ENT an um | u, ah. Peue a D* EL. v. SCHRENCK’S REISEN UND FORSCHUNGEN IM AMUR-LANDE. BAND I. ERSTE LIEFERUNG Emleitung. Säugethiere des Amur-Landes. Mit 9 Tafeln und einer Karte. Gedruckt auf Verfügung der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften. C. WESSELOWSKY, beständiger Secretair. 5. Januar 1859. 2 £ ö Ken ‘ 3 U MA A HA .y r i fi aA we EINLEITUNG Indem ich an die Veröffentlichung der von mir im Auftrage der Kaiserlichen Aka- demie der Wissenschaften zu St. Petersburg ausgeführten Reisen und Forschungen im Amur-Lande gehe, halte ich mich für verpflichtet, zunächst einige Worte über die nächste Veran- lassung derselben zu sagen. Wenn man die unverwandte Aufmerksamkeit in’s Auge fasst, mit welcher die Akademie seit jeher der Erforschung Sibirien’s vorgestanden hat, und in’s Besondere auch die letzten Unternehmen derselben, die Reisen Hrn. v. Middendorff’s in den äussersten Norden und Osten Sibirien’s in Erwägung zieht, so wird man darin auch die unmittelbare Veranlassung erkennen, welche zur Ausrüstung der Amur-Reise führte. Durch Hrn. v. Middendorff’s Reise nach dem Südosten Sıbirien’s wurde nämlich unsere Kennt- niss des nordöstlichen Asıen’s bis nach den Südküsten des Ochotskischen Meeres, den Schantarischen Inseln, dem Stanowoi-Gebirge, dem oberen Laufe der nördlichen Amur- Zuflüsse, des Amgunj, der Bureja, der Dseja, und sogar bis zum oberen Amur - Strome vorgerückt. War damit unter den damaligen politischen Verhältnissen dem Chinesischen Reiche gegenüber auch die äusserste Gränze möglicher Forschung im Südosten Sibirien’s erreicht, so stand man damit doch keineswegs an einer natürlichen Gränze, welche geeignet wäre der Erforschung Sibirien’s in räumlicher Beziehung, wenn auch nur auf kurze Zeit, eine Schranke zu setzen. Man hatte damit vielmehr einen Boden erreicht, von dem man unaufhaltsam weiter gedrängt werden musste. Denn wie konnte man nunmehr, da man im Westen und Norden bereits an den Quellarmen und Zuflüssen des Amur-Stromes stand, noch länger sich damit befriedigen, den Hauptstrom selbst noch unbekannt zu lassen ? Wie sollte das Amur-Land von wissenschaftlicher Forschung noch länger unbetreten bleiben, da man die Mauer, die es von uns trennte, das Stanowoi-Gebirge, bereits überschritten und die Ab- zweigungen betreten hatte, die von hier in das Stromsystem des Amur verlaufen? So muss- ten also in allgemein geographischer Beziehung, in Rücksicht auf die oro- und hydro- graphischen Verhältnisse Sibirien’s, die Blicke wissenschaftlicher Forschung nach der Reise Hrn. v. Middendorff’s unmittelbar auf das Amur-Land sich wenden, Allein nicht bloss in geographischer Beziehung, auch in Hinsicht auf die Pflanzen- und Thierwelt und die ethno- graphischen Verhältnisse Sibirien’s hat uns die Reise Hrn. v. Middendorff’s die Brücke zum Amur-Lande geschlagen. Denn indem sie die Verbreitung theils früher bekannter, theils Schrenck’s Amur-Reise Bd. I, 1 m Einleitung. neu entdeekter sibirischer Pflanzen- und Thierarten bis an die äussersten Gränzen Südost- sibiriens, ja zum Theil bis in das Amur-Land hinein verfolgte , öffnete sie uns den ersten Blick in die Flor und Fauna dieses noch unbekannten Landes und machte es für die fort- schreitende Kenntniss Sibirien’s und des nordöstlichen Asien’s überhaupt zur dringenden Aufgabe, die bis dahin aufgedeckten Fäden nunmehr im Amur-Lande weiter zu verfolgen. Zugleich wies sie uns auch die Verbreitung sibirischer Völkerfamilien, der Tungusen und Giljaken, bis in das Amur-Land nach, auch hier die Aufgabe erweckend, im Amur-Lände ihrem physischen und geistigen Leben und ihrer geographischen Verbreitung weiter nachzu- forschen. So musste also nach der Reise Hrn. v. Middendorff’s das Amur-Land in geogra- phischer, naturhistorischer und ethnographischer Beziehung als das nächste und nothwen- digste Glied zur weiteren Kenniniss Sibirien’s, des natürlichen Bodens fortlaufender und un- ausgesetzter Forschung russischer Reisenden und Gelehrten, erscheinen. Neben dem Interesse aber, das das Amur-Land der Akademie in dieser, ich möchte sagen national-wissenschaft- licher Beziehung, als Boden unmittelbarer Anknüpfung an die von ihr seit Gmelin, Pallas u.a. glänzend begonnenen und bis zu unserer Zeit fortgeführten Arbeiten bot, musste es auch in allgemein wissenschaftlicher Beziehung die Forschung in hohem Grade herausfordern. Denn es konnte nicht fehlen, dass das Amur-Land, bei seiner bedeutenden Ausdehnung, seiner voraussichtlich mannigfaltigen Bodengestaltung, seiner reichen hydrographischen Aus- stattung und seiner südlicheren Lage im Vergleiche mit Sibirien, auch einen bedeutenden Reichthum in seiner Pflanzen- und Thierwelt besass. Mit Recht konnte man hoffen, dort nicht bloss die Fortsetzung und gewissermassen das Ausgehende der pflanzen- und thiergeographi- schen Verhältnisse Sibirien’s, sondern daneben auch neue, eigenthümliche Pflanzen- und Thierarten zu finden, die zugleich einen Uebergang zur Flor und Fauna der südlicher gelege- nen, immer noch ungenügend bekannten Länder Ostasiens, wir meinen China’s und Ja- pan’s, bilden dürften. Abgesehen aber vom wissenschaftlichen Gewinne, musste die Erforschung des Amur- Landes auch von einem praktischen, auf die Culturverhältnisse Sibirien’s gerichteten Ge- sichtspunkte für Russland von besonderem Interesse sein. Es bedarf nur eines flüchtigen Blickes auf die Karte, um zu erkennen, wie viel wichtige eulturgeographische Elemente das reich ausgestattete Amur-Land dem angränzenden Sibirien, mit dem es schon vor zwei Jahrhun- derten in politischem Verbande stand, entgegen trägt. Man denke nur an den mächtigen Strom, der, aus dem Innern Sıbirien’s nach dem Stillen Ocean führend, zu einer leichten und wichtigen commerciellen Verkehrsader für Sibirien werden konnte, an die in südlicheren Breiten als irgendwo sonst in Sibirien gelegenen, den Häfen China’s und Japan’s genäher- ten Meeresküsten, an die mit milderem Klima begabten, fruchtbaren Landschaften, die den mittleren Lauf des Amur-Stromes und seiner grossen südlichen Zuflüsse begleiten, u. dgl. m. Gewiss lag es daher nahe, die vielversprechenden eulturgeographischen Elemente, mit denen das Amur-Land ausgestattet zu sein schien, zur richtigeren Würdigung derselben, auch einer vorurtheilsfreien, wissenschaftlichen Prüfung zu unterwerfen. Entstehung der Reise. 1m So durfte man sich also in doppelter, wissenschaftlicher und praktischer Beziehung von der Erforschung des Amur-Landes einen reichen Gewinn versprechen. Es konnte daher nicht fehlen, dass die Akademie, den hervorgehobenen mannigfachen Interessen Rechnung tragend, die erste sich darbietende Gelegenheit ergriff, um die bereits bis an die Gränzen des Amur- Landes fortgeschrittene Forschung auch in dieses Land hineinzutragen. Diese Gelegenheit bot sich im Jahre 1853 dar, als durch die hohe, allen wissenschaftlichen Unternehmungen frei- gebig zugewandte Gunst Sr. Kaiserlichen Hoheit des Grossfürsten Konstantin an die Akademie die Auflorderung erging, den nach der Mündung des Amur-Stromes abzusendenden Schiffen eine aus ihren Mitgliedern zusammengesetzte, vom Etat der Marine besonders zu un- terstützende wissenschaftliche Expedition anzuschliessen. Dieser huldreiche Antrag Sr. Kai- serlichen Hoheit war es, der die wissenschaftliche Expedition nach dem Amur-Lande in’s Leben rief. Denn nunmehr war der Akademie die Möglichkeit eröffnet, wissenschaftliche Rei- sende nach dem noch unbetretenen, aller Forschung bisher verschlossenen Amur- Lande ge- langen zu lassen, und zwar auf einem Wege, der um so sichereren Erfolg versprechen musste, als er nicht bloss zum bequemen Transporte aller von einer wissenschaftlichen Expedition un- zertrennlichen Gegenstände geeignet war, sondern zugleich auch die Gelegenheit bot, wäh- rend der langen Dauer der Hinreise eine Reihe interessanter naturhistorischer Beobachtungen zur See auszuführen. Gehäufte wissenschaftliche Beschäftigungen in ihrem Amte machten es jedoch den betreflenden Mitgliedern der Akademie nicht möglich, persönlich an einem Reise- unternehmen sich zu betheiligen, welches voraussichtlich mehrere Jahre lang dauern musste. Diesem Umstande ist es zuzuschreiben, dass, statt der in ähnlichen Unternehmen bereits be- währten Männer der Akademie, mir, einem Anfänger in der Wissenschaft, die Ehre zu Theil ward, von der Akademie zur Ausführung dieser Reise erwählt zu werden. Die Dauer dersel- ben vorläufig auf 3 Jahre veranschlagend, ermöglichte die Akademie, dass zur Ausführung derselben eine Summe von 10,500 R. S. aus den Ersparnissen der Einnahmen der Aka- demie verwendet werden konnte, wozu später, nach Ablauf der 3 Jahre, zur Reise den Amur aufwärts und der Rückreise durch Sibirien noch eine Summe von 3500 R.S. aus der- selben Quelle hinzugefügt wurde. Den vielfachen wissenschaftlichen Beschäftigungen, die dem Reisenden auf verschiedenen Gebieten und vornehmlich auf demjenigen zoologischer Forschun- gen zur Aufgabe gestellt waren, Rechnung tragend, gesellte mir zugleich die Akademie zwei Begleiter, einen Zeichner, in der Person desHrn. Poliwanoff’s, und einen im Abbalgen und anderweitigem Zubereiten naturhistorischer Gegenstände kundigen Präparanten bei. So trat die Reise in’s Leben, von der ich gegenwärtig zu berichten habe. Bei dem oben motivirten Gange derselben, der Hinreise zur See, und zwar um die Südspitze Amerika’s herum, und der Rückkehr zu Lande, durch das Amur-Land und Sibirien, gestaltete sie sich zu einer Reise um die Erde. Wenn ich daher gegenwärtig, bei ausführlicher Beschreibung dieser Reise, bloss des einen Theiles derselben und zwar, wie es die Aufschrift dieses Wer- kes besagt, bloss des letzteren Theiles, der Reisen im Amur-Lande zu gedenken beabsichtige, so dürfte man darin füglich eine Unterlassung erblicken, von der ich Rechenschaft zu geben [4 ıv Einleitung. schuldig bin. Dass der erste Theil meiner Reisen, die Reise zur See, über den Atlantischen und Stillen Ocean bis nach Kamtschatka und zur Mündung des Amur-Stromes, hier zu- nächst keine Beachtung finden soll, hat seinen Grund nicht etwa darin, dass diese Reise, theil- weise schon von Vielen gemacht, keine der wissenschaftlichen Bearbeitung werthe Materia- lien mitgebracht hätte. Wäre das der Fall, dann könnte sie ja grade mit einem kurzen Ab- risse, als blosse Hinreise zum Amur-Lande, auch hier schon abgemacht werden. Der Grund dieser Unterlassung liegt vielmehr in dem direkt entgegengesetzten Umstande:: weil nämlich die Seereise nicht als blosse Hinreise zum Amur-Lande betrachtet wurde, sondern eine be- sondere Aufgabe in physikalischen und zoologischen Beobachtungen erhielt, hat sie auch ein Material mitgebracht, das einer besonderen wissenschaftlichen Bearbeitung bedarf und daher füglich von den Reisen und Forschungen im Amur-Lande getrennt und in einem separaten Werke niedergelegt werden soll. Lag aber somit ein genügender Grund zur getrennten Bear- beitung beider Reisen vor, so konnte es ferner keinem Zweifel unterworfen bleiben, dass der Vorrang dabei jedenfalls den, wenn auch der Zeit nach späteren, Reisen im Amur-Lande gebührte. Denn wie interessant und vielfach neu das Material auch sein mag, welches das weite und vielseitige Feld oceanischer Erscheinungen dem wissenschaftlichen, auf einem be- stimmten, speciellen Gebiete forschenden Reisenden zuführt, so ist doch nicht zu vergessen, dass in unserem Falle die Seereise immer nur eine zweite, untergeordnete Rolle spielte: die Hauptveranlassung zu derselben gab die Erforschung des Amur-Landes, zu der sie fük- ren sollte und die den Hauptzweck der gesammten Reise bildete. Diesem vor Allem beab- sichtigten Zwecke der Reise ist auch bei Weitem die meiste Zeit gewidmet worden, indem von den 31 Jahren der gesammten Dauer meiner Reisen nahe 2] Jahre auf das Amur-Land fallen und nur ein Jahr in See verbracht worden ist. Aus diesem Grunde und weil die Reisen im Amur-Lande ein von wissenschaftlicher Forschung noch ganz unberührtes Gebiet umfass- ten, konnten sie auch ein viel reichhaltigeres und vielseitigeres Material als die Seereisen zu- sammenbringen, welches somit auch ein grösseres Anrecht auf unverzügliche Bearbeitung hat. So musste also ohne Zweifel mit der Veröffentlichung der auf das Amur-Land bezüg- lichen Materialien begonnen werden. Was nun im Speciellen die mit dem vorliegenden Bande begonnene Bearbeitung der Amur-Materialien betriflt, so ist als Grundsatz befolgt worden, das sachlich Zusammengehörige auch stets zusammenzustellen, wie auch der historische Faden der Aufdeckung aller hingehö- rigen Einzelthatsachen gewesen sein mag. Alles auf ein einzelnes Gebiet, z. B. auf die Zoolo- gie, die Klimatologie, die Ethnographie des Landes u. s. w., bezügliche, sei es an mitge- brachten Sammlungen, oder an den in Tagebüchern zerstreut niedergelegten Beobachtungen und Nachrichten vorhandene Material ist daher einzeln zusammengestellt und einer besonde- ren wissenschaftlichen Bearbeitung theils vom Reisenden selbst und theils — wo es sich um einihm minder bekanntes oder gar fremdes Gebiet handelte — von respecliven Fachgelehrten, bekannten Männern der Wissenschaft, die dazu ihre hülfreiche Hand reichen wollten, unter- worfen worden. Auf diese Weise allein durfte man hoffen, aus den mitgebrachten Materialien Bearbeitung der Materialen. v in jedem Einzelgebiete und in der Gesammtheit einerseits einen wirklich wissenschaftlichen Gewinn zu ziehen, und andererseits dem Leser auch ein abgerundeteres, geordneteres und gegenständlicheres Bild von dem in Rede stehenden Lande vorführen zu können. Blicken wir nun auf die einzelnen Gebiete zurück, auf denen während unseres Aufenthaltes und unserer Reisen im Amur-Lande gearbeitet worden ist, so können wir auch schon vorläufig bezeich- nen, in welcher Weise das gesammte Material unserer Reisen und Forschungen im Amur- Lande in dem vorliegenden Werke sich zusammenstellen lassen wird. Es ist nämlich unsere Absicht sämmtliche Resultate unserer Reisen und Forschungen im Amur-Lande in vier Bände zu ver- theilen: davon sollen die beiden ersten alle auf die Fauna des Amur-Landes in ihren Einzel- theilen bezüglichen Nachrichten enthalten; der 3!e Band soll ethnographisch - linguistischen Inhalts sein und der 4° endlich die meteorologischen und geognostischen Beobachtungen, so- wie einen ausführlichen historischen Bericht über die im Amur-Lande von mir ausgeführten Reisen nebst geographischen Bemerkungen über dieses Land aufnehmen. In diesem vorläufigen Inhaltsverzeichnisse unseres Reisewerks wird man auf den ersten Blick auffallend finden, dass der Flora des Amur-Landes gar keine Erwähnung geschehen soll. Zur Erläuterung muss ich anführen, dass gleichzeitig mit mir auch ein Reisender des Kaiserlichen botanischen Gartens, Hr. Maximowiez, das Amur-Land, mit der speciellen Aufgabe botanischer Forschungen in demselben, bereist hat. So oft wir daher gemeinsame Reisen ausführten, hielten wir es für zweckmässig und die Sache der Wissenschaft fördernd, wenn ein Jeder von uns dem speciellen Theile seiner Forschungen mit allen Kräften oblag. Wenn ich dagegen allein reiste und zumal solche Gegenden des Am ur-Landes betrat, die von Hrn. Maximowicez nicht besucht worden sind, habe ich stets auch der Flor des Landes so viel möglich meine Aufmerksamkeit geschenkt. Natürlich konnte ich aber dabei nur bezwecken nicht sowohl ein selbstständiges Material zur Flor des Amur-Landes zusammenzubringen, als vielmehr manche Ergänzungen zu dem von Hrn. Maximowicz gesammelten botanischen Ma- teriale zu liefern. Dem gemäss sind denn auch meine botanischen Sammlungen von Hrn. Ma- ximowiez bei Bearbeitung seiner Flora des Amur-Landes, welche gegenwärtig der Veröf- fentlichung durch den Druck in den Memoiren der Akademie entgegensieht, mit in Betracht gezogen worden. Einen anderen auffallenden Punkt in dem oben angegebenen Programme dieses Reise- werkes dürfte man darin finden. dass es mit einem speciellen Theile der Forschungen, den auf die Fauna des Amur-Landes bezüglichen Nachrichten beginnen soll, und den historischen Bericht über den Hergang der Reise mit den geographischen Bemerkungen über das Amur- Land, die uns in die Natur desselben einzuführen und uns einen allgemeinen Ueberblick über dasselbe zu geben im Stande wären, an den Schluss des’ ganzen Werkes setzt. Um diesem zum Theil gerechten Vorwurfe zu begegnen, muss ich aber bemerken, dass es bei einer Reise durch ein noch ganz unbekanntes, an unerwarteten und selbst neuen Pflanzen und Thierarten reiches Land für den historischen Bericht der Reise und die geographischen Be- merkungen über das Land, wenn sie einen allgemeinen Einblick in die Natur desselben geben vI Einleitung. sollen, gewiss wünschenswerth und sogar nothwendig sein musste, sich erst in den Besitz der systematischen Kenntniss der Gesteine, Pflanzen und Thierarten dieses Landes zu setzen. Um das zu erreichen konnte also nicht anders als mit der Bearbeitung der in den einzelnen Ge- bieten gesammelten Materialien hegonnen werden. Zu dem bildeten die zoologischen Forschun- gen, wie es schon die von der Akademie getroffene Wahl des Reisenden beweist, den vor- nehmlichsten Zweck der Reise. Billig also, dass ihnen auch der erste Platz bei Veröffentlichung der Resultate der Reise eingeräumt werde. Dennoch müssen wir es als gerechte Anforderung an ein Reisewerk bezeichnen, dass es dem Leser, bevor er in ein Gebiet specieller Forschun- gen eingeführt werde, einen allgemeinen Ueberblick über die Reise selbst gebe, der ihn in den Stand setze, über die Mittel, die dem Reisenden zu Gebote standen, über den Gang und Umfang der Reise und somit auch den Kreis der durch Autopsie gewonnenen Erfahrun- gen des Reisenden, über die allgemeine Beschaffenheit des Landes und die davon abhängige, leichtere oder schwerere Möglichkeit der Forschung u. s. w. selbst sich ein Urtheil zu bilden, Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, halte ich es daher am Orte hier einen vorläu- figen kurzen Abriss von dem Gange meiner Reisen im Amur-Lande folgen zu lassen, den - einige, ebenfalls vorläufige, allgemeinere Bemerkungen über die orographische Beschaflen- heit und das Klima des Amur-Landes begleiten sollen. Sogleich nach meiner Ernennung zum Reisenden der Akademie, im Juli 1853, beeilte ich mich die vielfachen Vorbereitungen zu treflen, welche eine mehrjährige wissenschaftliche Reise zur See und zu Lande erforderlich macht. Im Anfange Augusts begab ich mich mit mei- nen Begleitern nach Kronstadt, und am 21. Aug. (2. Sept.) lichtete die vom Gapit. Isylmetjeff befehligte Fregatte Aurora, an deren Bord wir, Dank huldreicher Verfügung des Gross-Admirals der Russischen Marine, Sr. Kaiserlichen Hoheit des Grossfürsten Konstantin, aufgenommen wurden, die Anker. Wie oben erörtert, liegt es nicht in meiner Absicht in dem vorliegenden, den Forschungen im Amur-Lande gewidmeten Werke über meine Reise zur See und deren Erfolge zu handeln. Es darf hier daher auch nur ganz kurz des Ganges derselben, als der Hinreise zum Amur-Lande, erwähnt werden *). Nach einer Reise von neun Tagen, während welcher wir das Unglück hatten auf einem nahe der schwedischen Küste vor dem Städtchen Troelleborg gele- genen, auf den russischen Karten noch nicht verzeichneten Rifle zwei mal 24 Stunden zuzu- bringen, gelangten wir nach Kopenhagen. Hier wurde eine Rast von 4 Tagen gemacht und am 3. (15.) Sept. wieder aufgebrochen. Die häufigen Stürme, die sich zur Zeit der Herbst- aequinoctien im Kattegat und Skagerrak ereignen und an denen das Jahr 1853 besonders reich war, machten unsere Fahrt durch diese engen und klippenreichen Gewässer zu einer sehr beschwerlichen und gefahrvollen. Am 16. (28.) Sept., nach Tags zuvor überstandenem, äusserst heftigem Sturme, der uns viele Stunden angesichts der jütländischen Küste in Lebens- *) Ausführlichere Angaben über den Gang unserer Seereise und meine wissenschaftlichen Beschäftigungen wäh- rend derselben findet man vorläufig in meinen während der Reise geschriebenen Berichten an den beständigen Secre- tair der Akademie. S. Bullet, de Ja classe physico-mathem. de l’Acad. des Sc. de St.-Pet. T, XII, p. 361. T. XII, p. 90 u. T. XIV. p. 40. Desgl. Melanges physiques et chimiques. T. Il, p, 82, 119 u, 346. Gang der Reise. vn gefahr gehalten hatte, sahen wir uns genöthigt, in Folge einiger Beschädigungen, die das Schiff im Sturme erlitten hatte, in den Hafen von Christiansand einzulaufen. Erst nach 12 Tagen, die mir zur flüchtigen Bekanntschaft mit der Natur des südlichen Norwegen’s gedient hatten, ward es uns möglich unsere Reise fortzusetzen, die nunmehr, von keinem ferneren Un- fall begleitet, am 3. (15.)October uns auf die Rehde von Spithead brachte. Die auf dem Riffe erlittenen Beschädigungen am Schiffe machten es nothwendig die Fregatte in Portsmouth einer gründlichen Ausbesserung im trockenen Dock zu unterwerfen, was uns einen Aufenthalt von 7 Wochen inEngland verursachte, eine Zeit, die ich zumeist in London unter vorbereitenden Beschäftigungen im British Museum und ferneren Ausrüstungen zur Reise zubrachte. Am 25. Nov. (7. Dee.) verliess unsere Fregatte, zur weiten oceanischen Reise gerüstet, die Rehde von Spithead und eilte dem Atlantischen Oceane zu. Dort wurde der gewöhnliche, direkteste Cours nach Rio de Janeiro eingeschlagen, welcher uns östlich von den Azoren und west- lich von den Canarischen und Gap-Verdischen Inseln rasch nach Süden führte. Am 30. Dee. (11. Jan.) kreuzten wir den Aequator und am 15. (27.) Jan., dem 52ster Tage nachdem wir Portsmouth verlassen hatten, liefen wir in die Bai von Rio de Janeiro ein. Den Aufenthalt von 15 Tagen in einer tropischen Natur nach Möglichkeit nutzend, brachte ich die Zeit zu- meist auf naturhistorischen Exeursionen in die prächtige Umgegend Rio de Janeiro’s zu. Der 31. Jan. (12. Febr.) sah uns wieder in See. Wir eilten das stürmische Meer am Cap Horn noch vor Eintritt einer winterlichen Jahreszeit zu erreichen. Wechselnde Winde und heftige Stürme in den Breiten der Falklands-Inseln hielten uns jedoch lange zurück und gestat- teten uns erst am 5. (17.) März im 59° s. Br. den Meridian von Cap Horn zu kreuzen und somit in den Stillen Ocean einzutreten. Neunzehn Tage später hatten wir die Insel Juan Fernandez, in der Breite von Valparaiso, in Sicht, steuerten aber, die günstigen Winde benutzend, noch weiter nordwärts und liefen am 3. (15.) April in die Rehde von Gallao ein. Hier durfte jedoch unser Aufenthalt, so nothwendig er uns nach einer Reise von 63 Tagen auch war, nur ein ganz kurzer sein, da die politischen Zerwürfnisse Europa’s inzwischen eine Kriegserklärung zwischen Russland und den verbündeten Mächten von Frankreich und England herbeigeführt hatten, auf der Rehde von CGallao aber vier feindliche Fregatten vor Anker lagen, die nur der Ankunft officieller Nachrichten aus Europa harrten, um den Angriff auf unsere Fregatte zu beginnen. Zudem herrschte in Callao und mehr noch in dem nahe gelegenen Lima das gelbe Fieber, welches, zum ersten Mal epidemisch an diesen Küsten auf- tretend, unserer Mannschaft den Besuch des Landes unrathsam machte. In dem kurzen Zeit- raume von 10 Tagen, einer Zeit, die ich in Lima mit Bereicherung meiner Sammlungen und kleinen Ausflügen in die Umgegend zubrachte, wurden die nöthigen Vorräthe zur Weiterreise eingenommen und am 14. (26.) April lichteten wir von Neuem die Anker. Die erwähnten politischen Ereignisse machten es nothwendig den Cours direkt nach dem Amur-Lande zu nehmen und keine der Inselgruppen des Stillen Oceanes zu besuchen. Unter Begünstigung der Passate hatten wir nach Verlauf von etwa 7 Wochen fast die ganze Breite des Stillen 'Oceanes hinter uns und näherten uns nun dem Meere der südlichen Kurilen. Dort empfin- vn Einleitung. gen uns aber beständig contraire W.-Winde, die unseren Lauf hemmten, und ein kaltes, un- ausgesetztes Regen- und Nebelwetter, das, rasch auf die Hitze der Tropen folgend, den Ge- sundheitszustand unserer Mannschaft in kurzer Zeit schwächte und sehr zahlreiche Erkran- kungen hervorrief. Unter solchen Umständen musste es rathsam erscheinen, den bis dahin ein- gehaltenen Cours aufzugeben und statt zum Amur-Lande nach dem Peterpaulshafen in Kamtschatka zu steuern. Dennoch hatten wir noch eine lange und beschwerliche Fahrt zu bestehen, bis wir endlich am 18. (30.) Juni, nach einer Reise von 66 Tagen, in dieBai Awatscha in Kamtschatka einliefen. Der geschwächte Gesundheitszustand unserer Mannschaft machte hier einen längeren Aufenthalt nothwendig. Auf Verfügung des damaligen Gouverneurs von Kamtschatka, Hrn. Contre-Admiral Sawoiko’s, erhielt daher die im Peterpaulshafen vor Anker liegende Corvette Olivuzza (Capit. Nasimofl) den Befehl, an Stelle der Fregatte Au- rora nach den Küsten des Amur-Landes sich zu begeben. Ich erwirkte mir, um an den Ort meiner Bestimmung zu gelangen, die Erlaubniss mit meinen Begleitern an Bord der Corvette aufgenommen zu werden. Schon am 27. Juni (9. Juli) lichteten wir wiederum die Anker; doch hielten uns contraire Winde und Windstillen noch 5 Tage in der geräumigen Bai Awa- tscha zurück, und erst am 3. (15.) Juli ward es uns möglich dieselbe zu verlassen, Sobald wir jedoch die Küsten von Kamtschatka hinter uns hatten, traten wiederum anhaltende con- traire W.- und SW.-Winde und Windstillen unter beständigem Regen- und Nebelwetter ein. Wir waren daher genöthigt uns in östlicheren Längen den südlichen Kurilen zuzuwenden. Am 16.(28.)Juli Abends mussten wir uns endlich am Eingange in die Strasse der Boussole befinden, ohne jedoch bei dem dichten Nebel auch nur eine Spur vom Lande sehen zu kön- nen und mehr als die Schifflsrechnung für uns zu haben, da unter den beständigen Nebeln seit unserer Abreise von Kamtschatka keine einzige astronomische Ortsbestimmung möglich gewesen war, Jetzt brach eine stockfinstere Nacht an, und während eine todte Windstille je- des Wenden des Schifles erfolglos machte, trieb uns eine überaus starke Strömung in der Richtung nach West fort, Diese Erscheinung, so wie der brandungsähnliche Lärm der sich durchkreuzenden Strömungen belehrten uns, dass wir uns in der That in der Strasse der Boussole, zwischen den felsigen Inseln Urup und Ssimuschir befanden. Am folgenden Morgen sahen wir uns im Ochotskischen Meere, ob wir gleich bei dem fortdauernden Nebel auch jetzt keine Spur von der nrinmehr hinter uns liegenden Kette der Kurilischen Inseln gewahren konnten. Und von diesem Momente, dem Eintritte in das Ochotskische Meer an, durfte ich mich bereits als an dem Schauplatz der mir bevorstehenden Forschungen angelangt ansehen; denn mit dem Ochotskischen Meere hatte ich zum Theil das Mündungsmeer des Amur-Stromes und das Küstenmeer Sachalın’s erreicht, das Meer, dessen Fauna in ihren an den Küsten des Amur-Landes vorkommenden oder gar in die Flüsse aufsteigenden Formen, dessen klimatische Einflüsse, dessen eulturgeographische Bedeutung u. s. w. bei der Erforschung des Amur-Landes ein nolhwendiges Glied abgeben mussten. Auch liegen die von nun an zur See von mir besuchten Küstenorte schon in dem Bereiche des Amur-Landes. Ich glaube daher auch den vorläuligen histo- rischen Abriss meiner Reisen von nun an ers ausführlicher als bis dahin fassen zu müssen, Gang der Reise. IX Unter wechselnden Winden und Windstillen langsam vorwärts rückend,, erblickten wir am 20. Juli (1. August) Morgens die Südostspitze der Insel Sachalin, das Cap Aniwa, und gingen zwei Tage später in der Bai Aniwa vor Anker. Wider Erwarten fanden wir hier den im Jahre vorher angelegten Posten der russisch - amerikanischen Compagnie aufgehoben und die K“ste wieder im ausschliesslichen Besitze der Japanesen. Diese emplingen uns zwar sehr freundlich und mit dem bei ıhnen üblichen Ceremoniell, baten uns jedoch ihre Ansiedelungen nicht zu betreten, was ihnen auch gewährt wurde. Meine ursprüngliche Absicht, die Insel Sachalin von der Baı Anıwa aus zu bereisen, musste ich daher aufgeben und mıch auf die Hoffnung vertrösten,, die Insel später von der Mündung des Amur-Stromes aus besuchen zu können. Nach einem Aufenthalte von mehreren Stunden am Lande gingen wir wieder unter Segel und umschiflten in derselben Nacht die Südwestspitze der Insel Sachalin, das Cap Crillon, in der Strasse La Perouse. Am folgenden Morgen befanden wir uns im Ange- sichte der Insel Monneron, in der Meerenge (dem ehemaligen vermeintlichen Golfe) der Tar- tarei. Das heitere Wetter und die ungewöhnliche, nebelfreie Luft gestatteten uns, nordwärts steuernd, fast ununterbrochen beide Küsten der Meerenge, diejenige der Insel Sachalin und des Festlandes, am Horizonte zu verfolgen. Am 25. Juli (6. Aug.) näherten wir uns dem Cap Putjatin an der Küste der Mandshurei und liefen in die gleich nordwärts von demselben im 49° n. Br. gelegene, sehr geräumige und tiefe Bai Hadshi ein, die von ihren ersten rus- sischen Entdeckern, im Jahre 1852, den Namen Kaiserhafen erhalten hat, von den Engländern aber 4 Jahre später Barracuta-Bai genannt worden ist. Auch dort fanden wir den im Jahre vorher gegründeten russischen Posten bis auf eine Besatzung von 11 Mann Kosaken verlassen. Drei Tage verblieben wir in der Bai Hadshi, während welcher Zeit ich an diesen noch völ- lig unbekannten Küsten möglichst viel Pilanzen und Thiere zu sammeln bemüht war, auch den hier einmündenden Fluss Hadshi eine Strecke aufwärts befuhr und die erste Bekannt- schaft mit den dortigen Eingeborenen, den Orotschen, einem Volke von tungusischem Stamme, machte. Fast ununterbrochene Nebel begleiteten uns von hier bis zu der an derselben Küste ungefähr zwei Breitengrade nördlicher gelegenen Bai deCastries, in die wir am 30. Juli (11. Aug.) einliefen. Wenige Stunden nach uns traf auch der Dampfschooner Wostok (Capit. Rimskij-Korssakoff),der von der Braunkohlenbai von Sachalin kam, in der Bai de Castries ein, und da die Corvette zunächst nieht weiter gehen sollte, der Schooner aber nach der Mündung des Amur-Stromes bestimmt war, so begab ich mich mit meinen Begleitern und sämmtlichen . Reiseeflecten an Bord desselben. Am 1. (13.) Aug. lichteten wir Anker und steuerten längs der Festlandsküste nordwärts zum Cap Lasarefl, das am nördlichen, sehr schmalen Ende der Meer- enge der Tartarei, am Eingange in den Amur-Liman liegt. Dort fanden wir die Fregatten Pallas und Diana vor Anker liegen, auf welcher letzteren der Reisende des botanischen Gar- tens, Hr.Maximowicz, sich befand, der nunmehr mein Reisegefährte auf dem Schooner Wo- stok nach der Mündung des Amur-Stromes wurde. So gering hier die Entfernung auch ist, so dauerte unsere Fahrt durch den Amur-Liman doch mehrere Tage. Denn unser Schooner, mit dem sehr unregelmässigen Fahrwasser des Amur-Limanes noch völlig unbekannt, gerieth Schrenck's Amur-Reise Bd. 1, 2 . x Einleitung. zu wiederholten Malen auf Sandbänke, von denen es nicht immer leicht war in kurzer Zeit wieder loszukommen. Das gab uns Gelegenheit die Festlandsküste des Amur-Limanes und die anliegenden kleinen Inseln zu wiederholten Malen und an vielen Punkten zu besuchen, um die geognostische Beschaffenheit der Ufer und ihre Flor und Fauna zu studiren und die erste Be- kanntschaft mit den dortigen Eingeborenen, den Giljaken, zu machen. Am 6. (18.) August liefen wir endlich in die Mündung des Amur-Stromes ein, und am folgenden Tage warfen wir vor dem etwa 30 Werst von der Mündung des Stromes entfernten, am linken Ufer des- selben gelegenen Nikolajewschen Posten *) Anker. Damit war nun der Ort unserer Bestim- mung erreicht und die Seereise beschlossen, die, von unserer Abreise von St. Petersburg an gerechnet, genau ein Jahr gedauert hatte. Wir verliessen am selben Tage das Schiff und bezogen ein Zelt am Ufer des Stromes. Die für meine Zwecke äusserst günstige Lage des Nikolajewschen Postens an der Mündung des Amur-Stromes, der Hauptverkehrsader im Amur-Lande, und zugleich in der Nähe der Insel Sachalin und der Küsten des Ochotskischen und Tartarischen Meeres bewog mich diesen Ort zum Mittelpunkte meiner Forschungen und zum Ausgangspunkte aller ferneren Reisen im Amur-Lande zu wählen. In diesem Jahre unternahm ich jedoch, der bereits vorge- rückten Jahreszeit wegen, keine grössere Reise mehr, sondern begnügte mich mit häufigen Ausflügen in die Umgegend des Nikolajewschen Postens, welche den Zweck hatten, die erste Grundlage zu naturhistorischen Sammlungen im Amur-Lande zu legen. Nach Mög- lichkeit suchte ich mich dabei auf grösseren Streifzügen von einem Giljaken begleiten zu lassen, um zugleich durch Verkehr mit diesen Eingeborenen der Amur-Mündung zur Kennt- niss ihrer Sprache zu gelangen, die mir sowohl zu ethnograpischen Forschungen, als auch zur Einziehung naturhistorischer Nachrichten über das Amur-Land unumgänglich nothwendig war. Sobald als möglich wurden auch regelmässige meteorologische Beobachtungen im Nikolajewschen Posten eingeleitet, welche acht mal täglich den Stand des Barometers, des Thermometers, die Richtung des Windes und den Zustand der Atmosphäre aufzuzeichnen hatten. Um nun für diese Beobachtungen über das Klima des Amur-Landes eine grössere Ba- sis zu gewinnen, trafen wir mit Hrn. Maximowiez, der den etwa 300 Werst oberhalb am Amur gelegenen Mariinskischen Posten zu seinem Winteraufenthalte gewählt hatte, die Abmachung, unsere Beobachtungen stets zu denselben Stunden zu machen. Neben diesen wissenschaftlichen Beschäftigungen nahm endlich auch ein Interesse prak- tischer Natur die erste Zeit meines Aufenthaltes im Nikolajewschen Posten in Anspruch. Da nämlich der zur Zeit meiner Ankunft erst seit einem Jahre begründete Posten nicht mehr als ein paar Häuser zählte und mir keine feste und beständige Wohnung bieten konnte, so *) Obgleich dieser Ort, bei der raschen Entwickelung der russischen Colonieen am A mur- Strome, gegenwärtig schon zu dem Range einer Stadt, unter dem Namen Nikolajewsk, erhoben und zum Sitze der Gouvernements-Regie- rung gemacht worden ist, die sich über das ganze Küstenland am Ochotskischen Meere, Kamtschatka mit einge- rechnet, erstreckt, so bleiben wir doch in den folgenden Mittheilungen bei der zur Zeit unseres Aufenthaltes im Armur-Lande für diesen Ort gebräuchlichen Bezeichnung «Nikolajewscher Posten». Gang der Reise. xı musste ich selbst zum Aufbau eines Hauses schreiten, das uns um so nothwendiger war, als meine Sammlungen zunächst des Schutzes gegen die nahenden Herbstregen und in Zukunft, bei völliger Unmöglichkeit sofortiger Absendung nach St. Petersburg, eines bleibenden Ortes der Niederlage während meiner Reisen im Amur-Lande bedurften. ‚So schwer dieses Unter- nehmen bei den anfänglichen Zuständen und geringen Mitteln des Nikolajewschen Postens “auch auszuführen war, so sah ich mich doch bereits im Anfange November’s mit meinen Be- gleitern und allen Sammlungen unter Dach und gegen die nunmehr rasch einbrechende winterliche Jahreszeit geschützt. So wenig nun der Winter nordischer Breiten im Allgemeinen zu naturhistorischen Rei- sen geeignet ist, so war doch im gegenwärtigen Falle der Nutzen, den ich ir von Winter- reisen im Amur-Lande versprechen musste, ein so vielseitiger und bedeutender, dass ich den festen Entschluss welche auszuführen fasste. Bieten nämlich die durchweg gebirgigen und waldigen Wildnisse am unteren Amur dem Reisenden im Sommer keine anderen Verkehrs- wege als den Hauptstrom selbst und etwa noch den unteren Lauf der meist reissenden Zu- flüsse desselben dar, so eröffnet ihm dagegen der Winter die Möglichkeit, in leichten, mit Hunden bespannten Schlitten seinen Weg direkt durch die Wälder und über die Gebirgszüge hinweg in die vom Strome entfernteren Landschaften zu nehmen. Indem daher die Winter- reisen nach solchen Gegenden führen konnten, die im Sommer nicht zu erreichen waren, stand von ihnen zunächst eine wesentliche Erweiterung unserer Kenntnisse der oro- und hy- drographischen Verhältnisse des Amur-Landes zu erwarten. Daneben aber mussten sie auch zu einem umfassenderen ethnographischen Bilde des Amur-Landes führen, indem sie uns die Gränzen der Verbreitung der zahlreichen das Amur-Land bewohnenden Völker ermitteln hal- fenund uns namentlich auch mit den dem A mur-Strome entlegeneren Stämmen in Berührung brachten. Zudem bürgte die allgemeine Lebensweise dieser Völker dafür, dass der Winter auch diejenige Jahreszeit sei, welche dem Reisenden die häufigste Berührung und den erfolg- reichsten Verkehr mit ihnen gestatten müsse, da diese ichthyophagen Halbnomaden alsdann in grösserer Menge in ihren festen Winterwohnungen versammelt sind, während der Sommer sie zum Fischfange und zur Bereitung von Wintervorräthen auf die Inseln und längs den zahl- reichen Flussarmen des Amur’s zerstreut. Ausser dem ethnographischen Interesse aber, das der Verkehr mit den Eingeborenen versprach, liess sich aus demselben auch in zoologischer Beziehung die Erlangung mannigfacher Erfahrungen und Nachrichten über die den Eingebo- renen nutzbaren oder überhaupt bekannten Thierarten erwarten, wozu wiederum der Winter, als die bei den Eingeborenen des unteren Amur-Landes dem Jagderwerbe gewidmete Jahres- zeit, die meiste Gelegenheit darbieten musste. Inwiefern in dieser letzteren Beziehung auf den Winterreisen in der That schätzbare Materialien zur Fauna des Amur-Landes gewonnen werden konnten, soll noch im Besonderen bei Abhandlung der Säugethiere des Amur-Landes hervorgehoben werden. Die angeführten Umstände erwägend, schritt ich mit dem Eintritte des Winters an die Reisevorbereitungen, welche im Einkaufe von Provision und Tauschwaaren und in der > x Einleitung. Besorgung eigener, bei den Russen am Ochotskischen Meere und in Kamtschatka ge- bräuchlicher Schlitten, sogenannter «Narten», bestanden, deren jede mit 10—13 Hunden be- spannt wird. Das Ziel meiner Reise sollte für dieses Mal die Insel Sachalin sein. Da der südliche Theil des Amur-Limanes und die Meerenge am Cap Lasareff erst gegen Mitte Ja- nuar’s (alt. Stiles) mit einer bleibenden Eisschicht sich bedecken, trat ich am 27. Jan. (8. Febr.) auf 4 Narten meine Reise an *). Wir folgten dem Festlandsufer des Amur-Limanes bis zum Cap Lasareff und setzten von dort am 1. (13.) Febr. nach der Insel Sachalin beim giljaki- schen Dorfe Poghobi über. Längs der niedrigen, mit krüppeliger Lärchenwaldung bedeck- ten Westküste der Insel südwärts reisend, erreichten wir am 3. (15.) Febr. das Dorf Tyk, wo wir von heftigen Schneegestöbern 3 Tage lang zurückgehalten wurden. Während dieser Zeit hatte ich viel mit der Ungastlichkeit der Giljaken dieses Dorfes zu kämpfen, welche mir sowohl den Einkauf von Futter für meine Hunde, als auch Obdach und Feuer zum Bereiten des Essens zu verweigern suchten. Letzteres konnte zwar durch Drohung mit be- waflneter Hand erzwungen werden, was aber das Hundefutter betraf, so war daran lei- der an der gesammten Westküste der Insel in diesem Jahre ein grosser Mangel und hatten die Giljaken der südlicher von Tyk gelegenen Dörfer sich sogar genöthigt gesehen, ihre Wohn- plätze an der Meeresküste zu verlassen und landeinwärts nach dem Tymy-Flusse zu ziehen, wo der Fischfang im letzten Herbste ein ergiebigerer gewesen war. Dadurch an der Weiter- reise behindert, begab ich mich wieder an den Amur-Liman zurück, in der Absicht mich dort mit einem grösseren Vorrathe an Hundefutter zu versorgen. Da jedoch auch dort alle Versuche erfolglos blieben, sah ich mich genöthigt, die Reise nach der Insel Sachalin für dieses Mal aufzugeben und sie für den nächsten Winter mir vorzubehalten, wo ich bei Zeiten die nöthigen Vorräthe an Hundefutter machen konnte. Für jetzt dagegen beschloss ich, land- einwärts nach dem Amur-Strome mich zu wenden und von diesem aus die bei den tungusi- schen Völkern am unteren Amur als reiches Jagdrevier bekannten waldigen Wildnisse am Gorin-Flusse zu besuchen. In dieser Absicht brach ich am 13. (25.) Febr. vom Cap Lasareff auf und begab mich über das grosse Giljaken-DorfTschomi nach der Mündung des Tymi- Flusses im Limane. Von dort folgte ich dem genannten Flusse aufwärts bis zum Gebirge, das zwischen dem Amur-Strome und Limane sich hinzieht, überschritt dieses bei starkem Schnee- gestöber und kam dann längs dem Chaselach-Flusse an den Amur-Strom bei dem Mangunen- Dorfe Pulj heraus, von wo ich nach zwei Tagen, am 19. Febr. (3. März), den unweit vom mangunischen Dorfe Kidsi *") gelegenen Mariinskischen Posten erreichte. Nach einer mehr- tägigen, durch die Erkrankung zweier meiner Kosaken veranlassten Rast setzte ich meine *) Vorläufige Nachrichten über diese und die folgenden im Amur-Lande von mir ausgeführten Reisen sind auch in den an den beständigen Secretair der Akademie von mir eingesandten Berichten zu finden. S. Bullet. de la Classe physico-mathem. de l!’Acad. Imp. d. sc. de St.-Pet. T. XIV. p. 184 u. 217. T. XV. p. 169 u. 241. Desgl. Melanges phys. et chimiques. T. II. p. 446. T. III. p. 60. Melanges russes. T. IM. p. 8. **) Im Sommer desselben Jahres (1855) ist der Ort, wo dieses Dorf lag, zur Ansiedelung eines Bataillones Liniensoldaten erwählt und in Folge dessen von den Mangunen gegen Entschädigung verlasse worden. Die russische Ansiedelung behielt jedoch den Namen Kidsi oder in der Aussprache der Russen «Kisi» bei, Gang der Reise. x Reise den Amur aufwärts durch das Gebiet der Mangunen und Golde fort und gelangte am 6. (18.) März an die Mündung des Gorin-Flusses. Dort verliess ich den Amur und begab mich in das vom Gorin durehströmte Nebenthal desselben. Nachdem wir die unbewohnten, nur von zahlreichen Jägern aus den Stämmen der Golde und Ssamagern (oder Kile vom Gorin) besuchten waldigen Wildnisse am unteren Laufe dieses Flusses überschritten hatten, erreichten wir das Dorf Ngagha am Gorin, wo ich die Bekanntschaft des tungusischen Stammes der Ssamagern machte. Gern hätte ich dort längere Zeit verweilt, um im Verkehre mit den Eingeborenen und durch Jagden, die ich von dort aus anstellte, meine Erfahrungen über diesen Theil des Amur-Landes in ethnographischer und zoologischer Beziehung zu erweitern. Die späte Jahreszeit mahnte mich jedoch an die Rückreise. In Bitschu an der Gorin-Mündung angelangt, trat ich daher am 13. (25.) März die Rückreise auf dem Amur- Strome an. Die während des Tages nunmehr regelmässig vor sich gehende Schneeschmelze machte die Fahrt mit Hunden sehr beschwerlich und erlaubte mir fast nur Nachts, wenn wie- derum Frost sich einstellte, weiter zu reisen. Vom Dorfe Pulj an betrat ich einen mir noch unbekannten Theil des Amur-Stromes, der bald unterhalb jenes Ortes, vom Dorfe Chjare an und bis zur Amur-Mündung von Giljaken bewohnt wird. Je weiter wir übrigens abwärts auf dem Amur -Strome kamen, desto weniger war das nahende Frühjahr zu merken, zumal in der letzten Biegung nach Ost, die der Strom etwa 100 Werst oberhalb seiner Mündung erfährt. Das beschleunigte unsere Fahrt und gestattete mir am 28. März (9. April) wieder im Nikolajewschen Posten einzutreflen, nach einer Abwesenheit von 2 Monaten, während wel- cher ich ungefähr 1600 Werst mit Hunden zurückgelegt hatte. Im Posten angelangt, übernahm ich sogleich wieder die meteorologischen Beobachtungen, die während meiner Abwesenheit von Hrn. Poliwanofl sorgfältig fortgesetzt worden waren, und die mir für den Monat April insofern noch von besonderem Interesse sein mussten, als dieser für die Amur-Mündung grade die Zeit der Ankunft der meisten Zugvögel und über- haupt des ersten Wiedererwachens der organischen Natur ist. Daneben aber musste auch auch ohne Verzug an die Vorbereitungen zur Sommerreise geschritten werden, die ich mit Aufgang des Amur-Stromes anzutreten beabsichtigte. Da der auch an jenen fernen Küsten Asiens fühlbare Kriegszustand alle wissenschaftlichen Forschungen an den Meeresküsten des Festlandes sowohl als auch der Insel Sachalin unmöglich machte, so mussten sich unsere Blicke für diesen Sommer ganz dem Innern des Landes und in diesem dem Amur-Strome zu- wenden. Um hier aber im Laufe eines Sommers zu einem möglichst umfassenden Ueberblicke der klimatischen Verhältnisse und organischen Erzeugnisse des unteren Amur-Landes zu ge- langen, schien es uns wünschenswerth von der Mündung des Amur-Stromes bis zu möglichst südlichen Breiten innerhalb des Amur-Systems vorzuschreiten. Wir beschlossen daher zu- nächst den unteren Amur-Strom bis zu dessen südlicher Biegung und der Mündung des Us- suri in denselben zu befahren, und alsdann diesem letzteren, ebenfalls in ungefährer Meri- dianrichtung laufenden Flusse aufwärts zu folgen. Auf den Erfahrungen der Eingeborenen fussend, rüstete ich zu dieser Reise zwei giljakische xıy Einleitung. Böte aus, die durch ihre eigenthümliche Bauart besonders befähigt sind der starken Strömung im Amur Widerstand zu leisten. Am 2. (14.) Mai befreite sich die Mitte des Stromes vom Eise, und am 13.(25.), als auchdie Ufer und Buchten des Stromes zum grössten Theil eisfrei geworden wa- ren, trat ich meine Reise an. Sobald wir die unterste, nach Ost gerichtete Biegung des Stromes am Cap Tebach hinter uns hatten, liess sich in der Planzen- und Thierwelt ein bedeutend vor- gerückterer Zustand wahrnehmen, was nun in dem Maasse, als wir weiter stromaufwärts ka- men, mit raschen Schritten zunahm. Im Mariinskischen Posten, den wir nach 10 Tagen er- reichten, fanden wir Alles schon im üppigsten Grün. Nach einem Aufenthalte von 2 Tagen setzte ich meine Reise fort, dem rechten, höheren Ufer des Amur-Stromes folgend. Allein beim Dorfe Puljssa, am 30. Mai (11. Juni), begegnete ich dem General-Gouverneur von Ostsibi- rien, Hrn, General-Lieutenant Murawjoff, und erhielt von demselben den Befehl umzukehren und mich nach der Bai de Gastries an der Meerenge der Tartarei, behufs naturhistorischer Untersuchung der Küste daselbst, zu begeben. Ich traf daher wieder im Mariinskischen Posten ein und brach von dort am 3. (15.) Juni nach der Bai de Gastries auf. Die Reise dahin geschieht anfangs zu Boot über eine weite und tiefe Bucht des Amur-Stromes, den so- genannten See von Kidsi, und alsdann mit Hülfe von Packpferden oder zu Fuss durch einen sumpfigen Wald und über eine unbedeutende Höhe bis zur Meeresküste. Gegenwärtig war der kleine, im Jahre 1853 gegründete Alexandrowsche Posten in der Bai de Gastries ver- lassen, und es stationirte eine Abtheilung Kosaken im dichten Walde an der Meeresküste, der stündlich zu erwartenden Ankunft feindlicher Schiffe in der Bai harrend. So ungünstig auch dieser Zeitpunkt für wissenschaftliche Forschungen in der Bai war, so suchte ich doch meinen Aufenthalt in derselben nach Möglichkeit dazu zu benutzen, mich von der noch völlig unbekann- ten Meeresfauna jener Küsten mit Hülfe des Dredge-Instrumentes zu unterrichten. Leider hatte ich nicht die Mittel erhalten mein eigenes Boot nach der Bai hinüberzubringen und musste mich daher zu den Fahrten auf der weiten, den frischen Seewinden ausgesetzten Mee- resbai eines kleinen und schlechten Orotschen - Bootes bedienen, das mir überdies auch nicht immer zu Gebote stand. Zudem zog der Aufenthalt im sumpfigen Walde und die schlechte und ungenügende Kost, auf die wir angewiesen waren, in kurzer Zeit meinen beiden Begleitern und zweien meiner Leute Unpässlichkeiten zu, so dass ich mich bald auf einen einzigen Ma- trosen beschränkt sah. Dadurch ausser Stand gesetzt, meine Arbeiten in der Bai länger fort- zusetzen, hielt ich es für zweckmässig nach Verlauf von 10 Tagen die Bai de Castries zu ver- lassen und mich wiederum nach dem Mariinskischen Posten zu begeben. Dort traf ich mit Hrn, Maximowicz zusammen, der inzwischen ebenfalls von einer begonnenen Reise nach dem Ussuri zurückberufen worden war. Auf unser gemeinsames Gesuch erhielten wir nun- mehr vom General-Gouverneur die Erlaubniss, unsere unierbrochene Reise nach dem Ussuri wieder aufnehmen zu dürfen. Ohne Verzug, am 24. Juni (6. Juli), sogleich nach erhaltener Erlaubniss zur Reise, verliessen wir nun den Posten. Da wir jedoch nur je zwei Mann Rude- rer auf unsere Böte erhalten hatten, und diese Anzahl nicht genügen konnte, die Böte gegen die starke Strömung im Amur vorwärts zu bringen, sahen wir uns genöthigt beständig noch Gang der Reise. ıv 2 und 3 Ruderer unter den Eingeborenen zu miethen, was unsere Mittel natürlich sehr rasch schmälerte. Bis zur Mündung des Gorin-Flusses in den Amur folgten wir abwech- selnd dem einen und dem anderen Ufer des Stromes. Von dort an aber hielten wir uns beständig an das höhere rechte Ufer desselben, das linke für die Rückreise uns vorbehaltend. Am 16. (28.) Juli rasteten wir an der Mündung des Chongar-Flusses, eines für die Einge- borenen um so bedeutungsvolleren rechten Zuflusses des Amur’s, als er eine vielbesuchte Verkehrsstrasse zwischen den Golde am Amur und den Orotschen an der Meeresküste bil- den hilft. Dort befanden wir uns bereits in einer im Vergleich zum Mariinskischen Posten sehr merklich südlicheren Natur, indem dort alles Nadelholz schon auf das höhere Gebirge verdrängt ist und üppiger Laubwald das Ufer bedeckt. Vierzehn Tage später erreichten wir die Mündung des Ussuri. Dort begegneten uns die ersten mandshurischen Beamten, die sich aber wider Erwarten zuvorkommend gegen uns benahmen und sich sogar behülflich zeigten, uns frische Ruderer den Ussuri aufwärts zu verschaffen. Es war uns im höchsten Grade in- teressant, diesen nächst dem Ssungari bedeutendsten rechten Zufluss des Amur-Stromes aus eigener Anschauung kennen zu lernen. In seinem unteren Laufe machten wir die erste Be- kanntschaft mit den ausgedehnten, grasreichen, nur hin und wieder mit lichtem Walde von Laubhölzern und vorzüglich Eichen bestandenen Prairieen des Amur-Landes, die in schnei- dendem Contraste zu der fast ausschliesslich aus felsigen Gebirgen und dichten Nadelwaldun- gen zusammengesetzten Natur des unteren Laufes und besonders der Mündung des Amur- Stromes stehen. Weiter aufwärts sahen wir jedoch auch am Ussuri kleinere Gebirgszüge dem Strome mehr oder weniger und bisweilen bis. an die unmittelbaren Ufer desselben sich nähern. Wir gelangten auf dem Ussuri bis zur Mündung des Flusses Noor in denselben, die wir am 12. (24.) August erreichten. Dort sahen wir uns leider durch den Mangel an ferneren Mitteln zur Bezahlung der Ruderer und durch theilweises Erkranken unserer Leute genöthigt unserer Reise ein Ziel zu setzen. Nach zweitägiger Rast traten wir die Rückreise an und lang- ten am 17. (29.) August wiederum an der Mündung des Ussuri an. Von dort dem Amur abwärts folgend, hielten wir uns beständig an das linke Ufer desselben, welches noch lange unterhalb der Ussuri- Mündung einen niedrigen, zum Theil prairieartigen Charakter behält und erst nahe gegenüber der Chongar-Mündung ebenfalls gebirgig wird. Am 4. (16.) Sept. erreichten wir den Mariinskischen Posten und am 17. (29.) traf ich wiederum im Nikola- jewschen Posten ein, nachdem ich dieses Mal über vier Monate abwesend gewesen war und eine Strecke von etwa 2500 Werst zu Boot zurückgelegt hatte. Im Posten nahmen nun wiederum beständige meteorologische Beohachtungen, häufige Jagdstreifzüge in die Umgegend und ein beständiger Verkehr mit den Giljaken meine Zeit in Anspruch. Bei Zeiten musste auch an die Besorgung eines Vorrathes von Hundefutter zu der mir bevorstehenden Winterreise nach der Insel Sachalin gedacht werden. Da der Lachs- fang im Amur-Limane und Strome in diesem Jahre ein sehr ergiebiger gewesen war, so hielt es nicht schwer einen Vorrath zu machen, der hinreichen musste, um mich bis nach dem Tymy-Flusse, im Innern der Insel, zu bringen, wo ich auf frische Vorräthe bei den xvI Einlertung. Giljaken rechnen durfte. Am 30. Jan. (11. Febr.) trat ich auf 3 Schlitten meine Reise an. Wir eilten über den Liman und betraten am 1. (13.) Febr. beim Dorfe Poghobi die Insel. Südlich von dort, im Dorfe Tyk überraschten mich wiederum störmische Schneegestöber, die 4 Tage lang mit grosser Hefüigkeit anhielten. Dank dem mitgenommenen Vorrathe an Hunde- futter konnte ich jedoch nach Verlauf derselben meine Reise fortsetzen und erreichte am 8. (20.) Febr., längs der Westküste von Sachalin nach Süden reisend, das Dorf Arkai, von wo die von den Giljaken und Oroken der Insel gewöhnlich befolgte Strasse in’s Innere der Insel führt. Durch die letzten Schneegestöber war aber dieselbe leider vollkommen verstümt und zeigte sich kein Giljake im Dorfe willig mir zum Führer auf dem schweren , angeblich über drei Gebirgsrücken führenden Wege nach den Quellen des Tymy-Flusses zu dienen. Ich brach daher am Morgen des folgenden Tages ohne Führer landeinwärts auf. Die anfangs noch sichtbaren Spuren des Weges verloren sich bald und mussten durch häufiges Sondiren des Schnee’s wieder aufgefunden werden. Mit vieler Mühe überstiegen wir den ersten Gebirgs- rücken und lagerten uns zur Nacht. Es war die letzte, für die unser Vorrath an Hundefutter noch vorhielt. Leider brach jetzt wiederum ein stürmisches Unwetter mit Schneegestöber an, das uns für den nächsten Tag auch die letzten, noch hin und wieder sichtbaren Spuren des Weges rauben musste. Nur unter beständigem Sondiren der tiefen Schneemassen konnten wir daher am nächsten Morgen unseren Weg fortsetzen. Bald versagte jedoch auch dieses letzte Mittel und jetzt befanden wir uns in völliger Unkenntniss über die ferner einzuschlagende Richtung. Zum Glücke begegneten uns hier zwei giljakische Schlitten, die vom Tymy-Flusse kamen. Die Spuren, die sie hinterlassen hatten, benutzend, setzten wir unsere Reise, fort, kreuzten noch zwei Gebirgsrücken und erreichten am Abend bei hefligem Schneegestöber eine giljakische Hütte im Tymy-Thale. In den nächsten Tagen besuchte ich nun die zahlreichen giljakischen Dörfer am oberen Laufe des Tymy-Flusses, die in Folge ihrer geographischen Lage an diesem für das nördliche Sachalin höchst bedeutungsvollen Flusse und zugleich unfern von den Quellen des nach dem Golfe der Geduld gerichteten Ty-Flusses (der Newa von Krusenstern) einen natürlichen Verkehrsmittelpunkt für alle drei die Insel bewohnenden Volksstämme, die’Giljaken, Oroken und Aino abgeben. Neben ethnographischen Studien war mir dort auch reiche Gelegenheit geboten, Nachrichten und eigene Erfahrungen über die höhere Fauna der Insel Sachalin einzusammeln. Namentlich bot auch der im oberen Laufe niemals gefrierende Tymy-Fluss ein fruchtbares und lohnendes Terrain für Jagden dar. Gern verweilte ich daher im oberen Tymy-Thale so lange, als die Umstände es gestatteten und als nothwendig war, um mir neue Vorräthe an Hundefutter zur Weiterreise zu verschaf- fen, was bei dem Argwohne und der Habsucht der Sachalin-Giljaken nicht so leicht aus- zuführen war. Am 16, (28.) Febr. trat ich unter Begleitung eines giljakischen Führers die Reise das Tymy-Thal abwärts zur Ostküste der Insel an. Mehrere Tage hindurch begleitete uns noch eine kräftige, mannigfaltige, aus Laub- und Nadelhölzern gemischte Waldung, wie sie das Innere der Insel besitzt. Als wir jedoch der Meeresküste uns näherten und auch die hohen Gebirgszüge, welche den Tymy - Fluss in ziemlicher Entfernung begleiten, hinter uns Gang der Reise. xvu hatten, stellte sich eine mehr und mehr ausschliessliche und oft krüppelige Lärchenwaldung ein, ähnlich derjenigen, welche auch die Westküste der Insel in ihrem nördlichen Theile be- deckt. Am 20. Febr. (4. März) erreichte ich die Ostküste von Sachalin und setzte auf der- selben meine Reise noch bis zur Bai Nyı nördlich von der Mündung des Tymy - Flusses fort. Dort setzten Mangel an fernerem Hundefutter und die Weigerung meines Führers weiter zu gehen, so wie der äusserst rege Argwohn der zur Plünderung und selbst zum Raubmorde sehr geneigten Giljaken des nördlichen Sachalin’s meiner Reise ein Ziel. Nach mehreren Tagen Aufenthaltes an der Ostküste begab ich mich daher wieder ins Tymy-Thal und an die West- küste der Insel zurück. Ehe ich jedoch an dieser weiter reiste, besuchte ich noch die beim giljakischen Dorfe Dui befindliche Bai de la Jonequiere und die südlicher gelegene Bai Choindsho, wo die ansehnlichsten Lager von Braunkohle auf der Insel zu Tage treten. Die Rückreise längs der Westküste der Insel musste nach Möglichkeit beschleunigt werden, da inzwischen unsere sämmtlichen Lebensmittel für uns und unsere Hunde ausgegangen waren. Am 4. (16.) März betrat ich wieder die Festlandsküste im Amur-Limane beim Dorfe My. Von dort schickte ich sogleich einen meiner Schlitten nach dem Nikolajewschen Posten ab, um uns neue Lebensmittel und Tauschwaaren an die Mündung des Amur-Siromes entgegen zu bringen, da ich noch einen Abstecher nach der Südküste des Ochotskischen Meeres auszu- führen beabsichtigte. Diesen trat ich zwei Tage später, mit dem Nöthigen versehen, von dem giljakischen Dorfe Tscheharbach an der Amur-Mündung an. Ich lernte dabei den nörd- lichen Theil des Amur-Limanes und die Südküste des Ochotskischen Meeres bis nahe zum giljakischen Dorfe Kullj kennen. Leider begleiteten mich auf dieser Reise sehr heftige und fast ununterbrochene Schneegestöber , welche dieselbe sehr erschwerten. Am 12. (24.) März traf ich endlich wiederum im Nikolajewschen Posten ein, nach einer Abwesenheit von 11 Monaten, während welcher ich ungefähr 1400 Werst auf Hunden zurückgelegt hatte. Während des nunmehr folgenden Aufenthalts im Nikolajewschen Posten musste meine Aufmerksamkeit, neben den gewöhnlichen, obenerwähnten wissenschaftlichen Beschäftigungen, hauptsächlich auch auf die Zurüstungen zu der nahe bevorstehenden Sommerreise gerichtet sein. Diese sollte nämlich , als Rückreise aus dem Amur-Lande, den gesammten Amur auf- wärts gehen. Da mir zugleich kein anderer Weg zum Transporte aller auf der Seereise und im Amur-Lande gemachten, im Nikolajewschen Posten angehäuften naturhistorischen und ethnographischen Sammlungen offen stand, so mussten dieselben ebenfalls reis>fertig gemacht werden, um die voraussichtlich lange und beschwerliche Reise stromaufwärts und alsdann zu Lande durch ganz Sibirien und das europäische Russland bis nach St. Petersburg schad- los bestehen zu können. Jede Kiste musste zu dem Zwecke sorgfältig gepackt, vertheert und in Rindsleder oder Seehundsfelle eingenäht werden, was bei der grossen Anzahl von Kisten und den mangelhaften Mitteln des Nikolajewschen Postens viel Mühe, Zeit und Kostenaufwand in Anspruch nahm. Daneben musste auch den vielfachen Bedürfnissen der Reise selbst vorge- sorgt werden, welche, als wissenschaftliche Expedition behandelt, fortgesetztem naturhistori- schem Beobachten und Sammeln gewidmet sein sollte. Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 11 xvin Einlertung. Sobald der Amur-Strom die Eisdecke abgeworfen hatte, was in diesem Jahre (1356) am 9.(21.) Mai statt hatte, schiekte ich meine sämmtlichen, zur Reise hinlänglich gerüsteten Samm- lungen nach dem Mariinskischen Posten voraus und brach dann selbst mit meinen beiden Be- gleitern am 13. (25.) Mai auf zwei giljakischen Böten auf. Die Natur war in diesem Jahre im Vergleich mit dem vorigen sehr merklich zurück und gab, mit Ausnahme zahlreicher Enten und Gänse auf dem Strome, nur wenig Ausbeute. Um so mehr Zeit konnte dem ethnrographischen Studium der Giljaken gewidmet werden, durch deren Gebiet ich zum letzten Mal reiste. Nach 9 Tagen langten wir im Mariinskıschen Posten an, wo ich meine Sammlungen wohlbestellt vorfand. Dort stand uns ein längerer Aufenthalt bevor; denn da ich von nun an die Sammlungen selbst weiter zu führen hatte, so mussten mehrere geräumige mandshurische Böte und eine hin- längliche Anzahl von Ruderern herbeigeschaflt werden. Letzteres aber hielt besonders schwer, da der Krieg in einem nur von Militair besetzten Lande Alles in Anspruch nahm. Unsere einzige Hoffnung war daher auf die rückkehrenden Leute der russisch-amerikanischen Companie ge- richtet, deren Ankunft aber noch zu erwarten stand. Inzwischen benutzte ich den unfreiwilligen Aufenthalt im Mariinskischen Posten, um mit Hrn. Maximowicz- zusammen einen Ausflug über den See von Kıdsı nach dem Jai-Flusse auszuführen, an welchem eine der winterlichen Verkehrsstrassen zwischen den Mangunen am Amur und den Orotschen der Meeresküste besteht. Nach unserer Rückkehr vom Jai, am 3. (15.) Juni, fanden wir im Mariinskischen Posten die Friedensnachricht aus Europa vor. Zugleich war ein Befehl vom General-Gouverneur von Östsibirien gekommen, einen Theil der am Amur befindlichen Truppen sogleich stromauf- wärts zur Rückkehr in die Heimath zu befördern. Das gab uns Gelegenheit die nöthige Anzahl von Ruderern auf unsere Böte zu erhalten. Auf mein Gesuch wurden mir 26 Mann Kosaken als Ruderer zur Verfügung gestellt, was mit den drei bereits von mir gemietheten Leuten der russisch-amerikanischen Gompanie eine Mannschaft von 29 bildete. Diese wurden nun auf 3 grosse mandshurische Böte, welche meine sämmtlichen Sammlungen und reichliche Vorräthe an Lebensmitteln und Tauschwaaren fassten , und ein kleines giljakisches Boot vertheilt, wel- ches ich selbst bestieg, um, dem Zuge vorausgehend, mit Beobachten und Sammeln mich zu beschäftigen. Ausserdem aber schloss sich mir noch ein 5!° Boot an, welches die Sammlun- gen von Hrn. Maximowicz, der noch im Mariinskischen Posten blieb, enthielt und das, mit allem Nöthigen ausgerüstet, meiner Aufsicht und Leitung anempfohlen war. Mit den acht Kosaken desselben zählte daher unsere gesammte Mannschaft, meine Begleiter und mich mit- gerechnet, 40 Mann, wozu im unteren Laufe des Stromes noch stets ein Führer aus den Ein- geborenen kam. So beschwerlich eine Reise mit so zahlreicher Mannschaft im Falle eines Mangels an Lebensmitteln auch werden konnte, so erwies es sich doch im gegenwärtigen Falle, wie die Folgezeit lehrte, als ein Glück, dass die Mannschaft nicht geringer war, denn nur das allein setzte mich in den Stand, trotz der äusserst zahlreichen Erkrankungen, die im Laufe unserer beschwerlichen Reise erfolgten, ununterbrochen weiter zu gehen. Wir verlies- sen am 15. (27.) Juni den Mariinskischen Posten und brauchten einen vollen Monat um bis zum russischen Wachtposten gegenüber der Ssungari- Mündung zu gelangen. Der grösste Gang der Reise. XIX Theil dieser Strecke, bis zur Ussuri-Mündung, war mir schon vom Sommer vorigen Jahres her bekannt. Oberhalb der Ussuri- Mündung aber lernte ich ein mir noch neues Gebiet am Amur kennen, welches zum grössten Theil eine Niederung ist, mit nur wenigen kleinen Ge- birgszügen, die sich dem Strome und zumal seinem rechten Ufer nähern. 'Im Wachtposten (Ssungarskij-Piket) waren die zur Versorgung der rückkehrenden Truppen bestimmten Vorräthe noch nicht angelangt, und mussten wir daher mit den in Kidsi gemachten Vorräthen weiter gehen. Nach einem Tage Rast, am 16. (28.) Juli, brachen wir wieder auf. Der Amur- Strom wird oberhalb der Ssungari-Mündung, wo er bei den Mandshu den Namen Sachali oder Sachalin-ula, d. h. schwarzer Fluss, trägt, ansehnlich schmäler. Fünf Tage lang be- gleitete uns noch an beiden Ufern desselben eine weite, hin und her mit Baumgruppen oder auch mit lichtem Laubwalde bestandene Prairie; am 61% betraten wir den Fuss des Bureja- Gebirges, das vom Amur-Strome durchbrochen wird. Leider war das Wasser im Strome, ver- muthlich in Folge häufiger Regengüsse an seinen Quellarmen und oberen Zuflüssen, sehr an- sehnlich gestiegen, was einerseits die ohnehin reissende Strömung desselben noch um ein Be- Jdeutendes verstärkte, und andererseits bei dem engen, von steilen Felsen eingeschlossenen Bette des Stromes uns die Möglichkeit, unsere Böte hin und wieder vermittelst einer Leine stromaufwärts zu ziehen, völlig raubte. Es blieb uns daher nichts übrig, als durch Rudern ge- gen die reissende Strömung anzukämpfen, wobei wir uns oft genöthigt sahen, wenn die ange- strengteste Arbeit nichts fruchten wollte, auf das jenseitige Ufer hinüberzugehen, ob dies gleich bei der starken Strömung mit einem jedesmaligen Verluste gegen den schon gewonne- nen Ort verbunden war. Acht Tage solcher Arbeit bei brennender Sonnengluth und bei bereits geschmälerten Lebensmitteln mussten gewiss dazu beitragen, die Zahl der Kranken in meiner Mannschaft rasch zu vergrössern. Häufige Erkältungen und in Folge davon heftige rheumatische Uebel, welche die Leute beinahe in einen Zustand von Lähmung versetzten, Ty- phus und die Folgen scorbutischer Leiden, denen sie an der Mündung des Stromes ausgesetzt gewesen, raubten mir täglich mehr Kräfte und liessen die Hindernisse wachsen. Am 28. Juli (9. Aug.) erreichten wir endlich den westlichen Fuss des Bureja-Gebirges: vor uns lag wie- derum weite Prairie und im Beginn derselben der russische Wachtposten Chinganskoi Pi- ket. Nach einer Rast von 1}, Tagen brachen wir, mit frischen Lebensmitteln versehen, wie- der auf. Jetzt setzten uns die niedrigen und ebenen Ufer des Amur-Stromes keine solchen Hindernisse mehr wie im Gebirge in den Weg. Je weiter aufwärts wir kamen, desto ausge- breiteter und allgemeiner wurde auch die Prairie zu beiden Seiten des Stromes. Bald oberhalb der Bureja-Mündung traten auch an Stelle der Zelte nomadischer Biraren, eines tungusi- schen Stammes, der die Bureja (Njuman der Eingeborenen) und den angränzenden Theil des Amur-Stromes bewohnt, feste, von Gemüsegärten und selbst kleinen Feldern umgebene Ansiedelungen der Dauren, Mandshu und Chinesen, in denen wir Gelegenheit hatten für unsere Mannschaft frische Lebensmittel sowohl zum gegenwärtigen Bedarfe, als auch zum Vorrath für den uns noch bevorstehenden oberen Theil des Stromes zu besorgen. Gegen Ende dieses bisher einzigen Culturstückes am Amur-Strome erreichten wir am 11. (23.) Aug. die xx Einleitung. mandshurisch-chinesische Stadt Aigun (Aicho der unteren Amur-Völker, Sachalin-ula- choton, d. h. schwarzen Flusses Stadt, der Mandshu), ohne uns jedoch von dem Befehls- haber derselben die Erlaubniss zum Besuche der Stadt erwirken zu können. Nachdem wir nun am folgenden Tage an der Mündung der Dseja (Dsi der Eingeborenen) vorübergekommen waren, erreichten wir am späten Aben den unweit oberhalb derselben gelegenen russischen Wachtposten Ustj-Seiskoi-Piket *). Die grosse Zahl Kranker in meiner Mannschaft nöthigte mich hier den Befehlshaber des Postens um eine Verstärkung zu bitten, die mir auch an 10 Mann Liniensoldaten zu Theil ward. Nach zweitägiger Rast, am 15. (27.) Aug., setzten wir unsere Reise fort, abwechselnd dem rechten und dem linken Ufer des Stromes folgend, je nach- dem wo uns die oberhalb der Dseja wieder an den Strom herantretenden Gebirge und die damit verbundene reissende Strömung weniger Hindernisse in den Weg setzten. Am $!en Tage langten wir im folgenden russischen Wachtposten, Komarskoi Piket, nahe gegenüber der Komar-Mündung an. Mit einem Vorrathe an Lebensmitteln für 10 fernere Tage brachen wir am 24. Aug. (5. Sept.) wieder auf. Bald oberhalb der Komar-Mündung nimmt die Na- tur ein viel nordischeres Gepräge an. Rasch nach einander häuften sich jetzt die Beschwerden unserer Reise. Längs den gebirgigen und oft felsigen Ufern des Stromes hatten wir meist ge- gen eine reissende Strömung zu kämpfen, welche durch ein ungewöhnlich starkes, in Folge anhaltender Regen eingetretenes Anschwellen des Stromes noch um ein Bedeutendes verstärkt wurde. Wiederum verloren wir die Möglichkeit stellenweise an der Leine vorwärts zu gehen. Zugleich hemmten beständig contraire und oft sehr frische Winde die Erfolge unseres Ruderns. Zudem stellten sich mit dem 1. (13.) September regelmässige Nachtfröste ein, welche bei der leichten, durch die lange Reise sehr mitgenommenen Bekleidung der Kosaken und Soldaten zu immer häufigeren Erkältungen und Erkrankungen aller Art führten. Während wir daher bei wachsenden Hindernissen und schwindenden Kräften nur äusserst langsam vorwärts rück- ten, sahen wir zugleich einem baldigen Ende unserer Lebensmittel entgegen, einem Uebelstande, dem in den öden Wildnissen dieses Stromtheiles nicht wohl abzuhelfen war. Denn selbstver- ständlich konnten wir nicht hoffen in den einzelnen, spärlich zerstreuten Zeiten der Monja- gern, eines nomadischen Tungusen-Stammes, der die Ufer der Dseja und des Amur-Stro- mes oberhalb derselben durchstreift und gegenwärtig, der Jagd nachgehend, zumeist in’s In- nere der Gebirge sich zurückgezogen hatte, Lebensmittel für 50 Mann vorzufinden, und was mein eigenes, dem Sammeln gewidmetes Gewehr stellte, konnte natürlich ebensowenig hin- reichen. Ich sah mich daher sehr bald genöthigt unsere tägliche Ration auf ein sehr geringes Maass einzuschränken, so hart auch diese Maassregel bei der angestrengten Arbeit des Ru- derns erscheinen musste. Dennoch gingen uns am 11. {23.) Sept., noch weit unterhalb des nächsten russischen Postens, unsere letzten Vorräthe zu Ende. Zum Glück erreichten wir nun am folgenden Tage ein mit Mehl beladenes Flussboot, das im Frühjahr auf einer Sandbank gestrandet war. Das setzte uns in den Stand die Reise fortzusetzen und am 16. (28.) Sept. *) Im Frühjahr 1858 ist dieser durch den Zusammenfluss des Amur’s mit der Dseja höchst wichtige Ort zum Range einer Stadt, unter dem Namen Blagowestschensk, erboben worden. Gang der Reise xx den russischen Wachtposten Kotomandu (Kotomanga der Eingeborenen) zu erreichen. Bereits fielSchnee; ich eilte daher am folgenden Tage weiter. Die starken Nachtfröste begannen Eis an den Ufern zu bilden; am 21. Sept. (3. Oct.) begegneten wir auch dem ersten treibenden Eise, das jedoch aus einem linken Zuflusse des Amur-Stromes, dem Urutschi, kam. Oberhalb desselben gab es daher wiederum eisfreies Fahrwasser, auf dem wir endlich am 25. Sept. (7. Oct.) den ersten Kosakenposten, Ustj-StrjelotschnoiKaraul,am Zusammenfluss der Schilka und des Argunj's erreichten. Damit war jedoch meine Flussreise noch keineswegs zu Ende, da mir bis zur näch- sten fahrbaren Landstrasse, auf der die Sammlungen weiter befördert werden konnten, noch etwa 500 Werst auf dem einen oder dem anderen der beiden Quellarme des Amur-Stromes bevorstanden. Mehrfache Gründe und darunter besonders der gegenwärtig niedrige Wasser- stand des Argunj's im Vergleiche zum hohen der Schilka, so wie der Umstand, dass es am ersteren Strome bis an seine Mündung Kosakenansiedelungen giebt, die Schilka dagegen in ihrem unteren Laufe bis zur Gorbiza, d. i. auf etwa 240 Werst unbewohnt ist, bewogen mich zu einer Zeit, da ich täglich Eisgang erwarten konnte, den Argunj zur Weiterreise zu wählen. Wir verliessen das Kosakendorf Ustj-Strjelotschnoi am 26. Sept. (8. Oct.). Die erste Strecke schien uns nach den Beschwerden am Amur leicht zu überwinden, da der nie- drige Wasserstand uns fast allenthalben an der Leine fortzugehen erlaubte, die mondhellen Nächte aber unsere Arbeitszeit verlängern halfen und die Kosakendörfer uns frische Lebens- mittel und hin und wieder auch ein warmes Nachtlager gewährten. Bald aber fanden sich auch hier die Hindernisse ein. Am 1. (13.) Oct. trieb uns Eis am linken Ufer des Argunj’s entgegen. Wir erreichten das grosse Kosakendorf Urjupina, versorgten uns dort mit frischen Lebensmitteln bis zum nächsten, auf etwa 100 Werst stromaufwärts entfernten Dorfe und gin- gen am folgenden Morgen weiter. Bereits war Eisgang an beiden Ufern des Stromes ; auch nahmen die Menge und Dicke der treibenden Eisschollen und die Ausbreitung des Ufereises in den folgenden Tagen bedeutend zu und machten uns den Gebrauch der Leine oft unmög- lich. Unter solchen Umständen blieb uns wenig Hoffnung den noch etwa 200 Werst oberhalb Urjupina gelegenen Ort Argunskoi Ostrog, von welchem die erste Landstrasse beginnt, zu Boot erreichen zu können. Glücklicherweise liess die scharfe Kälte nach drei Tagen nach und der Fluss wurde wiederum eisfrei. Jetzt trat uns aber ein neues Hinderniss in dem weithin lachen Wasser und den zahlreichen steinigen Untiefen (russisch : schiwera) entgegen, über die eine reissende, durch Rudern nicht zu überwindende Strömung geht. Am 5. (17.) Oct. waren wir genöthigt die ganze Nacht durchzuarbeiten, bis wir am Morgen im Dorfe Ustj-Urovskoje landen konnten. Zwei Tage später, vom Dorfe Baschurowa an, wurde es uns möglich unsere Böte mit Hülfe von Pferden Qussaufwärts ziehen zu lassen, was jedoch bei dem steinigen Bette des Argunj’s, seinen zahlreichen Untiefen, kleinen Inseln, vorspringenden Felsen u. drgl. m. mit vielem Aufenthalte und mancher Gefahr für die Böte verbunden ist. Wiederum trat scharfe Kälte ein und diesmal ging die Eisbildung äusserst rasch vor sich. Am 9. (21.) Oct. erreichte ich nach vielstündigem, angestrengtem Kampfe gegen das treibende Eis in stockfinstrer Nacht das Dorf Mulatscha. Meine grossen Böte aber, die gegen das Eis in der Nacht nicht hatten xx Einleitung. aufkommen können, blieben zurück und konnten erst am folgenden Tage mit Hülfe zahlrei- cherer Mannschaft bis zu dem Dorfe gelangen. Da ich von Mulatscha nur noch 15 Werst bis nach Argunskoi Ostrog hatte und die Sammlungen mit weniger Mühe zu Lande als auf dem Flusse zwischen den dicht zusammengedrängten Eisschollen hindurch transportirt werden konnten, so beschloss ich hier meiner Flussreise ein Ende zu setzen, nachdem dieselbe vom Mariinskischen Posten an 4 und vom Nikolajewschen 5 Monate gedauert und mich über eine Strecke von etwa 3500 Werst stromaufwärts geführt hatte. Am 12. (24.) Oct. langten wir in Nertschinskoi Sawod an, wo ich meine Sammlungen dem Befehlshaber der dortigen Berg- werke, Hrn. Obrist Deichmann, mit der Bitte um Weiterbeförderung mit der Goldkarawane ablieferte. Nunmehr lag die Poststrasse Sibiriens vor uns. Ueber die Schilka, die wir kurz vor der Stadt Nertschinsk zu passiren hatten, mussten wir am 24. Oct. (5. Nov.) noch zu Boot, zwischen den dicht angehäuften Eisschollen uns durchdrängend, übersetzen. Die übri- gen Flüsse Transbaikalien’s, die uns im Wege lagen, die Nertscha, Ingoda, Sselenga, fanden wir schon mit einer fahrbaren Eisdecke versehen und gelangten am 6. (18.) Nov. noch rechtzeitig an den Baikal-See, um im Dampfboot über denselben herüberzukommen. Auf Winterbahnen, die sich während unseres Aufenthaltes in Irkutsk eingestellt hatten, eilten wir nun durch Sibirien weiter und trafen am 7. (19.) Januar 1857 wieder in St. Peters- burg ein. Nach diesem kurzen Abrisse meiner Reisen im Amur-Lande wird es, glaube ich, nicht überflüssig sein, von der im Vorhergehenden sehon theilweise angedeuteten, den Amur-Strom in seinen einzelnen Theilen begleitenden Landschaft in gedrängten Zügen eine kurze Ueber- sicht zu geben. Es kann nicht fehlen, dass ein Strom von solcher Riesengrösse wie der Amur, der von dem Ursprunge seiner Hauptquellarme bis zur Mündung über 30 Längengrade kreuzt und im Ganzen gewiss gegen 4500 Werst zurücklegt, in diesem weiten Laufe auch ein Terrain von sehr mannigfaltiger Beschaffenheit durchströmt. Auf die nackten Hochebenen Innerasiens, an deren Rande die Quellarme des Amur’s, die Schilka, mit der Jngoda und dem Onon, und der Argunj entspringen, folgt bekanntlich gegen den Zusammenfluss dieser Ströme hin ein weites, von vielen Gebirgszügen zusammengesetztes Bergland, welches meist abgestumpfte, oft terrassenförmig abgesetzte und zuweilen nach Art von kleinen Hochebenen erweiterte Höhen, mit einer im Allgemeinen vorherrschenden Vegetation von Nadelhölzern und Birken und dar- unter besonders auch von der Betula daurica besitzt. Ein solches Alpenland, aus Vorbergen und Ausläufern des Stanowoi- und des Chingan-Gebirges zusammengesetzt, umgiebt auch den oberen Lauf des Amur- oder oberen Sachali-Stromes, der offenbar nur die Fortsetzung sei- nes mächtigeren Quellarmes, der Schilka, ist und daher mit Recht bei den dortigen tungusi- schen Völkern, den Orotschonen und Monjagern, den Namen Schilkar oder Ssirkal trägt. Langgedehnte, zum Strome hin bald steile und nacktfelsige, bald sanfter geneigte und mit vorherrschendem Nadelwalde aus Lärchen und Kiefern bewachsene Höhen begleiten den Strom. Stellenweise treten sie beiderseits dicht an denselben heran und verleihen dem en- gen, gradlinigen Thale das Ansehen eines Gebirgsdurchbruches; meistens jedoch ist das Thal Orographischer Charakter des Amur-Landes. Äxı geräumiger und der geschlängelte Lauf des Stromes abwechselnd rechts und links von nack- ten Felswänden oder bewaldeten Bergabhängen und von grösseren oder kleineren Wiesen be- gleitet. Bis etwa zur Mündung des Komar-Flusses in den Amur bilden noch Nadelhölzer und die Bet. daurica die Hauptwaldung der Ufer. Alsdann aber werden die ersteren mehr und mehr verdrängt und von Laubhölzern und namentlich Eichen in lichter Waldung ersetzt. So geht es bis zur Einmündung der Dseja. Dort brieht die Berglandschaft ab und es breitet sich nunmehr eine ausgedehnte, hin und wieder gewellte oder von kleinen Hügelzügen durch- schnittene, ab und zu mit Laubholz bewachsene Ebene aus, die namentlich nach Norden, an der Dseja und ihren Zuflüssen weit hinaufzureichen scheint, am südlichen Horizonte dagegen meist von einem langgedehnten Höhenzuge begränzt bleibt. Dies ist die Prairie am oberen Amur- oder Sachali-Strome, das zur Cultur am meisten geeignete Stück des Amur - Lan- des, in welchem die Ansiedelungen der Mandshu, Chinesen und Dauren längs dem Strome liegen. Sie breitet sich am Amur bis unterhalb der Mündung der Bureja aus, wird jedoch gegen ihr unteres Ende hin allmählig eingeschränkter, indem dort wiederum kleine Gebirgs- züge dem Strome sich nähern. Etwa 100 Werst unterhalb der Bureja-Mündung stösst der Amur-Strom auf den vom Stanowoi-Gebirge nach Süd verlaufenden Gebirgszweig, den wir nach Middendorff’s Vorgange das Bureja-Gebirge nennen wollen *). Dieses Gebirge wird vom Amur in der Richtung NW. nach SO. durchbrochen, auf einer Strecke von etwa 200 Werst, wo der Strom, in ein enges Bett eingezwängt, meist in gewundenem Laufe zwi- schen beiderseits hohen, bald steilen und nacktfelsigen, bald sanfter geneigten und üppig be- laubten Ufern mit reissender Geschwindigkeit dahineilt. Es ist nicht möglich im Durchbruch des Amur-Stromes durch das Bureja-Gebirge, das zugleich mit der südlichsten Biegung des Stromes nahe zusammenfällt, nicht eine natürliche Abtheilung, einen Gränzpunkt im Laufe des Amur-Stromes zu erkennen. Denn mit dem Bureja-Gebirge ist nicht bloss in geognostischer Beziehung, wie in manchen Punkten der Pflanzen- und Thiergeographie und in den ethnogra- phischen Verhältnissen des Amur-Landes, sondern auch in der Entwickelung des Amur- Stromes selbst eine wichtige Gränzlinie gegeben. Befanden wir uns nämlich bisher im oberen Amur-Lande oder, wenn man die Schilka als oberen Lauf des Amur - Stromes ansieht, am mittleren Laufe des Stromes, so treten wir nunmehr unterhalb seines Durchbruches durch das Bureja-Gebirge an den unteren Lauf desselben und in das untere Amur-Land ein. Die rie- senmässige Zunahme, die der Amur-Strom gleich im Beginne seines unteren Laufes erfährt, verdankt er seinem Zusammenflusse mit dem Ssungari. Der herrschenden Ansicht, dass die- ser letztere nur ein Zufluss des Amur-Stromes sei, müssen wir die richtigere Anschauung der Mandshu entgegensetzen, die den Mangu oder unteren Amur-Strom erst aus dem Zu- sammenflusse des Ssungari und Sachali entstehen lässt. Ja, wenn man in Erwägung zieht, dass bei der Vereinigung dieser Ströme die ansehnlichere Grösse und maassgebende Richtung auf Seiten des Ssungari bleibt, so dürfte man sogar geneigt sein, ihn und nieht den Sachali *) Daruber s. eine spätere Anmerkung. x XXıV Einleitung. für die Hauptader des Amur - Systemes zu halten. Längs dem vereinigten Strome zieht sich nun anfangs dieselbe Landschaft fort, die auch den Sachalı gleich unterhalb seines Aus- tritts aus dem Bureja-Gebirge und noch oberhalb seiner Vereinigung mit dem Ssungari begleitet: es ist dies nämlich eine ebene, grasreiche Prairie, die aber im Vergleich mit der zuvor erwähnten Prairie am Sachali-Strome niedriger, sumpfiger und von geringerer Aus- dehnung zu sein scheint. Namentlich treten am rechten Ufer niedrige Gebirge oft bis hart an den Strom heran, während sie am linken meist nur am Horizonte sichtbar bleiben. Auch bricht der Prairiecharakter am rechten Ufer früher und zwar schon an der Mündung des Us- suri völlig ab, während er am linken noch eine geraume Strecke weiter geht. An der Mün- dung des Ussuri erreicht nämlich der Amur-Strom mit seinem bis dahin im Allgemeinen östlichen Laufe die westlichen Vorberge des Küstengebirges der Mandshurei und wendet sich nun nach Nord, um dieses Küstengebirge zu umgehen. Von nun an breitet sich bis an die Mündung des Amur-Stromes ein weites und durchgängiges, wenn auch nicht besonders hohes Alpenland aus, welches am rechten Ufer von den westlichen Vorbergen und Abfällen des Kü- stengebirges und am linken von einzelnen Zweigen und Vorbergen des nördlichen Bureja- Gebirges gebildet wird, die die Quellen des Kur, Gorin, Amgunj und anderer linken Zu- flüsse des Amur-Stromes entsenden und begleiten. Namentlich hat der Strom, indem er sich näher an das Küsten- als an das Bureja-Gebirge andrängt, in diesem Theile ein durchgängig hohes, gebirgiges rechtes Ufer, während am linken die Gebirge nicht überall bis an den Strom herantreten und daher stellenweise, wie z.B. am unteren Kur, am Boolang-und Udalj-See, am unteren Ämgunj u. 5. w., auch niederes Land sieh einfindet. So durchgängig aber auch das Alpenland in diesem Theile des unteren Amur-Stromes ist, so lässt sich hier doch, in Folge der ungefähren Meridianrichtung seines Laufes, ein rascher Wechsel im Vegetations- charakter der Landschaft bemerken. Bis etwa zur Mündung des Gorin-Flusses bilden Laub- hölzer der verschiedensten Art die herrschende Bewaldung der Uferabhänge, während alles Nadelholz auf die Höhe der Gebirge verbannt ist. Alsdann aber beginnen auch die Nadel- hölzer allmählig von der Höhe bis zum Niveau des Stromes hinabzusteigen, um nun je weiter nach Norden, desto mehr überhand über das Laubholz zu nehmen. Mit der Biegung endlich, die der Strom nahe dem 53ter Breitengrade nach Osten macht, um, zwischen den nördlichen Ausläufern des Küstengebirges der Mandshurei und den nach Osten vorgeschobenen Aus- läufern eines Zweiges vom nördlichen Bureja-Gebirge hindurch, zum südlichen Ende des Ochotskischen und nördlichen des Japanischen Meeres (der Meerenge der Tartarei) einzu- münden, ist der Charakter ein vollkommen nordischer geworden, indem nun allenthalben, auf den Höhen wie am unmittelbaren Ufersaume, eine beinahe ausschliessliche, ausgedehnte und fast ununterbrochene Nadelwaldung von Tannen und Lärchen über einer dieken Moosdecke von Hypnum u. dgl. sich ausbreitet. Dieser Vegetationscharakter herrscht nun im Allgemeinen auch an der Meeresküste des Festlandes der Mandshurei und der Insel Sachalin bis weitnach Süden, zum wenigsten bis zum 49° n. Br. hinab. Nach Norden zu, an der Südküste des Ochot- skischen Meeres gewinnt er aber ein noch nordischeres Gepräge, indem dort meistentheils nur Klimatischer Charakter des Amur-Landes. xxvV ein lichter und oft verkrüppelter Lärchenwald die Meeresküste bedeckt. Dasselbe ist auch an den niedrigen Küsten des nördlichen Theiles der Insel Sachalin der Fall. Im Innern dersel- ben aber, wo das Land von gebirgiger Beschaflenheit ist, findet sich hoher und mannigfaltiger Nadelwald, mit vielem Laubholze, vorzüglich Weiden , Espen und Birken, aber auch Eschen, Ahornen, Eichen u. a. m. untermischt. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die in Meri- dianrichtung langgestreckte Insel Sachalin ein mit dem Küstengebirge der Mandshurei ziemlich paralleles Mittelgebirge mit mannigfachen Abzweigungen besitzt, deren Zahl und Ausbreitung im mittleren, vom Golfe der Geduld nach Norden gelegenen Theile besonders ansehnlich zu sein scheint. Solche Gebirgszweige sind es auch, welche die grössten Flüsse der Insel Sachalin, den Ty und Tymy, in ihrem von den Quellen an nach SO. und NO. diver- girenden Laufe begleiten. Letzterer Fluss läuft in einem ziemlich weiten Thale zwischen dem Mittelgebirge an der linken und einem an Höhe nicht geringerem Nebenzweige desselben an der rechten Seite und erreicht erst nachdem er den letzteren Gebirgszug umgangen ist, mit einer Biegung nach Osten das Ochotskische Meer. Im Allgemeinen schienen mir die Gebirge in dem von mir besuchten, mittleren Theile von Sachalin denjenigen auf dem Continente im unteren Amur-Lande an.Höhe nicht nachzustehen. Nach Angabe der Eingeborenen soll es aber auf der Iusel, und zwar im nördlichen Theile derselben, auch Gebirgsgipfel geben, die mit ewigem Schnee bedeckt sind, was wir im Amur-Lande nirgends gesehen haben. Gern möchten wir an diese kurze orographische Skizze des Amur-Landes auch eine vorläufige kurze Uebersicht der klimatischen Verhältnisse desselben anschliessen ; allein hier fehlen uns, um vom gesammten Laufe des Stromes sprechen zu können, gegenwärtig noch die Materialien. Nur vom Mündungslande des Amur-Stromes besitzen wir schon mehrfache Er- fahrungen : es sind dies namentlich die von Hrn. Maximowiez im Mariinskischen und von mir im Nikolajewschen Posten während der beiden Jahre unseres Aufenthaltes im Amur- Lande, 1854—1856, regelmässig fortgeführten meteorologischen Beobachtungen. Ausserdem liegen mir einige meteorologische Aufzeichnungen vor, die von zwei Officieren der Russischen Marine während einiger Monate Aufenthaltes in der Bai Hadshi an der Küste der Mandshu- rei in 49°n.Br. und in der Bai Aniwa am Südende Sachalin’s gemacht worden sind. Diese Materialien, die am entsprechenden Orte in extenso bekannt gemacht werden sollen, gestatten uns auch vorläufig schon einen flüchtigen Blick in das Klima des unteren Amur-Landes und in’s Besondere der Amur-Mündung zu thun. Als ein Theil der Ostküste des weiten asiatischen Continentes muss das Mündungsland des Amur-Stromes in klimatischer Beziehung maritime und continentale Elemente in sich vereinigen. Die ersteren bezieht es jedoch nicht vom offenen Oceane, sondern zumeist von einem hoehnordischen, im Winter ebenfalls gefrierenden Binnenmeere, dem Ochotski schen, und in geringerem Theile von der nördlichen Hälfte des Japanischen Meeres; die zweiten kommen ihm von einem nach Westen äuss rst ausgedehnten und nach Norden bis in hohe, arktische Breiten vorgeschobenen Continente zu. Beiderseits sind daher die geographischen Verhältnisse nicht wohl greignet ein wm ‘des Klima an der Amur- Mündung hervorzurufen, Schrenck’s Amur-Reise. Bd. 1. 