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Versuche und Vorarbeiten. Bd. 15, Heft 2

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Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten

begründet von Albrecht Dieterich und Richard Wünsch

herausgegeben von Richard Wünsch und Ludwig Deubuer

in Münster i. W. in Königsberg i. Pr.

XV. Band. 2. Heft

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer

von

Karl Wyß

Gießen 1914 Verlag von Alfred Töpelmann (vormals J. Ricker)

Für Amerika: G. E. STECHERT & Co. 151—155 West 25th St., NEW YORK

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Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten

Zuletzt sind erschienen:

^Tueh^ Der Einfluß der Mysterienreligionen

auf das älteste Christentum

von Carl Clemeu

1913 92 S. M. 3.40

Der Verfasser untersucht zunäclist, wo die einzelnen genauer bekannten Mysterienreli- gionen, die eleusinischen, Attis- und Kybele-, Isis-, Osiris- und Sarapismysterien überhaupt nachweisbar sind, und zeigt von neuem, daß die Mithrasmysterieu auf semitischem und griechischem Gebiet nur sehr wenig und auch im Westen erst seit den Flaviern ver- breitet waren. Dann bespricht er nacheinander den Einfluß der Mysterienreligionen auf die Entstehung und älteste Entwicklung des Christentums, die paulinische Theologie und die Religion der paulinischen Gemeinden, und die nachpaulinische Entwicklung. In ersterer Beziehung wäre s. M. u. selbst dann kein solcher Einfluß anzunehmen, wenn die Taufe schon in ältester Zeit Sündenvergebung hätte beschaffen sollen und das Abend- mahl nur mit Brot gefeiert worden wäre; beides glaubt er aber bestreiten zu müssen. Bei Paulus nimmt er einen Einfluß auf den Sprachgebrauch an, dagegen nicht auf die Theologie, auch nicht in der Lehre von Taufe und Abendmahl, in der die korinthische Gemeinde z. T. von den Mysterienreligionen abhängig sein könnte. Stärker wird ihr Einfluß s. M. n. erst in der nachpaulinischen Zeit, beschränkt sich aber auch da auf An- schauungen und Einrichtungen, die mindestens im Keime vorher schon vorhanden waren.

Die Schlange in der griechischen Kunst und Keligion

XIII.Band

a. Heft

Mit 32 Textabbildunsen und 1 Tafel

von Erich Küster

1913 182 S. M. 6.50

Der Verf. gibt im ersten, archäologischen Teil der Arbeit eine Entwicklung des Schlangen- ornaments in Zeichnung und Plastik seit den ältesten Zeiten im Zusammenhang mit der Entwicklung der Spirale und zeigt, wie die künstlerische Darstellung der Schlange im östlichen Mittelmeergebiet ihre ersten naturalistischen Formen erhielt. Sodann werden besonders in der griechischen Kunst die mannigfachen Entwicklungsformen des Schlangen- ornaments in den einzelnen Stilen vom mykenischen bis zum Beginn der hellenistischen Kunst verfolgt. Besondere Beachtung wird den Schlangen an den geometrischen Gefäßen zuteil, sowohl in ihrer künstlerischen wie religiösen Bedeutung.

Der zweite Teil, der unter Heranziehung alles wesentlichen archäologischen Materials die religionsgeschichtliche Stellung der Schlange in Griechenland beleuchtet, enthält folgende Kapitel: I. Die Schlange im griech. Seelenglauben. II. Die Schi, im Heroenkult. III. Die Schi, als Erdgeist. IV. Die Schi, als mantisches Tier. V. Die Schi, als Symbol der Fruchtbarkeit. VI. Die Schi, als Wasserdämon. Durch diese Einteilung und Behand- lung der einzelnen Kapitel soll zugleich auf die Schwierigkeit hingewiesen werden, die so verschiedenartigen Vorstellungen vom Wesen der Schlange bei den Griechen unter einen größeren Gesichtspunkt zu vereinigen es sei denn unter den allgemeinen des chthonischen Grundcharakters dieses Tieres.

XIII.Band ])e saltationibus Graecorum capita quinque

3. Heft •. TT i. T *+

scripsit Kurt Latte

1913 115 S. M. 4.—

Nachdem im ersten Kapitel die antike Tradition über den Tanz geprüft ist, wird zunächst die weitere Vorfrage nach den Einzelbewegungen, den 'Figuren', behandelt. Darauf folgt eine Geschichte der Waflfentänze, namentlich der Pyrriche, bis in die Zeit des ausgehenden Altertums, wobei die religionsgeschichtliehe Bedeutung der Kureten im Anschluß an den neugefundenen Hymnus von Palaikastro ausführlich erörtert wird. Ein weiterer Ab- schnitt beschäftigt sich mit den verschiedenen Formen der Beteiligung am sakralen Tanze und der Geschichte der Bürgerchöre. Im letzten Kapitel endlich wird die Ver- breitung der ekstatischen Tänze auf griechischem Boden verfolgt und ihr Alter zu be- stimmen gesucht. Ein Anhang führt die für die Geschichte der Pyrriche wichtige Frage nach der Geltung des Deminutivsuffixes —ixos in den griechischen Mundarten weiter.

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Die Milch im Kultus der Griechen und Römer

von

Karl Wyß

Gießen 1914 Verlag von Alfred Töpelmann (vormals J. Ricker)

Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten

begründet von Albrecht Dieterich und Richard Wünsch

herausgegeben von Richard Wünsch und Ludwig Deubner

in Münster i. W. in Königsberg i. Pr.

XV. Band. 2. Heft

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Kapitel 1 bis 7 sind auch gesondert als Beruer Dissertation 1914 erschienen unter deta Titel: Die Milch im Kultus der Griechen und Römer.

Diese Arbeit ist unter der Leitung von Herrn Professor Dr. Otto Scliultheß entstanden, dem ich für seine unermüd- liche Belehrung und Förderung während meiner ganzen Studien- zeit herzlich dankbar bin.

R. Wünsch hat mich durch manchen wertvollen Hinweis und seine Unterstützung bei der Drucklegung sehr zu Dank verpflichtet.

Inhalt

Seite

Einleituug 1

1. Kap. Die Milch als eine Gabe unter Gaben 3

2. Kap. Die Milch als Opfergabe bei den Römern 7

3. Kap. Die ursprüngliche Bedeutung des Milchopfers bei den Griechen 13

4. Kap. Die Milch als weinlose Spende 19

5. Kap. Die Milchspende bei der Totenbeschwörung und im Totenkult 25

6. Kap. Die sühnende Wirkung der Milch 32

7. Kap. Die Milch als Götterspeise und Attribut des seligen Jenseits 39

8. Kap. Die Milch im Mysterienkult 52

9. Kap. Käseopfer 58

Zusammenfassung 61

Register 65

Verzeichnis der wichtigeren Literatur 67

Karl Wyß, Die Milch im Kultus der Griechen und Römer

Einleitung

Die weitgehende Verwendung von Tiermilcli als Nahrungs- mittel gilt heutzutage als etwas Selbstverständliches, von vornherein durch die Natur Gegebenes. Daß unsere Milch- tiere aber nicht überall in dieser Weise dem Menschen dienen, beweisen die großen Völker Ostasiens und die meisten Ur- einwohner der neuen Welt, die keine Milch genießen ^ Da- gegen molken allerdings die Indogermanen seit den frühsten geschichtlichen Zeiten ihre Kühe, Schafe, Ziegen und zum Teil auch Pferde. Aber da diese Haustiere nicht vor der jüngeren Steinzeit gezähmt gewesen zu sein scheinen ^, so müssen in diese Epoche auch die ersten Versuche fallen, die Muttertiere an eine verlängerte und vermehrte Milchabsonderung zu gewöhnen.

Diese Entwicklung kann nur ganz allmählich vor sich gegangen sein, muß Zeiträume in Anspruch genommen haben, während denen viele Menschengeschlechter kamen und gingen. Unmöglich kann daher die Zähmung die zielbewußte Tat des Menschen gewesen sein. Woher hätte ihm auch ein solcher Gedanke kommen sollen ? Die zufälligen Veranlassungen, den ersten Anstoß zu dieser unbewußten, aber äußerst wichtigen und folgenschweren kulturellen Eroberung mit Sicherheit fest- zustellen, ist unmöglich. Verschiedene Erklärungsversuche sind gemacht worden. Einer der ansprechendsten ist der von A. Otto^, der annimmt, der Mensch habe aus Spielerei, durch

' E. Hahn, Die Haustiere und ihre Beziehungen zur Wirtschaft des Menschen, Leipzig 1896, 78.

^ 0. Schrader, Sprachvergleichung und Urgeschichte ^, Jena 1907, 152. ' A. Otto, Zur Geschichte der ältesten Haustiere, Breslau 1890, 1 ff. Religionsgescbic'ütUche Versuche u. Vorarbeiten XV, 2. 1

2 Karl Wyß

den Geselligkeitstrieb veranlaßt, sich unter den Tieren nach Spielzeugen und Gefährten umgesehen; denn der Mensch tue immer zuerst das, was ihm gefalle, das Nützliche nehme er in der Regel nur auf, wenn eine Notwendigkeit ihn dazu dränge ^ Ganz anders E. Hahn aaO. Er findet das treibende Moment in religiösen Anschauungen. Die Indogermanen, meint er ungefähr, sahen als Verehrer der Hiramelsgestirne, besonders des wechselnden Mondes, im Rinde mit seinen Sichelhörnern das heilige Tier des Gottes. Das neugeborene Kalb, als die Frucht, das Liebste des heiligen Tieres, war dem Gotte die angenehmste Gabe. Um daran nie Mangel zu haben, wurden in heiligen Bezirken Rinderherden gehalten. Durch eine nach und nach sich steigernde Besorgung, besonders die Regelung der Fortpflanzung der Tiere, gewöhnten sich diese und der Mensch aneinander; neben dem Kalb wurde auch seine Nahrung, die Milch, zum Opfer und ging dann später in den profanen Gebrauch über als menschliches Nahrungsmittel. Sollte diese Annahme richtig sein, so wäre doch wohl zu erwarten, daß die religiöse Wertschätzung des Rindes und seiner Gabe, der Milch, bis in spätere Zeit stark nachwirkte. Das Rind spielt nun allerdings in den religiösen Anschauungen verschiedener indogermanischer Völker eine gewisse Rolle. Von den Indern mit ihrer lo und den Wolkenkühen ^ bis zu den Europa-, Herakles- und losagen der Grieclien. Im ganzen aber über- wiegt die profane Verwendung und Ausnutzung so sehr, daß ich lieber annehmen möchte, erst durch sie sei die religiöse Spekulation veranlaßt worden, diese unentbehrlichen Haustiere auch in die Göttermythen einzubeziehen. Doch diese Frage steht hier nicht zur Behandlung, sondern nur die sakrale Be- deutung der Milch bei den beiden indogermanischen Stämmen, die auch in religiöser Hinsicht das Erbe des ürvolks zu einem eigenen reichen Besitztum ausgestaltet haben, den Griechen und Römern. Wer freilich der Ansicht von H. Useuer'^ zü-

* F. Ratzel, Völkerkunde I Leipzig 1887, 57. S. auch K. Kircher, Die sakrale Bedeutung des Weins, RGW IX 2, GieÜen 1910, 3.

* H. Oldenberg, Die Religion des Veda, Berlin 1894, 72 ff.

" Milch und Honig, Rheinisches Museum LVII (1802) 177 (Kl. Schriften IV 398 ff.).

Die Milch im Kultus der Griechen und Eömer 3

stimmt, die Milch habe von jeher samt dem Honig den Griechen als Götterspeise, als Attribut des seligen Jenseits gegolten, könnte sich versucht fühlen, die so eigenartige Auffassung vom Wesen und der Wirkung der Milch mit der Hypothese Hahns in Verbindung zu bringen. Hier handelt es sich nur darum, die tatsächliche Stellung der Milch im griechischen und römischen Sakralvvesen darzulegen. Die nicht zahlreichen Zeugnisse gestatten dies kaum für die historische Zeit ; darum soll vermieden werden, über die völlig dunkle Urzeit zu den angeführten noch weitere Hypothesen hinzuzufügen. Wenn ich mir trotzdem einige vorsichtige Schlüsse auf die Ent- wicklung der betreiFenden Anschauungen, einige Vermutungen über die vorhomerisch-griechische und die altrömische Volks- religion erlaube, so bin ich mir wohl bewußt, daß beides einer zwingenden Beweisführung entbehren muß.

1. Kapitel

Die Milch als eine Gabe unter Gaben

Als Griechen und Römer die beiden Mittelmeerhalbinseln in Besitz nahmen, brachten sie als ihren Hauptreichtum Herden mit. Wohl hatten sie schon gelernt, als notwendigen Zusatz zu ihrer animalischen Nahrung einige Getreidearten zu ziehen ^. Aber noch lange galt die Bearbeitung des Bodens als ein Sklaven- und F)'auerigeschäft, die Besorgung des Viehs neben Jagd und Streit als allein des freien Mannes würdig"; hüten doch noch bei Homer Königssöhne die Herden ihres Vaters^.

' Mommsen, Rom. Gesch. I* 18.

i I. V. Müller, Griechische Privataltertümer 241 ; Ed. Meyer, G. d. A. II 79 ff.

" G. Finster, Homer I* Leipzig 1913, 93: „Die Herrensöhne werden als Oberaufseher auf die Alp geschickt^ II. XX 91 ; VI423; XI104; XXIV 29; Od. Xlll 222; B. Büchseiischütz, Besitz und Erwerb, Halle 18H9, 208: Schrader, Sprachv. und Urg. 216 ff. H. XI 677; Od. XIV 100 u. a.

1*

4 Karl Wyß

Die Nutzung der Herden hatte sich allerdings bei beiden Völkern im Verlaufe der vorgeschichtlichen Entwicklung wesentlich geändert. Das zeigt ein Blick auf ihre indo- germanischen Brudervölker nördlich des Alpen- und Balkan- walles. Die Germanen und Britannier schlachten die Herden- tiere zwar auch, aber in erster Linie scheinen sie doch auf die Milch Wert gelegt zu haben. Caes. bell. gall. V 14: (Britanni) lade et carne vivirnt VI 22: 7naior pars eorum (sc. Germamrum, victm in lade, caseo, carne consistit. Bei Plinius n. h. XXVIII 133 heißt die Butter barhararmn gentium lavtissimus cibusK Und auch die Skythen, deren Wohnsitz oft als dem ursprünglichen Staramland der Indogermanen wenigstens benachbart aufgefaßt wird, wissen besonders die Pferdemilch zu verwerten, worüber Herodot IV 2 und Hippo- krates De morbis IV 20 ^ berichten.

Daraus haben wir zu schließen, daß auch Griechen und Römer in früheren Zeiten die Milchproduktion bei der Vieh- zucht in die erste Linie stellten und erst durch die ver- änderten klimatischen und andere Verhältnisse veranlaßt wurden, auf die Viehmästung größeres Gewicht zu legen'. Schon von Homer aber wird Kuhmilch als Nahrungsmittel gar nicht mehr erwähnt, ungemischte Ziegen- und Schafmilch nur als Getränk des Kyklopeu *. Die oberen Gesellschafts- schichten verschmähten also die Milch fast ganz und ge-

» Vgl. Caes. bell. gall. IV 1; Athen. IV 131 C; Strabo XVI 4, 24; VII 3, 2; III 3, 7.

2 Ed. E. Littre, Paris 1861, VII 585. Vgl. de aere 18 (I 61 Kuehlewein).

^ Gleichgültig, ob die Urheimat der Idg. mehr im Osten (Vorderasien), oder in Mittelenropa, oder in Nordeuropa zu suchen ist, alle diese Gebiete gewähren der Volkswirtschaft, im besonderen der Viehzucht, nicht allzu verschiedenartige Bedingungen. Wesentlich verschieden aber vom euro- päisch-asiatischen Binnenklima ist das der Mittelmeerländer, wohin nach allgemeiner Ansicht die Griechen und Eömer von Norden her einwanderten. Daher werden mit einigem Eecht diese Verhältnisse bei den nördlichen Stämmen als weniger verändert als bei den Mittelmeervölkern angenommen werden dürfen. Zur Frage der Urheimat s. z. B. 0. Schrader, Reallexikon 878—902. Sein Resultat ist: die ältesterreichbaren V/ohnsitze der Idg. sind an der Grenze Asiens und Europas, in dem Steppengebiet Südrußlands zu suchen. S. auch K. Brugmann, Kurze Gramm, d. idg. Spr., Stras- burg 1904, 22 * I. V. Müller aaO. 118: Od, IX 248.

Die Milch im Kultus der Griechen und Eöiner 5

brauchten das Fleisch als Hauptnahrungsmittel. Bis sich dieser Wechsel vollzogen hatte, vergiogen natürlich Jahr- hunderte. Zum mindesten aber in diese frühen Zeiten, wenn nicht schon in die Epoche vor der Trennung des indogermani- schen Urvolks, muß wohl auch der Ursprung der sakralen Verwendung der Milch gerückt werden.

Einer primitiven Kulturstufe müssen also auch die An- schauungen entsprechen, die zu der Verwendung der Milch als Gabe an die Götter führten. Man könnte sich versucht fühlen, an einen Glauben an zauberisch-dämonische Wirkung dieses Sekretes des menschlichen und tierischen Körpers zu denken, wenn man sieht, daß bei primitiven Völkern anderen warmen Ausscheidungen des Körpers wie Speichel, Urin, Samen usw\ Zauberkraft zugeschrieben wird ^ ; selbst in unseren Tagen wird beim niederen Volk besonders Frauenmilch als ein wirksames Zaubermittel angesehen, wie aus populären Zauberbüchern zu ersehen ist. Die überkommenen Zeug- nisse der Alten aber lassen, so viel ich sehe, in keiner Weise den Schluß zu, daß sich solcher Aberglaube an die Milch hing, wodurch allerdings nicht bewiesen ist, daß das nie und nirgends geschehen wäre^

Jedenfalls aber hätte der alltägliche Gebrauch als Nahrungs- mittel dann doch bald bewirkt, daß die Milch als etwas ganz Harmloses, Ungefährliches aufgefaßt wurde, wie etwa das „tägliche Brot'' jener Zeit, der Mehlbrei (jro/Tog, puls). Und so ist die Milch denn wohl auch ganz so, wie die anderen N a h r u n g s m i 1 1 e 1 , in die Reihe der Opfergaben aufgenommen worden. Von den guten Gaben, die die Natur, d. h. die

' Belege bei E. Bethe, Die dorische Knabenliebe, Rhein. Mus. LXII (1907) 463 ff.

^ Vgl. Bethe aaO. 467. Nachträglich werde ich durch Rieß, Aber- glaube, PW I Sp. 86 auf Plinius XXVIII 72—75 aufmerksam, wo Frauenmilch als Heilmittel gegen Biß von tollen Hunden und Augenkrankheiten emp- fohlen wird. Bedeutung für die Annahme einer ursprünglichen Anschauung kann diese späte Einzelheit nicht beanspruchen. Überhaupt wage ich nicht ans den Anschauungen der Medicina popularis Rückschlüsse auf ursprüng- liche Vorstellungen zu machen. Es findet sich mehr derart bei Pliniua, B. den Index von L. Jan, Teubnev 1898, 206 unter lac, usus in medicina. S. auch L. Deubner De incubatione 43 Anm.

6 Karl Wyß

Gottheit, den Menschen bot, kamen den Göttern zum Danke wieder Opfer und Spenden zu. Dieses Gefühl des Dankes oder, wenn man will, der Abhängigkeit von der Gnade der Götter, verbunden mit der Überzeugung, daß diese trotz all ihrer Überlegenheit doch im Grunde auch menschliche Be- dürfnisse hätten, war doch wohl der stete Antrieb zum Opfer. Was dem Menschen gehörte, war zunächst doch wieder Gottes, und Gott wiederum bedurfte nicht mehr als der Mensch: denn „die Götter lebten nicht anders und besser als die Menschen" ^. „Diese Beschränkung auf das Heimatliche", wie Ourtius sich ausdrückt, „blieb in Geltung" bis in späte Zeiten.

Ebenso wird auch das Milchopfer verschiedener anderer Völker von den modernen Gelehrten erklärt. So z. B. das der Ägypter: „Für den Schutz, den sie gewährt, erhält die Gottheit von der Gemeinde alles, was sie bedarf, Brot, Fleisch, Milch, Bier, Wein, Kleider und Schmuck, Blumen und Weih- ranch", oder, wie es später in den Opferformeln heißt, „alle guten und reinen Dinge, welche auf den Opfertisch kommen und von denen der Gott lebt" ^ Ähnlich das der Inder: „Auch auf dem Gebiete des vedischen Opferwesens bestätigt sich der natürliche Satz, daß der Mensch dem Gott eben das darbietet, was ihm als seine eigene Nahrung willkommen ist". „Lassen wir zunächst das Tieropfer und das Somaopfer außer Betracht, so begegnen als Opferspeise alle hauptsächlicheren Produkte der Acker Wirtschaft wie der Viehzucht: an der Spitze Milch in ihren verschiedenen Zuständen (saure Milch usw.), Butter und die beiden vornehmsten Körnerfrüchte, Gerste und Reis . . . Daß den von der Kuh kommenden Produkten ein höheres Gewicht der Heiligkeit und mystischen Bedeutung beigelegt wurde als den Erzeugnissen des Acker- baues, tritt dabei unverkennbar hervor" ^.

1 E. Curtius, Sitz. Ber. Ak. Berl. 1890, 1142. ^ Ed. Meyer, G. d. A. I* § 189.

' H. Oldenberg aaO. 353. Vgl. auch K. Marti, Gesch. der israel. Eelig., Straßb. 1903, 104.

Die Milch im Kultus der üriechen und Römer 7

2. Kapitel Die Milch als Opfergabe bei den Römern

Die Kömer blieben Jahrhunderte laug ein Bauernvolk. Unfreiwillig wuchsen sie zu einer weltbeherrschenden Macht empört In Politik, Handel und Geldwirtschaft mußten sie den neuen Verhältnissen Rechnung tragen, geschmeidiger, weitsichtiger und vielseitiger werden. In ihrem religiösen Leben blieben sie die echten Bauern, w^ohl auch darum, weil nur die Religion der Väter, wie z. B. Cato Maior meinte, dem Staate Bestand verhieß. Religion hatte eigentlich auch Cato nicht, wenigstens keine tiefinnere, die Seele erfüllende Frömmigkeit, deren bester Teil vielleicht der immerbesiegte, immer wieder aufsteigende Zweifel ist. Catos Frömmigkeit bestand in dem abergläubisch gedankenlosen P'esthalten an alten Formen: der Brauch war seine Religion. An den alten Gebräuchen klebten die Römer überhaupt, und die Ver- suchung, davon zu lassen, kannte ihre nüchterne Gleichgültig- keit gegenüber metaphysischen Problemen nicht. Darum wird man nicht fehlgehen, wenn man in ihren Bräuchen viel mehr noch als in denen der Griechen alte Elemente nicht zu sehr entstellt zu finden hofft. Die ganze kulturelle Entwicklung Roms war überhaupt viel einheitlicher als die des beweg- licheren, vielstämmigen Griechenvolks, das schon so früh die hohe Blüte des hellenischen Mittelalters aufwies. Auch darum werden Reste des altrömischen Kults den Stempel der Ur- sprünglichkeit deutlicher bewahrt haben, als die meisten griechischen, und darum wird es nicht unrichtig sein, hier einmal von Rom nach Hellas zu gehen.

Eines der ehrwürdigsten Feste Roms waren dieFeriae L a t i n a e', gleichsam die Gründungsfeier des römischen Staates. Gerade hier werden die konservativen Römer, die der einmal

'■ »^1. Mommsen, K. G. 781.

' Ich verweise für die folgenden Kulte und Gottheiten, die nicht alle zu den bekannteren gehören, auf G. Wissowa, Religion und Kultus der Bomer^, München 1912, mit bequemem Register, sowie auf die betreffenden Artikel bei W. H. Röscher, Lexikon der gr. und röm. Mythologie und Pauly-Wissowas Realenzyklopädie.

