit der letzteren gemein hat. Was sie jedoch von beiden auf den ersten Blick unterscheidet, ist die grössere Länge der Zehen und zugleich, wenn auch in ge- ringerem Grade, der Tarsen. Beide betragen an den Amur-Exemplaren fast ganz genau so viel, wie Middendorff an den südostsibirischen fand, nämlich die Mittelzehe mit dem Nagel 24 und 251 Mill., davon 5 auf den Nagel gehen, die Hinterzehe 7 Mill., davon 2 auf den Nagel kommen, der Lauf 22 und 23 Mill. Grössen, die sich nach Middendorff's Beobach-

Tringa subminuta. 425

tungen bei T. minuta und T. Temminckii, nach mehr als 60 von ihm untersuchten, sibirischen und europäischen Individuen, zu denen wir nach den obigen Angaben auch unsere Amur- Exemplare hinzufügen können, niemals finden. Während daher bei T. minuta der Lauf länger ist als die Mittelzehe mit dem Nagel, ist er bei T. subminuta umgekehrt kürzer als die letztere. In dieser Hinsicht steht also T. subminuta, abgesehen von der absolut bedeutenderen Grösse der genannten Theile, der T. Temminckü, bei welcher Lauf und Mittelzebe (mit dem Nagel) ungefähr gleich lang sind, näher als der T. minuta. Umgekehrt nähert sie sich aber in der Befiederung der Füsse der letzteren Art mehr als der ersteren, indem die Schienbeine weit über das Fersengelenk, und zwar auf etwa halbe Laufeslänge hinauf nackt sind. Ebenso genau wie in der Lauf- und Zehenlänge stimmen unsere Exemplare auch in der Schnabellänge mit den Middendorff’schen überein, indem der Schnabel bei ihnen ebenfalls 19 Millim. misst. Seiner Form nach scheint er dem Schnabel der T. Temmincki näher als demjenigen der T. minuta zu stehen, da er weniger breit als bei letzterer und nach der Spitze stärker ver- schmälert ist. Mit T. Temminckii hat ferner T. subminuta auch die Farbe der Schwingen- schäfte gemein, indem nur der Schaft der ersten Schwinge weiss, diejenigen der folgenden aber braun sind. In der Zeichnung der Steuerfedern dagegen wie in der ganzen übrigen Färbung (zum wenigsten des Sommerkleides) stimmt T. subminuta mit T. minuta so genau überein, dass sie, wie auch Middendorff hervorhebt, von letzterer nicht zu unterschei- den ist. Ich finde an den Amur - Exemplaren nur etwa den Unterschied, dass T. sub- minuta an den Weichen nicht rein weiss ist, sondern einige schwarzbräunliche Flecke hat, die sich vom Schafte aus über einen Theil der Aussenfahne nahe der Spitze der Feder aus- breiten und sich bei einem Exemplar als feine schwarzbraune Schaftstriche auch auf die Un- terschwanzdeckfedern fortsetzen, beim anderen dagegen schon früher abbrechen. Ersteres ist namentlich beim Weibchen, Letzteres beim Männchen der Fall; doch dürfte darin wohl kaum eine Beziehung zu den verschiedenen Geschlechtern stattfinden, die im Uebrigen ganz gleich gezeichnet sind.

Unsere beiden Exemplare von T. subminuta sind von Hrn. Maack am 5, Juli am süd- lichen Amur unweit unterhalb der Ssungari-Mündung geschossen worden. Beide tragen ein sehr abgenutztes und offenbar stark verblichenes Sommerkleid. Middendorff entdeckte diesen Vogel zuerst am 19. Mai im Stanowoi-Gebirge und traf ihn später am 30. Juni am Ausflusse der Uda in das Ochotskische Meer. Nach dieser letzteren Thatsache und aus dem Umstande, dass unsere Exemplare vom südlichen Amur offenbar ein Pärchen alter Vögel sind, lässt sich vermuthen, dass T. subminuta im Amur-Lande und nördlich von demselben bis in das Stanowoi-Gebirge hinauf auch brüte und vielleicht ein weniger nordischer und dagegen in ausschliesslicherem Maasse östlicher Vogel unseres Continentes sein dürfte,

Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 54

426 Vögel.

146) Scolopax (Ascalopax) Gallinago L.

Bei den Mangunen: äzzt.

Von der gemeinen Sumpfschnepfe oder Bekassine haben wir durch Hrn. Maack ein Exemplar erhalten, das am -%, Mai an der Schilka beim Dorfe Bjankina geschossen wurde und in seiner Tracht mit dem europäischen Vogel vollkommen übereinstimmt. Am unteren Amur habe ich sie beim Dorfe Pedanj an der Jai-Mündung gesehen: noch am -!, Juni, an einem heiteren Abend, liess sich dort das Meckern der Bekassinen bis in die Nacht hinein hören.

147) Numenius australis Gould.

Proc. of the Zool. Soc. of London. V. 1837. p. 155. Gould, The Birds of Australia. Lond. 1848. VI. Tab. 42. N. major Temm, et Schleg., Siebold, Fauna Japon. Aves. p. 110. Tab. LXVL.}).

Bei den Golde oberhalb des Ussuri: tschuika.

Dass wir diesen Brachvogel für das Amur-Land anführen, geschieht aus einem dop- pelten Grunde: einmal liegen uns nämlich durch die Herren Wosnessenski und Maack zwei alte, unzweifelhaft zu dieser Art gehörige Individuen zwar nicht speciell aus dem Amur- Lande, wohl aber aus dem nördlicher gelegenen Sibirien, nämlich von der Behringsinsel und vom Wilui vor. Da nun aber bekanntlich N. australis ausserdem Neuholland, die Sunda-Inseln und Japan bewohnt, so lässt es sich nicht wohl annehmen, dass er auf seinen Zügen nicht auch das Amur-Land auf einige Zeit besuche. Ferner habe ich selbst an den Ufern des Amur-Stromes einefi Brachvogel geschossen, den ich für nichts Anderes als den bisher noch unbekannten jungen Vogel von N. australis halten kann.

Was nun zunächst die alten sibirischen Individuen betriflt, so stimmen sie in ihrer Tracht mit den oben erwähnten vortrefllichen Abbildungen von Gould und von Temminck und Schlegel vollkommen überein. In den dazugehörigen, sehr kurz gehaltenen Beschreibungen aber vermissen wir manche, zur präcisen und leichten Unterscheidung dieser Species von den ihr zunächst verwandten langschnäbligen Brachvogelarten Europa’s und Nordamerica’s, N. arquata L. und N. longirostris Wils., dienliche Charaktere, auf die wir hier daher nachträglich auf- merksam machen wollen. Bei einer im Allgemeinen sehr ähnlichen Zeichnung, wie sie alle Brachvogelarten besitzen, lassen sich die charakteristischen Kennzeichen von N. australis den beiden erwähnten Arten gegenüber hauptsächlich in dem Mehr oder Weniger der rostgelben Farbe im Gefieder, besonders der Unterseite, und in einer abweichenden Zeichnung der

!) Im dritten Bande seines Man. d’Ornith. (p. LII.) bezeichnete Temminck den japanischen Vogel dieser Art nur als Varietät von N. arguataL., und im vierten Bande desselben Werkes (p. 394.) erklärte er ihn sogar für ganz gleich dem europäischen grossen Brachvogel.

Numentus austr.alıs.

427

Weichen, des Unterrückens und Bürzels mit der Schwanzdecke, der Steuerfedern, der unteren Flügeldeck- und Achselfedern u. dgl. m. finden Differenzen, die wir in folgender Weise übersichtlich gegen einander stellen können:

N. arguata. Gesammtfärbung der Ober- seite schwarzbraun und rost- gelblichweiss gemischt , mit grober, mehr längsgestreifter als gesprenkelter Zeichnung. Unterrücken von der Farbe

und Zeichnung des Ober- rückens abweichend, weiss;

Bürzel und obere Schwanz- decke weiss mitschwarzbrau- nen Längs- und Pfeilllecken; Steuerfedern weiss und dun- kelbraun gebändert; die brau- nen Bänder auf dem Schwanze ziemlich breit.

Die Schwingen schwarzbraun, die ersten 2

grossen

oder 3 nur mit weisslicher, braunbespritzter Innenkante oder, wie die folgenden, mit grossen weissenZackenflecken auf der Innenfahne. Unterseite weiss, meist nur an der Gurgel, in der Kropf- gegend und an.den Brustseiten rostgelblich angelaufen; Gur- gel, Kropfund Brustmit schma- len schwarzbraunen Längs- flecken, die Weichen auch mit einigen breiteren Quer- und Pfeilflecken ; ren Schwanzdeckfedern nur

die unte-

mit wenigen feinen braunen Schaftstrichen ; Bauch und Schenkel ungefleckt weiss.

N. australıs.

Gesammtfärbung der Ober- seite schwarzbraun und rost- gelblich gemischt, mit grober, mehr längsgestreifter als ge- sprenkelter Zeichnung.

Unterrücken und Bürzel von Farbe des Oberrückens, braun mit

der und Zeichnung rostgelblichen Zackenflecken an den Federkanten; obere Schwanzdecke und Steuer- federn rostgelblichgrau und dunkelbraun gebändert: die braunen Bänder auf dem Schwanze ziemlich breit.

Die schwarzbraun, von der ersten

grossen Schwingen

an mit mehr und mehr tief einspringenden Zackenflecken auf der Innenfahne.

Unterseite rostgelblich, nur am Kinn und an der Kehle weiss; Fleckung an der Gur- gel, am Kropf, an der Brust und den Weichen wie bei N. arquata; die unteren Schwanz- deckfedern mit breiteren brau- nen Schaftstrichen und die seitlichen auch mitPfeilflecken wie die Weichen versehen; Bauch und Schenkel rostgelb- lich mit wenigen feinen brau- nen Schaftstrichen.

N. longirostris.

Gesammtfärbung der Ober- seite schwarzbraun und rost- gelb gemischt, mit feinerer, mehr gesprenkelter als ge- streifter Zeichnung.

Unterrücken, Bürzel, obere Schwanzdecke und Steuerfe- dern wie bei N. australis ge- zeichnet, aber mit reinerem Rostgelb und feineren Quer- bändern auf dem Schwanze.

Die schwarzbraun, von der ersten

grossen Schwingen an mit breiter rostgelber Kante oder tief einspringenden rost- gelben Zackenflecken auf der Innenfahne.

Unterseite roströthlich oder intensiv rostgelb, nur am Kinn und an der Kehle blasser, rost- gelblich; Gurgel und Kropf- gegend mit schmalen braunen Längsflecken, Brustseiten und Weichenmitschmalenbraunen Querflecken; untere Schwanz- deckfedern ungefleckt oder mit wenigen feinen Querflecken versehen; Unterbrust, Bauch und Schenkel ungefleckt rost- röthlich oder intensiv rostgelb.

*

428

N. arquata.

Unterseite des Flügels an der Spitze dunkelgrau, nach oben grau und weiss gebän- dert; Deckfedern weissmit we- nigen schwarzbraunen Quer- flecken ; Achselfedern weiss, selten mit wenigen

rein

Vögel.

N. australis.

Unterseite des Flügels an der Spitze dunkelgrau, nach oben grau und weiss gebän- dert; vielen schwarzbraunen Quer- flecken; Achselfedern in ihrer ganzen Länge scharf abgesetzt

Deckfedern weiss mit

N. longirostris.

Unterseite des Flügels an der Spitze dunkelgrau, nach oben rostgelblich mit schma- len, oft unterbrochenen grauen Querbinden ; Deckfedern rost- röthlich , oder mit wenigen schwarzbraunen

ungelleckt

Längs- und Querflecken. weiss und schwarzbraun ge- und Querflecken;

bändert.

Längs - Achselfedern roströthlich, un- gelleckt, seltner mit wenigen schwarzbraunen Querilecken.

Geht nun aus dieser Uebersicht hervor, dass N. australis hinsichtlich der rostgelblichen Färbung seines Gefieders ungefähr die Mitte zwischen jenen beiden anderen, respective weiss oder intensiv rostgelb gezeichneten Arten einninmt, so räumen ihm Temminck und Schlegel eine eben solche mittlere Stellung auch in Beziehung auf die Schnabellänge ein. Dabei tragen sie jedoch in ihren numerischen Angaben dieses Verhältnisses den vielfachen Schwankungen, die sich in der bekanntlich mit dem Alter zunehmenden Schnabellänge der Numenius-Arten bemerken lassen, offenbar zu wenig Rechnung. So können 4” 6'” gewiss nicht das beständige Maass der Schnabellänge von N. arquata sein. Wir haben selbst Exemplare aus der Um- gegend St. Petersburgs und aus dem westlichen Sibirien vor uns, bei denen der Schnabel, in gerader Linie von der Basis zur Spitze gemessen, 5’ 6” und 5" 9” beträgt. Naumann ') Ebensowenig lässt sich

N

giebt das Maximum auf 62 bis gegen 7 die Schnabellänge von N. longirostris so bestimmt auf 7" 3—6” festsetzen. Bei zwei älteren Individuen unseres Museums beträgt sie 6" 1” und 675”, bei zwei jüngeren 9”. Die nordamerikanischen Ornithologen, Richardson und Swainson°), Nuttall°), Audubon‘), De Kay°), geben sie auf 6—8 und 9” an‘). Nicht geringere Schwankungen kommen endlich auch in der Schnabellänge von N. australis vor. Temminck und Schlegel geben sie auf 6” 6—7” an. Schon früher aber fand sie Gould’) von 53” (engl. = 5” 5” fr.). Bei unseren

”,. Während also das Gould’sche Exemplar von

Exemplaren beträgt sie 7” 1’” und 7’ 2”. N. australis einen noch kürzeren Schnabel als unser sibirisches von N. arquata hat, kommen

sächs. Arbeitsmaasses an.

andererseits unsere sibirischen Exemplare von N. australis in der Schnabellänge den Angaben

1) Naturgesch. der Vögel Deutschl. VII. p. 480,

2) Fauna boreali-amer. II. p. 377.

3) A Man. of the Ornith. of the United St. and of Canada. The Water Birds.

4) Ornithol. Biogr. III. p. 245.; A Syn. of the Birds of North Amer. p. 255.

°) Zool. of New-York. II. Birds. p. 232.

6) Audubon (Orn. Biogr. IH. p. 241.) führt ausdrücklich an, dass er Exemplare gesehen habe, bei denen der Unterschied in der Schnabellänge nahe 3" betrug, obgleich sie alle völlig erwachsen waren.

7) Vrgl. Proceed. 1. c,

Boston 1834. p. 96.

Numenaus austrahs. 429

von Temminck und Schlegel für N. longirostris ziemlich gleich; etwas kurzschnäbligere Exemplare dieses letzteren aber, wie z. B. die in unserem Museum oder diejenigen, welche RichardsonundSwainson vor sich hatten '), bleiben sogar hinter unserem N. australis zurück. So wenig lässt sich also das Maass der Schnabellänge mit der Bestimmtheit, wie Temminck und Schlegel es wollen, als specifischer Charakter zur Unterscheidung der erwähnten Nu- menius-Arten brauchen.

In den übrigen von Temminck und Schlegel zur Unterscheidung der drei genannten Arten angeführten Maassen ıst kein Unterschied zu finden, mit Ausnahme, wie es scheinen dürfte, der Tarsenlänge, welche bei N. arquata um 5—6” kürzer als bei den beiden anderen Arten sein soll. Dagegen müssen wir jedoch bemerken, dass 2" 10”, wie die genannten Herren angeben, gewiss nicht für das beständige Maass der Tarsenlänge von N. arquata ange- sehen werden darf. Naumann’) giebt 31—33” sächs. Arbeitsmaasses an. Bei unseren russi- schen und sibirischen Exemplaren beträgt sie 37”— 3” 2” (fr.). Andererseits aber haben unsere beiden älteren Exemplare von N. longırostris auch nur 3” 1—2” lange und mithin nicht län- gere Tarsen als jene. Ein Grössenunterschied von 5— 6” und mehr dürfte hier aber auch innerhalb einer und derselben Species vorkommen. So geben Richardson und Swainson die Tarsenlänge von N. longirostris auf 3” 81” (engl.) an, was unseren Maassen gegenüber einen Unterschied von 5—61”” ausmacht. Ziemlich von derselben Grösse sind denn auch die Tarsen bei unseren Exemplaren von N. australis, nämlich von 3” 3” und 3” #”. Ohne daher behaupten zu wollen, dass es zwischen den drei in Rede stehenden Numenius-Arten keine Un- terschiede in den Grössenverhältnissen einzelner Theile gebe, sind wir nur der Ansicht, dass es uns in dieser Hinsicht, um specifische Charaktere festzustellen, vor der Hand noch an einer hinreichenden Anzahl von Messungen und einer Kenntniss der bezüglichen Grössenschwan- kungen innerhalb einer jeden dieser Arten fehle.

Was nun unseren jungen Numenius vom Amur betrifli, so stimmt er in seiner Tracht mit den oben beschriebenen alten Individuen vollständig überein. Nur ist das Gefieder des- selben noch ganz frisch, die Federkanten sind noch nicht abgenutzt und die Farben noch unverblichen. Auf der Oberseite ist daher mehr von der rostgelblichen Farbe der Feder- kanten sichtbar und die Unterseite ist schöner rostgelblich als beim alten Vogel, ohne jedoch den intensiveren, roströthlichen Ton von N. longirostris zu erreichen. Dabei sind die feinen schwarzbraunen Längsflecken auf der Gurgel, in der Kropfgegend und auf der Brust nach ihrem unteren Ende etwas pinselförmig erweitert, wie man das auch beim jungen Vogel von N. arquata kennt. Im Uebrigen ist die Zeichnung vollkommen dieselbe wie beim alten Vogel, so dass wir auch hier auf die oben citirten Abbildungen verweisen können. So weit liesse sich also kein Zweifel hegen, dass unser Amur-Exemplar in der That nur der junge Vogel von N. australis sei. Bei Vergleichung auch der übrigen Charaktere stossen wir aber beim

l) Richardson und Swainson (l. c.) geben die Schnabellänge von N. longirostris auf 6"3"' an.

2) 1. c. VII. p. 482.

430 Vögel.

jungen Vogel auf drei vom alten abweichende Punkte, welche leicht ein Bedenken hinsichtlich der Artenidentitäterregen könnten und die wir daher ausführlicher besprechen müssen. Es sind dies: 1) der sehr viel kürzere Schnabel des Amur-Exemplares, 2) ein abweichendes Verhält- niss in den Befiederungsgränzen am Schnabel und 3) ein anderes Schwingenverhältniss.

Der Schnabel des Amur-Exemplares beträgt, in gerader Linie gemessen, nicht mehr als 2” 10”, während derjenige der sibirischen Exemplare in derselben Dimension 7” 1” und 72” und also 21 mal mehr misst. Es fragt sich nun, ob eine so bedeutende Differenz bloss auf Rechnung der Altersverschiedenheit geschrieben werden darf? Erwägen wir aber zuvörderst, dass unsere beiden alten Exemplare wahrscheinlich zu den langschnäbligsten In- dividuen ihrer Art gehören, indem Gould den Schnabel von N. australis nur 51, Tem- minck und Schlegel nur 6” 6—7” lang fanden, so reducirt sich jener Unterschied schon sehr bedeutend, da beim Gouldschen Exemplar der Schnabel nicht einmal doppelt so gross wie beim unsrigen ist. Ferner lassen sich aber solche und grössere Differenzen ohne Zweifel auch bei N. arquata und N. longirostris in verschiedenen Altern nachweisen. Nach Naumann be- trägt der Schnabel des eben aus dem Ei gekrochenen Jungen von N. arquata nur wenig über einen Zoll; im Herbst, wenn der junge Vogel seine erste Wanderung antritt, ist sein Schnabel schon wenigstens 4a" lang, und beim alten Vogel endlich kann er, wie oben erwähnt, 63 bis z lang werden. Im ersten Sommer des Vogels, wo sein Schnabel im raschen Wachsthum die Grössen von 1—44” durchläuft, muss es also nothwendig auch eine Zeit geben, wo sein Schnabel nur 2 und 3”, d.h. etwa oder die Hälfte von der Schnabellänge des erwachsenen Vogels be- trägt. So liegt uns denn auch ein junges Individuum von N. arquata aus der Umgegend von St. Petersburg vor, dessen Schnabel nicht mehr als 3" 3” und also wohl auch nur halb so viel wie bei manchem alten Individuum misst. Ebenso ist auch der Schnabel bei unseren jungen Individuen von N. longirostris nur 49” lang, während er bei alten, wie oben erwähnt, bis 9” (engl.) betragen soll. Dennoch sind diese jungen Individuen von N, arguata und N. longirostris alle älter als das Amur-Exemplar von N. australis, welches nachweislich in jenen ersten Sommermonaten stand, wo seine Schnabellänge sich sehr stark entwickeln muss. Zum Beweise dafür brauchen wir, abgesehen von den dicken Fersengelenken und der tiefen, weit hinabreichenden Rinne auf der Vorderiläche der Tarsen, welche ebenfalls von einem jungen Vogel zeugen, und abgesehen ferner von der weiter unten zu besprechenden, noch unausge- bildeten Flügellänge, nur des Umstandes zu erwähnen, dass unser Brachvogel, am }4 Juli, und also zu einer Zeit da kein Numenius in jenen Breiten in der Mauser stehen dürfte, geschossen, nichtsdestoweniger ein ganz frisches, nirgends abgenutztes Gefieder trägt, an dem sich unter den grösseren Federn viele eben erst hervorbrechende kleinere bemerken lassen, so dass es ohne Zweifel sein erstes, zum Theil noch in der Bildung begriflenes Federkleid ist. Bei so frühem Alter unseres Vogels muss uns daher, nach Analogie mit N. arquata zu schliessen, sein Schnabel auch bei 2” 10” Länge schon von ganz ansehnlicher Grösse erscheinen.

Aus demselben Umstande, dem sehr jugendlichen Alter, lassen sich nun auch die beiden anderen diflerirenden Punkte an dem Amur-Exemplar erklären.

Numenius australıs. Aal

Der Unterschied in dem Verhältniss der Befiederungsgränzen am Schnabel besteht darin, dass beim alten Individuum von N. australis die seitliche Befiederungsschneppe des Unterkie- fers nach vorn weit über die des Oberkiefers hinaus und bis unter das hintere Ende des Na- senloches sich erstreckt, beim jungen Vogel vom Amur dagegen die Schneppe des Unterkiefers kaum über die des Oberkiefers vorragt und weit hinter dem hinteren Ende des Nasenloches zu- rückbleibt. Numerisch ausgedrückt, überragt die Schneppe des Unterkiefers diejenige des Ober- kiefers beim alten Vogel vom Wilui um 4, beim jungen vom Amur nur um 4”. Bekanntlich giebt dieses Verhältniss auch eines der specifsch unterscheidenden Kennzeichen bei den europäi- schen Numenius-Arten ab, indem unsere langschnäblige Art, N. arquata, das erstere, die beiden kurzschnäbligen Arten dagegen, N. Phaeopus und N.tenuirostris, das letztere Verhältniss theilen. Allein so brauchbar dieses Kennzeichen zur Unterscheidung mancher Arten sein mag, so lassen sich doch auch bei alten Individuen nicht unbedeutende Schwankungen in dieser Hin- sicht nachweisen, und für sehr junge Vögel dürfte es sogar in vielen Fällen ganz unhaltbar sein. Zum Beweise, dass Letzteres auch für N. australis gilt, brauchen wir bloss unser Exemplar, den oben erwähnten alten Vogel von der Behringsinsel, mit den beiden anderen zu vergleichen; hier überragt die Schneppe des Unterkiefers diejenige des Oberkiefers nur um 2” und bleibt beinahe um ebensoviel hinter dem hinteren Ende des Nasenloches zurück. Dies Exemplar steht also zwischen jenen beiden extremen Individuen genau in der Mitte‘). Aehn- liche, vielleicht etwas kleinere Schwankungen kommen aber auch bei N.arquata vor. Soliegt z. B. bei einem Exemplar dieser Art in unserem Museum die Spitze der Unterkieferschneppe dem hinteren Ende des Nasenloches sichtlich näher als der Spitze der Oberkieferschneppe, bei zwei anderen dagegen erreicht sie genau die Mitte zwischen beiden. Wie sich das beim ganz jungen Vogel dieser und anderer Numenius-Arten mit langer Befiederungsschneppe des Unter- kiefers verhält, darüber fehlt es uns leider noch an Erfahrungen. Dass sich aber das Verhält- niss der Befiederungsgränzen mit dem Alter sehr verändern kann, dafür lassen sich auch unter anderen Vogelarten Beispiele anführen. So ist z.B. bei der Polargans, Anser hyperboreus Pall., das Verhältniss zwischen allen Befiederungsschneppen, den mittleren und seitlichen, am Ober- und Unterkiefer, bei dem noch im Dunenkleide stehenden Jungen ein ganz anderes als beim erwachsenen Vogel. Bei jenem ist nämlich die am weitesten nach vorn vorragende Befiede- rungsgränze die Mittel- oder Firstenschneppe des Oberkiefers; mit ihr sind fast von gleicher Länge und nur je um 1” fortschreitend kürzer die Seitenschneppen des Oberkiefers und die Mittelschneppe des Unterkiefers oder Kinnwinkelschneppe, welche letztere um etwa 4” hinter dem hinteren Ende des Nasenloches zurückbleibt; am kürzesten endlich sind die Seitenschnep- pen des Unterkiefers, welche gegen diejenigen des Oberkiefers um ein Merkliches, und zwar bei unserem Exemplar um 31”, zurückstehen. Beim erwachsenen Vogel dagegen kehren sich

1) Sowohl Gould als Temminck und Schlegel erwähnen des Verhältnisses der Befiederungsgränzen bei ihren Exemplaren von N. australis leider gar nicht. In den betreffenden Tafeln aber finden wir es bei ersterem mit unserem alten Vogel vom Wilui, bei letzteren mit dem jungen vom Amur übereinstimmend dargestellt eine Differenz, die jedoch wahrscheinlich nur einer Incorrektheit der letzteren Tafel zuzuschreiben sein dürfte.

432 Vögel.

diese Verhältnisse zum Theil ganz um; hier ist die am weitesten nach vorn vorragende Befie- derungsgränze die Mittelschneppe des Unterkiefers, deren Spitze ungefähr unter der Mitte des Nasenloches liegt; auf diese folgen der Länge nach, jedoch um die bedeutende Diflerenz von 5” zurückbleibend, die Seitenschneppen des Oberkiefers, welche ihrerseits um 11” über die Firstenschneppe und die mit letzterer gleich langen Seitenschneppen des Unterkiefers vorragen. Hier findet also genau derselbe Fall wie bei N. australis statt, dass nämlich die seitlichen Be- fiederungsschneppen des Unterkiefers im Verhältniss zu denjenigen des Oberkiefers mit dem Alter anLänge zunehmen. Achnlich verhält es sich auch mit den Befiederungsgränzen bei der Eiderente, Anas molissima L. Hier läuft beim erwachsenen Vogel die Befiederung der Stirne in eine lange und spitze Schneppe aus, welche viel mehr als die halbe Länge der Seitenschnep- pen des Oberkiefers hat, während beim jungen Vogel im Dunenkleide die Mittelschneppe nur stumpf abgegränzt und ganz kurz ist, nicht mehr wie ungefähr 1 von der Länge der Seiten- schneppen betragend. Numerisch stellt sich dieses Verhältniss bei unseren Exemplaren folgen- dermassen dar:

Länge der mittleren oder Firstenschneppe des Oberkiefers beim erwachsenen Vogel g" beim jungen im Dunenkleide 11”

Länge der Seitenschneppen des Oberkiefers beim erwachsenen Vogel .......... 1 beim jungen im Dunenkleide 41”

Solcher Fälle liessen sich bei genauer Beachtung der Jugendzustände der Vögel ohne Zweifel noch viele finden. Auch dürften hieher im weiteren Sinne alle diejenigen Fälle ge- rechnet werden, in welchen die Befiederungsgränzen um den Schnabel dadurch eine Verän- derung erleiden, dass im Alter nackte Stellen um den Schnabel entstehen, wo in der Jugend keine solchen oder nur in geringerem Grade welche vorhanden waren, oder aber auch umge- kehrt, dass in der Jugend vorhandene nackte Stellen später mehr oder weniger an Ausdehnung verlieren'). Nach alledem liegt also gewiss kein Grund vor, das Verhältniss der Befiederungs- gränzen für ein in allen Fällen von der frühesten Jugend an unabänderliches zu halten. Man wird uns daher auch Recht geben, wenn wir bei unseren, im Uebrigen übereinstimmenden Exemplaren von N. australis die Differenz in den Beliederungsschneppen theils dem verschie- denen Alter und theils den in dieser Beziehung überhaupt stattlindenden Schwankungen zu- schreiben.

Was endlich den 3% differirenden Punkt unseres Amur-Exemplares, wir meinen sein abweichendes Schwingenverhältniss, betrifft, so verdient dieses bei dem oben dar- gethanen sehr jungendlichen Alter unseres Individuums kaum einer besonderen Erwähnung. Während nämlich bei unseren alten Exemplaren, wie bei allen übrigen Numenius-Arten, die

!) Ohne die zahlreichen Fälle solcher Art aufzählen zu wollen, weisen wir hier nur auf ein paar der bekannte- sten hin, so bei Cygnus Olor Gm., Anas moschata L., Phalacrocorax Carbo L., Pelecanus crispus Bruch u.a. m. Bei letzterem wird bekanntlich die nackte Umgebung des Auges mit dem Alter kleiner und das Eintreten der Wangen- befiederung zum Mundwinkel deutlicher, indem die bei den Jungen hier nur rechtwinklige Befiederungsschneppe bei den Alten spitzwinklig erscheint. Vrgl. Naumann, |. c. XI. p. 185.

Numentus australis. 433

erste Schwinge am längsten ist, ist es beim Amur-Exemplar die 2', die erste dagegen steht ihr um 21” nach. Allein eben wegen dieser Abweichung vom generischen Charakter musste hier gleich die Vermuthung nahe liegen, dass wir es nur mit einem jungen, in seinen Einzel- theilen noch nicht völlig ausgebildeten Vogel zu thun haben, und eine genauere Untersuchung der betreffenden Schwingen an ihrer unter den Deckfedern versteckten Basis, lässt uns in der That keinen Zweifel, dass dieselben noch im Wachsthum begriffen waren"). Ob aber ein solches, vom späteren abweichendes Schwingenverhältniss beim jungen N. australis ein be- ständiges und regelmässiges sei und ob und in wie weit es auch bei den übrigen Numenius- Arten statthabe, darüber fehlt es uns vor der Hand noch an Erfahrungen. Da die beim er- wachsenen N. australis längste erste Schwinge beim Amur-Exemplar noch nicht völlig aus- gebildet ist. so kann natürlich auch die Flügellänge desselben noch nicht das volle Maass wie beim erwachsenen Vogel haben.

Am frischgeschossenen jungen Vogel waren: die Iris braun, der Schnabel grau, am Un- terkiefer in’s Fleischfarbene fallend, die Füsse blaugrau.

Die Maasse unserer Exemplare von N. australis sind folgende:

Alte Individuen. Junger Vogel. Wilui. Behringsinsel. Amur.

Länge des zusammengelegten Flügels 11” 5” 11” 11” 107

» des Schwanzes zscccern... 47 3” AR N

Bes Schuabels Kt Pre 7 REN Höhe des Schnabels an der Stime... 7” 7” -—5” Breite des Schnabels ebendaselbst .. _— 61” _ 61” a1” Bonsemdes Fanta. 2 EEE rt art

» der Mittelzehe ohne Nagel... u 1” 99 a

» des Nagels an der Mittelzehke . 33” Ser" » der Hinterzehe ohne Nagel... 6" 6" 53” » des Nagels an der Hinterzehe. 21” 21” 21”

Wie erwähnt war uns N. australis bisher nur aus Neuholland, von den Sunda-Inseln (Sumatra, Borneo) und aus Japan bekannt. Es ist daher in zoologisch-geographischer Be- ziehung sehr interessant, ihn nunmehr auch im Norden Asien’s, und zwar im Littorale sowohl als im Innern des Continentes und bis in recht hohe Breiten hinauf kennen zu lernen. So finden wir ihn auf der Behringsinsel im 55sten und am Wilui sogar im 64sten Grade nördl. Breite. Ohne Zweifel kommt er daher auch in Kamtschatka, in den Küstengegenden des Ochotskischen Meeres u. s. w. vor. Dabei lernen wir ihn zugleich auch als einen in der

I) Wie sehr übrigens das Grössenverhältniss der Schwingen oder der Steuerfedern bei unausgewachsenen jungen oder in der Mauser begriffenen Vögeln durch ungleichzeitiges und ungleichrasches Hervorwachsen der Fe- dern von dem nachmaligen verschieden sein kann, davon geben unter Anderem auch unsere Beobachtungen an jungen Individuen von Pica cyana einen sehr sprechenden Beleg ab. S. oben p. 318.

Schrenck’s Amur-Reise Bd. 1. 55

434 Vögel.

nördlichen Hemisphäre brütenden Vogel kennen. Bisher war uns von den Brüteorten von N. australis nichts bekannt. In Neuholland, wo dieser Brachvogel ganz allgemein verbreitet zu sein scheint"), hat man ihn bisher nicht brüten sehen. Gould vermuthet zwar, dass er viel- leicht auf der Höhe von VanDiemensland und Australia felix brüte, allein wenn dem so wäre, so hätte nıan ihn von dort gewiss auch in jungen Individuen erhalten, um so mehr als diese dem Jäger immer leichter in die Hände fallen. Dass Solches aber bisber nicht geschehen und dass im Gegentheil gerade der junge Vogel, trotz der Häufigkeit und allgemeinen Verbrei- tung dieser Art inNeuholland, uns bisher ganz unbekannt bleiben konnte, muss entschieden gegen die Vermuthung Gould’s sprechen. Ist doch dagegen gleich das erste und bisher ein- zige im Amur-Lande erbeutete Exemplar ein junges Individuum? Dieses traf ich am 41 Juli 1856 am südlichen Amur zwischen der Ussuri- und Ssungari-Mündung, nahe dem Dorfe Sselgako, einzeln auf der schlammigen Spitze einer mit Weiden bewachsenen Insel des Stro- mes an. Möglich, dass es sich schon auf der Wanderung nach südlicheren Gegenden befand. Da es jedoch, wie oben dargethan, noch ein sehr junges Individuum, mit noch nicht vollstän- dig ausgebildetem Federkleide war, so unterliegt es jedenfalls keinem Zweifel, dass es in der nördlichen Hemisphäre, sei es im Amur-Lande selbst, oder nördlich von demselben ausge- brütet worden ist. Damit wird nun freilich die Möglichkeit, dass ein Theil dieser Vögel auch in höheren Breiten der südlichen Hemisphäre (und dann natürlich auch in der entsprechenden, der unsrigen entgegengesetzten Jahreszeit) brüte, keineswegs widerlegt. Jedenfalls wird man es aber nicht eher annehmen dürfen, als bis auch hinreichende Beweise und nicht bloss Ver- muthungen dafür vorliegen.

148) Ardea cinerea L.

Bei den Giljaken: wadsach. » » Mangunen und Golde: watska und waska.

Ein junges Individuum vom grauen Fischreiher, das wir aus dem Amur-Lande heim- gebracht haben, unterscheidet sich in seiner Tracht vom europäischen in keiner Weise. Un- gefähr zwei Monate alt, hat es auf dem Kopfe eine Holle von schieferschwarzen Federn, von denen die längsten etwa 2 Zoll betragen und die meisten an ihrer Spitze noch die Spuren der ehemaligen Dunenbekleidung des Vogels tragen. Bei so jugendlichem Alter unsres Vogels haben auch die Schwingen desselben die beim alten gewöhnlichen Grössenverhältnisse noch nicht er- reicht, indem die 1“ Schwinge noch ansehnlich kürzer als die 5'°, die 2 kürzer als die 3"

I) Gould hat ihn beinahe aus allen Theilen dieses Continentes, so von Port Essington, vom Schwanen-Fluss, aus South-Australia, New-South- Wales, Van Diemensland und von allen Inseln der Bass-Strasse erhalten, 5. The Birds of Austr. 1. c.

Ardea cinerea. A. (Herodias) alba. 435

und diese letztere die längste im Flügel ist"). Am frischgeschossenen Vogel waren: die Iris gelb, im äusseren Umkreise schwärzlich, die nackte Stelle um das Auge schmutzig grünlich- grau, der Schnabel am Oberkiefer braunschwarz, am Unterkiefer gelb, die Füsse grünlich- braun, die Hinterseite der Läufe im oberen Theile und die Sohlen schmutzig gelbgrün.

Der graue Fischreiher ist zwar am gesammten Amur-Strome verbreitet, kommt aber meiner Erfahrung nach nirgends häufiger als im waldreichen unteren Laufe desselben vor. In der That muss ihm dort, ausser den reichlichen und ungestörten Nistplätzen, auch durch den besonders fischreichen, weit ausgebreiteten und vielfach verzweigten Strom, mit seinen oft flachsandigen, kiesigen und schlammigen Uferstrecken, den unzähligen seichten Buchten, Untiefen, Sandbänken u. dgl. m., ein ungemein weites und an günsigen Localitäten zum Auf- suchen seiner Nahrung überreiches Terrain gegeben sein. Aufunseren Reisen in jenem Theile des Stromes sahen wir ihn daher fast täglich und oft mehrmals am Tage bald einzeln, bald zu 3 6 Stück im seichten Wasser oder am Rande desselben stehen und bei grösserer An- näherung unseres Bootes langsam auf und davon fliegen. Meist geschah es schon, wenn unser Boot noch in bedeutender Entfernung war; nur wo ein Felsvorsprung, eine bewachsene Land- zunge oder eine rasche Biegung des Stromes uns zum Schutze gedient hatten, gelang es uns, ihn in grösserer Nähe, aber freilich auch dann nur auf einen flüchtigen Moment zu über- raschen. Einem solchen Umstande verdanke ich auch das oben erwähnte junge Individuum, das ich am 28. Juli (9. Aug.) am Ufer des Amur-Stromes nahe der Ussuri-Mündung schoss. ‘Wie scheu der Fischreiher auch in jenen ungestörten Wildnissen ist, hatte ich Gelegenheit auch in der Umgegend des Nikolajevschen Postens zu beobachten. Im August 1854, als esdortnoch gar keine Jagd gab, sah ich einen Reiher regelmässig den ein paar Werst vom Posten entfernten Ausfluss des Kuik-Baches in den Amur besuchen. Obgleich nun dieser Ort zwischen Sandhügeln im dichten Weidengebüsch versteckt lagund ich mich längs dem Stromufer leise und ungesehen demselben anschleiehen konnte, so versuchte ich es doch viele Male vergeblich ihn zu über- raschen und vermisste ihn nach einiger Zeit gänzlich.

149) Ardea (Herodias) alba L.

Auf das Vorkommen dieses schönen Silberreihers im Amur-Lande kann ich leider bloss nach einer einzelnen Feder schliessen, die ich von einem Giljaken des Dorfes Kuik beim Nikolajevschen Posten erhielt. Diese Feder war nach ausdrücklicher Angabe meines Gil- jaken von dem Rücken eines Vogels genommen, den er selbst an der Mündung des Amur- Stromes erlegt hatte. Ihrer Beschaffenheit nach entspricht sie vollständig den bekannten, ver- längerten Schulterfedern von A. alba: sie ist schneeweiss (wie nach Aussage des Giljaken

1) Beim erwachsenen Vogel pflegt bekanntlich die 1ste Schwinge länger als die 5te, die 2te die längste im Flügel

zu sein. Vrgl. Keyserling und Blasius, Die Wirbelth. Eur. p. 218. *

436 Vögel.

auch der ganze übrige Vogel), über 11” lang (mir fehlt von ihrem oberen Ende ein Stück,

das ich auf etwa 4—3” abschätzen möchte), mit langem, zerschlissenem Barte, dessen einzelne

Strahlen sehr fein, weich und seidenartig sind, dabei weit auseinander stehen und keinen Zu- sammenhang mit einander haben. Die längsten dieser Strahlen befinden sich ungefähr in der Mitte der Feder und betragen 41”. Die Entfernung der einzelnen Strahlen von einander nimmt nach der Spitze der Feder rasch zu: sie beträgt nahe dem oberen Ende derselben nur 11”, in der Mitte etwa 2 und nahe der Spitze 4”. Diesen Dimensionen nach kann also unsere Feder nur einer von den grösseren Silberreiherarten angehört haben. Unter diesen müssen wir aber hier die der A. alba sehr nahestehende A. Egretta Gm. schon aus dem Grunde aus- schliessen, weil dieselbe eine nur auf America beschränkte und auch dort wenig nordwärts')

vordringende Form ist, die sich übrigens auch durch weniger abgeplattete Schäfte der langen Schulterfedern von der erstgenannten Art unterscheidet”). Es blieben uns somit nur A. alba L. und A. egrettoides Temm. übrig‘), von denen aber die letztere noch wenig bekannt und, wie es scheint, von eingeschränkter Verbreitung ist, da man sie bisher nur aus Java und Japan‘) kennt, während A. alba eine allgemein bekannte und in mittleren Breiten quer durch die ganze alte Welt, von dem nördlichen Africa und südlichen Europa bis nach Japan ver- breitete Art ist, die auch in Europa bisweilen in nördlichere Breiten, so bis nach Schlesien und Sächsisch-Preussen’), Belgien und Nordfrankreich‘°), ja vielleicht sogar bis nach England’) sich verlliegt, in Asien speciell aber in besonderer Anzahl in allen Ländern um das Schwarze und Caspische Meer‘), ferner in Syrien’), Persien, der Bucharei "), Westsibirien''), Indien”), Japan”) u. s. w. vorkommt. Gewiss spricht also die grösste

l) Nur so weit die Staaten New-York und Massachusetts reichen, und am Mississipi nur bis Natchez. Vrgl Nuttall, A Man. ofthe Ornith. of the Unit. St. and of Canada. The Wat. Birds. p.47. Audubon, Ornith. Biogr. IV. p. 600; desselb. A Synops. of the Birds of North Amer. p. 265.

2) Vrgl. Degland, Ornith. europ. II. p. 139. Ein Unterschied, der freilich sehr gering ist.

3) Von den noch problematischen Arten, wie A. orientalis Gray, welche bald zu den grossen (s. Keyserling und Blasius, l.c. p, LXXIX und 218.), bald zu den kleinen Silberreihern gestellt und mit A. nigripes Temm. für synonym erklärt wird (s. Schlegel, Rev. crit. des Ois. d’Eur. p. 101.), ferner A. nigrirostris Bon. u. a. m., kann hier natürlich nicht die Rede sein.

#) Siebold, Fauna Japon. Av. p. 115. Tab. LXIX. Das Vorkommen dieser Art in Sieilien (s. Temminck, Manuel d’Ornith. IV. p. 375.) ist in der Fauna Japon. a. a. O. als irrthümlich widerrufen worden.

>) Naumann, Naturgesch. der Vögel Deutschl. IX. p. 93.

6) So ist sie beiMetz und Abbeville gefunden worden, s. Degland I. c. p. 138. Selys Longchamps, Faune belge. p. 132.

’) Selby, Illustr. of Brit. Ornith. II. p. 18 fl.

8) Menetries, Catal. rais. p. 49). Nordmann, Observ. sur la Faune Pont., s. Voyage dans la Russ. m£rid. et la Crimee, exec. sous la dir. de M, An. Demidoff. II. p. 259,

9) Naumann,l.c. p. 92.

10) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 121.

!l) Brandt, Consid. sur les anim. vert. de la Siberie occid. (Extr. du Voyage de M. Tschihatscheff). p. 28.

12) So istsie am Ganges von James Franklin (4. Torra und A. Putea Buchan. s. Proc. of the Zool. Soc. of Lond. 1. 1830—31. p. 123.) und bei Dukhun von Sykes (Proc. of the Zool. Soc. II. p. 157.) nachgewiesen worden. Nach Bonaparte (Tabl. synopt. de l’ordre des Herons. Extr. des Compt. rend. des San. de l’Acad. des Sc. 2. Avr. 1855. Paris. p. 4.) sind A. Zorra und A. Putea Buchan. synonym mit A. egrettoides Temm.

13) Fauna Japon. Av. p. 114.

Ardea (Herodias) alba. A. (Butorides) virescens, Var. scapulariıs. 437

Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch unser weisser Reiher von der Amur-Mündung zu dieser letzteren Art gehört habe. Für einen regelmässigen Bewohner oder auch nur häufigeren Be- sucher des Amur-Landes und namentlich seines nördlichen Theiles und der Amur-Mündung möchten wir aber A. alba dennoch nicht halten. Der Giljake, der ihn erlegt hatte, behaup- tete ausdrücklich einen solchen Vogel in seinem Lande weder früher noch später jemals wieder gesehen zu haben; er hielt ihn für eine ganz ausserordentliche Erscheinung und wähnte sich daher durch seine That, ihn erlegt zu haben, eines Frevels schuldig, den er schon durch man- ches Unglück in seinen späteren Schicksalen gebüsst zu haben und auch in Zukunft noch büssen zu müssen glaubte. Nur aus diesem Grunde, als etwas Ausserordentliches, hatte er auch die ihm sonst nutzlosen Federn, von denen er mir nicht mehr als eine abtreten mochte, Jahre lang sorg- fältig aufbewahrt. Liesse sich übrigens A. alba regelmässig oder auch nur öfters im Amur- Lande sehen, so hätten wir die schönen Schulterfedern derselben gewiss auch bei anderen Giljaken und noch mehr bei den oberhalb am Amur wohnhaften tungusischen Stämmen ge- sehen, wie es uns mit den Federn vieler anderen, der A. alba an Schönheit weit nachstehen- den Vogelarten begegnet ist. Aus alledem möchten wir also, so lange uns keine anderen Er- fahrungen vorliegen, den Schluss ziehen, dass das einzige Exemplar von A. alba, von dem wir im Amur-Lande Kunde erhielten, wahrscheinlich nur ein aus südlicheren Breiten, aus China oder Japan ausnahmsweise bis zur Mündung des Amur-Stromes verflogenes Individuum ge-

wesen sei.

150) Ardea (Butorides) virescens L. Var. scapularis 1llig. 4. scapularis Illig. Lichtenstein, Verz. der Doubletten des zool. Museums zu Berlin. 1823. p. 77.

Bei den Giljaken: pu-nga. » » Golde am Amur: ischö, njungnjan-ischö und dalang-karge. »» » am Ussuri: ongona.

Nach einem Dutzend von Exemplaren, die uns von A. virescens L. und A. scapularis Nlig. aus sehr verschiedenen Gegenden der Welt, und zwar aus dem Amur-Lande, Manila, Java, Galifornien und Brasilien vorliegen, sind wir im Stande, die gegenwärtig herr- schende Ansicht, dass es zwei verschiedene Arten seien, zu widerlegen und die Identität der- selben als Varietäten einer und derselben Art zu behaupten. Der angebliche specifische Un- terschied dieser Formen, auf den schon Buffon aufmerksam machte ') und den wir später von

1) Buffon unterschied drei Arten: «Crabier vert tachete, de la Martinique» (Hist. natur. Ois. VIII. p. 236. Pl. enl. Tab. 912.), «Crab. roux ä töte et queue vertes, de la Louisiannen» (l. c. p. 237. Tab. 909.) und «Crab. gris a tete et queue vertes, de Cayenne» (l. c. p. 238. Tab. 908.). In den beiden ersteren erkennt man gegenwärtig den jungen und alten Vogel von A. virescens L., in der 3ten die A. scapularis Illig. Gmelin (Linn. Syst. Nat. Lugd. 1789. 1. p. 630 und 635.) und Latham (Ind. ornith. Lond. 1790. II. p. 684 und 690.) sahen dagegen ganz irrthümlicher Weise die

438 Vögel.

Wagler'), Bonaparte’), Burmeister?) u. a. sehr entschieden hervorgehoben finden, be- steht darin, dass bei A. virescens in jedem Alter die Kopfseiten und der Hals (seitlich und hinten) und im erwachsenen Zustande auch die ganze Unterseite röthlich kastanienbraun, bei 4. scapularis dagegen diese Theile in jedem Alter heller oder dunkler grau sind. In der übrigen Färbung und in den plastischen Verhältnissen beider Formen wissen selbst die der Artentren- nung am meisten zugeneigten Autoren keinerlei erhebliche Verschiedenheiten anzugeben. Es fragt sich nun, ob dieser Unterschied in der Farbe des Halses und der Unterseite in der That ein so beständiger und durchgehender sei, dass er in allen Fällen zur Unterscheidung der Arten dienen könne? An ganz typischen Exemplaren ist er allerdings so praegnant und auf- fallend, dass an eine Verwechselung beider Formen nicht zu denken ist, und von Zwischen- färbungen finden wir bei den Zovlogen, trotz häufiger Bemerkungen über die Variabilität dieser Reiherarten, bisher keine genauere Erwähnung. Unter den uns vorliegenden Exemplaren giebt es aber neben solchen, die unzweifelhaft zu einer oder der anderen dieser Formen ge- hören, auch solche, die entschieden zwischen beiden stehen, so dass man mitunter auch nieht weiss, zu welcher von beiden man sie bringen soll. Eine Vermittelung zwischen beiden Arten ist hier also nicht zu verkennen. In welcher Weise aber und wie weit sie stattfindet, mag folgende ausführlichere Betrachtung derselben lehren.

Was zunächst unsere Exemplare von A. virescens Auct. betrifft, so können wir auf die älteren, immer noch brauchbaren Abbildungen Buffon’s (Tab. 909 und 912.) und be- sonders auf diejenigen der Ornithologen Nordamerika’s, wo diese Form sehr gemein ist, ver- weisen.“ Namentlich entspricht ein junges Individuum unseres Museums aus Java den Ab- bildungen bei Buffon (Tab. 912.) und Audubon‘) und ein alter Vogel aus Nordealifor- nien denjenigen von Wilson’) und De K ay°) recht genau. In der letzteren Abbildung sind aber, ganz ebenso wie es auch bei unserem Exemplar der Fall ist, die Brust, der Bauch, die unteren Schwanzdeckfedern und die Schenkel nicht von der rothbraunen Farbe, die Buffon und Audubon für den alten Vogel angeben”), sondern dunkelgrau (am Bauche mit gelblichem

4ste und 3te der Buffonschen Arten als Varietäten von A. virescens, die 2te als besondere Art, A. ludoviciana Gm., an, welche aber mit der späteren A. ludoviciana Wils. (A. lewcogaster Auct.) nicht zu verwechseln ist. Sehr wahr- scheinlich gehört auch 4. virgata Gm. (l. c. p. 643., Latham l.c. p. 693.) hierher, Wenn aber Wagler (Syst. Avium. Gen. Ardea. Sp. 35.) auch 4. striata Gm. und Burmeister (Syst. Uebers. der Thiere Brasil. III. 2te Hälfte p- 411.) A. lineata Gm. als Synonyme von 4. virescens nennen, so können wir dem nach Vergleichung der Be- schreibungen von Gmelin und Latham und der Abbildung von Buffon (Pl. enl. Tab. 860.), nicht bei- stimmen.

1) Syst. Av. Gen. Ardea. Sp. 35 und 36.

2) Al. Wilson, Amer. Ornith. with a contin. by Ch. Luc. Bonaparte. 1832. III. p. 1. Anmerkung.

3) Syst. Uebers. der Thiere Brasil. III, 2te Hälfte. p. 411 und 412.

4) Ornith. Biogr. Tab. CCCXXXI. fig. 2.

5)]. c. Tab. 61. fig. 1. Nurmöchten wir bei dieser Abbildung im Vergleich mit unserem Exemplar dieselbe Be- merkung wie Bonaparte machen, dass nämlich an der Unterseite zu viel Weiss zu sehen ist,

6) Zool. of New York. UI. Tab. 82. fig. 188.

”) Audubon, I. c. fig. 1. Auch Bonaparte scheint solcbe Exemplare gehabt zu haben, s. Al. Wilson Amer Ornith. 1. c.

Ardea (Butorides) virescens, Var. scapularıs. 439

Anfluge) dargestell. Mit Wagler könnte man daher glauben, dass sowohl De Kay’s wie unser Exemplar nur jüngere Individuen seien, allein dagegen sprechen bei ihnen der vollkom- mene Mangel an weissen Flecken auf den Spitzen der oberen Flügeldeckfedern und an roth- braunen Schaftflecken auf den Stirn- und Scheitelfedern, sowie die vollständig und bei un- serem Exemplar sehr schön ausgebildeten langen und schmalen Schulterfedern. Es sind daher ohne Zweifel beides alte Individuen, die aber von den von Buffon und Audubon beobach- teten darin abweichen, dass Brust und Bauch nicht rothbraun, sondern grau sind. Hier sehen wir also schon innerhalb der bisher unzweifelhaft für A. virescens angesehenen Formen ein Variiren in diesen beiden Farben, ein gegenseitiges Sichersetzen von Rothbraun und Grau, wie es, nur in grösserem Maassstabe und auch über die Halsfedern ausgedehnt, als unterschei- dendes Kennzeichen zwischen 4A. virescens und A. scapularis sich kundgiebt. Betrachtet man daher jene von Buffon und Audubon abgebildete, auf der ganzen Unterseite rothbraune Forn: als die typische von A. virescens '), so bildet die uns vorliegende, von De Kay zuerst in genügender Weise dargestellte, die wir in Folgendem der Kürze wegen die Var. De Kayana nennen wollen, schon eine sehr deutlich ausgesprochene Zwischenform, und zwar eine sulche, die hinsichtlich der Ausbreitung der rothbraunen und grauen Farbe genau die Mitte zwischen A. virescens und A. scapularis hält. Sehen wir übrigens das Rothbraun am Halse unseres ca- lifornischen Exemplares genauer an, so lässt sich in demselben sehr deutlich ein doppelter Far- benton bemerken: während nämlich die oberen Halsseiten und der Kopf ganz rein rothbraun sind, zeigen der Hinterhals und die unteren Halsseiten ein mit sehr merklichem grauem An- fluge überlaufenes dunkles Weinroth, welches nach den Brustseiten allmählig in ein kaum röthliches Grau und an der Brust endlich in reines Grau übergeht. Hier sieht man also neben der rothbraunen Hauptfarbe des Halses auch die graue Farbe einen deutlichen Antheil an der Halsfärbung nehmen. Was den Vorderhals betrifft, so ist er, ebenfalls wie in der Abbildung von De Kay, längs der Mittellinie weiss, am Kinn gelblich angeflogen, an der Kehle und Gurgel mit kleinen schwärzlichen Flecken, weiter abwärts röthlichbraun gestreift und gelleckt.

An das californische Exemplar schliesst sich nun, als ein weiterer Beleg für das Variiren der rothbraunen und grauen Farbe bei diesen Reihern, ein brasilisches Exemplar unseres Museums an. Es ist ebenfalls ein altes Individuum, bei dem aber, bei übrigens ganz gleicher Zeichnung, die Kopf- und Halsseiten und der Hinterhals nichtröthlichbraun und graulichwein- roth, sondern nur rostbraungrau sind, und zwar tritt das Rostbraun intensiv in den Flecken des Vorderhalses und an den Halsseiten, zumal an ihrem unteren Theile, hervor und nimmt dann nach dem Hinterhalse, dem Grau weichend, mehr und mehr ab, so jedoch, dass auch der Hinterhals noch bräunlichgrau ist. Die Brust, der Bauch und die übrigen Theile der Unterseite sind wie bei der Var. De Kayana; ebenso die Oberseite, an der sich nur etwas breitere und

1) Man könnte auch geneigt sein, sie die Var. ludoviciana zu nennen, da es der Crab. de Louisianne von Buffon und die A. ludoviciana Gm. ist (s. oben), wenn dieser Name von Wilson nicht an eine ganz andere, ausschliesslich amerikanische Art (A. leucogaster Auct.) vergeben worden wäre.

440 Vögel.

lebhaftere rostgelbliche Säume, als bei unserem californischen Exemplar bemerken lassen, was jedoch, von der grösseren oder geringeren Abnutzung des Gefieders abhängig, von keiner spe- cifischen Bedeutung sein kann. Ob man nun dieses Exemplar schon zur A. scapularis, oder noch zur A. virescens bringen soll, muss fraglich erscheinen. Gewiss könnte man es ebensogut für ein blasseres, mit vorherrschenderem Grau versehenes Exemplar der Var. De Kayana, wie für ein mit etwas stärkerem Braun an den Halsseiten gezeichnetes Individuum der folgenden Form ansehen.

Mit ganz allmähligen Uebergängen schliessen sich nämlich an dieses brasilische Exem- plar zwei andere, aus derselben Gegend stammende Individuen und ein 3°, unserem Museum durch Kittlitz aus Manila zugekommenes Exemplar an. Das erstere derselben zeichnet sich nur dadurch aus, dass das Rostbraun bloss an den Flecken des Vorderhalses deutlich sichtbar, wenn auch merklich blasser und schmutziger als bei jenen, auf dem Grau der Kopf- und Hals- seiten aber nur noch ein ganz schwacher rostbräunlicher Anflug zu bemerken ist, der nach dem Hinterhalse ganz verschwindet. Beim zweiten Exemplar bleiben nur noch die rostbraunen Flecke des Vorderhalses und ein paar rostgelbliche Streifen an den Kopfseiten übrig, die Halsseiten aber und der Hinterhals sind schon rein grau, und beim 3'% Exemplar endlich (aus Manila) sind auch auf dem Vorderhalse nur noch wenige schmutzig graugelbe Flecke längs der Mittellinie zu erkennen, alles Uebrige dagegen ist grau. In diesen drei Exemplaren haben wir nun die für eine besondere Art gehaltene A. scapularis Illig., von der uns schon durch Buffon und später durch James Wilson getreue Abbildungen gegeben worden sind. Die letztere, nach einem Exemplar des Edinburger Museums entworfen, bei dem Wilson, wie bei 3 anderen Exemplaren desselben Museums, nur eine schwache Spur rostbrauner Farbe an den Halsseiten fand, entspricht namentlich unserem 2'”, dieBuffonsche Abbildung (Tab. 908.) unserem 3' brasilischen Exemplare ganz vortrefllich'). Das Individuum aus Manila aber giebt oflenbar einen Beleg für das noch weitere Verschwinden der Rostfarbe bei diesen Reihern ab und lässt sich somit als Uebergang zu der uns aus dem Amur-Lande vorliegenden Form betrachten.

Die Amur-Exemplare, deren uns 3 vom erwachsenen und 2 vom jungen Vogel vor- liegen, gehören sämmtlich und ohne erhebliche Differenz unter einander der Var. scapularıs an, jedoch mit der Abänderung im Vergleich zu den oben erwähnten Abbildungen dieser Form, dass die rostbraune und rostgelbe Zeichnung am Vorderhalse, die sich bei dem Exem- plar aus Manila schon auf wenige schmutzig graugelbe Flecke redueirt findet, bei den er- wachsenen Individuen vom Amur vollkommen verschwindet. Die Kopf- und Halsseiten und der Hinterhals sind rein aschgrau, der Vorderhals weiss mit schwarzen und schwarzgrauen,

!) James Wilson (Ilustr. of Zool. Edinb. and Lond. 1831. Tab. 12., nebst Text.) führt diese Form auch nur unter dem Namen der Lathamschen Yar. A. der Synops. oder Var. ß. des Ind. Ornith. von A. virescens, mil übrigens fraglicher Synonymie der A. ludovieiana Gm. (der typischen Form von A. virescens, s. oben), an. Ganz mit Unrecht giebt er aber hinsichtlich dieser letzteren Form Latham den Vorzug vor Gmelin, da sich die A. /udoviciana als eigene Art auch bei Latham (Ind. Ornith. II. p. 690., Synops. of Birds, Uebersetzung von Bechstein. III. 1. p. 53.) findet,

Ardea (Butorides) virescens, Var. scapularıs. 441

bald vom Kinn, bald von der Gurgel an herabsteigenden Flecken. Das Uebrige der Ober- und Unterseite ist ganz wie bei den früher erwähnten Formen und wie in den oben angegebenen Abbildungen. Wegen dieses vollständigen Schwindens der rostbraunen Farbe bei den Amur- Exemplaren könnte man sie jener, als A. scapularis beschriebenen, noch mit rostbraunen und gelben Flecken gezeichneten Form gegenüber als besondere Varietät (Var. amurensis) bezeichnen. Da jedoch, wie wir oben darzuthun versuchten, der Charakter der Var. scapularis im Ver- gleich zur A. virescens Auct. in dem durch nachweisbare Zwischenstufen vermittelten Schwin- den der roth- und rostbraunen Farbe im Gefieder des Halses und der Unterseite und einem Ersetzen dieser Farbe durch Grau besteht, und dieser Charakter offenbar in der Amur-Form eulminirt; so lässt sich diese letztere auch nur als die allerpraegnanteste und reinste und in dieser Beziehung gewissermaassen typische Form der Var. scapularis betrachten. Es bildet diese, im Gefieder des Halses und der Unterseite allen Roth- oder Rostbrauns ermangelnde Form vom Amur ebenso den einen äussersten Endpunkt der ganzen Reihe, wie jene, von den Kopfseiten und dem Halse bis zu den unteren Schwanzdeckfedern mit schönem Rostbraun ge- zeichnete typische Form von A. virescens den anderen. Zwischen diesen extremen, hier rein grau, dort lebhaft rotbbraun gefärbten Formen ist denn allerdings der Unterschied ein so bedeuten- der, dass man dieselben, so lange die vermittelnden Zwischenformen nicht bekannt waren, mit Recht für verschiedene Arten halten musste.