1V xıvı Einleitung. Dabei lehren die Beobachtungen den Antheil, den die einzelnen Jahreszeiten an den maritimen und continentalen Factoren im Klima haben, in folgender Weise abschätzen: im Herbst und Winter herrscht der Einfluss des Continentes, im Frühjahr und Sommer derjenige der See aor — eine Vertheilung, die gewiss im hohen Grade ungünstig ist, indem die scharfen Win- erfröste nicht durch eine entsprechende Sommerhitze compensirt werden. Genauer lässt sich der allgemeine klimatische Charakter der einzelnen Monate, wie wir ihn im Nikolajewschen Posten beobachtet haben, in folgender Weise angeben. Im October (alten Stiles, wie alle übri- gen Angaben) stellen sich bereits vorherrschende Westwinde ein, die einen heiteren und schö- ben, aber kalten Herbst bedingen: der einmal ausgefallene Schnee bleibt liegen und der Strom nedeckt sich von seinen Ufern aus, ohne dass ein herbstlicher Eisgang stattfände, allmählig tweiter und weiter mit Eis. In den ersten Tagen des November’s (in den Jahren 1854 und 1855 am 2. (14.) Nov.) ist er in seiner ganzen Breite, das zuletzt gefrierende tiefere Fahr- wasser des Stromes nicht ausgenommen, mit Eis bedeckt und wird alsdann auch sogleich in - Sehlitten befahren. Im November, der ebenfalls meist heiter bei vorherrschenden Westwinden ist, sinkt das Thermometer bereits nicht selten unter — 20° R. Im December thut sich der Einfluss der See durch sehr starken Schneefall kund. Zugleich ereignen sich häufig stürmische Schneegestöber, welche zumeist bei Westwinden stattfinden und nicht selten von einer Kälte von — 20° R. und mehr begleitet sind. Diese Schneegestöber (von den Russen in Sibirien «Purga» genannt, wir möchten sie deutsch «Schneestürme» nennen) halten oft mehrere Tage lang an.: die Luft ist alsdann von diehten Mengen wirbelnden Schnee’s erfüllt, allenthalben häufen sich ungeheure Schneemassen an und aller Verkehr, selbst zwischen nahe gelegenen Orten, wird gehemmt und zeitweise ganz unterbrochen. Bei der wirbelnden Bewegung, mit welcher der Wind oft um die ganze Windrose umspringt, wird man sich die Erscheinung dieser Schneestürme aus einem Zusammenstossen und Gegeneinanderkämpfen der Ost- und Westwinde erklären können. Zuweilen, wenngleich sehr selten, nimmt auch der Ostwind überhand und alsdann stellt sich mitten im Winter Thauwetter ein, welches aber ebenso rasch wieder von scharfem Froste verdrängt werden kann. So hatten wir z. B. im Winter 1854 im Nikolajewschen Posten am 5. (17.) Dec. +-0°,5 R. in der Luft und am 10. (22.) Dec. — 31°,6, welches letztere zugleich auch der niedrigste im Nikolajewschen Posten von mir beobachtete Thermometerstand ist. Im Januar pflegt ein beständigeres Wetter, bei meistens heiterem Himmel und scharfen Frösten vorzuherrschen, welches, allmählig milder werdend, auch den Februar und März über anhält. Gegen Ende des letzteren Monats lässt sich jedoch schon die Wirkung der Frühlingssonne an der. in den Mittagsstunden stattfindenden Schnee- schmelze verspüren. Im April nehmen die Ostwinde entschieden überhand. Von häufigen und dichten, oft plötzlich heraufziehenden Nebeln begleitet, färben sie den Himmel fast beständig grau und lähmen die Wirkung der Frühlingssonne, ohne diesen Verlust an Wärme durch eine viel niedrigere Temperatur der Luft zu compensiren, Ihrem hemmenden Einflusse ist wahr- scheinlich auch der späte und langsame Aufgang des Stromes zuzuschreiben; denn so rasch und, ich möchte sagen, entschlossen der Strom im Herbst sich beeist, so langsam und zögernd Klimatischer Charakter des Amur- Landes. xxyi wirft er im Frühjahr die Eisdecke wieder ab. Einen grossen Theil des April-Monats hindurch ist daher das Eis auf dem Strome noch fahrbar, obgleich von vielem Aufwasser bedeckt. Erst im Anfange Mai’s (in den Jahren 1855 und 56 am 2. (14#.) und 9. (21.) Mai) befreit sich die eigentliche Stromrinne oder das tiefere Fahrwasser vom Eise; längs den Ufern aber und in den Buchten des Stromes hält sich das Eis noch 8 bis 10 Tage länger. Viel später wird der Amur-Liman eisfrei, da in demselben ausser seinem eigenen Eise auch noch bis weit in den Juni hinem treibende Eismassen aus dem Ochotskischen Meere sich ansammeln. Wie lange endlich Treibeis an den Südküsten des Ochotskischen Meeres sich finden lässt, dafür diene zum Belege der Umstand, dass im Jahre 1856 in der Bai beim Petrowskischen Posten noch am 26. Juni (8. Juli) starke Eismassen angehäuft waren *). Unter solehen Umständen ist es leicht zu ermessen, wie sehr die an der Amur- Mündung im Mai und Juni vorherrschenden kalten und nebelreichen Ostwinde dem Klima jener Gegenden nachtheilig sein müssen. Darin liegt ohne Zweifel auch der Grund des späten Wiedererwachens der organischen Natur an der Amur-Mündung. Im Mai liegen in den Wäldern noch vielfache Ueberreste der grossen Schnee- mengen des Winters, die die spärlich wirkende Frühlingssonne nicht hat entfernen können. Erst gegen Ende Mai’s und im Anfange Juni’s beginnen Bäume und Sträucher sich zu begrü- nen. In den wärmsten Monaten, Juli und August, scheinen nun Ost- und Westwinde sich ziem- lich das Gleichgewicht zu halten und bald eine Temperatur von nahe 10° und darunter, bald eine von über 20° R. hervorzurufen. Das Maximum, das bisher im Nikolajewschen Posien beobachtet worden, ist 25° R. am 31. Juli (12. Aug.) 1856, wogegen aber am 6. (18.) Juli Nachts das Minimum-Thermometer nur 1° Wärme zeigte. Im September endlich nehmen wie- derum Ostwinde überhand und rufen ein regnigtes und nebelreiches Weiter hervor, auf welches im October, wie wir bereits erwähnten, Schnee und anhaltende, im Gefolge der West- winde eintretende Fröste folgen. So sehen wir also im Klima der Amur-Mündung den abküh- lenden Einfluss, den die kalten, über das sibirische Festland streichenden Westwinde im Win- ter ausüben müssen, mit dem ebenfalls abkühlenden Einfluss, den ein nordisches Binnenmeer ım Sommer bewirkt, sich vereinigen. Ohne Zweifel ist also das Klima der Amur-Mündung viel rauher als man es der geographischen Breite nach zu erwarten geneigt sein dürfte. Sehr ähnliche klimatische Verhältnisse wie an der Amur- Mündung scheinen auch im gesammten Küstengebiete des Amur-Landes, in der Meerenge der Tartarei und auf der in- sel Sachalin zu bestehen. Begreillicher Weise lässt sich der abkühlende Einfluss, den das Ochotskische Meer auf das Klima der anliegenden Länder ausübt, auch südlich von der Amur-Mündung, in der Meerenge der Tartarei verspüren, die durch den Amur-Liman in direkter Verbindung mit dem Ochotskischen Meere steht. Bis zum Cap Lasareff, in ungefähr 52° n. Br., setzt sich nach Süden die feste, ununterbrochene Eisdecke fort, mit der sich der Amur-Liman allwin- terlich zu überziehen pflegt. Südlich vom Cap Lasareff' bleibt die Meerenge der Tartarei in *) Nach einer Mittheilung des Dr. Pfei ffer’s, der die von mir begonnenen meteorologischen Beobachtungen im Nikolajewschen Posten seit meiner Abreise von dort fortsetzt. xxvın Einleitung. ihrem mittleren Theile den ganzen Winter über oflen, gefriert aber, vom November und De- cember an, längs den Ufern und in den Buchten und Baien. Zwar wird auch dieses Eis durch frische Seewinde bisweilen plötzlich zerbrochen, allein in den geschützteren Baien bleibt es lange Zeit, in der Bai de Castries z. B. bis Ende und in der Bai Hadshi im 49° n. Br. bis Mitte Aprils liegen. Zudem werden im Frühjahr zuweilen starke Eismassen aus dem Ochotskischen Meere und Amur-Limane in die Meerenge der Tartarei getrieben. Aus den meteorologischen Beobachtungen, die Hr. Lieut. Kusnezofl vom Juni 1855 bis Januar 56 in der Bai Hadshi angestellt hat, ergiebt sich, dass auch dort die Temperatur der Sommer- monate durch den abkühlenden Einfluss vorherrschender Ostwinde niedergedrückt wird, wäh- rend in den Wintermonaten, vom October an, besonders häufige West- und Nordwinde we- hen, welche das Thermometer nicht selten unter — 20, ja bis — 35° R. sinken lassen. Und doch ist damit, den Stunden der Beobachtung nach zu urtheilen, gewiss noch nicht der nie- drigste Stand angegeben, den das Thermometer dort erreichen mag. Obgleich daher im Klima der Bai Hadshi im Vergleich zur Amur-Mündung schon eine bedeutende Milderung be- merkbar ist, so bleibt es doch immer noch weit rauher als es der Breite von 49° zukom- men müsste. Was die klimatischen Verhältnisse der Insel Sachalın betriflt, so scheint bei der an- sehnlichen Längenerstreckung dieser Insel ein bedeutender Unterschied zwischen dem nörd- lichen und südlichen Theile derselben statt zu haben. Denn während der erstere an der un- günstigen Verbindung continentaler und maritimer Elemente, wie wir sie im Klima der Amur- Mündung bemerkt haben, in einem noch höheren Grade Theil zu haben scheint, besitzt die Südspitze ein milderes und offenbar reiner maritimes Klima. Ersteres ist uns aus der geogra- phischen Lage der Insel leicht erklärlich: denn von dem Ochotskischen Meere und dem Amur-Limane umgeben, ist es dem rauhen, abkühlenden Einllusse derselben im Frühjahr und Sommer noch mehr als die Amur-Mündung unterworfen. Andererseits aber lässt die Nähe der Insel zum Festlande, mit dem sie im Winter durch die Eisdecke des Amur - Lima- nes und des südlichen Ochotskischen Meeres sogar in continuirlich- feste Verbindung tritt, sie auch an den excessiven Winterfrösten des Festlandes in gleichem und vielleicht noch hö- herem Grade Theil nehmen. Die schbärfste Kälte, die ich im Amur-Lande beobachtet habe und die jedenfalls unter dem Gefrierpunkte des Quecksilbers stand, indem mein Quecksilber- Thermometer (von Greiner in Berlin gearbeitet) — 42° R. zeigte, fand ich am 18. Februar (1. März) 1856 im weiten, nach NNO geöffneten Tymy-Thale auf der Insel Sachalin. Zu- gleich ist die Insel im Winter nicht weniger reich au Schnee wie die Amur- Mündung und vielleicht noch häuligeren störmischen Schneegestöbern unterworfen. Setzt sich nun dieser Einfluss des nahen Continentes auf das Klima der Insel längs dem hohen Mittelgebirge der- selben vermuthlich recht weit nach Süden fort, so scheint er doch nach der Südspitze der In- sel zu allmählig zu schwinden und in Folge des Einflusses des Japanischen Meeres einem milderen, maritimen Klima Raum zu geben. Nach den Bemerkungen des Lieut. der Russ. Marine, Hrn. Rudanoffski, der vom October 1853 his Mai 5% meteorologische Beobachtun- ” Kilimatischer Charakter des Amur-Landes. XIX gen in der Bai Aniwa gemacht und einige Reisen im südlichen Theile der Insel ausgeführt hat, ist die am Ochotskischen Meere gelegene Ostküste des südlichen Sachalin’s merklich rauher als die zum Nordjapanischen Meere (oder der Meerenge der Tartarei) gekehrte Westküste desselben. In der nach Süden geöffneten Bai Aniwa betrug der niedrigste Ther- mometerstand, den Hr. Rudanoffski beobachtet hat, nicht mehr als — 20° R., am 1. (13.) Januar Morgens. Die Mitte der Bai bleibt während des ganzen Winters offen und nur längs den Ufern bildet sich Eis, das von frischen Winden ofimals zerbrochen wird. Bereits um die Mitte März’s (alten Stiles) ist aller Schnee geschmolzen; dennoch beginnt erst im Mai das erste Grün bervorzubrechen. Trotz ihrer südlichen Lage von ungefähr 461° n. Br. ist also auch die Bai Aniwa an der Südspitze Sachalin’s noch mit einem verhältnissmässig rauhen Klima ausgestattet. Kehren wir nun wieder zum Amur-Strom zurück. Aufwärts von der Mündung desselben gegangen, nimmt das Klima des Amur-Landes bald einen anderen Charakter an. Denn nicht bloss gelangt man, bei der ungefähren Meridianrichtung des unteren Amur-Stro- mes, bald in südlichere Breiten, sondern man entfernt sich zugleich auch aus dem Bereiche des unmittelbaren Einflusses des Ochotskischen Meeres und der, wenn auch minder rauhen, Meerenge der Tartarei. Im Mariinskischen Posten, etwa 350 Werst oberhalb der Amur- Mündung , sind jedoch die nordisch-maritimen Elemente noch sehr merklich, was nicht bloss aus der im Allgemeinen noch bedeutenden Nähe des Stromes zur Meeresküste, sondern auch auch aus der eigenthümlichen Bildung des sogenannten See’s von Kidsi sich erklären lässt. Durch diese weite, in östlicher Richtung langgedehnte Bucht, die dem Amur-Strome das An- sehen giebt, als wollie er hier schon in’s Meer münden, nähert sich derselbe bis auf die un- bedeutende Entfernung von etwa 10 Werst der Meerenge der Tartarei. Kalte und feuchte Seewinde streichen hier über die niedrige Landenge und den See von Kidsi ebenso wie an der nach Ost geöffneten Mündung des Amur-Stromes weg und setzen sich noch weiter längs dem Strome fort. Wie an der Amur-Miündung tragen sie also auch hier zur Abkühlung des Frühjahrs und Sommers bei, während Herbst und Winter die excessiven Fröste eines conti- nentalen Klima’s in kaum geringerem Grade theilen. Nach den Beobachtungen von Hrn. Ma- ximowiez sinkt das Thermometer im Mariinskischen Posten im Winter bisweilen bis auf — 30° R., während es im Sommer auch nicht über 25° erreicht. In der Zeit des Zufrierens und Aufgehens des Stromes scheint zwischen dem Mariinskischen und Nikolajewschen Posten ein Unterschied von nur wenigen Tagen zu bestehen ‘). Nicht grösser scheint auch der Unterschied im Zeitpunkte des Wiedererwachens der organischen Natur zu sein. Erst weiter oberhalb vom Mariigskischen Posten, nach Maassgabe als der Strom von *) Die Beobachtungen über das Zufrieren und Aufgehen des Stromes im Mariinskischen Posten selbst können insofern nicht ganz maassgebend sein, als dieser Posten nicht am Hauptstrome selbst, sondern an einem Flussarme liegt, wo die Eisdecke früher sich bildet und länger liegen bleibt. In den Jahren 1854—56 beobachtete Hr. Maximo- wicz den Zugang des Flussarmes beim Mariinskischen Posten am 2. (14.) Novbr. und 28. Oct. (9. Nov.), also gleich- zeitig und sogar etwas früher als er im Nikolajewschen Posten in denselben Jahren stattfand, den Aufyang dagege; am 26. April (S. Mai) und 28, April (10. Mai), also um 6—11 Tage früher als im Nikolajewschen Posten. xxx Einleitung. der Küste weiter entfernt bleibt und durch das schützende Küstengebirge mehr und mehr aus dem Bereiche der maritimen Einflüsse tritt, scheint das Klima einen milderen und entschieden continentaleren Charakter anzunehmen. Namentlich dürfte, dem Vegetationscharakter der Amur-Ufer nach zu urtheilen, die Mündung des Gorin-Flusses einen bedeutenden Wende- punkt in den klimatischen Verhältnissen am Amur-Strome bezeichnen, da, wie wir bereits erwähnten, von dort an aufwärts eine merklich südlichere, ausschliesslich aus Laubhölzern zusammengesetzte Vegetation die Ufer des Stromes bedeckt. Diese günstige Aenderung im Klima dürfte jedoch nicht sowohl in einer verhältnissmässig viel geringeren Winterkälte, als vielmehr in einem milderen, durch höhere Temperatur die Winterkälte compensirenden Früh- jahr und Sommer zu finden sein. Ungeachtet daher des milderen Charakters, den das Klima des Amur-Landes stromaufwärts gewinnt, wird es nur ein mehr und mehr excessives und somit rein continentales. Dennoch lässt sich im Klima des gesammten unteren Amur- Landes bis zum Bureja-Gebirge darin vielleicht noch ein Einfluss der See erkennen, dass es reich an Niederschlägen und namentlich auch an Schnee im Winter ist. Allenthalben im unteren Amur-Lande, bis zum Ssungari und bis zu den Quellen des Ussuri, kann man daher bei den Eingeborenen den Gebrauch von Schneeschuhen auf ihren winterlichen Jagden und von Hunden zum Ziehen der Schlitten finden. In diesem Schneereichthume liegt gewiss auch ein charakteristischer Zug des unteren Amur-Landes im Vergleich zum oberen. Mit dem Schwinden dieses letzteren Einflusses der See nimmt das Klima im oberen Amur-Lande, ober- halb des Bureja-Gebirges, einen ganz continentalen Charakter an. Die in der gesammten südlichen Biegung des Amur-Stromes und oberhalb bis über die Mündung der Dseja hinaus bei den Eingeborenen und bei den angesiedelten Chinesen allgemein übliche Cultur ziemlich südlicher Feld- und Gartenfrüchte, wie Mais, den wir im Anfange Augusts (alten Stiles) be- reits gereift fanden, Melonen und Wassermelonen, Eierfrüchte (Solanum Melongena), Taback u.s. w., lassen uns auf eine hohe Temperatur des Sommers in jenem Theile des Amur-Stro- mes schliessen. Gleichzeitig soll aber das Thermometer im Winter so tief sinken, wie wir es an der Amur-Mündung nicht beobachtet haben. Auf unserer Reise den Amur aufwärts stiessen wir im oberen Laufe des Stromes schon am 21. Sept. (3. Oct.) auf treibendes Eis, das aus dem Urutschi, einem linken Zuflusse des oberen Amur’s, kam. Am 1. (13.) Oct. begann der Eisgang im Argunj. Dies ist auch der Zeitpunkt, wo sich im oberen Amur Eis einzufinden pflegt. Bekanntlich gehört ein excessives, continentales Klima, mit schneearmem , äusserst kaltem Winter zum Charakter Transbaikalien’s. In Nertschinskoi Sawod, das etwas südlicher als der Mariinskische Posten liegt, sinkt bekanntlich das Thermometer im Winter bis zu — 36°R.und wohl noch tiefer hinab. Im Vergleich mit dem Klima Transbaikalien’s müssen wir daher die ebenfalls niedrige Wintertemperatur des unteren Amur-Landes noch als eine durch den Einfluss der See gemilderte ansehen. Diese Milderung im Winter hört jedoch im oberen Amur-Lande ebenso wie die Abkühlung im Sommer mehr und mehr auf und endlich schliesst sich das Klima desselben unmittelbar an dasjenige Transbaikalien’s an. Bemerkungen. xxxI In Beziehung auf die in der vorstehenden Einleitung wie in den nachfolgenden Abhand- lungen unseres Reisewerkes beobachtete Schreibart der fremdländischen und namentlich der bei den Amur-Völkern gebräuchlichen Orts-, Völker-, Thiernamen u. drgl. ist zu bemerken, dass dieselbe nur eine möglichst richtige Aussprache im.Auge gehabt hat, den feineren Nüancirungen der Laute im Munde jener Völker nur insoweit Rechnung tragend, als diese durch unsere lateinischen Schriftzeichen wiedergegeben werden konnten. Es kommen in den Sprachen jener Völker so viel eigene Laute vor, zu deren Angabe unsere Schriftzeichen nicht hinreichen und die, um erschöpfend wiedergegeben zu werden, besonderer , conventionell gewählter Zeichen bedürfen, deren Wahl wir aber füglich, zugleich mit der Bearbeitung des von uns mitgebrachten sprachlichen Materiales, sachkundigen Linguisten überlassen müssen. Hier genügt es daher bloss auf folgende Punkte in unserer Schreibart aufmerksam zu machen: gh soll das mit dem Laute h gemischte oder aspirirte g ausdrücken. sh drückt den Laut des französischen 7; oder russischen »« aus. ss oder s’ (letzteres ist namentlich in den Thiernamen der Amur - Völker gebraucht wor- den), drückt das harte, zischende s aus. Von dieser Schreibart sind nur solche Namen ausgenommen worden, deren Aussprache als allgemein bekannt vorausgesetzt werden konnte und die wir bereits im allgemeinen Gebrauche mit einem s geschrieben finden, wie Sibirien, Sachalin (Insel) und darnach auch Sachali (Fluss) u. dgl. m., obgleich diese der Aussprache gemäss, ebenfalls Ssibirien, Ssachalin u. s. w. geschrieben werden müssten. Auch dürfte man in dieser Schrift zuweilen solche Namen, die ich ge- wöhnlich mit ss zu schreiben pflege, mit einem einfachen s geschrieben finden, wie Sun- gari, Samagern u. dgl. statt Ssungari, Ssamagern u. s. w., was hoffentlich zu kei- nen Missverständnissen führen wird. y bezeichnet den Laut des russischen ı. Die übrigen Bezeichnungen dürften ohne Vorbemerkungen verstanden werden, 3 | vr BE ON ö be On KT PR MCR, RE FERN, « a - UM, De un Ara eo BR u sr Pe) ee Si Era va u u Rn ws ER In © 70 PR ee Et BR 2a Pr VÜERRNRR RT auUn Eu N Wr | MEERE EEG FR Ne Din a EB h WELT ee Bart er enge N. VOR BEINE 7770 22002 ERBEN LEE BE ER 0 a" we en nun, LU ER BOTEN NG EURER RR.) ' Ba ee SER ar IS DER ER 7 SE2 DE BEE SE Ta le ap se PAR nachin ei 2 rap ine ee ge Auen = SÄLGETIIERE DES AMUR-LANDES. BIRESINRN >: are u je Re h £ ae Dec | Indem ich in den nachfolgenden Blättern die Ergebnisse meiner Reise in Beziehung auf die Fauna und namentlich zunächst auf die Säugethiere des Amur-Landes zusammenstelle, halte ich es für nothwendig, zur richtigeren Auflassung derselben einige Bemerkungen über die ihnen zu Grunde liegenden Materialien und den bei Bearbeitung derselben befolgten Ge- sichtspunkt vorauszuschicken. Selbstverständlich wird man von Reise-Ergebnissen nicht ein vollständiges, erschöpfen- des Bild der Fauna eines so ausgedehnten, an wechselnder Terraingestaltung, klimatischen Differenzen und organischen Formen so reichen Gebietes, wie das Amur-Land, erwarten. Sie können und sollen nur die erste wissenschaftliche Kenntniss von der Fauna dieses, uns bisher noch völlig unbekannten Landes geben, so weit natürlich, als die gesammelten Materialien eine solche gestatten. Diese Materialien bestehen nun theils in mitgebrachten Bälgen und Ske- letten, theils in Beobachtungen, die auf Reisen und während des Aufenthaltes im Nikolajew- schen Posten gemacht, und theils endlich in Nachrichten, die durch Erkundigungen von den Eingeborenen eingezogen worden sind. Dass den ersteren unter ihnen die Hauptstimme ge- bührt, indem sie, neben dem besten Beweise von dem Vorkommen der betreffenden Thierarten im Amur-Lande, zugleich auch die Möglichkeit genauer Vergleichung mit den in unserem aka- demischen Museum zahlreich vorhandenen Formen angränzender Gebiete liefern, braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden. Dieser Bedeutung derselben eingedenk, habe ich mich stets bemüht während der Reise, sowohl durch eigene Jagden, wie durch Verkehr mit den Einge- borenen möglichst viele Thierformen in Bälgen und Skeletten oder Schädeln zu sammeln, und oft in Ermangelung vollständiger Exemplare auch mangelhafte Felle und sogar einzelne Fell- und Knochenfragmente der Aufbewahrung werth gefunden. Dennoch durfte ich im besten Falle nur darauf rechnen, in den Sammlungen die meisten Säugethiere des Amur-Landes in einzelnen, oft sehr unvollständigen Stücken repräsentirt zu sehen, während die Beobachtung an Ort und Stelle, neben manchen biologischen Momenten, auch in systematischer Beziehung oft ein massenhafteres Material vorfand, das über den herrschenden localen Character der For- men Aufschluss geben konnte. Indem nämlich die meisten Säugethiere in einer oder der an- deren Beziehung eine Bedeutung für die Eingeborenen haben und manche tief in den Haushalt und das sociale Leben derselben eingreifen, musste man erwarten durch gesteigerten Verkehr mit den Eingeborenen auch mit den ihnen zu Gebote stehenden zoologischen Schätzen in nähere * A Säugethrere. Berührung zu kommen. Dazu boten namentlich die Wintermonate, welche bei den ichthyo- phagen Eingebornen des unteren Amur-Landes last ausschliesslich der Jagd auf Pelzthiere ge- widmet sind, die beste Gelegenheit dar. Alsdann sammeln sich bei ihnen nicht selten grosse Vorräthe der geschätztesten Pelzwerke an, welche bestimmt sind im Sommer auf Handelsreisen zu den Mandshu und Chinesen am Sungari gebracht zu werden, inzwischen aber auch dem un- erwarteten, mit Tauschwaaren versehenen Reisenden gern zum Kaufe angeboten werden. Neben diesen geschätzten Pelzwaaren finden sich denn oft auch andere, für die Eingeborenen werth- lose Thierarten, welche unbeabsichtigter Weise in den für die Pelzthiere ausgestellten Fallen erbeutet worden sind und in der Strenge winterlicher Jahreszeit sich völlig unversehrt erhal- ten haben. Wollte man daher diese Jagdausbeute der Eingeborenen als zoologisches Material benutzen, so musste man suchen recht viele uud an den verschiedensten Orten des Amur-Lan- des vorhandene Niederlagen derselben kennen zu lernen. Dies ist denn auch mit ein Grund der alljährlichen, oben erwähnten Winterreisen gewesen, die ich vom Nikolajewschen Posten aus unternahm und denen ich in der That wohl den grössten Theil meiner Erfahrungen über die Säugethierfauna des Amur-Landes zu verdanken habe. Es kommt hier nämlich noch der andere Umstand hinzu, dass im Winter die Eingeborenen im Amur-Lande, auf deren Vermitte- lung ich rechnete, durch ihre sesshaftere Lebensweise dem Reisenden weit zugänglicher als im Sommer sind. Denn während sie im Sommer durch ihre ausschliessliche Beschäftigung mit dem Fischfange und der Bereitung von Fischvorräthen für den Winter meistens genöthigt sind, den Zügen der verschiedenen Fische und ihren besten Fangplätzen folgend, in leichten Zelten eine halb nomadische Lebensweise zu führen, versammelt sie die rauhere Jahreszeit des Winters in ihre festen Winterwohnungen, von denen aus die im Walde aufgestellten Thier- fallen beaufsichtigt und zeitweise auch die entfernteren, in den Gebirgswaldungen landeinwärts gelegenen Jagdzelte besucht werden. Im Winter darf man daher stets hoflen in den Dörfern am Amur-Strome eine zahlreiche und meistens müssige Bevölkerung versammelt zu finden, welche geneigt ist mit dem Reisenden, sei es aus Handelssucht, aus Neugier oder auch nur aus langer Weile, sich in Verkehr zu setzen und dabei auch seinen Erkundigungen und Nach- fragen, so weit sie nicht ihr Misstrauen erregen, ein williges Ohr zu leihen. Füge ich noch hinzu, dass ich durch eigenes Radebrechen ihrer Sprachen, welches ich im beständigen Ver- kehre mit den Eingeborenen erlangt hatte, und durch stets gastliche Aufnahme vieler derselben in meinem Hause im Nikolajewschen Posten ein gewisses Vertrauen weithin unter ihnen ge- wonnen hatte, so wird man erklärlich finden, dass ich auf diesem Wege viele schätzbare Aus- künfte über das Vorkommen und die geographische Verbreitung der ihnen wohlbekannten Säugethiere erhalten konnte. Freilich musste jede dieser Aussagen nur mit Vorsicht aufge- nommen und durch wiederholtes Nachfragen an verschiedenen Orten einer mehrfachen Con- trolle unterworfen werden, wobei ich jedoch nur in seltenen Fällen auf widersprechende Aus- sagen stiess und dagegen oft durch die grösste Uebereinstimmung mich von der Richtigkeit derselben zu überzeugen Gelegenheit hatte. “ Ausser den von mir selbst aus dem Amur-Lande mitgebrachten Materialien erhielt ich Säugethtere. > aber ferner auch noch schätzbare Beiträge zur Säugethierkunde des Amur-Landes durch die Herren Maximowiez und Maack, von denen ersterer gleichzeitig mit mir, also in den Jahren 1854 bıs 56, das Amur-Land in botanischer Hinsicht durchforschte, letzterer aber im Jahre 1855 von Transbaikalien aus eine Reise den Amur-Strom abwärts und zurück ausführte. Herr Maximowiez trat mir noch während unseres gemeinsamen Aufenthaltes und unserer zum Theil gemeinsamen Reisen im Amur-Lande stets die von ihm erbeuteten Thiere ab. Von Hrn. Maack erhielt ich aber nach meiner Rückkehr die freundliche Erlaubniss, bei Bearbeitung meiner Materialien über die Säugethiere und Vögel des Amur-Landes auch die von ihm mit- gebrachten, ebenfalls im Museum unserer Akademie befindlichen Bälge mit in Betracht zu zie- hen. Die auf solche Weise erhaltenen Beiträge werden in den folgenden Blättern an dem betref- fenden Orte stets besonders erwähnt werden. Hier aber kann ich es mir nicht versagen, bei- den Herren für dieselben meinen wärmsten Dank öffentlich auszusprechen. Es bleibt mir aun noch übrig, einige Worte über die in der nachfolgenden Bearbeitung der Säugethiere des Amur-Landes eingehaltenen Gesichtspunkte zu sagen. Wie in der allge- meinen Einleitung erwähnt worden, ist es zur directen Aufgabe meiner Reise von Seiten der Akademie gemacht worden, unsere durch Middendorff bis an die Südabhänge des Stanowoi- Gebirges und die Südküsten des Ochotskischen Meeres nebst den Schantarischen Inseln nach Südost vorgeschobene Kenntniss der russisch-sibirischen Fauna, bei nunmehr eingetretener Mög- lichkeit weiterer Forschung, südwärts über jene Gränzen hinaus auf das Amur-Land und die Insel Sachalin auszudehnen. Somit sollten sich also meine Reisen und Forschungen im Amur- Lande unmittelbar an diejenigen Middendorff’s im Südosten Sibiriens anschliessen und, nach Raum und Zeit, gewissermassen die Fortsetzung derselben bilden. Im Sinne solcher Fort- setzung musste es mir denn besonders obliegen auch den ächt naturhistorischen Gesichtspunkt festzuhalten, der meinen grossen Reisevorgänger leitete und der seit den unsterblichen Arbei- ten von Pallas in der Zoographie Russlands überhaupt der leitende geworden ist. Demnach musste das Hauptinteresse nicht in der Entdeckung neuer Säugethierformen, deren das Amur- Land voraussichtlich nur wenige enthalten konnte, sondern in dem fortgesetzten biologisch- geographischen Studium der nordasiatischen Säugethierfauna sich concentriren, wie es von Pallas angebahnt und von unseren späteren Akademikern Baer, Brandt und Middendorff fortgesetzt worden ist. Vor allem musste also bei Aufdeckung bereits bekannter Thiere im Amur-Lande die grösste Aufmerksamkeit auf die locale Erscheinung derselben innerhalb dieses geographischen Bezirkes im Vergleiche zu derjenigen in anderen und namentlich den benach- barten Theilen ihres gesammten, grösseren oder geringeren, geographischen Verbreitungsge- bietes verwendet werden. Die nächsten Vergleichungspunkte mussten hier natürlich die Fauna des südöstlichen Sibiriens einerseits und diejenige China’s und Japan’s andererseits bieten. In ersterer Beziehung konnte diesem Bedürfniss durch. die fortgeschrittene Kenntniss der russisch- sibirischen Fauna und namentlich durch die Arbeiten Middendorff’s über die Fauna des süd- östlichen Sibiriens, wie durch die reichhaltigen, von ihm und von Herrn Wosnessenski her- rührenden, auf jene Gegenden bezüglichen Sammlungen in unserem Museum in reichem Maasse 6 Säugethiere. entsprochen werden. Wo daher Bälge, Skelette oder Schädel von Säugethieren aus dem Amur- Lande vorlagen, konnten dieselben unmittelbar gegen die entsprechenden Sibirien’s gehalten und mit letzteren verglichen werden. Im Zwecke lag es, diese Vergleichungen möglichst ge- nau und detaillirt und, wo es die Gegenstände erforderten und zuliessen, auch mit numeri- schen Maassangaben auszuführen. Denn nur auf diese Weise durfte man hoffen, die uns bei erweitertem Gesichtskreise nothwendig entgegentretenden abweichenden Erscheinungsformen bereits bekannter Thierarten richtig zu würdigen, und somit, durch neu erkannte Variations- reihen, zur Erweiterung unsrer bisherigen Kenntniss von der Variabilität der Thierarten bei- tragen zu können. Leider stand uns nun kein solches, Vergleichungsmaterial auch nach der anderen Seite zu Gebote. Denn in Betreff der Fauna China’s und Japan’s musste mit dem Wenigen vorlieb genommen werden, was über die Säugethiere dieser Länder bisher durch Beschreibungen und Abbildungen bekannt geworden ist. Dennoch deckte die Vergleichung auch nach dieser Seite nicht unansehnliche Variationsreihen auf, indem sie namentlich, durch Vermittelung der Amur-Formen, in manchen bisher für selbstständig gehaltenen Japanischen Formen nur Varietäten bekannter, auf dem Continente verbreiteter Thierarten zu erkennen im Stande war. Nach dieser Seite konnte also die Bekanntschaft mit den Amur-Formen zugleich zur Reduction einiger Arten führen und somit zur Vereinfachung der Systematik beitragen. Wichtiger als diese Vereinfachung ist aber, dass mit der Reduction für die betreffenden Arten zugleich auch mehr Boden zur Aufdeckung der Causalbeziehungen gewonnen wird, welche zwischen den Thierarten in ihren verschiedenen Varietäten und den physischen Bedingungen des jedesmaligen geographischen Bodens, auf dem wir sie finden, bestehen mögen. Es ist durchaus ein Gesichtspunkt meiner Reisen und Forschungen gewesen, diesen biologisch-geo- graphischen Causalbeziehungen, aus denen wir dereinst die Gesetze geographischer Verbrei- tung der Thierarten abzuleiten haben werden, in dem. mir angewiesenen Gebiete möglichst nachzuforschen, wenn ich gleich bekennen muss, dass die nachfolgenden Arbeiten, weit hinter dem vorgesteckten Ziele zurückbleibend, nur über einige der nothwendigsten Vorbedingungen zur Kenntniss dieser Causalbeziehungen theilweise Aufklärung zu geben im Stande sein dürf- ten. Zu diesem Zwecke ist es daher, neben der Aufmerksamkeit auf die locale Erscheinung und Variation der Thierarten im A'mur-Lande, mein Bestreben gewesen, auch die geographi- schen Gebiete und Gränzlinien ihrer Verbreitung, wo solche innerhalb des von mir bereisten Gebietes sich darbieten konnten, möglichst genau zu erforschen. In der That fanden sich bei der ansehnlichen Erstreckung des Amur-Landes und noch mehr in Folge der bedeutenden Differenzen seiner Bodengestaltung, seines Klima’s und seiner Vegetation nach Nord und Süd die Verbreitungsgränzen verhältnissmässig recht vieler Thierarten innerhalb desselben auf. Diese Gränzlinien konnten jedoch, wegen der kurzen Dauer meiner Reisen im Amur-Lande, nur an wenigen Punkten aus eigener Erfahrung bestimmt, im grössten Theile ihres Verlaufes aber auf die Aussagen der Eingeborenen begründet werden. ‚Künftigen Reisenden bleibt es daher anheimgestellt, neben der Prüfung und Berichtigung der in Folgendem angegebenen Gränzlinien der Verbreitung, auch die physische Beschaflenheit der einzelnen Verbreitungs- Ursus arctos 7 gebiete der Thierarten im Amur-Lande näher zu erforschen, um somit auch den leitenden und maassgebenden Bedingungen der Verbreitung auf die Spur zu kommen. Wo mir solche aus einzelnen Thatsachen horvorzuleuchten schienen, habe ich nicht unterlassen auf dieselben auf- merksam zu machen. i Es bleibt mir ferner zu bemerken übrig, dass in der folgenden Abhandlung über die Säugethiere des Amur-Landes nur diejenigen Thierarten Aufnahme gefunden haben, die ent- weder direct beobachtet oder erkundet worden sind, oder aber die, nach ihrem Vorkommen in den Nachbarländern oder nach älteren Muthmassungen von Pallas, im Amur-Lande erwartet werden konnten und wo die Nachforschungen ein mehr oder minder zuverlässiges negalives Resultat ergaben. Desgleichen ist hier auch der bei den Amur-Völkern vorkommenden Haus- thiere Erwähnung geschehen. Diese beschränkt sich jedoch bloss auf eine kurze Angabe ihrer Bedeutung für die Eingeborenen und der Geschichte ihrer Verbreitung im Amur-Lande, so weit diese erkundet werden konnte, Alle weiteren Beziehungen dagegen, in denen sowohl die Hausthiere, wie auch viele der wilden Säugethiere zu den Eingeborenen des Amur-Landes, zu ihrem Haushalte, Handel, ihren Sitten und religiösen Anschauungen stehen, mussten aus dem Rahmen rein zoologischer Abhandlung ausgeschlossen und dem ethnographischen Bande meiner Reisebeschreibung vorbehalten bleiben. Dort hoffe ich daher neben den ethnographi- schen Nachrichten auch in culturzoologischer Beziehung manchen nicht uninteressanten Bei- trag liefern zu können. Endlich in Betreff der hier befolgten Anordnung der Säugethiere, habe ich mich fast durchgängig an die von Middendorff im 2. Bande seiner Sibirischen Reise für die Säuge- thiere des Nordens und Ostens Sibirien’s beobachtete Reihenfolge gehalten, indem es mir als ein Vorzug der nachfolgenden Mittheilungen erschien, wenn sie ‚mit den bekannten Arbeiten meines Reisevorgängers, an die sie dem Inhalte nach stets anzuknüpfen hatten, auch in der - Form möglichst parallel gingen. l. CARNIVORA. 1) Ursus arctos L. Bei den Giljaken des Continents: kotr und ischehyf. Var. U. collaris Gadd: molk. KR « der Insel Sachalin: tschehyf. « « Mangunen (Oltscha), Golde unterhalb des Geong-Gebirges, Kile am Gorin (Samagern): mafa (d. i. der Alte). Var. U. collaris Gadd: monoko. 8 Säugelhiere. Bei den Golde oberhalb des Geong-Gebirges bis zum Ussuri, Kile am Kur: itka und ımafa. B« « oberhalb des Ussuri: mafka. « « Orotschen an der Meeresküste: mapa. « « Biraren und Monjagern: njonjuko. « « Orotschonen: kongoldo:. « « Dauren: kara-guros. Der Bär des Amur-Landes gehört ohne Zweifel zu der durch den ganzen Norden beider Welten verbreiteten Art U. arctos L. Wie an anderen Orten seines weiten Verbreitungsgebie- tes, kommt er auch im Amur-Lande in vielfachen Farbenschattirungen, vom reinen Schwarz und dunklen Schwarzbraun bis zum Fahlbraunen vor. Vorherrschend scheint jedoch die schwarze Farbe zu sein, eine Erscheinung, die wir im Folgenden noch an mehreren Thierarten im Amur- Lande zu bemerken Gelegenheit haben werden. Desgleichen kommt die mit weissem Hals- bande (U. collaris Gadd) oder mit unterbrochenen weissen Flecken am Halse und der Vorder- brust gezeichnete Farbenvarietät vor, die von den Eingeborenen mit besonderen Namen be- zeichnet wird. Meistens ist der Bär im Amur-Lande von bedeutender Grösse, obgleich zuwei- len auch völlig ausgewachsene kleinere Individuen vorkommen. Ohne Zweifel lässt sich also die von Middendorff als allgemeine Regel für U. arctos nachgewiesene Existenz zweier Ab- arten oder Racen, einer grösseren und einer kleineren, ') auch über das Amur-Land ausdehnen. Ferner giebt uns die von Middendorff aus einer vergleichenden, auf äusserst zahlreichen Messungen begründeten Betrachtung der Bärenschädel verschiedener geographischer Gebiete dargethane Existenz mehrerer geographischer Bären-Varietäten?) auch für den Amur-Bären die Frage, ob und zu welcher der erwiesenen Varietäten derselbe gehören dürfte, an die Hand. Zwei Bärenschädel, die ich aus dem Amur-Lande, von Pachale (nahe der Gorin-Mündung) und von Burri (nahe der Ussuri-Mündung) mitgebracht und zu dem Zwecke der Varietäts-Be- stimmung genau nach dem von Middendorff beobachteten Verfahren vermessen habe, dürften uns Auskunft auf diese Frage geben. In Folgendem theile ich daher die an den Bärenschä- deln des Amur-Landes beobachteten Maasse mit. Vorläufig ist jedoch zu bemerken, dass die dabei nur kurz angegebenen Maassabstände genau dieselben sind, welche von Middendorff°) in den Erläuterungen zu seinen Tabellen der Bärenschädelmaasse genauer bezeichnet sind, und darum keiner wiederholenden Erläuterung bedürfen. Auch folgen sie in derselben Rei- henfolge wie dort, mit Ausschluss nur derjenigen Maassabstände, welche nach Middendorff's Erfahrungen‘) zum Zwecke der Varietätenkunde unnütz sein dürften. Endlich sind zur voll- ständigeren Parallelisirung mit den Middendorff’schen Tabellen auch dieselben Grössen, und zwar einmal der Abstand der beiden ersten Backenzähne des Oberkiefers von einander und !) Middendorff, Reise in den äussersten Norden und Osten Sibirien’s, Bd. II., Thl. 2 p. 44 u. a. Desselben Untersuchungen an Schädeln des gemeinen Landbären. St. Petersb. 1851. (Verhandlungen der Mineralog. Gesellschaft zu St. Petersb. Jahrgang 1850—51) p. 74. 2) Middendorff, Sibirische Reise 1. c. p. 50. Untersuchungen an Schädeln des gem. Landbären p. 74. 3) Sibirische Reise l. c. p. 18 fl. *) Sibirische Reise 1. c. p. 25. Ursus arctos. 9 »weitens die Gesammtlänge des Schädels, als Maasseinheit (= 100) angenommen und alle übri- gen Grössen auf dieselben reducirt worden. Die auf diese Weise erhaltenen Verhältnisszahlen sind dann eben so durch besondere Schrift kenntlich gemacht und über und unter einer dritten Zahl gesetzt worden, welche das direct abgelesene Maass einer jeden Entfernung in Millimetern angiebt. Diese Maasse nnd Maassverhältnisse der Schädel des Amur-Bären sind nun folgende: \ 1. Abstand der beiden er- sten Backenzähne i.Ober- kiefer von einander, ckenz.imOberk. von ein- ander (an beid. Schädeln zwischen den ersten Hö- ckern des letzt. Backenz.). 3. Abst.desInnenrandesder beid. Gelenkflächen (mit d. Unterkief.) von einand. 4. Länge des Unterkiefer- gelenkkopfes. 5. Abstand der äusseren Gehöröffnungen von ein- ander. 6. Grösste Breite des Hinter- hauptes an den Zitzen- fortsätzen. 7. Grösste Breite des Hin- terhauptloches. 8. Grösste Höhe des Hinter- hauptloches. 9. Breite des Schädelgewöl- bes über den Gehöröfl- nungen. 53,8 42 9,3 38,5 30 6,7 167 130 28,9 10. Breite des Schädels in den Scheitelbeinhöckern. 11. Breite desSchädelgewöl- bes in der Scheitelstirn- nath, 12. Grösste Breite d.Schädels 126 310 indenJochbögen (fällt auf die Jochfortsätze Schläfenbeins). 13. Grösste Breite der Stirn in den beiden Joch- oder Postorbital-Fortsätzen d. des 242 53,8 182 142 31,6 u a aaa manage Times: 1 Muern ne SE E|3| Erre €|3 JE 1: HE de) een 14. Geringster Abstand bei-| 131 | 108 || 29. Abstand des Stirnleisten-| 141 | 113 der Augenhöhlen von| 102| 77 winkels von einer Linie,| 110 | 80 einander. . |22,7 120,5 welche beide Jochfort-|24,4 |24,3 15. Breite der Schnauze in| 112 | 111 2 ESR CS urnbEmannIE) H ihrer Mitte 87 | 79 einander verbindet. < I 19,3 121,1 30. Abst. einer Linie, welche| 169 | 165 16. Vordere Breite beider 51,3 52,1 beide Jochfortsätze des| 132 | 117 Nasenbeine zusammen. | 40 | 37 Stirnbeines mit einander 29,3 |31.2 8,9.| 9,9 verbindet, von dem Vor- 17. Höhe der Schnauze zwi-\96,2 |87,3 || derrande d. Nasenbeine, schen beiden Unterau-| 75 | 62 5: 22 R 31. Abst. des letzten Backen-| 226 | 220 | Benhöbleniochern: 16,7 [16,5 zahnhinterrandes vonden) 176 | 156 18. Höhe der Schnauze zwi- 146 | 124 Schneidezähnen im Ober- 39,1 |41,6 schen beiden Jochfort-) 11 88 kiefer. | sätzen des Stirnbeins. |25,3 |23,5 R 5 ı 32. Lange der Backenzahn-| 103 | 106 y [0} BSUALETETER a = | reihe im Oberkiefer. 80 | 75 20. Höhe des Schädelgewöl- 138 || 17,8 | 20 bes. — | 98 | 26,1 || 33 Abstand zwischen dem|51,3 |42,3 s Ir Sal Hauer u. dem 1. Backen- 40 | 30 21. Tiefe der Stirnabstufung.|17,9 111,3 Sahne im Ohonliefar 8.9 8 14 8 3,1 |2,1 34. Abstand d. Hinterrandes) 351 | 345 22. Tiefe der Stirnrinne. 14 der Schneidezähne i. Un-| 274 | 245 10 terkiefer von dem Ge-60,9 165,3 0,9 | 2,7 lenkkopfe desselben. 23. ne Länge des Schä-| an = 35.Länge der drei letzten|97,4 | 101 Er 100 | 100 Backenzähne im Unter-| 76 | 72 kiefer. 16,9 19,2 24. Länge des Schädels an| 495 | 476 seiner Grundlage. 386 | 338 || 36. Abstand zwischen dem|66,7 |49,3 85,8 190,1 Hauer u. dem 1. Backen-| 52 | 35 or 17 E 25. Länge der Schnauze bis| 168 |16g|| ZAhne im Unterkiefer. 14,6) 9,3 zum Unteraugenhöhlen-| 131 | 120 an dk 29,1| 32 37. Länge des Jochbogens. Er . 26. Länge der Schnauze bis| 213 | 199 46,7 47,5 zum Vorderrande der! 166 | 141 Augenhöhle. 36,9 137,6 || 38. Höhe (Breite) des Joch-57,7 |50,7 bogens. | 45 | 36 27. Stirnleistenwinkel. 73° | 65° 10 | 9,6 28. Abstand des Stirnleisten-) 401 | 366 || 39. Mittlere Höhe des hori-79,5 |70,4 winkels von den Schnei-| 313 | 260 zontalen Unterkiefer-, 62 | 50 dezähnen. 69,6 [69,4 astes, 143,6 113,3 Stirnbeins. Fügen wir diesen Maassen sogleich auch diejenigen terkiefers an den Bärenschädeln vom Amur hinzu: Schrenck Amur-Reise Bd. 1. der Backenzähne des Ober- und Un- 10 Siugethiere. Im Oberkiefer. | Im Unterkiefer. Aster Backenzahn. | 2ter Backenzahn. | 3ter Backenzahn. | 1ster Backenzahn. | 4ter Backenzahn. 187} EEE n | [7 . 1077 = 206 220 ER® 80 230 gez & am = = Es. =. . ER: SE SERIEN: Beer ee & |& 353 358 ss 8 | 2833| 8 |& j3s5 e 3 or 55 # Sh= i o am \ >} 55= Ss la |l>sS >» >25 | PS: Ss 85 Burclae. ee | 18 13 0,72 0,72 0,51 | je 7,5 | 0,58 I I Pachale ... 16,5 | 14 | 0,85 | 0,77 0,54 | 13 | 7,5 | 0,58 Ehe wir nun einige Schlussfolgerungen aus diesen Maassen ziehen, müssen wir einige Bemerkungen über das relative Alter der beiden vermessenen Bärenschädel des Amur-Landes vorausschicken. Nach den von Middendorff in dieser Beziehung als leitend angegebenen Momenten dürften wir den ersteren Schädel, von Burri, als den eines recht alten, den letzte- ren, von Pachale, als den eines bereits abgängigen Individuums ansehen. Das ergiebt sich namentlich aus dem abgeriebenen Zustande der Zähne und der Verwachsung der Näthe. Hin- sichtlich des ersteren dieser Momente finden wir an beiden Schädeln und besonders am letztern alle Backenzähne so weit abgeschliffen, dass die Sculptur der Zahnkronen unkenntlich geworden ist und statt derselben nur eine breite und tiefe Rinne längs der Mitte der Zahn- kronen verläuft. An dem zweiten Exemplare sind zugleich auch die Spitzen der Hauer ange- schliffen, während sie am ersteren noch unversehrt sich erhalten haben. Von den Lückenzäh- nen sind an beiden Schädeln im Oberkiefer tiefe Alveolen des isten und 3ten derselben vor- handen; diejenigen des 2ten Lückenzahnes aber sind am ersten Schädel gänzlich, am zweiten bis auf sehr verflachte Gruben verschwunden. Im Unterkiefer beider Schädel ist nur die tiefe Alveole des 1sten Lückenzahnes vorhanden, von den übrigen aber keine Spur mehr sichtbar. Was die Verwachsung der Näthe betrifft, so ist sie an beiden Schädeln sehr ungleich. An dem ersteren derselben ist nur der obere-Theil der Schädelhinterhauptsnath so weit verwachsen, dass keine Spur derselben sichtbar ist; alle übrigen Näthe dagegen sind entweder völlig un- versehrt, oder bekunden durch Abnahme der Zäckchen die beginnende Verwachsung. Das ist namentlich an der Scheitelstirn- und Scheitelschläfenbeinnath zum Theil der Fall. Darnach dürfte dieser Schädel noch keinem alten, sondern nur einem vollkommen entwickelten Indivi- duum angehört haben. Bei genauerer Betrachtung entdeckt man aber, dass an demselben die Kieferzwischenkieferbeinnath an der einen Seite in einem, freilich nicht bedeutenden, Theile ih- rer Länge spurlos verwachsen ist. Erwägt man nun, dass diese Nath nach Middendorff’s') Erfahrungen zu den am spätesten verwachsenden Näthen gehört, so hat man Recht den in Rede stehende Schädel einem alten Individuum zuzuschreiben und die unversehrte Erhaltung der übrigen Näthe für einen Ausnahmefall zu halten, wie ihn auch Middendorff°) an 1) Sibir. Reise, I. c. p. 35. Untersuchungen etc. p. 42. 2) Sibir. Reise I. c. Ursus arctos. 11 einem Bärenschädel in ähnlicher Weise beobachtet hat. An dem zweiten Schädel finden wir alle Näthe, mit Ausnahme der Jochschläfen- und der Grundfelsenbeinnath, spurlos verschwun- den. Nur im vorderen Theile der Nasenbeine lässt sich noch ein kleines Stück der Nasen- beinnath erkennen. Nach beiden Momenten dürften wir daher im Rechte sein diesen letzteren Schädel für älter als den ersteren zu halten. Ausser dem verschiedenen Alter zeigen die beiden Schädel aus dem Amur-Lande auf den ersten Blick eine grosse Verschiedenheit der Umrisse, indem der eine von ihnen ein hoch-, der andere ein flachstirniger ist. An dem ersteren, von Burri, ist nämlich der Gipfel des Schädels, in der Gegend der Scheitelstirnbeinnath, sehr ausgesprochen hügelartig empor- getrieben, und von dort senkt sich die obere Umrisslinie des Schädels sehr stark sowohl nach vorn, zum vorderen Rande der Nasenbeine, als auch nach hinten, zum Hinterhauptshöcker, hinab. Am Schädel von Pachale dagegen verläuft die obere Umrisslinie in ihrer ganzen Länge, von dem Vorderrande der Nasenbeine bis zum Hinterhauptshöcker, der Grundlinie des Schädels fast parallel, mit einer nur geringen, keineswegs hügelartigen Erhebung in der Gegend der Scheitelstirnbeinnath. Mit dieser Verschiedenheit der Umrisse, welche nach Mid- dendorff’s Nachweisungen durchaus von keinem specifischen Belange ist, fällt an unseren Schädeln zufälliger Weise auch eine Ungleichheit in der Stirnabstufung zusammen, welche, wie die obigen Maasse angeben, an dem ersteren Schädel viel stärker als an dem letzteren ist, der sich dagegen durch eine ungleich tiefere Stirnrinne auszeichnet. Diese Alters- und Formverschiedenheiten der beiden Bärenschädel vom Amur machen sie um so geeigneter zur Prüfung an denselben der von Middendorff als Kennzeichen ver- schiedener geographischer Bären - Varietäten nachgewiesenen , in den Grössenverhältnissen einzelner Schädeltheile ruhenden Charaktere. Halten wir zu diesem Zwecke die obigen Maasse der Bärenschädel des Amur-Landes gegen die von Middendorff den Schädeln verschie- dener geographischer Reviere entnommenen Maasse, so fällt uns auf den ersten Blick die grosse Uebereinstimmung der absoluten Maasse aller Schädeldimensionen der Amur-Bären sowohl mit denen der NW-Küste Amerika’s, als auch besonders mit denjenigen des Ochotski- schen Meeresbeckens, der Schantar-Inseln, der Uda-Bucht und Kamtschatka’s auf. In den meisten Fällen nämlich lassen sich die Maasse der Amur-Bären als ganz gleiche oder als Zwischen- und bisweilen auch als etwas zu- oder abnehmende Grössen jenen Maassen der Bären beider Beringsarme und vorzüglich des westlichen derselben einschalten. Wie an diesen finden wir daher auch an den Bärenschädeln des Amur-Landes die charakteristi- schen Dimensionsverhältnisse der von Middendorff als Var. Beringiana') bezeichneten Bären- Varietät genau und bisweilen sogar in gesteigertem Maasse wieder. Es sind diese charakteri- stischen Dimensionsverhältnisse”) namentlich folgende: 1) Die ausnehmende Grösse des Schädels in seiner Längendimension. Diese fällt beson- 1) Untersuchungen an Schädeln etc. p. 74. 2) Middendorff, Sibir. Reise I. c. p. 53. 12 Säugethiere. ders an dem ersten Schädel, von Burri, auf, dessen Gesammtlänge 450 Millim. beträgt und somit den grössten bisher bekannten, von Middendorff beobachteten Bärenschädel der Jetztwelt noch um ein Beträchtliches übertrifft. Die Länge des letzteren, eines Bären von der grossen Schantar-Insel (No. 48 der Middendorff’schen Tabellen), beträgt nämlich 418 Millim. und also nur 0,93 von der Gesammtlänge unseres grössten Schädels vom Amur. Dabei istzu erinnern, dass jener riesige Schädel von der Schantar-Insel einem äusserst alten, ganz abgängigen und vermuthlich an Altersschwäche erlegenen Individuum, mit ungemein abgenutztem Gebisse, ange- hört hat"), während der in Rede stehende Bärenschädel vom Amur in den oben erwähnten Momen- ten der Verwachsung der Näthe und der Abnutzung der Zähne die Zeichen eines zwar vorgerück- ten, jedoch noch lange nicht abgängigen Lebensalters an sich trägt. Um diese ausnehmende Grösse des Amur-Schädels noch mehr zu würdigen, halten wir denselben, nach Middendorffs Vorgange?), auch dem grössten bisher bekannten Schädel vom Höhlenbären, Urs. spelaeus, gegenüber. Als Middendorff diesen Vergleich mit seinem Schantar-Bären anstellte, war der grösste bekannte Schädel vom Höhlenbären der von Schmerling auf 468 Millim. Länge angegebene. Middendorff konnte daher die Angabe Cuvier’s, dass die fossilen Bären- schädel diejenigen der Jetztwelt um 4 ihrer Grösse überträfen, auf $ reduciren. Demselben Schädel von U. spelaeus gegenüber dürfen wir mit Hülfe, unseres Amur-Schädels den erwähn- ten Unterschied sogar auf „I; zurückführen, Seitdem ist aber ein noch grösserer Schädel vom Höhlenbären und zwar von 488 Millim. von Nordmann in der Umgegend von Odessa (in den Steinbrüchen von Nerubaj) aufgefunden worden °). Dieser übertrifft den Schädel unseres Amur-Bären um 38 Millim. und es würde sich also der vorhin erwähnte Unterschied, um welchen der grösste Schädel des Höhlenbären den grössten bisher bekannten Schädel des Bären der Jetztwelt übertrifft, ein Unterschied, den Cuvier, wie erwähnt, auf 4 angab, Mid- dendorff auf 4 reducirte, nunmehr auf 12 zurückführen lassen. So sehen wir also das Moment der verschiedenen Grösse, welches Wagner noch für absolut unterscheidend zwi- schen den Bärenschädeln der Vor- und Jetztwelt hielt‘), mehr und mehr auch als relatives Unterscheidungskennzeichen an Gewicht verlieren. Aus der ausnehmenden Grösse dieses Bä- renschädels vom Amur lässt sich endlich, in Beziehung auf die vorstehende Tabelle von Maassen, auch die im Vergleich zu den von Middendorff gemessenen Schädeln des Ochots- kischen Meeresbeckens fast durchgängig geringer erscheinende Grösse aller derjenigen Verhältnisszahlen erklären, welche aus der Reduction der absoluten Maasse dieses Schädels auf die als Einheit angenommene Gesammtlänge desselben erhalten worden sind. 2) Die bedeutendere Grösse aller Breitendimisionen am Schädel. Alle darauf bezüglichen, in der vorstehenden Tabelle mitgetheilten Maasse an den Bärenschädeln vom Amur, wie die Gesammtbreite des Schädels in den Jochbögen, die Breite desselben in den Zitzenfortsätzen, die 1) Middendorff, Sibir. Reise l. c. p. 32 und 53. 2) Untersuchungen etc. p. 42. 3) Alex. v. Nordmann, Paläeontologie Südrusslands. 1. Urs. spelaeus (Odessanus). Helsingfors 1858. p. 2. 4) Middendorff, Untersuchungen etc. p. 78. , Ursus arctos. 13 Breite über der Gehöröffnung , die Breite der Stirn in den Postorbitalfortsätzen und dgl. m., reihen sich auf das Engste den grössten von Middendorff an den Bärenschädeln der Var. Beringiana und namentlich den Schädeln der Küstenländer des Ochotskischen Meeres- beckens beobachteten Maassen an. Dass diese Maasse aber an dem ersteren der Amur-Schä- del, trotz seiner ausnehmenden Länge, dennoch im Vergleich zu dem oben erwähnten grössten Schädel der Middendorff’schen Tabellen (No. 48) nicht im selben Verhältniss grösser, sondern meistens sogar um ein Geringes kleiner sind als bei jenem, dürfte zum Theil in dem oben besprochenen verschiedenen Alter der bezüglichen Thiere liegen, da die meisten dieser Breitendimensionen, wie Middendorff nachgewiesen hat'), auch im späteren Alter der Thiere noch fortwachsen. Aus demselben Grunde sind vielleicht auch die meisten Breiten- dimensionen. an dem ersten Schädel des Amur - Bären verhältnissmässig kleiner als am zweiten, welcher, obwohl von geringerer Gesammtlänge, doch nachweislich einem viel älteren Individuum angehört hat. 3) Die grössere Höhe des Jochbogens und des horizontalen Unterkieferastes. Auch in diesen Maassen übertreffen die Bärenschädel des Amur-Landes diejenigen der europäischen und kaukasischen Thiere, oder der Varr. normalis und meridionalıs Middendorff’s?), sehr bedeutend und schliessen sich genau an diejenigen der beiden Beringsarme an. 4) Die ansehnlichere Grösse der Lückenräume. Diese ist besonders an dem ersten, grösseren Amur-Exemplare, weniger an dem zweiten, kleineren Schädel sichtlich. 4) Die bedeutendere Grösse der Backenzähne. Die beiden Bärenschädel vom Amur ordnen sich in diesem, nach Middendorff”) für den Charakter der geographischen Varietät besonders sprechenden Punkte genau denjenigen aus den Küstenländern des Ochotskischen Meeresbeckens an. Zwar hat der kleinere der beiden Schädel vom Amur nicht grössere Backenzähne, als wie sie die grössten Bärenschädel der baltischen Küstenländer ebenfalls besitzen; allein dafür gehört der andere Schädel, von Burri, zu den grosszahnigsten Exem- plaren, die uns vom Bären der Jetztwelt überhaupt bekannt geworden sind. Zu diesen die geographische Bären - Varietät der Küstenländer des Ochotskischen Meeresbeckens charakterisirenden Kennzeichen können wir endlich noch den gröberen Kno- chenbau hinzufügen, welchen die Bären des Amur-Landes mit jenen in gleichem Maasse theilen. Nach allem dem dürfte es daher keinem Zweifel mehr unterliegen, dass wir die Bären des Amur-Landes ebenfalls zu den durch grösseren Wuchs, bedeutendere Gesammt- länge und stärkere Entwickelung der Breitendimensionen am Schädel, wie durch vorzügliche Grösse der Backenzähne ausgezeichneten, den Küstenländern beider Beringsarme und nament- lich den Küstenländern des Ochotskischen Meeresbeckens eigenthümlichen Bären-Varietät, der Var. Beringiana Middendorff’s, rechnen müssen. Ja es ist vielleicht nicht ohne Bedeu- tung, dass wir die beiden grössten der uns bisher bekannten Bärenschädel der Jetztwelt in 1) Sibirische Reise, 1. c. p. 40. 2) Untersuchungen etc. p. 74. ) Sibirische Reise, 1. c. p. 54. AR 14 Säugethrere. nahe benachbarten Gegenden finden, indem der eine derselben von den Schantar-Inseln, also nahe der Südküste des Ochotskischen Meeres und dem Mündungslande des Amur-Stromes, der andere vom Amur-Strome selbst, noch in dessen unterem Laufe, herrührt. Füge ich die ungewöhnlich grossen Bärenfelle hinzu, welche ich oft im unteren Amur-Lande gesehen habe, so liegt die Vermuthung nahe, welche wir späteren, auf reicheres Material gestützten Forschungen anheimgeben, dass nämlich im unteren Amur-Lande und dessen nächster Umge- bung vielleicht die stärkste Entwickelung der grosswüchsigen Bären-Varietät zu finden sein dürfte. — Was die geographische Verbreitung des gemeinen Bären im Amur-Lande betrifft, so gehört derjenige Theil der Mandshurei, über welchen ich, theils durch eigene Erfahrungen auf Reisen und theils durch Erkundigungen bei den Eingeborenen, Nachrichten besitze, noch ganz in das Verbreitungsgebiet dieser Thierart. Auf dem Continente umfassen diese Nach- richten den ganzen Lauf des Amur-Stromes und erstrecken sich auch südlich von demselben, namentlich bis an die Quellarme des Ussuri und an der Meeresküste bis über die Bai Hadshi oder den Kaiserhafen der Russen, d. i. den 49° nördl. Breite, nach Süden hinaus. Ohne Zweifel geben uns aber diese Punkte noch nicht die Aequatorialgränze des Bären an, sondern es geht die Verbreitung desselben hier noch viel weiter südwärts. In dem bezeichneten Gebiete der Mandshurei ist der Bär namentlich in den ausgedehnten Waldungen des gebirgigen unteren Amur-Landes und der Meeresküste allenthalben ein häufiges Thier. An der südlichen Biegung des Stromes dagegen, wo ein ebener, prairieartiger Charakter des Landes herrscht, bewohnt er die waldigen Gebirge landeinwärts und nähert sich den Ufern des Stromes nur mit den Gebirgen selbst, wie das beim Durchbruch des Amur’s durch das Bureja-Gebirge'), oder beim Oettu, Kinnale und anderen kleineren Gebirgszügen der Fall ist. Nirgends kommt I) Mit diesem von Herrn von Middendorff vorgeschlagenen Namen werde ich in Folgendem stets den ge- sammten, hohen Gebirgszug bezeichnen, der gleich östlich von den Quellen des Silimdshi in der Richtung nach Süd vom Stanowoi-Gebirge sich abzweigt, an seinen westlichen Abfällen die Quellen der Bureja entsendet und bald unterhalb der Mündung dieses Flusses vom Amur- Strome, nahe seiner südlichsten Biegung, durchbrochen wird. Es ist dieses dasselbe Gebirge, welches auf einigen russischen Karten unter dem Namen Chingan-Gebirge sich eingetragen findet und demzufolge auch von Herrn v. Middendorff sowohl wie von mir, in unseren Reiseberichten an die Akademie, unter demselben Namen erwähnt worden ist. Gleichwohl lässt sich dieser letztere Name nicht wohl rechtfertigen, da er zwar von chinesischem Ursprunge ist, von den Chinesen selbst aber keineswegs diesem Gebirge, sondern, mit der Unterscheidung eines grossen und kleinen Chingan’s, zwei anderen Gebirgszugen, nämlich dem Stanowoi-Gebirge und einem südlich vom oberen Amur verlaufenden Gebirge gegeben wird. Die Beibehaltung dieses Namens für einen dritten Gebirgszug dürfte daher nur zu Missverständnissen und Verwechselungen Veranlas- sung geben. Dennoch ist das Bedürfniss nach einem Gesammtnamen für dieses Gebirge bei Beschreibung des Amur- Landes ein sehr fühlbares. Ob die Chinesen einen solchen haben und wie er lautet, ist uns unbekannt, da wir bisher bloss die Bezeichnungen derselben und auch einiger Eingeborenen des Amur-Landes für mehrere der Einzeltheile dieses Gebirges kennen gelernt haben. So erfuhr Herr v. Middendorff, dass der nördliche Theil desselben, nörd- lich von den Amgunj-Quellen, bei den Chinesen Jam-alin und ein südlicher Theil D&usin-alin heisse. Aehnlich verhält es sich auch mit dem auf älteren Karten eingetragenen Namen Wuanda-Gebirge, welcher, wie ich aus eigner Erfahrung weiss, nur einem Zweige des Bureja- Gebirges zukommt, der, ostwärts verlaufend, dem Amur- Strome nahe unterhalb der Ussuri-Mündung sich nähert, ohne ihn jedoch zu erreichen. Nicht minder beschränkten Umfangs ist natürlich die Bezeichnung Tarjange, welche ich von den Sungari-Golde, die ich am Fusse des "Bureja-Gebirges in ihren nomadischen Zelten antraf, für dieses Gebirge hörte, Ohne Zweifel durfte keine dieser Ursus arctos. 15 er jedoch im Amur-Lande in der Häufigkeit vor, wie Steller'), Langsdorff?) und spätere Reisende von Kamtschatka berichten. Auch scheint er am Amur, den Erzählungen der Eingeborenen zufolge, niemals von dem gutmüthigen Naturell der Bären Kamtschatka’s, son- dern stets bösartig zu sein, was vielleicht seinen Grund in einem geringeren Ueberfluss an Nahrung, als in dem mit äusserst fisch- und besonders lachsreichen Gebirgsflüssen versehenen Kamtschatka hat. Im Amur-Lande scheint der Bär einzig auf die Nahrung des Waldes ange- wiesen zu sein und die Flüsse, an deren Ufern man oft seine Spuren und eingetretenen Pfade fin- det, nur des Trinkens halber zu besuchen, oder aber um dieselben auf seinen Wanderungen zu durchschwimmen, wie er es oft selbst mit dem Amur-Strome thut. Im unteren Amur-Lande ist es auch, wo der Bär bei den Eingeborenen eine culturhistorische Bedeutung gewinnt. Als mäch- tiges Raubthier gefürchtet, spielt er nämlich in den religiösen Vorstellungen derselben eine wichtige Rolle. Zugleich aber seines schmackhaften Fleisches wegen gesucht und theuer ge- schätzt, wird er lebendig eingefangen, in kleinen Häuschen gehalten , gefüttert und endlich unter vielfachen, vom Aberglauben dietirten und ängstlich eingehaltenen Gebräuchen getödtet und verzehrt. Dem ethnographischen Bande meiner Reisebeschreibung bleibt die ausführlichere Besprechung dieser auf den Bären bezüglichen Gebräuche vorbehalten, die, mit besonderen Festlichkeiten und unter vielfachem Conflux von Theilnehmern begangen, tief in die Oecono- mie und das sociale Leben jener Völker eingreifen. Namentlich ist solches bei den am weite- sten unterhalb am Amur-Strome wohnenden Giljaken und Mangunen, weniger bei den Golde, Samagern und anderen Stämmen des Amur-Landes der Fall. Bei den ersteren sieht man daher fast in jedem Dorfe gefangene, in kleinen, eigens dazu hergerichteten Häuschen gehaltene Bären. Leider raubt nur die Sitte dieser Völker, den Bärenschädel nach gehaltener Mahlzeit mit einem Beile zu zerspalten, dem Naturforscher das brauchbare Material an Schädeln. Erst weiter aufwärts, bei den Golde, die sich mit dem Einschlagen eines Loches in den Schädel begnügen und ihn dann an einen Baum hängen, lässt sich dasselbe leichter herbeischaffen. In solchen Anschauungen der Eingeborenen in Beziehung auf den Bären findet auch die oben erwähnte, bei vielen derselben übliche, ehrerbietige Bezeichnung «mafa», d. i. der Alte, oder, zum Unterschiede von dem Tiger (s. weiter unten), bisweilen auch «s’achare mafa», d. i. der schwarze Alte, ihre Erklärung. Dieselbe Stellung wie bei den Eingeborenen des Continentes hat der Bär auch auf der Insel Sachalin, bei den dortigen Giljaken und Ainos. Auf dieser gebirgigen,, waldreichen Insel ist der Bär bis an die Südspitze verbreitet und nicht minder häufig wie auf dem Continente. Zahlreiche Bärenfelle, die ich dort bei den Eingeborenen gesehen habe, zeigten dieselben, vom Schwarzen und Schwarzbraunen bis zum Local- und Einzelbezeichnungen, wenn man nicht neuen Verwechselungen und Missverständnissen Raum geben wollte, zum Gesammtnamen für das ganze Gebirge erhoben werden. Und so blieb denn nichts übrig, als einen neuen Namen zu wählen, der übrigens in den oben erwähnten Beziehungen dieses Gebirges zur Bureja, dem mächtigsten Zuflusse des Amur-Stromes in diesem Theile, eine hinlängliche Begründung findet, !) Beschreibung von dem Lande Kamtschatka. Leipzig 1774. p. 113. 2) Bemerk. auf einer Reise um die Welt. Frankf. a. M. 1812. II. p. 223. 16 Säugelhiere. Fahlbraunen gehenden Farbenschattirungen wie auf dem Continente. Namentlich soll, den Erzählungen der Sachalin-Giljaken zufolge, im Norden der Insel eine sehr helle Färbung häufig vorkommen, welehe die Giljaken im Gegensatz zur schwarzen bisweilen auch schlecht- weg als weissen Bären bezeichnen, wobei sie jedoch selbst die fernere Auskunft geben, dass es dasselbe von ihnen geschätzte und verehrte Thier wie die dunkelfarbige Varietät sei. Auch ist es bei der Nähe der Insel zum Continente nicht anders denkbar, als dass sie von derselben Bärenart wie der Continent, d.i. also von U. arctos, bewohnt sei. Temminck irrt daher, wenn er den Bären der Inseln Jesso und Tarakai (oder Sachalin) für U. ferox Lew. et Clarcke hält!). Abgesehen von der in Zweifel gestellten Selbstständigkeit dieser letzteren Art, giebt auch die von Temminck mitgetheilte Beschreibung des Bären jener Inseln gar keinen Grund zu einer solchen Annahme. Bloss die sehr ansehnliche Grösse der Thiere, deren eines er nach einem Felle auf 8 Fuss Länge angiebt, scheint ihn zu dieser Annahme bewogen zu haben. Hinsichtlich dieser giebt uns aber die oben besprochene, von Middendorff nachgewiesene, von mir auch für das Amur-Land bestätigte Existenz einer ausnehmend grosswüchsigen Bären - Varietät in den Küstenländern des Ochotskischen Meeresbeckens eine hinlängliche Erklärung. Temminck’s Angabe kann also nur dazu dienen, das Vorkommen der Var. Beringiana von U. arctos auch auf den Inseln Sachalin und Jesso zu bekräftigen. Von dem Vorkommen des Bären auf letzterer Insel hatten wir vor Siebold und Temminck auch schon durch Pallas, aus älteren russischen Quellen’), und durch Langsdorff*) Nachricht. Durch letzteren und später durch Siebold erfahren wir zugleich, dass auch bei den Ainos von Jesso dieselben Gebräuche in Beziehung auf den Bären wie bei ihren Landsleuten auf Sachalin herrschen. Südlich von Jesso, auf der Insel Nippon, scheint aber U. arctos, nach Temminck’s Angaben, nicht mehr vorzukommen, sondern durch U. tibetanus ersetzt zu sein‘). Hier hätten wir also mit der Insel Jesso, in etwa 414° n. Br., die Südgränze von U. arctos. Das nöthigt uns zugleich uns die Verbreitung von U. arctos vom Continente nach den Japani- sehen Inseln nicht über Korea, wo sein Vorkommen auch noch nicht erwiesen ist, sondern vom Amur-Lande nach der Insel Sachalin und von dort näch Jesso zu denken. 2) Ursus maritimus L. Da Siebold von Eisbären erzählt, die, laut Japanischen Aufzeichnungen, an den Küsten der Provinz Jetsigo, im 37—38° n. Br., gesehen und wahrscheinlich auf Eisschollen dahin verschlagen worden seien‘), so erkundigte ich mich auch bei den Eingeborenen des Amur- 1) Fauna Japonica, auct. Siebold. Mammalia elabor. Temminck et Schle gel. Lugd. Batav. 1842. Dec. 2. p. 29. 2) Nach Otscheredin und Antipin. Pallas, Neue nordische Beiträge. St. Petersb. und Leipzig 1783. Bd. IV. p. 137. 3) Bemerk. auf einer Reise um die Welt. I. p. 285. 4) Fauna Japon. Mammalia. Dec. 2. p. 30. 5) Fauna Japon. Mammalia, Dec. 2. p. 30. Ursus marstimus. — Meles Taxus. 17 Landes nach ähnlichen Fällen an ihren Küsten. Allein weder die Giljaken des Festlandes, noch diejenigen der Insel Sachalin hatten jemals gesehen oder gehört, dass weisse Bären auf Eisschollen an ihre Küsten getrieben worden wären. Ihre Erzählungen von «weissen Bären» hatten stets nur auf die obenerwähnte hellfarbige, gelbliche oder hellbraune Varietät des gemeinen Landbären Bezug, welche auf der Insel Sachalin vorkommt. 3) Mieles Taxus Schreb. Taf. I. fig. 1—4. Bei den Giljaken des Continentes: torskch. « « Mangunen: toro. « « unteren Golde, bis zum Geong-Gebirge, Kile am Gorin (Samagern): doro. « « Golde oberhalb des Geong-Gebirges und am Ussuri: 01jo und doro. « « « oberhalb des Ussuri: dorko. « « Kile am Kur: doroko. « « Biraren und Monjagern: awuare. Dieses bisher bloss bis an die Lena nach Osten bekannte Thier kommt auch im Amur- Lande und zwar in interessanten Färbungen vor. Fasst man die abweichendste Färbung des Dachses im Amur-Lande in’s Auge, so dürfte man leicht geneigt sein, dieselbe für eine besondere, von M. Taxus Schreb. verschiedene Dachsart zu halten. Ich habe jedoch Gelegen- heit gehabt im Amur-Lande zahlreiche, den Uebergang vermittelnde Zeichnungen des Felles zu beobachten und gegenwärtig liegen mir 8 Dachsfelle aus dem Amur-Lande vor, deren 5 von mir selbst und 3 von Hrn. Maack mitgebracht worden sind. Diese bieten einen so allmähligen Uebergang von der typischen Zeichnung des Dachses in Europa zu der sehr ab- weichenden des Amur-Landes dar, dass an der specifischen Identität dieser Formen nicht zu zweifeln ist. Dabei aber bieten mehrere derselben auch eine solche Vermittelung zu dem von Temminck als eigene Art unterschiedenen Japanischen Dachse, M.-Anakuma, dar, dass wir uns genöthigt schen, auch diese Form mit dem gemeinen Dachse in eine Art zusammen- zuziehen. Vergleichen wir zunächst den Dachs des Amur-Landes mit dem europäischen, so lässt sich im Allgemeinen sagen, dass er dunkler als der europäische ist, indem alles Weiss an ihm mehr gelblich, ja sogar bräunlich wird. Dabei stellt sich aber ferner auch eine abwei- chende Zeichnung namentlich des Kopfes ein, welche bekanntlich hauptsächlich dazu dient M. Taxus Schreb. und M. labradoria Say von einander zu unterscheiden. Diese abweichende Zeichnung des Kopfes besteht darin, dass die beiden schwarzen oder schwarzbraunen Streifen, die über Auge und Ohr gehen, beim Dachse des Amur-Landes schmäler und das Weiss zwischen ihnen und unterhalb derselben schmutziger, gelblicher, mit mehr oder weniger braun gespitzten und ganz braunen Haaren untermischt, ja bisweilen sogar ganz braun ist. Auch reicht diese hellere, weissliche bis braune Färbung zwischen den beiden Seitenstreifen am Kopfe minder hoch nach der Stirne hinauf, indem schon zwischen den Ohren die, durch Schrenck Amur-Reise Bd. I. 3} 18 Säugethrere. eigenthümliche Zeichnung der einzelnen Haare hervorgebrachte, weisslich oder gelblich und schwärzlich oder schwarzbraun gewellte Färbung des Rückens beginnt. Dabei zeigen die schrägen Seitenstreifen des Kopfes an den einzelnen Exemplaren nach Breite und Verlauf mannigfache Abänderungen, wie sie auf der Tafel I. zu sehen sind. Bisweilen entspringen sie unmittelbar hinter der Nase, bisweilen etwas weiter aufwärts, so dass ein schmutzig weissli- cher oder gelblicher bis bräunlicher Gürtel die Nase umgiebt; bei einigen verlaufen sie bis an die Ohren scharf von einander gesondert, bei anderen convergiren sie mehr nach innen und schmelzen auf dem Schnauzenrücken zum Theil zusammen; bei einigen erstrecken sie sich tiefer unter das Ohr, bei andern minder tief hinab. Immer aber ziehen sie sich auch auf die äussere und innere Fläche des Ohres fort, und es bleibt nur ein heller, weisslicher oder gelb- licher Streifen übrig, der den Innen- und Vorderrand des Ohres bezeichnet, wie das auch beim europäischen Dachse der Fall ist. Auf diese Weise erscheint im Allgemeinen die Zeich- nung des Kopfes beim Amur-Dachse, durch das Schwinden der weissen Farbe, minder markirt und viel dunkler als beim europäischen Thiere. Dass das nun aber keine specifische Differenz vom europäischen Dachse bildet, geht, wie gesagt, schon aus den zahlreichen Mittel- zeichnungen zwischen den extremen Formen hervor. So-ist an einem meiner Amur-Exem- plare die bezeichnete Verschiedenheit in der Zeichnung des Kopfes vom europäischen nur schwach ausgesprochen, an einem zweiten viel merklicher und an den übrigen nimmt sie, allmählig fortschreitend, so zu und wird so auffallend, dass von einer weisslichen Zeichnung des Kopfes gar nicht mehr die Rede sein kann und die den M. Taxus charakterisirende Zeichnung des Kopfes sich nur insofern noch erhält, als die beiden dunklen Augenstreifen immer noch einen helleren Streifen zwischen sich und einen helleren jederseits unter sich haben. Diese helleren Streifen, die unteren sowohl wie die Mittelstreifen, sind jedoch nicht mehr weiss, sondern an zweien meiner Exemplare schmutzig gelblich mit einigen braungespitz- ten Haaren, an drei anderen vorherrschend braun mit nur wenig durchschimmernder gelbli- cher Färbung, indem sämmtliche Haare braune Spitzen bekommen haben und viele ganz braunge- worden sind. An dem dunkelsten, achten Exemplare endlich (Fig. 1.) ist von dem Mittelstreifen nur der vorderste Schnauzenrücken, unmittelbar hinter der Nase, noch heller braun, weiter- hin aber schimmert auf dem Schnauzenrücken nur wenig von einer helleren Färbung zwischen den beiden schwarzen Seitenstreifen des Kopfes durch, indem sämmtliche Haare schwarzbraune oder schwarze Spitzen bekommen haben und auch viele ganz schwarzbraune Haare sich ein- gestellt haben. Gleichmässig damit sind denn auch die hellen Streifen unterhalb der Augen- streifen dunkier geworden. Bei weiterem Vergleiche des Amur-Dachses mit dem europäischen findet man, dass die Zeichnung der einzelnen Haare am Rücken des Thieres bei beiden genau dieselbe und nur die Farbe beim Amur-Dachse wiederum etwas dunkler ist. Das Wollhaar ist entweder weiss, oder gelblich und bisweilen an den Spitzen mehr oder weniger bräunlich. Die Deckhaare sind weiss oder gelblich, mit einem breiten schwarzbraunen bis schwar- zen Ringe unterhalb ihrer Spitze gezeichnet. Längs der Mittellinie des Rückens ist dieser schwarzbraune Ring am dunkelsten und breitesten; nach den Seiten zu wird er schmäler und Meles Tuxus. 19 heller und verschwindet bisweilen ganz, so dass zwischen der gemischten Farbe des Rückens und dem einfachen Schwarzbraun des Bauches jederseits ein Streifen einförmiger, schmutzig- weisslicher oder gelblicher Farbe entsteht. Diese Zeichnung, die ich am europäischen Thiere nicht kenne, findet sich an dreien der Amur-Exemplare, fehlt aber an allen übrigen, zum Beweise, dass sie ebenfalls keine specifische Verschiedenheit bilden kann, sondern nur zu den Abänderungen innerhalb einer und derselben Art gehört. Die gesammte Unterseite des Amur-Dachses und die Extremitäten desselben sind an den helleren Exemplaren, wie beim europäischen Thiere, schwarzbraun, an den dunkleren ganz schwarz. Der Schwanz endlich ist beim Amur-Dachse genau wie beim europäischen, weisslich oder gelblich, mit wenig durchschimmernder brauner Zeichnung der Haare unterhalb der langen weisslichen Spitzen derselben. So finden also die Uebergänge in der Zeichnung und Färbung vom europäischen zum Amur-Dachse so stufenweise und allmählig statt, dass an der Arten-Identität beider Formen kein Zweifel sein kann. Fasst man aber ihre extremen Verschiedenheiten in’s Auge, so lässt sich die dunklere, mit gelblicher Färbung am gesammten Körper und mit bräunlicher Zeichnung und minder markirter Streifung des Kopfes versehene Form als besondere, dem Amur-Lande eigene Varietät desselben bezeichnen. Vergleichen wir nun die Amur-Form des Dachses mit dem Japanischen Dachse, M. Anakuma Temm., indem wir sie, beim Mangel an Exemplaren von letzterem, gegen die Beschreibung und Abbildung desselben in der Fauna Japonica') halten. Die dunkleren, gelb- lichen und bräunlichen Färbungen des Amur-Dachses nähern sich dem M. Anakuma Temm. so weit, dass die Beschreibung des letzteren fast vollkommen auch auf sie passt, indem M. Anakuma ganz dieselbe Zeichnung zu haben und nur noch dunkler zu sein scheint, wenigstens in seinem völlig erwachsenen Zustande, denn vom jungen Thiere bemerkt Temminck selbst, dass es heller als das erwachsene sei. Der Haupt- und einzige Unterschied in der Zeichnung beider Formen dürfte noch darin zu suchen sein, dass dem M. Anakuma, nach Temminck’s Angabe, die markirte Zeichnung des Kopfes, welche zur Charakteristik für die beiden ande- ren bekannten Dachsarten, M. Taxus Schreb. und M. labradoria Say, dient, gänzlich fehlen soll. Allein gegen diese Behauptung Temminck’s lässt sich anführen, dass einerseits auch die Amur-Form eine minder markirte Zeichnung des Kopfes als die europäische Form besitzt und dass andererseits Temminck selbst durch die Beschreibung und Abbildung, die er vom Japanischen Dachse giebt, jene Behauptung widerlegt, indem Beschreibung wie Abbildung eine immer noch recht markirte Zeichnung des Kopfes angeben, und zwar eine Zeichnung, wie wir sie im Allgemeinen bei M. Taxus zum Unterschiede von M. labradoria finden und im Speeiellen beim Amur-Dachse kennen gelernt haben. Denn auch bei M. Anakuma ist, wie beim Amur-Dachse,, die helle Färbung des Kopfes zwischen den dunklen Augenstreifen nicht weiss, sondern schmutzig-gelblich und reicht minder hoch nach der Stirne hinauf als beim europäischen Dachse — ein Charakter, der eben in Verbindung mit den schwächerer 1) Mammalia, elabor. Temminck et Schlegel. Dec. 2. p. 30 und 31. Tab. 6. 20 Säugethtere. Augenstreifen die minder markirte Zeichnung des Kopfes bedingt, der aber jedenfalls nicht hinreichend ist, die japanische Form von der europäischen speeilisch zu trennen, da er nach Temminck’s eigner Angabe mit dem Alter sich verändert und das Weissliche in der Zeich- nung an Reinheit und Ausdehnung abnimmt. Weniger als die Beschreibung entspricht unse- ren Exemplaren des Am ur-Dachses die Abbildung von M. Anakuma in der Fauna Japonica. Allein vergleicht man diese mit der zugehörigen Beschreibung, so scheint sie in der That zu dunkel gehalten zu sein — ein Fehler, den wir noch mehrmals an der Fauna Japonica bemerkt , zu haben glauben — und auch einige Ungenauigkeiten zu enthalten, wie z. B. die ganz weisse Schnauze, welche in der Beschreibung gelblich angegeben ist, und die gelbliche Kehle, welche nach der Beschreibung schwarzbraun sein soll. In Betreff dieses letzteren Punktes mussich übrigens bemerken, dass auch an zweien der Amur-Exemplare gelbliche Flecken im schwarzbraunen Felde der Kehle sich finden. Wenn daher die Zeichnung der Fauna Japo- nica hierin auch correct wäre, so dürften wir dennoch auf diesen Punkt als artenunterschei- dendes Moment nichts geben. Somit fallen also alle diagnostischen Kennzeichen verschie- dener Färbung und Zeichnung zwischen M. Taxus und M. Anakuma fort. Eben so geht es aber auch mit der angeblich verschiedenen Grösse der Thiere. Denn obgleich Temminck seinen M. Anakuma im Vergleich zum europäischen Dachse für kleiner erklärt, so giebt er doch selbst die Grösse desselben auf 27 —10” an, davon 5—6” auf den Schwanz kommen, was mit der Grösse des europäischen Dachses, an dem ebenfalls einige Grössenvarietäten vor- kommen, ganz übereinstimmt. Dass endlich in dem Schädelbau und in der Zahnbildung, in den biologischen Verhältnissen und in der Lebensweise kein Unterschied des M. Anakuma vom M. Taxus stattfinde, giebt Temminck selbst an. Und so sehen wir uns denn genöthigt, durch Vermittelung der Dachsformen des Amur-Landes, den Japanischen Dachs, M. Anakuma Temm., als besondere Art in Abrede zu stellen und mit M. Taxus, als dessen östlichste, dun- kelste Varietät, in eine Art zu vereinigen. Scheint uns dieses Resultat durch den Weg der Vergleichung, auf dem es gewonnen worden ist, schon hinlänglich begründet zu sein, so kön- nen wir für dasselbe nachträglich auch noch die Ansicht eines mit der Fauna Japan’s vertrau- ten Naturforschers anführen. Vor dem Erscheinen der Fauna Japonica erklärte nämlich H. Schlegel"), auf Grund der von Siebold und Bürger aus Japan mitgebrachten Thierfelle, den Japanischen Dachs nur für eine dunklere und etwas kleinere Varietät des gemeinen, euro- päischen Dachses. Diese damals allerdings noch unbegründete und später durch die Fauna Japonica zurückgedrängte Ansicht findet daher jetzt durch Vermittelung der Amur-Formen ihre Bestätigung. — Verfolgen wir nun genauer die Verbreitung des Dachses im Amur-Lande. Wie bereits oben erwähnt, kannte man den Dachs bisher bloss bis an die Lena”). Middendorff fand ihn weder an der Südküste des Ochotskischen Meeres, noch im Jakutskischen Gebiete, vermu- thete ihn aber nach den Erzählungen eines Jakuten in der nördlichen Mandshurei und na- 1) Essai sur la physionomie des Serpens. Partie generale. Amsterdam 1837. p. 222. 2) Pallas, Zoographia Rosso-Asiatica. I. p. 71. Meles Taxus. 31 mentlich am oberen Laufe der Bureja'). Diese Vermuthung können wir nunmehr bestätigen und das Verbreitungsgebiet des Dachses somit bedeutend erweitern. Denn wir lernen ihn nun durch das ganze Amur-Land bis an die Küsten des Ochotskischen und Tartarischen Meeres, ja, durch die Identifieirung desselben mit dem M. Anakuma Temm., sogar auf den Ja- panischen Inselu kennen. Innerhalb dieses weiten Gebietes können wir uns seine Verbreitung nicht besser vergegenwärtigen, als indem wir dem Laufe des Amur-Stromes folgen, denn das Amur-Thal scheint mir seiner weiten Verbreitung nach Osten hauptsächlich Bahn gege- ben zu haben. Wie schon aus den oben angeführten Bezeichnungen der Amur-Völker für den Dachs zu ersehen ist, kommt er am gesammten Amur-Strome als einheimisches Thier vor. Allein als vorzüglicher Bewohner gemässigter Klimate und dabei theilweise ebener, hü- geliger oder mässig bergiger Landschaften mit lockerem Erdreich, das ihm beim Graben seiner Baue keine Hindernisse in den Weg setzt, ist der Dachs am Amur-Strome am häufigsten in dessen mittlerem, südlichstem Theile, wo die Landschaft, eben und wellig und mit waldbe- wachsenen Hügelzügen versehen, einen vorherrschenden Prairiecharakter trägt. Wir meinen damit die Gegend zwischen der Mündung der Dseja (Dsi der Eingeborenen) und dem Ussuri, ja am linken Amur-Ufer bis in die Gegend des Gorin. Zwar findet sich in diesem Theile der Stromlandschaft auch ein gebirgiges Stück, es ist der Durchbruch des Amur-Stromes durch das Bureja-Gebirge, allein auch in diesem fehlt der Dachs nicht und wo, bei einer Ser- pentine des Stromes oder am Ausgange eines kleinen Nebenthales, ein lockeres Erdreich sich findet, habe ich seine Baue gesehen. Aus dem Amur-Thale geht der Dachs in die Nebenthä- ler und zwar wahrscheinlich so weit hinauf, als ihm Terrain und Klima derselben gestatten. Es ist anzunehmen, dass ıhm dabei an den nördlichen, linken Zuflüssen des Amur-Stromes die baldige Veränderung der oflenen Prairielandschaft in eine gebirgige mit meist felsiger Beschaffenheit des Bodens, so wie die rasche Zunahme eines excessiven, continentalen Klima’s mit starken Winterfrösten, welche den Boden in einiger Tiefe beständig gefroren er- halten, eine frühe Gränze der Verbreitung setzen. Denn Middendorff fand ihn hier an dem oberen Laufe der Dseja und der Bureja nicht, während er von seinem Vorkommen am un- teren Laufe des letzteren Flusses Kunde erhielt. Es scheint mir kaum zweifelhaft, dass er auch am unteren Laufe der Dseja vorkommt. Von den östlicheren linken Zuflüssen des Amur-Stromes weiss ich durch Mittheilungen der Eingeborenen von dem Vorkommen des Dachses am Kur, einem Flusse, der, vom Wuanda-Gebirge kommend, unweit unterhalb des Ussuri in den Amur mündet; ferner am Ssedsemi, der gegenüber dem Bokke-Gebirge und etwas oberhalb der Chongar-Mündung in den Amur fällt; dann am Gorin, wo ich im Dorfe Ngagha, etwa 150 Werst oberhalb der Mündung des Gorin in den Amur, bei den Samagern zahlreiche Felle des Dachses gesehen und eins auch mitgebracht habe, und end- lich am kleinen Flüsschen Patchä, nahe der Mündung des Amur-Stromes, von wo ich ein gelblich gezeichnetes Exemplar erhalten habe. Ehe wir nun an die rechten Zuflüsse des 1) Middendorff, Sibirische Reise, l. c. p.. 3. 22 Säugethiere. Amur’s gehen, verfolgen wir noch den Dachs am Hanptstrome selbst. Obgleich die Land- schaft am Amur unterhalb der Ussuri-Mündung ihren Prairiecharakter verliert und, zumal am rechten Ufer, gebirgig wird, oft und besonders gegen die Mündung hin mit steilen Felsen den Strom säumend, kommt der Dachs an demselben doch bis an die Mündung vor, nimmt aber dabei an Häufigkeit ab. Ich habe ihn selbst aus den Gegenden von Dshare, Gauwne, Aure und aus der Umgegend des Nikolajewschen Postens kennen gelernt. Die an diesem letzteren Orte von den Giljaken erhaltenen Exemplare ‚sind die hellsten und nähern sich der europäischen Form am meisten, während die Exemplare von südlicheren Fundorten dunkler sind und als Mittelformen und Uebergänge zum M. Anakuma Temm. erscheinen — eine That- sache, die ebenfalls zur Bekräftigung der oben besprochenen Gleichartigkeit von M. Taxus Schreb. und M. Anakuma Temm. dienen kann. Unterliegt es aber keinem Zweifel, dass der Dachs an der Amur-Mündung im Gebiete der Giljaken ein einheimisches Thier ist, so muss es auffallen, dass dieGiljaken für ihn keine eigene, rein giljakische Bezeichnung haben, son- dern sich dafür eines fremden, der Sprache ihrer tungusischen Nachbarn entnommenen und offenbar nur giljakisirten Wortes bedienen. Dergleichen findet sonst bei den Giljaken bloss für solche Thiere statt, die bei ihnen selbst nicht vorkommen und deren Bekanntschaft sie durch ihre Nachbarn oder durch Vermittelung der Mandshu und Chinesen gemacht haben, wie z. B. für den Edelhirsch oder die Hausthiere, die sie (mit Ausnahme des überall einge- bürgerten Hundes) fast nur nach Hörensagen kennen. Die einzigen Ausnahmen aus dieser Regel machen ausser dem Dachse nur noch das Elennthier und das Reh, welche ebenfalls nur siljakisirte tungusische Bezeichnungen bei den Giljaken haben, obgleich sie auch im giljaki- schen Gebiete am Amur - Strome vorkommen. Allein diese beiden letzteren Thiere sind im giljakischen Gebiete des Stromes viel seltener als bei den tungusischen Amur - Völ- kern und nehmen offenbar ihre Verbreitung im Amur- Thale stromabwärts. Es ist da- her anzunehmen, dass auch die erste Kenntniss vom Dachse den Giljaken von ihren tungu- sischen Nachbarn gekommen ist, aus deren Gebiete das Thier auch zu ihnen sich verbreitet hat. Auf diesem Wege, längs dem Amur-Thale, ist aber der Dachs nicht bloss bis an die Mündung des Stromes, sondern noch weiter, längs dem Amur-Limane, bis an die Südküsten desOchotskischen Meeres gelangt, wo er in der Umgegend der giljakischen Dörfer Olgh-vo, Tägl, Kullj, wenn auch selten, doch vorhanden ist. Noch etwas nördlicher und westlicher an der Südküste des Ochotskischen Meeres, wo Middendorff dieselbe bereist hat, kommt er nicht mehr vor. Er steht hier also genau an seiner Nordgränze, welche hier in etwa 531° nördl. Breite liegt. So genau ist kaum ein anderer Punkt seiner Verbreitungsgränze be- stimmt. Zieht man nun von diesem Punkte eine Linie, welche den mittleren Lauf des Gorin schneidet und dann an den mittleren Lauf der Bureja und Dseja geht, so hat man, nach den oben mitgetheilten Daten und Erörterungen, mit ziemlicher Genauigkeit die Polargränze der Verbreitung des Dachses im Amur-Lande und damit auch im eontinentalen Osten Asiens be- zeichnet. — Ehe wir nun auf die dem Amur-Lande anliegenden Inseln übergehen, verfolgen wir den Dachs noch an den rechten Zuflüssen des Amur-Stromes. An diesen geht er weiter Meles Taxus. 23 aufwärts als an den linken Zuflüssen. Vom Vorkommen des Dachses am Sungari haben wir keine Nachrichten, aber am Ussuri weiss ich von seinem Vorkommen bis zur Mündung des Flusses Noor, da weiter hinauf meine Nachrichten nicht reichen. Er soll ferner, nach Aussage der Eingeborenen, an den Flüssen Da und Munamu, welche vereinigt beim Dorfe Naichi und daher auch unter dem Namen Naichi-Fluss, unweit Dondon'), in den Amur mündet, und am Chongar-Fiusse häulig sein und die Ufer des Jai-Flusses, der un- weit Kidsi in den Amur fällt, in dessen ganzem Laufe bewohnen. Am Jai und auch am Chongar und dessen rechtem Zuflusse Uldji gelangen die Eingeborenen, Mangunen und Golde, über niedrige Wasserscheiden zum Tumdshi-Fluss, der in das Meer der Tartarei unweit oberhalb der Bai Hadshi, d. i. in 49° nördl. Br., mündet. Von diesen Gegenden ha- ben sie daher auch eine genauere Kenntniss, als sonst von den dem Amur-Strome entlegenen Landschaften der Fall zu sein pflegt. Am Tumdshi-Flusse soll nun der Dachs im gesamm- ten Laufe desselben vorkommen und auch an der Meeresküste nördlich und südlich von der Mündung des Flusses verbreitet sein. Hier wurde mir sein Vorkommen vom Dorfe Choji an, d. i. etwa 4—5 Tagereisen südlich von der Bai de Castries, bis nach Idı genannt, dem letzten Orte, bis zu dem die Kenntnisse meines mangunischen Berichterstatters reichten und der etwa eine Tagereise südlich von der Bai Hadshi liegen soll. Oflenbar wird dieses nicht der südlichste Punkt der Verbreitung des Dachses in der Mandshurei sein, ja es ist vielmehr zu vermuthen, dass er hier noch viel weiter nach Süden, vielleicht bis nach der Südspitze von Korea reicht, wo er den Japanischen Inseln nahe kommt, auf denen wir ihn im M. Anakuma Temm. wiedererkennen. Auf diesem südlichen Wege müssen wir uns auch seine Verbreitung vom Continente auf die anliegenden Inseln denken, nicht auf dem nördlichen, vom Amur-Li- mane nach der Insel Sachalin hinüber. Denn auf der Insel Sachalin, zum wenigsten in ihrem nördlichen Theile, so weit die giljakische Bevölkerung derselben reicht, d. i. an der Westküste der Insel bis etwas südlich von der Bai de la Jonequiere, kommt der Dachs den wiederholten Nachrichten zufolge, die ich auf der Insel selbst von den Eingeborenen einzog, nicht vor. Diese Thatsache, dass der Dachs auf der Insel Sachalin fehlt, scheint auch mit dessen fremder, der tungusischen Sprache entlehnter und nur giljakisirter Bezeichnung, die bei den Amur-Giljaken üblich ist, im Zusammenhange zu stehen. Denn man kann überhaupt bemer- ken, dass in der Reihe der bei den Giljaken des Continentes gebräuchlichen Thiernamen fremde, der tungusischen Sprache entlehnte und später giljakisirte Bezeichnungen sich nur für solche Thiere finden, welche auf dem Festlande allein vorkommen. auf der InselSachalin aber fehlen, nämlich für den Dachs, das Elennthier und das Reh, während alle auf der Insel ebenfalls einhei- mischen Thiere auch ächt giljakische, wenngleich hier und dort dialektisch verschiedene Bezeich- nungen tragen.”) Vielleicht dürfte uns dieser Umstand schon zu der Vermuthung berechtigen, !) Auf den Karten daher auch unter dem Namen Dondon-Fluss eingetragen. 2) Die einzige Ausnahme macht Mustela Sibirica, welche, ob sie gleich auf der Insel Sachalin nicht vorkommt, eine, wie mir scheint, ächt giljakische Bezeichnung hat. Allein dieses Thier ist an der Amur-Mündung im Gebiete der Giljaken häufiger als in dem ihrer Nachbarn. 24 Säugethtere. dass die Giljaken ursprünglich nur auf der InselSachalin ansässig gewesen und von dort aus an den Amur gelangt seien, wo sie für die ihnen bis dahin unbekannt gewesenen Thiere von ih- ren tungusischen Nachbarn Bezeichnungen erborgten. Ich werde diese Vermuthung über die Heimath der Giljaken, für die es noch andere Gründe giebt, an dem geeigneten Orte bespre- chen, hier genüge es auf die Bedeutung hingewiesen zu haben, welche thiergeographische Forschungen auch für die Lösung ethnographischer Fragen gewinnen können. Durch das Fehlen des Dachses auf der Insel Sachalin rückt die Polargränze’ desselben, welche wir an der Südküste des Ochotskischen Meeres die Breite von 531° N. erreichen sahen, vom Conti- nente zu den Inseln rasch nach Süden hinab; denn nun müssen wir sie auf den Japanischen Inseln annehmen, wo Temminck den M. Anakuma anführt. Dieser Umstand scheint unsere obige Annahme, dass das Amur-Thal der weiten Verbreitung des Dachses nach Osten und Norden auf dem asiatischen Continente hauptsächlich Bahn gegeben habe, noch mehr zu be- kräftigen. In Japan soll der Dachs nach Temminck auf allen Inseln, wenn auch in gerin- ger Anzahl von Individuen, vorkommen und vorzüglich an bewaldeten, bergigen Orten sich aufhalten, seltner in der Ebene. Weiter südwärts ist uns das Vorkommen dieser Form nicht bekannt und es scheint somit der Südrand der Japanischen Inseln die Aequatorialgränze des Dachses’ zu bilden. 4) Gulo borealis Nilss. Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin: kusrj. « « Mangunen und Kile am Gorin (Samagern): ongdo. « « unteren Golde, bis zum Geong-Gebirge: ongdo. « « Golde oberhalb des Geong-Gebirges: ailoki. « « Kile am Kur: ausko. « « Biraren: kaltyıcke. « « Monjagern: kyltywki. « « Orotschonen: awelkan. « « Dauren: chowwyr. Der Vielfrass kommt im Amur-Lande in denselben, bald helleren, bald dunkleren Fär- bungen vor, die in Europa und Nordasien von ihm bekannt sind. Zwei Exemplare des Thie- res, die ich aus dem Amur-Lande mitgebracht habe und von denen ich eines selbst vom FlusseChongar, das andere durch Hrn. v. Ditmar aus derselben Gegend erhalten habe, zeigen diese verschiedenen Färbungen. Das dunklere entspricht der Zeichnung in Nilsson’s Illum. Figurer') fast ganz und ist vielleicht nur wenig heller. Es ist dunkelbraun, auf dem Kopfe, zwi- schen Auge und Ohr, nur wenig heller; der Rückensattel, die Beine und der Schwanz beinahe schwarz, die Seitenbinden hellbraun; an der Kehle sind nur wenige kleine weisse Flecken vorhanden. Das andere, hellere Exemplar ist hellbraun, auf dem Kopfrücken, zwischen Auge !) Häftet 13, Tab. 31. Gulo borealıs. 25 und Ohr, weisslich, indem hier den weissen, hellbraungespitzten Haaren noch viele rein weisse Haare untermischt sind; der Rückensattel ist dunkler braun, von einer breiten gelblichen Binde umgeben; die Extremitäten und der Schwanz sind schwarzbraun; an der Kehle einige kleine weissliche Flecken. Das Verbreitungsgebiet des Vielfrasses, dieses hochnordischen Raubthieres, erfährt durch seine Ermittelung im Amur-Lande eine grosse Erweiterung nach Süden. Middendorff hat ihn in den Abzweigungen des Stanowoi-Gebirges, innerhalb der nördlichen Mandshurei, nicht selten angetroffen '). In unmittelbarem Anschluss daran können wir ihn im Amur- Lande noch eine geraume Strecke nach Süden und an manchen Punkten bis an seine Aequa- torialgränze verfolgen. Dasselbe Moment, welches, nach Nilsson), der Verbreitung des Viel- frasses durch Skandinavien zu Grunde liegt, nämlich das Vorkommen des Rennthiers, dem der Vielfrass hauptsächlich nachstellt, das er auf allen Wanderungen desselben vom Gebirge bis zur Meeresküste und zurück verfolgt und mit dem er daher auch ungefähr dasselbe Ver- breitungsgebiet einnimmt, dieses Moment scheint auch für seine Verbreitung im Amur-Lande leitend zu sein. Denn auch im Amur-Lande sehen wir die Gränzen der Verbreitung dieser beiden Thiere, wo wir sie ermitteln konnten, stets zusammenfallen. Wo daher das Rennthier, dem nordischen Charakter des Landes gemäss, durchweg, im Gebirge wie an der Meeresküste vorkommt und die ausschliessliche oder wenigstens häufigste Hirschart ist, eine Charakterform des Landes bildend, wie in der nördlichen Hälfte der Insel Sachalin, an der Küste des Ochotskischen Meeres, im Amur-Limane und selbst noch an der Küste des Tartarischen Meeres, da ist auch der Vielfrass ein allgemein verbreitetes und nicht seltenes Raubthier. Auf der InselSachalin weiss ich von seinem Vorkommen durch das ganze giljakische Gebiet an der Ost- und Westküste der Insel und in dem von mir bereisten Tymy-Thale im Innern derselben und zweifle nicht, dass er mit dem Rennthier längs den Gebirgen des Innern bis an die Südspitze der Insel hinabsteigt. Auf den Japanischen Inseln aber nennt ihn Temminck nicht mehr; er müsste demnach hier an seiner Aequatorialgränze stehen. — Auf dem Con- tinente, längs der Küste gegangen, kommt er im gesammten, in den Bereich meiner Reisen fallenden Theile, an der Südküste des Ochotskischen Meeres, im Amur-Limane und an der Küste des Tartarischen Meeres vor, wo ich in der Bai Hadshi, im 49° n. Br., ein schönes, dunkles Exemplar des Thieres gesehen habe. Dort ist der Charakter des Landes noch ein recht nordischer, die Nadelholzwaldung erstreckt sich vom Gebirge bis an die Meeresküste und das Rennthier ist noch sehr verbreitet. Dort steht daher auch der Vielfrass noch nicht an seiner Aequatorialgränze, welche wohl erst eine geraume Strecke südlicher gesucht werden dürfte. — Am Amur-Strome selbst, vom Limane aufwärts gegangen, ist der Vielfrass zwar noch auf einer geraumen Strecke einheimisch, nimmt aber an Häufigkeit rasch ab und wird in dem Maasse, als die Ufer des Stromes ihre felsig-gebirgige Beschaffenheit und nordi- sche Nadelholzwaldung verlieren, um ein ebenes, prairieartiges Ansehen mit südlicherem Ve- I) Middendorff Sibirische Reise Bd. II. Th. 2. pag. 4. 2) Skandinavisk Fauna. 1? del. p. 132. Schrenck Amur-Reise Bd. I. [MM 26 Säugethiere. getationscharakter zu gewinnen — eine Veränderung, die das Rennthier in das höhere Gebirge landeinwärts bannt, am Strome aber es durch südlichere Formen, Elennthier, Reh, Edelhirsch, ersetzt — in demselben Maasse wird auch der Vielfrass von der unmittelbaren Stromland- schaft nach den felsigen, nordisch bewaldeten Gebirgsrücken im Innern des Landes ver- drängt. Bis etwa an den Gorin, wo noch Nadelholzwaldung, mehr und mehr schwindend, die hohen, meist gebirgigen Ufer des Amur-Stromes säumt, ist auch der Vielfrass in der un- mittelbaren Stromlandschaft ein einheimisches, wenngleich nur seltenes Thier. Oberhalb der Gorin-Mündung aber ändert sich rasch der Charakter der Amur-Ufer und der Vielfrass bleibt nunmehr bloss auf die höheren, landeinwärts vom Strome gelegenen Gebirge angewie- sen. An der Chongar-Mündung ist er daher nicht mehr vorhanden, bewohnt aber wohl das höhere Gebirge aufwärts am Chongar-Flusse, von wo auch die beiden oben erwähnten Exem- plare des Thieres rühren. Dasselbe findet bei Sargu statt. Noch weiter südwärts bewohnt der Vielfrass den höchsten Theil des Geong-Gebirges. Und dort ist es auch, wo er, zugleich mit dem Rennthier, an seiner Aequatorialgränze steht: denn nach Süden vom Geong-Gebirge soll es, nach Aussage der Eingeborenen, auch im höchsten Gebirge weder Vielfrasse noch Rennthiere geben. Wie das Geong-Gebirge am rechten, so bildet am linken Ufer des Stro- mes das mehr landeinwärts gelegene wildreiche Wanda-Gebirge die Aequatorialgränze der Verbreitung von Vielfrass und Rennthier. Wir sehen daher den südlichsten Theil des Amur- Stromes, in welchem die Mündungen seiner grössten rechten Zuflüsse, des Ussuri und Sun- garı (wenn man diesen riesigen Strom, wıe es bisher üblich war, auch als einen Zufluss und nicht als den Hauptquellarm des Amur-Stromes ansehen will”) aus dem Verbreitungsgebiete des Vielfrasses ausgeschlossen bleiben. Im Bureja-Gebirge aber, das einen Zweig des Sta- nowoj-Gebirges bildet, rückt wahrscheinlich der Vielfrass wieder weiter nach Süden und vielleicht bis an den Strom vor, worüber wir jedoch keine bestimmten Nachrichten haben. Oberhalb des Bureja-Gebirges breitet sich am Amur-Strome ein weites und schönes Prairie- Land aus in welchem weder Rennthier noch Vielfrass vorkommen können. Es ist daher anzu- nehmen, dass die Biraren, die am Njuman (Bureja) abwärts bis zum Sachali (oberen Amur) und an diesem letzteren Strome nomadisiren und denen der Vielfrass bekannt ist, ihn aus den Ge- birgen am oberen Laufe des Njuman kennen. Dasselbe dürfte auch von den Monjagern der Dseja gelten. Letztere müssen jedoch auch am Sachali-Strome mit dem Vielfrass in Berüh- rung kommen, da er an dem oberen Theile dieses Stromes, wo der Charakter der Landschaft wieder ein nordischer wird und die Ufer gebirgig, steil felsig oder mit Nadelholz bedeckt sind — was ungefähr mit der Mündung des Komar-Flusses eintritt — zugleich mit dem Rennthier sich wieder einfindet und auch den Orotschonen bekannt ist. Hier könnte er auch wieder auf das rechte Ufer des Amur-Stromes hinübertreten und im Gebirge vielleicht bis an die Quellen der linken Sungari-Zuflüsse sich ausbreiten, woher ihn wahrscheinlicherweise !) Ueber das Verhältniss dieser Ströme zu einander habe ich mich bereits in meinem letzten brieflichen Reise- Berichte an die Akademie s. Bull. de la Cl, phys.-math. de l’Acad. T. XV. p. 244 und Melanges russes T. III. p. 349 ausgesprochen. Gulo borealis. Mustela zibellina. 27 auch die Dauren kennen mögen. Zieht man nun, um das ganze Verbreitungsgebiet des Vielfrasses im Amur-Lande zu überblicken, eine Linie von dem Südende Sachalin’s nach dem Continente zum Geong-, Wanda und Bureja-Gebirge und setzt sie dann zum obe- ren Lauf der Bureja über die Dseja wieder zum Sachali-Strome, in der Gegend der Ko- mar-Mündung fort, so hat man damit die ungefähre, der Wahrheit jedenfalls genäherte Aequatorialgränze der Verbreitung des Vielfrasses im Amur-Lande und zugleich im Osten Asiens bezeichnet. 5) Mustela zibellina L. Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: Iumr. “ou « des Innern und der Ostküste von Sachalin: oghrob und myghr-nga (d. h. braunes Thier). « « Orotschonen der Meeresküste: schaipa. « « Oroken von Sachalin, Mangunen, Samagern (Kile am Gorin) und Golde un- terhalb des Ussuri: s’äfa. « « Kile am Kur: s’ödu. « « Golde oberhalb des Ussuri: s’öba. « « Biraren, Monjagern und Orotschonen: neka. « « Dauren: balgha. « « Mandshu: s’yka « « Aino von Sachalin: goinu. (?) Wie für die nordischen Wildnisse Asiens überhaupt, so hat auch für das Amur-Land der Zobel die Rolle des goldenen Vliesses gespielt, welches zur ersten Entdeckung und Erobe- rung des Landes führte. Denn die Bereicherung mit diesem geschätzten Pelzwerk hat ohne Zweifel auch jenen ersten kühnen Freibeutern, die vor mehr als zwei Jahrhunderten das Amur-Land zuerst betraten und in blutigen Kämpfen mit den Eingeborenen und mit der chi- nesischen Macht bis an die Mündung des Stromes sich Bahn brachen, als ein nicht geringer Lohn ihrer Mühen und Gefahren vorgeschwebt. Wir erfahren, dass sie während mehrerer Jahre aus dem Amur-Lande einen reichen Tribut an Zobeln, den sie von den Eingeborenen erhoben, nach Jakutsk und Moskau einsandten. Namentlich soll zuerst Pojarkov, der im Jahre 1644 in der Nähe der Amur-Mündung überwinterte, von den Giljaken 12 Zimmer Zobel und 16 Zobelpelze als Tribut mitgebracht") und später Stepanof und Puschtschin eine Tributskasse von 120 Zimmern Zobel eingesandt haben”). Zwar konnte dieser Tribut, welcher noch im Jahre 1672 für die Stadt Albasin aus beinahe 4 Zimmern Zobel bestand°), ) Müller, Samml. Russ. Gesch. St. Pet. 1736. II. p. 303. Fischer, Sibirische Geschichte St. Pet. 1768. II. P. 789. 2, Müller, 1. c. p. 355. Fischer, |. c. p. 849. €) Müller, l. c. p. 372. 28 Säugethiere. wegen der fortwährenden Kriege mit den Chinesen kein regelmässiger sein und hörte mit dem Rückzuge der Russen vom Amur-Strome (nach dem Traktat von 1689) ganz auf; allein durch russische und chinesische Jäger und Händler mussten stets wieder Zobel aus dem Amur-Lande nach Sibirien kommen. Daher konnten Müller ) und Pallas?) vom Vorkom- men des Zobels im Amur-Lande und auf der Insel Sachalin sichere Kunde haben, ob sie gleich von der Beschaffenheit desselben in diesem Lande nichts Genaueres anzugeben vermö- gen. Ich habe den Zobel im gesammten von mir bereisten Theile der Mandshurei getroflen und durch eingesammelte Nachrichten von seinem Vorkommen auch über das bereiste Gebiet hinaus erfahren. Ueberall spielt er wegen seines vonMandshu, Chinesen, Japanesen und Russen hochgeschätzten Pelzwerkes bei den Eingeborenen eine grosse Rolle: er ist das wich- tigste ihrer jagdbaren Pelzthiere, die Einheit in der relativen Werthschätzung aller Pelzwerke, die gangbarste Münze im Tauschhandel jener Völker — kurz ein unentbehrlicher Faktor ihres Wohlstandes. Bei dieser hohen Bedeutung des Zobels für die Haushaltung und sogar für die Schicksale der Amur-Völker behalte ich es mir vor, von allen Beziehungen, in denen er zum Leben jener Völker steht, von der Art und Weise des Zobelfanges bei den Amur-Völkern, von seiner Bedeutung im Handel, von den auf ihn bezüglichen abergläubischen Ansichten bei den Eingeborenen u. dgl. m., in einem späteren, der Ethnographie des Amur-Landes gewid- meten Theile meiner Reisebeschreibung zu handeln. Hier dagegen schicke ich nur das rein Zoologische, die Erscheinung und Verbreitung des Zobels im Amur-Lande Betreflende voraus. Da, wie bereits erwähnt, der Zobel im gesammten von mir bereisten Theile der Mand- shurei vorkommt, so habe ich in Beziehung auf die räumliche Ausdehnung seines Verbrei- tungsgebietes nur die Gränzen anzugeben, bis zu welchen meine Erfahrungen und Nachrich- ten über den Zobel im Amur-Lande reichen. Dass sie die Quellarme des Amur-Stromes, Schilka und Argunj, und die dem nordöstlichen Sibirien, dem eigentlichen Zobellande, nä- her gelegenen linken Zuflüsse des Amur-Stromes wie den ganzen Strom selbst bis zu dessen Mündung umfassen und in das Verbreitungsgebiet des Zobels ziehen, verdient kaum einer be- sonderen Erwähnung. Was aber die rechten Zuflüsse des Amur-Stromes betrifft, dürfte es wünschenswerth sein bestimmtere Angaben über die Verbreitung des Zobels zu haben. - Vom Vorkommen des Zobels am Komar-Flusse und bis an das rechte Ufer des Argunj ist uns durch die häufig dorthin stattfindenden Jagdstreifzüge der Kosaken vom Argunj bekannt. Den eifrigen Nachstellungen derselben ist es auch zuzuschreiben, dass der Zobel dort und über- haupt am oberen Amur an Zahl bereits sehr abgenommen hat, so dass die Jäger sich genö- thigt sehen gegenwärtig ihr Hauptaugenmerk nicht mehr auf den Zobel, sondern auf das Eichhörnchen zu richten, das mit der Abnahme seines Hauptfeindes, des Zobels, sehr zuge- nommen hat und jetzt den Hauptertrag ihrer Jagden bildet, welche sie daher auch schlechtweg mit dem Namen «Eichhörnchen-Jagden» (bjelkowjo) belegen. Ohne Zweifel geht hier der Zobel auch an die linken Zuflüsse des Sungari über, doch fehlen uns vom Sungari bisher !) Samml. Russ. Gesch. Bd. III. p. 509. 2) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 84. Mustela zibellina. 29 alle Nachrichten. Der Ussuri aber ist in seinem gesammten und vorzüglich oberen, gebirgs- und waldreichen Laufe mit Zobeln versehen und wird auch von den Chinesen als Tributsland für Zobel regelmässig besucht. Ich selbst traf dort mit einem chinesischen Beamten zusam- men, der, mit Pelzwerken verschiedener Art und vorzüglich mit Zobeln reich beladen, von einer solchen, mit dem Zwecke der Tributerhebung unternommenen Reise zurückkehrte. Hier dürfte daher der Zobel noch südwärts vom 44° nördl. Br. vorkommen und wahrschein- lich setzt erst das Verschwinden aller Nadelholzwaldung auch im Gebirge seiner Verbreitung nach Süden eine Gränze. Denn Waldung und namentlich Nadelholzwaldung scheint ein noth- wendiges Element für die Verbreitung des Zobels zu sein. Gegen die Mündung des Ussuri, wo diese verschwindet und die Ufer eben und prairieartig werden, findet sich daher der Zo- bel nur in den angränzenden Gebirgen. Dasselbe ist auch am Amur in seinem Laufe durch die Prairie der Fall, und hat daher die chinesische Regierung stets die nördlich vom Amur gelegenen, waldbedeckten Gebirge, als reiches Zobelland, für sich zu wahren gesucht. ') Un- terhalb des Ussuri, wo der Amur-Strom sich nach Norden wendet und bis an seine Mün- dung ein gebirgiges und waldreiches Terrain durchströmt, nähert sich der Zobel mit der Na- delholzwaldung mehr und mehr den unmittelbaren Ufern des Stromes, welche er etwa an der Mündung des Gorin-Flusses erreicht. Und von hier an abwärts ist er am Amur-Strome selbst und seinen beiderseitigen Zuflüssen wie an der Meeresküste, welche ich in der Bai Hadshi, in 49° n. Br., noch mit vorherrschendem Nadelholze bewachsen fand, überall und in einer bisher noch sehr grossen Zahl zu finden. Schon jene ersten raublustigen Entdecker des Amur-Landes lobten daher diesen Theil des Amur-Stromes und namentlich das Gebiet der Giljaken als die einzige Gegend, wo, wegen der Menge von Zobeln, noch ein reichlicher Tri- but erhoben werden könne’). Während der beiden Jahre meines Aufenthaltes im Amur-Lande, von 1854—56, flossen den Handelsleuten aus Irkutsk und von der Russ.-Amerik. Compagnie vom unteren Amur-Strome viele Tausende von Zobelfellen zu. Vom Continente aus hat sich der Zobel auch über die anliegenden Inseln verbreitet. Von seinem Vorkommen auf den Schantarischen Inseln wissen wir schon durch die Reisen der russischen Kosaken (Semjon Anabara u. a. m.) im Anfange des vorigen Jahrhunderts®). Auf der Insel Sachalin kommt der Zobel nicht minder häufig, ja vielleicht noch häufiger als auf dem Continente vor und ist bis an das Südende der Insel verbreitet, wo er im Handel der Japanesen eine wichtige Rolle spielt. Südlich von Sachalin, auf Jesso und den japanischen Kurilen (Kunaschir, Iturup) giebt zwar Pallas, nach russischen Quellen 3 den Zobel an, allein auffallender Weise kennt ihn Temminck für Japan nicht. Man dürfte daher geneigt sein mit dem Südende Sacha- lin’s die Aequatorialgränze des Zobels anzunehmen, wenn nicht Temminck’s eigene Nach- richten über die Fauna Japan’s Grund gäben, den Zobel auch über Sachalin hinaus zu ver- 1) Müller, l. c. II. p. 422. 2) Müller, 1. c. II. p. 355. Fischer, l.c. p. 849. 3) Müller, l. c. III. p. 99 und 108. %) Neue Nordische Beiträge IV. p. 133 —137. “ - 30 Säugetiere. muthen. Ehe ich dieses jedoch wahrscheinlich machen kann, muss ich die äussere Erschei- nung, die verschiedenen Färbungen des Zobels innerhalb seines oben bezeichneten Verbrei- tungsgebietes im Amur-Lande mit einigen Worten besprechen. Bekanntlich gehört der Zobel zu den in ihrer Farbe am meisten variirenden Thieren und bietet eine Reihe von Schattirungen von einer beinahe schwarzen bis zu einer hellbraunen, röthlichen uud gelblichen Färbung dar — Verschiedenheiten, die bei Beurtheilung der Güte des Felles im Handel hauptsächlich in Betracht kommen und die man daher frühzeitig in ihrem Zusammenhange mit verschiedenen Theilen des weiten Verbreitungsgebietes des Zobels kennen gelernt hat. Müller') und Pallas’) und in späterer Zeit Galächowskij”) theilen uns eine ganze Reihe von Abstufungen von den besten (dunkelsten) bis zu den schlechtesten (hellsten) Zobelfellen mit, wie sie die Erfahrung der hauptsächlich längs den Strömen Sibirien’s fortschreitenden Jagd allmälig herausgestellt hat, und Pallas bemerkt sogar, ohne den zahl- reichen Farbenschattirungen, die jedenfalls auch innerhalb eines umschriebenen Gebietes noch immer stattfinden, Rechnung zu tragen, dass ein geübter Zobelkenner beim ersten Anblick eines Felles die Gegend Sibiriens oder den Fluss wird bezeichnen können, von welchem das Thier herrühre. Sehen wir nun, wie sich der Zobel des Amur-Stromes und der angränzen- den Theile der Mandshurei in dieser Beziehung verhält und welche Stelle er in jener Reihe von Abstufungen einnehmen dürfte. Als allgemeine Regel für das Amur-Land darf man aus- sprechen, dass der Zobel je weiter nach Ost und Süd, und also je weiter von dem Innern des Continents nach der Meeresküste und von den nordischen Wildnissen Sibirien’s nach den ge- mässigteren Gegenden des chinesischen Reiches, desto mehr an Güte abnimmt, indem das Haar desselben nach diesen Richtungen an Schwärze und Dichtigkeit verliert. Der Zobel des oberen Amur-(oder Sachali-)Stromes schliesst sich an die seiner oberen Quellarme, des Schilka und Argunj, an und dürfte daher den sehr geschätzten Nertschinskischen Zobeln nur wenig nachstehen. Auch heben jene alten Eroberer des Amur-Landes, welche bekannt- lich aus den besten Zobelgegenden, von der Olekma und dem Aldan, an den Amur-Strom kamen, die schönen Zobel der Umgegend von Albasin und überhaupt des oberen Amur-Lau- fes zu wiederholten Malen hervor‘). Weiter abwärts am Amur bis an den Ussuri und am Us- suri selbst wird der Zobel heller und schlechter. Dieser Zobel dürfte sich daher vielleicht nur dem Jenisseischen Zobel an die Seite stellen. Aber vom Ussuri abwärts, wo der Amur-Strom sich nach Nord wendet und die hohen Ufer desselben sich mehr und mehr mit Nadelholz be- walden, wird der Zobel wiederum besser. Und hier stehen namentlich die Zobel der westli- chen, linken Zuflüsse des Amur-Stromes, des Gorin und Amgunj, bei den Eingeborenen wie bei den russischen und chinesischen Handelsleuten in höherem Rufe als die Zobel des 1) Samml. Russ. Gesch. Bd. Il. p. 504 fl. 2) Spicilegia Zoologica Fasc. XIV. p. 64 fl. 3) Baer, Uebersicht des Jagd-Erwerbes in Sibirien, besonders im östlichen. Baer und Helmersen, Beiträge zur Kenntn. des Russ. Reichs. Bd. VII. p. 128 ff. 4) Müller l.c. II. p. 311 u. 352. I. p. 317. Letzteres nach Nic. Witsen’s Noord en Oost Tartarye. Amsterd. 1671. Mustela zibellina. 31 Amur-Thales selbst. Die Eingeborenen, Mangunen und Giljaken, unterscheiden nach der Güte des Felles den Zobel des linken und den Zobel des rechten Amur-Ufers (Giljakisch: pyrchjerch-Iumr und djulachjerch-Iumr, Mangunisch: pyrchi-s’äfa und djulachi-s’äfa) und geben dem ersteren den Vorzug. Vergleicht man den Zobel dieses unteren Amur-Landes mit dem Sibirischen, so dürfte er den ihm am nächsten gelegenen Udschen Zobeln, zu denen Galä- chowskij ' die Amur-Zobel überhaupt zu bringen scheint, allerdings am nächsten stehen, ihnen jedoch an Schwärze nachgeben. Ich finde ihn dunkler als den Zobel des Wilui und der unteren Tunguska; auch scheint er mir im Tone der Färbung ein wenig schwärzer, wenngleich weniger dichthaarig uud vielleicht auch kleiner als der Kamtschatkische Zobel zu sein, dem er sonst sehr an die Seite zu stellen ist. Ein Exemplar, das wir in einer Falle beim Nikolajewschen Posten fingen, steht in Hinsicht auf Färbung und Zeichnung dem von Hrn. Akad. Brandt beschriebenen y; von der Insel Tolbatschansk, bei Kamtschatka, rüh- renden Wald- und Tundra-Zobel am nächsten. Doch finden sich am unteren Amur auch häufig sehr helle, gelblich-braune Zobel. Im Amur-Limane und an der Meeresküste, der Ochotskischen wie Tartarischen, ist der Zobel merklich heller als am Amur; die Zobel der Bai Hadshi stehen denjenigen des unteren Amur-Stromes entschieden nach. Noch schlechter endlich wird der Zobel auf der Insel Sachalin. Hier kommt er meist von so hei- ler Farbe vor, dass man auf den ersten Blick, wenn man der starken Variabilität des Zobels nicht eingedenk ist, kaum mit dem asiatischen Zobel zu thun zu haben glaubt. Ein Exemplar dieser auf Sachalin vorherrschenden, hellen Zobelvarietät, das ich vom Dorfe Poghobi, an der Westküste der Insel, mitgebracht habe und das ich jetzt sowohl mit den nordasiatischen, wie mit einigen nordamerikanischen Zobeln unseres Museums (von Norton-Sound und einer anderen, südlicheren Gegend) und den dazu gelieferten genauen Beschreibungen des Hrn. Akad. Brandt’s zu vergleichen Gelegenheit habe, lässt mich im Zobel Sachalin’s eine interessante Mittelform erkennen. Offenbar zeigt er die grösste Aehnlichkeit mit dem amerikanischen Zobel, und na- mentlich sind Farbe und Zeichnung des Kopfes, des Nackens und der Brust an beiden so übereinstimmend, dass ich den Sachalinischen Zobel nicht besser beschreiben kann, als in- dem ich die Beschreibung des Hrn. Akad. Brandt’s für den amerikanischen Zobel?) fast wört- lich ausschreibe. Am Sachalinischen Zobel ist der Kopf sehr hell, schwach bräunlichweiss, oben auf dem Schnauzenrücken und unten an der Kehle stärker braun gestichelt; die Ohren vorn weiss, oben breit weiss gesäumt, hinten hellgraubraun, von der Kopffarbe abgesetzt. Der Nacken ist schmutzig gelblich-bräunlichweiss, in der Mitte mehr gelblichbraun gesti- chelt. Die Kehle und Mitte des Unterhalses ist wie bei dem von Hrn. Akad. Brandt zuerst erwähnten Exemplare: gelblich, nach der Seite mehr bräunlich-weiss, wobei die weissliche, I) Baer. c. p. 220. ?) Brandt, Selbstständige Mittheilungen über den äusseren Bau des Zobels (M. Zibellina, Var. asiatica und americana) im Vergleich zu dem des Baum- und Steinmarders. Memoires de l’Acad. des sciences de St. Petersb. T. VI. Beiträge zur näheren Kenntniss der Säugethiere Russlands. St. Petersb. 1855. p. 13. 3) Brandt, l. c. p. 17 fl. 33 Säugethrere. mit Hellbraun gewässerte Färbung in der Mittellinie bis an die Beine sich fortsetzt, wo ein unregelmässiger, quer liegender weisser Fleck zwischen und etwas vor den Vorderbeinen sich befindet — eine Zufälligkeit, die auch an einem der mir vorliegenden amerikanischen Exemplare sich findet. Nicht ganz so übereinstimmend ist der Rumpf. Das Wollhaar des Rumpfes ist hellgrau oder bräunlichgrau, an den Spitzen gelblich. Die Farbe des Rumpfes ist etwas ver- schieden von der des amerikanischen Zobels, gelblich braun, auf dem Rücken dunkler, beinahe einen unregelmässigen, dunkleren Rückenstreifen bildend, an den Seiten und am Bauche heller, schmutzig gelblich- oder graubraun; am Bauche steigt ein schwacher, heller, gelblichbrauner, mit den Seiten gleichfarbiger Streifen, gleichsam als Fortsetzung vom weisslichen Halsstreifen, längs der Mittellinie herab, zwischen zwei ıhn einfassenden, dunkleren, aber verwaschenen braunen Streifen, welche an den Vorderbeinen beginnen, längs dem Bauche einander genä- hert und parallel verlaufen und dann plötzlich nach den Hinterbeinen auseinander treten. Diese schwachangedeutete Zeichnung findet sich auch an zweien der amerikanischen und an mehreren asiatischen Exemplaren des Continentes deutlich genug ausgesprochen. Die Farbe und Zeichnung der Beine stimmt wieder mit der des amerikanischen Zobels ganz überein: die Beine sind braun, schwärzlicher und dunkler als der Rücken und auf ihrer Vorderseite mit einem scharf markirten, hellbräunlichen, weissgestichelten Fleck versehen. Der Schwanz ist dunkelbraun, von der Farbe der Extremitäten, an der Spitze beinahe schwarz und, wie der ganze übrige Körper und besonders die Schwanzwurzel, mit weissen Stichelhaaren hin und her versehen. Der einzige Unterschied des Sachalinischen Zobels von dem amerikani- schen scheint also bloss darin zu liegen, dass er mehr graubraun, der amerikanische dagegen mehr röthlich-braun ist, was, nach den vielfältigen Farbenschattirungen des Zobels zu urthei- len, gewiss keine specifische Verschiedenheit bilden kann. Der Sachalinische Zobel nähert sich im allgemeinen Tone seiner Farbe mehr dem nordasiatischen; doch sind die von Midden- dorff von der unteren Tunguska mitgebrachten Felle röthlicher und zugleich dunkler als der Sachalinische Zobel. Letzterer bildet daher offenbar eine Mittelform zwischen dem nord- asiatischen und dem nordamerikanischen Zobel, wodurch die Ansicht des Hrn. Akad, Brandt’s, dass der amerikanische Zobel als Varietät mit dem asiatischen in eine Art zu vereinigen sei, eine weitere Bestätigung erhält. Ich kann nun nicht umhin hier die Vermuthung auszusprechen, dass auch Mustela brachyura Temm., von welcher Temminck nach verstümmelten Fellen, an denen der Kopftheil fehlte, eine oberflächliche Beschreibung entworfen hat, vielleicht nichts anderes als diese helle Varietät des Zobels sein dürfte, wie sie auf Sachalin vorkommt. So weit Temminck’s Beschreibung reicht, lässt sich nämlich kein anderer Unterschied zwischen diesen Formen wahrnehmen, als nur etwa der kürzere Schwanz von M. brachyura; allein dieser Unterschied beträgt in absolutem Maasse nicht einmal einen Zoll und erscheint nur im Vergleich zur Länge des respectiven Felles von M. brachyura bedeutender, wobei aber nicht zu vergessen ist, dass die Maasse an einem im Handel erhaltenen Felle genommen sind, welches I) Fauna Japonica. Mammalia Dec. 2. p. 33 und 34. Mustela zibellina. 33 bedeutend ausgereckt sein konnte. Wer die von den Eingeborenen im Amur-Lande und auf der Insel Sachalin in den Handel gebrachten, durchweg lang gereckten Felle von Zobeln, Öttern u. dgl. m. gesehen hat, sieht sich genöthigt auf die Maasse solcher Felle nicht viel zu geben, zumal wenn sie als diagnostisches Moment zur Unterscheidung zweier Arten dienen sollen. Wie nach dieser mangelhaften Unterscheidung, so haben wir auch ferner nach den von Temminck angegebenen Fundorten der M. brachyura Grund sie für identisch mit unse- rem Sachalinischen Zobel zu vermuthen. Die Felle, welche Temminck’s Beschreibung von M.brachyura vorlagen, hatte Siebold von der Insel Jesso erhalten. M. brachyura soll ausser- dem auf den Japanischen Kurilen und überhaupt nur in den nördlichsten Provinzen des Ja- panischen Reiches vorkommen, wo die Felle für den Handel bereitet und von wo sie in die verschiedenen Theile des Reiches gebracht werden. Dürfte nun in dieser allgemeinen An- gabe der «nördlichen Provinzen des Japanischen Reiches» die den Japanesen unterworfene und tributpflichtige Südküste der Insel Sachalin schon unter den Fundorten für M. bra- chyura mit einbegriflfen sein, so möchte ich noch, ohne das Vorkommen von M. brachyura auf Jesso streitig machen zu wollen, hervorheben, dass bei der gewöhnlichen Unsicherheit von Fundortangaben für Felle, die man im Handel erhält, auch die von Jesso an Siebold ge- langten Felle sehr wohl ebenfalls von Sachalin herrühren konnten. Denn die minder be- wohnte, waldige und gebirgige Insel Sachalin ist gewiss der an Pelzwerken reichste und er- giebigste Theil des Japanischen Reiches, die Fundgrube der von Norden in den Japanischen Handel kommenden Felle. Auch stehen die Japanesen mit der Südküste von Sachalin, von Jesso aus, in directem und regelmässigem Verkehre und haben auf Sachalin ihre Ansiede- lungen und Handelsplätze, die sie unter anderen Gründen auch deshalb besuchen, um von den ihnen unterworfenen Aino Pelzwerke durch Tributerhebung und Kauf einzusammeln und in den eigenen Handel zu bringen. Nun weiss ich von Giljaken, welche den Haupthandelsplatz der Japanesen auf Sachalin, Siranussi auf der südwestlichen Spitze der Insel, zu wieder- holten Malen besucht haben, dass die im Japanischen Handel allein vorkommenden Pelzwerke (die die Japanesen verkaufen) Zobel, Füchse und Ottern sind. Ohne Zweifel müssen also Zobel- felle von Sachalin auch in den Handel nach Japan kommen. Auffallend ist es daher, dass Siebold des Zobels für Japan gar nicht erwähnt und im Handel nur die ihm ähnliche M. brachyura als aus dem Norden kommend kennt, während dagegen meines Wissens auf Sa- chalin, von wo, als der nördlichsten Japanischen Provinz, die M. brachyura ebenfalls kom- men soll, keine solche und nur der Zobel vorkommt und im Handel der Japanesen eine Rolle spielt. Diese Widersprüche lösen sich aber auf, wenn man Temminck’s M. brachyura mit dem Sachalinischen Zobel für identisch annimmt, wozu uns, wie wir oben erwähnten, auch Temminck’s Beschreibung der M. brachyura zu berechtigen scheint. Es darf uns auch nicht auflallen, dass Temminck, geneigt in der Thierwelt Japan’s besondere, eigenthümliche Arten zu sehen, in einem Thiere, das so verschieden von der typischen dunklen Form des asiatischen Zobels wie der helle Sachalinische Zobel ist, der sich dem amerikanischen beinahe mehr als dem asiatischen nähert und von dem Temminck nur verstümmelte Felle, ohne Kopftheil, Schrenck Amur-Reise Bd. I. 5 34 Sängethiere. kannte, dass er in diesem eher eine besondere, dem Zobel nahe stehende Mustelen-Art als eine Varietät des Zobels selbst annahm. Ist aber Temminck’s M. brachyura mit dem Sa- chalinischen Zobel identisch, so müssen wir das Verbreitungsgebiet des Zobels über Jesso und die Japanischen Kurilen erweitern, während er in den südlicheren Provinzen Japan’s nach Temminck nicht vorkommt. Und mit diesem Resultate stimmen denn auch die oben er- wähnten, von Pallas mitgetheilten Angaben der alten russischen Seefahrer, dass es auf Jesso und den Japanischen Kurilen (Kunaschir, Iturup) Zobel gebe, völlig überein. Hier dürfte also gegenwärtig die Aequatorialgränze des Zobels liegen. Ob sie in früheren Zeiten noch südlicher auf den Japanischen Inseln gelegen haben mag und später durch starke Zunahme der Bevölkerung, durch Lichtung der Wälder und häufige Nachstellungen des Thieres nach Norden zurückgedrängt worden sei, darüber fehlen uns alle Nachrichten. Die oben beschriebene, helle Färbung des Sachalinischen Zobels nöthigt uns ihn in Beziehung auf die Güte des Felles in eine Reihe mit den westsibirischen Zobeln zu stellen. So lernen wir im Amur-Lande in Beziehung auf die Schwärze und damit auch die Güte der Zobelfelle eine ähnliche Abnahme von West nach Ost kennen, wie sie in Sibirien in umge- kehrter Richtung von Ost nach West stattfindet. Der Ausspruch Müller’s ') und Pallas’s?), dass der (asiatische) Zobel je weiter nach Ost desto besser werde, hat daher nur für die eine Hälfte des Verbreitungsgebietes des Zobels seine Richtigkeit. Dass hierin noch innerhalb Si- birien’s ein Wendepunkt eintritt, geht auch schon aus den Angaben beider Schriftsteller über die Heimath der besten Zobel hervor: denn sind ihre Angaben darüber auch nicht ganz gleich- lautend, so stimmen doch beide darın überein, dass die Kamtschatkischen Zobel heller als die Ostsibirischen seien, ja Pallas lässt sogar den Zobel vom Witim an nach Ost an Güte abnehmen °), während Müller, auf die Zobel vom Flusse Uth (oder Uda) gestützt, sich dahin zu neigen scheint, die Küste des Ochotskischen Meeres für die Heimath der besten Zobel zu halten. Solche Meinungsverschiedenheiten finden in der schon erwähnten Variabilität des Zobels auch innerhalb eines umschriebeneren Gebietes, zumal wenn die Kenntniss einer Ge- gend noch gering ist, leicht ihre Erklärung. Pallas hatte jedenfalls eine spätere und grössere Erfahrung für sich. Dennoch geht daraus hervor, dass die Abnahme der Zobel an Schwärze nach Ost, vom Innern des Continentes nach der Meeresküste, in jenen höheren Breiten des Ochotskischen Meeres langsamer vor sich gehe als am Amur-Strome, was zugleich auch eine Abnahme der Schwärze nach Süden bekundet. Der Ansicht Pallas’s nähern sich die neueren, auf reiches Material gestützten Mittheilungen Galächowskij's‘), und mit diesen stimmt auch überein, was ich auf meiner Durchreise durch Sibirien über diesen Gegenstand habe erfahren können. Demnach sind die besten, schwärzesten Zobel diejenigen von der Olekma und von dort findet eine Abnahme der Schwärze nach West über den Witim und !) Samml. Russ. Gesch. III. p. 504 und 509. 2) Spic. Zool. XIV. p. 65. 3) ]. c. p. 66. 4) Baer, 1. c. p. 218 fl. Mustela zibellina. 35 nach Ost über den Aldan wie auch nach Nord und Süd statt. Mit dieser Erscheinung stehen denn auch unsere Beobachtungen im Amur-Lande völlig im Einklange und schliessen sich an dieselben ergänzend und erweiternd an. Wir sehen daher die Linien wachsender, schönerer und kräftigerer Entwickelung des Zobels gleich Radien nach einem Mittelpunkte, der Gegend an der Olekma, zusammenlaufen. Dort, im Innern Ostasiens, müssen wir daher auch die ursprüngliche Heimath, den Mittel- und Ausgangspunkt der Verbreitung des Zobels annehmen. Wir sehen diesen Punkt innerhalb des Sibirischen Continentes, in einem ausgesprochen conti- nentalen Klıma, mit den excessivsten Winterfrösten, in der Nähe der Kälte-Pole und dabei in einer gebirgigen und mit hoher nordischer Nadelholzwaldung bedeckten Gegend liegen. In der Vereinigung dieser verschiedenen Momente müssen wir daher auch die der Entwicke- lung des Zobels günstigsten Bedingungen erblicken und in deren theilweiser, allmähliger, grösserer oder geringerer Abnahme von jenem Punkte aus den Grund seines allmähligen Ver- kümmerns und die Erklärung der Gränzen seiner Verbreitung suchen. Pallas giebt an, in- dem er diese Momente zergliedert, dass namentlich die-Schwärze des Felles von der Art der Waldung abhängt, weiche der Zobei bewohnt: die besten sollen darnach in Tannenwaldungen, weniger dunkle in Pappel- und Weidengehölzen und die hellsten endlich in Lärchen- und Cedernwäldern oder Gestrüppen vorkommen '). Mit diesen Bemerkungen stimmen auch meine Beobachtungen im Amur-Lande überein. Denn, wie schon mehrmals erwähnt, geht der Strom im oberen Laufe, wo der beste Zobel vorkommt, durch eine gebirgige, meist mit Nadelholz bedeckte Gegend; dann folgen Laubwälder und im südlichsten Theile des Stromes die Prairie, und der Zobel wird schlechter oder entfernt sich vom Streme; im unteren Theile des Stromes aber, wo er wiederum besser wird, nehmen, vom Gorin an, Tannenwaldungen mehr und mehr überhand. Der Amur-Liman und die Meeresküste, besonders die des CGontinentes am Ochotskischen Meere und der Insel Sachalin in ihrer nördlichen Hälfte, sind dagegen häufig und die letzteren fast ausschliesslich mit Lärchen bewachsen. Sachalin, wo der schlechteste Zobel vorkommt, ist zugleich das Cedernland des Amur-Stromes: ein dichtes und ausgedehntes Gederngestrüppe breitet sich dort an vielen Orten von der Küste landein- wärts aus. So dürften Abnahme und Veränderung der continentalen, nordischen , sibirischen Waldung jedenfalls die wichtigsten bestimmenden Momente für die Verbreitung und mehr oder minder kräftige und schöne Entwickelung des Zobels sein. Gleichwohl scheint mir, bei Ueberbliekung des ganzen Verbreitungsgebietes des Zobels, welches nach Westen trotz fort- gesetzter Waldung abbricht, dass der Charakter der Waldung nicht als einziges leitendes Moment angesehen werden dürfe, sondern dass das Bestimmende für die Verbreitung und kräftigste Entwickelung des Zobels in der Vereinigung mehrerer Momente gesucht wer- den müsse. 1) Pallas, Spice. Zool. 1. c. p. 65. 36 Säugethrere. 6) Mustela Martes L. Ich würde dieses im Amur-Lande nicht vorkommenden Thieres auch nicht weiter er- wähnen, wenn es hier nicht einige Vermuthungen von Pallas, die direct auf das Amur- Land Bezug haben, zu beantworten gäbe. In den Spicil. Zool.') hebt nämlich Pallas als be- kannt hervor, dass in der Gegend zwischen den Flüssen Amur und Uth (oder Uda) zur Mee- resküste hin und auf den anliegenden Inseln (worunter also die Schantarischen Inseln und vielleicht auch Sachalin verstanden sind) zugleich mit Zobeln auch die besten Marder ge- jangen würden, was ihn vermuthen lasse, dass der Baum- und Steinmarder (Martes et Foyna), ob sie gleich in Sibirien nicht vorkämen, in südlicheren Breiten durch ganz Mittelasien verbreitet seien. Darnach hätten wir also den Marder im Amur-Lande zu suchen. Al- lein später, in der Zoographia Rosso-Asiatica 25 spricht Pallas die Vermuthung aus, dass es, neben den zahlreichen localen und zufälligen Varietäten des Zobels, noch eine besondere, nahe verwandte Mustelen-Art im Innern Asiens gebe, die mit dem Zobel wie mit dem Marder die grösste Aehnlichkeit habe. Auf dieses Thier, heisst es weiter, müsse man, scheint es, auch die Berichte der Jäger beziehen, welche behaupten, dass auf den Inseln an der Mündung des Flusses Uth (oder Uda) in den östlichen Ocean und auf der grossen Insel Sachalin an der Mündung des Amur-Stromes zugleich Marder und Zobel gefangen würden. Es scheint also, dass Pallas mit diesem späteren Ausspruche seine erste Behauptung vom Vorkommen des Marders am Amur und auf den anliegenden Inseln, ob er es gleich als bekannte Thatsache hervorgehoben hatte, selbst in Zweifel zog, indem er an Stelle des Marders eine besondere, nahe verwandte Art am Amur und auf Sachalin wie auf den Schantarischen Inseln ver- muthete. Wie dem nun auch sei, glaube ich nach meinen Erfahrungen das Vorkommen des Marders sowohl wie einer anderen besonderen und nahe verwandten Mustelen-Art im Amur- Lande und aufSachalin entschieden verneinen zu dürfen. Denn während meines zweijährigen Aufenthaltes im Amur-Lande habe ich, trotz eigener Jagd und fortgesetzter Nachforschung bei den Eingeborenen, weder selbst einen Marder oder eine ähnliche, noch unbekannte Mustelen-Art gesehen, noch auch jemals bei den Eingeborenen von einer solchen Thierart gehört. Dass sie mir aber dennoch entgangen sein könnte, ist aus mehrfachen Gründen nicht wohl anzunehmen. Denn der Marder oder eine andere marder- oder zobelähnliche Mustelen-Art dürfte in einem Lande, wo der Zobel eine so wichtige Rolle spielt, wie es im Amur-Lande der Fall ist, der Aufmerksamkeit und Kenntniss der Eingeborenen gewiss nicht entzogen bleiben. Nun kennen aber weder die Giljaken, noch die Mangunen oder Golde, bei denen ich häufig Erkundi- gungen über die Thierwelt ihres Landes einzog, neben dem Zobel noch ein anderes, zobel- ähnliches Thier. Mit den Giljaken namentlich stand ich, durch bessere Kenntniss ihrer Sprache, durch bleibenderen Aufenthalt im Nikolajewschen Posten, der innerhalb ihres Ge- bietes liegt, und durch zweimalige Winterreisen nach dem Amur-Limane und der Insel Sa- chalin, in näherem und beständigem Verkehre. Im Winter zumal, der bei den Eingeborenen 1) Fasc. XIV. p. 37. 2) I. p. 84. Nota 1. Mustela Martes. M. sibirica. 37 für die Jagd bestimmten Jahreszeit, hatte ich fast täglich Gelegenheit durch die Giljaken selbst mit den Säugethier-Arten ihres Landes mich bekannt zn machen. Denn ausser den un- vermeidlichen Zobelfellen, die jeder von ihnen zum Kaufe anzubieten hat, trugen sie, mit mei- ner zoologischen Liebhaberei bekannt, mir alle Ergebnisse ihrer Jagd, und wenn es auch nur die werthlosen Felle von Mustela sibirica, vom Hermelin, vom Eichhörnchen u. dgl. m. waren, zu, da sie in mir oft einen Käufer für diese Dinge fanden, in jedem Falle aber einer gastli- chen Aufnahme und eines kleinen Geschenkes für ihre Mittheilungen sicher waren. Ich kann daher nicht wohl annehmen, dass mir die Bekanntschaft mit dem Marder oder einem besonde- ren, zobelähnlichen Thiere im Amur-Lande entgangen sein dürfte. Desgleichen hat auch Middendorff weder auf den Schantarischen Inseln, noch an der Küste des Ochotski- schen Meeres, noch weiter landeinwärts in der nördlichen Mandshurei neben dem Zobel auch den Marder oder eine dritte, nahe verwandte Mustelen-Art gefunden. Was konnte daher Pallas zu der Vermuthung dieser Thierart im Amur-Lande veranlasst haben? Es scheint mir, dass die Veranlassung dazu sehr wohl in dem oben beschriebenen, hellfarbigen Sachalinischen Zobel gesucht werden kann. Denn aus beiden Stellen, in den Spieil. wie in der Zoogr., geht hervor, dass Pallas die Nachrichten vom Marder oder einer nahe verwandten Mustelen-Art nur von der Küstengegend und den Inseln, den Schantarischen und Sachalin, bezogen hatte, und das ist gerade auch die Gegend, wo, wie wir gesehen haben, die hellfarbige Va- rietät des Zobels vorherrscht. Diese helle, gelblichbraune Farbe des Zobels konnte ferner die nach möglichst dunkelfarbigen Zobeln suchenden Jäger leicht zum unwilligen Ausspruche be- wegen, dass diese hellfarbigen Thiere nicht mehr Zobel, sondern nur Marder seien, wie ich 2. B. selbst einen solchen Ausspruch von den russischen Handelsleuten im Nikolajewschen Posten gehört habe. Fügt man endlich noch hinzu, dass in der That die hellfarbige Zobel- varietät Sachalin’s von der typischen Form so verschieden ist, dass sie dem amerikanischen Zobel fast näher als dem asiatischen steht, so muss man zugeben, dass Pallas, der darüber bloss nach Berichten urtheilen konnte, Grund genug hatte in ihr einen Marder oder eine neue, dem Marder wie dem Zobel sehr ähnliche Mustelen-Art zu vermuthen, ähnlich wie sie in neuerer Zeit vielleicht auch Temminck zur Annahme einer besonderen Art, der M. bra- chyura, gedient hat. 7) Mustela sibirica Pall. Bei den Giljaken des Continentes: zongrsk. « « Mangunen und unteren Golde bis zum Ussuri: ischoltsch" und ngwakkole. (Die letztere Bezeichnung ist bisweilen bei den unteren Golde bis zum Geong-Gebirge im Gebrauche). « _« Golde oberhalb des Ussuri: s’olor. « « Kile am Kur: s’ole. « « Biraren und Monjagern: s’oluge. « « Orotschonen: s’olongo. 38 Säugethiere. Von dieser durch Pallas zuerst beschriebenen Mustelen-Art habe ich aus dem Amur- Lande neben mehreren Skeletten fünf Felle mitgebracht. Drei derselben sind Winterfelle und zeigen die bekannte, intensiv gelbe, bald etwas dunklere, bald etwas blassere Farbe und die markirte, abgesetzt braune Zeichnung der Schnauze. Von den beiden anderen Fellen kann ich leider nicht angeben, welchem Monate sie angehören, da sie von den Eingeborenen — das eine an der Küste der Mandshurei, in der Bai Hadshi, das andere in der Umgegend des Nikolajewschen Postens — gekauft worden sind; allein, ihrem Ansehen nach zu urtheilen, müssen es Herbst- oder Frühlingsfelle sein, da sie eine geringe Einmischung von Braun be- sitzen. Da Pallas von der Farbe und Zeichnung des Sommerfelles von M. sibirica nichts mehr sagt, als dass es auf dem Rücken hellgraubräunlich, heller als das Sommerfell des Her- melin’s, unten gelb ist'), und ich auch keine andere Beschreibung des Thieres im Sommer- felle kenne, so will ich die beiden mir vorliegenden Herbst- oder Frühlingsfelle, an denen die Winterfärbung jedenfalls modificirt ist, näher besprechen. Vergleicht man das dunklere derselben, aus der Bai Hadshi, mit dem Winterfelle, so bemerkt man folgende Unterschiede. Während am Winterfelle von M. sibirica nur der Nasenrücken und die Augengegend braun sind und das Braun von der gelben Farbe des übrigen Kopftheiles und ganzen Körpers über- haupt sich scharf absetzt, zieht sich an unserem Exemplare von Hadshi das Braun auf dem Kopfe, nur allmälig und wenig verblassend, bis etwa zur Ohrgegend fort und geht dann un- merklich in die röthlich gelbe Farbe des Rückens über, welche aber ebenfalls einen leichten bräunlichen Anflug behält und mit einzelnen braunen Haaren, zumal längs der Mittellinie, ge- stichelt ist. Auch die Unterseite und die Extremitäten sind dunkler als am Winterfell. Die Schnauzenspitze und das Kinn sind wie am Winterfell weiss. — Das andere Exemplar, aus der Umgegend des Nikolajewschen Postens, steht dem Winterfell sehr nahe. Der Rücken ist kaum merklich dunkler, aber die braune Färbung des Nasenrückens zieht sich, von den Augen an allmälig aber stark verblassend, auf dem Kopfrücken bis zur Ohrgegend fort, wo sie sich in das Gelb des Rückens verliert. Alles Uebrige ist wie am Winterfelle von M. sibi- rica. Aus diesen beiden Exemplaren scheint hervorzugehen, dass die bräunliche Farbe, welche das Thier im Sommer bekommt, von der beständig braun bleibenden Schnauzenspitze aus über den Rücken sich ausbreitet und bei herannahendem Winter in umgekehrter Weise sich wieder verliert. — Auch an unseren Amur-Exemplaren von M. sibirica bestätigt sich die Bemerkung Middendorff’s über die Unwesentlichkeit des zuerst von Wagner”) in der Be- schreibung des Thieres erwähnten weissen Fleckes am Unterhalse. Nur eines unserer Exem- plare besitzt ihn und zwar als länglichen, mehrmals unterbrochenen, vom Weiss des Kinnes gesonderten Fleck; an den anderen Exemplaren sind nur sehr wenige, hie und da einge- streute, weisse Haare am Unterhalse aufzulinden. Mustela sibirica, die nach Pallas°) erst mit dem Altaischen Gebirge und dem Jenissei l) Pallas, Spicil. Zool. Fasc. XIV. p. 87. 2) Die Säugethiere von Schreber, Supplbd. Abth. 2. p. 232. 3) Spicil. Zool. XIV. p. 86. Zoogr. Rosso-Asiat, I. p. 90. Mustela sibirica. 39 nach Osten beginnt, ist auch durch das ganze Amur-Land verbreitet. Alle Eingeborenen am Amur-Strome, von den Orotschonen bis zu den Giljaken, sind mit diesem Thiere, sel es an den unmittelbaren, waldbewachsenen Ufern des Stromes, sei es aus den entlegeneren Gebir- gen des Landes, belkcannt. Eine Bewohnerin nordischer Nadelholzwaldungen, wird M. sibirica, wie der Zobel, wohl erst mit dem Aufhören der Nadelholzwaldung auch in den Gebirgen nach Süd ihre Aequatorialgränze erreichen. Nach Norden, gegen die Mündung des Stromes, nimmt sie mit der Zunahme der Nadelholzwaldung an Häufigkeit zu. In den Gebirgen am Chongar und am Gorin ist sie nicht selten, hat aber bei den Eingeborenen keinen Werth, da ihr Fell von den Chinesen im Handel nicht geschätzt wird. Auch habe ich keine andere Benutzung des Felles gesehen als zu kleinen Teppichen, welche die Chinesen und Mandshu zum Sitzen auf die Bänke der Häuser oder auf den Erdboden im Zelte ausbreiten. Doch spielt auch da- bei das Fell der M. sibirica eine ganz nebensächliche Rolle, da es allein zu den Teppichen nicht hinreicht, sondern, in kleine viereckige Stücke zerschnitten, mit den Beinfellen des Moschus- thieres, welche das meiste Material liefern, schachbrettartig zusammengenäht oder auch nur als Einfassung hinzugefügt wird. Vom Gorin abwärts, wo die Nadelholzwaldung auch an den unmittelbaren Ufern des Stromes mehr und mehr vorzuherrschen beginnt, trifft man M. sibirica überall häufig und im Gebiete der Giljaken, gegen die Amur-Mündung , habe ich im Winter fast in jedem Dorfe Felle derselben zu Gesichte bekommen. Denn ob ihr gleich wegen der Werthlosigkeit des Felles nicht besonders nachgestellt wird, so verfängt sie sich doch häulig in den für den Zobel ausgestellten Fallen. Auch an der noch weit nach Süden mit nordischem Charakter der Waldung versehenen Küste der Mandshurei fand ich sie vom Ochotskischen Meere durch den Amur-Liman bis an die Bai Hadshi, den südlichsten Punkt der Küste, den ich besucht habe, durchweg verbreitet. Und dass sie dort mit dem Nadelwalde noch südlicher geht, unterliegt keinem Zweifel. Allein, trotz ihrer Häufigkeit im Amur-Lande und an der Meeresküste, bleibt M. sibirica doch nur auf den Continent beschränkt, und wie sie im Norden nicht nach der Halbinsel Kamtschatka hinübergeht'), so betritt sie vom Amur-Strome aus auch nicht die nahe gelegene Insel Sachalin. Diese Gränze ihrer Ver- breitung nach Ost im Amur-Lande kann ich mit Bestimmtheit behaupten. Denn auf wieder- holtes Nachfragen nach diesem Thiere erhielt ich an beiden Küsten wie im Innern der Insel stets die bestimmteste Behauptung vom Fehlen desselben zur Antwort. Erwägt man aber wie lästig dieses Thier den Giljaken an der Amur-Mündung und im Limane als zudringlicher Besucher und Vereitler der Zobelfallen ist, so begreift man leicht, dass sein Fehlen für die Giljaken der Insel nicht ohne Bedeutung ist, und muss daher annehmen, dass sie davon wohl unterrichtet sein müssen. Dazu muss das Fehlen der M. sibirica auf der Insel Sachalin dem auf gleiche Nahrung mit ihr angewiesenen Zobel ein um so reicheres und freieres Terrain bieten, und es mag darin mit ein Grund für die grössere Häufigkeit des Zobels auf der Insel liegen. Wie auf Sachalin, so scheint M. sibirica auch auf den Japanischen Inseln zu fehlen, 1) Pallas, Zoogr.l.c. 40 Säugethiere. da Siebold ihrer in der Fauna Japonica nicht erwähnt. So bleibt also M. sibirica wie nach West, so auch nach Ost hinter dem Verbreitungsgebiete des Zobels zurück, bloss auf den Osten Asiens angewiesen, und bei der Beschränkung derselben auf das Festland, mit Aus- schluss der nahe anliegenden Inseln sowohl wie der Halbinsel Kamtschatka, müssen wir in ihr eine ausschliessliche Charakterform des continentalen östlichen Sibirien’s erkennen. 8) RHustela erminea L. Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: {ymr und iymrsch. “ou « des Innern und der Ostküste von Sachalin: tchymr. « « Mangunen und Golde unterhalb des Geong-Gebirges: dshjult. « « Golde oberhalb des Geong-Gebirges: djeli und dshyl. « « Samagern (Kile am Gorin): djuli. « « Kile am Kur: djelakı. « « Orotschonen: krenassj. Middendorff fand das Hermelin auf den Höhen des Stanowoi-Gebirges und auf des- sen südlicher Abdachung'). Von dort nach Süden ist es durch das ganze Amur-Land ver- breitet. Ich habe direete Nachrichten von seinem Vorkommen im Geong-Gebirge, in den Gebirgen am Chongar u. dgl.m. Besonders häufig fand ich es aber an der Mündung des Amur- Stromes und am Ochotskischen Meere, wo ich aus den Dörfern Kuik und Wassj, in der Nähe des Nikolajewschen Postens, und Kullj, an der Meeresküste, Exemplare mitgebracht habe. Sie sind genau wie die europäischen Thiere beschaffen. Bei den Giljaken ist das Hermelin ein beliebtes Thier, weil es den in ihren Häusern in der Regel zahlreichen Ratten nachstellt, und manches giljakische Dorf, das von dieser Plage weniger heimgesucht wird, wie Puir am Amur-Limane, Hisska am Ochotskischen Meere, soll diesen Vorzug dem Aufenthalte von zahlreicheren Hermelinen verdanken. Vom Ochotskischen Meere und dem Limane nach Süd ist das Hermelin längs der Küste der Mandshurei durchweg verbreitet; ich habe vom südlichsten von mir berührten Punkte, der Bai Hadshi, ein Exemplar er- halten, das im October bereits den vollständigen Winterpelz angezogen hatte. Nicht minder ist das Hermelin auf der Insel Sachalin an der Küste wie im Innern verbreitet, von wo ich aus dem oberen Tymy-Thale ebenfalls ein Exemplar mitgebracht habe. In Japan aber hat Siebold das Hermelin nicht kennen gelernt. Wir müssen daher, nach den bisherigen Erfahrungen, am Südende Sachalin’s die Aequatorialgränze des Hermelines im östlichen Asien annehmen. 9) Mustela vulgaris Briss. Ich habe nur ein Exemplar des gemeinen Wiesels und zwar von den Giljaken des Dorfes Allof in der Umgegend des Nikolajewschen Postens erhalten. Es war ein Sommerfell: !) Sibirische Reise, . c. p. 70. Mustela vulgaris. 41 oben kastanienbraun, unten weiss, etwas gelblich; der Schwanz ist kürzer als die ausgestreck- ten Hinterbeine, mit dem Rücken ganz gleichfarbig, kastanienbraun, ohne Haarpinsel an der Spitze und, wie Pallas namentlich für seine M. Gale bemerkt'), mit einigen weissen Haa- ren an der Spitze versehen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass das mitgebrachte Fell der M. vulgaris und nicht einem jungen, an der Schwanzspitze beschädigten Hermeline angehört hat. Bemerkenswerth ist aber, dass an unserem Amur-Exemplare die Unterseite nicht rein weiss, sondern gelblichweiss ist, was nach Erfahrungen an den europäischen und asiatischen Thieren bis- her bloss dem Hermeline zugeschrieben wurde. So von Erxleben’), Pallas?), Desmarest‘), Fischer’), Wagner‘), Nilsson’) u. a. m., ja Bell‘), Keyserling und Blasius’) u. a. heben sogar als eines der unterscheidenden Momente zwischen M. erminea und M. vulgaris hervor, dass beim Hermelin die Unterseite schmutzig- oder gelblichweiss, beim Wiesel rein weiss ist. Am gemeinen Wiesel Nordamerika’s dagegen, welches von Einigen zur selben Art M. vulgaris gezogen, von Anderen als besondere Art, M. pusilla De Kay, betrachtet wird, wird die Unterseite bald weiss"), bald weiss oder gelblich"), bald schlechtweg gelblich '”) be- schrieben. Richardson namentlich, der das amerikanische Wiesel mit dem europäischen für identisch hält, giebt am genauesten an, dass am Sommerfelle desselben die Unterseite gelblich- weiss ist, mit Ausnahme des Unterkiefers und eines Theiles des Oberkiefers, welche rein weiss sind. Genau so ist es auch an unserem Amur-Exemplare, und nähert sich dieses daher am meisten der amerikanischen Form. Wir achten aber diesen Umstand nicht für hin- reichend, um unser Amur-Wiesel, oder auch das amerikanische Wiesel, vom europäischen speeifisch zu trennen, sondern halten uns darnach bloss für berechtigt die bisherigen Beschrei- bungen von M. vulgaris dahin zu erweitern, dass die Unterseite derselben, eben so wie am Hermelin, bald rein weiss, bald gelblichweiss ist, wobei jedoch zu bemerken ist, dass die er- stere Form auf dem europäisch-asiatischen, die letztere auf dem amerikanischen Continente die vorherrschende zu sein scheint. Das gemeine Wiesel fand Middendorff häufig im Gränzgebirge der Mandshurei”). 1) Zoogr. Rosso-As. I. p. 98. 2) Syst. regni anim. Lipsiae 1777. I. p. 471 u. 473. 3 Zoogr. 1. c. 4) Mammalogie, Paris 1820. p. 179. 5) Synopsis Mammal. Stuttg. 1829. p. 223. 6) Die Säugethiere v. Schreber, Supplbd,. Abth. 2. p. 237. 7) Skandin. Fauna. Lund. 1847. I. p. 162. %) A hist. of Brit. Quadr. London 1837. p. 142. %) Die Wirbelthiere Europa’s. Braunschw. 1840. p. 69. 10) Pennant, Thiergesch. der nördl. Polarländer. Aus dem Englischen von Zimmermann. Leipzig 1787. I. Abthl. 2. p. 77. — Spencer F. Baird, General report upon the Zoology of the sey. Paeif. rail road routes. Washing- ton 1857. p. 159. Il) De Kay, Zool. of New York. Albany 1842. I. p. 34, giebt M. pusilla als unten weiss an, fügt aber zugleich hinzu, dass sie der Sommerfarbung seiner M. noveboracensis gleich sei, und diese ist unten gelblich. 1?) Richardson, Fauna boreali-americana. London 1829. I. p. 45. 13) Sibirische Reise 1. c. p. 70. Schrenck Amur-Reise Bd. I. 6 42 Säugethiere. Im Amur-Lande ist es jedenfalls viel seltener als das Hermelin,, vielleicht wegen der gros- sen Anzahl von Zobeln, welche nach Middendorff’s Vermuthung dem Wiesel gefährlich sein dürften. 10) Lutra vulgaris Erxl. Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: ngy. “ou « des Innern und der Ostküste von Sachalin: pehyik. « « Orotschen der Meeresküste, Mangunen, Samagern, Golde unterhalb des Us- suri: mudu. « « Kile am Kur: mugdshekt. « <« Golde oberhalb des Ussuri: dshuku. « « Biraren und Monjagern: djukt. « « Orotschonen: djukun. « « Dauren: kalo. Die Flussotter ist durch das ganze Amur-Land verbreitet, wenn auch nirgends häulig. Sie ist bei allen Eingeborenen des Amur-Landes ein sehr gesuchtes Thier, weil ihr Pelzwerk von den Mandshu und Chinesen hoch geschätzt wird. Als regelmässiger Handelsartikel im Verkehre der Eingeborenen mit denChinesen und Japanesen spielt sie nächst dem Zobel die wichtigste Rolle, und der Werth, den die Chinesen auf ihr Pelzwerk legen, verleiht diesem auch in den Augen der Eingeborenen ein besonderes Ansehen. Es wird daher bei den Gil- jaken, Mangunen und anderen Stämmen des unteren Amur-Landes gern zur Verbrämung von Weiberpelzen, Pelzmützen, Handschuhen, Ohrenwärmern u. dgl. m. benutzt. Ich werde bei Besprechung der ethnographischen Verhältnisse des Amur-Landes Gelegenheit nehmen. auch von der Bedeutung der Flussotter für die Amur-Bewohner mehr zu sagen. Hier nur das Zoologische. Middendorff') fand die Flussotter besonders häufig in dem Stanowoi-Gebirge und dessen Verzweigungen. Von da nach Süden ist sie durch das reich verzweigte Stromsystem des Amur’s überall verbreitet und kommt am Hauptstrome wie an dessen linken und rech- ten Zuflüssen, am Amgunj, Gorin, Ssedsemi, Kur, an der Bureja und Dseja, am Jai, Chongar, Naichi- oder Dondon-Flusse, Ussuri u. a. m. vor. Am letzteren Strome habe ich sie noch unweit des südlichsten von mir erreichten Ortes, der Mündung des Flusses Noor, gesehen. An der Meeresküste ist die Flussotter ebenfalls allgemein am Ochotskischen wie am Tartarischen Meere verbreitet; ich erhielt Nachrichten von ihrem Vorkommen noch etwas südlicher von der Bai Hadshi. Ohne Zweifel steht sie aber an diesen südlichsten Punkten meiner Erfahrungen über das Amur-Land, an der Meeresküste wie bei Noor am Ussuri, noch nicht an ihrer Aequatorialgränze, sondern kommt auch weiter nach China hinein vor; ja vielleicht dürften die zweifelhaften Arten, die uns aus dem Süden Asien’s 1) Sibirische Reise, 1. c. p. 70. Lutra vulgarıs. L. aterrima. Enhydris marına. 43 namhaft gemacht werden, wie L. chinensis Gray, L. indica Gray, L. Nair Fr.Cuv. ) u.a.m. nur Varietäten derselben weit verbreiteten Art sein. — Nicht minder wie auf dem Gontinente ist die Flussotter auf den anliegenden Inseln weit verbreitet. Ich habe sie an den Küsten wie im Innern der Insel Sachalin kennen gelernt, wo sie bis an das Südende vorkommt und einen wichtigen Artikel im Handel der Japanesen abgiebt. Siebold?) nennt sie uns von den Japanischen Inseln als einen nicht unbedeutenden Handelsartikel mit China. InJapan soll sie, nach Siebold’s Bemerkungen, namentlich in den nördlichen Provinzen und auf den Kurilen von besonderer und höherer Güte des Felles als im südlichen Theile des Reiches sein und die europäischen Felle an Güte übertreffen. Pallas’) hebt die Flussottern von Kamtschatka als die grössten hervor. Somit wären also die Kurilen und Kamtschatka die Heimath der grössten und schönsten Flussottern. Es liegt uns daher nahe dort, wo die zu ihrer Entwicke- lung günstigsten physischen Bedingungen geboten sind, auch den Mittel- und Ausgangspunkt der Verbreitung der Flussotter anzunehmen, um so mehr als die Gegenden, wohin dieser Punkt fällt, zugleich in dem Bereiche der Heimath einer anderen, mit der Flussotter nahe verwand- ten Thierart, der Seeotter (Enhydris marina Schreb.), liegen. 11) Butra (?) aterrima Pall.‘) Eben so wenig wie es Middendorff an der Küste des Ochotskischen Meeres ist es mir im Amur-Lande gelungen, vou diesem otterähnlichen Thiere, das nach Pallas an der Meeresküste und den Flüssen zwischen dem Uth (oder Uda) und dem Amur häufig sein soll, irgend etwas zu erfahren. Erwägt man aber, welche Aufmerksamkeit die Giljaken und an- dere Eingeborene des Amur-Landes der Flussotter schenken, so lässt sich nicht wohl anneh- men, dass mir, ungeachtet mehrmaliger Reisen nach den Küsten nord- und südwärts von der Amur-NMündung und nach der Insel Sachalin und trotz meines vielfachen nnd beständigen Verkehres mit den Giljaken, dessen ich oben erwähnt habe, die Bekanntschaft mit einem ot- terähnlichen Thiere, das dazu noch häufig sein soll, entgangen sein dürfte. Ich glaube daher das Vorkommen einer solchen Thierart im Amur-Lande verneinen zu dürfen und theile mit Middendorff die Vermuthung, dass Pallas nur eine schwarze Varietät der Flussotter vor sich gehabt habe. 12) Enhydris marina Schreb. Bei den Giljaken: Iygni (?). « « Mangunen: takko (?), targa und targach'ssa (?). 1) Wagner, Die Säugethiere v. Schreber. Supplbd. Abth. 2. p. 254. 2, Fauna Japonica. Mammalia. Dec. 2. p. 35. 3) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 78. 4) Yiverra aterrima Pall. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 81. Mustela aterrima Pall. Middendorff, Sibir. Reise l. c. p. 70. 44 Säugelhiere. Siebold erfuhr während seines Aufenthaltes in Japan nur von wenigen Fällen des Er- scheinens der Seeotter an den nördlichen Küsten von Nippon und Jesso, von wo sie sich in Folge der Nachstellungen zurückgezogen haben soll'). Meinen Erkundigungen zufolge ist dieses Thier zwar den Aino’s der Südküste von Sachalin bekannt, soll jedoch von denselben nicht gejagt werden. Auch wurde im Winter 1853 auf54, als die russisch-amerikanische Com- pagnie in der Bai Aniwa eine zeitweilige Handelsstation errichtet hatte, kein einziges Fell dieses Thieres von den Eingeborenen ihr zugebracht. Eben so wenig geben sich die Gilja- ken der Insel mit der Jagd auf die Seeotter ab. An der Westküste der Insel bleibt ihnen dieses Thier auch fern, da es im Meere der Tartarei nicht vorkommt, an der Ostküste aber könnten sie mit demselben wohl in Berührung kommen. Den Giljaken, welchen ich das Fell zeigte, schien es meistentheils bekannt zu sein: sie bezeichneten es mir auf der Insel wie auf dem Gontinente mit dem Namen «/ygni». Allerdings könnten sie, auch ohne selbst Jagd auf dieses Thier zu machen, durch ihren häufigen Verkehr mit den Aino’s die Bekanntschaft mit demselben gemacht haben. Dennoch muss ich bemerken, dass ich dieselbe Bezeichnung von ihnen bisweilen auch der Otaria ursina L. habe beilegen hören, obgleich letztere bei den Gil- jaken noch einen besonderen Namen) trägt. Diese Verwechselung dient jedenfalls zum Be- weise, dass die Seeotter den Giljaken nur wenig und wohl mehr nach Hörensagen bekannt ist. Ich mag ihr daher auch nicht mit voller Gewissheit den oben erwähnten giljakischen Namen zuschreiben. Noch geringer ist die Kenntniss der Seeotter bei den Mangunen, welche nur bei Gelegenheit ihrer Besuche bei den Aino’s von Sachalin eine zufällige Bekanntschaft mit dem Felle dieses Thieres machen können. Die Mangunen, denen ich das Fell zeigte, nann- ten das Thier bald targa oder targach’ssa, und bald takko. Die erstere Bezeichnung 8’ häufigere, hört man aber auch für die Otaria ursina brauchen, was mit der letzteren nicht der obgleich die Fall ist. Aus diesem Grunde und weil die mangunische Bezeichnung «takko» zugleich eine Aehnliehkeit mit dem Namen der Seeotter bei den Aino’s von Sachalin («raku» » oder «rakko»®), durch deren Vermittelung die Mangunen die Seeotter kennen mögen, für sich hat, sind wir geneigt diese letztere Bezeichnung der Mangunen für die richtige zu halten. 13) Canis Iupus L. Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: ligs. “o« @ des Innern und der Ostküste von Sachalin: attk. ® « « Mangunen, unteren Golde bis zum Geong-Gebirge, Kile am Gorin (Samagern): ngöla. « « Golde oberhalb des Geong-Gebirges und am Ussuri: jengur und nönguru. 1) Fauna Japon. Mammalia. Dee. 2. p. 36. ?) «tung» s. weiter unten. 3) Langsdorff, Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. Frankf. a. M. 1812. 1. p- 301. #4) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 100. an or Canis lupus. Bei den Kile am Kur: ngölakı. « « Golde oberhalb des Ussuri: nölukt. « « Biraren, Monjagern, Orotschonen, Dauren: gussjka. Die Wolfsfelle, die ich bei den Giljaken im Amur-Limane gesehen habe, waren den europäischen ganz gleich, bald ziemlich hell, bald dunkler und von ansehnlicher Grösse. Auch an einem Schädel des Thieres, den ich vom Amur-Strome mitgebracht habe und der sich den grössten Exemplaren in unserem Museum anreiht, kann ich nichts vom europäischen Thiere Abweichendes wahrnehmen. Was die Verbreitung des Wolfes betrifft, so kommt er zwar im gesammten-Amur-Lande, aber nicht überall gleich häufig vor. Es richtet sich dieses hauptsächlich nach dem verschiedenen Charakter des Reliefs und der Bewaldung der einzelnen Theile des Amur-Ländes. Denn der Wolf liebt hauptsächlich ebene und theilweise oflene, nur hin und wieder mit Wald bedeckie Gegenden, während hohe Gebirge und dichte ausgedehnte Waldungen seiner Verbreitung weni- sind. Er ist daher im Amur-Lande am häufigsten im nördlichen Sachalin, wo ger günsti ein lichter und oft verkrüppelter Lärchenwald, mit niedrigem Cedern- und Ellerngesträuch {8) oO oder auch mit ganz waldlosen Stellen abwechselnd, von der Küste aus weit landeinwärts bis an den Fuss des Gebirges sich ausbreitet, und desgleichen an den lichter bewaldeten Küsten des Ochotskischen Meeres und des Amur-Limanes. In diesem nördlichen Gebiete des Amur-Landes stellt der Wolf hauptsächlich den häuligen, grösseren und kleineren Rudeln wilder Rennihiere nach, ähnlich wie er es im ganzen Norden Asien’s mit den Rennthierheer- den der Nomaden, der Lappen), Samojeden, Ostjaken u. a. Völker thut, bei denen er daher bisweilen auch schlechtweg den Namen «Rennthier - Verwüster» trägt a) Dort, an der Küste Sachalin’s und im Amur-Limane, habe ich auch selbst auf meinen Winter- reisen Wölfe oder deren Spuren so wie Felle des Thieres bei den Eingeborenen zu wieder- holten Malen gesehen. Auch erzählten mir die Giljaken der Westküste der Insel am Limane, dass die Wölfe sich bisweilen in Rudeln den Dörfern und einzelnen Häusern der Eingeborenen näherten und ihre Hunde zerrissen. Aber landeinwärts vom Limane, am Amur-Strome wird der Wolf selten, denn dort breitet sich eine unabsehbare dichte Waldung über ein gebirgi- ges Terrain aus und zugleich hat auch das Rennthier an Zahl sehr abgenommen, ohne von einer anderen, entsprechenden Thierart im selben Maasse ersetzt worden zu sein. Wie sehr hier dieses letztere Moment auf die Häufigkeit der Wölfe von Einfluss ist, hatte ich selbst Ge- legenheit zu bemerken. Im ersten Winter meines Aufenthaltes im Nikolajewschen Posten an der Amur-Mündung waren die Wölfe in der Umgegend sehr selten; im zweiten dagegen zeigten sie sich im Verhältniss recht oft und wurden zwischen den Dörfern Kalgho und Kalm am Amur von den Giljaken rasch nach einander drei Wölfe erlegt, von denen ich den Schädel des einen Thieres erhielt. Es hatten sich aber in diesem letzteren Winter, zugleich mit dem Erscheinen der Wölfe, nomadische Tungusen mit Rennthierheerden, von Norden I) Nilsson, Skandin,. Fauna. I. p. 225. 2) Bei den Samojeden an der Petschora u. den Ostjaken am Obj. Pallas, Zoogr. Rosso-As. I. p. 36 u. 37. 46 Säugethiere. kommend, dem Amur-Strome genähert und an den sogenannten Seen Orelj und Tschla ihren zeitweisen Aufenthalt genommen. Auch hatte man zu gleicher Zeit, behufs der Versor- gung der Mannschaften im Nikolajewschen Posten, Rennthiere von Udskoi Ostrog nach der Amur-Mündung getrieben. Die Wölfe hatten sich daher offenbar im Gefolge der Renn- thiere in grösserer Zahl am Amur eingefunden. Ueberhaupt aber scheint das Amur-Thal, wo es immer noch oflene und minder bewaldete Stellen giebt und wo im Winter die Eisdecke des breiten Stromes und die zahlreichen niedrigen, mit Weidengebüsch bewachsenen Inseln dem Wolfe ein günstiges Jagdterrain bieten, dem Eindringen desselben vom Limane aus und seiner Verbreitung im Lande mehr Raum als die landeinwärts liegenden waldigen Gebirge zu geben. Middendorff bemerkt, dass nach Aussage der Nomaden in den Gebirgen zwischen der Uda und Bureja die Wölfe immer zu den Seltenheiten gehört hätten und seit den letzten 12 Jahren (vor 184%) sogar ganz verschwunden seien '). Im unteren Amur-Thale aber ist der Wolf, wenngleich selten, doch jedenfalls vorhanden. Auch kennen ihn die Eingeborenen im unteren Amur-Lande durchweg und schätzen sein Fell, wegen eines conventionellen Wer- thes. den es bei den Mandshu und Öhinesen hat, recht hoch. Weiter aufwärts, in der Prairie am Amur und Ussuri und oberhalb dieser, wo wiederum gebirgiges Ufer beginnt, das aber viel lichtere Waldung als im unteren Laufe des Amur-Stromes trägt und auch waldlose Strecken besitzt, tritt der Wolf, bis nach Transbaikalien hinein, wiederum häufiger auf. In diesem oberen und südlicheren Theile des Amur-Stromes bildet aber nicht mehr das Renn- thier, sondern das sehr häufig vorkommende Reh die Hauptbeute des Wolfes. — Kehren wir von hier wieder an die Meeresküste zurück, so sehen wir auch dort den Wolf vom Limane nach Süden an Häufigkeit abnehmen. Doch weiss ich von seinem Vorkommen auf dem Con- tinente bis nach Idi, etwas südlich von der Bai Hadshi, wo er aber gewiss noch nicht an seiner Aequatorialgränze steht; und auf der InselSachalin ist er bis an das Südende verbrei- tet. Dort müsste der Wolf seine Aequatorialgränze erreichen, wenn man der Ansicht Tem- minek’s, dass der Japanische Wolf eine besondere Art sei, beistimmen will. Sollte diese Ansicht aber wirklich haltbar sein? Zwar liegt uns kein Material vor, um sie zu widerlegen, doch können wir nieht umhin unsere Zweifel an ihrer Richtigkeit hier auszusprechen. Die Gründe, die Temminck bewogen, im Jamainu der Japanesen nicht mehr die weit verbrei- tete Form des €. Iupus L., sondern eine besondere Art, C. hodophilax, anzunehmen, kommen uns jedenfalls nicht hinreichend vor. Bei der ersten Anzeige dieser neuen Art machte Tem- minck auf die grössere Kürze des Schwanzes, die niedrigere Gestalt und die viel stumpfere Schnauze des C. hodophilax als unterscheidende Momente von C. lupus aufmerksam). Später, als er in der Fauna Japonica eine Beschreibung und Abbildung dieses Thieres gab°), legte er alles Gewicht auf die geringere Länge der Extremitäten bei C. hodophilax, während er der übrigen Momente, der stumpferen Schnauze und des kürzeren Schwanzes, deren er noch in l) Sibirische Reise, 1. c. p. 71. 2) Tijdschr. voor natuurl. Gesch. V. 1839. p. 284. Wiegmann, Archiv für Naturgesch. V. Jahrg. 1839. 2. p. 409. Wagner, Die Säugethiere von Schreber. Supplbd. Abthl. 2. p. 371. 8) Fauna Japonica. Mammalia. Dec. 2. p. 38 u. 39. Tab. 9. Canıs lupus. 47 der Einleitung desselben Werkes erwähnte '), nicht weiter gedenkt. Von dem letzteren giebt er statt dessen das Maass selbst an, welches an dem von ıhm gemessenen Felle, von 3 Fuss 9 Zoll Länge, etwa einen Fuss betragen haben soll — ein Verhältniss, das den Maassen an europäischen Thieren jedenfalls so nahe kommt, dass es kein artenunterscheidendes Moment sein kann. Wie dieses Maass, so sind übrigens auch die auf die Gestalt, die Länge und Höhe des Thieres Bezug habenden Maasse an einem Felle genommen und daher höchst unsicher und zu diagnostischen Momenten untauglich. In Beziehnng auf die Gestalt, die kürzeren Extre- mitäten des €. hodophrlax, können daher bloss diejenigen Maasse gelten, welche Temminck an den Knochen des Japanischen Wolfes nehmen konnte. Allein hier lagen ihm bloss ein Radius und eine Tibia vor, die übrigen Theile fehlten und, wie er selbst sagt, konnte er an keinem anderen Theile osteologische Vergleichungen machen. Grössenverhältnisse aber be- dürfen beinahe mehr wie alle übrigen Momente des äusseren oder inneren Baues der Thiere eines reichen Materiales, wenn sie zuverlässige diagnostische Momente der Unterscheidung abgeben sollen, und können daher nicht von einem einzelnen und noch dazu unvollständigen Exemplare entnommen werden. Die Maasse dieser ..beiden einzigen, der Unterscheidung zu Grunde gelegten Knochen von (. hodophilax giebt Temminck im Vergleiche zu denen von C. lupus folgendermassen an: . . . ln’! .ı»* . a) . aM mt Radıus bei €. hodophillax 7 6 . Tibia bei €. hodophilax 6" 6 1 ll Nm « « €. lupus ED « «0. lupus 4 Demnach stimmen (. hodophilax und C. hıpus in der relativen Grösse dieser Knochen ganz überein, indem bei beiden der Radius etwa um einen Zoll grösser ist als die Tibia; der Unterschied zwischen diesen Arten dürfte also nur in der absolut geringeren Grösse dieser Knochen beim Japanischen Wolfe liegen, was eben die verschiedene Gestalt dieser Thiere be- dingen soll. Ebenso sollen nach Temminek auch die Metacarpal- und Metatarsalknochen bei C. hodophilax kleiner als bei €. lupus sein. Bei solchem Zusammenstimmen der relativen Grössen liegt aber der Gedanke nahe, dass Temminck’s (©. hodophilax nur ein kleineres Exemplar von (. lupus gewesen sei. Ob übrigens auf die oben angeführten Grössenangaben überhaupt viel Gewicht zu legen sei, erscheint uns noch zweifelhaft. Ich habe an einem kau- kasischen Exemplare des gemeinen Wolfes in unserem Museum folgendes Grössenverhältniss zwischen dem Radius und der Tibia gefunden: Radius bei €. /upus 7” 9 (Pariser M.) Tibia bei €. Zupus 8” 6". Ferner giebt Nilsson) bei Ausmessung eines Skelettes aus Schweden an: Radius bei €. lupus 8’ 2”. Tibia bei €. lupus 9” 2. In diesen beiden Fällen findet also das directe Gegentheil von der Angabe Temminck’s statt, indem die Tibia etwa um einen Zoll länger als der Radius ist. Es scheint daher in den Grössenverhältnissen dieser Knochen eine so grosse Variabilität zu herrschen, dass sie nicht zu diagnostischen Momenten gebraucht werden können. Damit fällt aber auch der einzige I) Dec. 1. p.5. 2) Skandin. Fauna. I. p. 221 u. 222. 48 Säugethrere. Unterschied zwischen den beiden Arten €. hodophilax und C. lupus weg. Denn dass in der Farbe, im äusseren Habitus oder in der Lebensweise ein erheblicher Unterschied zwischen dem ge- meinen und dem Japanischen Wolfe stattfände, stellt Temminck selbst in Abrede. Von der Farbe und Zeichnung des letzteren bemerkt er selbst, dass sie von der des europäischen Wol- fes nur wenig verschieden seien, und die nähere Beschreibung des Japanischen Wolfes weiss in der That kein Moment der Verschiedenheit anzugeben und passt auf den europäischen Wolf vollkommen. Weniger die Abbildung; allein diese ist gegen die Beschreibung entschieden zu dunkel gehalten und bringt einen fremdartigen, röthlichen Farbenton hinein, welcher nach der Beschreibung dem Thiere nicht zukommt. Es dürfte daher richtiger sein den Japanischen Wolf, so lange keine Momente specifischer Verschiedenheit desselben vom europäischen nach- gewiesen sind, mit diesem, auf Grundlage gleicher Farbe und Zeichnung beider Formen, in eine Art zu vereinigen. Die Verbreitung von €. lupus L. im Osten Asien’s ginge alsdann von Sachalin und den Kurilen südwärts auch auf die Japanischen Inseln hinüber. 14) Canis alpinus Pall. Taf. 1. Bei den Giljaken des Continentes: (schoramlatsch. “au « der Insel Sachalın: tschehodamlatsch. « « Mangunen, Golde, Kile am Gorin und Kur, Orotschonen: dshargul. Dieses zuerst von Pesteref') unter dem Namen «rother Wolf» aus dem Altaischen Ge- birge am Us, einem Nebenflusse des Jenissei, erwähnte, von Pallas und später von Gebler beschriebene Thier kommt auch im Amur-Lande vor, wird aber einer abergläubischen Furcht wegen, welche die Eingeborenen vor demselben haben, von ihnen in der Regel nicht gejagt. Es ist mir daher auch nicht möglich gewesen mehr als ein einziges Fell dieses Thieres zu erhalten. Dieses rührte aus dem Geong-Gebirge her und wurde mir von den Golde im Dorfe Dshare am Amur gebracht. Da die Beschreibungen von Pallas und Gebler die einzigen sind und das Thier noch wenig bekannt ist, will ich von dem aus dem Amur-Lande mitgebrachten Felle eine genauere Beschreibung geben. Im Wesentlichen stimmt es mit der Beschreibung, die Pallas gab”), überein. Der Kopf ist kurzhaarig, fahlroth, schwarz gestichelt, indem die einzelnen Haare entweder im oberen und unteren Drittheil schwarz, in der Mitte röthlich, oder aber durchweg röthlich und nur an der Spitze schwarz sind. Die Oberlippe, der Unterkiefer und die Kehle sind schmutzig weiss; die Barthaare heller und dunkler braun. Die Ohren etwa von der Länge wie beim Wolfe, innen schmutzig weiss, aussen fahlröthlich- grau, schwarz gestichelt, am Rande kurzhaarig, vorn mit unregelmässiger , unterbrochener, schwarzer Binde versehen. Der Rumpf ist langhaarig, fahlroth, schwarz gestichelt, zumal auf dem Rücken; nach den Seiten und dem Bauche zu heller, mit weniger Schwarz, unten schmutzig I) Bereisung der Sinesischen Gränze. Busse, Journal von Russland Bd. 2. Jan.—Juni, 1794. p. 25. 2) Zoographia Rosso-Asiatica. I. p. 34 u. 35. Canıs alpınus. 49 gelblichweiss. Das Wollhaar am Rumpfe hellgelblichgrau, auf dem Rücken dunkler, nach den Seiten und dem Bauche zu heller. Die Contourhaare sind meist verschiedenfarbig gerin- gelt: auf dem Rücken in der Regel an der Basis weisslich, dann schwärzlich, dann röthlich, an der Spitze schwarz; bisweilen, jedoch selten, in ihrer ganzen Länge schwarz, indem die röthlichen Ringe sehr klein werden oder auch ganz verschwinden; an den Seiten und nach dem Bauche zu nımmt das Schwarz an den Contourhaaren mehr und mehr ab, es wird blas- ser, erstreckt sich über einen kürzeren Theil der Haarspitze und dagegen nehmen das Röth- lichgelb und Weiss an Ausdehnung zu, bis zuletzt die Haare entweder nur noch eine blass schwärzliche Spitze behalten oder, was zumeist am Bauche der Fall ist, in ihrer ganzen Länge gelblich und weisslich werden. Die Beine sind aussen fahlroth, innen weisslich. Der Schwanz ist buschig behaart, gelblich grau, mit Schwarz stark untermischt, an der Spitze ganz schwarz; die einzelnen Haare wie am Rumpfe geringelt, aber mit vorherrschendem Schwarz, bisweilen ganz schwarz. Am ganzen Körper finden sich hin und wieder ganz weisse Haare einge- streut. — Vergleicht man unser Amur-Exemplar von €. alpinus mit einem von Gebler aus dem Altaischen Gebirge unserem Museum zugestellten Thiere, so findet man ersteres viel ‘dunkler, röther und mit mehr Schwarz versehen, welches letzterem beinahe ganz fehlt. Dieses ist sehr hell, vielleicht auch in Folge langer Aufbewahrung im Museum schon zum Theil ver- blichen. Es ist auf Kopf und Rumpf fahlgelb, nur auf der Schnauze, auf dem Rücken und an den Aussenseiten der Vorderbeine etwas mehr röthlich. Die Oberlippe, das Kinn, der Bauch und die Innenseiten wie die Enden der Extremitäten sind weiss. Der Schwanz ist gelb und grau gemischt, an der Spitze schwarz. Das Wollhaar ist schmutzig gelblich ; die Contour- haare entweder wie bei unserem Amur-Exemplare schwarz und gelb geringelt, aber mit be- deutend schwächerem Schwarz, oder auch ganz gleichfarbig gelblich und weisslich, welches Letztere selbst auf dem Rücken zum Theil der Fall ist. Am Schwanze herrscht das Schwarz an den Contourhaaren bloss gegen das Ende des Schwanzes vor. Was die Grössenverhältnisse des Thieres betrifft, können weder das Fell des Amur-Exemplares, noch das ausgestopfte Thier vom Altaischen Gebirge zuverlässige und gültige Maasse bieten, da Manches auf Rech- nung des gereckten Felles geschrieben werden dürfte. Gleichwohl theile ich sie in Ermange- lung anderer mit: Amur. Altai. Länge des ganzen Körpers von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel 1240 Millim. 1120 Millim. « des Schwanzes ohne Haarbüschel am Ende desselben ..... 410 « 460 « “mdespHaanhüschelstam Schwanzender...n.. wa KO 140 « «dem Ohrenewarse.c. ee ee tech ee OBER 35 « Die Länge der einzelnen Schwanzhaare habe ich am Amur-Exemplare bis zu 165 Millim. gefunden. Diese Maasse stimmen mit den von Pallas ebenfalls nach Fellen angege- benen sehr überein. In Beziehung auf die geographische Verbreitung von €. alpinus im Amur-Lande ist es mir gelungen von den Eingeborenen zahlreiche Nachrichten über das Vorkommen dieses Thieres Schrenck Amur-Reise Bd. I. 7 50 Säugelhiere. zu erhalten. Sie bestätigen die Vermuthung Middendorff’s, dass dieses Thier erst weiter süd- wärts vom Stanowoi-Gebirge am Amur in grösster Häufigkeit vorkomme N): Doch stimm- ten die Ansichten der Eingeborenen alle darin überein, dass es nicht im Flachlande, son- dern in den Gebirgen seinen Aufenthalt habe, wo es in Rudeln, die bisweilen sehr zahlreich sein sollen, zusammenhalte. Diese grössere Anzahl der Alpenwölfe vor den gemeinen im Amur-Lande, so wie ihr Vorkommen im Gebirge, wohin die Jäger im Winter nur einzeln oder in kleinen Gesellschaften hinkommen, mögen auch die Hauptveranlassung für die Furcht der Eingeborenen vor diesem Thiere sein. Als Bewohner der Gebirge ist mir €. alpinus von den Eingeborenen im Laufe des ganzen Amur-Stromes und vieler seiner Zuflüsse genannt worden; so am oberen Amur, in den Gebirgen am Ussuri, im Geong-Gebirge, in den Ge- birgen am Ssedsemi, Chongar, Gorin, Chelasso und Jai und im gesammiten, gebirgigen Mündungslande des Amur-Stromes. Desgleichen erfuhr ich von seinem Vorkommen in dem Küstengebirge am Amur-Limane und dem Meere der Tartarei bis nach Idi, dem südlich- sten Punkte der Meeresküste, über den ich Nachrichten einziehen konnte. Nieht minder wie auf dem Continente war (©. alpinus den Giljaken auf der Insel Sachalın bekannt, wo er ebenfalls in grosser Zahl in den Gebirgen vorkommen soll. Bei den Giljaken der Insel und des Continentes fand ich auch die Furcht vor diesem Thiere am grössten und weit stärker als bei den tungusischen Amur-Völkern,, was vielleicht auf dem Umstande beruhen mag, dass die Giljaken überhaupt zu abergläubischer Furcht mehr als ihre tungusischen Nachbaren geneigt sind und dass sie weit weniger als diese mit der Jagd sich beschäftigen, welche sie auch dieses gefürchtete Thier zu überwinden lehren müsste, Nach Süden von Sachalin, auf den Japanischen Inseln wird uns der Alpenwolf nieht genannt. Er dürfte daher auf Sacha- lin seine Aequatorialgränze erreichen, Wie weit nach Süden er auf dem Continente geht, lässt sich nach den bisherigen Erfahrungen nieht bestimmen. Nach Norden aber scheint €. alpinus die Gränze seiner Verbreitung bald zu erreichen, Wie erwähnt, fanden ihn Pesteref und Gebler im Altaischen Gebirge. Pallas hatte auch Felle von Udskoi Ostrog und von der oberen Lena. Im Stanowoi-Gebirge dagegen fand Middendorff niemals Spuren des Alpenwolfes, und hatten die Nomaden daselbst auch nur wenig Kenntniss von demselben. Noch andere, nördlichere Fundorte als die erwähnten sind uns bisher nicht bekannt. Es scheint daher €. alpinus Pall. eine dem mittleren Asien eigenthümliche Form zu sein, welche wenig nordwärts sich verbreitet, ostwärts dagegen über die ganze Strecke vom Altaischen Gebirge durch das Amur-Land und die anliegende Insel Sachalin bis an das Ochotskische Meer sich hinzieht. 15) Canis vulpes L. Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalın: Fuchs überhaupt: käkch. 1) Sibirische Reise, 1. c. p. 71. Canıs vulpes. 51 Rother Fuchs: pasnga '). Kreuzfuchs: pasnga-pladf. Schwärzlicher Fuchs (Var. nigro-argentea Nilss.): pladf. Schwarzer Fuchs: hädf. Bei den Giljaken des Innern und der Ostkuste von Sachalin: Fuchs überhaupt: paghlant und paghlantsch (d. h. der Rothe). Die Var. wie bei den Giljaken des Continentes. Bei den Mangunen: Fuchs überhaupt: s’ull. Rother Fuchs: chyldagdä. Kreuzfuchs und N en kytr. Schwärzlicher Fuchs Schwarzer Fuchs: awata. Bei den unteren Golde bis zum Geong-Gebirge und Samagern: Fuchs überhaupt: s’ole. Die Var. wie bei den Mangunen. Bei den Golde zwischen dem Geong-Gebirge und Ussuri: Fuchs überhaupt: s’ole. Rother Fuchs: chyldagdä. Kreuzfuchs und \ Pr Schwärzlicher Fuchs f Re Schwarzer Fuchs: awata. Bei den Kile am Kur: Fuchs überhaupt: s’olakt. Rother Fuchs: chyldagdä. Kreuzfuchs und N PATE Schwärzlicher Fuchs Schwarzer Fuchs: awata. Bei den Orotschen der Meeresküste: chole. « « Golde oberhalb des Ussuri, Biraren, Monjagern, Orotschonen: s’olakt. « « Dauren: chungu. Der Fuchs kommt in allen Farbenvarietäten im Amur-Lande vor. Ich habe heller und dunkler rothe Füchse, Kreuzfüchse, mehr oder minder schwärzliche,, auf der Oberseite weiss gestichelte (Var. nigro-argentea Nilss.) und ganz schwarze, nur mit weisser Schwanzspitze versehene Thiere gesehen. Die Eingeborenen belegen diese Zeichnungen des Fuchsfelles mit verschiedenen Namen, da sie auch im Handel einen verschiedenen Werth haben. Als regel- mässiger Handelsartikel mit den Mandshu, Chinesen und Japanesen hat das Fuchsfell überhaupt für die Eingeborenen des A mur-Landes nächst dem Zobel und der Flussotter die grösste Bedeutung, da diese drei Pelzwerke allein den beständigen Handel bilden, alles Uebrige dagegen entweder von all zu geringem Werthe ist, oder gar zu selten vorkommt, um von Be- l) Das s ist weich auszusprechen. 92 Säugethiere. deutung für den Handel zu sein. Mehr über die relative Werthschätzung des Fuchsfelles und seiner verschiedenen Varietäten im Handel der Eingeborenen werde ich im ethnographischen Bande meiner Reisebeschreibung sagen. Zoologisch unterliegt es keinem Zweifel, dass es die bekannten Varietäten von C.vulpes L. sind. Desgleichen zeigt ein Schädel des gemeinen Fuch- ses, den ich aus dem unteren Amur-Lande mitgebracht habe, dieselben Verhältnisse wie beim europäischen Thiere. Der Fuchs ist im gesammten mir bekannten Theile der Mandshurei verbreitet und überall häufig. Ich konnte mich durch Felle, die ich bei den Eingeborenen sah, durch wie- derholtes Begegnen mit dem Thiere selbst oder dessen Spuren und durch Erzählungen der Eingeborenen von seinem Vorkommen am gesammten Amur-Strome und dessen Zuflüssen wie an der Meeresküste bis südlich von der Bai Hadshi und auf der ganzen Insel Sachalin überzeugen. Oefter als gewöhnlich schienen mir die mehr oder minder schwarz gezeichneten Varietäten vorzukommen. Namentlich soll die Insel Sachalin an schwarzen Füchsen beson- ders reich sein. Von dieser dem Norden eigenthümlichen Varietät erzählt Pallas'), dass sie auf den Adrianowschen oder Fuchs-Inseln beinahe zahlreicher als die rothe Färbung sei. Ferner berichtet Steller, dass die schwarzen Füchse Kamtschatka’s, deren zu seiner Zeit noch viele jährlich in die Kasse einliefen, zumeist von den Olutorschen Korjaken (an der Ostküste Kamtschatka’s) kämen und dass namentlich auf einer der Olutorschen Bucht ge- genüber, auf etwa zwei Meilen Entfernung vom Lande gelegenen Insel (wohl der Insel Ka- raginskoi) durchgehends schwarze Füchse und in grosser Menge vorkommen sollen °). Es scheint daher jenes Insel- und Küstengebiet im Nordosten Asien’s der Entwiekelung der schwarzen Varietät des Fuchses hauptsächlich günstig zu sein. Südlich von Sachalin, auf den Japanischen Inseln ist der gemeine Fuchs, nach Siebold, durchweg verbreitet und steht bei den Japanesen in hohem Ansehen, indem zur Verehrung desselben eigene Tempel errichtet werden 2) — ein Cultus, den ich bei den Giljaken auf Sachalin und im Amur- Lande nirgends gefunden habe. 16) Canis lagopus L. In Siebold’s Fauna Japonica findet sich die Bemerkung, dass der Polarfuchs, C. lago- pus L., die Kurilischen Inseln (wohl die südlichen, japanischen) bewohne und im Winter dort von ganz weisser Farbe sei‘). Im Amur-Lande und auf der Insel Sachalin konnten mir die Eingeborenen kein Beispiel von seinem Vorkommen anführen; das Fell dieses Thieres, das ich ihnen zeigte, war ihnen ganz unbekannt, und meine Behauptung, dass es eine weisse Fuchsart sei, wollte bei ihnen durchaus keinen Glauben finden. Auf diesem Wege, über Sa- 1) Zoographia Rosso-Asiat. I. p. 48 2) Beschreibung von dem Lande Kamtschatka. Frankfurt und Leipzig 1774. p. 124. 3) Fauna Japonica. Mammalia. Dec. 2. p. 40. 4) Fauna Japonica. Mammalia. Dec. 2. p. 40. Canis lagopus. CO. procyonotdes. 93 chalin, kann also der Polarfuchs nicht nach den Japanischen Kurilen gelangt sein. Es bleibt ihm daher, wenn er wirklich auf den Japanischen Kurilen vorkommen sollte, kein anderer Weg als der von Kamtschatka längs der Kette der nördlichen, russischen Kuri- len übrig. Und dass er auf diesen letzteren ebenfalls nicht vorkommt, sondern nur durch Verwechselung mit €. vulpes irriger Weise von Einigen als Bewohner dieser Inseln angeführt worden, ist durch die kritische Beleuchtung der bisherigen Erfahrungen über diesen Gegen- stand von Hrn. Akad. v. Baer hinlänglich erwiesen worden'). Wir sehen uns daher genöthigt die Richtigkeit der oben erwähnten Angabe Siebold’s entschieden in Zweifel zu ziehen. 17) Canis procyonoides Gray. Taf. II. fig. 1 u. 2. Taf. IV. fig. 1. Taf. V. C. (Nyetereutes ) viverrinus Temm. Van der Hoeven en Vriese, Tijdschr. voor natuurl. Geschied. V. p. 255. Siebold, Fauna Japonica. Mammalia. Dec. 2. p. 40. Tah. 8. C. brachyotos Blainville, Osteographie des Carnass. Heft 13. p. 47. Bei den Giljaken: jandak. « « Mangunen, Golde, Samagern: jandako. « « Biraren: jandako und ölbiga. « « Monjagern: ölbiga. Im Amur-Lande lernte ich eine bei den Eingeborenen unter den oben angeführten Na- men bekannte Hunde-Art kennen, welche ich auch selbst in zwei lebenden Individuen zu be- kommen Gelegenheit hatte und von der ich 5 Felle, 2 Schädel und ein Skelett mitgebracht habe. An diesen in verschiedenen Jahreszeiten erhaltenen, unter einander nach Farbe und Zeichnung zum Theil abweichenden, aber sämmtlich dem Jandako der Golde angehörenden Fellen lassen sich nun theils €. procyonordes Gray, theils €. viverrinus Temm., theils Mittel- und Zwischenfärbungen erkennen. Ich sehe mich daher nach genauer Vergleichung und Prü- fung der unterscheidenden Charaktere genöthigt diese beiden Arten in eine einzige zusammen- zuziehen, für welche ich den älteren und bezeichnenderen Namen €. procyonoides Gray bei- behalten will. Es ist, wie unser Material lehrt, eine in ihrer Färbung nach den Jahreszeiten und ausserdem auch local ziemlich stark variirende Form, welche bei mangelhaftem Materiale leicht in mehrere Arten zersplittert werden kann, wie es denn auch in der That geschehen ist. In Folgendem will ich daher zuerst die Identität dieser vermeintlich verschiedenen Arten darzuthun und alsdann eine ausführlichere Beschreibung dieser interessanten und bisher noch wenig bekannten Form nach dem uns hinsichtlich derselben zu Gebote stehenden, gegenwärtig wohl reichsten Materiale zu entwerfen suchen. Die erste Kenntniss von dieser Thierart verdanken wir einer Abbildung von €. procyo- nordes Gray in den Illustrations of Indian Zoology chiefly selected from the collection of Maj. Gen. Hardwicke by J. E. Gray, London 1834. Vol. II. Tab. 1. und einer etwas später in dem Magaz. of natur. hist. conducted by Edw. Charlesworth, 1837. p. 578. von Gray 1) Bull. scient. publie par l’Acad. des sciences de St. Petersb. T. IX. p. 94. 54 Säugelhiere. gelieferten dürftigen Diagnose dieses Thieres. Dies ist denn bisher auch das Einzige, was über die Art €. procyonoides Gray bekannt geworden ist. Zwei Jahre später kündigte Temminck in van der Hoeven’s und Vriese’s Tijdschrift vor natuurl. Geschied. en Physiol. Bd. V. 1839. p. 285'), nach den von Siebold aus Japan mitgebrachten Materialien, eine neue Hunde-Art, €. viverrinus, an, welche mit €. procyonoides Gray in aller Hinsicht gleich ge- formt und nur durch die Färbung specifisch verschieden sein sollte. Beide Arten sollten nach Temminck durch eine geringe Anomalie in der Zahnbildung von dem Geschlechte der Hunde zum Theil abweichen und eine besondere Gruppe bilden, fir die er den Namen Nyctereutes vorschlug. Worin aber diese angebliche Verschiedenheit der Färbung beider Arten bestand, gab Tem minck zunächst nicht an, und blieb somit die genaue Beschreibung der neuen Art der Publication der Japanischen Materialien vorbehalten. Inzwischen entwarf A. Wagner’) eine ausführliche Beschreibung von (. viverrinus Temm., nach einem im Münchner Museum aufgestellten, aus Japan stammenden Exemplare. Ein Jahr später gab Temminck selbst in der Fauna Japonica eine Abbildung vom Winterfell und Schädel des Thieres, blieb jedoch die nähere Beschreibung schuldig, da der bisher publieirte Text der Fauna Japonica im Beginne der Beschreibung von €. (Nyectereutes) viverrinus abbricht) und wir daher, ausser der in der Vorrede desselben Werkes‘) enthaltenen Wiederholung einer angeblichen Verschiedenheit zwischen €. procyonotdes und C. viverrinus, über die letztere Art nichts Näheres erfahren. Statt dessen kündigte uns aber die Fauna Japonica an, dass es ausser den beiden genannten Arten in Japan noch eine dritte Art derselben Gruppe gebe, den Mami-Tanuki der Japanesen, von der wir jedoch nichts weiter erfahren und die von Temminck glücklicherweise auch keinen systematischen Namen erhalten hat. Endlich theilte Blainville im Jahre 1843 in seiner Osteographie des Carnassiers auch einige osteologische Bemerkungen über diese Form und zwar nach einem Exempiare des Pariser Museums mit, welches durch Temminck’s Vermittelung aus Japan stammte°). Es muss demnach €, viverrinus gewesen sein, da Tem- minck, nach seiner eigenen Behauptung), von €. procyonoides ausser einem sehr mitgenom- menen Felle keine Exemplare aus Japan hatte. Dennoch erwähnt Blainville dieses Namens gar nicht, sondern spricht von dem Thiere unter der Bezeichnung C. procyonordes ou Chien du Japon , der wegen seiner kurzen Ohren auch den Namen C. brachyotos erhalten haben soll”). Blainville scheint daher die Identität dieser Formen ohne Weiteres anzunehmen. Doch ist uns der Name C. brachyotos sonst nirgends vorgekommen. Das ist Alles, worauf sich unsere bisherige Kenntniss der Gruppe Nyectereutes Temminck’s 1) Vergl. auch Wiegm. Archiv für Naturgesch. Jahrg. V. 1839. Bd. II. p. 409. Desgl. Schmarda, Die geogr. Verbreitung der Thiere. Wien 1853. Bd. II. p. 257 u. a. m. 2) Die Säugethiere von Schreber. Supplhd. Abthl. 2. p. 438. 3) Fauna Japonica. Mammalia. Dec. 2. p. 40. 4) 1. c. Dec. 1. p. 5. 5) Blainville, Osteogr. Heft 13. p. 154. 6) Fauna Japonica l. c. Dec. 2. p. 40. SLLCHPRAZ. Canis procyonoides. BB) beläuft. Eine vergleichende Gegeneinanderhaltung beider Formen hat wegen des mangelnden Materiales bisher noch nicht vorgenommen werden können. Denn Wagner, dem ein Exem- plar von €. viverrinus vorlag, kannte von €. procyonordes nur die Abbildung und dürftige Diagnose Gray’s, die ihm zur Unterscheidung der Formen ebenfalls ungenügend erscheint, und verlässt sich daher bloss auf die «Versicherung» Temminck’s, dass diese Arten verschie- den seien. Temminck aber behauptet freilich in der Tijdschrift, dass diese Formen der Fär- bung nach hinlänglich von einander verschieden seien, um getrennte Arten bilden zu können, führt aber in der Fauna Japonica selbst an, dass er von ©. procyonoides nur ein unvollständi- ges und sehr mitgenommenes Fell (une peau mutilee et fort endommagee) in einer Sendung aus Japan erhalten habe, das nur hinreiche ihn über das Vorkommen dieser Art in Japan zu belehren, im Uebrigen aber ihn nöthige für diese Species auf die Abbildung Gray’s zu verweisen. Fragen wir nun worin nach den bisherigen Beschreibungen und Abbildungen dieser bei- den Arten die angebliche Verschiedenheit derselben besteht? Temminck sagt bei Ankündi- gung seiner neuen Art ausdrücklich, dass die Verschiedenheit bloss in der Färbung beruhe. Wir dürfen die specifischen Unterschiede daher nicht etwa in der allgemeinen Gestalt oder in der Form und den Grössenverhältnissen einzelner Theile suchen. Wenn daher Giebel N; aus den oben angegebenen einzigen Quellen schöpfend,, angiebt, dass C©. procyonoides, der Hatsi- monsi der Japanesen, eine spitzere Schnauze als €. viverrinus, der Tanuki der Japanesen, habe, so findet man dafür bei Temminck gar keine Begründung, es sei denn, dass Temminck’s Abbildung von €. viverrinus ein Thier mit längerer und deshalb minder rasch zugespitzter Schnauze als Gray’s Abbildung von (. procyonordes darstellt, worin wir jedoch Temminck, nach Vergleichung der von ihm gegebenen Schädelabbildung mit den von uns mitgebrachten Schädeln, welche der Form €. procyonoides angehören, nicht beistimmen können. Es liessen sich ja nach den erwähnten Abbildungen noch manche Verschiedenheiten der Form zwischen diesen beiden Thieren herausfinden, wie z. B. die mehr gestreckte Gestalt und der längere Schwanz von (. viverrinus im Vergleich zu C. procyonoides u. dgl. m., da die beiden Abbildun- gen uns überhaupt zwei auf den ersten Blick sehr weit von einander verschiedene Thiere vor- führen. Allein solche Folgerungen sind, bei Temminck’s eigener Behauptung vollkommener Uebereinstimmung beider Arten in allen Punkten mit Ausnahme der Färbung, ganz unzulässig. Wir sind daher genöthigt anzunehmen, dass die Abbildungen den Charakter der Thiere nicht getreu genug wiedergeben. Namentlich muss ich aus eigener Bekanntschaft mit dem lebenden Thiere Temminck’s Abbildung, welche vermuthlich nach einem Balge entworfen ist, für sehr verzeichnet erklären und Gray’s Abbildung dagegen bei weitem den Vorzug geben. Ferner dürfen wir aber eben so wenig wie aus den Abbildungen auch aus den von Wagner und Gray angegebenen Maassen eine Verschiedenheit in den Grössenverhältnissen beider Arten zu finden erwarten. Denn die von Wagner für Ü. viverrinus mitgetheilten Maasse sind einem !) Die Saäugethiere in zoolog. anatom. u. palaeontol. Reziehung. Leipzig 1825. p. 826. 56 Säugethtere. Balge entnommen, welcher verschiedentlich gereckt sein konnte, und die von Gray für C. procyonoides angegebenen sind so ungenau, dass sie nicht zur Vergleichung dienen können. So führt Gray z.B. nicht an, ob er die Länge des Schwanzes mit oder ohne Endhaare gemes- sen habe, was bei einem Thiere mit buschig behaartem Schwanze einen bedeutenden Unter- schied macht. Uebrigens stimmen diese Grössenangaben auch noch ziemlich mit einander überein, und es bleibt uns daher um so weniger Zweifel übrig, Temminck’s Ausspruch, dass die beiden Arten in jeder Hinsicht mit Ausnahme der Färbung übereinstimmten , beizutreten. Was nun aber die Färbung, dieses angeblich allein unterscheidende Moment beider For- men, betrifft, so muss zunächst bemerkt werden, dass Temminck angiebt, die Färbung bei- der Arten sei im Sommer und Winter eine verschiedene '). Wo nun eine Form im Sommer und Winter verschiedene Färbungen hat, da muss es je nach den Jahreszeiten auch zahlreiche Uebergänge und Zwischenfärbungen geben, welche zunächst leicht für besondere Arten ge- halten werden können. Temminck selbst sieht sich daher genöthigt, zwei von den Japane- sen unterschiedene Formen, den Tanuki und Musina-Tanuki derselben. als Winter- und Som- merfärbungen einer und derselben Art, €. viwerrinus, zusammenzuziehen’). An solehen Formen dürfte es denn auch von Hause aus sehr gewagt erscheinen, bloss auf die Färbung hin ver- schiedene Arten zu begründen, es sei denn, dass einmal die Verschiedenheiten der Färbung äusserst praegnant und dass ferner die Uebergänge und Zwischenfärbungen innerhalb einer jeden Art erschöpfend bekannt seien. Dass Letzteres hinsichtlich der Nyetereutes-Arten nicht der Fall sein kann, versteht sich bei dem oben erwähnten mangelhaften Materiale, das über dieselben bisher vorlag, von selbst. Aber auch Ersteres findet bei denselben durchaus nicht statt. Denn vergleicht man die einzigen Beschreibungen dieser Thierarten, Gray’s Diagnose von (. procyonoides und Wagner’s Beschreibung von Ü. viwerrinus, so findet man für beide Thiere dieselbe Grundfarbe, ein schwarz gesticheltes Graubraun,, dieselbe schwarzbraune Zeichnung der Wangen und Extremitäten angegeben, und es bleibt in Beziehung auf die Färbung bloss der Unterschied, dass €. procyonoides am Schwanze weiss-, ©. viverrinus schwarz- gespitzte Haare haben soll — ein Unterschied. der bei Thieren mit überhaupt gemischter, weisslich und schwärzlich gespitzter Behaarung, gewiss sehr prekär ist. Wenden wir uns aber mit diesem einzigen, aus den Beschreibungen zu entnehmenden diagnostischen Momente der verschiedenen Arten an die Abbildungen, so überrascht es uns hier bei €. procyonoides am buschigen Schwanze nicht weiss-, sondern ebenfalls deutlich schwarzgespitzte Haare zu sehen. Und so fallen denn die angeblichen Verschiedenheiten in der Färbung ganz weg. — Halten wir aber ferner auch die von Temminck und Gray gelieferten Abbildungen dieser Thiere hin- sichtlich der Färbung gegen einander. Auf den ersten Blick scheint es allerdings, dass diese Abbildungen, abgesehen von der Gestalt und den Grössenverhältnissen, die wir schon oben besprochen haben, auch in der Färbung sehr verschiedene Thiere darstellen. Vergleicht man sie aber genauer, so findet man an beiden fast genau dieselbe Zeichnung wieder: dieselbe ) Tijdschrift voor natuurl. Geschied. l. c. Fauna Jap. Mammalia. Dec. 1. p. 5. ) Fauna Jap. Mammalia. Dec. 2. p. 40. 1 2 Canis procyonoides. 97 hellere Farbe der Stirne und dunkelbraune Zeichnung der Wangen, denselben hellen Fleck am Halse, dasselbe braune Band am Widerrist, das von der dunklen Mittellinie des Rückens zu den vorderen Extremitäten hinabsteigt, dieselbe hellere Farbe hinter diesem Bande, dieselbe dunkelbraune Zeichnung des hinteren Randes der Hinterschenkel und der Schwanzwurzel, dieselbe dunkelbraune Farbe der Extremitäten u. s. w. Der einzige Unterschied dürfte sich nur darin finden lassen, dass bei €. viverrinus, nach Temminck’s Abbildung, die Seiten des Leibes eine dunklere Färbung als bei €. procyonordes haben, wodurch sowohl der helle Fleck hinter den Schultern des Thieres, als auch die hellere Zeichnung der Hinterschenkel markir- ter und deutlicher hervortreten. Dass aber auch bei C. procyonoides eine dunklere Farbe von der Mittellinie des Rückens sich zum Theil nach den Seiten hinabzieht, giebt auch Gray’s Abbildung zu erkennen. Der erwähnte Unterschied in der Färbung beschränkt sich also bloss darauf, dass dieselbe Zeichnung bei einem Thiere etwas mehr, beim anderen etwas weniger ausgesprochen ist, was unmöglich Grund zur speeifischen Trennung der Formen abgeben kann. Dazu muss ich vorgreifend bemerken, dass Temminck’s Abbildung dieses Verhältniss der Zeichnung markirter, Gray’s Abbildung dagegen verwischter darstellt, als an irgend einem meiner Exemplare der Fall ist, und dass diese selbst wieder unter einander wie in diesem, so auch in anderen Punkten der Zeichnung mannigfach variiren. Zudem endlich hebt ja Temminck selbst hervor, dass diese Thiere im Sommer und Winter ein verschiedenes Kleid haben, und von Gray’s Abbildung wissen wir nicht, von welcher Jahreszeit es das Thier dar- stellt. — Und so drängt sich uns schon aus der Vergleichung der bisherigen Beschreibungen und Abbildungen von €. procyonoides Gray und C. viverrinus Temm, die Ueberzeugung von ihrer speeifischen Identität auf, eine Ueberzeugung, welche sich nun ferner durch die aus dem Amur-Lande mitgebrachten Exemplare auch in positiver und direeter Weise begründen lässt. Dabei sind die Amur-Exemplare, indem sie uns über die Identität zweier vermeintlich verschiedener Arten belehren, zugleich auch geeignet uns mit einer ziemlich ansehnlichen Variation dieser noch sehr wenig gekannten Thierart bekannt zu machen. Gehen wir daher zur ausführlicheren Beschreibung derselben über. Zwei von der Mündung des Amur-Stromes durch Vermittelung der Giljaken aus dem oberen Amur-Lande von mir erhaltene Felle, lehren uns das Thier im Winterkleide kennen. Diese beiden Felle stimmen mit Temminck’s Abbildung und Wagner’s Beschreibung von C. viverrinus sehr und mit Gray’s Abbildung von €. procyonoides theilweise überein. Die Hauptfarbe derselben (Taf. I. fig. 1.) ist licht gelblich bräunlich, an dem einen Exemplare mit intensiverem gelblichen Farbentone, wie in Temminck’s Abbildung, an dem anderen mit blasserer, graugelblicherer Tinte, wie in Gray’s Abbildung, und an beiden mit gleicher schwarzbrauner, gelblich und schwarzgestichelter Zeichnung. Der Kopf ist an der Schnauzen- spitze, auf dem Nasenrücken und der Stirne graugelblich; an den Lippen heller, auf dem Na- senrücken dunkler mit etwas röthlicher Einmischung; auf der Stirne etwas dunkler als über den Augen. Die Bartborsten sind schwarzbraun. Vor und unter dem Auge entspringt ein schwarz- braunes Band, welches unter dem Auge wegläuft, dieses nach oben ebenfalls mit einem schma- Schrenck Amur-Reise Bd. I. 8 58 Säugethiere. len Streifen umgebend, und an den Halsseiten, indem es zugleich auch gegen das Ohr in einem verwaschenen Streifen vorspringt, allmählig blasser wird und verschwindet. Diese Farbe und Zeichnung des Kopfes ist genau und viel besser von Gray am (. procyonoides als von Tem- minck am (. viverrinus dargestellt. Nach dem Scheitel zu wird die gelblichgraue Farbe der Stirne allmählig dunkler graubräunlich, wie es ebenfalls an Gray’s Abbildung zu sehen ist. Das entsteht dadurch, dass die Deckhaare, welche auf dem Nasenrücken in ihrem unteren Theile braun, im oberen weisslich und gelblich, mit kaum merklichen braunen oder schwärz- lichen Spitzen gezeichnet sind, auf der Stirne und nach dem Scheitel zu allmählig längere schwarze oder richtiger schwarzbraune Spitzen bekommen und zugleich auch durch die min- der anliegenden Deckhaare das braune Wollhaar stärker durchschimmert. Die Ohren sind ziemlich kurz, aussen graubräunlich, innen schmutzig gelblichgrau, am Rande und hinten an der Ohrwurzel schwarzbraun. Unterhalb der Ohren befindet sich ein heller Backenbart aus verlängerten Haaren, welche entweder in ihrer ganzen Länge weisslich oder gelblich, oder aber an ihrer Basis bräunlich, im oberen Theile weisslich oder gelblich und an der Spitze bis- weilen wiederum bräunlich oder schwärzlich gezeichnet sind. Das Rumpfstück beider Felle ist licht gelbbräunlich mit folgender markirter Zeichnung. Vom Nacken an verläuft eine un- regelmässige schwärzliche Binde längs der Mittellinie des Rückens bis an das Schwanzende, durch welche die gelbliche Grundfarbe zum Theil durchschimmert. Diese Binde entsteht da- durch, dass hier die an ihrer Basis bräunlichen, im unteren Verlaufe gelblichen Haare lange schwarze Spitzen haben. Von diesem schwärzlichen Rückenstreifen entspringt über den Schultern ein schwärzlichbraun schattirtes Querband , welches nach den Vorderbeinen hinab- steigt und in welchem die Deckhaare theils lange schwarze, theils kürzere bräunliche Spitzen über dem gelblichen Mittelstücke haben, theils auch einfach gelb gespitzt sind. Unmittelbar vor und hinter diesem Querbande ist die gelbliche Farbe des Felles am lichtesten, indem hier die Haare nur an der Basis lichtbräunlich, im ganzen übrigen Verlaufe aber gelblich sind. Durch solehe Vertheilung der Farben entsteht auf dem Vorderrücken des Thieres die sehr markirte Zeichnung eines dunklen, schwärzlichen Kreuzes auf hellem, gelblichem Grunde. Diese Zeichnung ist auch an den Abbildungen von Gray und Temminck deutlich zu erken- nen. In ähnlicher Weise zieht sich am Hinterrücken von der schwärzlichen Längsbinde des Rückens eine dunkle, schwärzliche Schattirung auch nach den Seiten des Leibes, allmählig verblassend, fort, indem hier die schwarzen Spitzen der Deckhaare des Rückens allmählig kürzer werden und zuletzt ebenfalls verschwinden. Dieses ist nun der Punkt, in welchem die Abbildungen Gray’s und Temminck’s am meisten difleriren. indem bei ersterer an den Seiten des Leibes kaum eine dunklere Schattirung als unmittelbar‘ hinter der braunen Querbinde der Schultern zu merken ist, während bei letzterer an den Seiten des Leibes eine sehr deutliche breite dunkle Querbinde hinabsteigt, die nicht bloss nach vorn, von der hellgelblichen Färbung hinter den Schultern, sondern auch nach hinten, wenn auch in geringerem Grade, von der helleren Zeichnung der Schenkel absticht. An meinen beiden Exemplaren vom Winterfelle des Thieres ist nun diese Zeichnung, die an Gray’s Abbildung so gut wie verschwindet, eben- | | Canis procyonoides. 