8 Kari Wyß

festgesetzten Form und Norm einen so großen Wert beilegten, sich vor der geringsten Änderung gehütet haben. Besonders bezeichnend ist die Stelle des Dionysios von Halikarnassos über das Fest des lupiter L atiaris , das Latiar, Arch. IV 49, 3: Tavxag rag eoQtdg je y.(xl tag d^voiag ueyiQL rwv ymS^ ^J^üg XQÖrojv krtiteXovOL 'Fcü/^ialoi yJarivag A.a.Xovvttg, xat rpegovoiv eig aviag al f.UT€XOvoai xCbv ieqCbv noKug al fxev ägvag, al ök tvqovc, al de yd'/.a'Kzög xi /^lexQOV , al ök ojlWiöv xl xovxoig. Die Ausschließlichkeit, mit der hier nur Erzeugnisse der Vieh- zucht genannt sind das eigentliche Bundesopfer war der große Stier , ist ein Zeugnis dafür, daß in jenen fernen Zeiten die Viehzucht den Ackerbau noch bedeutend überragte; unter bfioiöv xl lassen sich aber ganz wohl Feld- früchte verstehen. Daß die Milch bei diesem Opfer nicht der unwichtigste Teil war, und daß sie den Spätem als das eigentlich charakteristische Merkmal galt, beweist Cic. de div. I 18: laeto mactasti lade Latinas. In früheren Jahrhunderten war die Milch wohl nur ein vielleicht nebensächlicher Teil des Opfers ; aber zur Zeit Ciceros, als bei den meisten anderen Opfern in der Stadt nur Wein gespendet wurde, empfanden die Römer, die im allgemeinen doch wohl höchst selten Milch zu Gesicht, geschweige denn zu schmecken bekamen, sie als das charakteristische Merkmal dieses altertümlichen Opfers. Auch der Epitomator Festus gibt aus Verrius Flaccus ein Zeugnis für diesen Brauch samt einer gelehrt sein sollenden ätiologischen Erklärung, p. 212 Lindsaj': Atque ideo memoriam quoque redintegrari initio acceptae vitae per motus cunarum lactisque alimentiim, qida per eos dies feriariim et oscillis moveaniur, et lactata potione titanttir.

Ebenso unverständlich wie das Opfer am Latiar war den Römern der späteren Jahrhunderte der Kult uralter Lokal- gottheiten, der durch das Überhandnehmen der griechischea Kultgebräuche in Vergessenheit geraten oder auf die länd- liche Bevölkerung und den engbegrenzten Kultort beschränkt war. Nur gelehrte Leute, wie Varro, wußten, daß Rom einmal eine R u m i n a und C u n i n a verehrte und ihnen Milch spendete. Da über den Charakter der Gottheit nichts mehr bekannt war, hatte es Varro leicht, hier das unverständliche Milch-

Die Milch im Kultus der Griechen und Eümer 9

Opfer nach seiner Weise zu erklären, ß. r. II 11, 4: Äptd divae Ruminae sacellum . . . (pastores) . . . solent sacrificari Jade pro vino. Bei Nonius I 246 Lindsay gibt er die Erklärung: Rumam veteres mammam dixerunt. Varro Cato vel de liberis educandis: 'lus Semonibus lade fit, non vino; Cuninae propier cunas, Ruminae propter rumam, id est prisco vocahido mammam ; a quo subrumi etiam nunc dicuniiir agni\ In Varros Fuß- stapfen wandelt Plutarch Romul. 4: Triv &r^li]v ^ovfiav ojvö- l^ia'Cov oi TtaXaioi, vmI d^eöv riva rf^g iYJiqo(pT^ii tCov vr^Tticov eni- fxiXelad^ai öoxovoav dvoud'^OLOiv '^Povf.iiXiav, y.al S-vovoiv avrfj vr^fpaXta, xal ydXa rolg uQolg irciojtivdovoiv. Aber als Mo- derner findet er auch noch eine viel modernere Erklärung für das Müchopfer als Varro. Quaest. Rom. 57 : /^ 'Pov^äva O-r^ldj jig oioa y.al riO-r^vr^ y.al '/.ovQOTQdcpog, ov TiqooisTUL rbv ay.qarov, u)g ßJ.aßsQov bvxa rolg vr^nioig. Sch wegler (ßöra. Gesch. I 421, 5) hat diese Erklärungsversuche mit dem Hinweis auf die vielen anderen Milchopfer, die bei den Römern üblich waren, zurückgewiesen. Die meisten dieser Kulte weisen, wie die schon erwähnten, denn auch in alte Zeiten hinauf, so daß Pliuius (n. h. XIV 88) mit richtigem Gefühl den Schluß zieht: Romul um lade, non vino libasse indicio sunt Sacra ab eo institufa, quae hodie custodiunt morem. Numae regis Postumia lex est: Vino rogum ne respargifo. quod sanxisse illum propter inopiam rei nemo dubitet.

Der alte Brauch setzte sich natürlich da am längsten fort, wo an seinen Voraussetzungen am wenigsten geändert wurde, das heißt bei der ländlichen Bevölkerung, den Klein- bauern, denen die Milch nach wie vor die nächstliegende und billigste Spende war, da ja der Wein nur auf den größeren Gütern geplianzt und von den Städtern genossen wurde. Als der wohlhabende Bauer neben dem Großgrundbesitzer noch Platz hatte, mochte auch das altertümliche Milchopfer mit der modernen Weinlibation verbunden werden. Das setzt Horaz voraus in der anmutigen Schilderung des Erntefestes eines altrömischen, auf seinen kleinen, freien Besitz stolzen Bauern, Epi.st. II 1, 139:

Agricolae prisci, fortes parvoque beati, condita post frumenta levantes tempore festo

10 Karl Wyß

corpus et ipsum animiim spe fiuis dura ferentem cum sociis operum pueris et coniuge fida Tellurem porco, Silvanum lacte piabant, floribus et vino Genium memorem brevis aevi.

Nicht fehlen konnte die Milch im Kult der rein land- wirtschaftlichen Göttin Pal es. An den Palilien, dem Gründungsfest der Stadt Rom, kam auch sonst ein eigenartiger Ritus zur Anwendung, der alle Zeichen der Altertümlichkeit an der Stirn trägt: so durften keine blutigen Opfer gebracht -werden \ Probus (zu Verg. Georg. III 1) gibt über das Fest folgende Angaben: [Parilia) qui dies tiatalis est urhis Romae, quae a yaüorihus est condita. huius autem, cuiiis deae esset, eiiam ritus declarat natura, nam et ignem transüiimt accensis stra- mentis more agresti ihi hunc dieni colentes, et lacte libant, qui friictus ex pecore toUitur.

Besonders nahe lag hier die Verwendung des Milchopfers, weil Pales vor allem das Wachstum, die Mehrung und Ge- sundheit der Herden fördern sollte -. So lehrt Ovid (Fast. IV 745), dieser rustica dea seien Hirsekuchen zu opfern und

adde dapes mulctramque suas dapibusque resectis silvicolam tepido lacte precare Pale m.

Dann erst darf man sie um den Schutz der Herden und Hirten bitten, und

763 pelle procul morbos, valeant hominesque gregesque. 771 sitque salax aries, conceptaque semina couiunx

reddat, et in stabulo multa sit agna meo.

sowie :

769 ubera plena premam, referat mihi caseus aera dentque viam liquido viraina rara sero.

1 Solin I 19 (Mommsen 9).

2 H. Peter (Ov. Fast, erklärt, Teubner 1889, zu IV 721) woUte diese Bedeutung schon im Namen finden: „Das Wort kommt von dem Stamme pa her, vgl. pasco, pabulum, panis". Diese Etymologie ist von A. Walde, Lat. etym. W. B.^ Heidelberg 1910 , 555 abgewiesen , weil ein substanti- visches Suffix -li- sonst (außer in fnligo) nicht nachweisbar ist.

Die Milch im Kultus der Griechen und Eömer 11

Ein kluger und frommer Grundbesitzer vergißt auch nicht, wenn er seinen Pächter oder Hirten besucht, der Schutzgöttin seines Reichtums zu danken. Tib. I 1, 35:

Hie ego pastoremciue meum lustrare quotannis et placidam soleo spar g er e lacte Palem.

Sehr nahe verwandt ist der Göttin gerade durch die Macht über das Gedeihen der Herde Pan; so sind beider einfache holzgeschnitzte Bilder zu finden unter einer heiligen Eiche des Gutes, triefend von Milch. Tib. II 5, 27:

Lacte madens illic suberat Pan^ ilicis umbrae et facta agresti lignea falce Pales.

Umgekehrt läßt Nemesianus (I 64 ff.) dem toten Hirten Meliboeus von dem ruralis Apollo Zweige, von den Faunen Trauben und Feldfrüchte geben und

d a t grandaeva Palesspumantiacymbia lacte, mella ferunt Nymphae, pictas dat Flora Coronas .... dant carmina Musae.

Nicht nur den Göttern der animalischen, sondern auch denen der vegetabilischen Fruchtbarkeit kommt das Milch- opfer zu. Um die Felder und Früchte vor Ungewitter zu schützen, ist ein Flursegen, ein Gebet an Ceres nötig. Verg. Georg. I 338 ff.:

In primis venerare deos atque annua magnae Sacra refer Cereri . . . . cuncta tibi Cererem pubes agrestis adoret; 343 cui tu lacte favos et miti dilue Baccho, terque novas arcum felix eat hostia fruges.

Cato (de agr. cult. 141) gibt allerdings eine wesentlich einfachere Anleitung zum richtigen Vollzug dieser Zeremonie, indem er trotz einer ausführlichen Angabe der Gebetsformeln nur von einem Siiovitaurilienopfer ohne Spende spricht. Warum

1 Der griechische Name ist hier für den einheimischen Faunus gesetzt, den die Schilderung römischer Vorzeit voraussetzt.

12 Karl Wyß

Cato suovitaurilia lactenfia, Ferkel, Lamm und Kalb, die noch saugen, vorschreibt, ist mir nicht klar; vielleicht, um das für einen Privatmann recht kostspielige Opfer möglichst erträglich zu machen.

Die Verbindung von Milch, Wein und Honig, wie sie uns in dem Opfer an Ceres entgegentritt, ist in rein römischem Kult kaum nachzuweisen und wohl von den Griechen über- nommen worden.

Auch der Gartengott Priapus, der vom Hellespont aus spät nach Rom gekommen ist, muß zufrieden sein mit einem Opfer von Kuchen und Milch, wenn er nicht den großen Park eines Reichen zu bewachen hat. Verg. Ecl. VII 33:

Sinum lactis et haec te liba, Priape, quotaunis exspectare sat est: custos es pauperis horti.

Endlich schreibt Ovid (Fast. IV 151—4) den Römerinnen vor, der Liebesgöttin der Menschen, der Venus Verti- cordia, Milch mit Mohn und Honig zu spenden:

Nee pigeat tritum niveo cum lacte papaver sumere et expressis mella liquata favis.

Ätiologisch fügt er bei:

cum primum cupido Venus est deducta marito, hoc bibit: ex illo tempore nupta fuit.

Auch dieses Gemisch wurde kaum im altrömischen Kult ge- spendet; papaver (Mohn) ist das Symbol der Fruchtbarkeit, das Honiggemisch hat im griechischen Kult oft ähnliche Be- deutung ; von dorther ist wohl seine Verwendung in den römischen Venusdienst eingedrungen.

Von einer eigentümlichen Substitution im Kulte der Bona Dea berichtet Macrobius (sat. I 12, 25): Quod vinum m teniflum eins non suo nomine soleat inferri, sed vas, in qioo vinum inditum est, mellariiim nominetur et vinum lac nuncupetur. Doch auch hier scheinen sich griechische Einflüsse geltend zu machen; die Stelle soll daher unten be- handelt werden.

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer 13

Aus den angeführten Quellen scheint mir hervorzugehen, daß die Milch seit den ältesten Zeiten des römischen Gottes- dienstes ihre Verwendung als Spende fand; die Verwendung beim Latiar und bei den uralten Kulten der Rumina und Cunina lassen vermuten, daß sie zuerst bei jedem beliebigen Opfer als eine Gabe unter anderen häufig verwendeten Gaben gespendet wurde. Im Verlaufe der kulturellen Umwälzungen, als das poli- tische und religiöse Leben des Volkes sich in der Hauptstadt konzentrierte und der Wein das Hauptgetränk der Römer wurde, verschwand die Milch zumeist von den öffentlichen Altären sowohl wie von den privaten der oberen Stände. Den kleinen Leuten auf dem Lande aber diente sie nach wie vor als das ihnen zunächstliegende Opfer, besonders für die Herden- und Feld- götter. Von einer gesetzlichen Beschränkung auf bestimmte Kulte weiß das römische Sakralwesen nichts, und einen be- sonderen Charakter, eine erhöhte, eigenartige Wirkung vor anderen hatte das Milchopfer in all diesen angeführten Kulten ebenfalls nicht.

3. Kapitel

Die ursprüngliche Bedeutung des Milchopfers

bei den Griechen

Das religiöse Empfinden der phantasievolleren Griechen wird sich früh von dem nüchternen Glauben der Römer unter- schieden haben. Aber mag, um Mommsens Worte zu ge- brauchen ^, des einen Gebet Anschauung, des andern Gedanke sein, ursprünglich ist es doch dasselbe und grundsätzlich bleibt es dasselbe: der intimste Verkehr mit der Gottheit. Und das ist ja auch der Zweck und Sinn des Opfers '■ : ein gegen- seitiges Nehmen und Geben. Bald dankt der Mensch mit

» Rom. Gesch. 27.

^ Vgl. von Fritze De lib. 14 ff. ; Kircher aaO. 5 und 45 ; K. Bernhardi, Das Trankopfer bei Homer, Progr. d. kgl. Gymu. Leipzig 1885, 1.

14 Karl Wyß

dem Opfer für Gottesg-aben, die er empfangen hat, bald gibt er Gott, um nachher den Lohn einzuheimsen. So verbindet Kircher, wie mir scheint mit Eecht, die beiden Auffassungen über die Bedeutung, den Sinn des Opfers in der griechischen und römischen Eeligion : es sei einesteils eine Gabe, die Ver- geltung fordert [clo ut des), andernteils ein Mittel, um mit der Gottheit in Verbindung zu sein. Der ursprüngliche Stand- punkt des Opfernden ist gewiß der, durch das Opfer eine Einwirkung auf die Gottheit zu seinen Gunsten ausüben zu wollen \ Das bloße Verlangen, in eine rein ideale Verbindung mit der Gottheit zu treten, gehört einer höheren Entwicklungs- stufe an und wird sehr oft verwechselt mit der inhaltlosen Formalität, wozu die Libation oft wurde, z, B. bei Homer. Man könnte über das christliche Tischgebet ganz ähnliche Betrachtungen anstellen ^.

Da die natürlichen Voraussetzungen, die Kulturstufe, die Natur und Ertragfähigkeit des Bodens bei Griechen und Römern einander ursprünglich sehr nahe kamen, wenn nicht geradezu dieselben waren, so darf man wohl auch im einzelnen in diesen formalen Äußerungen der Religion für die frühsten Zeiten annähernde Übereinstimmung voraussetzen.

Daß in vorgeschichtlicher Zeit das Milchopfer bei den Griechen ebenso allgemein gebräuchlich war wie bei den Römern, kann aus den griechischen Zeugnissen selbst, die zahlreicher und älter sind, als die römischen, geschlossen werden. Nur die Behauptung, auch bei den Griechen sei ur- sprünglich dem Milchopfer keine Wirkung, die es vor anderen Gaben hätte auszeichnen können, beigemessen worden, auch bei ihnen habe es im Opfer an alle Götter nur neben, nicht über den anderen Gaben der Natur, Wasser, Honig, Feld- früchten, Tieren, seinen Platz gefunden, soll durch einen Hin- weis auf die behandelten römischen Verhältnisse wahrschein- licher gemacht werden. Denn in geschichtlicher Zeit hatte sich der Kultgebrauch der Griechen stark geändert. Aus dem Kult der panhellenischen Olympier ist das Milchopfer völlig

^ Schrader, Reallexikon unter Opfer 598.

2 Die Vertreter und Quellen der verschiedenen Auffassungen bei Kircher aaO. Vgl. auch Ed. Meyer, G. d. Ä. § 47. § 48 A. § 52.

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer 15

verdrängt. Es hat sich aber behauptet im Dienste lokaler Gottheiten und in der Totenverehrung-, die meist privaten Charakter trug-. Aber nicht so klar zeigt es sich hier, daß diese Veränderungen lediglich Folgen der neuen wirtschaft- lichen Verhältnisse sind. Die nimmermüde Phantasie der Grie- chen hat zu den neuen Formen sich Begründung und Er- klärung hinzugedichtet, und wahrlich weniger prosaisch, als es Varro und Plutarch in bezug auf das Milchopfer der Ru- mina taten. Hier soll versucht werden, die verschiedenen Wege, die diese Entwicklung einschlug, etwas zu erhellen und, wenn möglich, aus der Lage der Verhältnisse sie zu erklären. Zuvor soll noch eine Stelle angeführt werden, die wohl als ein spätes Zeugnis des ältesten Opfergebrauchs, allerdings in dem ursprünglich phrygischen Kult der Magna Mater, an- gesehen werden darf; Athen. XI 478 cd ^: ITole^uov ö' ev t^ 71£qI xov J'lov Kcodiov cprjoi' f.i€ra dh xauta rijv reXeTijv noiel ■Kai algel ict «x tf^g &a?-d(.irjg y.al ve/iiei ogol ävco rb xcQvog 7t£Qievi]voxoT€g. TOÖTO ö* loxlv ayyelov -/iegafisoüv e^ov ev avi^t TtoXXovg xoTvXloxovg y.e-KoXXrjiiivovg' eveioi d^ iv ccvroig bQf.iivoi, (.n]yi(jüv€g XsvKoi, tzvqoi, /.qi&ai, rtiooi, Id&vgoi, (hxQOi, cpay.oi, 'Ava/iioi, ^eial, ßo6f.iog, naXad-iov. (.leXi, elaiov, oivog, yäXa biov, eqiov anXvTov. Das ysQvocpoQsiv war ein Teil der Speise- zeremonien der Demetermysterien-. Als solche ist es natür- lich mit dem gewöhnlichen Opfer nicht zu vergleichen; aber die Verwendung, die Art und Zahl der Gaben hat gewiß ihren Ursprung im gewöhnlichen Opfer an die Gottheit. Die Milch, das tierische Produkt, wird also hier in ganz gleicher Weise verwendet, wie die vielen Feldfrüchte: es sind eben beides Gaben der Natur. So finden sich auch neben den ältesten Feldfrüchten, Gerste und Spelt, viel später von an- deren Völkern übernommene Produkte, Wein und Öl. Gab die Natur etwas Neues, so wurde es zum Danke auch in die Reihe der Opfergaben aufgenommen. Natürlich konnte ebenso, wie Neues aufgenommen wurde, auch Altes wegfallen, wenn es nicht mehr zur Hand war, oder durch etwas anderes er-

1 Ä. Lobeck, Aj^laophamus I Re,f^imontii 1829, 26 f.; v. Fritze aaO. 7 f. ^ A. Dieterich, Mithrasliturgie i03ff.

16 Karl Wyß

setzt wurde. Aber zu einem solchen Schritthalten in den religiösen Gebräuchen mit den Veränderungen des profanen Lebens brauchte es eine große Unbefangenheit. Welcher strenggläubige Abstinent ließe es sich heutzutage, trotz allem Haß gegen den Alkohol, nehmen, beim heiligen Abendmahl doch eine Ausnahme zu machen und selbst von dem Gift zu trinken? Meines Wissens hat auch noch niemand den Vor- schlag gemacht, den Abendmahlswein durch Milch zu ersetzen, obschon das gar nichts so Absonderliches wäre ; sind doch die ältesten Kirchen damit vorangegangen ^ Aber das heutige Dogma will es nun einmal nicht.

Vor eine ganz ähnliche, nur umgekehrte Entscheidung sah sich das griechische Volk gestellt, als es mit dem Wein bekannt wurde. Sollte es vom alten Brauche abgehen und die Wasser-, Milch- und Honigspenden ersetzen durch das neue Getränk, das immer mehr die anderen vom Tische verdrängte ? Hier schlugen die verschiedenen Stämme, ja sogar die ver- schiedenen Volksklassen ein und desselben Stammes ver- scliiedene Wege ein. Die adelige Gesellschaft des griechischen Mittelalters, wie sie das Epos schildert, war unbefangen genug, den bequemeren zu gehen. Sie vermag „den geistigen Druck des Zaubererstandes" (des Glaubens an Zauberei überhaupt) „nicht zu ertragen. So wahren sich vor allem die Häuptlinge, die Ältesten und Geschlechtshäupter die Selbständigkeit und Freiheit der Entschließung" 2. Die reichen, mächtigen Fürsten kümmern sich wenig mehr um all die dunkeln Mächte, von denen alles Tun und alles Glück nach dem Altväterglauben abhangen sollte, sie fühlen sich vielmehr als ihre eigenen Herren, die das schöne Leben genießen und nach ihrem Willen einrichten wollen. Sie übertragen auch ihre Lebensbedingungen ohne weiteres auf die Götter; es fällt ihnen nicht ein, sich in deren Verehrung Zwang anzutun. Darum machten sie sich keine Skrupel, von der Milch- zur Weinlibation überzugehen, sobald sie selbst immer mehr zu dem neuen Getränk sich be- kehrten. Daß sie selbst sich vom Milchgenuß ab- und dem

* H. Usener aaO. J92; G. Anrieh, Das antike Mysterienwesen in seinem Einfluß anf das Christentum, Göttingen 1894, 316. 2 Ed. Meyer, G. d. Ä. I * § 49.

Die Milch im Kultus der Griechen und Eömer 17

Wein zuwandteu, mag seinen Grund darin haben, daß der flüssigere Wein in dem warmen Klima als durststillendes Getränk dem Gaumen überhaupt besser behagte, als die Milch, die mehr als Nahrungsmittel dienen konnte; vgl. Plutarch, de San. praec. 19: rwv öh vyqCov ydlaxTi i-dv ov% cbg tiotGj xQV' <n€ov, älX^ ojg oltUo dvva^iiv k(.ißQid^^ '/.ul 7tolvTQO(pov e^ovri. Zudem hatte der Wein vor der Milch den großen Vorzug, lange aufbewahrt und besser transportiert werden zu können, was um so angenehmer war, je weiter sich die höfische Ge- sellschaft von einer stets an die Scholle oder besser gesagt an die Herde gebundenen Lebensweise entfernte. Aus diesem Grunde blieb wohl auch das haltbarste Milchprodukt, der Käse, stets ein häufiges Nahrungsmittel, während die Butter und die süße Milch nach und nach immer mehr zurücktraten. Es liegt nahe, anzunehmen, diese Wandlung habe sich auf dem Speisetisch der Menschen und im Kult der Götter gleich- zeitig vollzogen, weil ja für jene Zeit im allgemeinen die Regel gilt: „keine Mahlzeit ohne Opfer, wie kein Opfer ohne Mahlzeit" ^ oder auch : kein Trunk ohne Spende, keine Spende ohne Trunk.

Anders gestaltete sich die Entwicklung bei den Stämmen, die an dieser hochentwickelten Kultur keinen Teil hatten, und bei den unteren Klassen überhaupt, denen wohl der heitere Himmel des Südens lachte, aber nicht die warme Sonne der Freiheit und der Macht schien. Seit Urzeiten hatte sich ihre Gottesverehrung in gleichen Formen bewegt. Inzwischen war ihr Gottesglaube nicht zu der freien, aufgeklärten, ratio- nalistischen homerischen Religion geworden, sondern er war auf dem Standpunkt des mythischen Denkens stehen geblieben, hatte sich vielleicht eher noch zu einem verstärkten Ab- hängigkeitsgefühl von den Schicksalsmächten ausgebildete Ed. Meyer *^ schreibt über mythische Vorstellungen und Er- zählungen: „Immer haftet ihnen zugleich etwas Unheimliches an, da sie eben von der Wirksamkeit der geheimnisvoll in den Objekten hausenden Seelen und der überall in der Welt

' Bernhard! aaO. 3. « ßohde, Psyche 21 f.; 204 ff.