Wir haben bisher nur die erwachsenen Individuen von A. virescens und scapularis be- sprochen; es bleibt uns daher noch übrig auch der jungen Vögel zu erwähnen, von denen uns vier Exemplare, eines aus Java, eines aus Brasilien und zwei vom Amur vorliegen. Im Allgemeinen lässt sich bei ihnen dieselbe stufenweise Abnahme in der Ausbreitung und Intensität der rothbraunen Farbe im Gefieder des Kopfes und Halses von der A. virescens zur A. scapularıis wie bei den erwachsenen Individuen, nur nicht in dem Umfange und in so auf- fallender Weise wahrnehmen, was seinen Grund in der überhaupt düstereren Färbung und in der gefleckten Zeichnung der betreffenden Theile hat. Einerseits ist nämlich das Rothbraun bei den Jungen von A. virescens, selbst bei der typischen Form, nicht so lebhaft und schön wie bei den Alten, sondern stets etwas schmutzig, schwärzlich gemischt, und andererseits wird es bei den Jungen von A. scapularis auch nicht durch Aschgrau, wie bei den Alten, sondern nur durch ein dunkles, etwas bräunliches Schwarzgrau ersetzt. Der Abstand zwischen diesem schmutzigen Rothbraun der einen und dem dunklen, bräunlichen Schwarzgrau der anderen Form ist also lange nicht so gross und auffallend, wie zwischen dem schönen Rothbraun oder dunklen Weinroth und reinen Aschgrau der respectiven Alten. Zudem. werden die er- wähnten Farben bei den Jungen beider Formen längs den Kopf- und Halsseiten noch durch mehr oder weniger zahlreiche helle, rostgelbe bis gelblichweisse Schaftflecke unterbrochen, was natürlich ebenfalls den Unterschied in der Grundfarbe weniger scharf als bei den Alten in die Augen fallen lässt. Dennoch ist auch hier, wenn man Individuen von verschiedenen Fundorten mit einander vergleicht, die stufenweise Abänderung der Farben, und zwar der

Grundfarbe sowohl als der Schaftflecke, in derselben Weise wie bei den Alten nicht zu verkennen, Schrenck’s Amur-Reise. Bd.I. 56

142 Vögel.

Für das 1“° unserer Exemplare, einen jungen Vogel aus Java, haben wir schon oben auf die Audubonsche Tafel verwiesen. Hier müssen wir jedoch bemerken, dass das Rothbraun an den Kopfseiten desselben etwas düsterer als in der erwälnten Abbildung ist und an den Brust- seiten etwas tiefer hinabreicht. Hält man das Exemplar aus Brasilien dagegen, so findet man bei diesem anstatt des Rothbrauns schon fast zumeist, und besonders an den Kopf- und oberen Halsseiten, ein düsteres Schwarzbraun; an vielen Stellen aber, und besonders an den Brust- und unteren Halsseiten, tritt auch das Rothbraun noch sehr deutlich hervor. Bei den Amur-Exem- : plaren endlich ist das Rothbraun allenthalben, an den Kopf- und Halsseiten wie am Hinter- halse, durch bräunliches Schwarzgrau ersetzt. Dabei sind beim javanischen Exemplar die Schaftflecke längs den Kopf- und Halsseiten rostgelb, bei dem brasilischen und den Amur- Exemplaren dagegen nur schwach rostgelblich, oft sogar nur schmutzig gelblichweiss. Ferner ist der Vorderhals in seiner Mittellinie beim javanischen Exemplar weiss mit rostgelblichem Anfluge und mit schwarzbraunen Flecken, bei den Amur - Exemplaren dagegen ist er rein weiss mit schwarzen Flecken, und das brasilische Exemplar endlich hält wiederum die Mitte zwischen beiden. Dasselbe gilt auch von den Flecken der Brust und des Bauches, nur dass diese bei beiden heller und bei den Amur- Exemplaren somit nicht schwarz, sondern nur schwarzgrau sind. Wie mit den Schaftflecken der Halsseiten, so verhält es sich endlich auch mit denjenigen, die beim jungen Vogel die schwarzgrünen, metallisch glänzenden Stirn- und Scheitelfedern zieren: beim javanischen Exemplar sind diese schön rothbraun, bei einem der Amur-Exemplare rostgelb und beim anderen und dem brasili- schen nur schmutzig gelblich. Was dagegen die den jungen Vogel ebenfalls kennzeich- nenden rostgelblichen Schaftflecke an den Spitzen der kleinen und mittleren Flügeldeck- federn, die dreieckigen weissen Spitzenflecke an den grossen Flügeldeckfedern und die klei- nen weissen Spitzen an den Schwingen betrifft, so sind diese, wie auch die ganze übrige Ober- seite, bei allen unseren Exemplaren gleich; nur dass sich hier noch deutlicher jenes indivi- duelle Variiren in der Breite der rostgelblichen Kanten an den Schulter- und Flügeldeckfedern, von dem schon bei den erwachsenen Individuen die Rede war, kundthut.

Am frischgeschossenen erwachsenen Vogel vom Amur fand ich die Iris weisslichgelb, nach aussen hin allmählig in einen Umkreis von brauner Farbe übergehend, den Schnabel schwarz, auf der Unterseite des Unterkiefers heller, die nackte Stelle am Auge und die Füsse gelblichgrün, die Sohlen orangefarben. Beim jungen Vogel waren: die Iris eitronengelb, der Schnabel hornfarben, an der Basis und am Unterkiefer gelblich, die Füsse gelblichgrün, die Nägel hellgelblichgrau, die Sohlen eitronengelb.

Lässt sich aus dem Besprochenen schon mit ziemlicher Gewissheit der Schluss ziehen, dass A. virescens und A. scapularis nur zu einer und derselben, in der Tracht recht sehr variiren- den Art gehören, so möchten wir zur ferneren Begründung dieser Ansicht auch aufihre Ueber- einstimmung in allen Form- und Grössenverhältnissen hinweisen. In dieser Beziehung ist es auch den zur Trennung der Arten am meisten neigenden Autoren bisher nicht gelungen, spe- eilische Verschiedenheiten nachzuweisen. Auch uns ist es nicht möglich, an unseren Exem-

Ardea (Butorides) vırescens, Var. scapularıs. 443

plaren irgend welche Differenzen in der Schnabelform, in den Schwingenverhältnissen, in der relativen Zehenlänge oder anderen Form- und Grössenverhältnissen zu finden. Allerdings lassen sich in manchen dieser Punkte einige Schwankungen wahrnehmen, allein diese sind im Vergleich zu den starken Abänderungen in der Farbe nur ganz gering und stehen übrigens zu letzteren auch in gar keiner Beziehung, so dass sie in keinem Falle als specifische Verschie- denheiten angesehen werden können, sondern nur ganz gewöhnliche Schwankungen abgeben, wie man sie mehr oder weniger bei einer jeden, noch so eingeschränkten Art findet. So kann z. B., nach unseren Exemplaren zu urtheilen, der Schnabel auch bei Individuen von scheinbar gleichem, erwachsenem Alter um die Grösse von nahe 5” variiren; im Flügel kann bald die 2'°, bald die 3' Schwinge am längsten sein, mit respectivem Grössenunterschiede yon 121"; ein gleiches Schwanken kann im Grössenverhältniss der 1" und Schwinge" stattfinden; es können die Tarsen und Zehen um 2— 3” in ihrer Länge differiren u. s. w. Folgendes sind die an den interessantesten unserer Exemplare genommenen Maasse:

: i . vir. interm. 4A. vir. Var. _ he

De Kayana. int. Var.DeKay. A. vir. Var. scapularis. et scapul. Nordcalifornien,Brasilien. Manila. Amur. Ussuri. Länge von der Schnabel- bis zur Schwanz- Ritz RE 0 un. _ —_ —_ _ 19,9)" Breite in der Flügelspanne .......... _ _ —_ 2

Länge des zusammengelegten Flügels... 7’ 3” 675” 637 75” 75”

a ne ce ar 270, BR nen I een 2 "51 25 Höhe des Schnabels an der Stirne N EP ee Stan —51” 61” we Breite des Schnabels ebendaselbst ..... a —r A ee 51” 51m

Be 10, 17, 1 11 1710” » der Mittelzehe ohne Nase Le el) ib iD Me FL Ta ak Se » des Nagels an der Mittelzehe.... 4” 41" MT Mm" 43" » der Aussenzehe ohne Nagel..... 1” 41” 4" 33” N 41” » der Innenzehe ohne Nagel ...... 1” 31” 1, a1” TT Der, ee » der Hinterzehe ohne Nagel ...... —101” —10” 9” —101” —ı101” » des Nagels an der Hinterzehe.... 54” —53” —51” 6" 61”

Aus diesen Maassen ist nun hinlänglich ersichtlich, dass die an einzelnen Theilen dieser Reiher bemerkbaren Grössenschwankungen durchaus in keiner Beziehung zu den oben be- sprochenen, vermeintlich verschiedenen Arten stehen. Denn wollte man z. B. aus den Grössen- angaben Wagler’s schliessen, dass A. scapularis, bei etwas kürzerer Flügellänge als A. vires- cens, sich von dieser durch einen im Uebrigen grösseren Gesammtwuchs, längeren Schnabel

l) Diese und die folgende Dimension sind am frischgeschossenen Vogel gemessen worden.

444 Vögel.

und höhere Tarsen auszeichne, so widersprechen dem die obigen Maasse ganz entschieden. Diese zeigen vielmehr die grösste Flügellänge bei den gewissermaassen extrem typischen Amur- Exemplaren von A. scapularis und andererseits den kleinsten Gesammtwuchs und namentlich auch die kürzesten Flügel und niedrigsten Tarsen bei derselben Form aus Manila, welche in allen Dimensionen hinter dem californischen Exemplar von A. virescens zurückbleibt '). Den von Wagler für diese letztere Art angegebenen Maassen entspricht von unseren Exem- plaren am meisten das oben vermessene brasilische, welches in seiner Färbung die Mitte zwischen A. virescens und A. scapularis hält. Dieses brasilische Exemplar und dasjenige aus Manila haben auch die auflallend kurze Flügellänge, die Wagler angiebt, während die Amur-Exemplare und das nordcalifornische von A.virescens durch bedeutend längere Flügel sich auszeichnen. Die letzteren stimmen in dieser Beziehung mit den nordamerikanischen In- dividuen von A. virescers nach Audubon’s”) und den japanischen von A. scapularis nach Tem- minck’sundSchlegel’s”) Vermessungen überein. Die Differenz zwischen verschiedenen Indivi- duen in dieser Dimension ist eine sehr bedeutende, bis zu einem Zoll und darüber. Dass sie aber gewiss nicht verschiedene Species kennzeichnet, geht schon daraus hervor, dass sie gerade am grössten zwischen den in der Färbung einander am nächsten stehenden Amur- und Manila- Exemplaren und umgekehrt am kleinsten und fast Null zwischen den in der Färbung am ent- ferntesten von einander stehenden Amur- und nordamerikanischen Exemplaren ist. Unter- suchen wir nun auf ihre Flügellänge auch unsere übrigen, in der obigen Tabelle nicht berück- sichligten Exemplare, so erweist sich bei allen (sechs) aus tropischen Breiten, wie Brasilien, Java und Manila stammenden Individuen eine geringere, bei allen aus nördlicheren Gegenden, wievom Amur, ausNordcalifornien und, nach demoben von Audubon und von Temminck und Schlegel Angeführten, auch aus Nordamerika und Japan herrührenden Exemplaren dagegen eine bedeutendere Flügellänge (dort 6” 3—8”, hier 7” 1—5”). Es scheint daher das Moment verschiedener Flügellänge bei diesen Reihern, gleichviel ob sie zu einer oder der anderen Form, zu A. virescens oder A. scapularis gehören, in einer Beziehung zur geogra- phischen Breite, aus der sie herrühren, zu stehen, in derselben Weise wie wir es schon bei manchen anderen Vogelarten, z. B. bei Fulica atra u. a., kennen gelernt haben, so nämlich, dass die nordischen Individuen längere, die dem Aequator genäherten kürzere Flügel haben eine Erscheinung, die vielleicht mit ihrer hier und dort verschiedenen Lebensweise, als Zug- oder Standvögel, zusammenhängt.

Die Verbreitung dieses Reihers, in dem Umfange wie wir diese Art nach dem oben Ab- gehandelten auflassen müssen, isteinesehr weite: denn ausser den tropischen und subtropischen Ländern beider Welten und beider Hemisphären, wie Senegambien, Guinea, Nubien‘),

I) Ebenso giebt auch Burmeister (l.c.) in Brasilien die A. virescens von durchweg, wenn auch nicht bedeu- tend grösseren Dimensionen als A. scapularis an.

2) Ornith. Biogr. IV. p. 278.

®) Fauna Japon. Aves. p. 117.

4) In Africa ist es die A. atricapilla Afzel. oder A. (Egretta) thalassina Sw. oder A. brevipes Hempr., die wir mit Sundeyall (Oefvers. of Kongl. Vetensk. Acad. Förhandl. 1849. p. 163.) für identisch mit A. scapuwlaris ansehen

Ardea (Butorides) virescens, Var. scapularıs. 445

Indien, den Sunda-, Philippinischen und Japanischen Inseln, Paraguay, Brasilien, Guyana, den Antillen‘) u. s. w., die er vorzugsweise zu bewohnen scheint, geht er in bei- den Welten auch bis in ziemlich nördliche Breiten hinauf. In America soll er namentlich in den südlichen und mittleren Vereinigten Staaten noch sehr gemein sein und in einzelnen und seltenen Individuen bis nach Neuengland und Neuschottland sich ausbreiten’), die entfernteren und kälteren Theile Canada’s aber nicht mehr besuchen). Im Innern des Lan- des wird er an den Quellzuflüssen des Missouri bis nahe zum Platte - Fluss genannt ‘). Wie weit nördlich er ander Westküste America’s geht, ist uns unbekannt; dass er aber auch dort vorkommt, beweist unser Exemplar aus Nordcalifornien. Scheint er somit in Nord- america die ganze Breite des Continentes zu bewohnen, so sehen wir ihn dagegen in der alten Welt nur am Ostrande derselben bis in nördlichere Breiten vordringen. Es findet dies nämlich, so weit jetzt bekannt, nur im Amur-Lande statt. Westlich von diesem dagegen, in Sibirien oder inEuropa, ist er bisher weder in gleichen, noch auch in südlicheren Breiten- graden jemals beobachtet worden. Bemerkenswerth ist dabei auch, dass er in den dem Aequa- tor genäherten Breiten zugleich in beiden Formen, sei es in mehr oder weniger typischen oder in Mittelfärbungen, vorkommt’), nach Norden dagegen ausschliesslich mit einer oder der an- deren Form vorrückt. So kennt man in Nordamerika nur die mehr oder weniger rothbraun gefärbte A. virescens Auct. (sowohl die typische als die Var. De Kayana) und zwar als einen sehr verbreiteten und gemeinen Vogel, die A. scapularis Illig. aber gar nicht. In der alten Welt dagegen ist uns schon aus Japan nur die letztere Form bekannt, und im Amur-Lande ist mir, so oft ich diesen Reiher beobachtet habe, immer nur die oben erwähnte, klimatisch noch etwas abgeänderte, extrem graue Form der Var. scapularis vorgekommen. Jene dürfeu wir daher als die vorherrschende Form der neuen, diese als die entsprechend vorherrschende Form der alten Welt bezeichnen.

müssen, wie das auch unzweifelhaft sowohl aus der älteren Beschreibung von Afzelius (Kongl. Vetensk. Acad. Nya Handl. XXV. 1804. p. 264.), wie aus den neueren von Hartlaub (Vers. einer synopt. Ornith. West-Africa’s, s. Cabanis, Journ. für Ornith. II. Jahrg. 1854. p. 291.; desselb. System der Ornith. West-Africa’s. Bremen 1857. p. 223.) u. a. her- vorgeht. Beiläufig sei bemerkt, dass auch die an den afrikanischen Individuen angegebenen Maasse der Flügellänge denjenigen der nordischen Exemplare, aus Nordamerika oder vom Amur, nachstehen.

!) Die Autoritäten für den grössten Theil dieser Fundörter sind, abgesehen von den uns aus den meisten der genannten Länder vorliegenden Exemplaren, schon oben angeführt worden; für die übrigen vrgl. Wagler,1l.c. Für die Sunda-Inseln (Java und Sumatra) verweisen wir noch speciell auf die hierher gehörige A. javanica Horsf., 3. The Trans. of the Linn. Soc. XIII. p. 190 und 326. Dieselbe Species fand Sykes bei Dukhun in Indien, s. Proc. of the Zool. Soc. of Lond. 1832. p. 158.

2) Audubon, Ornith. Biogr. I. c. p. 274. Desgl. Report on the Fish., Rept. and Birds of Massachusetts. Boston 1839. p. 364.

3) Nuttall, 1. c. p. 63.

4) Nuttall,l.c. p. 64.

°) Für die tropischen Breiten America's ist das schon seit Buffon bekannt (s. oben). In Brasilien halten sich, nach Burmeister (l. c.), A. virescens und A. scapularis auch ganz in denselben Localitäten auf. Dass in den tropischen Breiten der alten Welt ausser der allerdings häufigeren A. scapularis auch die A. virescens Auct. vorkommt, beweist das oben besprochene, mit der Audubonschen Abbildung ganz übereinstimmende junge Individuum unseres Museums aus Java.

446 Vögel.

Speeiell die Verbreitung dieses Reihers im Amur-Lande betreffend, kann ich den süd- lichen Theil des Amur-Laufes, aufwärts bis zur Dseja-, abwärts bis zur Gorin-Mün- dung, als denjenigen Theil bezeichnen, in welchem er sich regelmässig und allgemein ver- breitet findet. Unterhalb der Gorin-Mündung ist er mir niemals begegnet. Dennoch schie- nen mir die Giljaken der Amur-Mündung mit diesem Vogel nicht ganz unbekannt zu sein. Möglich daher, dass er in einzelnen, sehr seltenen Individuen auch bis zur Amur- Mündung vorkomme, was aber jedenfalls nur längs dem Strome stattfinden dürfte, während er an der verhältnissmässig rauheren Meeresküste immer südlicher zurückbleibt. So habe ich ihn in der Bai de Castries und im Amur-Limane niemals gesehen. In letzterem war er auch den Ein- geborenen, denen ich Exemplare zeigte, völlig unbekannt. Dass er endlich über die Amur- Mündung hinaus nach Norden nicht mehr vorkomme, lässt sich nach unseren bisherigen Er- fahrungen über die Fauna Südostsibirien’s mitziemlicher Bestimmtheit aussprechen. $o sehen wir ihn also im Amur-Lande ungefähr dieselben, ja vielleicht noch etwas nördlichere Brei- tengrade wie an der Ostküste Nordamerica’s erreichen. Gleich oberhalb der Gorin-Mün- dung beginnt am Amur-Strome das Gebiet, in weichem dieser Reiher eine der gewöhnlich- sten und häufigsten Erscheinungen ist: angefangen von Mylki, Poddale, Odshal habe ich ihn je weiter aufwärts und je näher zum Ussuri, um so häufiger und am Ussuri selbst am häufigsten angetroffen. Oberhalb desSsungari kam er mir wiederum seltner vor, ob ich ihn gleich auch dort noch im Bureja-Gebirge und weiter aufwärts bis in die Nähe der Stadt Aigun und der Dseja-Mündung beobachtet habe. Dasser aber dieses Gebiet nicht bloss um- herstreifend. sondern auch als brütender Vogel bewohnt, beweisen die bei Dondon am Amur am 25. Juli (6. Aug.) von Hrn. Maack und bei Kinda am Ussuri am 4$ Aug. von mir er- legten jungen Individuen. Vorzüglich hält sich dieser Reiher an die mit Weiden bewachsenen Ufer der zahlreichen, labyrintbisch verzweigten Arme des Amur-Stromes. Nur selten soll man ihn, nach Angabe der Golde, auch in den Sümpfen des Innern, entfernt vom Strome finden. Dem Reisenden am Amur, der oft tagelang nur zwischen einförmigen Weidenge- büschen unzähliger Inseln hinfährt, bietet dieser Vogel unstreitig eine der interessantesten Erscheinungen in jener monotonen Scenerie dar, eine charakteristische, praegnante Form, die in ihrem eigenthümlichen Benehmen leicht zu beobachten ist. Ungemein wenig scheu, beachtet er den Ruderlärm eines nahenden, durch die Gebüsche am Ufer verdeckten Bootes nicht eher, als bis er sich in einer Entfernung von etwa 10 20 Schritt überrascht sieht'). Erschreekt bleibt er jetzt noch einen Augenblick mit unförmlich in die Höhe gerecktem Halse stehen und fliegt dann stumm oder auch mit einigen kurzen, rauhen, etwas krähenartigen Tönen auf. Dies erste Mal trägt ihn jedoch sein träger, etwas nachlässiger Flug nicht weit: hinter den nächsten Büschen, in der nächsten kleinen Bucht lässt er sich auf einen Baumast, auf einen ins Wasser gestürzten Stamm oder auch auf die platte Erde nieder und rastet dort noch einige Augen- blicke, wie um sich zu besinnen, ehe er in weiteren und wachsenden Zwischenräumen längs

I) Wagler’s Angabe von dieser Art: «timidissima» ist also ganz unrichtig.

Ardea (Butorides) virescens, Var. scapularis. A. (Ardeola) cinnamomea. 447

dem Ufer oder auch abseits in’s Innere der Gebüsche flüchtet. In grösserer Entfernung sahen wir ihn zuweilen in Gesellschaft von A. cinerea fischen; allein während letztere regelmässig schon vor Schussweite floh, harrte A. scapularıs immer standhaft aus, bis wir ihr ganz nahe kamen. Mehrmals habe ich diesen Reiher auch ganz in der Nähe von Dörfern oder einzelnen Hütten der Eingeborenen am Amur angetroflen; ja bei Turme an der Ussuri-Mündung sah ich ihn sogar auf die Spitze meines nur wenige Schritte vor dem Zelte am Ufer liegenden Bootes sich niederlassen. Angeschossen setzt er sich tapfer zur Wehr, sträubt das Gefieder des Kopfes und der Sehultern und stösst mit dem Schnabel rasch und wiederholentlich vor sich. Letzteres sah ich sogar von einem Individuum thun, dem der Unterkiefer, in Folge eines Schusses durch das Gelenk, bewegungslos herabhing. In allen diesen Stücken aber lässtsich eine so grosse Ueber- einstimmung sowohl mit der gleichnamigen Form in Brasilien, wie sie uns der Prinz von Wied') zeichnet, als auch mit der A. virescens nach den Schilderungen der nordamerika- nischen Ornithologen erkennen, dass man auch von dieser Seite an der specilischen Identität dieser Formen keinen Zweifel haben kann.

151) Ardea (Ardeela) einnamomea Gm. Taf. XII. fig. 2. Taf. XIV.fig. 1 u. 2. Bei den Golde am Amur: echan-bodoko.

Ich habe einen kleinen Reiher aus dem Amur-Lande mitgebracht, den ich für den ganz jungen Vogel dieser Art halten muss, ob er gleich sowohl von der Beschreibung dieses letzteren”), als auch von zwei (übrigens nicht ganz gleich jungen) Exemplaren unseres Museums aus Java in manchen Stücken abweicht. Es ist mir aber wahrscheinlich, dass A. cinnamomea, gleich der ihr in mancher Beziehung ähnlichen und jedenfalls sehr nahe stehenden kleinsten Reiherart Europa’s, der A. minuta L., erst alimählig und nach mehrmaliger Mauser das Kleid des erwachsenen Vogels bekommt, und dass sie daher, ausser dem frühesten Jugendkleide, noch ein mittleres, von dem des erwachsenen Vogels ebenfalls verschiedenes Kleid trägt. Dieses letztere nun glaube ich an den javanischen Exemplaren unseres Museums und in der erwähnten Beschreibung von Wagler zu erkennen, während das erstere uns an dem Amur- Exemplare vorliegen dürfte. Die Gründe, die mich dazu bewegen, sind folgende: einmal ver- räth nämlich das Amur-Exemplar, bei sonst mit den javanischen Exemplaren der A. cinna- momea ganz übereinstimmenden Formverhältnissen, au seiner ganzen Befiederung,, wie an dem kürzeren Schnabel und den etwas kürzeren Läufen und Zehen ein viel jugendlicheres Alter, und zweitens findet man an demselben in der Tracht, so abweichend diese auf den

t) Beitr. zur Naturgesch. von Brasilien. Weimar 1833. IV. Bd. 2. Abth. p. 627. 2) Wagler, Syst. Avium. Gen. Ardea. Sp. 39.

448 Vögel.

ersten Blick von derjenigen der jüngeren javanischen Exemplare zu sein scheint, bei ge- nauerer Vergleichung doch ganz dieselben Farben und dieselbe Zeichnung, nur in einer aus- gesprocheneren und praegnanteren Weise wieder, so dass diese jüngeren javanischen Exem- plare oflenbar die Mitte zwischen dem Amur-Exemplar und dem erwachsenen Vogel ein- nehmen. Die folgenden ausführlicheren Beschreibungen und beigefügten Abbildungen ') un- serer Exemplare sollen dazu dienen, die obige Ansicht zu rechtfertigen, oder aber, im Falle wir Unrecht haben sollten, Anderen eine richtigere Deutung an die Hand zu geben.

Was zunächst die Färbung des Amur-Exemplares (Taf. XII. fig. 1.) betriflt, so ist die- selbe aus Braunschwarz, Rothbraun, Rostgelb und Weiss gemischt. Am Kopf sind Stirn und Scheitel braunschwarz, Wangen, Kopfseiten und Nacken, so wie der Hinterhals rothbraun, längs den Schäften der Federn etwas schwärzlich. Schultern und Oberrücken braunschwarz mitrostgelben und roströthlichen Federkanten; Unterrücken und Bürzel schwarzgrau mit weiss- lichen Säumen; der Flügelrand weisslich; die oberen Flügeldeckfedern und längeren Schulter- federn rothbraun, an den Kanten mit weissen und rostgelblichen, schwarz begränzten Tropfen- flecken; die Fittigdeckfedern schwarzgrau, nahe der Spitze rothbraun-, an der Spitze selbst weisslichgesäumt; die Schwingen schwarzgrau, diejenigen 2'° Ordnung mit schmalen weiss- lichen Endsäumen, die Hinterschwingen auf der Aussenfahne mit rothbraunem Anfluge und weissen Flecken, gleich den grossen Schulterfedern; der Schwanz schwarzgrau. Die Unterseite istrostgelblichweiss; der Vorderhals in der Mittellinie mit einer vom Kinnwinkel an herabsteigen- den, schwarz, rothbraun und rostgelb gemischten Fleckenreihe, die dadurch entsteht, dass jede einzelne Feder längs dem Schafte schwarz, auf derInnenfahne breit rothbraun, auf der Aussenfahne rostgelb ist; eine ähnliche, viel kleinere Fleckenreihe zieht sich von jedem Kieferaste zur Ohrge- gend hin; zwischen beiden aber bleibt ein breiter weisslicher Streifen, der unter der Ohrgegend nach den Halsseiten hinabläuft. Gurgel und Kropfgegend schwarz-, rothbraun- und rostgelbge- fleckt: in der Mittellinie ist die Vertheilung dieser Farben an den einzelnen Federn bereits erwähnt; seitlich sind die Federn längs dem Schafte rothbraun, schwärzlich begränzt und mit breiten rost- gelben Kanten versehen; an den Halsseiten breitet sich das Rothbraun in der Mitte der Federn mehr und mehr aus, die schwärzliche Umgränzung wird blasser, die rostgelben Kanten werden schmäler, oft nur weisslich, und am Hinterhalse endlich sind die Federn, wie bereits erwähnt, ganz rothbraun, nur längs den Schäften schwärzlich und mit wenigen, hin und wieder bemerk- baren, rostgelblichen Flecken an den Säumen. Brust und Weichen sind rostgelblich mit langen und breitenschwarzbraunen undschwarzgrauenSchaftflecken; der Bauch unddie unteren Schwanz- deckfedern schmutzig rostgelblichweiss; die Schenkel rostgelblich, an der Aussenseite rothbraun und schwärzlich gelleckt; die unteren Flügeldeckfedern schmutzig gelblichweiss mit schwarz- grauen Schaftflecken; die Unterseite der Schwingen und Steuerfedern grau. Am lebenden Vogel waren: die Iris gelb, der Schnabel hornbraun, an den Seiten gelblich, die Füsse schmutziggrün.

!) Wir kennen bisher noch keine Abbildung von A. cinnamomea, sei es im erwachsenen oder jugendlichen Alter, mit Ausnahme einer sehr schlechten und, wie mir scheint, noch fraglichen von Gray, Illustr. of Ind. Zool. I. Tab. 66. fig. 1.

Ardea (Ardeola) cinnamomea. 449

Vergleicht man nun diese Zeichnung mit derjenigen der javanischen Exemplare unseres Museums, so findet man sie an dem alten Individuum (Taf. XIV. fig. 2.) fast gar nicht, an den jüngeren dagegen (Taf. XIV. fig. 1.) Stück für Stück wieder, aber mit einer Abänderung und Abschwächung, welche zwischen dem ganz jungen und dem alten Vogel deutlich vermit- telt. So ist die Stirn- und Scheitelplatte beim jüngsten javanischen Individuum etwas heller schwarzbraun als beim Amur-Exemplar; bei einem etwas älteren Individuum noch heller braun und beim alten rothbraun mit kaum merklichem, allmählig verschwindendem dunklerem Tone als der Nacken und Hinterhals. Diese, sowie die Wangen und Kopfseiten sind bei den ersteren ebenfalls rothbraun, aber von lebhafterem, mehr zimmetbraunem Tone, was sich beim alten Vogel noch bedeutend steigert. Die Schultern haben beim jüngeren Individuum ganz eben solche braunschwarze, rostgelb gekantete Federn, und der Oberrücken ist auch ganz wie beim jungen Vogel vom Amur gezeichnet, nur etwas heller schwärzlichbraun und mit abgenutzteren rostgelblichen Kanten; beim älteren Vogel ist zwar die Zeichnung der Schultern noch dieselbe, der Oberrücken aber schon einfarbig röthlichbraun, mit längeren und zerschlis- senen Federfahnen, und beim alten Vogel endlich sind Schultern und Oberrücken noch heller und intensiver, mit dem Hinterhalse gleichfarbig röthlich zimmetbraun, wobei jedoch an den Schultern noch einige braunschwarze, rostgelb gekantete Federn aus dem früheren Kleide zurückgeblieben sind. Der Unterrücken ist beim jüngeren javanischen Individuum, statt schwarz- grau mit weissen Säumen, bräunlich mit gelblichen Säumen, beim älteren einfarbig braun und beim alten Vogel endlich rothbraun wie der Oberrücken. Die Flügeldeckfedern und längsten Schulterfedern haben bei den jüngeren Individuen zwar ein in demselben Grade intensiveres Rothbraun, wie am Hinterhalse, lassen aber an ihren Säumen durchweg dieselbe Zeichnung von helleren, schwärzlichbegränzten Tropfenflecken erkennen, nur dass diese Flecken bei ihnen sämmtlich rostgelblich sind, während beim Amur-Exemplar nur ein Theil derselben von rost- gelblicher Farbe ist, die meisten dagegen weiss sind. Beim alten Vogel sind diese Flecken ver- schwunden und der ganze Mantel ist gleichfarbig röthlichzimmetbraun. In sehr deutlicher Weise lässt sich ferner die Vermittelung zwischen dem jungen und alten Vogel in der Zeich- nung der Fittigdeckfedern und Schwingen erkennen. Die ersteren sind beim jüngsten java- nischen Individuum ebenfalls noch von schwarzgrauer Grundfarbe mit rothbraunen, an der Spitze der Feder weisslichen Kanten; allein während beim Amur-Exemplar die rothbraune Farbe nur einen kleinen Theil der Federkanten nahe der Spitze einnimmt, breitet sie sich hier schon fast über die ganze Aussen- und einen Theil der Innenfahne aus; bei dem älteren Indi- viduum nimmt die rothbraune Farbe noch mehr zu und die schwarzgraue ab, und beim alten Vogel endlich bleibt letztere nur auf den verdeckten oberen Theil der Innenfahnen beschränkt, alles Uebrige ist rothbraun und zugleich sind die weisslichen Endsäume verschwunden. Aehn- lich verhält es sich mit den Schwingen. Waren diese beim Amur-Exemplar ganz schwarz- grau, so sind sie beim jüngsten javanischen auf der Aussenfahne schon rothbraun, auf der Innenfahne dagegen die erste noch ganz schwarzgrau mit etwas röthlichbrauner Spitze, die folgenden alle im oberen Theile schwarzgrau, im unteren mehr und mehr rothbraun, dabei

Schrenck’s Amur-Reise Bd. 1. 57

450 Vögel.

alle mit schwärzlichbraunen Schäften; beim älteren Individuum ist das Schwarzgrau auf der Innenfahne schon sehr viel eingeschränkter, indem es auch auf der ersten Schwinge nur im oberen Theile derselben vorhanden ist, und zugleich das Rothbraun reiner, die Schäfte aber noch schwärzlichbraun; beim alten Vogel endlich ist das Schwarzgrau nur auf einige Spritz- fleckchen im oberen Theile der Innenfahne reducirt, der übrige Theil dagegen ist noch schöner zimmetbraun als der Rücken, und die Schäfte sind ebenfalls röthlichbraun. Dabei sind bei den jüngeren Individuen die Schwingen 2” Ordnung ebenfalls mit schmalen helleren, rostgelblichen (beim Amur-Exemplar weisslichen) Säumen versehen, die dem alten Vogel fehlen. In der Färbung der Steuerfedern lässt sich kein solcher allmähliger Uebergang wahrnehmen, indem diese beim Amur-Exemplar einfarbig schwarzgrau, bei allen javanischen dagegen einfarbig rothbraun sind. Allein als specifischen Charakter können wir diesen Unterschied, nach dem was oben über diese Farben an den Fittigdeckfedern, Schwingen, Scheitel-, Rückenfedern u. s. w. gesagt worden, jedenfalls nicht ansehen. Höchstens wäre es ein Varietätscharakter, der mit den anderen zusammen uns bewiese, dass die Amur-Form eine durch stärkeres Her- vortreten der schwärzlichen (schwarzbraunen und schwarzgrauen) und gleichzeitiges Zu- rücktreten der röthlichen (roth- und zimmetbraunen) Töne ausgezeichnete Varietät von A. cinnamomea sei. Auf der Unterseite unserer Exemplare lässt sich ebenfalls die stufenweise Abänderung in der Zeichnung vom jungen bis zum alten Vogel sehr deutlich verfolgen. Hier besteht sie in einer allmähligen Abnahme der Fleckung und einer gleichzeitigen Zunahme des rostgelblichen Tones der Grundfarbe. Die oben angegebene eigenthümliche Zeichnung des Kinnes und der Kehle findet man bei allen javanischen Individuen wieder: bei den jüngeren sind die vom Kinnwinkel herabsteigende mittlere und die beiden von den Kieferästen auslau- fenden, kleineren, seitlichen Fleckenreihen auch noch aus schwarzbraunen und rostgelben, wenn gleich viel kleineren Flecken als beim Amur-Exemplar zusammengesetzt; beim alten Vogel dagegen werden sie nur durch Rostgelb gebildet; bei allen aber bleibt der zwischen jenen Fleckenreihen befindliche, in seinem Anfange am Kinn schmale, nachher breite weisse Strei- fen, der sich unter der Ohrgegend nach den Halsseiten hinzieht, sehr deutlich ausgeprägt. Diese Zeichnung kann man daher als eine für A. cinnamomea in allen Alterszuständen charak- teristische bezeichnen, an der sich der junge und der alte Vogel, beisonst noch so grosser Ver- schiedenheit in der Tracht, sogleich als zu einer und derselben Species gehörig erkennen lassen. Die Fleckung der Gurgel, Kropfgegend, Brust, Weichen und der Aussenseite der Schenkel nimmt ebenfalls stufenweise ab, und zwar indem die Flecke blasser und kleiner werden und dagegen die rostgelbe Grundfarbe lebhafter wird. Beim alten Vogel verschwinden endlich die Flecke ganz und ist die Farbe der genannten Theile ein schönes röthliches Rost- gelb, das am lebhaftesten auf den Brustseiten, Weichen und auf der Aussenseite der Schenkel hervortritt. So geht also bei 4. cinnamomea das in der ersten Jugend fast allenthalben gefleckte Kleid, wie es unser Exemplar vom Amur besitzt, mit dem fortschreitenden Alter und nach mehrmaliger Mauser in ein oben und unten ungellecktes über, und es bedurfte hier gewiss des Mittelkleides, um uns die specifische Identität des jungen und alten Vogels erkennen zu

Ardea (Ardeola) cinnamomea. 4951

lassen. Schliesslich müssen wir in diesem Wechsel der Tracht auch auf den für A. cinnamomea gegenüber den anderen, ihr nahestehenden kleinen Reiherarten, wie A. minutaL., A. exilis Gm. und vielleicht auch A. pusilla Vieill., charakteristischen Unterschied aufmerksam machen, dass während bei letzteren das Kleid des erwachsenen Vogels stets durch ein dunkleres, gegen die hellere Färbung der Flügeldecken scharf abgesetztes Rückenschild von dem des jungen Vogels sich auszeichnet, bei A. cinnamomea umgekehrt das in der Jugend, wenn auch in viel geringerem Grade als bei jenen vorhandene, dunklere Rückenschild im Alter ganz verschwin- det und mit der Flügeldecke gleichfarbig wird.

Es bleibt uns nunmehr noch übrig, unsere Exemplare auch nach den Form- und Grössen- verhältnissen unter einander zu vergleichen und dabei auch auf einige die A. einnamomea in dieser Beziehung von anderen kleinen Reiherarten und besonders von der europäischen A. minuta unterscheidende Charaktere aufmerksam zu machen.

Zunächst zeichnet sich A. cinnamomea von A. minula durch einen etwas robusteren, an der Basis höheren und deshalb bei gleicher Länge nach der Spitze rascher sich verjüngenden Schnabel und durch etwas kürzere Nasenlöcher aus ein Formverhältniss, das der junge Vogel vom Amur, abgesehen von der seinem Alter entsprechenden geringeren Schnabel- länge, mit den javanischen vollkommen theilt. Im Flügel ist bei zweien der letzteren, und zwar den beiden älteren Individuen, die 1“ Schwinge etwas kürzer als die 2 und 3%, die gleich lang und am längsten sind; beim 3‘ javanischen Individuum steht die 3'° Schwinge der 1°” und 2", die gleich lang und am längsten sind, etwas nach, und beim Amur- Exemplar endlich ist die 1“° Schwinge am längsten, während die 2'° und 3'* gleichmässig an Länge abnehmen. Ohne Zweifel sind diese Differenzen der Variabilität dieses Verhält- nisses überhaupt und hier vielleicht zum Theil auch dem verschiedenen Alter der Individuen zuzuschreiben. An den Beinen fällt bei A. cinnamomea, gegen A. minula gehalten, zunächst der Unterschied in die Augen, dass die Unterschenkel nicht bis zum Fersengelenk befiedert sind, sondern auf 6—7” oberhalb des letzteren nackt bleiben ein Charakter, den diese Art mit A. exilis, A. pusilla') u. a. gemein hat und der sich bei allen unseren Exemplaren be- währt. Ferner zeichnet sich A. cinnamomea von A. minuta, bei ungefähr gleicher Länge der Tarsen, durch längere Zehen aus: während bei letzterer der Lauf stets um 2—3” länger als die Mittelzehe ohne Kralle ist, sind bei A. cinnamomea Lauf und Mittelzehe ohne Nagel von gleicher Länge. Der längste Lauf, den ich bei A. minuta nach 7 Exemplaren unseres Mu- seums finde, ist von 1” 9”, die längste Mittelzehe ohne Nagel von 1" 7”; bei unserem alten Individuum von A. cinnamomea dagegen betragen beide 1” 91”. Endlich lässt sich zwischen diesen beiden Arten an den Füssen auch der Unterschied bemerken, dass die Nägel bei der letzteren dünner und weniger gekrümmt als bei der ersteren sind; dabei ist der Nagel der Hin- terzehe bei A. cinnamomea länger als bei A. minuta, derjenige der äusseren Zehe dagegen auffallend schwächer: er steht hier dem Nagel der Mittelzehe merklich nach, während er bei

l) Nach der Abbildung von Gould (The Birds of Austr. VI. Tab. 68.) zu urtheilen.

452 Vögel.

A. minuta kräftiger als letzterer ist. In allen diesen Beziehungen stimmt das Amur-Exem- plar mit den javanischen völlig überein. In wie weit aber an denselben in den erwähnten und anderen Dimensionen manche, zum Theil mit dem Alter zusammenhängende Schwankungen vorkommen, mögen die folgenden Maasse unserer vier Exemplare lehren:

Java Amar. AltesIndivid. Individ.immittlerenKleide. JungesIndivid. Länge von der Schnabel- bis zur Schwanz- . PILZE EEE ee rs un 12" 2" Breite in der Flügelspanne ............. _ _ _ 187° 9"

Länge des zusammengelegten Flügels...... 57 3" 5 a" 5’ 2” 10"

3 dESISch wanzes TE RSS RS I RE RES Schnabel HIT ER TER EN EST A Höhe des Schnabels vor der Stine ....... 6" 51" _— 3” —- 2%)

Breite des Schnabels ebendaselbst ........ 5" —- mM" _ 41” N

Pansendes’Paufese = ee ee ee. AU NEE RG s1 org ME Er » der Mittelzehe ohne Nagel......... 1 109727 » des Nagels an der Mittelzehe........ MU 4 4 3%

» der äusseren Zehe ohne Nagel...... 1” 4” 17 #7 17 a" 1 5”

3

» des Nagels an der äusseren Zehe.... 31” 33" 317 22” »" der inneren Zehe'ohne Nagel... .;. Ma var Vase zn

» des Nagels an der inneren Zehe.... # gar —_ 0 3”

» der Hinterzehe ohne Nagel: ........ 9" 9" —- " —-

» des Nagels an der Hinterzehe ...... 61" 6" 617 51%)

A. cinnamomea ist ein Bewohner des südlichen Ostasien’s, der uns bisher nur aus China‘), Indien‘), Java°) und Sumatra”) bekannt war. Es ist daher sehr interessant, ihn nunmehr auch in nördlicheren Breiten, im Amur-Lande in 49° N. und dabei als einen dort brütenden Vogel kennen zu lernen. Ich erhielt das oben besprochene Individuum lebendig von den Golde des Dorfes Dawunda, am linken Ufer des unteren Amur-Stromes, am 21. Aug.

l) Diese und die folgende Dimension sind am todten, noch unabgebalgten Vogel gemessen.

2) Die grösste Höhe des Schnabels, die ich an sechs erwachsenen Individuen von A. minuta in unserem Museum gemessen habe, beträgt 5”’ bei einer Länge von 1”11’’. Bei einem jungen Individuum derselben Art misst die Höhe des Schnabels 41”” bei einer Länge von 1" 7’.

3) An der anderen Seite beträgt der Daumennagel aut, eine Differenz, die bei einem jungen und unausgewach- senen Vogel nicht weiter auffallend ist,

4) Latham, A gen, Synops. of Birds. p. 77. Gmelin, Linn. Syst. Nat. I. p. 644.

%) Gray, Illustr. of Ind. Zool. II. Tab. 66. Proc. of the Zool. Soc. I. 1830—31. p. 124.

6) Die von Horsfield (The Trans. of the Linn. Soc. XIII. p. 190.) ausser der A. cinnamomea in Java entdeckte und von ihm A. nebulosa benannte Art wird von Gray (The Gen. of Birds. III. Fam. Ardeidae.) als Synonym zu 4. cinnamomea, von Bonaparte (Tabl. syuopt. de l’Ordre des Herons. Extr. des compt. rend. des seances de l’Acad. des Sc. 2. Ayr. 1855. Paris p. 4.) zu A. sinensis Gm. gebracht.

?) Raffles, s. The Trans. of the Lion, Soc. XIM. p. 326.

Ardea (Ardeola) einnamomea. A. (Botaurus) stellaris. Ciconia nigra. 453

(2. Sept.) 1855. Es war in der sumpfreichen Umgegend dieses Dorfes gefangen worden. Nach Aussage der Golde lässt sich dieser Reiher an den Ufern des Amur-Stromes nicht oder nur

höchst selten sehen, bewohnt dagegen die Sümpfe des Innern, so dass er in dieser Beziehung ein Gegenstück zu der vorher besprochenen Art bildet. Ich führte meinen Vogel ein paar Tage lebendig im Boote mit mir und fütterte ihn mit kleinen Fischen, unter denen er auch verhältnissmässig recht grosse hinunterwürgte, wobei er alle mit dem Kopfe voran- gleiten liess. In Ruhe gelassen, stand er oft auf einem Beine und meist mit ganz eingezoge- nem Halse, so dass der Kopf unmittelbar auf dem Rumpfe zu sitzen schien; gereizt aber schnellte er den Hals rasch vor und hieb mit dem Schnabel vor sich.

152) Ardea (Botaurus) stellaris L.

Pallas kannte die Verbreitung des Rohrdommels im östlichen Sibirien nur bis zur Lena'). In etwas südlicheren Breiten jedoch, in Transbaikalien und dem Amur-Lande können wir ihn auch bis zu den Ostküsten Asien’s verfolgen. Aus dem Quelllande des Amur- Stromes haben wir durch Hrn. Maack ein Exemplar erhalten, das am 27. April (9. Mai) in der Umgegend von Nertschinsk erbeutet worden ist und an dem sich nichts vom europäl- schen Vogel Abweichendes finden lässt. Im unteren Amur-Lande habe ich in den Sümpfen der Strominseln gleich oberhalb des Nikolajevschen Postens, bei Ssabach, Kalgho, Kuk u. s. w., in beiden Jahren meiner Reise daselbst etwa um die Mitte des Mai das laute Gebrüll des Rohrdommels fast allabendlich und bis tief in die Nacht hinein gehört. Auch wurde dort bei Pall-wo am 13 Mai ein Exemplar erlegt, das ich aber leider nicht mitnehmen konnte. Dass A. stellaris ferner in ganz unveränderter Tracht auch in Japan vorkommt, ist durch Temminck und Schlegel bekannt’).

153) Ciconia nigra L.

Bei den Golde am Amur: uigu.

Dass der schwarze Storch, den Pallas in nördlicheren Breiten Sibirien’s nur bis zur Lena angiebt”), auch das Amur-Land bewohnt, davon überzeugten mich zwei Indi- viduen, die ich im waldreichen unteren Amur-Lande in der Gegend von Ssündaka am

1) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 125. 2) Siebold, Fauna Jap. Av. p. 116. Temminck, Man. d’Ornith. IV. p. 381. 3) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 115.

A54 Vögel.

25. Juli (6. Aug.) 1855 bald nach einander antraf. Das eine derselben stand am Rande einer niedrigen Sandbank im Strome, das andere am Ausflusse eines kleinen Baches nahe einem steinigen Vorsprunge des rechten Ufers. Beide verriethen sich durch die hohe Gestalt, das dunkle braunschwarze Gefieder, den rothen Schnabel und die rothen Beine unverkennbar als C. nigra. Auf Schussweite aber liessen sie mein Boot leider nicht nahe kommen.

154) Ciconia alha Briss.

Bei den Golde: uigu (wie C. nigra) ').

Auf das Vorkommen des weissen Storches im Amur-Lande muss ich sowohl aus den Erzählungen, die mir die Eingeborenen von diesem leicht kenntlichen Vogel entwarfen, als auch vorzüglich nach den Flügeln desselben schliessen, die ich von einem Golde, einem viel- bewanderten Schaman im Dorfe Onmoi am unteren Amur, gegenüber der Chongar-Mün- dung, erhielt. Diese sind ganz wie bei unserem europäischen Vogel beschaffen: ihre Länge beträgt 241"; die kleinen und mittleren oberen Flügeldeckfedern sind weiss, die grossen, die Fittigdeckfedern und die Schwingen schwarz, die letzteren grau überpudert, zumal diejenigen 2“ und Ordnung, während auf den grossen Schwingen das Grau nach aussen mehr und mehr abnimmt und die 1“* und 2' nichts mehr davon haben; die unteren Flügeldeckfedern sind weiss. Alles übrige Gefieder ist nach Erzählungen der Golde weiss, dabei auf dem Kopfe nur kurz, am Vorderhalse aber, in derKropfgegend lang und herabhängend; der Schnabel und die Füsse siod roth, die Nägel heller, fleischfarben. Der Vogel soll von hoher Gestalt sein, mit langem Halse und starkem, spitzigem Schnabel. Ueber das Benehmen und die Lebensweise desselben wussten mir die Golde Mancherlei zu erzählen. Mit dem Schnabel, hiess es, kann er ein lautes Geklapper hervorbringen. Reizt oder berührt man den Vogel mit einem Stocke, so wirft er den Kopf erst zurück und schnellt ihn dann, mit dem Schnabel heftig stossend, rasch wieder vor. Beim Schlafen pflegt er aufeinem Beine zu stehen. Seine Nahrung sind kleine Fische, die er im Wasser stehend fängt und stets mit dem Kopf voran verschlingt. Das Nest baut er in den Gipfeln hoher Bäume und legt in dasselbe 2 oder 3Eier. Am Amur selbst soll sich übrigens dieser Vogel, zum wenigsten in der Gegend von Onmoi, niemals sehen lassen, wohl aber all- jährlich und regelmässig an dem in der Nähe, wenig oberhalb gelegenen Noor- oder Boolang- See vorkommen. Dort findet er sich schon im April ein, nistet, erzieht seine Brut und zieht dann im August wieder fort. Die anwohnenden Golde sollen ihn bisweilen auch lebendig

l) Nach Angabe der Golde giebt es in ihrem Lande ausser dem vorhergenannten und diesem «uigu» noch einen dritten Vogel dieses Namens. Da jedoch ihre Unterscheidungen hauptsächlich auch auf der Farbe des Schnabels und der Beine beruhen, so kanı darunter leicht auch nur der junge Vogel von einer der beiden genannten Arten ge- meint sein.

Ciconia alba. Cygnus musicus. | 459

(wahrscheinlich jung) erbeuten und in Gefangenschaft halten, oder aber ihren Landsleuten am Amur verkaufen. Die einzige Verwendung jedoch, die diese von ihm machen, ist, dass das Fleisch von den Schamanen gegessen und die langen Fussknochen gelegentlich chinesischen Händlern verkauft werden, die sie als Gabelstäbchen u. dgl. m. brauchen.

Nach dem Angeführten lässt sich nicht wohl zweifeln, dass wir es mit €. alba zu thun haben. Allerdings kommt nach Pallas der weisse Storch in Sibirien, selbst im südlichen, nirgends vor, allein südlicher von diesem, im mittleren Asien dürfte er wohl durch die ganze Breite und bis zum Ostrande dieses Continentes verbreitet sein, da er aus den meisten Län- dern desselben, so aus Kleinasien, Persien, Indien, der Bucharei, Tartarei und bis nach Japan genannt wird '). In letzterem Lande soll er noch Standvogel sein”). Ausdem Süden vordringend, dürfte er daher auch das Amur-Land bis etwa zum 50° Breitengrade besuchen. Jedenfalls aber scheint er dort nur selten zu sein, da wir selbst ihn dort niemals gesehen haben, während uns doch die viel scheuere C. nigra zweimal begegnet ist. Das mag jedoch seinen Grund auch darin haben, dass er sich vermuthlich mehr an den kleineren und stehenden Gewässern im Innern des Landes als am Amur-Strome aufhält. Bemerkenswerth ist auch, dass jener Ort, wo er mir von den Golde genannt wurde und von woher auch das Individuum, dessen Flügel ich erhielt, herrührte, der Noor- oder Boolang-See bei Odshal, an der Gränze der das linke Ufer des südlichen Amur begleitenden Prairie liegt. Weiter nach Norden dürfte C. alba das durchweg gebirgige und waldige untere Amur-Land wohl nicht besuchen.

VI. NATATORES.

155) Cygnus musicus Bechst.

Bei den Giljaken des Festlandes und der Insel Sachalin: kykkyk. » » Mangunen: kuk. » » Golde am Amur: kuku. ».» » am Ussuri: ga. » » Orotschonen: gagh.

1) Vrgl. Naumann, Naturgesch. der Vögel Deutschl. IX. p. 237. Wagler, Syst. Avium. Gen. Ciconia. Sp. 8. u. a. Inder Bucharei giebt ihn Pallas (Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 114.) an; für Indien s. Proceed. of the Zool. Soc. of London. 1842. p. 94.

2) Wagler l.c. nach Kämpfer, Gesch. u. Beschr. von Japan. Lemgo 1777. I. p. 147, wo es übrigens nur heisst: «Störche bleiben das ganze Jahr im Lande», ohne nähere Angabe der Art. In der Fauna Japon. wird keine Storchart genannt.

456 Vögel.

Im unteren Amur-Lande, beim Nikolajevschen Posten liessen sich im Frühjahr 1856 die ersten, vermuthlich zu dieser Art gehörenden Schwäne am -%, April sehen. Im Jahre vor- her hatte ich ihren Zug am 45 April beobachtet, doch mag dies vielleicht schon ihr Nachzug gewesen sein. Viel früher und zwar schon am 3% März desselben Jahres will man beim Ma- riinskischen Posten die ersten Schwäne gehört haben, was ich jedoch bezweifeln muss, da es dort zu der Zeit, wie ich aus eigener Erfahrung weiss, noch sehr winterlich aussah und der Strom noch bis zum 26. April (8. Mai), die stilleren Buchten und Seen aber, an denen der Singschwan seinen Aufenthalt zu nehmen pflegt, noch länger mit Eis bedeckt blieben. Auch bemerkte Hr. Maximowiez im selben Jahr die ersten Schwäne beim Mariinskischen Posten erst am „1, April. Für ein nicht gar frühes Eintreflen derselben in jener Gegend spricht endlich auch der Umstand, dass ich im Jahre 1856 nur wenig oberhalb des Mariinskischen Postens, im Dorfe Aure am 20. Mai (1. Juni) 5 Eier dieses Schwanes erhielt, die alle noch unbebrütet waren. Diese Eier, deren ich 2 mitgebracht habe, stimmen nach Form, Grösse und Farbe ganz mit der Abbildung von Thienemann') überein: ihre Länge beträgt 4” 2”, die grösste Breite, etwas über die Mitte des Eies hinaus zum stumpfen Ende gelegen, 2” 9 bis 10”; die Farbe ıst gelblichweiss, kaum in’s Grünliche spielend, dabei das eine Ei reiner und heller, das andere stark braungelblich beschmutzt. Vom jungen Vogel dieser Art habe ich ein lebendiges Individuum bei den Golde im Dorfe Agdiki am Ussuri gesehen. Am 22. Aug. (3. Sept.) beobachteten wir bei Dawunda am unteren Amur vier Schwäne dieser Art, die in nicht gar grosser Höhe über uns, eine schräge Linie bildend, in südlicher Rich- tung zogen.

156) Cygnus Bewickii Yarr. Bei den Golde: kawu (?).

Ich vermuthe diesem Schwan im unteren Amur-Lande in der Gegend von Emmero am 25. Aug. (6. Sept.) begegnet zu sein. Es war ein einzelnes Individuum, das wir bei rascher Biegung am Ausgange eines Flussarmes vom Ufer aufflliegen sahen: seine Grösse stand der- jenigen des Singschwanes merklich nach und sein Gefieder war blendend weiss.

1) Fortpflanzungsgesch.“der gesammten Vögel. Tab. LXXVI. fig. 2.

Anser (Cygnopsis) cygnoides. 457

157) Anser (Cyznopsis) eygnoides L. Taf. XV. fig. 1 u. 2.

Bei den Giljaken: yt und njöni. (Letzteres heisst «Gans» überhaupt). » » Mangunen und Golde: njungnja. » » Orotschonen: njungnjaki').

Wir haben die Schwanengans für das Amur-Land in doppelter Beziehung, als wilden und als domesticirten Vogel zu nennen. Von der wilden liegen uns 5 Exemplare, davon 3 vom alten und 2 vom jungen Vogel vor, die uns einige ergänzende Bemerkungen zu den bis- herigen Beschreibungen dieser Gans zu machen gestalten.

Betrachten wir zunächst das alte Männchen, von dem wir 2 Exemplare haben, so müssen wir für die Schnabelform und Kopfzeichnung desselben auf die Abbildung von Pallas ver- weisen”). Der Schnabel ist oberhalb des breiten Nagels oben und unten etwas einge- drückt, steigt dann gegen die Stirne stark an und ist an der Basis des Oberkiefers etwas höckerförmig erhöht). Um den Oberkiefer läuft ein weisser, mit einigen rostfarbenen Fe- derchen untermischter Ring, der bei unseren, sehr alten Exemplaren von bedeutender Breite ist, indem er auf der Stirne 41, an den Oberkieferseiten 2 und an der schmalsten Stelle, an den Stirnseiten 14” breit ist (Fig. 1.). Am Unterkiefer ist, dieser weissen Einfassung ent- sprechend, die äusserste Spitze der Kinnwinkelbefiederung weiss. Die weitere Kopfzeichnung ist auch mit der erwähnten Abbildung übereinstimmend, nur hat die dunklere Schattirung, die vom Mundwinkel abwärts zwischen Wangen und Kehle sich hinzieht, keinen so röthlichen Ton, sondern ist dunkelbraun wie der Oberkopf; Kinn und Kehle sind zwar heller braun, aber doch noch sichtlich dunkler als die nur braungelblichgraue Wangen- und Ohrgegeud. Vorderbals und Halsseiten sind fast rein weiss, nach unten allmählig in Braungelblichgrau übergehend; der Hinterhals hat das charakteristische, vom Kopf herabsteigende braune Längsband. Für die übrige Zeichnung unserer alten Männchen müssen wir auf die in der Fauna Japonica befind- liche Abbildung (Tab. LXXXI.) verweisen, da die zur Zoogr. gehörige in manchen Stücken incorrekt und der Beschreibung von Pallas nicht entsprechend ist. So sind Oberrücken und Schultern bei unseren Exemplaren braun mit helleren, weisslichen Federkanten, welche auf den letzteren, bei geordnetem Gefieder, 7 9 markirte weissliche Querstreifen bilden, ganz ähnlich der Zeichnung von A. cinereus u. a. Der Unterrücken und Bürzel sind einfarbig schwarzbraun; die Seiten des letzteren und die oberen Schwanzdeckfedern rein weiss; die Steuerfedern braun mit weissen Kanten und weissen Enden, die nach aussen hin mehr und mehr zunehmen, so dass die äussersten Federn nur zu beiden Seiten des (übrigens weissen)

1) Die beiden letzteren Bezeichnungen haben vermuthlich eine ebenso allgemeine Bedeutung wie das «njöni» der Giljaken, da Pallas die tungusische Bezeichnung «nungnaki» für A. cinereus Meyer et Wolf (bei ihm A. vul- garis) anführt. S. Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 223.

2) Icon. ad Zoogr. Fasc. quart. Tab. ad Zoogr. II. p. 218.

3) Pallas’ Tafel giebt das sehr deutlich wieder, obgleich es in der Beschreibung (Zoogr.l. c.) heisst: »basis rostri versus frontem adscendens, convexe biangylata, planiuscula, nec in gibbum protuberans».

Schrenck’s Amur-Reise Bd. 1. 58

458 Vögel.

Schaftes etwa einen Zoll oberhalb ihrer Spitze noch bräunlich, im Uebrigen aber ganz weiss sind. Die Unterseite ist ganz wie in der erwähnten Abbildung in der Fauna Japon., so dass wir nichts hinzuzufügen haben. Namentlich sind auch der Unterbauch und die unteren Schwanzdeckfedern rein weiss, wie die Seiten des Bürzels, nicht graubraun, wie in der Pal- las’schen Abbildung '). Für die Farbe und Zeichnung des Flügels müssen wir dagegen wie- derum der letzteren den Vorzug geben, da in der Fauna Japon. der Flügel ziemlich gleichfar- big mit dem Rücken, ja noch reiner braun als letzterer erscheint, während er mehr aschgrau als braun ist: die Flügeldeckfedern sind nämlich nach dem Flügelrande zu fast rein aschgrau mit kaum merklichem bräunlichem Anfluge und werden nach dem Rücken zu mehr und mehr bräun- lich, dabei die hintersten kleinen und die mittleren mit helleren, weisslichen Endsäumen wie die Rücken- und Schulterfedern, die grossen durchweg mit weissen Aussensäumen, die Fittig- deckfedern rein aschgrau. Von den grossen Schwingen sind die vordersten in ihrer Mitte auf der Aussenfahne ebenfalls aschgrau, auf der Innenfahne dunkler, schwarzgrau, nach der Spitze in Braunschwarz übergehend; die folgenden verlieren den grauen Anflug mehr und mehr und werden einfarbig braunschwarz; diejenigen 2‘ und Ordnung mit weisslichen Aussensäu- men; die hintersten werden allmählig heller braun, mit den Rücken- und Schulterfedern gleichfarbig. Die Füsse waren am frischgeschossenen Vogel blassroth ?), der Schnabel schwarz, die Iris schien röthlichbraun zu sein.

Für das alte Weibchen vom Amur müssen wir ganz auf die Abbildung in der Fauna Japonica verweisen. Der Schnabel ist bei ihm an der Basis des Oberkiefers ohne alle Spur von einem Höcker, ja er erscheint zwischen den starken Stirnkieferecken sogar wie etwas ein- gedrückt. Der weisse Ring um den Oberschnabel ist nur schmal, an der Stirn nur 14, an den Schnabelseiten nicht voll 1” breit und an den Stirnkieferecken (wo er auch beim alten Männchen am schmälsten ist) ganz unterbrochen, so dass hier die braune Befiederung des Oberkopfes unmittelbar vom Schnabel an beginnt. Am Unterkiefer fehlt die weisse Spitze an der Kinnwinkelschneppe; Kinn und Kehle sind mit der Wangen- und Ohrgegend gleiehfarbig, hell bräunlichgrau, durch einen dunkleren, graubraunen Streifen von einander geschieden. Dem Männchen gegenüber lässt sich ferner bemerken, dass beim Weibchen das Weiss des Vorder- halses und der Halsseiten weniger rein, mehr graulich, die schwarzbraune Zeichnung der Weichen heller und matter und das Weiss am Schwanze weniger ausgedehnt ist. Die Flügel- farbe und Zeichnung ist dagegen ganz wie beim Männchen und somit von der Abbildung in der Fauna Japon., wie schon oben erwähnt, abweichend. Am frischgeschossenen alten Weibchen waren: dis Iris gelbbraun, der Schnabel schwarz, die Füsse gelblichroth. Offenbar sind also die Differenzen, die sich zwischen den Abbildungen von A. cygnoides bei Pallas und in der Fauna Japon. in der Schnabelform und Kopfzeichnung bemerken lassen, nur Geschlechtsver- schiedenheiten alter Individuen.

