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Rheinisches Museum

tnr

PHILOLOGIE.

ITerausgegebeu

voll

Franz Buecheler und Hermann Usener.

Neue Folge.

Siebenundfünfzigsten Bandes erstes Heft.

I

I

Frankfurt a. M.

J. D. S a u e Γ 1 ä u d e Γ * s Verlag.

1ίίί>2.

In J. D. Saueriänder's Verlag iu Frankfurt a. M. ist erschienen und durch alle Buchhandluns:en zu beziehen:

Das Problem ttber die Ehe

vom

philosophischen, geschichtlichen und sozialen

Gesichtspunkte

Tun

Otto Caspari,

weiland Professor der Philosophie an der rniversität Heidelberg.

a^ VIII und 126 Seiten. Preis: M. 2.—

Inhalt: I. Einleitung und Literatur. II. Die rbersinnlich- keitsauschauun^ der Idealisten und der Kirche über die E)he. III. Die Sinnlichkeitiianschattttng der Naturalisten und Materialisten über die Ehe. IV. Die sittenlose Ver- wahrlosung ira Geschlechtsverkehr der civilisirten Völker. V. Widerspruche und Ausblicke der Parteien auf eine Lösung des Eheproblems. VI. Überblick über die Geschichte der fihe und Familie unter den Culturvölkern. VII. Die An- schiiuuny: der Philosophen und Ethnologen über die Ehe- gomeinschiift. VI 11. Die ('norduung des Sexu:ilv«rkt*hrs neben der heutigen Ehe, und die allgemeine öca:its«»rdninig der ^fffien•* Ehe! IX. Die Frauenbewegung und dii* Ehe- frage. — X. Die Erziehung der Nachkommenschaft und die freie Ehe.

Die Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft

V,m, Heft 2, schreibt darüber:

e. CasiHtri, OttOj Das PrMem über die Khe vom philfh• soißfiischm, geschichtlichen und sozialen Gesichtsputtki. Frank- furt a. M., J. D. Sauerländer. lK)a. Dieses Büchlein, welchem iichimheit der Darstellung, geschmackvolle philosophische Kon- zentration eines gewaltigen Materials othn(»h)gischer, kirchon- geschichtlicher, soziologischer und hvgicnischcr Kenntnisse, namentlich aber die Ruhe der AuseinandtTsetzung nicht ab^'i- fcprocheu werden können, wird starken und vii;l.<fitii;en Wider- spruch hervorrufen, obwohl es dir „Elic auf Siunden** (der Pn»- ßtitution) so abweisend geji»nul'cr tritt. \Nie dt;m sakrumentalfn Charakter der „ewigen ", un.iufioslifhrn Einehe. Die Ευηΐιτηηι.•• des Verfassers ist: _l>ii: sittliche Freiheit di-r Eheleute in ihivr Entscheidunir ist .11« cr^t«•, nbirr'-ii.' und ein/ii:«; Inst an/, in .ι1Ι••η Angelffft/nhi-itiTi •ΐΐ'.> Zu.-.iniiiH'n>eiii.•* in der lAiv/ i..>. i'J•.

Rheinisches Museum

für

PHILOLOGIE

HerauBgegrebeTi

Ton

Franz Buecheler und Hermann Usener

Nene Folge

Sieben und fttnizisrster Band.

Frankfurt am Hain

J. D. Sanerländcrs Verlaj?. 1902.

'.' I^laud Stanford, Jr.

Verzeicliniss der Mitarbeiter

von Band XXXV LVII und ihrer Beiträge von Band XLV an.

Ahrens, H. L., in Hannover f Amsel, G., in Gross - Lichterfelde Apelt, O., in Eisenach {49, 59. 50,

394. 55, 621. 55, 9) Arnim, H. von, in Wien Asbach, J., in Düsseldorf Aubert, L. C. M., in Christ iania Aufrecht, Th., in Bonn Ausfeld, Α., in Baden-Baden (50,

357. 5^,435. 557. 55, 348. 5β,517)

Bannier, W., in München (54, 544.

&j, 479) Bartbolomae, Chr., in Giessen

(45, 151) Barwinski, B., in Deutsch -Krone Bauer, Α., in Graz (55, H)8) Baunack, J., in Leipzig Becher, F., in Berlin f (45, 31«. 47 ,

639. 55, 481) Beloch, J., in Rom (45, 4()5. 555.

49, 111. 50, 250. 54, 414) Bergk, Th., in Bonn f Bethe, E., in Basel {46, 511. 47 y

Wll. 48, 91. 355. 4S4. 55, 414) Biese, Α., in Neuwied Birt, Th., in Marburg {45, 491. 46,

152. 50, 31. 101. 51, 70. 153. 240.

468. 491. 506. 52 Suppl. 54,40.

201) Bischoff, E. F., in Leipzig (55, 328.

54 9. 55 488) Blas«, F., in Halle (47. 2<ii). 55,283.

54, 33. 55, 91. 341) Hoehme, J., in Hamburg Boor, C. de, in Breslau {45, 477.

47, 321) Braudis, C. G., in Charlottenburg

[51, 109) Brandt, S., in Heidelberg {47, 390) Breysig, Α., in Berlin f (55, 157.

fif»5. 56, 55) Brinkmann, Α., in Bonn {51, '213.

441. 5.8, β32. 54, 93. 56, 55. 57,^

482)

Bröcker, L. 0., in Hamburg f Brugmann, K., in Leipzig (53, 630) Brugmann, O., in Leipzig (50, 478) Bruhn, E., in Kiel (45, 273. 48, 628.

49, 168)

Bruns, J., in Kiel f (45, 138. 223)

Buecheler, F., in Bonn (45, 159. 161.321. 46, 159. 233. 632. 48, 84. 320. 631. 4,9, 175. 51, 153. 325. 471. 638. 52, 302. 391. 53, 166. 205. 54, 1. 484. 55, 1. 56, 154. 321. 57, 315. 321)

Buermann, H.. in Berlin

Buettner, R., in Gera {55, 121)

Bugge, S., in Christiania

Bunte, B., in Leer

Buresch, K., in Athen f (4β, 193. 47, 329. 49, 424)

Busche, K., in Leer (55, 299)

Busolt, G., in Göttingen

Busse, Α., in Berlin (49, 72)

Bywater, J., in Oxford

Cauer, F., in Elberfeld (46, 244.

50, 348)

Cauer, P., in Düsseldorf (47, 74) Cholodniak, J., in St. Petersburg Christ, W., iu München Christensen, Η , in Hamburg (54,

134) Cichorius, C, in Breslau Cohn, L., in Breslau Conway, R. J., in Cardiff (49,480) Corssen, P., in Berlin (51, 226) Crönert, W., in Bonn {53, 585. 54,

593. 56, 607. 57, 285) Crusius, 0., in Heidelberg (45, 265.

46, 318. 47, 61. 48, 152. 299.

49 299. 51, 544) Curtius, E., in Berlin f (50, 373)

Darbishire, H. D., in Cambridge Daub, Α., in Freiburg i. Br. f De^ering, H., in Bonn (57, 8) Dechent, H., in Frankfurt a. M.

IV

Yerzeichniss

Deecke, W., in Mülhausen i. E. t Deiter, H., in Hannover Deiters, P., in Köln (5Ö, 587) Dessauer, H. f (56, 41β) Diehl, E., in Miyichen {54, IV>) Diele, H., in Berlin {46, (ilT. 49,

478. 56, 29) Dieterich, Α., in (iiessen (46, 25.

48, 141. 275. 55, 191. 56, 77) Dietze, J., in Hamburg [49, 21) Dittenberger, W., in Halle (47, 324) Doerpfeld, W., in Athen {51, 127) Domaszewski, A. v., in Heidelberg

(45, 1. 203. 46, 599. 47, 159. 207.

48, 240. 842. 49, (512. 53, «8H.

54, 158. 311. 55, 318. 57, 50Γ,) Dragendorff, H., in Frankfurt a. M.

(51, 281 ) Drerup, E., in München {51, 21) Duemmler, F., in Basel f {45, 178) Duhn, F. V., in Heidelberg Ihincker, Α., in Kassel t Dyroff, Α., in Freiburg i.B.(50,481) Dziatzko, K., in Göttingen {45, G39.

46, 47. 349. 47, Γ,34. 49, 559.

54, 497. 55, 104)

Egenolff, P., in Heidelberg f (56, 284)

Ellis. R., in Oxford

Elter, Α., in Bonn (46, 112. 47, 130.

629) Enmann, Α., in St. Petersburg (57,

517) Enthoven, L., in Strassburg i. E.

{46, 480. 48, 472) Eskuche, G., in Siegen (45, 2m. 3S5)

Fabricius, E., in Freiburg i. Br.

{46, 337. 589. 48, 448. 51, 45(1) Faltin, G., in Neu-Ruppin t Flach, II., in Hamburg f Foerst^r, R., in Breslau {49, Uu,

168. 481. 50, m. 640. 51, 481.

5^, 144. 29G. 298. 53, 547. 55,

139. 435) Foerster, Wilh., in Rheydt Fränkel, Α., in Zabern Fränkel, M., in Berlin {47, 473. 50,

233. 423. 480. 640. 57, 152, 534) Fränkel, S., in Breslau (51, 328) Frederking, Α., in Worms (46, 144.

52, 449) Freudenthal, J., in Breslau Frick, C, in Höxter {46, 106) Friederich, B., in Hannover Friedländer, L., in Strassburg i. E. Fries, C, in Berlin (54, 555. 55, Im.

57, 265)

Fritze, H. v., in lierlin {55, 588) Fritzsche, R. Α., in Giessen (57,

363) Froehner, W., in Paris {47, 291) Fuchs, R., in Dresden {49, 532.

50, 576. 51, 164. 52, 377. 634.

53, 49i;) Fuhr, K., in Berlin {50, 304. 51,

45. li;4. 57, 422) Furtwängler, Α., in München (57,

252) Oalland, C, in Strassburg Oardthausen, V., in Leipzig {45,

612. 46, 619. 50, 311) Geizer. H., in Jena (48, 161) Gercke, Α., in Greifswald {47, 319.

45, 41. 54, 404) Gilbert, I., in Grimma {51, 471) Gilbert, W., in Schneeberg Gloeckner, F., in Staremberg Gloel, H., in Wesel {47, 136) Goebel, K., in Fulda {53, 628) Goetz, G., in Jena Gomperz, Th., in Wien Graf, E., in Quedlinburg (46, 71) Gundermann, G., in Tübingen (45,

361. 46, 489) Gurlitt, L, in Steglitz (56, 596. 57,

337) Gutscbmid, A. von, in Tübingen f

Haeberlin, C, in Göttingen (45, 21 .

311) Hagen, Π., in Bern f Haussen. F., in Santiago Härder, Chr., in Neumünster (48,

433) Hartfelder, K., in Heidelberg f Haulcr, E., in Wien (54, 161) Heerdegen, F., in Erlangen Heidtmann, G., in Pfaffondorf Heinze, R., in Berlin {45, 497) llelbig, W., in Hom {55, 55) Heldmann, Γ., in Hinteln (5^,299) Helm, R.. in Steglitz (52, 177. 54,

111. 56, 340) Hense, 0., in Freiburij i. Br. (45,

541. 47, 219. 49, 174. 50, 140.

53, 31H. 55, 222. 56*, 106. .305) Heraeus, W., in Oflenbach {54,

156. 305 j Hertling, (r. ν , in München Hertz, M., in Breslau f Herwerden, H. van, in Utrecht Hettner, F., in Trier Heydemann, H., in Halle f Heylbut, G., in Hamburg Hiller, E., in Halle f

der Mitarbeiter.

Hirschfeld, G., in Königsberg f Hirichfeld, 0., in Charlottenbiirg

(51, 470. 474. 475. 52, 2,H) Hirzel, R., in Jena (45, 419. 47, 359) Hoerechelmann, W., in Dorpat t Hoffmann, E., in Wien f (50, 90.

484. 48β. 51, 320. 52, 99) Hoffmann, 0., in Breslau (5(), 474) Holwerda, J. H., in Leiden {55^ 47H) Holzapfel, L., in Giessen Uosius. C, in Münster (46, 287. 577.

4Γ.462. 48, 380. 50, 28i). 51, 197) Hoyer, R., in Kreuznach (53, 37) Hnelsen, Chr., in Rom (45, 284.

49, 879. 629) Hug, Α., in Zürich t

Ihm, M., in München (45,

4^,323.371.494.621.47

β35. 479. 49, 247. 316.

191. 367. 5h 315. 473.

129. 143. 205. 454. 459.

165. 495. 56, 148. 635. Ilberg, J., in Leipzig (45,

489. 51, 165. 466. 52, Immisch, 0., in Leipzig

ei3. 48, 290. 512. 52,

313)

622. 639. ,312. 48, 479. 50, 638. 52, 633. 53, 57, 316) 111. 47, 591)

(46, 488. 126. 54,

Jahnke, R., in Brüssel (47, 460) Jan, C. V., in Strassburg t (46, 557) Jeep, L., in Königsberg (51, 401.

52, 213)

Jadeich, W., in Erlangen (47, 53) Jongblut, H., in Frankfurt a. M.

Kaerst, J., in Leipzig (52, 42, 519) Kaibel, G., in Göttingen f Kakridis, Th., in Athen (57, 463) Kalbfl(>i8ch, K., in Rostock (51, 466.

53, 160) Kalkmann, Α., in Berlin Karo, G., in Bonn (48, 311) Kekule von Stradonitz, R., in Berlin Kiderlin, M., in München! (46, 9) Kirchner, J. E., in Berlin (46, 488.

47. 550. 53, 380. 57, 476) Klatt, M., in Berlin (45, 335) Klebe, E., in Berlin (45, 43f;. 47,

1. 515) Klein, J., in Bonn f Klotz, Α , in München (56, 429. (;39) Knaack, G., in Stettin (48, 632.

49, 310. 476. 526. 57, 166. 205) Koch, J., in Marburg

Kock, Th., in Weimar f (45, 50. 46, 299. 48, 208. 579. 49, 1(»2. 176.

50, UOj

Koehler, ü., in Berlin (46, 1. 53,

485. 491) Koepp, F., in Münster (48, 154.

485. 50, 268) Koerte, Α., in Greifswald (45, 172.

52, 168. 333. 53, 160. 55, 131. 57, 625)

Koerte, G., in Rostock (53, 239) Kopp, .Λ., in Berlin Korsch, Th., in Moskau Krascheninnikoff. M., in Dorpat (48,

634) Kroll, W., in Greifswald (47, 457.

599. 50, 636. 52, 286. 338. 569.

53, hl 4. 56, 304) Krumbacher, K., in München Krumbholz, P., in Weimar (50, 205.

52, 237) Kuebler, B., in Berlin (45, 485.

46, 324) Kuhnert, Ε , in Königsberg i. P.

(4P, 37) Kunze, R., in Grimma (53, 159. 56,

333. 57, 437)

Landgraf, G., in München (56, 310)

Lange, K., in Tübingen

Tiattes, E., in Mailand (49, 317. 57,

318) Lehnert, G., in München (55, 112) Leo, F., in Göttingen (52, 509. 55,

604) Lewy, H., in Mülhausen i. E. (48,

398. 472) Lietzmann, Π., in Bonn {57, 634) Lindsay, W. M. (57, 196) Loewe, G., in Göttingen t Lommatzsch, E., in Freiburg i. B.

(52, 303) Luckenbach, H., in Karlsruhe Ludwich, Α., in Königsberg (45,

11. 46, 139) Luebbert, E., iu Bonn f Lueddecke, K., in Celle (52, 628) Luetjohann, Chr., in Greifswald t Lugebil, K., in St. Petersburg f

Malchin, F., in Rostock (55, 493) Mangold, Κ , in Jena (57, 259) Manitius, M., in Dresden (45, 153.

316.485. 46, 150.493.622.47,465.

Suppl. 48, 313. 474. 49, 170. 50,

1.52. 315. 641. 51, 160. 52, 131.

305. 53, 393. 54, 293. 56, 462.

57, 392) Marcks, J. F., in Köln {56, 141) Martini, E., in li^ipzig (5;?, :MH.

55, 612)

η

Yerzeichnin

Marx. F., in Leipziir (4β, 4^. *ίΟ'•.

»νί»ί. 47. 107. 50, 321• 31 an, Α.. in Rom Meif»r, P. J., in Braanschweijr Meister, R., in Leipzig Mendelesohn, L., in Dorpat f Meyer, E., in Berlin V. Me«8, Α., in Manchen (53, 482.

56. 1671

Mollat, G., in Kassel Müllenbach, E., in Bonn t Möller, Γ. Fr., in Kiel {46, 320.

50, *ioi) Maller. C. F. W., in lireslau (51, iXO.

53, 121. 54, 8S1. 526. 55, 812.

635) Müller, H. J., in Berlin Möller, K. K., in Jena Münseber. K., in Breslau {54. 24H) Muenzel, R., in Hamburg Münzer, F., in Basi-l {53, 59(5)

Vake, B., in Dresden Xatorp, 1'., in Marburg Neahaus.O., in Königsberg (56% 272.

57, 474. 610,

Neumann, K. J., in Strassburg Niedermann, M.. in Basel ^52. 505) Niese, B., in Marburg Nissen, H., in Bonn (45, 100. 47,

161. 49, 1. 275) Noack, F.. in Jeua {48, 420i Norden, E., in Breslau (48, 348.

529. 49, 194. 54, 4^,\κ 56, 473)

Oder. E., in Berlin {45. 58. 212.

637. 48, 1. 51, 52. 311) Oehniichen, G., in München (46, 99) Osthoff. H., in Heidelberg Otto, Α., in Breslau Overbeck, J., in Leipzig f

Papadopulos-Kerameus, Α., in St.

Petersburg {46, KiO. WA) Patzig, E., in Leipzig Paucker, C. v., in Heval t Paul, L., in Dresden t («^^i, <»02.

57, 7(;) Peppmüller, R., in Stralsund Pernice, E., iu Berlin {46, 495. 626) Peter, H., in Meibsen {57, 231) Petersen, E., iu Rom (50, 453) Pfleiderer, E., in Tübingen f Pflugk-Harttung, .1. v., in Berlin Philippi, Α., in Dresden PlasberiT, O., in Strassburg i. Fl. (5•!^,

66.640. 54, 144. H3S) Pokrowskij, Μ , in Moskau (5^,425;

Pomtow, Hm in Eberswalde {49y 577. 627. 5t, 329. 560. 52. 105)

Preuner, E., in Greifewald {49, 313. 362)

Prott, H. V., in Athen (52, 187.

53, 460)

Habe, H., in Hannover (47, 404. 48. 147. 49, 625. 50, 148. 241.

54, 632. 55. 154) Radermacher. L., in Bonn {47. 569.

48. 622. 49, 1(>3. 50, 137. 475. 51, 3U. 4i>3. 596. 52, 13. 412. 624. 634. 53, 197. 54. 285. 351. 374. 638. 55. 149. 482. 56. 139. 202. 57, 137. 158. 278. 314. 47h. 640)

Raeder, J., in Kopenhagen (57, 449 Rassow, H., in Weimar Reitzenstein, R., in Strassburg Reuss, F., in Köln (54, 446. 56, :>i9.

57, 559) Ribbeck, O., in Leipzig f {45. 146.

147. 313. 46. .331. :\:^S. 47, 597.

&2H. 49. 472. 50. 277. 314. 558) Ribbeck, Wo., in Berlin f Riese, Α., in Frankfurt a. M. (51,

637. 55, 316) Riess, E.,in Chicago (48,307. 49. 177) Roemer, Α., in Erlangen Rohde. E.. in Heidelberg f {48, HO.

49, 623. (>24. 50, 1. 600) Röscher, W. H., in Würzen {53, 169.

(>3i)) Rossbach. O., in Königsberg (46,

311. 48, 592. 52, 1. 53, 167. 629.

54, 277. 55, 641. 57, 473) Rossberg, K., in Hildesheim Ruehl, F., in Königsberg (4^. 14f-..

426. 47, 152. ΦίΟ. 48, 565. 49,

256. 50, 141. 5.9, 321. ii35. 54,

152. 316. 56, 508. 634) Rvssel, V., in Zürich {48, 175. 51,

Ί. 31S. 52ίί)

Scala, R. v., in Innsbruck (45, 474)

Schaefer, Α., in Bonn f

Schanz, M., in Würzburg (50, 111.

54, 19. 55, 86) Scheer, E., in Saarbrücken Schepss, G., in Speier f (4S, 4H2» Schlee, F., in Sorau (46", 1 17) Schmid, W., in Tübingen i4S, 53.

626. 4/>, 133. 50,30X. 310. 52, 446.

57. 624) Schmidt, B., in Freiburg i. Br. {53,

477) Schmidt, J., iu Königsberg f {45,

der Mitarbeiter«

▼η

148. 157. 318. 482. 599. 640. 46, 11. 334. 47, 114. 325) Schmidt, 0. Ε., in Meissen {47, 241.

53, 145. 55, 209. 55, 385) Schmidt, W., in Helmstedt (55, 625) Sdmiitz, W., in Köln f Schneider, R., in Duisburg (52, 447) Schoell, F., in Heidelberg {50, 155.

5t, 381. 55, 511. 55, 489. 57,

48. 159. 312) Schoell, R., in München f Schoene. Α., in Kiel {46, 153) Schoene, H., in Charlottenburg {52,

135. 53, 432. 54, 638. 57, 627) Schoenemann, J., in Schlawe Schroeder, P., in London Schubert, R., in Königsberg {53^ 98.

56, 543) Schulten, Α., in Göttingen (50,489.

56, 120. 187. 57, 632) Schultess, F., in Hamburg [57, 465) Schulthess, 0., in Frauenfeld [57,

157) Schulze, E. , in Homburg v. d. H. Schulze, K. P., in Berlin {53, 541) Schulze, W., in Berlin {48, 248) Schumacher, K., in Mainz Schwabe, L., in Tübingen Schwartz, E., in Göttingen Schwarz, W., in Dorsten (48, 258.

49, 353. 51, 636. 52, 463) Seeck, 0., in Greifswald {46, 154.

48, 196. 602. 4P, 208. 630. 55, 319.

56, "ifTi. 477. 631) Seume, H., in Hannover Siebourg, M., in Bonn (57, 301) Sieglin, W., in Berlin Simeon, B., in Freiburg i. Br. Skutsch, F., in Breslau {47, 138.

48, 303. 51, 478. 54, 483. 55, 272.

56, 638)

Solmsen, F., in Bonn (5i, 303. 55,137.

54, 345. 495. 55, 310. 56, 475. 497.

57, 328)

Sommer, F., in Basel (56', 636) Sommer brodt, J., in Breslau Sonny, Α., in Kiew Speyer, J. S. , in Groningen (47, 638) Sprengel, J. G., in Rossleben (46, 54) Stachelscheid, Α., in London Stahl, J. M., in Münster (46\ 250. 481. 614. 4^, 157. 45,620. 50, 382 566. 51, 157. 306. 53, 322.

54, 150. 494. 55, 152. 160. 57, 1) Stangl, Th., in Würzburg

Stein, H., in Oldenburg (54, 4i)6.

55, 531. 56, 627)

Stengel, P., in Berlin (52, 399)

Stephan, Gh., in Kalk

Stemkopf , W., in Dortmund (47, 468.

57, 629) Steup, J.. in Freiburg i. Br. (55,308.

56, 443) Stich, J., in Zweibrücken Strack, M. L., in Bonn {53, 399.

^, 161) Sudhaus, S., in Kiel {48, 152. .321.

552. 56, 37. 307) Susemihl, F., in Greifswald f (4ö,

326. 49, 473. 53, 448. 485. 626.

54, 631. 55, 574. 56, 313) Swoboda,H.,inPrag(45,288.4e, 497.

49, 321. !^, 460) Szanto, E., in Wien

Teichmüller, G., in Dorpat f Thomas, E., in Berlin {54, 313) Thouret, G., in Friedenau Thurneysen, R., in Freiburg i. Br.

(55, 484. 56, 161) Tiedke, H.. in Berlin Tittel, K., in Leipzig (56, 404) Toepffer, J., in Basel f {^^', 371.

49, 225) Traube, L., in München {47, 558.

48, 284) Trieber, C., in Frankfurt a. M. Tümpel, C, in Neustettin {46, 528.

636)

Unger, G. F., in Würzburg Urlichs, H. L., in Ansbach Urlichs, L., in Würzburg f Usener, H., in Bonn {47, 154. 414.

4P, 461. 50, 144. 55,329. 55,286.

311. 321. 480. 56, 1. 145. 174.

305. 312. 481. 640. 57, 171. 177.

320)

Viertel, Α., in Göttingen Vliet, 1. van der, in Haarlem f Vogel, F., in Fürth Voigt, G., in Leipzig f Voigt, M., in Leipzig Vollmer, F., in München {46, 343. 51, 27. 54, 165. 637. 55, 520)

Wac))8muth, C, in Leipzig (45, 476.

46, 327. 329. 465. 552. 52, 137.

140. 461. 56, 149. 150. 215. 318) Wackernagel, J., in Göttingen (45,

480. 48, 299. 51, 304) Wagner, R., in Dresden (40,378. 618) Weber, H., in Weimar Weber, H., in Lüneburg (51, f>30) Wecklein, N., in München

VIU

VerzeichnisB der Mitarbeiter.

Wciac, 0.> iu Eisenberg NYoixaäokvr, F., iu Calw NVellmami, K., in Berlin Wouaiaud» F., in Kiel (4^,309. 52,

4t;5. W. l. 56, 113) Werner, J,, in Lenzburg \V wisner, P., in Bremerhaven {52, iS^) \Vt»elfrburff, E., in Barmen t Wevmau, Γ., in München (45, 320.

47, eiO. 50, 154. 51, 327. 52, 302. Λ3. 3 IG)

NVitHiouiann, Α., in Bonn Wilhelm, Α., in Athen (52, 2iH>.

56*, 571) Wilhelm, F., in Ratibor {57, 55.

599) Winterfeld, P. v,, in Berlin (55,

481. 57, l(i7. 549) Woelfflin, E., in München (47, 640.

48, 312. 49, 270. 50, 152. 320. 55, 327. 57, 318)

Woerpel, G. in Kiel (57,311. 4ß0) Wolters, P., in Würzl)urg Wotke, C, in Wien

Wünsch, R., in Giessen (49, 91. 51, 138. 55, 144. 55, 62. 232, 56, 392. 57, 468)

Zacher, K., in Breslau (45,524) Zangemeister, K., in Heidelberg t

(57, 166. 168. 169) Zarncke, Ε , in Leipzig Ziebarth, E., in Hamburg (51, 632.

53, ()3f.. 54, 488. 55, 501. 56, 157) Ziehen, .1., in Berlin (50, 643. 51,

162. 589. 52, 293. 449. 450. 53,

270) Ziehen, L., in Plön [54, 211. 54,

321. 57, 173. 498) Zielinski, Th., in St. Petersburg Zimmermann, Α., in Breslau (45,493.

50, 159. 52, 458. 54, 495. 55,

486. 487. 56, 320. 57, 636) Zingerle, Α., in Innsbruck Zinorerle, J., in Innsbruck (48, 299) Zitelmann, E., in Bonn Zurborg, H., in 2ierb8t t

Berichtigungen werden erbeten. Für mehrere sind wir Herrn Dr. R. Klussmann in Gera zu Dank verpflichtet.

Inhalt.

Coniectaiiea. Scripeit F. Bucoheler 321

Eid Schreibgebrauch und seine Bedeutung für die Textkritik.

Von A. Brinkmann 4ö2

Τυφλός άνήρ. Von Κ. Fries 265

Ländliches Leben bei Homer und im deutseben Mittelalter.

Von M. Siebourg 301

Die Berliner Bruchstüoke der Sappho. Von F. Solmsen ... 328 üeber eine Scene des euripideiseben Orestes. Von L. Rader-

macher 278

Zu griechischen Prosaikern. Von K. Fuhr 422

Unbeachtete Strabonfragmente. Von K. Kunze 437

Herculanensische Bruchstücke einer Geschichte des Socrates »und

seiner Schule. Von W. Crö nert 285

An• dem zweiten Bande der Amherst-Papyri. Von L. Rader- macher 137

Zn Achilles Tatius. Von F. Wilhelm 55

Analecta Theodoretiana. Scripsit J. Raeder 449

Ueber eine besondere Bedeutung von γάρ. Von J. M. Stahl 1

Ί€ρά δ€θρο. Von L. Ziehen 498

Milch und Honig. Von H. Usener 177

Der Magnet und die Athmung in antiken Theorien. Von

R . Α . F r i t ζ s c h e 363

Hellenistische Studien I. Von G. Knaack 205

Zur Ueberlieferung der Geschichte Alexanders des Grossen.

. Von F. Reuss 559

Der Vater der Sisyganibis und das Verwandtschaftsverhältniss

des Dareios ΠΙ Kodomannos zu Artaxerxes II und ΠΙ.

Von 0. Neuhaus 610

Epigraphische Beiträge. Von M. Fr änke 1 534

Die Inschrift der Aphaia aus Aigina. Von demselben 152

Zn der Inschrift der Aphaia auf Aigina. Von A. Furtwängler 252

Zwei alte Terenzprobleme. Von F. S c h öl 1 48

Zur römischen Elegie. Von F. VT ilh elm . . . 599

χ Inhalt.

Seite

Facetiae Tullianae. Von L. Gurlitt 337

Ueber den Verfasser der X libri de architectura. Von H.

Degerinf2f ^

Satzscblussstudien zur Historia Augueta. Von P. v. Winterfeld 540 De fragmentis scriptorum apud Nonium servatis. Scripsit

W. M. Lindsay l'^ö

Aus Dresdener Handschriften, Von M. Manitius 392

Die älteste Redaction der Pontificalannalen. Von A. Enmann 517

Die Epochen in Varros Werk de gente populi Romani. Von

H. Peter 281

Untersuchungen zur römischen Kaisergeschichte. Von A. von

Domaszewski 506

Kaiser Marcus Salvius Otho. Von L. Ρ au 1 76

Legionen des Orient auf Grund der Notitia dignitatum. Von

K. Mangold :^9

Μ i 8 c e I I e n.

Kritisch -Exegetisches.

Drei Deutungen. Von L. Radermacher 478

Zum I.StrassburgerArchilochos-Fragmente. VonO.Schulthess 157

Zu Sophocles Antigene 528. Von W. Schmid 624

Eine Anspielung in dem Zeushymnos des KallimachoR. Von

G. Wörpel 460

Ein Gesetz des Redners Lykurgos. Von A. Körte 625

Dionys de Lysia p. 32, 12 (p. 49() R). Von L. Radermacher 158

Ad libellum π€ρΙ ΰψους. Scripsit G. Wörpel 311

Eine Bluttversetzung bei Galen. Von H, Schöne 627

Plautus Amphitruo. Von Th. Kakridis 463

Die Verse des 'Vallegius* in der Vita Terentii. Von F. Scholl. 163

Randbemerkungen zu Horaz. Von F. Schultess 465

Zu Ciris. v. 869-377. Von R. Wünsch 468

Zu Cicero ad Q. fr. II 3. Von W. Sternkopf 629

Zu Pseudo-Sallusts Invectiva. Von F. Sc h ö 11 159

Agroecius et Plinius de Delphica. Scripsit 0. Rosnbach... 473

Zu Trogus Pompeius Prol. X. Von 0. Neuhaus 474

Zu Ammianus Marcellinus. Von K. Zangemeister 166

Zu dem sogenannten Lactantius Placidus. Von G. Knaack. I<>6

Zu Avianus. Von P. v. Winterfeld 167

Litterar historisch es.

Vir bonus dicendi peritus. Von F. Scholl 312

Vir bonus dicendi peritus. Von L. Radermac her 314

Inhalt. χι

Seite Grammatisohes.

Μυχήνηαι. Von L. Radermaoher 640

Zu den etruskischen Monatsnamen and Zahlwörtern. Von

E. Lattes 318

Erstarrte Flexion von Ortsnamen im Latein. Von K. Zange- meister 168

lieber die römischen bezw. italischen Personennamen, die bald die Stammsilbe Pop(b) bald Pub(p) tragen. Von A. Zim- mermann 636

Secas und secundus und Aehnliches. Von K. Zangemeister 169

Prodecessor. Von H. Lietzmann 634

Antiquarisch-Epigraphisches.

Das Amphiktyonen-Gesetz vom Jahre iWO. Von L. Ziehen. 173

Die Reitercenturien des Tarquinius Priscus. Von E. Wölfflin 318

Divas Alexander. Von H. Usener 171

Zu S. 183 S. Von demselben 320

Za CIA. II 996. Von J. E. Kirchner 476

fiootisches. Von Atticaster 315

Za lateinischen Inschriften. Von M. Ihm 316

Zur lex Manoiana Pro salute imperatoris. Von λ. Schulten 632

Das Stigma in lateinischer Schrift. Von K. Zangemeister. 168

UEBER EINE BESONDERE BEDEUTUNG

VON γάρ.

In Eleons Rede bei Thukydides III 40, 4 heiest es : ^v T€ Ευνελών λίγω• π€ΐθόμ€νοι μέν έμοι τά τ€ δίκαια ές Μυτι- ληναίους και τά Εύμφορα δμα ποιήσετε, δλλιυς hi γνόντες τοις μ^ν ου χαριεΐσθε, υμάς hk, αυτούς μάλλον δικαιώσεσθε. εΐ γάρ ούτοι ορθώς άπίστησαν, ύμεϊς δν ού χρεών δρχοιτε' εί δέ δή και ού προσήκον δμως άΕιουτε τούτο bpav, παρά τό εΙκός το ι και τούσδε Ευμφόριυς δει κολά2^εσθαι, ή παύεσθαι της αρχής καΐ έκ του ακίνδυνου άνδραγαθί^^εσθαι. Dass hier durch γάρ weder eine Erklärung noch eine Begründang eingeführt werden kann, liegt auf der Hand. Denn eine begründende oder erklärende Be- ziehung zu τά δίκαια ποιήσετε könnte man nur dann finden, wenn man tibersetzen dürfte : ^denn η u r in dem Falle würdet ihr ohne Befugniss herrschen, wenn die Mytilenäer mit gutem Grunde ab- gefallen wären , was indessen der Wortlaut nicht gestattet. Eben- so wenig ist eine solche Beziehung zu ύμας αυτούς δικαιώσεσθε zu erkennen. Denn dass die Athener, wenn sie Eleons Rath nicht Folge leisten, eher sich selber richten als Dank bei den Mytilenäem finden werden, erklärt sich nicht daraus, dass die athenische Herrschaft unberechtigt ist, wenn der Abfall der Myti- lenäer berechtigt war (denn diese Voraussetzung und die daraus gezogene Folgerung bestreitet Kleon), sondern aus der vorher 39, I 4 cbarakterisirten Gesinnung der Mytilenäer und den eben- falls vorher 39, 7 f. bezeichneten Folgen milderer Behandlung, wie sich das ja auch daraas ergibt, dass der Inhalt des Vor- hergehenden hier zusammengefasst wird. Noch weniger kann der durch γάρ eingeleitete Gedanke in Beziehung gesetzt worden zu Σύμφορα ποιήσετε oder τοις μέν ού χαριεΐσθε. Diejenigen Kriti- ker nun, die hier an der Verbindung mit γάρ Anstoss genommen haben, erkennen daran entweder die entstellende Hand eines Be- arbeiters oder einen Mangel der Ausarbeitung des Verfassers

ΒΙΐΦΐιι. kiu. f. PhUol. N. F. LYU. \

2 Stahl

selbst, mit andern Worten : sie verzichten auf dessen Erklärung. Nun findet sich aber in der folgenden Gegenrede des Diodotoe eine Stelle, wo γάρ in ähnlichem Zusammenhange unbeanstandet geblieben ist: 43, 4 f. χρή hl προς τά μέγιστα καΐ έν τψ τοι- ψδ€ άίχοϋν τι ήμας πβραιτέρω προνοουντας λέγειν υμών τών bi' ολίγου σκοπούντων, αλλιυς τε και ύπεύθυνον τήν παραίνε- σιν έχοντας προς άνεύθυνον τήν ύμετέραν όκρόασιν. εΐ γάρ δ τε πείσας και ό έπισπόμενος ομοίως έβλάπτοντο, σωφρονέστε- ρον δν έκρίνετε* νυν bi προς όργήν τ^ντιν' δν τύχητε ίστιν δτε σφαλίντες τήν του πείσαντος μίαν γνώμην ίημιουτε και ου τάς υμετέρας αυτών, εΐ πολλαι ουσαι ζυνεΕήμαρτον. Man könnte nun zwar daran denken hier γάρ so zu verstehen, dass b\ ολίγου ΟΧοπούντιυν ans der Annahme des Gegentheils von δλλιυς τε . . . άκρόασίν erklärt oder begründet würde ; allein άλλως τε . . . άκρόασιν bezieht sich nicht allein auf bi ολίγου σκοπούντων, sondern auf den ganzen vorhergehenden Gedanken, also auch auf χρή . . . λέγειν, worin gerade dessen Schwergewicht liegt, was zudem auch der Ausdruck dadurch, dass έχοντας zu ήμας ge- hört, zur Genüge anzeigt; und so kann auch das angenommene Gegentheil εΐ γάρ . . . έβλάπτοντο (das βλάπτεσθαι ist nämlich die Folge der Bechenschaftspflicht) der gleichen Beziehung nicht entbehren. Dann aber kann γάρ nicht mehr als erklärend oder begründend verstanden werden. Fragen wir aber, welches Ge- dankenverhältniss sich aus jener weiteren Beziehung ergibt, so ist das folgendes : die Obliegenheit des περαιτέρω προνοεϊν würde für die Redner nicht in demselben Masse vorhanden sein, wenn auch für ihre Zuhörer die gleiche Rechenschaftspflicht und deren Folgen bestünden und diese in Folge dessen mit grösserer Be- sonnenheit urtheilten und so das zwischen den beiden bestehende Missverhältniss bedachtsamen und vorschnellen ürtheils aufge- hoben würde, mit anderen Worten: es wird eingeräumt, dass der vorher ausgesprochene Gedanke in dem angenommenen Falle einer Beschränkung unterliegt, ein Gedankenverhältniss, das sich im Deutschen durch 'freilich' wiedergeben läset. Daraus ergibt sich für die zweite Stelle folgende Uebersetzung: 'Es ist aber nöthig« dass wir gegenüber den höchsten Interessen und bei einem der- artigen Verhältnisse es uns angelegen sein lassen mit etwas wei- terem Vorbedachte zu reden als ihr anwendet, da ihr in kurzer Frist eure Erwägung anstellt, zumal da das Rathgeben, das uns zusteht, der Verantwortung unterliegt gegenüber eurem Anhören» das keiner Verantwortung unterworfen ist. Wenn freilich der-

lieber eine besondere Bedeutung von γάρ 3

jenige, der den Bath gegeben, und derjenige, der ihn befolgt hat, gleichmässig Schaden litten, so würdet ihr mit mehr Zurückhal- tung urtheilen ; jetzt aber straft ihr manchmal nach unglücklichem Ausgang in der ersten besten Aufregung einzig und allein die Ansicht des Bathgebers und nicht eure eigenen, dass sie so zahl- reich den Fehler mit begangen haben.* Kehren wir nun zu der angefochtenen Stelle zurück, so sehen wir, dass auch dort für den Fall, dass die Mytilenäer im Bechte gewesen sind, eine Be- schränkung des vorhergehenden τά bkaia ές Μυτιληναίους ποιή- (Τ€Τ€ eingeräumt wird ; es wird dann noch hinzugefügt, welche Noth wendigkeit sich für die Athener ergibt, wenn sie trotz der ans dem angenommenen Falle folgenden Bechtswidrigkeit ihrer Herrschaft diese dennoch behaupten wollen. Dem entspricht folgende Uebersetzung : 'Mit einem Worte: ich behaupte, wenn ihr mir folgt, so werdet ihr gerecht gegen die Mytilenäer und zugleich vortheilhaft handeln; wenn ihr aber anders beschliesst, so werdet ihr einerseits von ihnen keinen Dank haben, anderseits eher euch selbst richten. Freilich wenn diese mit gutem Grunde abgefallen sind, so würdet ihr ohne Befugnies herrschen; wenn ihr aber dann auch ohne Berechtigung es euch herausnehmt dies SU thun, so müsst ihr sicherlich gegen die Billigkeit auch diese aas Bück sieht auf euren Vortheil züchtigen, oder auf die Herr- schaft verzichten und in gefahrloser Sicherheit die Biedermänner spielen.'

Gegen diese Erklärung der beiden Stellen könnte man immerhin noch Zweifel hegen, wenn die angenommene Bedeutung des γάρ sich auf sie allein stüzte. Mir stehen dafür aber auch noch andere in ziemlicher Zahl zur Verfügung. Zunächst eine ans Piaton, wo sich das Gedankenverhältniss auf den ersten Blick in einfachster Weise kundgibt: Cratyl. 393 c καλώς λέγεις' φύλαττε γάρ με μή παρακρούσωμαί σε. Denn hier wird offen- bar in einschränkendem Sinne gegenüber dem καλώς λέγεις die Möglichkeit zugegeben, dass Hermogenes sich durch Sokrates hintere Licht führen läset. Ausserdem gehören hierhin folgende Beispiele: Aesch. Pers. 460—467 (Weckl.)

άμφΐ bk

κυκλοΟντο πάσαν νήσον, ώστ' άμηχανεϊν

δποι τράποιντο. πολλά μέν γάρ έκ χερών

πέτροισιν ήράσσοντο, τονικής τ' άπό

θώμιγγος Ιοι προσπίτνοντες ώλλυσαν

τέΚος 5* έφορμηθέντες έΕ Ινός ^όθου

4 Stahl

παίουσι, κρεοκοποΟσι δυστήνων μέλη,

?ιυς απάντων έΕαπίφθειραν βίον. Hier wird eingeräumt, dasR das κυκλοΰ(Τθαι gewiesen Schwierig- keiten unterlag, bis diese schliesslich überwanden wurden. Antiph. V 36 φέρε γάρ ττοτέρψ νυν χρήσονται τών λόγιυν; πότερα φ πρώτον εΤπεν ή φ ύστερον ; κα\ πότερ' αληθή έστιν, δτ* Ιφη με είργάσθαι το έργον ή δτ' ουκ ?φη ; ει μέν γάρ έκ του εΐκό- τος έ^ετασθήναι δει το πράγμα, οΐ οστεροι λόγοι αληθέστεροι φαίνονται. Gregentiber den vorher zur Wahl gestellten beiden Alternativen wird zugestanden, dass έκ του εΙκότος nur das eine Zeugniss als der Wahrheit mehr entsprechend in Betracht kom- men könne. Plat. Legg. 794 c προς bk τά μαθήματα τρέπεσθαι χρεών Ικατέρους, τους μέν δρρενας έφ' ϊππιυν διδασκάλους και τό^ων και ακοντίων καΐ σφενδονήσεως, έάν δέ πη Ηυγχιυρώσι, μέχρι γε μαθήσεως και τά θήλεα, και br\ τά γε μάλιστα προς τήν τών δπλων χρείαν. το γάρ δη νυν καθεστός περί τά τοι- αύτα αγνοείται παρά τοις πάσιν ολίγου. Nachdem die Forde- rung erhoben ist, dass Knaben und Mädchen sich in gleichem Waffengebrauche üben sollen, wird eingeräumt, dass gegenwärtig in dieser Hinsicht ein Missverständniss obwalte, und zwar, wie die folgende £rläuterung des vCv καθεστός besagt, in sofern als nicht die linke und rechte Hand gleichmässig geübt werden. Durch die Abweisung dieser unvollständigen üebung wird also jene Forderung dahin näher bestimmt oder begrenzt, dass das Ueben nicht in der gegenwärtigen Weise geschehen soll. Dem. XX 117 ου γάρ ol μή δόντες δ μή *οόκει δεινόν είσιν ουδέν είργασμένοι, άλλ' οΐ δόντες μέν, πάλιν b' ύστερον μηόέν εγκα- λούντες αφαιρούμενοι, εΐ μέν γάρ τις έχει 6εΐΗαι κάκείνους ών έδοσάν τιϋ τι αφηρημένους, συγχωρώ και υμάς ταύτό τούτο ποιήσαι, καίτοι τουτό γ' αίσχρόν ομοίως. Durch das zweite γάρ wird hier die Behauptung, dass diejenigen etwas Verwerf- liches thun, die etwas verliehen haben und es später ohne Grund wiederum entziehen, durch das Zugeständniss eingeschränkt^ dass, wenn die Vorfahren ebenso gehandelt haben, es auch im vorlie- genden Felle vom Redner erlaubt wird. XXI 98 καΐ τι φήσετ\ ώ άνδρες οικασταί ; και τίν' ώ προς τών θεών έΕετ' ειπείν πρό- φασιν οικαίαν ή καλήν; δτι νή Δί* ασελγής έστι και βδελυ- ρός, ταύτα γάρ έστι τάληθή. άλλα μισεϊν όφείλετ', άνδρες *Αθηναϊοι, δήπου τους τοιούτους μάλλον ή σώίειν wird ge- genüber der ironischen Ablehnung des Grundes δτι νή Δί' ασελγής έστι και βδελυρός eingeräumt, dass das die Wahrheit

üeber eine besondere Bedeutung von γάρ 5

igt, dann aber binzagefügt, daee es eber ale Grund für das Ge- gentbeil gelten müese. XXXIX 12 €?τ' έφ' φ θάνατον 2[ημίαν ό νόμος λέγει, τουθ' ήμϊν άδεώς έίέαταχ πράττειν; πάνυ γε. ου γάρ δν αυτό ποιήσαιμεν. oTba κάγώ, τό γουν κατ' έμέ. αλλ' ού5' αΐτίαν τοιαύτης ζημίας ένίους ?χειν καλόν, έ^όν μη. Der bier gezogenen Folgerung gegenüber wird zugestanden, daee sie bei dem Redner und seinem Gegner nicbt praktiscb werden würde; aber man dürfe sie darum docb nicbt bei andern praktiscb werden lassen. XLIV 15 και γάρ εΐ τή ποιήσει Ισ- χυρίζονται, fjv ώς έγένετο ήμεϊς οείΕομεν, . . . ττώς ου προ- σήκει τους έγγυτάτω γένει δντας, τούτους την κληρονομίαν κομισασθαι και υμάς μη τοις όυναμένοις άριστα παρασκευά- σασθαι, άλλα τοις άδικουμένοις τών πολιτών βοηθεΐν ; εΐ μέν γάρ έφ' ήμϊν ήν ώστε οείΕασι τά περί του γένους και τής διαμαρ- τυρίας αυτής καταβήναι και μηδενός ?τι πλείονος λόγου προσ- οεΐσθαι, σχεδόν τι τών μεγίστων ειρημένων ουκ δν ήνΐϋχλουμεν τά πλείιυ. επειδή δέ ούτοι τοις μέν νόμοις ούκ ένισχυριοΟνται, τψ δέ προειληφέναι τι τών πραγμάτων έκ του άνωθεν χρόνου και τψ έμβεβατευκέναι εΙς την ούσίαν, τούτοις τεκμηρίοις χρώμενοι φήσουσι κληρονομεϊν, αναγκαίο ν ϊσως καΐ περί τούτιυν έστιν ειπείν. Hier wird gegenüber dem durcb ήν ώς έγένετο ήμεΐς δείέομεν in Aussiebt gestellten Nacbweise, wie ee bei der Adoption zugegangen sei, eingeräumt, dass darauf verzicbtet werden könnte, wenn die Sacbe mit der Darlegung der Verwandtschaft und der Widerlegung des gegnerisoben Erban- spmcbs an sieb abgetban wäre ; da aber die Gegner (so wird fortgefabren) sieb nicbt auf die Gesetze^ sondern auf die Vorweg- nähme und den faktischen Antritt der Erbschaft stützen werden, die eben in Folge der Adoption eingetreten sind, so ist es nöthig aach darauf einzugeben. In Prooem. 53 wird den Athenern vor- geworfen, dass sie sich die gegenseitigen Schmähungen der Red- ner gefallen lassen, bei denen diese es nicbt auf das Wohl des Staates, sondern auf ihr eigenes Interesse abgesehen haben. Dann heisst es: κα\ γελάσαι κα\ θορυβήσαι και ποτ' έλπίσαι μετέδω- καν ύμΐν, λαβείν δέ ή κτήσασθαι τη πόλει κυρίως αγαθόν ουδέν δν βούλοιντο. ή γάρ δν ήμέρςι τής λίαν άρρωστίας άπαλλαγήτε, ταύτη τούτους ούδ' όρώντες άνΟεσθε. νυν δέ δραχμή και χοΐ και τίτταρσιν όβολοϊς ώσπερ άσθενουντα τόν δήμον διάγουσιν. Dem ruhigen Hinnehmen jener selbstsüchtigen Schmähungen ge- genüber wird also eingeräumt, dass, sobald sie von jener zu grossen Schwäche befreit wären, sie nicht einmal den Anblick eolcber Redner würden ertragen können, und dann binzu^efü^^t^

6 Stahl

daes dagegen, wie es jetzt sei, diese das Volk wie einen Kranken behandeln dürften. In derselben Weise erscheint auch και χάρ XXXIV 33 λ^Τ€ΐ b' ώς ή συγγραφή σωθείσης της νεώς αυτόν άποδουναι κελεύει τά χρήματα, και γάρ ένθέσθαι τάγο- ράσματα εΙς τήν ναυν κελεύει σε, εΐ hl μή, πεντακισχιλίας οραχμάς άποτίνειν. σύ δέ τούτο μέν της συγγραφής ου λαμ- βάνεις κ. τ. λ. Der Redner gibt nämlich zu, daes er im vorher- gehenden Satze die Art und Weise, wie der Gegner sich des Vertrages bedient, nicht genügend gekennzeichnet habe: dieser beruft sich auf die eine Bestimmung desselben, läset dafür aber die andere ausser Acht. Desgleichen durch τοι in betheuerndem Sinne verstärkt XXIII 104 δτε Μιλτοκύθης άπέστη Κότυος, συχνόν ήδη χρόνον δντος του πολέμου, και άττηλλαγμίνου μέν Έργοφίλου, μέλλοντος b' Αύτοκλέους έκπλεΐν στρατηγού, έγρά- φη τι παρ' ύμϊν ψήφισμα τοιούτον bi* ου Μιλτοκύθης μέν απήλθε φοβηθείς και νομίσας ύμας ου προσέχειν αύτψ, Κότυς V εγκρατής του τ' δρους του Ιερου και τών θησαυρών έγένετο. καΐ γάρ τοι μετά ταυτ', ώ δνορες 'Αθηναίοι, Αύτοκλής μέν έκρίνεθ' ώς άπολωλεκώς Μιλτοκύθην, οΐ bk χρόνοι κατά του τό ψήφισμ' είπόντος τής γραφής έΕεληλύθεσαν, τά bi πράγματ' άπιυλώλει τη πάλει. Der von Kotys abgefallene Miltokythes hatte den Athenern in Aussicht gestellt, ihnen die thrakische Halbinsel in die Hände zu spielen; aber von Eotys getäuscht er- liessen sie ein den Miltokythes entmuthigendes Psephisma. Trotx- dem kümmerten sie sich um diesen ihren Beschluss nicht, als sie den Autokies vor Gericht zogen. Es wird also zugestanden, dass das Psephisma in seiner Wirksamkeit beschränkt gewesen und von den Athenern selbst nicht überall beachtet worden ist^. Auch ausserhalb der attischen Litteratur erscheint γάρ in diesem Sinne, und zwar in der pseudohippokratischen Schrift περί τέχνης. Im Kap. 5 ist nämlich von den Ursachen die Rede, aus denen Kranke, ohne einen Arzt zu gebrauchen, wieder ge- sund wurden. Dann heisst es: καΐ τώ ώφελήσθαι πολλή ανάγκη αύτοϊς έστιν έγνιυκέναι δτι ήν (τι> τό ωφέλησαν, και δτ' έβλά- βησαν δτι ήν τι τό βλάψαν. τά γάρ τώ ώφελήσθαι και τά τώ βεβλάρθαι ώρισμένα ού πας Ικανός γνώναι. Hier wird der Gedanke ausgesprochen, daes solche Kranken aus dem Nutzen

^ Bei Aeschin. III 215 οοτω γάρ έστιν κ. τ. λ. vermag ich γάρ nicht in dieser Weise zu erklären uud glaube daher, dass Blase richtig OÖTUJ b* έστΙν hergestellt hat, indem er auf 225 verweist, wo eine Hs. ebenfalls verkehrtes γάρ statt bi hat.

üeber eine besondere Bedeutung von ydp 7

Dothwendig erkennen müssen, dass ihnen irgend etwas genützt, und aus dem Schaden, dass ihnen irgend etwas geschadet habe, dh. dass es irgend eine Ursache des Nutzens und Schadens gebe, und dem gegenüber die Beschränkung eingeräumt, dass darum doch nicht jeder im Stande ist die heilsamen und schädlichen Mittel zu erkennen und zu unterscheiden. Ermerius wollte hier ού tilgen; aber Th. Gomperz in seiner bekannten Bearbeitung dieser Schrift, dem folgend ich auch τι vor τό ώφελή(Ταν hinzugefügt habe, bemerkt mit Recht (Sitzungeber, der Wiener Ak. 120. Bd. IX S. 124), dase so ein verkehrter und dem vorhergehenden ού μήν ώ(Ττ€ βίοέναι δ τι ορθόν έν αύτη ?νι ή δ τι μή ορθόν widersprechen- der Gedanke entstehe, und hat ebenso richtig die concessive Bedeutung des γάρ erkannt, für die er jedoch nur eine einzige Belegstelle, und zwar aus dieser Schrift selbst anführt. Nachdem nämlich im Kap. 10 von den Organen die Rede gewesen ist, welche der Sitz von Krankheiten sind, die weniger zu Tage treten, wird mit dem Anfange von Kap. 11 fortgefahren: ού γάρ 1>ή όφθαλμοΐσί γ€ Ιοόντι τούτιυν τών είρημενιυν ουδέν ίστιν eib^vai. £8 ist klar, dass eingeräumt wird, dass daraus, dass man jene Organe kennt, noch nicht folgt, dass man auch die an ihnen haftenden Krankheiten mit den Augen wahrnehmen könne.

Mit der besprochenen Bedeutung des γάρ ist verwandt sein häufiger Gebrauch im Dialog, wo es Entgegnungen einleitet, wenngleich hier nicht eine Beschränkung des vorher Gesagten, sondern dessen Richtigkeit eingeräumt wird. So zB. Eur. Iph. T. 538 f. DP. δλλιυς λ^κτρ' ?τημ' έν Αύλίοι. ΙΦ. οόλια γάρ, ώς -χέ φασιν οΐ πεπονθότες, Xen. Mem. II 1, 2 ούκουν τό μέν βούλεαθαι σίτου δπτεσθαι . . . άμφοτέροις εΙκός παραγίγνε- σθαι; εΙκός γάρ, ίφη, Plat. Theaet. 187 a ΘΕΑΙ. άλλα μήν τουτό Τ€ καλείται . , . boiäiexv. ΣΟ. ορθώς γάρ οϊει, ώ φίλε, 207 b. Phaedr. 229 a. 268 a. Soph. 231 e. Parm. 141 c. de Rep. 432 d. 433 a. 438 a. Legg. 694 e. 712 b.

Die einräumende Bedeutung des γάρ überhaupt aber wird man sehr begreiflich finden, wenn man erwägt, dass es aus γε Spa (ja nun) entstanden ist und dass bei Entgegnungen auch das ein- fache γε in demselben Sinne gebraucht wird, wie sich aus dem Vergleiche von Plat. Gorg. 451 a ορθώς γάρ οϊει mit 451 d ορ- θώς γε λίγων σύ ergibt. Vgl. Eur. Hipp. 96. Hec. 246. El. 667. Plat. Gorg. 449 b. 470 e.

Münster. J. M. Stahl.

UEBER DEN VERFASSER DER X LIBRI DE

ARCHITECTURA

Am Schlasee einer Abhandlung über etraskiscbeD Tempel- bau^ schrieb ich im Jahre 1897: Andere stellt sich jedoch die Sache, wenn wir mit Ussing ( Betragt ninger over Vitr. de archit. 1. decem, Danske Vidensk. Selsk. Skr. 6. Raekke, hi- storisk og filosofisk Afd. IV 3) das unter dem Namen Vitravs überlieferte Werk in das 3. oder 4. Jahrhundert n. Chr. herab- rücken müssen, indem ich damit die Möglichkeit offen liess, dass Ussing mit seiner Datirung recht haben könnte.

Als ich so schrieb, kannte ich Ussings Buch nur erst aus der Besprechung Wölff lins im Archiv für lat. Lexikographie' und seiner Autorität glaubte ich damals wenigstens die Möglichkeit jener Datirung zugeben zu müssen, die ich später, nachdem ich die Schrift selbst kennen gelernt hatte, entschieden als falsch erkannt habe. Es sind ja nun seither auch mancherlei Stimmen von solchen laut geworden, die sich der Ussingschen Hypothese ent- gegenstellten, so Krohn in der Berl. phil. Wochenschrift•. Aitchison^ und Browne im Athenaeum^, Hultsch bei Schmidt, Heronis opera B. I 8. LXX Anm. 1, aber auf der anderen Seite ist auch die Zahl derer nicht gering, die wie Wölfflin dieselbe sei es rückhaltlos, sei es in beschränktem Umfange angenommen haben, so noch im Bullettino communale Lanciani^, der doch eigent- lich gerade in seiner Eigenschaft als Techniker die Unzulänglich- keit der technischen Gründe Ussings am sichersten hätte erkennen müssen. So wird man mir denn nicht die Nothwendigkeit be- streiten können, die durch Ussing wiederaufgegriffene Frage nach

ί Nachrichten d. k. Ges. d. Wissenechaften zu Göttingen. Phil.- hist. Klasse 1897 Heft 2. S. 137 ff. Schlussanmerkung.

* Arch. f. lat. Lezic. X p. 301.

β Bori. phil. Woch. 1897 p. 773 ff.

* Athen. N. 3625 p. 516.

» Athen. N. 3626—27 p. 586.

* Bull. oomm. 1899. XXVH. p. 24. Anm. 2.

üeber den Verfasser der X Hbri de Architectura 9

der Anthentioität der überlieferten Antorenbezeicbnnng nocb ein- mal gründlicbet zu yentiliren und, wie ich boffe, mit Sicberbeit zn entscbeiden. Die persönlicbe Berecbtignng bierzn aber leite icb aus einer nnnmebr über Sjäbrigen intensiven Beecbäftigung mit Vitmv znm Zwecke einer neuen commentirten Auegabe ber, zumal icb mir durcb einen längeren Aufentbalt in Italien und eingebende Studien antiker Baureete speziell in Rom und Pompeji das Recbt eigenen Urtbeils in diesen tecbniscben Fragen des Alter- tbums glaube erworben zu baben.

Die Gründe, mit denen üssing operirt, sind zweierlei Art. Einmal soll die Spracbe der X libri mancherlei Eigentbümlicb- keiten zeigen, die dem 3. resp. 4. Jahrhundert zuzuweisen und der Augusteisehen Zeit absolut fremd seien, während andererseits der Yerf. derselben sich in technischen Dingen in mancherlei Beziehung ununterrichteter erweise als z. B. Plinius; er könne also unmöglich ein Sachverständiger gewesen sein, als der doch der Augusteische Baumeister anzusehen sein würde. Bei mancher- lei Berührungen zwischen Plin. und den X libri liege die Sache so, dass die plinianischen Notizen kurz, klar und stets richtig, dagegen die entsprechenden Stellen der architectura stets weit- schweifig, unklar und sehr häufig direkt unrichtig seien. Man wird zugestehen, dass, wenn wirklich durchweg sich dieses Yer- hältniss zwischen den beiden Schriften constatiren Hesse, auch die Scblussfolgerung Ussings unabweisbar sein würde, und be- sonders würde der letzte Punkt entscheidende Bedeutung haben, denn es ist selbstverständlich, dass der nicht der Fachmann sein kann, welcher uns über solche tecbniscben Sachen Falsches und Unsinniges berichtet, über die ein Literat vom Schlage des Plinius sich besser unterrichtet zeigt. Dagegen würden die ersten beiden Gründe, die Klarheit und Kürze des Ausdrucks, allein nicht entscheidend ins Gewicht fallen, da solche Dinge mehr dem Schriftsteller als dem Fachmann anzurechnen sein dürften, und Vitruv recht wohl ein guter Architekt und ein schlechter Schrift- steller zu gleicher Zeit gewesen sein könnte, und wirklich ge- wesen ist. Im Allgemeinen wird man vielmehr geneigt sein, und 80 urtheilte man auch bisher in unserem Falle, die grössere Kürze auf Rechnung des Ausschreibers zu setzen.

Einen ferneren Grund für die Annahme einer späten Fäl- schung findet Ussing in dem Verbältniss zwischen Vitruv und Atbenaeus mechanicus, den Diels^ aus sprachlichen Gründen dem

1 Sitzungsber. d. Berl. Ak. d. W. 1893. p. 111.

10 Degering

zweiten nachchristlicben Jahrhundert glaubt zuweisen zu können. Auch hier meint Useing den Nachweis führen zu können, dass der uns yorliegende Vitruv direkt aus dem Athenaens geschöpft habe, also zeitlich nach ihm anzusetzen sei, während bekanntlich erst kurz vor ihm Thiel ^ die gemeinsame Quelle beider mit grosser Wahrscheinlichkeit in Agesistratos hat nachzuweisen ver- sucht. Dazu fügt Ussing noch eine Reihe von solchen Stellen, aus denen sich ergeben soll, dass Vitruv ein Fälscher gewesen sein muss, weil er sich hier durch Ungeschicklichkeiten und An- schauungen verriethe, die das Gepräge eines Schriftstellers einer späten Zeit deutlich erkennen liessen.

Die ganze Schrift üssings ist abgesehen von den sprachlichen Beobachtungen im Wesentlichen nur eine Aufarbeitung und Erweite- rung der vergessenen und verschollenen Schrift von C. L. F. Schultz ^Untersuchungen über das Zeitalter des röm. Kriegebaum eis ters M. Vitruvius Pollio* *. Schultz erklärte das Werk in der jetzt vor- liegenden Form für eine Fälschung des Papstes Sylvester II, der seinerseits eine aus dem 4. Jahrhundert stammende (namenlose?) Compilation aus Plinius, der Epitome und Palladiue zu Grunde ge- legt habe, üssing modifizirt diese Ansicht nur insoweit, als er die Fälschung Sylvesters der Handschriften wegen, die zum Theil eben älter sind, streicht, und die Datirung der Schrift 'mit sammt der Namensfälschung in das 3. 5. Jahrhundert n. Chr. auch durch sprachliche Gründe zu stützen versucht, auf die Schultz weniger Ge- wicht gelegt hatte. Die übrigen Gründe sind zum grössten Theile die Schultz'schen oder stehen durchaus auf demselben Niveau. Methodisch sind die beiden Schriften durchaus gleichwerthig, aber Schultz hatte wenigstens die Entschuldigung, dass er Dilettant und nicht Philologe vom Fach war.

Wir wollen nun im Folgenden die Ussing'schen Gründe im Einzelnen durchgehen, wobei wir uns im Ganzen an seine Dispo- sition anschliessen, abgesehen davon, dass wir die sprachlichen Beobachtungen am Schlüsse behandeln werden.

Der hier zunächst vorliegende Theil wird nur das Ver- hältniss von Plinius und Athenaens zu Vitruv behandeln, der zweite demnächst folgende soll dann verschiedene topographische

ί Thiel. Leipz. Studien XVII. 2. 1896.

^ Herausgegeben von seinem Sohne Otto Schultz Leipz. 1856. Die ersten Gedanken dazu entwickelte Seh. im Briefwechsel mit Ooethe Sr Kb. Mus. 4. (1836) 329 fif.

[^Ueber den Verfasser der X libri de Arohitectura 11

Fragen, die eich an Vitrav und besonders an die Datimng seines Werkes knüpfen, sowie die spraobhistorisohen Probleme aasfUbr- licb behandeln, die von Ussing gegen die Echtheit desselben Torgebracht werden, doch wird hier der Gang der üntersaobnng im Ganzen sich freier bewegen können, da im Prinzip die Ent- ich cid ung bereits im ersten Theile fällt.

Wir beginnen also damit, das Yerhältniss von Plinius and Vitray zu untersuchen. Die Existenz eines Schriftstellers Vitruv ist einmal durch das Autorenyerzeichniss des Plinius, wo er unter den Quellen zum 16, 35. u. 36. Buch aufgeführt wird, gesichert. Zum 31. und 33. Buche wird er dagegen nicht angeführt und man hat somit von vornherein nicht das Recht, auch für diese Bücher vorhandene Congruenzen als Entlehnungen anzusprechen wir werden jedoch sehen, dass sich für das 33. Buch der Fehler im Index nachweisen läset, der den Namen Yitruv's aus demselben entfernte. Eine der in diesem Buche von Plinius aus dem echten Vitruv entnommene^ Notiz über das Quinarsystem, das von Fron- tin* ausdrücklich auf den Baumeister Vitruv zurückgeführt wird, findet sich genau in unserm Vitruv. Ebenso wird uns durch Servius• die Schrift eines Vitrav bezeugt, qui de architectonica Bcripsit, das heisst also ein Bach, das dem unsrigen an Inhalt gleich gewesen sein muss. Diese Stelle des Servius ist bislang meiner Ansicht nach ganz falsch aufgefasst worden. Sie lautet nach Thilo u. Hagen: Vitruvius qui de architectonica^ scripsit, cum ab aliquo arcemur ingressu id ostium dicit ab ostando, cum ingre- dimus aditum al) adeundo. Wenn man das freilich so auffasst, als ob Vitruv selbst diese grammatische Erklärung der beiden Worte gäbe, so wird man vergeblich in unserm Vitruv darnach suchen und dann wie Schultz (der übrigens durch seine Lesung ait-dici einiger- massen entschuldigt war) und Ussing daraus einen Beweisgrund gegen die Echtheit des überlieferten Vitruv schmieden oder wie Erohn ^ zur Annahme von Lücken sich genöthigt sehen, wozu wenig, etens in solchem Umfange nach Massgabe der handschriftlichen

* Der Beweis dafür folgt später.

* FroDtin. de aquis 25.

* 8erv. ad. Verg. Aen. VI 43:

* Das braucht keineswegs der Titel zu sein, den Vitr. seinem Werke selbst gab, sondern kann eine modernisirte Bezeichnung sein, wie ja die Epitome den Titel in derselben Weise umbildet. Vgl. dazu Aügustin 2 Quaestion. in Heptat. 169.

* Berl. phil. Woch. 1897 S. 773 ff.

12 Degering

üeberlieferang gar keine Berechtigung vorliegt. Sehe man sich doch die Worte des Servius genau an, welcher nur behauptet : 'DaS) wodurch wir vom Eintreten abgehalten werden, nennt Vitruv ostium von oetare, die Oeifnung dagegen, durch die wir eintreten, nennt er aditus von adire'. Serviue giebt also nicht eine grammatisch lexicalieche Regel aus Vitruv, sondern begründet eine solche durch den Spachgebrauch des Vitruv. Eine Prüfung der in unserm Texte vorkommenden Stellen von ostium ^ und aditus^ zeigt, dass die Beobachtung absolut richtig ist, dass aleo wenigstens Servius mit Bestimmtheit den auch uns vorliegenden Vitruvtext vor Augen hatte, d. h. wenn nicht etwa Servius selbst die Notiz nur von einem älteren Grammatiker übernommen hat. Jedenfalls aber ist dieses Zeugniss nur für, nicht aber gegen die Authenticität des unter dem Namen Vitruv's überlieferten Buches zu verwenden und man müsste, um seine Beweiskraft abzuschwächen, schon behaupten, dass der Fälscher bei dem Ge- brauch der Worte aditus und ostium immer Rücksicht auf die Serviusstelle genommen hätte, heisst das aber nicht, da dieser Wortgebrauch durchaus nicht allgemein ist, sondern andere Schrift- steller wie z. B. Tacitus, Ammian die Worte promiscue gebrauchen, einem Fälscher zuviel zugemuthet? Schon damit ist eigentlich die Echtheit unseres Vitruvtextes, wie ich meine, mit Sicherheit er- wiesen.

Nehmen wir aber wirklich einmal mit Ussing die Unecht- heit desselben als sicher an: Was folgt nun daraus? Es ist durch Nohl^ festgestellt (Ussing kümmert sich freilich nicht darum), dass Palladius seine technischen Notizen aus der Epitome des Faventinus geschöpft hat, die ihrerseits völlig zweifellos ein Auszug aus unserm Vitruv ist. Eingeschoben resp. hinzugefügt sind in dieser nur im Cap. II der Abschnitt über einen Thurm der zwölf Winde in Rom (in der Rose-Müller-Strtibingen 'sehen Vitmvausgabe S. 288, 27—289, 4) Cap. IV die Bemerkung über hölzerne Wasserleitungen (S. 294, 11—12), und Capitel XXVIII, Zuthaten, die wohl als eigene Weisheit des Faventinus anzu- sehen sind, während die Schluss-Capitel XXIX und XXX ans anderer Quelle stammen mögen. Da nun Palladius in das 4. Jahrh. n. Chr. gehört, so kann Faventin höchstens am Ende des dritten oder im Anfang des 4. Jahrh. seinen Auszug aas unserm von ihm, wie die Namensnennung am Anfang beweist,

^ Vgl. Vitruv, cd. Rose u. Müller-Str. 96, 15 (142, 14. Joe). « Das. 13, IG. 70, 9. 109, 11. 119, 19. 71, 21. 92, 5. 129, 5. ' Comment. Mommsen. pag. 64 fif.

Üeber den Verfasser der X libri de Ardutectara 13

bereite für echt gehaltenen Werke gemacbt haben. Die Fäl- echnng könnte also epätestens in die Mitte des 3. Jabrb. datirt werden. Was ist nnn aber inzwischen aus dem echten Yitruy geworden, der doch Plinins vorgelegen haben mass, selbst wenn er ihn auch, wie Ussing mit Oehmichen ^ behauptet, nicht direkt sondern nur vergleich weise benutzt hat? Wir mtissten also an- nehmen, dass das echte Buch Yitruvs ungefähr im 2. Jahrhundert in Vergessenheit gerathen sei und dann ein Schwindler unter seinem Namen im 3. Jahrhundert die Fälschung vorgenommen habe. Diese Annahme ist aber schon an und für sich recht wenig glaubhaft, denn wenn das echte Werk in Vergessenheit gerathen konnte, so beweist das doch eben, dass für dasselbe kein Inter- esse vorlag, also natürlicher Weise erst recht kein Anläse dazu vorhanden war, ein solches Buch ganz neu zu fälschen. Die meisten von den aus dem Alterthum in reichlicher Weise be- kannten Fälschungen sind vielmehr, wo es sich nicht etwa um ganz mythische Personen wie Orpheus handelt, derart, dass ein Buch einem berühmten Schriftsteller zu seinen echten Werken untergeschoben wurde, für das der unbekannte und unberühmte Fälscher mit seinem eigenen Namen nicht in genügendem Maasse das Interesse erwecken zu können glaubte. Eine Fälschung je- doch wie diese, welche ein Interesse an der Person des Verfassers eines einzigen Werkes voraussetzt, der seinen Ruf, wie es scheint Dur diesem einzigen Werke verdankt, welche aber andererseits undenkbar ist, wenn wir die Existenz dieses echten Werkes voraussetzen müssen, hätte wohl kaum ernstlich erwogen werden dürfen. Für Schultz lag die Sache insofern günstiger, als er wenigstens auch die Echtheit des Plinianischen Index leugnete und über das Verhältniss von Palladius und der Epitome nicht unterrichtet sein konnte; für Ussing sind das grobe methodische Fehler. Für Jemanden, der einmal die Echtheit der Plinianischen Autorenverzeichnisse, an der ja im Ernste nicht zu zweifeln ist, aufrecht erhält, lag es ja dann wenigstens viel näher, in dem vorliegenden Vitruv eine üeberarbeitung des echten zu sehen. Dieser Versuch wird von Ussing aber nicht gemacht und wir werden sehen, dass dazu auch keine Veranlassung vorliegt.

Die Concordanzen mit Plinius, welche sich in unserem Vitruv finden, will ussing im Anschluss an Oehmichen auf eine gemein- same Quelle und zwar auf Varro zurückführen, wobei freilich

1 Oehmichen, Plinian. Studien 1880. S. 1.

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Oehmieben selbst nicbt danui gedacbt bat, die Lebenszeit Vitmvs anders als in der berkömmlicben Weise anzosetzen. üssing aber benutzt diese Theorie nnr om das nnzweifelbafte Zengniss des Plinins für die Ecbtbeit unseres Vitmvs ζ α entkräften, wobei ihm freilieb entgangen ist, dass die Existenzfrage des eebten Vitravs Ton der Oehmicben'scben Η jpotbese ja gamicbt beröbrt wird. Die Oebmicben'scbe Annabme τοη einer nur vergleicbsweisen Benntzong de• VitruTS könnte, was icb nicbt glaube and als falscb nacb- weisen werde, wirklieb berechtigt sein, ohne dass damit das Factum aus der Welt geschafft wird, dass Plinius den eebten Vitruv doch musste Tor Augen gehabt haben. Aber wie scbon gesagt iat diese Annabme selbst als unrichtig zu beweisen.

Oebmicben operirt hauptsächlicb mit dem Brunn^scben Be- grilT des auctor exquisitns, den Brunn erfunden bat, um die I>i«erepanz zwiseben der bandschriftlichen üeberlieferung in praef. 17 ex eaguisitis aucioribus cenium und der bei weitem grö§9eren (über 400) Anzahl von Autoren, welche die Indices anfuhren, aufzulösen. Ich kann die Richtigkeit der Interpretation Brunns jedoch nicbt anerkennen, da die grammatische Construction

der fiberlieferten Lesung anerklärbar bleibt; XX rerum dignarum

eora lectione Toluminum circiter II, quorum pauca admodum Stu- diosi attingunt propter seoretum materiae, ex exquisitis auctoribus eentum inclusimus XXXVI voluminibus, adjectis rebus plurimis qoas aut ignoraverant priores aut postea in venerat vita, vermag icb flicht zu erklären, denn wenn icb lectione als Abi. abs. = bei einer lACtüre von etc. fasse, so fehlt mir das Regens za ex exquisitis auctoribus eentum und dieses kann dann nur in der Nähe des yerdäcbtigen eentum stecken, nehme ich aber lectione als Abi instr.i so fehlt hierzu wiederum das regierende Wort und aueb diMes kann icb uar an derselben Stelle suchen. So gewinne icb abgesehen von den sachlichen Bedenken gegen eentum und gegen die Brunn'scbe Erklärung desselben, auch von Seiten der Grammtik 9iwiui(ttnae Verdachtsmomente gegen die Richtigkeit der Üeber- lieferung. Ueber die Art und Weise, wie nun die Stelle zu heilen sein durfte, kann man im Zweifel sein. Man könnte et exquisitis aui'.U^ihuM eentum schreiben, dann würden aber die exquisiti auc- it/re» als bfisondere Klasse unter anderen uns unter den Händen siifs/iliwiiidiin, da dann exquisitis sich auf die Thätigkeit des Ex- ftnfplr<iiis [»««iehen mUsste, und eentum bliebe wieder saohlicb llfiitrblttrf, oder es mlisste als unbestimmte Zahl gefasst werden;

Ueber den Verfasser der X libri de Architectura 15

vahrsclieiDlicher aber ist es mir, dass wir cenlum in cenirum za ändern haben, sodass ex exquisitis auctoribus centrum das Beste and WerthvoUste, der Kern, aus den erlesensten Autoren

als Apposition zu XX verum dignarum cura zu beziehen sein würde. Gerade Plinius gebraucht das Wort centrum auch sonst in der Bedeutung 'fester Kern (37, 28. 37, 120. (cf. 37,98.) 16, 198).

Ich lege jedoch keinen besonderen Werth auf diese positiven Verbesserungsvorschläge , mir genügt es, wenn man nur die Negation zugiebt und anerkennt, dass die von Brann dem Plinius impatirte Unterscheidung zwischen auctores schlechthin und ex- quisiti auctores unhaltbar ist. Solch ein schlechter Schriftsteller ist denn doch Plinius (zumal in der Vorrede) auch nicht, dass wir ihm zutrauen dürften, er habe einen so complicirten Gedanken- kreis in so compendiöser dunkler und noch dazu grammatisch anfechtbarer Form ausgedrückt. Wir müssten doch auch wohl erwarten, dass die Indicee, die den rein äusserlichen Unterschied zwischen römischen und fremden Schriftstellern durchführen, irgendwie auch den Unterschied zwischen den auctores exquisiti and den auctores erkennen Hessen, aber gerade Brunn hat doch bewiesen, dass die Ordnung eine solche ist, die diesen Unter- schied absolut nicht berücksichtigt.

Damit soll nun aber keineswegs etwa behauptet werden, dass nicht gewisse Unterschiede in der Behandlung der Quellen bei Plinius zu constatiren sein werden, sondern nur die Berech- tigung soll bestritten werden diesen Unterschied so scharf zu orgiren, wie das von Oehmichen geschiebt. Wir haben sicherlich Haupt und Nebenquellen zu unterscheiden, es lassen sich ferner spätere Einschiebsel erkennen, aber als selbstständige Quellen haben wir alle die in den Indioes genannten Schriftsteller je für das betreffende Buch so lange anzusehen, als sich nicht bestimmte Corruptelen in diesen Verzeichnissen nachweisen lassen, die das fehlerhafte Eindringen von Namen unbenutzter Autoren in den Zusammenhang offenbaren. Wir werden einen solchen Fall weiter unten kennen lernen.

Andererseits aber haben wir natürlich auch nicht das Recht die Benutzung eines Autors als Quelle für irgend ein Buch an- zunehmen, für das er in dem betreffenden Index nicht aufgeführt wird, wenn wir nicht ebenfalls die Störung im Index nachweisen können, die seinen Namen entfernte, in unserem Falle also müssten wir zunächst die Benutzung Vitruvs im 31. und 33. Buche, die Detlefsen behauptet hatte^ ablehnen.

16 Degoringf

Εβ finden sieb aber auch in den Indices gewisse Reiben von Autoren aufgeftibrt, die unter sich im engeren Zusammen- bang steben (äusserlicb meist kenntlicb an der alpbabetiscben Reihenfolge), die Plinius wohl nicbt direkt benutzt haben mag, sondern von denen er vielleicbt nur in einzelnen Fällen einzelne Citate nachprüfte. Diese sind dann aber immer aus einer Haupt- quelle, die natürlich später liegt als alle die übrigen, entnommen worden; die Benutzung dieser Autoren als Quelle ist also auch hier vorbanden, wenn auch erst durch Vermittlung. Wie Plinius aber eine Sobri ft als seine Quelle (das beisst doch ex auctorihus) babe bezeichnen können, die er weder direkt nocb indirekt he- nutzt babe, sondern die nur mit ihm aus der gleichen Quelle ge- schöpft babe, das ist mir unerklärbar und weder mit antiker noch moderner Citirmetbode vereinbar.

Der hier eingenommene Standpunkt deckt sich im Wesent- lichen mit dem von Münzer in seinem trefflichen Buche, Beiträge zur Quellenkritik des Plinius, entwickelten Anschaaungen über die Quellenbenutzung des Plinius, obwohl er noch an der Brunn- seben Unterscheidung der Autoren festhält; nur bin ich auf anderem Wege und auf beschränkterem Gebiete zu dem gleichen Resultate gekommen, das er in so umfassender und eingehender Weise begründet hat.

Wir wollen nunmehr die einzelnen von Ussing besprochenen Stellen durchgeben. Zunächst Plinius, 16, 45. Hier sollen nach Det- lef sen ^ die Worte excepta larice guae nee ardet nee carbonem fcicU nee cUio modo ignis vi consumitur quam lapides aus Vitruv ent- nommen sein. Oehmichen und mit ihm Ussing bestreiten das, und, wie ich glaube, mit Recht, aber natürlich hat nur Oehmichen die richtige Begründung, doch hat auch er die Sachlage nicht mit voller Schärfe erfasst. Plinius folgt, wie er selbst § 48 sagt, in der Glassificirung der Europäischen Bäume 'quae picem ferunt einer römischen Quelle, ohne Zweifel Hygin, der, wie das Citat § 230 lehrt, über die Hölzer und ihre Verwendung Angaben ge- macht haben muss, uud auf den auch das Brunn'scbe Indexgesetz führt. Aus dem ganzen Zusammenhange der von 38 49 reicht, kann der Satz excepta larice .... nicbt ausgeschieden werden, auch weiss Plinius über die larix weit mehr, als er aus Vitruv schöpfen konnte, und dass er gerade nur die Einzelheit der Scbwer- brennbarkeit des Holzes, ohne die von jenem beigefügte fabel-

1 Philol. 31. p. 389.

Ueber den Verfasser der X libri de Architeotora 17

liafte Historie entnommen haben sollte, ist bei der Art seiner Schriftatellerei kaum glaablicb. Andere liegt jedoch die Sache for Hygin, für den, wenn er die Systematik des Nutzholzes geben wollte, die Fabel unnöthig war. Wenn dagegen Ussing glaubt, dass Plinins' Worte nee alio modo ignis vi con$t4mUur quam la- pides etwas anderes bedeuten, als das was Vitruy mit 'nee ipsa poiesi ordere nisi tat soicum in fornace ad cälcem coquendam aliis lignis uraiur sagen will, so irrt er, denn lapis bezeichnet gerade 80 wie saxum in der Regel den Bau , d.h. zu Vitruvs und Plinius' Zeiten den Kalkstein von Tibur. £benso verkehrt ist es aber, wenn Oehmichen einen Unterschied zwischen den Ortsangaben des Plinius und Yitruv hat entdecken wollen, denn wenn Yitruv sagt quae non est noia nisi in municipalibus qui sunt circa ripam fluminis Fadi et liiora maris Hadrianij so bezeichnet er damit garnicht die Heimath des Baumes, sondern die Zone seiner Ver- wendung. Der Baum ist auch bei ihm ein Alpenbaum ^, der auf dem Po und seinen Nebenflüssen thalwärts geflösst wird und so in jene Gegenden gelangt, wo er nach Vitruv Verwendung flndet und als Nutzholz bekannt ist.

Auch § 192 ist vielleicht nicht aus Vitruv entnommen, Bondern es handelt sich wohl um eine allgemein bekannte Sache, die auch von anderen Schriftstellern erwähnt wurde. Dagegen ist von § 195 bis 198 ohne Frage Vitruv mit zu Rathe ge- zogen. Der Zusatz von Plinius vasta haec (juniperus) in His- pania maximeque Vaccaeis stammt aus Bocchus^ der immer für Spanisches als Gewährsmann auftritt. Damit haben wir schon hier und nicht erst § 216 ff. Bocchus und Vitruv dicht neben einander, wie es der Index fordert.

Auch hier bemüht sich Ussing zu beweisen, dass Vitruv kein Sachverständiger gewesen sei, aber auch hier beweist er nur, dass

1 Vitr. R. u. M. Str. 60, 7 ff.

^ Bocchus wird als Autor in den Indices genannt zu 6. 16. 33. 34. 37. Ausser den Citaten 16, 216 Dianatempel von Sagunt, 37, 97 car- bunculi et in Oliponensi. 37, 127 Chryselectros repertas esse in Hispania. 37, 24 Cornelius Bocchus et in Lusitania (sei. effossum mirandi poaderis crystallum) sind auf ihn zurückzuführen wahrscheinlich im Buch 34. 144, der Ruf von Bibilis und Turiasso als Produktionsorte guten Eisens, ferner 149. 156—158 und 165; im 33. Buche § 67-78, die Be- schreibung der Goldbergwerke Spaniens, denn dass sich die ganze Auseinandersetzung auf den spanischen Bergbau bezieht, lehren § 78 und die fachtechnischen Fremdwörter, ferner § 96 f. und § 158.

BlMlii. Mu. f. PtiUol. M. F. LVII. 2

18 pegering

ihm eelbst die nöthige Eineicht in Bolcheii technieohen Fragen fehlt Diese ist ja freilich an und für eich auch für einen Philologen kein Erfordernies, wohl aber für Jemanden, der den Techniker so scharf heartheilen will, als üssing den Vitruv. Der Vergleich von Plin. 196 abietie quae pars a terra fuit, enodis est. haec qua dixi- mns ratione fluviata ^ detoratnr atque ita sappinns vocatur, snperior pars nodosa duriorque fnsterna, mit Vitruv U 9. 7 ex ea antem antequam est excisa quae pars est proxima terrae [per radices reoipiens ex proximitate humorem] enodis et liquida effioitur, quae vero est superior [vehementia caloris eduetis in aera per nodos ramis, praecisa alte circiter pedes XX et perdolata] propter nodationis duritiem dioitur esse fustema. ima autem cum excisa quadriflnviis disparatur ejecto torulo ex eadem arbore ad intestina opera coroparatur et ita sappinea vocatur beweist, dass mit qna diximns ratione fluviata (nicht etwa fluviata) und cum excisa qnadrifluviis disparatur dasselhe gemeint ist. Femer ist es aher anch sachlich ganz selhstverständlicb, dass quadriflnviis nichts Anderes hedeuten kann als das, was Plinius im vorhergehenden Capitel 195 im Anschluss an Theophrast V. 1, 6 11 mit qaa- dripertitos habet venerum cursus hezeiohnet. Soweit hat also Ussing Recht. Dagegen ist er schwer im Irrtum, wenn er nun weiter behauptet, dass der Ausdruck quadriflnviis hei Vitruv auf einem Missverständniss des Ausdrucks fluviata bei Plinins bernhe. Ich meine mit solchen Behauptungen mtisste man ganz besonders vorsichtig sein, denn das würde, selbst angenommen, das Vitrnv'sche Werk stamme aus dem 4. Jahrhundert, ungefähr dasselbe sein als wenn man behaupten wollte, dass heutzutage ein gehildeter Mann irgend welche Ausdrücke des Simplicissimus sollte missverstehen können. Freilich steht er mit diesem Irr- thum nicht vereinzelt da. Auch May hoff' bezieht das qna diximns ratione fluviata nicht auf das direkt vorhergehende, sondern auf § 18(5. Hier heisst es aber in denCodd.: Ugnum in longitndinem fluiiai ntque pars fuit ah radice validius sidit. Die zweite Hand- schriftenklasse hat für fluitat fluctuatur und einige Handschriften quae statt que. Die Ueberliefemng ist also keinesfalls in Ordnung. Was aber zu lesen ist, ist wenigstens sachlich sieher. Ich meine der ganze Zusammenhang der Stelle, die von der Stmktnr und dem Bau des Holzes handelt, kann doch nicht so plötzlich durch etwas unterbrochen werden, was sich auf die Zubereitung des

^ So mit Recht Detleisen statt decorator.

Ueber den Verfasser der X libri de Arcbitectürä 19

Holzes bezieht, eondem es muss auch hier etwas über die Struk- tur gegeben werden. Ich lese demnach Lignnm <cum) in longi- tndinem flnitatur qnae pars fait ab radice, validius sidit und übersetze: legt man das Holz der Länge nach aufs Wasser, so taacht das Wurzelende infolge des grösseren specifischen Ge- wichtes tiefer ein resp. sinkt unter; und es ist nun auch offen- bar, dass hier nicht vom lignum im Allgemeinen die Rede ist, sondern von dem gerade vorher genannten, dem Buchenholze, wir haben also nicht nöthig mit Mayhoff in dem Satze ein späteres Einschiebsel anzunehmen. Von dem Auslaugen des Holzes im Meerwasser (ταριχεύει V bei Theophrast) ist also weder § 186 noch § 196 die Rede, in 196 auch schon deshalb nicht, weil flnviata dasteht und nicht fluyitata. Fluviata passt nur zu quadrifluvius, ist dieses also etwa mit vieradrig zu übersetzen, so kann jenes nur der allgemeinere zu diesem specielleren Ausdrucke sein und also nur geädert heissen. Dazu stimmt auch durchaus die Bil- dung des Wortes, heisst fluvius, wie aus quadrifluvius hervorgeht, die Saftader, so ist davon ganz richtig gebildet fluviatus mit Saftadern versehen. Auf den Fluss d. h. auf das Wasser gelegt könnte, wie gesagt, nur fluvitatus lauten. Somit ist also auch hier alles in Ordnung.

Wenn Ussing Vitruv auch daraus einen Vorwurf macht, dass er die Länge des unteren astfreien Theiles der Tanne auf ungefähr 20 Fuss bestimmt ^ indem erfragt, ob denn alle Bäume gleich hoch sind, so beweist das eben wieder, dass er kein Recht hat über technische Fragen zu urtheilen. Das, was Vitruv als Techniker bestimmt, ist eben das Minimalmass der schlag- fähigen Bäume. Die ausführliche Auseinandersetzung, welche Vitruv^ zu infernas und supernas giebt, bezieht sich garnicht, wie üssing uns glauben machen möchte, auf den Wortgebrauch; das wäre auch freilich für den römischen Leser des ersten Jahr- hunderts überflüssig gewesen ; sondern sie giebt eine physikalische Erklärung der Vorzüge, die jene vor dieser voraus hat, und wie sie sich so oft bei Vitruv finden.

Plin. § 218 unterscheidet sich von Vitr. II § 9 nur durch den Zusatz von cerasus firma und das Fortlassen von populus, salix, tilia, vitex. Beides findet seine natürliche Erklärung. Dass zu Vitruvs Zeiten das Kirschholz schon zu Bauzwecken verwendet

* Vitr. II 9. 7. praecisa alte circiter pedes XX. a Vitr. II 9. 17.

20 Degering

worden ist, ist nicht sehr wahrscheinlich, da der Baum erst kurz vorher in Italien durch Lucnllus eingeführt war (Plin. n. h. 15, 25. 30. Serv. ad verg. Georg. 2. v. 18) Hehn, Kulturpflanzen u. Haueth.^ S. 349. Die Angaben über die anderen Bäume jedoch hatte Plinius schon § 209 in anderem Zusammenbange gebracht und deshalb hier nicht noch einmal wiederholt.

Im 31. Buche ist wie gesagt von vornherein wegen des Fehlens des Namens im Index eine Benutzung Vitruvs nicht an- zunehmen, jedoch wäre es verwunderlich, wenn Plinins gerade eine Notiz über die Sache aus einer anderen Quelle übernommen haben sollte, die nach Frontin I 25 bei vielen Leuten als die ureigenste Erfindung Vitruvs galt, nämlich die Angabe über die Construction und Benennung der Wasserleitungsrohre, wie sie eich im § 58 findet und noch dazu in einer Form, welche die direkte Entlehnung mehr als wahrscheinlich macht. Dazu kommt nun aber noch Folgendes: Im Index zum 31. Buche steht nämlich unter den römischen Autoren ein Polybius, und zwar zwischen Ovid und Sornatius. £ine Benutzung Ovids kann im 31. Buche nur bei den Notizen über die wunderbaren Quellen bis § 35 in Frage kommen. Gleich dahinter aber trifft man auf die Stellen, welche aus Vitruv stammen können resp. stammen müssen. Es könnte also an dieser Stelle im Index, der übrigens hier im 31. Buche auch sonst nicht in Ordnung ist, der Name Yitmvs als Pollione vor Polybio ausgefallen sein, wenn wir nicht viel- mehr annehmen müssten, dass hier Polybio selbst aus Pollione corrumpirt worden sei, und zwar dem Citat zu Liebe am Sohlusse des 31. Buches, wo aber ebenfalls, wie mir scheint zu Unrecht, der Name Polybius bisher unangefochten geblieben ist und wohl Polyclitus, der ohnehin im Index vorkommt, an Stelle von Poly- bius einzusetzen sein wird. Dass der Adressat der ooneolatio ad Polybium, der über Homer und Yergil geschrieben hat, auch über medicinische Dinge ein Buch verfasst habe, ist eine an- bewiesene Behauptung^, die um so unwahrscheinlicher wird, als Seneca in seiner consolatio, deren Abfassung in das Jahr 43 44 fällt, nicht die geringste Anspielung auf eine derartige Schriftstelierei des Polybius macht, die vielmehr rein schöngeistig war, und Polybius nicht lange nachher (47) auf Betreiben der

ί Detlefsen, Progr. v. Glückstadt 1883 S. 4.

Ueber den Yerfaeser der X libri de Architectura 21

Meeealioa, die Reibet im Jabre 48 getötet wurde, biDgericbtet worden ist^.

Dae8 im 31. Bucbfe bereite § 36 aus Vitruv stammt, brancbt man nicbt anzunebmen, dagegen polemisirt § 43 gegen Vitrov. Wes- halb Oder^ meint, dass diese Polemik nicht von Plinius selbst her- rühren könne, weiss ich nicbt ; za tief ist denn doch diese Weis- heit gerade nicht. Man schreibt überhaupt meiner Ansicht nach der eigenen Thätigkeit^ des Plinius viel zu wenig von dem In- halte der Bücher zu, obwobl uns eine einfache Rechnung davon überzeugen kann, dass der Antheil, den Plinius sich selbst zu- rechnet, garnicht so unbeträchtlich ist. Den 20000 aus anderen Schriftetellern laut der Vorrede entnommenen Notizen stehen gegenüber als Summe von nur 32 Büchern gemäss der Summen- angaben der Indices circa 34 000 res et historiae et obser vationes, somit würden also auf die 36 Bücber circa 38000 Lemmata zu rechnen sein, sodass Plin. selbst fast die Hälfte sich zugerechnet haben würde. Das mag zu hoch gegriffen sein, indem vielleiobt einige der grossen Zahlen der Indices falsch überliefert sind, immerhin nimmt aber Plinius einen bedeutenden Theil für sich selbst in Anspruch.

Bestimmt muss aber, von allen anderen abgesehen, § 57 ans Vitruv entnommen sein, da wir dem Plinius doch nicht zutrauen dürfen, dass er etwas indirekt übernahm, für das, wie wir gesehen haben, Vitruv als Erfinder galt. Die An- nahme dagegen, dass diese Nacbricht aus einer gemeinsamen Quelle und gar aus Varro stammen soU^, ist mit der oben ange- führten Frontinstelle absolut unvereinbar, denn hiemach ist das Qninarsystem erst unter Augustus von Agrippa oder Vitruv er- funden, kann also Varro garnicht bekannt gewesen sein. Frei- lich hilft sich Ussing wieder damit, dass er behauptet. Frontin rede von ganz etwas anderem als Vitruv und ebenso soll auch Plinius von Vitruv abweichen. Diese letztere Behauptung können wir, da sie wohl von Niemandem getheilt wird, mit Stillschweigen tibergehen, dagegen wollen wir das Verhältniss von Frontin und Vitruv einmal näher ins Auge fassen, da sich hier die Gelegen- heit bietet, ein interessantes Kapitel antiken Lebens zu be- leachten.

1 Vgl. Bueoheler, Rh. Mus. 37, 327.

^ Oder, Quellensucher im Alterthum. Philol. Sappl. B. VII 1. 2 p. 2.

> Vgl. dazu jetzt auch Detlefsen, Untersuch. 1899. S. 13 ff. * Oder, Quelleneuoher S. 362.

22 Degering

Vitrav sagt Folgendes VIII 6. 4: fistulae ne minns longae pedum denum fundantur, quae si centenariae erunt^ pondne habeant in singolas pondo MCC, si octogenariae pondo DCCCCLX, si quin- quagenariae pondo DC, qaadragenariae pondo CCCCLXXX, tri- cenariae pondo CCCLX, vicenariae pondo CCXL, quinum denum pondo CLXXX, dennm pondo CXX, octonum pondo C, quinariae pondo LX. e latitudine autem lamnaram, quot digitos habuerint, antequam in rotundationem fiectantur, magnitndiuam ita nomina concipiunt fistulae. namque qoae lamna fuerit digitorum quin- quaginta cum fistula perficietur ex ea lamna, yocabitur quinqua- genaria similiterque reliquae. Plinius stimmt damit vollkommen überein, nur dass er in umgekehrter Reihenfolge die Rohre auf- führt und zur Erklärung der Bezeichnung ein anderes Beispiel (denaria) als Vitruv (quinquägenaria) wählt.

Zunächst ist nun Ussing im Anschluss natürlich an Schultz der Meinung, Vitruv spreche von gegossenen Röhren, während er doch ausdrücklich und zwar zweimal [lamnarum antequam in rotundationem flectantur und quae lamna fuerit digit. qainq. cum fistula perficitur ex ea lamna] von der Herstellung aus Platten spricht, und sich das fundantur natürlich nur auf die Herstellung der Platten selbst bezieht. Diese wurden aber natür- licherweise gegossen, was einmal durch die eingegossenen In- schriften bewiesen wird und andererseits dadurch, dass die Alten unsere moderne Walztechnik schwerlich schon gekannt haben, wenigstens mtisste Ussing wohl erst den Beweis dafür liefern. Die Herstellungstechnik ist vielmehr die, dass die Platten in der vorgeschriebenen Grösse gegossen, dann zur Erhöhung der Dich- tigkeit und Festigkeit gehämmert, darauf über einen runden Dorn zusammengebogen und endlich durch eine Lötnaht geschlossen wurden. Gegossene Blei-Rohre und zwar mit Wandstärken, welche proportional der Druckhöhe zunehmen, wurden nur da verwendet, wo die Leitung ein tieferes Thal zu überwinden hatte und also demgemäss die Röhren einen stärkeren Druck auszuhalten hatten. Den ersten Beweis dafür, dass die Alten diese Technik kannten, verdanken wir den Untersuchungen des Herrn Regierunge- and Baurath R. Bassel über die antike Druckwasserleitung des Be- tilienus Varus in Alatri, der solche Röhren aufgefunden hat^. Man nimmt nun gewöhnlich an, dass Vitruv dieses Verfahren nicht gekannt habe, wie ich glaube mit Unrecht. Vitruv er-

ί Vgl. Centralbl. der Bauverwaltung 1882 u. Annali 1881, 204.

lieber den Verfieiseer der X libri de Arcbitectura 23

wähnt die Sache wohl, beschreibt sie aber nicht. Da, wo er über die Anlage des venter (κοιλία) spricht, sagt er Viil 6. 6; etiam in ventre colliquiaria^ sunt facienda, per qaae vis Spiritus relaxetnr. Plin. hat dieselbe Nachricht in folgender Form : 31,58 in anfractu omni colliquiaria^ fieri, ubi dometurimpetus, necessariom est. Das Wort colliqoiaria, welches durch diese Uebereinstimmung von Yitruv und Plinius gesichert ist, kann nur von colliquesco abge- leitet werden, das sich bekanntlich auf die Gusstechnik bezieht. Die beiden Stellen würden also sachgemäss übersetzt lauten: In den Partien der Leitung, wo in Folge des Gefälles und Wiederan- eteigens ein stärkerer Druck auftritt, muss man, um den Druck aufzunehmen, stehend gegossene Röhren mit proportional zur Drackhöhe wachsender Wandstärke einfügen. So erklärt sich nun auch ganz einfach eine Sache, die bisher immer besondere Schwierigkeit gemacht hat und die natürlich auch von Schultz und Ussing gegen den Techniker Vitruv vorgebracht worden ist nämlich die gleichmässige Wandstärke der in der oben angeführten Stelle erwähnten Röhren. Diese Wandstärke kann man aus den vorliegenden Angaben ermitteln. Es ergiebt sich daraus, dass ein Plattenetreifen von 10 Fuss Länge und der Breite eines römiechen Digitus 12 römische Pfunde wog. Da der Digitus aber 18,5 mm, der Fuss 296 mm und das römische Pfund 327,5 gr beträgt, so erhalten wir also pro qcm Oberfläche ein Gewicht von,

12 . 327,5 . 1000

ττττ 7:^r;i rxgr = 71,71 gr.

18,5 . 296 . 10* ' *

Dividirt man nun diesen Betrag durch das specifische Gewicht des Bleies =11, 376 11,42, so findet man die Dicke der Platten mit 6,3 6,2 mm. In den Aufzeichnungen Bassels über die pompejanische Wasserleitung, die derselbe mir in liebenswür- digster Weise für diesen Zweck zurJYerfügung gestellt hat, findet sich eine ganze Reihe * von Röhren der verschiedensten Kaliber Terzelchnet, deren Wandstärke er zu circa 6 mm angiebt, stärkere finde ich überhaupt nicht und nur einige wenige von geringerer Plattenstärke, z. B. 2,5 mm und 4 mm, die ofi^enbar aber nicht Wasserleitnngsrohre im strengen Sinne, sondern Abwässer- oder Regenfallrohre waren, d. h. also Rohre, die nie mit innerem Drucke belastet waren. Ebenso habe ich selbst Gelegenheit gehabt, eine Reihe von solchen Röhren im Museo civico zu Bologna zu unter-

^ GH colliviaria.

oodd. oolliquinaria. Vgl. Gundermann bei Rose Vitr.* Schlass- anmerkung. Ich habe übrigens diese Richtigstellung selbständig uud vorher gelonden.

^ Degering

snelien. Auch dieee eiod hst dorcbweg τοη gleicher Wandstirke, ich fend im Durcbecbnitt circa 7J5 mm, doch waren dieeelben innen wie aneeen mit einer starken Sinterecbicht üherzo^n, po- daeR sich wohl für die reinen Bleirohre dieselbe Stärke von 6 3 mm ergeben wird. Eine Eigenthnmlichkeit zeigte sich jedocb, nämlich die, dass der übergeschlagene Rand der Platten ver- stärkt war; ich mass hier bis zn 12 mm.

Nach alle dem darf man also wohl behaupten, dass die rleichmissige Plattenetärke von circa 6,25 mm =^ 1 römischer sicilicQS ffir die gelötheten Wasserrohre, ganz wie Vitmv berichtet, allgemein gebräochlich war. Diese anf den ersten Blick vielleicht verwunderliche Thatsache findet ihre Erklärung darin, dass die Widerftandsf&higkeit solcher Röhren ihre änssertte Grenze selbst bei den grössten gebränchlicben Kalibern, der Centenaria mit einem Durchmesser von 55 cm', wohl nicht in der Plattenstärke« sondern in der Löthnaht fand, und andererseits solche Röhren eben nur unter geringeren Druckverhältnissen Verwendung fanden, während man dort, wo man eben über normale Druckverhältnisse hinausgehen musste, coUiqniaria verwendete. Bassel versichert, dass eine Inanspruchnahme solcher gelötheten Röhren mit mehr als 5 m I>ruckhÖhe, die ungefähr einem halben Atmosphären- druck entsprechen würde, wohl kaum bei den gewöhnlichen antiken Leitungen überschritten worden sei. Nach einer durch die PfAxif* gefnndenen Formel, welche im Taschenbuch des In- genieurs (Hütte) 18β3. S. 233 mitgetheilt ist, gilt für Röhren mit

innerem Druck die Formel : b Va ^ | + c,

wo b die Wandstärke,

d der innere Durchmesser in cm,

ρ der innere üeberdruck i in kgr

k die zulässige Belastung > pro (Zugfestigkeit) \ qcm,

0 (eine Constante) für Blei 5,5 mm bedeutet. Demnach würde also eine Centenaria Vitruvs (von der Naht abgesehen) bei einer Plattenstärke von 6,8'mm, einem Inneren Durchmesser von 55 cm und einer zulässigen Belastung des Bleis von 62kgr^ (Koppe, Physik 1887 S. 9) pro qcm, f^r den Inneren iJeberdruck

1 U'w /iigf#«ti(rkeit des Bleies wird übrigens sehr Terschieden ange- f eben %, IK in Meyert Convers.-L. auf mehr alt das Doppelte nämlich IdH kfrr* fla^Jurch würde das Yerbäliniss natürlich noch ein günstigeres.

üeber den Verfasser der X libri de Architectura 25

ρ =124^^^^= 1,7225 kgr pro qcm

DD

ergeben d. b. also eine eolcbe Röbre (resp. ibre Wandnng) würde einen mebr ale dreifacben Druck aaezabalten im Stande sein, ale oben angenommen wurde; ob aucb die Lötbnabt dieser Kraft gewacbeen sein würde, ist nur durcb praktiscbe Versuebe zu entscbeiden. Jedenfalls bing bier aucb viel von dem Masse der Sorgfalt ab, mit dem dieselbe ausgefübrt wurde.

Soviel ist aber obne Weiteres sieber, dass der Vorwurf, welcben Sobultz und üssing gegen Vitruv erbeben, dass es un- gereimt sei für die Röbren mit grossem und kleinem Querscbnitt dieselbe Plattenstärke vorznscbreiben, völlig gegenstandslos ist, und eben nur ibre Unkenntniss der Tbatsacben antiker Praxis beweist.

s Man braucbt nun aber keineswegs anzunebmen, dass die Vitruv'scben Gewicbtsangaben durcbans als absolute Wertbe an- zueeben seien, sondern es scbeinen vielmebr Minimalsätze zu sein, die er giebt. Er meint eine Quinaria von 10 Fuss Länge soll mindestens 60 Pfd., eine Denaria mindestens 120 Pfd. wiegen u. s. w.; denn dadurcb wird die erforderlicbe und tiblicbe Plattenstärke von einem Digitus gewäbrleistet. Die Gleicbmässig- keit derselben war also praktisob insofern von grossem Wertbe als sie eine leicbte und sicbere Controlle darüber durcb das Gewicbt ermöglicbte, ob die Röbre aucb die recbte Stärke batte. Eine Differenz von ^/jq mm, die durcb Messung sebr scbwer zu constatiren ist, würde für die Centenaria scbon eine Gewicbts- differenz von 20 Pfd. ausmacben und selbst bei einer Quinaria scbon 1 Pfd. betragen, d. b. also mit Leiobtigkeit zu constatiren sein. Es ist also aucb bier Vitruv durcbaus der Praktiker.

leb komme nun zu dem Verbältniss zwiscben Vitruv und Frontin tpeciell. Sobultz und mit ibm üssing bebaupten, dass das, was Vitruv über das Quinarsystem bericbte und mit ibm und ans ibm Plinius, die Epitome und Palladius, nicbt zu dem stimme, was Frontin gewissermassen officiell darüber mittbeile. Um diese Ansiebt zu prüfen, ist es notbwendig, den Gedankengang Frontine von §24 31 genauer zu verfolgen. Er sagt: Die Wasser- moduli ricbtete man zuerst ein nacb dem Digitus oder naob dem üozenmass; der nacb dem Digitalmass bestimmte Modulus gilt in Campanien und den meisten Orten Italiens, der nacb der Unze bestimmte in einem Tbeile von Latium (oder wie man sonet die vorhandene Cormptel ergänzen will) nocb beute» Mo^iv

*i DegeriDg

ODtereefaeidet zwischen Digitns qnadratne und Digitus rotandoe. I>«f Verbältnies beider ist 14 : 11 (er rechnet also wie Vitr.

22\

Spater wurde (in Rom natürlich) ein Modulue eingeführt, der weder von der Unze noch von einem der beiden Digiti (rotundue und qnadratue) ausging, wie die Einen sagen dnrch ^grippa, wie die Anderen sagen dnrch die Bleirohrfabrikanten unter der Vermittlung des Architekten Vitruv^, und gelangte in der Stadt zu ausschliesslicher Herrschaft, derselbe (Modulus) wurde Quinaria benannt. Und zwar behaupten die, welche seine Erfindung dem Agrippa zuschreiben, dass er deshalb so benannt sei, weil 5 alte moduli nunmehr zu einem Bohre zusammen- gelegt wurden ; die aber, welche Vitruv und die Bleirohrfabrikanten als Urheber ansehen, behaupten, der Name leite sich davon abf dass eine Blei platte von 5 Digiten Breite, zu einer Röhre zu- sammengebogen, gerade diesen Modulus hervorbringe. Aber das ist doch nur eine unsichere Bestimmung, da die Innen- seite der Platte, wenn dieselbe rund gebogen wird, zusammengedrückt (verkürzt), die Aussenseite da- gegen ausgezogen (verlängert) wird. Die wahrschein- lichste Annahme ist die, dass die Quinaria nach einem Dnroh- messer von Y4 Fingern benannt ist, und diese Erklärung passt auch für die folgenden moduli bis zur vicenaria, indem bei jeder höheren der Durchmesser um V4 Digitus wachst.

§ 26 folgt dann eine Bestimmung der Grössenverhältnisse der Quinaria, Unze, Digitus quadratus und Digitus rotundus, wobei die Quinaria als Einheit gesetzt wird.

Es wird gesetzt Quinaria Unze^ Digitus quadr. Digit. rot.

1 Ve *»/8β

1,13777... 0,83333 . . 0,63888 . .

genauer genauer genauer

1,137731 0,8145 . . 0,64

1 Modulus bedeutet hier das Nonnalmaes des an Private abge- gebenen WasBerquantums, nicht aber die beiden oben angeführten Maas- einheiten, vielmehr, wie aus dem Verhältnies hervorgeht, nur einen Bruchtheil und zw»r entspricht ungefähr V4 Dig. quadr. der angre- fnhrten Bedingung.

' Die Verl)e88erung des Polenus ist die richtigere. Frontins An- gaben sind Näherungswcrtbe nach dem römisch-technischen Bruchsystem.

Ueber den Verfasser der X libri de Architectura 27

Im Uebrigen ivacbeen nun die (officiellen) modnii» welcbe auf der Quinaria bernhen, von da aus auf zweierlei Weise an. £in• mal 80, daee die Quinaria selbst multiplicirt wird, d. b. wenn in ein und derselben liebten Rohrweite mebrere Quinarweiteu zu• samniengefaset sind, wobei die liebte Weite wäcbst im Verbält- nise zu der Anzahl der hinzugefügten Quinarien. Dieses System wird dann gewöhnlich angewendet, wenn die Abgabe mehrerer Quinarien (als das Mass des an Private abgegebenen WaRser- quantums vergl. vorher § 25) neu bewilligt und diese, damit nicht eine mehrfache Anbohrung der Hauptleitung nöthig wird, in einer Rohrleitung vereinigt und zu einem Castel geleitet wird, von dem aus die einzelnen Abnehmer jeder sein Quantum (Qui- naria) erhält.

Das andere System hat statt, wenn der Zuwachs der Rohr- weite nicht nach ganzen Quinarien sich berechnet, sondern nach dem Masse ihres Durchmessers, wonach sie dann auch ihre Be- nennung erhält und wonach sich die Grösse ihrer Aueflussmenge regelt: z. B. die Quinaria wird zur Senaria, wenn ihr Durch- messer um V4 Digitus wächst. Aber ihre Capacität wächst nicht um den vollen Betrag einer Quinaria, denn die Senaria fasst 1 Vie ^ Qninaria, und in dieser Weise wachsen nach denselben Prinzipien je durch Hinzufügen eines Vierteid igitus zum Durch- messer, wie schon vorhin erwähnt wurde 25), die Septenaria, die Octonaria u. s. w. bis zur Vicenaria an.

Von hier ab aber tritt ein anderes Rechnungsprinzip ein, nämlich jenes, das nach der Zahl ^ der Quadratdigiti rechnet, die in dem Querschnitt, d. h. in der lichten Rohrweite, eines jeden Modulus enthalten sind, und nach diesen Zahlen werden dann die Röhren (moduli) benannt. Denn eine solche Röhre, welche einen Querschnitt von 25 in eine Kreisfläche verwandelten^ Quadratdigiten hat, heisst eine 25er Röhre, in ähnlicher Weise eine 30er und so der Reihe nach mit dem gleichen Zuwachs von je 5 Quadratdigiten bis zur 120er Röhre. Bei der 20er

^ Das ist auch wieder nur ein Näherungswertb nach dem tech- nischen Brachsystem; genau musste es heissen l^V»•

' Ussing S. 111 behauptet unter ausdrücklicher Berufung auf diesen Paragraphen: 'Bei grösseren Massen, vicenaria bis centenum vicenum rechnete man aber nicht nach Durchmessern sondern nach Ereisumfängen.

' Statt coacti lese ich coactos sei. digitos quadratos viginti qninque cf. S. 14, 25 digitus quadratus in rotundum redactus.

28 Degering

Röhre, welche auf der Grenze beider Rechnangsmethoden liegt, treffen beide annähernd zu. Denn nach der Rechnung, welche bei den vorangehenden (d. h. qainaria bis vicenaria) Modalen zur Anwendung kommt, hat sie im Durchmesser ^^/4 Digiten^ (und) da nun ihr Durchmesser also 5 Digiten beträgt, so hat sie auch gemäss der Rechnungsmethode der Moduli, welche nach- folgen (vicenaria centenum vicenum), einen Querschnitt, der nur um ein ganz geringes kleiner ist als 20 Quadratdigiten '. So wie wir hier also auseinandergesetzt haben, verhält ee eich mit dem Röhrensystem von der Quinaria bis zur 120er Röhre, und dieses ist dann in allen seinen Theilen consequent Ausserdem passt es auch zu den Rohrweiten, welche durch die Ausfiihrangs- bestimmungen unseres glorreichen und erhabenen Herrschers ge- setzlich festgelegt worden sind. Mag man also Gonsequenz oder Autorität von einem System verlangen, so zeichnet sich in beiden Beziehungen das System der Ausführungsbestimmnngen vor anderen aus. Soweit Frontin ! Aus diesen Ausführungen geht nun aber Folgendes hervor:

Erstens: Vor der Einführung der Quinaria rechnete man nach anderen Systemen, aber alle diese Systeme stimmen darin überein, dass sie die Ausflussmenge nach dem Querschnitt der Röhre bestimmen^.

Zweitens: Die Quinaria stammt aus der Augusteischen Zeit.

Drittens : Zu Frontins Zeiten wusste man den Urheber dieses Systems nicht mehr mit Bestimmtheit zu nennen, und war sich auch nicht mehr über den Ursprung des Systeme und seiner Benennung klar.

Viertens: Den beiden herrschenden Aneichten über den Ur- sprung der Benennung stellt Frontin eine dritte gegenüber und zwar deshalb, weil es ihm darum zu thun ist, das von seinem Gönner und Kaiser (Nerva) wohl unter Frontins eigener Mit-

* Die einzige Aenderung welche nöthig ist, ist ein et vor cum

einzusetzen.

11 24 2 Nach § 24 -^- = 19,H43 Quadratdigiten. Nach den heutigen

π . 25 math. Rechnungsmethoden ^ also etwas weniger: 19,63495.

^ Von der Thatsaohe, dass die Ausflussmenge auch wesentlich von der Druckhöhe (d. h. der Höhe des Wasserspiegels über der Aus- flusBÖffnuiig) abhängig ist, scheint das Alterthum nur eine angenügende Vorstellung gehabt zu haben. Vgl. Frontin I 35.

Ueber den Verfasser der X libri de Architectura 29

irkung durch ein Ausfübrungegeeetz festgesetzte System als tionell za erweisen.

Fünftens: In diesem System erscheint Altes und Neues ge- iecbt. Neu ist der auf der Zählung von Digitalquadranten des irchmeesers beruhende Systemabsobnitt von der Quinaria bis ir Vicenaria, alt dagegen und auf das vor dem Augusteischen ainarsystem übliche System der Digiti quadrati zurückgreifend t der übrige Theil.

Um aber diese Mischung homogen zu verbinden durch das ittelglied der 20 er Röhre, ist eben die neue Erklärung er* nden.

Die Quinaria Frontins ist selbstverständlich genau dieselbe 8 die Yitruvsche. Dieselbe war als Normalmass für die Wasser- )gabe an Private gesetzlich eingeführt^, und hatte sich wohl β ausreichend erwiesen. Eine Aenderung hierin wäre also schon egen der vielen £inzelanschlüsse, die hätten geändert werden Ü88en, eine missliche Sache gewesen. Es geht das aber auch aus in Worten Frontins 25) hervor, denn wenn er nach den $iden anderen Erklärungen fortfährt: maxime probabile est, linariam dictam a diametro quinque quadrantum, so will er tmit doch offenbar nur eine dritte Erklärung für dieselbe iden- 9che Sache geben. Zum Ueberflusse lässt sich aber auch noch chnerisch die Identität der Yitruvschen (Augusteischen) Quinaria it der Frontinschen nachweisen. Wenn man eine Platte rund egt, so dass sie eine Röhre bildet, so ist der innere Durch- eeser dieser Röhre offenbar nicht gleich der Breite der Blei- atte dividirt durch π, sondern genau »um eine Plattenstärke iringer, weil die Krümmungsaxe der Platte in der Mitte der- Iben liegt und, wie Frontin 25) richtig bemerkt, die äusseren ;hichten gedehnt, die inneren dagegen zusammengedrückt werden. ie Plattenstärke haben wir aber oben auf 6,25 mm berechnet, id da die Breite der Platte 5 Digiti beträgt, so ist also der nere Durchmesser

= (^'--6,25)min = 23,l

mm.

ach Frontins System ist aber der innere Durchmesser ^/4 Di- ten = 23,125 mm.

* cf. Frontin II 106. aus einem Gesetz: neve cui eorum, quibas [ua daretur publice jus esset intra quinquaginta pedes ejus castelli ; quo «quam ducerent laxiorem fistulam subicere quam quinariam.

30 Degering.

Daza ist aber noch Folgendes zu bemerken: Die grosee Genauigkeit, welche Frontin hier für die Kaliber der Bohrleitiingen in Anspruch nimmt, ist de facto bei der Flerstellungeweiee der Röhren garnicht möglich, da der Querschnitt derselben infolge der Löthnaht kein kreisrunder war. Eine solche Genauigkeit war nur möglich bei den Calices d. h. den (gebohrten oder ge- gossenen) kurzen Bronzerohren, welche in die Wand eines Ga- stelles eingelassen wurden und an die dann erst die Leitungs- röhren anschlössen. Diese Calices mussten, wie wir durch Frontin 105) erfahren, seit Claudius geaicht werden, um absichtliche oder unabsichtliche Uebervortheilung einzelner Wasserempfänger auszuschliessen, und bei dieser Gelegenheit mag dann auch die endgültige Fixirung der Quinaria auf den Durchmesser von V4 l^igi^en stattgefunden haben, da eine Prüfung der kreisrunden Oeffnungen der Calices natürlicherweise am leichtesten und sicher- sten durch Messen des Durchmessers ausgeführt werden konnte.

Schultz und Ussing begehen also einen Fehler, wenn sie dieses Aichungsprinzip auch auf das Vitruvsche System über- tragen. Dieses war seinem Ursprung und seiner Bestimmung nach nur ein in Rücksicht auf die Fabrikation und den Handel der Röhren ersonnenes, während dem neuen Systeme andere juristische Motive zu Grunde lagen, welche die gesetzliche Rege- lung und Ueberwachung der Wasservertheilüng bezweckten. Beiden gemeinsam war nur der gleiche Ausgangspunkt, die Quinaria. Für die Wasservertheilüng selbst war das Vitruv'sche System dagegen nicht sehr geeignet, dieser Vorwurf trifilt aber den ersten Theil des offiziellen Frontin^schen Systems in dem gleichen Masse, da sie beide auf einem gleichmässigen Zuwachs einer linearen Grundlage (Umfang, Durchmesser) beruhen, dem nur dann ein rechnungmässig einfacher Zuwachs des Querschnittes entspricht, wenn der Zuwachs der linearen Grundlage einer Verdoppelung oder Verdreifachung u. s. w. entspricht.

Es ist nun aber wunderbar, dass dieses Frontin*eche neue System gerade da wieder aufhört, wo es eigentlich an fängt[prak tisch verwerthbar zu werden, nämlich von der Vicenaria an, von der aus immer in solchen Stufen von 5 zu 5 Einheiten aufgestiegen wird, und wir gerade hier das alte vor-Vitruv'sche System in Gel- tung sehen, das zu der Quinarie nicht in einfachem rechnerischen Verhältniss steht. Es zeigt uns dieser Umstand recht deutlich, was das neue System eigentlich bedeutet. Offenbar hatte die Quinaria, allein von dem ganzen Vitruv'schen System als das Grondmaes

tJeber den Veriaseer der X libri de Architectora Sl

der Wfieeerabgabe geeetzliche Gültigkeit und Anerkennung ge- funden, dagegen war im Uebrigen das alte Mass des Digitue qua- dratue in Gebrauch geblieben, wenn sich auch daneben ein Usus entwickelt hatte, nach Multiplen der Qninaria zu rechnen (of. Front. 27). Dae neue System iet nichts weiter als ein Versuch, diese Maessysteme mit einander zu verknüpfen, und dieser Ver- such ist nur in recht äusserlicher Weise durchgeführt durch das Mittelglied der Vicenaria, in der beide Systeme zufällig annähernd zusammentrafen.

Das Vitruv'sche System, das, wie wir vorhin erörtert haben, eigentlich nur einen handelspraktischen Werth hatte, konnte neben diesem juristischen Masssystem, das sich auf die Aichung der Calices bezog, ruhig nebenher bestehen und wird auch weiter be- standen haben, denn so unpraktisch werden weder Faventin noch Palladius gewesen sein, dass sie ihrer Quelle etwas entnahmen, was für ihre Zeit werthlos gewesen wäre. Man sieht, es ist auch hier kein Grund zu irgend welchen Vorwürfen gegen den Techniker Vitruv.

Dass man S. 207, 2 mit Rose sicilico statt semipede schreiben niusB, ist eigentlich so selbstverständlich, dass man sich wundern muss, wie Jemand dagegen überhaupt etwas einzuwenden haben kann ; wenn je eine Conjektur richtig war, so ist es diese. Dass die Verderbniss alt ist, beweisen die £pitome und Palladius, die pede semis beziehungsweise sesquipede haben. Die Erklärung, die Ussing von der Palladiasstelle giebt, ist unmöglich, denn sensim heisst nicht um ein Geringes sondern allmählich, nach und nach. Ans der Epitome und aus Palladius ist eben der Fehler nicht mehr wegzubringen, da sie ihn bereits über- nommen hatten.

Ueber die Stellen im 33. Buche würden wir nach dem oben begründeten Standpunkte hinweggehen können, da wir un- bedenklich zugeben können, dass die hier vorkommenden Paral- lelen nicht aus Vitruv stammen. Es würde auch wunderbar sein, wenn Plinius gerade für die Farben Vitruv als Quelle benutzt haben sollte. Plinius weiss hier auch viel mehr als Vitruv. Er kennt zwei Arten von Minium, den Bergzinnober und die Mennige, die durch Rösten von Bleioxyden hergestellt wird. Er weiss, dass mit dem zweiten in Rom Schwindel getrieben wird, indem es statt des echten Zinnobers verkauft wird. Er fällt aber trotzdem auf dieselben Schwindelproben hinein, welche die Güte des echten Zinnobers beweisen sollen, aber nur dür die Mennige zutrefifeni

32 Degering

und auf die auch Vitruy hineingefallen ist, der den ünterecbied zwiechen Bergzinnober und Mennige überhaupt nicht kennt

Dass bei Plinius 121 mit invenio et caice adolterari eine neue Quelle einsetzt und zwar dieselbe, die auch Vitruy benutzte, liegt auf der Hand. Die Stelle bei Plinius lautet: invenio et calce adulterari, ao simili ratione ferri oandentis lamna, ei non sit purum (aurum codd.) deprehendi. inlito solis at^ue lunae contactus inimicus, remedium ut pariete eiccato cera Punica cum oleo liquefacta candens saetis inducatnr iterumque admotie gallae (sie codd.) carbonibus inuratur ad sudorem neque, poetea cande- lis subigatur ac deinde linteis puris, sicut et marmora niteecunt

Dem entspricht bei Yitruv: Vitiatur mininm admixta calce. Itaqne si qui velit experiri id sine vitio esse, sie erit faciendum. Ferrea lamna sumatur, eo minium imponatur, ad ignem conlocetur donec lamna candescat. Cum e candore color mutatus fuerit eritque ater, tollatur lamna ab igni et sie refrigeratum ei restituatur in pristinum colorem, sine vitio esse probabitur, sin autem permanserit nigro colore, eignificabit se esse vitiatum, und die Geschichte vom Faberius scriba at si qui sub- tilior fuerit et voluerit expolitionem miniaceam suum colorem retinere, cum paries expolitus et aridus fuerit, ceram punioam igni liquefactam paulo oleo temperatam saeta inducat, deinde poetea carbonibus in ferreo vase compositis eam ceram a proximo cum pariete calfaciundo sudare cogat, faciatque (fiatque codd.) ut peraequetur, deinde tunc candela linteisque puris subigat, uti eigna marmorea nuda curantur.

Nicht Plinius ist aber der genauere, sondern Vitruv. Mennige erhitzt, wird schwarz und wird wieder roth, so bald sie sich ab- kühlt, ob ein Kalkzusatz irgend welcher Art stattfindet, sei es Calciumhydrat, kohlensauer Kalk oder Gyps, das macht, wie ich selbst probirt habe, nichts aus. Zinnober dagegen, mit oder ohne diese Zusätze, zersetzt sich bei der Erhitzung und bildet ein schmutzig- dunkelbraunes Pulver, das nicht wieder roth wird beim Erkalten. Die Probe ist also offenbar nichts weiter als ein Schwindel seitens der Mennige-Fabrikanten. Vitruv hat davon keine Ahnung, sondern hält die Mennige wirklich für echten Zinnober, Plinius aber, der den Unterschied kennt, da man offenbar in- zwischen und wohl erst seit kurzer Zeit hinter diesen Fabrika- tionsschwindel gekommen war (hoc est secundarium minium per- quam paucis notum ΧΧΧ1Π 119) sündigt aus ürtheilslosigkeit, wenn er trotzdem diese Schwindelproben aufnimmt

üeber den Verfasser der X libri de Architeotara 33

Aaeh im zweiten Theile kann es eich de facto nur um Mennige /handeln, die unter Mitwirkung des Sonnenlichtes durch die ammoniakhaltigen Ausdünstungen der Abortgruben, woran es im Plebejerviertel Korns wohl nicht gefehlt haben wird, allmählich zersetzt wird. Die von Vitruv und Plinins beschriebene Sohutz- decke von Wachs ist jedenfalls als Mittel dagegen sehr zweck- mässig. Für die Erklärung der Plinianischen Fassung! füge ich noch hinzu, dass gallae Dativ sein muss und nicht Genetiv. Admotis gallae carbonibus ist gleich admotis carbonibus ad gallam nnd galla bedeutet die Haut, die Oberfläche. In dieser Be- deutung existirt das Wort noch heute im Italienischen in sprich- wörtlichen Redensarten siare α galla^ rimanere α galla. Es findet sich aber auch bei Maorobius.

Die Stelle U 6 lautet folgend ermassen: Post hunc Caecina Albinus Plauens in judicio forte amici cum molestum testem destrnere vellet, interrogavit, quia sutorem sciebat, quo artificio se tueretur. ille urbane respondit gallam subigo, sutorium hoc habetur instrumentum quod non infacete in adulterii ezprobrationem ambiguitate convertit. nam Plauens in Maevia Galla nupta male audiebat. Macrobius kennt also das vulgäre Wort offenbar, selbst nicht, denn das, was er davon sagt sutorium instrumenlum Jiabetur, ist sicherlich falsch, denn für eine solche Bedeutung haben wir sonst nicht das geringste Zeugniss ; auch passt die Construktion des Witzwortes ja garnicht dazu gallam subigere kann doch nur heissen ^etwas glattstreichen d. h. entweder etwas (eine Tinctur) auf einen Gegenstand durch Streichen glatt aufbringen oder etwas (einen Gegenstand) durch Streichen glätten. Die richtige Pointe des Witz wertes ergiebt sich eben erst wenn galla die Haut, das Leder bedeutet. Mit Galläpfelsaft arbeitet nicht der Schuster, sondern der Gerber. Wohl aber ist das Walken des Leders eine wesentliche Beschäftigung des Schusters. Im 35. Buche hört selbstverständlich das Capitel über das Atramentum 41. 42 nicht zu dem aus Vitruv entnommenen Gute, die Benutzung beginnt erst da, wo wirklich Vitruv als Autorität in Frage kommt, nämlich bei dem Capitel über die Ziegelfabrikation 170—173.

Vitr. Π, 3, 1 codd. Plin. 35, 170 f. codd,

non enim de harenoso neque Lateres non sunt ex sabuloso

calculoso luto neque sabulonoso neque harenoso multoque minus luto sunt duoendi quod ex calculoso ducendi solo bis generibus etc. (Begründung),

Kbeio. MuB. t Philol. N. V. LVU. '^

34 Degering

faciendi autem sunt ex terra sed e cretoso et albioante aut albida cretosa sive de rubrica ex rubrica vel etiam e sabulo, aut etiam masculo eabulone. mascnlo certe.

Die Uebereinstimmung beider Stellen ist so gross, dass wir die handschriftliche Lesung der einen aus der anderen berichtigen können. Bei Vitruv ist mit Rose statt sabulonoso luto, eabulone soluto zu schreiben cf. VIII 1, denn ihm wird ein anderer sabulum oder eabulo nachher bei Plinius und Vitruv entgegengesetzt. Bei Plinius ist das sinnlose certe am Ende zu streichen uud dafür hinter rubrica creta einzusetzen, das vom Rande her an falscher Stelle eingesetzt und zu certe verderbt worden ist. rubrica allein stehend ist der rothe Ocker, ein Farbstoff. Bei Vitruv ist zu rubrica terra cretosa^ bei Plinius solo zu cretoso et albicante (im Gedanken) zu ergänzen.

Wovon hier aber die Rede ist, das ist nur der ungebrannte Ziegel, der Luftziegel und Nichts weiter. Das ganze Capitel Vitr. 11 3 handelt nur von solchen, aber ebenso auch Plinius 170 173. Eine Verwechslung von gebrannten und ungebrannten Steinen ist von Seiten Vitruvs sowohl wie von selten Pliniue' völlig ausgeschlossen. Das Material des Palastes des Mausolus und des Palastes der Attaliden muss also eben der Luftziegel ge- wesen sein. Ussing freilich, obwohl er S. 113 ausdrücklich an- erkannt hat, dass der ganze Abschnitt nur von Luftziegeln rede, hat das auf der folgenden Seite bereite vergessen, und meint, Plinius gehe hier 171) stillschweigend zu gebrannten Steinen über. Noch weniger thut das aber Vitruv in den entsprechenden Partien II 8, 9 17, denn er setzt der latericia structura am Schlüsse derselben ausdrücklich die structura testacea gegenüber, deren Verwendung er hier und im Folgenden auf Pfeiler und einen oberen Schutzrand für Luftziegelmaiiern beschränkt wissen will, während er den Backsteinmauerbau nur mit vorsichtiger Reserve empfiehlt. Vitruv sagt: De ipsa autem testa si sit op- tima seu vitiosa ad structuram statim nemo potest judicare, quod in tempestatibus et aestate (aetate Rose) in tecto cum est conlo- cata, tunc si est iirma probatur. namque quae non fuerit ex creta bona aut parum erit cocta, ibi se ostendit esse vitioeam gelicidiis et pruina tacta. ergo quae non in tectis poterit pati laborem, ea non potest in structura oneri ferendo esse firma. quare maxime ex veteribus tegulis testa structi parietes firmitatem poterunt habere.

Ich habe Gelegenheit gehabt, in Rom und Pompeji genauere

Üeber den Verfaseer der X libri de Architectura B5

üntersuohungen über den Umfang and die Entwickelung des Backstein banes anzustellen and bin dabei zu dem für mich nicht überraschenden Resultate gekommen, dass die Vitruy'schen Be- merkungen absolut richtig sind. Wenn man dieselben freilich mit Ussing so auffasst, als behaupte Vitruv, man solle die zu einem Bau zu verwendenden Backsteine erst auf dem Dache deu Unbilden der Witterung aussetzen und sie so prüfen, so wäre das freilich eine Thorheit, die eines Architecten und Fachmannes durchaus unwürdig wäre. Aber diese Thorheit begeht eben nicht Vitruv sondern neuere Erklärer, wie Schultz und Ussing. Vitruv sagt nur, dass das beste und sicherste Material für Backstein- mauern aus alten Dachziegeln genommen würde, da diese bereits auf ihre Festigkeit und Wetterbeständigkeit geprüft seien, während man bei frisch gebrannten Steinen nie wissen könne, ob sie aus gutem Material hergestellt und richtig gebrannt worden seien, also sich haltbar erweisen würden. £r traut dem Backsteinbau also noch nicht. So kann natürlicherweise ein Architekt cur schreiben, wenn zu seiner Zeit wirklich der Backsteinbau ernt in ganz geringem Um- fange zur Verwendung gelangt und es an der nöthigen Erfahrung diesem Material gegenüber fehlte. Dass dem aber zu Augusteischer Zeit so war, lässt sich mit Sicherheit nachweisen.

So lange man freilich die Pantheonsrotunde für agrippinisch also augusteisch ansah, hielt es schwer, sich mit diesem Passus abzufinden, jetzt aber wo daran kein Einsichtiger mehr glaubt, wird man vorurtheilsfreier dieser Frage gegenüberstehen. In Pompeji, um mit dem Sichersten zu beginnen, sind die meisten mit Hilfe von gebrannten Ziegeln hergestellten Bauten später als das Erdbeben. Namentlich wo es sich um ganze Wände aus Ziegelmaterial handelt, wie beim Vespasianstempel, beim Hause der Eumachia, den Gurien, sind diese Wände stets nach 63 zu datiren. Α elter sind in einigen wenigen Fällen Pfeiler und Säulen oder auch Eckwandpfeiler und Thüreinfassungen. Das Material hierzu ist aber in Pompeji ausnahmslos Dachziegel- bruchstein, niemals besonders geformter Mauerziegelstein. Auch die Ziegelsäulen der Basilika sind meiner Ansicht nach nicht aus besondere geformten und dann gebrannten Steinen gebaut, sondern die Stücke sind ebenfalls aus solchen Ziegeln znrecht geschlagen, wie sie in der Basilika auch sonst gefunden sind, mit dem Stempel BhTTVTT IH. Das beweist die übereinstimmende Dicke und die absolute Regellosigkeit in der Grösse der Stücke, aus denen die Säulen zusammengesetzt sind, die sich doch beim Gebrauche einer

Form garnicht er- kl&ren ]ieeee. Eben- so sind anch die Pfeiler und Ant«n der ZwiecbeDW&nd Ewieohen Torhalle und Hanptratiin λοβ Bolchem Ziegelmate• rial anfgeftthrt. fiaod- otiicke nod Stücke mit ReBten obiger lo- Bohrift beweieen daa mit abiolnter Sicber- beit. Vielleicht ver- wendete man bier den Äbfoll, der sich bei der Znrichtnng dee Süalenmateriala ergab. Wirklich ge- formtes Ziegelmate- rial findet eioh nnr in den Boden lagen nnd zwar in den Pfei- lern and Platten der HypokaoBten and in den tegniae ' hamatae

1 £■ liegt keine Ter- anlaaenug daEnror.du überlieferte amataeB hamatae bei Yttmr nnd Plinioi 36 in mamma- tae EQ corrigiren, e• giebt iowobl hamatae wie memmatae tega• lae; beide Arten kann man in den Pompe- janer grossen Ther- men beobachten. Die tegulae hamatae Bind Platten, welche an je- der Ecke einen Zapfen

Ueber den Verfasser der X libri de Architeotara 37

und mammatae der Luftheizungen, die ja aber auch auedrücklich als eine nene Erfindung jener Zeit bekannt eind. Eigenartig ist das Verfahren, das man in Pompeji bei der Construction von Bogen aus solchem Ziegelbruch angeblendet hat z. B. bei den Backöfen.

Hier sind die seitHch aufgebogenen Ränder der Ziegel, welche nach der oberen Untereteckeeite zu schmäler werden, in der Vorderfläche des Bogens so neben einand ergestellt, dass ihre keilförmige Gestalt sich in natürlicher Weise der Krümmung des Bogens anpasst. Aber, um das noch einmal zu wiederholen, stets fand ich nur Dachziegelbruchstücke verwendet, nie ganze Ziegel oder gar eigens zu dem vorliegenden Zwecke geformtes Material. Ebenso ist es aber in Rom in Augusteischer Zeit, und wenn hier auch wohl früher als in Pompeji Mauerziegel geformt wurden, so glaube ich doch mit aller Bestimmtheit behaupten zu dürfen, dass auch in römischem Ziegelwerk vor der zweiten Hälfte des 1. nachchristlichen Jahrhunderte Mauerziegel nicht vorkommen. In Rom ist dies Verhältniss ja schwerer zu über- sehen, weil hier von Privatbauten älterer Bauperioden eben nur wenig übrig geblieben ist, aber wo man Reticulat mit Ziegel- pfeilern antrifft, wie z. B. neben der nova via^ in der sogen, domus Gelotiana und dem oberen Theile der domus Liviae, da kann man dieses Ziegelwerk bestimmt nicht über die erste Hälfte des ersten Jahrhunderts hinaufrtioken, und hier ist ausnahmslos dieselbe Technik angewendet wie in Pompeji. Wann das eigentliche Ziegelmauerwerk in Italien erfunden ist, das wird sich ohne ausge- dehntere Untersuchungen nicht feststellen lassen. Der Entwick- lungsgang scheint der zu sein, dass man zunächst dazu überging, Plattenziegel ohne aufgebogenen Rand herzustellen, um der Ver- wendung der unbequemen Randstücke überhoben zu sein, dann er-

oder Haken haben, um dessen Länge sie von der Wand abstehen, an welcher sie mittelst Bronzenagel befestigt werden. Die tegulae mam- matae bedeuten gegen diese bamatae einen technischen Fortschritt. Nämlich bei der Befestigung der te^fulae hamatae konnte es leicht vor- kommen, dass man mit einem zu kräftigen Schlage den Ziegel bei der Befestigung auf der Wand zerbrach, da der Schlag, wie man aus der Skizze bei a ersieht, gegen eine ununterstützte Stelle des Ziegels geführt wurde. Diesem Debelstande begegnet die Construktion der mammatae auf das glücklichste, da hier die Schlagstelle b durch den Zapfen verstärkt ist.

38 Degering

fand man die Auegleichangsschichten durchlaufender und duroh- bindender Plattenreihen. Jedenfalls aber sind die Dreieckziegel wohl kaum früher als aus dem 2. Jahrhundert. Im Ganzen und Grossen ist das römische Ziegelmauerwerk aber, von Pfeilern und Gurtbögen abgesehen, die aus ganzen Platten- ziegeln mit versetzten Fugen hergestellt werden, eigentlich immer beim Ziegelgusswerk geblieben. Der Dreieckeziegel verdankt aber seine Erfindung offenbar der häufigen Vier- theilung der grossen Platten durch zwei Diagonalen, wobei man dann vier Theile mit gleichen glatten Rändern erhielt, die sich zur Verwendung in der Aussenfläche des Mauerwerkes eigneten. Auf die Herleitung der Ziegeltechnik aus diesen Ursprüngen möchte ich auch die ganz unrationelle geringe Dicke des römi- schen Ziegelmaterials zurückführen.

Hiermit ist aber wieder einem der wichtigsten Beweisgründe Ussings gegen den Techniker Vitruv der Boden entzogen.

Dass Vitruv in dem Abschnitt über Ziegelfabrikation von Plinius benutzt ist, dagegen können auch die kleinen Abweichungen, die Ussing mit Oehmichen hier conetatirt, nicht beweisend sein. Ob bei Plinius aedis Jovis et Hereulis nach Vitruv zu scbreiben ist oder umgekehrt bei Vitruv in aedibus Jovis et Hereulis, das lässt sich nicht entscheiden. Et Mevaniae ist nur Conjectnr von cod. B., für die^ da die anderen Handschriften eum aevaginae haben, andere Conjecturen, z. B. aevi magni oder ex aevo magno oder dergl. (cf. Vitr. vetustum), vielleicht berechtigter sind.

Im 86. Buche scheidet natürlich § 47 aus der Zahl der £xcerpte aus, da VitruΛ' dem Index nach erst gegen den Schlnss des Buches benutzt ist und der ganze § 47 ganz wohl eine selb- ständige Notiz von Plinius aus der Erinnerung sein kann, zu der er eventuell die Jahreszahl in irgend einem chronologischen Werke nachschlug. Dagegen ist von § 176 ab ohne Zweifel Vitruv benutzt, denn die Abweichungen, die Plinius hat, lassen sich ganz ungezwungen durch die veränderte Stellung erklären, die der Tuff als Baumaterial inzwischen erhalten hatte, der eigentlich nur noch im Reticulat und in Fundament-Unterbauten Verwendung findet, während ihn aus den Pfeilern der Travertin und das Ziegelmauer- werk verdrängt hatten. Deshalb lässt Plinius die schlechteeten localen Tuffsorten, die Rubrae und Pallenses, ganz fort und er- wähnt von den anderen nur die Hauptarten.

Der Stein von Statonia ist nach den im Mnseo archeologico zu Florenz befindlichen Sculpturen zu urtheilen ein ganz heller

Ueber den Verfasser der X libri de Architectura 39

Kalkstein, der echlechterdings nicht mit dem Albaneretein, dem Peperin, sondern nur mit dem Travertin zu vergleichen ist; wer hier das Versehen verursacht hat, Vitruv selbst oder der Schreiber, das dürfte schwer zu entscheiden sein. Möglich wäre es, dass Albanae aus Tiburtinae durch Ueberschreiben von albae entstanden ist, sodass also zu schreiben wäre colore quemad- modum Tiburtinae albae. Liegt aber ein Versehen von Seiten Vitruvs vor, so war für PliniuB nicht unmöglich, dieses Ver- sehen zu berichtigen.

Was Plinius § 170 vom lapis dubius sagt, ist bei Vitruv nicht auf alle Steine überhaupt ausgedehnt, wie Ussing be- hauptet, sondern wird ausdrücklich nur von den schlechten lo- kalen Tnffarten, speciell den Kubrae und Pallenses, gesagt. Was Ussing hier mag gelesen haben, weiss ich nicht; noch unver- ständlicher aber ist seine Behandlung v. Plin. 36, 173. Vitruv VIII 14 15. Der Passus beginnt bei Vitruv mit den Worten: sin autem loca dura erunt aut nimium venae penitus fuerint, tunc signinis operibus ex tectis aut superioribus locis excipiendae sunt copiae. Dazu schreibt Ussing Folgendes: Aber er (Vitruv) spricht nicht von Cistemen, welche er überhaupt nicht kennt, sondern von Brunnengraben. Es sind Brunnenwände und Böden^ welche er mit dem erwähnten Cemeutmauerwerk bekleidet, das er opus signinum nennt. Nachdem er dies so gut wie er es gewohnt ist beschrieben hat, da hat er rein vergessen, worüber er ge- sprochen hat, und während Plinius von Cisternen sagt, wie es ganz richtig ist, utilius geminas esse ut in priore vitia considant atque per colum in proximam transeat pura aqua, schreibt Vitruv § 15 gedankenlos (?): ea (was?) si duplicia aut triplicia facta fnerint uti percolationibus transmutari possint, multo salubriorem et suaviorem aquae usum efficient etc.

Diese Behauptungen sind geradezu ungeheuerlich und man kann nur annehmen, dass Ussing dieselben niedergeschriebeo hat, ohne den Vitruvtext selbst einzusehen, denn wer den oben angeführten Satz vor Augen hat, kann unmöglich behaupten, dass hier nicht von Cisternen die Rede sei. Der ganze Zu- sammenhang von Capitel 12 15 ist folgender: Da wo keine Quellen vorhanden, aus denen man das Wasser zur Stadt leiten kann, da muss man andere Wege der Wasserversorgung ein- schlagen. Einmal kann man Brunnen graben (natürlicherweise in der Stadt selbst). Hierbei ist Vorsicht geboten, wegen der (oamentlich in der Campagna so häufig auftretenden) giftigen

40 Degering

Brunnengase (Kohlensäure, Snmpfgas). Hat man aber den Brannen- echacbt fertig, so mauere man ibn mit unverbundenem Manerwerk aus. Wenn jedocb der Boden zu hart ist (oder die Gegend, in der die Stadt liegt, zu arm an Grund wasBer) (und man also ans diesen Gründen keine Brunnen anlegen kann), eo nehme man, zum ultimum refugium seine Zuflucht, zum Cieternenbau, oder, wie Yitruv sich auedrückt, dann mues man Eegenwaseer von den Dächern oder höher gelegenen Punkten her in signinie operibus auffangen. Der Satz ea autem efficient ist sprachlich nnge- schickt, sachlich aber durchaus richtig, nti percolationibus trans- mutari possint bezieht sich nur auf triplicia. Der Satz müeete genauer also eigentlich folgen dermassen lauten: Ea autem si duplicia facta fnerint (aut triplicia uti percolationibus transmu- tari possint) multo salubriorem etc. Gedankenlos ist das durch- aus nicht, aber selbstverständlich ganz etwas anderes, als was Plinins sagt, oder besser gesagt, es ist mehr als Pliniue giebt Dem Plinianischen Satze: ut in priore considant atque per colum in proximum transeat pura aqua entspricht sachlich bei Vitruv erst der Satz: limus enim cum habuerit quo subsidat, limpidior fiet et sine odoribus conservabit saporem. Die Anlagen, von denen hier aber gesprochen wird, sind, um keinen Irrthum aufkommen zu lassen, nicht etwa als Filterbassins in modernem Sinne auf- zufassen, sondern Elärbassins, in denen sich die Sinkstoffe ab- setzen. Auch handelt es sich bei Vitruv nicht um die Anlage von drei solchen Bassins hintereinander, sondern um zwei neben- einander liegende Elärbassins hinter dem einen Schöpfbassin, damit man die ersteren abwechselnd reinigen könne. Das transmutari wird bei Vitruv nur intransitiv verwendet, uti percolationibus transmutari possint ist also zu übersetzen: damit man mit den Klärbassins abwechseln könne.

Von besonderer Schwierigkeit ist die Frage nach der Stuck- bearbeitung; Vitr. YU 3, 5 Plinius § 176 und mit ihm überein- stimmend die Epitome § 22 und Palladius 115 reden nur von 2 Schichten Marmorstuck über den drei Sandmörtelschichten, Vi- truv dagegen scheint auch drei Stuckschichten zu verlangen. Es scheint deshalb zunächst, als ob hier wirklich Plinius auf eine andere Quelle als Vitruv zurückginge; auf dieselbe Quelle müseten dann aber auch die Epitome und Palladius über Vitruv hinweg zurückgreifen. Das letztere ist aber doch durchaus unwahrschein- lich, zumal die wörtliche Uebereinstimmung zwischen der Epitome

Üeber deD Verfasser der X libri de Architeotura 41

und Paladins einerseite und Vitrav andereeita bis auf den glatt herans zu schneidenden Zusatz vollständig ist.

Epitome: inarescente induotione alterum corium

Palladius: granimarmoris ind actio cum sicoari inceperit, aliud corium

Vitrav: inarescente inductione alterum corium mediocre

Epitome:

Palladius :

Vitruv : [dirigatur. Id cum subactum fuerit et bene fricatum]

Epitome: subtilius inducatur.

Palladius: subtilius oportet imponi.

Yitruv: subtilius inducatur.

Man würde ja dem Epitomator Faventin, der doch von der Sache selbst etwas verstehen musete, vielleicht eine solche Ver- einfachung zutrauen können, aber dann wäre es doch wunderbar, dass diese sachliche Vereinfachung stilistisch durch einen solch' glatten Schnitt ausgeführt ist. So ist es mir denn nicht zweifel- haft, dass hier im Vitruvtext von unberufener Hand ein Einschub gemacht worden ist, und zwar glaube ich auch die Veranlassung dazu nachweisen zu können. Die Verbindung et item zumal in der Bedeutung ei totidem ist verdächtig, sie kommt sonst nur einmal 1255 "^or und dürfte auch dort schwerlich richtig sein, vielmehr eiiam dafür einzusetzen oder et zu streichen sein. An der hier zu erörternden Stelle jedoch scheint das Compendium von item aus dem Zahlzeichen II = duobus verlesen und dadurch dann die Inter- polation veranlasst zu sein. Dazu kommen ferner noch verschie- dene Bedenken aus dem eingeschobenen Satze selbst. Zunächst mediocre für mittelstark, während es sonst gering heiest, dann der Bedeutungs Wechsel von subigere, das kurz vorher von der Bearbei- inng der Stuckmasse in der Mörtelpfanne, hier dagegen von dem Auftragen und dem Glattstreichen auf der Wandfläche gesagt wird.

Ich muss noch einige Worte über die Benutzung Vitruvs durch Plinius im 36. Buche überhaupt hinzufügen. Die Be- nutzung Vitruvs beginnt mit § 166 und reicht bis § 188 und int nur durch reinlich auszuscheidende Zusätze erweitert.

Zunächst tragen, wie gesagt, die Eingangssätze der verän- derten Stellung Rechnung, die der Taff als Baumaterial inzwischen erhalten hat, dann folgt § 167 168 eine Auswahl ftus den von Yitruv angeführten Gesteinssorten, zu denen am Schiasse Plinius einige andere hinzufügt. § 170 folgt die Vorschrift über die Wet- terprobe der schlechteren*^ Gesteinsarten.

42 Degeriiig

Mit § 171 beginnt ein neues Kapitel über die Verb&nde § 172, das ohne Frage aus Vitrnv entnommen iet.

§ 173 behandelt die Anlage von Cieternen. Die Stellung dieses Capitels zum vorigen läset sieb nur erklären, wenn man annimmt, dass hier ein Citat auf jeden Fall angebracht werden soll, das der Zettelkasten eben noch enthält. Der § 174 iet ans lauter Stückchen zusammengesetzt; eine Bemerkung ans Gate, eine Reminiscenz aus Vitruv, noch dazu nicht einmal ganz richtig, der folgende Satz wieder anderswoher und endlich zum SchlüBS ein Satz aus einem Mirabilienschreiber.

§ 175 ist wiederum aus Vitruv. §176 ist wohl eigene Zu- that. § 177 wieder Vitruv bis auf die Wundergeschichte vom Crocus.

§ 178 und 179 aus Vitruv, ausgenommen der letzte Satz, alles aber offenbar mehr als Lesefrüchte, denn als ordentliche Citate übernommen.

§ 180 stammt aus einer medicinischen Schrift, ebenso 181. § 182 und 183 sind anscheinend einer griechischen Quelle ent- nommen und der Selbstmord des Procnlejus wohl wieder eine Zuthat von Plinius selbst. Woher § 184 und 185 stammen mögen entzieht sich der sicheren Beurtheilung, vielleicht könnte man hier und §180. 181 an Varro denken. Von §186 an bis 188 in- clusive dagegen ist wieder Vitruv benutzt. Dieser giebt die Hauptmasse, einiges wird den veränderten Zeitumständen nach geändert, anderes hinzugefügt, manches ohne sonderlich zum Thema in Beziehung zu stehen. Auch in der Disposition des ganzen Passus ist keine irgendwie vernünftige Ordnung, die ein- zelnen Notizen sind untereinander kaum harmonisch verarbeitet, kurz man erhält ganz den Eindruck, als ob hier einmal ein Fach der Notizensammlung gründlich ausgeschüttelt werden sollte. Man beachte besonders, au wie wenig geeignetem Platze § 173 und § 178—179 stehen.

Wir gehen nun dazu über, das Verhältniss von Vitruv und Athenaeus zu untersuchen. Wir können uns hier kürzer fassen, da das Wesentliche, namentlich soweit es die einzelnen Abweichungen zwischen Athenaeus und Vitruv betrifft, bereits von Thiel gesagt ist und wir uns deshalb darauf hier beschränken können, die Finwände zu entkräften, die üssing gegen Thiele Ansicht vor- bringt, dass beiden eine gemeinsame Quelle vorgelegen habe. Ob diese Quelle Agesistratus gewesen sei, wie Thiel mit grosser Wahrscheinlichkeit behauptet, das mag als nicht absolut eicber bewiesen dahingestellt sein ; dass aber Vitruv den Athenaeus

üeber den Verfasser der X libri de Architectura 43

nicht benutzt haben kann, das läset sich beweisen und ist, wie gesagt, von Thiel bewiesen worden ^

Das was Vitrav mebr giebt als Athenaeus, sind naeb Ussing freilich auch hier wieder müssige Zusätze und unnöthige Umschreibungen, und wo Abweichungen zwischen beiden statt- finden, da ist nach ibm natürlicherweise Athenaeus im Eecbt. Man braucht aber nur einige Punkte der Ussing'scben Beweis- führung vorzunehmen, um ihre Unhaltbarkeit einzusehen.

Vergleicht man scbon die ersten Farallelstellen Atbenaeus p. 9 ed. Wescher mit Vitruv X 19, so finden sich hier Discre- panzen, welche es ganz unmöglich machen anzunehmen, dass Athenaeus die Vorlage Vitruvs sei, da Vitruv durchgängig Aus- führlicheres und Besseres bietet als Athenaeus, dagegen anderes übergeht, das ebensowenig Athenaeus aus eigenem Wissen seiner Quelle wird zugesetzt haben.

Athenaeus lässt einige Soldaten der Karthager, als sie sich an den Demolirungsarbeiten des Forts aus Mangel an Werkzeug nicht betheiligen können, die Erfindung der Handramme machen, aber er läset sie mit einigen Stössen mit Leichtigkeit die Mauer auf eine weite Strecke hin niederlegen. Bei Vitruv dagegen fehlt es den Karthagern insgesammt an den nöthigen Werkzeugen, aber die Demolirung selbst wird vielmehr den Thatsachen ent- sprechend so geschildert, dass die Karthager mit den Ramm- bäomen von oben beginnend eine Quaderreihe Her Mauer nach der andern herabwerfen. Der Zusatz ac ratione bei Vitruv mag als überflüssig gelten, aber das Bild Vitruvs vom freihängenden Wagebalken ist für die Schweberarame bei weitem angemessener, als das des Athenaeus vom Jochbalken, der doch an der Deichsel im Mittelpunkte fest sass, also gar die Bewegung nicht aus- führen konnte, die zu dem Vergleich den Aniass gab. Nun vollends das Folgende. Ob der Geras ein Calchedonier oder ein Carchedonier war, ist an sich gleichgiltig, aber unwahrscheinlich ist es, dass Vitruv ohne Grund das Garchedon seiner Quelle in Calchedon änderte, während für Athenaeus die Veranlassung einer Aendernng in umgekehrter Weise in dem zweimal voraufgehen- den Garchedon allerdings vorhanden war. Sachlich ist sodann nur das, was Vitruv über die Maschine des Geras sagt, ver- ständig; ein Ding wie das von Athenaeus beschriebene musste beim ersten Stoss gegen die Mauer auseinanderfliegen. Aber

^ Thiel aaO. p. 279 ff.

44 Degering

nicht allein diesee beweiet, dase es niobt Vitrny ist, der seine Vorlage geändert hat, sondern noch vielmehr der Umetand, daee das, was nun auf diesen Paesne folgt: Γήρας be πρώτος ό εύρων bia την ßpabimiTa χελώνην προςηγόρευσεν = Ideo autem qnod tardoe oonatns habnerat, teetudinem arietariam appellare coepit eaohlich wohl zu der Yitruy^echen Faeeung des vorhergehenden paeet, aber keinesfalls zu der des Athenaens. Was eoll man sich denn darunter vorstellen, dass eine solche Maechinerie, wie sie Athenaeus beschreibt und welche doch nur durch die schnelle Bewegung auf ihren Rädern und den daraus resultirenden heftigen Stoss wirken konnte, wegen der Langsamkeit, mit der sie vor- wärts zu bringen war, bxä τήν βραδύτητα χελώνη testndo benannt wurde. Liess sich eine solche Maschine nicht kräftig, dh. schnell vorstossen, so war sie doch eben unbranchbar. Bei Yitruv dagegen ist alles in Ordnung. Hier ist die Maschine ein nur schwerfällig auf Rädern fortzubewegendes grösseres Bau- werk, dessen zerstörende Wirksamkeit aber von dieser Schwer- fälligkeit der eigenen Fortbewegung nicht abhängt, und so ist hierfür der Name testudo arietaria, dem im griechischen Original eine gleiche Doppelbezeichnung κριοφόρος χελώνη entsprochen haben wird, durchaus am Platze.