99 falls in der Weise wie Temminck sie angiebt, aber in viel weniger markirtem Grade und mit geringer Abweichung der beiden Exemplare unter einander vorhanden. Zunächst ist an beiden die schwärzliche Schattirung der Seiten viel heller als Temminck sie darstellt, indem sie deutlich heller als das Querband der Schultern ist, was bei Temminck nur kaum der Fall sein dürfte. Dadurch sticht sie ferner nach vorn, von dem hellgelblichen Fleck hinter den Schultern, minder scharf als in Temminck’s Abbildung ab. Alsdann breitet sie sich auch abwärts minder weit aus, als Temminck’s Zeichnung angiebt, indem sie ohne den Bauch zu erreichen verblasst. Nach hinten zu finde ich diese schwärzliche Schattirung der Seiten an einem meiner Exemplare zum Theil, wenn auch viel weniger scharf als Temminck angiebt, gegen eine hellere Färbung der Schenkelgegend abstechend, wodurch ein ungefähres, aber sehr verwaschenes und undeutliches Querband an den Seiten des Leibes entsteht, Am anderen Exemplare dagegen ist ein solches dunkler schattirtes Querband an den Seiten des Leibes durchaus nicht zu finden, indem die schwärzliche Schattirung an dem ganzen Hinter- rücken allenthalben nach dem Bauche zu gleichmässig verblasst und nur vorn etwas rascher abbricht als hinten. So zeigen also meine beiden Exemplare neben der Zeichnung, welche sie mit Temminck’s Abbildung von €. viwerrinus gemeinschaftlich haben, doch, in Folge der helleren Schattirung und der minder markirten Absetzung der Farben, eine solche Näherung an Gray’s Abbildung von €. procyonoides, dass ich nicht zu bestimmen wage, wohin sie mehr gehören. Vielleicht dürfte auch Temminck die Zeichnung des Thieres in der That markir- ter und die Farbe der Schattirungen etwas dunkler dargestellt haben, als sie in der Natur sind, während Gray dieselben zu verwischt gezeichnet hat. Wegen dieser Uebereinstimmung der Abbildung Gray’s mit meinen Winter-Exemplaren, wie wegen der starken und reichen Behaarung des Pelzes an derselben muss ich sie auch für eine Abbildung des Thieres im Win- terfelle halten. — Die weitere Färbung des Felles anlangend, sind Kehle und Brust licht grau- braun, der Bauch gelblich graubraun; die Extremitäten sind im oberen Theile dunkler, schwärz- lichbraun, im unteren heller, auf dem Fussrücken kastanienbraun; an der Innenseite mit eini- gen gelblichen und röthlichen Haaren gemischt; die Nägel braun. Von den hinteren Extremi- täten zieht sich an meinen Exemplaren die schwärzliehbraune Farbe nicht bis an die Schwanz- wurzel hinauf, wie es an den Abbildungen Gray’s und Temminck’s angegeben ist, sondern bricht früher ab, so dass die Seiten der Schwanzwurzel von der Farbe der Schenkel, d. i. bräunlichgelb mit schwacher schwärzlicher Schattirung sind. Der Schwanz ist oben von der Farbe des Rückens, d. i. schwarzbraun, zumal an der Spitze, in Folge der langen schwarzen Spitzen der in ihrem unteren Theile weisslichen oder gelblichen Haare; unten schmutzig gelb- lich. Das Wollhaar des Rückens ist grau bräuulich. Die Länge der Deckhaare des Rückens beträgt etwa 75, derjenigen des Schwanzes 80 Millimeter. Von dem Winterfelle ist recht abweichend das Sommerfell des Thieres, und zwar lässt sich dabei, neben der im Sommer viel dunkleren Färbung des Thieres, auch ein verschiedent- liches Verschwinden der markirten Zeichnung des Winterfelles wahrnehmen. Drei Exemplare, welche ich vom Sommerfelle habe, sind sehr geeignet uns über diese Variation zu belehren, * 60 Säugelhrere. indem an einem derselben die Zeichnung des Winterfelles noch vollkommen deutlich, an den beiden anderen aber in verschiedenem Grade verwischt ist. Das erstere derselben erhielt ich im unteren Amur-Lande von den Golde des Dorfes Ssoja, in dessen Umgegend es erlegt worden war. Statt der licht gelblich-bräunlichen Farbe des Winterfelles ist dieses Sommerfell (Taf. III. fig. 2.) gelblichgrau mit schwärzlicher Schat- tirung, und alle braunen und schwarzbraunen Zeichnungen sind fast in reines Schwarz umge- wandelt. Der Kopf des Thieres hat genau dieselbe Zeichnung wie am Winterfelle, nur allent- halben in dunkleren Farbentönen: so ist die Schnauzenspitze licht bräunlich - gelblich, der Nasenrücken dunkler bräunlich mit etwas gelblichweisser Einmischung, die Stirne gelblich- weiss mit schwarzer Schattirung gemischt, welche im Beginne der Stirne und in einem Bande über dem Auge zum Öhre hin heller, im mittleren Theile aber nach dem Scheitel zu dunkler ist und zwischen den Ohren fast in reines Schwarz übergeht. Diese Zeichnung wird dadurch bedingt, dass die im Beginne der Stirne und über den Augen an ihrer Basis lichtbräunlichen, im weiteren Verlaufe weisslichen und an der Spitze schwarzbraunen Deckhaare nach dem Scheitel zu längere schwarze Spitzen bekommen und zugleich auch die braune Farbe an ihrer Basis dunkler wird und eine grössere Ausdehnung gewinnt, so dass der weisslich-gelbliche Ring derselben mehr und mehr an Ausdehnung verliert. Das am Winterfelle braune Band, das unter den Augen zum Halse verläuft, ist am Sommerfelle dunkler schwarzbraun, fast rein schwarz und rückt etwas mehr vor das Auge als am Winterfelle. Es sticht daher auch um so greller von dem hellen, schmutzig weisslich-gelblichen Barthaare unterhalb der Ohren ab. Die dunkle Längsbinde des Rückens hat zwar einen schwärzeren Ton als am Winterfelle, ist aber im Ganzen verwaschener und nur auf dem Vorderrücken noch deutlich kenntlich, auf dem Hinterrücken aber von der schwärzlichen Schattirung der Seiten kaum zu unterscheiden. Wie am Winterfelle wird sie durch die längeren schwarzen Spitzen der an ihrer Basis schwarz- braunen, im weiteren Verlaufe schmutzig gelblichen Deckhaare hervorgebracht; indem aber die Behaarung eine minder dichte ist, schimmern die gelblichen Mittelstücke der Deckhaare stärker durch als am Winterfelle und lassen eben dadurch die Binde verwaschener als an je- nem erscheinen. Von den Schultern steigt ebenfalls ein deutlich schwarz schattirtes Querband nach den Vorderbeinen hinab, zu dessen Seiten, unmittelbar vor und hinter demselben, die Färbung des Felles am lichtesten und zwar schmutzig hellgelblich ist, indem die Deekhaare dort entweder nur an der Basis schwärzlich, im übrigen Theile weisslich, oder auch im gan- zen Verlaufe weisslich oder gelblich sind. Dadurch ist an diesem Sommerfelle die Zeichnung eines dunklen, schwärzlichen Kreuzes auf lichtem, schmutzig gelblichem Grunde deutlich aus- gesprochen. Der Hinterrücken des Thieres ist, wie bereits gesagt, durchweg graugelblich mit schwarzer Schattirung, welche auf der Mittellinie des Rückens nur etwas stärker als an den Seiten des Leibes ist. Der Unterkiefer, die Kehle, die Brust und die Extremitäten sind dunkel schwarzbraun , die letzteren an der Innenseite mit theilweiser Einmischung lichterer, gelblich-bräunlicher Haare. Der Bauch ist gelblich graubraun. Der Schwanz fehlt an diesem Exemplare und ist daher in der Abbildung nach einem anderen Sommerfelle dargestellt. Cants procyonoides. 61 Das oben beschriebene Sommerkleid des Thieres lässt sich wegen der deutlich vorhan- denen markirten Zeichnung, welche das Thier auch im Winterfelle charakterisirt, als die nor- male Färbung des Thieres im Sommer ansehen. Dagegen glaube ich zwei andere Exemplare dieses Thieres, an denen jene Zeichnung zum Theil verwischt ist, für eine Varietät des Thie- res halten zu müssen. Das eine derselben, ein altes Weibchen, ist von den Biraren von Os- sika am oberen Amur-Strome, oberhalb des Bureja-Gebirges und nahe der Mündung der Bu- reja in den Amur, am 5, lebend im Dorfe Emmero am unteren Amur-Strome und hielt es in der Gefangenschaft bis erlegt worden; das andere, ein junges Männchen, erhielt ich zum ;%. October, wo es getödtet und abgebalgt wurde. Beide stimmen sehr mit einander überein und scheinen auf den ersten Blick von jener oben beschriebenen Zeichnung des Thie- res sehr abzuweichen. Vergleicht man dieselben aber genauer, so findet man die einzelnen Stücke der Zeichnung, wenn auch bisweilen nur in Andeutungen, wieder. Im Allgemeinen ist die Farbe dieser Felle ein Gemisch von Gelblichgrau mit starker schwarzer Schattirung. Im Einzelnen betrachtet, ist der Kopf genau so wie an dem erstgenannten Sommerfelle gezeich- net, mit dem geringen Unterschiede, dass an dem einen Exemplare (vom Juli) der Schnauzenrücken bis an die Nase dunkler bräunlich und das schwarze Band, das unter dem Auge verläuft, noch etwas mehr nach vorn vorspringt. Am anderen Exemplare (vom October, Taf. IV. fig. 1.) findet das nicht statt, und die ganze Schnauzenspitze ist heller und mehr von der Farbe des Winterfelles, wogegen die dunklere Farbe der Stirne bis zwischen die Augen vorspringt. Die Ohren sind genau wie am Winterfelle beschaffen: aussen gelblichbraun, innen schmutzig weisslich, am Rande und hinten an der Wurzel schwarzbraun. Ein Backenbart aus weissli- chen und gelblichen Haaren ist ebenfalls vorhanden. Weniger übereinstimmend ist die Zeich- nung des Rückens dieser beiden Exemplare. Die dunkle Längsbinde des Rückens ist an dem einen Exemplare (vom Juli) wohl so gut wie gar nicht mehr, am anderen nur sehr schwach zu unterscheiden, indem einerseits auch längs der Mittellinie des Rückens, vom Nacken an, eine gelbliche Farbe der Haare durch die schwarze durchschimmert und andererseits eine schwarze Schattirung, und zwar in stärkerem Maasse als an dem normalen Sommerfelle, auch die Seiten des Leibes und fast gleichmässig bedeckt. Dennoch lässt sich an beiden Fellen, und besonders an dem dunkleren (vom October), auf dem Vorderrücken in der Schulterge- gend sowohl ein Stück der unregelmässigen Rückenbinde, als auch eine verwaschene, dunkler als ihre Umgebungen schattirte, schwärzliche Querbinde erkennen, welche nach den Vorder- beinen hinabsteigt. An beiden Fellen lassen sich ferner auch die lichten gelblichen Stellen des Felles unmittelbar vor und hinter dieser Querbinde erkennen, an denen die Deckhaare pur an ihrer Basis schwärzlichbraun, im übrigen Verlaufe aber schmutzig gelblich sind. Na- mentlich ist der helle Fleck vor der Querbinde ansehnlich und deutlich ausgesprochen, derje- nige hinter der Binde aber weniger deutlich, indem die Zahl der ihn bildenden gelblich ge- spitzten Haare geringer ist. Diese Stellen sind denn auch die einzigen an den Seiten des Lei- bes, wo sich bei diesen beiden Exemplaren weisslich oder gelblich gespitzte Haare finden. Und so sehen wir die markirte Zeichnung eines schwärzlichen Kreuzes auf gelblichem Grunde, 62 Säugethiere. welche die zuerst besprochenen Exemplare von (. procyonoides lebhaft kennzeichnete, an die- sen beiden Exemplaren so weit sich verwischen, dass sie auf den ersten Blick gar nicht aul- fällt und sich erst bei genauerer Betrachtung und mit geringer Deutlichkeit herausfinden lässt. Ebenso fallen aber auch an Gray’s Abbildung von €. procyonoides die lichten Stellen vor und hinter der Querbinde der Schultern weniger scharf in die Augen, und finde ich, bei Verglei- chung meiner Exemplare mit dieser, zwischen ihnen nur den Unterschied, dass die Abbildung Gray’s eine geringere schwarze Schattirung der gesammten Leibesseiten als meine Exemplare hat. Hier schliessen sich daher die Formen nur mit gradueller Verschiedenheit der Schatti- rung an einander. Wie Gray’s Abbildung darstellt, sind nun auch meine Exemplare an den Seiten des Leibes hinter jenem helleren Flecke, der sich unmittelbar hinter der dunklen Quer- binde der Schultern befindet, gleichmässig gelblichgrau und schwarz schattirt, wobei sich zwischen den Schattirungen der Seiten und des Rückens nur etwa der Unterschied bemerken lässt, dass an den Seiten die schwarze Schattirung mehr gleichmässig mit dem Gelblichgrau vermischt ist, während auf dem Rücken die schwarzen Spitzen der Deckhaare stellenweise mehr zusammenhängende schwarze Flecke bilden, welche so die unregelmässige Längsbinde des Rückens einigermassen ersetzen. Diese schwärzliche Schattirung der Seiten des Leibes ist an meinen beiden Exemplaren nur wenig heller als die Querbinde der Schultergegend , wo- durch sich wiederum eine Näherung an Temminck’s Abbildung des Thieres herausstellt. Ferner zeigt eines derselben (dasjenige vom Juli) auch eine dunklere, schwarzbraune Schatti- rung der Hinterschenkel bis an die Schwanzwurzel hin, so dass auch dieses Moment, das wir an den anderen Exemplaren nicht fanden und das Gray und Temminck abbilden, in den Bereich der Variation fällt. Die Unterseite des Thieres ist genau wie an dem ersterwähnten Sommerfelle beschaflen: Unterkiefer, Kehle. Brust und Extremitäten dunkel schwarzbraun, die letzteren im oberen Theile fast rein schwarz; der Bauch heller, graubraun, nach hinten, an den Geschlechtstheilen und dem After, schmutzig gelblich. Der Schwanz ist schmutzig graugelblich, oben schwarz schattirt und an der Spitze, durch die langen schwarzen Spitzen der Haare, ganz schwarz; unten schmutzig gelblich. Die Länge der Deckhaare beträgt auf dem Rücken etwa 80—85, am Schwanze 90 Millim. Das Exemplar vom October hat bereits ein dichtes Wollhaar von derselben graubraunen Farbe wie die Winterfelle. Auch hat es am Nacken bereits eine bräunlichere, dem Winterfelle näher stehende Färbung als das Exemplar vom Juli. Da ich dieses Thier (von Emmero) lebendig gehalten habe, will ich noch bemer- ken, dass die Iris desselben graubraun und die Pupille rund war. Beide Thiere, die ich in der Gefangenschaft, das eine einen halben Monat, das andere anderthalb Monate lang hielt und auf der Reise im Boote mit mir führte und deren eines mir später in Kidsi entkam, fütterte ich, dem Vorgange der Eingeborenen folgend, mit Fisch und dazwischen auch mit dem Fleische geschossener Vögel, das sie gern assen. Die Thiere, obgleich noch jung, waren recht bissig und bewegten sich besonders Nachts unruhig in ihren Käligen umher. Ohne Zweifel sind es nächtliche Thiere. Niemals habe ich sie bellen gehört, sondern nur einen grunzenden Ton von sich geben. In ihren Bewegungen hatten sie viel Schleichendes, was ich namentlich Canis procyonotdes. 63 bei der Gelegenheit bemerken konnte, als einmal eines derselben , im Entspringen begriffen, von uns wieder eingefangen wurde. Beide Exemplare waren von den Eingeborenen an ver- schiedenen Orten aus Erdbauen genommen worden, die sie, nach Aussage der Eingeborenen, den Dachsen oder Füchsen ähnlich anlegen. — im October gab ich dem mir nachgebliebenen Thiere eine Dosis Strychnin, welche es nach einer Viertelstunde in ein rasches und hefliges Zittern am ganzen Leibe versetzte, worunter es auch alsbald verreckte. An dem frisch getöd- teten Thiere nahm ich folgende Maasse: Gesammtlänge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze ....885 Millim. Länge von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel.......610 « « des Kopfes ...... NN RENTE, een EDDIE « des Schwanzes ohne Endhaare ................ 190 « « der Endhaare am Schwanze ......... SE re USDWISE Ich füge zugleich die hauptsächlichsten ungefähren Maasse der übrigen mir vorliegenden Exemplare bei, ob diese gleich, am Felle genommen, nur einen sehr geringen, approximativen Werth haben können: Winterfelle Sommerfelle | Erstes. Zweites. Gesammtlänge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze ...| 940 900 Länge von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel ..... 700 660 « des Schwanzes ohne Endhaare....... zii) 170 « der Endhaare des Schwanzes.......e......- s 70 70 Nach dieser vergleichenden Besprechung der äusseren Charaktere von Ü. procyonordes Gray und €. viverrinus Temm., sowohl nach den bisher bekannten Beschreibungen und Ab- bildungen, als auch nach den uns vorliegenden Exemplaren, dürfte es wohl keinem Zweifel mehr unterliegen, dass diese vermeintlich verschiedenen Arten eine einzige Art bilden, welche im Sommer und Winter eine verschiedene Färbung hat und ausserdem auch localen Variatio- nen in der Zeichnung unterworfen ist. Die im Amur-Lande beobachtete, oben beschriebene Varietät zeigt uns aber im Allgemeinen eine stärkere schwarze Schattirung, durch deren Aus- breitung auch über die an der normalen Form helleren Partieen des Felles die markirte Zeich- nung des Thieres undeutlicher wird. So findet also auch an dieser Form die schon an meh- reren Thierarten im Amur-Lande beobachtete Neigung zum Ueberhandnehmen dunklerer, schwärzlicher Farbentöne statt. Ehe ich nun an die geographische Verbreitung von (. procyonoides im Amur-Lande gehe, will ich mir noch einige Bemerkungen über die Stellung dieser Art im Hundegeschlechte sowohl nach den osteologischen Verhältnissen , wie nach dem Gesammthabitus derselben er- lauben. Wie erwähnt schlägt Temminck') vor, die genannten Arten, Ü. procyonotdes und 1) Tijdschr. voor natuurl. Geschied. I, c. Fauna Jap. Mammalia Dec. 1. p. 5. 64 Säugethiere. C. viverrinus, als besondere Gruppe unter dem Namen Nyectereutes von dem Canis-Geschlechte zu trennen. Als Grundlage dafür giebt er nur im Allgemeinen an, dass diese Arten eine kleine Anomalie im Zahnbau zeigen und in ihrem Habitus sich einerseits den Waschbären Amerika’s und andererseits den Viverren Indiens nähern. Specieller giebt Wagner’), der in diesen Thieren nach Gestalt, Grösse und Färbung eine Näherung an die Marder findet und sie daher als besondere Gruppe «Marderhunde» (Martin?) im Geschlechte Canis unterscheidet, die Ano- malie im Zahnbau darin an, dass «die beiden oberen Höckerzähne länger (d.h. von vorn nach hinten), zugleich aber auch (von innen nach aussen) kürzer als bei anderen Gruppen sind, und dass überdiess der untere grosse Höckerzahn ein Höckerchen mehr hat.» Blainville endlich bringt nach osteologischen Verhältnissen C. procyonoides zur Abtheilung der ächten Wölfe, hebt aber im Allgemeinen hervor, dass er mit einigen anderen nächstverwandten Ar- ten, wie ©, canerivorus und brachyteles, durch einen kürzeren und entfernter stehenden Dau- men sich auszeichne (weshalb Blainville”) für diese Arten auch den Namen «chiens brachy- teles» vorschlägt), ferner auch einige Aehnlichkeit mit den Schakalen habe und durch die Form des Kopfes sich den Hyänen nähere°). In Betreff der Zahnbildung macht er aber nur auf die grössere Entwickelung der oberen Höckerzähne im Vergleich zum Reisszahne und auf die beson- dere Kleinheit des letzten unteren Höckerzahnes aufmerksam‘). Leider stehen mir zur Ver- gleichung keine Schädel oder Skelette von den dem €. procyonoides vermuthlich nächstver- wandten Arten, ©. cancrivorus u. a. m., sondern nur diejenigen europäischer und sibirischer Hunde-Arten zu Gebote. Es bleibt mir daher auch nichts Anderes übrig, als meine Verglei- chungen diesen Arten gegenüber zu thun. Prüfen wir zunächst die angegebenen Besonderheiten im Gebisse der Nyctereutes-Arten an den uns vorliegenden Schädeln, welche den beiden zuletzt beschriebenen Thieren der schwärzlichen Varietät des Amur-Landes angehören und von denen das eine ein altes, das andere ein ziemlich junges Thier war. Was zunächst den grossen unteren Höckerzahn betrifft, so ist Wagner’s Behauptung nicht haltbar, denn von den beiden mir vorliegenden Exemplaren finde ich an dem einen, und zwar dem älteren, mit ziemlich abgeriebenem Gebisse, allerdings statt der beiden vorderen Höcker drei, und zwar einen grösseren inneren und zwei kleinere nach aussen von jenem; an dem anderen, jüngeren Exemplare dagegen, mit sehr gut erhaltenem Gebisse, sind an dem unteren grossen Backenzahne vorn ebenfalls nur zwei und überhaupt genau eben so viel Hö- cker wie bei den anderen Hunde-Arten vorhanden. Das lässt sich auch an den Abbildungen Blainville’s°) und Temminck’s°) erkennen. Erstere giebt deutlich am grossen unteren Höckerzahne vorn nur zwei neben einander stehende Höcker an; aus letzterer scheint es eben- 1) 1. c. p. 437, 2) Osteogr. 1. c. p. 47. 3) Osteogr. 1. c. p. 30. 4) Osteogr. 1. c. p. 47 u. p. 156.. tab XII. 5) Osteogr. 1. c. tab. XI. 6) Fauna Japonica. Mammialia. tab. 8. fig. 5. Canis procyonotdes. _ 65 falls hervorzugehen, obgleich das Exemplar Temminck’s, nach der Abbildung zu urtheilen, ' ein sehr abgeriebenes Gebiss gehabt haben muss, was Temminck’s Bemerkung einer Ano- malie ım Zahnbau dieser Thiere um so auflallender macht. Jedenfalls fällt also diese von Wagner erwähnte, vermeintliche Eigenthümlichkeit der Nyectereutes- Arten als Gattungs- charakter weg. In Betreff ferner des Verhältnisses der Länge und Breite der oberen Höckerzähne finde ich, beim Vergleiche meiner beiden Schädel von €. procyonoides mit den europäischen und si- birischen Canis-Schädeln unseres Museums, folgende Grössenverhältnisse (in Millim.): 277570070 717002908 TTsZ Te TEE BEE En Fo ET GT TIERE ERTEEEREEE) (zo HRIRE Tue oma Wo" mm | TnmEEEr mom m mm om ar a nn ister oberer s |=35 2ter oberer se |»25 Höckerzabn. | 5 5 | 20 Höckerzahn. | 5 5 | 33 = a SHE = = all si Name und Fundort der Arten. S 3 S S en = 5 ei S s5 3 E 25 iS aesmass|lea E55 32535... 2 = | 225 E —— — Ü.procyonoides Gray. Amur, Ossika 10 10 1 \ 6 6,5/ 0,92 \ le ‘ 0,98 0,89 « « « « Emmero| 9,510 | 0,95 |f 5,5| 6,5| 0,85.|j C.lagopus L. Nowaja Semlja ....| 8,5, 10 0,85 5 6 0,83 EIER « NW-Amerika...... 8 9 0,89 | H) 6 0,83 { Ss 0x % 0,87 0,81 « « Nena ene 8 9,5 0,84 [ 5 6 0,83 | re KaPatria inet... ....| 855| 9,5| 0,89 )) 45| 6 0,75 C. vulpes L. Amur, Kidsi....... 10 |11,5| 0,87 5,5| 8,5) 0,65 « « « St.Petersburg......|10,5|12 0,88 |, 6 6 b} 0,75 | 2 RE RL aeraleı- 1 estlun. 10 11 | 0,91 | | 6 | 7,5| 0,80 fe « « « Nishnaja Tunguska .|11 12,5| 0,88 6 8,5| 0,74 C. Karagan Gm. Gaucasus....... 9 /10,5| 0,86 5,5177,9100473 « « « (is 1 Ak EI BR Rr 9 ,10,5| 0,56 6 7,5| 0,80 « KEN. Ute OR NEN AR. 9,5 11 0,836 5,5| 7,5| 0,73 « « « RE | ELIRDNN 9 11 0,82 6) 7,5) 0,67 « « « a DIR. 9,5 11,5) 0,83 0,84 6 7,5| 0,80 0,74 « « « ORPIINRE ER IE 9 ,10,5|\ 0,86 5 7 0,71 « « « Col NSS ET. 9,5 11 0,86 6 7,5, 0,80 « « « RE Er RR 9 11 0,82 |. rl 0,79 “o« Sn a a ALIEN U 9 |11 | 0,82 ee ri! « « « OBRBL Bei LINES 107 18 0,77 6 9 0,67 Oraureus Es CaAUCAasus. 200.0. ..: 12 /13,5| 0,89 rn Br 7 9 0,78 ne a 12 14 | 0,86 fol 7 | 95| 0,74 |f” !) Die Breite der Höckerzähne messe ich nicht vom vorderen, sondern vom hinteren äusseren Höcker nach innen, weil dies die zur Dimension der Länge senkrecht gestellte Dimension der Breite ist, während jene erstere sie uuter spitzem Winkel schneidet. Schrenck Amur-Reise Bd. I. 9 66 Säugethiere. | 1ster oberer ö = 3 2ter oberer s|=: Höckerzahn. | 5 © | #2 Höckerzahn. | 5 © | £2 ae irie „a1 3@|s3 Name und Fundort der Arten. Se =3 = 8 ei = s3 285 = Sees; 20 555 oslon; BES 5, DER ee EEE ee BSSESEl 23 [385 jas355:| 23 |3# i mel | ! zeit S- C.aureus L. Caucasus..........[12,5 14 0,89 7,510 0,75 ] (as RN « a er ee LEN T2.91 0,88 6 8 0,75 | %r | k “a0 eererenn 12 [13,57 0,89 Inso) 7 1 95 ol. « « « « RE RR ol RE 7,5 9 0,83 wo wire BEP PER ERBEN 7,5110 | 0,75 « « « « aa aa 13 0,92 y 5,5 0,82 |) C. lupus L. Amur, Kalm .......|17,5| 21 0,83 3,5112 0,71 « « “Apatr ann 15,5| 0,90 7 10 0,70 KH RAULASUS.. ee ld 0,89 | 9,5/12 0,79 | a « ea EN .0,89 8,5 11,5| 0,74 | 0,74 “em RN a IR | 3 /ı2 | 0,75 |f « AEG te Er MTEENDO 0,883 9,5 12,5| 0,76 « Re « AIR IRGE, 17 | 20 0,85 10 12,5| 0,80 RE BEN SER ea a 00803 9 13° | 0,69 | C. Azarae Pr. M. Brasilien......| 8,5| 9,5| 0,89 — 6,5| 8 0,81 | —: Aus diesen Maassen geht allerdings hervor, dass an den Höckerzähnen des Oberkiefers bei €. procyonordes die Länge im Verhältniss zur Breite eine ansehnlichere als bei anderen Hundearten ist. Von den hier angeführten ist €. procyonoides die einzige Art, bei welcher der erste obere Höckerzalın bisweilen ganz und der zweite fast ganz ebenso lang wie breit ist. Hält man in absolutem Maasse die Höckerzähne des Wolfes dagegen, so ist die Verschieden- heit sehr sichtlich, indem bei diesem die Differenz in den genannten Dimensionen der Höcker- zähne im Durehschnitt 2 und 3 und in einzelnen Fällen sogar 31 und 4 Millim. beträgt. Dennoch findet sowohl an einigen Schädeln des Wolfes, als auch an denjenigen der zwischen- genannten Hundearten auch in absolutem Maasse eine allmählige Ausgleichung dieser Dif- ferenz bis auf die unbedeutende Grösse von } bis 1 Millim. statt. Nimmt man nun aber, um das allein richtige Maass dieses Verhältnisses zu haben, nicht die absolute Dillerenz dieser Dimen- sionen, sondern das jedesmalige Verhältniss der Länge eines Zahnes zu seiner Breite, so stellt sich eine noch sichtlichere Näherung der Formen gegen einander heraus. Wir linden nämlich, dass 1) in einer grösseren Anzahl von Schädeln der genannten Hundearten es stets auch solche giebt, an denen das Verhältniss der Länge zur Breite an den oberen Höckerzähnen demjenigen von (. procyonoides äusserst nahe und fast gleich kommt. So ist das Maximum dieses Verhältnisses an den uns vorliegenden Schädeln folgendes: Canis procyonoides. 67 ister Höckerzahn. ?2ter Höckerzahn, BAUT ET EL 0,89 - 0,83 EEE 5 3 ee N EN Er 0,91 0,80 (ERSCHEINT Re NIS 0,36 0,30 NET PIE A EEE ENTE 0,93 0.83 PRlunNsE een RE GET EEE ON. 0,94 0,50 Die grössten dieser Zahlen, die wir beim Schakal und Wolfe finden, nähern sich den Verhält- nisszahlen des 2ten Exemplares von C. procyonoides, wo sie 0,95 uud 0,85 betragen, bis auf die unbedeutende Differenz von 0,01 und 0,02. 2) Nimmt man nun, da wir von (. procyonordes nur 2 Schädel haben, auch für die an- deren Arten die Mittelwerthe des in Rede stehenden Verhältnisses nur für je 2 Schädel und zwar für diejenigen derselben, an welchen die Länge der Höckerzähne im Verhäliniss zur Breite derselben am grössten ist, so stellen sich folgende Verhältnisszahlen heraus: ister Höckerzahn. 2ter Höckerzahn. 0. lagopus.n. 2...» ALERT ENTE MEN STAA She 0,89 0,83 NT a Ne EL RENEGR AN 0,90 0,78 GeRoraganee2 nn BE RE ENRENR Erstes rarte 0,36 0,80 C. aureus ..... RR AR een ET, 0,93 0,83 al Bo er one ne 0,93 0,80 ©. procyonoides ....... deetegar Te scenst einfsfekehsteetee 0,98 0,89 Hier sehen wir die geringste Differenz der Verhältnisszahlen, die uns wiederum der Schakal und der Wolf bieten, zwar steigen, allein immer noch die unbedeutende Grösse von 0,05 und 0,06 betragen. 3) Vergleichen wir endlich die in der Tabelle gegebenen mittleren Verhältnisszahlen aller gemachten Messungen der Länge und Breite der Höckerzähne, so finden wir, dass die geringste Differenz derselben für beide Höckerzähne, und zwar für den 1sten zwischen (. pro- cyonoides und (. aureus und für den 2ten zwischen C. procyonordes und ©. lagopus, trotzdem dass wir nicht die dem C. procyonoides nächst verwandten, sondern entfernter stehende Hundearten, bei denen also die Differenz eine grössere sein muss, in Vergleichung nahmen, dennoch nicht mehr als 0,08 beträgt. Dagegen sehen wir, dass die Variation in diesem Ver- hältniss innerhalb einer und derselben Art bisweilen 0,11 und 0,15 beträgt. Wir können daher die verhältnissmässig grössere Länge der Höckerzähne bei €. procyonoides unmöglich als eine Anomalie auflassen, die genügend wäre aus dieser Art ‚eine besondere Gattung zu bilden, sondern finden darin bloss eine gewisse Gradation innerhalb des Ganis-Geschlechtes. In Betreff dieser Gradation können wir aber, da uns die dem C. procyonoides vermuthlich näch- sten Glieder fehlen, nur so viel hervorheben, dass im Vergleich zu den angeführten Arten C. procyonoxdes in der verhältnissmässigen Länge und Breite der Höckerzähne sich mehr dem Schakal und dem Wolfe als den Füchsen nähert. In ähnlicher Weise lässt sich auch in Beziehung auf die verhältnissmässige Entwicke- E73 68 Säugethiere. lung der Höckerzähne im Vergleiche zu den Reisszähnen eine Abstufung im Hundegeschlechte darthun. Blainville giebt eine solche Gradation für die Länge der Höckerzähne und des Reisszahnes im Oberkiefer an, indem er die verhältnissmässig grösste Entwickelung des Reiss- zahnes bei €. primaevus Hodgs., die geringste bei C. megalotis Desm. findet. Schliessen wir aber letzteren, als besondere Gattung Otocyon, vom Canis-Geschlechte aus, so bleibt, nach Blainville’s Angabe, als die durch die grösste Entwickelung der Höckerzähne im Vergleiche zum Reisszahne im Oberkiefer gezeichnete Form C. pröcyonoides stehen. Während nämlich bei €. primaevus der Reisszahn ansehnlich länger ') sein soll als die beiden Höckerzähne zu- sammengenommen, sollen bei ©. procyonoides umgekehrt die Höckerzähne zusammengenom- men den Reisszahn an Länge um ein Bedeutendes übertreffen. Numerische Angaben sind uns von Blainville leider nicht mitgetheilt. An meinen beiden Schädeln von C. procyonordes finde ich darin im Vergleiche zu einigen anderen Hundearten folgende Maasse: Tango de | se re Name und Fundort der Arten. oberen Reiss- | kerzahne zu- en ee) uabnn, 3), |, ©ammeuleer an a en 25 Et SER Iraen C. procyonoides Gray. Amur, Ossika...... 15,5 1,41 \ Re « « « « Emmero .... 14,5 1,26 \$ = C. lagopus L. Nowaja Semlja ........... 12,5 1,14.) © a‘ KciNMWeAmerikait, ... 0. 20k>: 13,5 108 SE. 55 « « « Amerika una tele fe ie. sie, a (ef, ateielene 12,5 1,04 | , « « PAIN ee er et 13 ‚1,08 ©: vulpes;L. Ama, Radsi .....leeeeaeee 15 1,07 Ra DeVenspuncn.erese ler ekelete 16 1,10 | 1 URDOTG « N A 16 1,07 | h « « « Nishnaja Tunguska | 010.0. 16,5 1,18 C. Karagan Gm. Caucasus..eeeeeereeee. 14 1,08 « « « « EB‘ 15 1,07 « « « « u Beer oonoe ee 14 le] « « « « Seen eele hal okeWonekehe 14,5 1,21 « « « « OR 14 | 1.13 « « « «@ Dar aa ur ar er Er rer 15 1,15 } « « « « Dur ur ur Er Er Er rer rer 14 1,12 « « « « eleele a. 0.» e, aloJara 15 1,20 « « « « Ne leisi scene 14 1,08 « « « « RAR 14 1,08 I) Blainville nennt übrigens diese Dimension «largeur». Osteogr. 1. c. 2) Am äusseren Rande gemessen, den vorderen inneren Ansatz nicht mitgerechnet, Canıs procyonotdes. 69 Verhältniss der [Mittleres Verhält- Länge der oberen |niss der Länge der Höckerzähne zu- | oberen Höcker- sanımengenom- | zähne zusammen- men zum Reiss- | genommen zum zahn. Reisszahn. R Länge der Eaugejdes | oberen Hök- kerzähne zu- sammenge- nommen, Name und Fundort der Arten, oberen Reiss- zahnes, C. aureus L. Caucasus. « « « « ICE Zuar Baer ur Bee Sa Ba Ba er ee ee | « « « « [ee Dur a er Er Br ar Be . « « « « Dee Ba Be a er ee er ES « « « « .r 11T ren. ul « « « « I Buec Zur Bu ur Sea Saar zer Sr Sr Sr ur Er er er rer « « « « sales) are ee eleLeze'ne .uLe/e | « « « « Eee Bu ya er er Tr Br ar er er ee rer CHITSSLE N mur tRalmen is llsesnen. ET EIS DENE EEE « « CHOAUCASUSEN verraten et. « « « « . orten. « « « « sue elnlladei e,e.e e,o.eie «ie .e,e 2uL « « « « Dec Dar Bu Ba Sr ar er ee er « « « « nor 1100er. « « cc « Dur Dur u Bar ar Er er Er C. Azarae Pr. M. Brasilien . . . . . . . . . . . . . Diese Maasse stimmen nicht ganz mit den allgemeinen Angaben Blainville’s überein. Den mittleren Verhältnisszahlen zufolge, findet nämlich die grösste Entwickelung der oberen Hök- kerzähne im Vergleich zum Reisszahne beim Wolfe statt, wo diese Zähne fast völlig gleich lang sind, ja in einzelnen Fällen sogar der Reisszahn länger als die beiden Höckerzähne zusammenge- nommen ist, was wir bei keiner anderen der erwähnten Hundearten bemerkt haben. Alsdann folgen mit unter einander ziemlich gleicher, im Vergleich zum Wolfe aber stärkerer Entwickelung der Höckerzähne, der Polar- und gemeine Fuchs und der Schakal und dann endlich der Kara- gan, bei dem das Verhältniss um ein Geringes zu Gunsten der Höckerzähne steigt, jedoch im- mer noch sichtlich hinter der Entwickelung derselben bei C. procyonoides zurückbleibt. Nach Blainville dagegen soll der Polarfuchs dasselbe Verhältniss der Höckerzähne zum Reisszahne zeigen wie der Wolf; beim Schakal steigt es etwas zu Gunsten der Höckerzähne und beim Fuchse soll die überwiegende Länge der Höckerzähne schon sehr merklich und dem Verhältniss von (€. Azarae gleichkommen. Ein mir vorliegender Schädel des letzteren zeigt aber auflal- lender Weise eine noch stärkere Entwickelung der oberen Höckerzähne als C. procyonordes, während Blainville an 5 Schädeln dieses Thieres ein ähnliches Verhalten wie beim Schakal bemerkt zu haben angiebt. Solche Differenzen dürften theils aus der ansehnlichen Variation 0 Säugethiere. dieses Verhältnisses an den einzelnen Schädeln, wie wir sie auch unter den oben mitgetheil- ten Maassen finden, sich erklären lassen, theils aber auch aus dem Mangel numerischer An- gaben bei Blainville herzuleiten sein. Fügen wir nun zu diesen Betrachtungen der Zähne im Oberkiefer eine ähnliche Ver- gleichung der verhältnissmässigen Entwickelung der Höckerzähne im Unterkiefer zwar indem wir den zweiten, kleinen Höckerzahn, der bisweilen kaum merklich hinzu, und ist, biswei- len auch schon in den aufsteigenden Ast des Unterkiefers rückt, dabei ganz ausser Acht lassen und nur den ersten Höckerzahn und den Höckeransatz des Reisszahnes einerseits und anderer- seits die Schneide des Reisszahnes gegen einander halten. An den oben erwähnten Schädeln unseres Museums finde ich in dieser Beziehung folgende Maasse: Länge des Hök- Länge der keransatzes am Schneide des |Reisszahne u. des Q R ersten unteren Reisszahnes im |Höckerzahnes zu- Unterkiefer. sammengenon- Verhältniss der Name und Fundort der Arten. ra Schneide dessel- Mittleres Verhält- Länge d. Höcker-|niss derLänge der zähne zum Reiss- Höckerzähne zum Reisszahn (d. i. zur Schneide des- selben). KeoBR ben). C.procyonoides Gray. Amur, Ossika .. 11 1,22 « « « « Emmero..... 8,5 11,5 1,35 C. lagopus L. Nowaja Semlja ....... oe 9 9,5 1,06 = GENW-AmMEerINa I. ee 10 10 1,00 « « FEN UK TÜR Do ee SER 9,5 10 1,05 « « GRBatanIee ee ee 10 10 1,00 C. vulpes L. Amur, Kidsi ..... 2ER 5 11 11 1,00 «a .« Petersburg ...e..ccenunce» 11 12 1,09 RK; « DREI ah 12 12 1,00 « « « Nishnaja Tunguska ........ 12 12 1,00 C. Karagan Gm. Caucasus....... ent ai 10 11 1,10 « « « Rn a ENGE 10 11 1500 « « « tete 10 11 1,10 « « « « a Re See 9,5 10,5 ılsıhı « « « N Re KR 10 11,5 1,15 « « « Pen LAN 9,5 10.5 1,11 « « « N ER ic 10 11 1,10 a « « a RR RN 10 10,5 1,05 « « « Re ee 20 NERERE 10,5 10,5 1,00 « « « « een sleteseh 10 12,5 1,25 (Manreusl. Caucasuscene sen een 13 13 1,00 « TG: « Ba REM 13 13,5 1,04 ad a « ER A eh an ARE 13 14 1,08 } 1.29 1,03 | | 1,08 Canıs procyonotdes. 71 Tanseider Eee eis Verhältniss der |Mittleres Verhält- $ ae Reivneloten Länge d. Höcker- niss der Länge der Name und Fundort der Arten. „eneice CS | ersten unteren |zahne zum Reiss-|Höckerzähne zum Reisszahnes ım |Höckerzahnes Sr zahn (d.i. zur Reisszahn (d. i. Unterkiefer. sammengenom- | Schneide dessel- |zur Schneide des- en ben.) selben). m I ur — ee ee TE Hauses LAG aUORSUS.K. > 2, 0er eneneheneneheneee e 13 1% 1,08 nn 11 12,5 1,09 « “oa « RT aber s ekertertatiaerte 13 14 1,08 1,08 « a“ « a 13 15 1,15 « « « « EN 12,5 13,5 1,08 GC. epusENAmur, Kalm.suroonunoncc.. 21 21 1,00 Ve PTTTINGEITe Rh enitareneng 19 19 1,00 EEK ÜAUCASUS Ten ee ee 19 20 1,05 | Th en ge « BRAIN CS Ra LEHREN: 20 18 18 1,00 « “c« « WA Eran sl eksitenatee Iareire 19,5 20 1,03 1,01 LI « rehele selialare lea te Yahallarh 21 20,5 0,98 cHr@ % « Nele er aleteinseek 20,5 20,5 1,00 ER EN « Re er asse a elerele 20 20,5 1,03 C. Azarae Pr. M. Brasilien.............| 7 9,5 1,36 N Diese Maasse geben für die verhältnissmässige Länge der Höckerzähne im Unterkiefer eine mit der obigen, für den Oberkiefer gefundenen fast ganz parallele Reihe. Wir finden wiederum die geringste Länge der Höckerzähne im Vergleiche zum Reisszahne (d. i. zur Schneide desselben) beim Wolfe, wo diese Theile fast gleich lang sind, ja in einzelnen Fällen sogar die Schneide des Reisszahnes den Höckeransatz desselben und den ersten Höcker- zahn zusammengenommen an Länge übertriffi, was bei anderen der erwähnten Hundearten nicht vorkommt. Dann folgen, mit etwas stärkerer Entwickelung der Höckerzähne, der ge- meine und der Polarfuchs. Beim Schakal und Karagan endlich steigert sich das Verhältniss noch um etwas mehr zu Gunst n der Höckerzähne, bleibt aber auch bei letzterem noch merk- lich hinter demjenigen von Ü. proeyonoides zurück. Dabei lässt sich im Unterkiefer ein noch stärkeres Variiren dieses Verhältnisses als im Oberkiefer bemerken. So finden wir z. B. an einem Schädel von €. Karayan das Verhältniss der Länge des ersten Höckerzahnes und des Höckeransaizes am Reisszahne zusammengenommen zur Schneide des letzteren 1,25 be- tragen, was die Grösse dieses Verhältnisses bei einem der Schädel von (€. procyonoides, näm- lich 1,22, übertrifft, während an einem anderen Schädel vom Karagan dasselbe Verhältniss our 1,00 beträgt, also dem beim Wolfe stattfindenden Verhältnisse nahe gleichl,ommt. Nehmen wir nun, um das mittlere Maass der Entwickelung der Höckerzähne im Ver- hältniss zu den Reisszähnen in beiden Kiefern zu haben, die Mittelwerthe der für beide gefun- denen Verhältnisszahlen, so haben wir folgende Grössen: 72 Säugelhiere. Mittleres Verhältniss der Länge der Hörker- zähne zu den Reisszähnen in beiden Kiefern. C. procyonoides VEN ER ER 5) OR Re Eee aan Os-uulpes 21 2 ee Selen ua ae ufa le tetalekkieten ee Vie ee, 0 €. Karagan a Re 3 ale ehe 2 he Re ( res ueber ler skane eye Teer Ve lu DES ee en En ne lee re nalen ne N Aus diesen Zahlen geht hervor, dass die grösste Entwickelung der Reisszähne und die geringste der Höckerzähne beim Wolfe statt hat. Es folgen dann, mit stets zunehmender Ent- wickelung der Höckerzähne, der Polarfuchs und der gemeine Fuchs, dann der Schakal und dann der Karagan, endlich €. procyonoides. Zwischen diesem letzteren und dem Karagan ist die Differenz grösser als zwischen je zweien der vorhergehenden, was ohne Zweifel daher rührt, weil uns die dem €. procyonoides zunächst stehenden Hundearten fehlen. Dennoch lässt sich auch aus dieser kleinen Anzahl mit einander verglichener Hundearten in der verhältniss- mässigen Entwiekelung der Höckerzähne eine gewisse Gradationsreihe im Canis- Geschlechte erkennen, innerhalb welcher €. procyonoides wohl gegen das eine Ende der Reihe, mit verhält- nissmässig starker Entwickelung der Höckerzähne, zu stellen sein wird. Bei dieser Betrachtung des Verhältnisses der Höcker- und Reisszähne haben wir den zweiten Höckerzahn im Unterkiefer ganz ausser Acht gelassen. Dieser ist nun bei €. procyonoides , wie auch bei manchen anderen Hundearten sehr klein. An dem einen mei- ner beiden Schädel von €. procyonoides, und zwar dem des alten Thieres, ist er ganz be- sonders klein; an dem anderen, jüngeren Thiere ist er zwar grösser, rückt aber schon in den aufsteigenden Ast des Unterkiefers. Es liegt dieses wohl zum Theil auch an der eigenthümlichen Form des Unterkiefers, welche C. procyonoides vor vielen anderen Hunde- arten auszeichnet. Bei ihm ist nämlich der aufsteigende Ast des Unterkiefers mit dem stark entwickelten Kronenfortsatze mehr nach vorn gebogen und also mehr senkrecht auf den horizontalen Ast des Unterhiefers gestellt als bei anderen Hundearten. Dabei hat der horizontale Ast einen geraderen Verlauf und zugleich ist der Unterkieferwinkel, der beim Wolfe, Fuchse und den anderen oben genannten Arten, bei einem allmähligen Uebergange des horizontalen Astes in den aufsteigenden, kaum merklich ist, bei ©. procyonoides sehr stark ent- wickelt und nach hinten deutlich abgesetzt. Auf eine horizontale Fläche gelegt, berührt da- her der Unterkiefer von €. procyonotdes dieselbe mit der ganzen Länge des horizontalen Astes, derjenige der anderen oben genannten Hundearten dagegen nur mit einem Theile desselben. Ferner ist bei €. procyonoides der Winkel- oder hintere Kronenfortsatz ') sehr viel stärker ent-, wickelt als bei jenen Hundearten. Bei letzteren ist er nämlich nur klein, noch am grössten beim Schakal, und ragt nicht oder (beim Schakal bisweilen) nur sehr wenig über den Ge- lenkfortsatz nach hinten vor; bei C. procyonoides dagegen ist dieser Fortsatz sowohl von oben 1) Carus, Lehrbuch der vergleichenden Zootomie., I. p. 238. Canıs procyonotdes. 73 nach unten von bedeutender Höhe, als auch nach hinten stark über den Gelenkfortsatz vorra- gend. Diese Bildung des Unterkiefers, die eine verhältnissmässig starke Entwickelung der zum Ansatz der Kaumuskeln dienlichen Theile erkennen lässt, dürfte vielleicht auch mit der oben bemerkten verhältnissmässig grösseren Entwickelung der Höckerzähne bei €. procyonoides im Einklange stehen. Sie bildet jedoch keine so ausschliessliche Eigenthümlichkeit von C. procyo- noides, sondern findet sich in ähnlicher Weise auch bei einigen anderen Canis-Arten, nament- lich bei ©. caneriworus u. a. m. In Blainville’s sonst getreuer Abbildung vom Schädel von C. procyonoides') finde ich diese Bildung des Unterkiefers im Vergleich mit meinen Exemplaren zu wenig ausgesprochen, indem an meinen beiden Schädeln, und namentlich an dem des älte- ren Thieres, der Kronenfortsatz mehr nach vorn gebogen, der Winkelfortsatz viel stärker und an der Basis desselben ein deutlicher Einschnitt vorhanden ist, welcher ıhn vom Kiefer- winkel absetzt. Endlich muss ich, bevor ich an die Betrachtung des eigentlichen Schädels von (. pro- cyonoides gehe, noch in Betrefl der Zahnbildung desselben bemerken , dass ich auch die in einigen zoologischen Handbüchern’) angeführte, angeblich die Gattung Nyctereutes charakteri- sirende Beschaflenheit der Schneidezähne — dass nämlich jederseits der äussere derselben von den beiden inneren durch eine Lücke getrennt ist — als Gattungskennzeichen an meinen bei- den Schädeln des Thieres nicht bestätigen kann. An dem einen derselben ist allerdings an der betreffenden Stelle eine Lücke von 2—3 Millim. vorhanden, an dem anderen dagegen stehen die äusseren Schneidezähne von den inneren kaum auf ein Millimeter auseinander, was auch an manchen anderen der mir vorliegenden Canis-Schädel der Fall ist. Gehen wir nun zur Vergleichung des Schädels von C. procyonordes mit denjenigen der oben genannten europäischen und sibirischen Hundearten über. Keyserling und Blasius finden das Unterscheidende im Schädelbau der verschiedenen Gruppen und Arten des Hunde- geschlechtes in dem verschiedenen Verhältniss des Vorspringens der Nasenbeine in die Stirne und der verhältnissmässigen Länge der Nasenstirnbein- und Nasenzwischenkieferbeinnath °). Prüft man aber die von ihnen angegebenen Verhältnisse an einer grösseren Anzahl von Schä- deln, so lassen sich dieselben nicht durchweg bestätigen. Behufs der Unterscheidung der äch- ten Hunde und Wölfe von den Füchsen geben Keyserling und Blasius an, dass bei erste- ren die Nasenbeine über die Wangenbeine (soll heissen Oberkieferbeine) hinaus nach hinten in die Stirne vortreten, was bei letzteren nicht der Fall sein soll. ©. procyonoides stimmt in dieser Beziehung mit den Wölfen überein, indem bei ihm die Nasenbeine nach hinten die Oberkieferbeine um etwa 3 Millim. überragen. Doch finde ich dieses Verhältniss an einem Wolfs- und zwei Schakalschädeln unseres Musefims nicht bestätigt, indem an denselben die Nasen- beine die Oberkieferbeine nach hinten nicht überragen, ja an einem der letzteren sogar das 1) 1. c. tab. VIII. 2) Wiegmann und Ruthe, Handbuch der Zoologie. Berlin 1848. p. 47. 3) Keyserling und Blasius, Die Wirbelthiere Europa’s. 1. p. 63 sqq. Schrenck Amur-BReise Bd. 1. 10 74 Säugelhiere. Gegentheil stattfindet"). Noch weniger haltbar scheinen mir die Angaben in Beziehung auf die verhältnissmässige Länge der Nasenstirnbein- und Nasenzwischenkieferbeinnath zu sein. Nach Keyserling und Blasius legen sich am Schädel des Wolfes die Stirnbeine an das obere Drittheil, die Zwischenkieferbeine an die ganze vordere Hälfte der Nasenbeine an; am Schä- del des Schakals dagegen legen sich die Stirnbeine an die ganze hintere Hälfte, die Zwischen- kieferbeine nicht bis an die Mitte der Nasenheine an. An 8 Schädeln beider Arten in unserem Museum finde ich folgende Grössen (in Millim.): C. lupus L. Patria | Mittel- inc. Giammergaszurs: i | werthe. Amur. Länge des Nasenbeines, längs dem äusse- | | | ren Rande gemessen’). ee 921768 156. 15806710808 19081593 | YOSESTEG Länge der Nasenstirnbeinnath ........| 27 | 20 | 30 |28 | 31 35 125 | 37 | 29,1 « der Nasenzwischenkieferbeinnath .| 48 | 33 | 41 | 40 | A3 50 , 39 | a 42,6 C. aureus L. Mittel- werthe. 61 |53 [55 | 61 55,6 24 |20 24 |23 | 25 |24 | 23,6 27 2427 26 24 27 25,6 Länge des Nasenbeines ......... Se « der Nasenstirnbeinnath ........ « der Nasenzwischenkieferbeinnath . | 26 Daraus ergiebt sich, dass das Verhältniss der Nasenstirn- und Nasenzwischenkieferbein- nath zur ganzen Länge des Nasenbeines ein ziemlich variables ist. Beim Wolfe sehen wir die Nasenstirnbeinnath bald mehr, bald weniger als ein Drittheil der Nasenbeinlänge einnehmen, im Mittel aber ziemlich genau einem Drittheil der letzteren gleichkommen; die Nasenzwischen- kieferbeinnath beträgt ebenfalls bald mehr, bald weniger als die Hälfte der Nasenbeinlänge, bleibt aber im Mittel etwas hinter derselben zurück. Weniger richtig ist die Angabe Key- serling’s und Blasius’s für den Schakalschädel. An keinem der von mir gemessenen Schä- del nimmt die Nasenstirnbeinnath die halbe Nasenbeinlänge ein, sondern bleibt stets hinter der- selben zurück, während dagegen die Nasenzwischenkieferbeinnath dieselbe bisweilen erreicht und sogar übertrifft. Fast in jedem einzelnen der angeführten Fälle und auch im Mittelwerthe ist daher die Nasenzwischenkieferbeinnath länger als die Nasenstirnbieinnath, während nach Keyserling und Blasius das Gegentheil stattlinden müsste. Die Verschiedenheit zwischen den Schädeln beider Thierarten in dieser Beziehung dürfte sich daher nur darauf beschränken, 1) Auch Wagner hat mehrere Fälle der Art beobachtet. Vergl. Die Säugethiere von Schreber, Supplbd. Abth. 2 p. 365. 2) Bei vorkommender geringer Ungleichheit der Suturen an beiden Seiten, welche bisweilen ein paar Millim, beträgt, ist die mittlere Grösse genommen. Stets ist die geradlinige Entfernung der beiden Endpunkte der Suluren von einander gemessen. Canis procyonvides. 75 dass am Wolfsschädel die absolute Differenz zwischen der Nasenstirn- und Nasenzwischenkie- ferbeinnath immer eine ansehnliche (an unseren Exemplaren zum wenigsten von 10 Millim.) ist und stets zu Gunsten der letzteren ausfällt, während am Schakalschädel diese Differenz nur eine geringe (an unseren Exemplaren stets unter 5 Millim.) ist und zu Gunsten bald der einen, bald der anderen, meist aber der Nasenzwischenkieferbeinnath ausfällt. Aehnliches lässt sich auch über die Angaben Keyserling’s und Blasius’s in Betreff der Fuchsschädel darthun. Denselben zufolge legen sich bei-C. vulpes und seinen nächsten Verwandten, wie ©. melanogaster und €. Corsac, ‘die Stirnbeine viel weiter an die Nasenbeine hin- ten als die Zwischenkieferbeine vorn an, während bei C. /agopus beide Theile, der Stirnbein- und Zwischenkieferbeintheil der Nasenbeine, gleich lang sind. An vier Schädeln beider Arten in unserem Museum finde ich in dieser Beziehung folgende Grössen: C. vulpes L. Umgegend von Nishnaja Mittel- Petersburg. Tunguska. | werthe. Länge des Nasenbeines ..........- u 54 53 56 car ‚der Nasenslirnbeinnath .......... 18 17 22 « der Nasenzwischenkieferbeinnath.... 27 25 28 C. lagopus L. Nowaja | NW-Ame- Semlja. rika. Mittel- werthe., Patr. inc. | Amerika. ——- Länge des Nasenbeines .......c....... 45 41,7 « der Nasenstirnbeinnath .......... 19 17.5 « der Nasenzwischenkieferbeinnath.... 18 rlarl Daraus folgt, dass beim Polarfuchs in der That die Nasenstirn- und Nasenzwischenkiefer- ’ beinnath einander ziemlich gleich\ommen, indem die Differenz bisweilen O, bisweilen eine sehr geringe zu Gunsten der einen oder der anderen ist. Beim gemeinen Fuchs dagegen ist die Differenz zwischen beiden eine ansehnliche, aber nicht zu Gunsten der ersteren, wie Key- serling und Blasius angehen, sondern der letzteren, indem jene nur ungefähr (und in unse- rem Mittelwerthe ziemlich genau) ein Drittheil, diese dagegen ungefähr die Hälfte der ganzen Nasenbeinlänge einnimmt. Am Schädel des gemeinen Fuchses findet daher in dieser Beziehung eine grosse Uebereinstimmung mit dem Wolfsschädel, an demjenigen des Polarfuchses dagegen mit dem Schakalschädel statt. Was (. procyonoides betrifft, so findet bei demselben weder ganz der eine, noch ganz der andere der oben erwähnten Fälle, sondern ein Mittelverhältniss, jedoch mit grösserer Annähe- rung an den Wolf und Fuchs als an den Schakal oder Polarfuchs statt. Die Maasse an unse- ren beiden Schädeln sind in dieser Beziehung folgende: 76 Säugethiere. Mittelwerthe. Emmero. Länge des Nasenbeines ........- or ceneeeennnnse « ‘ ‘der. Nasenstirnbeinnathun.t. rs m re ee « der Nasenzwischenkieferbeinnath ............. Die Differenz zwischen der Nasenstirnbein- und Nasenzwischenkieferbeinnath ist also bei C.procyonoides eine ziemlich merkliche, und zwar zu Gunsten der letzteren, welche auch nahe der halben Nasenbeinlänge gleichkommt, während die erstere in beiden Fällen mehr als ein . Drittheil derselben beträgt. Uebrigens scheint schon aus den angegebenen Maassen hervorzu- gehen, dass dieses Verhältniss nicht wohl geeignet ist zur Unterscheidung natürlicher Gruppen im Canis-Geschlechte zu dienen. Den eigenthümlichsten Zug am gesammten Schädel von €. procyonoides finde ich in sei- ner verhältnissmässig ansehnlicheren Höhe, wenn man vom Unterkieferwinkel über den Kro- nenfortsatz zum Scheitel oder zum hinteren Ende der Stirnbeine hinauf misst. Das rührt aber von der oben erwähnten starken Entwickelung des Unterkieferwinkels und überhaupt des aufsteigenden Astes des Unterkiefers her. Am oberen Theile des Schädels finde ich dagegen weder die Höhe, noch eine der anderen Dimensionen merklich verschieden. Abweichend ist an ihm aber, im Vergleich zu den genannten Canis-Arten, die Gestalt des Jochbogens. An beiden Schädeln ist er nämlich viel weniger aufwärts gebogen als bei jenen Arten, inden so- wohl der Jochfortsatz des Schläfenbeines als auch das Jochbein eine horizontalere, minder aufsteigende Richtung haben. Dieser Unterschied tritt namentlich sehr deutlich im Vergleiche zu den Fuchsschädeln (C. vulpes, C. Karagan, C. lagopus) hervor, während Wolf und Schakal ein ähnlicheres Verhalten zeigen. — Ferner lässt sich bemerken, dass bei ©. procyonordes die Augenhöhlen verhältnissmässig kleiner und, in Folge etwas stärkerer Entwickelung des Stirn- fortsatzes am Jochbein und des Jochfortsatzes am Stirnbein, auch etwas geschlossener als bei den oben erwähnten Hundearten sind — ein Unterschied, auf den auch Blainville') aufmerk- sam macht und in dem er vielleicht die Annäherung zum Schädel der Hyänen sieht. Unter den erwähnten europäischen und sibirischen Hundearten kommt ihm in dieser Beziehung wiederum der Schakal am nächsten, während die Füchse am fernsten zurückbleiben. Theilen wir endlich die Hauptmaasse der beiden uns vorliegenden Schädel von C. pro- cyonoides mit: Amur-Strom. Ossika. | Emmero. Grösste Länge des Schädels, vom Halse eines der oberen mittleren Schneide- zähne bis zum äussersten Ende des Hinterhaupthöckers.........- 128 | 122 ! 1) Osteogr. 1. c. p. 31. Canis procyonoides. 77 Amur-Strom, Ossika. Emmero. Der re Der Länge des Schädels an seiner Grundlage, vom Halse eines der oberen mitt- leren Schneidezähne bis zum unteren Rande des Hinterhauptloches .| 117 111 Länge der Schnauze, von dem Halse eines der oberen mittleren Schneide- zähne bis zum Hinterrande des Unteraugenhöhlenloches .:....... 40 41 Länge der Schnauze bis zum Vorderrande der Augenhöhle ........... 50 46 Länge des Stirnbeines, von der vorderen Stirnbeinschneppe bis zur Scheitel- stinnbeinnathua rmeh KU I I EINER DM 50 51 Länge des Scheitelbeines, von der Scheitelstirnbeinnath bis zum oberen hin- terenaWinkelldes»Scheitelbeineswa.... la... Nm 2 a 36 35 Länge des Jochbogens, vom hinteren Rande des Foramen infraorbitale bis zum vorderen Rande der äusseren Gehöröffnung. .............. 63 97 Länge des Unterkiefers, von dem vorderen Ende, nahe dem Halse eines der mittleren Schneidezähne, bis zum äussersten Ende des Winkel- oder hinteren Kronenfortsatzes desselben .... 2222222020000 96 92 Länge des Zusammenstosses beider Unterkieferhälften.....2.......... 21 20 Länge des Unterkiefergelenkkopfes .......2.2n2u0eeeneeeenennn _ 15 Grösste Breite des Schädels an den Jochbögen (fällt auf die Jochfortsätze HenSchläfenbeimme) ann, Hin Manıntn.. Ar NER IE RITET E 74 66 Breite des Schädelgewölbes in der Scheitelstirnbeinnath, zwischen den Punk- ten, wo Scheitelbein, Stirnbein und Keilbein zusammenstossen .... 33 32 Breite des Schädels in den Scheitelbeinhöckern. 2... .22 2.222200... 40 | 38 Breite des Schädels über den Gehöröffnungen, oberhalb der Knochenlamelle, welche vom Jochbogen zum Hinterhaupte geht und die Gehöröflnung BIEdachE ANM ERÄNTEE OR ER O EENE NR 42 42 Abstand der Gehöröflnungen von einander, jederseits von dem vorderen un- ILTENBR andERZEMESSEnEr. et. MEN sale RR ER ER 38 33 Grösste Breite des Hinterhauptloches, zwischen den Punkten wo die Gelenk- köpfe des Hinterhauptes sich vom Hinterhauptloche ab und aus- BE ERW ermlen®, 0a: ulm tie WI ab RE a 12 13 Elohesdesaehnienhäuptloches... ..2%..2.0:. 0.00.0000 ale ae nase 10 11 Abstand der beiden Gelenkflächen (mit dem Unterkiefer), zwischen den In- nenranderunderselben gemessen... ... .sennepeeneonuncecene 1130 26 Grösste Breite der Stirn in den Joch- oder Postorbitalfortsätzen des Stirn- NEE 3 3 ER EEE O1 a REN 400 38 33 Geringster Abstand der Augenhöhlen von einander (fällt in die Nähe der äussersten Zipfel der Stirnkieferbeinnath) ...... 22222222 e00 0: 24 23 18 Säugeihiere. Amur-Strom. Ossika. Emmero, Breite der Schnauze in ihrer Mitte, in der Mitte des Abstandes des For. infraorbitale von den oberen Schneidezähnen gemessen... ...:..- 22 Vordere Breite beider Nasenbeine zusammen .. zer ccreceeeenenn 11 Hintere Breite beider Nasenbeine zusammen, zwischen den Spitzen der Stirnbeinschneppen........ TEE ERLITTEN IL 9 Abstand der Kronenfortsätze des Unterkiefers von einander, zwischen den oberen hinteren Winkeln derselben... ..o-..oo-rocecnno0uo. #7 Grösste Höhe des Schädels mit dem Unterkiefer zusammen, vom Kiefer- winkel zum Scheitel in der Scheitelstirnbeinnath .............. 66 65 Höhe des Schädelgewölbes, vom höchsten Punkte des Schädelgewölbes (die Scheitelleiste ausgeschlossen) zur Nasenfläche des Grundbeines . ... 33 33 Höhe des Scheitelbeines, zwischen dem vorderen oberen und vorderen un- teren Winkelldesseben. -»u.0n ner eooeehu neben areer _ | 26 Höhe des Hinterhauptbeines, zwischen dem oberen Rande des Hinterhaupt- ehe ae 22 22 Höhe der Schnauze zwischen den Jochfortsätzen des Stirnbeines, von der Mitte einer die beiden Jochfortsätze verbindenden Linie zum harten NER RE 34 33 Höhe der Schnauze zwischen den Unteraugenhöhlenlöchern, von der Mitte einer die beiden For. infraorbitalia verbindenden Linie zum harten Gaumen een. PNA eg EEG an : 22 21 Höhe (Breite) des Jochbogens, am hinteren Ende der Jochschläfenbeinnath 9 8 Höhe des aufsteigenden Astes des Unterkiefers, vom Kieferwinkel zur ober- loches und der Mitte des Hinterhaupthöckers......... (SAUER RN eleele anetn ze BEN a FE en sten Spitze des Kronenfortsatzes .- ..eseeroreecnneonnrnnnne 49 46 Höhe des horizontalen Astes des Unterkiefers am Kieferastwinkel, vom uber ren Rande, zwischen dem 2!en und 3!en Lückenzahne, zum unteren, diesen als Horizontale angenommen. ... »ere2eeeeeeeenennnnn 12 5 Höhe des horizontalen Astes des Unterkiefers am hinteren Ende, vom obe- ren Rande, hinter dem grossen unteren Höckerzahne, zum unteren, diesen als Horizontale angenommen... 2.000 cnaonenensee 18 18 In Beziehung auf das Rumpfskelett von €. procyonoides muss als erste Eigenthümlich- keit die abweichende Anzahl von Wirbeln hervorgehoben werden. Blainville, dem, seinen Bemerkungen nach zu urtheilen, auch ein Skelett dieser Thierart vorgelegen haben muss, hat diese Verschiedenheit ganz übersehen, indem er die bei den Hundearten gewöhnliche Canis procyonoides. 79 Anzahl von Wirbeln auch auf C. brachyotos überträgt ') und nur am €. (Proteles) Lalandii eine Ausnahme findet. Dagegen hat sie neuerdings, wenn auch nur zum Theil, nämlich für die Brust- und Lendenwirbel, van der Hoeven an einem Exemplar von ©. viverrinus Temm. be- merkt, wobei er aber irrthümlicher Weise die gewöhnliche Anzahl der Lendenwirbel bei den Canis-Arten auf 5, statt auf 7 angiebt”). Der Kreuz- und Schwanzwirbel gedenkt er gar nicht, obgleich die Anzahl derselben ebenfalls abweicht. Während nämlich alle übrigen Hundearten, den bisherigen Angaben zufolge, 13 Brustwirbel und also auch 13 Rippenpaare, 7 Lendenwirbel, 3 Kreuzwirbel und eine zwischen 18 und 22°) variirende Anzahl von Schwanzwirbeln haben, besitzt ©. procyonoides 14 Brustwirbel und also auch 14 Rippenpaare, 6 Lendenwirbel, #4 Kreuzwirbel und, an meinem Exemplare, 16 Schwanzwirbel. Von den anderen Canis- Arten zeichnet er sich also durch eine grössere Anzahl von Brust- und Kreuzwirbeln und dagegen eine geringere Anzahl von Lenden- und Schwanzwirbeln aus. Dass das keinen Gattungscharakter abgeben kann, folgt aus zahlreichen bekannten Fällen ähnlicher Abweichungen innerhalb anderer Thiergattungen, z. B. der Hyänen, Mangusten, Bären u. s. w.*) Blainville erwähnt sogar eines Schakalskelettes aus Indien, das an der einen Seite 14, an der andern 13 Rippen hatte’). Dennoch scheint, nach der Uebereinstim- mung der Angaben van der Hoeven’s für die Brust- und Lendenwirbel mit dem mir vor- liegenden Skelette zu urtheilen, obige Anzahl von Wirbeln die regelmässige bei (. procyonor- des zu sein, was uns nöthigen dürfte C. proeyonoides gegen das eine Ende des Canis-Geschlech- tes zu setzen, mit theilweiser Annäherung an andere Thiergattungen, wie Otocyon und Prote- les. Die geringe Anzahl von Schwanzwirbeln stimmt auch mit der am Balge bemerkten Kürze des Schwanzes überein, welche hinter derjenigen aller übrigen Canis-Arten zurückbleibt, was gewiss eine specilische Eigenthümlichkeit von €. proeyonoides bildet. In Betreff der Form der Wirbel finde ich mehr Aehnlichkeit mit dem Schakal als mit den Füchsen. Der Dornfortsatz des 2ten Halswirbels ist recht stark und nach hinten allmäh- lig sich senkend, wie beim Schakal, nicht plötzlich abgebrochen, wie bei den Füchsen. Der Dornfortsatz des 3ten Halswirbels ist kammartig, niedrig; die folgenden werden spitzer und steigen allmählig höher auf; der 7! ist ziemlich spitz aufwärts gerichtet. Die Querfortsätze der Halswirbel sind ebenfalls stark; derjenige des 6!e2 Wirbels besonders in die Breite er- weitert und ohne Einbuchtung am Aussenrande. An den Brusiwirbeln ist der Dorufortsatz des 2!ea Wirbels am längsten; die folgenden bis zum 9ten werden niedriger und richten sich mehr und mehr nach hinten; der 10t° ist sehr kurz und legt sich ganz auf den Bogen des folgenden Wirbels; der 11° ist stumpf und kaum merklich. Vom 12'°» an werden die Dorn- 1) Osteogr. 1. c. p. 144. 2), Van der Hoeven, Handbuch der Zoologie. Leipzig 1852—56. II. p. 752. 3) Blainvılle, Osteogr. 1. c. p. 144. 4) Cuvier, Lecons d’Anatomie comparee. 2 Edit. Paris 1835. I. p. 179. 6) Osteogr. 1. c. p. 23. 80 Säugelhiere. fortsätze der Brustwirbel denjenigen der ersten Lendenwirbel ähnlich, kammartig, seitlich zusammengedrückt und am Ende mehr und mehr breit abgestumpft. Die letzten Lendenwirbel haben aber wiederum spitzere, nach oben und vorn gerichtete Dornfortsätze. Die Rippen sind wenig breit; nur die ersten 9 derselben erreichen das Brustbein, die übrigen 5 legen sich mit ihrem knorpeligen Theile stets an die vorhergehende Rippe an. Am Brustbein, das wie bei anderen Hundearten 8 Stücke zählt, ist der Processus xiphoideus nach hinten sehr breit und zweitheilig mit breiten Enden, was ich an keiner der oben genannten europäischen und sibi- rischen Hundearten finde. Die Querfortsätze der Lendenwirbel sind kurz. Von den Kreuz- wirbeln legen sich nur die drei ersten an das Hüftbein an; der 4® ist jedoch mit den vorher- gehenden noch vollkommen verwachsen. Die Schwanzwirbel verdünnen sich rasch, bleiben aber im Vergleich mit denjenigen der Füchse viel kürzer. Die Maasse der einzelnen Theile der Wirbelsäule an meinem Skelette von €. procyonoides sind ungefähr folgende: Länge der Halswirbel, vom vorderen Rande des unteren Bogens des Atlas bis zum hinteren Rande des Körpers des 7ten Wirbels ............ 2... 116 Millim. Länge der Brustwirbel, vom vorderen Rande des Körpers des 1°'en bis zum hin- teren Rande des Körpers des 14ten Wirbels........cer2eroneeennc. 160 « Länge der Lendenwirbel, vom vorderen Rande des Körpers des 1sten his zum hinteren Rande des Körpers des 6ten Wirbels ..........200crcr 200. 102 « Länge der Kreuzwirbel, vom vorderen Rande des Körpers des 1sten bis zum hin- teren Rande des Körpers des 4ten Wirbels .......2sceeccoscoeesne 97 « Länge der Schwanzwirbel .......c...00.. db a Erasa Huoiche nr Be 5 Fügen wir endlich noch einige Bemerkungen über die Knochen der Extremitäten von ©. procyonoides hinzu. An ‚diesen zeigt sich bei C. procyonoides, im Vergleich zu den oben genannten Hundearten , ein eigenthümliches Verhältniss: während nämlich die Gürtel- knochen, Schulterblatt und Becken, eine ansehnliche Grösse haben, sind die Knochen der eigentlichen Extremitäten verhältnissmässig viel kürzer und dafür robuster als an jenen. Blainville bemerkt Letzteres für C. canerivorus, welcher dem (. procyonoides am nächsten zu stehen scheint, übersieht aber die ähnliche Bildung bei diesem, den er dem Schakal ver- gleicht, fast gänzlich. Ich finde bei €. procyonoides, im Vergleiche zu den genannten europäi- schen und sibirischen Hundearten, folgende Grössen (in Millim.): Canıs procyonoides. si C. Karagan €. lu- a C. aureus L. pus L. 26% an Beat, E20 Trennen Rinne Ener Länge des Schulterblattes, am hinte- = — 2 ren Rande, von oben nach unten] 73 | 60| 70 | 74 En 70| 66| 83| 74/131 Breite desselben von vorn nach hinten (den hinteren Rand als Horizontale angenommen). ...:.....%..: 45) 34| 42| 45| A40| 42| #1) 51| 46| 90 Länge des Oberarmbeines, am äus- seren Rande, vom oberen äusseren Höcker angemessen ......... 99 |100/109 1132 | 125 |117|119 136 125 |210 Länge der Ulna, v. oberen Knorren an) 105 | 109/127 1146 | 141 \134|132|159 144 | 250 « desRadius, am inneren Rande) 92 | 91/106 |127 | 122 |115/ 113135 122 | 215 « des Carpus, über dem Mittel- knochen des Metacarpus........ 10 8 9| 11 9 9| 10| 15| 13| 23 Länge des mittleren Metacarpalkno- Ehensen ze 0... 37 | 37| 44| 50| 53| 47| 45| 63| 56| 84 Länge des Mittelfingers bis zur Nagel- Das el arere 24| 29| 31 | 36 | 49| 30| 33| 36| 33| 55 Länge des Nagelgliedes mit dem Na- gelamMittelfinger .......... 18 | 24\ 21 | 19 24| 20) 19| 21| 19| 29 Länge des Beckens, v. oberen Rande des Hüftbeines bis zum hinteren unteren des Sitzbeines ........ 99| 75) 91 | 92 | 91 | 88| 871120108 |178 Grösste Breite des Hüftbeines von obenanachkuntenege ge ree. 25, 215232428 24 | 25| 24| 31| 28| 53 Abstand der vorderenHüftbeinspitzen beider Seiten voneinander ..... 60| 45| 46 | 47 44 | 48| 45| 60| 55) 9 Grösster Abstand der Gelenkpfannen von einander, zwischen den oberen äusserenRändern ......:.... 50| 39| 48 | 51 47 | 46| 45| 57 | 56| 86 Abstand d.Sitzbeinhöcker v. einander| 60 | 55| 64 | 73 | 681 63| 59| 78| 75'126 Länge d. Schenkelbeines v. äusseren Höckera.d. Aussenseiteangemess. 109 99 112 1138 | 131 |122)123)150|135 223 Länge der Tibia, am inneren Rande . | 109 [115/132 1150 | 145 |141 138,159 140 233 Gerdenkihulateees. 2... 103 |108 124 |142 | 137 1131130151 |122|220 « d.Fersenbeines a. äuss. Rande 25 | 26, 31 | 32 31 | 30| 30| 40) 35| 58 « des Würfelbeines ......... 10 | 10) 12| 14 13 | 12| 14| 15| 13| 23 « des 3ten Mittelfussknochens ..| 43 | 48| 56, 67 | 70| 61| 60| 69, 61, 97 « d. 3ten Zehe bis zur Nagelbasis| 28 | 31| 36 | 42| 46 | 36| 35| 39| 36| 56 « desNagelgliedes mitdem Nagel ander on Zehen. once er 1772| 1210205720 | 127 16 1419| 1827 !) Die Länge der Hand- und Fussknochen dürfte etwas zu gering angegeben sein, da an den Skeletten die Gelenk- köpfe meist in den Gelenkgruben versteckt waren. Diese Grössen haben daher nur approximativen Werth. Sehrenck Amur-Reise Bd. I. 11 82 i Säugethiere. Aus diesen Zusammenstellungen: lässt sich ersehen, dass C. procyonoides in absolutem Maasse in Beziehung auf die Länge der Extremitäten hinter allen oben genannten Hundearten zurückbleibt, während er in Betrefl' der Länge der Gürtelknochen, des Schulterblattes und Be- ckens, viele derselben und namentlich die kleineren übertrifft und sich den an Wuchs weit grösseren, wie dem Schakal, nähert. Als ganz durchgängiger und praegnant charakteristischer Zug tritt uns aber diese Bildung im Bau von C. procyonordes erst dann entgegen, wenn wir die Knochen der Extremitäten im Verhältniss zur Grösse der Gürtelknochen betrachten. Neh- men wir daher für die hauptsächlichsten der oben angeführten Maasse, nämlich für die Länge und Breite des Schult. rblattes, die Länge des Oberarmbeines, der Ulna und des Radius einer- seits, so wie für die Länge und Breite des Beckens, die Länge des Schenkelbeines, der Tıbia und Fibula andererseits die Verhältnisszahlen, und zwar indem wir für die ersteren die jedesmalige Länge des Schulterblattes, für die letzteren dagegen die Länge des Beckens als Einheit annehmen, die wir gleich 100 setzen und auf die wir die übrigen respectiven Grös- sen zurückführen, so ergiebt sich uns folgende Reihe von Verhältnisszahlen: Länge der Extremitäten im Verhältniss zu den Gürtelknochen. C.procy- onoides C. lagopus L. C. vulpes L. | C.Karagan Gm.| C. aureus L. Gray. Fe Nowaja NW- St. Pe- | Nishnaja Amur. | Semlja. | Amerika. | tersburg. | Tunguska. Caucasus. 100 | 100 | 100 Caucasus. Caucasus, Länge des Schulterblat- tes angenommen —=| 100 | 100 | 100 100 | 100 | 100 | 100 Breite desselben ...... 61,6 56,7) 60,0) 60,8 59,7) 60,0) 62,1 61,4 62,2) 68,7 Länge desOberarmbeines 135,6|166,7|155,7|178,4|186,6|167,1/180,3/163,9/168,9| 160,3 «uäderiUlnare- Rare: 143,8181,7 181,4197,3 210,4|191,4200,0|191,6|194,6|190,8 « des Radius ..... 126,0151,7151,4/171,6 182,1/164,3,171,2|162,7)164,9| 164,1 Länge des Beckens an- IGET ; genommen — ....| 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 Breite des Hüftbeines...| 25,3 28,0 25,3] 30,4 26,4 28,4 27,6) 25,8) 25,9] 29,8 Länge desSchenkelbeines| 110,1, 132,0 123,1150,0 144,0 138,6 141,4|125,0| 125,0 125,3 a der Inbiamme nn: 110,1153,3)145,1/163,0) 159,3 160,2|158,6 132,5) 129,6 130,9 « derFibula....../104,0/144,0 136,3 154,3 150,5 148,91149,4|125,8|113,0| 123,6, Hieraus ergiebt sich, dass bei ©. procyonordes die Knochen der Extremitäten im Verhält- niss zu den Gürtelknochen durchgängig kürzer als bei irgend einer der anderen hier angeführ- ten Hundearten sind, und zwar ist diese Differenz eine ganz ansehnliche. Während z. B. die Ulna bei den meisten Hundearten fast die doppelte Länge des Schulterblattes hat und bei den Füchsen diese bisweilen sogar übertrifft, erreicht sie bei ©. procyonordes nicht die anderthalb- malige Länge des Schulterblattes. Ebenso übertrifft die Tibia bei den Füchsen zumeist die anderthalbmalige Länge des Beckens, während sie bei ©. procyonoides nur um ein Geringes ne a Canıs procyonoides. 83 länger als das Becken ist. Nach den wenigen oben mitgetheilten Messungen ist die Länge der Knochen der Extremitäten im Verhältniss zu den Gürtelknochen im Allgemeinen am grössten bei den Füchsen, beim gemeinen Fuchs und Karagon, geringer beim Schakal und Wolfe, welche daher dem C. procyonoides in dieser Beziehung näher stehen. Letzteres: gilt besonders für die Knochen der hinteren Extremitäten im Verhältniss zum Becken, während bezüglich der vorderen Extremitäten die Verhältnisszahlen beim Polarfuchs denjenigen von €. procyonoides am nächsten zu stehen scheinen. An den hinteren Extremitäten zeigt sich auch noch darin beim Wolf und Schakal ein ähnliches Verhältniss wie bei C. procyonoides, dass das Schenkel- bein und das Schienbein, welche an unserem Exemplare von €. procyonoides ganz gleich lang sind, einander an Grösse näher kommen als bei den Füchsen, bei denen die Differenz zwischen denselben ansehnlich zu Gunsten des Schienbeines steigt. In Beziehung auf die Form der Gür- telknochen, das Verhältniss der Breite derselben zur Länge, lassen unsere Messungen keine er- heblicke Verschiedenheit zwischen €. procyonoides und den übrigen Hundearten erblicken, in- dem dieselbe bis auf geringe Differenzen bei allen nahe dieselbe zu sein scheint. Von den Knochen der Extremitäten aber habe ich bereits oben bemerkt, dass sie im Verhältniss zu ihrer Länge bei €. procyonoides robuster als bei den anderen oben genannten Hundearten sind. Aus den obigen vergleichenden Betrachtungen des Zahn- und Knochenbaues von C. pro- eyonoides können wir in Beziehung auf seine Stellung zum Canis- Geschlechte folgende Schlüsse ziehen: 1) Die Sonderung von €. procyonoides oder derjenigen mehreren Arten, in welche diese Form irriger Weise zersplittert worden ist, als eigene, vom übrigen Canis-Geschlechte unter- schiedene Gattung, Nyctereutes, ist osteologisch unstatthaft. 2) Die Zusammenstellung von ©. procyonoides innerhalb des Canis-Geschlechtes mit den Füchsen') ist osteologisch unrichüig, da er den Wölfen und Schakalen näher steht als den Füchsen. 3) Im Zahn- und Knochenbau von C. procyonoides lassen sich Eigenthümlichkeiten er- kennen, welche, wenn sie auch keine Gattungscharaktere abgeben, dennoch hinreichen dürften, um C. procyonoides, vielleicht mit einigen nächstverwandten Arten zusammen, als besondere Gruppe im Canis-Geschlechte zu kennzeichnen. Und zwar dürften diese Eigenthümlichkeiten in folgenden Verhältnissen zu suchen sein: a) in einer verhältnissmässig grösseren Länge der Höckerzähne im Vergleich zur Breite derselben und überhaupt einer stärkeren Entwickelung der Höckerzähne im Ver- gleich zu den Reisszähnen. b) in einer abweichenden Form des Unterkiefers, hauptsächlich in Folge einer stärkeren Entwickelung des Winkels und Winkelfortsatzes am aufsteigenden Aste desselben. e) in einer abweichenden Anzahl von Brust-, Lenden- und Kreuzwirbeln und einer be- sonders geringen Anzahl von Schwanzwirbeln. d) in einer verhältnissmässig geringeren Länge der Knochen der Extremitäten im Ver- gleich zu den Gürtelknochen. !) Van der Hoeven, |. c.; auf Grundlage der ebenfalls irrigen Angabe einer senkrechten Pupille. S. oben. E73 84 Säugethiere. Die angeführten osteologischen Verhältnisse geben uns zugleich auch einige der auffal- len!sten Züge im Gesammthabitus von C. procyonoides an die Hand. Es gilt dies namentlich für die im Vergleich zu anderen Hundearten geringere Länge des Schwanzes und der Extremitä- ten. Letzteres Moment mag Wagner hauptsächlich dazu bewogen haben, dieser Gruppe von Hunden die Bezeichnung «Marderhunde» zu geben. Sie ist aber für den Gesammthabitus von C. procyonordes, der bisher einzigen Art dieser Gruppe, durchaus nicht bezeichnend. Dass sie auch osteologisch keine Begründung hat, ist aus Obigem zu ersehen. Dagegen muss ich, nach Erwägung der Haltung des lebenden Thieres und namentlich auch seiner Färbung , der Bemerkung Temminck’s beistimmen, dass sich im Gesammthabitus von ©. procyonoides eine Annäherung einerseits an die Viverren und andererseits an die Waschbären findet. Letzteres ist besonders auflallend und hat offenbar auch Gray bei der Wahl des treflenden Namens C. procyonordes geleitet. — Gehen wir nunmehr zur geographischen Verbreitung von (. procyonoides über. Unsere bisherige Kenntniss derselben beschränkte sich bloss auf die allgemeine Angabe zweier Län- der, China’s und Japan’s, ohne alle bestimmtere Bezeichnung des Fundortes der wenigen von dorther erhaltenen Exemplare, ja ohne Bezeichnung ob diese aus dem Norden oder Süden jener Länder herstammten. Dabei hat die durch Temminck bewerkstelligte Trennung der Japanischen Form als einer besonderen Art, €. vwerrinus, die Ansicht veranlasst, als sei 0. pro- cyonoides bloss auf dem Continente, in China, verbreitet, auf dem Japanischen Archipel aber durch eine entsprechende Art ersetzt''), obwohl Temminck selbst auch ein Fell von €. pro- cyonoides aus Japan erhalten zu haben angiebt”). Diese mangelhaften Kenntnisse können wir nun einerseits durch die oben dargethane Identität beider Formen berichtigen und anderer- seits durch die Aufdeckung von C. procyonordes im Amur-Lande bedeutend erweitern. Wir lernen demnach C. procyonordes als eine Form des gemässigten Ostasiens kennen, welche so- wohl auf dem Continente, als auch auf den Japanischen Inseln verbreitet ist und auf dem er- steren sogar recht weit nach Norden geht, Vom nördlichen China breitet sich nämlich C. pro- cyonoides in das nordwärts gelegene Amur-Land aus. Dort ist er namentlich an den grossen, von Süden in den Amur fallenden Strömen, dem Sungari und Ussuri, wie an der südlichen Biegung des Amur-Stromes selbst ein häufiges Thier. Am südlichen Amur und am Ussuri habe ich selbst zahlreiche Felle desselben gesehen, die von den mandshurischen Beamten im Tribut oder durch Kauf und Erpressungen von den Eingeborenen erhalten worden waren. Denn C. procyonordes ist im Winterhaare bei den Mandshu und Chinesen und somit auch bei den Eingeborenen ein geschätztes Thier. Von der südlichen Biegung des Amur-Stromes ist (©. procyonoides sowohl den Amur auf- wie abwärts verbreitet. In der ersteren Richtung, an dem oberen Amur- oder Sachali-Strome, geht er über das Bureja-Gebirge weg und findet sich noch ziemlich häufig in der Prairie oberhalb desselben, an der Mündung der Bureja und Dseja. Von dorther rührt auch eines der oben beschriebenen Exemplare her, welches 1) A. Wagner, Die geogr. Verbreitung der Säugethiere. 1. Abthl. p. 145. 2) Siebold, Fauna Jap. Mammalia. Dee. 2. p. 40. Canıs procyonondes. 85 ich auf meiner Reise als frisch geschossenes Thier von den Biraren erhielt, die es in einem kleinen Gebirge, wahrscheinlich einem Seitenzweige des Bureja-Gebirges, nahe der Mün- dung der Bureja erlegt hatten. Im Sommerfelle hatte es jedoch für die Biraren keinen an- deren Werth als den eines geringen, essbaren Wildprets. Ueber diese Prairie, hinaus kommt C. procyonordes zwar noch ziemlich weit nord- und westwärts am oberen Amur-Strome vor, wird aber, den Aussagen der Eingeborenen zufolge, viel seltener. Monjagern, die ich einige Tagereisen oberhalb der Komar-Mündung an den Ufern des Amur-Stromes in nomadischen Jagdzelten antraf und die von dem kleinen Flusse Gerbilak, einem linken Zuflusse des Amur-Stromes, kamen, nannten mir €. procyonoides, den sie, den Biraren gleich, mit dem Namen «ölbiga» bezeichneten, noch unter den bei ihnen einheimischen Thieren. Die Mündung des Flüsschens Gerbilak in den Amur liegt aber nahe der nördlichsten Biegung des oberen Amur-Stromes, etwa % bis 500 Werst unterhalb des Zusammenflusses der Schilka und des Argunj, und die Landschaft daselbst trägt bereits einen nordischen Charakter mit vorherr- schender Nadelholzwaldung. Es ist anzunehmen, dass (©. procyonoides dort nahe der nord- westlichen Gränze seiner Verbreitung stehe, da von seinem Vorkommen bei Ustj-Strjelka, am Zusammenflusse der Schilka und des Argunj zum Amur, oder über den Amur hinaus, in Transbaikalien, trotz der alljährlich dort stattfindenden anhaltenden Jagden der Kosaken, bis- her niemals eine Kunde verlautet hat. Ebenso scheint er auch an den Südabhängen des Sta- nowoi-Gebirges und am oberen Laufe der Dseja und Bureja, wo Middendorff’s Reise durchging, nicht mehr vorzukommen, während er den unteren Lauf dieser Flüsse bewohnt a) Wir dürfen daher seine Polargränze im oberen oder westlichen Theile des Amur-Landes von der nördlichen Biegung des Amur-Stromes, unterhalb Ustj-Strjelk a, quer über den mittle- ren Lauf der Dseja und Bureja annehmen. — Im unteren oder östlichen Amur-Lande brei- tet sich C. procyonoides von der Mündung des Ussuri, wo er am häufigsten ist, noch ziemlich weit abwärts aus. Den einmüthigen Aussagen der Golde zufolge, ist er dort namentlich am linken Ufer des Amur-Stromes häufiger als am rechten. Ich selbst habe ihn dort in gefange- nen, lebenden Individuen in den Dörfern Imminda und Emmero und in Fellen an vielen ande- ren Orten gesehen. Dieses linke Ufer des Amur-Stromes ist das niedrigere und hat noch weit abwärts vom Ussuri einen prairieartigen Charakter der Landschaft, mit wenigen Gebirgszü- gen, wie das Wanda-Gebirge u. a., während das rechte fast durchgängig gebirgig ist. An dem genannten Wanda-Gebirge soll auch C. procyonordes, nach Aussage der Eingeborenen, noch ziemlich oft vorkommen. An diesem linken Ufer des Amur-Stromes geht nun C. pro- cyonordes bis an den Ssedsemi-Fluss und den Bolong-See, einer seitlichen Ausbuchtung des Amur-Stromes etwas südlich vom Dorfe und Vorgebirge Odshal, mit dem wiederum ein ge- birgiger Charakter am linken Amur-Ufer beginnt. Diesem Punkte fast genau gegenüber 1) Höchst wahrscheinlich ist auch die Nachricht, welche Middendorff von einem Jakuten erhielt, dass es näm- jich im Lande der chinesischen Buraler (welche offenbar unsere Biraren an der Bureja und am Sachali sind) ein an Gestalt und Grösse fuchsähnliches Thier mit sehr strengem Harne gebe (Midd. Sibir. Reise 1. c. p. 3.), auf C. procyonoides zu beziehen. 86 Säugethiere. liegt auch seine Polargränze am rechten Amur-Ufer. Dort soll er nämlich in seltenen Fällen bis in die Umgegend von Ssargu und bis an den Chongar-Fluss vorkommen. Abwärts von diesen Punkten, Odshal und Ghongar-Mündung, kommt er aber nirgends, weder am Amur- Strome selbst, noch an dessen Zuflüssen, vor. Wo man daher noch weiter unterhalb Felle von C. proeyonoides bei den Eingeborenen findet, wie es mir noch bei den Giljaken an der Mün- dung des Amur-Stromes begegnet ist, da rühren dieselben stets von oben, etwa aus der Ge- gend der Ussuri- oder Sungari-Mündung her und sind durch die Handelsreisen der Einge- borenen abwärts gebracht worden. Das bekräftigten mir sowohl die Ssamagern am Gorin, wie die Golde, Mangunen und Giljaken am Amur. So ist die Polargränze von €. procyo- noides am unteren Amur-Strome genau zu erweisen. — Weiter ostwärts vom Amur findet sich ©. procyonoides, den Aussagen der Eingeborenen zufolge, am Tumdshi-Flusse, dessen Quellarme von den Zuflüssen des Chongar, namentlich vom Uldji, nur durch eine niedrige Wasserscheide getrennt sind und der etwa 25 Werst oberhalb der Bai Hadshi (des Kaiser- hafens der Russen) in die Meerenge der Tartarei einmündet. Dagegen soll ©. procyonoides die nordwärts gelegene, niedrige Wasserscheide zwischen dem Tumdshi und dem bei Kidsi in den Amur fallenden Jai-Flusse nicht überschreiten und somit an letzterem Flusse sich nicht mehr finden. — Endlich an der Meeresküste soll ©. procyonoides von dem Dorfe Choji an, d. i. etwa 4 bis 5 Tagereisen südlich von der Bai de Castries, nach Süd verbreitet sein. Hier bleibt er also weit südlich von den Breiten zurück, in welchen die Insel Sachalin sich dem Continente nähert und wo sie allwinterlich mit demselben durch das Eis des Limanes in zeitweise feste Verbindung gesetzt wird. In Uebereinstimmung damit fehlt auch C. procyonoides der Insel Sachalin, nach Aussage der dortigen Giljaken, gänzlich. Und zwar gilt das nicht bloss für den nördlichen, von Giljaken bewohnten, sondern auch für den südlichen Theil der Insel, von dem die Giljaken durch ihren Handelsverkehr mit den Aino und Japanesen Nach- richten haben. Diesen Nachrichten zufolge, finden sich unter den Fellen, welche sie in Siranussi an der Südspitze von Sachalin von den Japanesen erhandeln, niemals Felle von €. procyo- noides, obschon die Giljaken diese Felle, wegen ihres hohen Werthes bei den Mandshu und Chinesen, gewiss gerne kaufen würden. Leider giebt uns Temminck nicht an, wie weit (. procyonoides in Japan verbreitet sei und ob er die Insel Jesso erreiche. Erwägt man aber, dass die auf Sachalin mit den Giljaken handelnden Japanesen meist von Jesso herüberkommen, so scheint es wahrscheinlich, dass sie auch auf letzterer Insel sich nicht mit Fellen von C. procyonoides versorgen können. Demnach scheint C. procyonoides Gray oder viverrinus Temm. nicht über Nippon nach Nord hinauszugehen. Wir sind daher genöthigt uns die Verbreitung desselben nach den Japanischen Inseln nicht über Sachalin und Jesso sondern über Korea zu denken, So bleibt also seine Polargränze auf den Inseln an der Ost- küste Asien’s weit hinter derjenigen auf dem Continente zurück. — Fasst man alle obigen Daten zusammen, so lässt sich die Polargränze von C. procyonoides durch eine Linie bezeich- nen, die von der Meeresküste beim Dorfe Choji, zwischen dem 50sten und 51sten Breitengrade, nach dem Tumdshi und von da nach der Mündung des Chongar-Flusses in den Amur, Canis procyonoides. ©. famıliarıs. Felis Lyn«. 87 dann nach Odshal und von diesem über das Bureja- Gebirge und den mittleren Lauf der Bureja und Dseja zum oberen Amur, nahe der Mündung des Flüsschens Gerbilak, gezo- gen wird. Diese Linie bringt also den grössten Theil des Amur-Stromes und namentlich seinen mittleren Lauf in das Verbreitungsgebiet von C. procyonoides. Indem sie zugleich eine geraume Strecke nördlich vom Amur-Strome verläuft, nöthigt sie uns €. procyonoides auch als ein Glied der russisch-sibirischen Fauna anzusehen. Dieser gehört er aber bloss am Amur-Strome, d. ı. also im äussersten Osten ihrer südlichen Gränzen an. In der Fauna des Amur-Landes bildet also C. procyonoides einen praegnanten und charakteristischen Zug, durch welchen dieselbe von der sibirischen Fauna sich unterscheidet und an die Faunen China’s und Japan’s sich anschliesst. 18) Canis familiaris L. Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin: kann. « « Mangunen, Golde, Ssamagern, Orotschen der Meeresküste, Oroken von Sa- chalin: enda und inda. « « Biraren: katschtkan. « « Monjagern: ninakın. « « ÖOrotschonen: nennakın. « « Dauren: nugh. Der Hund ist bei den Eingeborenen des Amur-Landes ein durchweg verbreitetes und allgemein eingebürgertes Hausthier, das ihnen entweder als Zugthier auf ihren Winterfahrten und Reisen, oder aber als Begleiter auf der Jagd dient. Ersteres findet auf der Insel Sacha- lin und auf dem Continente, an der Meeresküste wie am Amur-Strome und dessen Zuflüssen bis zur Mündung des Sungari, und zwar je mehr stromabwärts in desto grösserem Maass- stabe, Letzteres an dem oberen Amur- oder Sachali-Strome, bei den nomadisirenden und hauptsächlich von der Jagd lebenden tungusischen Stämmen, den Biraren, Monjagern und Orotschonen statt. Auch fehlt er nicht als treuer Wächter in den Gehöften der am Sa- chali-Strome ansässigen, mit Viehzucht und Ackerbau beschäftigten Dauren, Mandshu und Chinesen. Als Zugthier insonderheit greift der Hund tief in die Oekonomie jener Völker ein, und ist es nicht möglich ein noch so flüchtiges und oberflächliches Bild von dem Leben der- selben zu entwerfen, ohne dabei des Antheiles, den der Hund an ihrem Haushalte hat, wie- derholentlich zu gedenken. Wir müssen daher die Besprechung desselben ganz in den ethno- graphischen Theil unserer Reisebeschreibung verweisen. _ 19) Felix Lynx L Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sacha in: tschlyghi. « « Mangunen: tugdshä. | 88 Säugethiere. Bei den Golde unterhalb des Ussuri, Kile am Gorin (Ssamagern): tubdsha. “u « oberhalb des Ussuri, Kile am Kur, Biraren und Monjagern: hbdshaki. « « Orotschonen: nondo. Die Luchsfelle, deren ich im Laufe von zwei Jahren im Amur-Lande eine ziemliche Anzahl gesehen habe, gehörten sämmtlich der fein- und schwachgefleckten Varietät F. Lynx Temm. et Nilss. " an. Sie waren von ziemlich heller Grundfarbe, mit kleinen, sehr verwa- schenen Flecken auf dem Rücken und an den Seiten; die Schwanzspitze war im letzten Drittheil schwarz. Es blieb mir kein Zweifel übrig, dass ich es mit dieser Luchsvarietät des europäisch- asiatischen Continentes und nicht mit der Luchsart des amerikanischen Nordens, F. canadensis Geoffr., zu thun hatte. Niemals sind mir im Amur-Lande die Varietäten F. cervaria Temm. et Nilss. und F. virgata Nilss. begegnet. Doch ist es auch nicht so leicht in kurzer Zeit eine grössere Anzahl von Luchsfellen im Amur-Lande zu Gesichte zu bekommen, da der Luchs, als einsa- mer Bewohner der Wälder, verhältnissmässig immer nur selten erlegt wird und ausserdem sein Fell bei den Mandshu und Chinesen sowohl wie bei den Eingeborenen in einem hohen conventionellen Werthe steht, was die Eingeborenen, und vorzüglich die Giljaken, veranlasst, das erbeutete Fell entweder baldmöglichst an die chinesischen Kaufleute zu veräussern, oder aber als besonders geschätztes Stück, mit anderen nominellen Schätzen zusammen, in beson- derer, dem Auge der Umgebung entzogener Verwahrung zu halten. Wo daher bei den Gilja- ken auch ein ganzer Pelz von Luchsfellen vorhanden ist, wird er nicht getragen, sondern als grosse und werthvolle Seltenheit aufbewahrt, welche auf den Besitzer das Licht aussergewöhn- lichen Reichthumes wirft. Minder selten bekommt man das Luchsfell in der Form einer besonde- ren Art Wintermützen bei den giljakischen Weibern zu Gesichte; doch ist es auch in dieser Form nicht häufig und stets ein Zeichen grossen Wohlstandes. Genaueres über diese Gegenstände der Eingeborenen und die relative Werthschätzung desLuchsfelles bei denselben wird im ethnographi- schen Bande meiner Reisebeschreibung zu finden sein. Das hohe Ansehen des Luchsfelles im Amur-Lande nöthigt uns bei den Eingeborenen auch eine genaue Kenntniss dieses Thieres vor- auszusetzen. Und in der That habe ich von ihnen oft, wenn kein Fell vorlag, genaue Schilderun- gen des Thieres gehört, welche die bekannte Form nicht leicht verkennen liessen. Sämmtliche Eingeborene im Amur-Lande kennen aber nur eine einzige Luchsart, für die ich in jedem Volksstamme auch nur eine einzige Bezeichnung gehört habe. Sollten sich daher bisweilen auch die Formen F. cervavia Temm. et Nilss. und F. virgata Nilss. unter den Luchsen im Amur-Lande finden, wie es wohl möglich ist, so werden sie doch jedenfalls von den Einge- borenen nicht als besondere Thierarten angesehen, sondern unter einer und derselben Bezeich- nung Luchs schlechtweg verstanden, — Ausser den mir zu Gesichte gekommenen Luchs- fellen, belehrte mich auch ein Schädel dieses Thieres, den ich aus dem Dorfe Dyra am unte- ren Amur erhielt, über die Identität der dortigen Form mit unserem europäisch - asiati- I) Nilsson, Skandin. Fauna, 14 del. Däggdjuren. Lund. 1847. p. 126. Desgl. meine Schrift: Ueber die Luchs- arten des Nordens und ihre geographische Verbreitung. Dorpat. 1849, p. 27. u Felis Lyn.. : 89 schen Luchse. Nach einer Vergleichung desselben mit vier Luchsschädeln unseres akad. Mu- seums — aus der Umgegend St. Petersburg’s, aus Tyrol, dem Caucasus und Nordsibirien ‘— kann ich an ihm nichts Abweichendes linden. Seiner Grösse nach steht er den vier an- deren Schädeln unseres Museums nach. Folgendes ist ihre Länge und Breite (in Millim.): er) EA : len En = 2 & en Sl > r > ER = ne . . n2 I = Länge des Schädels, von dem Halse eines der oberen mittleren“ |® ER |O |2% Schneidezähne bis zum äussersten Ende des Hinterhaupthöckers!| 131 _— = > 149| 1154| 162 Breite des Schädels an den Jochbögen ............. »oen.n.e) 89] — | 98) 103] 106 Auch am Amur-Exemplare des Luchsschädels wie an den 4 anderen Schädeln unseres Museums bestätigt sich die Unhaltbarkeit des von Keyserling und Blasius zur Unterschei- dung des Luchstypus vom Typus der eigentlichen Katzen angegebenen osteologischen Momen- tes, dass nämlich am Schädel der Luchse die Stirnbeine in langen Fortsätzen längs den Nasen- beinen bis über deren Mitte hinausreichen, wo sie mit den Zwischenkieferbeinen zusammen- treflen, so dass die Nasen- und Wangenbeine (soll heissen Oberkieferbeine) einander nicht berühren '). Wie ich schon früher aufmerksam gemacht habe ’?), ist dies ein variirendes Ver- hältniss, und dürfte nach meinen Erfahrungen sogar häufiger eine Berührung der Oberkiefer- beine mit den Nasenbeinen als der von Keyserling und Blasius angegebene Fall stattfinden. Unser Amur-Exemplar vom Luchsschädel zeigt den auch von Wagner’) einmal beobachte- ten Fall, dass das Oberkieferbein an der einen Seite das Nasenbein berührt, an der anderen dagegen durch das Zusammentreffen der Stirn- und Zwischenkieferbeinfortsätze von der Be- rührung mit dem Nasenbeine ausgeschlossen bleibt. Ueber die Verbreitung des Luchses im Amur-Lande konnte ich, wegen der grossen Werthschätzung und allgemeinen Kenntniss dieses Thieres bei den Eingeborenen , zahlreiche Nachrichten einsammeln. Diesen zufolge kommt der Luchs im gesammten Amur-Lande, aber stets nur in seinen waldreichen Gebieten vor, was meine früher ausgesprochene Ansicht, dass die Verbreitung des Luchses wesentlich an das Vorhandensein hochstämmiger Waldung ge- bunden sei‘), auch hier bestätigt. Folgt man dem Laufe des Amur-Stromes, so findet man im oberen Theile desselben den Luchs auch als Bewohner der unmittelbaren waldigen Ufer des Stromes, während er weiter abwärts, im Prairietheile des Stromes, von den unmittelbaren Ufern entfernt und auf die landeinwärts gelegenen bewaldeten Gebirge beschränkt bleibt. In dem waldreicheren unteren Amur-Lande habe ich den Luchs nach Aussagen der Eingeborenen oder nach den bei ihnen vorhandenen Fellen, einzelnen Knochen, Krallen des Thieres u. dgl. m. !) Keyserling und Blasius, Die Wirbelth. Europa’s. p. 62. 2) Ueber die Luchsarten des Nordens. p. 8. 3) Die Säugethiere von Schreber. Supplbhd. Abthl. 2. p. 515. Anm. 19. %) Ueber die Luchsarten des Nordens. p. 38. Schrenck Amur-Reise Bd. I 13 90 Säugelhiere. am Amur-Strome selbst wie an dessen linken und rechten Zuflüssen kennen gelernt. Am Ussuri nannten ihn mir die Golde als Bewohner der waldigen Gebirge landeinwärts wie zur Meeresküste hin, und vermuthlich zieht er sich dort auch noch weiter südwärts nach Korea und dem östlichen China fort. Nordwärts kommt er nachweisslich im Chöchzyr-Gebirge an der Mündung des Ussuri, im oftmals erwähnten Geong-Gebirge, in den Gebirgen am Naichi- oder Dondon-Flusse, am Chongar, am Ssedsemi, am Gorin, am Jai und bis an die Mündung des Amur-Stromes vor. Er wurde mir ferner als Bewohner der Wälder landein- wärts von der Südküste des Ochotskischen Meeres, der Waldungen am Amur-Limane und der Küste des Tartarischen Meeres bis südlich von der Bai Hadshi genannt. Auch bleibt der Luchs in diesem gebirg- und waldreichen Lande nicht bloss auf das Festland beschränkt, son- dern geht auch auf die nahe anliegende Insel Sachalin hinüber, welche im Winter durch die ununterbrochene Eisdecke des Amur-Limanes mit dem Continente in steter Verbindung und mannigfachem Austausch ihrer Thierwelt steht. Auf Sachalin bewohnt aber der Luchs nur das besser bewaldete Innere und bleibt von den im Norden der Insel waldlosen Küstenstrecken fern. So erreicht er auch nicht die mit lichter und krüppeliger Lärchenwaldung bedeckte Mündung des Tymy-Flusses an der Ostküste der Insel, während er im waldreichen oberen Laufe dieses Flusses heimisch ist. In diesen Waldungen des Innern steigt er gewiss bis an das Südende der Insel hinab. Dort aber müssen wir, wenn wir Sıebold’s Nachrichten über Japan auch auf Jesso ausdehnen wollen, die Aequatorialgränze des Luchses annehmen, da er für Japan von Siebold nicht mehr genannt wird. 20) Eelis Tigris L. Bei den Giljaken des Continentes: att, märeder, chalowüsch. “o« « der Westküste von Sachalin: att, märeder, klutsch. “a « des Innern und der Ostküste von Sachalin: kluntsch. « « Mangunen: mare-mafa, dussä. « « Golde unterhalb des Ussuri: mare-mafa, auch schlechtweg mafa (d. h. der Alte). « « Golde oberhalb des Ussuri: kutty-mafa. « « Biraren: lawgun '). « « Monjagern: migdu. « « Orotschonen: baber. Von besonderem Interesse war es mir im Amur-Lande einige Thatsachen zur Erwei- terung unserer Kenutniss von der Verbreitung des Tigers erfahren zu können. Kein ande- res Thier hat die Aufmerksamkeit der Forschung in solchem Maasse auf sich gezogen, wie dieser König der asiatischen Thierwelt, und von keinem anderen besitzen wir daher so genaue !) Sehr ähnlich der chinesischen Bezeichnung des Tigers: «Zao-how» (Du Halde, Descr. geogr., hist,, chronol., polit. et phys. de l’Empire de la Chine. La Haye. 1736. IV. p. 35.) oder «Zou-chu» (Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 13.) Felis Tigris. 