!) Im betreffenden Text der Zoogr. Rosso-Asiat. heisst es dagegen von diesen Theilen sehr richtig: «albissima». 2) In der Fauna Japon. sind sie zu intensiv roth, in der Pallasschen Abbildung dagegen zu wenig röthlich dar- gestellt.

Anser (Cygnopsis) cygnoides. 459

Die jungen Vögel endlich sind den Weibchen sehr ähnlich. Auch bei ihnen trägt der, dem Alter gemäss freilich viel kürzere, von der Einschnürung oberhalb des Nagels zur Stirne hin stark ansteigende Schnabel an seiner Basis keine Spur von einem Höcker (Fig. 2.). Der weisse, beim alten Männchen sehr breite, beim Weibchen schmälere und bei unserem Exem- plar vom letzteren sogar stellenweise unterbrochene Ring um den Oberschnabel fehlt den Jungen ganz, indem die braune Färbung des Oberkopfes unmittelbar vom Schnabel beginnt. Die Zeichnung der Wangen, des Kinnes und der Kehle sind ganz wie beim Weibchen, nur etwas schmutziger und düsterer; ebenso der Vorderhals und die Halsseiten, denen alles Weiss fehlt. Auf dem Rücken und den Schultern sind die Kanten der braunen Federn nicht weiss, sondern nur heller bräunlich und bilden nicht die markirte Zeichnung weisslicher Querstreifen wie beim alten Männchen; die Zeichnung der Weichen ist viel matter, nur braungrau; das Weiss des Unterbauches, der Bürzelseiten, der oberen und unteren Schwanzdeckfedern und der Steuerfedern schmutzig ; die oberen Schwanzdeckfedern sind auch noch mit braungrauen Schaftflecken versehen; die Füsse endlich waren am lebenden jungen Vogel nur schmutziggelb mit schwärzlichen Schwimmhäuten, die Iris dunkelbraun, der Schnabel ebenfalls schwarz wie . bei den Alten.

Aus dem Besprochenen darf man wohl den Schluss ziehen, dass der Höcker vor der Stirne, der bei der domesticirten Schwanengans in beiden Geschlechtern so bedeutende Dimen- sionen erreicht, im wilden Zustande des Vogels sich nur beim alten Männchen in schwacher Andeutung lindet, dem Weibchen und den Jungen dagegen fehlt. Allerdings können wir bei den oben angeführten alten Individuen vom Amur, die zu verschiedenen Zeiten und an ver- schiedenen Orten geschossen wurden, für ein ganz gleiches Alter derselben durchaus nicht einstehen, und es könnte daher auch sein, dass das Weibchen, obgleich ein erwachsener Vogel, doch jünger als das Männchen war, so dass der Vermuthung, dass es im späteren Alter dem letzteren in der Schnabelform und Kopfzeiehnung ähnlicher werde, immer noch Raum bliebe. Das kommt uns auch in der That für die Kopfzeichnung zum Theil sehr wahr- scheinlich vor. Namentlich dürfte der weisse Ring um den Öberschnabel, der dem jungen Vogel ganz fehlt, mit dem Alter voller und breiter, wenn vielleicht auch nie so breit wie beim alten Männchen werden; ebenso dürfte ferner das Weiss am Vorderhalse, an den Halsseiten und an den Steuerfedern mit dem Alter reiner und ausgedehnter, die Zeichnung der Oberseite markirter, diejenige der Weichen dunkler werden u. s. w. Was dagegen die Schnabelform betrifft, so möchten wir den Höcker vor der Stirne, da derselbe auch beim alten Männchen nur sehr klein ist, beim Weibchen, nach Analogie vieler nahe verwandten Formen A: auch im vorgerückten Alter nicht erwarten.

Vergleichen wir nun schliesslich unsere alten und jungen Individuen von A. cygnordes auch hinsichtlich ihrer Grösse. Die Maasse derselben sind folgende:

1) Wir brauchen bier bloss an Cyg. Olor Gm., Anas Tadorna L., A. spectabilis L., A. perspicillata L., A. fusca

L., 4. nigra L. u. a. m. zu erinnern. *

460 Vögel.

Alte Männchen. Altes Weibchen. Junger Vogel. Länge von der Schnabel- bis zur Schwanz-

SPLZB.,) Saiaranı haar ee al 3% 44618 ._ Breite in der Flügelspanne ........ .. 55° _ —_ Länge des zusammengelegten Flügels... 17" 9” AT 7” 16” 6” 13” 3”)

». „des, SCHWAnZESz. Mal en BR: 5,397 REN Be 7 47 032 » des Schnabels........... ab ll az 3 10H A RR Höhe desSchnabels an denStirnkieferecken 1, 3% 12.032 10.97 42 7772 » des Schnabels mit dem Höcker .. a 12052 _ Breite des Schnabels zwischen den Stirn- kieferecken-..........2... Zn, 10, . „0 Qu » des Schnabels vor dem Mundwinkel 1” 2” WI 1 Rn an, Langerdessiam les En 321 2 3 al 0 Sr Ei Ti » der Mittelzehe ohne Nagel...... a2 1” 0 0% 3% 101” 2,07 » des Nagels an der Mittelzehe.... 61” 6141” 51" _—5”

Im Vergleich zu den von Pallas und von Temminck und Schlegel vermessenen In- dividuen zeichnen sich also die unsrigen durch eine viel bedeutendere Grösse aus, indem z.B. die Flügel der Männchen um 2”, diejenigen des Weibchens um 1” länger als nach den dorti- gen Angaben sind Die Männchen übertreflen zugleich das Weibchen an Grösse um ein ganz Ansehnliches. In der verhältnissmässigen Länge des Laufes und der Mittelzehe geben unsere Maasse der alten Individuen dasselbe Resultat wie die von Pallas, dass nämlich der Lauf et- was länger als die Mittelzehe ohne Nagel ist. Der Unterschied ist jedoch bei unseren beiden Männchen nicht ganz gleich, beim Weibchen kleiner als bei jenen und beim jungen Vogel Null. Nach Temminck’s und Schlegel’s Angaben dagegen wäre der Lauf ganz ansehnlich kürzer als die Mittelzehe ohne Nagel. Es müssten daher, wenn die letztere Angabe richtig ist, in diesem Verhältniss nicht unansehnliche Schwankungen stattfinden. Der Schnabel ist bei unseren alten Individuen ebenfalls um ein ganz Ansehnliches, nämlich um 6— 10" länger als bei den Pallasschen Exemplaren. Wir möchten demnach glauben, dass Pallas beim Entwurfe seiner Beschreibung in der Zoogr. keine so alten Individuen vor sich gehabt habe und daher auch den höckerförmigen Wulst beim Männchen nicht bemerken konnte, für die Abbildung dagegen, wo der Höcker wiedergegeben ist, ein anderes, älteres Individuum benutzt habe. Jedenfalls aber sprechen die bedeutenden Schnabeldimensionen unserer Exemplare auch dafür, dass wir recht alte Individuen vor uns haben, was unserer obigen Behauptung, dass dem Weibchen auch im vorgerückten Alter der Höcker vor der Sürne fehlen dürfte, zur Recht- fertigung dient.

Hinsichtlich der Verbreitung von A. cygnordes müssen wir der Ansicht von Pallas, dass diese Gans vermuthlich im südöstlichen Asien, in China oder um Japan herum überwintere

I) Diese und die folgende Dimension sind am unabgebalgten Vogel gemessen. 2) Die Schwingen waren bei diesem Exemplar noch nicht vollständig entwickelt.

Anser (Cygnopsis) cygnoides. 461

und von dort in das südliche Sibirien, an die vom Altai kommenden Zuflüsse des Obj, in die Umgegend des Baikal-See’s und bis nach Kamtschatka sich verbreite, nach unseren Beobachtungen im Amur-Lande vollkommen beistimmen. Dort sahen wir die Züge derselben im Frühjahr beständig von Süd kommen und im Herbst wieder nach Süd gehen. Verdienen für solche, mit dem periodischen Wechsel der Jahreszeiten im nächsten Zusammenhange ste- hende, Jedermann leicht in die Augen fallende Erscheinungen, wie die Wanderzüge der Gänse, auch die Angaben roher, aber mit der Natur ihres Landes innig verwachsener Eingeborenen Glauben; so erlaube man uns anzuführen, dass auch die Giljaken uns für die Züge der Schwanengänse stets in südlicher, für diejenigen der folgenden Art (A. grandis) dagegen in östlicher Richtung zeigten. Der grösseren Nähe ihrer Winterplätze ist es vielleicht auch zuzu- schreiben, dass A. cygnoides im Amur-Lande im Frühjahr, wie es scheint, früher als die meisten übrigen Gänse sich einfindet. Beim Mariinskischen Posten beobachtete Hr. Maximowicz im Frühjahr 1855 die ersten, wahrscheinlich zu dieser Art gehörenden Gänse am ._ April. Beim Nikolajevschen Posten sah ich im selben Jahre die ersten am 13 April von Süden ankommen. Am 21. wurde unweit dieses Ortes, bei Magho, eines der oben beschriebenen alten Männchen geschossen. Im folgenden Jahre liessen sich dort die ersten Züge am 4% April sehen, und am 14. erhielt ich eines der oben erwähnten alten Männchen, das bei Wair ge- schossen war, während A.grandis dort, nach Angabe der Giljaken, auch am 20. noch nicht angelangt war. Am -; Juni sah ich auf dem Jai-Flusse A. cygnoides schon mit Flaumjungen schwimmen. Es war ein Pärchen mit 2 Jungen, die wir bei einer raschen Biegung des Flusses in ziemlicher Nähe überraschten. Das Männchen floh sogleich, das Weibchen dagegen hielt, um die Brut besorgt, den Schuss aus, entkam aber mit einer Verwundung, und die Jungen, von denen eines fiel, trieben mit der reissenden Strömung fort, so dass wir für dieses Mal nichts von der Beute erhielten. Häufig werden die Jungen, ehe sie noch fliegen können, von den Einge- borenen gefangen und in ihren Hütten auferzogen. So habe ich diese Gans im Sommer bei den Golde vonZongdo, nahe der Chongar-Mündung, von Chula, Ssinda, Kuru, Dawunda, Amischo u. s. w. gesehen und von letzterem Orte auch eines der oben erwähnten Jungen mitgebracht. Das andere ist durch Hrn. Maack aus der Gegend von Dondon am unteren Amur erhalten worden. Beide hatten am 22. und 25. Juli (3. und 6. Aug.) noch stark in der Entwickelung begrifiene Schwingen. Das oben beschriebene alte Weibchen schoss ich am 20. Juni (2. Juli) auf dem unteren Amur bei Pessoi, als es, ven der Strömung getrieben, meinem Boote ruhig und auflallend wenig scheu bis auf etwa 20 Schritt entgegengeschwommen kam. Ich vermuthete ein mauserndes und dadurch am Fliegen verhindertes Individuum vor mir zu haben, obschon der Mangel an Scheu alsdann noch auflallender gewesen wäre; doch fand ich das Gefieder desselben zwar stark abgenutzt, aber noch keineswegs mausernd. Nach alledem scheint also die Schwanengans im Amur-Lande weniger scheu als andere Gänsearten zu sein. Der Abzug von A. cygnoides aus dem Amur-Lande scheint um die Mitte des September stattzufinden. Dieser Gans schrieben wenigstens die Giljaken die südwärts gerichteten Züge zu, die wir am 42 Sept. (1855) bei Chjare am unteren Amur sahen. Auffallend ist es, dass man die

462 Vögel.

Schwanengans, trotz ihrer Häufigkeit durch das ganze Amur-Land und bis zur Mündung des Stromes hin, bisher nicht auch an der Südküste des Ochotskischen Meeres gefunden hat. Dort ist sie aber weder von Middendorff in der Gegend des Tugur-Busens und der Schan- tarischen Inseln, noch von Wosnessenski bei Ajan beobachtet worden. Sie scheint so- mit in der That nach Norden nicht über die Mündung des Amur-Stromes hinaus sich zu ver- breiten.

Im domestieirten Zustande findet man A. cygnoides im Amur-Lande nur in den chine- sischen, mandshurischen und daurischen Dörfern am oberen Amur- oder Sachali-Strome, und zwar ist mir dort immer nur die, nach Pallas überhaupt häufigere, ganz schneeweisse, ebenfalls mit einem Höcker auf dem Schnabel versehene Varietät begegnet. Bei den ichthyo- phagen Völkern des unteren Amur und bei den Jagdnomaden des oberen Stromes, oberhalb der Dseja, kommt die domestieirte Schwanengans ebensowenig wie irgend ein anderes Haus-

gellügel vor.

155) Anser srandis Gm.

Bei den Giljaken: kalchalch.

Die Exemplare dieser grossen Gans, die ich im Amur-Lande zu untersuchen Gelegenheit hatte und von denen ich eines, ein altes Männchen, mitgebracht habe, stimmen mit dem von Middendorff') in der Gegend von Udskoi-Ostrog erbeuteten Individuum vollkommen über- ein, bis auf eine düsterere Farbe des Kopfes und Halses. Unserem Exemplar fehlt nämlich der rostigrothbraune Ton, der bei jenem, zumal nach der Schnabelwurzel hin, so ausge- sprochen ist und der, nach Middendorffs Erfahrungen, den einzigen Unterschied in der Färbung zwischen A. grandis und A. segetwm abgiebt. Statt dessen ist beim Amur-Exemplar der Kopf nur einfach braun, nach der Schnabelwurzel hin dunkler, nach dem Halse zu all- mählig heller, und der bräunlichgraue Hals auch um einen Ton dunkler als bei jenem. Unser Exemplar lässt sich also auch in diesem Punkte der Färbung von A. segetum nicht unterschei- den. Ja es ist sogar noch düsterer und dunkler braun am Kopfe als ein aus dem Amur-Lande uns vorliegendes Exemplar der Saatgans, bei dem sich ein rothbrauner Ton nahe der Schna- belwurzel nicht verkennen lässt. Es kann demnach die hellere oder dunklere, reinbraune oder mehr oder weniger röthlichbraune Farbe des Kopfes und Halses bei diesen Gänsen nicht immer zur Unterscheidung der Arten dienen, da beide in diesen Farbentönen variiren. Da- gegen fallen sie nach ihren bedeutenden Grössenunterschieden sogleich auseinander, und dieser Punkt ist es, der uns keinen Zweifel darüber lässt, dass wir an dem Amur-Exemplar, trotz jener, von A. grandis, so weit bis jetzt bekannt, abweichenden und mit 4. segetum überein-

!) Sibir. Reise. 1. c. p. 225. Taf. XX. fig. 1.

Anser grandis. A. segelum. 463

stimmenden Kopf- und Halsfärbung, doch die erstere Art vor uns haben. Die Maasse des er- wähnten Individuums nämlich und eines anderen, ebenfalls alten Männchens, das ich im Amur- Lande vermessen und von dem ich Schädel und Füsse mitgebracht habe, sind folgende:

Länge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze')........ Eli el m Breskoui der Rlugelspanne.. .......oooouncoaenucscon. Ey ya re Eee Länge des zusammengelegten Flügels................- 18.92.

EESESCHWANZES- ....». 00. 00. He una nemeueuge 6 —_

» des Schnabels bis zum Mundwinkel............. _

» des Schnabels in gerader Linie von der Stirne bis zur

Nagelspitze - -.......... I re Eh u

Höhe des Schnabels an der Basis. .........rererenc0. üppig ante Breite des Schnabels ebendaselbst ...........eere.00.. vw vs Bazerdes Baulese rn on... 0n none nee 2 ER sc RN EN NO

» der Mittelzehe ohne Nagel .......eooroueemyeo. > Ki

» des Nagels an der Mittelzehe ....oseeeouerero.o _ 6" 61”

Diese Maasse stimmen mit den von Middendorff gefundenen in der Schnabel-, Tarsen- und Zehenlänge fast auf ein Millimeter überein. In der Gesammtlänge stand das Udskoier Exemplar genau zwischen unseren beiden, mit der geringen Differerenz von je 44”. Wenn Gmelin’s Angaben in der That richtig sein sollten, so dürfte jedoch A. grandis noch viel be- deutendere Dimensionen erreichen, da Gmelin den Schnabel desselben bis fast 4” Länge an- giebt”). An unserem frischgeschossenen Vogel waren: die Iris dunkelbraun, der Schna- bel schwarz, die Füsse und ein Band quer über den Schnabel orangegelb.

A. grandis scheint an der Mündung des Amur-Stromes in den letzten Tagen des April, etwa nach dem 20°" anzukommen. Im Jahre 1855 wurde eines der oben erwähnten Indivi- duen am 30. April (12. Mai) in der kleinen Lache geschossen, die sich auf der niedrigen Landzunge hart beim Nikolajevschen Posten findet. Das andere wurde im selben Jahr am 1, Mai in der Umgegend des Postens erlegt.

159) Auser segetum Gm.

Schon oben wurde eines aus dem Quelllande des Amur-Stromes stammenden Exem- plares der-Saatgans erwähnt, das sich von der gewöhnlichen Färbung durch einen röthlich- braunen Ton am Kopfe und zumal um die Schnabelwurzel auszeichnet. Dieser, auf der

!) Diese und die folgende Dimension sind am unabgebalgten Vogel gemessen. 2) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 221.

A6h Vögel.

Stirne etwas hellere, an den Seiten dunklere Ton bält ungefähr die Mitte zwischen der röthlich- braunen Farbe des Kopfes bei A. grandis, nach Middendorff’s Abbildung, und der gewöhn- lichen dunkelbraunen Farbe bei A. segetum. Im Uebrigen aber stimmt unser Exemplar in seiner Tracht mit dem europäischen Vogel ganz überein. Dass es ein altesIndividuum war, lässt sich leicht an seiner entschieden dunkel-, fast schwarzbraunen Farbe des Rückens und der Schul- tern, an den markirten weisslichen Querstreifen auf den letzteren, dem deutlichen weissen Längsstreifen auf den Tragefedern, der ausgesprochenen Färbung des Schnabels u. s. w. er- kennen. Ja unser Vogel scheint sogar in einem recht weit vorgerückten Alter gewesen zu sein, da ihm gleichzeitig auch die drei sichelförmigen weissen Fleckchen an den Befiederungs- gränzen des Oberkiefers so gut wie ganz fehlen: von diesen sind nämlich nur noch ein paar weissliche Federchen an den Schnabelseiten erhalten, während auf der Stirne keine Spur mehr von ihnen zu sehenist. Am Schnabel unseres Exemplares hat die orangerothe Farbe eine grössere Ausbreitung, als Naumann ') für gewöhnlich hält, ohne gleichwohl der Zeichnung seines A. arvensis gleichzukommen. Auf der Schnabellirste ist nämlich der orangefarbene Ring nicht mehr als 41” breit, nach den Schnabelrändern aber wird er breiter, berührt zum Theil das vordere Ende der Nasenlöcher und setzt sich in einem schmalen Streifen seitlich vom Schna- belrücken bis über die Mitte der Nasenlöcher und längs dem Schnabelrande auch bis unter das hintere Ende derselben, ja in einzelnen Fleckchen sogar bis zur Schnabelbasis fort. Ausserdem sieht man einzelne, am eingetrockneten Exemplar etwas verdunkelte Fleckehen von dieser Farbe auch an den Stirnkieferecken und an den Oberschnabelseiten nahe ihrer Basis. Es ist dies also ebenfalls eine mittlere Zeichnung zwischen 4A. segetum und A. arvensis Naum., gleichwie sie auch Middendorff”), und zwar in einer noch ausgesprocheneren Weise, an Exemplaren aus dem Hochnorden Asien’s beobachtet hat. Dabei hat der Schnabel unseres Exemplares am Oberkieferrande nur 20 Lamellenzähne, wie Naumann es bei A. segelum an- giebt, und scheint auch in seiner Gestalt demjenigen dieser letzteren Art zu entsprechen. Hinsichtlich der Grösse hält unser Exemplar ungefähr die Mitte zwischen den von Midden- dorff vermessenen, aus dem Hochnorden und aus dem Südosten Sibiriens stammenden In- dividuen. Die Maasse desselben sind nämlich folgende:

Länge des zusammengelegten Flügels....... A MON »r des SCHWANZESTE Se ee ee nee ee tes Us Bars, » des Schnabels in der Mundspalte. ......-...... 2” 3 » des Schnabels von der Stirne bis zur Spitze ...... a

Höhe des Schnabels an der Basis ....... Ba ae a © et

Breite des Schnabels ebendaselbst.............. A »' "Mas Baufes rar ph er RAR FE » der Mittelzehe ohne Nagel ........ a ea » des Nagels an der Mittelzehe ............... ee 4

!) Naturgesch. der Vög. Deutschl. XI. p. 307. 2) Sibir. Reise. 1. c. p. 226.

Anser segelum. A. cıinereus. 465

Das oben erwähnte Exemplar, das wir Hrn. Maack verdanken, wurde im Quelllande des Amur-Stromes, bei Nertschinsk am 7; Mai geschossen. Dass die Saatgans auch im unteren Amur-Lande vorkommt, unterliegt keinem Zweifel, da wir sie durch Middendorff und Wosnessenski als einen im Küstenlande des Ochotskischen Meeres, bei Ajan, auf den Schantaren und im Stanowoi-Gebirge brütenden Vogel kennen. An der Südküste des Ochotskischen Meeres sah sie Middendorff bis zum 19. Sept. (1. Oct.) verweilen. Genau an demselben Tage stiess ich im Herbst 1854 in der Umgegend des Nikolajevschen Postens auf 4 Gänse einer kleinen Art, die sich im Weidengebüsch an der Mündung des Litsch- Flusses aufhielten. Wir überraschten sie recht nahe und mussten sie, als sie mit starkem Ge- räusch und ziemlich nahe an uns vorüber flogen, ihrer Grösse und ihrem Gefieder nach für A. segetum halten. Derselben Gans endlich bin ich geneigt, auch die sehr zahlreichen, in ein- fachen und doppelten Pflugschleifen geordneten Phalangen zuzuschreiben, die ich im selben Jahre zuerst am ;%, Sept. und später mehrmals über dem Nikolajevschen Posten in süd- westlicher Richtung ziehen sah. Im Frühjahr müssen ihre Züge auch unter denjenigen ge- wesen sein, die wir ım Nikolajevschen Posten in beiden Jahren vom 15. bis 24. April (27. April bis 6. Mai) fast täglich beobachteten.

160) Anser einereus Meyer et Wolf.

Ein Exemplar der Graugans, das wir durch Hrn. Maack aus dem Quelllande des Amur- Stromes erhalten haben und das am 28. April (10. Mai) in der Umgegend von Nertschinsk geschossen worden war, stimmt mit dem europäischen Vogel in unserem Museum und mit der Beschreibung von Naumann ') vollkommen überein. Gould?) dagegen stellt diese Gans oflenbar zu einförmig grau dar, indem der Oberrücken, die Schulterfedern und die mittleren und grossen Flügeldeckfedern (mit Ausnahme der vordersten) nicht grau, sondern braun mit schmutzig- weisslichen Federkanten sind. Unser Exemplar ist ein altes Weibchen mit schmutzig grau- weisslicher, sparsam braunschwarz gefleckter Brust. Am frischgeschossenen Vogel waren: der Schnabel fleischfarben, auf der Firste zwischen den Nasenlöchern und an den Rändern bläulichroth, der Nagel bläulichweiss, an seiner Basis blauroth, die Lamellenzähne schmutzig hellgrau, die Füsse fleisch-, die Nägel hornfarben. Im unteren Amur-Lande habe ich diese Gans zwar nicht erbeutet, zweifle jedoch nicht, dass sie auch dort vorkomme.

1) Naturgesch. der Vögel Deutschl. XI. p. 229 ff. 2, The Birds of Europe. V. Tab. 347.

Schrenck's Amur-Reise Bd. 1. 59

466 Vögel. 161) Anas (Aix) galericulata L.

Bei den Mangunen: ngoıro. » » Golde am Amar und Ussuri: waıre.

Die Mandarinente, welche im Prachtkleide des Männchens unstreitig eine der schönsten ihres Geschlechts ist und nach Gestalt, Färbung und Lebensweise oflenbar die amerikanische A. sponsa L. in der alten Welt ersetzt, haben wir im Amur-Lande in beiden Geschlechtern und in alten und jungen Individuen erbeutet.

Das alte Männchen im Prachtkleide stimmt vollkommen mit einem chinesischen Exem- plare unseres Museums und im Allgemeinen auch sehr gut mit der nach Individuen des Lon- doner Zoological Garden entworfenen Abbildung Gould’s') überein. Bei genauerer Vergleichung lässt sich nur bemerken, dass beim Amur - Exemplar die Rostfarben etwas blasser sind, was namentlich in der Zügel-, Wangen- und Augenbrauengegend, in der rostgelb und schwarz ge- wellten Zeichnung der Tragefedern und an der in ganz eigenthümlicher Weise erweiterten und, wie Buffon°) sich ausdrückt, ähnlich einem Segel oder Schmetterlingsflügel, nach Gould dagegen fächerförmig aufwärts gerichteten Innenfahne der innersten (Cubital-) Schwinge sich ausspricht. Dabei ist jedoch, abgesehen von dem etwas blasseren Tone der Rostfarbe, die Zeichnung dieser wie aller übrigen Theile ganz dieselbe. Heben wir nur gegen die Abbildung noch hervor, dass der Schwanz bei unseren Exemplaren, aus China und vom Amur, nicht violettbraun, sondern mit dem Rücken gleichfarbig, grünlich - olivenbraun ist. Als eine Ab- normität des Amur- Exemplares müssen wir bemerken, dass bei ihm die erwähnte fächerfor- mige innerste Schwinge an der einen Seite sehr schön entwickelt, an der anderen dagegen nur rudimentair vorhanden ist. Während sie nämlich im linken Flügel von der Basis bis zur Schaftspitze, in gerader Linie gemessen, 31” lang ist und eine Innenfahne von 2!” Breite hat, erreicht sie im rechten Flügel nicht voll 1” Länge und hat eine Innenfahne von nur 7 bis 8” Breite. Ferner sind an diesem rudimentairen Federchen der Schaft nicht nach abwärts und die Barten der Innenfahne nicht nach vorn und aufwärts gebogen, und endlich ist auch die Zeichnung derselben eine etwas andere, indem ihre Innenfahne nur in dem unteren Theile, auf etwa 3—3 ihrer Länge, rostfarben, oben dagegen graubraun und die Aussenfahne nicht stahlblauglänzend, sondern nur weiss mit bräunlichem Aussensaume und rostgelblicher Spitze ist. Dass es aber nichtsdestoweniger dieselbe Feder ist, lässt sich, abgesehen von ihrer Lage, auch aus der raschen Verjüngung des Schaftes, aus der im Vergleich zur Aussenfahne sehr bedeu- tenden Breite derInnenfahne und aus der Rostfarbe an dieser letzteren ersehen, da diese Farbe sonst auf keiner anderen Feder im Flügel zu finden ist. Auch stellt sich das ganz ohne Zwei- fel heraus, wenn man diese rudimentaire Feder mit der entsprechenden, noch nicht ganz entwickelten Feder eines Herbstindividuums vergleichen will, das im Begriffe steht das Pracht- kleid von Neuem anzuziehen. Bei diesem hat die fächerförmige Feder zwar schon ihre volle

It) Thie Birds of Asia. Part IV. Tab. 2) Hist. nat. des Oiseaux. Paris 1786. X. p. 123.

Anas (Aix) galericulata. 467

Länge erreicht, ihr Schaft aber ist noch viel weniger und nur zum Theil abwärts gebogen, die Barten der Innenfahne sind kürzer und weniger vor- und aufwärts gekrümmt und die, im Uebri- gen noch schöner (weil unverblichen) rostrothe Innenfahne ist im oberen Drittheil nur einfach graubraun (die Aussenfahne dagegen stahlblauglänzend). Vermuthlich ist daher bei unserem alten Männchen vom Amur die fächerförmige Schwinge im rechten Flügel in Folge irgend welcher Umstände verloren gegangen und darauf durch eine neue, aber unentwickelt geblie- bene Feder ersetzt worden, wofür auch das Fehlen des Pigmentes an der Aussenfahne dersel- ben spricht. Aus einem Vergleiche dieser Schwingen an Individuen vom Frühjahr, wenn sie voll entwickelt, und vom Herbst, wenn sie noch in der Ausbildung begriffen sind, kann man übrigens sehen, dass die Rostfarbe an denselben mehr und mehr sich ausbreitet; denn während sie bei den letzteren Individuen nur einen Theil der Innenfahne einnimmt, breitet sie sich bei den ersteren nicht bloss über die ganze Innenfahne (mit Ausnahme des stahlblauen Endsau- mes) aus, sondern greift auch zum Theil auf die Aussenfahne nahe ihrer Spitze hinüber, wobei sie aber gleichzeitig in Folge fortgesetzten Lichteinllusses in ihrem ganzen Umfange etwas verblasst. An unserem frischgeschossenen alten Männchen im Prachtkleide waren im Mai: die Iris dunkelbraun mit weisslichgelblichem Umkreise, der Schnabel röthlichbraun mit bläu- lichfleischfarbenem Nagel, die Läufe und Zehen röthlichgelb, die Schwimmhäute schwärzlich.

Für das alte Weibchen der Mandarinente vom Amur können wir ebenfalls auf Gould’s Abbildung verweisen, mit dem Bemerken jedoch, dass der Rücken bis zur Schwanzspitze nicht in dem Maasse grau, sondern mehr graulich - olivenbraun ist, und dass die hellen Flecke am Kropf und an den Brustseiten nicht so regelmässig in Reihen geordnet und auch lichter, nur schmutzig-grauweisslich sind. 5

Von den Männchen im Sommerkleide bemerkt Gould nur, dass sie vom Weibchen kaum zu unterscheiden seien. Unter den 3 Exemplaren, die wir vom Männchen in diesem Kleide haben, zeichnen sich zwei durch ein lebhafteres und glänzenderes Olivenbraun der Oberseite und durch eine mehr rostgelbe als weissliche Fleckung des Kropfes und der Brustseiten aus; das 3'° ist in dieser Beziehung ganz wie das Weibchen beschaffen. Alle drei lassen sich aber dadurch vom Weibchen sogleich unterscheiden, dass sich am Kropf und an den Brust- seiten immer noch einzelne Federchen finden, die das Weibchen nicht besitzt und die durch Farben wie Pflaumen- oder Kirschroth, reines Weiss und Schwarz u. dgl. an die Färbung des Männchens im Prachtkleide erinnern. So hat eines dieser Männchen an den Kropfseiten in dem gewöhnlichen braunen, rostgelb gefleckten Gefieder einige Federn mit pflaumenrothen Spitzen, und weiter abwärts nach den Brustseiten zeigen sich einige schwarz gesäumte, oder mit schwarzem Querbande und weissem Saume versehene, oder endlich schwarz und weiss (und etwas rostgelb) gebänderte Federn, die sehr an das Prachtkleid erinnern; desgleichen finden sich an den Bürzelseiten einige rostgelb und schwarz gewellte und andere rothgrün glänzende Federn. Bei einem anderen Männchen im Sommerkleide fehlen die letzteren, aber am Kropfe und an der Brust sind auf der einen Seite ein paar schwarz gebänderte, auf der

anderen ein paar röthliche Federn sichtbar. Beim dritten dieser Männchen endlich lassen sich *

468 Vögel.

an den Brustseiten ebenfalls ein paar schwarz und weiss gebänderte und im grauen Ge- fieder der Halsseiten auch ein paar rothgespitzte Federchen entdecken. Dabei können jedoch alle diese Federn weder aus dem früheren Prachtkleide zurückgeblieben, noch im Beginne des folgenden Prachtkleides erschienen sein. Das beweist schon hinlänglich der Umstand, dass sie nicht ganz wie im Prachtkleide, sondern nur ähnlich und zum Theil mit denselben Farben ge- zeichnet sind. Auch dürfte gegen Ersteres die späte Jahreszeit, in der unsere Exemplare ge- schossen wurden, und gegen Letzteres der abgenutzte Zustand dieser Federn sprechen. Sie ge- hören somit ohne Zweifel dem Sommerkleide an und beweisen, dass das Männchen auch in die- sem einförmigen Gefieder noch gewissermassen durch Ueberbleibsel von dem reichen und man- nigfaltigen Pigmente, das beim Prachtkleide desselben entwickelt wird, vor dem Weibchen sich auszeichne. Von dem zuletzt erwähnten Männchen müssen wir jedoch bemerken, dass es zum Theil auch schon im Begriffe steht, das Prachtkleid wieder anzuziehen. Das thut sich nament- lich durch ein paar frische, metallisch grünglänzende Schulterfedern und durch die bereits vor- handenen, wenn auch noch nicht voll entwickelten, fächerförmigen innersten Schwingen kund, deren Beschaffenheit oben besprochen worden ist. Das übrige Gefieder gehört aber noch dem Sommerkleide an. An den frischgeschossenen Individuen in diesem Kleide waren: die Iris dunkelbraun, der Schnabel röthlichbraun mit fleischfarbenem Nagel, die Zehen orangegelb mit schwärzlichen Gelenken und Schwimmhäuten.

Der junge Vogel, von dem wir ein männliches Individuum mit noch nicht vollständig entwickelten Schwingen haben, ist mit dem Männchen im Sommerkleide ganz übereinstim- mend. Auch hier thut sich schon das Gefieder des männlichen Vogels dem Weibchen ge- genüber durch ein etwas lebhafteres und glänzenderes Olivenbraun der Oberseite, durch in- tensivere rostgelbliche Fleckung des Kropfes und der Brustseiten und durch einzelne vom Weibchen abweichende, bei unserem Exemplar schwarzbraune, nahe der Spitze mit weissem Bande versehene Federchen an den Brustseiten hervor. Dass es übrigens in der That ein junger Vogel ist, dafür sprechen, abgesehen von der im tiefen Spätsommer noch unentwickel- ten Flügellänge, auch die stumpfen, gleichsam abgestutzten Schäfte der Steuerfedern, ferner der kürzere, auf der Firste weniger abgeplattete und bis vor die Nasenlöcher kielartig erhöhte Schnabel '), so wie endlich die kürzeren und feineren Füsse.

Die Maasse der Amur - Exemplare sind folgende:

Männchen. Weibchen. _ Junger Vogel. (Prachtkleid). (Sommerkleid). Länge des zusammengelegten Flügels 8" 8” 8” 3” 87 6” 6 10" » des Schwanzes .....-.-... A na a _ » ‚des Schnabels............ ERRRE -— —41 Höhe des Schnabels an der Stine... 61” 61” reist.

!) Dass diese Form des Schnabels den jungen Vogel von dem alten auszeichnet, davon konnte ich mich auch bei anderen Enten, so bei A. Penelope, Boschas, Crecca, glocitans, falcata, histrionica u.s. w. überzeugen (s. weiter unten).

Anas (Aix) galericulata. 469

Männchen. Weibchen. Junger Vogel. (Prachtkleid). (Sommerkleid).

Breite des Schnabels ebendaselbst 6, N 6” Länge des Laufes .............. VAR. ı VAR BROT PO 4 1 Ad » der Mittelzehe ohne Nagel... 1” 64” 1” 64” 17 63” 176”

» des Nagels an der Mittelehe . 31” —33” £" NE

Anas galericulata, bisher nur ausChina undJapan bekannt '), haben wir auch im Amur- Lande und zwar als einen recht weit nach Norden verbreiteten und zum Theil sehr häufigen Vogel kennen gelernt. Längs dem Amur-Strome geht sie nämlich bis zur Mündung desselben hinab. Nahe dieser letzteren erhielt ich am 40 Mai (1855) dasoben erwähnte, in einem Fluss- arme bei Kalgho erlegte alte Weibehen. Den Giljaken des Dorfes war diese Ente unbekannt, was jedenfalls dafür spricht, dass sie sich dort nicht häufig sehen lässt. Ja vielleicht sind es nur einzelne Pärchen, welche so weit nordwärts vordringen. Ueber die Amur-Mündung nach Norden hinaus dürfte sie aber wahrscheinlich nicht mehr vorkommen, da sie uns von den Süd- küsten des Ochotskischen Meeres bisher unbekannt ist. Aufwärts am Amur nimmt dagegen ihre Zahl sehr bald zu. Schon etwas unterhalb des Mariinskischen Postens ist sie den Man- gunen als ein zwar nicht in grosser Zahl, aber doch regelmässig sich einfindender und brü- tender Vogel bekannt. Dort schoss ich auch beim Dorfe Bollao am 22. Mai (3. Juni) das oben beschriebene Männchen im Prachtkleide; doch blieb es das einzige Individuum, welches mir im Laufe meiner Reisen in jenem Theile des Stromes begegnet ist. Oberhalb vom Ma- riinskischen Posten nimmt ihre Zahl mehr und mehr zu und in der Gegend der Ussuri- Mündung, ferner am Ussuri selbst und oberhalb desselben, am südlichen Amur-Strome und bis zurKomar-Mündung hinauf muss ich A. galericulata als diejenige Ente bezeichnen, welche mir im Laufe des ganzen Sommers am häufigsten und oft in grossen Schwärmen begegnet ist, gleichwie Anser cygnordes dort unstreitig die häufigste unter den Gänsen ist. Am unteren Amur bis zur Mündung desselben stellt sich A. galericulata, nach dem oben Angeführten, wahrscheinlich erst in den letzten Tagen des April oder den ersten des Mai ein. Am 22. Mai trafen wir das Männchen, wie erwähnt, noch im vollen Prachtkleide an. Erst am Ende dieses Monats oder zu Anfang des Juni dürfte also der Wechsel des Wintergefieders zum Sommer- kleide beginnen. Am Sommerkleide fanden wir bei einem am 22. Juli (3. Aug.) bei Ssinda, unterhalb der Ussuri-Mündung erhaltenen Exemplare die grossen Schwingen noch nicht vollständig entwickelt und den Flügel erst von 71” Länge; bei einem anderen, am folgenden Tage (desselben Jahres 1855) in der Gegend von Dondon von Hrn. Maack erlegten Indivi- duum sind die Schwingen schon vollständig entwickelt, und bei einem dritten, noch etwas späteren Exemplare, das ich am 5, Aug. bei Aua am Ussuri schoss, hatten nicht bloss die

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l) In letzterem wird sie bekanntlich schon von Kämpfer (Gesch. und Beschr. von Japan. Lemgo 1777. I. p. 146.) unter dem japanischen Namen «kinmodswi» als ein höchst sonderbarer Vogel erwähnt und abgebildet (l. c. Tab. X. fig. 3... Ueber das Vorkommen der Mandarinente in China und die Vorliebe der Chinesen fur dieselbe 5. Buffon l. c. und Spätere.

470 Vögel.

Schwingen ihre volle Länge erreicht, sondern es stellten sich auch schon einige Federn aus dem neuen, für den Winter wiederum eintretenden Prachtkleide, namentlich einige metallisch grünglänzende Schulterfedern und die fächerförmigen innersten Schwingen jederseits ein. Später als beim alten Männchen scheinen die grossen Schwingen beim jungen Vogel ihre volle Länge zu erreichen, da wir sie bei einem am 27. Aug. (8. Sept.) von Hrn. Maack in der Gegend der Ussuri-Mündung geschossenen Jungen noch sehr in der Entwickelung begriffen und erst von nahe 7” Länge finden. Zu welcher Zeit diese Erscheinungen des Federwechsels bei A. galericulata in China vor sich gehen, darüber giebt es leider nur ganz allgemeine An- gaben. Nach Bennett') soll dort nämlich das Männchen der Mandarinente sein Prachtkleid im Mai verlieren und in dem düsteren, dem Weibchen ganz ähnlichen Sommerkleide während vier Monaten, d.h. bis zum August (incl.) verbleiben. Im Vergleich zu den ausführlicheren Be- obachtungen Gould’s an den im Zoolog. Garden in London gehaltenen Individuen treffen die Erscheinungen des Federwechsels bei A. galericulata im Amur - Lande in manchen Stücken früher, in anderen später, im Allgemeinen aber ziemlich um dieselbe Zeit ein’). Ob der Wechsel des Sommerkleides beim Männchen gegen das neue Prachtkleid im Herbst ganz im Amur-Lande, oder theilweise schon auf dem Zuge nach südlicheren Breiten vor sich gehe, ver- mag ich nicht zu sagen. Bis gegen Ende des August habe ich jedoch A. galericulata im unteren und oberen Amur-Lande beobachtet; so am 25. Aug. (6. Sept.) 1855 bei Emmero, am 26. Aug. (7. Sept.) 56 oberhalb der Komar-Mündung u. s. w. Zu dieser Zeit und auch schon früher im August hielten sich diese Enten am Amur und Ussuri stets in grösseren oder kleineren Schwärmen beisammen, die recht scheu waren und fast nie schussrecht aus- hielten. Im Fluge sind diese Schwärme nach vorn meist stark gedrängt, nach hinten dünner und in mehrere einzelne Reihen auslaufend. Geht ein solcher Schwarm in geringer Höhe über Einem weg, so lässt sich ein dem Rauschen des Windes vergleichbarer Lärm vernehmen. Zu wiederholten Malen habe ich A. galericulata auch auf Bäumen sitzen sehen, ein Benehmen, das sie mit der ihr analogen und nach Gestalt und Färbung so nahe verwandten A. sponsa Ame-

rika’s gemein hat.

1) Wander. in New South Wales etc. London 1834. II. p. 62. Vrgl. auch Gould, . c.

2) Im Zool. Garden legte nämlich A. galericulata das erste Ei am 2. Mai (neuen Stils); das Brüten des Weib- chens und der sommerliche Federwechsel des Männchens begannen am 20. Mai; die Jungen waren ausgebrülel am 20. Juni; die grossen Schwingen am Sommerkleide der alten Männchen waren am 3. Aug. voll entwickelt; die ersten Federchen des neuen Winter- oder Prachtkleides der alten Männchen stellten sich am 20. Aug. ein; die fächerför- migen Hinterschwingen liessen sich aber erst am 5. Sept. sehen, und das volle Prachtkleid endlich war am 29. Sept. an- gezogen. Die Jungen erhielten im Anfange des October das volle, demjenigen der alten Männchen an Schönheit kaum nachstehende Prachtkleid. S. Gould, The Birds of Asia. 1. c.

Anas (Mareca) Penelope. 471

162) Anas (Mareca) Penelope L. Bei den Giljaken: ngus, prokch ').

Von der Pfeifente liegen uns aus dem Amur-Lande alte und junge Individuen vor, die mit den europäischen übereinstimmen. Namentlich steht das alte Männchen im Prachtkleide an Schönheit der Farben der Abbildung von Naumann’) um nichts nach. Die Weibchen vom Amur sind, nach ihrem Gefieder und dem auf der Firste etwas kielartig erhöhten Schna- bel zu urtheilen, lauter junge Vögel. Eines von ihnen stimmt jedoch mit der Naumannschen Abbildung (fig. 3.) in der Kopf-, Hals-, Rücken- und Flügelzeichnung ganz überein und zeich- net sich nur dadurch aus, dass es am Kropf und an den Tragefedern mehr von einem schmutzigbräunlichen Rostgrau hat und dass die Schulterfedern ebenfalls lebhafter rostbräun- lich gesäumt sind. Es stimmt in dieser Beziehung mit einem übrigens &ewiss alten Individuum unseres Museums aus Lappland überein. Beizwei anderen Weibchen vom Amur lässt sich das Rostgrau, nicht bloss an den Tragefedern und am Kropfe, sondern auch am Halse und Kopfe be- merken. Dabei haben die, besonders auf dem Scheitel zahlreichen, feinen braunschwarzen Fleck- chen, von der Seite gesehen, einen schwachen grünlichen Glanz. Brust und Bauch sind bei allen rein weiss; nach dem Schwanze zu finden sich aber, beim ersteren von der Aftergegend, bei den beiden anderen schon vom Unterbauche an, kleine graue, abwärts grösser und dunkler werdende Fleckchen ein, die auf den unteren Schwanzdeckfedern zu grossen braunschwarzen rundlichen und länglichen Zeichnungen werden und gewiss auch auf das jüngere Alter unserer Indivi- duen hindeuten ®), ob sie gleich in geringerem Grade und von etwas blasserem Braunschwarz auch bei dem oben erwähnten alten Individuum aus Lappland zu sehen sind. Dieselbe Zeichnung wie bei diesen Weibchen findet sich auch bei einem im Herbst geschossenen jungen Männchen vom Amur. Gegen die Weibchen gehalten, zeichnet es sich aber sogleich durch den grünen Metallglanz am Spiegel, die reinere Rostfarbe am Kopfe und Halse, das lebhaftere bräunliche Rostgrau am Kropfe, an den Brustseiten und Tragefedern und durch den fast einfarbig grauen Oberflügel aus, an dem sich schon die spätere Zeichnung des Männchens insofern angedeutet findet, als der später weiss werdende Theil des Flügels heller grau mit weisslichen Federkanten, der grau bleibende vordere und obere Flügelrand dagegen dunkler grau ist. Auch finden sich bei unserem jungen Männchen schon einzelne Zeichnungen aus dem Prachtkleide, namentlich schwarzgraue, fein weissgewellte Federn auf dem Rücken und ähn- liche hellere, weiss und schwarzgrau gewellte unter den Tragefedern und an den Bürzelseiten. Am frischgeschossenen jungen Weibehen vom oberen Amur waren: die Iris dunkelbraun, der Schnabel und die Füsse bläulichgrau; an den beim Nikolajevschen Posten erlegten jungen Weibchen: die Iris braun, der Schnabel grünlichgrau, die Zehen gelbgrünlichgrau, die Schwimmhäute dunkler, beinahe schwarz.

1) Diese Bezeichnungen wurden mir, sei es aus Verwechselung, oder in Folge der Unbestimmtheit des Aus- druckes, auch für mehrere andere Enten genannt (s. weiter unten).

2) Naturgesch. der Vögel Deutschl. Tab. 305. fig. 1.

2) Nilsson, Skand. Fauna. Foglarna. I. p. 401.

472 Vögel.

A. Penelope soll nach Pallas ') durch ganz Sibirienbis nach Kamtschatka verbreitet sein. Middendorff jedoch ist ihr östlich vom Stano w oi-Gebirge nicht mehr begegnet”). Im Amur- Lande kommt sie jedenfalls von den Quellarmen bis zur Mündung des Amur-Stromes und zwar als ein recht häufiger Vogel vor. Das oben erwähnte Männchen im Prachtkleide wurde von Hrn. Maack an der Schilka bei Schilkinskoi Sawod am 42 Mai (1855) erlegt. Das älteste von den Weibchen schoss ich am oberen Amur wenig unterhalb der Amasare- Mün- dung am 22. Sept. (4. Oct.) 56 und die übrigen Exemplare am unteren Amur in der Umge- gend des Nikolajevschen Postens im Herbst 1854. Dort hielten sich diese Enten in kleinen und grösseren Schwärmen auf den Flüssen Kamr und Litsch und in den zahlreichen Armen des Amur-Stromes oberhalb der Litsch-Mündung auf. Die jungen Weibchen schoss ich dort am „6; und „%, Sept., das junge Männchen, bei dem sich schon Stücke vom Prachtkleide finden, am 19. Sept. (1. Oct.). Der A. Penelope möchte ich endlich auch die Eier zuschrei- ben, die ich am 20. Juni (2. Juli) im Dorfe Gauwne, nahe dem Mariinskischen Posten, in einem noch wenig bebrüteten Zustande erhielt. Dieselben stimmen nämlich mit der Abbildung und Beschreibung von Thienemann°) nach Gestalt, Farbe und Grösse vollständig überein; sie sind weisslichgelb, die Länge beträgt 2” 1”, die grösste Breite, fast in der Mitte und nur

m

etwas näher zum stumpfen Ende gelegen, 1" 5—51”.

163) Anas Boschas L.

Bei den Giljaken des Festlandes und der Insel Sachalin: mawr und mawrsch. » » Mangunen und den Golde am Amur und Ussuri: tarme und tarmı. » » Orotschen der Meeresküste (Bai Hadshi): gacha.

» » Orotschonen am oberen Amur: nıki‘).

Durch das ganze Amur-Land verbreitet, ist A. Boschas im unteren Theile desselben, nahe der Amur-Mündung die häufigste Entenart. An den Exemplaren von dort lassen sich in allen Altern, vom Dunenkleide bis zum alten Vogel, keinerlei Verschiedenheiten von den europäischen Individuen finden. Unter den Alten liegen uns mehrere mit 18 und 20 Steuerfedern vor. Im unteren Amur-Lande scheint A. Boschas auch diejenige Ente zu sein, welche am frühesten von allen ankommt. Beim Mariinskischen Posten beobachtete Hr. Maximowicz die ersten, sehr wahrscheinlich zu dieser Art gehörenden Enten im Jahre 1855 am „3; April und im

I) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 252.

2) Sibir. Reise, l. c. p. 229.

®) System. Darstell. der Fortpfl. der Vögel Europa’s. 5. Abth. Leipzig 1838. p. 35. Desselb. Fortpfllanzungsgesch. der gesammten Vögel. Tab. LXXX. fig. 6.

*) Nach Pallas (Zoogr. Rosso-Asiat, II. p. 256.) heisst bei den Lamuten «nikis» das Weibchen und «tarmin das Männchen von A. Boschas.

Anas Boschas. 4713

folgenden Jahre schon am 31. März (12. April). Beim Nikolajevschen Posten liess sie sich etwa um die Mitte des April sehen. Die ersten Individuen erlegte ich am 23. und 24. April (5. und 6. Mai). Die Eier der Märzente erhielt ich bei Aure unterhalb des Mariinski- schen Postens am 22. Mai (3. Juni). Eines derselben, das ich mitgebracht habe, stimmt mit der Abbildung und Beschreibung von Thienemann'') nach Gestalt, Farbe und Grösse ganz überein; seine Farbe ist hellgraugrünlich, der Längsdurchmesser 2" 10; der grösste Breiten- durehmesser 1” Bank Die Eier waren noch ganz unbebrütet, so dass die Jungen vermuthlich erst in der 210 Hälfte desJuni ausgebrütet werden. Auch ist mir im Sommer 1855 auf dem Amur-Strome die erste Märzente mit ihren Jungen erst am 30. Juni (12. Juli) in einem klei- nen Flussarme bei Beller begegnet. Am 1% Juli 1856 schoss ich ferner etwas oberhalb der Ussuri-Mündung die Mutter mit einem Flaumjungen, das von ganz typischer Zeichnung, auf der Unterseite gelblichweiss, auf der Oberseite dunkel olivenbraun und demnach, wie auch seiner Grösse zufolge, vermuthlich 2 bis 3 Wochen alt war. Beinahe einen vollen Monat später, am „, Aug., traf ich im Jahre 1854 die Jungen beim Nikolajevschen Posten mit noch sehr unentwickelten, erst 64” langen Flügeln. Den Zeitpunkt des Abzuges der Märzente aus dem Amur-Lande vermag ich nicht anzugeben, doch mag er, mit demjenigen anderer Enten zusammen, in den October fallen, da in diesem Monat die Gewässer des unteren Amur- Landes gefrieren und gegen Ende desselben oder in den ersten Tagen des November auch der Amur in seiner ganzen Breite sich mit Eis bedeckt. Bekanntlich pflegt aber A. Boschas auch in Sibirien an solchen Gewässern, die im Winter nicht gefrieren, wie an der Angara, an man- chen Flüssen Kamtschatka’s u. s. w.”), trotz der schärfsten Kälte zu überwintern. Im Amur-Lande kenne ich solche, im Winter oflen bleibende Gewässer nicht. Auf der Insel Sachalin dagegen ist Solches mit dem oberen Lauf des Tymy-Flusses der Fall, und dort traf ich A. Boschas auch im Winter und das zu einer Zeit an, da die Temperatur der Luft wiederholentlich unter den Gefrierpunkt des Quecksilbers sank gewiss ein sprechender Beleg mehr dafür, dass es nicht die scharfe Kälte, sondern nur das Zufrieren der Gewässer und der in Folge davon eintretende Mangel an Nahrung ist, was diese Ente im Winter nach süd- licheren Breiten treibt. Dennoch kann gewiss nur ein Theil der vielen Enten, die im Sommer das Land bewohnen, im Winter an den wenigen, meist kleinen und dabei rasch strömenden Gewässern hinlängliche Nahrung finden. Sehr wahrscheinlich dürften daher nur ältere Indivi- duen einen solchen Winterungsort wählen, die jüngeren dagegen mit dem allgemeinen Zu- frieren der Gewässer nach Süden sich begeben. So war es auch ein offenbar recht altes Männ- chen, das ich am 44 Febr. 1856 am Tymy -Fluss auf Sachalin schoss ein Individuum von sehr ansehnlichen Dimensionen, mit 18 Steuerfedern, von denen die vier mittelsten an der Spitze in einem bedeutenden Stück zurückgerollt waren, in der Tracht mit dem Pracht- kleide der im Frühjahr beim Nikolajevschen Posten oder an der Schilka erlegten Indivi-

1) Syst. Darst. der Fortpfl. der Vögel Europas. 5. Abth. p. 33. Desselb. Fortpflanzungsgesch. der gesammten Vögel. Tab. LXXIX. fig. 4.

2) S. Pallas, Zoogr. 1. c. Schrenck’s Amur-Reise. Bd.I. 60

ATA Vögel.

duen ganz übereinstimmend, mit Ausnahme eines etwas dunkleren Kastanienbrauns am Kropf und Dunkelbrauns am Oberrücken. Auf eine sehr eingeschränkte Localität angewiesen, kam mir A. Boschas im Winter noch scheuer als im Sommer vor: das leise Knittern des Schnee’s unter den Schneeschuhen, das Niedertreten dünner Gebüsche am Flussufer u. dgl. m. scheuch- ten sie in der Regel zu früh für den Schuss auf; aber die einzige Bedingung ihrer Existenz im Winter, das offene Wasser, nöthigte sie auch wieder nur längs diesem und zwar meist fluss- aufwärts ihre Flucht zu nehmen. Einmal aufgescheucht, steigerte sie jedoch ihre Vorsicht mehr und mehr, so dass ein nachhaltiges Verfolgen immer erfolglos blieb und es mir nur durch täglich mehrmaliges Wiederkommen an dieselben Stellen, wo ich sie einmal gesehen und mir bereits einen Pfad zum Flusse gebahnt hatte, endlich ein Individuum zu erlegen gelang.

164) Anas (Querquedula) Crecca L. Bei den Giljaken: prokch.

Die Krickente gehört ebenfalls zu den im Amur-Lande häufigen Enten. Beim Niko- lajevschen Posten hielt sie sich im Herbst 1854 meist in kleinen, aus Jungen zusammenge- setzten Schwärmen auf den Flüssen Kamr und Litsch und auf dem Amur, sowohl in den stilleren Armen desselben etwas oberhalb des Postens, als auch in den Buchten und auf kie- sigen Ufern des grossen Stromes selbst auf. Diese jungen Vögel hatten zu Anfang des Sep- tember (am ‚S, u. s. w.) schon völlig entwickelte Schwingen. Am südlichen und oberen Amur ist sie mir ebenfalls allenthalben begegnet. Am -7, Sept. schoss ich am oberen Amur unterhalb Albasin das Männchen im Sommerkleide. Häufig kam uns dort diese Ente in den kleinen Flussarmen, längs den grasbewachsenen Ufern emsig nach Nahrung schnatternd und dabei von der Strömung getrieben, ohne es zu bemerken bis auf wenige Schritte entgegenge- schwommen, so dass wir mit Leichtigkeit auf einem und demselben Fleck mehrere Individuen nach einander erlegen konnten. Von der Schilka hat uns Hr. Maack zwei am ‚%, Mai ge- schossene Männchen im Prachtkleide mitgebracht.

165) Anas (Querquedula) zlocitans Pall.

4. formosa Georgi, Temminck und Schlegel in Siebold’s Fauna Japon. Aves p. 127. Tab. LXXXU. B. und LXXXI. C. Bei den Giljaken: ngus. » » Mangunen: chororpoa (?).

» » Golde: chorchoi.

Anas (Querquedula) glocitans. 475

Die Amur-Exemplare dieser schönen Ente stimmen mit den sibirischen, nach den In- dividuen unseres Museums und den bekannten Beschreibungen von Pallas’), Brandt”) und Middendorff°), und mit den japanischen, nach den Abbildungen von Temminck und Schle- gel zu urtheilen, vollkommen überein. Dass die beiden weisslich-rostgelblichen Flecke an den Wangen und Halsseiten etwas heller oder dunkler sein können, beweist auch das Amur- Exemplar vom Männchen im Prachtkleide, indem es in dieser Beziehung einem Wilui- Exemplar unseres Museums nachsteht. Das Männchen im Sommerkleide lässt sich, wie Mid- dendorff angiebt, vom Weibchen leicht durch die dunkler braunröthlich gefärbte Oberbrust und die einfarbigere Zeichnung des Oberrückens unterscheiden, dessen Federn nur graubraun sind mit lichteren Säumen. Mit dem Männchen im Sommerkleide hat die grösste Aehnlichkeit das Männchen im Jugendkleide, zeichnet sich aber durch einen etwas lichteren braunschwar- zen Scheitel, durch blasseres Rostbraun in der Kropfgegend und an der Oberbrust, durch eine buntere, dem alten Weibchen jedoch noch sehr sichtlich nachstehende, graubraun und rost- gelb gemischte Zeichnung des Oberrückens, durch blassere rostgelbe Säume an den Schulter- federn, durch einen dunkleren, mehr in’s Braune und weniger in’s Graue spielenden Ober- flügel und durch einen weniger goldgrünglänzenden Spiegel aus. Am frischgeschossenen jungen Männchen waren: der Schnabel dunkel grünlichschwarz, an der Basis, am Rande des Oberkie- fers und am Unterkiefer heller, bläulichgrau, die Füsse grünlichgrau, an den Zehengelenken schwärzlich, an den Schwimmhäuten beinahe ganz schwarz.

A. glocitans ist im Amur-Lande viel weniger häufig als die vorhergehenden Arten. Dennoch scheint sie zu den am frühesten dort eintreffenden Enten zu gehören. Beim Mariinski- schen Posten liessen sich im Frühjahr 1855, nach Hrn. Maximowicz’s Beobachtungen, die ersten Enten dieser Art, von denen ein Männchen geschossen wurde, am41 April sehen; beim Nikolajevschen Posten aber dürfte A. glocitans wohl erst gegen Ende des April sich einstellen, und bei Udskoi-Ostrog und am Aim-Flusse im Stanowoi-Gebirge sah sie Middendorff erst zu Anfang des Mai eintreffen. Die jungen Individuen schoss ich beim Nikolajevschen Posten am 31. Aug. (12. Sept.) 1854 mit völlig entwickelten Schwingen. Kleinen Schwär- men junger Individuen begegnete ich im Spätsommer 1856 auf dem oberen Amur und bis nach Ustj-Strelka recht oft. Oberhalb der Dseja kam mir am 18 Aug. ein todtes, noch in der Starre begriffenes, aber sonst ganz unversehrtes erwachsenes Männchen im Sommerkleide auf dem Strome entgegengetrieben.

lt) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 261. 2) Descript. et icon. anim. Rossic, nov. vel minus rite cognit. Petrop. 1836. p. 28. Tab. IV. 3) Sibir. Reise. 1. c. p. 230.

476 Vögel.

166) Anas (Querquedula) falcata Pall. Bei den Giljaken: ngyki-gyl. » » Mangunen: modjt.

In Beziehung auf die Tracht der alten Individuen dieser Art haben wir zu den aus- führlichen Beschreibungen und getreuen Abbildungen, die Brandt!) vom Männchen im Prachtkleide und Middendorff?) vom Weibchen entworfen haben, für die Amur-Exemplare nichts hinzuzufügen. Dagegen mögen hier einige Worte hinsichtlich der bisher nicht be- schriebenen jungen Vögel dieser Art folgen.

Unter den fünf Exemplaren, die wir von der jungen A. falcata haben, darunter vier vom Amur und eines (durch Hrn. Wosnessenski) aus Kamtschatka, sind vier Männchen und ein Weibchen im Jugendkleide, die ersteren mit schon völlig ausgebildeten, das letztere mit noch in der Entwickelung begriflenen Schwingen. Beide sehen sich auf den ersten Blick sehr ähnlich, lassen sich jedoch bei genauerer Vergleichung leicht von einander unterschei- den. Betrachten wir zunächst das Weibchen.