Wenn üssing S. 124 Vitruv die Unachtsamkeit vorwirft, dass er das griechische Mindestmass , wie es bei Athenaeus steht, έπταδάκτυλα mit semipedalia übersetze, so wirkt es erheiternd, dass er selbst in demselben Satze semipedalia mit sechsfingerbreit übersetzt, und dann kurz darauf übersieht, dass im Folgenden bei Vitruv semipedalia für €ΐς S δακτύλους συναγόμενα bei Athenaeus eintritt. Ussing scheint also den griechisch-römischen Fuss in 12 Daktylen und Digiten einzu- theilen. Wer aber von beiden die richtigen Masse hat, kann meiner Ansicht nach gar nicht zweifelhaft sein; die runden Massangaben Vitruve zeugen durchaus für den Praktiker, die Athenaeischen, scheinbar so minutiös genauen Varianten dagegen verrathen den philosophischen Klüngel. Zu Athen, p. 15 'Ημ€Ϊς V έγράψαμεν πρώτον χελώνης χιυστρίδος κατασκευήν, είτα των δλλιυν μηχανημάτων. Vitr. Χ 19. 8 Quae sunt ab Diade de machinis scripta quibus eint comparationibus exposui; nunc quemadmodum a praeceptoribus accepi et utilia mihi videntar exponam, sagt üssinfr: Athenaeus forlader nu Diades, og Vitruv naturligvis ligesaa, skgondt han aldrig har set ham; men derfor forlader han ikke Athenaeus. Denne angiver i des Felgende

Üeber den Verfasser der X libri de Architectura 45

Philon fra Athen eom ein Eilde, Vitrnv angiver knn sine prae« ceptoree. Ich denke, sieht man vom letzten Satze ab, so braucht maD nur für Vitrav Athenaens und für Athenaeas Agesistratos einzusetzen, um etwas Richtiges heraus zu bekommen, denn das wenigstens kann keinem Zweifel unterliegen, dass bis hierher und im Nachfolgenden Athenaeus völlig auf Agesistratus und nicht etwa selbständig auf Diades und Philo zurückgeht. Athen. p. 16 stelle ich folgend ermaassen her: Τούτο τό κατασκεύασμα φησι Φίλιυν 6 'Αθηναίος χρήσιμον είναι προς τ€ τάς γινόμε- νος €ΐς τήν προσαγαιγήν τών μηχανημάτων παρόδους καΐ τάς παρεκτάσεις τών *στψδίιυν και τάς συγχώσεις κτλ.

Ich will nur noch eine Probe der Ussing'schen Kritik be- leuchten. Athen. 19/20. Τό τής όρυκτρΛος χελώνης γένος τά μέν άλλα παραπλησίως τοις πρότερον ψκονόμηται, τήν bi έμ- προσθεν όρθήν ίχει προσαγιυγήν, δπιυς προσελθοΟσα προς τό τείχος άπαρτίση αυτψ καΐ μη παρεισπίπτη άπό του τείχους τά όφΐέμενα βέλη, άλλ' ασφαλώς ο1 υπορύττοντες έν αυτή δντες έργά2[ονται . . Yitruv Χ. 19. 21. Quae autem testudines ad fodiendum comparantur δρυγες graece dicuntur cetera omnia habent uti supra scriptum est, frontes vero earum fiunt quemad- modum anguli trigoniorum uti a muro tela cum in eas mit- tantur non planis frontibns excipiant piagas sed ab lateribus la- bentes, sine periculoque fodientes qui intus sunt tueantur. Us- sing sagt dazu; Her fortaeller Oversaetteren, at denne Maskine, som Athenaeos kalder όρυκτρις χελώνη, paa Graesk hedder δρυζ, hvilket vel kan ^aere muligt. Men naar han i Stedet for Athe- naeos όρθήν saetter quemadmodum anguli trigoniorum er dett« mig aldeles uforstaaeligt. Skal Maskinen slutte taet til Mnrfladen (άπαρτίΖΙειν), kan dens Front ikke vaere Spidsen af en Triangel. Wie ist es nur möglich hier den Athenaeus als Vorlage des Vitruy anzunehmen? Soll man jemandem, der ein Werk von 10 Büchern hauptsächlich aus griechischen Quellen ausschreibt, so geringe Kenntnisse der griechischen Sprache zutrauen, dass er einen so einfachen Satz, wie den vorliegenden nicht entsprechend hätte übersetzen können. Ich sollte meinen, der Gedanke daran sollte niemanden ernstlich einfallen. Das was Vitruy giebt, ist mit dem was bei Athenaeus steht sachlich ganz unvereinbar; aber die enge formale Verwandtschaft der Perioden weist ebenso zwingend auf eine gemeinsame Grundlage. Den Schlüssel bietet nne aber der Anonymus oder Hero von Byzanz bei Wescher p. 214.

Hier heisst es: ταύτας bi (χελώνας όρυκτρίοας) ή bip-

46

Dege Γ i η ßf

ρύτους €Ϊναι και κατά πρόςωπον σκεπομ^νας προσάγεσθαι και προσεγγίεειν τψ τείχει, ή μονοπτέρους δττισθε μέν κατα- φέρεις, κατά bt πρόσωπον τετραγώνους, και έκ πλαγίων τρα- πε2[οεώεΐς ώς τριγώνους. Wescher giebt zu dieser Stelle an : AppoUodor. p. 143. 1. 6 9. Schlägt man aber die betreffende Stelle nach, so wird man bald finden, daes diese Beziehung auch eachlich nur zum Theil zutrifft, während sie dem Ausdrucke nach gar nicht so eng ist, wie das gewöhnlich zwischen dem Ano- nymus und seinen Quellen zB. kurz darauf der Fall ist. £s ist also zweifellos hier eine andere Quelle mit herangezogen, wo von 2 Arten von Oryktriden die Rede war, von denen die eine, und das ist der springende Punkt, zu der Beschreibung Yitruvs passt. Diese Quelle kann der Lage der Sache nach wohl nur die Hauptquelle des Anonymus, Athenaeus, gewesen sein bei dem wir den Passus heute nicht mehr lesen. Es führt uns also die Analyse auf die meines Wissens noch nicht so strikt nachgewiesene Thatsacbe, dass das uns vorliegende Buch des Athenaeue nicht in seiner ursprünglichen Gestalt, sondern nur in einer Bearbeitung auf uns gekommen ist. Das wird zB. auch durch folgende Stelle schlagend bewiesen:

Vit r UV.

Aries autem eius ha- buerat longitudinem pedum CIV. latitudine in imo palmipedali, crassitudine pedali, contractu a capite in latitudine pedis, cras- Bitudine S—

Anonym.

Ol περΓ Ηγήτορα . . . κριόν πηχών εκατόν εΤκοσι κατά μήκος 4πο(- ουν, έκ δέ πτέρνης κατά μέν πάχος πο- διαίον, εΙς δέ πλάτος παλαιστών πέντ€• έπΙ δέ τό έμπροσθεν άκρον συνήγον αυτόν €ΐς πλά- τος ποδιαίον καΐ πάχος

Athen.

τοΟ δέ κριοΟ τό σύμ- παν γίγνεται μήκος πήχεις pic, έκ δέ πτέρ- νης πάχος μέν ποδών β. πλάτος δέ πέντ€ παλαιστών €ΐς άκρον δέ συνήκται αύτοΟ τό μέν πάχος ποδιαίον, τό δέ πλάτος τριπαλοι- στιαΐον.

τριπάλαιστον.

Wie man sieht stimmt hier Vitruv, abgesehen von der Längenangabe, genau mit dem Anonymus gegen Athenaeus, ein Verhältniss, das ganz unerklärbar ist ohne die Annahme, dass dem Anonymus der Athenaeus in anderer Gestalt vorgelegen haben muse, als wir ihn jetzt lesen. Selbstverständlich bin ich nicht der Ansicht, dass diese Bearbeitung das Original wesent- lich verändert hat. Form und Stoff sind in der Hauptsache un- verändert geblieben und die Aenderungen rein redactionelle oder durch eingetretene handschriftliche Corruptelen bedingte Con- jecturen. Die Zeitfrage der Autorschaft wird dadurch in keiner

Üeber den Verfasser der X libri de Architectura 47

Weise berührt und es bleibt der Diels'Rche Ansatz unangefochten bestehen und damit natürlich auch die ganze Frage des Verhält- nisses zwischen Vitrnv und Athenaeus. Die Methodik der Kritik Ussings in diesem Falle ist übrigens der bezüglich des Verhält- nisses von Plinius zu Vitruv verwendeten diametral entgegen- gesetzt. Genügten hier ganz kleine Abweichungen, kurze Zu- sätze und drgl. als Beweise, dass Plinius den Vitruv nicht benutzt habe, so gentigen dort selbst die grössten und unvereinbarsten Widersprüche nicht, seine Ansicht zu erschüttern, dass Vitruv den Athenaeus ausgeschrieben habe.

Zum Beschlüsse des ersten Theiles meiner Untersuchungen füge ich noch einige Verbesserungsvorschläge zu Vitruv und Athenaeus an:

Vitr. 277, 10 = Possunt autem si opus fuerit eae machinae ex VIII rotis esse sed ad loci naturam *uti (ita 6H) opus fuerit temperataie; vergl. Athen. "Αυτή bi γένοιτ' δν όκτάτροχος ή χ€λώνη• άλλα τοιαύτα μηχανήματα Οεστι μετασκευάίειν τψ τεχνίττι έμβλέποντι €ΐς τους τόπους τών προςαγαιγών.

Vitr. 'ΐ79, 11. Item habuerat proiectura eins ex tabulis *epibathram (arcam codd.) compactam et confixam *intra (inqua codd.) rndentibus maioribus extentis e. q. s. arcam aus atram ist Rest von epibatram.

Vitr. 280, 10. Itaque bis praescriptionibus si qui attendere volnerit <et) ex varietate earum eligendo unam in comporationem conferre. etc.

Athenaeus § 25 ist der übrigens bei Vitruv und dem Ano- nymus fehlende Satz, der also möglicherweise erst der Zusatz des Bearbeiters ist, wohl folgendermassen herzustellen: ^χει bk και τταραοέρματα (codd. παραδείγματα) ii έκατίρου μέρους 6 κριός, έπ exbex (codd. έπεώή) [τά] ταϊς κάσαις παραπλήσια.

(Forte, folgt.)

Bonn. Degering.

ZWEI ALTE TERENZPROBLEME

I.

Ueber den Prolog zum Heaatontimorumenoe bat sieb eine Fülle von Erklärungen und Vermuthungen ergoeeen, leider mit eebr geringem Ertrag. Wiederholt wurde Alles durch- einander geworfen, wie wir es auch in den beiden handlichsten Ausgaben von Dziatzko und Fleckeisen vor Augen sehen. Dem gegenüber haben die beiden neuesten Besprechungen von Leo und Skutscb mit Recht sich des Bestandes und der Folge der Ueberliefernng angenommen. Trotzdem die Frage noch wieder in möglichster Kürze aufzunehmen, bin ich durch einen ähnlichen umstand veranlasst, wie Skutsch (Philol. LIX [N. F. XIII] p. 1 ff.), dass nämlich meine von Schanz Rom. Litteratnrgesch. Ρ ρ. θ] mitgetheilte und bedingt gebilligte Ansicht wohl erst durch etwas eingehendere Begründung zu allgemeinerer Erwä- gung und hoffentlich zur Anerkennung kommen dürfte.

Nicht aufzuhalten brauche ich mich bei den viel mieshan- delten Worten:

Ex integra graeca integram comoediam, da endlich auch Andere auf die älteste und einfachste Erklärung des Bembinusscholions zurückgekommen sind. Wenn aber aus dem noch viel mehr misshandelten Verse 6:

Duplex quae ex argumento factast simplici Skutsch wieder eine sichere Bestätigung für die Annahme der Contamination des Stückes entnehmen zu können glaubt, so ist bei dieser Erklärung, wie bei anderen, der Wechsel des Aus- drucks nicht berücksichtigt: es heisst weder 'duplex quod ex ar- gumento factumst simplici noch 'duplex quae factast ex simplici*; und gerade dieser Wechsel, sowie die mannigfachen Anstösse bei den bisherigen Erklärungsversuchen, haben mich darauf gebracht, dem Worte duplex hier denselben Sinn zu vindicieren, den das griechische διπλούς bisweilen hat, der bei Catull in der duplex

Zwei alte Terenzprobleme 49

Amathusia, bei Horaz in dem duplex Ulixes^ und in dem Verse des Ovid Am. I 12, 27 deutlicL• vorliegt und der * durch die, sicher auf einen archaischen Schriftsteller zurückgehende Glosse des Placidus altriplicem: duplicemj dolosum noch eine weitere Bestätigung, durch das Synonymum wie durch das Interpreta- ment, gewonnen hat. Dann sagt aber der Vers über Terenz und seine Uebersetzung gar nichts aus, sondern enthält viel- mehr ein Urtheil des Terenz über das Originalstück des Menander (ähnlich wie im Andriaprolog v. 10 12), nämlich dass es trotz des einfachen Sujets nicht simpel sei, des Dichters Gewandtheit offenbart *.

* Die Einwände und der andere nicht neue Erklärungen versuch von Goldbacher (in den Wiener Studien XX, 1896, p. 277 f.) »cheitem schon aber nicht allein an der Beziehung der Worte 'nee cursus duplicis per mare Ulixei* auf den Anfang der Odyssee, welche durch die gleiche Beziehung der yorhergebenden W*orte auf den Anfang der llias und die Nothwendigkeit dieser Form des echt antiken Citates für das Verständuiss der ganzei. Strophe, ja des ganzen Gedichtes, gesichert ist: was hier nur angedeutet werden kann.

^ Auf die unfruchtbaren, sich immer im Kreise drehenden, chro- nologischen Hypothesen gehe ich nicht ein, und will auch auf Skutsöh's Behauptung, dass v. 17 f. *multas contaminasse graeoas, dum facit paucas latinas' mindestens die Verarbeitung von vier Stücken zu zweien voraussetze, lediglich mit der Frage antworten: wie viele Male, genau gerechnet, vorhergegangeu sein müssen, um Hyperbeln, wie 'sexcenties* zu rechtfertigen; ob wie Wölfflin Archiv IX p. 176 sagt 'hundertmal* gebraucht werde, 'obschon es genau gerechnet nur siebenmal oder achtmal heissen müsste*, oder ob nicht ein Unge. duldiger schon beim dritten oder vierten Mal behauptet, er habe hundertmal gerufen, geklingelt oder etwas gesagt. Vollends die leb- haften und so gern übertreibenden Kömer und Italiener werden sich kein Gewiesen daraus machen auch für ' ein paar' zu sagen ' viele* . Beiläufig möchte ich noch zu dem, auch immer noch nicht zur Hube gekommenen Andriaprolog (der sicher, und gerade nach den Schluss- worten, zur ersten Aufführung gehört) das eine bemerken, dass der viel besprochene Plural *in prologis scribundis* am einfachsten und richtigsten als "pluralis generalis zu bezeichnen ist (zu übersetzen 'mit Prologschreiben), und dass die besten Belege dafür an Stelle des meist angeführten, von Karsten nicht anerkannten Miberi' (vgl. Donat zu Hec. II 1, 15 ua ) Terenz selber und (Cato bei) Cicero bieten: der erstere mit Eun. I 1, 3: 'men perpeti meretricum contumelias? exclusit, revocat' (wozu Donat richtig bemerkt: 'cum uni sit iratus, de Omnibus queritur'), der letztere Tusc. I 2 mit der Erwähnung der Oratio Catonis, in qua obiecit ut probrum M. Nobiliori, quod is in provinciam poetas duxisset: duxerat autem consul ille in Aetoliam, ut

50 Schon

Eid weiterer Punkt; io dem ich den neneeten Aafetellangen von Leo ^ und Skutsch unmöglich beipflichten kann, betrifft die Deutung der Eingangsveree :

Ne quoi sit vostrum mirum, quor partes seni Poeta dederit, quae sunt adulescentium, Id primum dioam, deinde quod ueni eloquar. Daes nach dieser Ankündigung das Folgende, trotz eines Umfange von 6 Versen nicht das erste sein soll, dass weiter in der durchaus zusammenhängenden Partie 11 27 v. 11 15 das 'primum^ die mit nam quod^ angeknüpfte Ausführung der mit ^deinde quod veni* angekündigte zweite Theil sein soll das sind Eünstlichkeiten und Yerlegenheitserklärungen, die nur auf dem Papier dargelegt werden können, auf lebendiges Ver- ständniss beim Anhören nie rechnen konnten und können. Leo hat das Ungeschickte wenigstens gefühlt und nun den Dichter dafür getadelt statt seines Interpreten. Ueberhaupt aber kann *quod veni' eich nur auf die allgemeine Aufgabe des Prologe, das ist die Einführung des aufzuführenden Stückes, beziehen, die in V. 4 9 gegeben ist, nicht auf einen gar nicht abgegrenzten Theil der speziellen Aufgabe des Ambivius als orator^

scimuB, Ennium'. So auch wir: 'du sollst keine Romane lesen, und thust 68 doch', auch wenn das Verbot nur einmal überschritten ist. Es kommt eben überall nicht auf die einzelne Person oder Sache an, sondern auf die Art; nicht dass es Ennius war, sondern überhaupt ein Dichter, dass eine meretrix sich solche Behandlung erlaubte, dass Terenz sich mit einem Prologe quälen muss usw. das drückt der Plural aus, ganz wie der Plural von Namen = *Leute wie N. N/

1 Analecta Plautina II, 1898, p. 23.

* Die von Skutsch p. 7, 2 angeführte Parallele des Amphitruo• prologs bietet keineswegs zu dem von ihm Gesagten ein wirkliches Analogon, sondern bestärkt vielmehr unsere Bedenken. Dort wird allerdings die Bitte als das erste, das Argument (die eigentliche Auf- gabe des Prologs) als das zweite angekündigt und auch ausgeführt. Wenn aber dort zwischen die Ankündigung und die Ausführung de« ersten Theiles ein Intermezzo eingeschoben wird, so ist dies ganz deut- lich als solches bezeichnet durch 'quid coulraxistis frontem?* und die Anknüpfung des Weiteren an ein bei der dispositio gebrauchtes Wort, während bei Terenz mit *hodie sum acturus' gerade die Ausführong über die Aufgabe des heutigen Tages, das *quod veni*, einsetzt. Dort folgt auch einfach 'nunc hoc me orare a vobis iussit luppiter', was trotz des 'nunc* mit der förmlichen Aufnahme der dispositio bei Terenz v. 10 'nunc quam ob rem has partis didicerim, paucis dabo' keine Aehnlichkeit hat.

Zwei alte Terenzprobleme 51

Mit dieser Ab weisnng, die icb absicbtlicb nicht breiter ausführe und belege, soll aber nun keineswegs den üblichen Umsturz- und Umetellungs versuchen das Wort geredet sein (die noch mit Aus- werfungen und Lückenannahmen verbanden auftreten, die ledig- lich Folge der Umstellungswillkür sind), sondern der viel ein- facheren und einleuchtenderen Vertauschung der Worte feinde' und 'primum', die nicht einmal bloss auf Conjektur beruht. Als solche haben sie längst Palmerius und Guyet vorgeschlagen, die nur unnöthig ^ Id dicam deinde: primum q. v. e.' ordneten statt

Id deinde dicam: primum quod veni eloquar. Natürlich ist dann vor diesem Vers stärker zu interpungiren und ^Ne quoi sit vostrum mirum als ein prohibitives 'Ne mire- mini' aufzufassen, nicht als Finalsatz zu dem Folgenden. Man soll sich über das zunächst Auffallende beruhigen, die Erklärung wird bald nachher folgen, wenn zuerst, kurz genug, die eigent- liche Aufgabe erledigt ist.

Diese Fassung von v. 3 hat ja mittlerweile eine urkund- liche Bestätigung gefunden in dem Bembinusscholion: ^quidam sie exponunt: primum quod veni eloquar, deinde dicam cur partes seni poeta d(ederit) quae sunt a^dolescentium^ . Dass hier nicht von einer antiken Conjektur die Kede ist, zeigt der Ausdruck * exponunt , und dass diese * Erklärung mit dem Wortlaut im Bembinus selbst streitet, beweist gerade ihr Alter: auch bei Donat und anderwärts beobachten wir ja nicht selten, dass das Scholion einen andern Text voraussetzt, als die zugehörige Hand- scbrift bietet oder aus einer solchen ins Lemma gesetzt ist ^ Dass aber die ^natürliche * Folge des 'primum deinde statt der

1 Einen versteckteren Fall dieser Art bietet Andria v. 120 f. (II, 93 f.J. Das immer noch von Spengel und Dziatzko bevorzugte 'Quia tum (mihi lamentari praeter ceteras Visaet)* ruht lediglich auf dem Codex C (und seiner Abschrift B): für die Lesart *Quae tum' spricht nicbt nur die Uebereinstimmung des derselben Classe, wie C, aogehörigen Ρ (auch 0 ^ Oxoniensis, olim Dunelmensis nach Hoeiug 'Americ. Jonm. of archaeol.' VI 4 p. 310 S.) mit der besonders zu beachtenden Ciasse DG, sondern auch die Erwägung, dass 'Quia tum' wegen des anschliessenden 'et quia ohne Weiteres aus 'Quae tum* gemacht wurde: nicht so leicht das Umgekehrte. Keineswegs aber verlangt 'et quia' vorher 'Quia tum' (oder bentley's 'Quae cum), da zunächst eine weitere Beobachtung des Simo angeknüpft, dann aber mit 'et quia erat forma praeter ceteras honesta ac liberali' ausdrücklich zurückgegriffen wird auf die vorher- gehende Stelle 'forte unam aspicio adulescentulam forma ' usw. Nun steht allerdings '({uia tum mihi' bei Donat als Lemma vor '«χ.<^\3α%\Μ)

52 α ο h δ 1 1

hier erforderlicben und gerechtfertigten ^deinde primum' einge- echwärzt wurde, iflt ja ein für oberflächliche Betrachter und Schreiber fast nothwendiger Vorgang. Erst nach Wiederher- stellung des Ursprünglichen passt denn auch wirklich die Auf- nahme mit V. 10:

Nunc quam ob rem hae partis didioerim paucis dabo.

II.

Auf den viel berufenen und durch die verschiedensten Ver- suche heimgesuchten Anfang der berühmten Narratio in der An* dria ^ I 1, 24 (v. 51) f. zurückzukommen, könnte sehr überflüseig scheinen, nachdem erst jüngst Vahlen in den Abhandlungen der Berl. Acad. d. W. 1900 eine eigene kleine Abhandlung darüber gegeben hat im Zusammenhang seiner Untersuchungen über et auf uä. im Versausgang bei Terenz. Allein gerade diese letzte Erörterung erheischt eine kurze Berichtigung. Denn so viel Triftiges und Beachtenswerthes auch dort geboten wird, so ist es doch unzweifelhaft, dass Vahlen diesmal seine gründlichen Er- örterungen mit einem Fehlgriff beginnt. Gleich auf der ersten Seite bringt er das Beispiel Sosia et || Liberius vivendi als erstes und behandelt es dann als das grundlegende an der Spitze besonders ausführlich, mit dem Schlüsse : ^so sollte man sich, meine ich, der Folgerung nicht entziehen, dass hier wenigstens diese Versbildung dem Dichter sicher gehört und nicht durch

necessaria*. Dass aber ein Donat gleichfalls die Fassung mit 'Quae tum' vor Augen hatte, beweist das vorhergeheude Scholion: 'ut nihil supra £λλ€ΐψις Terentiana; nam uon iiecesse est subiungere duos verflus*. Aus diesen Worten hat Klotz geschlossen, dass im Alterthum eine Vervoll- ständigung dieser Hede durch zwei Verse unternommen worden sei, und Umpfenbach in seinen Analecta Terentiana (Mainz 1874) p. 11 hat wirklich zwei solche Verse exempli gratia fabricirt. Allein der genaue Sinn des 'subiungere duos versus' geht nicht auf eine Vervoll- ständigung durch hinzugefügte Verse, sondern auf eine nähere Verbin- dung der zwei Verse 'ut nil supra (eani), quae tum etc. (wie Wessner auf meinen Wink in seircr Ausgabe andeutet): und daraus ergibt sich eben auch für Donat die Lesart, und die richtig, selbständig gefaeste Lesart 'Quae tum'.

^ Beiläufig: zu den Worten: 'Quod plerique omnes faciunt adules- ccntuli Vt animum ad aliquod Studium adiungant aut equos Alere aut canes ad venandum aut ad philosophos haben sich die neueren Com- mcntare die schöne Parallelstelle entgehen lassen aus Isokrates Areo- pagiticus 45: τους οέ βίον ίκανόν κεκτημένους π€ρΙ τήν Ιιτιτικήν καΐ τά γυμνάσια καΐ τά κΟνηγέσια καΐ τήν φιλοσοφίαν ήνάγκασαν

Zwei alte Terenzprobleme 53

zufalligeD Irrthum oder absichtliche Ergänzung entstanden ist' und doch liegt hier gerade ein zufalliger Irrthum' Vahlens und eine 'absichtliche Ergänzung der fraglichen Partikel im Terenztext ganz sicher vor. Vahlen hat sich an den Text und Apparat Umpfenbache gehalten, ohne die Addenda p. LXXXII heranzuziehen, er hat auch von Spengel die erste statt der zwei- ten Ausgabe benutzt und Bentley nicht nachgelesen : sonst würde er vor jenem grösseren und vor weiteren, unbedeutenderen Irrthümem bewahrt worden sein. Nun vindiciert er Sosia et den Hand- echriften, während ümpfenbach (und Spengel mit ihm) bezeugt * Sosia (om. et) libri ; er fügt als weiteres Zeugniss für et 'das Lemma des Donat' hinzu, während doch längst ausgemacht ist, daes auf die bei ümpfenbach (aus den alten Ausgaben) verzeich- neten Lemmata gar kein Verlass ist: und thatsächlich kennt auch die Ueberlieferung des Donat et nicht, sondern nur Ltberius. Vahlen sagt ferner, er wisse nicht, woher Bentley Sosia ac habe, während Bentley allerdings nicht zu v. 24, sondern am Sohluss seiner Anmerkung zu v. 27 in mehreren Zeilen diese seine Conjektur begründet, aus der dann weiterhin die öfter auf- genommene, von Vahlen und Anderen für alte Ueberlieferung gehaltene Lesart Sosia et gemacht wurde. Weiter bekämpft Vahlen die von Spengel selbst in der Neubearbeitung aufgegebene Conjektur und schreibt die von diesem dafür eingesetzte, von Vahlen gleichfalls, und mit Grund, bekämpfte Aenderung Fleck- eisen zu, der sie nur aufgenommen hat. Endlich lässt Vahlen für die prosodische Schwierigkeit des Liberius vivendi fuit po- testas die Wahl zwischen Liberjti(s) 'mit Lachmann und vi{ve)ndi 'mit Klotz': auch diese beiden Erfindungen gehören aber schon der Zeit vor Bentley an, wie ans dessen Ausgabe zu ersehen war^,

ötoTpißciv όραιντ€ς έκ τούτων τους μέν διαφέροντας γιγνομένους, τους bi τών πλ€(οταΓν κακών άπβχομένους, wo die gleiche Verbindung des Pferde- und Handesports mit dem Philosophieren (eben auch als Sport, nicht als Studium) bemerkeuswerth ist.

^ Bentley wird heutzutage leider oft überhaupt nicht mehr oder nicht genügend gelesen, nachdem man sich über seine Einseitigkeiten erhaben fühlt. Das zeigt sich oft zum Schaden in der Horazlitteratur, aber auch im Terenz. So hatte Bentley längst Andr. I 1, 89 (IIB) mit richtiger Begründung die Lesart quid id est im vorletzten Fuss statt quid est bevorzugt: Dziatzko hat es erneuert ohne Bentleys zu gedenken und Schlee in Wölfflins Archiv III p. 556 hat es grammatisch weiter gestützt, dagegen den seit Bentley noch näher ausgeführten metrischen Grund bei Seite geschoben, während hier, wie so oft, Me- trik und Grammatik sich gegenseitig stützen.

54 Scholl Zwei alte Terenzprobleme

und für diese Zeit allein passen sie auch. Denn UberjtC bleibt nicht nur far Terenz, sondern für die archaische Dichtung über- haupt unerhört und unmöglich, wenn sich auch in einer seiner Marotten Lachmann zu Lncr. 129 dieser Missgebnrt angenommen und ihr ein Di tibi mcdefacjant (Phorm. Π 3, 47) und ähnliches zugesellt hat, worüber längst Hitschl zu Trin. 200 und Andere den Stab gebrochen haben. Aber auch das alte ν/(νβ)η^« wird da- durch nicht besser und möglicher, dass sich unter Anderen Klotz, ja zweifelnd selbst Lindsay in der Einleitung zu seiner neuen Ausgabe der Gaptivi p. 22 dafür aussprechen: denn dass die an- geblichen "Parallelen^ ganz anders geartet sind, auch diese Form eine ünform ist, hat man gleichfalls längst nachgewiesen. Damit ist aber die Fehlerhaftigkeit und Verbesserungsbedürftigkeit der Stelle erwiesen, um so mehr, da zu dem prosodisohen Bedenken das inhaltliche hinzukommt oder umgekehrt: und das hat ja ge- rade Vahlen, wider Willen, aufs Neue dargethan, indem er den nach Bentley eingebürgerten Zusatz für nothwendig erkennt. Bei vernünftiger Behandlung werden wir aber nun natürlich nicht eine Partikel am Versende zusetzen auch wenn wir die Mög- lichkeit dieser Stellung im Allgemeinen zugeben und dann bei lAberius weiter herumbosseln, wir werden aber ebensowenig zu dem beliebten Gewaltmittel greifen die Worte Sosia pofestas hinauszuwerfen und nam is pam antea aufeinanderklappen zu lassen: vielmehr werden wir das Kreuz gerade vor L^>eritis setzen und den Sitz des Fehlers da suchen, wo Vers und Ge- dankenausdruck gleichermaassen hapern. Denn so gewiss Beut- leys Anstoss am Comparativ gesucht und spitzfindig war, so richtig man die Wendung liberius vivere aus Nepos Them. 1, 2 und ähnlichen Stellen belegt hat, so sicher ist doch Liberius nicht nothwendig, und ist als Interpretament wohl verständlich : es kann ja vivendi potestas in dem prägnanten Sinne von vivere (für den ich der Kürze halber auf meine Bemerkung zu Persa V. 30 verweise) bedeuten die Möglichkeit sein Leben zu genieeeen' und eben dieser Sinn konnte, wie anderwärts durch cum laetitia (vivere), so hier durch liberius glossirt werden. Dann aber hat eben dies Glossem die vermisste Gedankenverbindung verdrängt, die Bentley durch (.ac) Libera, Andere durch (et} LtberiuSf Spengel und Fleckeisen neuerdings durch übt (oder ut) für fuü (zugleich mit Hebung des prosodisohen Uebels) zu gewinnen suchten, und die wir nun nur versuchsweise und beispielsweise durch (iEt iatn) v, f. p. oder (Vbi ei) v. /. p. oder <^Simul uf) v. f. p. oder ähnlich andeuten können. Wirklich ourieren können wir den Vers nicht, aber wir wollen und sollen uns auch nicht einreden lassen, er " sei gesund oder Terenz selber habe diesen Krüppel in die Welt gesetzt.

Heidelberg. Fritz Scholl.

zu ACHILLES TATIUS

Aue den Gedankenkreisen des Platonischen 'Pbaedras' nnd 'Symposion, denen sich Xenophons^ Symposion und der Abschnitt bei Plato De legg. VÜI c. 5 p. 835 Ε c. 8 p. 842 Α bin- zagesellen, bat sieb, durcb die erotiscbe Poesie jeder Gattung^ vomebmliob aber dnrcb die Liebestragödie des Enripides ^ ge- fördert, allmählich eine popnlärpbilosopbisebe oder vielmehr dilettantische Art der Betrachtung entwickelt, die es sich im Gegensatz zu Piatons erhabenem Erosbilde zur Aufgabe machte, die Natur der Liebe nach ihrer sinnlichen Seite, nach ihren Wirkungen in. der Göttersage, in der Geschichte berühmter Persönlichkeiten, im täglichen Leben der Menschen, ja sogar im Thierleben gründlich zu erforschen*. Akademiker, Peripatetiker, Stoiker, Epikureer u. a. haben das Liebesproblem in zahlreichen, in der Regel in dialogischer Form abgefassten, zumeist περί έρω- τος oder ερωτικός oder ερωτική τίχνη betitelten Schriften er- örtert (vgl. die Zusammenstellung solcher Schriften bei A. W. Winckelmann: Plutarchi Eroticus. Turici 1836 S. 96 ff.)», mit denen die Tractate περί κάλλους (vgl. Athen. ΧΠΙ c. 11 p. 561 a Stob. fl. 65 f. M.) und ττερί γάμου oder ähnlichen Titele (vgl. L. Schmidt: Die Ethik der alten Griechen Π S. 187 ff.; P. Wend- land: Quaestiones Musonianae Berol. 1886 S. 56 und besonders das mir erst nach Einsendung dieser Abhandlung bekannt ge- wordene Buch von K. Praechter : Hierokles der Stoiker. Leipzig 1901 S. 121 ff.) in engem Zusammenhange stehen. Hauptsächlich im dreizehnten Buche des Athenaeus, dem ausführlichsten der uns

^ 6 σκηνικός άνατορ€υθ€ΐς φιλόσοφος, vgl. Sext. Emp. adv. gr. p. G66 B.; Athen. IV c. 48 p. 158 e XIII c. 11 p. 561 a.

* vgl. E. Rohde : Der griechische Roman ^ S. 55 ff.

' Natürlich bedarf dieses VerzeichnisB nach den Ergebnissen der neueren Forschung mehrfach der Berichtigung. Vgl. u. a. R. Hirzel: Der Dialog. 131 f. 110. 283. 345 f. 373. 399. Der bei Winckelmann ao. zuletzt erwähnte Capito ist identisob mit dem Verfasser des Epigramms A. P. V 67.

56 Wilhelm

erbalteDen Liebesdialoge, in Platarchs Έρατηκός ^, bei Maximne Tyriuß Or. 24—27*, in Lucians Έpu)T€ς^ bei Stobaeus fl. 63- 79* und ancb bei Clemens Romanus Hom. 5, 10 19 Recogn. X 20 ff. und Clemens Alexandnnus Protr. c.2 p. 27 ff. P. ^ Paed. II c. 10 12 p. 220 ff. P. lassen sieb die Spuren dieser erotiseben Litte- ratur verfolgen. Als eine Entartung dieser Gattung ist die scbltipf- rige Schriftstellerei ® zu bezeicbnen, die in gegenseitiger Befrucb- tung mit der erotiseben Komödie und Elegie der bellenistiscben Zeit jene Liebeslebre behandelte, die uns beispielsweise in Lucians Hetärengespräcben, im erotiseben Roman, in der Liebesepistel (so besonders bei Aristaenetus^ im erotiseben Epigramm und in der römiseben Elegie begegnet^, wo sie durcb Ovid in der Ars ama- toria ibre reicbste Ausbildung gefunden bat.

Eines der beliebten ίητηματα jener 'Pbilosopbie ® scheint nun die aus den socialen Verbältnissen Athens seit der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts begreifliche Frage gewesen zu sein, welche der beiden Liebesarten (ίρωτες), die Weiberliebe oder die Knabenliebe, den Vorzug verdiene. Der von den Dichtern seit Hesiod Theog. 590 ff. eo oft wiederbolte Satz (vgl. ua. Eur. Hipp. 616 ff. ; Aristopb. Thesm. 786 ff.), dass das Weib ein *Ueber sei, war zu einem von weiten Kreisen ange- nommenen Dogma geworden. Die sklavische Stellung der Frau

^ Verfasser dieser Schrift ist nach E. Graf: Commentat. Ribb. S. 70 Plutarch der Sohn.

^ Vgl. Hobein: De Maxime Tyrio quaest. philol. selectae. Got• tingae. 1895. S. 69.

^ Dem Lucian neuerdinge wieder abgesprochen von W. Lauer: Lucianus num auctor dialogi "Ερωτάς existimandus sit. Beilage zum Programm des Kgl. Friedrich- Wilhelme-Gymnasiums zu Köln 1899.

* Stobaeus citire ich, soweit er nicht in der Ausgabe von Wachs- mutb und Hense vorliegt, nach Meineke.

» Vgl. Wendling : De peplo Aristotelico. Strassb. 1891 S. 32 ff. 70 ff. Nach W. Christ: Phil. Studd. zu Clemens Alexandrinus München 1900 S. 28 (= Abh. d. k. bayer. Ak. d. Wiss. I. Kl. XXI. Bd. III. Abt. S. 482) geht der ganze Abschnitt Protr c. 2—4 auf das Werk des Apollodor über die Götter zurück.

Vgl. Ribbeck: Gesch. d. röra. Dichtung ^ Π 2G.).

' Vgl. Leo: Plautinische Forschungen S. 127 ff. und V. Hoelzer: De poesi amatoria a oomicis Atticis exculta, ab elegiacis imitatione expressa. p. I. dies, inaug. Marpurgi Catt. 1899 S. 7H ff.

β Vgl. Lucian ao. c. 31 p. 431 (φιλοσοφείν υπέρ γυναικατν); Ach. Tat. I 12, 1 (ήμβίς μέν oöv ταΟτα έφιλοσοφοΟμ€ν π€ρΙ τοΟ θ€θΟ sc. "Ερωτος).

Zu Achilles Tatiae 57

mit ihren auf Emancipation ^ gerichteten Bestrebungen und das ausgebreitete Hetärenwesen dienten dazu^ diesen Glauben zu be- festigen. Die Enabenliebe galt nach dem Beispiel massgebender Männer länget als ein zum Vollgenusse des Lebens unentbehrliches Element^. Mit besonderem Behagen ist das Feld der Knaben- liebe und der Weiberliebe von dem Peripatetiker Klearchos von Soloi in seinen von Athenaeus häufig citirten ερωτικά^ und, wie es scheint, auch von seinem Zunftgenossen Hieronymos von Rhodos^ behandelt worden. Wohl die meisten der Verfasser der oben bezeichneten Schriften über die Liebe haben zu dem 'Pro- blem* in irgend einer Weise Stellung genommen, ohne dass man bei der klaffenden Lücke der üeberlieferung über den Stand- punkt der einzelnen Auskunft zu geben vermöchte. Nach den strengen Grundsätzen ernstdenkender Stoiker wie des Musonius Rufus und unter fleissiger Benutzung der älteren, namentlich der peripatetischen Schriften über die Liebe, wird die Contro- verse im Ερωτικός des Plutarch zu Gunsten der Ehe ent- schieden ^ Dagegen werden die Weiber, insbesondere die als das 'Uebel' κατ' έΕοχήν angesehenen γαμεταί, bei Athenaeus XIII

c. 7 p. 558 e ff. durch zahlreiche Zeugnisse aus der Komödie herabgewürdigt. An den grössten Kriegen® und am Sturz ganzer

^ Vgl. J. Bruns: Frauenemancipation in Athen. Kiel 1900.

^ Plato, welcher die Knabenliebe in seinen früheren Dialogen derartig verherrlicht Latte, dass er der Sinnlichkeit derselben ent- schiedene Zugeständnisse machte (so auch in den kleineren Dialogen wie Lysis und Charmides; vgl. J. Bruns: N. Jahrb. f. das klass. Alter- thum 1900 S. 36), hat sie in den 'Gesetzen* gänzlich verworfen. Ueber den muthmasslichen Standpunkt des Aristot^^les vgl. Hirzel ao. I 283. In der πολιτ€(α des Zenon von Kition war die Männerliebe, wenn auch nicht die grobsinnliche, empfohlen; vgl. Susemihl: Gesch.

d. griech. Litt, in der Alexandrinerzeit I 56.

β Vgl. zB. Athen. XIII c. 16 p. 564a; c. 56 p. 589d; c. 70 p. 597 a; c. 83 p. 605d u. ö.

* Vgl. Susemihl ao. I 150.

* üeber Musonins als Quelle des Plut. im 'Ερωτικός vgl. Wend- land ao. p. 54 ff. und dazu Wendland und Kern: ßeitr. zur Gesch. d. griech. Phil. u. Rel. 8. 68 ff. Gern möchte man glauben, dass Plu- tarch in der erwähnten Schrift gegen ältere Ερωτικοί polemisiert. An engere Beziehungen zwischen dem plutarchischen 'Ερωτικός und den "Έρωτβς des Lucian glaubt Hirzel. Aber die ao. II 282 Anm. J ange- führten Aehnlichkeiten gehören offenbar zum Geraeingut des nach- platonischen erotischen Dialogs.

* Aehnlich Philo an den bei Wendland und Kern Beitr. S. 36 f. citierten Stellen. Derselbe Gedanke schon bei Aristoph. Thesm. 785 ff.

Wilbelm

HioMT tngtn me die Scliold (c. 10 p. 560 b— f). Cfregen die fftoiker, welche der Knabenliebe nnter dem Deebmantel der S^eleoliebe bnldipen ^Tgl. Plnt. Erot. c. 5 p. 752 Α und LaciaD Έρυττβς c. 23 p. 423), wendet eicb der Grammatiker Mjrtiloe ebenda c. 15 p. 563 d nnd redet bis c. 20 p. 566 e von Knaben- liebe and V 2nner«cbdnbeit, wibrend er e. 87 p. 606 a ff. an einem Katalog icboner Fraaen den Xacbweis fnbrt, δτι oib4v dotiv ός)βαλμών ο&ηυς €uq>pavnKOv ως γυναικός κάλλος. In Lncians Έραιτ€ς, wo das epikureische Gepiügr ebenso dentlieb bemerk- bar ift wie das kyniscb-etoische ^ , vertbeidigt der Korintber Cbarikles die Weiberliebe, der Athener Kallikratidas die Ejiaben- liebe im edlen Sinne. Der Beifall des Scbiedsricbtera Ljkinos (^ Lncianns) gehört dem Kallikratidas.

In der Poesie hat die μούσα παιδική neben dem Motiv der Wciberliebe von jeher ihr Ansehen behauptet. Dnrch den*Cbry- fippos'^ des Enripides. der nicht gmnds&tslieh der Feind des weiblichen Geschlechts (vgl. besonders Aristoph. Thesm. 544 ff.) gewesen sein kann, für den ihn seine Zeitgenossen hielten', war der Conflict zwischen beiden Liebesarten auf die Bohne ge- kommen. Ans der neueren Komödie mit ihren häufigen, den Ansftllen des Aristophanes in seinen drei Weiberkomödien an Heftigkeit nicht nachstehenden Yerwnnschnngen des weiblichen Geschlechts nnd des γαμεϊν (vgl. Antiphanes fr. 292 K. Ana- xandrides fr. 52 Enbnlos fr. 116 f. Aristophon fr. 5 Alexis fr. 262 Kenandros fr. 154. 404. 484)* sei der Μισογύνης des Menandros (fr. 325) hervorgehoben. Von Antiphanes (fr. 181) nnd Diphilos (fr. 58) werden im Widerspruch mit dem Zeagniss des PInt. Qnaest. conv. VIT 8, 3 p. 712 C, nach welchem die Knabenliebe für die via κωμψοία keinen Stoff abgab, Stücke des Titels ΤΤαΛβροστής nnd TTaibepacTToi genannt. Die Έραττβς ή Καλοί des Elegikers Phanokles schienen von der Knabenliebe abzumahnend Aaf das Vorbild des Hesiod, nar dass sie von männlichen Geliebten handelten, weisen die Ήοΐοι des Sosikrates von Phanagoria nnd der γυναικών κατάλογος des Nikainetos.

» Vgl. Praechter so. S. 148 f.

* Tragg. Graec. fr. reo. A. Nauck* S. 632.

« Vgl. Bloch: Neue Jahrb. f. d. klass. Alt. 1901 S. 32. ^ Aehnliches in der imitircnden römischen Komödie: ygl. Ribbeck a/>. I 78 f.

* Vifl. Susemihl ao. I 191.

Zu Achillee Tatius 59

Auch von den Dicbtern wird die Frage, ob der δρρην oder der θήλυς ίρως der begebrenewertbere eei, verscbieden beantwortet. Ale βπου προσή τό κάλλος, άμφΐ&έζιος bekennt eiob der sinn- licbe Liebbaber in dem Fragment des ungenannten Dichters bei Plut. Erot. c. 21 p. 767 Α ^. Seleukos, der Sobn des Gescbicbt- ecbreibers Mnesiptolemos, welcher letztere am Hofe Antiocbos des Grossen lebte, preist in zwei von Athenaeus XV c. 53 p. 697 d oitierten Asklepiadeien seiner Ιλαρά ^(Τματα die Knaben- liebe gegenüber dem γαμεΐν. Schwankenden Sinnes ist der Epi- grammatiker Meleagros von Gadara (A. P. V 208 ΧΠ 41. 86)• Vor Straten von Sardes, dem talentvollen, aber lasciven Sänger der Enabenliebe, findet das Weib natürlich keine Gnade (A. F. Xn 7), vielmehr ist ihm das παι&οφιλεΐν wie dem Kallikratidas bei Lucian. ao. c. 33 p. 433 bis c. 36 p. 437 ein εύρημα, welches der vemtinftjge Mensch wie jeden andern Kulturfortschritt vor dem unvernünftigen Thiere voraushabe: vgl. A. P. ΧΠ 245. Der unbekannte Verfasser des Epigramms A. P. Xll 17 kommt zu dem Ergebniss : δσον ουνατώτερος δρσην θηλυτίρης, τόσσον χώ πόθος όΕύτερος, während Eratosthenes Scholastikos^ Α. Ρ. V 277 und Μ. Argentariue Α. Ρ. V 116 im Sinne des Charit les bei Lucian ao. c. 25 p. 426 und c. 27 p. 427 (vgl. Musonins bei Stob. fl. 69, 23) für das Weib eine Lanze brechen. Mit der Weiberliebe will sich auch Agathias A. P. V 278 begnügen, aber A. P. V 302 verwirft er alle Liebesarten nnd findet das Heil einzig in dem cynischen Verfahren, welches Diogenes von Sinope nach Galen De loc. affect. VI 5 Bd. Vni 419 K. an- gewendet haben soll. ünt^r den diesbezüglichen Aeusserungen römischer Dichter^ ist der Ausspruch des Ovid a. a. Π 683 f. bemerkenswerth :

^ Naaok ao. Adesp. 355.

s Susemibl ao. I 225.

* üeber das Verh&ltniss des CatuU zur Knabenliebe vgl. Hamecker: Jahrb. f. Phil. 1886 S. 273 ff., über das des Tibull: Sat. Viadr. 1896 S. 48 ff. Die Erzeugnisse der Knabenmuae beider Dichter und das- selbe gilt von den betreffenden Dichtungen des Horaz und Vergil können, weil sie sich als reine Nachahmung griechischer Muster aus- weisen, den Glauben an eine ihnen zu Grunde liegende Realität nicht erwecken. Bei Properz spielt die Knabenliebe so gut wie gar keine Bolle; vgl. Birt: Rh. Mus. XXXVIII p. 215. Schon in der griechischen μούοα παιοική wird vieles auf blosser Nachahmung älterer Vorbilder ohne den Hintergrund des Selbsterlebten beruhen. Der erotische Dichter glaubt sein Lesepublikum nicht vollständig zu befriedigen, wenn er das Motiv der Knabenliebe übergeht.

60 Wilhelm

Odi concubitus, qui non ütrumque resolynnt (Hoc est, cur pueri tangar amore miDUs). GriecbiRcbe Epigrammenpoesien wie die oben angeführten hat Martial gelesen und verwerthet: vgl. zB. Mart. IX 25 A. P. ΧΠ 175. Mart. XI 43 A. P. V 116, Lucian. ao. c. 27 p. 428. Der Sittenprediger Juvenal, der I 2 das unnatürlicbe Treiben der Männer verdammt, möchte in seinem ψόγος γυναιιςών 11 6, 34 ff.^ die Verbindung mit einem puer delicatus immer noch für ge- rathener halten als mit einem der sittenlosen Weiber seiner Zeit. ^Je mehr das weibliche Geschlecht der allgemeinen Corruption verfiel^ und je gewagter infolge dessen die eheliche Verbindung zu sein schien, um so mehr scheint man sich mit der Frage nach den Vürtheilen der Männerliebe oder der Weiberliebe beschäftigt zu haben. Der letzte, der sie ausführlicher bespricht, ist Achilles Tatius, der Homanschriftsteller. Es handelt sich um die Exourse I 8, 1 9 und II 35, 3—38 (Hercher), welche nach dieser Skizze ihres Zusammenhangs mit der vorhergehenden Sohriftstellerei in Prosa und Poesie ein litterarhistorisches Interesse beanspruchen dürfen, zumal sie den Niederschlag alles dessen enthalten, was über diesen Punkt gedacht und geschrieben worden ist. Eine kurze Inhaltsübersicht wird nicht überflüssig sein.

Eleinias, der Vetter des Romanheldeu Eleitophon, ergeht sich, um seinen Geliebten Charikles von einer Heirath abzu- halten, welche dieser nach dem Wunsche seines Vaters mit einem reichen, aber hässlichen Mädchen eingehen soll, in einer Schmährede gegen das Weibergeschlecht: durch das Weib (Pan- dora) ist alles Uebel auf die Welt gekommen. Der Genues, den es gewährt, ist wie der Sirenengesang, den man mit dem Leben be- zahlt (I 8, 1. 2). Schon aus den geräuschvollen Zurüstungen zur Hochzeit lässt sich auf die Grösse des Uebels schliessen 3). Wie viel Stoff haben die Weiber (Eriphyle, Philomele, Stheneboia, Aerope, Prokne, Chryseis, Briseis, das Weib des Eandaules, Helena, Penelope, Phaidra, Elytaimnestra) der Tragödie gegeben 4 7)! Entbehrt das Weib noch dazu der Schönheit, so ist das Unglück doppelt (§8)^ Endlich macht das Heiratben die Jugend blüthe des Mannes vor der Zeit verwelken 9).

1 Vgl. V. 457 ff. 474 ff. mit Lucian. ao, o. 38 p. 440 bis c. 42 p. 445. Es ist die Sprache des stoischen Aretalogen.

2 ήκιστα γάρ έν γυναιΕΙν ολόκληρος άρβτή φύ€ται. Lucian. ao. c. 50 ρ. 454.

s Vgl. Ι 7, 4.

Zu Achilles Tatius 61

Der andere Abschnitt (li 35, 3 ff.) ist ein diatribeartiger Dialog zwischen dem erwähnten Kleitophon und dem Aegypter Menelaos, dem Lobredner der Knabenliebe. Dessen Behauptung, die Schönheit der Knaben sei 5ριμύτ€ρον βίς ήοονήν 3), wird von jenem mit dem Einwand bestritten, dass der Schöne dem Liebhaber nur allzuoft mitten im Genüsse entfliehe, so dass der Genuss unbefriedigt bleibe, wie der Durst des Tantalus 4. 5). Dagegen ist nach Menelaos der wahre Genuss eben derjenige, der, je kürzere Zeit er währt, das Verlangen um so reger erhält (36, l). Darum ist auch die Rose schöner als alle andern Blumen, weil ihre Schönheit rasch entflieht. £s giebt nämlich zwei Arten von Schönheit, die himmlische [der Knaben] und die gemeine [der Weiber] 2). Jene strebt bald zum Himmel empor, diese verwelkt am Leibe. Zeuge jener ist Ganjmedes, der wegen seiner Schönheit von den Göttern in den Himmel entführt und Zeus' Mundschenk wurde (§3). Aber noch kein Weib denn auch mit Weibern hat Zeus Gemeinschaft gehabt ist um ihrer Schönheit willen in den Himmel gekommen, weder Alkmene noch Danae noch Semele, und Hebe musste ihr Ehrenamt an Ganymedes abtreten 4). Statt dessen flndet Kleitophon, dass die Schönheit der Weiber deswegen die himmlische sei, weil sie nicht so schnell vergehe. Denn das Unvergängliche ist dem Göttlichen verwandt, was sich aber ändert und vergeht, ist sterblich und gemein (37, I j. Hat doch die Schönheit der Weiber (Europa, Antiope, Danae) den Zeus selber vom Himmel herab- gezogen (§ 2). Der Baub des Ganymedes war eine Vergewal- tigung, bedauerlich und unschön zugleich 3). Semele aber ist nicht durch einen Baubvogel, sondern nach Art des Heraklee durch Feuer in den Himmel entführt worden; aus der Verbindung des Zeus und der Danae ging [der unter die Sterne versetzte] Perseus hervor; Alkmene aber begnügte sich mit der Ehrung dass Zeus um ihretwillen dreimal die Sonne nicht scheinen Hess 4). Uebrigens bieten die Umarmungen und Küsse der Weiber ein ungleich grösseres Vergnügen als die der Knaben (§5 10). Für die letzteren nimmt Menelaos das Schlusswort: die Bede, die (Τχήματα und selbst die Schönheit der Weiber beruhen auf nichts als auf künstlicher Verfälschung (38, 1. 2), Die Schön- heit der Knaben aber ist durchaus natürlich (j^ 3); der liebenden Umarmung geht die Umarmung beim Bingkampf voraus, dessen man sich niciit zu schämen braucht und der sich zu einem Kampfe um die Lust gestaltet 4). Die Küsse der Knaben sind natür-

62 Wilhelm

lieb, und das Behagen, welohes sie einflösseD, ist ein anersätt- liches δ).

Die Weise unseres Sophisten ist die, dass er^ an eigener Erfindung anfruchtbar, das Material mit Fleiss aus andern Schrift- stellern, Prosaikern und Dichtern, zusammensucht, mit Vorliebe das Pikante entlehnt, das Entlehnte mehr oder weniger vertuscht^ und es in kurzen, locker verbundenen Sätzen^ zusammenfügt. Seine Abhängigkeit von der yorausliegenden erotischen Litteratur geht so weit, dass er selbst die Gemeinplätze, an denen diese Gattung überreich ist, nicht verschmäht.

Dahin gehört die Unterscheidung der Άφροοίτη ουράνια und πάνδημος: vgl. Plato Symp. c. 8 p. 180 D Xen. Symp. 8, 9 f. Plut. Erot. c. 19 p. 764 Β Athen. XIII c. 25 p. 569 d Lucian D. mer. 7, 1 p. 295. Nach Sokrates bei Xenophon ao. soll die Liebe zum Körper von der gemeinen, die Liebe zur Seele und zur Tugend von der himmlischen Aphrodite stammen. Be- greiflicher Weise fanden die sophistischen Vertheidiger des παι- ΟΟφίλεΐν die Seele und die Tugend nur bei den Knaben. Sie kOnnten sich auf die Stelle in der sophistischen Rede des Pau- sanias bei Plato ao. c. 9 p. 181 C berufen, wo der Sprössling der himmlischen Aphrodite (mit sophistischem Gedankensprunge) ' schlechthin der Knabeneros ό τών παί&(υν ίριυς genannt wird. Demnach sieht Kallikratidas bei Lucian Έρωτες c. 37 p. 438 in der Knabenliebe den Έρα*ς ουράνιος (vgl. Plat. Symp. c. 11 p. 185 B. 0. 12 p. 187 D), während ihm die Weiberliebe als der Έριυς νήτηος erscheint. Sein Gesinnungsgenosse Pro- togenes bei Plutarch ao. o. 4 bedient sich dafür der Ausdrucks- weisen Έρως αληθινός (ρ. 750 C) oder γνήσιος (ρ. 751 Α) und Έρως θήλυς καΐ νόθος (ρ. 7''>0 F). Selbstverständlich vertritt Menelaos bei Achilles in seiner sophistischen Argumentation die- selbe Anschauung. Auch er unterscheidet (II 36, 2) ein κάλλος ούράνιον und πάνοημον. Jenes, natürlich nur den Knaben, wie dem unsterblich gewordenen Ganjmedes, eigenthtimliche κάλλος sucht sich des sterblichen Leibes wie einer lästigen Fessel zu entledigen, um bald in seine himmlische Heimat zurückzukehren. Bekanntlich ist das nach Plato die Aufgabe des Philosophen:

^ Das zeigt besonders die Weise, wie er den Heliodor benutzt; vgl. Neimke: Quaest. Heliod. Hai. Sax. 1889 S. 22 ff.

^ Nach dem rhetorischen Recept für die Stilart der άφέλ€ΐα. Vgl. W. Schmid bei Wiesowa; Realenoycl. I Sp. 24G.

8 Vgl. G. F. Rettig: Plat. Symp. Halle 1876 II S. 132.

Zu Achilles Tatias 63

vgl. Phaedr. c. 30 p. 250 C. Pbaedo o. 9 p. 64 E. c. 10 p. 65 C auf diese Stelle mag das 2Ιητεΐ bei Ach. p. 85, 2 zurückgehen c. 12 p. 67 D. c. 33 p. 82 D. E. Platonisch ist, wie man leicht bemerkt, auch der folgende Satz (Ach. p. 85, 3), dass das Gemeine, di• für Menelaoe das Weibliche, der £rde und dem Leibe anhafte. Ee schwebt das vielgebrauchte Bild von der flügel- lahmen Seele vor (Phaedr. c. 28 p. 248 C), die unvermögend zar Gottheit emporzudringen und ihrer Schwingen beraubt zur Erde sinkt (ίρριττται κάτω Ach. ρ. 85, 3). Desgleichen zeigt sich der Einfluss Piatos in dem ebenfalls recht sophistisch ge- haltenen Gegenbeweise des Kleitophon, dass das weibliche κάλλος den grösseren Anspruch auf Unsterblichkeit habe. Hier (p. 85. 20) ist das κ ι ν ο ύ μ ε V ο ν έν φθορςί (vgl. Phaedr. c. 24 ρ, 245 C τό . . . υπ' άλλου κ ι ν ο ύ μ e ν ο'ν . . . παυλαν ίχβι Ιωί\ς und ebd. ρ. 245 Ε πάν γάρ σώμα, φ μέν ϋιυθεν το κι- νβΐσθαι, άψυχον) identisch mit der rasch vergänglichen Knaben- scbönheit, deren Abnahme mit der Zeit des Bartwuchses beginnt (vgl. A. P. ΧΠ 4. 195. Luciau. ao. c. 10 p. 407. c. 26 p. 426). Niemandem wird es einfallen, aus der Berührung mit solchen ab- genutzten Sätzen Piatos auf besondere Vertrautheit unseres Achilles mit der platonischen Philosophie schliessen zu wollen. Nichts liegt diesem Sophisten ferner als philosophische Specuiation^ Was er in seinem Bemühen attisch zu schreiben aus den Schriften Piatos, dieses Hauptvertreters der attischen Prosa, entnommen hat, das sind im wesentlichen nur dessen Worte und Redewen- dungen^. Aber selbst unter diesen werden ihm gar manche nicht direct aus Plato, sondern vielmehr erst durch Vermittlung seiner eophietischen Vorläufer zugeflossen sein. Andere Uebereinstim- mungen mögen, von offenkundigen Gemeinplätzen abgesehen, dar- auf zurückzuführen sein, dass Achilles, wie sich zeigen wird, auch die verlorene ^ ihm zeitlich näher liegende Litteratur über Liebe, Schönheit u. dgl. verwerthet hat, für welche die erotischen Dialoge Platos, vor allem der vielgelesene ^^Phaedrus^ und das

* Vgl. Wyttenbach in Jacobs' Ausg. des Ach. ProU. p. XIV Anm. 25; dagegen F. Passow: Vermischte Schriften S. 90 und A. Stravos- kiadis: Achilles Tatins, ein Nachahmer des Plato, Aristoteles, Plutarch and Aelian. Erlang. Dise. Athen 1889 S. 7 f. (eine minderwerthige Arbeit).

^ VgL H. Sexauer: Der Sprachgebrauch des Ach. Tat. Heidelb. Dies. Karlsruhe 1899 S. 7β.

' Vgl. Norden: Die antike Kunstprosa. I 439 Anm. 4.

64 Wilhelm

'Symposion* ohne Zweifel eine ergiebige Quelle gewesen sind. Möglicher Weise sind die eben besprochenen Stellen hierher zu rechnen ^.

Die Verteidiger der Knabenliebe empfinden den Unterschied zwischen dem Knaben und dem Weibe nach einer öfter vorkom- menden Wendung nicht anders als den Gegensatz von Natur und Kunst: άπλούστβραι παΐΙ)€ς γυναικών (Ach. ρ. 84, 11); vgl. Strato Α. Ρ. XII 7. In dieser Hinsicht liefert ihnen den Bauptanklagegrund gegen das weibliche Geschlecht die schon in der Komödie (Aristophanes fr. 320 Antiphanes fr. 148 £ubulo8 fr. 98 Alexis fr. 98 Plaut. Most. 258 flf. u. ö.) so bitter ver- spottete und von den Moralphilosophen, wie zB. von Nikostratos in der Schrift περί γάμου bei Stob. fl. 74, 62 (vgl. Juv. II 6, 461 flf. und Clem. AI. Paed. II 10 p. 232 P.^) mit allem Nach- druck verurtheilte τέχνχ] κομμωτική. Gegen diese Sucht der Weiber die natürlichen Mängel durch kosmetische Mittel zu ver- decken ziehen Protogenes bei Plut. ao. c. 4 p. 751 A, Kallikra- tidas bei Lucian. ao. c. 3ίί ρ. 440, Menelaos bei Achilles p. 87 14 ff. mit gleicher Leidenschaftlichkeit zu Felde. Sieht man solche Weiber sich am Morgen vom Lager erheben so eifert Kallikratidae bei Lucian ao. so findet man sie hässlioher als

^ Wenige Beispiele statt vieler mögen das Gesagte illustrieren. So soll gleich die Scene am Anfang p. 40, 8 ff. nach der im Eingang des Phaedrus c. 5 p. 2.30 Β ausgeführt sein. Aber wie oft kehrt dieser den Spott des Plut. Erot. c. 1 p. 749 Α herausfordernde Gemeinplatz in der erotischen Erzählung wieder! Vgl. Lucian. "Ερωτες c. 18 p. 418. liohde ao. S. 512 Anm. 1. Ach. p. 49, 13 schliesst der Satz: ταΟτα άκουσας μάθε. Aehnlich Plat. De legg. VII c. 14 p. 810 Α τοΟτο αυτό πρώτον μάνθανε. Vgl. aber auch Lucian. ao. c. 37 p. 438 λο- γίίου . . . τά τοιαΟτα μεταμανθάνων. So hat man zu κάλλος . . . δριμύτερο ν εΙς ηδονή ν (Ach. ρ. 84, 12) auf den wiederholten Ge- brauch des AdjectivB δριμύς bei Plato hingewiesen, dagegen die einzig passende Parallele bei Plut. ao. c. 19 p. 7(54 C ("Ερως . . . ήδίων καΐ δριμύτερος) übersehen. Ebensowenig ist Ach. ρ. 141, 10 ταΟτα μέν ούν ίπαιίε σπουδή eine Nachahmung von Plat. Phaedr. c. 9 p. 234 l) δοκώ γάρ σοι παίίειν καΐ ούχΙ έσπουδακέναι; vgl. Plat. Symp. c. 19 ρ. 197 Ε Xen. Symp. 1, 1. 4, 28 Plut. Erot. c. 3. p. 750 Α Lucian ao. c. 1 p. 397, Hirzel ao. 1 305. Andere Beispiele werden gele- gpfitlich vorkommen. Natürlich eoll hiermit nicht geleugnet werden, dasH Achilles die landläufigen Schriften Piatos gelesen hat. Nur soll man auch die zahlreichen Mittelglieder, die zwischen Plato und Achilles liegen, nicht vergessen.

''^ Wohl nach Musonius.

Ζα Aohilles Tatius 65

jene Tiere, die des Morgens zu erblicken eine üble Vorbedeutang ist. Statt des Affen, der hier gedacht ist (vgl. Lncian Psendol. c. 17 p. 175. A. P. V 76), bedient sich Achilles p. 87, 19 f. des Vergleichs mit der ihrer fremden Federn entblöesten Krähe (vgl. A. P. XI 69). Und nun gar das Flechten und Färben der Haare (Ach. p. 87, 18)1 Vgl. Lucian ao. c. 40 *p. 441; Clem. AI. Paed. U 10 p. 232P.; Musonius πβρί κούρας bei Stob. 290, 15 ff. H. ; Prop. II 18 b Rothst. Am Weibe beruht eben alles auf Verstellung (Ach. p. 87, 14 f.), και τά βήματα (vgl. Anaxilas bei Athen. XIII c. 6 p. 558 d Eurip. bei Stob. fl. 73, 31 Me- nandros ebd. 73, 43 Prop. II 9, 31 f.) καΐ τά σχήματα (zum Auedruck vgl. Athen. VIII 13 p. 335 d; Clem. AI. Protr. c. 4 p. 53 P.; A. P. V 129). Wie anders die schlichte und echte Schönheit der Knaben: ουκ αρδεύεται (έπάροιυν Lucian. ao. c. 45 p. 448) μύρων όσφραΐς ovbk οολεραΐς καΐ αλ- λ ο τ ρ i α ι ς όσμαΐς (Ach. ρ. 87, 21 f.)! Hier gemahnt die Wahl des Adjectivs δολερός (vgl. b ό λ ιυ ν p. 87, 19) an das Epi- gramm des aus einem παιοομανής zu einem θηλυμανής gewordenen Bufinus A. P. V 19 (Άντι be μοι παίδων άδολου χροός ήρεσε γύψου Χρώματα καΐ φύκους δνθος έπεισόδιον), während das όλλοτρίοις όσμαΐς an Lucian ao. c. 38 ρ. 440 (αλλό- τριοι κόσμοι) und Plat. Phaedr. c. 16 ρ. 239 D (άλλοτρίοις χρώμασι και κόσμοις) erinnert. Angenehmer (ήδιον Ach. ρ. 87, 23) als alle Salben der Weiber duftet der ehrenvolle, auf dem Ringplatz (vgl. Plut. ao. c. 4 p. 751 Α Lucian ao. c. 45 p. 448) vergossene Schweiss der Knaben (Ach. ao.) ein Ge- meinplatz aus Xen. Symp. 2, 3 (ελαίου bk του έν γυμνασίοις οσμή και παροΟσα ή οίων ή μύρου γυναιΕί, και άποΟσα ποθεινο- τέρα); nur dass an Stelle des Salbölgeruchs der Ringer nach Vorbildern wie Plat. Phaedr. c. 16 p. 239 C (πόνων μέν αν- δρείων και Ιδρωτών Εηρών δπειρον) und Lucian ao. c. 45 ρ. 448 (οϊ τε των εναγώνιων πόνων άποσταλάίοντες Ιδρώ- τες) der Schweiss gesetzt ist: vgl. Α. Ρ. XII 123 und Strato ebd. 192.

Auf Xenophon (Symp. 8, 29) geht mittelbar oder unmittel- bar auch der Gedanke zurück, dass keines der irdischen Weiber, mit denen Zeus verkehrte, wegen seiner Schönheit unsterblich ge- worden ist (Ach. 85, 9). Dafür haben wir in der von Xenophon unterlassenen Aufzählung solcher Liebschaften des Zeus Alk- mene, Danae, Semele (p. 85, 10 ff.) Europa, Antiope, Danae (p. 85, 24 ff.) wieder einen Gemeinplatz, der in den Schriften

Rhein. Μοβ. t Philol. N. F. LVII. &

66 Wilhelm

über Liebe und Schönheit (vgl. Athen. XIII c. 20 p. 566 d [Lacian.] Charid. c. 7 p. 622 ^ Clem. Rom. Recdgn. X c. 2i Hom. 5, 13 f. Clem. AI. Protr. c. 2 p. 28 P.) nicht minder häufig war, als in der erotischen Poesie (vgl. Ov. Met. VI 103 ff. Nonnos Dion. VII 117 ff. XVI 238 ff.). Vielleicht entnahm ihn Achilles demselben βιβλίον έρωτικόν, welches er an der Stelle benützt hat, wo Kleitophon die Behauptung des Meneiaos, daee alle sterblichen Frauen, denen Zeus in Liebe nahte, statt der Un- sterblichkeit nur üblen Lohn davongetragen hätten (p. 85, 10 ff.), zu entkräften sucht (p. 86, 3 ff.). Seine nicht besonders geschickt benutzte Vorlage besagte, dass Zeus seine irdischen Geliebten, wie Alkmene und Danae, in der Weise ehrte, dass er den von ihnen geborenen Söhnen die Unsterblichkeit verlieh, dem Herakles (vgl. Clem. AI. Protr. c. 2 p. 28 P.), indem er ihn durch Feuer in den Himmel entführte, dem Perseus, indem er ihn unter die Sterne versetzte: vgl. die Parallele in der Liebes- epistel des Apion bei Clem. Rom. Hom. 5, 17 Ζευς . . . Κά- στορα και ΤΤολυόεύκην και Έλένην Λήί>ςι χαριίόμενος έποίησεν αστέρας• και Περσία bia Δανάη ν και... Ήρακλέα bia Αλκμήνη ν, durch welche die kurze Frage des Kleitophon ei Δανάης τήν λάρνακα γελςίς, πώς τον ΤΤερσέα σιιυπςΙς(Αο^ ρ. 86, 6 f.); erst völlig verständlich wird. Uebrigens ist auch diese schon von Xenophon Symp. 8, 29 f. angedeutete Reihe un- sterblich gewordener Männer (Kastor und Polydeukes^ Herakles, Ganymedes, Perseus ua.) bekanntermassen ein ganz vulgärer locus communis; es genüge, auf Cic. De n. d. 111 18, 45 Clem. AI. Protr. c. 2 p. 26 P. und die vollständigste Aufzählung dieser Art bei Hygin Fab. 224^ zu verweisen. Die in dem Verzeichniss der Liebschaften des Zeus wiederholt (zB. auch Clem Rom. Hera. 5, 14) erwähnte Semele soll von Zeus, nachdem sein Blitz sie töd- lich versengt hatte, in den Himmel erhoben worden sein: Σεμέλην bk εις ούρανόν άνήγαγεν . . . πυρ (Ach. ρ. 86, 3 f.). Diese Erweiterung der ursprünglichen Sage, welche nur die Ver•

1 Die Parenthese καΐ γ ά ρ γυναιΕΙ κεκοινώνηκεν 6 Ζευς (Ach. ρ. 8Γ), 10) scheint dem gleichfalls pareuthetisch eingefügten Satz des Charidemus c. 7 p. 622 oO γ ά ρ ανθρώπων γε ούδέσι πλην εΐ μή τοΙς καλοί ς (sc. Ζευς ώ μ ί λ ι) nachgebildet zu sein. Vgl. ebd. άναγαγειν έκ€ΐσε und άναγαγών έκεΐσε sc. εΙς ούρανόν mit Ach. ρ. 85, 22 άνήγαγεν €ίς ούρανόν (Χβη. Syrap. 8, 30 iyu} hi φημι . . . κοί Γανυμήδην . . . ύπό Διός εΙς "Ολυμπον άνενεχθήναι).

^ Natürlich schöpft Hygin wie Cicero aus griechischer Quelle.

Zu Aöhillee Tatioa 67

brennang zu kennen scheint (Ov. Met. III 308 f. Hygin Fab. 179 Acb. p. 85, 12), ist dem Achilles wohl aus Nonnoe, mit dem er eich anch eonst berührt,^ geläufig gewesen: vgl. besonders DioD. VIII 407 ff.: Ζβύς . . . φλογερήν Σεμέλην μεταναστών εΙς πόλον δστριυν Ούρανόν οΤκον ίχουσαν ανήγαγε ... Wo die Knabenliebe gepriesen wird, sei es von der μούσα παιδική oder von ihren Lobrednern im erotischen Dialog, da wird auch des schönen, von seinem Liebhaber Zeus geraubten Ganjmedes nicht vergessen: vgl. Theogn. 1345 ff. Ibykos fr. 30 B. Plat. Phaedr. c. 36 p. 255 C Xen. Symp. 8, 30 Lucian Έραττες c. 14 p. 413 Charid. c. 7 p. 622 A. P. XII 65. 133. 220. 221 uö. Martialis Υ 55 XI 43 uö. Achilles lässt beide Sprecher auf die Sage Bezug nehmen, und zwar hat er sich im Auedruck wiederholt an Lucian D. d. 5 angeschlossen: vgl. Ach. p. 85, 14 (συνοική) Lucian ao. c. 2 p. 213 (συνοι- κεί). — Ach. p. 85, 26 Lucian ao. c. 5 p. 215 (o l ν ο χ 0 ε ί - το))^. Für das Motiv der Eifersucht der Here wegen des Ganymedes, welches Lucian verarbeitet hat und welches sich auch bei Nonnos ao. XXY 445 ff. findet, hat Achilles keine Verwendung gehabt. Zwar ist "Ηρη (ρ. 85, 27) die Ueberlie- ferung, aber die strenge, bis aufs Einzelne sich erstreckende Corresponsion zwischen der Eede des Kleitophon und der voraus- gehenden des Menelaos (man beachte besonders das in den beiden sich entsprechenden Sätzen p. 85, 16 und p. 85, 28 nach- drucksvoll ans Ende gestellte γυνή) macht die Aenderung "Ήβη (Hercher)^ durchaus nothwendig. Dagegen dürfte das überlieferte τυραννουμένψ (= einem, der vergewaltigt wird) mit Rücksicht auf eine Stelle wie Lucian Έριυτες c. 20 p. 420 (καΐ τις δρα πρώτος όφθαλμοΐς το αρρεν εΐοεν ώς θήλυ, ί>υοϊν θάτερον ή τυραννικώς βιασάμενος ή πείσας πανούργως;) vor der Lesart έσταυρα)μένψ (ρ. 86, 1) den Vorzug verdienen: ό bk ανάρπαστος γενόμενος (zur Ausdrucksweise vgl. Plat. Phaedr. c. 4 p. 229 C und Lucian Charon c. 17 p. 513) υβρίζεται καΐ ίοικε τυροννουμίνψ * και το θ^αμά έστιν αϊσχιστον, μειράκιον έ£ ονύχων κρεμάμενον. Hier hat sich Achilles gleich dem Non- nos Dion. XXV 429 fP. an eines der zahlreichen Kunstwerke der

ι Vgl. Rohde ao. S. 474 Anm. 2.

^ Schon II 9 berührt sich Achilles mit diesem Göttergespräch c. 2 p. 214. Dieser Liebesscherz stammt aas der Liebeslehre: vgl. Ov. aa. I 575 f.; A. P. V. 171 ; Aristaeuetus I 25.

8 Vgl. dagegen Ach. Tat. übersetzt von F. Ast. Leipz. 1802 S. 103.

68 Wilholtti

Malerei oder Plastik erinnert, welche den Ganymedesmythne be handelten.

Zum Beweise, dass Ganymedes um seiner Schönheit willen in den Himmel erhoben wurde, beruft eich Achilles p. 85, 7 f. auf dasselbe Zeugniss der Ilias ( Υ 234 f.) wie Athenaeus XIII c• 20 p. 56 ti d. Auch für die Schönheit des Agamemnon werden von beiden Schriftstellern (Athen. XIII c. 20 p. 566 c Ach. p. 46, 28) Verse aus der Ilias 169 f. und Β 478) an- geführt. Ich erkläre mir diese Uebereinstimmung, die gewiss nicht auf Zufall beruht, aus gemeinsamer Benutzung einer jener populärphilosophischen Schriften π€ρι κάλλους, wo diese Homer- verse nach dem bei den Populärschriftsteliem beliebten Brauch, ihre Darstellung mit Dichterblumen zu schmücken, oitiert gewesen sind \ Noch beachtenswerther ist eine andere Berührung zwi- schen Achilles und Athenaeus. Zur Begründung des Satzes, dass das Weib ein κακόν sei (Athen. XIII c. 8 f. p. 559 f.; Ach. I 8, 2 f.), das über einzelne wie über viele das grösBte Unglück gebracht habe, erwähnen beide das Beispiel der Chryseis, welche die Pest im Griechenheere vor Troja verschuldete, der Briseis, welche die Ursache der μήνις *Αχιλλέιυς war, der Helena, die den trojanischen Krieg entzündete (Athen. XIII c. 10 p. 560 b Ach. I 8, 5. 6), der Phaedra, die das Haus des Theeeus ver- ödete (Athen, ao. c. 10 p. 560 c Ach. p. Ί6, 23), der Eljtä- mnestra, die den Agamemnon tötete (Athen, ao. c. 10 p. 560 d Ach. p. 46, 24 ; vgl. Athen, ao. c. 3 p. 556 c). Bei Achilles findet sich ausserdem das Beispiel der £riphyle, Philomele, Sthe- neboia, Aarope, Prokne (ao. § 4), des Weibes des Kandaules 5), der Penelope 6). Mag es sich hier auch um eine traditionelle Reihe von Beispielen handeln, die zum Tbeil wohl bis auf den γυναικών κατάλογος des Hesiod zurückreicht, in zahlreichen Tragödien^ behandelt ist und in der Komödie (vgl. Athen. XIII

^ In dem ganzen Abechnitt des Athenaeus von XIII c. 18 p. 564 f. bis c. 20 p. 566 e scheint mir der £ztract solcher Litteratur π€ρΙ κάλ* λους (vgl. c. II ρ. 561 a) vorzuliegen.

* Vgl. Nauck ao. S. 963 s.v. •Α€ρόπη, Έλ^νη, 'Εριφύλη, Κλυται- μνήστρα, Πηνελόπη, Σθεν^βοια, Φαίδρα. Φιλομήλη und ΤΤρόκνη (vgl. Ach. V 3. 5) kamen in den Stücken des Titels Τηρ€ύς vor (vgl. Nauck 8. V.), Χρυσηίς und Βρισηίς im Χρύσης des Sophokles. Dass die Επί- γονοι und Φιλομήλη des Sophocles ein und dasselbe Stück gewesen seien, vermuthet Welcker: Die griechischen Trag. p. 269 ff. Ob die Geschichte des Weibes des Kandaules (Her. I 8 flf.) in einer Tragödie

Zn Achilles Tatius 69

c• 8 p. 559 C), in der Liebeslehre (Ov. a. a. II 373—408), in der römischen Satire (Juv. II 6, 648 ff.), in der spätgriecbisohen Epigrammenpoesie (A. P. IX 166) wiederkehrt, so ist doch zwi- schen Achilles and Athenaeus eine engere Beziehung unverkenn- bar. Nun ist es ja an sich durchaus nicht unwahrscheinlich, dass der Sophist Achilles das Sophistenmahl des Athenaeus gelesen hat, bei dem er auch das seltene, vom Komiker Alexis (Athen. XIII c. 23 p. 568 a) gebrauchte Wort πρωτόπειρος (Ach. p. 86, 11. 87, 12) finden konnte, aber schon, weil die Beispiel reihe des Achilles ausführlicher ist, möchte man eher glauben, dass beide Autoren auch hier einer gemeinsamen Quelle, vermuthlich einer nicht näher nachweisbaren Schrift π€ρι γάμου, gefolgt sind ^.

Dafür sprechen ausser Parallelen, wie sie Praechter ao. 8. 146 anführt (vgl. namentlich Bieron. adv. lov. 317 c mit den Beispielen der Pasiphae, Clytaemnestra, Eriphyle und dazu F. Book : Aristoteles Theophrastus Seneca De matrimonio Lips. 1898 8. 46. 66), die Berührungspunkte zwischen Achilles und Sto- b a e u s in den aus der Litteratur περί γάμου und ähnlichen Schriften excerpirten Abschnitten seines florilegium über das γαμβΐν (67 ff.). Einige derselben, betreffend das Schminken, Haarflechten und die Verstellungskunst des Weibes in der Eede, sind bereits oben vermerkt worden. Dazu kommt, dass beide Schriftsteller (Ach. p. 46, 1 f. Stob. 73, 49) dieselben hesiodei- schen Verse 0. et D. 57 f. (vgl. Eur. Hipp, bei Stob. ebd. 23 A. P. IX 165 Ach. p. 46, 21) anführen. Sie werden in den Schriften περί γάμου und verwandten Inhalts, die für die Sammlung des Stobaeus noch so manches andere Dichterwort hergegeben haben (vgl. zB. Stob. 73, 30 Lucian Έρωτες c. 38 p. 439. Stob. 71, 6 Plut. £rot. c. 8 p. 753 A), mehr als einmal citiert gewesen sein. Im Anklänge an das bald darauf bei Stobaeus 73, 51 begegnende Citat aus den Επίγονοι des Sophokles ώ παν σύ τολμήσασα^ καΐ πέρα γύναι oder an eine ähnliche Stelle eines verlorenen Dramas heisst es Ach. p. 46, 24 ff.: ώ

behandelt war, weiss ich nicht. Man darf wohl annehmen, dass Achilles verschiedene dieser Dramen gelesen hat.

1 Aas einer solchen Schrift scheint Athenaeus von XIII c. 10 p. 560 b bis 560 f geschöpft zu haben. Aus Schriften περί γάμου dürften sich auch die Gitate von XIII o. 6 p. 557 e bis o. 9 p. 560 a wenn auch möglicher Weise erst durch Vermittlung eines älteren Sammel- werkes — herleiten.

« Vgl. Soph. 0. C. 761 Aristoph. Nub. 375.

70 Wilhelm

πάντα τολμώσαι γυναίκες" κδν φίλώσι φονεύουσι * κδν μη φιλώσι, φονεύουσιν. Auch die oft wiederholte, von Kleinias bei Ach. p. 45, 30 f. (τί γάρ ήοίκησας, ϊνα πεοηθής;) und ρ. 47, 5 (μήπιυ μοι b ο Ο λ ο ς Τ^νη) bezeichnete Aaffaesung, dass die Ehe ^ eine Fessel sei (Plut. Erot. c. 7 p. 753 A), durch die man zum Sklaven wird, zumal wenn die Frau über Glücksgtiter verfügt, findet ihre Belege bei Stobaeue : vgl. Euri- pides und Menandros ebd. 70, 4. 5. 72, 11. Die Klage des jungen Charikles bei Ach. p. 45, 25 f., der nach einem der Ko- mödie geläufigen und auch von Plutarch im ΈρατΓΐκός übernom- menen Vorwurf mit einem reichen Weibe verheirathet werden soll (έκοίόομαι ό δυστυχής τοις έκβίνης χρήμασιν, ϊνα γήμιυ πω- λούμενος), erinnert an Menandros bei Stob. 70, 5 (αυτόν bibu)(Tiv) und an das Bekenntnies des Demaenetus bei Plaut. As. 87 (Argentum accepi, dote Imperium vendidi). Zu dem Motiv der reichen Frau, die obendrein noch hässlich ist (Ach. I 7, 4, β, 8), vgl. Philippides bei Stob. 69, 8. Hiemach glaube ich, dass sich Achilles in der Declamation des Eleinias I 8, 1 9 in der Hauptsache an eine der Schriften περί γάμου angelehnt hat, wo das Ebekapitel unter Berufung auf zahlreiche Dichterstellen wie etwa im * Ερωτικός des Plutarch besprochen war *. Auf eine solche Schrift deutet auch I 8, 3; hier werden die lärmenden, dem Tumult des Krieges vergleichbaren Bräuche vor der Hochzeit (zu biKXibuJV κτύπος vgl. A. P. VII 711 θυρέτρων

^ Reiches Stellenmaterial bei Lasaulx: Studien d. griech. Alter• thums S. 374 fif.

^ Bei der Lectüre der Untersuchungen Eitere über Geschichte und Ursprung der griechischen Florilegien (A. Elter: De gnomologiomm graecorum historia atque origine, de Justini monarchia, de Aristobulo Judaeo, 9 Programme der Universität Bonn 1893—1895/96 in fortlau- fender Paginierung; Corollarium Eusebianum, ebenda 1894/95; De gnom. graec. historia atque origine commentationis ab Eltero oonscriptae ra- menta, ebenda 1897) kann man leicht auf die Vermuthung kommen, dass sich auch Achilles, wie so viele Schriftsteller, eines der seit Chry- sippos überaus häufigen Sammelwerke nach Art des florilegium des Stobaeus bedient habe. Doch habe ich sonst keine Spuren gefunden, die auf Benützung eines solchen Werkes durch Achilles sohliessen lassen könnten. Bei dieser Gelegenheit sei daran erinnert, dass der Aufiputs der Darstellung mit Dichterstellen und dichterischen Redewendungen echt sophistisch ist. Gar manche dieser Anklänge verdankt Achilles seiner eigenen, keinesfalls zu unterschätzenden Belesenheit in der poe- tischen Litteratur.

Zu Äohillee Tatius 71

. . . πάταγον. Heeyoh β. ν. κτυπίων) verspottet: Άτυχης ό μίλλιυν γομεϊν έπι πόλεμον, 6οκώ μοι, πέμπεται (Ach. ρ. 46, 10 f.) man hört einen Sprecher, der die Ehe mit ähnlichen Empfindungen des Aergers hekämpft, wie sie bei Plut. ao. c. 11 p. 755 B. C dem Peisiae, dem Liebhaber des schönen Bacchon, bei der Nachricht von dessen unter Aufbietung des ganzen lauten Hochzeitsapparats vollzogenem Raube durch die heirathslustige lemenodora (c. 10 p. 755 A) zugeschrieben werden. Am Schlüsse des Abschnitts (Ach. 1 8, 9) wird dem Heirathscandidaten fol- gende Ermahnung gegeben : μηbέ τό ανθός προ καιρού της ήβης απόλυσης. Προς γαρ τοις δλλοις και τουτ' ίστι του γάμου τό ατύχημα * μαραίνει τήν άκμήν. Μη, οέομαι, Χαρί- κλ€ΐς, μήπω μοι μαρανθής* μή παραοψς βομορφον τρυγήσαι ^ ό b ο ν άμόρφψ γ ε ιυ ρ γ ψ. Die Worte sind bezeichnend für die Arbeitsweise des Achilles, weil sie uns zeigen, wie er sich selbst auf kurze Strecken an mehrere Muster anschliesst und das Vorgefundene derartig in einander zu verweben weiss, dass sein Roman in der That ^einem aus allerlei bunten Lappeti zusammen- gestückelten Teppich' gleicht. Zu Grunde liegt der Gedanke, den sein älterer Zeitgenosse und Landsmann Palladas in dem schon oben citierten, ohne Zweifel nach älterem Vorbild gedichteten Epi- gramm A. P. IX 165 mit den Worten ausdrückt: *Avbpa γαρ έκκαίβι (sc. γυνή) ταϊς φροντίσιν ή6έ μαραίνει, Και γήρας προπετές τή νεότητι φέρει. Gleichzeitig aber schwebt dem Achilles Lucian Έρωτες c. 21 p. 421 vor Augen, wo der Ver- theidiger der Weiberliebe geltend macht, dass vielmehr die un- sinnige Männerliebe, die selbst vor Entmannung nicht zurück- schreckt, des Mannes Jugendblüthe vor der Zeit verzehre (τό b' έν νεότητι παραμείναν δ ν θ ο ς εΙς γήρας αυτούς μαραίνει π ρ ό ιυ ρ ο ν). Dazu kommt der Vergleich des Geliebten mit der Rose nach Epigrammen wie A. P. XII 58 (Rhianos) und ebd. 234 (Strato) und endlich das von Liebenden und Verheiratheten nicht minder oft gebrauchte (Praechter ao. S. 134 f.) Bild vom L a η d ma η η und seinem Acker (vgl. u. a. Xen. Symp. 8, 25). Wie an der eben besprochenen Stelle, so sucht Achilles auch II 36, 1 dadurch den Schein der Selbständigkeit zu erwecken, dass er der Ausführung seines Gewährsmannes (Lucian Έρωτες c. 25 p. 425) widerspricht^. In seiner Beweisführung παιοικής χρήίΤεως πολύ τήν γυναικείαν όμείνω (Lucian ao.) geht Chari-

1 Ygl. Stravoskiadis ao. S. 9.

72 Wilhelm

klee von der Behauptung auR, daes der Genuas allemal dann um 80 reizvoller sei, je länger er anhalte: πασαν όπόλαυσιν ηγούμαι τ€ρπνοτέραν etvai τήν χρονιιυτίραν^. Dafür setzt Mene- laos ao. vom Standpunkt des Enabenliebhabers aus dae Wesen des Genusses in die Flüchtigkeit und kurze Zeitdauer desselben: ποθ€ΐνόν γάρ ae\ το άκόρεστον. Το μέν γαρ €ΐς χ ρ ή σ ι ν χρονιώτερον τψ κόρψ μαραίνει το τβρττνόν, τό be όρπα- ίόμενον (vgl. ρ. 84, 17) καινόν έστι κα\ μάλλον άνθει* ου γάρ γεγηρακυΐαν* ίχ€ΐ τήν ήοονήν . . . Man erkennt (vgl. nament- lich die Worte έπι την ύμετίραν . . . ήοονήν im Munde des Gegners bei Lucian ao. und dazu Praechter ao. S. 149; Berl. phil. Wochenschr. 1896 Sp. 870 Anm. 1) den Ausfluss philoso- phischer Erörterungen über das κεφάλαιον τής ηδονής, wie sie zwischen Epikureern und Stoikern gang und gäbe waren. Der Liebhaber, dem sich der schamhafte Geliebte durch fortgesetzte Flucht entzieht (Ach. p. 84, 18 ff.) und so die Qualen des Tan- talus^ bereitet, von denen der cynische Theomnest bei Lucian ao. c. 53 p. 456 nichts wissen will, ist bereits bei Plat. Phaedr. c. 17. 18 p. 240 f. (vgl. Xen. Symp. 8, 23) vorgezeichnet*.

Von der Leetüre der Schrift Έρωτες ist Achilles ferner II 37, 5 beeinilusst, wo der, nach seiner lüsternen Ausführung p. 86, 14 ff. zu sohliessen, in den Werken des θήλυς ^ρως gründlich bewanderte (p. 87, 11 ff.) Eleitophon mit Anwendung der von Lucian ao. wiederholt gebrauchten Redeformel el bfc bei (c. 27 p. 428, c. 49 p. 453 ^) eine nur massige Erfahrung

^ όΕ€Ϊα γάρ ή^ovή παραπτάσα φθάνβι πρΙν ή γνωσθήναι π€παυμένη. An diese Worte klingt Ach. ρ. H4, 13 πώς ^ptμύτ€pov (sc. τό κάλλος παισ{ν), είγε παρακύψαν μόνον οΙχ€ ται . . ., nur dass der Rhetor die Auedruckeweise des Demosthenes 4, 24 τά Εενικά . . . παρα- κύψαν τα έπ\ τόν τής πόλεως πόλεμον . . . πανταχο! μΑλλον οίχε- τ α ι πλέοντα vorgezogen hat.

' Der Ausdruck wohl veranlasst durch Lucian ao. c. 25 p. 426 γυνή μέν oöv άπό παρθένου μέχρι ηλικίας μέσης, πρΙν ή τελέως τήν έσχάτην |!>υτ{δα τοΟ γ ή ρ ω ς έπι^pαμεΐv, εύάγκαλον άνδράσιν όμίλημα.

' Sprichwörtlich (vj?!. Ach. ρ. 148, 14) wie die Sirenen (Ach. p. HJ, Γ). Α. Ρ. V 1β1).

* An den von Hercher verdächtipten Worten καταλείπει γάρ δι- ψ ui ντα (sc. ό παΙς τόν έραστήν) ist nichts zu beanstanden; vgl. Lucian ao : Λ ι ψ ή V ύπομένειν.

^ ε( bi bi.% φιλοσόφων παισΐ πιστεύειν. Datür Ach. ρ. 56, 5 παίδες σοφών.

Ζα Achilles Tatius 73

in der Weiberliebe affectirt. Eine ähnliche όπόκρισις zeigt Theo- mnest bei Lucian ao., indem er die Entscheidung der Frage nach den Vorzügen der Männer- und Weiberliebe ablehnt (c. 4 p. 401 f.), obgleich er, an Liebeegenüesen aller Art förmlich übersättigt (c. 2 p. 398 f.)» zu diesem Schiederichteramt wie keiner geeignet Jet. Becht unerfahren stellt sich auch Charikles c. 25 p. 426 : & b* iaiX τούτων άφανέστ€ρα, τοις πεπειρακόσιν ύμϊν €i&evai παρίημι (vgl. Menelaos bei Ach. ρ. 86, 13 f. είρήσεταί μοι, κ&ν μετρίως ίχω πείρας).

In brennenden Farben wird die Wollust, welche die Hetäre bei Umarmung und Euss empfindet und einflösst, τοη Eleitophon p. 86, 14—87, 8 (vgl. dagegen Lucian ao. c. 26 p. 426 γυναικι bk USW. p. 427) ausgemalt. Zu έχει ρ. 86, 17 muss aus γυναικί ρ. 86, 14 (diese Lesart empfiehlt sich statt des überlieferten Τυναι£ί wegen Lucian ao. c. 26 p. 426 γυναικι bi und Ach. p. 87, 14 γυναικι μέν) γυνή als Subject gedacht werden: ίχει [γυνή] το σώμα sc. des Liebenden, ρ. 86, 18 ist περιβάλλ&ιν (das eigentliche Wort vom Umwerfen des Oberkleides) mit dem dop- pelten Accusativ construiert wie das Medium bei Her. I 163 und das synonyme όμφίέννυμι = incubantem quodammodo amicit vo- luptate (wie mit einer Hülle), p. 86, 19 bedarf das handschrift* liehe έγγίΖει, zu dessen trai^sitivem Gebrauch Pol. VIII 6, 7 und Lucian ao. c. .53 p. 456 (χείλη προσ ε γ γ ί σ α ς χεί- λε(Τι) zu vergleichen ist, keiner Aenderung. Nicht das Weib, goodern, wie gesagt, die Hetäre ist es, deren aus der Liebeslehre (vgl. Ov. a. a. III 793 ff.) geläufige Künste (γλωττίΖειν, κνίίειν, ττεριλαμβάνείν Α. Ρ. V 129) in dieser ausgelassenen Ergiessung (vgl. u. a. A. P. V 128) bezeichnet werden. Sie beruht, wie der Kenner der erotischen Litteratur leicht bemerkt, bis ins Einzelne περιβάλλειν, οάκνειν τα φιλήματα, άνοίγειν τά φιλήματα, όσθμαίνειν usw.; vgl. besonders Lucian D. m. 5, 3 p. 290. 5,4 p. 292 auf blosser Nachahmung. Dieselbe sinnliche Glut er- künsteln die Poesien des Paulus Silentiarius, an dessen Epigramm A. P. V 272 (?χω στόματι στόμα και περί οειρήν ... βο- σκό μ αι) Ach. ρ. 86, 22 f. (περί το του φίλουντος στόμα βόσκεται) anklingt. Diese Kunst des KUssens, die nicht bloss die Lippen, sondern auch die Herzen aufs innigste ver- einigt wissen will (vgl. Plato A. P. V 78 Xen. Symp. 4, 26 A. P. V 14. 171 Favorinus bei Stob. fl. 65, 8 Longos I 18 Ach. II 7. 8. IV 8 Aristaenetus II 7 Rothstein zu Prop. I 13, 17) und zwischen künstlichen und natürlichen Küssen

74 Wilhelm

(Ach. II 38, 5), zwiechen φιλήματα bibaKra und abi'baicTa oder anaibeirra (Longos I 17 Ach. II 37, 10), zwiechen φιλή- ματα μακρά, ^μψοφα und μαλθακά (Paul. Sil. Α. Ρ. V 244, 1 Ach. ρ. 86, 15) so wohl zu nnterecheiden versteht, mag einen hervorragenden Theil der in der hellenietischen Elegie ver- arheiteten Liebeslehre gebildet haben, welcher Achilles auch sonst, besondere aber I 9. 10 und II 4 gefolgt ist. Έβ sind die Ab- schnitte, in denen Kleinias und Satyros in der Rolle der έρυϋτο- bιbά(Tκαλoι dem verliebten Kleitophon die Mittel und Wege, die Geliebte zu gewinnen, in der Weise des aus verwandten Quellen schöpfenden Ovid an die Hand geben : vgl. Ach. p. 48, 1 6 ff. Ov. a. a. II 345 f. Ach. p. 48, 19 f. Ov. a. a. I 471 f. II 183 f. (Tib. 14, 17. A. P. IX 221). Ach. p. 48, 24 ff. Ov. a. a. I 613 f. Ach. p. 49, 3 ff. Ov. a. a. I 609 f. Ach. p. 50, 1 ff. Ov. a. a. I 673 ff. Ach. p. 60, 16 ff. Ov. a. a. I 229 ff. III 762. Ach. p. 61, 1 ff. Ov. I 351 f. II 251 ff. Ach. p. 61, 10 ff. Ov. a. a. II 229. 233 ff. (Am. I 9). Ach. p. 61, 24. Ov. a. a. I 707 ff. üebrigens ist auch der in der knappen Form des αφελές ausgesprochene Gedanke Ach. p. 87 8 ff. naibujv . . . Άφpobίτη . . . αργή, #|bovης b' oub^v (vgl. Lucian ao. c. 25 p. 426) kein anderer als der ausführlicher aus- gesponnene bei Ovid. a. a. II 675— 684 (vgl. Charit. II 8 p. 40, 12 f. H.). Gegentiber Lucian ao. c. 53 p. 456 f., wo Theomnest die ganze κλΐμαΕ der flbovή des παιbεpαστής von der δψις (οφθαλμός γαρ 6bός έρωτικφ τραύματι, vgl. Plat. Phaedr. c. 36 ρ. 255 C. D Philemon fr. 138 Plutarch περί ίριυτος bei Stob. 66, 7 Musaeus 92—98 Ach. I 4, 4. 9, 4. V 13, 4) und den πρώτα θιγήματα (vgl. Α. Ρ. XII 209) bis zur ίριυτος ακμή nach dem Muster der Liebeslehre (vgl. Ov. a. a. II 715 ff.), aber sie an Raffinement überbietend enthüllt, wird das sinnliche Vergnügen der Enabenliebe von Menelaos II 38, 4. 5 mit löblicher Zurtick- haltung vorgeführt. Doch zeigt § 4 am Schluss deutlich, daes er sich die (Τυμπλοκή in der Palaestra nicht etwa wie Anachareis im gleichnamigen Dialog des Lucian 1 p. 883 f. denkt, sondern daes er das Ziel des Genusses vielmehr in der Ausschreitung des Paidotriben bei. Strato A. P. XII 222 erblickt. An Strato und andere Vertreter der μοΟ<Τα παώική erinnert auch der von der SliMigkeit des KnabenkuRses handelnde Schluss (p. 87, 32 ff.) mit dem trivialen Bilde, welches das Vergnügen des Kusses mit dtm Oennsse des Nektars vergleicht: A. P. V 305 XU 133 Loeian d. 5, 3.

Zu Aohilles Tatius 75

Plato (Pbaedr., Phaedo, Symp.) und Xenophon (Symp.) direct und indirect verwerthet , verlorene populärphilosophiscbe Litteratur π€ρ\ ίριυτος, π€ρι κάλλους und π€ρι γάμου, Lucian (besondere Έριυτες^) und Plutarcb (Erot.^), die Liebeslebre der bellenietiecben £1egie und allerlei erotiecbe Epigrammenpoesien (so von Strato), das sind im Weeentlicben die Muster, nacb denen Acbillee in Wabrbeit ein gescbickter Mueivktinstler diese beiden Einlagen seines Eomans zusammengearbeitet bat. Solcbe Nacbweisungen in mögliebster Vollständigkeit darzubieten wird für einen künftigen Erklärer dieses Autors trotz Jacobs' fleissi- gem, aber bei weitem uicbt erscböpfendem Commentar eine Haupt- aufgabe bilden.

Ratibor. Friedrieb Wilbelm.

1 Vgl. dagegen Robde ao. S. 481.

2 Einen Anhang zu dieser Schrift bilden die für unecht gehal- tenen, wie es scheint, von Ach. II 12 ff. (vgl. Stravoskiadis ao. ö. 23) benutzten ΈρωτικαΙ οιητήσ€ΐς.

KAISER MARCUS SALVIÜS OTHO

M. Salyiue Otho, der Nachfolger des Galba auf dem Throne der Cäsaren, gehört zu denjenigen Erecheinungen, deren Charak- terbild in der Geschichte schwankt. Und das ist begreiflich genug. Denn in ihm zeigen sich zwei ganz yerschiedene Naturen, die in den verschiedenen Epochen seines Lebens jede für sich wirksam auftreten. Darum galt er schon seinen Zeitgenossen für eine problematische Persönlichkeitf zu der die Einen eine bis- weilen leidenschaftliche Hinneigung, die Anderen eine entschiedene Abneigung hatten.

Seine Familie war noch nicht seit langer Zeit in die Nobi- lität aufgenommen. Sein Vater L. Salvius Otho war zuerst in der Familie Consul suffectus im Jahre 33 n. Chr. gewesen, und zwar war er in diesem Consulat der Nachfolger des Galba (Suet. Galba 6). Dieser Luc. Salvius Otho soll dem Tiberius so ähnlich gesehen haben und so lieb gewesen sein, dass viele ihn für einen Sohn desselben hielten (Suet. Otho 1). Der ältere Bruder des Marcus, L. Salvius Otho Titianus, der später an der Seite desselben während seines kurzen Regimentes eine entscheidende Rolle spielte (Tac. h. 1,75. 77. 90. 2,23. 33. 39. 60), war im Jahre 52 zu- sammen mit Faustus Cornelius Sulla Felix, dem Schwiegersohn des Kaisers Claudius Consul gewesen (Tac. ann. 12, 52), dann unter Nero im Jahre 65 Proconsul von Asien, während Cn. Ju- lius Agricola in dieser Provinz Quästor war. Tacitus Agr. 6 stellt diesen Bruder des Marcus Otho als geldgierig und gewis- senlos hin, der 'zu jeglicher Habgier geneigt mit der gefälligsten Nachsicht (gegen den Quästor) eine gegenseitige Verheimlichung der Schlechtigkeit erkauft haben würde' (in omnem aviditatem pronus quantalibet facilitate redemturus esset mutuam dissimula- tionem mali). Und Vitellius schonte ihn, als er nach der Schlacht bei Betriacum Gericht über die Generale des Otho halten Hess, weil er ihn wegen Energielosigkeit fiir ungefährlich hielt (Tac.

Kaiser Marcas Salvius Otho 77

(b. 2, 60 : Salvius Titianus .... ignavia excnsatas). Als dieser Titianns bereite im Jabr 52 Consul wurde, war er nocb ein junger Mann, und das läset darauf echlieseen, dass die Familie dem kai- serlicben Hause nabe stand. So ist es erklärlicb, wie sein jüngerer Bruder Marcus scbon von Anfang des Regimentes Nero's an unter dessen Genossen sieb befand und sebr bald bei seiner zügellosen Natur, die so gut zum Nero sieb scbickte, sein Vertrautester wurde (Tac. b. 1, 13: Namque Otbo pueritiam incuriose, adole- scentiam petulanter egerat, gratus Neroni aemulatione luxus). Das- selbe bericbtet Plutarcb, der sieb Mm Allgemeinen bald zu Ta- citus, bald zu Sueton neigt* und wabrscbeinlicb mit diesen für sein Memoirenwerk Γάλβας και "Όθων eine gemeinsame Quelle benutzt bat; ob dies Cluvius Rufus gewesen ist, wie H. Peter früber annabm, wäbrend er jetzt den älteren Plinius anzunehmen geneigt ist, das lässt sieb niebt mit Sicherheit feststellen (H. Peter, die gescbicbtl. Literatur über die römische Kaiserzeit ü, 73. 275 Anm. 2). In der Zeichnung des Otbo trifft aber Plu- tarcb Galba 19 ganz zusammen mit der des Tacitus, wenn er sagt: τρυφη bk καΐ φίληοονίαις €ύθύς έκ -naxbiuv .... bie- φθαρμ^νος "Οθιυν). φίλψ όέ τψ "Οθιυνι και συμβιωτή όιά τήν άσιυτίαν έχρήτο Νίρων). Diese Vertrautheit stieg, als der £influes und die Macht der Agrippina, der Mutter Nero^s, sank. Das geschah zu der Zeit, als Nero schon im zweiten Jahre seines Regiments in Leidenschaft zu einer Freigelassenen, der Akte, entbrannte. Dieses Verbältniss ward im Anfang von Nero besondere vor seiner Mutter sehr geheim gehalten: zu den vertraulichen Zusammenkünften mit seiner Geliebten zog er nur zwei Mitwisser zu, den Marcus Otho und den Senecio, beides feine junge Männer von glänzendem Aeussern, adolescentuli de- cori, wie Tacitus ann. 12, 13 sie nennt, was allerdings nicht zu Sueton passt, der den Otho (Otho 12) wenig stattlich, von schlechtem Fusswerk und krummbeinig sein lässt (modicae sta- turae et male pedatus scambusque traditur). Aber diese Tradition mag wohl mit aus der hauptstädtischen Scandalcbronik stammen, die Sueton so fleissig benutzt hat.

Der zweite von diesen Busenfreunden des jungen Kaisers, Claudius Senecio, war der Sohn eines Freigelassenen des Kaisers Claudius. Er gebüHe später zu der grossen Verschwörung des Jahres 65, die den C. Calpurnius Piso an der Spitze und so Viele zu Theilnehmern hatte, als der Hass gegen das Scheusal auf dem Throne zusammenführte. Die Thatkräftigsten unter diesen waren

78 t»aul

der Tribun der Leibwächter Subrius Flavue und der Centario Sulpicias Asper. Auch der Dichter der Pharsalia, Lucanus An- naeusy dessen Dichterrubm Nero aus Eifersucht niederzuhalten strebte, gehörte zu ihnen (ann. 15, 49). Was aber den Senecio, der ann. 15, 50 unter den Ersten aufgezählt wird, die der Ver- schwörung beitraten, hierzu bewogen hat, wird von Tacitus nicht ausdrücklich gesagt. Indees, da es aO. heisst: diejenigen, die zuerst die Sache in die Hand genommen, hätten bei ihren Wer- bungen darauf hingedeutet, dass die Gräuelherrschaft des Nero an ihrem Ende angekommen sei und hätten so den Claudius Se- necio, den Cervarius Proculus usw. als Tfaeilnebmer der Verschwö- rung gewonnen (ann. 15, 50 : ergo dum scelera principis et finem adesse imperio .... inter se aut inter amicos iaciunt, adgregavere Ülaudium Senecionem etc.), so muss man wohl annehmen, dass er noch zur rechten Zeit das sinkende Schiff habe verlassen wollen. Denn Rache^ etwa wegen Ungnade des Nero, hatte er nicht zu nehmen, da ausdrücklich von Tacitus in der Erzählung von diesen Dingen berichtet wird, dass Senecio auch zur Zeit der Verschwörang noch im vertrauten Umgänge mit Nero gelebt, auch den Schein der Freudschaft immer noch beibehalten habe. Dass aber nur Sinn fürs Gemeinwohl ihn der Verschwörung zugeführt habe, wie das von dem designierten Consul Plautius Lateranas ann. 15, 49 aas- drücklich hervorgehoben wird, ist bei Senecio, dessen ganze Lebens- art wollüstige Weichlichkeit war (ann. 15, 70), nicht anzunehmen. Wir werden also richtig vermuthen, wenn wir ihn als Einen derer ansehen, die das Ende der kaiserlichen Wirthschaft er- kannten und bei der demnächst erwarteten Umwandlung neue Hoffnung haben wollten, wie das so bei den meisten der Ver- schworenen war (aO.: ceteris spes ex novis rebus petebatur). Als die Verschwörung ans Licht gekommen und unter den Verschwo- renen auch Senecio mit genannt worden war, leugnete er erst lange, dann durch versprochene Straflosigkeit verleitet, nannte er, um sein Zögern zu rechtfertigen, auch seinen besten Freund, den Annaeus Pollio, als Mitverschworeuen. Er that da dasselbe, wie Lucanus und Quintianus und andere erlauchte und hochangesehene Männer thaten, Avelche noch keine Folter gefühlt hatten und aus Schrecken davor das Liebste und ihrem Herzen Nächste ver- riethen, ann. 15, 17: cum ingenui et viri et equites Romani se- natoresque intacti tormentis carissima suornm quisque pignora pro- derent. Non enim omittebant Lucanus quoque (der sogar seine Mutter Acilia augegeben hatte) et Senecio et Quintianus passim

Raiser Marcus Salvins Otho ?9

conscioe edere. Freilich half das Alles trotz der yereprochenen Straflosigkeit bei Nero Nichts. Er gerieth vielmehr in desto grössere Angst, je mehr Theilnehmer genannt wurden (magis magisque pavido Nerone, aO.)• Senecio musste in den Tod gehen wie die andern, was er nicht ohne Würde gethan zu haben scheint. Tacitus berichtet ann. 15, 70, er sei gestorben nicht wie sein vergangenes wollüstiges Leben hatte annehmen lassen: Se- necio posthac (post Annaeum Lucanum) .... non ex priore vitae mollitia, mox reliqui coniuratornm periere.

Das also waren die beiden Basenfreunde des jungen Herr- schers, die vertrauten Mitwisser seines Liebesgeheimnisses mit der Akte (assumti in conscientiam, ann. 13, 12), Marcus Otho und Claudius Senecio. Sie hatten sich ohne Wissen der Agrip- pina, die bis dahin ihren Sohn beherrscht hatte, in sein engstes Vertrauen eingeschlichen durch verschwenderische Ausschweifung und zweideutige Heimlichkeiten, ann. 13, 12: penitus irrepserat per luxum et ambigua secreta. Da diese Worte nicht blos auf Senecio, sondern auch auf Otho gehen, so wäre wohl ir^epserant, wie Nipperdey vermuthet, deutlicher gewesen, indessen nöthig ist es nicht. Dagegen ist die Auslegung, die dieser Gelehrte den ambigua secreta gibt, wohl die richtige, wenn er darunter ver- dächtige Zusammenkünfte mit dem Kaisef sieht, wobei Akte zu- gegen war und Otho und Senecio zugezogen wurden. Diese Zu- sammenkünfte hielt, wie gesagt, Nero jetzt noch geheim, da die Scheu vor der Mutter bei ihm noch nicht ganz erstorben war und Agrippina mit Eecht von ihm als heftige Gegnerin des ver- traulichen Verhältnisses angesehen wurde. Als sie hinter die Sache kam, strebte sie heftig dagegen an. Indess half ihr das bereits nichts mehr (ignara matre, dein frustra obnitente, aO.). Das Verhältniss mit der Akte und die Busenfreundschaft mit den beiden Bouos^ den Mitwissern jenes Geheimnisses, dauerte fort bis zum Jahre 58, wo es plötzlich, so weit es die Akte und den Otho betraf, ein Ende fand und zwar durch ein noch unzüchti- geres Verhältniss, das den Anfang zu schwerem Unheil für das gemeine Wesen machte (magnorum reipublicae malorum initium fecit, Ann. 13, 45). Denn in dem genannten Jahre begann die Liebschaft des Kaisers mit der Sabina Poppaea, diesem unheil- vollsten aller Weiber, von denen die Geschichte weiss.

Sabina Poppaea war die Tochter des T. Oilius, nahm aber, da dieser ihr Vater ohne je eine bedeutende Stellung eingenom- men zu haben mit in den Sturz des Sejan verwickelt worden war,

80 Paul

den Namen ihres mütterlichen Grossvatere Poppaeue Sahinne an, der durch den Glanz des Conenlats und eines Triumphs eine grosse Berühmtheit hinterlassen hatte (ana. 13, 45). Denn Pop- paeus Sabinus, der am Ende des Jahres 35 n. Chr. verschieden war, war zwar, wie Tacitus ann. 6, 39 berichtet, der Herkanft nach unbedeutend, aber durch die Freundschaft mit den Kaisern Augustus und Tiberius zur Ehre des Consulats 9 n. Chr., und zur Auszeichnung des Triumphs im Jahre 26 gelangt und war mit der Gewalt über die grössten Provinzen, Mösien, Achaja, Hacedonien, bekleidet (Tao. ann. 1, 80). Zwar sagt Tacitus ann. 6, 39, zu allen diesen Ehren sei er gekommen ohne ein beson- deres Verdienst; er sei Nichts mehr gewesen, als dass er den Geschäften gewachsen gewesen sei. Indessen, einen Triumphator zum Ahn zu haben, der die thracischen Stämme niedergeschlagen hatte, die auf den Hochgebirgen in der Wildniss unbändig ihr Wesen trieben und sich der Aushebung nicht fügen wollten (ann. 4, 46), war doch für ein Weib, das nach Glanz und Herrschaft strebte, ein Gewinn, den sie sich nicht entgehen lassen durfte. So trat sie denn mit dem Namen des Günstlings zweier Kaiser und glänzenden Triumphators in der Hauptstadt auf, ein Weib, das Alles besass, nur keine Sittlichkeit (ann. 13, 45 : huic mn- lieri cuncta alia fuere praeter honestum animum).

Die Mutter dieser Poppaea Sabina, die den gleichen Namen wie sie trug und eine Tochter des Poppaeus Sabinus war, hatte alle Frauen ihrer Zeit an Schönheit übertroffen und hatte ihren Buhm und ihre Gestalt zugleich auf die Tochter vererbt (ann. aO.). Aber schon diese Mutter hatte neben dem Ruhm der Schönheit auch noch den Ruf der galanten Dame genossen. Allerdings ging dieser Ruf von den unreinen Lippen der Kaiserin Messalina, der Gemahlin des Claudius, aus und scheint von dieser aus Eifersucht gegen die schöne Frau ausgegeben worden zu sein. Durch ihren Helfershelfer, P. Suillius, einen der schändlichsten Ankläger, die damals Rom hatte (ann. 11, 5), der ebenso käuflich als in der Gunst des Kaisers allgewaltig war (ann. 4, 31), beschuldigte sie die Poppaea Sabina, mit dem zweimal Consul gewesenen Valerius Asiaticus, dem Besitzer der schönen LucuUischen Gärten im Norden der Stadt, nach denen ihr eigenes Gelüste stand (hortis inhians, ann. 11, 1), in Buhlschaft zu stehen und bewirkte den Tod beider. Asiaticus wurde seinem ordentlichen Richter, dem Senat, entzogen und im Cabinet des Kaisers in Gegenwart der Messalina und des Suillius verhört. Kaiser Claudius war damals

Kaiser Marous Salvius Otho 81

(47 51 n. Chr.) zueammen mit dem heuchlerischen L. Vitelliue, dem Vater des späteren Kaisers, Censor, und glaubte in seiner Geistesschwäche durch eine rastlose censorische Thätigkeit seinem Amte genügen zu müssen (ann. 11, 13). Unter solchen Umständen war dem Beklagten von yomherein sein Urtheil gesprochen. Zu freier Wahl des Todes aus kaiserlicher Gnade verurtheilt, öffnete er sich die Adern (ann. 11, 2. 3). Poppaea dagegen, in Angst versetzt durch die Messalina, die ihr durch Abgesandte Einkerkerung drohen liess, gab sich gleichfalls selber den Tod, (ann. aO.).

Es gehört zur Signatur jener Zeiten und ist ein Zeichen von der Fäulniss derselben, dass diese Vorgänge von den Be- theiligten selbst als eine Schicksalsbestimmung hingenommen wurden. So hatte denn auch der Mann dieser Poppaea Sabina, Cornelius Scipio, der wenige Tage nach dem Tode seiner Frau von dem dieses Todes übrigens unkundigen Claudius zur Tafel geladen und gefragt worden war, warum er ohne seine Gemahlin gekommen, darauf geantwortet : sie sei ihrem Todesgescliick verfallen (fnnctam fato, ann. 11, 2). Zu solchen Auskunftsmitteln, die Tacitue ironisch als Ausflüsse einer feinsinnigen Mässigung, eines elegans temperamentum bezeichnet (ann. 11, 4), musste sich damals die Sprache der vornehmen Welt bequemen, wenn man nicht dem gleichen Geschick wie die Opfer unterliegen wollte. Und dazu hatte Cornelius Scipio offenbar keine Lust. Das zeigte sich, als er bald darauf noch einmal in die Lage kam, für oder gegen den guten Namen seiner Frau zu zeugen. Denn kurze Zeit nach dem Tode derselben wurden zwei erlauchte Ritter, die den Zunamen Petra führten, von dem wüsten Hetzer Suillius mit der Anklage des Majestätsverbrechens verfolgt. Auch hinter dieser Anklage stand Messalina (ann. 11, 4). Der wahre Grund der Ver- folgung lag darin, dass jene Ritter ihr Haus für Zusammenkünfte des Mneeter und der Poppaea hergegeben haben sollten. Ob das der Fall war^ läset Tacitue zweifelhaft, wenn er ann. 11,4 sagt: at causa necis (equitum illustrium) ex eo, quod domum suam MDesteris et Poppaeae congressibus praebuissent. Sicher war aber der berühmte Pantomime Mnester einer von den vielen Buhlen der Messalina (ann. 11, 60). Nun hatte der Senat über die An- klage gegen die Kitter zu entscheiden. Scipio, der gewesene consul euffectus (Nipperdey, Anm. 20 zu ann. 3, 74), ebenfalls zur Abgabe seiner Stimme aufgerufen, sagte (ann. 11, 4): 'Da ich über Poppaea's Benehmen denke, wie alle Andern, so nehmt

Bbein. Mus. f. PhUol. N. F. LVU. 6

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an, dase ich aaob über dasselbe stimme, wie alle Andern . Darin nun siebt Tacitns nacb dem oben scbon oitierteu Ausdruck einen fein ereoiinenen Mittelweg zwischen ehelicher Liebe und senatori- Rchem Zwange: eleganti temperamento inter coniugalem et sena- toriam necessitatem (sententiam dixit Scipio).

Wie es nun aber auch mit diesem Rufe der Buhlschaft bei der älteren Poppaea gewesen sein mag, schaden konnte er der Tochter zu einer Zeit nicht, wo Buhlerei vom Throne herab pri- vilegiert war. Die Mutter hinterliess der Tochter nur ihren 'Ruhm und ihre Schönheit'. Dazu kam, dass ihr Vermögen für die Vornehmheit ihres Hauses hinreichend genug war. Ihre Unterhaltung war heiter angenehm, ihr Geist nicht unbedeutend. Sittsamkeit zeigte sie nach aussen. Leichtfertigkeit war ihr Wesen. Sie ging selten aus, und dann nur mit einem Schleier über einen Theil ihres Gesichts. Um ihren Ruf kümmerte sie eich gar nicht und ihren Buhlen gab sie dieselben Rechte, wie ihren Ehemännern (maritos et adulteros non distinguens). Einer wirklichen Liebe aber unterlag sie nie, weder eigner noch der ihrer Verehrer (neque aifectui suo aut alieno obnoxia). Wo Ge- winn winkte, da gab sie sich in Wollust hin (unde utilitae osten- deretur, illuc libidinem transferebat, ann. 13, 45).

Das war das Weib, das ein ToUendeter Rouo, wie Otho war, leicht reizen und an sich locken konnte. Denn so ist das VerhältnisR, nicht umgekehrt, dass die Poppaea den Otho ver- lockt hätte, wie das Hoeck, Rom. Geschichte I, 3. p. 357 an- nimmt. Sueton (Otho 3) sagt ausdrücklich, dass Otho sie ver- führt und so geliebt habe, dass er auch den Nero nicht als Ri- val gleichmüthig ertragen habe. Er habe ihn sogar einmal nicht in sein Haus hereingelassen. Dieses, den Nero ausgeschlossen zu haben, läset Plutarch (Galba 19) allerdings nicht durch Otho, sondern durch die Poppaea geschehen sein und es lässt sich nicht entscheiden, wer hier recht berichtet (s. Peter, die Quellen Plu- tarchs usw. p. 39 f.). Aber auch nach Plutarch, der vielleicht hier, wie so oft in seinem Memoirenwerke Γάλβας και "Όθιυν, münd- lichen Mittheilungen folgte (vgl. H. Peter, die geschichtl. Lit- teratur usw. II, 73 f.), war Otho erst der Verführer, den Nero dazu angetrieben hatte, ύφήκ€ Νέριυν) τον Όθιυνα π€ΐρώντα την ΤΤοππαίαν, und dann der leidenschaftlich verliebte Gatte, an dessen Eifersucht Poppaea ihre Freude hatte (Plut. aO.). Sie lebte damals, als Otho sie an sich zog, im Jahre 58 n. Chr., in der Ehe mit einem römischen Ritter Ruiius Crispinus, der im

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Jahre 47 praefectus praetorio gewesen war und in dieser Stellung auf Betrieb der Messalina und auf Befehl des Claudius den Va- leriuB Asiaticus in Ketten gelegt und von Bajae nach Rom ge- schleppt hafte (ann. 11, 1). Für diese That^ die dem Claudius wie eine grosse Kriegsthat vorkam (citis cum militibus tarn quam op- primendo hello Crispinum misit, ann. aO.), erhielt Crispinus 1^/a Millionen Sesterzien (225000 M.), ausser den Ehrenzeichen der Prätur (ann. 11, 4). Als dann Agrippina an die Stelle der Messalina getreten war und den keines eigenen Urtheils fähigen Kaiser (cui non iudicium, non odium erat nisi inditum et iussum, ann. 12, 3), vollständig beherrschte, verlor Crispinus im Jahre r^l seine Stellung als praefectus praetorio, die er mit Lusius Geta zusammen einnahm, und zwar deshalb, weil Agrippina bei ihm Anhänglichkeit an die Messalina und deren Kinder Britanniens und Octavia vermuthete. Sie tiberredete darum den Claudius, dass unter dem Befehle eines Einzigen bei der Leibwache die strenge Zucht ernstlicher werde gehandhabt werden, und so trat ßurruB an die Stelle der beiden Präfecten. Später, als die Ver- schwörung gegen Nero im Jahre 65 diesem nach ihrer Entdeckung Gelegenheit bot, alle die zu vernichten oder zu entfernen, die er ftir seine Feinde hielt, wurde auch Ruiius Crispinus nach der Insel Sardinien verbannt.

Obgleich er im Privatleben stand, war er doch dem Nero verhasst, weil er die Poppaea zur Frau gehabt hatte (pellitur .... Neroni invisus, quod Poppaeam quondam matrimonio tenuerat, ann. 15, 71). Als dann den Nero die Angst um sein Leben, die in Folge der aufgedeckten Verschwörung immer schreckhafter wurde, im Jahre 66 dahin brachte, jene Ströme Blutes zu ver- giessen, in denen Tacitus ein Strafgericht der Götter über Rom sah (ira illa numinum in res Romanas fuit, ann. 16, 16), befand sich auch Crispinus unter denen, die in einer Reihe den Gang zum Tode antraten (exitus tristes et continuos, aO.). Er empfing den Befehl zu sterben und tödtete sich selbst (accepto iussac mortis nuntio semet interfecit, ann. 16, 17). Und wie ihm das Geschick, der Mann der Poppaea gewesen zu sein, den Tod brachte, 80 war auch für seinen Sohn, den er von der Poppaea hatte, die spätere Verbindung dieser mit Nero, von der wir bald erzählen werden, die Ursache gewaltsamen Todes. Denn diesen ihren Sohn hatte Poppaea mit in den kaiserlichen Pallast gebracht; als er, der noch in frühem Knabenalter stand, dort einmal ein Kinderspiel ^Fürst und Kaiser spielte, wurde die Sache dem Nero

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hinterbracht. In seiner wahnsinnigen Angst vor möglichen Ge- fahren, die ihm einst darch den Stiefsohn kommen hönnten, Hess er den Knaben, während derselbe fischte, durch ihm mitgegebene Sklaven im Meere ersäufen: Sueton, Nero 35: Privignum liu- fium Crispinum, Poppaea natum, iropuberem adhuc, quia ferebatnr ducatus et imperia ludere, mergendum mari, dum piscaretur, servis ipsius demandavit (Nero). Die Mutter scheint aus der Sache Nichts weiter gemacht zu haben.

Dieses Weib des Rufius Crispinus, das ebenso schön als ge- wissenlos war, lockte also Otho durch sein stattliches Auftreten, durch seine Jugend und durch sein Verhältniss zu Nero an eich, als dessen allerbegünstigster Freund er galt (flagrantieeimue in amicitia Neronis habebatur, ann. 13, 45). Das Letztere gab na- türlich bei der Poppaea die Entscheidung, viel mehr als seine Ju- gend und sein prunkvolles Leben, was ihr auch viele Andere gewähren konnten. Aber der flagrantissimus in der kaieerlichen Freundschaft, wie damals der Begünstigte mit einem Kraftaasdrack in der römischen vornehmen Welt genannt wurde, konnte allein dem dämonischen Weibe zur Herrschaft verhelfen; and so ergab sie sich ihm, anfangs in wilder Ehe. Ihre Trennung yod Cri- spinus muss aber wenig Schwierigkeiten gemacht haben. Denn die Eheverbindung mit dem Otho erfolgte bald (nee mora, quin adulterio matrimonium iungeretur, ann. 13, 46). Otho war, wie gesagt, in die neue Gattin leidenschaftlich verliebt, und in seiner unbesonnenen Verliebtheit pries er bei den kaiserlichen Sohwel- gereien die Schönheit und feine Erscheinung seiner Angebeteten vor seinem kaiserlichen Gönner und Herrn. Zwar will Tacitus den Antrieb zu solchem Preisen nicht mit Gewissheit behaupten ; er sagt: Otho habe ihre reizende Schönheit, formam elegantiam- que gepriesen, sei es, weil er unbesonnen verliebt war, sei ee, weil er den Kaiser reizen wollte und weil er glaubte, dass, wenn sie Ein Weib zusammen besässen, auch das ein Band wäre, was seine Macht erhöhe (si eadem femina potirentur, id quoque vin- culum potentiam ei adiceret, aO.). Dieses inzweifelstellen der Beweggründe Otho's zeigt nur, wie schon bei seinen Zeitge- nossen das Urtheil über seinen Charakter ein schwankendes war. In der That scheint aber die Preisgabe der Poppaea von Seiten Otho's keine freiwillige gewesen zu sein. Plutarch (Galba 19) spricht entschieden dagegen : έλθούσης bk παρ' αυτόν ώς γαμέτης (της ΤΤοτπταίας) ούκ ήγάττα μετίχιυν, άλλ' ήσχαλλ€ μ€- ταοιοούς (Otho). Wie sie also seine Frau geworden war, wollte

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er keinen zweiten Gemahl für sie, was nur auf Nero gehen kann. Auch sein späteres Handeln gegen Nero ergiebt das, und ebenso musste er den Nero gut genug kennen, um zu wissen, dass eine Gemeinsamkeit desselben Weibes nicht als ein mögliches Verhält- niss betrachtet werden konnte. Die ganze Schilderung von äem thörichten Benehmen des Otho bei Tacitus ann. 13, 46, spricht nicht für schlaue Berechnung, wie Hoeck aO. annimmt, sondern ganz allein für blinde Verliebtheit. Man hörte ihn beim Auf- stehen von der kaiserlichen Tafel oft sagen : Jetzt gehe er (sese, dh. £r, dem dieses Glück allein bescheert sei) zu ihr, seiner Herrlichen, seiner Schönen, die Jeder wohl sich wünsche, die aber nur den Auserwählten beglücke (vota omnium, gaudia feli- cium, aO.). Natürlich reizten solche Worte den Nero, der schon früher, als er den Otho als Verführer angestellt hatte, das schöne Weib mit lüsternen Augen betrachtet hatte {f\q ήρα μέν 6 Νέρων Κρισπίνψ συνούσης Plut. G. 19). Es dauerte nicht lange, da hatte Poppaea, die Nichts lieber ersehnte, bei dem Kaiser Zutritt. Fürs Erste setzte sie sich durch Künste der Liebkosung fest und stellte sich, als wenn sie ihrer Leiden- schaft nicht mächtig und durch die Schönheit Nero 's gefangen sei. Dann, als der Kaiser bereits von der heftigsten Liebe er- fasst war, fing sie an, die Spröde zu spielen; wenn sie länger, als eine oder zwei Nächte bei ihm bleiben sollte, sagte sie: sie wäre doch eine verheirathete Frau, könne auch ihre Ehe nicht aufgeben ; sie sei an Otho gefesselt durch seine ganze Art zu sein und zu leben, worin ihm Niemand gleich komme. Er, Otho, sei grossartig in seiner Denkweise und in seinem ganzen Auf- treten. Man sehe bei ihm nur, was der höchsten Stellung würdig sei. Dagegen Nero mit einer Sklavin als Beischläferin und durch den Umgang mit einer Person wie Akte gefesselt, habe sich aus dem gemeinen Zusammenleben eine abscheuliche und schmutzige Lebensweise geholt (ann. 13, 46). Dass das verschlagene und ruchlose Weib nicht umsonst so die Spröde spielte, zeigte sich bald genug. Nero konnte es nicht länger ertragen, dass sie die Frau eines Andern bleiben sollte. Otho verlor erst seine ver- trauliche Günstlingsstellnng, dann wurde er auch aus der Um- gebung und Gefolgschaft des Kaisers ausgeschieden, und zuletzt, damit er nicht immerfort in der Stadt den Nebenbuhler des Kai- sers spiele (ne in nrbe aemulatus ageret) wurde er über die Pro- vinz Lusitanien gesetzt (Tao. ann. 13, 46 Plut. G. 20).

Dae Alles waren Vorgänge des Jahres 58, die wir in der Hauptsache nach den Annalen des Tacitus dargeeteWt \ΐλ\>«ϋ. λι^

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den Historien 1, 13 wird dae Verhältnies des Nero zur Poppaea Sabina anders berichtet. Darnach war Poppaea schon vor der Bekanntschaft mit Otho Maitresse des Kaisers und dieser gab sie nur dem Otho als dem Mitwisser seiner zügellosen Ausschwei- fungen in Verwahrung (deposuerat), und zwar für so lange, bis Nero die Octavia, seine Frau, aus ihrer Stellung verdrängt haben würde. Aber bald hätte er den Otho selbst in Verdficht genom- men, dass er^s mit der Poppaea halte und hätte ihn dann unter der Form einer Statthalterschaft in der Provinz Lusitanien be- seitigt (suspectum in eadem Poppaea in provinciam Lusitaniam specie legationis seposuit, h. 1, 13). Diese Darstellung muss aber der in den Annalen weichen, da diese etwa zehn Jahre später (116—117) als die Historien ausgegeben worden sind. Darum setzen sie eine genauere Durchforschung der Quellen durch den Autor voraus, die ihn zu dem anderen Berichte führte. Nur so viel ist aus den Angaben der Historien und des Plutarchs anzu- nehmen, dass Nero die Poppaea schon gekannt hat, ehe sie Otho's Frau geworden war, auch dass die Poppaea bis zur Zeit, wo Otho entfernt wurde, immerfort in dessen Hause und in Gemein- schaft mit ihm gelebt hat und dass die Trennung von ihr seiner- seits schwerlich eine freiwillige gewesen ist. Was das Letztere betrifft, so geht es ausser den schon angegebenen Gründen auch daraus hervor, dass Otho später, als er Kaiser geworden war und im Drange der Geschäfte stand, seine Liebe zu Poppaea nicht vergessen hat. Er liess durch Senatsbeschluss ihre Bild- säulen wieder aufrichten, nachdem sie im Jahre 62 durch einen Volksauflauf umgestürzt worden waren (ann. 14, 61. h. 1, 78: ne tum quidem immemor amorum statuas Poppaeae per senatus consultum reposuit).

Nach Lusitanien kam also Otho unter der Form einer Statt- halterschaft (specie legationis). Da er von den hohen Aemtern erst die Qnästur bekleidet hatte, diese Provinz aber sonst nur von prätorisohen Legaten verwaltet wurde, so war die Bestallung Otho*8 scheinbar eine Beförderung, der Sache nach jedoch kam die Entfernung einer relegatio gleich (Sueton Otho 3: sepositus est per causam legationis in Lusitaniam. Nipperdey ann. 13, 46 Anm. 8;. Natürlich hat das Otho selber am besten gcwusst (Flut. G. 20: €ΐοώς φυγής ύποκόρκτμα καΐ παρακόλυμμα τήν αρχήν αύτφ οι&ομένην). Aber die Kränkung rief den Mann zu seiner ursprünglichen Kraft zurück, was immer ein Zeichen einer nicht unbedeutenden PereÖnlichkeit ist. Von jetzt an sehen wir ihn.

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den der Verlast seines Weibes nicht gleichgültig gelassen, aus Reinem nichtigen Treiben und lüderlichen Genussleben heraus- gehoben. Er gehört zu den Naturen, die die sinnliche Leiden- schaft nicht unfUhig machte zu Tüchtigem und Aussergewöhn liebem. Tacitue nennt ihn darum einen Menschen, der, ausgelassen im Privatleben, im Amte Selbstbeherrschung zeigte, ann. 13, 46: procax otii et poetestatis temperantior. K. Peter hat Recht, wenn er Rom. Gesch. III, p. 379 sagt: Otho war einer der Männer, in denen durch den Dienet niedriger Lüste Herrschsucht und Energie nicht unterdrückt wnrden . Und auch diese Herrschsucht war, was seine Verwaltung in Lusitanien und vor Allem sein Scheiden aus dem Leben zeigt, nicht unedel, vgl. Sueton 0. 10. Was speciell seine Verwaltung von Lusitanien anbetrifft, die von 58 bis 68 dauerte, so waren diese zehn Jahre für die Provinz eine gesegnete Zeit. Er führte sein Amt, nicht wie es nach seinem früheren wüsten Leben zu erwarten war, sondern unbe- scholten und gewissenhaft (ann. 13, 46: non ex priore infamia, eed integre sancteque egit). In den Historien hebt Tacitus seinen freundlichen Sinn und sein gefälliges Wesen, seine comitas, her- vor, eine Eigenschaft die auf den Umgang mit seinen Untergebenen und auf seine freundliche Behandlung der Provinzialen sich bezieht. Dasselbe liegt in den Worten des Plutarch, Otho habe sich in seiner Provinz erwiesen ούκ άχαριν ουδέ επαχθή τοις ύττηκόοις. Plut. G. 20. Und Sueton stimmt dem bei, wenn er (Otho 3) sagt: provinciam administravit quaestorius per decem annos, mo- deratione et abstinentia singulari.

Als nun Galba seinen Abfall von Nero erklärt hatte und von seinen Truppen in Spanien am 3. April des Jahres 68 zum Kaiser ausgerufen worden war, schloss sich M. Salvius Otho als der Erste an ihn an. Er hatte lange auf eine solche Gelegen- heit zur Rache gewartet wie aus Suetons Worten (0. 4) hervor- geht : ut tandem occasio nltionis data est, conatibus Galbae pri- mus accessit. Er war aus Lusitanien zu Galba gekommen, trat mit ihm im Juli den Marsch nach Rom an und zeigte sich ausser- ordentlich eifrig und thätig für dessen Sache» Er war in der Umgebung des neuen Kriegsherrn die glänzendste Erscheinung (inter praesentes splendidissimns, h. l, 13). Dabei brachte er be- deotende Opfer für die ergriffene Sache, gab sogar sein goldenes und silbernes Tafelgeschirr zum Ausmünzen her (Plut. aO.). Wenn aber Tacitus als Motiv für seinen Uebertritt auf Galba's Seite an- giebt, das• er von Anfang an die Hoffnung auf Adoption durch

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den 73jährigeii Greis und damit auf Nachfolge desselben in der Herrschaft gefasst, dieser Hoffnung auch von Tag zu Tag heftiger nachgejagt habe (h. 1, 13), so war dieselbe dadurch begründet, dass der grösste Theil der Soldaten ihm gewogen war (και τό στρατιιυτικόν ήδίιυς εΤχε τόν *Όθωνα παρ' όντινοΟν δλλον άν- αγορ€υθήναι. Plut. G. 21). Auf dem ganzen Marsche von Spanien nach der Hauptstadt hatte er sich durch Leutseligkeit und Frei- gebigkeit beliebt gemacht (Plut. 20). Dabei mag auch eine aber- gläubische Zuversicht mit gesprochen haben, von der Sueton (0. 4) berichtet, der Mathematiker Seleucus, der ihm früher schon geweissagt hatte, er werde den Nero überleben, soll nach dessen Tode zu Otho nach Lusitanien gekommen sein und ihm geweis• sagt haben, er werde in Kurzem Kaiser sein. Wie dem auch sein mag, er suchte die Soldaten auf alle Weise, besonders durch Geschenke zu gewinnen ; und er gewann sie, wie Sueton aO. sagt, ut iam vix ullus esset, qui non et sentiret et praedicaret solum successione imperii dignum. £s ist deshalb wohl glaublich, wenn der Vater des Sueton, Suetonius Laetus, der den Otho gut kannte, in Bezug auf sein späteres Verhalten versicherte, er würde nicht mit dem Galba zusammengestossen sein, wenn er nicht fest davon überzeugt gewesen wäre, dass sein Auslangen nach der Krone ohne Krieg erfolgen könne, Suet. 0. 10: nee concursuram (Othonem) cum Galba fuisse, nisi confideret, sine hello rem trän- sigi posse. Seine Beliebtheit im Heere berechtigte ihn zu solcher Annahme.

Auch der Hof des Nero war bereit, für ihn einzutreten als für denjenigen, der dem Nero in ausschweifender Lebensweise ähn- lich war (faventibus plerisque militum, prona in eum aula Neronis ut similem, h. 1, 13). Hatte doch Otho in den Tagen der kaiser- lichen Gunst zu jener Begleitung des Nero gehört, mit der dieser häufig an die Mulvieche Brücke, den Sammelort zu allerhand lüderlichem Treiben und Liebesabenteuern, ausgeschwärmt war, um ungestört ausserhalb der Stadt daran Theil zu nehmen (Tac. ann. 13, 47. 13, 12). So war Otho, der stattliche, ausgelassene, junge Mann nichW blos der Vertraute des Kaisers in Liebeshän- deln gewesen, sondern hatte auch in unbändiger Ausschweifung mit ihm gewetteifert (Otho pueritiam incuriose, adolesoentiam pe- tulanter egerat, gratus Neroni aemulatione luxus, Tao. h. 1, 13)• Diese wüste Ausgelassenheit war die Eigenschaft, die ihn den Hoflenten jetzt empfohlen machte. Indessen war, wie gesagt, Otho nicht mehr der frühere Wüstling, der in nichtsnutzigen

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Dingen (incurioee) die Tage vergeudete. Wie er jetzt nach der höcheten Stellang aaslangte, so entsprach auch dem hohen Streben ein starker Wille (non erat Othonis mollis et corpori similis ani- mus, h. 1, 22). Bald sollte eich das zeigen.

In den ersten Tagen des Jahres 69 (822 α. c, Tac. h. 1, 12: paucis poet kalendas ianaarias diebus) war in Rom die Nach- richt eingetroffen, dass die Legionen des oberen Germaniens von Galba abgefallen seien und einen andern Kaiser verlangten (h. 1, 12). Das beschleunigte die Absicht Galba's, der schon längst mit sich und seiner Umgebung darüber zu Rathe gegangen war, bei seinem hohen Alter sich einen Mitregenten und Nachfolger zu wählen. Zu dieser Umgebung, seinem geheimen Cabinetsrath, gehörten vor Allem drei für ihn verhängnissvolle Günstlinge, die nach Sueton ihn vollständig nach ihrem Willen leiteten und unablässig um ihn waren. Das Volk nannte sie deshalb seine Paedagogen (Suet. G. 4: regebatur triam arbitrio, quos una et intra Palatinm habitantes nee umquam non adhaerentes paedagogoe valgo vocabant). Der erste derselben, der auch in ganz beson- derer Gunst beim Imperator stand und den er jetzt, wie früher zu seinem Legaten in Spanien, so in Rom zu seinem Mitconsiil erwählt hatte, war Titus Vinius. Ihn traf der allgemeine Hass am meisten, da er ein Mensch von ungemessener Begehrlichkeit war. Der andere war Cornelius Laco, den Galba zum praefectus praetorio an Stelle des Nymphidius Sabinus gemacht hatte, *ein ebenso anmassender als träger Mensch ; der dritte war der Frei- gelassene IceluB, der dem Galba zuerst die Nachricht vom Tode des Nero und von seiner Ernennung zum Kaiser durch den Senat nach Spanien tiberbracht hatte und den Galba dafür durch das Geschenk des goldenen Siegelrings zum Ritter ernannt, dazu mit dem Beinamen Marcianus ausgezeichnet hatte (Suet. G. 14).

Ale es flieh nun um die Adoption eines Erben und Nach- folgers in der Eaiserwürde handelte, waren diese drei Günstlinge sammt ihrem Anhang in zwei Fractionen getheilt, Titus Vinius war der Gönner des Otho, Laco und Icelus waren anfangs we- niger für irgend eine bestimmte Persönlichkeit und nur überhaupt für eine andere, als die dem Vinius beliebte. Jeder von ihnen verfolgte eben sein Interesse (h. 1, 13). Als nun am Aufstande der obergermanischen Legionen, die zu Mainz und Vindonissa im Canton Aargan ihre Standquartiere hatten (es wjiren die IV. Mace- donica, die XXI. Rapax, die XXI [. Primigenia) nicht mehr zu zweifeln war und auch bereits Berichte einliefen von dem dro-

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henden Abfall des A. Vitellius, den Galba selbst zam Comman- danten des unteren Germaniens ernannt hatte (k. 1, 9), da erach- tete es Galba, der auf die in der Stadt liegenden Mannschaften kein grosses Vertrauen hatte, für das einzige Rettungsmittel, end- lich einen Thronfolger zu bestellen, der für sein Greisenalter einen Ausgleich böte. Er zog zur Berathung darüber den Vinias, den Laco, den Consul designatue Marius Celsus and den prae- fectus urbis Ducenius Geminus herbei, obschon die Wahl der Per- sönlichkeit bei Galba von vorherein fest stand. Sein Erkorener war Piso Licinianus, mit dem übrigens Laco, wahrscheinlich in Aussicht auf die ihm von Galba zugedachte Würde, eich bereits vertraut gemacht hatte. Wenigstens ging das Gerede, Pieo sei auf den energischen Vorschlag des Laco (Lacone instante, h. 1, 14) gewählt worden. Wie dem auch sein mag, die Kürang war eine gute. Denn die öffentliche Meinung über den Piso war selbst eine sehr günstige (prospera de Pisone fama, h. aO.). War doch dieser L. Calpumius Piso Frugi Licinianus ein Sohn des Marcus CrasBus und der Scribonia, einer Urenkelin des Cn. Pompejus Magnus und Adoptivsohn des L. Calpumius Frugi. Nach Antlitz und Haltung war er von altem Schlage (vultu habituque morie antiqui, h. 1, 14), eine ernste Natur, die von denen, die ihm nicht besonders wohl wollten, als streng und finster hingestellt wurde. Grade diese ernste Seite seines Charaktere, die den zuchtlosen Hofleuten des Nero Aergerniss und Verstimmung bei dem Ge- danken an seine Wahl als Nachfolger Nero's brachte, gab für Galba den Ausschlag (h. aO.). Auch Plutarch hebt den recht- schaffenen, patriotischen Sinn hervor, der den Galba bei der Wahl seines Nachfolgers bestimmt habe, wenn er G. 21 sagt : 6 bk Γάλβας ά€ΐ μέν ήν οήλος πρό του ιδίου το κοινόν τιθέμενος και ίητών ούχ αύτψ θεσθαι τον ήδιστον, άλλα Ρωμαίοις τον ώφελιμώτατον. Das« es ihm Ernst war mit dieser Wahl und dass er Nichts als das Wohl des Staates im Auge hatte, geht aus der Rede hervor, die er dann, als er den Piso in den Cabi- netsrath hatte rufen lassen, an diesen hielt. £r erinnerte ihn an seine edle Abkunft, um deren willen allein aber er ihn nicht zum Nachfolger berufen habe. Die Hauptsache, die ihn, den durch den Willen der Götter und Menschen auf den Kaieerthron Ge- langten bei der Adoption bestimmt habe, sei die vorzügliche Ver- anlagung des Piso selbst und die Vaterlandsliebe. Seine und des Piso Ahnen hätten erst (in den Bürgerkriegen des Cäsar und Pompejus hatte Galba^s Vater auf Seite Cäears gestanden, während

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Cn. Calpurnius Piso Parteigänger dee Pompejus gewesen war) mit den Waffen um das Principat gekämpft. Nachdem er, Galba, dieses im Kriege erlangt, biete er es jetzt dem Piso als einem Manne des Friedens. Weiter berief er sich für die Adoption auf das Beispiel des Augustus, nur dass dieser den Nachfolger im eig- nen Hanse gesucht habe, er dagegen im ganzen Staat. Wie er selbst nicht auf dem Wege der Intrigue (ambitiöse, h. 1, 15) die Oberherrschaft erhalten habe, so wolle er auch ein durchaus nnbestoohenes Urtheil bei der Wahl seines Nachfolgers zeigen. Darum habe er weder einen seiner Verwandten noch seiner Kriegskameraden ins Auge gefasst, sondern den, der wirkliche Vorzüge vor allen andern habe. Wie des Piso Alter die wüste Leidenschaft der Jugend hinter sich habe, so finde sich auch in seinem Leben Nichts, was der Entschuldigung bedürfe. Habe er bisher nur Unglück zu tragen gehabt (zwei Brüder des Piso waren, der Eine unter Claudius, der Andere unter Nero, getödtet worden, während Piso selbst langes Exil erlitten), so werde er im Glücke, das mit schärferer Sonde das Herz des Mannes prüfe, die schönen Güter des menschlichen Geistes bewahren, die Treue den Sinn für Freundschaft und Freiheit.

In dieser grossen Rede, *aie Tacitus den Galba h. 1, 15. 16 sprechen läset, erinnert nun dieser den Piso daran, was der Herr- scher auf dem Throne von seiner Umgebung zu erwarten habe: Augendienerei, Schmeichelei und Selbstsucht, Mieses schlimmste Gift für ächte Zuneigung (sua caique utilitas, pessimum veri ad- fectus venenum). Sie beide. Er und Piso, verhandelten heute mit einander offen und ehrlich ; alle andern hätten bei ihren Worten nur den Fürsten im Auge; unbedingtes Jasagen ohne Herz and Empfindung finde gegen den Herrscher statt, wer dieser auch sei (b. 1, 15).

Wenn der ungeheure Reichekörper sich aufrecht und im Gleichgewicht halten könnte ohne einen Lenker, so wäre ich der Mann, mit dem der Freistaat (wieder was in den Worten: a quo reepublica inciperet, liegen kann, ohne dass man mit Hertz ein denuo ergänzt) seinen Anfang nehmen sollte. So aber ist es schon länget dahin gekommen, dass weder mein Greisenalter dem römischen Volke mehr gewähren kann, als einen guten Nachfol- ger, noch deine Jugend mehr, als einen guten Fürsten. Er wies dann darauf hin, dass nach dem Erlöschen des Julisch-Claudischen Hauses wenigstens mit der Adoption des Beeten ein Ersatz für die Freiheit gegeben sei; für die Wahl desselben gebe die Volks-

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etimine einen Fingerzeig, wie er denn selbst, Galba, durch die Stimme Urtheilsfähiger (ab aestimantibus) erkoren worden sei. Pisö möge sich auch nicht erschrecken lassen, wenn bei der jetzigen Welterschtitterung zwei Legionen (in Obergermanien) noch nicht zur Ruhe gekommen wären. £s würde Alles ruhig werden, wenn die Adoption bekannt würde, da der einzige Grund der Un- zufriedenheit sein Greisenalter sei. Wenn er in Piso eine gute Wahl getroffen, so wäre Alles gut. Zuletzt gab er seinem Er- korenen noch als letzte Anweisung für den rechten Weg, immer zu bedenken, was er selbst wollen oder nicht wollen wurde, wenn ein Anderer anstatt seiner Fürst geworden wäre. Im Auge zu behalten sei immer das, dass er nicht über Sklaven herrsche, wie es die Völker seien, die unter Königen ständen, sondern über Menschen, die weder volle Knechtschaft noch volle Freiheit er- tragen könnten, (h. 1, 16).

Da Plutarch diese Rede des Galba, hätte er sie gekannt, sicher aufgenommen hätte, weil sie seinen Helden zu adeln scheint, so ist das Fehlen derselben bei ihm ein Zeichen, dass Plutarch schwerlich aus Tacitus entstanden ist (s. H. Peter, die Quellen Plutarchs usw. p. 38). Da er aber in dem Bericht, wo er die Adoption des Piso erzählt, G. 23, in der Charakterisierung der Personen und in der Angabe der Zeitumstände doch wieder mit Tacitus h. 1, 14 genau übereinstimmt, so zeigt das, dass Tacitus und Plutarch ein und dieselbe Quelle für die Berichte, die sie gemeinsam haben, benutzt haben, wahrscheinlich den Clu- vius Rufus (s. H. Peter aO. p. 40 f.). Wenn Peter diese Ver- muthung wieder zurücknimmt (Die geschichtl. Litter. Π ρ. 275 Anm. 2), so will uns dafür kein rechter Grund einleuchten.

Nach der Rede Galbas, die Piso in rubiger und würdiger Weise hinnahm und beantwortete, entschloss man sich, nicht auf das Forum oder in den Senat zu gehen, um da die Adoption bekannt zu machen, sondern in das Lager der Prätorianer. Das wäre auch das Richtige gewesen, wenn Galba seine Zeit verstanden hätte. Nicht als ob ihm die Dinge und Menschen an sich un- verstanden gewesen wären; die oben angeführte Rede desselben zeigt, dass er die politische Lage und den internationalen Cha- rakter des ungeheuren Reichskolosses, der die Monarchie noth- wendig machte, vollkommen richtig erkannte. Aber sein Staats- männisches Handeln entsprach dem richtigen ürtheil nicht; er folgte in der Praxis den Grundsätzen eines Mannes aus einer

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stolzen Patricierfamilie, nicht eines souveränen Herrn und Ge- bieters, der sich auf seine Soldaten verläset, die er, gleichgültig durch welche Mittel, unauflöslich an sich zu fesseln versteht. Wie so oft bei Staatsmännern in Uebergangsperioden ging sein theoretisches Verstehen und sein praktisches Handeln weit aus- einander. Schon bisher war es die für die jetztigen Verhältnisse schlecht angebrachte Sparsamkeit Galbas gewesen, die, da sie nur als Geiz ausgelegt wurde, die Neigung der Prätorianer ihm zu entziehen angefangen hatte. Der neronianische praefectus praetorio Nymphidius Sabinus, der sich noch bei Lebzeiten des Nero für Galba erklärt und zu dem Abfall der Prätorianer von Nero das Meiste beigetragen hatte, hatte diesen, wofern sie die Partei des Galba ergriffen, ein Geldgeschenk als ausserordent- lichen Ehrensold (donativum), versprochen, ob mit oder ohne Ge- heiss des Galba, lässt sich nicht bestimmt sagen. Auf jeden Fall aber waren die schon unter Claudius und Nero an solche Geld- geschenke gewöhnten Prätorianer (Tac. ann. XII, 41. 69) durch dasselbe zur Huldigung für Galba bewogen worden. Galba aber verweigerte das Geschenk mit der Bemerkung, von ihm werde der Soldat ausgehoben, nicht gekauft (legi a se militem, non emi h. 1, 5). Tacitas bemerkt zu diesem Worte ganz richtig, dasselbe wäre für das Staatswohl gut gemeint gewesen, für den Galba selbst aber höchst gefährlich, dazu auch nicht an der Zeit (vox pro republioa honesta, ipsi anceps ; nee enim ad hanc formam cetera erant). Von da an sah die Garde in Galba nicht sowohl den strengen, von den Soldaten einst gefeierten Feldherrn und Führer, als vielmehr den alten, filzigen Geizhals, der leider an die Stelle der glänzenden Erscheinung eines Nero getreten sei (h., aO. vergl. Plut G. 22: κοινή γάρ ατταντες ol (Στρατευό- μενοι τόν Γάλβαν έμίσουν ούκ άποόώόντα τήν δωρεάν). In keinem Augenblicke aber war dieser Geiz für das Geschick der neuen Herrschaft verhängnissvoller, als jetzt, wo man für die Bestätigung der Adoption eines Nachfolgers im Regiment und im Heeresbefehl die Gunst des Lagere unbedingt brauchte. Diese Gunst wollte Galba auch jetzt nicht durch Bestechung und wer- bende Schmeichelei erkaufen, sondern nur durch löbliche Mittel. Die Gardetrnppen sollten sich mit der Ebre begnügen, dass sie zuerst am Anerkennung des von ihm Gewählten angegangen worden waren (h. 1, 17). Es sollte sich bald zeigen, welchen verhängniss vollen Weg Galba eingeschlagen.

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Es war der 10. Januar des Jahres 69, ein abschealicher Regentag mit Donner, Blitz und allem Unwetter. Als Galba mit seiner Begleitung im Lager angekommen war, sprach er vor der ganzen versammelten Garnison mit imperatorischer Kürze, verkündete die Adoption des Piso und erwähnte den Aufstand der obergermanischen Legionen nur so, als ob die 4. und 22. Legion auf Veranlassung weniger Aufruhrer sich bloss in lauten Ausrufungen vergangen habe, in Kurzem aber zum Gehorsam zu- rückkehren werde. Weder ein gewinnendes Wort noch ein Geld- geschenk wurde von ihm erwähnt. Tacitus berichtet bei der Er- zählung von diesen Vorgängen ausdrücklich h. 1, 18: Έβ steht fest, dass die Truppen hätten gewonnen werden können durch eine noch so kleine Freigebigkeit des allzu sparsamen Greises; sein antikes, starres Wesen und seine allzu grosse SittenstrcDge, der wir nicht mehr gewachsen sind, schadete seiner Sache*. Nur die Tribunen und Centurionen und von den Soldaten die ihm zunächst Stehenden antworteten auf die Rede des Galba Erfreu- liches; alle andern waren niedergeschlagen und schweigsam, im Gedenken daran, dass sie den sogar im Frieden beanspruchten und unumgänglichen Ehrensold durch den Krieg verloren hätten (h. aO.). 'Das Heer', sagt Plutarch G. 23, schaute feindlich und finster darein, weil das Geschenk auch jetzt nicht ihm gegeben ward'. Und ähnlich Sueton G. 17: perduxit (Galba Pisonem) in castra ac pro contione adoptavit, ne tunc quidem donativi uUa mentione facta, quo faciliorem occasionem M. Salvio Othoni praebuit perficiendi conata. Von dem Lager zog man in den Senat. Auch hier hielt Galba eine einfache, kurze Rede, der der Erfolg zur Seite stand. Ingleiehen sprach Piso freund- lich wohlwollend. Und grade die, welche ihn nicht gewollt hatten, huldigten ihm jetzt in übertriebener Weise; kam ee ihnen doch darauf an, die frühere Opposition vergessen zu machen. Diejenigen Senatoren, die keiner Partei angehörten, und das war die Mehrzahl (medii ac plurimi, h. l, 19) hatten nur ihre persönlichen Hoffnungen ohne alles Interesse für den Staat; sie kamen darum dem Piso unterwürfig entgegen.