^ G. d. A. I'^ § 47. ReligionBRCschichtliche Versuche u. Vorarbeiten XY, 2. 2

18 Karl Wyß

umgehenden Geister berichten". Dem entsprechend glich der Gottesdienst der niederen Klassen mehr einer Sklaverei als dem freien Verkehr, den die homerischen Edlen mit den Göttern pflegten. Darum wurde den überkommenen Formen ein übertriebener AVert beigemessen: man klammerte sich an sie und wagte nicht, irgend etwas daran zu ändern, aus Furcht, die Gunst der Gottheit dadurch zu verscherzen. So behielt man auch dieselben Gaben und Spenden bei, mochten sie auch im gewöhnlichen Leben durch anderes verdrängt werden. Dem Eindringen des Weines wurde der größte Widerstand entgegengesetzt. Darum haben sich in so vielen Lokalkulten die nüchternen Spenden, vr^cpdha, bis in die historische Zeit hinübergerettet und stets behauptet ^

Sicher beweisen läßt sich diese Annahme, wie gesagt, nicht, da sich der Wandel in vorhistorischer Zeit vollzogen hat; sie scheint mir aber die wahrscheinlichste zu sein. Viele unbekannte Einzelfaktoren mögen mitgewirkt haben; aber die skizzierten Entwicklungslinien scheinen mir die Gesamtrichtung bestimmt zu haben. Zuerst scheint also die Milch samt den übrigen nüchternen Spenden stark zurückgetreten zu sein, woraus sich dann nach und nach eine sakralgesetzliche Regelung ergeben haben dürfte.

^ Vgl. V. Fritze aaO. 32 ; P. Stengel, Fleck. Jb. CXXXV 1887, 649 (Opfer- bräuche der Griechen, Tenbner 1910, 178 ff.). Ders., Griech. Kultusalt. 93. Zur Illustration des aUbekanuten Konservatismus des Volkes in religiösen Gebräuchen mögen noch zwei Stellen dienen, die sehr ähnliche Entwick- lungen zeichnen. 0. Beundorf, Eranos Vindobonensis 1893, 375: „Die Juden lernten in Ägypten den Sauerteig kennen; aber am Passahfest hielten sie an ihrem alten ungesäuerten Brot fest." J. Heckenbach De nuditate Sacra, RGW IX 3, Gießen 1911, 1 : Sed veteres cum deos ea ratione venera' rentur , %it rituiim praescriptorunt seriem accuratissime exsequereyitur, quorum vel minimo neglecto actiones saeras inrifas fieri putabant, nuditatis etiam religionem ex antiquissimis temporibus velut sacram tanta tenacitate retinebant, ut ne tum quidem ab ea superstitione desisterent, cum plane fere erudiii eins moris vetustissimi primordiorum obliti essent. Qua ratione facile fieri potest, ut sub nuditatis in rebus sac^-is reUgione, ut saepe accidit^ nihil aliud intelligamus, nisi temporum incultorum memoriam.

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer 19

4. Kapitel

Die Milch als weinlose Spende

Die Milch wird an und für sich als weinlose Spende im Götterkult nicht oft angeführt, da sie niclit rein, sondern mit Honig- vermischt verwendet wurde. Dieses fxeXiyiQaTov ist wohl, wie Stengel annimmt \ „auch im Leben häufig genossen worden". Noch zu Aelians oder seines Gewährsmannes Zeiten kannte man dieses Gemisch, hist. an. XV 7: &(.iüyovoi yccQ (ol 'Ivdol) TC£QiyXv/.iaTOv ydXa xai ov diovrai avaul^ai avxG) fieXi, ÖTitQ oh ÖQüjöL "Ekltjveg. Fast scheint es, als ob in dieser Zeit des verfeinerten Lebensgenusses unter gewissen Ständen die Milch nur noch mit Honig, dem Zucker der Alten, getrunken worden sei. In alter Zeit war das gewiß nicht so. Das /.leXUgaTov mag als Leckerei gegolten haben und als etwas ganz besonders Gutes den Göttern gespendet worden sein. Sehr wahrscheinlich ist es die eigentliche Hauptspende der indogermanischen Völkerfamilie überhaupt. Vgl. 0. Schrader, Reallexikou 602: „Der Trank, mit dem die Unsterblichen gelabt wurden, war ohne Zweifel der Met, an dem sich die Götter berauschten wie die armen Sterblichen, die dadurch für Augenblicke göttlicher Unsterblichkeit teilhaftig wurden. . . . Auch altitalische Kultussatzungen schließen noch vielfach den Gebrauch des Weines aus. An seiner Statt wird Milch ge- nannt. Vielleicht ist der Argwohn gestattet, daß diese Milch einen Zusatz von Honigmet enthielt, ganz wie in Indien der Soma als Beimischung zu Milch häufig vorkommt." S. 85: „Der idg. Rauschtrank war der aus Honig hergestellte Met (jt/^^i» Wein, iii€^r] Trunkenheit). Gegorene und berauschende Stutenmilch trinken Iranier und Skythen." S. 542: „So hatten sich im Osten Europas die beiden ältesten Rauschtränke der Idg., Met und Stutenmilch, am zähesten erhalten".

Ein Sophoklesscholiast zu Oid. Kol. 159 nennt statt Milch Wasser als Bestandteil des Melikraton : ovyxiQvätai yäg Taitaig

' Fleck. Jb. CXXXV 1887, 65; Opferbräuche der Griechen 185.

2*

20 Karl Wyß

Talg ^ealg (den Erinyen) vduTog xal fxeliTog y.gä/^a, und Pollux VI 17 nennt es sogar zo vvv oivöiieXi. Auch das sind Zeug- nisse dafür, wie man in späterer Zeit dem Druck der Ver- hältnisse, d. h. dem Mangel und der Ungebränchlichkeit der Milch nachgab, und das Überkommene änderte. Nach Eu- stathios zu Od. X 519 vollzog sich diese Wandlung schon früh; für die homerische Zeit bezeugt er ausdrücklich, daß das i.ieUy.q(xtov ein Milchgemisch war: (itUy.QctTov öe ol Ttahxiol ^üyi^d (paoL i^ii'Utog y.al ydkanrog Iviavx^a. Damit stimmt überein das Scholion zu Eur. Or. 115, wo f.iEUy.QaTov ein y.Qai.ia h i-uknog ytal ydXaxTog genannt wird. Wenn aber Eustathios aaO. dann fortfährt : ol ^evroi /.led^' "OfitjQov ^lixqi x«t lg agti yqäfAa ^leXitog v.a.1 vdaxog xo f^ekUoaTOv oXöaoi, so „spricht er", wie schon Nitzsch (zur Od. III 162) ihm vor- wirft, „zu allgemein". Denn besonders im Totenkult ist die Verw^endung von Milchgemisch in späterer Zeit noch öfter nachzuweisen.

Abgesehen von diesem später zu behandelnden Totenkult ist das Opfer von f^ielUgarov am besten bezeugt für die Erinyen. Im Kult der panhellenischen Olympier, der durch die homerischen Gedichte bestimmt war, hatte es keinen Platz, wohl aber bei diesen Rachegöttinnen, die zumeist an einen bestimmten Ort gebunden waren und dort als Lokalgottheiten verehrt wurden \ Hier tritt denn auch zuerst die ausdrück- liche Bezeichnung des Opfers als „nüchterne Spende, in-cpdhov" auf. Vgl. auch Schol. Aeschin. in Timarch. 88: talg l€i.ivaig] ?jV öe ra 7ten7t6f.iEva avtalg uga Ttonava y.a.1 ydXa ev äyysGL xtgaf-isioig. Vielleicht ist hier nach einer Vermutung von Nitzsch - yd)M als ungenaue Bezeichnung von (.islUgarov auf- zufassen. In den Eumeniden des Aischylos macht Klytai- mestra den schlafenden Erinyen Vorwürfe und erinnert sie an die reichen Spenden, die sie von ihr genossen hätten. Eum. 106:

fj TtolXcc uhv öl] t&v eucbv Ikei^aze,

%odg t' äoLvovg, vr](pdlia ^eilly ^laia.

Rohde, Psyche V 268 ff. ^ Zur Od. UI 162.

Die Milch im Kultus der Griechen uud Römer 21

'/lal WKTiaEf.ivct öslnv' sn' eoxccQCf rtvqog ed-vov, wqav ovöevbg AOivijv ^eCbv. Ähnlich umschreibt dieselbe Spende an die Eumeniden Apol- lonios Rhodios (Arg. IV 712) rait „Besänftignngsmittel {j^la- camenta) zu nüchternem Flehen":

r] d' eioio jisXavovg fuiXi'KTQd xe vrjcpaUrjOiv y.aUv kit* evx<^ülfjOiv Ttaqeaiiog, ocpqa y^öloLO OfXEQÖaXmg Ttavoeiev egirvag. Auch die Sikyonier spenden den Eumeniden sowie den Moiren ^akU^arov. Paus. II 11,4: eariv äkoog tiqIviov -Aal vabg d^iwv äg i^&Vjvaloi Isf-ivag, Iiy.vcjvlol de Eöfievlöag dvoi-id^ovoiv' xarcc öh hog exaoTOv koqrijv fjfiega /.uä acpiaiv ayovOL d^tovreg Ttgößata ey-Av^iova, ^leXfHQcitqt öe GTtovöj] xai avd^eaiv avrl OT€(pdviüv XQfiad^ai vof.U^ovoiv. eomÖTa de xai €ni t(p ßio[.uo Tü)v MotQCüv ÖQwGtv. Dieser Tempel liegt zwischen Sikyon und Phleius am Asopos \

Vgl. auch die orphischen Lithica 725 ff. von Meymqa und den Molgai:

OTtTtoTE ö' lipojuevoiaiv inl /.qedeGOLv 'Uiovxai daivvoO-aL tot' STtena, TtoQevvvo^ai /ns^iaöjTeg, avTÖd^Ev tx TQiTtoöog (ra öe Xeiipava yuia ■AalvTtTot) •/.ai ocfiv IjiLaTteloai Xevxbv ydla aoI /.le&v f]öv-, •/Ml XiTta T r:S' IgaTOV tb fiilioorjg äv^iuov eiöag.

Über den Kult der Hemithea berichtet Diodor V 62: eoTi ö' ev KaoidßM Tf^g Xtqoovvr^oov ieqov äyiov "Hf-iii^iag . . . h öe Talg d^uoiaig avTf^g öia to ov(.ißav neql tov olvov ndd^og Tag fih 07t ovöag f.ie?.iycQdTtp tvolovoi.

Den Nymphen und Pan läßt Theokritos Milchopfer bringen. Id. V 53:

OTaaCü öe -/.gaTf^Qa [.leyav Xev^olo ydXa-ATog Talg Nv ^(faig, aTaoco öe xai aö^og UXXov kXauo. OTUoCo ö' OÄTü) {.lev yavXiog t G) IIa vi ydXa'KTog 58

OTiTw ÖS GAacpiöag /neXiTog nXia Y.r^qP b/olGag '^.

' Pausanias ed. Hitzig-Blümner I 2 409 f. und 539.

2 Hier wird eigentümlicher Weise, wohl aus Unkenntnis und Flüchtig- keit des Verfassers, den chthonischen Gottheiten auch Wein gespendet.

^ Vgl. Verg. Ecl. V 67: pocula bina novo spumanüa lade (zitiert Ton Fritzsche).

22 ' Karl Wyß

Läßt sich darüber auch nicht viel anderes sagen, als über das Milchopfer der römischen Hirten an ihre Götter, Pales, Pan usw. ^ so zeigt doch der Umstand, daß ihnen vi](pdhtt geopfert wurden und, wie dies ausdrücklich hervorgehoben wird, daß bei den Griechen auch in diesem Kult die wein- losen Spenden ihre besondere Bedeutung hatten. Tansanias gibt nämlich folgende Nachricht, V 15, 6: i^Hlsloi) fiövaig öh Talg NvfjKpaig ov vofii^ovaiv oivov ovds ralg Je- arco ivaig aTtevdeLvovöeinlrö^ ß lofxq) rG) y.o lvöj itdv- Tiav -d-eibv.

Ein inschriftliches Zeugnis, wohl aus dem Ende des 4. Jahr- hunderts, nennt ixelUqaxov als Spende im Kult des Zeus Fo- lie u s auf Kos ^ :

. . . sniortEvdeTO) ^€A/x[^aTOV, '/.dqv^ ö\e Y.(xqvGoiTO) kogiaCleiv Zr]vbg n]o[kifj]og eviavria u)Qala.

Die römische Göttin Bona Dea wurde in einer Art Mysterienkult von den Frauen verehrt. In ihrem orgiastischen Dienst spielte der Wein eine große Rolle; aber er durfte nicht beim rechten Namen genannt werden, sondern hieß in der Kultsprache lac und das Gefäß, worin er war, mellarium. Macr. sat. I 12, 25 (oben S. 12 zitiert); Plut. qu. Rom. 20: olvov de avrfi OTtevdovOL ydXa 7tQooayoQEv6f.iEvov. Das ist doch wohl nichts anderes als ein Rest der griechischen Sitte, dieser chthonischen Gottheit vr]rpdha zu spenden; denn Bona Dea ist eine aus der griechischen Mythologie, nach Wissowa wahr- scheinlich im Jahr 272 v. Chr. ^ übernommene Gottheit.

Gleichsam {.uUy^QccTov in verdicktem Zustand erhielt ein Heros der Eleer nach Pausanias VI 20, 2*: fj de tcqeo- ßvrig Tj d-eqanevovoa zbv Zwo LtioXiv vöfxtp re ayiorevei Tri)

» Vgl. E. Cartius, Hermes XXI 1886, 200: „Die Quellen sind die ältesten und die spätesten Gegenstände des Gottesdienstes gewesen. Es hat eine Zeit gegeben, wo nur Zeus und die Nymphen verehrt wurden . . . die mit weinlosen Spenden gefeiert wurden als die wirksamsten Wohl- täterinnen der Pflanzen, Tiere und Menschenkinder".

2 Paton and Hicks The inscr. of Cos, Oxf. 1891, no 37 = CoUitz DI III 1 n. 3636, 36.

* Vgl. Wissowa P W III Sp. 686 ; R. Peter in Keschers Lexikon I Sp. 790.

* Vgl. Hermes XXIX 1894, 281 u. 625; P. Stengel, nelaiSs (Opfer- bräuche 66 ff.).

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer 23

^Hkelcov xft« avTT], Xovtqo. te lo(f€QU %ö) d-eöj -Kai (.id^ag xaza- tid-r]aiv avT(t) (.isfiayf^evag (.lelixi . . , €7ti07t€vöeiv ov vo^iCovaiv ohov. Znr Bereitung der ^<S^a scheint nämlich außer Mehl von jeher unter anderem auch ungefähr das, was man jeweilen unter f.uUy.Qarov verstand, verwendet worden zu sein nach Erotianos 248 : (.läta ' q)VQa(.ia kB, alcpirojv ycvöfisvov, ttotb ftkv juez^ ö^vueXiTog, Ttozh de fiez' d^vyiQccTOV r; vd^oi-ielnog f] jue&^ i'darog, und den Angaben des Aristophanesscholiasten zu Pax 1 und Suidas, welche die Maza tt^v TQO(pi]v tijv ano yäXay.- Tog yial gltov nennen. Ein ganz ähnliches Opfer brachten auch die Athener am Fest der Göttermutter^: FaXd^ia: ioQTt] l^d^t]vr]Oi f.iriTQi d^eCov dyofievi], h> f] eipovoi ttjv yala^iav. h'oTcdeTTokTogxQiO'ivogey. yccXaxTog.

Gerade hier läßt sich die Identität des Opfers mit der ursprünglichen Volksnahrung wieder klar erkennen: denn dieser Gerstenbrei war seit Urzeiten ein Brotersatz der Grie- chen und Römer, wofür schon die etymologische Gleichung puls Ttölxog zeugt ^ 0. Benndorf, Eranos Vindobonensis 375, bezeichnet als das zweite Stadium der Brotbereitung „das Anrühren eines mehr oder weniger dicken Breies aus Mehl, der durch Salz, Fett, Milch, Käse (z. B. Polei im Demeter- hymnus) ^ usw. wohlschmeckender gemacht und gekocht oder ungekocht als Speise wie als Trank genossen wird". Das dritte Stadium ist „das Rösten oder Backen eines gekneteten - . . Mehlteiges . . ., wobei die zur Anfeuchtung verwendeten Substanzen: Wasser, Milch, Öl, Wein usw. und allerhand würzende Zusätze wechseln".

Leider ist über die Bestandteile der weinlosen Opfer an Götter sonst nirgends Genaueres überliefert. Aber nach dem Gesagten wird anzunehmen sein, daß überall, wo vricpdlia ge- spendet wurden, das i^iekUgarov die Hauptrolle spielte. Eine vollständige Zusammenstellung der zerstreuten Nachrichten über diesen Gegenstand gibt Th. Wächter, Reinheitsvorschriften

^ Im. Bekker, Anecdota I 229, 25; Hes. s. v. yaXa^ia. Danach durch V. Wilamowitz Fnla^ta hergestellt bei Theophrast Char. XXI 11, s. Lese- buch II (Textband) 305.

^ Vgl. Schrader, Reall. unter 'Brei' 111; Mommsen, Rom. Gesch. I «19.

* Hymn. hom. in Cer. 209.

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im griech. Kult, RGW IX 1, Gießen 1910, 109. Außer den chthonischen Gottheiten, wie Demeter, Eumeniden, Amphiaraos u. a., denen überhaupt nie Wein gespendet wurde, erhielten auch von den übrigen Göttern einige, meist an engbegi-enzten Kultorten, vrifpdha; so Aphrodite, Eos, Helios, Selene, die Musen und Nymphen, Zeus Hypatos in Athen u. a. Von den Erklärungen, die Wächter gibt, ist die einleuchtendste die, welche „die weinlose Spende als festgehaltenen Rest primi- tiver Sitte" auffaßt. Wie oben gezeigt, ist das ^ulUqccxov ja wahrscheinlich der in seiner Zusammensetzung allerdings etwas der Veränderung unterworfene Mettrank. Der aber war ur- sprünglich berauschend und ist es wohl geblieben, bis der leichter zu beschaffende Traubenwein die Bereitung des Honig- likörs überflüssig machte. Die Griechen kannten also die Trunkenheit schon vor der Verwendung des Weins gerade von diesem später als vr^cpdliov verwendeten Opfertrank her; es ist daher widersinnig, sie als Grund des Ausschlusses des Weines von gewissen Opfern anzunehmen. Leider ist die Etymologie des Wortes vri(p€iv nicht mit Sicherheit festgestellt \ Wenn Ficks- Vermutung richtig ist, so wäre das Wort mit einem keltischen „nagro-s, bescheiden" in Verbindung zu setzen, woraus geschlossen werden könnte, daß ursprünglich nicht der Begriff des „nicht trunken seins", sondern bloß der des „sich Enthaltens von dem (teuern, kostbaren, ungewöhnlichen, oder nicht durch den Gebrauch geheiligten?) Wein und des sich Bescheiden s mit dem alten Met" darin enthalten gewesen sei. Man vergleiche damit die Ausführungen von E. Curtius^: „Opfergebräuche sind die dauerhaften Zeugnisse alter Sitte. Die Götter lebten nicht anders und besser als die Menschen ; solange diese, von der Außenwelt abgeschlossen, auf die Er- zeugnisse ihres Bodens angewiesen waren, nahm man zu den Spenden Honig und Milch. ... Es war das 'indoeuropäische Ureigentum' wie es Hahn nennt, und auch nachdem die Hellenen Öl und Wein angebaut hatten und sich den wein-

» L. Meyer, Gr. Etymol., Leipzig 1902, IV 262.

2 A. Fick, Vgl. Wörterb. der idg. Spr. II * Göttingeu 1890, 189.

" Sitz.-Ber. Ak. Berl. 1890 S. 1142 und 1143.

Die Milch im Kultus der Griechen und Kömer 25

losen Barbaren des Binnenlandes gegenüber ihrer reich- entwickelten Kultur freuten, blieben die vr^cpdha ieqd, vr^(pdXiot ^iof.iol in alten Ehren".

Als sich dann das Bedürfnis geltend machte, den Gottes- dienst in feste Formen zu fassen und die religiösen Anschau- ungen in Dogmen festzulegen, wurde zum Gebot mit irgend- welcher rationalistischen oder explikatorisch erdichteten Be- gründung, was sich aus den Verhältnissen in natürlicher Ent- wicklung ergeben hatte. Wie sich die Römer das Milchopfer durch erfundene Begründungen verständlich machten, so die Griechen die vrjcpdXia überhaupt. Apollon soll die Eumeniden einst mit Wein betört und ihnen so den Genuß des gefähr- lichen Getränkes verleidet liaben ^ Helios durfte auf seiner Bahn um die Erde nicht durch Alkoholgenuß schwankend ge- macht werden. Athenaeus XX 693e: öelv Uyovteg rbv ra öXa Gvvi%ovTa /.al öiay.Qaxovvia d^eov y.al diX TttQiTio'kevoviu xov y.oojuov äXXoTQiov eivai f.ie&rjg.

5. Kapitel

Die Milch bei der Totenbeschwörung und im

Totenkult

Alle Getränke, die die Lebenden liebten, kamen auch den Abgeschiedenen zu, ohne daß hier ein Unterschied zwischen weinhaltigen und nüchternen gemacht worden wäre. Oft werden Wein, Wasser, Milch zusammen gespendet und zwar die Milch auch hier meist mit Honig versüßt, also in der Form des (.leXUqaTov. Das älteste Zeugnis ist eine der wenigen Stellen des homerischen Epos, die einen Blick tun lassen in den nichtolympischen Kult des griechischen Mittelalters. Odysseus trifft, den Eat der Kirke befolgend, die Vorbereitungen

» Aisch. Enui. 727 f. Vgl. P. Stengel, Fleck. Jb. CXXXV 1887, 649 ff. (Opferbräuche 182).

26 Karl Wyß

zur Toten beschwörung, indem er den abgeschiedenen Seelen ein Mahl bereitet. Od. XI 25 (vgl. X 517):

ßö&QOv 0Qv'^\ booov T€ TivyovGiov €vd^a xai tv&a a^icp' avT(p ök xo^]V ys6{.iriv Ttäaiv vev.veoo iv , TTQÖJTa {^i £liy.Qi]TO) , f.ut€7tsiTa Ök rjösc olVw,

TO TQLtOV aviF vÖttTl.

Dazu das Scholion bei Eustathios zu Od. X 519: fisXi^aTov ds ol TtaXaiol ^ilyi^d cpaoiv ^idhrog ytai ydXa-ATog kvravda.

Denselben Zweck, die Seele eines Toten kirre zu machen, um sie dann zu zitieren, verfolgt Atossa mit ihren reichen Gaben in den Persern des Aischylos. Diese Verse sind so recht dazu angetan, zu zeigen, wie es auch hier darauf an- kommt, „alle guten und reinen Dinge", von denen diesmal nicht ein Gott, sondern der Verstorbene lebt, zu weihen, ohne daß auf eine bestimmte Auswahl geachtet oder einzelne Gaben für wirkungsvoller als die übrigen gehalten würden. Aisch. Pers. 609 ff.:

Tiaiöo g TtaTQi 7tQ€vfi€V€lg xoag

rp€QOvo\ aTTSQ vey.QOiGi tusLlixTrjQia,

ßoög r acp" äyvrig Ievy.ov evTtovov ydla,

Tjjg t' dvd-e 1.10V Qyov aray^ia, naf^ifpaeg {.liXi,

lißdaiv vÖQrjlalg Ttaqd-svov 7triyi~]g f.i€ta,

ayirjQUTÖv ts /it)]tQbg dygiag ano

TtoTov Ttakaiäg d^iirekov ydvog röds'

Trjg d' aisv h rpvXloiGi d-aXXovorig ßiov

'§av37jg eXdag -/.aqrcbg svwdrjg Ttdqa,

ävd-rj re TtXf.yt.Td, itaurpoQOv yaiag re-Ava.