9 Darstellungen der geographischen Verbreitung in früherer und gegenwärtiger Zeit, wie uns vom Tiger durch Ritter, Humboldt und neuerdings in umfassender Weise durch Herrn Akad. Brandt) gegeben worden sind. Um so mehr dürften daher ergänzende Angaben, zumal aus einem Lande, wo die noch immer nicht genugsam erforschte Polargränze der Verbreitung dieses Thieres liegt, einiges Interesse finden. — Durch Pallas?) ist uns bereits das Vorkom- men des Tigers am Argunj, einem Quellarme des Amur-Stromes, und durch Middendorff‘) sein Vorkommen nördlich vom Amur-Strome, am Kebeli, an den Zuflüssen der Dseja, an der Tyrma und, in ausnahmsweisen Fällen, am Südabhange des Stanowoi-Gebirges bekannt. Gleichwohl wusste man bisher von seiner Verbreitung am Amur-Strome noch nichts. Wir sind nun im Stande diese Nachrichten längs dem gesammten Stromlaufe zu geben. Am oberen Amur ist der Tiger zwar den Orotschonen wie den Monjagern bekannt, allein vom Irbis (F. Irbis Müll.), wie es scheint, nicht genugsam unterschieden. Zwar gaben mir die Eingebore- nen von beiden Thieren genaue Beschreibungen, welche sie unverkennbar machten, allein in der Bezeichnung fassten sie beide Thiere zusammen, was wohl zum Beweise dafür dienen kann, dass sie mit diesen Thierarten zu selten in Berührung kommen, um ihre Selbständigkeit aus eigener Erfahrung zu kennen. Aehnlich scheint es sich mit der Kenntniss des Tigers auch bei den weiter abwärts wohnenden Biraren zu verhalten. Erst bei den Golde unterhalb des Bureja-Gebirges, am Ussuri und am Amur ober- und unterhalb der Ussuri-Mündung konnte ich, mit der Sprache der Eingeborenen besser bekannt, mich überzeugen, dass der Tiger und Irbis als verschiedene Thierarten auch in den Bezeichnungen auseinandergehalten werden. Dieses ist aber auch derjenige Theil des Amur-Landes, in welchem der Tiger häufiger als in allen anderen vorkommt, offenbar weil es der südlichste Theil ist, in welchem die gröss- ten aus Süd und Südwest kommenden Zuflüsse des Amur-Stromes, der Sungari und Us- suri liegen, deren Haupt- und Nebenthäler dem Tiger von den Gränzen Korea s und des nordöstlichen China’s eine Bahn nach Norden bieten. In diesem Theile des Amur-Stromes wird auch dem Tiger in den feuchten, oft sumpfigen Niederungen und den mit Gebüsch, mit hohem Grase und oft mit dichtem, über mannshohem Schilfe bewachsenen Ufern des Stromes ein viel günstigeres Terrain als in dem oberen und unteren, gebirg- und waldreichen Laufe des Amur-Stromes geboten. Auch ist der Tiger dort, nach Aussage der Eingeborenen, nicht bloss ein seltener Gast, sondern im Winter und Sommer ein stetiger Bewohner des Landes, dem man häufig begegnet und der nicht selten für Menschen und Vieh verderblich wird. So erzählten uns die Golde von Turmi und Dshuada an der Ussuri-Mündung, dass ihnen im letzten Winter sämmtliche Pferde, welche sie vom oberen Amur bekonmen hatten, von Tigern zerrissen worden seien. Im Dorfe Agdeki (oder Mutscha) am Ussuri berichteten die Golde, dass die Tiger bisweilen, zumal im Winter, ihren Wohnungen nahe kämen und ihnen Hunde 1) Untersuchungen über die Verbreitung des Tigers (Felis tigris) und seine Beziehungen zur Menschheit, St, Petersburg 1856. In den Mem. de l’Acad. des sciences de St. Petersb. 6”® Serie. Sc. natur. T. VIII. 2) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 16. 3) Sibirische Reise, 1. c. p. 75. 992 Säugeihiere und Schweine zerrissen, und dasselbe erzählten auch die Golde von Dawanda am linken Amur-Ufer unterhalb des Ussuri. Die Golde sind den Angriffen des mächtigen Thieres nicht gewachsen und tragen daher grosse Furcht vor demselben, zu welcher sich natür- lich, bei dem Gefühle ihrer Ohnmacht, manche abergläubische Vorstellungen gesellen. Fast allenthalben findet man daher aus Holz geschnitzte Tigerfiguren, welche entweder in der Nähe der Häuser, am Fusse grosser Bäume aufgestellt, oder aber, in kleinerer Gestalt, an die Kleidungsstücke angeheftet werden, um deren Träger jederzeit vor einem Angriffe dieses Thieres zu schützen. Diese Tigergötzen sind zwar nur sehr roh gearbeitet, lassen aber den- noch das Thier nicht verkennen. Sie geben den gestreckten Körper, den langen Schwanz, den breiten Kopf mit kurzer Schnauze und die gestreifte Zeichnung dieses Thieres wieder. Meist ist dasselbe in aufrechter Stellung mit ausgestrecktem Schwanze, bisweilen auch liegend mit auf den Rücken zurückgeschlagenem Schwanze dargestellt. Die Zeichnung besteht aus einem längs der Mittellinie des Kopfes, Rückens und Schwanzes verlaufenden schwarzen Streifen, an den Seiten aus quer gestellten, abwechselnd schwarzen und rothen Streifen und am Schwanze aus eben solchen Ringen. Ich werde im ethnographischen Bande meiner Reisebeschreibung einige Abbildungen dieser Tigergötzen, deren ich mehrere mitgebracht habe, mittheilen. Was diese Tigergötzen nur roh andeuten,, weiss die Beschreibung, welche die Eingeborenen von dem Thiere geben, genauer zu zeichnen. Das gefürchtete Thier wird stets als eine Katze von sehr bedeutender Grösse beschrieben, einer Grösse, welche die übertreibende Furcht der Golde bisweilen sogar auf ungefähr 2 Faden Länge und 1 Faden Höhe anzugeben weiss. Die Farbe des Thieres soll gelb mit schwarzen Querstreifen, der Schwanz gelb und schwarz geringelt und an der Spitze schwarz sein. Schleichend soll das Thier sich seiner Beute nähern und sich dann mit einem Sprunge auf dieselbe werfen. Es ist mir leider nicht gelungen selbst ein Fell des Tigers am Amur zu sehen, da die grosse Furcht der Eingeborenen sie von einer wirk- lichen Jagd auf denselben zurückhält und nur gelegentlich und selten ein Individuum erlegt wird, dessen Fell alsdann sogleich den Chinesen oder Mandshu verkauft wird, bei denen es in hohem Ansehen steht und zur Kleidung der Vornehmen verwendet werden soll. Selbst alle Auskunft über den Tiger gaben mir die Eingeborenen nur mit Widerstreben, da sie die aber- gläubische Furcht haben, dass sogar das Sprechen vom Tiger ihnen Unheil und Verderben durch das mächtige Thier zuziehen könne. Nicht selten bemerkte ich bei ihnen, wenn wir auf den Tiger zu sprechen kamen, ein Dämpfen der Stimme, als fürchteten sie belauscht zu wer- den, und nach Möglichkeit vermieden sie den Namen des Thieres zu nennen. Auch fügen sie diesem Namen, wohl aus Ehrfurcht und um sich schadlos zu halten, das schmeichelnde und ehrende Beiwort «mafa», d. i. «der Alte», bei — ein Prädikat, das ausser dem Tiger nur noch dem allgemein geachteten und abergläubisch gefürchteten Bären zukommt. Ja, wie die- ser bei den unteren Golde, Mangunen und anderen tungusischen Stämmen des unteren Amur-Landes schlechtweg «Mafa» (Alter) genannt wird, so habe ich bei den Golde am Ussuri und am Amur in der Gegend der Ussuri-Mündung, wo der Bär in den Augen der Eingeborenen bereits an Ansehen verloren hat, oftmals den Tiger schlechtweg «Mafa» nen- il Fels Tigris. 93 nen hören. Dort ist also der Tiger unstreitig noch ein König der Thierwelt. — Geht man nun von dort weiter abwärts am Amur-Strome, zu den unteren Golde und Mangunen, so findet man den Tiger zwar noch allgemein bekannt, allein, nach Angabe der Eingeborenen, weit seitener als an der Ussuri- Mündung. Doch müssen wir aus diesen Angaben entnehmen, dass er bei Naichi und Dshare am Geong-Gebirge, am Chongar, am Nor- oder Bolong- See, bei Ongmoi, bei Adi oberhalb der Gorin-Mündung und weiter abwärts noch am Jai, einem Zuflusse des Amur-Stromes bei Kidsi, im Sommer und Winter, wenn auch sehr sel- ten und vereinzelt, vorkommt. Bis dahin habe ich ihn stets auch in der Bezeichnung der Ein- geborenen vom Irbis unterscheiden hören. Bei den unteren Mangunen aber, die auch eine andere Bezeichnung, dussä, für den Tiger haben, findet man bereits ein Zusammenwerfen der Tiger- und Irbis-Namen, obgleich beide Thiere in ihrer charakteristisch verschiedenen Zeich- nung beschrieben werden. Die Veranlassung dazu liegt offenbar nur in der dort weit grösseren Seltenheit dieser Thiere, welche eine geringere Kenntniss derselben bei den Eingeborenen zur Folge hat. Auch ist hier das Terrain für das Vorkommen des Tigers allmählig viel ungünsti- ger als oberhalb geworden, indem der Boden fast durchweg gebirgig und zumeist mit dichter Nadelholzwaldung bedeckt ist. Trotz dieses nordischen Charakters des Landes, kommt aber der Tiger auch noch weiter unterhalb, im Gebiete der Giljaken bis an die Mündung des Amur-Stromes vor. Doch scheint es, dass er diesen äussersten Norden des Amur-Landes nur bisweilen und auf Streifz gen besucht, indem er sich dort, nach Aussage der Giljaken, nur im Sommer und auch dann in sehr seltenen Fällen sehen lässt. Die Giljaken sind der Ansicht, dass der Tiger und der Irbis zu einer und derselben Thierart gehören, welche in der Jugend gelleckt, im Alter gestreift sei, und bezeichnen beide mit denselben Namen, deren sie mehrere haben. Die gebräuchlichsten von diesen sind «at» und «märeder», während die Bezeichnung «chalowitsch» viel seltener zu sein scheint. Was es jedoch für eine Bewandtniss mit diesen ver- schiedenen Namen für eine und dieselbe Thierart habe, konnte ich nicht ermitteln; nur so viel erfuhr ich mit Bestimmtheit, dass sie nicht einzeln, eine dem Tiger, die andere dem Irbis zu- kommen, sondern auf beide vermeintliche Altersverschiedenheiten des Thieres bezogen wer- den. Von beiden Thieren, dem Tiger wie dem Irbis, gaben mir übrigens die Giljaken ge- naue und charakteristische Beschreibungen, welche wie diejenigen der Golde lauteten und die Thiere unverkennbar verriethen. Es scheint daher nur das gleiche und sehr seltene Vorkom- men beider Thierarten wie die gleiche abergläubische Furcht der Giljaken vor beiden sie zu dieser Verschmelzung beider Formen in eine Thierart bestimmt zu haben. Aus dieser Ver- schmelzung allein kann ich mir auch die Thatsache erklären, warum man bei den Gilja- ken niemals Irbis-, wohl aber häulig Tigergötzen findet. Denn als die ältere und erwachsene Form müsste der Tiger, nach Vorstellung der Giljaken, auch schon den Irbis in sich fassen, und dürfte daher ein Abbild des ersteren den Besitzer vor den Angriffen beider Thiere schützen. Die Tigergötzen der Giljaken stellen übrigens das Thier auch nicht mit der Genauigkeit und Treue wie diejenigen der Golde dar. Ebenfalls aus Holz geschnitzt, geben sie das Thier in aufrechter Stellung wieder. Wie an den Tigergötzen der Golde und Mangunen erkennt 94 Säugethiere. man auch an denjenigen der Giljaken den breiten Kopf mit kurzer Schnauze, den langgestreck- ten Körper auf verhältnissmässig sehr kurzen Beinen und den langen Schwanz des Thieres; al- lein es fehlt die farbige Angabe der gestreiften Zeichnung des Thieres. Statt durch Farben sind an diesen giljakischen Tigergötzen die Streifen durch eine Reihe quer gestellter Einschnitte an den Seiten des Thieres dargessellt. Bisweilen jedoch fehlt die Angabe der Streifen auch ganz, und dann kann allerdings der Götze ebensogut auch auf den Irbis wie auf den Tiger bezogen werden. In diesem Falle wird es aber auch überhaupt schwer, bei der rohen Arbeit dieser Götzen, in der stark verkleinerten, gestreckten, mit kurzen Beinen und langem Schwanze ver- sehenen Gestalt, welche einer Ratte weit ähnlicher als einem Tiger aussieht, dieses mächtige Raubthier zu erkennen. Ich habe selbst einen solchen Tigergötzen bei mir gehabt, welchen ich lange Zeit auf die Ratte (Mus decumanus) beziehen zu müssen glaubte, bis ich mit der gilja- kischen Sprache mich so weit vertraut gemacht hatte, dass ich von den Giljaken selbst eine Erklärung dieser Götzengestalt erfragen konnte, in der ich nunmehr, mit den Tigergötzen der Golde un! Mangunen bekannt, denselben Typus wiederfinde. Ein anderer Zug der gilja- kischen Tigergötzen, in welchem sie von denen der Golde und Mangunen abweichen, besteht darin, dass das Ende des bisweilen ziemlich kurz dargestellten Schwanzes mit einer scharf abgesetzten Anschwellung versehen ist. Dies ist namentlich bei den durch Quereinschnitten gestreiften Tigergötzen der Fall, welche ich bei den oberen Giljaken am Amur häulig ge- sehen habe. Eine Erklärung für diese seltsame Abweichung von der Natur kann ich nicht finden. Soll diese Anschwellung vielleicht die schwarze Schwanzspitze angeben? oder haben wir sie nur als eine in Folge mangelhafter Kenntniss des Thieres entstandene Erfindung der Phantasie anzusehen? Letzteres kann um so eher möglich sein, als der Tiger dort jedenfalls sehr selten ist, die Phantasie der Giljaken aber sich sehr viel mit ihm abgiebt. Denn die abergläubische Furcht vor dem Tiger, deren ich oben bei den Golde erwähnt habe, findet sich in einem noch höheren Grade bei den zu abergläubischen Vorstellungen jeder Art geneig- teren Giljaken. Nicht nur dass sie gleich den Golde vom Tiger zu sprechen oder gar ihn beim Namen zu nennen sich scheuen und darum beim Sprechen von ihm in der Regel die Stimme dämpfen und den Namen umschreiben, sondern sie sind auch der Ansicht, dass jede schlechte Handlung überhaupt dem Uebelthäter leicht das Erscheinen des «At» nach sich zie- hen könne. Der blosse Anblick des «Att» dürfte aber schon genügen dem Menschen Unheil und Verderben zu bringen, wenn er auch nicht sogleich zur direkten Beute desselben wer- den sollte. Bei solchem unheilvollen Begegnen sucht daher der Giljake dem Anblicke des Thieres sich möglichst rasch zu entziehen und lässt sich niemals in einen direkten Kampf mit ihm ein. Ich habe selbst Giljaken gesprochen, welche den Tiger gesehen zu haben behaup- teten; aber niemals, meinten sie, habe ein Giljake einen Tiger erlegt. Der umgekehrte Fall dagegen, dass Giljaken vom Tiger zerrissen würden, soll wohl vorkommen. Auch knüpft sich bei den Giljaken eine Reihe religiöser Gebräuche an die Bestattung und Aufbewahrung der aufgefundenen Ueberreste eines vom Tiger Zerrissenen oder an die Feier seines Gedächt- nisses, Es würde uns zu weit von unserem zoologischen Ziele entfernen, wollten wir hier ee Felis Tigris. 95 eine Schilderung dieser religiösen Gebräuche der Giljaken geben, welche zweckmässiger dem ethnographischen Bande meiner Reisebeschreibung vorbehalten bleibt. Nur so viel will ich hier bemerken, dass diese Bestattungsgebräuche der Giljaken gleichmässig auf die vom Tiger und vom Bären Zerrissenen Bezug haben und auf dem Glauben an eine Seelenwanderung in Betreff dieser Thiere beruhen. Auch finden sich unter den Götzengestalten der Giljaken Zu- sammenstellungen von menschlichen mit Tiger- und Bärenformen , welche auf diese Vorstel- lungen von Metempsychose in direkter Weise hindeuten dürften. — Es bleibt uns nunmehr noch übrig der Verbreitung des Tigers an den Meeresküsten des Amur-Landes zu erwähnen. Die Mündung des Amur-Stromes ist keineswegs die Polargränze der Verbreitung des Tigers. Nach Aussage der Giljaken am Ochotskischen Meere lässt er sich auch dort als seltener Gast im Sommer sehen — ein Vorkommen, welches sich unmittelbar an das von Midden- dorff in Erfahrung gebrachte Vorkommen des Tigers an der Tyrma') anschliesst und das viel- leicht wohl die Polargränze des Thieres bezeichnen dürfte. Längs den Küsten des Amur-Limanes und der Meerenge der Tartarei ist der Tiger ebenfalls vorhanden und zwar, nach Aussage der Mangunen, bis etwa nachSsurku, nahe dem 50° n.Br., sehr selten, von da an südwärts aber häufiger und an der Küste wie an den in’s Meer fallenden Flüssen, dem Tumdshi u.a. m. zu finden. Höchst auffallend endlich ist mir die Thatsache, dass der Tiger, trotz seiner Seltenheit im nördlichen Amur-Lande und dem Küstengebiete desselben, doch nicht auf das Festland beschränkt bleibt, sondern auch auf der Insel Sachalin sich finden soll. Zum we- nigsten versicherten mir die Giljaken der Westküste und des Innern dieser Insel, dass er, wenn auch sehr selten, dennoch sich dort sehen lasse, zum grössten Schrecken der Giljaken, welche in Beziehung auf den Tiger die Furcht und die abergläubischen Vorstellungen ihrer Landsleute auf dem Continente in gleichem Maasse theilen. Auch haben die Giljaken von Sa- chalin für den Tiger, ausser den auch bei ihnen gebräuchlichen Namen «ait» und «märeder», noch eine dritte, eigene Bezeichnung, welche mir auf der Westküste «klutsch», im Tymy- Thale im Innern der Insel «kluntsch» genannt wurde. Jedenfalls aber darf der Tiger nur als seltener Gast der Insel angesehen werden, und ist demnach anzunehmen, dass er bei Cap La- sareff oder nördlicher das Eis des Amur-Limanes überschreite, um sich auch auf der Insel zu verbreiten. Auf den Japanischen Inseln, südlich von Sachalin, soll er aber, nach dem Zeugnisse Siebold’s?), nicht vorkommen. Ausser den südlichen, dem asiatischen Continente sehr genäherten Inseln Hainan, Sumatra, Java und Ceylon, ist also Sachalin die einzige Insel welche vom Tiger bewohnt oder zum wenigsten besucht wird. Ueberhaupt ist es im Haushalte der Natur begründet, dass die grössten Raubthiere ihre Heimath und grösste Ver- breitung auf den Continenten haben, wo eine reichere Säugethierfauna ihnen die nöthigen Nahrungsmittel liefert, und dass sie dagegen den Inseln, wo in der Regel eine Verarmung der Säugethierfauna stattfindet, fehlen. Bilden nun die mit continentalem Charakter ihrer Säuge- thierfauna versehenen Sunda-Inseln, und ebenso vielleicht auch Hainan und Ceylon, eine t\ Sibirische Reise I. c. 2) Fauna Japonica. Mammalia. Dec. 1. p. 5. und Dec. 2. p. 28. 6 Säugethiere. Ausnahme von dieser Regel, so lässt sich dasselbe doch kaum vom nordischen Sachalin er- warten. Blicken wir daher genauer. welche Nahrungsmittel der Tiger bei seinen Besuchen auf der Insel Sachalin dort finden dürfte. Hauptsächlich sind es wohl die grossleibigeren Ruminantien und Pachydermen, welche dem Tiger in seinem gesammten weiten Verbreitungs- gebiete die nöthigen Nahrungsmittel liefern müssen. Im südlichen Theile des Amur-Stromes, wo der Tiger am häufigsten ist, giebt es mannigfache Repräsentanten der genannten Gruppen: Edelhirsch, Reh, Elennthier, Moschusthier, Wildschwein und im Küstengebirge eine Antilo- penart. Nach Norden, nahe der Mündung des Amur-Stromes, schwindet freilich die Hälfte derselben, Edelhirsch, Reh und Wildschwein, dafür aber findet sich zu den drei noch übrig gebliebenen Thieren ein neues, das Rennthier, ein. Von diesen vier Thierarten schwindet endlich auf Sachalin wiederum ein sehr wichtiges, nämlich das Elennthier, und vielleicht auch die Antilope, die aber als ein ausschliessliches und sehr seltenes Gebirgsthier kaum in Betracht kommen kann, und es bleiben also nur Moschusthier und Rennthier nach, von denen ersteres nur im Innern der Insel, das Rennthier aber allenthalben und häufiger vorkommt. Wir sind daher genöthigt anzunehmen, dass der Tiger, wenn er die Insel Sachalin besucht, mit seiner Nahrung zumeist auf das Rennthier angewiesen sein müsse. Und so sehen wir den Tiger, den man gewohnt ist sich in der Nähe von Palmen und Bambusen zu denken, auf der Insel Sachalin nicht bloss mit der polaren Form des Rennthieres zusammentreflen , sondern auch seine meiste Nahrung von derselben beziehen. Fügt man noch hinzu, dass ich im unte- ren Amur-Lande und auf der Insel Sachalin im Winter zu wiederholten Malen eine unter dem Gefrierpunkte des Quecksilbers stehende Temperatur beobachtet habe, so beweist dies wohl mehr als alle bisher bekannten Thatsachen, wie unrecht man thun würde, den Tiger als eine exclusiv tropische oder auch nur subtropische Form betrachten zu wollen. 21) Eelis Irbis Müll. Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin wie der Tiger. « « Mangunen und Golde: jerya. Da ich bei Besprechung des Tigers im Amur-Lande, wegen der häufig mangelhaften Unterscheidung bei den Eingeborenen zwischen Tiger und Irbis, an mehreren Orten zugleich auch des letzteren habe erwähnen müssen, so brauche ich mich hier nur kurz zu fassen und das auf den Irbis allein Bezügliche nachzuholen. Aus dem oben Gesagien geht bereits hervor, dass der Irbis im Amur-Lande dieselbe Verbreitung wie der Tiger hat, d. h. längs dem gan- zen Amur-Strome, an den Küsten des Ochotskischen und Tartarıschen Meeres und auf der Insel Sachalin vorkommt. Allein nur im südlichen Theile dieses Verbreitungsgebietes, bei den Golde am Ussuri und am Amur-Strome ober- und unterhalb der Ussuri-Mün- dung, wird der Irbis als selbständige Thierart vom Tiger genau unterschieden und auch in der Bezeichnung auseinandergehalten. Bei ihnen findet man denn auch Irbis-Götzen,, welche Fehs Irbıs. 97 dieselbe Bestimmung wie die Tiger-Götzen haben, indem sie zum Schutze und Schadloshalten vor den Angriffen des gefürchteten Thieres dienen sollen. Diese Irbis-Götzen, deren ich meh- rere am Ussuri gesehen und auch welche mitgebracht habe, geben die Gestalt und Zeichnung des Thieres in ebenso roher Weise wie die Tiger-Götzen wieder. Dennoch verrathen der kurze breite Kopf, der gestreckte Körper, der lange Schwanz und vor allem die charakteristische, wenngleich nur sehr schematisch gehaltene Zeichnung diese grosse Katzenart des angränzen- den Ost- und Mittelasiens zur Genüge. In den kuposen besteht die Zeichnung darin, dass am Kopfe abwechselnd rothe und schwarze Querstreifen, längs der Mittellinie des Kopfes, des Rückens und des Schwanzes ein schwarzer Streifen und an den Seiten des Rumpfes und des Schwanzes entweder schwarze, oder abwechselnd schwarze und rothe Rosetten angegeben sind. Offenbar kommt es dabei den Golde nicht sowohl auf eine getreue Zeichnung, als auf eine specifisch selbständige Darstellung des Irbis und eine hinlängliche Unterscheidung des- selben vom Tiger an. Ich habe oft an den Kleidungsstücken oder unter dem Hausgeräth der Golde kleine Tiger- und Irbis-Götzen neben einander gesehen, welche in der Grösse und Ge- stalt vollkommene Seitenstücke zu einander bildeten und nur durch die verschiedene, hier ge- streifte, dort rosettenförmig gefleekte Zeichnung verschieden waren. Auch in ihren Beschrei- bungen vom Irbis hoben die Golde stets die grosse Aehnlichkeit desselben mit dem Tiger in der Grösse, Gestalt und Lebensweise hervor und gaben die vom Tiger verschiedene Zeichnung des Irbis an. Nach ihren Angaben soll der Jerga eine Katzenart von etwa 1'/, Faden Länge sein, davon j Faden auf den Schwanz kommt; wie der Tiger soll er ‚einzeln vorkommen, bisweilen auf Bäume klettern, schleichend seiner Beute sich nähern und mit einem Sprunge sie erhaschen. Auffallender Weise soll der Irbis in den Gegenden am Ussuri und am Amur nahe der Ussuri-Mündung viel seltener als der Tiger sein, und ist es wahrscheinlich diesem Umstande zuzuschreiben, warum er von den Golde noch mehr als der Tiger gefürchtet wird. Nach Erzählungen der Golde sollen nur Wenige den Jerga gesehen haben und es wage Nie- mand ihn zu jagen, während Tiger, wenngleich in seltnen Fällen, doch erlegt werden. Ebenso scheint der Irbis auch weiter abwärts am Amur-Strome und gegen die Mündung desselben, wo er bei den Giljaken mit dem Tiger, als dessen jugendliche Form, für eine und dieselbe Thierart angesehen wird, noch seltner als der Tiger vorzukommen. Pallas’s Angabe, dass der Irbis zwischen den Flüssen Uth (od.Uda) und Amur häufig sein soll '), müssen wir daher, im selben Maasse wie Middendorff es für das Stanowoi-Gebirge thut °), auch für den zum Amur-Strome fallenden Theil dahin berichtigen, dass der Irbis dort sehr selten sei. Wie be- reits oben erwähnt, ist nach Angabe der Giljaken anzunehmen, dass der Irbis auch auf der Insel Sachalin als seltner Gast vorkomme. Auf den Japanischen Inseln lernte ihn Siebold nieht kennen. Doch erwähnt Middendorff ®) eines Felles im Museum von Leyden, das aus Nangasaki herrührte; auch giebt Pallas einen japanischen Namen für den Irbis 1) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 17. *) Sibirische Reise. . c. p. 76. | 3) sibir. Reise. 1. c. Schrenck Amur-Reise Bd. 1. 13 98 Säugethiere. an ''). Es scheint also derselbe auch in Japan vorzukommen und somit auf den Inseln Ostasiens eine weitere Verbreitung als der Tiger zu haben. 22) Felis domestica Briss. Bei den Giljaken: kyssk. « « Mangunen, Golde, Ssamagern, (Kile am Gorin): kysska, seltner : koksja. « « Biraren und Monjagern: kaka. Obgleich die Katze als Hausthier bei Besprechung des Haushaltes der Amur-Völker besondere Erwähnung finden wird, glaube ich doch das zur geographischen Verbreitung der- selben Gehörige schon hier mittheilen zu müssen. Die Hauskatze ist bei den Eingeborenen des Amur-Landes bisher noch wenig eingebürgert. Sie hat auf zweierlei Wegen ihre Verbreitung in das untere Amur-Land gefunden: einmal durch die Mandshu und Chinesen von Süden, und dann, in späterer Zeit, durch die Russen von Norden her. Betrachten wir diese Wege genauer. Wie bereits Pallas ”) und Nilsson °) bemerken, fehlt die Katze allen nomadischen Völkern ‚ deren wandernde Lebensweise, ohne einen bleibenden festen Wohnort, nicht wohl geeignet ist der Katze, welche sich stets an das Haus zu schliessen pflegt, eine Heimath zu bieten. Vergeblich würden wir sie daher bei den wandernden Tungusischen Stämmen am oberen Amur, den Orotschonen und Monjagern, suchen. Zwar ist sie den ersteren durch die Russen, und darum auch unter dem russischen Namen «koschka», und den Monjagern und wandernden Biraren durch die am Amur ansässigen Mandshu, Chinesen und Dau- ren unter dem Namen «kaka» bekannt, allein in ihre unstäten Zelte ist sie ihnen nicht ge- folgt. In den festen Ansiedelungen der mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigten Mandshu, Chinesen und Dauren am oberen Amur- oder Sachali-Strome ist sie dagegen wohl zu finden, und dasselbe soll in den mandshurischen Dörfern und Städten am Sungari der Fall sein. Von den Ortschaften am Sungari ist sie durch mandshurische und chinesische Kaufleute auch in das untere Amur-Land, zu den Golde, Mangunen und Giljaken gebracht worden. Ich habe sie in vielen Dörfern dieser 3 Völker, in Turmi an der Ussuri-Mündung, in Ssa, Ssamachagdu, Dshai, Kidsi, Mongole, Tyr und Wair gesehen. Ueberall mögen sie die Eingeborenen sehr gern, angeblich weil sie den in ihren Häusern zahlreichen Ratten nach- stellt, in der That aber weil sie an dem fremdländischen, bei den Mandshu geschätzten Thiere Gefallen finden. Grossen Nutzen können sie von der Katze nicht haben, weil sie dieselbe ge- wöhnlich, um sie vor den in grosser Zahl von ihren gehaltenen Hunden zu schützen, in einer gewissen Gefangenschaft, bald in einem Winkel des Hauses angebunden, bald in einem höl- zernen Käfige eingesperrt halten. Sie wird daher zum blossen Luxusartikel bei den Eingeborenen, l) Zoogr. Rosso-Asiat. 1. c. 2, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 26. 3) Skandin. Fauna. 1-a del: Däggdjuren. 1847. 1. p. 113. Felis domestica. 99 den sich der Wohlhabende unter ihnen gegen einen bedeutenden Preis entweder selbst von den Mandshu am Sungari holt, oder von einem stromabwärts gekommenen chinesischen Kaufmanne eintauscht. Die gewinnsüchtigen Mandshu und Chinesen sollen aber, um die- sen Handelsartikel nicht aus den Händen zu geben, nur verschnittene Kater zu den Amur- Völkern bringen, so dass eine Vermehrung der Katzen im unteren Amur-Lande selbst un- möglich ist und jedes einzelne Thier vom Sungari gebracht werden muss. Im Aeusseren sind diese mandshurischen Katzen den russischen oder europäischen ganz ähnlich, meist schwarz und weiss gescheckt, bisweilen auch blass fuchsroth und weder von aussergewöhnlicher Grösse, noch mit langem Haare und hängenden Ohren versehen, wie man sie in der nordehi- nesischen Provinz Pe-tscheli finden soll '). Letzterer Charakter kommt also nicht allen chi- nesischen, zum wenigsten nicht den mandshurischen Katzen zu. Auffallend ist aber, dass die Katze bei den Eingeborenen des unteren Amur-Landes, trotz ihres unzweifelhaft mandshuri- schen Ursprunges, eine Bezeichnung trägt, welche mit der russischen grosse Aehnlichkeit hat — ein Umstand, der auf eine ursprünglich durch die Russen vermittelte Bekanntschaft der Amur- Völker mit der Katze hinzudeuten scheint. Wie dem aber auch sei, beziehen gegenwärtig die Eingeborenen des Amur-Landes die Katze von den Mandshu und Chinesen, und ist daher auch die Verbreitung derselben an die Ausdehnung und die Häufigkeit ihres Verkehres mit den letztgenannten Völkern gebunden. Aus diesem Grunde besitzen die den Mandshu und Chinesen näher wohnenden, ihnen zum Theil unterworfenen Golde und Mangunen, welche überdies auch alljährlich von chinesischen Kaufleuten besucht werden, die Katze häufiger als die entfernteren und unabhängigen Giljaken, zu denen die chinesischen Kaufleute sich nicht mehr hinwagen. Von den beiden genannten Stämmen sieht man aber wiederum bei den sesshafteren Mangunen die Hauskatze häufiger als bei den nomadischeren Golde, welche im Sommer, ihren Ort oft wechselnd, nur leichte Zelte von Birkenrinde bewohnen. Die Giljaken des Amur-Stromes endlich haben noch auf ihren Handelsreisen zu den von chinesischen Kauf- leuten besuchten Orten am Amur oder zu den Mandshu am Sungari Gelegenheit sich mit diesem beliebten Thiere zu versorgen. Aber zu den mit den Mandshu und Chinesen so gut wie in gar keinem direkten Verkehre stehenden Giljaken der Insel Sachalin und Oro- tschen der Meeresküste gelangt die Katze nicht mehr. Ich habe sie in keinem der von mir mehrmals besuchten Dörfer des Amur-Limanes und der Insel Sachalin gefunden. Allerdings kannten sie die Sachalin-Giljaken dem Namen und Aussehen nach, schon in Folge ihres Verkehres mit ihren Landsleuten am Amur, allein sie besassen sie nicht und wussten mir auch nicht zu sagen, ob die Japanesen, bei denen die Katze ebenfalls ein beliebtes Hausthier ist, dieselbe zu den Aino im Süden der Insel bringen. So wenig hat sich also bisher die Katze auf dem mandshu - chinesischen Wege im unteren Amur-Lande verbreitet und einge- bürgert ; offenbar aus dem Grunde, weil ihrer Verbreitung zwei Hindernisse im Wege stehen: einmal die hundezüchtende Lebensweise der Eingeborenen, welche sie nöthigt die Katze in der 1) Du Halde, Descript. de la Chine. I. p. 134. 100 Säugeihrere. Gefangenschaft zu halten, wodurch sie ihrer Nützlichkeit beraubt und zum Luxusartikel ge- macht wird, während sie doch in den von Raiten wimmelnden Häusern der Eingeborenen ein unumgängliches Thier sein dürfte, und dann zweitens die gewinnsüchtige Sitte der Mandshu und Chinesen nur verschnittene Kater in den Handel zu bringen. Ohne Zweifel viel rascher wird daher die Katze auf einem anderen, neueren Wege, durch die Russen, ihre Verbreitung und Einbürgerung im Amur-Lande finden. Gleich bei der ersten Ansiedelung der Russen ım Amur-Lande, im Jahre 1853, wurden einige Katzen in den Petrovskischen Posten am Ochotskischen Meere, nahe dem Eingange in den Amur-Liman, und von dort im folgen- den Jahre in den eben angelegten Nikolajewschen Posten, an der Amur-Mündung, gebracht. Sie vermehrten sich bald, und die Giljaken ‚ welche den Posten des Handels wegen häufig besuchten, baten sich bisweilen statt anderer Zahlung eine junge Katze aus. In den nächsten Jahren, 1855 und 56, konnte man daher schon in mehreren giljakischen Dörfern der näch- sten Umgegend des Nikolajewschen Postens, wie Wair, Tscheharbach und a. m., Katzen von russischem Ursprunge sehen. Weiter waren sie zur Zeit meines Aufenthaltes im Amur- Lande noch nicht gelangt, allein es ist vorauszusehen, dass bei der Vorliebe der Eingebore- nen für dıe Katze und der Nützlichkeit, die sie in ihrem Haushalte haben kann, ihre Verbrei- tung nunmehr rasch weiter gehen und der ferneren Einführung mandshurischer Katzen bald ein Ende setzen wird. 1. INSECTIVORA . 23) Krinaceus europaeus L. Taf. IV. fig. 2. In der Nähe der Stadt Aigun, im mandshurischen Dorfe Gulssoja am Amur, erhielt ich von den Eingeborenen das Fell eines Igels, welchen ich nach genauer Vergleichung mit den Igel-Arten unseres Museums und den Beschreibungen der bisher bekannten Igel-Arten für Erinaceus europaeus halten muss. So sehr nun diese Thatsache unseren bisherigen Erfah- rungen über die geographische Verbreitung des E. europaeus zu widersprechen scheint, so kann ich mich doch nicht entschliessen aus dem Igel des Amur-Landes, auf Grundlage einiger geringen Abweichungen vom europäischen Igel — Abweichungen, welche in den Bereich der Va- riation einer und derselben Art fallen dürften — eine neue Art zu bilden, sondern glaube viel- mehr, dass wir unsere bisherigen Ansichten über die geographische Verbreitung dieses Thieres modificiren müssen. Eine genaue Beschreibung des Amur-Igels im Vergleiche zu den be- kannten Igel-Arten und besonders zum gemeinen Igel Europa’s soll diese Ansicht rechtfertigen. Nach den bisherigen Erfahrungen über die Verbreitung der Igel- Arten dürfte man ge- neigt sein im Amur-Lande den E. auritusS.Gmel. zu vermuthen. Ich selbst schrieb daher die Erinaceus europaeus. 101 ersten Spuren, welche ich vom Igel im Amur-Lande fand, dieser Art zu '). Allein das von mir mitgebrachte Fell gehört keineswegs dem E. auritus an. Die kurzen Ohren, die einfach gefurchten, glatt anzufühlenden Stacheln, die borstenförmige Behaarung des Kopfes und der Seiten, die derberen Füsse und Nägel und die dunklere Färbung des Kopfes und der Unter- seite lassen keinen Zweifel übrig, dass unser Amur-Igel weder zur Sibirischen Igel-Art E. au- ritus, noch zu einer der wenig gekannten, aber sämmtlich durch lange Ohren charakterisirten, entfernter nachbarlichen Formen Indiens und des Himmalaya-Gebiges, E. collaris Gray, E. Spatangus Bennet und E. Grayi Bennet, gezogen werden dürfe. Dagegen bringen die ange gebenen Charaktere den Amur-Igel in die unmittelbare Nähe der europäischen Form ; ja es bleibt mir, indem ich ihn mit Exemplaren des E. europaeus vergleiche, nicht ein einziges haltbares Kennzeichen zur Unterscheidung beider Formen als besonderer Arten übrig. Ge- hen wir diese Vergleichung Stück für Stück durch. Die Stacheln des Amur-Igels bieten, unter dem Mikroskop betrachtet, in ihrem Baue keine, Verschiedenheit von denjenigen des E. europaeus dar. Sie zeigen dieselbe einfache Fur- chung, ohne alle Höckerchen, und fühlen sich daher auch glatt an, während die des E. auritus durch eine Menge Höckerchen an ihrer Oberfläche rauh anzufühlen sind. In der Farbe aber zeigen die Stacheln des Amur-Igels allerdings eine geringe Abweichung von denen des eu- ropäischen Igels. Bei diesem sind nämlich die Stach In mehrfach braunschwarz und weiss gerin- gelt: an der Basis braunschwarz, dann bis über die Hälfte hinaus weiss, dann wiederum braunschwarz, wiederum weiss und an der äussersten feinen Spitze schwärzlich. Sie sind also mit zwei weissen Ringen auf braunschwarzem Grunde versehen. Die Stacheln des Amur- Igels dagegen haben nur einen weissen Ring: sie sind an der Basis braunschwarz, dann hel- ler bräunlich, dann wiederum braunschwarz, dann weiss und an der äussersten feinen Spitze schwärzlich. Der Unterschied von der europäischen Form besteht also nur darin, dass der untere weisse Ring am Stachel des E. europaeus beim Amur-igel hellbräunlich ist. Dieser helibräunliche Ring setzt sich aber, ebenso wie der weisse an der europäischen Form, von den beiden ihn einschliessenden, dunkelbraunschwarzen Ringen ab. Es ist also beim Amur-Igel dieselbe Anzahl verschiedener Farbenringe am Stachel wie bei der europäischen Form vorhanden, aber mit einer Neigung der schwarzen Farbe überhand über die weisse zu nehmen. Durch soleh’ ein Ueberhandnehmen der schwarzen Farbe über die weisse ist der untere weisse Ring der europäischen Form hier durchgängig hellbräunlich oder schwärzlich geworden; der obere weisse Ring dagegen erhält sich in der Regel auch beim Amur-Igel weiss, allein nicht durchweg, indem er an vielen Stacheln entweder sehr eingeschränkt, odeı aber ebenfalls mit bräunlichem Änfluge versehen ist. Durch ein mehr oder weniger starkes Ueberhandnehmen der bräunlichen Farbe über die weissen Ringe ist an den Stacheln der Amur- Form eine Reihe von Uebergängen zur Farbenzeichnung der europäischen Form wahrzunehmen, wie umgekehrt auch an der europäischen Form sich manche Stacheln finden, an denen der I) Bull. de la classe phys. math. de l’Acad. des sc. de St. Petersb. T. XV. p. 246. Dsgl. M&langes russes. T. III. p. 352. 102 Säugethiere. untere weisse Ring einen bräunlichen Anflug erhalten hat. Es ist aber das Ueberhandnehmen einer schwarzen oder überhaupt dunkleren Färbung eine in der Thierwelt Ostasiens schon mehrmals beobachtete Erscheinung. Wir erinnern nur an die Bemerkung Baer’s, dass Daurien sich durch vorherrschende Schwärze in allen Fellen auszeichne '), eine Bemerkung, die bisher am Eichhörnchen, Zobel u. a. m. ihre Begründung hat. Ich glaube daher auch in den schwärzeren Stacheln des Amur-Igels, im Vergleich zum europäischen, nicht sowohl ein Kennzeichen specifischer Verschiedenheit der Formen, als vielmehr eine fernere Kundge- bung jener Erscheinung, des Schwarzwerdens europäischer oder westasiatischer Formen im Osten Asiens erblicken zu müssen. Uebrigens finden sich auch am Amur-Igel, wie am euro- päischen, einige bis auf die feine schwärzliche Spitze ganz weisse Stacheln, nur minder zahl- reich als beim europäischen Thiere und, wie es scheint, in einem noch unentwickelten Zu- stande der Stacheln: ich habe an meinem Exemplare nur kurze, stärker gedrungene Stacheln von soleher Farbe gesehen, niemals Stacheln, die ihre volle Länge erreicht haben, während man am europäischen Thiere auch ganz lange weisse Stacheln findet. Die Länge der Stacheln endlich ist beim Amur -Igel ebenfalls dieselbe wie beim europäischen und erreicht im Maxi- mum nahe einen Zoll. Ein ferneres wichtiges Kennzeichen zur Identifieirung des Amur-Igels mit dem euro- päischen bietet das Ohr. Dieses ist beim Amur-Igel im Vergleich zu E. auritus entschieden kurz und stellt sich dem Ohre des E. europaeus, das es an Länge durchaus nicht übertrifft, ganz an die Seite. Wie dieses hat es eine längere und rauhere Behaarung als das Ohr von E. auri- tus und wird von den Stacheln und der umgebenden Behaarung des Kopfes überragt. Der ein- zige, sehr minime Unterschied, der sich zwischen ihm und dem Ohre der europäischen Form noch wahrnehmen liesse, dürfte darin bestehen, dass es weniger abgerundet und etwas spitzer zu sein scheint. Doch ist dies, wie gesagt, ein sehr geringer Unterschied, und finden sich an den fünf mir vorliegenden Exemplaren des europäischen Igels, aus der Umgegend Peters- burgsund Sarepta’s, ebenfalls einige geringe Modilieationen dieses Verhältnisses. Ein genügen- der Grund zu speeifischer Trennung der Formen dürfte also in diesem Umstande nicht gegeben sein. Das nächst wichtigste Kennzeichen zur Unterscheidung der Igel-Arten bietet die Behaa- rung des Kopfes, der Seiten und des Bauches derselben. Diese ist beim Amur-Igel nicht kurz und weich, wie bei E. auritus, sondern länger, rauh und borstig, wie bei E. europaeus , und nähert sich diesem auch in der Farbe, während es jenem fern steht. Bei den mannigfachen Farbenabänderungen, die man innerhalb unserer europäischen Igel-Art findet und die auch an den mir vorliegenden fünf Exemplaren sich kundgeben,, zeichnet sich E. europaeus doch immer durch eine dunklere, mehr mit Braun und Schwarz gemischte Farbe aus, während bei E. auritus die Unterseite schmutzig weisslich ist, die Oberseite des Kopfes aber und die Seiten bräunlich sind. Beim Amur-Igel ist der Kopf auf dem Nasenrücken und im Umkreise der Augen schwarz mit weissen und hellbräunlichen Haaren gestichelt; die Oberlippe ist ebenfalls schwärz- l)Baer, Uebersicht des Jagd-Erwerbes in Sibirien, besonders im östlichen. Baer und Helmersen, Beiträge zur Kenntniss des russ. Reiches. VII. p. 212. Erinaceus europaeus. 103 lich, aber stärker weiss gestichelt, das Kinn schmutzig weisslich; die Stirne und Ohrgegend sind hellbräunlich und schwärzlich mit Weiss gestichelt, die Ohren schmutzig weisslich. Diese Fär- bung des Kopfes finde ich an zweien, aus Sarepta stammenden Exemplaren von E. europaeus genau und nur mit etwas stärkerer weisser Stichelung wieder. An der Stirne und Ohrgegend rührt sie von der gemischten Färbung der langen, borstenförmigen Haare her, welche in ihrer unteren Hälfte braunschwarz, in der oberen, bis auf die schwärzliche Spitze, hellbräunlich oder schmutzig gelblich sind und mit ganz weissen Haaren untermischt stehen. Dieselbe Färbung zieht sich beim Amur-Igel von der Stirne und Ohrgegend längs den Seiten unterhalb der Stacheln fort, nur sind hier die Borsten noch länger, in ihrer unteren Hälfte stets braunschwarz, in der oberen gelblich und weisslich und an der Spitze schwärzlich. Es findet demnach an den Bor- sten eine ganz entsprechende Farbenzeichnung wie an den Stacheln statt. An den Sarepta’schen Exemplaren von E. europaeus findet sich zwar ebenfalls ein schmaler, unterbrochener Streifen ebenso wie beim Amur-Igel gefärbter Borsten unterhalb der Stacheln, allein es nimmt doch im Vordertheile des Körpers das Weiss, im Hintertheile das Schwarz entschieden überhand, wobei jedoch der schwarze Grund des Hintertheiles mit zahlreichen weiss oder gelblich gerin- gelten oder auch ganz weissen Haaren gestichelt ist. Drei Exemplare von E. europaeus aus der Umgegend St. Petersburg’s zeigen dagegen diesen Contrast von schwarzer und: weisser Färbung an den Seiten und dem Bauche nicht, sondern sind überall gleichförmig, und nur unter einander verschieden, heller oder dunkler braungrau gefärbt, wobei die Borsten eben- falls in der Basalhälfte dunkler, bräunlich, in der Endhälfte heller, schmutzig weisslich sind. Das dunkelste dieser letzteren Exemplare ist dem Amur-Exemplare sehr ähnlich und nur um ein Geringes heller gefärbt. Die erwähnte gemischte Färbung der Seiten setzt sich beim Amur-Igel, wie bei E. europaeus, auch auf die Extremitäten fort und verliert sich erst am Fusse, welcher ziemlich einfarbig braun ist, heller als bei den Sareptaschen und dunkler als bei den Petersburger Exemplaren von E. europaeus. So bietet also die Färbung des Igels im Amur-Lande ebenfalls keine diagnostischen Verschiedenheiten von dem europäischen Igel dar, sondern schliesst sich vielmehr eng an die mannigfach variirende Färbung dieser letzte- ren Form an. Ein ferneres Kennzeichen, welches den Igel des Amur-Landes zu E. europaeus bringen lässt, entnehmen wir der Bildung seiner Zehen und Nägel. Diese sind nicht fein und schlank, wie bei E. auritus, sondern viel derber, kräftig und gedrungen gebaut, wie bei E. europaeus. Die Nägel sind im Verhältniss minder lang als bei ersterem, an der Basis breit und von brau- ner Farbe wie bei letzterem. Endlich stimmt der Amur-Igel auch in der minder verlängerten Schnauze und der stum- pferen Nase mit E. europaeus überein. Und so lässt sich denn in der That kein einziges Kenn- zeichen speeifischer Verschiedenheit zwischen dem Igel des Amur-Landes und dem europäi- schen finden. Wir sehen uns daher genöthigt in demselben nur eine durch dunklere Färbung der Stacheln und ein vielleicht etwas spitzeres Ohr ausgezeichnete Varietät von E. europaeus anzunehmen. 104 Säugelhiere. In Beziehung auf die geographische Verbreitung ist das Vorkommen von E. europaeus am Amur eine äusserst überraschende Thatsache. Bekanntlich war Pallas der Ansicht, dass E. europaeus eine nach Osten sehr eingeschränkte Verbreitung habe, indem er das Ural-Ge- birge nicht überschreite ') — eine Ansicht, welche wir noch heut zu Tage bei den meisten Zoologen, wie Wagner °), Keyserling und Blasius °), Nilsson ‘) u. a. m. wiederfinden. In der That ist er in höheren Breiten bisher von keinem Reisenden östlich vom Ural-Gebirge beobachtet worden. Südlicher aber erwähnte ıhn schon Georgi für das gemässigte Sibirien östlich vom Ural-Flusse, inden Kirgisischen und Songorischen Steppen vom Ural zum Obj, am Tobol und Irtysch’) — eine Angabe, auf welche auch H. Akad.Brandt aufmerksam macht®). Da Georgi auch den E. aurüus mit besonderen Fundortangaben nennt, so ist nicht anzuneh- men, dass seine Angabe auf einer Verwechselung dieser, übrigens nur all zu sehr verschiede- nen Formen beruhe. Auch hat ein anderer von ihm zuerst erwähnter Fundort von E. europaeus, Georgien ”), durch die späteren Beobachtungen Menetries*) und M. Wagner’s") im Kau- kasus seine Bestätigung gefunden. Ja in dieser Richtung südwärts hat ihn Schubert sogar aus der Umgegend Jerusalem’s, wo er nicht selten sein soll, mitgebracht Ei) Nach Süden also ist E. europaeus keinesweges eine bloss europäische, sondern auch eine asiatische Form. Da wir ihn nun am Amur-Strome nachweisen, so liegt es nahe anzunehmen, dass er in süd- licheren Breiten als das Ural-Gebirge, in den von Georgi angegebenen Breiten und vielleicht noch südlicher, vom Kaukasus und von Palaestina ostwärts durch ganz Mittelasien bis nach China und dem Amur-Lande verbreitet sei. Es ist dies allerdings eine so grosse plötzliche Erweiterung des Verbreitungsgebietes einer Thierart, wie wir sie in der Geschichte unserer Wissenschaft selien finden, allein sie betrifft auch solche Gegenden, welche uns in Beziehung auf ihre Thierwelt noch eine Terra incognita sind und an deren Kenntniss wir daher noch manche Modification unserer bisherigen Ansichten über die Verbreitung organischer Formen erwarten dürfen. Am Amur habe ich den Igel nur an einem Orte, nahe der Stadt Aigun, also im Prairie-Theile des Stromes oberhalb des Bureja-Gebirges kennen gelernt. Niemals ist mir eine Spur desselben im unteren Amur-Lande, an der Mündung des Stromes oder auf der Insel Sachalin vorgekommen. Möglich also, das ihm dass Bureja-Gebirge eine Gränze der l) Zoogr. Rosso-Asiatica. I. p. 137. 2) Die Säugethiere von Schreber. Suppltbd. Abth. 2. p. 20. 3) Die Wirbelthiere Europa’s. p. XVII. Dsgl. Blasius, Fauna der Wirbelthiere Deutschlands und der angränzen- den Länder von Mitteleuropa. Bd. 1. Naturgesch. der Säugethiere. Braunschweig 1857. p. 154. 4) Skandin. Fauna, 1847. I. p. 96. 5) Georgi, Geograph., physikal. und naturhistor. Beschreibung des Russ. Reiches. II. Theil. 6. Bd. p. 1552. 6) Bemerkungen über die Wirbelthiere des nördl. europäischen Russlands, bes. des nördl. Urals. p. 10. Hof- mann, Der nördliche Ural und das Küstengebirge Pae-Choi. St. Petersb. 1856. I. 7) Georgi, l. c. $) Catal. raisonne des objets de Zool. recueillis dans un voyage au Caucase et jusqu’aux front. act. de la Perse. St. Petersb. 1832. p. 17. 9) Brandt, Bemerkungen über die Wirbelthiere ete. 1. c. 10) Wagner, Die Säugetbiere von Schreber. |. c. en Erinaceus europaeus. E. aurilus. 105 Verbreitung nach Osten setzt. In das Amur-Land muss E. europaeus offenbar aus China sich verbreitet haben, da er im östlichen Sibirien, westlich vom Amur-Lande, unbekannt ist. Dass es in der That in China Igel gebe, erfahren wir durch Siebold. Nach dessen Zeug- niss ') sollen nämlich lebendige Individuen einer Igel-Art aus China nach Japan gebracht worden sein, wo es ursprünglich keine Igel gegeben habe und wo sich dieselben , seit jener Importation, in einigen bergigen Distrikten der Provinz Mito fortgepflanzt haben, immer je- doch sehr selten sind. Ferner sollen nach Siebold getrocknete und in der Regel sehr mit- genommene Igel-Felle, als ein in den japanischen Officinen gebräuchlicher Artikel, im Han- del aus Tibet und China nach Japan gebracht werden. Leider besass ein solches Fell, das Siebold selbst in Japan erhalten hatte, weder Kopf noch Extremitäten und gestattete ihm daher nicht über die Art, der es angehörte, abzuurtheilen. So viel bemerkt aber Siebold, dass das Rumpfstück (und also auch die Stacheln) mit demjenigen von E. europaeus ganz über- einstimmend war. Uns kommt es in Folge des Auffindens von E. europaeus am Amur-Strome ın der That nicht unwahrscheinlich vor, dass die aus China und Tibet nach Japan wan- dernden Igel- Felle dem E. europaeus angehören mögen. Jedenfalls ist die Angabe Siebold’s geeignet unsere Vermuthung, dass E. europaeus durch ganz Mittelasien verbreitet sei, noch mehr zu bestärken. 24) Erinaceus auritus S. Gmel. Ob neben E. europaeus auch die sibirische Form E. auritws das Amur-Land bewohne, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, da mir keine Spur dieses letzteren Thieres begegnet ist. Wahrscheinlich ist es wohl, da bekanntlich schon Pallas, ob er gleich das Verbreitungsgebiet von E. auritus bis an den Baikal-See angiebt, daurische Exemplare dieses Thieres beschreibt Sr Auch die durch Middendorff erhaltene Auskunft über das Vorkommen von E. auritus an der Bureja oberhalb ihrer Mündung in den Amur 2) muss unbestimmt bleiben, da wir gegen- wärtig, durch das Auffinden von E. europaeus am Amur, nicht wissen können, auf welche der beiden Arten die Aussage des Tungusen, der Middendorff die Nachricht vom Igel gab, zu beziehen sei. Nach der Combination unserer bisherigen Erfahrungen über die Verbreitung der Igel- Arten müsste sie allerdings auf die nachbarliche, sibirische und daurische Form, E. auritus, bezogen werden. Seitdem aber das Vorkommen von E. europaeus am Amur und zwar in demselben Stromtheile, der Prairie oberhalb des Bureja-Gebirges, auf welchen auch . jene Aussage des Tungusen Bezug hat, eine erwiesene Thatsache ist, dürfte man eher geneigt sein sie zu Gunsten des E. europaeus auszulegen. Demnach wird es also wahrscheinlich, dass E. europaeus im Amur-Lande, in dessen oben bezeichnetem Prairie-Theile, nicht bloss am !) Fauna Japonica. Mammalia. Dec. I. p. 19. 2) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 139. 3) Sibirische Reise. 1. c. p. 76. Schrenek Amur-Reise Bd. 1. 14 106 Säugethrere. Hauptstrome, sondern auch über diesen hinweg an den linken Zuflüssen desselben, wie an der Bureja u. a. m., verbreitet sei, an diesen letzteren aber noch unterhalb ihres oberen, gebirgigen Laufes, über welchen Middendorffs Reise ging, seine Polargränze erreiche. Uebrigens wiederholen wir nochmals, dass uns auch das Vorkommen von E. auritus im obe- ren Theile des Amur-Stromes sehr wahrscheinlich dünkt. Im unteren Amur-Lande aber, an der Mündung des Stromes und auf der Insel Sachalin scheint er jedenfalls nicht vorzu- kommen. 25) Sorex vulgaris L. Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste der InselSachalin: muchtr und kongs chrä. “ou « des Innern und der Ostküste von Sachalin: kongtschk. Sorex vulgaris trägt im Amur-Lande eine Farbe, welche von der des europäischen Thieres etwas abweichend ist und mit der von Middendorff ') an den nordsibirischen Thieren bemerk- ten Färbung übereinstimmt. Alle meine an der Mündung des Amur-Stromes und auf der Insel Sachalin im November bis Januar, und also im Winterkleide, gefangenen Thiere stimmen unter einander in ihrer Färbung sehr überein und zeichnen sich durch den Mangel des röth- lichbraunen und gelblichen Farbentones von den europäischen Exemplaren aus. Die Oberseite ist an ihnen nicht sowohl rothbraun, als vielmehr dunkelgraubraun und die Unterseite er- scheint, durch den viel schwächeren hellgelblichen Anflug, heller und weisslicher als an den europäischen Thieren. Nur wo die dunkle Farbe der Oberseite mit der hellen der Unterseite zusammenstösst, zeigt sich bisweilen etwas mehr vom gelblichbraunen Farbentone. Diese dunklere, graubraune Färbung der Amur- Exemplare rührt aber nicht sowohl von einer län- geren Behaarung und dem damit verbundenen stärkeren Durchschimmern der mausegrauen Färbung des unteren Theiles der Haare, wie Middendorff es für die sibirischen Thiere an- nimmt, sondern von der verschiedenen Färbung der Haarspitzen selbst her. Allerdings ist auch an den Amur-Exemplaren, wie an den nordsibirischen, die Behaarung eine längere als an den europäischen Thieren und beträgt 8—9 Millim., davon über 6 von dunkelgrauer Farbe sind und nur kaum 2 auf die anders gefärbten Haarspitzen kommen ; diese Haarspitzen aber zei- gen, denjenigen europäischer Thiere gegenübergehalten, eine entschieden andere Farbe, in- dem ihnen der röthliche Farbenton fehlt und sie statt dessen dunkelgraubraun sind. Aehnlich verhält’es sich auch mit der weisslicheren Färbung der Unterseite bei den Amur-Exemplaren. Genau dieselbe dunkelgraubraune Färbung wie am Amur trägt S. vulgaris auch in Kam- tschatka, so viel ich aus einer Vergleichung der durch Hrn. Wosnessenski von dorther mit- gebrachten Exemplare mit den meinigen ersehen kann. Eine Mittelfärbung zwischen den roth- braunen europäischen Thieren und den dunkelgraubraunen nordsibirischen, kamtschatkischen und Amur-Formen findet man an den nur schwach röthlichbraun oder röthlichgraubraun gefärb- 1) Sibirische Reise. 1. c. p. 77. Sorex vulgaris. S. pygmaeus. 107 ten Thieren dieser Art im Caucasus und im Altaischen Gebirge. Es scheint somit an diesem Thiere die Schwärze nach Nord und Ost zuzunehmen. Wie an den Spitzmäusen häufig bemerkt worden ist, variiren auch die Amur- Exemplare von $. vulgaris ansehnlich in der absoluten Grösse und in der verhältnissmässigen Länge der Schnauze und des Schwanzes. An drei, in Weingeist aufbewahrten Exemplaren aus dem Amur-Lande finde ich folgende Maasse (in Millim.): Tymy-Thal im Innern v. Sacha- Dorf Wair am | Nikolajewscher Amur. Nor. Posten. Dec. lin. Jan. Länge von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel. 67 PAnserdesg Kopfes he cn eneduge ee ae a aaa ern 24 Länge des Schwanzes ohne Haarpinsel......... 50 Sorex vulgaris ist im unteren Amur-Lande die häufigste Spitzmaus. Ich habe sie von der Mündung des Amur-Stromes und von der Insel Sachalin in mehrfachen Exemplaren mitgebracht. Auf dem Continente wie auf der Insel findet sie sich im Winter nicht selten in den Hütten und Häusern der Giljaken, und habe ich sie in solcher Weise an der Westküste und im Tymy-Thale, im Innern der Insel, gefangen. Bei ihrer Kleinheit und geringen Anzahl fügt sie jedoch den Fischvorräthen der Eingeborenen keinen der Rede werthen Schaden zu. 26) Sorex pysmaeus Laxm. Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin wie $. vulgaris. Sorex pygmaeus ist im Amur-Lande auf der Oberseite von der gewöhnlichen schwach röthlichgraubraunen Farbe, auf der Unterseite schmutzig weisslich mit mehr oder weniger gelblichem Anfluge. An den Seiten gehen die Farben allmählig in einander über. Die einzelnen Haare haben eine Länge von etwa 7 Millim., davon kaum 2 auf die röthlich- graubraunen Spitzen kommen, das Uebrige aber von mausegrauer Farbe ist. Wie, andrer Orten varürt $. pygmaeus auch im Amur-Lande und ist bald mit spitzerer, bald mit stumpferer Schnauze, bald mit länger, bald mit kürzer behaartem Schwanze versehen. Ich habe ein typisch gestaltetes Exemplar aus dem Innern der Insel Sachalin mitgebracht, an welchem der Schwanz in seiner ganzen Länge mit abstehenden langen Haaren bedeckt und die Schnauze sehr spitz ist. Andere Exemplare von Sachalin und von der Mündung des Amur-Stromes haben einen kürzer behaarten Schwanz. An allen aber ist der Schwanz an der Wurzel ziemlich stark eingeschnürt, im Verhältniss recht dick und von ansehnlicher, wenn- gleich variirender Länge im Verhältniss zu derjenigen des Körpers. An vier, in Weingeist er- haltenen Exemplaren finde ich folgende Maasse (in Millim.): 108 Säugethiere. Tymy-Thal im Innern v. Sacha- lin. Jan. Dorf Poghobi an der Westküste v. Sachalin. März. Nikolajewscher | Nikolajewscher Posten. Herbst. Posten. Nov. Länge von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel. „.»o.eo.o..> Länge des Kopfes... ......... Länge des Schwanzes ohne Haar- pinsel...oooeoaecnonneno. Sorex pygmaeus ist in seiner Verbreitung durch Sibirien seit Laxmann und Pallas ') bloss bis an den Jenissei nach Osten bekannt gewesen, bis ihn H. Akad. Brandt, nach eini- gen von Hrn. Wosnessenski mitgebrachten Exemplaren, auch aus Kamtschatka bekannt machte °). Wir können nun, weiter ergänzend, das Verbreitungsgebiet dieser kleinen Spitz- maus, durch das Auffinden derselben am Amur und auf der Insel Sachalin, bis an die Kü- sten der Mandshurei und des Ochotskischen Meeres aufdecken. Ich selbst fing sie im Au- gust 1854 an den Ufern des Amur-Stromes in der Nähe der Amur- Mündung und erhielt sie später, im Herbst und Winter, noch mehrmals aus des Umgegend des Nikolajewschen Postens. Desgleichen fand ich sie an der Westküste und im Innern der Insel Sachalin, wo sie im Winter, ebenso wie auf dem Continente, bisweilen in den Hütten der Giljaken sich aufhält. Ueberhaupt scheint sie im Amur-Lande weniger selten als in Sibirien vorzu- kommen. I. CHIROPTERA. 27) Vesperugeo (Vesperus) borealis Nilss. Ein Exemplar dieser Fledermaus-Art, das wir durch Hrn. Maack aus dem Quelllande des Amur-Stromes haben, stimmt, nach genauer Vergleichung, mit den Beschreibungen dieser Art und den Exemplaren unseres Museums aus der Umgegend St. Petersburg’s vollkommen überein. Die Farbe des Amur-Exemplares ist ebenfalls dieselbe: oben dunkelbraun mit einem unregelmässigen, nach hinten verschmälerten gelblichen Fleck auf dem Rücken und ei- nem anderen Fleck von derselben Farbe an der Ohrwurzel und hinter dem Ohre ; unten 1) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 135. 2) Brandt, Bemerkungen über die Wirbelthiere des nördl. europ. Russlands, bes. des nördl. Urals. p. 7. s. Hof- mann, Der nördliche Ural und das Küsten-Gebirge Pae-Choi. Bd. II. Vesperugo (Vesperus) borealis. Vespertilio mystacinus. 109 gelblichgrau. Die einzelnen Haare sind in ihrem unteren Theile auf etwa 7, ihrer Länge dunkelbraun, im oberen Drittheil oben gelblich, unten heller, gelblichgrau. Die Maasse des Amur-Exemplares sind folgende : ...250 Millim. Einawelene an dene nden sc REN OBEN Länge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze........ de DmeessRKopfes).l.0. Ser ..n 2 elmeree set he ee BEHBE SChWAnZeS: ... 2.005 «5 5% 0 One 42 » » ÖOhres am Aussenrande. 2222 esse s22e.. 3 17 ae» Ohressam!Innenrändene.h ads DR, 12 » » Tragus am Aussenrande. ............ Ä 6 » » Tragus am Innenrande. ........... DRIN: 4 Demi Oberarmessaferlir 2a Jenchelner Sue 26 DD EL Ünteranmessuie sen. tar De NEE 40 » » Daumens ohne Nagel...... ...... SH SLRRL 6 DD Senökingens iysrcrd tal cioh Titeln. 38-15-+12-+-7 Da Daten, Kingerscän case Harte re 36-13 8-3 nen Den Bingerst.i. kit w.3 oa 35-+ 94+ 5+2 Dune» ieschenkelsiti.twelsvensicte „ elrlsleksheren Mach Boa ER 15 Ds 24 Schienheins..ur7. sarın = esnk.h BETT NE 19 » » Fusses und der Zehen ohne Nägel........... 8 » der frei vorstehenden Schwanzspitze............ 5 » » Von dieser durch Middendorff am Ostabhange des Stanowoi-Gebirges aufgefunde- nen ') und also bis nach dem Ochotskischen Meere in ihrer Verbreitung nachgewiesenen Fledermaus hat H. Maack ein Exemplar von der Mündung des Flusses Daban in die Schilka und also vom oberen Theila des Amur-Stromes mitgebracht. Ich sah Fledermäuse, welche wahrscheinlich zu dieser Art gehörten, noch am 30. Sept. (12. Oct.) Abends längs den felsigen Ufern des Argunj-Flusses schwärmen, bei einer bereits so niedrigen Temperatur, dass an den Ufern Eis sich bildete und in derselben Nacht auch der erste Eisgang auf dem Flusse sich einstellte. 283) Vespertilio mystacinus Leisl. Bei den Giljaken des Continentes: jurjur und jurjursch. « « Golde unterhalb des Geong-Gebirges: chyragdafui. “« « oberhalb des Geong-Gebirges : chyragdafı. « « Kile am Kur: ylagde. 1) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 78. 110 Säugethrere. Bei den Biraren und Monjagern: kutschidu. « « Orotschonen: ischingrikan. (Diese Bezeichnungen beziehen sich wahrscheinlich auf die Fledermäuse überhaupt.) Indem ich für das Amur-Land diese und die folgende Art Fledermäuse (V. Daubentonii Leis.) nenne, folge ich der in der zoologischen Systematik bisher üblichen, in manchen Fäl- len vielleicht allzusehr artensplitternden Unterscheidung nahe verwandter Formen, welche in Zukunft durch Vergleichung eines an einem Orte reichlicher angesammelten Materiales viel- leicht manche Reduction erleiden dürfte. Ehe jedoch eine solche geschehen ist, bleibt uns bei einer Aufzählung und vergleichen!en Beschreibung der Thierarten einer bisher noch unbekannten Gegend, wo die allgemein übliche Artenunterscheidung den Maassstab abgeben muss, nur übrig die uns vorliegenden Formen mit den bekannten um so genauer zu vergleichen und die etwa vorkommenden Abweichungen und Mittelbildungen, die uns allmählig den Variationskreis der Arten kennen lehren sollen, in allen ihren Einzeltheilen aufzuzeichnen. Nach Kuhl, welcher die von Leisler entdeckte Art V. mystacinus zuerst beschrieb, bil- - det ein dichter, langer, weichhaariger Bart längs der Oberlippe das diagnostische Kennzeichen derselben '). Aus Kuhl’s fernerer Beschreibung lässt sich nur noch die Form und Lage der Talgdrüse, welche bei V. mystacinus eiförmig ist und nur über dem Auge liegt, bei V. Dau- bentonii dagegen als ein Wulst über dem Auge verläuft und sich abwärts um den hinteren Rand des Auges herumbiegt ur als unterscheidendes Kennzeichen zwischen dieseu beiden Arten entnehmen. Nach den späteren, genaueren und schärferen Diagnosen von Keyserling und Blasius, in Wiegmann’s Archiv °) und in den Wirbelthieren Europa’s ‘), von Nils- son °) ‚von Blasius in der Fauna der Wirbelthiere Deutschlands 5) u. a. m. geben noch die Beschaffenheit des Ohres, die Anheftung der Flughaut an die hintere Extremität, die ver- hältnissmässige Länge des 2ten und 3ten Gliedes am 3!en Finger der vorderen Extremität und die Beschaffenheit der Schwanzflughaut diagnostische Merkmale zur Unterscheidung zwischen V. mystacinus Leis]. und V. Daubentoniü Leisl. ab. Alle übrigen von mehreren Autoren eben- falls hervorgehobenen Verschiedenheiten zwischen den genannten Arten, wie z. B. in den Grössenverhältnissen der Zähne u. dgl. m., bilden so minime und unmerkliche Abstufungen, dass sie keine specifische Unterscheidung begründen können. Prüfen wir nun, wie sich die ange- führten Momente der Verschiedenheit beider Arten an unseren Amur-Exemplaren kundgeben. Von den fünf mir vorliegenden Amur-Exemplaren beider Arten zusammen, davon zwei von mir selbst und drei von Hrn. Maack gesammelt worden sind, gehören, nach den oben angeführten diagnostischen Kennzeichen, drei zu V. mystacinus und zwei zu V. Daubentonii Leisl. _ Das Kennzeichen eines längeren Bartes an der Oberlippe bei V. mystacinus ist schwer l) Kuhl, Die deutschen Fledermäuse. Hanau. 1817. p. 58. 2) Kuhl, 1. c. p. 51 und 58. 3) Jahrgang V. 1839. Bd. I. p. 310 und 311. %) p. 53 und 54. 5) Skandin. Eauna. 1847. 1. p. 45—50. 6) Bd. I. Naturgesch. der Säugethiere Deutschlands. Braunschweig. 1857. p. St und 96—101. Vespertilio mystacınus. 111 festzuhalten, da sich in diesem Punkte vielfache Abstufungen finden und V. Daubentonii eben- falls eine behaarte Schnauze hat. Als alleiniges diagnostisches Kennzeichen, wie Kuhl es auf- fasst, dürfte es daher wohl nicht hinreichen V. mystacinus von V. Daubentonii in allen Fällen zu unterscheiden. Dennoch haben von den Amur-Fledermäusen die drei Exemplare, welche ich für V. mystacinus halte, eine entschieden stärkere Behaarung der Oberlippe als die von mir zu V. Daubentonii gebrachten Thiere. | In Beziehung auf die Form und Erstreckung der Talgdrüse lassen sich die Amur-Exem- plare ebenfalls in der angegebenen Weise in zwei Arten unterscheiden. Ich zweifle jedoch sehr, dass dieses Kennzeichen ein durchgreifendes sein dürfte, da sich auch an meinen Exem- plaren verschiedene Grössenverhältnisse an der Talgdrüse bemerken lassen und mit der Grösse zugleich auch die Erstreckung der Drüse nach hinten eine Veränderung erleidet. Auch hat dieses Moment nach Kuhl von keinem der späteren Zoologen weitere Berücksichtigung gefun- den, vielleicht auch aus dem Grunde, weil es kein äusserliches und darum auch nicht immer und an trockenen Exemplaren der Museen niemals brauchbares Kennzeichen ist. Das Moment aber, auf welches die neueren Zoologen bei Unterscheidung der genannten Arten und der Fledermäuse überhaupt das grösste Gewicht legen, ist bekanntlich die Beschaf- fenheit des Ohres. Dieses ist bei V. mystacinus am Aussenrande stärker und tiefer buchtig aus- gerandet als bei V. Daudentonil; auch soll der Ohrdeckel bei ersterer etwas länger und von der Basis an, bei letzterer bloss in der Endhälfte verschmälert sein. Blasius legt, bei Erwäh- nung der Variabilität von Y. mystacinus, auf die Beständigkeit dieses Kennzeichens besonderes Gewicht"). An meinen drei Amur-Exemplaren finde ich ebenfalls den Aussenrand stark buch- tig ausgerandet, so dass sie nach diesem Kennzeichen unzweifelhaft zu V. mystacinus gehören. Dennoch finden sich in diesem Verhältniss ebenfalls Abstufungen, wodurch sich die beiden Formen V. mystacinus und V. Daubentonii so weit nähern,*dass die Unterscheidung zweifelhaft wird. Ja dies kann um so leichter geschehen, als die gleichzeitige Verschiedenheit in der Länge und Form des Ohrdeckels zwischen V. mystacinus und V. Daubentonii, wie Keyserling und Blasius sie angeben, sich nicht durchweg zu bestätigen scheint. So ist an den Amur- Exemplaren von V. mystacinus, mit deutlicher und starker Einbuchtung am Aussenrande des Ohres, der Tragus dennoch nur in seiner Endhälfte deutlich verschmälert und läuft am Ende bald mehr, bald weniger abgerundet spitz zu. Seine äusserste Spitze ist nicht nach aussen ge- bogen, sondern verläuft grade, und kann ich ihn der Form nach vom Tragus von V. Dauben- tonii kaum und nur durch eine sehr wenig grössere Breite an der Basis als im weiteren Ver- laufe unterscheiden. Ebenso ist die verschiedene Länge des Tragus sowoh wie des ganzen Ohres bei V. mystacinus und V. Daubentonii zu gering, um hinzureichen beide Formen immer mit Sicherheit auseinander zu halten. Ein ferneres Kennzeichen, auf welches sowohl Keyserling und Blasius, als auch Nilsson grossen Nachdruck legen, ist die verhältnissmässige Länge des 2ten und 31er Gliedes am l) Fauna der Wirbelth. Deutschlands. 1. c. p. 98. 112 Säugethiere. 3ten Finger der vorderen Extremität, indem diese beiden Glieder bei V. mystacinus gleich lang sind, bei V. Daubentonii dagegen das 3!° Glied kürzer als das 2te ist. Blasius fügt ausdrück- lich hinzu, dass das eine Eigenthümlichkeit von V. mystacinus sei, die sich bei keiner anderen europäischen Fledermaus finde '). Die unten mitgetheilten Maasse bestätigen dieses Verhältniss auch an den Amur-Exemplaren bis auf die unbedeutende Differenz von Y, Millim. Doch scheint diese Differenz bisweilen auch grösser zu sein. Denn bei einer der von Hrn. Wosnes- senski aus Kamtschatka mitgebrachten Fledermäuse, welche mir, ungleich den anderen von Hrn. Akad. Brandt zu V. Daubentonii gebrachten Exemplaren, nach der Länge des Bartes, der Beschaffenheit der Ohren und der Anheftung der Flughäute längs den Fusssohlen zu V. mystacinus zu gehören scheint und mit den Amur-Exemplaren im Uebrigen sehr übereinstim- mend ist, sehe ich die Differenz zwischen dem 2ten und 3ten Gliede am 3ten Finger sogar auf 1 Millim. steigen. Erwägt man nun, dass andrerseits diese Differenz bei V. Daubentonii oft, und auch bei den Amur-Exemplaren, nur 2 Millim. beträgt, so bleibt zum Unterschiede zwi- schen beiden Arten in diesem Punkte nur eine Differenz von 1 Millim. nach. Allein genom- men, dürfte daher dieses Moment ebenfalls nicht immer zur unzweifelhaften Unterscheidung der genannten Arten dienen. Aehnlich verhält es sich mit der Differenz in Beziehung auf die Anheftung der Flughaut längs der Fusssohle. Uebereinstimmend mit den Diagnosen der beiden Arten, reicht auch bei den Amur-Exemplaren von V. mystacinus die Anheftung der Flughaut längs der Fusssohle bis zur Zehenwurzel, bei V. Daubentonii dagegen bis etwa zur Mitte des Mittelfusses. Da aber die ganze Fusssohle nur etwa 3 — 4 Millim. beträgt, so bleibt nur ein Raum von 1'/,— 2 Millim. freier, von der Flughaut längs ihrem Rande unberührter Fusssohle bei V. Dauben- ton zur Unterscheidung von V. mystacinus übrig. . Das Kennzeichen ferner, das Nilsson in den Diagnosen dieser beiden Arten allen übri- gen voraussetzt, dass nämlich die Schwanzflughaut bei V. mystacinus mit zahlreichen (10—12) merkbaren Querstreifen versehen sei, bei V. Daubentonii dagegen keine solchen, sondern, wie Nilsson in der ferneren Beschreibung dieser Art anführt, nur eine grosse Menge vermittelst der Loupe sichtbarer, punktirter Linien habe, kann ich an den Amur-Exemplaren nicht ganz bestätigt finden. An diesen sind nämlich Querstreifen bei V. mystacinus sehr deutlich und sogar bis zur Anzahl von 14 vorhanden; dieselben fehlen aber auch den Exemplaren von V. Dau- bentomii nicht ganz, sondern sind nur viel schwächer und übrigens bei beiden mit kleinen, dem unbewaflneten Auge sichtbaren Punkten oder Wärzchen versehen. Uebereinstimmend endlich mit den Beschreibungen dieser beiden Arten, ist der Pelz bei den Amur-Exemplaren von V. mystacinus langhaariger als bei denjenigen von V. Daubentonü. Seine Farbe ist bei V. mystacinus oben schwärzlich gelbbraun, unten schmutzig gelblichgrau. Die einzelnen Haare sind in ihrem unteren Theile bis über die Hälfte hinaus schwarz, an den Spitzen auf der Oberseite fahlgelblich braun , auf der Unterseite fahlgelblich grau. Der Bart !) Fauna der Wirbelth. Deutschlands. 1. c. p. 97. Vespertilio mystacinus. - 113 an der Oberlippe ist dunkelschwarzbraun oder schwarz. Die Unterseite der Schwanzflughaut trägt viele einzelne graue Haare, namentlich längs dem Schwanze und von diesem aus auf und zwischen den Querstreifen der Flughaut. Die Amur-Exemplare stimmen in ihrer Fär- bung ganz mit den in unserem Museum befindlichen europäischen Thieren aus dem Böhmer- Walde, dem Caucasus und dem Kasan’schen Gouvernement,, wie mit einem Exemplare aus Kamtschatka überein. Die Maasse der drei mir vorliegenden Amur-Exemplare von V. mystacinus sind folgende (in Millim.): Flugweite...... ER ek Länge von der Nasen-bis zur Schwanzspitze. .. Länge des Kopfes... .. Länge des Schwanzes... Länge des Ohres am Aus- SENLANdB > oem en Länge des Ohres am In- HERLANdeNA 2 ee Länge des Tragus am Aussenrande....... Länge des Innenrande........ Tragus am Länge des Oberarmes.. . Länge des Unterarmes. . Länge des Daumens ohne Naselar.n 2 ur. nor. Länge des 3!en Fingers . Aten Fingers . Hten Fingers . Schenkels ... » » » » Schienbeins.. Länge des Fusses u. der Zehen ohne Nägel... Länge der frei vorstehen- den Schwanzspitze... Nikolajewscher Posten, 10 (22) Sept. 293+103-+10+6 | 27+91+9 +41 238 +8 + 843 A ee Kir (Dar) 12 15 Bai Hadshi. August. B) 27+7 +623-+2 27+71+6 +1 10 14 Amur oberhalb Borbi. 281-1010 +4 28 + 8-+ 71-+2 27 -+ T+- 51-+2 11 141 [Sn Das Verbreitungsgebiet von V. mystacinus, einer Fledermaus, welche bisher bloss in Europa bis zur Ukraine und dem Gaucasus bekannt war, gewinnt in unseren Augen durch Schrenck Amur-Reise Bd. 1. 15 114 Säugethiere. das Auffinden derselben im entferntesten Osten Asiens eine bedeutende Erweiterung. Zunächst stellt sict nach einer genauen Prüfung der von Eversmann 5) als neu aufgestellten und von Hrn. Akad. Brandt’) bereits in Zweifel gezogenen Art V. Brandtii und einer Vergleichung derselben mit den Amur-Exemplaren von V. mystacinus deutlich heraus, dass dies.Ibe nicht, wie H. Akad. Brandt vermuthete, zu V. Daubentonü, sondern zu V. mystacinus gehört. Ein Exemplar der- selben, das unser Museum besitzt und das von Eversmann selbst herrührt, hat eine lange Behaarung der Oberlippe, stark ausgebuchtete Ohren, eine ganz gleiche Länge (von 91 Millim.) des 2ten und 3ten Gliedes am 3ten Finger, eine längs der ganzen Fusssohle bis an die Zehen- wurze] angeheftete Flughaut und eine sehr deutlich quergestreifte Schwanzllughaut — Merk- male, nach denen diese Fledermaus ohne Zweifel zu V. mystacinus gebracht werden muss. Auch stimmt es in seiner Färbung ganz mit den europäischen und den Amur - Exemplaren überein. Demnach käme also V. mystacinus in den Vorbergen des Urals, an der Ssakmara und im Kasan’schen Gouvernement vor. Ferner muss ich eine der von Hrn. Wosnessenski aus Kamtschatka mitgebrachten Fledermäuse, wegen der bereits oben erwähnten Charaktere derselben, ebenfalls zu V. mystacinus bringen. Endlich habe ich selbst diese Fledermaus von der Mündung des Amur-Stromes und von der Bai Hadshi, an der Meerenge der Tartarei im 49° n. Br., mitgebracht, während H. Maack sie am Amur-Strome oberhalb des Dor- fes Borbi (d. i. etwa 400 Werst oberhalb seiner Mündung) erhielt. So scheint also diese Fledermaus quer durch den ganzen europäisch - asiatischen Contineht verbreitet zu sein. An der Mündung des Amur-Stromes ist sie die häufigste Fledermaus; dort habe ich sie im Au- gust und Anfang September’s an heiteren Abenden, gleich nach Sonnenuntergang, sowohl über dem Strome, wie an gelichteten Stellen des Waldes und zwischen den Häusern des Ni- kolajewschen Postens fast täglich fliegen sehen. Ihr Flug ist wenig hoch, aber rasch und mannigfaltig und das Thier daher schwer zu fangen. Etwa nach dem 15. (27.) Sept. liess sie sich nicht mehr sehen. 29) Vespertilio Daubentenii Leis]. Bezeichnungen bei den Eingeborenen wie für V. mystacinus. Die Beschaffenheit der Amur-Exemplare von V. Daubentonü ist bereits oben, bei Gele- genheit einer Vergleichung mit V. mystacinus, besprochen worden. Die Farbe der Amur- Exemplare ist mit derjenigen europäischer Thiere ganz übereinstimmend, oben röthlichgrau- braun, unten weisslichgrau. Die einzelnen Haare sind auf der Oberseite in ihrem unteren Theile bis über die Hälfte hinaus dunkel schwarzbraun, an den Spitzen licht röthlichgrau- braun, auf der Unterseite unten schwarzgrau, an den Spitzen weiss. Die Unterseite der Schwanzflughaut hat einzelne graue Härchen, welche am Rande derselben eine schwache Spur 1) Bullet. de la soc. des natur. de Moscou. 1845. T. XVII. No. II. p. 505. 2) Die Handflügler des europ. und asiat. Russlands. $. dessen Beiträge zur näheren Kenntniss der Säugethiere Russlands. p. 39. Auch in den Memoires mathem., phys. et nat. de l’Acad. des sc, de St. Pötersbourg. T. VII. Vespertilio Daubentonü. Plecotus auritus. 115 von Wimperung bilden. Die Maasse der beiden mir vorliegenden Amur-Exemplare sind folgende (in Millim.) : Amur oberhalb der Bureja-| Amur oberhalb der Dseja- Mündung. 23. Sept. Mündung. 8. Oct. Flugwellersen sure u NER or Länge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze .. EangerdesuRopfestae. ve eseueoeeeeeeadee DENEYSESCHWANZESI Perth else leiherele » » Ohres am Aussenrande.......... » » Den Innenrander scene ad » » Tragus am Aussenrande ......... » » » Deelnnenrandersae see DeBeryEr Oberarmeserke see ee ee eine DERBEDWOLINLETATNES GER rerereiere ee tee ee » » Daumens ohne Nagel........... DET SENSEINOETS erde a ehatetelueeleie no A DIES Are NImDersuen ee che nennen » DE DBNED » DERSCHENKelswe ste ee ee Beet » »ESchienbeinsi. un eos. Au EL » » Fusses und der Zehen ohne Nägel. . » der frei vorstehenden Schwanzspitze... . In Beziehung auf die geographische Verbreitung ist V. Daubentonii durch Eversmann und Brandt vom Altaischen Gebirge und durch die von Hrn. Wosnessenski mitgebrachten Exemplare auch aus Kamtschatka ') und also durch ganz Nordasien bekannt. Zwei Exem- plare derselben Art sind von Hrn. Maack am Nhur-Strome, eines oberhalb der Dseja-Mün- dung, das andere oberhalb der Bureja-Mündung erhalten worden. 30) Plecetus auritus L. Das einzige mir vorliegende Exemplar dieser Fledermaus aus dem Amur-Lande, und zwar von der Küste der Mandshurei, finde ich, nach genauer Vergleichung aller Charaktere, mit dem europäischen Thiere ganz übereinstimmend. Die Farbe desselben ist oben gelblich- graubraun, unten blasser, hellgelblichgrau. Die einzelnen Haare sind in ihrem unteren Theile bis über die Hälfte hinaus schwarzbraun, an der Spitze oben hellgelblichbraun, unten hell- gelblichgrau. Die Maasse des mandshurischen Exemplares von Pl. auritus sind folgende: l) Brandt, Die Handflügler des europ. u. asiat. Russl. S. dessen Beitr. z. näh. Kenntniss d. Säugeth. Russl. p. 39. + 116 Säugethiere. Flügweite....eoooescsneaonerssnesnnens nee. 200 Millim. Länge von der Nasen-bis zur Schwanzspitze........... 98 » » des Kopfes, „ercunn one elcuele elelnunte seen re: 19.0160 Bir hai SchwanzesH Aa tkasehdlälsinup tn atsnne > LE » » Ohres, von der Basis des Innenrandes an...... 35 » Bin tOhrdeckels Tscomnk an area Were » DR ROberänmest erere heiel reeeeeen2hye > »5 a Unteranmes. die arerilenare teens nlehnielene: Soul » Bine Daumens’ohne: Nagele... AN 10. Senseo» 8, » ns glen Fingers .2oceeeenennr0. 86-15-1447 > Bla, Aten Fingers. deennee 6%. .864-104-09-2 000 DIN ADIL Den ingersiialeide Mile .>....84410+ 82» Dumm Schenkelskn.i.. nie wie ee ee LED ».5%2,5Schienheins;:'... Bas aip.nre/da SID a ED UT » » Fusses und der Zehen mit den Nägeln...... Sell » der frei vorstehenden Schwanzspitze......... een In Beziehung auf die geographische Verbreitung von Plecotus auritus gab schon Pallas das von Steller beobachtete Vorkommen dieser Fledermaus in Kamtschatka an). Hrn. Akad. Brandt hat sie neuerdings von der Küste des Ochotskischen Meeres bei Ajan bekannt ge- macht ?).. Wir können nun, weiter nach Süden ergänzend, unsere Kenntniss von der Ver- breitung dieser Fledermaus im Osten Asiens auch über die Mandshurei ausdehnen, indem ich ein Exemplar dieses Thieres von der Bai Hadshi, an der Meerenge der Tartarei im 49° n. Br., erhalten habe, und H. Maack dieselbe Fledermaus bei Nertschinsk, also im oberen Theile des Amur- Systemes angetroffen hat. een IV. GLIRES 31. Pteromys volans L. Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: tımr und tumrsch. “oa« « des Innern und der Ostküste von Sachalin : olvıla-nga. « « Mangunen, Golde, Ssamagern (Kile am Gorin): chongmo. 1) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 124. 2) Brandt, Die Handflügler des europ. und asiat. Russlands, s. dessen Beiträge etc. p. 40. Pteromys volans. 117 Bei den Kile am Kur: omok:. « « Biraren und Monjagern: umki. « « Orotschonen: notaga '). Die Amur- Exemplare des fliegenden Eichhörnchens dürften mit den sibirischen ganz übereinstimmend sein. Nur scheint mir Pallas’s treflliche und ausführliche Beschreibung von Pt. volans’), welche vielen späteren Beschreibungen dieses Thieres zur Grundlage gedient hat, bei Erwähnung der gemischten Färbung des Thieres den wohl meist vorhandenen, bald stär- keren, bald schwächeren, schmutziggelblichen Farbenton desselben zu sehr ausser Acht zu lassen. An den Amur-Exemplaren von Pt. volans ist die Farbe oben aschgrau, mehr oder weniger schmutziggelblich untermischt; unten weiss, bisweilen ebenfalls mit theilweisem schmutziggelblichem Anfluge. Das Wollhaar ist dunkel mausegrau. Die Deckhaare des Rückens sind in ihrem unteren Theile dunkelgrau, im oberen weisslich oder gelblich und an der Spitze wiederum schwärzlich,— eine Zeichnung, durch welche die gemischte, grauweisslich gelbliche Färbung des Thieres entsteht. Auf der Unterseite sind die Deckhaare in ihrer unteren Hälfte dunkelgrau, in der oberen weiss, einige auch gelblich und mit schwärzlichen Spitzen, zumal nach den Seiten hin und unter der Flughaut. Der Schwanz ist graugelblich mit schwärzlichem Anfluge; das Wollhaar an demselben ist grauweisslich, die Contourhaare weisslich und gelb- lich, viele, zumal gegen das Ende des Schwanzes, mit langen schwarzen Spitzen versehen. Pallas’s Ansicht, dass das fliegende Eichhörnchen nach Osten kaum die Lena über- schreite°), wurde neuerdings durch das Auflinden dieses Thieres von Hrn. Akad. Middendorff‘) im Stanowoi-Gebirge und von Hrn. Wosnessenskiin den Waldungen bei Ajan am Ochot- skischen Meere °) widerlegt. Wir können nun auch das ganze Amur-Land in das Verbrei- tungsgebiet dieser Thierart ziehen. Pt. volans ist allen dem Amur-Strome anwohnenden Völkern, von den Orotschonen bis zu den Giljaken, bekannt. Im oberen und unteren wald- reichen Stromlaufe kommt es als Bewohner der unmittelbaren Ufer des Amur-Stromes und seiner beiderseitigen Zuflüsse, wie des Kur, Chongar, Gorin, Jai u. a. m., vor. Im Prairie- theile dagegen kennen es die Eingeborenen nur von den Abhängen der landeinwärtsgelegenen, mit Wald bedeckten Gebirge. An der Mündung des Amur-Stromes habe ich dieses Thier aus der nächsten, meist mit Nadelholz bewachsenen Umgegend des Nikolajewschen Postens wäh- rend des ganzen Winters, vom November bis Mai, zu wiederholten Malen erhalten. Nicht min- der bewohnt Pt. volans die bewaldeten Küsten des südlichen Ochotskischen Meeres, des Amur-Limanes, wo ich es im Dorfe Tschomi gesehen habe, und der Meerenge der Tartarei, an der Bai de Castries und, nach Aussage der Eingeborenen, bis über die Bai Hadshi nach Süden hinaus. Auch setzt ihm die Meeresküste hier nicht sogleich eine Gränze der Verbrei- l) Wahrscheinlich bloss eine Verstümmelung des russischen Wortes Zjetjaga. 2) Novae Species Quadr. e Glirium ordine. Erlangae 1778. p. 355 sq. 3) Novae Spec. Quadr. e Glir. ord. p. 360. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 191. 4) Sibirische Reise. 1. c. p. 78. 5) Brandt, Bemerk. über die Wirbelth. des nördl. europ. Russlands, p. 32. s. Hofmann, Der nördl. Ural und das Küstengeb. Pae-Choi. II. 118 Säugethiere. tung. Ungleich seinem Verhalten im Norden, wo es durch waldlose Strecken von der Halb- insel Kamtschatka ferngehalten wird, hat sich das fliegende Eichhörnchen im Amur-Lande von der Küste der Mandshurei, wohl bei Cap Lasareff, auch über die nahe anliegende Insel Sachalin verbreitet, wo es beide Küsten. sowohl als auch das mit gemischter Nadel- und Laubholzwaldung und darunter häufig auch mit der Betula Ermanni bewachsene Innere des Insel bewohnt. 32) Sciurus vulgaris L. Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste der Insel Sachalin: /akr und lakrs. “o« « des Innern und der Ostküste von Sachalin: lafkor. « « Mangunen, Golde am Amur unterhalb des Ussuri und am Ussuri, Ssamagern (Kile am Gorin): chulu und chuluch'ssa. « « Kile am Kur, Golde oberhalb des Ussuri, Biraren, Monjagern, Orotschonen: uluki. « « Dauren: kyrmo. Nach den ausführlichen Beschreibungen, welche wir durch Müller, Pallas und in neue- rer Zeit durch Middendorff von der in den verschiedenen Theilen Sibirien’s variirenden Fär- bung des Eichhörnchens haben, und den zahlreichen verschiedenfarbigen Exemplaren, welche unser Museum durch Hrn. Akad. v. Middendorff und Hrn. Wosnessenski aus dem Norden und Osten Sibirien’s besitzt, wird es uns möglich auch über die Farbe des Eichhörn- chens im Amur-Lande im Vergleiche zu derjenigen sibirischer Thiere Genaueres mitzu- theilen. Schon Müller ') und Pallas °) heben hervor, dass die ostsibirischen Eichhörnchen, in den Gegenden am Baikal-See und an den Flüssen Angara, Sselenga, Argunj, Witim, Lena und bis nach Ochotsk, dunkler als die westsibirischen und im Sommer sogar von braunschwarzer oder beinahe ganz schwarzer Farbe sind. Genauer bezeichnet Middendorff das rechte Ufer des Jenissei als die Gränze, von wo an nach Osten eine tiefer dunkelgraue Winterfärbung beginnt und die rothen Tinten mehr und mehr schwinden, um durch Braun- schwarz ersetzt zu werden. Noch um einen Ton dunkler und durch einen noch grösseren Aus- schluss der rothen Tinten charakterisirt fand Middendorff die Eichhörnchen am Stano- woi-Gebirge, an dessen Ostabhange er im Sommer auch beinahe ganz schwarze Thiere antraf °). Vergleicht man nun die Eichhörnchen des Amur-Landes mit den sibirischen, so reihen sich dieselben diesen zuletzt von Middendorff erwähnten ziemlich genau an und sind nur, wie es scheint, noch etwas dunkler und durch einen noch grösseren Ausschluss der ro- then Tinten gezeichnet. Betrachten wir die Färbung derselben nach den Jahreszeiten be- sonders. l) Sammlung Russ. Gesch. III. p. 519. 2) Novae Spec. Quadr. e Glir. ord. p. 373. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 185. 3) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 81. Sciurus vulgarıs. 119 Die Winterfärbung der Amur-Eichhörnchen ist ein recht dunkles Grau. Es ist beträcht- lich dunkler als das winterliche Grau der Eichhörnchen des rechten Jenissei-Ufers. Diese dunklere Färbung der Amur-Eichhörnchen rührt von eimer Zunahme der schwarzen Farbe an den Deck- und Oberhaaren her. Nach Middendorffs genauen Untersuchungen unterschei- den sich nämlich die dunkler grauen Jenissei-Eichhörnehen von den europäischen der Ost- seeküsten dadurch, dass bei letzteren die Deck- und Oberhaare weisse Spitzen haben, bei den Jenissei-Eichhörnchen dagegen nur die Deckhaare weisse Spitzen behalten, die einzeln aus diesen hervorstehenden Oberhaare aber schwarze Spitzen bekommen, wodurch die Felle na- türlich dunkler als die der baltischen Eichhörnchen werden. Bei den Jenissei-Eichhörnchen sind demnach die Deckhaare an der Spitze weiss, dann schwarzbraun, dann wiederum weiss und endlich in der Wurzelhälfte grau; die Oberhaare an der Spitze schwarz, dann weiss, dann schwarz oder schwarzbraun, dann wiederum weiss und endlich in der Wurzelhälfte grau. Bei den Amur-Eichhörnchen dagegen sind die Deckhaare an der Spitze schwarz, dann weiss, dann schwarz oder schwarzbraun, dann wiederum weiss und endlich in der Wurzelhälfte grau ; die Oberhaare an der Spitze in einem langen Stück schwarz, dann eine kurze Strecke lang weiss und in der Wurzelhälftegrau. Die Schwärze hat also an den Amur-Eichhörnchen, wie ich aus einer direkten Vergleichung derselben mit den Middendorff’schen Exemplaren von der unteren Tunguska entnehmen muss, in doppelter Weise zugenommen: einmal haben die Deckhaare ebenfalls schwarze Spitzen bekommen, wie an den Jenissei-Eichhörnchen im Vergleiche zu den baltischen die Oberhaare, und dann ist an den Oberhaaren der obere weisse Ring durch das zunehmende Schwarz der Spitze zumeist verschwunden, so dass also die schwarze Spitze der Oberhaare viel länger geworden ist. Die erstere Zunahme an Schwärze, an den Deckhaa- ren, findet bei den Amur-Eichhörnchen durchgängig statt, so dass es mir kaum gelungen ist ein Deckhaar zu finden, das keine schwarze Spitze hätte; die letztere dagegen hat nur zumeist statt, indem sich immer noch Oberhaare finden, an denen der obere weisse Ring mehr oder we- niger deutlich erhalten bleibt. Es ist dies ein ganz ähnliches Ueberhandnehmen der schwarzen Farbe am Haar, wie wir es oben beim Igel des Amur-Landes an den Stacheln gesehen haben. Natürlich aber, dass durch diese zweifache Zunahme an Schwärze, an den Deck- und Ober- haaren, bei den Amur-Eichhörnchen im Vergleich zu den Jenissei’schen ein viel dunkleres Grau entsteht. Zwischen den Amur- und Jenissei-Eichhörnchen mitten inne stehen die Eich- hörnchen des Stanow oi-Gebirges und der Westküste des Ochotskischen Meeres, bei denen man daher auch schon den Anfang zu jener zweifachen Weise des Dunklerwerdens an den Deck- und Oberhaaren findet. So sind an den Eichhörnchen der Küste des Ochotskischen Meeres bei Ajan die Deckhaare bald mit weissen, bald, und zumeist, mit schwarzen Spitzen versehen, und an den Oberhaaren ist der obere weisse Ring zwar meistentheils vorhanden, bisweilen jedoch auch verschwunden. Dasselbe findet an den Eichhörnchen statt, die wir durch Midden- dorff vom Westabhange des Stanowoi-Gebirges bei Balyktach-Munaly erhalten haben und die im September schon ihre volle Wintertracht angezogen hatten. — Was die Ausschliessung rother Tinten betriflt, so ist diese an den Winterfellen der Amur-Eichhörnehen noch vollständiger 120 Säugethiere. als an denen des Stanowoi-Gebirges und der Küsten des Ochotskischen Meeres. Midden- dorff erwähnt, dass an den Eichhörnchen des Südabhanges des Stanowoi-Gebirges bis nach Nertschinsk hin das dunkelgraue Winterfell der Eichhörnchen nicht selten einen Anflug von gelblich-röthlicher Tinte hat). An den Amur-Eichhörnchen habe ich das nicht gesehen, und dürfte es daher bei ihnen nur sehr selten statt haben. An den fünf mir vorliegenden Winter- fellen vom oberen Amur, von der Mündung des Stromes und von der Einmündung des Gorin in denselben beschränkt sich die einzige schwache Spur gelblich-röthlicher Färbung darauf, dass an den Deckhaaren des Kopfes und der Schwanzwurzel die weisse Farbe etwas schmutzig gelblich - bräunlich getrübt ist; die Ohren aber sind dunkel braunschwarz und die Ohrenpinsel beinahe rein schwarz und ohne den geringsten röthlichen Anflug, während die Eichhörnchen von Ajan am Ochotskischen Meere einen solchen besitzen. Die Beine sind braunschwarz, die hinteren dunkler ; der Schwanz dunkelbraunschwarz, ebenfalls schwärzer als an den Eichhörnchen um Ajan und vom Stanowoi-Gebirge und ohne den geringsten röthlichen Anflug. — Ich bemerke ferner, dass auch an den Amur-Eichhörnchen, wie nach Middendorff’s Bemerkung ?) an denjenigen des rechten Jenissei-Ufers und der östlich von diesem gelegenen Gegenden Sibirien’s, Unterkiefer und Kehle grau oder schwärzlich, von der Farbe des Kopfes sind, und das Weiss des Halses oft, durch Vorrücken der dunklen Fär- bung der Oberseite nach unten, mehr oder weniger verschmälert ist. Von den neun mir vorliegenden Amur-Exemplaren, davon eines von Hrn. Maack und die übrigen von mir ge- sammelt worden sind, ist nur an einem, von der Mündung des Gorin-Flusses in den Amur, ein schmaler weisser Streifen längs der Kehle vorhanden, der sich vom Unterkiefer an ununter- brochen nach dem Halse hinzieht. Endlich ist auch an den Amur-Eichhörnchen, wie nach Middendorffs Bemerkung an denjenigen des Stanowoi-Gebirges, das Fell minder weich anzufühlen als an den Eichhörnchen des Jenissei-Stromes. ; Das Sommerfell der Eichhörnchen im Amur-Lande scheint vorherrschend von dunkel- braunschwarzer oder beinahe ganz schwarzer Farbe zu sein. Es schliesst sich an die Sommer- färbung der Eichhörnchen an der Westküste des Ochotskischen Meeres von Ajan bis Ud- skoi-Ostrog und an den Ostabhängen des Stanowoi-Gebirges an. Wie bei diesen ist es bald beinahe rein schwarz, bald mit schwachem röthlichem Schimmer versehen, je nach- dem in welchem Grade sich die röthlichen Ringe unterhalb der schwarzen Spitze der Haare in der schwarzen Grundfarbe verlieren. Ein Exemplar vom Bureja-Gebirge, am 24. Juli (5. Aug.) geschossen, ist auf der Oberseite dunkel braunschwarz, an den Deckhaaren unterhalb der schwarzen Spitzen mit rothbraunen Ringen versehen, welche zumal am Nacken, am Vorderrücken und an den vorderen Extremitäten deutlich durchschimmern, am Hinterrrücken dagegen in der schwarzen Grundfarbe verschwinden. Der Kopf an demselben ist braunschwarz mit weisslich-gelblichen Ringen an den Haaren, die Ohren rothbraun, der Schwanz dunkel- braunschwarz mit durchschimmerndem Rothbraun in der Wurzelhälfte der Haare. Ein l) Sibirische Reise. I. c. p. 82. 2) Sibirische Reise. 1. c. p. 81. Scewmrus vulgaris. 121 anderes Exemplar, aus der Bai Hadshi an der Küste der Meerenge der Tartarei vom Juni Monat, ist dunkler als das vom Bureja-Gebirge, mit weniger durchschimmerndem Rothbraun der Deckhaare;; die Extremitäten und der Schwanz an demselben sind ganz schwarz. Rothe Eichhörnchen, deren es im Amur-Lande vermuthlich eben so selten und ausnahmsweise, wenn nicht noch seltner, wie an der Küste des Ochotskischen Meeres bei Ajan welche geben mag, habe ich nicht gesehen. Es bleibt uns nun noch übrig des Ueberganges der Sommer- in die Wintertracht bei den Amur-Eichhörnchen zu gedenken. Ein Exemplar, das am 28. Sept. (10. Oct.) in der nächsten Umgegend des Nikolajewschen Postens geschossen wurde, steht im letzten Uebergange aus der Sommer- in die Wintertracht. Es ist auf dem Hinterrücken bereits ganz von dem dunklen Grau des Winterfelles, mit einer geringen, kaum merklichen hellbräunlichen Trübung der weissen Farbe an den Deekhaaren in der Mittellinie des Rückens und im Beginne des Schwan- zes. An den Seiten ist das Weiss des Bauches von dem Grau des Rückens durch einen etwa 10 — 15 Millim. breiten schwarzen Streifen geschieden, welcher nach Middendorff ') an jenen dunkel gefärbten Eichhörnchen-Varietäten des östlichen Sibiriens den äussersten Ueber- gang von der Sommer- in die Wintertracht bezeichnet. Am Vorderrücken befinden sich aber ausserdem noch unregelmässige schwarze Flecken als Ueberreste der schwarzen Sommerfär- bung. Der Kopf ist dunkelgrau mit schwach hellbräunlicher Trübung ; die Ohrenpinsel, die Extremitäten und der Schwanz sind dunkel braunschwarz, beinahe ganz schwarz. Die Aende- rung der Sommer- in die Wintertracht scheint, abgesehen von allen Verschiedenheiten, die in dieser Beziehung an jedem Orte stattfinden, an der Amur-Mündung ungefähr um dieselbe Zeit wie am Stanowoi-Gebirge °) oder um Krassnojarsk °) und überhaupt in ganz Sibi- rien “ d. i. gegen Ende September’s alten oder Anfang October’s neuen Stiles, ihrer Vollen- dung nahe zu sein. Doch hat Middendorff auch vom 7. — 10. Sept. bei Udskoi Ostrog noch Eichhörnchen in vollem Sommerhaar geschossen °). Ferner beobachtete Pallas zu Krass- nojarsk an einem in der Gefangenschaft gehaltenen Eichhörnchen den Beginn der Winter- tracht am 4. (16.) October und die volle Wintertracht am 4. (16.) November 6), Ja mir liegt sogar ein Exemplar vor, dass ich durch Maximowiez von Kidsi am Amur-Strome erhalten habe und das im November noch das volle schwarze Sommerhaar trägt. Dieses Exemplar ge- hört überhaupt zu den schwärzesten Eichhörnchen, welche ich gesehen habe. Es ist bis auf die schneeweisse Unterseite fast durchweg dunkelbraunschwarz; nur am Kopfe und dem Vor- derrücken finden sich häufig unter den schwarzen Haarspitzen trübe weissliche Ringe und an den Ohren und dem Nacken schimmert eine schwache röthliche Tinte durch. Der Schwanz ist dunkel braunschwarz und nur in seinem oberen Theile, nahe der Mitte, mit einer durch- ll. c.p. 81. 2) Middendorffl. c. 3) Pallas, Novae Spec. Quadr. e Glir. ord. p. 372. *) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 185. 5) Sibirische Reise. 1. c. p. 82. 6) Novae Spec. Quadr. e Glir. ordine. p. 373. Schrenck Amur-Reise Bd. I. 16 122 Säugethiere. schimmernden, gemischten, röthlich - weisslichen Färbung an der Wurzelhälfte der Haare gezeichnet. Das Winterkleid scheinen die Eichhörnchen im Amur-Lande weit in das Früh- jahr hinein anzubehalten; im März zum wenigsten sind sie im unteren Amur-Lande noch im vollen Winterhaar. Aus dieser Vergleichung der Amur-Eichhörnehen mit den Sibirischen können wir den Schluss ziehen, dass das Eichhörnchen des Amur-Landes zu den schwärzesten der bisher be- kannten Varietäten gehört. Nach Müller sind die schwärzesten Eichhörnchen östlich vom Bai- kal-See, bei Bargusinsk, an der Werchnaja-Angara, am Ursprunge des Witim-Flusses und im Nertschinsker-Gebiete zu finden '). Letztere, die schon zum oberen Theile des Amur- Systemes gehören, sollen nach Müller die schwärzesten und berühmtesten von ganz Sibirien sein. In Nertschinsk-mussten sich damals auch die Eiehhörnchen-Felle vom unteren Argunjund oberen Amur sammeln, wie es noch heut zu Tage geschieht. Nachrichten zufolge, welche ich von einem um den Pelzhandel in Sibirien sehr interessirten Kaufmanne ın Nertschinsk, wie von den mit der Eichhörnchenjagd eifrig sich beschäftigenden Kosaken am unteren Argunj- Flusse eingezogen habe, soll das beste (schwärzeste) Eichhörnchen dasjenige vom unteren Argunj (russisch: Argunskaja nisowaja bjelka) sein. Diesem soll wenig nachgeben das Eichhörnchen aus dem Nertschinsker-Gebiete, Alsdann folgt das Olekminsker-Eichhörnchen,, welches ebenso dunkel, aber kleiner sein soll, und endlich folgen, an Güte abnehmend, auf einander die Eichhörnchen vom Witim, von der Werchnaja Angara und von Bargusinsk. Weiter nach Süden von letzterem Orte soll das Eichhörnchen schlechter werden und am Tschikoi zum Bei- spiel, einem Nebenflusse der Sselenga, einen röthlichen Anflug haben. Die Jäger Transbai- kalien’s sind geneigt den Grund dieser verschiedenen Färbung des Eichhörnchens der ver- schiedenen Nahrung des Thieres zuzuschreiben. Sie meinen, dass das beste (dunkelste) Eich- hörnchen das sogenannte Schwammeichhörnchen (russ.: gubnaja bjelka) sei, das sich vorzüglich von Schwämmen nährt, die es, in der Weise wie es auch Pallas beschreibt), für den Winter sammelt und aufBäumen aufbewahrt. Auf dieses folgt das Zapfeneichhörnchen (russ.: schisch- kowaja bjelka), das hauptsächlich von den Zapfen der Gedern und anderen Coniferen lebt und ebenfalls noch recht dunkel ist. Am schlechtesten endlich und von röthlicher Färbung soll das Nusseichhörnchen (russ.: orjechowaja bjelka) sein, dessen Nahrung aus Haselnüssen und dergl. besteht. Ich theile diese Ansicht beobachtender Jäger desshalb mit, weil sie gewiss mit vielem Rechte dem Einflusse der Nahrung auf die Färbung der Eichhörnchen grosse Rechnung trägt, wie Solches ja auch an anderen Thierarten durch direkte Beobachtungen erwiesen ist. Den- noch vermag sie nicht uns die allmählige, von West nach Ost stattlindende Zunahme an Schwärze am Eichhörnchenfelle zu erklären. Gewiss dürften daher neben den Nahrungsbedin- gungen auch andere physische und namentlich klimatische Verhältnisse dabei mit im Spiele sein. Mit dem Eichhörnchen des unteren Argunj gehört in eine Kategorie das Eichhörnchen des oberen Amur-Stromes. Beide fallen auch in dasselbe, von russischen Jägern alljährlich !) Müller, Sammlung Russ. Gesch. II. p. 519. 