Die Annahme des Piso zum Nachfolger des alten Kaisers hätte immerhin gut ausschlagen können, wenn sie nicht den ver- letzt hätte, der auf diese Adoption für seine eigene Person mit Sicherheit gerechnet und sein ganzes Thun seit dem Anschluss an Galba darauf gerichtet hatte, selbst zur obersten Stelle empor zu steigen, M. Salvius Otho. Für ihn war auch, wie schon be-

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merkt, Titne Viniue geetimmt gewesen, das einflnssreiebste Mit- glied im Cabinetsrath des Kaisers. Dem Galba war die Freund- schaft des Vinius mit Otho nicht unbekannt; ja Vinius, der eine unvermählte Tochter hatte, ward nach einem viel verbreiteten Gerede als künftiger Schwiegervater des Otho angesehen (Tac. h. 1, 13 Plut. G. 21). Tacitus ist aber aO. der Ansicht, dass den Galba wirkliche Sorge für den Staat bewogen habe, von der Adoption des Otho, der ihm zu viel von Nero hatte, abzusehen. Auch Plutarch sagt aO.: Galba hätte hier wie immer den all- gemeinen Nutzen im Auge gehabt: ά€ΐ μέν ήν όήλος πρό τοΟ Ibiov το κοινόν τιθέμενος καΐ ίητών ούχ αύτψ θεσθαι τον ήδι- στον, άλλα 'Ρωμαίοις τόν ώφελιμώτατον. Vom Otho hätte er schon wegen seiner ungeheuren Schulden abgesehen. Nachdem also die Wahl auf Piso gefallen war, schien nun für Otho das ganze bisherige Mühen unnütz und vergeblich. Und wie stark war dieses Mühen gewesen! Dass er bei seinem Anschluss an Galba von vornherein die Absicht auf den Thron gehabt hat, ist wie schon oben gesagt, ganz fraglos (h. 1, 13: spem adoptionis statim conceptam acrius in dies rapiebat). Bei dem hoben Alter Galbas war Hoffnung wie Absicht auch begründet. Deshalb hatte er schon auf dem langen Wege von Spanien nach Rom die Neigung der Soldaten zu gewinnen gesucht. In Reihe und Glied, auf dem Marsche wie beim Haltmachen nannte er die Aeltesten mit ihrem Namen, rief das Andenken an die Zeiten zurück, wo sie mit ihm im Gefolge des Nero gewesen und nannte sie seine Kameraden. So erneuerte er alte Bekanntschaften und suchte neue zu machen, indem er ihnen durch Geld oder persönliche Verwendung half. Oft Hess er dabei Klagen und zweideutige Reden über Galba einfliessen und gebrauchte allerlei andere Mittel zum hetzen (Tac. h. 1, 23 Plutarch G. 20).

Um nun jetzt einen Andern die Stelle einnehmen zu sehend auf die er selbst mit so heissen Wünschen gehofiPt hatte, dazu war Otho der Mann nicht. Vermuthet doch Tacitus, dass er schon bei seiner Werbung um die Gunst der Soldaten nöthigen Falls eine Gewaltthat ins Auge gefasst hatte, h. 1, 23: studia militum iam pridem spe successionis aut paratu facinoris ad- feetaverat. Jetzt war die Zeit gekommen, wo diese Anbahnung der Gewaltthat ihre Ausführung finden musste ; denn glückte die Erhebung des Piso und wurden in Folge derselben die Zustände geordnet und ruhig, so war alle Hoffnung Otho's vereitelt. Also musste all sein Trachten sich jetzt auf Vereitlung der Pläne

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Galbae, dh. auf dessen Sturz richten. Und dazu drängte nicht blos der Zorn Othos über Galba und sein Neid auf Piso, sondern noch vieles Andere: ein Aufwand, der selbst für öineo Fürsten belastend gewesen wäre, eine Geldknappheit, die kaum ein Privat- mann ertragen konnte. Sueton sagt 0. 5 : *£r wandte sich zur Gewalt, weil ihn, abgesehen davon, dass die Wahl des Pieo ihn innerlich wurmte, die Schuldenmasse erdrückte; er machte dess gar kein Hehl, dass er nur als Kaiser noch bestehen könne; es sei gar kein Unterschied, ob er auf dem Schlachtfeld durch den Feind falle, oder auf dem Forum durch seine Gläubiger'. Dabei redete er sich selbst in Furcht hinein und spiegelte sich vor, dass seine Person schon dem Nero allzu drückend gewesen aei. Ein zweites Lusitanien aber mit seinem ehrenvollen Exil werde ihm nicht wieder zu Theil werden. Wem einmal die Anwartschaft auf den Thron von der allgemeinen Stimme zugeschrieben worden sei, wie ihm, der bleibe dem Herrscher verdächtig und verhasst. Auch werde ein so schroffer Charakter wie Piso eines Otho nicht schonen. Also gelte es zu handeln und zu wagen, so lange die Dinge noch im Fluss wären. Uebergangszeiten seien grossen Wagnissen günstig und Ruhe sei gefährlicher als Verwegenheit. Beim Tode, der von Natur für Alle gleich sei, sei nur der Un- terschied, ob man bei der Nachwelt vergessen oder verherrlicht sei. Und wenn derselbe Ausgang aus dem Leben Schuldige wie Unschuldige erwarte, sei es des tapferen Mannes Sache, ver- dientermassen den Untergang zu finden. Tac. h. 1, 21.

Mag Tacitus solche Gedanken dem Otho nun nach seiner Kenntniss von der Denkweise desselben zugeschrieben haben, ohne <la8s sie allesammt genau nach Aeusserungen desselben zu con- trolieren waren, jedenfalls entsprechen sie der Gemüthsart Othos wie seiner Lage und seiner Umgebung. Denn auch diejenigen seiner Freigelassenen und seiner Sklaven, die vertraulich mit ihm verkehrten, drängten auf ihn ein, indem sie ihm den Hof Nero's mit seiner ungeheuren Ausschweifung, seinen Ehebrüchen und seinem Frauenwechsel und alle andern Begierden eines Despoten als ihm, dem Otho, gehörig hinstellten, wenn er den Muth des Wagens habe, dagegen als für Andere bestimmt, wenn er die Hände in den Schooss lege. Nicht minder als die Freigelassenen und Sklaven drängten den fatalistisch gerichteten Otho die Astrologen, diese für die Machtinhaber unzuverlässige, für die Hoffenden trü- gerische Menschenart, die in Rom so oft verboten wurden und sich immer wieder einnisteten (genus hominum, quod in civitate

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nostra et yetabitur semper et retinebitur, b. 1, 22). Sie wollten in den Sternen neue Umwälzungen und ein dem Otbo Gltick ver- heissendes Jahr geseben baben. Viele eolcber Sterndeuter (ma- tbematicos) batte eicb Poppaea gebalten ; sie waren das scblimmete Einricbtungestück ibrer füretlicben Ebe (peseimum principalie niatrimonii instrumentum, Tac. aO.), die ibr zu ibren gebeimen Macbinationen dienten. Wir baben scbon von dem Seleucne be- rieb tet, der nacb Sueton naeb Lusitanien oder Spanien gekommen sein sollte. Es wird ja wobl nur eine Variante der Tageecbronik sein, wenn Tacitus den Sterndeuter Ptolemaeus nennt, der den Otbo nacb Spanien begleitet und ibm verbeissen babe, dass er den Nero Überleben werde. Da dieser Verbeiesung der Erfolg enteproeben batte, so überredete der Aetrolog den Otbo leicbt, dass er zur Herrscbaft gelangen werde (Flut. G. 23). Für Otboe abergläubiecbes Gemütb war diese Yerbeissung, die Ptolemaeus auf Vermntbung und das allgemeine Gerede gründete, weiobes Otboe Jugend und Galbas hobes Alter in Kecbnung zog, ein pro- pbetiseber Aussprucb. Und Ptolemaeus liess es nicbt an sieb feblen, nunmebr Otbo auch zum Verbrecben aufzustaobeln, wozu ja der Uebergang vom verbreoberischen Wunscbe leicbt ist (h. 1, 22).

Wenn wir diesen Mathematiker Ptolemaeus, den wir hier in der Gefolgschaft des Otho finden, zu denen rechnen, die Poppaea sich gehalten hat, so sind wir durch den Text des Tacitus dazu berechtigt. Denn die Worte b. l, 22 : e quibus Ptolemaeus geben auf die unmittelbar vorher erwähnten multos matbematicos der Poppaea. Ist das nun der Fall, so ist Ptolemaeus höchst wahr- scheinlich nach dem Tode der Poppaea zum Otbo gegangen, und das würde ein Zeichen davon sein, dass der Zusammenbang des Otho und der Poppaea selbst nicht durch die Vermählung dieser mit Nero aufgehört hat, ein Zusammenhang, der dem mit seiner Patronin vertrauten Astrologen wobl auch soweit bekannt ge- wesen sein wird, dass Ptolemäus selbst auf günstige Aufnahme bei Otho rechnen durfte. Da es aber multi mathematici waren^ die sich Poppaea hielt, so wird wobl auch Seleucus unter ihnen gewesen sein, woher die Verwechslung bei Sueton leicht ent- stehen konnte.

Vor allen Dingen galt es nun, in den Gemüthern der Sol- daten die Unzufriedenheit lebhaft zu erbalten und wo möglich dem angesteckten Brand immer neuen Zündstoff zuzuführen. Hierbei ging dem Otho Maevius Pudens als höchst geeigneter

Übeln. Mua. L Pbilol. N. F. LVIL ^

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Vermittler zur Hand. MaeviuR hatte zu der Schaar habsüchtiger Wülltietlinge gehört, die eich zur Neronischen Zeit um den Ti• gellinns sammeltenf dienen intriguanteeten und schmutzigsten der vertrauten Rathgeber des Nero (Tac. h. 1, 24. 72). Maevius kannte die geeigneten Persönlichkeiten im Heere, die durch ge* meine Mittel zu gewinnen waren, in deren Anwendung er so weit ging, dass er, so oft Galba bei Otho speiste, der die Wache haltenden Cohorte Mann für Mann 500 Sestertien in Othos Namen auszahlte als eine Gratification, die sie an Stelle der Bewirthnng haben sollten. Otho gab sich damit den Schein, als ob er selbst die Prätorianer als seine Gäste ansähe. Und nicht genug, dass hiermit ein Verfahren, was Nero einst bei officiellen Diners ein- geführt, wieder aufgenommen wurde, Otho ging so hitzig im Be- stechen vor, dass er die Gratification bei Einzelnen noch durch geheime Belohnungen erhöhte, da, wo es ihm darauf ankam, den Mann sich unbedingt zu attachiren, im bedeutenden Maasse. So schenkte er dem Cocceius Proculus, einem Gardegendarmen (spe- culatori), der mit seinem Nachbar über die Grenzen seines Grund- stücks im Process lag, dessen ganzes Grundstück, nachdem er ee mit seinem Gelde erworben hatte. Laco, der Prätorianerpräfect, der wohl die Absicht dieses ganzen Verfahrens hätte erkennen können, war viel zu indolent, um etwas daraus zu machen (Tac. h. 1, 24 Sueton 0. 4).

Als Hauptwerkzeug für die nunmehr scharf ine Auge ge- fasste Gewaltthat selbst benutzte Otho den Onomastne, einen seiner Freigelassenen (Plut. G. 24). Dieser führte ihm zunächst einen ünterofiicier (tesserarium, Ordonnanz), Namens Barbius Pro- culus, und einen Feldwebel (optionem), Veturius, zu. Ans dem Gespräch, welches Otho mit diesen Beiden anknüpfte, sah er, dass es verschmitzte und verwegene Gesellen waren. Er ertheilte ihnen darum Geld und Versprechungen in überreichem Maasse, um durch sie noch mehrere zu verführen. So unternahmen zwei Soldaten subalterner Charge die ungeheure That, dem römischen Eeiche seinen Herrn zu nehmen und ihm einen andern zu geben. Und sie haben ihn gegeben (h. I, 25: suscepere duo manipu- lares Imperium populi Romani transferendum, et transtnlere). In die Verschwörung selbst wurden nur wenige gezogen. Die schon mehr oder weniger befangenen Gemüther der übrigen wühlte man mit verschiedenen Kunstgriffen auf. So hatte Nymphidius Sabinue als praefectus praetorio unter Nero viele begünstigt, und um sie an sich zu ziehen, in höhere Dienststellung aufrücken lassen.

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Dieee so Beförderten bennrnliigte man damit, daee sie unter Galbas Regiment als ebemalige Freunde des Nympbidius immer verdäcbtig erscbeinen und in unsicberer Stellung; steben würden. Die Masse der Andern regte man durcb Groll wegen der ver- lorenen Auesiebt auf das so oft binaus gescbobene Geldgescbenk auf. Endlicb gab es welcbe, die das Andenken an Nero und die Sebnsucbt nacb der früheren Ausgelassenbeit entzündete. Einer wie der Andere befürcbtete einen Wechsel in der dienstlicben Stellung. So erzählt Tacitus b. 1, 25, dem hier zu folgen ist. Sueton (0. 5) redet von fünf Gardegendarmen, denen die Sacbe zuerst übertragen worden sei und die zehn andere^ jeder je zwei, mit herangezogen hätten; durcb diese seien dann noch andere geworben worden, nicbt allzu viele, weil man erwartete, dass bei der Ausfübrung des Planes selbst sich noch eine grössere Anzabl anscbliessen würde. Darin irrte man sich aucb nicht. Denn die Gäbrung ergriff aucb die in der Stadt stebenden Truppen, eine für Neuerungen stets bereite ungeheure Masse, die nicbt gerade für eine bestimmte Person eingenommen war, aber für den einzutreten stets fertig stand, der sieb auf ein Wagnies einlaeeeo wollte. Es waren das die von Nero gebildete Legion der Seeeoldaten, die legio prima classica, die dem Galba nicbt vergass, dass er ibre Kameraden von der Flotte an der Mulvi- scben Brücke hatte zusammen bauen lassen (b. 1, 6. 31); ferner die vielen Trnppenabtbeilungen, die Nero aus dem germanischen und illyriscben Heere batte ausbeben lassen, um sie gegen die Albaner im Kaukasus, später gegen den Yindex zu gebrauchen, und die nocb in Rom zurückgeblieben waren. Diese alle wurden sofort entzündet, sobald sieb das Gerücht verbreitete, dass das obergermaniscbe Heer wanke. Bei den Scblecbtgesinnten war der Aufstand eine ausgemachte Sache, die nocb Unverführten tbateu, als merkten sie Nichts. Als Otbo einst von einem Mable heimkehrte, war man scbon drauf und dran, sich seiner zu be- mäcbtigen und ihn zum Kaiser zu proclamieren, wenn man nicbt doch das Unsichere der Nacht, die über die ganze Stadt zer- streuten Standquartiere und die Scbwievigkeit einer Ueberein- stimmung bei den vom Rausche Erhitzten gefürchtet hätte. So unterblieb die Sacbe für jetzt, besonders aus Furcht, es könnte der Erste Beste, welcber den Soldaten des pannonischen und gennaniecben Heeres begegnete, die ja meistens den Otbo nicht von Person kannten, von ihnen anstatt dieses erkoren werden. Auch andere Anzeichen des ausbrechenden Aufstandes wurden in

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Menge von den Leitern der Verecbworenen unterdrückt. Was aber doch zq den Ohren des Galba kam, das wies Laco als ganz unbedeutende Dinge ab, weil er unbekannt war mit dem Geiste, der unter den Soldaten herrschte, und weil er in seinem Eigen- sinn gegen jeden lUth, auch den besten, war, den er nicht ge- geben hatte (h. 1, 26).

Am 15. Januar 69 opferte Galba vor dem Tempel des Apollo, und der Opferpriester Umbricius verkündete nach den Unglück drohenden Zeichen nahe bevorstehende NachstelluDgen von einem Landesfeind im eigenen Haus (Tac. h. 1, 27 : hamspex Umbricius tristia exta et instantes insidias ac domesticum hoetem praedixit andiente Othone. Vergl. Plut. G. 24. Sueton G. 19: haruspex identidem monuit, caveret periculum, non longe per- cusRores abesse). Diese Weissagung lässt uns vermuthen, dass die Pläne der Verschworenen in der Stadt gar nicht mehr so unbekannt gewesen sein können. Für Otho, der neben dem Opfern- den stand, war die Aussage des Opferschaners etwas Freudiges, ein seinem Vorhaben Glück verheissender Spruch. Dennoch war er anfangs bestürzt und wechselte nach dem glaubhaften Bericht des Plutarch (G. 24) vor Furcht die Farbe: θορυβουμένιμ bfe αύτψ και χρόας άμείβοντι παντοδαπάς ύπό bέoυς παμαστάς Όνόμαατος . . . ίφη . . . Gleich darauf meldete ihm sein Frei- gelassener Onomastus, dass er von dem Bauherrn und den Bau- unternehmern erwartet würde. Das war das verabredete Zeichen, dass die Soldaten zusammengetreten und die Verschworenen fertig seien. Otho, der dem Freigelassenen folgte, gab als Ursache seines Weggangs an, dass er ein Landhaus in der Nähe der Stadt zu kaufen beabsichtige, was er wegen Alters einer genauen Unter- suchung unterwerfen müsse. Auch schlug er nicht den directen Weg nach dem Lager der Prätorianer ein, sondern ging zunächst durch den Pallast des Tiberius nach dem Stadtviertel, wo die Victualienhändler feil hielten (Velabrum), und erst von dort ver- fügte er sich nach dem vergoldeten Meilenstein unterhalb des Saturntempels. Daselbst traf er 23 Mann von der Leibgarde, die ihn als Kaiser begrüssten. Er war über diese geringe An- zahl besorgt, aber sie setzten ihn eilig auf einen Tragsessel und entführten ihn mit gezockten Schwertern, um ihn nach dem Lager zu tragen. Unterwegs schlössen sich etwa eben so viel Soldaten an, die Einen im Einverständniss, Viele aus Neugier. So folgten sie theils unter lautem Freudengeschrei, theils still und schwei- gend, um sich erst nach dem Erfolge zu entscheiden. Im Lager

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hatte der Tribun Julius Martialis die Wache. Mochte dieser nun durch die Ungeheuerlichkeit des so plötzlichen Verbrechens die Besinnung verloren haben, oder mochte er befürchten, dass das Lager echon weiter mit in die Verschwörung verstrickt und, wenn er sich dagegen stemme, dies sein eigener Untergang sei| er galt den Meisten als Mitverscbworener. Auch die übrigen Tribunen und Genturionen zogen die sichere Gegenwart mit schmach- voller Untreue den Geboten der Pflicht mit unsicherer Zukunft vor. Und so war die Stimmung der Art, dass Wenige das 8ch mach vollste Verbrechen wagten, mehrere es wünschten, Alle es litten (Tac. h. 1, 27. 28 Plut. G. 25 Sueton 0. 6).

Inzwischen fuhr Galba, der von allen diesen Vorgängen nichts ahnte, in seinem Opfer fort und bestürmte immer dringen- der mit Bitten um günstige Zeichen die Götter, die, wie Tacitus sagt, ein bereits in andere Hände übergegangenes Regiment in ihren Schutz genommen hatten (ignarns Interim Galba et sacris intentus fatigabat alieni iam imperii deos, h. 1, 29). Da traf plötzlich das Gerücht ein, es sei irgend ein Senator ins Lager entführt worden; bald darauf hiess es, es sei Otho. Zugleich sammelten sich aus der ganzen Stadt Leute an, wie sie grade unterwegs sich trafen, die theils aus Furcht die Dinge über- trieben, theils sie geringer darstellten, als sie waren, um dem Galba und seiner Umgebung gefällig zu schmeicheln. Nun trat dieser mit den bei ihm Befindlichen zur Berathung zusammen und man fasste den Beschluss, die Gesinnung der Cohorte zu ver• suchen, die grade im kaiserlichen Pallast die Wache hielt, und zwar nicht durch Galba selbst, dessen Autorität jetzt noch nicht in Frage gestellt, sondern für durchgreifendere Massregeln auf- gehoben werden sollte.

Es trat also Piso oben auf die Stufen des Pallastes, und redete die zusammengerufenen Soldaten an. Es sei dies, sagte er, der sechste Tag (nach unserer Zählweise der fünfte), dass er als Cäsar berufen worden sei, ohne zu wissen, ob diese Würde zu wünschen, oder aber zu fürchten sei. Es handle sich dabei nicht um seine Person. Er kenne das Unglück, und eben jetzt erfahre er, dass auch das Glück nicht weniger Gefahr habe. Es handle sich um seinen (Adoptiv•) Vater, um den Senat und um das Reich selbst, die ihm leid thäten, wenn sie (Piso und die Anhänger Galbas) heute ihren Untergang fänden, oder, was in den Augen der Gutgesinnten ebenso jammervoll sei, ein Blutbad veranstalten müssten. Die letzte Bewegung (durch die Nero ge-

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ettirzt worden war) habe das Tröstliche gehabt, dass die Stadt von Blutvergiessen verschont nnd der Wechsel der Regierung ohne Bürgerkrieg bewerkstelligt worden sei ; durch die Adoption schiene nun auch das vorgesorgt worden zu sein, dass auch nach dem Tode des Galba die Dinge ohne Krieg sich ordneten. ' Ich will mich nicht, so fuhr Piso fort, auf meine vornehme Gebart und auf meinen sittlichen Charakter berufen ; man braucht, wenn man sich mit Otbo zu vergleichen hat, nicht die Tüchtigkeit eines edlen Mannes herbei zu ziehen. Die Laster, deren er allein sich rühmt, haben das Reich schon zerrüttet, als er sich noch als Freund des Kaisers aufspielte Sollte er sich durch sein äussereR Gebahren und Auftreten oder auch durch seinen weibischen Auf- putz die Derrschergewalt verdient haben? Die sind im Irrthuna, bei denen üppige Verschwendung unter dem Scheine von Frei- gebigkeit einen Eindruck macht. Dieser Mensch wird zu ver- geuden, nicht zu schenken verstehen. Hurerei, wilde Zechgelage, Zusammenliegen mit Weibspersonen, das sind die Dinge, die seinen Geist beschäftigen, das sind nach ihm die Belohnungen, die der Oberherrschaft zufallen müssen. Die geile Lust und das Schwelgen in diesen Dingen soll sein Antheil sein; für die an- dern alle soll das als Schmach und Schande gelten.^ Der Redner weist weiter darauf hin, dass ein ruchlos erworbenes Regiment nie gute Massnahmen getroffen habe. Es sei in ihrem (der Leib- garde) Interesse, dass nicht die Schlechtesten den Kaiser machten. Ihre Treue sei bis auf den heutigen Tag unbefleckt, sollten etwa jetzt weniger als 30 Ueberläufer und Verräther, denen man nicht einmal erlauben würde, sich einen Centurionen oder Tribunen zu wählen, über den Thron verfügen? Wollten sie dieses Beispiel zulassen? Die Frechheit würde in die Provinzen dringen, sie selbst (Piso und die zu Galba Stehenden) würden die Folgen der Verbrechen, die Garde aber würde der Ausgang des Bürgerkriegs treffen. Zuletzt versprach er ihnen ein Donativum, das wegen Treue zu erhalten jedenfalls besser sei, als für eine ruchlose That (h. 1, 29. 30).

Der Erfolg dieser Rede war, dass die Graduirten (specula- tores, Leutnants und zu Ordonnanzen benutzte Feldwebel, Feld- jäger, Gardegendarmen) sich verzogen, der Rest der Cohorte aber den Redenden nicht abfällig anhörte und wie das in Zeiten der Aufregung vorkommt, ohne noch einen bestimmten Entechluss zu haben, sich unter Waffen in Reih und Glied aufstellten, mehr aus Zufall, als aus verrätherischer Absicht und Verstellung, wie

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man nachher annahm. Auch wurde der designirte Coneul Celsns Mariue, ein treaer Anhänger des Galba, zu den noch in Rom stehenden Detachements des illyrischen Heeres, die in der Halle des Vipsanins Agrippa im Quartier lagen, gesandt, ebenso zwei Hauptlente, die die Detachements der germanischen Armeecorpe ans der Halle des Tempels der Libertas herbeiholen sollten. Der Flottenlegion misstraute man als einer feindlich gesinnten wegen der Abschlachtnng ihrer Kameraden, die Galba bei seinem Ein- tritt in die Stadt hatte niederhauen lassen. In das Lager der Prätorianer aber gingen drei Tribunen, nm zn versuchen, ob der noch im Anfang begriffene Aufruhr durch vernünftiges Zureden zu beugen sei. Zwei von diesen Tribunen empfingen die Soldaten mit Drohungen, den dritten, Pompejus Longinas, packten sie und entwaffneten ihn, weil er ihnen als Einer von Galbas Freunden, der seinem Herrn treu ergeben war, jetzt, wo sie im Begriff standen, von diesem abzufallen, nur um so verdächtiger war. Die Flottenlegion schloss sich ohne Zaudern den Prätorianern an. Den Celsus jagten die illyrischen Truppen mit drohend vor- gehaltenen Wurfspeeren von dannen. Die germanischen Abthei- Inngen schwankten lange; sie waren noch körperlich geschwächt und zum Frieden gestimmt, weil Galba sie, die von Nero kurz vor der Empörung des Vindex nach Alexandrien, wohin er selbst sich begeben wollte, vorausgeschickt und jetzt zurückgekehrt waren, in guter Pflege hatte halten lassen, nachdem sie durch die lange Seefahrt stark mitgenommen worden waren (Tac. h. 1, 31 vergl. Plut. G. 25).

Schon hatte der zusammengelaufene Pöbel, unter den sich ganze Sklavensohaften gemischt hatten, das Palatium angefüllt und verlangte mit verworrenem Geschrei den Tod des Otho und die Vernichtung der Verschworenen, ^gleich als wenn sie im Clrcus oder im Theater ein kurzweiliges Schauspiel forderten. Denn, setzt Taoitus hier hinzu, verständiges ürtheil und Sinn für Wahrheit ist bei der Menge nicht zu suchen, die mit ganz gleichem Eifer an ein und demselben Tage das Entgegengesetzte, wie sich bald zeigen sollte, forderten' (h. 1, 32).

Den Galba zogen zwei Meinungen nach ganz verschiedenen Seiten. Titus Vinius war der Ansicht, man müsse innerhalb des Pallastes bleiben, die Sklaventrupps entgegen werfen, die Zugänge verwahren, nicht gegen die erhitzten Empörer marschieren. Den Uebelgesinnten solle Galba Zeit lassen zur Umkehr, den^ 'Gut- gesinnten zur Einigung. Verbrechen wüchsen bei vomW^^m Ti^-

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greifen , gute Pläne durch ruhiges Zuwarten. Endlich sei zu einem Vorwärtsgehen, wenn es räthlich erscheine, die Gelegenheit ganz dieselbe in der nächsten Zukunft, dagegen liege eine rückgängige Bewegung, wofern man sich anders besinne, in der Macht des Gegners (h. 1, 32). Die Meinung der Andern war für rasches Handeln, bevor die jetzt noch schwache Bewegung der Wenigen stark würde. Bei Zaudern und Lässigkeit werde Otho sofort lernen, das Staatsoberhaupt zu spielen. Man solle doch nicht warten, bis er etwa im Lager der Prätorianer Alles abgemacht habe, aufs Forum komme und das Capitolium betrete, während Galba aus der Ferne zuschaue, ein vortrefiflicher Herr nnd Kaiser, der mit seinen Freunden sich nicht weiter, als bis zur Thür wage, natürlich, um eine Belagerung auszuhalten. Das Schmach- volle sei auch das Unsichere. Wenn es nöthig sei zu fallen, so solle man der Gefahr entgegen gehen. Das bringe dann den Otho in eine gehässige Stellung, ihnen selbst aber ehrenvollen Nachruhm. So waren die Meinungen im Cabinetsrath des Kaisers. Den Vinius, der sich der letzteren Ansicht widersetzte, griff Laco mit Drohungen an, wobei Icelus, der einen persönlichen Uass gegen Vinius hartnäckig zum Verderben des Reiche ausübte, ihn anstachelte (h. 1, 34 vgl. Plut. G. 26).

Nun gab Galba sein Zaudern auf und trat denen bei, die ihren Rath mit stolzen Worten gegeben hatten. Ehe man aber sich zum Handeln entschloss, wurde Piso ins Lager geschickt. Kaum hatte sich dieser entfernt, so trat das anfangs unsichere Gerücht auf, Otho sei bei den Prätorianern getödtet worden; bald darauf, wie das bei Lügen von so grosser Tragweite geschieht, wollten etwelche selbst dabei gewesen sein und es gesehen haben. Bei der freudig erregten und gedankenlosen Masse fand das leicht Glauben. Viele waren der Ansicht, das Gerücht sei von den Othonianern, die sich bereits unter die Menge gemischt, erfunden und vergrössert worden, um den Galba durch die freudige Kunde aus dem Pallaste zu locken (Sueton G. 19: extractus rumoribus falsis, quos conspirati, ut cum in publicum elicerent, de industria dissiparant).

Nach dem Auftreten des Gerüchtes erhob nun vollends nicht bloss die versammelte Menge vom Bürgerstand und dem unwis- senden niederen Volk (populus et imperita plebs) ein wüstes Bei- fallsgeschrei, sondern auch manche von den Rittern and Sena- toren, die sich von ihrer Furcht jetzt befreit fühlten, rissen die Thüren des Pallastes auf, stürzten hinein und zeigten sich dem

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Galba, wobei sie klagten, dass sie nun um ihre Hache gekommen seien (praereptam eibi ultionem qnerentes). Je feiger Einer war und je weniger er bei eintretender Gefahr, wie sich bald ergab, seinen Mann zn stehen wagte, als ein desto grösserer Zungenheld trat er auf. Kein Mensch wusste etwas Bestimmtes, aber alle gaben ihre Behauptungen mit voller Sicherheit, bis Galba, durch die allgemeine üebereinstimmung der im Irrthum Befangenen hingenommen, seinen Panzer anlegte und, da er wegen hohen Alters und wegen seines siechen Körpers sich nicht auf den Füssen halten konnte, von den andrängenden Haufen auf einen Tragsessel gehoben wurde. Zn gleicher Zeit kam ein Gardegendarm, Julius Atticus, in den Pallast gestürmt, zeigte sein blutiges Schwert und rief: Otho sei von ihm getödtet worden. Da sagte Galba: 'Kamerad, wer hat dir das befohlen?* Auf diese Frage lässt Plu- tarcb (G. 26) den Mann antworten: *Meine Treue und mein Eid!* wobei die Menge ihm Beifall gerufen habe. Wenn Plutarch diese drastische Scene allein berichtet, so ist sie darum noch nicht unglaubhaft. Plutarch hat in seinen beiden Schriften Γάλ- βας και "Όθιυν, die Ein Werk bilden (H. Peter, Die geschicbtl. Litteratur über die röm. Kaiserzeit usw. Π ρ. 73 Anm. 2 ), die Kämpfe und den Ausgang dieser beiden Kaiser ganz ebenso er- zählt, wie Tacitus und Sueton, so dass wir die Annahme einer gemeinsamen Quelle nicht ablehnen können (H. Peter aO. p. 73). Wenn er nun hier und da solche Züge bringt, die die beiden an- dern nicht berichten, so zeigt das den Memoiren-Charakter seines Werks, in dem er sich auch auf mündliche Aussagen gestützt hat. Wie weit diese auf Thatsächlichem beruhen, lässt sich nicht immer mit Sicherheit erweisen. Indessen, da er die Quellen zu seiner Kaisergeschichte unter den Gesinnungsgenossen des Taci- teisch-Plinianischen Kreises gesucht hat (H. Peter aO. p. 75 f.), 80 ist auch kein Grund an der Wahrheit solcher anekdotenhaften Züge zu zweifeln. Sie widersprechen den Thatsachen, bei deren Bericht Plutarch in augenfälliger Üebereinstimmung mit Tacitus und Sueton (G. 19) steht, keinesfalls.

Dieser Bericht selbst nun geht dahin, dass sich Galba in seine Sänfte gesetzt habe, um sich dem Volke zu zeigen und dem Jupiter Capitolinus zu opfern. So sei er aufs Forum ge- kommen. Hier war also der Vorgang mit dem prahlerischen Gardegendarmen Julius Atticus, an den Galba seine unwillige Frage richtete. Mit dieser Frage, sagt Tacitus, habe sich Galba als ^inen Herrscher gezeigt, dem es darauf ankam, d\e i^o\d«A.\%Oc\^ Zugell oBjgkeit zu bändigen, un erschrocken bei DioViuii^^Ti^ \|^^%«^*

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über den Scbmeichlern nnbeRtechlich (insigni animo ad coercendam militarem licentiam, minantibue intrepidas, advereae blandientee incorruptQs, b. 1, 35). In dieser Bericbterstattung, die, wie be- merkt, im Weeentlicben bei allen drei Scbriftetellern, Tacitus, Sneton und Plutarcb, gleich ist, haben wir nnr den einen, al- lerdinge nnbedeutcnden, Unterschied noch hervorzuheben, dass nach Tacitus Galba bereite im Begriffe gewesen sei, eioh ans dem Pallast fortzubegeben, als ihm Julius Atticas entgegen kommt (b. 1, 35 : obvius in Palatio Julius Atticus). Aehnlich bei Sneton Gr. 19. Nach Plntarch dagegen aO. besteigt Galba erst nach dem Auf- treten des Gardegendarnien seine Sänfte. Bei solchen positiven Widersprüchen ist aber immer anzunehmen, dass Tacitne den Vor- gang so berichtet, wie er stattfand. Dio Cassius endlich verkürzt die Erzählung 64, 6 so sehr, dass aus ihm über die Reihenfolge Nichts zu ersehen ist. üeberhaupt werden wir diesen Autor für unser Thema wenig heranziehen dürfen, da er, wie H. Peter (Die geschieht]. Litt. usw. li, 92) sagt, manche Geschichte des Effects wegen zustutzt, bald weglassend, bald ändernd und aus- schmückend. 'Er ist mit seiner Vorlage ft'ei und sehr willkür- lich umgesprungen* (H. Peter aO. p. 275). Nehmen wir den Faden der Erzählung wieder auf, da wo wir ihn fallen Hessen, indem wir uns in den Hauptstücken an Tacitus anschliessen.

Als Otho im Lager der Prätorianer angekommen war, zeigte sich sofort, wie schwer Galba gefehlt hatte, dass er den Trappen das Geldgeschenk nicht ausgezahlt, auf das diese gerechnet hatten und das ihnen auch, wenn nicht von ihm selbst, doch in seinem Namen, versprochen worden war. Dem Otho dagegen kam sein leichtsinniges Geldverschwenden und sein glänzendes Auftreten jetzt zu Statten. Denn Nichts anderes war es, was sofort die Gemtither der Soldaten im Lager für ihn und seine Thronerhebung einnahm. Sie nahmen ihn in geschlossenem Kreis in ihre Mitte und zwar so, dass die Tribunen und Centurionen keinen Zutritt zu ihm haben konnten; denn der gemeine Soldat glaubte ihn he- acliützen zu müssen vor den Ofißcieren. Das ganze Lager schallte auf allen Seiten von wildem Jubelgeschrei und fanatischem Tau- mel wieder. Man fasste sich an den Händen, lag sich in den Armen, sagte sich den Huldigungseid vor, man empfahl den neuen Kaiser den'^Soldaten und die Soldaten dem neuen Kaiser. Otho selbst führte ein für den Moment passendes, für ihn selbst aber unwürdiges Schauspiel auf; er bezeugte mit weit vorgestreckten Armen dem grossen Haufen die tiefste Ehrfurcht, warf ihm Kuea-

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bände zu und benahm sich ganz in koechtieober Weise, Alles um den Preis der Herrschaft (nee deerat Otbo protendens manus adorare vulgus, iacere oscula et omnia serviliter -so. fa- cere- pro dominatione, b. 1, 36). Die ganze Flottenlegion leistete zuerst den Hnldigungseid. Als das geschehen war, hielt Otho vom Walle des Lagers herab, um die ihn umstehende Masse noch mehr anzufeuern, eine Rede, worin er sie als Kameraden ansprach und sein Schicksal als mit dem ihrigen unlösbar ver- knüpft darstellte. 'Ich weiss nicht recht, wie ich mich Euch vorstellen soll, sagte er ; Privatmann kann ich mich nicht nennen da ich von Euch zum Fürsten erklärt worden bin, Kaiser aber auch nicht, so lange noch ein Anderer diesen Titel führt; auch was mit Euch ist, weiss ich nicht, so lange ein Zweifel besteht, ob ihr den Oberherrn des römischen Volkes in Eurem Lager habt oder den Feind desselben.' Er stellte ihnen vor, sie müseten entweder zusammen untergehen oder zusammen ihr Heil ßnden. Von Galba sei nur das Schlimmste für sie beide zu erwarten ; das habe er an der Mulvischen Brücke gezeigt, als er ohne allen Grund so viele Tausende habe hinschlachten lassen, denen er erst Verzeihung versprochen. Wie er seinen Einzug in die Stadt über ein Leichenfeld gehalten, so habe er dann zu seiner kaiserlichen Würde nur den Ruhm hingemordeter Feldherrn und Staatsmänner in Spanien, Gallien, Germanien (Fontejns Capito), Afrika (Clo- dius Macer) hinzugefügt. Jede Provinz, jedes Lager sei von Blut befleckt. Galba nenne das freilich : zur Ordnung gebracht, wie er seine Grausamkeit Strenge, seinen Geiz Sparsamkeit, seine Todesstrafen und Degradationen Zucht nenne. Dann wies Otho darauf hin, wie die Vertrauten Galbas, ein Icelus und Titus Vi- nius seit sieben Monaten nach dem Tode des Nero mehr geraubt und schlimmer gehaust hätten, als einst die Vertrauten des Nero. Das eine Haus des Icelus hätte schon zu der Geldspende hinge- reicht, *die Euch nie gegeben worden ist, deren Beanspruchung aber Euch täglich vorgeworfen wird* (una illa - des icelus - domns snfficit donativo, quod vobis numquam datur et quotidie expro- bratur, h. 1, 87). Zuletzt kam Otho auf Piso zu sprechen, als einen dem Galba in unfreundlichem, grämlichem Wesen und im Geiz sehr ähnlichen Nachfolger. Auch hätten sie, die Kameraden, selber das auffallende Unwetter gesehen, wodurch sogar die Götter ihren Abscheu vor dieser Adoption gezeigt hätten. Der Senat und das römische Volk denke hierüber ganz gleich. Jetzt kommt es auf Eure Bravheit an, bei denen alle Kraft und Stärke für

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ehrenvolle Unternehmungen iet und ohne die auch die berrlichften Pläne nutzlos und nichtig sind. Nicht zum Krieg* nicht zu g^ fährlichem Thun rufe ich Euch; die Waffen aller Truppen sind mit uns. Auch nicht die Eine Cohorte in der Toga (die im kaiserlichen Pallast wachhabende Cohorte) vertbeidigt jetzt dei Galba, sondern sie hält ihn fest. Hat sie Euch erblickt und hit sie meine Parole empfangen, so wird der Streit nur darüber sein, wer bei mir am meisten zu Gute haben soll. Für Zandern iit bei einem Unternehmen kein Platz mehr, das Dur Lob finden kann, wenn es durchgeführt wird.^ Nach dieser Rede Hess er das Zeughaue öffnen. Die Waffen wurden hastig herauegenommen ohne allen militärischen Brauch und ohne die Ordnung, dass der Prätorianer und der Legionssoldat sich durch seine Specialwaffe (lancea-pilum) unterschieden hätte. Auch die Helme und Schilde der Hilfetruppen wurden ohne Unterschied genommen und ohne dass ein Vorgepetzter einzugreifen wagte (h. 1, 38).

W*ie der Aufruhr wuchs und das Stimmengeräuecb bis in die Stadt sich vernehmlich machte, war Piso un verrichteter Sache aus dem Lager zurückgekehrt und traf den Galba, der inzwischen sich aus dem Palatium entfernt und das Forum erreicht hatte. Auch Celsus Marine brachte Unerfreuliches zurück. Da riethen die Einen in der Umgebung des Galba, ins Palatium zurückzu- kehren, die Andern, das Capitolium zu besetzen, Manehe auch, sich der Keduerbühne vor den Othonianern zu bem&chtigen. Die Mehrzahl schrie nur das den Ansichten der Andern Entgegen- gesetzte, und, wie es bei unglückseligen Maassregeln geht, als das Beste erschien das, wozu keine Zeit mehr war. Laco soll ohne Wissen des Galba den Mord des Titus Vinius geplant haben, sei es, um die Soldaten zu beschwichtigen, sei es, dass er ihn im Einverständniss mit Otho glaubte, oder endlich auch ans Haas. Indesa zögerte er mit der Ausführung, weil nach dem Beginn des Blutvergiessens ein Maass schwer einzuhalten war. Auch etörten schlimme Nachrichten und das Auseinanderfliehen der nächsten Umgebung den Plan. Der Eifer Hess auch bei denen nach, die znerst voller Begeisterung für Galba gewesen waren (h. 1, 39).

Unterdessen wurde Galba hierhin und dorthin getrieben, je nachdem die wogende Menge gegen ihn stiess (τοΟ φΟρείου, κα- θάπερ έν κλύοιυνι, beOpo κάκεϊ οιαφερομένου καΐ ττυκνόν άπο- νεύοντος, Plut. G. 26). Hallen und Tempel füllten eich von allen Seiten : von da aus sah man sich die Sache mit an (Plut aO.). Kein Zuruf kam aus der Mapse des Volke, der Schrecken

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Kaiser Marcus Salvius Otho 109

lag, wie Tacitue sagt, auf allen Geeiohtern ; nach allen Seiten hin laoBchte man mit gespanntem Ohr. Es war kein Lärm, keine Rahe, es war ein Schweigen, wie es grosse Furcht und grosser Ingrimm erzeugt. Inzwischen wurde dem Otho gemeldet, dass sieb das Volk bewaffne. Da befahl er rasch vorwärts zu gehen und die Gefahr beim Schopf zu fassen. Und so bemächtigten sich die Soldaten, grimmig aussehend und im gestreckten Trabe des Forums, ohne dass sie, wie Tacitus hier mit wehmüthiger Bitterkeit bemerkt, der Anblick des Capitols, die heilige Scheu vor den hohen Tempeln und der Gedanke an die früheren oder späteren Herrscher von einer That abschreckten, deren Rächer allemal der Nachfolger auf dem Thron ist. Sie beeilten sich, ihren anbewaffneten und greisen Kaiser und Herrn zu tödten, nicbt anders, als wollten sie den Vologeses oder Pacorus von dem väterlichen Tbron der Arsaciden herabstossen (Tac. h. 1, 40). Als der Schwärm der Bewaffneten in die Nähe des Galba gelangt war, riss ein Fähndrich der ihn begleitenden Cohorte, Atilius Yergilio, das Brustbild des Kaisers, welches in Medaillon- form am Schafte des Feldzeichens angebracht war, herunter und warf es auf die Erde. Auf dieses Zeichen wandten sich die ganzen Truppen zum Otho, das Volk verliess in eiliger Flucht das Forom; wer noch schwankte, gegen den wurden die Waffen gezückt. Hier berichtet Plutarch G. 26: kein Mensch habe jetzt dem Galba Hilfe geleistet ausser dem Centurionen Sempronius Densae, der unter so vielen Tausenden allein des römischen Na- mens werth gewesen sei. Dieser aber habe, und zwar nicht weil er vom Galba etwas Gutes besonders erfahren gehabt, sondern nur weil er dem Recht und Gesetz Folge geleistet, sich vor die Sänfte gestellt, habe seinen Hauptmannsstab erhoben und den an- drängenden Meuterern laut zugerufen, sie sollten des Herrschers schonen. Diese aber seien mit ihm ins Handgemenge gekommen. Da habe er sein Schwert gezogen, bis er sich tapfer wehrend gefallen sei. und von Plutarch hat den Hergang auch Dio 64, 6 so übernommen, der damit zeigt, wie wenig selbständig er den Ereignissen nachgeforscht hat. Denn dieses Eintreten des Sem- pronius Densus geschieht nach Tacitus h. 1, 43 nicht für Galba, sondern für Piso. Dadurch, dass Sempronius sich den Mord- gesellen entgegenwirft, entkommt Piso in den Tempel der Vesta, wo er, allerdings nur auf kurze Zeit, dem Verderben entgeht. Hier liegt der Irrthum jedenfalls bei Plutarch, obgleich beide, Tacitae und Plutarch, sich auch hier auf dieselbe Quelle etiitzen^

HO Paul

wie die Einleitungeworte zu der Erzählung zeigen, die bei Ta- citus lauten: InRignem illa die virnm Semproninm Deneum noetra aetae vidit; bei Plutarcb: öv μόνον άνδρα (seil. Sempronium) ήλιος έπ€ΪΟ€ν έν μυριάσι τοσαύταις άΕιον τής 'Ρωμαίων ηγε- μονίας (vergl. Η. Peter, die Quellen des Plutarcb uew. p. 39). Plutarcb bat bier seine Quelle nur oberfläcblicb angesehen oder es ist ihm ein Gedäcbtnissfebler untergelaufen.

Mitten auf dem Forum war das Basein des Curtias (Cnrtins lacus), eines jener siebenhundert von den Aquäducten gespeisten ßrunnenbecken Roms. Neben diesem Wasserbecken wurde Galba durch die ängstliche Hast seiner Träger aus seiner Sänfte ge- worfen um! rollte am Boden hin. Sein letztes Wort wird ver- schieden berichtet. Tacitus erzählt h. 1, 41, dass er nach der Aussage der Einen flehentlich gefragt habe, was er denn Schlimmes gethan, um ein solches Schicksal zu verdienen, und um wenige Tage gebeten habe, damit er das versprochene Geschenk an die Truppen auszahle; die meisten aber, sagt Tacitus, hätten erzählt, er habe seine Kehle freiwillig den Mördern dargeboten und ge- sagt, sie sollten nur machen und zustossen, wenn das zum Nutzen des Gemeinwesens wäre. Sueton aber lässt ihn (G. 50) nach dem Bericht der Einen ausrufen: ^was macht ihr, Kameraden? Ich bin Euer und Ihr seid mein !* Nach dem Bericht der Andern und zwar der meisten hätten seine Worte so gelautet, wie Tacitus angibt. Plutarcb theilt G. 27 nur das Eine mit: Galba habe seine Kehle den Mördern dargeboten mit den Worten: bpaTe, €l τούτο τψ οήμψ *Ριυμαίιυν δμεινόν έστι. Nach Dio endlich (aO.) hätte er nur die Worte gesprochen: τι κακόν έποίησα; Den Mördern war es jedenfalls einerlei, was er sagte. Wer ihn ge- mordet hat, ist nicht ganz sicher; manche nennen einen Gefreiten Terentius, andere einen gewissen Lecanius, die meisten den Ca- murius, einen Soldaten der XV. Legion, welche ihr Standquartier zu Vetera in Untergermanien hatte, von der aber damals eine Abtheilung in Rom war. Die übrigen, die sich bei der schmäh- lichen That betheiligten, zerrissen dem Gemordeten Arme und Beine und schlugen in ihrer grausigen Wildheit noch dem ver- stümmelten Körper Wunden (h. 1, 41).

Nachdem so römische Soldaten ihren kaiserlichen Herrn, der unbewafi'net und hochbejahrt war (τόν γίροντα, τόν αρχιε- ρέα, τόν αυτοκράτορα, Dio aO.) zu tödten sich beeilt hatten, gingen sie auf Titus Yinius los. Auch bei ihm weiss man nicht, ob die Furcht des Augenblicks seine Stimme erstickt hat^ oder

Raiser Marcus Salvios Otbo 111

ob er laut gemfen hat, es sei wider deo Befehl des Otho, ihn zu tödten. Diee letztere bestätigt Plutarch G. 27 ; da spricht Vinius in der Angst seines Herzens die Worte aus: άποθνήίΤκιυ παρά την "Οθωνος γνώμην. Tacitus ist geneigt, in diesen Worten ein Bekenntniee seiner Mitwiseenschaft an dem Complot gegen Galba zu sehen. Έτ meint, sein Leben und sein Euf sprächen dafür. Dass man auch in der Umgebung des Galba seine Mit- Wissenschaft annahm, geht aus der Absicht Lacos, ihn zu tödten hervor, die wir oben erwähnten. Vor dem von Augustus in der Nähe der alten Rostra, an der Stelle, wo Cäsars Leiche ver- brannt worden war, errichteten Tempel des Divus Julius sank Titne Vinius zusammen, nachdem er zunächst in die Kniescheibe getroffen und dann von einem Legionssoldaten durchstochen wor den war (Tac. h. 1, 42 Piut. G. 27).

Auch Piso mnsste sterben. Wie schon erzählt, hatte zu- erst ein Hauptmann der prätorischen Cohorte, Sempronius Densus, den Verwundeten vor den Mördern gerettet. Dieser Centurio war von Galba mit der Wache für Piso betraut worden. Er zog gegen die Mordgesellen seinen Degen blank, warf sich ihnen ent- gegen, hielt ihnen mit Entrüstung ihre Schandthat vor und for- derte sie auf, sich gegen ihn selbst zu wenden. Dadurch machte er es dem schon verwundeten Piso möglich, zu entfliehen. Er entkam in den Tempel der Vesta. Dort nahm ihn mitleidig ein Tempelsklave auf and verbarg ihn in seiner Dienstwohnung. Die Mordgesellen kamen aber auch hierher und zwar auf speciellen Befehl des Otho, der grade auf die Vernichtung des Piso brannte *. Der eine von den beiden Kerlen, die ihn mordeten, war Sulpicius Florus, ein Soldat aus einer zu Kom liegenden Abtheilung des britannischen Heeres, der erst vor Kurzem von Galba mit dem Bürgerrecht beschenkt worden war; der andere war Statine Mur- cus, ein Gefreiter der Leibwache (speculator). Die beiden Kerle zogen den Piso an den Eingang des Tempels und ermordeten ihn da (h. 1, 43).

üeber keine Ermordung soll Otho eine grössere Freude ge- habt haben, kein gefallenes Haupt soll er mit so unersättlichen

^ Die Textesworte h. 1, 43: cum advenere missu Othonis nomi-

natim in caedem eius ardentes Sulpicius Florus et Statine

Marens lese ich nach der Conjectur von Heinsius, der statt ardentes ein ardentis vorschlägt. Mir scheint das nominatim und die Bemerkung im Anfange des folgenden Gapitels über Othos grosse Freude beim Morde des Piso diese Conjectur nothwendig zu machen.

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Augen angeseheu haben, als dae des Pieo. Es ist ganz glaub- lich, wafl Plutarch G. 27 erzählt: Als der Kopf des Galba dem Otho gebracht wurde, habe er gerufen : ^ Das will nichts heissen, Kameraden, zeigt mir das Haupt des Piso!^ Tacitus meint, der Grund von dieser unmässigen Freude sei wohl gewesen, dass Otho jetzt erst von aller Sorge befreit gewesen sei ; doch könne auch der Gedanke an die in der Person des Galba geschändete Majestät, und bei Titus Vinius an die Freun^chaft mit diesem den Geist des Ütho mit unheimlichen Vorstellungen erfüllt haben; dagegen bei Piso habe er geglaubt, sich nach menschlichem und göttlichem Rechte freuen zu dürfen. Wie dem nun auch sein mag, au keiner Stelle des Taciteischen Berichtes wird Otho in schwärzeren Farben vom Autor gezeichnet, als in diesem Kapitel h. 1, 44. Und diese rohe Grausamkeit zeigten auch seine Ge- hilfen bei der wilden Orgie. Die Häupter der Gefallenen wurden von ihnen auf Stangen geheftet und zwischen den Feldzeichen der Cohorten neben dem Adler der Flotten legion einhergetragen. Dabei zeigten die Mörder ihre blutigen Hände, und auch die rühmten sich der blutigen That als einer hochpreislichen Helden- that, die nur dabei gewesen waren oder auch nur dabei gewesen sein wollten. Vitellius fand später nach Besiegung des Otho mehr als 120 Bittschriften an Otho von solchen, die um eine Belohnung eingekommen waren wegen irgend einer bemerkens- werthen Hilfe, die sie an jenem Tage geleistet haben wollten. Vitellius befahl diese alle zu fassen und zu tödten, nicht um dem Galba damit eine £hre zu erweisen, sondern er that es aus po- litischer Klugheit, um sich selbst für die Gegenwart durch ein abschreckendes Beispiel zu sichern und für die Zukunft seinem Nachfolger die Verpflichtung zur Rache aufzustellen. Man sieht, das Princip ist sehr alt, nach dem die Fürsten noch heutzutage handeln (tradito principibus more, h. 1, 44).

Senat und Volk waren wie verwandelt. Die Väter, 'als wären sie, oder als wären die Götter andere geworden' (καθάπερ δλλοι γεγονότες ή θεών άλλων γεγονότων, Plut. G. 28), schwuren den Eid für Otho, der seinen eigenen Eid nicht gehalten; sie nannten ihn Cäsar und Augustus. Alle stürzten in das Lager der Prätorianer, einer eilte dem andern voraus, man lief um die Wette, schmähte auf Galba, lobte die politische Einsicht der Soldaten, küsste dem Otho inbrünstig die Hand, und je mehr das Alles erlogen war, desto mehr that man es. Otho aber Hess sich das gefallen, indem er die drohende Gier der Soldaten zu

Kaiser Marone Salviue Otho 113

bescli wichtigen euclite. Diese forderten den designierten Consul Marine Celsus, der bis zuletzt dem Galba ein treuer Freund ge- blieben war, zur Todesstrafe. Die Thatkraft und Unbescholten- heit des Celsus waren in ihren Augen verwerfliche Dinge. Es war klar, dass es bei ihnen auf Mord und Beute und darauf ab- gesehen war, dass grade die Besten dem Verderben geweiht werden sollten. Da Otho noch nicht die Autorität besass, das Verbrechen zu verhindern, so Hess er den Marius Celsus in ver- stelltem Zorne fesseln und entzog ihn so dem Untergange, mit der Versicherung, dass er noch härter büssen sollte (Tac. h. 1, 45), oder wie Plutarch G. 27 sagt, dass er noch gewisse Dinge von ihm erfahren müsse.

Von da an ging Alles nach der Entscheidung der Soldaten vor sich. Die wählten sich die Lagerpräfecten selbst, von denen Einer Licinius Proculus war, bei dessen Wahl sie allerdings auf den neuen Kaiser Rücksicht nahmen. Denn dieser Licinius Pro- culus war bisher schon ein intimer Freund Othos gewesen, von dem man muthmaasste, dass er dessen Pläne gefördert habe. Den bisherigen Präfeoten Laco hingegen, der unter der Um- gebung Galbas derjenige gewesen war, welcher dem Otho nicht getraut hatte, liess dieser jetzt, unter dem Vorgeben der Ver- bannung auf eine Insel, von einem Unterofficier (ab evocato) aus dem Wege schaffen. Marcianus loelus aber, der bei Galba in sehr hoher Gunst stehende Freigelassene und hohe Hausbe- amte desselben, wurde als dem Sklavenstande angehörig öffent- lich hingerichtet (h. 1, 46). üeber das Alles war bei den Sol- daten wie in der Stadt grosse Freude. Die hohen Magistrate wetteiferten mit dem Senat in Schmeicheleien.

Noch war das Forum besudelt mit dem Blute der Er- mordeten, die noch in ihren Staatskleidern und mit abgeschlagenem Haupte auf dem Platze lagen (fii τών νεκρών ακέφαλων έν ταις υπατικαϊς έσθήσιν έρριμένων έπι τής αγοράς, Plut. G. 28), als Otho durch sie hindurch nach dem Capitolium und von da in den kaiserlichen Palast zog. Da angekommen gab er die Er- laubnifis, dass die Opfer des grausigen Schlachtens begraben und verbrannt würden. Den Piso bestattete sein Weib Veronia und sein Bruder Scribonianus, den Titus Vinius seine Tochter Gri- spina. Die Häupter der Ermordeten, die die Mörder abgeschlagen hatten, um sie als Kaufgegenstände zu verwerthen, hatten von den Angehörigen erst losgekauft werden müssen (h. 1, 47). Plu- tarch G. 28 beschränkt diese Angabe nur auf das Haupt des

fUiein. Miu. t PhUol. N. F. LVU. %

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ViniuB. Der Leichnam des Galba hatte längere Zeit anbeerdigt dagelegen und war, ein Gegenstand des Hohnes, von der rohen Menge unter dem Schutze der Nacht misshandelt worden. Zu- letzt beerdigte ihn ein mitleidiger Sklave, Namens Argins, der den im Stadthaushalt wichtigen Posten eines Rechnungeführers inne hatte (dispensator Argius e primoribus servis). Auch dem Galba hatte man das Haupt abgeschlagen; Markedenter und Trosskneohte hatten es aufgespieset und zerstochen; so wurde es am folgenden Tage am Grabhügel des Patrobius gefanden. So berichtet Tacitus h. 1, 49, an den wir auch hier ans halten. Plutarch G. 27 lässt das Haupt dem Otho gebracht und dann von diesem den Sklaven des von Galba hingerichteten Patrobine geschenkt werden. Da Argius den Rumpf bereits verbrannt hatte, so fügte er das Haupt der Asche hinzu und barg beides in einem armseligen Grabe in seinen (des Galba) Gärten^.

^ So verstehe ich die Worte in h. 1, 49: Galbae corpus, diu ne- glectum et licentia tenebrarum plurimis ludibriis vexatum, dispensator Argius e primoribus servis humili sepultura in privatis eius hortis con• texit. Caput per lixas calonesque sufiixum laceratumque ante Patrobii tumulum (libertus is Neronis punitus a Galba faerat) postera demum die repertum et cremato iam corpori admixtum est. Hier enthalten die Worte bis contexit das, was im Aligemeinen über die Bestattung des Galba zu sagen war und erhalten dann noch eine nähere Aus- führung durch das folgende caput etc. Der Herg^ang war also der: die rohe Menge hatte mit dem Leichnam Galbas, den erst Niemand weiter beachtet hatte, ihren Spott getrieben, einen Spott so grausiger Art, dass er nur unter dem Schutze der Nacht vor sich gehen konnte Dabei hatte man ihm das Haupt abgeschlagen, es aufgespieset und an den Grabhügel des von Galba getödteten Neronischen Freigelassenen Pa- trobius geschleppt, wo es am andern Tage gefunden wurde. Den Rumpf dagegen hatte Argius der Verhöhnung der Menge entzogen und ver- brannt und die Asche dann in einem armseligen Grabe geborgen. Dann fügte er auch noch das Haupt hinzu. Man sieht aus dieser Er- klärung, duss es durchaus nicht nötbig ist, wie Heraus nach dem Vor- gänge von Döderlein und Halm gethan, die Worte * licentia tenebra- rum* aus ihrer Verbindung mit 'plurimis ludibriis vexatum* loszu- reissen, um sie durch ein Komma von diesen getrennt nach vexatum zu setzen und so mit dem Hauptverbum contexit zu verbinden. Der Hohn an dem Leichnam war so schauerlich, dass er nur bei Nacht ge- trieben werden konnte. Warum soll denn da, wie jene Gelehrten wollen, grade der mitleidige Sklave des Schutzes der Nacht bedurft haben, die ihn, wenn anders die rohe Menge ihn am Aufnehmen des Leichnams hätte hindern wollen, gar nicht geschützt hätte. Natürlich, da er den

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Dies war das Ende des Galba, im dreinndeiebsigeien Jahre seines Lebens, eines römischen Mannes ans edlem Gesohleohty der fünf Kaiser überlebt hatte und glücklicher gewesen war unter der Herrschaft Anderer, als unter der eigenen. Tacitns nennt ihn einen mittleren Geist (medium ingenium, h. 1, 49), der nicht gerade auf Niedriges und Schlechtes gerichtet war, aber auch nicht auf Grosses und Gutes (magis extra vitia, quam cum vir- tutibus, aO.), der bedeutender schien, als ein Privatmann, so lange er ein solcher war, und der nach allgemeinem Urtheil befähigt für den Thron gewesen wäre, wenn er ihn nicht eingenommen hätte.

üeber die Stadt, die schon voller Angst ob des entsetz- lichen neuesten Verbrechens und in Furcht war, Otho könnte, trotz seines milden Auftretens, in seine alte Lebensweise ver- fallen (Dio 64, 8), kam jetzt zu allen erlebten Gräueln ein neuer Schrecken, die Botschaft über Vitellius. Sie war schon in den letzten Tagen vor der Ermordung des Galba in Rom ange- kommen, aber man hatte sie unterdrückt, so dass erst die Auf- lehnung der beiden obergermanischen Legionen, der IV. und der Xlil. öffentlich bekannt war. Diese war, wie wir wissen, kurz vor der Adoption des Piso dem Galba gemeldet worden, der sie in seiner Ansprache an die Prätorianer als eine unbedeutende Sache hingestellt hatte. Wie gross der Schrecken in der Stadt bei der Nachricht von der Schilderhebnng des Vitellius und seiner Proclamierung als Kaiser durch das niedergermanische Heer war, sieht man aus der allgemeinen Trauer und aus der Sorge, die sich des Senats, der Ritterschaft und des Volkes bemächtigte. Denn auch in der grossen Masse, die sich sonst um die Staatn- angelegenheiten und das gemeine Wohl nicht kümmerte, lebte doch das Gefühl, dass in Otho und Vitellius die beiden durch Unzucht, Trägheit und Ausschweifung aller Art Verruchtesten aller Sterblichen vom Schicksal zur Vernichtung des Reichs aus- erlesen seien. Man sagte sich, dass zwar auch in den vorigen Kämpfen um das Principal die Welt fast umgekehrt worden sei.

Leichnam bei Nacht aufhob, verbrannte er ihn auch bei Nacht; zu warten war da nicht. Aber auch zum Verbrennen brauchte er nicht den Schutz der Nacht. Endlich ist der Begriff der licentia gar nicht einfach der der Erlaubniss, sondern er ist dabei die Nuance eines Miss- brauchs dieser Erlaubniss. Nun missbrauchte aber nicht der mitleidige Argins die Nacht, wohl aber die rohe Menge. Das ist für die Stellung der Worte entscheidend.

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aber das Reich habe doch noch beim Siege eines Jalius Cäsar und Augaetus Bestand gehabt, wie denn auch der Staat noch Be- stand gehabt haben würde, wenn Pompejns and Bratos Sieger geblieben wäre. Aber jetzt, für wen sollte man jetzt die Tempel \ besuchen und beten, für den Otho oder für den Yitelliae? Schien es doch ruchlos, Gebete zu den Gitttern zu senden, wo die Wahl yorlag zwischen zweien, von denen man nur so viel wusste, dasi der als der schlimmere sich zeigen würde, der den Sieg davon tragen würde (h. 1, 50).

Die Schild erhebung des Vitellius galt auch dem neuen Throne. Und Otho wusste, dass er sich nur durch Kampf auf ihm erhalten würde. Er konnte, wie Dio 64,7 sagt, den Fuss nicht wieder zurückziehen, nachdem er einmal auf den Thron gekommen war, so gern er das vielleicht gethan hätte.' Wenigstens berichtet Sueton 0. 7 und Dio aO., dagß er in der Nacht nach Ermordung des Galba, von schrecklichen Träumen gequält, schwer geächzt und geseufzt habe, von dem Lager gefallen, und auf dem Boden liegend von der herbei eilenden Wache gefunden worden sei. Das sind freilich Zeichen bitterster Reue. Aber, wie ge- sagt, er konnte nicht mehr zurück. Weniger, weil Vitellius selbst auf Entscheidung durchs Schwert gedrungen hätte; auf diesen kam es nicht weiter an. Sondern vor allen andern drängte C. Fabius Valens, sein Legionscommandeur in Niedergermanien, wohin Aulus Vitellius gegen Ende des Jahres 68 von Galba an Stelle des ermordeten Statthalters Fontejus Capito gesandt worden war. Durch das Ungestüm des Valens war Vitellius selbst erst zur Ergreifung der Kaiserwürde fortgerissen worden (h. 1, 52); jetzt wurde er durch ihn zum Marsch nach der Hauptstadt be- stimmt. Mit dem gleichen Ungestüm drängte der Legions- commandeur in Obergermanien, A. Alieuus Caecina, ein Mann von masslosem Ehrgeiz, der noch in der Blüthe der Jugend stehend, von Galba sein Commando erhalten hatte, dann aber des Unter- schleife angeklagt von ihm der gerichtlichen Verfolgung Preis gegeben worden war. Jetzt nun sucht Caecina, nachdem er sich in die Liebe der Soldaten eingeschlichen, das Unterste zu oberst zu kehren und schloss sich darum mit den beiden in Mainz stehenden obergermanischen Legionen, der IV. und XXII, an den Vitellius an (h. 1, 56). So hatten also die germanischen Legionen zusammen den Aulus Vitellius zum Kaiser ausgerufen, und zwar die Truppen in Niedergermanien am 2., die in Ober- germanien am 3. Januar.

Kaiser M&rcus Salvius Otho 117

Bas Einzelne dieser Vorgänge und der Kämpfe, die sieb nun bis zur Scblacbt bei Betriacum unter der Ftibrung oder vielmebr unter dem Namen des Viteliias abspielten, werden wir hier übergeben, da nur wiederzugeben wäre, was C. Peter in seiner ^Gescbicbte Kome' p. 383 ff. und Tb. Mommsen in der Abbandlung 'die zwei Scblacbten von Betriacum' (Hermes V p. 161 ff.) ausfübriicb dargestellt baben. Nur das Nötbigste sei bemerkt.

Das Vitellianiscbe Heer, zu dem sieb noeb 8000 Mann von den in Britannien stebenden Truppen gesellt batten, bewegte sieb in drei grossen Corps gegen Italien vorwärts. Den einen Zug fübrte Fabius Valens^ um durcb die Cottiseben Alpen über den Mont Cenis einzubrecben, den andern Gaecina, der auf kürzerem Wege durcb die Pöniniscben Alpen über den grossen St. Bern- bard zog. Das Corps des Valens bestand aus Abtbeilungen der nntergermanisoben Legionen, der I, XV, XVI, dazu das Gros der V. Legion, die den Beinamen Alauda fübrte. Dieses Corps' bestand aus 40000 Mann Bewaffneten. Das des Caecina bestand aus obergermaniscben Truppen, deren Kern die XXL Le- gion, mit dem Beinamen Rapax, war. Es zäblte 30000 Be- waffnete. Zu beiden Corps kamen noob germanisobe Hilfsvölker, aus denen sieb aucb Vitellius sein eignes Heer ergänzte, welcbes eine Stärke von 60000 Mann batte. An der Spitze dieses dritten Corps wollte er dann mit der vollen Wucbt der Eriegsmacbt den beiden andern folgen (b. 1, 61).

Wie gesagt, es kam niobt mebr auf die Fübrer, weder auf Otbo nocb auf Vitellius an, ob der Bürgerkrieg von neuem toben eollte. Das zeigt der Briefwecbsel (b. 1, 74. 75), der zwiscben beiden anfangs stattfand und in welcbem sie sieb gegenseitig Geld und jede Annebmlicbkeit eines verscbwenderiscben Lebens an jedem beliebigen Orte anboten. War dieser Briefwecbsel zuerst in versöbnlicber und gefölliger Form (mollius) gebalten worden, so borte das bald auf und beide warfen sieb Liederlicb- keit und scblecbte Streiebe vor, womit jeder von beiden Reobt batte (nenter falso, b. 1 , 74). Diese gegenseitige Hencbelei war eben so unwürdig, als die gegenseitige Verfolgung durcb Meucbel- mörder tböricbt war. Am wenigsten konnte das die Lage der Dinge ändern (vgl. Flut. 0. 4 Sueton 0. 7. 8 Dio 64, 10). Das Heer des Vitellius, diese nocb von dem Siege über Vindex berauscbten und nacb neuem Kampf und Beute lüsternen ger- manischen Legionen, wäre aucb ebne ibn zum Kampfe geschritten.

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Zwischen diesem Heer nnd seinem Feldberrn war ein wander- barer Unterschied. Der Soldat drängte vorwärts, weder die Winterszeit war für ihn ein Hinderniss, noch wollte er etwas von Bedenken wissen, die in seinen Augen nur von den An- hängern eines faulen Friedens erhoben werden konnten. £r wollte nur vorwärts, nur in Italien einbrechen, auf die Haupt- stadt marschieren. Handeln, nicht ßerathen war sein Motto (nihil in discordiis civilibus festinatione tutius, ubi facto magis, quam consulto opus esset, h. 1, 62). Dagegen blieb Vitellius in träger Buhe in der alten Veteranencolonie zu Cöln sitzen und genoss nach seiner Weise die hohe Stellung des Staatsoberhaupts im Voraus in unersättlichem Sinnengenuss und verschwenderischen Mahlzeiten, schon am hellen Tage berauscht und mit tlberladenem Magen beschwert. Aber der mächtige £ifer der Soldaten trat für den Führer ein und erfüllte auch das, was jenem obgelegen hätte (h., aO.)• Gerüstet und des Winters gewärtig forderten sie das Zeichen zum Aufbruch. Endlich wurde es gegeben und als Fabius im März 69 sein Heer in Bewegung setzte, schwebte, ein günstiges und den Soldaten hocherfreuliches Wahrzeichen, ein Adler in ruhigem Fluge dem Heere voran (h., aO.).

Als dem Otho die drohende Gefahr nahe genug gerückt war und auch die Versuche, erst das Heer des Gegners zum Ab- fall zu bringen, und dann, ihn selbst durch Meuchelmord zu be- seitigen (h. 1,74. 75), Nichts gefruchtet hatten, entschloss er sich zum Kampfe. £r verliess Rom am 24. März 69 in einer Hal- tung, die seiner kaiserlichen Würde entsprach. Hatte er schon vorher seit seiner Thronbesteigung gegen Aller Erwarten alles weichliche Nichtsthun aufgegeben, Vergnügen und üppige Schwel- gerei fahren lassen (h. 1, 71), so schritt er jetzt seinem Heere in eisernem Panzer als Soldat zu Fuss voraus, rauh und schlicht wie ein einfacher, tapferer Krieger (h. 2, 11: lorica ferrea usus et ante signa pedester, horridus, incomptus famaeque dissimilie). In seinem Gefolge befand sich ein grosser Theil hoher Staatsbe- amten, die er mit sich genommen hatte, nicht um sie im Kriege zu verwenden, sondern unter dem Vorwand, sie als Gefolgschaft um sich haben zu wollen. Unter dieser Suite war auch der Bruder des A. Vitellius, Lucius Vitellius, dem Otho dieselbe aufmerksame Behandlung zu Theil werden Hess, als den andern Vornehmen und Hochgestellten. So schien er durch Thätigkeit, durch Besonnenheit, durch rücksichtsvolles Entgegenkommen gegen den Senat, durch milde Behandlung seiner Gegner den

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Übeln Ruf, den er aue früheren Zeiten mitbrachte, Lügen strafen ZQ wollen. Gleich am zweiten Tage Reiner Herrschaft hatte er den Marine Celsus kommen lassen nnd ihn durch freandliche Zu- spräche für sich gewonnen, hatte im Senat milde Worte gesprochen, hatte dem Verginius Rufus, diesem Retter des Reichs vorVindex, das Consalat übertragen, die von Nero und Galba in hohe Aemter Beförderten bestätigt, ältere würdevolle Personen in Priesterämter eingesetzt, den unter Nero Verbannten, von Gälba Zurückberufenen ihre Güter, so weit sie nicht verkauft waren, zurückgegeben. Damit hatte er die Vornehmen und Mächtigen in Rom, die es erst vor ihm gebangt hatte wie vor einer Raohegöttin oder einem bösen Dämon, in eine ihm freundliche Stimmung versetzt (Plnt. 0. 1). und ebenso hatte er das Volk gewonnen durch die Be- strafung des Tigellinus. War doch keiner von allen den Schurken um Nero gehasster als Tigellinus; jetzt hatte er, der längst bei der Veränderung der politischen Zustände die Rache des Volkes gefürchtet hatte, sich nach Sinuessa in Campanien geflüchtet, wo er auch in dieser verzweifelten Lage noch in den Umarmungen lüderlicher Weiber Lüste suchte, nach welchen sich die Geilheit des im Sterben zuckenden Körpers selbst noch regte. Ob- schon Alle wussten, dass er, unheilbar krank, schreckliche Qualen litt, wollte man doch nicht, dass er auch nur noch das Sonnen- licht schauen sollte, das durch ihn so viele nicht mehr sahen. In Sinuessa lag er, weil er dort im Hafen nach seiner Meinung eich sofort einsohifiPen konnte, wenn er fliehen musste. Otho schickte also einen Beauftragten, der ihn hinrichten sollte. Diesen bat Tigellinus, nachdem er ihn umsonst für Freilassung zu be- stechen versucht hatte, nur so lange mit der Execution zu warten, bis er sich rasiert hätte. Als das ihm gewährt worden war, schnitt er sich die Kehle durcL Abgesehen von diesem Fall nahm Otho an Keinem eine persönliche Rache (Plut. 0. 2. 8). Nur den Cornelius Dolabella, der als Verwandter Galbas von der öffentlichen Meinung als dessen Adoptivsohn und Nachfolger neben dem Otho selbst und neben Piso bezeichnet worden war, internierte er in Aquinum (h. 1, 88). Was ihm sonst gefährlich flcheinen konnte, befand sich eben in der Zahl des Gefolges. Gerade aber durch diese Mitnahme so vieler vornehmer und hochgestellter Personen wurden die Sorgen der Hauptstadt auf- geregt; kein Stand war frei von Furcht und Gefahr, die man im Falle eines für Otho ungünstigen Ausgangs des Bürgerkriegs auf sich hereinbrechen sah. Die ürtheilsfähigen hatten grosse

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Sorge um die Kube und den Bestand des Staates, die Leicht- sinnigen dagegen trugen eich mit eitlen Hoffnungen, nnd die grosse Zahl derer, deren Credit erschöpft war, waren munter und guter Dinge ; fühlten sie sich doch am sichersten in unsicheren Zeiten (h. 1, 88). In dieser Lage vertraute Otho seinem Bruder Salvius Titianus die Ruhe der Stadt und die Sorgen des Begi- ments an (h. 1,90). Diejenigen, welche ihm noch und zwar ans religiösen Bedenken (die 12 heiligen Schilde waren noch nicht an ihren Aufbewahrungsort zurück gebracht) ein längeres Ver- weilen in Rom empfahlen, wies er energisch zurück ; alles Zögern hielt er für gefährlich, wie man bei Nero gesehen habe. Die Nachricht, dass Caecina die Alpen tiberschritten habe, Hess ihm keine Ruhe mehr (h. 1, 89).

So tapfer er hier nun auch in seinem Auftreten erscheint, so deuten doch die erwähnten Versuche, durch Unterhandlungen und verbrecherische Massnahmen seine Stellung zu wahren, darauf hin, dass Otho das Gefühl hatte, dass zu seiner Stellung und deren Behauptung ihm Eines fehle, die Eigenschaft des Feldherm. Dieses Fehlen aller Fei dherrn kraft zeigte sich verhängnissvoll schon bei einem Ereigniss, das kurz vor seinem Auszug ans Rom sich daselbst abgesponnen hatte. Er hatte Befehl gegeben, dass die 17. Cohorte aus Ostia, der Hafenstadt von Rom, in die Stadt verlegt werden solle. Ein Tribun der Prätorianer sollte für deren Bewaffnung sorgen. Ungestört und ohne Aufmerksam- keit im Lager zu erregen, Hess der Tribun, Varius Crispinus, die Waffen dem Zeughaus im Lager bei Nacht entnehmen und auf Wagen laden. Aber der Vorgang ward doch bekannt und grade die Absichtlichkeit unvermerkter Ausführung brachte die grösste Erregung hervor. Di« Soldaten, unter denen viele trunken waren, wurden durch den Anblick der Waffen in Aufregung versetzt und beschuldigten die Tribunen und Centurionen des Verraths, in- dem sie ihnen die Absicht unterlegten, sie wollten die Sklaven der Senatoren zur Vernichtung Othos bewaffnen. Den Varius Crispinus, der sich dem Aufstand entgegen warf, und die strengsten der Hauptleute tödteten sie, nahmen gewaltsam aus dem Zeug- haus Panzer, Helme und Schilde, zückten die Schwerter, bestiegen die Rosse und drangen in die Stadt ein nach dem kaiserlichen Palaste hin (h. 1, 80). Dort sass Otho mit einer grossen Anzahl vornehmer Frauen und Männer aus dem Senatorenstand beim Gastmahl. Diese waren erschrocken und wussten nicht, woran sie waren, ob es ein Aufstand der Soldaten oder ein vom Kaiser

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selbst geplanter Ueberfall sei, ob eie bleiben oder fliehen sollten. Aengstlich waren ihre Augen auf Otbo gerichtet, der gefürchtet wurde, während er selber fürchtete. Dieser hatte sofort die beiden Präfecten der Prätorianer, die, wie man nach dem Berichte des Tacitus h. 1, 81 annehmen muss, mit zur Gesellschaft gehört hatten, zur Besänftigung der tobenden Soldaten abgeschickt und. biess seine Gäste sich schnell entfernen, was diese mit einer un- ziemlichen Eile thaten. Sie legten die vornehme Kleidung ab, nahmen ihren Weg durch die Fenster und suchten, ohne irgend eine Begleitung ihrer Sklaven, unbekannte Wohnungen auf, die meisten bei armen Clienten. Bei ihrem Eindringen in den Palast verwundeten die Soldaten, die den Otho zu sehen forderten, den sich ihnen entgegenstellenden Tribun Julius Martialis und den Legionspräfecten VitelliusSaturninus. Wafl^engetöse und Drohungen gegen die Vorgesetzten und den Senat erdröhnten auf allen Seiten, die Wuth der Wahnsinnigen forderte Aller Untergang, bis Otho, der auf seinem Polster stehend die Aufständischen zum Einhalten beschwor, sie wieder zur Ruhe brachte. Hatte er das nur mit Mühe erreicht, so war das bei Weitem Schlimmere, dass er^s mit Aufopferung der kaiserlichen Würde durchgesetzt hatte (contra decus imperii .... aegre oohibuit, h. 1, 82 Plut. 0. 3).

Widerwillig und schuld bewusst kehrten die Erregten ins Lager zurück. Dort wurden sie von den beiden Präfecten, von ^em einen, Licinius Proculus, milder, von dem andern, Plotius Firmus, strenger angeredet. Das Ende des Vorgangs war aber, dass jeder Soldat 5000 Sestertien erhielt. Jetzt erst wagte Otho das Lager zu betreten, wo ihn die Tribunen und Centurionen, nachdem sie zum Zeichen der Traner ihre Dienstabzeichen ab- gelegt, umringten und Euhe und Sicherheit vor neuen Auftritten verlangten. Die Prätorianer hatten selbst das Gefühl, dass dieser Aufruhr sie geschändet; wieder zum Gehorsam bereit verlangten sie noch obendrein die Hinrichtung der Rädelsführer ihrer eigenen Meuterei (h. aO.). Der ganze Vorgang wäre unter einem energi- schen Feldherrn unmöglich gewesen. Was that dagegen Otho? Anstatt eines kräftigen Einschreitens gegen die Zügellosigkeit, wie es die entgegengesetzten Stimmungen im[Heer möglich machten und wie die Besten es forderten, suchte er die Gunst des ge- meinen Mannes zu gewinnen, der ein nach unten abhängiges Regiment mit dem Bürgerkrieg und seinen Gelegenheiten zum Plündern liebte. Den neuen Kaiser beherrschte der Gedanke, dass die durch Verbrechen erworbene Herrschergewalt nicht

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plötzlich durch gute Mannszncht und die Strenge der alten Zeit behauptet werden könne. Und so hielt er denn Tags darauf (Plut. 0. 3) eine Rede an die Meuterer, worin er ihr Vorgehen als einen Ausbruch allzugroeeer Liebe zu seiner Person mild yemrtheilte und eine Zügelung ihrer Tapferkeit und ein Maasshalten in der Zuneigung gegen ihn verlangte (h. 1, 83: nimia pietas yeetra acrius, quam considerate sc. vos excitavit). Jetzt, wo man in den Krieg ginge, dürfe man nicht verlangen, dass jede Botech&ft öffentlich kund bar gemacht, alle Pläne in Gegenwart aller be• rathen würden. £in Soldat müsse manches ebenso gut nicht wissen, als wissen; das bringe die Autorität des Feldherm und die Strenge der Mannszucht mit sich. Seihst die Vorgesetzten, Centurionen und Tribunen, müssten in vielen Fällen hlindlings gehorchen. Wenn jeder Einzelne bei jedem Befehl fragen wolle, dann gehe der Gehorsam zu Grunde und mit dem Gehorsam die Heeresleitung. Sie sollten doch bedenken, dass dem Vitelline und seinen Spiessgesellen Nichts Erwünschteres begegnen könne, als Aufruhr und Zwietracht in ihren Reihen. Ihre Feinde wüesten dann, dass sie, Otho und die Seinen, blind in ihr Ver- derben hinein rennen würden. 'Das Heerwesen, Cameraden, steht mehr auf dem Gehorsam, als auf dem Nächfragen nnd dem Be- sprechen der Befehle des Feldherrn, und das Heer ist im Momente der Entscheidung das tapferste, was vor der Entscheidung das ruhigste ist. Euch gehört die Wafife und der kriegerische Sinn^ mir überlasst die Berathung und den Befehl. Euer Vergehen war die Schuld Weniger, die Strafe wird nur zwei treffen . Und so geschah es denn; das kriegsgerichtliehe Verfahren richtete sich nur gegen zwei. Man sah darin freilich ein Maasshalten der Strenge, wie denn überhaupt die Rede mit der Sohlussmalinüng: für den Senat als das glänzendste Erbe von den Vätern einzu- stehen, beifällig aufgenommen wurde. Wies doch der kaiserliche Redner darauf hin, dass der hreite Pnrpurstreif des Senatskieidee den Angeredeten selbst in Aussicht stehe (h. 1, 84: nam ut ex vobis senatores, ita ex senatoribus principes nascuntar). Kein Wunder also, dass die Rede beschwichtigend wirkte. Aher was war damit gethan? Es blieb doch als Resultat, was Tacitns h. 1, 85 sagt: "^Es wurden die für den Augenblick beruhigt, die nicht gezügelt werden konnten (compositi ad praesens, qui coerceri non poterant). Das war aber sicher nicht das Thun^eines Feldherrn, dieser Mangel an durchgreifender Energie.

Und 80 war denn auch der Erfolg kein durchgreifender.

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Die Stadt wnrde nicht beruhigt; überall war Waffengeklirr und kriegsmäeeigee Aaseehen. Die Soldaten waren zwar nicht zu einem allgemeinen Krawall in hellen Haufen zusammengerottet, aber sie trieben sich vermummt in den Häusern umher und passten in böswilliger Absicht Allen auf, welche durch ihren Amteadel, ihren Keichthum oder durch irgend eine besondere Anezeichnung bösem Gerede ausgesetzt waren. Auch Vitellianer sollten sich in der Stadt herumtreiben, um die Stimmung der Parteien zu erforschen. Verdacht war überall, und kaum im Schoosse der eigenen Familie lebte man ohne Angst. Man zeigte andern Sinn und nahm andere Mienen an, um nicht bei zweifel- haften Nachrichten den Anschein zu haben, als misstraue man, und bei glücklichen, als freue man sich zu wenig. Auch der Senat, für den das richtige Maass sowohl im Schweigen als im Keden schwierig genug war, zeigte seine berüchtigte Schmeichelei. Jeder drehte und wendete seine Worte, wie es ungefährlich er- schien; denn Schweigen konnte für Trotz gelten, freimüthiges Reden Verdacht erregen. Den Yitellius nannte man Landesfeind und Vatermörder, man erging sich in landläufigen Schmähungen wie in begründeten Vorwürfen mit lautem Schreien und lärmen- dem Wortgepolter (h. 1, 85).

War der Senat in dem Zustande, wo er nichts Besseres wusste, als sich zu überschreien (tumultu verborum sibi ipsi ob- strepentes, aO.), so war die breite Masse des Volks aufgelöst in wahnsinnige Angst. Ueberall sah man schreckende Zeichen und Vorbedeutungen. Da sollte in der Vorhalle des Capitols die Siegesgöttin die Zügel ihres Zweigespanns aus den Händen haben fahren lassen. Aus der Nische des üapitolinischen Tempels, wo die Juno stand, sollte eine Gestalt von übermenschlicher Grösse heryorgegangen sein ; die Statue des göttlichen Julius auf der' Tiberinsel sollte bei ganz heiterem Wetter sich von Abend nach Morgen gedreht haben. In Etrurien sollte ein Rin^ mit Menschen- Btimme gesprochen haben. Zu allem andern war der Tiber aus- getreten und überschwemmte weite Strecken der Stadt, riss manche Passanten von der Strasse weg, noch mehr aus den Werkstätten und von ihren Lagern, die sie in ihren Miethswohnungen nicht schnell genug hatten verlassen können, um sich in die oberen Stockwerke zu retten. Viele von diesen Miethshäusern (insulae) stürzten zusammen und versperrten den Zugang, so dass man auch darin ein böses Zeichen sah, dass dem Otho, der sich zum Ausmarech rüstete, der campus Martins und die via Flaminia,

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die von Rom durch ganz Umbn'en führte, vereperrt war. Zur Beruhigung der Gemüther veranstaltete Otho ein Reinignngs• und Sühnopfer (h. 1,86. 87). Dann ergriff er seine Maseregeln und entwarf seine Eriegspläne. Aber auch hier zeigte eich sein Mangel an Feldherrntalent in auffälliger Weise.

Othos Streitkräfte waren dem Gegner wohl gewachsen. Es standen zu ihm in Rom die Prätorianer und die städtischen Gehörten, die Flottenlegion und deren noch aus dem Blutbad des Galba an der Mulvischen Brücke übrig gebliebenen Cameraden, ferner bedeutende Truppen abtheilungen aus dem germaDisohen und illyrischen Heere, die noch Nero in Rom zusammengezogen hatte, Rowie 2000 zu Soldaten erhobene Gladiatoren. Anseerdem verfügte er über die ganze Flotte. Die Hauptstärke seines Heeres aber bildeten die 7 Legionen in Dalmatien, Pannonien und Mösien, die von den Provinzheeren entschieden für Otho waren (h. 2, 11). Den Oberbefehl über diese Truppen tibergab Otho drei tüchtigen Generalen, dem vielfach, besonders in Britannien bei Nieder- werfung des gefährlichen Aufstandes der Briten unter der Königin Boudicca, bewährten Suetonius Paulinus, dem Annius Gallus und dem designierten Consul Marius Celsus. Bei der Aufnahme des Letzteren unter seine Feldherrn zeigte Otho eine seiner hohen Stellung würdige Klugheit. Denn es war wohl weniger die Sucht, eine Grossmuthscene aufzuführen, die ihn bei dieser Wahl leitete, wie das Tacitus h. 1, 71 darstellt, wenn er sagt: clemen- tiae titulus e viro claro petebatur, sondern die Ueberzeugung, dass er an dem Manne, der dem Galba bis zur letzten Stunde Treue bewahrt hatte, selber einen treuen Anhänger finden würde, wenn er ihn für sich gewinnen könnte. Deshalb hatte er ihn wohl schon früher der Wuth der Soldaten entzogen und ihn nur zum Scheine in Fesseln gelegt. Jetzt waren auch die Soldaten mit der Wahl eines Mannes zufrieden, dessen Tagend sie nicht weniger bewunderten, als sie ihr gezürnt hatten (h. 1, 71).

Hätte nun Otho sich selbst die oberste Entscheidung vor- behalten können, so wäre Alles gut gewesen. Er setzte aber den drei Heerführen, um sie zu überwachen, einen Mann zur Seite, der sein besonderes Vertrauen genoss, jenen Licinius Pro- culus, den Einen von den beiden Prätorianerpräfecten, den sich diese selbst gewählt hatten. Diese Maassregel verdarb Allee, dt Licinius seine Vetrauensstellung nur dazu benutzte, die Pläne der tüchtigen Feldherrn zu verdächtigen und zu durchkreuzen (h. 1,87 Plut. 0. 7). Während die Dinge immer mehr zur Entecheidno^

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trieben, ging die einbeitlicbe FübruDg bei dem Otbonianiscben Heere immer mebr verloren. Grade in dieser Lage kurz vor and bei der entecbeidenden Scblacbt von Betriacam zeigte es sich, wie es das Unglück des Otbo war, daes er kein Feldherr war. Die Uneinigkeit der Otbonianiscben Führer kam schon vor der Schlacht znm Aasbrach. Paulinas und Celsus hatten für Aafschub der Schlacht gestimmt, bis die Legionen aus Dal'matien und Mösien, die im Anzug waren, eingetroffen seien; Grallus war in Folge eines Sturzes mit dem Pferde nicht dienstfähig, hatte aber durch Boten seine Zustimmung für Paulinus und Celeus ge- geben (h. 2, 33 Plut. 0. 8). Aber Licinius Proculns und der von Rom herbeigerufene Bruder Othos, Titianus, standen im Kriegs- rath jenen gegenüber (h. aO. und Plut. aO.), und Otho stellte sich auf ihre Seite, in dem er sich durch die Schmeicheleien der unerfahrenen Ratbgeber, die ihn auf sein Glück und seinen guten Genius hinwiesen, bestimmen Hess. Auch dazu Hess er sich be- stimmen, nicht auf dem Schlachtfeld gegenwärtig zu sein, wo- gegen auch Paulinus ond Celsus Nichts einwendeten. Denn sie wollten ihren kaiserlichen Herrn nicht den Gefahren der Schlacht aassetzen, sondern ihn auf alle Fälle für die oberste Leitung des Staates und Heeres bewahren. Tacitus setzt der Erzählung dieser Vorgänge h. 2, 33 hinzu: is primus dies Othonianas partes afflixit, 'das war der erste Unglückstag für Otho and seine Partei\ Er war dies, nicht nur weil ein bedeutender Theil der Prätorianer, die in seiner Umgebung waren, und eine starke Eeitertrnppe mit ihm nach Brixellum, wo er jetzt seinen Aufenthalt nahm, abzog und der Muth des übrigen Heeres durch die Entfernung des obersten Feldherm, dem der Soldat allein treu und ergeben war, gebrochen wurde (vergl. Plut. 0. 10: ώσπερεί τι σώμα τής δυνάμεως άπέκοψε), das Schlimmste war, dass Otho bei seinem Weggange vom Heere die Befugnisse der einzelnen Corpsfübrer onentschieden Hess. Da waren Competenzconflicte unausbleiblich (imperia ducum in incerto reliquerat, h. 2, 33).

Nachdem nun Otho sich nach Brixellum begeben, war das oberste Commando bei seinem Bruder Titianus, die wirkliche Gewalt aber, vis ac potestas (h. 2, 39) bei dem Präfecten Pro- culos. Celsus und Paulinus mussten, wenn ein Plan jener fehl schlag, zum Deckmantel fremder Schuld dienen. Die Officiere waren in schwankender, unsicherer Stimmung, weil sie den Rath der besseren Generale verschmäht und die Leitung in den Händen ganz Unfähiger sahen ; der Soldat war ernst und zum Kampf

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aufgelegt, nur den Befehlen der Oberen gegenüber mehr zur Kritik als zu unbedingter Befolgung geneigt. So rückte man bie zum vierten Meilenstein nach Crem'ona zu von Betriacum aus. Als man dort wieder über die Annahme der Schlacht, zu der die Vitellianer nach der Vereinigung der Truppen des Gaecina und Valens bereit waren (h. 2, 31), trotz der brieflichen For- derungen des Otho in Zweifel war, weil die Truppen die Gegen- wart des Kaisers verlangten (h. 2, 39), und weil Celsus und Paulinus besonders darum vom Kampf abriethen, weil die Mann- schaft noch vom Marsche mit schwerem Gepäck ermüdet war, so gab ein Brief, den Otho durch einen Numidischen Expressreiter schickte, den Ausschlag (Plut 0. 11). Mit den allerstrengeten, im drohenden Tone abgefassten Weisungen verlangte er, ver- stimmt und des Wartens überdrüssig, das Eintreten in die Ent- scheidung (h. 2, 40 : rem in discrimen mitti iubebat aeger mora et spei impatiens). Titianus und Proculus^ die im Kriegsrathe mit ihrer Ansicht unterlegen waren, wandten sich zum Recht, das ihnen das Obercommando verlieh, und so ging die Sohlacht vor sich und ging verloren, so tapfer auch die Othonianischen Truppen kämpften (h. 7, 41. 42 vergl. Plut. 0. 12). Das Un- glück war, ihre Führer waren ohne Zuversicht und der Soldat ihnen nicht ergeben (pavidi ducee, miles dncibus infensus, fa. 1, 41). Der Angriff der batavischen Cohorten, die zu Neros Zeit als Hilfsvölker der XIV. Legion, der Gemina Martia Victrix bei- gegeben worden waren (Tac. h. 1, 59) entschied die Niederlage der Othonianer (Plut. 0. 12 Tac. h. 2, 43). Denn nachdem die Bataver unter dem Lagerpräfecten des Heeres im unteren Ger- manien, Varus Alfenus, die Mitte der feindlichen Reihen durch- brochen, flohen die Othonianer nach Betriacum zu (Tac. h. 2, 44). Betriacum, nach welchem Orte die Schlacht genannt wird, lag nach Mommsen (aO. p. 164) zwischen Piadena und Bozzolo, ein militärisch ungemein wichtiger Punkt, weil in die von Cremona am nördlichen Ufer des Po hinlaufende Strasse hier die andere von Verona kommende einfier. Auf dieser Strasse hatten sich die Othonianer am entcheidenden Tage festgesetzt gehabt, um den Gegner zum Schlagen zu nöthigen. Die Schlacht selbst wurde unweit der Thore von Üremona geschlagen, heisst darum auch bei Dio die Schlacht von Cremona. Betriacum, wo eine starke Reserve geblieben war, lag, wie auch Tacitus h. 2, 44 angibt, sehr weit von dem Orte der Niederlage entfernt: fugere paesim Othoniani Betriacum petentes; immensum id spatium.

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Trotz der verloreneo Schlacht wäre die Sache Othoe noch nicht verloren gewesen. Die Prätorianer, die vor grimmiger Wuth knirschten und hehaupteten, sie wären durch Yerrath besiegt, so wie eine bedeutende Reserve, die noch in Betriacum stand und noch nicht ins Treffen gekommen war, ferner die Truppen, die Otho selbst bei Brixellum noch um sich hatte, endlich die 3 mö* siechen Legionen, die ganz intact bei Aquileja standen, wollten noch für ihn (kämpfen h. 2, 44. 45). ^Und was in solcher Lage die Hauptsache ist, sie liebten den Otho\ fügt Dio 64, 12 hier hinzu : δ T€ μίγιστον έν τοις τοιούτοις εστίν, έφίλουν τόν Όθωνα κα\ πασαν αύτψ eövoiav, ουκ άπό τής γλώττης, άλλα και άπό τής ψυχής €ΐχον.

Freilich sicher war der Ausgang des fortgesetzten Krieges doch nicht. Tacitus erwähnt h. 2, 37, dass eine Anzahl von Gewährsmännern berichteten, es hätten in beiden Heeren, dem des Otho und dem des Vitellius, sei es aus Angst vor dem Bürger- krieg, sei es aus Ekel vor den beiden Häuptern, deren Schand- thaten von Tag zu Tag mehr bekannt und besprochen wurden, sich Zweifel geltend gemacht, ob man den Streit nicht aufgeben und in gemeinsame Berathung treten oder auch dem Senat über- lassen solle, einen Kaiser zu wählen. Die Othonianischen Feld- herrn hätten, nach jenen Berichterstattern, wohl auch Verzug ge- sucht für Herbeiführung einer Entscheidung, besonders Paulinus, der, wenn die Wahl bei dem Senat stand, bei seinem ruhmvollen Kamen grosse Hoffnung auf den Thron gehabt hätte. Dass Pau- linus je eine solche Möglichkeit für Beilegung des Streites ins Auge gefasst, dazu hält Tacitus ihn für zu klug, dass es aber der stille Herzenswunsch von Manchem gewesen sein möge, statt des Streites Ruhe, und einen braven, rechtschaffenen Kaiser an- statt der schlimmen, schandbaren zu haben, will er nicht leugnen. Das ist bezeichnend für den Weitergang der Dinge und für die Entschlüsse Othos. Denn auf ein Heer, dessen tüchtigste Männer nicht mit ganzem Herzen bei ihrem Fürsten sind, ist in entschei- dender Stunde nicht zu zählen. Was das Heer des Otho angeht, so war jetzt sein tüchtigster General, Paulinus, nicht wieder ins Lager bei Betriacum zurückgekehrt, sondern hatte es, ebenso wie Licinius Proculus, zu betreten vermieden (Plut. 0. 13), wahr- scheinlich aus Furcht, dass man ihn empfangen möchte, wie man den Legaten der 13. Legion empfing, indem man ihn, Vedius Aquila, unter Schimpfworten und Thätlichkeiten als Verräther anschrie (h. 2, 44): more vnlgi suum quisque ffagitium aliis ob-

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iectantee, setzt Tacitus hinzu. Titianue und Celsue waren darcb Annius Gallus, der seit dem Sturze mit dem Pferde im Lager zurückgeblieben war, vor der Wuth der Soldaten bewahrt wor- den ; Annius führte den Wuthentbrannten zu Gemüthe, wie thö- rieht nach dem Schlage ein ßlutvergiessen unter den eigenen Leuten sei und wie alles Heil für die Besiegten in der Einigkeit liege. Auch war die Wuth der Massen, abgesehen von den Pra• torianern, nicht ein Ausbruch der Kampfeslust. Im Gegentbeil, ihr Muth war, immer abgesehen von den Prätorianern, ein ge- brochener (ceteris fractus animus, h. 2, 44). Yiie wenig Kampfes- lust bei den Othonianern da war, zeigte sich am folgenden Tage. Die Vitellianer hatten mit der Verfolgung eine römische Meile vom feindlichen Lager, fünf Meilen vor Betriaoum Halt gemacht. Am folgenden Tage nun waren auch diejenigen von den Otho- nianern, deren Gebahren kurz vorher ein unbändiges gewesen war, zum Nachgeben bereit. £s wurde eine Gesandtschaft zn den Vitellianischen Führern geschickt. Diese waren zum Frie- den geneigt und wie die Gesandten nach einiger Verzögerung bei den Vitellianern in ihr Lager zurückkehrten, folgten diese ihnen ebendahin. Da brachen Besiegte wie Sieger in helle Thränen aus, beklagten in wehmüthiger Stimmung das Geschick des Bürger- kriegs und traten in die Zelte der Brüder und Verwandten ein, um die Verwundeten zu pflegen. Die Belohnungen, die ihnen bisher als Frucht des Sieges entgegen gewinkt hatten, erschienen ihnen jetzt als zweifelhafter Gewinn, sicher war ihnen nur der Tod so vieler Angehörigen und die Trauer um sie. So schildert Tacitus die Dinge nach der Schlacht. Plutarch (0. 13) weicht in einzelnen Angaben ab, aber was die Stimmung der beiden Heere betrifft, insonderheit auch die Friedensbereitschaft der Othonianer, trifft er mit Tacitus zusammen: έπει bi π€ΐρώμ€νοι

(o\ ηγεμονικοί) έώρων τους στρατιώτας εΙρήνης &€ομένους

iboHe Κέλαω και Γάλλψ ßabiieiv και οιαλίγεσθαι τοις περί τον Κεκίναν και Ούάλεντα. Selbst Titianus war für friedliche Ver- ständigung gewesen, obschon nur für kurze Zeit. Es ist klar, mit einem Heere in solcher Stimmung konnte Otho nicht mit einiger Sicherheit der Zukunft entgegen sehen ; auf dauernden £rfolg war nicht zu rechnen, wohl aber auf unermesslich viel Sorge und Elend.

Da machte Otho dem Streit ein Ende durch eine That, die mit vollem Rechte von den Alten einmüthig bewundert und ge- priesen wird. Er erklärte, dass er durch seinen Tod der Welt

Kaiser Marcus Salvius Otho 129

den Frieden zurückgeben wolle. Unerschrocken und fest in seinem Cntschluss hatte Otho zu Brixellum die Botschaft von der Schlacht erwartet. Zuerst kam nur ein Gerücht von dem schweren Un- heil, dann brachten Flüchtlinge aus der Schlacht selbst die Nach- richt von dem verlorenen Tag. Nach Dio 64, 11 war es ein Reiter, der dem Otho zuerst die Niederlage meldete und der von OthoB Umgebung, die die Sache nicht glauben wollte, für einen Flüchtling oder Feind erklärt wurde. Darauf soll er geantwortet haben: 'wenn doch meine Nachricht falsch wäre, ο Kaiser! Grern würde ich sterben, wärest Du nur Sieger! Jetzt aber will ich aus dem Leben scheiden, damit ich nicht um eigener Kettung willen geflohen zu sein scheine. Du aber fasse Deinen Ent- schluss, was Du thun musst; denn nicht lange, so werden die Feinde da sein.* Nach diesen Worten habe er sich getödtet. Dieser Bericht des Dio ist nicht unglaublich, wenn man bedenkt, dass Otho grosse Liebe bei seinen Truppen genoss. Auf den Tod dieses Soldaten berief er sich auch, als kurz darauf die Seinen ihn inständig und unter Thränen baten, er möge sich schonen. ^ Ich werde ihm folgen, sagte er, um in Zukunft nichts Aehnlichee mehr zu sehen oder zu hören (Dio 64, 14). Von diesem Sol- daten und seinem Ende berichtet auch Sueton (0. 50) und fügt bei: Otho habe gerufen, er dürfe solche Männer nicht länger in Gefahr stürzen.

Aber wie es sich mit dieser ersten Meldung auch verhalten mag, unbedingt sicher ist auch nach Tacitus die treue An- hänglichkeit der Truppen an Otho auch nach der unglücklichen Schlacht. Die, welche ihn umgaben, riefen ihm zu: er solle guten Muthes sein, noch seien Kräfte da, die unversehrt; sie selbst seien zu Sieg oder Tod entschlossen. In der That sie waren vom Taumel der Begeisterung ergriffen und wollten sich um jeden Preis schlagen. Sie streckten die Hände nach Otho aus und um- fassten seine Kniee. Plutarch (0. 15) berichtet von einem ge- meinen Soldaten, der das Schwert zog und mit dem Ruf: Visse Cäsar, so sind Alle bereit für Dich in den Tod zu gehen Γ sich tödtete. Plotius Firmus, der andere Lagerpräfect der Prätorianer, redete in ihn ein, er solle nicht das treueste Heer, nicht die besten Soldaten verlassen. Es gehöre ein grösserer Muth dazu, Unglück zu ertragen, als das Leben zu verlassen ; tapfere Männer hielten auch im Missgeschick fest an der Hoffnung. Je nachdem Otho solches Zureden mit einem nachgiebigen oder mit einem un- beugsamen GesichtHausdruck aufzunehmen schien, erscholl Beifall

Bbeiii. Mos. f. PhUol. N. F. LVII, ^

130 Paul

der Umstehenden oder Seufzer. Gewiee, nach der Stimmang dieser Soldaten, der Prätorianer, die dem Otho auf Tod und Lehen ergehen waren (proprius Othonie miles, h. 2, 46), und nach der der drei mösiechen Legionen, die hereits in Aquileja standen, konnte der Krieg wieder aufgenommen werden. Auch die Heere in i^eien, Syrien, Aegypten and Judäa waren noch für ihn, dazu der Senat, ja sogar die Kinder und Frauen seiner Gegner, die eich in Rom hefanden. *Aher, sagte er nach Plut. 0. 15, es ist kein Krieg gegen einen Hannihal und Pyrrhus oder gegen die Cimhern für Italien, sondern Römer kämpfen mit Römern, Sieger wie Besiegte schädigen das Vaterland*. Und weil dieser Krieg in seiner Schreckgestalt ihm so vor Augen stand (hellum atrox, luguhre, incertura yictis et yictorihus), so war er entschlossen, der Sache ein Ende zu machen (ipse aversus a consiliis helli, h. 2, 46. 47 Plut. 0. 15). Er hahe gezeigt, so sagte er zu seinen Getreuen, dass er Gltickswechsel ertragen könne. Die Kürze seiner Regierung sei für Beurtheilung seiner Person nicht in Betracht zu ziehen-, denn es sei schwerer ein Glück nicht zu misshrauchen, das man nicht lange zu hahen glauhe. ^Der Bürgerkrieg ging von Vitellius aus; dass aher nur ein Mal gekämpft wird, mit dieser löhlichen That will ich vorangehen. Nach diesem Opfer soll die Nachwelt den Otho schätzen. Mag Vitellius sich seines Bruders, seines Weihes und seiner Kinder erfreuen, ich will keine Rache und keinen Trost. Mögen Andere die Herrschaft länger in der Hand haben. Keiner soll sie aher mit gleichem Mathe auf- gegehen haben'. Er wolle, so sagte er weiter, nicht die Verant- wortung auf sich nehmen, dass so viele römische Männer, so viele ausgezeichnete Heerschaaren wiederum auf den Schlacht- feldern blieben. Mag der Gedanke mich in den Tod begleiten, dass ihr für mich habt sterben wollen, aber ihr sollt am Leben bleiben ! Und nun wollen wir nicht länger zögern, ich, dass ich euer Leben sichere, ihr, dass ihr mich kennen lernt als festen Charakter. Mehr Über das Ende zu sagen, wäre unmänolich• Sehet es als Beweis meines festen Sinnes an, dass ich über Nie- mand klage. Denn Götter oder Menschen anklagen, ist Sache dessen, der leben will' (h. 2, 47).

Darauf redete er noch die Einzelnen freundlich an: sie sollten eilen und nicht durch längeres Verweilen den Zorn des Siegers noch aufreizen. Das that er mit heiterem, stillem Ant- litz und mit unerschrockenem Ausdruck in Wort und Rede (q>ai- bp(\) κα\ καθεστώτι προσώπψ Plut. Ο. 15), wodurch er die

Kaiser Marcus Salvius Otho 131

Thränen der Seinen hemmte, die zur Stunde nicht angebracht waren. Dann befahl er, ihnen Schiffe und Fahrzeuge zur Ab- fahrt zu geben. Schriftliche Eingaben und Briefe, die eine Par- teinahme für ihn oder Vorwürfe und Schmähungen gegen Vitellius anfwieeen, vernichtete er und vertheille unter seine Freunde Geld in sparsamer Weise, je nach Verdienet und Benöthigung. Seines Bruders Sohn Salvius Coccejanus, der in jugendlichem Alter stand und ängstlich und traurig war, tröstete er noch, lobte seine kind- liche Anhänglichkeit an ihn und tadelte seine Furcht. Vitellius werde nicht so grausam sein, dass er ihm, dem Otho, für die Erhaltung seines ganzen Hauses mit dem schnödesten Undank lohne. Er verdiene durch seinen freiwilligen Tod die Milde des Siegers; wenn er gewollt hätte, so hätte er noch kämpfen können. Er habe dem Staat das schlimmste Unheil erspart. Möge also Salvius, der Neffe, mit starkem Muthe das Leben ergreifen und weder je vergessen, dass ein Otho sein Oheim gewesen sei, noch auch allzu sehr daran denken (h. 2, 48 Plut. 0. 16).

Darauf verabschiedete er Alle und wollte ein wenig ruhen, schrieb aber erst noch zwei Billets, an seine Schwester, die er tröstete, und an die Statilia Messalina, die Urenkelin des bei Au- gustus in hohem Ansehen stehenden Statilius Taurus. Diese hatte Nero nach dem Tode der Poppaea Sabina zur Frau ge- nommen, nachdem sie schon viermal verheirathet gewesen war, zuletzt mit Atticus Vestinus, der sie, obgleich er wusste, dass Nero zu ihren Liebhabern gehörte, doch geheirathet hatte, wo- durch er sich freilich den Zorn des Nero und den Tod zuzog (Sueton Nero 35). Sie hatte den Nero tiberlebt und mag wohl die Aufmerksamkeit des Otho als die Nachfolgerin seiner geliebten Poppaea auf sich gezogen haben, als dieser nach zehnjähriger Ab- wesenheit nach Rom zurückgekehrt war. Sie muss wohl schön gewesen sein, da Otho die Absicht gefasst hatte, sie zu heirathen. Jetzt schrieb er ihr in seinen letzten Stunden einen Brief, worin er ihr sein Andenken und seine irdischen Ueberreste empfahl (commendans reliquias snas et memoriam, Sueton 0. 10. Vergl. Sievere, Stadien z. Gesch. d. röm. Kaiser p. 124).

Wie er nun so mit dem Gedanken an den Abschied vom Leben beschäftigt war, störte ihn ein plötzlicher Lärm. Er kam von einer wilden Aufregung der Soldaten. Sie droheten ihren Officieren, die eben im Fortgehen begriffen waren, den Tod, wenn sie ihren Herrn verliessen; denn eie sahen in ihrem Fortt^ehen Verrath gegen Otho. Am hitzigsten waren sie gegen den Ver-

132 Paul

ginius Rufus erbittert, jenen Sieger über den Vindex, der sich nur ungern nn Gralba angeechloeeen, und den Otho gleicb nach seiner Thronbesteigung zum Consul für März und April 69 er- nannt hatte (b. 1, 77).

Warum diese Pratorianertruppen, die nicht die früheren germanischen Truppen des Verginius waren, hier gegen diesen wackren Mann so erbittert waren, sagt Tacitus nicht; vvuhr- scheinlich hielten sie ihn auch für einen Verräther, wie die an- dern. Sie belagerten das Haus, in welchem er sich verschlossen hielt. Da trat Otho unter sie und tadelte mit strenger Miene und scharfen Worten die Anstifter des Aufruhrs, der nun be- schwichtigt wurde (Flut. 0. 16). Diesen Aufruhr der Prätorianer gegen den Verginius Rufus trennt Plutarch (0. 17) von dem gegen die abreisenden Freunde des Otho und die Senatoren, die bei ihm im Heere waren (0. 16). Er verlegt ihn vielmehr in die Zeit nach dem Tode des Otho. Da hätten sie, die Präto- rianer, erfahren, dass noch einige Senatoren da seien ; diese hätten sie abreisen lassen, nur den Verginius Rufus nicht. Bewaffnet seien sie in sein Haus gekommen und hätten von ihm verlangt, er sollte entweder die Eaiserwürde oder die Gresandtschaft zn Unterhandlungen mit dem Feinde übernehmen. Er aber, der weder das Eine noch das Andere gewollt, sei durch eine hintere Thür entwischt (Plut. 0. 18). Wir schliessen uns hier an Tacitus an, der den Verginias zugleich mit den andern Freunden des Otho bedrolit sein und durch das strenge Auftreten des Otho entkommen läset. Ein zweimaliger Aufruhr der Soldaten lässt sich schwerlich denken.

Nach der Stillung des Aufruhrs hatte sich Otho wieder zurückgezogen in sein Gemach, da er seine Freunde gesichert sah (h. 2, 49). Als dann der Tag sich. zu Ende neigte, stillte er Hcinon Durst mit einem Trünke kalten Wassers. Darauf Hess er sich zwei Dolche bringen und prüfte die Schärfe eines jeden, nahm dann den Einen und legte ihn unter sein Kopfkissen. So berichtet Tacitus h. 2, 49, und das ist jedenfalls glaubhafter, nls waH Plutarch (0. 17) erzählt, Otho habe den Dolch in seine Arniii geschlossen, εΙς τάς άγκάλας άναλαβών, um so mehr, als auch Hueton (0. 11) sachlich mit Tacitus übereinstimmt, wenn er Hagt: Otho habe die beiden Dolche auf ihre Schärfe geprüft, und nachdem er den einen unter sein Kopfkissen gelegt, habe «r die Thüren seines Gemachs geöffnet und sei in tiefen Schlaf gefallen. Eine andere Ungenauigkeit Plutarchs ist auch die.

Kaiser Marcus Salvius Otho 133

daee er den Otho jene verständige Geldvertheilung erst jetzt im Angesicht seines Todes vornehmen läset, während er sie nach Tacitus schon früher vorgenommen, und zwar wie dieser h. 2, 48 berichtet, an seine Freunde, nicht wie Plutarch (0. 17) sagt, an seine Sklaven.

Nachdem er nun erfahren, dass seine Freunde abgereist, verbrachte er die Nacht ruhig, und nicht etwa schlaflos (h. 2, 49 Plot. aO.). Beim ersten Morgengrauen stiess er sich dann das Schwert in die Brust. Plutarch aO. lässt ihn, ehe er sich das Schwert in die Brust stiess, einen Freigelassenen rufen, mit dem er für die abreisenden Freunde vorher alles Nöthige angeordnet gehabt hätte ; nachdem er nun von diesem erfahren, dass sie fort seien und jeder das Nöthige empfangen habe, habe er zu ihm gesagt: ^So gehe denn Du nun und zeige Dich den Soldaten, wenn Du nicht elend von ihnen getödtet werden willst, weil Du mir zum Tode verholfen hättest'. Der Freigelassene sei da fort- gegangen und nun habe sich Otho mit beiden Händen das Schwert in die Brust gestossen. Diese Erzählung scheint doch nach der Manier des Plutarch einigermaassen decoriert worden zu sein, da Tacitus von dem Freigelassenen Nichts weiss und den Otho die Nachricht von der Abreise der Freunde schon erhalten läset, ehe er sich zum Schlaf niederlegte, nicht ehe er sich tödtete. Auf das Todesröcheln des Sterbenden waren Freige- lassene und Sklaven mit dem Plotius Firmus, dem prätorianischen Lagerpräfecten, ins Zimmer getreten; sie fanden nur eine einzige Wunde an dem Entseelten. Man nahm sofort seine Bestattung vor. Er hatte inständig gebeten, dass man ihm nicht das Haupt abschneide und es zum Gegenstande des Gespöttes mache, wie das in so scheusslicher Weise mit dem Haupte des Galba ge- schehen war. Seinen Leichnam trugen die Prätorianer unter Lobsprtichen und Thränen; die Andern bedeckten seine Wunde und seine Hände mit heissen Küssen. Manche dieser Soldaten, von denen Viele bei der Nachricht von seinem Tode herzuge- strömt waren (Plut. 0. 17), tödteten sich neben dem Scheiter- haufen, auf den man ihn gelegt hatte, und zwar nicht, wie Plu- tarch und Tacitus h. 2, 49 ausdrücklich bemerken, weil sie den Verlust genossenen Gutes zu betrauern gehabt hätten, oder aus Furcht vor kommenden üebeln, sondern weil sie der gross- herzigen That ihres Kaisers folgen wollten und aus Hingebung für ihn (quidam militum iuxta rogum interfecere se, non noxa ueque ob metum, ned aemulatione decoris et caritate principisj.

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'Keinem Alleinherrscher oder König, sagt Plutarch (0. 17), scheint eine so grenzenlose Liebe zum Herrschen inne gewohnt zu haben, wie jenen zum Unterthänigsein. . . Auch nach seinem Tode ver- liess sie die Sehnsucht nach ihm nimmer* (ους Τ€ μηb' απο- θανόντος ό πόθος προυλιπεν). Und diese seine That wurde hochgepriesen nicht blos von Einzelnen, sondern von allen Lagern, wo Truppen von ihm standen (postea promisce Betriaci Pla- centiae aliisque in castris celebratum id genus mortis, Tac. aO.)• Diese Worte des Tacitus interpretiert Otto Seeck (Gesch. des Untergangs der antiken Welt I, 366) dahin, dass, nachdem Otho durch eigne Band gefallen, es unter seinen Truppen beinahe zum Sport' geworden sei, 'dies Beispiel nachzuahmen*. Es ist aber nicht nothwendig, das 'celebratum^ so zu erklären. Auch ein Grrabmal wurde ihm errichtet von anspruchslosem Ausseben, weil es darum gerade Dauer verhiess (Othoni sepulcrum exstruc- tum est modicum et mansurum, Tac. h. 2, 49). Der Zusatz et man- surum soll darauf hinweisen, dass das schlichte Denkmal den Grimm der Machthaber nicht herausfordern konnte. Yitellius meinte, wie er es sah : dieses Mausoleum passe für Otho (Sueton Vit. 10). Plutarch, der es noch zu Brixellum sah, als er mit dem Consularen Mestrius Florus, der zu den von Otho aus Rom mitgenommenen Senatoren gehörte, über das Schlachtfeld ging, nennt es ebenfalls ein μνήμα μίτριον (Plut. 0. 14. 18). Es hatte als Aufschrift die Worte: ^den Manen des Marens Otho*, wenn man mit Lobeck liest: Δαίμοσι Μάρκου *Όθιυνος, anstatt der überlieferten Lesart: οηλιυ(Τεΐ Μ. Ό., was keinen Sinn giebt

Otho starb am 16. April 69 n. Chr., im beinahe voll- endeten r>7. Jahre seines Lebens, am 92. Tage seiner RegieruDg. Geboren war er im Jahre 785 u. c. (IV kal. Mai.), 32 n. Chr.

Was die letzte That des Otho, seinen freiwilligen Tod, be- trifft, so will C. Peter Gesch. R. 111, p. 897 ihr eine gewisse Grösse nicht absprechen, meint aber, dass die Uebers&ttigung durch die genossenen Reize des Lebens und die Scheu vor weiteren Anstrengungen und Gefahren einen nicht geringen Theil daran gehabt hätten. Diese Ansicht ist schwerlich richtig, obwohl Peter sich dafür auf Plutarch 0. 9 stützen zu können scheint, wenn auch an dieser Stelle nur die Ungeduld Othos und sein Unge- stüm, die Dinge durch eine Schlacht zur Entscheidung zu bringen, aus seiner Unbekanntschaft mit Krieg und Kriegsgefahren und seinem üppigen Genussleben von Plutarch erklärt werden soll. Aber eine Scheu vor Anstrengungen und Gefahren, wie Peter

Kaiser Marens Salvixis Otho 135

finden will, kannte Otbo nach den Zeugnissen des Tacitus nicht. Auch an Uebersättiganfr durch sein wildes Genussleben litt er keineswegs. Da, wo Tacitus den Otho mit Vitellius vergleicht, h. 2, 31, schreibt er nach dem Zeugniss der Zeitgenossen wohl dem Vitellius Mgnavae voluptates' zu, dem Otho aber 'flagran- tiesimae libidines , also noch immer brennende Begier nach des Lebens Genüssen Hätten die genossenen Reize des Lebens ihm eine Scheu vor weiteren Anstrengungen eingegeben gehabt, Tacitus hätte nicht von seinem Tode als einem facinus egregium sprechen können, wodurch er sich Anspruch auf dauernden Nach- ruhm erworben habe. Es liegt Nichts vor, warum wir an dem Grunde, den Otho selbst für seinen freiwilligen, mit der ruhigsten Entschlossenheit gewählten Tod angiebt, zweifeln sollten. Er hielt sein Leben für einen zu hohen Preis, um dem Bürgerkrieg kein Ende zu machen, wenn es auf ihn ankam (h. 2. 47). Wenn auch Plutarch der Abechiedsrede des Otho (0. 15) manche eigene Zu- that hinzugefügt haben mag, so hat er doch sicherlich in seinem Geiste gesprochen, wenn er ihn sagen lässt: *Wenn ich der Herr- schaft über die Römer würdig gewesen bin, so darf ich auch mein Leben für das Vaterland nicht schonen (b€i μ€ της έμής ψυ- χής υπέρ τής πατρίδος άφ€ΐΟ€Ϊν). Ich sehe nicht, wie ich den Römern mehr zum Heile sein kann, wenn ich den Sieg davon- getragen haben werde, als ich es ihnen bin, wenn ich mich selbst für den Frieden und die Eintracht und dafür werde hingegeben haben, dass Italien nie wieder einen solchen Tag sieht*. Solche Aeusserungen stimmen mit dem überein, was Sueton von seinem eignen Vater Suetonius Laetus berichtet, der als Kriegstribun der 13. Legion die Schlacht bei Betriacum mitmachte. Dieser hat bald nach dem Tode des Otho seinem Sohne häufig erzählt, dass derselbe schon als Privatmann den Bürgerkrieg so sehr verabscheut habe, dass er einst bei einem Gastmahl, als auf das Ende des Cassius und Brutus die Rede kam, sich vor Grausen geschüttelt habe (ut . . . cohorruerit, 0. 10). Glaublich ist es also, was Viele nach seinem Tode annahmen, Otho habe mehr aas Rücksicht auf das Gemeinwesen und aus Scheu, die Herr- schaft mit dem Opfer so vieler Menschen zu behaupten, den Todesgedanken gefasst, als aus Verzweifiung oder aus Misstrauen in seine Truppen, von denen noch Viele in ganz unversehrtem Zustande gewesen seien, während Andere ganz frisch aus Dal- matien, Pannonien und Mösien dazu gekommen wären (Sueton 0. 9).

136 Paul Kaiser Marcus Salvius Otho

Wollen wir aber das Hauptmotiv suchen, was den Otho zu diesem Entschlnss eines heroischen Entsagens brachte, so war es der Zweifel, ob er die Sache durchführen könne. Daher das Gefühl, dass er schöner sterben könne, als die Herrschaft führen (πιστ6ύσατ€ πολλάκις, βτι δύναμαι κάλλιον άποθανεΐν ή δρχειν. Plut. Ο. 15). Eine Unsicherheit und Misstrauen in sein Feld- herrntalent hatte ihn schliesslich dazu gebracht, der Entscheidungs- schlacht fern zu bleiben. Auch seine Ungeduld, die er nach allen Berichten in den letzten Tagen im höchsten Grade zeigte (Tac. h. 2. 31. 33. 39. 40 Plut. 0. 9 Sueton 0. 9), verräth einen grossen Mangel an Selbstvertrauen. Er hatte das bestimmte Gefuhl, dass die Entscheidung der Dinge nicht von ihm abhing, er vielmehr den Lauf derselben dem Zufall überlassen müsse (μ€θ€ΐναι τά πράγματα προς τό συντυχόν), wie sein Cabinets- secretär, der Rhetor Secundus. von ihm sagt (Plut. 0. 9). Da war der Entschluss zu sterben für eine gross angelegte Natnr, wie Otho war, ein sich mit Nothwendigkeit einstellender. Darum, wenn Martial B, 32 ihn wegen seines Todes mit Cato gleich- stellt:

Sit Cato, dum vivit, sane vel Caesare maior: dum moritnr, numquid maior Othone fuit? so hat er ebenso recht, als wenn er als entscheidendes Motiv für seinen Tod ihm den Gedanken zuschreibt, er habe weiteres Blutvergiessen verhüten und den Bürgerkrieg endigen wollen: Cum dubitaret adhuc belli civilis Enyo Forsitan et posset vincere mollis Otho, Damnavit multo statnram sanguine mortem Et fodit certa pectora nuda manu.

Paul.

AUS DEM ZWEITEN BANDE DER AMHERST PAPYRI

Der erste Band der aus der Sammlung des Lord Amberst veröffentlichten Papyri hatte eine wesentliche Bedeutung für Theologen; jetzt ist in kürzester Zeit ein zweiter, glänzend aus- gestatteter Band gefolgt, der eine reiche Fülle von allerhand Lit- teraturresten enthält; es eröffnen ihn Classical Fragments, wie auch sonst in den Publikationen der Engländer. Die Heraus- geber, Bernard P. Grenfell und Arthur S. Hunt, haben wieder ein hervorragendes Stück Arbeit geleistet, und ich meine, daRs man ihnen für ihre Verdienste keinen besseren Dank abzustatten im Stande ist, als indem man weitere Kreise auf diese in Deutsch- land nur in Ausnahmen zugängliche Veröffentlichung hinweist und durch ein paar Proben des Inhalts ein Interesse für sie zu erwecken sucht.

Im Anfang stehen die Reste einer Tragödie, streng gebaute Trimeter. Erkennbar ist der Schluss einer ßotenrede:

ταυτ' άγγελαιν σοΐς ου καθ' ήδονήν οόμοις

ήκιυ* σύ b\ ώναΗ, της έκ€Ϊ φρουράς ^_

φρόγΉΓ βπιυς σοι καιρίιυς Kei w— Der Antwortende muss Hektor sein; der zunächst zum υπηρέτης spricht:

χώρει προς οϊκους δπλα τ' έκκόμιΖέ μοι

και τήν *Αχιλλέιυς οοριάλιυτον ασπίδα.

2Euü γάρ αυτήν τήνδε καίι προβλήσομαι Indem er fortfährt, erfüllt ihn Unruhe^; den Boten jagt er weg als Böses vorbedentend ; trotzdem ist er bereit zu gehen ^ und den

^ καί πως τέθραυσμαι sicher. Davor etwa έγώ τ' έμαυτοΟ χε{ρον[α γνώμην {χω nach zahlreichen euripideischeu Analogien. 2 Etwa άλλ' ουδέν ή [μέλλησις ] έλθών b\

138 Radermaoher

Kampf zn wagen. Dies τηπββ der Sinn der letzten Veree eein, die eich leider nur ganz nneicher im Wortlant feetetellen lassen. Aber deutlich stellt sich heraus, das« Hektor vor dem Zweikampf mit AchilleuB redet; demnach ist der Schauplatz Troja, und wenn er es in dieser * Röstungs'-Scene war, so muss er es ehen im ganzen Stück gewesen sein. Das verlangt das Gesetz von der Einheit des Ortes. Also kann von einem Drama, in dem Achill die Hauptrolle spielt, von einem Stück wie die Μυρμι- δόνες oder Νηρηίδες des Aischylos^, keine Rede sein.

So wie die Dinge liegen, kommt von den überlieferten Tragödientiteln nur einer wahrhaft in Betracht, der Hektor des Astydamas. Dieses Stück aber ist gleichfalls hochberühmt ge- wesen, wie eine Bemerkung des Plutarch verräth; nach Welkere Vermuthung hat es Naevius im Hector proficisoens^nachgebildet. Wir kennen daraus nur die Worte:

δ^Ηαι κυνην μοι, πρόσπολ' .... μή κα\ φοβηθή παις Worte, die der gewappnete Hektor spricht, als er im Begriffe steht, von seinem kleinen Sohne Abschied zn nehmen. Das neu veröffentlichte Fragment scheint einer kurz vorhergehenden Scene anzugehören *.

Anschliessen möchte ich hier den Hinweis auf Pap. XVII, Reste einer ausführlichen Hypothesis zn dem Euripideischen Skiron; dies Stück hat Blass durch eine Coincidenz mit Nauck fr. 679 scharfsinnig erschlossen. Merkwürdig ist, dass Verse daraus in der Hypothesis citirt werden :

w

πρόλογος Οέ1)€ΐ[κται* έν

Ιάμβοις. έπαιν[€ΐται bk

κα[ι π]€ρι τ[ο]υ παν[τός (ie. imprimis)

τών Ιάμβων, ου (= ubi) λίτ[€Γ

'πρόσαντες ούδεν έ[στι .... Die Verse sind leider nicht sicher herzustellen; der Gedanke von der Macht der Δίκη wird klar durch ähnliche £uripidei8che Sen- tenzen.

^ Daran denken Blass und die Herausgeber.

[■ Einer Mittheilung von Dr. Crönert entnehme ich, dass H. Weil inzwischen im Dezemberheft des Journal des Sa van ts (auf unserem Lese- zimmer ist erst das Novemberheft zugänglich) dieselbe Ansicht ausge- sprochen hat, und freue mich der üebereinstimmung.J

^ lieber diese Anwendung des Wortes s. Ilemsterbuys zu Lukian 1 p. 184.

Aus dem zweiten Baude der Amherst Papyri 139

Ν 17 bedeutet einen äueserst merkwürdigen Fund: nacli der Subskription ΆρκΤτάρχου Ηροδότου ists der Rest von Excerpten aus einem Commentar des Aristarchos zum ersten Buch Herodots *. Elxcerpte müssen es sein, weil von Cap. 195 unmittelbar auf C. 215 übergesprungen wird. Zu verstehen ist wenig: "δνος Ζώς έστιν**, οίον κα\ έν τοις πλοίοις δν[οι Εύλου?]. Herodots üeberlieferung bietet δνος Ιωός ίνεστιν; auf die Variante ist nichts zu geben, da die Citate auch nachher ungenau sind. Erklärt mnsste werden, warum Herodot den Zusatz Ζ,ώς für die Esel in den Schiffen nöthig fand; es gab ja auch "hölzerne Esel", wie man eine Zugmaschine, eine Art von Winden nannte, die, wie heut- zufagCy so auch damals jedes Frachtschiff besessen haben muss. Dann weiter, ohne jedes Zeichen des Uebergangs eine Glosse zu C. 215 'fiviinrioi' ού]χ€\, [ά]λλά "αμιπ[ποι"2 iJttttoi buo [εύΐ-

άγωγοι* \μαα\ bebeμέvoι και [έπ'] αυτών τίνες όχούμ[6]νοι. οι ήρωες τοις δρμασιν προσήλαυνον και ουτιυς άπίβαινον, οι bk προς έλάσσοσιν δ μέν άπίβαινεν, δ bi. μένων παρείχετο την του ηνιόχου χρείαν. Hier scheint eine Conjectur des Aristarch vertheidigt zu werden; wir sind jetzt im Stande ihm die Bemer- kung in Bekkers Anecd. p. 205 v. δμιππος zuzuweisend Der Zusatz über die Eampfesweise der ήρωες verräth den Homer- kritiker.

Dies Stück, so zerfetzt und trümmerhaft es sein mag, hat doch insofern auch ein litterarhistorisches Interesse, als es das erste Zengniss dafür ist, dass Aristarch sich mit Herodot kritisch beschäftigt hat. Dass die wissenschaftliche Erklärung des Thu- kydides in die Alexandrinerzeit hinaufreicht, hat Usener durch Vergleich der Scholienlitteratur erschlossen. Dennoch ward nicht ersichtlich, wie weit wir hinaufgehen dürfen. Das konnte ja alles Didymos sein. Nun erscheint Aristarchos als Herodotkritiker auf dem Plane. Zu glauben, dass er keine Ausgabe besorgt habe, kann man sich nur schwer entsohliessen, und so erhält die Anschauung, dass damals bloss Dichter edirt worden seien, einen starken Stoss. Nur das eine wird man weiterhin annehmen dürfen, dass die Prosaikerausgaben der ersten Alexandriner nicht das kanonische Ansehen erlangt haben, wie ihre Dichtertexte. Ob wir nun hier auch ein Zeugniss besitzen, das in der Frage

^ Darin auch ein neues Sophoclesfragment: Σ. έν ΤΤοιμέσΐ' ού χαλκός ού σίδηρος απτεται χροός. ^ Ergänzuuj^ von Blase.

« Vgl. Pollux I 195. * Vgl. die Herausgeber.

140 Raderraacher

nach dem alexandriDischen Kanon zn dessen Onneten verwertbet werden darf, wage ich nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden, wenn ich auch meine, dass diese Frage nicht ganz so erledigt werden kann, wie es y. Wilamowitz^ in seinen letzten Unter^ Buchungen gethan hat. Zwar dürfte er in dem einen Punkte Recht behalten, der ihm das Wesentliche war, dass es schon frühe nur neun Lyriker gegeben hat. Aber an bloss zehn Redner bereite in hellenistischer Zeit zu glauben scheint mir unmöglich. Es ist wahr, dass man grade bei der Anlage der πίνακες mit boden- loser Oberflächlichkeit herrenloses Gut auf bekannte Namen ge- setzt haben muss; das Verzeichniss der Dinarchreden bei Dionye zeigt es zur Genüge. Aber dort operirt er nun doch auch mit Leuten wie Demokleides und Menesaichmes, wie mit bekannten Typen. In den perganienischen Verzeichnissen findet er eine Rede des Kallikrates; in Alexandrien freilich war der Mann bereite in der Sammlung Deinarchos untergegangen. In der grossen Ueber• sieht am Schlüsse von de Isaeo mag er ja vieles unbesehen aus Aelteren abgeschrieben haben; aber sollte es damals wirklich keine Rede von Polykrates gegeben haben? Für Arietogeiton alles zugegeben, obwohl die Annahme, dass Reden unter seinem Namen erst nach Dionys gefälscht worden sind, nicht zwingend erwiesen werden kann, so müssen doch Reden des Kritias exi- stiert haben, die Herodes Atticus wieder ausgrub und zu Ehren brachte. Und was Dionys, Harpokration und Athenaens von Py- theas haben, stammt das etwa aus vorhellenistischer Zeit ? Auch den Philinos citirt Harpokration. Von Polyeuktos κατά Δημά^ου steht ein Cifat bei dem Rhetor Longinus, etwa als spätere Fäl- schung? Es ist endlich möglich, dass die Rednernamen, die Philo- demos neben den Zehn nennt, für ihn ein leerer Schall gewesen sind, aber selbst wenn es damals bloss noch IL attische Redner gab, so bedeutet die Zahl 10 immer schon eine Auswahl. Und eine Auswahl, die zudem für Aristarchos bezeugt ist, sind die lambographen ; diese Thatsache lässt sich nicht widerlegen durch eine Deduktion wie die folgende: '^Skythinos? gab es den über- haupt für das Publikum?'' Denn es müsste mindestens alsdann noch bewiesen werden, dass es einen Mann, den es für das Publi- kum nicht gab, für die alexandrinische Gelehrsamkeit auch nicht gegeben habe. Es ist überflüssig darauf hinzuweisen^ wie häufig

^ V. NMlamowitz, die Textesgescbichte der griechischen Lyriker I Excurs. (S. 64 fi".).

Aus dem zweiten Bande der Amheret Papyri 141

die wiesenschaftliche Litteraturgesohichte und das Urtheil des Pablikume aaeeinanderfallen. Für die Tragiker ist die Aaswahl zugegeben ; dass sie mit dem Geschmacke der Leute überein- stimmt, beweist nicbts für andere Fälle. Bei den Lyrikern ist es keine Auswabl ; aber was hindert anzunehmen, dass sie eben sammt und sondere der Aufnahme in den Kanon würdig befunden worden sind? Eine Auswahl von Epikern ist für Aristarchos und Aristophanes bezeugt. Was nun endlich Herodotos und Thuky- dides anbelangt, so würden sie ja in den Kanon gekommen sein, wo und wann immer ein solcher gemacht worden ist, aber es ist doch eine merkwürdige Erscheinung, dass wir jetzt den Aristarchos auch als Herodotoskritiker wiederfinden, gleichwie wir intensive Beschäftigung mit Thukydides für die Alexandriner schon länger erweisen konnten. Kurz die Thatsachen sind diese: eine Aus- wahl auf den verschiedensten Gebieten, bestehend schon vor Dionys, in Verbindung mit etlichem der Name des Aristarchos und Aristophanes unmittelbar bezeugt, anderes namenlos aber doch vorhanden, auf einigen Gebieten auch verschiedene Ver- zeichnisse, wie bei den P^legikern. Damit mag man sich nun ab- finden, wie man will. Die einfachste Deutung ist doch, dass es einen alexandrinischen Kanon gegeben habe, dass dieser Kanon aber spätere Grammatiker nicht daran hinderte, auch den ihrigen zu machen, indem sie, weitherziger im Urtheil, den einen oder anderen Namen zusetzten. Dies ist meines Erachtens eine Erkläimng, die den überlieferten Thatsachen am bequemsten Rechnung trägt. Ein Glück ist übrigens, dass Pergamon endgültig aus der Erörte- rung ausgeschieden zu sein scheint.

Die Abschweifung war lang, und ich kehre nunmehr zur Sache zurück.

Papyrus XX, der von den Herausgebern ins IV. Jahrh. p.c. gesetzt wird, enthält die Reste von Scbolien zum Artemis- hymnus des Kallimachos; sie sind mit den erhaltenen theilweise verwandt, aber reichhaltiger gewesen. Usener hat hierzu einige treffliche Ergänzungen beigeeteuert : XX 2 (zu Vs. 107) ΤΗΝ ΔΕ ΜΙΑΝ KEAAAONTOC δυνάμεθα είπεϊν το κ€λάοοντο[ς άντι] επιθέτου και λέγειν ποταμόν *Αρκ[αοίας, ώς] κύριον ^. Zu Vers 138 TAMOC E[CCETAI ύμν]ήσεται : AKAKHCIOC (V. 143)

» Weiter vielleicht ΑΙΝΩΙ ΕΠΙ ΘΡΗΙΚΙ Öpei Θρψ[κης : 6€νδρο]φόροι Όλυμποι ορη. Die letzte Bemerkung geht auf 11(5 ff. (ποΟ δ' ιταμές ΐΓ€ύκην) ; für das Lemma (Μυσψ έν Ούλύμπψ) ist in der Ueberlieferung kein Raum.

142 Radermacher

λίγ€ται t\ έπ[ίθ€τον bia] το έν δρ€ΐ [Άκακησίψ τάς τ]ονά[ς ?χ€ΐν ή δτι] αναίτιος έστι. Zu Vers 172 ff.; ΤΤΙΤΑΝΗ πόλις Λακεδαίμονος : [AAAC ΑΡΑΦΗΝ]ΙΔ[ΑΟ οήμ]ος 'Αττικής. Weiter

war wohl zu Vs. 178 bemerkt; ΣΤΥΜΦΑΙΙΔΕΟ Ή'.Γ€ΐριυτικοί• δ[ρος τι Στύμφη^ θ€σ]πριυτιος. Στυμφαϊον bi δ[ρος καλ€ΐται κα]ι ^θνος Σκυθ€ίας. Im Anscblues hieran wurde die Geschichte der Iphigenie^ erzählt, und es ist sehr zu bedauern, daes diese Ueberlieferung rettungslos verstümmelt ist, denn nimmt man zu- sammen, dass bei Kallimachos von ^αφοι Στυμφαιΐοες geredet wird, dass in dem Scholion aber immerhin noch ή bk Ιφιγένεια ίλαφος έκ τής έλάφου zu erkennen ist und dass ebendort vorher die Στυμφαιΐοες, ein Στυμφαϊον δρος und ein ίθνος Σκυθίας in zweifellosen Zusaoimenliang gebracht sind (die oben gegebene Ergänzung ist nur ein Versuch), so ergiebt sieb als nothwendiger Schluss, dass hier Dinge vorgetragen waren, von denen wir sonst nichts wissen.

Am Schluss der Clasbica steht dann etwas sehr Luetiges zu lesen, drei Babriusiabeln, die ein ägyptischer Lateinscbütze zu übertragen unternommen hat. Dabei hat er Fehler gemacht, so schlimm, wie sie auch heute gemacht werden, und zum Tbeii noch schlimmer; es stecken sogar einige Räthsel in dieser latei- nischen Uebersetzung, und so möge denn alles hier seinen Platz finden, damit andere daran sich erfreuen oder ihren Scharfsinn versuchen. Des bequemeren Druckes halber sind die Stücke an- ders geordnet, als wie sie im Papyrus stehen.

αίλουρος opviv οικιης ενεδρε[υων κορυκος οια πασσαλω απηρτηθη τον δ' €ΐδ' αλέκτωρ πινυτος αν-

κυ[λογλωχιν και ταυτ εκερτομησεν οΗυ φωνη-

σ[ας πολλούς μεν οι6α θυλάκους ιδω[ν

ηδη ουδείς οδόντας ειχεν μειΖον αίλουρου αγροικος ηπειλησε νηιτιω τιτθη

κλαι[οντι σίγα μη σε τω λυκω ρίψω.

1 Τύμφη bei Stephanus von ßyzanz ; doch siehe Strabon 325 C.

2 IJsener ergänzte noch: ή δέ Ιστορία ίχει, ώς μιλούσαν θύεσθαι Ίφιγένειαν ή "Αρτεμις άρπά^ασα άιτήγαγεν εΙς Ταύρους [καΐ Ικ€ί Up€]i[a γε]νομένη τής 'Αρτέμιδος

Aas dem zweiteo ßande der Amherst Papyri

143

λύκος b άκουσας την τε γραυν αλη-

θυ€ΐν

νομισας εμεινεν ιυς έτοιμα δειπνη-

σων

€ΐι>ς ο παις μεν εσπέρας εκοιμηθη

αυτός δε πίνων και χάνων λύκος

οντος

απήλθε ψυχραις ελπισιν ενεδρευσας

λυκαινα δ αυτόν η συνευνος ηρωτα

πως ουδέν ήλθες αράς ωε πριν

ειωθεις

ο δ κακεινος ειπεν πως γαρ ος γυναικι

πιστεύω

αλω[πε]κ εχθραν αμπελ[ου τε και

κηπ[ο]υ

|€εν]η θελησας περιβαλε[ιν τις α]ι•

κειη [τη]ν κερκον άψας και λίνου τι

[π]ρ[οσδησα]ς αψηκε ςρευγειν την δ επίσκοπος

[δαιμ]ων εις τας αρουρας του βαλοντος ωδη-

τε[ι το πυρ φερουσαν ην δε ληϊων ωρη

και καλλεικαρπος ελπίδων πληρη[ς ουδ ειδεν αυτού την αλωα δημητηρ

luppus autem auditus auucellam

vere dictu[m putatus m[a|n8it quasi parata ce•

naret dum puer quidem sero dormiseet i]>8e porro esuriens et luppus

enectus verlo rediuit frigiti^s) spebus frestigia-

tur (prestigiatus Blass) luppa enim eum coniugalis inter•

rogabat qaomod[o n]ihil tulitus uenisti 8[i]-

cut 8ole[bas

et ille [dix]it quomodo euim quis

mulieri cr[edo

bulbecula inionfortunam (Hegb. =i

vulpeculam importunam] binea- ri8q[ue h]ort[i8que peregrina uolens circomitti quis

8aeui[tia codam su[c]cen8U8 et linei quidem

a[lli]gatu8 sinuit fu[ge]re [h]aoc speculator

genius malus infra aruras missuro procedebat

ignem babbandam erat autem tem•

pus sectilis et pulcheri fructus spaearum sorsus oportet ergo serenae magis aut

inequa irasci nee uidit eius ariis Cereris est quidam ira oltricis quem custo-

diamus ipsismet ipsis uocentiam ferentes

animosali[bas

Der Papyrus stammt nach Angabe der Herausgeber aus dem Ende des dritten oder Anfang des vierten Jahrhunderts, also der Zeit, in der Babrius besonders eifrig gelesen worden ist^. Er fiberliefert die Fabeln in einer weit schlechteren Ge-

^ Vgl. 0. Grueius de Babrii aetate Lpz. Studien II S. 237 ff.

144 KaderiuAcher

stalt, als sie im Athoas stehen: manche AbweichaD^^, wie κΟ• ρυκος οία für ώς θύλακος τις, erweisen sich schon durch die Metrik als nnhaltbar. Es ist ein verwilderter Teit, wie das bei einem Schalaator leicht vurkommeu kann. Babrias als Schul- lektüre ist an sich nichts Merkwürdiges; aber Beachtung yerdieot nan doch, dass er so früh als Unterlage zum Uebersetzen τe^ wendet worden ist. Etwa gleichzeitig hat Titianos ^^Aesopiam trimetriam in lateinische Prosa übertragen^; dann hat man ja znm GebraucL für die lernende Jngend Fabeln, griechisch nnd latei• nisch nebeneinander, veröffentlicht, und anter den MasterstSckeii des Dositheus stehen denn auch zwei Erzählungen in Choliamben. Dositheus iet aber nicht der einzige, der derartiges gemacht hat. Was wir an Resten dieser Litteraturgattung aus dem Mittel- alter noch besitzen, wird erst klar werden, wenn es ein wirk- liches Corpus fabularum giebt. So finden sich im Codex Pari- sinus Graecus 425, einer Miscellanhandschrift, in der zB. der ge- fälschte Brief des Constantinus über seine Taufe und die Werke des llesiudos nebeneinander siehm, am Schlüsse institutiones gram• maticae latinae-graecae ' und als deren Fortsetzung drei äsopische Fabeln gleichfalls griechisch und lateinisch : K6pt 6ύθ φίλων και άρκτου^, π€ρι όλώπ€κος και κιθαρωδού, περί t^euroO και ^χιως'. Sie haben mit Dositheus nichts gemein. Zur Probe sei die mitt- lere herausgehoben: fol. 50 περί αλώπεκος και κιθαρωδού.

άλώπηΕ εΙς οίκίαν έλθουσα κιθαρωδού και έκαστα των

αύτου σκειιων διερευνωμενη εύρε και κεφαλήν

μορμολυκίου εύφυώς κατεσκευασμενιν ήν και

αναβουσα ταΐς χερσιν, £φη ώ οΐά κεφαλή

και τδγαθον. και βέλτιον είκεφαλον ουκ έφαλον ούκ έχει.

δ μϋθος προς άνδρας μεγαλοπρεεΐς (so!) μέν

τωι σώματι κατά ψυχήν δέ αλλόκοτους

de uulpe et citaredo. Vulpes cum in domum cuiusdam citharedi ingressa esset quodlibet eins ex instrum indagabat et manibus pertractabat. cumque ita indagaret capitis imaginem iictam et adumbratam magna arte et subtili ingenio instructam et ornatam inuenit. eamque in manibus captans hec inquit, o, quam pulcrum et formosum caput, quod cerebro quidem uacuum existit.

1 Γ). i. Babrius? Vgl. Crueius aaO. S. 238*.

2 Vgl. Halm f. 171.

» Vgl. Halm fab. 311.

Α OB dem zweiten Bande der Amherst t'apyri 145

hec fabnla pertinet ad homines corpore quidem formoBos et magnos, animo autem ignauos. et inertes.

Hier ist das Latein erträglioby das Griechisch dagegen in- zwischen um so schlechter geworden.

Den Rest der Classica übergehe ich. Es ist ein buntes Allerlei, Stücke von einem Lexikon zu Odyssee XV* (Pap• XVIII) und Ilias XI (Pap. XIV), aus einem grammatischen Traktat (XXI), in dem Aristarchos citirt wird, aus Honaer, Isokrates προς Δήμονικον und Demosthenes προς Φίλιππον β'. Ausser Isokrates, Demosthenes und Hypereides hat man eben in Aegypten keine attischen Redner gelesen. Dazu Papyrus XIV, das Bruchstück einer Abhandlung überMantik, in der die Zeichen behandelt werden, die man bei der Wahl eines Freundes beachten soll: (Τκοπουντι, el δμεινον φίλον ποιήσασθαι τόν bepva] σκεπτεον τά σημεία, ει έχεται του μαντευτικου τρόπου. Einiges ist nur in kärg- lichen Trümmern erhalten, so der Rest eines Epos (? XVI ήλιου π . . . col. 3), die Ueberbleibsel von Versen, hinter denen die Herausgeber Aristophanes vermuthen (? XIV), endlich ein Frag- ment, worin von sieben Wölfen (επτά λύ[κοι]), sieben Löwen (έπτάλέθ[ντες]), von Wasser, einem Kruge (κάλπ[ις]), dem Löschen eines Feuers und von einer Dame Namens Philinna die Rede war ; der Zusammenhang ist unklar. Mit Papyrus XXIX beginnen die Documents of the Ptolemaic Period, und daran schliessen sich Funde, die bis ins 7. Jahrhundert n. C. reichen. Privates und Amtliches, Dekrete und Entscheidungen von allerhand Würden- trägern neben Petitionen, Pachtverträgen, Schuldscheinen, Quit- tungen, Beschwerdeschriften und namentlich auch zahlreichen De- nunziationen, aus denen man den Eindruck gewinnt, dass nicht bloss Rom seine Delatoren und Athen seine Sykophanten gehabt hat. Interessant ist auch die Bittschiift (Pap. XXXV), welche im Jahr 132 v. C. die Priester des Soknopaios und der Isis an den Strategen Apollonios richten ; aus schwerer Krankheit ist dieser von dem grossen Gotte und der höchsten Göttin gerettet worden, also ist es seine Pflicht sich dankbar zu erweisen (Z. 31 ff.). Reich vertreten ist dann namentlich die Brieflitteratur, an deren Spitze ein Erlass des Königs Ptolemäus Philometor aus dem Jahr 157 v. C. genannt zu werden verdient. Man thut, wie in ähnlichen Veröffentlichungen, so auch hier einen rechten Einblick in das Leben und Treiben der Menschen jener Zeit

^ Vieles läset sich da noch ergänzen, wie Z. 235 εο[μηλος πολλά πρόβατα £]χουαα, Ζ. 243 αθύρματα πα[ι]ο[ια(] uew.

Β1ι«Ιιι• Miu. f. Philol. Ν. 7. LTJL \^

14β ftadermacher

Hier giebt es noch mancherlei nachzutragen and zu berich- tigen. Ν 38, 5 ff. hat wohl gelautet ορθώς ουν [έποίη]σας άκουσας αυτών [έρχο]μένων [το π]ρ[ώ]τον ; es handelt eich um zwei Boten, die in einer wichtigen Angelegenheit geschickt worden waren und vorher zu solchem Geschäft noch keine Verwendung gefunden hatteo. Ν 64 ist eine protokollarisch aufgenommene Ent- scheidung des Yibius Maximus, der sich als Präfekt von Aegypten für das Jahr 107 n. C. ausweiMt; hier ist in Zeile 7 die Frage τίνος κσΐ τίνος υπαρχόντων; richtig und auch nicht durch Inter- punktion zu trennen. Geradeso heisst es in einem Isäuefragment (11 Buermann X Sauppe): εισφοράς λογίίη πόσας ; τόσας. κατά ττόσον άργύριον είσενηνεγμένας ; κατά τόσον και τόσον Ν 68, ϋ7 ist βασιλικός vielmehr als Eigenname zu fassen^; ee ist ein Kollege des Ursus, der gemeint wird. Der Name ist so selten, dass es schon die Mühe lohnt auf ihn aufmerksam zu machen. Ν 70, 4 ist καθιστ[α]νόμενοι sicher zu verstehen, mög- lich aber, dass der Verfasser καθιστανάμενοι geschrieben hat. Mit α und ο in den Flexionsendungen hat man es in Aegypten nicht so genau genommen.

Ν 76 ist der Rest eines Personalstand registers ; da läset sich der Schluss noch ein wenig verständlicher gestalten. Σειλ- βανός λιθοτόμος έττικεκλημένος καλαβώτης mit dem Bei- namen Eidechse* , ίτι έν τή Τελέσψ γίτιυν Σαβίνι[ος] έν- ορομαΐς (ενδρομες Pap.) έχιυν τό έργαστήριν dh. "für Woll- mäntel (ν) habend die Werkstatt"'. Im guten Griechisch müsete ee freilich heissen ένδρομίσιν έχων τό έργαστήριν, aber έν^ρομαΐς steht nun einmal da, ένδρομή^ mag das Volk gesagt haben statt des beinah gleichklingenden Wortes, das aus Juvenal (UI 103 accipit endromidem, VI 246 endromidas Tyrias) und Martial ge- läufig ist. Weiterhin wird der Mann charakterisirt als ές τά ΈτΓΐμάχης γείτιυν . . ατυ ιματιοττώλου. Hier ist ές τά "Επί- μαχης Bestimmung der Richtung, und die vage Umschreibung mit τά xat echt hellenistisch; sagt doch Aristeas zB. p. 31, 11

^ Ούέγετος έκρινε ώς Οορσος. ούτος bk κοί έΕής Βασιλικός ^δή• λωσαν κτλ.

* καλαβώτης für άσκαλαβώτης auch Septuag.

^ Wir wisseu sonst nur aus Plutarch de musica, dass Hiera, eine Weise, die zum πένταθλον aufgespielt wurde, Ένορομή geheissen habe, ένορομίς bedeutet übrigens ausserdem einen hochaufreichenden Stiefel, und auch in diesem Sinne könnte ένορομή (* worin man läuft*) ver- standen sein.

Ααβ dem zweiten Baocle der AmHerst Papyri 147

άνάκλασιν γαρ ίχει τα τών τόττιυν ^ Die Septuaginta hat viel Entepreobendes. Was endlich den Namen des Mannes anbelangt, 80 ist wegen des Raumes Σαβινιανός oder Σαβινίλλος ausge- schlossen, Σαβίνιος allein denkbar; Belege gibt der Index von CIL. III gerade ans griechischem Gebiet in reichlicher Menge. In Ν 77 führt sich ein Priester ein: [ου 9eXu)]v κατηγορ[ήσαι ά]λλά όραιν τον φίσκον περιγραφόμενον ύπό Πολυδεύκους, wo man die Verwendung des Verbums περιγράφω notiren mag; im nämlichen Papjrus ist unten δπερ φανερόν τούτο έγένετο ganz so richtig, wie etwa in Henoch XVII 1 έν φ οι δντες έκ6Ϊ. Charakteristisch für die Sprache sind Formen wie βαίΤτάΗαντες (22) όναόαιναι (24) ; ein neues Wort ist Z. 91 προσεπίτροπος, wenn richtig Άρτταγάθης als κράτιστος του κάκου κα\ προσε- πίτροπος bezeichnet wird. Denn möglich wäre και προς als Adverbiale zu fassen, wie 79, 32 και προς άπό τών αρχόντων. In Ν 78, einer Beschwerde wegen Bedrohung, scheint mir nichts 80 eicher als dass Z. 12 παντοδαπώς μου πλεονεκτεί δνθρωπος αίύΐθάδης zu lesen ist, vgl. Ζ. 20: τοιαύτης ουν αύθαδείας έν

αύτψ οοσης. Ein ασθενής "έπαγγειλάμενος εΙς τό 2ήν έπι- χειρή(Τειν** (Ζ. 19) wäre dem Bittsteller wohl nicht so vieler Mühe werth erschienen. In Ν 79, 37 dürfte συσκευώρημα im Papyrus stehen; die Herausgeber lasen (Τυ(Τκερωρημα. Das Wort

ist neu und muss dasselbe wie (Τυ(Τκευή ''List, Intrigue" bedeuten. Das zugehörige Verbum (Τυακευωρεϊσθαι "gemeinsam Ränke schmieden' hat Demosthenes, (Τκευώρημα desgleichen. In Ν 86 muss der Schluss lauten: επιθέματος δέ γενομένου έΗεΐναί σοι έτέροις μεταμισθουν. έάν ουν φαίνηται, μισθώσαί μοι έπι τού- τοις "so vermiethe mir unter diesen Bedingungen**; zweimal (in έ^εΐναι und μισθώσαί) steht der Infinitiv an Stelle des Impera- tivs; das ist volksthümlich, vgl. CIL. V 8772 CIG. Sie. et lt. 772. Die Formel kehri wieder am Schluss von Ν 90 und 91, 92, 93: έάν φαίνηται, μισθώσαί, und auch dort ist sie durch vor gesetzten Punkt abzutrennen. In Ν 117 entsprechend: έάν φαί- νηται, κυρώσαι. έάν δέ μή κυρωθώ, ου κατασχεθήσομαι τή ύποσχέσει. Etwas sehr Beachtenswerthes bietet dann Pap. 88 (128 p. C), da in ihm άνά in distributiver Bedeutung erscheint. Denn das άπότακτον έκφόριον wird für drei Aecker bestimmt; im ersten Jahr auf άνά κριθής άρτάβας οκτώ, im folgenden auf άνα πύρου άρτάβας οκτώ. Auch die nächste Urkunde (121 η. C.)

1 Vgl. Wendland Gott. Gel. Anz. 1901, S. 784.

48 ftadermacHer

erwähnt άνά [κριθής?] άρτάβας U ήμισυ καΐ τψ Ισίόντι Γ frei τά άπό άνατταύματος άνά πύρου SH ήμισυ κα\ τα άπό κα- λάμης άνά αργυρίου δραχμας είκοσι di. je zwanzig Silber- drachmen. Der beste Vergleich aus einem iitterariechen Stück istHenochX 19 (καθ' ϊκαστον ίτος ?v μέτρον) έλαίας ποιήσει άνά βάτους οεκα. Ueberhaupt ist dieser Sprachgebranch für jene Zeit meines Wissens nnr im Kreise der biblischen Schrift- stellerei geläufig: ίλαβον άνά οηνάριον καΐ αύτοι ev. Matthaei 20ι 10; και λαβέτιυσαν άνά λαμπάδα Protevangelium Jacobi νΠ 2; ένεγκάτωσαν άνά ^oßbov ebd. VIII 3. Jetzt stellt sich heraus, dass dies echtes Volkegriechisch ist und an fremdsprachigen Einfluss nicht gedacht werden darf ^

Im Papyrus 92 handelt es sich um die Pacht einer Oel- mühle, die von Pferden getrieben wird; daher (Z. 20) 6ώσω bl και υπέρ διπλώματος ϊπ[πιυν] δύο τά κατά συνήθιαν νόμιμα, wo über δίπλωμα die gelehrte Anmerkung^ der Herausgeber za vergleichen ist^

^ Hier sei noch ein eklatanter FhU der Art abgethan. κατήγωρ soll nach Schmiedel p. 85 aramäische Zustutzung von κατήγορος sein. Thumb hat ihm weiter nichts als συνήγωρ entgegengehalten, das freiJicli allein durch rabbinisches Schrifithum bezeugt und deshalb werthlos ist (Gr. Sprache im Zeitalter des Hellenismus S. 126). Inzwischen fand Deulmer (de incubutione p. 119) im Enkomium des Therapon einen πρόσμων (IG, 9) = προσμονάριος, und verglich den Eigennamen ΤΤάρμων bei Fick-Bechtel Gr. Personennamen p. 205. Ein besserer Beleg ist vielleicht, dass der διάκτορος Άργειφόντης in den Scholia Townleyana in Iliad. II p. 98, 10 Maass als διάκτωρ erscheint. Dazu διάκων für διά- κονος, ΤΤίνδαρ für Πίνδαρος, s. Krumbacher bei Deubner aaO , wo auch auf ngr έπίμων = επίμονος hingewiesen wird. Endlich der Name Σίφωρ, Σίφωρος, Σύμφορος vgl. Brinkmann in dieser Ztschr. 54 S. 95 Anm. 2.