Hier scheint besonders auf die Reinheit der Spenden und Gaben Gewicht gelegt zu sein: Tta^upaig, durch und durch leuchtend muß der Honig sein, von jungfräulicher Quelle das Wasser und von wilder Rebe der Wein. Dazu paßt die Milch, deren hervorstechendste Eigenschaft, die weiße Farbe, das eigentliche Bild der Reinheit ist.

Auch Aeneas gießt bei seiner Ankunft in Italien den Manen seines Vaters Anchises außer Wein und Blut Milch auf die Erde. Verg. Aen. V 77 :

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer 27

hic duo rite raero libans carchesia Bacclio fundit humi, duolacte novo, duo sanguine sacro purpureosque iacit flores ac talia fatur: 'salve, sancte parens'.

Vergil hat hier seine Kenntnisse vom griechischen Opfer- gebrauch verwendet, aber seine römische Reflexion, die hinter jedem einzelnen Teil der Spende einen bestimmten Sinn und Zweck suchte, hat geholfen, das Bild recht zauberhaft zu ge- stalten. Zu dem Wein und der Milch tritt hier gleich das „heilige Blut", das Odj^sseus erst nach der Spende in die Grube fließen läßt als das eigentliche Beschwörungsmittel, und die avd-rj Ttkeycrä Ttaf-icpögov yaiag texva der Atossa werden hier zu den purpurei flores'-, die natürlich eine chthonische Be- deutung haben sollen. Eine Schlange, von der Aeneas nicht weiß, ob sie ein Diener des Vaters oder der Genius loci ist, macht sich dann auch heran und genießt die Spende.

Lehrreich ist die Anmerkung des Servius zum Vers 78: Lade novo] auf sfafim nmldro, auf post fetum, quod Co- lostrum dicitur neufro genere. umbraß autem sanguine et lade satiantur: unde feminae, quae mortuos prosequuntur , uhera tundunt, ut lac exprimant, cundi autem se lacerant, ut san- guinem effimdant. Die Erklärung des novum lac als Bries- milch ist kaum die zutrefi'ende; wenigstens kenne ich keine Stelle, die auf ein Opfer von Colostrum schließen ließe. „Frisch vom Euter weg" aber spendet auch ein Hirte bei Theokrit. Id. I 143 f.:

xat %v öiöov Tccv aiya x6 rs ov.vcpog, äg x€v äf.ieX^ag OTtsiöu) ralg MoLoaig^.

Während von Aeneas eine Beschwörung nicht beabsichtigt war=*, wohl aber das Opfer dem des Odysseus in der Nekyia ähnlich ist, läßt Silius Italiens den Scipio mit vollem Bewußtsein einen großen Beschwörungsapparat in Szene setzen. Autonoe gibt ihm Anweisung. Fun. XIII 429:

' Servius zu Verg. Aen. V 79 : Purpureosque iacit flores] ad sanguinis imitationem, in quo est sedes animae. ^ Vgl. oben 21 Anm. 3.

' Er erschrickt ob dem Anblick der Schlange : ohstipuit visu Aeneas, V 91.

28 Karl Wyß

ordine raactari pecudes iubet. ater operto

ante omnes taurus Regi, tum proxima Divae

caeditur Hennaeae casta cervice iuvenca,

inde tibi, Allecto, tibi, numquam laeta Megaera,

Corpora lanigerum proeumbunt lecta bidentum.

fundunt mella super Bacchique et lactis honorem.

Man sieht, wie diese Szenen immer zauberhafter ausge- schmückt, die maßgebenden Elemente aber von Homer bis in die spätesten Zeiten beibehalten werden \ Überraschend klingt diese Stelle an die Schilderung einer Beschwörung durch Ovid (met. VII 240 ff.) an, vor allem darin, daß, wie Usener in einem Nachtrag zu Milch und Honig, Kl. Schrift. IV 414, bemerkt, die Spende vom Totenkult auf die Götter der Unter- welt übertragen wird. V. 246:

tum superinvergens liqnidi carchesia mellis aereaque invergens tepidi carchesia lactis verba simul fudit terrenaque numina civit nmbrarumque rogat rapta cum coniuge regem.

Noch im Heroikos des Philostratos wird eine Art Be- schwörung durch diese Seelenspeise beschrieben, allerdings auch hier, wie in der Vergilstelle mehr nur als Opfer gedacht ; aber hier wie dort erscheint der Empfänger der Spende körper- lich ; der Winzer, dem der troische Held Protesilaos bei seiner schweren Arbeit hilft, erstattet ihm zum Dank eine Spende, deren Darbringung er folgendermaßen beschreibt. Her. p. 291 K. : ■/.aiTOL GTievöu) ye avxCo xara loireQav Öltco roviiovi tCjv daaiiov ai^iTteXiov, äg (pvxevEt avrög, xat rqwAra öh wQata TtQorid-e^aL xöTct ^s07]/i(ßQlav, eTteiöav ^iqog re fjxTj xal luerÖTttoQOv iGTfjratf oslT^vrjg TS iovGr]g Ig -/.v-aXov iv tfj tov rjQog wqa ydXa kyxiag kg TOV \pvy.Tt]Qa toDxov Höov ool Xiyio 'ro %f^g loqag väf.ia, av de Ttive', yidyu) fihv eitviov ravia ujtaXXätwixcti, %a öe ßeßQWtai t€ xat TieTtOTai d^ÜTzov j] ytara^ivaai.

In der Zeit des blühendsten Aberglaubens waren es natür- lich nicht mehr nur die Helden der Epen, die Tote beschworen

* S. L. Fahz De poetanim Uomanorum doctrina magica, EGVV II 3, 1804, 111 ff., der S. 114 noch mehr Material gibt.

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer 29

oder beschwören ließen, sondern nach dem Glauben der Menge in Griechenland wie in Rom war die Macht über die Unteren auch Menschen, die mitten unter dem abergläubischen Volke lebten, gegeben. Das Handwerkszeug entnahm aber dieser Berut teils altem Volksglauben teils den dichterischen Phantasie- bildern der Vergangenheit.

Die Künste einer Zauberin beschreibt TibuU I 2, 45:

haec cantu finditque solum Manesque sepulcris

elicit et tepido devocat ossa rogo: iam tenet infernas magico Stridore catervas

iam iubet adspersas lacte referre pedem.

Lukian führt die sonst immer den Toten gebrachten Spenden als Nahrung eines Hadesfahrers au; Mithrobarzanes läßt ihn durch bestimmte Auswahl der Getränke und Speisen auf die abenteuerliche Reise sich vorbereiten. Luc. Ney.. 7: y.at aiTia ^ihv fif.iiv ra a-KQoÖQva, Ttorov de yccla -/.al (xekl^Qarov xal To Tov XodoTtov vdujQ. Dieterich ^ hat dies mit der Ver- wendung der Milch im Mysterienkult zusammengebracht. Mir scheint aber diese Stelle eher auf die Totenspenden und Be- schwörungsopfer zu weisen; der Hadesfahrer muß sich durch den Genuß derselben Speisen, die die Toten nähren, in einen ihnen ähnlichen körperlichen Zustand versetzen, um nicht zu sehr aufzufallen und Widerstand zu begegnen ; doch mögen auch hier literarische Kenntnis und Beobachtung der Ge- bräuche der Zeit zusammengeflossen sein. Ähnlich steht es mit der Vorschrift des Berliner Zauberpapyrus I 20 (Abh. Berl. Akad. 1865 S. 120): laßtov t6 yäla aiv tw ineXiri a/törtie. Sonst dient im Zauber die Milch meist als Spende für Toten- geister oder chthonische Dämonen, um sie zu versöhnen oder zu beschwören; Pap. Par. 2192 (C. Wessely, Denkschriften Wien. Akad. 36). Der Zauber zeigt also dasselbe Bild wie der Kult.

Die Totenspende ohne Beschwörung wird in der attischen Tragödie mehrfach gestreift. Chrysothemis sieht am Grabe ihres Vaters ycohov-qg i^ äxoag veo qqvtovq Ttr^yag

Mithraslit. 172.

30 Karl Wyß

ydkayirog und Blumenkränze ^ Fein hat hier der Dichter nur den Teil der Spende genannt, der eine sichtbare Spur hinterläßt. Antigene weiht den Leichnam ihres Bruders xoalai TQiOTtövöoioi^. Das Scholion erklärt: fiehn, ydXaxrty ohip. Auch der Scholiast zu Euripides Hek. 527, wo Neo- ptolemos seinem Vater Achilleus vor der Opferung der Polyxena spendet, erklärt die x^«^ mit oivov örfkovön, i-if/u, yaXa xai äXsvQov.

Im Orestes des Euripides schickt Helena Hermione zum Grabe der Klytaimestra mit dem Befehl (Vers 114):

lld-ovoa ö' ccf-Kfl Tov KKvTaif.iriGiQCig xärpov [.isXlxQaz^ ärpeg ydka'KTog oIviottÖv r' äxvrjv.

Der Scholiast erklärt /.ulingaTa ydla/.Tog wieder fjioi za ocTtb (.liXiTog AOL ydla/.Tog y.£v.Qaf.i€va. Die oivoinbg äxvrj wird wohl eine Umschreibung für Wein sein: brav yao eTayiTqxai olvog Tip i'K ixiXitog '/.al ydla-/.tog yi^dfiari ETiiTiolaiiog /.üTai. Dem- nach wären hier alle drei Spenden gemischt verwendet worden. In dichterischer Umschreibung erscheinen die Toten- spenden in Eur. Iph. Taur. 158:

"j-höa Tteuipag, &) rdaös yoag

(.if/J.O) -AQUir^Qd TÖV ff^^lflSVOJV

vÖQUivsiv yaiag ev vibxoig, Tnqydg t' ovQeiojv £z (.idoyiov Bd/.yov t' oivTjQctg koißag §ovd^äv t€ Ttovr^i-ia (.leXiöOäv, a vsxQoig d-EkATr^oia xürai.

Den Manen der gefallenen Helden werden alljährlich bei Platää Massenspenden dargebracht, wobei zum Gewöhn- lichen noch Öl und Salbe tritt. Plut. Aristid. 21^: ercovrai d' afta^ai (.ivqqivr^g ueoral /.al OTefpavioi.idT(ov -/.al fieXag raüQog ■/.al xo«S ohoo xal ydXa-/Tog ev d(.i(poQ£voiv kXaiov ze ■/.al (xvQov -/QCDoaovg veuvia/.oi '/ofii^ovzeg iXevd-eQOi.

^ Soph. El. 894 und dazu Kaibel 209 f. ^ Soph. Ant. 431.

» Vgl. Aisch. Pers. 609, oben S. 26.

Die Milch im Kultus der Griechen und Eömer 31

Ein dem Alkaios zugeschriebenes Epigramm besingt die Weihe des Leichnams Hesiods durch Nj^mphen und Hirten. Anth. Pal. VII 55:

yJojtQiöog iv ve(.iü o-auqix) vinvv 'Hoioöoco

aal rdcpov vipcooavTO' yäXaxti de noiuiveg aiywv tQQcivav ^avd-ij) f.u^6^ievoi (.liliti.

In Pisae in Etrurien wurde einem Verstorbenen ein all- jährlich wiederkehrendes Opfer mit Milch, Honig und Olspenden inschriftlich zugesichert. CIL XI 1420, 19: Inferiae mittantur hosque et- ovis atri infulis caenilis infulati dns Manibus mactentur eaeque hosiiae eo loco adolentur superqiie eas singulae urnae h actis, mellis, olei fundantur.

Daß Dichter, wie Statins, solche Besonderheiten des alten Kults aufgriffen und mit solcher Gelehrsamkeit prahlten, ist nicht verwunderlich. Über die Leichenfeier der Griechen für Opheltes, den Sohn des Königs von Nemea, sagt Statins Theb. VI 209:

pallentique croco strident ardentia mella spumantesque mero paterae verguntur, et atri sanguinis et rapti gratissiraa cymbia lactis.

Die Seele desKyzikos, des von den Argonauten wider den Willen des lason getöteten Dolionenkönigs , besänftigt Orpheus mit einem Totenopfer. Orph. Arg. 572:

avTOQ eyioye ipvxrjv UaGdi.irjV, artevöcov fieikcy^iata xütAwv, vöari t^ rjöe ydXaxjL /.uXioooQvroig af.ia vaoi^oig Xoißag kxTtQOXiOJV >t«f ifiotg v^voiol yeQaiQiov.

Es scheint, daß man tatsächlich noch zu den Zeiten Lu- kians an dem alten frommen Brauche festhielt, den der Spötter natürlich mit aufklärerischem Hohne persifliert im Charon 22 : XoQ. oi de Kai TtVQCtv vi]oavTeg ttqo xCbv X"'|Karwy ymI ßö&QOv riva OQv^avreg xaiovai te zavrl rot nokvreh'j delnva v-oi ig %a oQvyiiata olvov xai fisXlxQUTOv, u)g yovv eixdoai, Ixx^ovoiv:

32 Karl Wyß

'Eqy.. ovvt. olda, öj 7T0Qd^(.itv, ri ravra Ttgbg rovg kv 'Aidov Tte- Ttiaievyiaoc yoüv rag ipi'xag ävuTtmTioiihag xccTiod-ev öemvelv ftev wg olöv TB 7reQi7r€rof.i6vag ttjv xvlaav y.al tov y.aTtvöv, Ttiveiv

Öe &7tO TOV ßÖd'QOV fielUQCCtOV.

Im Gegensatz zu diesem Rationalisten gibt der Neu- platoniker Porphyrios eine komplizierte mystische Erklärung der Milchspende de antro nymph. 28: df^ixog de dveiQcov xara Uv&ayÖQav al ipvxai, ag Gvmyeai>(xL rpr^oi eig tov ya).a^iav tov ovTO) 7CQOoayoQ€v6/j,evov utio töjv yccla-ATL TQsrpo/iisviov, brav eig yeveoLV Treowaiv. dib ytal airevöeiv avTalg TOvg ipvxccyojyovg fielt y.eY.Qaf.iivov ydlav-Ti <og &v öi fjdovf^g elg yeveoiv /.lefieXeTr^- yiiiaig eq^eod^ai, alg avy/cvelod-ai rb yä'/M 7ticpv/.EV.

Die pythagoreische Weisheit schlägt aber schon in das Gebiet der Mysterien ein, die später zu behandeln sein werden ^

6. Kapitel

Die sühnende Wirkung der Milch

Oft werden die Spenden an chthonische Gottheiten oder Tote^ als /.lediyfiara , i.iediy.Ti]Qia , /neihxTQa, d^elycrr^gia be- zeichnet. Daraus ist von einigen Gelehrten geschlossen worden, daß Honig, Milch, Melikraton, Öl an sich, um ihrer natür- lichen Eigenschaften willen als Linderungsmittel, die den Zorn der Unterirdischen besänftigen, aufgefaßt worden seien. So sagt Stengel, Gr. Kultusaltertümer 93: „Denn die Götter der Unterwelt hassen den Wein; Honig und lindes Öl be- sänftigt sie wie die Toten". Ähnlich H. Di eis, Sibyll. Blätter 69: „Diese nüchternen Spenden (vrjrpdXia) haben zu- nächst nur den Zweck, das vergossene Blut abzuwaschen, wie der Luperkalienritus noch deutlich zeigt, sodann aber lindernd

1 Vgl. noch Lact. Plac. zn Stat. Theb. IV 607 : Nee alius liquor, qui sacrifidis (d. h. für Tote) consuevit offerri. niitigat, i. e. vini mit meUis aut lactis. Das Scholion Dresdense hat nur ladis et mellis. Nachtrag Useners, Milch und Honig, Kl. Schriften IV 403. ^ g. oben Kap. 4 und 5.

Die Milch im Kultus der Griechen und Eömer 33

auf den Zorn der rnterirdischen einzuwirken. Daher werden neben reinem Quellwasser, welches das Blut abwaschen soll, gern Milch, Honig, Öl als fieiUyi-iaTa hinzugefügt." Und von Fritze aaO. 34: Illae deae, quae crudeles apud inferos versabantur, non erant 'particifes laetitiae, qua dei sirperi saejm deledahantur. Quo fiebat, ut non vinum, qiiod excitat annnos, furiis offerretiir, sed täles liquores, qui leniunt animos, ut mel, lac, oleum. Quod iam Jimc apparet quod In potus vocantur fxei- Äiyf^iaTa.

Was heißt u€iUyi.iaTa, (.isihY.Tr^Qia? Diese "Worte gehören zu ndhyog mild, angenehm ^ /Aeihyfia ist Nomen actionis zu dem Verbum usiUaaoj -, usdiy.Ti]Qic( ist das, was zu dem „Mildmacher" /^ledixTr'iQ gehört. Später hat sich von hier aus eine allgemeinere Bedeutung, „das Milde" entwickelt.

Diese abgeblaßte Anwendung erläutern folgende Beispiele.

Hom. Od. X 217: Wenn der Herr vom Mahle kommt, umwedeln ihn die Hunde,

aisl yccQ ts (piget ueiXlyfiara d-vf.iov.

Aisch. Ag. 1438 wird Agamemnon XQvorfidiov (xdhyua genannt. Theokrit (Id. XXII 221) rühmt sich : ymI eyw liyeCjv fieiUyi^ara MOVGWV . . . cp€Qto (v. Wil. MovGeojv).

Die ^ELUy^iara sind also hier „etwas Mildes" im Sinne von „etwas Angenehmes, Süßes, Erfreuendes" ; der Gegensatz wäre „etwas Scharfes, etwas Unangenehmes". Ich kann den Sinn nicht besser umschreiben als mit dem biblischen Aus- spruch über den Wein nach Luthers Übersetzung: Wie „der Wein des Menschen Herz erfreut", so tut das auch alles, was mit tj.siliyf.ia bezeichnet wird. Fleischbissen erfreuen das Herz der Hunde, Agamemnon das der Briseis, und wessen Herz erfreuen nicht die Lieder des gottbegnadeten Sängers? In erster Linie werden diese Wirkung eben alle „guten und reinen Gaben", mögen sie nun bestehen aus was sie wollen, haben. Darum erklärt Hesych nicht ganz mit Unrecht (.uüUy- fiara mit dLTtäqyiiaxa (Erstlingsopfer)" düyqa.^ y.al i) nqol^, und

^ E. Boisacq Dict. etym. de la langue greque 620. * Brugmann-Thumb, Griech. Gram. 222. Religionsgeschichtliche Versuche u. Vorarbeiten XV, 2.

34 Karl Wyß

ebenso das Scholion zu dem angeführten Homervers -/.Qia tiva ■Aal TiQog fjöovTjV öioQi]iAaza.

In den angeführten Stellen wäre eine Übersetzung von IxELlty^iaxa mit: „etwas Milderndes, Linderndes" direkt sinn- widrig. Nun aber ist nicht zu leugnen, daß besonders spätere Schriftsteller ^leihyi-ia in der ausgesprochenen Bedeutung von „Linderungsmittel, Besänftigung" brauchen und somit zur ur- sprünglichen Bedeutung zurückkehren. So Plutarch Pomp. 47 : iKLTticovi ooyfjg (.leLltyna Trjv aavTOv d-vyarcQCc y.azaivsoag. So geben auch die Lexikogi'aphen und Scholiasten vor allem diese Bedeutung wieder: orii.iaivei rh TrgavvTiy.d ^. In derselben Be- deutung wird das Wort sogar übertragen für Arzneimittel gebraucht. Nikandros Ther. 896 f.ieihyiiOL vovocov.

In welcher Bedeutung wird nun das Wort /.alhyua in den Stellen der Tragiker angewendet? Offenbar soll es nach der Meinung der angeführten Interpreten die Wirkung physi- kalischer Eigenschaften der einzelnen Spenden bezeichnen: die Süßigkeit des Honigs, der Milch, das Kühlende, Lindernde des Öls. Schon hier müßte man aber einen recht weiten Begriff suchen, um alle diese Eigenschaften zusammenzufassen : „lindernd, besänftigend" stimmt wohl für Öl, weniger für Milch, kaum für Honig und Melikraton, besonders wenn wir es als das ursprünglich berauschende Getränk, den Honigmet auf- fassen. Endlich wird von Aischylos auch der Wein unter all die fisdi-ATriQia vey.QolOL^ gezählt, die Atossa spendet. Diese Tatsache, daß die nuUy^iaTa nicht immer vr^cfäha sind, wie Eumen. 95, widerlegt die Annahme von Stengel, Diels und von Fritze am besten. Wenn also irgendeine besänftigende, lindernde Wirkung erzeugt werden soll, so geschieht das offen- bar nicht durch eine besondere Eigenschaft der einzelnen Teile der Spende, sondern höchstens durch die Spende als solche, bestehe sie nun aus was sie wolle. Wo es sich um Totenspenden handelt, sind Besänftigungsmittel überhaupt gar nicht am Platz. Die Toten im Hades haben nach da-

1 Eustath. zu Od. X 217 (1655, 44); Et. M. 582, 28. Vgl. Herodian. II 549, 23 Lentz; Schol. za Soph. Oid. Kol. 159 und zu Eom. Od. X 217 (ed. Dindorf Oxonii 1855, 462).

* S. oben 26.

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer 35

nialiger Anschauung keine Macht über die Lebenden, ihr Zorn braucht nicht gemildert zu werden, da er ohnmächtig ist; aber sie lechzen nach der Nahrung der Menschen, nach den süßen Spenden, olme die ihr Dasein unerträglich wäre\

Dieser Auffassung widerspricht auch, wie ich glaube, die Bezeichnung ^el/.Ti'iQiu nicht; gerade die schönen Verse Eur. Iph. Taur. 156 zeigen, daß die Schwester Iphigenie sich aus lauter Mitleid bewogen fühlt, dem Bruder diese d^sh/.Tt]Qiu zu spenden : kein Gedanke an eine verzaubernde Einwirkung auf den Ab- geschiedenen zu ihren Gunsten. Auch hier ist wieder von der Grundbedeutung des Wortes it^elytiv „streicheln" auszugehen : Iphigenie will dem Bruder gleichsam eine „Liebkosung", wir können nur sagen „etwas Liebes" zukommen lassen; das AVort ist hier nur in honam partem angewendet, so wie auch wir „bezaubern" von einer sehr angenehmen Wirkung sagen können,

Aischylos verbindet die beiden W^örter (.ailiyua und ^ely.- tiIqiov miteinander. „Der herzberückende Zauber der Worte" soll den Erinyen heilig sein. Eum. 886:

uXV ei f^iev ayvbv eaii ooi Ilti^ovg aeßac, y'/.cüoarjg liifjg /.isO.iyua y.al O-s/.xti'^qioi', ab S" ovv fievoig äv.

Aus der allerdings geringen Zahl von Zeugnissen scheint mir hervorzugehen, daß neiliyf.ia im Epos und im klassischen Drama meistens in der erweiterten Bedeutung „etwas Ange- nehmes, Erfreuendes" angewendet worden sei. Gerade auf Grund der angeführten und ähnlicher Stellen wird sich die Bedeutung dann wieder verengert haben zu: „eine erfreuende, angenehme Gabe". Daß gerade dieses Wort auch ohne den ihm von den Spätem wieder gegebenen Sinn gern für die Umschreibung der Spenden an chthonische Götter und Tote verwendet wurde, ist nicht verwunderlich. Infolgedessen mag wohl schon im Altertum die Meinung aufgekommen sein, daß diese Anwendung des Wortes mit den physikalischen p]igen- schaften der Spenden in einem ursächlichen Zusammenhang stehe. Zu solcher Auffassung mochte das religiöse Empfinden

' Diese Auffassung ist besonders von Ed. Meyer vielfach vertreten worden, z. B. G. d. A. § 58 ff.; z. T, im Gegensatz zu Rohde II 256 ff.