2) Novae Spec. Quadr. e Glir. ord. p. 376. Zoogr. Rosso-As. I. p. 184. I) Scnurus vulgarıs. 123 zum Zwecke der Eichhörnchenjagd durchstreifte Gebiet, welches den unteren Lauf der beiden Quellarme des Amur-Stromes, des Argunj und der Schilka, und den oberen Amur bis etwa zur Mündung des Komar - Flusses umfasst. Dort ist das Eichhörnchen noch ein sehr häufiges Thier und daher die Jagd auf dasselbe, trotz des geringen Preises jedes einzelnen Felles, ein sehr ergiebiges Geschäft. Alljährlich begeben sich daher mit dem Eintritt des Herbstes, gegen Ende September’s und Anfang October’s, die Kosaken des unteren Argunj und der Schilka auf ausgedehnte Jagdstreifzüge in das bezeichnete Gebiet. Namentlich sind es die Waldungen am unbewohnten rechten, und also chinesischen, Ufer des Argunj-Flusses und die Wildnisse am oberen Amur, welche ihnen reiche Beute gewähren. In kleinen, meist aus Verwandten oder Angehörigen eines Ortes gebildeten Gesellschaften zusammenbaltend, wählen sie in den Wäl- dern hier und dort ihre zeitweiligen Standquartiere, von denen aus sie ihre Streifzüge aus- führen und die sie nach Ausbeutung einer Gegend gegen andere vertauschen, so weit vordrin- gend, als ihnen die auf Pferden mitgeführten Jagd- und Nahrungsvorräthe gestatten, Bisweilen auch begeben sich die Jäger kurz vor dem Gefrieren des Amur-Stromes in Böten eine Strecke weit stromab, bis sie eine günstige Lokalität erreicht haben, wo sie denn ihr zeitweiliges Stand- quartier für weitere Streifzüge aufschlagen. Den weit vorgedrungenen Jägern bietet nicht selten im Winter, wenn die Vorräthe zu Ende gegangen sind, der Lauf des Komar-Flusses, dessen Quellen sich der Bystra, einem rechten Zuflusse des Argunj, ansehnlich nähern, einen kür- zeren und desshalb oft von ihnen befolgten Rückweg dar. Ich erwähne hier dieser Jagden ge- nauer, weil sie speciell auf das Eichhörnchen gerichtet sind und von der Häuligkeit dieses Thieres in jenen Gegenden einen Begrifl geben. Zwar verschmähen die Jäger auch andere Thierarten, die sich ihnen als Beute darbieten, nicht und ohne Zweifel am wenigsten den Zo- bel, da ein paar Felle von diesem den ganzen Ertrag eines Jägers an Eichhörnchen aufbieten dürften ; allein diese letzteren sind so selten, dass sie nicht als sicherer Gewinn in Rechnung gebracht werden können, während die Menge von Eichhörnchen dem geschickten und aus- harrenden Jäger eine zuverlässige Garantie bietet. Diese allein sind daher beabsichtigt, und werden demnach auch die Jagden mit dem speciellen Namen «Eichhörnchen - Erwerb» (russ.: bjelkowjo) belegt. Ein jeder Jäger bringt von diesen herbst- und winterlichen Streifzügen einige Hunderte dieser Thiere zurück, deren jedes, um das Fell nicht zu verderben, nur mit einer klei- nen Büchsenkugel durch den Kopf geschossen worden ist. Diese Häufigkeit der Eichhörnchen am oberen Amur hängt aber ohne Zweifel mit der Seltenheit seines grössten Feindes, des Zo- bels, in jenen Gegenden zusammen, den dieselben Jagden theils unmittelbar an Zahl vermin- dert, theils, und noch mehr, durch den Lärm und die häufig verursachten Waldbrände ver- scheucht haben. Nicht so im unteren Amur-Lande. Dort sind der Zobel und die dem Eich- hörnchen wohl nicht minder verderbliche Mustela sibirica bis jetzt noch häulige Thiere, deren Zahl durch die Nachstellungen der im Verhältniss zum ausgedehnten Terrain nur sehr wenig zahlreichen Eingeborenen um so weniger merklich vermindert wird, als diese stets nur durch Fallen den Thieren beizukommen suchen, wodurch sie nicht verscheucht werden. Im un- teren Amur-Lande ist daher das Eichhörnchen, obschon überall vorhanden, gewiss nicht so ” 124 Säugelhiere. häufig wie im oberen Theile des Stromes, ungeachtet es dort von den Eingeborenen viel we- . niger gejagt wird. Denn fast nur gelegentlich verfängt es sich selbst in die für den Zobel, mit etwas getrocknetem Fisch als Köder, ausgestellten Fallen. Giljaken und Mangunen ge- brauchen es alsdann zur Verfertigung von Hals- und Stirnwärmern (Boa’s), wozu jedoch auch nur die langhaarigen Schwänze der Eichhörnchen benutzt werden. Ich werde dieser Benutzung des Eichhörnchenfelles bei den Eingeborenen des Amur-Landes im ethnographischen Bande meiner Reisebeschreibung ausführlicher gedenken. Sie ist immer nur eine geringe. Erst wenn der Zobel durch russische Jäger in den Waldungen am unteren Amur-Strome bedeutend an Zahl abgenommen haben wird, werden dort ebenfalls die an Schwärze und Güte des Felles den Thieren des oberen Amur-Stromes um nichts nachstehenden Eichhörnchen an die Reihe kommen und gewiss auch ein Gegenstand eifriger Nachstellungen werden. Als ein an die Waldung gebun- denes Thier, kommt ® Eichhörnchen im Prairietheile des Stromes natürlich nur in den wald- bewachsenen Gebirgen landeinwärts vor. Wo aber Gebirge und Waldungen den Strom säu- men, da ist es auch an den unmittelbaren Ufern desselben überall vorhanden. So habe ich es selbst an einem mit hohen Cedern bewachsenen Abhange im Bureja- Gebirge erlegt. Ohne Zweifel geht es im Amur-Lande, im Innern wie an der Meeresküste, wo ich es aus der Bai Hadshi an der Meerenge der Tartarei erhalten habe, der Waldung folgend, noch viel weiter nach Süden. Desgleichen bewohnt das Eichhörnchen die Waldungen im Innern und an den Küsten der Insel Sachalin bis an das Südende derselben. Sehr wahrscheinlich geht es dort auch weiter nach Süden, auf die japanischen Inseln hinüber, da die Selbstständigkeit der von Temminck aufgestellten japanischen Art Se. lis noch als fraglich betrachtet werden muss. 33) Tamias striatus L. Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: tar. “o« « des Innern und der Ostküste von Sachalin: taghr. « « Mangunen: uldshe. « « Golde am Amur unterhalb des Ussuri und am Ussuri: ulge. « « Kile am Kur: onjotscho. « « Golde oberhalb des Ussuri: dshurga-ulki und dshurgangat-ulki. «a « Biraren und Monjagern: ulküschan. « « Orotschonen: ulgukitschan. Wie am Stanowoi-Gebirge und an den Küsten des Ochotskischen Meeres nach Mid- dendorff’s Bemerkung '), so ist Tamias striatus auch im Amur-Lande äusserst häufig und stets von derselben constanten Färbung, welche er durch ganz Nordasien besitzt. Ich habe ihn im gesammten Laufe des Amur-Stromes und an den von mir besuchten Zuflüssen desselben überall häufig beobachtet und geschossen, oder durch Aussagen der Eingeborenen von seinem 1) Sibirische Reise. 1. c. p. 83. Tamias striatus. T. uthensis. 125 Vorkommen mich überzeugen können. Dabei ist dieses Thier ebenso häufig in der mit völlig nordischem Charakter versehenen Nadelwaldung der Amur-Mündung, wie weiter oberhalb am Strome, wo eine Laubholzvegetation die unmittelbaren Ufer bedeckt. An felsigen Ufern zumal, wo ein stark verwittertes und zerklüftetes Gestein hin und her mit mannigfaltigem Gesträuch und verschiedenartigen Laubhölzern bewachsen ist, habe ich regelmässig den kurzen, schnalzenden Schrei dieses Thieres gehört und oftmals auch das Thier selbst beobachten kön- nen. Ja sogar in der Prairie am Ussuri-Strome, wo nur Laubhölzer und vorzüglich Eichen in einzelnen Gruppen aus dem hohen Grase der Ebene sich erheben, wie bei Dsamo, oder aber in lichter Waldung die sanften Abhänge der Vorberge bedecken, wie an der Mündung des Noor-Flusses in den Ussuri, habe ich T. striatus oft an den Stämmen der Eichen klettern sehen und auch mehrmals geschossen. Diese Exemplare aus der Prairie zeigen jedoch nicht die geringste Verschiedenheit von denjenigen der Nadelwaldungen der Amur-Mündung. Wie am A mur-Strome und seinen Zuflüssen, so ist T. striatus auch längs der gesammten Küste des süd- liehen Ochotskischen Meeres, des Amur-Limanes und der Meerenge der Tartarei bis nach der Bai Hadshi, dem südlichsten Punkte der Küste, den ich besucht habe, verbreitet. Des- gleichen findet sich dieses Thier zahlreich auf Sachalin, an den Küsten wie im Innern der Insel, von wo ich aus dem Tymy- Thale ein Exemplar mitgebracht habe. Ja es ist auch süd- wärts von Sachalin über die japanischen Inseln verbreitet. Ein Exemplar, das unser Museum durch Temminck aus Japan besitzt, weicht nicht im Geringsten von der constanten Farbe und Zeichnung dieses Thieres auf dem asiatischen Continente ab. An der Mündung des Amur- Stromes, beim Nikolajewschen Posten, scheint T. striatus mit dem ersten Schneefalle und dem Beginne starker Herbstfröste, gegen Ende September’s und Anfang October’s, in seine Winterhöhlen sich zurückzuziehen. Im Frühjahre (1855) liessen sich die ersten Thiere schon am 13. (25.) April sehen, als in der Umgegend des Nikolajewschen Postens noch ringsum Schnee lag. 34) Tamias uthensis Pall. Dieser von Pallas ') beschriebenen Tamias-Art, welche am Flusse Uth (od. Uda) häufig sein soll, bin ich im Amur-Lande, ebenso wie Middendorff im Stanowoi- Gebirge ar weder auf Reisen und Jagdstreifzügen, noch im Verkehre mit den Eingeborenen jemals be- gegnet. Dagegen liegt mir ein bis auf einen weissen Kehlfleck ganz schwarzes Fell von T. striatus vor, welches H. Maack vom Witim erhalten hat. Es gewinnt daher die Ansicht Wagner’s 2b Middendorff’s u. a., dass T. uthensis Pall. nur eine schwarze Abänderung von T. striatus sei, mehr und mehr Wahrscheinlichkeit. 1) Zoogr. Rosso-Asiat, I. p. 189. 2) Sibirische Reise. 1. c. p. 83. 3) Die Säugethiere v. Schreber. Supplbd. Abthl. 3. p. 232. 126 Säugethiere. 35) Spermophilus Eversmanni Brandt. Bei den Monjagern: gadagan. Ein Exemplar von Sp. Eversmanni, das Hr. Maack aus Nertschinsk mitgebracht hat, und zwei unvollständige Felle desselben, die ich im Amur-Lande erhalten habe, stimmen mit den Beschreibungen dieses Thieres von Brandt") und Middendorff?) vollständig überein und geben nichts Abweichendes zu erkennen. Die weiss gesprenkelte Zeichnung des Rückens ist an ihnen sehr deutlich. Die Zeichnung der einzelnen Haare ist ebenso beschaffen, wie Midden- dorff an den jakutskischen Thieren angiebt. Ich füge nur hinzu, dass unter den Deckhaaren des Rückens, welche zumeist schwarz mit weisser oder gelblicher Binde nahe unterhalb ihrer Spitze gezeichnet sind, auch viele ganz schwarze Haare sich finden. An den Seiten und nach dem Bauche zu sind die Deckhaare untereinander verschieden gezeichnet, indem das Schwarz der- selben mehr und mehr schwindet und durch die gelbliche und weissliche Farbe des Bauches ersetzt wird. Zuerst verschwindet nämlich die schwarze Spitze, die das Rückenhaar hat, so dass eine lange gelbliche oder weissliche Spitze am schwarzen Haar entsteht; dann stellt sich ausser- dem noch ein gelblicher oder weisslicher Ring mitten in dem schwarzen Theile des Haares ein, so dass dieses nunmehr an der Basis schwarz, im oberen Theile gelblich oder weisslich mit schwarzem Ringe erscheint; und zuletzt verschwindet auch dieser schwarze Ring und die Haare sind nur an ihrer Basis schwärzlich, im langen oberen Theile einfarbig weisslich oder gelblich. Diese helle Zeichnung der Seiten und des Bauches variirt aber an den Transbaikali- schen und Amur-Exemplaren in derselben Weise, wie Middendorff es an den jakutskischen hervorhebt, indem der Antheil rostfarbner Zeichnung grösser oder geringer ist. So ist eines der Amur-Felle an den Seiten heller, das andere intensiver gelblich und mit röthlicher Färbung versehen, während das Nertschinsker Exemplar an den Seiten und dem Bauche mehr weiss- lich und mit einer intensiv rostrothen, unregelmässig begränzten Binde gezeichnet ist, welche bald hinter den vorderen Extremitäten beginnt, dann, längs den Seiten des Körpers verlaufend, auf die Hinterschenkel tritt und sich bis auf die Zehen der hinteren Extremitäten fortsetzt. Die vorderen Extremitäten dieses Exemplares sind an ihrer Aussenseite ebenfalls mit rost- rothen Flecken versehen. £ Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass diese von Hrn. Akad. Brandt im Jahre 1843 nach Exemplaren, die das Museum durch Gebler und meinen Bruder Alexander v. Schrenck aus dem Altaischen und dem Alatau-Gebirge erhielt, für selbstständig erkannte Zieselart schon Pallas unter der allgemeinen, viele Arten umfassenden Bezeichnung M. citillus be- kannt war, und dass namentlich die von Pallas erwähnten Ziesel von Jakutsk und der Lena (Citilli Jacutenses) wie auch wahrscheinlich diejenigen von Daurien, an der Sselenga, Ingodaund bis an den Amur, ja vielleicht sogar die Ziesel aus den Gegenden am Uth-Flusse °) 1) Bull. scient. publ. par l’Acad. des Sciences de St. Petersbourg. T.IX. p. 43. Bull. de la Classe phys.-math. de l’Acad. des sc. de St. Petersbourg. T. II. p. 373. 2) Sibirische Reise. ]. c. p. 83. 3) Pallas, Novae Spec. Quadr, e Glir. ord. p. 120—126. Spermophilus Eversmanni. Arctomys Bobac. Mus decumanus. 127 auf diese Art zu beziehen sind. Seit der Unterscheidung von Sp. Eversmanni als besonderer Art ist dieselbe von Middendorff bei Jakutsk, von Maack am Baikal und bei Nertschinsk und von mir am Amur gefunden worden. Es scheint also diejenige Art unter den Ziesel- mäusen zu sein, welche die grösste Verbreitung über den asiatischen Continent hat. Am Amur entdeckte ich sie nach zwei Fellen, welche ich bei den Mandshu eines kleinen Dorfes, eine Tagereise oberhalb der Stadt Aigun, zu einem Tabacksbeutel verarbeitet fand. Das Stück wurde von ihnen für ziemlich werthlos gehalten, da das Thier ihren Angaben zufolge in der Prairie der Umgegend sehr zahlreich sein soll. Weiter oberhalb bestätigten mir auch die Mo- njagern, bei denen ich mich nach diesem Thiere erkundigte, das Vorkommen desselben am Amur-Strome. Ohne Zweifel ist also Sp. Eversmanni von Transbaikalien ostwärts im gan- zen oberen Theile des Amur-Stromes und in den Prairieen desselben zum wenigsten bis an das Bureja-Gebirge verbreitet. Ob es aber im unteren Amur-Lande ebenfalls vorkommt, ver- mag ich nicht zu sagen, da mir dort keine Spur dieses Thieres begegnet ist. 36) Arctomys Bobhae Schreb. Ob ich gleich dieses Thier im Amur-Lande nicht gefunden habe, ist es doch zu erwar- ten, dass es zum wenigsten im oberen Theile des Stromes und in den Prairieen desselben sich finden werde, da es nach Pallas bekanntlich bis nach Kamtschatka verbreitet und auch in Transbaikalien und namentlich am Argunj ein sehr häufiges Thier ist '). Auch hat H. Maack neuerdings ein Exemplar von dem anderen Quellarme des Amur-Stromes, der Schilka, in der Umgegend von Nertschinsk, mitgebracht. Es ist eine Varietät von Arct. Bobac, deren Beschreibung durch Hrn. Akad. Brandt wir in nächster Zeit entgegensehen. 37) Mus decumanus Pall. Bei den Giljaken: njagrsch. “oa« Mangunen,Ssamagern,Golde: s’ingare. « « Biraren: anjaka. « « Orotschonen: kuttyr. Die Wanderratte im Amur-Lande ist mit dem in Europa eingebürgerten Thiere ganz übereinstimmend. Die Farbe derselben ist oben bräunlichgrau, schwarz gestichelt; unten scharf abgesetzt weissgrau. Die Deckhaare des Rückens sind in ihrer unteren Hälfte grau, in der oberen gelblich-bräunlich, mit vielen längeren schwarzen Haaren untermischt. Mus decumanus ist im Amur-Lande allentha ben, sowohl in den Häusern der Mandshu, Chinesen und Dauren am Sachali- oder oberen Amur-Strome und in den Hütten aller sesshaften Völker des unteren Amur-Landes, der Golde, Ssamagern, Mangunen und Gilja- I) Pallas, Novae Spec. Quadr. e Glir. ord. p. 101. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 156. 128 Säugethiere. ken, als auch in den Ansiedelungen der Russen am Amur-Strome in grosser Zahl vorhan- den. Es ist anzunehmen, dass die Wanderratte auf mehrfachen Wegen in das Amur -Land eingewandert sei. Die älteste und bedeutendste Einwanderung, seit welcher M.decumanus sich‘ im Amur-Lande eingebürgert hat, muss ohne Zweifel von China aus stattgefunden haben. Auf diesem Wege muss sie sowohl in die chinesischen Colonien, nach der Stadt Aıigun und den Dörfern am Sachali-Strome, als auch, durch die häufigen Handelsreisen der Chinesen und der Eingeborenen, den Sungari abwärts in das untere Amur-Land bis an die Mündung des Stromes sich verbreitet haben. Zu dieser Annahme werden wir durch den Umstand genö- thigt, dass M. decumanus weder von Sibirien aus, noch auf dem Seewege zuerst in das Amur- Land gelangt sein kann. Nach Sibirien war M. decumanus bekanntlich zu Pallass Zeiten noch nicht vorgedrungen ') und fand sie in neuerer Zeit auch Middendorff daselbst nicht vor. Andrerseits aber war M. decumanus lange bevor russische Schiffe die Mündung des Amur-Stromes berührt hatten in den Hütten der sesshaften Amur- Völker eine allgemeine Plage. So fand ich sie im Jahre 1854, im Beginne der russischen Colonisation der Amur- Mündung, bei den Eingeborenen schon allenthalben und weit oberhalb der russischen Ansie- delungen eingebürgert. Die grosse Zahl und Gefrässigkeit derselben hatte die Eingeborenen schon längst gelehrt ihre Vorräthe an getrocknetem Fisch, Seehundsfleisch und Häuten und dgl. m. in eigenthümlich gebauten Vorrathskammern halten, welche auf mehreren einzel- nen, einige Fuss über den Erdboden erhöhten und an ihrem oberen Ende mit einem grossen Stücke Baumrinde bedeckten Pfählen errichtet werden. Auch stellen die Giljaken diesem schädlichen Thiere eigenthümlich gemachte Fallen aus, von denen ich im ethnographischen Bande meiner Reisebeschreibung eine Abbildung und Beschreibung mittheilen werde. Bei den Golde ist die Gefrässigkeit der Ratte zum Theil sprüchwörtlich geworden und dient ihnen daher das Wort «s’ingare» (Ratte) zum Spott- und Schimpfnamen für die durch gierige Tri- butserhebung und ungerechte Erpressungen sie ausplündernden Mandshu. Wenn daher M. decumanus später, mit der russischen Colonisation der Amur-Mündung, ohne Zweifel auch auf dem Seewege und zwar auf Schiffen aus Kamtschatka, wo die Wanderratte gegen- wärtig ebenfalls in grosser Zahl sich findet, in das Amur-Land gebracht worden ist, so betrifft dieses doch nur die Amur-Mündung und ist, bei der schon früher vorhandenen Ueberzahl dieser Thiere am Amur, von keinem weiteren Belange. Dass die Wanderratte ferner auch auf der Insel Sachalin vorkommt, ist aus den Angaben der Eingeborenen zu entnehmen. Doch muss sie dort, vielleicht in Folge einer anderen, für ihre Einnistung weniger günstigen Bauart der Hütten bei den Eingeborenen, weit seltner sein. So habe ich sie in den Erdhütten der Gilja- ken südlich von Poghobi an der Westküste der Insel, im Tymy-Thale im Innern derselben und bei Nyi an der Ostküste während meiner Winterreisen auf Sachalin niemals gesehen. Anders mag es sich in den nordwärts von Poghobi gelegenen giljakischen Dörfern verhalten, wo dieselbe Bauart der Häuser wie auf dem Continente herrscht. Wahrscheinlich hat sie auf doppeltem Wege ihre Verbreitung nach der Insel Sachalin genommen, indem sie sowohl von !) Pallas, Nov. Sp. Quadr. e Glir. ord. p. 92. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 164. Mus decumanus. M. musculus. Arvicola ( Hypudaeus) amurensis. 129 der Amur-Mündung, durch die Handelsreisen der Giljaken und Mangunen, als von Süden her, aus Japan, wo M. decumanus ebenfalls allgemein verbreitet ist Ö)E durch die von Jesso alljährlich herübersommenden Schiffe nach Sachalin gebracht worden ist. Wie leicht M. de- cumanus in den kleinsten Fahrzeugen von Ort zu Ort transportirt werden kann, habe ich selbst zu beobachten Gelegenheit gehabt, indem ich auf einer Reise von Kidsi nach der Bai de Castries zwei Ratten mitten auf dem See von Kidsi aus meinem kleinen Boote über Bord springen sah. 38) Mus musculus L. Obgleich in Sibirien bis in den hohen Norden ?) und andrerseits in Japan °) und viel- leicht auch in China verbreitet, ist die Hausmaus im Amur-Lande weder in den Häusern und Hütten der Eingeborenen, noch in den Ansiedelungen der Russen zu finden. Vielleicht dürfte das Fehlen derselben auch der grossen Anzahl von Ratten, M. decumanus, im Amur- Lande zuzuschreiben sein. 39) Arvicola (Hiypudaeus) amurensäis Schrenck n. sp. Taf. VI. fig. 1 u. 2. Bei den Giljaken: wytsch-wyb-nga. Im September 1854 fing ich an der Mündung des Amur-Stromes eine Feldmaus, welche ich gegenwärtig, nach genauer Vergleichung mit ihren Gattungsverwandten, für eine neue Art halten muss. Sie hat auf den ersten Blick im Gesammthabitus, durch die ziemlich langen Ohren und einen recht langen Schwanz, beinahe mehr Aehnlichkeit von den ächten Mäusen als von den Feldmäusen, reiht sich aber bei genauerer Betrachtung der von Keyserling und Blasius als Untergattung Hypudaeus Wlig. ‘) oder Waldwühlmäuse °) bezeichneten, den wah- ren Mäusen am meisten genäherten Abtheilung der Gattung Arvicola an. Bekanntlich zählt diese Unterabtheilung hisher nur wenige Repräsentanten: im mittleren Europa nur A. (Hyp.) glareolus Schreb., im nördlichen Europa und Asien A. rutilus Pall.und A. rufocanus Sundev. Unsere Amur-Feldmaus trägt nun dieselben charakteristischen Kennzeichen der Unterabthei- lung Hypudaeus wie jene, ist aber von ihnen durch specifische Charaktere scharf unterschieden. Beschreiben wir sie genauer. Wie es der Unterabtheilung Hypudaeus zum Unterschiede von den übrigen Arten der Gattung Arvicola zukommt, sind auch bei Arvicola amurensis die Schmelzbuchten der Backen- zähne nicht nach aussen scharfkantig und nach innen tief in die Zahnsubstanz einspringend, !) Siebold, Fauna Japon. Mammal. Dee. I. p.6. Dsgl. Temminck, Kenntniss und Verbreitung der Säugethiere von Japan, s. Wiegman ’s Arch. für Naturgeschichte. Jahrg. V. 1839. II. p. 409. 2) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 114. 3) Siebold, Fauna Japon. Mammal. Dec. 1. p. 6. %) Keyserling und Blasius, Die Wirbelthiere Europa’s, p. VIII. 5) Blasius, Fauna der Wirbelthiere Deutschlands. Bd. I. Naturgesch. der Säugethiere. p. 333 u. 336. Schrenck Amur-Reise Bd. I. Art 130 Säugelhiere. sondern gerundet und flach, so dass sich die Schmelzwände des äusseren und inneren Randes der Backenzähne oftmals gar nicht berühren und die Zähne daher das Ansehen, als seien sie aus dreiseitigen Prismen zusammengesetzt, verlieren. Solche flache Schmelzbuchten charakteri- siren namentlich den 2ten unteren Backenzahn, welcher in Folge dessen dem folgenden, 3ten Zahne desselben Kiefers ähnlich wird. Dadurch nämlich, dass die äusseren und inneren Schmelz- wände einander nicht ganz berühren und die Schmelzbuchten an der Aussen- und Innenseite einander fast ganz entsprechen, lassen sich am 2ten unteren Backenzahne nicht mehr 5 geson- derte Schmelzschlingen oder Prismen, wie bei den übrigen Arten der Gattung Arvicola, sondern nur 3 deutlich von einander getrennte Schmelzschlingen unterscheiden, von denen jedoch die beiden vorderen jede aus 2, in der Mitte etwas getrennten Abtheilungen bestehen. Eine ähnliche, unvollständige Trennung der Schmelzschlingen in Folge der flachen Schmelzbuchten findet mehr oder weniger auch an den übrigen Zähnen und namentlich an dem 1te” unteren und 3ten oberen Backenzahne statt. Ferner ist bei A. amurensis, ebenfalls dem Charakter der Untergattung Hypudaeus entsprechend, die ganze Zahnreihe im Ober- wie im Unterkiefer kür- zer als bei den übrigen Arvicola-Arten. Ich finde an ihr in dieser Beziehung im Vergleiche mit einigen anderen Arvicola- Arten folgende Grössen (in Millim.): A. Nageri A.amuren-| Schinz, | A. rutilus sis n. sp. |(4 glareo-, Pall. lus Schr.) 4. Maxi- mowiczii n. sp. }). A.rufoca- nus Sun- dev. A.ralticeps Keys. et A. oecono- Blas, |Mmus Pall. A.sarati- lis Pall. Länge der Zahnreihe im Unterkiefer... Länge der Zahnreihe im Oberkiefer... Bei A. amurensis spricht sich also in diesem Punkte die typische Bildung der Untergat- tung Mlypudaeus noch deutlicher als bei den ihr nächstverwandten Arten A. glareolus, rutilus und rufocanus aus. Gegenüber den übrigen hier angeführten Arvicola-Arten ist die Kürze der Zahn- reihen besonders sichtlich im Vergleiche zu A. saxatilis und A. Maximowiezii, von denen das ge- messene Exemplar der ersteren an Grösse unserem Exemplar der A. amurensis ziemlich gleich kam, letztere aber sogar kleiner als A.amurensis ist. — Was die Anzahl der Schmelzschlingen und Kanten an den Zähnen betrifft, so ist darin, bis auf die oben bereits hervorgehobene Ver- schiedenheit des 2ten unteren Backenzahnes, in den übrigen Zähnen, und namentlich dem 1 !en unteren und 2ten oberen Backenzahne, keine ausschliessliche Eigenthümlichkeit der Untergat- tung Hypudaeus im Vergleiche mit den anderen Arvicola-Arten zu finden, da ein grosser Theil der letzteren dieselbe Anzahl von Schmelzschlingen und Kanten hat. Ich theile daher die wei- teren Verhältnisse der Zahnbildung von A. amurensis in der folgenden specielleren Beschrei- bung derselben mit und hebe hier nur im Allgemeinen hervor, dass wo die Schmelzbuchten flach sind und die äusseren und inneren Schmelzwände einander nicht immer berühren, so l) Ueber diese neue Species s. weiter unten. Arvicola (Hypudaeus) amurensıis. 131 dass die Schmelzschlingen oft unvollständig von einander getrennt bleiben, wie das bei der Untergattung Hypudaeus der Fall ist, dass dort auch in der Anzahl der Schmelzschlingen sehr leicht diflerente Angaben entstehen können, indem die unvollständig getrennten Schmelz- schlingen bald für eine, bald für mehrere gerechnet werden. Eine genaue Angabe der Be- schaflenheit aller einzelnen Schmelzschlingen, verbunden mit getreuer Abbildung derselben, kann hier allein vor Missverständnissen bewahren. A. amurensis hat im Gebiss 16 Zähne. Die Vörderzähne sind ziemlich schmal, an meinem Weingeist-Exemplare schmutzig weiss. Von den Backenzähnen hat im Oberkiefer (Fig. 2. a.) der 1°t° Zahn 5 Schmelzschlingen, von denen die 3 ersten ganz, die beiden letzten nicht ganz vollständig von einander getrennt sind, und aussen und innen 3 Kanten; der 2t® hat 4 Schmelz- schlingen, von denen die beiden ersten ganz, die beiden letzten nicht ganz vollständig von einander getrennt sind, und aussen 3, innen 2 Kanten — ein Verhältniss, wodurch sich A. amu- rensis mit vielen anderen Arvicola - Arten von A. agrestis und der Untergattung Agricola Blas. auf den ersten Blick unterscheidet. Der 31° Zahn im Oberkiefer hat 6 Schmelzschlingen oder, da dieselben nicht alle vollständig von einander getrennt sind, auch nur 4 Schmelzschlingen. Rechnet man 6, so ist die 15° von gewöhnlicher Beschaflenheit und vollständig abgesondert; die 2!e und 3!° sind unvollständig von einander getrennt und die Schmelzbuchten der Aussen- und Innenseite einander sehr entsprechend, so dass beide Schmelzschlingen für eine einzige, in ihrer Mitte in zwei Abtheilungen getheilte Schmelzschlinge genommen werden können. Dasselbe ist mit der 4!e® und 52 Schmelzschlinge der Fall, von denen jedoch die erstere (an der Aussenseite liegende) nur sehr klein ist. Die letzte, 6!° Schmelzschlinge könnte in Folge einer flachen Einbuchtung an der Innenseite ebenfalls als aus 2 Schmelzschlingen zusammen- gesetzt angesehen werden. An der Aussenseite hat der 3° Backenzahn des Oberkiefers 3, an der Innenseite 4 Kanten und eine abgerundete Kante nach hinten. Im Unterkiefer (Fig. 2. b.) hat der 1ste Zahn 8 Schmelzschlingen oder, da dieselben nicht alle vollständig von einander getrennt sind, auch 7 und 6. Rechnet man 8, so ist die erste kleine Schmelzschlinge an der Aussenseite gelegen und ziemlich, wenn auch nicht ganz, vollständig von der 2ten, parallel ne- ben ihr liegenden getrennt — eine Bildung, die ich bei keiner anderen Feldmaus kenne und die mir daher zu den wesentlichsten specilischen Charakteren von A. amurensis zu gehören scheint. Die 2t° bis 4° Schmelzschlinge des ersten Unterkieferzahnes sind deutlich unvoll- ständig getrennt: die erstere derselben liegt am vorderen und inneren Ende des Zahnes, neben der ften Schmelzschlinge ; die 3t° liegt ebenfalls an der Innenseite und könnte leicht mit der 2ten für eine einzige, in ihrer Mitte durch eine Einbuchtung in 2 Abtheilungen getheilte Schmelzschlinge genommen werden ; die 4° liegt an der Aussenseite, etwas mehr nach hin- ten als die 3!® und ist von dieser etwas mehr getrennt als die 3° von der 2ten, Die 5te Schmelzschlinge, an der Innenseite liegend, ist vollständig getrennt. Die 61° und 7!® sind un- vollständig von einander getrennt und die Schmelzbuchten der Aussen- und Innenseite ent- sprechen einander sehr, so dass beide Schmelzschlingen leicht für eine einzige, in ihrer Mitte in 2 Abtheilungen getheilte Schmelzschlinge genommen werden können. Die 8° oder letzte * 132 Säugethiere. Schmelzschlinge ist von der 7!e2 vollständig getrennt. Die Zahl der Kanten am ften Unter- kieferzahn beträgt aussen 4 und eine abgerundete Kante nach vorn, innen 5, davon jedoch die vorderste, sehr kleine, noch zu dem etwas ausgeschweiften Vorderrande des Zahnes gehört. Der 2° Zahn des Unterkiefers ist bereits oben beschrieben worden; er hat 3 Schmelzschlingen oder, wenn man die je 2 Abtheilungen der beiden vorderen Schmelzschlingen einzeln rechnen will, auch 5 Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten. Der 3!° Zahn im Unterkiefer ist, wie oben erwähnt, dem 2ten äusserst ähnlich und hat ebenfalls 3 vollständig getrennte Schmelzschlingen oder, wenn man die je 2 Abtheilungen der beiden vorderen Schmelzschlin- gen einzeln rechnen will, auch 5 Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten, Sämmt- liche Kanten an allen Backenzähnen sind, wie bereits erwähnt, abgerundet und viel weniger scharf als bei den übrigen, nicht zur Untergattung Hypudaeus gehörenden Arvicola-Arten.— Am Gaumen von A. amurensis sind, wenn man bei der theilweisen Unterbrechung der Falten in der Mittellinie des Gaumens die einander entsprechenden Falten der beiden Gaumenseiten nicht einzeln rechnen will, 11 Falten. Davon befinden sich 5 ın der Zahnlücke zwischen den Vorder- und Backenzähnen und die übrigen 6 zwischen den beiden Zahnreihen des Oberkie- fers. Die erste Falte ist seitlich zusammengedrückt, dachförmig und hängt an ihrem hinteren Ende mit der 2!en zusammen. Diese ist 3spitzig, die mittlere Spitze am höchsten, die seitlichen niedriger und nach den Seiten herabsteigend. Die 3te Falte ist ein einfacher, kurzer und dicker Querwulst. Die 4t® ist länger und dünner als die vorhergehende und in der Mitte mit einer kleiren Einsenkung versehen. Die 5° ist in der Mitte unterbrochen, flachbogig, die Enden an der Mittellinie nach hinten gerichtet. Die 6t® Falte liegt zwischen den vorderen Enden der Backenzahnreihen und ist in der Mitte ebenfalls unterbrochen. Die 7!° entspringt an der 2ten inneren Kante des 1!en oberen Backenzahnes, ist nur ganz kurz und bleibt jederseits weit von der Mittellinie zurück. Die $t® entspringt von der 3°? inneren Kante des 1{en oberen Backen- zahnes, verläuft bogig nach innen und vorn und ist in der Mittellinie unterbrochen, wobei die Enden jederseits nach hinten gerichtet sind, so dass sie sich auf jeder Gaumenseite mit der in der Mitte ebenfalls unterbrochenen und mit ihren Enden an der Mittellinie nach vorn gerich- teten 9ten Falte zu einer fast ganz geschlossenen Schlinge verbinden. Die 101° Falte ent- springt von der 2ten inneren Kante des 2!en Backenzahnes und stösst in der Mittellinie mit der ihr entsprechenden an der anderen Gaumenseite zu einer nach vorn gerichteten Spitze zu- sammen. Die letzte, 11°, ist lach bogig, ohne Unterbrechung in der Mitte. — Die Lippen sind fleischig; die Oberlippe ist ganz gespalten, aussen und innen, die Unterlippe vorn und am Rande weisslich behaart. Inwendig am Mundwinkel liegt jederseits eine drüsige, weisslich behaarte Warze.— Die Nasenlöcher sind nierenförmig, mit der hohlen Seite nach oben gerich- tet, schief seitlich und etwas nach vorn geöffnet; vorn durch eine Mittelfurche von einander getrennt. Die Schnauzenspitze ist bis auf die nackten Nasenwülste behaart .— Das Auge ist ziem- lich gross, etwas näher zum Ohr als zur Schnauzenspitze gelegen. — Das Ohr ist etwas mehr als von halber Kopfeslänge, deutlich aus dem Pelze hervortretend, breit, rundlich, ganzrandig; an der Basis des Aussenrandes mit einem kleinen, rundlichen Läppehen versehen; vorn an der Arvicola (Hypudaeus) amurensis. 133 Basis mit langen Haaren bewachsen, welche in die Ohrmuschel hineinragen. Die Ohrmuschel ist in der Basalhälfte nackt, in der Endhälfte aussen und innen mit kurzen röthlichen Härchen bedeckt, am Innenrande bis nahe zur Mitte des Ohres lang behaart. Der zur theilweisen Ver- schliessung des Ohres dienende Lappen der inneren Ohrfläche liegt nach innen von der Inci- sur am Läppchen des Aussenrandes und hat etwa 5 Millim. Länge und 2! Mill. Breite. — Die Vibrissen sind von verschiedener Länge: die vordersten reichen nicht bis an die Ohrbasis, die hinteren ragen angedrückt in die Ohrmuschel hinein und ein paar von ihnen überragen sogar das ganze Ohr. Einige derselben sind ganz weiss, die meisten braun an der Basis und weiss in der Endhälfte, wenige ganz braun. — Die Extremitäten sind schwach. Am Vorderfusse ist die Daumenwarze mit einem kurzen, stumpfen Nagel versehen; die beiden Mittelfinger sind weniger tief gesondert als die seitlichen; der 21° Finger ist am längsten; der 11° reicht ohne Nagel bis an die Ballenbasis des 2ten; der 31° ist nur um ein Geringes kürzer als der 2te; der 41° reicht mit dem Nagel bis an die Ballenbasis des 3'en. An der Sohle haben die Vorderfüsse 5 rund- liche Schwielen, davon die 3 vorderen an der Basis je zweier, auf einander folgender Zehen, die beiden hinteren in einer Querreihe etwas hinter der Daumenwarze liegen. Die Zehen sind unten geringelt. Die Sohle ist nackt; oben ist der Fuss mit kurzen, an der Basis der Nägel mit etwas längeren, die Nägel zumeist überragenden, weisslichen Haaren bedeckt. Die Nägel sind ebenfalls weisslich. Am Hinterfusse sind die drei mittleren Finger viel länger als die beiden seitlichen; der 2te und 3!® sind tiefer von einander gesondert als der 3!® und 4!®; die seitlichen noch tiefer. Der 31° und 4° Finger sind gleich lang und am längsten; der 2t® nur wenig kür- zer, reicht ohne Nagel bis an die Ballenmitte des 3!en; der 51° erreicht mit der Nagelspitze die Ballenbasis des 4%; der 1t® reicht ohne Nagel bis zur Wurzel des 2ten Fingers. Auf der Sohle tragen die Hinterfüsse 6 länglich-rundliche Schwielen, davon die 4 vordersten in 2 schie- fen, einander parallelen Reihen an der Basis je zweier, auf einander folgender Zehen liegen; die beiden hinteren befinden sich ebenfalls in einer schiefen, mit jenen fast parallelen Reihe, die kleinste nach vorn und aussen, die grössere nach hinten und innen. Die Zehen sind unten geringelt. Die Sohle ist im vorderen Theile nackt, hinter den letzten Schwielen behaart. Oben ist der Hinterfuss mit kurzen, an der Basis der Nägel mit etwas längeren, die Nägel zumeist überragenden, weisslichen Haaren bedeckt. — Der Schwanz ist ohne Haarpinsel kürzer als die halbe Körperlänge, mit den Endhaaren zusammen gleich der halben Körperlänge; er ist ziem- lich sparsam und in seiner ganzen Länge gleichmässig, an der Spitze aber länger behaart. — Die Farbe anlangend ist die Oberseite von A. amurensis rothbraun, schwarz gestichelt, an der Schnauze und den Seiten des Körpers gelblich; die Unterseite und die Extremitäten scharf ab- gesetzt, schmutzig weiss. Der Schwanz ist zweifarbig, oben von der rothbraunen Farbe des Rückens, unten heller, gelblich. Die Deckhaare der Oberseite sind von 13— 14 Millim. Länge, in ihrem unteren Theile etwas über die Hälfte (8 Mill.) hinaus dunkel schwärzlichgrau, im oberen, kürzeren Theile entweder einfarbig rothbraun, oder röthlich mit schwarzer Spitze; nach den Seiten zu ist der obere Theil der Deckhaare an einigen einfarbig gelblich, an anderen gelb- lich mit schwarzer Spitze. Unten sind die Deckhaare von 9 Millim. Länge, in der unteren 134 Säugethiere. Hälfte, auf 5 Millim. Länge, grau, aber heller als auf der Oberseite, in der oberen Hälfte schmutzig weiss. — Das mir vorliegende Exemplar ist ein Weibchen und hat 8 Zitzen, davon 9 Paar vorn an der Brust, zwischen und hinter den Vorderbeinen und 2 Paar hinten, zwi- schen und hinter den Hinterbeinen liegen. — Die Hauptmaasse unseres Exemplares von A. amurensis sind folgende: Länge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze. ....coeceeneereenne 138 Millim. » von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel.......2cc22220. IRRE ».. des Schwanzes ohne Endhaäre,..... .as = an alaieaie aminlera ejaa.eea 37 0 „der. Endhasre am :Schwanze.g „A. .,000:fe Aalen apellsfsa use m pi GdesiKippfesis nenn sn lelninte ehe late elle ele er ee a RR Breite des Kopfes unter den Augen... ..z2r2eeere0. ln ae gelesene 13: .» » » zwischen den Augen und der Nasenspitze........- ON Länge. der Augenspalte.....:...o.u10 san eis ens sole alaelä neinjels »nie 4» Entfernung zwischen dem vorderen Augenwinkel und der Nasenspitze.. 10 BOB Entfernung zwischen dem hinteren Augenwinkel und der Ohröffnung. . Ira Länge des Ohres, von der äusseren Ohrbasis an... .......... analeleee 15 » » » von der Incisur am äusseren Ohrlappen. .........: 1.3) 10h » » vom Scheitel........- Kenn el SRNaRe Ne 11 » arösste/Brerte des Ohres:. „u... 2. 1@srelence siteln alsle elle mare ne ee 14 » Länge der längsten Vihrisse..... -.asoosonsennenmnennencnnene ARME) «9, Meckhaare oben... „iin. sie ne ka see ee ee er nr Baar Deckhaareruntent 2. 3 MINI RE: 9. 2. ideslÜnterarmesi il a ee REN Fe AAN ee 16 » » » Vorderfusses bis zur Krallenspitze.... «2.2.2000... ..0% 10» nu al Schienbeineste. 12. NEE RE ee 23, 0 » » Hinterfusses, von dem Hacken bis zurKrallenspitze....... 18 » Es dürfte nach dieser Beschreibung nicht schwer sein A. amurensis von allen anderen Arvicola-Arten sogleich zu unterscheiden. Von den durch tiefe und scharfkantige, fast überall und namentlich auch am 2ten Backenzahne des Unterkiefers vollständig getrennte Schmelz- schlingen charakterisirten Arten scheidet sie sehr scharf die abweichende Zahnbildung ab. Von den mit ähnlicher Zahnbildung versehenen Arten, also der Untergattung Hypudaeus, näm- lich von der europäischen A. glareolus Schreb. und deren Varietäten, wie A. NageriSchinz, so wie von den asiatischen und nordeuropäischen Arten A. rutilus Pall. und A. rufocanus Sundev. unterscheidet sie sich aber durch die abweichende Bildung des ersten unteren Backenzahnes, dessen erste Schmelzschlinge, wie oben erwähnt, nicht vor, sondern nach aussen neben der 2ten, fast vollständig von ihr getrennten Schmelzschlinge liegt, wodurch der vordere Zahnrand wie mit einer Einkerbung versehen erscheint. Auch haben die beiden letzterwähnten Arten einen kürzeren Schwanz und kürzere Ohren, so wie eine andere Farbe, indem A. rutilus auf der Ober- seite mehr rostroth, nicht rothbraun, A. rufocanus aber auf der Unterseite mehr mausegrau, Arvicola [Hypudaeus) amurensis. A. rutilus. 135 nicht weisslichgrau wie A. amurensis ist. Endlich soll auch A. rutilus nach Pallas ') nur 2 Paar Abdominalzitzen und gar keine Brustzitzen haben, während A. amurensis 2 Paar Abdo- minal- und 2 Paar Brustzitzen hat. An jenen beiden Arten, A. rutilus und A. rufocanus, spricht sich auch der Charakter der Untergattung Hypudaeus, der in flachen, abgerundeten Schmelzbuchten und einer mangelhaften Berührung der Schmelzwände der Aussen- und Innen- seite der Zähne besteht, viel schwächer als bei A.glareolus und noch mehr bei A. amurensis aus. Jene beiden Arten bilden daher gewissermassen den Uebergang von der Untergattung Hypu- daeus zu den ächten Feldmäusen, A. arvalis, oeconomus u. s. w., während sich diese durch die Zahnbildung sowohl als auch im Gesammthabitus, durch längere Ohren und längeren Schwanz, mehr den ächten Mäusen nähern. Der Fundort meines Exemplares von A. amurensis ist der Nikolajewsche Posten, un- weit der Amur-Mündung, wo das Thier am 1%. (26.)Sept. beim Roden des Waldes gefangen wurde, indem es aus einem Erdloche unter der Wurzel eines Lärchenbaumes herauskam. Erwägt man, dass die dieser Feldmaus zunächst verwandte europäische Form, A. glareolus Sehreb., in ihrer Verbreitung ostwärts, nach den bisherigen Erfahrungen, bloss bis an die Wolga und den Ural geht ’), so möchte man geneigt sein A. amurensis als die jener west- lichen Art entsprechende Form im Osten Asiens zu bezeichnen. 40) Arvicola rutilus Pall. Die Amur- Exemplare dieser Feldmaus stimmen mit den sibirischen und europäischen Thieren, wie sie uns Pallas °), Nilsson ‘) u. a m. beschrieben haben, völlig überein. Auch die Färbung ist an den drei mir vorliegenden Exemplaren genau dieselbe. Diese ist oben rost- röthlichbraun, etwas schwarz gestichelt; auf der Schnauze, an den Seiten des Körpers und von hier über die Hinterschenkel nach der Schwanzwurzel hin ist die Farbe heller, gelblich- grau; unten grauweiss; der Schwanz ist oben dunkelgelblich und schwärzlich gemischt, unten hellweisslichgelb ; die Extremitäten sind weiss. Die Deekhaare sind oben von etwa 13 Millim. Länge, in ihrem unteren Theile, auf etwa 9 bis 10 Millim. Länge, dunkel schwärzlich grau, im übrigen, oberen Theile röthlichgelb, bisweilen an der äussersten Spitze schwärzlich. Sie wer- den von etwas längeren Oberhaaren überragt, welche im unteren Theile grau, dann blass- gelblich und am Ende mit einer langen schwarzen Spitze versehen sind. An den Seiten des Körpers und besonders über den Hinterschenkeln nach der Schwanzwurzel zu, wo die Farbe gelblichgrau ist, wird die Spitze der unten dunkel schwarzgrauen Deckhaare hellgelblich, und die schwarzen Oberhaare gewinnen ebenfalls hellgelbliche Spitzen , welche über den Hinter- 1) Novae Spec. Quadr. e Glir. ord. p. 249. 2) Pallas, Novae Sp. Quadr. e Glir. ord. p. 247. Blasius, Fauna der Wirbelth. Deutschlands. Bd. I. Naturgesch. der Säugethiere. p. 342. 3) Novae Spec. Quadr. p. 246. sqq. 4) Skandin. Fauna. 1847. I. p. 366. sqq. 136 Säugethiere. schenkeln und an der Schwanzwurzel die Länge von etwa 3—4 Millim. erreichen. Am Kopfe bleibt die Farbe aus hellgelblich und schwarzgespitzten Haaren gemischt. Unten haben die Deckhaare etwa 7 — 8 Millim. Länge, davon etwas mehr als die Hälfte, nämlich 5 Millim., auf den dunkelgrauen unteren Theil und die übrigen 3 Millim. auf die weisse Spi ze kommen. Diese typische Färbung, welche auch Pallas’s Abbildung ') wiedergiebt, findet sich an zweien unserer Amur-Exemplare; das 3!° aber weicht davon etwas ab. Es ist nämlich im Einzelnen zwar ebenso gezeichnet, aber viel heller, auf dem Rücken gelblichroth, schwarz gestichelt, an den Seiten graugelblich, unten weiss, theilweise mit schwachem schmutzig gelblichem An- fluge ; der Schwanz ist ebenfalls viel heller, oben gelblich mit schwarzgespitzten oder ganz schwarzen Haaren gemischt, unten einfarbig gelblich; über der Schwanzwurzel läuft von einem Hinterschenkel zum anderen eine verwaschene schwärzliche Binde, welche von der durch- schimmernden schwarzen Farbe unterhalb der gelblichen Spitzen an den Oberhaaren herrührt. Diese in ihrer geographischen Verbreitung bereits durch Steller”) und Pallas°) bis nach Kamtschatka bekannte, von Middendorff ‘) häufig am-Stanowoi-Gebirge gefundene Feldmaus kommt auch im gesammten Laufe des Amur-Stromes vor. Ich erhielt sie an der Mündung desselben und H.Maack brachte 2 Exemplare vom oberen Amur-Strome, das eine von der Mündung des Komar-Flusses, das andere (hellere) aus der Gegend oberhalb Alba- sin’s mit. Pallas berichtet, dass diese Maus den ganzen Winter hindurch munter bleibe und häufig über den Schnee hinlaufe. An der Mündung des Amur-Stromes fand ich sie jedoch am 115% (27.) Nov., bei einer Temperatur von etwa — 14° R., unter der Wurzel eines Baumstam- mes im Schlafe versunken liegen. In die Stube gebracht, wachte das Thier nach kurzer Zeit auf. Es scheint daher dieses Thier bei stärkerem Froste bisweilen auch in einen zeitweisen Winterschlaf zu versinken. 41) Arvicola amphibius L. 4. terrestris L. et Auct. Ein mitgebrachtes Exemplar der Wasserratte aus dem Amur-Lande gehört der helleren, kurzschwänzigen Varietät A. terrestris Auct. an. Der Schwanz derselben ist wenig länger als ein Drittheil des Körpers, indem die Länge des Körpers von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel 130, die des Schwanzes 45 Millim. beträgt. Die Farbe des Amur- Exemplares ist oben graubraun, an den Seiten heller, gelblichbraun, unten weissgrau mit schmutzig gelblichem Anfluge; die Extremitäten sind hellbraun, der Schwanz oben braun, unten weisslich. Die Deckhaare des Rückens sind von 15 — 17 Millim. Länge und von ver- schiedener Farbe: die meisten sind zweifarbig, in ihrem unteren Theile (auf etwa 12 Millim. Länge) dunkel schwarzgrau, im oberen entweder bräunlichgelb mit äusserster schwarzer Spitze, I) Nov. Sp. Quadr. tab. XIV. B. 2) Die von Steller (Beschreib. von dem Lande Kamtschatka. p. 129. Nota a.) unter dem Kamtschadalischen Namen Tschetanaustschu angeführte rothe Maus scheint A. rutilus Pall. zu sein. 3) Nov. Sp. Quadr.l. c. 4) Sibirische Reise. 1. c. p. 114, Arvicola amphibius. A. saxatllis. 137 oder einfarbig bräunlichgelb ; ihnen sind einfarbig schwarze Haare beigemischt. An den Sei- ten wird die Zahl der einfarbig gelblich gespitzten Haare grösser und die Farbe der Haar- spitzen heller gelblich. Auf der Unterseite endlich sind die Deckhaare von 10 —: 12 Millim. Länge, davon etwas über die Hälfte auf den dunkelgrauen Basaltheil und das Uebrige auf die weissliche oder gelbliche Spitze kommt. Arvicola amphibius kommt im Amur-Lande nicht häufig vor. Das oben beschriebene Exemplar erhielt ich durch Hrn. Maximowiez, der es im November (1854) erfroren auf einer mit Weiden bewachsenen Insel des Amur-Stromes in der Gegend von Kidsi fand. Ich selbst habe dieses Thier im September 1854 in einem Flussarme des Amur- Stromes zwi- schen sumpligen Inseln unweit vom Nikolajewschen Posten im Wasser schwimmen sehen, konnte seiner aber nicht habhaft werden. 42) Arvicola saxatilis Pall. Taf. VI. fig. 3. Diese seit Pallas nicht wiedergefundene Feldmaus liegt mir in einem von Hrn. Maxi- mowicz aus dem Amur-Lande mitgebrachten Exemplare vor. Die grösseren Ohren und der verhältnissmässig längere, dünnbehaarte Schwanz, welche sie den ächten Mäusen nähern, las- sen in ihr sogleich das von Pallas ') beschriebene Thier erkennen. Da jedoch die erste, von Pallas nach dem lebenden Thiere entworfene Beschreibung in Folge eines Unglücksfalles verloren gegangen ist und nur eine spätere dürftige Beschreibung dieses Thieres nach Fellen uns vorliegt, so dürfte hier eine genauere Beschreibung des Amur-Exemplares am Orte sein. Arvicola saxatilis gehört zu den ächten, mit scharfkantigen, nach innen tief einspringen- den und meist vollständig getrennten Schmelzschlingen versehenen Feldmäusen. Das Gebiss besteht aus 16 Zähnen. Die Vorderzähne sind ziemlich breit, gelb, die unteren heller gelblich. Von den Backenzähnen hat im Oberkiefer (Fig. 3. a.) der 1!° Zahn 5 vollständig getrennte Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten; der 2! hat 4 vollständig getrennte Schmelz- schlingen und aussen 3, innen 2 Kanten; der 31° hat 6 Schmelzschlingen , davon die 4 ersten vollständig, die beiden letzten unvollständig von einander getrennt sind; an der Aussenseite hat der 3te Zahn im Oberkiefer 3, an der Innenseite 4 Kanten und ausserdem eine nach hin- ten gerichtete, abgerundete Kante. Im Unterkiefer (Fig. 3. b.) hat der 1! Zahn 9 Schmelz- schlingen, davon die 3 vordersten unvollständig, die übrigen vollständig von einander ge- trennt sind; an der Aussenseite hat er 5 Kanten, davon die vorderste abgerundet ist und zur Endschlinge gehört, an der Innenseite 6 Kanten, von denen die vorderste, ebenfalls zur End- schlinge gehörig, sehr wenig vorspringt. Der 2!° Zahn im Unterkiefer hat 5 vollständig ge- trennte Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten ; der 3!®hat 3 vollständig getrennte Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten. — Im Gaumen sind 9 Falten, von denen 4 in 1) Nov. Sp. Quadr. e Glir. ord. p. 255. sqq. Schrenek Amur-Reise Bd. 1. 18 138 Säugelhiere. der Zahnlücke zwischen den Vorder- und Backenzähnen liegen. Von diesen ist die vorderste 3eckig, die 2te und 3!° einfach bogenförmig, in der Mittellinie nicht unterbrochen; die 4!e , unmit- telbar vor dem ersten Backenzahne entspringend, ragt jederseits nach hinten und innen in den Zwischenraum zwischen den Zahnreihen hinein und ist in der Mitte unterbrochen. Auf diese folgen zwischen den Zahnreihen 5 schwache, ziemlich parallele, in der Mitte mehr oder we- niger unterbrochene Falten, deren letzte von der 1!°n Innenkante des 3!en Backenzahnes ent- springt. — Die Lippen sind fleischig; die Oberlippe aussen und innen, die Unterlippe unten und am Rande behaart. Inwendig am Mundwinkel liegt eine drüsige, mit langen, weisslichen Haa- ren bedeckte Warze.— Die Nasenlöcher sind rundlich-nierenförm’g, mit der hohlen Seite nach hinten gerichtet, vorn durch eine Mittelfurche von einander getrennt. Die Schnauze über und unter denselben ist bis auf die Nasenwülste stark behaart. — Die Bartborsten sind kürzer als der Kopf, verschiedenfarbig: schwarz, schwarz im unteren Theile und weiss am oberen Ende. und ganz weiss. — Das Auge liegt in der Mitte zwischen der Nasenspitze und der Ohröfflnung. — Das Ohr hat über ein Drittheil der Kopfeslänge, ist von ovaler Form und tritt aus dem Pelze her- vor; es ist aussen und innen ziemlich behaart, an der Basis inwendig mit langen Haaren ver- sehen. — Die Extremitäten sind ziemlich robust. Am Vorderfusse ist die Daumenwarze klein, mit kurzem Nagel; der 2° Finger ist am längsten ; der 15!® reicht ohne Nagel bis an die Ballen- basis des 2ten; der 3le ist nur wenig kürzer als der 2te und reicht ohne Nagel bis zur Ballen- mitte des 2ten- der 4t® reicht mit dem Nagel bis zur Balleubasis des 3ten. Die Mittellinger sind weniger tief als die seitlichen gesondert; die Zehen unten geringelt. Die Sohle der Vor- derfüsse hat 5 länglich-rundliche Schwielen, davon die 3 vorderen an der Basis von je 2 auf einander folgenden Zehen, die beiden anderen hinter jenen in einer Querreihe in der Gegend des Daumens liegen ; die innere der letzteren. an der Basis des Daumens, ist die grösste. Die Sohle ist nackt; der Fuss und die Zehen sind oben und an den Seiten stark behaart; die Haare an der Basis der Nägel die Nägel an Länge überragend. Am Hinterfusse ist der 3!® Finger am längsten; der 21° reicht ohne Nagel bis an die Ballenmitte des 3ten; der 41° ist um ein Gerin- ges länger als der 2!® und kürzer als der 3!e; der 5!® reicht mit der Kralle beinahe bis an die Ballenbasis des Aten; der 1s!e reicht ohne Nagel beinahe bis an die Basis des 2ten Fingers. Der Ste und 4te Finger sind etwas weniger tief von einander gesondert als der 21° und 3!° ; die seitlichen sind viel tiefer gesondert. Die Sohle des Hinterfusses hat 5 längliche Schwielen, da- von die 4 vorderen in 2 schiefen, einander fast parallelen Reihen an der Basis der Zehen liegen, die 5!®, hinterste, am Innenrande des Fusses hinter der 42, an der Daumenbasisgele- genen Schwiele sich befindet. Die Zehen sind unten geringelt und ebenso wie die Sohle nackt; der Fuss an den Seiten und oben und die Fusswurzel unten, bis an die hinterste Schwiele, stark behaart; die Haare an der Basis der Nägel von ansehnlicher Länge, die Nägel weit überragend. — Der Schwanz ist ziemlich dünn und wird gegen das Ende noch dünner ; er ist ohne Haar- pinsel beinahe von halber, mit demselben von mehr als halber Körperlänge, schwach behaart, mit durchschimmernden Schuppenringen ; die Behaarang an demselben ist ziemlich gleich- mässig, nur an der äussersten Spitze länger. — Die Farbe des Amur-Exemplares ist der Be- Arvieola saxatilıs. 139 schreibung und Abbildung von Pallas ') entsprechend : oben dunkelröthlich graubraun, nach den Seiten zu heller, unten scharf abgesetzt weissgrau; die Extremitäten bräunlich ; der Schwanz oben braun, unten weisslich. Die Dee!ihaare der Oberseite sind von 10 Millim. Länge, in ihrem unteren Theile, auf etwa 6 Millim. Länge, schwarzgrau, im oberen röthlich- gelb, an der äussersten Spitze bisweilen schwärzlich. Ueber die Deckhaare ragen einzelne längere, etwa 13 Millim. betragende, ganz schwarze oder bisweilen auch mit röthlich - gelb- licher Spitze versehene Oberhaare hervor. Unten sind die Deckhaare von 7 Millim. Länge, ebenfalls zweifarbig: in der Wurzelhälfte, auf etwa 4 Millim. Länge, dunkelgrau, im oberen Theile weisslich. Die Nägel sin: weisslich. — Das mir vorliegende Exemplar ist ein erwachsenes Weibchen und hat 8 Zitzen, davon 2 Paar vorn, zwischen und hinter den Vorderbeinen, und 2 Paar hinten, zwischen und hinter den Hinterbeinen liegen. — Die Maasse des Thieres sind folgende: Länge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze..........-...2...20....160 Millim. » von der Nasenspitze his zur Schwanzwurzel...........2...2......103 » ardesıSchwanzes/ohne Endhaare. v. 2.22.20. kai sie die ecke RO Dessder Eridhaare am SCHWANZE...... . 2. 2 ielaee erohete stelenıe leder nielenerere AU 68 dis Kanye ee anne ea ion oa menden Nucenspaltes 2 en... 0 a ala oem n elatejeiemimle ele nl erere eine meine ERED . Entfernung zwischen dem vorderen Augenwinkel und der Nasenspitze..... 11» » zwischen dem hinteren Augenwinkel und der Ohröflnung...... 11 » Länge der längsten Vibrisse (ungefähr)... ......-.er20reerennunne 26 » » des Ohres von der-äusseren Basis an........-ve.er2200.. a1 | rn rosBtesBreitendesstOhres 3-0 04 de ae ie ae enmln el A lenevokelnänie ade ler ehe NUN ED Länge des Oberarmes.. „.....-...--.-..2000... ee ee » Dsdeslnferarmes. 2.2... 0.0000> a Ne ERDE EN EHRE Note BLZ AED Ds des Vorderfusses bis zur Krallenspitze. .. 2.2.0. .2enuen.nou 0.2.41 2n » des Hinterfusses vom Hacken bis zur Krallenspitze ............. 20 » Es bleibt mir nun noch übrig A. saxatilis gegen die nächstverwandten Arten prägnanter abzugränzen. Nach der Zahnbildung, und namentlich der Anzahl von Schmelzschlingen am jten unteren Backenzahne, steht A. saxatılis unter den europäischen Thieren nur A. arva- is Pall. und A. campestris Blas., so wie den Arten A. subterraneus Selys und A. Savii Selys nahe, von welchen letzteren sie sich aber sehr entschieden schon durch die Körper- verhältnisse, durch längere Ohren und eine grössere Anzahl und verschiedene Lage der Zitzen entfernt ?). Von den ersteren ist sie durch die Anzahl von Schwielen an der Sohle des Hinter- I) 1. c. tab. XXIIT. B. 2) Beide letztgenannten Arten, A. subterraneus und A. Savii, haben nach Blasius (Fauna der Wirbelth. Deutschlands. I. p. 336 u. 387) 4 Zitzen, welche in der Ahdominalgegend liegen. Nach Selys (Etudes de micro- mammalogie. Paris 1839. p. 101 u. 103) sellıst aler hat erstere 6, letztere 8 Zitzen, welche ‘alle in der Abdominal- und Inguinalzegend liegen. * 140 Säugethrere. fusses verschieden, deren jene 6, A. saxatilis nur 5 hat. Zwar giebt Blasius ') auch A. sa- zatilis 6 Knorpelschwielen an der Sohle des Hinterfusses, allein es ist wohl anzunehmen, dass er keine Exemplare der wirklichen A. saxatilis vor sich gehabt habe. Von beiden ist sie auch ferner durch den längeren, dünnbehaarten Schwanz, durch die Form der vorderen Schmelz- schlingen am 1te2 unteren Backenzahne und von A. campestris auch durch die Anzahl der Kan- ten am 3ten oberen Backenzahne unterschieden. Was die nahe verwandten sibirischen Arten betrifft, so unterscheidet sich A. saxatilis von denselben, ausser der abweichenden Form des ten unteren und bisweilen auch des 3ten oberen Backenzahnes, von den meisten, wie A. oeco- nomus Pall., A. gregalis Pall., A. socialis Pall. und der seit Middendorff’s°) Beschreibung genau bekannten A. obscurus Eversm., auch durch längere Ohren und besonders durch einen viel längeren Schwanz. Die einzige ihr in dieser Beziehung näher kommende sibirische Art A. al- karius Pall. unterscheidet sich aber von ihr, abgesehen von der verschiedenen Farbe, schon durch eine geringere Anzahl von Zitzen, deren A. saxatilis 8, A. alliarius nach Pallas ‘) nur 6 hat. Pallas hielt A. saxatilis für eine nur Transbaikalien und der Mongolei eigenthüm- liche Form. Wir müssen aber diese Gränzen ostwärts auch über das Amur-Land erweitern, indem unser Exemplar von Hrn. Maximowiez am linken Ufer des Amur-Stromes nahe un- terhalb seines Durchbruches durch das Bureja-Gebirge am 12. (24.) August 1856 gefangen worden ist. 43) Arvicola MWaximowiezii Schrenck n. sp. Taf. VI. fig. 4 u. 5. Durch Hrn. Maximowiez haben wir aus dem Amur-Lande eine Feldmaus erhalten, - welche ich trotz der genauesten Vergleichung mit den bisher beschriebenen und theils auch in unserem Museum vorhandenen, vielfachen Arten dieses Geschlechtes, dennoch unter keine der bisher bekannten Arten zu bringen weiss. Ich sehe mich daher genöthigt dieses Thier für eine neue Art zu halten, muss aber bedauern die Beschreibung nur nach einem einzigen und dazu nicht ganz gut erhaltenen Exemplare entwerfen zu müssen. A. Maximowiezü reiht sich dem Gesammthabitus wie dem Charakter der Zahnbildung nach den ächten Feldmäusen an. Die Schmelzschlingen der Backenzähne sind tief einspringend und scharfkantig und die Schmelzwände der Aussen- und Innenseite berühren sich vollständig, so dass die Schmelzschlingen, bis auf die vordersten am 1t°2 Unterkiefer- und die hintersten am 3ten Oberkieferzahne, vollständig von einander getrennt sind. Die speciellen Charaktere betreflend, hat A. Maximowiezü ziemlich breite und starke Vorderzähne, von gelber Farbe; die oberen glatt und ohne Furchen. Von den Backenzähnen hat im Oberkiefer (Fig. 5. a.) der 1ste Zahn 5 vollständig getrennte Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten; der l) 1. c. p. 337. 2) Sibirische Reise. 1. c. p. 109. sqgq. 3) Nov. Sp. Quadr. p. 253. Arvicola Maximowieziü. 141 2t° Zahn hat 4 vollständig getrennte Schmelzschlingen und aussen 3, innen 2 Kanten; der 3!® Zahn hat 6 Schmelzschlingen, davon die % vordersten vollständig, die beiden hintersten aber unvollständig von einander getrennt sind. An der Aussenseite des 3ten Zahnes sind 3, an der Innenseite 4 Kanten und eine abgerundete Kante nach hinten und etwas nach innen. Im Unterkiefer (Fig. 5. 6.) hat der 1t® Zahn 9 Schmelzschlingen, von denen die 3 vordersten unvoll- ständig, die übrigen vollständig von einander getrennt sind; an seiner Aussenseite sind 5 Kanten, von denen die vorderste sehr schwach ist, an der Innenseite 6. Der 2te Zahn im Unterkiefer hat > vollständig getrennte Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten ; der 3te hat 3 voll- ständig getrennte Schmelzschlingen und aussen und innen 3 Kanten. — Im Gaumen sind 10 Fal- ten, davon 5 in der Zahnlücke zwischen den Vorder- und Backenzähnen und 5 zwischen den Zahnreihen des Oberkiefers liegen. In der Zahnlücke ist die 1ste Falte ungefähr 3eckig ; die 2!e einfach bogenförmig;; die 3 folgenden bestehen aus einem in der Mitte geknickten und mit der Spitze nach hinten gerichteten Bogen, wobei die erste derselben in der Mittellinie gar nicht, die 2!° schwach und die 31° deutlich unterbrochen ist; letztere, die 5!®, entspringt unmittelbar vor dem ersten Backenzahne und reicht in der Mittellinie weit in den Zwischenraum zwischen den Zahnreihen hinein. Es folgen nun 5 Falten zwischen den Backenzahnreihen, davon die 3 ersten, von der 2ten und 3ten Innenkante des ten Backenzahnes und der ten Innenkante des 2tenBackenzahnes entspringend, ziemlich schwach, flach bogenförmig und in der Mittellinie unter- brochen sind; die beiden letzten, von der 2er his letzten Innenkante des 3ten Backenzahnes ent- springend, steigen bogenförmig nach vorn und innen auf, die vorletzte mit einer in der Mittellinie nach vorn gerichteten Spitze, die letzte einfach mit einer leisen Spur von Unterbrechung an der Mitttellinie. — Die Lippen und die Schnauzenspitze sind bis auf die Nasenwülste behaart. Das Auge liegt etwas näher zur Ohröffnung als zur Schnauzenspitze. Das Ohr beträgt mehr als ein Drittheil, ja keinahe die Hälfte der Kopfeslänge. — Die Extremitäten sind ziemlich schwach. Am Vorderfusse ist die Daumenwarze klein, mit kurzem, stumpfem Nagel versehen; der darauf folgende, 1t® Finger reicht mit der Kralle bis zur Ballenmitte des 2ten Fingers; der 21° und 3° Finger sind ziemlich gleich lang und am längsten ; der 4te Finger reicht mit der Kralle bis zur Ballenbasis des 3ten, Die Mittelfinger sind weniger tief gesondert als die seitlichen. Die Sohle der Vorderfüsse hat 5 Schwielen, von denen die 3 vorderen an der Basis der 1ten his Aten Zehe, die 2 hinteren in einer Reihe in der Gegend des Daumens liegen; die innere der letzteren, an der Basis des Daumens, ist am grössten. Die Zehen sind unten gerin- gelt; die Sohle nackt; der Fuss und die Zehen oben und an den Seiten behaart; die Haare an der Basis der Nägel ziemlich lang, die Nägel an Länge überragend. Am Hinterfusse reicht die erste, innerste Zehe mit der Kralle bis an die Basis der 2ten; die 2° ist nur wenig kürzer als die 3t® und reicht ohne Nagel bis an die Ballenmitte der 3!en; die 3!e und 4!e sind gleich lang und am längsten; die 5° reicht mit der Kralle beinahe bis zur Ballenbasis der 4ten , Die Sohle des Hinterfusses hat 5 längliche Schwielen, davon die 4 vorderen in 2 schiefen, einander fast parallelen Reihen zwischen der Basis je zweier auf einander folgender Zehen liegen und die 5t® hinter der Schwiele der Daumenbasis am inneren Rande des Fusses sich belindet. Die 142 Säugelhiere. Zehen sind unten geringelt ; die Sohle nackt; der Fuss und die Zehen oben und an den Seiten, so wie die Fusswurzel unten bis an die Schwiele des Daumens stark behaart. Die Nägel sind ziemlich stark, weisslich. — Der Schwanz ist von der Länge des Kopfes, beinahe gleich einem Drittheil der Körperlänge. — Die Farbe dieses Thieres ist oben rothbraun, schwarz ge- stichelt, an den Seiten heller, unten scharf abgesetzt gelblichweiss. Die Extremitäten sind grau. Der Schwanz ist oben schwarzbraun, unten scharf abgesetzt weisslich; die Schwanzspitze ziemlich steifhaarig, zumeist aus den schwarzbraunen Haaren der Oberseite des Schwanzes gebildet. Die Deckhaare der Oberseite sind im unteren, längeren Theile dunkel schwärzlich- grau,im oberen röthlich mit feiner schwarzer Spitze, manche auch einfarbig röthlich; sie wer- den von längeren, ganz schwarzen Haaren überragt. Auf der Unterseite sind die Deckhaare im unteren Theile grau im oberen gelblichweiss. Das mir vorliegende Exemplar ist ein Männ- chen. Die Maasse desselben sind folgende: .113 Millim. Gesammtlänge von der Nasen- bis zur SChwanzspitze.t.e Braten er Länge von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel.........22erco000. 81» yedesSchwanzes’ohne Endhaare a. man Nena 2 ED » vederäfinnhaare am SChwanzen es See a ee N » al 258 10 Re RER IR ro un 0 er och ner bien » Entfernung zwischen dem vorderen Augenwinkel und der Nasenspitze..... 10 » » zwischen dem hinteren Augenwinkel und der Ohröflnung..... 7 » Länge der Augenspalte. ......2...e.ocnaudoeocacsnaneneenae een m » des Ohresvontder-äusseren Basıs an 2 » BreiterdenOhrese m ee ee ee RL ee ALL » langerdes |Oberammiesse 2. ea 0 Mel de meet een AR A Runen ee) » DANFdessunteHanntesie en een te ee ee ea ER et ae a » » "des Vorderfusses "bis zur Krallenspitze. 2.2... una en. sr DYANSChENKEISHERTE de ana a ae ee Ra EUR ERLEN Wer -Beite, .JER VORN TE EEBER: ser Schienbeimessttenteisiee mer ee Sie pre laafaca a nl ben) Eule lee Te Ehe ern nee LEERE} » des Hinterfusses vom Hacken bis zur Nagelspitze .............. 19» Heben wir nun prägnanter die Hauptkennzeichen hervor, durch welche sich A. Mazi- mowiezü von den ihr zunächst stehenden Arten unterscheidet. Die Abgränzung muss hier na- mentlich gegen die Gruppe der ächten Feldmäuse, d. i. unter den europäischen Thieren gegen A. arvalis Pall., A. campestris Blas. und die kurzöhrigen A. subterraneus Selys und A. Savır Selys, und unter den asiatischen Formen gegen A. oeconomus, A. greyalis u. a. m. geschehen, da A. Maximowiezii von den anderen Gruppen desselben Geschlechtes durch die Zahnbildung zu sehr unterschieden ist, um eine Verwechselung zuzulassen. Von A. arvalis und A. eampestris unterscheidet sie sich sowohl durch die Form der Schmelzschlingen am 1!en unteren (und von A. campestris auch am 3!en oberen) Backenzahne, als auch durch die Anzahl der Hinterfuss- schwielen, deren jene 6, 4. Maximowiezii nur 5 hat. In diesem letzteren Punkte stimmt sie mit der Untergruppe Microtis Selys überein. Durch die Länge des Ohres aber untersche:- Arvieola Maximowiezu. 143 det sie sich von beiden europäischen Arten, A. subterraneus und A. Savii, jener Untergruppe; von letzterer Art ausserdem auch durch einen längeren Schwanz und eine andere Anzahl von Schmelzschlingen am 3!en oberen Backenzahne. Mit A. subterraneus Selys scheint A. Maxi- mowrezii die grösste Aehnlichkeit in den Charakteren zu haben, unterscheidet sich jedoch eben- falls durch eine etwas andere Form der Schmelzschlingen am ften unteren Backenzahne und durch etwas andere Körperverhältnisse, namentlich durch längere Ohren und wie es scheint durch einen kürzeren Schwanz. Das Unterscheidende von den asiatischen Formen muss ebenfalls hauptsächlich in der Form der Schmelzschlingen, dann in den Verhältnissen der Ohr- und Schwanzlänge und endlich in der Farbe gesucht werden. Von A. gregalis Pall., wofür ich das in Weingeist aufbewahrte Exemplar von A. Maximowiezii anfangs hielt, steht mir leider weder ein Schädel, noch eine Abbildung desselben zur Vergleichung der Zahnbildung zu Gebote. Allein Keyserlingund Blasius') geben als charakteristisches, nur der A. gregalis zuliommendes Kenn- zeichen an, dass dieselbe am ten Backenzahne im Unterkiefer nur 8 Prismen habe, während 4. Maximowiezü ihrer 9 hat. Auch unterscheidet sie sich von A. gregalis, nach den Maass- angaben von Pallas % durch einen etwas längeren Schwanz und durch eine viel dunklere und röthlichere Farbe. Von A. oeconomus Pall. ist unsere Art durch die abweichende Form des ersten unteren Bacisenzahnes sehr unterschieden : zwar ist die Anzahl von Schmelzschlin- gen dieselbe, allein die vordere Endschlinge ist bei A. oeconomus von den anderen weniger getrennt und etwas nach aussen gekehrt, während sie bei A. Maximowiezii schärfer getrennt und nach innen gekehrt ist, wodurch auch die Zahl der Innenkanten des 1ten unteren Backen- zahnes hei le!zterer eine grössere wird. Endlich ist auch die Farbe dunkler als bei A. oecono- mus. Mit A. obscurus Eversm. ist schon wegen des längeren Schwanzes bei A. Maximowiezii keine Verwechselung möglich; noch weniger bei Vergleichung der Zahnbildung, welche eben- falls in der Form des 1e0 unteren und 3!e0 oberen Backenzahnes verschieden ist °). Eine grös- sere Aehnlichkeit im Zahnbau hat A. Maximowiezu mit A. saxatilis Pall.; allein auch hier ıst der Unterschied in der Form der Endschlinge des fen unteren Backenzahnes sehr ausge- sprochen; auch lassen der bei A. saxatilis verhältnissmässig viel längere Schwanz und die ver- schiedene Färbung keine Verwechselung zu. Von den Arten A. socialis Pall. und A. alliarius Pall., von denen mir keine zuverlässig denselben angehörende Schädel oder Zahnabbildungen zu Gehote stehen, ist unsere Art durch die dunklere, roihbraune Farbe und durch den länge- ren Schwanz unterschieden. Von den meisten der genannten Arten müsste sich endlich 4. Ma- ximowiezü auch durch die Anzahl der Schwielen an der Sohle des Hinterfusses unterscheiden, da A. oeconomus, greyalis, socialis und saxatiis nach Blasius’s ‘) Angaben 6 Hinterfuss- schwielen besitzen sollen, A. Maximowiezü aber ihrer nur 5 hat. Dass diese Angabe von Bla- sius jedoch für A. saxatilis nicht richtig sei, habe ich bereits oben bemerkt. 1) M&moires presentes ä l’Acad. des Sc. de St. Petersb. par divers savants. T. IV. 1845. p. 332. 2) Nov. Spec. Quadr. p. 245. 3) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. tab. XI. 4) ]. c. p. 387. 144 Säugelhiere. Diese Feldmaus ist von Hrn. Maximowiez am oberen Amur-Strome, an der Mündung des Flusses Omutna in denselben, auf sandigem Boden unter Weidengebüschen am 7. (19.) October 1856 gefangen worden. 44) Siphneus Aspalax Pall. Mus Aspalax Pall. Nov. Sp. Quadr. e Glir. ord. p. 165. Tab. X. I) Spalaz talpinus Pall. Zoogr. Rosso-Asiatica. I. p. 159. Ein Exemplar dieses Thieres, das wir aus dem Amur-Lande haben, stimmt mit dem sibirischen Thiere und mit der Beschreibung von Pallas ganz überein. Nur finde ich Pallas’s Angabe über die verhältnissmässige Länge der Zehen und Nägel am Hinterfusse des Thieres nieht ganz richtig. Nach Pallas soll nämlich am Hinterfusse der 21° Finger der längste sein und einen grösseren Nagel als der etwas kleinere 3!® Finger haben. An dem Amur - Exem- plare dagegen und an 6 altaischen Exemplaren unseres Museums ist der 3!° Finger am längsten : er ist etwas grösser und auch stärker gebaut als der 2'. Am Amur- Exemplare ist an dem einen Hinterfusse auch der Nagel des 3ten Fingers etwas länger als der des 2ten, indem jener 4, dieser nur 3 Millim. misst; am anderen Fusse aber sind die Nägel des 2ten und ten Fingers einander gleich und zwar je 3 Millim. lang. — In der Farbe und Zeichnung lässt unser Amur- Exemplar ebenfalls genau dasselbe Thier erkennen : es ist oben röthlich- aschgrau, Stirn und Ohrgegend weisslich grau; Unterseite grau, stellenweise bald mehr weiss- lich, bald mit schwachem röthlichem Anfluge versehen. Betrachtet man die einzelnen Haare genauer, so findet man sie auf dem Rücken von etwa 12 Millim. Länge, zweifarbig: im un- teren, längeren Theile, auf etwa 9 Millim. Länge, dunkel mausegrau, an der Spitze röthlich- weisslich ; ihnen sind nur wenige statt der hellröthlichen mit schwarzen Spitzen versehene Haare beigemischt. Auf der Unterseite sind die Haare kürzer, im unteren Theile heller grau, im oberen weiss oder blassröthlich wie auf dem Rücken. Der Schwanz ist bis auf wenige kurze weissliche Härchen nackt. Dieses von Laxmann in den Vorbergen des Altai-Gebirges entdeckte, nach Pallas in Transbaikalien jenseits des Stanowoi-Gebirges zwischen der Jngoda und dem Argunj, also an den Quellarmen des Amur-Stromes, hauptsächlich häufige Thier ist von Hrn. Maack auch am Amur-Strome und zwar etwas unterhalb der Komar - Mündung gefunden worden. Nach der Beschaffenheit des Landes zu urtheilen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass es auch weiter unterhalb am Strome, zum wenigsten bis an das Bureja - Gebirge, vorkommen dürfte. Im unteren Amur-Lande aber ist mir keine Spur dieses Thieres begegnet. 1) Im Texte des genannten Werkes ist irriger Weise auf p. 168. für Mus Aspalax tab. VIII statt X, und ebenso auf p. 158. für Mus Typhlus tab. VII statt VIII citirt, ein Druckfehler, der sich schon aus der Explicatio Iconum, p. 386, berichtigen lässt. an Castor Fiber. Lepus variabilis. 145 45) Castor Fiber L. Bekanntlich hat Middendorff keine Spur des Bibers im Stanowoi-Gebirge gefunden '). Ich habe ihn ebenfalls vergeblich am Amur-Strome und dessen Zuflüssen gesucht. Gleichwohl kann er in jenen wenig bevölkerten, zum Theil nur von Nomaden durchstreiften Wildnissen nicht wohl durch Nachstellnngen bereits so weit ausgerottet sein, dass auch die Kunde von demselben unter den Eingeborenen verloren gegangen sein sollte. Erwägt man dazu, dass meine Reisen im Amur-Lande sich fast immer längs dem Laufe der Flüsse bewegten, so scheint es wohl erlaubt, das Vorkommen des Bibers im Amur-Lande völlig in Abrede zu stellen. Dasselbe dürfte auch für die Insel Sachalin gelten. Auch ist mir durch mündliche Mittheilungen bekannt, dass der russisch-amerikanischen Companie während des einen Win- ters, von 1853 auf 54, als sie eine temporäre Handelsstation in der Bai Aniwa hatte, von den Eingeborenen der Insel niemals ein Fell des Bibers zugebracht worden ist. Desgleichen weiss Siebold nichts von seinem Vorkommen in Japan. 46) Hepus: variabilis Pall. Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste der Insel Sachalin: chyi und chyik. “ou « des Innern und der Ostküste von Sachalin: ossjk und kanak (d.h. der Weisse). « « Mangunen, Golde unterhalb des Geong-Gebirges, Ssamagern (Kile am Gorin): toksa und tochsa. « « Golde zwischen dem Geong-Gebirge und dem Ussuri: tochsa und golmochong. “u « zwischen dem Ussuri und Ssungari: gurmacho. « « Biraren, Monjagern, Orotschonen: toksake. Der Schneehase kommt im Amur-Lande in seiner typischen Form, mit veränderlichem, im Winter bis auf die schwarze Spitze der Ohren vollkommen weissen Kleide vor. In dieser Tracht habe ich ihn oft auf meinen Winterreisen im Amur-Lande gesehen. Der Schädel eines solehen Thieres aus dem unteren Amur-Lande stimmt, nach genauer Vergleichung, mit dem des europäischen Thieres ganz überein. Das Hinterhauptsbein springt an demselben ebenfalls mit abgerundeter Schneppe in die Scheitelbeine vor und die Stirnbeine schieben sich mit ziem- lich spitzer Schneppe in der Medianlinie zwischen die Nasenbeine vor ?). Letztere scheinen auch im Vergleich zu den Nasenbeinen von L. europaeus Pall. (L. timidus L.) weniger entwickelt zu sein. Die Gesammtlänge des Schädels vom Amur-Exemplare beträgt 95, die grösste Breite an den lochbögen 50 Mill. — Ein Herbstexemplar vom selben Hasen, das ich am 2. (14.) Oet. vom Flusse Kamr in der Umgegend des Nikolajewschen Postens erhielt, ist im Wechsel der Sommer- in die Wintertracht begriffen. Es ist bereits in seinem grössten Theile weiss, am Kopfe und Mittel- rücken aber noch roströthlich gemischt. Am Kopfe ist namentlich der Nasenrücken licht rost- 1) Sibirische Reise. 1. c. p. 115. 2) Middendorff, Ueber die als Bastarde angesproch. Mittelform. zwisch. L. europ. Pall. und Z. variab. Pall. S. Bull. phys.-math. T. IX. 4? 14—16. Dsgl. Melanges biologiques. T. I, p. 245. Schrenck Amur-Reise Bd. I. 19 146 Säugethiere. röthlich ; die Stirne und der Scheitel sind etwas dunkler roströthlich mit schwarzen Haaren gemischt und wenig durchschimmerndem Weiss, indem hier aus dem weissen Wollhaar und den anwachsenden, noch kurzen, etwa 9 bis 10 Millim. langen, weissen Deckhaaren andere, längere Haare, von etwa 16 — 19 Millim., hervorragen, welche theils, und zumeist, in der Basalhälfte grau, in der Endhälfte schwarz mit roströthlicher Spitze oder auch mit rost- röthlichem Bande unterhalb der schwarzen Spitze, theils ganz schwarz sind. Die Kopfseiten unterhalb der Augen sind weiss, mit wenigen röthlich und schwarz gezeichneten Haaren un- termischt. An den Ohrwurzeln und auf dem Oberhalse ist das Fell fast rein weiss, mit sehr wenigen röthlich und schwarz gezeichneten Haaren. Die Ohren erreichen angedrückt die Schnauzenspitze nicht; sie sind auf der Aussenseite vorn röthlich mit schwarz gemischt wie die Stirn , hinten weiss, an der Spitze, und zwar am Aussen- und Innenrande gleichmässig, dunkel schwarzgrau; auf der Innenseite sind die Ohren schmutzig weisslich, nach dem Aussen- rande zu gelblichgrau. Die Mittellinie des Rückens ist roströthlichgrau mit durchschimmern- dem Weiss, indem hier aus dem weissen Wollhaar theils weisse, theils und zumeist schwarze, mit grauer Basalhälfte und röthlichem Bande unterhalb der schwarzen Spitze versehene Dec'haare von etwa 25 Millim. Länge hervorragen, welche von einzelnen ganz weissen und ganz schwarzen Stichelhaaren von etwa 37 Millim. Länge überragt werden. Diese Farbe der Mittellinie des Rückens bricht nach den Seiten sehr unregelmässig und verwaschen ab, indem das Weiss mehr und mehr überhand nimmt. Die Unterseite endlich ist vom Unterkiefer an, mit Ausnahme des Halses, wo sich schwarz und röthlich gezeichnete Haare finden, rein weiss. Die Extremitäten sind ebenfalls weiss, mit wenigen eingemengten röthlichen Härchen, welche sich namentlich an den Vorderbeinen von der Schulter auf das Bein hinabziehen; die Läufe sind schmutzig gelblich. Der Schwanz ist weiss, auf der Oberseite mit einzelnen, theils schwar- zen, gegen die Spitze hin mit röthlichem Bande versehenen, theils ganz schwarzen, und theils auch weissen, schwarzgespitzten Haaren untermischt. — Das eben beschriebene Exemplar bietet zum Theil den Uebergang zu einem reinen Sommerfell, das wir durch Hrn. Maack aus dem Amur-Lande erhalten haben und das von ungemein dunkler Farbe ist. Letzteres gehört eben- falls nach allen Charakteren, und namentlich nach der geringen Länge der Ohren, welche angedrückt die Schnauzenspitze nicht erreichen, nach der kurzen, hellen, oben dunkel asch- grauen Schnauze, nach dem grauen, mit röthlichen Spitzen gezeichneten Wollhaare der Ober- seite, nach dem Mangel des weissen Streifens hinter dem Auge, nach der geringen Grösse und nach der ziemlich, wenn auch nicht ganz zugespitzten vorderen Stirnbeinschneppe, unzweifel- haft zu L. variabilis. Der Kopf desselben ist genau wie an dem oben beschriebenen Exemplare, aber ohne durchschimmerndes Weiss und vielleicht um ein Geringes dunkler roströthlich, schwarz gestichelt. Die Ohren sind auf der Aussenseite vorn roströthlichgelb, stärker schwarz gestichelt, hinten schmutzig gelblichgrau, an der Spitze dunkel schwarzgrau ; die schwarze Farbe reicht auswendig an beiden Ohrrändern gleich weit, inwendig am Innenrande etwas tiefer abwärts als am Aussenrande. Der Rücken ist rostgelblichbraun, schwarz gestichelt, nach den Seiten zu mehr rostgelblichgrau, am Hinterrande der Schenkel schwärzlichgrau. Die Un- Pr en nn Lepus vartabilis. Lagomys hyperboreus. \ 147 terseite ist weiss, mit Ausnahme des Halses und der Vorderbrust, die rostgelblichgrau sind. Die Extremitäten sind aussen rostgelblichgrau, an den Enden dunkler, auf der Innenseite weiss. Der Schwanz ist unten weissgrau, oben schwärzlichgrau. Am ganzen Körper finden sich im Deckhaare auch einzelne weisse Haare eingestreut. — Nicht weniger als dieses Som- merfell zeichnet sich auch das Bruchstück vom Felle eines jungen Thieres dieser Art, das ich im Amur-Lande erhielt, durch dunkle Farbe aus. Das Wollhaar desselben ist ziemlich reich- lich, auf der Rückenseite grau mit röthlichgrauen Spitzen ; die Deckhaare sind im unteren Theile grau, im oberen dunkel schwarzbraun mit gelblicher Spitze oder gelblichem Bande un- terhalb der schwarzen Spitze, von längeren, theils ganz schwarzen, theils gelblich gespitzten Stichelhaaren überragt. Der Schneehase kommt im gesammten Amur-Lande, so weit ich dasselbe kennen gelernt habe, vor. Im Laufe des Amur-Stromes und seiner Zuflüsse fand ich die Eingeborenen allent- halben mit ihm als einem sehr gewöhnlichen und häufigen Thiere bekannt. An der Meeres- küste konnten sie ihn mir nach Süden bis über die Bai Hadshi, d.i. bis über den 49 Breiten- grad hinaus angeben. Vorzüglich oft habe ich das Thier oder zum wenigsten Felle oder Spu- ren desselben auf meinen Winterreisen im unteren Amur-Lande gesehen. Sowohl in den Wäl- dern am Ufer des Stromes und in den Nebenthälern desselben, als auch auf den ofleneren Flächen und zwischen den Weidengebüschen der Amur-Inseln sieht man im Winter den Schnee von zahlreichen Hasenfährten durchkreuzt. Besonders war das auch in dem mit mannigfaltigem Terrain und sehr gemischter Waldung versehenen Gorin- Thale der Fall. Die Hasenspuren sind es auch, welche den Zug der Hunde vor dem Schlitten oft in Unord- nung bringen, indem sie dieselben seitab vom Wege locken. Nicht minder häufig als auf dem Continente kommt der Schneehase auf der Insel Sachalin vor, wo ich Felle und Spuren des- selben an beiden Küsten und im Innern der Insel oft genug gesehen habe. Ohne Zweifel ist er dort auch bis an die Südspitze der Insel verbreitet. 47) Lagomys hyperboreus Pall. Taf. VII. fig. 1 u. 2. Taf. VII. fig. 1 u. 2. Bei den Orotschonen am Amur: ischrpa. Ein paar von Hrn. Maack aus dem Amur-Lande mitgebrachte Pfeifhasen dieser Art, welche ich mit den Exemplaren unseres Museums verglichen habe, nöthigen mich etwas ge- nauer auf die verschiedenen Farbenzeichnungen dieser seit Pallas ') nicht wieder beschriebe- nen Thierart einzugehen. Es liegen mir nämlich’ 10 Exemplare dieses Thieres aus verschie- nen Gegenden des östlichen Sibiriens von Kamtschatka bis an den Amur vor, welche einerseits die von Pallas nach Winterfellen aus dem Tschuktschen-Lande entworfene Be- schreibung bestätigen, und andererseits durch abweichende Färbungen uns über den Varia- tionskreis dieser noch wenig bekannten Thierart belehren. !) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 152, 148 Säugethiere. Gehen wir zunächst auf die von Pallas gegebene Beschreibung dieses Thieres ein, so fin- den wir dieselbe Färbung nur an einem unserer Exemplare genau wieder. Es ist dieses ein von Hrn. Wosnessenski im Cholsanischen Gebirge, im Innern des südlichen Kamtschatka’s, am 9. (21.) August erbeutetes Thier. Für dieses (Taf. VII. fig. 1.) können wir die Beschrei- bung von Pallas fast wörtlich brauchen. Der Rücken des Thieres ist längs der Mittellinie graubräunlich, der Scheitel mehr rostfarben, die Seiten des Kopfes, Halses und Rumpfes rost- farben; die Unterseite ist heller rostgelblich (nach Pallas gelblichweiss); die Ohren sind weiss- lich gerandet, die Bartborsten (wie auch an allen übrigen Exemplaren) theils schwärzlich mit weisser Spitze, theils einfarbig schwärzlich oder weisslich ; die Extremitäten sind schmutzig gelblichweiss, die Nägel braun. Bei solcher Uebereinstimmung mit der Pallas’schen Beschrei- bung muss es auffallen, dass unser kamtschatkisches Exemplar kein Winter-, sondern ein Sommerfell ist. Es dürfte uns das schon die Folgerung erlauben, dass L. hyperboreus im Sommer und Winter genau dieselbe Färbung habe, wofür übrigens noch mehrere Belege unter unseren Exemplaren vorliegen. Doch kann ich mit Pallas darin nicht übereinstimmen, dass auch in der kürzeren Behaarung, und namentlich des Rückens, ein Charakterzug von L. hy- perboreus zu finden sei, da ich die Deckhaare des Rückens am Sommerfelle von etwa 16, am Winterfelle von 20—22 Millim. Länge finde, wogegen allerdings ein Winterfell von L. alpı- nus Pall. 23 — 25 Millim. lange Deckhaare, ein anderes von L. ogotona Pall. dagegen nur etwa 18 Millim. lange Deckhaare hat. Von dieser oben beschriebenen Form, welche wir, weil sie die zuerst und schon durch Pallas bekannt gewordene ist, als die typische Form oder Var. normalis bezeichnen wollen, giebt es nun mehrere Abweichungen in der Färbung und namentlich zwei markirtere, in wel- chen entweder die eine, oder die andere der beiden, in der Var. normalis neben einander vor- handenen, rostrothen und graubraunen Farben überwiegend wird und welche wir daher als Var.ferruginea und Var.cinereo-fusca bezeichnen können, und eine 3!®, zwischen diesen beiden stehende, durch Verbleichung der rostrothen Farbe in eine gelbliche und durch theilweises Sicheinfinden der graubräunlichen Farbe bezeichnete Mittelform, welche wir Var. cinereo-flava nennen wollen. Was nun zunächst die erste derselben, die Var. ferruginea betrifft, so liegen uns zwei an demselben Orte und zur selben Zeit wie jenes Exemplar der Var. normalis, nämlich im Chol- sanischen Gebirge in Kamtschatka am 3. (15.) und 7.(19.) Aug. von Hrn. Wosnessenski erbeutete Exemplare von L. hyperboreus vor, welche uns über die Färbung dieser Varietät und den Uebergang der Var. normalis in dieselbe belehren können. Betrachtet man nämlich die Zeich- nung der einzelnen Haare, welche an der letzteren die eigenthümliche Färbung hervorbringen, so findet man, dass die von den rostfarbenen Seiten deutlich, aber nicht scharf, sondern ziemlich verwaschen gesonderte graubraune Färbung des Rückens dadurch entsteht, dass die in ihrer Basalhälfte (wie auch an allen brigen Exemplaren) dunkelgrauen Deckhaare in dem kürzeren oberen Theile schmutzig gelblich, mit kürzerer oder längerer schwärzlicher Spitze gezeichnet sind. An den Seiten haben dagegen die Deckhaare einfach rostgelbliche Spitzen. Doch üindet Lagomys hyperboreus. 149 man unter diesen letzteren auch welche, an denen der rostgelbliche Endtheil des Haares eine kurze schwärzliche Spitze hat, was namentlich nach dem Rücken zu mehr und mehr der Fall ist. Dabei wird zugleich in derselben Richtung auch die rostgelbliche Farbe des Endtheiles der Deckhaare etwas dunkler, so dass an den Gränzen des graubraunen Rückenstreifens eine mehr rostbraune Färbung entsteht, welche sich unregelmässig gegen den graubraunen Rückenstreifen absetzt und stellenweise auch mitten in jenen hineinreicht. An der Var. ferruginea (Taf. VII. fig. 2.) nimmt nun diese rostbraune Färbung so weit überhand, dass der graubraune Rücken- streifen ganz verschwindet. Das Thier ist alsdann längs dem ganzen Rücken rostbraun und wird von hier aus nach den Seiten zu allmählig heller rostfarben, wie auch die Var. normalis, indem die schwarzen Spitzen der Deckhaare allmählig schwinden und auch ihr rostfarbner Endtheil heller, rostgelblich wird. Die Unterseite endlich ist entweder hell rostgelblich, oder, wie Pallas angiebt und wie auch eines meiner Exemplare darthut, gelblich weiss. — An diese beiden kamtschatkischen Exemplare der Var. ferruginea schliesst sich ferner ein Exemplar aus dem östlichen Sibirien, von den Ufern des Flusses Maja an, das am 12. (24.) Sept. von Hrn. Wosnessenski erbeutet worden und das zwar genau wie jene gezeichnet ist, aber in Folge der längeren schwärziichen Spitzen der Deckhaare eine etwas dunklere, rothbraune Farbe am Rücken hat. Zugleich ist an diesem Exemplare die Färbung der Kopfseiten und des Nackens nicht sowohl rosifarben, als vielmehr gelblich graubraun, wie zum Theil bei der Var. normalis, in- dem die Deckhaare hier im Endtheile heller, gelblich (nicht röthlich) und mit schwarzer Spitze gezeichnet sind. — Mit diesem letzteren Thiere stimmt ferner im hohen Grade überein ein Exemplar vom Flusse Olenek, am 2. (14.) October von Hrn. Maack erhalten, das sich von jenem nur durch eine etwas mehr ausgesprochene graubraune Färbung der Kopfseiten und des Nackens auszeichnet, während dagegen der Schnauzenrücken von der Nase an mehr rostbraun als an dem vorhergehenden Thiere ist. — Ziemlich von derselben Zeichnung, nur durchweg von hellerer Farbe ist auch ein 21°, zur selben Zeit und an demselben Orte erbeutetes Exemplar von Z. hyperboreus. Dieses ist überhaupt das hellste von allen mir vor- liegenden Exemplaren, indem an demselben alles Rostfarbene zu einer schwach röthlich-gelb- lichen Tinte verblichen ist. Die Oberseite ist daher weniger rostbraun als gelblichbraun, die Seiten des Kopfes, Halses und Rumpfes weniger rostfarben als schwach röthlich - gelblich zu nennen, und die Unterseite ist schmutzig gelblichweiss, Diese Verschiedenheit der Färbung fällt deutlich in die Augen, wenn man das letzterwähnte Exemplar gegen die beiden oben be- schriebenen kamtschatkischen Exemplare der Var. ferruginea hält, findet aber an dem zwi- schenerwähnten Thiere von der Maja und dem ersten Exemplare vom Olenek ganz allmäh- lige und unmerkliche Uebergänge. — An das hellste Exemplar vom Olenek reiht sich end- lich sehr nahe ein Exemplar von L. hyperboreus von Udskoi Ostrog an, das während der Reise Hrn. von Middendorff’s am 18. Febr. (2. März) erbeutet worden ist und von dem- selben bei Beschreibung seiner zoologischen Ausbeute im reichen Materiale übersehen wor- den ist. Dieses Exemplar (Taf. VIII. fig. 1.) ist von dem hellsten Thiere vom Olenek kaum und nur darin verschieden, dass es an den Kopfseiten und besonders am Nacken eine um ein 150 Säugethiere. Geringes merklichere Einmischung von gelblich-graubrauner Farbe zeigt. Diese letzterwähnten, durch Verbleichung der röthlichen Tinte in eine gelbliche und durch eine theilweise schon graubräunliche Färbung markirten Exemplare sind es, welche wir als Var, cinereo-flava be- zeichnen. — Von ihr findet durch allmählige weitere Zunahme der graubraunen Farbe der Uebergang zur graubraunen, sogar schwärzlichen Form des Amur-Stromes, der Var. cinereo- fusca statt. Unter den 3 Amur-Exemplaren von L. hyperboreus liegt mir ein solches, beide letzteren Farbenvarietäten deutlich vermittelndes Exemplar vor. Hält man dieses neben dem Exemplare von Udskoi Ostrog, so findet man am Hinterrücken des Amur-Exemplares die- selbe gelblichbraune Farbe wie an jenem; am Vorderrücken aber und nach dem Nacken zu verschwindet die röthlich-bräunliche Farbe mehr und mehr und macht einer graubräunlichen Platz, welche auch an den Exemplaren von Udskoi Ostrog und vom Olenek am Nacken und an den Kopfseiten zum Theil sich kundgiebt. Neben dem Exemplare von Udskoi Ostrog erscheint also das erwähnte Amur-Exemplar als eine ganz allmählige Abstufung und zwar als fortgesetzte Verbleichung der röthlichen und gelblichen Farben in Grau. Hält man es da- gegen neben einem der rostfarbenen Exemplare Kamtschatka’s, so ist die gelblich-grau- braune Farbe sehr auffallend. Indem nun diese letztere Farbe den gelblichen Ton noch weiter verliert und in Grau umsetzt, wird die Färbung dunkler graubraun mit etwas schwärzlichem Anfluge. Dies ist denn die Var. cinereo-fusca, die wir in zweien, von Hrn. Maack am oberen Amur-Strome, am 18. (30.) Mai und am 20. Mai (1. Juni), erbeuteten Exemplaren besitzen. An diesen (Taf. VIN. fig. 2.) ist die ganze Rückenseite des Kopfes und Rumpfes graubraun, der Schnauzenrücken etwas heller graubraun, das Ende des Hinterrückens mit etwas röthlicher Einmischung ; die Seiten des Kopfes, Halses und Rumpfes, so wie die Unterseite des Halses sind röthlichgrau ; die ganze übrige Unterseite und die Extremitäten sind heller, schmutzig röthlich- und gelblich-grau. Entfernt sich die Var. cinereo-fusca in dieser extremen, wenn auch allmählig vermittelten, graubraunen, mit schwärzlichem Anfluge versehenen Färbung sehr von den rostfarbenen Exemplaren Kamtschatka’s, so schliesst sie sich doch wieder nahe an die ganz zuerst genannte, typische Form an, um so den ganzen Variationskreis von L. hyperboreus zu schliessen. Vergleicht man nämlich diese beiden letztgenannten Formen unter einander, so findet man, dass die graubraune Farbe der Amur-Form dieselbe ist, welche an der typischen Form längs dem Rücken verläuft, und nur um ein Geringes dunkler ist als jene. Während sie sich aber bei letzterer gegen die Seiten hin deutlich absetzt, um einer rostrothen Farbe Raum zu geben, breitet sie sich bei den Amur- Exemplaren, allmählig verblassend, auch nach den Seiten aus und lässt diese nur röthlichgrau, statt rostfarben, erscheinen. Desgleichen zieht sich die graubraune Farbe an den Amur-Exemplaren auf den Kopf und bis zur Nasenspitze fort, während sie bei der Var. normalis früher abbricht und am Kopfe zumeist durch eine rostrothe Farbe ersetzt wird. Es nimmt also bei der Var. cinereo-fusca, im Vergleiche zur Var. normalıs, ebenso die graubraune Farbe überhand, wie wir es oben an der Var. ferruginea mit der rost- rothen und rostbraunen Farbe gesehen haben. Und so dürfte denn die Var. normalis als die Mittelform zwischen den nach verschiedenen Seiten auseinander gehenden, aber untereinander u Lagomys hyperboreus. 151 durch die Var. einereo-flava vermittelten Färbungen der Var. ferruginea und Var. cinereo-fusca angesehen werden. Es entsteht nun die Frage, ob und in wie weit diese verschiedenen Farbenvarietäten von L. hyperboreus auch mit verschiedenen Gebieten der geographischen Verbreitung dieser Thier- art in Beziehung stehen? Aus den uns vorliegenden Exemplaren scheint allerdings eine solche Beziehung deutlich hervorzugehen. Durch Pallas, der einzigen Quelle unserer bisherigen Kenntniss von L. hyperboreus, war bloss das Tschuktschen-Land als Heimath dieses Thieres bekannt. Wir sehen nunmehr die Gränzen seiner Verbreitung weit nach Süden und Westen sich erweitern. Denn nach den uns vorliegenden Exemplaren bewohnt L. hyperboreus das ganze östliche Sibirien, von dem Tschuktschen-Lande und dem Olenek im Norden bis nach der Südspitze Kamtschatka’s und dem Amur-Lande im Süden. Innerhalb dieses Verbreitungs- gebietes tritt Z. hyperboreus in mehreren Farbenvarietäten auf, welche in folgender Beziehung zu den einzelnen Theilen seines Verbreitungsgebietes zu stehen scheinen. Auf der Halbinsel Kamtschatka scheint die am meisten röthliche, rostfarbene und rosibraune Form, die Var. ferruginea, am Amur dagegen, und zwar am oberen Strome, die am wenigsten röthliche und dagegen dunkelste, graubraune und schwärzliche Färbung, die Var. cinereo-fusca vorzuherrschen. Während so die beiden extremen Färbungen sich auch an den äussersten und zugleich südlich- sten Punkten des Verbreitungsgebietes von L. hyperborens finden, kommen in dem zwischenliegen- den Theile des östlichen und nördlichen Asiens die Mittelfärbungen vor, und zwar scheint nach Norden von Kamtschatka, im Tsehuktschen-Lande die durch einen graubraunen Rücken- streifen gezeichnete Mittelform, die Var. normalis vorzuherrschen, während westlich davon, am Olenek und von dort nach Süden zum Amur hin, an der Maja, bei Udskoi Ostrog u.s. w. die durch Verbleichen der röthlichen Tinten in gelbliche und durch eine mehr und mehr sich einstellende graubraune Farbe charakterisirte Mittelform, die Var. cinereo - flava vor- herrscht. Diese Verbreitung der Farbenvarietäten von L. hyperboreus giebt uns demnach wie- derum einen Beleg für die schon mehrmals ausgesprochene Bemerkung, dass nämlich die Ge- gend am oberen Amur-Strome durch das Ueberhandnehmen schwarzer Farben an seinen Thier- arten sich auszeichnet. In Beziehung auf Kamtschatka erinnert uns aber das Verhalten von L. hyperboreus an das ähnliche Verhalten der Füchse, deren rötheste Varietät, die russisch sogenannten Ognjofki (oder Feuerfüchse), ebenfalls auf jener Halbinsel sich findet. Was nun noch die specielle Verbreitung von L. hyperboreus im Amur-Lande betrifft, so rühren jene drei Exemplare vom oberen Strome, eines von der unteren Schilka, die beiden anderen vom Amur selbst nahe dem Zusammenflusse der Schilka und des Argun) her. Dort am oberen Amur-Strome habe ich ebenfalls oft das schrille Schreien von Pfeifhasen an den zerklüfteten Felsen der Flussufer gehört. Leider konnte ich aber dieser scheuen Thiere selbst nicht habhaft werden. Ich vermuthete anfangs, dass diese schrillen Töne von einer der Arten L. ogotona oder, noch wahrscheinlicher, Z alpinus kämen, und glaubte auf diese letztere Art auch die oben erwähnte Bezeichnung dieses Thieres bei den Monjagern beziehen zu müssen. Da jedoch Z. hyperboreus bisher die einzige im Amur-Lande nachgewiesene Pfeit- 152 Säugethiere. hasen-Art ist, so wird wohl Beides auf diese Art zu beziehen sein. Aus dem unteren Amur- Lande habe ich keine Exemplare dieses Thieres erhalten, zweifle jedoch nach seinem Vorkom- men bei Udskoi-Ostrog nicht, dass L. hyperboreus auch in den Gebirgen an der Amur-Mündung vorkommen dürfte. Merkwürdig bleibt es mir aber, dass ich sein Pfeifen dort niemals gehört habe. V. PACHYDERMATA. 