^ Dagegen muss Einspruch erhoben werden, wenn sie Ν 110, 14 den Ausdruck κατά άσφάλειαν όμολογείαν in κατά άαφάλειαν ομολογίας ändern wollen; dem widerspricht schon καθ' όμολογίαν an derselben Stelle im folgenden Papyrus. Also die, οΐς Ποσειδών ασφάλειας έστιν ή βακτηρία, werden eher an κατά άσφάλειον όμολογίαν als Grundform denken ; wenn die Papyri βραχή für βροχή, αλκή für ολκή, κάταχος für κάτοχος und Umgekehrtes schreiben, so wird man ihnen auch ein άσφάλειαν verzeihen (vieles der Art hat A. Dieterich im Index des Pap. mag. s. litt, ο zusammengestellt); doch ist auch ein Femininum άσφαλεία zu άσφάλειος sehr wohl denkbar, selbst zu ανοίκειος giebt es άνοικεία, und so möchte man an κατ* άσφαλείαν όμολογίαν glauben.

^ Pap. 101,2 vergessen sie zu notiren, dass iπεlfür έιΗ steht, was des Sinnes wegen nothwendig ist und daher hier kurz angemerkt sein mag.

Aus dem zweiten Bande der Amherst Papyri 149

Intereseant ist dann weiter Papyme 125, eine Rechnung für ausgelegte Begräbnieekosten. In Zeile 5 gebort zur Maske (πρόσωπων) wobl noch ein [€]ίμά(τιον), in 8 sind die Kosten für ein στηθίν (= στηθίον) ziemlich hoch berechnet. Die Herausgeber vennuthen darin einen Halsschmuck; könnte nicht die plastisch herausgearbeitete Brust der (weiblichen) Mumie ge* meint sein, vgl. Budge, Α Guide to the first and second Egyptian Rooms, T. XXIV(Wiedemann)? In Ν 126 (Anfang des 2. Jahrb. n. C.) wird die τιμή τεττάρων χουν ελαίου auf 28 Drachmen und einen Obolen angegeben, χουν läset einen Genitiv χών neben χοών erschliessen (vgl. άναγνούστης αναγνώστης Κ. Dieterich S. 17. Mayser Yokalismus S. 13), der regelrecht gebildet ist (Dieterich S. 43). Die Yerdumpfung des ω zu ου ist sehr zu beiherken. Ν 1 30 (70 ρ. C.) Brief eines Glutas an Eudychides (so !) den Gymnasiarchen; der Mann hat offenbar das Griechisch wie ein Sachse gesprochen ; denn er schreibt auch τωίις für δόξης. Er bildet eine dritte PI. Perfecti Τ€θ€λήκουσι. Zu seiner Entschul- digung sagt er an einer Stelle: π€ρί τ€ των i€ (άρταβών) ούτε πλην εύρων οοτε κερόν (dh. καιρόν) γνούς, άλλα μεθ' ήμίρας δψωμαι (db. βψομαι), wo die Herausgeber richtig πλέον in πλην suchen, aber gemeint scheint πλεΐν. In Ν 133, 9: πάρα- γενόμενοι γάρ έκεΐ άντί[α] ένήκαν ήμεΐν οαπάνην ουκ όλίγην και ώς ibex βρ[αχύτερο|ν mag man das ionische Adverb άντία notieren; andere Ergänzung ist unmöglich, indem nur für einen Buchstaben Raum. Weiter heisst es καΐ μετά πολλών κόπων άνηκάσαμεν, der Verfasser des Briefs hat sich άναγκάΖω in όν- όγκάΖΙω zerlegt ; er braucht sich dessen nicht zu schämen, da die Priester des grossen Gottes Soknopaios in einer Bittschrift vom Jahr 132 vor C. (N 35, 23) κατεγγεγύηκας schreiben; also κατ- εγ- γυάω. Noch eine Kleinigkeit lässt sich in Ν 135' klar- stellen. Die Herausgeber lesen: άπ[ο]λήμψη [πα]ρά'Ερμοφΐλου κεράμου μυριάδας bvo εΙς θροτη[ν], έάν γένηται ημάς μή ύπο- γυως άναπλεϊν. Sollte da nicht vielmehr υ statt des unleser- lichen α stehen und εΙς θρύγην verstanden werden müssen dh. "für die Ernte**, wie es auch der Sinn empfiehlt? Der Ersatz des τ in τρύγη durch θ wäre nicht gerade etwas Absonderliches, vgl. E. Dieterich S. 106, Mayser Consonantismus S. 10; an das Schwanken der Handschriften zwischen τρυγονάω und θρυγονάω bei Aristophanes Eccl. 94 sei nebenbei erinnert.

Ν 141 und 142 sind zwei Bittschriften wegen erlittener ΰβρις. In 1 verklagt eine Wittwe ihren eignen Bruder und

150 Radermacher

deseen Frau, die sie halb todt geschlagen hätten. Das wird drastisch nnd mit köstlicher üebertreibung geschildert: κατ€ν€Τ• κόντες εΙς το έδαφος πληγοϊς ίκοναϊς με κατέκτιναν, γρόνθοις τε και λακτίσμασιν καθ' δλιυν τιυν σωμάτων, ώς και έπι τών δψεών μου τα οΙδήματα φαίνεται, ήμιθανή καταστήσαντες ου- δέν ήττον και την περί έμέ έσθήτα περιεσχεισαν. Demosthenee (κατά Κόνωνος 8) hat gleiches Missgeschick nicht lebendiger et- zahlt. Aber der alte Bauer in Ν 142, dem Nachbarn, mit Keulen und Schwertern bewaffnet, sein Eigenthum abgenommen, ist zum Advokaten gegangen, weil er des Schreibens unkundig war. Und der hat ihm ein grosses Schriftstück aufgesetzt, in dem es an den nöthigen Schlagwörtern nicht fehlt. μεταλοφρον]οοντες τε τώ περί αυτούς πλούτω και τή έπι τόπων τυραννίςι χρώμενοι έμοΟ τελούντος Λποκαρπουνται, so heisst es von den Gegnern. Was das bedeutet, versteht man erst, wenn man die Schollen tn Demosthenes Midiana 1 heranzieht: κέχρηται τή προτά(Τει bia τήν ποιότητα του Μειοίου* πλούσιος γαρ και μεγαλό- φρων. οΐ bk τοιοΟτοι μείίους είσιν τών πολλών και ώς τυραννικοί οιαβεβλη νται, vgl. zu 3: όντικρύς bia τούτων αΐνίττεται τόν τύραννον (vonMeidias), zu7: άίιός έστιν ώς υβριστής και τυραννικός οημοσ{<)ΐ κολασθήναι. Dieses Stück enthält auch Gelehrtes im Wort- schatz, έπι bk όντιλέγουσιν kann dem Zusammenhange nach nicht für έπε\ bk ά. stehen; vielmehr muss έπι bi ^ausserdem 'bedeuten. Das hat ja Arrian zB. Anab. II 7, 5. Bei Diodor XIII 8, 5 hat έπι bk der alte Patmius, drei gute Handschriften geben έπει bk, was auf dasselbe herauskommt, die übrigen έτι bk, wie im Text eteht Zu beachten haben diese Redensart namentlich die Herausgeber des Pansanias. Bei ihm ist I 22, 7 έπι bk allgemeine Ueber- lieferung, wo man entweder έτι bk in den Text nimmt oder sonst- wie sich zu helfen sucht*. V 7, 8 haben έπι bk weitaus die meisten Handschriften; einige wenige έπειτα bk oder ?πειτα. Das Richtige dürfte demnach έπι bk sein. Auch U 13, 4 ist ee vielmehr in überliefertem έπεί γε enthalten, als das konjizirte έπειτα.

Gerade die letzten Stücke der Veröffentlichung geben allerlei Interessantes für Grammatik und Lexikographie aus. Ν 144, 22: τό γαυνάκιον έπράθη bi' έμου σίτου άρταβών δέκα di. 'der Pelz wurde von mir für zehn Mass Getreide verkauft\ Von

^ Vgl. Michaelis in der neusten Ansgabo z. St.

Ans dem zweiten Bande der Amherst Papyri 151

καυνάκης abgeleitet ist ein Dem. καυνάκιον, das sich in byz. Prosa belegen läest. Merkwürdig ist nun die Erweichung des κ ζα γ, vgl. τυββρνήτης κυβερνήτης, im Aegyptischen eben so selten, wie das umgekehrte häufig. Aus unseren Papyri ist die Schrei- bung άττάλαις statt άγκάλαις 150, 25 zu vergleichen, oder in Ν 79 έγμετρηταί für έκμετρηταί. Ν 145, 4 ff. kann meines £rachtens nichts anderes gestanden haben als: βούλομαι μ^ν καταζιιυθήναι, ά€\ τράφ€ΐν τή (Τή θ€οσ€βειςι κα\ προσαγορεύειν την [άν€]φάμιλλόν σου καλοκάγαθίαν. Für den Curialstil be- zeichnend ist die Unmöglichkeit, den Angeredeten anders als in einer Umschreibung zu nennen. Der Schluss dieses Briefes ist absonderlich ; προσαγορεύω τήν σήν οιάθεσιν καΐ τά φίλτατά (Του τά πάντα, hier darf man sich an Petrons topanta erinnern, τούτο γαρ προτάττεσθαι εδλογον [εΙ]ί)ότα περί τών αυτών ύπαρχθήναι dies ist beinahe gar nicht zu übersetzen, steht aber zweifellos für εΐοότα δτι περί τών αυτών (seil, τών φιλ• τάτιυν) έμοί υπάρχεις, was regelrecht ins Passiv versetzt so lautet: εΐόότα δτι περί τών αυτών ύπάρχομαι (υπό σου). Ν 147,8 δσπερ έπάναγκες έκνεάσας αποκαταστήσω (seil, όρτάβας πύ- ρου) ist έκνεάσας wohl für έκνεασάσας verschrieben ; wenigstens ist έκνεά2!ω sonst intransitiv. So steht αγοράς für όγοράσας bei Grenfell Hunt Hogarth 119 p. 275^ Ν 150, 20 ein Beleg für erstarrtes πλήρης, vgl. Brinkmann in dieser Ztschr. LIV (1894) S. 94, es ist also nichts zu emendiren. Die in Ν 153 erwähnten yaibapia sind übrigens keine Bauern, sondern Esel; schon Du Gange v. άείοαρος hat über das Wort alles Nothwendige gesagt, έάν bk έκφρήσης ebd. Z. 15 dürfte die Lexikographen inter- eesiren; da kommt ein glossematisches Wort im Jahr 592 n. C. plötzlich zum Vorschein. Der Schreiber von 156 verwechselt die Casus: θελήση f| σή αδελφότης boövai τόν γραμματηφόρον (Pap. των γραμματίφοριυν) ταριχίου κυτίνια επτά ' es möge der Herr Bruder die Gewogenheit haben, den (so !) üeberbringer des Briefe sieben Fässchen Pöckelfisch einzuhändigen', κυτίνιον zu κύτος ist neu.

Und nun zum Schlüsse noch ein Wunsch: dass der so reichen und schönen Gabe bald weitere folgen mögen.

Bonn. L. Radermacher.

1 Vgl. Buecheler Rh. Mus. LYI (1901) S. 325.

DIE INSCHRIFT DER• APHAIA AUS AEGINA

ToO beivoq Κλ]€θίτα ιαρέος έόντος τάφαίαι ώι^ος ώικο5ομ]ήθη χώ βιυμός χώλέφας ποτεποιήθη χώ π€ρίβολο]ς π6ρι[€]ποιήθη. Von der Inschrift der Aphaia, die uns die bairischen Aus- grabungen auf Aegina geschenkt hahen, hat Fnrtwängler ein, wie der mir durch seine Güte zugegangene Papierabklatsch zeigt, vorzügliches Facsimile in den Sitzungsberichten der Mtinchener Akademie 1901 S. 372 mitgetheilt ^. Die Ergänzung des Namens in Zeile 1 rührt von ihm' her und schwerlich giebt es eine andre. Indem er aber Κλεοίτα an den Anfang stellt und in Zeile 2 έττοι]ήθη liest, erreicht er, wie ihm auch nicht entging, keine gleichmässige Kaumausfüllung : der Eigenname wäre zu kurz. Eine solche Anordnung ist, zumal bei der grossen Sorgfalt der schönen Schrift ganz unmöglich; sie wird corrigiert, wenn wir in Zeile 2 ein längeres Wort, das ich gegeben habe, einsetzen und Κλεοίτα als Bezeichnung des Vaters nehmen, dem also der Name des Priesters voranstand ; passenc^ wäre unter vielen anderen zB. Λυαία. Das zu Anfang der dritten Zeile verlorene Wort endete auf Sigma, dessen Obertheil ich auf dem Abklatsch erkannt habe; von den Vorschlägen Furtwänglers enthält zwar και τό τ€Ϊχος die gleiche Buchstabenzahl wie mein χώ περίβολος, ist aber wegen seiner zwei Iota dem Räume nach weniger wahrscheinlich^. Aber das gütige Glück hat uns so viel von der kostbaren Urkunde bewahrt, dass auf die Ergänzung wenig ankommt. Sehr wichtig dagegen ist uns, ob Furtwängler mit Recht für ausge- macht hält, dass der Vorgänger des uns erhaltenen Tempels und damit auch dieser der Aphaia gehört hat.

^ Dass in Zeile 2 das X kenntlich ist, hat Furtwängler selbst Berliner philolog. Wochenschrift 190J, 1088 nachgetragen.

^ Ich freue mich, dass Fnrtwängler meiner Ergänzung brieflich lieigestimmt hat. Bemerkenswerth in der Inschrift, die sicher dem •echstcn Jahrhundert angehört, ist der frühe Schwund des Vaw von Γοΐκος. Ebenso steht auf einem andern bei den gleichen Ausgrabungen K(«:fundeuen Steine κήργων für καΐ "Έργων.

Die Inschrift der Aphaia aus Aegina 153

'Der Gebranoh des Wortes οΤκος oder οίκημα für den Cult- ranm einer Gottheit ist darch mancherlei Analogien zn belegen^ sagt Furtwängler S. 373. Die beiden Worte sind sehr verschie- den ; οίκημα, das einen ebenso allgemeinen Begriff hat wie unser Bauwerk', ist für die Inschrift gleichgiltig ; betreffs οίκος hat Furtwängler unzweifelhaft Recht: er führt mit der Inschrift aus Thisbe CIGr, Sept. I 2733, in der ein οΤκος καΐ Διόνυσος, sicher eine Aedicula mit Cultbild, geweiht wird, einen späten, aber passenden Beleg an. Aber wir müssen den Gebrauch des Wortes genauer festzustellen versuchen. οΤκος kann ebenso 'Haus bedeuten wie 'Gemach^ ; man sollte also erwarten, dass ein in einem Tempelbezirk befindlicher οΤκος sowohl ein Raum des Tempels als ein von ihm abgetrennter besonderer Raum sein könnte. Aber die erhaltenen Inschriften^ kennen nur die zweite Verwendung; die sichersten Belege sind folgende. Ein Εύ5ώρ€ΐος οίκος, di. wie Gonze richtig erklärt, eine Stiftung des Eudoros, im Heiligthum des Apollon zu Anaphe ist, da es zur Ortsbe- stimmung dient, nothwendig ein eigner Bau (CIGr. Ins. III 248 Z. 12); CIGr, 3163 wird ein den Neraeseis in einem Nemeseion geweihter οΤκος ausdrücklich als neben den Tempel gesetzt be- zeichnet (τόν πορατεθέντα οΤκον). Ebenso wird man sich τόν οίκον τόν έν τώι ίερώι, der den Priestern von Andania als Ge- schäftslokal dient ( Di tten bergers Sylloge 653 Z. 113), nicht innerhalb des Tempels vorstellen.

Also so weit war Furtwängler im Recht, als er den οΤκος der Aphaia für ein selbständiges Bauwerk ansah. Aber unmög- lich kann das Wort den Tempel bezeichnen ; niemand wird glau- ben, dass Upoi οΤκοι nicht ein völlig synonymer Ausdruck wäre für lepoi οΐκίαι, die wie Ulrich Köhler (Athen. Mittheil. 7, 373) endgiltig gelehrt hat, 'Dependenzen der dabei stehenden Tempel waren, die man ganz mit Unrecht ^ einfach für Tempel genommen hat'. Man wende nicht ein, dass unsre positiven urkundlichen

^ Die vollständigste mir bekannte Beispielsammlung hat Conze, Dntersuchungen auf Samothrake 141 zusammengebracht ; dazu Wend- land und Kern, Beiträge 114. Nicht ganz hergehörig ist die von Furtwängler angeführte Inschrift bei Wendland und Kern S. 112 = Kern, Inschriften von Magnesia n. 94. Da das Wohlwollen gerühmt wird, das jemand €ΐς τόν οίκον τόν Ιερόν καΐ €ΐς τόν 6ήμον hegt, der Begriff des οίκος also dem des 6ήμος parallel sein muss, bezeichnet es die Genossenschaft, die in dem οίκος tagt, eine Uebertragung die auch die modernen Sprachen vornehmen: chambre, Abgeordnetenhaus*

154 Fränkel

Zeugnisse alle viel jünger sind als die Inschrift; als nngiltig darf sie nur betrachten wer sie durch ältere Urkunden wider- legen kann, aber in unseren sacralen Bauinscbriften, die doch bis hoch ins vierte Jahrhundert hinaufreichen, wird der Tempel immer ναός genannt, niemals οίκος.

Wenn also der Aphaia ein οΤκος errichtet wird, so muei ein Tempel in dem gleichen Temenos vorhanden gewesen sein. Nehmen wir an, dass schon dieser Tempel der Aphaia gewidmet war, so könnte der οίκος nur untergeordneten Zwecken der Ver- waltung gedient haben; würde man dann seine Errichtung in einer so monumentalen Bekundung an erster Stelle anfuhren? Vielmehr ist die äusserste Wahrscheinlichkeit, dass unser οΤκος den Cult der Aphaia aufnahm, dass nothwendig also die Gottheit, die im Tempel verehrt wurde, von Aphaia verschieden war. Welche war es ?

Dass der Tempel nicht, wie man früher allgemein annahm, der Athena gehörte, halte ich mit Furtwängler für unzweifelhaft; denn der an seinem ursprünglichen Orte gefundene Grenzstein ihres Heiligthums war gute anderthalb Stunden von unserem Tempel entfernt^). Welche andere Gottheit sollte aber mit Aphaia ihre Cultst'atte getheilt haben als Artemis, der sie wie Pansanias Π 30, 3 sagt μάλκττα φίλη war, die eine Glosse des Hesych gradezn identisch nennt; 'Αφαία* ή Δίκτυννα καΐ ^Αρτεμις?

Und dass in der That die Cultfitätte der Aphaia auf Aegina im Temenos der Artemis war, ist überliefert. Antoninus Li- beralis 40 erzählt έΕίκετο ή Βριτόμαρτις €ΐς Αϊγιναν έν πλοίψ

. άποβάσα έκ του πλοίου κατέφυγεν €ΐς δλσος, δθιπερ

Ιύτχ νυν αυτής το Ιερόν, κάνταυθα έγίνετο άφανής [και ώνόμασαν αυτήν Άφαίαν*]. έν bk τφ Ιερψ της Άρτίμιόος τόν τε ^ τόπον έν φ άφανής έγένετο ή Βριτόμαρτις αφιέρωσαν Αιγινητοι και ώνόμασαν <αύτήv^ Άφαίαν και ιερά έπετέλεσαν ώς θεώ. An der richtigen Benutzung dieses werthvollen Zeug- nisses konnte Furtwängler nur das Vornrtbeil hindern, dass οΤκος

» AVolters, Athen. Mittheilungen 14. IIG.

^ Diese Worte scheint der neueste Herausgeber Martini mit Recht eingeklammert zu haben, der sonst die Stelle wenig glücklich behandelt.

' S4) 0. Schneider: überliefert ist bi, Furtwängler sagt S. 378: 'Dass das Artemis-Heiligthum ein von dem Orte der Verehrung der Aphaiu jxotrennter Ort war, geht mit Sicherheit aus dem gegensätzlich gegenüber gestellten folgenden τόν bi τόιτον hervor*. Aber das an- knüpfende bi ist doch nicht dasselbe wie άλλα.

Die Inschrift der Aphaia aus Aegina 155

deo Tempel bezeicbne. Aach Pausanias II 30, 3 sagt von der Aphaia: ταύτην μέν θ€Ον έποίησεν "Αρτεμις.

Mir erscheinen die Gründe zwingend; es wird eingewendet werden, dass Pausaniae das Ιερόν 'Αφαίας nennt, ohne doch den dabei stehenden Tempel zu erwäbnen. Aber wenn dies bei an- dern Schriftstellern Gewicht hätte, bei dem an Wunderlichkeiten reichen Pausaniae hat es keines: es ist psychologisch leicht er- klärlich, dass ihn, der wie bekannt ist gierig war nach Cult- raritäten, das Interesse an der verschollenen Aphaia hinnahm und dass er über der ausführlichen Nachricht die er von ihr gab die Erwähnung des Haupttempels vergase. £s konnte dies um so eher geschehen, als er zu seiner Zeit längst nicht mehr in Gebrauch war ; der ganze Platz war, wie Furtwängler (S. 389) sagt, früh verödet, nach den Funden schon seit dem fünften Jahr- hundert. So kann es auch nicht in Verwunderung setzen, dass die Agineten sich in der unteren Stadt einen zweiten Artemis- tempel bauten, den Pausaniae II 30, 1 nennt ^.

Dass in beiden Giebelfeldern Athena die Hauptstelle ein- nimmt, ist eine Discrepanz, die wir als belehrende Thatsache an- zuerkennen haben; sie bleibt bestehen, wem man auch den Tempel zuschreiben will, da er der Athena nun einmal nicht gehört hat. Es ist doch auch verständlich, dass man an dieser bevorzugten Stelle das Geschlecht des Landesherren Aiakos durch P.irstellung ihrer nationalen Kriegsthaten verherrlichen wollte, und die Gott- heit, die nach dem Bedürfniss der Giebelcomposition die Mitte einnehmen musste, konnte dann nur eine kriegerische sein, wie Athena•.

Wir müssen noch einmal zur Inschrift zurückkehren. Wenn sich der Ausdruck χώ βωμός ποτεποιήθη auf die eben errichtete Kapelle der Aphaia bezöge, wie wunderlich wäre er. Das für ein Heiligthum wesentlichste, der Altar, wird nicht ^zugefügt*; der οΤκος ist ohne ihn gar nicht denkbar. Die Inschrift kann ausser von dem Hause der Aphaia von allen Theilcn des Te- menos berichten, in dem sie aufgestellt war: es wurde dem vor- handenen Altar der Artemis ein zweiter beigesellt. Da der Aus-

^ Unter den sehr wenigen Weihinschriften von Aegina gilt eine neben Zeus und Athena der Artemis (LeBae, Voyage II 1G83).

^ üeber die Bedeutung der Athena im Giebel vergleiche man die schönen Ausführungen Furtwänglers, Beschreibung der Glyptothek S. 156 f.

15β Fränkel Die Inschrift der Aphaia aus Aegina

druck auf die Kapelle der Aphaia nicht passt, ist er eine Be- stätigung, dass sie nicht allein stand. Unter ό έλέφας versteht Furtwängler das elfenbeinerne Cultbild der Aphaia, für das aber so wenig wie für ihren Altar das Verbnm angemessen wäre ; das richtige Wort wäre Ιδρύθη. Aber wo hat 6 έλέφας diese Be- deutung? Es ist als ^ der Elfenbeinschmuck' aufzufassen; auch zu diesem stimmt ποτβποιήθη nicht, wenn er an dem neuen οίκος gleich bei dessen Bau angebracht worden wäre. Also wird auch er dem schon bestehenden Tempel hinzugefügt worden sein, wohl seiner Thür, wie die Thür des Asklepiostempels von Epi- dauros nach Zeile 65 der Bauinschrift reich mit Elfenbein ge- schmückt war. Der περίβολος hat natürlich den ganzen Bezirk umschlossen: unsere Inschrift giebt Kunde von seiner Ausge- staltung, in der die Kapelle der Aphaia nur ein Glied war.

M. Fränkel.

MISCELLEN

Zam I. Strassbnrger Arehiloehos-Fra^ente

R. Reitzenstein, Zwei nene Fragmente der Epoden des Ar- obilochoe, Berl. Sitzgeber. 1899 S. 857 ff. las in dem I. Frag- mente, das die Verwünflchung eines eidbrüchigen Freundes ent- hält und von Hör. Epod. 10 frei nachgeahmt ist, in Zeile 3 €u- φρον€(Τ . . . und ergänzte dieses mit H. Diels zu €ύφρονέ(ΐ[τατα]. Der kalte Hohn dieser Litotes passt recht gut zum scharfen Grundtone des Gedichtes, wirkt aber nach meinem Gefühle nicht mehr recht, nachdem schon γυμνόν vorausgegangen ist. F. Blase, der die Papyrusbruchstücke selber studiren konnte, sah bloss €u• Φρον[ . . und ergänzte dies im Rhein. Mus. 55 (1900) »S. 343 zu γυμνόν €ύφρόν[ιυν βροτών]. Diese Ergänzung trifft schwer- lich das Richtige. Der Ausdruck ist viel zu matt für dieses Ge- dicht. Der Sinn von γυμνόν wird durch den dazugesetzten Ge- netiv abgeschwächt; der Schiffbrüchige strandet ^nackt', nicht "^der Hilfe wohlwollender Sterblichen bar'. Aehnliche Einwände erhob gegen den Vorschlag von Blass auch neulich Am. Hauvette, Revue des 6tud. grecq. 14 (1901) S. 73, ohne jedoch selber eine Ergänzung der Stelle zu wagen.

In €ύφρον . . . ist, wenn ich mich nicht täusche, ein das Grässliche der Situation noch steigender Ausdruck zu suchen, dieser aber dürfte €ύφρ6ν[ης (Τκότψ] oder σκότει sein. Ich ver- mag freilich die Verbindung βύφρόνης (Τκότος nicht zu belegen, ßnde sie aber durchaus unanstössig. Dass bei εύφρόνη früh jede Erinnerung an den Grundbegriff der milden, freundlichen Nacht oder gar der Freude (ευφροσύνη) verschwunden ist, zeigt schon Hesiods μακραι γαρ έπίρροθοι εύφρόναι είσίν (W. u. Τ. ^60 : vgl. Goettling zu Vs. 524). Wollte trotzdem jemand in unserer Stelle diese Grundbedeutung noch durchschimmern sehen, so wurde, mein' ich, gerade das Oxymoron, der innere Gegensatz der Begriffe εύφρόνη und σκότος, aufs Beste zum Stilcharakter dieser Verse des Archilochos passen.

Paläograpbisoh steht, wenigstens bei der Lesung von Blass, der von mir vorgeschlagenen Ergänzung nichts im Wege. Da ich in dem Facsimile bei Reitzenstein weder ec noch iu zu er- kennen vermag, so wage ich auch nicht, mit irgend welcher

168 Miscellen

Sicherheit zu behaupten, daRS, wie mir allerdinge wahrscheinlicli i8t, über dem ο von €υφρον der Eest eines Accentes sichtbar eei. Ist das der Fall, so ist €ύφρον€σ[τατα] unrichtig, während die Ergänzung €ύφρόν[ης (Τκότψ] an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Wenn Keitzenstein Zeile 2 des gleichen Bruchstückes πλα• εόμενος richtig gelesen hat Blass erklärt, das Sigma nicht zu erkennen so scheint mir hinter diesem Worte ein Punkt angemesen. Mit Vers 3 beginnt ein neuer Satz, der, durch die Parenthese ^νθα ττόλλ' όναπλήσει κακά Ι bouXiov δρτον fbujv unterbrochen, mit ^ίγει π€πηγότ' αυτόν seinen Abschluss findet. Ist das wirklich so "^ungeheuer hart', wie Blass aaO. S. 344 be- hauptet? Ist etwa die Verbindung von V. 12 ταυτ' έθέλοιμ' δν ibeiv mit V. 13 δς μ' ήδίκησε, λάζ b' έφ' όρκίοις ίβη nicht auch hart? Die Härte der Construction darf in einem Gedichte, wie dem vorliegenden, nicht Anstoss erregen. Uebrigens ist dae Nachhinken von ^ίγει πεπηγότ' αυτόν durch die Epanalepsis von αυτόν gemildert, während dieses αυτόν, wenn es auf ein ihm näher stehendes Yerbum als Xaßotev bezogen werden müsste, geradezu lästig wäre.

Frauenfeld (Schweiz). Otto Schulthese.

Dionyg de Lysia p. 32, 12 (p. 496 R.)

Dass der Guelferbytanus und die mit ihm verwandten inter- polirten Handschriften (interpolirt nenne ich sie auch noch, nach- dem Blass ^ das Gegentheil behauptet hat) im iudicium de Lysia gelegentlich einen Text bieten, der auf den ersten Blick sich als ganz vortrefflich empfiehlt, aber trotzdem im Widerspruch zu dem durchgehenden Sprachgebrauch des Autors steht, habe ich Fleck. Jahrb. 1895 S. 243 ff. an zwei Beispielen deutlich zu machen versucht. Die Sache ist ja doch auch für die Kritik der bei Dionys erhaltenen Lysiasreden von prinzipieller Bedeutung. Des- halb füge ich hier einen neuen Beleg hinzu, weil sich durch ihn auch Thalheim in seiner jüngst erschienenen Lysiasausgabe hat täuschen lassen. S. 496 R nämlich bieten sowohl der Floren- tinus als der Ambrosianus mit seiner Sippe: τήν iUiaöiv όπό τών ύπ' εκείνου γραφεντιυν ποιήσομαι, eine Lesung, die selbst- verständlich unmöglich ist. Im Guelferbytanus nebst Verwandten dagegen steht την έΗέτασιν άπό τών ύττ' εκείνου γραφιέντων ποιή- (Τομαι; das scheint einleuchtend, und so haben denn alle früheren Herausgeber und neuerdings wieder Thalheim geschrieben. Aber der feststehende Brauch fordert die Verwandlung von ύπό in έττί, wie ich hergestellt hatte. Wenn irgend ein Schriftsteller, 80 hat Dionys seine stehenden Redensarten; schon die Zusammen- stellungen von Sadoe könnten dies jedermann veranschaulichen*.

1 Vgl. jetzt auch Fuhr, G. G. A. 1901 S. 105.

* De Dionysii Ual. scriptis rhetoriois p. 261 (177) sq.

Miscellen 159

Also zB. de Dem. p. 976 πάρεστι τφ βουλομένψ σκοπεΐν έπ' αυτών ποιουμίνψ τών παραδειγμάτων την έ^έτασιν, ρ. 1001 τήν άκριβεστάτην βάσανον έπι τών ομοίων ίργων λαβουσαι {άηο sollte man hier doch wahrhaftig eher erwarten), p. 1008 πάρεστι τφ βουλομένψ σκοπεΐν έπι τής άρτίως παρατεθείσης λ^εως ποιουμένω την έΗέτασιν vgl. de Isaeo ρ. 592. άπό findet eich in dom Zusammenhang überhaupt meines Wissens nirgendwo, wohl aber έπί noch als das gewöhnliche in ähnlichen Verbindungen: vgl. έπι τών παραδειγμάτων σαφές τι ποιεϊν de Dem. 1118, ίσται δέ τοΟτο φανερόν έπι τών παραδειγμά- των de comp. ρ. 86, άπεδείκνυον έπι τών παραδειγμάτων ebd. ρ. 180, άπαντα έπεΗιέναι έπι τών παραδειγμάτων ebd. ρ. 170, έρώ δ' έπι παραδείγματος ebd. ρ. 46, ει τις αυτό έπι παραδείγματος ϊδοι de comp. ρ. 44, σκοπεΐν έπι παραδειγμάτων ebd. ρ. 181 ^

Bonn. L. Badermaoher.

Zu Pseado-Sallnete lavectiva

Die Invective oder richtiger Replik Psendo-Sallusts gegen Cicero haben im Jahre 1898 gleichzeitig und unabhängig von einander H. Wirz in den 'Festgaben zu Ehren Max Büdingers' S. 89 116 und R. Reitzenstein im Hermes XXXIII S. 87—101 mit einem Anhang von E. Schwartz S. 101 108 sehr eingehend bebandelt. Wesentliche üebereinstimmung herrscht in den bei- derseitigen Besprechungen darin, dass die Invective nicht von demselben Verfasser herrühren kann, wie die angebliche Replik Ciceros die eigentlich eine Duplik sein sollte , und dass die Invective sich in das Jahr 54 v. Chr. stellt, während die 'Responsio diese Zeitgrenze nicht einhält und überhaupt auf viel spätere Abfassung hinweist, wie ja auch nur für oallust* die Bezeugung Quintilians vorliegt. Während aber Reitzenstein und Schwartz in lebhafter Ausführung das Pamphlet nun wirklich in das Jahr 54 setzen, ja Schwartz sich und Anderen einreden möchte, dass es von L. Piso herrühre, hat sich Wirz von solchen hitzi-

^ Noch an einer anderen Stelle hat Thalheim gegen den Sprach- gebrauch des Dionys Verstössen, indem er p. 483 R (S. 23, 22 unserer Aasg.) mit den Aelteren καΐ δή καΐ τόν Λυσίαν έν τούτοις καταριθμείται schrieb. Wenn ich aus überlieferten καταριθμεί καΐ vielmehr κατηρίθ- μηκ€ gemacht hatte die Aenderung ist an sich wohl nicht weniger leicht; ein itacistiecber Fehler), so leitete mich hierbei nicht der Wunsch, etwas anderes zu drucken, als meine Vorgänger gedruckt hatten, son- dern vielmehr die Beobachtung, dass Dionys und Diodor zwischen καταριθμεΐσθα{ τι und καταριθμείν τίνα iy τισι scharf unterscheiden; damit war für unsere Stelle die Richtschnur der Behandlung gegeben (vgl. Rhein. Mus. 1896 S. 475, wo die Beispiele stehen). Das plötzliche Eintreten des Perfekts nach vorhergehendem Präsens hat bei Dionys kein Bedenken; so de Din. p. 640 R: προοιμιά^εται γάρ όμο(ως έκε(νφ καΐ 6ι' δλου τοΟ λόγου παραπλήσιος μεμένηκε.

160 Miscellen

gen üebertreibungen und sensationellen Aaf stellangen frei gehalten und das Produkt mit Recht auf eine Linie gestellt mit des Psendo* Antonius und Pseudo-Catilina Heden 'in toga Candida , von deren Abfassung durch Ciceros 'obtrectatores' wir bei Asconiue lesen (während Quintiiian die erstere, wie unser ^Sallustianum^, fSr echt gebalten zu haben scheint), und mit ähnlichen Apokryphen^. Dass die alten Khetoren und Rhetorschüier, wie die Historiker, solche für bestimmte Personen und Situationen fingierte Reden übten und verübten, ist ja bekannt genug: und so gewiss ihnen dabei oft und leicht Anachronismen begegneten, so heisst es doch nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die vielfach vorliegende Thatsächlichkeit besser in die Zeit eingepasster Erzeugnisse arg verkennen, wenn man sich gleich zu solchen Schlüssen versteigt, wie die beiden Strassburger Collegen. Vollende die Schwarte* sohe Hypothese ist geradezu unbegreiflich und unmöglich ^ Wenn er sich dHfür auf die Bezeugung einer Pisonischen Schmähschrift durch Cicero selbst beruft, so spricht ja gerade dieses Zeugniss auf das Klarste gegen seine Ansicht: denn da ist die Rede ganz deutlich von einer Schrift unter Piso^s Namen. Nun verstehen wir nach dem^ was Wirz noch besser als Reitzenstein bemerkt und belegt hat, sehr wohl, wie die Maske Sallusts, und eben auch in jener Zeitgrenze, zu der Invective benutzt werden konnte: wie aber Jemand die noch viel verständlichere und hervortreten- dere Rolle des Piso dem Sallust hätte unterschieben sollen, das ist doch mehr als dunkel und unklar. Was aber im Einzelnen noch zur Unterstützung der Annahme dieser Autorschaft vorge- bracht oder vielmehr mühsam zusammengesucht wird, das ist so fadenscheinig und schleierhaft, dase der scharfsinnige Urheber der Meinung sie vielleicht schon jetzt selber nicht mehr ernsthaft nimmt. Jedenfalls lohnt es nicht gegen diese Windmühlen zu kämpfen : wohl aber erscheint es angezeigt eine einzelne Stelle zu besprechen, bei der Reitzenstein und Schwartz gänzlich in die Irre gegangen sind, während Wirz sie zwar richtig beurtheilt, aber nicht richtig behandelt hat.

Bei den Worten quo iure cum de exilw tuo Dyrrachio re- distif eum insequeris hat Reitzenstein p. 88, 3 mit Recht die Ver- suche älterer Herausgeber und Jordans, sowie Eussners Conjectur abgewiesen und sich mit Vogel für hisequeris (nicht sequerü) ent-

^ Die sehr problematischen Versuche von Wir«, Benatzung der Briefe Ciceros uä. nachzuweisen, lassen wir auf sich beruhn. Die lieber- einstimmuDgen sind keineswegs so schlagend und die Lückenhaftigkeit unserer Kenntniss, gerade was die damalige Tageslitteratur betrilTt, ist kaum in Anschlag gebracht.

^ Als 'unwahrscheinlich' hat sie gleich Schanz in der zweiten Auflage seiner Litteraturgeschichte bezeichnet. Auch Peter in den Ab- handlungen der Kgl. Sachs Ges. d. W. XXI, 1901, 3 S. 175, 1 deutet seine Skepsis gegenüber den neuen Ofl'enbarungen an. Dagegen haben Schlee (im Jahresbericht) und Maurenbrecher (in der Anzeige von Wins) sich beifällig geäussert.

MiBoellen 161

echieden, folgert aber plötzlich und unvermittelt ^e ο m i t (?) iet die Annahme einer Lücke unvermeidlich' und ergänzt: (qui cum capitis periculo amnes pro te lahores exanclavit) oder (qui pro te capitis periculum suhiÜ^) quo iurCy cum de exilio tuo Dyrrachio redisti, cum insequeris? Er denkt dabei an Horteueius (vgl. pro Mil. 37), wenn auch natürlich alles unsicher sei. Man braucht diese Periode bloss im Zusammenhang der Sätze bei Reitzeustein selber zu lesen, um sofort zu fühlen, dass sie aus der Umgebung volietändig herausfällt und stilwidrig ist.

Schwartz aber meint S. 105: die Erwähnung? des gewöhn- lichen und üblichen Hafens für die Ueberfahrt nach Italien Hesse sich zwar allenfalls daraus erklären, dass Cicero die letzten sieben Monate seines Exils in Dyrrachium zubrachte, er möchte sie aber doch in eine eigenthümliche Beleuchtung rücken durch den Gegen- eatz zwischen dem verbannten Consnlaren und dem Proconsul Makedoniens, der von demselben Hafen aus zurückgekehrt war, und dem Cicero gerade die schmähliche Abreise von Dyrrachium bei Nacht und Nebel vorgerückt hatte (in Pis. 93), aber auch er muss das für unsicher erklären, weil der Zusammenhang, in dem der Satz stehe, wegen der schweren Verderbniss wohl immer un- klar bleiben werde.

Nun, die Erwähnung von Dyrrachium ist nicht nur durch die sieben Monate, sondern vor Allem durch das, was Cicero pro Plancio 97 f. und anderwärts sagt, hinlänglich gerechtfertigt: und gewiss hat Wirz ohne zureichenden Anlass und ohne Wahr- scheinlichkeit Byrrachio als Glossem eingeklammert. Eine Be- ziehung aber, wie sie Schwartz hineinlegen möcl^te, ist nicht nur unsicher, sondern ganz unannehmbar selbst abgesehen von dem Ungrund seiner ganzen Hypothese , weil auch etwas der- artiges aus dem Charakter und Zusammenhang der ganzen Partie vollständig herausfallen, durchaus stilwidrig sein würde.

Wie Reitzeustein an Hortensius denken konnte, ist trotz pro. Mil. 37 unerfindlich: mit Recht sagt Wirz p. 107 es 'liege auf der Hand' die Worte auf das Verhältniss von Cicero zu Porapejns zu beziehen und mit Recht hat er es nicht für nöthig gehalten dafür die bekannten Zeugnisse, wie pro Sestio 74. 104; in Pis. 35. 80 ; pro Mil. 39, anzuführen. Wenn aber Wirz für quo iure cum schreibt quo auctore, so ist diese Aenderung zunächst äns- serlicb ohne jede Probabiiität; sodann aber verstehen wir auch nicht, wie in dieser Form sich der Satz anscbliessen kann an die Worte cui in civitaie insidias fecisti, anciU^xris^^ die doch eben-

* cuiua tu ϋϋαε insidias fecisti^ (ei) ancülaris schreibt Wirz, während Reitzenstein in dem überlieferten in civitate einen eigenthüm- Hchen Ausdruck für *im Frieden* sehen möchte, der zugleich die Worte de exilio vorbereiten und verschärfen solle. Das letztere ist, auch abgesehen von der gleich in Frage zu stellenden Folge der Worte in ciOÜate de exilio, kaum recht verständlich ; das erstere ist nicht nur 'eigenthümlich', sondern höchst künstlich: und an diese Klauberei zu

fUi^in. Mus. f. Phllol. N. F. LVII. 11

162 Miscellen

falls ohne Weiteres und ohne Zweifel auf denselben Pompejue drehen. Das war wohl auch der Grund, weshalb Reitzenetein von der einfachen und wahren Erklärung der Stelle quo iure etc. abirrte. Diese scheinbare Schwierigkeit findet aber die schnellste Lösung und zugleich gewinnt die Frage der Herstellung des Sinnes in jener Stelle eine entschiedene Forderung, wenn wir wenige Zeilen später lesen : quem maxime odisti^ ei maxime oh- sequeris. Dass die fraglichen Worte im Gegensatz zu diesen stehen, also auch wirklich zu ihnen zu stellen sind, indem wegen der gleichen Form insequeris nach ohsequeris der erste Satz aus- gelassen und dann vom Hand an falscher Stelle nachgetragen wurde, das schlägt doch in die Augen und ist um so sicherer, als nicht nur die Formen quem ei öbsequeris und quo (?) eum insequeris sich vollkommen entsprechen, sondern auch die Verba odisti und redisti an einander anklingen (wie unmittelbar vorher laedis^ laudas). Damit ist aber auch schon nahe gelegt, dass dem quem ei in der Umkehr cui eum entsprach^ und dass zu iure der dem odisti entsprechende Gegenbegriff aus dem sinnlosen cum zu gewinnen ist: ich denke intumus (iTum* liegt ja bis auf ein paar Striche in cum) oder ein Synonymum, das beim Nachtrag der Stelle am Rand verstümmelt wurde*. Wir lesen also: quae tibi partes rei puhUcae placent? quetn amicumj quem inimicum hohes ? cui in civitate (? inciviWer ?) insidias feci- sti, anciliar is; quos tyrannos appdlabas, eorum potent iae faves; qui tibi ante optimcUes videbantur, eosdem nunc dementes ac fariosos vocas; Vatinii causam agis^ de Sesfio male existimas; Bibulum petuJantissimis verbis laedis^ laudas Caesarem; quem maxime odi- sti, ei maxime öbsequeris : cui iure intumus (?) de exilio tuo Dyr- rachio redisti^ eum insequeris; aliud sfans, aliud sedens de rt publica sentis; his male diciSt illos odisti, lenissime transfuga, nt- que in hac neque in illa parte fidem habens ! Ich denke die Ver- besserung durch die Umstellung macht sich an beiden Stellen gleichmässig geltend, und wir dürfen im Gegensatz zu Schwartz sagen, dass wir, wenn auch nicht den ursprünglichen Wortlaut,

glauben mag noch weiter hindern, dass in hac civitate unmittelbar vor- hergeht. Ungern möchte man aber so stark eingreifen, wie Wirz thut, und cui ändern, um dann ei einschieben zu müssen. Vielleicht st-eckt in incivitate ein Adverbiuin, wie incogitate oder inciviliter.

^ cui statt quo, niclit quoi, was äuBserlich, vollende vor iure, näher läge, da auf solche Kelativformeu in der Ueberiieferung dieses Stückes nichts hinweist und cui iure auch ohnedies, vollends nach der Verstüm- melung des nächstfolgenden Wortes, leicht zu quo iure werden konnte.

^ Passend wäre cui iure addictus, so dass cum aus dem Reste auf nach Ausfall von addi enstanden wäre. Darauf könnte in der re- sponsio Cicero's hinweisen 4,11: non enim uni privatim ancillatus sum neque mc addixi, und wenn diese Beziehung vorläge, so würde sie dafür sprechen, dass schon dem Verfasser der responsio (Didius?) die beiden Sätze cui oncillaris und cui iure addictus insequeris neben- einander vor Augen standen, sei es bloss wegen der gleichen Beziehung, sei es wegen der schon eingetretenen Verstellung.

MiBcellen 163

βο doch den SiDn und ZueammeDhang des hier ausführlich be- sprochenen Satzes trotz der Verderbniss sicher und klar erfassen können. Auch die Wiederholung von {illos) odisti nach {mcutime) odisti fällt bei unserer Wiederherstellung kaum mehr unangenehm auf: und schwerlich werden wir mit Wirz illos adularis oder et- was ähnliches dafür einzusetzen veranlasst und berechtigt sein.

Aber auch dass wir die von Reitzenstein und Schwartz be- hauptete Lückenhaftigkeit in diesem Falle anzuerkennen weder genöthigt noch auch nur im Stande waren, hat noch weitere Be- deutung. Denn auch anderwärts^ beruht die Annahme von Ver- lusten, die Bezeichnung unseres Stückes als Fragment oder £x- cerpt nur darauf, dass das Vorliegende den Ansprüchen, Vor- stellungen und Behauptungen in jener phantasiereichen Doppel- behandlung des Hermes nicht entspricht. Reitzenstein sagt uA. S. 93 f., dass den Namen Sallust die Invektive erst erhalten konnte, als dieser Theil oder diese Theile aus einer grösseren Rede ausgelöst und isolirt waren, dass der Schlusssatz wohl einen Theil, nicht eine vollständige Rede beenden könne, es sei Urumöglich, dass eine Rede, welche sich selbst als Antwort gibt *und den Redenden in Gefahr zeigt' (?), keinerlei Vertheidigung, kein Eingehen auf die Anschuldigungen des Geg- ners enthalte. In vollster Uebereinstimmung sagt Schwartz uA. S. 103: 'nur die Invektive ist erhalten, die Vertheidigung ist verloren* und zieht daraus weitere Schlüsse.

Allein die Eingangsworte stellen ja mit der wünschenswer- thesten Deutlichkeit fest, dass der Autor lediglich auf Cicero'« maledicta mit maledicta erwidern will: nur um 'persönliche Be- merkungen', nicht um eine wirkliche Debatte handelt es sich in diesem angeblichen Auszug aus einer höchst unparlamentarischen parlamentarischen Verhandlung des Senats aus der Zeit Cicero's und Sallusts. Wer also hier neben dem ψόγος die άττολογία vermipst und für notbwendig verloren hält, der verlässt das Ge- biet nicht nur der Interpretation, sondern auch der berechtigten Divination.

Heidelberg. Fritz Scholl.

Die Verse des 'Vallegios' iD der Vita TereDtii

Üeber den Namen des Dichters der drei Verse, welche Donat in dem Anctarium zu Suetons Vita Terentii anführt, ist man im Unklaren und wird man ohne unerwartete Hilfe wohl immer im Unklaren bleiben: denn die äusserlich naheliegenden Aenderungen Val[lejgius und Vagellius empfehlen sich sachlich

* Wenn Reitzenstein S. 94, 1 schon vor ubi querar und dann wieder vor verum ut opinor einen grösseren Ausfall *zu empfinden meint*, so läset sich über solche EmpBndimgen natürlich nicht streiten: wer sie nicht theilt uhne freilich darum das Ganze loben zu wollen , der wird für minder feinfühlig gelten müssen!

164 MisccUen

keineswegs und die sachlich empfehlenswertheren Valerius oder Volcacius hahen kaum äussere Wahrscheinliohkeit.

Dem gegenüber herrscht über den Wortlaut ziemliche Ue- bereinstimmung. Aus dem tiberlieferten (Scipionis fabulas edi- disse Terentium Vallegius in actione aU) hae quae vocantur fabu- lae cuiae sunt non hos qui iura populis retentibus (oder recensen- Uhus) dabal summo honore affecius fecU fabiUas hat Ritsciil nacb verschiedenen Anläufen hergestellt (den Eingang mit Windisch- mann und Fleckeisen):

Tuae, Terenti, quae vocantur fabulae Cuiae sunt ? non has iura qui populis dabat Summo ille honore affectus fecit fabulae? und diese Fassung haben uA. Dziatzko und Fleckeisen in ihre Terenzausgaben, Wesener in seine im Druck befindliche Donat- ausgabe aufgenommen ^.

Dass aber in drei Senaren eine Buchstabenänderung, zwei Einschiebungen die eine mit zweifelhaftem Anhalt an einer anderen Stelle ~, eine 'Streichung und eine Umstellung vorge- nommen sind, kann gewiss nicht das Gefühl der Sicherheit oder auch nur der Wahrscheinlichkeit geben, wenn auch eine derartige Yerderbniss nicht geradezu unmöglich genannt werden kann.

In diesem Fall kommen wir aber bei genauerem Zusehen auf eine einzige ganz sichere Yerderbniss, für die allerdinge eine einigermassen sichere Heilung kaum zu finden sein wird : im Uebrigen lassen sich durch richtigere Auffassung der Ueberliefe• rung Aenderungen vermeiden.

Um mit dem nächstliegenden zu beginnen, so zeigt der zweite Vers einen entschiedenen Ueberschues, während der dritte einen Defekt, nicht im Sinne, sondern im Metrum aufweist. Da- raus wird einfach zu schliessen sein, dass dabat nicht ans Ende des zweiten, sondern an den Anfang des dritten Verses gehört und durch

Dabat, summo honore affectus fecit f&bulas

jeder Anstoss und jede Aenderung zu vermeiden ist. Wir haben genau den gleichen Fall, wie bei der Grabschrift des Pacuvins, in der man den ersten Vers bis vor Kurzem mit rogat schloes und dadurch vorher und nachher zu Einrenkungen genöthigt war, während die vor einigen Jahren ans Licht gekommene in-

1 Vgl. Ritechl Opusc. III p. 214. 268-274. Etwas abgewichen ist Spengel in seiner Andriaausgabe p. V, indem er im letzten Vers die alte Umstellung des Erasmus Honore summo vorzieht, im ersten Hae läset und am Ende Terenttae zusetzt. Viel schonender ist diese Behandlung auch nicht, und er hätte wenigstens ( TerefUia)nae q. v. f. mit Barth schreiben sollen. Schanz aber in seiner Litteraturgeschichte I*p. 118 f. benutzt den rein conjecturalen Vocativ Terenti in der obi- gen Fassung zu weiteren Folgerungen, Siehe unten. Anders, aber nicht gelinder und nicht ohne gröberen Fehler, hat Bährens FPR. p. 280 die Verse gestaltet.

Miecellen 165

ecbrift liehe Parallele bewies, dase rogott zum folgenden Vere ge- hörte und nur vorher eine leichte Nachbesserung zu treffen war.

Aber auch im ersten Vers hilft eine ganz ähnliche Mass- nahme über iuae ( Terenti) statt hae oder ähnliche Gewaltmase- regeln hinweg. Allgemein hat man in den nach Vallegius fol- genden Worten in actione ait den Titel des Gedichtes gesucht und dafür eine ganze Reihe von Besserungsvorschlägen ohne jede Wahrscheinlichkeit ausgesonnen oder so künstliche Erklärungen, wie Schanz (s. o. Anm.), der aus dem gar nicht überlieferten Terenti auf die Form der (Gerichts)verhandlung = Actio schloss. Schreiben wir aber was doch gar keine wirkliche Aenderung ist in actioneim), so ergibt sich sofort, dass diese Worte nicht den Titel, sondern den Anfang des Citates vor dem eingescho- benen ait enthalten, und Scipionis Vallegius zusammengehört mit dem vorhergehenden: nam duos Terentios poetas fuisse scribU Maecius,

In iotionem hae quao vocantur fdbulae gibt einen untadeligen Vers und Sinn: die Redensart in actionem vocare stellt sich zu den bekannten in iiis, in iudiciumy in rostra, in certamina vocare uäm. und es wird in höchst passender Weise die Frage als eine Verhandlung über litterarisches Eigenthum bezeichnet, was aus ^Aotio* als Titel weder ohne Weiteres zu entnehmen war, noch eine glaubliche Vorstellung für ein ganzes litterarhistorisches Gedicht erwecken kann.

So bleibt nur die wirkliche und schwere Corruptel des mittleren Verses :

Guiae sunt? non has qui iura populis retentibus (recen-

sentibus). Ist die überlieferte Stellung qui iura richtig, so muss auf iura ein vocalisch anlautendes Wort gefolgt sein: man könnte denken an amplis^ so dass nach Wegfall des ü nach (iur)a aus plis ge- lesen wurde populis und dann aus gentibus entstanden wäre re- gentibus mit weiteren Corruptelen; oder es könnte poplis den Vers geschlossen haben und davor ein Adjektiv von der Messung optdeniis aus dem folgenden sinnlosen retentibus zu suchen sein. Auch qui iura opsirepentibus Dabat wäre denkbar. Stellt man dagegen mit Ritsohl iura qui um, so könnte populis bleiben und

entibua dazu am Schluss etwa recens treten, aus recens die Ueberlieferung der Handschriften erklärt werden. Das alles sind nun freilich vage Möglichkeiten oder kritische Spielereien ; in dessen dieses Kreuz ist ja auch bisher nur durch einen Gewaltakt entfernt worden : und wenn auch Andere mit uns nur hier hängen bleiben sollten, so wäre immerhin schon Erkleckliches gewonnen.

Heidelberg. Fritz Scholl.

16β Misoellen

Ζα Ammianati MareelliDve

Ammianus Marc. 30, 5 § 19: Valentinian kann sein Pferd nicht besteigen, da es sich bäarat ; der jähzornige Kaiser befiehlt daher, seinem Stallmeister die rechte Hand abzuhauen. Die Worte lauten: (Valentinianus) Sit erat inmanis, dexteram stratoris militis iussit abscidi, quae eum insilientem iumento pulsercU con- sueiu: perissetqoe cruciabiliter innocens iuvenis, ni tribunus eta- buli Cerealis dirum nefas cum sui periculu di8tuli8set\ So ist überliefert. Statt 'pulserat' hat Gardthausen mit C. F. W. Müller 'pulsaraf eingesetzt; das folgende Wort war früher in der (sonst nicht vorkommenden) Form 'consueto* beibehalten worden, während Gardthausen dafür Kiessling's Vermuthung 'inconsulto aufgenom- men hat. Keine dieser Aenderungen ist befriedigend. Hätte der Strator den Kaiser geschlagen, gepufft*, wenn auch *obne Vor- bedacht* (der Zusatz* wie gewöhnlich* ist natürlich ganz unzulässig), so wäre er nicht innocens gewesen. Ohnehin entfernt sieb die Aenderung 'inconsulto' recht weit von der Ueberlieferung. Der Kelativsatz braucht aber den Zornausbruch Valentinian*8 gar nicht zu begründen. Charakteristisch für diesen Kaiser ist gerade, dass er gegen den Stallmeister trotz dessen Unschuld wüthet Es ist zu lesen fulserat consuete. Steigbügel hatte man damals nicht; um so mehr war es üblich, dass man beim Auf- steigen sich von Jemand mit untergehaltener Hand auf das Pferd hinaufhelfen liess ; vgl. zB. 22, 1 ii 2 *milite, qui se (Inliannm) insessurum equo dextra manu erexit*. Dies hatte der Stall- meister wie gewöhnlich (consuete), so auch iu diesem Falle ge- than. Das Adverbinm * consuete' braucht Ammian auch 23, 2 § 8.

Heidelberg. Karl Zangemeister.

Zu dem sogenaDnteii Lactantiui Placidus

Bd. LVl S. 346 A. 2 möchte R. Helm seine Vermuthung über Ovid met. 762 durch den Kommentator '[^aotantius Placidus' stützen, *si oertum esset libri VO fabulam XXVUI ab eo Rcrip- tam esse. Aber die ganze Partie von den Worten Cephälus autem amoris inpcUientia (fab. XX VU) bis zum Schluss von XXVUI hat gar keine handschriftliche Gewähr: die Ueberlieferung so- wohl in Μ als auch in dem stark interpolirten N(eapol.) endigt in XXVH mit altis (aliis N) se recondidü (recondit N) saltibus und hebt erst wieder in XXIX mit Hie etim assidue Dianae studio feras persequereiur an. Das fragliche Zwischenstück ist, wie schon Muncker bemerkt hat, von Rainerius interpolirt. Auf den Namen Lactantius Placidus, den die gute Ueberlieferung nicht kennt, wird man verzichten müssen.

Stettin. Georg Knaaok.

Misccllen 167

Zu Ayianas

Die Fabeln Avians hat Lachmann ins Zeitalter der Antonine hinanfrücken wollen, was lieut wohl nllgemein aufgegeben ist. Aber schon die Vorrede für sich allein würde genügen, Lach- manns Datirung zu widerlegen. Sie zeigt accentuirten Satz- echluss^, ist also frühestens aus der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts. Freilich muss man sie nehmen, wie sie in den Hse. überliefert ist; die Kritiker haben ihr übel mitgespielt. Man betrachte nur den Anfang:

Duhitanfi mihi, Theodosi optirMj quonam lifferarum fitulo

nostri nominis memoriam mandaremuSy fabularum tcxtus

occurrii, quod in fiis urbane concepta falsitas deceat et

non incumbat necissitas veritatis. nam guis tecum de ora-

Hone, quis de poemate Joqueretur, cum in utroque littera-

rum genere et Atticos graeca erudiiione superes et lati'

nifäte Romanos.

Hier hat Lachmann gleich den ersten Satzschlass zerstört:

er fand in seiner ältesten Hs. den Singular mandarem^ der zu

dubitanti mihi zu passen schien, und bezog noster^ das sich nicht

wegschaffen liess, wohl auf den Verfasser und den Adressaten

zusammen : quonam litierarum tiiulo nostra nomina memoriae man-

darem. Aber nachher heisst es ja huius ergo matericte ducem

nobis Aesopum noveris und fecimus, und dazwischen sum conatus,

so dass man sieht, Avian wollte abwechseln, und dass er hier

den Plural wählte, geschah gerade um des Cursus willen.

^ Wilhelm Meyers weittragende Entdeckungen (Ooettinger ge- lehrte Anzeigen 1893 S. 1 ff) sind zwar durch Nordens antike Kunst- prosa in weiteren Kreisen bekannt geworden ; aber die Beachtung, die ihnen gebührt, haben sie noch immer nicht gefunden. Was wir zu- nächst brauchen, sind Einzel Untersuchungen spätlateinischer Prosaiker; und hier wird 4er Satzsohluss in allen Fragen der litterarischen wie der Textkritik ein entscheidendes Wort mitzusprechen haben. Bisher ist wenig in dieser Richtung geschehen. Gelegentlich haben Traube im Cassiodor und ich in den Nachträgen zu Holdere Eulogius den Satz• scbluss verwerthet; ebenso für Fragen der mittelalterlichen Litteratur ich mehrfach: über die Satzschlüsse der Vita Bennonis (Ezcurs zu Soheffer-Boichorst's Abhandlung, Berliner Sitzungsber. 1901, S. 163 ff.), über die Translatio ss. .Mexandri papae et lustini prespiteri (Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschiohtskunde XXVI 751 ff.X die vier Papstbriefe in der Briefsammlung der h. Hildegard (Neues Archiv XXVII 237 ff.). 6 μέν θ€ρισμός πολύς, ol δέ έργάται 6λ(τοι. Soeben erscheinen Fragmenta Burana, herausf^egeben von W. Meyer, in der Festschrift zur Feier des l.^Oj ährigen Bestehens der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 1901. Aus der Fülle seiner Untersuchungen, die allen Seiten der mittellateinischen Philologie reichsten Gewinn bringen, sind hier zu nennen die Ab- schnitte über den quantitireuden rhythmischen Schluss der lateinischen Prosa (S. 154), den accentuirten rhythmischen Schluss (S. 155) und den Nutzen der Kenntniss des rhythmischen Schlusses (S 163), nebst den Ausgaben einzelner Proben aus dem i^uerolus (S 153), Cyprian de mor- talitate (S. 155) und Dantes Schreiben gegen die Florentiner (S. 15t>).

188 Misoellen

Nicht besser ist es der dritten Pauße ergangen. Ee ist völlig gewiss, daes hier falsitas und veriias auf einander berechnet sind. Lachmann aber glaubte den Gegensatz noch schärfer faesen zu sollen : zu falsUas, meinte er, gehöre necessifas, und dem Be- griff des urbane conceptum entspreche die severitas] also necessUa scveritatis. Daran hat dann Bahrens mit einer seiner graphisch aber auch nur graphisch, bestechenden Aenderungen angekn und nun aunh die falsitas beseitigt, die durch salsitas ersetzt^' werden soll. Aber man darf doch billig fragen, was denn a: der rhythmisch tadellosen Ueberlieferung auszusetzen ist: di Fabel erfordert nicht die strenge Folgerichtigkeit der Wirklichkeit sondern ihr Gebiet i^t anmuthige Erfindung; wie falsitdtö un verifas, so entsprechen sich urbane con^epia und necessitas.

Auch die vierte Pause ist der Kritik zum Opfer gefallen aus loqueretur^ das Avian gerade dem Cursus zu Liebe gesetz* haben wird, wenn auch Worte dieser Quantität im Cursus velor selten sind, hat Bährens contendet^ EUis loquetur machen wolle:

Alle diese Conjecturen führen fehlerhafte Schlussformen eic m statt der besten Sohlussform, des Cursus velox s^^, ww^v-^. I correct sind in unserer Ueberlieferung nur zwei mittelstark Pausen, Aesopum noveris und ridere fecimus\ beide Schlüsse sin weder rhythmisch noch quantitirend, aber für verderbt möchte ich sie darum nicht erklären, da der Sinn kein Bedenken wec und das Heobachtungsgebiet zu wenig ausgedehnt ist, um eiiK. sichere Entscheidung zuzulassen : vielmehr wird Avian eher ζ denjenigen Vertretern des rhythmischen Satzschlusses zu stelle sein, die hier und da Ausnahmen zulassen.

Berlin. Paul v. Winterfeld.

Erstarrte Flexion von Ortsnamen im Latein

Bekannt ist, dass das römische Strassenbuch und die Pei tinger Strassenkarte sehr häufig die Stationsnamen nicht im N< minativ, sondern in einem der Casus obliqui aufweisen, die di correcte Latein auf die Frage Wo, Wohin oder Woher verwende' Nicht minder bekannt ist, dass im Mittelalter die Flexioneforme vieler Ortsnamen erstarrt waren und einer der bezeichneten sus als indeclinable Benennung der Ortschaft sich festgesetzt hatti Ich brauche nur zu erinnern an Treveris (franz. Tr^vee), Tangrü- ^ (franz. Tongres), Parisiis oder (bis ins 15. Jahrh. häufig) Parit_ sius. Manche dieser erstarrten Ablative wurden sogar allmählio als Nominative verwendet und die Namen danach deolinirt, il Treverim, Treveri (Ablat.); vgl. meine Bemerkungen in de Neuen Heidelb. Jahrbb. 2 S. 14. Auch der Accusatiy des findet sich nicht selten, zB. Abrinratas, Redonas uA. (vgl. N. J. 2 S. 10), und für den Abi. Sing, der 2. Decl. bedaif es b seiner Häufigkeit keiner Belege.

Miscellen 169

Dieser Erstarrunge- Vorgang läest sich aber für viel frühere Zeit nachweisen. Dass in jenen Itinerarien die Caeue obliqui in den meisten Fällen nicht von den mittelalterlichen Abschreibern herrühren, lehren die vier Reise-Becher aus Vicarello (Corp. XI n. 3281 3284), die im Original vorhanden sind and offenbar der gnten Kaiserzeit angehören. Auch hier findet sich der Nomi- nativ sehr selten. Um nur Einiges anzuführen, so braucht n. I meist den Accusativ, daneben aber Ocriclo, Aquis Vocontiis, Parietinis. Nr. II und III ziehen häufig den Ablativ vor, bieten daneben aber Rigomagi (-go III), Udum, Ambrussum, Glanum, Ticinnm (-no III), Lambrum, Helvillura, Hispalim, Haesim, Si- teras oder Saeterras, Baeterras (-rra III). In n. IV finden sich neben Hasta, Dertosa auch Ugiae, Obuclae, Cordubae (selbst in der Ueberschrift *ab Hispali Cordubae*, statt 'Cordubam'), ferner Sagunto, Ocriclo, Foro Domiti, Tarracone, aber auch Traiectum Rhodani, Alaunium, Laamellum, Ticinum; Haesim; Baeterras, Cnttias, Clatemas. In allen vier Exemplaren steht Ocriculo (Ocriclo) ; desgleichen wiegen in allen vor die Formen Baeterras (das 'Baeterra' in n. III ist nur Schreibfehler) und Taurinis (n. IV hat Augusta Taurin.}.

Aber auch ausserhalb der Itinerarien finden sich Belege dieser Erscheinung und zwar aus der frühen Eaiserzeit.

In der Grabinschrift des Perigenes (Arch. Zeitung 2, 1869, S. 30; Bonner Jahrbb. 53 S. 151; Bücheier Anthol. n. 1268; Corp. XIII n. 6429), die in das 2., vielleicht das 1. Jahrh. ge- setzt werden darf, steht: [iwe]tn genuit Tea[n]o Sidicino^ statt des Nominativs 'Teanum Sidicinnm'.

Und schon in Pompeji gebrauchte der Volksmund solche ver- steinerte Namensformen; denn meines Erachtens ist hierher zu ziehen die Wandinschrift, die höchstwahrscheinlich zu Nero^s Zeit angemalt wurde (hgg. von Sogliano, Notizie d. sc. 1897 S. 198 und Mau, Rom. Mitth. 1898 S. 49): iudici{t)s Aug{ust%) felic(ifer), PtUeoloSj Aniium^ Tegeano (zwischen Nola und Nuceria ; auf der Peut. Karte 'Teglano' verschrieben), Pompeios: hae sunt verae colonia[e\. Hier stehen Tegeano, Puteolos, Pompeios statt der Nominative, und es ist nicht zufällig, dass gerade diejenigen Casus hier auftreten, die auch in den Itinerarien häufig erscheinen.

Heidelberg. Karl Zangemeister.

SECVS statt SECVNDVS und Aelmliches

In Pompejanischen Wahlprogramm en finden sich eigenthüm- lich verkürzte Formen von Personennamen, die ich im 4. Bande des Corpus inscr. Lat. auf S. 10 und 264 zusammengestellt habe. Es steht dort nämlich statt Cerrinium, Postumium, Proculum, Se- cnndüm : Cerrium (n. 483 und vermuthlich n. 95), Postium (195. 1016), Procum (1081), Secum (693. 737). Diese gemalten Pla- kate waren schon im J. 1865, als ich in Pompeji arbeitete, längst

170 Miscellen

verechwunden wie eo viele andere, aber die Zengnisse ettitzen eich gegenfieiti^ urd sind als glaubwürdig zu betracliten. Die letzte Form SECVS läpßt sich jetzt auch auR Steininschriften belegen, und damit gewinnen wir auch für die übrigen eine Bestätigung. Auf einem zu Zahlbach bei Mainz gefundenen Grabsteine, der ohne Zweifel aus dem ersten Jahrhundert stammt (Brambacb n. 1220; Becker Katalog 1875 n. 197) steht seats Meres)^ dh. 'eecnndns heres , wie Becker bereits richtig erklärt hat. Dieselbe Form weist mir v. Domaszewski aus stadt-römischen Inschriften von equites singulares nach: Corp. VI n. 3176. 3223. 3304, auf denen allen zu lesen ist seci^s her{es)] sie stammen wohl aus dem 2. Jahrhundert. Diese Kurzformen, für die sich vermuthlich noch weitere Belege finden werden, dürfen wir schwerlicli als graphische Abkürzungen betrachten, da diese Art der Abbreviatur, die im Unterdrücken von Silben und Silben tbeilen aus der Wort- mitte besteht, erst in späterer Zeit, im 3. Jahrb , auftritt {^gL Westd. Korr.-Blatt 1885 Sp. 5). Wahrscheinlicher ist die An- nahme, dass diese Erscheinung dem Vulgärlatein angehört und das Volk diese vielgebrauchten Worte oder Namen in der That also ausgesprochen hat.

Heidelberg. Karl Zangemeister.

Das Stigma in lateinischer Schrift

In der Nähe von Mainz bei Laubenheim ist im J. 190O das Fragment eines Grabsteins zu Tage gekommen, das in paläo- graphischer Beziehung besonderes Interesse besitzt. Herausgege- ben ist es von Koerber im Westd. Korr.-Blatt 1901 Sp. 3, von mir kopirt nach einem vor trefifli eben Abklatsch, den ich demsel- ben Gelehrten verdanke ■=■■ Corp. XITI n. 6948•. In der dritten Zeile findet sich nämlich das st des Wortes 'stipendiorum durch

das Zeichen >\^ wiedergegeben. Die Grabinschrift gehört einem

Veteran der leg. XVI an, stammt also aus der ersten Hälfte des ersten Jahrb. nach Chr., und es ist dies meines Wissene der äl- teste Beleg für diese Ligatur in lateinischer Schrift, vielleicht über- haupt der älteste, wenigstens scheint sie sonst, zB. auch auf griechischen Papyri noch nicht nachgewiesen zu sein. Unzweifel- haft ist sie aus der griechischen Schrift in die lateinische über- tragen ; die Schreibmeister Eoms waren ja meist Griechen. Sie muss im 1. Jahrb. schon recht verbreitet gewesen sein, denn drei weitere Inschriften aus Mainz und Bingen (Corp. XIII n. 6902= Brambacb 1184; n. G958 = Bramb. 1211 aus Mainz und n. 7506 = Koerber Kat. n. 44 aus Bingen) bieten SIP. statt STIP. und lassen errathen, dass in der Vorlage dasselbe Zeichen für

Misütillen 171

ST stand, dieses aber vom Steinmetz nicht erkannt wurde; in n. 7506 ist vielleicht nicht S, pondern diese Nota anzunehmen, wenn auch in ungeschickter Ausführung (vgl. das Facsimile bei Koerber). Es verdient noch besonders hervorgehoben zu werden, dass das Zeichen für die Zahl VI nur zufällig dieselbe Form hat. £s findet sich schon auf einem griechischen Papyrus vom J. 146 vor Chr. (Letronne, Journal des savants 1833 S. 330 mit Facs., vgl. Wattenbach gr. Pal., Aut. S. 8), Wachstafel vom J. 167 n. Chr. (Corp. III n. I, abgebildet von mir auf tab. A, numeri n. 15 und 1 6) ; spätere Belege aus griechischer Schrift findet man bei Gardt- hausen gr. Pal. 1879 S. 265, aus lateinischer Schrift in den In• dicee zum Corpus und zu Spezialsammlungen von christlichen In- schriften. Diese Ziffer ist ofi^enbar aus dem Digamma oder Vau, dem eechsten Buchstaben des Alphabets, entstanden, aber dann und zwar schon früh mit dem Stigma confundirt worden.

Heidelberg. Karl Zangemeister.

DIVVS ALEXANDER

Johannes Chrysostomos vertritt in der XXVI Homilie über den II Brief an die Korinthier (t. X p. 624* Montf.) die euhe- meristische Ansicht über die Entstehung des Götzendienstes:!

ουτιυ γαρ και €ΐοιυλολατρ€Ϊαι την αρχήν έκράτησαν τιϊιν ανθρώπων υπέρ άΗίαν θαυμαίομενιυν. ουτιυς 'Αλέ- Eavbpov τρισκαιΟ€κατον ένόμισεν eTvai θεόν ή σύγκλητος 'Ρωμαίων, και γάρ αυτή ταύτην (viell. <^και) ταύτην) εΤχε την ά^ίαν, χειροτονεϊν και έγκρίνειν θ€θύς.

Montfaucon steht dieser überraschenden Nachricht rathlos gegen- über. Wie der römische Senat dazu gekommen sein solle Ale- zander den grossen zu einem Gotte, und gar zum Xlllten zu erklären, versteht er nicht, und vergeblich hat er sich nach einem bestätigenden Zeugniss umgethan (s. auch t. X praef. p. VIIj; nur die Zahl ist ihm durchsichtig: Alexander der gr. ist den X7/ di consenfes hinzugefügt worden. Aber der Prediger spricht von der Befugniss des Senate, einem verdienten Kaiser nach seinem Tode göttlichen Rang zuzuerkennen^; und wie er gleich darauf von der Apotheose des Antinous durch Hadrian spricht, so kann er jenes Senatsrecbt auch nur durch das Beispiel eines römischen Herrschers veranschaulicht haben. Er spricht von Alexander Severus. Aelius Lampridins bezeugt uns im Leben desselben c. 63 senatus eum in deos rettulit .... dati sunt et eodales qui Alexandrini appellati sunt, addita et festivitas matris nomine atque ipsius, quae hodieque Romae religiosissime

^ 8. Mommsen, Römisches Staatsrecht 2, 886.

172 Miscellen

celebratnr natali eins die*. Was hiermit Lampridiae for die Con- fltantinische Zeit bezeugt, die feierliche Begehong von Alexarden Gebartetag, hatte auch noch über die Mitte des Jahrbonderts, nod vermuthlich bis in die Zeit von Johannee* Predigt officielle Gel- \ tung. Der Chronograph vom J. 354 hat in seinem Kalender (CIL I 1^ p. 274) unter dem ersten October die Notiz einge- tragen: totalis ALEXANDRI• Circenses Missus XXIIII, wo- durch uns denn auch der Tag bekannt ist.

Lehrreich ist nun die bestimmte Angabe, dase Alexander (Severus) zum * dreizehnten Gotte' bezw. divus erklärt worden sei. Wir wissen aus den Acten der fraires arvcdes^, daee die Zahl der verehrten divi im J. 183 sich auf 16, im J. 224 aof 20 belief. Aber in diesen Zahlen sind, wie Henzene Liste der bezeugten älteren Consecrationen (Anm. 2) zeigt, auch Kaieerinnei^^ einbegriffen. In der Anerkennung geschehener Consecrationen mue^ man bis um 224 weitherziger, oder, wenn man will, gewiseei»-^ hafter gewesen sein als ein Jahrzehnt später beim Tode des Alexand^ ^ (235). Die damals vorhandene Zahl von 12 divi nöthigt uns an.-' zunehmen, dass in der Zwischenzeit eine Beschränkung stattg^ " funden hatte und so Claudius wie Commodns aus der Liste strichen waren. Diese Zahl stimmt genau zu der Cultusordnun die bei Philocalus im Kalender vom J. 354 hervortritt und noc im darauf folgenden Jahrhundert bei Polemius Silvius erkennbar ist. Philocalus verzeichnet folgende Geburtstage älterer Kaiseer vor Alexander, alle mit der ausdrücklichen Bezeugung der obli" gaten 2 mal 12 Rennen im Circus^: divus Augastus IX k. oct., Vespasianus XV k. dec, divus Titus III k. ian., Nerva VI id• nov., Traianus XIV k. oct., divus Hadrianus IX k. febr., Pia9 Antoninus XIII k. oct., divus Verus XVIII k. ian., M. Antoninns VI k. mai., divus Pertinax k. aug., divus Severus III id. apr. Die Mehrzahl derselben bezeugt auch Polemius Silvias; seine Auslassungen können nur Zufälligkeitsgrnnde haben, es fehlen bei ihm Angustus, Traianus, Antoninus Pius, wie nachher Ale- xander. Aber er bewahrt den bei Philocalus ausgelassenen na• talis (diti) Itüli Caesaris (IV id. iul.), den Ausgangspunkt der römischen Kaiserverehrung*. Mit diesem ist die erforderte Zwölf- zahl erfüllt, auf welche seit etwa 230 die älteren vor Alexander consecrierten ^m im Cultus beschränkt waren und blieben ^ Die

^ Heuzen, Acta fratrum Arvalium p. 148 f., vgl. Mommsens Rom. Staatsrecht 2, «3:{ Γ Anm. 1. 4

^ Ausnahmsweise 48 am 18. Sept. (Traianus) und am 8. Nov. (Norva und Constantius).

* üeber die Cultustage s. Mommsen CIL l p. 396 1* p. 321).

δ Das von Juliauus ap. in den Caesares p. 308 d ff. geschilderte Göttcrmuhl kann für diese Frage an sich keine Beweiskraft bean- spruchen. Aber es dient dem obigen durchaus zur Bestätigung. Clau- dius wird zu seinen Günstlingen fortpreschickt (310b) und Commodus gar nicht zur Versammlung zugelassen (31 2b).

Miscellen 173

von Johannes Chryeostomoe verwertbete Nachricht wird ver- ständlich nar nnter der Annahme, daes im J. 235 allein jene zwölf divi anerkannt waren. ü.

Das AmphiklyonenGesetz vom Jahre 380

Eins der wichtigsten vorhandenen Sakralgeeetze, dessen Her- stellung und Erklärung aber bisher entRchieden zu kurz gekommen sind, ist das Amphiktyonen- Gesetz vom Jahre 380^. Es wäre vohl mehr dafür geschehen, wenn nicht die unentbehrliche Grund- lage gefehlt hätte: die sichere Eenntniss der ursprünglichen Zeilenlänge der Inschrift ; noch der letzte verdiente Herausgeber, £aunack, musste ihre Berechnung für unmöglich erklären. Dabei konnte Niemand im Zweifel darüber sein, dass der Stein selbst ein sicheres Mittel zur Lösung der Frage zu bieten schien. Z. θ und 9 nämlich steht hier:

το Άπόλλιυ[ν]ος του ΤΤ[υ]θίου και τας Λατός καΐ τας

*Αρτάμ[ιτος - - - - λά καΐ τάγαθά, αΐ b' έφιορκέοιμι^ τα κακά άντΙ τών

αγαθών - - - - Ζ. 11, 12 und 13 aber:

κατάν άίίαν μηόέ δώρα beSeioGai μη6έποκ[α]: ουτ[ιυ]ς

ύπ[ί]σχ[ο]μαΓι

τ ο (ς) 8 κ α ι τ ά ς Ά ρ τ ά μ ι τ ο ς , και €ύορκ€οντι μέμ μοι

πολλ ά καΐ αγαθά

Ιβρομνάμονας όρκιΗέιυ και τός κά[ρ]υκας τόν αυτόν δρκον

Beidemal also steht, wie die gesperrt gedruckten Worte klar zei- ' gen, dieselbe Eidesformel, deren Wortlaut sich wie von selbst er- giebt, zB. Z. 11 und 12 folgendermassen :

κατάν άΕίαν μηδέ boipa Ο€£€ΐσθαι μηδέποκα' ουτιυς ύττί- σχομα[ι ποί το 'Απόλλωνος το ΤΤυθίο καΐ τας Λα]-

τδς και τας Άρτάμιτος καΐ βύορκέοντι μ€μ μοι πολλά και αγαθά, [αΐ h* έφιορκέοιμι τά κακά άντΙ τών αγαθών οόμβν. τός bi\ ι Ιερομνάμονας κτλ.

Das scheint evident und birgt doch rücksichtlich der Zeilenlänge einen nnheilbaren Widerspruch in sich, denn Z. 12 zählt danach 93, Z. 11 aber nur 79 Buchstaben. Nun sind kleinere Unter- schiede in der Zeilenlänge bei nicht (Ττοιχηοόν geschriebenen In* Schriften natürlich, aber ein Unterschied von 15 Buchstaben in zwei dicht aufeinanderfolgenden Zeilen ist unmöglich. Noch

1 CIG. 1688, Ahrens Dial. 11 484-492, CIA. II 545, Michel Re- cueil des luscr. Grecques 702, die sorgfältigste und eingehendste Herausgabe jetzt von Baunack bei Collitz SGDI. 2501, wo auch die weitere Lilteratur verzeichnet ist.

2 ΕΦΙΟΡΚΕΜΙΟΙ steht auf dem Stein mit Vertauschung der Silben. » Der Stein hat TOYKAI ohne Zweifel für ΤΟΣ oder ΤΟΥΣ ver- schrieben B. Baunack zu der Stelle.

174 Miscellen

sclilimmer steht es Z. 8, wo bei genau entsprechender Ergänzatig gar nur 67 Buchstaben herauskoraraen. Man hat früher gewohn- lich versucht, durch Einschiebung^ von unnöthigem oder gar stören- dem Füllsel Z. 8 und II auf die Länge von 12 zu bringen, mit Kecht hat Baunack das verschmäht, aber zu ei klären wueete er das Schwanken zwischen 67, 79 und 93 Buchstaben auch nicht 'es könnte ja Z. 12 άντι τών αγαθών recht wohl fehlen, aber auch bei dieser Annahme erhält man nichts Klares und Evidentes' und hält eben deshalb eine Berechnung der Zeilen- länge überhaupt für unmöglich.

Und doch ist sie möglich, und Baunack selbst war, ohne es zu wissen, schon auf dem einzig richtigen Weg. In der obigen Ergänzung verträgt Z. 1 1 weder Zusatz noch Streichung, also steckt der Fehler in Z. 12: nicht Z. 11 ist zu klein, sondern Z. 12 ist zu gross, und es lässt sich ja auch hier, wie Baunack selbst zugibt, ganz gut etwas streichen es ist einfach statt der ausführlichen Formel τά κακά άντι τών αγαθών οόμεν eine der üblichen kürzeren zu setzen, am besten die auch in der Labyadeninschrift B, Z. 18 vorkommende: τά κακά οόμ€ν oder, da Ζ. 11 bei αγαθά kein Artikel stand, auch hier ohne Artikel : al V έφιορκέοιμι, κακά δόμεν. Dann erhält man für die ganze Zeile 12 nur noch 78 Buchstaben, was zu den 79 Buch- staben von Z. 1 1 stimmt, und auch Zeile 8 lässt sich durch Umstellung von ύπίίΤχομαι hinter die Götternamen leicht auf dieselbe Zeilenlänge, nämlich 77 Buchstaben, bringen.

Wenn dieses Ergebniss überhaupt noch einer Bestätigung bedarf, so geschieht es durch die glatte Erledigung, die jetzt gewisse Zeilen finden. Hier waren die Ergänzungen, die der Sinn forderte, so klar, dass sie schon von den ersten Herausgebern eingesetzt wurden, aber da sie die vorausgesetzten grossen Zeilen von 93 oder mehr Buchstaben nicht ausfüllten, findet eich ausser ihnen gewöhnlich noch eine grössere Lücke in den Ausgaben an- gedeutet. Lässt man nun diese Lücken unberücksichtigt, so er- gibt das, was zurückbleibt, gerade die oben gefundene Zeilen- länge; zB. erscheint Z. 20 in den Ausgaben so:

εΐλέσθίϋ του ιαρου καΐ στρατευόντων έπ' αύτός'ΑνφικτΙίονες κατά κα τοι \αρομνάμονες - - - - έπαγγέλ] |λωντι

Ohne die Lücke zählt die Zeile mit der schon von Böckh gefun- denen Ergänzung gerade 77 Buchstaben. Ebenso geben die eben- falls längst als nothwendig erkannten Ergänzungen v. Z. 15 eine Gesammtlänge von 79 Buchstaben. Endlich Z. 1, 17 und H6 zählen ohne die in iien Ausgaben vermerkten Lücken 75 Buch-

^ In Z. 11 verführte dazu auch die frühere ungenaue Lesart-: ΥΓ. ΣΧ. M., was sich verhältiiissmässig ungezwungen ergänzen Hess zu ύπισχόμ[€νος ομνύω ; aber wiu scliou FrÖhner bemerkte und jetzt von Biass bestätigt wird, steht hinter dem Μ ein A, es ist also ύπίσχομαι zu lesen, und so steht auch in der Labyadeninschrift Α Ζ. 14.

Miscellcn 175

etaben, was sich bei einer nicht (Ττοιχηδόν geschriebenen Inschrift mit Zeilen von 77—79 Bnchstaben durchaus verträgt.

Die Frage der ursprünglichen Zeilenlänge ist also jetzt, wie ich wohl sagen darf, sicher gelöst und damit die Grundlage für die weitere Herstellung geschaffen. Einiges ergiebt sich fast von selbst, zB. der Wortlaut des Paragraphen über die Ιαρά γα:

ΤΤ[ίροοος γας Ιαράς αϊ τις τάν γαν έπΐ€ρ]|τάΖ;οιτο Sy Άμφικτίον€ς ίάριυσαν, έπεί κ[α] ά πάροδος γίνηται άποτ[€ΐσάτιυ

τώι \apuji ] στατηρας Αιγιναίος κάτ τ[ό]

π€λ€θρον ?καστον, τοι hk \€ρομνάμ[ον€ς π€ριϊόντΐϋν τάν ίεράν γανί Ι και π[ρασ]σόντΐϋν τόν έπιεργαίόμενον αι hi μή περιϊεϊεν ή μή πρ[άσσοΐ€ν, άποτεισάτω 6 μή περιϊών] | μηο' έ[κπ]ράσσων τριάκοντα στατήρας αΐ be κα μή άποτίνηι ό [όφ^ιίλων, ά πόλις έ£ άς κ' εΤ 6 ίερομνάμιυν] | εΙλίσ[θω] του ιαρου και στρατευόν- τιυν έπ' αυτός *Ανφικτ[ίονες κάτ τά κα τοι Ιερομνάμονες έπαγ- γέλ]| λιυντι.

Dabei kommt auch vor allem die Lesung Köhlers Z. 19 Anfang pa(T(jQv, neuerdings auch von Michel ausdrücklich be- zeugt, mit der aber bisher Niemand etwas anfangen konnte, zu ihrem Recht.

Z. 24 26 lauten jetzt die Straf bestimmungen kürzer: αι be τις τ[ός νόμος τούτους παρβαίνοι, τοι \] |αρομνάμονες ίαμι- όντιυν δτινι κα οικαίιυι σφ[ι]ν οοκήι είμεν έπ[ιΖ[αμίωι, το b* ήμισσον άει Ιστιυ τών]| καταγ[γε]λλόντιυν ποι τός Ιαρομνάμονας.

Auch den Paragraph über die Reparatur der Heiligthümer glaube ich etwas fördern zu können. Er beginnt Z. 35 mit der Bestimmung: τόν ναόν του 'Απόλλωνος του Πυθίου και τάν

αύλάν και τόν τας Α δρόμον και τάν κράναν τάν έμ-

πεόίιυι τοι ίαρομνάμονες τοι Άμφι[κτιόνων κατά τάν ΤΤυθιάόα έκά]σταν έφακείσθιυν. Die Lücke beträgt nach dem oben ge- wonnenen Ergebniss ungefähr 25 Buchstaben. Seit Böckh ergänzte man bisher zu Anfang der Lücke Ά[ρτάμιτος], Baunack vermuthete, dass ausserdem in der Lücke vielleicht der Tempel der Leto er- wähnt war, aber dazu ist jedenfalls kein Platz. War wirklich Artemis genannt, so kann ausserdem nur noch eine attributivisch eingeschobene Bestimmung zu όρόμος gefolgt sein, was freilich wenig wahrscheinlich ist, da es doch wohl nur den einen &ρόμος wie die eine αύλά gab. Nun ist ja aber die Ergänzung 'Α[ρτά- μίτος] keineswegs sicher, vielmehr hat Danielsson^ jüngst aus rein sachlichen Gründen hier die Erwähnung des Tempels der Άθήνη Προναία vermisst, der nach dem Apolloheiligthum der ange- sehenste in Delphi gewesen zu sein scheine, und vorgeschlagen, ihren Namen an Stelle der Artemis zu setzen. Hierfür liefert nun das oben gewonnene Ergebniss über die ursprüngliche Zeilen- länge eine glänzende Bestätigung. Ergänzt man nämlich : τόν

ί Indogerm. Forsch. IV (1804) S. IGT; über die 'Αθήνη Προναίοι 8. Preller-Robert, Gr. Myth. I 195.

176 Micellen

τας Ά[θαναίας τας ΤΤροναίας ναόν και τόν]|6ρόμον, βο ftlll dies genau die Lücke ζα 77 Bachstaben aus.

Endlich: vor dieser Bestimmung stehen zu Anfang der Zeile 35 die Buchstaben ιος, die offenbar die Endung eine• Genetive enthalten. Ich schlage vor zu ergänzen [άκέ(Τ]ΐος, ein Wort, das auch in der delphischen Tempel baureob η ang SÖDl 2502 Z. 62 vorkommt^, und sehe darin die Ueberechrift de• Paragraphen, die nachher durch das Wort έφακ€ί(Τβων aufge- nommen 'wird. Aehnlich stehen auch in der Myeterienineohiift von Andania die Ueberschriften der einzelnen Paragraphen meist im blossen Genetiv, in unserem Gesetz steckt vielleicht derselbe Genetiv in dem Wort οΙκή(7ΐος Ζ. 21 und Ζ. 40 in öbiuv, vor dem sich auch ein Interpunction.szcichen findet. Diiss sich daneben auch ueberschriften im Nominativ finden zB. Z. 26 λΐυτίς, be- weist nichts dagegen, wie die Parallele derselben Myeterienin* Schrift zeigt.

Der grössere Theil der Inschrift harrt freilich aach jettt noch der Herstellung, aber die sichere Grundlage ist jetzt doeh vorhanden, und durch ihre Darbietung den Fachgenoseen die Arbeit zu erleichtem, ist der Hauptzweck dieser Zeilen.

Plön. Ludwig Ziehen.

^ Καλλιτέλ€ΐ ToO μαχανώματος άκέσιος στατήρ€ς τρ€ΐς, δραχμά.

Verantwortlicher Redacteur: L. Radermachcr in ßonn.

(23. Dccember 1901.)

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H. Uegering 8

Zwei alte Terenzproblemc. Von F. Seh oe 11 48

Zu Achilles Tatlus«. Von F. Wilhelm άδ

Kaiser Marcus Salyius Otho. Von L•. Paul 76

Aus dem zweiten Bande der Amherst-Papyri. Von

L. Kader mach er 137

Die Inschrift der Apliaia aus Aigiua. λ^οη Μ. Fränkel 152

Μ i s c e 1 1 e ii.

Zum 1. Strassburger Archilochos- Fragmente. Λ'οη

Ü. »Schulthess 157

hionys de L^^ia p. 32, 12 φ. 4i»B K.). Von L. Rader-

m a c b e r , 158

Zu Vseudo-Sallusts Invectiva. Von F. Sehoell . . . . 15{) L»ie Verse des „Vallegius*' in der Vita Terentii. Von

demselben 16ä

Zu Amniianus Marcellinus. Von K. Zange me ister . . 166

Zu dem .soL'enannten Lactantius Placidus. Von (}. Knaack 166

Zu Aviiinus. Von P. von Winter f cid 167

Erstarrte Flexion von Orthnamen im Latein. Von

K. Ζ a η g e m e i s t «• r l(!S

Secus statt sccundus und Aebulichfs. Von demselben 169

I. »US Stigma in lateinischt-r Schrift. \^m demselben . 170

hiMii• .MexdiultT. λ'(•η Η. l.'sener 171

I»a- Vniphikt\"ni'iHl».rM;tz vom .lahrf- 380. Von L.Ziehen 173

I •,

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weiland ProtVsvSor der Philosophie an der Universität Heidelberg.

VIII und 126 Seiten. Preis: M. 2.—

Inhalt: i. Kinleituuy^ und Literatur. II. Die rbersinnlich- keitsauschauun^ der Idealisten und der Kirche über die Khe. - III Die Sinnlichkeitsanschauung der Naturalisten und Materialisten über die Ehe. IV. Die sittenlose \'er- wahrlosung im Geschlecht'* verkehr der civilisirten Völker - V. Widersprüche nnd Ausblicke der Parteien auf eine Lösung des ICheproblems. - VI. Überblick übor die ("Jeschichte der Khe und Familie unter den Kulturvölkern. VII. Die An- schauung der Philosophen und Ethnologien über die Ehe- gemeinschaft. VIII. Dio Unordnung des cfexual Verkehrs neben der heutigen Ehe, und die allgemeine Staatsordnung der ^ freien' Ehe. IX. Die Frauenbewegung und die Ehe- frage. - X. Die Erziehung der Nachkommenschaft und die freie Ehe

Die Zeltschrift für die gesamte Staatawissenachaft 19<K), Heft 2, schreibt darüber:

e. Ca.yMii'i, Ottu, Das Problem nber die Khe com iHnlo' sopitifichen^ geschiditlu-heu und sociaien (MeKtchtainnikt. Frank- furt a. M., J. D. Sauerliintler, IHiiSi. Dieses Büchbün, welchem Schönheit der Darstellung, gescbinackvidle philosophische Kon- zentration eines gewaltigtiu .Materials ethnologischer, kirchen- geschichtlicher, soziolugischer un<l hygienischer Kenntnisse, namentlich aber die Hube der Ausiunandersetzung nicht abge- sproeheu werden künnen, wird starken und vielseitigen Wider- .sprucb hervorrufen, (»hwnhl e? ii«r „Ehe auf Stunden** (der Pro- >iitutiou) so abwei.sond geü:t.inil«er tritt, wie dem sakramentalen i h'irak»• r tler „ewig»n*. unanfli'.<liehen Einehe. Die Forderung d••.- \ erfa.<sers ist: .Die sittliche Fri'ihfit der Eheleute in ihrer iMit-'-li^idung i:it dl»• «•r'-te, i»berste und einzige Instanz in allen \r;rr..j, ..i..,h»'it.en de- /li-auinien-^eii .- in der Ehe" (S. 92).

MILCH UND HONIG

Die Gegenwart des Dionysos aiif Erden äussert sieh neben anderen Wundern dadurch, dass von selbst Milch und Honig fliesst am die Durstenden zu laben. Von Milch fliesst der Boden und rom Nektar der Bienen'^: so dünkt es den Bakchantinnen, wenn sie iie Gegenwart des Gottes fühlen. Daher nach einer von Ovid [Fast. 3, 736 ff.) erzählten Sage α Baccho mella reperta ferunt. Schon bei der Geburt des Dionysos hebt Philostratos ^ es hervor, läse die Erde selbst sich an seinem Schwärmen betheiligen werde, bdem 'sie ihm gewähre Wein aus Wasserquellen zu schöpfen Wtki Milch wie aus Brüsten bald aus einer Ackerscholle, bald Ms einem Felsen zu ziehn^ : es läset sich nicht verkennen, dass dieser lebendigen und eigenartigen Schilderung die Worte eines idten Dichtere zu Grund liegen. Aus dem sprödesten Stoff ver- mag der Gott das süsse Nass hervorzuzaubern. Um die Töchter des Minyas zu bekehren, lässt er aus den Bäumen ihres Web- stuhls ^Nektar und Milch' fliessen^; bei Alkman melkt er Milch

^ Eurip. Bakchen 142. Zum Folgenden verweise ich auf die mit biDgebendem Fleiss gefertigte Schrift eines Imkers W. Robert-Tornow, t^ apium mellisque apud ueteres significatione. Berl. 1898 und^ WHRoscher, Nektar und Ambrosia, Leipz. 1883.

* Phiiostr. iinag. 1, 14 p. 30, 23 (Ausg. des Wiener philol. Se- minars) ή γή, ή γ€ καΐ συμβακχ€ύα€ΐ αύτφ καΐ οίνον άφύσσβιν έκ πη- rd^ 6i(»0€t γάλα Τ€ οΐον από μαΖύϊν ^λκ€ΐν τό μέν έκ βώλου, τό δέ

' Antoninus Lib. 10 καΐ έκ τών κ€λεόντων έρρύη νέκταρ αύτφ cal γάλα: dass hier Worte des Dichters (Nikander) bewahrt sind, ist Jacobs zu Pbilostr. imag. ρ 317 nicht entgangen: daraus erklärt sich dvohl, dass nicht Honig, sondern Nektar genannt wird. Bei Ovidiua cnetam. 4, 3*)4 ff. statt dieses Wunders ein anderes, dem Tyrreuerschiff C^Hom. hymn. 7, 38 ff.) nachgebildetes: alles Holz am Webstuhl beginnt ^u grönen und Weinlaub zu treiben.

BlMia. Miu. f. PhiloU N. F. LVII. 1^

178 üsener

auR Löwen*. So konnte Seneca (Oedip. 494 ff.) in der Schilde- rung des Beilagere von DionyeoH und Ariadne das Wander des Honigthau8 und der Milch etrömenden Quellen nicht fehlen laeeen Die wunderthäcige Kraft des Gottee geht auf seine schwäime- rischen Verehrerinnen über. Der Bote der £uripidei8chen Bak- chen erzählt (708 ff.), wie die auf dem Kithaeron scbwärmenden Weiber nur mit den Fingern den Boden zu schürfen brauchten um Milch hervorzuzaubern , und wie von ihren Thyreosetäben Honig troff. Die Vorstellung ist im IV. Jh. noch vollständig lebendig. Die Bakchen, sagt der Sokratiker Aeschines^, pflegen, wenn sie gotterfttUt sind, aus Orten, denen die andern Menschen nicht einmal Wasser zu entnehmen vermögen, Milch und Honig zu schöpfen. Und treffend lässt Piaton* seinen Sokrates sagen: *die Bakeben schöpfen aus den Flüssen Milch und Honig in ihrer Verzückung, aber wenn sie bei Sinnen sind, nicht.^ Das gehört seitdem als fester Zug in das dichterische Bild des bakebischen Jubels*^. Die Ueberschwenglichkeit Claudians vermag noch den Hochzeitstag des Stilicbo und der Serena auch durch dies Bild^ zu verherrlichen:

ferunt mellisque locus et flumina lactis erupisse solo, Dionysos bringt den Himmel auf die £rde hernieder. Himm- lische Gaben müssen es sein, womit er seine Gegenwart bezeugt In der That gilt der Honig als Speise der Götter *. Das Zeuskuäb- lein wird auf Kreta durch iMilcb und Honig ernährt. Dem kleinen Dionysos netzt Makris, als Hermes ihr ihn gebracht, die trockene

^ Aristides r. 4 t. I p. 49 Dind. ώςπ€ρ καΐ λ€Οντων γάλα άμέλ-' γ€ΐν όνέθηκέ τις αύτφ Λακωνικός ποιητής dh. Alkman fr. 31 Β.

^ Aristides r. 45 t. Π ρ. 23 D. καΐ γάρ αΙ βάκχαι έπ€ώάν 6τθ€0ΐ γένιυνται, οθ€ν οΐ δλλοι [έκ τιίιν φρβάτιυν getilgt von Jacobs zu Phi- lostr. im. p. 31(3] ουδέ οδωρ δύνανται οδρ€ύ€σθαι, έκ€ΐναι μ^ι καΐ γάλα άρύονται. Vgl. CFHermann Disp. de Aeschinis Socr. reliquiie (Gott. 1850) p. 23.

β PI. lou ρ 534» (ΰςπ€ρ αΐ βάκχαι άρύτονται έκ τών ποταμών μέλι καΐ γάλα κατβχόμβναι, έμφρονβς δέ ούααι οΟ.

■^ Vgl. Horat. c. II 19, 9 f. Philostr. ν. Apollon. 6, 10 ρ. 238 Ol. imag. 1, 18 p. 3G, 17 f. der Wiener (nach Eur. Bakch. 708 ff. ebenso wie Vit. soph. 1, 19) Tzetzes zu Lykophron 143.

^ Claud. de consulatu Stilichonis 1, 85 p. 192 Birt.

^ PorphyrioB de antro nymph. 1<5 θβών τροφής οΟσης τοΟ μέ- λιτος. Zeus: Kallimachos Η. auf Zeus 48 Antoninus Lib. 19 Diod. 5, 70. Dionysos: Apollon. Rh. 4, 1131 f. Achilleus: Philostr. imag. 2, 2 p. 64, 7 der Wiener. Vgl Röscher s. 30, 58. 60 f. Robert-Tomow 89 ff.

Miloh und Honig 179

Lippe mit Honig. Und den jungen Acbilleus zieht Cheiron mit Milch, Mark and Honig auf. Wie einen Göttertrank nimmt Pindar^^ das Gemenge von Milch und Honig, wenn er es ale Bild für seine Dichtung gebraucht, wie ein ander Mal den Nektar.

Hier schlägt die Vorstellung ein, dass Seher und Dichter, die Runder göttlichen Worts auf £rden, durch die Götterspeise des Honigs, die ihnen in frühester Jugend auf wunderbare Weise eingeflösst worden, zu ihrem hohen Berufe geweiht worden seien. Dem neugeborenen lamos nahen zwei Schlangen 'nach der Götter Willen' und nähren ihn sogleich ' mit dem tadellosen Safte der Bienen' (Pind. Ol. 6, 45). Von den alten Eünderinnen der Zu- kunft, die am Parnass hausten, den drei Schwestern θριαί^^ er- zählt der Homerische Hymnus auf Hermes, sie flögen hin und her um sich von Waben zu nähren : wenn der Genuss des gelben Honigs sie in Begeisterung versetze, dann finde man sie bereit, willföhrigen Sinnes die Wahrheit zu künden ; aber wenn ihnen die süsse Speise der Götter entzogen werde, dann sprächen sie Falsches, indem sie wirr durcheinander redeten. Und noch Pindar bezeichnet (Pyth. 4, 60) die Pythia mit dem Ausdruck 'delphische Biene' (χρησμός μ€λίσσας Δελφίνος).

Häufiger und mannigfach sind die Beziehungen, in welche die Dichtung zu Honig und Bienen gesetzt wird. Bienen um- schwärmen den Pindaros ^^ unmittelbar nach der Geburt; sie bringen als Götterbotinnen ihm den begeisternden Honig. Nach andrer Sage wandert er nach Thespiai, dem Sitz des Helikoni- echen Musencultus, und legt sich, von der Sonnenhitze ermattet, am Wege nieder: da kommen Bienen zum Schlafenden geflogen, und bilden an seinen Lippen eine Honigwabe. Sophokles ^^ wurde schon in der alten Komödie 'Biene' genannt. Auf die Lippen des jungen Piaton Hessen sich Bienen nieder, die Süssigkeit seiner Rede voraus zu künden ^*. ISach einer Hesiodsage, die

*o Find. Nem. 3, 77 rohe τοι πέμπιυ μ€μιτμένον μέλι λβυκφ σύν γάλακτι, κιρναμένα δ' ίβρσ* άμφέπ€ΐ (also noch Wasser zugeraischt?), vgl. lethm. 4, 54 έν δ' έρατεινφ μέλιτι καΐ τοι^δ€ τιμςί. Dagegen 01. 7, 7 νέκταρ χυτόν, Μοισαν δόαιν.

11 Hom. Hymnus auf Hermes 558— <i3 vgl. Baumeister z. St. p. 246. Zum folgenden vgl. Robert-Tornow aO. p. 98-101. lU ff.

12 Philostr. imag. 2,12; die andere Sage bei Pausanias 1X23,2.

13 Schol. zu Soph. Oed. Col. 17 und Aias 1199, vgl. die Anspie- lungen des Aristophanes in der Vita Soph. 22 p. 21^ 0. Jahn mit den Anmerkungen (vor der Elektra).

1* Plinius n. h. 11,55 Cicero de diuin. 1 36,78 II 31,66. Ueber

180 Usener

auf Lucanue übertragen wurde, umechwärmten Bienen die Wiege des Dichters und setzten sich zahlreich darauf nieder. ^ Die Dichter erzählen uns', heisst es in Platons Ion (p. 534^), *das8 sie von honigströmenden Quellen in den Gärten und Waldthälern der Musen die Lieder saugen, die sie uns bringen '. Nach oft wiederholtem aber abgeschwächtem Bilde sammeln die Dichter wie Bienen den süssen Honig des Liedes ein^^; alterthümlicher klingt es, wenn die Bienen gradezu 'Vögel der Musen' genannt werden.

Quellen oder Ströme von Milch und Honig gehören also zur Ausstattung des Götterlandes. In dem himmlischen Jerusalem sollen zwölf Quellen Milch und Honig strömen ^^ In einer apo- kryphen Vision wird der Apostel Paulus in goldenem Schiffe zur Stadt Christi gefahren : vier Flüsse umgeben die Stadt, der erste von Honig (im Süden), der zweite von Milch (im Westen), der dritte im Norden von Wein, der vierte im Osten von Oel; der Honigstrom ist der Ort der Propheten, der Milchfluss der un- schuldigen Kindlein und der reinen Seelen : Bilder vom Land der Verheissung und vom Paradies laufen hier zusammen und sind ins Jenseits zurück verlegt. lamos usw. lehrt uns verstehn, warum die Propheten sich um den Honigstrom sammeln. Bei den Griechen bricht die Vorstellung durch in einer sprichwört- lichen Redensart ^*^. Während wir von einem Sack voll Gold sprecheui sagte der Grieche: er hat einen Bienenkorb voll Geld (oder Schätzen). Hier ist die alte Vorstellung des himmlischen Schatzes ^^ beeinflusst und gefärbt durch das Bild vom himm-

Hesiod und Lucanue s. die jüngere Vita Lucani in Reifferscheids Sueton p. 76, 1β.

« Aristoph. Vögel 749 Horat. carm. IV 2, 27 ff. Lucretias 3, 11 Lukiau in den Άλιβίς c. <i. Vffl. Varro r. r. III IB, 7 'cum Musarum esse dicantur esse uolucres*.

le Esdra V 2, 19 (in Fritzsche's Libri apocryphi Vet. test. p. 643) 'et totidem (dh. 12) fontes flucntes lac et niel* Apocalypsis Pauli 23 ff. in Tischendorfs Apocalypsee apocryphae p. 52 ff., lateinisch in James* Apocrypha anecdota (Texte and studies ed. by Arm. Robinson t. II 3) p. 24, 14. 2.5, 28 ff. Im griechischen Text wird der Milchstrora in den Süden verlegt, es folgt der östliche (p. 54, 4 il άμφηλίου : lies άφηλ(ου) ohne Angabe des Stoffe, dann der nördliche mit Oel.

^'^ Arietoph. Weep. 241 läset einen alten Heliasten von den Reich- thümem, die Lachee aus Sicilien mitgebracht haben soll, sagen: σ(μ- βλον bi φασι χρημάτων ίχβιν απαντες αυτόν.

18 S. bintfluthsagen s. 182 ff.

Milch and Honig 181

liechen Honig: der Bienenkorb ist wie seine nächsten Verwandten, das Tischlein deck dich und der Wundersäckel des Mercurius, des Fortunatue usw., ein unversieglioher Schatzbehälter himm- lischen Segens. Es bedarf doch wohl auch für den mythologi- schen Stumpfsinn keines Wortes, dass man Bienenkörbe im Alter- thum so wenig wie heute als Geldtruhen benutzt hat.

Vom Bilde des Götterlandes sind die Vorstellungen des Paradieseslebens oder des goldenen Zeitalters entlehnt^®. Römische Dichter, gerade hierin gewiss von Griechen abhängig, vergessen in ihren Schilderungen des goldenen Zeitalters so leicht nicht dies Wunder. So Tibullus (I 3, 45):

Ipscte mella dabant quercus uUroque ferehant ohuia securis ubera lactis oues oder Ovidins (met. 1, 111 f.):

flumina iam lactis^ tarn flumina fiectaris ibant, flauaque de uiridi süUabant ilice mella ^. Auch der Traum eines wiederkehrenden Paradieses mag sich des tief eingeprägten Bildes nicht entschlagen. Schon die alte he- bräische Sage stattet damit das Land der Verheissung aus^^ Desgleichen Vergilius (ecl. 4, 30):

et durae quercus sudahant roscida mella. Und Sertorius erhofft von den Inseln der Seligen, zu denen er sich hinüberretten möchte, dass dort

mella caua manant ex ilice und

illic iniussae ueniunt ad mulctra capellae

referfque tenfa grex amicus ubera'^.

Nur etwas tiefer gestimmt, näher dem Irdischen, klingt die He-

siodische Verheissung für das Land der Gerechten, dass da auf

den Bergen die Eiche in dem \Vipfel Eicheln und in der Mitte

Bienen trage ^^ In der christlichen Litteratur zeigt sich, wie

das Mosaische Land der Verheissung einen durch hellenischen

Glauben wohl vorbereiteten Boden fand. Tn der oben schon an-

w S. ebend. 197 ff.

« Vgl. noch Ovid am. III 8, 40 Aetna v. 13 Robert-Tornow p. 83 ff.

« Die Belege β. Sintfluths. 207, 1.

« Horat. epod. 16, 47. 49 f.

w Hesiod Werke 2:32 f. vgl. Plinius n. h. IG, 31. In der neuen Petrus-Apokalypse c. 5 und ebenso in der Apokal. des Paulus 11 (Tiechendorfe Apoc. apocr. p. 40, lat. in Robinsons Texte and studies Π 3 p. 14, 35) uö. ist der 'Ort der Gerechten ein himmlieclies Paradies.

182 üsener

gezogenen Apokalypse^ wird Paulus vom Engel in den zweiten Himmel geführt, das Land der Verheissung und den Schauplatz des tausendjährigen Gottesreichs, da sieht er einen Fluse, der von Milch und Honig iliesst, und an seinen Ufern Palmhäume nnd Weinstöcke von wunderbarer Fruchtbarkeit. Der Teufel, der die h. Änthusa zum Abfall von Christus bestimmen möchte, spricht zu ihr: * Komm und trink von dem Flusse, der Milch und Honig strömt.' Umgekehrt äussert sich das durch die Fesse- lung des Kronos herbeigeführte Ende des goldenen Zeitalters für Vergilius darin, dass Juppiter mella decussit folns: der wahre, reine Honig, wie ihn das goldene Zeitalter genossen, pflegte wie Himmelsthau an den Blättern der Bäume zn hangen.

Der Cultusbrauch ist nur die äussere Gestaltung der Vor- stellungen von Gott und göttlichen Dingen, die in einer Gemeinde oder einem Volk lebendig sind. Von den Vorstellungen, die wir eben überblickt, muss auch die Anwendung von Milch und Honig im Cultus abhängig gewesen sein. Die wichtigste und gebräuch- lichste fand bei dem Opfer an Todte statt. Schon Odysseas giesst den Todten bei der dreifachen Spende, die er darbringt, auch Gemisch von Honig und Milch in die Grube (β. unten Anm. 33). Bis in die späte Zeit dauerte der Brauch, namentlich bei der Todtenbeschwörung schien er unerlässlich. Honig und Milch wurden also als Seelenspeise angesehen. Die Geister der Ent- schlafenen wurden im seligen Jenseits wohnend gedacht, es kam ihnen die süsse Nahrung zu, welche die Sage dorthin versetzte.

Dem Porphyrios verdanken wir die Nachricht, dass bei den Mithrasweihen Honig verwendet wurde ^. Es geschah das bei

** In der lateinieclien Fassung der Texte and stud. Π 3 ρ. 22, 29. Acta 8. Anthusae c. 13 in den Analecta Bollandiana t. ΧΠ p. 2β, 16.

» Verg. Georg. 1, 131. Vgl. Plinius n. h. 11, 30 f.

«β S. Robert-Tornow p. 134—146, Röscher, Nektar u. Ambr. <ίδ f. und besonders Stengel in Fleckeisens Jahrb. 1887 8. ü53.

^ Porphyr, de antro nymph. 28 p. 75, 1^^ N.2 διό καΐ σπ^Ο€ΐν αύταϊς (ταΐς ψυχαϊς) τους ψυχαγωγούς μέλι κ€κραμένον γάλακτι vgl. ebend. 18 ρ. βν), 18 διό καΐ μέλιτος σπονδάς τοΙς χθον(οις ^θυον.

® Porph. de antro nymph. 15 δταν . . . τοϊς τά λεοντικά μυου- μένοις €ίς τάς χ€ΐρας άνβ' ύδατος μέλι ν(ψασθαι έγχέωσι, καθαράς ίχ€ΐν τάς χείρας παραγγέλλουσιν άπό παντός λυπηρού καΐ βλαπτικού καΐ μυ- σαρού . . . ., καθα(ρουσι δέ καΐ τήν γλώτταν τφ μέλιτι άπό παντός αμαρτωλού. (1Η) δταν δέ τφ Πέρση προσάγωσι μέλι ιίις φύλακι καρ- πατν (?), τό φυλακτικόν έν συμβόλψ τίθενται. Vgl. Fr. Cumont, Textes et monuments figures rel. aux myst^res de Mithra 1, 320. Üeber Rei- ttiguDg durch Honig bezw. Ambrosia s. Röscher aO. 39 ff.

Miloh und Honig 183

den Weihungen zum vierten und fünften Grade, dem dee Löwen und dem des Pereere. Dem künftigen Löwen wurde statt Wasser Honig auf die Hände gegossen als Reinigungsmittel ; ' sie reinigen aber aucli die Zunge mit dem Honig von allem Sündhaften': die Zunge wurde also nur bestrichen mit Honig. Bei der fünften Weihe zum Perser wurde Honig als 'erhaltendes' Mittel^• ge- reicht: es scheint also in diesem Fall als Unsterblichkeit ge- währende Götterspeise, wie eine Art Ambrosia gegeben worden zu sein. Hätte uns doch Porphyrios, statt uns von der Feuer- natur des Löwen zu unterhalten, aus seinem Pallas mehr über den liturgischen Hergang berichtet. So bleiben uns seine An- gaben fürs erste fremdartig.

Glücklicher Weise sind wir weit gründlicher unterrichtet über die Anwendung, welche die alte christliche Kirche von Milch und Honig machte. Die Akten liegen noch heute so reichlich vor, dass wir nicht nur die liturgische Gestaltung und ihre Ge- schichte genügend kennen, sondern auch über das Wesen der- selben zu urtheilen vermögen.

In der christlichen Kirche wurde ehemals, und wird heute noch bei den Kopten und Aethiopiern der Brauch beobachtet, den Täuflingen, nachdem sie das Taufbecken verlassen, Milch und Honig zusammengemischt darzureichen^^. Die uns erreichbar älteste Form des Brauchs kennen wir erst seit Kurzem durch die lateinische Bearbeitung der Dtdascalia apostolorum^ welche Edmund Hanler aus einem Palimpsest zu Verona hervorgezogen bat^^ Unmittelbar nach vollzogener Taufe wurden die Täuflinge von einem Presbyter mit geweihtem Oel gesalbt und traten, nachdem sie die Taufkleider angelegt hatten, in die Kirche. Dort empfieng sie der Bischof, um sie unter Handauflegung mit ge- weihtem Oel (Chrisma) zu segnen und ihnen den Kuss zu geben, worauf sie an dem Gebet der gesammten Gemeinde theilnahmen

^ lieber erhaltende und antiseptische Kraft des Honigs s. Röscher aO. 56 ff.

^ Hieronymus in der Altercatio Luciferiani et orthodoxi c. 8 t. Πρ. 180« yall. 'Nam et multa alia quae per traditionem in ecclesüs obseruantur, anctoritatem sibi scriptae legis ueurpauerant, uelut in lanacro ter caput mergitare, deinde egressos lactis et meüis prctegwtare eoncordiam (entlehnt aus Tertullian s. Anm. '37) in infantiae significa- tionem die dominico et omni pentecoste\ auch Anm. 40. Vgl. Martene De antiquis ecclesiae ritibus I 1, 15 t. 3 p. 156 Muratori zu Liturgia Romaua uetus 1,30 ff., Assemani im Codex liturgicns eccl. nniu. 114.

^ Didascaliae apostolomm fragnienta Veronensia latina ed. E. Haoler (Lipt. 1900) p. 111-3.

184 Ueener

und zum Scbluss sich am Bruderkues betheiligten. Dann wurde das Messopfer für sie dargehracht. Es wurde dazu Brod, Wein mit Wasser gemischt, Milch und Honig gemischt, endlich Wasser consecriert. Alsdann belehrte der Bischof die Täuflinge über die sacramentale Bedeutung der einzelnen Elemente, brach das Brod und theilte es aus mit den Worten : * Das Brod des Himmels in Christo Jesu', und der Täufling antwortete Amen. Nun stellten sich drei Presbyter (wo ihrer so viele nicht vorhanden waren, Diaoone an Stelle der Fehlenden) der Reihe nach auf, ein jeder mit einem Becher versehen. Im Becher des Ersten war Wasser, der Zweite reichte Milch (und Honig), der Dritte Wein (gemischt mit Wasser). Also drei Becher, und von jedem musste der Täufling dreimal kosten. Der Geistliche sprach zum ersten Schluck: 'in Gott dem allmächtigen Vater ; zum zweiten : *ünd in unserem Herrn Jesus Christus', und zum dritten: 'Und im heiligen Geist und der heiligen Kirche* ^^. Auf jeden Spruch des Geistlichen ant- wortete der Täufling Amen.

Hier ist also Milch und Honig gradezu unter die Bestandtbeile einer zu besonderem Zweck veranstalteten Eucharistie genommen, und um die flüssigen Elemente auf die erforderliche Dreizahl zu bringen, hat man das Wasser, obwohl es schon im Weinkelch enthalten war, besonders eingestellt als Symbol innerlicher Reini- gung. Allein man würde sehr irren, wenn man diese eigenartige Stufenfolge flüssiger Abendmahlsbestandtheile ausschliesslich durch solche Erwägungen zu erklären glauben sollte. Alle drei, auch der sprudelnde Quell lebendigen Wassers, waren gegeben in alter tief gewurzelter Vorstellung; es sind die wunderbaren Erzeugnisse, durch welche sich die Gegenwart Gottes wie einst des Dionysos offenbart. Es sind genau dieselben drei Spenden, nur in anderer Ordnung, welche Odysseus^^ für die Seelen der Abgeschiedenen

^ Ich entferne mich hier scheinbar vom Wortlaut der Quelle. Dort steht p. 1 1 «-i ' et gustent qui pcrcipient de singulis (dh. von den drei Bechern mit Wasser, Milch, Wein) ter dicente eo qui dat "In deo patre omnipotenti'*, dicat autem qui accipit "Amen". "Et domino lesu Christo et spiritu sancto et sancta ecclesia*'. et dicat "Amen", ita eingulis fiat*. Es ist unmöglich ter anders als mit gusterU zu ver- binden; dann iet es aber unerlässlich, das8 zu jedem Schluck, nicht blos zu zweien, ein Segens wort vom Geistlichen gesprochen werde. 83 Hom. λ 2ίί f

άμφ' αύτφ (βόθρψ) bi χοήν χ€Ομην πασιν ν€κύ€ασιν, πρώτα μελικρήτψ, μ€τέττ€ΐτα δέ ήδέι οϊνψ, τό τρίτον αΟΘ' οδατι* έπΙ δ* Αλφιτα λ€υκά πάλυνον. ygl κ 518 f. Nitzsoh Anm. 3, 162.

Milch und Honig 185

in die Grube giesst: Honiggemiech (dh. Milch and Honig), Wein, zuletzt Wseser. Man müeete die Augen echlieseen, um zu ver- kennen, daee der Brauch, deb die ^Apostellehre' schildert, nur auf hellenischem oder hellenisiertem Boden kirchlich geworden sein kann.

Schon in der zweiten Hälfte des Π. Jahrb. nach Chr. war er, mindestens im Bereiche von Alezandria, in Uebung. Das be- zeugt Clemens Alex.^, wenn er Milch als die Nahrung nach der leiblichen Geburt, Milch und Honig als Speisung nach der gei- stigen Wiedergeburt in Vergleichung setzt. Mit derselben Be- stimmtheit gönnen wir behaupten, dass der ältere Verfasser des ßarnabasbriefs die Sitte noch nicht kannte. Seine ausführliche Erörterung 'des Landes wo Milch und Honig fliesst' (c. 6) würde einen anderen Gang genommen haben, wenn er von der Verwen- dung zur Taufe eine Ahnung gehabt hätte.

Es ist lehrreich zu beobachten, wie der alte Brauch all- mählich abstirbt, richtiger gesprochen, von der Kirche abgestossen wird. Die ägyptische und mit ihr die äthiopische Kirche hat Milch und Honig als Bestandtbeil des den Täuflingen gespendeten Abendmahls festgehalten. Für die ägyptische Liturgie waren die sogenannten Regeln des Hippolytos maassgebend, die uns arabisch und in koptischer Umarbeitung vorliegen. Hier heisst es von

den Vorgängen nach der Taufe ^^:

'Dann beginnt der Diakon zu heiligen, und der Bischof voll- endet die Eaqharistie des Leibes und Blutes des Herrn. Ist er damit fertig, communiciert die Gemeinde, während er an der Tafel des Leibes und Blutes des Herrn steht und die Presbyter andere Becher mit Milch und Honig tragen (dh. halten), um die Commu- nicanten zu lehren, dass sie zum zweiten Male als kleine Kinder geboren sind, da doch die kleinen Kinder an Milch und Honig coromunicieren So gibt ihnen der Bischof vom Leibe des Ge- salbten und spricht dazu: "Das ist der Leib Christi". Sie ant- worten Amen. Bei denen, welchen er den Becher gibt, spricht

8* Clemens AI. paedag. I (>, 45 p. 45, 44-7 Sylb. vgl. 6, 34 p. 43, 19-21 und 6, 51 p. 47, 14.

^ Kanon des Hippolytos 19, 15 nach W. Riedel, Die Kirchen- rechtequellen des Patriarchats Alexandrien (Leipz. 1900) S. 213, bei Haneberg (Monach. 1870) p. 77. Vgl. Achelis in den Texten und Unter- suchungen VI 4 S. 100 f., wo man auch eine üebersetzung der koptisch erhaltenen (hg. von Lagarde am Scbluss seiner Aegyptiaca) Aeg. Kirchen- ordnnng findet. Ueber den heutigen Brauch s. JMVansleb (Wansleben) Bist, de reglise d'Alexandrie (Par. 1G77) p. 206.

186 Usener

er: *'Da8 ist das Blut Christi**. Sie antworten Amen. Darauf commanicieren sie von der Milcb und dem Honig als Hinweis auf die kommende Zeit and die Sössigkeit der Güter in derselben: jene Zeit, welche nicht zur Bitterkeit zarückkehren wird, und jene Güter, welche nicht verschwinden. So sind sie vollkommene Christen geworden, welche man mit dem Leibe Christi genährt hat.' Dem entsprechend schreibt die äthiopische Tauf ordnnng^ yor: 'Und darauf sollen sie von dem . . . Geheimniss (der Eucha- ristie) empfangen . . ., sie sollen essen das Fleisch und trinken das thenre Blut unseres Herrn und Heilands Jesu Christi. Und darauf soll man denen, welche in Jesu Christo (wieder-)geboren sind, Milch (und) unverfälschten (Honig) geben.* An Stelle der drei Kelche ist eine Dreiheit der Abendmahls- elemente tiberbanpt getreten: Brot, Wein, Milch und Honig. In dieser Gestalt mögen die Taufbränche an die afrioanische '^ Kirche gelangt sein. Vor der kirchlichen Wissenechaft, die allmählich auch den Gottesdienst beeinflussen musste, konnte sich der un- biblische Bestandtheil der Eucharistie auf die Dauer nicht halten. Das dritte Concil von Carthago (397) schärfte die Be- schränkung der Eucharistie auf Brot und Wein nachdrücklich ein, und schloss in dies Verbot auch die Milch und den Honig ein, die den Täuflingen gereicht würden^: sie hätten ihren besonderen

^ E. Trumpp, Das Taufbuch der äthiop. Kirche in den Abhandl. der philos.- philo!. Gl. der k. Bayer. Akademie der Wissensch XIV 3 S. 182. Vgl. H. Denzinger, Ritus orientalium 1, 282.

^ Tertulljanus de corona militis 3 *dehinc ter mergitamur . . . inde suscepti lactis et raellis concordiam praegustamus* vgl. adv. Mar• cionem I 14 'mellis et lactis societatem qua suos infantat (Christus)*. Die kühn gefassten Worte der ersten Stelle, die Hieronymus (oben Anm. 30) ausschreibt, finden genügendes Verständniss nur unter der Voraussetzung, dass Tert. Worte und Gedanken der Liturgie zusamraen- fasst. Milch und Honig werden den Täuflingen gereicht zum Vor- geschmack (praegustamus) der ewigen Seligkeit; die einträchtige Mischung der beiden Flüssigkeiten wird auch im Segensspruch der römischen Kirche (unten S. 188) hervorgehoben und gedeutet auf die Verbindung des Irdischen und Himmlischen in Christo. Diesen letzteren Gedanken hatte also auch die Segensformel der afticanischen Kirche.

* Conc. Carthag. III c. 24 = conc. Hippon. (397) c. 23 = cod. canonum eccleeiae Africanae (vom J. 419) c. 37 *Vt in sacramentis cor- poris et sanguinis domini nihil amplius ofFeratur quam ipse dominus tradidit he. panis et uinum aquae mixtum, primitiae uero seu mel et lac, quod uno die sollemnissimo pro infantis mysterio solet offerri, quamuis in altari ofFeratur, suam tamen habent propriam benediotionem, ut a sacraniento ilominici corporis aut sanguinis distinguantur* usw.

Milch und Honig 187

Segen (benedictionem) und seien der eigentlichen Commanion fern zu halten.

Anderwärts hat man die fremdartigen Bestandtheile, falls sie überhaupt bekannt gewesen waren, zeitig fallen lassen. Die grossen griechischen Kirchenväter des lY Jahrh., unter denen Kyrillos von Jerusalem in seinen Katechesen ^^ und Johannes Chrysustomoe in ihrem Schweigen geradezu als Zeugen gelten müssen, kennen sie nicht mehr ; auch die etwa in dieser Zeit ab- geschlossenen Apostolischen Constitutionen (7, 43 f.) wissen nichts davon. Und wenn Hieronymus^^ bemerkt, dass der Brauch bis zu seiner Zeit 'in den Kirchen des Westens' beobachtet werde, zeigt er sich zwar über die Grepflogenheiten der Aegyptischen Kirche wenig unterrichtet, aber um so besser mit der Thatsache vertraut, dass den Kirchen Palästinas und Syriens die Sitte fremd war. Den Orientalen ist die Mailändische Kirche gefolgt: in den Taufpredigten des Maximus von Turin ist keine Andeutung von Milch und Honig mehr zu finden ; spätestens mit dem V. Jh. war also in Oberitalien die Sitte erloschen.

Anders ist Rom vorgegangen. Das älteste römische Sacra- mentar, das im Laufe des VI. Jh. zusammengestellte*^ sacramenta- rium Leoninumy beginnt zwar infolge von Verstümmelung erst im April, und hat somit die Abschnitte über die österliche Taufzeit eingebüsst, allein es bringt unter den Formeln der Pfingsttaufe den erwarteten Segen auf Milch und Honig *•. Ich gebe ihn seiner Wichtigkeit halber in Uebersetzung :

' Segne, Herr, auch diese deine Geschöpfe der Quelle, des Honigs and der Milch; tränke deine Diener aus diesem Quell unversieg- baren Lebenswassers, das der Geist der Wahrheit ist; und nähre pie von dieser Milch und dem Honig, gleichwie du unsern Vätern Abraham, Isaak und Jakob zugesagt hast, sie einzuführen in das Land der Verheissung, das Land, das da fliesst von Honig und

® Die sonst so mittheilsame Aquitanierin geht auf [die Tauf- bräuche selbst nicht ein (Itinera Hierosolymitana ed. Geyer p. 99).

*^ Hieron. in lesaiam 55, 1 t. IV p. β44« Vall. 'qui^raos ac typus in occidentis ecclesiis hodie usque seruatur, ut renatis in Christo uinum lacque tribuatur'. Man hat sich unnöthiger Weise über diese Zu- sammenstellung von Wein und Milch den Kopf zerbrochen. Mit der Milch ist der calix lactis dh. lactis et meüis gemeint, wie^es auch in der Didasc. apost. p. 113,28 kurzweg heisst secundus qui lac (tenet). Vgl. Anm. 50.

*^ S. L. Duchesne, Origines du culte chrotien p. 180 ff.

*^ Muratori's Liturgia Romana uetus 1, 31H Leo Magnus ed. Ballerini t. II p. 24.

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Milch. Verbinde denn deine Diener, ο Herr, mit dem heiligen Geiste, also wie hier verbunden ist Honig und Milcb, zum Zeichen, dass himmlisches und irdisches Wesen geeinigt ist in Christo Jesu unserem Herrn.* Verstehen und würdigen können wir diesen Segenseprach erst jetzt, nachdem ans die ^Apostellehre mit der ältesten Ge- stalt des Tanfbrauchs bekannt gemacht hat. Ausser über Milch und Honig wird der Segen auch über Quellwasser gesprochen. Das Wasser, das dem Wein des Sacraments beigemischt ist, wird mit dem Altarkelche geweiht*'; hier kann es sich also nur um Wasser handeln, das besondere gereicht wird und auf gleicher Stufe mit Milch und Honig steht. Wer etwa denken möchte, durch Streichung des unbequemen W^orts den Anstoss zu heben**, würde dem Spruch einen noch schwereren Schaden zufügen, in- dem nun der ganze Satz vom Quell unversiegbaren Lebenswas- sers vollständig zweck- und beziehungslos würde. Also wurde damals noch zu Rom den Täuflingen das Abendmahl genau in der Weise gereicht, wie sie die Apostellehre vorschreibt. Der Austheilung des Brots folgte die Darreichung der drei Kelche mit Wasser, Milch und Honig, zuletzt Wein. Es versteht sich von selbst, da Brot und Wein als Elemente der Eucharistie für sich consecriert wurden, dass der Inhalt der beiden anderen Kelche besondere zu segnen war. Unwillkürlich erhebt sich die Frage, ob dieser lateinische Text der Apostellehre in nähere Beziehung zur römischen Kirche gesetzt werden kann (vgl. Anm. 52).

Schon das im Laufe des VH. Jh. entstandene*^ sacramen- iarium Gelasinnum hat diesen Segensspruch, und damit jede Spur von Milch und Honig ausgemerzt und ebenso ist er aus den Exemplaren des sogen, sacr. Gregorianum verschwunden; die sonst so gut unterrichteten mittelalterlichen Schriftsteller über Liturgik beobachten, so viel mir bekannt, vollkommenes Schweigen. 'Wohl aber kommt noch ein liturgisches Sendschreiben in Betracht, das ein römischer Diakon des häufigen Namens Johannes an den vir inlustris Senarius richtet*^. Der vornehme Hofmann hatte sich unter vielem anderem auch darüber Aufklärung erbeten, warum 'in den heiligen Kelch Milch und Honig gegossen und am

*3 Vgl. Didasc. apost. p. 112, 7 f.

** Das haben die Ballerini gethan, gestützt auf die unten S. IVH) zu besprechenden Ritualbücher. S. Ducheane aO. 121 flf. *6 In Mabillons Museum Italicum I 2 p. 69— 7i).

Milch and Honig 189

Ostereametag zusammen mit dem MesRopfer dargebracht werde^^'^. Wie die Frage, so zeigt die sachkundige Antwort, dass damals die römische Kirche den Brauch noch übte. Nach dem Obigen kann das spätestens dem V VI. Jh. zugetraut werden. Es war also, wie längst anerkannt ist^ ein grober Anachronismus, wenn Mabillon (aO. 77 f.) den Verfasser in einem Schriftsteller des IX. Jh., dem Biographen Gregors des grossen und Freund des Anast^sius bibliothecarius wiederfinden wollte. Sicherer war es, von dem seltenen Namen Senarius auszugehen. Einen solchen kennen wir als Hofbeamten Theoderichs, den Freund des Enno- dias ^^, und in derselben Zeit sehen wir einen gelehrten Diakon Jobannes in vertrautem Verkehr mit Boethius und Symmachus: auf ihn hat daher bereits Rand unsere Schrift richtig zurück- geführt. Die Schrift gehört also den ersten Jahrzehnten des VT. Jh. an. Es war nicht unwichtig, die Zeit festzustellen. Wir haben in dem Sendschreiben das urkundliche Zeugniss dafür, dass noch damals die römische Kirche dem Täufling bei seinem ersten Abendmahle Milch und Honig reichte. 'Hochheilig' nennt Johannes den Kelch nicht darum, weil Milch und Honig dem Weinkelch der Eucharistie zugegossen ^, sondern weil der Kelch, der diese Flüssigkeiten enthielt, als Bestandtheil des Sacraments gereicht wurde; das wird von Johannes ausdrücklich bemerkt ^^, and seine Beantwortung der Frage ist, sogar mit wörtlichen Anklängen, ganz auf die Andeutungen der lat. Apostellehre ge- gründet ^*. Rom hatte also den alten Brauch am längsten un- verändert bewahrt, bis er um 600 (durch Gregor den gr.?) plötz- lich wie mit oinem Federstriche abgestellt wurde.

^*' C. 12 p. 75 'quaeeistis, cur in sacratissimum calicem lac mit- tatur et mel et paschae eabbato cum sacrificiis ofiferatur.*

^ Mommsen zu Cassiod. p. 499 vgl. Vogel zu Ennodius p. 359. Dass Senarius nicht Arianer war, sondern zur römischen Kirche ge- borte, zeigt das Schreiben des Johannes p. G9.

E. K. Rand, Der dem Boethius zugeschriebene Traktat de fide catholica, im XXVI. Suppl.-Band der Jahrbücher f. Philol. S. 444 f.

^ So scheint Mabillon Mus. Ital. II p. XCIX verstanden zu haben. Clemens AI. paedag. I 6, nl p. 47, 18 S. kennt zwar eine Mischung von Milch und^Vein, aber er weiss auch, dass dabei die Milch gerinnt. Wein und Milch gemischt zu trinken ' a rerum natura et hominum usu abhorret', wie W. Christ zu Pindar p. 257 richtig urtheilt.

^* Johannes aO. p. 75 *baptizatis ergo hoc sacramenti genus offerlur' und gegen Ende 'nutriti talibus sacramentis*.

^^ Sowohl bei der aus der beiiedictio stammenden Heranziehung

190 üsener

Der Segeneepruch des sacram, Leoninum hat eich länger erhalten als der Brauch selbst. Als der Sprach für die Taufe überflüssig geworden war, hatte man, wie es kirchliche Benedic- tionen für alle möglichen Lebensmittel gibt, deren Erstlinge ge- segnet werden sollen ^^, so für Milch und Honig als alltägliche Nahrungsmittel diesen Spruch verwerthet. In Ritualbüchern des IX/X. Jh. ^ steht er hinter den Segenssprüohen auf das Oster- lamm und auf andere Fleischarten. Die Umbildung hat man mit einem sehr geringen Maass von Yerständniss und Geschick voll- zogen ^^ Man hat einfach im ersten Satz die Erwähnung der Wasserquelle gestrichen und im zweiten die Worte, die allzu deut- lich auf den Becher mit Wasser hinwiesen, theils gestrichen, theils geändert. Dass so der zweite Satz ganz sinnlos geworden, hat den Liturgiker, der diese Operation vornahm, ebenso wenig gestört, als dass der ganze Segen auf die Taufe abzielt. Der Spruch war nun reif, vergessen zu werden.

Für die kirchengeschichtliche Erfahrung und die theolo- gische Einsicht meines jungen Freunds H. Lietzmann bestand sofort, als ich ihm den Sachverhalt dargelegt hatte, kein Zweifel daran, dass der Gebrauch von Milch und Honig bei der Taufe

der terra repromissionis, wie bei dem Gegensatz der Bitternies (amara) des irdischen Sündenlebens (Joh. post amara delicta and amarititdinis lacrimas, Did. ap. p. 112, IG amara cordis dtdcia efficiens).

^ Eine sehr reichhaltige Sammlung hat vor Zeiten das Kloster Einsiedeln veranstaltet: Manuale benedictionum rituumque ecclesiasti- corum (ed. III 1685).

^ De diu i nie catholicae ecclesiae ofBciis . . . patrum ac scripto- rum libri . . . per Mich. Hittorpium (Colon. 1568 fol.) p. 79i> Martin Gerberts Monumenta ueteris liturgiae Alemannicae (1779.4) t. IIp. 219. Muratori Lit. Rom. uet. 2, 505 f. gibt denselben Segen 'ex peraetusto ritaali pontificali Romano membranaceo, quod exstat apud equitem MafFeium* (p. 415). In den zahlreichen Ritoalbüohem, welche für die Praxis der Geistlichen gedruckt worden sind, wird man den Sprach vergeblich suchen.

^ Ich will die Sätze, auf welche es ankommt, in den beiden Fassungen gegenüber stellen:

Sacr. Leon. Ritualbücher

Benedic domine et has tuas creaturas Benedic domine lias creaturas fontis, roellis et lactis. et pota lactis et mellis, et pota famulos tuos ex hoc fönte aquae famulos tuos fönte perenni,

uitae perennis, qui est Spiritus ueritatis. et qui est Spiritus ueritatis. et

enutri eos de hoc lacte et melle .... enutri eos de hoc laote et melle ....

Milch und Honig 191

Dicht ein nreprOnglich in der ganzen Christenheit verbreiteter, sondern wie der palästinischen, syrischen und griechischen Kirche von Anfang an fremd, so nur der ägyptischen mit der africani- schen und römischen gemeinsam gewesen sei, mithin in Aegypten seine Wiege habe. So sehr ich Anfangs mich, gegen diese Anf- fasenng sträabte, weil dem Brauch sein griechischer Urspmng 80 deutlich aufgeprägt ist, hat mir bei ruhigem Ueberblick der 'fhatsachen mehr und mehr die Richtigkeit jenes Urtheils ein- geleuchtet. Alte und eingewurzelte symbolische Bräuche werden nicht so leicht über Bord geworfen, namentlich nicht, wenn so schlagende Bibelworte sie zu stützen scheinen , wie in diesem Falle das Land der V'erheissung. Wann sollte der Osten den Brauch aufgegeben haben, wenn er ihn wirklich besessen hatte? Das vierte Jh., das so viel Heidnisches in die Kirche aufnahm, war schwerlich die Zeit für diese Keinigung. Und doch ist in der zweiten Hälfte dieses Jh. der Brauch dem Osten ganz un- bekannt. Auf hellenischem Boden freilich muss er entstanden sein. Aber war Aegypten nicht hellenistischer Boden? In der That waren hier alle Voraussetzungen, und zwar in hervorragen- dem Maasse gegeben: Aegypten war das Land, wo unter dem Einfluee der Gnosis zuerst heidnische Elemente, fast planmässig, in das Ghristenthum eingemischt wurden.

Wie war man darauf verfallen, den Täuflingen Milch und Honig als Saorament zu reichen? Man hat die Erklärung des Brauchs in der Nahrung des ersten Kindheitealters zu finden ge- glaubt. In wiefern damit ein Stückchen Wahrheit gegeben ist, wird sich im weiteren Verlauf herausstellen. Zur Erklärung aber reicht das schon darum nicht aus, weil bei der Taufe Mi- schung von Milch und Honig gereicht wird, von deren Verwen- dung für Säuglinge natürlich kein alter Zeuge spricht. Gewöhn- lich fasst man den Brauch als eine Uebertragung des alttesta- mentlichen Landes der Verheissung, das von Milch und Honig flieset'^. Sicher hängt beides enge zusammen. Aber wer den gottesdienstlichen Ritus aus dem alttestamentlichen Wort ableitet, verwechselt Ursache und Mittel. Das Land der Verheissung hätte, wenn es überhaupt die Kraft besessen hätte sich in eine liturgische Flandlung umzusetzen, allenfalls auf die Gestaltung der letzten Oelung Einfluss üben können, dergestalt, dass dem Sterbenden Milch und Honig wie zum Vorgeschmack der ewigen

Μ S. oben S. 181 Anm. 21.

192 Üsen'er

Seligkeit gereicht worden wäre. Aber die Kluft zwischen der Tanfhandlung and jener Verheiseang war nicht zu ilberepringen ohne einen vermittelnden Gredanken, der die Kraft des Anetoeees besaes. Wir haben hier wieder ein lehrreiches Beispiel dafür, wie überkommene, im Heidenthum wurzelnde Vorstellongen in unpere Liturgie gestaltend eingreifen. Die biblische Parallele bleibt so lang ein todtes Wort, als nicht eine Vorstellung jener Art, unwillkürlich und unaufhaltsam wirkend, in dem Bibelwort den christlichen Ausdruck zu finden lehrt.

Welche Vorstellungen dabei leiteten, lassen die alten Zeugen des liturgischen Brauchs nicht in Zweifel. Nach den Canones Hippolyti^"^ sollen die Täuflinge Milch und Honig geniesseo ^als Hinweis auf die kommende Zeit und die Süssigkeit der Güter in derselben : jene Zeit, welche nicht zur Bitterkeit zurückkehren wird, und jene Güter, welche nicht verschwinden . Oder wie der Diakon Johannes es ausdrückt: 'Den Getauften wird darum diese Form des Sacraments dargereicht, damit sie zur Erkenntniss kommen, dass nur die, welchen der Leib und das Blut des Herrn zu Theil geworden ist, das Land der Verheissung empfangen werden, und dass sie beim Antritt der Reise dorthin wie Säug- linge mit Milch und Honig gespeist werden'. Es ist nicht nöthig weitere Belege zu häufen.

Wir haben oben feststellen können, dass zu den Vorstel- lungen, womit das Götterland und, was damit wesensgleich ist^, der Aufenthalt der Seligen, das Paradies oder der Ort des gol- denen Zeitalters, ausgestattet wurde, seit Alters auch gehörte, dass es ein Land sei, wo Milch und Honig fliesst. Darum kündigt sich durch dies Wunder der Gott an, der durch seine Gegenwart den Himmel auf Erden zaubert, Dionysos. Den Todten wird Ge- misch aus Milch und Honig gespendet, weil den im glücklichen Jenseits wohnenden Geistern die Speise der Götter zukommt. In einem Zauberbuche ^®, auf das mich A. Dieterich hinweist, wird angeordnet: 'Nimm die Milch mit dem Honig und trink davon vor Aufgang der Sonne, dann wird etwas Göttliches in deinem Herzen sein . Deutlicher konnte nicht gesprochen werden. Eben

" Oben S. 18(>.

^ S. Sintfluthsagen S. 197 ff.

^ Berliner Zauberpapyrus hg. von Parthey in den Abhandl. d. Berl. Akademie imf) S. 120, 20 f. καΐ λαβών τό γάλα σύν τψ [μ^λι]τι άπόττιε πρΙν ανατολής ηλίου, καΐ ίαταχ τι £νθ€ον έν τ^ σή καρδ(<2ΐ.

Miloh und Honig 193

diese Yoretellung musete eicb bei der Gestaltung der altcbrist- licben Taufe wirksam erweisen. Der Christ gewinnt dnrch die Taufe die Sohnschaft Gottes ; geboren von sterblichen Eltern, streift er im Wasser der Tanfe das Irdische ab and wird wieder- geboren^ zu einem Sohne Gottes, zu einem göttlichen und zur ewigen Seligkeit berufenen Wesen. Dessen zum Zeichen wird der Täufling mit Milch und Honig gespeisst nicht nur symbolisch sondern auch sacramental, indem die göttliche Speise unmittelbar das göttliche Wesen des Neugeborenen bekräftigen hilft.

Die allgemeine mythologische Vorstellung musste durch thatsächlichen Brauch näher gelegt sein, wenn sie in den christ- lichen Taufceremonien so sinnfällig zur Anschauung gebracht werden sollte. Die Yermuthung ist kaum abzuweisen, dass die Weihen griechischer Mysterien das nächste Vorbild der altchrist- lichen Sitte gewesen seien. Wir wissen das bis jetzt noch nicht. Auf ein anderes Vorbild können wir mit grösserer Bestimmtheit hinweisen. Seit Schneiders Bemerkung in Böckhs Pindarcom* mentar*® ist es oft nachgesprochen worden®^, dass es im Alter- thnm üblich gewesen sei, Säuglinge mit Honig zu nähren. Sieht man genauer zu, so handelt es sich um einen in der Regel ein- maligen Akt. Man pflegte dem neugeborenen Kinde etwas Honig in den Mund zu streichen und dann ihm abgekochten Honig ein- zoflössen, bevor es an die Brust gelegt wurde ®^. Auch Laien betonen es, dass Honig die allererste Nahrung des Kindes sei und der Milch vorhergehe®'. Bei dieser verbreiteten Praxis hat der Honig denselben Zweck wie das auf Alemannischem Gebiet

» Bei Böckh zu Pind. Ol. 6, 47 p. 158. Schneider stützt sich &uf die gelehrte Bemerkung des Isaac Voss zum Harnabasbrief (Epi- etolae'^genuinae s. Ignatii, Amstelod. 104β) ρ. 313.

βι CFHermann Gr. Privatalter th. 33, V> (S. 289, 5 der ΠΙ. Aufl.) Röscher, Nektar u. Ambrosia S. 62 f.

® Soranue gynaec. 30, 86 p. 258, 12 ff. Rose vgl. Aetius Ami- denue IV 3 f. 68^ Aid. Paulus Aegin. I 5 f. 2^ Aid. Im Hebammen- katechiemus nach Soranus^heisst es p. 31, 1 Rose bündig: 'digito debet mamma eius (infantis) es ipsius inlinere uel muleam tepidam instillare et sie postera etiam lac offerre*.

« Schol. Α riet. Thesmoph. 506 ού γάλα πρότβρον τοΙς βρέφβσιν έδ(ίκ>σαν άλλα μέλι άπολβίχειν. Μένανδρος δέ ούκ ορθώς ποΐ€ΐ τά άρ- τίτοκα γάλακτος άπολ€{χ€ΐν Melampus-Dioraedee zu Dionysios Thr. ρ. 35, 17 Hilg. {BAG ρ. 788, 33) und schol. Londin. p. 491, 15 H. ώς τό μέλι πρώτιστον βρωμά έστι τοΙς βρέφβσιν (von Uhlig nachgewiesen) Barnabasbrief 6 οτι πρώτον τό παιδίον μέλιτι, €Ϊτα γάλακτι ίωοποιβίται.

KlMüi. Μαι. t PbÜol. Ν. ¥. LVU. ^*^

194 Usener

sogenannte Eindetränkli oder Eindesäftli^. Daee aber die grie• chisohen Aerzte dazu grade Honig wählten, hatte seinen Grund darin, daee er ihnen durch einen in graue Vorzeit zurückreichen- den Brauch gegeben war. Bei den Germanen*^ und vermnthlich auch den Slaven wurde das Kind durch Einflössung von Honig dem Licht und Leben geweiht: wer das gekostet, dem war das Recht zum Leben feierlich und unentreissbar zuerkannt, er durfte nicht mehr ausgesetzt oder getödtet werden. Auch für Inder und Perser•® ist gleicher Brauch bezeugt. Für die Griechen gestattet die erwähnte Sitte auf den alten Hintergrund zuzückzuschliessen. Soranus findet es nöthig unter den Stoffen, die dem Kinde zu- erst gereicht wurden, ausdrücklich Butter abzuweisen: wir finden bei den Indern Honig mit Butter und geronnener Milch gemischt, bei den Juden, wenn wir ans Jesaias 7, 15 schliessen dürfen, Butter und Honig an Stelle des von Soranus empfohlenen Honigs. So gewiss aber der indische und jüdische Brauch auf alten Glaubensvorstellungen beruht, haben wir auch den Honig der griechischen Sitte darauf zurückzuführen. In den Sagen von künftigen Dichtern und Sehern, die oben (S. 1 79) berührt wurden, hat sich die alte Anschauung erhalten. Sie begegnet, nur auf göttliche Stufe emporgerückt, in der von Pindar (Pyth. 9, 63) erzählten Sage, dass Hermes den eben geborenen Aristaios cur Gaia und den Hören gebracht und diese ihm Nektar und Am- brosia in die Lippen geträufelt und dadurch unsterblich ge- macht hätten.

Gewiss kann in dieser Anschauung und dem daraus ent- sprungenen Brauch ein wichtiges Vorbild für die Gestaltung der Einweihungsriten gelegen haben, welche die alte Kirche übernahm. Aber eben so deutlich scheidet sich bei schärferem Zusehn der dem Neugeborenen gereichte Honig von dem Gemisch aus Milch und Honig, wie es der Wiedergeborene empfieng. Und so werden wir

β* S. Roohholz Alem. Kinderlied' S. 282.

® S. JGrimms D. Rechtsalterthümer S. 457 f. (l* 630 ff.) vgL Röscher aO. H8. Für die Slaven spricht die Angabe V. Grohmanns Aberglaube und Gebräuche in Böhmen uad Mähren S. 107 n. 7(u. Auch bei den Südslaven dürfen wir den Brauch voraussetzen nach dem niedlichen Kolo (Talvj's Volkslieder der Serben 2, 98), auf den schon JGrimm D. Myth. 535 hingewiesen hat: zwei Schwestern wün- schen ein Brüderchen zu haben, putzen eiue schöne Puppe heraus, und ' stecken (ihr) Honig in den Mund und Zucker : "Iss das doch, und fange an zu sprechen".

w Λ Kuhn Herabkunft des Feuers S. 122^ f. Anm. 1.

Milch und Honig 195

durch nneeren ümhlick gehieteriech zu dem Punkte zurückge- führt, Yon dem wir ausgiengen. Die Wurzel des Brauchs kann nur in den mythischen Vorstellungen vom himmlischen Land gesucht werden, wie sie am lehhaftesten in Sage und Cultus des Dionysos ausgeprägt waren.

Zum Schluss möge es mir verstattet sein, mit wenigen Worten noch einmal auf die ohen (S. 182 f.) erwähnten Gebräuche der Mithrasweihen zurückzukommen, auf die, wie ich hoffe, die im weiteren Verlauf gemachten Beobachtungen etwas Licht werfen. Mit der Stufe des Löwen trat der Mithras Verehrer aus dem Rang der ' Dienenden \ dem die drei unteren Stufen (Corvus, Cryphius, Miles) angehörten, in den Rang der *Theilnehmenden'®'^, in dem die vier Stufen des Löwen, Persers, Sonnenläufers und Vaters erstiegen werden konnten. Man sieht, die niedere und die höhere Rangklasse verhielten sich etwa wie in der christlichen Kirche die Katechumenen und die Gremeinde der Grläubigen. Begreiflich also, dass erst bei den vier höheren Graden Weihungen sacra- mentaler Art vorkamen. Bei dem ersten des Löwen bestand sie in einer Reinigung; aber der Honig, mit dem die Zunge be- strichen wurde, entspricht zu sehr der alten Sitte, durch diese Handlung das neugeborene Kind dem Leben zu weihen, als dass wir nicht die Deutung auf Reinigung als nachträgliche Priester- weisheit, wie sehr sie auch in der Liturgie Ausdruck gefunden haben mochte, nehmen müssten. Krst mit der Stufe des Löwen war der Mithrasdiener zur Theilnahme an den Mysterien ge- boren. Bei der Einführung in die zweite höhere Stufe wurde Honig als Speise gereicht. Und hier kann es nach Allem, was wir beobachtet, keinem Zweifel mehr unterliegen, dass der Honig in seiner alten mythologischen Bedeutung als Götterspeise ge- nommen wurde und dem neuen ' Perser' Göttlichkeit und Seligkeit

verbürgen sollte.

U.

β' S. Cumont aO. 1, 317.

DE FRAGMENTIS SCRIPTORVM APVD

NONIVM SERVATTS

In libello meo, cui titulus^Noniue Maroellus', Oxoniia. 1901 edito docui Noniam Marcellum id componenda Compendiosa Doctrina materiem suain ex XLI librie bausisRe, quoe eodem seniper ordine ad partes vocat:

1 GloBsano nescioqno,

2 Planto in fabulis XXI Yarronianis (hoc ordine: Amph., Asin., Aul., Baccb., Cist., Gas., Capt, Cnrc, Epid., MiL^ Men., Merc, Most, Pers., Peend., Poen., Rnd., Stich., Trin, Truc, Vid.i),

3 Luoretio,

4 Naevio in Lycurgo,

5 Accio in hie fabulis: Enrys. (Eris.), Arm. Ind., Asty., Gen., Ter., Alph., Amph., Melan., Epinaus., Pelop., Pboen., Med., Philoct., Α 1cm., Teleph.

6 Pomponio in hie : Piot., Prost., Pannnc, Papp, agr., Piscat., Pist., Praec. post., (?) Petit., (?) Pore,

7 Novio in hie: Füll, fer., Paed., Agric. , Zon., (?) Dec., (?) Gallin., (?)Ficit., (?)Tabell., (?)Sann., (?)Macc., (?)Macc. ex., (?) Mil. Pomet., (?) Papp, praet., (?) Praec. post.,

8 Accio in bis: Epig., Meleag., Aen. ant Dec, Stas. vel Trop. Lib., Atham., Clyt., Bacoh., Neopt., Erig., Nyet., Andr., Atr., Phin., Agam., (?) Antig., (?) Chrys.,

9 Lucilio in Saturarum libris 1 XX,

10 Ennio in bis fabulis : Uect. lytr., Teleph.,

11 Turpilio in bis: Boetb., Demetr., Caneph., Deminrg., Epicl., Thras., Paed., Philop., Leucad., Lind., Lemn., Parater., Het.,

1 In libello meo Vidulariam (Bid.) inter Bacch. et Cist. in Nodü exemplari fuisse dixi. Quod tarnen nunc dubito. Cf. Non. 468 M. 35.

De fragmentis scriptorum apud Nonium servatis 197

12 Paonvio in hie: Atal., Perib., Dnlor., Herrn., (?) Ilion., (?) Med.,

13 Cicerone in librie de Repablica, ? 14 Glossario altero,

lo Varrone in bis Menippeie: Εύρ., Έχιυ, π€ρ\ έΕαγ., Mut. mnl., *Ανθρ., Marcop., Cygn., Sciam., Synepb., Τό έπι τή, 'Αλλ' ου, Pap. pap., Peeud. Αρ., Cosmot., öloria, Flaxtab., Testam., Εκατ., Peripl. I et II, Oetog., Serran., Έιυς πότε, Deeult., Devict., Prom. libr., περί K€p., Tithon., Est mod., Epitaph., Trihod. Trip., (?) π€ρι αίρ., (?) Vinal.,

16 Cicerone in libro Π de Deornm Natura,

17 Accio in bis fabalis: Myrm., Diom.,

18 Sallustio in lug., Hist., Cat.,

19 Afranio in bis fabulis : Vop., Priv., Fratr., Except, (?) Di- vort., (?) Epist., (?) Susp.,

20 Cicerone in libro I de Officiie,

21 Naevio in Danae,

22 Vergilio,

23 Terentio (hoc ordine fabularum : Andr., Ad., Phorm., Hec, Heaut., Eun.),

24 Cicerone in epistolis ad Caes. iun., in orationibue Yerrinis et Philippicis,

25 Lucilio in librie XXVI XXX (hoc ordine citatia: XXX —XXVI),

26 (xloseario tertio,

27 verborum serie quadam alphabetico, quem dicunt, ordine (ABCD— ) dispoeita,

28 adverbiorum serie eodem disposita ordine,

29 Cicerone in librie II III de Off., Hort., Sen.,

30 Plauto in fabulis Amph., Α sin., Aul.,

31 Varrone in bis Menippeis: Marcip., Andab., L. Maen., Myst., Agath., Quinq., Endym., Virg. div., Geront, Parm., Herc. t. f., Meleagr., Ταφ. Mev., Sesqueul., (?) Hero. Soor., Sexag., Γνιυθ. (Je., Eum.,

32 Gellio in Noctibus Attiois,

33 Varrone in hie Menippeis: Bimarc, Man., Mod., Όν• λυρ.,

34 Cicerone in libris de Finibus,

35 Gloesario quarto,

36 Sisenna in libris III IV Historiarum,

37 Cicerone in Oratore, et libris de Öratore,

38 Gloesario qninto.

198 Liudsay

39 Cicerone in Acad., Tuec,

40 Varrone in libro 1 de Re Bast.,

41 Varrone in librie de Vita pop. Rom., Cat. vel de IIb. ednc.

Docui porro eos fontee ea constantia a Nonio esse adbibitoe, ut loci ex iie citati enndem ordinem in eingnlis Compendiosae Doctrinae librie eervent atque in fontibus ipsis.