Mit dem alten Weibehen verglichen, hat dasjenige im Jugendkleide zwar im Allgemeinen recht viel Aehnlichkeit, unterscheidet sich aber doch sogleich durch eine dunklere und ein- farbigere Zeichnung der Oberseite, während die Unterseite vom Kinn bis zu den unteren Schwanzdeckfedern genau dieselbe Farbe und Zeichnung hat, mit dem einzigen Unterschiede etwa, dass die Tragefedern dunkler erscheinen. Diese sind nämlich beim jungen Weibehen einfarbig graubraun mit rostgelben Kanten, während sie bei den alten Individuen in der Mitte nahe dem Schafte eine mit den Kanten concentrische rostgelbe Zeichnung haben. Auf der Oberseite fällt beim Jungen zunächst die dunklere Färbung des Kopfes auf, der iv seiner Mitte in einem breiten Bande von der Stirn bis zum Nacken fast einfarbig braunschwarz ist, gegen das Licht gesehen, mit schwachem grünlichem Glanze schillernd und mit sehr wenigen, am meisten über den Augen eingemischten graugelblichen Federkanten; die Zügel-, Wangen- und Ohrgegend ist dagegen ganz wie beim alten Weibchen graugelblich und schwarz ge- strichelt. Der Hals ist wiederum düsterer, fast einfarbig braungrau, indem die gestreifte Zeichnung des alten Weibchens beim jungen nur eine ganz verwaschene ist. Die Schultern und der Oberrücken sind ebenfalls düsterer und einfarbiger, da die Federn hier, ebenso wie oben von den Tragefedern bemerkt worden, in der Regel nur einfarbig schwarzbraun sind mit rostgelben Kanten und der beim alten Weibchen in der Mitte der Federn nahe dem Schafte vorhandenen, mit den Kanten concentrischen rostgelblichen Zeichnung entbehren. Der Unter- rücken, Bürzel und die oberen Schwanzdeckfedern sind fast einfarbig schwarzbraun, die erste- ren mit kaum merklichen lichteren, die letzteren mit rostgelblichen Kanten. Die Steuerfedern sind einfarbig schwarzbraun mit kaum sichtbaren weisslichen Säumen. Der Flügel ist eben- falls dunkler als beim alten Weibehen: der Oberlüügel braungrau mit heller grauen, an den kleinen und mittleren Flügeldeckfedern an der Spitze oft etwas schwärzlichen Kanten; die

!) Deseript. et icon. anim. Rossic. etc. p. 21. Tab. Ill. ®) Sibir. Reise. 1. c. p. 231. Tab. XXI. fig. 2.

Anas (Querquedula) falcata. 417

Enden der grossen Flügeldeckfedern, die den Vorderrand des Spiegels bilden, nicht rein weiss, sondern nur grauweisslich; der Spiegel mit mattem grünlichem Schimmer; die Schwingen ein- farbig schwarzbraun, an der Innenfahne im oberen Theile kaum etwas heller.

Die vorgerückteren, aber ebenfalls noch im Jugendkleide stehenden Männchen haben mit dem Weibchen im selben Kleide die grösste Aehnlichkeit; namentlich sind die ganze Unter- seite, der Kopf, Hals, Unterrücken, Bürzel, die obere Schwanzdecke und die Steuerfedern ganz ebenso gezeichnet, während die Schultern, der Oberrücken und die Flügel deutliche Unterschiede wahrnehmen lassen. An den Schultern und auch schon am Unterhalse finden sich nämlich neben den einfarbig schwarzbraunen, rostgelblich gekanteten Federn auch sehr viele, ja noch mehr solche, die ausser jenen Kanten noch von einer oder mehreren (2—4), bald ebenfalls rostgelblichen, bald our röthlichweissen, etwas gewellten, stellenweise unterbrochenen und bald breiteren und reineren, bald schmäleren oder gar in Spritzlecken aufgelösten Querbinden durchzogen sind. Auf dem Oberrücken lassen sich ebenfalls neben den einfarbigen schwarz- braunen, rostgelb gekanteten Federn andere mit sehr feinen, meist nur aus Spritzfleckchen zusammengesetzten Querwellen bemerken. Alle diese Federn erinnern in ihrer Zeichnung lebhaft an diejenige des alten Männchens an den betreffenden Stellen, weichen aber in der Farbe von den letzteren ab, indem diese, statt schwarzbraun und rostgelb oder röthlichweiss, nur schwarzgrau und weiss gewellt sind, und die Querwellen bei ihnen auch viel zahl- reicher und ausgesprochener sind, die Zeichnung ganz beherrschend, während sie beim jun- gen Männchen nur stellenweise aus der übrigen einfarbigeren, weibehenähnlichen Befiede- rung hervortreten. Dass aber diese Federn nicht etwa der erste Beginn des Prachtkleides bei den jungen Männchen sind, sondern in der That dem Jugendkleide angehören, beweisen ihre ganz alten Spuhlen und zum Theil abgenutzten Kanten. Am Flügel endlich unterscheiden sich die Männchen im Jugendkleide von den Weibchen durch einen stärker grün schimmernden Spiegel und durch ein helleres und einfarbigeres Grau auf dem Oberflügel. Ob sie aber gleich in dieser Beziehung das alte Weibchen übertreffen und dem alten Männchen sich sehr nähern, so unterscheiden sie sich von letzterem doch sogleich dadurch, dass das Grau am Flügel in der Regel etwas dunkler ist, dass ferner die kleinen und mittleren Flügeldeckfedern deutlichere und hellere, am äussersten Endsaume bisweilen etwas schwärzliche Kanten haben, und dass endlich die den Spiegel nach vorn begränzenden Enden der grossen Flügeldeckfedern nicht 'immer rein weiss, sondern meist röthlichgrau angeflogen sind.

Ausser den besprochenen Diflerenzen unterscheiden sich die jungen Individuen von A. falcata von den alten, seien es Männchen oder Weibchen, auch durch einen kürzeren und schmäleren und auch in der Form etwas verschiedenen Schnabel. Letzterer ist nämlich beim jungen Vogel in seiner Basalhälfte auf der Firste weniger abgeplattet und bis weit vor die Nasenlöcher kielartig erhöht. Es ist dies ein vortreffliches Kennzeichen, um den jungen Vogel auch dort, wo er sich nicht durch seinen kürzeren Schnabel verräth, von dem ähnlich gezeichneten Männchen im Sommerkleide oder alten Weibchen mit Sicherheit zu unterscheiden. Vergleicht man nämlich auf diesen Punkt hin eine Reihe von Individuen einer und derselben Art, aber von verschiedenem

478 Vögel,

Alter, von dem Flaumjungen bis zum alten Vogel, so wird man bemerken, dass die kielartige Erhöhung der Schnabellirste mit dem Alter von der Schnabelspitze aufwärts mehr und mehr sich abrundet, verflacht und zuletzt verschwindet. Während beim Flaumjungen von A. Boschas ı. B. ein scharf abgesetzter Kiel längs der Firste fast bis zum Nagel verläuft, ist bei der jungen Märzente mit noch nicht ganz ausgewachsenen Schwingen ein solcher, freilich aber abwärts schon sehr viel abgerundeterer Kiel nur etwa bis zur Mitte des Raumes zwischen den Nasen- löchern zu verfolgen, der übrige Theil des Schnabels dagegen ist auf der Firste ganz abgerun- det und abgeflacht. Bei A. felcata ist beim jungen Weibchen mit noch nicht voll ausge- wachsenen Schwingen die Firste bis etwas über die Mitte des Raumes zwischen den Nasen- löchern und dem Nagel scharf kielartig erhöht; bei den etwasälteren, jedoch noch im Jugend- kleide stehenden Männchen reicht dieser Kiel zwar ebensoweit nach vorn vor, ist aber von oben etwas abgeflacht und erscheint daher breiter, und bei den alten Individuen endlich ist er so weit abgeflacht, dass er sich von den Nasenlöchern an nach vorn nicht mehr als kielartige Er- höhung unterscheiden lässt. An diesem Kennzeichen haben wir daber, neben der geringeren Länge des Schnabels unserer Exemplare von A. falcata, den besten Beweis, dass wir es in der That mit jungen Individuen und nicht etwa mit den im Sommerkleide stehenden Männchen zu thun haben. Ja, bei A. falcata ist uns dieser Formunterschied im Schnabel alter und junger Vögel noch um so wichtiger, als es bei Vergleichung unserer Exemplare mit den Angaben von Middendorff scheinen dürfte, dass es bei dieser Ente in der Schnabellänge wie in an- deren Dimensionen nicht unbedeutende Schwankungen giebt. Middendorff bemerkt nämlich, dass die Weibchen von A. falcata im Stanowoi-Gebirge den Männchen in der Grösse über- haupt und vorzugsweise in der Schnabel-, Tarsen- und Zehenlänge nachständen. Folgendes sind die Maasse unserer alten und jungen Individuen beiderlei Geschlechts:

Alte Männchen. Alte Weibchen. 4% 2. 3. 4. 3. 6. 8.

Borhi., SOZIR-. \jpasin! Schilkau ] 22 Ssungakı Rue

jevsk Mündung. Münd. Münd. tschatka. Länge des zusammengelegten Ui m U U 7 Flüpelsa.x)..:e%, 00% ga 973 1,99 9,9 ap » des Schwanzes ..... 31 31. 86 A » des Schnabels ..... ARE ALTE, 1 A I AZ. AUT Höhe desSchnabelsa.d.Stirne —74” 73” 71" 8” 73” 71" 71" 8” Breite des Schnabels ebenda- selbst) .gH Net .. Ma" 77 7 8” 73” 71” Ita Länge des Laufes........» 15er ne Tel" » der Mittelzehe ohne Nabel UT AS ZB EISEN » desNagels an der Mit- m U U vr m ‚" Hs m telzehe 7320. re u" u" a" a" a" 317 47-4

I) InFolge desEintrocknens derSchnabelränder kann dieses Maass, am Balge genommen, kein sehr zuverlässiges sein.

Anas (Querquedula) falcata. 419

Junge Männchen. den, 9. 10. 44: 12. 13. Nikolajevscher Posten. Kamtschatka. rad. Länge des zusammengelegten Flügels... 7 ya Ya’ 64”) BERESSSChwanzes „una. eesee... 2m Ra I. 81 +30: 20080 » des Schnabels.............. ET En yasrae a Höhe des Schnabels an der Stime .... 71" _— zıı" si" —_ 71" 61” Breite des Schnabels ebendaselbst ..... 617 6" —53”7 6" 53” BomsedesLaules...uonesereueree. ee er RE a » der Mittelzehe ohne Nagel...... ee "ee 6” » des Nagels an der Mittelzehe.... 341” 31” 31” —_ 31" a

Aus diesen Maassen geht hervor, dass es bei A. falcata allerdings nicht ganz unbeträcht- liche Grössenschwankungen giebt und dass man unter ganz erwachsenen Individuen beiderlei Geschlechts grössere und kleinere unterscheiden kann. Hält man nun die grösseren Männchen und Weibchen (von den oben vermessenen die Exemplare 4 und 8) gegen einander, und wie- derum die kleineren (No. 1—3 und 5—7), so stehen die Weibchen den Männchen allerdings fast in allen Dimensionen, jedoch mit Ausnahme des Schnabels um ein Weniges nach. Diesen finden wir vielmehr bei unseren kleineren Weibchen vom Amur (No. 6 und 7) ganz von der- selben Grösse wie bei den kleineren Männchen aus derselben Gegend, und bei dem grösseren Weibchen aus Kamtschatka (No. 8) ganz ebenso gross wie beim grössten unserer Männchen vom Amur (No. 4). Die von Middendorff angeführten Maasse des Männchens stimmen mit denjenigen unserer kleineren Individuen überein, diejenigen des Weibchens dagegen stehen den Maassen unserer kleineren Weibchen etwas nach. Mithin gehören diese letzteren noch nicht zu den kleinsten ihrer Art. Ebenso dürften sich aber vielleicht auch noch kleinere oder wenigstens kurzschnäbligere Männchen, als die von Middendorff und uns vermessenen tin- den. Jedenfalls beweisen die obigen Maasse, dass der Schnabel beim Weibchen dieselben Di- mensionen wie beim Männchen erreichen kann. Dasselbe findet übrigens bisweilen auch mit einer oder der anderen der übrigen Dimensionen statt; so z. B. hat das Weibchen No.7 zwar kürzere Läufe als die kleineren Männchen, aber doch ebenso lange Mittelzehen, und beim Weibchen No. 8 erreichen diese sogar die Länge, die sie beim grössten der Männchen (No. 4) haben. Aus. allen diesen Schwankungen ist also ersichtlich, dass wir es hier, wenn von grösseren und kleineren Individuen von A. falcata die Rede ist, keineswegs mit constanten Grössenracen zu (hun haben. Aehnliche Grössenschwankungen wie unter den erwachsenen finden sich auch unter den jungen Individuen. Auch bei ihnen lassen sich schon die kleineren Dimensionen des Weibehens erkennen, unter denen jedoch wiederum diejenige der Schnabellänge eine Ausnahme zu machen scheint: so steht in dieser Beziehung das junge Weibchen vom

I) Noch ganz im Waclısen begriffen.

450 Vögel.

Amur, trotzdem dass es noch jünger als die jungen Männchen war, doch dem grössten unter den letzteren (No. 12) nur um 1” nach. Wie sehr übrigens die Kürze dieser Dimension den jungen Vogel überhaupt kennzeichnet, fällt nach den angeführten Maassen leicht in die Augen: deun obgleich unsere jungen Individuen den alten (gleichen Geschlechts) schon fast in allen Di- mensionen, namentlich aber in der Tarsen- und Zehen-, sowie zum Theil in der Flügel- und Schwanzlänge sehr nahe konımen, ja in manchen Punkten sogar die kleineren unter den er- wachsenen übertreflen, so zeichnen sie sich doch sämmtlich durch einen kürzeren und schmäch- tigeren Schnabel aus, was besonders anschaulich wird, wenn man die jungen Männchen mit den älteren kleinen Weibchen vergleicht.

A. falcata ist im gesammten Amur-Lande eine der häufigsten Enten. Nach Pallas') kommt sie in Sibirien im Frühjahr als eine der ersten an. Beim Nikolajevschen Posten schoss ich im Frühjahr 1855 das erste Individuum am Bi Mai; doch muss sie dort wahr- scheinlich schon gegen Ende des April sich einfinden, da Middendorff sie am 3. Mai schon bei Udskoi-Ostrog und am 14. am Utschur ankommen sah. Am 28. Mai (9. Juni) fand ich 4. falcata bei Borbi, oberhalb des Mariinskischen Postens, noch gepaart und das Männchen noch im vollen Prachtkleide. Ebenso hat auch ein altes Männchen, das Hr. Maack am 24. Mai (5. Juni) bei Albasin am oberen Amur erlegte, noch das volle, nirgends mausernde Prachtkleid an. Im Sommer 1856 schoss ich auf dem Jai-Flusse am ;!, Juni ein altes Weibchen, das sich ohne Männchen sehen liess und vermuthlich schon brütete. Mehr als einen Monat später, am ;% Juli (1855), erlegteHr.Maack nahe der Ssungari-Mündung ein altes Weibchen, das zwar ein sehr abgenutztes und verblichenes Kleid trug. aber noch keine Spur von Mauser zeigte. Die jungen Vögel dieser Art beobachtete Middendorff bei Udskoi- Ostrog am 4. August mit noch eben erst hervorspriessenden Schwingen. Das oben erwähnte junge Weibchen mit noch unausgewachsenen Schwingen schoss ich am 22. Aug. (3. Sept.) an der Einmündung des Komar-Flusses in den Amur. Beim Nikolajevschen Posten traf ich die jungen Enten dieser Art am „, Sept. mit völlig ausgebildeten Schwingen an. Noch am 19. Sept. (1. Oct.) zeigte sich aber bei denselben keine Spur des neuen Prachtkleides, während bei einem am 20. Sept. (2. Oct.) 1846 am Jelofka-Flusse in Kamtschatka von Hrn. Wosnessenski erlegten jungen Männchen an den Schultern schon ein paar Blutfedern sich entdecken lassen. Diese jungen Vögel bielten sich im Herbst 1854 in recht häufigen, aber stets nur kleinen, aus 3 5 Individuen bestehenden Schwärmen, wahrscheinlich den Bruchstücken zersprengter Familien, auf den Flüssen Kamr und Litsch und auf den klei- neren ‚Armen des Amur-Stromes etwas oberhalb des Nikolajevschen Postens auf. Am oberen Strome ist mir A. falcata oft in derselben Weise wie A. Crecca, längs den grasreichen Ufern kleiner Flussarme nach Nahrung schnatternd und von der Strömung getrieben, unbe- merkt entgegengeschwommen. Am 20. Sept. (2. Oct.) gelang es mir auf diese Weise in einem

!) Zoogr. Rosso-Asiat. IT p. 260.

Anas (Dafila) acuta. A. (Rhynchaspis) clypeata. A. (Glaucion) Clangula. 481

Flussarme nahe der Urutschi-Mündung an einer und derselben Stelle, ohne den Ort zu ver- ändern, binnen wenigen Minuten drei Stück nach einander zu erlegen.

167) Anas (Dafila) acuta L.

Die Spiessente scheint im Amur-Lande viel seltner als alle vorhergehenden Arten zu sein. Wir haben nur ein Exemplar vom alten Vogel, das von Hrn. Maack im Quelllande des Amur-Stromes bei Nertschinsk am 30. April (12. Mai) erlegt wurde ein Männchen im Prachtkleide, dem europäischen Vogel in allen Stücken gleich. Flaumjunge dieser Art traf Hr. Maack am südlichen Amur nahe der Ssungari-Mündung am -$, Juli an.

168) Anas (Rhynchaspis) clypeata L.

Bei den Giljaken: toch-tors. » » Mangunen: ssawssauke.

Zwar seltner als die März- oder Krickente, kommt A. clypeata doch durch das ganze Amur-Land vor. Nahe der Mündung des Amur-Stromes erhielt ich im Jahre 1855 bei Kalgho am 4% Mai ein altes Weibchen und bei Wair am 14 Mai des folgenden Jahres ein altes Männchen; beide stimmen mit dem europäischen Vogel ganz überein. Aus dem oberen A mur-Lande ist uns durch Hrn. Maack ein am „$, Mai an derSchilka erlegtes altes Männ- chen im Prachtkleide zugekommen.

169) Anas (Glaucion) Clangula L. Bei den Giljaken: holmr').

Von der Schellente liegen uns aus dem Amur-Lande nur zwei junge Männchen vor, die mit den Beschreibungen von Naumann’) u. a. übereinstimmen. Als junge Vögel lassen sie sich sogleich an den in der Kehlenbefiederung hin und wieder noch sichtbaren Dunen- federchen, ferner an den verstossenen, gleichsam abgestutzten Spitzen der Steuerfedern und

!) Diese Bezeichnung hörte ich übrigens von den Giljaken noch häufiger der A. Fuligula L.-geben (s. unten). 2) Naturgesch. der Vögel Deutschl. XI. p. 167. Schrenck's Amur-Reise Bd. I. 61

482 Vögel.

endlich an der Färbung erkennen, welche von derjenigen des alten Weibchens durch den düstereren, weniger röthlich- und mehr graubraunen Kopf und Hals, den vorn weiss und grau geschuppten Unterhals und den viel kleineren, weisslichen, grau geschuppten Fleck auf dem Oberflügel sich unterscheidet. Dabei haben diese Männchen trotz ihrer Jugend fast in allen Dimensionen schon eine bedeutendere Grösse als die alten Weibehen. Unter einander sind unsere Exemplare darin verschieden, dass das eine einen merklich dunkleren, graubraunen Kopf und Hals, ausgesprochene weissliche Schuppen am unteren Theile des Vorderhalses und einen deutlichen grauweisslichen Fleck auf dem Oberflügel hat, während bei dem anderen der Kopf und Hals nur bräunlichgrau sind, ferner die weisslichen Schuppen am Unterhalse ganz fehlen und endlich der weissliche Fleck am Oberflügel nur kaum durch hellgraue Federkanten angedeutet ist. Dass dies übrigens nur individuelle Verschiedenheiten sind, versteht sich von selbst. Bemerkenswerth ist, dass das 2'° Exemplar, obgleich um 12 Tage später geschossen, doch jünger als das erste war, indem bei diesem die Steuerfedern schon in voller Zahl, bei jenem dagegen erst jederseits die vier äussersten ausgebildet waren, die acht mittleren aber erst eben hervorsprossten. Auch steht das 2'° Exemplar dem ersteren in der Grösse etwas nach. Folgendes sind ihre Maasse, mit denjenigen zweier alten Individuen unseres Museums zusam- mengestellt:

Altes Männchen. Altes Weibchen. Junge Männchen. St. Petersburg. Casp. Meer. Amur.

Länge des zusammengelegten Flügels... SAH Zu s”— Zu »3. des ’Schwanzes I W000 u. 16, "0 39, _ »..\.des,Sehnahels .gi.r. 0 2.4... 1" 3” ER 100 » desLaufes ....... Pa 2 14 ns aln

A m m m

» der Mittelzehe ohne Nagel...... au 1 17 11 N Ar . [2 m m vr

» des Nagels an der Mittelzehe..... 44” 31 31 3

Am frischgeschossenen jungen Vogel waren: die Iris gelbbraun, der Schnabel schwärz- lich, die Füsse blaugrau, an den Gelenken und Schwimmhäuten schwarz.

A. Clangula bemerkte ich an der Mündung des Amur-Stromes im Herbst 1854 zum ersten Mal am 19. Sept. (1. Oct.) und somit genau um dieselbe Zeit, als sie nach Midden- dorff’s Beobachtungen ') auch an der Südküste des Ochotskischen Meeres eintriflt. Es waren kleine Schwärme von 3 5 Individuen, die sich auf den Flüssen Kamr und Litsch beim Nikolajevschen Posten aufhielten. Am oberen Amur erlegte ich im Herbst 1856 das oben erwähnte junge Männchen am 49 Sept. unterhalb Albasin’s, das 2', mit noch theilweise un- entwickelten Steuerfedern und Schwingen, am 22. Sept. (4. Oct.) nahe der Amasare-Mün- dung, beide wie am unteren Amur aus kleinen Schwärmen. Im Winter habe ich die Schell- ente im Innern der gebirgigen Insel Sachalin, auf dem immer oflenen oberen Tymy-Flusse in einer ganz ähnlichen Weise angetroffen, wie Pallas”) von seiner A. hyemalis für denUral,

!) Sibir. Reise. l. c. p. 237. 2) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 270.

Anas (Glaucion) Clangula. A. (Harelda) histrionica. 483

Sibirien und, nach Steller’s Beobachtungen, für Kamtschatka angiebt. Diese wintern- den Individuen hielten ebenfalls in kleinen Schwärmen zusammen, waren aber noch scheuer als die am selben Orte sich aufhaltenden Märzenten, so dass es mir auch nicht gelingen wollte, ein Exemplar derselben zu erlegen.

170) Anas (Harelda) histrionica L.

Bei den Giljaken: sjom(?). ") » » Mangunen und Golde: momera.

Die Amur-Exemplare dieser Ente, alte und junge Individuen beiderlei Geschlechts, sind von ganz typischer Farbe und Zeichnung. Die jungen Vögel unterscheiden sich von dem alten - Weibchen, abgesehen von der verstossenen Schwanzspitze, durch ein weniger dunkles Braun im ganzen Gefieder der Oberseite, eine etwashellere, übrigens auch bräunlichgraue Kehle und einen kleineren, stärker bräunlich geschuppten, in der Regel nicht bis zur Schnabelbasis reichenden, sondern nur unter dem Auge deutlich erkennbaren weisslichen Fleck in der Zügel- und Wangengegend. Die jungen Männchen zeichnen sich vor den jungen Weibchen durch schmutzig rostbräunliche Federkanten am Kropfe, an den Brustseiten und Weichen und durch einen stärker braungrau gefleckten und gewellten Unterrumpf aus.

A. histrionica ist im gesammten Amur-Lande nicht selten. Im Frühjahr trifft sie am Amur-Strome wahrscheinlich zu Ende des April oder Anfang des Mai ein. Hr, Maack hat sie an der Schilka bei Bjankina und Schilkinskoi Sawod am -&, und „2, Mai geschos- sen. Beim Nikolajevschen Posten erhielt ich im Frühjahr 1856 ia erste Kragenente am 44 Mai. Vom 20. Mai an hat sie auch Middendorff°) ziemlich häufig im Stanowoi-Ge- birge gesehen. Am 21. Mai (2. Juni) stiess ich beim Dorfe Kada, etwas unterhalb des Ma- riinskischen Postens, auf einen Schwarm von vier noch im vollen Prachtkleide stehenden Männchen dieser Art, die auf dem niedrigen Ufer hart am Strome sassen und uns sehr nahe anliessen. Die Jungen fand ich bei Ykka, oberhalb der Gorin- Mündung, am 30. Aug. (11. Sept.) mit noch nicht ganz ausgebildeten Schwingen und einer Flügellänge, die nicht voll 74 betrug, während sie beim alten Weibchen vom Amur 7, beim alten Männchen 8” misst. Im September, am 33 und 3%, hatten die jungen Enten dieser Art im Bureja-Gebirge und am oberen Amur zwar vollständig ausgebildete Schwingen, aber im Vergleich zu den respec- tiven alten Vögeln immer noch um einige Linien kürzere Flügel. Im oberen Lauf, wo der

l) Obgleich mir diese Bezeichnung von den Giljaken von Wair für A. histrionica genannt wurde, so führe ich sie doch, ihrer grossen Uebereinstimmung wegen mit der goldisch- mangunischen für den Kormoran, nur in fraglicher Weise an.

2) Sibir. Reise, 1. c. p. 237.

484 Vögel.

Amur, oft von steilfelsigen Ufern eingeengt, eine reissendere Strömung hat und die Zahl der in ihn einmündenden Gebirgsflüsse grösser ist, habe ich A. histrionica im Herbst 1856 viel häufiger als im unteren Amur-Lande angetroffen. Sehr oft stiessen wir dort auf Schwärme von 8—10 Stück junger Vögel, die sich meist an den reissendsten Stellen aufhielten und uns in der Regel schussrecht anliessen.

171) Anas (Eulizula) Fuligula L.

Fulig. eristata Raj. Av. 142.

Bei den Giljaken: holmr. » » Mangunen: ande.

Die Tracht der Reiherente ist auch bei den Amur-Exemplaren ganz dieselbe wie bei den europäischen Individuen. Die alten Männchen im Prachtkleide haben einen sehr schönen, bis zu 23” langen Federbusch im Nacken, ganz weisse, bisweilen etwas gelblich angeflogene Tragefedern, ohne alle bräunliche Punkte oder Wellenlinien, und auf dem Mantel, die Flügel- deckfedern mit eingerechnet, die bekannte, fein punktirte, ausgestreuten Sandkörnehen ähn- liche Zeichnung. Das alte Weibchen im Frühling entspricht der Abbildung von Naumann ') sehr genau, mit dem einzigen Unterschiede, dass der Kopf und Hals etwas dunkler braun sind und die weissliche Zeichnung an den Schnabelseiten geringer und an der Stirne fast Null ist. Ein im Herbst geschossenes Weibchen mit noch nicht vollständig entwickelten Schwingen und Steuerfedern ist viel dunkler, fast einfarbig braunschwarz, nur in der Schultergegend lichter braun, dabei auf den Oberrücken-, Schulter- und Flügeldeckfedern stellenweise mit sehr feinen lichten Pünktehen sparsam bepudert°), an den Schnabelseiten und am Kinn weiss und bräunlich, auf der Stirne rostbräunlich und weisslich gesprenkelt, kurz in Allem der Beschreibung und Abbildung Nilsson’s®) sehr entsprechend, nur die weissliche Zeichnung um den Schnabel etwas ausgesprochener. Letzteres dürfte darauf hindeuten, dass unser Exemplar ein jüngeres Individuum, vielleicht ein Weibchen im Jahre war; dass es aber in keinem Fall das Jugendkleid sei, beweist, abgesehen von der geringen Blässe an der Stirn und den Schnabelseiten, auch schon die ganz unversehrte Spitze aller bereits entwickelten Steuer- federn.

A. Fuligula gehört im Amur-Lande zu den häufigsten Enten. Besonders zahlreich traf ich sie im unteren Theile desselben, wo der ausgebreitete und weniger reissende Strom eine

!) Naturgesch. der Vögel Deutschl. Tab. 310. fig. 3. ?2) Naumann (I. c. XII. p. 69.) erwähnt dieser Zeichnung beim Weibchen gar nicht. 3) Illumin, Figur. Tab. 59, nebst Text; vgl. auch desselb. Skand. Fauna. Foglar. II. p. 414.

Anas (Futigula) Fuligula. _Mergus Merganser. 485

Menge stiller, halbversumpfter Arme, tiefer, seeartiger Buchten u. dgl. m. besitzt. Beim Ni- kolajevschen Posten erhielt ich im Frühjahr die ersten Individuen am 7%, und ‚8, Mai; doch mag sie sich dort gewiss schon früher eingestellt haben. An der Schilka hat sie Hr. Maack am 10 Mai geschossen. Am 1? Mai traf ich auf einem kleinen See bei Mchyl am unteren Amur einen Schwarm von 4 Männchen im Prachtkleide, von denen ich eines erlegte. Im Spätsommer und Herbst liess sich A. Fuligula in der Umgegend des Nikolajevschen Postens häufig sehen. Dort wurde auch am 30. Aug. (11. Sept.) das oben besprochene Weibchen mit noch im Wachsen begriffenen Schwingen und nur theilweise ausgebildeten Steuerfedern geschossen. Von den letzteren sind nur die 5 äussersten jederseits vorhanden, die übrigen brechen erst eben hervor. Die Flügel dieses Individuums haben erst eine Länge von 6" iR, während sie beim völlig erwachsenen Weibchen im Frühjahr 7” 2”’ messen.

172) Merzus Merganser L.

Bei den Giljaken des Festlandes und der Insel Sachalin: zgn-nga.

Der grosse Sägetaucher ist im Amur-Lande nicht selten. Wir haben alte und junge Indi- viduen erhalten, die mit den europäischen in allen Stücken übereinstimmen. Die ersteren schoss ich am 14 Mai (1855) in der Umgegend des Nikolajevschen Postens. Doch waren es nicht die frühesten im Jahre. Diese sah ich vielmehr schon am 23. April (5. Mai) auf den offenen Stellen des Amur-Stromes; und auf den reissenderen und früher eisfrei werdenden Flüssen Patchä, Kamr u. s. w. hatten sie sich, nach Aussage der Giljaken, auch schon einige Tage früher eingestellt. Die jungen Individuen schoss ich auf dem Litsch-Flusse etwas oberhalb des Nikolajevschen Postens, wo sie sich in recht ansehnlichen Schwärmen aufhielten. Am „$, und 12 Sept. hatten dieselben noch nicht voll ausgebildete Schwingen und eine Flü- gellänge von erst 875” 1074”, während beim alten Männchen im Frühjahr der Flügel 11”2”” misst. Dass auch M. Merganser, gleichwie A. Boschas und A. Clangula, die schärfsten Wiinterfröste nicht scheut, wenn er nur offenes Wasser und hinlängliche Nahrung findet, ist uns schon durch Faber aus Island bekannt‘). Auch auf der Insel Sachalin soll er, wie mir die dortigen Giljaken erzählten, den ganzen Winter an dem oberen Laufe des Tymy-Flusses zubringen, obschon die Temperatur der Luft dort nicht selten unter den Gefrierpunkt des Quecksilbers sinkt.

l) Faber, Prodr. der isländ. Ornith. p. 64.

486 Vögel. 173) Mergus Serrator L.

Bei den Giljaken: käk-nga. » » Mangunen: kangule. » » Golde: kango.

Dieser Sägetaucher ist im unteren Amur-Lande noch häufiger als der vorige. In der Umgegend des Nikolajevschen Postens, bei Ssabach, Wair u. s. w. erhielt ich ihn zu An- fang des Mai in zahlreichen Exemplaren, die den europäischen vollkommen gleich sind. Am 20. Mai (1. Juni) traf ich M. Serrator auf einem Arm des unteren Amur-Stromes beim Dorfe Koim noch in einem grossen Schwarme an, aus dem ich ein altes Weibchen schoss. Im oberen Amur-Lande hat ihn Hr. Maack am 49 Mai an der Schilka bei Schilkinskoi Sawod erlegt.

174) Mergus albellus L.

Vom kleinen Sägetaucher haben wir aus dem Amur-Lande nur ein paar junge Indivi- duen mitgebracht, welche mit der Abbildung, die Naumann') vom alten Weibehen giebt, sehr gut übereinstimmen, mit dem Unterschiede, dass nur die Kopfseiten, der Nacken, der obere Theil des Hinterhalses und die Halsseiten rostbraun sind, die Oberseite des Kopfes da- gegen von der Stirn bis zum Hinterhaupte düster braun, bisweilen fast dunkel schwarzbraun ist. Der weisse, graugeschuppte Fleck auf dem Oberflügel ist bei allen ansehnlicher und ausge- sprochener, als Naumann ihn beim alten Weibchen angiebt, obschon er selbst bemerkt, dass letzteres sich von den Jungen durch mehr Weiss auf dem Oberflügel unterscheide”). Auch haben alle Exemplare vom alten Weibchen in unserem Museum auf dem Oberflügel ein grosses, ganz oder fast ganz reines weisses Feld, gleich der Abbildung bei Gould’) u. a. Ferner weichen unsere jungen Individuen von der Beschreibung Naumann’s in der Zeichnung der Tertiair- schwingen ab. Diese sind nämlich ganz ebenso wieNaumann sie beim Männchen im Sommer- .kleide beschreibt: die erste, dem Spiegel zunächst gelegene auf der Aussenfahne rein weiss mit einem schwarzen Streifen längs der Kante, der aber lange vor der Spitze ausläuft; die 2'° braun- schwarz, auf der Aussenfahne längs dem Schafte mehr oder weniger grau; die folgenden ein- farbig schwarzbraun. Diese Zeichnung variirt jedoch auch bei unseren Exemplaren und ist nicht selten auf beiden Flügeln etwas verschieden, indem auf der ersten dieser Schwingen das Weiss nach der Spitze oft einen grauen Anflug bekommt und auf der 2'% der graue Längs-

!) Naturgesch. der Vögel Deutschl, Tab. 324. fie. 3. 2). c. XII. p. 320. °) The Birds of Europe, V. Tab. 387.

Mergus albellus. 4187

fleck bald heller oder dunkler, bald grösser oder kleiner ist und bald endlich ganz verschwin- det. Ganz dieselbe Zeichnung der Tertiairschwingen findet sich auch bei den alten Weibchen, nur dass bei ihnen auf der ersten dieser Federn das Weiss in der Regel reiner, auf der das Grau heller und weisslicher ist und auf der bisweilen auch etwas Grau auf der Aussen- fahne sich einfindet. Aehnlich variiren diese Federn auch bei den alten Männchen im Früh- lingskleide, indem sie bald ganz so gezeichnet sind, wie Naumann sie beschreibt, bald dunkler, und zwar die 2' Schwinge auf ihrer ganzen Aussenfahne aschgrau, die übrigen in ihrer ganzen Länge heller oder dunkler braungrau und nur längs dem Schafte mehr oder weniger grau überpudert. Es sind dies individuelle Verschiedenheiten, auf die kein grosses Gewicht zu legen ist. Dass aber dieoben erwähnten Exemplare vom Amur in der That junge Vögel waren, beweisen ausser ihrer Färbung auch die abgestutzten Spitzen der Steuerfedern und die eigenthümliche Form des Schnabels. Wie bei den Enten ist nämlich auch bei M. al- bellus der Schnabel junger Individuen viel weniger abgeplattet als bei den alten und auf der Firste bis vor die Nasenlöcher kielartig erhöht. Bemerkenswerth ist der Grössenunter- schied, den man bei M. albellus zwischen den beiden Geschlechtern sowohl bei alten wie bei jungen Vögeln findet und der sich, wie schon Pallas') bemerkt, besonders auffallend in der Flügellänge ausspricht. Folgendes sind die Maasse einiger alten und jungen Individuen aus Sibirien und vom Amur:

WW ui: Amur. Junges Junges Männchen. Weibchen.

Länge des zusammengelegten Flügels 7’ 9” 7’ 6" 6” 7" 6" 8” 773” 6 2

Alte Männchen. Alte Weibchen.

» des Schwanzes .... een... En Run We FRI » des Schnabels............. ao 111” —_ ir des Paufes.... 8 Mage ra A er » der Mittelzehe ohne Nagel ... 1710” 1” 91” 17 8” 1” 74” 1” 84” 17 61” » des Nagels an der Mittelzehe.. 4” 33” 33” 31” 31” 31”

Demnach stehen die Weibchen von M. albellus nicht bloss den alten, sondern auch den jungen Männchen in allen Dimensionen, besonders aber in derjenigen der Flügellänge nach, in welcher der Unterschied zwischen gleich alten Individuen verschiedenen Geschlechts unge- fähr einen ganzen Zoll beträgt. Darin ist also auch ein gutes Kennzeichen zur Unterschei- dung der im Jugendkleide einander sehr ähnlichen männlichen und weiblichen Individuen gegeben.

M. albellus scheint im Amur-Lande seltner als die beiden vorhergehenden Sägetaucher zu sein. Am unteren Amur habe ich ihn im Herbst 1854 am -; Oct. auf einer kleinen Lache hart beim Nikolajevschen Posten erlegt. Später, am 23. Oct. (4. Nov.), als der Strom sich von den Ufern aus weithin mit Eis bedeckt hatte, sah ich einen kleinen Schwarm dieser

1) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 291.

488 Vögel.

Sägetaucher noch auf der eisfreien Stromrinne sich tummeln. Sie scheinen somit das Amur- Land im Herbst nicht eher zu verlassen, als bis das Eis ihnen die Gewässer völlig abschliesst. Im oberen Laufe des Amur ist mir M. albellus im Herbst 1856 häufiger und zwar bald ein- zeln, bald in kleinen Schwärmen begegnet. So schoss ich ihn am 1% Sept. in der Gegend von Albasin und am 48 Sept. nahe der Oldoi-Mündung, immer jedoch nur in jungen Individuen. Bemerkenswerth ist, dass man diese zu einer und derselben Zeit in sehr verschiedenen Befie- derungsstadien findet. So traf Middendorff') auf den Schantarischen Inseln zu einer und derselben Zeit, am 9. Aug., sowohl kürzlich ausgekrochene Flaumjunge, als auch solche an, auf deren Rücken schon viele Federn hervorgesprossen und deren Steuerfedern schon ganz ausgebildet waren. Von unseren jungen Individuen hat das am 12. Sept. bei Albasin erlegte Männchen zwar ganz ausgebildete, mit dem alten Männchen fast gleich lange Flügel, im Schwanze aber sind erst die 6 äussersten Steuerfedern jederseits vollständig entwickelt, die übrigen brechen erst eben hervor und sind noch ganz unter den Deckfedern verborgen (übri- gens aber an ihren Enden auch schon mit abgestutzten Schaftspitzen versehen). Das am 2. Oct. beim Nikolajevschen Posten erlegte junge Weibchen hat vollständig entwickelte Schwingen und Steuerfedern, und zwar von letzteren 16, ohne dass noch welche hervor- sprossten°’). Ganz in demselben Stadio mit ihm befindet sich aber auch ein anderes junges Weibchen, das um mehr als einen Monat früher, am 31. Aug. (12. Sept.), und dabei um etwa 10 Breitengrade nördlicher, nämlich am Wilui (von Hrn. Maack) erlegt worden ist. Es scheint somit einmal die Brütezeit von M.albellus sehr beträchtlich zu schwanken, und alsdann auch die Entwickelung des Getieders bei den Jungen in unregelmässiger Weise, bald an den Flügeln, bald am Schwanze früher und rascher vor sich zu gehen.

175) Phalacrocorax Carho L.

Ph. sinensis Lath. Ind. Ornith. Sup. p. LXX. Ph. carboides Gould, Proceed. of the Zool. Soc. of London. V. 1837. p. 156. The Birds of Australia. VII. Tab. 66. Bei den Giljaken: teiwyr.

» » Mangunen: koja, ssomo°).

» » Golde am Amur und Ussuri: ssomo.

Der Kormoran, den wir im Amur-Lande kennen gelernt haben, gehört zu der bekann- ten, allverbreiteten Art Ph. Carbo und unterscheidet sich von den Exemplaren unseres Museums aus den verschiedensten Weltgegenden, wie aus Westsibirien, vom Caspischen

1) Sibir. Reise. I. c. p. 238.

2) Pallas giebt bei M. albellus 16 Steuerfedern an; nach Naumann aber (I. c. p. 317.) soll es ebenso ofl auch 18 geben. Wir zählen unter 12 Exemplaren keines mit 18, sondern alle mit 16 Steuerfedern.

®) Diese doppelten Bezeichnungen mögen vielleicht auf verschiedene Scharbenarten Bezug haben.

Phalacrocorax Carbo. 489

Meer, aus Schweden, Island, Grönland u. s. w., in keinem Stücke. Das Exemplar vom Amur ist ein erwachsenes, jedoch nicht sehr altes Männchen, das, im Spätsommer geschossen, im Abschlusse seiner Mauser steht und noch einige Reste von dem hochzeitlichen Schmucke zeigt, indem sich am Kopfe, Halse und über den Schenkeln einige abgenutzte weisse Feder- chen in dem sonst frischen, glänzend grünlichblauschwarzen Gefieder sparsam eingemischt finden. Die Federn am Hinterhaupt und im Genick sind kaum etwas länger als die der Hals- seiten. Das breite weisse Feld, das von Wange zu Wange die Kehle umgiebt, ist nach hinten zu und besonders an den Schläfen rostgelblich -bräunlich gemischt. Die Steuerfedern sind zum Theil noch in der Entwickelung begriffen, und während einige schon ihre volle Länge erreicht zu haben scheinen, sind andere erst von ungefähr halber Länge, oder aber auch eben erst mit den Fahnen aus den Spuhlen hervorgebrochen, wie das namentlich mit einer von den mittelsten Steuerfedern der Fall ist. Am frischgeschossenen Vogel waren im August: die Iris grün, der Schnabel weisslich, an den Schneiden und oben schwärzlich, die nackte Haut an der Schnabelbasis und unter dem Auge gelb, die Füsse schwarz. Nicht weniger stimmt mit dem europäischen Vogel ein anderes, an der Meeresküste der Mandshurei geschossenes Individuum überein, von dem ich aber leider nur den Kopf- und Halstheil des Balges durch Vermittelung der Eingeborenen erhalten habe. . Dieses ist offenbar von grösserem Wuchse als das erstere und ein recht alter Vogel gewesen: die Federn des Hinterhalses und Genickes sind schopfartig verlängert, die längsten fast von 11' ; das Weiss um die Kehle ist reiner, und auf dem Kopfe und besonders am Halse finden sich noch viele verlängerte weisse Federchen aus dem Hochzeitsschmucke. Auch von den bekannten braunen, glänzend grünlich-blau- schwarz gekanteten Federn, die den Mantel des Vogels bilden, sind die obersten sichtbar. Ebensowenig wie die Amur-Exemplare kann ich die in unserem Museum aus China (Peking) und Van Diemensland befindlichen Individuen von der gewöhnlichen Kormoran- scharbe unterscheiden '). Bekanntlich ist die chinesische Scharbe, Ph. sinensis Lath., bisher noch eine problematische Art, über die die Nachrichten ganz ungenügend und zum Theil einander widersprechend sind. Nach Latham z. B. wäre sie kleiner als Ph. Carbo, die Mitte zwischen diesem und Ph. Graculus haltend und dem letzteren in manchen Stücken ähnlich”); nach An- deren dagegen soll sie grösser als Ph. Carbo, sonst aber demselben sehr ähnlich sein°). Diese Verschiedenheit in den Grössenangaben darf uns jedoch nicht wundern, wenn wir die sehr bedeutenden Grössenschwankungen bei Ph. Carbo erwägen, die bekanntlich manche Zoologen auch unter den europäischen Kormoranen mehrere Species zu unterscheiden veranlasst haben ‘). Allein nach Naumann, Brandt, Natterer u. a., die Ph. Carbo in allen Grössenabstufungen

!) Ein junges Individuum aus China in einer Londoner Sammlung hielt Strickland für identisch mit Ph. Carbo aus Europa, s. Proc. of the Zool. Soc. of Lond. X. 1842. p. 167.

2, Latham, A Gen. Hist. of Birds. X. p. 424.

3) Naumann, Naturgesch, der Vögel Deutschl. X1. p. 73.

4) So trennt z. B. Nilsson (Skand. Fauna. Fogl. II. p. 478.) von Ph. Carbo nach der geringeren Schnabel- und Flügellänge den Ph. medius, Baillon (s. Degland, Ornith. europ. II. p. 378.) den Ph. crassirostris ab u. s. w. 62

Schrenck’s Amur-Reise Bd. 1.

490 Vögel.

untersucht haben, ohne specifische Unterschiede finden zu können, sind diese Differenzen zum Theil nur individuelle, zum Theil hängen sie mit Verschiedenheiten im Wohnort, in der Le- bensweise und anderen Umständen zusammen. Namentlich hält ersterer dafür, dass die Indi- viduen aus dem hohen Norden, wo Ph. Carbo an den baumlosen, felsigen Meeresküsten ein reiner und ausschliesslicher Seevogel ist, meistens grösser und stärker als die aus südlicheren Gegenden sind, wo der Kormoran die von Wald umgebenen süssen Gewässer des Binnen- landes bewohnt, auf Bäumen sich aufhält und nistet und fast ganz zum Waldvogel wird. Ferner macht Naumann auf die mit dem Alter vor sich gehende Veränderung in den Be- fiederungsgränzen um den Schnabel aufmerksam. Dieser Charakter aber ist es, der haupt- sächlich, ja, wie es scheint, sogar einzig den Ph. carboides Gould aus Neuholland von der gemeinen Kormoranscharbe unterscheidet. Wenigstens lässt sich aus Gould’s Beschrei- bung und Abbildung vom australischen Vogel durchaus kein anderer Unterschied entnehmen. Demnach würde bei letzterem die weisse Befiederung der Wangen nur etwas weiter hinter dem Auge als bei Ph. Carbo beginnen. Das ist jedoch bei unseren beiden Exemplaren aus Van Diemensland durchaus nicht der Fall; vielmehr liegt bei ihnen die Befiederungsgränze des weissen Feldes dem Auge ganz ebenso nahe wie bei den chinesischen, Amur-, sibirischen, europäischen u. a. Exemplaren. Wie leicht es aber in Beziehung auf diese Befiederungsgränzen ausser Altersverschiedenheiten auch individuelle Differenzen giebt, beweisen auch unsere Exemplare, indem z. B. die Mittelschneppe der Kehle bei manchen von ihnen, so bei einem chinesischen und einem australischen, nur ganz kurz, bei anderen und den meisten dagegen lang und spitz in den Kinnwinkel vorspringend ist. Endlich kann ich auch in der Grösse durchaus keine specifischen Unterschiede zwischen den Individuen aus Van Diemensland und denjenigen ausChina, vom Amur, aus Westsibirien, Europa oder anderen Gegenden finden. Folgendes sind die Maasse einiger der uns vorliegenden Individuen:

Amur. China Van Diemensland.

Länge des zusammengelegten Flügels... ER VO na ') 13”. 430

» des Schwanzes..... 0) _ Au, Ga ni des ‚Schnabels?) u Kt nn. 1,2" BEN a 31 ai 5 a ya Höhe des Schnabels an der Stime ..... —1” 91” ne 101” 101” Breite des Schnabels ebendaselbst ..... za —_ ZA in Zi 2 _ 71”

Länge des, Laufen, Aume@jonie nee ne A 8 3 2 41 9a 317 Sasse » der äusseren (grössten) Zehe ohne

Nagelani.r & üroye binneejeie aaa Ya A 3,3) a 2 va A EEE

= m vr ım 77 vr » des Nagels an der äusseren Zee. —5 —5 —6l —5 5l

I) Ein offenbar sehr altes Individuum. 2) Die mittelsten Steuerfedern dieses Exemplares sind nicht ganz ausgebildet (s. oben).

3) Wie allenthalben ist auch hier der Schnabel von der Befiederungsgränze der Firste bis zur Spitze in gerader Linie gemessen worden.

.

Phalacrocorax Carbo. AM

Westsibir. Casp.Meer. Schweden, Island. Grönland.

Länge des zusammengelegten Flügels... 12” 3” 12” 7” 12" 5” 13” 3”') 12" 4”

» des Schwanzes ..... 22222... EL KRIT ERe NT 37:01 Sale 2 Rat 2,25 57 Banden tSehnabels U. at nat var mag a Höhe des Schnabels an der Stirne .... 9" 9” —91” 10,7 9” Breite des Schnabels ebendaselbst .... 63” _ 71” —_ 71” = 81" 77 72"

BER es Takes NR a na aaa » der äusseren (grössten) Zehe ohne

E 17] [277 [277 f; m ne Ob LEIDER I ag 3” 3 3" 45 372 = m r m 72 » des Nagels an der äusseren Zehe 41 5" —5 SE 5%

Lassen sich nun aus diesen Maassangaben in allen Dimensionen einige und oft nicht un- bedeutende Schwankungen- wahrnehmen, so ist doch die specifische Uebereinstimmung aller Exemplare nicht zu verkennen. So ist z. B. eines der chinesischen Individuen kleiner als das Amur-Exemplar und denjenigen vom Gaspischen Meer, aus Schweden und Grönland fast ganz gleich, das andere dagegen grösser und mit dem isländischen fast ganz übereinstimmend. Die Exemplare aus VanDiemensland kommen beide mit dem Amur-Exemplar binsichtlich der Grösse fast ganz überein. Mit den Maassangaben von Nilsson verglichen, nehmen alle unsere Exemplare mehr oder weniger die Mitte zwischen der grösseren Form, Ph. Carbo, und der kleineren, Ph. medius, ein und nähern sich bald mehr der einen, bald mehr der anderen, ohne jedoch mit ihnen ganz übereinzustimmen. Natürlich ist aber unsere Reihe zu kurz, um mehr als individuelle Grössendiflerenzen zu verrathen. Man wird daher in diesen Angaben auch nicht eine Widerlegung der hinsichtlich,der Grössenschwankungen bei den Kormoranen oben angeführten Ansicht von Naumann suchen wollen, und dies um so weniger, als letz- terer dabei auch den individuellen Differenzen volle Rechnung trägt.

So gross schon das Verbreitungsgebiet von Ph. Carbo nach unseren bisherigen Erfah- rungen ist, so gewinnt es doch noch einen bedeutend grösseren Umfang, wenn wir auch die über Neuholland bis nach Van Diemensland verbreitete und auf dieser letzteren Insel be- sonders häufige Art Ph. carboides Gould zu Ph. Carbo rechnen dürfen. Wie sehr die äussere Erscheinung beider dafür spricht, ist oben besprochen worden; dass auch in dem Benehmen und in der Lebensweise die vollste Uebereinstimmung herrsche, bemerkt Gould selbst. Wie der europäische Kormoran soll auch Ph. carboides sowohl die Meeresküste, als die Flüsse und Seen im Innern des Landes bewohnen, so denSchwanen-, Murray-, Hunter-Fluss u. a., so wie die Flüsse und Seen von VanDiemensland, an denen er auch seine Brut besorgt. An Ph. Carbo hätten wir also, inp Falle solcher Artenidentität, ein Beispiel von einem in beiden Hemisphären, im hohen Norden und hohen Süden brütenden Vogel. Dass der Kormoran China’s und des Amur-Landes nichts weiter als Ph. Carbo sei, war nicht anders zu erwarten, da uns diese

I) Ebenfalls ein sehr altes Individuum

492 Vögel.

Art schon aus den nach allen Seiten unmittelbar angränzenden Ländern bekannt war; so aus West- y und Ostsibirien bis nach Kamtschatka, und zwar in besonderer Anzahl vom Baikal-See und Daurien’), ausOstindien°), Japan‘) u.s.w. Im Amur-Lande findet sich Ph. Carbo sowohl an der Meeresküste, als im Innern des Landes, am gesammten oberen und unteren Amur-Strome, am Ussuri u.s.w. Vorzüglich oft habe ich ihn an diesem letzteren Flusse und am oberen Amur beobachtet, wo er sich ganz ebenso wie an den Süsswassern Sibirien’s oder Europa’s verhält. Bald sahen wir ihn in grösseren und kleineren Schwärmen auf hohen Bäumen der Stromufer und Inseln sitzen, bald in grosser Menge in Reihe und Glied auf nie- drigen, zum Theil unter Wasser liegenden Sandbänken’stehen, bald endlich einzeln oder in kleinen Gesellschaften auf dem Strome schwimmen. In der Regel zeigte er die grösste Scheu und floh schon vor Schussweite. Mehrmals entkamen uns auch angeschossene Individuen, trotz hartnäckiger Verfolgung, durch ihr äusserst geschiektes Tauchen, wobei sie ihre Flucht unter dem Wasser stets mit dem Strome nahmen. Nur ein einziges Individuum gelang es mir zu erlegen, das oben erwähnte Männchen, das ich am „5, Aug. in der Nähe des daurischen Dorfes Chormoldin aus einem grossen Schwarme schoss, der, aus den Zweigen hoher Wei- den am Ufer aufgescheucht, in geringer Höhe über uns fortging.

176) Podiceps cornutus Lath.

Das einzige aus dem Amur-Lande uns vorliegende Exemplar von P. cornutus, ein altes Weibchen im Sommerkleide, ist in seiner Färbung von den Exemplaren unseres Museums aus der Umgegend St. Petersburg’s nicht zu unterscheiden. Auch in der Grösse, die bekanntlich nicht unbedeutende Schwankungen zulässt’), steht es ihnen im Allgemeinen sehr nahe, über- trifft jedoch das Weibchen aus St. Petersburg um ein Weniges, während es dem Männchen in allen Dimensionen, mit Ausnahme des etwas längeren Schnabels, nachsteht. Dass Letzteres jedoch nur ganz individuell ist, beweist ein junges Individuum aus der Umgegend St. Peters- burg’s, das ebenfalls einen etwas längeren Schnabel als die alten hat. Im Folgenden stelle ich ihre Maasse zur Vergleichung neben einander:

Amur, St. Petersburg. ' Weibchen. Männchen. Weibchen. Junges. 4 ee - Mn 77 ee) Pa 77) en Er“ im Länge des zusammengelegten Flügels ...... 54,4 5 a 5. a > N 77 DZ Ill n DY4 » des Schnabels in der Mundspalte .... 3 AR 1 16

1) Brandt, Consid. sur les anim. vert. de la Siberie oceid. (Voyage de M. Tschihatscheff). p. 30.

2) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 297.

3) Proceed. of the Zool. Soc. of Lond. X. 1842. p. 93. Vrgl. auch Naumann,l.e. p. 64.

4) Siebold, Fauna Japon, Aves. p. 129. Desgl. Narrat. of the Exped. of an Amer. Squadr. to the China seas and Japan etc. und. Commod. Perry. Zool. Washington 1856. s. Cabanis, Journ, für Ornith. VI. Jahrg. p. 448.

°) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 357. Naumann, Naturgesch. der Vög. Deutschl. IX. p. 741.

Podiceps cornutus. P. suberistatus. 493

Amur. St. Petersburg. Weibchen. Männchen. Weibchen. Junges.

Länge des Schnabels in gerader Linie gemessen 1041” 10” —10"” 104” Breite des Schnabels an der Stirne........ 31” 31” 3” 31” Bee N ziufes i, 20 2 nassen age DS nen ir 600, 52

» der äusseren Zehe ohne Nagel ...... BT LE N; 817, „R 10L

> .des@\agels an der äusseren Zehe ... ...—. 3... 3", 3% 3”

» der Hinterzehe ........ Ye ae _ 5a 6 .— 51”

Unser Exemplar wurde von Hrn. Maack am Zusammenflusse der Schilka und des Argunj, in einem nahe vom Strome gelegenen kleinen See am 22. Mai (3. Juni) erlegt. Dass dieser Vogel auch im unteren Amur-Lande vorkommt, unterliegt um so weniger einem Zwei- fel, als er von Middendorff?) bei Udskoi-Ostrog erlegt worden ist.

177) Podiceps suberistatus Jacg. Taf. XV. fig. 3.

P.rubricollis Lath. Ind. Ornith. II. p. 783. Bei den Giljaken: an. » » Mangunen: akkane.

Die erwachsenen Individuen dieser Art aus dem Amur-Lande haben ’zwar ganz dieselbe Farbenvertheilung und Zeichnung wie die europäischen, stehen aber denselben an Schönheit der Rostfarbe am Halse und in der Kropfgegend nach. Die Exemplare unseres Museums aus Südrussland und Westsibirien haben am Halse eine intensive Rostfarbe mit kirschrothem Ton, wie ıhn Naumann’s Abbildung ?) darstellt, und am Kropfe ein etwas helleres, aber immer noch schönes Rostbraun. Den Exemplaren vom Amur und aus Kamtschatka fehlt dagegen der kirschrothe Ton am Halse und die Rostfarbe am Kropfe ist ebenfalls blasser. Mit ihnen scheinen, nach Temminck’s und Schlegel’s Abbildung‘) zu urtheilen, auch die japa- nischen Individuen ganz übereinstimmend zu sein; nur müssen wir das in der Fauna Japon. abgebildete Exemplar, nach dem hellen Grau der Kehle, dem völligen Mangel eines grünlichen Glanzes auf dem Oberkopfe u. dgl. Charakteren mehr, für einen noch ziemlich jungen Vogel halten. Im Jugendkleide spricht sich der oben erwähnte Unterschied in der Rostfarbe bei einem Exemplar, das wir aus dem Amur-Lande haben (Fig. 1.), noch deutlicher aus, indem sich bei

!) Es kann wohl nur ein Druckfehler sein, wenn diese Dimension in der Zoogr. a. a. O. auf 1" 41” angege- ben wird.

2) Sibir. Reise. 1. c. p. 238.

3) Naturgesch. der Vögel Deutschl. Tab. 243. fig. 1.

%) Siebold, Fauna Jap. Av. Tab. LXXVIM. B,

494 Vögel.

diesem, gleich der Abbildung von Audubon'), kaum eine Spur von Rostfarbe am Halse findet. Diese beschränkt sich bei ihm nämlich bloss auf etwas schmutziges grauliches Rostgelb an den Halsseiten und einen leisen graurostgelblichen Anflug am Kropfe, während der Vorderhals fast rein weissgrau ist. Der Hinterhals, Nacken und Oberkopf sind braunschwarz, die Stirne heller, nur braungrau; das Kinn, dieKehle und die Kopfseiten weiss, von vier wenig dunklen braunschwarzen Streifen durchzogen, davon der erste, von dem Unterkieferaste abwärts stei- gende nur kaum merklich, kurz, schmal und aus wenigen Spritzfleckchen zusammengesetzt ist; der 2°, vom Mundwinkel auslaufende ist zwar breiter und länger, besteht aber ebenfalls nur aus Spritzflecken; der 3'°, der unter dem vorderen Augenwinkel beginnt und unter dem Auge schräg abwärts zur Hinterkehle läuft, ist am breitesten und in seinem vorderen Theile zusammenhängend braunschwarz, im unteren von vielem Weiss durchsetzt, und der Strei- fen endlich, der über dem Auge entspringt und über die Ohrgegend zu den Halsseiten ver- läuft, ist am längsten und dunkelsten und von keinem Weiss durchsetzt. Ueber diesem letz- teren lässt sich ein heller, nach vorn weisslichbraungrauer, nach hinten fast rein weisser, nur stellenweise durch braunschwärzliche Flecken unterbrochener Streifen bemerken, der jenen 4” dunklen Streifen von dem gleichfarbigen Braunschwarz des Oberkopfes scheidet. Die übrige Zeichnung unseres jungen Vogels vom Amur ist ganz dieselbe wie bei den europäi- schen Individuen. Bemerken wir nur noch, dass bei ihm die Schäfte der weissen, den Spiegel bildenden Secundairschwingen nicht in ihrer ganzen Länge, sondern nur im oberen und un- teren Theile längs der Mittellinie schwärzlich, in der Mitte der Feder dagegen rein weiss sind eine Zeichnung, die übrigens auch bei den alten Individuen variirt, indem bei zweien _ unserer Exemplare die Schäfte in ihrer ganzen Länge längs der Mittellinie schwärzlich, bei 3 anderen nur im oberen Theile schwärzlich, im unteren rein weiss sind. Hinsichtlich der Grösse finden wir zwischen den Amur- und kamtschatkischen Exemplaren einerseits und den südrussischen und westsibirischen andererseits denselben Unterschied, den Temminck und Schlegel?) zwischen den japanischen und europäischen bemerkt haben: die ersteren übertreffen nämlich die letzteren um ein ganz Bedeutendes. Folgendes sind ihre hauptsäch- lichsten Maasse:

Kam- West- Süd-

PArRLELEIZ tschatka. sibirien. russlaad.

Alte Individuen. Junger Vogel. Alte Individuen. Länge des zusammengelegten Flügels 7” 6 9”.6 410.6 Ga ». des Sehnabels .. .......... 111, 10. 1,8 201 40 1 Ar Breite des Schnabeis an der Betiede- rungsgränze der Sirne). 5” 51” —_ 4” IT 7

t) Ornith. Biogr. Tab. CCXCVIL. üg. 2.

2) Fauna Japon. Aves. p. 123.

3) Dieses Maass ist übrigens, am Balge genommen, etwas unsicher, da die Schnabelränder im Eintrocknen mehr oder weniger nach einwärts sich biegen können.

Podiceps suberistatus. Colymbus arctieus. 495

NE en nibinien. na Alte Individuen. Junger Vogel. Alte Individuen:

Höhe des Schnabels ebendaselbst...._ —7" 61” 63” 51” 53” Vonperdes Bäutes ....-o........ a Da" ee art red At. 20 DEREN) » der äusseren Zehe ohne Nagel 2’ 9” a 8" 67 a6” 37 arzt

» des Nagels a. d. äusseren Zee 44” 41” 33” 4" 31” 33”

Vergleicht man diese Maasse mit den Angaben in der Fauna Japon., so erweist sich, dass die südrussischen und westsibirischen Exemplare mit den westeuropäischen, diejenigen vom Amur und aus Kamtschatka dagegen mit den japanischen sehr genau übereinstimmen; und zwar ist der Grössenunterschied ein so bedeutender, dass man in der That eine kleinere und eine grössere Varietät unterscheiden möchte, von denen erstere dem Westen der alten Welt, Europa und Westsibirien, letztere dem Osten Asien’s eigenthümlich ist.

P. suberistatus kommt ohne Zweifel im gesammten Amur-Lande vor, da er von Hrn. Maack im oberen und von mir im unteren Theile desselben erbeutet worden ist. In letzterem erhielt ich am 4$ Maı 1856 beim Dorfe Kalm am unteren Amur ein altes Männchen, das sich in einem Fischgarne verfangen hatte, und im Herbst 1854, am 427 Aug., beim Nikola- jevschen Posten den oben beschriebenen jungen Vogel.