48) Sus serofa L. a) S. scrofa ferus Gmel. Bei den Giljaken: ajara und ajerda. « « Mangunen, Golde unterhalb des Ussuri, Kile am Gorin und Kur: nyghty. « « Golde oberhalb des Ussuri: nykta. « « Biraren und Monjagern: torok:. « « Orotschonen: tokalagda. « « Dauren: gagha. Das Wildschwein scheint im Amur-Lande durchaus von derselben Beschaffenheit wie im westlicheren Asien oder inEuropa zu sein, Das von mir mitgebrachte Fell eines jungen Weib- chens, das noch kein volles Jahr alt und im Februar-Monat im unteren Amur-Lande bei Ssamachagdu, nahe der Chelasso-Mündung, erlegt worden war, ist von «gemischter, schwarzer und gelblichbrauner Farbe. Es ist allenthalben mit dichtem, graubraunem Woli- haare bedeckt, aus welchem braunschwarze, unterhalb ihrer Spitze mit schmutzig gelbem Bande gezeichnete Borsten hervorstehen, die von anderen, längeren, ganz schwarzen Borsten überragt werden. Auf der Stirne, dem Nacken und dem Vorderrücken befindet sich ein Bor- stenkamm, der von längeren, gemischten, theils ganz schwarzen, theils nur in ihrem unteren Theile braunschwarzen, im oberen schmutzig gelblichen, bisweilen wiederum mit schwärz- licher Spitze versehenen Haaren gebildet wird. Die Ohren und die Schwanzspitze sind ganz braunschwarz. Die Extremitäten sind an diesem Felle mangelhaft vorhanden und von ge- mischter, schwärzlicher und gelblich-brauner Farbe, an alten Thieren im Amur-Landeshabe ich sie jedoch von ganz braunschwarzer Farbe gesehen. Zwei Schädel junger Thiere von dersel- ben Art aus dem Amur-Lande, die noch das Milchzahngebiss mit 5 Backenzähnen tragen und darnach kein volles Jahr alt sein können, bieten mir im Vergleich zu kaukasischen Schädeln dieser Thierart nichts Bemerkenswerthes dar. Nach den von mir gesehenen und theils auch mitgebrachten Hauern und Extremitäten alter Thiere zu urtheilen, muss das Wildschwein im Amur-Lande von ganz ansehnlicher Grösse sein, was auch mit den Angaben der Einge- borenen übereinstimmt. RT rn nn nme ne nn “ N Sus serofa. 153 Die geographische Verbreitung des Wildschweines betreffend, wurde bis zu Midden- dorff’s Reise, den Angaben von Pallas \ zufolge, der Baikal-See und die Lena für die öst- liche Verbreitungsgränze des Wildschweines gehalten. Middendorff brachte zuerst Nach- richten von dem Vorkommen desselben weiter ostwärts, in der Mandshurei, und zwar sollte es den Aussagen der Jakuten und Tungusen zufolge in den morastigen Niederungen des linken Amur-Ufers nicht selten sein und an der Bureja mit dem Jorach, einem linken Zu- Nusse derselben, seine nördliche Verbreitungsgränze erreichen ?). Wir können nun diese von den Eingeborenen eingezogenen Nachrichten Middendorff’s, so weit sie den Amur - Strom betreffen, aus unseren Erfahrungen bestätigen und zugleich auch nach Süden und Osten erweitern. In dem betreffenden Theile des Amur-Stromes, oberhalb des Bureja-Gebirges, wo derselbe die Bureja aufnimmt, fand ich den tungusischen Stamm der Biraren mit dem Wild- schweine durchweg unter dem oben erwähnten, auch von Middendorff ermittelten Namen «toroki» bekannt. Ihren Aussagen gemäss, ist es in diesem mit einem ausgesprochenen Prairie- charakter und mit niedrigen, oft sumpfigen Ufern versehenen Theile des Stromes zu beiden Seiten desselben ein häufiges Thier. Das ist jedoch nicht der einzige vom Wildschweine be- wohnte Theil des Amur-Stromes; es kommt vielmehr auch weiter ober- und unterhalb und fast im gesammten Laufe des Amur-Stromes vor. In der ersteren Richtung, stromaufwärts, kennen es über jenen Prairietheil des Stromes hinaus die Monjagern, und zwar unter demselben Namen wie die Biraren, und noch weiter aufwärts die Orotschonen bis über den Anfang des Amur-Stromes oder den Zusammenfluss der Schilka und des Argunj hinaus. Strom- abwärts von der Bureja- Mündung gegangen, findet man das Wildschwein in der südlichen Biegung des Amur-Stromes noch häufiger als in jenem oberen Prairietheile desselben. Es gilt dies namentlich für den Durchbruch des Amur-Stromes durch das waldreiche Bureja - Ge- birge, für die niedrigen, sumpfreichen Prairieen unterhalb des Bureja-Gebirges bis zum Us- suri, wo die Ufer des Amur-Stromes oft auf weite Strecken hin von hohem, diehtem Schilfe bewachsen sind, und von dem an feuchten, üppigen Laubholzwaldungen und sumpfigen Inseln reichen Laufe des Amur-Stromes unterhalb der Ussuri-Mündung. In dem zuletzt erwähnten Theile des Amur-Stromes konnte ich durch die dortigen Eingeborenen, denen das Wild- schwein ein Gegenstand vielfacher Jagd ist, manches Genauere über die Verbreitung dieses Thieres erfahren. Am Ussuri nannten es die Golde der Gefahr wegen, die es dem Jäger bringt, unmittelbar nach dem Bären. Dort und am unterhalb gelegenen Amur-Laufe werden von den Eingeborenen jährlich viele dieser Thiere erlegt, da das Fleisch derselben von ihnen zur Nahrung, das Fell aber in derselben Weise wie das Bärenfell bei den Giljaken und Man- gunen, d. i. zu Decken in den Sommerzelten und auf Reisen benutzt wird. In solcher Häu- figkeit bleibt das Wildschwein am unteren Amur-Strome am linken Ufer bis zum Gorin und am rechten wohl bis zum Chelasso, da es noch beim Dorfe Ssamahagdu, gleich unterhalb der Mündung des letzteren Flusses, wo ich im Winter 1855 drei jüngst erlegte Individuen I) Zoogr. Resso-Asiat. I. p. 266. 2) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 116. Schrenck Amur-Reise Bd. I. 20 154 Säugelhiere. dieses Thieres sah, zahlreich sein soll. Von dort an aber wird es, mit der Abnahme der Laub- holzwaldung, in raschem Maasse seltener. Dennoch kommt es weiter unterhalb und nordwärts am Amur-Strome noch an den Flüssen Jai, Kada und wohl bis zur Mündung des Chase- lach-Flusses vor, da ich etwas oberhalb des letzteren, im Dorfe Aure noch die Hauer eines nach Angabe der dortigen Eingeborenen in der Umgegend erlegten Thieres gesehen habe. Unterhalb der Chaselach-Mündung aber kommt das Wildschwein, nach den einstimmigen Aussagen der Giljaken, nicht mehr vor. Es ist dieser Punkt am Amur-Strome, an der Gränze zwischen der Mangunen- und Giljaken-Bevölkerung gelegen, zugleich auch ein merklicher Wendepunkt in dem Vegetationscharakter der Amur-Ufer, indem mit dem Gebirge nördlich von demselben auch eine viel nordischere Natur mit ausschliesslicherer Nadelholzwaldung beginnt. Vergleicht man denselben mit dem von Middendorff an der Bureja ermittelten nördlichsten Punkte der Verbreitung des Wildschweines, so liegt er ziemlich unter demselben Breitengrade, vonetwa514°N. Eine Linie, die man vom Chaselach-Flusse am unteren Amur zum Jorach an der Bureja zieht, würde uns also die nördlichste Verbreitungsgränze des Wildschweines im Amur-Lande bezeichnen. Westwärts dürfte diese Linie über den oberen Lauf der Dseja und jedenfalls nördlich vom oberen Amur verlängert werden. Nach Osten aber vom Amur, zur Meeresküste hin, scheint die Polargränze des Wildschweines sich mehr nach Süd zu- senken, da der Amur-Liman und wohl auch der nördliche Theil der Meerenge der Tartarei, viel- leicht bis zur Bai de Gastries, nach den Aussagen der Eingeborenen zu urtheilen, von der Verbreitung des Wildschweines ausgeschlossen sind. Südlich von der Bai de Gastries dage- gen soll es an der Meeresküste und an den dort einmündenden Flüssen, wie dem Tumdshi u. a. m., vorkommen. Gewiss scheint für eine solche Senkung der Polargränze des Wild- schweines nach der Meeresküste hin auch der Umstand zu sprechen, dass an diesen Küsten ein nordischer Naturcharakter viel weiter siüdwärts als im Amur-Thale vordringt. Mit dem Feh- len des Wildschweines am Amur-Limane steht endlich auch das Fehlen desselben auf der Insel Sachalin im Einklange. In ihrer nördlichen Hälfte wenigstens, soweit das Gebiet der Giljaken geht, kommt es, nach den wiederholten und einstimmigen Angaben dieser Eingebo- renen, weder an den Küsten, noch im Innern der Insel vor. Ob es südlicher von Sachalın, auf Jesso und den Japanischen Inseln vorkomme, muss noch dahingestellt bleiben, da Tem- minck bekanntlich das japanische Wildschwein als eine besondere Art, Sus leucomystax, un- terscheidet, welche er zugleich auch für die Stammart des in Japan gezogenen (siamischen) Hausschweines hält. Das Wenige jedoch, was uns bisher über diese neue Art bekannt ge- worden ist, eine Abbildung nämlich und die wenigen, mit derselben nicht übereinstimmenden Worte Temminck’s, dass es meist von ganz schwarzer Farbe sei '), ist für die Unterscheidung einer besonderen Art noch keinesweges hinreichend. Aus diesem Grunde nun und weil anderer- seits die Verbreitung des Wildschweines im Osten Asien’s nunmehr bis an die Meeresküste erwiesen ist, liegt uns die Vermuthung nahe, dass Sus leucomystax Temm. ebenfalls nur das !) Siebold, Fauna Japonica. Mammalia. Dec. I. p. 6. Tab. 20. Sus scrofa. 155 gemeine, europäisch-asiatische Wildschwein sei, welches sich vom Festlande auch nach den anliegenden japanischen Inseln verbreitet habe. b) S. scrofa domesticus Briss. Bei den Giljaken: o/ghonk. « « Mangunen, Golde und Ssamagern: o/ge und orge. « « Biraren und Monjagern: ulge. Das Hausschwein ist auf doppeltem Wege in das Amur-Land gebracht worden: einmal und zuerst durch die Chinesen von Süden und auf dem Landwege, und dann durch die Russen von Norden und auf dem Seewege. Bloss auf dem ersteren Wege jedoch hat es bisher eine theilweise Einbürgerung im Amur-Lande gewinnen können. Es findet sich nämlich als Haus- thier in den mit Viehzucht, Feld- und Gartenbau beschäftigten Ansiedelungen der Chinesen, Mandshu und Dauren im oberen Prairietheile des Sachali- oder oberen Amur-Stromes. Von dorther ist es denn auch den Monjagern und Biraren dem Namen und Ansehen nach bekannt, ohne jedoch in ihren Haushalt selbst Eingang gefunden zu haben. Etwas mehr Ter- rain als bei diesen nomadischen Jagdvölkern hat das Hausschwein, durch Vermittelung der Mandshu undChinesen vom Ssungari, bei den sesshafteren Golde am Ssungari, Ussuri und am Amur-Strome noch eine Strecke weit unterhalb der Ussuri-Mündung gewonnen. Am Ussuri namentlich habe ich bei den Golde im Dorfe Agdeki eine ordentliche und ver- hältnissmässig ansehnliche Schweinezucht gefunden. In geringerem Maasse findet sich eine solche auch in vielen grösseren Golde-Dörfern am Amur, wie in Da, Naichi, Ssargu u.a.m. Dort hatten wir daher auf unserer Reise oft Gelegenheit von den Eingeborenen einzelne Thiere im Kaufe zu erstehen, die bei unseren spärlichen Vorräthen an Lebensmitteln uns wesent- liche Dienste leisteten. Doch ist das Fleisch dieser Thiere nur sehr unschmackhaft, da die Golde als Fischervolk auch ihre Schweine mit Fischen zu füttern genöthigt sind. Weiter ab- wärts von den genannten Dörfern am Amur-Strome, gegen die nördliche Gränze der Golde- Bevölkerung hin und bei den Mangunen hört die Schweinezucht ganz auf, und findet man immer nur einzelne Thiere, die stets in der Gefangenschaft, sei es in einer bretternen Abthei- lung im Hause der Eingeborenen selbst, oder aber in kleinen, eigens dazu hergerichteten Häuschen, ähnlich den Bären gehalten werden. Diese Thiere rühren entweder aus den Golde-Dörfern oberhalb, oder auch direkt vom Ssungari durch Vermittelung der Handels- reisen chinesischer Kaufleute oder der Eingeborenen selbst her. Beim Mangel eigener Zucht müssen jedoch stets wieder neue Thiere von oberhalb gebracht werden. In diesem unteren Stromtheile bleibt daher das Schwein nur ein Handelsartikel der chinesischen Kaufleute und der oberen Golde, der aber bei den Eingeborenen am unteren Amur nur wenig Nachfrage findet. Man sieht ihn daher auch verhältnissmässig nur sehr selten bei ihnen. Mir ist es am unteren Amur begegnet, einzelne Schweine in den Dörfern Bitschu an der Gorin-Mündung, Mongole und Pulj zu sehen. Letzterer Ort, an der nördlichen Gränze der Mangunen-Bevöl- kerung gelegen, ist zugleich auch der äusserste am Strome, wo ich das Hausschwein geschen * 156 Säugelhiere. habe. Denn in den giljakischen Dörfern ist es mir niemals zu Gesichte gekommen, weder am Amur-Strome selbst, noch an der Meeresküste, noch endlich auf der Insel Sachalin. Wir sehen also die Gränze der Schweinezucht am unteren Amur -Strome ziemlich mit der Gränze goldischer und diejenige einzeln gehaltener Thiere mit der Gränze mangunischer Bevölke- rung am Strome zusammenfallen, das Gebiet der Giljaken aber bisher noch ganz ausserhalb der Culturheimath dieses Thieres liegen. Unabhängig nun von dieser durch die Mandshu und Chinesen vermittelten Verbrei- tung des Hausschweines im Amur-Lande, welche stromabwärts geht und bisher weder die Mündung des Amur-Stromes, noch die Meeresküste erreicht hat, ist dieses Hausthier auch auf einem zweiten Wege in das Amur-Land und zwar grade in die bis dahin von ihm noch unberührten Gebiete, die Mündung des Stromes und die Meeresküste, gebracht worden. Es geschah dies im Jahre 1854 durch die russische Fregatte «Pallas» und im folgenden Jahre durch die von Kamtschatka nach der Bai de Gastries angelangten Schiffe. Von beiden Ma- len hatten sich jedoch bis zum Jahre 1856 keine Thiere mehr im Amur-Lande erhalten, da einige derselben sehr bald in den waldigen Wildnissen der Umgegend sich verliefen, und die übrigen, bei den geringen Lebensmitteln jener Colonieen in den Kriegsjahren, hingeschlachtet werden mussten. So fand also bis zum Jahre 1856 russischerseits noch keine Schweinezucht im Amur-Lande statt. Es wäre endlich möglich, dass das Hausschwein noch auf einem dritten Wege in das Amur-Land gebracht worden sei. Nach Siebold’s Angaben züchten nämlich die Japanesen das Hausschwein und zwar die siamische Race desselben (s. oben). Durch deren Vermittelung könnte daher das Hausschwein auch zu den Aino der Insel Sachalin gelangt sein. Während meines kurzen Besuches der japanischen Colonie in der Bai Aniwa auf Sachalin, im Jahre 1854, habe ich jedoch keine Hausschweine daselbst gesehen. VI. RUMINANTIA. 49) Ovis (Aegoceros) montana Desm. Da Middendorff das Vorkommen dieses Wildschaafes im Stanowoi-Gebirge an den Quellen des Utschur und im Gebirgskamme Chaptscha, östlich vom Flusse Polowinnaja, wie überhaupt im Küstengebirge des Ochotskischen Meeres nachgewiesen hat '), so lag es nahe dieses Thier auch in den Gebirgen des Amur-Landes und namentlich der Amur- Mün- dung und der Meeresküste der Mandshurei zu erwarten. Sämmtliche Nachfragen jedoch, 2) Middendorft, Sibirische Reise. L c. p. 116. Ovis (Aegoceros) monlana. O. arıes. 157 die ich desshalb bei den Eingeborenen des Amur-Landes anstellte, führten zu negativen Re- sultaten. Das Horn eines Wildschaafes von Kamtschatka, das ich zu diesem Zwecke vielen Giljaken und Mangunen zeigte, war sämmtlichen unter ihnen unbekannt, und hatten die- selben dergleichen im Amur-Lande niemals gesehen. Auch bin ich selbst bei ihnen niemals auf Bruchstücke von Wildschaafhörnern gestossen, ob es mir gleich bei den meisten Thier- arten begegnet ist, durch Bruchstücke irgend welcher Art, die ich bei den Eingeborenen fand, auf die erste Spur ihres Vorkommens im Amur-Lande geleitet zu werden. Es kommt mir daher wahrscheinlich vor, dass jenes von Middendorff ermittelte Vorkommen von Ovis mon- tana in den Gebirgen an den Utschur-Quellen und östlich von der Polowinnaja die Süd- gränze dieses Thieres bezeichne, über welche hinaus es nach der Mündung des Amur-Stro- mes zu nieht mehr vorkomme, gleichwie es nach Middendorff’s Erkundigungen auch weiter westwärts, in den Gebirgen an den Ssilimdshi-Quellen, auf ausdrückliche Aussage der Tun- gusen, nicht mehr zu finden sein soll. 50) ®vis aries L. Bei den Giljaken: chosom. « « Mangunen, Golde, Ssamagern: choni und ema. « « Biraren und Monjagern: konin. « « Orotschonen: der Schaafsbock — baran (von den Russen entlehnt), das weibliche Schaaf — njami. « « Dauren: chon:. Das Schaaf wird im Amur-Lande nur am oberen Ussuri und, in grösserer Menge, am Ssungari gezüchtet. Am Sachali- oder oberen Amur-Strome hingegen, wo bei den Mandshu, Chinesen und Dauren Rindviehzucht und Feldbau in allgemeinem Gebrauche sind, habe ich seltsamer Weise keine Schaafe gesehen. Dennoch ist dieses Thier, durch Vermittelung der Mandshu und Chinesen vom Ssungari, den Biraren und Monjagern und, durch Vermitte- lung der Russen vom Argunj und der Schilka, den Orotschonen am Amur dem Namen und Ansehen nach bekannt. Den ersteren verdanken auch die Eingeborenen des unteren Amur- Landes ihre Kenntniss von diesem Thiere. Zu diesen gelangen nämlich im Handelsverkehre mit den Mandshu und Chinesen vom Ssungari fertig genähete Schaafspelze, die ziemlich theuer geschätzt werden und sich daher auch nur bei den Wohlhabenderen unter ihnen finden. Ich habe dergleichen bei den Golde, Mangunen und Giljaken bis an die Amur-Mündung, so z. B. in den giljakischen Dörfern Kalm, Tebach, Wair, ja selbst noch auf der Insel Sachalin, im Dorfe Tyk an der Westküste derselben gesehen. Diese Felle sind nur kurz- haarig, von schwarzer und weisser Farbe und werden von den Golde darnach auch mit ver- schiedenen Namen belegt. Zum Pelze werden in der Regel schwarze und weisse Felle bunt durcheinander genäht; seltener sind einfarbige Pelze zu sehen. — Russischerseits war das Schaaf bis zum Jahre 1856 noch nicht in das Amur-Land gebracht worden. 158 Säugelhiere. 51) Antilope erispa Temm. Bei den Giljaken: yıghy. » » Mangunen und Golde: dshirra, djüra und djära. Von den Mangunen der Dörfer Aure und Adi im unteren Amur-Lande erhielt ich zwei Antilopenhörner, welche ich der japanischen Art A. erispa Temm. zuschreiben muss. Diese Hörner sind nämlich von schwarzer Farbe, einfach und schwach nach rückwärts gebo- gen, mit einer vielleicht nur etwas stärkeren Krümmung als die Tafl. 18 und 19 der Säuge- thiere in Siebold’s Fauna Japonica angeben. Sie haben Individuen von verschiedenem Alter, einem jüngeren und einem viel älteren, angehört. Das erstere dieser Hörner ist ziemlich un- versehrt erhalten, das letztere hingegen von den Eingeborenen halbirt und der obere Theil stark abgeschabt und mit Einschnitten versehen worden. Die Länge des ersteren Hornes beträgt, wenn man die Chorde oder gradlinige Entfernung von der Basis zur Spitze misst, 135 Mill. Das Horn des älteren Thieres scheint um etwa 30—50 Millim. länger gewesen zu sein. Der un- tere Theil des ersteren Hornes, auf 48 Millim. Länge, ist rauh und mit etwa 12 oder 13 er- habenen Ringen oder Querwülsten versehen, der obere glatt. Die Ringe sind unregelmässig gewellt, stellenweise und besonders nach hinten zu mit einander verschmolzen und daher vorn in grösserer Angahl vorhanden als hinten, wo dagegen die zwischen den Ringen sicht- baren erhabenen Längsstreifen des Hornes deutlicher hervortreten. Das Horn des älteren Thie- res ist im unteren Theile, auf etwa 6% Millim. Länge, mit Querwülsten versehen, welche nach Zahl und Verlauf im Umkreise des Hornes noch grössere Unregelmässigkeit als beim jün- geren Thiere zeigen. Denn während es ihrer vorn, wo sie deutlicher sind, ebenfalls 12 und 13 giebt, lassen sich hinten kaum 8 unterscheiden. Dabei sind die Ringe noch stärker gewellt, theilweise mit einander verschmolzen und allenthalben, und besonders an der hinteren Fläche, von sehr starken Längsstreifen durchschnitten. Die Basis der Hörner ist nicht rund, sondern oval; das grössere Horn ist an der Basis im grösseren Durchmesser 37, im kleineren 30 Mill. breit; das kleinere im grösseren Durchmesser 23, im kleineren 19 Millim. breit. Es scheint mir, dass die Hörner in solcher Weise der Stirne aufsitzen, dass der grössere Breitendurch- messer ihrer Basis von vorn und innen nach hinten und aussen, der kleinere von vorn und aussen nach hinten und innen verläuft. Bei solcher Stellung hätten sie, neben der. Krümmung nach hinten, zugleich nach der Spitze hin auch eine divergirende Richtung nach aussen, wie es auch die Schädelabbildung bei Temminck angiebt. Bekanntlich hat Temminck keine Be- schreibung der A. crispa von Japan, sondern nur die oben erwähnten Abbildungen dieses Thieres und seines Schädels in der Fauna Japonica bekannt gemacht. Mit diesen verglichen, ist das kleinere Antilopenhorn vom Amur um 4 länger und hat einige Querwülste mehr, da das japanische Thier ihrer nur 5—6 zu haben scheint, was jedoch keinen specilischen Unter- schied abgeben kann. Leider sollte es mir, trotz beständiger Nachfragen bei den Eingeborenen, nicht gelingen das Thier selbst oder dessen Fell zu Gesichte zu bekommen, da es bei seinem Aufenthalte im Gebirge den Jägern am Amur-Strome nur sehr selten in die Hände fällt. Aus den Beschrei- Anitlope crispa. 159 bungen aber, die diese Leute, und selbst Augenzeugen unter ihnen, mir von dem Thiere ent- warfen, lässt sich natürlich in Bezug auf die Farbe und Zeichnung desselben nichts Zuverläs- siges entnehmen. Nur so viel kann. ich bemerken, dass die allgemeine Farbe dieses Thieres eine bräunliche sein soll, was sowohl mit der Abbildung von Temminck, als auch mit der kurzen Beschreibung dieses Thieres von Sundevall ') in keinem Widerspruche zu stehen scheint. Reichen nun diese Angaben über die Farbe des Thieres und die mitgebrachten Hör- ner allein nicht hin, uns in der Antilope vom Amur mit völliger Gewissheit die A. erispa Temm. erkennen zu lassen und sie-namentlich von der mit ähnlichen Hörnern und ähn- licher Farbe versehenen Himalaiischen Art A. Goral Hardw. zu unterscheiden, so wer- den wir ferner durch zoologisch - geographische Rücksichten in unserer obigen Annalime be- stärkt. Denn einerseits ist A. erispa Temm. die dem Amur zunächst benachbarte Form, und andererseits ist die Antilope vom Amur, wie wir unten darthun werden, auch nur auf die Küstenregion der Mandshurei beschränkt und kommt weiter landeinwärts nicht mehr vor. Mit Bestimmtheit lässt sich nach der oben erwähnten Beschaffenheit der Antilopenhörner vom Amur behaupten, dass dieselben nichts mit der A. guiturosa Pall. zu thun haben, welche letztere Art man nach Pallas’s Angaben) über die Verbreitung derselben in den daurischen Gebirgen, an der Ingoda, Schilka, am Amur und bis zum stillen Ocean, wie nach der mit der Amur- Antilope fast gleichlautenden Bezeichnung «Dseren», welche sie bei den dortigen mongolischen Völkerschaften trägt, zunächst im Amur-Lande erwarten dürfte. Es ist hier da- her ebenso vor einer durch zufällige Achnlichkeit in den Bezeichnungen der Eingeborenen nahe liegenden Verwechselung der Dshüra oder Djära der Amur-Völker (A. erispa Temm.) mit dem Dseren der Mongolen (A. guitwrosa Pall.) zu warnen, wie Pallas und Güldenstädt es für die letzterwähnte Art und den Dshairan der Perser (A. subgutturosa Güld.) thun °). In hohem Grade übereinstimmend unter einander waren die zahlreichen Nachrichten, welche ich von den Eingeborenen über die Verbreitung der A. erispa im Amur-Lande erhielt. Alle lauteten dahin, dass dieses Thier nur im Gebirge der Meeresküste vorkomme und weder den unteren Amur-Strom, noch den ungefähr in Meridianrichtung in denselben einmündenden Ussuri nach West überschreite. Innerhalb dieser Küstenregion am Japanischen Meere und an der Meerenge der Tartarei hat es aber eine recht weite Verbreitung nach Norden. Gilja- ken der Amur-Mündung, denen ich ein Horn desselben zeigte, kannten das Thier und mein- ten, dass es im Gebirge am Amur-Limane vorkomme. Nördlich von der Amur-Mündung, an der Südküste des Ochotskischen Meeres, habe ich dagegen von dem Vorkommen dieses Thieres nicht gehört. Von dorther haben wir auch durch Middendorff keine Nachrichten über dies Thier erhalten. Vermuthlich bildet daher die Amur- Mündung die nördliche Ver- breitungsgränze desselben. Weiter aufwärts am Amur-Strome gaben mir Mangunen aus den !) Linne's Pecora. S. Hornschuch, Archiv Skandin. Beiträge zur Naturgesch, IT. p. 232. 2) Spicileg. Zoolog. Fasc. XII. p. 47. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 251. 3) Güldenstädt, Acta Petropol. 1778. I. p. 254. Pallas hielt den Dshairan der Perser anfänglich für A. Ke- vella, s.Spieil. Zool. Fasc. XiT. p. 6 und p. 47, später für 4. subgutturosa Güld., s. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 252. 160 Säugethiere. Dörfern Tyr, Aure, Gauwne und Golde aus den Dörfern Chongar, Onmoi, Maji, Dondon u. a. m. das Vorkommen dieser Antilope im Küstengebirge ostwärts vom Amur an. Namentlich sollte sie von Choji an, d. i. etwa in 501° n. Br., nach Süden häufiger werden, dabei aber immer nur auf das Küstengebirge beschränkt bleiben und daher weder an den westwärts vom Küstengebirge in den Amur fallenden Flüssen, am Jai, Chelasso, Chongar, Naichi- oder Dondon-Flusse u. a., noch auch am rechten Amur-Ufer sich finden. Ausdrücklich wurde mir auch das Vorkommen dieser Antilope am linken Ufer und den linken Zuflüssen des unte- ren Amur-Stromes, am Gorin, Ssedsemi und Kur geläugnet. Ganz unbekannt mit diesem Thiere endlich fand ich die Golde oberhalb der Ussuri-Mündung und also auch westwärts vom Ussuri-Strome. Ostwärts von diesem hingegen soll es im Gebirge der Meeresküste vor- kommen und ist mir namentlich auch für das Gebirge am Por, einem rechten Zuflusse des Ussuri, genannt worden. Ob endlich diese Antilope auch auf der Insel Sachalin vorkomme, konnte ich nicht ermitteln, doch kommt mir solches, bei ihrer allgemeinen Verbreitung in der Küstenregion am Japanischen Meere, sehr wahrscheinlich vor. 52) Bos taurus L. Bei den Giljaken: erra. « « Mangunen und Golde: erra und echa. « « Biraren, Monjagern, Orotschonen, Dauren: ukrr. Das Rind ist zwar allen Völkern des Amur-Landes bis hinab zu den Giljaken der Amur-Mündung dem Namen nach bekannt, wird aber als Hausthier nur an sehr wenigen Orten desselben gehalten. Maa findet es nämlich bloss in den Ansiedelungen der Chinesen, Mandshu und Dauren am oberea Amur- oder Sachali-Strome und ferner am Ssungari und oberen Ussuri. Am ersteren Strome sieht man zahlreiche Heerden von schönem, gross- wüchsigem und kräftigem Rindvieh, welches in den üppigen Prairieen jener Gegend vortrefi- lich gedeiht. Die Gränzen dieser Rindviehzucht am Sachali erstrecken sich so weit als die festen Ansiedelungen der oben genannten Völker reichen, d. i. also stromaufwärts bis zur Mündung der Dseja und stromabwärts bis zum Biraren-Dorfe Kadagan, welches ein paar Tagereisen oberhalb der Bureja-Mündung liegt. Ohne Zweifel stammt dieses Rindvieh am Sachali von den grösseren und zahlreicheren mandshurischen und chinesischen Ortschaften am Ssungari her, wo die Rindviehzucht eine noch ausgedehntere als am Sachali sein soll. Desgleichen soll sich Rindviehzucht auch am oberen Ussuri finden. Dort sollen, nach Angabe der Ussuri-Golde, die Ochsen im Scmmer auch als Zugvieh zum Transporte von Lasten und zum Verkehre über das Gebirge dienen, welches zwischen der Meeresküste und dem obe- ren Ussuri liegt. Am unteren Ussuri dagegen, bis zur Mündung des Flusses Noor in den- selben, habe ich kein Rindvieh gesehen. Darauf beschränkt sich nun auch die gesammte Cul- turheimath, welche das Rind im Amur-Lande bisher gewonnen hat. Unterhalb des Dorfes Kadagan, wo das Gebiet der nomadischen Biraren am Sachali beginnt, und am Amur- a le VE Me a BE u en u en an u 80 | Bos taurus. Moschus moschiferus. 161 Strome unterhalb der Ssungari-Mündung, bei den ichthyophagen Golde, Mangunen und Giljaken, so wie bei den Eingeborenen an der Meeresküste und auf der Insel Sachalin ist nirgends eine andere Spur von der Bekanntschaft mit dem Rinde als nur der Name dieses Thie- res zu finden. Kein von dem Rinde bezogenes Produkt irgendwelcher Art wird ihnen im Han- delsverkehre mit den Mandshu und Chinesen am Ssungari gebracht. In ihrer Unkenntniss von diesem Thiere und seiner Nützlichkeit bezeichneten sie auch stets die Butter, die sie bei uns sahen nnd die sie für ein Analogon des bei ihnen zur Nahrung gebräuchlichen Fisch- und Seehundthranes hielten, als «Rindviehthran» (giljakisch:: erra-tomm, mangunisch und gol- disch: echan-ssimoch’ssa). Diese Unkenntniss derselben dürfte jedoch bald schwinden, da nach Besitznahme des Stromes durch die Russen, in den Jahren 1854 — 56, eine grosse Anzahl Rindviehes von Transbaikalien den Amur abwärts in die russischen Niederlassungen an der Mündung des Stromes gebracht worden ist. 55) Wloschus moschiferus L. Bei den Giljaken des Continentes und der Insel Sachalin: wong’:. « « Mangunen, Ssamagern, Golde unterhalb des Geong-Gebirges: udja. « « Golde oberhalb des Geong-Gebirges: akke, auch udja und udsa. « « Kile am Kur: mikitscha. « « Biraren und Monjagern: miktschan. « « Orotschonen: myktscheka. Schon Pallas gab nach den ihm zugegangenen Nachrichten an, dass das Moschusthier durch das ganze Amur-Land bis an die Küsten,des Stillen Oceanes verbreitet sei '). Wir können nun aus eigenen Erfahrungen diese Verbreitung desselben im Amur-Lande mit Rück- sicht auf die vielfach verschiedene Terrainbeschaffenheit desselben genauer angeben. Be- kanntlich hält sich das Moschusthier, wie schon Pallas bemerkt, vornehmlich in den Nadel- holzwaldungen felsiger und gebirgiger Gegenden auf. Am oberen Amur-Strome kommt es daher nur im obersten Theile desselben, etwa bis zur Komar- Mündung, unmittelbar bis an die felsigen, mit Kiefern, Lärchen u. a. Baumarten bewachsenen Stromufer vor. Weiter ab- wärts dagegen, wo erst die Nadelhölzer vom Strome sich entfernen und sodann, von der Mün- dung der Dseja an, eine ausgedehnte, beinahe waldlose Prairie beginnt, welche, mit alleini- ger Unterbrechung durch das Bureja-Gebirge und einige kleine Gebirgszüge am rechten Amur-Ufer, bis an den Ussuri, ja am linken Ufer des Stromes noch weiter sich ausbreitet, bleibt das Moschusthier vom Strome entfernt und auf die Gebirge landeinwärts beschränkt. So ist es den Monjagern und Biraren am Sachali von der oberen Dseja und der oberen Bu- reja, denGolde am Ussuri vom oberen Laufe dieses Stromes und seinen Zuflüssen, den Kile amKur vom Wanda-Gebirge bekannt. Erst unterhalb der Ussuri-Mündung nähert sich das Mo- 1) Pallas, Spieil. Zool. Fasc. XII. p. 16. Schrenck Anur-Reise Bd. I. 21 162 Säugethiere. D schusthier wieder dem Amur-Strome und wird namentlich in der Gegend der Gorin-Mündung und weiter unterhalb, wo ausgebreitete Nadelholzwaldungen die hohen, gebirgigen Ufer des Stro- mes bedecken, ein häufiges Thier. Dort ist es auch, wo ich besonders zahlreiche Felle vom Mo- schusthiere gesehen habe. Von den Eingeborenen werden sie theils zu Pelzröcken und theils zu Decken verarbeitet, welche letztere aber bloss aus den Beinfellen dieser Thiere zusammen- genäht werden und durch Vermittelung der Eingeborenen auch bei den Mandshu und Chi- nesen im Gebrauche sind. Ein Stück der Art, welches die Beinfelle von mehr als 20 Thieren zählte, konnte ich bei den Ssamagern am Gorin gegen wenige Tabacksblätter erhalten, zum Beweise wie häulig das Moschusthier dort sein muss. Für denselben niedrigen Preis kaufte ich auch im Winter 1855 am unteren Gorin-Flusse ein jüngst erlegtes, im 2ten Jahre stehen- des Moschusthierweibchen, von dem ich Fell und Schädel mitgebracht habe. Dieser niedrige Preis ist um so erklärlicher, als auch das Fleisch des Moschusthieres, das von den Eingeborenen gegessen wird, in jenen an Hochwild und namentlich an Rehen, Elennthieren und Wild- schweinen reichen Gegenden nur einen geringen Werth hat. Einen besonderen Vorzug in den Augen der Eingeborenen haben dagegen, ausser den im Handel mit den Mandshu’und Chi- nesen wichtigen Moschusbeuteln, auch die Extremitäten des Moschusthieres, da die dünnen Röhrenknochen derselben ihnen zum Verfertigen von Pfeilspitzen dienen. Fast in gleicher Häu- figkeit wie am Gorin bleibt das Moschusthier in den Gebirgen am Amur-Strome noch bis un- terhalb Kidsi; alsdann aber wird es seltner, obgleich das Land gegen die Mündung des Stromes nur noch gebirgiger und die Nadelholzwaldung auschliesslicher wird. Doch kommt es, nach Aussage der Giljaken, bis an die Mündung des Stromes vor. Auch wurden dort im Winter 1356, während meines Aufenthaltes im Nikolajewschen Posten, drei Thiere dieser Art dem Posten gegenüber am rechten Amur-Ufer gesehen. Nördlich von der Amur-Mündung, an der Südküste des Ochotskischen Meeres gaben mir die Giljaken an, dass das Moschusthier bei ihnen fehle. Wahrscheinlich bleibt es dort im höheren Gebirge landeinwärts zurück und nä- hert sich nur mit diesem wiederum der Meeresküste, da Middendorff es auf dem Kamme des Stanowoi-Gebirges überall häufig fand '). Südlich von der Amur-Mündung dagegen ist das Moschusthier in den Gebirgen der Meeresküste allenthalben verbreitet. Am Amur-Limane kannten es die Giljaken als ein häufiges Thier der dortigen Gebirge, wofür mir auch der Umstand zu sprechen schien, dass ich im Dorfe Tschomi eine Menge von Fussknochen dieses Thieres sah, die den giljakischen Knaben zum Spielzeuge dienten. Noch weiter südwärts, an der Meerenge der Tartarei soll das Moschusthier, nach Angabe der Eingeborenen, im Gebirge der Küste und an den dort einmündenden Flüssen, dem Tumdshi u. a., so weit ihre Kenntnisse reichten, d. i. bis über die Bai Hadshi nach Süden hinaus, häufig vor- kommen. Endlich ist das Moschusthier auch auf der Insel Sachalin verbreitet. Ausdrück- lich gaben mir aber die Giljaken beider Küsten an, dass es nur im hohen, waldreichen Gebirge im Innern der Insel zu finden sei, den niedrigeren und oft waldlosen Meeresküsten hingegen fehle. Auch kannten es die Giljaken an den Quellen des Tymy-Flusses im Innern 1) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 118. Moschus moschiferus. Cervus C apreolus. 163 Sachalin’s aus ihrer nächsten Umgegend. Desgleichen ist mir durch zuverlässige Mittheilung von Augenzeugen bekannt, dass der russisch - amerikanischen Compagnie in ihrer im Winter 1853 zeitweise errichteten Handelsstation in der Bai Aniwa auf Sachalin von den dortigen Aino Moschusthierfelle und Moschusbeutel zum Kaufe gebracht wurden. Dem Gebirge fol- gend, ist also das Moschusthier auf der Insel Sachalin bis zur Südspitze derselben ver- breitet. Weiter südwärts, auf Jesso und den japanischen Inseln scheint es aber nicht mehr vorzukommen, da wir sonst durch Siebold von diesem des Moschus wegen gewiss auch den Japanesen bekannten Thiere Nachrichten erhalten hätten. Seine Verbreitung nach Sachalin scheint also nur durch die grosse Nähe dieser gebirgigen und waldigen Insel zum Continente am Amur-Limane vermittelt worden zu sein. 54) Cervus Capreolus L. Bei den Giljaken des Continentes: kighu. « « Mangunen, Ssamagern, Golde unterhalb des Ussuri: giwn. « « Golde oberhalb des Ussuri, Kile am Kur: giutscha. « « Biraren: gwwischa. « « Monjagern und Orotschonen: giwtschan. -« « Dauren: djura. Bekanntlich hat Pallas das sibirische Reh, welches er anfangs als besondere Art, (. Py- gargus, vom europäischen €. Capreolus unterschied '), später mit diesem letzteren als Varietät wieder vereinigt ”). Seitdem sind jedoch diese Formen von mehreren Seiten her und nament- lich durch Brandt, Bonaparte, Sundevall u. a. wiederum specifisch getrennt worden, eine Trennung, die sich aber bei wachsender Erfahrung über diese Formen nicht zu bestätigen scheint. So musste Middendorff, nach Vergleichung des sibirischen Rehes mit dem europäi- schen, für die Identität derselben sich erklären °). Zu demselben Resultate führt uns eine Ver- gleichung des Amur-Rehes mit der sibirischen und europäischen Form. Prüft man nämlich das Amur-Reh auf die zwischen diesen Formen angeblich speeifisch unterscheidenden Cha- raktere, so hält es schwer zu bestimmen, zu welcher derselben es eher zu rechnen sei, da sich an ihm die Charaktere beider Formen mehr oder weniger durcheinander finden. Im All- gemeinen ist (€. Pygargus von grösserem Wuchse und hellerer Färbung als €. Capreolus. Letz- teres Moment scheint nun auch den Amur- Exemplaren eigen zu sein. Das Sommerfell ist nämlich röthlichgelb, auf dem Rücken dunkler, an den Seiten und zum Bauche hin heller, schmutzig weisslichgelb; das Winterfell ist gelblichgrau, in der Mittellinie des Rückens dunk- ler, bräunlichgrau. Dabei ist aber die Zeichnung des ganzen Thieres und namentlich auch sei- il) Pallas, Reise durch verschied. Proy. des russ. Reiches. I. p. 97 u. 453. 2) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 219. 3) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 118. 164 Säugethiere. nes Kopfes genau wie am europäischen Thiere beschaffen, so dass es hier auch keiner wieder- holenden Erwähnung derselben bedarf. Will man daher das Amur-Reh, nach dem allgemeinen, helleren Farbentone, zu ©. Pygargus rechnen, so kann ich an ihm die Behauptung Sundevall’s, dass ©. Pygargus durch einen weiter ausgedehnten, beinahe das ganze Kinn einnehmenden schwarzen Fleck an der Unterlippe von dem europäischen Reh verschieden sei '), nicht bestä- tigt finden. Meine vom oberen und unteren Amur-Strome mitgebrachten Exemplare zeigen vielmehr, mit den europäischen ganz übereinstimmend, nur einen schwarzen oder richtiger braunschwarzen Streifen in der Mitte der Unterlippe, vor dem Mundwinkel. Zugleich ist aber dieser braunschwarze Fleck an einem meiner Exemplare ziemlich lang und eiwa 5—6 Millim. breit, an einem anderen dagegen kaum merklich, zum deutlichsten Beweise, dass in diesem variablen Verhältniss überhaupt kein specifischer Unterschied zwischen dem sibirischen und europäischen Reh gesucht werden darf. Daneben haben ferner die Amur-Exemplare einen weissen Rand der Oberlippe, wie das, nach der Bemerkung des Hrn. Akad. Brandt’s °), dem G. Pygargus zum Unterschiede von €. Capreolus zukommt. Doch dürfte auch dieses Moment zu den variirenden gehören und von keinem artenunterscheidenden Belange sein, da sich der schwarze Streifen, der sich längs der Oberlippe zum Mundwinkel hinzieht, dem Rande der Oberlippe bald mehr und bald weniger nähert. Aehnlich scheint es sich auch mit den Unterscheidungen in Beziehung auf die Form und gegenseitige Stellung der Gehörne von C. Capreolus und C. Pygargus zu verhalten. Schwerlich dürften sich zwei Rehgehörne fin- den, welche in dieser Beziehung einander völlig gleich wären, indem die Richtung und Bie- gung der Hauptstange sowohl wie der Nebensprossen nicht bloss an verschiedenen Indivi- duen, sondern nicht selten auch an den beiden Gehörnhälften eines und desselben Thieres eine mannigfach variirende ist. Es dürfte daher schwer halten nach diesem Merkmale die beiden Formen stets auseinander zu halten, zumal es Gehörne giebt, an denen die Kennzeichen bei- der Formen durcheinander sich finden. Das beweisen z. B. auch die beiden von mir mitge- brachten Rehgehörne vom Amur. Beide sind regelmässige Sechser, eines vom Ussuri, das andere vom oberen Amur stammend. Ersteres entspricht mehr dem Gehörne von €. Capreolus, indem die Hauptstangen einen fast geraden Verlauf haben , mit einer nur geringen Divergenz nach aussen und einer sehr unbedeutenden (an beiden Gehörnhälften übrigens verschiedenen) Biegung oberhalb der ersten Sprosse nach hinten, wobei zugleich auch die Spitzen des Gehör- nes entschieden nach innen gekehrt sind. Das andere Gehörn dagegen trägt unverkennbar die Kennzeichen von ©. Pygargus an sich, indem die Biegung oberhalb der ersten Sprosse nach hinten eine ganz ansehnliche ist und die obersten Spitzen, deren Abstand von einander grösser als derjenige der Hauptstangen in ihrer Mitte ist, nach oben gekehrt sind. Trotzdem beträgt aber an diesem letzteren Gehörne der Abstand der Hauptstangen an ihrer Basis von einander nicht mehr als 10 Millim. oder 3 rheinl. Linien, was ein Charakter von (. Capreolus sein soll. Diese Thatsachen an den Gehörnen und in der Kopfzeichnung der Amur-Rehe scheinen mir ?) Sundevall, Linne’s Pecora. S. Hornschuch, Archiv Skand. Beiträge zur Naturgesch. II. p. 137. 2) Bull. de la classe physico-mathem. de l’Acad. Imp. des sc. de St.-Petersb. T. III. p. 280. Cervus Capreolus. 165 daher geeignet zu sein, die spätere Ansicht von Pallas, dass €. Capreofus und €. Pygargus spe- eilisch identische Formen seien, mehr und mehr ausser Zweifel zu stellen. — Beide oben erwähnten Rehgehörne vom Amur haben übrigens eine ganz ansehnliche Grösse, indem das eine derselben, vom Ussuri, in gerader Entfernung von der Basis bis zur Spitze etwa 270, das andere, vom oberen Amur, in derselben Dimension etwa 255 Millim. beträgt. Der Schä- del einer erwachsenen Ricke,, den ich vom unteren Amur mitgebracht habe, misst vom vor- dersten Ende des Zwischenkieferbeines bis zum Hinterhauptshöcker 216 Millim. Länge. Was die geographische Verbreitung des Rehes betrifft, so war es durch Pallas im Osten Asien’s bis nach Daurien und zur Lena bekannt '). Middendorff lehrte es weiter ost- wärts, in einem Theile des linken Amur-Ufers und nordwärts bis zum Stanowoi Gebirge kennen; am Amur-Strome sollte es namentlich je weiter nach Süden, desto häufiger vorkom- men). Von der Richtigkeit dieser Angabe habe ich Gelegenheit gehabt mich durch eigene Er- fahrung zu überzeugen. Denn obgleich das Reh fast am gesammten Amur-Strome, mit allei- niger Ausnahme der Mündung desselben, vorkommt, so ist es doch nirgends so häufig wie in der südliehsten Biegung desselben. Bereits im oberen Laufe des Amur- Stromes ist das Reh ein häufiges Thier und ein Hauptgegenstand der Jagd bei den dortigen nomadischen Völkern, den Orotschonen und Monjagern. Die gebirgige Beschaffenheit des Landes am oberen Amur, die gemischte Waldung, die vielen oflenen Grasplätze, die mit den felsigen Ufern längs dem Strome abwechseln, bieten dem Reh ein sehr günstiges Terrain zum Aufenthalte dar. Im Herbst zumal steigt es dort häulig aus dem Gebirge auf die offenen Grasplätze und bis an die Stromufer herab, um, wo es auf der anderen Seite ein besseres Terrain findet, auch den Strom zu durchschwimmen. Mir selbst ist es auf meiner Flussreise zweimal begegnet das Reh bei solcher Gelegenheit zu überraschen und das einemal, am 30. Aug. (11. Sept.) ,‚ oberhalb der Komar-Mündung einen alten Rehbock, das andremal, am 15. (27.) Sept., unterhalb des Po- stens von Kotomandu eine Schmalricke mitten im Amur-Strome zu erbeuten. Der Herbst ist auch die Zeit der meisten Rehjagd bei den dortigen Eingeborenen. Die Monjagern und Orotschonen, durch deren Gebiet wir zu dieser Jahreszeit kamen, fanden wir daher durchweg mit dieser Jagd beschäftigt und von ihren temporären Zelten am Amur zumeist abwesend, wo inzwischen die Familien der Jäger vom Fleische der bereits erbeuteten Thiere zehrten. Ausser dem Fleische muss aber die ergiebige Herbstjagd den Eingeborenen auch die zur Kleidung nöthigen Rehfelle liefern. Alle Pelze der Art, die man bei den dortigen Eingebo- renen und durch deren Vermittelung auch bei den Mandshu und Chinesen findet, sind da- her stets aus Fellen im röthlichgelben Sommerhaar dieses Thieres verfertigt. Noch häufiger wird das Reh weiter abwärts am Amur-Strome im Gebiete der Biraren, gegen die Mündung der Bureja hin, wo Hügelzüge mit Laubholzwaldung die Prairie durehschneiden und auch einzelne Zweige vom Bureja-Gebirge den Ufern des Amur-Stromes sich nähern. Bei den Biraren spielt es daher vollkommen dieselbe Rolle wie bei den Monjagern oberhalb. Des- 1) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 220. 2) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. 119. 166 Säugethiere. gleichen kommt das Reh häufig in den mit Laubholz bewachsenen Abfällen des Bureja- Ge- birges und in den kleineren Gebirgszügen der Prairie unterhalb desselben vor. Am Ussuri gaben mir die Golde das Reh als ein allgemein und bis zum oberen Laufe dieses Stromes verbreitetes Thier an, Nicht minder bleibt es auch am unteren Amur-Strome bis zur Gorin- Mündung und an seinen Zuflüssen bis dahin, am Kur, Ssedsemi, Päch’ssa, Naiche- und Chongar-Flusse ein häufiges Thier, Wie oberhalb, so ist es auch dort bei den Eingeborenen, den Golde am Amur, den Ssamagern am Gorin u, a. m,, ein beliebtes Jagdthier,, dessen Fleisch ihnen zur Nahrung, das Fell aber zur Kleidung beitragen muss. Doch wird man in diesem Theile des Stromes stets nur das Winterfell des Rehes zu diesem Zwecke benutzt fin- den, da dort der Winter allein den Eingeborenen zur Jagd dient, der Herbst hingegen noch mit Fischfang verbracht wird, Unterhalb der Gorin- Mündung, wo die Laubholzwaldung am Amur rasch abnimmt, wird das Reh viel seltner, kommt aber noch im gesammten Gebiete der Mangunen, am Amur und dessen Zuflüssen, am Chelasso, Jai u.a. m. vor. Erst im Ge- biete der Giljaken erreicht es im Gebirge bei den Dörfern Tylm und Tyr seine Nordgränze, Die Eingeborenen in diesen Dörfern gaben mir ausdrücklich an, dass das Reh unterhalb die- ser Orte am Amur nicht mehr vorkomme. Dasselbe bestätigten auch die Giljaken der unter- halb gelegenen Dörfer bis zur Amur-Mündung hin. Ferner stellten mir auch die Giljaken an der Südküste des Ochotskischen Meeres gleich nördlich vom Amur-Limane das Vorkom- men des Rehes in ihrer Umgegend entschieden in Abrede. Auch habe ich während meines Aufenthaltes im Nikolajewschen Posten bei den Giljaken der Amur-Mündung niemals von einem bei ihnen erlegten Reh gehört. Dem entsprechend endlich hat das Reh bei den Gilja- ken auch nur eine giljakisirte tungusische Bezeichnung. Es bleibt also das Mündungsland des Amur-Stromes von der Verbreitung des Rehes ausgeschlossen, Seine Nordgränze am Amur betreffend, muss aber noch erwähnt werden, dass sie bei den oben genannten Dörfern Tylm und Tyr zugleich auch an der Mündung des von links in den Amur fallenden Amgunj-Flus- ses liegt, an welchem auch Middendorff noch das Vorkommen des Rehes angiebt. Midden- dorff nennt jedoch das Reh auch noch eine geraume Strecke nördlicher, am Gallam, einem rechten Zuflusse des Udj, wo es freilich nur selten sein soll ö)) Es scheint hier daher die Polargränze des Rehes, welche weiter westwärts, den Erfahrungen Middendorff's zufolge, längs dem Stanowoi-Gebirge verläuft und dieses nach Norden nicht überschreitet, in diesem östlichen Theile sich plötzlich stark nach Süden zu senken, indem sie vom Gallam-Flusse, in etwa 541° n, Br., zur Amgunj-Mündung am Amur-Strome, in etwa 53° n. Br., gezogen werden muss. Diese Senkung der Polargränze des Rehes nach Süden setzt sich nun auch wei- ter ostwärts vom Amur-Strome fort, indem das Reh an der Meeresküste, den Aussagen der Eingeborenen zufolge, weder am Amur-Limane noch am nördlichsten Theile der Meerenge der Tartareı vorkommt, sondern erst südlich von der Baı de Castries, in etwa 51° n. Br,, beginnt, Vielleicht dürfte man diese Erscheinung mit dem sehr ausschliesslichen Vorherrschen ausgedehnter nnd geschlossener Nadelholzwaldungen im Mündungslande des Amur - Stromes 1) Middendorff, Sibirische Reise. |. c. p. 119. Cervus Capreolus. €. Tarandus. 167 und an der Meeresküste in causale Verbindung bringen. Damit im Einklange steht end- lich auch das Fehlen des Rehes auf der Insel Sachalin. Es ist mir dort von den Giljaken beider Küsten und des Innern auf wiederholtes Nachfragen entschieden in Abrede gestellt worden, und nie habe ich selbst irgend welche Spuren von dem Vorkommen desselben auf der Insel gefunden. Bekanntlich wird uns das Reh von Siebold auch für die japanischen Inseln nicht genannt. Es scheint daher die Verbreitung desselben im Osten Asien’s auf das Festland sich zu beschränken und die anliegenden Inseln nirgends zu berühren. 55) Cervus Tarandus L. Bei den Giljaken des Continentes und der Westküste von Sachalin: tschalangai. “« « des Innern und der Ostküste von Sachalin: tlang:. « « Oroken von Sachalin: das wilde Rennthier : hiru und s’iru. das zahme Rennthier : oro und u/ja (d. h. der Gute). « « Mangunen, Golde unterhalb des Ussuri, Ssamagern: das wilde Rennthier : hiru, hirun und stru. das zahme Rennthier : oro und oron. « « Golde oberhalb des Ussuri, Kile am Kur: ru. « « Biraren: das erwachsene Thier: oro. das junge Thier: yngnekan. « « Monjagern und Orotschonen: oron. Das Rennthier muss für das Amur-Land in doppelter Beziehung nahmhaft gemacht wer- den, da es einmal wild über einen ansehnlichen Theil desselben verbreitet ist, und dann auch im gezähmten Zustande, als Hausthier, bei mehreren seiner Völker im Gebrauche steht. Was zunächst die Verbreitung des wilden Rennthieres im Amur-Lande betrifft, so ist dieselbe schon mehrfach früher, bei Besprechung der Verbreitung des Vielfrasses und des Wolfes (s. oben), für die das Vorkommen des Rennthieres hauptsächlich bestimmend und maassgebend zu sein scheint, in ihren Hauptzügen berührt worden. Im Amur-Lande ist das Rennthier eine Charakterform seines nördlichsten Theiles, des Küstengebietes und der Amur- Mündung, von welcher die übrigen Hirscharten mehr oder weniger südlich zurückbleiben. In der grössten Häufigkeit kommt es namentlich im nördlichen Theile der Insel Sachalin, an der Südküste des Ochotskischen Meeres und am Amur-Limane vor, wo die nordische Na- delholzwaldung einen grossen Reichthum an Flechten und Moosen aufzuweisen hat und theil- weise auch moorige, nackte oder nur von krüppeligen Lärchen bewachsene Niederungen längs der Küste sich ausbreiten. Auf meinen Winterreisen habe ich dort fast täglich einzelne Indi- 168 Säugethiere. viduen oder grössere und kleinere Rudel von Rennthieren an den Küsten der Insel und des Continentes gesehen und auch die Schneedecke des Limaneises von zahlreichen Rennthier- spuren durchkreuzt gefunden. Auf der Insel Sachalin geht das Rennthier, dem Gebirge des Innern folgend, bis nach der Südspitze derselben, in etwa 46° n. Br. hinab, {wo es von den Aino noch häufig erlegt werden soll. An der Küste des Festlandes ist das Rennthier bis zur Bai Hadshi in 49° n. Br., wo noch ausgedehnte Nadelwälder bis an die Meeresküste sich erstrecken, nicht selten und soll nach Angabe der Eingeborenen auch weiter südwärts noch zu finden sein. Am Amur-Strome dagegen wird es durch das Vordringen einer südliche- ren Vegetation weiter nach Norden, als es an der Meeresküste der Fall ist, früher von den Stromufern verdrängt und auf das höhere Gebirge landeinwärts gebannt. Während es daher im Mündungslaufe des Amur-Stromes bis an die unmittelbaren Ufer des Stromes vorkommt und von den Giljaken noch bisweilen während des Uebersetzens über den Strom erlegt wird, zieht es sich schon unterhalb Kidsi, im Gebiete der Mangunen, in das höhere Gebirge ab- seits vom Strome zurück. Längs dieser Gebirge breitet es sich nun weiter südwärts aus und kommt sowohl am Jai, Tumdshi und Chongar östlich vom Amur, als auch am Gorin westlich von demselben vor. Die Mangunen und Golde am Amur und die Ssamagern am Gorin wussten mir von dieser Verbreitung des Rennthieres im Gebirge, wo sie es im Winter bisweilen erlegen, oft zu erzählen; niemals aber soll es in diesen Breiten am Amur - Strome selbst sich finden. In solcher Weise kommt das Rennthier, nach Aussage der Eingeborenen, bis zum Geong-Gebirge nach Süden vor. Südlicher von diesem aber wurde es mir von denGolde am Amur und Ussuri auch für das Gebirge in Abrede gestellt. So sollte es namentlich auch im Chöchzier-Gebirge an der Mündung des Ussuri nicht mehr vorkommen. Wir können hier daher die Aequatorialgränze der Verbreitung des Rennthieres mit dem Geong-Gebirge, in etwa 49° n.Br. annehmen. Nach Westen von dort, am linken Amur-Ufer bildet das ungefähr in gleicher Breite gelegene Wanda-Gebirge, wo das Rennthier noch vorkommt, ebenfalls die Südgränze desselben. Wie weit es im Bureja-Gebirge nach Süden geht, ist mir unbekannt, doch muss ich durchaus bezweifeln, dass es dort den das Gebirge durchbrechenden Amur- Strom erreiche, da es den nomadischen Biraren, die ich an der Bureja-Mündung am Amur- Strome antraf, nur dem Namen nach bekannt war. Auch führt Middendorff an, dass es an den Quellzuflüssen der Dseja, südlich vom Stanowoi-Gebirge, nicht leicht über den Gebirgs- zweig Tukuringra, ungefähr in 5% n.Br., nach Süden vorkomme. Dort drängt ohne Zwei- fel die an der Dseja weit nordwärts sich ausdehnende Prairie. die Aequatorialgränze des Rennthieres nach Norden zurück, Erst im oberen Laufe des Amur- Stromes, oberhalb der erwähnten Prairie, kommt das Rennthier mit dem Gebirge wiederum bis an den Amur-Strom vor und wird von den Monjagern und Orotschonen, wenn auch viel seltner als die übri- gen Hirscharten, erlegt. Ja dort soll bekanntlich, einer Angabe von Pallas ') zufolge, das Rennthier auch südlich vom Amur-Strome, im Chingan-Gebirge, das zwischen dem Amur und dem Naun-Flusse sich hinzieht, noch vorkommen — eine Angabe, die wir zu bezweifeln I) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 208, Cervus Tarandus. 169 keinen Grund haben. Dieses Gebirge liegt ziemlich in demselben Breitengrade wie das Wanda- und Geong-Gebirge im unteren Amur-Lande. An beiden Orten aber bleibt die Aequatorial- gränze des Rennthieres, mit ihrer Lage an der Meeresküste und auf der Insel Sachalin ver- glichen, nach Norden zurück. Den anderen Hirscharten entgegengesetzt, dringt also das Renn- thier im Küstengebiete des Amur-Landes in südlichere Breiten als im Innern Ostasiens vor, eine Erscheinung, die gewiss mit der weiteren Erstreckung eines nordisch-maritimen Kli- ma’s und Vegetationscharakters längs den Küsten des Amur-Landes nach Süd im Zusam- menhange steht. Im gezähmten Zustande, als Hausthier , spielt das Rennthier im Amur-Lande eine nur unbedeutende Rolle, da es es bei sehr wenigen der dortigen Völker sich findet. Zunächst ist hier der nomadischen Tungusen zu erwähnen, welche bisweilen, und namentlich im Winter und ersten Frühjahr, mit ziemlich zahlreichen Rennthierheerden, aus den Gegenden am Udj und Tugur kommend, dem Amur-Strome sich nähern und an den sogenannten Seeen Tschlja, Orellj u.a., welche zumeist nur flache und weite Buchten des Amur-Stromes sind, wie auch an der Südküste des Ochotskischen Meeres bis in das Gebiet der Giljaken hin- ein ihre zeitweisen Sitze nehmen. In den Jahren meines Aufenthaltes an der Amur-Mündung wurden diese Züge der Rennthier-Tungusen, welche zu dem Zwecke eines Handels mit den sesshaften Amur- Völkern geschehen, noch durch die Anwesenheit der Russen in dem nahen Nikolajewschen Posten besonders begünstigt. Auch hatten einzelne dieser Tungusen con- tractmässig die Lieferung von zahlreichen Rennthieren zur Nahrungsversorgung der russischen Mannschaften am Amur, so wie die Beförderung der Post übernommen, welche sie mit Hülfe ihrer Rennthiere von der Amur-Mündung nach den Orten Udskoi-Ostrog und Ajan be- sorgten. — Ungleich wichtiger für die Culturverbreitung des Rennthieres im Amur- Lande als diese nur den Mündungstheil des Amur-Stromes berührenden Tungusen sind die auf der Insel Sachalin mit Hülfe von Rennthieren nomadisirenden Oroken. In dem Umfange, wie wir das Amur-Land betrachten, d. h. mit Hinzuziehung zu demselben auch der Meeresküste und der Insel Sachalin, sind die Oroken die einzigen Rennthiernomaden, denen wir stelig in demselben begegnen. Obgleich zum tungusischen Stamme gehörig, bei dem das Rennthier in der Regel nur zum Reiten dient, weichen die Oroken darin von ihren Stammgenossen ab, dass sie das Rennthier nicht als Reit-, sondern als Zugthier gebrauchen, gleich wie es die Korjaken, Ssamojeden, Lappen u. a. Völker des Nordens thun. Dabei gestattet ihnen aber die bergige und waldige Beschaffenheit ihres Landes nur während des Winters ihre Wanderungen mit Hülfe von Rennthieren zu unternehmen; im Sommer hingegen sind sie zu einer mehr oder minder sesshaften, auf Fischfang angewiesenen Lebensweise genöthigt. Das Gebiet der Oroken und mit ihnen also auch die Gulturheimath des Rennthieres auf Sachalin erstreckt sich über einen Theil der Ostküste der Insel, von dem Golfe der Ge- duld im Süden bis über die Bai Nyi nach Norden hinaus, d. i. ungefähr von 491 bis 521° nördl. Breite. Innerhalb dieser Gränzen bieten den Oroken namentlich die Thäler der von ihren Quellen an nach SO und NO divergirenden Flüsse Ty und Tymy die hauptsächlichsten Schrenck Amur-Reise Bd. 1. 22 170 Säugethrere. Bahnen zu ihren winterlichen Wanderungen dar. Einmal im Jahre jedoch, im December oder Januar, wenn der Amur-Liman sich mit Eis bedeckt hat, überschreiten die Oroken ihre ge- wöhnlichen Gränzen und ziehen des Handels wegen in ansehnlicher Anzahl von der Insel nach dem Festlande hinüber, dieselbe Route befolgend, welche ich auf meinen Winterreisen in den Jahren 1855 und 56 gegangen bin. Ihre von Rennihieren bespannten Schlitten überschreiten alsdann die Gebirge im Innern Sachalin’s von den Tymy-Quellen nach der Westküste der Insel bei Arkai und Mgatsch, folgen dieser Küste nordwärts bis zum Dorfe Poghobi am Amur-Limane, durchschneiden dann den Amur-Liman nach dem Dorfe Tymi und der Mündung des gleichnamigen Flusses und gehen endlich an diesem letzteren aufwärts bis zum Gebirge, welches sich zwischen dem Amur-Limane und Amur-Strome hinzieht. Dort auf der Höhe des Gebirges pflegen einige der Oroken mit den Rennthieren zurückzubleiben, während andere auf hundebespannten Schlitten, welche jeden Rennthierzug begleiten, nach dem Amur- Thale zu den Mangunen und den zeitweise bei diesen sich aufhaltenden chine- sischen Kaufleuten hinabsteigen. Wie wir daher oben das Rennthier mit den Tungusen als Reitthier dem Amur-Strome von Nord und West sich nähern sahen, so rückt es hier mit den Oroken als Zugthier von Ost und Süd an den Strom hinan, ohne jedoch denselben auch hier ganz zu erreichen. Dies sind denn auch die beiden, einzigen Völker des Amur-Landes, bei denen das Rennthier eine Culturheimath gewonnen hat. Nirgends sonst begegnen wir ihm im Amur-Lande. Nur eine Tradition soll sich bei mehreren seiner tungusischen Stämme, z. B. den Mangunen und Golde, erhalten haben, laut welcher dieselben in früheren, längst ver- gangenen Zeiten zahlreiche Rennthierheerden besessen und mit deren Hülfe eine nomadische Lebensweise geführt hätten, bis eine verderbliche Seuche die Heerden gelichtet und zerstört und die Nomaden somit zum Fischfang und zur festen Ansiedelung am Strome gezwungen habe. Vielleicht dürfte auch der Umstand, dass wir bei allen unteren Amur-Völkern tungusi- schen Stammes, ob diese gleich gegenwärtig das Rennthier nur im wilden Zustande kennen, dennoch eine verschiedene Bezeichnung für das wilde und das gezähmte Rennthier finden, auf einen solchen Wechsel in ihrer Lebensweise, wie ihn die Tradition angiebt, hindeuten. Warum wäre sonst eine solche besondere Bezeichnung für das gezähmte Rennthier nur bei den tun- gusischen Stämmen am Amur und nicht auch bei den Giljaken zu finden, welche gegen- wärtig, als nächste und unmittelbare Nachbarn jener zum Theil sogar durch ihr Gebiet wan- dernden Rennthiernomaden, mit dem gezähmten Thiere ohne Zweifel viel bekannter als die entlegeneren tungusischen Stämme am Amur sein müssen? 56) Cervus Elaphus L. Bei den Giljaken: botscha. « « Mangunen: butscha. « « Golde unterhalb des Ussuri, Ssamagern: bozza. « « dGolde oberhalb des Ussuri, Kile am Kur, Biraren, Orotschonen: komaka. D Cervus Elaphus. 171 Bei den Monjagern: buyu. « « Dauren: bugho. Wie Pallas '), Eversmann °), Middendorff°) u. a. vom sibirischen Hirsche bemer- ken, so ist auch der Edelhirsch des Amur-Landes im Vergleich zum europäischen von grös- serem Wuchse und, wie ich nach den von mir im Amur-Lande beobachteten und zum Theil mitgebrachten Fellen schliessen möchte, zugleich von hellerer und mehr grauer Färbung des Sommer- wie des Winterfelles als jener. Das Sommerfell eines noch ziemlich jungen Thie- res, das ich am oberen Amur-Strome oberhalb der Komar-Mündung erhalten habe, ist näm- lich von gelblichgrauer Farbe, auf dem Rücken dunkler, bräunlichgrau, an den Seiten und nach dem Bauche zu heller, fast rein grau mit schwacher gelblicher Einmischung. Diese Fär- bung entsteht durch ein Verbleichen der gelblichen Tinte an den einzelnen Haaren: diese sind nämlich auf dem Rücken an ihrer Basis bräunlichgrau, dann gelb und an der Spitze schwärz- lich. Die gelbe Farbe macht aber, von dem Rücken nach dem Bauche zu rasch verblassend, einer weisslichen Farbe mehr und mehr Raum, wobei zugleich auch die dunkle Farbe der Haarspitze sowohl wie der Haarbasis mehr und mehr verblasst und abnimmt und die weiss- liche Farbe auch auf deren Kosten überhand nimmt. Gleichzeitig ist jedoch an diesem Som- merfell des Edelhirsches vom Amur der Spiegel um die Schwanzgegend von intensiv röthlich- gelber Farbe, mit braungrauer, nach hinten zu allmählig dunklerer und zuletzt schwarzbrauner seitlicher Einfassung und einem schwärzlichen Fleck in der Mitte. — Das von mir mitge- brachte Winterfell des Edelhirsches stammt vom Gorin-Flusse her. Es gehört einem Zwölf- ender und ist von ansehnlicher Grösse. Der Hals dieses Thieres ist von gelblich-graubrauner Farbe, nach unten zu dunkler, schwärzlichbraun. Der Rumpf ist gelblichgrau, längs der Mittel- linie des Rückens dunkler bräunlich, nach den Seiten zu rasch verblassend, hellgelblichgrau. Die Unterseite ist gelblichbraun, nach der Mitte zu dunkler, bis schwarzbraun. Der Spiegel um die Schwanzgegend ist röthlichgelb, heller als am Sommerfell, mit ziemlich: heller, bräunlicher, nur am hinteren Ende dunklerer, schwarzbrauner Einfassung. Die erwähnten, stellenweise helleren und dunkleren Schattirungen in der Färbung des Winterfelles sind durch ein ähnliches Verhal- ten in der Zeichnung der Deckhaare wie am Sommerfelle bedingt. Die Deckhaare sind nämlich in der Mittellinie des Rückens dunkel-braungrau mit gelblichem Bande unterhalb ihrer schwärz- lichen Spitze. Nach den Seiten zu verblasst aber die gelbliche Farbe mehr und mehr zum Weisslichen und breitet sich über ein längeres Stück des Haares auf Kosten der braungrauen Farbe der Haarbasis aus, welche zugleich eine hellere graue Farbe gewinnt. Allenthal- ben ist das Winterfell mit grauem, am Halse und in der Mittellinie des Rückens dunklerem, an den Seiten hellerem Wollhaare bedeckt. Das Geweih dieses Edelhirsches vom Gorin trägt, wie erwähnt, jederseits 6 Enden und zeigt die ungewöhnliche, übrigens auch an europäischen Thieren vorkommende Bildung einer fehlenden Krone, indem an Stelle derselben nur eine Y) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 217. 2) Bullet. de la Soc. Imp. des Natural. de Moscou. T. XXI. 1848. No. 1. p. 197. 3) Sibirische Reise. ]. c. p. 120. 172 Säugethiere. doppelte, in ungleicher Höhe statthabende Gabelung der Hauptstange oberhalb ihrer Mittel- sprosse eintritt, wobei zugleich die beiden Endgabeln unter einander in einer und derselben Fläche, gegen die Gabel an der Mittelsprosse aber gehalten, in verschiedenen Flächen liegen. Seit Pallas wusste man von der Verbreitung des Edelhirsches ostwärts bis nach Dau- rien, dem Witim und der Lena'). Ueber diese Gränzen hinaus machte uns Middendorff °) mit der Verbreitung desselben durch die nördliche Mandshurei bekannt, indem er das Sta- nowoi- oder Gränzgebirge der Mandshurei als Polargränze des Edelhirsches nachwies und von dem Vorkommen desselben am Inkanj und Kebeli, oberen Zuflüssen des Ssilimdshi und der Bureja, Nachrichten mitbrachte. Es bleibt mir daher nur übrig die Verbreitung des Hirsches noch weiter ostwärts, im unteren Amur-Lande und das Vorkommen desselben am Amur-Strome selbst zu besprechen. Am gesammten oberen Amur ist der Edelhirsch nicht min- der häufig als das Reh und giebt seiner grösseren Nützlichkeit wegen in noch höherem Maasse ein Hauptjagdthier der dortigen Eingeborenen, der Orotschonen, Monjagern und Biraren ab. Im Herbst, während meiner Reise am oberen Amur, habe ich fast allabendlich entweder das laute Schreien dieses Thieres, oder aber den einförmigen Lockton der ihm nachstellenden Jä- ger durch die Waldung am Strome schallen hören. So oft ich aber mit den oben erwähnten Eingeborenen selbst zusammentraf, hatte ich stets Gelegenheit die hohe Bedeutung, die der Edelhirsch für ihren Haushalt hat, zu erkennen. Denn nicht bloss, dass das Fleisch desselben, frisch oder getrocknet, ihnen mit zur hauptsächlichsten Nahrung, das Fell aber, kunstvoll zum Leder gegorben, zur vornehmlichsten Kleidung dient, sondern es bieten ihnen auch noch das Hirschleder sowohl wie auch das frische, noch unverhärtete Geweih dieses Thieres die wichtigsten Artikel zum Handel mit den Mandshu, Chinesen und Russen dar. Letzteres zumal (bei den Mandshu und Dauren punto und funto, bei den tungusischen Eingeborenen des Amur-Landes, den Golde, Mangunen u. a. puntu genannt) giebt einen sehr geschätzten Gegenstand ab, weil es von den Chinesen und darnach auch von den Eingeborenen des Amur-Landes selbst für ein höchst wirksames Confortativ gehalten wird. Ausserdem dienen den Eingeborenen der Edelhirsch und das Elenn, neben den Pelzthieren, auch zur Zahlung des Tributes an die Chinesen, während das kleinere Reh von letzteren nicht angenommen wird. Geringere Bedeutung hat der Edelhirsch bei den Eingeborenen unterhalb des Bureja-Gebirges, deren Lebensweise mehr und mehr eine ichthyophage wird und denen zur Tributzahlung und zum Handel ein grösserer Reichthum an Pelzthieren und namentlich an Zobeln zu Gebote steht. Dennoch ist €. Elaphus am Amur-Strome unterhalb des Bureja-Gebirges noch über eine geraume Strecke hin die vorherrschende Hirschart. In diesem Stromtheile, nahe der Us- suri-Mündung und unterhalb derselben, habe ich oft zahlreiche Hirschspuren auf den niedri- gen, mit Weiden und hohem Grase bewachsenen Inseln des weit ausgebreiteten Stromes gese- hen. In der That soll der Hirsch, den Angaben der Eingeborenen zufolge, diese Inseln sehr gern besuchen und zu diesem Zwecke die breiten Arme des Stromes durchschwimmen, I) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 217. 2) Sibir. Reise. 1. c. p. 121. Cervus Elaphus. C. Alces. 173 wobei er oft von den Eingeborenen überrascht und erlegt wird. Etwa bis zur Mündung des Chongar-Flusses ist der Edelhirsch am Amur-Strome und dessen beiderseitigen Zullüs- sen häufig ; alsdann aber wird er, vielleicht in Folge zunehmender Nadelholzwaldung und des hohen Schneefalles im Winter, seltner, erreicht jedoch noch die Mündungen des Gorin-Flus- ses am linken und des Chelasso am rechten Amur-Ufer. Vom Gorin habe ich selbst das oben erwähnte Fell und Geweih dieses Thieres mitgebracht. Bis zum Chelasso , ungefähr in 51° n. Br., lauteten die weitesten Angaben, die ich von den Golde und Mangunen über die Verbreitung des Edelhirsches gehört habe. Weiter unterhalb im Amur-Lande sind mir von den Mangunen und Giljaken stets nur verneinende Angaben über den Hirsch ertheilt worden und niemals habe ich selbst Spuren von dem Vorkommen desselben zu Gesichte be- kommen. Bei den Giljaken, von deren Gebiete der Edelhirsch ganz ausgeschlossen bleibt, trägt er daher auch nur einen fremden, von den tungusischen Nachbarvölkern entlehnten Na- men, dessen allgemeinere Kenntniss wohl nur der auch bei ihnen renommirten Eigenschaft der Hirschgeweihe zuzuschreiben ist, ob diese gleich nur sehr selten bis zu den Giljaken selbst gelangen. Die grosse Zahl und Uebereinstimmung obiger Angaben der Eingeborenen lassen mich die erwähnte Polargränze der Verbreitung des Hirsches am Amur, die Mündung des Chelasso, für eine zuverlässig bestimmte halten. Ostwärts von ihr, zur Meeresküste hin gaben mir die Eingeborenen den Edelhirsch am Jai, Tumdshi und an der Meeresküste, an letzterer jedoch nicht eher als ein paar Tagereisen südwärts von der Bai de Castries an. Vergleicht man diese Punkte der Polargränze des Hirsches im unteren Amur-Lande mit den weiter westwärts durch Middendorff ermittelten nördlichsten Punkten seiner Verbreitung, so liegen sie sehr ansehnlich südlicher als letztere. Auch in der Verbreitung des Edelhirsches findet also wie beim Reh eine starke Senkung der Polargränze im unteren Amur-Lande statt, eine Erscheinung, die wahrscheinlich ebenfalls mit der schon erwähnten raschen Zunahme nordischer Nadelholzwaldung im unteren Amur-Lande unterhalb der Gorin-Mündung und dem höheren winterlichen Schneefall in diesem Theile des Amur-Landes zusammenhängen dürfte. Gleich dem Reh bleibt endlich auch der Edelhirsch auf das Festland Ostasiens be- schränkt und geht, nach einstimmigen Aussagen der Giljaken von Sachalin, niemals auf diese Insel hinüber. Desgleichen scheint er, nach Siebold’s Angaben, auch auf den japani- schen Inseln zu fehlen und dort durch eine besondere, kleinere Art, Cervus Sika Temm., er- setzt zu sein. 57) Cervus Alces L. Bei den Giljaken: toch. . « « Mangunen, Ssamagern, Golde unterhalb des Ussuri: to und duju (d. h. das Thier). « « Orotschen an der Meeresküste, Kıle am Kur, Golde oberhalb des Ussuri: toke. « « Biraren, Monjagern, Orotschonen: {oke und bojun. « « Dauren: chandaga. 174 Säugethiere. Schon Pallas gab an, dass das Elennthier in den Gegenden am Uth-Flusse, so weit es dort Waldungen gebe, zu finden sei"). Middendorff traf es in grosser Anzahl am Stano- woi-Gebirge und erfuhr auch von seinem sehr zahlreichen Vorkommen am linken Ufer des Amur-Stromes südöstlich vom Tugur’), also nahe der Amur-Mündung. Von diesem Punkte im Norden des Amur-Landes ausgehend, können wir nun das Elennthier noch über eine ge- raume Strecke nach Süden verfolgen, indem es in der That fast das gesammte, wald- und sumpfreiche Amur-Land bewohnt. In der grössten Zahl kommt es namentlich im unteren Laufe des Amur-Stromes vor, wo die ausgedehnten, dichten, anfangs fast ausschliesslich aus Nadelholz bestehenden, weiter stromaufwärts mit Laubholz gemischten, oft moorigen und sumpligen Wälder dem Elennthiere das günstigste Terrain darbieten, Beim Nikolajewschen Posten an der Amur-Mündung habe ich selbst das Elennthier in den Wäldern der nächsten Umgegend zu wiederholten Malen getroffen. Im Herbst 1854, am 24. Sept. (6. Oct.), wurde dort vor meinen Augen ein Thier erlegt, das aus dem Walde mitten auf den Posten herausge- kommen war und über den Strom zu schwimmen im Begriffe stand. Dieses Thier, dessen Fell und Schädel ich mitgebracht habe, war ein Gabelhirsch, der bereits das heller braune Herbstkleid angezogen hatte. Dennoch muss ich bemerken, dass das Elennthier an der Mün- dung des Amur-Stromes minder häufig ist als eine Strecke aufwärts, noch im unteren Lauf des Stromes, und dass es namentlich das niedrigere und landeinwärts ebenere linke Amur- Ufer in grösserer Zahl als das höhere, gebirgige rechte Ufer und die Meeresküste zu bewoh- nen scheint. Gleichwohl kommt es auch an der Meeresküste, am Amur-Limane sowohl wie an der Meerenge der Tartarei bis über die Bai Hadshi nach Süden vor. Auffallend ist es aber, dass es der Insel Sachalin, zum wenigsten der nördlichen Hälfte derselben, den aus- drücklichen Aussagen der Giljaken beider Küsten und des Innern der Insel zufolge, gänzlich fehlt. Sollten wir daher Recht haben die ursprünglichen Wohnsitze der Giljaken, wie oben erwähnt worden, auf der InselSachalin zu vermuthen, so dürfte das Fehlen des Elennthieres auf dieser Insel vielleicht auch der Grund sein, wesshalb wir bei den Giljaken für dieses Thier keine eigene, ächt giljakische, sondern nur eine von ihren tungusischen Nachbaren erborgte und giljakisirte Bezeichnung finden. Jedenfalls kommt, wie gesagt, das Elennthier im Gebiete der tungusischen Stämme am Amur häufiger als bei den Giljaken an der Amur-Mündung vor und spielt bei jenen auch eine wichtigere Rolle als bei diesen. Schon im Gebiete der Mangunen am Amur wird das Elennthier merklich zahlreicher und erhält den gewöhnliche- ren Namen «Öbuju», d, h. das Thier insonderheit, eine Bezeichnung, die noch weiter aufwärts, bei den Golde am Amur und den Ssamagern am Gorin ihre volle Bedeutung gewinnt. Nir- gends im Amur-Lande kommt das Elenn in solcher Häufigkeit wie am Gorin und am Amur etwas ober- und unterhalb der Gorin-Mündung vor, Immeg wieder sah ich, während mei- ner Reise am Gorin, frische Elennsfährten die Schneedecke des Flusses durchkreuzen und an den Bäumen der Ufer hie und da bald frische, zum Trocknen ausgespannte Felle, bald zahl- Il) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 202. 2) Middendorff, Sibirische Reise. 1, c. p. 121. Cervus Alces. Equus Caballus. 175 reiche, trophäenartig aufgesteckte Schädel und Knochen dieses Thieres, die Reste ehemaliger Ausbeuten, hängen. Die Ssamagern am Gorin fand ich zumeist in Elennsleder gekleidet. Zu wiederholten Malen begegneten mir auch die mit reicher Beute an Elennsfleisch und Häuten beladenen Schlitten rückkehrender Jäger. Denn es sind diese waldigen Wildnisse am Gorin ein besuchtes Jagdgebiet nicht bloss der dort ansässigen Ssamagern, sondern auch der ent- fernter wohnenden Golde am Amur. Oberhalb der Gorin-Mündung wird das Elennthier all- mählig seltner, kommt jedoch noch in ziemlicher Anzahl am Chongar, Ssedsemi und Kur vor. Mit Bestimmtheit lässt sich auch sagen, dass es bis zur südlichen Biegung des Amur- Stromes an der Ussuri- Mündung die entlegeneren, waldbewachsenen Gebirgsthäler sowohl wie auch die unmittelbaren Ufer des Stromes bewohnt. Nahe der Ussuri-Mündung habe ich nicht selten die Fährten des Elennthieres auf den niedrigen, sumpfigen, mit Weidengesträuch und hohem Grase bewachsenen Inseln des Amur-Siromes gesehen. Am Ussuri kommt das Elennthier, so weit ich den Strom besucht habe, den Angaben der Golde gemäss ebenfalls vor. Doch soll es dort schon seltner als unterhalb am Amur-Strome sein. Die Golde am Ussuri pflegen daher die zu ihrem Bedarfe nöthigen Elennsfelle, und namentlich die zum Be- kleiden der Schneeschuhe bei allen tungusischen Völkern am Amur hauptsächlich beliebten Beinfelle des Elennthieres, zum Theil von ihren nördlichen Nachbarn zu kaufen. Oberhalb des Bureja-Gebirges ist anzunehmen, dass das Elennthier in der trockenen, fast waldlosen Prairie am Amur-Strome von den unmittelbaren Ufern desselben entfernt bleibt. Ueber diese Prairie hinaus aber wird es wiederum ein häufiges Thier, das von den Monjagern nicht minder wie das Reh und der Edelhirsch gejagt wird und eine vielfache Benutzung bei densel- ben sowohl zu ihrem eigenen Bedarfe an Nahrung und Kleidung, als auch zum Handel mit den Russen und zur Tributzahlung an die Chinesen findet. Von allen Hirscharten im Amur- Lande ist also das Elennthier diejenige, welche dem Raume nach die grösste Verbreitung und im Allgemeinen auch die grösste Bedeutung für die Eingeborenen hat. Fügt man daher noch hinzu, dass es zugleich auch das grösste aller Säugethiere im Amur-Lande ist, so wird man den Namen, den es bei den tungusischen Amur-Völkern als «das Thier» insonderheit trägt, ge- wiss sehr bezeichnend finden. VI. SOLIDUNGULA. 58) Equus Cabhallus L. Bei den Giljaken und Mangunen: mur. « « Golde, Biraren, Dauren: morre. « « Monjagern und Orotschonen: murrin. 176 Säugelhiere. In Beziehung auf das Vorkommen des Pferdes im Amur-Lande muss man die ältere, vor dem Beginne russischer Colonisation am Amur-Strome bereits stattgehabte Verbreitung dieses Thieres bei den Amur- Völkern und die spätere Einführung desselben durch die Rus- sen unterscheiden. Was die erstere betrifft, so fand ich sie in den Jahren 1854—56 bereits ziemlich weit vorgeschritten, da sie mehr als den halben Lauf des gesammten Amur-Stromes umfasste. Im Allgemeinen lässt sich hinsichtlich derselben bemerken, dass je weiter stromabwärts, desto grösser die Abnahme wird, welche das Pferd in seiner Bedeutung für die Eingeborenen und somit auch in seiner Cultur bei denselben erleidet, eine Abnahme, die natürlich mit den Ver- änderungen in der physischen Beschaffenheit des Landes und in der Lebensweise seiner Be- wohner in vielfachem und innigem Zusammenhange steht. Im oberen Theile des Amur - Stro- mes, angefangen vom Zusammenflusse der Schilka und des Argunj, ist das Pferd in grosser Zahl bei den Orotschonen und besonders bei den Monjagern vorhanden, denen es als noth- wendiges Lastthier auf ihren periodischen Wanderungen dient. Im Gefolge derselben ist es dort auch nicht bloss am Amur, sondern auch an den Zuflüssen desselben, am Komar, an der Dseja u. a. m. verbreitet. Oft habe ich in diesem Theile des Stromes zahlreiche Pferde in einiger Entfernung von den Zelten der Eingeborenen weiden sehen. Auch ist es mir einmal begegnet, ein einzelnes Thier am Strome aufzutreiben, wo ich weit und breit keine Einge- borenen fand. Durch den Lärm unserer Ruder aufgescheucht, rannte es scheu davon, den Ein- druck eines verwilderten Thieres hinterlassend. Doch ist mir von den Eingeborenen niemals von einem Falle,wirklicher Verwilderung der Pferde am Amur erzählt worden, ob sie gleich in den vielen und weiten Grasplätzen am oberen Amur und noch mehr in der Prairie unter- halb der Dseja ein nicht minder günstiges Terrain dazu wie in den Steppen Südrusslands oder der Mongolei finden dürften. Der Ursprung dieser Pferde der Orotschonen und Monjagern ist oflenbar bei den Russen am Argunj und der Schilka zu suchen, wo Pferde in grosser Zahl gehalten werden. Die Monjagern versorgen sich auch gegenwärtig noch bisweilen in direkter Weise mit Pferden von den Russen, um sie an die unterhalb wohnenden Chinesen und Mandshu zu verkaufen. Ich habe selbst Flösse mit zahlreichen Pferden gesehen, die von Monjagern zu diesem Zwecke stromabwärts getrieben wurden. Dies dürfte daher auch der Ursprung der meisten Pferde sein, die wir unterhalb der Dseja in den Ansiedelungen der Mandshu, Chinesen, Dauren und Biraren in der Prairie finden. Andere mögen vom Ssungari her in diese Colonieen am Amur gebracht worden sein. Eine Sonderung von Racen aber habe ich dort nicht bemerken können. Die Pferde kamen mir überhaupt von robustem starkem Bau und ziemlich, jedoch nicht übermässig kleinem Wuchse vor und trugen wie in Europa die verschiedensten Farben. In diesen festen mandshurisch - chinesischen Ansiedelun- gen in der Prairie spielt das Pferd auch ganz dieselbe Rolle wie in Europa, indem es nicht bloss zum Reiten und Lasttragen, sondern auch zum Ziehen von Fuhrwerken dient und der ackerbauenden Bevölkerung dieser Colonieen daher von besonderem Nutzen ist. Auch muss es dazu beitragen die Verbindung zwischen Aigun, der einzigen chinesischen Stadt am Sachali- Equus Caballus. 177 oder oberen Amur-Strome, und den am Ssungari und dessen Zuflüssen gelegenen chinesi- schen Ortschaften zu unterhalten, zu welchem Zwecke geebnete Wege über den südlich von Aigun von West nach Ost laufenden, den Biraren (vielleicht aus diesem Grunde) unter dem Namen «Morre-urra», d.h. Pferde-Gebirge, bekannten Gebirgszug führen sollen. Diese Benutzung des Pferdes bleibt durch die ganze Prairie, so weit die festen Ansiedelungen reichen, dieselbe. So habe ich sie noch in der kleinen Biraren-Ansiedelung Kalta, gleich oberhalb des Bu- reja-Gebirges, gefunden. Dieses Gebirge setzt ihr aber eine Gränze; denn unterhalb desselben hat das Pferd nur eine sehr untergeordnete Bedeutung. Bei den nomadischen Golde, die ich dort antraf und die angeblich vom Ssungari kamen, war es nur in sehr geringer Zahl vorhanden und diente in derselben Weise wie bei den Monjagern zum Lastthiere auf ihren Wanderungen. Noch geringer wird die Zahl und Bedeutung des Pferdes bei den weiter ab- wärts, zwischen der Ssungari- und Ussuri-Mündung in festen Wohnsitzen lebenden Golde. Ihr beständiger , durch den Fischfang bedingter Aufenthalt am Strome , inmitten eines nie- drigen, oft moorigen und brüchigen und von vielen Flussarmen durchschnittenen Terrains, gestattet ihnen das Pferd nur auf kurzen Strecken zum Reiten zu gebrauchen, während aller weitere Verkehr im Sommer zu Boote, im Winter auf Schlitten mit Hülfe der bereits allge- mein gehaltenen Hunde geschieht. Das Pferd findet sich daher bei ihnen nur noch als ein Luxusartikel im Handelsverkehre mit ihren oberhalb wohnenden Nachbarn ein. Im Dorfe Sselgako, unterhalb der Ssungari- Mündung, wo ich, stromaufwärts gegangen, die ersten Pferde sah, gaben mir die Golde ausdrücklich an, dass sie dieselben von dem oberhalb der Stadt Aigun am Sachali-Strome wohnenden Volke der Ssolo erhielten, welche sich mit dem Pferdehandel beschäftigten — eine Angabe, die sich, dem oben Mitgetheilten zufolge, auf kein anderes Volk als die Monjagern beziehen lässt. Von diesen kommen denn auch_die Pferde, welche sich bei den Eingeborenen am Ussuri finden. An der Mündung dieses Flusses, im Dorfe Turme, wo es deren welche gab, waren dieselben im Sommer 1855 kurz vor unserer Ankunft daselbst von Tigern zerrissen worden. Weiter oberhalb am Ussuri sind uns keine begegnet, zum Beweise, dass auch dort das Pferd, nur zeit- und stellenweise vorkommend, eine sehr untergeordnete Rolle spielt, da der stetige Verkehr im Sommer zu, Boote, im Win- ter auf hundebespannten Schlitten geschieht. Am oberen Ussuri soll jedoch das Pferd, den Angaben der Golde zufolge, wiederum zahlreicher gehalten und auch als Lastthier im Ver- kehre mit den südlich vom Gebirge an der Meeresküste gelegenen chinesischen Ortschaften gebraucht werden. Die Mündung des Ussuri ist nun auch die Gränze der Verbreitung des Pferdes im Amur-Lande. Unterhalb derselben findet sich kein Pferd mehr, weder bei den Eingeborenen des Amur-Landes, noch bei den zum Handel oder zur Tributserhebung hinkom- menden Mandshu und Chinesen. Den Golde unterhalb der Ussuri- Mündung, den Man- gunen, Giljaken u. a. m. ist daher das Pferd aus eigener Anschauung nur den Wenigen, welche Handelsreisen an den Ssungari gemacht haben. im Allgemeinen aber bloss dem Namen nach bekannt. Diese Bekanntschaft nimmt auch stromabwärts mehr und mehr ab und verliert sich endlich bei den Giljaken so weit, dass man bei ihnen die allerunähnlichsten a Schrenck Amur-Reise Bd, I. 178 Säugethiere. desselben, z. B. in Holz geschnitzte, purpurroth mit schwarzen Flecken und Streifen bemalte Figuren, die es versinnlichen sollen, u. drgl. m., findet. In dieser Begränzung der Culturheimath des Pferdes im Amur-Lande lässt sich nun ein inniger Zusammenhang mit der Beschaflenheit des Landes, mit seiner Bodengestaltung und seinen klimatischen Verhältnissen erkennen. Mit der Mündung des Ussuri beginnt nämlich stromabwärts am Amur ein durchweg gebirgiges Terrain, mit steiler, oft felsiger Beschaffe n- heit der Ufer und mit ausgedehnten Waldungen, sei es aus Laubhölzern mit dem dichtesten Gebüsch im Süden, oder aus Nadelhölzern im Norden, deren noch ungelichtete, von zahl- reichen Flüssen durchschnittene und oft mit moorigem und brüchigem Boden versehene Wild- niss bisher noch keinen Pfad für den Fussgänger und wie viel weniger also für das Pferd dar- bietet. Wie diese Beschaffenheit des Bodens im Sommer, so machen im Winter klimatische Verhältnisse und namentlich der hohe Schneefall und die häufig sich ereignenden Schneestürme den Gebrauch des Pferdes im unteren Amur-Lande unmöglich. Stellen die ungeheueren Schnee- massen doch selbst den leichten, mit Hunden bespannten Schlitten oft unüberwindliche Hin- dernisse entgegen. Dabei entziehen diese Schneemassen dem Pferde auch die Möglichkeit, im Winter durch Aufscharren des Schnee’s, wie das im schneearmen oberen Amur-Lande und in Transbaikalien geschieht, die nöthige Nahrung zu finden. Abgesehen daher von der Nutz- losigkeit des Pferdes für die Eingeborenen des unteren A mur-Landes, gäbe ihnen die Gultur desselben noch die ansehnliche Mühe der Bereitung von Heuvorräthen im Sommer, während der nützliche Hund für die Eingeborenen auch noch den Vorzug hat, dass er ihre ichthyophage Nahrung theilt. So fällt also die Culturgränze des Pferdes im Amur-Lande mit der Natur- gränze sowohl des höheren oder geringeren Schneefalles, als auch der mehr oder minder aus- schliesslichen Prairie einerseits und des Gebirgs- und Waldlandes andrerseits zusammen. Durch diese physischen Bedingungen genöthigt, muss die Cultur desselben am unteren Amur-Strome derjenigen des Hundes weichen, dessen Verbreitung im Amur-Lande daher gewissermassen in direktem Gegensatze zu derjenigen des Pferdes steht. Abgesehen aber von dieser älteren, durch die Naturbeschaftenheit des Landes im Laufe der Zeit bedingten Verbreitung des Pferdes bei den Amur-Völkern, ist nun auch noch einer späteren, durch die russische Colonisation veranlassten Einführung desselben in das Amur- Land zu gedenken. Mit der Gründung der russischen Posten an der Amur-Mündung im Jahre 1854 wurden nämlich zahlreiche Pferde aus Transbaikalien den Amur abwärts ge- bracht, ja sogar eine Abtheilung reitender Kosaken im Mariinskischen Posten angesiedelt. Die oben angedeuteten Schwierigkeiten für den Gebrauch des Pferdes im unteren Amur-Lande, so lange dieses Mie Eingriffe der Cultur noch nicht in grösserem Maasse erfahren hat, ver- minderten jedoch rasch die Zahl dieser Pferde und schränkten die Benutzung derselben im Sommer sowohl wie im Winter fast vollkommen ein. Dass unter solchen Umständen an eine Einbürgerung des Pferdes vermittelst der Russen auch bei den Eingeborenen des unteren Amur-Landes bisher noch im Entferntesten nicht zu denken ist, versteht sich von selbst. Einen günstigeren Boden dagegen fanden die Pferde der Russen in den kleineren, oberhalb Equus Caballus. E. Asinus. Trichechus Rosmarus. 179 der Ssungari- Mündung gegründeten Posten, wo, wie erwähnt, auch die Eingeborenen mit der Pferdezucht in grösserem oder geringerem Maasse sich beschäftigen. 59) Equus Asinus L. Den Esel habe ich im Amur-Lande nur an einem Orte und zwar in der chinesischen Stadt Aigun oder Sachalin-ula-choton am oberen Amur gesehen, wo er den Chinesen und Mandshu zum Reiten dient, wie das von Pallas auch für die nach Kjachta kommen- den Chinesen bemerkt worden ist '). Als ich nämlich in dieser Stadt landete, kam mir ein Gehülfe des Gouverneurs derselben, von zwei Beamten begleitet, entgengeritten. Letztere sassen auf Eseln, welche den europäischen ganz ähnlich, von grauer Farbe mit schwärzlichem Rückenstreifen gezeichnet waren. Der Gouverneursgehülfe aber ritt auf einem Maulesel. Letztere Bastardform scheint somit auch bei den Chinesen im Amur-Lande in einem höheren Ansehen als der Esel zu stehen. vi. PINNIPEDIA. 60) Trichechus Resmarus L. Bei den Giljaken: ischu-ngych. Das Wallross ist den Giljaken natürlich nur durch seine Zähne dem Namen nach be- kannt. Diese erhielten die Giljaken schon vor dem Beginne russischer Colonisation am Amur-Strome durch Vermittelung ihrer nördlichen Nachbarvölker. Seit dem Jahre 1853 be- ziehen sie dieselben im Handel mit der russisch - amerikanischen Compagnie im Nikolajew- schen Posten. Doch ist die Abnahme, die dieser Gegenstand bei ihnen findet, nur eine sehr ge- rınge, weil die Giljaken zu Schnitzereien für ihren eigenen Bedarf mit dem reichen Mate- riale an Rennthier- und Elennsgeweihen vorlieb zu nehmen pflegen, die Wallrosszähne aber nur zu dem Zwecke kaufen, um sie zu den Chinesen am Ssungari zu bringen und gegen andere Gegenstände mit Vortheil wieder zu vertauschen — eine Handelsspeculation, welche natürlich nur Wenige von ihnen zu unternehmen im Stande sind. 1) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 263. 180 Säugethiere. 61) Phoca nummularis Schleg. Ph. Largha Pall. Zoogr. Rosso=Asiat. I. p. 113. Bei den Giljaken: . Das erwachsene Thier: pyghi-langr (langr heisst Seehund überhaupt). Das jüngere Thier : ngyss'chyl). Das noch jüngere Thier: orongr und odonisch. Bei den Mangunen: gjäuch'ssa. Diese schon von Pallas theils als Varietät von Ph. vitulina L. und theils als besondere Art unter dem oben angeführten Namen erwähnte '), von Schlegel nach Siebold’s japani- schen Materialien ?) genauer beschriebene Art kommt auch an den Küsten des Amur-Landes, im Ochotskischen Meere, in der Meerenge der Tartarei und im Amur-Strome vor. Wie Schlegel für die japanischen Exemplare angiebt, so kann man auch im Amur- Lande die mannigfaltigsten Varietäten in der Zeichnung dieser Robbe bemerken, indem die besonders auf dem Rücken zusammengedrängten schwarzen Flecken bald zahlreicher, grösser und dunk- ler, bald spärlicher, kleiner und heller sind. Auf diesen Verschiedenheiten der Fleckung, welche im Allgemeinen mit dem Alter der Thiere stärker hervortritt, beruhen auch die oben angegebenen Bezeichnungen der Giljaken für die verschiedenen Alterszustände dieses Thie- res. Für das Amur-Land ist Ph. nummularis unstreitig die wichtigste Robbenart. An den Meeresküsten zumal bildet sie bei den auf den Seehundsfang vielfach angewiesenen Giljaken einen für ihren Haushalt unumgänglichen Gegenstand, indem Fleisch und Thran derselben ihnen und ihren Hunden zur Nahrung, das Fell aber zu den verschiedensten Kleidungsstücken dient. Der Fang derselben wird daher sowohl im Sommer, mit Hülfe besonderer, im ethnogra- phischen Bande meiner Reise näher zu heschreibender Harpunen, als auch im Winter betrieben, wenn der Amur-Liman gefroren, die Meerenge der Tartarei aber in ihrer Mitte eisfrei ist, indem alsdann die zahlreich auf das Eis herauskommenden Thiere vom Wasser abgeschnitten und - erschlagen werden. Am Amur-Strome nimmt natürlich mit der Zahl der Seehunde auch ihre Bedeutung für die Eingeborenen ab. Nach Angabe der Giljaken geht das alte, besonders schön gelleckte Thier nur selten in den Amur-Strom hinein und entfernt sich alsdann auch nur wenig von der Mündung desselben, während die jungen Thiere häufig und bis zu einer sehr ansehnlichen Entfernung von der Mündung aufwärts steigen und auch in die Mündungen der Nebenflüsse sich begeben. Im Gebiete der Giljaken habe ich im Amur -Strome häufig Seehunde gesehen. Bei ihnen ist auch das Seehundsfell in einem weit grösseren Gebrauche und steht in niedrigerem Preise als bei den stromaufwärts wohnenden Mangunen. Dennoch sind auch diese mit dem Seehunde noch aus dem Strome selbst bekannt. Nach den überein- stimmenden Angaben derselben kommt dieser Seehund im Gebiete der Mangunen bis nach dem Dorfe Yrri vor, welches etwa 400 Werst oberhalb der Mündung des Amur-Stromes, nahe dem 51° n. Br. gelegen ist. Diese Gränze seines äussersten Aufsteigens im Strome land- 1) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 113 u. p. 117. Nota 2. 2) Fauna Japonica. Mammalia. Dec. 3. p. 3 u. 4. Phoca nummularis. Ph. barbata. Ph. ochotensis. 181 einwärts möchten wir seine Binnenlandgränze im Gegensatz zur oceanischen oder maritimen nennen. Oberhalb derselben, bei der bald darauf am Strome beginnenden Bevölkerung der Golde verschwindet mit dem Seehunde auch der Gebrauch des Seehundsfelles gänzlich. 62) Phoca hbarhata Müll. Ph. nautica und Ph. albigena Pall. Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 108 u. 109. Bei den Giljaken: Das erwachsene Thier : kighitsch und kighitsch-langr. Das junge Thier : naf-nga. Bei den Mangunen: amtschupi. Dieser Art möchte ich die bei den Giljaken unter den angeführten Namen bekannte Robbe zuzählen, deren Felle ich sehr häufig im Amur-Lande gesehen habe. Dieselben waren von schmutzig gelblicher Farbe, in der Regel ganz ungefleckt und nur längs dem Rücken dunkler graugelb. Nach Angabe der Eingeborenen kommt diese Robbe häufig an den Südküsten des Ochotskischen Meeres, in der Meerenge der Tartarei, im Amur-Limane und selbst noch im Amur-Strome vor. Auch von ihr gilt, was von der vorhergehenden Art gesagt worden, dass nämlich das ältere Thier im Amur-Strome nur selten vorkommt und alsdann auch nur wenig von der Mündung desselben sich entfernt, während das jüngere Thier höher aufwärts steigt. Wie weit das jedoch geschehe und ob sie ebenso hoch aufwärts im Strome vorkomme wie die vorhergehende Art, konnte ich nicht ermitteln. Die Giljaken schätzen die Häute die- ser Robbe hauptsächlich wegen ihrer grösseren Dieke und Festigkeit und brauchen sie daher auch vornehmlich zur Bereitung von Riemen, Stiefeln, und zwar der unteren Stiefeltheile und der Sohlen, und drgl. m. Diese von den Giljaken verferligten Gegenstände, und besonders die Stiefel von Seehundsleder, finden auch weiter aufwärts bei ihren Nachbarn am Amur eine vielfache Abnahme und liefern daher den Giljaken, und zumal denjenigen der Meeres- küste und der Insel Sachalin, einen ergiebigen Tauschartikel im Handel mit den Mangu- nen, Golde und anderen Völkern des Amur-Landes. 65) Phoca ochotensis Pall. Bei den Giljaken: matsch-nga (d. h. kleines Thier). « « Mangunen: kongoro. Diese kleine Robbe von schmutzig gelblicher Farbe mit grauer Fleckung des Rückens kommt auch im Amur-Lande, an den Küsten des Ochotskischen Meeres, in der Meerenge der Tartarei und im Amur-Limane vor. In den Amur-Strom aber soll sie nach Angabe der Giljaken nur in sehr seltnen Fällen sich begeben und alsdann auch niemals weit über die Mündung desselben hinaufgehen. Eine genauere Beschreibung dieser noch sehr un- 182 Säugethiere. genügend bekannten Art, welche nach Pallas zuerst von Hrn. Wosnessenski im Ochotski- schen Meere wieder aufgefunden wurde, steht uns in nächster Zeit von Hrn. Akad. Brandt zu erwarten. 64) Phoca equestris Pall. Taf. IX. fig. 1—9. Ph. fasciata Shaw, Gener. Zool. or System. Natur. Hist. Vol. I. Part. 2. Mammal. London 1800. p. 257. Bei den. Giljaken: alch. « « Mangunen: alcha. Von besonderem Interesse war es mir im Amur-Lande einige Felle von der noch sehr ungenügend und nur nach einem Fellfragmente bekannten Robbenart Ph. equestris Pall. zu sehen und zu erhalten. Bekanntlich hat Pallas diese Art nur nach einem aus dem Rücken des Thieres ausgeschnittenen Fellstücke gekannt '), welches wir bei Pennant, dem er eine Zeich- nung desselben zugeschickt hatte, zuerst beschrieben und abgebildet finden Dr Pennant be- zeichnete dabei dieses Thier bloss mit dem englischen Namen Rubbon-Seal (Band-Robbe), was später Shaw veranlasste demselben die systematische Bezeichnung Ph. fasciata zu ertheilen — eine Bezeichnung, die jedoch gegenwärtig gegen den ursprünglichen, vom Entdecker selbst stammenden und nur durch das verzögerte Erscheinen der Zoographia Rosso - Asiatica später bekannt gewordenen Namen Ph. equestris zurücktreten muss. Seit jener Entdeckung dieser Robbe durch Pallas ist aber unsere Kenntniss derselben um nichts weiter gefördert wor- den. Ja der völlige Mangel an weiteren Nachrichten über dieselbe veranlasste sogar manche neuere Schriftsteller, dieses Thier als besondere Art in Zweifel zu ziehen und es mit anderen Robbenarten für identisch zu erklären. So stellen z. B. Keyserling und Blasius Ph. eque- stris Pall. als synonym mit Ph. foetida Fäbr. od. Ph. annelata Nilss. zusammen °), von wel- cher sie durch Zeichnung, Zahnbildung u. s. w. sehr verschieden ist. Dem Conservator unseres . akademischen Museums, Hrn. Wosnessenski, gebührt das Verdienst, während seines Auf- enthaltes in Kamtschatka die ersten vollständigen Exemplare von Ph. equestris Pall. aufge- trieben zu haben, welche uns gegenwärtig mit der Beschaflenheit des alten und jungen Thie- res beiderlei Geschlechts bekannt machen und somit auch alle Zweifel über den specifischen Werth dieser Robbenart in Zukunft nehmen. Dieses schätzenswerthe Material über die Ph. eguestris in unserem Museum ist aber bisher noch nicht beschrieben worden. Nur eine sehr ungenaue und sogar falsche, von wenigen beschreibenden Worten begleitete Abbildung dieses Thieres, die ihre Entstehung einem flüchtigen Einblicke in das erwähnte Material zu verdan- ken scheint, ist von Siemaschko in dessen russischer Fauna bekannt gemacht worden °). Es drängt mich daher um so mehr, nach dem reichen, von Hrn. Akad. Brandt mir freund- lichst zur Disposition gestellten Materiale des akademischen Museums und nach den von Hrn. I) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 111. 