Verbi gratia, in libro IF sab littera Ρ haec iemmata ex fönte XXX^! (Plauto in Amph. Aein. Aal.) exhibet Nonioe (pp. 151, 152 M.):

piem cum citatione Α sin. 506

portieculns

515

perplexabile

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792

praesegmina

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Δηΐ. 312

pipnlo

445

picos

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701

Sequnntur haec Iemmata ex fönte XXXP (Varr. in Me- nippeis quibusdam):

percellere cum citatione Farm.

pinsere

Ταφ. Mev.

porcas

Ταφ. Mev.

putidum

Ταφ. Mev.

[paenitndinem

praebitio

£um.

pueros

Enm.

paxillns ,,

Eam.

Unid est cur dubitemus credere locos saturamm Ταφ. Mev. et £um. verum ordinem non minus exhibere quam locos fabu- larum Α sin. et Aul.?

£t. recte quidem noe ita credere demonstravi in libello supra dicto, ubi tota res plene traotatur.

Habemus igitur regulam ad quam verus ordo fragmentorum aliquot apud Nonium servatorum constituatur, eorum scilicet quae Nonius ex scriptore ipso, neque ex glossario aliquo neque ex üommentatione marginal] hausit. Qua regula usus hie in onum coUigam ea quae citationum apud Nonium dispositio de vero ordine fragmentorum docet. Scito igitur:

Lucilii lib. I fr. XXIX Mu. locum habere post fr. XXVIII III XXI XLIII

XLV ., VI

VI (immo νΠ) XIV XIV (libri VTl)

De fragmentis scriptorum apud Nonium servatis

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De fragmentiB scriptorum Hpud Nodiub servatis 201

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Rep. III § 40 Numqnam etc.

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IV § 6 Ceneoris etc.

§ 7 Nolo etc.

§ 7 Fides etc.

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§ 24 Nam cum etc.

8 lib. IV. Admiror etc.

6 Itaque etc.

7 Fidee etc. 6 Censorie etc.

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Plauti* Ampb. fr. VIII (Teubn., 1893) locum babere poet fr. IX

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Varronis Agatb. fr. VIII Bue. locum babere poet fr. I

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* Non tarnen affirroare licet Bacch fr. XVII poet XVIII locum habere. Nam ex ordine eo quem singulue particulae lemmatum in lib. IV<^ tenent nibil certi colligitur (cf. lemma indueere, p. 330 M.).

202 Liiidsay

Varronie L. Maen. fr. IV Bne. locum habere post fr. III

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De fragmentis scriptorum apud Nonium servatis 203

Pomponii Piot. fr. I Ribb. locum habere post fr. Π

Π IV

Praec. poet.VIII VIT

Proet. IV V

V VIII

?Novii Paed. VI V

De fragmentis Varronis librornm de Vita pop. Rom. et de Lib. edno. nondnm eatis commode editorum nihil dico. Qni ta- rnen eornm librornm editionem parabit, ie diligenter Nonianarum ordinem oitationnm scmtetur neoesee erit.

Neque ea indicia neglegenda qnae ordo oitationnm praebet ad emendandoe librornm vel titnioe vel numeroe a scribis per- peram relatoe vel ad coniirmandoe eos quos editores mntare vo- Inemnt.

Apparet igitnr:

Lncilii lib. VI fr. XIV revera esse lib. Vli*, cnm antece- dant dno lemmata ex lib. VH^ Itaqne legendum ap. Non. 22 M. VIL iactari (Vn. aetari codd,).

Lncilii lib. XIX fr. IX revera esse lib. XXIX ^ (sie codd. aliqnot), cnm lemma spargere (Non. 404 M.) ex fönte Lnciliano altero venerit.

Lncilii lib. XXVn fr. XXXIV revera esse lib. XXVO* (sie codd : XXVI coni. M.). Quod enim lemmata (Non. 1 38 M.) ex lib. XX VI^ seqnnntnr, id optime convenit cnm citandi more Noniano.

Lncilii lib. XXVIII fr. I vv.l~2 revera esse lib. XXIX», cnm lemma deferre (Non. 289 M.) inter lemmata ex lib. XXX ^ et lib. XXIX 0 stet.

Lncilii lib. XXIX fr. LXVIII revera esse lib. XXX*, cum seqnantnr lemmata ex lib. XXX^.

Lncilii lib. XXIX fr.LII non esse libri XIX (ficcodd.), cnm lem- ma cupiditas et cupido ex fönte Lnciliano altero haustum esse videatnr.

Lncilii lib. XXX fr. XXXV revera esse lib. XXX*, cnm prae- cedentia et seqnentia lemmata ex eo libro sint.

Sisennae fr. 9 esse lib. III* (I vel II codd.), cnm lemma remnlcare (Non. 57 M.), primnm lemma in serie Sisenniana, No- nins ex sno ezemplari snmpsisse videatnr. Id autem exemplar tantummodo libros III— IV habnit. Seqnnntur lemmata ex lib. IIP hansta.

Sisennae fr. 104 esse lib. IV*, cnm lemma caecum (Non. 449 Μ .) inter lemmata ex libro IV° hansta stet.

Sisennae fr. 117 esse lib. III*, cnm seqnantnr lemmata ex

204 Li ndsay

Hb. IIP. Legendum igitur ap. Non. 161 M. 20 III idemque (IUI idemqne vel III iidemqiie codd.).

Gioeronis Acad. Poet. III fr. 13 esse üb. IV* et looum post Acad. Pr. II § 120 habere, com lemma eaultare (Non. 65 M.) ee- quatnr doo lemmata ex Üb. IV^ baneta.

Com. pall. ine. fr. XVIII vinnulum sensi locum Turpilii esse et aut ex Paraterusa fabula aut ex Hetaera citatnm, nisi quidem Varronie eaturae Menippeae neecio oui aecribendnm eet. Nam prae- cednnt lemmata vilitant^ vilicari (Non. 185 M.) ex Tarpilii Lindia et Paraternea, sequnntur duo lemmata ex Sallnstio hauet«.

Quamvis tarnen Nonius mirnm qnantnm constantiae in or- dine citationum servando exhibuerit^, cavendum est ne codicum testimoninm eine debita circamspectione abiciatnr. Itaqne Schott- mnellero non aseentior neganti illud Lucüius Satyrarum Hb, XI ap. Non. p. 22 M. 29 (β. ν. tricones) verum esee posee, cum lemma iricones hanc seriem Lucilianam claudat: cernuus Sat. III, stridvrae Sat. Ι II, quiritare Sat. VI, caries Sat. VII, virosae Sat. VII, capronae Sat. VII,, cerebrosi Sat. XV, prostomis Sat. XV, tricones Sat. XI. Locus enim Lucilianus, qui illnd trico exhibet, etiam in IV** capitulo Compendiosae Doctrinae apparet (β. v. len- tum^ ^facile*, p. 338 M.), unde huc ab interpolatore neecioquo tranelatus eeee videtur^. Nempe plus adiuvamur in confirmando quam in abiciendo testimonio codicum. Noli igitur dubitare illud X FJi Quicherati abicere in citatione (Lucil. XXVIII fr. XL) ma- nifeetissime ex fönte Luoiliano altero haueta (ap. Non. 371, 16).

ad S. Andreae Scotorum. W. M. Lindeay.

' Sicui ea quae in libello meo exposui parum persuaserant, is quaeso secum reputet, quot lemmata, quae primo aspectu a norma dissentire videantnr, tum demum consentire intellegantur, simul atque verus föne, unde Nonius ea hauserit, sit indagatus. Habes ap. Non. 349 M. 2 citationero (s. v. maturum) ex Accii Melanippo inter Vergilianam et Ciceronianam (Off. III 59). Credideris ordinem interruptum, cum illa Accii fabula longa prius quam Vergilii poemata et Ciceronis de Officiis libri II— III vocari a Nonio ad partes soleat. Respice autem ad p. 154 (s. v. praesente); intelleges Nonium revera hunc versum Accianum in Glossario Adverbiorum repperisse, non in ipsa Accii fa- bula. Cf. *Non. Marc* p. 22 (ad adfari, Nod. p. 463), p. 27 (ad paw- periesj Non. p. 494), p. 43 (ad expetunt, Non. p. 104), p. 93 (ad /icwtt- diliter, Non. p. 112), p. 48 (ad inpuno, Non. p. 129), etc.

2 Illud etiam velim tecum reputes, quot citationes, qu«e ordinem interrumpere videaotur, in aliis Compendiosae Doctrinae locis repe- riantur, ex quibus eas ab interpolatore travectas esse pateat. Velut illa Ciceroniana' (Hort. fr. 24) quae ex Nonii p. 401 (β. ν. suhigere) tra- vecta ordinem hoc modo interrumpit in p. 395 (s. v. seges):

SEGES est frumenti fructus. Vergilius Aen. Hb. II: in segetem . . . austris. [Segetem, terram. M. Tullius in Hortensie: ut enim se- getes agricolae subigunt . . . serant] Segetem etiara ipsam ter- ram dicimus. Vergiliue, etc. Nonne manifestum est verba ea, quae inclusi, ex adscriptione marginali in contexturo ipsum deerrasse?

HELLENISTISCHE STUDIEN

I. Nisoe und Skylla in der hellenistischen

Dichtung.

In der kleinen nach vielen Seiten hin anregenden Schrift *Au8 Vergils Frühzeit, in der mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Cornelins Gallus als Dichter der Ciris erwiesen wird, kommt der Verfasser, Fr. Skutsch, auch auf die griechische Vorlage zu sprechen und glaubt Heynes, zuletzt von Rohde (Gr. Rom. S. 93 A. 3) gebilligte Annahme, dass Parthenios die Quelle sei, auf einem anderen Wege noch verstärken zu können (S. 87). Viele Dichter, heisst es in der Ciris (46 53), haben behauptet, die Skylla, die ich besingen will, sei das Meerungeheuer:

54 complures illam et magni^ Messala, poetae

« .

loiige alia perhibent mtdatam membra figura

Scyllaeum monstro saocum infestasse voraci ;

illam esse aerumnis qwxin saepe legamus Ulixi,

Candida succinctam Ustrantihus inguina monstris, 60 Dulichias vexasse rates et gurgite in alto

deprensos nautas canibus lacerasse marinis.

sed neque Maeoniae patiuntur credere chartae

nee malus i stör um dub iis erroribus au clor* Skutsch, der in dem malus auctor Homer erkennen will, denkt an einen Nachklang der unehrerbietigen Aeusserungen des Parthe- nios über den Mäoniden (Anth. Pal. VII 377^); er erklärt ferner den vorletzten Vers so: die Sache ist unglaublich, weil sie in den 'Mäonischen Charten steh£. Aber erstlich sind diese durch die doppelte disjunctive Partikel deutlich von djem malus auctor geschieden, zweitens leuchtet jedem unbefangenen Leser ein, dass

^ V. 9 ist mit Küster, dem Martini folgt, zu schreiben (ιΧιστ* άγο- ρ€θσαι) πηλόν *06υσσ€(αν καΐ πάτον Ίλιάδα.

206 Knaack

mit dem eiodringlich wiederholten illam auf die in den vorher- gebenden Versen angekündigte Sagenversion verwiesen wird, dh. eben auf die Scylla Nisi, was Skutscb S. 93 f. mit unzureichen- den Gründen bestreitet. Somit ist der malus auctor^ der Erfinder dieses angeblichen Synkretismus, der mit bemerkenswerther Schärfe abgewiesen wird, eine ganz bestimmte (Dichter•) Persön- lichkeit, über dessen Werk sich zum Glück mehr ermitteln läset, als was in diesen Versen gesagt ist. Die Berufung auf Homer, der ja das Ungeheuer nur als Tochter der Krataiis kennt (Cir. r>() = μ 124), hat mit den erwähnten Ausfällen des Parthenios nichts zu schaffen. Wohl aber wird durch ein zwar längst be- kanntes, aber jiicht nach Gebühr gewürdigtes Zeugniss das Ma- terial vermehrt. Wenn der Dichter der Ciris alle andern Be- richte über Skylla nicht gelten läset die Verwandlung in einen Fisch wird beiläufig 484 ff. abgelehnt , seinen dagegen dem Leser als ausgesuchte Rarität anpreist (89 ff.):

quidquid et ut quisque est tali de clade locutus, somnia sunt: potius liceat cognoscere Cir in atque Unam ex tnultis Scyllam non esse pucllis so sind wir berechtigt seine Erzählung auf ihre besondern Züge zu prüfen. Sie gipfelt bekanntlich in der Metamorphose des Nisos und der Skylla uns aus Vergil (Georg. I 404 ff.) und Ovid (Met. VIII 145 ff.) geläufig. Aber für ersteren ist, wie Skutsch nachgewiesen, unser Gedicht die alleinige Quelle bis auf einen gleich zu erörternden Zug, während Ovid auf dieselbe griechische Vorlage (Parthenios) zurückgegriffen hat. Unabhängig von diesen tritt für die Verwandlung die Paraphrase der Όρνίθιακά des Dionysios von Philadelphia ein (II 15 in den Poetae bucol. et didact. p. 119 [Didot]); dies Zeugniss muss mit dem erhaltenen Excerpt aus den Metamorphosen des Parthenios (Fr. 20 Martini, Parthenii Nicaeni quae supersunt p. 23 = p. 270 Mein.) zusam- mengestellt werden.

Schol. Dion. Per. 420 Dionys. *Ορνιθ.

(ergänzt durch Eustath.) ώς bi ΤΤαρθένιος έν ταϊς μ€- ταμορφώσβσιν λέγει, έπεΛή

Μίνως λαβών τα Μέγαρα h\a ήοέκίρρις^ άΗίοντών (Σκύλλης Eustath.) τής Νίσου άσεβημάτων bibuiai 6ίκην,

1

* Die falsche Orthographie wird man dem byzantinischen Para- phrasten lassen müssen.

Rellenistieche Studien

207

θυγατρός έρασθει'σης αύτου και άποτεμούσης της κεφαλής του πατρός τόν μόρσιμον πλό- καμον και ουτιυς αυτόν ττροοού- σης, εννοηθείς ώς ή τόν πατέρα προϊούσα ούοενός fiv ποτέ ^αόίιυς φείσαιτο, προσοήσας αυτήν (πηοαλίψ νεώς Eust.) €Ϊασεν αυτήν έπισύρεσθαι τή θαλασσή (τήν προοότιν και πατροφόντιν άφήκε σύρεσθαι bia θαλάσσης Eust.) δθεν Σαρωνικός ούτος ό πόντος εκλήθη ?στ* είς όρνεον ή κόρη μετεβλήθη \

δτι του Μίνωος έρασθεΐσα καΐ τόν πορφ^ρουν του πατρός πλόκαμον έκτεμοΟσα τήν πα- τρίδα εϊλετο προοουναι τψ Μί- νωι* Ö bi. τήν προοοσίαν καΐ μετά τήν νίκην μεμψάμενος άπεοησεν (έπέοησεν?) αυτήν νεώς καΐ κατά τής θαλάττης εϊασε φέρεσθαι*

Die Uebereinstimmung im

και μεταβέβληται μέν ουτιυς εΙς όρνεον αυτή, μισείται bk παρά πάντων όρνέιυν, κδνάλιαίετος αυτήν θέα- ση τ αϊ π λ α νω μένη ν, ευ- θύς έπιθέμενος δια- φθείρει, erbten Abschnitt ist βο gross,

dase man die genaueren Angaben über den Vogel, welche am Ende des Excerptee hinzatreten, unbedenklich auf dieselbe Quelle, also auf die Metamorphosen des Parthenios, zurückführen darf. Bestätigung gibt die lateinische Nachdichtung: wie der Anfang des Stückes mit Cir. 52:

haec pro purpureo poenam scelerata capillo^ pro patria solvens excisa et fundUus urbe unerkennbar zusammentrifft, so entspricht der Sohluss den letzten Versen. Das ist wichtig für die Beurtheiluug des Verhält- nisses zwischen Original und Bearbeitung. In denselben Zu- sammenhang gehört aber auch die sonst nicht zu belegende An- gabe, dass die κεΐρις von allen Vögeln mit ihrem Hass ver- folgt werde, ein ins üebertriebene gesteigerte, aus dem unge- selligen Wesen des Reihere (s. u.) abgeleiteter Zng^. Zu diesen eicher auf Parthenios zurückgehenden Einzelheiten kommt noch eine aus Vergils Georg. Γ 404—409. Hier hat der Dichter

* €στ* Martini für öti. Die Worte 68€v εκλήθη dürfen aber nicht getilgt werden.

2 Vgl. Ciris 517: infelix virgo nequiquam α morte recepia

incuUum solia in rupibus tocigit aevum.

208 Knaack

zwischen die arateieoben Wetterzeiohen zwei Verwandlungesagen eingeschoben: die diltciae Thetidi alcyoncs ^ und Nisos mit Skylla. Formell sind die Veree aus der Ciris entlehnt, ein Kompliment für Comeline Gallus^, inhaltlich aber geben sie etwas Neues, ein Wetterzeiohen, das in der Ciris η i ο h t steht, also wohl in deren Vorlage vermuthet werden darf.

£8 ist kein grosser Zuwachs, der zu dem bisher bekannten Bruchstück der Metamorphosen hinzugekommen ist, immerhin aber ausreichend, um erkennen zu lassen, dass der Römer in seinem Epyll keine blosse Uebersetzung aus dem Griechischen, sondern eine freie Bearbeitung geliefert hat. Mit dieser Einschränkung darf man die Ciris als ein Werk des bithynischen Dichters be- trachten^. Dass dieser auch sonst noch in Einzelheiten mehr bot, ist von vornherein wahrscheinlich, es lässt sich aber auch aus dem höchst einseitigen Auszug des Scholiasten der ja nur die etymologische Deutung des Σαρωνικός κόλπος geben will erschliessen. An die [Jeberreichung der verhängnissvollen Locke durch Skylla ist eine Reflexion des Minos geknüpft, die in dem aufiullend kurzen und trockenen Bericht des lateinischen Bearbeiters (386 ff.) fehlt^. Bei der Dürftigkeit des vorliegenden Materials würde sich über diesen Punkt nichts Sicheres ausmachen lassen, wenn nicht auf ihn, sowie auf andere Unebenheiten der Erzählung von einer anderen Seite her ein Lichtstrahl fiele.

^ Sie decken sich keineswegs mit Theokr. VII 57: άλκυόνβς γλουκαΐς Νηρηίσι τα{ τ€ μάλιστα όρνίχων έφίλαθεν, wie ζΒ. Morsch de graec. auctor. in Georg, a Yergilio expressis (Diss. Halle 1878) p. 80 annimmt, sondern weisen auf eine von Ovid Met. XI 496 zur Verknüpfung verwandte Sagen version (Ehwald z. 410). Da nach Probus z. Verg. für die schöne Sage von Eeyx und Alkyone Nikander Ovids Gewährsmann war, so käme dieser in Betracht. Ande- rerseits ist zu beachten, dass nach dem von Probus neben Nikander genannten Metamorpbosendichter Theodoros (vgl. meine Anal. Alex. Rom. p. 54) Alkyone, die Tochter Skirons, Enkelin Polypemons (Ov. met. YII 401), in einen Eisvogel verwandelt wurde. Also spielte die Geschichte in der Megaris, und jene ist vielleicht mit Nisos und Skylla verwandt.

3 Vers 404 f. geben den Α η f a η g des Gedichtes (49 und 52, nach der Widmung) wieder, 406 409 sind wörtlich aus dem Schluss hinübergenommen.

^ Vgl. im allgemeinen Merkel prolus. ad Ovid. Ibim p. 359.

^ Noch stärker drückt das Eustath. aus: τήν ιτροδότιν καΐ ira- τροφόντιν άφήκε σύρβσθαι διά τής θαλάσσης, vgl. Cir. 419.

Hellenistische Studien 209

Die Schärfe, mit der im Prooeminm der Ciris der Dichter, welcher die Scylla Nisi mit dem Meerangeheuer gleichsetzte, zu- rechtgewiesen wird, lässt auf nicht geringe Verbreitung dieser Version und auf keinen unbedeutenden Verfasser schlieesen. In der That, wie bekannt diese Sagenform war, bezeugen wieder-, holte Anspielungen der römischen Dichter^. Wir haben nicht das Recht als Quelle aller das Prooemium der Ciris oder Vergil. ecl. VI 74 (s. u.) zu vermuthen. Besondere Beachtung beansprucht Properz IV 4, 39, da bei ihm die verliebte Tarpeja eich an ihr griechisches Vorbild erinnert:

quid mirum in patrios Scyllam saevisse capiüos c<mdidaque in saevos inguina versa canes. Denn dieses Distichon ist, wie Rohde (Rom. 93, 3) treffend be- merkt, mit lU 19, 21 zu combinieren ' :

Tuque 0 Min ο α venundata, Scylla^ figura,

tondere purpurea regna paterna coma, hanc igittir dotem virgo desponderat hosti!

NisCj tuas porfas fraude reclusit Amor, at vos innuptae, felicius urite taedctö:

ρ endet Cr etaea tr ac t α ρ u eil α rate, non tarnen immerito ! Minos sedei arhiter Drei: Victor erat quamvis, aequus in hoste fuit. Damit sind die bedeutendsten Momente einer ganz bestimmten dich- terischen Darstellung kurz zusammengefasst. Die Probe auf die Richtigkeit der Rohdeschen Vermuthung gibt ein sehr wichtiges, bisher noch nicht genügend gewerthetes^ Euripidesscholion (Hipp.

1 Propert. IV 4, 39 ff. Ovid. Am. III 12, 21 A. a. I 331 (bezeich- nenderweise sind hier, um die scheinbare Sagencontamination zu be- seitigen, zwei Verse später interpoliert) Her. XII 123 Fast. IV 50.

^ Skutsch S. 94 denkt an eine Vergilreminiscenz.

^ Dieses Scholion hat eine eigene Geschichte. Von Welcker Gr. Trag. 1225, 3 sehr kurz erwähnt, war es Helbig Denkmäler und For- schungen 1866 Sp. 196 unzugänglich ; Rohde führt es nicht auf, Skutsch kennt es nicht, ebensowenig wie Vollgraff de Ovidii mythopoeia p. 90 (Berl. Diss. 1901), der sich unnöthigerweise über dieses mirae confusionis documentum ereifert. A. Leuschke de metamorph, in schol. Vergilian. fabulis p. 55 (Marburg. Diss. 1895) berührt es nur flüchtig, etwas mehr gibt 0. Waser Skylla und Charybdis in der Litteratur u. Kunst der Grie- chen u. Römer (Zürich 1894) S. 57. Weder Wagner noch Röscher (Mytb. Lex. HI 426 ff.) halten es für wichtig. Dagegen spielt es in der 'so- laren Mythologie Sieckes (de Niso et Scylla in aves mutatis, Progr. des Berl. Friedrichs-Gymn. 1884) natürlich eine bedeutende Rolle.

Bh»in. Mm. t PhUoI. N. F. LYU. 14

210 £ η a a ο k

1200), dessen Uebereinstimmangen mit Properz im Druck her- vorgehoben sind : άλλοι bk φααΐν δτι έκ τής Σκύλλης τής θυ- γατρός του Νίσου του άοελφου του ΑΙγέως και ΤΤάλλαντος. ούτος γαρ ώκησβν €ΐς Μέγαρα έάσας τους αδελφούς μαχόμενους π€ρ\ τής βασιλείας. κα\ ήν βΐμαρτόν μή παραληφθηναι τόν τό- πον, έν ψ f|V ό Νϊσος, 2ως €Ϊχ€ τόν χρυσουν πλόκαμον έν τη κεφαλή αύτου (β. u.). ό οΰν Μίνιυς στρατοπεοεύσας κατ' αυ- τού ουκ ήουνήθη παραλαβεϊν. ή bi. θυγάτηρ αύτου Σκύλλα θεωρήσασα τόνΜίνω έφίλησεν αυτόν και συν- ετάΕοτο αύτψ προοουναι τήν πόλιν, εΐ λάβοι αυτήν γυναίκα, δοέσυνέθετο. και παραγενομένη τέμνει του τεκόντος τόν πλόκαμον και τήν πόλιν προύοωκε. καΐ μετά τό παραλαβεϊν τήν πόλιν έλαβεν αυτήν επάνω του πλοίου και έοησεν αυτήν εΙς τό πηοάλιον (Schwartz: πλοϊον die Ηββ.) και έν τή θαλασσή καθήκεν και έμεινε συρομένη έν αυτή και bia τούτο εκλήθη Σαρω- νικόν τό πέλαγος. έκπεσοΟσα bi. έν τή θαλασσή και θη- ρίον γενομένη τήν οίκείαν φύσιν μετέβαλεν ούοαμώς.

Hier haben wir eine einheitliche, geschlossene, in eine Me- tamorphose auslaufende Erzählung. Und zwar wird die Königs- tochter nicht in einen Seevogel oder Fisch, sondern in ein θηρίον, dh. in das bekannte Ungeheuer verwandelt^ darf man ange- sichts der Uebereinstimmungen mit Properz daran zweifeln, dass die Hypothesis desselben Gedichtes vorliegt, aus dem der Elegiker die Hauptsachen entlehnte? Die Strafe Skyllas und die daran ge- knüpfte Etymologie ist die gleiche wie bei Parthenios, aber die Yerhandlangen der Verrätherin mit dem Landesfeinde erscheinen hier klar und verständlich, während wir in der Ciris blosse An- deutungen lesen (187, 413, 422), die für den Kenner der Sage berechnet sind. Zweifler könnten auch in diesem Punkte die Schuld auf den Bearbeiter schieben und im Original eine grössere Ausführlichkeit annehmen. Aber zu Gunsten der vorgetragenen Annahme spricht ein entscheidender Umstand: die verschiedene Auffassung der Liebe zwischen Skylla und Minos. In der Ciris, dh. bei Partbenios, fällt alles Licht auf Skylla, während Minos fast verschwindet; in der erschlossenen Yersion ist umgekehrt dieser die Hauptperson. Lässt schon der properzische starke Ausdruck Minoa venundata figura den Sachverhalt ahnen, so ge- winnen wir durch die Tarpejealegie noch mehr Anhalt, Gewiss-

1 So wird sie auch bei Palaiph. 21 und im Schol. Q zu Honi. Od. μ 10Γ) genannt.

Hellenistieohe Studien 211

beit durch Ovid. Met. VIII 21 ff. Dieser sonst in seiner Dar- stellung abweichend, trifft an zwei Stellen auffällig zusammen mit Properz,

61 cur suus haec Uli reseret mea moenia Mawrs et non noster Ämor'i = Prop. iVfse, tuas portas fraude reclusit Amor. Ov, 101 (von Minos)

ut leges captis iustissimus auctor hostihus imposuit. = Prop. Victor erat quamvisj aequus in hoste fuit, und dass hier eine beiden gemeinsame Quelle vorliegt, beweist der auf eine besondere dichterische Darstellung hinweisende Nonnue Dionys. XXy 148, der 165 ff. mit Properz und Ovid sich deckt: Μίνιυς μέν πτολίπορθος έψ ποτ€ κάλλεϊ γυμνψ ύσμίνης τέλος εύρε καΐ ου νίκησε σιοήρψ, άλλα πόθψ καΐ ίριυτι. Somit darf die Zusammengehörigkeit dieser drei Zeugen als sicher angenommen werden. Aber es geht weiter. Denn wenn man die stehenden Phrasen des Panopolitaners abzieht und seinen unleidlichen Schwulst auf eine schlichte Redeweise zurückzufahren versucht, so ergeben sich sogar in Einzelheiten unverkennbare Uebereinstimmungen, wie folgende Zusammenstellung lehrt: oiba μόθον Μίνωος, δν ήνυσε θήλυς Ένυώ κεστόν έλαφρί2Ιουσα καΐ ου τελαμώνα βοείης, ότπτότε Κύπρις έην κορυθαίολος, όττπότε Πειθώ χάλκεον ίγχος ίπαλλε

ήνίκα λαψ Νισαίψ Μεγαρήι Κυδωνιάς ίβρεμε σάλπιγΕ, εδτε Φόβον καΐ Δεϊμον Ιοών συνάεθλον Ερώτων ϊχνεσιν αίοομένοισιν έχάίετο χάλκεος 'Άρης άσπίοα κουφί2Ιουσαν όπιττεύων ΆφροΜτην καΐ ΤΤόθον αίχμάίοντα, και εύθώρηκι μαχητή άβροχίτων έτέλεσσεν Έρως καλλίτριχα νίκην. Σκύλλα γάρ ύπνώοντος άκερσεκόμοιο τοκήος ήλικα πορφυρέης άπεκείρατο βότρυν έθει'ρης και πόλιν ίπραθε πάσαν 2να τμητήρι σώήρψ βόστρυχον άμήσασα πολισσούχοιο καρήνου,

(Es folgen die bereits oben ausgezogenen Verse.)

κορυσσομένου bk Λυαίου

ου Πόθος έπρήυνεν άκοντοφόρων μόθον Ίν6ών, ού Παφίη κεκόρυστο συναιχμάίουσα Λυα(ΐ|ΐ

212 Knaaok

κάλλεϊ νικήσασα, μόθου τέλος ου μία κούρη οίστρομανής χραίσμησεν έρασσαμένη Διονύσου, ου οόλος \μ€ρΟ€ΐς Oyid. 24 ff:

hac iudice MinoSy seu Caput abdiderat cristata casside penniSj ingaleaformosus erat, seu sumpsercU aer e fulg entern clip eum, clipeum sumpsis s e decebat. torserat adductis hastilia lenta lacertis, laudabat virgo iunctam cum viribus artem.

cum vero fadem dempto nudaverat aere^ purpureusque alhi stratis insignia pictis terga premebat equi spumantiaque ora regebatf via; suOj ν ix sa nae vir g ο Niseia comp ο s mentis erat.

Den Eindruck des präobtigen Heitere auf das Mädchenherz eohildert an erster Stelle und überträgt auf seine Tarpeja Pro- perz aaO. 19:

vidii arenosis TcUium proludere campis

pictaque per flavas arma levare iubas. öbstupuit regis facie et regalibus armis interque oblitas eacidit urna manus^j deren sentimentale Reflexion 37 :

itle equus, ille meos in castra reponet amores, cui Tatius deatras collocat ipse iubas^ in den nicht minder sentimentalen Gedanken Skyllas bei Ovid 36 eine Parallele findet:

felix iaculum^ quod tangeret illCt quaeque manu pr emer et felicia fren α ν ο c ab at. Diese entsprechen wieder genau den Wünschen des in die spröde Jägerin Nikaia verliebten Hirten Hymnos bei Nonn. XV 257:

αϊθ€ βέλος γβνόμην . . .

αϊθ€ βέλος Τ€νόμην θηροκτόνον, δφραμε γυμναϊς

χ€ρσΙν έλαφρίσσειβν . . .

παρθένε, κουφίίεις βέλος βλβιον, υμέτεροι γάρ

^ Zu diesem Verse vgl. Ehwalds Anmerkung, s Ueber diesen 'alexandrinischen Kunstgriff vgl. Dilthey de Call. Cyd. p. 55, 4.

^ Hieran sobliesst sich bedeutsam das oben angeführte Distichon.

Hellenistieohe Studien 213

Τμνου μηλονόμοιο μακάρτεροί βίσιν όιστοί, δττι τ€ών ψαύουσιν έρωτοτόκιυν παλαμάιυν^

Εβ sind nar einzelne Züge, die wir auf diesem Wege ge- wonnen haben, aber sie fügen sich wohl zasammen und geben von der Darstellung des unbekannten hellenistischen Dichters (Δ) ein ziemlich deutliches Bild^. Sein Vorbild war eine Stelle des enripideischen ersten Hippolytos (Ovid. Her. IV 79 84, vgl. Paus. II 33, 3) , wie bereits M. Mayer de Earip. mythopoeia [Diss. Berl. 1883] 69 gesehen hat.

Wie stellt sich nun dazu Parthenios? Die Thatsache wird angedeutet 130:

ni Scylla novo correpta furore, Scylla, patris miseri patriaeque mventa septdcrumt 0 nimium cupidis Minoa inhiasset ocellis, wobei die Entstehung dieser Leidenschaft durch die Rache des beleidigten Eros hier füglich ausser Spiel bleiben darf'. An- dererseits weisen die Verse 429 ff:

vuUu decepta pueUa ut vidif ut perii! tU me malus a^stulit error/ non equidem ex ist ο speravi corpore passe tcUe malum nasd: forma vel sidera /alias unerkennbar auf die Schönheit des Ereterkönigs hin, die der Liebesraserei des Mädchens als Folie dienen soll. Im Hinter- grunde steht die ausführliche Schilderung, wie sie in Α zu lesen war, oder mit andern Worten: Α wird vorausgesetzt; für den Kenner genügten die wenigen Anspielungen. Aber damit nicht genug: durch eine besondere Erfindung, deren Einzelheiten erst später erörtert werden können, wird Minos noch mehr in das rechte Licht gerückt. Das ist die Episode über Britomartis 286 ff., die im Munde ihrer Mutter Earme, die aus Kreta ver-

^ üeber dies Wunschmotiv ist Rohde Rom. 162, 4 zu vergleichen ; einige Parallelen aus modemer Volkslitteratur gibt Biese Ztsoh. f. vgl. Litt.-Geech. N. F. I 411—425.

^ Diese und ähnliche Zusammenstellungen würden nun freilich ganz nutzlos sein, wenn der neueste Beurtheiler der Ovidischen Meta- morphosen, Vollgraff p. 38 mit seinen Behauptungen Recht hätte. Allein, je tiefer man in diese Erzählungen eindringt, desto mehr erkennt man, dass Ovid die Gebilde der griechischen Dichtung mit unvergleichlicher Leichtigkeit in einen Hotten Stil alfresco umgesetzt hat, wobei aller- dings gar manche Feinheiten der Originale verloren gingen. Einer der besten Kenner Ovids, R. Ehwald, theilt diese Ansicht.

^ Zumal da die Partie 139 155 verderbt zu sein scheint.

214 Κ η a a c k

trieben als Pflegerin der Skylla im megariscben Eönigepalaste weilt, die dämonieobe Oewalt des Ereterftirsten vor Augen stellen soll. Dieser Kunstgriff, den Helden in einem gewissen Dnnkel zu lassen nnd die Nebenpersonen in den Vordergrund zu rücken, ist auch sonst der bellenistiscben Dichtung nicht fremd : so er- scheinen die Tbaten des Herakles wiedergespiegelt in den Reden Alkmenes und Megaras bei dem Verfasser des unter den Nach- lass des Moschos gerathenen anmuthigen EpyllsV Aber auch die breite Schilderung der Liebesleidenscbaft in der Ciris ist nicht das eigene Werk des Parthenios : er hat, wie v. 238 verständlich genug angedeutet wird, die verliebte Myrrha (Anton. Lib. 34, Ovid. Met. X 298 ff.) sich zum Vorbild und Muster genommen. Einer eingehenden Begründung bin ich durch Kalkmann (de Hippel. Eurip. quaestt. nov. [Bonn 1882] p. 87 sqq.) enthoben. Es fragt sich nun, ob sich aus Ovid, der ja Α notorisch benutzt hat, noch etwas gewinnen lässt. Trotz der sehr ähnlichen Dis- position der Reden Skyllas' trifft er mit dem Dichter der Ciris doch nnr in ein paar Einzelheiten zusammen. Cir. 105 wird die Königeburg beschrieben:

stat Megara, Älc<U?K>i quondam munila läbore, Alcaihoi Phoehtque^ deus namque adfuit Uli; unde etiam citharae voces imitatus acutas saepe lapis recrepat Cyllenia murmura pulsus et veterem sonitu Phoebi testatur amorem. Das ist untadelig gesagt und deckt sich mit einer später zu be- sprecbenden, aus derselben megarischen Quelle stammenden Notiz des Pausanias, so dass man diese Verse auf das Original wird zurückführen dürfen. Die Geschichte steht auch bei Ovid 14: regia turris erat vocalibue addüa muriSj in quibus auratam proles Letoia fertur deposuisse lyram: saao sonus eins inhaesit, saepe illuc solita est ascendere filia Nisi et petere exiguo r esonantia saxa lapillo, tum cum pax esset; hello quoque saepe solebat spectare ex illa rigidi certamina Martis,

^ Vgl. Wilamowitz Eurip. Herakl. I 84, 161«.

2 Ciris 257 282 erste Rede Skyllas (Oeständniss ihrer Liebe) «χ» Ovid. 44-80, Selbstgespräch Skyllas (beelenkampf) ; Cir. 404—458 zweite Rede (Klagen der Geschleiften) rv> Ovid. 108—142 (Klagen der Enttäuschten); vgl. Ganzenmüller Beiträge zur Ciris, Jahrb. f. Philol. Suppl. XX 536 f.

Hellenistisohe Stadien 215

aber in besseren Zusammenhang mit der Person der Heldin ge- bracht, von der Cir. 172 erzählt:

siiepe redit patrias adscendere perdita müros, aeriasque facti cau s am sibi viser e turr e s. Fast möchte man an eine Verbesserung des älteren Gedichtes denken wenn es sich überhaupt nachweisen liesse, dass Ovid diesen Werkchen des Cornelius Gallus noch gekannt und benutzt hat^. So müssen wir uns bescheiden den Unterschied anzuerkennen/ sei es dass er bereits im Original (A) stand, sei es dass Ovid selbst diesen Zug spielend ausgemalt hat. üebrigens ist auch über die Vorlage der Ciris keine Entscheidung möglich, da wir nicht mehr wissen, in welcher Weise Parthenios das causam stbi visere turres motivirt hatte. Etwas zuversichtlicher möchte man über einen andern Widerspruch urtheilen. Bei Ovid 64 spricht Skylla die Befürchtung aus :

non metuam certe, ne quis tua pectora, MinoSy vulneret imprudens, quis enim tarn dirus, ut in te dirigere inmitem non inscius audeat hastam? und dass Aehnliches in Α gestanden hat, macht Propert. IV 4, 25 wahrscheinlich, wo es etwas anders gewandt ist: saepe tulit hlnndis argentia lilia nymphis^

Romula ne faciem laederet hasta Tati, In der Ciris dagegen ist Minos unverwundbar 268:

üle (vides) nostris qui moenibus adsidet hostis^

quem pater ipse deum sceptri donavit honore,

cui parcae tribuere nee ullo vulnere laedi

nie mea^ iUe idem oppugnai praecordia Minos.

^ So ua. Waser S. 58: Ovid und der unbekannte Verfasser der Ciris benutzten die nämliche Fassung der Sage' auch das ist in dieser Verallgemeinerung falsch ~ 'ja ich habe den bestimmten Ein- druck, dass der eine Dichter auf den andern Rücksicht genommen und möglichst bei jenen Partien verweilte, die er bei seinem Vorgänger entweder ganz übergangen oder bloss angedeutet fand : dies muss eine Vergleichung der beiden ohne Weiteres lehren*. Ganzenmülier hat mit unendlichem Fleiss eine Anzahl Stellen gesammelt, welche die Ab- hängigkeit des Cirisdichters von Ovid beweisen sollen; kehrt man nun auch das Verbältniss um, so ist keine wirklich beweiskräftig. Trotz- dem hat Waser eine richtige Empfindung gehabt, man braucht nur seine Worte auf die griechischen Quellen Α und C (Parthenios) zu beziehen. Richtig Ribbeck Gesch. der röm. Dichtung II 355.

216 Knaack

Dieser sonst nirgends tiberlieferte Zug sieht doch wie eine Po- lemik gegen Α aas.

Yerhältnissmässig breit mögen in Α die Verhandlungen der Jungfrau mit dem Feinde geschildert sein, wie wir aus dem £uripides8cholia8ten, dem die kürzeren Andeutungen Properzens bestätigend zur Seite treten, noch zu erschliessen vermögen. Hier wird auch die Dienerin Skyllas thätig eingegriffen haben. Ob aber die bis zur Unverständlichkeit knappen Angaben in der Ciris das Original treu wiedergeben oder ob in diesem die Sache eingehender durgestellt gewesen, das entzieht sich leider unserer Eenntniss ; wir vermögen nur zu ahnen, dass der ausführliche Bericht in Α wieder im Hintergrunde steht.

Zeitlich folgt nun die frevelhafte That Skyllas, die sämmt- liche Zeugen natürlich übereinstimmend erzählen ^ Nur in einem Nebenumstand weicht Α ab: während die andern von einer pur- purnen Locke des Fürsten reden, ist sie bei ihm golden. Diese Angabe des Euripidesscholiasten wird von zwei Seiten bestätigt: Prob, zu Verg. ecl. VI 74 Tzetz. Lyc. 650

(p. 23 Keil): (Chil. Π 539):

Nisi regis Megarensium crinem . . . τής Οκύλλης, ή κατ' έμέ (!) Jiabentis aureum eundemque θυγάτηρ ή ν Ν ίσου του Μεγα- faialem urhem Minos rea Cre- ρέως, τεμοΟσα την χρυσή ν tensiym impugnabaU sed Scylla αύτου τρίχα και fivavbpov αύ- Msi fUia pulcrum Minoem e τόν έργασαμένη (έν εκείνη γάρ muris prospectavit et adamavit τή τριχι ήν αύτψ τό παν της et dormientis crinem patris am- δυνάμεως, καθάπερ και τψ Οαμ- putavit et hosti detulit petens ψών) άνηρέθη υπό του Μίνιυος, praemium nup tias. at ille φ κα\ προοόωκε τόν πατέρα κτέ. parricidamrefragatus U χ crem ohsidium solvity quo- niam hostem aeque manibus filiae perdUum videbat.

^ Sehr kurz ist der Bericht in der Ciris 387, aber hier etwa eine andere Quelle als Parthenios anzunehmen, wozu Kalkmann p. 91 ge- neigt scheint, geht doch nicht an : wir wissen ja nicht, was im Original stand. Dem Nonnus XXV» 164 βόστρυχον άμήσααα πολισαούχοιο καρήνου schwebte vielleicht noch Kallim. Fr. anon. 39 πορφυρέην ή μ η σ ε κρέκα vor, welches mit Fr. 184 Οκύλλα γυνή κατάκασαα καΐ ού ψύθος οονομ' Ιχουαα vor Wilamowitz (Nachr. der Gott. Ges. der Wies. 1893, 739) bereite Toup verbunden hat; beide standen, wie wir jetzt wissen, in der Hekale.

Hellenistieche Studien 217

Da Tzetzee im Folgenden die Schleifung Skyllas mit dem Soholion übereinstimmend berichtet, so schöpft er wohl ans eben der- selben mythographischen Quelle , direct vielleicht aus Schollen zum Lykophron, die zu diesem Verse jetzt fehlen; Probus geht auf einen mit Varianten ausgestatteten Ovidcommentar zurück '. Nun ist auffallend, dass alle sonstigen Zeugen der Version Α (Properz, Ovid, Nonnus) an Stelle des χρυίΤοΟς πλόκαμος die Purpurlocke setzen. Indessen wird man aus dieser einzigen Ab- weichung gegen die versuchte Reconstruction der Dichtung Α keinen triftigen Einwand erheben dürfen, vielmehr den Einfluss der Vulgata erkennen, die fast die gesammte Litteratur und die bildende Kunst beherrscht•. Der kleine von dem Dichter vorgenommene, für den Gang der Erzählung völlig belanglose Wechsel darf auf Rechnung der verwandten (jüngeren ?) Sage von Pterelaos und Komaitho gesetzt werdend

* Von den Worten petens praemium nuptias = Ovid 92 praemial niiUa peto nisi te an bis zu Ende unverkennbar. Deshalb ist sein Be- richt oben zur Reconstruction von Α nicht verwerthet worden.

3 Bezeichnend Tibull. I 4, β3 carmine purpurea est Nisi coma. Stat. Silv. III 4, 84 ua.

8 Vgl. Apollod. II 51. 60 (Tzetz. Lyc. 932). Beide stellt neben- einander Ovid Ib. 301 :

neve magis pia sit capitique parentis amica, qttam sua vel Pterelae vel tibij Nise^ fuit. und Dio Chrysost. 64, 341 R. τύχη 6{6ωσι) ΤΤτερίλςι κόμη ν χρυσή ν, Νίσψ ιτλόκαμον πορφυροΟν. Diese goldene oder purpurne Haarlocke des Helden, welche sein Leben und die Wohlfahrt seines Landes ver- bürgt, ist ein alter, in mehreren neugriechischen Märchen wiederkehren- der Zug. So schneidet bei Hahn Griech. Märcb. II 282 (Variante aus Syra zu No. 65) die Mutter aus Liebe zum Drakos ihrem Sohne die drei goldenen Haare auf dem Haupte ab (ähnlich die epirotische Ver- sion S. 284 und das kyprische Märchen bei Sakellarios Κυπριακά No. 8; mir nur aus B. Schmidts Buch bekannt). Bei B. Schmidt Griech. Märch. Sagen u. Volkslieder No. 11 (der Capitän Dreizehn) hat ein König drei Haare auf der Brust (die Farbe wird nicht angegeben), die ihn un- überwindlich machen ; sein Weib verräth ihn um Gold und schneidet sie ihm ab: eine merkwürdige Parallele zu der ältesten Form der Skylla- sage bei Aeschylos (s. u.). Auch in den Sagen und Märchen anderer Völker an Simson erinnert bereits Tzetzes kommt Aehnlicbes vor: Grimm KM. 29 (mit Anm.). Dass mit dem Verlust der Locke der Tod des Nisos besiegelt war, wird mehrmals ausdrücklich hervorge- hoben, so von Paus. I 19, 4 (Localsage von Nisaia), Schol. Bern. Verg. Ed VI 74 Apollod. III 210. Cornelius Gallus spielt V. 523 darauf an.

218 Knaack

Der zeitlicheΏ Folge nach iet nunmehr dae Wandgemälde von Tor Marancio (Heibig Führer II 190 ^ jetzt bei Skutech abge- bildet) zu nennen: Skylla, die verhängnieevolle rote (?) Locke in der R. steht anf der Stadtmauer und blickt 'mit einem Aue- druck, in dem sich Liebeeeehnsucht und Melancholie mischen', nach dem Lager des Minos hinab eine Situation, die sowohl der in Α vorauszusetzenden Seelenstimmung als auch der in der Giris ausgemalten angemessen erscheint. Etwas mehr läset sich aus dem schönen pompejanischen Wandgemälde erschliessen, das Heibig Denkmal, und Forsch. 1866 Tafel 212 veröffentlicht und Campan. Wandgem. No. 1337 folgendermassen beschrieben hat : 'In einem Gemache sitzt auf einem mit grünem Tuche belegten Lehnsessel ein Jüngling, Minos, mit röthlicher Ghlamys über den Schenkeln, einen Speer in der L. Ihm gegenüber stehen zwei weibliche Gestalten, eine Alte in grünlichem Chiton, röth- lichem Mantel und Kopftuch, offenbar eine Amme, welche beide Hände im Gespräch zu dem Jüngling er- hebt^, und ein Mädchen in grauviolettem geröthetem Chiton mit üeberwurf, mit gelösten blonden Locken, Skylla, welche mit der R. dem Minos die rothe Locke ihres Vaters dar- bietet. Minos wendet voll Abscheu das Haupt ab und erhebt abwehrend die R. Hinter seinem Sessel ragen zwei männliche Fi- guren hervor, die eine mit Helm und Schild bewehrt, mit ein- ander im Gespräch begriffen ; Spuren einer dritten sind über ihnen sichtbar. R. im Hintergrunde innerhalb der offenen Thür steht die Wache, mit Helm und Schild, sehr zerstört . Die Situation entspricht genau der Schilderung Ovids 88 ff. :

per medios hostes {meriti fiducia tanta est) pervenit ad regem^ quem sie adfata ρ av entern est: ^stidsit Amor facinus: proles ego regia Nisi Scylla tibi trado patriaeque meosque penates, praemia mala peto nisi te : cape pignus amoris purpureum crinem nee me nunc tr ädere crinem^ sed paJtrium tibi crede caputf* scelerataque dextra munera porreait; Minos porrecta refugit aber hier fehlt die Amme; sie ist wohl absichtlich weggelassen, um den Muth der 'Verbrecherin aus Liebe' stärker hervorzuheben. Geht die Darstellung auf Parthenios zurück ? In der Ciris hilft ja die Dienerin, nachdem sie dem Mädchen das Geständniss

^ Nur die R. ist auf der Abbildung sichtbar.

Hellenietisohe Stadien 219

abgerungen hat, die verrnohte TLat vollbringen, mitbewogen durch selbetsiiohtige Hoffnung :

revehi quod moenia Cressa gaudeat (384) ; das reicht aber bei weitem nicht aus, diese bedeutsame Scene zu erklären. Man müsete zu der immerhin bedenklichen Annahme greifen, daes der Bearbeiter sie unterschlagen hat, eine Annahme, die sich durch die allerdings auffallende Kürze der Erzählung 386 388 noch nicht empfiehlt. Andererseits können wir uns die Pflegerin bei der wichtigen Rolle, die sie in der Ciris spielt ^, sehr wohl als ünterhändlerin zwischen der verliebten Königs- tochter und dem feindlichen Heereskönige vorstellen. Diese Ver-. handlungen aber waren in Α erzählt was liegt näher als die Mitwirkung der Vertrauten auch im letzten entscheidenden Mo- ment anzunehmen ? Ist diese Erwägung richtig, so könnte das pom- pejanische Bild trotz der rothen Locke auf Α zurückgehen. In- dessen, so einfach liegt die Sache nicht, vielmehr kommt noch zunächst für Ovid ~ eine dritte Version (B) in Frage, die Hygin. Fab. 198 überliefert:

Nisus,

Nisus Mortis filins^ sive ut alii dicunt Pandionis (Deionis verb. von Muncker) filitiSy rea Megarensium in capite crinem purpureum habuisse dicitur, c ui r esponsum fu if t am diu cum r e• gnatur um quam diu eum crinem custodis sei. quem Minos lovis fiUtis oppugnatum cum venisset, α Scylla Nisi filia Vener i s impulsu est amatus, quem ut victorem faceret, patri dormienti fatalem crinem praecidit. itaque Nisus mctus α Minoe est. cum autem Minos Cretam rediret, eum ex fide data rogavitf ut secum aveheret, ille neg avit Creten sanctis- simam tan tum scelus recepturam. Uta se in mare praecipüavit f ne (ut navem M. Schmidt) persequeretur, Nisus autem dum filiam persequitur, in avem halia(e)eton (id est aquüam marinam) conversus est , Scylla filia in ρ iscem, ci{r)rim quem vocant. hodieque siquando ea avis eum piscem natantem conspeaerU^ mittit se in aquam rapfamque unguibus düaniat.

Mit ihr beginnt bei Hygin eine Reihe von Verwandlungs- sagen (bis 206), welche auf hellenistische Dichtungen zurück- zugehen scheinen. Die Erzählung ist nicht ganz einheitlich, wie die genealogische Variante zeigt, auch sonst sind Zusätze nicht ausgeschlossen, aber als Ganzes beansprucht sie nicht nur

^ Um 80 auffallender ist, dass sie nachher ganz verschwindet.

220 Knaack

wegen der ganz eingulären Metamorphoae ^ anaer IntereaRe, zu- mal da ibr Werth iieaerdinga bestritten worden iat. Seitdem M. Schmidt eine weitgehende, durch die ganze Sammlung sich hin- ziehende Benutzung der Metamorphosen Ovida zum Theil mit Recht yermuthet hat, betrachtet man alle üebereinstimmungen als Interpolationen. Und ao läset in unserm Falle selbst ein sorgfältiger Forscher, wie R. Ehwald, die Worte patri dormievUi faialem crinem praecidii aus Ovid entlehnt sein (zu 85). Das trifft nicht zu: fatalis crinis ist Uebersetzung des μόρσιμος πλό- καμος, und die sonstigen scheinbaren Entlehnungen sind in Wahr- heit keine ^. Im Gegentheil: wie schon Ealkmann p. 91, 2 be- merkt hat, weicht Hygin in verschiedenen Punkten ab oder bietet mehr als Ovid ; er kennt den Orakelspruch, eine besondere Mo- tivierung der Liebe Skyllas, giebt eine abweichende Verwandlung Dazu kommt noch die Andeutung des Eheverspreohens ; dieser Zug ist vielleicht aus einer anderen Quelle hinzugesetzt. Wer ohne vorgefasste Meinung das Kapitel liest^ findet eine im ganzen wohl abgeschlossene Erzählung : es ist ein Auszug des in der Giris beiläufig erwähnten Gedichtes, das auch Ovid für seine Dar- stellung verwerthet hat. Denn nicht nur stimmen die Worte des zürnenden Minos 97 :

Ol te summoveantj ο nostra infamia saeclij orhe suoy tellusque tibi pontusque negetur/^ certe ego non patiar lovis incunabulaj Creten, qui meus est orbisj tantum contingere monstrum durchaus mit Hygin tiberein, sondern auch das Folgende 101 103 und besonders 142:

fnx dixerat, insilü tmdis consequiturque rotes faciente cupidine vires Gnosiacaeque haeret comes insidiosa carinae entspricht ganz der Situation in B, hierin völlig abweichend von Α und G (Parthenios). An diesem einigermassen gesicherten Er- gebnies wird man festhalten dtirfen ; umsomehr ist zu bedauern, dass sich aus den allgemeinen Angaben des Mythographen für

^ Ausser der gelegentlichen Erwähnung in der Ciris 484 ff. kommt sie nur noch bei Serv. Verg. Aen. VI 286 vor: nam et iUa Nisi stcun- dum alio8 in avem conversa est, secundum alios in piscem.

' Zu dem letzten Worte dilaniat bemerkt Schmidt laniaret Ovid. l c. 147. Aber hier steht laceraret.

^ Dies ist von Ovid hinzugesetzt, um bereite auf die 150 (nach C) erzählte Verwandlung hinzuweisen.

Hellenistische Studien 221

die früheren Momente der Erzählung kein deutliches Bild ge- winnen läset. D i e Skylla, wie sie Ovid zeichnet, selbständig pla- nend und handelnd, scheint mit der durch die Liebesgöttin ( Ve- neria impulsu) zum Entschluss getriebenen nicht unvereinbar zu sein, aber ein Entscheid ist unmöglich.

Während Β für sicli steht, gehen Α und C Hand in Hand. Nach dem bisher Ermittelten darf man annehmen, dass Parthe- nios auch in diesem Falle der Entleiher war: er entnahm also die Sclileifung durch das Meer und die daran geknüpfte Etymo- logie des Οαρωνικός κόλπος der älteren Vorlage ^. Diesen für Α und C wohl bezeugten Umstand hat der lateinische Bearbeiter übergangen; um so breiteren Baum nehmen die ergreifenden Klagen der Betrogenen ein, die wohl schon in C standen^. Ueber Α wissen wir nichts, Ovid lässt (nach B?) die Enttäuschte der entweichenden Flotte nachrufen und trifft ein paar mal in unwesentlichen Einzelheiten (Ov. 109 «χ» Cir. 428, Ov. 127 «χ» Cir. 418 ff.) mit Gallus zusammen ^ Was endlich die Verwandlung Skyllas betrifft, so gehen die drei Versionen völlig auseinander. Schon vorher scheiden sich Α und C. Für die in C erzählte Metamorphose war der Ort belanglos daher geht die Fahrt bis auf die Höhe von Kreta (Cir. 477) das θηρίον dagegen bedarf einer festen Localisierung. Der Punkt, wo die Verwand- lung geschah, lässt sich angeben : es ist das Vorgebirge Σκύλ- λαιον bei Hermione am Ausgang des saronischen Golfes, auf das auch in der Cir. 472 angespielt wird. Hier wurde noch

^ Die recht ausführlich gewesen zu sein scheint, wie aus dem £uripides8chol. zu ersehen ist: καΐ μετά τό παραλαβείν τήν πόλιν £λαβ€ν αυτήν επάνω τοΟ πλοίου καΐ ^δησεν αυτήν εΙς τό πηδάλιον (β. ο.) καΐ έν τή θαλασσή καθήκεν καΐ έμεινε συρομένη έν αυτή κτέ. Die Variante bei Tzetz. κρεμασθεΐσα τής πρώρας statt πρύμνης ist nur ein Versehen des Berichterstatters.

8 Vielleicht ist Fr. 34 Mart. ώ έμέ τήν τά περισσά hierher zu ziehen. Gallus hat ausserdem die Klagen der verlassenen Ariadne bei Catull stark benützt, üeber die Betrachtungen des Minos s. o. ^ Grösser ist die üebereinstiramung zwischen Cir. 190: Nise pater, cui direpia crudeliter urbe rix erit una »uper sedes in turribus (ütis, fessua ubi extrticto possis considere nido, tu quoque avis mctuerti dahit tibi filia poenas und Ovid. 125: exige poenas

Nise pater, gaudete malis modo prodita nostris moenia Liegt für beide Parthenioe vor?

222 Knaauk

später das Grab Skyllae gezeigt, wie bis auf den Sohlase über- einstimmend Strab. VIII 373 (daraus Eustath. Dion. Per. 420 a. £.) und Pausan. II 34 , 7 berichten :

Strabo Pausan.

τό bi Οκύλλαιον το έν Ερμιόνη . . . Οκυλλαΐον (sie) άπό τής ώνομάσθαι φασιν άπό Οκύλλης Νίσου καλούμενης θυγατρός. ώς τής Νίσου θυγατρός, ήν έΗ γάρ τήν Νίσαιαν ό Μίνως ίριυτος προόοΟσαν Μίνψ τήν και τα Μέγαρα elXev εκείνης Νίσαιαν καταποντιυθήναί προδούσης, οδτε γυναίκα ßeiv φασιν υπ' αύτου, beupo b' αυτήν έτιέφασκεν και πρόσε- έκκυμανθεϊσα ν ταφής τυ- ταΗε τοις ΚρησΙν έκβάλ- χεϊν. λειντήςνεώς• άποθανου-

σαν bk όπέρριψεν ές τήν δκραν ταύτην ό κλύοιυν. τάφον ουκ άποφαίνουσιν αυτής, άλλα περιοφθήναι τον νεκρόν φασι όιαφορηθέντα ύπό των έκ θαλάσσης ορνίθων. Natürlich verdient Strabo allen Glauben : die gegeutbeilige An- gabe hat Pausanias oder sein Gewährsmann allein zu verantworten ^. An diese obscure Localsage nun knüpfte der unbekannte helle- nistische Dichter an und wagte es, die Eponyme von Οκύλλαιον dem homerischen πέλωρ κακόν gleichzusetzen (falls er nicht bereits eine alte Sage kannte): das war bei dem fast kanpnischen Ansehen Homers eine Neuerung, die Aufsehen erregte und Nachahmung fand^. Deswegen schilt ihn Cornelius Gallus in den zu Anfang angeführten Versen einen malus auctor, den er aus dem Maeoniden zu widerlegen versucht^. Denn dass hier die

^ Unbegreiflicherweise wollen Hitzig-Blünmer (Pausan. Bd. II 644) im strabonischen Text vor τυχείν ein ού einschieben, nur Pausanias zu Liebe. Die gemeinsame rationalistisch gefärbte Quelle war wohl eine Localperiegesei die eine ziemlich junge Gestalt der Sage bot. Das Werfen ins Wasser auch bei dem Schol. Bern. Verg. Ecl. VI 74, der sonst die Vuigata giebt. Apollod. III 210 erzählt die Sage in bekannter \N'ei8e, zum Schluss heisst es Μίνως δέ Μεγάρων κρατήσας καΐ τήν κό- ρην τής πρύμνης τών ποδών έκδήσας ύποβρύχιον έπο(ησ€, das scheint Contamination der von AC befolgten und der rationalistischen Version.

'^ Die complures magni poetae sind wohl unter den hellenistischen Dichtern zu suchen.

8 Ihm folgt Vergil. Ecl. VI 74 quid loquar aut Scyllam Nisis quam fama secuta est eqs. mit leiser Aenderung.

Hellenietische Studien 223

eigene Kritik des Gallne vorliegt, erbellt aus dem Zusammen- hang: Parthenios, der die Odyssee für *Koth* erklärte, wird wohl anders geurtheilt haben. Mit dieser Thatsacbe müssen wir uns begnügen: dass auch sonst noch Abweichendes in Α zu lesen war, liegt wohl in dem Ausdruck dtU)iis erroribusK Vorbildlich für den hellenistischen Dichter scheint die bereits von Hedyle (Athen. VII 297b) bearbeitete anmuthige Sage von Skylla und Glaukos gewesen zu sein '^. Etwas näher berühren sich Β und C: beide lassen den Vater der Jungfrau in einen Seeadler ver- wandelt werden, und Β schildert, wie noch aus dem Auszüge zu erkennen, recht anschaulich das Herabstossen des Raubvogels auf seine Beute, den Fisch κίρρις^ Diese Verwandlung Skyllas wird beiläufig erwähnt und zurückgewiesen in der Ciris 484: sed tarnen aeternam (?) squamis vestire puellam infidosque inier teneram committere pisces non statuit {nimium est avidum pecus Amphitrites), was schon 451 angedeutet war:

aequoreae pristes^ inmania corpora ponli undique conveniunt et glauco in gurgite circum verbere caudarum atque oris miniianiur hiaiu.

1 Weitere Schlüsse zu ziehen, mag einer anderen Gelegenheit vorbehalten sein. H. Steuding 'Skylla ein Krake am Vorgebirge Skyl- laion , Jahrb. f. Pbilol. 189f), 18S ff. bat aus anderen Erwägungen diese Localisierung als die ursprüngliche angenommen. Die von ihm ver- schmähte Etymologie von σκύλλειν {vexasse Cir. 60) scheint in Α ge- standen zu haben: τήν ο1κ€(αν φύαιν μετέβαλεν σύδαμώς bemerkt der Scholiaet zu Eurip. Vgl. auch Tümpel Berl. phil. Wochenschr. 1895, 993 ff. Sie fehlt bei Schmidt (Röschere Lex. IIl' Sp. G34). Es gab auch ein Grab der Kirke auf einem der ΦαρμακοΟασαι genannten In- selchen bei Salamis (Strab. IX 395). An dem sikelisohen Οκύλλαιον und seiner Bewohnerin übt noch Prokop. de bell. Goth. III 27 er nennt sie τό θηριώδες γύναιον eine des Interesses nicht er- mangelnde Kritik.

2 Vgl. Rohde Rom 124. 2; Leuschke aaO. p. 39—41. Waser S. 37 ff

8 Etym. M. p. 515, 14 κίρρις 6 Ιχθύς, επειδή κιρρός έστι τήν Xpoidv(?j. κερίς bi biä τό έ*. In der Lilteratur kommt er in dieser Form nur bei Oppian Hai. I 128 (κ(ρρις) und III 18S (κιρρίδα [sie]) vor, nach den Angaben Schneiders bieten die Hss. ακίρρις und ακιρρίοα. Nach diesen Zeugnissen wird mau auch bei üygin cirris schreiben müssen. Die Form κερίς scheint verschrieben für κηρίς, was Diphilos (Ath. VI Π 355c) einmal, Alexandros von Tralles mehrfach anführt (Schneider zu Oppian I 128 [Straseb. 177H]) wenn derselbe Fisch gemeint ist.

224 Knaack

Εβ liegt kein Grand vor diesen gelegentlichen Seitenblick auf einen dichterischen Vorgänger mit der etwas schwächlich ausgefallenen Kritik dem Parthenios abzusprechen: die Verwandtschaft der Na- men κίρρις und Κ€ΐρις \ sowie die von beiden in ähnlicher Weise

^ Was für ein Vof^ei gemeint war, darüber war man sich bereits im Alterthum nicht klar; ebenso schwankt die sprachliche Form. Die richtige, indirect von Ovid bezeugte Form (150 voeatur Ciris et α tonso est hoc nomen adepta capillo) giebt Hesycb. κ€ΐρις. 6pv€ov Upai, ol bi αλκυόνα. £ine Spur des Richtigen liegt vielleicht noch in dem Comment. zu Ovid Met. VIII Fab. 1 (fälschlich Lactantius Placidus genannt) vor: in volucrem krinen (so M, für κ€ΐριν.^) transfigurata est. Ein anderer Artikel bei Hesych. κ{(ρ)ρις• λύχνος, Öpvcov ή "Aöui- νις (vgl. κύρις) ist stark verkürzt, wie Etym. M. 515, 14 zeigt: κ(ρρις* εΐ&ος Ιέρακος. ομοίως bi λέγεται 6 "Α&ωνις (fehlt bei Meister Griech. Dial. II 309 im Kyprischen Register), παρά Λάκωαι δέ ό λύχνος. Diese Form wurde mit κίρκος zusammengebracht: Corp. gloss. latin. II 100 Cif CMw/, Ιέρακα. ίστι bi öpvcov μεταβληθείσης τής Οκύλλης τής Ν ίσου (Muncker: νήσου cod.), Μεγαρέως (Μεγαρέων cod.), Νοηη. Dion. XLII 535, bei dem der άλιαίετος dem κίρκος die Beute abjagt, folgt dieser Deutung. Sie ist indessen ebenso falsch, wie die der Humanisten auf das Rebhuhn (Julius Sabinus bei Heyne Einleit. z. Ciris) oder auf die Haubenlerche (Micyllus zu Ovid 151), denn Parthe- nios hat jedenfalls einen Wasservogel gemeint, wahrscheinlich eine Reiherart, was bereits Scaliger vermutbet. Röscher (Myth. Lex. III 431 f.) näher zu begründen versucht hat. Und zwar passt das am meisten hervorstechende Merkmal, der rothe vom Scheitel ausgehende Schopf, auf den Kuhreiher, Bubulcus Ibis (Ardea bubulcus), eine in Aegypten gemeine Species, die von dort aus öfter Südeuropa besucht (Brehm Thierleben IV 705^). Wenn Röscher diese mit der in Griechenland (neben Ardea cineraria) häufigen Species Ardea purpurea (A. Mommsen Griech. Jahreszeiten III 182) identificieren will, so irrt er: die ausge- zeichnete Abbildung und Beschreibung in dem mir durch die Gute meines CoUegen Oberl. W. Müller zugänglich gemachten Hauptwerke über die Vögel Mitteleuropas, Naumann Naturg. d. Vögel VI 218 225 (der neuen Bearbeitung) erweisen eine völlig verschiedene Art. Aber nicht alle Züge passen auf den geselligen und verhältnissmässig zu- traulichen Kuhreiher; das einsame Hausen und die Feindschaft mit anderen Vögeln stimmt eher zu dem gemeinen Reiher (Brehm 695, Naumann 196). Die Verfolgung durch den Seeadler ist sonst ge- rade nicht bezeugt, doch hat Brehm 480 dies an dem afrikanischen Scbreiseeadler beobachtet. Auch in der πώυγξ (Anton. Lib. 5) oder φώυε (Ps. Aristot. bist. an. IX 18) wollen manche Erklärer eine Reiher- art (Ardea stellaris (Rohrdommel)? purpurea? nycticorax ? Sundevall Thierart. des Aristot. 151, vorsichtiger Aubert- Wimmer I 111) finden;

Hellenistiscbe Studien 225

und recht aaeführlich erzählte YerwandlaDgegeechichte am Schlaese weisen auf Beziehangen zwischen Β und C, die im Einzelnen leider nicht mehr festzustellen sind ^. In C ist die Metamorphose mit besonders liebevollem Eingehen geschildert.

Damit ist tiber Α und Β gesagt, was irgendwie zu er- mitteln war. Bevor wir von diesen Abschied nehmen, sei noch ein Blick auf die kunstvolle Verknüpfung der drei Sagenformen bei Ovid geworfen. Von der Dichtung Α ausgehend und sie in einzelnen Zügen nachahmend, setzt, wenn das oben Dargelegte richtig ist, mit 89 Β ein; die langen Klagen der Verschmähten klingen an C an, auf dessen Version V. 140

pyLppinnque ampleaa recurvam per freta longa trahar deutlich hinweist. Wieder folgt er B, aber die Verwandlung (mindestens Skyllas) wird im Anschluss an C erzählt^). Und überall hat die grosse Kunst des Erzählers die Fugen des aus drei Vorlagen zusammengesetzten Berichtes so geschickt ver- strichen, dass der Leser zunächst eine einheitliche Geschichte vor sich zu haben glaubt: erst die Analyse vermag die Bausteine auszusondern. Welche Perspective auf die Quellenforschung diese Erkenntniss eröffnet, soll hier ebenso wenig erörtert werden, wie die jüngst mit ungleichem Erfolge behandelte Frage, ob der Dichter diese Versionen bereite in einem ^ Handbuche' zusammen- gestellt fand^

die daran geknüpfte Greuelgeschichte (Pauly-Wissowa Realencyklop. u. Balis) gehört aber schwerlich hierher. Wenn andere bei Hesycb. in der κ€ΐρις einen Eisvogel erblickten, so sei an die von Boios behan- delte ephesische Volkssage (Ant. Lib. 11) erinnert, wo Pandareos zum άλια(€Τος wird, seine Gattin zum άλκυών, beide sind den Schiffern gute Wetterpropheten (vgl. Dionys. Όρνιθ. II 1). Nahm Parthenios darauf Bezug ?

^ Der im Wortlaut fast stimmeude Orakelspruch beweist nichts, da er auch in Α stand: er gehört zu den festen Bestandtheilen der inegarischen Sage. Neben der wohlverständlichea Motivierung der Liebe Veneris impulsu erscheint der bei dem Herafeste begangene, im Ein- zelnen noch ganz unklare 'Frever verhältnissmässig barmlos, aber ein Vergleich ist nicht mehr möglich.

' Mit eigenartiger Prägnanz fasst Rutil. Namatian. de reditu Π 54 die Verwandlungen beider zusammen:

Niseum critiem flere ptUantur aves wohl nach Ovid, der im Vorhergehenden berücksichtigt ist.

8 IHig lässt sich für Β und C vermuthen, da der sog. InterpQl«.iAt

Rh«in. Mus. f. Philo!. N. F. LYU, \^

226 Knaaok

Εβ bleibt Doch einiges über Parthenioe zu sagen übrig. Seine Abhängigkeit von den Vorgängern ist im Lanfe der Unter- sachung zur Sprache gekommen, hier sollen die bereits kurz er- wähnten Motive, durch deren Einführung er dem allbekannten Sagenstoffe neues Interesse zu verleihen versucht hat, auf ihre Herkunft hin geprüft werden.

Ftlr die Belagerung der Stadt Megara durch Minos gab die verbreitete, bei Apollodor und Ovid vorliegende Tradition die Ermordung des Androgeos an ; in der Ciris bekriegt der Ereter- könig die Stadt, weil sie die Zufluchtsstätte des flüchtigen Po- lyidos geworden ist. Das ist sonst nirgends überliefert, wohl aber kennen wir einen Aufenthalt ^des Sehers in Megara^ und dürfen ein Zerwürfniss zwischen ihm und Minos bei den Tra- gikern, vornehmlich bei Euripides, annehmen^. Hier wird mega-

Servii z. Verg. Ecl. VI 74 aus ähnlicher Quelle folgendes hat: Postea et Scylla α Minoe contempta [vel\ dolore [quod contempta esset (A B) vel (quod) quasi parricida α Minoe ad puppim religata tracta sit (C) in avem cirim conversa est (C)]. Die bisherigen Untersuchungen von Plaehn (de Nicandro hliieque poet. gr. ab Ovidio in met. conscr. adhib. Hal- lenser Dias. 1882) 49 sq. und Leuschke p. 56 genügten nicht.

^ Um den Alkatboos wegen des Todschlags seines Sohnes Kalli- polis (Paus. I 42, 6) zu entsühnen (ebd. 43, 5).

« Eurip. Polyid. Fr. 641. 643. 644. Welcker Gr. Trag. Π 772. Schon in den Kreterinnen des Aeschylos wurde dem Seher der härteste Tod angedroht, falls Welcker Frg. 118 richtig gedeutet hat. Auf eine tragische ^ήαις geht eine bisher übersehene Anspielung im zweiten an- geblich platonischen Briefe (Epistologr. graec. p. 493) : πέφυκ€ Suvt^at €ΐς ταύτό φρόνησίς τ€ καΐ δύναμις μεγάλη, καΐ ταΟτ* βλληλ' del διώκει καΐ Ζ^ητεί καΐ ξυγγίγνεται, dafür werden historische Belege ge- geben — καΐ ταΟτα μιμούμενοι ο Ι π ο ι η τ α Ι Κρέοντα μέν καΐ Τειρεσίαν συνάγουσι, ΤΤολύειδόν τε καΐ Μίνω, * Αγαμέμνονα καΐ Νέστορα καΐ 'Οδυσσέα καΐ Παλαμήδη . . . τούταιν δέ τους μέν εΙς διαφοράν, τους δ' εΙς φιλ{αν άλλήλοις Ιόντας, τους δέ τοτέ μέν είςφίλίαν, τοτέ δ* εΙς διαφορά ν, καΐτά μέν όμονοοΟντας, τά δέ διαφερομένους ^δουσιν. Agamemnon und Nestor gehen wohl auf die Ilias (A), die übrigen Paare sind Sprecher tragischer ζήσεις in der Antigene und dem euripideischen Palamedes, und so werden auch wohl Polyidos und Minos aus dem Polyi4o8 des Euripides stammen; jeden- falls war dies Drama bekannter als die Μάντεις des Sophokles und die Kreterinnen des Aeschylos. Wenn Clem. Alex. Strom. I 399 P. in einer Aufzählung berühmter Seher anführt ΤΤολύιδός τε έν Άργει καΐ έν Μ ε γ ά ρ ο ι ς, οΟ μέμνηται ή τραγψδία, so darf man die letzten Worte nicht pressen (vgl. Anm. 1). In Unfrieden scheidet Polyidos von Kreta nach Apollod. III 20.

Hellenistieche Studien .227

rieche üeberlieferuDg vorliegen. Denn dase der Verfasser mit der localen Sage wohl vertraut war, beweist die ganz ausge- suchte Nachricht von dem Aufenthalte des Melampus^ und die sonstigen eine periegetische Quelle voraussetzenden Angaben über Stadt und Umgebung. Die früher augeführten Verse 105 109 stimmen fast wörtlich mit Paus. I 42, 2 τότ€ bk αυτώ (Al- kathoos) τειχΚοντι, ώς φασιν ol Μεγαρείς, συνεργάίεταί τε 'Απόλλων (106) και τήν κιθάραν κατίθηκεν έπ\ τόν λίθον ήν hk τύχη βαλών τις ψηφϊδι, κατά ταύτα ούτος τε ήχησε και κιθάρα κρουσθεΐσα (107. 108) ^, ferner entsprechen die Verse 465 ff.:

praeterit abruptas Scironis protinus arces infestumgue suis dirae testudinis exit spelaeum mtdtoqtie cruentas hospiie cautes der Angabe bei Paus. I 44, 8 τάς hi . . νομίΖουσιν εναγείς (sc. πέτρας), δτι παροικών σφίσιν ό Οκιριυν όπόσοις των Είνων έπετύγχανεν ήφίει σφάς ές την θάλασσαν, χελώνη οέ ύπενήχετο ταΐς πέτραις τους έκβληθέντας άρ- πάίειν . . . (vgl. Kallim. (Hekale) Fr. 378). Wir müssen uns begnügen, diese Uebereinstimmungen zu notieren; jede weitere

1 Cir. 112 hospitio quod ae Nisi Polyidos avito . . . texerat würde streng genommen auf Abas (Paus. I 43, 5) zu bezichen sein, da dieser aber mythologisch kaum in Betracht kommt, so muss Melampus gemeint sein, der allerdings nicht für Megara selbst, sondern nur für Aigosthena bezeugt ist (Paus. I 44, 5 und die inschriftlichen Zeugnisse bei Koscher II 2512). Uebrigens benutzt der Gewährsmann des Par- thenios eine abweichende Königsliste, was K. Seeliger Alkathoos und die megarische Königsliste (Festschr. f. Overbeck S. 30) nicht genügend hervorhebt. Dass in dieser ganzen Partie voll ausgesuchter Gelehrsam- keit Parthenios selbst vorliegt, zeigt Y. 113, der bereits von Scaliger zurückübersetzt ist:

Καρπάθιον φεύγων (λείπων Seal.) καΐ νάματα Καιράτεια. * Derselben Ueberlieferung (oder dem Parthenios?) folgt der un- bekannte Dichter Anth. Plan. 279 (εΙς τόν έν Μεγάροις κιθαριστήν λίθον) :

Τόν με λίθον μέμνηαο τόν ήχήεντα παρ^ρπων

Νισαίην* οτε γάρ τύρσιν έτβιχοδόμει Άλκάθοος, τότ€ Φοίβος έπωμαδόν ήρε 6ομαΐον

Ada Λυκωρείην άνθέμ€νος κιθάρην. ίνθ€ν έγώ λυραοιδός, ύποκρούαας 6^ μ€ λεπτή χερμά&ι τόν κόμπου μαρτυρίην κόμιααι. Uebrigens ist dieser alte Ruhm Megaras, den schon Theogn. 773 kennt, nur ein Reflex des thebanischen Manerbaus durch Amphion und Zethos,

228 Knaack

Yerrnnthnng über die Quelle des PartheDios wäre aueeichtelos. Aber die Tbatsache sei hervorgehoben, dass auch einer der letzten Vertreter hellenistischer Dichtung , eigene Erfindungen ver- schmähend, auf die gute locale üeberlieferung zurückgreift das ist der Einfluss des Eallimacheischen όμάρτυρον ούοέν aeibui^. Nicht zufrieden mit diesem Zuge hat der Dichter noch einen zweiten eingeführt, den er an die Person Karmes, der Pflegerin Skyllas, anknüpft:

287 0 iterum nostrae Minos inimice senectae,

semper ut aut olim nafae te pr opier eundetn atä amor insanae luctum portaret (üumnae! iene ego tarn lange capta atque avecta nequivi, tamgrave servitium, tarn duros passa labores effugerCy ut siMam exitium crudele meorum ? (vgl. 332). Wer ist Karme und woher stammt sie? Ogygii Phoe^ nicis filia heisst sie 220, das stimmt allein zu Anton. Lib. 40 Κασσιεπείας της Άραβίου και Φοίνικος του Άγηνορος έγένετο Κάρμη, während Paus. II 30, 3 und Diod. V 76, 3 abweichen. Liest man weiter, so werden die kurzen Angaben Cir. 301 ff.: unde äln fugisse ferunt et numen Äphaeae virginis assignant^ alii quo notior esses^ Dictynam divere iuo de nomine Lunam erst durch den Verlauf der Erzählung des Antoninus verständ- lich. Zwar die zuletzt genannte Epiklese konnte der Dichter aus Eallimachos (Artemishymn. 195 ff.) entnehmen:

μ^φ' δτε μαρπτομένη και δή σχεδόν ήλατο πόντον πρηόνος H ύπάτοιο κα\ ίνθορεν εΙς άλιήιυν δίκτυα, τά σφ' έσάυυσαν. δ θ ε ν μετέπειτα Κύοωνες νύμφην μένΔίκτυναν, δρος b' δθεν ήλατο νύμφη Δικταΐον καλέουσιν, an welchen die vorhergehenden Verse: numquam tarn öbnixe fugiens Minois amores

praeceps aerii specula de montis iisses noch unverkennbar anklingen. Dagegen wird die erstere, d i e mit Kreta gar nichts zu thun hat, wie gesagt, erst durch Antoninus verständlich : έκφυγοΟίΤα bi Μίνωα έΗί- κετο ή Βριτόμαρτις εις Αϊγιναν έν πλοΐψ συν άνόρι άλιεϊ Άνορομήοει. Als dieser sie vergewaltigen will, entflieht sie in

1 Das antiquarische Interesse des Dichters erhellt noch femer aus den Angaben über die ΤΕΤΤιγοφορία 12(5 128, vgl. Studniczka Jahrb. des arch. Inst. 1896, 274 f.

Hellen istieohe Studien 229

einen Hain und verseil windet daselbst: τόν bk τόπον, έν φ αφα- νής έγένετο ή Βριτόμαρτις, αφιέρωσαν Αίγινήται και (αυτήν) ώνόμασαν 'Αφαία ν και Ιερά έπετέλεσαν^. Aus dieser Ver- gleichung darf zweierlei gefolgert werden: erstens, das Original ist durch die Schuld des lateinischen Bearbeiters an dieser Stelle gekürzt; zweitens, in dem von Antoninus excerpierten Bericht haben wir seine Quelle zu sehen; die Reminiscenzen aus Kalli- machos mag Parthenios hinzugesetzt, sie können aber ebensogut bereits in der Vorlage gestanden haben -. Dürften wir nun in dieser einen Abschnitt aus den έτεροιούμενα Nikanders ver- muthen, wie 0. Schneider Nicandr. 43 sehr wahrscheinlich ge- macht hat, so stände die Benutzung seines bedeutendsten Vor- gängers in der Metamorphosendichtung durch Parthenios ausser Zweifel ^ Soviel über die Person der Karme ; eine andere Frage, wie diese Gestalt in die megarische Sage hineingekommen, lässt eich nicht mehr beantworten, nur vermuthen darf man, dass sie die wahrscheinlich namenlose τροφός, welche sich die leider so wenig kenntliche Tragödie von Nisos und Skylla als Vermitt- lerin der Botschaft an den Feind nicht wird haben entgehen lasseii^, ersetzt hat.

^ Vgl. Paus. aaO. Bekanntlich hat Furtwängler neuerdings das alte Heiligtbam der Aphaia wieder aufp:efuDden; die Hoffnung durch inschriftliche Zeugnisse Beglaubigung der aiginetischen Legende zu er- halten, ist wohl nicht ganz aussichtslos.

^ Uebere instimm ung mit Kallimacbos lässt sogar noch der Auszug erkennen αυτήν 16ών Μίνως καΐ έρασθείς έδίωκεν. ή bi κατέφυγε παρ* άνδρας αλιέας, ο'ι bi αυτήν κατέδυααν εΙς τά δίκτυα καΐ ώνόμασαν έκ τούτου Κρήτες Δ(κτυν[ν]αν καΐ ίερά προσήνεγκαν. Vgl. noch Nonn. Dion. XXXIII 333:

δφρα νέη Βριτόμαρτις έγώ φυγόδεμνος ακούσω, ήν ποτέ πόντος έδεκτο καΐ έμπαλιν ώπασε γαίη

ι

Κυπρι&{ων Μίνωας άφειδήαασαν ερώτων.

^ Nicht allein für diese verhaltnissmässig kleine Partie; wenn Kalkmanns (aaO. 83) Vermuthung iu Bezug auf Anton. Lib. 34 das Richtige trifft, so hat Parthenios aus Nikander auch die Farben für die Liebesraserei seiner Heldin entlehnt.

* Ovid Trist. II 393 (= FTG. p. 840«) , Lukian salt. 41 ?, vgl. Welcker Trag. 1226 f. Rohde Rom. 37, 2 (Modestinus PLM. IV 360,6 braucht man nicht zu den 'tragioi ignes' zu rechnen) ; dazu fügt Waser 8. 60 Hygin. Fab. 242 {qui se ipsi interfecerunt) und Martial. X 4, 2, wahrscheinlich mit Recht. Dagegen bietet Sidon. ApoUin. XI 68 das Citat Wasers ist falsch nur eine Ovidreminiscenz. Zu der Tra- gödie würde das pompejanische Bild stimmen.

230 Κ η a a c k

Hinter dem Lykeion erhob sich das Denkmal des Nisos, jedem Athener des fünften Jahrhunderte wohlbekannt ^ So konnte der grosse Tragiker auf Verständniss seiner Hörer rechnen, wenn er neben die Eindesmörderin Althaia die φοινία Οκύλλα stellte, welche verblendet durch das goldene Halsband des Minos, den lieben Vater umbrachte:

Νϊσον άθονάτας τριχός

νοσφίσασ' άπροβουλιυς

πνίονθ' ά κυνόφρων οπνψ.

κιγχάνει bi νιν 'Ερμής. (Choeph. 602 ff. Khff.)^.

Das ist die älteste Version, doch wohl auf einen Epiker zurückgehend, die im Keim fast alle von den Späteren weiter ausgebildeten Züge schon enthält; vielleicht erscheint sie noch auf einem schwarzfigurigen Vasenbilde. Die weitere Entwicklung der Sage ist dunkel, doch hat wohl die Tragödie das wirksame Motiv der Liebe zu dem Landesfeinde, das in verwandten Sagen eine bedeutsame Rolle spielt, wenn nicht erfunden, so doch aus- geführt und vertieft. Ihr folgt, in Einzelheiten vielfach variierend und umgestaltend, die hellenistische Erzählung, deren letztet Ver- treter noch einmal alle Momente zu einem grossartigen Seelen- gemälde zusammenfasst, das auch in der lateinischen Nachbildung wirkt und ergreift.

Stettin. G. Enaack.

^ Paus. I 19, 4. Die Anspielungen auf Tereus, Pandion und sein Geschlecht in der Ciris lehren nichts Neues. Die megarische Sage muss einmal ganz aufgearbeitet werden.

^ Die Schollen (zu GOl) kennen die spätere Sage δτι δρμον imö Μ(νιυός φησιν €ΐληφ^αι €κύλλαν, 6 ι' £ρωτα, die das andere Mal zur Erklärung des άπροβούλως verkehrt erweise herbeigezogen wird. [Zu der oben S. 217, 8 gef?ebenen Zusammenstellung wird es dienlich sein, eine Hinweisung auf den alten Glauben zu fügen, den Petronius 38 bezeugt: 'de nihilo crevit. modo solebat coUo suo ligna portare. sed quomodo dicunt (ego nihil scio, sed audivi), quomincuboni pilleum rapuisset, thessaurum invenit. U.j

DIE EPOCHEN IN VARROS WERK DE GENTE POPVLI ROMANI

Die üeberliefeniDg über die Epochen Varroe in den vier Büchern De gente populi Romani beschränkt sich auf wenige An- gaben, und selbst diese führen nur zn einer widerspruchsvollen Yorstellung. Za gründe gelegt hat man bei ihrer Besprechung eine Stelle des Censorinns (De die nat. 21, 1), da sie eine üebersicht über das Werk zu enthalten schien, obgleich es nicht ausdrücklich citiert wird^). Sie lautet:

Et si origo mundi in hominum notUiam uenisset^ inde exordium sumeremus. nunc uero id intemallum temporis tractabOj quod Ιστορικόν Varro adpellai. hie enim tria dis- crivnina temporum esse tradit,

primum ab hominum principio ad cataclysmum prioremy quod propter ignorantiam uocatur δοηλον,

secundum α cataclysmo priore ad olympiadem pHmam^ quodj quia in eo multa fabulosa referuntur, μυθικόν nomi- natur, tertium α prima Olympiade'^ ad nos, quod dicitur Ιστορικόν» quia res in eo gestae uerls historiis continentur, Frimum enim tempus, siue habuit inüium seu semper fuit, certe^ quot annorum sit, non polest comprehendi.

secundum non plane quidem scitur, sed tarnen ad müle circiter et sexcentos annos esse creditur. α priore scüicei cataclysmo, quem dicuntlet Ogygii, adjinachi regnwm annos^ circiter CCCC^****^ hinc ad^olympiadem primam patdo plus

^ Auch H. Kettner hat in eeinen Varronischen Studien S. 38—78 die Richtigkeit der Angaben des Censorinus nicht bezweifelt, zuerst und allein bis jetzt C. Frick (die Queüen AugiMtins im XVIII. Buche seiner Schrift De ciuitate dei) (Progr. d. Gymn. von Höxter) S. 5, ohne jedoch weitere Folgerungen zu ziehn.

3 So die Darmstädter Hdschr. anm sunt 0. Jahn.

" quadrigenti Darmst.

232 Peter

CCCC, guos soloSi qttamuis mythict temporis posiremos^ tarnen quia α memoria scripto^um proximos quidam cerihis definire noluermü. et quidem Sosihius scripsit esse CCCLXXXX F, Era- tosthenes auteni CCCCVII, Timaeus CCCCXVII, Aretes DXIIIIj et j. rötet er ea multi diuerse, quorum etiaw ipsa dis- sensio incertum esse dedarat.

l)e tertio autem tempore fuit quidam aliqua inter auctores dissensio in sex septemue tantum modo annis uersata; sed hoc quodcumque ccdiginis Varro discussit et pro cetera sua sagacitate nunc diuersarum ciuitatium conferens tempora^ nunc defectus eorumque interualla retro dinumerans eruit tierum lucemque osiendity per quam numerus certus tum annorum modo sed et dierum perspici possit.

Wie länget geeehn worden ist, sind die Worte durcli eine Lücke entstellt und zwar muse diese hinter der ersten Zahl CCCC angenommen werden ; hinc bezieht eich nach dem Ausweis der nächsten Zahlen auf das excidium Troiae, und es müssen nach der jetzt gewöhnlichen Ergänzung von dem Inachi regnum bis dahin 800 Jahre gerechnet gewesen sein, sodass als Epochen herauskommen würden:

Fluth des Ogygus ca. 2376 v. Chr.,

Inachi regnum ca. 400 = ca. 1976, Trojas Fall ca. 1200 = ca. 1176, 1. Olympiade ca. 1600 = ca. 776. Mit dieser Rechnung würde übereinstimmen, dass Arnobius (V 8, fr. 7 der Fragm. bist. Rom.) von der Deukalionischen Fluth ^ bis zum Consulat des Hirtius und Pansa Yarro in De genta populi Romani, 'noch nicht 2000 Jahre* rechnen lässt, wenn wir diese Fluth in die Zeit des Inachus versetzen, was die Scho- llen zu Euripides Orest. 932 ausdrücklich bezeugen.

Dagegen aber spricht Varro selbst, der De re rust. ΠΙ 1, 2 ff., also im J. 37/717 Theben die älteste griechische Stadt nennt, seine Erbauung durch König Ogygus noch vor die nach ihm be- nannte Fluth hinaufschiebt und sein Alter auf 'ungefähr 2100 Jahre' taxiert; mögen wir das Jahr des Gesprächs (54/700) oder das der Abfassung als Ausgangspunkt annehmen, so fällt die Fluth später als 2154 oder 2137, also über 200 Jahre später als bei Cen- sorinus. Auf ein noch jüngeres führt uns eine ebenfalls auf

^ Fälschlich nehmen Boissier Etüde sur Varron p. 184 u. Gruppe Herrn. X 57 die Ogygische an; Arnobius kennt nur die des Deukfllion unter den griechischen Fluthcn; s. unten S. 240 Anm.

Die Epochen in Varros Werk De gcnte populi Romani 233

Varro zurückgehende Angabe; denn er ist der heidnische Ge- währsmann, dem Augustinus im 18. Buch seines Gottesstaates folgt, und wenn dieser sagt, dass sie nach ihm (also Varro) mehr als 300 Jahre früher stattgefunden habe als bei Eusebius und Hieronymus (XVUI 8), so kommen wir auf die Zeit vor 2057, da sie in deren erhaltenen Werken unter dem J. 260 Abr., d. h. 1757 V. Chr. verzeichnet ist^. Demnach kann Varro seit der Abfassung des Werkes De gente p. R. bis zu der des landwirth- schaftlichen seine Meinung darüber nicht geändert haben und die Angabe b6i Ceneorinus entweder nicht aus dem ersteren herrühren oder sie ist nicht richtig überliefert.

Zwar herrscht bekanntlich in den Ansätzen der alten griechi- schen Chronologie die äusserste Willkür. Zahlenkünstelei und landschaftliche Eitelkeit haben sie zustande gebracht, dann sind nach verschiedenen Grundsätzen aufgebaute und ausgeklügelte Systeme vielfach in einander gearbeitet worden und endlich haben Ungenauigkeit und Flüchtigkeit der Abschreiber das Ihrige ge- tban, um uns den Einblick in die Werkstätte der ersten Rechner noch mehr zu erschweren.

In Varros Zeit genossen die sich bis zum J. 61 v. Chr. erstreckenden und bald nach diesem Jahr erschienenen Χρονικά des Kastor grosses Ansehen und mussten grade ihm bei seiner Gestaltung des römischen Stammbaums sehr bequem liegen, da der Grieche in Tabellenform orientalische, griechische und römische Geschichte mit einander verbunden und über die Zer- störung Trojas, das bisherige Endziel der griechischen Chrono- graphen hinaus in die noch ältere Zeit Griechenlands zurück ver- folgt hatte, um diesem ein den orientalischen Reichen gleiches Alter zu verleihen. Je weiter daher Varro den Ursprung Roms hinaufrückte, desto vornehmer machte er seine gens, das Vorrecht des Adels (Liv. X 8, 8), und überbot des Nepos Chronica, die im Anschluss an ApoUodor, den Nachfolger des Eratosthenes, mit der Zerstörung Trojas begonnen hatten. Er citiert den Eastor selbst in dem uns hier beschäftigenden Werke (fr. 6 meiner Sammlung der Fragm. bist. Rom. p. 230). Nun stehen für diesen folgende Daten fest:

^ Ich \efξe hier wie überhaupt die Gleichung Abr. 1 = v. Chr. 2016 zu Grunde, ziehe also, um die Jahre seit Abraham auf vorchri etliche zu übertragen, von 2017 ab. Difterenzen um eine Zahl sind nicht zu vermeiden, da in den Listen des Eusebius die Zahlen nie rein gegeben werden. S. v. Gutschroid Schriften IV 8.

234 Peter

Ogygns war ein Titane und Zeitgenosse des Belus, dee ersten Königs der Assyrier, des Vaters des Ninus (I.), mit dem Eastor die Angabe der Regiemngszahlen begonnen hatte (£r. 1 ff. p. 156 ff. bei Müller in den Fragm. chronoL; vgl. J. Brandis Commentatio de temporum Graecorum antiquissimomm rationibne, Bonn 1857, p. 35).

Die assyrischen Könige von Ninas I. bis Kinns Π. haben 1280 Jahre regiert (Euseb. I p. 55 Seh.).

Die mit Aegialens anfangende Königsreihe von Sicyon, die älteste in Griechenland, regierte bis Zeuxippus 959 J. (fr. 6 f., vgl. Geizer luL Afric, II S. 68 ff.), nach Eusebius von 2089—1129.

Die Eeihe der argivisohen Könige von Inachus bis Sthene- lue regierte 382 J. (fr. 9—11), nach Ensebios von 1856—1474, die der Danaiden 162 J., nach Eusebias bis 1312.

In der athenischen Königsreihe von Üecrops bis Alkmeon (nach Ensebius 1556—744) regierten die Erechthiden (449 oder) 450 Jahre, die Neliden 52 (od. 58), die Medontiden 309 (ver- schrieben in 209) , fr. 12 f. s. Geizer II 77. v. Gntschmid Sehr, IV 10 ff.

Ankunft des Aeneas in Italien 1182, fr. 20 n. 19.

Gründung Roms 765 (oder 764 nach Holzapfel, Böm. Chrond. S. 247).

Begierung der römischen Könige 244 J., fr. 19.

Mit diesen Angaben über die Regierungsdauer stimmt Euse- bius überein, der sich auch in seiner Tabelle für den Anfang und das Ende der Königsreihen von Sicyon (U p. 56 Seh.), Argos (p. 15 u. 30) und Athen (p. 56) auf Kastor beruft, wes- halb ich seine Zahlen oben mit eingestellt habe; höchstens um wenige Jahre weicht er von ihnen ab, und wir sehen also, dass das Gerippe zu seiner griechischen Chronologie ihm Kastor ge- liefert hat. Eusebius hat über seinen Vorgänger Julius Afri- canus hinwegBchreitend 'Profanquellen von ganz anderem Werth seinen christlichen Zeitgenossen erschlossen ; dies hat uns Geizer (aO. II 88) nachgewiesen. Darin entfernt sich Ensebius aller- dings von Kastor, dass er die assyrische Königsreihe (von Ninus an) weiter heruntergerückt hat. Nach seinem Gewährsmann hat diese 1280 J. regiert, also, da er nach Brandis (aO. p. 35) und Geizer (aaO.) ihres Reiches Untergang in das Jahr 843 setzt, von 2123 an, wozu noch die Regierung des Belus hinzuzufügen wäre, die Kastor wegen der Unsicherheit der Ueberlieferung in Zahlen nicht angeben will, der sog. Excerptor Barbari, der allein

Die Epochen in Varros Werk Do gente populi Romani 235

den von Eaetor erfandenen letzten König Ninne Π. nennt, auf 62 (Gelzer I 209 flP. II 33 f.), Auguetinue (de ciu. d. XVI 17) auf 65 beziffert. Nach Eaeebius hat dagegen Ninas I. 2059 die Regierang angetreten^ demnach am 64 J. später als bei Kastor (etwa um die Regiemngsdauer des Beins), Aegialeas im J. 2089, dh. 80 Jahre vor Ninas I., and da er dies um das 15. Jahr des Belas geschehn läset (Enseb. I 173), würde er die Regierang des Belas aaf 45 Jahre berechnet haben (von 2013 an), wenn hier nicht eine Verwirrung vorliegt; denn für Eusebius kommen wir bei einem Ansatz von 62 (bez. 65) Jahren des Belus vor 2059 auf das J. 2121 (bez. 2124), also fast auf das des Kastor für den Anfang des Ninus. Die Yermuthung drängt sich auf, dass bei den 2123 Jahren Kastors Belus mit eingerechnet ist, doch lege ich darauf hier kein Gewicht; für mich ist zunächst die Hauptsache, dass, da nach ihm Ogygus ein Zeitgenosse des Belus war, die Ogygische Fluth in die J. 2185 (od. 2188) bis 2123 oder 2121 (od. 2124) bis 2059 fallen muss, also in den Zeitraum von 2188—2059 und dies übereinstimmt mit dem des Yarro 2154 2057, und daraus folgt die Bestätigung dafür, dass der um wenigstens 221 frühere Ansatz des Censorinus nicht Yarronisch sein kann.

Weiter aber treffen auch die 'ungefähr 400 jährigen' Epochen für Yarro nicht zu. Augustin, der beste Kenner unseres Werkes, citiert es nämlich nach der Benutzung im 18. Buch noch einmal im 22. (c. 28) und führt aus ihm folgende Worte an: Genethliaci quidam scripaerunt esse in renascendis hominUnts quam appellant τταλιγγενείΤίαν Graeci; hoc scripserunt confici in annis numero quadringentis qtutdraginta, ut idem corpus et eadem aninta, quae fuerini coniunda in homine aliquando, eadetn rursus redeant in coniunctionem, und zwar muss Yarro seihst solche Epochen der παλιγγ€νε(Τΐα angenommen haben; denn Augustin fährt fort Iste Varro quidem siue Uli getiethliaci nescio qui und bezieht sich auf die Wiedergeburt als Yarronisch am Ende des Kapitels: adsu- mant etiam hoc de Varrone, ut ad eadem corpora redeant, in qui- bus antea fuerunt. Sie steht auch im Einklang mit Yarros ganzer, in Pythagoreischen Bahnen sich bewegender Geistesrichtung; er liess sich ^Pythagarico modo nach seinem Tode in Laub von Myrte, Olive und Pappel einhüllen (Plin. n. h. XXXY 160). Der Name des Gründers dieser Schule war in Rom seit alters popalär. Als zur Zeit der Samniterkriege das delphische Orakel befahl dem weisesten Hellenen ein Standbild in Rom zu er-

236 Peter

richten, wählte man den Pythagoras (Plin. XXXIV 26. Fiat Nama 8); Numas Einrichtungen sind schon früh mit ihm in Ver hindung gesetzt worden (Schwegler Rom. Gesch. I 560 64) Dann scheint sein etwas zurückgegangenes Ansehn von F. Nigi dius Figulns aufgefrischt worden zu sein; Cicero loht diesen des halh nach seinem Tode (im J. 45, Tim. 1) und findet im Römi sehen viel Pythagoreisches (Tuso. IV 2, 3 f.). Es scheint ihm auch nicht an Eifer gefehlt zu haben Proselyten zu machen (s. Zeller Gesch. der gr. Phüos. ΠΙ S. 94 ff.), noch der Hof- philosoph des Augustus Arius Didymus hat über Pythagoreische Philosophie geschrieben. So liegt es im Geiste der Zeit, daes Eastor römische Sitten auf Pythagoras zurückführt τά 'Ρω- μαϊκά τοις ΤΤυθαγορικοΐς συνοικειών sagt Plutaroh quaeet. Rom. 10 , und wenn Varro, der sich auch in dem Logistorious Tubero de origine humana an Pythagoras angeschlossen und nach ihm, selbst ein ^genethliactis\ über die Zeitdauer zwischen der Empfängniss und der Geburt gehandelt (Gensor. 9), in De gente p. R. Kastore System zugrunde gelegt hat, so hat er sich zu ihm schon durch die Gemeinsamkeit der Anlehnung an die Pytha- goreer hingezogen gefühlt. Wir sehen dies Verhältniss noch durch die Bearbeitung Plutarchs in den Quaestiones Romanae hindurchscheinen (A. Barth De lubae όμοιότη(Τΐν ρ. 24 sqq.).

Von den grossen Weltjahren und der Lehre von ihren Hoch- sommern, den Weltbränden und ihren Wintern, den üeber- schwemmungen (s. Usener Die Sintfitdhsagen S. 39), ist diese Palingenesie indes zu unterscheiden. Obgleich jene besonders von den Stoikern ausgebildet worden ist, unter denen Diogenes das Weltjahr auf 365X1800 Jahren berechnet, andere wenigstens nach Tausenden, so gehörte sie doch nicht zu den Fundamental- sätzen der Schule (Zeller ΠΙ 1^ S. 554 ff.), und so hat Varro, trotz seiner sonstigen Abhängigkeit von ihr, eine periodische Er' neuerung der Welt in Verbindung mit der Seelenwanderung ge- lehrt (Zeller aO. S. 154 ff.), die in viel kürzeren Zeiträumen sich dadurch vollziehe, dass sich derselbe Geist und derselbe Körper wieder vereinigen. Während also bei den Stoikern durch den Einfluss der Gestirne, die mit dem Ende des grossen Welt- jahrs, dh. nach Vollendung des Laufes des Pols des Erdäquators um den Pol der Ekliptik, in ihre alte Stellung zurrückkehren und die Sitten der Menschen bestimmen (Serv. z. Vergil ecl. 4, 4 uniuersa ex astrorum motu pendere manifestum est), das allmählich sündig gewordene Menschengeschlecht wieder gebessert wird,

Die Epochen in Varros Werk De gente populi Romani 287

wird bei Varro immer nach 440 Jahren das alte , bessere Geschlecht wiedergeboren. Wunder am Himmel oder auf Erden haben für ihn nur die Bedeutung, dass sie den Menschen das Ende einer Periode ankündigen, ^cumfatälis dies uenerii, cum ad- fuerit üla necessitas iemporum oder ^cum deo uisum ordiri meliwa^ uetera finiri', wie es bei Seneca (quaest. nat. III 27 ; 28, 7) heisst, und nur als solche Zeichen hat er die Ueberschwemmungen der Sage für die älteste Zeit verwendet, darin dem Posidonius ent- gegenkommend, der im Gegensatz zu Panätius an dem Weltjahr festgehalten hatte wer hätte sich damals seinem Einfluss ganz entziehn können ? , im übrigen gemäss den Lehren der etrus- kischen Ritualbücher (Censor. 17, 5, s. 0. Müller Etr. Π S. 331 ff. und unten S. 244 f.). Auch Kastor war ein Anhänger dieser An- eicht; ein 'mirabile portentum' am Himmel, die Veränderung der Farbe, Grösse, Gestalt und des Laufes der Venus, habe sich unter Ogygus zugetragen, lässt ihn unter Berufung auf ^mathe- maiici nobiles Varro berichten (fr. 6), offenbar in Beziehung auf die Sintfluth.

Nun verstehn wir auch die Bedeutung der genethliaci für die Chronographie. Nach Censorinus haben sie die für die Menschen gefährlichen Stufenjahre festgestellt (14, 10) und das 12jährige 'Ghaldäische' Jahr nicht nur für die Beobachtung des Laufes von Sonne und Mond wichtig genannt, sondern auch, ^qtwd in eo dicunt tempestates frugumque prouentus ac sterilitateSj Uem morbos scduhriiatesque circumire* (18, 7). Das Volk identi- iicierte sie mit den ^maihemcUici (Gell. I 9, 6), Gellius mit den Chaldaeiy indem er im 1. Kapitel des 14. Buchs nach Favorinus ausführlich ihr Treiben schildert und die Verkehrtheit geisselt, mit der sie aus der Stellung der Gestirne bei dem Eingehn der Ehe, der Conception und Geburt Schlüsse zögen auf den Charakter und das Schicksal der Kinder und Kindeskinder usf. Varros Nativitätssteller L. Tarutius aus Firmum hatte es sogar auf seine Aufforderung gewagt, umgekehrt aus des Romulus Leben die Stunde seiner Conception, seiner Geburt und seines Todes zu be- rechnen (Plut. Rom. 12. S. Mommsen Rom, Chronol. 146 f.).

Die Pythagoreische Ansicht von Epochen durch Palingenesie ist demnach als von Kastor und Varro übernommen erwiesen. Wenigstens von Griechen stammen aber auch ihre 440jährigen Perioden.

Die Zahl 440 ist nicht durch Zufall gewählt. Es hatte für das menschliche Leben seit alten Zeiten die 7 eine besondere

238 Peter

Bedeatuog; schon Solon hatte das Leben in Perioden von 7 Jahren eingetheilt, die Stnfenjahre gelten überhaupt als kritisch, be- sonders das 63., ^qtiem uel hebdamades nouem uel septem enntades conficumt^ (Cens. 14, 14); mit ihm hört auch bei Solon das eigentliche Leben auf, seine 10. Periode ist nnr zum Sterben be- stimmt. Als daher die griechische Chronographie in ihrem Streben, das Alter ihres Volkes bis zn dem der orientalischen zu strecken, darauf verfiel, die Geschlechter, nach denen bis da- her die Geschichte berechnet worden war, über 33V8 (Herodot) oder 30 Jahre (Hellanicns) bis zn einem Menschenleben auszu- dehnen, gab man ihm eine Länge von 63 Jahren und multipli* zirte diese Zahl« um grössere Perioden zn gewinnen, wieder mit 7 (7x63=441). C.Müller hat in seiner Sammlung der Fragmente der griechischen Chronographen unzweifelhaft richtig den Einfluss der Zahlen 63 und 441 oder abgerundet 440 auf die Gestaltung der griechischen Chronographie erkannt, wenngleich er oft allzu- gewaltsam die Ueberlieferung in dies Prokrustesbett hineinzwängt und in der Erklärung der Zahl 63 durch Umrechnung aus Mond- in Sonnenjahre irrt.

Varro hatte im Gegensatz zu dem goldenen, silbernen usw. Zeitalter nach der Stelle des Censorinns, von der wir ausge- gangen sind, die ganze Vergangenheit eingetheilt in eine dunkle Periode (δοηλον) der Menschheit von ihrem Beginn an (auch die Annahme ihrer zeitlichen Entstehung ist Pythagoreisch, Zeller I' S. 302) bis zur Fluth des Ogygus, in eine mythische bis zur ersten Olympiade und in eine historische, die zweite aber nach dem Charakter ihrer Erdichtungen wieder in Hälften, von denen die der ersten sich völlig frei sogar auf Kosten der Moral der Götter bewegten, die der zweiten sie schonten und sich an das geschichtlich Mögliche hielten (fr. 14). Femer verband er Bom unmittelbar mit Troja und sah in dessen Zerstörung, mit der er daher das zweite Buch scbloss (fr. 14), den Anfang einer neuen Periode, die sich mit Roms Gründung vollendete. Zeitlich aber bemass er diese Zeiträume nach griechischem Muster; denn 440 Jahre vor 753 führen auf 1193, das Jahr des Auszugs gegen Troja nach Eratosthenes^, während Eastor, bei dem die Gründung Koms in das J. 765 föUt, bis zur ersten Olympiade diese 440 Jahre herausrechnet, sei es, dass wir diese mit Geizer

^ 439 Jahre rechnet Johannes Lydus Oe magistr. I 2 ungenau von der Ankunft des Aeneas in Italien bis zur Gründung Roms 'nach Gate und Varro", 417 'nach Africanus, Kastor u. Eusebius*.

Die Epochen in Varros Werk De gente populi Romani 239

(II 78 f.) in das J. 767 verlegen und das der Zerptörung Trojan annehmen, dh. 1207 nach Müller^ (1 207^7 (>7=r 440), Bei es, daee wir als Eaetorieche Endzahl 776 und als Anfang den Beginn der Belagerung (1216) einsetzen. Eine Bestätigung erhält die Zahl 440 dadurch, daes bei der Annahme von zwei Perioden zu je 440 Jahren eeit der Fluth des Ogygus bis zum Trojanischen Krieg die erstere in das Jahr 2073 fällt (440+753=1193; 1193 + 2x440=2073), also in den von une oben (S. 232 f.) nach Varro selbst umgrenzten Zeitraum (2154 2057), und auch für Kastor ergeben sich bei der Zeitrechnung von 2x440 zu 1216 oder 1207, seinen Jahren des Trojanischen Kriegs, Zahlen (2096 oder 2087), die zu der oben festgestellten Zeit für die Ogygische Fluth stimmen.

Es bleibt noch die genaue Feststellung der Scheidung der zwei ersten Perioden übrig.

Die zu Anfang unserer Untersuchung abgedruckte Stelle des Censorinus rechnet die erste von der Fluth des Ogygus 'ad Iftachi regnurn^, und da sie am natürlichsten durch die zwei überlieferten griechischen Sagen eingeschlossen und überdies die des Denkalion auch von dem Scholiasten des Euripides in die Regierung des Inachus verlegt wird (s. ob. S. 232), so kann sie sehr wohl in den lückenhaft überlieferten Worten erwähnt gewesen sein, etwa so: ad Inachi regnum (eiusque ccUctclysmum) annos cirdter CCCC (^computant\ hinc ad excidium Troiae amii sunt DCCCy^, hinc ad ölympiadem primam eqs. Nach unserer obi^n

^ Gelzers Ansatz 1193 für die Zerstörung Trojas bei Kastor (II 69) bat mich nicht überzeugt; ich halte an Müller Fragm. chron. p. 122 sq. fest.

3 Von Gellius I 16, 3 ist ein Fragment Varros aus dem 17. oder 18. Buch der Antiquitates humanae erhalten: 'ad Rotnuli initium plus miUe et centum annorum est*^. Unger (in diesem Museum XXXV S. 38) deutet dies auf die Frist von der Abfassung des citierten Werkes 47/707 bis zu der ersten Gründung Roms durch den älteren Romulus (und nach ihm Holzapfel Rom. Chrmwl. S. 112. 243). Diese Vermuthung steht aber auf sehr schwachen Füssen; einfacher bezieht man die Zahl auf die Vergangenheit ; von der Gründung Roms l)is zu der des argivisohen Reiche sind es nach Eusebius 1103 Jahre; die Rechnung in De gente p. R, (s. ob. S. 234 f.) braucht nicht auf das frühere Werk übertragen zu werden.

hinc DCCG Ergänzung von 0. Jahn, annos -- computarunt Hultsch. Durch Einsetzen von mille et trecentos als Summe (statt 1600) und Ergänzen von D (statt 800) würde man die Angaben des Censo- rinus den von uns als Varronisch ermittelten nähern können. Doch

310 P*te

Reehnwng wiHe ihr TuTOttisch«« Jahr 1*>:^ sein, in üeber- eiiurtimMiiii^ Mit Ao^n^tin. ier De eiaiute dei 18, 40(= fr. 9) nach Yarro die Aegjpter Ten des Lnehaft Tochter Isis 'ror nicht viel mebr ab 20i» Jahren' die Se&rxft lernen UmC also, da er das genamte Werk 426 rollendet hat, eiu^ Zeit Tor 1 574. Schwierig- keit bereitet freilich die Angabe in fr. 13 bei demselben Anguetin (de cio. d. XTQI 10;. das« die Den kai ionische Flnth anter dem athenischen König Cranaos, dem Xachfolger des Cecrope, stattge- fnnden habe; dies würde sie. wenn wir ans an die Kanones des Knsebias halten, in die Zeit τοη 1506—1498 yerschiebcfn. In- des sind die attischen Chronologen and Historiker bemüht ge- wesen, den Anfang ihrer Geschichte möglichst weit zarackiadatiercD, um nicht an Alter hinter Argos znrückxostehn ; daher haben sie sich für das Jahr Ι79β (1020 J. ror der ersten Olympiade) ebenfalls einen König Ogvgas erfanden, in seine Regierang die erste Flnth verlegt and seitdem das darch sie verödete Attica bis Cecrops 190 Jahre königslos sein lassen (Eneeb. praep. euang. X 10, 7 u. chron. I p. 181 Seh.); Clemens von Alexandria (ström. 121, 139; kennt sogar Schriftsteller, nach denen Cecrope seit dem J. 2162 regiert hat^ Man darf also wohl vermnthen, daBS bei Varro Cecrope in altere Zeit gerückt war und mit ihm sein Sohn Cranans; es müsste denn Aagastin sich eine Ver- wechselang haben zu schulden kommen lassen. Kastor bietet uns für die Deukaliunische Flnth keine Stütze ; er nennt sie in unserer U eberlief erung nirgends; wo ihn Eusebius (s. ob.) von einer Fluth um das Jahr 1757 sprechen läest, da ist es die des attischen Königs Ogygus, *die erste grosse* und seine Zeit- rechnung für sie and Cecrope so ziemlich die des Eusebius; die Differenz beträgt nur 40 Jahre. Wir haben auch hier (mit C. Müller p. ITG) eine Vermengung verschiedener Ansichten anzu- nehmen, da in der Praeparatio euang. Hellanicus, Philochorus, ThalluR, Diodor und Alexander Polyhistor zusammen als Ge- währsmänner für die Angabe, dass von dem attischen Ogygus und seiner Fluth bis zur ersten Olympiade 1020 Jahre ver- strichen seien, angeführt werden und darüber jedenfalls keine üebereinstimmung unter ihnen bestanden hat; so wird öioh auch an der zweiten Stelle des Eusebius (in der Chronik, arm. Text) das

glaube ich eher an eine Verwirrung in der lieber lief erung, also eine

Schuld des Censorinue oder seiner Vorlage, wie oben S. 232 an eine

Verwechselung der beiden Fluthen durch Arnobius bez. seiner Vorlage.

^ (lutechmid Sehr. IV 8 f. ändert allerdings die Zahlen, sodass

Cecropa in das J. 15ti2/61 zu steheu kommt.

Die £pochen in Varros Werk De genie populi Romani 241

^Designat (id) et Kastor in hisioriae epitome eodem modo nur auf die zweite Hälfte des Absatzes beziehn, auf die Zeit des Cecrops.

Kill solcher Aufbau der Chronologie nach gewissen 2^hlen und Zahlenreihen war für die alte Zeit, das αοηλον und das μυθικόν, üblich gewesen, seitdem man überhaupt die überlieferten Ereignisse auf bestimmte Zahlen festzulegen versucht hatte. In der historischen Zeit musste natürlich nach anderen Grund- sätzen verfahren werden. Auch die christliche Chronologie be- tont mit Nachdruck diesen Gegensatz, Africanus (Müller Introd. in fr, chron, p. 111 f.), Eusebius (praep. eu. X 10, 1 Μίχρι μέν τών ολυμπιάδων ούοέν ακριβές Ιστόρηται τοις Έλλησι πάντων συγκεχυμένων καΐ κατά μηδέν ούτοϊς τών πρό του συμ- ςκυνούντων* α'ί ί>έ ήκρίβωνται πολλοίς, τψ μή έκ πλείστου δια- στήματος, δια τετραετίας δέ τάς άναγραφάς αυτών ποιεϊσθαι τους "Ελληνας, ου δή χάριν τάς ένδοΕοτάτας και μυθώδεις έπι- λεΕάμενος Ιστορίας μέχρι της πρώτης Ολυμπιάδος έπιδρα- μουμαι) und Hieronymus (ρ. 78 f.: Ab hoc tempore Graeca de tem- poribiis hütoria uera creditur; nam ante hoc, ut cuique uisum est, diuersas sententias protulerunt).

Sollte die Künstelei mit den Zahlen überhaupt fortgesetzt werden, so konnte dies nur so geschehn, dass entweder aus fest- stehenden Jahreszahlen auf die Bedeutung der in sie fallenden Ereignisse geschlossen wurde oder gewissen Jahreszahlen zuliebe Naturerscheinungen, besonders am Himmel beachtet oder erdichtet wurden. Von beiden Systemen findet sich indes bei Varro keine Spur. Wie der Charakter jeder genealogischen Arbeit sich ändert, sobald sie aus dem Dunkel und Nebel der Vorzeit in das Licht der Geschichte tritt, so auch die seine. Er hatte sich zwei Auf- gaben gestellt, eine Chronographie der vorrömischen Völker, die gewissermaassen in Linien den Stammbaum der gens Romana zeichnen sollte^ und das dürftige Gerippe des μυθικόν durch Fabeleien verhüllte in der Weise der Verfertiger von Stamm- bäumen römischer Familien , und eine Entwicklung ihrer Sitten und Cultur aus denen der älteren, einen Stammbaum auch für sie. Das letztere giebt uns sogar Servius (fr. 21) als den alleinigen Inhalt unserer vier Bücher an: Vn quibus dicii, quid α quaque traxerint gente per imitaiionem . Kräh η er {De Varron. antiq. libris p. 10), Ritschi {Opusc. HI 446 f.) u. A. haben ihm zwar eine

^ Die Idee der vier Weltreiche, die datuale schon aufgetaucht war (8. C. Trieber Hermes XXVII S. 321— 344), scheint er mit Stillschweigen übergangen zu haben ; sie passte nicht in das System dieses Werkes.

tUi«iii. Mae. (. Philol. N. F. LYII. \^

242 Peter

Verwechelung mit De uHa populi Romani schold gegeben, aber mitEecbt haben ihn von diesem Vorwurf Mercklin Philol. III271 und Eettner De uita p. R, p. 25 n. Varron. Stud. S. 60 wieder freigesprochen. Dass sich die beiden Werke, von denen das eine unmittelbar nach dem anderen verfasst worden ist, das erstere das private, das andere das öffentliche Leben behandelte, im In- halt mehrfach deckten, darf bei Yarro nicht auffallen. Der Ge- danke war ihm durch den Geist der Zeit eingegeben. In den litterarischen Kreisen wurde damals das Verhältniss der Bömer zu den Griechen eifrig erörtert und auf die Frage zugespitzt, ob sie zu den εύρεταΐ oder ίηλιυται zu rechnen seiend Cicero in den Tusoulanen (geschrieben 45 u. 44) vermittelt (I 1, 1): meam sewper iudidum fuit omnia nostros aut inuenisse per se sapientius quam Oraecos aut accepta ab Ulis fecisse meliora, quae quidem digna siaiuissenty in quibus elaborarent. Die unbefangenen Griechen hatten seit Polybius die Abhängigkeit der Kömer von anderen A^ölkern erkannt, aber voll Bewunderung auch die Kunst, mit der sie das von anderen £ntlehnte ihrem Wesen anzupassen und zu bessern verstanden; dies war auch der Gesichtspunkt, von dem aus Posidonius die römische Geschichte behandelte, und nach seinem Vorgang, schon von seinem Lehrer Aelius Stile an- geregt, Yarro. Darüber kann nach den Untersuchungen Wend- lings kein Zweifel sein. Die Anlage des Werkes De gente p. R. brachte es mit sich, dass er sich in der Schilderung desRömieohen kurz fassen konnte. Da das zweite Buch mit dem Trojanischen Krieg schloss, wird das dritte bis zur Gründung Roms gereicht haben, und es blieb so für dieses selbst nur das vierte übrig; doch konnte dies genügen, wenn er es schon vorher bei den Mustern anderer Völker immer im Auge gehabt hatte, zumal da er in den Antiquitatee rerum humanarum sich schon ausführlich mit der Urgeschichte des römischen Volkes beschäftigt hatte (Ritschi Opusc. III S. 446 f.). Die Fortführung der Chronologie konnte er aber nicht einfach fallen lassen ; wurde doch von dem römischen Aberglauben gewissen Zahlenunterschieden in den Jahren besonderer Werth beigemessen ; so hatte P. Cornelius Lentulns den Allobrogern, um sie für die Verschwörung zu gewinnen, vor- geredet, das Jahr 63 sei das des Untergangs der Hauptstadt und des Reichs als das zehnte nach der Freisprechung der Yestalinnen

^ S. hierüber und über das folgende Έ. Wendung *2^ Posidonm md VarrcT Herm. XXVUI S. 335-363.

Die Epochen in Varros Werk De gente populi Eomani 243

und das zwanzigste nach dem Brande des Capitole (Cic. in Catil. ΠΙ 4, 9).

Varro war für die damalige Zeit ein Gelehrter, auch als Chronolog. Censorin rühmt (β. oh. S. 232), dase er durch den Vergleich mit der Chronographie anderer Staaten und durch Be- rechnung der früheren Finsternisse in die Zeit nach der ersten Olympiade volles Licht gehracht (vgl. Plut. Rom. 12) und die Ereignisse nicht nur nach Jahren, sondern sogar nach Tagen he- rechnet hahe; Arnobius (fr. 7) spricht υοώ cur iosae eompiäationes, durch die er den Zeitraum von der Deukalionischen Fluth bis zum Consulat des Hirtius und Pansa gemessen habe; unter den Gebieten, durch deren Eröffnung er sich um die Urgeschichte Roms verdient gemacht habe, zählt Cicero im J. 45 in den ihm gewidmeten Academica an erster Stelle auf ^aetatem patriae, de• Scripttones temporum (I 3, 9). Es thut dieser Anerkennung weder Eintrag, dass er die dazu erforderlichen astronomischen Kennt- nisse nicht besessen und die Rechnungen nicht selbst ausgeführt hat, noch dass die Ergebnisse mit dem Aufwand von Gelehrsam- keit in keinem rechten Verhältnies standen. Er hat jedenfalls den allein richtigen Weg eingeschlagen, indem er sich an den auch Cicero befreundeten L. Tarutius wandte als %'w primis Chol' daicis rationibus eruditus' (Cic. de diuin. Π 47, 98)^. Die Ein- seitigkeit, mit der dieser von seiner Wissenschaft Gebrauch machte, dürfen wir Varro nicht zur Last legen; sein Einfall, von den Thaten des Romulus auf die Nativität zu schliessen mag damals Staunen erregt haben.

Es fehlen uns, wie gesagt, genaue Zeugnisse über das System der römischen Chronologie Varros seit der Gründung. Wir wissen jedoch, dass er in den Antiquitates rerum humanarum, die er kurz vorher nach mehrjähriger Arbeit abgeschlossen hatte, sechs Bücher den Zeiten und von ihnen wieder eins den Saecula gewidmet hat (Gruppe Herrn. X S. 52 f.). Trotz der politischen Erregung müssen diese nach dem Tode Cäsars über die litterari- schen Kreise hinaus ein lebhaftes Interesse auf sich gezogen haben.

Wie Octavian einen Kometen, der während der seinem Adoptivvater zu Ehren vom 20. 30. Juli noch im J. 44 ge- feierten Spiele am Himmel erschien und sieben Tage sichtbar

' Auch von späteren Generationen wurde er gerühmt: έτοίΐρος αύτοΟ (Varronis) φιλόσοφος μέν άλλως καΐ μαθηματικός, άπτόμβνος δέ τής πβρί τόν πίνακα μεθόδου θ€ωρ(ας ^ν€κα καΐ δοκών έν αυτή περιττός €Ϊναι Plut. Rom. V2. mathematicorum nobiUssimus Solin 1, 16.

244 Peter

blieb, zor Festigung seiner Stellung benutzte, indem er ihn als Zeichen der Erbebung des Ermordeten unter die Götter deutete, ist bekannt. Zugleich aber prophezeite der Haruspex Vulcatius aus ihm die Wende Vom 9. zum 10. eaeculnm* ; dies hat Augusius selbst in seiner Lebensbeschreibung der üeberlieferung für werth gehalten, mit dem Zusatz (Sern. z. Verg. ecl. 9, 48, fr. 5 p. 253), dass der Weissager erklärt habe, er werde sofort sterben, weil er dies Geheimniss wider den Willen der Götter verrathen habe, und sei auch während des Sprechens todt niedergesunken. So hatte also Varro genügende Veranlassung den Stoff neu zu be- handeln und seine Mitbürger zu belehren.

Die Hauptschwierigkeit mnsste für ihn sein, zu den griechi- schen Si byllinischen Büchern und zu dem Einfluss der etruskischen Weissagung Stellung zu nehmen. Die letztere befristete das erste Saeculum einer Stadt oder eines Staates von der Lebensdauer des am längsten lebenden unter den am Tag der Gründung geborenen Einwohnern, das zweite .von den seit dessen Tod am längsten lebenden usw. Die Götter selbst be- zeichneten die für Menschen schwer sichtbaren Grenzen durch ^pcrtentdi die Haruspices beobachteten diese sorgfältig, zeichneten sie auf, und so hatten die ersten vier etruskischen Saecula eine Dauer von 400 Jahren gehabt, das fünfte von 123, das sechste und siebente von je 119; im 8. stand man zu Varros Zeit, wie Censorin, dem wir diese Nachrichten verdanken (17, 5 f.), unter ausdrücklicher Berufung auf ihn berichtet; noch ein neuntes und zehntes, sagt er, sei dem etruskischen Volke beschieden.

In Rom tritt uns dieser Begaff zuerst in den ludi saecu- lares entgegen, die nach Varro in seiner Schrift De scaenicis originüms (Censor. 17, 8) zuerst im J. 249/505 infolge vieler ^porttnta und Blitzschläge und nach Befragung der Sibyllinischen Bücher von Staatswegen zu Ehren des Die und der Proserpina eingesetzt wurden mit der Bestimmung der jedesmaligen Wieder- holung der Feier nach hundert Jahren; 146/608 ist diese wirk- lich auch, wenngleich um drei Jahre verschoben, erfolgt (s. Mommsen Chroncl, S. 180 f. und auch Soltau Böm. Chronol. S. 386 ff.), seitdem aber in Vergessenheit gerathen (Suet. Aug. 31. Claud. 21); in dem fälligen Jahr 49/705 mit seinen politischen Wirren hat niemand daran gedacht. Geblieben ist seitdem auf die Dauer nur die offizielle Aufzeichnung der Wunder (ßemays Ges, Äbhandl. 11 S. 307 f.), angeregt durch ihre Verbindung mit den Saecula. Daneben aber hat Mommsen {Chrcnu S. 175 ff.)

Die Epochen in Yarros Werk De genie populi Romani 245

Doch eine asdere Säcularfeier aufgefunden, die in der Einschlagung eines Nagele durch den höchsten Beamten der Republik in die Wand des der Minerva geweihten Theile des Tempels des Capito- linischen Juppiter bestand, nach seiner Vermuthung infolge einer grossen Fest im J. 463/291 eingeführt war und für die J. 863/391 und 263/491 bezeugt ist. Betreifs der letzteren bezieht sich der Antiquar Cincius bei Livius ΥΏΙ 3, 7 (s. Relliq. I p. CX sqq.) auf eine ähnliche Sitte in dem etruskischen Volsinii, die ersteren sollen von den Sibyllinischen Büchern angeordnet worden sein (Gensor. 17, 8). Die Beeinflussung der Römer durch die etrus- kische Haruspicin ist uralt und erstreckt sich bis in das letzte Jahrhundert der Republik hinein. Sowohl im J. 44 gab ein etruskischer Earuepex über das erwähnte Himmelszeichen Bescheid, als im J. 88/666, nachdem unter anderen Wundern ein lauter, klagender Trompetenton bei wolkenlosem, klarem Himmel allge- mein Angst hervorgerufen hatte, sodass der Senat die 'angesehen- sten Etrusker, die mehr als die übrigen zu wissen glaubten*, be- fragte (Flut. Sulla 7j. Auch diesmal ging ihre Deutung auf eine Wende der Saecula.

Für die Chronologie war dies physische, in der Zahl der Jahre wecheelnde Saeculum, das s. ueriens oder fuUuräUy nicht zu brauchen ^, und je weitere Zeiträume die Römer zu überblicken sich gewöhnten, desto mehr musste sich das Bedürfniss eines juristischen mit bestimmten Zahlen aufdrängen, also die längste Lebenszeit ein für allemal festzulegen. In der Geschichtschreibung bat der Consul des J. 133/621 L. Calpurnius Fiso zuerst, so viel wir wissen, von einem solchen saeculum zu 100 Jahren ge- sprochen (fr. 36 Bell, I p. 135; s. übr. Unger in diesem Mus. XXXV S. 33 f.), im Öffentlichen Leben haben die Sibyllinischen Bücher eingegriffen.

Zu diesem Nachweis müssen wir etwas weiter ausholen und zunächst die oben citierte FlutarchRtelle schärfer ins Auge fassen. Jene angesehenen Tusker fügten nämlich ihrer Deutung die Er- klärung hinzu, dass es im ganzen acht nach Lebensweise und Sitten verschiedene Geschlechter (τ^νη) gebe und dass jedem von dem Gott eine Zahl von Zeiten bestimmt sei, die sich in d'em Umlauf eines grossen Jahres vollende ((Τυμπεραινόμενον ένιαυ- του μεγάλου περιόδψ). Wenn dieser (die περίοδος) ein Ende

^ Gensor. 17, 13 nostri maiores naturale saeculum quantum esset exploratum non habebant.

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habe, so werde von der £rde oder vom Himmel aus irgend ein Zeichen in Bewegung gesetzt, damit es den Sachkundigen Rogleich offenbar sei, dass Menechen mit anderen Sitten und Lebensweisen geboren seien, die den Göttern mehr oder weniger am Herzen liegen würden als ihre Vorgänger ; ganz besonders gebe sich dieser Wechsel auch kund in der Weissagekunst, die in dem einen Ge- schlecht wegen der klaren und deutlichen Götterzeichen hoch in Ehren stehe, in einem anderen bei unsicheren und dunkelen sich aufs Eathen legen müsse und deshalb nur geringes Ansehn ge- niesse. Die Weisheit geht auf Varro zurück, wie das Fragment *2)e saeculis: auditum sonum tvibae de caelo' bei Servius z. Aen. VIII 526 beweist; aber sie ist getrübt. Klarer iliesst die Quelle bei Censorinus ( 17, 6, s. ob. S. 244). Plutarch hat erstens missverstanden, dass im J. 88 das 8. Saculum von 10 angebrochen sei, das 'beinah letzte , wie es in der Weissagung der Vegoia (in den Gromat. uet. p. 850 L.) heisst (Mommsen Chrmi, S. 189 f.), und namentlich nicht römische und etruskische Saecula getrennt, die je nach dem Volke verschieden gerechnet wurden^. Freilich tritt diese Verkündigung in Widerspruch mit der des Vulcatius, wenn wir die Beziehung auf £trurien bei Plutarch ergänzen ; denn schon 44 Jahre später lässt die letztere das 10. Saeculum beginnen, sodass das 8. und 9. durchschnittlich nur 22 Jahre gedauert hätte, während die vorausgehenden durchschnittlich 108%, keins unter 100. Doch darf uns dieses nicht beunruhigen (Mommsen Chron, 190); wir erkennen vielmehr daraus, welcher Schwindel damals in Rom mit Wunderzeichen und den etruskischen Prophezeiungen getrieben wurde und wie diese nach Belieben auf Etrurien und Rom gedeutet wurden.

Nun musste sich unter solchen Verhältnissen, da die etrus- kischen Saecula von einem bestimmten Anfang aus gerechnet wurden Cquo die urbes atque ciuitates constituerentur Censor. 1 7, 5), das gleiche Bedürfniss nach einem Anfang auch in Rom aus- bilden; schon Valerius Antias (fr. 22 RelL 1 247) nannte jene Säcularspiele von 249/505 die dritten und weiss von zwei älteren in den vorausgehenden zwei Jahrhunderten (Gens. 17, 10. Zosim. Π4

^ quot numero saecula ei genti data sint Gens. aaO. Damit fallen alle Vermuthungen A. Mommsens (Die Saectda der Etrusker) in diesem Mus. XII S. 539—550) in sich zusammen, die von dem fal- schen Satz ausgehn, dass alle etruskischen Zeichen und Wunder auch Rom betroffen hätten.

Die Epochen in Varros Werk De gente populi Bomani 247

▼gl. Feetue 8. u. eaec. ludi p. 329). Bis zur Gründung der Stadt wagte er aber nicht zurlickzugehn ; dieser Versuch ist erst im J. 88/666 gemacht worden. Nach dem Gründungsjahr des Fabius Pictor waren damals 660 Jahre verflossen, der Krieg mit den Bundesgenossen und der eben entbrennende zwischen Marius und Sulla hatten die Gemtither genugsam aufgeregt, um für Himmelszeichen und Sühnfeste empfänglich zu sein: damals ent- stand das von Phlegon und Zosimus überlieferte Sibyllenorakel, das von dem ersteren ausdrücklich in seinen einleitenden Worten (Macrob. p. 91 Keller, p. 133 in den Sibyllinischen Blättern von Diels) in den Bundesgenossen krieg verlegt wird. Aber auch ohne dies würden die zwei letzten Verse

καί σοι πάσα χθων Ίταλή και πάσα Λατίνων αΐέν ύπό σκήπτροισιν έπαυχένιον Ζυγόν ΪΕει uns dahinführen ; unrichtig beziehen Diels (aO. S. 14) und Gardt- hausen (Äugusius I S. 1011 II 625) das Orakel auf die Säcular- spiele des Äugustus; auch Mommsens Datierung {Epliem. epigr. Vni p. 235) der Abfassung im Jahr 126/628 ist weniger be- gründet. Gewiss hat es Aenderungen und Einsohiebungen nament- lich wegen der von Äugustus angeordneten neuen Opfer erfahren, die Vermengung jüngerer und älterer Verse ist Diels (aO. S. 15) nicht entgangen. Für den Kern aber hat Bergk {Monum. Ancyr. p. 76) mit dem Jahr 88 unzweifelhaft das Richtige getroffen. Die Befragung der *^libri fatales im nächsten Jahr berichtet Granius p. 23, 2 Bonn.; damals wurde beschlossen sie öffentlich vorzulesen; sie verhiessen Ruhe und Frieden, wenn Cinna und sechs Tribunen aus dem Vaterlande vertrieben würden.

Die Sibyllinischen Bücher waren nicht nur in griechischer Sprache verfasst, auch die Bräuche, die sie vorschrieben, waren griechisch (v. 16 des ersten Orakels πα%ας δσας πάρος βΤπα κέλευ' Λχαιστι τάο' fpbeiv) und wurden als solche von den Römern empfunden: et nos dicimus XV uiros Graeco ritu, non Bomano facere, Varro de 1. 1. VIT 88; andere Stellen s. bei Diels aO. S. 55 f. So ist denn auch in dem Säcularorakel die Ausdehnung des Saeeulum auf 1 10 Jahre anstatt der römischen 100 griechisch, vielleicht ursprünglich ägyptisch (Gardthausen Π 620):

Άλλ' όπότ' δν μήκιστος ϊκη χρόνος άνθρώποισι ίΐϋής, εΙς έτίιυν εκατόν δίκα κύκλον obeuujv, μ€μνήσθαι Τωμαϊβ xabe πάντα κτλ. (ν. 1 ff.). Empfohlen wurde sie durch die Einladung des Herolds zu Spielen,

24« Peter

'die keiner geeehn habe noch sehen werde^ (Suet. Cland. 21. Mommeen Chronol. S. 182 f.) ; durch häufigeres üeberechreiten einer Lebensdauer von 100 Jahren^ sollte sie nicht lächerlich werden. Von der Palingenesie findet sich allerdings in dem Orakel keine Spur auch dies ist ein Beweis für das Alter, wenn es eines solchen noch bedürfte; erst in der vierten Ecloge Virgils an seinen Gönner Asinius Pollio, also im J. 40/714 tritt sie uns in der Sibyllinischen Weissagung entgegen: Vlfima Cumaei uenit tarn carminis aelas: magnus ab infegro saeclorum nasciiur ordo. tarn redit et VirgOy redeunt Saturnia regna, iam noua progenies caelo demittiiur alto, (4 7.) wozu Probus (p. 9 K.) bemerkt: Cumaei carminis uel α Sibtflla, quod Ouma/na et post quaituor saecula παλιγγ6ν€(Τίαν futuram cecinit uel eqs.

Diese Neuerung kann nur auf die eben erschienenen vier Bücher De getife populi Romani geschoben werden ; von Virgil kann sie keinesfalls herrühren. Yarro, soweit nicht schon Kastor, hat mit den griechischen Sibyllenorakeln zugleich die Palingenesie, die zwar auch in die etruskische Lehre eingedrungen war, wenn die Ueberlieferung nicht Verschiedenes durch einander geworfen hat, aber doch griechischen Ursprungs war, und den etruskischen Glauben von der Kundgebung des Endes der Saecula durch Natur* erscheinungen zusammengearbeitet, obwohl ein solches Eintreten der Götter mit der Fixierung der Zahl unnöthig geworden war, und so die Voretellung von der Wiederkehr besserer und glück- licherer Zeiten nach einer gewissen Reihe von Jahren vorbereitet, die Virgil dichterisch weiter ausgeschmückt hat; die Bezeichnung von (4) Weltaltern nach Metallen, des glücklichsten als aurea aetas unter der Herrschaft des Saturn, und die Flucht der'Virgo' aus dem heruntergekommenen Menschengeschlecht (vgl. Horat. carm. saec. 57 fl^.) rührt schon von Hesiod her^. Unzweifelhaft hat die Zahl 110 auf Varros ganze ältere Chronographie einen entscheidenden Einfluse ausgeübt; HO Jahre mit der für die Pytha-

^ Servius z. Aen. IV f)53 bezeichnet 120 Jahre als die höchst- mögliche Lebensdauer, bei Anderen bewegt sich die höchste erreichte zwischen 110 und 120, vgl. Pliu. n. h. VII 15B ff. Cens. 17, 4 flf. Cicero Cato m. le, β9.

^ S. E. (iraf Äd aureae aetatin fahtüam sgmbola p. 6 ff. 62. 47 ff.

Die Epochen iu Varros Werk De gente populi Romani 249

goreer und ihn wichtigen 4^ multipliciert ergeben die 440 Jahre, die die Genethliaoi für eine Periode der Menschheit heransge- rechnet hatten. Das erste Mal wird sie bis auf wenige Personen durch die Ogygische Eluth vernichtet, das zweite Mal nach 440 Jahren durch die des Deukalion; ein neues Zeitalter eröffnet der Trojanische Krieg, die Ursache der Uebersiedelung des Aeneas nach Italien, das nächste die Gründung Roms, dessen Bestehn schon weit in die zweite Periode hineinreicht. So stellte er, indem er die von den Griechen aus 7 Menschengeschlechtern (d. h. 7X63) herausgerechnete Zahl 440 nach römisch-etruskischer Vorstellung in 4 Saecula zu je HO Jahren zerlegte, ein sich durch die älteste Geschichte bis in die römische hinein schlingen- des Band her und verlieh ihm von Rom aus eine göttliche Weihe. Vor Prophezeiungen wird sich Varro bei der im J. 43 doppelt nothwendigen Vorsicht gehütet haben, beschäftigt aber hat er sich schon im 18. Bach der Antiquitates r. hum. mit der Frage nach den für Rom bestimmten Saecula; dort hatte er die Meinung eines gewissen Vettins ^in augurio non ignöbüis* mitgetheilt, dass es, wenn die Erzählung der Historiker von den. 12 (dem Romulus erschienenen) Geiern richtig sei, es bis auf 1200 Jahre bringen werde, , nachdem es einmal über 120 Jahre glücklich herüberge- kommen sei (Cens. 17, 15).

Auch aus der Verbreitung der Vorstellung von der Wieder- kehr eines neuen Zeitalters dürfen wir darauf schliessen, dass sie von einer gewichtigen Autorität getragen worden ist. Virgil hatte den Glauben an sie nicht verloren, obwohl ihn die im J. 40 ausgesprochene Hoffnung getäuscht hatte. Wie er in der Ecloge von dem Ende der ferrea und dem Beginn der aurea aetas gesungen hatte, so prophezeit in derAeneis (VI 791 ff.) Anchises dem von der Sibylle in die Unterwelt geleiteten Sohn von Augustus Cäsar ^diui genus* : ^aurea condet saecula, gut rur• sus Lotio regnata per arua Saturno quondam\ Namentlich aber hat es dieser selbst verstanden, sich die von Varro geschichtlich begründete und auf ein bestimmtes Ziel gerichtete Sehnsucht seiner Römer nach einer besseren Zeit zu nutze zu machen.

Gemäss seiner Politik knüpfte Augustus äusserlich an Altes an; seine im J. 17/737 veranstalteten Säculars ρ lele sollten frühere fortsetzen. Die im J. 49/705 fällig gewesenen konnte er

* Vgl. de 1. 1. V 12 omnia sunt quadripertita; daher aach die 4 Bücher De gente p. E,

250 Peter

jedocli nicht brauchen; er hätte so die Erinnerung an die Bürger- kriege wachgerufen. Er wollte auch nicht die unterirdischen Götter und damit die zu Ende gehende Zeit feiern, an die nur die das Festlied singenden 8X9 Knaben und Mädchen erinnerui also die bei allen den Zorn der Unterirdischen abwendenden Sühnfesten übliche Zahl (Diele S. 38 fip., bes. 43 fip.), vielmehr von ihr ab in die goldene Zukunft den Blick lenken und setzte daher Heil und Segen spendende Lichtgottheiten für jene ein (Mommsen JSJpÄem. ep. VIII p. 237). Neu war femer die üebertra- gung der von Varro für die Weltgeschichte erwiesenen sibyllinischen Periode von 110 Jahren auf die Säcularspiele, von ihm ange- deutet durch den Zug der 110 Matronen, proclamiert durch den Festdichter (v. 21) certus undenos dedens per annos arbiß ut cantus referatqtie ludos, bestätigt durch die Acta (Z. 25, Eph. ep. Mll p. 228) s]acrificiuin saeculare ludosque, qui ceräenstmo ei d[ecimo anno recutrunt]. Nach Zosimue 4, 2) hatte ihm die Bräuche der damals nocb junge Ateius Capito als Kenner des Pontificalrechts dargelegt und erklärt (und wohl auch nach des Kaisers Idee zurecht gemacht), die Zeit die mit der Aufsicht über die Sibyllinischen Bücher betraute Priesterschaft ermittelt, die schon im Jahre vorher auf seinen Befehl die schwer leserlich gewordenen Bücher neu abgeschrieben hatte; damit kein Anderer sie lese , giebt Cassius Dio, dem wir diese Nachricht verdanken (54, 17, 2), als Grund an; die wahre Absicht war natürlich die, frei mit ihnen schalten zu können. So wurden bei dieser Ge- legenheit unter Benutzung von Hausfeiern des Yalerischen Ge- schlechts für die Jahre 456/298, 346/408, 236/518 und 126/628, also für einen Zeitraum von 440 Jahren von 17/737 an zurück Säcularspiele in die Sibyllinischen Akten gefälscht, wie Mommsen (Chronol, 185 f.) erkannt hat. Dass, worauf Gardthausen {Augustus I 1010. U 624) grossen Werth legt, ein neuer Komet im J. 17 den Kaiser bestimmt habe, die schon früher begonnenen Vorbereitungen rasch abzuscbliessen, hat mich nicht überzeugen können. Er wird bei der Wahl des Jahres seine besonderen Gründe im Auge gehabt haben (Hirschfeld Wiener St ud. UT 104), das Ende einer zehnjährigen Regierung, die Geburt des Lucius Caesar und die Adoption der beiden Enkel, äusserlich brachte er das Fest mit dem Kometen des Jahres 44 in Verbindung. Dies erweisen deutlich zwischen den Jahren 17/737 und 15/739 ge- schlagene Münzen des M. Sanquinius mit der Erwähnung der Ludi eaeculares auf der einen, des Kometen des Diuus lulius auf

Die Epochen in Varros Werk De gente popoH Romani 251

der anderen Seite, and wenn andere Eometenmünzen aus den Jahren 17 nnd 16 nehen den Spielen den Namen des Augustue nennen, so dürfen wir aus jenen und aus Münzen mit dem Kopf des Diuas lalius und einem Stern darüber auch hier uuf den Kometen des Jahres 44 schlieseen^.

Augustue hat in Domitian und Septimius Severus Nachfolger für seine Rechnung gefunden, während Claudius, Antoninus Pius und die Philipper den Schluss der Jahrhunderte der Stadt ge- feiert haben. Für beide Feiern hat Varro den Grund gelegt oder wenigstens verstärkt; für die letztere, indem er dem willkürlichen Hin- nnd Herrechnen der Griechen ein Ende machte und durch seine Autorität ein bestimmtes Gründuugsjahr (oder zwei an ein- ander grenzende) zu allgemeiner Anerkennung brachte, sodass überhaupt erst eine officielle Feier möglich wurde ; für die erstere dadurch, dass er die von den Griechen durch Summierung der Geschlechter geschaffene Zahl 440 in Saecula theilte und die Zahl 110 mit der der Sibyllinischen Bücher verband. So hat er, zum Tbeil nach dem Vorgange Kastors, die bis ApoUodor geltende Rechnung mit Geschlechtern aus der römischen Litteratur ver- drängt und der römischen Chronologie das der Eigenart seines Volkes entsprechende Gepräge für die Zeit Heiner Dauer aufge- drückt. Welche Marksteine er in der Geschichte des gegründeten Rom angenommen hat, darüber auch nur Vermuthungen auszu- sprechen, fehlt uns jeder Anhalt^ In der für ihn persönlich kritischen Zeit des Jahres 43 wird er es vielleicht überhaupt vermieden und sich mit der Registrierung der Ansichten Anderer» wie er sie überhaupt liebte, begnügt haben.

St. Afra in Meissen. Hermann Peter.

1 S. Gardthausen aO. II S f)22f. Hat etwa Aagastas die Zahl der singenden Mädchen nnd Koaben aach nur beibehalten, um an die 27 seit dem Erscheinen des Kometen verstrichenen Jahre zu erinnern, wie an das Saeculum von 110 Jahren durch die 110 Matronen?

3 Mommsen Chron. S. 21H ff. 185 hat das von Dionys von Hali- karnass dem 'Senator L. Cincius (fr. 4) zugeschriebene Gründungsjahr 729 und die daraus gefolgerte Lange der Königszeit von 220 Jahren mit dem 100 jährigen Saeculum nnd so mit Augustus in Beziehung ge- setzt und den L. Cincius mit einem Philologen in der Zeit des Augustus identificiert. Der durch Blitzschlag erfolgte Tod des Königs Tullus Hostilius ist schon vor Varro in das J. 110 der St. verlegt worden. Mommsen Chron. S. 138 f.

zu DER INSCHRIFT DER ΑΡΗ AI Α AUF

AEGINA

Die Scblüeee, zu denen M. Fränkel in seiner Besprechung der Apbaia-Inschrift oben S. 152 156 gelangt, kann icb nicht für richtig halten. Er glaubt daraus, dass das Cultlooal der Aphaia in der Inschrift nicht ναός, sondern οΤκος genannt ist, scbliessen zu dürfen, dass diese Göttin nicht die Besitzerin des ganzen Heiligthums und damit des erhaltenen Tempels sowie seiner verlorenen Vorgänger war, sondern dass Aphaia nur in einer 'dopenden ce' wohnte, der Tempel aber einer anderen Göttin gehörte, und zwar, wie er aus Antoninus Liberalis 40 glaubt er- schliessen zu dürfen, der Artemis. Er geht davon aus, dass der οίκος unserer Inschrift völlig gleicher Art sei wie jene Upal οΐκίαι, von denen ü. Köhler in den Athen. Mittheil. VII (1882) 373 f. handelt und von denen dieser nachweist, dass sie 'zu dem Zwecke erbaut waren, als Dependenzen der dabeistehenden Tempel zu dienen.' Also, schliesst Fränkel, da unser οΤκος für die Aphaia gebaut ist, gewiss aber, wie er meint, nicht *nur untergeordneten Zwecken der Verwaltung gedient haben' kann, indem dagegen die ^monumentale Bekundung' seiner Errichtung spräche, da der οΤκος also 'den Cult der Aphaia anfnahm\ so sei 'nothwendig die Gottheit, die im Tempel verehrt wurde, von Aphaia ver- schieden' gewesen.

Fränkel scheint hier gar nicht zu ' bemerken, wie sehr er sich mit sich selbst in Widerspruch gesetzt hat. Der οΤκος der Aphaia ist nach ihm gleich den Köhler^schen Upai οίκι'αι, den 'Dependenzen der dabeistehenden Tempel'. Allein diese waren, wie Köhler des genaueren ausführt, 'bestimmt, heilige Gegen- stände, welche in den Tempeln oder sonst keinen Platz fanden, aufzunehmen. Von den Tempeln unterscheiden sie sich dadurch, dass sie kein Cultbild enthalten und keine Opferhandlungen in ihnen vorgenommen werden'. So Köhler ; Beispiele solcher οΐκίαι und οίκοι in Heiligthümern sind nach Eöhler^s Aufsatz noch mehrere durch Inschriften bekannt geworden und sie bestätigen

Zu der Inschrift der Aphiiia auf Aegina 253

seine Definition, in oder beim Heiligtbum von Eleusie waren nach ilen Inschriften kpai οΐκίαι als Wohnungen für die Prie- eterinnen (Έφημ. άρχ. 1883, 119, 50 οΐκίαν τήν kpav ου ή Wpeta οίκ€Ϊ; 126, 80 εΙς τάς ίεράς οΙκίας ταΐς ίβρείαις). ίη den Rech- nungen von Deloe kommen mehrere οΤκοι in dem Heiligthume vor, die in die Kategorie von ^Dependenzen der Tempel gehören, wie der οΤκος im Sarapieion und der neben dem Isistempel; ein οίκος hier wird nur nach dem Materiale als der von Porös, einer als der der Andrier bezeichnet (Bull, de corr. hell. 1882, VI^ 29 ff.; Dittenberger syll.» 588 Z. 155. 178. 220. 230); er war offenbar ein Thesauros, wie denn Plutarch (de Pythiae orac. 12. 13. 14) den Thesauros der Eorinthier und den der Akanthier in Delphi einfach οΤκος nennt. Von solcher Art war gewiss auch der οίκος im Heiligthnm von Andania (Dittenberger syll. ^ 653, 113 εις τόν οίκον τόν έν τψ Ιερψ). Das Charakteristische und Wesentliche, das diese οΤκοι vom Tempel unterscheidet, ist, wie Köhler hervorgehoben hat, dass in ihnen kein üultus stattfindet. Allein Frankel, obwohl er seine ganzen Schlüsse auf der ange- nommenen Identität des οΤκος der Aphaia mit den von Köhler behandelten οΐκίαι und οΤκοι aufbaut, nimmt gleichwohl an, dass der äginetische οΤκος gebaut war zu dem Zwecke, den 'Cultus der Aphaia aufzunehmen' (S. 154), ja er sagt (S. 155), der οΤκος sei 'ohne den Altar gar nicht denkbar', er sei also zweifelloser Cultraum ; auf S. 153 gibt er mir auch zu, ich habe unzweifel- haft Hecht, wenn ich behauptete, dass der Gebrauch des Wortes οίκος für den Cultraum einer GottheiJ; durch Analogieen zu be- legen sei. Er gibt zu, dass die Inschrift von Thisbe CIGS. I 2733, wo ό οΤκος καΐ ό Διόνυσος, 'eine Aedicula mit Cultbild', geweiht wird, ein zwar 'später, aber passender Beleg* sei. Hier liegt der Widerspruch. Wenn der οίκος unserer Inschrift den Gultraum der Aphaia bedeutet, dann ist es eben ein οίκος ganz anderer Art als die von Köhler besprochenen οίκοι und οΐκίαι, deren Wesen darin besteht, dass sie des Cultes entbehren. Wenn Fränkel den äginetischen οίκος dem Culte der Aphaia bestimmt sein lässt, dann sind alle seine Schlüsse aus der 'Dependenz - Eigenschaft jener ganz verschiedenen Köhler*schen οΐκίαι, also vor allem der Schluss auf eine von Aphaia verschiedene Besitzerin des Heiligthums, gänzlich hinfällig.

Die von Köhler behandelten iepai οΐκίαΐ sind von den Tempeln in ihrem Wesen, da sie nicht dem Cultus dienen und kein Cultbild enthalten, durchaus verschiedene Bauten. Allein

254 Furt wandlet

der ägiDetieche οίκος der Aphaia, wenn er, wie auch Fränkel annimmt, dem Cultae dieser Göttin diente, was war er denn andere als ein Tempel?

£8 war im Alterthum ein häufiger Fall, daee innerhalb eines grösseren Heiligthums sich Tempel befanden, die nicht der Hauptgottheit, nicht dem Inhaber des ganzen Heiligthums, son- dern anderen Gottheiten gehörten. Allein das regelmässige Wort für einen solchen Tempel ist ναός genau wie für den Haupt- tempel ^ Dass οίκος etwa der Ausdruck für einen Tempel jener Art wäre, hat nie Jemand behauptet und eine solche Behauptung wäre ja auch gänzlich grundlos.

Also nach gewöhnlichem Gebrauche müsste das Cnltlocal der Aphaia, von dem auch nach Fränkel in unserer Inschrift die Eede ist, ναός heissen. Der Ausdruck οίκος ist ungewöhnlich für ein Cultlocal; allein, wie auch Fränkel zugibt, durch Ana- logieen zu belegen. Ich hatte dabei erinnert, dass auch οίκημα für einen dem Culte dienenden Bau, dh. Tempel verwendet vor- kommt, wie denn Pausanias zB. das Erechtheion so nennt. Fränkel weist gewiss mit Recht darauf hin, dass οίκημα einen allgemeineren Begrifi^ habe, wie unser ^Bauwerk'; allein es genügt jener Ge- brauch iminerhin zum Beweise, dass ein Tempel nicht immer nur ναός genannt werden musste, sondern dass dazu auch eine von οίκεΐν abgeleitete allgemeinere Bezeichnung verwendet werden konnte. Uebrigens hatte ja, ebenso wie οίκος nicht immer einen cultlosen, sondern auch einen Cultranm bezeichnet, auch ναός nicht immer die letztere Bedeutung, sondern zuweilen auch die eines cultlosen der Gottheit geweihten Thesauros (Polemon bei Athen. XI p. 479 f.; Strabo XI p. 637 ναΐσκοι).

Anders stände die Sache natürlich, wenn sich nachweisen Hesse, dass οίκος überhaupt niemals und unter keinen umständen ein dem Culte dienendes Local bezeichnen könne. Dann, und nur dann müssten wir annehmen, dass der der Aphaia gebaute οίκος unserer Inschrift nur als Thesauros, als Priesterwohnnng oder für Verwaltungszwecke errichtet worden wäre. Auch dann würde natürlich jede Spur von Anhalt fehlen, als Hauptgöttin

^ Ein Beispiel, bei welchem zugleich das Wort οΐκος vorkommt, bietet die Inschrift von Anaphe, GIG Ina. III, 248, die von dem Baue eines ναός der Aphrodite innerhalb des Upov des Apollon handelt und den Ort wo der Bau stattfinden soll bestimmt όιτ€ΐ ά έλα(α ά ποτ! τόν Εύδώρ€ΐον οίκον καΐ τόν McibUciov; dies sind natürlich οίκοι der oben besprochenen Art.