3*

36 Karl Wyß

dadurch verleitet werden, daß die natürlichen Gründe der im chthonischen Kult ausschließlichen, im Totenkult überwiegenden Verwendung dieser nüchternen Spenden, die ja unter sich eine gewisse stoffliche Ähnlichkeit besitzen, nicht mehr er- sichtlich waren. Daß die Eechnung nicht ganz stimmte, der Wein im Grund nicht mit {.aihyi-ia bezeichnet werden konnte, wenn doch dies Wort ein charakteristisches Merkmal der vr;cpdha bezeichnen sollte, schadete nichts. Der Glaube kümmert sich bekanntlich auch um viel schärferen Widerspruch der Lehre nicht. Daß aber diese Anschauungen in der klassischen Zeit erst im Werden waren, das scheint mir die Art der Ver- wendung des Wortes im Drama zum mindesten wahrscheinlich zu macheu; der Geist der großen Tragiker fühlte wohl den ursprünglichen Sinn der Spenden, und nur die Befangenheit der Späteren konnte aus ihrer dichterischen Umschreibung Dogmen herauslesen.

H. Di eis hat mit dem Hinweis auf die griechischen liEiUyi-iarcc die eigentümliche Verwendung der Milch in dem von Plutarch (Rom. 21) beschriebenen Luperkalienritus erklärt: xa öe ÖQwf.ieva xi]v aixiav tzoleI övoTÖTtaorov. oq)ärTOvoL yäg aiyag, sha f.uiQcr/.io)v övolv ciTto yivovg jtQOOayßivzMV ahoig, Ol ^iv fj^iayuevfj fiaxaiQq xov (.lercüTtov -dr/yüvovOLV , eregoi ö' ano^iccTTOvOLV tvd-vg, eq tov ßeßqey j-ievov ydlaY-xi ttqoo- g)eQ0VT£g. yeläv öh öel /jeiQcxxia [.ura xtjv ä7r6fia'§iv. Die Erklärung dieser Zeremonien, die Plutarch beifügt, ist ganz im Stil der des Milchopfers an Rumina ^ gehalten : ti]v öe öiä Tov yälu-ATog arto/.d&aQOiv imöf-ivri^ia Ti]g TQOcpfjg avrCJv (nämlich des Romulus und Remus) iivai.

Diels erklärt die Handlung als symbolisches Sühnopfer, an Stelle des durch den Fortschritt der Kultur überwundenen Menschenopfers. Gegen diese Auffassung wendet sich W. F. Otto 2; „Wenn man darin (in der genannten Zeremonie) jetzt fast allgemein die Ablösung älterer Menschenopfer sieht, so be- ruht dies lediglich auf einem Vorurteil, das überhaupt der sehr korrektionsbedürftigen Theorie vom Substitutionsopfer vielfach zugrunde liegt." Es wäre allerdings eine etwas weitgehende

1 S. oben 9. ^ p^ VI Sp. 2065 unter 'Faunas\

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer 37

Symbolik, wenn das Besprengen mit dem Blute des Opfertieres das Opfer des Besprengten selbst bedeutete und das Ab- wischen die Sühne. Diels äußert sich dann weiter: „Ein zweiter, eng mit dem Blutopfer zusammenhängender Ritus ist das Trankopfer, das bei chthonischem Kult in der Regel den Wein ausschließt. Diese nüchternen Spenden (v^pccha) haben zunächst nur den Zweck, das vergossene Blut abzuwaschen, wie der Luperkalienritus noch deutlich zeigt, sodann aber lindernd auf den Zorn der Unterirdischen einzuwirken. Daher werden neben reinem Quellwasser, welches das Blut abwaschen soll, gern Milch, Honig, Öl als fudlyi.iaTa hinzugefügt. Diese xoal werden auf das Feuer geschüttet, welches das Opfertier (afpdyiov) vollständig verzehrt hat. Blut- und Trankopfer ge- hören also nach dem ursprünglichen Sinne dieser Zeremonien eng zusammen, wie Sünde und Sühne."

Ich glaube, der Luperkalienritus läßt sich nicht mit dem Eumenidenopfer vergleichen, wie Diels es tut, wenigstens nicht die Verwendung der Milch, die beiderorts doch eine ganz verschiedene ist. Selbst wenn die Deutung der inedlyficaa als Linderungsmittel richtig wäre, ist es doch ganz etwas anderes, wenn solche als chthonische Spenden verwendet werden, als wenn mit Milch das Blut abgewaschen wird. Die Spende soll den chthonischen Gottheiten zum Genuß dienen, wie die aus fast denselben Flüssigkeiten bestehenden Toten- spenden den Verstorbenen; beim Abwaschen des Blutes aber wird doch die Milch verunreinigt, dient als bloßes Symbol der Sühnung. In keiner der von Diels angeführten Belegstellen wird ein mpäyiov verbrannt, was für die Behauptung, daß Sünde und Sühne bei diesem Opfer eng zusammengehörten, doch notwendig wäre.

Von Fritze hat die Ansicht von Diels modifiziert, S. 38: Hoc statuere velim, iUam vim sanguinis alluendi non primam infuisse Ubationihus sobriis, sed secundam accessisse alieri noiioni irae leniendac. Ist der Ritus der Luperkalien, wie ihn Plut- arch schildert, wirklich uralt, wie das Fest selbst, so ist auch diese Ansicht nicht annehmbar, da ja doch in diesem Fall die Zeremonien aus der Zeit vor dem entscheidenden Einfluß der griechischen Religion stammen müßten. Da im

38 Karl Wyß

altrömischeii Kult von einer sakralgesetzlichen Eegelung der Verwendung von Milch und vr^cpdlia überhaupt nicht die Eede ist, und auch später gerade diese Eigentümlichkeit des grie- chischen Kultes von den Römern nicht übernommen worden zu sein scheint, so wäre in diesem Falle der Luperkalienritus rein römisch, um seines Alters willen aber von Plutarch nicht mehr verstanden worden und auch heute kaum mehr in allen Einzelheiten zu erklären.

Anderer Meinung ist nach L. Deubner^J. Pley, nämlich daß dieser Ritus der Luperkalien erst spät nach Rom gekommen sei^ Auch in diesem Falle, wenn z. B. Augustus bei der Erneuerung des Festes die kathartischen Riten hinzugefügt hätte, wäre die Herkunft wohl schwer mit Sicherheit zu er- forschen.

Eine Symbolik des Sühnens wird jedenfalls im Luper- kalienritus enthalten gewesen sein; aber warum die Milch hier diese eigentümliche Rolle spielte, ob vielleicht deshalb, weil sie in alter Zeit als häufiges Opfer besonders dazu ge- eignet schien, oder weil Anschauungen und Gebräuche der Mysterienreligionen in diesen Kult hineinspielten, das wird kaum auszumachen sein.

Für nicht richtig halte ich die Auffassung von Otto ^, der den Luperkalienritus dem altrömischen Kult zuweist und doch in der Sühnezeremonie eine genaue Parallele zu den Mysteriengebräuchen sieht. Ich zweifle daran, daß der Er- lösungsgedanke irgendwo im römischen Kult lebendig zum Ausdruck kommen konnte, wenn er nicht aus den Mysterien- religionen übernommen war.

Auch die ebenso einzigartige Sitte, die Servius zur Aeneis V 78 anführt*, ist kaum so durchsichtig, wie Diels sie darstellt. Ob hier wirklich die ausgepreßte Milch ein

1 Lnpercalia, Arcii. f. Eel.-Wiss. XIII 1910, 502 f., der gerade für diesen Zug Einfluß hellenistischer Kathartik annimmt.

2 De lanae in antiquorum ritibus usu, RGW XI 2, 14. Vgl. Perdel- witz aaO. 84.

' W. F. Otto, Die Luperci und die Feier der Luperealien, Philologus LXXII 1913, 161 ff., besonders S. 187 f., in der Polemik gegen Deubners oben angeführte Ansicht. * Oben S. 27.

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer 39

Ersatz der vr^tpaXia, das Blut der hro^a sein sollte, ist doch fraglich. Die ui]vig der Toten wird ja zunächst dadurch be- sänftigt, daß die Lebenden den Schmerz und das Leid, die ihnen die Toten zufügen könnten, gleichsam im voraus sich selber zufügen, wenn man nicht, wie Ed. Meyer, diese Angst vor den Toten von vornherein ausschalten wilP. Daß auch die Symbolik dieser Zeremonie später im Anschluß an neuere Anschauungen sich geändert hätte, ist ja möglich, aber läßt sich nicht beweisen.

7. Kapitel

Die Milch als Götterspeise und Attribut des

seligen Jenseits

„Wir haben feststellen können, daß zu den Vorstellungen, womit das Götterland und, was damit wesensgleich ist, der Aufenthalt der Seligen, das Paradies oder der Ort des goldenen Zeitalters, ausgestattet wurde, seit alters auch gehörte, daß es ein Land sei, wo Milch und Honig fließt." „Den Toten wird Gemisch aus Milch und Honig gespendet, weil den im glücklichen Jenseits wohnenden Geistern die Speise der Götter zukommt." Das sind Resultate der Untersuchung H. Useners 'Milch und Honig' ^.

Über die „mancherlei nicht immer verständliche Be- deutung" ^ des Honigs, der „seiner Süßigkeit wegen als Nahrungsmittel schon im ältesten Indien sehr geschätzt war und im ßitual eine wichtige Rolle als Speise der Götter spielte" *, und über die Bedeutung der Biene ^ im Kult kann

» S. S. 35 Anm. 1.

2 Khein. Mus. LVII 192 (Kl. Sehr. IV 413).

" 0. Gruppe, Gr. Mythologie (I. v. MüUers Handbuch V 2) 910.

* J. V. Negelein, Der Traumschlüssel des Jagaddeva II 107, RGW XI 4.

* S. W. Robert-Tornow De apiutn tnellisque apud veteres sigtiificatione, Berlin 1893; W. H. Röscher, Nektar und Ambrosia, Leipzig 1883.

40 Karl Wyß

hier nicht näher gehandelt werden, obschon der Zusammenhang' der beiden Stolfe ein recht enger ist. Nur wie die Milch zu dieser Bedeutung kam, und ob die Behauptungen üseners auf sie zutreffen, soll untersucht werden.

Der Hauptzeuge Useners ist der Gott Dionysos: wenn er kommt, sehen die Bakchautinnen Milch, Wein und Honig- ströme fließen. Eur. Bacch. 135:

rjov y SV oigeoLV, og av

ly. ■d-idacov dqouaiiov

Ttiori TteööoE, reßglöog e^cov

teobv h'övTov, äyoeviov

alaa rgayoy.rövov, d)(.iO(pdyov y^dqtv,

lif-ievog eig ögea (pQvyia, Avdia.

0 ö^l'Baoyog Bgöfiiog, dol.

qeI de yä'/.ay.TL Tciöov, gel ö' oivo), gel de /.le'/.iGoäv

viyxaQL.

„Dionysos bringt den Himmel auf die Erde hernieder. Himmlische Gaben müssen es sein, womit er seine Gegenwart bezeugt." Unter Himmel versteht Usener S. 178 ohne Zweifel das „selige Götterland". Dionysosdienst ^ ist allerdings ohne Unsterblichkeitsglaube nicht denkbar; aber dadurch ist nicht der bewußte Glaube an ein von dieser Welt örtlich getrenntes Land der Unsterblichen bedingt. Im orgiastischen Kult der gottbegeisterten Dionysosdiener ist die fiavla, die e/.aTaoig, das "evd'eog sein' das Endziel: das ist ein Versetztwerden in einen anderen Zustand, nicht an einen anderen Ort. Erst in der weiteren Entwicklung, durch die Verbindung mit pytha- goreisch-orphischen Anschauungen ist zu dem Unsterblichkeits- ahnen eine bewußte Jenseitshoffnung getreten. Die Formen der Dionysosverehrung, wie sie uns aus den Bakchen entgegen- treten, gehören der früheren Stufe, dem thrakischen Dionysos- dienst an. Eine überirdische, eine göttliche Kraft offenbart sich in den dionysischen Wundern, aber „himmlisch" darf man sie darum gleichwohl nicht nennen.

^ Vgl. zum Folgenden Rohde, Psyche II Iff.; Ä. Dieterich, Der Uiiter- gang der antiken Religion, Kl. Schriften, Leipz. 1911, 464 und Euripides Bakchen als Ganzes.

Die Milch im Kultus der Griechen und Eömer 41

„Die wundertätige Kraft des Gottes gelit auf seine schwärmerischen Verehrerinnen über." Bacch. 704:

&VQO0V de Tig laßovo^ 67TC(iotv eig nsrqav oO-tv dQOod)ör]g vöarog h.Ttrjöä votig ' aAXrj de vdg&rjyi' elg Tteöov -/.aO-ryAe yr^g, 'Aol rfj öh y.Qr^vr^v e^avf^A' ohov ^eög' oacc ig de Xevv.o v Tcwi-iaxog rtöS-og Tiagf^v, äycQOiGi öaxTvXoiai öiu{.iCoGaL Xi9-ova yaXa'/.rog eof-iohg el%ov' t/. de -AioGiriov d-voöiov y'/.vxelai [.leXirog eora^ov Qoal.

In diesen Wundern sah der Bote die übernatürliche Macht der gottbegeisterten Weiber sich offenbaren; die Erde ist ihnen Untertan, und Fels und trockene Ackerschollen spenden, was ihr Mund begehrt. Aber das Wunder offenbart sich nicht in erster Linie durch eine besondere „himmlische-' Gabe, sondern durch das Aufbrechen des starren Erdbodens, das Strömen und Überfließen; nicht nur die Menschen werden evd-eoL, sondern selbst die Erde ist voll dionysischer Lust : das Tote wird lebendig unter dem Wirken des göttlichen Geistes. Der Dichter hätte auch kaum Wasser und Wein mit- fließen lassen, wenn es ihm daran gelegen hätte, die Milch- und Honigquellen als die besondere Gabe des Gottes hervor- zuheben. In der zweiten Schilderung (704 ff.) sehen wir alle vier Flüssigkeiten, in der ersten neben Honig und Milch auch Wein ohne irgendeinen Unterschied aufgeführt (142). Wenn also die Stofi"e, die unter dem Einfluß dionysischen Geistes der Erde entströmen, eine besondere Eigenschaft besitzen sollen, so muß diese auch dem Wasser und dem Wein zu- kommen. Und gewiß haben sie eine solche: jeder Trunk, Wein, Wasser, Milch oder Melikraton, ist im warmen Süden ein süßes, erquickendes Labsal der lechzenden Lippen. Zu Beginn der klassischen Zeit sind wohl auch noch alle vier häufig genossen worden. Nach und nach erlangte der Wein aber so sehr das Übergewicht über alle anderen Getränke, daß er bald als das vorzüglichste, ja einzige Geschenk des Gottes angesehen wurde. Wenigstens im Bewußtsein des un- gelehrten Volkes wird das so gewesen sein ; das Wasser trat

42 Karl Wyß

auch in der späteren gelehrten Ausgestaltung des Mythos völlig zurück, Honig und Milch aber vermochten sich hier neben dem Wein zu halten ; hatten sie doch auch aus anderen Kulten sich nicht ganz verdrängen lassen. Wenn auch keine Erinnerung geblieben war an die Zeit, da der berauschende Met dem Wein vorausging, so sorgte das konservative Element, das aller Religion anhaftet, wenn sie sich einmal durchgesetzt hat, dafür, daß wenigstens die Elemente dieses Urweines, Honig und Milch, nie ganz aus dem Gedankenkreise der dionysischen Religion verbannt wurden.

Mit der Zeit aber machte sich auch hier wieder das Be- dürfnis nach einer neuen Erklärung der Elemente des Mythos geltend, da die Verhältnisse sich so sehr geändert hatten, daß sie einen Blick auf die tatsächlichen Gründe nicht mehr er- laubten. Wenn Euripides zwischen Honig und Milch einer-, Wein und Wasser andererseits noch keinen Unterschied macht, so tut dies doch schon Piaton, indem er nur die beiden ersteren in diesem Zusammenhang anführt. Er spricht über den Enthu- siasmus der Dichter^ und zieht zum Vergleich die Ekstase der Korybanten und Bakchantinnen herbei. Ion p. 534 a: woitBQ al ßdy.xai ccQVTOvrai ey. tcjv TtOTafiwv f.i€).i Tial ydXa y.aTexö^evai, e^KfQoveg de ovoai ov, xai tcov f.isko7toiü)v fj ipvxi] TovTo Igyaterai. Diese kurze Bemerkung zeigt eine wesentliche Verschiebung gegenüber den beiden Stellen der Bakchen. Dort fließt der Boden über von Wein, Wasser, Honig und Milch, hier schöpfen die Bakchantinnen aus Flüssen Honig und Milch. Das Wunder ist also stark herabgestimmt, ohne daß der Grund dazu ersichtlich wäre. Aber Piaton streift es hier nur ganz kurz und wird sich kaum näher Rechenschaft gegeben haben über die mythologische Richtig- keit seines Beispiels ; es kommt ihm nur auf das Wunder als solches an. Aber gerade in ihrer Unmittelbarkeit scheint mir die Bemerkung bezeichnend zu sein; denn sie zeigt, wie sich die Auffassung solcher nebensächlicher Züge im Mythos rasch änderte, wie an die Stelle der wunderbaren Tat in den Versen des Dramas bei Piaton nur ein Teil davon mit wesent-

' Vgl. Philostr. V. soph. I 19: ras kwoias iSias re y.al napaSö^ovs exSiScoatj (uarceg ol /Say/^eToi O'voaoi rb fxkXi, xal rovg eauovs xov yäXaKXOS.

Die Milch im Kultus der Griechen und Kömer 43

lieber Verschiebung- des spriDgenden Punktes verwendet wird. Daß diese Änderung ibren Grund in einer prinzipiell anderen Auffassung- des Mj-tbos bei Piaton habe, in dem Glauben, Milch und Honig seien himmlischer denn Wein und Wasser, ist kaum anzunehmen.

Gleichsam den Mittelweg zwischen Euripides und Piaton schlägt der Sokratiker Aischines ein. Aristeides Rhetor 45 t. II 23 Dind. : /.al yag al ßdy^yai, iTteidav evd^eoi yeviorcai, b&ev ol äkXoL l/. iwv cpQsdTiov ^ ovde vdiOQ övvavrai vögeveod-ai, ezelvuL fielt, y.al yäla ägvorrai. In dieser nichts w^eniger als poetischen Verschlimmbesserung wird das Wasser- schöpfen, das bei Euripides dem Hervorzaubern von Milch und Honig gleichgestellt wird, als geringeres Wunder dar- gestellt, um dann eine gewisse Steigerung hervorzubringen. Aber auch hier brauchen Milch und Honig nicht als himm- lische Getränke angesehen zu werden, der Unterschied vom bloßen Wasser ist ohnehin für den beabsichtigten Eindruck groß genug.

Dion von Prusa will das Bild der bakchischen Ekstase und Macht möglichst farbenprächtig gestalten, nimmt daher alle Elemente, Wein, Milch und Honig, aber auch die Gegen- überstellung dieser wertvolleren Flüssigkeiten zum bloßen Wasser in seine Schilderung auf; er vergleicht seine Zuhörer, die Alexandriner, mit den Bakchanten, den Nymphen und Satyrn im Thiasos. Dio Prus. XXXII (Reiske) 682 § 58 (I 284 V. Arnim) : ra de älXa -kuI ndw hol öonetre eor/Jvai Nvfxcfaig y.al larvQOig. ÜMQoi z€ yag dei xal (fdoyslcoTeg -/.al cpdoQxr^otai' Ttlrjv ovy. avTÖuaTog vf-ilv dvaßlvei önpr]aaoiv 6 oivog Ix Tthqctg Ttod-iv rivog rj rdjtr^g, ovöe ydla xat fielt övvaod^e ev- XiQiög Ott lüg exe IV, ä/.QOioi Öcr/.rvlotg ötaftwvreg x^öva-' all" ovöe tb vÖioq v(.dv diptKvenat öevQO ttiröfiaTOV ovde zi]v fiäZav e^exe Iv l^ovoia dii']7iovd^ev.

Der Vollständigkeit halber sei noch ein Lykophronscholion des Tzetzes erwähnt, wo Wein und Milch genannt sind. Zu

» ey. TÜv f^eäzcDv mit Unrecht von Jacobs zu Philostr. imag. p. 316 getilgt. Siehe C. F. Hermann Disputatio de Aeschinis Socraüci reliquiis, Göttingen 1850, 23. Vgl. Piaton Ion p. 534 a: «x twv Ttoraitoj,'. Anders Usener aaO. 178 Anm. 5 (Kl. Sehr. IV 399 Anm. 6). * Eur. Bakch. 709.

44 Karl Wyß

143 : ymI vagdr^^i ttjv yf^v xat rag nerqag Ttaiovoai (sc. al Bdy.- Xai), OTtoze öiipcpev, yäXa ymI oivov eTtoiovv avaßXvKstv.

Noch bei Himerios findet sich das Wunder, wohl wörtlich irgendwoher abgeschrieben. Hirn. Soph. XIII 7^: ore Aal tyjv yfjv löyog, olov aioi>avo(.ievr^v tf^g £Ttidi]i.uc(g aiiou, qeIv fiev ^ueh Tial ydla Y.al Ttora^iovg rivag amoD zoö vey.raQog lazvQoig ze ■/.al Bä/.yaig aQveo&ai.

Die Verse der Bakchen des Euripides hat Seneca nach- geahmt. Oed. 491:

pumice ex sicco fluxit Nyctelius latex; garruli gramen secuere rivi, conbibit dulces humus alta siicos niveique lactis candidos fontes et mixta odoro Lesbia cum thymo.

Daß sich aus diesen verschiedenen Beschreibungen des Dionysoswunders wie manche Stelle, die noch eine neue Pointe zu geben suchte, mag verloren sein ! in der weiteren Entwicklung besondere hyperpoetische Anschauungen bilden konnten,ist leichtmöglich. Aber noch aus einer Stelle des jüngeren Philostratos blickt ganz das euripideische Bild ; hier ist auch ausdrücklich der Sinn des Wunders ausgesprochen: „Die Erde selbst schwärmt mit". Philostr. im. I 14: fj yr;, 'ij ye /.al gv^i- ßanxetoet avTco /.al oivov dcpvöOEiv 1/ nr^yCov öwotL yä'ka xe olov UTto f.iaKG)V ekyiSLV rb fiev Ix ßiokov, ro de t/ itirqag.

Usener führt auch ein Fragment Alkmans an, das aber trotz Aristeides 2 sich nicht auf Dionysos bezieht, sondern auf A r t e m i s % die auf dem Taygetos als wilde Jägerin von den Lakonern verehrt wurde, dort die Löwinnen molk und den Göttern aus der Milch weißen Käse bereitete. Alkman Frg. 34, Anth. Lyr. Hiller-Crusiiis p. 172 n. 18:

TioHd/i ö' h ■/.oovfpalg ögicov, d/.u d^EolGLV liör] TCoAvfpauog Loqxd,

^ ed. Wernsdorff, Göttingen 1790.

2 XLI 7 Keil. ^ So S. Wide, Lakon. Kulte, Leipz. 1893, 131.

Die Milch im Kultus der Griechen und Kömer 45

yrgvaiov äyyog eyoLoa (.liyav O'Kvcpov,

old re TtOLuevBg ävögsg s'xoi'Oiv,

Xsgal XeövreLov ydla ^i]ac(0,

ivQov hvgr^aag (.leyuv argvcpov agyicpovrav.

Wieso kommen aber römische Dichter dazu, „das Para- diesesleben oder das goldene Zeitalter" ^ mit den Vorstellungen von Milch- und Honigströmen auszustatten?

Allbekannt ist die Schilderung des ersehnten friedevollen Segenslandes in der 16. Epode des Horaz; zu den paradie- sischen Vorzügen dieser 'Insel der Seligen' gehört, daß:

raella cava manant ex ilice, montibus altis 47

levis crepante lympha desilit pede. illic iniussae veniunt ad mulctra capellae

refertque tenta grex amicus ubera.