177) Colymbus areticus L.

Bei den Giljaken: ugn.

Unser Exemplar dieses Tauchers aus dem Amur-Lande, ein erwachsenes Männchen im Hochzeitskleide, ist von ganz typischer Färbung und gehört seinen Maassen nach, wie die fol- genden Zahlen lehren, der grösseren Form an ES

Länge des zusammengelegten Flügels .... 11” 10” » des Schwanzes...... BI ar ee » adesi Schnabelai 4." ass nr Heu. a » iedestlaufesi ar ni en ae 2’ 10” » der äusseren Zehe ohne Nagel.... 3” 11” » des Nagels an der äusseren Zehe .. —_ 41"

Wie an der Südküste des Ochotskischen Meeres, wo dieser Taucher von Midden- dorff”) am 30. Juni an der Udj- Mündung beobachtet worden ist, so kommt er auch im Amur-Limane und im Mündungslaufe des Amur - Stromes vor. Im Winter hat ihn

l) Vrgl. Keyserling und Blasius, Die Wirbelth. Eur. p. XCI. 2) Sibir. Reise. ]. c. p. 239.

496 Vögel.

Siebold') in Japan beobachtet. Bei den Giljaken des Amur-Landes spielt er unter den- jenigen Thiergestalten, die ihre Phantasie mit bösen Geistern beseelt, eine wichtige Rolle, und sieht man ihn daher bisweilen, in fliegender Stellung ausgestopft, an den zum Trocknen der Fische bestimmten Gerüsten vor ihren Häusern hängen. So ist es mir in den Dörfern Patt, Tschilwi u. a. begegnet. Von letzterem Orte habe ich auch das oben angeführte Exemplar, das zugleich als Belegstück giljakischer Taxidermie dienen kann, mitgebracht. Was ich von den abergläubischen Vorstellungen der Giljaken hinsichtlich dieses Vogels erfahren konnte, wird im ethnographischen Bande meiner Reisebeschreibung Raum finden.

179) Colymbus septentrionalis L.

Dass dieser, durch ganz Sibirien bis nach Kamtschatka’) verbreitete Taucher auch an den Küsten des Amur-Landes und am unteren Amur-Strome vorkommt, darf ich nach meh- reren Balgstücken und namentlich nach den rostfarbenen Halstheilen schliessen, die ich bei den Giljaken der Südküste des Ochotskischen Meeres, des Limanes und der Amur-Mün- dung gesehen habe. Gewöhnlich aber nur in geringer Zahl vorhanden, haben diese und an- dere Vogelbalgstücke bei ihnen keine besondere Bedeutung, indem sie nur etwa zum Ueber- ziehen verschiedener Gegenstände, wie kleiner Taschen u. s. w., oder höchstens zum Ver- brämen untergeordneter Kleidungsstücke, wie Ohrenwärmer u. dgl. m. gebraucht werden. In den religiösen Anschauungen der Giljaken nimmt ©. septentrionalis sehr wahrscheinlich die- selbe Stellung wie die vorbergenannte Art ein.

180) Uria (Cepphus) Carbo Pall. Taf. XVI. fig. 1.

Die sehr einfache Tracht dieses Vogels ist schon durch Pallas®), Brandt‘) und Mid- dendorff°) genugsam bekannt. Fügen wir daher nur hinzu, dass wie nach des letzteren Bemerkungen der weisse, in der Regel in einem Streifen nach hinten eine Strecke lang fort- gesetzte Fleck um das Auge, so auch die weisse Zeichnung um den Schnabel varüirt. Denn während bei manchen Individuen kaum einige wenige weissliche Federchen an den Spitzen der Befiederungsschneppen des Ober- und Unterkiefers zu finden sind, lässt sich bei anderer

1) Fauna Japon. Aves. p. 123.

2) Pallas, Zoodr. Rosso-Asial. II. p. 343.

3) Zoogr. Rosso-Asiat. Il. p. 350.

4) Rapp. sur une monogr. de la fam. des Alcadees, s. Bull. scient. publ. par l’Acad. Imp. des Sc. de St. Petersb. 1837. II. p. 346. t

°) Sibir. Reise. 1. c. p. 239. Tab. XXIII. dig. 6.

Uria (Cepphus) Carbo. 497

ein deutlicher, wenn auch nie sehr scharf abgesetzter, weisser Ring um die Schnabelbasis erkennen, der auf dem Oberkiefer am reinsten weiss ist und am auflallendsten gegen das dunkle Grauschwarz des Oberkopfes absticht, am Unterkiefer dagegen und besonders am Kinn- winkel unmerklicher in das übrige Grauschwarz übergeht. Die schwarze Farbe von U. Carbo verbleicht gegen Ende des Sommers sehr merklich: während wir im Anfang des Juni die Oberseite des Vogels fast rein schwarz fanden, war sie bei den zu Ende des Juli erlegten In- dividuen nur braunschwarz, am hellsten auf dem Scheitel und Mantel und hier wiederum be- ‚sonders an den unbedeckten und übrigens auch stark abgenutzten und zerschlissenen Aussen- fahnen der Schwingen und Steuerfedern. Die matt-dunkelgrauschwarze Unterseite wird zwar auch etwas heller, allein viel unbedeutender, und am wenigsten von allen scheint die Farbe der Kropfgegend zu leiden. DielIris und den Schnabel fand ich im Sommer schwarz, die Füsse purpurroth mit schwarzen Nägeln. In der Grösse scheinen nur ganz unbedeutende Schwan- kungen stattzulinden, da unsere Exemplare sowohl unter einander, wie mit denjenigen vom Ochotskischen Meere (Middendorff) und aus Unalaschka (nach den betreflenden Maassan- gaben von Pallas zu urtbeilen) recht sehr übereinstimmen. Folgendes sind ihre Maasse:

Bai Hadshi. Bai de Castries.

Länge des zusammengelegten Flügels........... Re 1 Ma |. VE AN a

»’&.des Schwäanzest.. rs le ni a AN ee "a ee 1aetia, .20

» des Schnabels........ NS een . A RT 1 GR, 4; al Breite des Schnabels an der Befiederungsgränze der Sir —5” 5" —;5” Höhe der Schnabels ebendaselbst.......... BEN. oa. —617 61”” eh Kauge des Laufes .n 2: BEE u 1” 4” 1" 41” A 41”

» der Mittelzehe ohne Nagel .......ucrccn2..- 1. 80* Ale zu, 1074

» des Nagels an der Mittelzehe ............... _ 41” _ 41” 41”

U. Carbo kommt, wie schon Pallas angiebt, nur an den Küsten des nördlichen Stillen Yceanes vor. Wenn Bonaparte!) sie auch in das Verzeichniss europäischer Vogel aufge- nommen hat, so beruht dies nur auf der irrthümlichen Voraussetzung Schlegel’s”), dass sie mit der auf Island (und Grönland) beobachteten U. unicolor Faber identisch sei. Die we- nigen Angaben Faber’s über diese letztere”) genügen jedoch vollständig, um sie mit U. Carbo nicht zu verwechseln. Jene soll nämlich am ganzen Körper rothbraun sein, mit dunklerem Schnabel und dunklen Füssen, und in ihren Sitten mit U. Brünnichü Sab. (U. Arra Pall.) übereinkommen. Nach Faber’s Vermuthung dürfte sie daher wahrscheinlich nur eine Va- rietät von dieser letzteren sein, während Schlegel, oflenbar durch die schwarze Farbe und die rothen Füsse der von ihm fälschlich mit ihr identifieirten Ü. Carbo irregeleitet, sie für eine

l) Reyue crit, de l’Ornith. europ. de M. le Doct. Degland. p. 205.

2) Revue crit. des Ois. d’Europe. p. 106. Vrgl. auch Degland, Ornith. europ. 11. p. 510.

#) Isis. 1824. p. 981.

Schreuck’s Amur-Reise Bd. 1. \ 63

498 Vögel.

zufällige Varietät von U. GrylleL. hält. Hauptsächlich kannte Pallas U. Carbo aus dem Aleu- tischen Meere und namentlich von den Küsten Unalaschka’s; im Frühjahr, meinte er, kämen welche auch zu den kurilischen Inseln, kehrten aber bald wiederum. Middendorff fandsie zahlreich nistend an den der Südküste des Ochotskischen Meeres genäherten Inseln, und das- selbe beobachtete ich in der Meerenge der Tartarei. Die fast durchgängigen Steilküsten dieses Meeres scheinen ihr sehr zuzusagen. Wie U. Grylle, mit der sie in ihrem Betragen wie im Aeusse- ren die meiste Uebereinstimmung zeigt, geht auch U. Carbo tief in die Meeresbuchten hinein, ohne jedoch die in dieselben einmündenden Flüsse zu besuchen: in der fjordartig einschneidenden Bai Hadshi z. B. beobachtete ich sie in etwa 10 12 Werst Entfernung von der Seeküste. Sehr oft sahen wir sie dort einzelu, paarweise oder inSchwärmen über die schmale Bucht oder in der Richtung von und zum Meere hin und her fliegen. Ihr Flug ist ziemlich rasch und geht unter häufigen, ununterbrochenen Flügelschlägen vor sich. Vermuthlich gab es um die Zeit, am 25— 28. Juli (6—9. Aug.), in den Nestern noch unausgellogene Junge, denen das häufige Ab- und Zufliegen der Eltern galt. In einer der Felsklüfte jedoch, wo sich ein Indi- viduum, ein altes Männchen, greifen liess, fanden wir keine Jungen vor. Die Nester von U. Carbo liegen, wie ich mich später in der Bai de Castries überzeugen konnte, Lheils ganz nie- drig, am Fusse der Felswände, in den Löchern und Klüften der von denselben niedergestürzten Trümmerhaufen, theils in der Höhe von 20— 30 Fuss, in den Zerklüftungen der steilen Felswände selbst. Nähert man sich denselben zur Brütezeit, so zeigl sich U. Carbo zwar auch wenig scheu, wie ihre Gattungsverwandten, lässt sich aber doch in der Regel nicht auf den Eiern greifen, wie es z. B. die folgende Art thut. In dummscheuer Weise streckt sie viel- mehr, sich selbst verrathend, den Kopf aus der Nesthöhle vor und wartet in dieser Stellung ab, bis man sich ihr auf wenige Schritte genähert hat, um dann mit schrillem, vibrirendem Pfeifen herauszufliegen, wobei sie gewöhnlich im Herausiliegen ihre Nüssigen Exeremente aus- wirft. Während ich ihreleicht zugänglichen Nesthöhlen aufder Observatoriums-Insel inder Bai de Castries untersuchte, Hatterte ein Theil der Vögel pfeifend über mir, ein anderer schwamm in der Nähe des Ufers. Ein eigentliches Nest hat U. Carbo, gleichwie ihre Gat- tungsverwandten, nicht, da die Eier ohne alle Unterlage in die von der Natur gebotene Nest- höhle gelegt werden. In einer derselben fand ich allerdings einige trockene Blätter, die aber gewiss nur zufällig durch den Wind hinein gerathen waren. In allen Nestern, die ich unter- sucht habe, gab es nur zu einem Ei. Dieses ist demjenigen von Ü. Grylle nach Form und Färbung sehr ähnlich, aber von ansehnlicherer Grösse. Seine Länge beträgt nämlich 24, seine grösste Breite, welche etwas über die Mitte des Eies hinaus zum stumplen Ende hin gelegen ist, 11 Zoll. Die Farbe ist weisslich, mehr oder weniger graugrüulich getrübt, mit unregelmässigen, grösseren und kleineren, bald dunklen und deutlich umgränzten, bald helleren und verwaschenen violettbraunen Flecken. Am }1 Juni fand ich die Eier noch

wenig bebrütet. Trotz der Einzahl derselben hat aber U. Carbo,, wie U. Grylle, zwei Brüt-

!) Vrgl. Thienemann, Fortpflanzungsgesch. der gesammten Vögel. Tab. IIIC. fig. I. a—e,

Uria (Cepphus) Curbo. U. (Brachyramphus) antiqua. 499

flecken, und zwar, wie alle ihre Gattungsverwandten, das Männchen so gut wie das Weib- chen. Ersteres habe ich auch über den Eiern angetroflen und beim Herausfliegen aus der Nesthöhle ‚geschossen.

181) Uria (Brachyramphus) antiqua Gm. Taf. XV. fig. 2. u. 3.

Unsere Exemplare von diesem Vogel aus der Meerenge der Tartarei stimmen mit den Abbildungen von Audubon"), von Temminck und Schlegel?) und von Gray°) vollständig überein. Am lebenden Vogel fand ich die Iris dunkelbraun, den Schnabel weisslich, auf der Firste und an der Wurzel schwarz, die Läufe vorn und die Zehen oben ebenfalls weisslich, hinten und unten aber wie die Schwimmhäute schwarz. Obgleich alt, stehen unsere Indivi- duen in allen Dimensionen den von Pallas‘) an Exemplaren aus dem Meere der Aleuten und Kurilen gefundenen Maassen um ein Weniges nach, was sich nach Vergleichung der An- gaben von Temminck und Schlegel auch von den japanischen Individuen bemerken lässt. Folgendes sind die Maasse unserer Exemplare:

Männchen. Weibchen. Länge des zusammengelegten Flügels... 5’ 1” 5" 2”

».+ des Schwanzes „u a... 0suene.. 14 3%, Tara » des Schnabels............ Dr 61” Höhe des Schnabels an der Stirne..... 33, _ Breite des Schnabels ebendaselbst ..... 2 _ 21” Längerdes Laufes.. . !. his. auder ae N MAIN, » der Mittelzehe ohne Nagel...... BR Ei » des Nagels an der Mittelzehe .... 3" —- 3”

U. antiqua traf ich sehr zahlreich aufder Observatoriums-Insel in der Bai deCastries, wo sie in gleicher Localität mit U. Carbo, zwischen den hart am Meeresufer über einander ge- häuften Felsblöcken nistete. Sie hielt hartnäckiger als die vorige an ihren Eiern fest und liess sich über denselben greifen. Dieses zähe Festhalten an der Brui mag gewiss Vielen von ihnen bei Angriffen von Seiten ihrer natürlichen Feinde das Leben kosten; wenigstens sah man auf den Steinen ringsumher manche todte und schon angefressene Vögel dieser Art, zahlreiche Federn, Skelettiheile, Eierschalen u. dgl. m. liegen. Die Eier von U. antigua lagen ebenfalls ohne alle Unterlage in den Löchern zwischen den Steinblöcken und waren zu je zwei in einem

1) Ornith. Biogr. Tab. CCCCH. fig. 1.

2) Siebold, Fauna Japon. Aves. Tab. LXXX. 3) The :Gen. of Birds. IH. Tab. CLXXVI.

4) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 369.

500 Vögel.

Neste vorhanden, was nach Pallas der seltnere Fall, während die Einzahl der gewöhnlichere ist. Sie waren unter einander nach Form und Grösse wenig, nach der Farbe aber sehr ver- schieden. Die grössten sind von 2” 31” Länge und 1" 41” Breite, die kleinsten von 2” 2” Länge und 1” 31” Breite (ganz wie Pallas angiebt), dabei der Breitendurchmesser etwas mehr oder weniger über die Mitte des Eies hinaus zum stumpfen Ende hin gelegen und dem- zufolge auch die Gesammtform des Eies etwas verschieden. Die Färbung der Eier ist sehr variirend: einige waren schmutzig graugrünlichweiss mit unregelmässigen, grösseren und klei- neren violettbraunen, gelbbräunlichen und verwaschenen blaugrauen Flecken, andere in der Grundfarbe hellbräunlichgrau, mit zahlreichen feinen und einigen grösseren dunkelbraunen Flecken gezeichnet. Die beifolgenden Abbildungen (Fig. 2 u. 3) wurden an Ort und Stelle nach den am meisten von einander diflerirenden Exemplaren entworfen. Der Versuch, die Eier aufzubewahren, misslang, da sie zu der Zeit, am 34 Juni, schon sehr stark bebrütet waren. Dass übrigens das Brütgeschäft auch bei U. antiqua sowohl vom Weibchen wie vom Männchen besorgt wird, das bewiesen uns die über den Eiern gegriflenen Individuen beiderlei Geschlechts und die bei beiden in gleichem Maasse vorhandenen Brütflecken, deren aber U. antiqua, trotz der vorkommenden Zweizahl Jer Eier, nur je einen hat.

182) Phaleris eristatella Pall. Taf. XVl. fig. 4. u. 5.

Alca cristatella und A. Tetracula Pall. Spicil. Zool. Fasc. V. p. 18—27. Uria cristatella, U. dubia und U. Tetracula Pall., Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 370—372.

Bei den Giljaken von Sachalin: nochla-nga.

Als Pallas in den Spic. Zool. die hierher gehörigen Formen zuerst unter den beiden Namen Alca cristatella und A. Tetracula beschrieb, drängte sich ihm schon die Vermuthung entgegen, dass wahrscheinlich beide nur zu einer und derselben Art gehören dürften und letztere vielleicht nur das Weibchen oder der junge Vogel von ersterer sei. Dazu bewogen ihn hauptsächlich die gleiche Gestalt und Färbung beider, die gleichen Umrisse des Schnabel- endes, die bei beiden vorhandenen und nur ungleich langen aufgerichteten Federn auf der Stirne und borstenförmigen weissen Federn hinter den Augen und endlich die sehr gleichen anatomischen Verhältnisse beider. Nur die verschiedene Farbe des Schnabels und der Füsse und die der seinigen entgegengesetzte Ansicht Steller’s, dem er seine Exemplare verdankte und der diese Vögel selbst beobachtet hatte, veranlassten ihn zwei besondere Arten zu unter- scheiden. Später, bei Abfassung der Zoogr. Rosso-Asiat., als ihm mittlerweile durch Merk auch solche Exemplare zugekommen waren, die oflenbar die Mitte zwischen beiden hielten, sah er sich zwar von demselben Gesichtspunkte genöthigt noch eine drilte Art, Uria dubia, zu unterscheiden, sprach jedoch dabei seine Vermuthung, dass alle drei Formen wahrscheinlich nur Geschlechts- oder Alteysverschiedenheiten seien, noch entschiedener aus. Wie richtig

Phaleris ceristatella. 501

Pallas auch in diesem Falle sah, haben spätere Erfahrungen bewiesen, indem wir gegenwär- tig, in Folge der Untersuchungen, die Hr. Akad. Brandt an sehr zahlreichen Exemplaren an- zustellen Gelegenheit hatte, die Ansicht, dass diese Formen nur Altersverschiedenheiten seien, als fest begründet betrachten können. Dank freundlicher Mittheilung ist es uns vergönnt, un- serer Abhandlung in einem Anhange die bisher noch nicht veröffentlichten Beobachtungen Hrn. Akad. Brandt’s sowohl über die Phaleris-Arten wie über die anderen Alcadeen der Küsten Sibirien’s, Kamtschatka’s und des Russischen Amerika’s im Originale beifügen zu dürfen. Indem wir daher auf dieselben verweisen, geben wir hier nur einigen wenigen, bei Ver- gleichung der Amur-Exemplare sich uns entgegendrängenden Bemerkungen Raum.

Die an den Küsten des Amur-Landes erbeuteten Exemplare gehören sämmtlich der zwischen Ph. cristatella und Ph. Tetracula stehenden Mittelform Ph. dubia an und sind somit besonders geeignet, bei einer Vergleichung mit jenen die Gleichartigkeit dieser Formen darzu- _ thun. Der ersteren stehen sie durch die verlängerten Stirnfedern, der letzteren durch die Form und Farbe des Schnabels besonders nahe; Beides findet jedoch nur in dem Maasse statt, dass sie eine mittlere Stellung zwischen jenen behaupten. Vergleicht man die Charaktere, auf denen hier die Unterscheidung mehrfacher Arten beruht, die Länge der Stirnfedern und die Schnabelform, an einer Reihe von Individuen von den ausgesprochensten Exemplaren der Ph. cristatella bis zu ebensolchen der Ph. Tetracula, so lässt sich der allmählige Uebergang der Formen von einer zur anderen nicht verkennen. Pallas gab die längsten Stirnfedern bei Ph. eristatella auf 1”37, beı Ph. Tetracula auf 14” an. Bei unserem schönsten, ältesten Exemplare von Ph. eristatella, mit ganz typisch geformtem, rothem Schnabel, betragen die längsten Stirnfedern 2”; bei Ph. dubia 1” 10”, 1” 6°, 1” 3” und 1”; bei Ph. Tetracula 3” und darunter. Mit dieser allmäh- ligen Verlängerung der Stirnfedern geht ganz gleichzeitig auch eine Veränderung in der Form un. Farbe des Schnabels vor sich. Je länger nämlich die Stirnfedern sind, desto stärker ist auch der Schnabel, desto ausgesprochener seine eigenthümliche Form und desto schöner roth seine Farbe. Wie bei den nahe verwandten Geschlechtern Mergulus, Mormon, Alca, hat auch hier der junge Vogel mit noch ganz kurzen Stirnfedern, Ph. Tetracula, einen viel niedrigeren nach der Spitze zu sanfter gebogenen und auf seiner Oberfläche und in den Umrissen ebeneren Schnabel, dem der Einschnitt auf der Firste, die scharfe Furche vor der Nasengrube, der kleine Zahn an der Schnabelspitze, die convexe Ausbuchtung der Schneide des Oberkiefers und die entsprechend concave des Unterkiefers nebst ihrer starken Verdiekung nach hinten, so wie endlich die Hornplatte am Mundwinkel (callus) noch fehlen. In diesem Alter des Vogels zeigt daher sein Schnabel erst wenig von der eigenthümlichen Form, die er beim alten Vogel hat; nur ganz allmählig nimmt er dieselbe an. Bei unseren jüngsten Individuen von Ph. dubia, deren Stirnfedern erst 1” betragen, sieht er noch dem Schnabel von Ph. Tetracula ähnlicher als demjenigen von Ph. eristatella; zwar ist er schon höher geworden, allein es fehlen ihm noch die erwähnten Einschnitte und Furchen und die Verdiekung am Mundwinkel (Fig. 4.). Bei den älteren Individuen dieser Form, mit 173—6” langen Stirnfedern, steht er dagegen schon dem Schnabel von Ph. cristatella näher als demjenigen von Ph. Tetracula: das Schnabelende

502 Vögel.

von der Stirn und den Nasenlöchern an hat schon ganz dieselbe Form gewonnen, und nur der Theil um den Mundwinkel ist noch bedeutend schwächer; doch lassen sich auch hier schon die Anfänge der Verdickung an den Schneiden und eine kleine, nach aufwärts gerichtete Platte am Mundwinkel erkennen (Fig. 5.). Die fernere Stufe in der Ausbildung dieses Verhältnisses zeigt Pallas’ Abbildung vom Schnabel der Ph. eristellata'), und das Extrem dieser Bildung endlich findet sich in der Abbildung von Gray’) dargestellt, mit welcher letzteren auch unser ältestes Individuum vollkommen übereinstimmt. Mit der Form verändert sich gleichzeitig auch die Farbe des Schnabels. Bei Ph. Teiracula giebt ihn Pallas braungelblich oder röthlich, am Kiele weiss an; bei Ph. dubia fand ich ihn an der Basis violettbraun, an der Spitze weisslich und bei Ph, cristatella endlich ist er roth mit gelblichweisser Spitze. Die Iris fand ich bei Ph. dubia im Winter hell strohgelb, beinahe weiss, die Vorderseite der Läufe und die Zehen blaugrau, die Hinterseite der Läufe und die Schwimmhäute schwarz, die Nägel an der Basis weisslich, nach der Spitze hin schwarz”). In der Farbe des Gefieders findet zwischen den verschiedenen Al- tersstufen die grösste Uebereinstimmung statt; nur scheint der junge Vogel, Ph. Tetracula, auf der Oberseite öfters mehr oder weniger bräunlich angelaufen zu sein, während Ph. dubia und Ph. cristatella reiner grauschwarz sind. Doch finden auch darin manche Schwankungen statt: so hat z. B. unser ältestes Individuum von Ph. eristatella von der St. Pauls-insel auch nur eine braunschwarze Oberseite, während die Exemplare von Ph. dubia von den Küsten des Amur-Landes und den Aleutischen Inseln auf der Oberseite von der Stirn bis zur Schwanz- spitze fast rein schwarz sind. Stellen wir endlich auch die Maasse der verschiedenen Al-

tersstufen neben einander:

Ph. cristatella. Phaleris dubia. Pk. Tetracula. St. Pauls-Insel, Meerenge der Tartarei?). Kamtschatka. Männchen. Weibchen.

Länge des zusammengelegien Flügls 5'757 567 5a 5 27 Lo » des Schwanzes..... ze... :.0 ; a Tr a A Lit: 1a » des Schnabels..... a TEL 5 ee ee Höhe des Schnabels v. d. Betiederungs- gränze der Stirn zum Kinnwinkel Eee 44” au a1” u HE Breite des Schnabels hinter den Nasen- Iochern® . Zope m —_h" 0 33” 35 a ee Länge des Laufes. ..u..rerceer.. & 10 1 17 47 17 1” 1” rn = » der Mittelzehe ohne Nagel ... 1,97 L. 37% Im ar 1 0 » des Nagels an der Mittelzehe. . pl ah vr BE ph Ti SE a u

i) Spieil. Zool. Fasc. V. Tab. V. fig. 7. |

2) Tiie Gen. of’ Birds. II. Tab. 174. fig. 1.

3) Dieses Moment, die verschiedene Farbe der Füsse, auf das Pallas anfänglich bei Unterscheidung der Ph. eristatella und Ph. Tetracula Gewicht legte, fand schon in der Zoogr. seine Erledigung, indem dort die Farbe der Fusse bei allen drei Formen fast ganz gleich, bläulich, bei PA. Tetracula nur etwas heller, bla«ulich-weisslich angegeben wird.

4) Die Exemplare folgen bier in derselben Ordnung, in der sie oben hinsichtlich der Lange der Stirufedern an-

geführt worden sind,

Phalerıis eristatella. Mormon cirrhatum. 503

Während also. der Schnabel und, wie oben angeführt, der Frontaleirrhus sehr bedeu- tende Grössendifferenzen zeigen, sind die übrigen Maasse bei allen drei Formen fast ganz gleich, mit Ausnahme der beim jungen Vogel, Ph. Tetracula, etwas geringeren Flügellänge. Dass kleine Schwankungen, wie sich übrigens von selbst versteht, auch hier vorkommen, be- weist unser erstes Exemplar von Ph. dubia, das etwas längere Flügel und Mittelzehen als die ihm an Alter überlegene Ph. eristatella hat.

Hinsichtlich der Verbreitung glaubte Pallas anfangs ebenfalls Ph. eristatella und Ph. Te- tracula für verschiedene Arten halten zu müssen, indem die erstere hauptsächlich in süd- licheren Breiten, bei den südlichen Kurilen und Matsmai, die letztere dagegen nördlicher und zwar in grosser Zahl in den Gewässern von Kamtschatka, im Ocean sowohl wie im Ochotskischen Meere gefunden worden war. Später lernte er jedoch beide und mit ihnen zugleich auch Ph. dubia aus demselben Meere der Aleuten, Kamtschatka’s, der Kurilen u. s. w. kennen. Recht häufig traf ich diese Art in der Meerenge der Tartarei an, und zwar im Winter längs der Westküste von Sachalin, besonders südlich von Choi, bei Arkai, Dui u. s. w., wo die Meerenge in ihrer Mitte niemals gefriert und auch das Eis der Küsten häufig durch Stürme zerbrochen wird. Dort sah ich sie einzeln, paarweise und in kleinen Schwär- men auf den von Eisschollenbergen umgebenen oflenen Stellen ganz nahe von der Küste schwim- men. Einzelnen Flügen begegnete ich auch nördlicher, bei Wjachtu und Tyk, wo das Meer längs der Küste weithin gefroren war. Zu wiederholten Malen stiess ich auf dem Meereseise auf erfrorene Individuen, die ihren Tod wahrscheinlich in derselben Weise gefunden hatten, wie es den an oflenen Süsswassern winternden Enten, Sägetauchern u.a.m, nicht selten zu gehen pflegt, dass sie nämlich, auf dem Eise stehend, mit den Füssen an dasselbe festfrieren. Oefters brachten uns auch die Giljaken solche erfrorene Individuen von Ph. cristatella zu, da sie die- selben aufzulesen und zur Speise zu benutzen pflegen.

183) Mormeon eirrhatum Pall.

Ein erwachsenes Männchen dieser Art mit vollständig ausgebildetem Schnabel, das wir aus der Meerenge der Tartarei mitgebracht haben, stimmt mit den kamtschatkischen Exemplaren unseres Museums in der Tracht und in allen Formverhältnissen vollkommen über- ein; in der Grösse hingegen wird es von letzteren, selbst von den nach Pallas immer etwas kleineren Weibchen, um ein Geringes überragt, ob es gleich mit den Angaben von Pallas’) sehr nahe übereinkommt. Folgendes sind ihre Maasse:

1) Spicil. Zool. Fasc. V. p. 9 und 11.

504 Vögel.

Bai Hadshi. Kamtschatka. Männchen. Männchen. Weibchen.

Länge des zusammengelegten Flügels... .....-..-..... 775 7.08.

m

» des, Sch wanzesin. u. Were ee A AD 8. DE », „des Schnahels sp... iraslidt en. een. Höhe des Schnabels über dem Kinnwinkel ....... 2.2... 4754” 1" 71” 1763” Breite des Schnabels unmittelbar hinter den Nasenlöchern .. —7” —3"” _—. 3” Längp;des,‚Laufes,,. Kür Ada se ar ee » der Mittelzehe ohne Nagel ......-.: 2222222220 14:9 ra a 19 » des Nagels an der Mittelzehe ..... ser .-- 0... 0546" 61”

M. eirrhatum kommt im nördlichen Stillen Ocean nach Kittlitz') ungefähr vom 45°“ Breitengrade an vor. In der Meerenge der Tartarei haben wir ihn in der Bai Hadshi, in 49° n. Br. erhalten. Wie nahe er dort seiner Südgränze steht, wissen wir nicht.

184) Larus argentatus Brünn. Var. cachinnans Pall.

I. cachinnans Pall., Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 318. J. leucophaeus Licht., Mus. Berol. S. Naumann, Naturgesch. der Vögel Deutschl. X. p. 382. Bei den Giljaken: karwäch und korla”).

» » Mangunen: kitty.

Im Amur-Lande hat die Silbermöve am Mantel denselben dunkelgrauen, die Mitte zwischen L. marinus L. und dem typischen L. argentatus Brünn. haltenden Farbenton, den Middendorff an den Individuen von der Südküste des Ochotskischen Meeres bemerkt hat’). Diesen selben dunkleren Farbenton scheint sie auch weiter wesiwärts, im südlichen Ost- und Westsibirien, am Baikal See und Gaspischen Meer, wo sie der L. cachinnans Pall. ist, ja auch noch weiter westwärts, am Mittelmeer und in Arabien zu haben, wo sie als L. leu- cophaeus Licht. unterschieden worden ist. Diese, mit den Ansichten mancher neueren Orni- thologen nicht ganz übereinstimmende Synonymie soll weiter unten ihre Begründung finden. Zuvor bemerken wir aber von den Amur-Exemplaren ferner, dass sie mit der typischen, hellen Form der Silbermöve, abgesehen von der Mantelfärbung, in allen übrigen Stücken vollständig übereinkommen. In der Grösse lassen sich, wie von der Silbermöve bekannt, nicht unbedeu- tende Schwankungen wahrnehmen. Middendorff’s Exemplare der dunklen Varietät vom Ochotskischen Meere hielten in dieser Beziehung ungefähr die Mitte zwischen den grössten

I) Kupfertaf. zur Naturgesch. der Vögel. p. 3.

?) Der letztere Name scheint auf den jungen Vogel Bezug zu haben. ®) Sibir, Reise, I. c. p. 243.

Larus argentatus, Var. cachınnans. _ 905

und den kleinsten der im Hochnorden Sibirien’s von ihm beobachteten Individuen. Von den unten vermessenen Amur-Exemplaren nähert sich das erstere, ein erwachsenes Männchen, mehr den kleineren, das 2', ein junger, in seiner Färbung mit der typischen Form ganz über- einstimmender, höchstens ebenfalls etwas dunklerer Vogel, gehört entschieden zu den grösseren. Letzteres Exemplar steht auch den von Pallas für L. cachinnans angeführten Maassen in vielen Dimensionen sehr nahe, während ersteres mehr mit den von Blasius’) vermessenen Exemplaren derselben Form übereinstimmt.

Altes Männchen. Junger Vogel.

Gesammtlänge von der Schnabel- bis zur Schwanzspitze?)...... —_ Pr Bee ir der. Flügelspatne Ma Mn Be 2 Länge des zusammengelegten’ Flügels .........2...2..22... 167 16” 6” Res Schwanzes, Au 00 a N ee a u 6” 9” BISHER Napa Tee er a ee N sy ag”

» des Schnabels von der Befiederungsgränze der Firste bis zur

En 20 I Try get pl I » des Schnabels von der seitlichen Befiederungsschneppe des Oberkiefers bis zur Ze 10 DR ET TIER RER PR » des Schnabels vom Vorderende des Nasenloches bis zur Spitze 101”. 113” Grösste Höhe des Schnabels (an der Stirne) ........2..2.... 00 9” —_ 9” 121g eye DR usa ar a RG Se ler Mittelzehe ohne Nagel: . rennen N ia u Ei ZU » des Nagels an der Mittelzehe. „2.222 ceeceeecrenn. 5" 51”

Am frischgeschossenen alten Vogel fand ich die Iris bald gelb, bald gelblich-planchefar- ben mit einigen schwarzen Punkitfleckchen, den Augenring roth, den Schnabel schön gelb, an der Spitze heller, strohgelb, am Kieferastwinkel jederseits mit einem rothen Fleck, die Füsse fleischfarben, die Nägel schwarz; am jungen Vogel waren: die Iris dunkelbraun, der Schnabel schwarz, an der Basis des Unterkiefers röthlich, der Gaumen und die Zunge bläulichroth, die Füsse trübe grau- oder violettröthlich.

Mit welchem Rechte wir nun diese dunkle Varietät von L. argentatus für die schon Pallas unter dem Namen L. cachinnans bekannte, von Lichtenstein als L. leucophaeus unter- schiedene Form halten, mögen folgende Betrachtungen darthun.

Blasius, dem wir neuerdings eine lichtvolle kritische Sichtung der von Pallas in der Zoogr. Rosso-Asiat. nahmhaft gemachten Möven verdanken‘), findet es auffallend, wenn dieser

N

4) Naumannia. VI. Jahrg. p. 484. 2) Diese und die folgende Dimension sind am unabgebalgten Vogel gemessen. 3) Blasius, Ein Wort über die Möven der Zoogr. Rosso-Asiat. von Pallas, s. Naumannia, VII. Jahrg. 1858 p- 316. Manche Punkte der in diesem Aufsalze aufgeklärten Synonymie sind auch schon früher von Blasius und Keyserling in dersell'en Weise in dem anerkannt vortrefflichen Werke über die Wirbelthiere Europa’s p. XCV. fl. ge- deutet worden; andere finden hier ihre Berichtigung. Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 64

506 Vögel,

grosse Kenner der sibirischen Fauna die nach Middendorff's Zeugniss durch ganz Sibirien bis zum Ochotskischen Meere ziemlich häufig verbreitete Silbermöve übersehen haben sollte. Den Beweis jedoch, dass dem in der That nicht so sei, sieht er darin, dass Pallas unter sei- nem L. cachinnans nichts Anderes als Z. argentatusBrünn. verstanden haben könne '). Dabei bleibt es aber immer noch auffallend genug, dass die letztere Bezeichnung auch nicht einmal unter den in der Zoogr. angeführten Synonymen vorkommt, während doch andere vom selben Autor herrührende Artennamen dort Berücksichtigung finden. Wir glauben daher den L. cachin- nans Pall. nicht ganz in der von Blasius angegebenen Weise deuten zu müssen. Uns scheint er nämlich im weiteren Sinn allerdings auch auf die Silbermöve, im Speciellen aber auf die von Middendorff am Ochotskischen Meere und gegenwärtig auch von uns im Amur-Lande beobachtete dunklere Varietät von L. argentatus sich zu beziehen, die Pallas für eine beson- dere Art hielt, ebenso wie später Lichtenstein, der sie, ohne den L. cachinnans Pall. zu erkennen, L.leucophaeus nannte. Für diese Deutung scheinen uns zunächst und hauptsächlich Pallas’ eigene Worte zu sprechen, wenn er bei Beschreibung dieser Möve sagt: «dorsum et alae supra intense leucophaea, seu coerulescenti-cana», was jedenfalls einen dunkleren Far- benton als bei den anderen blaugrauen Möven, wie L. canus L., L. tridactylus L., L. minutus Pall. u. s. w. bezeichnet, bei deren Beschreibung Pallas nur der Ausdrücke «leucophaeus, canus, coerulescenti-canus» u. dgl. m. sich bedient a. Ist ferner L. cachinnans Pall. die dunklere Varietät der Silbermöve, so darf es uns auch nicht auffallen, wenn Pallas L. argentatus unter den Möven Nordasien’s gar nicht anführt, da jene erstere in einem grossen Theile Sibi- rien’s, wo nicht die einzige, so doch die viel häufigere Form zu sein scheint. Zwar führt Blasius Middendorffs Zeugniss dafür an, dass L. argentatus (in der typischen, hellen Form) durch ganz Sibirien bis zum Ochotskischen Meere ziemlich häufig verbreitet sei; allein in diesem Punkte hat Blasius unseren Reisenden ohne Zweifel missverstanden. Denn Midden- dorff führt die typische helle Form von L. argentatus als die häufigste Möve im Hochnorden, am Taimyr und an der Boganida an, im Osten Sibirien’s dagegen, an der Südküste des Ochotskischen Meeres lernte er Z. argentatus zwar ebenfalls als einen nicht seltenen Vogel, allein nur in der dunklen Varietät kennen, die Blasius selbst für L. leucophaeus hält?). Fer- ner hat unser Museum L. argentatus schon durch Kittlitz aus Kamtschatka und durch Wosnessenski aus Ajan, immer aber nur in der dunklen Varietät erhalten, niemals in der hellen. Auch wir haben endlich die Silbermöve im Amur-Lande nur in der dunklen Varietät beobachtet. Ohne daher behaupten zu wollen, dass die helle Form von Z. aryentatus dem öst- lichen Sibirien durchweg fehle, müssen wir hervorheben, dass uns von ihrem Vorkom-

I) Uebrigens ist diese Ansicht schon vor Blasius von Degland ausgesprochen worden, s. dessen Ornith. europ. 1849. II. p. 308.

2) Der Ausdruck «intense-leucophaeus» findet sich bei Pallas in der Beschreibung der Möven nur noch einmal wieder, nämlich bei Z. Ichthyaetus (Zoogr. II. p. 323.), von dem er sagt: «dorsum et uropygium dilutius, alae extus intense leucophaea» eine Stelle, die die Steigerung des Farbentones zum Dunklereu unverkennbar wiedergiebt,

3) Vrgl. Naumannia, VIII. Jahrg. p. 320. ı

Larus argentatus. Var. cachınnans. _ 507

men dort bisher nichts bekannt ist, während wir von demjenigen der dunklen Varietät in jenen Gegenden vielfache Kunde haben. Letztere ist also im äussersten Osten Sibirien’s, wo nicht die einzige, so doch jedenfalls die viel häufigere Form. Wie im Amur-Lande, so dürfte es sich aber höchst wahrscheinlich auch inDaurien und amBaikal-See verhalten. Dass endlich dieselbe dunkle Varietät auch im Südwesten Sibirien’s und zwar nicht gerade selten vorkomme, beweisen sowohl die Angaben russischer Naturforscher '), wie die auch in manchen Museen Westeuropa’s, so in Berlin, Leyden u. a., vom Caspischen Meer, aus Buchara u. s. w. vorhandenen und als L. cachinnans Pall. beschriebenen Exemplare”). Dagegen besitzt auch unser Museum, obgleich es an russisch-sibirischen Sachen gewiss das reichste ist, die helle typische Form von L. argentatus bisher weder aus dem-Osten, noch aus dem Süden, sondern nur aus dem hohen Norden Sibi- rien’s und aus dem Norden und Süden degyeuropäischen Russlands°). Es wäre daher gewiss viel auflallender, wenn Pallas die dunkle Varietät der Silbermöve nicht gekannt hätte. Eben diese aber glauben wir in seinem L. cachinnans zu erkennen. Da er sie jedoch für eine beson- dere Art hielt, so konnte er natürlich Z. argentatus auch nicht unter den Synonymen anführen.

Es bleibt uns nun noch übrig, einige Worte über Z. leucophaeus Licht. zu sagen. Auf wie unsicherem Boden diese Art beruht, lässt sich schon daraus ersehen, dass selbst dieje- nigen Ornithologen, die der Unterscheidung eingeschränkter Arten unter den Möven am meisten zugeneigt sind, wie Bruch und Bonaparte, dieselbe mit einer anderen Art, L. Michahellesii Bruch (oder Michahellis Feldegg) identificiren‘), welche nach Blasius?) von L. argentatus nicht zu unterscheiden ist. Letzterer machte auch mit Recht darauf aufmerksam, dass jene Autoren die dunklere Mantelfärbung von L. leucophaeus übersehen haben, und hob dagegen die nahe Verwandtschaft des letzteren mit Z. cachinnans Pall. hervor, mit dem er ganz dieselbe Färbung und, wie wir aus den von Blasius an einem Originalexemplar von L. leucophaeus (nebst 2 Exemplaren von L. cachinnans) ausgeführten Messungen ersehen, auch ganz genau dieselben Maasse hat. Nichisdestoweniger sprach sich aber Blasius später selbst ebenfalls für eine Trennung des L. leucophaeus, aber in einer so unklaren Weise aus, dass wir ihm unmöglich beistimmen können. Durch seine spätere Ansicht nämlich, dass L. cachinnans Pall. mit Z. argentatus Brünn. vollkommen identisch sei, bestimmt, bezeichnet Blasius ein- mal Z. leucophaeus als eine von ersterem verschiedene und «unzweifelhalt gute Artv, identifi- eirt sie aber dabei ohne Weiteres mit der von Middendorff beobachteten dunklen Varietät von L. argentatus, ohne zu beachten, dass Middendorff von dieser letzteren sagt, sie stimme, mit Ausnahme der um eine Tinte dunkleren Mantelfärbung, in allen Punkten mit der ty-

1) So lernte sie Lehmann am Caspischen Meere kennen, s. Brandt in Baer’s und Helmerse.n’s Beiträgen zur Kenntniss des Russ. Reiches. XVII. p. 331. u. s. w.

2) So beschreibt sie unter Anderen auch Blasius selbst, s. Naumannia, VI. Jahrg. p. 484. Desgl. Bruch, Monogr. Uebersicht der Gattung Larus L., s. Cabanis, Journ. für Ornith. 1. Jahrg. 1853. p. 100. III. Jahrg. p. 282.

3) Auch vom Caspischen Meer.

4) Bruch liess bei seiner ersten Revision der Mövengattung (s. Cabanis, Journ. für Ornith. 1. c.) Z. leucophaeus als eigene Art gelten, bei der 2ten zog er sie mit I. Michahellesii zusammen. Bonaparte sprach sich in letzterem Sinne in der Naumannia, IV. Jahrg. p. 215. aus.

°) Naumannia, VI. Jahrg. p. 483. VIII. Jahrg. p. 318.

508 Vögel.

pischen, hellen Form von L. argentatus aus dem Hochnorden Asien’ s «vollkommen» über- ein . Auch wir treten, soweit wir uns über L. lewcophaeus aus Beschreibungen belehren konnten, der Ansicht von Blasius, dass diese Möve mit der dunklen Form vom Ochotski- schen Meere identisch sei, sehr gerne bei. Hinsichtlich dieser letzteren Form aber kann uns, die wir die Middendorffschen Originalexemplare und ausserdem noch eine Anzahl Indivi- duen aus Kamtschatka, vom Ochotskischen Meere und aus dem Amur-Lande vor uns haben, kein Zweifel übrig bleiben, dass diese dunkle Form eine mit L. argentatus in allen Stücken, mit Ausnahme des Farbentones, vollkommen übereinstimmende Form sei und dass sie mithin auch nur für eine dunkelfarbigeVarietät von L. argentatus angesehen werden müsse.

Nach dem oben Besprochenen sehen wir die Silbermöve in einer dunkleren Varietät quer durch die ganze Alte Welt, vom Mittelländischep und Rothen Meer über die Umgegenden des Caspischen Meeres, Südsibirien, dieBaikal-Gegenden und das Amur-Land bis zu den Küsten des Ochotskischen Meeres und Kamtschatka verbreitet. Dabei scheint diese Va- rietät im Westen ihres weiten -Verbreitungsgebietes neben der helleren, typischen Form nur selten zu sein und auch nicht in nördlichere Breiten vorzudringen, nach Osten dagegen häu- figer und häufiger zu werden und zugleich auch weiter nordwärts sich auszubreiten, bis sie endlich an den Ostküsten Nordasiens, wie es scheint, zur allein herrschenden Form wird. Bei solcher Verbreitung der Silbermöven fällt uns unwillkürlich das ganz analoge Verhalten der bekanntlich ebenfalls nur als Varietäten unterschiedenen Nebel- und Rabenkrähe (Corvus Cornix und C. Corone L.) ein eine Analogie, die um so bemerkenswerther ist, als die Gattungen Jarus und Corvus überhaupt manche Vergleichungspunkte darbieten. Wie die dunkle Varietät der Silbermöve, so nimmt nämlich auch die ihr analoge dunklere Rabenkrähe im Vergleich zur helleren Nebelkrähe im Westen ihres Verbreitungsbezirkes die südlicheren Gegenden ein und wird nach Osten hin die häufigere und allgemeinere, bis sie in Ostsibirien zur allein herrschenden Form wird. Dabei ist wiederum der Hochnorden Westsibirien’s, wo die hellere, typische Form von L. argentatus vorkommt, auch von der helleren Nebelkrähe, wenn auch nicht ausschliesslich, eingenommen’). Im Amur-Lande ist Z. argentatus in der ' erwähnten Varietät nicht selten. Ich erlegte dort alte Individuen im vollen Frühlingskleide am 20. und.21. Mai (1. und 2. Juni) am unteren Amur bei Mongole und Aure, junge im Herbst beim Nikolajevschen Posten am 17 Sept. und 13 Oet. Einen ganz jungen, am Kopfe und Halse noch zumeist mit u bekleideten Vogel erhielt ich im Amur-Liman in der Nähe vom Cap Lasareff am -},;, Aug. 1854.

!) Nach Rlasius’ Angabe hätte Middendorff auch L. leucophaeus für Sibirien genannt, wäre aber über sein Vorkommen dort unsicher geblieben. Vergleicht man jedoch die «Sibirische Reise», so wird man finden, dass Midden- dorff L. lewcophaeus für Sibirien gar nicht nennt und dass das von Blasius auf diese Art Bezogene von Z.. lewco- pterus Faber gesagt wird,

2) Pallas und Middendorffll. ce. Dsgl. Gloger, Handb. der Naturgesch. der Vögel Europa’s. I. p. 151.

Larus canus. 509

185) Larus canus L.

Bei den Giljaken: käch.

Wir haben die Sturmmöve aus dem Amur-Lande in mehreren, im Winterkleide stehen- den Exemplaren erhalten, die mit den europäischen hinsichtlich der Färbung in allem Wesent- lichen übereinstimmen und nur hin und wieder individuelle Verschiedenheiten wahrnehmen lassen, wie man solche auch an den europäischen vielfach bemerkt hat. So fehlt z. B. einem derselben, das, mit Ausnahme zerstreuter schwarzgrauer Flecke am Kropfe und an der Brust und einer schwärzlichen Zeichnung längs den Schäften der Fittigdeckfedern, ganz das Kleid des erwachsenen Vogels mit rein blaugrauem Mantel, ungeflecktem, rein weissem Schwanze u. s. w. trägt diesem Exemplare fehlt ausnahmsweise jederseits auf der 3'% grossen Schwinge am schwarzen Ende die weisse Spitze, während die übrigen Schwingen ganz typisch gezeichnet sind. Dabei lässt sich nicht bemerken, dass diese Schwinge etwa noch aus dem früheren Kleide zu- rückgeblieben wäre. Bei einem anderen, jüngeren Individuum, das, wie es scheint, in seinem ersten Winterkleide steht und noch die Schwingen- und Schwanzzeichnung des jungen Vogels, dabei aber einen schon fast ganz reinen, nur an den kleinen Flügel- und den Fittigdeckfedern schwarzgrau getrübten und gefleckten Mantel hat, zeigt sich die Anomalie, dass die 2" grosse Schwinge in dem einen Flügel ganz schwarz, in dem anderen nahe ihrem Ende mit einem runden weisslichen Fleck auf der Innenfahne versehen ist, und dass ferner unter den mit brei- tem schwarzem Querbande nahe ihrer Spitze gezeichneten Steuerfedern auf der einen Seite auch eine (die zweitmittelste) ganz ungefleckte, rein weisse Feder sich findet. Solche, offenbar individuelle Abweichungen verdienen aber aus dem Grunde Erwähnung, weil sie von den An- hängern minutiöser Artenspaltung, neben mehr oder weniger erheblichen Grössendiflerenzen, besonders leicht auch für specifische Kennzeichen angesehen werden können '). Hinsicht- lich der Grösse gehören unsere Exemplare theils der kleineren, europäischen und übrigens auch kamtschatkischen Form an, theils nähern sie sich der grösseren, von Middendorff in Ostsibirien beobachteten Varietät. Von den drei Amur-Exemplaren, deren Maasse hier folgen, ist das erste ein alter, ganz typisch gezeichneter, das 2'° ein jedenfalls mehr als einjäh-

riger und das 3'° ein junger Vogel im Winterkleide. Weibchen. Männchen.

Länge des zusammengelegten Flügels ............ 13” 4” ı1# 3” Au 3”

» des Schwanzes........... ee 3 68 5” 10" 5 » des Schnabels von der Befiederungsgränze der

Firste’bis zur Spize und th 1Zers” ‚El ELSE BEE a » des Schnabels von der Spitze der Seitenschneppe

an Tach vorm Bemessel «sum se ee RERTT OERR. VERSUS a 4

i I) So unter Anderem die Zeichnung der 2ten grossen Schwinge bei L. Heinei Homeyer, s. Naumannia, Ill. Jahrg. p. 130. Ueber die Unhaltbarkeit dieser Species vrgl. Blasius in der Naumannia, V]. Jahrg. p. 479. 2) Diese Dimension ist mit der 3ten unter Middendorff’s Maassangaben nicht zu identificiren.

510 Vögel.

Weibchen. Männchen. Höhe des Schnabels sowohl über dem Kieferastwinkel wie über den Nasenlöchern ....... Er, u 7 bir Rs Länge des. Laufen 00.200 2 0. 02 2 0 17-14 u En » der Mittelzehe ohne Nagel ............... El nr 1’ Zu » des Nagels an der Mittelzehe ............. 32 se

Vergleicht man nun diese Maasse mit den von Middendorffbeobachteten, so sieht man, dass unser erstes Exemplar fast ganz die Grösse des westeuropäischen Vogels hat, indem es in allen Dimensionen nur etwa um 1—2 Millim. grösser, in der Flügellänge aber sogar um 5 Millim. kleiner ist. Die beiden anderen Exemplare dagegen stehen der grösseren, ostsibirischen Va- rietät viel näher, ja sie stimmen mit ihr in manchen Dimensionen, wie in der Schnabel- länge, sogar ganz überein, in anderen, wie in der Flügellänge, halten sie-genau die Mitte zwischen beiden. Bezeichnend ist es auch, dass während unser 2'° Exemplar genau dieselbe Tarsenlänge wie die grössere, ostsibirische Varietät hat, das 3'° in dieser Dimension ebenso genau die Mitte zwischen ihr und der kleineren, europäischen Form hält. Diese Thatsachen beweisen also unzweifelhaft, wie richtig Middendorff gehandelt, wenn er auf diese Grössen. differenzen hin die ostsibirische Form nicht specifisch von der europäischen getrennt, wie Aehnliches mit den Möven leider nur zu oft geschehen, sondern nur als grössere Varietät (Var. major) hat gelten lassen. An unserem frischgeschossenen alten Vogel waren: die Iris gelb, der Schnabel, bis auf die hellere und reiner gelbe Spitze, und die Füsse grünlichgelb; am jün- geren Vogel: die Iris braun, der Schnabel bläulichgelb mit schwarzer Spitze, die Füsse hell- bläulich, die Nägel schwärzlich.

L. canus ist im unteren Amur-Lande und besonders an der Mündung des Amur- Siro- mes nicht selten zu sehen. Beim Nikolajevschen Posten beobachtete ich die Sturmmöve im Frühjahr 1855 zuerst am 20. April (2. Mai). Besonders oft liess sie sich dort im Herbst über dem Strome sehen, zumal bei stürmischem oder auch nur frischem Winde, da sie alsdann ver- muthlich die zu sehr aufgeregte See floh. Nicht selten besuchte sie dann auch die Mündungen der Flüsse Kamr und Litsch. Dort und beim Nikolajevschen Posten wurden auch die oben erwähnten Exemplare am 18 19. Sept. (1. Oct.) geschossen.

186) Larus ridibundus L.

Bei den Golde unterhalb des Ussuri: kulangzt. De » oberhalb des Ussuri: kelae.

Alle Exemplare von der Lachmöve, die wir aus dem Amur-Lande haben, sind junge, in einem Gemisch des Jugend- und ersten Winterkleides stehende Individuen. Das Rostgell des

Larus ridibundus. Sterna (Hydrochelidon) leucoptera. 511

Kropfes und der Brust ist bei ihnen zu einem schmutzigen Weiss verblichen, der Rücken ist sehr blass fahlbraun mit einigen wenigen eingestreuten mövenblauen Federn, der Oberflügel auch zum Theil mövenblau. Die einzelnen Individuen differiren unter einander sehr durch das mehr oder weniger verblichene, hellere oder dunklere Braun des Rückens; auch das schwarzbraune Band auf den Steuerfedern ist von hellerem oder dunklerem Farbentone und von ungleicher Breite. Am frischgeschossenen Vogel waren: die Iris dunkelbraun, der Schna- bel fleischfarben, an der Spitze schwärzlichbraun, der. Rachen und die Zunge“schmutziggelb, die Füsse fleischfarben; bei einigen waren der Schnabel und die Füsse schon gelblich. Unter den Eiern der Lachmöve aus dem Amur-Lande sind zwei genau von der Grösse, wie Pallas sie angiebt'), nämlich von 2”Länge und 1” 41”” Breite; ein drittes misst in jeder dieser Dimensionen eine Linie mehr. Nach Gestalt, Farbe und Zeichnung entsprechen sie vollstän- dig den von Thienemann’) auf Taf. 87. fig. 2 unter a. und d. dargestellten und haben nur einen etwas olivenbräunlicheren Ton.

L. ridibundus ist im gesammten Amur-Lande und namentlich längs dem Amur-Strome und am Ussuri die häufigste Möve. Beim Nikolajevschen Posten brütet sie in den Sümpfen der etwas oberhalb im Strome gelegenen Inseln. Die Eier fand ich am „4; Mai noch ganz unbebrütet. Die oben erwähnten jungen Vögel wurden sämmtlich im Juli, am 2; 26. (7. Aug.), am südlichen Amur nahe den Mündungen des Ussuri und Ssungari erlegt. Sie hielten sich dort in der Regel einzeln in den kleinen, von Weidengebüsch umwachsenen Fluss- armen auf und liessen sich namentlich oft auf den niedrigen, sandigen und kiesigen Ufern, Landspitzen und Bänken in denselben sehen. Eines der erwähnten Individuen spie, durch den Schuss erschreckt und verwundet, eine Anzahl kleiner Fischchen aus.

187) Sterna (Hydrochelidon) leucoptera Schinz.

Meissner und Schinz, Die Vögel der Schweiz. Zürich 1815. p. 264. Titelkupfer. Temminck, Man. d’Ornith. 2me edit. II. Paris 1820. p. 747.

Ein im Sommerkleide befindliches Pärchen erwachsener Individuen dieser Seeschwalbe aus dem Amur-Lande ist von ganz typischer Färbung: das Schwarz des Kopfes ist sehr schön und mit etwas grünlichem Glanze, aber bei dem einen Exemplar in der Zügelgegend, beim anderen auch auf der Stirne und dem Scheitel mit einigen ganz !weissen oder nur weiss gesäumten Federchen unfermischt. Im Uebrigen ist die Färbung ganz dieselbe wie bei Exem- plaren unseres Museums vom Schwarzen Meer und vom Ural-Fluss oder in den Abbil- dungen von Schinz, Naumann’), Gould‘) u.a. Auch die Grösse der Amur-Exemplare

1) Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 325.

2) Fortpflanzungsgesch, der gesammten Vögel. Leipzig 1850.

3) Naturgesch. der Vögel Deutschl, Tab. 257. fig. 1. 1) The Birds of Europe. V. Tab. 423.

512 Vögel.

stimmt mit derjenigen der europäischen Vögel, sowie mit den Angaben von Pallas') sehr nahe überein. Folgendes sind ihre Maasse: Männchen. Weibchen. Länge des zusammengelegten Flügels......... 77 67 7’ 6" »i «des'Schwanzes „umunlsd -un% Ju awrbalasdne ag ha. 9 » des Schnabels auf der Firste.......... 104” 105” » des Schnabels von der seitlichen Befiede-

rungsgränze bis zur Spitze ........ 9” 91”

Höhe des Schnabels an der Stirne „ce 22.... 3" 0— 3” Längerdesikaufere ebed. Nina free 81”

R » der Mittelzehe ohne Nagel. ........... 7” 7”

» des Nagels an der Mittelzehe.......... 31" _ 31%

St. leucoptera, die in Europa nur den Süden besucht”), scheint in Asien in nördlichere Breiten vorzudringen, da sie von Pallas aus Westsibirien (am Obj) und aus Kam- tschatka genannt wird. Im Amur-Lande lässt sie sich jedenfalls viel seltner als die fol- gende Art sehen. Ich begegnete ihr nur einmal, und zwar am unteren Amur-Strome bei Dshare am 45 Juli 1855. Hr. Maack schoss sie am südlichen Amur nahe der Ssungari- Mündung am 28. Juni (10. Juli).

188) Sterna longipennis Mus. Ber. Taf. XVI. fig. 6 und 7.

Nordmann, s. Ermann, Verzeichn. von Thieren und Pflanzen, welche auf einer Reise um die Erde gesammelt wur- den (Naturhist. Atlas der Reise). Berlin 1835. p. 17. Bei den Giljaken: ischeischr. » » Mangunen: kawar. » » Golde: kezzi und ssiea-kezzi.

Unsere zahlreichen Exemplare von dieser Seeschwalbe aus dem Amur-Lande sind mit der Abbildung von Middendorff) übereinstimmen. und unterscheiden sich von der europäischen St. Hirundo L. nur durch die etwas dunklere graue Farbe des Bauches und den schwarzen Schnabel. Dass die Grössenverhältnisse nur sehr geringe, kaum in Zahlen auszudrückende Unterschiede zeigen, hat schon Middendorff bemerkt. Zugleicht lassen sich in manchen Dimensionen nicht ganz unbedeutende Schwankungen wahrnehmen. Zum Belege dafür mögen folgende Maasse zweier Exemplare vom Amur dienen:

1) Zoogr. Rosso-Asiat, II. p. 338.

?) In einzelnen Fällen verflliegt sie sich bis nach Pommern, s. Naumann, Naturgesch, der Vögel Deutschl. X. p. 222,

°) Sibir. Reise. l. c. p. 246. Tab. XXV. fig. 4.

Sterna longipennıs. 513

Männchen. Weibchen.

Länge des zusammengelegten Flügels............- TR a » des Schwanzes (an den längsten, äussersten Federn) 5” 10” 5” 6” » des Schnabels von der Stirne bis zur Spitze ...... 417 5” 17 3” » des Schnabels von der seitlichen Befiederungsgränze bis zur Spitze... ...... Ein DEREN. Sa TORE Höhe des Schnabels an der Stime...........: AIGBE 4" 3” Breite der Schnabels ebendaselbst .......2.rs220 200. _ 37 o— 2” Baaserdes: Laufesi al 1 A RR A IE RE 917 81" » der Mittelzehe ohne Nagel ...........2220. 8” a” » des Nagels an der Mittelzehe ..... ern, | NEM 3774) _ Ban

‘Vergleicht man diese Maasse mit den von Nordmann und Middendorff angegebenen, so treten dire Schwankungen in der Flügel-.und Schnabellänge deutlich hervor; gegen die von ersterem zum Unterschiede von St. Hirundo angeführten Maasse gehalten, haben unsere Exem- plare von St. longipennis kürzere Flügel und das ersfe der oben vermessenen Individuen auch einen längeren und robusteren Schnabel, so dass sie sich von St. Hirundo in dieser Beziehung nicht unterscheiden lassen. Mit den Middendorffschen Exemplaren kommen die unsrigen nahe überein.

Die jungen Vögel dieser Art sind in der Färbung, wie Middendorff bemerkt, von denjenigen von St. Hirundo nicht zu unterscheiden, da der Bauch bei ihnen ebenfalls bei- nahe rein weiss und der Unterschnabel in seiner Basalhälfte röthlich ist. Eines unserer Exemplare, vom ;5 Juli, ist stärker graubraun gefleckt und gewellt als in der Abbildung von Naumann’), das Ka ältere, vom 27. Aug. (8. Sept.), zum Theil in Folge starker Abrei- bung der graubraunen Federkanten, reiner blaugrau.