Zu der Inschtift der Aphaia auf Aegina 255

des Heiligthams eine andere als die in der Inschrift genannte Aphaia zn vermuthen.

Allein auch abgesehen von den Analogieen, welche gestatten οΤκος hier für den Caltraum der Aphaia zn nehmen, spricht die ganze Art and die Fassung der Inschrift für diese Auffassung. Die Inschrift beurkundet in feierlicher Form, dass unter dem Priester Eleoitas (oder des Eleoitas Sohne) das Haus für die Aphaia, dh. eben ihr, der Göttin Hans gebaut worden ist. Was soll dies Haus der Aphaia anderes sein als ihr Tempel? Das eigens für die Göttin selbst gebaute Haus kann nur für ihren Cultus bestimmt sein. Anders steht die Sache mit den Weih- inschriften, welche berichten, dass Jemand einen οΤκος der oder jener Gottheit geweiht hat^. Man kann der Gottheit ja alles mögliche weihen, was nicht für ihren Cultus bestimmt ist, also auch einen οΤκος für irgendwelche Zwecke wie Aufbewahrung von Dingen, Verwaltung, Wohnung. Bei diesen Weihinschriften bleibt es uns also ungewiss, ob der οΤκος dem Culte oder an- deren Zwecken diente. Die äginetische Bauurkunde ist anderer Art; der οΤκος hier ist für die Aphaia, dh. doch für sie zur Woh- nung, zum Cultus erbaut, nicht blos ihr geschenkt wie irgend ein anderer Gegenstand. Und dann kommt dazu: χώ βιυμός . . ποτεποιήθη, auch der Altar ward hinzugebaut. Dies ist ein voll- kommen correcter Ausdruck für einen vor der Front «ines neuen Tempels hinzugefügten neuen Altar, und durchaus nicht Wunder- lich', wie Frank el meint. Ebenso ward bei dem neuen Tempel- bau, der noch erhalten ist, ein neuer Altar in der Achse des Tempels und parallel demselben vor seiner Front hinzugefügt. Die Erwähnung des zu dem οίκος gehörigen Altares in der In- schrift ist der unzweideutigste Beweis dafür, dass jener der Cult- raum ist. Von dem mit dem βωμός zusammen erwähnten έλέφας sei hier abgesehen, da seine Bedeutung nicht ohne weiteres deut- lich ist; obwohl ich glaube, dass der Ausdruck nichts anderes

^ So die Inschrift von Samothrake, Conze Samothr. 1 41 No. 8, wo ein οΤκος den θ€ο1ς μεγάλοις geweiht wird ; in einer Inschrift, die wahr- scheinlich von Smyrna stammt (CIG 31 G3), wird ein οίκος den Nemeseis geweiht. *In einer Inschrift des vierten Jahrhunderts von Astypalaia ward nach der früheren Lesung (CIO II add. 2491 c) ein οΐκος dem Apollo geweiht, doch ist die Lesung bezweifelt worden ; nach Hiller von Gärt- ringen's Abschrift (CIO Im, III 185) ist . . καν sicher und, da nur zwei Buchstaben vorangehen dürfen, ist die Ergänzung οΐ]κον unab- weislicb.

25Ö Furtwängler

als das Elfenbeinbild bezeichnen kann. Es moRs hier in der monumentalen Banurkunde neben οΤκος und βωμός etwae Weeent- liches und Wichtiges gemeint sein, wie es das Cultbild war; etwas so gänzlich Nebensächliches wie etwa Elfenbeinschmuck an den Thüren, den Fränkel hier verstehen will, ist gewiss nicht anzunehmen; abgesehen davon, dass die durch die Ausgrabung erwiesenen überaus einfachen Verhältnisse des Heiligthums in der Zeit der Inschrift prunkvollen Schmuck sehr wenig wahrschein- lich machen. Das Elfenbein* mnss etwas Integrirendes be- zeichnet haben. Fränkel ist der Ansicht, dass das Verbum ποτ- εποΐήθη nicht zu einem Cultbild passe ; allein mit Unrecht: in Olympia zB. wurde ja, wie wir jetzt genau wissen, wirklich das neue (goldelfenbeinerne) Cultbild zu dem neuen Tempel sogar erst längere .Zeit nach dessen Vollendung 'hinzu* gemacht, in unserer Inschrift steht das Haus der Göttin als die Hauptsache voran, dann folgen Altar und Bild. Ganz so würde man wohl auch in unseren Zeiten die Banurkunde über eine neue Kirche abfassen und den Bau voran nennen, Altar und Bilder als 'hin- zugemacht* folgen lassen.

Nach Fränkels Erklärung der Inschrift will diese mit χώ βωμός ποτεποιήθη sagen * es wurde dem vorhandenen Altare der Artemis ein zweiler beigesellt'. Allein es heisst ja ό βιυμός, der Altar, nicht βωμός; die Inschrift kennt nur den einen Altar und unterscheidet ihn nicht von einem zweiten. Uebrigens ist jene Annahme auch unantik gedacht. Ein vorhandener Altar kann durch einen neuen ersetzt werden; ein neuer Altar ueben einem vorhandenen wird aber nur einem neuen Culte, also einer neuen Differenzierung derselben Gottheit oder einer anderen Gott- heit haben gelten können ; einfach einen zweiten demselben Culte dienenden Altar einem vorhandenen beizugesellen*, widerspricht, soviel ich sehen kann, antiker Anschauung.

Also der Altar gehört zum οίκος, und dieser ist der Wohn- raum der Aphaia. Anders scheint mir die Inschrift nicht ge- deutet werden zu können.

Allein der Fränkerschen Annahme stehen nicht nur die Inschrift, sondern auch noch andere wichtige Thatsachen im Wege.

Vor allem die Funde selbst. Wir haben ausser der grossen Aphaia-Inschrift noch eine zweite gefunden, welche die Göttin nennt (Sitzungsber. d. bayr. Akad. 1 901 S. 370) ; es ist eine Weihung; sie steht auf dem Fragment eines flachen Opfer beckens einer eigenen Art, wie sie eben diesem äginetisohen Heiligthom

Ζα der Inschrift der Aphain auf Aegina 257

eigen ist. Wir dürfen ohne Weiteres annehmen, dass die zahl- reich im ganzen Heiligthum zerstreut gefundenen Reste gleicher Becken ebenfalls zn Weihgeschenken an Aphaia gehörten und ihrem Culte dienten. Wir haben ferner auch auf dem Fragmente eines Marmorbeckens den wahrscheinlichen Rest einer Weihnng an Aphaia (αφ . .) gefunden. Auch diese Marmorbecken bildeten eine relativ bedeutende Klasse von Weihgeschenken in dem Heilig- thum. Die wenigen sonstigen Fragmente von Weihungen ent- halten keinen Namen einer Gottheit. Eine andere Gottheit als Aphaia ist nirgends genannt.

Die örtlichen Verhältnisse zeigen femer deutlich, dass nur ein Cultus hier gepflegt wurde, in alter Zeit auf sehr eng be- grenztem Räume. Für jede der Epochen ist je nur ein grosser Altar nachweisbar. Die Baulichkeiten der frühen Epoche, wel- cher unsere Inschrift schon auf Grund der Eigenart des ver- wendeten Materiales ~ zugewiesen werden muss, müssen über- aus einfach gewesen sein. Der οΤκος war sicherlich wirklich nur ein Haus, eine Cella ohne Säulenumgang. Die relative Grösse und Monumentalität der Inschrift beweist aber jedem der ört- lichen Verhältnisse Kundigen, dass der ihr zugehörige Bau gewies nicht eine blosse 'Dependenz eines Tempels, sondern eben der damalige Hauptbau gewesen sein muss. Vor allem ist indees überhaupt gar kein Platz vorhanden in dem beschränkten Raum des alten Heiligthums, wo der von Fränkel angenommene zweite Tempel gestanden haben sollte.

Endlich ist auch unter den bildlichen Funden nicht die ge- ringste Spur davon, dass zwei Gottheiten hier verehrt wurden, und nicht die geringste Spur namentlich deutet auf Artemis, die Franke! als Hauptgottheit vermuthet. Unter den zahlreichen Terrakotten ist keine einzige, die etwas von Artemis hätte.

Der Fränkerscheu Annahme steht ferner entgegen des Ρ a u- sanias Zeugniss, der unser Heiligthum als das Ιερόν der Aphaia bezeichnet und einen Tempel der Artemis nur. unten in der Stadt kennt. Fränkel muss einen unerhörten Irrthum des gerade in solchen Dingen genauen Periegeten annehmen. Wäre übrigens die Aphaia nur nebenbei in einem Artemis- Heiligthum verehrt worden, wie Fränkel meint, so würde sie wohl längst ▼or Pausanias verklungen gewesen sein. Ihr Name haftete an dem lange schon verödeten Heiligthum aber nur, weil es wirk- lich ihr Heiligthum und nicht das einer anderen Gottheit wie der Artemis war.

Übeln. Mim. f. l*hlloI. N. F. LVIL 17

258 Furtwängler Zu der Inschrift der Aphaia auf Aegina

Schlieeelich beruht auch die Meinung Fränkele, bei Anto- ninus Liberalis (c. 40) sei bezeugt, daes unser Heiligthum der Artemis gehört habe, auf einem Irrthum, und es ist vielmehr das Gegentheil richtig. Antoninus bezeugt, dass das Heiligthum der Aphaia und das der Artemis verschiedene Localitäten waren, f) hl Βριτόμαρτις άποβασα έκ τοΟ πλοίου κατέφυγεν εΙς αλσος οθι πέρ έστι νυν αυτής τό Ιερόν, κάνταυθα έγένετο αφανής. Hiermit ist bezeugt ein Ιερόν der Britomartis, die dann Aphaia genannt wurde, in einem αλ(Τος auf Aegina, da wo die Legende die Aphaia αφανής werden liess. Nachher heisst es von dem- selben Orte τόν hk τόπον, έν φ αφανής έγένετο ή Βριτόμαρτις, αφιέρωσαν Αίγινήται καΐ ώνόμασαν Άφάην κα\ ίερά έπετέλεσαν ώς θεψ. Also jenen Ort wo die Β ritomartis- Aphaia yerschwaDd, haben die Aegineten zu einem Ιερόν dieser Göttin gemacht und ihr fortan hier geopfert. Der Ort war also vorher noch kein Ιερόν, sondern er wurde erst dazu gemacht, und zwar nur zu einem Ιερόν der Aphaia. Also etwas ganz anderes als was Fränkel annimmt ist überliefert. Hätte Franke! Recht, so müsste Antoninus sagen : Britomartis floh in das Heiligthum der Artemis und hier erhielt auch sie dann Verehrung ; statt dessen heisst es aber, Britomartis floh in ein &\θος, und der Ort wo sie hier verschwand, wurde zu ihrem Ιερόν gemacht. Mit den zwischen den beiden angeführten Sätzen stehenden, auf die erste Erwäh* nung des Verschwindens folgenden Worten έν hi τψ ίερφ τής 'Αρτέμιδος wird ein neues anderes Local eingeführt, das nach dem klaren Wortlaute unmöglich identificiert werden kann mit dem Orte des Verschwindens, der von den Aegineten erst zu einem Ιερόν, und zwar dem der Britomartis-Aphaia gemacht wird. Das folgende τόν hk τόπον zeigt, dass nach 'Αρτέμιδος eine Lücke in der Ueberlieferung ist, die wir nicht mehr ausfüllen können ; die Conjectur τόν τε τόπον ist nicht zulässig, weil das noch namenlose αλ(Τθς, in dem Britomartis verschwindet, und das Ιερόν der Artemis eben als zwei getrennte Oertlichkeiten ange- führt werden. Der Autor erwähnt erst das noch namenlose SK- (Τος, den Ort des Verschwindens, dann das Ιερόν der Artemis, in dem etwas war das leider ausgefallen ist, und kehrt dann zu dem ersteren Orte zurück mit der Bemerkung, dass dieser zum Hei- ligthum der nun Aphaia genannten Britomartis wurde. Das Ιερόν der Artemis auf Aegina ist uns durch Tansanias bekannt; es lag unten in der Stadt ; das Ιερόν der Aphaia aber haben die neuen Ausgrabungen aufgedeckt.

A. Furtwängler.

LEGIONEN DES ORIENT

auf Grund der Notitia dignitatum

Im Orientheer, wie es uns die Notitia dignitatum über- liefert, finden wir ungefähr 92 Legionen mit folgenden Artbe- Zeichnungen : palatinae, comitatenses, pseudocomitatenees, ripa> rienaes und solche ohne jede Artbezeichnung. Der Versuch, auf Grund der Not. dignit. von den damaligen Zuständen des römi- schen üeeres, speziell den Legionen ein Bild zu geben, beab- sichtigt einer Lücke abzuhelfen, die in unsrer Kenntnise des römischen Heerwesens um 400 n. Chr. deutlich hervortritt. Die Behandlung der Legionen gliedert sich nach den 5 Artbezeich- nungen, unter denen sie erscheinen.

A. Palatinische Legionen.

1. Artbezeichnung und Verwendung. Es sind dies, wie schon der Name sagt, die Palast- oder Gardelegionen der Kaiser, und wir finden sie auch, entsprechend ihrer Bezeichnung, unter den 2 Reichsmarschällen, den ^ magistri militum praesen- tales , im Innern des Reiches stehend, meist in Byzanz, wo sich ja der Hof des Kaisers am meisten aufhielt. Die Stellung dieser Legionen brachte es zweifellos mit sich, dass sie die angesehensten Truppen waren, wie sie ja auch bei der Aufzählung der Legionen stets an der Spitze stehn. Wir können hIso annehmen, dase diese palatinischen Elitetruppen, in 2 Corps gegliedert, eine Art Re- serve bildeten, aber in dem Sinne, wie dieser Begriff zu Napo* leons I. Zeiten gebraucht wurde. In der Nähe der Hauptstadt garnisonirend und durch die stets am Hof anwesenden Garde- commandeure direct zur Verfügung des Kaisers stehend, waren sie die letzten verwendbaren, aber, weil Gardelegionen, aus- schlaggebenden Truppenkörper, die radial den bedrohten Reichs- grenzen zugeführt werden konnten.

260 Mangold

2. Besondere Yerhältnisse. Die einzige Ausnahme, wo Artbezeichnnng und Verwendung nicht übereinstimmen, ist die palatinische Legion: Britones Seniores. Mau kann sich diese Abweichung entstanden denken durch eine Detachirung, die infolge zwingender Bedürfnisse nöthig geworden war; und es ist ganz leicht möglich, dass ein Zusammenhang besteht zwischen der drohenden Stellung Alarichs in den illyrischen Gegenden und jener Entsendung zu dem dortigen magister militum. (Man ver- gleiche die 3. russische Gardedivision in Warschau und die kau- kasische Grenadierdivision.) Für die Möglichkeit, so diese Diffe- renz auszugleichen, kann noch folgende Erscheinung als Beweis beigebracht werden, dass nämlich Legionen, die mit .ihrer Haupt- macht nicht in den Donaulandschaften garnisoniren, entweder dort- hin detachiren oder zur Verfügung der magistri militum per Thracias und per Illyricum stehen, auch wenn sie ganz am an- deren Ende des Reiches ihr Stand lager hatten. So steht unter dem magister militum per Thracias die in Thebais garnisonirende comitatensische Legion I. Maximiana Thebaeorum, ferner die in Aegypten und der Thebais stehende comitatensische IIL Diocletiana Theba'idos. Die Diöcese Aegypten konnte wohl auch am ehesten solche Abgaben ertragen, denn sie war doch damals wohl am wenigsten von Feinden gefährdet. Viele derartige Verschiebungen werden wir später noch zu erwähnen haben.

3. Benennung der Legionen. Diese 13 orientali- schen Palastlegionen haben folgende Namen : Britones, Nervii, Bleikugelschleuderer, Lanzenwerfer, Daci, Scythi. Eine Legion heisst bloss 'Die Tapferen'; eine andere, die der 'Primani% ist wahrscheinlich identisch mit der legio I. Augusta. Schliesslich gibt es noch 'Elfer', Undecimani.

B. Comitatensisch« Legionen.

1. Art bezeichnung und Verwendung. Nach der Artbezeichnung zu schliessen, sind es wohl diejenigen Legionen, die die Feldherrn ins Feld * begleiteten', was auch durch die Ver- wendung, die sie erfahren, bestätigt wird. Sie stehen nämlich alle (38 an der Zahl) unter den 3 magistri militum und den duces der Grenzprovinzen. Jedoch sind die unter den dnces stehenden Legionen nur solche, die auch unter den Truppen der magistri aufgeführt werden. Diese Erscheinung hat wohl den Grund, dass solche Legionen mit doppelter Commandatur zwar

Legionen des Orient 261

im Bereich dem dux unterstehenden Grenzgebietes dislocirt waren und somit auch der dux ein gewisses Yerfügungsrecht über sie hatte denn ein Grenzschutz auf exponirter Linie verlangt eine einheitliche Commandostelle, dass sie aber jederzeit von dem magister zu Expeditionen unter seinen Befehl zurückgenommen werden konnten.

2. Besondere Verhältnisse. Zuerst haben wir die Erscheinung zu verzeichnen, dass eine Legion oder ihre Theile zweien und mehr Commandeuren unterstellt werden kann : zB. die comitatensische Y. Macedonica, die zwar in Dacia ripensis und Aegypten garnisonirt, aber dem magister militum per Orien- tem unterstellt ist. Vielleicht liesse sich dieses Unicum so er- klären, dass diese Legion ursprünglich dem magister per Orientem unterstand, dann aus unbekannten Gründen nach Aegypten ver- legt worden ist oder schon vorher dort garnisonirte und so auch zu den Truppen des comes limitis Aegypti gehörte. Dieser aber musste, wohl aus den gleichen Gründen, wie bei der L Maxi- miana und der IIL Diooletiana (s. o. j, jetzt auch von der V. Mace- donica zum Donauschutz detachiren. Nach Dacia ripensis hatte ferner die dem comes limitis Aegypti zugehörige XIILGemina eine Abtheilung geschickt. Dieses Beispiel und das der Π. Tra- j a η a sind die einzigen, dass sich Grenzcommendeure in das Commando über eine Legion theilen.

Sehr merkwürdig ist weiter das Verhältniss der X. und XIV. Gemina, die in Pannonien unter den dortigen duces also im Westreich stehen, ausserdem auch noch bei den Truppen des magister militum per Thracias gefuhrt werden. Diese Erscheinung und die der ΥΠ. Gemina, die in Leon in Spanien liegt und zu den Truppen des magister per Orientem gehört, vermag ich nicht zu erklären.

Femer gehört hierher die 11. Fla via Constantia The- baeorum, die in Thebai's liegt und doch dem magister per Orientem zugehört. Wenn man nicht zufällige Garnison dort annimmt, kann man dies wohl so erklären, dass dem ägyptischen Heer nach seinen grossen Abgaben nach der Donau von den am nächsten stehenden, verfügbaren Truppen (und dies sind eben die des magister per Orientem) die U. Flavia Constantia Thebaeorum zugewiesen wurde, um die entstandenen Lücken auszufüllen.

Dies sind die ungewöhnlichen Verhältnisse, die bei oomita- tensischen Legionen vorkommen und sich meist erklären lassen. Im allgemeinen steht fest, dass die in grossen Massen unter den

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magietri militum fltehenden comitaten sieche η Legionen eine Art Reserve zweiter Gattung bildeten, indem sie, mehr im Inneren des Reiches stehend, jederzeit, ohne die Grenztruppen schwächen zu müssen, zur Offensive vorgehen konnten, bei Defensive aber die Grenzcorps verstärken und als Unterstützung bezw. Auf- nahme hinter der Grenzlinie Stellung nehmen konnten. Drei solcher Corps gab es : in lllyricum, Thracien und im Orient. Schon die Vertheilnng der Legionen auf diese 3 Heere zeigt, dass die Do- nau land Schäften damals am meisten Truppen beanspruchten: denn dort stehen 2 'Actionscorps*, wie man sie vielleicht bezeichnen kann, jedes einzelne stärker al« das orientalische. Jedenfalls hat bei den comitatensischen Legionen schon in häußgerer Weise als bei den palatinischen die Noth eine Verwendung dieser Legionen geboten, die nicht mehr der in der Artbezeichnung angedeuteten Verwendung entsprach.

3. Legionenamen. Ausser den schon erwähnten Namen bei den Legionen mit besonderen Befehleverhältnissen, finden wir noch folgende: Leute des Mars, Ballistenschützen, Germanen, Gallier, Lanzenwerfer, Kaukasier, Leute aus den Donauland- sohaften, Legionen mit den Namen der Diana, Minerva und der Kaiser.

C. Psendocomitatensische Legionen.

Sie stehen wie die comitatensischen im Inneren des Landes unter den magistri militum. Das Wort pseudocomitatensis' wird wohl so zu erklären sein, dass diese Legionen zwar wie die co- mitatensischen verwandt wurden, ihnen aber sonst nicht gleich- gestellt waren. Sie kommen in der Hangordnung am Ende und ihre Namen haben einen auxiliären Beigeschmack, der nicht voll- gültige, echte Legionen verräth. Die Ueberlieferung sagt auch, dass sie an Ansehen und Gehalt den übrigen Legionen nachstanden. Jedenfalls gamisonirten sie um 400 n. Chr. nicht an der Grenze, wie Forcellini meint.

Die legio L Italica ist hier noch zu erwähnen, die als ripariensis unter dem dnx Moesiae IL und gleichzeitig als pseu- docomitatensis unter dem magister militum per Orientem steht. Die einzige Erklärung wird wohl die sein, dass sie zuerst als pseudocomitatensis unter dem magister stand und wie so viele andere an die Donau gesandt wurde, wo sie dann unter dem dux als ^Uferlegion verwandt wurde, nachdem sie entweder einen Theil im Orient zurückgelassen hatte, der natürlich pseudocomi-

Legioneu des Orient 263

tatene blieb, oder aber als peeudocomitatateneische za des ma- gister Verfügung stand.

Die Namen dieser Legionen sind sehr oft von Städten und Ländern abgeleitet, allein von den 9 in Illyrien haben 6 Namen von dortigen Städten und die Vermuthung liegt nahe, dass diese auch ihre Gamisonsorte waren. Sonst gibt es noch: 2 armeni- sche, 2 italische, 1 parthische-Legion, Bogenschützen (!), Schleu- derer (!), fortenses anxiliarii, Transtigritani, Ballistarii und solche mit des Theodosius Namen.

D. Ripariensische Legionen.

Es sind dies (ausser der schon erwähnten I. Italica): II.Herculia, XI. Claudia, I. Jovia in Scythia und Moesia Π. Warum aber werden die in Moesia I. und Dacia ripensis gele- genen Legionen nicht auch riparienses genannt? Irgend eine grössere Bedeutung kann dieser Name nicht gehabt haben, viel- leicht war es nur ein ehrender Znsatz, wofür geltend gemacht werden kann, dass alle 4 Legionen alte, 2 sogar sehr alte Le- gionen sind. Jedenfalls sind sie die einzigen im ganzen römi- schen Reich, obwohl die weiter aufwärts an der Donau stehen- den Legionen doch gradesogut diesen Namen als Artbezeichnung verdient hätten.

£s scheint also sicher zu sein, dass ripariensis nur ein terminus ist zur Bezeichnung der Verwendung, nicht der Art, woraus weiter folgt, dass man ripariensis und oomitatensis nicht von einem Gesichtspunkt aus betrachten darf, denn es sind keine einander ausschliessende Begriffe. £s wäre ebenso falsch, das heutige deutsche Heer in Linien-, Füsilier- und Grenz• Regimenter eintheilen zu wollen. Sonst werden die ripariensen Legionen etwa auf derselben Stufe mit den Pseudocomitatensen gestanden haben (vgl. I. Italica).

C. Legionen ohne Artbezeichnnng.

Diese Legionen sind alle diejenigen, die unter den comites und duces stehen. Und zwar untersteht jede Legion nur ihrem Grenzcommandeur mit Ausnahme der schon erwähnten ΧΙΠ. Ge- mina und II. Trajana Tbebaeorum. Sie sind entweder zum Schutz der Grenze bestimmt, oder wie die II. und ΙΓΙ. Isaura zum Schutz gegen unbotmässige Völker im Innern.

Der Verwendung nach sind sie wohl limitanei, aber diese

264 Mangold Legionen des Orient

Bezeichnung findet eich nicht. Das Wort Mimitaneae' kommt im Orient überhaupt nicht vor und limee nur in dem Titel: comes limitis Aegypti.

Die Verwendung der Legionen ist also folgende:

1) 2 Gardecorps, Hauptreserve unter den magistri militnm praesentales, zur Verfügung des Kaisers, bestehend aus pa- latinischen Legionen.

2) 8 Actionscorps unter den magistri militum per lUyricnm, Thracias und Orientem, aus comitatensisohen und pseudoco- mitatensiechen Legionen zusammengesetzt, im Inneren des Reiches.

3) Die Defensivtruppen an der Reichsgrenze unter comites und duces, bestehend aus ripariensischen Legioneu und solchen ohne Artbezeichnung.

Jena. K. Mangold.

τυφλός ανηρ

Wie stark einet der ägyptische Einfluss auf e-riechenland gewesen sein mass, haben aufs Neue und in höherem Grade, als bekannt war, die Ausgrabungen in Knossos dargethan. Man wird in Zukunft mehr, als es bisher geschehen, den Spuren jener Be- einflussung auch in der älteren griechischen Litteratur nachgehen müssen, und Bethe hat ja in seinem auf der Strassburger Philo• logenversammlung gehaltenen Vortrag 'Homer und die Helden- sage mit Recht auf die Discrepanz zwischen unserem archäolo- gischen und unserem historisch-mythologischen Wissen hinge- wiesen. AuchjReichel und Robert suchen die Mykenischen Burgen und die homerischen Sagen mit einander in Einklang zu bringen. Von Myken aus aber fuhren deutliche Cnlturpfade nach Osten und nach Süden.

Viele Sagen erzählen uns, dass hervorragende Dichter, Rbapsoden oder Propheten blind gewesen seien.

Τυφλός άνήρ, οίκεϊ bk. Χίψ ένι παιπαλοέσση, του πασαι μετόπισθεν άριστεύουσιν άοώαί, 80 wird der Sänger des Delischen Apollohymnus geschildert. Tbukydides setzt den Verfasser des Hymnos dem Homer gleich; es ist müssig darüber zu streiten, jedenfalls war es ja ein ange- sehener Rhapsode, der die Dichtung verfasste und der sich selbst als blind bezeichnete. ^Quem si quis caecum genitum putat, Om- nibus sensibus orbus est' sagt Velleius (I 5, 2) von Homer, und wie er, dachten viele im Alterthum. Was Homer von späteren Dichtern zu seinem Vortheil unterschied, war gerade die Kunst des^Sehens, des künstlerischen, unbefangenen Sehens. Der weder durch ra- tionalistiche noch durch mystische Theorieen getrübte offene Blick für die Welt der Wirklichkeit, das ist es ja, was dem Dichter der Odyssee eine so imponierende Stellung am Anfang der Welt- litteratur verlieh. Sehen wir doch noch jetzt alle von ihm ge-

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schilderten Vorgänge und Zustände beim Lesen deutlich mit dem geistigen Auge und staunen über die Anschaulichkeit, den Wirk- liohkeitssinn, der in beiden Epen hervortritt. Cicero, Velleine und Proklos hatten Recht, wenn sie von jener Sage nichts wissen wollten.

Die Art, in der die Blindheit des Demodokos in der Odyssee eingeführt wird, hat etwas antithetisch Zugespitztes, etwas Stili• sirtes. Es ist gleichsam ein hübsches Epigramm, wenn gesagt wird, dass die Muse dem Sänger die Augen nahm und die Lieder gab. Odysseus staunt darüber, dass Demodokos das Schicksal der Griechen so genau besingen könne, als habe er es selbst gesehen oder gehört 487 ff.). Er bittet ihn nun, die Zer- störung Trojas vorzutragen. Od. α 351 bezeichnet Telemachos das Lied über die Heimfahrt der Griechen von Troja als das neuste, welches immer am meisten Beifall bei den Zuhörern finde. Jedenfalls kann dann die Zerstörung Trojas keins der ältesten Lieder gewesen sein. Wenn nun Demodokos 500 ff.) diese 80 eindringlich und anschaulich schildert, dass Odysseus in den tiefsten Kummer versinkt, so hat es immerhin einige Schwierig- keit, sich einen Blinden als Schilderer der neusten Zeitgeschichte vorzustellen. Gewiss hätte der Phäakische Sänger auch als Nicht- blinder diese von ihm besungenen Ereignisse nicht mit eignen Augen sehen können ; dennoch ist es nicht recht vorstellbar, dass ein blinder greiser Sänger als epischer Schilderer einer jüngst- vergangenen Kriegszeit seiner Aufgabe in so wirksamer Weise gerecht wird. Doch sei dem, wie ihm sei. Die Blindheit steht mit dem üebrigen in keinem nothwendigen Zusammenhang, sie giebt nur Gelegenheit zu einer der Bemerkungen über den Sänger, in denen der Dichter der Odyssee sich so wohl gefällt. Oft genug nimmt er Gelegenheit, die Würde und Bedeutung des Sängers hervorzuheben ; es klingt zuweilen, wie eine Aeusserung pro domo; und in der That darf man vielleicht glauben, dass hier ein per- sönliches Motiv hineinspielt. Der Sänger weilt am Hofe des Fürsten, seine Harfe hängt im Palast (Od. θ 255), er lebt von der Gunst des Herrschers (ebend. 477 ff.). Es liegt in s§inem Interesse, die Würde seines Standes nach Möglichkeit zu erheben. In diesem Sinne ist es vielleicht aufzufassen, wenn die Macht des Gesanges oft in ähnlicher überschwänglicher Weise geschildert wird. Odysseus weint bei dem Liede des Demodokos wie eine Frau, die von dem Leichnam des Gemahls in die Gefangenschaft fortgeschleppt wird. Penelope steigt mit zwei Jungfrauen aus

Τυφλός άνήρ 267

dem Frauengemach in den Männersaal hernieder und ersucht den Phemios mit seinem Gesänge über die Rückkehr der troi'schen Helden innezuhalten, er wisse ja viele andere schöne Lieder zu singen, dieses Lied aber zerfleische immer wieder ihr Herz; sie ertrage es nicht länger, es zu vernehmen 328 ff.). Das könnte nun freilich vom Dichter auch deshalb allein eingefügt worden sein, um die Treue der Penelope hervorzuheben. Indessen war ja dafür längst im reichsten Maasse gesorgt ; das ganze Epos legte Zeugniss davon ab. Dann aber erwidert Telemachos auf die Rede der Mutter in einer Weise, die auf diese einen etwas peinlichen, beschämenden Eindruck machen musste, den Freiern aber auch nicht sonderlich sympathisch sein konnte, da Tele- machos ja den Odysseus verherrlichenden Sänger in Schutz nahm. Der einzige, der sich von der Rede des Jünglings aufs ange- nehmste berührt fühlen konnte, war der Sänger. Er solle singen, wie es ihm um das Herz sei, Zeus lenke das Gemüth der Sänger und erfülle ihre Seele mit Begeisterung. Penelope solle nicht zürnen, der neuste Gesang erhalte stets den meisten Beifall bei der Versammlung. Der Dichter spricht hier aus eigener Erfahrung und zur Verherrlichung seines Standes. Penelope aber kehrt zurück in ihre Gemächer, staunend über ihres Sohnes kluge Bede.

Dann lobt Telemachos auch den Freiern gegenüber den Phemios in überschwänglicher Weise (370 f.), ohne dass ein rechter Zweck dieser Worte ersichtlich wäre. Aber nicht nur in dem spät entstandenen ersten Buch findet sich derartiges, die Sänger spielen ja im Gegensatz zu der älteren Ilias in dem jüngeren Epos eine erhebliche Rolle, und das ist nicht etwa bedeutungs- ' los oder zufällig.

Phemios entgeht dem allgemeinen Blutbad durch seine klug gewählten Worte 344 ff.). Zunächst wieder die Versicherung von der Heiligkeit des Standes, dann die an dieser Stelle und in diesem Zusammenhang etwas unmotivierte Aeusserung :

αύτοοΛακτος S εΙμί, θεός bi μοι έν φρεσίν οϊμας

παντοίας ένίφυσεν. Er verspricht, den Odysseus wie einen Gott besingen zu wollen und betont, dass er nicht aus Begehrlichkeit in den Palast ge- kommen sei. Auf fernere Fürbitte des Telemachos wird er dann begnadigt.

Etwas Paränetisches möchte man fast aus der Stelle her- aushören, an der Odysseus dem Demodokos das beste Stück

268 Friei

Fleiecb reichen läset, denn alle MenscheD bezeugten den Sängern £hrfurcht, und die Muse selbst beschütze sie. Der Dichter dieses Abschnitts stellt den Odyssens gleichsam als ein Muster für alle Fürsten hin, aii deren Höfen sich Sänger aufhalten, und ermahnt zur Naoheiferung eines so guten Vorbildes 474 ff.). Odj^sseue giebt dem Demodokos dann als Thema zu weiterem Gesänge die Geschichte vom hölzernen Pferde; er ist weniger zurückhaltend gegen den Aöden, als Telemach α 346. Auch in dessen Worten könnte eine Beziehung auf die Wirklichkeit liegen. Wollte der Dichter vielleicht den oft launischen und empfindlichen Herren eine Lection erth eilen? Hatte er etwa durch missliebige Gesänge einmal üble Erfahrungen gesammelt, deren Wiederholung er auf diese Weise vermeiden wollte?

Im siebzehnten Gesang (p 374 ff.) schilt Antinoos den Sau- hirten, weil dieser den Bettler in die Stadt geführt habe. Eu- maios antwortet nun nicht etwa, wie man es erwarten sollte, in- dem er dem Uebermüthigen sein Unrecht vorhält, sondern er führt aus, dass man wohl Niemanden einladen würde, als einen der οημιθ€ρτοί,

μάντιν f| Ιητηρα κακών ή τίκτονα λούρων ή και θέσπιν άοώόν, δ κεν τίρπησιν άείοων. ούτοι γάρ κλητοί γε βροτών έπ' όπείρονα γαϊαν. Durch den Zusammenhang ist diese Digression über die Sänger usw. nicht gefordert. Der Dichter spricht offenbar in eigner und seiner Standesgenossen Sache, die wirklich entsprechende Ant- wort wird dem Antinoos erst von Telemachos 397 ff. gegeben. Immer wieder findet sich in der Odyssee das Verhältniss des be- sitzenden Herren zum hungernden Diener oder Bettler. Der arme Landstreicher wird verspottet, streng scheidet Eumaioe zwischen dem darbenden Fremdling und dem Sänger, der schliese• lieh auch von der Milde seines Herren lebt. Ist es nur Zufall, dass an so vielen Stellen der Odyssee das Elend der Bedürftig- keit hervorgehoben wird? Die Arten des aiTxlexv bei den Reichen werden in ρ geradezu theoretisch erörtert^. Jeglicher Tod, sagt Euryalos 341 f.) ist furchtbar, aber der schrecklichste ist der Hungertod. Demodokos dagegen sitzt in der Mitte des Saales, ihm werden die Speisen wie ein ehrender Tribut gereicht. Der Aöde war eben auf die offene Hand der Mächtigen angewiesen,

^ zB. ρ 347 αΙδώς b* ούκ αγαθή κεχρημένψ άνδρΐ παρεΐναι, vgl. [Hesiodüs Werke 317 f. und] Diphilos ού δ€Ϊ παρασιτ€!ν οντά öuodpc- στον σφό&ρα.

Τυφλός άνήρ 269

eein berechtigtes Interesse war es, die Wohlhabenden günstig zu stimmen. Den dreisten Bettler yerachtet er selbst, mit ihm möchte er nichts gemein haben, aber auf seinen göttlichen Beraf mit Recht stolz glaubt er einen Anspruch auf Unterstützung durch die Mächtigen zu haben, ohne dadurch an Ansehen zu verlieren.

Gerade die erwähnten Abschnitte der Odyssee sind nun wahrscheinlich spätere Znsätze. Die Würde des Sängerberufes sank mit dem Niedergang der epischen Kunst aber immer mehr herab, und bei Hesiod werden Handwerker und Bettler bereits mit den Sängern in eine Kategorie gestellt (έργ. 25 f.)^ Die vielen Legenden, die von besonderer Gnade der Götter gegen einzelne Sänger oder von besonderer Rettung derselben aus all- gemeinen Gefahren oder auch von Bestrafung aller ihnen ange- thanen Unbilden bei den Griechen im Schwange waren (Hesiod, Ibykos, Arion ua.), dürften ebenfalls einer tendenziösen Färbung nicht entbehren. Auch die Erzählungen über die wunderbare Macht des Gesanges gehören vielleicht in diesen Zusammenhang. Man denke an Orpheus (vgl. 0. Gruppes Artikel : Orpheus in Roschers Mythologischem Lexikon Sp. 1115 ff.). Ganz ähnliche Schilde- rungen, nur noch phantastischer und farbenreicher, finden sich im indischen Epos, wo die Macht des Gesanges sich in einzelnen Wirkungen documentirt, die mit dem griechischen Mythos auf die eine oder andere Weise verwandt sein müssen. Mit dem griechischen Sänger hat der indische übrigens auch andere Züge gemeinsam. Auf Schritt und Tritt begegnet man im Rigveda dem Schlussgebet des Sängers um reiche Schätze und um die Gunst wohlhabender Beschützer. Immer wieder kehrt die Bitte an Agni und andere Götter, dem Sänger hold zu sein, ihm Ge* deihen und vor allem reiche Gönner zu vermitteln. Der grie- chische Aöde, minder naiv als sein indischer College, hüllt seine Wünsche in die Form feiner Anspielungen, wie er ja den Odys- seus selbst in dieser Form sich einen Mantel verschaffen läset. Die Zeiten, in denen die offene Bitte der persönlichen Ehre keinen Abbruch bereitete, waren vorbei, man musste auf neue Mittel sinnen.

Das Gegenstück zu dem Bilde, das die Sänger von sich und der Würde ihres Standes entwerfen, bildet das berühmte ägyp-

1 Vgl. Arist. rhet. Π lM, 7: δμοιον hi καΐ οτι έν τοΙς Ιεροίς οΐ πτωχοί ^δουσι καΐ όρχοΟνται. Vgl. auch das fr. des Aeiot.

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tische Harfnerlied, ans dem man ersieht, wie unter Umständen von Anderen über den Sänger geartheilt werden konnte. Mag das merkwürdige Gedicht, das übrigens aus viel späterer Zeit stammt, aber doch Rückschlüsse auf frühere Zeiten gestattet, auch als Prodnct des Brodneides oder irgend welcher Intriguen aufzufassen sein, es zeigt doch deutlich, wie, wenigstens im Nil- thal; ein minder edles Glied der Sängerzunft sich benehmen konnte, wie er durch übermässige Gefrässigkeit seinen Bauch auf- schwellt, wie er aus schnödester Habgier den Zuhörern mit seiner unerträglichen Stimme zusetzt usw. Man wird bei der Leetüre des Gedichts lebhaft an die Art erinnert, wie die Freier den Odysseus und den Iros behandeln ^, ebenso an die späteren Aus- gestaltungen der Heraklessage, den die Komödie zum Schlemmer machte, man denkt schliesslich an die ständige Figur des Para- siten in der späteren Komödie, die zuerst in Sicilien bei £pi- charm erscheint. £s ist höchst wahrscheinlich, dass von der grie- chischen Komödie und ihren Charaktertypen sowie vom komischen £pos der Griechen Fäden zu den komischen Darstellungen der Aegypter hinüberführen, Dass die Aegypter über eine starke humoristische Ader verfügten, ist bekannt. Die Sage vom Frosch- mäusekrieg wird nicht zu trennen sein von dem ganz ähnlichen Kriege der Katzen und Mäuse' oder der Schilderung der ver- kehrten Welt, in der die Katzen die Mäuse bedienen^. Diese und ähnliche Beziehungen verdienten eine genauere Un tersuchung auch von ägyptologischer Seite her, wobei auch babylonische Kinflüsse (Fabelelemente) zu sondiren wären. Dass übrigens der Verfall des griechischen Sängerthums mit dem politischen Wandel der Zeiten in Zusammenhang stand, bedarf keiner näheren Fr- wähnung.

Auf die weite Verbreitung des Parasitentypus ^ weist ja schon Lukian hin, wenn er περί παρασίτου c. 30, allerdings halb scherzhaft, sagt: ή μέντοι παρασιτική . . . καΐ έν Έλλησι καΐ βαρβάροις μία έστι καΐ κατά ταύτα καΐ ωσαύτως. UebrigeDS ist nach Lukians nicht ganz ernst gemeinter Aussage Homer der

^ Vgl. auch ρ 219 ff. 286 ff. 345 ff σ 2 ff. ua.

2 S. Erman, Aegypten S. 686.

8 S. Zeitechr. f. Aegypt. Sprache u. Alterthumsk. 1897, S. 140. Eine andere Version s. Zeitschrift der Bücherfreunde 1901, S. 478. Vgl. auch über ägyptische Karikaturen 0. Keller, DieThiere des classischen Alterthums S. 186 u. 209.

* S. 0. Ribbeck, Kolax, Abh. d. Sachs. G. d. W. 1884, 1 ff.

Τυφλός άνήρ 271

Erste, der dem Parasiten thum das Wort geredet, wenn er sagt, es gäbe kein schöneres Leben, als wenn alle Tische gedeckt sind und der Wein reichlich flieset usw. (l 5 fl^.). Και ώς ούχ Ικανώς ταύτα θαυμάίιυν μάλλον τήν αύτου γνώμην ποΐ€Ϊ φανερωτέραν €υ λέγιιιν 11) Τουτό τί μοι κάλλιστον ένΐ φρεσίν εϊδεται εΤναι. Ein wahrer Kern scheint in diesen Ausführungen ent- halten zu sein. Im Gegensatz zu Lukian schliesst Athenäns aus der Iliasstelle Ρ 575 ff., der Dichter habe unter dem φίλος εΐ- λαπιναστής des Hektor ΤΤοδής einen Parasiten verstanden, der durch einen Speerwurf des massigen Spartaners Menelaos κατά ίιυστήρα, in den Bauch, den Wohnsitz der Schlemmerei, in ge- ziemender Weise bestraft werde, der Dichter habe also die Para- siten geissein wollen, eine Insinuation, die jeder thatsächlichen Begründung entbehrt.

Für Lukians Auffassung sprechen Stellen, an denen die Macht der γαστήρ ούλομένη beklagt wird, die den Menschen viel Unheil bringe und

της ϊνεκεν και νήες έύΣυγοι όπλίίονται πόντον έπ' άτρύγετον, κακά ουσμενέεσσι φέρουσαι 287 f. vgl. ο 844 C 54). Es ist unleugbar, dass aus gewissen Abschnitten der Odyssee eine gedrückte, verbitterte Stimmung spricht. In den harmlosen Erzählerton der älteren Theile mischt sich ein herber Klang, ein Hauch der Entsagung. Mitleiderre- gende Bilder der Armuth, des Niedergangs drängen sich in die Phantasie des Dichters. In der Ilias spielt der Gegensatz von Arm und Beich fast keine Rolle. Der Dichter der jüngeren Odysseetheile verhält sich zu seinen älteren Collegen wie Enri- pides zu den früheren Tragikern. Auch er hebt das Charakte- ristische hervor, Weiberintriguen spielen hinein, das weibliche Element ^ überhaupt wird stärker betont, die Schlauheit, die So- phistik der Freier, der ήττων λόγος beherrscht die Welt. Der Sänger stellt die untadeligen Helden der früheren Generation dem corrumpirten Adel der Gegenwart gegenüber. Begehrlich blickt er zu ihrer Höhe, ihrem üeberfluss empor, er, der das Loos der Bedürftigkeit so anschaulich zu schildern vermag, als kenne er es ans eigenster Erfahrung. Der Duft festlicher Gelage dringt ihm anlockend aus den Palästen der Herrn entgegen (p 269), der Schall üppiger Feste schlägt an sein Ohr 148 ff.), er

1 Und zwar oft nach der schlimmen Seite hin. ρ 319 ua. leitet über Semonides zu Euripides hinüber.

272 F Γ i e β

fühlt sich den Herren entfremdet; sie sind übermüthig gegen ihn geworden, den durch die Ungunst der Zeiten Geschädigten. Der Iliassänger blickt m i t seinen Helden verächtlich auf Thersites, den armen Teufel, herab ; der Sänger der Odyssee, selbst gleich- sam zum Thersites, zum Satiriker geworden, blickt mit dem Bettler verächtlich und grollend zu den ihm social überlegenen Helden empor. Er verachtet ihre Frivolität. Bitterernst 4ind traurig klingt der Ausruf über den Herrendienst, der den Charakter der unfrei Gewordenen herabziehe (p 319 ff.). Die auf Rührung zugeschnittene Argosepisode zeigt, dass auch der alte Sang nicht mehr verfing, dass neue Reize nöthig waren, um das abgestumpftere Publikum zu fesseln, das in den Freiern so deut- lich geschildert wird und das der Dichter zu tief studirt hat, als dass wir an blosse Fictionen glauben könnten. Es hat et- was für den Dichter und seine Zeit Symbolisches, wenn der Held der Dichtung, der gewaltige Recke, in seine Heimat zurückkehrt πτωχψ λ^υγαλίψ έναλίγκιος ήδέ γέροντι.

Um nun zum Ausgangspunkt unserer Untersuchung zurück- zukehren, müssen wir uns zunächst zum Bewnsstsein bringen, dass nur Demodokos bei Homer als blinder Sänger bezeichnet wird. Phemios wird als sehend gedacht (cf. Od. χ 330 ff^.). Auch der Sänger, welchem Agamemnon vor seiner Abfahrt die Gattin zur Bewahrung anvertraut hatte, kann nicht blind gedacht wer- den. Sonst hätte ihn Aigisthos nicht auf eine ferne Insel zu ßchicken brauchen, um ungehindert durch ihn seinen Yerrath zu üben (Od. γ 267 ff.).

Die Sänger der Odyssee hatten klare, hellsehende Augen. Ihr Blick schweifte über Land und Meer, Farben und Formen der wirklichen Welt prägten sich mit unauslöschlichen Zügen in ihre Seele. * Wir dürfen,* sagt ein namhafter Vertreter der Augen- heilkunde^, Ma unser Geist nur jene Eindrücke, welche ihm durch die Augen zuströmen, zu dem bunten Spiel der Phantasie zu be- nutzen vermag, die Phantasie dreist eine Tochter des Lichts nennen und behaupten, ohne Augen giebt es keine Phanta8ie\ Freilich ist es ja nicht nöthig, an Blindgeborene zu denken, und man kann auf Milton, Pfeffel ua. hinweisen. Allein die Odyssee im Besonderen ist ein Reiseepos, jede Zeile der Άλκίνου άπό- λόγοι verräth Autopsie ähnlicher Zustände und Lokalitäten. Die

^ H. Magnus, das Auge in seinen ästhetischen und culturgeschioht- liehen Beziehungen. Breslau 187t> S. lOG.

Τυφλός άνήρ 273

frische Energie ferner, mit der Odysseue und seine Grefährten von Abenteuer zu Abenteuer eilen, der kecke Muth dieser Ent- deckungsfahrer, die durch Sturm und Wetter unbeirrt dahin- Bteueri), immer wieder die Segel einspannen oder die Schiffe in den geschickt ausgewählten Hafen ziehen, das Alles konnte nur ein jugendkräftiger Sänger erzählen, der wohl selbst mit Hand angelegt hatte und nun, durch das Staunen der ihm lauschenden Menge ermuthigt, der Phantasie die Zügel schiessen Hess und zu- weilen etwas rodomontadenhaft Erlebtes und Erdachtes ineinander- wob. Schliesslich ist es nicht gut denkbar, dass alle Sänger, die an der Hias und Odyssee dichteten, an demselben Uebel litten. Das wäre ein zu merkwürdiges Spiel der Natur gewesen. Der τυφλός όνήρ bildet doch zum Glück immer die Ausnahme, nicht die Regel. Bergk in seiner Litteraturgeschichte meint, die Blinden, zu jeder anderen Hantirung unfähig, hätten sich der Sangeskunst zugewandt, und so sei die Häufigkeit blinder Aöden leicht zu erklären. Aber die Homeriden waren keine dem Leben erstorbenen Krüppel, und vor Allem kann wohl jeder Blinde die technische Fertigkeit, die für den Rhapsoden nothwendig ist, er- lernen ; dass aber gerade jene spät erblindeten Männer, die sich der Kunst als einem Nothbehelf zuwandten, nun eben die ge- nialen Dichter wurden, zu denen die spätesten Jahrhunderte em- porstaunen, das ist nimmermehr wahrscheinlich. Die Kunst der Homeriden kann nicht ein Nothbehelf, ein elender Ersatz der Unglücklichen für einen besseren Broderwerb gewesen sein, sie muss in den Zeiten der Blüthe, vor dem späteren Verfall, so hoch in Ehren gestanden haben, dass η ir die Besten, die Be- gabtesten und Gebildetsten sie ausüben konnten. Die genialen Männer, denen wir die gewaltigsten Epen der Weltlitteratur ver- danken, sie sind das bedarf keines Beweises, das muss Jeden seine eigene Begeisterung für Homer lehren durch den Gott in ihrem Busen zu ihrem hehren Beruf geführt worden, nicht durch ein körperliches Gebrechen. Viele konnten das Rhapsoden- handwerk lernen, aber wenige waren auserwählt. Später wurde das ja anders; schon aus den später entstandenen Theilen der Odyssee spricht ein anderer Geist. Die Sänger der Ilias und der όπόλογοι waren als rüstige Männer mit offenem Sinn und unbegrenzter Empfänglichkeit für die Eindrücke der Welt begabt. Dev Dichter des zweiten Theiles der Odyssee besitzt einen engeren Gesichtskreis, seine Gedanken streifen kaum über Ithaka hinaus. Hier fühlt er sich heimisch; die weite Perspective, die ihm ab-

Bhefn. Mne. f. PhUol. N. F. LVII. 18

274 Fries

geht, ersetzt er durch liebevolle Detailschildeningen, die der im• geetfime lliaedicbter wohl Terschmäbt haben wurde. Auch Sporen des ßationaliemne treten vielleicht in dem immer wiederholten Misetraaen gegen all die Lügenberichte hervor, die man heutzu- tage von Wanderern aus aller Herren Lander zu hören bekomme 361 ff. ψ 217 uo.). Vielleicht legt hier der spätere Dichter an die Prodncte des älteren Nostoedichtere den kritischen Maesstab seines aufgeklärteren Standpunktes an. Jedenfalls läset sich die Ansicht nicht aufrecht erhalten, dass Homer ganz hinter seinem Gegenstande verschwinde ; bei genauer Betrachtung besonders der jüngeren Abschnitte ergiebt sich eine erhebliche Anzahl von Spuren subjektiver Empfindung und persönlicher Stellungnahme zu den obwaltenden Zeitverhältnissen. Wer von letzteren ge- nauere Kunde besässe, dem wurde vielleicht so manche Stelle, an der wir nun achtlos vorübergehen, in ihrer tieferen, persön- lichen Bedeutung klar werden.

Ob der Verfasser des Hymnos auf den delischen Apollo wirklich blind war oder nicht, lässt sich nicht entscheiden. Die Wahrscheinlichkeit spricht wohl dafür, dass Demodokos, Homer, der Sänger von Chios, Tbamyris ua. nur der Sage nach blind waren, die inneren Indicien sprechen gegen eine derartige An- nahme. Nun fragt er sich, welches ist der Ursprung einer sol- chen Sage?

Es steht fest, dass die Zahl der Blinden im Süden Europas grösser ist, als im Norden, dass aber in Aegjpten die Zahl der mit den verschiedensten Augenkrankheiten und auch mit Blind- heit Behafteten grösser ist, als in jedem anderen Lande ^. Noch jetzt soll es in ünterägypten von Blinden, Einäugigen und Trief- äugigen wimmeln. Dass durch Napoleons ägyptische Expedition die ägyptische Augenentzündung nach Europa verschleppt und hier epidemisch wurde, ist eine bekannte Thatsache. Im Alter- thum werden ähnliche Zustände geherrscht haben, zumal die sa- nitären Verhältnisse damals auf einer weit primitiveren Stufe standen, als heute. Der oben citirte Ophthalmologe freilich meint, es fehle an sicheren Anhaltspunkten für eine solche An- nahme (S. 80 if.). Nun beziehen sich aber im Papyrus Ebers ein Zehntel sämmtlioher mitgetheilter Recepte nur auf Augen- krankheiten ^. Hirschberg hält dem entgegen, dass bei Galen

cf. Schenkel, Bibellexikon u. Blindheit; Hirschberg, Aegypien, Geschichtliche Studien eines Augenarztes. Leipzig 1890. S. 7G.

^ y. Oefele in Neuburger und Pageis Handbuch der Geschichte der Medizin; Jena 1901, I 79 u. 87. Ernian, Aegypteu S. 483.

ΤυφΧός άνήρ έΤ5

dasselbe YerhältDisR obwalte. Ob dies einem alexandriniscben £iDflas8e zuzuscbreibeo ist oder nicbt, stebt dabin ^ ; alle[ Wabr- scbeinlicbkeit spricbt jedenfalls dafür, dass die Zabl der Blinden in Aegypten ancb im Altertbnm eine erbeblicbe gewesen sei. Zwei blinde Könige von Aegypten nennt Herodot (fl 111. 137). Dem ersteren wird das Angenlicbt zur Strafe für einen Frevel gegen den b eiligen Strom, also eine Grottbeit entzogen, wie das ancb in vielen grieobiseben Sagen vorkommt, zB. Tbamyris, Ly- kurgos na. Anob Stesicboros verfällt zeitweise diesem Scbicksal, bis er sieb dnrcb eine Palinodie rettet. Diese Wunderkur er- innert lebbaft an die epidanriscben Heilungen dureb göttlicben EingrifiP, und man kann zwiseben diesen Fictionen kluger Priester und der Sage von Stesicboros vielleicbt einen Zusammenbang er- kennen. Ancb in der Bibel findet sieb die Beraubung des Augen- licbts zur Strafe für gottloses Verbalten nicbt selten (2 Kön. 6, 18, Apostelg. 13, 11 ua.). Helena erzäblt von dem Reiobtbum Aegyptens an Arzneien. Jeder ist dort Arzt und übertrifft alle an Erfabrung (b 229 ff.). Aucb Herodot erzäblt viel von den Heilkünstlem des Niltbals und dem dort berrscbenden Specialisten- tbum. Kambyses lässt sieb den besten Augenarzt aus Aegypten kommen (Herod. III 1). Mit besonderem Ernst, wie sonst nir- gends, wird das Auge und die Blind beit in der Bibel bebandelt. £s gibt im Hebräisoben 11 Wurzel werte für die verscbiedenen Formen des normalen Sebens und 14 für das Blindsein. Das Auge wird als der grösste Scbatz des Menseben bezeicbnet; wer Blinde irre fübrt, verfällt besonderer Strafe *. Es ist nicbt un- denkbar, dass bier ägyptiscbe Einwirkungen vorliegen.

Im Bucb der Ricbter wird erzäblt (16, 20 ff), wie die Pbi- lister Simson blenden. ^ Da nun ihr Herz guter Dinge war, spracben sie: Lasst Simson bolen, dass er vor uns spiele. Da boleten sie Simson aus dem Grefängniss, und er spielte vor ibnen, und sie stelleten ibn zwiseben zwo Säulen. Simson .aber spracb zu dem Knaben, der ibn bei der Hand leitete: Lass miob, dass ieb die Säulen taste, auf welcben das Haus stebet, dass icb mich daran lebne. Das Haus aber war voll Männer und Weiber. Es waren aucb der Pbilister Fürsten alle da; und auf dem Dach

1 H. Magnus, die Augenbeilkunde der Alten. Breslau 1901. S. 18 f. tritt entsebieden für Beeinflussung der griecbiscben Medicin dureb die ägyptiscbe ein.

> H. Ma^rnus aO. S. 24.

276 F Γ i θ β

bei dreitaueend, Mann und Weib, die da zueaben, wie Simson spielte. Simeon aber rief den Herrn an und epraeb: Herr, Herr! gedenke mein, and stärke miob docb, Gott, dies Mal, dass icb für meine beiden Augen miob einst räcbe an den Pbilistern.^ Er stürzt das Grebäude und begräbt sieb und die Pbilister unter den Trümmern. Der entkräftete Fürst stebt seinen Peinigem erst obnmäcbtig, dann übermäebtig gegenüber, wie Odysseus den Freiem. Er wird zum Singen gezwungen, wie Pbemios. Er flebt Gott um Bestrafung der Feinde für seine Blendung an, wie Po- lypbem den Poseidon anruft (i 527 ff.). Als blinder Sänger, vom Knaben gefübrt, erscbeint er bei allgemeiner Lustbarkeit, und ibm lauseben Männer und Frauen. So aucb Demodokos bei den Pbäaken.

Erman^ berichtet, daes in Aegypten vorzugsweise die Blin- de η als Sänger benutzt wurden, es existiren Denkmäler, auf denen wir den blinden Sänger vor seiner boben Harfe kauern und spielen sehen. Hier ist wohl die Quelle aller Sagen vom blinden Sänger zu finden, denn die naturgemässeste Entwicklung ist doch die, dass ein auffälliger Zug der Mythe von dem Punkt aus, an dem er durch tbatsäcblicbe Umstände eine äussere Be- gründung findet, mit vielen anderen Zügen die Wanderschaft in andere Cnlturgebiete antritt und sich da weiter entwickelt. Simson, Demodokos, Thamyris, Xenokritos ua. sind Söhne des ägyptischen Sängers^. Die Könige des alten Reiches warteten nicht darauf, bis die Sage ihre Person mit einer Gloriole umgeben hatte; die Helden- sage, deren Mittelpunkt sie waren, wurde auf ihr eignes Commando von dem wohlbestallten Hofpoeten angefertigt oder wiederholt. Von einem eigentlichen Epos ist bei den Aegyptern keine Rede, das Lied des Pentaur ist kaum ein Hymnos oder eine Rhapsodie. Lyrische, hymnenartige Verherrlichungen ohne poetische Gestal- tung und Erfindung waren allerdings eine Aufgabe, die einem Blinden mit Aussiebt auf Erfolg anvertraut werden konnte. Um so widernatürlicher scheint es nun, dass der Homeride desjenigen Organe entbehrt haben solle, dessen der wahre Epiker am schwer- sten entrathen kann.

So hat sich denn die Sage von dem ehrwürdigen Greise,

1 Aegypten S. 342. Wilkinson, the manners and the customs of the anoient Egyptiaus^ ed. Birch, London 1878 I, 442.

2 lieber Simeon als Helden eines Sonnenmytlms vgl. jetzt 0. Gruppe, Griechische Mythologie und Heligionsgeschichte, S. 413 Anm. 17.

Τυφλός άνήρ 277

dem blinden Manne in nichts aufgelöst. Man hat neuerdinge die erhaltenen Bildniese Homers auf die BesohafPenheit der an ihnen dargestellten Augen hin untersucht^. Das Ergebnies ist, dass 'die Erblindungsform auf vorangegangene schwere infectiöse Schleimhauterkrankung der Augen und zwar auf die im Volks- mund als ägyptische Augenerkrankung bekannte hindeutet, wie sie gerade im Süden so häufig vorkommen und so häufig zur Blindheit führen'. Der Bildhauer, der die speciell von dem ge- nannten Gelehrten untersuchte Statue schuf, hat mit künstleri- schem Gefühl das Richtige gefunden.

Berlin. Carl Fries.

^ H. Magnus, Die antiken Büsten des Homer, eine augenärztlich- ästhetisohe Studie. Berlin 1896. 8. 70.

γρ:πεκ εινκ soene des euripideischen

OKESTES

Eiiripidee tiat im Orestes die überliefert«^ Snj^e nach freiem Krmennen gestaltet und so eine Reihe neuer Situationen geschaffen. Der Keit^hthnm bant weclisclnder Soenen Terleibt dem Stttck aeinen besten Reiz'. Aber keine Scene giebt es, die, frei er- fondeo, etvas ganz ADderen böte, als man sonst im Drama za sehen gewohnt wer; vielniehr lassen sinh Überall typische Vor- bilder nachweieen, so wie A. Dieterich bereits Tür die grosse Schlafsccne, die das Drama eröffnet, den weiteren Znsammenliang in einleuchtender Weise klargestellt hat* Die Dialogpartien,

' τύ ϋρϋμα τιΐν ΐπΐ βκηνής €ύ{>οκιμούντιυν «agt die ί > Itbeiu. Mut.. 4ιί α. 25 ff.

Hypothes

üeber eine Scenc des euripid eischen Orestes 279

welche folgen, zeigen, vom techniRchen Standpunkt aus genom- men, keine Abweichung von dem üblichen Schema. Erst gegen Ende des Stückes wendet der Dichter frische und kräftige Far- ben an, indem er auf eine stärkere Bühnenwirkung hinarbeitet. Hier findet eich ein Auftritt, der auf den ersten Blick als etwas wirklich Neues erscheint, derjenige nämlich, in welchem das Ver- schwinden der Helena und die Gefangennahme der Hermione dnrch Orestes und Pylades von einem phrygischen Sklaven, der ans dem Gemetzel entkam, dem Chor erzählt wird. Das ist im Ghnnde nichts als ein Botenbericht, und somit wäre nach der Technik der antiken Tragödie der iambische Trimeter als das Yersmase der Erzählung das gegebene gewesen. Statt dessen jQiiden wir ein weit ausgesponnenes Lied in gelösten Rhythmen nach der Weise des άρμάτειον μέλος; es muss ein Glanzstück aufgeregter Musik gewesen sein. Diese Scene bietet jedoch nicht blosfi ein formales, sondern auch ein stoffliches Interesse. Denn die Erzählung des Phrygers ist so breit angelegt, die Thatsachen eind so eigenthümlich gestaltet, dazu ist das komische Moment so bewusst in den Vordergrund gestellt, dass es sich verlohnt, alle diese Dinge einer schärferen Prüfung zu unterwerfen. Nach dem Berichte des Augenzeugen entwickelt sich die Handlung in folgender Weise.

Orest und Pylades, mit Thränen in den Augen, nähern sich dem Sessel, auf dem Helena sitzt, lassen sich demüthig vor ihr nieder und umschlingen wie Sohutzflehende ihr Knie. Die phry- gischen Diener springen beunruhigt auf; sie fürchten eine List, können sich aber über die Absichten der beiden Helden nicht klar werden. Orest bittet die Helena, ihm zu dem uralten Herd- 81 tz seines Ahnherrn Pelops zu folgen, weil er mit ihr Geheimes zu bereden habe. Unterdessen treibt Pylades die Dienerschaft aus dem Saale und schliesst sie in den Kammern des Palastes ein. Dann ziehen beide plötzlich die Schwerter, die sie bis dahin vor- sichtig unter ihren Purpurgewändern verborgen hatten, und fallen über Helena her ^ Auf deren Wehegeschrei befreien die Phryger sich gewaltsam aus ihrem Gefängniss und eilen zu Hülfe,

' Ich lese 1457 ff., άμφιπορφύρων (άμφΐ πορφυρέων Hdschr.) πέπλατν ύπό σκότου | ζίφη σπάσοντ€ς έν χβροϊν, lasse πέπλων von ύπό σκότοι» abhängen und dies wieder von σπάσοντβς; sonst vermag ich Conetriiction und Sinn nicht zu verstehen, άμψιπόρφυρος muss 'ringsum purpurn* heissen ; άμψίχρυσος, <Ιμφ(τορνος eind entsprechende Bildungen des Euripides. Vgl. ausserdem Med. b'o : π€ρ^ γάρ ήδ' ύπό σκηνής πόόα.

280 Radermacher

aber Pylades tritt ihnen entgegen, und nun in dem ausbrechenden Kampfe zeigt sich «He üeherlegenheit der Hellenen in glänzend- stem Lichte. Von den Asiaten fallen die einen, andere werden verwundet, witMler andere flehen kniefällig um ihr Leben, die Mehrzahl sucht ihr Heil in schleuniger Flucht'. Herraione, die inzwischen ahnungslos den Saal betrat, wird Refangen, Helena da- gegen plötzlich entrückt und so dem Todesschicksal entzogen.

Für diese weitläufig angelegte Komposition sind namentlich drei Momente bemerkenswerth : einmal, dass Oreet und Pylades Anfangs mit ruhiger Vorsicht ^ zu Werke gehen, von ihrer eigentlichen Absicht nichts ahnen lassen und erst im gegebenen Augenblick urplötzlich die Maske abwerfen. Das zweite ist der von vorneherein scharf durchgeführte Gegensatz zwischen der siegreichen üeherlegenheit der beiden griechischen Helden und dem elenden Verzagen der ihnen entgegentretenden Phryger. Drittens muss der Gesammteindruck der drastischen Schilderung ein komischer sein ; er wird nicht bloss durch die Jammergestalt des Erzählers verbürgt^, sondern auch durch die Art, wie das lächerliche Benehmen der phrygischen Dienerschaft während des Kampfes mit Behagen breit ausgemalt wird.

Diese komische Wirkung hat der Scholiast empfunden und demnach zu Anfang der Scene bemerkt, dass hier Euripidee seine eigenthümliche Weise aufgebe und Dinge, die ihm nicht an* ständen, zur |Dar8tellung bringe^. Auch Aristophanee sagt in der Hypothesie: τό όραμα κωμικιυτέραν Ιχει τήν καταστρο- φήν, und diese Aeusserung kann nicht wörtlich genug verstanden werden. Dass der Dichter mit Bewusstsein auf eine solche Wirkung hinausarbeitete, beweist die folgende Scene*, eine Unter- redung zwischen Orestes und dem Eunuchen, in der dieser jäm- merlich um sein Leben winselt und, um sich zu retten, die frech- sten Verdrehungen vorträgt, während Orestes, offenbar spielend, ihn hinhält«.

^ Dieser Abschnitt ist in den Scholien merkwürdig missverstaQ- den und auf die Kämpfe vor Ilion bezogen.

2 ippoi τας ήσυχου προνο(ας κακούργος ών, sagt der Phryger, der damit die Art, wie Orest und Pylades vorgehen, treffend charak- terisirt.

^ Es genügt auf die Art zu verweisen, wie er sich einführt (Vs. 1309 ff.J.

* Scholion zu Ve. 13(>9 und zu Vs. 1384.

^ Hier bemerkt der Scholiast (zu 1512) dvdSia καΐ τραγψδίας καΐ τής Όρέστου συμφοράς τά λ€γόμ€να.

^ Vers 1527 μώρος cl 6οκ€ΐς μ€ τλήναι αήν καθαιμάίαι hipif^ ist

üeber ^inc 8cene des euripideischen Orestes 281

Sachen wir von den bezeichneten Geeichtspunkten aus nach einem Vorbilde, dem Euripides in unserer Scene gefolgt sein könnte, so drängt sich meines Erachtens zwingend dus Aben- teuer des Herakles mit Busiris auf. Busiris, der Sohn des Aigyptos und König von Aegypten, pflegte, wie Apollodoros II 5,11 erzählt, die B'remdlinge, die in sein Land kamen, zu opfern. Und als Herakles in seine Hand gerieth, Hess auch dieser zunächst schein- bar ruhig und ergeben sich zum Altar führen; aber dort ange- langt, gab er die Verstellung auf, erschlug den Busiris und rich- tete unter seiner Gefolgschaft ein furchtbares Blutbad an.

Auf einer Caeretaner Hydria des VI. Jahrb. finden wir den Schlussakt des Dramas dargestellt^. An der έ(Ττία liegt König Busiris erschlagen. Davor steht der gewaltige Held Herakles, mit der Rechten einen Menschen würgend, den seine Tracht als Ausländer deutlich charakterisirt. Mit der Linken hat er einen Zweiten, ebenso bekleideten, beim Beine gepackt nnd schwingt ihn durch die Luft, um ihn am Altar zu zerschmettern ; zwei andere hängen leblos mit der charakteristischen Kopfhaltung der Erdros- selten in seinen gekrümmten Ellenbogen. Wieder andere stampft er mit den Füssen nieder. Was noch lebt, sucht sich in eiligster Flucht zu retten; einer knietauf dem Altar, einer dahinter; beide strecken dem Helden flehend ihre Hände entgegen. Das ist alles e0| wie es Euripides beschrei bt :

δ μέν οΐχόμενος φυγάς, δ δέ νέκυς ών,

δ δέ τραύμα φέρων, δ bk λισσόμενος

θανάτου προβολάν.

ύπό σκότον V έφεύγομεν.

νεκροί b' Ιττιπτον, b' Ιμελλον, ο1 b' ίκειντο. Auf der Rückseite sehen wir die Leibwaclie des Busiris zu Hülfe eilen : fünf Leute, durch Tracht und namentlich durch Kopfform und Wollhaare als Aethiopen deutlich charakterisirt '. Sie tragen Keulen in den Händen.

grammatisch in Ordnung (vgl. Madvig Adv. I 182), wenn man λήν dv für τλήναι einsetzt.

^ Veröffentlicht in den Monumenti inediti VHI, 27 vgl. die Vignette und Furtwängler in Rosohers Myth. Lexicon I 2215.

^ Die Neger sind deutlich erkennbar, dagegen in der Kampfscene erscheinen neben ihnen auch Aegypter, durch hellere Hautfarbe, schlichtes Haar und semitisches Profil sichtlich unterschieden. Als werth- volle Beobachtung möchte ich übrigens hier noch eine Bemerkung Löschckes mittheilen. Er lehnt die Darstellung der Vase als bewusst

282 Radermacher

In der so geetalteten Busirielegende kehren unverkennbar die drei Merkmale wieder, die oben an der Seene doH Orestes als besondere eigenthtinilich hervorgehoben worden sind. Auch Herakles verstellt sich zunächst und macht erst im gegebenen Augenblicke von seiner Heldenkraft Gebrauch. Zweitens wird die Feigheit der Barbaren mit grellen Farben geschildert, drittens zeigt bereits das Vaseubild deutlich eine komisch travestirende Auffassung des Abenteuers. Finzelheiten bei Euripides werden jetzt erst klar. Helena soll an der dcTria erschlagen werden ; dieser Zug ist mit merkwürdiger Treue festgehalten. Ueberhaupt versteht man nun erst die Umschweife der Handlung. Im Grande lag es doch für die beiden Helden näher, gleich beim Eintritt die Thüren des Gemaches zu schliessen und dann ohne Weiteres niederzuschlagen, was sich drinnen fand. Man darf nicht ein- wenden, der Saal, in dem Helena sass, sei nicht so leicht zu ver- riegeln gewesen ; das ist ja alles Fiktion des Dichters, der gerade so gut den Ueberfall der beiden Frauen in ein einthüriges Zimmer verlegen konnte. Statt dessen ist die Gefangennahme der Hermione in dem Berichte des Phrygios sogar recht unwahrscheinlich dar- gestellt. Hat sie denn von dem Kampfgetümmel gar nichts ver- nommen? Allein bei aller Aehnlichkeit der beiden Handlungen, deren Verschiedenheit ihrerseits sich sofort erklärt, wenn man erwägt, dass Euripides eine durchaus abweiojiende Sachlage ent- sprechend ausgestaltete, fragt es sich nun doch, auf welchem Wege ihm sein Vorbild vermittelt wurde. Die Antwort ergiebt sich, wenn man bedenkt, dass der Busiris für die Komödie ein überaus beliebter Vorwurf gewesen ist. Wir kennen Stücke dieses Namens von Epicharmos, Kratinos, Antiphanes, Ephippos, Mnesimachos ^. Hierzu kommt ein Satyrspiel des Phrynichos und eins des Euri- pides, den somit die Geschichte stark interessirt haben muss. Etwa in gleicher Zeit hat sich die attische Kunst des Vorwurfe bemäch- tigt, wie mehrere erhaltene Vasenbilder bezeugend Nun mag man

travestirend an die Darstellung der Ermordung des Priamos durch Neoptolemos an, der hierbei den kleinen Astyanax am Fusse gefasst hat und durch die Luft schwingt (Monum. XI, 1^). Damit er^ohliesst sich eine erhebliche Perspektive nach oben, eine Verbindungslinie bis hinauf zum Epos.

^ Vgl Hiller v. Qärtringen in Pauly-Wissowas Realenoyclopädie 111 S. 1070.

3 Vgl. Furtwäugler in Röscher Myth. Lex. I S. 2233 und Arch. Anz. 1892, 89.

Ueber eine ^co.W2 des euripideischen Orestes 263

wohl gerne zugeben, daes die Phantasie der attiechen Dichter and Maler ungewöhnlich fruchtbar war, und daes ee ihnen gelungen ßein muss, dem überlieferten Stoffe viele neue Seiten abzugewinnen ; zuletzt musste dennoch die Fabel, immer wieder von Neuem auf- getischt, das Publikum ermüden. Somit war es ein geschickter Griff des Euripides, dass er das überkommene Motiv auf eine i:eue Situation übertrug und für sie auf solchem Wege eine Gre- staltung fand, die den Hörer unmittelbar packen musste ; denn es ist klar, dass die Wirkung der Scene auf dieser Ausmalung beruht.

Aus dem bisher gewonnenen Ergebnisse läset sich noch eine weitere Folgerung ableiten. Die Beobachtung des Aristo- phanes, dass der Orest des Euripides eine 'einigermassen komi- sche Katastrophe' habe, rückt in eine besondere Beleuchtung, nachdem sich herausgestellt hat, dass der Dichter sich mit Be- wnsptsein an Komödie und Satyrspiel anlehnt. Man darf folgern, dass, wenn der Orestes einer Tetralogie angehörte, er das letzte Stück derselben gewesen sein muss, und dass seine Schlussscenen das Satyrepiel unmittelbar ersetzten. Die Arbeit ist derber aber auch durchsichtiger als in der Alkestis. Dieses Stück, das an gleicher Stelle aufgeführt worden ist und dessen Auffassung so lange Schwierigkeit gemacht hat, ist die beste Parallele zum Orestes und kann sein Yerständniss unmittelbar erschliessen, nur daes hier nebenbei noch die Travestirung der Charaktere viel allgemeiner und rücksichtsloser durchgeführt wird.

[Zusatz. Ich will die Gelegenheit nicht vorüber gehen lassen, ohne auf eine merkwürdige Beziehung zwischen Orest- scbolien und rhetorischer Litteratur hinzuweisen. Demetrius de eloc. 7 sagt: τών hi μικρών κώλων κάν όεινότητι χρή(Τίς έστιν. b€ivOT€pov γάρ τό έν όλίγψ πολύ έμψαινόμενον καΐ σφοδρότερον, 5ιό καΐ ο\ Λάκωνες βραχυλόγοι ύπό δεινότητος. και τό μέν έπιτάσσειν σύντομον καΐ βραχύ, και πάς δεσπότης δούλψ μονο- σύλλαβος. Dass diese Worte Beachtung gefunden haben, be- weist das Citat in den Anonymi Prolegomena τών εύρέσεοΑ^ W VII p. 64, 26, dessen Kenntniss ich K. Fuhr verdanke. Aber die Worte o\ Λάκιυνες βραχυλόγοι kehren immer wieder in einer Reihe von Scbolien, die wir zu Orest 640 ff. besitzen, die freilich nach ihrer geschwätzigen Breite und Dürftigkeit spätes Fabrikat sein müssen. Nur die Notiz zu 643 δ V έλαβες, τόυτου βηθέντος αΤρουσιν ο\ ύποκριταΐ τήν χείρα beruht, wie die gleiche üeber- lieferung im Etymol. Gud. v. άρνεΐσδαι verräth, auf alter Tradi- tion; dass jedoch die Scholien zur Stelle einmal ausftthrlioher

2H4 Kader ni acher Ucber eine Scene des euripideischen Orestes

und ganz anders gelautet haben mtieeen, zeigt die Nachricht in den Prolegomena Hermogenifi W VI p. 7: Ol γάρ έΗηγητσι τον Όρέστην Εύριττίόου έΕηγούμενοι τόν ύποκρινόμενόν φασι τον MevdXaov, του'Ορίστου πολλά λαλήσαντος, όλίγη πράξει [φασι] κεχρήσθαι [τόν ύποκρινόμενον τόν Μενίλαον]. του γάρ Όρέστου είπόντος ' άπόδος δσον έλαβες έμοΟ πατρός πάρα, σχηματί- σασθαί φασι τόν Μενίλαον ήτοι τόν ύποκριτήν και άνανευσαι. δθεν και 6 έπιφερόμενος ίαμβος, ώς άνανενευκότος του Μενελάου νομίσαντος περί των χρημάτων τόν 'Ορέστη ν διαλέγεσθαι, επι- φέρεται ούτως ' ου χρήματ' εΤπον. Diese Ausführungen, die ζΒ. in Demetrius de eloc. 195 oder Seneca Briefll, 7 (vgl. Hense, Philologus 1901 S. 387) ihr Gegenstück haben, sind für die KenntnisR des Spiels der antiken Schauspieler von Bedeutung; es scheint leider, dass man derartiges bei der endgültigen Redaktion der Scholienlitteratur einfach weggeschnitten hat.]

Bonn. L. Radermaoher.

HERKULANENSISCHE BRUCHSTÜCKE

EINER GESCHICHTE DES SOKRATES

UND SEINER SCHULE

Die Rolle Nr. 495 der herkulaneneischen Bibliothek wurde im Jahre 1830 von C. Maleeci «geöffnet. Doch die Masse war zu spröde, als dass sie eine glatte Aufwickelang gestattete, und so Hess der Italiener, nachdem er zwölf kleine Blätter (pezzi) los- gelöst hatte, den Rest uneröffnet liegen. Dieses Stück, das 7 cm im Durchmesser und 17 cm in der Länge misst, eine Schwere aber von 210 gr besitzt, wird noch heute unter den geschlossenen Rollentheilen aufbewahrt. Jene zwölf Blätter nun wurden in der Folgezeit zweimal entziffert. Die Neapler Abschrift (n), von Vincenzo Corazza angefertigt und heute unter den papiri inediti eich vorfindend, enthält 13 frammenti auf 4 Blättern. Was die Engländer in Oxford {o) besitzen, ist geringeren Umfangs; man kann es jetzt in der Sammlung der Oxforder Photographien Bd. VII Blatt 30 36 einsehen. Aber diese Abschriften haben darum keinen grossen Werth, weil jene 12 pezzi noch erhalten sind. Die auf drei Tafeln aufgespannten Reste habe ich im Frühjahr 1900 untersucht, doch nicht Buchstabe für Buchstabe, denn dazu fehlte die Zeit. Allein bei den lesbareren Stellen ist wohl die Hauptsache erledigt.

Es sind nur die unteren Theile der Golumnen erhalten. Die Schrift ist fein und zierlich, von mittlerer Grösse. Auf die Zeile gehen etwa 18 20 Buchstaben, am Ende finden sich häufig die als Ftillzeiohen verwandten Häkchen ) und ^. Es sollen nun die einzelnen pezzi vorgenommen werden^.

tav. I pezzo. 1. Sehr zerstreute Schriftreste; die einzelnen Blattlagen sind öfter durcheinander gerathen. Die Ueberbleibsel

^ Bei der Ergänzung haben H. Diele und H. Ueener werth volle Beiträge zur Verfügung gestellt, wofür ihnen hier mein aufrichtiger Dank ausgesprocheu sei.

28(> C Γ 6 η θ r t

von wenigsteDs drei Colamnen lassen sich erkennen; aus der mitt- leren stammt

lOYECOKI

EKÜA tav. I pezzo 2. Hier berrecht dieselbe Verwirrung. Das Stück am linken Rande (fr. 1 n) ist von sottoposti stark durch- setzt und darum zunäcbst nicbt lesbar. Doch gehören die Zeichen ΝΘΙΤΤ sicher zusammen (Ξα]νθιπ[ττη). Rechts liest man

APKA

οΐκί-

α ]MA

υπέρ

Aus Ξανθίππη und οΙκία läset sich folgern, dass auf diesem Blatte von dem Familienleben 4es Sokrates die Rede war.

tav. I pezzo 3 = fr. 2 n. . . ΗΘ άνθρω[π TACTEP[ Έρμιπ-

πός φη[σιν

Die rechte Hälfte der in η gezeichneten Colamne scheint anderswohin zu gehören. Ale sottoposto findet sich noch

. . . λόγον TTE λαβών αύτ

τήι άφωνίαι

tav. Ι pezzo 4 = fr. 3 η (VII 32 ο).

γρά]ψαν[τ .

Ι bia τήν ευ-

... αν ά]πο[σ]τήσαι. Έπει (nach ΑΙ Zwischenr.)

V Αΐ)σχίνης έωράτο πΐ€- 5 ίούμ]€νος υπό τής πενί- ας ]""άπό του λόγου*

και έθί2:€σθαι> (nicht δανεί^εσθαι)

€]ωκράτους ΠΑ

Unter fr. 3 finden sich nun zwei weitere Blattlagen. Zu sottoposto 1 gehört links

^ H, was in ο vor diro steht, gehört zum sottoposto. Man sieht hingegen noch den Rest eines oberen Querstriches. Zur Sache vergl. Diog. II (>2: φασί b* αύτώι X^tciv Οωκράτην, έιτειοήπερ έπιέ^^ετο ύπό π€ν(ας, παρ' εαυτού δαν€{2[€σθαι ταιν αιτίων 09aipoOvTou

Herkttlanensiecbe Brochetücke einer Gesohiohte des Sokratee usw. 287

C]u)Kpa-

της ]ΙΠΑ, und rechte

bxä πα[ντός i-

κανά

έπαγ

. . OM ,

zu eottopoBto 2

TINOC

τήν χείρα

€iv φη- σ€ΐ€ν ώς

σίν ]AICCXE τραττη

νόμενος ΑΙ <* ουν ούο

tav. II pezzo 5. Hier liegen wenigstens 4 Colnmnen vor. Links liest man

φύ]λακος>

Άθη]ναϊοι,

das Stück am rechten Ende aber = fr. 5 η (VII 33 ο). Die Ausdehnung dieser Columne nach links ist noch nicht sicher er- mittelt worden.

QTHC . .

ά]ναστροφη . .

\N elvai Ν . .

. . . EITH - μ€θ' έαυτοΟ 5 . . ά]παλλ[α]γής δντοσ

.... oÖKOuv, ίφη, φρον||[τι2 . . .

tav. II pezzo 6. Auch hier findet man nur verwirrte Co- Inmnensttickchen. Was man in der Mitte oben liest, schrieben die Neapler (fr. 5) und die Oxforder (VII 35 und VII 36, zwei- mal!), ab. Ueber die Ausdehnung der Zeilen läset sich nach den Abschriften nichts Bestimmtes sagen, auch der Papyrus hat Dichte ergeben.

OYN

. . Ν ίφη κάρ5οπο[ς

. . ΗΙΡΑΦ . . . ΕΙΔ.ΗΕΑ« ΤΟπΟΥΝΕΙΠΩ ΟΥΚΑ»

' ιταραγ€]νόμ€νος Α1[σχίνης?

' Das Ι nach Η ist über die Zeile geschrieben, es ist also iota mutum.

' t( οΰν cTirui; κά[ρ6ο]ιτον; Usener unter Hinweis auf Aristoph.

Wölk. 669-680.

288 Crönert

TON και προσ€νίτκα[ς και περίπατων In fr. 5 scheint wie in fr. 4 eine Anekdote (^φη) erzählt za werden.

tav. II pezzo 7. Die linke Hälfte = fr. 6 η (VII 32 ο)

ΕΧΘ

ταύτα Τ . . .

Κ . . Δ άφελ) nCNC

κομίνου b' Αί]σχίνου bia> ΛΗΜΑ

6 TAN .... TON^

πότο ΙΩΝΙΑ

tav. Π ρβζζο 8 = fr. 7 η. Die Begrenzung der Zeilen ist unsicher.

. Δ . NON (beivov?) γάρ Τ

5 . . . και Διογ[^νης (?) ίσκ]ιυπτον ΕΓ . . ΕΙ

. . . έν6γ[κ€ΐ]ν ΤΟΙ tav. III pezzo 9. Das grössere Stück =^ fr. 8 η (Vll 30 und VIT 35 o). [Έρ-

μιπ]πος έ[ν γρά]φ€ΐν MAC . ΕΝ άπό πρώ[τ

ΔΕ..*-ΑΡΧ[ άλ- λα τών Ι [ ουκ άν€-

Kivbu- > κτόν γ€νίσθα[ι

ν ]στίαν αύ- ^ τον Διονύσιον

τ ! ]ΤΟΥ > τεσθαι Δίων«'

Rechts wird wohl von dem Zerwürfnis» zwischen Piaton und Dionysios berichtet.

tav. III pezzo 10 = fr. 9 η (VII 35 ο).

ÜIECE . ΜΑ . . TINEC[E€vo-8

φώντι μ€τ[ά τ]ή[ν 'Αθηνών δλιυ-

σιν στρατ€υσ[α]μ€νιυν[ι εΙς

^ Oder ατίον.

^ Nach Δ {ων ist noch ein schwarzer Punkt oben erhalten, es scheint also der nächste iiuchstabe weder Α noch 1 noch 0 gewesen zu sein.

^ έπιτιμάν γάρ δοκοΟσιν έ]πΐ€ΐκώ[ς] μά[λο] τινές [Ξ€νο]φ<ΰνη Usener.

Herkulanensisclie Bruchstücke einer Geschichte des Sokrates ü»W. 1^89

την Άσίαν, Πλάτιυνι 5[έ* TINEC Zeile 1 ist nur in ο erhalten; vielleicht standen zwischen C und Ξ noch Buchstaben, tav. III pezzo 11 = fr. 10 n.

Δ . HE πολιτ[ ά

ρί[σ]τη πό[λ]ις

λ' άκολουθ ΜΗΝ αί5[τ]αι Ι

5 ΛΗΝΕΝ AYTOMC . NEC

tav. ΤΙΙ pezzo 12 = fr. 11 13 n. Davon ist fr. 11 sehr

schlecht überliefert. Man liest OCKOYPOYC« Zeile 4 und ΠλΙά-

τωνο[ς μ]αθητώ[ν Zeile 5. fr. 12 (=V1I 34 o) ist ebenfalls arg zertrümmert:

\ πολι[τ

*Αθη[ν]αίιυν έΗ A[. . . . άπο-

στ]άντΐϋν^ μετ' έκφ[ορας

5]έ λαμπράς ίθαψε, κ[αθ]ά[π€ρ

6 έΐμαρτύρησε ΞΕΝΟ . . ΤΕΙ*

Ob die* Ergänzungen richtig sind, muss eine Nachprüfung

lehren. Wer mag der Bestattete sein?

Aue fr. 13 (Vü 34 o) ist noch weniger zu gewinnen:

QC πο-

λ ]hi [σιυ]φρόνιυς

ΑΤΕΝΛ . . ANE

μ€τ' €ύτα]Ηίας βίττεϊν

Dazu kommt endlich ein Stückchen in o, das weder in η

noch in den heute erhaltenen Resten anzutreffen ist^ es wird

daram ein sovraposto gewesen sein. VII Bio:

Ν bt αύ[τ

... ην και μη

' . äv]bpa μαλ ταΐς ΠΑ . ΦΘΙΝ

1 Etwa Διονύσιον κολακ€ύσοντι (üsener).

2 x)ie beiden Söhne des Xenophon, Gryllos und Diodoros, wurden auch Διόσκουροι genannt, Diog. II 52.

^Ηαναστάντιυν (Usener) füllt den Raum nicht aus.

* ΞενοφΟϋν scheint nicht möglich zu sein ; Ξενοκράτ€ΐ Usener unter Verweisung auf die Rede des Lysias προς Ξενοκράτην (fr. 206 Sauppe).

Rhein. Mni. t Philol. N. F. LVU. '^^

290 C Γ ö η e r t

. . . γ]νώμα[ις

. . φιλ]οσοφ ΜΕΝ/

Diese recht spärliche Ausheute, die der Papyrae hie jetzt geliefert hat, würde kaum eine umfassendere Wiedergabe der Schriftzeichen rechtfertigen, wenn sich nicht inzwischen ein wei- tererj werthvollerer Bestandtheil jenes Buches gefunden hätte.

In dem Aufsätze "^Deher die Erhaltung und die Be- handlung der herkulanensischen Bollen' (Neue Jahrb. f. d. kl. Alterth. 1900, S. 586) habe ich zwischen den aufge- zogenen, unter Glas gebrachten und den lose übereinander ge- schichteten Papyri unterschieden. In der letzteren Gruppe, deren Inhalt auf über 2000 Blätter geschätzt war, findet sich sehr vieles, was noch nicht abgeschrieben worden ist. Davon mag das Meiste unergiebig sein, bei genauem Zasehen aber darf man damit rechnen, nicht unbedeutende Funde zu machen.

In der ersten Zeit meines Aufenthaltes in Neapel (4. Nov. 1899 1. Juni 1900) verfolgte ich den Plan, von dem ganzen Bestand der entrollten Papyri ein sorgfältiges Yerzeichniss an- zulegen. Nach einigen Monaten indessen zeigte mir die Mn- seumsleitung an, dass sie selber ein neues Yerzeichnfes bearbeiten und herausgeben lassen wollen Das bestimmte mich, von nun an meine Sammelarbeit einzustellen und die Zeit nur noch einigen der wichtigeren Papyri zu widmen. Aber kurz bevor diese Aen- derung meines Arbeitsplanes eintrat, brachte mir der Zufall ein sehr merkwürdiges Stück zu Gesicht. Luigi Gorazza, der selber in früheren Jahren noch nach der Weise der alten disegnatori herkulanensische Schriftreste abgezeichnet, oder besser gesagt, abgemalt hatte denn vom Griechischen verstand er eben ge- rade so viel, um die Buchstaben von einander unterscheiden zu können , beobachtete mit wachsender Aufmerksamkeit, wie schnell ich die Schriftzeichen zu Papier brachte. Er selbst habe, so meinte er, dazu eine zehnmal längere Zeit nöthig gehabt. Es war am 6. Februar 19^0, als er mir erklärte, dass das Museum

^ Das Museo Nazionale hat die Absicht, eine neue Bearbeitung der Papyri vornehmen zu lassen (uoa reorganisazione degli studi de' papiri Ercolanesi), vgl. S. 589 des oben angeführten Aufsatzes. Zum Leiter dieser Arbeiten ist cav. Emidio Martini, der Direktor der Bibliotheca nationale, bestimmt; ein Anfang indessen ist noch nicht gemacht worden.

HerkalaneDsiache Bruchstücke einer Geeehichte des Sokrates usw. 291

gerne ans meiner Arbeitekraft Nutzen ziehen wolle. Er werde mir noch nicht entzifferte Papyri vorlegen, and ich solle eine sorgfältige Abschrift davon dem Papyrnsarchiv hinterlassen. Dann öffnete er den letzten der Papyrusschränke und nahm zwei Käst- chen heraus. In diesen fanden sich die Eeste des Papyrus 558, einer Rolle, die als eine der letzten des ganzen Bestandes, und zwar von L. Corazza selbst, im Jahre 1888 geöffnet worden war. Die Aufrollung war sehr schlecht ausgefallen. Statt langer zu- sammenhängender Blätter konnte Corazza fast nur kleine Stück- chen ablösen, und auch in diesen liefen die einzelnen Lagen durcheinander. Im Ganzen zählte man einen grösseren pezzo und 25 kleine. Eine Durchsicht der Reste belehrte mich nun bald, dass ich den oberen Theil der Rolle vor mir hatte, deren andere Hälfte in dem Papyrus 495 erhalten war. Wie schade, dass ein so wichtiges Stück so zertrümmert vorlag! Und selbst diese we- nigen Trümmer waren so beschaffen, dass man beim Anfassen Gefahr lief, weitere Stückchen von den einzelnen pezzi abzu- lösen, die dann für immer verloren waren. Hingegen war das Vorhandene sehr leicht zu lesen, da die schöne, regelmässige Schrift deutlich von dem Untergrunde abstach.

Zwei Abschriften fertigte ich an, von denen die eine jetzt unter den papiri inediti liegt. Hie und da habe ich einige sovra- posti abgehoben, um die verdeckte Schrift zu lesen. Da aber die Masse sehr spröde war und ich mich beeilen musste, so Hess ich noch manches zu thun übrig, um nicht durch hastige und unvorsichtige Arbeit den Verlust noch grösser zu machen.

In den meisten der folgenden Bruchstücke lässt sich die Ausdehnung der Zeilen nicht bestimmen. Die Punkte an der linken Seite dienen dann dazu, die genaue Stellung der Buch- staben zu bezeichnen. Eine Eigenthümlichkeit der Rolle sei hier noch hervorgehoben : am oberen Rande finden sich nicht geringe Reste von Kapitelüberschriften, vgl. pezzo 4, 8, 11, 12, 17, 26. Diese Ueberschriften, die in der ganzen herkulanensischen Bücher- masse allein stehen, sind für die Feststellung des Inhalts von grösster Wichtigkeit^. Aus ihnen geht mit völliger Sicherheit hervor, dass wir es mit einem βίος Οωκράτους zu thun haben.

^ Die Kapitelanguben sind später hinzugefügt, wie die Verschie- denheit der Schrift darthut. Diese Schrift ist von geringem Umfang, stark nach rechts geneigt und manchmal au die Cursive erinnernd. Oefter findet man auch die Buchstaben untereinander verbunden. Die

292

Crönert

pezzo 1 linke:

rechte:

φησιν Α ΜΗΝΚ/

. . έν ΤΤ€ΐ[ραΐ€Ϊ . . ΠΑΝΑ

ΘΑ

. NATOIN

Τ ΤΗ

μ]€ταλη TÖN

.... Ο]υρα[κοσ

Bovrapoeto linke:

rechte :

ΙΟΙ

HNEC

MAP TOI

Τράίψοντος

' ". . NEN

ού]κουν

pezzo 2 links: rechts:

μήτε ΟΟΠ (Οώπατρος?) .... Ν

Χό". . . ACA οκλής καΡ*

ΟΦ buiKcv Μ

PI ΤΑΜΕΝ

pezzo 3:

sovraposto 1 :

.

. \ΜΑΛΑ

. HCIACQ

ι

5 Ν

ΔΕΙ

QTÖNO

φιλοσ]οφίαι γεν- ηται bia

. Ν

IQNn

.TQN 5 TQNI POCAI

. .

. Ν . C

10 ...

Hand trifft man in den Randbemerkungen zu Philodems Werk ober die akademische Schule wieder (hierüber wird die Ausgabe Meklen das Weitere berichten); sie als manne Philodemi anzusehen, liegt kein Grund vor. Die Rolle 558 bietet das älteste Beispiel von Kapitelüber- schriften in Handschriften; doch wird die Entstehung dieses Bnochet noch in frühere Zeit fallen, wie sich aus den Inhaltsangaben der In• Schriften erkennen lässt, vgl. zB. Inschr. v. Magnesia 98 und 100 aot dem 2. Jhdt. v. Chr. In der Ueberlieferung des Diogenes Laerlio• sind die lemniata sehr häufig ; ihre Herkunft ist unbekannt.

1 Δι]οκλής? Vgl. Diog. II 82.

^ Nur die Grenze der Zeile nach rechts ist gfesicbert.

^ bilä μάλα [πολλής παρ]ρησ{ας ώ[μ(λ€ΐ üsener.

Herkulanensische Brucbstücke einer Geschichte des Sokratcs usw. 293

.... ΑΘΟΡ (oder OY)

. . . .

τήι άφωνίΓαι ώμ]ίλησ€ν (üeener)

sovraposto 2: AI hi μοι περί της ΘΑΜ (oder ΘΑΛ) ^

. . . ICCQ μέγα χω . . . PIA κοσμήσει πα*

. . . TQI άκρ€ΐβέστ€[ρον

5 . . . δ Τ€ ποΐ€Ϊ ΚΑ (es folgt niobt C oder θ)

Ι. . . ΙΥΦΥΙ

pezzo 4: . ΙΝΙΓ

β . ΑΓΟΙ

MENOCEX

. . ΟΤΟ

sovraposto 1: . . . ΛΟΙΠΕ Ι παρά τα .... ΝΕΑΙ . . π]€ρι τής τρ

...... CAC0

soyraposto: 2 T€ τούτο πιθανός (wo ist der Band?)

τ]ής ευστοχίας κα . . ος τής κατά τή[ν . . έστησε ΔΙΥ"

. . . πό του CO (oder CR oder €Ψ)

Oben rechts über dem Scbriftraum findet sich Μ . YO als Rest eine Kapitel-

Überschrift. Doch ist es nicht sicher, ob dies zu sovraposto 2 gehört.

pezzo 5 sottoposto : Tl ΡΓ AN CINA . lEIPY (oder A)

I

pezzo 5:

κ]αΙ ΤΟΥ Μεγα[ρ

Άθηνα»

. καΐ θο[ρικ (?)

. HCX (oder Α oderÄ)

^ Die AusdehnuDg der Zeilen l&sst sich nicht erkennen. In Zeile 2 kann vor CQ nur C oder Ε gestanden haben; die Hasta aber am An- fange rührt wohl von einem Ν her. Diele versucht: (^ηθήσ€τ]αι bi μοι tr€pi τής θαλ[άμης (Grotte), ής] ίσιυ μέγα χώ[μα, τά ή]ρία, κοσμήσει, ird[Xiv έν τρί]τιυι άκρειβέστε[ρον. Vielleicht stamme ήσπερ ίσω μ^ο χιΧιμα und ήρία κοσμήσει aus einem Epigramm, doch sei das Stück in jedem Falle auffällig.

^ KOIM meme Abschrift, doch sieht das C in diesem Papyrus dem I sehr ähnlich, da es in der Hauptsache aus einem langen ge- raden Strich besteht, an den sich oben ein Häkchen ansetzt.

' κ]αϊ ToO [Εύκλεί^ου έγΐ Μεγά[ρων φοιτώντος] *Αθήνα[Σε üeener.

294 Crönert

pezzo 6:

ΠΡ

ι τι

C ΠΑ

Λ ΚΑ

β Λ

sovraposto 1 : 1 ά]νγ€λλον[τ a . . QCIN

8 ^

8 .... PI φύσις ΕΙ . έ]πι τής νυν

10 κ]ατά δέ τήν . αται έν Χ

eovraposto 1:

U ΟΝΗΝ

και Λ

16 και Τ ΗΘΙΑ .

pezzo 7 linke:

ΑΓΕΙ Ψ (oder Φ) 01

έκ€Ϊ]νο 5* emev

ούοετέροις ου

δ ήσαντος >

υτιυν έρασ- )

Δ (oder Ξ) ΟΥΤΟΤΕΜΙ

πά]λιν δταν bi- ^

Ν άπό χωρί[ου

10 ΙΛΑ κτίστη .

*

ΙΛΑ κτ[ίσ-

τ ] ΟΝΟΝΛ .

AMEN '. .

σθαι και υπ .

ΙΟΕΙΙ ..... (ecbräg linke über

pezzo 7 rechts: 10 erscheint ein T)

διάθ[€σι]ν τής

HerkolanenBisohe Brachetücke einer Geschichte des Sokrates usw. 295

HIMI . . . χρήσα[σθαι τήι γρα-

φήι φ[ησιν

Λυσίου (vgl. Diog. Π 40)

6 QCA

άπολ[οτ

Λ

Δ

soTraposto : ΕΤΟΥ_

. CI

pezzo 8: ... τ]€λ6υτή χρήσασθαι

. . των έν αύτώι (nach ΕΝ ist ΟΝ getilgt) . . πολ€ΐτών (vor π sind 5 Bnchet. getilgt) . ή]ί)υνάτησαν τ€>

. . Οάτυρος^ 5' 6 Καλλα- τιανός φησι]ν τώι Οιυκρά-

τ€ΐ ] TTOAAC άωρου (auch TOAAC ist möglich)

. προβολήν

' ΟΥ . και τά τών

10 ων τόν Οιυκρά-

τη ] . ΒΗ /

Ι Ι Α άτητο[ς ..]!..

. .

""Α έπιπρα

.... έτ]κληματ

15 αΙτίας

Am oheren Rande steht ICI . KPAT, etwa τ€λ6υτ]ή Οιυκρά-

τ[ους. Von der sich rechts anschliessenden Colnmne ist nar der Anfangshnchstahe der 4. Zeile, T, erhalten, sovraposto: 9 OY

10 όπως" pezzo 9 sottoposto: i . . xP

2 συ]ναθρο{σ[ας

8 . . tqnt'

4 . . . . EAEP

Von diesen Zeilen ist 7 Φ die Ausdehnung unbe- T[ αύ-

1 Die Heimat dee Peripatetikers (vgl. über ihn FHG. ΙΠ 159— 164, Susemihl I 498) war bislang unbekannt. Das 11. Bruchstück bei Müller handelt von den Frauen des Sokrates, das 12. von Flaton. Es ist recht ärgerlich, dass sich die neue Stelle so schwer Tentehen läset.

39β Crönert

kannt; die folgenden τάρκη[ς Stücke stammen vom lo TA linken Rande. . I

αλλά κ[αΙ

ONT

ΘΥ" pezso 9 : έν τώι] πρώτιυι ι διατριβών

τόν Λοκρόν* Ε ΜΙ

ΤΟΝ Γ

«ΟΝ

peszo 10: ι έ]ξ 'Άκαοη[με(ας

ΤΤλάηυνι YC τών' ΤΟ pezzo 11: ΩΝ ...

Ν. . . .

-ΟΝ . . .

έν τώι έ]κκα[ι]ί)ε-

5 κάτιυι φησι τόν Δημή]τριον * Πλάτω- ν 1 ΠΛ .

ΕΝ

QN

10 IN

PQ

έκ€1

\Ε>

BovrapoBto: τό]ρας' 6' έν τώι ΜΕ

ΝΤΟΙΛΕΥΤΕ* ΤΟ

Υ πώρρω bi- Χ

1 All . ACEAE .

5 "

ΚΛ Κ

lieber der linken Seite findet sicli die Eapitelangabe : C . ΜΑΘΗ . AI, also Οωκράτου]ς μαθη[τ]αί.

* Vielleicht Τίμαιον, da pezzo 10 von Piaton die Rede ist (Diels). 2 τόν Φαληρέα (έν τήι Οιυκράτους άπολογίαι Diog. IX 15 u. 57)? Aach etwa Μητ]ρας wäre möglich.

* ΤΟΙΛΕΥΤΕ hat der Schreiber nachträ^jlich durch Striche getilgt.

Herkalanensisohe ßrachBiücke einer Geechichte des Sokratee ubw. 297

5 .

10

pezzo 13: i

pezso 12 (die Grenzen der Zeilen steben nicht fest):

AN^ δίπλωση /. NON ποι

~PA πηλόν 6l[v]oi . HNIQ κ[αη Τ

«

. έπιίητο[υ

. ν]ύΕΪν(?) . ΤΙ « . . NACAEI . "ANTQN . . . 6ιητ . . . αύτ

Dazu kommt über dem Scbriftraum die Ueberscbrift: απο- φθέγματα Οιυκράτ[ους.

eovapoeto: i APAICC θρδττ[α

NANTOC bi •Ατ[τικ(?)«

. ΝΕΤΟ κοί Κ (vor ΤΟ ein Κ getilgt) ί . . . . ΤΟΥ

ΝΤΟ . . . . C

. NQN ..... -ΟΕΦΙΘΝ

. ΙΚΑ CEINENI

ί CAPn Ν

ρβζζο 14: 1 ιυν b' άπό τ[οΟ] λαλο[υντος

(das zweite Λ aus Β yerbessert) . σ]υντρίβουσα (Xanthippe?) TTQ

ΤΕΥΤΤΟ"

TTAC . \9 6 /τα . ΝΛΑ ρβζζο 15 linke: ι τή]ν Άσίαv^ ΤΤλά-

τιυνα b' εΙς Οκ€]λίαν [π]λευ- (βο üsener)

σαι '. ότΊΥ . ΩΔΕ*

: ... ΜΕ

^ χλαΐν]αν? Das τρίβωνα διπλοΟν wird bei Diogenes dem Eyniker erwähnt, Diog. VI 22.

' Ist die Stelle etwa mit Diog. II 31 : είπόντος γοΟν τίνος αύτώι ώς €Τη *Αντισθ^ς μητρός θράιττης, σύ δ' ώιου, ?φη, οοτως άν γ€ν- ναΐον έκ δυοΐν 'Αθηναίων γενέσθαι; (vgl. VI 1) zu verbinden?

Etwa Ξενοφώντα μέν €ΐς τή]ν Άσίαν (Usener).

* Πυ[θ]ώδ€ entweder von Sokrates (Diog. II 23) oder von Xeno- phon (Anab. III le) gesagt (Utener).

298 Cronert

rechte: i YCME

πρίν

5 ΙΑΓΕ

I προσ εΤπε pezzo 16: ι σ]οφώτατον ΕΡΕ*

. . . ΟΦΑΙ τους

Τά]ρ Τρά[φ6ΐ

ρβιζο 17: 1 NC . CYfEN . .ACK

. . . ΟΤΙΔ Darüber am Bande HMATA (διητ]ήματο Diele)

eottoposto: davon ist nur die Kapitelüberschrift bis jetzt gelesen:

' Οωκράτης. pezzo 18: i ύμεΐς καΐ

"EINAT pezzo 19: i ANT/

pezzo 20: i biJaXu€[i

pezzo 21 25: fast ganz unergiebig

pezzo 26: i l- τόν Λέριον

a . ΞΕΟΝ

8 ... Μ

und an anderer Stelle: β . . ΚΑ

Λ MIKHI

μητρός

9 bia]Xu€i

Am oberen Rande die Zeichen : TOTOM (oder TOYOM).

*

Die letzten Windungen des Papyrus sind noch nicht auf- gerollt, so dass demnach der Titel des Werkes vielleicht noch wiedergewonnen werden kann. Vor allen Dingen möchte man gerne den Verfasser wissen. Die Hiate τήι αςχυνίαι pap. 495 pezzo 3 und pap. 558 pezzo 3, στρατευσαμένω[ι εΙς (dies ist

sicher) pap. 495 pezzo 10, τωι άκρειβέ(Ττερον pap. 558 pezzo 3 sprechen, so scheint es, gegen Philodem, und man darf darauf aufmerksam machen, dass vier Verstösse gegen die wohlklingende

* xiva öv λέγοι σ]οφώτατον έρέ[σθαι, vgl. Diog. II 37(?). ' Vor Τ stand wohl ein N; Φ€ρ€κύδη]ν τ. Λ. Diele.

Herkalanensische Bruchstücke einer Geschichte des Sokrates usw. 299

Wortfolge bei dem kleinen Eanm, den die Reste einnehmen, um so mehr ins Gewicht fallen, als die umfänglichen Schriften Phi- lodems über die akademische und die stoische Schule nur sehr wenige Hiate zeigen. Auf der andern Seite indessen weiss man kein besseres Werk, dem man pap. 495 und 558 zutheilen könnte, als die (Τυντα^ις φιλθ(ΤΟφιυν des Oadareners. Denn dass dieses grosse Werk in den herkulanensischen Bollen yorhanden gewesen sein muss, wird immer klarer. Kleinere, noch unbekannte Bruch- stücke, darunter ein Papyrus, der die Geschichte der Epikureer wiederzugeben scheint, sollen demnächst vorgelegt werden.

Hätten wir das Buch, dessen geringe Ueberbleibsel eben aufgezählt worden sind, vollständig, wir gäben gerne ein ganzes Dutzend moralischer Abhandlungen des Philodem dafür! Doch wir haben gegründete Hoffnung, dass sich jene Ueberbleibsel noch um wichtige Stücke vermehren lassen. Es ist darum in der Ordnung, dass das, was noch geleistet werden kann, hier scharf bezeichnet werde.

1) Der Papyrus 558 ist dergestalt aufgerollt, dass an vielen Stellen zwei oder drei Lagen übereinander gerathen sind. Ein gut Theil der sottoposti habe ich schon gelesen; vieles bleibt noch aufzudecken, da, wie ich bemerkte, ich mich scheuen mnsste, die Arbeit zu überstürzen. Es muss dann auch festge- stellt werden, in welchem Zusammenhang die einzelnen pezzi stehen. Es ist bis jetzt noch nicht gelungen, Stücke des einen pezzo mit dem eines andern zu verbinden. Endlich ist auch der Titel noch zu ersohliessen.

2) Die aufgerollten Theile des Papyrus 495 sind in viel schlechterer Verfassung als die Reste der oberen Hälfte. Einmal haben die zusammenhängenden Stücke geringeren Umfang, und dann sind die einzelnen Columnen schwer auseinanderzuhalten. Aber Geduld und Sorgfalt muss auch hier den Sieg davon tragen, und man darf nicht eher ruhen, als bis man den letzten Buch- staben erschlossen und genau in die zugehörige Golumne unter- gebracht hat. Ich glaube, dass dann der Papyrus 495 wohl noch einmal soviel bieten wird als heute.

3) Am Meisten ist noch von dem noch nicht aufgelösten Rollentheile zu erhoffen. Ich vermuthe, dass darin die Reste von mindestens 8—10 Columnen verborgen sind. Nun ist es aber leider vorläufig mit dem Aufrollen herkulanensischer Papyri schlecht bestellt. Die Kunst der Neapolitaner hat sich erschöpft; sie ist immer die nämliche gewesen und hat nur an den Rollen

300 Crönert Herkulanensische Bruchstücke usw.

Ereprieesliches geleistet, deren Lagen elastisch und leicht löelicli waren. Eine neue Kunst zu suchen, war man noch im Anfang des vergangenen Jahrhunderts eifrig bestrebt. Dann erlahmte der Eifer, da man doch immer nur Brocken erhielt, und weil man sich nicht dazu verstand, die Aufmerksamkeit der techni- schen Wissenschaften auf die Reste hinzulenken, so hat man immer seltener die J^Ösung der schweren Aufgabe versucht. Zwar hat einst der grosse Chemiker Liebig nach vielen Mühen einen Papyrus zum Zwecke eines AufroUungsversuches erhalten, von einem Erfolge aber wird nichts gemeldet. Soll man darum mehrere hundert ungelöster Papyri aufgeben? Es ist doch besser, man giebt noch ein paar Dutzend Bollen zu Untersuchungen hin, als dass nun der stattliche Rest der schönen Sammlung langsam zerfällt und vermodert. Augenblicklich ißt die Zeit nicht un- günstig: seit cav. Emidio Martini den Auftrag erhalten hat, die Papyri von Neuem zu ordnen und zu untersuchen, wissen wir, dass der herkulanensische Schatz in gute Hände gelegt ist. Möge die Zeit nicht ohne fruchtbringende Versuche dahingehen!

Ist dann auch der Rest der Rolle 495 dem Auge geöffnet, dann wird, nachdem die Schriftzeichen aufgenommen worden sind, der Versuch gemacht werden müssen, die getrennten Hälften wieder zusammenzufügen. Ein wenig lässt sich schon heute ver- binden^, aber ohne erheblichen Nutzen. Bis jetzt erkennt man soviel, dass in der Schrift, die etwa περί Οωκράτους oder περί τής Οωκράτους αίρέσειυς betitelt gewesen sein mag, die Schil- derung des Lebenslaufes die Hauptsache war. Angegliedert wur- den, wie auch in der Geschichte der Stoiker, Anekdoten (περί Οιυκράτους οιητ]ήματα(?) Pap. 558 pezzo 17) und bemerkene- werthe Aussprüche (αποφθέγματα Οωκράτ[ους pezzo 12). Von Quellen werden genannt Satyros (Pap. 558 p. 8), dessen Vater- stadt durch diese Anführung jetzt bekannt ist, und wohl noch Hermippos (Pap. 495 p. 3 und p. 9), Diokles (Pap. 558 p. 2) und Demetrios der Peripatetiker (p. 11); dazu kommen noch zahl- reiche namenlose Spuren. Eine Benutzung der Hauptquelle für Philodems Geschichte der Akademiker, der Chronika des Apollo- doros von Athen, lässt sich bis jetzt noch nicht feststellen.

Bonn. Wilhelm Crönert.

^ τήι άφιυνίαι pap. 495 pezzo 3 und pag. 558 pezzo 3 (hier ver- muthet Diele eine Doablette); pap. 495 pezzo 10 und pap. 558 pezzo 15, wo ebenfalle die Worte Tncrkwürdig übereinstimmen.

LAENDLICHES LEBEN BEI HOMER UND IM DEUTSCHEN MITTELALTER

In Homere Beschreibung vom Schild des Achilles, jenem antiken *Lied von der Glocke\ haben in letzter Zeit besonders die ländlichen Scenen die Aufmerksamkeit der Philologen und Historiker erregt^. Das hat seinen Grund darin, dass heute auch bei der Erforschung der Geschichte des Alterthums die wirthschaftlichen und socialen Momente in den Vordergrund treten und dazu reizen, aus jenen lebensvollen Schilderungen des Epos eine Anschauung von den Zuständen des sog. hellenischen Mittel- alters zu gewinnen. Dürftig genug ist freilich jene Quelle trotz der Frische des Details, und länget hat man die vergleichende Betrachtung ähnlicher Erscheinungen und Entwicklungen bei an- dern Völkern als ein Ersatzmittel angewandt, um auf viele un- gelöste Fragen eine Antwort zu erhalten. In Bezug auf die An- fänge des griechischen Staates sagt E. Meyer Gesch. d. Alt. Π 81 Anm. : 'Ohne die Analogie, welche vor allem die germa- nische und die semitische Entwicklung bietet, würde der Ver- such [jene Anfänge zu schildern] undurchführbar sein . Ich war nicht wenig überrascht, jüngst in Weisthümern des rheinischen Mittelalters auffallende Aehnlichkeiten zu den ländlichen Zustän- den bei Homer zu finden. Ihre Kenntniss verdanke ich in erster Linie dem interessanten Aufsatz von K. Lamprecht: Ländliches Dasein im 14. und 15. Jahrhundert, Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst VIII (1889) 189—210.

Auf dem dritten Kreis des Prachtschildes für Achilles bildet Hephaistos drei Scenen aus dem Landleben, zunächst die Pflüger

* E. Meyer, Geschichte des Alterthums II öfter. R. Poehl- mann, Aue Alterthura und Gegenwart. (IV. Die Feldgemeinschaft bei Homer. V. Aus dem helleDischen Mittelalter.) W. Reichel, Home- riv5he Waffen 2 p. 152 ff. C. Hentze, Zur Darstellung des Land- lebens auf dem AchinesecbildeC541-r)72. Philologus LX (1901) 502 ff.

302 S i e b ο ο r g

bei der Arbeit^. Dargestellt ist ein weites Ackerfeld, dessen fetter Boden dreimal umgewendet und dadurch locker und weich wird 2. Viele Pflüger, von denen jedem wohl ein Theil, ein Ge- wann des grossen Ackerfeldes zugewiesen ist, ziehen ihre Furchen auf und ab (543 ένθα και ίνθα). am Anfang wie am £nde den Pflug wendend, so dass da immer eine halbkreisförmige Bewegung

^ Bei der ziemlich vernachlässigten Interpretation dieser wie der beiden folgenden Stellen gebe ich eine Paraphrase und begründe das einzelne in den Anmerkungen.

2 C 541 ή νειός wird durchweg in Wörterbüchern und Commen- taren unter Ergänzung von γή mit Neuland^ Neubrucht Brache wieder- gegeben, und Brache, novale, heisst es auch späterhin. Aber nach W. Schulze, Kuhns Ztschr. 27 (1885), 603 f. hat ή ν€ΐός etymologisch nichts mit νέος zu thun; es bedeutet vielmehr ganz allgemein l'eZd, Flur und gehört zu slav. nit>a (aus *neit?a) Feld, Flur, Der wurzel- hafte Bestandtheil v€i- kehrt wieder in νειόθεν έκ κραΜηο Κ 10 νειόθι λίμνηο Φ 317, veiaipa γαοτήρ Ε 539 ua.; er bezeichnet das tief unten gelegene, νειός ist also die für das Ackerland besonders in Betracht kommende Niederung des Thaies und der Ebene im Gegen- satz zu den 'Höhen* der Berge. Entscheidend ist für mich, dass an Bämmtlichen Homerstellen (K 353, Ν 703, C 541, 547, 127, θ 124, ν 31) die Bedeutung Neubruchy Brache nicht gefordert wird, dagegen Feld gut passt; sodann müsste es doch wohl bei Gleichheit mit νέος ή νειά sc. γή heissen; vgl. ή οΙκουμένη, ή *Αττική, ή έσχαητί. τρί- πολος, dreimal gepflügt heisst das Feld 542, ebenso ε 127 und dar- nach Hesiod. Theog. 971. Ameis-Hentze bemerkt dazu in Ueberein- Stimmung mit andern: 'Man pflegte das Brachfeld dreimal zu pflügen, im Frühling, im Sommer und im Herbst unmittelbar vor dem Säen*. In diesem Sinne hätte das Wort hier gar keinen Zweck. Der Künstler stellt vielmehr einen Theil des Feldes in dem durch dreimaliges Pflügen er- reichten lockeren (μαλακήν 541) Zustand der Krume dar. Mit dem andern Theil ist der Pflüger beschäftigt. Vs. 547 heisst die νειός βαθεΐα, das ergänzt εύρεΐα 542. Das Feld ist breit und tief in der Ausdehnung. So redet der Grieche von dem βάθος τής Φάλαγγος, wir von der Tiefe eines Hauses. Homer Τ 490 βαθέ' δγκεα οορεος, βαθεΐα ύλη. Β 91 die Griechen kommen νεών άπό καΐ κλιοιάων | ήιόνος προ- πάροιθε βαθείης, wo Ameis-Hentze mit Hinweis auf βαθύς κόλπος 560 tief gebuchtetes Ufer übersetzt. Die Küste des Hellespont bei Ilios ist aber nicht eingebuchtet, sondern ziemlich grade, flach und sandig, und nur auf einem breiten, tiefen Strand hatte das Lager Raum. Der Dichter kennt die Gegend genau. Ich gebe übrigens zu, dass an unsrer Stelle νειός βαθεΐα auch auf die Tiefe der Krume, der Humus- schicht gehen kann. Die Verbindung mit τέλοόν und die Ergänzung in εύρεΐα l'asst mich die andre Bedeutung vorziehen.

Ländliches Leben bei Homer und im deatschen Mittelalter 303

entetebt (543 οινεύοντες). Jedesmal wenn sie am Ende das Oe- spann umgelenkt haben (544 οτρέψαντες) und dann an den Aus- gangspunkt, an den Weg zurückgekommen sind, dann tritt ein Mann heran und reicht dem von der Sonne und der schweren Arbeit durstig gewordenen einen Becher Weins. Dann geht es wieder herauf (546 άν' δγμους) zum andern Ende ^.

541 έν 5' έτίθει νειόν μαλακήν, πίειραν δρουραν, εύρεϊαν τρίπολον* πολλοί 5' άροτήρες έν αυτή ίεύγεα δινεύοντες έλάοτρεον ϊνθα καΐ ϊνθα. ο\ V οπότε οτρέψαντες ικοίατο τίλοον άρούρηο,

545 τοϊοι b' ϊπειτ' έν χέρα binoic μελιηδίος οϊνου δόοκεν άνήρ επιών τοι bfe στρίψαοκον άν' δγμους Ιέμενοι νειοΐο βαθείηο τέλοον Ικ&θαι.

Dass auch heute noch der griechische Bauer bei der Feldarbeit mit Wein sich stärkt, sah ich vor drei Jahren, als wir zu meh- reren Beisegefährten in der Umgebung von Athen das Kuppel- grab von Menidhi suchten und nicht finden konnten: wir wandten uns an einen im Felde grabenden Mann ; aber ehe er uns Ant- wort gab, reichte er uns zum W^illkomm die grosse, mit Rhezinat geflillte Flasche. Immerhin schien es mir doch stets merk- würdig, dass jenen homerischen Pfliigern nach einem Herauf und Herunter allemal ein Becher gereicht wurde, bis ich bei Lamp- recht aaO. S. 203 Folgendes las: ^Bei der Landarbeit wurde gar viel getrunken.' Zum Beweis citirt er ein Weisthum von Menz- weiler aus dem Jahre 1429, das ich hier nach Lamprechts Wirth- schaftsleben I 556 im Original mit den nöthigen Erläuterungen^ wiedergebe.

der selb armmann^ soll den Herren einen tag achten^ und soll man ime und seinen pf erden und knechten gütlich tun; und demselben ackerman soll man stellen einen eimer voll wins uf

^ 546 Tol bi sind natürlich die eben durch einen Trunk erquickten, nicht 'andere*, wie Ameis-Hentze meint. Das Feld hat, wie jedes Ding, zwei Enden, t^Xcov άρούρης. 544 ist der Ausgangspunkt, 547 das entgegengesetzte Ende gemeint.

^ In den das Mittelalter betreffenden Dingen hat mir mein Col- lege Dr. P. Eschbach seine sachkundige Hilfe geliehen.

^ Der arme Mann ist der Hörige, der frohnpflichtige Bauer, der fröndefy wie es unten p. 307 heisst: er hat selbst hier Pferd und Knecht.

* achten, richtiger arten = pflügen.

2f04 Siebourg

iklich angewande^ und einen wiesen^ hecher άαήη^ wem es itne und seinem knecht noU^ ist, dafs sie drinken.

Hier steht also sogar an beiden Schmalseiten des (je- wanns ein Trank bereit. Und wie hier der Aekersmann und seine Knechte nur trinken, wenns sie dürstet, so wirds in der homerischen Scene auch aufzufassen sein. In der dem Dichter Torschwebenden plastischen Gestaltnng war an einer Stelle jener Moment abgebildet, wo einem der vielen Pflüger der Schenk am Weg den Becher reicht. Wer wollte, konnte hier trinken, an- geboten wnrde es ihm stets. Poehlmann^ meint irrig, der Trunk sei dazu da, um zu lebhaftem Wetteifer anzuspornen ; Speise und Trank bilden den Lohn des Feldarbeiters in der Zeit der Natural- wirthschaft, Beschaffenheit und Umfang desselben werden oft ge- nug in den deutschen Weisthümem aufs genaueste festgesetzt^

Das £ssen spielt denn auch eine wichtige Rolle in der zweiten Scene bei Homer. Mäher und Garbenbinder, letztere von anreichenden Knaben unterstützt, sind auf einem τέμενος βαθυ- λήιον an der Arbeitt Der βαοιλεύς steht bei ihnen, auf den Stab gestutzt, stille Freude ob des Erntesegens lagert auf seinem Antlitz (ciunrfl, γηθόουνος κήρ). Im Hintergrund (άπάνευθεν 558) schlachten Herolde unter einer Eiche einen grossen Ochsen, und Mägde mengen den Brei zum Brod- oder Kuchenbacken ^ : sie bereiten das Essen für die Arbeitsleute.

556 βααλεύς b' έν TOici οιωττή

οκήπρον ϊχων έοτήκει έπ' δγμου γηθόουνος κήρ. κήρυκες b' άπάνευθεν υπό δρυΐ δαϊτα πένοντο, βουν 5* Ιερεύεαντες μέγαν δμφεπον α\ hk γυναίκες δεϊπνον έρίθοιοιν λεύκ' άλφιτα πολλά πάλυνον.

1 Απ jeder Umwendestelle. Lexer, Mittelhochd. Wörterbuch hat die Form anwande.

« Weieeen. » Noth thut. * aaO. p. 125.

ß Lamprecht WZ 8, 204. S. u. p. 305.

® Auch hier ist der Ausdruck wieder im einzelnen sehr genau und plastisch anschaulich. Da die Mäher mit Sicheln (δρεπάναις 551) arbeiten, so fassen sie mit der linken so viel, wie in die Hand geht: das sind die αράγματα 552. Von den Knaben heisst es 555, dass sie erst die Hand voll Aehren nehmen» ^ραγμεύοντες, diese dann auf den linken Ellbogen legen, έν άγκαλίδεςςι φέροντες, offenbar bis er voll ist und das dann dem Garbenbinder reichen, άοπερχές παρέχον.

"^ Autlers kann ich das λεύκ^ δλψιτα πολλά πάλυνον 560 nicht verstehen.

Ländliches Leben bei Üomer uud im deutscheu Mittelalter 305

Damit vergleiche man nun die eingehenden Bestimmungen, die ein Weisthum von Schönfeie in Luxemburg^ aus dem J. 1682 über das Essen der Frohnarbeiter trifft.

§ 7. It(em) ein jeder vogtey oder untertha/n wie abstehet ist schuldig zu heu und haber mefien^ einen meder^ dahin zu steUefiy demselben ist der herr schuldig am morgen eine mütsch^ und ein stück käsz, zu mittag speck und erbesz, dergleichen eine suppe und brod genug zu selben imbis und zu abend ein mütsch^ wie zu mor- gen^ doch kein käsz,

§ 8. It, wan die frohnder kohren* schneiden, heu, haber, wielkohren^ aufheben oder hausten^, gibt man Urnen mit ein mittags mafUzeitj erbes oder ander speis, supp und über den andern tag ein siil'k specks, und da man kein speck gibt, speist man ander drcyerley speisz^ und jeder frohnder täglich zwo mütschen, wie abstehet .... Dann wird sogar die Grösse der Mütschen genau angegeben.

§ 9. IL wan sie heu einführen und ein gantzen tag fahren, gibt man ihnen drey mafil ein hausmannskosten und kein mütsch.

Zum Essen und Trinken gehört Musik und Gesang: τα γάρ τ' αναθήματα οαιτός. Sie finden wir in der dritten Scene bei der Weinlese. Nur ein schmaler Pfad führt zu dem Weingarten "^ hin. Darauf sind fröhliche Mädchen und Jünglinge dargestellt, die in Körben die köstliche Frucht heimtragen, die sie selbst ge- lesen haben. Denn die Winzer bringen nach 566 allemal die Trauben, die sie lesen, selbst zur Kelter. Mitten unter der lustigen Schaar spielt ein Knabe liebreizend die Laute und singt dazu mit feiner^ Stimme den Linos. Die Winzer und Winze- rinnen klatschen mit den Händen im Takt^, mehr hüpfend als

1 Hardt, Luxemburger Weisthümer p. (370 ί.\

2 meder =: Mäher.

3 mütech = eine Art kleinen Brodes. Grimm Deutsches Wörterb. * = Korn. δ Welche Art Korn gemeint ist, vermag ich nicht

zu eruiren. Ob die Lesung richtig ist?

® hausten = in Haufen setzen. Weigand, Deutsches Wörter- buch^ s. V,

'* 5G5 έτΓ* αυτήν. Falsch Ameis-Hentze mit andern: 'über, d. i. durch ihn selbst hin, den Weingarten im Gegensatz zu dem umgeben- den Graben und Zaun.*

^ λ€πταλέη φωνή 571; sie hat noch nicht mutirt,

^ Μ^^οντβς άμαρτή 571. üeber M^^^ theilt mir F. Solmsen, der demnächst in anderm Zusammenhang eingehender über die Geschichte Bhein. Mos. f. PhUoi. N. F. LVII. 20

30f) Sieboarg

gehend ziehen sie daher (572 ποα οκοίροντβς ϊποντο) und singen den Refrain, der in Juchzen und Jodeln aueklingt (572 μολπή τ' Ιυγμψ τε). Wenn sie ihre letzten Körbe abgeliefert haben, wird der Knabe ihnen zum Tanze aufspielen.

565. μία b' οϊη άταρπιτός ήβν έπ' αυτήν,

τή viccovTo φορήες, δτ€ τρυγόψεν άλιυήν. παρθενικά! οέ και ήίθεοι άταλά φρονίοντες πλεκτοΐς έν ταλάροιοι φίρον μελιηοία καρπόν. TOiciv b' έν μέ€€οκι παις φόρμιγγι λιγείη

570 Ιμ€ρΟ€ν κιθάριίε, λίνον b' υπό καλόν äeibev λεπταλέη φωνή* τοι bfc ^ήοοοντες άμαρτή μολπή τ' Ιυγμψ τ€ ποα οκαίροντες ϊποντο.

An diese muntere Scene erinnert eine Bestimmung im Men- chinger Vogtsrecht von 1441^. Die zum Rechen verpflichteten Leute versammeln sich im Amthof auf ein Glockenzeichen; ^ die sollen dann, so man leutety in den Amthof kommen, und mit einem Pfeifer^ voraushin pfeifen lassen um auf die vorgenante mad, und des abends soll er in wieder heim lassen pfeifen \ Man sieht, wie der Gutsherr bedacht ist, den Arbeitern das Unangenehme

des Verbums und seiner wirklichen und vermeintlichen Angehörigen za handeln beabsichtigt, mit, dase es nicht, wie Wörterbücher, Gram- matiken, Commentare immer noch anzugeben pflegen, mit ^ήγυυμι zerbreche^ zerreisse zusammenhängt. Vielmehr bedeutet es schlafe, schmettere^ werfe, stürze (trans. und intrans. wie βάλλω) und ist iden- tisch mit attisch ^άττω, gemeingriech. ^dccui. Dessen α setzt man als Kürze an, es spricht aber alles dafür, dass es lang ist und beide Formen sich nicht anders zu einander verhalten wie die derselben Wurzel entstammenden att. ^αχ{α und iun. ^ηχ(η Brandung di. das Schlagen, Schmettern der Meereswogen. Ausserhalb des Griechischen erscheint die Wurzel ^αχ in slav. razu 'Schlag*, raziti 'schlagen mit ζ =s ,idg. gh (s. Έ. Liden, Ein baltisch-slavisches Anlautgesetz. Göteborgs Högskolas Ärsskrift 1899 IV S. 25). Wer das Wort in der Homer- stelle, wie es durchweg geschieht, mit stampfen übersetzt, und durch ποα ςκαίροντ€ς näher ausführen läset, der macht m. E. den so vor- trefflich beschreibenden Dichter zu einem schlechten Stilisten. Da die Füsse 572 genannt sind, so bleiben für ^ής€οντ€ς άμαρτί) nur die Hände. Die Korbe haben die Winzer auf dem Rücken. Anders ist es bei Apoll. Rhod. 1, 536 fif., der ausdrücklich πέδον ^ήα€ΐν κραιπνοΪ€ΐ rtöbeccx sagt.

^ J. Grimm, Rechtsalterthümer^ 395.

^ Der 'Pfeiff'er' ist der Musikant mit beliebigem Instrument, da- her 'pfeifen' = aufspielen.

Ländliches Leben bei Homer und im deatschen Mittelalter 307

des Dienstes zu mildern nnd den Müden am Abend den Heim- weg zu kürzen. Wie fröblicb ziebn unsre Soldaten selbst naeb anstrengendem Marsch einher, wenn die Mnsik einsetzt. Weiter gehen die Anordnungen eines Weisthums von Lindscheid im Taunus aus dem 17. Jahrhundert^: "die iunckern sollen ein pfeyfer Jutben, der den schnitto-n pfeyfe, und wann die sonne noch baums hoch stehet, so sollen sie dantzen, bis es nacht wird, und soll ihnen kost geben, die da gut und gesund sey und auch trinken, das da gut und gesund sey, das niemand darvon schwach oder ungesund werde.^ In einem Weisthum von Schönfels ^ (Luxemburg, Mersch) aus dem Jahre 1682 heisst es im §11: Es seyn auch dieseJbige Bollinger^ schuldig in obgemelter wies oder brüll* fünf meder zu stellen, une auch fünf persohnen zu hausten, den welchen niederen und haiw steren der herr den kosten^ wie denen zu Schanfels schuldig ist. Und wan die frönder^ denselben brühl oder wies zu Morsch'' hausten oder uffheben^, ist der meyer^ zu Schönfels schuldig ein sackpfeiffer oder sonst ein pfeiffer dahin z^ stellen, dem der herr zu Schönfels die kosten zu geben Schuldig. Ab- gesehen von dem Pfeifer wird jedem auch die Analogie der zweiten homerischen Scene mit ihren Mähern und Garbenbindern auffallen.

Die bemerkenswerthen Uebereinstimmungen, die nach dem Vorstehenden zwischen den ländlichen Zuständen des griechischen und deutschen Mittelalters obwalten, werden geeignet sein, das Yerständniss der Homerstellen zu fordern. Es ist schon von andern hervorgehoben worden, dass das Königthum mit seinen beiden Hauptbefugnissen, der Rechtsprechung und Heerführung, darin nicht vorkommt. Das Recht wird vor einem Schiedsrichter, dem Wisser icxujp 501 und den γέροντες gesucht, dem Heer schreiten Ares und Athene voran. Wenn daher V. 556 der βαοιλεύς erwähnt wird, der auf den Stab gestützt still vergnügt

1 Lamprecht Westd. Zeitschr. 8, 194. Grimm, Weisthümer IV S. 576 § 5. Bücher, Arbeit und Rhythmus^ p. 289.

2 Hardt, Luxemburger Weisthümer p. 671. ^ Die Bauern von Rollingen bei Mersch.

^ brüll, unten brühl, ist eine sumpfige Wiese, ein Bruch. ^ Die Kost, die Speise.

® Frohnpflichtige Bauern, Hörige. ' Mersch in Luxemburg.

8 η/Ριώβη = aufladen. ® Der meyer ist der Guts Verwalter.

^^ Im deutschen Mittelalter heissen die Rechtskundigen viri pru- dentes. Unser WeiMhum ist mit tcTUjp gleichen Namens.

308 Sicboarg

am £niteeegeii eioh weidet, so wird dae der adlige Grundherr sein. ^ Der Titel des Herreohers (ΡάναΕ, βασιλεύς) geht auf alle Adligen über, welche im Rath sitzen oder ein Amt bekleiden^'. 'Wie kleine Könige sitzen die Groeegrundbesitzer anf ihrem Hof'. Jene Auffassung findet eine Stütze in den Analogieen unserer Weisthttmer. Der βααλεύς entspricht dem Herrn, dem Janker. Man braucht sich nicht zu wundern, dass er in der ersten und dritten Soene fehlt und nur bei der £mte auftritt. Auch das Essen, Trinken und Singen hat der Dichter auf die drei Scenen yertheilt. Es wird uns eine grosse Gutswirthschaft in den ver- schiedensten Stadien vorgeführt : dem βαοιλεύς gehört das Pflug- land so gut, wie das Getreidefeld und der Weingarten; Herden und Weide fehlen nicht (C 572—589). Auch auf die Vertreter der arbeitenden Klasse fällt durch unsre Weisthümer Licht. Diese scheiden sich bei Homer deutlich in zwei Gruppen. Zu der einen gehören die Pflüger (542 άροτήρ€ς), Mäher (551 ; Λ 67 άμητήρες), Garbenbin(^r (554 άμαλλοΟ€τήρ€ς) mit den Knaben, .die Mäd- chen und Jünglinge im Weingarten (567 παρθενικά! και ήΐθεοι). Die andere Gruppe bilden der Schenk (546), die κήρυκες (Frohn- boten) und γυναίκες, die für das Essen sorgen (558 ff.), un4 der Knabe, der spielt und singt, der Pfeifer (569). Diese letzteren alle, die keine Feldarbeit verrichten, sondern die Menschen be- dienen, sind wohl das Ingesinde des Herrenhauses, die ομαιες, Enechte und Mägde ^. Die eigentlichen Feldarbeiter heissen 550 ίριθοι. Ueber die Etymologie des Wortes theilt mir F. Solmsen freundlichst Folgendes mit: £-ρϊθ-ος ^Arbeiter, Lobnarbeiter' zo aind. rädh-ycUi ^ macht fertig, bringt zu stände, gewinnt', rädh- ayati * bringt zu stände, befriedigt'; avest. rää-aiti ^ macht zu- recht ; serbisch räd * Arbeit' rad-iti 'arbeiten*. Das έ ist pro- thetisch, wie fast alle ursprünglich mit r- anlautenden Wörter einen protbetischen Vokal entwickelt haben, das Τ neben dem ü der andern Sprachen erklärt sich aus alten Ablautverbaltnissen. Vgl. aeol. ττώνω zu gemeingr. ττίνω*.'

Die so gewonnene Bedeutung 'Arbeiter berechtigt uns m. £. unter den ίριθοι 550, 560, wenn auch das Wort zunächst

1 E. Meyer, GdA. II 379. Er meint, der Dichter des Schildes werde schwerlich nach dem 8. Jahrb. gelebt haben.

« Ebend. p. 307.

^ π 140 Laertes μβτά δμώων έπΙ οίκψ irtvc καΐ ήςθ*.

^ Bezzenberger ßezz. Beitr. 4, 327. Wackernagel, Altind. Gramm. 1, 105.

Ländliofaes Leben bei Homer und im deatschen Mittelalter 309

nar von den Mähern und Bindern gebraucht wird, alle jene Feld- arbeiter zu veretehen, aleo auch die Pflüger und Winzer. Die ganze Situation und die Analogie unsrer Weisthümer erlauben uns aber wohl noch etwas weiter zu gehen. Eretlioh sind da- runter eicher nicht die freien Bauern eines Dorfes zu verstehen, die etwa auf der gemeinsamen Feldilur ackern. Dagegen spricht, wie schon Poehlmann ^ hervorhebt, der βααλ€ύς in der zweiten iScene, der sich als tüchtiger Gutsbesitzer selbst um die Wirth- schaft kümmert und das ίργα έποπτβύειν, έπΙ ίργα Ibeiv ausübt, das der Dichter von Laertes rühmt ^. Die ίριθοι sind auch nicht mit den θήτες^ identisch, den Knechten, die sich ohne eignes Haus gegen Kost, Kleider und Schuhe auf bestimmte Zeit ver- dingen^. Selbst ein 'armer Mann', ein δκληρος άνήρ, φ μή βίοτος πολύς €Ϊη^ nimmt solche in Dienst, sie werden mit den ομώες auf gleiche Stufe gestellt^, sie nennt Achill in der Unterwelt, wenn er dem Odysseus das elendeste Los auf Erden bezeichnen will 7. Gegen jene Identi^irnng spricht die ganze Art der Be- handlung der Arbeiter sowie die Scheidung von» dem Ingesinde. Am ersten möchte ich die fptOoi vergleichen mit dem annmannj dem frönder unsrer Weisthümer, den hörigen Bauern, die von ihrem Grundherrn Haus und Land zu Lehen erhalten gegen ge- wisse Abgaben und die Verpflichtung zur Frohnarbeit an be- stimmten Tagen. Wenn Lamprecht vom 14. und 15. Jahrh. sagt, dass der Druck der Grundherrschaft noch nicht allzustark auf den Schultern der Unterthanen gelastet habe, so lässt sich das Gleiche wohl von den so lebensfrisch geschilderten patriarchalischen Zu- ständen bei Homer vemuthen.

Noch ein kurzes Wort über die Veranstaltungen für Er- quickung und Vergnügen in den homerischen Scenen. Hentze^ meint, es handle sich bei dem Mahl um eine besonders festliche Bewirthung nach Abschluss der Arbeit, und auch bei der Pflüge- scene habe der Dichter den Moment gewählt, wo die Arbeit theil- weise beendet sei. Das ist nicht richtig. Die reichliche Bewirthung während der ganzen Dauer des Frohndienstes bildet, wie dargelegt

1 aaO. p. 125. 3 π 140, 144.

* Ebenso urtheilt Hentze aaO. p. 508.

^ c 356 fif. bilden οΐτος έτ^ι^τανος, €Τματα und υποδήματα den Lohn. » λ 489 ff.

^ b 644: θήτές τε δμώές τε, wo das vorgehende έοΐ αύτοΟ, die 'eignen', zu beachten ist.

' λ 489 ff. β aaO. p. 504, 506, 507.

310 Siebourg Ländliches Leben bei Homer usw.

wurde, den Entgelt, den der Grandherr zu zahlen hat: das sind 'die Kosten*. Weil man femer in jenen homerischen Bildern des täglichen Lebens den Cult vermisst hat, will Reichel diesen wiederfinden in der Zurüstnng des Mahles nnd bei der Weinlese. In jenem ^ sieht er das Opfer eines Kindes und der Erstlinge der neu gewonnenen Mehlfrncht nach glücklicher Ernte. Selbst die Eiche Σ 558, die nach i 328 τ 297 Ε 693 Η 60 dem Zens heilig sei, ist ihm nicht zufällig. Diese Auffassung hält gleichfalls gegenüber den erwähnten Darlegungen über Mie Kosten' nicht Stand. In der Winzerscene soll es sich gar um einen Theil des natursymbolischen Dramas der Linosklage han- deln, deren Feier in Griechenland uralt sei. Freilich von einem 'trunkenen Weinleeefest' mit einem Vorsänger, der *mit gellender Stimme' begabt ist und von 'Tanz und Gejodel' ist hier nicht die Rede, aber auch nicht, wie Reichel will, von Mem gemes- senen Chortanz, der immer religiöse Grundlage hat und von der feierlichen Phorminx begleitet wird. Reichel tibersetzt V. 570— 572 so: *der ^abe sang dazu schön den Linos mit gedämpfter Stimme. Ihn begleiteten die andern, im Takte einfallend, mit Gesang und Gestöhn und indem sie mit den Füssen stampften. Ein Vergleich mit meiner Paraphrase S. 305 u. macht die verschie- denen Irrthümer in dieser Uebertragung klar. Der Dichter sagt so deutlich wie nur möglich, welche Scene er sich dargestellt denkt, nicht Fest noch Tanz ^. Die Winzer und Winzerinnen tragen (568 φίρον) ihre Körbe heim; wie der Pfeifer von Menchingen den Wiesenarbeitern bei der Heimkehr aufspielt, so verkürzt hier Spielen, Singen und Juchzen den Weg^; als richtiges junges Volk, dem die Musik in die Beine fährt, legen die Leute ihn mehr hüpfend als gehend zurück, im Vorgenuss des später sicher folgenden Tanzes.

Bonn. M. Siebourg.

1 Homerische Waffen ^ p. 154. ^ jbij^ p, 155.

3 Bücher, Arbeit und Rhythmus ^ p. 360 übersetzt: 'Jene aber folgen im Tanzschritt, alle zugleich mit den Füssen stampfend, unter Gesang und Jauchzen*. Hier ist mir nicht klar, ob ^ήοοοντες άμαρτ) oder €κα{ροντ€ς ' im Tanzschritt' heissen soll, was beides nicht anginge. πό6€€€ΐ kann auch nicht mit ^ήοςοντες vesbunden werden. Bücher meintf in dieser Scene gingen Arbeit und Cultus unmerklich ineinander über» weil auch er einen Tanz darin findet.

* C 572 ίποντο sie gingen daher, nicht άμ* Ιποντο, noch αότφ-

mSCELLEN

Ad libellmn πβρί Οψους

Pag. 4, 10 (ed. Jabn-Vahlen) codex Parisinas b einsque »melius Vaticanue a nam ab iis in bac libelli seotione auxi- im petendum est, cum in Parisino Ρ duo exciderint folia :hibent μοι bOKUJ, quod vitio laborare inde a temporibns Tollii, imi buius particulae editorie, usque ad nostram aetatem miro odo omnes consentiunt viri docti. Plerique, quae lenissima vi- )tur eese medela, oum Toi Ho μοι bOK€i in textn reponebant, [>engeliu8 έμοι οοκεΐ exprimendum curayit Quod autem con- lit vir de rbetoribus Graecis unus omnium optima meritns lo- im cap. 12, 4 (p. 24, 20) petitum ou κατ' &\\a bi τίνα ή ιΟτα, έμοι boKCi, φίλτατε Τερεντιανί, eo exemplo non neces- .rio efficitur ut nostro loco eandem formam έμοι revooemus, onm 'aesertim alibi etiam μοι boKCi in usum converterit scriptor, cf. 15, 2; 26, 15. Inde verisimillimum est auctorem libelH for- ie μοι et έμοι promiscue usum esse. Hammerus, qui post Leon- irdi Spengeli mortem alteram curayit rbetonim Graecorum litionem (Lips. 1894), fortasse legendum censuit μοι boK€iv. ilis modi iufinitivos absolutos, qui diountur, oompluries adbibet riptor, veluti p. 9, 20. 24, 8. 68, 6. At equidem maximopere ireor, ne nimis oonfidenter et praepropere illam elooutionem temptaverint et inconsulte vocaverint in dubitationem editores. am formula μοι bOKUJ ut confusione quadam verbi personaHs »και et locutionis impersonalis boκεΐ μοι facile explicatar, i idoneis fideque dignis defenditur testimoniis. Velat in Pla- nis Tbeage p. 121 d traditur boKUJ γάρ μοι ταιν ήλικιωτών τι- ς αύτου καΐ bημoτώv εΙς το δστυ καταβαίνοντες κτλ., ubi dex Clarkianus Β et Venetus Τ bOKUJ γάρ μοι exbibent, quod m Stepbano editores in boκεΐ mutabant; porro Lyncens apad ihenaenm IV 3 p. 129 a έπεισβάλλουσιν αύλητpίbες καΐ μου- ιυργοι και σαμβυκίστριαί τίνες 'Pobiai, έμοΙ μέν γυμναί boKU), ιήν ίλεγόν τίνες κτλ. ubi Meineke nulla necessitate ίμοϊ boκεΐv imutari iuRsit. Praeterea idem inveni apud Strabonem X p. 452 τιυνόμασαν Λευκάbα| έπώνυμον, boKiIi μοι, του Λευκάτα. militer in Xenoph. Cyrup. V 4, 37 και σύ τ' δν έμοί, ώς γ' οΙ bOKUJ, πάνυ χρήσιμος ειης ne id quidem intemptatum yirie doctis, cum Dindorfius potius boκεΐ pro boKUj ponendum tumaverit. Denique cf. Plotini £nn. I 6, 8 ώς πού τις μύθος, »κώ μοι, αινίττεται. Quorum locorum alins alium d^ic^xidxi ^^

312 Misoellen

tuetnr. Quodsi viri docti memores foissent unas ei corrigeretnr locus, ceteroB quoqne corrigendoR esse, abetinuissent certe a con- iectnris et explicationem verborani circnmepexissent.

Qnae cum ita eint, μοι boKui integram esse lectionem etatno.

Kiliae. Gaetavue Wörpel.

Vir boniis dieendi peritns

Das Wort des alten Cato vom Redner, das nächst dem nn* vergleicblichen rem tene, verba sequentur mit Recht zn den ge- priesensten seiner körnigen Dicta gehört, ist trotz seiner Be- rühmtheit neuerdings verschiedenen Missverständnissen ausgesetzt gewesen.

Zunächst hat 0. Ribbeck in seiner Geschichte der Römi- schen Dichtung I S. 15 sich sowohl hinsichtlich des Ursprungs als der Bedeutung des Wortes geirrt, indem er es dem c<trmen de moribus zuwies, statt den praecepta ad filium, und indem er übersetzte ^ein guter Mann, Sohn Marcus, ist des Wortes mächtig *| während vielmehr eine Definition vorliegt, nach welcher der orator ein vir bonus dieendi peritus ist. Obwohl er ausdrücklich auf das Versehen aufmerksam gemacht war, hat er doch beide Irrthümer in der zweiten Auflage festgehalten, ja den ersteren in einer der wenigen Anmerkungen (S. 350 zu S. 15) auch auf den Unterzeichneten übertragen, der an den Titel Oraclum^ auf aller- dings unzureichender Grundlage, für die praecepta, nicht für das Carmen^ gedacht hatte. In seinem Aufsatz über Cato, mit dem er 1861 das Neue Schweizerische Museum eröfl^nete, hatte Ribbeok selbst in beiden Beziehungen das Richtige gegeben. Man braucht auch nur die testimonia bei Jordan p. 80 anzusehen, um sich von der einfachen Wahrheit zu überzeugen : es kommt aber noch hinzu die satirische Umkehr des Wortes durch Herennius Senecio bei Plinius (die Jordan p. XI nachgetragen hat): und auch die Parallele aus dem Abschnitt de agri cultura Vir bonus, Marce Uli, colendi peritus, cuius ferramenta splendent' zeigt trotz des dort in dem einzigen Zeugniss fehlenden 'agricola est' (oder ähnlich) durch den Wortlaut deutlichst, dass es sich nur um eine Definition handeln kann.

Nun hat aber weiter L. Radermacher in dieser Zeitsohrift LIV (1899) S. 286 fi^. den Nachweis versucht und mit grosser Zuversicht als geführt betrachtet, dass unsere Definition gar nicht catonisch, sondern stoisch, von Cato dem Diogenes von Babylon nachgesprochen sei: und diese Meinung ist von Schanz 'Geschichte der Rom. Litteratur* II 2^ (1901) 8.857 angenommen und ver- breitet worden ^.

^ Schanz nennt dafür noch von Arnim, ^Das Leben und die Werke des Die von Prusa'S. 91. Von dieser Stelle ist allerdings jener Aufsatz von Radermacher ausfjfegangen und er citirt sie am Anfang und Schluss S. 28G und 292. Allein gerade die von Schanz henror-

MitcelleD 313

Wenn man bei Radermacber S. 291 die Worte liest: 'Dies ist nicbt Catos Lebre wolier eollte dem Alten der Gedanke gekommen sein, das Moraliscbe so scharf zu betonen?*, so tränt man freilich seinen Augen kaum: denn was lag dem Manne näher und mehr am Herzen als das Moralische, der nicbt nicht nur im Jahre 184, sondern sein ganzes Leben lang die nota censoria, gerade in sittlicher Kicbtung, handhabte, bei jeder Gelegenheit Moral predigte und gerade deshalb als Censorius typisch wurde? Und nun will Radermacher gar behaupten, jenen Gedanken habe er erst Mm Jahre 164\ also zwanzig Jahre nach seiner Gensur, 'aus dem eigenen Munde des Diogenes vernommen' bei Gelegen- heit der berühmten Philosopbengesandtsobaft in Rom.

Zudem hat Radermacher sogar der Wendung das eigentlich Moralische vorher halb genommen, da er sich• die Berechtigung vindicirt *den vir bonus Quintilians im πολίτης αγαθός des Dio- genes wiederzuerkennen . Nun können wir aber zunächst diese Berechtigung keineswegs zugestehen. Für Cato nicht denn da genügt zur Widerlegung ein Vergleich der oben angeführten Parallelstelle vom Landmann, der doch gewiss nicht als πολιτικός όνηρ ' colendi peritus' ist: und die Annahme, dass etwa der gute Gato den eigentlichen Sinn missverstanden und die Formel fälsch- lich übertragen hätte, würde zwar in manchen neueren Behaup- tungen manche Analogie finden: aber ungereimt bliebe sie doch. Allein auch für Quintilian fällt jene Berechtigung fort: denn die speoiell stoische Ansicht berührt dieser, mit ausdrücklicher Be- zugnahme auf die philosopbi' (von denen er ja einmal I 1, 9 gerade den Diogenes citirt) in den Worten I prooem. § 10 'neque enim hoc concesserim, rationem rectae bonestaeque vitae, ut qui- flam putaverunt, ad philosophos relegandam, cum vir ille vere civilis et publicarum privatarumque rerum administrationi ac- commodatus, qui regere consiliis urbes, fundare legibus, emendare iudiciis possit, non alius sit profecto quam orator . Da- gegen die vorhergehenden Worte § 9 Oratorem autem insti- tnimus illum perfectum, qui esse nisi vir bonus non po- test* betonen eben jenen catonischen Satz, den Quintilian so gut (XII 1, 1) wie der ältere Seneca, der jüngere Pliniüs und Andere mit Stolz und Emphase dem Cato zuspricht, dessen rein morali- schen Sinn er in verschiedenen Partien seines Lehrbuchs deutlich kennzeichnet und den dennoch Quintilian auch als diogenia- nisch gekannt und schon in dem von ihm ausdrücklich heran- gezogenen stoischen Traktat gefunden, also wohl nur aus Patrio- tismus für catonisch erklärt haben soll.

Nun aber erst der angeblich historische Beweis, jenes 'merk- würdige Zusammentreffen , das, wie Radermacher trumpfend be- merkt, 'die Kette schliessen soll . Hätte Cato seine praecepta

gehobene und gebilligte, von uns bekämpfte Annahme findet sich nicht bei Arnim, sondern nur der richtige, ja von Quintilian selbst ausge- sprochene Theil der Behauptung.

314 Misoellen

erst nach dem von Eadermacher angegebenen Jahre 164 verfaest, 80 wäre dieser Katecbismus an den etwa dreiesigj ährigen Sohn Marcus gerichtet gewesen. Setzen wir gar das wirkliche Jahr jener Philoeophengesandtsohaft ein, die nach der Tradition erat 9 Jahre später stattfand, so wären diese Belehrungen höchstens 2—3 Jahre, bevor der Sohn als praetor designatus und aner- kannter Jurist starb, an ihre Adresse gelangt. Der Adressat wird aber wohl eher das Alter gehabt haben, in dem Ciceros Sohn Marcus stand, da der Vater an ihn den Katechismus de partitione oratoria richtete (Hirzel ' der Dialog * 1 S. 493, 4), als das, in dem dieser die Schrift de officiis empfing. Keinesfalls aber kann er so alt gewesen sein, wie Radermachers Annahme nöthig macht. Das historifiche Argument schliesst also keines- wegs die Kette, sondern erleuchtet lediglich, dass wir es mit einer lookern Papierkette zu thun haben, die beim leisesten Windstose zerreisst und zerflattert.

Wir haben aber diese ganze Deduction auch deshalb ein- gehender bekämpft, weil sie noch allgemeiner charakteristisch ist als ein Auswuchs jener ^trivialen, aber noch nicht trivial ge- wordenen Wahrheit', die heute wieder so laut gepredigt wird, die aber nicht selten mehr in ihren Auswüchsen als in ihrem ge- sunden Kerne neu ist.

Heidelberg. Fritz Scholl.

Vir bonns dieendi peritne

Es ist mir weiter nicht betrübend, zu sehen, wie hier mit starken Worten eine Deduction erschlagen wird, die ich bei Ge- legenheit einer Untersuchung über Quellen des Quintilian gemacht hatte, die zweifellos verkehrt und historisch ganz unberechtigt ist. Nur eine kurze Bemerkung möchte ich mir erlauben. Dass Diogenes von B. ein Philosoph war, weiss ich sehr wohl, und die citirten Worte des Quintilian habe ich gelesen. Bei ihm steht auch noch folgendes 15, 34): Hinc eins substantiae maxime conveniet finitio rhetoricen esse bene dieendi scienitam. Nam et orationis omnes virtutes semel complectitur et protintts mores etiam oratoris, cum bene dicere non possit nisi bonus. Idem valet Chrysippi finis ille ductus a Cleanthe. Die Definition *rhe- toricen esse bene dieendi scientiam' ist nach Sextus Empiricus (προς Ρήτορας 6) stoisch; Chrysippus und Cleanthes, die oben bestätigend den Reigen beschliessen, sind Stoiker; den Stoikern war die Beredsamkeit virfus (Cic. de orat. § 159). Wenn auf Grund dieser Sachlage jemand zur Ansicht kommt, die Definition 'orator est vir bonus dieendi peritus' könne wohl stoisch gewesen sein, 80 ist das ein leicht verzeihlicher 'Irrtbum* ; im übrigen kommt für die Frage der Qnintilianquellen nicht in Betracht, ob in diesem Falle Cato dem Diogenes gefolgt ist, was ich länget nicht mehr geglaubt habe, oder eigne Weisheit geprägt hat.

Bonn. L. Radermacher.

Miscellen 315

Bdotisches

Unter den Inschriften von Akraiphiai entdeckte Hr. Perdrizet und veröffentlichte im Bulletin de corresp. hellonique XXIV 1900 p. 7(> ff. ein IGzeiliges stilvolles Epigramm des dritten Jahrh. anf einen General, der böotisohes Kriegsvolk gegen des Könige unzählbare Mannen geführt und in der Schlacht nach 18 maliger Charge seiner Reiterei den Tod gefunden. Das Ge- dicht schliesst mit dem Appell an die jüngere Generation:

άλλα, νέοι, γίν€σθ€ κατά κλέος ώΟ€ μαχηταί, J)b' αγαθοί ττατέρων ΑΙΣΤΕΑ [^]υ[ό]μ€νοι.