2) Pennant, Hist. of Quadr. III. Edit. London 1793. Vol. II. p. 276. Die Abbildung auf p. 265. 3) Keyserling und Blasius, Die Wirbelthiere Europa’s. I. p. XXI. 4) Cumamxo, Pycexas bayna. C. Herep6öyprv 1851. II. p. 1022. tab. 85. fig. i. Fhrca equestris. 183 Wosnessenski an Ort und Stelle über diese Robbe eingesammelten und zur Veröffentlichung an diesem Orte mir gefälligst mitgetheilten Nachrichten eine genauere, von Abbildungen begleitete Beschreibung dieser interessanten Robbenart zu entwerfen. Wie alle ächten Phoken hat auch Ph. equestris im Gebisse N Schneidezähne, + Eck- zähne und — Backenzähne, welche letzteren, mit Ausnahme des ersten, zum Unterschiede von der Gattung Halichoerus Nilss., mit je 2 Wurzeln versehen sind. Trotz dieser Beschaflen- heit der Backenzähne, welche /h. equestris von der Gattung Halichoerus entschieden absondert, nähert sie sich derselben doch sehr durch die äussere Form der Zähne. Wie in der Gattung Halichoerus sind nämlich auch bei Ph. equestris die Vorderzähne spitz, kegelförmig, mit ihrer Spitze etwas nach hinten gebogen, die äusseren viel grösser als die inneren; die Eekzähne sind stark; die Backenzähne ziemlich weit auseinander stehend, ebenfalls eckzahnähnlich, ke- gelförmig , mit ihrer Spitze etwas zurückgebogen, vorn und hinten mit einer Längskante be- zeichnet und fast einfach oder nur mit kaum merklichen Nebenspitzen versehen, welches letz- tere Moment an verschiedenen Individuen sehr verschiedentlich zu variiren scheint. So finde ich an einem erwachsenen Männchen im Oberkiefer den 1ten und 2ten Backenzahn ganz einfach, den 3ten und Aten mit einer kleinen Spitze hinten versehen und den 5!°2, immer stumpferen, kleineren und durch eine grössere Lücke von den übrigen gesonderten Zahn wiederum ein- fach ; im Unterkiefer ist der 1t€ Backenzahn einfach, der 2!® hinten und der 31° bis 5!® vorn und hinten mit einer kleinen Spitze versehen. An einem erwachsenen Weibchen hingegen finde ich alle Backenzähne, vielleicht in Folge stärkerer Abreibung, einfach, und nur an den 3 letzten Backenzähnen des Unterkiefers sind schwache Spuren einer hinteren Spitze zu unterscheiden. Im Gebisse zweier jungen Thiere, die im Allgemeinen spitzere Zähne haben, iinde ich im Öber- kiefer dasselbe Verhältniss wie beim erwachsenen Männehen, im Unterkiefer dagegen bei dem einen am ften pis Aten, bei dem anderen am 2ten his Aten Backenzahne eine Nebenspitze hinten und am 5ten bei beiden eine Nebenspitze vorn. An einem dieser letzteren Schädel findet sich zu- gleich die seltsame Anomalie, dass im Oberkiefer jederseits ein 61°, sehr kleiner und durch eine ansehnliche Lücke vom vorhergehenden Zahne getrennter Backenzahn sich findet. Ihrer Zahn- bildung nach steht also Ph. equestris gewissermassen zwischen den ächten Seehunden und den Kegelrobben, der Gattung Halichoerus, mitten inne. Dagegen scheint mir der Schädel, und nament- lich der Schnauzentheil desselben, nicht länger gestreckt als bei den ächten Seehunden zu sein. Am lebenden Thiere ist nach den Bemerkungen Hrn. Wosnessenski’s die Schnauze stumpfer als bei Ph. vitulina, mit dicken, aufgetriebenen Lippen. Das Auge der Ph. equestris ist gross, die Iris dunkelbraun. Die Bartborsten stehen in 6 Reihen zusammen, sind plattgedrückt und wellen- förmig gerandet. An den vorderen Extremitäten ist der erste Finger am längsten, die übrigen nehmen an Länge allmählig ab; die Krallen sind stark, etwas zusammengedrückt, spitz und reichen ungefähr mit einem Fünftheil bis zu einem Drittheil ihrer Länge über die behaarte Schwimm- haut hinaus. Die hinteren Extremitäten sind stark ausgeschnitten zweilappig, der untere Lappen etwas grösser als der obere; die Krallen ziemlich grade, spitz, ragen nieht über die Schwimmhaut hinaus; die Kralle des unteren Lappens ist am grössten. Der Schwanz ist plattgedrückt und kurz. 184 Säugelhiere. Die schon von Pallas theilweise angegebene Farbenzeiehnung von Ph. equestris ist höchst eigenthümlich und, wie Pennant richtig bemerkt, in Worten schwer wiederzugeben. Erwachsene und junge Thiere, Männchen und Weibchen zeigen darin eine ansehnliche Ver- schiedenheit. Das erwachsene Männchen ist es namentlich, welches die auflallende, von Pal- las und Pennant theilweise beschriebene Zeichnung besitzt, während das Weibchen und die jungen Thiere die bei den Seehunden sehr gewöhnlichen schmutzig gelblichen und grauen Farben iragen und jene Zeichnung des Männchens nur theilweise und sehr schwach wieder- erkennen lassen. Diese auflallende Zeichnung des erwachsenen Männchens (Fig. 1 u. 2.) be- steht darin, dass das ganze Thier in grossen, sehr regelmässigen Flecken schwarzbraun und schmutzig graugelblich gescheckt ist, indem Kopf, Rücken und Extremitäten dunkel schwarz- braun sind, zwischen diesen dunklen Flecken aber breite Bänder von heller , schmutzig grau- gelblicher Farbe sich hinziehen. Genauer beschrieben , befindet sich hinter dem schwarzbrau- nen Kopfe ein breites, schmutzig graugelbliches, vom Nacken zur Kehle hinabsteigendes Hals- band, welches in der Mittellinie oben und unten nach vorn vorspringt, an den Seiten aber bogenförmig, mit der Convexität nach hinten gerichtet, verläuft. Hinter diesem hellen Hals- bande breitet sich auf dem Rücken des Thieres ein grosser, länglicher, sattelförmiger, schwarz- brauner Fleck aus, der nach vorn in der Mittellinie mit einer Schneppe in das helle Halsband vorspringt, seitlich aber in zwei schmalen Bändern nach der Unterseite des Halses hinabsteigt, wo sich die beiden Bänder begegnen und: auf der Vorderbrust eine nach hinten gerichtete, spitze, schwarzbraune Sehneppe bilden. Nach der Mitte za verschmälert sich der schwarz- braune Fleck des Rückens allmählig und nimmt dann weiter nach hinten rasch wieder an Breite zu, so dass er an seinem Hinterende ebenfalls in zwei Schenkel ausläuft, die jedoch kürzer als die vorderen sind und an den Seiten des Körpers abbrechen, ohne die Un- terseite zu erreichen. Zu den Seiten dieses dunklen Rückenflleckes verläuft jederseits ein breites, bogenförmiges, mit der Gonvexität nach oben gerichtetes, helles, schmutzig graugelb- liches Band, welches vorn und "hinten nach der Unterseite hinabsteigt; dort vereinigen sich die Bänder beider Seiten und bilden die helle Färbung des Bauches. Innerhalb dieser hellen, nach oben bogenförmigen, auf der Unterseite des Thieres aber mit einander verllossenen Bän- der befindet sich jederseits ein grosser, ovaler, schwarzbrauner Fleck, in dessen vordereıi Hälfte die gleichfarbige vordere Extremität hegt. Zwischen und hinter diesen dunklen, die vorderen Extremitäten umgebenden Flecken liegt in der hellen Mittellinie des Bauches ein kleiner, länglicher, schwarzbrauner Fleck. Mit den erwähnten graugelblichen Seitenbändern fliesst ferner an ihrem hinteren Ende noch ein drittes, breiteres, ebenfalls graugelbliches Band zusammen, welches quer über den Hinterrücken des Thieres läuft, das hintere Ende des dunk- len Rückenfleckes wellenförmig begränzend. Im hellen Felde dieses Bandes befindet sich auf der Unterseite nahe der Mittellinie jederseits ein kleiner, länglicher, schwarzbrauner Fleck, und hinter dem Bande endlich breitet sich wiederum eine schwarzbraune Farbe aus, welche das ganze hintere Ende des Thieres, oben und unten, so wie den Schwanz und die hinteren Extremitäten umfasst. In der Regel sind die Gränzen der beiden genannten, hellen und dunilen Phoca equestris. 185 Farbe sehr scharf gezogen; bisweilen jedoch scheidet sich auch hie und da von einem der grossen dunklen Flecke ein kleinerer Fleck ab, der in das ihn begränzende helle Band mehr oder weniger inselartig getrennt vorspringt. Diese nicht wohl kürzer zu fassende Beschreibung von dem Farbenkleide des erwachse- nen Männchens von Ph. equestris ist nach einem von Hrn. Wosnessenski von der Ostküste Kamtschatka’s mitgebrachten Individuum entworfen. Halten wir dagegen das Exemplar eines ebenfalls erwachsenen und in seinen Dimensionen noch grösseren Männchens, das ich aus dem Amur-Lande und zwar von den Küsten der Meerenge der Tartarei mitgebracht habe, so finden wir an letzterem zwar ganz dieselbe Zeichnung, nicht aber ganz dieselbe Farbe wieder. Denn statt des Schwarzbraunen hat das Amur-Exemplar ein dunkles Grau- schwarz und statt des Schmutzig-Graugelblichen ein weissliches oder Strohgelb. Indem daher an dem Amur-Exemplare die dunklen Flecken noch dunkelfarbiger und die hellen Bänder dazwischen noch heller sind, gewinnt das ganze Fell ein noch auflallenderes, prägnanteres Ansehen. Im Uebrigen aber wiederholt sich an demselben, wie gesagt, die Zeichnung des kamtschatkischen Exemplares bis in das kleinste Detail hinein. Bei solcher Uebereinstimmung zweier, von so weit auseinanderliegenden Fundorten herrührender Exemplare muss es uns um so auflallender erscheinen, in der Abbildung Sie- maschko’s, welche dasselbe Thier darstellen soll, eine ganz abweichende Zeichnung zu lin- den. An dieser (l. c. Tab. 85. fig. 1.) sehen wir nämlich das helle Halsband nicht quer über den Hals vom Nacken zur Kehle, sondern schräg vom Nacken zu den Vorderbeinen hinab- steigen, so dass die ganze Vorderbrust mit dem Kopfe gleiehfarbig schwarzbraun ist, während an unseren Exemplaren die schwarzbraune Farbe des Kopfes schon an der Kehle durch ein breites gelbliches Band begränzt wird. Ferner giebt die Abbildung Siemaschko’s (l. e. fig. 3.) an, dass die schwarzbraune Farbe des Rückens vorn wie hinten bis auf die Unterseite des Thieres sich fortsetzt und die ganze Bauchseite einnimmt, mit Ausnahme zweier, von einander ganz getrennter, heller Bänder , welche kreisförmig um die dunkel begränzten Extremitäten verlaufen, und eines ebenfalls abgesonderten hellen Bandes, das quer über den Hintertheil des Thieres geht. An unseren beiden Exemplaren aber sehen wir die dunkle Farbe des Rückens nur vorn in einem schmalen Bande jederseits bis auf die Unterseite des Thieres hinabsteigen und auf der Vorderbrust eine spitze, nach hinten gerichtete Schneppe bilden; die ganze Bauch- seite dagegen ist an ihnen nicht schwarzbraun , sondern hellgelblich, und die hellen Bänder, diejenigen um die vorderen Extremitäten sowohl wie das Querband über den Hinterrücken des Thieres, bleiben nicht abgesondert, sondern fliessen mit einander und mit der hellen Bauchseite zusammen. Die Abweichung in der Zeichnung zwischen unseren Exemplaren und der Abbildung Siemascko’s ist mithin so gross, dass wir sie mit einander zu identificiren nicht im Stande sind. Zwar scheint es, als ob diese Abweichung zum Theil aus dem Umstande sich erklären liesse, dass Siemaschko’s Abbildung, seiner eigenen Angabe zufolge, nur nach einem ihm zugekommenen Fellstücke dieses Thieres entworfen ist und also leicht irren konnte; allein das könnte doch füglich nur auf die falsch combinirte Fig. 1. und nicht 24 Schrenck Amur-Reise Bd. I. 186 - Säugethiere. auch auf die angeblich nach der Natur copirte Fig. 3. desselben Bezug haben, welche das erwähnte, der ganzen Abbildung zu Grunde gelegte Fellstück selbst darstellt. Dieses letz- tere, angeblich nach der Natur copirte Stück ist aber grade dasjenige, welches jene oben erwähnten, starken Abweichungen von unseren Exemplaren am Auflallendsten darbietet. Den- noch können wir dieser Abbildung, in Folge der erwähnten grossen Uebereinstimmung unse- rer Exemplare mit einander, keinen Glauben schenken. Zudem muss es uns auch auflallen, dass Hr. Siemaschko nicht ein Wort über den Fundort des ihm zugekommenen Fell- stückes mittheilt. Es bleibt uns daher nichts übrig, als die Angabe desselben, dass die in Rede stehende Abbildung von Ph. equestris in der That eine Copie nach der Natur sei, in Zweifel zu ziehen. Von dem Farbenkleide des erwachsenen Männchens von Ph. equestris ist sehr verschie- den dasjenige des erwachsenen Weibchens (Fig. 3.). An diesem sind Kopf, Unterseite und Extremitäten von schmutzig graugelblicher, an den vorderen Extremitäten etwas intensiverer gelblicher Farbe; der Rücken ist dunkler gelblichgrau und giebt den dunklen Sattelfleck, den das Männchen hat, nur schwach zu erkennen, indem die gelblichgraue Farbe desselben nicht immer scharf abgegränzt ist, sondern an vielen Stellen ganz allmählig in das Graugelb der Unterseite übergeht. Gleichwohl sind am Nacken die vorspringende Spitze dieses Fleckes und am Hinterrücken eine Unterbrechung durch ein quer verlaufendes helles Band deutlich zu erkennen. Hinter diesem letzteren Querbande breitet sich endlich auch beim Weibchen eine dunklere, gelblichgraue Farbe aus , welche aber nicht das ganze Hinterende des Thieres, wie beim Männchen, sondern nur die Oberseite, den Beginn der hinteren Extremitäten und die Mitte des gelblich gerandeten Schwanzes umfasst. Mit der Färbung des Weibehens stimmt auch diejenige der jungen Thiere beiderlei Ge- schlechts überein. Bei dem jungen Männchen beginnen jedoch frühzeitig die dunklen Flecken des Rückens und der Extremitäten mehr und mehr hervorzutreten. Das Exemplar, das Hr. Wosnessenski mitgebracht hat, zeigt, ob es gleich noch ansehnlich kleiner als das erwachsene Weibchen ist, doch schon einen dunkleren und schärfer abgegränzten, immer aber noch mit gelblichem Schimmer versehenen, grauen Rückenfleck. Gleichzeitig fängt der Kopf an von der Stirne aus sich dunkler zu verfärben, indem er ebenfalls eine graue Farbe wie der Rücken an- nimmt. Diese graue Farbe zieht sich an unserem Exemplare bereits bis unter das Auge und zur Ohrgegend fort und lässt schon das helle, gelbliche Halsband auf der Oberseite deutlich erkennen. Desgleichen beginnt auch der dunkle ovale Fleck, der die vordere Extremität um- giebt, von einem etwas über und hinter der Extremität liegenden Punkte aus hervorzutreten: an unserem Exemplare finden wir die graue Farbe schon oberhalb der ganzen Extremität und können auch schon den Beginn der hellen Seitenbinde zwischen dem Rückenfleck und der dunk- len Umgebung der vorderen Extremität in schwacher Andeutung erkennen. In den übrigen Stücken aber ist dies junge Männchen noch ganz wie das Weibchen gezeichnet. Fast von gleicher Farbe bei allen Exemplaren verschiedenen Alters und Geschlechts sind endlich die Bart- und Augenborsten und die Nägel; beim erwachsenen Männchen nur Phoca equestris. 187 um etwas dunkler als beim Weibchen und dem jungen Thiere. Die Bartborsten sind nämlich theils einfarbig hornbraun, theils mit einer weissen Linie jederseits längs ihrem Rande ge- zeichnet. Von derselben Farbe und Beschaffenheit wie die Bartborsten, nur bedeutend kürzer, sind auch die Augenborsten. Die Nägel endlich sind dunkel schwarzbraun, am Rande, und diejenigen der hinteren Extremitäten auch an der Spitze, heller hornfarben. Was die Grösse von Ph. equestris betriflt, so schloss schon Pallas nach den Maassen des ihm zugekommenen Fellstückes, dass diese Robbe zu den grösseren gehören müsse, indem das erwähnte unvollständige Rückenstück 6 — 7 Spannen oder 441 — 5 Fuss mass. Die von Hrn. Wosnessenski an den noch unabgebalgten Exemplaren genommenen Maasse geben uns folgende Grössen '): Erwachsenes Weibchen. Erwachsenes Männchen, Junges Männchen. Junges Weibchen. Länge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze...-.«-.....: Abstand des Hinterrandes des Schä- 5° 61”(1683)| 573" (1600) | 3°5”(1041) | 4°7’(1397) dels von der vorderen Extremität 9” (229) — — _ Breue der Brust: .%....H..... 1’ 4” (406) — — _— Umfang des Halses (längs dem hel- len Halsbande gemessen)... .. . 11113" (603) _ p= er Umfang des Rumpfes in der Mitte desselben 2 teens al 3 6” (1067) _ _ _ Umfang des Rumpfes am hinteren Ende, gleich hinter der Ruthe. |2° 11” (641) _ _ _ Länge des Ruthenknochens...... 6” (152) _ _ _ Dazu lassen sich nach den Bälgen derselben Thiere noch folgende Maasse hinzufügen: Ungefähre Länge der vorderen Ex- tremmläl...oonneeeonneren« 230 185 165 165 Ungefähre Länge der hinteren Ex- tremität mit dem Nagel...... 270 250 220 220 Länge des Schwanzes..........» ‚80 70 60 80 » der längsten Bartborste ... 112 103 111 102 » der längsten Augenborste.. 61 55 53 55 Länge des längsten Nagels an der vorderen Extremität (so weit der- selbe aus der Haut hervorragt). 32 31 30 29 Länge des längsten Nagels an der hinteren Extremität.......»- 22 22 19 22 1) Die Maasse sind von Hrn. Wosnessenski in russischen oder englischen Fussen und Zollen genommen wor- den. Um sie mit den folgenden, an den Bälgen derselben Thiere von mir genommenen Maassen zu parallelisiren, ist ihnen in Klammern dieselbe Grösse in Millimetern beigefügt worden. 3 188 Säugethrere. Das von mir mitgebrachte Fell eines erwachsenen Männchens aus der Meerenge der Tartarei misst vom Nacken bis zur Schwanzwurzel 1450 Millim. oder über 4 9" (engl.). Es ist also ungefähr von derselben Grösse wie das von Pallas beobachtete Rückenstück und scheint einem etwas grösseren Thiere angehört zu haben, als das von Hrn. Wosnessenski vermessene erwachsene Männchen war. Letzteres soll übrigens nach Angabe der kamtschatki- schen Jäger, von denen Hr. Wosnessenski seine Exemplare kaufte, noch nicht zu den grössten gehört haben, indem dieses Thier bisweilen auch die Länge von 61 Fuss erreichen soll. Nach allen diesen Maassen zu urtheilen, scheint daher Ph. equestris den mittelgrossen Robben, wie Ph. groenlandica u. a., ungefähr gleichzukommen, der Ph. barbata aber, deren grösste Individuen bekanntlich eine Länge von 8$—10 Fuss erreichen, an Grösse entschieden nachzustehen. Ueber das Verhalten des lebenden Thieres erzählten die Jäger, von denen Hr. Wosnes- senski die noch unabgebalgten Thiere kaufte, dass es in der Regel auf dem Bauche, seltner auf dem Rücken schwimme. Wenn es senkrecht aus dem Wasser steigt, pflegt es den Kopf wie die Seeotter steil gegen den Wasserspiegel zu halten und den Hals länger als die gemeine Robbe (Ph. vitulina) auszurecken. Alle 4 von Hrn. Wosnessenski mitgebrachten Exemplare von Ph. equestris sind an der Ostküste Kamtschatka’s, an der Mündung des Kamtschatka-Flusses, am 18. (30.) und 20. März (1. April) erlegt worden '). Nach den Erzählungen der Jäger soll es sich jedoch nur sehr selten ereignen, dass diese Robbe in so früher Jahreszeit, auf Eisschollen getrieben, an die Mündung des Kamtschatka-Flusses komme. In der Regel pflegt sie dort erst in der 2ten Hälfte des Aprils oder im Mai (alten Stiles) und später als alle übrigen Robben anzulangen. Nach Pallas soll Ph. eques tris sehr selten im Ochotskischen Meere, häufiger dagegen an den Kurilen vorkommen. An der Südküste des Ochotskischen Meeres, nördlich vom Amur- Limane, habe ich ebenfalls nur selten Fellstücke dort erlegter Thiere dieser Art gesehen. Die Giljaken benutzen dieselben ebenso wie die Felle anderer Seehunde zum Bekleiden der Schnee- schuhe, zum Verfertigen verschiedener Taschen u. dgl. m. Ihren Angaben zufolge kommt Ph. equestris auch im Amur-Limane, niemals aber im Amur-Strome vor. Desgleichen findet sie sich in der Meerenge der Tartarei, zwischen Sachalin und dem Festlande, von wo ich durch Vermittelung eines Mangunen das oben beschriebene Fell erhalten habe. Südlich von Sacha- lin dagegen, im Japanischen Meere scheint sie nach Siebold’s Erfahrungen zu fehlen. Ueber- haupt ist uns ausser den genannten Fundorten bisher kein anderes Vorkommen der Ph. eque- stris bekannt. Es scheint daher diese Robbe, den bisherigen Erfahrungen zufolge, nur eine beschränkte Verbreitung zu haben, welche das Beringsmeer, die Küsten Kamtschatka’s, die Kette der Kurilischen Inseln, das Ochotskische Meer, den Amur-Liman und die Meerenge der Tartarei bis nach der Südspitze Sachalin’s umfasst. !) Die Angabe Siemaschko’s (l. c. p. 1023), dass Ph. equestris den Nachrichten Hrn. W osnessenski’s zufolge nur in der See von Olutorsk vorkommen solle, ist also falsch. . er Br En Otaria ursina. 189 65) Otaria ursina L. Bei den Giljaken: tung. « « Mangunen: mu-nyghty (d. h. Wasser-Wildschwein). Zu wiederholten Malen habe ich Gelegenheit gehabt, bei den Eingeborenen des Amur- Landes einzelne Stücke vom Fell des Stellerschen Seebären ') zu sehen und zu erhalten. Das grösste derselben, das ich durch Vermittelung eines Mangunen von Kidsi erhielt und das angeblich aus der Meerenge der Tartarei ziemlich weit südlich vom Cap Lasareff stammte, gehört offenbar einem erwachsenen Männchen, einem von den Russen sogenannten «Ssäkatsch» an. Es ist im Allgemeinen von grauer, schwarzgemischter Farbe, auf dem Nacken und Vor- derrücken am hellsten, nach hinten zu allmählig dunkler, gegen die hinteren Extremitäten hin dunkel kastanienbraun. Genauer betrachtet, findet man die Deckhaare von verschiedener Farbe, indem einige derselben an der Basis lichtbraun, dann dunkelschwarzbraun und an der äusser- sten Spitze weisslich, andere dagegen an der Basis lichtbraun, im übrigen Theile weisslich sind. Am Nacken und Vorderrücken ist die Zahl der letzteren überwiegend, während nach hinten zu die Zahl der schwarzbraunen, nur weisslich gespitzten Haare zunimmt. An den kastanienbraunen Stellen oberhalb der hinteren Extremitäten sind die Deckhaare ebenfalls heller und dunkler braun. Mit der Farbenmischung ist zugleich auch die Länge der Deckhaare an den verschiedenen Körpertheilen eine verschiedene: am Nacken und Vorderrücken sind die Deckhaare am längsten, von 50—55 Millim. Länge ; nach hinten zu werden sie viel kür- zer und betragen nur etwa 17—20 Millim. Unter dem ziemlich rauhen und steifen Deckhaare ist ein dichtes und weiches, lichtkastanienbraunes, etwas in’s Röthliche spielendes Wollhaar vorhanden. An der Südküste des Ochotskischen Meeres habe ich niemals von Seebären gehört. In der Meerenge der Tartarei hingegen, südlich vom Cap Lasareff, und im Ochotskischen Meere an der Ostküste von Sachalin soll dieses Thier, den Aussagen der Giljaken dieser Insel zufolge, vorkommen. Den Beweis dafür lieferten mir die zahlreichen Stücke vom Fell die- ses Thieres, die ich bei ihnen sah. Im Dorfe Tyk an der Westküste von Sachalin, wo mir die ersten dieser Fellstücke begegnet sind, rührten dieselben von Thieren her, die, nach An- gabe der Giljaken, südlich von Tyk in der Meerenge der Tartarei erschlagen worden waren. Die Sachalin-Giljaken wussten mir nicht genug von der grossen Zahl dieser Thiere daselbst und dem lauten Gebrüll zu erzählen, das sie bisweilen erheben. Bis zur Küste von Tyk und zum Cap Lasareff sollen jedoch die Seebären nicht hinaufsteigen. Damit stimmten auch ganz überein die Angaben der Giljaken und Mangunen am Amur, die im Verkehre mit den Bewohnern von Sachalin bisweilen ebenfalls Felle vom Seebären erhalten, wie z. B. das oben beschriebene Fell ein solches war. An der Ostküste von Sachalin habe ich Fellstücke vom Seebären im Dorfe Nyi gesehen, die nach Angabe der dortigen Giljaken von Thieren aus dem angränzenden Ochotskischen Meere rühren sollten. — Zur Benutzung dieser Felle pflegen die Giljaken das rauhe und steife Deckhaar zu entfernen, um das weiche l) Nicht zu verwechseln mit Otaria Stellerö Schleg. 190 ’ Säugelhiere. Wollhaar zu entblössen, in derselben Weise, wie das auch von den Russen mit den für die Chinesen bestimmten Fellen dieses Thieres zu geschehen pflegt. Die auf solche Weise er- haltenen, weichen und zarten Felle dienen den Eingeborenen des Amur- Landes zur Verbrä- mung verschiedener Gegenstände, wie Taschen, Ohrenwärmer u. dgl. m. Dass eine häufige Verwechselung dieser Felle mit denjenigen von Enhydris marına bei den mit letzterem Thiere nur sehr wenig bekannten Eingeborenen des Amur-Landes vorkommt, ist bereits bei Gele- genheit der Besprechung der Seeotter erwähnt worden (s. oben). — Die hier mitgetheilten Thatsachen lehren uns also das Vorkommen von O. ursina in den Gewässern der südlichen Hälfte von Sachalin, im Ochotskischen und Tartarischen (oder Nord-Japanischen) Meere zum wenigsten bis zum 46° n.Br. (der Südspitze von Sachalin) nach Süd kennen. Sie dienen daher auch zur Bestätigung der schon von Steller erhaltenen Nachrichten, dass der Seebär auch an den südlichen Kurilen und bei Japan vorkomme — Nachrichten, denen Steller vielleicht nur aus dem Grunde keinen vollen Glauben zu schenken wagte '), weil er die Lage Japan’s viel südlicher sich dachte, als es in der That der Fall ist °). Hielt er es doch selbst für sehr wahrscheinlich, dass die Seebären an der Kurilischen Insel Compagnie-Land (Urup), welche nach ihm im 45° n. Br. liegen sollte®), oder an einer anderen in der Nähe der ersteren ihren Winteraufenthalt nähmen *). Auffallend ist aber, dass Siebold während seines langen Aufenthaltes in Japan keine Felle von Otaria ursina aus dem Japanischen Meere erhielt. Sollte daher dieser Seebär vielleicht nur im Norden und nicht mehr im Süden des Japani- schen Meeres vorkommen ? IX. GETAGEA. 66) Delphinapterus Leucas Pall. Bei den Giljaken: pomi-tscho (tscho heisst Fisch überhaupt). « « Mangunen: malt. Die Verbreitung des Weissfisches anlangend, gab bekanntlich Pallas im Allgemeinen den 56° n.Br. und für das Ochotskische Meer im Speciellen die noch etwas südlicher, nahe dem 55ten Breitengrade gelegene Mündung des Uth-Flusses als dessen Südgränze an °). Middendorff fand ihn jedoch über diese Gränze hinaus in grosser Anzahl an den Südküsten 1) Steller, s. Novi Comment. Acad, Sc, Imp. Petrop. II. p. 346. Desselben Beschreibung von sonderbaren Meer - thieren. Halle 1753. p. 131. 2) Vrgl. die Karte von den Kurilischen Inseln in Steller's Beschreibung von dem Lande Kamtschatka, 3) Vrgl. die angeführte Karte v. den Kur. Ins. 4, Novi Commentar. 1. c. p. 359. Desgl. Steller, Beschreib. von sonderh. Meerthieren. p. 190. °) Pallas, Zoogr. Rosso-Asiat. I p. 274. Delphinapterus Leucas. 191 des Ochotskischen Meeres. Noch weiter südwärts haben wir ihn in grosser Menge im Amur-Limane und Amur-Strome beobachtet. An der Südküste des Ochotskischen Meeres, gleich nördlich vom Amur-Limane, erzählten mir die Giljaken, dass der Weissfisch bei ihnen bereits in der ersten Hälfte Mai’s (alten Stiles), wenn der Amur-Strom vom Eise sich befreit habe, die Küsten des Ochotskischen Meeres aber noch mit Eis bedeckt seien, in gros- ser Menge sich einfinde, indem er den gedrängten Schaaren des kleinen, von den Giljaken «prschok» oder «prschon-tscho» genannten Fisches (einer dem Salmo Eperlanus L. nahe ste- henden, vermuthlich neuen Lachsart) an die Meeresküste folge. Diesen zum Fange der Weiss- fische günstigsten Zeitpunkt benutzend, sollen die Giljaken alsdann eine grosse Anzahl dieser Thiere erbeuten, wozu sie sich besonderer, im ethnographischen Bande meiner Reise näher zu beschreibender Harpunen bedienen. Im Amur-Limane habe ich selbst" Schädel vom Weissfische an den Küsten liegen sehen. Es war dies namentlich an der Mün- dung des Amur-Stromes der Fall. Südlich von derselben und in der Meerenge der Tartarei sind mir keine begegnet. Auch habe ich die Giljaken an der Westküste von Sachalin, in der Meerenge der Tartarei, niemals vom "Weissfische sprechen hören, noch weniger selbst Schädel oder andere Theile dieses Thieres dort gesehen. Siebold nennt ihn auch nicht unter den ihm bekannten Thieren des Japanischen Meeres. Ohne es daher mit Bestimmtheit behaupten zu wollen, halte ich es für möglich, dass der Weisstisch nicht über die Mündung des Amur-Stromes oder zum wenigsten nicht über den Amur-Liman hinaus nach Süden vorkomme, was die Südgränze seiner Verbreitung an den Küsten Ostasiens ungefähr in den 52° n. Br. versetzen würde. Eine noch südlichere Breite erreicht aber der Weissfisch im Amur-Strome, den er vom Ochotskischen Meere aus bis zu einer sehr ansehnlichen Ent- fernung von seiner Mündung besucht. Nach Aussage der Giljaken der Amur- Mündung be- ginnt der Weissfisch schon 10 Tage nach dem Eisgange im Amur, der stets in den ersten Tagen Mai’s (alt. Stiles) stattfindet, in den Strom zu steigen. Ich habe ihn im Jahre 1855 am 17. (29.) Mai, 15 Tage nach dem Eisgange, bereits bei den Dörfern Kuk und Tyr, d. i. der Amgunj-Mündung gegenüber, etwa 100 Werst oberhalb der Amur- Mündung, im Strome ziehen sehen. Er hält sich dabei stets an das tiefste Wasser des Stromes und ist daher zumeist in der’ Nähe des höheren, rechten Ufer des Amur’s zu sehen, wo das Bett dessel- ben eine grössere Tiefe hat. Auf einer Strecke von etwa 200 Werst von der Mündung bleibt der Weissfisch im Amur recht häufig ; alsdann wird er seltner, steigt jedoch, den ein- stimmigen Angaben der Mangunen zufolge, noch bis zum Dorfe Yrri aufwärts. Dieser letz- tere Ort liegt an einer sehr ansehnlichen Biegung des Amur -Stromes, gleich unterhalb der Mündung des Chelasso-Flusses in denselben, ungefähr 400 Werst oberhalb der Amur- Mündung , in etwa 51° n. Br., und bezeichnet den äussersten Punkt, bis zu welchem der Weissfisch sich jemals im Amur-Strome gezeigt haben soll. Es ist derselbe Punkt, an wel- chem auch die Binnenlandgränze der Verbreitung der Seehunde im Amur liegt. Vergleicht man dieselbe für den Weissfisch mit derjenigen in anderen Strömen Nordasiens, so fällt ihre verhältnissmässig sehr südliche Lage auf. Denn sie liegt im Amur um volle 10 und 15° 192 Säugethiere. südlicher als im Obj und Jenissei, in denen der Weissfisch, nach Pallas '), im ersteren bis zur Einmündung des Irtysch, im letzteren bis zur Einmündung der (unteren) Tunguska auf- wärts steigt. Diese südliche Lage der Binnenlandgränze des Weissfisches im Amur erinnert an das sehr ähnliche Verhältniss an den Ostküsten Amerika’s, wo der Weissfisch im Lo- renz-Strome bekanntlich bis nach Quebek ar d. i. ungefähr bis zum 48° n. Br. und also noch um 3° südlicher als im Amur hinaufsteigt. Diesen äussersten Wendepunkt im Amur- Strome erreichen aber natürlich nicht alle den Strom besuchenden Weisstische. Wie man aus der stromaufwärts zunehmenden Seltenheit derselben entnehmen kann, kehren vielmehr die meisten schon weit früher um, je nachdem sie vielleicht durch die zu verschiedenen Zeiten stattfindenden Züge der aus dem Meere in den Strom steigenden Fische und namentlich der "verschiedenen Lachsarten, denen die Weissfische gern entgegenziehen, zur Umkehr bestimmt werden mögen. So dürften sehr wahrscheinlich im Mai und Juni die Züge von Salmo proteus und S. /ycaodon Pall. und im August und September diejenigen von S. /agocephalus Pall. auf die Wanderungen der Weissfische im Amur einen bestimmenden Einfluss üben. Namentlich scheinen die sehr zahlreichen Züge der letzteren Lachsart im Spätsommer und Herbst eine besonders grosse Anzahl von Weissfischen in den unteren Theil des Stromes zu locken. Im Nikolajewschen Posten kann man alsdann täglich und fast beständig dieses Thier mit sei- nem blendend weissen Rücken längs dem tiefsten Fahrwasser des Stromes auf- und nieder- tauchen sehen. Dies ist denn auch die Zeit, wann die Giljaken am Amur die meisten Weiss- fische erlegen. Ich habe manche Stelle am Ufer des Stromes gesehen, wo zahlreich angehäufte, zum Theil an Baumästen hängende Weissfisch - Schädel mir von oftmals ausgeführten Jagden dieser Art bei den Giljaken Zeugniss gaben. Eine grössere Bedeutung im Haushalte der Ein- geborenen hat jedoch der Weissfisch nicht. Was endlich die an den Küsten des Amur-Landes vorkommenden Wallfische betrifft, so bin ich, bei dem oben angegebenen Gange meiner Reisen, die sich meist nur auf das Innere des Landes, auf den Amur-Strom und dessen Zuflüsse beschränkten, die Meeresküste aber nur sehr wenig und auch dann zumeist nur im Winter berührten, natürlich auch ausser Stande mehr als einige Vermuthungen auszusprechen, welche sich theils auf die Angaben der Einge- borenen und theils auf einige bei ihnen gesehene Knochenbruchstücke dieser Thiere gründen. Darnach glaube ich für die Küsten des Amur-Landes folgende zwei Wallfischarten namhaft machen zu dürfen. 67) Balaenoptera longimana Rudolphi. Bei den Giljaken: keng. Unter dem angeführten Namen begreifen die Giljaken die an der Südküste des Ochots- kischen Meeres, gleich nördlich vom Amur-Limane am häufigsten strandende Wallfischart, welche somit, den Angaben Middendorff’s zufolge, aller Wahrscheinlichkeit nach Balaeno- lt) Zoogr. Rosso-Asiat. I. p. 274. 2) Wagner, Die Säugethiere von Sc hreber. Bd. VII. p. 284. Balaenoptera longimana. Balaena australıs. 193 ptera longimana Rud. sein dürfte '). Dieselbe Wallfischart findet sich, nach Aussage der Gilja- ken, nicht minder häufig auch an den Küsten der Insel Sachalin im Ochotskischen und im Tartarischen Meere, was auch mit den Angaben Siebold’s, der sie im Japanischen Meere kennen lernte ?), im Einklange steht. Die Giljaken des Continentes und der Insel Sa- chalin beuten die gestrandeten Thiere aus, um Fett -und Fleisch derselben zum Futter für ihre Hunde, die Knochen aber und namentlich diejenigen des Unterkiefers zum Bekleiden der Schlittensohlen bei eingetretenem Thauwetter und nassem Schnee im Frühjahre zu verwenden. Zum eigenen Nahrungsbedarfe aber verabscheuen sie das Wallfischfett oder Fleisch voll- kommen. 685) Balaena australis Desmoul. B. antarctica Schleg. Fauna Japon. Mammalia. Dec. 3. p. 18. “ Bei den Giljaken: kalm. Auf das Vorkommen dieser Wallfischart an den Küsten des Amur-Landes und nament- lich der Insel Sachalin glaube ich aus den grossen Wallfischbarten schliessen zu dürfen, welche ich bei den dortigen Giljaken gesehen habe. Zwei solcher Barten, die noch völlig un- beschädigt waren und die ich zu vermessen Gelegenheit nahm, hatten jede eine Länge von 21 Meter oder 8 Fuss und an ihrer Basis eine Breite von 200—210 Millimeter. Dennoch waren es, wie ich zuversichtlich weiss, noch nicht die längsten Barten des Thieres. Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass dieselben einer ächten Balaena angehört haben. Bekanntlich giebt nun Schlegel nach den von Siebold mitgebrachten Nachrichten an, dass B. australis (bei ihm B. antarctica) periodisch die Küsten Japan’s besuche und von den Japanesen erbeutet werde. Es liegt daher, nach den oben mitgetheilten Thatsachen, sehr nahe anzunehmen, dass dieselbe Wallfischart auch den Küsten von Sachalin sich nähere und gelegentlich an den Strand geworfen werde. Von der Küste des nördlichen Sachalin’s rührten auch jene Barten her, welche von den dortigen Giljaken zu ihren Landsleuten auf dem Continente zum Verkaufe gebracht worden waren. Denn wie die Giljaken auf der Insel, so brauchen auch diejenigen des Festlandes das Fischbein zum Bekleiden ihrer Bögen, Schlittensohlen, Schnee- schuhe u. dgl. m. An diesen Gegenständen kann man daher sehr häufig ebenfalls Bartenbruch- stücke von 4 und 5 Fuss Länge sehen, die von derselben Wallfischart herrühren. s 1) Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 123. 2) Fauna Japon. Mammal. Dec. 3. p. 21. 25 Schrenck Amur-Reise Bd. I. 194 Säugelhiere. Zum Schlusse dieser Betrachtungen über die Säugethiere des Amur-Landes drängen sich uns noch einige Bemerkungen allgemeineren Inhalts auf. Können nämlich diese ersten, auf Reisen gesammelten Nachrichten auch nicht anders als sehr lückenhaft sein, so glauben wir dennoch, dass sie uns auch in ihrem gegenwärtigen Umfange schon zu einigen, wenn- gleich nur vorläufigen, allgemeineren Schlussfolgerungen über den Charakter der Säugethierfauna des Amur-Landes berechtigen. Zuvörderst ersehen wir aus denselben, dass das Amur-Land keineswegs durch viele oder durch besonders prägnante, ihm ausschliesslich eigenthümliche Säugethierarten sich saus- zeichnet. Denn mit Ausnahme zweier neuen Feldmäuse, welche bisher noch an keinem ande- ren Orte aufgefunden worden sind, treten uns im Amur-Lande nur bekannte Formen ent- gegen. Führen wir aber diese bekannten Formen auf ihre bisher erforschten Verbreitungs- gebiete zurück, so deckt sich uns allerdings in der Zusammensetzung der Säugethierfauna des Amur-Landes ein sehr prägnanter Charakter auf. Dieser prägnante, eigenthümliche Charakter besteht darin, dass im Amur-Lande viele Formen neben einander sich finden, welche uns bisher nach Nord und Süd, nach Ost und West weit auseinander zu liegen schienen. Fassen wir zunächst das Zusammentreffen nordischer und südlicher Säugethierarten ins Auge, so begegnen wir z. B. im Amur-Lande dem bengalischen Tiger bis nahe zum 51!en Breitengrade als bleibendem Bewohner des Landes, und treffen ihn auf seinen Streifzügen noch bis über den 53ten Breitengrad hinaus. Im Amur-Lande sehen wir daher diese lange Zeit für ausschliesslich tropisch gehaltene Form auf einer Ausdehnung von 4 Breitengraden das Gebiet mit der polaren Form des Rennthieres Lheilen,, ja auf der Insel Sachalin scheint diese letztere polare Thierart sogar zur hauptsächlichsten Beute des Tigers dienen zu müssen. Nicht minder charakteristisch für das Amur-Land ist es, den Tiger daselbst, wenn er den Strom von Ufer zu Ufer durchschwimmt, in den Wellen desselben mit den nordischen Robben, der Phoca nummularts und barbata, und mit dem Weisslische, Delphinapterus Leucas, diesem Bewohner arktischer Meere, zusammenstossen zu sehen. Wie der Tiger vom äussersten Süden Asien’s, so begegnet uns andrerseits im Amur-Lande eine Säugethierart, welche bisher nur aus dem äussersten Norden des asiatischen Continentes bekannt war. Es ist dies der kleine, polare Pfeifhase, Lagomys hyperboreus, den wir seit Pallas nur aus dem Tschuktschen- Lande kannten. Im Amur-Lande aber steigt diese polare Thierart mit dem Bureja - Gebirge zum wenigsten bis zum 48ten Breitengrade nach Süden hinab. — Im selben Sinne charakte- ristisch für das Amur-Land ist es, dass dort manche Thierarten nordischer und gemässigter Klimate, die anderer Orten zwar ebenfalls zusammentreflen, auf weiterer Raumerstreckung als gewöhnlich neben einander sich finden. So sehen wir in demselben manche Formen ge- _ mässigter Klimate verhältnissmässig noch recht hohe Breiten erreichen, indem der Edelhirsch z. B. bis nahe zum 56ten '), das Wildschwein bis über den 52ten, der Dachs bis über den S3ten Grad nördl. Breite hinaufsteigen u. s. w. Ihnen kommen aber nordische Formen ent- !) Bis zum Kamme des Stanewoi-Gebirges, s. Middendorff, Sibirische Reise. 1. c. p. 120. Schlussfolgerungen. 195 gegen, welche, fast das ganze Gebiet im Amur-Lande mit ihnen theilend, in diesen östlichen Längen der alten Welt südlichere Breiten als irgendwo sonst zu erreichen scheinen. Solche nordische Säugethierarten, deren Aequatorialgränze im Amur-Lande südlicher als im west- licheren Theile der alten Welt liegt, sind namentlich das Rennthier, der Vielfrass, der Schnee- hase u. a. m. Die beiden ersteren, Rennthier und Vielfrass, deren äusserste Aequatorial- gränze in Europa und dem westlichen Asien gegenwärlig, auch wo sie am weitesten nach Süd vorgeschoben ist, wie im südlichen Schweden, im Ural und im Altai, im ersteren nicht über den 60ten Sk im 2ten nicht über den 53ten “) und im letzteren nicht über den 50ten Grad nördl. Breite °) geht, erreichen im Amur-Lande erst mit dem 49ten und auf der Insel Sa- chalin sogar erst mit dem 46ten Grade nördl. Breite ihre Südgränze. Der Schneehase, Lepns vartabilis, findet in Europa und dem westlichen Sibirien, abgesehen von dem inselartig iso- lirten Vorkommen desselben nahe der Schneegränze der Hochgebirge, ungefähr mit dem 50° n. Br. seine Südgränze ‘). Im Amur-Lande aber haben wir ihn bis zur südlichsten Biegung des Stromes, in 471° n. Br. verfolgt, ohne auch dort seiner Aequatorialgränze begegnet zu sein. Von der im Amur-Lande weit nach Süden reichenden Verbreitung des nordischen Pfeif- hasen, Lag. hyperboreus, und des Weissfisches, Delph. Leucas, dessen Binnenlandgränze im Amur-Strome um 10 und 15° südlicher als im Obj und Jenissei liegt, ist bereits oben die Rede gewesen. Ohne Zweifel bildet diese weite Ausdehnung der Aequatorialgränzen vieler nordischer Thierarten im Amur-Lande nach Süden einen bezeichnenden zoologisch - geogra- phischen Charakterzug desselben. Ihr ist vornehmlich auch jenes auf weiter Raumerstreekung stattfindende Zusammenstossen nordischer Thierarten mit den Formen gemässigter und selbst südlicher Klimate im Amur-Lande zuzuschreiben. Fragt man nun nach den physischen Bedingungen, welche dieser Erscheinung zu Grunde liegen dürften, so muss man die hauptsächlichsten derselben in den Verhältnissen des Klima’s und der geographischen Lage und Configuration des Amur-Landes erkennen. Ohne hier auf das Detail dieser Verhältnisse im Amur-Lande, die in einem anderen Bande unserer Reise- beschreibung besprochen werden sollen, eingehen zu können, wollen wir hier nur auf die wichtigsten Bedingungen aufmerksam machen, die jene Erscheinungen der Säugethierverbrei- tung im Amur-Lande vermitteln dürften. Gewiss lassen sich in den Verhältnissen der geogra- phischen Lage und Configuration des Amur-Landes manche für ein milderes Klima in dem- selben sehr günstige Momente erkennen, wozu wir namentlich die nach Norden schützende Mauer des Stanowoi-Gebirges, den continuirlichen Zusammenhang des Amur- Landes mit den nach Süd und West gelegenen, durch eine hohe Sommertemperatur ausgezeichneten Ge- genden Innerasiens und die weit nach Süden reichende Biegung des Amur-Stromes zugleich I) Nilsson, Skandin. Fauna, 2 uppl. I. p. 505. 2) Brandt, Bemerk. über die Wirbelthiere des nördl. europ. Russlands, bes. des nördl. Ural’s. p. 20 und 46. S. Hofmann, Der nördl. Ural und das Küstengebirge Pae-Choi. Bd. Il. 3) Brandt, I. c. p. 21 und 45. 4) Middendorff, Ueber die als Bastarde angesproch. Mittelform. zwisch. L. europ. und L. variab. S. Bull. de la classe physico-math&m. de l’Acad. Imp. des sc. de St.-Pet. T. IX. p. 236. Desgl. Melanges biologiques. T. I. p. 254. * 196 Säugelhiere. mit der ungefähren Meridianrichtung seines unteren Laufes und seiner mächtigsten südlichen Zuflüsse, des Ssungari und Ussuri, rechnen müssen. Diesen klimatisch günstigen Verhältnissen treten aber im Amur-Lande andere und zwar praevalirende Factore eines nordischen Klima’s ent- gegen. Als solche müssen wir namentlich die eontinuirliche Ausbreitung des asiatischen Fest- landes vom Amur-Lande nach West und Nord bis in arktische Breiten, ferner die vom Sta- nowoi-Gebirge in Meridianrichtung nach Süd sich abzweigenden Gebirgszüge, wie das Bu- reja-Gebirge, und endlich, und am meisten, die unmittelbare Nähe des Ochotskischen Mee- res bezeichnen, welches als nordisches Binnenmeer bis in den Sommer hinein ein Reservoir von Eismassen und eine stete Quelle von Regen und Schnee, von Nebeln und kalten Seewin- den ist. Wie nun jene ersteren Momente hauptsächlich in den ebeneren Landstrichen, in den Prairieen am oberen Amur- oder Sachali-Strome, am Ssungari und Ussuri und in dem nach Süden geöffneten, weiteren Amur-Thale selbst unterhalb der Mündung jener Ströme sich geltend machen, so erstreckt sich der Einfluss nordischer Factore im Klima des Amur- Landes hauptsächlich auf das Gebirgsland an den linken, nördlichen Zuflüssen des Amur- Stromes, auf das Mündungsland desselben, auf die Meeresküste der Mandshurei und auf die Insel Sachalin. Während daher im Amur-Thale eine südlichere Flor weit nach Norden sich vorschiebt, rückt umgekehrt an den Meeresküsten ein nordischer Vegetationscharakter in un- verhältnissmässig südliche Breiten vor. So trägt z. B. die Meeresküste an der Bai Hadshi in 49° n. Br. noch ziemlich denselben nordischen Nadelwaldcharakter wie die um etwa 4 Brei- tengrade nördlicher gelegene Mündung des Amur-Stromes, während im Amur-Thale an der Mündung des Chongar-Flusses, etwa 1° nördlicher als die Bai Hadshi, schon aller Nadel- wald auf die Gebirgshöhen zurückgedrängt ist und nur Laubhölzer, wie Eichen, Ulmen, Lin- den, Ahorne, Wallnussbäume u. dgl. m., die Waldung der Ufer bilden. Wir sehen also im Amur-Lande in gleichen Breitengraden zwischen der Meeresküste und dem Strome bedeu- tende klimatische und vegetative Diflerenzen in räumlicher Nähe von einander liegen. Und wie für Klima und Vegetation, so gilt es auch für die Verbreitung der Thiere. Oeflnen daher die weiten, durch mildere klimatische Einflüsse begünstigten Thäler des Amur-Stromes und seiner südlichen Zuflüsse manchen Thierarten gemässigter und selbst südlicher Klimate eine leichte Verbreitungsbahn nach Nord, so gestatten andrerseits, und in noch höherem Grade, die Gebirgszüge und rauheren Gebirgsthäler an den nördlichen Zuflüssen des Amur-Stromes und besonders die nebel- und schneereiche Meeresküste vielen nordischen Thierarten eine weitere Verbreitung nach Süd. In dem Maasse jedoch als diese letzteren Umstände dahin wir- ken, die Aequatorialgränze mancher nordischer Thierarten im Amur-Lande, und zumal längs der Meeresküste desselben, weiter als gewöhnlich nach Süden vorzuschieben, müssen sie an- dererseits auch die Polargränzen der Thierarten gemässigter Klimate in denselben Gegenden nach Süd zurückdrängen. So erklärt sich uns also auch die in der Küstenregion des Amur-Lan- des stattfindende südliche Depression der Polargränzen vieler Säugethiere, wie des Rehes, Edel- hirsches, Wildschweines u. s. w., die wir bei Besprechung dieser Thierarten hervorgehoben haben und die in thiergeograpischer Beziehung ebenfalls einen Charakterzug des Amur-Landes bildet. Schlussfolgerungen. 197 Neben dem Zusammentreffen nordischer und südlicher Formen können wir aber auch das Zusammentreflen östlicher und westlicher Formen als einen Charakterzug in der Zusam- mensetzung der Säugethierfauna des Amur-Landes bezeichnen. Ja hier sind die Erscheinungen zum Theil noch auflallender und prägnanter als in jenem ersteren Falle. Denn gewiss ist es in hohem Grade überraschend, die bisher für ausschliesslich europäisch und nur im Süden auch für westasiatisch gehaltene Form des gemeinen Igels, Erinaceus europaeus, als dessen östliehste Gränze bis dahin das Ural-Gebirge angenommen wurde, nunmehr auch in den Prai- rieen am Amur zu finden. Nicht minder auffallend ist es, an der Mündung des Amur- Stro- mes einer Fledermaus, Vespertilio mystacinus Leisl., zu begegnen, deren östlichster Fundort bisher die Ukraine, also das östliche Europa war. Bilden diese Formen in der Amur-Fauna Züge eines westlichen, europäischen Charakters, so treten uns andrerseits im Amur-Lande zwei Säugethierarten entgegen, die uns auf dem asiatischen Festlande bisher bis zum fernsten Osten unbekannt waren und deren Heimath ausschliesslich auf den dem Ostrande Asiens an- liegenden Japanischen Inseln angenommen wurde. Es sind dies eine Antilope, Antilope erispa Temm., und eine Hundeart, Canis viverrinus Temm., welche letztere uns durch Vermittelung der Amur-Exemplare mit der chinesischen Form €. procyonoides Gray als identisch sich er- weist und die wir über den grössten Theil des Amur- Landes verbreitet finden. Nicht minder sprechende Züge eines östlichen Charakters in der Säugethierfauna des Amur-Landes treten uns in der dunklen, dem Meles Anakuma Temm. aus Japan genäherten Dachsvarietät, in der nach Middendorff’s Forschungen den Küstenländern des Beringsmeeres vorzüglich eigenen, ausnehmend grossen Bärenvarietät, in der hellen, der nordamerikanischen Form sehr genä- herten Zobelvarietät der Insel Sachalın u. a. m. entgegen. Suchen wir nun auch diese Erscheinung auf die geographischen Grundlagen des A mur- Landes zurückzuführen, so müssen wir darauf hinweisen, dass das Amur-Land einerseits durch den von West nach Ost gerichteten Lauf seines Hauptstromes und die weit aus dem Innern des Continenies kommenden Quellarme desselben, so wie durch die in gleicher Richtung verlaufenden Gebirgszüge eng an das Innere Asien’s sich anschliesst, wo gewiss auch der ge- meinsame Mittel- und Ausgangspunkt vieler Thierarten des Ostens und Westens der alten Welt zu suchen ist. Im Anschlusse an Innerasien kann daher das Amur-Land manche mit Westasien und Europa gemeinsame Formen haben, die dem zwischenliegenden Sibirien fehlen, wie Eri- naceus europäeus u. dgl. Andrerseits aber tritt das Amur-Land durch seine gleichzeitige Aus- breitung am Nordjapanischen oder Tartarischen und am Ochotskischen Meere und durch die der Mündung des Amur-Stromes nahe gelegene, nach Japan, den Kurilen und sogar Kamtschatka hinüberführende InselSachalin sowohl mit der Japanischen Inselwelt, als auch mit den Küstenländern des Ochotskischen Meeres, mit Kamtschatka und durch dieses auch mit den Küsten des Beringsmeeres in nahe Berührung. In Folge dieser geographischen Verhält- nisse darf es uns daher nicht auffallen, in der Säugethierfauna des Amur-Landes manche mit Ja- pan, Kamtschatka oder gar NW-Amerika gemeinsame Züge, wie Canis procyonotdes, Antilope erispa, Layomys hyperboreus, die erwähnten Zobel- und Bärenvarietäten u. dgl. m. wiederzulinden. 198 Säugethiere. Fasst man nun das Zusammentreflen geographisch so diflerenter, östlicher (ostasiati- scher) und westlicher (europäischer), nordischer (sibirischer, kamtschatkischer und NW- amerikanischer) und südlicher (chinesischer und japanischer) Formen in der Säugethier- fauna des Amur-Landes zusammen, so muss man derselben den Charakter eines nach ver- schiedenen Seiten vermittelnden und verbindenden Gliedes zwischen den Faunen weit ausein- ander liegender Gebiete zuerkennen. Dabei konnten wir jedoch bemerken, dass die nordischen und östlichen Formen in der Säugethierfauna des Amur-Landes entschieden vor den südliche- ren und westlichen vorherrschen. Ungeachtet daher der vielfachen Berührungen, welche die Säugethierfauna des Amur-Landes mit denjenigen anderer geographischer Gebiete hat, schliesst sie Sich. doch, bei genauerer Vergleichung, am nächsten an die ostsibirische oder nordostasiatische Fauna an. Mit dieser hat sie bei weitem die meisten Formen gemein, und zeichnet sich ihr gegenüber nur durch einige theils mit China und Japan, theils mit Eu- ropa und theils endlich mit dem äussersten Nordosten Asien’s allein gemeinsame Züge aus. Solche Formen, die dem Amur-Lande zukommen, Sibirien dagegen, mit dem wir es nalur- gemäss zu vergleichen haben, ganz oder in seinem grössten Theile fehlen, wie Canis procyo- noides, Antilope erispa, Erinaceus europaeus, Layomys hyperboreus u. a., bilden daher in der Zu- sammensetzung der Amur-Fauna die am meisten charakteristischen Züge. Bei weiterer Vergleichung der Amur-Fauna mit der sibirischen muss es uns ferner auf- fallen, dass wir manche Theile der letzteren auch im Amur-Lande sehr stark, andere dagegen verhältnissmässig nur schwach vertreten finden. Namentlich lässt sich bemerken, dass in der Säugethierfauna des Amur-Landes die dem Walde eigenthümlichen Arten stark vorherrschen, die Steppenformen dagegen völlig zurücktreten. Ohne Zweifel muss hier Vieles noch auf Rech- nung unserer bisher sehr anfänglichen und lückenhaften Kenntniss der Amur-Fauna geschrie- ben werden, die im Laufe einer nur kurzen Zeit und zumeist unter steter, für die Ermittelung der Säugethierfauna eines Landes nicht immer günstiger Ortsveränderung gewonnen werden musste. Namentlich lassen sich unter solchen Umständen besonders viel Lücken in der Kennt- niss der kleineren Säugethiere erwarten, welche sowohl der direkten Beobachtung durch den Reisenden, als auch der Erkundigung vermittelst der Eingeborenen, für die sie keinerlei Be- deutung haben, leichter entzogen bleiben. Wir sind daher überzeugt, dass eine spätere For- schung die Anzahl der von uns ermittelten Säugethierarten des Amur-Landes wie im Allge- meinen, so auch ganz besonders unter den kleineren und namentlich unter den Nagethieren um ein Bedeutendes erweitern wird. Dennoch scheint es schon aus unseren bisherigen Erfah- rungen hervorzugehen, dass das Amur-Land im Vergleich mit Sibirien in der That eine ge- ringere Anzahl von Nagethieren besitzt. Namentlich scheinen in demselben die zahlreichen Formen der sibirischen Steppen , die Springmäuse, die Hamster, die Wühlmäuse u. dgl. m. entweder ganz zu fehlen, oder nur in sehr geringer Zahl repräsentirt zu sein, während die auf den Wald angewiesenen Formen, wie die Eichhörnchen u. a., reichlich vorkommen. Nicht minder lässt es sich bemerken, dass im Amur-Lande keine von denjenigen Wieder- käuer- und Einhufer-Arten zu finden ist, welche für die Steppen und Hochebenen Innerasiens Schlussfolgerungen. | 199 so charakteristisch sind, wie Bos grunniens, Antilope guttırosa, A. Saiga, Egnus Onager, E. He- mionus u. drgl. m., obgleich diese Formen zum grössten Theil sowohl westwärts bis in die Steppen am Aral- und Kaspischen See, als auch ostwärts bis nach Daurien hinein ver- breitet sind. Noch auflallender endlich tritt uns das Fehlen der Steppenformen im Amur- Lande unter den Raubthieren entgegen: denn obgleich die Zahl dieser letzteren im Amur- Lande auch eine sehr ansehnliche ist, so fehlen doch grade diejenigen, welche den Hochebe- nen und Steppen Innerasiens eigenthümlich sind, wie Canes Karayan und ©. Corsac, Felis Manul u. drgl. m. Es lässt sich somit in der Säugethierfauna des Amur-Landes der ganz vorherr- schende Charakter einer Waldfauna nicht verkennen. Das dürfte uns auch nicht weiter auf- fallen, wenn wir das mit ausgedehnten und fast ununterbrochenen Waldungen bedeckte untere Amur-Land allein in Betracht zögen. Erwägt man aber die weiten Grasebenen und Prairieen an der südlichen Biegung des Amur-Stromes zwischen der Dseja und dem Ussuri und die nur theilweise bewaldeten Gebirgs- und Hochebenenabfälle am oberen Amur, nach den Grän- zen Dauriens oder Transbaikaliens hin, so dürfte man wohl geneigt sein, einen anderen - Charakter in der Säugethierfauna des Amur-Landes zu erwarten. Gewiss werden auch grade diese letzteren, von mir nur flüchtig durchreisten Gegenden in Zukunft noch manche, sei es überhaupt, oder zum wenigsten für das Amur-Land neue Formen kennen lehren. Dennoch dürfte das, wie wir bereits erwähnten, voraussichtlich bloss auf manche kleinere Nagethier- formen und nicht auch auf jene grossen, den Hochebenen Innerasiens eigenthümlichen Wieder- käuer, Einhufer und Raubthiere sich erstrecken und somit den Gesammitcharakter der Säuge- thierfauna des Amur-Landes nicht wesentlich ändern. Vom zoologisch-geographischen Ge- sichtspunkte erscheinen uns also jene Grasebenen und Prairieen am südlichen Amur keines- wegs als Fortsetzungen oder Ausläufer der Hochebenen- und Steppennatur Innerasiens nach Osten, sondern nur als locale Unterbrechungen, gleichsam als ebene und waldfreie Oasen im Gebirgs- und Waldlande des Amur-Stromes, die als solche dem Waldlande gegenüber aller- dings auch mit local eigenthümlichem Charakter ihrer Säugethierfauna gezeichnet sind, im Verbande mit dem Ganzen aber dem Gesammtcharakter einer Waldfauna im Amur-Lande keinen wesentlichen Abbruch ihun. Neben diesen geograpischen Charakterzügen in der Säugethierfauna des Amur-Landes möchten wir hier endlich auch eines morphologischen Charakters gedenken, der sich sehr allgemein an derselben kundgiebt. Es ist dies die schon bei Besprechung der einzelnen For- men oftmals hervorgehobene Erscheinung einer vorherrschenden Schwärze oder eines Ueber- handnehmens dunkler, schwärzlicher Farbentöne an den Säugethierarten des Amur-Landes. Bekanntlich ist diese Erscheinung schon an mehreren Formen Ostsibiriens und unter den Säugethieren namentlich am Zobel und Eichhörnchen bemerkt und das Gesetz ausgesprochen worden, dass im Allgemeinen die Farbe der Säugethiere, wenn sie einem Wechsel unterworfen ist, je weiter nach Osten in Sibirien, desto dunkler werde My: Im Amur-Lande kommen nun ‘) Baer, Uebersicht des Jagderwerbes in Sibirien, bes. im östlichen. S. Baer und Helmersen, Beiträge zur Kenntniss des russ. Reiches. Bd. VIE. p. 212. 200 Säugelhiere. zu den beiden genannten Thieren noch eine Menge anderer hinzu, an denen sich dasselbe be- merken lässt, wie der Dachs, der Wolf, der Fuchs, der Igel u. s. w. Zugleich aber lässt sich im Amur-Lande eine Zunahme an Schwärze an manchen Thierarten auch in anderen Rich- tungen als nach Ost bemerken. So finden wir z. B., dass der polare Pfeifhase, Lagomys hyper- boreus, dessen bisher bekanntes Verbreitungsgebiet ausser dem Amur-Lande noch den Nord- osten Asien’s und Kamtschatka umfasst, nichts destoweniger im Amur-Lande, also in der Richtung nach Süd und West die schwärzeste Färbung erhält. Ebenso ist das Eichhörnchen im Amur-Lande schwärzer als am Ochotskischen Meere, der Zebel am Amur-Strome schwärzer als auf Sachalin, am Ochotskischen Meere oder in Kamtschatka u. s. w. Wir sehen daher die Zunahme an Schwärze in der Färbung der Säugethiere Nordasiens nicht bloss in der Richtung nach Ost, sondern zugleich auch in derjenigen nach Süd vor sich gehen und dabei nicht immer bis an den äussersten Ostrand des Continentes fortschreiten, sondern bisweilen ihr Maximum auch früher auf dem Festlande Asien’s erreichen. Namentlich aber scheint das Amur-Land in denjenigen Längen- und Breitengraden Nordasiens zu liegen, wo sich das meiste Schwarz in der Färbung der Säugetbiere findet. In Beziehung auf die Säuge- thierfauna des Amur-Landes müssen wir daher den Namen «Sachalmw oder «Sachalin-ula», d. h. schwarzer Fluss, den der obere Amur-Strom bei den Mandshu trägt, gewiss sehr be- zeichnend finden. Beziehen sich diese Bemerkungen auf das Amur-Land überhaupt, so bleibt uns noch übrig zum Schlusse einige Worte im Speciellen über die Säugethierfauna der Insel Sachalin zu sagen. So mangelhaft auch unsere bisherigen, nur während zweier Winterreisen von mir gesammelten Nachriehten über dieselbe sind, so lässt sich aus ihnen doch schon entnehmen, dass die Säugethierfauna Sachalin’s eng an diejenige des nördlichen Amur-Landes sich an- schliesst und im Allgemeinen eine minder verarmte ist als man von einer Insel zu erwarten geneigt wäre. So muss es uns überraschen auf Sachalin alle die zahlreichen und zum Theil sehr ansehnlichen Raubthiere des Festlandes, mit nur wenigen und unbedeutenden Ausnah- men, wie Meles Taxus, Mustela sibirica und Canis procyonoides, zu finden. Desgleichen sehen wir die Insel von zwei Arten aus der Familie der Gervinen, vom Rennthier und Moschusthier be- wohnt. Nicht minder endlich finden wir auf derselben die dem Walde eigenthümlichen Eich- hörnchenarten des Festlandes, Sciurus vulgaris, Tamias striatus und Pteromys volans wieder, Dieser Reichthum an Säugethieren auf Sachalin fällt uns um so mehr in die Augen, wenn wir diese Insel gegen die mit ihrem südlichen Theile in gleichen Breiten mit Nord-Sachalin gelegene und ebenfalls gebirgs- und waldreiche Halbinsel Kamtschatka halten. Erscheint uns daher letztere vom zoologisch - geographischen Gesichtspunkte, in Folge der starken Ver- armung ihrer Säugethierfauna, als eine mit insularem Charakter gezeichnete Halbinsel, so möchten wir umgekehrt Sachalin eine in Beziehung auf ihre Säugethierfauna mit halbinsu- larem Charakter versehene Insel nennen. — Fasst man den nördlichen Theil der Insel in’s Auge, so dürfte auf demselben fast ganz dieselbe Säugethierfauna wie in gleichen Breiten auf dem Continente zu finden sein, indem wir von den Säugethierarten der Amur-Mündung auf Schlussfolgerungen. 201 der Insel Sachalin mit Bestimmtheit nur den Dachs, die Mustela sibirica und das Elennthier vermissen. Grösser scheint dagegen die Verarmung der Säugethierfauna im südlichen Theile der Insel zu sein, insofern nämlich die auf dem Festlande in südlicheren Breiten auftretenden Säugethierarten, wie Canis procyonoides, Reh, Edelhirsch, Wildschwein u. a.. auf der Insel ausbleiben. Vermuthlich dürften dort auch die mit der Prairie im südlichen Theile des Amur- Landes auftretenden kleineren Säugethierarten, wie Erinaceus europaeus, Spermophilus Evers- manni, Siphneus Aspalax u. a. m., fehlen, wogegen vielleicht am Südende Sachalin’s unter den kleineren Säugethieren manche mit den Japanischen Inseln gemeinsame, dem Festlande dagegen fehlende Form sich auffinden wird. Es dürfte nun nicht schwer sein, den Zusammenhang dieser thiergeographischen Ver- hältnisse der Insel Sachalin mit ihrer physischen Beschaffenheit und geographischen Lage im Vergleich zum Gontinente nachzuweisen. Dass die Insel Sachalin, als wald- und gebirg- reiches Land, nahe dieselbe Säugethierfauna wie das gebirgige Waldland am unteren Amur- Strome zu ernähren im Stande sein dürfte, haben wir schon mehrmals, bei Besprechung der einzelnen Thierarten, zu bemerken Gelegenheit gehabt. Erwägen wir daher neben dieser Be- schaflenheit der Insel auch ıhre ansehnliche Nähe zum Continente, so wird uns die für eine Insel verhältnissmässig nur geringe Verarmung in der Säugethierfauna Sachalin’s nicht wei- ter auflallen. Dass aber diese Verarmung im Süden der Insel eine grössere als im Norden ist, scheint uns aus den geographischen Verhältnissen derselben ebenfalls leicht erklärlich. Bekanntlich schliesst sich die Insel grade mit ihrem nördlichen Theile am nächsten an das Festland, und zwar an das untere Amur-Land und die Amur-Mündung an. Denn nicht bloss liegt sie dort räumlich dem Festlande am nächsten, und am Cap Lasareff, wo man sie ehe- mals mit dem Continente in fester, halbinsularer Verbindung glaubte, sogar bis auf die un- bedeutende Entfernung von 3—4 Seemeilen genähert, sondern sie tritt dort auch allwinterlich durch die ununterbrochene Eisdecke des Amur-Limanes mit dem Continente in zeitweise feste Verbindung, doch, dass wahrscheinlicherweise selbst der Tiger diese temporäre Brücke über den Amur- welche einen mannigfachen Austausch der Thierwelt ermöglicht. Sahen wir Liman zu seinen Streifzügen nach der Insel Sachalin benutzt. Weiter südwärts dagegen ent- fernt sich die Insel weiter vom Continente und bleibt von demselben auch im Winter durch die in ihrer Mitte niemals und längs den Küsten auch nur sehr unterbrochen gefrierende Meerenge der Tartarei getrennt. Dort muss daher auch der im Norden stattfindende, bestän- dige Austausch von Säugethierarten zwischen dem Festlande und der Insel aufhören, und so- mit bleiben also der letzteren auch die auf dem Continente in südlicheren Breiten auftretenden Formen fern. Zudem bietet die Insel Sachalin, bei ihrer gebirgigen Natur und ihrer mariti men, den Einflüssen des nordischen Ochotskischen Meeres im hohen Grade ausgesetzten Lage, gewiss weder die raschen klimatischen Differenzen nach Süden, die sich im Amur- Thale bemerken lassen, noch auch eine solche Aenderung der Gebirgs- und Waldnatur zur Prairie, wie das im Süden des Amur-Landes der Fall ist. Damit fallen aber auf derselben auch die physischen Bedingungen zum Vorkommen der im Amur-Lande mit der Prairie sich Schrenck’s Amur-Reise Ba. I. 26 202 Säugethiere. einfindenden Säugethierarten weg, während andrerseits den nordischen, der Insel mit dem nördlichen Amur-Lande gemeinsamen Formen, z. B. dem Rennthier, Vielfrass u. drgl. m., eine weitere Verbreitung nach Süd als auf dem Continente möglich wird. Dennoch lassen sich in der südlichen Hälfte der Insel, zugleich mit der Milderung klimatischer Verhältnisse, auch manche südlichere Formen erwarten, und zwar macht die Nähe Süd-Sachalin’s von Jesso und den Japanischen Inseln das Vorkommen daselbst mancher mit Japan gemeinsamer Säu- gethierarten wahrscheinlich. So dürfte also die Insel Sachalin gewissermassen eine Brücke zwischen dem nördlichen Amur-Lande und der Inselwelt Japan’s bilden, und es lässt sich annehmen, dass eine genauere Erforschung derselben uns noch mehr verbindende und ver- mittelnde Züge zwischen den Faunen Ostsibirien’s und Japan’s nachweisen wird, als wir sie bereits auf dem angränzenden Festlande gefunden haben. 203 Erläuterungen zur Karte des Amur-Landes. Da die beifolgende Karte des Amur-Landes von Hrn. Samochwaloff zu dem Zwecke entworfen worden ist, um unsere Mittheilungen über das Amur-Land zu begleiten, so wird es hier am Orte sein, einige Worte über die Entstehung derselben und das Verhältniss, in welchem sie zu unserem Reisewerke steht, zu sagen. Begreillicher Weise mussten wir gleich im Beginne der Bearbeitung unserer Reise - Materialien die Nothwendigkeit einer Karte des Amur-Landes empfinden. War uns eine solche schon wünschenswerth, um den Leser in den Stand zu setzen, dem in der Einleitung zu diesem Werke angegebenen Gange unserer Reisen im Amur-Lande folgen zu können, so machte sich ein noch grösseres Bedürfniss nach derselben bei der ebenfalls in der Einleitung vorausgeschickten kurzen Uebersicht der orographischen und klimatischen Verhältnisse des Amur-Landes geltend. Bei der Kürze dieser vorläufigen geogra- phischen Mittheilungen musste ausdrücklich darauf gerechnet werden, dass eine Karte ihnen selbstredend zu Hülfe kommen und mehr als jene kurze Uebersicht es vermochte zu einem vor- läufigen allgemeinen Bilde der geographischen Verhältnisse des Amur-Landes, der Richtung und Entwickelung des Hauptstromes und seiner Zuflüsse, des Verlaufes der Gebirge, der Configuration der Küsten u. s. w., führen werde. Ganz unumgänglich endlich wurde uns eine Karte bei den speciellen wissenschaftlichen Arbeiten über das Amur-Land, die in dieser er- sten Lieferung unseres Reisewerkes mit den Säugethieren des Amur-Landes begonnen wor- den sind. Wie man bemerken wird, ist in dieser Abhandlung neben den zoologisch-systemati- schen Erörterungen, zu denen die Amur- Materialien Veranlassung geben konnten, auch eine besondere Aufmerksamkeit auf die geographische Verbreitung der Säugethiere im Amur- Lande verwendet worden. Dass aber unsere Erfahrungen in dieser Riehtung nur ganz anfäng- liche sein konnten, versteht sich von selbst. Um so mehr musste man daher darauf bedacht sein, dieselben späteren, durch wachsendes Material zu umfassenderen Schlüssen berechtigten Forschungen nutzbar zu machen. Zu dem Zwecke nun sind von uns die Fundorte der an ein- zelnen Punkten des Amur-Landes aufgefundenen, sei es beobachteten oder mitgebrachten Thierarten mit möglichster Genauigkeit angegeben, das Vorkommen allgemein verbreiteter Formen nach den einzelnen Theilen des Amur-Landes besonders besprochen, die in demselben befindlichen Gränzlinien der Verbreitung einzelner Säugethiere nach möglichst genau ermit- telten Punkten verzeichnet und wo sıch uns im Verlaufe derselben ein gewisser Zusammen- hang mit anderweitigen, klimatischen oder überhaupt geographischen Verhältnissen des Amur- Landes zu verrathen schien, auch auf diesen hingewiesen worden. Es versteht sich nun von selbst, dass wir diese Angaben nicht anders als mit Hülfe einer dem Detail derselben ent- sprechenden Karte anschaulich zu machen hoffen durften. Dass endlich ein gleiches Bedürfniss * 204 Erläuterungen nach einer Karte auch bei Bearbeitung anderer Theile der Fauna, so wie bei Besprechung der ethnographischen Verhältnisse des Amur-Landes sich herausstellen würde, war leicht vorauszusehen. Nach alledem schien es also zweckmässig mit dem Entwurfe einer Karte des Amur-Landes nicht bis zur Abfassung des letzten, dem ausführlichen historischen Berichte über unsere Reisen und den geographischen Bemerkungen über das Amur-Land gewidmeten Theile zu warten, sondern sogleich an denselben zu gehen, ob auch viele, auf unsere Erfah- rungen begründete Punkte der Karte erst später eine genauere Besprechung und respektive Erklärung finden können. Ein gleiches Bedürfniss nach einer Karte musste natürlich auch Hr. Maximowicz bei seinen gleichzeitigen Arbeiten über die Flora des Amur-Landes empfinden. Wir trafen daher die Uebereinkunft, unsere beiderseitigen Erfahrungen über die geographischen Verhältnisse des Amur-Landes zu vereinigen und gemeinschaftlich einer auf die neuesten Quellen zu be- gründenden Karte zuzuwenden. Es lag uns diese Vereinbarung um so näher, als wir einen grossen Theil unserer Reisen im Amur-Lande gemeinschaftlich ausgeführt hatten und auch gegenwärtig bei Bearbeitung der Materialien in unseren Wünschen in Beziehung auf den Umfang, den Maassstab und das Detail der Karte vollkommen übereinstimmten. Was den er- steren betraf, so musste die Karte natürlich das gesammte Amur-System (mit Ausnahme viel- leicht der zum Theil schon nach Innerasien gehörenden Quellgegenden des Argunj’s und der Schilka) aufnehmen und konnte also ziemlich natürliche Gränzen an dem Stanowoi-Gebirge im Norden und dem Shan-alin im Süden finden. In Beziehung aber auf die Grösse und das Detail der Karte musste der doppelte Zweck, dem sie zu dienen hatte, im Auge behalten wer- den. Sollte sie nämlich, neben möglichst getreuer und anschaul!icher Uebersicht der geogra- phischen Verhältnisse des Amur-Landes, auch die Gränzlinien der Verbreitung vieler Pflan- zen- und Thierarten aufnehmen und zugleich dem Detail der Reise- und Fundortangaben ent- gegenkommen, so musste sie in einem mittleren, weder sehr kleinen, noch sehr grossen Maass- stabe gehalten werden. Ersterer, obgleich zum Verzeichnen der pflanzen- und thiergeographi- schen Gränzlinien der bequemere, hätte es unmöglich gemacht, in die Karte das zur Orienti- rung bei speciellen naturhistorischen und ethnographischen Arbeiten nöthige Detail einzutra- gen; letzterer Maassstab dagegen hätte es zwar gestattet in den durchforschten Theilen des Amur-Landes alles Detail an Gebirgen, Flüssen, Ortschaften u. s. w. aufzunehmen, wäre aber der Karte in Beziehung auf die bisher noch überwiegenden unbekannteren Gebiete des Amur-Landes um so nachtheiliger geworden und hätte sie namentlich auch zum Eintragen der immer nur an wenigen Punkten bestimmt nachgewiesenen Gränzlinien der Verbreitung von Pflanzen und Thieren im hohen Grade ungeeignet gemacht. Dass keine von den bisher vorhandenen Karten des Amur-Landes unseren Wünschen ge- nügen konnte, versteht sich von selbst. Bereits lagen aber viele schätzbare Materialien zu einer genaueren und zuverlässigeren Karte des Amur-Landes vor. Vor Allem ist hier auf die zahl- reichen, durch die Expedition der Russischen Geographischen Gesellschaft während der Jahre 1855 —58 im Laufe des Amur-Stromes und seiner Zuflüsse, sowie an der Meeresküste des Fest- u VE > zur Karte des Amur-Landes. 205 landes und der Insel Sachalın astronomisch bestimmten Punkte aufmerksam zu machen, die, wenngleich nur vorläufig berechnet, schon im Stande waren eine sichere Grundlage für den grössten Theil einer Karte des Amur-Landes abzugeben. Diesen besonders auf das Innere des A mur-Landes bezüglichen Materialien kommen nun von der Seeseite die beim hydrographischen Departement und im Journal der Russischen Marine (Morskoi Sbornik) zerstreut niederlegten Arbeiten russischer Seeofficiere entgegen, die uns eine Reihe höchst sorgfältig ausgeführter Kü- stenaufnahmen, angefangen vom Ochotskischen Meere und bis zur Südspitze von Korea, vor- führen. Ihnen lassen sich auch einige neuere, zum Theil auf dieselben Gegenden bezügliche Ar- beiten englischer und nordamerikanischer Seeofliciere anreihen. Für das Innere des Amur-Landes aber und vornehmlicn den Amur-Strom haben wir ferner der mehrfachen auf Befehl des Hrn. General-Gouverneurs von Ostsibirien ausgeführten topographischen Arbeiten zu gedenken. End- lich bleibt uns noch einer unveröflentlichten, von Hrn. v. Middendorff theils nach eigenen Erfahrungen und theils nach chinesischen Quellen zusammengestellten Karte zu erwähnen übrig, die uns freundlichst zur Benutzung mitgetheilt worden ist und die uns namentlich über die linken Zuflüsse des Amur-Stromes ausführlicher unterrichten konnte. Es möge diese flüch- tige Aufzählung nur der wichtigsten kartographischen Vorarbeiten genügen, um darzuthun, dass bereits reiche Quellen zu einer zuverlässigeren Karte des Amur-Landes, als wir sie bis- her hatten, vorhanden waren, wenngleich dieselbe, noch vor der endgültigen Berechnung der zahlreichen, von der Expedition der Russischen Geographischen Gesellschat ausgeführten Ortsbestimmungen entworfen, gewiss in vielen Punkten irren konnte und einer baldigen Verbesserung entgegensehen durfte. Bis dahin galt es aber, um den oben hervorgehobenen Be- dürfnissen nachzukommen, die bereits vorhandenen Quellen durchzuarbeiten und zu sichten, sie zu einem Ganzen zu verschmelzen und mit den noch unveröffentlichten Nachrichten zu bereichern, welche uns eigene Reisen durch verschiedene Theile des Amur-Landes an die Hand gegeben hatten. Diese Arbeit war es, der sich auf unsere Aufforderung Hr. Samo- chwaloff unterzog und die er zu unserer völligen Befriediguug löste. Als Lieutenant im Steuermannscorps der Kaiserl. russischen Marine, hatte Hr. Samochwaloff an Bord der Fregatte Aurora selbst das Amur-Land besucht und anderthalb Jahre (1855 und 56) an den Küsten der Meerenge der Tartarei, im Amur-Limane, im Nikolajewschen Posten und auf einer Reise den Amur aufwärts bis zur Einmündung des Gorin’s in denselben zuge- bracht. Zu den übrigen Quellen über das Amur-Land konnte er daher auch noch seine eige- nen Erfahrungen über das Mündungsland des Amur-Stromes hinzufügen. Bei dem Verhält- nisse nun, in dem Hrn. Samochwaloff’s Karte zu unserem Reisewerke steht, sei es uns ge- stattet, ihm für diese, unsere Mittheilungen über das Amur-Land wesentlich ergänzende und erläuternde Arbeit unseren verbindlichsten Dank hier öffentlich auszusprechen. Zur ferneren Erläuterung der Karte aber, lassen wir hier die von Hro. Samochwaloff selbst niederge- sehriebene und uns zur Veröffentlichung an diesem Orte mitgetheilte Aufzählung der für die verschiedenen Theile der Karte von ihm benutzten Quellen folgen. «Vorliegende Karte des Amur-Landes, in Mercator’s Projeetion, einen Raum von 206 Erläuterungen 14 Breiten- und 32 Längengraden im Maassstabe von 108,2 Werst auf einen englischen Zoll umfassend, ist nach den neuesten, zum Theil noch unveröflentlichten Quellen entworfen wor- den. Zur Grundlage derselben haben folgende astronomische Ortsbestimmungen gedient: 1) Für den Amur-Strom, den Amur-Liman und die Insel Sachalin folgende, von Hrn. Lieut. Roschkoff im Auftrage der Russ. Geographischen Gesellschaft in den Jahren 1855 und 1856 vermittelst mehrerer Chronometer und eines Passage-Instrumentes bestimmte Punkte: *) Nördliche Breite. Oestl. Länge v. Greenw. Ustj-Strelotschnoi Karaul.........zer2000. 531 re 121°40° 24” Ein Punkt am Amur-Ufer nahe dem Berge Zagajan.52 14 22 ....... 126 25 27 Mündung des Ssungari........ 0er. cn cn en AN ee _ MündungidenÜssuni +. w: ale Rn AN aD 135 5 49,5 Sandsteinwand bei Uch’ssumi ....... see 20000. KSNSIEDDR Kerr 5 — ap Zollazir am Amur ....20.s00 rennen WII RI: 137. 3::37,5 Marumskuschen&Postens. sur ..rcrerelseh hear: Sr A2r Se 140 11 31,5 Dor£ Micharlowskoje.....Intetael. wre lt ah SOF36L30 2 — Dis Bsehhelmolkerkuser sp. wrelssserst skerrartiritre 5291 Me 140 115 » Tyr ae tere taste lalellelette. ta fallen tet.efte ea tehfe: aiLahiellette/ eleiietene HOLDRDIER SS: 139 50 49 rn Ma cha rang. artnet 53 AR ae: 140 737 Nikolajewscher Posten. ....-...cosceseruno. IE 140 42 58,5 Dark Wassje et ters erben ale) ateinlahege ee 53 E02 0er — Bin Pronge ale eireleannetetnle Melanlaneteletete BONO ee 141 11 0 N ER ce HABDRSIR nee _— Dorf. Rschomu.nde ge mesrese te sale ern raten emnellahetehe ei HIT IIR: art — Capı Lasareff. Arne anete ale re Be N A 141 32 45 BandenGastniesiter nein ers a N I 140 49 15 DOrbAP UNE Bere = un ehe ale ae nee share Bl Are a _ DLBAnENAN. ae denen ne eterdie peter Bela ee RN re _ Pettowislsischerg Bostenkt.ae kat aeg enter eteh De et 141. 2.0 Dorf Boghobi . .. „ur er ovesuensen nenn. De a ee Re 141 37 45 BHDRLI ES See ots elaranarore Farstelota te Sirfe ee 50049, AT 12650 2) Für Transbaikalien und namentlich die Quellarme des Amur-Stromes, die Schilka, den Argunj und deren Zuflüsse, folgende, von Hrn. Schwarz, Hauptastronomen der Ostsibirischen Expedition der Russ. Geograph. Gesellschaft, im Jahre 1855 vermittelst mehrerer Chronometer und eines Passage-Instrumentes bestimmte Punkte **): %) Vergl. Orgerp Umuep. Pycex. Teorp. O6mecrsa 3a 1856 roA%. p. 26, und Oruer» Umn, Pycer. Teorp. 6m. aa 1857 r. p. 24. **) Vergl. Oruer» Umn. Pyccer. Teorp. O6m. 3a 1856 r. p. 24. zur Karte des Amur-Landes. 207 Nördliche Breite. Oestl. Länge v. Greenw, Stalla.schitas Say. cigeitieictiiseiieglereje tät se 5 De ah ch 113° 36° 30” DI NIERtSSchinsikseysckenfseteuckerange wleren. Höre HT Bil green 116 42 0 Bestungsbschuadani . 63. .i. z\esielaneissene core are 50,34 A0 er 115 31 30 Kirchdorf Schelonugino. u... 0sc0... auee sc 91539 -77.2. »2:0911.7.20,30 WachipöstennAhasaltu,. . 0... sure a eiapelenaennle HI FR: DG oo in.. 117 57 15 BestuncsZuruchautu,...an net. alien ee 50 23 34 2..... 119 10 0 Nentsichinsikonusawodel ea ner: Da I I 1a PIERRE 119 43 45 Aw suınskonOStLon. se 22 nen ilsnnerseresuge a a RER 120 8 30 Mündung des Urov (in den Argunj)............ Sr DE ER 120 51 15 3) Für beide Länder, Transbaikalien und das Amur-Land, noch folgende , zumeist ebenfalls von der Ostsibirischen Expedition der Geogr. Gesellschaft astronomisch bestimmte, aus dem Kataloge der bis zum Jahre 1857 in Ostsibirien ausgeführten Ortsbestimmungen entlehnte Punkte *): Nördliche Breite. Oestl. Länge v. Greenw. Quellenvder Nertscha . . 2.1.2.0 a2. N 117°36 Rasizng. OnDilzeso son Adnan DIS NOHE N ee, 119 9 Felsen Smeinaja-Gora (am oberen Amur)....... DIE N ehe 125 44 Punkt gegenüber der Bureja-Mündung .......... NIE a re 129 40 » » der Ssungari-Mündung......... BUEBDN De 0 0 ee 132 33 DOLMÄMESCH OWL ee eteaeee erere nne ee er ENAOED — Zweite Mündung des Gorin’s..............:.. RR Ber 137 44 BawHadshu(lkasserhafen).2....onoooneoeoe... DICHTEN. SR ren 140 19,5 Für das Detail des Flussnetzes, die Richtung der Gebirge, die Umrisse der Küsten u. s. w. sind folgende Quellen benutzt worden : Für den Amur-Strom: Kapra Amypckaro Boaauaro nyra. 1857. (Karte der Amur-Strasse, 1857.) Herausgegeben beim Rechenschaftsberichte der Russisch-Amerikanischen Companie für das Jahr 1856. (Oraer» Poce. Amep. Koun. 3a 1856 r.) Manuseripte und mündliche Mittheilungen der Hrn. L. v. Schrenck und C. Maximo- wiecz (zumal in Beziehung auf den Verlauf der den Strom begleitenden Gebirge). Meine, beim hydrographischen Departement niedergelegte Manuscriptkarte des Mündungs- laufes des Amur-Stromes. Für die Flüsse Bureja und Dseja "*): Unveröffentlichte Karte Hrn. v. Middendorff’s — Erster Versuch einer hydrogr. Karte des Stanowoi Gebirges und seiner Ausläufer zwischen dem 45 und 62° n. Br. *) Vergl. Oruers Hun. Pycer. Teorp. O6m. 3a 1857 r. p. 113. fl. **) Die im Laufe der Dseja - Zuflüsse von Hrn. Schwarz u.a. recht zahlreich bestimmten, zumeist jedoch nur in sehr unbestimmten Bezeichnungen bekannt gemachten und deshalb von Anderen kaum brauchbaren Punkte lassen voraussehen, dass die Karte des Dseja-Systems in kurzer Zeit eine sehr veränderte Gestalt gewinnen wird. 208 Erläuterungen Für die Flüsse Gorin und Amgunj: Die obenerwähnte von der Russisch - Amerikanischen Companie herausgegebene Karte des Amur-Stromes. Für die Flüsse Ussuri, Päch’ssa, Dondon, Chongar, Chelass, Jai, Kur, Ssed- semi, Nummulu.a.: Manuseript-Mittheilungen der Hrn. Schrenck und Maximowicz. Für den Tymy-Fluss auf der Insel Sachalin: Manuseript-Mittheilungen Hrn. v. Schrenck’s. Für den nördlichen Theil der Festlandsküste, die Küsten Sachalin’s und des nordösi- lichsten Theiles von Jesso: kKapra Bocrosnoü yacrn Cuönpn no onnen Tlopyınka Kospmuna, u31aH. opn 3aunckaxı Unaporpa®. Aenaprameura. 4. IV. 1846 r. (Karte vom östlichen Theile Sibirien’s nach den Aufnahmen des Lieut. Kosmin, herausgeg. in den Schriften des hydrogr. De- partements. Bd. IV. 1846.) Mepraroperan Kapra chBepuoli MO.A0BAHBI ÜXOTCKArO MopA, COCTABA. H3b PA3HBIXB zEYP- Ha.10Bb U KaprTp np T'naporp. Aenapr. 86 1849 r. u nenpasıaennaa BB 1857 r. (Karte vom nördl. Theile des Ochotskıschen Meeres, entworfen nach versch. Journ. und Kar- ten im hydrogr. Depart. 1849, berichtigt 1857.) Mepksatopckaa KaprTa OAHON NO.AOBUHBI ÜXOTCKArO MOopA, COCTaB.ı. H3b Pa3H. xypuaa. u Kapte npu Tuaporp. Aenapr. 8» 1852 r. u nenpas.ı. 3% 1858 r. (Karte vom südlichen Theile des Ochotskischen Meeres, entworf. nach versch. Journ. und Karten im hydrog. Depart. 1852, berichtigt 1858.) Mepsaroperas kapra Tarapcraro npo.ausa en onnen Amypckoü JKcneAnmin u mx yubl BocToR® 86 1853r. (Karte der Meerenge der Tartarei nach den Küstenaufnahmen der Amur-Exped. und des Schooners Wostok. 1853.) Herausg. im Moperoü Cöopnuk®. 1858. XXXV.N 5. Kapra Jleaoputaro mopa u BocTo4naro oReaHa, u34. npu Tuaporp. Aenapr. Bp 1844 r. u nenpaB.. Bb 1858 r. (Karte des Eismeeres und des Stillen Oceanes, herausgeg. im hy- drograph. Depart. 1844, berichtigt 1858.) Für den südlichen Theil der Festlandsküste : Kapra Bocro4nuaro Öepera no.ıyocrpora Kopen, cocTaz.ı. CB oumcH nPonaBeAeHuHoi Ommne- pann »perara Ilaııara u uaaan. BB Tuaporp. Aenapr. 85 1857 r. (Karte von der Ost- küste der Halbinsel Korea, entworfen nach den von den Office. der Fregatte Pallas aus- geführten Küstenaufnahmen und herausgegeb. im hydrogr. Departem. 1857.) Il.ıanpı nopror» Baaanmipa u Oasru u Kapra KB» MaaBamiro napoxoaa Amepuka. 1857. (Karte der Fahrten des Dampfschifls Amerika im Jahre 1857, nebst Plänen der Häfen Wladimir und Olga) herausgeg. im Moperoü CG6opn. 1858. XXXIV. 3. Karte: The Kuril Islands from Nipon to Kamtschatka (The eoast from Gastries Bay south ward to Low Cape by Mr. H. Hill Mast., from Low Cape to Hornet Bay by Mr. S.W.R.Freeman Mast. 1856). London. Published by the Admiralty 1855. Additions 1856. zur Karte des Amur-Landes. 209 Für den westlichen Theil der Insel Jesso: Track - Chart of the U. S. North - Pacifie Surveying Expedition. John Rodgers U. S.N. Commanding 1854 — 1856 (by U. S. Steamer John Hancock, Lieut. Commdg. H. R. Stevens). Für den übrigen nördlichen Theil der Karte: kapra Bocroyuoü Cuönpn, cocras.ı. no Hopkünnm®p cBbabuiam upn ynpas.ı. Tenepa.asn. Illraöa »% Bocroun. Cuöupn 1855. (Karte von Ostsibirien, entworfen nach den neuesten Nachrichten beim General-Stabe in Ostsibirien. 1855.) Die obenerwähnte unveröffentlichte Karte Hrn. v. Middendorff’s vom Stanowoi-Gebirge. Für den übrigen südlichen Theil der Karte: Ritter’s Karte von Asien. Die Namen der Ortschaften, Flüsse, Gebirge u. s. w. sind durchweg nach den Angaben der Hrn. Schrenck und Maximowicz eingetragen worden.» Es bleibt mir nun noch übrig einige erläuternde Worte zu den auf der Karte verzeich- neten Gränzlinien der Verbreitung einiger Säugethiere im Amur-Lande zu sagen. Die That- sachen, auf denen sie beruhen, sind im Vorhergehenden ausführlich erörtert worden. Aus denselben wird man daher ersehen können, in wie weit uns eigene Erfahrungen und mehr oder weniger zuverlässige Angaben der Eingeborenen des Amur-Landes, oder aber nur Com- binationen und Vermuthungen, wie sie die Natur des Landes uns an die Hand geben konnte, den Lauf dieser Linien dietirt haben. Die verschiedene Tragweite dieser Grundlagen ermes- send, haben wir übrigens dieselben auch in der Ausführung der Linien stets auseinander ge- halten. Denn nur wo uns eigene Erfahrungen oder bestimmte Angaben von Eingeborenen vor- lagen, sind die Gränzlinien ausgezogen, im Uebrigen aber punctirt angegeben worden. Ja, wo das Feld der Combinationen ein zu weites war, da sind die Linien sogar zu öfters ganz abge- brochen worden, ob auch der Lauf derselben zuverlässig in den Raum der Karte fällt. Dies ist namentlich auch dann geschehen, wenn wir nicht mehr als an einem Orte einen bestimm- ten Gränzpunkt der Verbreitung eines Thieres ermitteln konnten, für den übrigen Theil aber nur unbestimmte Angaben besassen, da uns der Lauf der Linie alsdann noch zu wenig indi- eirt schien. So ist es gleich bei der ersten der von uns verzeichneten Linien, der Polargränze von Meles Taxus Schreb., geschehen. Denn ob wir auch Grund haben zu vermuthen, dass dieselbe im oberen Amur-Lande den mittleren Lauf der Bureja und Dseja schneidet, so fehlt es uns hier doch an allen direkten Erfahrungen und müssen wir uns daher zunächst mit dem einen, ziemlich bestimmt ermittelten Gränzpunkte an der Südküste des Ochotski- schen Meeres begnügen. Aehnlich verhält es sich auch mit unserer Il!e® Linie, der Aequa- torialgränze von Gulo borealis Nilss., die wir nach Verbindung zweier Gränzpunkte im unteren Amur-Lande, des Geong- und Wanda-Gebirges, westlich von letzterem, in Er- mangelung noch mehrerer, bestimmt ermittelter Gränzpunkte, abbrechen müssen, ob es gleich wahrscheinlich ist, dass dieselbe, auch im Westen des Amur-Landes der Aequatorialgränze des Rennthieres folgend, den oberen Amur in der Gegend der Komar - Mündung wieder er- Schrenck’s Amur-Reise Bd. I. 27 210 Erläuterungen. reicht. Ebenso brechen wir die Gränzlinie des Vielfrasses auch im Osten vom Geong-Gebirge mit der Festlandsküste, wo sie jedenfalls südlich von der Bai Hadshi und von Idi liegt, ab, ob wir gleich den Vielfrass bis nach der Südspitze Sachalin’s vermuthen dürfen. Bedeutend mehr Punkte liegen uns für die ihr sehr genäherte, auf unserer Karte VII! Linie, die Aequa- torialgränze von Cervus Tarandus L., vor, da uns hier die Südspitze Sachalin’s, das Geong- und Wanda-Gebirge, der Gebirgsstock Tukuringra (Middendorff) und das Chingan-Ge- birge zwischen dem Amur- und dem Nonni-Fluss (Pallas) als Gränzpunkte bekannt sind. Da jedoch letzterer Gebirgszug eine weite Ausdehnung hat und das südlichste Vorkommen des Rennthieres in demselben nicht ermittelt ist, so können wir unsere Linie an diesem Endpunkte auch nur andeutungsweise ziehen. Verhältnissmässig gut indieirt und daher leicht einzutragen war uns die IIl!® Linie unserer Karte, die Polargränze von Canis procyonoides Gray, da wir die Gränzpunkte der Verbreitung dieses Thieres an der Küste und am unteren und oberen Amur mit ziemlicher Genauigkeit ermitteln konnten. Für die drei folgenden Linien (IV, V u. VI), die Polargränzen des Wildschweines, des Rehes und des Edelhirsches, gaben uns Midden- dorff’s Forschungen im Norden vom Amur wesentliche Anhaltspunkte, welche es uns gestat- teten die im unteren Amur-Lande nachgewiesenen Gränzlinien der Verbreitung dieser Thiere westwärts fortzusetzen. Für das Wildschwein namentlich war uns westlich von unteren Amur ein bestimmter Gränzpunkt mit dem Jorach an der Bureja gegeben. Als Polargränze des Rehes und Edelhirsches aber war uns durch Middendorff im NW. vom Amur der Kamm des Stanowoi-Gebirges bekannt und liess sich für die Senkung der Linien von dort zum un- teren Amur, wo wir die Gränzpunkte bestimmen konnten, das sehr seltene Vorkommen des ersteren noch an den Zuflüssen des Gallam und des letzteren am Inkanj (Middendorff) als maassgebend annehmen. Nicht für überllüssig hielten wir es endlich auf unserer Karte auch die Gränze des weitesten Aufsteigens der Phoca nummularis Schleg. und des Weissfisches (Delphinapterus Leucas Pall.) im Amur (Linie VII), so wie die Aequatorialgränze des letzteren ‘(Linie IX) zu verzeichnen. Denn ob auch beide Gränzen, die erstere ihrer Natur nach und die letztere ihrer Lage an der schmalen Meerenge der Tartarei zufolge, auf einen einzelnen Punkt sich beschränken, so schien es doch wichtig auch auf der Karte auf die verhältnissmässig sehr südliche Lage, dieser Punkte im Amur-Strome und Limane aufmerksam zu machen. Dagegen sind auf der Karte alle bisher durch keine bestimmten Gränzpunkte genauer zu fixirenden Angaben über die Verbreitung mancher wahrscheinlich nur der Prairie in der südlichen Bie- gung des Stromes eigenen, dem gebirgigen unteren Amur-Lande dagegen fehlenden Formen, wie Erinaceus europaeus, Spermophilus Eversmanni, Siphneus Aspalax u. s. w., weggelassen worden. Dasselbe ist mit der Verbreitungsgränze der noch viel zu wenig bekannten Antilepe erispa Temm. geschehen, die den Angaben der Eingeborenen zufolge dem Küstengebirge der Mandshurei von der Amur-Mündung an südwärts folgt. Wird man aber die Unterlassung voreiliger graphischer Darstellung gut heissen, so haben wir schliesslich auch für die auf der Karte verzeichneten Verbreitungsgränzen noch eine gütige Nachsicht in Anspruch zu nehmen, da dieselben ebenfalis mehr punctirte und also nur vermuthungsweise angegebene zur Rarte des Amur-Landes. 211 als wirklich ermittelte, ausgezogene Linien enthalten. Möge uns dabei auch der Umstand ent- Schuldigen, dass wir durch den Entwurf irgend darstellbarer Linien der Thierverbreitung auf unserer Karte die Aufmerksamkeit künftiger Reisenden im Amur-Lande unserem Gegen- stande in einem höheren Grade und auf unmittelbare Weise zuzuwenden hoffen durften. Berichtigungen und Zusätze. Felis Tigris L. Auf S. 95 ist angeführt worden, dass das durch Aussagen der Gilja- ken von uns erkundete Vorkommen des Tigers an der Südküste des Ochotskischen Meeres dem von Middendorff in Erfahrung gebrachten Vorkommen desselben an der Tyrma unmit- telbar sich anschliesse und dort vielleicht die Polargränze der Streifzüge des Tigers bezeichne. Als ich dies niederschrieb, war mir noch keine die Reisen Hrn. v. Middendorffs im Süd- osten Sibirien’s erläuternde Karte zu Gesichte gekommen. Ich giaubte daher unter der Be- zeichnung Tyrma denselben Fluss verstehen zu dürfen, den wir auf der neuesten Karte von Ostsibirien (Rapra Boerounoi Cnönpn cocrası. no Hosbümump cerbabuiamp mpa ynpaB.ı. Tenep. Illra6a 8» Boctos. Cu6. 1855 r.) als Torma oder Terma angegeben finden. Gegen- wärtig hat uns jedoch die von Hrn. v. Middendorff entworfene (unveröflentlichte) Karte vom Stanowoi-Gebirge und seinen Ausläufern dahin belehrt, das die Tyrma oder Tyrmy ein Ne- benfluss der Bureja sei. Von einem Anschlusse der oben erwähnten Fundorte an einander kann daher nicht mehr die Rede sein. Jenes von uns erkundete Vorkommen des Tigers im Gebiete der Giljaken an der Südküste des Ochotskischen Meeres ist somit gegenwärtig der nördlichste bekannte Punkt seiner Verbreitung im Küstengebiete Ostasiens. Tamias striatus L. p. 125. Im selben Jahre (1855), als ich T. striatus im Nikolajew- schen Posten im Frühjahre zuerst am 13. (25.) April bemerkte, hat Hr. Maximowiez das erste Wiedererscheinen dieses Thieres im Mariinskischen Posten am 7.(19.) April, also um 6 Tage früher beobachtet, was mit den klimatischen Differenzen dieser beiden Orte völlig im Einklange steht. 212 Erklärung der Tafeln. } Taf. Fig. 1. Meles Taxus Schreb. Var. amurensis, fünf mal verkleinert; nach einem Exemplare aus dem unteren Amur-Lande nahe der Ussuri-Mündung. Fig. 2, 3 u. 4. Köpfe derselben Varietät von M.TaxusSchreb. in halber Grösse; nach Exem- plaren vom Gorin und aus der Umgegend des Nikolajewschen Postens; nach Farbe und Zeich- nung den Uebergang zur typischen Form vermittelnd. Lof.. Canis alpinus Pall., acht mal verkleinert; nach einem aus dem Geong-Gebirge im unteren Amur-Lande erhaltenen Felle. Tafı IH. Fig. 1. Canis procyonoides Gray im Winterkleide, vier mal verkleinert; nach einem durch die Giljaken der Amur- Mündung aus dem unteren Amur-Lande, vermuthlich aus der Gegend der Ussuri-Mündung erhaltenen Felle. Fig. 2. Derselbe im Sommerkleide; nach einem im Dorfe Ssoja im unteren Amur- Lande erhaltenen Felle. Taf. IV. Fig. 1. Can. procyonoides Gray Var. amurensis, im Sommerkleide, vier mal verkleinert; nach einem im Dorfe Emmero im unteren Amur-Lande lebendig erhaltenen Individuum. Fig. 2. Erinaceus europaeus L. Var. amurensis, in halber Grösse; nach einem im Dorfe Guls- soja nahe der chinesischen Stadt Aigun erhaltenen Felle. Daneben ein einzelner Stachel in dop- pelter Vergrösserung. Kae. Skelett von Can. procyonoides Gray, in halber Grösse, von einem erwachsenen Weibchen vom oberen Amur bei Ossika, nahe der Bureja-Mündung. Laf. au Fig. 1. Arvicola (Hypudaeus) amurensis n. sp. in natürlicher Grösse; nach einem im Nikola- jewschen Posten gefangenen, weiblichen Individuum. Fig. 2. Kauflächen der Backenzahnreihen von Arv. amurensis: a des Oberkiefers, b des Un- terkiefers, in siebenfacher Vergrösserung. Fig. 3. Kauflächen der Backenzahnreihen von Arvicola saxwatilis Pall.: a des Oberkiefers, b des Unterkiefers, in siebenfacher Vergrösserung; nach einem am Amur, nahe dem Bureja-Gebirge ge- fangenen, weiblichen Individuum. Fig. 4. Arvieola Maximowiezi n. sp. in natürlicher Grösse; nach einem am oberen Amur bei der Mündung des Flusses Omutna gefangenen, männlichen Individuum. Erklärung der Tafeln. 213 Fig. 5. Kauflächen der Backenzahnreihen von Arv. Maximowiezii: a des Oberkiefers, b des Unterkiefers, sieben mal vergrössert. Taf. VÜ. * Fig.1. Lagomys hyperboreus Pall. Var. normalis nach Exemplaren aus dem Cholsanischen Ge- Fig. 2. D a » Var.ferruginea|birge inKamtschatka, in natürlicher Grösse. Taf. VII. Fig. 1. Lag. hyperboreus Pall. Var. cinereo-flava, in natürlicher Grösse; nach einem Exemplare von Udskoi Ostrog. Fig. 2. Lag. hyperboreus Pall. Var. cinereo-fusca, in natürlicher Grösse; nach Exemplaren vom oberen Amur nahe Ustj-Strelka. Taf. IX. Fig. 1. Phoca equestris Pall., Männchen. Fig. 2. Zeichnung der Bauchseite desselben. 5 Fig. 3. Ph.equestris Pall., Weibchen. Beide nach Exemplaren von der Ostküste Kamtschat- ka's an der Mündung des Kamtschatka-Flusses, in neunmaliger Verkleinerung. . I Be ee Pe; m BEMERKTE DRUCKFEHLER. ‘ \ h 4 Seite 12, Zeile 33 von oben statt Breitendimisionen lies Breitendimensionen Dr A320 » » 4) » 5) DI DEE » » Bureja über » Bureja und über 8 Dr HZ Dr 29 » » oberen » unteren 1 "a 288. md. » unteren » weiteren » 104 » 23 » » an » von 2» Mamas » » Hrn. » Hr. » 1455 >» 18u.19» » toksa und tochsa » tokssa und toch’ssa » 0 —- nn» 241 » » toksake » tokssake v3 nd: » » Farbe » Farben 0 ’ 4 w ” # Kl ah g SE y ” " EN A og W Pape ad rat. del WEL w TIIUS A CH VILE: UNMLECHMUS DEIN W. Pape ad nat .del IHR. u DE 27 N ae N N 7 De £ B R 2 HM Z (f Erz LEID 2, VIEH EI Gay X on Antec 2 im Sommmei PRZEB , / / 4 L L/ u Sr NT w k ZH EEE De Se Zn NN NUN re a R ER su nn a RN? 772 anne le un NIS ee en en eg 2 Lape ul. scal det [4 IHAC HD. ZA 9 Di eofrerere HOHIS (HA ? OHM DL n J | G: vay LZ > OLE OH GA fd / Lam < Ah, eymowhond! I) | er | ei is er E = gep zonı po sdu] HM. FF Pape. at. nat del. 72. 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