Auffallend ist es, dass bei so grosser Aehnlichkeit zwischen St. Hirundo en St. longi- pennis die Eier beider in der Färbung recht verschieden sind. Leider habe ich diejenigen der letzteren im Amur-Lande nicht selbst gefunden, sondern durch die Giljaken der Umgegend des Nikolajevschen Postens erhalten und kann daher nicht mit voller Gewissheit behaupten, dass sie dieser Art angehören. Allein da mir keine andere Seeschwalbe in jenem Theile des Amur-Stromes bekannt ist und die Giljaken diese Eier ausdrücklich der so häufigen St. longipennis zuschrieben, so möchte ich die Richtigkeit dieser Angabe nicht in Zweifel ziehen. Nach Form und Grösse stimmen sie mit denjenigen von St. Hirundo vollkommen überein: eines meiner 3 Exemplare ist etwas kürzer und gedrungener, ähnlich den Abbildun- gen b und c bei Thienemann?), die beiden anderen sind etwas gestreckter, gleich. den Abbil- dungen e und i desselben. Dabei ist das erstere auch etwas kleiner, nämlich von 1” 61”

I) Die Nägel sind bei diesem Exemplar auffallend kurz und bei allen anderen länger. 2) Naturgesch. der Vögel Deutschl. Tab. 252. fig. 2. 3) Fortpflanzungsgesch. der gesammten Vögel. Tab. LXXXIV. fig. 1. a—m. Schrenck’'s Amur-Reise. Bd.I. f 65

514 Vögel.

U

Länge und 17114” grösster Breite; die beiden anderen sind von 1" 8—81”” Länge und 1" 11— 2 grösster Breite. Die Farbe der Eier von St. longipennis ist-blass grünlich, bald reiner, bald schmutziger, mit grösseren und kleineren dunkelbraunen und violettgrauen Flecken, die am gedrängtesten nahe den beiden Enden und besonders um das stumpfe Ende herum liegen, spar- samer in der Mitte des Eies. Zwei dieser Eier haben zwischen den grösseren Flecken nur wenig kleine Spritzfleckchen, das 3'° dagegen ist fast allenthalben mit letzteren bedeckt und hat zwischen denselben nur wenige und meist auch nicht scharf umgränzte grössere Flecken. Die Abbildungen fig. 6 und 7 stellen diese Verschiedenheiten in der Form und Zeichnung dar.

St. longipennis wenn sie sich in der That als selbständige Art und nicht bloss als östliche, etwas verdunkelte Varietät von St. Hirundo bewähren sollte scheint die Ersatzform der gemeinen Seeschwalbe im Osten Asien’s zu sein. Sie ist längs dem ganzen Amur-Strome und an seinen Zuflüssen, so am Ussuri u.a. häufig. Beim Nikolajevschen Posten stellt sie sich im Frühjahr vermuthlich gegen das Ende des April ein. Ich schoss sie dort am 39 Mai und später. Am ‚7, dieses Monats erhielt ich aus der Umgegend des etwas oberhalb gele- genen Dorfes Magho die Eier derselben, und fand sie noch unbebrütet. Im Sommer war sie am Amur-Strome allenthalben und oft in sehr zahlreichen Individuen, die sich sehr laut machten, zu sehen. Besonders gern hielt sie sich auch auf den von den Eingeborenen weit in den Strom hinein errichteten Fischwehren auf. Ihr Flug ist gewiss ebenso gewandt und schön wie derjenige von St. Hirundo. Oft sahen wir sie über dem Strome rütteln und dann plötz- lich wie ein Stein zur Wasserfläche niederfallen, um mit der gewonnenen Beute sogleich wie- der aufzusteigen, was nicht selten in wenigen Schritten vor unserem Boote geschah. Da St. lon- gipennis das Amur-Land vermuthlich schon frühe im Herbst oder gar noch im Spätsommer wie- der verlässt, so muss ich anführen, dass ich sie am -% Aug. noch recht zahlreich im Ussuri an der Mündung des Poor-Flusses antraf und dort ein erwachsenes Individuum im vollstän- digen, freilich sehr abgenutzten, aber noch nirgends mausernden Sommerkleide erlegte. Von den vermuthlich später fortziehenden jungen Vögeln haben wir durch Hrn. Maack ein Indivi- duum vom 27. Aug. (8. Sept.) von der Gorin-Mündung erhalten. Ihm verdanken wir auch zwei Exemplare von St. longipennis aus der Gegend der Ssungari-Mündung, vom Juli 1855, und vom obersten Amur, nahe der Mündung des Amasare, vom 24. Mai (5. Juni) desselben Jahres.

Zum Schlusse mögen hier noch ein paar Vögel Erwähnung finden, die wir zwar nicht im Amur-Lande selbst, wohl aber in der Nähe. desselben, nämlich in der Gegend der Ku- rilischen Inseln erbeutet haben, und die somit gewiss zuweilen auch das die Küsten Sacha- lin’s bespühlende Ochotskische Meer besuchen oder zum wenigsten dahin verschlagen werden mögen. Es sind dies folgende zwei Arten:

Thalassıdroma Leach:. 515

189) Thalassidroma Leachii Temm.

Ein Exemplar von dieser Sturmschwalbe, das ich im Stillen Ocean in der Nähe der Kurilen erbeutete, und ein paar durch Hrn. Wosnessenski von ebendaher mitgebrachte Individuen stimmen mit den Beschreibungen und Abbildungen vom atlantischen Vogel ') und mit den Exem- plaren unseres Museums von den Küsten England’s und Grönland’s vollständig überein. Die einzige Unterbrechung im düsteren, braunschwarzen, an den Enden der grossen Deck- federn und der Hinterschwingen lichteren, fahlgraubraunen Gefieder dieses Vogels bilden die oberen Schwanzdeckfedern, die weiss mit braunschwarzen Schäften und Spitzen sind. Die untere Schwanzdecke dagegen ist, mit Ausnahme von ein paar seitlichen, ebenfalls weisslichen Federn, mit der übrigen Unterseite des Vogels gleichfarbig, fahlbraunschwarz. So ist dieser Vogel auch von Naumann und Audubon dargestellt, während Gould’) ihm fälschlicher Weise ganz weisse untere Schwanzdeckfedern giebt. Die Schwingenverhältnisse unserer Exemplare sind ebenfalls ganz die nämlichen, indem die 1“ Schwinge kürzer als die 2' und und ungefähr gleich der 4, die 2'° die längste im Flügel und die 3 nur wenig kürzer als die 2'° ist’). Der Schwanz ist ziemlich tief gabelförmig, indem die äussersten Steuerfedern um 8—9” länger als die mittelsten sind. Auch in der Grösse endlich stimmen die Exemplare aus dem Atlantischen und Stillen Ocean, wie sich aus folgenden Maassen ersehen lässt, genau überein:

Atlantischer Ocean. Stiller Ocean.

i England. Grönland. Kurilen. Länge des zusammengelegten Flügels....... 5’ 7" Hs" #7" HF » des Schwanzes an den äusseren Federn. 3” 1” 3" a" 2 a7 Hg —_ Bes Schnabelei) Au). ae Tann Höhe des Schnabels an der Stirne..........— 22" 21 N 22 —_ 21” Breite des Schnabels ebendaselbst ......... a 91” a —_ 91" Bzer des Bauten ya alu 101” ah » der Mittelzehe ohne Nagel ,......... 81” _ gı” _— s1” sı” » des Nagels an der Mittelzehe ........ _ 27 an 21”

So verbreitet Th. Leachii im nördlichen Atlantischen Ocean ist und so oft sie sich dort. selbst bis an die beiderseitigen Küsten verfliegt°), so war sie uns doch aus dem Stillen Ocean

!) Temminck, Man. d’Ornith. II. p. 812. Naumann, Naturgesch. der Vögel Deutschl: X. p. 575. Tab. 275. fig. 2. Audubon, Ornith. Biogr. III. p. 437. Tab. CCLX. u. a.

2) The Birds of Europe. V. Tab. 447.

3) Vrgl. Naumann,l. c. p. 576.

*) Wie immer in gerader Linie von der Befiederungsgränze der Firste bis zur Spitze gemessen.

°) So ist sie an den Küsten von Grossbritannien, Frankreich, Belgien und landeinwärts bei Spoel- bergh, Antwerpen, Namur, Lüttich und sogar bei Frankfurt am Main gefunden worden, s. Temminck, Gould, Naumann Il. cc., Selys Longehamps, Faune belge. p. 157. u. a. Ebenso ist sie im Innern von Pensyl- vanien und Virginien vorgekommen, s. De Kay. Zool. of New York. II. p. 291.

+

516 Vögel.

bisher merkwürdiger Weise gar nicht bekannt. Zwar hältNuttall') dafür, dass die von Pen- nant angeführte, im Meereseise zwischen Asien und America erbeutete gabelschwänzige Sturmschwalbe vermuthlich dieselbe Species sei, allein es ist dies die ohne Zweifel ganz ver- schiedene Th. furcata Gm. oder orientalis Pall.°). Ebensowenig kann sie unter der von Pallas°) unter dem Namen Procellaria pelagica angeführten, im nördlichen Stillen Ocean zwischen Kamtschatka, den Kurilen, Japan und America häufigen Sturmschwalbe ge- meint sein, da diese bei sonst sehr gleicher Färbung und Grösse und bei ebenfalls gabelför- migem Schwanze durch weisse untere Flügeldeckfedern unterschieden ist, wovon Th. Leachüü keine Spur hat‘). Esbleibtunsdaher nur übrig anzunehmen, dass sie im Stillen Ocean bisher übersehen worden sei, was sich leicht erklären lässt, da einerseits eine blosse.Beobachtung vom Schiffe aus in den meisten Fällen nicht hinreichen dürfte, um die Art mit Sicherheit zu unterscheiden, und andererseits das Erbeuten dieser flüchtigen, äusserst gewandten Geschöpfe im offenen Meere nicht geringe Schwierigkeiten darbietet. Nach den uns vorliegenden Exem- plaren aber können wir Th. Leachii zuversichtlich für einen regelmässigen Bewohner auch des Stillen Oceans erklären. Hr. Wosnessenski hat sie bei den Kurilischen Inseln zu wiederholten Malenbeobachtet und Exemplare aus der Nähe der InselSchumschu mitgebracht; unser Exem- plar wurde südöstlich von den Rurilischen Inseln Ssimuschir und Urup, ungefähr in 45° 42'n.Br. erbeutet. Es liess sich bei ziemlich stürmischem, von Nebel und Regen begleitetem SSW-Winde am 14. Juli Morgens ermattet auf unser Schiff nieder und konnte ohne Weiteres gegriffen werden. Das Gefieder war stark durchnässt, sonst aber ganz unversehrt und voll- ständig. Auch als es wieder abgetrocknet war, machte der Vogel keine Anstalten zum Fort- fliegen und verhielt sich, einige Versuche des Gehens abgerechnet, sehr passiv. Das Gehen fiel ihm sichtlich schwer: er hielt den Körper dabei wagerecht, den Kopf mit dem Schnabel abwärts, knickte im Fussgelenk wiederholentlich zusammen und stützte sich alsdann auf die Steuerfedern. Nahrung nahm er keine zu sich. Im Magen des Vogels fand sich ein ganz zer- setzter, grünlicher Speisebrei, darin einzelne harte Bruchstücke lagen, die aber die Art der Nahrung nicht erkennen liessen. Es war ein Männchen: die Hoden länglich-eiförmig, von der Grösse einer sehr kleinen Erbse. Ausser diesem Individuum habe ich auf unserer Reise von Kamtschatka längs der Kette der Kurilischen Inseln bis nach Urup keine Thalassidroma ‚hinter unserem Schiffe gesehen. Ebensowenig sind mir welche in den der regelmässigen Ver- breitung dieser oceanischen Vögel als Binnenmeere fern liegenden Oehotskisehen und Nord- japanischen Gewässern begegnet.

1) A Man. of the Ornith. of the United St. and of Canada. The Water Birds. p. 326.

2) Vrgl. Keyserling und Blasius, Die Wirbelthiere Europa’s. p. XCIIl. Unser Museum hat von dieser letzteren Art zwei Exemplare, davon eines durch Hrn. Wosnessenski von der Mündung des Kupfer-Flusses in Nordwest- america. Abbildungen von Th. furcata sind von Gould (The Zool. of the Voyage of H. M. S. Sulphur und. the Comm. of Belcher. London 1844. I. Tab. 33.) und von Gray (The Gen, of Birds. III. Tab. CLXXVIIL) gegeben worden.

3) Zoogr. Rosso-Asiat. Il. p. 316.

*%) Auch Keyserling und Blasius identificiren Pallas’ Procell. pelagica weder mit Th. pelagica L., noch mit Th. Leachii Temm., sondern halten sie für eine besondere Art. i

Procellaria glacialıs. 517

190) Procellaria glacialis L.

Schon aus.den Erfahrungen von Steller und Pallas geht es hervor, dass P. glacialis im Kurilisch-Kamtschatkischen Meere bald mit den nordeuropäischen Individuen von ganz gleicher, bald von hellerer oder dunklerer Färbung sei hr und zwar ist dies nicht etwa auf die bekanntlich verschiedenen Kleider des jungen und erwachsenen Vogels, sondern aufIndividuen von gleichem Alter zu beziehen. Unser Museum besitzt durch Kittlitz ein Exemplar vom alten Vogel aus der Behringssee, das mit dem europäischen ganz übereinstimmend ist; ein anderes, das ich aus dem Kurilischen Meere mitgebracht habe, unterscheidet sich durch zahl- reich eingemischte hellere, grauweisse und auch rein weisse Federn auf der Oberseite, beson- ders auf dem Rücken, Bürzel und Oberflügel, während die Schultern rein aschgrau sind. Das Umgekehrte lässt sich von unseren jungen Individuen bemerken: gegen ein gleich altes Exem- plar aus Lappland gehalten, sind sie viel dunkler; das Weiss verschwindet ganz, indem die Ober- und Unterseite beinahe einfarbig aschgrau sind, erstere jedoch etwas dunkler, bräunlich- grau und mit lichteren Federkanten. Auf dem Kion, der Kehle und dem Vorderhalse, wo der europäische Vogel grauweisslich ist, lässt sich bei den Kurilischen Exemplaren kaum ein etwas lichterer Ton bemerken; dagegen fehlt auch letzteren der dunklere Fleck vor dem Auge nicht. Uebrigens differiren unsereKurilischen Exemplare in dem Farbentone unter einander ncch ganz sichtlich, und während eines so sehr viel dunkler als das lappländische ist, dass man es mit letzterem kaum identificiren möchte, stellt sich ein anderes durch seinen lichteren Farbenton zwischen beide. Dabei lassen sich in den Form- und Grössenverhältnissen der Ku- rilischen Exemplare keinerlei specifische Unterschiede von den europäischen nachweisen, vorausgesetzt natürlich, dass man den bei ?. glacialis, ähnlich wie bei manchen Mövenarten, in den Dimensionen des Schnabels, der Flügel, des Laufes, der Zehen u. s. w. stattfindenden Schwankungen Rechnung trägt. So hat z. B. unser dunkelstes Exemplar vom jungen Vogel einen robusteren, längeren und besonders höheren und breiteren Schnabel als das europäische, was aber durch das in der Färbung zwischen beiden stehende Individuum wiederum vermittelt wird. Wir stellen hier zur Vergleichung die Maasse dieser drei jungen Individuen und die- jenigen der oben erwähnten beiden alten zusammen:

Alte Individuen. Junge Individuen.

Anal lches net, Kurilen?). Lappland.

Länge des zusammengelegten Flügels .. 11’11” 11" 1” 11” 3” 1172” 11” 6”

» des Schwanzes BRENNER

». ‚des Schnabels.. u. :...4... N org nl mag NEE » : der Nasenröhre auf der Firste .. = AT A Be 43"

» des Schnabelhakens von der Na-

senröhre bis zur Spitze .... 104" —101” —101” 101” 91”

I) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. II. p. 313. 2) Das erstere dieser jungen Individuen ist das oben erwähnte dunklere.

518 3 Vögel,

Alte Individuen. Junge Individuen. Banken BPBAIBER: Kurilen. Lappland. Höhe des Schnabels an der Stirne .... TEN ze a —_ 727 _ TE Breite des Schnabels ebendaselbst..... 717 EA 31" —_ 717 Zur Länge des Laufes ........ Yngıseiö Bilde wg, Buch Aamarıı nal 210 2 1 SERIE SENEEEERENT 121... Am » der Mittelzehe ohne Nagel..... Fa Wr 14107. Pu 2 1710,” WW 93” » des Nagels an der Mittelzehe ... 6" 6” 64” 61” 51”

Aus diesen Maassen sind nun ausser den oben angeführten Schwankungen in den Schna- beldimensionen noch manche andere ersichtlich; so besonders in der Flügel-, Lauf- und Zehen- länge, die durchaus nicht immer in demselben Verhältniss zu einander und zu den übrigen Di- mensionen stehen. So zeichnet sich unser 2'* erwachsenes Individuum durch besonders kurze Flügel aus: es steht in dieser Beziehung allen jungen Individuen nach, während es das dritte dieser letzteren in den meisten übrigen Dimensionen übertrifft. Dieses letztere seinerseits hat längere Flügel als die beiden übrigen jungen Vögel, dabei aber einen kleineren Schnabel und kürzere Läufe und Zehen. Das erste der jungen Individuen ferner zeichnet sich durch seinen robusten (höheren und breiteren) Schnabel aus, steht aber dem ersten der erwachsenen und dem lappländischen jungen Vogel in der Länge der Flügel und dem ersteren auch in der- jenigen der Läufe und Zehen nach. In dieser letzteren Dimension endlich findet bei den meisten unserer Exemplare das Verhältniss statt, dass der Lauf etwas kürzer als die Mittelzehe ohne Nagel ist; beim 2‘ jungen Vogelaber sind einmal auch beide Dimensionen gleich, u. s. w. Das Angeführte beweist wohlzur Genüge, wiesehr man sich hüten muss, aus geringen Grössen- diflerenzen einzelner Individuen specifische Charaktere machen zu wollen.

Den Fulmar, diesen eircumpolaren Sturmvogel, habe ich auf unserer Reise von Kam- tschatka nach der Amur-Mündung sehr häufig längs der ganzen Keite der Kurilischen In- seln bis zum 46“ Breitengrade hinab beobachtet. Er geht hier also weit tiefer nach Süden als im Atlantischen Ocean, wo er längs der Küste Scandinavien’'s nur etwa bis zum 63°” und an seinem südlichsten Fundorte, an den Hebriden, ungefähr bis zum 57° Breiten- grade vorkommt). Westlich von den Kurilen, im Ochotskischen Meer ist er uns nicht begegnet, ob er gleich ohne Zweifel hin und wieder auch dorthin sich verfliegen mag. So ist einer der oben erwähnten jungen Vögel von Hrn. Wosnessenski in der Strasse zwischen den Inseln Paromuschir und Onnekotan erbeutet worden. Im Meere der Kurilen liessen

"sich fast täglich einige Individuen von P. glacialis um unser Schiff herum sehen. Be- sonders gross aber war ihre Zahl am - und 44 Juli im 51 und 46° n. Br. Am Vor- mittage des ersteren Tages sahen wir sie bei völliger Windstille auf der spiegelglatten, nur von der Dünung bewegten Meeresfläche rings um das Schifl und besonders zahlreich im Kielwasser desselben schwimmen. Alte und junge Vögel waren durcheinander. Die

!) Au der Norwegischen Küste bis nach Drontheim, s. Nilsson, Skand. Fauna. Fogl. Il. p. 345. Vergl. uch Naumann, Naturgesch. der Vögel Deutschl. X. p. 595.

Procellaria glacialis. Schlussfolgerungen. 519

meisten schienen zu schlafen, indem sie den Kopf unter einem Flügel versteckt hielten; andere, obgleich aufrecht schwimmend, verhielten sich ebenfalls ganz passiv und beachteten die ausgeworfene Angel nicht. Am Nachmittage desselben Tages, : als die Windstille “noch anhielt, zeigten sie sich lebendiger, flogen häufig auf, liessen sich unweit von der Angel nieder und versuchten wiederholentlich anzubeissen. Dabei drängten sich oft mehrere Individuen zugleich nach der Angel und machten sich den Köder unter heiserem Gegacker streitig, bis es einem oder dem anderen gelang den Platz allein zu behaupten, wobei die jungen Vögel stets vor den alten weichen mussten. Mehrmals wurde der aus einem Fisch- stückchen bestehende Köder von dem Angelhaken abgelöst, ohne dass ein Vogel sich ver- fing. Endlich blieb das oben besprochene alte Männchen hängen und wurde an Bord ge- zogen. Hier suchte. es sich nicht bloss durch Thranspeien, sondern auch durch Schnabelhiebe zur Wehr zu setzen. Bei der Section desselben fanden sich im Vor- und Muskelmagen einige Fischreste und Sepienschnäbel und in letzterem auch ein paar Federn. Desgleichen gab es in beiden Mägen einige Nematoideen und im Darme sehr zahlreiche kleine Bandwürmer, deren Be- schreibung an einem anderen Orte gegeben werden soll. Am 44 Juli in 46° n. Br. gelang es mir, bei wiederum windstillem Wetter, auch den oben erwähnten jungen Vogel an Bord zu ziehen.

Schlussfolgerungen.

Ehe wir aus den obigen Erfahrungen einige allgemeinere Schlüsse über den ornitholo- gischen Charakter desAmur-Landes abzuleiten versuchen, erlaube man uns noch Einiges zur Ergänzung des Materiales nachzutragen, was sich theils ausälteren, direkt auf das Amur- Land bezüglichen Nachrichten entnehmen, theils aus den Erfahrungen in den Nachbargebieten vermuthungsweise auch auf das Amur-Land beziehen lässt.

Wie man bemerkt haben wird, sind in den obigen Blättern nur diejenigen Formen be- sprochen worden, welche theils von uns selbst, theils von Hrn. Maack im Amur-Lande be- obachtet und zumeist auch erbeutet und mitgebracht worden sind. Dass damit die ornitho- logische Fauna dieses. weiten Landes nicht im Entferntesten erschöpft sein kann, versteht sich von selbst. Namentlich dürfte, ın dem Umfange wie wir hier das Amur-Land betrachten, der oberste Theil desselben, das Quellland des Amur-Stromes oder das sogenannte Daurien, das wir nur flüchtig berührt haben, am schwächsten davongekommen sein.. Dieses ist aber gerade derjenige Theil des ganzen Amur - Systemes, aus dem uns schon durch die älteren Reisenden Sibirien’s, durch Messerschmidt, Gmelin, Steller und Pallas viele schätzens- werthe Nachrichten vorliegen. Mögen nun auch manche dieser Nachrichten bei dem gegen- wärtigen, fortgeschrittenen Standpunkte der systematischen Ornithologie wiederholter Prüfung

320 Vögel.

und Beleuchtung durch neuere und massenhaftere Erfahrungen bedürfen, so haben doch die meisten derselben, Dank dem klaren Blicke eines Pallas, auch für die Gegenwart ihren vollen Werth. Vergleichen wir nun diese älteren, in der Zoographia Rosso-Asiatica niedergelegten Erfahrungen, soweit sie auf die Vogelfauna Daurien’s Bezug haben, mit den unsrigen, so sind allerdings die meisten der schon Pallas bekannt gewesenen Arten auch von uns sei es im Quelllande, sei es im mittleren oder unteren Laufe des Amur-Stromes gefunden und dem- zufolge auch oben mit Bezugnahme auf die früheren Nachrichten besprochen worden. Den- noch begegnen wir in der Zoographia manchen speciell für Daurien genannten Vögeln, die weder von Hrn. Maack, noch von mir gesehen worden sind. Diese müssen wir daher, wo es sich um allgemeinere Bemerkungen über die ornithologische Fauna des gesammten Amu r- Landes auf Grundlage der bisherigen Erfahrungen handelt, nothwendig mit in Betracht ziehen. Solche von uns nicht bemerkte, von Pallas dagegen bald für Daurien überhaupt, bald mit speciellerer Angabe des Fundortes namhaft gemachte Arten sind:

Gypaötos barbatus L. auf den höchsten Alpen zwischen den Tschikoi- und Ononquellen. Aguila Chrysaötos L. (nobilis Pall.) in sonnigen Alpengegenden. . Buteo Lagopus Brünn. häufig. Cypselus Apus L. cum Var. ß. leucopyga (C. caffer Licht.) in sonnigen Gegenden an ein- zelstehenden Felsstöcken sehr zahlreich. Acanthylis Ciris Pall. (wenn es eine von A. caudacutaLath. in der That verschiedene Art sein sollte, s. oben) mehrmals von fern gesehen. Caprimulgus europaeus L. (Hir. Caprimulgus Pall.). Alauda cristata L. (galerita Pall.). » mongolica Pall. in den dürren, salzhaltigen Ebenen des transalpinen Daurien’s zwischen Onon und Argunj häufig. Emberiza fuscata Pall. auf Wiesen und Flussinseln, besonders am Onon häufig. » Chrysophrys Pall. mit E. pusilla in den Weiden- und Lärchenbeständen der Ge- birge, aber weniger häufig.

Fringilla carduelis L. nach Messerschmidt an der Ingoda.

Fregilus Graculus L. in Transbaikalien sehr gemein.

Motacilla citreola Pall. (citrinella Pall.) sehr zahlreich. '

Turdus obscurus Gm. (pallens Pall.) in den Gebüschen der Flussufer im Frühjahr häulig. » ruficollis Pall. in den Lärchenbeständen der Gebirge, besonders an der Konda sehr

häufig. n

» sibiricus Pall. (leueocillus Pall.) einmal auf dem. Frühjahrsdurchzuge beobachtet. » saxatlis L. in ganz Transbaikalien häulig.

Oriolus Galbula L. in waldigen Gegenden hin und wieder.

Accentor montanellus Pall. erscheint gegen Ende des Februar zahlreich in Transbaika

lien und vertheilt sich paarweise durch die Gebüsche.

Schlussfolgerungen. 921

Saxicola Oenanthe L. (Mot. vitiflora Pall.) in sonnnigen Felsgegenden jenseits des Baikal sehr häufig. » albifrons Brandt (Mot. strapazina Pall.)') mit der vorigen inDaurien allenthal- ben häufig. | » leucomela Pall. Lusciola Cyane Pall. in den Ebenen zwischen Onon und Argunj, sehr selten. » . svecica L. (Mot. coerulecula Pall.) erscheint im April. .

» caligata Licht. (Mot. Salicaria Pall.) in den Weidengebüschen der Flussufer hin und wieder. Lanius Collurio L. in Felsgegenden häufig.

» brachyurus Pall.(?)”) in sonnigen Gegenden. Muscicapa grisola L. Var. daurica Pall.(?) in sonnigen Gegenden am Onon. » albıcılla Pall.°) in den Weidengebüschen der Bäche, besonders am Onon im

Frübjahr häufig. Hirundo alpestris Pall. in gebirgigen Gegenden sehr häufig. Columba livia Briss. (Oenas Pall.) Var. rupestris Pall. in den sonnigen Felsgegenden des transalpinen Daurien’s sehr zahlreich. Perdix cinerea Briss. Var. daurica Pall. (mit verschossenerer Färbung) an sonnigen Fels- abhängen im Herbst häufig; im Winter oft unter den Schnee sich vergrabend. » Coturnix L. Var. häufig.

Thaumalea pieta L. im südlichen Daurien, im Sommer bisweilen bis zum Amur; auch im Nertschinsker Districte angetroflen. Ortygometra minuta Pall. an den Salzseen in der die Gobi fortsetzenden Ebene zwischen Onon und Argunj. ? Grus Antigone L. in sonnigen, wasserreichen Gegenden, besonders am Argunj und Dalai- Noor, häufiger als Gr. cinerea. » Virgo L. in wasserreichen Gegenden, besonders am Argunj und Dalai-Noor häufig. » Vipio Pall.(?) hält sich nach Gmelin mit der vorhergehenden in denselben Gegen- deu auf. Charadrius cantianus Lath. (alexandrinus Pall.) an den Salzseen zwischen Onon und Ar-

gunj im Mai sehr zahlreich. Recurvirostra Avocetta L. in sonnigen Gegenden.

l) Keyserling und Blasius (Die Wirbelth. Eur. p. LIX.) glaubten, dass diese Art vielleicht mit S. saltatrix Menetr. identisch sein dürfte. .

?2)Gloger (Handb. der Naturgesch. der Vögel "Eur. I. p- 134.) bringt ihn zu I. rufus Briss. oder rwficeps Bechst., der nach Keyserling und Blasius (l. c. p. LX.) in Russland nicht beobachtet worden ist.

3) Gloger (l. c. p. 403.) halt sie zwar für synonym mit M. atricapilla L. oder luetuosa Temm., giebt aber den- noch die Verbreitung dieser letzteren nur bis zur Westgränze Sibirien’s, d. h. ohne Berücksichtigung der Angaben von Pallas für M. albicilla an.

Schrenck’s Amur-Reise Bd. 1. 66

322 Vögel.

Numenius Phaeopus L. nach Gmelin in Transbaikalien. Platalea Leucerodius L. an den Seen am Argun]j. Anas Tadorna L. an Salzseen.

» rutila Pall. jenseits des Baikal.')

» fusca L. (Carbo Pall.) nach Messerschmidt. Pelecanus crispus Bruch (Onocrotalus Pall.) am Baikal, häufiger am Dalai-Noor’°).

* Von diesen Arten mögen manche auf das Quellland des Amur-Stromes beschränkt sein und in das untere Amur-Land nicht mehr vordringen; so namentlich die ausgesprochenen Steppenformen Innerasiens, wie Alauda mongolica u. a., oder aber solche Formen, die ihre grösste Verbreitung im Westen der alten Welt haben, nach Osten dagegen allmählig seltner werden und in Daurien endlich abbrechen, um noch weiter estwärts durch ähnliche Formen ersetzt zu werden, wie z. B. Oriolus Galbula, an dessen Stelle im Amur-Lande ©. cochinchi- nensis tritt, Caprimulgus europaeus, der weiterhin durch C. Jotaka ersetzt wird, u. s. w. Von anderen und den meisten der oben genannten Arten lässt sich dagegen um so mehr vermuthen, dass sie auch dem übrigen Amur-Lande nicht ganz fehlen dürften, als man sie auch ostwärts von Daurien, im näheren oder ferneren Umkreise des mittleren und unteren Amur-Landes angetroffen hat. So nennt Pallas selbst manche derselben zugleich auch für die Kurilischen Inseln und Kamtschatka, andere hat Middendorff im Stanowoi-Gebirge oder an der Südküste des Ochotskischen Meeres und also unmittelbar nördlich vom unteren Amur- Lande gefunden; noch andere endlich sind uns zugleich auch aus Japan, aus dem östlichen China u. s. w. bekannt. Wir stellen diese Arten nachfolgend mit Angabe der uns bekannten, dem unteren Amur-Lande zunächst gelegenen östlichsten Fundorte zusammen, aus denen sich zum Theil auch ersehen lässt, ob man sie ausschliesslich oder vorzüglich im nördlichen oder im südlichen Theil des Amur-Landes zu erwarten hat°).

!) Für diese und einige andere der oben angeführten Arten, namentlich für Num. Phaeopus, Sax. Oenanthe, Acc. montanellus, Turd. saxatilis und Freg. Graculus nennt Pallas zwar nicht speciell Daurien als Fundort, sondern im Allgemeinen die transbaikalische Gegend, worunler aber ersteres, wie sich aus dem Ganzen ersehen lässt, mit verstanden sein dürfte.

2) In diesem Verzeichniss der von Pallas genannten daurischen Vögel sind nur ein paar kleinere, wie Motac. (Phyllopneuste) Trochilus Pall. und Tringa salina Pall., deren Deutung noch gar zu problematisch sein dürfte, weg- gelassen worden.

3) Der Kürze wegen geben wir hier und im Nachfolgenden bei jedem Fundorte die Quelle, der wir die Angabe entnehmen, nur mit dem eingeklammerten Anfangsbuchstaben an, wobei (P.) für Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. steht, (B.) für Brandt, Consid. sur les anim. vertebr. de la Siber. oceid., (M.) für Middendorff, Sibirische Reise, (Mn.) für Menetries, Catal. raisonne& ete., (MP.) für Museum Petropolitanum, (W.) für Wosnessenski in Middendorff's Isepiptesen Russlands, p. 123 M., (T.) für Temminck, Man. d’Ornith. IH. u. IV., (S.) für Siebold, Fauna Japon. Aves, (C.) für Cassin, Narrat. of the Exped. of an Amer. Squadr. to the China seas and Japan. Zool. in Cab. Journ. für Ornith. VI. Jahrg. p. 445 fl., (G.) für Gould, The Birds of Austr., (N.) für Naumann, Naturgesch. der Vögel Deutschl., (K. u. Bs.) für Keyserling und Blasius, Die Wirbelth. Europa’s, (Bl.) für Blyth, (F.) für James Franklin, (H.) für Hodgson, (Ph.) für Philips, (Sk.) für Sykes, (St.) für Strickland, die letzteren sämmtlich in den Proceed. of the Zool. Soc. of London.

Schlussfolgerungen. 523

Gypaötos barbatus L. Gebirge zwischen Lena und Amur (P.). Aquila Chrysaötos L. Japan (S. nach einer japanischen Zeichnung). Buteo Lagopus Brünn. Kurilen und Kamtschatka (P.) '). Emberiza fuscata Pall. Japan ($.). Motacilla eitreola Pall. Kanitschatka (P.). Turdus obscurus Gm. Udskoi-Ostrog (M.), Japan (S.). » ruficollis Pall. Amginskaja Ssloboda, Stanowoi-Gebirge (M.). » sibiricus Pall. Japan (T., S.). Aeccentor montanellus Pall. Stanowoi-Gebirge (M.). Lusciola svecica L. Udskoi-Ostrog (M.), Peking (MP.). Hirundo alpesıris Pall. (rufula Temm.) Japan (Var. japonica S., T.). Columba livia Briss. Japan (T.). Perdix cinerea Briss. Japan (P.).°) » Coturnie L. Jesso (C.), Japan (eine etwas lebhafter gefärbte Varietät. S., T.), China (St.). Thaumalea picta L. bis an den Amur (P.), China (St.), Japan (T.). Ortygometra minuta Pall. (pusila Gm.) Japan (T.). Charadrius cantianus Lath. Japan (Var. mit längerem Schnabel. C.). Numenius Phaeopus L. Kamitschatka (P.), Japan (T.). Platalea Leucerodius L. China (P.). Anas Tadorna L. Japan (T., S.), Macao (C.). » rutıla Pall. Japan (S.). » fusca L. ganz Sibirien, Ochotskisches Meer, Kamtschatka (P.), Japan (T.). Ausser den von Pallas für Daurien und somit für einen Theil des Amur-Landes di- rekt erwiesenen Arten, möchten wir nun ferner auf einige andere aufmerksam machen, die zwar weder von Früheren, noch von uns in irgend einem Theile des Amur-Landes beobachtet worden sind und deren Vorkommen in demselben dennoch ‘mehr als wahrscheinlich ist. Es sind dies solche Arten, die sowohl nördlich vom Amur-Lande, in Ostsibirien, am Sta- nowoi-Gebirge, am Ochotskischen Meer und bis nach Kamtschatka, als auch südlich von demselben, inChina, Japan u. s. w. angetroffen worden sind, und die also ohne Zweifel auch das Amur-Land zum Theil bewohnen, zum Theil so weit es Zugvögel sind auf kürzere oder längere Zeit, sei es auf dem Durchzuge, sei es um dort zu brüten, besuchen. So die folgenden: Aquila imperialis Bechst. (Chrysaötos Pall.) Ostsibirien (im Gebiete der Jakuten), Kamtschatka (P.), Indien (Ph.). Buteo vulgaris Bechst. Stanowoi-Gebirge, Fluss Polowinnaja (M.), Japan (Var. F. Buteo japonicus Temm. et Schleg. S.).

!) Pallas führt eine kurilische, einekamtschatkische u.eine korjakische Bezeichnung für diesen Bussard an.

?) Bei Pallas findet sich eine japanische Bezeichnung für das graue Feldhuhn. *

924 Vögel.

Pernis apivorus L. (Accip. lacertarius Pall.) ganz Sibirien (P.), Japan (S.). Emberiza variabilis Temm. Kamtschatka (MP.), Japan (S.). Fringilla flavirostris L. (montium Gm.) Nordeuropa und Nordasien (N.), Japan ($.). Parus major L. (Fringillago Pall.) ganz Sibirien bis Kamtschatka (P.), Udskoi-Ostrog (M.), Japan (eine kleinere Var., P. minor Temm. et Schleg. T., S.). Bombyecilla Garrula L. Udskoi-Ostrog, Stanowoi-Gebirge (M.), Japan (T., S.). Anthus aquaticus Bechst. Westsibirien (B.), Kamtschatka (MP.), Japan (T.). Turdus Whitei Eyton (varius Pall.) Bargusin (P.), Japan (T., S., MP.). Phyllopneuste coronata Temm. et Schleg. Birjussa, Fl. Polowinnaja (M.), Japan (S.). Lanius Exeubitor L. Syrjan-Fluss am Ochotskischen Meer (M.), Indien (F.). Lagopus alpinus Nilss. (mutus Leach). Nordsibirien bis Kamtschatka (M.), Mandshu- rei (M. vermuthungsweise), Japan (?S. nach japanischen Zeichnungen). Charadrius Hiaticula L. (minutus Pall.) Westsibirien (P., B.), Stanowoi-Gebirge (M.), Japan (T.). , Strepsilas Interpres L. (collaris Meyer) Kamtschatka (MP.), Schantarische Inseln (M.), Japan (T., S. nach einer japanischen Zeichnung). Totanus fuscusBriss. Lena, Inseln zwischen Nordasien und America (P.), Indien (Bl.). » pulverulentus Müll. (Tringa Glareola Pall) West- und Nordsibirien, Kam- tschatka (P.), Südküste des Ochotskischen Meeres (M.), Japan (S.), Neu- holland (G.). » Calidris L. Ujakon an der Südküste des Ochotsk. Meeres, Schantarische Inseln (M.), Japan (T.), Indien (Bl.). Phalaropus rufescens Briss. (rufus Pall.) Kolyma, Kamtschatka, Kurilen (P.), In- dien (Bl.). Limosa rufa Briss. Südküste des Ochotskischen Meeres (M.), Japan ($.). » aegocephala L. (melanura Leissl.) Schantarische Inseln (M.), Japan (T., S.). Machetes pugnax L. Sibirien bis in den hohen Norden, Kamtschatka (P.), China (St.), Indien (Bl.). Calidris arenaria L. (Tringa tridactyla Pall.) Baikal, Küsten des Stillen Oceans (P.), Japan (T.). Tringa (Limicola) pygmaea Lath. Südküste des Ochotskischen Meeres (M.), Bengalen (K. u. Bs.). Scolopax rusticula L. Stanowoi-Gebirge (M.), Japan (T., S.), Indien (Bl.). » solitaria Hodgs. Stanowoi-Gebirge, Udskoi-Ostrog (M.), Japan (S., C.), Nepal (H.). Anser albifrons L. Kamtschatka (P., W.), Südküste des Ochotskischen Meeres (M.), Japan, (T., S.) China (St.). . » Ayperboreus Pall. Nordsibirien, Kamtschatka (P.), Ajan am Ochotsk. Meer (W.), Korea, Japan (T., S.).

Schlussfolgerungen. 925

Anas Querquedula L. Udj- Mündung am Ochotsk. Meer (M.), Ostindien (K. u. Bs.). » streperaL. Stanowoi-Gebirge, Südküste des Ochotsk. Meeres (M.), Japan (T.,S.), Indien (Sk.). » nigra L. (atra Pall.) Nord- und Ostsibirien (P.), Japan (T.). » ferina L. ganz Sibirien auch der Osten (P.)'), Indien (Bl.). Podiceps eristatus L. (Colymb. cornutus Pall.) ganz Sibirien, Kamtschatka (P), Japan (T.). » auritus Briss. ganz Sibirien (P.), Japan ($.).

Dass wir mit diesen Arten gewiss auf eine Lücke unserer Erfahrungen im Amur-Lande treffen, kommt mir um so wahrscheinlicher vor, als die meisten derselben, die Wad- und Sehwimmvögel, vorzüglich im Küstengebiete des Amur-Landes zu erwarten sind und wir dieses am wenigsten kennen lernen konnten.

Kaum mit geringerer Wahrscheinlichkeit als die erwähnten Arten, deren Verbreitung mehr oder weniger in Meridianrichtung über das Amur-Land hinweggeht, lassen sich für dasselbe ferner solche Formen vermuthungsweise anführen, die quer durch die ganze alte Welt verbreitet sind und auch am Ostrande derselben,.in den dem Amur-Lande nach Norden oder Süden unmittelbar benachbarten Gegenden gefunden worden sind. Unter diesen haben wir einmal vorzugsweise nordische Vögel zu nennen, deren Verbreitung quer durch Sibirien bis an den Ostrand desselben entweder schon Pallas bekannt war, oder aber von späteren Reisenden nachgewiesen worden ist. Solche Arten sind:

Falco Aesalon L. Westsibirien (P., B.), Aldan, Udskoi-Ostrog (M).

Fringilla arctoa Pall. Westsibirien (B.), Ostsibirien, Kurilen (P.), Ajan (W.).

Cinclus leucogaster Eversm. (wenn eine besondere Art) Westsibirien (B.), Udskoi- Ostrog (M.).

Turdus musicus L. (pilarıs Pall.) ganz Sibirien bis Kamtschatka (P.), Udskoi-Os- trog (M.).

Lusciola erythronota Eversm. (wenn eine besondere Art) Westsibirien (B.), Udskoi- Ostrog (M.).

Phyllopneuste Eversmanni Bonap. Boganida, Stanowoi-Gebirge (M.).

Totanus stagnatilis Bechst. (Tringa Guinetta Pall.) Westsibirien (P.,B.), Ochotskisches Meer (M.).

Anas glacialis L. ganz Sibirien bis Kamtschatka (P.), Stanowoi-Gebirge (M.).

» Marila L. Westsibirien (B.), Südküste des Ochotskischen Meeres (M.).

Lestris pomarina Temm. Nordsibirien bis Kamtschatka (P.), Udj-Mündung an der Südküste des Ochotskischen Meeres (M.).

Larus minutus Pall.e. Nord- und Westsibirien (P., B.), Stanowoi-Gebirge, Südküste des Ochotskischen Meeres (M.). s

l) Bei Pallas findet man einen tungusischen und einen j akutischen Namen für diese Ente.

526 Vögel.

Neben diesen nördlichen sind hier auch einige südlichere Formen zu erwähnen, deren continuirliche Verbreitung durch die ganze Breite der alten Welt weniger erwiesen ist, da man sie entweder nur von den beiden diametralen Endpunkten derselben, Europa und Japan, oder aber im Westen nur bis nach Westsibirien, im Osten aus Japan kennt. In Ostsibirien sind sie bisher nicht beobachtet worden und kommen dort vielleicht auch nieht mehr vor, indem sie vermuthlich in südlicheren Breiten, durch Innerasien und China bis zum Ostrande der alten Welt verbreitet sind. Dass aber diese Formen oder doch viele unter ihnen wenn sie gleich Ostsibirien fehlen sollten, dennoch im südlichen Amur- Lande sich finden dürften, wird uns, abgesehen von der südlicheren Lage und dem klimatisch südlicheren Charakter des letzteren, auch durch manche oben besprochene analoge Fälle sehr wahrscheinlich. Wir werden auf diesen Punkt später noch zurückkommen und erinnern hier nur zum Belege für solche südlichere, dem Amur-Lande mit Japan und Europa oder West- sibirien gemeinsame, dem rauheren Osten Sibirien’s dagegen fehlende Formen an Ardea alba, Ciconia alba u.a.m. Von solchen Vögeln nun lassen sich im südlichen Amur-Lande mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit noch folgende erwarten:

Strix flammea L. südliches Europa, Indien (K. u. Bs.), Japan (T.). » Aluco L. Europa, Kleinasien (K. u. Bs.), Japan (T.). » ‚Scops L. Westsibirien (P.,B.), Japan (eine rostfarbnere Var., Str. Scops japonicus Temm. et Schleg., S.). Coracias Garrula L. Westsibirien (P., B., MP.), Japan (T.). Parus coeruleus L. Westsibirien (B.), Japan (T.). Corvus frugilegus L. Westsibirien (P., B.) '), Japan (T.). Troglodytes parvulıs Koch Caspisches Meer (P.), Westsibirien (B.), Japan (eine etwas grössere und dunklere Var., Trogl. fumigatus Temm., S.). Turdus Merula L. Westsibirien (B., MP.), China (St.), Japan (S. nach einer ähnlichen japanischen Zeichnung). Accentor modularis L. Europa, Kleinasien (K. u. Bs.), Japan, (eine röthlichere und kurzschwänzigere Var., Acc. modularis rubidus Temm. et Schleg., S.). Sylvia atricapilla Briss. Kaukasus (Mn.), Kleinasien, Syrien (K. u. Bs.), Japan (T.). Salicarıia turdoides Meyer (Turdus Junco Pall.) Caspisches Meer (P.), Westsibirien (B.), Japan (eine kleinere Var., Sal. turdina orientalis Temm. et Schleg.,T.,S.,C.). » eisteola Temm. Mittelmeerküsten (K. u. Bs.), Japan (Var. mit einfarbig braunem Scheitel, Sal. brunniceps Temm. et Schleg., T.,S.), Manila (MP.). Perdix rubra Briss. Persien, Buchara (P.), Japan (T.). Ortygometra pygmaea Naum. (Gallin. Baillonii Vieill) Westeuropa (K. u. Bs.), Ja- pan (T.).

!) In Middendorff’s Isepiptesen Russland’s p. 38. findet man C. frugilegus auch vom Ulbanj-Busen am Ochotskischen Meere angeführt, in dessen Sibirischer Reise aber wird seiner nicht erwähnt.

Schlussfolgerungen. 927

' Rallus aquaticus L. Westsibirien (P., B.), Japan (T., S.). Gallinula chloropus L. Westsibirien (P., B.), China (St.), Japan (Var. mit isabellfar- benen seitlichen Unterschwanzdeckfedern. T., S.), Liu-Kiu-Inseln (C.). Ardea purpurea L. Caspisches Meer, Irtysch (P.), Westsibirien (B.), Japan (T.). » Garzeita L. Gaspisches Meer und Aral- See nebst Zuflüssen (P.), Westsibirien (B.), China (St.), Japau (T., S.). » russata Wagl. Kaukasus (MP.), Indien, Sunda-Inseln, Japan (T., S.). » minuta L. Südrussland (MP.), Japan (T.). » Nyeticorax L. Caspisches Meer nebst Zuflüssen (P.), Westsibirien (MP.), Japah (TirS): Pelecanus Onocrotalus L. Osteuropa (K..u. Bs.), Kaukasus (Mn.), Japan (T.). Larus Ichthyaetus Pall. Caspisches Meer (P., Mn.), Indien (T.), Japan (C.).

Da, wie schon oben erwähnt worden, das Küstengebiet des Amur-Landes in dem Um- fange, wie wir es hier auffassen, nämlich mit Hinzuziehung der Küstemin der Meerenge der Tartarei und der Insel Sachalin, von uns wenn auch mehrmals, jedoch immer nur flüchtig oder nicht zur gelegenen Zeit berührt worden ist, so kann das Verzeichniss der Wad- und Schwimmvögel jener Gegenden auch nur ein sehr unvollständiges sein. Höchst wahrschein- lich dürften sich dort alle diejenigen Arten finden, die von den Küsten Kamtschatka’s, der Kurilen und aus dem Ochotskischen und Japanischen Meere bekannt sind. Verweisen wir jedoch unter diesen hauptsächlich nur auf diejenigen, die zum Theil schon von Pallas, zum Theil von Späteren von den Kurilen und aus dem Ochotskischen Meere genannt wer- den, da diese ohne Zweifel auch an den Küsten Sachalin’s vorkommen dürften. Es sind dies

folgende Arten '):

Tringa maritima Brünn. (arquatella Pall.). Haematopus niger Pall. Anser Brenta Pall. Anas spectabilis L. Phalacrocorazx bieristatus Pall. (auch in Japan. S.). Colymbus torquatus Brünn. (glacialis L.). Uria (Cepphus) Columba Pall. » Lomvia Brünn. Phaleris mystacea Pall. (auch in Japan. S.).

1) Die von Pallas nur mit der allgemeinen Angabe «aus dem östlichen Ocean» angeführten Arten sind hier nicht aufgenommen worden; ebensowenig die noch gar zu problematischen Arten, wie Procellaria aequinoctialis Pall., welche Temminck und Schlegel für identisch mit Puffinus tenuirostris Temm. halten, Procell. (Thalassidroma) pe- lagica P'all., die jedenfalls von der gleichnamigen Art Linne&’s verschieden ist (s. oben), u.a. Endlich sind hier auch solche Arten übergangen worden, die leicht durch Verwechselung mit anderen angeführt sein können, so Sterna Hi- rundo mit St. longipennis, Numenius arguata mit N. australis u. s. w.

328 Vögel.

Ombria psittacula Pall. (auch bei Ajan nach W. und an der Südküste des Ochotskischen Meeres nach M.). Mormon Fratercula Briss. (Lunda arctica Pall.). » glaciale Leach (vonP. nicht genannt, nach W. beiAjan, nach T. aufKamtschatka, den Kurilen und Sachalin). » corniculatum Kittl. (von P. nicht genannt, nach M. an den Südküsten und Inseln des Ochotsk. Meeres). Alca Torda L. Lestris parasita Brünn. Larus glaucus Brünn. » tridactylus L. (Rissa Pall.). Thalassidroma furcata Gm. (Proc. orientalis Pall.).

Endlich müssen wir hier noch an einige Arten erinnern, die Pallas zum Theil für ganz Sibirien, zum Theil besonders für den Osten desselben anführt. Diesen fügen wir ferner einige Arten hinzu, die, ohne bis an den Ostrand Sibirien’s verfolgt worden zu sein, doch in der Nähe des Amur-Landes gefunden worden sind. Auch mag hier endlich einer von Midden- dorff in der nächsten Nähe des Amur-Landes, nämlich bei Udskoi-Ostrog und auf den Schantarischen Inseln entdeckten Art gedacht sein, da diese Vögel sämmtlich mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit auch im Amur-Lande sich erwarten lassen.

Strix barbata Pall. Ostsibirien.bis Kamtschatka (P.).

» Tengmalmi Gm. (passerina Pall.) Sibirien (im Gebiete der Burjaten und Tun- gusen. P.). un 2 Circus aeruginosus L. (Aceip. Circus Pall.) in Sibirien allenthalben (P.). Parus pendulinus L. Jenissei und Angara (P.). .

Turdus tliacus L. (Illas Pall.) Irkutsk (M.). » pilaris L. Ostsibirien (MP.). Salicaria (Calamoherpe) ochotensis Midd. Udskoi-Ostrog, Schantarische Inseln (M.). Lanius major Pall. ganz Sibirien, Lena (P.). Columba rupicola Pall.(?) Baikal, Bargusin (P.). Tetrao Urogallus L. ganz Sibirien bis Kamtschatka (P.). Charadrius morinellus:L. ganz Sibirien (P.). Scolopax major J. Fr. Gm. (palustris Pall.) Sibirien (P.). Phalacrocorax Graculus L. am Baikal sehr zahlreich (P.).

Damit glauben wir diejenigen europäischen und sibirischen Arten bezeichnet zu haben, denen man auch im Amur-Lande zu begegnen am ehesten rechnen darf. Ausserdem werden sich aber in demselben ohne Zweifel auch noch manche Europa und Sibirien fehlende und dagegen China, Japan und überhaupt dem südöstlichen Asien eigene Arten finden, wie wir dergleichen schon manche kennen gelernt haben. Welche es jedoch sein dürften, darüber lässt

sich vor der Hand auch nicht einmal vermuthungsweise was sagen.

Schlussfolgerungen. 529

Mit Einschluss der oben erwähnten, von Pallas für Daurien genannten Arten beläuft sich alse die Zahl der aus dem gesammten Amur-Lande gegenwärtig uns bekannten Vögel auf 23% Arten '), was natürlich auch nicht annähernd die volle Zahl der dort vorkommenden Vögel sein kann. Auch lehrt uns eine Vergleichung mit der Fauna der angränzenden Länder, wir meinen Sibirien’s einerseits, China’s, Japan’s u. s. w. andererseits, schon jetzt einige bedeutende Lücken in unseren Erfahrungen über das Amur-Land erkennen. So lassen sich namentlich etwa 33 Arten anführen, deren Vorkommen im Amur-Lande zwar noch nicht beobachtet und dennoch so gut wie unzweifelhaft ist, da sie sowohl nördlich, als südlich von demselben angetroffen worden sind; desgleichen kann man etwa 67 Arten bezeichnen, die theils in Folge ihrer Parallelverbreitung durch die ganze Breite der alten Welt bis zu den dem Amur-Lande unmittelbar benachbarten Gegenden, theils wegen ihres Vorkommens auf den dieses letztere be- spühlenden Meeren u. s. w. mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit auch im Amur-Lande, sei es an der Küste, sei es im Binnenlande, erwartet werden dürfen. Von einer numerisch- statistischen Abschätzung der gesammten ornithologischen Fauna des Amur - Landes und ihrer einzelnen Theile im Vergleich zu anderen Faunengebieten kann also gegenwärtig noch nicht die Rede sein. Wohl aber lassen sich schon jetzt einige charakteristische Züge in der geographischen Zusammensetzung derselben erkennen.

Wie unter den Säugethieren des Amur-Landes, so fällt es auch in der Vogelfauna des- selben sogleich in die Augen, dass der bei Weitem überwiegende Theil derselben aus euro- päisch-sibirischen Formen besteht Formen, die über den ganzen Norden der alten Welt (und manche auch der neuen) von Europa bis zu-den Ostküsten Sibirien’s oder bis Japan verbreitet sind. Nächstdem finden wir im Amur-Lande am meisten solcher Arten, die zwar Europa ganz oder zum wenigsten in seinem grössten Theile und als regelmässige Bewohner fehlen, die uns aber aus Sibirien, sei es in seiner ganzen Breite, sei es in seinem östlichen oder südlichen Theile allein, bekannt sind. Zu diesen.sibirischen und europäisch-sibi- rischen Grundelementen, die wir zusammen die nordasiatischen nennen können, gesellt sich endlich im Amur-Lande noch eine Anzahl solcher Arten, die bisher weder in Europa, noch in Sibirien beobachtet worden sind, und die vielmehr nach den bisherigen Erfahrungen ausschliesslich dem Süden und Südosten der alten Welt angehören. Wir wollen sie süd- asiatische Formen nennen. Aehnliches konnten wir zum Theil auch in der Säugethier- fauna des Amur-Landes bemerken. Wir erinnern hier bloss an Canis procyonoides, Antilope erispa u.a.m. Während jedoch unter den Säugethieren solche Europa und Sibirien fremde Formen nur wenig zahlreich und diese wenigen auch nur aus den unmittelbar angränzenden Ländern, aus China und Japan entlehnt sind, ist es unter den zu grösserer Ortsveränderung und somit zu weiterer, wenn auch zum Theil nur periodischer Verbreitung befähigten Vögeln anders. ‘Unter ihnen giebt es im Amur-Lande im Vergleich zu den Säugethieren viel zahl-

I) Die in unserem Verzeichniss aus dem Meere der Kurilen angeführten beiden Sturmvögel, Procellaria gla- cialis und Thalassidroma Leachii, nicht mitgerechnet. Schrenck’s Amur-Reise Bd. 1. 67

930 Vögel.

reichere und aus entlegeneren Gegenden stammende, der sibirischen Fauna fremde Formen lauter Zugvögel natürlich, nicht benöthigt die Härte und Nahrungslosigkeit des Winters in den Breiten zu tragen, wo sie der Sommer findet. So begegnen uns unter den Vögeln des Amur-Landes Gestalten aus China und Japan, aus dem Himalaya-Gebirge und Ostin- dien, von den Philippinen, Molukken, Sunda-Inselo, ja sogar aus Neuholland. Die Einmischung dieser Formen unter die uns allbekannten europäischen und sibirischen ist es, welche der Fauna des Amur-Landes einen eigenthümlichen, von der sibirischen abstechenden Charakter giebt. Auf das Vorstehende verweisend, erinnern wir hier nur an folgende, dem Amur-Lande theils und zumeist mit Südasien, theils mit Neuholland gemeinsame Arten:

Acanthylis caudacuta. Zosterops chloronotus. Caprimulgus Jotaka. Salicaria Addon. Cuculus sparvervoides. Muscicapa cinereo-alba. Emberiza personata. » hylocharıs. Sturnus cineraceus. Pericrocotus cinereus. Pastor sturninus. Phasianus torquatns. Oriolus cochinchinensis, Var. indica. Ardea virescens, Var. scapularis. Turdus daulias. » cinnamomea.

» chrysolaus. i Anas galericulata.

Zu diesen Arten müssen wir nach Pallas’ Nachrichten über Daurien noch Emberiza fuscata') und Thaumalea picta bringen. Auch gehören hierher sehr wahrscheinlich diejenigen wenigen Arten, die wir bisher nur aus dem Amur-Lande kennen; so die neuentdeckte Sali- caria Maackii und nach Pallas’ Erfahrungen Emberiza Chrysophrys, Lusciola Cyane und die noch zweifelhaften Arten Z,anius brachyurus und Grus Vipio. Da es für das Amur-Land ebenfalls nur Zugvögel sind, so wird man sie ohne Zweifel auch in südlicheren Breiten, sei es in China oder Japan, sei es noch südlicher finden.

Will man dieses Verhältniss der Zusammensetzung der Vogelfauna des Amur-Landes numerisch ausdrücken, so nehmen die europäisch-sibirischen Arten in der Gesammtzahl der uns bisher bekannt gewordenen Vögel des Amur-Landes weit über die Hälfte oder nahe an „7, ein, die sibirischen betragen etwas über „%,, und das übrige Zehntel wird von den Europa und Sibirien fremden, dem Amur-Lande mit Südasien und zum Theil mit Neu- holland a ae Formen gebildet. Fasstman die beiden ersteren zusammen, so giebt es im Amur-Lande auf -%, nordasiatischer „4; südasiatische Vogelarten. Damit soll aber keineswegs gesagt sein, dass dies auch das Verhältniss der vorzugweise nördlichen zu den

!) Wenn diese Art unter den europäischen Vögeln genannt wird, so berubt dies nach Keyserling und Bla- sias (Die Wirbelth. Europa’s, p. XXXIX.) nur auf dem einen, verloren gegangenen Buffonschen Exemplar der «Miti- lene de Provence», die Temminck seiner mit E. fuscata synonymen E. lesbia zuzählt, was jedoch noch sehr zweifel- haft ist, Auch hat man diese Art später niemals, sei es in Europa, sei es in Sibirien, wieder beobachtet. Im

besten Falle dürfte daher das Buffonsche Exemplar nur ein ausnahmsweise nach Europa verirrtes Individuum ge- wesen sein.

Schlussfolgerungen. 531

südlichen Formen im Amur-Lande sei. Da wir hier unter nordasiatischen Arten diejenigen verstehen, die irgendwo in Sibirien oder Europa beobachtet worden sind, so finden sich unter ihnen auch manche theils dem Norden und Süden Asien’s gemeinsame, theils auch vorzugsweise südliche, nur bis in den Süden Sibirien’s,oder Europa’s vordringende For- men. Nicht von dem Verhältniss der Arten nach Nord und Süd, sondern von der Beziehung der Amur-Fauna zu derjenigen Sibirien’s und Europa’s ist hier zunächst die Rede. Das oben angegebene Verhältniss bleibt sich gleich, ob wir bloss die von uns, Hrn. Maack und mir, im Amur-Lande beobachteten Arten in Rechnung bringen, oder ob wir auch die von Pallas für Daurien namhaft gemachten mit in Betracht ziehen ein Umstand, der uns für die annäbernde Richtigkeit des erwähnten numerischen Ausdruckes zu sprechen scheint. Sollte aber derselbe künftig, in Folge vollständigerer Kenntniss der Amur - Fauna auch in etwas abgeändert werden, so lässt sich doch so viel schon jetzt mit Bestimmtheit behaupten, dass der Hauptcharakter der Vogelfauna des Amur-Landes ein europäisch-sibi- rischer ist und dass dem gegenüber die Anzahl fremdländischer, südasiatischer oder gar neuholländischer Elemente nur sehr zurücktritt. Dennoch sind diese letz- teren Bestandtheile gerade diejenigen, welche der Amur-Fauna der europäisch - sibirischen gegenüber eine eigenthümliche, exotische Färbung geben. Wir werden daher auf dieselben weiter unten noch zurückkominen, zuvor aber erlaube man uns einige Worte über die orni- thologische Berührung des Amur-Landes mit dem geographisch nahe genug gelegenenN ord- amerika zu sagen.