Der verdiente Herausgeber erläutert den Schluss durch die Worte ^ maintenez intact Thonneur qui a valu ä vos p^res d'gtre chantes par les po^tes und bemerkt, dass (jicTT^a, dies Verbale schon bei Aristophanes und Pia ton vorkomme. Und ein so ausgezeich- neter Gelehrter wie Hr. Homolle (ebenda p. 177) findet hierin nur das Wort λυόμενοι unbefriedigend, man erwarte vielmehr etwas wie αύΗόμενοι, *pour augmenter les gloiree k chanter*. Gestehe ich es nur: als altmodischer Philologe, der sich an den kleinen Buttmann oder Herrmann oder auch keinen Mann, aber an die Sache der Grammatik hält, war ich versucht dem böoti- schen Dichter zuzurufen, was der Alkide dem Martial 'graece numquid' ait 'poeta, nescis? Aber sollte nicht doch der Dichter unschuldig sein an diesem auch für keinen Arsinoiten glaublichen Griechisch? Denn gut und schön hätte er gesagt, ja musste er sagen πατέρων ά(ΤΤ€α λυόμενοι» und hat der Steinmetz wirklich das Iota, jenen Buchstaben mehr eingegraben, dann κατακλίνειν αυτόν εΙς 'Ασκληπιού κράτιστόν έστιν, wo er die richtige Be- handlung erfahren wird durch den weltbekannt gewordenen Αισκλαπός.

Etwas böotisch muthet mich auch ein andres, freilich in und für Milet auf einen milesischen General gemachtes Epigramm an in der dankenswerthen ersten Publication durch Hrn. Wiegand in den Sitzungsberichten der Berliner Akademie 1901 I p. 905. Wenn ein paar Accente dem Auge misfallen oder das Verstand- niss nicht erleichtern, sondern erschweren so der Gesandte €ΐς βασιλείας, nämlich der gegen Könige freimüthig aufgetreten das mochte zu Lobecks und Lehrs' Zeiten des Aufhebens werth sein ; heute ist es fast gewöhnlich, und wer weiss sich so fehler- frei, dass er splitterrichten möchte? Aber der dritte Vers jenes Epigramms, dessen Metrik ist für Auge und Ohr, selbst ein Βοιώτιον ους, wehethuend. Er lautet:

Κρήτη μέν στεφάνωι σε, Αίχα, και θησέος άστη πάτρια νησαίη τ' έστεφε bia * Ρόδος.

συνςίοε Νηλείόαισιν όμαιχμία* πρώτος Ιώνων έστησας Κρητών φύλλ' άναλεΕάμενος.

Man fragt, warum nicht συνά bk Νηλείοαισιν όμαίχμια πρώτος κτλ.? der Sinn verlangt ferner φΟλ' ά. was vielleicht auf dem Stein ohne Elision geschrieben oder gar in ΦΥΛΛ verschiieb^ti

die Miscellen

nnd daDD misveretanden die ganze Yerballhornung nne bescheert hat wenigetene finde ich keine sanftere Antwort auf das Warum. Atticaeter.

Zu lateinischen Insebriften

I. Die Votivinsclirift an die Victoria, welche in Supinum vicus (dem heutigen Trasaeco) am Fucinersee gefunden wurde, CIL. I 183 (vgl. p. 555) = IX 3849, bietet ein noch ungelöstee Räthsel. Der Wortlaut steht fest: Vccos Sttp{i)n{as)^ \ Victorie SEINQ I dono dedct \ lubs mereto \ queistores | Sa{lvio) Magio St(ati) f. I Pac(io) Anaiedio Si(ati f,)^. Deutungsversuche sind nur wenige gemacht worden. * Seinq, quid signifioet ignoratur* bemerkt Mommsen in der späteren Publikation und verweist auf seine Anmerkung zu CIL. I 183: ^cum in lapide pro qnaestore queistor sit, seinq fortasse cognatione coniunctum est Oum Sancus sanqualisque vocabulis . Auch Schneider (Exempla nr. 84) denkt an einen Gott: ' fortasse Sewo(wi)'. Wegen der Abkürzung scheint mir ein Göttername ausgeschlossen, und auch an einen etwa topischen Beinamen der Victoria. zu denken hält schwer. Ich vermuthe, dass Signum das zu suchende Wort ist, wodurch ein korrekter epigraphischer Text gewonnen würde, dass also SEINQ für SEIGN steht. Für die Schreibung mit EI genügt ein Hin- weis auf die alte Inschrift vom Nemus Dianae CIL. XIV 4270 PoubUlia Turpilia Cn. uaor hoce seignum pro Cn. filiod Dianai doftum dedit. Belege für das vor g eingeschobene η anzuführen, ist kaum nöthig. Schuohardt Vulgärlatein I p. 113 ff. giebt eine Beihe von Beispielen, unter denen aber einige inschriftliche zu streichen sind. Grut. 37, 13 singno (womit auch noch Vanicek Etym. Wörterbuch« p. 291 operirt) erledigt sich durch CIL. HI 5876; ebenso unrichtig ist sing, bei Grut. 54, 8 (= CIL. III 5877) und 42, 4 (CIL. VI 367*, Ligorianische Fälschung, sing, bei Grut. Druckfehler). Dagegen liesseri sich, um von den zahlreichen handschriftlichen Beispielen abzusehen, anführen singnifer (CIL. VI 3637), dingnissime (CIL• X\Y 13S6\ ingnes {CIL. S121), congnatus (öfter in CIL. X) *. Schwierigkeiten bereitet nur das Q. Ob man sich dafür auf die Schreibung eqo eco (ego) berufen darf, sei dahingestellt^. Ebenso bedenklich bleibt die Annahme eines Steinmetzversehens, obwohl es nicht ausser dem Bereich der Mög- lichkeit liegt, dass Q irrthümlich für G eingehauen ist. Eber

^ Vgl. die analoge Dedikation des Aninus veeus CIL. IX 3813.

^ Das Facsimile bei Ritschi PLME tab. 98 D ist nach einem Ab- klatsch gefertigt. Mommsen bat den Stein revidirt und festgestellt, dass am Schluss kein F gestanden hat.

^ Das zweimalige ingnowiniae in der Lex lulia muuicipalis (Zeile 120. 121) hält Schuohardt für etymologische Schreibung, was auch für congnatus gelten könnte.

* CIL. XV ()159 eqo FvHfios (dazu die Anmerkung von Dressel). X 8336, 1 eqo K(ae8o) Anctios. XV 6122 eco C. Antonios. Die Lesung Magolnia (Schneider ur. 41 b) ist ganz dubiös (CIL. XIV 4113).

Miscellen 31?

Hesse es sich anf etymologischem Grande erklären. Wie dig-nus von dec'ßt, so sig^num von sequ- ^^sagen' (Virum mihi Camena insece versntum ' usw. Vanicek p. 290 f. Stolz Histor. Grramm. p. 135. 357). Trifft das zu, so wäre SEIQN die etymologische Schreibung ohne die phonetische Ausgleichung, 'S£INQ auf jeden Fall ein Wechselbalg zwischen Sprech- und Schreibweise vagirend, was aber vielleicht für alte und locale Aufzeichnung non ultra fidem' (Bücheier).

U. In der Ephemeris epigr. VIII p. 155 nr. 624 ist die in Segni gefundene, von Gatti (Bull. d. Inst. 1883 p. 190) ko- pirte Votivinschrift an die Bona dea durch eine verfehlte Con- jectur entstellt worden. Gegen Gattis Abschrift : Aurunceia Sp(uri) J\ilia) Acte mag{isira) Bone deae tunicas duas et päUiolum rasas caleinas [galhinas verlangte Mommsen wegen der galbina rasa Juvenals] ei lucerna aeria d{ono) d{edit) lässt sich nichts ein- wenden, wie bereits Bücheier (Fleckeisens Jahrb. 1886 Bd. 133 p. 113) hervorgehoben hat, trotz der Schreibung caleinas, welcher auf der Inschrift vom Nemisee CIL. XIV 2215 die bei den La- teinern üblichere callainam gegenübersteht (vestem siricam pur- puream et callainam) j die auch bei Martial XIV 139 {callainwi) überliefert ist (vgl. Plin. n. h. 37, 110 u. a. m.).

III. Unter den von Wünsch im Rhein. Mus. 1900 be- sprochenen ^ neuen Fluchtafeln' befindet sich auch (p. 239 nr. 8) das Bleitäfelchen aus der Nekropole von Cales, von dem Mancini in den Atti d. R. Accad. di Napoli XII 2 Taf. III ein Facsimile veröffentlicht hat. Wünsch hat die £^lblikation in der Ephem. epigr. yill p. 135 nr. 529 übersehen und damit auch die von Bücheler gegebene Erklärung, gegen die sich Stichhaltiges nicht einwenden lässt.

IV. Die interessante, von Schulten im Hermes XXXII p. 273 ff. ausführlich besprochene PapyrusArkunde über eine emptio pneri aus dem Jahre 166 lehrt uns, dass die Trieren der Misenatischen Flotte Tigris^ Liber pater, Virttis, Salus, Prom- dentia zu einem Flottendetachement^ gehörten, welches den Winter 165/166 im Hafen von Seleucia Fieriae verbrachte: eine Sendung, die offenbar mit den kriegerischen Ereignissen der Jahre 162 166 zusammenhängt (Mommsen R. G. Υ ρ. 406). Die genannten Soldaten (darunter ein bucinatör principalis, vgl. den cornicen duplicarius ex c^^eüii^en. CIL. X 3416) scheinen ander- weitig nicht bekannt zu sein, bis auf einen, den suboptio von der Triere Salus C. Arruntius Valens, der zum optio auf der Li- burne Nereis avancirt sein kann. Sind die Persönlichkeiten iden- tisch, so wären die Inschriften CIL. X 3464a und 3469 annähernd datirt.

y. Die von einem unerfahrenen Steinmetzen eingemeisselte Inschrift aus Athen CIL. III 6541a = Dessau 2224 lautet N.

^ actum Seleuciae Pieriae in castris in hibernis vexilkUionis clas. pr, Misenatium. 'Yexillatio classis' auch CIL. VI 1638.

318 Miscellen

Granonius Ν. /. CAI | Illlvir \ domo Luceria centu\rio Comelei Spin[t]eri \ lecio(ne) XIJX et Cn, Pompei \ Mac(ni) lecione secunda. In CAI yermuthet Mommsen das Cognomen (^Ca(ult4s?\ da anch der Beiname des Pompeias mit den drei ersten Buchetaben ab- gekürzt wiedergegeben eei. Das Alter der Inschrift und die Ana- logie anderer Inechriften (Dessau 2231 2235 ua.) scheint eher für das Fehlen eines Cognomens zu sprechen, so dass in CAI die Tribus zu suchen wäre. Dass es nicht die Gal{eria) sein kann, hat Mommsen bereits angemerkt ; Luceria gehört zur Claudia (CIL. IX p. 74), und es liegt nahe, dass CAI für CLA verhauen ist. Halle a. d. S. M. I h m.

Die Reitercentarien des Tarqninins Priscus

Da Marquardt Rom. Staatsverwaltung II 312, Anm. 6 mit Recht die corrupte Graniusstelle p. 4 ed. Bonn, herangezogen hat, so ist der Wortlaut genauer festzustellen: de equitibus non omit' lam, quos Tarquinius Ynultiplicavit{coa,etw2iQOVTl?AClPlÄT) (Jia\ ut priores (im Gegensatze zu den Eanwes secundi etc.) inos equos in proelium ducerent.

unrecht dagegen geschieht dem Florus, welcher I 6, 2 ge- schrieben haben soll: sencUus maiestatem numero ampliavit et cen- turiis tribus auocU (^equites^^ qtiatetms Ättius Nevius numerum augeri proh^bώat. Hier ist (^equites^ Ergänzung von Pighiue, während umgekehrt centuriis Interpolation zu dem falsch ver- standenen tribus ist. Bekanntlich wollte der König die drei Tri- bus vermehren, wahrscheinlich auf 6, während der Augur nur gestattete die Zahl der Yollbürger in den einzelnen Tribne zo erhöhen. Dies reiht sich besser an die Erweiterung des Senates, als die Notiz über die Reiter.

Unbestreitbar* aber schrieb Florus nur, was der Leser nach seinen eigenen Angaben über die ältere Heeresverfassung ver- stehen konnte. Nun schreibt aber Florus I 1, 15 von Romulus: iuventus dtpisa per tribus in equis et in armis (Reiterei und Fussvolk) ad subita belli excubarei^ consUium rei p. penes senes esset, qui . . , ob aetatem senatus vocabantur. Diese von Ro- mulus errichteten Tribus wollte Tarquinius vermehren, durfte aber nur die Etatstärke erhöhen.

München. Ed. Wölfflin.

Za den etmskiecheB Monatsnamen und Zahlwörtern

Ich erlaube mir einige Einwendungen zu der Darstellung von Skutsch (Rhein. Mus. 56, 638) über die Identität von etr. acale und celi mit lat. etr. Aclus (Juni) und Celius (September) und zu den von ihm daraus gezogenen Folgerungen über den Werth der in den Mumienbinden zu acaL• und celi beigegebeneo Zahlwörter auszusprechen, in der Hoffnung, dass Skutsch selbst dieselben gleich zu lösen vermöge und seine Entdeckung ydrk'^

Miscellen 319

lieh zu einem ^bio Rhodus hie salta' für die Deutung des Etruski- sohen werde. Beide von Skutsch citirten Stellen der Mumien- binden echeinen mir nämlich unzertrennlich von mehreren anderen, die ich selbst eben darum schon Saggi e Appunti intorno alT isc. etr. della Mummia p. 165 f. zusammen behandelt habe. £s sind überhaupt folgende, die fast alle, wie jene beiden, im Anfange neuer Abschnitte stehn:

VIII 1 Qucte. cis\ s'aris\ wobei zu erinnern, dass s'ar (zu dem saris sich verhält wie eis zu dem bekannten Zahlwort et) als Zahlwort durch die Vergleichung von Fabretti Suppl. 318 tameta. sar-venas mit das. 332 iamera. eela[r]'v[ena]s und Fab.

2100*• ** tamera, eelar-velnjas und noch dazu mit Bull. Inst. 1881. 91

lulr^venas und Fab. 71 ank{ar)'venes nachgewiesen (Saggi 34), da augenscheinlich s'ar sich zu dem bekannten Zahlwort s'a ver- hält wie eelar zu gal; vgl. jetzt auch camp. etr. Rh. Mus. 55. 3 Z. 7 mar. zac (wie Mumienb. X 3 marem. ζαγ) zu ma^ und zal. Nun, wenn die ganz ähnlich gebaute Stelle VI 14 celi. huQis\ zaQrumis' nach Skutsch etwa *am 20 + χ des Monats Celius\ wenn VIII 3 eslem. zaQrumis'. acale 'am 22. des Aclus', wenn endlich Fab. P. Suppl. 388 max zaQmm '21* bedeuten, was für ein Datum irgend eines Monats Qucte können die Zahlwörter eis' s'aris bezeugen? Vielleicht etwa zB. 'am 5. [und] 6.* (vgl. hier unten zu X 17 u. X 2—3)?

VI 9 za^rumsne, lusas\ was man vielleicht nach Skutsohs Vermuthung etwa am 20. irgend eines Monats Lusa' deuten könnte. Aber kein mögliches Monatsdatum mit Anwendung der- selben Voraussetzungen geben mir:

IX γ 2 dem. ceälxus. lau%umneiL und X1 12 eslem» ce(ü\us\ etnam. sowohl

XI 17 Qunem. [.cialxus. et]nam. %χ, esletn. ci^XHs\ \ vanäl,

wo zwei Gruppen von Zahlwörtern durch die copulative Partikel *X (vgl. Saggi 220 f.) vereinigt sind; in der That, da cialxus' ceaixus dem mit ei sicher zusammenhängen, da nicht d sondern max auch für Skutsch 'eins bedeutet, da zal zaQrum seiner Mei- nung nach 'zwei und zwanzig*, so kann man den Zahlwörtern dem cealxus, eslem cealxus, Tunern dalxiAS nur einen grösseren Werth als ' zwei und dreissig* zuschreiben. £benso :

ΧΠ 10 Oi<n€m daixus. masn^ womit wenn nicht, wenigstens dem äusseren Scheine nach, ein neuer Abschnitt, doch immer eine neue Zeile beginnt;

X 2 3 cus. peQereni. dem. cealxuz. capeni \ marem, ζαχ, wo

wahrscheinlich, wie oben XI 17 zwei Zahlgruppen zusammenstehn, da wie peQereni zu capeni passt, so marem ζαχ (vgl. ob. VIII 1 eis' saris') zu dem cealxuz ^ und desto mehr, als wie schon be- merkt, marem an max und ζαχ an zal erinnern. Endlich

XI 14 16 cntnam. Qesan. fler. veives. Qezeri \ etnam. ais[fia]»

esa ίχ. huQis'. zaQrumis \\ flerxve trlin] neQuml, wo das Monats-

...

datum dasselbe ist wie bei celi (VI 14), aber der Bau ganz ver-

320 Miccllcn

schieden und der Monatsname entweder verschieden oder fehlend. Ueberhaupt scheint mir merkwürdig, dass von den nean Ma- mienstellen, w(t das Wort celi vorkommt (Saggi 79 f.), es nur in einer einzigen, dh. eben der von Skutsch benutzten (VI 14)^ in Verbindung steht mit Zahlen, dagegen in den acht anderen hat man meistens celi SuQ (IV 14. 21 22. V 10. IX 18) und gerade suianas celi swG (V 15 IG) oder celi, erc, suQce (V 17), einmal celi für (XI 3), und einmal celi-peti (XI 2), womit jetzt zu ver-

gleichen camp. etr. Z. 8. 28 prici-pen neben 13 price-lu-tüU• Dagegen gleichfalls in dieser camp. etr. Urkunde Z. 25 Oji-acal, 26 Qu. sii, eei, acar (vgl. 24 xem-iai. sti. ζαΐΥ; also wabrsobeinlich

in beiden Stellen entweder Qu acal oder Qu acar ; ist aber Qu aeaU vorzuziehen, so hätte man hier zweimal acal nach dem Zahlwort Qu wie in den Mumienb. VIII 3 acale nach den Zahlwörtern eslem zaQrumis*.

Zuletzt sei mir im Hinblick auf Skutschs freundliches Ge• ständniss (Anm. 2), dass ich richtig in Fab. P. Suppi. 388 die Lesung zilc ti purts'vavc ti immer vorgezogen habe, gestattet za^ bemerken, dass ich aber nicht in jenem Texte das Amt * ohne Zahlangabe' erwähnt, sondern gerade in ti die Zahlangabe zu er- kennen glaubte, was jetzt durch folgende Stellen mir immer mehr begründet zu sein scheint, in denen die Wörter tii (vgl. mt mü^ ni nii, Qi QU, ri rii^ acri acrii^ puia puiia) und tei (vgl. % ei^ m eifif is eiSj iser eiser^ marci marceiy Qa\8*in Qa^sein) als Zahl- wörter erscheinen:

Not. d. Scavi 1896. 15 mit Rendic. Ist. Lomb. 1896. IIOS 1104 [s]ißmtinas. se{Qre), s'ieQres) \ \sv\alc[e r]%L tii^ vgl. Fab.

2124 ril IV mit 2275 IUI, Fab. S. Suppl. 119 avil IUI mit 116 avils huQs usw.

Mum. XI γ 3 est. tei, vgl. X 21 esi-c. ci. halxea. Qu. esi-c. zai; X Τ '^ ^^^• l^ncii vgl. X 22 zac. lena (Rendic. Ist. Lomb. 1900. 1383 if.). Da bis j^zt nie neben Amtstiteln etr. Zahlan- gaben in Zififern, sondern nur in Worten vorkamen, so scheint mir ti nach zilc purts'vavc ganz passend, und nicht verschieden wäre meiner Meinung nach das t(f) in Fab. 2100 eisnevc, eprQneve.

t-macsirevc. t-m ezn\vak, da macstrev-c gewiss mit

lat. magister etwas zu schaffen hat.

Mailand. Elia Lattee.

Zu 8. 183 ff. Ein übersehenes Zcugniss, der LVII. Kanon des Coucilium Trullanum von 692: "Οτι ού χρή έν τοΙς θυσιαατηρίοις μ^ι καΐ γάλα προσφέρβσθαι (vgl. S. 186 Anm. 38), vermag an den Auf- stellungen S. 187 und 190 f. nichts zu ändern. Möglicher Weise war das Verbot gegen die Aegyptische Kirche gerichtet. U.

Verantwortlicher lledacteur: L. Radermacher in Bonn.

(19. März 1902.)

Verlag von Wilhelm Violet in Dresden.

Wie studiert man Philologie?

Eine Hodegetik für Jünger dieser Wissenschaft

Ton

Wilhelm Freiud.

Fünfte, Yermehrte und Yerbe3serte Auflage, geh. 1 M. 50 Pf. geb. 2 M.

I n'.h a 1 1 : I. Name, Betriff and Umfang der Philologie. II. Die einzelnen Disciplincn der Philologie. III. Vertheilnn^ der Arbeit des Philo* logie-Studirenden auf 6 Semester. IV. Die Bibliothek des Philologie« Stodirenden. ^ V. Die Meister der philolog. Wissenschaft in alter und neuer Zeit. VI. Die gegenwärtigen Lehrer der klassischen Philologie an den Hochschulen.

Trienniiun philologicum

oder

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WUhelm Freund.

Zweite verbesserte und yermehrte Auflage.

Heft 1, Preis 1 M., ist zur .Ansicht durch alle Buchhandlungen beziehen, vollständige Prospectc mit Inhaltsangabe gratis und franco. i# Kritische Sichtung des Stoffes, systematische Eintheiiuug und Qruppirung desselben, durchgängige Angabe der betr. Litteratur, endlich stete Hinweisung auf die in den einzelnen Gebieten noch nicht genügend aufgehellten Partien sind die leitenden Grundsätze bei der Ausarbeitung dieses ausschliesslich für Jünger der Philologie zum Kepertorium und Bepetitorium bestimmten Werkes.

m Jede der 6 Semester-Abtheilungen kostet 4 M. geb. 5 M. and kann auch einzeln bezogen werden.

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Inhalt des zweiten Heftes.

Sefto

Milch aud Honig. Von H. U s e η e r , 177

De fragmentiü scriptornm apnd Nonium servatis. Scripsit

W. M. Lindsay 196

Hellenistische Studien. I. Von G.Knaack 205

Die Epochen in Varros Werk De gente popnli Romani. Von

HermannPeter ; 231

Zn der Inschrift der Aphaia auf Aegina. Von A. F α r t -

wängler 252

Legionen des Orient auf Grund der Notitia dignitatuui.

Von K. Mangold 259

TvtfXoq ariJQ. Von CarlFries 265

Ucber eine Scene des euripideischen Orestes. Von L.

Badermacher 278

Herknlanenslsche Brnchstüche einer Geschichte des Sokrates

and seiner Schale. Von Wilhelm Crünert. . 285 j

Ländliches Leben bei Homer und im deutschen Mittelalter.

Von M. S i e b ο u r g 301

Miscellen.

Ad libellum η^ρϊ ΰνΌυς, Scripsjt G. Wörpel 311

Vir bonus diceudi peritus Von F. S c h ö 1 1 312

Vir bonus dicendi peritus. Von L. Radermacher . . 314

Böotisches. Von Atticaster 315

Zu lateinischen Ins^ebriftcn. Von M. I h m 316

l)ie Keitercenturien des Tarquluius Prii^cus. Von E.

AVölfflin 318

Zu d(>n (>t.ruskischen Monatsnamen und Zahlwörtern. Von E.

L :i t n• s 318

/u >. λΚ) it. Von H. IJsener 320

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Rheinisches Museum

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HILOLOGIE.

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Franz Buecheier und Hermann Usener.

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CONIECTANEA

Ι In Horati carmiiie I 2 Tiberis Iliae se iactat axorins amnis. adnotat Porphyrio p. 6, 12 Hold. Ilia aucfore Ennio in amnem Tiberim iussu Amidn regis Albanoruth praecipitcUa antea enim Anieni matrimonio iuncta est. aique hie loquitur qua^i Tiberi potius nupserit. quibus in verbie antea enim nunc delentnr qnaei deformata ex Anienis nomine et male iterata. at praeetare mihi videtnr baec ratio nt qnaeratnr in litteris Ulis quod transitnm a Tiberi ad Anienem, ab altero ad alternm flumen faciliorem red- dat ant explicet. atque buiuR modi nnptiarum praedicari etiam loca 8olent, έν προχοής ποταμού παρελέίατο, Pharsalum coeufd, similia. vide igitar, Enniana ne haec fuerit memoria : in amnem Tiberim . . . praecipitcUa Antemnis Anieni matrimonio iuncta est, nam Antemnae dictae qmd ante amnis^ qua Anio influit in Tt- berim^ ut Varro scripsit L.L. V 29, ante amnem, ut Serviue Aen. Vn 631.

II In declinando nomine quod est Minos Oraeoi Latinique sibi non conetiterunt: eatie est Homeri memoraeee vereum ή τέκε μοι Μίνιυα και όντίθεον Ταοάμανθυν, in quo Μίνιυα Nauckiue edidit ex Syriaco codice, at Aristopbanes et Arietarchus Mivuiv T€ κα\ ά., vel Prisciani dicta VI 70 p. 255 H. in Ciri poemate casus aocusativns bis legitur, in versu 132 et 367, illic a Lach- manno restitutus sie ni Scylla ... ο nimium cupidis Minoa in^ hiasset oceUis, et tamen vir idem ibidem ubi ' sie scribendum edixit (Lucreti p. 162) luculenter ostendit quam rarum fuerit et minime acceptum poetis latinis' hoc synaloepbes genus in quo prioris yooabuli paenultima littera esset vocalis longa, enumeravit exempla quae cum omnino pauca sunt tum maximam partem a Giris versa ea re distant, quod tres quae sibi succedunt yocalee spondei meneuram implent (Bacchea ad beUd, Phoebea insignia), in Ciri autem ad trochaeum redaotae sunt, itaque cum pro Mi- noie nomine Codices si non praebeant, num dubitabimus restituere

IMieili. Miu. f. Phllol. N. F. LYU. 21

d2i b\xeche\et

qnod et mutatu faoilins est et incnndins anditn, Minon ifihiässet7 in versa 367 nulla fertur codicum discrepantia, coneentinnt omnee in generum Minoa aucforibus extis iwigere, verum tarnen niei falßa eftt de 132 mea opinio, hinc qnoque tolli oportet molestam elieionem scribendo Minov, iinitatnr in multis Catullum is qui Cirim composuit, in hoc receseißRe videtur a Catiillo qni fecerat ad Minoa venit sedesqne superbas,

Ciris versuR 15fi h. noviRRimi editoreR ita expreRRerunt nt doctas argutiaR eoe plane non intellexieee crednR, etiam Thilo et Ellis quibuRcnm hoc mihi convenit nt nnllam prorRUR in librorum scriptura litteram immutem. narrat poeta quomodo Scylla lunoniR iras eibi concitarit, narrat et minute nt Alexandrini et implica* tius quam clarius ut rüdes poetae, concludit si retinuisset gra- dum puella, non futurum fuisse ut impura aram tangeret cnlpam- que contraheret periurii, deinde subicit

etsi quis nocuisse tibi periuria credat? causa pia est: timuit fratri te osfendere luno. hon eRt : re vera tarnen non ob periurium Inno te punivit sed ut zelotypa. etsi oratoria illa est coniunctio qua adnectitnr enun- tiatum contrarium diversumve, pariter ac quamquam quid loquor ?

Scylla nutrici nil amat hie animus inquit quod opmiet amariy in quo falsa tarnen Meat piefatis imago versu 262. 'melius quod par Sit aman Lach mann us (Lucr. p. 58) non tam verbi oportet vilitate oifensne, ut arbitror, quam modorum vicibus indicativi et coniunotivi. quas primarii Augusteae aetatis poetae non admise- rnnt, ne Ovidius quidem si nnum et alterum, utique paucissima Ponticon exempla excipimus, in carmina induxit pronus ad gram- maticam licentiam Propertius (qui Maecenati dicit ferar in partes ipse fuisse tuas^ iocatus videlicet in avitum nomen Propartim), pro viril i parte frequentissime adhibuit Aetnae scriptor non dis- similis ei qui Cirim oecinit, nam philosophiae et poetioae studiis uterque deditus in hac quidem plus memoriae quam ingenii prae- stitit nobisque fniges non satis eventilatas tribuit. itaque in his poematis scabritias stribliginesque sermonis atque expositionis, si codicum auctoritas suppetit et analogia non deficit, conservandas potius quam abolendas censeo. velut in Giri 312 interpolatnm secuti librnm Laeti edunt Iiaec tum nobis gravia atque indigna fnere, tum* mea atumna, tui cum spes integra maneret^ et vax ista meas non4um molaverat aures: in archetypo autem erat nee vox ista meas nondum v. α. , vere opinor, ut negativae dune significatum negativum Intendant et conOrment, quemadmoduro

Coniectandä d^d

volgns loqni eolet neque Yarronem loqui in carmine puduit (Bi- marco τρόπους qui non modo ignorasse me clamaf, sed omnino omnis heroas negat nescisse), et in versa 383 poeta expreesurue sententiam bipertitam hanc: nutrix eocia fit alamnae, cum quod snccarrere volt amanti, tum quod revehi in patriam cupit, priue quidera membrum a cum purticula exorditur, in posteriore autem ad eara sie respondet non minus illa tarnen, revehi quod eqs. sed baec bactenus : fortasse alias revertar ad Cirim, si quid mihi di- cendnm restat post eam quam modo accepi a Leone Gottingae publicatam commentationem amplissimam.

Scyllae metamorpbosin non praeteriit Ovidius, cuius narratio ex fabula multo vetustiore derivata esse videtur quam unde Ver- gilianum Carmen fluxit, ideo potissimum quod nullae apud Ovi- dium sunt partes nutricis. baud paulum commotus sum, cum qnae verba Ovidius Scyllae dat met. VIII 73 ignavis precibus Fortuna rcjmgnat^ sit licet sententia minime insolita, verba tamen ad- modum congruere videbam cum versu Sopbocleo fr. 374 ουκ f(TTi τοις μή bpujai σύμμαχος Τύχη. hie sumptus fertur ex Minoe.

III Ocriculani in tbermis biemalibus duos fratres qui eas restanraverunt änno 341 statuis marmoreis et compluribus titulis bonoraverunt, quorum unus bic est CIL, XI 4095: provocati temporis beafitudinem dd. impp. Constant[i et Constantis] Au* gustorumque nn. volumijtatem thermarum hiemcUium Sex. Gluvms Martinus et M, Caesolius Saturninus omnibus honoribus functi de sua pecunia ordini seu civibus Ocricolanis ad meliorem ptdcri- tudinem pro civica adfectione ctim augmento operi novi exercientes adsicnaverunt et dedicaverunt. apparet dictumque est a Bormanno non nibil pecoatum esse in ortbograpbia, velut incidi oportuit provocati temporis beatitudine sine m, cum augmento operis novi cum s finali, gravius tamen Vitium nullum inest, nam ad exer' cientes quod adnotatum legimns in CIL. %lebuisse scribi excientes conicit Hirscbfeld\ fefellit viros doctissimos verbum vetus et rarum de quo Bentleius disputavit ad Terenti baut. I 1, 91 sumptum exercirent suom. hoc exercire ortum ab sarciendo apte reparationis significat operam et a novis accessionibus distinguit. et cum durässe Terentianum verbum in aevum Constantini haec inscriptio ostendat, etiam mens mihi error reprehendendus est qui exarturum abiudicare quondam volnerim a Q. Cicerone comm. pet. 45 pag. 55. ceterum praeter exercire exsarcire tum etiam alterum usurpabatnr exercire quod esset exercere, ut in giossis

^4 Boechelef

palaegtra lUn aÜüetiU se eaereiunt (lY 548, 1 Goetx.), qoa enim coniagatione exciunt et excitus, ambiunt et ambiius copolantar, eadem volgas ad eaercitus similesqae hoic formas satis Iritas ifttam qooque eaereiunt adstmere coeperat.

Rescriptom imp. Conetantini Aog. et Caesarnm quo civitati Hinpello concesfternnt nt urbR Flavia Constane vocaretar, com Hiepellatee publice incidendtim cnrarent CIL. XI 5265, qQadra- tarias mnltiB modifi corrnpit. velut hoc nonc fertnr eins prin- cipirnn: omnia quidem quae humani gcneris soeietate iuentur, per- vigilium curae cogilatione conplecfiinur^ scd provisiütitim tiofifrarum opus tnaximns est ut universae urbes, quas in lum'mihus provin- darum hac regionum omnium species et forma distinguitur, non modo dignitate pristinam teneant, sed etiam ad meJiorem siaiuln bcneficentiae nosfrae munere probeanfur. cum igiittr ifn vos Tusciae adsererefis esse coniunctos eqs. Bormannus adnotat 'debnit eftse fere pervigilium curarum vel pervigili curae ', tum opus mcurimum, tom disfUiguit poefulat. primnm illnd non pnto neceeearinra, etsi Severus in edicto de ludis saecnlaribne aliiqne pervigilem cnram iactarunt, licet enim diremptis eyllabiR efTerre per vigilium curae et iiitei pretari quasi άγρυττνοϋντβς ύπό φροντίδων, qnia vigilium Varro dixit pro vigiliis et ipsae cnrae a Latinis vigilantefl vel vigilaceR audinnt. tum opus maaimum comprobare non dubito, haeRitavi quidem parumper propter terminationem adiectivi an praeferrem provisionum nostrarum scopus maaimus esty quod vo- cabulnm graecum latinitati accessit aevo Conetantini, eed hnic nomini adiectivum ipsum minue videtur convenire. at distifiguit rursufi non dnbito repudiare ut quo nitor eententiae ab impera- tore expreRsae plane fuecetur: quem in humana forma ocali, eum in provinciis urbes clariores locum tenent : sequitur ut emendemue urbesj quarum lumlnibus provinciarum ac regionum omnium species et forma distinguiiur, quoniam tabulam marmoream Henzenue et Bormannufl snis ooulis inspexernnt atque ille litteris magnis et Ratifl pnlcrie iuRcriptam narrat, hoc quarum in tabula ipaa in- ventnm iri non audeo Rperare, Rculptorem igitur prave legendo aut alia quacumque re transverflum actum credo mutasRe in quasin, de proheantur autem similiter ac supra de eaereiunt dioendum est: duplex eignificatu hie ex novicia pronuntiatione idem valet quod provehantur, apud vetercR erat aut poterat esse prohi- beantur.

Rrratum eRt in transcribendo et explicando titnio Tuficano CIL. XI 5717: L. Gresio L. f. Ouf. Proculo IUI vir o) muni-

Coniectanea 325

cip{e$) et incolae merentij (luod inier cetera tempore mag%st{ralu8) sui in kariiate olei civib(us) suis quattus libr. pr. p. et epul(um) dedit, nam aucture Mümmseno Bormannas qtAat\ernas\ libr{(i8) poeait et cum dubitationie eignis adiunxit pr(ppria) p{ecania)y recte ille diffidens, nam sua pecania verbum erat huias rei pro- prioiD, laudoque virum integre clareque teetatum ^qnattwi certom e8t\ eicut ego olim cum de quattus disserebam in archio lex. I p. 102 ex Tufico adlatum hoc exemplum ignoravi, ita non miror ei etiam nunc sunt qui nimis infreqaene vocabulom igno- rent. repeto Carmen epigr. Pompeianum (meae sylloges 931) assibus hie bibitur^ dipundium si dederis meliora bibes, quattua si dederis cina Fcderna bibies), unde videant, niei per ee liqueat, quattuor asses eo verbo denotari. et pretiam olei, non numernm libraram in Gresi elogio definiri oportoit, poetqnam Caritas olei, nou penuria aut inopia memorata est, sicnt CIL. XI 6117 Porö- sem prunienses Maesi liufi merita praedicant quod annona hara frument(i) deiiario modium praestitU vel Plinius nat. h. XV 2 popnlo Romano M. Seium aedilem per totum annom olei denas libras singulis assibas praestitisse tradit, eundem aedilem qui in caritute asse modium populo dedit (Gic. de off. II 58). Gresins civibus quattus, nisi fallor, Ubrae pro poriione dedit, id est libra olei si venibat ^aere quaterno*, gratis ut staret Tuficanis fecit, si assibus octo, ut dimidio pretio, simiiiaque ratione eadem. unde iilo tempore solitam esse heminam olei constare colligas quattussis.

Asisii fuit neque iam apparet titulus sepulcraiis hie CIL. XI 5440; M. Pettio M, l Primigenio, paedagogo M. Petti Severi ot Peftiat'um Procules et Seoeres, Mietnesetus patri pientissimo. sub- scriptum est in Corpore * MIEMESETVS omues, quod nomeu fuerit nescio". AN EM ES ET VS opinor, cuius nominis exemplum Rt»manum iam in Tbesauro 1. lat. consignatum habes. ipsa cor- ruptela iidem apograpbis tantum non firmat.

Pitinates Pisaurenses patrono nescimus cui CIL. XI 6035 statuam et tabulam aeream incisam littcris obfulerinU quae non solum presentium meri[toru\m beneficia obtestcntur^ sed et preteri- [torum . . .] ouaniur insignia. vidit lapidem et descripsit Bor- mannns supplevitque in extremo versu rcnovantur insignia, ne 0 quidem Integra superest sed adfecta forma, subetituemus elo- quantur,

Sentini collegium fabrum kal. luliis anni 260 convenit et quinquennales eorum rettulerunt CIL. XI 5748 versibus 6 ss. semper et in praeteritum ita splendidissimum n^utnerum) n{pstrum) \

326 Buecheler

conisum esse ut adfcciiotte splendoris stii in singulos I qtiosquae condignos merentes exibeant, vd maxime | in honore adque digniiate Memmiae Yictoriae quon\dam indoles mumoriae femine, matria nu- meri nostri^ \ proorsus usquaeque esse provectum nomen damus \ etiiSf ut per ordinem generis sui omnes in numerum niostrum) | patroni in collegium nostrum appcUarentur, opt(m\daque erant tU omnes universisqme incolumes in Γ numerum nostrum videreniur, et quoniam vir spien \didus Coretius Fuscus patronus numeri de- heat ex\emplo pietatis parentium et' mcUris honorificientia, \ itaque si Omnibus videretur, tabula aeream ei offerri. iam aes titulie or- natum Fnsoo per legatos sedeoim offerri decernitur. manifeeta Rermonie vitia alia ei adeignabimue qui rettolit scribendamve ta- balam curavit velat debuit dicere ant omnes in numero nostro patroni appellarentur ant omnes patroni in collegio nostro app,, Dunc ί)ΐς ταύτόν ήμϊν €Ϊπ€ Μαρτιάλιος alia opifici aerario, qui paennltimam sententiam proreue mutilayit praetermisso negli- genter in v. 16 tali verbo quoniam Fuscus patronus numeri \nostri demerert) debeat eaemplo eqs. haec vitia sordesque vel eunt iam expurgata vel esse faciamae: quid est autem Memmia Victoria quondam indoles memoriae femina? Bormannus dubitat indoles utrum supereit ex longiore oratione an incieum eit pro inl^ustris), quod proposuit Mommeen . in illud fortasse eo incidit quod quon- dam et memoriae inter ee parum apte copulari credebat, et re vera Victoria quondam indelebilis memoriae femina, ut hoc utar exemplo, vix potuit appellari. sed quäle Mommsenus sumpeit epitheton, tali interiecto committi ieta adgregarique potuisse non negaverim, orationem per ee nnllo egere additamento contendo. non ergo agnoHcemue indolis memoriae feminam, id est memoriae dolorem ex gravi desiderio luctuque moventis? certe qui eolus hoc vocabulum tradidisee videtur Peeudopbiloxenus sie interpretatus est ifidolis επίπονος σπουδαίος (glose. lat. VI p. 566 Goetz.), ut originem ei non illam quam άοόλψ sedtdo^ sed eandem cum verbo indolesco fuisse putem. atque tum cum mulier mortua hoc modo praedicata est, volgue coepisse etiam simpliciter dolum pro dolore vocare notum est.

IV Cicero ad Atticum XIII 25 extr. haec scribit de epi- etula ad Varronem praeposita Academicis poeterioribue: sed^ quaeso, epistula mea ad Varronem vcddene tibi placuit? mcde mi sU si umquam quicquam tarn enitar ergo at ego ne Tironi quidem dictavi, qui iotas περιοχός persequi sclet^ sed Spintharo syUabatim, cor-

(^'ODiectanea 327

ruptoram verboruni viiu ao sententiam qui olim haec commentati sant Muretum Boeium Graevium maxima ex parte adsecntos esse arbitror, emeodatio vero neqae illis bene cessit neque adbac, quantum ex Mnelleri editione et Scbichii relationibus cogoovi, propoeita est idonea. miratar Cicero amico eaam ad Varronem epistulam perplacnisse, adfirmat so non multnm laboris aut operae in eam impendisee, opponit cnr placaerit causam hanc, quod sua ipsios faerint verba omnia, nibil a librario intervereom aut inter- mixtam. latinas graecie litterie ut permutemus snadeo ad hanc modum: male mi si umquatn guicquam tarn έν ΤΤαρέργψ. at ego ista enim tritiseima erat looutio, Cioeroni quoque fami- liarie (ad Q. 111 9, 3), reticentia autem in re aperta, concitata voce minime ingrata eet.

V 'Άντ€μνα και Κρουστομίρ€ΐα Dionyeius Hai. ecribit, Antemnaque prisco Orustutnio prior Silius graece vel poetice, nam latine vouabantur Anfctnnae, boc unum exemplum adesto varie- tatie centiens ueurpatae. oliln in praefatione Petronü dixi habi* tarn esse cenam Trimalcionis in praedio eine Cuniano, Camas ta- rnen illam coloniam non fuisae de qua convivae confabularentur eo argumento, quod quaei rem raritate notabilem Trimalcio in cap. 48 pronuntiat tiam Sthyllam quidem Cumis ego ipse octdis meis vidi in ampulla pendere eqs. uberiue de loco cenae poetea disputarunt alii qui in Cumas convenire cetera omnia recte ata- tuerunt, argumentum autem quod contra protuleram band proba- biliter ita elevarunt, ut in ieto enuntiato Cumis verbum quasi interpolatum delerent. immo enim, quoniam ubi Trimalcio 8ibyllam vidit ibi di bominesque graece loquebantur, quoniam in Aeiam noR revocat teetie unicue qui praeter Trimalcionem miraculum illud narrat, Sibyliam pendentem in cavea non ampullacea qui- dem sed tamen rotunda ferrea (Ampeliue 8, 16), quoniam ^eniqne in Asia Trimalcio puer vixit (cap. 75), Κύμην necesse est intel- legi την της ΑιολΛος, non την έτεραν Ιταλίας, illam sane lit- terati bomines qui bietoriae vel cborograpbian tradunt, etiam latine Cymen ecribere solent difcriminis diligentiacque causa, sed vere latinum vocabulum Cumas fuisee, accommodatum populo nescienti graecam litteram et declinationem ideoque non alienum a Tri- malcionis sermone, optime ut mibi videtur declarat alterna vice ή Καμπανις Κύμη Cumae nominata a Latinis.

Bonnae. F. Bueobeler.

DIE BERLINER BRÜCHSTÜECKE DER

SAPPHO

Die Kunde, daes es dem Directorialaseistenten an den Kö- niglichen Museen in Berlin Herrn Dr. W. Schubart gelungen sei in den Papyrusbeetänden der ägyptischen Abtheilung neue Reste der Sappho und des Alkaios zu entdecken, hatte freudige Er- wartung bei allen denen erregt, die insbesondere die einzige Dichterin im Herzen beschlossen tragen. Nun liegen diese Reste in den Sitzungsberichten der Berliner Akademie vom 20. Fe- bruar 1902 (S. 195 ff.) allgemein zugänglich vor, und wir haben dem glücklichen Finder und seinem unermüdlichen Helfer v. Wi- lamowitz für die mühevolle Arbeit zu danken, die sie mit der Entzifferung des schwer lesbaren und der Herstellung des viel fach verderbten Textes geleistet haben. Es sind von Sappho auf drei aneinander anstossenden Fetzen einer Pergamenthand- schrift, die der Herausgeber auf Grund der Schriftzüge dem 6. oder eher noch dem 7. Jh. n. Chr. zuweisen möchte, drei oben und unten unvollständige, auch sonst noch in der Mitte oder am Rande mehr oder minder stark verstümmelte Columnen mit drei verschiedenen Gedichten, die sich durch ihre Versmaese als dem fünften Buche angehörig erweisen. Bei Alkaios handelt es sich um ein Papyrusstück aus dem 1. oder spätestens 2. Jahrhundert n. Chr. ; was von der Schrift erhalten geblieben ist, sind so schmale Streifen zweier Columnen, dass wir über die Lesung einzelner Wörter nicht hinaus kommen, zu einem Erfassen des Sinnes des Ganzen nicht vordringen können. Es gewährt einen schwachen Ersatz, dass an der linken Seite der zweiten Spalte ein Scholion so gut wie vollständig lesbar ist, das uns eine bis- her unbekannte Thatsache aus dem Leben des Dichtere und Parteimannes erzählt: er habe mit seinen Anhängern, deren Zahl» wie es scheint, auf zwanzig (κ) angegeben wird, einen Anschlag

Die Berliner Bruchstücke der Sappho 329

aaf Myrsilos geplant; dieser sei aber ruchbar geworden, und eie hätten sich dem Strafgericht durch die Flucht nach Pyrrha diesen Namen ergänzt v. Wilamowitz überzeugend aus ΤΤυρ[. .]v entzogen, eine Flucht, die als die erste bezeichnet wird.

£s wird den LeHcrn dieser Zeitschrift erwünscht sein Ge- naueres über den Inhalt des neuen Fundes zu erfahren. Ich setze daher zunächst die Theile der beiden ersten sapphischen Gedichte, die eine fortlaufende Lesung erlauben, in der Fassung her, die ihnen von Sch(ubart) und v. W(ilÄmowitz) gegeben ist, soweit ich nicht von dieser abweichen zu sollen glaube; wo sie sich von dem überlieferten entfernt, füge ich in der Adnotatio ohn* weitere Kennzeichnung die handschriftliche Lesart bei. Vom dritten Gedicht ist so wenig erhalten, dass wir auch hier zu keiner irgendwie zusammenhängenden Vorstellung von peinem Inhalt gelangen können.

I

τεθνάκην b' άοόλιυς θίλω*. ά με ψισοομένα κατελίμπανεν

2 πόλλο και τόο' έέvLvεπεv•] »ώιμ' ώς οεϊνο πεπ[όνθα]μ€ν,

6 Ψάπφ', ή μάν σ' άέκοισ' άπυλιμπάνω.«

3 τάν Ö' έγώ τάο' άμειβόμαν »χαίροισ' ίρχεο κδμεθεν

μέμνασθ', οΤσθα γαρ ώς σε πεοήπομεν.

4 αΐ bi μη, άλλα θέων θέλω 10 δμμνασαι [....] λ[. .]ψεαι,

ιθ[. . ] κο\ κάλ' έπάσχομεν.

5 π[όλλοις γαρ στεφά]νοις ϊων και βρ[ό5ων . . .]κίων τύλοις

και . [ ] παρ' έμοι παρεθήκαο

6 16 και π[όλλαις ύπο]θύμι5ας

πλέκ[ταις όμφ' ά]πάλαι οέραι ανθέων έρ[άτων] πεποημέναις

7 κα\ πόλλαις . [. . . .]ς μύρω βρενθείω β[ασιληί]ω

2 κατελιππανβν 7 καμοθεν 8 μεμναισθ* 9 θέων OeÄvSch 10 ομναισαι όμμναΐσ*, αϊ[ς άπυ]λ[€ί]ψ€αι Seh 13 τυλλοι 14 πάρε-

θηκας 15/16 = Fragm. 46 Β* 17 πεποημμβναις vgl. κάλημμιΒΒ. 1, Vi. νόημμα 14. φίλημμι 70 und zur Erklärung Unters ζ. gr. Laut- u. Verel, 165 f Anm. 18 πολαις 19 = Fragm. 49 B.*

WM) Solin sen

•jKi (:iuXiii|iUO Κ . L•

Η Ku\ (Ττρώμνίαις . . .

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firXtf ό . . [. . . \{\ ούκ Αλσος [. . .

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ύί θέαι ικέλαν άρι- 5 γνώτο läibe μάλιστ* ίχαινε μόλπα. ;•ί VÖV bi Λύοαισιν ένπρίπεται γυναί-

κ€σσιν ώς ποτ' οελίω

ούντος ά βροοοοάκτυλος σελάννα Ι πάντα περρεχοισ' δστρα, φάος b' έπί-

ΐϋ σχει θάλασσαν έπ' άλμύραν

ϊσιυς και πολυανθέμοις άρούραις, Λ ά b' έίρσα κάλα κέχυται, τεθά-

λαισι bi ßpoba κδπαλα

θρύσκα και μελίλωτος όvθεμώbης. ίί 15 πόλλα bi ίαφίγγεος άγάναι δπι

μνάσθεισ' "Ατθώος, ιμέριυι

λέπταν τοι φρένα Kapbia βάληται. Fuigeti noch Ueberbleibeel einer Strophe.

4 θέας θέαισ' Seh uach W 5 σεδεμαλιστ' 8 μήνα, σελάννα durch das Metrum gefordert und von Seh mit Recht eingesetzt 9 περεχοισ 12 αδερσα 13 λεισι καπαλαι 15 2[αφογγαις oder 2[u- φογγακ, daher läset Seh die Wahl zwischen der obigen, von W em- pfohlenen Schreibung und πόλλα 2[άφθοτγ' αΐκ' άγάναι δπι μνάαθηις Άτθώος, die vor jener den Yortheil haben würde, dass sie nicht zur Annahme eines Anakoluths zwänge IG ιμερω 17 ποι

Beim Anblick dieser Ueberbleibeel, die in SchubartH Ver- öffentlichung dnrch eine beigegebene Lichtdmcktafel veranschau- licht sind, überschleicht einen zunächst das Gefühl der Euttäu Beübung, dass uns das Schicksal wieder einmal nichts Ganzes ge- gönnt hat; Brachetücke, nichts als Bruch stüi^ke! ruft man unwill- kürlich aus. Macht man sich aber mit dem auf uns gekommenen näher bekannt, so schwindet jenes Gefühl alsbald vor dem der Freude über die köstlichen Stücke Poesie, die uns da wieder-

Die Berliner Bruchstücke der Sappho 331

gegeben sind, köetlicher, wie mich dünkt, und von tieferer Empfin- dung durchweht als die ein wenig nüchterne, ecbwunglose Geleit- ode für den Bruder, die uns vor wenigen Jahren die Oxyrhyn- chospapyri gebracht haben. Wie wundervoll ist nicht in dem ersten der beiden Lieder, das den Abschied einer Schülerin von der Dichterin zum Vorwurf hat, der Unterschied in Wesen und Fühlen der beiden Frauen charakterisiert! 'Tot sein möcbt ich ganz gewiss Γ so ruft die Jüngere in ihrem Schmerze aus mit dem Ueberschwange, der der Jugend so wohl ansteht, und laut wei- nend (ψιίομενη * κλαίουσα Heeycb) fährt sie fort: *Weh mir, wie hart ist unser Los, Sappho! Wahrlich, ungern lass ich dich!' Die Lehrerin aber, die gewiss schon oft solch Scheiden dun gemacht hat und die weiss, wie schnell der Mensch, zumal de- junge, sich dank dem holden Leichtsinn, den ihm die Natur ver- liehen, in die neuen Verhältnisse schickt, wie bald die Erinnerungen an das frühere verblassen, antwortet gelassener: *6eh getrost und sei meiner eingedenk ; weisst du doch, wie lieb wir dich hatten. Wenn aber nicht, so gedenke wenigstens der Götter, in deren Dienste wir viel Schönes genossen haben' ^. Und es folgt eine Schilderung dieses Schönen ; die Dichterin spricht, so viel die dürftiger werdenden Ueberreste erkennen lassen, von den Veil- chen, den Rosenkränzen, den Blumengewinden, den duftenden Salben, den Polstern all das hat, wie es scheint, bei den hei- ligen Festen im Haine der Götter seine Verwendung gefunden. Das zweite Gedicht handelt von einer fernen Freundin, allem Anscheine nach Atthis, die einst die anwesende Freundin, an die die Verse gerichtet sind, gar oft mit ihrem wohlbekannten Sänge gefeiert hat. Nun aber glänzt sie inmitten der lydischen Frauen wie wohl, wenn die Sonne gesunken ist, der rosenrote Mond, der alle Gestirne überstrahlt; ό βροοοοάκτυλος σ€λάννα sagt die Dich- terin, der, wie Schubart richtig bemerkt, die Färbung vorschwebt.

^ δμμνασαι so zu betonen, dh. als Imper. Aor. Med. aufzufassen mit der attisch-ionischen Endung, die auch für das Aeolieche gesichert ist durch δέΗαι Alk. 56, erscheint mir natürlicher als die von Seh. be- vorzugte Accentuation όμμνάισ' α![ς], die die Form als Inf. Aor. Act. kennzeichnet; dabei vermiest man aber ein αέ. Die Abtrennung von α![ς] als Relativum, die dann weiter die Aenderung des vorhergehenden θέων in θ€Αν nach sich zieht, ist deshalb nicht unbedenklich, weil das Relativum bei den beiden Lyrikern in der Regel durch den Demon- strativstamm το• vertreten ist, sichere Beispiele für den echten Rclativ- stamm sehr selten sind (Hoffmann Dial. II 557 f.). Eine befriedigende

332 Solmsen

die der Mond in warmen Nächten hat, wenn er eben über den Horizont emporgestiegen ist, ein deutliches Zeichen, wie abge- griffen das epische Beiwort, wie verschlissen seine Bedeutung schon für die Sänger um die Wende des 7. und 6. Jahrhunderts y. Chr. war, und eine wichtige Bestätigung für die von W. Schulze Gott. gel. Anz. 1897 S. 887 ff. entwickelten Anschauungen über das'Abhängigkeitsverhältniss, in dem die Epitheta und überhaupt der dichterische Formel- und Wortschatz der lesbischen Lyriker zu dem des Epos steht. Und nun findet Sappho Freude an dem Naturbilde, das ihr vor die Seele tritt, und malt es im einzelnen aus : sein Licht ruht über dem salzigen Meere gleichwie über den blumenreichen Fluren, der schöne Tau ist ausgegossen^ und es stehen in voller Biütbe die Rosen und zarten Thrysken und der blumige Klee (θρύσκα* αγρία λάχανα Hesych; dazu ίν- θρυσκον* λάχανον κάρψ δμοιον. φέρει bk και δνθος ώστε εϊναι και βριυτόν και στεφανιυτόν Uesycli und in weiterer Verwandt- schaft wohl auch θρύον, das II. Φ 351 mit λωτός und κύττειρον als die Ui'er des Xauthos umsäumend genannt wird und der Stadt am Alpheios in Elis θρύον Β 592, θρυόε(Τσα Λ 711 den Namen gegeben hat, gewöhnlich als Binse ^ verstanden; vielleicht stam- men diese Pilanzennamen von der Wurzel θρυ- 'flüstern, surren, rauschen, lärmen* in θρέομαΐ θρόος θρϋλειυ). Wird nach dieser Schilderung der Mondnacht, die des grössten unserer Dichter, mag sie auch an die Tiefe des Gefühls, das seinem eigenen Liede

Ergäuzuii^^ des Versschlussee vermag ich nicht zu bieten ; eine Nachprü- fung der Handschrift wird versuchen müssen über den in der Mitte noch eben erkennbaren Buchstaben, in dem Seh. ein Α vermuthet, zu grösserer Sicherheit zu kommen. In der Schreibung des Verbal- stammes wechselt die Handschrift zwischen Beifügung und Weglassung des t adscriptum: μέμναισθ' I 8 (vgl. über diese Form u.). δμμνάιααι I 10, aber μνάσθεισ* II 1β. Das steht im Einklang mit der wissen- schaftlichen Controversc, die über diesen Punkt im Alterthum geführt wurde und für die die Aktenstücke von Usener Fleckeisens Jhb. 91 (1865), 245 f. gesammelt sind. Das Richtige ist Beifügung im Praesens, das mit Suffix -iokuj gebildet ist, Weglassung in den anderen Tempora, wie die zahlreichen inscbriftlichen Belege für Μνησι- und -μνηστος be- weisen. Dass in einem äolischen Text das stumme ι reichlich zugefügt ist, kann um so weniger Wunder nehmen, als die Vertheidiger der Or- thographie μιμνήισκω sich grade auf äolisches μιμν<ίισκω (μνέισκω?) beriefen, s. Anecd. Ox. I 196, 32 f. Herodian Π 79, 34 Ltz. = Schol. Α 7^)9 (nicht richtig aufgefasst von Hoffmann Dial. Π 421 und J. Schmidt KZ. 37, 37 ff., dessen Annahmen ich nicht zu folgen vermag).

l)ie Berliner Örucbstücke der Sappho 333

An den Mond entströmt, nicht entfernt heranreichen, doch nicht ganz unwürdig wäre, noch jemand es wagen wollen den 'Alten* das Gefühl für die Natur ahzaeprechen?

Doch es ist nicht meines Amtes den Folgemngen weiter nachzugehen, die sich aus dem schönen Funde für die Litteralur- geschichte und für die Würdigung der Persönlichkeit der Sappho, namentlich was ihr Verhältniss zu ihren Mädchen angeht, ziehen lassen. Man wird es verstehen, dass mich beim Lesen der Verse, abgesehen von dem Genüsse ihres poetischen Werthes, noch eine besondere Frage beschäftigt hat, die Frage, wie weit durch ihre äussere Form die Ansichten, die ich vor einem Jahre in meinen Untersuchungen zur griech. Laut- und Verslehre 137 ff. über das Digamma bei den beiden lesbischen Lyrikern vorgetragen habe, bestätigt oder widerlegt werden ; sie liefen darauf hinaus, dass das Vau im Anlaut noch durchweg vorhanden gewesen sei und alle diejenigen Einflüsse ausübe, die es überhaupt jemals auf griechischem Boden innerhalb des Verses auegeübt habe, dh. überall sich wirksam erzeige ausser bei kurzen consonantisch schliessenden Silben in der Senkung, die davor nicht durch *Po- sition* gelängt werden. Der diesmalige Befund erhärtet zunächst noch einmal das, was wir schon bisher über den schriftlichen Ausdruck des Digamma in den alexandrinischen Ausgaben wussten: vor ρ war es durch β bezeichnet, daher U 8 βροοοοάκτυλος. Π 13 ßpoba, wohl auch I 13 ßp[obujv] nach des Herausgebers Er- gänzung: hingegen vor Vocal war F geschrieben, die Bedeutung dieses Zeichens aber war den Schreibern späterer Jahrhunderte unverständlich geworden, und deshalb finden wir es in unserer Handschrift in allen in Betracht kommenden Wörtern weggelassen : οΤσθα I 8. ίιυν Ι 12. Ικέλαν II 4. ϊσως Π 11. έρσα Π 12. δπι II 15. €Ϊπον III 8. αοομ* III 10 ^ Den Grund dieser Verschie- denheit habe ich aaO. S. 175 f. klarzulegen mich bemüht. Wie steht es nun um die Wirkungen dieser Wörter auf den Auslaut der im Verse vorhergehenden? Ohne Belang sind I 12 [στ€- φά]νοις ϊιυν. Ι 13 και βρ[όοων]. II 8 ά βροοοδάκτυλος. II 11 Χβως und III 8 εΤπον am Versanfang. Schliessender Langdi- phthong ist unverkürzt geblieben in άγάναι δηι II 15; danach habe ich U 4 an Stelle des grammatisch unmöglichen Ck θέας ικέλαν, worin das -ς, nach der Lichtdrucktafel zu schliessen, sicher zu

* Das Alkaiosfragment enthält zufällig kein mit F beginnendes Wort.

334 Solmedti

stehen scheint, Οέ θίοΐ Ικίλαν geflchrieben, während ν. Wila- mowitz, den die Darlegungen in meinem Buche nicht überzeugt haben, θέακτ' eingesetzt hat; meine Aenderung ist jedenfalls nicht tiefer greifend als die seine. II 12 hat die Handschrift obepCTa, das Versmass fordert aber zu Beginn einen Eretikns, und Schubart hat deshalb hinter dem b ein eingeschaltet; ob wir das, wie er thut, ά b' έέρ(Τα oder ά bfe fpcTa lesen, ist gleich- gültig; vielleicht also haben wir hier einen Fall, in dem Di- gamma die Elision eines schliessenden kurzen Vocals verhindert hat. In be ßpoba II 13 ist kurzer Vocal in der Hebung vor Fp- als Länge gebraucht. III 10 bildet [o]ub€V αboμ' den Vers- anfang; das Metrum dieser Columne lässt sich bei ihrer starken Zerstörung nicht mit Sicherheit bestimmen, scheint aber, wie Schuhart darlegt, dem der zweiten gleich gewesen zusein; dann kann -b€V eine Länge oder Kürze darstellen, und die letztere würde durch meine Theorie erfordert werden. So weit stimmen die Dinge also zu dieser. Zu widersprechen scheint ihr aber das einzige noch übrige Beispiel eines digammirten Wortes, oTcOa I 8, vor dem der auslautende Diphthong von μφνακτθαι elidirt ist. Ist diese Form aber dem Zweifel so entrückt, dass an ihr die Theorie zerschellt? Es wird auf ihre Gewähr nicht schwören wollen, wer an der Hand der Adnotatio die U eberlief ernng mit dem durch das Versmass oder den Sinn geforderten Text ver- glichen und sich überzeugt hat, wie sehr dieser in jener ge- litten hat. Ich hebe den krassesten Beleg heraus, die Ver- drängung von σελάννα II 8 durch μήνα, das vermuthlich ursprünglich Glossem gewesen ist oder in einem Scholion gestanden hat, und bringe hier noch einen weiteren ähnlich liegenden zur Sprache, den wir, glaube ich, anerkennen müssen: I 3 έέν[ν€π€ν]. Ά η der Ergänzung έίν[ν€π€ν], sagt Schubart, lässt sich nicht zweifeln, so unmöglich das Augment auch er- scheint . Auch ich wüsste dies in keiner Weise zu recht- fertigen — Pindar und Bakchylides sagen, wenn sie das Verbum angmentiren wollen, (προσ•)ήν€π€ Pyth. 4, 97. 9, 29. Nem. 10, 79. Bacch. 14, 9 , wüsste aber ebenso wenig etwa einen Hiatus in TOb€ fv[v€nev] zu rechtfertigen ^ und sehe nur einen Ausweg aus der Schwierigkeit, die Annahme dass, ähnlich wie μήνα für σελάννα, so tob' έίννεπεν etwa für tobe είπί μοι oä.

^ Dass die HHiidschrift τόδ* €€v . . . mit Apostroph hinter dem δ bietet, ist ohne Bedeutung.

bie Berliner firucbstücke der Sappho SSh

eiogedrungen ist. Läeet sich nun entsprechend für μέμναοΌ' eine in MeseuDg und Bedeutung gleichwertige Form ersinnen, die jenem den Platz geräumt haben könnte ? Der Infinitiv in imperativischer Geltung ist an sich bei den lesbischen Lyrikern so gut möglich wie überall in Griechenland und thatsächlich, wenn auch der Imperativ selbst durchaus das regelmässige ist, wenigstens in einem sicheren Beispiel zu belegen: Sa. 78, 1 B.* σύ bk ατ€- φάνοις, ώ Δίκα, περθέσθ' έράταις φόβαισιν. Immerhin würden wir in unserem Verse nach dem vorhergehenden Imperativ ίρχ€0 vielleicht auch von μέμναμαι eher die 2. Sg. Imp. erwarten. Wie musste die im Altäolischen lauten? Im Urgriechischen *μέμναο aus ν^μνα(Τθ mit regelrechter Verhauchung des d zwischen den Vocalen. Dessen ungestörte Weiterentwickelung durch die Mittel- stufe *μέμνηο hindurch liegt vor in ion. μέμν€θ Herodot V 105 (δέσποτα, μέμν€θ τών Αθηναίων). Herodas 4, 89. Orph. Lith. 609 Ab. uö.; vgl. 2. Sg. Ind. μέμνηαι Φ 442, woraus μφνη (oder μφνη'?) Ο 18. Υ 188 uö. Wenn das Dorische dem μέ- μναΟύ (Epicharm 250 Κ., kein sicheres Zeugniss für das echte Dorisch), das Attische μέμνη(Τθ entgegensetzt, so haben diese Formen (T wiederhergestellt gemäss der Tendenz, die zum we- nigsten beim Attischen unser Material für die 2. Sg. Imperativi wie Indicativi Med. der 'unthematischen' Flexionsweise deutlich zu erkennen gestattet; vgl. übrigens schon Ψ 648 μέμνη(Ταΐ. Aus dem Aeolischen besitzen wir zu dürftige Belege, um irgend etwas Sicheres aussagen zu können; was wir haben, zeigt zum Theil den fürs Urgriechische zu erschliessenden Zustand: einerseits lOGO Sa. 1, 28, anderseits μεγαλύννεο Sa. 35, zum anderen Theil un- ursprüngliohes Wiederaufleben des CT: fipvucTo Sa. 75. Nehmen wir an, dass μέμναμαι sich unbeeinflusst weiter entwickelt hat wie im Ionischen, so musste *μφνάο zu *μίμνα führen wie urgr. hom. 'Aibäo zu *Aibfl Sa. 68, 3, Kpoviböo zu Kpovibö Alk. 48 A.

χαίροισ* ίρχεο κδμεθεν μίμνα, Ροϊσθα γάρ ώς σε πεοήπομβν entspricht glatt dem, was wir brauchen, und es ist auch leicht genug verständlich, dass diese Form, die so wenig durch eine Endung als bestimmte Person gekennzeichnet war, sondern ledig- lich den Stamm zu enthalten schien, sich in der Ueberlieferung nicht behauptet hat, sondern durch den deutlicheren Infinitiv er- setzt worden ist. Ich hoffe, dass diejenigen, die im vorigen Jahre meinen Ausführungen zugestimmt haben, auch diesen Versuch

33β Solmsen Die Berliner ßruchstücke der Sappbd

mit dem neo ans Tageslicht getretenen zurecht zu kommen ein- leachteod finden werden.

Zum Schlnes sei noch der Belege gedacht, die uns die neuen Bruchstücke für die Digammaverhältnisse im Wortinneren, na- mentlich zwischen Vocalen, gebracht haben. Iloffmann Dial. II 461 f. hat festgestellt, dass ursprünglich durch F getrennte Vo- cale, wenn der erste von ihnen kurz war, in den Texten der beiden Lyriker niemals contrahirt erscheinen, dagegen bei langem ersten Vocal gelegentlich Contraction, bei Diphthong gelegentlich Verkürzung stattfindet, und ich habe aus diesem umstände im Verein mit gewissen anderen Thatsachen der Ueberlieferung den Schluss gezogen, iass das F in der erstgenannten Stellung zur Zeit des Sappho und des Alkaios noch thatsächlich vorbanden gewesen sei (aaO. 172 f.). Die neuen Fälle fügen sich Hoff- manne Beobachtung ohne weiteres : wir finden auf der einen Seite άέκοκτ' 1 5. φάος II 9. οροσόεντας III 12, vielleicht auch έέρ(Τα II 12 (β. ο.) uncontrahirt, auf der anderen zwar αελίω II 7 uncontrahirt, aber πεποημεναις I 17 mit -o- für -Ol-. Von Wörtern, die urgriechisch F nach Liquida oder Nasal hatten, begegnet, abgesehen von b^pai I 16 in einem Verse, der uns schon früher bekannt war, nur eines: κάλα I 11 und U 12. An der ersten dieser beiden Stellen ist Kürze der Wurzelsilbe er- forderlich, an der zweiten möglich ; auch das stimmt zu dem, was wir sonst über die Gestalt dieses Wortes und der analogen Fälle überhaupt bei den beiden Lyrikern wissen.

Bonn. Felix Solmsen.

FACETIAE TVLLIANAE

Was Dramann GR. IV 598 ff. über Ciceros Witz sagt, ist, wie immer, aneserordentlioh reich an sachlicher Belehrung, nur hätte er sich die Empörung sparen sollen. Cicero machte seine Witze nicht für uns, sondern für seine Zeitgenossen, und diese hatten, sofern sie nicht selbst die Zielscheibe des Spottes waren, an ihnen, wie uns genügend bezeugt ist, ihre helle Freude. Dru- manns Entrüstung würden sie eben so wenig verstanden haben, wie die Bestrebungen der 'Retter Ciceros, die seine Derbheiten versohl eiern oder weginterpretiren wollen. Cicero selbst war stolz auf seine ganz einzige Befähigung für den Witz und durfte es sein. Denn darin war er unbestritten der erste Mann in Rom, dem selbst ein Cäsar mit Entzücken lauschte. Er Hess sich des- halb nicht gefallen, dass man ihm schlechte Witze zuschrieb, die er nicht gemacht hatte, wachte aber auch darüber, dass ihm sein eigenes Gut nicht geraubt wurde. Ich glaube also Cicero sogar, nicht nur der Wahrheit, zu dienen, wenn ich ihn gegen seine zu eifrigen Freunde in Schutz nehme ^.

Das Bestreben, ihn nichts Unschickliches sagen zu lassen, tritt gleich bei dem Briefe zu Tage, in dem sich Cicero selbst über die Frage ausspricht, wie man sich den unanständigen Aus- drücken gegenüber zu verhalten habe, ich meine den Brief an Paetns, ad fam. IX 22.

Ueberliefert sind die Anfangsworte: Arno verecundiam vel potius libertcUem loquendi. Dazu bemerkt CA. Lehmann 'Quaest. Tüll. p. 59 f.: nihil est, quo ea quae contraria esse debent neqne sunt, defendi possint; itaque conicitur Arno verecundiam^ tu patiuSf Wesenberg, cum vel mutare non liceat, ita locum re-

* Für die bisherigen Angaben, die nur Allbekanntes wiederholen, bedurfte es keiner Belege. Wer diese wünscht, findet sie bei Dru- roann aaO.

Bhoiii. Mm. t PhUol. M. F. LVU. ^

im Ouriitt

stituit verecundmmj (fu impudeniiani) vel potius ... Ne id qui- dem plaoet, cum ego ante Arno desideretur. Kgo scribo Awo verecundiatHy vel potius liberfatem loquendi (^odt). Es folgen Be- lege für die Antithese anto und odi, C. F. W. Müller bemerkt dazu ^probab.', eetat aber vorpichtiger Weise lieber im Texte vor vel ein f. Ich glaube zeigen zu können, dass die Ueberlieferung richtig ist : Paetue hatte in einem uns nicht erhaltenen Briefe einen derben Ausdruck gebraucht^ und ilaran offenbar die Frage geknüpft, ob Cicero daran auch nicht Anstoss nehme. Cicero will ihn nun gewiss nicht verletzen das würde er aber Ihun, wenn wir libertat&m loquendi (odi) conjiciren und schreibt deshalb (5): Te adver sus me omnia andere graium est; ego servo et servaho sie enim adstievi Ptafonis verecundiam. Von dieser abschliessenden, zusammenfassenden Stelle aus ist der ganze Brief und besonders der Eingang zu beurtheilen, der damit in Einklang steht. Denn er heisst : *Ich bin für decenten Aus- druck oder vielmehr, ich bin dafür, dass man sich frei (dh. jeder nach seiner Neigung) ausdrücke*. Dass er selbst die Decenz bewahre, bezeichnet er mehr als eine Gewöhnung, dass er aber im Principe gegen offene Aussprache auch des Obscönen nichts habe, das begründet er durch den Nachweis. Zeno, dessen Verstand dabei lobend hervorgehoben wird, wie die Stoiker über- haupt, hätten mit guten Gründen das Vorhandensein des Ge- meinen in der Sache und im Worte geleugnet. Atqui hoc (== lihertas loquendi) Zenotii placuit^ homini wehercule acuto, eisi Aca- demiae nosirae cum eo magna riaa est soll doch offenbar heissen: * Obgleich ich mehr der Akademie angehöre, obgleich die Aka- demie mit Zeno im Streite lag, dennoch mnss ich den Standpunkt des Zeno, der die lihertas loquendi fordert, als berechtigt aner- kennen'. Schon die Thatsache, dass Cicero darauf diesen Staud- punkt so eingehend begründet, beweist seine principielle Zustim- mung. Auf die Frage aber, weshalb er selbst im Gebrauche denn doch die verecundia bevorzuge, hat er die Antwort: *ich bin einmal daran gewöhnt und will von der Gewöhnung nicht lassen, obgleich ich die libertas loquendi^ das Recht des freien, auch derben Wortes anerkenne und eigentlich lieber habe*. Das mag zum Theil ein höfliches Entgegenkommen gegen den Stand punkt des Paetus sein, zum Theil aber wird es Ciceros wahie

^ § 2: Qnnd tu in epintula nppeUas suo nomine, die (Pieo Frugi) tictias *poum\

B^aoeÜae Tullianae 339

Meinung ausdrücken. Es gilt feRtzuhalten, daes libertas loquendi an sich nicht das Aussprechen des Obscönen, sondern nur das Recht bedeute, die Sache, die Cicero selbst tectis verbis 5) behandelt, nach Wunsch auch apertissimis zu behandeln, das Kind beim rechten Namen zu nennen. Besonders lege ich bei meiner Interpretation Werth auf das Wort loquendi. Cicero sagt nicht dicendi libertas. Er spricht hier also von dem Tone in der Um- gangssprache, im Verkehre mit Freunden, nicht von dem Tone, den man im öffentlichen Leben einzuhalten habe. Für diesen würde er jedenfalls im Principe möglichste Decenz als Regel fordern, wie er bekanntlich auch im orator und in de orat. thut^

Recht miesverstanden und misshandelt hat man folgende Stelle :

Ad fam. IX 16, 7. Quem tu mihi f popiUum, quem t de- fiarium narras? quam tyrotarichi patinam? Die Ueberlieferung stimmt überein in dem Worte popilium (D), nur dass MH po- pillium bieten. Ich verstehe nicht, weshalb man, statt den Eigen- namen Popüius anzuerkennen, der in Ciceros Schriften vielfach vorkommt S sich mit allerlei Conjecturen gequält hat {pompüum Rutilius , polypum Corradus, popellum Bücheier). An Popilius scheint dabei überhaupt kein Interpret auch nur gedacht zu haben, obgleich verwandte Stellen vorliegen zB. ad fam. IX 15, 3 Ca- tulum mihi narras et Ula tempora Q. fr. II 1 (13), 1 iam pridem istum canto Caesarem. Cicero weist eine Einladung des Paetus scherzhaft mit der Bemerkung ab : mit einem Popilius als Tisch- genossen darfst du mir nicht mehr kommen^ und begründet das damit, dass er jetzt gewohnt sei mit ganz anderen Leuten, mit einem Hirtius und Dolabella zu speisen : Uirtium ego et ΌοΙα- bellam dicendi discipulos fiabeo, cenandi magistros ; puto enim . ie audisse . . illos apud me declamitare^ me apud illos c&nitare, Ist also die Lesart Popilium so undenkbar, dass man zu Conjecturen

* In dem Brief an Paetus (IX 21, 1) betont er aber selbst den grossen Abstand zwischen öffentlichem und privatem Sprechen mit den Worten: Verum tarnen quid tibi ego videor tn epistulis? nonne plebeio sermone agere iecum ? Nee enim semper eodem modo. Quid enim aimUe habet epi' stula aut iudicio aut contioni? Quin ipsa iudicia non solemus omnia tractare uno modo. Privatas causaSy et eas tenues, agimus subtüius; capitis aut famae ornatius: epistulas vero quotidianis verbis texer e solemus.

^ Besonders ist das Geschlecht der Popilius durch die Laenas mehrfach vertreten. Am ehesten wird man hier am Popilius Laenas augnr a. 709 denken dürfen (A. XII 13, 2} 14, 1; 17).

greifen müsste? Auch das folgende denarium^ das alle Ηββ. bieten^ hat man mit unrecht verdächtigt und dafiir ebenfalle Namen von schlicliten Speisen eingesetzt {thi^narium Thnnfischgericlit, Rn- tilius ; thynnum Thunfisch, Schütz ; cantharum Kanne sc• Weines, derselbe; naritam Meerschnecke, Fr. Scholl). Mendelssohn sagt: denarium cum Ribbeckio (fr. com.^ p. 396) tencri posse non credo, sed hie quoque desiderari vilis alionius ribi nomen. Andresen liest pompilum, quem thynnum, G. F. W. Müller giebt die Lesart der Hss. mit Ereuten der Verderbniss. C. Bardt, Commentar II S. 255 liest polypua und thynnus^ sagt aber eine sichere Her- stellung sei unmöglich.

Sollte nicht Paetns in seinem Briefe, in dem er sich für bankerott erklärte {tu autem quod mihi honam copiam eiures)y scherzhaft gesagt haben, mehr als einen Denar dürfe das Diner nicht kosten^? Er könne höchstens und nun folgt erst die Nennung der billigen Speise mit einer iyrotarichi paiifia, einer Schüssel Fischragout mit Käse^ aufwarten? Die Ueberlieferung der epp. ad fam. erweist sich eben wieder als viel besser, als bisher angenommen wird. Zumal wo MHD übereinstimmen, da sollte man mit Conjecturen äusserst zurückhaltend sein. Indem ich also die Ueberlieferung in allen Punkten halte, übersetze ich: ^Was sagst du mir da von Popilius, was von dem Denar, was von der Schüssel Fischragout?* woran sich trefflich an- schliesst: facilitate mea isla /erehantur anieax ^ Meine Gntmüthig• keit hat sich diese deine Behandlung vordem gefallen lassen*, nunc mulcUa res est. Und darauf folgt in gleicher Reihe die

^ Es mag nicht zufällig sein, dass derselbe Paetus in einem ähn- lichen Zusammenhang mit seinem aestimationes nach IX 18, 4 scherzend davon gesprucben hat, dass er nicht im Stande sei oliam denariorum implere. Das empfand auch Boeckel, 'Ciceronis epp. sel.'^* S. 3^52 zu ep. 91 (= IX 18, 4). 'Vielleicht hatte Paetus scherzend geschrieben, ihm bleibe so wenig Baarvermögen, dass er nicht einmal einen Topf damit füllen könne : man denkt unwillkürlich an die quadrüibrem au• lam aura onuetam, nach der die Aulularia bei Plautus ihren Namen hat. Vielleicht bestand auch eine scherzhafte Zusammenstellung von dieser oUa mit (ep. IX 16, 7) tyrotariehi patinam (Plaut. Capt. IV 2, G6 = 84i»)\ Das letzte ist falsch, aber man sieht, wie nahe Boeckel der richtigen Erklärung kam. Zu jener Stelle bemerkt er : 'popillium .... denarium für uns nicht recht verständlich, man erwartet den Namen einer ge- ringen Speise'.

^ Ein noch h<Mite in Italien beliebtes, sehr schmackhaftes Gericht• pas Recept da/.u «<[iebt uns Apicius IV *i, 137.

Facetiae TulUanae 341

Aufzählung: 1) jetzt epeiee ich mit einem Hirtius! 2) auf deine Knauserei mit deinem Denar lasse ich mich nicht ein. Dieser Gedanke »teckt in den Worten: Tu atdem quod mihi bonam co- piam eiures, nihil est; tum enim^ cum rem habebas^ quaesticulis te faciebat attentiorem^ nunc, cum tarn aequo animo bona perdas, t λολ eo sis consilio, u/, cum me hospitio recipias^ aestimatiatiem te aliquam putes accipere. Es ist allerlei zur Heilung der verderbten Worte: non eo sis consilio ut vorgeschlagen worden. C. F. W. Müller liest non eo sis censeo animo ('coni. Tüll/ p. 12), non<^esty quody eo sis consilio Wesen berg, non eo possis consilio (juti^ Madvig ('adv. crit.' III p. 163), non (^est, quod non) eo sis con- silio Lehmann (WS. f. kl. Phil. 1885 p. 1106 und Quaest. Tüll, p. 91). Der Gegensatz erfordert, dass jetzt Paetus als nicht sparsam, sondern als freigebig dargestellt werde ^. *So lange du Vermögen hattest, spartest du. Seitdem du gelernt hast grosse Verluste mit gutem Humor zu ertragen, ist auch nicht zu fürchten, dass dein Gastmahl knauserig ausfallen werde'. Wie dieser Ge- danke, den schon C. Lehmann richtig dargestellt hat, am besten zum Ausdrucke komme, will ich hiM* offen lassen*. 3) 'Die Art

^ C. Bardt, Commentar II S. 256 erklärt diese Stelle kurz und treffend: *Die Bewirthung, die dir Kosten macht, musst du mit derselben Seelenruhe leisten, mit der du die Taxe, die dich schädigt, entgegen- nimmst, obendrein {etiam) thut der Schlag von einem Freunde weniger weh {levior est) als von einem Schuldner*. Dort findet man auch das Nöthige ü()er die aestimatio (e. auch Heft I S 225 zu luHa lex.)•

* Um aber meine Meinung nicht ganz zu verschweigen: ich glaubp, dass non eo fit consilio (= non fit eo cons.) zu lesen sei, einmal, weil fit dem vorausgehenden quciesticiilus te facid)at attentiorem genau auch im Wortlaute entspricht {facio und fio drücken die Thätigkeit oder den Zustand allgemein aus, die vorher durch das eigentliche Wort bezeichnet worden sind Für diesen Gebrauch von facio s. Beispiele bei Hofmann- Lehraann (Auegew Br. ' zu A. VH 3, 2; auch A. X. 8 A. 1 F. XVI 11,3), sodann weil es graphisch beinahe identisch ist mit dem siSy da dieses mit langem 8 geschrieben wurde, schliesslich weil das folgende ut putes mir zu beweisen scheint, dass vorher nicht die zweite Person (etwa: fum (estt quod non) eo sis consilio) gestanden habe: denn man kann doch kaum sagen: eo sunt consiliOt ut putem^ 'ich habe die Absicht zu glauben*. Das grenzt fast an Unsinn. Die Härte und Unklarheit dieses Ausdruckes hat z6. auch G Bardt empfunden Er liest deshalb mit C. F. W. Müller (Commcnt. II S. 250): non est, quod non eo sis animo, ut putes mit Beseitigung der doppelten Negation: 'Du hast alle Veran- lassung die Sache so anzusehn, als ob* das reg. Verbum putes ist

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des Diners sei nicht protzenbaft in der UebcrfüUe, sundern glän- zend und fein', was im Gegensatz zu lyroiarichi pcititia steht. Wir haben also eine volifltändig durchgeführte Antithese, es ent- spricht dem Popilius der Hirtitis, dem denarius die Erwähnung des Vermögens {res)^ dem Fischragout die Angabe der ceiiae mit Charakteristik der Speisen : ncc tarnen eas cenas quaero, uf magnac reliquiae fiant; quod eritj magnificum sit et lautum, Memini ie mihi Phameae cenam tiarrare: temperius fiaf, cetera eodem modo. Dafür, dass aber tyrotarichi patina als einzige Speise genannt war, spricht auch der Satz gegen Ende des Briefes: tu vcro volo enim obstergere animi tui meium ad iyrotarichum anti- qtium redi. Wären aber drei Speisen genannt gewtsen, wie man durch Conjectur hineinbringen wollte, weshalb hätte dann Ciieru hier eine und nur die letzte angeführt ? So haben wir, meine ich, allen Grund in § 7 Popilium und denarium zu halten, wodurch die ganze Stelle viel gedankenreicher, witziger, der Periodenban viel einheitlicher und zugleich kunstvoller wird. Dazu kommt, dass drei Speisen doch schon eine Art Luxus wären, während Paetus gerade zum Ausdrucke seiner Armuth in seinem Scherze erklärt haben wird, nur mit einem und dazu nur mit dem billig- sten Gerichte aufwarten zu können, unsere Stelle ist also die höchst witzige Beantwortung der Einladung des Paetus, in der es etwa hiess: 'Sei mein Gast, lieber Cicero! Aber ich kann dazu nur noch den biederen Popilius einladen; denn infolge der cäsari- sehen aestimationes bin ich so verarmt, dass ich auch höchstens einen Denar für das 'Diner* aufwenden kann. Du musst dich also mit Fischragout begnügen'. So erhalten wir in Ciceros Antwort einen nach Inhalt und Ausdruck vortrefflichen Text, ohne dass auch nur ein Buchstabe der üeberlieferung angerührt wird ^

dann nicht zu übersetzen*. Putes wird aber bei dieser Lesung noch mehr als überflüssig, weshalb sollte dann Cicero nicht gesagt haben, non estf quod non piUes, was dasselbe kürzer und klarer besagt? Viel angemessener ist es jedenfalls, wenn eo cotmlio auf ein anderes Subjekt, hier auf res oder ganz allgemein auf das Impersonale 'es* bezogen wird, welches die Absicht verfolgt, dem Paetus den Glauben beizubringen, dass eine glänzende Bewirthung Ciceros ihm von Nutzen sein werde. Die UebersetzuDg wird meine Absicht klarer machen: *Denn damals, als du Vermögen hattest, machte dich das auf kleine Profite erpicht, jetzt, da du dein Vermögen leichtiMi Sinnes preis giebst, geschieht das (sc. Knausern) absichtlich nicht, damit du dir einbildest, dass dir eine Bewirthung irgend eine aestimatio einbringen könnte. ^ Dettweiler, Ciceronis epp. select.^ S. 134 f, dem diese Behand•

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Ad fttin. IX 18, 3 Exiremum illud cst^ quod tu nescio an primum putes: plures iam pavones confeci quam tu pullos colum- binos. Tu istic ie Uateriano iure delectas^ ego me hie Hirtiano, Veiti njitur, si vir es, et f disceam πμολεγομενας, quas quaeris; cisi sus Minervam, t sed quomodo video, Si aestimatioues tuas vendere non poies neqve ollam deuariorum implcre, Rowam tibi retuigrandum est ; satius est hie cruditate quam illic fante. So lautet die Ueberlieferung in M; in D lesen wir disce απρολεγο- μένας. Boot (Obs. crit * p. 20) vermuthet ; disce α me προηγμένα, weil προλεγόμενα, wie Mendelssohn zugiebt, bei Cicero und im klassischen Griechisch nicht nachweisbar ist. Aber προηγμένα passt dem Sinne nach nicht recht. £s bedeutet nach der Lehre der Stoiker Dinge, die zwar nicht gut an sich (αγαθά), aber doch diesen nahestehend und nicht verwerflich sind. Cicero nennt sie sonst promota, producta^ praeposita, praecipua^ aber er rechnet zu diesen niemals die gastronomischen Genüsse, auf die hier ange- spielt wird. Für diese haben die Stoiker den verächtlichen Aus- druck άποπροηγμένα, den Cicero in dein Briefe an Varro (ad fani. IX 7,2) gebraucht: itaque uullum est άποπροηγμένον, quod nun verear^ ebenso de fln. III 15 : . . piUo concedi nobis oporiere, ut Graeco verbo utaimir, si quando minus occurret Latinum, ne hoc 'ephippiis' et ^ acratophoris* potius quam ^proegmenis* et ^apo- proegmenis* conced<ifw\ qumnquam haec quidem ^praeposita* recte et 'reieda* dicere licebit. Das in D erhaltene anlautende α scheint ein Fingerzeig zu sein, dass auch in unserer Stelle von Cicero άποπροηγμένας (sc. res), quas quaeris gestanden habe. Paetus war ein Feinschmecker, den Cicero deshalb beständig neckt. Sich selbst Iiezeichnet Cicero auf diesem Gebiete als Neuling. Wenn er also den angeblich verarmten, hungernden Freund jetzt zu sich lädt, um ihm bei sich über die reiecta einen Lehrcur-sus zu ert heilen, so passt dazu die anschliessende Bemerkung: eisi sus Minervam (sc. docebo). Die Stelle muss früh von einem des Griechischen Kundigen entstellt worden sein, denn προλεγόμενος ist nicht verschrieben, sondern schon Conjectur. Deshalb wage ich eine Aenderung, die sieh etwus stark von der Ueberlieferung entfernt: et disce α »ι<^β> ά<πο)προηγμίνα, quae quaeris* \ Komme also, wenn du ein Mann bist,) und lerne von mir die Nichtig- keiten, auf die du ausgehst, obgleich da das Schwein die Minerva

lung unserer Steile durch briefliche Mittheilung bekannt wurde, stimmt ihr bei und hat Text und Erklärung dem entsprechend gedruckt.

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[belehren mu8R] . Cicero schrei bt dies im Tusculanum 1); Paetus ist in Neapolie. Wenn nun Cicero sagt: Satius est hie cruditate quam istic fame (rc. perire), eo bezeichnet er mit hie nicht nur Tueculum, sondern zugleich Rom, mit istic aber Nea- polis. Der dazwischen liegende Gedanke mnss also den Wortlaut und Sinn haben: Si aestimationes fuas vendere non potes neque dllam denariorum implere^ (non Neapolim sed) Romam tibi remi- grandum est. Denn damit stimmt das Weitere Uberein : Video te bona perdidisse: spero idem istie familiäres tuos *ich hoffe, dass auch deine Freunde in Neapolie verarmt sind', so dass da in Rom bleiben musst. ^Besser in Rom an verdorbenem Magen, als in Neapolie Hungers sterben . Die Hss. bieten : sed quo- modo Video si aestimationes (M und D ohne si), Daraue glaube ich Ciceros Hand herstellen zu können, in dem ich schreibe: Sed Sit quomodo video^ aestimationes usw. Cicero stellt es absichtlich als höchst unwahrscheinlich hin, dass Paetus wieder zu Vermögen komme, um eben den Scherz vollkommen zu machen, dass Paetus vor dem Hangertode stehe, wenn er nicht zu ihm nach Rom- Tusculum reise. Jeder Verzug ist also von Uebel ; * deine aesti- mationes, sagt er, wirst du ja doch nicht los, bekommet ja dock quomodo video, wie ich deutlich eehe keine Groechen wieder in deinen Spartopf*. Quomodo video iet also gebraucht wie pr. Rose. Am. 7 (worauf Schmalz verweist): ego contra brevem ^tostu- lationem adfero e/, quomodo mihi persuadeo, aliquante aequiorem (s. auch L. Mendelssohn a. 1.). Für meine Vermnthung, daee si nicht unmittelbar vor aestimationes stand, sondern dorthin in Μ wohl erst conjicirt worden ist, giebt D einen Anhalt, wo si über- haupt fehlt. Dagegen sed quomodo mde(ryo (oder video) zurück - zu beziehen auf etsi sus Minervam, und mit 8% aestimationes fort- zufahren, wie Bengel, Baiter, Wesenberg, Boeckel ep. 91, Tyrrell- Purser, C. F. W.Müller wollen, halte ich für eine Abschwäch ung dee Scherzee: etsi sus Minervam und ebeneo des folgenden Scherzee, der dadurch beeondere wirkt, dass Cicero seinem Freunde jede Hoffnung auf pecuniären Aufschwung zu nichte macht. Meine Lesung hatten schon Orelli und Schmalz (Jahrb. f. cl. Phil. 1891 S. 339) empfohlen.

Ad fam. IX 10, 2 glaube ich mit leichter Aendernng aus ingentium fularum und aus cum Sophia Septume den Text: in- gentium 5rt/arMm (Forellen) . . . cum σοφίας επιτομή und damit einen anmuthigen Scherz hergestellt zu haben (Philol. 1900 S. 622 ff.).

Ad fam. IX 19, 1 habe ich in der Berl. phil. WS. 1900

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Ν. 48 Sp. 1500 behandelt: ad suam lieiMet 'zu Heiner Geliebten*. £e bedarf also auch hier keiner Gonjectur.

Ad fam. IX 20, 2: dediscendae tibi sunt sportellae (MD^, sportulae HD^) et artolagyni iui: nos tarn t ^^ oftis iantum ha- bemuSf ut Verrium tuum et Camillum qua munditia homineSj qua elegantiaf vocare saepius audeamus. So lautet die Ueber- lieferung. In den Ausgaben findet man statt artolagyni stets arfolagani, den Namen einer Speise, eines Pfannkuchens, der aus Mehl, Wein, Milch, Oel, Fett und Pfeffer bereitet wurde (Plin. h. n. 18, 105). Griechisch heisst diese Speise άρτολάγανον (Athen. 3 p. 113^), ist also Neutrum, wie das Simplex λάγανον, laganum {Ceh, 2,22 und 8,7 Apic. 4, 134). Dass daneben aber auch das Mascnlinum άρτολάγανος oder lat. ariolaganus unmög- lich sei, kann nicht behauptet werden. Das Genus wechselt oft, so auch in τάριχος, ου, ό und τάριχος, ους, τό (Athen. 3 ρ. 119^**). Es sind andere Gründe, weshalb ich die Gonjectur glaube ab- lehnen zu müssen. So oft Cicero zu Paetus kam, wurde er von diesem mit dem tyrotarichus tractirt (ad fam. IX 16, 7 s. oben; 9 : Tu vero ad tyrotarichum antiquum redi). ^ Die Erinnerung an diese Speise muss sich in Ciceros Seele mit der Person des Paetus fest verbunden haben, wenn er zwei Jahre später, ad Att. XIV 16, 1 (an. 44) schreiben konnte: Ich bedachte den tyrotarichus des Paetus mit einem Ueberfall . (C. Bardt, Comment. II S. 256.) Wenn also Cicero den Paetus mit einer Speise hätte necken wollen, so wäre es wohl auch in unserer Stelle das 'ewige Fiech- ragout* {tyrotarichus antiquus) gewesen. Sodann steht artolagyni neben sporteUae. Beide Namen müssten entweder Speisen oder Geräthe bedeuten. Sportella ist aber keine Speise. Sporta heisst der Korb, sportella das Körbchen (Suet. Dom. 4 Petr. 40, 3) und als Küchengeschirr ein Geräth, in dem man Speisen leicht auf- kochen oder braten Hess (Apic. 6, 248; 8,364 und 374). Spor- tella war also entweder ein kleiner Herd, ein Feuerbeoken in Korbgestalt, oder ein Gefäss, das auf dem Feuerbecken gebraucht wurde. Man hat allein aus unserer Stelle geschlossen, dass es ein Speisekörbchen bedeute und die darin gegebene kalte Küche, das kalte Gericht, im Gegensatz der förmlichen Mahlzeiten' (Georges, Wörterb.^ b. v.) und deshalb dazu ein zweites Gericht, artolagani, durch Conjectur geschaffen. Bleiben wir bei der durch Apicius gesicherten Deutung, dass sportella ein Kochgeräth ist, so kann auch artolagyni keine Speise bedeutet haben. Alle drei besten Hss. stimmen in der Schreibung dieses Wortes überein.

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Grund genug, es mit allen Mitlein zu vertheidigen. Aach zu- gegeben, daee hier sportella das Körbchen mit seinem trocke- nen, kalten Inhalte sei, so würde doch auch das andere Wort schwerlich eine Speise, sondern Gleichartiges bedeuten. Nun giebt es auch das Wort άρτολάγυνος (Polemo cp. 1: άρτολά- γυνος πήρα, 'ein Ranzen mit Brod und Flasche' nach Passow Handwörterb. d. gr. Sp.^ s. v. άρτ.). Es bedeutet λάιρυνος be- kanntlich einen breitbauchigen irdenen Krug, ebenso das in der Form vielfach wechselnde lat. Wort lagoena, lagona, laguna^ la- gynos etc. Ärtolagynus müsste also ein Gefäss sein, in dem ßrod bewahrt oder gebacken wurde. Dass aber ein Brodbacken auf einem so genannten Geräthe je stattgefunden habe, ist nicht nach- weisbar und deshalb nicht glaublich, da wir den Namen für diese kleinen thönernen oder silbernen Backöfen mit ziemlicher Bestimmtheit kennen. Wenigstens hat mich 0. Benndorf in seinem Aufsatze * Altgriechisches Brod* (Eranos Vindobonensis S. 372 385) davon überzeu^^t, dass diese griechisch κλίβανοι hiessen; ebenso ist clihanus im Lateinischen gebräuchlich. Es wäre dann artölagynos ein 'Brodkrug, also wohl ein Geräth, in dem man Brod vor Trockenheit oder Mäusen schützte, oder in dem man es auf dem Tische servirte, etwa unseren Cakesbtichsen ent- sprechend. Es könnte aber natürlich auch eine Art Casserolle gewesen sein, in der man Brod oder in unserem Fall das Fisch- ragout zu backen oder braten pflegte. Wir kennen die Benen- nungen der zahlreichen Küchengeräthe so wenig, dass wir uns bescheiden müssen. Jedenfalls will Cicero hier zwei bescheidene Geräthe nennen, die bei Paetus zur Bedienung der Gäste ge- braucht wurden, und dazu ausreichten, die aber in Vergeseenheit kommen müsstpn, wenn Cicero mit jetzt sehr gesteigerten An- sprüchen an die * Küche wieder sein Gast sein sollte. *An deine CasserÖlchen und BrodbUchsen ist jetzt nicht mehr zu denken!' so möchte ich die Stelle übersetzen und sehe mich darin bestärkt durch das, was Cicer« weiter sagt : cum homine edaci tibi res est, et rjui iam aliquid intellegat (όψιμαθεΐς aulem homines scis quam insolentes sint). Bis hierher brauchten wir nur die Ueb erlief erung zu interpretiren, jetzt aber folgt eine Textverderbniss. Man hat schon viele aber nicht zum Ziele führende Versuche gemacht, die Worte Nos iam f ex artis tanfum habemus sq. zu emendiren: Nos iam arte oder ex artis ea, exquisit ae artis, exercitationis, όψαρ- τυτικής, όψαρτυσίας nichts konnte befriedigen. Offenbar stand hier ein griechisches Wort, das zu sporteUae und artoUigyni eine

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Steigerang bedeutet. Beeclieidene llerrichtungen reiclien fi'ir so verwöhnte Gäste nicht aas, es müssen grössere Mengen bereit gehalten werden. Das führt auf die bekannte Wendung sexies tantum (sechsmal so viel), oder da es griechisch sein soll, έΕάκις tantumj das lateinisch geschrieben (EXAKIS) der Ueberlieferung eacurtis nahe genug steht ^.

Im Philol. 1898 S. 403 ff. hatte ich den Versuch gemacht, die Worte des Briefes ad Att. XVI 11, 1 Asia ea ctegre me ienui usw., welche über Ciceros zweite Philippica handeln, in obscönem Sinne zu erklären und zu berichtigen. Diese Behandlung hat sehr verschiedene Aufnahme gefunden \ Nur 0. E. Schmidt hält sie für völlig verfehlt und ist über sie wie über andere meiner Vorschläge sittlich entrüstet (Rhein. Mus. LV, 1900, S. 407 ff.).

Während er vordem hinter asta ea einen Eigennamen suchte ^ sagt auch er jetzt mit der Bestimmtheit, die ihm eigen ist, hasta bedeute hier dasselbe wie das griechische όβελός, das Zeichen der Athetese . ., also asta ea aegre me tenuL 'Ich habe deinen όβελός nur ungern stehen lassen'. Statt φαλλψ Luciliano sollen wir malitia Luciliana lesen und uns bei der Verhältnissmässig harmlosen Stelle jedes Gedankens an eine Obscönität enthalten. Dem habe ich zu erwidern: Cicero bezeichnet selbst durch die

^ Ich dachte auch an έσχάρας tantum , gebe aber dem Obigen den Vorzug, weil die Wendung sexies tantum formelhaft ist zum Aus- drucke eines vielfach Grösseren.

« C. F. W. Müller hält sie für zutreffend, Ä. C. Clark ('the class. sev.' XIV, 1900 p. 170) nennt meine Conjectur sine φαλλψ (cod. vaüo) Luciliano 'brillant' ; E. Schelle sagt (Neue Philol. Rundschau XX, 1900 S. 4G9) : *Die Stelle ist durch Gurlitt aufgeklärt worden' ; 0. Piasberg (WS. fiirklaes. Phil. XV, 1898 S. 1198): *Der Versuch sine φαλλψ Lu- ciliano zu schreiben, vorher (h)asta (= φαλλψ) beizubehalten und in beidem die Andeutung einer Obscönität zu sehen, deren Beseitigung Atticus durchgesetzt hätte, sei nicht als unmöglich abzuweisen, aber keinesfalls als sicher anzunehmen*. Ablehnender urtheilt Th. Schiebe, 'Jahreeber. zu Ciceros Briefen' in der Zeitschr. f. d. Gymnasialwesen XXV, 1899 S. 330 f., welcher asta mit Fr. Schmidt (Prgr. von Würz- burg 1892 S. 32 f.) als όβελός περιεστιγμένος fiisst und demnach die Worte: (ab) hasta ea aegre me tenui übersetzt: *von diesem deinem Striche habe ich mich nur mit Mühe ferngehalten'.

8 Rhein. Mus. Bd LUX S. 233 A. 1. *So kann ich zB. den Namen der Frau nicht herausbringen, die Cicero trotz ihrer Beziehungen zu Antonius doch in der II. Phil. 3) schonen will, ein Name, der sich in dem ßucbstaben-Conglomerat asta ea verbirgt*.

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Soblueebemerkuiig ^moriar nisi faceic! den Inhalt seiner den Sicca betreffenden Bemerkungen als im hoben Grade witzig. Schmidt bleibt uns den Witz schuldig.

Hasfa = όβελός zu erklären, schien mir aus sprachlichen Gründen unannehmbar. Wenn Cicero hätte sagen wollen: *ich habe deinen Strich nur ungern stehen lassen , so hätte er nicht das Pronomen βα, sondern doch wohl isia schreiben müssen. Be- zeichnet er doch sogar in demselben Zusammenhange seine eigene, von Atticus nur leise redigirte Rede mit den Worten : ista oratio. Sodann wäre erst nachzuweisen, dass Cicero (enere auch mit dem blossen abl. separationis in dem Sinne ^ sich einer Sache ent- halten* gebraucht habe, statt mit α und abl. Die blosse Be- hauptung, dass das zulässig sei, kann doch nicht ausreichen \

Ferner wäre erst noch zu belegen, dass Cicero und seine Zeitgenossen hasia in dem Sinne von όβελός gebraucht haben. Mir ist mit dieser Bedeutung bei den Lateinern nur veru und obelus nachweisbar. Cicero selbst würde, zumal in einem Briefe an Atticus, wahrscheinlich den griechischen Ausdruck όβελός gebraucht haben, da er auch in einem Briefe an P. Dolabella (ad fam. IX 10, 1) sagt: alter Äristarchus hos (versicuhs) όβελίίΐεί Wenn man mir bestreitet, dass obscöne Gedanken hier zu Grunde liegen, so frage ich, ob eine andere Beschimpfung (contumelia) als eine, die auf sexuellem Gebiete liegt, da wahrscheinlicher angenommen wird, wo es sich für Cicero um eine Verunglimpfung des Familienlebens des C. Antonius handelte? Sicca und Septi- mia aber waren in der unredigirten Kede Ciceros an der Stelle^ wo des Antonius erste Ehe mit der Freigelassenen Fadia und die Kinder dieser Ehe besprochen waren, in beschimpfender Weise genannt worden. Mehr wissen wir freilich nicht. Auch daran halte ich fest, dass mit παίδες παίδων in scherzendem Doppel-

^ Auch sonst wird die Stelle sprachlich keineswegs gefalliger, wenn wir Schmidt folgen. Denn wenn Cicero sagen sollte: 'Deinen Strich habe ich nur ungern anerkannt*, so kannte er das kaum unge- schickter thun, als mit den vorliegenden Worten. Dazu kommt, dass Atticus nicht durch einen Strich, sondern durch ausführlichere brief- liebe Begründung die Aenderung der Stelle gefordert hatte. Er bat auch die Glanzstellen nicht angestrichen, sondern ausgeschrieben (δνθη posuisti) darin hat Piasberg aaO. S. 1198 Anm. 2 doch wohl das Rechte angedeutet und wird sich wohl überhaupt nicht gestattet haben, im Originale zu corrigiren, wenn auch Cicero scherzhaft sagt, er habe den Rothstift gefürchtet Kurz, die Sache ist nicht so klar und einfach, wie Schmidt die Leser glauben machen will.

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sinDe gesagt werde, eretene ^80 daes es Eindeskindet T/lesen*, zweitens, 'so dass man wisse, Kinder von Kindern . War Fadia etwa in Wahrheit oder einem Klatsche zufolge die illegitime Schwester des Antonius, dann aher thateächlich seine Gattin, so konnte Cicero die Kinder dieser Ehe als παΐbες παίοιυν hezeichnen. Doch lege ich auf diese Deutung, die auch Plashergs und Schiches Widerspruch gefunden haben, weniger Werth. Sie würde jeden- falls zu dem Tone und Gedankenkreise, durch den Cicero seine politischen Gegner verfolgt, durchaus passen 'denn der Hass verleitete ihn, seine Pfeile in Schmutz zu tauchen* (Drumann G. R. VI S. 606) und wurden ebenfalls witzig die Schlussbemer- kung moriar ttisi facetel rechtfertigen helfen. Wer also hier keinen witzigen Sinn nachweisen kann, der hat Cicero jedenfalls nicht verstanden. Meine Interpretation ist weder 'gewaltsam* noch habe ich den 'Gedanken verpfeffert'. Denn erstens ist nsia überliefert. Ich handle daher im guten Kechte des Textkritikers, wenn ich mich bemühe, die Ueberlieferung zu halten. Zweitens ist meine Aenderung von vallo Luciliano in φαλλψ LucUiano graphisch bei weitem näher liegend, als irgend eine bisher, be- sonders aber als die von Schmidt vorgeschlagene malitia Lud- ianuj gegen die ausserdem Schiebe aaO. S. 375 (nicht eben glücklich) geltend macht: 'sie würde einen Vorwurf gegen Lucilius enthalten, der hier Cicero fem liegt\ Für meine Conjectur spricht sodann das vorausgehende asia hier schützt eins das andere ; es spricht dafür auch die Erfahrung, dass griechische Worte in den Briefen sehr häufig als lateinische verschrieben sind , so in demselben Briefe δνθη als ante ; Schmidts Widerspruch aber, dass φαλλός sonst nirgends bei Cicero vorkomme und in dem abstracten Sinne = Zote über- haupt nicht belegt sei, ist doch zu nichtssagend. Oder ist etwa die Aenderung von ante in δνθη deshalb weniger richtig, weil sich, so viel ich sehe, dieses griechische Wort nur einmal bei Cicero und zwar an dieser Stelle findet? Das Wort φαλλός aber in abstractem Sinne zu nehmen, hat nicht die geringsten Be- denken : denn es ist eine bei Dichtern und Prosaikern gleich be- liebte Figur, das Concretum für das Abstractum zu setzen, so 08 für oratio, pectas für animus. Wem das nicht genügt, den ver- weise ich auf die schon oben erwähnte Briefstelle, ad fam. IX 22, 2. Dass Lucilius einen derben Ton liebte und so wenig wie Plautns vor Zoten zurückschreckte, ist bekannt, und ich kann auf VariO (bei Nonius 201, 6) verweisen, wo es heisst: atavi nostri

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cum allium ac caepe eorum verba olerenf, tarnen optitne animati erant. Eine 'ungerechtfertigte Aburtheilung über Ciceros Charakter wird mir mit nicht mehr Berechtigung zum Vorwarf gemacht. Cicero giebt selbst zu, dass er sich von seinem Hasse gegen An- tonius habe verleiten lassen, Beschimpfungen auch gegen seinen Wohlthäter und bisherigen Freund Sicca in seine Rede aufzunehmen. Schmidts Bemerkung: ^s ist nur gut, dass das, was wirklich in der II. Phil steht, uns die Probe machen lässt auf den verhältniss- mässig harmlosen Inhalt der Worte sciant παίδες uaibuiv ... cum etc.* beweist, «lass er diese Stelle irrthümlich für den ursprünglichen Text hält, während es doch nur der schon redigirte Text sein kann, aus dem die contumdia entfernt ist. War in der Komödie ein Wortspiel mit a^ita beliebt \ so musste sich jeder, der nicht unwillkürlich Gelächter erzeugen wollte, mit dem Gebrauche dieses Wortes vorsehen. Denn die Römer waren in solchen Dingen sehr feinhörig^. Nahm Cicero aber einmal trotz seiner sonst auch nur angeblich ' bewahrten verecundialoquendi ein Citat aus der Komödie, einen Volks witz oder den derben Scherz eines Freuniics in seine Briefe auf, so wusste er, was er that und braucht deshalb von niemandem in Schutz genommen zu werden. Das gilt also auch von der Stelle eines Briefes an P. Dolabella, ad fam. 1X10. 3, die ich im Philol. LVIII (N. F. ΧΠ) 8. 45 ff. unter dem Titel *Atius pigmentarius und Verwandtee' mit zwei anderen Stellen zusammen in diesem Sinne behandelt hatte Die Stelle lautet : Cum igitur mihi etit e^vploratum fe libenfer esse risurimit scribam ad ie pltiribus. Te tarnen hoc scire volo, vementer popülum sollicitum fui^se, de P. Sullae morte ante quam cerium scierit. Nunc quaerere desierunt, quo modo perierit; satis putarit se scirCy quod sciunt. Ego cetvroqui aequo animo fero; unum vereoTy ne hasta Caesaris refrixcrit.

Gegen meine Behauptung, dass die letzten Worte obecönen Sinn haben, macht 0. E. Schmidt zunächst geltend : Das wäre des-

1 Plaut. Most. 823, wo man den obscönen Sinn nicht erkannt hat, ebensowenig wie in den Worten (327) quod mihi in manu est, die KU erklären sind durch Ariet. nub. 734 πλην €l τό πέος έν τή b€Ϊ\^ und aus CIL. IV 1939 = Rhein. Mus. 1857 XII S. 2<J0 und Bucheler Anthol. 231.

2 Ich erinnere an Orat. c. 45 (Quint. VIII 3); erinnere auch noch- male an den für dieses Thema höchst lehrreichen Brief an Paetus (ad fam IX 22).

8 Λ-τΙ. Drumann (iR. VI S. 598 ff.: ad fam. IX 22, 1; 5.

Facetiae Tdlianae 551

halb falsch, 'weil das hohe Alter des verstorbenen Sulla den Gedanken aasscbliesse, dass er für Cäsar ein Gegenstand wol- lüstigen Begebrens gewesen sei. Sulla starb nämlich als Greis von 60 70 Jahren*. Das war mir nicht unbekannt, wie mein Citat aus de off. Π 8, 29 (S. 46) beweist. Trotzdem meine ich, dass sich der Scherzende, der mit dem Doppelsinne der Worte hasta und refrigescere spielt, um die Glaubwürdigkeit oder innere Wahrscheinlichkeit des Witzes wenig kümmerte. Dieser Witz hatte nur den Zweck der bitteren Stimmung des Volkes gegen den Verstorbenen, der wie wenige verhasst war, und zugleich gegen Cäsar Luft zu machen. Wenn dabei eine leichte Möglich- keit durchklangy dass Cäsar und Sulla jemals in wollüstigem Ver- kehre gestanden haben könnten, so genügte das den Spottsüch- tigen. Dass man sich den Witz in der Stadt zuraunte (fama siissurrit)^ dass Cicero hier wohl blos den Stadtwitz kolportirt, sohliesse ich aus ep. XV 17, 2 Caesarem putabant moleste lafurum, verentem ne hasta refrixisset. Man muss sich zum Verständnisse solcher Wortwitze, für die der Südländer auch heute noch grosse Vorliebe hat, an verwandte, so an Moltkes von Bismarck er- zählten Witz von der 'gesprengten' Brücke in Dresden erinnern (Gedanken und Erinnerungen II S. 92). 'Wissen Sie schon', fragte ein Römer den andern mit erheuchelter Trauer, 'dass P. Sulla gestorben ist?' 'Ja wohl 1 Aber was liegt daran ?^ *Nun, die Sache ist doch ernst, ich fürchte, ne hasta Caesaris refrixerit \ Lachend gehen beide weiter, um den Witz gleich wieder dem nächsten Bekannten vorzulegen. So schliesst auch Cicero seinen Brief mit diesem Witze, um sich einen guten 'Abgang* zu schaffen wie ein Schauspieler, der dazu wohl noch sein plaudite rief. £s ist ein falscher Anspruch, dass jeder Witz der Wahrheit ent- sprechen müsse (vgl. de orat. II 59, 240; 60, 243). Auf die Frage, woher ich wisse, dass Cicero einen Witz machen wolle, kann ich nur antworten: ^Von ihm selbst ^ Denn er leitet seinen Bericht über den Tod des Sulla mit den Worten ein: 'Wenn ich erst weiss, dass du gerne lachst, werde ich dir ausführlicher schreiben. Aber den einen Spass sollst du doch erfahren' {te ta- men hoc scire volo) und nun folgt der Bericht voll bitteren Hohnes. 0. £. Schmidt (S. 405) erklärt unsere beiden Stellen höchst nüchtern: *Cicero meint, Cäsar werde über den Tod des P. Cor- nelius Sulla betrübt sein, in der Besorgniss, die Auctionen könnten in Stillstand kommen'. Das ist ja ungefähr der ehrbare Ge- danke, hinter dem sich der obscöne versteckt, der eben vevbis

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tectuSy re impudentior (ad fam. IX 22, 1) ist. AehnÜch boshaft war Ciceros Witz, mit dem er den jungen Octavian so schwer kränkte: laudandum adoUscentem ornandum foUendum (ad fam. XI 20, l) ^man mnss ihn loben, ehren, in die andere Welt befördern '. Dass Schmidt aber den wahren Sinn nicht wieder- giebt, ist leicht zu erweisen : zunächst ans rein sprachlichen Grün- den. Cicero *meint* nicht, sondern er fürchtet (vereor), er fürchtet aber auch nicht, *die Auctionen könnten in Stillstand kommen , sondern (ne Jiasta refrixerU\ sie wäre erkaltet. Ebenso heisst es ad fam. XV 17, 2 Caesar em putabant moleste laturum, verentem ne Imsta refrixisset. Die Geschäfte des Güterverkaufes sind doch nicht mit dem Augenblicke 'erkaltet', als Sulla starb, sondern sie könnten, falls sich für Sulla kein ebenbürtiger Käufer finden sollte» später einmal nachlassen. Hätte Cicero das sagen wollen, so würde er nicht das Perfect und Plusq. gesetzt haben. Vor allem aber spricht die politische Stimmung Ciceros gegen eine solche Deutung. Man denke sich die Lage, als er (kurz vor dem 30. Dec. 46) den Brief ad fam. IX 10 schrieb. Cäsar stand mit seinem Heere in Hispania und C. Vibius Pansa rüstete sich (ad fam. XV 17,3), ihm zu folgen, um mit ihm die Pompeianer niederzuwerfen. Wie gleichgiltig musste in so ernsten Kriegszeiten dem Cäsar selbst, wie viel gleichgiltiger Cicero die Frage sein, wer in Rom die Güterausschlachtung der Vernrtheilten besorge? Für dieses schmutzige und gewinnbringende Geschäft werden sich nur zu viele Hände bereit gefunden haben. Kann Cicero im Ernste gesagt haben: Mch fürchte (vereor), dass Cäsars Auc- tionen in Stillstand gerathen sind', während er in Wahrheit sich darüber nur gefreut haben wird? Konnte ihm daran liegen, dass Cäsar, der seine Parteigenossen bekriegte, in Rom Geldgeschäfte mache ? Seine wahre Stimmung giebt er in demselben Briefe selbst mit den Worten 3) De Hispania novi nihil, sed expectatio magna: rumores tristiores^ sed αδέσποτοι. Sehen wir weiter! Meine Vermuthnng, dass Cicero in dem Briefe an Cassius in XV 17, 2 mit Attius pigmentarius spöttisch Octavian bezeichne, und dass Cassius in demselben Sinne schreibe, Cäsar werde den P. 8alla nicht vormissen, cum filium (= Octaviaoum) viderit, bekämpft 0. E. Schmidt mit folgenden Gründen:

Cassius sagt ganz einfach : Cäsar soll sich trösten im Hin- blick auf den Sohn des Sulla, weil dieser dasselbe Geschäft be- treibt, wie der Vater*.

GewisR, dae ist, >%ie ich nie gezweifelt habe, der ehrbare

Paoetiae tullianaö d5d

Gredanke, hinter dem sich wieder die Zote versteokt. Schmidt fragt freilich: * Woher weiss Garlitt, dass Cassius eine Zote machen will * ? Ich weiss, dass er witzig sein will, weil er auch sonst den Tod des Snlla durchaus spöttisch und mit hissigen Witzen behandelt. Dass er aber mit filium denselben bezeichnen wolle, den Cicero Atius pigmentarius genannt hatte, schliesse ich aus dem sonst von Cassius beobachteten Eingehen auf Ciceros Gedanken :

Cicero (E. XV 17, 2) C. Cassius (E. XV 19, 3)

Hoc tu pro tua sapientia feres cuius ego mortem forti meher- aequo animo etiles animo tuli,

Ckiesarem putabant moleste Ich nee tarnen Caesar . . . secto- turum, verentem ne hasta re- rem desiderabit, cum fUtum vt- friaisset; Mindius Marcellus et derit. Attius pigmentarius valde gaw dcbant se adversarium perdi- disse.

Gegen diese Vermuthung aber, dass Cicero mit Attius pig- mentarius und ebenso Cassius mit filius den jungen Octavian be- zeichne, macht 0. E. Schmidt als vermeintlich durchschlagendes Argument gelten, dass Cäsars Adoption damals noch nicht er- folgt, geschweige in Rom bekannt gewesen sei, dass mithin mit filius unmöglich schon Octavian gemeint sein könne. Das klingt überzeugend, denn thatsächlich nahm Cäsar *Die Adoption des jungen Octavian erst am 13. Sept. 45 vor (unser Brief ist aber schon im Jan. desselben Jahres geschrieben), und auch damals blieb die Adoption noch ein Geheimniss. Erst im Laufe des Winters 45/44 bildete sich in der Umgebung Cäsars die Ueber- zeugung aus, dass Octavian zum Nachfolger bestimmt sei (0. E. Schmidt, Jun. Brutus in den Verhandl. der Görlitzer Philologen- yers. S. 178; Gardthausen, Augustus I S. 49). Diese Bemer- kungen sind richtig, sind mir aber nicht neu. (Ich hatte deshalb auch nicht gesagt ^nach' der Adoption, sondern ^zur Zeit' der- selben^). Ich nahm an und schloss eben aus unserer Stellci

^ Diesen Ausdruck hatte ich offen gestanden absichtlich so unbestimmt gehalten, um die Kritik nicht auf einen Einwand hinzu- weisen, den ich für nicht stichhaltig hielt und deshalb auch nicht selbst erst widerlegen wollte. Dazu kommt, dass meine Deutung von Atius pigmentarius selbst dann zu Kraft besteht, wenn man vorziehen: sollte, füiuü hier nur auf den Sohn des Sulla zu beziehen. Ich gebe aber zu, dass ich besser gethan hätte, meine Gründe, die hier folgen, schon im

Kheio. Mm. f. Pbilul. N. F. LVII. ^"^

354 Garlitt

daes dem Vollzüge der Adoption das Gerede gleichen Inhaltes vorausgegangen sei. Da Cäsar keinen Leibeserben hatte, so mnes die Frage, wer ihn beerben werde, schon früh die Gemüther stark bewegt und die Blicke auf seinen Grossneffen gerichtet haben. loh hiuss mich jedenfalls wundern, dass gerade Schmidt mir eine Möglichkeit abstreitet, die er selbst annähernd schon ane- j^esprochen und zur Grundlage einer weitblickenden Hypothese gemacht hatte. In seinem bekannten Vortrage auf dem Görlit/er Philologentage Έ. lunius Brutus sagt er (S. 178): 'Nach seiner Heimkehr adoptirte den jungen Oetavian sein Oheim am 13. Sept. in seinem Testamente (Suet. Caes. 83), und wenn dasselbe auch geheim gehalten wurde, so verriethen doch andere Mass- nahmen, wie zB. Octavians Entsendung nach Apollonia . . . . Cäsar β Willen auf das deutlichste (Nicol. Damasc. 16Λ Mit demselben Hechte nehme ich an, dass auch vor der Adoption Cäsars Wille von seinen Neidern und Feinden geahnt oder ihm doch untergeschoben wurde. Denn Cäsar war vor Ausbruch des spanischen Krieges bis Ende Sept. (neue Aera) 46 in Rom (0. E. Schmidt, Der Briefw. S. 257), Oetavian damals in seiner Um- gebung und nur durch Krankheit verhindert, Anfang 45 mit ins Feld zu ziehen (Nicol. Damasc. βίος Καίσαρος ο. 10), folgte ihm aber nach, so dass er im Mai mit ihm zu Kalpe in Süd- spanien zusammentraf (0. K, Schmidt aaO. S. 369). Es konnte der Umgebung Cäsars nicht entgangen sein, dass Oetavian bei Cäsar in Gunst stand, und somit ist es gewiss nicht unwahr- scheinlich, dass man schon seit Ende 46 die Adoption Octaviane als Vermuthung, als eine böse Ahnung, ausspracht Mehr als eine Vermuthung braucht man auch in dem Worte cum fiHum v^iderit, * wenn er erst einen Sohn zu sehen bekommt', nicht zu erkennen. Als Cicero seine Bemerkung über Atius pigmentarius schrieb, am 30. Dec. 46 oder bald darauf, war Oetavian jeden- falls noch in Kom, ebenso Ende Jan. 45, als Cassius schrieb: cum fUium viderit^ aber dieser wusste wohl, dass er Cäsar folgen wolle, und mag deshalb auf die bevorstehende Begegnung an- spielen ' wenn er einen Sohn zu sehen bekommt . Grosse Be- gebenheiten werfen eben ihren Schatten voraus. Um nicht schon

ersten Aufsätze auszusprechen. Der Wunsch, kurz zu sein, verschuldet oft Missverständnisse.

^ Man denke an die Geschäftigkeit, mit der Sensationsbedürftige uns'Te Höfe umlauern, um über neue Verlobungen und dergl. Gerüchte auszustreuen.

Facetiae taÜianae ä&6

Greeagtes zu wiederholen, verweise ich im Uebrigen auf meinen Aufsatz im Philol. (LVIII N. F. ΧΠ S. 45 ff.) Κ Mögen andere entscheiden, ob auf diese Hypothese Schmidts Ürtheil passt : *Ich würde sagen, hier ist von Gurlitt alles an den Haaren herbei- gezogen, wenn nicht auch in diesem Bilde schon ein zu grosses Zugeständniss enthalten wäre', ob es ferner meine Schuld ist, wenn er gestehen muss, ^dass für solche Beweisführung seine Fassungsgabe nicht ausreiche'.

Im Weiteren wendet sich Seh. mit zutreffenden Gründen, die aber zumeist schon von 0. Piasberg in einem Oktoberheft der WS. f. kl. Phil. 1898 Sp. 1200 f. vorgebracht worden waren, beson- ders gegen zwei von mir schon längst aufgegebene Conjecturen, in denen ich von einem falschen Gedanken verleitet den Orts- namen Astura mit leichter Aenderung für astute einsetzen wollte (ad Att. X 6, 1 ; ad fam. Π 16, 6). Es ist eine Entstellung, wenn Seh. meine Behandlung dieser vier (soll heissen zwei) Stellen spöttisch als 'Probe' des von mir selbst 'so sehr betonten Con- servativismus' hinstellt, ich übersehe nicht alle von mir schon vorgetragenen Conjecturen, glaube aber, dass sich zu dieser Probe* kaum eine zweite gleichartige wird nachweisen lassen^.

^ [Corr. Nachtrag: Eine Nachprüfung ist geboten, da auch Schiebe meine Deutung unter Hinweie auf Seh. glaubte abweisen zu müssen: Jahresbericht von 189i> (Bd. XXV S. 334 und 336) und 1901 (Bd. XXVII) S. 258 f. Ich trage nur folgendes nach: Es mag richtig sein, dass mit Μ sectorenif nicht mit FH sectcUorem zu lesen sei (Schmidt 8. 405). An meiner Deutung der ganzen Stelle ändert das nichts, ja es ist ihr vielleicht noch günstiger, weil die Antithese stärker wird. Nach Schmidt soll Cassius sagen: *Gäsar wird den Güterausschlachter nicht vermissen, wenn er dessen Sohn, der ebenfalls Güterausschlachter ist, sehen wird'. Das ist allerdings sehr matt und witzlos, beabsichtigt ist deshalb wohl die starke Antithese, 'er wird den Güterausschlachter nicht entbehren, wenn er seinen eigenen Sohn sieht*. Seh. 'protestirt* gegen einen Ver- dacht, dass Cicero auf eine lasterhafte Beziehung Cäsars zu Ootavian angespielt habe. Protestirt er auch gegen Ciceros Witz advAeseentem Jßudandum^ toUendum oder gegen Drumanns Worte (GR. III 740; VI 006): * Cicero benutzte auch das Gerüoht von einem entehrenden Umgang zwischen Cäsar und Nicomedes, dem Könige von Bithynien, um in Briefen und nach Sueton (Caes. 49) selbst im Senate nach seiner Weise zu scherzen?]

' Es müsste denn ad Att. XIII 41 fin. sein, wo ich für Gros igitur, fast quid α te commeatus conjicirt habe: α te commtUatur (Philol. LIX N. F. Xm. 1900 S. 127). Commeatus läset sich wohl durch Hinweis auf Plantus vertheidi^fon. An dieser Stelle aber hatte Schmidt selbst eine Aenderung für nöthig gehalten, nämlich commeat vp (^jespeTvV

356 Gurlitt

Natürlich ist aach der Fehler, den ich an dieser Stelle gemacht hatte, typisch^ Mit solchen Mitteln macht man die Arbeit eines anderen verächtlich. Auch in einem dritten Falle ad Att. XYl l5, 6f wo aber der Text anerkanntermassen verderbt ist, habe ich fälschlich den Namen Ästura finden wollen. Aber eben so falsch ist, was Seh. selbst bietet, indem er vorschlägt: consenii in hac cura^ ubi sum (oder nobiscum\ ut we ea'pediam. Denn cura, vbi sum ist nnlateinisch, wie schon Boot betont, tiobiscum aber passt wegen des Plurals nicht zu sum und zu rne, es müsste mecum heissen. Die üeberlieferung lautet: consenii in hac cura uni sum, ut me expediam, was ich jetzt also lesen möchte: con- sentim (= consentimus) hac cura ubicunque ut me expediam, quilms autem rebus venit mihi quidem in mentemt sed certi constituere nihil possum, priusquam te videro. Das heisst: 'Wir sind darin einig, dass ich mich aus meiner gegenwärtigen (Geldjsorge wo auch nur immer befreie (jeder Better soll ihm also willkommen sein), mit welchen Mitteln das aber geschehen könne, darüber habe ich eine Idee, kann jedoch nichts Bestimmtes festsetzen, ehe ich dich nicht gesprochen habe .

Man darf annehmen, dass Schmidt mit denjenigen Con- jecturen, die er zugleich mit seinem Angriffe gegen C. F. W. Müller und mich vorträgt, sein Bestes geben will, dass wir sie als specimen ernditionis ansehen sollen. Er wird daher nichts dagegen haben, wenn ich sie einer eingehenden Kritik unterziehe.

Cicero schreibt ad Att. X111 48, 1 (vom 2. Aug. 45) Lepta me rogatf ut, si quid sibi opus sit, accutram, mortuus enim Ba- bulVius, Der Name BabulUus findet sich mehrfach belegt ^ Kr ist besonders in Campanien, Bruttium, Lucanien häufig, verniuth- lich oskischer Herkunft (Guarini lex. osco-lat. p. 81). Auch 5a- buleius kommt vor CIL. VI 2, 134^3. Da nun Lepta den Tod des BabulUus aus Puteoli meldet, da wir in Capua inschriftlich den Namen Babullius in dieser Schreibung, in Puteoli selbst eine Babullia nachweisen konnten, so liegt doch gewiss kein Grund vor, an der üeberlieferung dieser Briefstelle zu zweifeln. Anders 0. E. Schmidt. Er sagt (S. 102): 'Der Name Babullius läset sich nirgends sonst nachweisen nnd ist mir auch schon

Ϊ (IL X, I 76;}.•}, 514<): M. Balmlius, C. f. Cicero und mehrere andere Bahtüii, 5867 Q, BabulUus, 4037 M. Babullius Restituius (Capua), 7G;j3. Wir haben Babullia VI 13454; 2156 (Puteoli) III 2, 313(5; IX 1, 4037; Babullianm IX 6ii83: X 2, .s2ii") (Capua); Baiiuria VIII, 2. ΙΓιίΚ); Ö4Ü5; 3466; 5467; [Babajria 1590; 346«; 51. Baburius IX 47ϊί>.

Faoetiae Tullianae 357

wegen seiner Form so verdächtig, dass ich ihn für eine jener häufigen Zusammenziehungen von Abkürzungen ansehe' . Und nun beginnt eine kühne Combination mit den gewaltsamsten Textverderbungen. 'Es handelt sich, fahrt nämlich Seh. fort, um eine Erbschaft, an der Lepta und, wie es scheint, auch Cicero betheiligt ist . Dass aber Cicero betheiligt sei, ist eine Ver- muthung, für die nicht einmal der Schein spricht. Im Gegen- theil, alles spricht dagegen. Wäre Cicero bedacht worden, so würde er das doch in erster Linie dem Freunde mitgetheilt haben, würde dann auch sein Erscheinen an dem Orte der Testaments- regulierung nicht von dem Wunsche Leptas abhängig gemacht haben. Lepta wünschte Ciceros Rechtebeistand. Mehr besagt unsere Stelle auch im weiteren Verlauf nicht. Ja die Angabe: CaescuTf opinor ex unciOy eist nihil adhuc, sed Lepta ex trienie beweist e eilentio auf das Bestimmteste, dass Cicero in dem Testamente eben nicht bedacht sein konnte. Nun erfahren wir RUH einem Briefe vom 12. Aug., ad Att. XII Γ 46, dass Cicero und Cäsar, der durch Baibus vertreten wurde, damals an einer Erbschaft des in Puteoli verstorbenen Cluvius betheiligt waren. Unter den Erben dieses Cluvius wird nun Lepta ebenso wenig genannt, wie Cicero unter denen des BabuUius. Schmidt hält aber aus dem ein/jgen (Trunde, weil beide, Cluvius und Babullius in Puteoli gestorben zu sein scheinen denn erwiesen ist auch das nicht , beide Fälle für identisch und macht diese Ver- mutbung zum Ausgangspunkte für seine Textesänderuneren. Zu- nächst wird uns zugemutbet statt Babullius zu lesen : pu, cluvius^ was Pn(Jteolis) Cluvius heissen soll. Man höre und staune! 'Nach dieser Erkenntniss' (!), fährt er fort, sei die Erbschafts- regnlirung des Cluvius, die er selbst früher (^Dtr Briefw.* S. 341 f.) ge;;eben hatte, in einigen Punkten zu berichtigen. 'Am 2. Au^ früh habe Cicero den Tod des Cluvius durch diesen Brief des Lepta erfahren und danach an Attious XIII 48 geschrieben*. Das ist falsch: Statt Cluvius muss es BabuUius heissen. Der Tod des Cluvius muss ihm schon früher bekannt geworden sein, in dem Briefe A. XIII 48 ist daher auch von ihm und seinen Folgen gar nicht die Rede. Schmidt fahrt fort: *Im Laufe des Tages hatte Cicero eine Besprechung mit Baibus, dem Geschäftsträger Cäsars^; man kam überein, das» die werthvolle Hinterlassenschaft

1 Bevor Baibus in Unterhandlung wegen der Erbschaft eintrat» wird er doch erst bei Cäsar angefragt haben, ob er gewillt sei die Erb- schaft anzutreten. Cluvius muss also wesentlich früher als am 2. Aug. gestorben sein.

358 Gorlitt

des Cluvias vereteigert werden sollte, sobald Cäsar zurückgekehrt 8ei. Doch kannte man zunächst noch nicht die genaueren Be- stimmungen des Testamentes. Zum Vertreter seiner Interessen will Cicero den Bankier Vestorius in Pnteoli wählen, vgl. ad Att. XIII 37,4 (ebenfalls noch am 2. Aug. geschrieben): De auctione proscribenda equidem locutus sunt cum BaJbo: placebat sq.^ Hier wird also die Chronologie der Briefe bestimmt auf Grund der falschen Hypothese, dass BabulUus gleich Puteölis Cluvius sei. Ebenso wenig haltbar ist, wie gesagt, die Behaup- tung, dass Lepta ein Erbe des Cluvius gewesen sei^. Dieser wird auch nie als solcher genannt. Seh. aber sagt: ^Ich weise, dass der vierte Erbe Lepta war'. Erst ^schien' es so, dann wurde es * wahrscheinlich', gleich darauf zur 'Erkenn tniss und nun zum * Wissen*, und damit wird dann auch der Text von ad Att. XVI 2, 1 Verbessert'. Dort heisst es: Erotem remisi citius, quam constitueram^ ut essetj qui Hortensio t ei quia equibus quidem att se Idibus constiiuisse, Hortensim vero impudenter. Ich habe be- wiesen (Philol. LIX N. F. XIII 1900 S. 106 f.) und dafür die Zustimmung von C.F.W. Müller und Th. Schiebe (aaO. S. 377), dass für et QVIAE zu lesen sei: et OVIAE, dass es sich also nicht um das Cluvianische Erbe handele, sondern um einen fundns der Ovia, für den Zahlung zu leisten war. Seh., der diesen Be- weis noch nicht kannte, macht aus der Ueberlieferung, indem er an drei Stellen gewaltsam eingreift: qui Hordeonio et Leptae^^ quibus quidem . . . Hardeonius vero impudenter. Drei verschie- dene Angelegenheiten also, die Nachlassenschaft des BabuUiua^ die des Cluvius und das Geschäft Ciceros mit Ovia werden von Seh. als eine Sache behandelt und mit dieser völlig haltlosen Hypothese werden die Briefe datirt und *emendirt*. Natürlich ist das Ergebniss in allen Punkten verfehlt ^

^ Lepta hatte mit dem Erbe des Cluvius gar nichts zu tbon. Er unterhandelte mit Balbas (ad Att. XIII 4β, 1) in einer anderen Ange- legenheit, nämlich wegen einer cwratio.

« Früher hatte er (Rhein. Mus. N. F. LH 8. 237 unter Nr. 104) statt Leptae ebenso verkehrt Plotio conjicirt (aus ad XIU 4β, 3). Plo- Üus war auch nicht Erbe des Cluvius, sondern Agent des Baibus.

8 [Wenn neuerdings Th Schiebe (Jahresb. d. phil. Vereins XXVII S. 258) in A. XIII 48, 1 Babuüius in Vibuüius ändern will, so ist auch diese Conjectur durch das Vorstehende widerlegt. Auf Schicbes sonstige Bemerkungen gegen meine (Philol. LVIII, 1899 S. 45 ff.) vor- getragenen Deutungen und Conjecturen kann hier nicht mehr einge- gangen werden. Zum Theil erledigen sie sich durch das bisher Gesagte. Coirectur -N achtrag] .

Facetiae TuHianae 359

So wenig wie in den hisher bebandelten Fällen kann ich in den folgenden die von Sebmidt behaupteten starken Abkür- zungen bei Eigennamen erkennen. In ep. ad Att. XV 2 soll devertissemque f dcutius in Vescmno accepi usw. verdorben sein aus deveriisscmque arp, üs (= Arpinum versus) oder (iqui. ils (= Aqui" num versus). Sachlich wäre dem nichts Zwingendes entgegen, wie der Hinweis auf ad Att. XVI 10, 1 verti igitur me α Min- turnis Arpinum versus; constitucram ut . . Aquini manerem zeigt, aber besonders aus paläographischen Gründen halte ich diese Aenderung für ebenso willkürlich, als Sch.s frühere Sinnes- sano) . . . proficiscens α Puteolis (^Briefw/ im Neudruck \ Eine durchschlagend sichere TiCsung ist für diese Stelle noch nicht gefunden. Meine Vermnthung: accuhans in Vesciano halte ich für näherliegend, jedenfalls aber möchte ich behaupten, dass so starke Zusammenziehungen der Eigennamen bisher nicht sicher erwiesen werden konnten. Die ^typischen Beispiele erfolgreicher Bemühungen* in dieser Hinsicht meist Conjecturen eigenen Fabrikates , die Seh. im Rhein. Mus. Bd. LIII (1898) S. 233 aufführt, sind jedenfalls nicht stichhaltig. Zunächst A. XV 3^ 1 nati = Ärpinaii ist keine absichtliche Zusammenziehung, son- dern einfaches Abschreiber- Versehen; A. XV 24 in Nesidem (nach Schiebe) aus his Μ und hus Z, das ich bisher für richtig hielt, ja unabhängig von Schiebe gefunden hatte, steht doch nicht ausser Zweifel. C. F. W. Müller hat es abgelehnt. Es könnte hier auch eine Zeitbestimmung, wie Ä(ora) IUI,, vorliegen. Dass A. XI 17a, l für in ematiam zu lesen: Egnaiia (Ematia?) eam hat C. F. W. Müller und Tb. Schiebe auch nicht überzeugt. Schiebe (aaO. S. 351 f.) macht dagegen gewichtige Bedenken geltend und empfiehlt das von Bosius herrührende Itaque mairi eam. A. XIII 4, 1 ist Et quidem {de Tudilano idem^ puio zu lesen, wie C. Lehmann Qnaestt. p. 50 gezeigt und Müller anerkannt hat, es liegt also eine Tiücke vor, nicht aber ist *aus et quidem durch Auflösung von Abkürzungen' de Tuditano idcm herzu- stellen. In A. XV 3 soll de malo aus de Moniano entstanden sein. Näher liegend wäre zB. de Ma^lo = de Marcello, Denn dass in dieser Weise abgekürzt wurde mit Nennung der zwei ersten und der zwei letzten Buchstaben, dafür lassen sich Belege in genügender Menge beibringend Auch de Ventidio statt de

m

* Ad fam. IX 4 ist überliefert: De Coctio mihi gratum est. Bei einer solchen ganz zusammenhanglosen Notiz ist nur eine wtihrechein- liohe Lösung des Rätsels möglich unter engem Anechluse an die über-

360 Gurlitt

enictio in A. XVI 2, 5 habe ich an anderer Stelle (Philo). LIX N. F. XIII 1900 S. 98 f.) als sehr unwahrscheinlich erwiesen und sehe, daes es auch Müller ablehnt. Kurz diese Beispiele, welche Schmidt als sichere Belege für starke Abkürzung der Eigennamen anführt, haben keine Beweiskraft, noch weniger seine weiteren Versuche nach dieser Richtung hin. So soll A. XI Υ 14, 1 de Pherionum more (S. 233) entstanden sein ans de P. Herio, num more = de i\' ansäe), Hirtii novo more. Aach das haben Müller und Schiebe (S. 376) abgelehnt, und ich glaubte dafür lesen zu sollen : de rheiorum more (Philol. LIX N. F. XIII 1900 S. 109). Die Beispiele Hessen sich vermehren (Schmidt Ehein. Mus. LIII (1898 S. 234 ff.), jedoch mag es genügen auf Schiches Jahresber. S. 370, 376 ^ und meinen etwa gleichzeitig erschienenen zu verweisen. Ich würde mir Sch.s Conjectnr noch gefallen lassen, wenn an der Stelle, von der diese Betrachtung

ausgeht, A.XV 2, aqumus oder arpumus stände, wie aber acutius aus Äquinum versus oder Ärpinum versi*s entstanden sein sollte, dafür fehlt mir der Schlüssel und ein analoger Fall.

Sachlich bedenklich ist auch, daes man devertere in den Briefen und an dieser Stelle zunächst doch als 'einkehren* fassen muss. 'Seinen Weg ändern bezeichnet Cicero in A. XVI 10, 1 durch me verti oder sonst auch durch Her vertere. Viel eher

lieferten Zeichen und diese bedeuten nicht De Cocceio (Corradus, Tort, recte* Mendelssohn) sondern De C. Oct^io = de C. Octavio, der auch ad Att. II 1, 12, ad Qu. fr. I 1, 21 ; 2, 7 genannt wird, der Vater des Augustus. In dem Briefe ad Att. IV 17 fin. heisst es fast el>eiiso: Non enim te puto de lustro, quod iam desperatum est, aut de iudiciiSj quae lege CocUa fiant, quaerere. Hier ist Coctia vermuthlich aus Cor^Ua =s Cornelia verdorben. Denn es gab mehrere leges ComeUae (Verr. II 77. de 1. agr. III, 6. Phil. I 18 ua. siehe unter Comeliae im index no- min, bei Baiter-Kayser). In unserem Falle handelt es sich wohl am die lex Cornelia de pecuniis repetundis (p. Rubir. Post. 9) oder vielmehr wegen § 2 unseres Briefes um die lex de provinciis ordinandis (ad fam. I 9, 25; III 6, 5, 6; 10, 6). Eine lex Coctia gab es nicht. In A. XV 26, 4 vermuthete ich (Neue Jahrb. f. d. klass. AlteHh. III S. 302), dass tiUi entstanden sei aus Tul^i = Tulliani', bin A. XUI 20, 4 mit 0. F. W. Müller der Meinung, dass in toto die Abkürzung für in To(rqua}to sei. Andere Beispiele findet man bei Müller. Kurz, ich kann nur solche Abkürzungen in den Briefen anerkennen, in denen ein bestimmtes System und Methode herrscht.

^ Diese Stelle ad Att. XV 13, 4 glaube ich durch blosse Umstel- lung des Kommas geheilt zu haben : non qua pompa ad se, tarnen clam venturum (Berl. phil. W. S. 1900 N. 477).

Fftcetiae Tullianae 361

glaube icb, dass Wesenberg daa Eechte trifft, wenn er sagt: ^Latet sine dabio ad cum uomine viri alionins familiaris, ut ad Acilium (Klotz); denn auch die Wortstellang empfiehlt Schmidts Conjectur nicht. Sie ist deshalb weit davon entfernt, für sicher gelten zu können. In dem Briefe ad Att. VI 1, 25 liest man bei den neueren Herausgebern: Et Heus tu! iamne vos α Caesare per Herodem talenia Attica L eatorsistis? Die Lesart iamne stand nach des Bosins Angabe in Z. Wo er allein aus Ζ citirt, ist ihm nicht ganz zu trauen (vgl. C. A. Lehmann, 'de Cic. ad Att. epp.* p. 110), aber seine Angabe ist nicht gerade unglaublich und gieht einen erträglichen Sinn und Ausdruck. Cäsar war ein säumiger Zahler, es mag deshalb Cicero mit Verwunderung ge- fragt haben: 'Schon ist es euch gelungen, das Geld aus ihm herauszupressen?' Auch die Frageform nach Et heus tu! ist durch- aus üblich: zB. ad fam. VII 11, 2 Sed heus tu! quid agis? ec- quid fU?\

Die Ueberlieferung von Μ und Q^ lautet Genuarios α Caesare^ wofür 0. £. Schmidt (S. 395 ff.) die von Turnebus em- pfohlene Conjectur Genuae vos als allein zulässig erweisen will, obgleich diesen Versuch C. F. W. Müller schon mit der mir zutreffend scheinenden Bemerkung abgelehnt hatte: genuarios MC propter tabellarios^, Genuae vos 'natürlich mit Tumebus einzu-

^ Was sonst diese Lesart iamne vos empfehlen könnte, findet man schon in Boots Ausgabe angemerkt. Ich bin nicht ganz davon über- zeug^. Man könnte auch denken an itane^ das sich in iamne verdorben auch ad Att. XIV 10, 2 findet, vgl. Hofmann-Andresen * Ausgew. Briefe*, II 3 S. 209: iamne Lorsober Us., O^PRMs] iam 0\ Ausg. des Beatus. Für den Gebrauch von itane? und itane vero^ findet man dort ö. 108 die Beispiele ad fam. ΧΠ 30, 1; ad Att. V 2, 2; XVI 7, 3; Phil. V 27; VI 15; in Verr. V 77. Es wäre also möglich, dass Cicero auch hier gesagt hätte: Et heus tu! Itane? vos α Caesare sq.

^ Wenn sich nachweisen Hesse, dass die Lesart Genuarias aus dem Laurisheimensis stamme, dann hätte dieses Zeugniss Gewicht. Bekannt- lich hat aber Cratander oft die Lesart jener alten Hs. in den Text, die vulgata (aus Α ^ und Α ^) aber an den Rand gesetzt. Mir sind die edd. Asoensianae jetzt nicht zugängig. Ehe diese nicht mit C und c vergli- chen sind, hat C an sich keinen Werth. Denn steht in A^ ^ Genuarios in C ebenso, aber in c Iamne vos, so ist dieses die Lesart des Laurish. 0. £. Schmidt ist doch sonst gegen C misstrauisch, weshalb nicht in diesem Falle?

* Es genügt wohl, ein blosses Verlesen von {itanevos oder) tam- nevos anzunehmen. War α offen geschrieben, so konnte iumne leicht durch falsche Trennung der Striche zu Genua, und dann vos leicht zu ios werden.

362 G u r 1 i 1 1 Facetiae Tullianae

setzen' 0. E. Schmidt 'Der Briefw/ p. 440 n. 'Prudentiue Boot', welcher sagt: Fac id Gennae factum esse, tamen non erat, cur hoc nomen cum vi initio qaaestionis poneretar. Schmidt bringt als neue Stütze seiner Conjectur eine Berechnung bei, durch die erwiesen werden soll, dass Cäsar in der Zeit, zu der die Geld- zahlung seinerseits erfolgte, thatsächlich in der Gegend der Allo- broger-Stadt Genava (Genf) gewesen sei. Diese Berechnung führt natürlich nur zu Annäherungswerten, da über die Reise des He- rodes oder £ros (wie ich lieber mit Ζ lese), über Cäsars Auf- enthalt in der Stadt Genava, über die Weise, wie Cicero in Lao- dicea die Kunde von dem Geldgeschäft erhielt, ob durch den Briefboten oder den Bericht des langsamer reisenden P. Vedius, und über anderes mehr nur Vermuthungen in Rechnung gesetzt werden können. Aber selbst das Unbeweisbare zugegeben, dass Eros, statt brieflich, persönlich mit Cäsar und in Genava ver- handelt hätte, was hätte Cicero veranlassen können, gerade diesen für den ganzen Handel gleichgiitigen Umstand so sehr zu be- tonen? Zunächst nennt er Genava sonst nicht einmal. Käme es bei ihm vor, so könnte es allein wie bei Cäsar b. g. I 6, 3. 7, 2 Genava, nicht Genua lauten ^. Was Gallien betrifft, so kennt Cicero die Haedui (A. I 19, 2; VII 10, 4), und die Namen einiger weiterer gallischer Stämme (pr. Balbo 32; pr. Qninct. 80; pr. Font. 20; 26; ad Qu. fr. II I 8,2), von gallischen Städten ausser- halb der Provincia nennt er nur Samarobriva (F. VII 11; 12; 16), um über den Namen zu scherzen. So ergibt sich, dass für seine Vorstellung die Welt im Norden eigentlich schon mit den Städten Massilia und Narbo und Tolosa abschliesst, was nörd- licher liegt, kommt anläselich des gallischen Krieges vorüber- gehend in seinen Gesichtskreis, kann ihn aber nicht interessiren. So kann ich aus mannigfachen Gründen Schmidts Hoffnung nicht theilen, 'dass der nächste Herausgeber der Atticusbriefe endlich der bisher verschmähten Emendation {Genuae vos) zu ihrem Rechte verhelfen werde', kann vor allen den Combinationen über die Herkunft der He. Z, welche an diese falsche Conjectur ge- knüpft werden, nicht den geringsten Werth beimessen, obgleich er sie uns nun schon zum dritten Male empfiehlt. Damit sind Schmidts neueste Conjecturen erledigt, [die jetzt auch Schiebe aaO. sämmtlich abgelehnt hat].

Steglitz. Ludwig Gurlitt.

^ Auch das spricht gefren die Conjectur Genuae vos, weil Getunae vos sich noch weiter von Genuarios entfernt. Ja Cicero würde wohl Genavaene vos geschrieben haben.

DER MAGNET UND DIE ATHMUNG IN ANTIKEN THEORIEN

I.

Lnorez fordert za Eingang seiner Abhandlung vom Magneten (VI 906 1089 Lm.) die schärfste Aufmerksamkeit des Lesers, da mau nur auf weiten Umwegen diesem Wunder beikommen könne (917-— 920), und findet gegen den Schluss, dass es sich um eine ganz gewöhnliche Erscheinung handle, soweit auszuholen also gar nicht nöthig gewesen wäre (1081 1083)*. In diesem Widerspruch gewahrt Munro (notes zu v. 1089) ein Geständnies des Unvermögens: after dwelling at inordinate length on the early parte of this question, he hurries on at the end, and finishes abruptly, as if he feit, what is indeed the truth, that he had after all quite failed in Clearing up the mystery. Das trifft aber den Ausleger, nicht den Dichter. Die erst betonte, dann geleugnete Nothwendigkeit der ambages vermag Munro nicht zu erklären und meint darum, Lucrez sei mit der Erklärung des Magneten nicht fertig geworden. So kurzer Hand lässt sich der Anstoss nicht beseitigen, und eindringende Untersuchung des Ka- pitels scheint unumgänglich. Die Fragen nach der inneren Folge- richtigkeit der Gedanken und nach ihrer äusseren Herkunft sind zugleich zu stellen; Einsicht in das Wesen dichterischer Con- ception und Analyse der Quellen müssen sich gegenseitig fördern und zur erreichbaren Klarheit verhelfen. Auch können wir uns der Hoffnung nicht begeben, von da aus die Stellung dieses Ab- schnitts im sechsten Buche besser zu verstehen als es der vor-

^ Es heisst die Schwierigkeit umgehn, nicht heben, wenn Creech den Vera 1081 nur auf die vorangehende Aufzählung bezieht: *nec mihi fas est tarn multam operam in illis enumerandis consumere*. Das Wort ambages findet sich bei Lucrez nur an diesen zwei Stellen. Munro bemerkt: '108 1 comp. 919: the one eeeme almoat to be written with nference to the other*.

364 Fritzsche

gefaesten Meiimng von dem unfertigen Zustande des Gedichtes bisher gelang. Ich nenne diese Meinung vorgefasst, denn man- gelnde Erkenntniss der Zusammenhänge beschuldigte lieber den Dichter als sich selbst der Unfähigkeit, um ihn darauf durch die Formel: * ultima manus non accessit wiederum zu entlasten. Dem entgegnen wir, dass jene ünfertigkeit eine Hilfe Vorstellung, keine in der Sache gegründete Voraussetzung ist. £ine bequeme Ausflucht allzu zeitiger Beruhigung, scheidet sie aus, wo immer Absicht und Anlage des Autors zureichende Motive gewähren^.

Mit Recht spricht Munro von 'aussergewöhnlicher Länge^ Lucrez wendet an den Magneten 184 Verse und diese Ausführ- lichkeit gegenüber der Behandlung anderer Phänomene ist nicht selbstverständlich. P. Rusch hat in seiner Dissertation *De Po- sidonio Lucreti Cari auctore in carmine de rerum natura VI' (öriphiswaldiae 1882) den Einfluss des Poseidonios bis an die Schwelle unsres Capitels festgestellt^ nicht darüber hinaus. Bei Seneca wird des Magneten nicht gedacht, Plinius müht sich nir- gends ernsthaft um die Lösung des Räthsels^, es ist unwahr- scheinlich, dass der Magnet in die Reihe der παράοοΕα gehörte, es ist ausgeschlossen^, dass die bis v. 905 befolgte Tradition den Dichter zu einer so umständlichen Erörterung geführt hätte.

Wie begreift sich also die Vorliebe des Lucrez gerade für den Magneten? Wir lesen bei Cicero de div. 1 39, 86 : ' *Cur fiat quidque, quaeris. Recte omnino; sed non nunc id agitur; fiat necne fiat, id quaeritur. Ut si magnetem lapidem esse dicam, qui ferrum ad se adliciat et attrahat, rationem, cur id fiat, ad- ferre nequeam, fieri omnino neges. Quod idem facis in divi-

^ S. auch R. Heinze S. 45 seines Commentars zum dritten Bncbe.

8 Vgl. dazu Briegere Bedenken Bure. Jb. Bd .S9(1884) S. 198 flf.

* Man findet die PliniusstcUen aufgeführt in Albert Palms Schrift Der Magnet im Alterthum* (Pg. v. Maulbronn-Stuttgart 18<)7). Ich citire dankbar diese belesene Arbeit.

^ Die Paradoxographen berichten von Dingen und Wesen, die der gewöhnlichen Erfahrung widerstreiten, sei es weil sie an bestimmten Oertem haften, sei es weil sie (wie Gewohnheiten und EigenschafteD selbst verbreiteter Thiere) dem oberflächlich llioblickenden sich ent- ziehen. Diese Εέναι iOTopiai (Wilamowitz Antig. ^. 25) fordern gut- gläubige Leser; der Magnet aber lag vor aller Augen. Dass die va- pdöoSa durch den Abschnitt über den Magneten abgeschlossen werden, suchte Stuerenburg *i)e carm. Lucr. primo' (dies. Lips. 1874) zu er- weisen ans dem Gebrauche der Formel quod superest. Aber Vahlen Mb. d. Berl. Ak. 1877 S. 488 hat diese Induction widerlegt.

t)er Magnet und die Athmung in antiken Theorien S65

natione'. Der Magnet dient hier als Paradigma des mierklär- baren und dennoch wirklichen; daRS aber Cicero dies Paradigma nicht aufe Gerathewohl heran pgegri ff en hut, crweiet als später Zeuge noch Pe. Alexander Aphr. (in Idelers Physici et medici Graeci I p. 4), der den Magneten unter die δλυτα παντελώς rechnet, θ€ψ μόνιυ γνώριμα, τψ και την τούτων ούσίαν ύπο- στήσαντι®.

Der Anklang der Verse 910— 916 an das Gleichnisn im platonischen Ion p. 533® ώστ' ενίοτε όρμαθός μακρός πάνυ σιδηρών δακτυλίων έΕ αλλήλων ήρτηται* πάσι bi τούτοις έΗ εκείνης της λίθου ή δύναμις άνήρτηται ist schon von Giovanni Battista Pio bemerkt worden:

quippe catenam saepe ex anellis reddit pendentibns ex se und:

ex alioqne alius lapidis vim vinclaque noecit An eine unmittelbare Benutznng der lonstelle wird niemand denken, aber ihre Beziehung zur poetischen Manie leitet uns darauf, dass jene Manie den Apologeten der Mantik eine beliebte Parallele bot, und wir erinnern uns der Verehrung, deren Piaton in der mittleren Stoa genoss'^. So versteht sich der Eifer des

^ Vgl. auch Psellus de lap. bei Ideler aO. 1 p. *i46 mit den Scblu^sworten p. 247 und Plut. Coiiv. disp. II 7 p. (»41c (^o sich die These der Unerklärbarkeit auf die Fabel von der Neutral isirung des Magneten durch den Knoblauch zurückgezogen hat). Bei anderer Gelegenheit vertritt Plutarch den gleichen methodischen Grundsatz, ebend. V 7 p. 680« τφ δέ αΙτίας άπορ€Ϊν άιηστ€ΐσθαι τήν Ιστορίαν ού δικαίως.