Vergil wiederholt dieselben Verse, um dem jungen Freund ein Kompliment zu machen und ihm zu sagen, das goldene Zeitalter sei schon angebrochen ^ Ecl. 4, 21 f.:

ipsae lacte domum referent distenta capellae ubera nee magnos metuent armenta leones.

T i b u 1 1 sehnt das saturnische Zeitalter zurück mit seiner ruhigen Sicherheit, dem ungestörten Glück, wo (I 3, 45):

ipsae mella dabant quercus, ultroque ferebant obvia securis ubera lactis oves.

Ovid schließt die Schilderung der aurea aetas mit ganz ähnlichen Worten. Met. I Ulf.:

flumina iam lactis, iam flumina nectaris ibant flavaque de viridi stillabant ilice mella.

Claudian nimmt, wie Vergil, das himmlische Vorrecht, das Glück paradiesischer Zeiten für einen irdischen Festtag seiner Zeit in Anspruch. De cons. Stilich. 1, 85:

ferunt raellisque lacus et flumina lactis erupisse solo.

1 Usener aaO. 181 (402).

' Kießling-Heinze, Einl. zu Horaz Epod. IG.

46 Karl Wyß

Silius Italicus erzählt, wie Bacchus einst in der guten alten Zeit er denkt wohl auch an das saturnische Zeitalter mit den schuldlosen Menschen einem Bauern den Wein schenkte, als er den Gott freundlich aufgenommen und mit den Gaben, die ihm zur Verfügung standen, bewirtete. Fun. VII 179:

donec opes festas puris nunc poma canistris composuit, nunc irriguis citus extulit hortis rorantes humore dapes, tum lacte favisque distinxit dulces epulas, nulloque cruore polluta castus mensa cerealia dona attulit, ac primum Vestae decerpit honorem undique, et in mediam iecit libamina flammam.

Besteht überhaupt ein Zusammenhang zwischen diesen Schilderungen und den Wundern des dionysischen Enthusiasmus? War sich Horaz bewußt, daß er ein ähnliches Bild in der 16. Epode und in der Ode II 19, 9—12 verwandte:

fas pervicacis est mihi Thyiadas vinique fontem lactis et übe res cantare rivos atque truncis lapsa cavis iterare mella?

Ich denke, er wird beidemale das Bild unbedenklich aus der betreffenden Vorlage übernommen haben. Daß aber ursprüng- lich beide Vorstellungen sich berührten, die zweite vielleicht direkt aus der ersten herauswuchs, ist nicht unwahrscheinlich. Die dichterische Vorlage des Antoninus Liberalis läßt den Wein oder Honig, den Dionysos aus den Bäumen der Minyastöchter fließen macht, zu „Nektar" werden. Anton. Lib. 10^: TtQog di] xavta xaXsTirivag ö Jiövvoog ävii y.OQr^g eyevero ravQog xa« Xicov y.al nagöcchg /.aX Ix %ü)v ksIsöv- Tiov k^Qvrj vi-/.Taq avTw xal ydka. Damit ist der Weg der Entwicklung gezeigt. Euripides hat nicht an Nektar, Göttertrank, gedacht; warum sollte er sonst das Wort nicht gebraucht haben? ^ Nirgends ersetzen die älteren Dichter

1 Vgl. Usener aaO. 177 (399) A. 3.

2 Bakchen 142 braucht er das Wort metaphorisch, aber durch das Attribut genau bestitamt für Honig.

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer 47

in der Schilderung des Wunders f^ieh, olvog oder ydla durch vHtaQ. Erst den Späteren, den Alexandrinern, die über ihre Vorbilder hinausgehen, neue Motive bringen oder die alten verfeinern wollten, blieb es vorbehalten, den süßen Trank der Menschen durch den der Götter zu ersetzen. Dabei gehen Vermenschlichung des Göttlichen und Vergöttlichung des Menschlichen Hand in Hand. „Wie die Götter der Hellenen ganz nach menschlicher Art gestaltet erschienen, so stellte man sich auch den Göttertrank später als eine Art Wein vor. Daher kommt es denn auch, daß spätere Dichter, wie Nik- andros, umgekehrt ve/.TaQ ohne weiteres statt olvog ge- brauchen" ^ Das machte dann Schule bei Poeten, die es ver- lernt hatten, auf die sinnliche Anschauung in ihren Bildern Rücksicht zu nehmen. Man wird sich nach und nach unter Nektar so wenig etwas Bestimmtes vorgestellt haben, als wir heutzutage; aber „Göttertrank" klang gut in die Ohren und wo es anging, setzte man ihn her.

Lehrreich für diese Art ist, wie Philostratos mit den Versen 135 ff. und 704 If. der ßakchen des Euripides um- springt. Im. I 17 (II 320 Kayser) : yeyQccrcxai . . . /.al xa. h TU) Ki&aiQüjVL' Ba'A.'i{hv '/oqoI zai vtiolvol TtSTgai /.al vi'A.taq £x ßoTQviov /.al log yäXa/.TL Tr]v ßwXov fj yfj XiTtaLvei. '/.al idov -/.iTTog eQTtei '/al orpeig oqS^oI '/al d-vqaov öhöqa olj-iaL f-iili axa'QovTa. Hier setzt er unbedenklich zu Wein, Milch und Honig den Nektar; kaum wird er sich Wasser darunter vorgestellt haben, wahrscheinlich gar nichts. In der oben angeführten Stelle begnügt er sich mit Wein und Milch ; ebenso in der Vita Apoll, VI 11 p. 248: . . . ov/ änioielg, wg ydXa'/Tog avxolg /al oivov Ttr^yccg öcooti, und Im. VI 10 p. 110 (II 213 K.): oiöh ydla loOTteq ßd'/xaLg fj olvov öiöiüoiv. Aber gleich nachher setzt er den Nektar wieder hinzu, p. 111 (215 K.): -/al utg ttoxuI ydla'/xi -/al ojg ■/rjQlotg &QiipsL /al Cog ve/xaQ aoi . . . e'axai. Anderswo spricht er nur von Milch und Honig, Vit. soph. p. 217: {höi- ööaoi) ßa/'j^eloc 0-voool xb (.iHl -/al xovg eo^iohg xoü yd- Xa'Kxog.

» Th. Bergk, Fleck. Jb. LXXXI 1860, 381 und seine A. 65.

48 Karl Wyß

Das lateinische Wort nectar bedeutet wohl noch Götter- trank, z. B. bei Cicero Tiisc. I 26: non enim amhrosia deos mit nedare . . . laetari arbitror. Aber die Übertragung auf Wein, Honig, Milch ^ läßt darauf schließen, daß die Römer das V¥ort von den Griechen schon in dieser erweiterten, farblosen Bedeutung eines beliebigen „süßen Getränkes" übernahmen; wir können ja auch von jedem guten Tropfen, sei es nun Wein oder etwas anderes, sagen: das ist ein Göttertrank! Andererseits konnte sich in einer breiteren Schilderung oder im Bestreben des Dichters, sinnlich deut- lich zu sein, das Bedürfnis geltend machen, das nichts- sagende vh-raQ durch ein reales Bild zu ersetzen; dazu ver- wandte man seit den frühesten Zeiten gerade das, was den jeweiligen Menschen als das vorzüglichste oder ein vorzüg- liches Getränk erschien, den Honigmet, den Wein, das Meli- kraton usw. Erst als sich unter der Ausbreitung fremder Religion, dem Einfluß des MysterienAvesens, der Orphik das Bedürfnis geltend machte, die frommen Bräuche mit einem Zanbernimbus zu umgeben, da mögen sich Honig und Milcli, dank ihrer Verwendung im chthonischen und Totenkult, in diesen Anschauungen einen besonderen Platz erobert haben.

Auch gewisse Göttermythen mußten dieser Entwicklung günstig sein; vor allem die Erzählung von der Jugend des Zeus. Auf dem kretischen Ida wurde er von Nymphen oder der Ziege Amaltheia mit Honig und Milch aufgezogen. Diod. V 70: avxai de (sc. al Nvf.icpaL) i-iHl v.al yüla f.iLGyovoai 10 Ttaidiov e&QCtpav ycal rf^g aiyog Tf]g ovo i-iatojuh'tjg l4i.iaX- S^elag tov {.laorbv eig öiaTQOcprjV TtctgeixovTO. Apollod. Bibl. I 1, 6: avxai /.lev ovv i^JögaoTÜa vxd "lärj) rov Ttalöa ergetpov %q) Tfjg "A^iald^Eiag yccXami. Callim. hymn. in lovem 48:

. . . oh ö' id-i\oao TcLova f.iat.6v aiybg i4{.ialS^eirjg, eul de ylvyiv ■ktiqLov eßQOJ^.

Stat. Silv. II 2, 99: et dulci distendunt nectare cellas (sc. apes). Verg. Ecl. 5, 71 : quid meruistis oves . . . j^l^^no quae fertis in ubere nectar. Vgl. Georg. IV 164. Mart. XIII 47: Picentina Ceres (Brot) 7tiveo nectare crescit.

2 Zum Zeuskult auf dem Ida siehe auch die Abbildung des in der Idahöhle gefundenen „Opfertisches" mit drei Höhlungen für Weihegüsse;

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer 49

Ich finde in diesen Gestaltungen der Sage aber vielmehr eine Vermenschlichung derer, die die Milch genießen, als eine Ver- göttlichung des Getränkes. Es ist doch nicht verwunderlich, wenn der Sage nach auch göttliche und halbgöttliche Kinder mit Milch und auch Honig, der zum Versüßen diente, auf- gezogen wurden, wie Triptolemos. Ov. fast. IV 546:

mox epulas ponunt liquefacta coagula lacte pomaque et in teneris aurea mella favis;

oder die Kinder der Amazonen. Philostr. Her. c. XIX 19: TQecpovoi . . . ßge^r^ yd'/.ay.rl ze cpogßdöwv 'iTtTctov xai ÖQÖGov y.r^Qioig. Oder Achilleus: Philostr. Im. 112 (S. 342 K.): Ttalöa k'ri ydlay.zi, VTCod-qeipag xai ^v- ü.ü) y.al ^uliTi ... 0 XeiQiov. Oder Beroe: Nonnus Dionys. XLI 216:

^ylGTqau] . . . 7taQ^evi(o öe ydlayiTi Qoag ßXv^ovaa d^e}.dotiov XEilea Ttaiöbg söevoe ycd eßlvev eig ozöf-ia KOVQr]g "Jxd-idog fßvTÖyoio ntgid-Xiipaoa ^lEXiaarjg öcaöaXiriv wötra ttoJ.vtqtitoio '/.oxeir^g, xriQLa, ffiovi]tvTCt aocföj yeqdoaaa yvTTillo).

Ob eine Stelle bei Theokrit, wo der verliebte Ziegenhirt, den seine Spröde nicht erhört, die Natur des Eros erkannt hat, auf eine ähnliche Sage zurückgeht oder freie Erfindung ist, vermag ich nicht zu entscheiden. Id. III 15:

f^Qo. Xeaivccg fxatov Id^la^ev, ÖQvi.cq) li viv erQacps fiijrrjQ ^.

Robert-Tornow^ sagt im Anschluß an den Zeus- mythus richtig : Lac ergo et mel alimenta lovis esse putata sunt, qiiia omnes infantes eodem modo pascebantur. Postqnam vero dii mel ederunt, sucus ille divinus, nectari ambrosiaeque par, sym- bolum immortalitatis factiis erat. Dasselbe gilt von der Milch.

G. Karo, Altkret. Kultstätten, Ärch. f. Rel.-Wiss. VI! (1904) 121 erinnert dabei an die Totenspenden des Odysseus in der Nekyia.

^ Die Nachahmungen römischer Dichter verzeichnen Fritzsche-Hiller in der erklärenden Ausgabe^ 8U. « AaO. 121.

Religionsgeschichtliche Versuche u. Vorarbeiten XV, 2. 4

50 Karl Wyß

Das Gleichsetzen der Lebensbedingungen des göttlichen Kindes mit denen der menschlichen ist das Primäre, die mythologische Verkleidung das Sekundäre ^

Für falsch halte ich die Annahme Useners, die wichtigste und gebräuchlichste Anwendung von Milch und Honig im Kultus, das Opfer an Tote nämlich, sei von den Vorstellungen abhängig, die beides als Göttertrank und Attribute des Himmels ansehen. Ich versuchte oben zu zeigen, daß vor allem die Milch, aber auch der Honig, im Totenkultus in älterer Zeit häufiger angewendet wurden als später^, daß aber offenbar noch Euripides Milch und Honig nicht als etwas Himmlischeres empfindet denn Wasser und Wein. Vor allem aber geht es nicht an, den Hades der Griechen dem christlichen Himmel gleichzusetzen, um dann die Übereinstimmung der griechischen mit den frühchristlichen Anschauungen um so einleuchtender erscheinen zu lassen. „Die Geister der Entschlafenen wurden im seligen Jenseits gedacht, es kam ihnen die Nahrung zu, welche die Sage dorthin versetzt." ^ Dieser Begriff des „seligen Jenseits" war den Griechen entschieden fremd, als sich die Eiten der Totenverehrung bildeten. Und erst recht fehlte ihnen eine klare Vorstellung* vom Totenreich, die doch durch solche Einzelheiten wie Milch- und Honigströme vorausgesetzt ist. Erst im Verlaufe der Entwicklung der Dionysos-, der Mysterien- und der orphischen Religion wurde eine Hoff- nung auf die ewige Seligkeit lebendig, mit der dann die christ- lichen Jenseitsvorstellungen eine wirkliche Wesensverwandt- schaft besitzen ^.

Die beschränkte Zahl menschlicher Genußmittel, die zum Totenopfer ausgewählt wurden, mag aus ökonomisch praktischen Gründen nicht erhöht worden sein; dazu war Wasser, Meli-

* Über ein ähnliches Sagenmotiv äußert sich H. Hepding, Attis, RGW I 88: „Die Aussetzung und wunderbare Rettung des göttlichen Kindes kennen wir aus vielen Sagen und Märchen. Gerade das Motiv, daß das Kind von wilden Tieren gesäugt wird, kehrt in zahllosen Varianten wieder." Mit der Milch als solcher hat dieses Wunder nichts zu tun. Die Literatur gibt Hepding an.

2 Vgl. dazu auch Rohde, Psyche II 216 ff.

' Usener aaO. 182 (403). * Rohde, Psyche I 301.

5 Vgl. A. Dieterich, Untergang 469; Rohde, Psyche II Iff.

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer 51

kraton und Wein das Bequemste und zugleich als süßer, labender Trank das Willkommenste, drängte sich auch auf, da es als Opfer im Götterkult, der dem Totendienst parallel geht, gebräuchlich war.

Das Melikraton ist zur Zeit der Enstehung dieser Ge- bräuche gewiß von allen Menschen gern genossen worden, nicht nur von Kindern und Greisen, wie Stengel vermutet ^ ; wenn es wirklich ursprünglich der berauschende Mettrank war, vielleicht von diesen gerade nicht. Auch Pindar hat es wohl als herrliche Gabe für jedermann empfunden, wenn er seine Poesie damit vergleicht, Nem. III 77:

XcüQS, cpilog' lyu) töös toi 7t€^7tio {.le^.iei'y (.livov f.LsXt Atixö) avv yälaytri, /.iqva^ieva 6^ eeqa^ ä/^KpeTtei Ttoix' äoiöif.wv Aiolfj- aiv Iv 7tvocilöiv avXöjv ^.

Daß Pindar an einer anderen Stelle^ die ödaig Moioäv Nektar nennt, ist kein Grund, damit das Gemenge von Milch und Honig zu identifizieren. Der Dichter darf mit seinen Bildern v/echseln, und, wenn er von den Gaben der göttlichen Musen spricht, nennt er sie mit gleichem Recht himmlischen Nektar, wie er die Poesie eines Menschen dem süßesten mensch- lichen Getränk gleich setzt, dem Melikraton.

Von dieser poetischen Gleichsetzung ist auch das schöne Bild vom Absterben der Bäume, dem Verdorren der Blumen und dem Versiegen der Milch und des Honigs beim Tode des Dichters abhängig, Moschos III 31 :

uä/.wv ouy, i-^^evae yta?.bv ylüyog , ov i-ieXi oqtßÄojy, ■/.ard-ave ö^ iv y.rjQüJL kvTtsvfievov ov/Jti yccQ ötl rCü (.liXiJüg tu oCo re^vayMTog avTO Tqvyüod-ai.

1 Gr. Kultusalt.« 132.

"" Mehr bei üsener aaO. 179 (400) A. 10. " ül. VII 7.

52 Karl Wjß

8. Kapitel Die Milch im Mysterienkult ^

Über den Einfluß der vielen Glaiibenssysterae und Kulte, die im römischen Reich miteinander kämpften, auf den end- lichen Sieger, das Christentum, ist besonders in den letzten zwei Jahrzehnten viel geschrieben worden. Im Gebiet der dionj'sischen , orphisch - pythagoreischen , der verschiedenen Mysterienreligionen wird gegenwärtig besonders eifrig geforscht, wozu die großen Arbeiten Rohdes, Cumonts, Dieterichs, Reitzen- steins und anderer Veranlassung und festen Grund geben. Unmöglich kann über all die schwierigen Fragen, die zum Teil noch ungelöst sind, erst recht nicht über das Gesamt- problem in kurzer Zeit ein eigenes, begründetes Urteil ge- wonnen werden. Darum muß ich mich darauf beschränken, aus größeren Darstellungen und Einzeluntersuchungen das "Wenige, das mein engbegrenztes Thema angeht, herauszuheben und die Erklärung wiederzugeben, die mir die begründetste und meinen bisherigen Resultaten am wenigsten wider- sprechende zu sein scheint.

Usener geht von der Behandlung der Rolle, die die Milch in dem Kult des Dionysos und anderer griechischer Götter, dann auch im Totenkult spielte, gleich zu deren Verwendung im altchristlichen Abendmahl und der Taufe über. „Alle drei, (Wein, Milch und) auch der sprudelnde Quell lebendigen "Wassers, waren gegeben in alter tief gewurzelter Vorstellung, es sind die wunderbaren Erzeugnisse, durch welche sich die Gegenwart Gottes wie einst des Dionysos offenbart^."

Ich habe im vorhergehenden Kapitel Useners Vermutung, die Verwendung der Milch im Kult der clithonischen Götter, der Toten, die Rolle, die sie im Dionysosmythos spielt, ent-

1 Die Speisezeremouien in den Demetermysterien, wohin die S. 15 augeführte Athenaiosstelle gehört, übergehe ich, s. Dieterich, Mithraslit. 103 f.: „Freilich wissen wir von der eigentlichen sakramentalen Bedeutung dieses Essens noch weniger als von der des Trinkens des y.vK£oh'." Über das sakramentale Essen überhaupt s. Dieterich aaO. 101 ff.

2 Usener aaO. 183 (404).

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer 53

springe einem alten, tiefgewurzelten Glauben an ihre himm- lische Natur, abgelehnt. Wenn ich damit recht habe, kann natürlich eine Übernahme der Milch aus den behandelten an- tiken Kulten in den christlichen nicht ohne weiteres statt- gefunden haben. Dazu sind die religiösen Anschauungen des Urchristentums und des altgriechischen Glaubens, auch des dionysischen, grundsätzlich viel zu verschieden. Zwischen beide muß ein Mittelglied getreten sein, das der Milch eine bisher nicht gekannte Rolle im Kult zuwies.

Dieses Mittelglied sind die verschiedenen Religionen, deren Wesen in der Verheißung eines ewigen Lebens, eines seligen Daseins im Jenseits gipfelte. Eine der ältesten unter ihnen ist nun allerdings die dionj'sische, in Griechenland mindestens seit dem 6. Jahrhundert in dieser Richtung v/irk- sam \ Vielleicht hat der Mythos auch äußerlich den Weg zur Umgestaltung des altthrakischen Gottesdienstes in ein Mysterium dadurch gewiesen, daß er Milch und Honig als Symbole der Weihe darbot. Aber nicht als „Attribut des seligen Jenseits" wurde die Milch dabei aufgefaßt, sondern als die Nahrung des Neugeborenen, Und daran konnte auch die Mystik des Urchristentums anknüpfen. In allen Mysterien, heidnischen und christlichen, ist das tiefste Geheimnis, die höchste Weihe ein Geboren werden zu neuem Sein, eine Wieder- geburt zum ewigen, wahren Leben der Seele. „Milch" aber „ist die Nahrung der leiblich Neugeborenen und so auch der Wiedergeborenen" ^. Besonders auch im Isiskult ^ waren solche Anschauungen lebendig, und damit stimmt ja gut, daß nach Usener'* gerade die ägyptische Kirche Milch und Honig als Bestandteil des den Täuflingen gespendeten Abendmahls zu- erst aufbrachte und am längsten festhielt.

Die Milch, die vom Mysten bei der Weihe, das heißt bei dem Absterben des alten und dem Geborenwerden des neuen Menschen getrunken wird, gilt dann begreiflicherweise als

1 Dieterich, Untergang 464 fl'.; Rohde, Psyclie 11 38 ff.

* Dieterich, Mithraslit. 173.

3 R. Reitzenstein, Arch. f. Rel.-Wisa. VIT 1904, 403.

* AaO. 185 und 190 (40G und 411).

54 Karl Wyß

das eigentliche rpaQ/^ia-Mv äd-avaoiag ^ So erklärt Dieterich ' auch den Spruch der dionysisch Gläubigen Unteritaliens von Thurioi und Petelia, der auf Goldplättchen des 3. oder 4. vor- christlichen Jahrhunderts eingraviert gefunden wurde, IG XIV 341 A 12 und 342, 4:

€Qirpog ig yd).^ ercexov ^.

Das „Zicklein", der neugeborene, zu Gott gewordene {■d-ehg ö'lyevov kB ävd-Qwrtov, wie es auf denselben Tafeln heißt) Myste erhält die Milch als Symbol der Unsterblichkeit, ob er nun in ihr gebadet (Rein ach), mit ihr getauft oder ge- tränkt wird.

Noch deutlicher bezeichnet Sallustios die Milch als Symbol der Wiedergeburt in den Zeremonien des Kybele- dienstes , der Attismysterien , Ttegl d-eüv IV * : Inl tovtoig ydlay.Tog TQog)i], wOTteg a.vayevvio(.ieviov, icp^ olg Ika- getai y.al oricpavoi '/.al TTQog rovg -d-eovg olov l/tdvoöog.

Auch die späteren Pythagoreer haben diese Vorstellungen in ihre kosmische Religion verwoben. Porph. de antronymph,28: öfifiog öe ovetQWV v.a%h Ilvd^ayÖQav al ipvyai, ag avvdyeo&al (pr^oiv eig rbv ya)M^iav rov ovxco 7rQOGayoQevö/.i€vov cctio rCbv yd)My.Ti TQE(poi.uv(ov, orav eig yevtoiv TieoojoiV dio v.al OTtevöeiv avxalg xovg xpvyaycoyohg ^leli y.ey.gaiuevov ydlay.Ti ojg av di' Tjdovfig £ig yiveaiv ^i€(.ieX€Tr]y.viag egyao^ai' alg ovy/.vela&ai t6 yd).a Tficpvy.Ev.

Damit stimmt Macrobius überein, Somn. Scip. I 12: hinc et Pyihagoras imtat, a lacteo circiüo deorsum incipere Diüs im- permnij quia animae inde lapsae videntur iam a superis reces- sisse. ideo primam nascentibus offerri ait lactis alimoniani, quia primus eis motus a lacteo incipit in corpora terrena lahentihus.

Reitzenstein, Dieter ich und Perdelwitz^ kehren

^ Reitzeustein aaO. 402. Vgl. auch das Zitat aus Kobert-Tornow oben S. 49.

2 MithrasUt. 171 und 214; Nekyia 84 ff.; El. Schriften 95 ff. Vgl. S. Eeinach Rev. arcli. XXXIX 1901, 202 {Cidtes Mijthes et Religions II 123 ff.) ; P. Foucart Becherches sur Vorigine et la 7iature des Mystcres d' Eleusis, Paris 1895 {Mim. de VAcad. des Inscr. et Belles-Letires XXXV 2, 1905, 69 ff.).