Die ansehnliche, gewissermassen doppelte gegenseitige Annäherung der alten und neuen Welt im Norden des Stillen Oceans, einmal nämlich an der Behringsstrasse und dann durch die Brücke der Aleuten und Kurilen, die vonNordamerika nach Kamtschatka, Nordjapan und Sachalin und somit zum Amur-Lande hinüberführt, eine solche Annäherung der beiden Continente lässt uns diesen nördlichen Theil des Stillen Oceans gewissermassen als ein Binnen- meer erscheinen und berechtigt uns somit in den ornithologischen Faunen seiner Küsten eine nicht unbedeutende Uebereinstimmung zu erwarten. Wir meinen eine Üebereinstimmung, die nicht etwa von derjenigen ausginge, welche zwischen den Faunen aller in hohen Breiten, um das gemeinsame Bassin des Eismeeres gelegenen Länder stattlindet, sondern eine solche, die unabhängig von jener und über dieselbe hinaus auch an den nicht polaren Formen sich kund- gäbe. Dennoch dürfte es nach unserem obigen Ausspruche über die Zusammensetzung der Amur-Fauna nicht gerade scheinen, dass eine solche Uebereinstimmung in der That statt- fände. Hier ist jedoch zu bemerken, dass einmal die Uebereinstimmung in den Faunen jener Meeresküsten hauptsächlich an den Meeres- oder wenigstens Küstenbewohnern und also an den Schwimm- und Wadvögeln sich bekunden müsste, die von uns gerade am wenigsten ermittelt werden konnten, und dass wir ferner in den obigen Betrachtungen über die Zusam- ‚mensetzung der Amur-Fauna unter sibirischen Formen nicht immer nur solche verstanden haben, die ausschliesslich oder auch nur vorzüglich in Sibirien vorkommen, sondern über-

haupt nur solche Arten, die man ausser im Amur-Lande und früher als in diesem auch schon *

932 Vögel.

in Sibirien beobachtet hat. Unter ihnen kann es daher, abgesehen von den mehr oder weni- ger kosmopolitischen, beiden Welten in gleichem Maasse zukommenden Arten, auch solche geben, die, ob man sie gleich auch in Sibirien gefunden hat, dennoch vorzüglich der neuen Welt an- gehören und die somit als amerikanische Elemente in der Fauna Sibirien’s oder des Amur- Landes aufzufassen wären. Solcher Formen der Berührung zwischen, Nordostasien und Nordamerika lassen sich auch in der That mehrere anführen. Erinnern wir hier zunächst an das entschieden amerikanische Waldhuhn, Tetrao canadensis, das in der auch in Amerika verbreiteten Var. Franklinii in Sibirien nur um das Becken des Ochotskischen Meeres und im Amur-Lande vorkommt. Ferner an die ebenfalls hauptsächlich amerikanische dunkle Form des Wasserschwätzers, Cinclus Pallasii (C. americanus), die wir in Asien ebenfalls rund um das Becken des Ochotskischen Meeres von Kamtchatka bis nach Sachalin, ferner in Japan, am Baikal-See und, wenn C. tenuirostris Gould dieselbe Art ist, im Himalaya- Gebirge finden. Auch lässt sich trotz unserer noch sehr mangelhaften Kenntniss der Seevögel des Amur-Landes schon jetzt eine vielfache Uebereinstimmung derselben an den beidersei- tigen Küsten jenes oben bezeichneten Meeresbeckens nicht verkennen. Zum Belege mögen die gemeinsamen Uria-, Phaleris-, Mormon-Arten u. dgl. dienen. Unter den Vögeln des Binnen- landes bleibt jedoch dieseBerührung zwischen dem Amur-Lande und dem gegenüber- liegenden Nordamerika immer nur eine geringe und gegenüber den Beziehungen der Amur-Fauna zur südasiatischen oder gar sibirischen und europäisch-sibiri- schen völlig verschwindende. Aus diesem Grunde haben wir sie in der obigen annähern- den numerischen Abschätzung des Verhältnisses der Zusammensetzung der Amur-Fauna nicht wohl berücksichtigen können.

Kehren wir nun zu diesen letzteren Beziehungen der Amur-Fauna zurück, so lässt sich ferner bemerken, dass unter ihren südasiatischen, dem angränzenden Sibirien fremden Formen zumeist solche sich, finden, die das Amur-Land mitJapan gemein hat. Damit wollen wir keineswegs in Abrede stellen, dass in Zukunft vielleicht eine gleiche oder gar noch grössere Gemeinsamkeit der Formen zwischen dem Amur-Lande und Nordcehina nachgewiesen wer- den dürfte. Leider aber fehlt es uns gegenwärtig noch an hinreichenden Erfahrungen über das letztere, um eine Vergleichung nach dieser Seite anzustellen. Bleiben wir daher bei der Fauna Japan’s stehen. Dass dieselbe ebenfalls zum grösseren Theil aus europäisch-sibirischen For- men zusammengesetzt sei, fiel bei der ersten Bekanntschaft mit derselben sogleich in die Augen. Dennoch fand man in ihr noch eine sehr ansehnliche Anzahl Europa und Sibirien völlig fremder Formen. Fügen wir nun dem letzteren, wie es aus Gründen der geographischen Lage wohl zu rechtfertigen sein dürfte, auch das Amur-Land hinzu, so nimmt die Zahl der die- sen Ländern mit Japan gemeinsamen Arten noch um ein Bedeutendes zu. Unter den 229 Arten, die uns durch Siebold und Bürger aus Japan bekannt sind'), können wir gegen-

wärtig 172 und also 2 als solche bezeichnen, die auch in Europa, Sibirien oder dem

I)S. Temminck, Man. d’Ornith. III. u. IV. Siebold, Fauna Japon. Aves.

Schlussfolgerungen. 533

Amur-Lande vorkommen. Dabei haben wir unter den ersteren eine Anzahl von Arten gelten lassen, deren specifischer Werth nach vielfachen Analogieen, die die Erfahrungen in Süd- ostsibirien und besonders im Amur-Lande dargeboten haben, noch in Zweifel gestellt werden kann. Die Bekanntschaft mit den Faunen dieser letzteren hat nämlich die Zahl der ausschliesslich japanischen Arten nicht bloss dadurch eingeschränkt, dass viele derselben auch im Südosten Sibirien’s und im Amur-Lande gefunden worden sind, sondern auch noch da- durch, dass manche anscheinend selbständige und eigenthümliche Arten Japan’s bei näherer Vergleichung mit den entsprechenden Formen Sibirien’s und des Amur-Landes nur als mehr oder weniger abgeänderte, sei es geographische, sei es klimatische, sei es auch nur locale Varietäten der letzteren sich erwiesen haben. War es schon Middendorff nach den südostsibi- rischen Formen möglich, auf die Unhaltbarkeit mancher Arten in der Fauna Japonica hinzuweisen, so gab uns eine vom selben Gesichtspunkte ausgeführte Vergleichung der. Amur-Materialien einen noch weiteren Spielraum dazu. So lässt sich gegenwärtig wohl mit ziemlicher Bestimmt- heit behaupten, dass Milvus melanotis Temm. et Schleg. nur eine Varietät von M. niger Briss., Strix rufescens (oder fuscescens) Temm.etSchleg. von Strix uralensis Pall., Alcedo bengalensıs Gm. von A.ispidaL., Alauda japonica Temm.etSchleg. von A. arvensis L., Pyrrhula sangu- nolenta Temm. von P. sibirica Pall., P. orientalis Temm. et Schleg. von P. vulgaris Briss., Parus trivirgatus Temm. etSchleg. von P. caudatusL., P. minor Temm. etSchleg. von P. major L., Columba gelastis Temm. von C. Turtur L.. Ardea scapularis Illig. von A. virescensL. u. s. w. sei. Dennoch sind noch lange nicht alle in der Fauna Japonica als neu angeführte Arten einer ge- naueren Prüfung unterworfen worden. Es liegt daher nahe zu vermuthen, dass noch manche derselben bei fortgesetzter Vergleichung mit den uns mittlerweile ebenfalls mehr und mehr be- kannt werdenden Formen des Amur-Landes dasselbe Schicksal wie die obigen erleiden werden. Andererseits lässt sich ebenso bestimmt die Erwartung aussprechen, dass in dem Maasse, als die Bekanntschaft mit dem Amur-Lande und zumal mit dessen südlichem Theile fortschreitet, in demselben auch noch manche uns bisher entgangene südasiatische und zugleich japanische, Sibirien dagegen fehlende Arten nachgewiesen’ werden. Auf diesem doppelten Wege rückt uns also durch Vermittelung des Amur-Landes die Fauna Japan’s um ein Ansehnliches näher als es bisher der Fall war. i

Begreifen wir unter den südasiatischen Elementen der Amur-Fauna nur solche For- men, die weder in Europa, noch in Sibirien jemals gefunden worden sind, so ist es kaum nöthig hinzuzufügen, dass es auch sämmtlich. Formen sind, die, von Süden vor- dringend, im Amur-Lande die Nordgränze ihrer Verbreitung erreichen. Sie sind es algo auch hauptsächlich, die der ornithologischen Fauna des Amur - Landes Züge eines st. licheren Charakters geben. Nächstdem verleihen ihr ebenfalls ein südlicheres Gepräge einige Arten, die in weiter Parallelverbreitung im Westen der alten Welt bis in das südliche Europa vorkommen, Sibirien dagegen ganz oder zum wenigsten in seinem rauheren öst- lichen Theile fehlen und erst im Amur - Lande, von Süden kommend, wieder auftreten, um ebenfalls ihre Nordgränze dort zu erreichen. Als eine solche Form müssen wir z. B. Columba

934 Vögel.

risoria bezeichnen, die im südlichen Europa bis zum Balka n-Gebirge und dem südwestlichen Russland, am Amur bis über den 51. Breitengrad vordringt, im zwischenliegenden Sibi- rien dagegen fehlt. Aehnlich und nur mit nördlicherer Verbreitung im Westen verhalten sich Ciconia alba und Ardea alba, die beide im Amur-Lande, sei es regelmässig, sei es als "seltene Besucher vorkommen, während erstere dem ganzen zwischenliegenden Sibirien, letz- tere zum wenigsten seinem östlichen Theile fehlt. Hierher möchten wir ferner einen Vogel bringen, der zwar seinem Aufenthalte nach, im hohen Gebirge, nahe der Schneegränze u. s. w., nicht gerade zu den südlichen zu gehören scheint und dennoch im Westen der alten Welt nieht über Mitteleuropa') hinansgeht, ostwärts, in den Gebirgszügen Sibirien’s gar nicht zu finden ist und erst am Amur, im Bureja - Gebirge wieder auftritt. Es ist dies der Alpenflüvogel, Accentor alpinus, der ausser Europa nachweislich auch in den Gebirgen von Persien u. 5. w. vorkommt, im Altai-Gebirge dagegen von einer kleineren und anders ge- zeichneten Art, Acc. altaicus Brandt, ersetzt wird. Den vorhin genannten Arten gegenüber verhält er sich aber im Amur-Lande insofern anders, als er dort nicht wie jene seine Nord- gränze erreicht, sondern auch noch etwas über das Amur-Land nach Norden hinausgeht, da er nach Middendorff auch an der Südküste des Ochotskischen Meeres vorkommt. In diese Kategorie der südlichen, dem Amur-Lande nicht bloss mit Südasien, sondern auch mit Süd- europa gemeinsamen Arten gehört endlich auch die einerseits aus Spanien, andererseits aus China, Japan und dem Amur-Lande bekannte Blauelster, Pica cyana Pall., von deren con- tinuirlichem Vorkommen zwischen jenen Gebieten in südlicheren Breiten uns bisher noch keine Thatsachen vorliegen. Wahrscheinlich dürften spätere Forschungen die Zahl der in diese Ka- tegorie zu bringenden Arten, wieschon erwähnt, noch um ein Mehreres vergrössern. Dem sei jedoch wie ihm wolle, so verleihen auch schon die wenigen genannten Arten der Fauna des Amur- Landes ein südlicheres Gepräge, als es diejenige des angränzenden Sibiriens hat. Noch mehr aber thun es die oben erwähnten südasiatischen Elemente derselben. Dass wir sie mit diesem Namen bezeichnen, geschieht wie gesagt nur aus dem Grunde, weil wir sie in Beziehung zum Amur-Lande als aus dem Süden Asien’s vordringende Formen ansehen müssen, ohne dass’ wir sie deshalb sämmtlich zu ausschliesslichen oder auch nur vorzüglichen Bewohnern des südlichen Asıen’s stempeln wollten. Eine derselben, Acanthylis caudacuta, ist vielmehr nach unseren bisherigen Erfahrungen dem Amur-Lande nicht sowohl mit Süd- asien, als mit Neuholland gemein. Eine andere, Ardea virescens, ist von kosmopolitischer Natur, indem sie in tropischen und subtropischen Breiten über Africa, Asien und America verbreitet ist. ‘Während sie jedoch von dem ersteren aus nicht bis in den Süden Europa’s vordringt, erreicht sie in America und Asien, und in letzterem bloss im Amur-Lande, nörd- lichere Breiten. Dem angränzenden Sibirien gegenüber ist also Ard. virescens für das Amur- Land eine sehr charakteristische, südliche Form. Ebenso ein anderer, ausschliesslich süd-

!) Böhmen, das Riesengebirgeu.s.w. s. Naumann, Naturgesch. der Vögel Deutschl. Il. p 943. Gloger, Handb. der Naturgesch. der Vögel Eur. I. p. 285. u. a.

Schlussfolgerungen. 930

asiatischer kleiner Reiher, Ardea cinnamomea Gm. Aehnliche Züge südlicheren und zugleich südasiatischen Charakters verleihen der Amur-Fauna die übrigen oben zusammengestellten For- men: der mit China gemeinsame Ringfasan, die schöne chinesische Mandarinente, die mehr- fachen’ japanischen Drosseln und Fliegenschnäpper, der mit hufeisenförmiger Kopfzeichnung versehene südasiatische Pirol, der himalayische Kuckuk u. s. w. Besonders praegnante Züge für das Amur-Land geben aber unter ihnen zwei Formen ab, in denen wir Repräsentanten südlicher, der Fauna Sibirien’s wie Europa’s völlig fremder Gruppen erkennen. Es sind dies Zosterops chloronotus und Pericrocotus cinereus. Der erstere repräsentirt im Amur-Lande eine Africa, dem südlichen Asien und vorzüglich Neuholland eigenthümliche Gruppe und ist ihm mit letzterem Lande und mit Japan gemein. Der letztere gehört einer Gruppe an, die sonst nur Bewohner der Tropen zählt und giebt in ihr, durch sein Vorkommen im Amur- Lande, die einzige in nördlichere Breiten vordringende Art ab. Sehen wir nun, wie sich diese südlichen Formen mit ihrer Verbreitung zum gesammten Amur-Lande verhalten und in welchem Theile desselben wir ihnen vorzüglich, oder aus- schliesslich begegnen. Da es von Süden vordringende, im Amur-Lande ihre Nordgränze er- reichende Vögel sind, so versteht sich von selbst, dass wir sie auch vorzüglich im südlichen Theile desselben zu erwarten haben. Wo der Amur-Strom mit starker südlicher Biegung das Bureja-Gebirge durchbricht und darauf die mächtigen, von Süden kommenden Ströme, den Ssungari und Ussuri aufnimmt, wo sich an seinen Ufern bald eine weite, grasreiche, stellenweise mit lichten Eichen- und Ulmenhainen geschmückte Prairie ausbreitet, bald höheres und niederes Gebirge ansteigt, dessen Abhänge mit dem schönsten Laubwalde von Eschen, Linden, Wallnuss- und Korkbäumen (Phellodendron) u. s. w. bedeckt und am Waldrande mit dem üppigsten Unterholze mannigfaltiger, von Schlingpflanzen wild durcheinander gewobener Sträucher versehen sind; dort ist es auch, wo wir fast allen jenen südlichen, zum Theil sub- tropischen Formen des Amur-Landes begegnen. Dort haben wir namentlich den Pericrocotus und Zosterops, die japanischen Drosseln und Fliegenschnäpper, den indischen Pirol, die Sal- carıa Aödon, den Pastor sturninus und den unseren Staar ersetzenden Sturnus cineraceus ange- troflen. In jenem südlichen Theile des Amur-Stromes war es auch, wo wir die Ardea cinna- momea erhielten und die Ardea virescens so wie die Mandarinente am häufigsten beobachteten underlegten, und wo über uns die Nüchtigen neuholländischen Segler, Acanthylis caudacuta, oft ebenso zahlreich wie bei uns die Schwalben hinschossen. Obgleich es aber vorzüglich Cha- rakterformen für den südlichen Theil des Amur-Landes sind, so gehen doch manche von ihnen stromauf- wie abwärts recht weit über denselben hinaus. In letzterer Richtung scheint ihnen namentlich das Thal des Amur-Stromes, ähnlich wie wir es auch bei den Säuge- thieren beobachtet haben, eine Bahn zum Vorücken in nördlichere Breiten darzubie- ten. Noch beim Nikolajevschen Posten haben wir Emberiza personata und Muscicapa cinereo- alba angetroflen; bis in die Nähe der Amur-Mündung kommen Anas galericulata und ver- muthlich auch Ardea virescens vor; noch im Mündungslaufe des Stromes zwischen Mariinsk und Nikolajevsk lassen sich Caprimulgus Jotaka und Salicaria Aödon sehen u. s. w. Vergeblich

536 Vögel.

würde en aber diese Formen im Amur-Limane, in der Bai de Castries und, ich glaube, selbst in der Bai Hadshi suchen. So dürfte also das dem Küstengebiete in gleichen Breiten gegenüber mit milderem Klima und reicherer Vegetation ausgestattete Amur-Thal auch durch südlichere Formen in seiner Vogelfauna sich auszeichnen. Den Amur von jenem südlichen Knie aufwärts gegangen, lassen sich manche von den genannten südasiatischen Formen bis zum oberen Laufe desselben, so Caprimulgus Jotaka, andere bis nach Daurien verfolgen, wie die von Pallas dort entdeckten Salicaria Aödon und Pastor sturninus. Mehrere von ihnen scheinen jedoch in Daurien schon durch die entsprechenden europäisch - sibirischen Formen ersetzt zu werden, so Caprim. Jotaka durch C. europaeus, Oriolus cochinchinensis durch O. Gal- bula. Durch solche Erscheinungen schliesst sich also Daurien näher an das angrän- zende Sibirien.als das Tiefland des Amur-Stromes an, wo dieBerührung mitSüd- asien sichtlicher ist. Dennoch hat auch Daurien ausser den oben genannten noch manche Sibirien fremde Formen aufzuweisen. InDaurien, und zwar vornehmlich in dem südlichen, am oberen, Argunj gelegenen und an die hohe Gobi sich anschliessenden Theile desselben, stossen wir auf den chinesischen Ringfasan, Ph. torguatus, der von dort über die Prairieen an den Ssungari-Zuflüssen bis zum Sachali und dem südlichen Knie des Amur-Stromes sich verbreitet. In diesem selben Striche des Amur-Landes müssten’ wir nach Pallas auch der Thaumalea picta begegnen. Dies wären mithin für Daurien unter seinen südasiatischen Vögeln unstreitig die praegnantesten Formen.

Weisen wir nun auch unter den übrigen, europäischen und sibirischen Elementen der Amur-Fauna auf einige für die einzelnen Theile des gesammten Stromgebietes, je nach den vorherrschenden Naturverhältnissen derselben, hauptsächlich oder ausschliesslich charakteristische Formen hin. Dass sich solche unter ihnen finden müssen, dafür bürgt uns schon die weite Raumerstreckung des gesammten Amur-Landes und noch mehr die in Beziehung auf Bodenrelief, Klima, Vegetation u. s. w. sehr verschiedene Natur seiner einzel- nen Theile. Wie sollten z. B. die dürren, salzhaltigen Hochsteppen Daurien’s nicht manche Vogelarten besitzen, die den feuchten Laubwäldern und grasreichen Prairieen am südlichen Amur oder den nordischen Nadelwaldungen an der Mündung des Stromes fehlen, und umge- kehrt? Wir wollen hier nicht Bilder localer Faunen entwerfen, wie sie der Laub- oder Na- delwald, die Prairie, die Steppe, das sumpfige, mit Weiden bewachsene Inselland des Stromes u. s. w. mit sich bringen, das sei, um Wiederholungen zu vermeiden, dem historischen Berichte unserer Reise vorbehalten, wo sich an ‘das jedesmalige landschaftliche Gemälde der durchreisten Gegenden auch eine kurze Skizze ihrer Belebung durch die Thierwelt anschliessen soll, hier dagegen genügees nur auf einzelne die grossen Abtheilungen charakterisirende Haupt- züge aufmerksam zu machen. Halten wir uns an die Reihenfolge im Systeme, so müssen wir zu- nächst alseine Charakterform nur des untersten Amur-Landes und seines Küstengebietes den grossen Seeadler, Haliaötos pelagicus, nennen, der uns vom Behringsmeer undKamtschatka, von den Küsten des Ochotskischen Meeres und bisJapan bekannt ist, während er am oberen Amur und in Daurien, wie überhaupt im Binnenlande Sibirien’s fehlt. Seine. Stelle als

Schlussfolgerungen. 937

König der Lüfte scheinen dort Aguila imperialis und A. Chrysaötos einzunehmen, die uns hin- gegen im unteren Amur-Lande nicht begegnet sind. Von ersterem erfahren wir durch Pal- las, dass die Jakuten seinen Steuerfedern einen hohen Werth beilegen, gleichwie es nach unseren Erfahrungen die unteren Amur-Völker, Giljaken und Mangunen, und die Aino auf Sachalin mit den Steuerfedern von Hal. pelagicus thun. Die häufigste Adlerart in den Alpen- gegenden Daurien’s scheint nach Pallas’ Angaben A. Chrysaötos zu sein; in dem besonders fischreichen unteren Amur - Lande und dem Küstengebiete müssen wir dagegen diese Rolle dem Hal. Albicilla einräumen, der zwar inDaurien ebenfalls, allein, wie es scheint, nur selten vorkommt. Einen Charakterzug Daurien’s dem unteren Amur-Lande gegenüber dürften vielleicht die in grosser Anzahl dort vorkommenden Mauerschwalben, Cypselus Apus und C. caffer (Var. leucopyga Pall.), abgeben, die uns in letzterem gar nicht begegnet sind, gleich- wie man sie auch weder aus Kamtschatka, noch aus Japan kennt. Unter den Specht- arten des Amur-Landes lassen sich, in Uebereinstimmung mit der Vertheilung der Nadel- und Laubholzwaldung in demselben, Picus Martius und besonders ?. tridactylus als die vorherr- schenden Arten des nördlichen, P.canus dagegen als eine vorzüglich dem südlichen Theile des unteren Amur-Landes zukommende Art betrachten, während die Buntspechte beiden Theilen gemeinschaftlich und besonders im weidenbewachsenen Insellande des Amur-Stromes zahl- reich sind. Gehen wir zu den Singvögeln über, so treten uns zunächst die Lerchen als eine an Arten- wie an Individuenzahl viel mehr den Hochebenen und Steppen Daurien’s als dem Waldlande am unteren Amur-Strome eigene Gruppe entgegen. In letzterem haben wir nur Alauda (Phileremos) alpestris und auch diese nur auf dem Durchzuge im Frühjahr und Herbst beobachtet, da ihr der Schneereichthum im Winter dort keinen Aufenthalt gestattet, während sie in Daurien zum Theil, von Norden kommend, den ganzen Winter zubringt, zum Theil Standvogel im Gebirge ist. Sollte ausser der Alpenlerche auch Alauda arvensis im unte- ren Amur-Lande vorkommen was um so wahrscheinlicher ist, als man sie auch aus Ja- pan, von den Kurilen und aus Kamtschatka kennt so dürfte sie in demselben gewiss nicht häufig sein, da sie weder Hrn. Maack, noch mir begegnet ist. Von den daurischen Feldlerchen dagegen berichtet Pallas, dass sie im Frühjahr bereits gegen Ende des März sich einfänden, äusserst zahlreich seien und durch Schönheit der Stimme und des Gesanges sich auszeichneten. Ausserdem aber führt Pallas ausdrücklich für Daurien noch Alauda cristata (galerita) und auch noch eine vierte Art an, von welcher sich wohl mit Bestimmtheit behaup- ten lässt, dass sie dem übrigen Amur-Lande fehle und eine bezeichnende Charakterform Dau- rien's sei. Es ist A. mongolica, die sich an die dürre, salzhaltige Hochsteppe hält und in den Ebenen zwischen dem Onon und Argunj häufig ist. Ueberhaupt sind es diese dem übrigen Amur-Lande völlig fremden, dürren Ebenen mit Salzefllorescenzen und Salzseen, welche die meisten für Daurien dem Amur gegenüber charakteristischen Formen aufweisen dürften. In der Familie der Finken ist bezeichnend für das untere Amur-Land das Vorkommen des Erlenzeisigs, Fringilla Spinus, da dieser Vogel Daurien wie dem ganzen übrigen Sibirien

in der That zu fehlen scheint, während er im Küstengebiete Ostasiens vom Ochotskischen Schrenck’s Amur-Reise. Bd.I. i 68

938 Vögel.

Meere bis nach Japan vorkommt. Manche charakteristische Züge für die verschiedenen Theile des Amur-Landes giebt die Gruppe der Raben ab. Unter ihnen ist Garrulus infaustus, wenngleich bis in dieLaubwälder am Ussuri verbreitet, doch vorzüglich dem nadelholzreichen Mündungs- und Küstengebiete des Amur-Landes eigen. Dagegen fehlt diesem Theile, und zwar schon von derUssuri-Mündung an, eine im oberen Amur-Lande und inDaurien sehr häufige Form, wir meinen die Blauelster, Pica cyana, von der schon oben die Rede gewesen. Ihre Gattungsverwandte, Pica caudata, bewohnt zwar das gesammte Amur-Land, bleibt aber in demselben, wie es scheint, auf das Festland beschränkt und meidet dagegen die Insel Sachalin oder wenigstens deren nördlichen Theil, gleichwie sie es auch mit den Süd- und. 'Westküsten des Ochotskischen Meeres thut. Andererseits ist gerade den Küstengebiete und dem unteren Amur-Lande bis nach Japan u.s. w. eine Rabenart eigen, welche weiter west- wärts, in Daurien wie überhaupt im Binnenlande Sibirien’s bisher noch nicht beobachtet worden es ist der von Corvus Corax durch kleineren Wuchs, andere Schwingenverhältnisse u. dgl. m. unterschiedene C. japonensis Bonap. Endlich scheint eine in Daurien und am oberen Amur sehr häufige Corvus-Art, nämlich die Dohle, sei es in ihrer typischen Form, sei es in der buntscheckigen Varietät (C. dauricus Pall.), dem unteren Amur-Lande, und zwar ebenfalls von der Ussuri-Mündung an, so gut wie gänzlich zu fehlen, da sie uns dort nur einmal vereinzelt vorgekommen ist. Unter den kleineren Singvögeln dürften vielleicht das im unteren Amur-Lande häufige, in Daurien dagegen noch gar nicht beobachtete Gold- hähnchen, Regulus cristatus, die umgekehrt in Daurien und im Osten Sibirien’s vorhandene, an der Südküste des Ochotskischen Meeres dagegen, so wie im Amur-Lande und in Japan bisher nicht beobachtete Hausschwalbe, Hirundo urbica, u. a. m. schon jetzt unter den re- spective dem einen oder dem anderen Theile dieses weiten Gebietes charakteristischen Formen genannt werden. Dass wahrscheinlich der in Daurien vorkommende europäische Pirol, Orio- lus Galbula, gleichwie unter den Scansores die europäische Nachtschwalbe, Caprıimulgus europaeus, am Amur durch entsprechende südostasiatische Arten ersetzt werden, ist schon oben bemerkt worden. Bezeichnende Erscheinungen für die verschiedenen Theile des gesammten Amur- Landes bieten ferner die hühnerartigen Vögel dar. Während nämlich der durchgängig wald- bedeckte nördliche Theil des unteren Amur-Landes nur von Waldhühnern und vom Hasel- und Schneehuhne bewohnt wird, finden sich inDaurien und vermuthlich am südlichen Amur auch das Feldhuhn und die Wachtel, Perdix cinerea und P. Coturnix, ein, es treten Fasane auf, und in den Steppen liesse sich leicht auch ein Flug- oder Sandhuhn (Pterocles) erwarten. Fehlt es nun auch dem nördlichen Daurien nicht an Waldhühnern, so sind es doch von den- jenigen des unteren Amur-Landes verschiedene Arten, indem ersteres wohl die europäischen Auer- und Birkhühner, Tetrao Urogallus und T. Tetrix, letzteres dagegen an deren Stelle T. urogalloides und T. canadensis Var. Franklinil besitzt Arten, die das Amur-Land mit dem Küstengebiete des Ochotskischen Meeres,’ mit Kamtschatka und die letztere auch mit Nordamerika gemein hat. Unter den Wadvögeln ist der grosse Trappe, Otis Tarda, wohl nur in den Steppen und Hochebenen Daurien’s anzutreffen; vielleicht dürfte er von Süden

Schlussfolgerungen. 939

her bis in die Prairieen am südlichen Amur vordringen, obgleich wir ihm dort nicht begegnet sind, zuverlässig aber fehlt er dem ‚Waldlande am unteren Strome. Nach Pallas wäre der Austernfischer, Haematopus Ostralegus, im Innern Ostsibirien’s, um den Jenissei, Baikal und wohl auch in Daurien nicht beobachtet worden, während er im unteren Amur-Lande noch in grosser Entfernung von der Meeresküste, so im Westen vom Bureja-Gebirge, als brütender Vogel vorkommt. Eine bezeichnende Form für den südlichen Amur giebt ferner der weisse Storch ab, indem er nur diesen Theil des Stromes, etwa bis zum 50“ Breiten- grade, bewohnt, dem Mündungstheile dagegen und dem oberen Laufe entschieden fehlt, wie er denn auch weder in Daurien, noch im ganzen übrigen Sibirien bisher gesehen worden ist. Unter den Schwimmvögeln endlich lässt sich, wenn man von den natürlich nur dem Küstenstriche zukommenden beständigen und ausschliesslichen Meeresbewohnern absieht, zur Charakteristik der verschiedenen Theile des Amur-Landes etwa der Umstand anführen, dass im Mündungslaufe des Amur-Stromes wie am oberen Amur und in Daurien die häufigste unter den nichttauchenden Euten Anas Boschas ist, nebst A. Crecca, falcata und glocitans, wäh- rend am südlichen und mittleren Amur wie am Ussuri diese Rolle entschieden der Manda- rinente, Anas galericulata, gebührt, die sich stromabwärts bis in die Nähe der Amur-Mün- dung verbreitet, Daurien dagegen ganz zu fehlen scheint, da sie sonstPallas und überhaupt den älteren russischen Reisenden nicht unbekannt geblieben wäre. So fehlt es also in keiner Ordnung der Vögel an mehr oder weniger charakteristischen Gestalten für den einen oder den anderen Theil des weiten Amur-Gebietes. Dennoch haben wir hier nur die prägnantesten her- vorgehoben, die sich schon jetzt, bei der ersten Bekanntschaft mit dem Amur-Lande, als Charakterformen seiner einzelnen Theile erkennen lassen. Von späteren Forschungen lässt sich erwarten, dass sie eine viel grössere Anzahl solcher Formen kennen lehren werden, da viele Arten bisher nur an einzelnen Fundorten beobachtet worden, hinsichtlich ihrer Verbrei- tung im übrigen Amur-Gebiete aber noch unbekannt sind. j

Oben ist schon angeführt worden, dass das Amur-Land zwei sowohl der sibirischen, wie der europäischen Fauna völlig fremde Gruppen, nämlich die Gattungen Zosterops und Pe- ricrocolus in je einzelnen Repräsentanten besitzt. Es liegt nun die Frage nahe, ob ausser in dem Hinzukommen dieser fremdländischen Gruppen auch in der verhältnissmässig rei- cheren oder ärmeren Vertretung einzelner anderen Gruppen in der Fauna des Amur- Landes im Vergleich zu derjenigen benachbarter oder faunistisch verwandter Länder, na- mentlich Sibirien's und Europa’s, eigenthümliche Züge sich wahrnehmen lassen? So nahe jedoch diese Frage liegt, so bedarf es, um sie in befriedigender Weise, mit numeri- schen Angaben zu beantworten, jedenfalls einer genaueren Kenntniss des Amur - Landes in allen seinen Theilen, als sie uns bisher werden konnte. Bei der ersten Bekanntschaft mit einem weiten, zum Theil schwer zugänglichen Lande kann es, abgesehen von den Lücken hin- sichtlich der Kenntniss der gesammten Artenzahl, nur allzuleicht kommen, dass sich die For- schung im Anfange hauptsächlich an bestimmte, zugänglichere Theile und näher gelegene Lo-

calitäten hält und dagegen andere kaum oder gar nicht berührt, so dass in Folge dessen auch das +

540 Vögel.

anfänglich gewonnene Bild der Fauna nicht nur ein unvollständiges, sondern in Beziehung auf die verschiedenen Landestheile und Localitäten auch ein sehr ungleichmässig zusammen- gesetztes sein muss. So ist uns z. B., die wir das Amur-Land im ersten Anfange seiner Be- sitzergreifung durch die Russen betraten, am zugänglichsten das nordische Waldland an der Amur-Mündung gewesen, weniger der mit Laubwäldern und Prairieen versehene südliche Theil des Landes und noch weniger endlich die entlegeneren Gebirge des Innern. Zudem mussten sich unsere Reisen hauptsächlich an den Lauf des Amur-Stromes halten und konnten sich nur wenig von den unmittelbaren Ufern desselben entfernen. Es wäre daher nicht mehr als natürlich, wenn zu unserer Kenntniss verhältnissmässig mehr Formen des nordischen Na- delwaldes als der Prairie, mehr Bewohner der unmittelbaren Ufer des Amur-Stromes als der stehenden Gewässer, der Seen und Sümpfe des Innern, mehr Arten der Niederungen und Thäler als der Gebirge, mehr Vögel des Binnenlandes als der Meeresküsten u. s. w. gelangt wären. So dürfte es vielleicht diesem Umstande zuzuschreiben sein, wenn uns aus dem Amur- Lande bisher verhältnissmässig mehr Eulen als Tagraubvögel, mehr Wald- als Feldhühner, mehr Wasser- und Strandläufer als Schnepfen, Bekassinen, Pfuhlschnepfen, mehr schwim- mende als tauchende Enten u. s. w. bekannt sind. Das gäbe aber, in Zahlen für die verschie- denen Gruppen ausgedrückt, gewiss ein sehr falsches Bild ihrer reicheren oder ärmeren- Ver- tretung im Amur-Lande ab, indem manche Gruppe nahe erschöpfend, andere, vielleicht ebenso zahlreich repräsentirte dagegen nur erst in einer Form, oder auch noch gar nicht beobachtet sein dürften u. s. w. Alle voreilige Schlüsse vermeidend, begnügen wir uns daher in dieser Beziehung nur auf ein paar auflallendere Verhältnisse in der Amur-Fauna, und auch dies nur in allgemeineren Zügen, aufmerksam zu machen.

Hält man die einander so verwandten Faunen des Amur-Landes und Europa’s gegen einander, so muss es auffallend erscheinen, dass wir in der ersteren unter den kleinen Sängern keiner einzigen Grasmücke oder ächten Sylvia begegnen, während die letztere ihrer in ge- mässigten Breiten 6—7, in südlicheren sogar 12 Arten besitzt. Allerdings wird eine derselben, Sylvia atricapilla Briss., von Temminck fürJapan angegeben und liessesich demnach auch im Amur-Lande vermuthen, allein in der später verfassten Fauna Japon. wird sie ebenso- wenig wie irgend eine andere ihres Geschlechts genannt, so dass sie dort jedenfails nicht zu den häufigen Arten zu gehören scheint. Befragen wir nun die Fauna Sibirien’s auf diesen Punkt, so werden uns für den Westen dieses Landes nur 3 Arten, S.curruca Lath., $. cinerea Briss. und S.nisoria Bechst.'), und für den Osten sogar nur eine, S. curruca, angeführt, die Pallas in der Gegend von Irkutsk (Mot. Sylvia Pall.)’), Middendorff*) aus dem Sajani- schen Gebirge erhielt. Es ist daher möglich, dass diese Art auch im Amur-Lande gefunden werden wird. Wie dem aber auch sei, so lässt sich eine allmählige Abnahme dieses Ge- schiechts von Europa nach dem Osten Asien’s nicht verkennen. Ja vielleicht dürfte sich

!) Brandt, Consid. sur les anim. vert. de la Siber. occid. p. 26. 2) Zoogr. Rosso-Asiat, I. p. 488. ?) Sibir. Reise. I. c. p. 186.

Schlussfolgerungen. 34

sogar der äusserste Ostrand Asien’s, das Amur-Land, das Küstenland des Ochotskischen Meeres und Kamtschatka in dieser Beziehung schon wie das nahe gelegene nördliche Amerika verhalten, wo diese Gruppe bekanntlich ganz fehlt. Findet hierin eine Verar- mung in der Amur-Fauna im Vergleich zur europäischen statt, so lässt sich in ihr dagegen in anderen Gruppen eine entschiedene Bereicherung bemerken. Eine solche tritt z. B. sehr deutlich in den Gruppen der Fliegenschnäpper und der Ammern hervor. Von den ersteren zählt Europa nur 4 Arten, während wir im Amur-Lande, mit Einschluss der von Pallas für Daurien angeführten, schon jetzt beinahe’die doppelte Anzahl, nämlich 7 Arten kennen, unter denen 2 europäische, 3 auch in Sibirien beobachtete und 2 dem Amur-Lande nur mit Japan gemeinsame Formen. An die Fliegenschnäpper schliesst sich denn auch als nahe verwandte Form der Pericrocotus cinereus an. Der Reichthum des Amur-Landes in dieser, hauptsächlich den warmen Erdstrichen eigenen, auf eine reiche Insektenwelt angewiesenen Gruppe giebt ohne Zweifel einen südlichen Zug in seiner Fauna ab. Sehr reich ist ferner das Amur-Land an Ammern. Es übertrifft in diesem Punkte Europa bei Weitem und stellt sich dem bekanntlich sehr ammerreichen Sibirien an die Seite. Wennihm auch manche bis nach Westsibirien verbreitete europäische Arten, wie Emberiza miharia, citrinella, hortulana u. a., fehlen, so stellen sich dagegen andere, sei es mit Japan gemeinsame, sei es eigenthümliche Formen ein, so E. fuscata, E.personata und die bisher nur in Daurien beobachtete E. Chryso- phrys. Im Ganzen sind uns, die beiden Spornammern (Plectrophanes nivalis und lapponica) mitgerechnet, schon jetzt 13 Arten aus dem Amur-Lande bekannt, während Deutschland ihrer nur 10') und das ganze Europa, die nur hin verirrten Arten wie E. aureola, rustica u. a. nicht mitgerechnet, höchstens 12 Arten hat”). In dieser Beziehung schliesst sich also die Fauna des Amur-Landes ganz an diejenige Sibirien’s an und steht zur Fauna Nord- amerika’s, das bekanntlich nur die circumpolaren Spornammern, aber kaum ein paar ächte Emberizen besitzt°), im direkten Gegensatze. Viel ärmer scheint das Amur-Land an Fin- ken zu sein, indem uns dort keine einzige Sibirien fremde Form begegnet ist, und wir da- gegen manche von den allbekannten europäisch-sibirischen Arten dort vermissen. Am reich- sten ist noch unter ihnen, wie auchin Westsibirien, die Gruppe der Gimpel (Pyrrhula P all.) vertreten, während diejenige der ächten Finken (Fringilla Auct.) bisher nur sehr wenige Glie- der aufgewiesen hat. Vielleicht dürfte sich das Amur-Land bei wachsender Erfahrung als sehr reich an Drosseln erweisen. Wenigstens sind uns, mit Einschluss der von Pallas für Daurien angeführten, gegenwärtig schon 8 Arten in demselben bekannt, und nach den Erfahrungen in den Nachbarländern lassen sich noch fernere 5 nennen, deren Vorkommen im

l) Naumann, Naturgesch. der Vögel Deutschl. Bd. IV.

2) Vergl. Gloger, Handb. der Naturgesch. der Vög. Europa’s. I. Keyserling u. Blasius, Die Wirbelth. Europa’s. p. XXXVIII. u. a.

3) Nur auf den zu Amerika gehörigen, aber bereits den Uebergang nach Asien bildenden Aleutischen Inseln scheinen ein paar ächle Ammern besonderer Art vorzukommen, nämlich E. coronata und E. Chrysops Pall. s. Ze Rosso-Asiat. II. p. 44 u. 45.

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Amur-Lande sehr wahrscheinlich, ja zum Theil so gut wie gewiss ist. Dabei begegnen uns unter den Drosseln des Amur-Landes zwei ihm nur mit Japan gemeinsame, Sibirien da- gegen fremde Arten. Wollten wir das eigentliche Amur-Land allein in Betracht ziehen, so dürften wir für dasselbe als Charakterzug Europa und Sibirien gegenüber eine entschiedene Verarmupg an Lerchen hervorheben, da wir dort nur die Alpenlerche beobachtet haben und ausser ihr noch die Feldlerche vermuthen dürfen. Nimmt man jedoch Daurien mit seinen Ebenen und Steppen hinzu, so wird die Zahl der Lerchen in der Gesammtfauna des Amur- Landes ansehnlicher. Sollten wir übrigens, wie es wahrscheinlich ist, durch Pallas auch noch nicht erschöpfend mit den Lerchen Daurien's bekannt sein, so lässt sich doch kaum anneh- men, dass wir dort allen Arten des westlichen Sibirien’s, geschweige denn Europa’s begeg- nen dürften, da sich in diesem letzteren auch noch manche hauptsächlich afrikanische Form, wie Alauda Calandra und A. desertorum, findet. Immerhin lässt sich also im Amur-Lande mit dem Abbrechen der Steppennatur Innerasien’s eine Verarmung an Lerchen wahrnehmen. Erwägt man nun, dass ein fast völliger Mangel an Lerchen zu den ornithologischen Charakter- zügen Nordamerika’s gehört, so findet im Amur-Lande in dieser Beziehung eine ähnliche An- näherung an letzteres statt, wie sie oben in höherem Grade hinsichtlich der Grasmücken dar- gethan worden ist. Bei dem geringen Antheile, den das Amur-Land durch sein daurisches Quellgebiet an der Steppennatur Innerasien’s hat, ist es ferner natürlich, dass in ihm so ausgesprochene Formen der Ebenen, wie die Trappen, nur schwach repraesentirt sein können, Dagegen dürfen wir in dem weiten und vielverzweigten Flussnetze des Amur-Landes, mit seinem ausgebreiteten Hauptstrome, seinen Sümpfen, Seen u. s. w., eine reichliche Vertre- tung mancher auf Fisch- und Amphibiennahrung angewiesenen Gruppen von Wadvögeln er- warten. Und in der That fehlt es ihm nicht an Störchen, Kranichen, Reihern. Von den ersteren weist das Amur-Land wiederum beide europäische Arten auf, obgleich die eine dem gesammten Sibirien fern bleibt. An Kranichen zählt das Amur-Land, die noch zwei- felhafte Grus Vipio mitgerechnet, schon nach unseren bisherigen*Erfahrungen 5 Arten, zu denen, wie ich nach einer einmaligen, flüchtigen Begegnung vermuthen muss, in Zukunft auch die aus Japan und Korea bekannte Art Grus Monacha Temm. hinzukommen wird '). Beson- ders aber scheint der fischreiche Strom mit seinen waldbedeckten Ufern den Reihern zuzu- sagen. In dieser Gruppe treten uns im Amur-Lande ausser den theils sicher nachgewie- senen, theils mit vieler Wahrscheinlichkeit zu erwartenden europäischen Arten noch zwei Europa und Sibirien fremdartige Formen, Ardea virescens Var. scapularıs und A. cinnamo- mea entgegen. Um endlich auch unter den Schwimmvögeln einen Punkt herauszuheben, weisen wir auf den Reichthum des Amur-Landes an ächten, schwimmenden Enten hin.

l) Ich sah einen Vogel, der mich seiner Gestalt und Färbung nach an Grus Monacha erinnerte, in einem Sumpfe nahe dem giljakischen Dorfe Chjare am unteren Amur, konnte ihn aber leider nicht erlegen. Der mich begleitende filjake nannte ihn «lorai». Da diese Beobachtung allein nicht genügen durfte, um einen bisher nur aus Japan und Korea bekannten Vogel auch für das Amur-Land in Anspruch zu nehmen, so ist er im obigen Verzeichniss über- gangen worden.

Schlussfolgerungen. 343

Schon die bisherigen Erfahrungen haben in demselben fast alle auch in Europa vorkommen- den Arten nachgewiesen, indem nur zwei von ihnen, Anas strepera und A. Querquedula, nicht direkt beobachtet worden, sondern nur aus den Erfahrungen in den Nachbarländern anzufüh- ren sind. Zu den europäischen Arten gesellen sich aber im Amur-Lande noch zwei sibi- rische, Anas falcata und A. glocitans, so wie eine chinesisch -japanische Form, die Man- darinente, so dass die Gesammtzahl der ächten Enten im Amur-Lande diejenige Europa’s ‘und Sibirien’s übertrifft. Späteren Forschungen müssen wir es überlassen, diese Ver- hältnisse der Amur-Fauna in ihren Einzelgruppen erschöpfender zu behandeln, uns konn- ten natürlich die ersten und ganz anfänglichen Erfahrungen nicht mehr als einzelne Punkte

an die Hand geben.

Ist oben das Verhältniss der geographischen Zusammensetzung der ornithologischen ' Fauna des Amur-Landes besprochen worden, so bleibt uns nunmehr zur ferneren Bestim- mung des Gesammtcharakters dieser Fauna noch übrig, die Formen auch auf ihr morpholo- gisches Verhalten zu prüfen, aufdie, mit Gloger zu sprechen, in der Gesammtheit vorherr- schende Neigung, in einer bestimmten, nördlichen oder südlichen Klimaten vorzugsweise eige- nen Richtung abzuändern. In den Einzelbetrachtungen haben wir das morphologische Ver- halten einer jeden Art im Amur-Lande mit demjenigen in anderen Ländern und wo die geographische Verbreitung eine solche ist besonders in Europa speciell abgehandelt. Hier soll es uns daher nur darauf ankommen, durch Zusammenfassen und Gegeneinanderhalten der Einzelerscheinungen die in der Gesammtheit vorherrschenden, auffälligsten Charakterzüge be- stimmter hervorzuheben. Dabei müssen wir jedoch bemerken, dass wie in anderen Richtungen unserer Wissenschaft, so hauptsächlich auch in dieser sichere Schlussfolgerungen nicht an- ders als aus einer grossen Anzahl von Beobachtungen und Erfahrungen abgeleitet werden können. Uns hingegen lagen, wie man aus dem Obigen ersehen kann, sowohl aus dem Amur- Lande, wie aus den in dieser Hinsicht noch wenig erforschten Nachbargebieten oft nur ein- zelne Individuen vor, die, statt die Regel zu verrathen, leicht selbst nur zu den Ausnahmen gehören könnten. Dass unsere Schlüsse also nur vorläufige sein dürfen, ist begreiflich.

Nimmt man, wie in dem Vorstehenden geschehen, bei den in gemässigten nördlichen Breiten quer über die ganze alte Welt verbreiteten Arten ihre gewöhnliche Färbung und Zeich- nung im mittleren und besonders westlichen Europa als typisch an, so zeigen bei Weitem die meisten Vögel im Amur-Lande keine klimatischen Abänderungen, sondern verhalten sich ganz typisch. Von vielen derselben sind uns aber bisher, individuelle Differenzen abgerechnet, überhaupt noch keine Abänderungen bekannt, so dass wir sie für wenig variable Formen halten müssen. Andere, meist aussereuropäische Arten sind noch von zu wenigen Fundorten verglichen worden, um ein Urtheil über ihre Variabilität zu gestatten. Die Anzahl der hier

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in Betracht kommenden Arten ist also viel geringer, als es auf den ersten Blick scheinen dürfte.

Ueberbliekt man die klimatischen Abänderungen im Amur-Lande, so besteht der grösste Theil derselben in einer mehr oder weniger auffallenden Verdunkelung oder einer Zu- nahme des dunklen, schwarzen, grauen, schwarzbraunen und graubraunen Pig- mentes. Dies äussert sich bald durch blosses Dunklerwerden dieser Farben innerhalb der- selben Gränzen ihrer Vertheilung, bald durch eine grössere Ausbreitung auf Kosten der an- gränzenden Farben und bald endlich durch schärfere Sonderung der verschiedenen Pigmente, indem einzelne Theile des Gefieders besonders dunkel und andere, hellere dafür um so lichter werden. Zum Belege mögen dienen: das im Amur-Lande dunklere, zum Theil schwärzliche Braun vom Fischadler, jungen Abendfalken, schwarzbraunen Milan (Var. melanotis), vom Hüh- nerhabicht, von Strix uralensis und den Ohreulen (Str. Otus und brachyotus), das dunklere Grau der Silbermöve (Var. cachinnans), die graue Trübung der weissen Färbung auf den Steuer- und Unterschwanzdeckfedern bei der Turteltaube (Var. gelastis), die stärkere schwarze Fleckung der Stirn- und Scheitelfedern beim Eichelheher (Var. Brandtü), die grössere Ausbreitung der schwarzen Färbung auf dem Rücken beim Rohrammer (Var. minor) und auf dem Scheitel und Nacken bei der Sumpfmeise (Var. borealis), die schwarze Rückenzeichnung zugleich mit stär- kerem Weiss auf den Flügeldeckfedern und Hinterschwingen bei der weissen Bachstelze (Var. lugens und paradoxa), die dunklere schwarze Färbung des Kopfes und Flügelbuges verbunden mit schneeweissen unteren Flügeldeckfedern beim alten Falco vespertinus, die allbekannte ähn- liche Erscheinung bei der daurischen Dohle u.s. w. Hierher gehören ferner ganz unmittelbar das ausschliessliche Vorkommen im Amur-Lande der schwarzen Raben- statt der grauen Nebelkrähe und das zum wenigsten vorherrschende der sehr verdunkelten, durchweg schwarz- braunen Form vom Wasserschwätzer, die wohl mit Recht nur für eine Varietät von Cinclus aquaticus gehalten wird. Spätere Erfahrungen werden höchst wahrscheinlich dasselbe auch von mehreren anderen Formen des Ostens nachweisen, die jetzt noch für besondere Arten gelten und die sich von den entsprechenden im Westen fast nur durch dunklere Färbung in der oben angegebenen Weise unterscheiden; so von Sterna longipennıs, Caprimulgus Jotaka und vielleicht von Tetrao urogalloides. Die beiden ersteren zumal beruhen, bei völliger Ueberein- stimmung in den Formverhältnissen mit den entsprechenden Arten des Westens, ausschliesslich auf Differenzen in der Färbung, indem die erstere nur durch ihren schwarzen Schnabel und das dunklere Grau ihrer Unterseite von Sterna Hirundo, die letztere durch ihren allgemein dunkleren, schwarzbraunen Farbenton, verbunden mit grösserer Ausdehnung der weissen Zeichnung an der Kehle und auf den Schwingen und Steuerfedern, von Capr. europaeus sich unterscheidet. Diese letztere Differenz ist aber gerade von der Art, wie man sie unter den klimatischen Abänderungen im Amur-Lande sehr häufig findet. Weist schon Gloger auf eine Anzahl solcher Fälle im Osten der alten Welt hin, so können wir nach den Erfahrungen im Amur-Lande noch mehrere hinzufügen; so die oben angeführte Zeichnung schneeweisser unterer Flügeldeckfedern bei F. vespertinus u. dgl. m. Bei genauerer Betrachtung gehören

Schlussfolgerungen. 545

auch Milvus niger Var. melanotis, Ember. Schoeniclus Var. minor, Parus palustris Var. borealis u. a., bei denen man nelien der Ausbreitung und Verdunkelung der schwarzen oder schwarz- braunen Farbe an einzelnen Stellen, eine hellere, fast weissliche an anderen findet, ebenfalls hierher. In derselben“ Weise liessen, sich nun auch die Differenzen in der Färbung von Tetrao urogalloides im Vergleich zum gemeinen Auerhuhn auflassen. Hier haben wir es jedoch nicht bloss mit Färbungs-, sondern auch mit -Formunterschieden zu thun, die aber, wie auch der Urheber dieser Art nachweist'), nicht.ohne Vermittelung dastehtn und ebenfalls unter die Va- rietätscharaktere gehören dürften. Uebrigens wie dem in diesem Einzelfalle auch sei, so viel ist gewiss, dass die überhaupt vorherrschende Art klimatischer Abänderung der. Vögel im Amur-Lande in einer Zunahme an dunklem Pigmente; sei es mit Beibehaltung derselben Far- benvertheilung, sei es mit grösserer Ausbreitung der dunklen Zeichnung, sei es endlich mit theilweise schärferer Sonderung der hellen und dunklen Farben, besteht. Es fragt sich nun, ob diese Art der Abänderung zu den in nördlicher oder zu den in südlicher Richtung vor sich gehenden gehört? Gloger schreibt die gesteigerte Intensität und Zunabme des, Farbstofls, die schärfere Sonderung verschiedenartiger Pigmente und das da- durch bewirkte Uebergehen in vollendetere Farben einer erhöhten Thätigkeit der pigmentbe- reitenden oder verbreitenden Hautorgane zu, die wiederum nur unter dem Einflusse eines wärmeren Klima’s möglich ist. Dabei sieht er sich jedoch durch manche schon seit Pallas aus Sibirien bekannte Thatsachen genöthigt darauf hinzuweisen, dass diese Abänderung nicht bloss in südlicher, sondern oft’auch in östlicher Richtung, unter der Einwirkung’ des Conti- nentalklima’s von Asien und dort zuweilen’bis in recht nördliche Breiten stättfinde. Bei den die excessiven Winterfröste jener. Gegenden fliehenden und nur den oft sehr beträchtlichen "Hitzegraden des Sommers ausgesetzten Zugvögeln läge die Erklärung Gloger’s im Allgemei- nen nahe, obgleich sie auf das untere Ämur-Land nicht gerade anwendbar sein dürfte. Allein die Erfahrung. lehrt uns unter den solchem Abändern unterworfenen Arten im Amur-Lande ebensoviel oder sogar noch mehr Stand- als Zugvögel kennen, so die Rabenkrähe, den Wasser- schwätzer, die Sumpfmeise, die Eulen, den Hühnerhabicht, den Eichelheher, für Daurien zum Theil die Dohle u.s.w. Auch das dortige Auerhuhn, Tetr. urogalloides, fiele, wenn "wir es als solche constant gewordene Abänderung betrachten wollen, hierher. Befremdend müssen uns dabei auch solche Thatsachen erscheinen, dass die Sumpfmeise z. B. in der durch ausgebrei- teteres Schwarz ausgezeichneten Varietät (Var. borealis) in Europa gerade den Norden ein- nimmt und nach Süden der typischen Form weicht. Noch beachtenswerther scheint uns ferner . der Umstand zu sein, dass wir an'manchen der oben genannten Vögel, und sogar an denselben Individuen, hinsichtlich anderer Farben, namentlich der Rostfarben, ein entgegengesetztes, in nördlicher Richtung vor sich gehendes und nach Gloger nur durch Abschwächung der Haut- organe erklärliches Variiren beobachtet haben. Ja bei einer ‚Art, dem Hühnerhabicht, haben wir im Amur-Lande neben jener verdunkelten auch die direkt gegensätzliche, fast ganz ent-

I) Middendorff, Sibir. Reise. 1. c. p. 195. : - Schrenck’s Amur-Reise Bd. I . 69

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färbte weisse Varietät kennen gelernt. Letzteres liesse sich nun freilich dem Einflusse der im Klima jener Gegenden oft nahe neben einander liegenden Extreme zuschreiben, allein in die- sem speciellen Falle wohl mit Unrecht. Allerdings war das Exemplar der weissen Varietät, das ich im Amur-Lande erhielt, zu Ende des Winters erbeutet und die sehr verdunkelten In- dividuen dagegen sah ich im Sommer, allein letztere waren junge, nachweislich in dem kei- neswegs heissen, sondern eher kühlen und namentlich feuchten und regenreichen, dabei auch durchweg stark bewaldeten unteren Amur-Lande ausgebrütete Vögel. Ihredunkle Farbe lässt sich daher wohl nicht aus der Einwirkung einer übermässigen Wärme erklären. Rufen wir hier endlich auch das in Erinnerung, was oben über die nach dem Osten Asien’s und beson- ders im Amur-Lande zunehmende Dunkelheit und Schwärze der Farben bei den Säugethie- ren gesagt worden, die sich hinsichtlich des Wohnorts gleich den Standvögeln verhalten, so können wir diese’Art klimatischen Abänderns nicht durchweg für eine in südlicher Rich- “tung, in Folge gesteigerten Wärmeeinflusses vor sich gehende halten. Uns scheint vielmehr, Jass dieselbe Farbenabänderung bei verschiedenen Arten eine Folge ‘sehr verschiedener, ja zum Theil sogar entgegengesetzter auf sie einwirkender physischer Verhältnisse sein könne. Wenn bei manchen eine höhere Temperatur der Luft, eine stärkere, ihrem Organismus zu- .sagende sengende Wirkung der Sonne, wie sie z. B. in südlichen Himmelsstrichen gelegene, nackte Ebenen und Steppen mit sich bringen, jene schwärzere Abänderung bewirken mag, so kann bei anderen, nördlicheren Arten eine ähnliche Färbung vielleicht umgekehrt eine Folge geringerer direkter Einwirkung der Sonnenstrahlen sein (und somit mittelbar auch einer gerin- geren Wärme), bedingt etwa durch den beständigen Aufenthalt dieser Thiere in dichten und ausgedehnten Waldungen oder in einem feuchten Küstenklima, unter einem stets 'wolkenbe- deckten Himmel ü. s. w. Jede Art muss in dieser Beziehung in ihrem ganzen Verbreitungs- gebiete und in den hier ‘und dort oft sehr verschiedenen Verhältnissen des Aufenthalts, der Mauser, Nahrung u. s. w. einzeln studirt sein. Ohne daher alle Fälle der hier in Rede ste- henden Abänderung durch ein einzelnes ‚Prinzip erklären zu wollen und sie demnach als eine ausschliesslich in nördlicher oder in südlicher Richtung vor sich gehende bezeichnen zu kön- nen, heben wir nur hervor, dass in der Gesammtheit diese Art des Abänderns, die grössere Dunkelheit und Schwärze der Färbung, eine dem Osten Asien’s und in diesem be- sonders auch dem Amur-Lande eigene und. für dessen Vogel- wie Säugethierfauna charakteristische sei. . Nächst dieser Abänderung haben wir für die Vögel desAmur-Landes einer zweiten zu geden- ken, die sich ebenfalls an einer verhältnissmässig grossen Anzahl von Arten kundthut. Diese be- - trifft die dem Variiren.bekanntlich sehr unterworfenen Rostfarben, vom Rostgelb bis zum Rost- braunen Farben, die bei den Amur-Exemplaren im Vergleich zu den mitteleuro- päischen in der Regel blasser und bisweilen auch eingeschränkter sind. Beides findet oft gleichzeitig mit der oben besprochenen Zunahme der braunen und schwarzen Farben statt, indem bei geflecktem Gefieder das Rostgelb oder Rostroth blasser und das Grawu- oder Schwarzbraun dagegen dunkler wird, oder aber die Rostfarbe von dem Braun oder Schwarz

Schlussfolgerungen. . j 5% 547

mehr oder: weniger eingeschränkt oder auch fast ganz überwuchert wird., Ersteres findet z. B. bei den oben genannten Eulen und beim jungen Falco vesperlinus Statt; auch bei dem mit ein- förmigem Gefieder versehenen alten Abendfalken haben die Hosen und unteren Schwanzdeck- federn ein blasseres Rostroth als in Europa. Letzteres tritt deutlich hervor beim Rohrammer und in gewisser Weise bei Milvus niger Var. melanotis, bei dem das Rostbraun der Unterseite zum grössten Theil durch ein dunkles Graubraun ersetzt wird. Hier istes auch am Ort der Abän- derung einer aussereuropäischen Art im Amur-Lande, wir meinen der grauen Varietät von Ardea virescens zu erwähnen: vergleichtman die Amur-Exemplare mit denjenigen aus Manila, so sind alle rostgelben Flecken, welche die letzteren noch am Halse haben, bei den ersteren ver- schwunden und durch um so dunklere schwarze ersetzt. Hier wird man also die grössere Schwärze gewiss nicht für ein Variiren in südlicher Richtung halten wollen. In anderen Fällen nimmt die Rostfarbe ab,-ohne dass bei denselben Individuen irgend welche. Zunahme, sei es an Intensität oder an Umfang, in den dunklen Tönen zu bemerken wäre. Sosind Falco Tinnunculus, Certhia fa- miliaris, Saxicola Rubicola, Tetrao Bonasia, Podiceps suberistatus (besonders im Jugendkleide) u.a. m. am Amur bei gleicher Zeichnung mit den europäischen nur blasser in den Rostfarben, und bei Muscicapa parva hat nur das Rostgelb an der Kehle einen geringeren Umfang. So regelmässig aber dieses ‘Abändern im Amur-Lande zu sein scheint, so treten uns doch auch ein paar Aus- nahmen entgegen, in denen das Umgekehrte stattlindet. So scheint Tringa minuta im Amur- Lande mehr Rostroth im Gefieder der Wangen und des Halses als im mittleren Europa zu haben, und die Rauchschwalbe haben wir dort nur in der durch rostbräunliche Färbung der Brust, des Bauches und der unteren Schwanzdeckfedern ausgezeichneten ‚Var,rufa beobachtet. ‚Die erstere traf Middendorff in dieser Form auch im Südosten Sibirien’s an, ‘im Hochnor- deu dagegen in der blassen Färbung. Die Rauchschwalbe kommt nach’Pallas in der Var. rufa durch ganz Ostsibirien ') bis nach Kamtschatka vor, was Gloger durch den Umstand zu erklären sucht, dass dieselbe bekanntlich im Winter und also fern von jenen nördlichen Breiten mausert, was..jedoch ebensowohl auch won der typischen Form gilt. Reicht aber Gloger’s Erklärung in diesem Falle auch nicht aus, so bleibt doch die von ihm zuerst nach einer Menge von Thatsachen als allgemein erkannte Regel, dass die Zunahme der Rostfarben an In- tensität und Umfang im Verbältniss zum Aufenthalt der Vögel, und zumal während der Mau- ser, in heisseren und trockneren Klimaten stehe, diese Regel bleibt unumstösslich. Hier haben wir es daher mit einer viel entschiedener in der Richtung nach Nord und Süd vor sich gehenden klimatischen Abänderung der Vögel als bei der ersterwähnten Zumahme der schwarzen und braunen Farben zu thun. Dass man aber gleichwohl auch hier bei Vergleichung”verschiede- ner Faunehgebiete nicht nach den abstrakten geographischen Breitengraden, sondern nach den conereten terrestrischen Verhältnissen des Klima’s, der Bodenerhebung und Gestaltung, der Vegetation eines Landes u. s. w. zur Erklärung jedes einzelnen Falles und der, Gesammtheit derselben zu urtheilen habe, versteht sich von selbst. Erwägen wir «nun die Mehrheit der

I) Oestlich vom Flusse Kan (in Ostsibirien), nicht von der Kama (im europäischen Russland), wie Gloger

(Abänd. der Vögel. p. 58. Handb. der Naturgesch. der Vögel Eur. I. p. 415.) angiebt. AR

wi: Vögel.

oben angeführten, in den Rostfarben stattfindenden Abänderungen der Vögel im Amur-Lande, so lässt sich darin im Vergleich zum mittleren Europa ein nördlicherer Charakter nicht * verkennen, was wir sowohl dem rauheren, im Sommer keineswegs dureh besonders hohe, die _ excessive Winterkälte compensirende Hitzegrade ausgezeichneten- und zum grössten Theil feuch- ten Klima, als auch der’ allgemeinen, nur durch die Prärieen am südlichen Amur unter- brochenen Bewaldung des Landes zuschreiben möchten. Einen anschaulichen, wenn auch na- türlich keineswegs für die Gesammtheit gültigen Maassstab giebt uns in dieser Beziehung das Verhalten einer quer durch die ganze alte Welt verbreiteten und dem Variiren hinsichtlich der Rostfarben sehr ausgesetzten Art, wir meinen der Silta europaca L. Während nämlich im nördlichen Sachalin, an der Meeresküste und im Mündungslaufe des Amu r-Stromes nur die blassere Varietät vom Kleiber (Var. uralensis) vorkommt, tritt von der Gorin-Mündung an die typische Form auf, die am südlichen Amur eine fast ebenso intensive Rostfarbe an ihrer Un- terseite wie im mittleren Europa gewinnt. In Sibirien dagegen ist die typische Sitta euro- paea bisher nicht beobachtet worden. Während sich also das nördliche Amur-Land mit dem Küstengebiete in diesem Punkte gleich,dem gesammten Sibirien und dem nördlichen Europa verhält, lässt sich der klimatisch besonders begünstigte südliche Theil des Amur-Stromes un- gefähr mit dem mittleren Europa in Parallele bringen. |

Es bleibt uns endlich übrig, noch einer dritten Art klimatischer Abänderung der Vögelim Amur-Lande zu erwähnen es ist die zum Theil schon oben berührte ausserordentliche Entfärbung im Gefieder mancher Arten, das Auftreten von mehr oder weniger weissen Varietäten. Solcher Fälle sind unsim Amur-Lande nur wenige begegnet und zwar eigentlich nur zwei, nämlich die schon besprochene weisse Varietät vom Hühnerhabicht und die dem, Amar-Lande mit Ostsibirien, Kamtschatka und Grönland gemeinschaftliche weisse Va- rietät von Jagdfalken (Var. .candicans). Einen dritten Fall gäbe vielleicht die auch im Norden Europa’s verbreitete helle, weissliche Form vom Birkenzeisig (Var. canescens) ab, die aber im Amur-Lande keineswegs von besonderer Weisse ist. Bekanntlich ist. die weisse Farbe be- sonders den Vögeln und Säugethieren des hohen.Nordens, sei es beständig, sei es während des Winters, eigen. Ob und in wie weit aber auch in den oben angeführten Varietäten der Einfluss eines hochnordischen Klima’s anzunehmen sei, muss zunächst noch dahingestellt blei- ben, da diese Varietäten zum Theil in die oben besprochene Kategorie grösserer oder gerin- gerer Schwärze der Färbung gehören, in weleher, wie wir sahen, ausser und neben einer Zu- nahme nach Süd auch manche, wohl von anderen physischen Verhältnissen abhängige Difle- renzen,nach den Längengraden stattfinden. Wie dem aber auch sei, müssen uns diese weissen Varietäten neben der sonst gewöhnlichen Schwärze der Färbung im Amur-Lande, zumal wenn sich beide, wie bei Astur palumbarius, innerhalb einer und derselben Art finden, ganz besonders in die Augen fallen. In ganz ähnlicher Weise begegneten uns nach einer anderen Richtung neben den sonst in den Rostfarben gewöhnlich verblassten Formen auch ein paar mit gesteigerter Rostfarbe.: Es fehlt also dem Amur-Lande auch in Beziehung auf klimatische

Schlussfolgerungen. . "549

Abänderungen ‚nicht an gegensätzlichen Erscheinungen, gleichwie sich solche auch in der geographischen Zusammensetzung der Amur-Fauna wahrnehmen lassen.