' Dialektisch gleich Ijieaov. * Dieterich, MithrasUt. 163.

» Mysterienreligion, EGVV XI 3, 57.

Die Milch im Kultus der Griechen und Kömer 55

mit dieser Erklärung der Verwendung der Milch im früh- christlichen Kult als Symbol der Wiedergeburt zu einer von Usener ausdrücklich bekämpften Ansicht zurück. Vor allem führe Usener als dieser Erklärung widerstreitend die Tatsache an, daß nicht nur Milch, sondern Milch und Honig verwendet w^urden. Das ist aber nicht durchgehend der Fall. Perdel- witz behandelt eine Stelle des ersten Petrusbriefes, die zwar nicht auf die Tauf- und Abendmahlszeremonien ausdrücklich Bezug nimmt, wohl aber genau denselben Vorstellungen ihre Symbolik entlehnt. Sie klingt selbst im Ausdruck (dcQriyev- vr^za ßgtcpT^ avayEvvLoi.ieviov) überraschend an die angeführte Stelle des Sallustios an. I Petr. 2, 2: wg äQTiyivvrjTa ßgerpr^ ro Xoyiy.bv ädoXov ydka iTtiTtod^riOaie, %va Iv avTö) av^ri^T]Te elg oartriQiav, e'i7t€Q eyevaaaihe ort xQr^orbg {XQiarbg Perdelwitz) 6 Kvgiog.

Auch folgende zwei Stellen aus einem heidnischen und einem christlichen Schriftsteller sind zu vergleichen : Sallustios Tiegi d-sCov IV: ymI ttqCütov ^uv xat avrol Tceoovxeg eE, ovquvov y.al zfj NviKpjj avvövreg iv Y.axT^(f>ü<x lofisv oiioi re y.al ir^g äXXr^g nayücLg xat qvrcaqäg xqo<:pT]g artexöfJttd^a ' i/Mzega evavzia ipvyf], und I Kor. 3, 2^: y(i).c( vuäg enözioa ov ßocbfia. ovnoj yaq iövvuod-e.

Zweifellos gehört in eine Mysterienreligion auch die ya- ?.a-/.zr](p6Qog auf einer Weiheinschrift eines Altars in Thessa- lonike aus der Kaiserzeit ^. Einem bestimmten Kult läßt sich diese Priesterin mangels sicherer Beweise nicht zuweisen; der Herausgeber der Inschrift erinnert in erster Linie an Hermes, Mithras, Attis.

NachPlutarch spielte auch bei den Persern symbolisches Essen und Trinken in mj'sterienähnlichen Begehungen eine Rolle; ob die Symbolik hier dieselbe war, läßt sich auf Grund eines einzigen Zeugnisses nicht entscheiden. Artax. 3=': t|»;- '/Moev sig Ilaoagyadag 6 ßaoü.evg, ontog zeleod^eii] t»/V ßaodiy.rjV TskezTjV V71Ö zGjv ev Ileqoaig ughov . . . eig zoixo öü zov ze-

1 Vgl. R. Reitzeustein, Hell. Myst. Rel. 53.

2 S. Ch. Avezou und Ch. Picard Inscrijjfmis de Maccdoine et de Thrace, Bull, de corr. hell. XXXVII 1913. 97.

» S. G. Anrieh, Das antike Mysterienwesen S. 107 Anm. und S. 106.

I

56 Karl Wyß

Xovfievov TtctQsld^övza rr^v Idiav ajtod-eo&ca OTolr.v, avaJ.aßelv S', fiv KüQog 6 TiaXaLog icpoqei, tiqIv rj ßaailevg yEvio&ciL ymI gvxov jtaXdd^r^g hicpayövra, t£qiiiv&ov -/Mracpayelv , y.al Ttorr^oLov STiTt islv 0 ^vya).a-/.Tog^.

Ganz deutlich aber leuchtet die Wiedergeburtslehre und die damit zusammenhängende symbolische Verwendung der Milch aus der Vorschrift eines Zauberpapyrus, geschrieben um 300 n. Chr. hervor-: ■/«/ )Mßcüv %o yd).a ot-v tG) [i.ieli]TL aTiOTCLE ttqIv dj'ßTO/^g f]?Jov, y.cd eorai xi evd-eov Iv rf] oj] y.aodia.

Ähnlichen Vorstellungen werden auch zwei andere, weniger deutliche Vorschriften der Zauberpapyri entsprungen sein, auf die Dieterich Usener ^ hingewiesen hat und die bereits oben S. 29 zitiert sind. In der einen tritt wieder die alt- bekannte Dreizahl auf: Wein, Melikraton, Wasser. In einer Anrufung an Apollo heißt es'*: -/.cd OTrovdtjv Tele[(Jo]v äjto oivov '/Ml ^leliTog xal ydXa'^rog y.al öi-ißQiov vdaxog \ß7i\i 7tXay.oüvrag t,' y.al TCÖTtava C'.

Warum in dem anderen Papyrus ausdrücklich Eselsmilch zur Reinigung des Lagers verlangt wird, ist rätselhaft. Die Stelle lautet^: ioniqag ^liXXbiv y.oiuäoO^aL dvsLii) yd'/.ay.ti

■/lU&äQÖV O0[v] T7)V GTQCO/LtVr.V.

Auch in einem von Leemans^ herausgegebenen Papyrus finden wir dieselbe Anweisung Milch, (Melikraton?), Wein und Wasser zu spenden, hier in Verbindung mit einer Eäucherung. Im großen Pariser Papyrus ' treten dazu noch Kuchen {TtÖTiava)

1 Vgl. Strabon XV 733 vom Opfer der Perser an Wasser und Feuer:

aTtoaTtEvSotres oi f^täyoi eXniov o/uov yd?.ny.ri y.al fieltTi y.ey.gauevov ovy. tis

71VQ ovS' vScog «AÄ' eis TovSufos. Zitiert von Usener, Kl. Sehr. IV 404.

* Berl. Zauber-Pap. I 20; Parthey, Abhandl. Akad. Berl. 1865, 109; Usener aaO. 192 (414) Anm. 59. Über den engen Zusammenhang zwischen dem Mysterienknlt und der Magie, deren Mittelpunkt Ägypten war, s. An- rieh aaO. 46. Über die Zauberpapyri s. auch oben S. 29, Milch im Zauber: Dieterich, Abraxas S. 58 Anm. » AaO. 192 (414).

* Berl. Pap. I Z. 286.

* Berl. Pap. II Z. 20, nach der neuen Kollation von Ad. Abt, die mir R. Wünsch mitteilte. Hier ist vielleicht weniger an einen Zusammenhang mit den Mysterien, als an den Einfluß von volkstümlichen Vorstellungen zu denken, wie sie S. 5 erwähnt w-urden.

® A. Dieterich, Papyrus Magica VII 4; Fleckeis. Jahrb. Suppl. XVI 806. Zitiert auch von Anrieh 102 A. 1. ' Z. 2188 ff.

Die Milch im Kultus der üriechen und Römer 57

und Öl, während das Wasser hier fehlt; an einer anderen Stelle 1 desselben Papyrus wird zwischen Wein, Bier, Honig, Milch die Wahl gelassen, was wohl auf eine Vermischung von verschiedenen Zauber Vorschriften hinweist.

Die Verwendung der Milch im frühchristlichen Kult weiter zu verfolgen, liegt nicht mehr in meiner Aufgabe. Ich glaube aber mit einiger Wahrscheinlichkeit aus den ange- führten Stellen schließen zu dürfen, daß in der genannten Gemeinsamkeit der Wiedergeburtshoffnungen der erste Anstoß zur Übernahme liegt. Diese ging aber in einer Zeit der weit- gehendsten Religionsmischung vor sich: darum sind natürlich nicht alle anderen Anklänge an heidnische und alttestament- liche Anschauungen als unmöglich abgelehnt. Daß das Land der Verheißung der Juden, das goldene Zeitalter, der Toten- uud chthonische Kult, die Dionysoswunder, die Heiligkeit, die den Bienen und dem Honig überall angedichtet wurde, nicht hätten mithelfen können, beides, Milch und Honig, in die christlichen Sakramente einzuführen, wird niemand als absolut ausgeschlossen betrachten. Aber über diese Beziehungen können wohl nur sehr unsichere Vermutungen aufgestellt werden. Die Ähnlichkeit der Symbolik in den zwar nicht zahlreichen angeführten Stellen aber ist so auffallend, daß der Schluß wohl erlaubt ist, von hier aus sei der erste Schritt zu einer Angleichung der Kultübungen der neuen Kirche an die älteren Kultvorstellungen getan worden.

So wahrscheinlich mir ein Zusammenwirken verschiedener Anschauungen, die sich im Laufe der Zeiten entwickelt hatten, zu sein scheint, so gewagt scheint mir von vornherein Useners Hypothese, sie seien, wie die Äste eines Baumes, alle aus demselben Stamme, alle aus einer Idee erwachsen, nämlich aus dem allen in Frage kommenden Völkern eigenen Glauben, Milch und Honig seien besonders heilige, den Göttern liebe Gaben der Natur. Vielmehr scheint mir ein Strom die vielen Bäche gesammelt zu haben; die Quellen können wir unmöglich alle finden; beim einen fällt auf die Mündung, beim anderen auf den Oberlauf ein schwaches Licht; konstatieren können

Ebenda 9Ü7.

58 Karl Wyß

wir, daß sie durch ihr Zusammenwirken stark waren: denn trotzdem das Christentum viele neue, revolutionäre Ideen brachte, nahm es hier Symbole, die bei Griechen und Römern von jeher in verschiedener Weise gewirkt hatten, auf; ganz assimiliert hat es sie nicht ; denn im Verlauf der ersten Jahr- hunderte wurde „der alte Brauch der Kirche" abgestoßen'.

9. Kapitel Käseopfer

Ich stelle hier anhangsweise einige Angaben zusammen, die über die Verwendung des einzigen von den Alten häufiger zubereiteten und stets geschätzten Milchproduktes in den Opfergebräuchen einigen Aufschluß geben.

Die Zubereitung von Käse ist eine allen Indogermanen geraeinsame Kunst. Besonders häufig wurde sie ausgeübt auf der Balkan- und Apenninhalbinsel, deren Klima weder ein längeres Aufbewahren frischer Milch noch die Bereitung einer guten, haltbaren Butter erlaubte. "Wie wir heute eine Menge Käsearten unterscheiden, so zeichnete sich auch bei den Griechen und Römern dieses Nahrungsmittel durch seine mannigfache Zubereitungsweise aus^. Zum bloßen Haus- gebrauch wird, wohl nicht nur in homerischer, sondern auch in viel späterer Zeit, ein Käse von möglichst einfacher und kurzer Zubereitungsart gewonnen worden sein. Wie uns die Kyklopie die Käserei des Polyphem schildert, so werden die der gewöhnlichen Kuh-, Ziegen- oder Schafhirten auch ge- wesen sein. Außer dem Scheiden der Milch, dem Entfernen der Molke und einer einfachen Würze wird an dem Produkt wenig gemacht worden sein. Gerade um dieser leichten Ge- winnuugsmöglichkeit willen gehörte der Käse in älterer Zeit

1 Usener 185 (406).

2 S. E. Cougny bei Daremberg-Saglio, Dictionnaire unter caseus.

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer 59

wolil ZU den häufigsten Nahrungsmitteln der ländlichen Be- völkerung und so natürlich auch zu den gewöhnlichsten Opfer- gaben, z. B. beim Latiar der latinischen Gemeinden. Dion. Hai. Antiqu. IV 49, 3 : /mI cpsQovoL eig avrag ai fteiexovoai xCjv leqCüv Ttöleig al fxev agvag, al de zvgovg, al de ydlamög XI ueiQOV, al de b/iioiöv ti xovxoig.

Bei Homer zeugt nur eine einzige Stelle für die Verwen- dung des Käses beim Opfer. Die aristokratische Gesellschaft verwendete ihn nicht ; nur da, wo einer dieser Edeln in Ver- hältnisse gerät, die es ihm unmöglich machen, der Sitte seines Standes zu folgen, paßt er sich den Umständen an. Der Not gehorchend befriedigt Odysseus mit seinen Gefährten in der Höhle des Kyklopen die Götter und den eigenen Hunger durch den Käse, der dort aufgespeichert war. Od. IX 231:

evd-a de tivq y.r^avxeg ed-voaiiev i)de y.al avxol xvqCüv aivvf.ievoi (fdyoaev.

Eine besondere Sorte von platten, dünnen Käschen opfer- ten die Kreter, Athen. XIV 658 d: rovg de lenxovg xCöv xv- Qü)V y.al TtXaxelg Kqfixeg d-r^Xeiag y,a).ovoLX\ lög cpr^oi ZeXev/.og' ovg ev ^vGiaig x laiv ivayitovoiv.

Inschriftlich bezeugt ist das Käseopfer für Thera in einer sakralen Stiftungsurkunde aus der Zeit um 200 v. Gh., dem sogen. Testament der Epikteta^ : ^vexw de [i.ie\v ö xav TTgäiav eTiLixriVLeviov äuegav xalg Movoaig legelov y.al iegd, ikXvTag ex nvQÖJV xoi'Viy.(x)v Ttevxe y.al xvoov yarcv qo v oxaxf^qog . . . 18-4 o de xav devxegav xolg rJQcooi (ßoiviy.i xal ^E7trKxi]xcc (dasselbe Opfer). 191 : o de xav xgixuv d^vatl xolg i[owaL KQaxr^oi\/.6\xfif '/.al 'AvdQayÖQct y.aia xa avxä y.ad-^ a yiyQauxai <Polvl'/.\i\ /.al ^Eni'/.xr^xq.

Dem Herakles wurde auf Kos ein sehr reichhaltiges Opfer von Nahrungsmitteln gespendet, darunter auch ein nicht geringes Quantum Schafkäse^: xovxov O^vei 6 lagevg, xüt de

' von Prott-Zieheu, Leges sacrae II 319, 177 ff.

' von Prott, Inschr. v. Ko3 S. 27 Nr. 7 Z. 10; Paton aud Hicks Nr. 39 DI. 3638 Collitz. Die Inschrift stammt nach Hicks S. XXXI vermutlich aus dem Ende des 4. Jh. v. Chr.

60 Karl Wyß

\d-eä)i r\€Qa öLöoxai '/.gid-äv rgia fji.uoii.iva y.al a7iv[Q]CüV tqüq T€.raQTf^g '/.cd /.ulLzog rixogeg xoTt'A(£)at '/.al t vq ol oLeo l övw- dexa /.al iTtvbg '/aivbg '/al (pQ\vya\vu)v äx^og /al ^v/Jwv äxd^og ■/al oivov rqia r^uioya.

In einer anderen kölschen Inschrift ^ des 4. oder 3. Jh. v. Ch. wird von einem aqxog xvQihör^g. der am Herd geopfert werden solle, gesprochen. Wie dieses „käsig" zu verstehen ist, ob Käse mitgebacken oder sonst beigegeben wurde oder nur eine bestimmte Beschaffenheit des Brotes gemeint ist, kann ich nicht entscheiden.

In eigenartiger Verbindung mit Wein, Aalen, Honig führt den Käse eine Menanderstelle an, Athen. VIII 364 d, vgl. IV 146 de:

£ir' ov% of.ioia nQücTTOf-iev '/al d-vojusv. 0710V ye rolg S^eolg idv 7joQaoi.i€vov dgay^iöjv ayio TigoßäTOJV ayaTtr^ibv öe/.a, avh]TQLdag de '/al {.lvqov '/al ipalzgiag, Mtvdalov, 6doiov, eyyjleig, tvqöv, fielt- (.u'/gov xa'/.dvTOc.

Daß der Käse in bestimmten Kulten und bei gewissen Religionsgenossenschaften eine besondere Bedeutung gehabt hat, muß aus der Angabe, daß er den Pythagoreern als Opfer vorgeschrieben war, und einem eigentümlichen Verbot, das der Priesterin der Athene nicht erlaubte, Käse zu essen, ge- schlossen werden.

Die Sitte der Pythagoreer, Käse, getrocknete Feigen und ausgepreßte Oliven zu opfern und dann auch zu essen, wird mit der asketischen Seite ihrer Lehre zusammenhängen, ohne auf tief erliegende Gründe zurückzugehen. Athen. IV 161 d: fj ö' eGxiaoLg ioyuöeg /al OTef.i(pv)M /al rigog eaxaf xavxa '/UQ ^veiv vöuog xolg Uv&ayoQeloig.

Kaum zu erklären ist dagegen die Angabe über die Priesterin der Athene. Athen. IX 375 c; FHG I 375: xat vvv öe xijV xf^g 143-r^väg iegeiav ov d-vetv ufivrjv ovdh ivqov yeveod^ai. xiveg ö' ano xov xrjv legeiav xfjg JloXiädog ^.J^r^väg yXcjQov TVQOv xov (U£v e/iiywQtoc /.lij äTtzeod^ai, §evi'/bv de

' V. Prott-Ziehen II 20 Z. 49.

Die Milch im Kultus der Griechen und Römer 61

Ti]g "Arrmf^g ri]v Icdaulva ovy. ei. Besonders rätselhaft ist dieser Unterschied zwischen einheimischem und fremdem Käse. In Verbindung mit Eiern wurde der Käse auch als Hekate- mahl verwendet. Aristoph. Plut. 594 (PW. VII 2780):

Ttagcc tf^g ^Exdrr^g e^eoriv tovto -/tvd-eo&ai, eixE To Ttlovrslv, tire ro Tteivfjv ßiXxiov cpr^ol yccQ amr] TOt'S f.ikv exoviag xaf TtXovrovvtag öuitvov y.axcc f.ifjv' artO'

[7t€f.l7teiV.

Dazu bemerkt das Scholion: delTtvov] l^ ihibv y.al tvqöv TSTr^yaviOfiivov.

Eine wichtige Rolle hat allem Anschein nach der Käse im Kult der Alten nie und nirgends gespielte

Zusammenfassung

Die Zähmung der Haustiere durch die Indogermanen fällt in das Dunkel vorhistorischer Zeiten; keine der bisher auf- gestellten Hypothesen über die Art dieses Vorganges befriedigt. Ebensowenig kann gesagt werden, wie die Milch in indo- germanischer Zeit unter die Nahrungsmittel des Menschen aufgenommen wurde.

Auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse bei verschie- denen nördlichen indogermanischen Stämmen ist zu schließen,, daß auch die Griechen und Römer vor ihrer Einwanderung in die Mittelmeerländer mehr Wert auf die Milchproduktion legten, als, wie später, auf die Viehmästung. In diese frühe Epoche fällt jedenfalls der Ursprung der sakralen Verwendung der Milch. Sie ist darum wohl ganz wie andere häufige Nahrungsmittel in die Reihe der Opfergaben aufgenommen worden, ohne darin eine bevorzugte Stellung einzunehmen.

Infolge des zähen Festhaltens der Römer am religiösen Brauch können wir bei ihnen reiner erhaltene Reste uralten

' Zu der aus Löwenmilch Käse bereitenden Artemis Alkmans s. o. S. 44 f.

62 Karl Wyß

Kults ZU finden hoifen als bei den Griechen. Beim Latiar, im Kult der früh vergessenen Lokalgottheiten Kumina und Cunina, in dem der ländlichen Götter Silvanus, Pales, Faunus, Ceres, Priapus wird Milch gespendet, ohne daß sich dieses Opfer von anderen durch eine besondere Wirkung unterschiede. Von einer gesetzlichen Beschränkung der Milchspende auf bestimmte Kulte im Gegensatz zum Weinopfer weiß das rö- mische Sakralwesen nichts; nur mußte die Milch auch im Kult zurücktreten, als sich das politische und religiöse Leben in der Hauptstadt konzentrierte; auf dem Lande blieb das Milchopfer in voller Geltung.

Da die natürlichen Voraussetzungen bei den Griechen ur- sprünglich sehr ähnlich gewesen sein müssen wie bei den Römern, dürfen wir annehmen, daß auch in den formalen Äußerungen der Religion eine gewisse Übereinstimmung herrschte. Das Opfer war ein Dank für empfangene Gaben oder ein Geschenk, wofür der Opfernde wieder belohnt zu werden wünschte. Wenn das Milchopfer der Römer keinen anderen Zweck verfolgte, so haben wir auch für das der Griechen ohne zwingende Gründe keinen anderen voraus- zusetzen. In älterer geschichtlicher Zeit wurde bei den Grie- chen die Milch nur noch von einzelnen Volksklassen be- stimmten, meist nichtolympischen Gottheiten gespendet. Die homerischen Helden und Götter kennen das Milchopfer nicht, weil bei der herrschenden Klasse der Wein die Milch auch im profanen Gebrauch verdrängt hatte. Infolge geringereu Zwanges der äußeren Umstände, vor allem aber infolge innerer Hemmungen, der Angst vor rituellen Verfehlungen, hielten die unteren Klassen an dem althergebrachten Milchopfer fest. Als die Milch einmal aus dem Kult der panhellenischen Olym- pier verdrängt war und nur noch im Dienst anderer Götter oder Verstorbener Verwendung fand, wurde diese Sachlage durch ätiologische Erfindungen erklärt und durch sakrale Ge- setze zum Teil auch festgelegt.

Die Milch war ein Hauptbestandteil der nüchternen Spenden, die vor allem im Kult der chthonischen Götter ver- wendet wurden, hauptsächlich in dem der Erinyen. Als der Gegensatz der Spenden an die Olympier und der an die

Die Milch im Kultus der Griechen und Kömer 63

chthonischen Götter dem Volke auffiel, erklärte es sich den „festgehaltenen Rest primitiver Sitte" durch die Annahme, der Wein werde infolge seiner berauschenden Wirkung von den chthonischen Gottheiten verschmäht. Und doch ist wahr- scheinlich gerade das Melikraton aus dem indogermanischen Rauschtrank, dem Honigmet, entstanden.

Von Totenopfern waren die berauschenden Getränke sa- kralgesetzlich nicht völlig ausgeschlossen, obschon gerade hier das Milch-Honiggemisch einen wichtigen Bestandteil der Spende ausmachte. Diese Mischung tritt uns in mehreren Stellen, meist abhängig von der Nekyia der Odyssee, entgegen, wo sie zur Beschwörung der Toten dient. Dann aber war sie die gewöhnliche Gabe der Überlebenden an verstorbene An- gehörige.

Die Überzeugung, daß die Milch, wie Honig und Öl, in- folge ihrer natürlichen Eigenschaften besänftigend und lindernd auf den Zorn der chthonischen Götter und der Verstorbenen wirke, kann nicht die Veranlassung zu ihrer Verwendung ge- wesen sein. Unter die Bezeichnung (.isiUyuara, f.uihyciriQLa fällt auch der Wein, trotzdem die vr^cpäXia nach der Ansicht der Vertreter dieser Auffassung gerade, weil sie nüchtern sind, lindern. Auch brauchen die Überlebenden den Zorn der Toten nicht zu beschwichtigen, weil er ohnmächtig ist. Es handelt sich in beiden Kulten nur um Gaben, die als solche eine erfreuende Wirkung auf den Empfänger ausüben; der Dank für die Gabe und den dadurch erzeugten Genuß äußert sich natürlich bei den chthonischen Göttern im Ablassen vom Zorn, bei den Toten in einer Beruhigung. Das mag dann wieder die Veranlassung zur Erfindung von Begründungen des Opferbrauches gewesen sein; die sind aber sekundär; die wahren Gründe liegen in der natürlichen Entwicklung mensch- licher Verhältnisse.

Da die Dionysosgläubigen sich nach einem seligen Zu- stand, nicht nach einem in seinen Einzelheiten durch die Ver- heißung beschriebenen Paradies sehnen, da ferner das Dionysos- wunder nicht in Strömen von Milch und Honig allein, sondern auch von Wein und Wasser besteht, kann daraus nicht auf eine besondere, himmlische Eigenschaft der Milch geschlossen

64 Karl Wyß

werden. Infolge einer späteren Begriffserweiterung, dem häufigen Gleichsetzen von Wein, Honig, Milch, Melikraton mit Nektar, einem Wort, das früh nicht ausschließlich „Götter- trank", sondern ein beliebiges sehr gutes Getränk bezeichnen konnte, galt den alexandrinischen und römischen Dichtern Milch umgekehrt wieder als Göttertrank, und so gehörte das Bild vom Milchüberfluß zur Ausmalung des goldenen Zeitalters, der Insel der Seligen.

Einzelne, falschverstandene Göttermythen, wie die Sage von der Ernährung des Zeuskindes auf dem Ida und die Rolle, die die Milch in dem chthonischen, dem Toten- und dann be- sonders auch im Mysterienkult spielte, mögen im Verlauf der Entwicklung dazu beigetragen haben, daß man in ihr eine besondere religiöse Kraft zu ahnen begann.

Auch in den Mysterienkult wurde die Milch nicht als eine Gabe aus dem erhofften Jenseits, nicht auf Grund alter, tiefgewurzelter Glaubensvorstellungen aufgenommen, sondern als das Symbol der Wiedergeburt, dann, mit einer gewissen Steigerung, als ein cpccQf.iay.ov a^avaolag.

In der Zauberei vermischen sich alte Kultgebräuche mit dem Mysterienritus, indem bald deutlich an die Wieder- geburtslehre angeknüpft, bald kiltiklos das Opfer aus den verschiedenen Spenden des chthonischen. Toten- und Mysterien- kults zusammengestellt wird.

Auf absolute Sicherheit können meine Folgerungen nicht Anspruch erheben, besonders weil die zeitgenössischen Quellen vielfach versagen, spätere Berichterstatter aber oft alten Brauch und Glauben falsch darstellen. Vor unbegründeten rationalistischen Deutungsversuchen aber glaube ich mich ge- hütet zu haben.

Die Milch im Kultus der Griechen und Eömer

65

Register

Abendmahl 52

Ätiologische Erklärungen 8 f. 15. 25.

36. 42. 62 f. Alkman 44 f. Artemis 44 f. Attismysterien 54

ßd-A-/ju 40 ff. 47 Bona Dea 12. 22

Ceres 11. 62

chthonische Götter 19 ff. 28 f. 35. 37.

57. 62 f. Cunina 8 f. 13. 62

Demetermj'sterien 15 Dionysos 40 ff. 46. 52 f. 63

Erinyen (Eumeniden, Semnai) 20 ff.

25. 37. 62 Ipicfos si yäV tTZSTov 54 Euripides Bakchen 40 ff.

Feriae Latinae 7 f.

yaXa',cTi]f6oog 55 yi(kd^ia 23

Gebet 13

Gütterkinder mit Milch und Honig

ernährt 48 ff. 64 Goldenes Zeitalter 45 f.

Hemithea 21

Homer 3 f. 14 20. 25 f. 33. 59

Inder 2. 6. 19 Isiskult 53

Religionssjeschichtlicbe Versuche u. V

Käseopfer 58

y.EQt 0(fOQelv 15. 52 A.

I. Korintherbrief 3, 2. 55

Latiar 8. 13. 59. 62 Luperkalien 36 ff.

fiEi).fxrQa

Magna Mater 15

uä^a 23

Meyaipa 21

fiEiXiyfiarn , HSiliy.rrioia ,

32 ff . 63 fiEliyQaTOV 19 ff. 25 f. 50 f. 63

MrjTTJO ■d'Ecöv 23

Met 19. 24. 34. 48. 51. 63 Milch als Attribut des seligen Jen- seits 39 ff. 50

als Nahrungsmittel 1.4. 17. 61

als Symbol der Unsterblichkeit 54 ff.

als weinlose Spende 19 ff. , die sühnende Wirkung der- selben 82 ff.

im Mysterienkult 52 ff.

im Zauber 5. 56. 64 Milchopfer bei anderen Völkern 6

bei den Kömern 7 ff. 61

in der Urzeit 2. 5 , ursprüngliche Bedeutung

desselben bei den Griechen 13 ff. Milchproduktion , Verhältnis zur

Viehmästung 4. 61 Milchtiere der Indogermanen 1 orarbeiten XV, 2. 5

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66

Karl Wyß

PJoirea 21

Mythisches Denken 5. 17 f. Mysterienkult (und Christentum) 38. 52 ff. 57. 64

rey/taQ 46 ff. 64

rriffiha 18 ff. bes. 24. 32. 36 f. 39. 62f.

novum lac 27

Nymphen 21 f. 48

Olympische Götter 14 f. 20. 62 Opfer, seine Bedeutung 6. 13 f. 15. 62 Orphische Religion 40. 48

Pales 10 f. 62 Pan 11. 21. 62 Persische Mysterien 55 f. I. Petrusbrief 2, 2 55 (fd^fiay.ov d&avccaias 49. 54. 64 nohos, puls 5. 23 Priapus 12. 62 Pythagoreer 32. 40. 54. 60

Mind im Kult 2 Rumina 8f. 13. 62

Sallustios ^£(>t d-e(öv IV 54 f. Silvanus 10. 62

Standesunterschiede und Kultübung 9. 13. 15 ff. 36. 62

Suovitaurilia ladentia 12 IwainoXis, Heros der Eleer 22

Taufe 52

d'elxrij^ia, -d'elysiv 32. 35

Totenbeschwörung 25 ff. 63 Totenkult 20. 29 ff. 34. 50. 63 *

Usener, Milch und Honig 2. 39 ff. 52 f.

Venus Verticordia 12 Verg. Aen. V 77 26 f. 38 f. Viehzucht 3 f. 8

Wein gleich Nektar 47. 64

Wein im Gegensatz zu anderen

Spenden 15 ff. 19 ff. 33 f. 42.

46. 63

in Verbindung mit Milch 25 ff. 39 ff. 52. 56

verdrängt Milch 13. 15 ff. 62

vom altröm. Opfer ausge- schlossen 9

Wiedergeburt 53 ff.

Zähmung der Milchtiere 1 f. 61 Zauber 5. 28 f. 64 Zauberpapyri 56 Zeus Jugend 48. 64 Zevs IJohevs 22

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Die Milch im Kultus der Griechen und Römer

67

Terzeichnis der wiclitigeren Literatur

RGW, Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten. Herausgegeben von Wünsch und Deubner bei Alfred Töpelmann, Gießen.

PW, Pauly-Wissowa, Real-Encyclopädie, Stuttgart 1894 ff.

Roschers Lexikon, Ausführliches Lexikon der griechischen und römi- schen Mythologie. Hrsgg. von W. H. Röscher, Leipzig 1884 ff.

G. Anrieh, Das antike Mysterienwesen in seinem Einfluß auf das Christen- tum, Göttingen 1894.

A. Dieterich, Eine Mithrasliturgie -, Leipzig 1910.

Der Untergang der antiken Religion. Kleine Schriften, Leipzig 1911, S. 464. J. von Fritze De lihaüone veterum Graecorum. Diss. Berlin 1893. K. Kircher, Die sakrale Bedeutung des Weins. RGW IX 2, Gießen 1910. Ed. Meyer, Geschichte des Altertums I 1'. Anthropologie.

W. Robert-Tornow De apium mellisque apud veteres significatione , Berlin 1893.

E. Roh de, Psyche'^ Freiburg 1898.

0. Schrader, Sprachvergleichung und Urgeschichte ^ Jena 1907.

Reallexikon der idg. Alterturaskunde, Straßburg 1901.

P. Stengel, Griechische Kultusaltertümer-, München 1898.

Opferbräuche der Griechen, Leipzig 1910.

H. Usener, Milch und Honig, Rheinisches Museum LVIIUK)2, 177 ff. Kleine Schriften IV, 398 ff. Leipzig 1913.

G. Wissowa, Religion und Kultus der Römer '^, München 1912.

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Karl Wyß

Moiren 21

Mythisches Denken 5. 17 f. Mysterienknlt (und Christentum) 38. 52 ff. 57. 64

rky.xaQ 46 ff. 64

rrifäXia 18 ff. bes. 24. 32. 36 f. 39. 62f.

novum lac 27

Nymphen 21 f. 48

Olympische Götter 14 f. 20. 62 Opfer, seine Bedeutung 6. 13 f. 15. 62 Orphische Eeligion 40. 48

Pales 10 f. 62 Pan 11. 21. 62 Persische Mysterien 55 f. I. Petrusbrief 2, 2 55

cpdofiny.ot' d&avaaias 49. 54. 64 nökros, puls 5. 23 Priapus 12. 62 Pythagoreer 32. 40. 54. 60

Kind im Kult 2 Rumina 8 f. 13. 62

Sallustios ^£^1 &ecöv IV 54 f. Silvaniis 10. 62

Standesunterschiede und Kultübung 9. 13. 15 ff. 36. 62

Suovitaurilia ladentia 12 Iwainohs, Heros der Eleer 22

Taufe 52

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Totenbeschwörung 25 ff. 63 Totenkult 20. 29 ff. 34. 50. 63

Usener, Milch und Honig 2. 39 ff. 52 f.

Yenus Verticordia 12 Verg. Aen. V 77 26 f. 38 f. Viehzucht 3 f. 8

Wein gleich Nektar 47. 64

Wein im Gegensatz zu anderen

Spenden 15 ff. 19 ff. 33 f. 42.

46. 63

in Verbindung mit Milch 25 ff. 39 ff. 52. 56

verdrängt Milch 13. 15 ff. 62

vom altröm. Opfer ausge- schlossen 9

Wiedergeburt 53 ff.

Zähmung der Milchtiere 1 f. 61 Zauber 5. 28 f. 64 Zauberpapyri 56 Zeus Jugend 48. 64 Zeis IIoXisvs 22

Die Milch im Kultus der Griechen und Kömer 67

Verzeichnis der wichtigeren Literatnr

RGW, Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarheiten. Herausgegeben

von Wünsch und Deubner bei Alfred Töpelmann, Gießen. PW, Pauly-Wissowa, Real-Eneyclopädie, Stuttgart 1894 ff.

Roschers Lexikon, Ausführliches Lexikon der griechischen und römi- schen Mythologie. Hrsgg. von W. H. Röscher, Leipzig 1884 ff.

G. Anrieh, Das antike Mysterienwesen in seinem Einfluß auf das Christen- tum, Göttingen 1894.

A. Dieterich, Eine Mithrasliturgie -, Leipzig 1910.

Der Untergang der antiken Religion. Kleine Schriften, Leipzig 1911, S. 464. J. von Fritze De Ubntlone veterum Graecorum. Diss. Berlin 1893. K. Kircher, Die sakrale Bedeutung des Weins. RGW IX 2, Gießen 1910. Ed. Meyer, Geschichte des Altertums II'. Anthropologie.

W. Robert-Tornow De apium melUsque apuä veteres significatione , Berlin 1893.

E. Roh de, Psyche-, Freiburg 1898.

0. Schrader, Sprachvergleichung und Urgeschichte', Jena 1907.

Reallexikon der idg. Altertumskunde, Straßburg 1901.

P. Stengel, Griechische Kultusaltertümer-, München 1898.

Opferbräuche der Griechen, Leipzig 1910.

H. Usener, Milch und Honig, Rheinisches Museum LVII 1902, 177 ff. Kleine Schriften IV, 398 ff. Leipzig 1913.

G. Wissowa, Religion und Kultus der Römer ^, München 1912,

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Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten

B^"^ De antiquissimis veterum, quae ad lesum ^^" Nazarenum spectant, testimoDÜs

scripsit Kurt Linck

1913 118 S. M. 4.—

Die Arbeit hat den Zweck, von neuem die nichtchristliclien Zeugnisse über Jesus von Nazareth (Joseph, ant. Jud. XVIII 63 sq. Niese, Plin. ep. ad Tr. 95. 96, Tac. ann. XV 44, Suet. Claud. 25) auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu untersuchen. Bestimmend hierfür waren folgende Gründe : Zunächst ist die besonders seitdem Erscheinen von A. Drews' 'Christus- mythe' (Teil I Jena 1910, II 1911) vielfach entstandene Ansicht zurückzuweisen, daß aus jenen Zeugnissen unbeschadet dessen, ob sie echt oder interpoliert seien, kein Argument gezogen werden dürfe für die Frage nach der Geschichtlichkeit Jesu und nach seiner Sekte. Sodann erschien es zweckmäßig, das im Laufe der Zeit sehr angewachsene und an den verschiedensten Stellen verstreute Material in den Hauptzügeu zusammenzufassen und die Echtheit aller vier Testimonia in ein und derselben Abhandlung zu prüfen. Endlich glaubte der Verfasser, auf das Sprachliche der Zeugnisse noch mehr Sorgfalt verwenden zu müssen, als es bisher geschehen ist. Jedem Autor ist ein Kapitel zuge- wiesen. Die Resultate sind folgende: 1. Die Josephusstelle ist ganz als interpoliert zu betrachten. 2. Des Plinius Brief und Traians Antwort sind echt. Aus jenem er- fahren wir einiges über die ersten christlichen Gemeinden von Pontus und Bithynien. .3. Des Tacitus Zeugnis muß in allen Teilen als echt anerka.nnt werden und ist am wertvollsten. Ihm liegen zuverlässige Quellen zugrunde; wir erfahren daraus: a) Zur Zeit Neros waren Christen in Rom; b) als Stifter ihrer Religion galt dem Tac Jesus von Nazareth; c) dieser war unter Pontius Pilatus gekreuzigt; d) Jesus ist nach Tac. unter die historischen Persönlichkeiten zu rechnen. 4. Die Worte in Suet. Claud. 25 sind echt und beziehen sich auf einen jüdischen Aufwiegler namens Chrestus, der uns weiter nicht bekannt ist.

and De coronarum apud antiquos vi atque usu

* * scripsit Josef Köchliug

1914 100 S. M. 3.40

Im ersten Kapitel wird die Bedeutung des Kranzes untersucht, die sich einerseits aus seiner Form, andererseits aus seinem Material ergibt. Das zweite Kapitel bringt die Verwendung des Kranzes als prophylaktisches und apotropäisches Mittel bei der Kon- sekration von Tempeln, Altären, Bildwerken und anderen Gott geweihten Gegenständen, bei Geburt, Hochzeit und Tod, bei allen privaten und öffentlichen Feiern und bei jeder magischen Handlung. Zu den Sitten der Alten werden bisweilen die Bräuche moderner Völker in Vergleich gesetzt. Im dritten Kapitel gibt der Verfasser einen kurzen Über- blick über die geschichtliche Entwicklung der Bedeutung des Kranzes.

Das stellvertretende Huhnopfer

Mit besonderer Berücksichtigung des jüdischen Volksglaubens

von Isidor Scheftelowitz

1914 70 S. M. 2.40

Zunächst werden die Fälle behandelt, in denen das Huhn als Substitut für den Menschen den Göttern dargebracht wird, z. B. bei Krankheiten, beim Todesfall, bei der Grundstein- legung eines Hauses. Das Huhn im Hochzeitsritual dient entweder zur Besänftigung der Dämonen oder als magisches Symbol des Kindersegens. Das Huhnopfer ist oft verbunden mit den apotropäischen Zeremonien des Umkreisens, Schwingens. Blutbesprengens. Ferner werden dargelegt die Apoponipe mittels des Huhnes und die Gründe, warum das Huhn als ein Dämonen verscheuchendes Tier aufgefaßt und so als Opfer für die Dämonen be- vorzugt worden ist und selbst ein dämonisches Tier geworden ist. Schließlich wird die Entstehung des jüdischen Volksbrauches des Kapporo-Huhnes untersucht und auch der Ritualmordaberglaube behandelt.

H^ De veterum macarismis

' scripsit Gustav Lejeune Dirichlet

1914 73 S. M. 2.50

Die aus dem Neuen Testament bekannte Formel der Seligpreisung findet sich auch in der antiken Literatur häutig verwendet. Das erste Kapitel der Arbeit gibt eine Geschichte der in dieser Redewendung gebräuchlichen Synonyma, besonders der Worte /uäxao, öXßioi, iv^aiuiov, und analysiert die einzelnen Formen des Makarismus. Im zweiten Kapitel werden die verschiedenen Typen nach sachlichen Gesichtspunkten zusammen- gestellt, wodurch die Seligpreisung als kürze.ste Fassung antiker Anschauungen über das Ideal und als Gemeinplatz einzelner literarischer Gattungen erwiesen wird.

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Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten

XIV.Band 5. Heft

1914

Babylonian-Assyrian Birth-Omens

And Their Cultural Significance by Morris Jastrow, jr.

92 S.

M. 3.20

Die Schrift ist ein Nebenergebnis der langjährigen Studien des Verfassers über die baby- lonisch-assyrische Keligion. Auf Grund von zahlreichen Auszügen aus den betreffenden Keilschtifttexten wird die babylonisch-assyrische Deutungslehre aus Geburtsvorzeichen dargestellt, und zwar erstreckt sich diese Lehre sowohl auf Tiergeburten wie auf Er- scheinungen bei Menschengeburten. Sodann geht der Verfasser über zu einer Unter- suchung der kulturhistorischen Bedeutung dieser Geburtsvorzeichenlehre und weist nach, daß Nachklänge in den weitverbreiteten Anschauungen über Monstrositäten als Monstra. d h also Zeichen von den Göttern gesandt, sowie in der Annahme von Misch- und Fabel- wesen bei Babyloniem, Ägyptern, Etruskern, Griechen, Römern, ja selbst im fernen Osten zu erkennen sind. Die Schrift wendet sich also an weite Kreise und hofft das Interesse der klassischen Archäologen, der Orientalisten und der Religionsforscher für das behan- delte Problem zu erregen.

XV. Band Die Fiagmeiite der griecMschen Kultschriftsteller

herausgegeben und erläutert

von Alois Tresp

1914

Im Druck

Gesammelt sind in dieser Arbeit die Fragmente aus den Schriften, deren Titel mit griechischem Kult im Zusammenhang steht. In zweifelhaften Fällen, wie bei den Schriften über das griechische Orakelweseu, war der Inhalt der Fragmente maßgebend. (Jedem Frag- ment folgen die wichtigsten textkritischen Bemerkungen ; angeschlossen ist die Literatur, die auf das Fragment sich bezieht, und Bemerkungen des V'erfassers, sofern etwas Neues hin- zuzufügen war.) Die Ergebnisse der Sammlung sind in einer Einleitung zusammengefaßt. Im Quellenregister sind sämtliche Stellen aus den Quellenschriftstellern zusammengestellt, mögen diese direkt ihre Gewährsmänner zitieren oder sachlich mit ihnen übereinstimmen.

Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin

Archiv für Beligionswissenschaftj

Nach Albrecht Dieterich unter Mitwirkung von H. Oldenberg, C. Bezold, K. Th. Preuß in Verbindung mit L. Deubner

herausgegeben von Richard Wünscll.

XVII. Jahrgang. 1914. Jährlich 4 Hefte zu je etwa 10 Druckbogen. Preis Ji 18,-

Das „Archiv für Religionswissenschaft" will zur Lösung der nächsten und wichtigsten a\j diesem Gebiete bestehenden Aufgaben, der Erforschung des allgemein ethnischen Untergrund«! aller Religionen, wie der Genesis unserer Religion, des Unterganges der antiken Religion und dJ Werdens des Christentums beitragen und insbesondere die verschiedenen Philologien, VölkerkuniJ und Volkskunde und die wissenschaftliche Theologie vereinigen. Neben der I. Abteilung, dl wissenschaftliche Abhandlungen enthält, stehen als II. Abteilung Berichte, in denen vcj Vertretern der einzelnen Gebiete kurz, ohne irgendwie Vollständigkeit anzustreben, die hauptsäcl liebsten Forschungen und Fortschritte religionsgeschichtlicher Art in ihrem besonderen ArbeitI bereiche hervorgehoben und beurteilt werden. Regelmäßig kehren in fester Verteilung auf vil Jahrgänge zusammenfassende Berichte über wichtige Erscheinungen auf den verschiedenen Gebiet^ der Religionswissenschaft wieder. Die III. Abteilung bringt Mitteilungen und Hinweise.

U. Fätz'sdie Budidr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S.

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BL fißligionögescnichtiiche Versuche

25 und Vonrbeiten

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3d.l5 Heft 2

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UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY

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Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten xiv.Band Babylonian-Assyrian Birth-Omens

^' ® And Their Cultural Significance

by Morris Jastrow, jr.

1914 92 S. M. 3.20

Die Schrift ist ein Nebenergebnis der langjährigen Studien des Verfassers über die baby- lonisch-assyrische Religion. Auf Grund von zahlreichen Auszügen aus den betreffenden Keilschrifttexten wird die babylonisch-assyrische Deutungslehre aus Geburtsvorzeichen dargestellt, und zwar erstreckt sich diese Lehre sowohl auf Tiergeburten wie auf Er- scheinungen bei Menschengeburten. Sodann geht der Verfasser liber zu einer Unter- suchung der kulturhistorischen Bedeutung dieser Geburtsvorzeichenlehre und weist nach, daß Nachklänge in den weitverbreiteten Anschauungen über Monstrositäten als Monstra, d. h. also Zeichen von den Göttern gesandt, sowie in der Annahme von Misch- und Fabel- wesen bei Babyloniern, Ägyptern, Etruskern, Griechen, Römern, ja selbst im fernen Osten zu erkennen sind. Die Schrift wendet sich also an weite Kreise und hofft das Interesse der klassischen Archäologen, der Orientalisten und der Religionsforscher für das behan- delte Problem zu erregen.

XV. Band Die Fragmente der griechischeü Kultschriftsteller

z. Heft , , , ,

herausgegeben und erläutert

von Alois Tresp

1914 Im Druck

Gesammelt sind in dieser Arbeit die Fragmente aus den Schriften, deren Titel mit griechischem Kult im Zusammenhang steht. In zweifelhaften Fällen, wie bei den Schriften über das griechische Orakelweseu, war der Inhalt der Fragmente maßgebend. (Jedem Frag- ment folgen die wichtigsten textkritischen Bemerkungen ; angeschlossen ist die Literatur, die auf das Fragment sich bezieht, und Bemerkungen des Verfassers, sofern etwas Neues hin- zuzufügen war.) Die Ergebnisse der Sammlung sind in einer Einleitung zusammengefaßt. Im Quellenregister sind sämtliche Stellen aus den Quellenschriftstellern zusammengestellt, mögen diese direkt ihi-e Gewährsmänner zitieren oder sachlich mit ihnen übereinstimmen.

Verlag von B. G. Teubner in Leipzig und Berlin

Archiv für Religionswissenschaft

Nach Albrecht Dieterich unter Mitwirkung von H. Oldenberg, C. Bezold, K. Th. Preuß in Verbindung mit L. Deubner

herausgegeben von Richard WünSCh.

XVII. Jahrgang. 1914. Jährlich 4 Hefte zu je etwa 10 Druckbogen. Preis M 18.

Das «Archiv für Religionswissenschaft" will zur Lösung der nächsten und wichtigsten auf diesem Gebiete bestehenden Aufgaben, der Erforschung des allgemein ethnischen Untergrundes aller Religionen, wie der Genesis unserer Religion, des Unterganges der antiken Religion und des Werdens des Christentums beitragen und insbesondere die verschiedenen Philologien, Völkerkunde und Volkskunde und die wissenschaftliche Theologie vereinigen. Neben der I. Abteilung, die wissenschaftliche Abhandlungen enthält, stehen als II. Abteilung Berichte, in denen von Vertretern der einzelnen Gebiete kurz, ohne irgendwie Vollständigkeit anzustreben, die hauptsäch-B liebsten Forschungen und Fortschritte religionsgeschichtlicher Art in ihrem besonderen Arbeits- bereiche hervorgehoben und beurteilt werden. Regelmäßig kehren in fester Verteilung auf vier Jahrgänge zusammenfassende Berichte über wichtige Erscheinungen auf den verschiedenen Gebieten der Religionswissenschaft wieder. Die III. Abteilung bringt Mitteilungen und Hinweise.

U. Fätz'sdie Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S.

BL fißlxgioniigesciiichtiiche Versuche 25 und VorLrbeiten

Bd. 15 Heft 2

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