In den übrigen Farben, den blauen und grünen, den Rosen- und Purpurfarben lassen sich an den Vögeln des Amur-Landes 'keine den europäischen gegenüber erhebliche -Difle- renzen bemerken, wie denn diese Farben überhaupt dem Abändern weniger unterworfen sind. Es bliebe uns somit noch die Form- und Grössenabänderungen zu betrachten übrig. Dass solche.an den Vögeln des Amur-Landes in der That vorkommen, möchte man aus manchen der oben mitgetheilten Maasse einzelner Arten entnehmen. Namentlich scheinen manche Arten im Amur-Lande und in den angränzenden Gegenden Ostasiens, in Japan, Ost- sibirien, Kamtschatka in der Regel von grösserem Wuchse als in Europa zu sein, so Pica caudata, Col: Turtur (Var. gelastis), Podiceps suberistatus, Larus canus; andere dagegen von kleinerem, so Jynx Torgquilla, Alcedo ispida (Var. bengalensis), Ember. Schoeniclus (Var. minor), Pyrrhula vulgaris (Var. orientalis) u. a. m. Bei manchen Arten thut sich auch ein Grössenunterschied zwischen den Amur- und japanischen Individuen und dann stets zu Gunsten der ersteren kund, so bei Strix uralensis, Pyrrhula sibirica, Parus caudatus, Lusciola phoenicura (Var. aurorea) u. a. Doch stehen hier die Erfahrungen noch zu vereinzelt da, um auch nur vorläufige allgemeinere Schlüsse zu gestatten.

So viel über den allgemeinen geographischen und morphologischen Charakter der Vogel- fauna des Amur-Landes. Wenden wir uns nun zur Betrachtung der mit dem Wechsel der Jahreszeiten in derselben vor sich gehenden Veränderungen. Bekanntlich erheischen diese von den klimatischen, orographischen und anderen Verhältnissen eines jeden Landes und seiner Nachbargebiete mannigfach abhängigen, periodischen Erscheinungen im Thierreiche zahlreicher, an einem und demselben Orte durch Jahre fortgesetzter Beobachtungen, um auch nur einigermassen vollständigere und sichere Resultate zu ergeben. Was daher in dieser Be- ziehung im Laufe nur weniger, fast unter steten Reisen in einem weiten Gebiete zugebrachter ‚Jahre erlangt werden konnte, darf füglich nur als Material für zukünftige, über reichere Er- fahrungen gebietende Arbeiten betrachtet werden. Um es aber als solches brauchbarer zu machen, wird es nothwendig, die in den obigen Blättern zerstreuten Beobachtungen hier der Uebersichtlichkeit wegen tabellarisch zusammenzustellen. Wagen wir alsdann aus denselben durch Vergleichung mit den Nachbargebieten schon jetzt einige allgemeinere Bemerkungen in Beziehung auf das Amur-Land abzuleiten, so sind wir selbst weit entfernt denselben mehr als einen ganz vorläufigen Werth zuzuschreiben. %

Nach unseren zweijährigen Erfahrungen lassen sich für das untere Amur-Land und na- mentlich für den Mündungslauf des Amur-Stromes vom Gorin+abwärts, den Liman und die’ Insel Sachalin (in ihrem nördlichen Theile) etwa folgende Arten als Standvögel bezeichnen:

50° Fögel.

Astur palumbarius. Sitta europaea. Strix uralensıs. Garrulus infaustus. » funerea. » * glandarius. »' passerina. Nucifraga Caryocatactes. Picus Martius. Pica caudata (fehlt auf Sachalin, s. oben). » Ieuconotus. Corvus Corone. » major. » japonensis. » » minor. T » Coraz. » tridactylus. . Certhia familiarıs. ‚Loxia curvirostra. Cinclus Pallasii (‚wo es nicht gefrierende » leucoptera. j Quellbäche giebt): Parus caudatus. Lagopus albus. » ceyanus. Tetrao urogalloides. » palustris Var. borealıs. » canadensis Var. Franklin. » ater. Bonasia.

Ausserdem sehen wir an einzelnen Localitäten, wo es auch im Winter oflene Gewässer giebt, einzelne Arten mit einem Theil ihrer Individuen (wahrscheinlich lauter alten Vögeln) wintern, während sie das übrige Land fliehen. Solche Standvögel eingeschränkter Localitäten, die wir namentlich zum Theil an den Küsten der Meerenge der Tartarei, zum Theil am oberen Lauf des Tymy-Flusses auf Sachalin kennen lernten, sind: :

Halaötos Albicilla. Anas Boschas.

» Clangula. Phaleris eristatella.

Fügen wir nun noch einige im Spätherbst für den Winter auf längere öder kürzere Zeit

sich einstellende Arten hinzu, wie: 2 \ Strix nyclea, Pyrrhula vulgaris Var. orientalis, » rosea, » Enucleator, . Fringilla linarıa Var. canescens, so haben wir die ganze, im Laufe des Winters uns zu Gesicht gekommene Vogelfauna des Amur-Landes genannt. Dass aber damit die Winterfauna desselben nicht in der That er- _ schöpft sein könne, versteht sich von selbst. So lassen sich z.B. unter den zu anderen Jahres- zeiten von uns beobachteten Vögela noch manche sehr wahrscheinlich als Standvögel für das Amur-Land ansprechen, ob uns gleich die direkten Beobachtungen darüber zur Zeit noch fehlen; so namentlich die übrigen Eulen, Strix Bubo, Otus u. s. w. Noch mehr dürften sich unter den uns überhaupt im Amur-Lande entgangenen, in den Nachbargebieten hingegen beobachteten Vögeln auch manche, sei es beständige, sei es nur winterliche Bewohner des

Schlüussfolgerungen. | | 51

unteren Amur-Landes finden, soz. B. Parus major, Bombycilla Garrula, Lagopus alpinus u. Ss. w. Halten wir uns jedoch an die von uns beobachteten Thatsachen und yergleichen wir sie mit denjenigen in den Nachbargebieten. Dem nördlicher gelegenen Ostsibirien, wir meinen den Küsten am Ochotskischen Meere in der Gegend von Ajan-und nördlicher und dem Lena-. Gebiete bis nach Jakutsk u. s. w. gegenüber, weist die Winterfauna des Amur-Landes schon manches Plus auf. So wird uns z. B. Astır palumbarius für die Gegend von Jakutsk als Zugvogel genannt, der sich im Frühjahr um die Mitte des April wieder einstellt"), wäh- rend er nach Middendorff’s Zeugniss schon bei Udskoi-Ostrog überwintert. Ebenso Cor- vus Corone. Letztere scheint in der Gegend am Aldan,im Lena-Gebiete im 59° n. Br., im Frühjahr erst gegen Ende des April (am 27°), in Ajan an der Meeresküste dagegen um einen Monat früher (Ende März) ?) sich einzufinden, während diese Orte sonst in den Ankunftszeiten ihrer Vögel in der Regel umgekehrt sich verhalten, oder wenigstens der erstere dem letzteren bedeutend voraus zu sein pflegt. Diese Abweichung lässt sich aber leicht aus dem’ Umstande erklären, dass ‘C. Coronein der Nähe des letzteren Ortes, nur um etwa 3—4 Breitengrade süd- licher, nämlich am unteren Amur, im Liman u. s. w. überwintert. "Wie ‘oben angeführt, sahen wir die Rabenkrähe dort sowohl im Nikolajevschen Posten, wie in den Dörfern der Giljaken am Amur und an der Meeresküste im Winter in Menge von den Abfällen der Küchen und der bei den Eingeborenen für sich und ihre Hunde gebräuchlichen Fischnahrung leben, wozu ihr an den Küsten südlich vom Liman auch das offene Meer noch manchen Zu- - schuss liefern mag. Letzteres bedingt dort natürlich auch das Wintern mancher anderen Vögel, die an den Küsten des Ochotskischen Meeres erst mit dem Frühjahr. sich wieder ein- finden, so Haliaötos Albieilla, Phaleris eristatella u. a. Zudem zählt das Amur-Land in seiner Winterfauna manche Vögel, die in jenen höheren Breiten Ostsibirien’s, sei es der excessi- veren Kälte wegen, sei es aus anderen Gründen, gar nicht mehr vorkommen, so z. B. Pica eandata, Garrulus glandarius, der im Lena-Thale nach Gmelin’s Nachrichten ®) selten über die Mündung des Kuta-Flusses in 57° n. Br. vordringt, u. s. w. Stellt sich hierin der Win- terfauna des Amur-Landes ein Plus heraus, so lässt sich dagegen im Vergleich zu den in gleichen Breiten nach Westen gelegenen Gegenden Sibirien’s ‚oder gar Europa’s ein oflen- bares Minus nicht verkennen. Den Grund davon werden wir ohne Zweifel in den klimatischen Verhältnissen des unteren Amur - Landes zu suchen haben, das bei einer kaum milderen Wintertemperatur als das,continentale Sibirien einen ungeheuren Schneereichthum besitzt, der natürlich für viele Vögel Nahrungsmangel im Winter zur Folge hat.» So wurde schon oben darauf hingewiesen, dass das schneearme Daurien zum Winteranfenthalte zahlreicher Alpen- lerchen diene, ‘während das untere Amur-Land sie nur auf dem Durchzuge sieht. . In dem ersteren wintern ferner nach Pallas grosse Mengen von Feldhühnern, was im unteren Amur- Lande, auch wenn dieser Vogel sich dort finden sollte, gewiss nicht statt hat. Ebenso finden

1) Middendorff, Die Isepiptesen Russland’s. p. 24. 2) Middendorff,. c. p. 38 u, 124. 3) $. Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 394.

552 Vögel.

in dem letzteren die Schneeammern keinen Winteraufenihalt, sondern ziehen schon frühe im Herbst nach Süden durch, gleichwie-sie es nach Pallas auch im Osten Sibirien’s thun, wäh- rend sie in denselben Breiten westwärts mehr und mehr ächte Wintervögel sind. Am grössten erscheint die Armuth der Winterfauna des Amur-Landes, wenn man sie mit derjenigen Europa’s in gleichen oder selbst nördlicheren Breiten vergleichen will. Während z. B. im mittleren und nördlichen Deutschland oder in den nördlicher als das untere Amur-Land be- legenen baltischen Provinzen Russlands in der Regel Erlenzeisige, Bergfinken, Goldhänchen, ja in dem ersteren bisweilen auch Kernbeisser, Karmingimpel, Lerchenammern u. s. w. den Winter zubringen, sehen wir dieselben Arten inr unteren Amur-Lande meist. schon früh- zeitig, oder, die spätesten, wie das Goldhänchen, doch bei wachsendem Frost und Schnee- reichthum im Spätherbst davonziehen. ‚Ohne Zweifel spricht sich also in der Winterfauna des Amur-Landes ein viel nordischerer Charakter aus, als man nach den geographi- schen Breiten, in denen es gelegen, zu erwarten geneigt wäre. Kaum möchte man glauben, dass sich derselbe und noch mehr der unmittelbar anstossende Theil des Amur-Stromes im Sommer von so südlichen Gestalten wie die prachtvolle Mandarinente, mehrere südasiatische Reiher, Zosterops, Pericrocotus u. s. w. beleben. So gross erscheint hier einerseits der Con- trast der Jahreszeiten, und so rasch steilen sich andererseits, stromaufwärts gegangen, in der Fauna des Amur-Landes Züge eines südlicheren Gepräges ein Beides Erscheinungen, die ‚mit den oben ‚schon mehrmals hervorgehobenen klimatischen und vegetaliven Verhältnissen des Amur-Landes im vollsten Einklange stehen.

‚Wenden wir uns jetzt zu den Perioden des Wechsels der Sommer- und Winterfauna, wir meinen zu den Zugzeiten der Vögel im Amur-Lande. Leider erstrecken sich unsere Beobachtungen in diesem Punkte nur über einzelne Arten und rühren auch fast nur aus dem unteren Amur-Lande, namentlich aus dem Mariinskischen und Nikolajevschen Posten her, wo Hr. Maximowicz und ich respective einen zweimaligen Frühling und Herbst zubrachten. Den südlichen Amur haben wir stets nur im Hochsommer gesehen, so dass uns eine Ver- gleichung der Zugzeiten in diesem Stromtheile mit denjenigen an der Amur- Mündung ver- sagt bleibt. Den oberen Amur endlich und das Quelliand desselben berührten wir nur auf einmaliger Durchreise.im Herbst und konnten also. auch nieht mehr als einzelne Abzugszeiten notiren. Zwär fiel die Reise Hrn. Maack’s durch diesen Theil des Amur-Landes in das Frühjahr, allein sie betrat denselben für die Beobachtung der ersten Ankunftszeiten der Vögel leider schon etwas zu spät. Sie konnte uns daher für viele Arten höchstens die späteste Ankunfiszeit, oder aber auch nur die Termine lehren, wo wir sie schon bestimmt im oberen Amur-Lande anzutreflen rechnen dürfen. Dass es auch uns im unteren Amur-Lande mit manchen Arten nicht besser erging, versteht sich von selbst. Dennoch glauben wir auch die- sen Beobachtungen zur Zeit noch einen gewissen Werth beilegen zu dürfen. Fehlt es uns doch bis jetzt noch an allen Thatsachen über die Zugzeiten der Vögel im Amur-Lande und somit auch an der Möglichkeit einer jedesmaligen mehr oder weniger sicheren CGontrolle, ob diese oder jene unserer Beobachtungen eine rechtzeitige oder verspätete sein dürfte. Ver-

Schlussfolgerungen. 993

gleichungen mit den übrigens auch nur sehr geringen und zudem aus verschiedenen Jahren herrührenden Erfahrungen über die Zugzeiten in den Nachbargebieten des Amur-Landes und eine Befragung der aus den zahlreichen und vielseitigen Beobachtungen in Europa allge- meiner erkannten, wenn auch nicht allen Ausnahmen entzogenen Gesetzmässigkeit in der Reihenfolge der Frühjahrsankömmlinge, sowie endlich speciellere, auf klimatische oder vegeta- tive Verhältnisse im Amur-Lande bezügliche Combinationen haben uns eine ungefähre Kritik unserer eigenen Beobachtungen an die Hand geben müssen. Dennoch wäre es immer mög- lich, dass manche derselben, die wir für verspätet halten, sich in der Folge als rechtzeitig er- weisen und umgekehrt. Jedenfalls halten wir es für unsere Pflicht, in der nachstehenden ta- bellarischen Zusammenstellung die Beobachtungen von verschiedenem Werthe auch graphisch auseinanderzuhalten. Zu dem Zwecke sind in dieser Tabelle nur diejenigen Beobachtungen, die nach unserem Dafürhalten die wirklichen Zugzeiten (mit der Zuverlässigkeit als dies über- haupt möglich) angeben dürften, ohne weiteres Zeichen angeführt, diejenigen Angaben da- gegen, die nur auf die erste, vermuthlich jedoch mehr oder weniger verspätete Begegnung eines Vogels sich beziehen und somit nur einen entfernteren und bedingteren Werth haben, durch ein beigesetztes Sternchen (*) unterschieden worden. Im Uebrigen haben wir uns ganz an die von Middendorff in seinen «Isepiptesen Russlands» beobachtete Anordnung gehalten, ‘da uns diesereichhaltige, bahnbrechende Schrift, die uns die nächsten und überhaupt einzigen Vergleichungspunkte darbot, auch in der Form maassgebend sein musste. Demnach sind in den nachstehenden Tabellen alle Beobachtungen nach altem Stile angegeben worden, wobei die römischen Zahlen auf die Monate, die arabischen auf die Tage der Ankunft, des Ab- oder Durchzuges wie das bei jeder Art von selbst ersichtlich sich beziehen. Sind statt der letzteren Zahlen die Buchstaben A., M. oder E. gesetzt, so bedeutet Solches, dass die Zugzeit, ohne dass eine nähere Bestimmung möglich gewesen, in den Anfang, die Mitte oder das Ende des Monats fiel. Mit den bisweilen hinzugefügten Buchstaben V., H., N. sind wie bei Mid- dendorff die Vorzügler, der Hauptzug oder die Nachzügler gemeint. Ebenso bezeichnen die hin und wieder beigefügten Buchstaben fr. oder sp., ob uns die beobachtete Zugzeit eine beson- ders frühe oder späte zu sein schien. Was endlich die möglichst speciell und stets in der Ord- nung stromaufwärts gegangen aufgeführten Beobachtungsorte betriflt, deren geographische Breite nur annähernd in Viertelgraden angegeben worden, so verweisen wir auf die unserer Reisebe- schreibung beigegebene Karte des Amur-Landes.

Schrenck’s Amur-Reise Bd, I. 3 70

994

Vögel.

Tabellarische Uebersicht

der im Amur-Lande beobachteten Zugzeiten der Vögel.

Namen der Arten.

Hahaötos Albieilla Falco Tinnunculus ......»» Circus eyaneus. euren. Acanthylis caudacuta...... Caprimulgus Jotaka » » Cueulus canorus. ve... :.- Jynz Torquilla

.o 0...

.o.er0».

Alcedo ispida Var. bengalensis|Oldoi-Münduug

Upupa Epops » » Alauda alpestris.........

» » Plectrophanes nivalıs

or re ee...

» »

» »

» lapponica . Emberiza aureola........ » ruslica

» Pühhyornus =...» » ciordes » spodocephala ....

» Schoeniclus Var. minor... . » » » pusılla Pyrrhula vulgaris Var. orien- WS ann:

corner.

._ rer.

Fringilla linaria Var. canes-

Gorin-Mündung Nertschinsk Nertschinsk Oldoi-Mündung

. |Urutschi-Mündung

Beobachtungsorte.

.er[e.tee

ner 1:00...

Unterer Amur Albasin (oberer Amur) ... Tebach (unterer Amur) .. Polowinnaja-Mündung (Schilka) ».

.. [1 ...

Maxrumsler.). 22 ee Nikolajevsk ........... Urutschi-Mündung

Nikolajevsk ...........

Mariinsk Mulatscha (Argunj)......

Chaselach-Mündung Nikolajevsk

Marinsk Nertschinska sen .cisge oje Chelasso-Mündung ..

..ctenenTerne»

Dshai bei Mariinsk ...... Nertscha-Fluss ......... Oldoi-Mündung ........ Nikolajevsk Nikolajevsk Amasare-Mündung

Nikolajevsk

Geogr. Br.

Zugzeilen.

503°| 1835, II, A.

92

55, IV, 24.*

55, IV, 19.*

35, V, 24.*

53, V,M.

55, V, 27.*

55, V, 16. (Erster Ruf).

35, V, 16.*

35, V, 24.*

35, IV, 11.

35, IV, 21.*

54, IX, 5.

56, IX, 21.

34, X, 7, V.X, 11,H. 36, IV,’A,

54, X, 13.

56, X, 10.

56, IX, 19.

Sa Vetıer

54, IX, 28, H.X, 12, N. 55, IV, 23.

55, IV, 11.

55, IV, 21.*

55, V, 8.*

35, V, 3.“ 55, IV, 22.* 36, IX, 6.

BYR X, 23. BY X, 6. 56, IX, 22.

5A, X, 28. 55, V, >.

Namen der Arten.

Fringilla Spinus .x....:: » »

» Montifringilla ...

Coccothraustes vulgaris . » » Anthus arboreus.......».

» pratensis Var.japonica Motacilla alba Var. lugens ..

» » » » » » Var. paradoxa » sulphurea.......» » flava |...“ Turdus Naumanni ....... » , fuscatusid. 2.2 ./. -04 » » » » » » Accentor alpinus -.....:. Sazicola saltatrix ....... » Rubiola ....... Lusciola phoenicura Var. aurorea ...... BIN. cyanura EIER » » » » Phyllopneuste sibirica ....- Salicaria Aödon......... » "certhiola . .d% „wa » locustella » . 2% „4 Muscicapa parva ... 2... » sebirica .ausa.. Lanius phoenicurus ....:. Hirundo rustica Var. rufa » urbica\.u . IR mo Br rinarıaN Th. fer ; Columba Turtur Var. gelastis » » » » DI FROH. IE.

Schlussfolgerungen.

Beobachtungsorte. I Nikolajevsk ........... Marünsk.\.s.. desymf nes 513 DSshapaaı...... 00000 514 Nikolajevsk ........... 531 Dshaagelkinn a 514 Dass at 514 Bjankina (Schilka) ...... 52 Nikolajevsk. . 2. Jana 534 Marunsk 1.2.1.2 ts 513 Nertschinsk .........-. 92 Nikolajevsk ....2...... 534 Nikolajevsk ........... 531 Ingodaa... „in - 42076 513 Nikolajevsk,. ..22.....0 534 Marunskaa:. er. 513 Gorin-Mündung ........ 503 Bureja-Gebirge.......:. 481 Bureja-Gebirge......... 481 Nertscha. |... >. nass 52 Bjankina (Schilka)....... 92 Bjankmar: . .... 2 bierasle.n» 52 Nikolajevsk .... .........% 531 Märimisk 2...) 2 tyra na 513 Südlicher Amur ........ 471 Polowinnaja-Mündung

Sehilka) ... ..... 53 Koim (unt. Amur)....... 524 Ustj-Strelka .....2..... 531 Ust Steelka 1.8 534 Schilkinskoi-Sawod...... 521 Nikolajevsk ........... 531 Gorbiza-Mündung (Schilka)| 53 .‚Tentscha (unt. Amur) ....)521 Nerxtschinsk ..........% 52 Aure (unt. Amur) ....... 52 Nikolajevsk ........... 534 Dshais 2.0: 3. Saeıhan 51} Mariısk 4: 232... avast 513

355

Zugzeiten.

534°| 1854, X, 13.

35, IV, 1. 35, V, 3.* 5A, X, 19. 35, V, 3.* 395, V, ar

n 55, Vv, 3.

54,1X,E., H.X,7,N.X, 30,N.,sp.55,1V,16.56, Iy,.27,4;

55, IV, 6, V..IV, 11, A. 56, IV, 21.

35, IV, 27.*

54, IX, 27.55, V,5, N. X,12, N., sp.

51, IX, M. 55, IV, 30.

35, IV, 17.

54, IX, 19, H.X, 14,N.

54, X, 1a.

55, VII, 31, fr.

55, IX, 13.

55, IX, 16.

55, IV, 19.

55, V, 7.*

55, V, 6.* 54, IX, 15. 55, IV, 19. 35, IV, 10. 55, IX, 13.

55, V, 16.*

35, V, 21.” 55, V, 22.* 55, V, 21.” 55, V, 11.* 54, IX, 7. BEN N re 55, V, 21. 55, IV, 25. 55, V, 22.* 54,IX,A. 55,1V,E.(?).V,8. 55, V, IH

55, X, 24, sp.!

*

396

Namen der Arten.

Fulica alra. 1... sd nice Grus Leucogeranus » cinerea

» » Squatarola helvetica Charadrıus curonicus Totanus Glottis ........».-

» »

* » »

» Glareola

» » » ochropus

» » Actitis hypoleucos Tringa crassirostris » Canutus » subarquata 3,1 1 Cinclus „NER Er

. oe... .ore re.

on 0 .0.x

» »

» Temminckü ......

» minulaetslescd shee

» »

» » Scolopax Gallinago Ardea stellaris

» » Ciconia alba

.eor 00%.

.er 1er.

Uygnus musicus » » Anser cygnoides

» »

» » » grandıs

» Segelum rer een.. » CINETEUS-e ER

Anas galericulata........ » Penelope » »

». Boschas

or [nee

Vögel.

Beobachtungsorte. Br. F Nertscha-Mündung ......- 52° Tschelmok (unt. Amur)...| 523 Nikolajevsk ..........- 531 Mark » 22.200000. .% 513 Nikolajevsk ..........- 531 Nerischa|ls2.2 4242204» 92 Kij-Mündung (Ussuri) ....| 48 Bureja-Mündung........- 494 Komar-Mündung ......- 514 Bureja-Mündung........ 491 Stretensk (Schilka) ...... 521 Nakolagevsk - u Jno.0... 531 Bjankina (Schilka) ...... 92 Tebach (unt. Amur) ..... 5341 N 513 Nikolajevsk ...22.2....: 931 Agdiki (Ussuri) ........ 473 Nikolajevsk ....2.2..2... 331 Gorbiza-Mündung (Schilka)| 53 Bjankina (Schilka) ...... 92 Nikolagevsk . .....00 82: 531 Bureja-Mündung.......- 491 Gorbiza (Schilka) ....... 93 Bjankina (Schilka) ...... 92 Pallwo (unt. Amur)...... 334 Nertschinsk „2.2 2.% 92 Odshal (unt. Amur) ..... 50 Nikolajevsk .... SUN... 331 I a 513 Nikolajevsk ........... 531 Chjare (unt. Amur)....... 521 Marımak as. 0n seen 512 Nikolajevsk .......... „| 531 Nikolajevsk ........... 334 Nertschinsk ........... 2 Kalgho (unt. Amur) ..... 534 Nikolajevsk ...ese.0... 534 Amasare-Mündung ...... 534 Nikolajevsk RE 534

Zugzeiten.

1855, IV, 29.* 55, IX, 15. 34, IX,M. 55, IV, 7. 5, IX, 16. 55, IV, 20.* 55, VII, 16. 56, VI, 3. 56, VII, 20. 56, VI, 3. 355, V, 7.* 55, V, 5.* 55, V, 6.* 55, V, 16.* 55, VII, 17. 54, VII, 17. 55, VII, 15.

54, VII, 16— 31. 335, NN

35, V, 18.*

55, V, 7.“

5A, VII, 27 —31.

36, VII, 6.

35, V, 18.*

33, V..0.%

536, V, 13.*

35, IV, 27.

IV. VII. (Angabe der Einge-

borenen).

55, IV, 18, N. 36, IV, 7.

35, Il, 14 (2). IV, 1.

55, IV, 15. 36, IV, 10.

55, IX, 15.

55, IV, 1.

55, 1V, 30.* (Nicht vor dem 20").

54,1X, 7—19. 55 u. 36, IV, 15— 24.

55, IV, 28.*

55, V, 10.*

55, IX, 19.

536, IX, 22.

55, 1V,M.

Schlussfolgerungen. 997 Namen der Arten. Beobachtungsorte. ep Zugzeilen. Anas Boschas »......».- Mariinskö 4.3.4 .2arı dal 513°| 1855, IV, 3. 56, III, 31. 2 IGlOCHARS He“ Since» <usr- Nikolajevsk .. 22 .....- 534 35, IV, E. » » Mariinsk, 4.75 ana dhesassieuege 513 55, IV, 11. BEER Sn nen. once Nikolajevsk . ....0..... 934 55, IV, E. DERGCHIEN Se ee ee Nertschinsk ........... 52 55, IV, 30*. BEREINBEGER 2 sn 00 en Nikolajevsk ..........- 534 35, V, 10.* » » Schilk#H alın I 521 55, V, 8.* Bl Glängula. ...1.1.., Un Nikolajevsk ........... 531 35, IX, 19. » » Amasare-Mündung ...... 531 56, IX, 22. » histrioniea 22224... Nikolajevsk ........... 534 55, V, 14.* » » Schilkinskoi-Sawod...... 521 55, V, 6.* »> Pula ...2. 0.20% Nikolajevsk .. 22.2... 00. 534 35, V,7.# » » Schiikas ara schälen star 521 55, V, 10.* Mergus Merganser ......- Nikolajevsk ........... 5341 35, IV,M. » Serrator ........ Nikolajevsk ..........: 531 55, V, A.* ». yalbellusisso ua Nikolajevsk ....2...... 534 55, X, 2. X, 23, sp. Podiceps suberistatus ....- Kalm (unt. Amur)....... 53 56, V, 16.* Erste Möve (Lar, ridibundus?) Nikolajevsk ........... 534 35, IV, 20. Larus argentatus ...-..»- Nıkolapewsk “te.ie nn nun 534 54, X, 13. Sterna longipennis ......-- Nikolajevsk ........... 531 55, IV, E. » Gorin-Mündung ........ 503 55, VII, 27.

Vergleichen wir nun nach den obigen Thatsachen die

Zugzeiten im unteren Amur-

Lande wir meinen wie oben hauptsächlich im Mündungslaufe des Amur-Stromes, wo der Nikolajevsche und Mariinskische Posten sich befinden mit denjenigen in den Nachbar- gebieten, so dürften sich trotz der nur wenig zahlreichen und dabei in sehr verschiedenen Jahren ausgeführten Beobachtungen doch schon folgende Schlüsse aus denselben ableiten lassen. Fasst man nämlich die in denselben Meridianen um 3—4 Breitengrade nördlicher an der unmittelbaren Küste des Ochotskischen Meeres gelegene Umgegend von Ajan in’s Auge"), so muss die Ankunft der Vögel im unteren Amur-Lande als eine verhältnissmässig frühzeitige

erscheinen.

Geht man dagegen von dort nach West und Süd, an die ihrem Charakter nach

noch zum Bereiche der Küstenlandschaften des Ochotskischen Meeres gehörenden rechten Zuflüsse der Lena, ferner zum Stanowoi-Gebirge und bis nach Udskoi-Ostrog an der Südküste des Ochotskischen Meeres hinab, so spricht sich zwischen diesen Gegenden und dem unteren Amur-Lande in den meisten Fällen eine sehr nahe Ueberein- stimmung in den Zugzeiten der Vögel aus. Viele der von Middendorff dort beobach- teten Ankunftszeiten fallen sogar in überraschender Weise mit den von uns im unteren Amur- Lande und besonders im Nikolajevschen Posten wahrgenommenen zusammen. Bei anderen

1) Vergl. die Beobachtungen von Wosnessenski in Middendorffs Isepiptesen Russland’s. p. 123.

398 Vögel.

findet in dem letzteren, seiner südlicheren Lage entsprechend, ein etwas frühzeitigeres, immer aber den ersterwähnten sehr genähertes Eintreffen statt. Somit lässt sich also im Allgemeinen die von Middendorff für das ganze Gebiet im Osten der Lena bis zu den Ostküsten Sibi- rien’s dargethane, verhältnissmässig sehr beträchtliche Verspätung der Zugvögel auch für das untere Amur-Land als Regel aussprechen. Um dies jedoch noch mehr ausser Zweifel zu stellen und zugleich ein ungefähres Maass der Verspätung der Zugvögel im unteren Amur- Lande zu gewinnen, müssen wir die Zugzeiten in demselben auch unmittelbar mit den weiter nach Westen in gleichen oder nördlicheren Breiten gelegenen Gegenden vergieichen. Leider liegen uns aus dem oberen Amur-Lande und Daurien noch so gut wie gar keine Beobach- tungen in dieser Beziehung vor, da wir die oben erwähnten durch Hrn. Maack erhaltenen Data nicht direkt als solche betrachten können. Was jedoch über die Gegend von Irkutsk und den Baikal-See bekannt ist und sich in Middendorff’s Isepiptesen Russlands zusam- mengestellt findet, scheint unzweifelhaft darzuthun, dass die Ankunft der Vögel dort frühzeitiger als in dem unter gleichen Breiten gelegenen Mündungslaufe des Amur-Stromes_ statthabe. Dennoch findet in jenem centralen Theile Ostsibirien’s im Vergleich zu westlicheren Längen, nämlich zum Ural-Gebirge oder zum Obj-Laufe, eine Verspätung der Zugvögel statt, was nach Middendorff dem im Süden von Ostsibirien verlaufenden Zuge der Altaischen und Ssajanischen Gebirge zuzuschreiben sein dürfte. Etwas östlicher, in Daurien, das sich ohne ein solches durchgehendes Scheidegebirge im Süden unmittelbar an die Hochebenen und Steppen Innerasien’s anschliesst, möchten wir daher wiederum eine verhältnissmässig frühere Ankunft der Zugvögel als beilrkutsk oderam Baikalerwarten. Und in der That weist uns Middendorff in diesen Meridianen nordwärts, an dem Lena - Laufe bis nach Jakutsk eine beträchtliche Verfrühung der Zugzeiten nach, auf welche dann die schon oben besprochene Verspätung in den Küstenländern des Ochotskischen Meeres folgt. Halten wir nun die Zugzeiten des unte- ren Amur-Landes denjenigen im Lena- Thale gegenüber, so überrascht uns die Thatsache, dass das um 9 Breitengrade nördlicher als die Amur-Mündung gelegene Jakutsk seine Zugvögel ziemlich um dieselbe Zeit, ja oft sogar um etwas früher als der NikolajevschePosten erhält. So bedeutend ist also die verhältnissmässige Verspätung, die der Zug der Vögel im unteren Amur-Lande erleidet,

Ehe wir nun Einiges zur Erklärung dieser Erscheinung im unteren Amur-Lande an- führen, stellen wir noch besonders diejenigen Thatsachen zusammen, aus denen wir die obigen Folgerungen über die Zugzeiten am unteren Amur im Vergleich zum Osten Sibirien’s abzu- leiten uns berechtigt glauben. Zwar finden sich dieselben, so weit sie das Amur-Land be- treffen, schon in der obigen Tabelle und, soweit sie auf Sibirien Bezug haben, in Midden- dorff’s Isepiptesen, allein eine Aneinanderstellung scheint uns um so nothwendiger, als diese einmal Jedem selbst das Urtheil an die Hand giebt und dann auch über das leider noch sehr geringe Maass von Erfahrungen, die uns in dieser Beziehung zu Gebote stehen, volle Auskunft er- theilt, was natürlich zu einer richtigeren Aufnahme der oben ausgesprochenen allgemeineren Sätze beitragen muss. In den nachstehenden Tabellen haben wir daher, wo uns Beobachtungen über

Schlussfolgerungen. 599

eine oder die andere Art aus dem Amur-Lande und aus den Küstengegenden des Ochotski- schen Meeres (die rechten Lena-Zuflüsse mit einbegriffen) vorlagen, diese in eine, diejenigen aus dem westlicheren Theile Ostsibirien’s dagegen, wir meinen aus den Baikal-Gegenden und dem Lena-Thale (Jakutsk), in eine zweite, der ersteren gegenüber gestellte Columne eingetragen, so dass man aus denselben einerseits die nahe Uebereinstimmung der Zugzeiten im unteren Amur-Lande mit denjenigen in den Küstenländern des Ochotskischen Meeres und andererseits ihre Verspätung im Vergleich zu den unmittelbar westlicher gelegenen Ge- bieten Ostsibirien’s auf den ersten Blick ersehen kann. Im Uebrigen verweisen wir auf das oben zur Erläuterung der ersten Tabelle Gesagte und bemerken bloss, dass die Beobachtungs- orte hier ihrer geographischen Breite nach, von Süd nach Nord gegangen, folgen.

Hahiaectos Albicılla.

Gorin-Mündung|503°|1855, III, A. INTaTNet. ee 564 11846, II, E, V. III, A, H. Cuculus canorus. Tebach bei Nikolajevsk| 531 | 1855, V, 16. [Irkutsk ..... 52111772, V,8, sp. 1827, Il, a ET TE RE 564 1SA6, V, 25. 18, fr. durehschn. IV, E. Stanowoi-Gebirge.....|57 | 18/14, V,17. [Angara .....|531/1851, V, 9. Angara ..... 56 11851, V, 8. Jakutsk (Lena)|62 |1844,1V,22.32,V,9,’V. Plectrophanes nivalıs. Nikolajevsk........ 531 |1856, IV, A. Wakutsk..... 621181111, II, 7. Udskoi-Ostrog.... . 1544 |18A44,1V,14,N. Aldan (Lena-Gebiet)..|59 |184, IV, 25.

Emberiza rustica.

1831, IX, 28, H. X, 12, N. 55, IV, 23. 184M, IX, 7. 1844, IV, 26.

Nikolajevsk..... Udskoi-Ostrog. .. Stanowoi- Gebirge

531 541 60

Fringilla linaria.

1855, V, 5. IHrkutsk ..... 521 18/1, V, 13. |Jakutsk..... 62

1772, II, 14— 21.

Nikolajevsk ........ | 5314 18AA, III, 7.

Stanowoi-Gebirge. ... .|56

Fringilla Montifring:lla.

Dshai bei. Mariinsk .)51$|1855, V, 3.* Stanowoi-Gebirge. . |564]18/44, V, 23.

Nikolajevsk

Mariinsk ........ Schantar-Inseln ... Ajan Aldan (Lena-Gebiet)

Vögel.

Motacilla alba.

185/14, 1X, E, H. X,[Sselenginsk (Transbaikalien) |51°|1772, UI, 20. 7, N.X, 30, N,lJakutsk 62 1184/4,1V, 10. sp: 55, IV, 16.

36, IV, 27, H.

513 11855, IV, 6, V.IV,

11,H.56,1V,21.

55 [18AA, VII, 6.

561 1846, V, 10.

59 [18A4A, IV, 27.

531°

. er rTerTTere0e..

Motacilla flava.

u... 000er 0..

Nikolajevsk Stanowoi-Gebirge

531 59

1855, IV, 30. 1SA4A, V,A.

Turdus fuscatus.

Bureja-Gebirge......... 48111855, IX, 13.

Gorio-Mündung .......: 50311855, VII, 31, fr.

Marunsk' „aaa. sur .. 513 1854, X, 13.

Nikolajevsk ........... 534/185, IX, 19, A. X, 14, N.

Tugur-Quellen ......... 53 |187171, X, 10. (Die letzten Drosseln überhaupt). Tugur (Ochotskisches Meer) 534 1844, IX, 16. (Drosseln überhaupt). Udskoi-Ostrog ......... 544 11844, IX, 19. (T. rufcollis).

Lusciola cyanura.

Südlicher Amur ........ 4741/1835, IX, 13.

Mariınsk oe Sen. 51311855, IV, 10.

Nikolajevsk ........... 53111854, IX, 15. 55, IV, 19. Udskoi-Ostrog ....... 54411845, IV, 19. IX, 13.

Columba Turtur, Var. gelastıs.

Dshai bei Mariinsk...... 51111855, V, 3.*

Nikolajevsk ........... 5311854, IX,A.55, IV, E.(?). V, 8.

Ochotsk. Meer, Südküste. . 541118444, VIII, 27.

Stanowoi-Gebirge ......- 56 |184A, V, 22.

Grus cinerea. Marunsk .o....%. 51311855, IV, 7. Angara ....1534/11851, IV, 5. vıll, 28. Nikolajevsk ...... 53111854, IX, M. Angara ....)56 [1851 V,'15! VII, 15. Jakutsk :...|62 |184A, IV, 15. 51, IV, 18.

Schlussfolgerungen. 561

Totanus ochropus.

Walinlagevsk ........0. dk 531°|1855, V, 5.* Stanowoi-Gebirge ......... 581 |18A43, V, 4. Tringa Cinclus. NıKolajevsk. . ; „iu nu 531/1854, VII, 16—31. 55, V, 14.* Ochotskisches Meer, Südküste 5414/18474, VII, 11. Stanowoi-Gebirge ......... 57 |1SAA, V, 16. Schwäne, wohl Cygnus musicus. Mariinsk ...... 51311855, III, 14 (2).|Sselenginsk (Transbaikalien) .|51 |1772, II, E. IV, 1. TE ne 521 1772, IV, 9. Nikolajevsk ....53111855, IV, 18. 56,|Angara .........2222.... 53411851, IV, 5. VARTA Angara „..ccereenenenen 56 11851, V, 8. Jakutseaga.: as 62 18/44, IV,16. Anser cygnoides. Mariinsk ...... 5121855, IV, 1. Kjachta (Transbaikalien) ....| 51 11772, IV, 3. Nikolajevsk .... 53411855, IV, 15. 56, IV, 10. Anser grandis. Nikolajevsk ............. 53111855, IV, 30.* (Nicht vor dem 20°"). Stanowoi-Gebirge.......». 5911184, IV, 25. Anser segelum. Nikolajevsk .... 5311854, IX, 7—19.|Angara ........ 5341/11851, IX, 29. (Gänse 55 u. 56, IV, überhaupt). 15—24. ANSArA, ein 56 11851, IV, 23. IX, 27. Ochotsk. Meer, (Gänse überhaupt). Südküste..... 5411844, VII, 30.Jakutsk ........ 62 118AA, IV, 14. IX, 19, N. Amginsk (Lena- Gebiet) ..... 61 118AA, IV, 23. Anas Boschas. Marunskaui 2a el 51311855, IV, 3. 56, III, 31. Nikolajevsk ......... 53411835, IV, M. Anne 564 1846, V, 1. Ameinski 7 SE, ir... 2er 61 11843, IV, 23.

Schrenck’s Amur-Reise. Bd,I. 71

562 Vögel.

Anas glocitans.

Marinskere nee 512°11855, IV, 11. [Irkutsk .......... Pr 1772, IV, 25, H. Nikolajevsk ........ 534 1855, IV, E. N 561 11846, V, 10. Anas falcata. Nikolajevsk ........ 53111855, IV, E. [Irkutsk 222222... 521/172, IV, 15. Udskoi-Ostrog ...... 54111845, V, 3. Utschur (Lena-Gebiet).|57 |184A4, V, 14. Anas Clangula. Nikolajevsk ......22.02..: 53111855, IX, 19. Ochotskisches Meer, Südküste|541/ 18474, IX, 19. Mergus Merganser. Nikolajevsk ........|53111855, IV, M. Jakutsk 2... 3.4 | 62 |1SAr, IV, 16. Ayla 5 5641846, IV, 17, V. | Larus überhaupt. Nikolajevsk .....531/1855, IV, 20.

Jakutsk 2 u22.220... | 62 en IV, 25.

Stanowoi-Gebirge|5941| 18/444, IV, 26. (Z. canus).

So gering auch die Zahl dieser Beobachtungen ist, so dürfte doch nach denselben die oben erwähnte Verspätung der Zugvögel im Amur-Lande nicht zu läugnen sein. Es fragt sich nun, wodurch sich ein so überraschendes Resultat erklären lässt, welches die Mündung des Amur-Stromes, an dem wir nur wenig aufwärts gegangen einer mit südlichem Charakter versehenen Vegetation und im Thierreiche vielen südlichen Gestalten begegnen, in Beziehung auf die Zugzeiten der Vögel mit dem rein- und hochnordischen, durch seine excessivste Win- terkälte berüchtigten Jakutsk in Parallele stell? Die Erklärung muss, glaube ich, in folgen- den klimatischen und orographischen Verhältnissen des unteren Amur-Landes gesucht wer- den. Heben wir zunächst hervor, dass die Küstenländer des Ochotskischen Meeres und der Meerenge der Tartarei und somit auch das Mündungsland des Amur-Stromes durch grossen Reichthum an atmosphärischen Niederschlägen und namentlich durch ungeheure Schneemengen im Winter sich auszeichnen. Dieser Schneereichthum ist um so grösser, je näher zur unmittelbaren Meeresküste: am grössten daher auf der Insel Sachalin, im Amur- Liman, an der Amur-Mündung und beim Nikolajevschen Posten; geringer am unteren Amur oberhalb seiner letzten Biegung nach Ost und beim Mariinskischen Posten, obschon auch dort und bis zum Gorin hinauf, wie ich aus eigner Erfahrung weiss, noch sehr beträcht-

Schlussfolgerungen. 963

lich. Weiter aufwärts, wo der Strom mehr und mehr von der Meeresküste sich entfernt, nimmt der Schneereichthum zwar ab, scheint jedoch auch an der Ussuri- und Ssungari- Mündung wie im Bureja-Gebirge, nach den Erzählungen der Eingeborenen, noch sehr ansehn- lich zu sein. Erst oberhalb des letzteren sind wir berechtigt, eine starke Abnahme an Nieder- schlägen zu erwarten, und das obere Amur-Land endlich dürfte sich in dieser Beziehung dem durch Schneearmuth ausgezeichneten Daurien nähern. Häufen nun der Herbst und Winter bei ihrer niedrigen und in der Regel durch kein Thauwetter unterbrochenen Temperatur grosse Schneemassen im unteren Amur-Lande an, so sind dagegen die klimatischen Verhält- nisse im Frühjahr nicht geeignet, denselben ein rasches Ende zu setzen. Der März ist an der Amur-Mündung und beim Nikolajevschen Posten noch beinahe ein reiner Wintermonat, in- dem die Temperatur der Luft nur gegen Ende desselben in den Mittagsstunden in der Regel etwas über den Gefrierpunkt steigt und der Schnee an der Sonne zu schmelzen beginnt. Im April dem eigentlichen Monat der Schnee- und Eisschmelze setzen häufige, vom Meere kommende Ostwinde ein, die die Luft mit dichten Nebeln erfüllen und die Schneedecke vor der zerstörenden Wirkung der Sonnenstrahlen schützen. Noch mehr thut dies natürlich die - allgemeine, nur an den unmittelbaren Flussufern, Thaleinschnitten u. s. w. theilweise lichtere oder unterbrochene Bewaldung des Landes. Zu Anfang des Mai wird der Strom in seiner Mitte eisfrei, aber die Ufer und Buchten bleiben noch bis zur Mitte dieses Monats beeist, und in den Wäldern ringsum liegt der Schnee theilweise noch bis gegen Ende desselben. Dann erst beginnt das Grün am Erdboden allgemeiner zu werden und das erste Laub an den Bäumen hervorzubrechen. So beim Nikolajevschen Posten. Beim Mariinskischen, wo die Schnee- massen geringer, die Nebel seltner sind und zugleich die Temperatur der Luft höher ist, stellt sich das Frühjahr etwa um 14 Tage früher ein. Auch ist aus unseren Beobachtungen eine ungefähr um ebensoviel frühere Ankunft der Vögel beim Mariinskischen Posten nicht zu verkennen. Dennoch bleibt sie auch dort noch eine verhältnissmässig sehr späte. Ein grösserer Unterschied lässt sich oberhalb des Gorin, am südlichen Amur erwarten, wo die klimatischen Verhältnisse, wie erwähnt, weit günstiger sind. Dort mögen daher die Zugvögel vielleicht viel früher anlangen, um dann mit der langsam vor sich gehenden Schnee- und Eisschmelze im unteren Amur-Laufe allmählig nordwärts vorzurücken. Dennoch kommt es uns wahr- scheinlich vor, dass auch am südlichen Amur und in denselben Meridianen, des Ussuri und unteren Ssungari, nach Süden die Ankunft der Zugvögel, wenn auch eine frühzeitigere, doch im Verhältniss zur geographischen Breite immer noch ziemlich späte sein müsse, da diese Gegenden, abgesehen von den ebenfalls nicht unansehnlichen Schneemengen im Winter, im Süden von einer hohen, mit ewigem Schnee bedeckten Gebirgskette, dem mandshurisch-koreani- schen Gränzgebirge Shan-alin gesäumt werden, welches den Zug der Vögel in diesen Me- ridianen beträchtlich aufhalten muss. Jedenfalls lassen sich dort spätere Zugzeiten als in gleichen und selbst nördlicheren Breiten westwärts, an den Quellzuflüssen des Ssungari, am

oberen Amur und im Quelllande des letzteren, im schneearmen Daurien erwarten. Und so- *

564 Vögel.

mit dürften also die Isepiptesen im Amur-Lande einen ungefähr ähnlichen Verlauf haben, wie iho Middendorff für den Osten Sibirien’s entworfen hat.

In noch viel höherem Grade jedoch als die Ankunft der Vögel wird, nach Middendorff’s Dafürhalten, in den Küstenländern des Ochotskischen Meeres ihre Brutzeit aufgehalten. Dass Solches auch im Amur-Lande der Fall sei, scheinen die wenigen Thatsachen, die wir dort ermitteln konnten, darzuthun; in welchem Grade es aber statthabe, das zu bestimmen müssen wir späteren und reicheren Erfahrungen überlassen, um so mehr, als es uns bisher noch an allen Vergleichungspunkten in den Nachbargebieten fehlt. Um dem jedoch vorzuar- beiten, stellen wir unsere, leider nur einmaligen Beobachtungen der Art im Amur-Lande zu- sammen, wobei wir auf diejenigen Fälle uns beschränken, in welchen die Brutzeit entweder direkt beobachtet worden, oder aus dem noch sehr frühen Alter der Jungen leicht annähernd hergeleitet werden kann, und dagegen alle diejenigen Fälle übergehen, in welchen der ohne Zweifel ebenfalls im Amur-Lande ausgebrütete Vogel schon in einem späteren Stadio, sei es in dem noch unvermauserten ersten Federkleide, sei es in seiner ersten Mauser angetroflen wurde und die somit nur einen gar zu unbestimmten und unsicheren Rückschluss auf die Brutzeit gestatten dürften. Sollten aber, wie das wohl möglich, auch diese letzteren Fälle für zukünftige Vergleichungen von Interesse sein, so sind dieselben aus unseren obigen, auf jede einzelne Art im Amur-Lande bezüglichen Mittheilungen, in denen zu diesem Behufe das jedes- malige, mehr oder weniger vorgerückte Altersstadium näher erörtert worden, leicht zu ent- nehmen. Zum Verständniss der folgenden Tabelle brauchen wir zu dem oben Angeführten nichts hinzuzufügen und erinnern bloss, dass sie die Zeiten ebenfalls nach dem alten Stile

angiebt. Tabellarische Uebersicht der Brutzeit einiger Vögel im Amur-Lande. Namen der Arten. ‚Beobachtungsorte. Beer: Datum. Stadium.

Haliaötos Albicilla ...|Mongole (unt. Amur).| 521°1855, V, 22. |Eier(?). Falco peregrinus ....|Dshai bei Mariinsk ..|514 | 35, V, 27. |Eier(?).

» » Ebendan aan... » 55, VI, 27. |Flügge Junge.

Milvus niger Var. me- lanotis „niercseungere Wair bei.Nikolajevsk| 534 55, V, 6. Eier unbebrütet.

Strix Bubo ........ Marunske tes oe 513 55, VI, 17. |Flaumjunge. Emberiza pusilla ....|Bai de Castries..... 514 55, VI, 5. |Eier unbebrütet. Corvus Corone...... Nikolajevsk ....... 534 55, V, 5. Eier unbebrütet.

» » Kuk (unt. Amur) ...|53 55, V, 17. |Eier stark bebrütet.

» japonensis „..|Nikolajevsk ....... 534 55, V, 6. |Eier unbebrütet. Tetrao Bonasia ..... See von Kidsi...... 5123 35, VI, 4 |Eier sehr stark bebrütet.

» » Gorin-Mündung ....|502 | 55, VII, 8. |Flügge Junge.

Schlussfolgerungen. 565

Namen der Arten. Beobachtungsorte. Datum. Stadium. Du: Tardaaes.;..... Nertschinsk ....... 52 °1855, IV, M. [Eier unbebrütet. Charadrius pluvialis..|Wair bei Nikolajevsk 531 55, V, 6. Eier ‚unbebrütet. Üygnus musieus ....». Aure (unt. Amur)...|52 56, V, 20. |Eier unbebrütet. Anser eygnoides ..... Jai-Fluss (unt. Amur)| 511 56, VI, 1. |Flaumjunge. Anas Penelope...... Mariüinsk ......:..1513 | 55, VI, 20. |Eier wenig bebrütet. » Boschas ...... Aure (unt. Amur)....|52 55, V, 22. |Eier unbebrütet. » » Beller (unt. Amur) ..|511 | 35, VI, 30. |Flaumjunge. » » Sselgako (südl. Amur)| 481 56, VII, 10. |Flaumjunge. ee Ssungari-Mündung ..|473 | 55, VII, 6. [Flaumjunge. Uria Carbo........ Bai de Castries..... 51l 35, VI, 11. |Eier wenig bebrütet. » anliqua....... Bai de Castries..... 514 55, VI, 11. |Eier stark bebrütet.

Sterna longipennis ...|Magho (unt. Amur)..)531 | 55, V,7. |Eier unbebrütet.

Dass hienach die Brutzeit im Amur-Lande sowohl bei den Stand-, wie bei den Zugvögeln als eine sehr späte erscheinen muss, unterliegt keinem Zweifel. Vergleicht man bei den letz- teren die Brutzeit mit ihrer Ankunft im Amur-Lande, so erhält man den bedeutenden Zwischen- raum von einem, ja bei Hal. Albicilla sogar von zwei Monaten und darüber. Letzterer Vogel dürfte aber freilich im Amur-Lande besonders frühzeitig sich einstellen, da erin der Nähe, an den Küsten der immer offenen Meerenge der Tartarei überwintert, wie er denn aus demselben Grunde auch an der Küste des Ochotskischen Meeres bei Ajan u. s. w. ungewöhnlich frühe sich einfindet. Nur eine der genannten Arten, *Sterna longipennis, scheint rascher an das Brüten zu gehen, wobei jedoch zu bemerken ist, dass sie gewiss auch unter den ersten Vögeln wieder davonzieht. Einen anderen Vogel dagegen, Anas Penelope, fanden wir so spät brütend, dass wir geneigt sind, den Grund in irgend einer äusseren Störung zu suchen und die beobachtete Brut für eine zweitezu halten. Von allen oben genannten Arten sehen wir nur eine frühzeitig brüten, nämlich Otis Tarda, deren Eier schon um die Mitte des April erhalten wurden. Es ist dies aber auch der einzige in der obigen Tabelle nicht aus dem unteren Amur-Lande, sondern aus Daurien angeführte Fall, wo wir mit der früheren Ankunft der Vögel und überhaupt unter vielfach anderen Naturverhältnissen auch wiederum eine frühere Brutzeit als im unteren Amur-Lande oder an den Küsten des Ochotskischen Meeres zu erwarten berechtigt sind.

Und so spricht sich in den gesammten ornithologischen Verhältnissen des Amur-Landes, in der geographischen Zusammensetzung seiner Fauna, im morphologischen V erhalten der ein- zelnen Formen, im Eintreffen der Zug- und Brutzeiten, ein verhältnissmässig nordischer, zwar durch manche Einzelzüge südlicherer Natur ausgezeichneter, aber im Gan- zen dem sibirischen sehr genäherter Charakter aus.

566 Vögel.

Erklärung der Tafeln. Taf. X.

Cuculus sparverioides Vig., junger Vogel in % der natürlichen Grösse, nach einem Exemplar vom unteren Amur.

Taf. X.

Fig. 1. Pastor sturninus Pall,, junges Männchen in natürlicher Grösse. Fig. 2. Motacilla alba L. Var. paradoxa nob., erwachsener Vogel im Frühlings- oder Hoch- zeitskleide, in natürlicher Grösse; beide nach Exemplaren vom südlichen Amur.

Taf. XI.

Fig. 1—3. Salicaria (Calamoherpe) Aödon Pall., in natürlicher Grösse. 1. Alter Vogel im Sommer. 2. Der Schnabel desselben von oben betrachtet. 3. Der Flügel desselben, die Schwingen- verhältnisse zeigend.

Fig. 1—6. Saälicaria (Calamodyta) Maackii n. sp., in natürlicher Grösse. 4. Erwachsener Vogel im Sommer. 5. Der Schnabel desselben von oben betrachtet. 6. Der Flügel desselben, die Schwingenverhältnisse zeigend. Beide Vögel nach Exemplaren vom südlichen Amur.

Taf. XIII.

Fig. 1. und 2. Muscicapa luteola Pall., in natürlicher Grösse, nach einem Exemplar von der Amur-Mündung. 1. Junger Vogel im ersten Federkleide. 2. Der Schnabel desselben von oben betrachtet.

Fig. 3. Ardea cinnamomea Gm., junger Vogel im ersten Federkleide, in $ der natürlichen Grösse, nach einem Exemplar vom südlichen A mur.

Taf. XIV.

Fig. 1. und 2. Ardea cinnamomea Gm., in 3 der natürlichen Grösse, nach Exemplaren des Petersburger akad. Museums aus Java. 1.Individuum im mittleren oder Uebergangskleide. 2. Alter Vogel.

Taf. XV. Fig. 1 und 2. Köpfe von Anser cygnoides L., in natürlicher Grösse, nach Exemplaren vom unteren Amur: 1. vom alten Männchen, 2. vom jungen Vogel.

Fig. 3. Kopf vom jungen Vogel von Podiceps suberistatus Jacq., in natürlicher Grösse, nach einem Exemplar von der Amur-Mündung.

Taf. XVI.

Fig. 1. Ei von Uria (Cepphus) Carbo Pall., in natürlicher Grösse, nach einem Exemplar aus der Bai de Gastries.

Erklärung der Tafeln. 967

Fig. 2 und 3. Eier von Uria (Brachyramphus) antiqua Gm., in natürlicher Grösse, nach Exemplaren aus der Bai de Gastries.

Fig. # und 5. Phaleris eristatella Pall., in natürlicher Grösse: 4. vom mittelalten Vogel (Ph. dubia Pall., nach einem Exemplar aus der Meerenge der Tartarei; 5. vom jungen Vogel (Ph. Tetracula Pall.), nach einem Exemplar aus Kamtschatka.

Fig. 6 und 7. Eier von Sterna longipennis Mus. Ber., in natürlicher Grösse, nach Exempla- ren von der Amur- Mündung.

Berichtigung.

Wegen Abreise des Hrn. Akad. Brandt in wissenschaftlichen Zwecken nach dem südlichen Russland hat die uns in Aussicht gestellte Abhandlung über die Alcadeen Sibirien's, Kam- tschatka’'s und des nordwestlichen Amerika's (s. oben p. 501) an diesem Orte nicht geliefert wer- den können.

BEMERKTE DRUCKFEHLER.

Seite 296, Zeile 14 von oben statt 25. März (6. April) lies 25. Febr. (8. März) » 46 » » » Nertschinsk » Stretensk. ».495.9»2.48 » » 177) » 178).

» 502 » » » Ph. cristellata » Ph. cristatella.

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