^ Vgl. die Zusammenstellung der Platoncitate aus Poseidonios ircpl μαντικής in Hartfelders Pg. über die Quellen von Ciceros zwei Büchern de divinatione (Freibnrg 1878) S. 9 f. Poseidonios konnte übrigens ancb seine συμπάθ€ΐα φύσβως (vgl. C. Wachsmuth, Ansichten der Stoiker über Mantik S. 27) durch Hinweis auf den Magneten gut erläutern. Die Fünfzahl der Ringe (quinque etenim licet interdnm plaresque videre, vgl. IV 827 quinque etiam aut sex nt fieri simulacra suerint, IV 577 sex etiam aut »eptem loca vidi reddere voces) wird im Ion nicht benannt, Philo de mund. opif. cap. 49 (ed. L. Cohn, Berl. 18HG p. 49, 17 καΐ πέμπτος τετάρτου καΐ frcpoi) und Galen II ρ. 48 Κ. (wo er gegen Kpikur sich wendet), erweisen aber, dass sie typisch ist. Es ist nicht anzunehmen, dass der Verfasser des Ion dem Enripidee mehr vcrdiinkt als den Namen μαγνήτις. Das \on Suidas aufbehaltne Fmgment aus dem Oineus (571 Nauck. von Matthiao K<*g^•" Bultmann

366 Fritzsche

Lncrez, die mechanische Erklärung für ein Phänomen darohztt- fuhren, dessen ünerklärharkeit die lanten wie die lanen Ver- theidiger des Uehernatürlichen innerhalb der Natur eben wieder herausstellten ^.

U.

Woher nun entnimmt Lucrez seine Waffen zum Ansturm auf diese Position des Wunderglaubens? Man denkt zunächst an Epikur, dessen Theorie des Magnetismus Galen nat. fac. I 14 (Kühn U p. 44 ff. Helmreich [III] p, 133 ff. Usener Epi- ourea fr. 293 p. 208 11) bespricht. Nach Epikur soviel be- sagt deutlich auch diese polemisch getrübte Darstellung ge- schieht die Anziehung durch ein Umfassen (π6ρΐπλέκ6(Τθαΐ) der angeiförmig einander entsprechenden End^n (πέρας άγκιστριΣι^βς) der beiderseitigen Atome. Lucrez erwähnt diese künstliche Er- klärung; aber wo und wie? Ganz am Schlüsse heisst es y. 1087 9:

richtig gedeutet), bat eine andere Pointe als die Magnetbrncke im Ion. Galt übrigens zur Zeit des Poscidonios der Ion für Piatons Werk, so wäre damit noch nichts gewonnen für die Frage der Autorschaft.

^ Lucrez bekennt sich v. 908f. zur Ableitung des Wortes magnesi vom Lande der Magneten. Handelt sich's da nur um eine populäre Belehrung? ßuttmann Mus. d. AW. II S. 48 erklärte μαγνήτις (= μαγ- γανήτις) von μαγγανάν (= μαγγαν€ύ€ΐν). Hat stoischer Hang zu be- ziehungsreicher Etymologie das nämliche versucht und den Magneten als 'Wunderstein' gezeichnet? Die Stelle des Ps. Basilius de virg. 18 (III p. 606») *Ως σίοηρον πόρρωθεν μαγνήτις τοΟτον προς έουτήν μαχ- γανεύΕΐ (das Gleichniss ohne das Wortspiel hat auch Lncian Imag. 1) beweist wenigstens, dass griechische Ohren den Anklang bemerkten. Lucrez hätte also hier gegen eine stoische Etymologie polemisirt (vgl. übrigens Reitzenstein, Strassb. Festschrift 1901 S. 156 ff.). Das nebenhin wir betrachten hier nur die Theorie des Magneten in einer bestraimten Richtung. Zur Frage nach dem Vorkommen des Steins und dem Wandel seiner Benennung haben Salmasins (Exe. PI.)• Fal• couet (Mem. de l'ac. des inscr. 4 [1723] p. 613—34), Th. H. MarUn (Mem. prds. ä l'ac. d.insc. VI[l^i60] p. 391— 411) mancherlei zusammen- getragen, das kritischer Sichtung gewärtig bleibt. J. Klaproth *Lettre ä M. le baron Α de Humboldt sur Tinvention de la boussole* (Paris 1834) bringt für das griechisch-römische Alterthum keinen Ertrag. In Andry und Thourets 'Beobachtungen und Untersuchungen über den Gebrauch des Magnets in der Heilkunst* (Uebers. Lpzg. 1785) findet man viel Gelehrsamkeit, nützliche Hinweise bei Wilh. Waldmann im Arch. f. Gesch. d. Med. I (1878) S. 320 ff. 381 ff. A. v. ürbaniUky schrieb ein Unterhaltungebuch: 'Elektricität u. Magnetismus im Alter- thüme\ Wion-Pest-Lpzg. 1887.

Der Magnet und die Athmnng in antiken Theorien Ηβΐ

£8t etiam, quasi ut anellis hamisque plicata iuter 86 quaedam poeeint coplata teneri; quod magie in lapide hoc fieri ferroque yidetur, und eben die conyentionelle Verbeugung vor der Lehre des Meistere verräth uns, daee der Schüler im übrigen ihr nicht ge^ folgt war®.

Also weder Poeeidonioe noch £pikur die Forschung nach der Herkunft der Lucrezischen Magneten theorie ist gleichsam freigegeben. Unser Versuch aber wird auf eine analytische Wiedergabe des Gedankengauges sich stützen, zumal dessen innere Einheit und Widerspruchslosigkeit nicht ohne Weiteres sichtbar und nicht von Anfang vorauszusetzen ist.

921 932: Von allen Körpern erfolgt eine stetige, oft sinnrällige Emanation. 936 958 : Alle Körper sind porös, weil überall die Mischung der Materie und des Leeren statt- findet. — 959 978: Die Wirkung der Emanationen auf ver- schiedene Körper ist verschieden. 979 990: Die Gestalt und (^apacität der leeren Räume in den Körpern ist verschieden. 998 - 1001 : Die magnetische Anziehung ist nach diesen ali- gemeinen Feststellungen leicht zu erklären. 1002 1004: Die Emanation vom Magneten zerstreut die Luft zwischen Magnet und Eisen. 1005 8: In das so entstandene Vacuum stürzen die Ema- nationen des Eisens, denen das Eisen selbst folgt. 1009 1011 : Das Eisen ist derjenige Stoff, dessen Theile am innigsten zusammen- hangen. 1012 1016: Eben darum mnss der Eisenkörper seinen

® Das wesentliche dieser Theorie hat He. Schröder 'Lukroz und Thucydidee' (Pg. v. Strassburg 1898) S. 33 f. richtig umschrieben: 'Da- mit (nach den Grundsätzen seiner Kanonik) ein ^λκ€σθαι erfolge, fügt Epikur zu den überkommenen Emanationen und dem Naturgesetz, dass die Körper ihren Emanationen folgen, noch die περιπλοκή, deren Ein- führung wiederum die άπόπαλσις fordert*. Im übrigen kann ich Schröder nicht zustimmen. Er vermuthet (wie vor ihm Gassen di Phys. sect. III Mbr. 1 lib. 3 cap. 4), dass Lucrez die Absicht hatte, über Epikurs Theorie sich noch weiter zu verbreiten; ich meine, Lucrez hat die άπόπαλαις beschwiegen, weil sie mit der vorher entwickelten Poro- sität und Durchlässigkeit der συγκρίματα selbst für ihn sich schwer vereinigen Hess. (Auch pflegt die Formel est etiam lange Erörterungen nicht einzuleiten, vgl. V 715. VI 132. 295). Je sicherer die Ansicht durchdringt, Lucrez habe nach zeitgenössischen Vorlesungen gearbeitet (Usener, Epio. ρ XXXVl. Diele, Elementum S. 9), um so williger wird man zugestehen, dass an peripheren Stellen des Systems aucb. fremde Schulmeinungen einwirken kounten, wofern sie nur der superslitio Ab- bruch thatcn.

368 ti'ritzsclie

Emanationen folgen, bie er am Magneten hängt. 1017—1021 : Das ist eine allgemeine Erscheinung: wo immer ein Vacaum entsteht, drängen die Körper hinein. 1022 1032: Die Näherung des Eisens an den Magneten wird nach Entstehung des Vacnum durch die Luft unterstützt, die nachdrängt auf der dem Magneten ab- gewandten Seite. Diese Luft besetzt die Poren und treibt das Eisen vorwärts wie der Wind das Segelschiff. 1034 1041: Dasselbe bewirkt die innerhalb des Eisens wie innerhalb aller Körper fluthende Luft. 1042—1055: Es kommt auch vor, dass das Eisen vor dem Magneten zurückweicht. Samothrakische Ringe und Hammerschlag ^^ in eherner Schale gerathen bei Nähe- rung eines Magneten in unstäte Bewegung; die magnetische Ema- nation erregt die Feilspäne, weil die Emanation vom Erz die Poren des Eisens inne hat und jener den Eintritt wehrt. 1056— 1064: Dass sich die Anziehung des Magneten nur auf das Eisen äussert, kann nicht Wunder nehmen. Gold ist zu schwer (= zu wenig porös), um bewegt zu werden, Holz zu porös (^s- zu leicht), sodass die Emanation hindurchgeht, ohne Widerstand zu finden. Das Eisen steht nach seiner Porosität (= Schwere) in der Mitte und so begreift sich die specifische Wirkung des Magneten. 1065 1080: Die specifische Eignung des Eisens für den Magneten hat viele Analoga: Stein-Kalk; Leim- Holz; Wein- Wasser; Purpur-Wolle; Chrysokoll-Gold ; Erz-BleL 1084— 1086: Wo Convexes und Concaves {materies und inane) cor- respondiren, da ist die Verbindung zweier Körper am festesten. 1087 1089: Solche Verbindung kann man sich auch durch Oesen und Haken bewirkt vorstellen.

Alexander von Aphrodisias bespricht quaest. nat. et mor. U 23, 136 f. (p. 72 f. Bruns)^^ die Magnettheorien des Empe- dokles und des Demokrit. Beide waren dem Lucrez mittelbar

10 Bei den Samothrakischen Ringen (vgl. Plin. N. H. 33, 23 dort Silligs Note. leid. Hisp. orig. 19, 32, Γ)) wirkt das dem Eisen ange- gelegte Gold wie das Erz der Schale beim Hammerschlag. Hören wir da von einem Orakelspiel, gegründet auf die von Lucrez falsch ver- standene Polarität des Magneten, die Manetho (bei Plut. Is. et Os. 62 p. 37G»») auf Heros und Typhon symbolisirt? Propert. IV 5, 9 'Dia velit, poterit magncs non ducere ferrum* wäre dann wörtlich zu nehmen, vgl. noch C. 0. Müller, Orchomenos. 2. A. S. 444 Anm. 2.

^^ Diesen Tractat charakterisirt Rose Ariat. ps. p. 242. Die von Alexander im Verfolg besprochene Lehre des Diogenes von Apollonia (vgl. Diels Vh. d. 35. Philol.-V. [Stettin 1881] S. 106 f.) ist fBr unsere Untersuchung ohne Belang.

tkr Magnet und die Atbmnng in antiken l*heorien 369

oder unmittelbar gewiss bekannt, nnd der Abeebnitt 1002—1021 zeigt sicbere Sparen ibres Einflusses. Empedokles lebrte die Verdrängung der Luft durcb den magnetiscben Strom : ai μέν γάρ τούτου άπόρροιαι τόν αέρα τόν ίτχ\ τοις τοΟ σιδήρου πό- ροις άτπυθοΟσί τε κα\ κινουσι τόν έπιπωματίΣοντα αυτούς* τούτου οέ χιυρισθίντος άθρόςι άπορροίςι ^εούση τόν σίοηρον ίπ€σθαι.

Dem Demokrit gebort der Hinweis auf die dicbtere Structur des Eisens und den Drang der Körper ins Leere : λαμβάνει τό τήν λίθον κα\ τόν σίδηρον έΗ ομοίων ατόμων συτκεϊ(Τθαι, λεπ- τότερων hk τήν λίθον και . . είναι άραιοτέραν τε καΐ πολυ- κενωτίραν αυτήν είναι .... vorber: 6 Δημόκριτος hk κα\ αυτός απόρροιας τε γίνεσθαι τίθεται καΐ τά δμοια φέρεσθαι προς τά δμοια, άλλα καΐ εΙς τό κενόν (so conjioiren für κοινόν Palm und Diels) πάντα φέρεσθαι.

ν. 1022—1041 lässt uns diese Tradition im Stiob. Empe- dokles und Demokrit wissen nicbts von der Beibülfe des Luft- drucks. Wir begreifen nun, warum Lucrez im vorbergebenden Abeebnitt einen Hauptpunkt der demokritiscben Lebre ignorirte: das Eindringen der Magnetatome in die symmetriscben Poren des Eisens, denn dort wäre für drängende Luft kein Platz ge- wesen. Wir erstaunen, dass in der folgenden Erklärung des unter magnetisober Einwirkung bewegten Hammersoblags in eherner Scbale das Eindringen des magnetiscben aesttis in den Eisenkörper vorausgesetzt wird. Wie löst sieb dieser Wider- spruch ?

Bei Plutarcb Quaest. Piaton. VII 7 p. 1005^ finden wir fol- gende Ausführung: τό b' ήλεκτρον ovbkv ίλκει τών παρακει- μένων ώσπερ oub* ή σώηρΐτις λίθος, ούοέ προσπηοςΐ τι τού- τοις άφ' αύτου τών πλησίον ' άλλ' ή μέν λίθος τινάς άπορροάς έ^ίησιν εμβριθείς κα\ πνευματώδεις, αίς ό συνεχής αναστελλό- μενος άήρ ώθεΐ τόν πρό αύτου* κάκεινος έν κύκλψ περιιών και ύπονοστών αύθις έπι τήν κενουμίνην χώραν άποβιά2^εται καΐ συνεφέλκεται τόν σίδηρον. Es scheint mir zweifellos, dass die oine Quelle des Lucrez der des Plutarcb benachbart war.^ Beide Darstellungen nehmen von der empedokleisob-demokriti- sehen Theorie ihren Ausgang, geben ihr aber eine neue Wendung durch Einführung des äusseren Luftdrucks und Verzicht auf die Durchdringung des Eisens mit magnetischem aestus. Bei Empe- dokles und Demokrit ist die Emanation vom Magneten unmittel- bare Ursache der Näherung des Eisens, bei Plutarcb und nach

BlMiD. Mim. t. PhUoL M. F. LVIL 24

870 Fritzsche

der zweiten Tradition des Lucrez mittelbare, sofern die Stärke der Emanation den Luftdruck zur Wirksamkeit bringt ^^ Die Vereinigung der beiden Theorien ist dem Dichter bis v. 1041 leidlich gelungen, von da an wird scheinbar die zweite Quelle ausser Acht gelassen und die specifische Affinität von Magnet und £isen nach der ersten, demokritischen Theorie abgehandelt. Scheinbar. Denn Plutarch fahrt fort p. 1005^ 6 σίδηρος OÖr' δγαν όραιός έστιν ώς Εύλον οοτ* δγαν πυκνός ώς χρυσός ή λίθος, άλλ' ίχει πόρους και οΐμους και τραχύτητας bia τάς ανωμα- λίας τψ αέρι συμμέτρους, ώστε μή άπολισθάνειν άλλ' ibpaiq τισιν ένισχόμενον και άντερείσεσι περιπλοκήν σύμμετρον έχού- σαις, ώς δν έμπαση προς τήν λίθον φερόμενος, άποβιάΣεσθαι και προιυθεΐν τόν σίοηρον. Die Aehnlichkeit mit y. 1058 ff. springt in die Augen, zugleich aber eine bedeutsame Abweichung. Beide behaupten die besondere Eignung der Eisenporen gegenüber denen des Holzes und des Goldes; bewegendes Element jedoch ist bei Plutarch der durch den magnetischen aestus wirksam ge- wordene Luftdruck, bei Lucrez der magnetische aestus selbst. Ich formulire das Ergebniss meiner Analyse: Zwei Theorien, die des Demokrit und eine andere, die in reinerer Gestalt bei Plu- tarch sich findet, versuchte Lucrez aufeinander abzustimmen, doch hat er volle Harmonie nicht erreicht^*.

Epikur verstattete seinen Anhängern für die Erklärung ein- zelner Phänomene freien Spielraum. Von dieser Lioenz macht Lucrez im sechsten Buche den reichlichsten Gebrauch. Ihm eigen- thümlich ist aber ein Verflechten der Theorien, die im Bereiche der Schule angeboten wurden. Lucrez sagt ei-ei, wo di^ Schule vel'Vel vorgesehen hatte. Die Einleitung zum Magnetcapitel (921—

^2 Ve. 1003 wird aestus ausdrücklich synonym mit semina ge- braucht. Wir wiesen, dass es von Lucrez auch im Sinne von 'Luft- Strom* verwandt wird so schwankt der Inhalt des Wortes wie die Vorstellung des Dichters.

^^ J. Woltjer, Lucretii philosophia cum fontibns comparata (Gio- ningae 1877) p. 157 f. hat die doppelte Üeberlieferung bemerkt, docb glaub' ich, man kommt zu besserem Scbluss, wenn man v. 1022 und 1U42 statt 1065 die Naht im Gewebe sucht. 10J4-39 steuert Lucrez aus eigenen Mitteln noch bei die Selbstbewegnng der Luft im Innern des Mn;;^neten (er glaubt auch hier das Argument zu stärken und scliwäeht es für nüchterne Betrachtung). Die Anschaunng durch• stürmtrr Höhlen schwinjit nach, die gegenüber den Erdbeben (v. Γ»79) uiid dem Aetna (o}54) ihn ergriflen liatte.

Der Magnet und die Aihmuiigr in antiken Theorien 371

990) ist durchauR angelegt auf eine Behandlung des Probleme im demokritischen Sinne. Hauptsätze der atomistischen Physik werden umständlich recapitulirt, des Luftdrucks mit keinem Worte gedacht. Nun spricht Luorez von dem dichten Bau des Eisens, als welcher die Anziehung vollkommen erkläre. Er sieht den Leser noch ungläubig und ruft die Luft zu Hilfe, ohne zu be- denken, dass er damit die Kraft des ersten Beweisgrundes schwächt. Die Fülle der Argumente soll wirken, für ihre Geschlossenhjeit fehlt es dem Lucrez an kritischem Scharfblick. Sagte ich, er habe volle Harmonie nicht erreicht, so versteht sich das von un- serem Standpunkt wir fordern von diesem Gedichte die Con- sequenz eines naturwissenschaftlichen Lehrbuchs und messen den Dichter am Massstab einer Logik, von der seine Seele nichts ahnte. Zu dieser Poesie gehört eine rührende Naivität gegen- über dem Satze des Widerspruchs. Die Emphase des Lucrez, in lebhafter Zwiesprache mit dem wundergläubigen Leser, durch- bricht den vorgezeichneten Plan, wo immer ein neues Zeugniss zu Diensten steht. Mögen wir bemerken, dass da Eäthsel blei- ben, dass die Erscheinung nicht erledigt ist, Lucrez fühlt sich als Sieger und schliesslich scheint ihm der Feind der aufge- wandten Streitmacht kaum würdig. So und nicht als eine Ca- pitulation fasse ich die Verleugnung der ambages,

III.

Wo suchen wir die Quelle der Theorie vom Luftdruck? Gegen Demokrits Ansicht bestand ein Bedenken, das Alexander von Aphrodisias aO. einem früheren Kritiker (dem Aristoteles?) nachspricht : άλλα τό μέν τήν λίθον και τον σίοηρον Ü όμοιων συγκ€ΐσθαι οίΕαιτ' δν τις, πώς bi και (Bruns für εΙς) τό ήλεκτρον και τό δχυρον, δτι και έπ' εκείνων λέγει (Spengel für λέγεται) ταύτην τήν αΐτίαν ; έτι πολλά έλκόμενα ύπό του ήλεκτρου, οΤς πάσιν εΐ έΗ όμοιων σύγκειται, κάκεϊνα έΗ όμοιων άλλήλοις συγκείμενα ίλκοι άλληλα.

Weiter hatte Straten (bei Simplioius in Arist. phys. p. 663, 3. 652, 21, vgL Diels Sitz.-Ber. d. Berl. Ak. 1893 S. 113 f.) die magnetische Anziehung als Argument für das κενόν zurück- gewiesen, da vielmehr das κενόν eine Hypothese zur Stütze der ϊλΕις sei. Diesen Vorwurf der petitio principii spürte Epikur und so erfand er seine Häkchen und Oesen und die άπόπαλσις der aufprallendeo Emanationen aber dadurch wurde ςίη neuer Zweifel aufgeweckt die magnetische Brücke, die nacb.

3?3 Fritzsohe

Demokrit noch yeretändlicb war, stimmte nun nicht zn Epiknre tüfteliger Voretellang (vgl. Galen II p. 48 K.)• Wer jedoch die Laft als motorisches Element einführte, hednrfte nicht mehr jener prohlematischen Symmetrie der Emanationen und der Poren nnd hrancbte sich anch nicht mehr^^ auf den Drang der Körper ins Leere zu berufen. Wie eine von aussen wir- kende Kraft, die Hand des Färbers, Purpur und Wolle unlöslich verbindet, so schiebt die Luft den Eisenring au den Magnet- stein. Der Magnetismus verlor den Charakter spontaner Attrac- tion und Hess sich den von Lucrez v. 1066 ff. aufgezählten Er- scheinungen specifisoher Adhäsion angliedern. Anch die magne- tische Brücke fügt sich ein der Luftdruck wirkt weit genug, um fünf und mehr Ringe aufeureihen. Hier hatte man endlich eine mechanische Erklärung, die dem ferrvm vivum des imperi- tum vulgus (Plin. N. H.34, 147) die Lebenskraft austrieb. Durch den άήρ ύπονο(Ττών war jegliche ολκή ausgeschaltet, sowohl die offenbare einer φυσική ουναμις oder οΙκ€ΐότης ποιότητος (s. Gal. Π 206 Κ.) als die verschleierte einer φορά προς τό κενόν. Der aber, dem Lucrez zunächst, die ολκή am radioalsten bestritt, war Asklepiades von Bithynien ^^, s. Ghden II p. 45 f. K.

1* Der Einwand Alexanders gegen Demokrit trifft nicht die von Plutarch aufbehaltene Theorie. Die Poren des Eisens sind nach Pla- tarch dem άήρ angepasst, der vom Magneten herweht; das vom ge- riebenen Bernstein ausströmende φλογοειοές ist viel schwächer als die όπορροαΐ εμβριθές καΐ πνευματώδεις des Magneten, darum setzt der Bernstein viel weniger Luft in Bewegung und es werden nur ganz leichte Gegenstände zu ihm herangeführt; Dass es dazu eines Ein- dringens der Luft in die Poren dieser κουφότατα καΐ ξηρότατο über- haupt bedürfe» wird nicht gesagt, vielleicht genügt' sie zu bewegen der Druck auf ihre Aussenfläche; aber selbst wenn di«*ee dem Bernstein zufalK^nden Dinge πόρους τφ αέρι συμμέτρους hätten, würden sie auf- einander nicht wirken wie der Bernstein auf jegliches von ihnen, weil sie ja keine Luft in Bewegung setzen. Man sieht, wie die Einführung der Symmetrie zwischen Poren und Luft statt zwischen Poren nnd Emanation Schwierigkeiten beseitigt.

tA Ueber Asklepiades im allgemeinen s. C. 0. Gumpert: Asde- piadis Bitbyni fragmenta. Vinariae 1794. K. F. Bnrdach schrieb über Askl. und John Brown eine geistreiche Parallele (Lpzg. 1800), bedach- tiger als die entbusiasmirten Italiener G. F. Bianohini (La med. d'AsoK Venezia 1769) u. Ant. Cocohi (Discors. Fior. 1754, in den Disoorai e lottere, Milano 1824. Ip. 2()7-323). Neuere Litteratur bei C. Bäumker: Problem d. Materie S 325 Γ, Sus. mihi AI. L. G. II S. 4if8 ff., Wellmunn in Pauly-Wisiowas R. £., dazu noch Diels im Index nominum seiner

Der Magnet und die Athroung in antiken Theorien 373

(p. 134 He.): Άσκληπιάδης bk τό T€ τής €ΐρημίνης αίτιας (de Theorie Epiknre) άπίθανον ύπιοόμ€νος και μηοεμίαν δλλην έφΓ οίς ύπίθ€το στοιχείοις έΗευρίσκιυν πιθανήν έπι τό μφ* δ\ως' ίλκεσθαι λέγειν υπό μηδενός μηδέν άναισχυντήσας έτράπετο. Galen meint (ρ. 133 He.), der Magnetismus hätte eigentlich Un- gläuhige von der Anziehung verwandter Qualitäten überzeugen sollen: τίς οΰν ή άδολείΤχία; ή ίνδοΕος αυτή κα\ πολυθρύλητος λίθος ή τόν σίδηρον έπισπωμένη. τάχα γαρ Sv αυτή ποτέ τήν ψυχήν αυτών έπισπάσαιτο πιστεύειν είναι τινας έν έκάστψ των σωμάτων έλκτικάς τών οΙκείων ποιοτήτων δυνάμεις. Die Verneinung solcher δυνάμεις ist das Α und Ο des asklepiadei- fichen Systems. Asklepiades durfte die Anziehung des Eisens nimmer zugestehen, zumal sie von den Gegnern mechanischer Biologie als anorganisches Analogen der eigenthtimlich organischen Kräfte verwendet wurde ^•.

Aber aus Galen erfahren wir ja nur, Asklepiades habe die Anziehung geleugnet dass er den Luftdruck zum Ersatz her- beirief, wird nicht gesagt. Zwar durch die Entfernung der ολκή wurde die Annahme eines bewegenden Elements bedingt Lässt sich erschliessen, was sich nicht belegen lässt, dass Asklepiades als solches Element die Luft ansprach? Longis ambagibus est adeundum.

Ausg. des Anonymus Londinensie und S. 42 der Schrift 'Elementam*. Well mann Pn. Schule S. 55 ff. Anm. 2. Von Asklepiades' Lehren berichten uns die schlecht verhehlte Missganst der ihm verpflichteten methodischen Schule (Soran-Caelins) und der keifeude Widerspruch des Galen nur Celsus urtheilt unbefangen. Der Klatsch, den Plinius weiterträgt (schon liayle hat ihn abgefertigt) darf den Asklepiades noch nicht zum Charlatan stempeln und wenn er wohl einen leidliehen Stil schrieb, war er darum doch mehr als *un type curieax de modecin bcau parleur* (Croiset lit. gr. V p. 300). Wie Asklepiades durch die Geltung des Caelius Aurelianus im M. A. herüberwirkt auf die moderne Corpnsculartheorie, hat Kurd Lasswitx i. d. Vjsoh. f. wiss. Pbilos. ΙΠ (1879) S. 408 ff. und an mehreren Stellen seiner Geschichte der Ato- mistik dargelegt.

^* Auf diese Analogie nur aus erweiterter Ansicht des Magne- tismus, baute noch vor hundert Jahren der deutsche Naturphilosoph: *Der allgemeine Magnetismus wird das seyn, was der Sensibilität in der Anssenwelt entspricht, oder, dieselbe letzte Ursache, welche in der allgemeinen Natur Ursache des allgemeinen Magnetismus ist, wird Ur- sache der Sensibilität in der organischen Natur seyn*: so Schelling im 'Ersten Entwurf eines Systems der Naturphilosophie*. Werke 1 Abtb. m 8. 218.

374 F Γ i t ί 8 c h β

IV.

Bei Aetius-Plut. Plac. phil. IV 22, 2 (p.412f. Diele) wird uns überliefert, wie Asklepiades die Atbmang erklärte. J. F. K. Hecker in seiner Geschichte der Heilkunde, einem Werk pragma- tischen Geistes, Bd. I S. 375 beobachtete 'einige Aehnlichkeit* dieser Theorie mit der platonischen. Der Hinweis ist wichtig, kann aber nicht genügen. Zudem befremdet im Gefolge Piatons ein Arzt, den wir ganz nahe bei den Epikureern zu finden ge- wohnt sind. Es gilt die Aehnlichkeit der Theorien genau zu umschreiben. Wir betrachten zuerst die Athmungslehre des Piaton nach dem Texte des Timaios p. 77 ff.^''.

Piaton handelt vom Athem im Zusammenhange mit der Er- nährung: Das sterbliche Lebewesen ist anatomisch fertig (πάντ* fjv τα του θνητού Σψου Ηυμπεφυκότα μίρη και μέλη 76*^ f.), sein physiologisches Dasein ist zu gründen und zu sichern gegen die Auflösung durch Feuer und Luft. Die Götter schufen also die Pflanzen als Lebewesen niederer Ordnung (ακτθ' 2τ€ρον ίψον είναι), [damit sie, von den höheren Lebewesen als Nahrung auf" genommen, diesen stetig die durch Auflösung in Luft und Feuer abgehende Erd- und Wassersubstanz ersetzen]. Die aufgenom- menen Pflanzenstoife erhalten und stärken den thierischen Körper, nachdem sie die Form des Blutes erhalten haben. Wie geschieht diese Verwandlung der Rohstoffe in Blut und welcher Art wird dies Blut über den ganzen Körper vertheilt? Platons Vorstellung verharrt im Bereich der Pflanzenoultur, von der zuvor die Rede war, und er vergleicht den thierischen Körper einem Garten, den die Götter mit Kanälen durchziehen. Diese Kanäle sind die Adern. Piaton nennt die beiden Rückenadem zu Seiten der Wirbelsäule als die Hauptlinieu des Kanalsystems und bespricht den cbiastischen Anschluss des Kopfes an den Rumpf durch die Adern.

^^ Ich bin mir bewusst, dass jede Paraphrase platonischer Sätze eine Vergröberung ihres Gehaltes einschliesst und besonders hier, wo ein pliysiologiscbos Bild wie im Schattenrisse hingeworfen ist. Das Ahnungsreiche geht verloren. Dennoch pehe ich kein anderes Mittel, was mir deutlich schien, anderen mitzutheilen. Abweichungen meiner Ansicht von den Commentatoren Stallbaum und Archer-Hind (Lond. 1888) habe ich nicht einzeln angegeben, auf Th. H. Martins Etades sur leTimee de Piaton (2 voll. Paris 1841) mich häufig zu berufen war kein Anlas«, Fz. Susemibls Bedachtsamkeit in den Noten zu seiner üebrr- setzuug (Stuttg. 1δ5β) verdient das meiste Lob.

Der Magnet und die Athmung in antiken Theorien 375

Das Eanalbett ist ausgehoben, aber noch trocken wie kommt die Wasserleitung zu Stande? Der Garten nämlich, der bewässert werden soll, Hegt oberhalb der spendenden Quelle. Ohne Bild gesprochen, wie wird Nahrung aus der Bauchhöhle in Blut verwandelt den Adern zugeleitet? Antwort: durch stetig auf- und abschwebendes Feuer. Das Feuer zertheilt bei seinem Eintritt in die Bauchhöhle Speise und Trank zu kleinsten Theil- cheii und trägt diese Theilchen bei seinem Austritt empor, so ge- langen sie als Blut in die Adern und fliessen dort wie durch ein Thal ^8 durch den Körper. Wir fragen weiter: warum vollzieht

le Das Feuer leistet für die Bewegung der Flüssigkeit, was sonst das Gefäll. Hecker aO. S. 192 sieht einen Widerspruch in der 77^ f. vorgetragenen Gcräeslehre zu 70»*> τήν bi καροίαν δμμα τών φλεβών καΐ πηγήν τοΟ περιφερόμενου κατά πάντα τά μέλη σφοδριΧις αίματος είς τήν δορυφορικήν οίκησιν κατέστησαν. Ρβ. Tim. περί ψυχΑς κόσμου C. 14 ρ. 102* schreibt: τροφά bi πΑσα άπό ^(Σας μέν τας καρδίας, πά- γος bi τας κοιλίας επάγεται τφ σώματι. Dieser Versuch die Schwierig- keit stilistisch zu überbrücken veifängt nicht, wenn aber W. Anton De origiue libelli περί ψυχάς (Numburgi 1891) ρ. 396 dem Piaton zu- schreibt : 'non cor simpliciter fontem sanguinis esse per omne corpus manantis, sed impetu quodam manantis' (vgl. auch p. .'371) presst er den Text (wie vor ihm Galen V p. 573 K.). Man könnte um im Bilde 7.U bleiben, das Herz als das Sammelbecken betrachten, von dem die KanalliniiMi ausgehen, das selbst aber von der Bauchhöhle aus ge- speist wird. Dann wäre das Herz Quelle der Adern, die Bauchhöhle des Blutes. (Einer solchen Theorie scheint sich Anstot. resp. e. 14 p. 474** zu widersetzen : τοΟ b* αίματος καΐ τών φλεβών τήν αυτήν αρ- χήν άναγκαΐον είναι.) Die Ausführung lO^ über die Lunge als Re- gulator der Herzwärme (vgl. auch M. Wellmann: Fragmentsammluug d. gr. Aerzte I S. 99) hat auf den Mechanismus der Athmung keinen Bezug. Die Lunge, heisst es dort, nimmt in ihre Poren πνεΟμα und πόμα auf und verbreitet Kühle dadurch verschafft sie dem Herzen in seiner Hitze Erholung (Abzug? vgl. Anm. 20) und Erleichterung. (Ideelles Object zu ψύχουσα ist καρδία, nicht πνεΟμα und πόμα trotz neuerer Uebersetzer. Ficinus richtig: 'ordis ardorem huiusmodi re- spiratione et refrigerio tepefacit*). Wir erfahi'en nichts davon, dass ή ToO πλεύμονος ib^a die Bewegung des πνεΟμα verursache. Die Lunge ist kühl schon durch ihre Blutlosigkeit, jedenfalls kühler als das Herz. Uebrigens soll man bei den anatomischen und physiologischen Angaben des Timaios weder allzu ängstlich Uebcreinstimmung erdeuten noch allzu entschieden Widersprüche betonen. Piaton *umtastet die Natur (Goethe) und tritt von verschiedenen Seiten an die Phänomene heran, so darf mau seine Ansichten nicht durchaus in eine Fläche rücken. Die Vorstellung im Timaios bewegt sich mit dem Nacheinander eines

376 FritzBche

das Feuer dieee auf- and abechwebende Bewegung? Weil es der Luft folgt, die bei dem Atbmang benannten Vorgang eben dieee Bewegung rbytbmiecb auefübrt. So stellt Piaton ein functionelles Verbal tnise ber zwiscben Atbem, Blutbildung, Blutumlauf. Die Atbmung selbst wird durcb ein kunstreicbes Diagramm erläutert: Unsern Körper umgibt eine Luftscbicbt, die wir uns der porösen Wand eines Korbes anliegend vorstellen. Im Innern unseres Körpers befinden sieb zwei lufterfüllte Räume, der eine in der Lunge, der andre in der BaucbbÖble wir nennen diese beiden Luftbeb älter έγκύρτια, weil sie gleichsam als Körbeben in dem grossen Korbe stehen, dessen Wandung wie gesagt von der Luft ausserhalb umgeben ist, dessen Inneres aber, soweit die έγκύρτια den Raum nicht einnehmen, von Feuer erfüllt ist. Gleiches strebt zu gleichem die äussere Luft (κύτος του κυρτοΟ) drängt zu den lufterfüllten έγκύρτια und umgekehrt, es erfolgt jene rhythmische Bewegung, die wir als Ausathmen und Einathmen zu bezeichnen pflegen. Das Feuer, zwischen έγκύρτια und κύτος gestellt, geht der Luft nach, [je nachdem beim Ausathmen der Anstoss von den έγκύρτια oder beim Einathmen vom κύτος her- kommt] ^®.

Werdenden, wenn nun das Nebeneinander des Seienden in der Dar- stellung nicht völlig harroonirt, mögen wir ein göttliches Genie nicht verklagen.

^^ Aus dem Fraorment des galenisohen Commentars zum Timaioe (publ. p. Ch. Daromberg Paris-Lpzg. 1848) lernte ich, daas 1) έγκύρηον nicht mit dem Lexikographen Timaios έπΙ τής φάρυγγος zu fassen ist, 2) τό μέν τών έγκυρτίων ρ. 78^ für τά έγκύρτια steht. Im übrigen ist dieser Gommentar durch das Streben nach anatomischer Localis!• rung für die Charakteristik Galens wichtiger als für die Erklärung Piatons. κύρτος und έγκύρτια bestehen aus Luft und Feuer ; ich be- greife also nicht, wie neueren Interpreten πλέγμα und πλ€ύμαιν iden- tisch gilt. Anatomische Substrate sind schon um deswillen hier nicht zu suchen, weil das Ζφον schon vorher als plastisches Gebild vollendet war (78c). Vielleicht darf man soviel sagen: das έγκύρηον δ(κρουν ist Agens der Brustathmung, das andere έγκύρτιον der Bauchathmung.

Die έγκύρτια werden in der Ausführung über die αΙτία des Athems nicht mehr erwähnt, 19^ erscheint die warme Luft in den έγκύρτια und das Feuer im übrigen Räume des πλέγμα als einhellige Masse. Hieronymas Müller denkt an zwei oder gar drei Athmungstheorien Piatons. Wer aber so scharf hiiiblickt, verschiebt das Gesichtsfeld.

78^ π€ρΙ τό σώμα δσον κοίλον ημών: δσον κοίλον heisst 'soweit Platz war. Susemihl hat richtig gesehen, dass die Oberfläche des Körpers, nicht das Innere gemeint ist.

Der Magnet und die Athniung in antiken Theorien 377

Nun begeben wir uns aus dem Gebiete der Physiologie in das der Physik und beschreiben den empirisch festgestellten, in seiner Bedeutung für die Erhaltung des Lebens erkannten Rhyth- mus des Athems als eine noth wendige Bewegung von Elementen. Piaton entwirft folgende Scala:

1) Ausathmen durch Mund nnd Nase.

2) Einathmen durch die Haut.

3) Ausathmen durch die Haut.

4) Einathmen durch Mund und Nase.

5) Ausathmen durch Mund und Nase.

Piaton öffnet der Luft zwei Pforten: 1) Mund nnd Nase 2) die Poren der Haut (bia μανών τών σαρκών 79®). Der Aus- tritt von Luft durch die oine Pforte bewirkt jeweilig den Ein- tritt von Luft durch die andere. Dies aber geschieht wegen des Korror vacui (79** έπ€ΐ5ή κ€νόν ούοίν έστιν vgl. 58•). Die aus dem Mund und der Nase ausströmende Luft verschiebt die den Körper umgebende Luftschicht derart, dass Brust und Lunge so- fort wieder mit Luft gefüllt werden. Die durch die Haut aus- strömende Luft veranlasst mittels gleichartiger Schiebung das Eindringen von Luft durch Mund und Nase. Aber wie kommt es denn, dass wir ausathmen, jetzt durch die oine Pforte, jetzt durch die andere?

Hier erinnern wir uns, dass unser Körper eine Wärmequelle enthält, aus ihrem Dasein erklärte sich uns die hohe Temperatur des Blutes. Diese Wärme strebt nach Aussen *zu dem ihr Ver- wandten*, will sagen zu τψ του παντός τόπψ, καθ* öv ή τοΟ πυρός €Ϊληχ€ μάλιστα φύσις, ου καΐ πλείστον δν ήθροισμίνον €Ϊη προς δ (ρέρεται (63^ vgl. auch Martin U ρ. 273). Es bieten sich als Ausweg abwechselnd die beiden Athmungspforten^. Nun wissen wir aus Erfahrung, dass immer das Ausathmen dem Ein- athmen unmittelbar folgt also wendet sich das Warme immer zu der Pforte, wo gerade eingeathmet wird. So verstehen wir auch die Erwärmung der eingeathmeten Luft, die dem Wärme- strom begegnet, die Abkühlung der ausgeathmeten, deren Wärme eich verflüchtigt.

^ Das Feuer hat Zug an der Stelle des Lufteintritte (vgl. Plat Tim. p. 85b, wo Archer-Hind αναπνοή als Ventilation* fasst). Diesen 'Zug' bezeichnet Theophrast de igne 23 selbst mit αναπνοή (ähnlich Plut. de Pyth. orac. 17. p. 402« ucpl τήν άναπνοήν τοΟ νάματος). Vor- her (78*) und später (80^) wird ja gesagt, das Feuer folgt der Luft, beim Ausathmen nach aussen, beim Einathmen einwärts zu den Adern.

378 Fritzsche

Zwei Kräfte wirken zuearomen bei der Athmung: 1) der Umtrieb der durch das Ausathmen in Bewegung gesetzten Luft, 2) der Auetritt uns einwohnender Wärme, jeweilig ermöglicht durch das Dasein zweier Athmungspforten. Piaton erklärt also 79^® das Ausathmen unter der Annahme des Einathmens als ge- gebener Thatsache und setzt Τθ*"^ das Ausathmen für das Ein- athmen voraus. Ein drittes, das aus solchem Oirkel herausführte, hat Piaton nicht gefunden, wahrscheinlich auch nicht gesucht, er verlegt κινούν und κινουμενον in denselben lebenerhaltenden Processi*.

Piatons Theorie sieht M. Wellmann von empedokleischer Farbe deutlich durchschimmert, nur meint er, Piaton sei mit der Annahme vom 'kreisförmigen Umschwung des Ganzen seine eigenen Wege gewandelt^*. Das war keine Laune Piaton wollte hinauskommen über Enipedokles. Dessen Gleichniss von der Klepsydra erklärt die Ursache des Beginne (τήν αΐτίαν της <^ΡΧήζ αυτών 79°) der Athmung nicht. Dass die obere Mündung der Klepsydra von der Hand des Mädchens geschlossen und ge- öffnet wird, müssen wir hinnehmen. Der platonische Rotations-

^^ Aristoteles traut dem Piaton zu, dass er die uns umgebende Luft für warm gehalten habe (de resp. 472*> 33—36). Was aber Ari- stoteles entgegnet : τό μέν γάρ έκπνβόμβνον είναι θερμόν, τό 6' €ΐσπνε• όμενον ψυχρόν, dns sagt ja Piaton selbst (79^): τό δέ περιυκιθέν εΙς τό πΟρ εμπίπτον θερμαίνεται, τό δ* έΗιόν ψύχεται. Verstand Ar. θερμαί- νεται im Sinne von calett da es doch hier calescit bedeutet? Auch da- rin verkennt er Platons Ansicht und Absicht, dass er resp. 472b 20 einwirft: συμβαίνει bi τόΐς οΰτως οίομένοις πρότερον τήν Ικπνοήν γί- νεσθαι τής εΙσπνοής, da doch für Piaton die zeitliche Priorität eines der beiden respiratorischen Acte gar nicht in Frage kommt. Aristo- teles greift fester zu, als Platons schwebende Betrachtung der Phäno- mene verträgt [dass er aber die in der Akademie fortgebildete Respi- rationslehre (s. u.) bekämpfe, vermuthet Daremberg (Galien-Timoe p. 52) ohne Noth].

82 FragmentsammUing der griechischen Aerzte I S. 83 f. Ich verweise auf die dortigen Feststellutigeti und Vermuthungen über Pla- tons Verhältniss zur sikeliscben Aerztescbule. Die Annahme von Poren und die Lcu^nung des leeren Baumes hat aber Piaton nicht als Wider- spruch empfunden, da ja die Poren der Haut wegen der stetigen πε- ρίωσις keinen Augenblick luftleer sind. LichtenstUdt, Platons Lehren auf dem Gebiete der Naturforschung und Heilkunde. Lpzg. 1820 dringt

nicht tief; vgl. noch B. Bothlauf: Die Physik Piatos (L Pg.

München 1887} S. 36 S. (Piaton habe die Bedeutung des Luftdrucks im Sinne Torricellis erahnt).

Der Magnet und die Athmung in antiken Theorien 379

apparat arbeitet selbetthätig. Die physiologischen Probleme hatten sich zugespitzt seit den Tagen des Empedokles, der auch die Frage, ob ολκή oder nicht, in ihrer antithetischen Schärfe nicht ahnte ^. Piaton weist noch bin auf die Schröpf köpfe und das Schlucken, auf Höhe und Tiefe der Töne, Flieseen des Wassers, Niederfahren der Blitze, auf Magnet und Bernstein und gelangt zu der energischen These: πάντων τούτων ολκή μέν ουκ ίστιν ούοβνί ποτ€ (80®)^^. In seinem schönen Buche 'Wirklichkeiten* (Berlin 1900 S. 16) hat jüngsthin Enrd Lasewitz die Wichtigkeit

^ Hauptetelle für die Athmung bei Empedokles: Arist. resp. 7 p. 473»15 (jetzt bei Diele poet. philoe fr. p. 143 fr. 100). Mit der Frage der πρώτη αναπνοή hat sich Empedoklea in anderem Zusammen- hange beschäftigt. [Aet. IV 22, 1 (41 1 D) jetzt poet. phil. fr. p. 96 n. 74]: Das erste Einathmen geschehe» wenn der Foetus im Moment der Ge- burt aus der umgebenden Feuchtigkeit heraustritt und die äussere Luft in die geöffneten Gefässe eindringt. Durch natürliche Wärme, die nach aussen strebt, werde diese eingedrungene Luft wieder ausgetrieben und sie dringe aufs neue ein, wenn die Wärme nach innen (εντός zu lesen mit Sturz und Bernardakis) sich zurückzieht. Plato, der im Ti- roaios den Menschen aus der Gottheit Hand, nicht aus der Mutter Schooss erstehen hcisst, konnte die von Empedokles angebotene em- bryologische Begründung des ersten Athemzuges nicht übernehmen. Die Frage der vOv κατέχουσα αναπνοή (Aet. über Emp. aO.) scheint Empedokles durchaus gesondert von der πρώτη αναπνοή τοΟ πρώτου 2!ψου erörtert zu haben (vgrl. Plato Tim. 79» τό τής αναπνοής πάθος, οΐόνπβρ τά νΟν έστιν, 79^ τήν αΐτίαν τής αρχής αυτών θ€τ^ον τήν6€). Im allg. vgl. noch Hecker Gesch. d. Heilk. I S. 89. Der empedo- kleischen Klepsydra ähneln am meisten die von Ileron pueum. I p. 8, 23 Schmidt beschriebenen ψά Ιατρικά die platonische Athmung aber wird durch die σικύα am besten erläutert. Es wäre einmal zusammen- hängend zu betrachten, wie der Fortschritt physikalischer öoEai in der Wahl solcher technischer Vergleiche zu Tage tritt.

«* Vgl. Galen de plac. Hipp, et PI. VIII 8 (V p. 707 f. K., ed. Iw. Müller p. 714 f.) Έν μέντοι τή περί αναπνοής δόζη διηνέχθη προς αυτόν ού σμικρά, πρώτον μέν τφ διαπνοής μΑλλον α(τ{αν είπ^ν, ούκ αναπνοής, εΤτα ουδέ ταύτης άμ^μπτως. αναιρεί γάρ όλκήν, ij προς πολλά

τών φυσικών ίργαιν ό Ιπποκράτης χρήται Wenn Galen

Tim. ρ. 32 Piatons περίωσις der προς τό κενούμενον ακολουθία des Erasistratos gleichsetzt, ist das proleptisoh zu nehmen. Erasistratos (vgl. Diels Sb. d. Berl. Ak 1893 S 109) fusst hier auf Stratons Lehre vom unstetigen Vacuum. Straton beruft sich (s. Simplicius in Arist. phys. p. 663, 3) auf Flatons Leugnung der ολκή, hat aber die 'Schie- bung in den nächsten Kaum t hei Γ genauer durchdacht und ist dadurch zum Zugeständniss des nicht continuirlichen Vacuum gekommen.

380 Fritzeche

jenes Satzee für die Autonomie der mechaniechen Gansalität un- terhalb der Weltseele hervorgehoben ein Materialist wie Askle- piades wurde nicht untreu, wenn er in Piatons Spuren im τό μηο' δλως ίλκβσθαι λέγειν υπό μηδενός μηοέν έτράπετο.

V.

Ich zog vorhin die Nachricht des Aetios lY 22, 2 (p. 412 f. D.) heran zur Lehre des Asklepiades von der Athmung. Die Stelle lautet: ^Ασκλητηάοης τόν μέν ττνεύμονα χώνης οίκην συνίστησιν, αΐτίαν τής αναπνοής τήν έν τψ θώρακι λεπτομέρ€ΐαν υποτί- θεται, προς ήν τόν βωθεν αέρα ^€ϊν τ€ καΐ φέρβσθαι παχυ- μβρή όντα, πάλιν hk άπωθεΐσθαι μηκέτι του θώρακος οίου τ€ δντος μήτ' έπ€ΐσ5ίχ€σθαι μήθ' ύποστέγβιν υπολειπομένου bc τίνος έν τφ θώρακι λεπτομερούς άε\ βραχέος (οό γαρ &παν εκκρίνεται), προς τούτο πάλιν τό εϊσω ύπομένον τήν βαρύτητα του έκτος άντεπεισφέρεσθαι. ταύτα ταΐς σικύαις άπεικάίει* τήν κατά προαίρεσιν άναπνοήν γίνεσθαί φησι συναγομένων τών έν τψ πνευμόνι λεπτότατων πόρων και των βραγχίων στε- νουμένων τή γαρ ήμετέρςι ταυθ' υπακούει προαιρέσει. Askle- piades hat wie Piaton nach der αΙτία, der Mechanik der Athmung geforscht und die platonische Theorie seiner Physiologie ange- passt. Er verwarf die eingebome Wärme, wie jede έμφυτος ούναμις (Galen VII ρ. 615 Κ.), darum nennt er λεπτομερές" und παχυμερές, was bei Piaton Feuer und äussere Luft heisst die πηγή πυρός (τό θερμότερον μάλλον) wird in dieser Ter- minologie zu dem im Thorax zurückbleibenden λεπτομερές. Der Zusatz über die künstliche Athmung ergänzt die lückenhaft überlieferte Erklärung der natürlichen. Die αναπνοή κατά προ- αίρεσιν erfolgt durch willkürliches Zusammenziehen der feinsten Poren in der Lunge und Verengerung der Bronchien (vgl. die Athemgymnastik bei Galen VI p. 173 E.). Jene Contraction ver zögert nämlich den Zutritt des λεπτομερές zum παχυμερές, es bedarf zur Ueberfüllung des. verfügbaren Raumes einer grösseren Masse von παχυμερές als bei der unfreiwilligen Athmung, die Ausathmung erfolgt später, der Rhythmus wird verlangsamt. Folgende Ansicht ergibt sich daraus für die unfreiwillige Ath-

^ Fr. Tim. Locr. p. 98« πΟρ μέν ών 6ιά τάν λεπτομερίαν διά πάν- των ήκ€ν (vgl. was Anton aO. ρ. 213 f. zusammentragt). Im Ghiaamas dazu ü))er8etzt Gael. Aurel. morb. acut. 1 15 (p. Amman) das λεπτο- μερές des Asklepiades geradezu mit fervor.

bet Htignei und die Athmnng in «ntiken Theorien 881

mnng: Dae im Thorax eingesessene constante λετττομερές^® ver- bindet sich auf dem Wege durch πόροι und βράγχοι mit dem durch den Lungentrichter ^^ eindringenden άήρ παχυμερής. Diese Verbindung erzeugt eine Spannung des άήρ παχυμερής, der selbst in die Structur des λεπτομερές übergeht. Sobald aber der Raum des Thorax nicht mehr zureicht, wird die Luftmasse nach aussen abgestossen. τό έν τφ θώρακι λεπτομερές wirkt gleichsam explosiv ^^ Der Erwärmung der Athemluft bei Piaton (εΙς τό πυρ εμπίπτον θερμαίνεται Tim. 79•) entspricht bei Askle- piades die Verwandlung von άήρ παχυμερής in das λεπτομερές. Die πλήρωαις war eine Hypothese des Herophilos ^^ Asklepiades übernimmt sie und kann so der Berufung auf den Drang des Feuers in dem ihm Verwandten entrathen, der Hinweis auf die Ausdehnung der eingeathmeten Luft wiederum erspart es ihm, eine natürliche Tendenz der Lunge zur συστολή und διαστολή mit Herophilos anzunehmen, der πλήρακτις folgt die gewaltsame Entleerung und nun genügt ohne Horror vacui die Schwere

^ Gonstant als ein quantitatives Minimum, nicht als Substanz.

^ Gampert aO. p. 70, dem andere folgen, kehrt den Trichter uro, sodass die Röhre, der Trachea entsprechend, nach oben steht. So ist aber das Bild nicht gemeint; Askl. denkt hier so wenig an die Trachea wie Ps. Hippocr. de corde z. Auf. (über den vgl. Wellmann Fragms. I S. 94 ff.) an den Oesophagus, wenn er vom Magen an- merkt: 6 γάρ στόμαχος όκοΐον χώνος, καΐ ένδ^χ€ται τό πλήθος καΐ ασσα προσαιρόμεθα, vgl. auch Galen II ρ. 709 Κ. III ρ. 694 Κ., wo vom πύ€λος, dem infundtbulum cerebri, die Rede ist und Columella 3, 18 g. E., wo es von der Schnittfläche eines unten umgebogenen Setzlings heisst: 'more infundibuli per medullam transmittit quicquid aquarum caelestium superfluit*.

* Lionardo di Capoa ragionamento V Nap. 1689 p. 245 *ne si dee qui tacere, che si pare, ch'Asolepiade vicino stato fosse ad avere cognizione dell' elatere doli' aria*. Dem widerspricht Gumpert aO. p. 71 ohne Beoht und Grund. Vgl. auch Ernst Platner p. 252 ff. seiner an kundigen Bemerkungen zu griechischen Aerzten überreichen *Quae- stiones pbysiologioae* (Lips. 1794), wie Sudhaus S. 147 f. und an an- dern Stellen seines Commentars zum Aetna.

» Vgl. C. F. H. Marx Comment. Gott. vol. 8 (Druckjahr 1841) claae. phys. p. 115 not. 1. Aetius IV 22, 3 (p. 413 D). Das Xcirro- μ€ρ^ς des Askl. entspannt nicht nur den tibervollen Baum, sondern ent- leert ihn sohier. Herophilos muss die überschüssige Luft, die aus der Lange in den Thorax trat, aus dem Thorax in die Lunge zurück und von da nach aussen leiten, um Platz zu schaffen für die neu von aussen eintretende Luft.

382 Fritzeche

der äu§8eren Luft zum Verfltändniss ihres Eindringens •°. Wie gescLickt entwand sich Aeklepiades allen naturales factUtates, wie gewandt verflocht er Ansichten des Piaton und Annahmen alexan- drinischer Aerzte.

Das besagt uns der dürftige Bericht des Doxographen. Galens Notizen sind besonders zu überdenken. Wir erfahren da (III p. 466 f.), Asklepiades habe den Arterien in der Lunge und zwar diesen allein eine zwiefache Bewegung y:uerkannt, f^v τ' οίκοθεν ίχουσιν έκ τής σφβτέρας αυτών ουσίας, σφύ- 2Ιουσαι οηλονότι, και ήν έκ του τής αναπνοής ίργου, σειομένου 5ιά παντός του πνεύμονος, έπικτώνται. Das heisst doch deut- lich : der Pulsschlag der Arterien ist eine von der Athembe- wegung der Lunge unabhängige Erscheinung. Dazu stimmt, was Galen VIII p. 758 K. aus des Asklepiades Schrift περί τής ανα- πνοής και τών σφυγμών anführt: καΐ ή προκειμένη γέγραπται λΟις, εΙς οιορισμόν αναπνοής τε και σφυγμών ίχουσα προσ- κείμενον, ούχ £παξ, άλλα και πολλάκις γιγνομίνη κατά μίαν είσπνοήν. Die eigne ουσία der Arterien ist keine naturalis facultas solche leugnete Asklepiades hier wie allenthalben (Gal. VIII p. 755 K. ούδεμίαν ύπολαμβάνων ουναμιν ύφ' ής ή τε καροία και αϊ άρτηρίαι κινούνται) ; die Arterien atbmen ein wie die Lunge durch einwohnendes λεπτομερές und zudringende Aussenlnft, auch hier erfolgt üeberfüllung und Rückkehr in den vorigen Stand (Galen VIII p. 748 K. οϊεται γάρ ό άνήρ οδτος και τήν καροίαν και τάς αρτηρίας οιαστέλλεσθαι πληρουμένας πνεύματος, είσρέοντος αύταϊς bia λεπτομέρειαν, ήν εντός εαυ- τών ίχουσιν, όταν πληρωθεισών εΙς τό ίμπροσθεν ούκέτι

^ Das παχυμ€ρ^ς hielt auch Erasistratos für eine Bedingung des Athems (Gal. III p. 540 K.); er widerstrebte der ολκή und dem θερμόν ίμφυτον (Gal. VII ρ. 614 Κ. Sprengel Gesch. d. Arzneikde. I* 544. Fuchs Erasistratea. dies. Lps. 1892 p. 21). Erasistratos bezeichnete die Erfüllung der Arterien als Function des Athems (Gal. IV p. 471 K.), Askl. die Erzeugung der Seele. Das zeigt uns den Gegensatz der In- genia. Erasistratos war eine eminent wissenschaftliche Natur er suchte ohne factUtates occultae auszukommen, wo er aber zu keiner be- friedigenden Erklärung gelangte, hat er bei der offenen Frage sich be- scbieden, Α sei. trat mit dem Anspruch auf, alle Probleme aua seinen Prämissen zu lösen ('che non ischivnndo malgevolezza niuna, ne si fer- mando nella prima buccia delle cose, s^ngei^nava gecondo ogni sua possa d'internarsi ne* piü riposti segreti della natura*: L. di Capoa aO. p. 24.S).

Der Magnet und die Athmung in antiken Theorien 383

^έη, καταπίπτειν αδθις εις τήν ίμπροσθεν ύπάρχουσαν έαυταΐς κατάστααιν φύσει τόν χιτώνα). Die so veranlasete Systole und Diastole des Herzens nnd der Arterien ist der Puls nach der Definition des Asklepiadee (Gal. VIll p. 757 K. τόν μέν σφυγ- μόν εΤναι συστολή ν καΐ διαστολή ν καρδίας τε και αρτηριών).

Wie kommt aber das ττνεΟμα in die Arterien? Dass es durch die Lunge zugeleitet werde, ist schwer vorstellbar, weil ja dann die Lungenarterie nur eine einfache Bewegung ausführen und ein Pulsschlag einem Atliemzug entsprechen würde. Es scheint unumgänglich, dass hier die Hautathmung einsetzt ^^ Galen hat dies Zwischenglied unterschlagen, nun bezeugt aber der Anony- mus Londinensis 36, 48 38, 53, daKs Asklepiades von der εϊσ- κρίσις εΙς ήμας ausführlich gehandelt hat. Die unmittelbare Verbindung der beiden respiratorischen Systeme würde dann her- gestellt durch das λεπτομερές, das aus der Tiefe des Thorax hier durch die Lungen, dort durch Herz, Arterien und Hautporen mit der Aussenluft immer wieder ins Vernehmen tritt, bei Athmung und Puls stets aufs neu Agens und Product.

Asklepiades hat wie Piaton Respiration und Perspiration

^^ Die That Sachlichkeit der Haatathmung war strittig, beim Anon. Lond. 20, 4() wird sie ausdrücklich hervorgehoben, sie wird deutlich verneint von Seneca N. Q. VI 24, 2. (Zu dem, was Huhkopf und Eoeler hiezu anführen, vgl. noch Ideler zu Aristot. Meteor. II 2, 14 u. Ernst Platner aO. p. 2ϋ1 ίΓ.)ι Arohigenes glaubt die Perspiration durch Ohn- machtszustände hysterischer Frauen besonders belegen zu müssen (vgl. Wellmann Pneum. Schule S. 138). W. Cruikshanks Geschichte und Be- schreibung der einsaugenden Gefässe (hsg. von G. F. Ludwig. Lpzg. 1789) müsste für das Alterthum auf Grund philologischer und medi- cinisüher Kenntnisse unserer Zeit neu geschrieben werden. Den Wendepunkt dieser Anschauungen hat Daremberg angedeutet: Ilist. des sc. med. Ip. 151 'Quand l'anatomie eut ruine sans retour les bypo- theses d'£mpedocle, de Diog^ne et de Democrite sur la distribution et le role des pretendus canaux aeriens, la physiologie n'eut pas d'autre ressonrce qne de prendre les art6re8 pour leur faire jouer le role de ces canaux imaginaires et pour les mettre directement en rapport avec les bronches, sans oublier cependant d'attribuer une certaine part de respiration k la peau*. Darum mag ich auch Bäumker aO. nicht zu- gestehn, dass Askl. von Empedokles wesentlich abhänge. Askl. hat sich mit der Gefäsälehre des Erasistratos auseinandergesetzt und gegen die Herophileer polemisirt. Da konnte er trotz seiner mehr beschrieenen als erwiesenen Unkenntniss der Anatomie auf Empedokles so wenig eich berufen wie ein moderner Physiolnpr auf einen Autor vor Leeu- wenhoek.

384 FritSBche

unter das gleiche Gesetz gestellt, auf ihre rhythmische Beziehung aber verzichtet. Alles in allem gewann der kluge Mann, was er erstrebte, eine verständliche Theorie auf Grund der einfachen Principien seiner Physiologie. Asklepiades verglich mit der Ath- mung den Austritt ded Blutes in den Schröpfkopf, er hat also auch für diesen locus classicus der ολκή die ολκή abgelehnt''. Wie bei Piaton wird die (Τικύα mit der αναπνοή zusammen- gestellt.

Ist nach unseren Ausführungen ein Einfluss der platonischen Theorie auf die asklepiadeische höchst wahrscheinlich, so sträuben wir uns doch gegen die Annahme directer litterarischer Ab- hängigkeit. Der Timaios lag zwar nicht abseits der Wege da- maliger Bildung, Poseidonioe hat ihn oommentirt, Cicero zum Theil übersetzt, dennoch wollen wir dem vielgeschäftigen Arzte vertiefte Platonlectüre nicht zutrauen. Wir suchen nach einem Vermittler. Der berufene Name des Pontikers Uerakleides bietet sich an. Neben Asklepiades begegnet er uns als Vertreter der δναρμοι δγκοι^', Scheintod und Bedingungen des Athems hat er im Dialog π€ρι τής δπνου erörtert^. Aber das reicht nicht

"> Das Häthsei bei Arietot. rhet. III 2 p. 1405b8 zeigt, wie nahe das Schröpfen volksthümlicher Voretellung lag; es erscheint als eine typische Form der ολκή, wenn Aristot. an. gen. II 4 p. 737b 32 gegen die ^λκ€ΐν τά αΐ&οΐα φάσκοντ€ς ιΰσπερ τάς σικύας sich wendet, wenn Olympiodor in meteor. I 13 (99» 29 ed. Stüve) ein Muthnngsverfahren der Brunnengräber &(κην σικύας verdeutlicht, wenn Theon bei Galen VI p. 208 K. von der heiss abgewaechenen επιφάνεια sagt, fva αΟτη σικύας τρόπον τήν λαμβανομένην τροφήν έπισπωμένη τοΙς κεκμηκόσιν άνηοι^ληται νεύροις; bei Themistios Anal. post. II 15 f. 13 (ρ. 95, 18 Spengel GO, 1 Wallies) sind Magnet, Bernstein und Sohröpfkopf Schul- beispiele der άντιπ€ρ(στασις, Heron pnenro. 1 p. 10, 4 u. 16, 10 Schmidt wird am Schröpfkopf die künstliche Erzeugung einns oontinuirlichen Vacuom demonstrirt. Chrysipp bei Achilles p. 126 Petav. nimmt die Anziehung durch die σικύα als Beweis dafür, δη πΟρ καΐ άήρ κου- φότατα καΐ άνως>€ρή. Vgl noch Daremberg zu Oribas. vol. II p. 779— 81 und Wellmann Pneum. Schule S. 228 f. Wenn Plutarch Quaest Plat. VII 3 sagt, die Luft im Schröpfkopf werde durch die Erhitzung weiter als die Poren des Erzes, so ist gemeint, das Volumen der Luft werde grösser als das Volumen des Hohlraums, der vom porösen Erz umgeben ist.

" Vj^l. Bäumker aO., Otto Voss De Heradidis P. viU et scriptis diss. Rostochii 1896 p. 66.

β* Vgl. Hirzel Dialog I S. 323 ff. und Voss aO. p. 68 ff.

l)er Magnet und die Athmang in antiken "fheorien 385

ans; wir haben hier keinen sichern Anhalt und roüesten uns bei einer anbestimmten Vermuthung bescheiden. Eine kaum beachtete Anmerkung Galens deutet nach einer anderen Richtung. In seinem Commentar zum Timaios p. 34 der Ausgabe von Daremberg lesen wir: γίνεται τοίνυν ή τοιαύτη κίνησις ουκ ακριβής κύκλος έπΙ τά αυτά 5ιά παντός περιφερόμενος, άλλ' ώς αυτός εΤπεν, ίνθα και ίνθα, καΐ κατά τούτο διήνεγκεν ή του Πλάτωνος boEa τής έΕ * Ακαδημίας, ούχ ώς 'Ερασίστρατος ίγραψεν εκείνη μέν γάρ κατά κύκλον ακριβή 6ιά παντός περιφέρεσθαι τόν αέρα έπι τά αυτά και ωσαύτως βούλεται, αυτή b' ου κατά κύκλον άει τόν αυτόν, άλλ' ώς άν τις εϊποι, κατά δύο ημικύκλια έναντίως

άλλήλοις κινούμενα. ουκ oTba, τί boEav αυτψ

τήν τής περιώσεως boHav άντι τής ολκής [ρ. 36] εϊλετο, κατά τούτο μόνον σχεbόv άποστάς Ιπποκράτους, ότι μέν γάρ τό τής αναπνοής, εϊτ' ίργον εϊτε πάθος χρή καλεϊν, ού γίνεται κατά π€ρίωσιν, Ερασίστρατος ίbειεεv, έλέγΗας την Έστιαίου boEav• Dazu ergänzend Galen Nat. fac. II 8 (U p. 111 E. III p. 182 He.) σμικρότατός έστι τήν γνώμην (sc. Ερασίστρατος) καΐ ταπεινός εσχάτως έν άπάσαις ταϊς άντιλογίαις, έν μέν τοις περί πίψεως

λόγοις έν bfe τοις περί τής αναπνοής

τοις περιωθεϊσθαι τόν αέρα φάσκουσιν (sc. άντιλέγων). Piatons Theorie der Athmung ist in der Akademie (durch Hestiaios?)^ ausgebaut worden. Die platonische περίωσις ίνθα καΐ ίνθα wurde durch eine vollständige Umdrehung ersetzt; auf welche Art und in welcher Absicht? Eine Figur mag das Yerhältniss der beiden Theorien verdeutlichen. Ich bezeichne mit Q die Fenerquelle (πηγή πυρός), mit Α den Lufteintritt durch Mund und Nase, mit Β den durch die Haut.

Α

» üeber Heetiaios vgl. Laert. Diog. III 31. Simpl. Phye. 453, 28. Doxogr. p. 318^ 15 und p. 403»» 19. Index Acad. phil. Hercul. ed. S. Mekler (ßerl. 1902) p. 34.

Rbelu. Μοβ. ί. Philol. Ν. F. LYII. 25

386 Pritzsohe

Nach Piaton geht die erste Umdrehung von Q aber Α zu B, die zweite von Q über Β zu A, dabei wirkt die Luft Schiebung nur auf der Strecke zwischen Α und Β ; zwischen Q,—- Α und Q-^B bewegt sich das Feuer zum συγγενές; nach der akademi- schen Lehre geht die erste Umdrehung von Q über Α und Β zu Q, die zweite von Q über Β und Α zu Q, das Rad wird also nach jeder vollständigen Umdrehung an der ιτηγή πυρός wieder zurückgedreht. Das Feuer bewegt sich nicht zu dem ihm Ver- wandten, sondern stösst die durch Schiebung bis Q vordringende Luft nach aussen, die von Α kommende auf dem Weg über A, die von Β kommende auf dem Weg über B. Platons Lehre vom Drang des Feuers zum (Τυγγενές war dem Verdachte einer ver- hüllten ολκή ausgesetzt; man bemerkt leicht, dass die akade* mische Correctur diesen Anstand beseitigen sollte. Uebrigens ist die akademische Feuerqnelle nach ihrer Function dem aekle- piadeisohen λεπτομερές noch ähnlicher als die Feuerqnelle Platons.

Erasi Stratos, erfuhren wir durch 6alen, hat gegen die πε- ρ{(υ(Τις polemisirt, ohne des Unterschiedes der beiden Theorien zu achten '^ Wir brauchen also den leichtbeschwingten Auf- klärer Asklepiades mit dem Studium des Timaios nicht zu be- lasten. Er fand die platonisch-akademische Athmungslehre als Discnssionsthema zubereitet in der medicinischen Litteratur. Die von Η eck er richtig beobachtete, von uns im einzelnen beschriebene Verwandtschaft der Athmungslehren des Piaton und des Askle- piades lässt sich geschichtlich begreifen.

VL

Der Werth des Galencitates für unsere Untersuchung ist damit noch nicht ausgeschöpft. Wurde die Theorie der Athmung in der Akademie weitergebildet, so ward auch eingehende Be- handlung des Schröpfkopfe, des Bernsteins und des Magneten er- fordert, zumal Piaton im Timaios mit wenigen Worten über diese Phänomene hinweggeglitten war. Wir dürfen auf solche Tradition die Ausführungen Plutarchs in der siebenten platonischen Frage unbedenklich beziehen. Eben dort aber fanden wir wie bei

^ Für Platons nächste Schüler, die seinen mündlichen Vortrag noch gehört hatten, war der Timaios noch kein starrer Codex, sie werden platonisches und eigenes nicht streng geschieden haben. Die Verwechslung des Erasistratos braucht also nicht von Oberflächlichkeit sich herzuschreiben.

i)er Magnet und die Athmung der antiken Theorie 38?

Lücrez den äusseren Luftdruck alR Helfer magnetischer Emana- tion. Der Abstand der .Zeit und der Schulen von Lucrez auf- wärts zu Piaton und abwärts zu Plutarch verwehrte uns vorhin die litterarische Deutung des Einklangs der Lehre. Jetzt sehen wir den Asklepiades, den Hospitanten des Epikureismus, ganz nah der Epoche des Lucrez und seinem Kreise, durch medici- nische Debatten denselben Akademikern verpflichtet, von denen Plutarch abhängt. Ohne Willkür dürfen wir schliessen, dass Asklepiades' Erklärung des Magneten έφ' οΤς ύπέθετο στοιχείοις der plutarchischen ähnlich sah.

Also hätte Lucrez die Lehre vom Luftdruck der Schrift des Asklepiades über Athem und Puls entnommen? Das behaupte ich nicht eine bescheidenere Folgerung verspricht mehr Sicherheit und tieferen Einblick in die Absichten und Neigungen des Dichters. Der feinhörige Giussani bemerkt zu v. 954 6: ^Lncrezio in quest' ultima parte del libro YI ha molto occupata la mente della morbida vis (n'ha gik pärlato a proposito dell' Etna e degli Äverna loca), sia percho giä pensi alla chiusa del poema colla peste d'Atene, sia invece che questa particolare oc- cupazione dello spirito gli abbia ispirato quella chiusa*. Wir können die Leetüre des Lucrez nicht nachprüfen und wir sollen bedenken, dass sein Geist nicht aus Büchern allein Nahrung ge- zogen hat. Sind ihm aber überhaupt medicinische Erörterungen ans Ohr geklungen, so sind ihm die Ansichten des Asklepiades nicht fremd geblieben denn laut genug war dieser Neuerer auf den Markt getreten.

A. G. M. Raynaud (De Asclepiade Bithyno medico ac phi- losopho. Thesis, Paris 1862 p. 33) meint, Lucrez habe lY 664 ff. die Fiebertheorie des Asklepiades entlehnt : das wird sich bündig nie erweisen lassen; uns genüge, dass medicinische Themata im Gesichtskreise des Dichters lagen. Von dorther eher als von rhetorischen Freunden ^^ mag auch die Pestsohildernng des Thu- kydides ihm zugetragen worden sein. Der Zusammenhang lässt sich nur leise und fernher bezeichnen. Jedenfalls werden wir nicht mehr leichthin sagen, das Kapitel von den Epidemien sei äusserlich an das vorhergehende angeschlossen. Auch beim Magnetismus findet ein conUigium statt.

Die ausführliche Behandlung des Magneten durch Lucrez haben wir verstanden aus der Lebhaftigkeit des Kampfes um τό

^ Wie Hb. Schröder meint, *Lakrez und Thacydides* S. 36.

388 Fritzsohe

θαυμαίόμενον π€ρι της ίλΗεως τών 'Ηρακλείων λίθων (Plat. Tim. 80^). Der Athmung als einer physiologischen Grundfrage hat Asklepiades eine Monographie gewidmet es lohnte ihm schon, dabei zu verweilen.

Ein nie beglichener Streit umbrandete im Alterthum die Erscheinungen des Magnetismus und der Respiration, und dieser Streit spielte sich ab im Vorhofe der Metaphysik. Die Alten konnten die Auflösung des Magnetismus in Mechanik nicht er- reichen, aber wenn sie τήν ivboEov ταύτην και πολυθρύλητον λίθον (Gal. Π ρ. 44 Κ.) wieder und wieder bedachten, hat eine sichere Ahnung sie geleitet. Denn hier waltet ein Urphänomen nach Goethes Worten ^^ Es war ein weiter Weg bis zur Ansicht der modernen Physik, die Wechselwirkungen zwischen elektrischen und magnetischen Strömen entdeckt, die Elektricität der Optik angliedert, von dieser Position aus die Frage nach den Eigenschaften des Aethers stellt und von ebendaher ^das Wesen der alten Materie selbbt und ihrer innersten Eigenschaften, der Trägheit und der Schwere* *®, zu verstehen hofft. So hat sich die Aufgabe umgekehrt: magnetische und elektrische Kräfte, vor- dem das X, werden nun als die gegebenen Grössen in die Glei- chung eingestellt. Die Alten stiessen angesichts des Magneten auf den theoretischen Ort der modernen Physik und kamen trotz allen Suchens und Deuteins nicht darüber hinweg; dass sie aber nicht daran vorbeigingen, erweist den Ernst und die Ehrlichkeit ihrer Forschung. In der Discussion des Magneten hatte die me- chanistische Polemik den Einbruch lebendigen Wesens ins Reich des Anorganischen abzuwehren man berennt ein feindliches Vorwerk im eigensten Gebiet. Die Versuche hinwiederum, ohne naturalis facultas die Athmung zu erklären, sind ein Vorstoss der mechanistischen Naturansicht ins Centrura des organischen

88 Sprüche in Prosa Nr. 790 (Bd. 19 S. 172 Hempel). Vgl. auch Hegels Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften §312 β (Werke VII 1 S. 246) 'Der Magnetismus ist eine der Bestimmungen, die sich vornehmlich darbieten mussten, als der Begriff sich in d<?r bestimmten Natur vermuthete und die Idee einer Naturphilosophie fasste*. Hier darf noch erwähnt werden, dass dem Entdecker des Erdmagnetismus seine Hypothese als Bestätigung der antiken Weltseele bedeutsam schien,

s. Guil. Gilbert De magnete physiologia nova. Londini ΙβΟΟ.

lib. V cap. XII p. 210.

* Heinrich Hertz in seinem Heidelberger Vortrage, (»es. W. I S. 354.

Der Magnet und die AthmuDg der antiken Theorie 389

Reiches*^. Ancb hier blieb ee beim Poetnlat die Atbmung war in Aeromecbanik nicht restloe aufzurechnen. Die heutige Physiologie ist von V komme m<tchine wie nur irgendwann ent- fernt: 'Je eingebender, vieleeitiger, gründlicher wir die Lebens- erecheinnngen zu erforschen streben, desto mehr kommen wir zur Einsicht, dass Vorgänge, die wir bereits geglaubt hatten, physi- kalisch und chemisch erklären zu können, weit verwickelterer Natur sind und vorläufig jeder mechanischen Erklärung spotten* *^ Wir verfeinern unsere Methoden und bereichern unsere Erfahrung und wir gelangen wieder und wieder dahin, wo unbewaffneten Auges und mit tastender Hand die Alten sich mühten, zu ewigen Problemen. Cum ezcusatione itaque veteres audiendi sunt.

Ex c u r s

1. Lucrez verwendet VI 799 ff. als Beispiele gehemmter Respiration den Tod im warmen Bade und die Kohlenoxyd Ver- giftung. Dieselben Belege finden sich bei Galen in einer Po- lemik gegen Erasietratos (und Asklepiades) de us. resp. lY [IV p. 494 u. 496 K., vgl. auch de us. part. VIII 8 (111 p. 540 K.)]. Dass Lucrez und Galen auch der lebensfeindlichen Höhlenluft hier gedenken, erhebt die Parallele über die Möglichkeit des Zufalls ^^

^ Umgekehrt stand die von Piaton Tim. p. 33c (dort Archer- Hind*8 Note) abgelehnte Weltathmung der Pythagoreer (vgl. Boeckh, Philolaos S. 108 ff.).

*i Gustav V. Bunge, Lehrb. d. Physiologie (Lpzg. 1901) II S. 3.

^^ Die Asclepiadea des Anonymus Lond. grenzen unmittelbar an diese Themata. 37, 51. 38, 1 (vgl. auch Cael. Aurel. m. ac. I 15 p. 53 Am.) ist von der Wirkung des Hibergeils die Rede: τό καστόρ€ΐον προσοισθέν τοΙς μυκτήρσι ^ώννυσι τάς δυνάμεις διεγείρον τήν ψυχήν καΐ ivTctvov. Vorher 37, 30 vom weissen Nieswurz: καΐ μήν καΐ ό λευκός έλλ^βορος άποθυμιώμενος γυναιΗΙν άγϋτρός γίνεται τών καταμη- viuiv. Dazu vgl. Lucr. VI 794—6:

castoreoque gravi mulier sopita recumbit, et manibus nitidum teneris opus efßuit ei, tempore eo si odoratast quo meustrua solvit. (Durch dies Emailbildchen wird Giussani an den Schluss vonCatull65 erinnert. Ich darf hinzusetzen, dass beide Dichter ein Sprichwort oder vielmehr dessen Ausdeutung durch Grammatiker anmuthig variiren, vgl. Festue p. 1G5, 17 M., Otto Spr. d. R. S. 231). Wenn übrigens das Bibergeil beim Anon. überhaupt, nach Galen XIll p. 320 K. für die Stick- anfalle Hysterisober erwecklieb scheint, nennt es Lucrez betäubend für

390 Fritzsche

Nun berichtet Caelias Aurelianae morb. acut. I 15 (p. 52 f. Am- man) folgende Anmerkung des Asklepiades von der Wirkung der Raute: 'AccueanR enim eoR qui rutam probaverunt adbibendam, yitandas inquit primo gravabilee virtutes (ec. in pbrenitide), siquidem ascensu quodam inepirationie capnt invadant et magnas menti occaeiones alienationie eubiciant . Das passt zu Lucr. V. 802 f. :

carbonumque gravis vis atque odor ineinuatur quam facile in cerebrum, und der Zusatz nisi aquam percepimue ante* widerstreitet jeden- falls niobt den prophylaktischen Grundsätzen des Asklepiades.

Die Lesung der v. 804 f. bleibt ungewiss. Schreiben wir mit Laohmann:

at cum membra domus percepit fervidior vis, tum fit odor vir! plagae mactabilis instar [oder, näher der üeberlieferung (fervida servis od. fervie), doch künstlicher mit Munro: fervidu' nervis], so stellt sich die Ver- muthung ein, dass Lucrez noch auf den Koblendunst bezogen habe, was seine Quelle (wie Galen IV p. 496 K.) vom Firniss- geruch frisch gestrichener Gemächer (τοις νειυίΤτΙ κεχρισμένοις οΤκοις τιτάνψ) besagte. Lesen wir aber mit der Ynlgata: at cum membra hominis percepit fervida febris tum fit odor vini plagae mactabilis instar (oder für homifiis mit Heinrichsen und Madvig domans), dann hätte Lucrez von dem Streite gehört, der um des Asklepiades Schrift περί οΤνου οόσβως entbrannt eine tippige Litteratur emportrieb ^^. Dass nämlich Asklepiades dem Kranken auf der Höhe des Fiebers Wein gereicht habe, wird nach Caelius* undeutlichen Angaben von Gumpert aCT p. 123 geradezu ver- neint, auch der scharfsinnige Le Oltf• . sagt Bist, de la m^d. (Amsterd. 1702) Π p. 111: *I1 Paccordait aisiment k ceux qui avaient la fievre, pourvu qu^elle eut un peu diminuo de ea pre• mi^re violence'. Asklepiades liebte starke Ausdrucke. £r hat erklärt: 'Wer Phrenetischen zur Ader lässt, der kann sie gleich mit der Hand todtschlagen' (Cels. III 18 'perinde esse dixit bis

den besonderen Zustand der Katamenien (vgl. noch den bei Plin. N. H. 32, 133 miigetheilten gynäkologischen Aberglauben). 38, 37 bespricht der Anonymus die Abkühlung beim Austritt aus warmem Bade.

^ *Qui vero postea de volumine illo disseruere, innumeri* Plin. N. H. 23, 32. Vgl. H. Bruns, Quaestiones Asclepiadeae .... Diss. Ro- stooh. (Parchim 1884), Wellmann im Hermes 24 S. 534 f.

Der Magnet und die Athmung in antiken Theorien 391

sangoinem mitti ac si tracidentur*. Gael. Aar. morb. acut. I 15 p. 46 Am. ^phlebotomiam etiam niliil, inqnit, ingnlatione differre in phrenetioie'). Hallt solche Draetik wieder in der auffälligen Wendung des Lucrez: plagae mactabilie instar?

2. Asklepiades bemerkte, dass der Ader läse Pleuritisohen in Athen und Rom schadet, in Parinm und am Hellespont aber zutr&glioh ist (Cael. morb. ac. Π 22 ρ. 131 Am.).

Er hatte also ein Auge für geographische Pathologie. Lucrez handelt von den Leiden, die bestimmten Gegenden eigen- thümlich sind und sagt dabei v. 1114 f.:

Est elephas morbus qui propter flumina Nili Gignitur Aegypto in media, neque praeterea usquam. Den Historikern des Aussatzes^ gelten diese Verse als Beweis gegen das Vorkommen der Elephantiasis ausserhalb Aegyptens zu jener Zeit. Aber Lucrez schildert ja gleich darauf die Wan- derung des lebensfeindlichen caelutn einer entfernten Oertliohkeit iu unsere Gebreiten. Das Vaterland (nicht die Ausdehnung) der Elephantiasis (und 1141 der athenischen Pest) wird mit Aegypten bezeichnet. Wie dem auch sei, Plutaroh Conv. disp. VIII 9, 1 p. 731 citirt einen Athenodoros, έν τφ προτέρψ τών 'Επιδη- μιών Ίστορουντα πρώτον έν τοις κατ' Άσκληπιάοην χρόνοις ου μόνον τήν έλεφαντίασιν άλλα και τόν ύοροφόβαν έκφανή Τ€νέ0θαι. Asklepiades bat die Elephantiasis im Abendlande zu- erst als Arzt beobachtet, vielleicht ausführlich behandelt in seiner Schrift περί αλωπεκίας (vgl. Galen XII p. 410 K. Gumpert aO- p. 172 ff.)*ö.

So scheinen allenthalben gleichsam unter der litterarischen Oberfläche Verbindungslinien durch, die zu scharfen deutlichen Strichen auszuziehen nicht gelingt, weil Dichter gemeinhin nicht auf Bibliotheken arbeiten und nicht wie Gelehrte citiren.

Giessen. R. A. Fritzsche.

^ Vgl. Gbr. Hensler S. 192 seines ausgezeichneten Werkes: Vom

abendländischen Auesatze Hbg. 1790. Nachher gieng das

losgelöste Lucrezcitat von Hand zu Hand.

*^ In die gleiche Betrachtung gehört der saeer ignis, den Luor. VI 660 und 1167 beschreibt.

AUS DRESDENER HANDSCHRIFTEN

I. Scholien zn Yegetins.

Der Cod. Dresdensie De 182 enthält fol. 63—135 die £pi- toma rei militarie des Yegetias von einer Hand aus saec. X. Die üeberlieferung gehört zwar zu der geringeren Handechriftenklaese, aber der Dresdeneis bietet an manchen Stellen Scholien, die we- nigstenB zum Theil auf gute Quelle zurückgehen. Manches ist allerdings in den Scholien durch grosse Flecke unleserlich ge- worden und es kommen überhaupt nur die beiden ersten Bücher in Betracht, da die Thätigkeit des Scholiasten in Bach III und IV fast ganz aufhört und nur noch wenige Worte interpretirt sind. Namentlich prunkt der Verfasser mit seinen Eenntniseen im Griechischen, das theil weise vollständig falsch ^ für Erklärungen herangezogen wird. Solche Erklärungen entsprechen häufig der wissenschaftlichen Bildung der karolingischen Zeit und da an einigen Stellen Paulus' (Diaconus) Auszug aus Festus benutzt wird, so ist der Scbluss wohl nicht zu gewagt, dass der Ver- fasser der Scholien dem θ 9. Jahrhundert entstammt, wenn auch manches auf ältere Grundlage zurückgeht.

Die Handschrift selbst ist von Lang in seiner Ausgabe des Vegetius (Lips. 1885) p. XXXVII beschrieben worden, aber nur nach Angaben von Du Rieu, nicht nach eigner Anschauung. Zunächst besteht der ganze Dresdner Codex ans zwei Theilen, die in der alten Michelsberger Bibliothek gesondert als 119 und als I 20 vorhanden waren. Der zweite den Vegetius enthaltende Tbeil hat mit jenem ersten, vom Präpositus Ragenarius dem Ma- rienkloster zu Rheims geschenkten Tbeil keinerlei BerührungS

^ So zu p. 20, 4, wo * Mattiobarboli * aus mathesis, barin and baleiti erklärt wird; und 59, 3, wo der Scboliast den ersten Bestand- theil des Wortes * polipticus * mit πόλις zusammenbringt.

^ Die beiden Schriftarten sind gänzlich verschieden und fallen zeitlich auseinander.

Aus Dresdener Handschriften 393

ausser dass er später mit ihm zusammengebunden wurde. Es ist daher nicht richtig gewesen, dass die chronologischen Verhält- niese des ersten Theils auf den zweiten durch Du Rieu und Lang übertragen worden sind : der zweite Theil stammt sicher aus dem

10. Jahrhundert. Ferner ist dieser Theil nicht, wie Lang sagt, von einer Hand durchcorrigirt worden, die auch die Soholien ge- geschrieben habe, sondern es sind drei Correctorhände zu unter- scheiden, deren eine allerdings mit der Hand des Scholiasten identisch ist. Die Scholiastenhand ist von ganz anderer Sohreib- Übung als die Hand des Schreibers, welche dick und unschön er- scheint. Die Scholiastenhand ist sicher gleichzeitig, ja sie reprä- sentirt sogar einen sehr alten Ductus» wie sich besonders aus dem lang heraufgezogenen e ergiebt.

Ich lasse nun die noch deutlich erkennbaren Scholientheile nach den Seitenzahlen der Ausgaben von Lang hier folgen; das erste Scholion, wahrscheinlich über das Wort epitoma ist ganz unleserlich geworden.

5, 17 procerüatem magnitudinem enormitatem longitudinem. 6, 3 desides otiosos. 6, 11 ignavos inertes. 6, 21 ineonsMiores mi- nus prudentes. 7, 2 suppetat subveniat suffragetur. 7, 4 dimicatione proelio. 7, 9 suh divo sub caelo aperto. 7, 12 gestare portare. Ί, 17 papilionibus tentoriis. papiliones tcntoria dicuntur a similitudine papilionum hoc est parvarum volatilium quas vulgo . . . mulas^ di- eunt^. 7, 19 emergit consurgit. 7, 19 angariis angaria grece latine compulsio dicitur. Ergo angariae sunt loca ab urbibus remota in qui- bus milites exercere militiam compelluntur^. 7, 22 infitiandum dene- gandum. 8, 12 alacritas velocitas fortitudo. 8, 4 dictaiuram dicta- turam idest principatum nam dictator princeps nuncupatur^. 9, 15 denas untias unius pedis, hoc est tota longitudo pedis praeter bis duo- decimam partem. 9, 16 alares egtUtes alares equites dicuntur qui ex

utroque latere in modum alarum dependunt. 9, IG cohor-

tibu8 cohors est multitudo peditum sive equitum armatorum, nam una legio X cohortes habet. 10, 14 masculoHS fortibus vel nodosis.

11, 2 ducarioa^ dacarii sunt qui ducarias hoc est frenos loreos com•

^ Drei bis vier Buchstaben unleserlich.

« Cf. Isidori orig. XV 10, 3.

' Nach der falschen Lesart statt ngrariis hat der Scholiast oder seine Quelle unter Benutzung von Vegetius' Darstellung diese Inter- pretation gegeben, angaria compulsio vel vi coagens, Corp. gloss. lat. ed. Götz V 491, 38.

^ Fast ganz unleserlich.

^ Gorrigirt aus dulcarios. Die richtige Lesart ist dulciarios. Das Wort ducarius ist nicht nachweisbar, ebenso wenig ducaria.

394 Mauitius

ponunt. 11, 2 linteones linteamiDa texentes^. 11,3 ginecea gynecea saDt domus texentium mulierum, nam gyne grece mulier latine inter- pretatur^. ' 11, 12 Sertorto Sertorius quidam dux quem Pompeios aequiperabat in bellico exeroitio. 11, 15 idoneutn milüem fidelem enf- ßcientem ad militiae opus. 11, 18 stipendiis muneribne. 12,15 sub- rogandi ordinandi. 13, 11 epitomata excerpüonee sive breviaria. 18, 12 auspieiis initiis. 13, 14 aede^ domi. 13, 20 dtaHor velodor.

14, 15 vecU fuste. 15, 5 lixas lixa est servus qni sequitur exei^ citum causa luon^. 15, 14 pcdos stipites grandee. 16, 13 adaeta im• pulsa. 16, 15 caesa caesa est ictus caesim feriens cui oontraria est puncta hoc est ictus punctim videlicet perforatim feriens ^ 17, 3 eon^ tubemales consocios. 19, 10 cassidibus galeris. 19, 10 eaiafraetis

catafractae sunt pectora .... tur•. 19, 15 funditOfCB fun-

ditores sunt qui ex funda lapides emittunt. 20, 1 lüyria nomen pro- vinciae. 20, 4 Mattiobarboli perite et fortiter emittentes nam greoc mathesis doctrina et barin forte, baiein vero emittere dicitur. 22, 16 draconarii di*acönum signa ab Apolline morte Pytbonis serpentis io• cboata sunt^. 23,8 polit^ (Veget. pilatae) comptae expeditae. 23,37 pUleis hoc est capitum munimentis in modum galeri. 23, 27 Patmo- nieos a Pannonia provincia nominantur. 25, 18 offieere nooere. 25, 21 impedimentorutn onerum. 26, 7 decumana Paulas dicit: decu- mana porta appellatur quia sit magna quomodo et decumana ova di> cuntur et decuroani fluctus qui eint roagni; nam et ovum decimom maius nascitur et fluctus decimus fieri maximus dicitur ^. 26, 13 («- multuaria tumultuorium (!) opus dicitur hoc est vile et rusiieum^ ....

26, 22 ligones fosoria. 26, 2J rastra a radendo dicta terra m, fst autem dentatum instrumentum ^^. 2i), 22 qualos corbes. 27, 18 ma• triaUae matriculae sunt legionarii milites qui tanquam matrea tyronibns sunt instruendis 29, 5 enuckata enodata. 29, 5 oongessi oongregavi

1 Nach Servius ad Aen. VII 14.

2 Nach leid. orig. XV 6, 3.

^ So mit ε in der Handschrift statt acie.

* Pauli epitome Festi (ed. Aem. Thewrewk) p. 83 lixae qui exer- citum secuntur quaestus gratia. lixe qui exeroitum eecontur questos causa, Corp. Gloss. lat. IV 534, 42.

^ Stammt zum Theil aus Veget. I 12. Das Wort perforatim ßudet sich nicht bei Georges''.

* Das Uebrige ist unleserlich.

' Isid. orig. XVIII, 3, 3. Das Py von Pytbonis ist nioht mehr zu lesen, sondern aus Isidor ergänzt.

^ Pauli epit. Festi ed. Thewrewk p. 50. In der Handaohrift ist sint magni dicitur kaum zu lesen.

ö Das weitere ist unleserlich.

^^ Nach Isid. orig. XX 14, 9 Rastra quoque aut a radendo terram aut a raritate dentium.

Aus Dresdener Handschriften 395

29, 6 düectu electione. 29, 12 Epyri in Epiro insola. 30, 5 Pti- nieum Africanum. 30, 7 enervaverit infirmaverit. 30 app. 2 epithoma exoerptio vel breviarium. digesta ordinata. 34, 12 oereati ocreae snnt quibus crara militum in bello teguntur. 34, 13 classium classis (c. clasis) est multitudo navium, diro tujv κάλων id est a lignis nomi- naturK 34, 14 liburtMrum maximarum navium. 36, 6 adminieuium auxilium. 36, 9 ferentarios ferentarii qui arma ferunt^. 37, 17 signabo monstrabci. 37, 22 dissirmdaüo neglegentia. 38, 7 inpolitiar inomatior. 38, 15 auapiciis initiis consecrationibus. 39, 11 aquilam formam aquilae. Von dem grossen weiteren Scholion zu aquila ist nur noch lesbar erhalten geblieben: auspica . . . legioni .... quo ut de- inceps militum signis committeretur'. 40, 3 enucleatim^ expresse. 40, 3 adscribendi deputandi enumerandi. 41, 12 eampometatores•^ oam- pum metantes. 42, 1 podismum podismus est pedalis mensura qua loca castrorum mensurantur. 42, 3 torquati. Von dem Scholion sind nur noch die Worte zu lesen: . . . vas annonas consequebantur; es scheint aus dem Wortlaut bei Yegetius unmittelbar hinübergenommen zu sein. 43, 25 pr^feeti iudices vel comites legionis atque magistri. 43, 24 tessera preceptum ducis (aus Veget. II 7 p. 41, 9). 44, 12 tn- pedimentis oneribus atque utensilibus. 45, 11 cassides galeae. 45, 14 cunicularios ounicularii sunt qui cuniculos id est foramina sub terra efifodiunt^. 46, 8 aquilifer aquilifer est qui aquilam id est imaginem aquilae pro signo fert in proelio. 46, 18 crisiia crista est summitas galeae. 47, 5 papüione tentorio. 50, 9 triarii triarii sunt milites qui in tertia acie consistunt^. 53, 9 poUpticis polipticus libor est in quo vita urbana scribitur. 58, 16 eannis .... rba roarina vel pa- lustris. 59, 16 technici (im Text steht scaenici) technici i. e. posi- tores vel technici ipsi sunt boni artifices. 60, 19 arpagones arpagones uncinulos^ vel sarculos. 61, 1 Ugones ligones fosoria dicti quasi le• vones quod terram levant^. 61, l rutra rutrum dictum est quod eo(?) terra eroitur vel harena^ in hnnc modum. 61, 1 cdveos canales.

^ Stammt aus Servius ad Aen. I 43.

* Pauli epit. Festi p. 60 Ferentarii auxiliares in bello a ferendo auxilio dicti.

' Der Wortlaut ist zu ergänzen nach leid. orig. XYIII 3, 2.

* Ist durch Correctur aus enucbeati hergestellt worden.

^ Der Soholiast hat die Stelle, welche falsch interpungirt ist, missverstanden und die beiden Worte campo metatores zu dem un- möglichen campometatores zusammengezogen.

* Pauli epit. Festi p. 35 Cuniculum id est foramen sub terra.

^ Ist wahrscheinlich aus Veget. 1, 20 (p. 23, 12 ff.) genommen, β Das Wort ist bei Georges nicht vorhanden. ® Isid. orig. XX 14, 11.

^^ Pauli epit. Festi p. 355 Rutrum dictum quod eo harena eruitur. Am Rande findet sich die Doppelzeiohnung eines Grabscheits.

396 ManitiuB

61, 1 eofinos corbes. 61, 2 dolabras dolatorias bipennes^. 61, 3 paii fustes. 61,3 dolantur raduntur. 61,5 wittes mneas de bis omnibus in sequentibus narrabitur. 61, 6 appeUatorias^ trudentes. 98, 17 spatas et ad püa vel belsas ^ i. e. campos. Bcutum vel peltam. 1 13, 18 aceusare fortunam hoc est malam esse fortunam. 138, 3 eratibua (c. crotibus) oentonibus.

Man siebt ans einigen der gegebenen Erklärungen, nämlich aae denen, welche sich verderbten Lesarten anscbliessen, daee die Schollen nicht sehr alt sein können. Manche Scholien geben offenbaren Unsinn ; die Worte ducarins und ducaria, perforatim und uncinnlus scheinen sonst nicht nachweisbar zu sein. Als Hanptqnelle hat der Scholiast den Vegetins selbst, Seryiae, leidor und Paulus* Auszug aus Festus benutzt.

Ich schliesse hier noch eine weitere Miscelle an, die ans derselben Handschrift, aber aus ihrem ersten in Rheims geechrie- benen Theile stammt. Im Dresdensis De 182 folgt nämlich auf das Itinerarium Antonini fol. 50^ unter der gemeinsamen Auf- schrift 'Septem montes urbis Romae' die Aufzählung der sieben Hügel Roms (der Capitolinus erscheint hier als Tarpeins) und ein ganz kurz gehaltenes Summarium über die römischen Wasser- leitungen. Letzteres scheint auf den ersten Blick ein Auszug aus den betreffenden Kapiteln Frontins zu sein, der durch einige der späteren Zeit angehörige Namen vermehrt wurde; aber die Namen der Begründer, die hier aufgeführt werden, stimmen meist nicht mit Frontins Ueberlieferung überein. Wenn unter Alezander der Kaiser Severus Alexander zu verstehen ist, so würde Aure- lian der letzte der hier genannten Kaiser sein. Dass die Aufzäh- lung vielleicht noch aus der späteren Kaiserzeit stammt, dafür dürfte der Umstand sprechen, dass die Herstellung der Wasser- leitungen sämmtlicb den Herrschern oder doch Mitgliedern der kaiserlichen Familie zugeschrieben wird, während ja aus Frontin (de aquis urbis Romae ed. Bücheier, Lips. 1858) zum Theil ganz anderes bekannt ist. Möglich ist auch, dass das kleine Stück erst karolingischen Ursprungs ist, es kann aber auch ebensogut einem früheren Jahrhundert entstammen. Unbekannt scheint das Wort confluctio zu sein.

^ dolabra securis bipennis dolatoria, Corp. Glose. lat. II 577, 27.

^ Entstanden aus appellant turres.

^ belsa i. e. sagitta. Da Oange-Hensohel, glossarium I 643.

Aus Dresdener Handsohriften 397

Den einzelnen aquaeductue habe ich die in Betracht kom- menden Stellen aus Frontin nach ßüchelere Ausgabe hinzugefügt, aber, wie schon gesagt, die Angaben decken sich meist nicht mit dem, was dort erzählt wird.

Septem montes urbis Romae.

Tarpeins, Rsqailinns, Palatinns, Celias, Aventinns, Quiri- nalis, Viminalis. Nunc nomina aquarum que^ usibus aetern^ urbis formarum con-

fluccionibus advectae sunt indicemus. Claudia inventa et adducta est a Claudio C^sare (Front. I, 13 ρ 9). Martia inventa est a Marco Agrippa (ib. I, 7 p. 5). Traiana inventa adductaque est a Traiano Augusto. Tepnla item a Marco Aprippa inventa deductaque est (ib. I, 9 p. 7). lulia inventa ab Aureliano perductaque est (ib. I, 9 p. 7). Alsiatina intem inventa perductaque est a Claudio Cesare (ib. I,

11 p. 8). Alezandrina inventa perductaque est ab Alexandro. Virgo inventa perductaque est ab Aprippa Cesare (ib. I, 10 p. 8). Drusia inventa perductaque est a Druso.

Pr^ter haeo repletur etiam indigenis nimphis que admiratur virgo Aeneam taliter Italiam dixit: Nimph^ Laurentes nimph^ genns amnibus unde est^

II. Schollen zu Statins Thebais.

Die kgl. Bibliothek in Dresden besitzt in der Handschrift De 156 einen Band von 150 Pergamentblättern, welcher des Statins Thebais in zwei Exemplaren enthält. Als Vorsteh blatt der Handschrift dient die erste Seite von fol. 1 welche genaue Auskunft Über die Abfassung und Zagehörigkeit giebt. Zunächst findet sich hier von der Hand des Schenkgebers folgender Eintrag :

Argumentum Ovidii * AsBotiat pugnam Tydeo primns Polinioem. Tydea legatum docet insidiasque secundus. Tercins Hemonidem canit et vates laniantes. Quartns habet reges ineuntes prelia septem. Mox Furi^ Lemni^ quinto narrantur et angnis.

1

c. Domma quarumcumque. « Verg Aen. VÜI 71. ' e. lenni.

398 Manitius

Archemori baetum eezto Indique gerantar.

Dat (jraioe Thebie et vatem septimue umbris.

Octavo cecidit Tydene, epee fida Pelasgis.

Ypomedon nono moritnr cum Parthonopeo.

Fulmine peroueeus decimo Capaneus euperatur.

Undecimo sese perimnnt per vulnera fratree.

Argyam flentem memorat dnodenus et ignee. Darunter Rteht von derselben Hand des 13. Jahrhunderte die Notiz: Liber magietri Nicolai qnem contnlit eanete Marie in Nienburg. Statine.

Hierauf folgt ein Eintrag, der sich auf die Anordnung dee Ganzen bezieht und erst nach dem Binden gemacht werden konnte: Statu Thebaidoe iibri duodecim. Item Statine cuius eupra Volumen ubi primus liber cum initio eecundi deest quem defectum inveniee in primie decem foliie voluminie auteriorie. Item defec- tue uniue folii cum et uniuR folii ruptura in XI libro. Item de* fectue duorum sequentium autepennltimi et ultimi foliomm, quere omnia in volumine priori. Item que in priori deennt ut argu- menta et gloeee vel ob decolorationem atramenti pro effigiebus caracterum, quere in posteriori.

Sancte dei genitricis Marie sanctique Cipriani epieoopi et martiris in Nienburg.

Religatus anno domini 1472 opera Petrorum. Hiemach ergiebt sich als Provenienz für die Handschrift das anhaltische Kloster Nienburg am Einflnss der Bode in die Saale, ein altes Benedictinerkloster, welches auch mehrfache Be- ziehungen zu geschichtlicher Litteratur aufzuweisen hat (Watten- bach, Deutschi. Oeschichttsquellen I 353. Π 357).

Der Band ist insofern verheftet worden, als auf den ersten Quaternio ^ von α (so nenne ich die erste Handschrift, die zweite b) ein Quaternio von b folgt, doch so, dass er zu einem Temio aus- geschnitten ist; er beginnt mit XI 358, dann fehlt 498 634, worauf XI zu Ende geführt wird. Zwischen XU, 8 und 9 ist ein Blatt herausgeschnitten, desgleichen fehlt ein Blatt nach 408f doch so, dass 409—549 wirklich fehlen. Das ΧΠ. Bach endet dann mit Vs. 687. Da nun die letzen 132 fehlenden Veme ein Blatt ausmachen, so ist es wahrscheinlich, dass sie ehedem fälschlich auf dem zweiten, später herausgeschnittenen Blatte dieses Quaternio gestanden haben. Hierauf folgen nun die Lagen

^ Er reicht bis II, 52.

Ααβ dresdener Handschriften 399

von α mit II, 53 beginnend und zwar folgen auf einen Quaternio zwei Qoinionen, darauf sieben Qaatemionen nnd ein Binio. Die Hand des Sobenkgebers nnd Schreibers reicht bis fol. 75* Theb. IX, 825. Den übrigen Theil bis fol. 101* dh. bis zum Ende der Thebais (Bxplicit Staoins) hat eine jüngere Hand geschrieben, die immer zierlicher und kleiner werdend sobliesslich von fol. 80* an von einer grösseren, ihr sehr ähnlichen abgelöst wird. Diese späteren Hände gehören dem 14. Jahrhundert an nnd ohne Zweifel hat daher der Magister Nicolans seine Statiashandschrift dem Kloster Nienburg unvollendet hinterlassen und sie ist dort später vollendet worden. Aber auch in dem ersten Theile sind in der Mitte verschiedene Hände erkennbar^ nämlich von fol. 35b _ 47b^ gyg^ dann setzt der frühere Schreiber wieder ein. Aber der Abschnitt auf fol. 75* ist nicht nur an der Schrift, sondern auch an der Erklärung des Textes zu erkennen ; während nämlich in dem ganzen ersten Theile von der Hand des Schreibers häu- fige Scholien und Glossen an den Rand oder übergeschrieben sind, fehlt dies von fol. 75* an gänzlich.

Die zweite Handschrift b besitzt also den schon erwähnten ursprünglichen in α verhefteten Quaternio nnd besteht dann aus sieben weiteren Qnaternionen, deren letzter eigentlich ein Quinio ist, dem zwei Blätter ausgeschnitten sind; oder vielmehr, er be- steht ans drei Lagen und zwei einzelnen Blättern. Es beginnt also b in dem Uesammtcodex auf fol. 9a mit seinem unvollstän- digen Schlussquatemio, während sein wirklicher Anfang fol. 102 mit Theb. II, 268 einsetzt. Da nun im Anfange (die poetischen Argumenta eingerechnet) 1011 Verse fehlen und der Quaternio bei 69 Zeilen auf der Seite gegen 1100 Verse besitzt, so ist bei dem ersten, verloren gegangenen Quaternio von b die erste Seite des ersten Blattes unbeschrieben gewesen, wie bei α und der Text hat erst auf fol. Ib begonnen. So hat b im Ganzen jedenfalls neun Quaternionen gehabt, deren erster vollständig verloren ging and deren letzter durch Ausschneiden mehrerer Blätter unvoll- ständig geworden ist.

Nun es ist kaum zweifelhaft, welche von beiden Hand- schriften die ältere ist. Der Schrift nach ist b unbedingt das ältere Werk, aber α ist sorgfältiger geschrieben, da hier bei weitem nicht soviel ganze Verse oder Verstheile ausgelassen sind, wie in b, wo ein ungefähr gleichzeitiger Corrector sehr reichliche Arbeit fand, erstens die Lücken auszufüllen und zweitens den Text nach einer anderen Handschrift zu verbessern. Dieser Corrector

400 Manitius

scheint ee auch gewesen zu sein, welcher von fol. 110 an eine nich't geringe Anzahl von Glossen, die er in jenem Tbeile von α fand, ans dieser Handschrift nach h hinüber nahm. Diese letztere Thätigkeit hat aber mit fol. 113 schon ihr Ende erreicht.

Es sind nun hauptsächlich die beigeschriebenen Scholien, welche uns hier interessiren nnd zwar die ausführlicheren Stücke. Sie weichen in beiden Handschriften von einander ab, obwohl manche wörtlich übereinstimmen; b ist bedeutend reicher an Scho- llen und Glossen als α, das nur für einige längere Stücke reich- haltige Erklärung bietet. Aber beide Handschriften lassen die Schollen mit dem 9. Buche enden, und b hat von hier an nur noch die allerdings reichlichen Verbesserungen des Correctors am Rande aufzuweisen, während der spätere Text von α fast un- corrigirt geblieben ist. Die Schollen lehnen sich beiderseits meist eng an Lactantius Placidus (ed. Jahnke, Lips. 1898) an, indem sie entweder den vollen Text desselben oder Auszüge aus ihm bieten. Aber in vielen Erklärungen sind unsere Scholien reich- haltiger als Placidus und manches, was α und b haben, besitzt Placidus überhaupt nicht. Dabei hat es nicht den Anschein, als ob diese Erklärungen auf eigene Faust gemacht wären, da sie sich fast sämmtlich der Erklärungsweise des Placidus ansohliessen nnd zuweilen ein gar nicht unbeträchtliches Mehr haben, das recht gut von jenem geschrieben sein könnte. So hat es beinahe den Anschein, als ob hier Auszüge aus einer reicheren Placidas- überlieferung vorlägen, als die von Jahnke benutzten Handschriften aufweisen. Dass diese Schollen abgeschrieben und nicht etwa erst von den Schreibern beider Handschriften hinzugesetzt sind, ergiebt sich deutlich aus einer grossen Zahl von Versehen, wo aus Miss- verständniss barer Unsinn steht.

Ich gebe in der folgenden Zusammenstellung nattirlioli nur eine Auswahl der wichtigeren Stucke. Im allgemeinen sind alle aus Placidus genommenen Bemerkungen ausgeschlossen und eolohe nur dann aufgenommen worden, wenn α und b bedeutendere Ab- weichungen oder Zusätze zu Placidus besitzen. Um zu bequemerer Uebersicht zu gelangen, habe ich die in Placidus nicht vorhan- denen Stellen, welche in a und b zugleich erscheinen für α und für b mit abgedruckt.

1. Handschrift A.

Theb. 1 60 Spinx erat serpens in nemore Thebarum qni ignorantes sua problemata solvere interficiebat, scilioet quod animal isset prius

Aus Dresdener Handsohriften 401

im pedibqs, postea II, deinde III. Sed Edipos ea solvit et ser-

pentem occidit dicens hoc aninial eese hominem. 200 domus cum sol ibi est per totum orbem lucet. rV 655 Icaras^ cum pastores vineas colere docaisset et illud vinum

bibissetit, (c. bibisset), credentes se bibisse venenum interfecerunt

eum et in fossnni proiecerunt; a qao cum oanioula sua nomine

Mera roanom avulsieset ad Erigonem filiaro eins venit eamque ad

patrem duxit quapropter uterque inter sidera locatus est. 722 Ludus et atra (tristis superscr.) wicrum recolet tnhateria Ophdtem,

triateris eet festum triennale qnod Bache in anno fit, vel ideo tria-

teris dicitur quia tribus diebns celebratur. 7(i2 Tot viotimas immolabo tibi quot sunt in exercitu homines. Aehn•

lieb auch bei Lact. Plac. p. 251. 836 Ladon Peneus binomius. sanetus uterque Xantus in Creta et

Xantus apud Troiam, ideoque dixit uterque. y 20 Multa sunt que monent nos properare ad bellum attamen qne-

cunque es sive dea sive mortaüe. 21 fatum absentiam mortis. 4.) ad hoc quod dixit Ysiphile 'quid longa exordia necto* ad hoc

Adiastus *Immo age*. 55 sotianti vel a lira Apollinis vel propter umbratas monte8(?). 58 sacrammus sacrantes aliis diis.

62 Nee vtdtu nee orine prior id est non apparens in vultu neque in cultu qualis prius.

63 Cestan legem amoris maritalis removisse. IdcUias dictum ab op- pido. volucres columbas que regunt currum illius.

64 erant quedam mulieres.

65 maiora quam soleat. iela ut enses lanceas, cum prius tantum sa- gittas feiret.

. 69 mariti quia Vulcanus ibi colitur. 703 ecee hie est viva. 707 geminusque hominis et piscis. 711 Pensavit vertens in gaudia lacrimas. 714 inhoapiia sed bene hospita. 725 vuUus patuerunt. 743 Fhebe moras ne ad bella veniamus.

751 Püie Nestoris qui regnavit in Pilo et vixit per tres etates.

752 Frigiis qui tantum vixit quod mutatus. eßt in cicadam. degere langius qnod dicit non maluisset tantum vivere et carere hoc ho- nore quam mori puer et habere honorem.

VI 180 ferro minuit forpicibus.

188 ExclanuU crepitat. arcere a rogo.

^ In manchen Stücken bedeutend kürzer bei Lact. Plac ad Theb. IV 655 p. 243; vgl. Hygini fab. CXXX und fast gleichlautend Schol. Strozziaiia bei Breysig, Germanici Caesaris Aratea p. 168, 13 f.

allein. Mna. f. Philol. N. F. LVIL 26

402 Manitiue

225 Scameus angais. expectes quia in pictura ostPDditar quomodo Ca- paneOB anguem interfecit.

229 Excüi vicini aesunt.

265 Danae hec fait filia Danai.

315 degener ülo et ille grex erat leine oredi non degener i. quia cre- debatur non degenerare a Castalio grege i. a Pegaeo snb ouius pede natus est Castalius fons ubi Apollo et Muse colebantnr, quod dicit qui Pegasns stnpuit ad sibila canne i. Ai'Ollinee entie(?) in fönte et voluit pasci cum audiret ApoUinem canentem.

321 Euiveos alter didtur £uDeo8 ab Argoo omine i. a Greca imposi- tione vel ab Argoo omine quia greoe eu bonnm neos novus. Inter- pretatur latine bonus novus quasi a bono novo genitue vel ab eventu Argonautarum.

337 fratrum deorum vel levis Neptuni Plutonis.

338 sidera ducat currere faciat.

341 imane teUus an sit i. tellus [in add, c] infima an sit media.

342 mundo succincta latenti aerc circumdata inferiorum. 358 Exirema in. fUa sunt, fila vita est.

440 Fumaniemque (vel funalem superscr.) Thoan funalis dicitur qui adeo

ferus erat quod fune oportebat eum ligari. 447 pulvere quarto quarta parte cursus.

502 Schetttmque levem Cignumque proprium nomen eqni.

503 Nunc scUtem dicens ite. orbes quadrige.

530 Pacis opus scilicet cursus. sacra vocant horaines.

535 Hitmiaca harena Histmos mens est tibi Palemon filius Athamantis suum dictus est habuisse sepulcrum et in uno quoque anno sub honore eius iuvenes di versa certamina Indorum faciebant.

537 Ante Dymas cum esset iuvenis. secutuu eos.

551 latuitque in corpore vultus uichil valebat vultus respeotu corporis.

553 Palladios super, haustus oleum, oleo unxit se nt caro sna labilis esset et nullus eum detineret.

562 iuxta prior iuncta ipsa forma. Uli idest vel Polinici.

569 collidunt manibus. ignea preparata ad cnrsum faciendum

570 nee opino fine excitabant se quasi cursum debuissent mox incipere et in ipsa motione retrahebant se a cursu.

571 submiifit regtda Urnen precipitata est regula. 62(> iussus Phterelas a rege vel aliis.

i)41 Promisere manum ad hoc opus.

642 rediit ingloria quia numquam fuit ausa.

650 latus disci. eogitans in animo.

65() liorrida campi non in longitudinem sed in altitudinem.

847 thons appellat callos thoros duricia manuum. non integer deficiebat

nie Agillius. VII 94 Liatnurare diem sacratum tibi. % altaribus anguis Phiton, scilicet magis colatur.

Ans Dresdener Handschriften 403

97 adnatet umbra Palemonis. lAceo^ mons, ibi *sotio snbraersa Pale-

mone mater*^ i. Ino 173 Ouretas oum qnibus alias faisti. 175 defuit Argos non alius quam Argos. 180 Ligurgi Ligurgas rex Tracum t'uit qui et Bacuoi deum negavit et

vineas devastavit et dum eas exstirpavit crura sibi detruncavit. 199 tanta quiea qnanta est mihi. :K)7 Lapdatios nepotes a Lapdaco patre Laii (lau c).

220 swpecHor fUis propter Teseum boo dicit qui eecundo delevit rege Creunte.

221 luno queretur pro casu Greoorum omnium preter Adrastum. 257 virtute quia similis erat, procul a Driante. patemum patruele. 260 OccUee proprium nomen caterve.

268 noti efexegesis. certamina campi pro pedestri certamioe.

269 sartscu sagittas.

275 et tUmia quia. opprimit segetes. herba efexegesis iteruro.

278 promptum vel pronura i. facile.

279 tauroqite insignis Amphion. 2K0 Maete satis acte, parat quia.

282 Elieonia turba hio dat intelligi poetas etiam convenisse vel incolas

proximos fonti, et dicit Permessum et Horinum iiuvios Musis sa-

cratos. 293 concordia nostris fratribus, Etheocii et Polinici. 298 thalafHi ooncubitus cmdumqtte rudern.

304 Plus paier gaudet. olim in futuro. seneetus quia senex erit cum fjlio. 323 quem imploraret cuius opem. habebat quia magister deorum bellum

moverat. 328 Talern mirabimur qualis pater fuit. 335 Glaueus hie tangit de Glauco in piscem mutato. 348 propdlentem impetu undarum. 350 amnetnque avertere potando funditus aquam. 358 nostro cum sanguine Jupiter in specie^ aqnile E^inam vitiavit

filiam Asopi. 369 in terga comantes quorum come in terga pendent. 386 cerne Apostus phatur ad Folinicem. 469 Excüua tumultu populi. 497 venerandaque nomina vocando me matrem.

501 Quem non permoveas Quis non tunc moveretur pietate.

502 multoque ense arrois multorum.

503 misere matres que pariunt unde doleant. 521 credite matri pietatem habere desunt.

524 ab Hircanis hoc etiara a feris impetrassem. 531 cruore recepto hominis vel aniraalis.

^ Die Worte gehen auf I 14, wo Dresdensis aber mit der rich- tigen Ueberlieferung statt 'submersa' 'casura* liest. ' c. speciem.

404 Manitins

547 tuorum qui infideles sant.

555 casira patent hac yeniat Ethiocles.

VIII 60 violentia dicit legis que data est Orpheo ne uxorem retpiciat; fuit melior me quia fuit immutabilis.

68 Ede nefas adeo magnam ut mirentar fratres mei.

69 fratres Inppiter et Neptunus.

70 Prima odii fratres vel fac at s. adeo i. ad hanc sigterönem (?) roant fratres. fratres Ethioclet et Polinioes.

72 atrox Tideus. hostile eaput Menalipi.

73 arceat Creon. manibw corporibus. nudis inhamatis. 76 Quere ο Tesiphone. qui fidmine ignes Capanens.

84 At tibi ο Ainphiarae. tnanes mittam qui te pnniant.

91 finitor roaxime finitor et sator.

92 At mihi noh irascaris. At mihi gut gwmdam aliie irascere pro meritis, at mihi non irascaris, quia non promemi.

123 moveri ad pietatera.

161 timores per imaginationem.

162 tibi ο Ad raste, fades fuit doloris.

174 Heus ubi verba Grecorum ad laudem Amphiarai.

175 tdlus hiatus telluris.

223 alumpnum i. alumpnorum Bachi et Herculis.

229 manibus Europe.

231 lassam (statt lapsam) a Pamaso.

235 lampade honore. fratrum Vulcani et Martis vel Cyclopum.

255 Qualis talis est i. tara letus Edippus qualis fuit Phineus et cetera.

265 marcore ebrietate.

266 Incerteque modo modo accense modo extincte. 347 Marcidus vino fuso in sacris.

(>22 invigilare quieti i. alicui dormienti.

()94 Impetere iUum Illum in quem prius venerat, illum semper inse-

quitur. 750 Captivumqiie suem notat aprum quem ibi interfecit 766 purgavit limina quod dicit se purgavit limpha cum lampade.

IX 13 hominemque gerit human itatem

36 JHriguit pre nimio dolore, iuvenis Polinices. 30Γ) flu4:tivago Egino quia navita erat.

310 cuius naufragus unde quam minimo fiumine pericHtatur. 318 Senium defendere fame preterita reducere ad memoriatn et fame

dare indeiicientem gloriam ne pereat. 324 Letus adulantem faventem sibi. 34Γι tota in penetralia usque ad corpus. 398 non solum nepotem BCiMcet multos alios. 401 nondum Nereida portu factam deam maris. 4iU iungunt caligine videntur iungere. terras vel rippas. 434 damatus sacris ulülatibus in sacrificiis Bachi. 461 Oriona nautis tempestuosa Stella ^

^ of. scbol. Acron. ad Hör. epod. 10, 10.

Aus Dresdener Handschriflen 405

499 deniiasa supeme a summo capite.

502 Huc unde eoeurU ad hanc voraginem.

509 occumbere ferro numquid debui ferro et non aquis mori?

512 Pallas et odit quia oapat Menalipi consumpsit.

518 JBusta dabas dare te deceret. flamme quas dabant Athenieiises cor-

poribas Grecorum occiso Creonte et captia Thebis ab eis. 521 flumina nutu lovis, dedit enim signa aquis ut cessarent. 524 scopuli si*rgunt pacatio roaris. 541 Extrahit a manu sua. casside rapta. 551 ipse potentem quia vulneravit eum.

563 suus ordo quia omnia anna tua tecum habebis, quod expedit quid.

564 interea doneo illud fiat.

566 Sic anceps quia aliquando favet hinc, aliquando illinc.

589 Armaque curva suum dentes et ungnes.

595 vulnere cernit ita sibi videbatur in noote illa.

598 solo in. querenti cur hoc esset, cruentas Menadas sacerdotissas^

Bachi dicit quc ideo dicuutur Menades quia deficiunt in sensu. 605 notasque sibi. Silvas quas in noote viderat.

610 gens nspera ritu quia ibi bumana caro immolatur, quod non facio. 613 Noctis in qua fiunt sacrificia Bachi. temerata essem.

Die Scholien von b sind mit einer sehr blassen Tinte an den Rand geschrieben. Sie haben jedenfalls vom Anfang an be> gönnen, auf fol. 102* setzen sie sofort ein. Sie sind nngemein zahlreich und grössere Stücke aas Placidus wechseln mit ganz unbedeutenden Glossen ab. Wie oben sind auch hier nur die wichtigsten und mit Placidus nicht übereinstimmenden Stücke herausgenommen '.

II 417 sola fides hec fides quam ostendis sufficeret ad odium fratris

ostendendum. 425 pace sequestra media, inde Sequester quasi mediator duorum. 460 Cythero mons iuxta Thebas. yronioe loquitur. 463 primus sanguinis aitctor Edippus incestus fuit. 470 Bk-ectus setis sus quem misit Diana in regiouem Oenei ad vindi-

candum suum furorem. 499 superni montis sursum eminentis. 512 commercia iungere linguae disputare cum ea. 543 viduo ligno privato a ferro. 564 Pholus proprium nomeu, Pholus fuit centaurus^.

* Dies Wort ist bei Georges' nur aus Schol. Lucani VII 778 belegt. ' Die Stücke, welche auch α besitzt, habe ich am Ende durch (α) kenntlich gemacht. ' c. oentarus.

406 Manitius

577 Ictxare catcrvam raram facere.

599 lasso Piragmone unus de XX fabrie fulminie.

626 natat vel repleta de prerupto sanguiue iutercepta voce cnm vellet loqui vel aliter pate(t) intercepta i. ioterclusa repleta voce i. ore, oontinene pro contento, repleto dico de prerupto eanguine.

629 Thespiades patronimioum nomen.

634 Exhaurit thoraca dolor pote8(t) dici, quod pro dolore oblitus est siii periculi nee texit se lorica.

638 luce natantes defeotu tabentes.

639 Sistit stabilit tenet aperit. reaolvü non clausit prius ocalos qaam ▼idit ad illum mortuum.

666 Celenea a loco. Gel. ci(vitas) ubi inventus fuit usus tybie facte e

buxo. htuco buxea tybia. 677 Luxuriata fames saoiata. 680 Crudescunt er ud eliter agunt. 686 superhi quia sprevit Dianam.

688 nimiumque secundis presentium occisioDe.

689 Parce deis pete deos ut credaris.

693 decepttts ab cdite ab ullo bomine eumpto ab alite.

698 ManibtM i. infemalibus diis.

702 fumantem multitudine armatorum.

717 cruäescit crudelis aparet.

718 maffis ardentes quam tu ο Pallas. 729 qiM de qua parte templi.

732 Hie in illo templo.

738 vittas habebant nig^ras vittas et tarnen variatas niveis virgulis

quantum ad frontem. III 20 Orantem orationem dicentem propter legatum.

27 Orion Stella tempestuosa, videtur inclinare densitate nubiom.

34 ohitus ocoidentibus astris. Theti$ uxor Occeani.

38 Äntiquas longo tempore servatas iluere.

40 gelido remeahat Eoo in primo ortu diei.

47 äbegit deduxit vel expulit.

50 harena quam sibi infudit dolemus.

61 ira fateri fuit ira illius quod pudet me fateri.

89 in ictum quia non plangit ad ictum.

99 umquam quamvis eepultura tibi interdicatur. 101 contemptum regte si vetustatem i. contempsisti regem et dedisti

exemplum quomodo ceteri contempnere debeant. 107 tacito Phebo quia propter mortem tuam tacebunt. 111 durant habitua habitus sacerdotalis. 113 servat quia iussu Etbioclis insepultus romanserat. 134 Yde proprium nomen matrone.

141 canendo carmina magica dicendo.

142 lumina oedro ut melius ardeat.

170 Penthea damat Penthea suum filium.

Aus Dresdener Handschriften 407

172 Marsippaque proprium nomen, Marpissa amica.

1K3 regia Cadmi hoc dicit propter Semelem.

185 Consedit lapea t'st. funerea arbitratus se fRram copisse.

187 Leargum quem matri abstulit.

189 Phenisse Tbebane a Fenico fratre Cadmi.

190 lacrimas expami quia ante nescivit q^od fecisset. 197 Invidiam invidos dixerunt deos

205 Begina Dirce regina The. ab Anfione et fratre suo dilaniata in

fontem mutata est. 213 tcrraqiie instemar avita i. avito sepulchro. 226 emuhis orbis clipeus i. Imitator solis rotunditate clipei vel reddens

lumen illatum. 252 luno mihi carior cunctis. templunique ampUxa quod Argas (!) est

ei dicatum. 268 adamanta dura frena vel pro herba legatar. 274 catena quibus ligati sumus a Lucano(!). 280 precando dum te precor, quasi diceret, nil pro me facis; et est

constructio per defectum. 988 Tracasque Traces quasi truoes quia ibi colitur Mars. 2tlO hepUxt reptat faota serpens. 305 Itisms iussus sum complere. 30<» legi quali ego fungor. 332 natani palearibu8 usque ad palearia.

334 despecto perfosso, deorsum pectus suum aspiciens vulneratum. 352 servatorernque Hamicum ad cffodiendum human um sanguinem. 370 feda cupido quia illic non ivi ne essem fratricida. 379 Audiiusque quia prius voluit ire quam Thideus. 38<> altus Consiliis prudens ad danda consilia.

399 velox ferro a?tper ad incidendum.

400 seducitM mente elatus a dolore. 400 tristi ad indicandam tristiciam.

438 Micone mons. Qiaroque mons. reveüi quibus revincta es.

444 Incertusque animi utrum bellaret armis.

463 temercuse quia hominis non est volare (P).

46(i gemini vates Amphoraus et Melampus.

469 IcuMvit solvit, minuit, sol enim nascens vrigida(!) aera solvit.

485 mutate nostraque nostra ori(gine) hoc dicitur secundum Pithago-

ricam sententiam qui animas hominum recedentes vel aves vel

quelibet animalia intrare asserebattP). 495 dextrisque quia a dextra parte venientibus mala omina sunt. 498 caligine mundi quia quod aliis caligo est, illi lux est. 505 Pendeai stet immobil is.

507 Vector aquila. avis unca Minerve cornis (I) vel ciconia. 516 pater pater vel ad deum vel ad me. 559 Thessiüicumqtie nefas nicromancia. 601 manu pregressus fortitudine sua.

408 Manitius

614 paUida virgo Phcmonoe*.

618 Experiar aut moriar.

625 arcana profari que vidi in monte.

628 noster ApoUo qui apud nog colitur.

630 cecos non videntes quod ad interitum vestrum tenditis.

632 nil dulce dornt Don sunt .vobis uxores neque liberi.

634 gradu rapido quia sponte non iui.

646 fixos arceo casus a diis statutos.

650 T)^entis dangor in Tirreno inventus.

651 Vota mrum meliora volantates melorum(!) viroram.

652 vanis avibus vana canentibus.

661 tibi tuto non tangam te.

662 prima ad classica cum primam sonaerant tube.

665 ventisque aut alite quia solent augures in flatibus ventorum auguria cognoscere et in alitibus (P).

666 procul hec si mihi obvius veneria.

675 donec stetit ita bis nichil obstitit usque ad Thebas.

698 huic Olim generis pudor um enim pater filio restituatur, impro-

perebitur(!) quod est filius exulis. 705 misero nupsisse marito quia sua pauperies äuget mieerie pietatem. 707 üt timeam qui etiam per me sperat reetitui. 718 iustae moderatum consilium. IV 8 stetit agere Dirces ab Argis usque ad Thebas ieoitBellona hastam.

20 SiASpiranda cum suspirio lugienda (!).

26 amica manus amioorum multitudo.

28 magni caiigo maris profunditas turbat eos.

35 CaUiope que prees(t] carminibus poetarum in nemore studentium.

38 Mens liausto de fönte in carminibus explioandis. rex tristis et eger Adrastus animo et corpore.

40 adhortantes preliari volentes. Adrastus coactus a generis

47 Queque pavet ne ab illo evertatur. Caradron turbulentom fluvium.

55 Plegctonte ubi morare solebant et ubi venire solebant.

56 domos propter Tereum. Micenis propter Thiestem et Atreum. 70 laxa cervice a labore. inanibus amiis quia uon potcst bellare. 77 Ädvenere viri qui calamitatibus sunt moti.

79 multi precipuum videbatur venerunt.

85 Hiberna sub nocte qnando ad regem venit Teumesius a loco.

86 Terga leo ad magnitudinem leonis referunt.

Γ30 Ter niveum scandente itώa tres enim cristas habebat ^ vel tree iubae

cqui terno ordine positas. 135 laudatque nefas quia suos maritos occiderunt. 144 obiectus d^tinet amnem amnibus enim tollit cursum.

* Dies Scholion, das Placidus nicht hat, geht sicher auf eine noch antike Quelle zurück. 2 c. habebit.

Aus Dresdener Handechrifben .409

152 tarnen etiam licet antiquitate sit desolata. iuvenum milituoi.

164 cubiti sedearU ubi acoubuerunt illa nocte.

1β7 molis aene olipeus eius super oorium ere coopertus erat.

1Π8 honoa clipeus. aqualet horret. triplici tribus capitibus.

190 obrtteraiqtie deum oraoula Apollinis.

199 Deposuit cuUus vel nexus monilis.

224 Malta promunctorium iuxta mare quod facit pericnlum navigantibus.

233 ooronaio propter victoriam coronam acdpit bonorabili more.

245 niveu8 rigat imber saliva equorum.

266 sinum damidem. nodia Uiberis Hispanientibus (!} balteis. irrugat

trahit in rugam. 280 puerperia parturioiones.

282 lueis vices quod diei nox obscura et nocti dies succederet. 289 Phicie Apollo a Phitone. 295 Cinosura unde fuit minor ursa Heiice (P). 340 rohore nati dicit eos duros quia non moventur suo fletu. 350 Impetus cum impetu voluntae bellandi. 355 acereseere natos quia filii super sinus patrum ascendebant, dii soie-

bant ituros ad bellum.

359 aurdum surdum sine citara ideo dicit quia manu non carmine non(!} condebatur.

360 Boetis urbihus Boeta (I) est provincia Thebarum.

369 Accumülat Thebanis. turbatrix fama fama turbayit eos diversis opinionibus.

370 Asopide rippa Asopus fluvius est Thebanorum.

378 correpta canistris a Bacho, canistris in quibus oblaciones erant vel

coronis factis ad modum canistrorum. 382 Ereetam propter bellum elevatum, wrbem Tbebas.

385 quatis Hismara montes Thraoie. tyrsum vooat virgam quam mi- nistri Bacbi portabant.

386 irreptare Lygurgo dum Ligurgus vites incideret igitur crura ab• scidit, ideo irreptare dicit.

389 Hermi de fontibus Hermisf!) est fluvius aureas trahens harenas.

390 taa progenies nos Thebani. armia in tuo sacriiicio babitis. 394 Caucason mons Asiriorum.

399 comua miscent quia invicem bella fuerunt. 404 gdatis VuUibus frigidis pro exstasi^.

406 terroribus impar noii ferens vanum terrorem.

407 tenebrasque sagaees ideo didt quia quamvis cecus tarnen omnia captabat.

410 verum spirantibus extis vera omina (omnia c) dantibus.

423 vacuusque horror quia nullus ibi habitat.

424 lueis imago ibi quedam lux parva et pallida. 429 canum gemitua auditi quando novilunium' fit.

* Nach Georges ' nur Vulg. act. ap. 3, 10. ^ Das Wort fehlt bei Georges.

410 Mauitius

432 drcum undique fixis positis in oirouitu.

433 quieseit mittit caput super pharetram et dormit.

437 putria sanguine illoruin sanguine qui se mutuie vulueribus occidunt.

440 vana in prdia quia umbre hoc faciunt.

485 tctxo venenosa arbor est, de cuius funeree faces dioantar (^!).

503 neqiieo tolerare moram i. Don poesum diu vos expeotare.

i)06 paÜώuΫU Tartara motu ad incantationem illios.

512 frorUis opace quia senex quasi frontem umbrosam habet.

514 dici nosciqae tiviemus metu Apollinis dicit se nolle sue ^ermane contumeliam facere nam Latonia, que est et Diana, et Proserpina fuit soror Apollinis. Dermoygom dicit, de quo philosophi omnia oreata asserebant, cuius nomen nullus fuit ausus nominare et illnm solum dicebant regnare super omnes deos alios (P).

516 triplicis mundi deum celi terre et maris.

520 Panditur Elisium chaos piorum anime veniunt.

523 Plegeton qui igneus est.

524 Et Stix palus per novem oiroulos interfusa, hec suo meatu maues discernit a superis et ideo dicit hie interflua. obstat no yeniant.

531 Vera nimis poscens veritatem excuciens.

532 penarum lucra i. penas quas aput superos lucrati sunt aliis male• ficis factis.

537 remeabüe aaxmn Sisiphi; de Sisiplio loquitur qui vera philosophia contempta ad volvendum saxum super unum montem oonstitatat est.

538 Fällenteaque locus propter Tantalum dicit. 555 serpens scrobibus pleuis sanguine.

575 inOidiosa caterva filiorum et filiarum. 608 alium accedit ad imhrem lactis et mellis. 660 MimaUones ministri Bachi.

681 hicmtibus arvis meridiano calore nimio apertis.

682 Stat vapor horret sol. ethera lud solem tilve. 689 fugiat liquor fontes illius silve.

691 indtUgent astra qui inter sydera locatus est.

711 adverrensque trahens velocitate sua.

722 trihateris triateris est festuro triennale quod Bacho in anno fit vel

ideo triateris dicitur quia tribus diebus celebratur (α). 762 numerumque rependam tot victimas inpendam tibi quot hominee

sunt in exercitu (α). 836 Xanctus tUerque Grete et Troie.

V 3 sonipes rapit sonipes ponitur ibi pro equite, virtntem propter sitim perdiderat. 8 cuique ante locus antequam biberet. 41 Parque operi tanto digna videbator ab illis que merito tantnm

exercitum servasset. 45 ohtenta comis quia via stricta est comis parentibus(?) ramis arboruiD. 55 Delove sonanti lyra Apollinis. (33 Ceston scilicet optimam partem. 80 audire ruinös quam redire et iaoere nobiscom.

Aus Dresdener Handschriften 411

92 Teumesia thicLS Thebana sacerdos fiaochi.

105 peUite sexwn muUebrem mollioiem.

106 inanes domos a maritis vaouas.

121 Bodopeia eoniux Progne que erat de Tracia.

131 gavisa Pölixo que suum animum in multas cedes natorum pro•

mittebat et cogebat alias malleres ad eadem promissa. 134 cepüsque favet dicit voluntate deoram esse factum quod cooiuges

eodem tempore advenirent quo eorum neoem tractabant. 138 melioriique federa meliores maritos. 142 Bistonidea Trace a Bistone fluvio. mariie maritate. 145 arma IndtUget pater Mars, scuta habent rotunda. 159 Caropeia coniunx Garops vir Po. (^^ Polixus).

173 Marie sub Otrisio bellum quod gesserunt in Otrisio monte Tracie.

174 ddubra vaporant templa sacrificiis.

179 nee longius umquam dicit diem perlongatum a love ne cito^ veniret nox in qua erant occidendi, i. antea numquam tam sero apparue- runt tenebre quam nunc.

192 Quegue iaeeni iacent iu illo loco quo pultu erat maxima. mites mariios ut delectaret maritos.

194 adflaverat igne amoris quia perituri erant.

202 cuncto sua regncU JErinis prius furor erat unicuique.

208 Evinctum ramia Corona propter estema sacrificia.

230 impeüitque minie ut fratrem occideret. inaerit ensem illi Licaste.

232 stimuUaque flagellis magistri.

233 In mores negat ire suos in prietinam feritatem.

295 Flamina ventos. prospectem propter dimissum patrem.

296 cdumqtie retexens discooperiens.

297 dedivia in mare pendentia.

298 iuga currum vel equos.

306 Nota situ mutatione loci vel vetostate. 310 CanUcttere domw interfectis viris. 312 Spirant manes maritorum nostrorum.

320 faisi criminis asiu quia credebant me occidisse patrem.

321 regno ut crederent mihi, considere reginam constituerunt quod mihi supplicium fuit.

323 dcos testata quia patrem occidi. fidemque quasi aliquis dicat. cur

acciperet dicit se non andere dimittere. 325 Exanque sine viribus, sine ctämine sine rege vel viris. 378 per rupes ut illi contra tempestatem laborabant. 442 se mole fereniem sicut gravis homo, quia non tales passus habuit

quales Hercules. 444 Arma cum quibus Lernam expugnavit Hercules. 460 revoMtur annus nam annus in se ipsum redit. 463 coaeti per preces Jason is. 465 Nomen avi renovo Thoantis patris mei.

^ c. scito.

412 Manitius

470 retinacula funcm. saxi. ad quod solebat ligari.

489 facinusque reposcunt cur patrem non ocoideret requinant.

494 nee regna fuvant qui(a) regina eram.

495 Ineomiiata sequor sine pedissequis^. 502 eomanti rutilanti propter flores. 506 tractuque soluto corpore extenso.

508 Limda fax octdis nigra aties erat.

509 tema agmina tres numeros dentium habuit. 5ie iacet aggere ripe tollit cursum sua magnitudine. 520 anfraetu circumvolutione.

522 fontesqiie repressoa in terra reconditos.

524 Incertusque sui pre angustia sitis' ignarue quod agat.

525 Ore supinaio elevato ut aliquem humorem recipiat. gemeniia calore.

580 exit in orbem qui extenditar in auetralem plagam.

531 spiris intorta suis drcumflexionibus.

536 an ut inde sacer an ideo mortuus es.

543 insomnia voces tales voces emittebat.

549 notas tractu eerpcntie. viridi veetigia pueri. hosH8 propter sitim.

569 membra Giganta ad impedimentom mei.

578 Imphraniem valde tristem, animam vindictam. aris xüum et co•

gnate gemuistis. 587 8umm<n8 libavit leviter tetigit.

593 in funere primo prima invencione propter dolorem pueri. 003 in carbore eara in qua nidum feoerat. 613 Kgatis sonia non intelligentibue. (^15 Ärgos Argo nautas.

620 Nosco deo8 Recorder que dii dixerunt mihi in somnis. 622 quo8 arguo re versa ad se d icebat.

628 Exsolvi quia dicit, ο Lempne si tibi non solvi nephas occidendo patrem tamen modo persolvi.

629 meriti duri mali quia puerum perdidi.

640 Persei vertice de quo Perseus ad occidendam Gorgonem volavit Aphesonto^, quia responsum fuit ei datum Tebanum bellum illius sanguine imbuendum fore quod contigit in roorte filii; oonouciebai Caput quia omnia adverna ibi vidit. vertice saneto Montis qui(a) lupiter ibi colitur

651 Advehit tristatur ad sonum tubarum timens n• illuc duoeret. exe• quias cadaver. obvia maier Euridicem.

653 pietas ignava fuit erga filium qua uxor.

()55 arva morantia cum propter longam viam.

()58 omnis fabiila Lempni qui dixit se servasse patrem falsnm.

* c. redissequis.

2 sitit in sitis carr. Die Erklärung des Soholiasten bestätigt die aufgenommene Eroendation 'siti*. " *

» vgl. Lact. Placidus zu Theb. ΙΠ 461. 633.

Ans Dresdens Hatidschriften 413

661 Oeneiug heros Tbidens Oenii filius.

6G5 Erimansius Partonopeus a monte Argadie in quo mater eua veua- batur.

670 ÜWM avum sanguis occidat reum ne occidatis eum quia de nostfa progeDie est. neve indulgete furori dimittito pugnai*e.

679 Inveniat, tumutis Quasi utinam inveniamus te bic cum reverai fueri- mus. fata gementem mortem ßlii.

682 Bebar et hostiUs venisse bost.iles vos turmas ad roeuia Thebes non buc.

707 geminusqut Triton deus maris, piscis et bomo.

709 Thetis mare. montesque quia non erant operti fluctibns.

716 protinus Nuncim quasi diceret vix intraverat et siatim nuncius venit Ligurgo de morte filii et processerant equites ei in auxilium.

722 Diripiunt cum impetu venerant. flentes pre gaudio. pectora mu- tant (vel tempora) qui aliquando unus aliquandö alter osculabaturi

726 Ensibus quia lason pergens de Lempiio illie r^liqiierat duös enses, quos illi modo portabant. humeris fi;Jiorum. lanon aparuit.

727 munere tanto ihutti felicitate.

729 Signa polo Bacbus dedit Signum in celo et audita sunt timpana.

735 indebitus armis fataliter debens.

736 Parce fata secundum ritum omnia demonstrant.

746 transgressi fata parentum quia numquam fuerunt tarn felioes nt vos estis.

750 saerum purum, ne plangite divos noiite super deos irasci.

751 deu8 qui modo deus est. Pilie senecte {^estoris qui^ aput Pilon mansit, ter centum annos vixit.

VI 9 pharetre victorie, Phitone enim interfeoto ab Apolline Phocenses* pro liberacione illius pestileooie quam babuerunt de serpente Apol- lini ludos oelebrabant. 11 qtiotiena tociens omni anno redit ad litus. 15 (üumnis de Grecia regibus.

24 querere terras eundo per pelagus.

25 Clara descriptio diei. Thitonia a (autem?) aurora (aura c).

30 MfdUplicantque sonos multiplicare faciunt. exutus Ligurg^s.

31 Vittarum quia ut sacerdos redimitus erat, squakntia pulvere sordida^

34 famülas premit ad planctum oogit. volentes plorare.

35 aivulaa remota a oadavere filii.

37 dignis VuÜibus aptis illo tempore quo luctus erat omhibus^ 47 facta recensens quia omnes moriemnr.

53 vaga pasaim discurrentia.

54 teneraque cypreaao quia est funerea.

58 mcfitwris floribus quia cito defioiunt.

59 Arahum strue aromatibus et Arabiois odoribus.

,64 JAnus Linus Apollinis ^filius) qui simili morte periit a canibus» a• matre illis oppositus qui eum occiderunt.

* c. quia.

* e. Pbocensia

414 Manitiue

69 immensa Menbra magnum corpus vel atilitas.

6üf. talie erat preparatio ro{p quamvis esset parvaa ex nimio appa-

ratu rogi. 77 In nomen honore filii. cinctusque cingrnlas. 8*2 infausti beS« propter paerum occisam. piacula peccata. 88 (His labor) aecissam undique cesam. Tempe loca amena. 94 metuencUique taxtis qaia venefica est.

96 expugnabüe robur oedrus procnmbit.

97 aiuUix ctbies qaia magna altitudine elevatur. odoro wifiere qaia maltum ölet quando inciditur.

100 ΏαΛ gemitum tellus oadentibas arboribas.

104 cana Paks quia preest segeti dea framenti.

108 vix Signa audiia tarn cito hec omnia a silvis reoesseront. urbem

ea qae in urbe erant. HO tue fragor milites nimiani acoensi quam in dissipatione urbis i. est

similibus piris pro morte Arcbemori. 112 auxerat ar<M pro oociso draoone. 114 teneros manes animas pueroram. 118 Siphilon apud Thebanos fuit mos liberis occisis ad Siphilon fanera

duoere. 126 Kvida BracMa propter dolorem pueri. 129 nudo de peetore pre dolore pectus nudum habebat. 134 his in finibus evi dum tarn iuvenis esses. 141 ubera mando commendo eins uberibus filium meum. 145 creditis ause quia mendacia profert quo occidit filium meum. 198 centenus übique in unaquaque turmn. 205 spirantiaqtie adhuc viventia. 229 quis beUi incognitus horror vulgares homines. 232 Enomai rex cuius'filiam Ypodamiam vicit Po1op8(!).

235 umbonibua monticulis.

236 Campum exire vetat ut protendatur in plauiciem. 238 augent maiorem faoiunt videri.

242 tantique belU quia multitudo tam magna erat.

243 nigrantes nigri unius ooloris erant matres et vituli

254 lo post iergum in vaccam mntata.

255 inocciduis visibua semper vigilantibus.

256 iUam erexerat in pristinam formam mutavcrat.

257 hospes Aurora populi orientales ad quoe venit vagando.

261 Neptunia Lora vel quia littore vel a Neptono ministrata.

262 Pelops Polops a Neptuno currili oertamine instructos fiiit.

266 Tristis Ämimone tristis quia reperta atque stuprata est a Neptuno. 265 MüUa tnonens in prindpio cursus vel in medio vel ubi i. aeqna occasione.

300 Qaudentem propter impetratum currum. oHra insidiosa pericalosa Scorpion et Sagittarium.

301 Noientesque teri zonas australem et septentrionalem plagam. 314 maculis internigrantibus albe nigra habentes maculas et albae.

Λαβ Dresdener Handschriften 415

317 audüo ApoÜine carmine Musarum et Phebi.

315 crcdi nee degener i. quia credebatur non degenerare aCastalio grege

1. a Pegaso sub cuius pede natus est Castalius fons ubi Apollo et

Muse colebantar, quod dicit qui Pegasus stupuit ad sibila oanne i.

Apollinee in fönte et noluit pasci cum audiret ApoUinem canere (a) 440 Fwnantemque funalem dicit quia adeo ferus erat quod fune oporte-

bat eum lig^ri (α). 535 in Hitmiaea harena in festo Palemonis. Histimos mons est ubi

Palemon filius Athamantis suum dictus est habuisse sepulcrum et

in unoquoque anno sub lionore eius iuvencs diversa certamina lu-

dorum faciebant (α). 551 latuitque in corpore vultus nichil valebat vultus respectu corporis (α) 554 fuscatur otivo oleo unxit se ut caro labilis esset et nullus detineret (α) 557 celi steUantis (vel stillantis) videntur enim ointillc stillare de astris. 5Γ>1 Proximus et forma iunota ipsa forma Yde vel Polinici. 569 iffnea Crwra preparata ad cursuro faciendum (α). 571 summisit regtda Urnen precipitata est regula. Excitnbant sc quasi cur-

sum debuissent mox incipere et ipsa mot ione retrahebant se a cursu (α). 62(i iuasm Phterehvt a rege vel ab aliis(a).. 042 rediit ingloria quia numquam fuit ausa (α). (>50 Quod latus oogitans in animo. medie quod certius ulne quia pro-

tendebatur nsque ad mediam ulnam.

656 Ergo operum fidens quia talis erat.

657 celo dextram metitur non in longitudinem sed in altitudinem. 714 nuda de plebe prompta et expedita.

718 braehia finxit fecit flexibilia ad hoc opus.

778 effunditur iUe iotum enim passus est cadendo vel ad superiorem.

846 duris thoris apellat callos thoros duriciam manuum (α).

855 haut aliter habet se quam Tydeus.

898 Victorem ipsum Adrastum.

913 breoi tempore. fataUs significans fatum.

YII 7 axemgue nivosi Syderis septentrionalem plagam.

18 eredas beüo rediisae tarn leti peragunt ludos.

23 immeriJtaa urhes que nichil promeruerunt.

36 Tempestas etema plage frigus continuum illius.

42 Oingitur contra septentrionem. Hemo Hemus est mons Tracie.

45 Leditur obscuratur. sedem propter cruentam domum Martis.

53 Mors armata quia sola eripit vitam vel aris diversis generihus (gen- tibus e.) occisionis. 73 Sanguinea BeUona manu soror eius.

74 diriguit visu obstupuit pavore.

83 impdlit inpellit remeantem. resides pigros.

93 triateride mtUta roultis festis.

94 Instaurere diem propter consumptum Bachium magis oolatur.

95 MaUt adire Pelops cum sacrificatur ei. 104 Dux ea Adrastus dixit.

107 geminum mare Ion i um et Egeum. 115 Silvas Silvas a !oco suo.

4Ιβ " MÄiiitius

123 Pendel sollicitum erat, fragor multitudo exercitus Anpvi.

126 An dubitent an dubitent venire.

128 Induitur qaia in diversae acies ee matavit at eoe sie mag^ deciperet.

129 metu inani quia non erant hostes. consternit deieoerit.

132 Incidit videbatur Greeis. vestigia vallis immissas est abi facta

sunt Sacra. 138 nichil flagrantibus quia oinues mori malebant quam bellum dimitterr. 147 patnos reminiscitur igncs quo fulminata est mater ima. 185 TlosiiUs Tritonis aquas Neptunus invidit Athenis quia fuerunt no•

minate Palladis nomine. 192 Taurtts vehens Europam. 198 veteres sereque ab antiquitate seriate. 221 Inno queretur pro adversitate Greconim. 239 expectatque furores Grecoe furentes. 249 Atidimua hie video tarnen non cognoscens. 255 hie hie est ille quem Diana sagittas interfecit propter PaKheno-

peum. cui nivea arma in ouius honorem. 2ββ iugis iniquis arduis vel excelsis et in quo solebat Athalanta com

procis cursu contendere. duas Athalant«s fuisse manifestam fst,

unam Archadicam etc. (P). 282 Eliconia iurba dicit propter Gallum aliosque poetas qui incanta-

bant per Eliconom, ibi vult poetas intelligi convenisse. Eliconem

et Permessum et llormium dicit iinvios Musis consecratos. 291 origine fratres ut fratres existimari poseint; fratribus essent seil.

Ethiocles et Polinices. 297 Laphitonia nimpha Laphitaon dictus est pater quem Scis nimpha

violavit, inde natus Alatreus. 304 verUltra senectus in futuro etate antecedento. 309 cdsos quadriiugos hie notat magnitudinem eius. 318 arreptia Pontibm cum collectis aquis voluit pugniri) cum Io?e. 326 Fidmineum einer em ex quo tempore fulminatus fuit, prunas vi-

veutes in se habuit. 369 in terga comantes quorum come in terga pendent (α). 377 stimtdare parem cogere ad bellum. 405 de cursibus annes sunt visi refluere quasi iu die sereno. 418 Perseos effigicm quia occidit Gorgonem. 431 Cunctantem equum intrare volentem. 452 Quis qtieat quo modo Thebe illa nocte turbatc fuerunt. 459 externos ignes quos externi subvcnientes aocendant. 465 lucemque timent diem timcbant, propter bellum tamen optabant. 469 oculosque reposcit optabat oculos ut cum filiis bellaret^ tnmultn. 475 Exangues genas senio tabentes. 478 ctmi maiestate mälorum cum multitudine' deformitatis.

* c. bellare.

^ C. multitudinem.

. Aus Dresdener Bandfcbrifteü 417

179 tnelior tarn aexus quia tunc meliorea erant illiuti filie quam filii.

L80 Preeipitantem artus velociter membra moventem.

186 tarn miesiM nuntius quem locasta miserat.

idS lacrimis gauaUntibiM tfnplet pre gaudio laorimatus est deosou-

lando eam. >00 miserabiUa hospes miseratione dignus. S13 vix Edipedo qui scelere notus est omnibus. >14 Nupsi equidem iilicitum par. tales quales peperi quia ooacta. >16 Quodsi adeo persUiS ut bellare velis cum fratre tuo de nobis trium-

phare potes interficiendo me et sorores tnas. )22 Si vcbis cams pietatem habete de filio. ί>27 iumid<M cohortes ad bellum paratas. S31 gaudetque cruore recepto hominis vel animalis. ^32 fiexa Pelasgum corda dictis locastae. ^36 animum twrbante matris et sororis. 539 fidum Ethiocla fidum dicit yronice. 541 bona federa gesto propter cicatrices plagarum separatrix. f>52 Ante hee antequam hoc fiat in castra ut te remittat. 557 medieque sorores quia int er nos et illum federa portant. 5ü2 fera temptM inermis oportunitatem quomodo Erinis posset eos ad

bellum impellere. 5βδ vastator Eoi orientalis plage. 569 Sanguinis feritatis. Indum gramen species quibus erant drcumdati.

580 animumque. priorem pristinam feritatem.

581 erumpunt argis egrediuntur per campos. 588 Corripiunt aurigam Parthonopei.

594 adducto ielo quia prius telura adducitur quam emittatur. 596 ad portas Thebanorum. utrimque ex utraque parte.

602 penetrale in interiore parte templi.

603 Bacheus qui Bachum colit. Phlegeus proprium nomen, saoerdos. 606 Äuxilio tardi quia iam mortuus erat.

609 Consilium quod locasta habuit cum Polinice.

611 preceps quia bellum cupiebat. tempore ütitur quod tempus est ad-

portavit. 615 seOus iam clamor Arg^ivorum et Thebanorum. 621 sübitis globis subito venientibus. glöbia coadunationibus.

627 rapuit nemus nimio flatu.

628 non vos longinqua que prope vos gesta sunt.

631 Horrent a cantilena deficiunt. iumvdtw tubarum sonitus. EHconia plectra Elicon est mons consecratus Musis iuxta Thebas.

632 Sidonium Thebanum. male fidus quia duri oris non obtemi>erat rectori.

633 Rumpentem quasi trahentem rumperet.

637 nee iam arma quia mortuus erat.

638 anima defectus uterque hominis et equi.

640 siemuntque gladiis se perimunt. aUema oorpora. 649 Bacheos cuUus Bacho sacratos.

Bhela. Mos. f. Pbllol. N. F. LYII. ^

418 Manitius

651 Bromio Bacho. mutare fwrorem ut sacra belli in bellain oonverteret. ü52 Quem terrere queas quasi diceret neminem.

ββ3 Vociferans tangit hie quod Cadmus in Cirra responsum accepit factorum civitatem ubi vacca procedens requiesceret. prohibete manus populi ab eversione huius urbis. 6G6 Gens sacrata sumus quia de stirpe deorum descendimne. gener

hmc e,'it luppiter urbi propter Semelem. 6G7 Gradivusque socer propter Hermionem Martis filiam. 690 formidantibus arva biatum terre. 692 Mestus propter interitum sui vatis. 697 sanctum et venerabile quia illesum vulnere. 700 Suggerit min istrat. diesque quo scivit se moriturum. 707 tripodas laurusque sequi divinationem. 777 vetito sepülcro quia sepulturam interdixit. 805 henigna Tempestas quia faoit ab armis cessare. 822 rurstis Miscitit quia aote extiterat. YlII 3 titrbavit manes deos inferni. 9 Needum lustraverat ut solet defunctum lustrare.

10 poste notarat fecit notaruni scribere nomen.

14 securi a penis. circumspexere fragorem non tantum sapradicti ter rebantur.

23 iratusque omnibus umbris propter deeoensum Amphiarai.

27 cum fratre verendo scilicet Radamanto.

39 munduinque nocenteni ad regendum inferos.

44 Tytanas alios gigantes. miserumqiie patrem Satumum.

(>8 invideantque sorores non solum superi.

69 omina sunto seminaria.

72 Mandat atrox hostüe caput propter Tydeum dicit igne supremo Arceat ut Creon.

85 subit iUe minantem quia finita eins oratione cepit loqui.

87 lam pedes defectis etjuis.

92 At mihi aliis irascere.

94 Neve ira dignare hominem ne digneris ostendere iram tuam in enm.

97 fugiat nee tristis in antrum sicut fugit pro Hercule. 105 turba recentum Umbrarum ad tuum honorem.

107 Non ignarus inii sciebam enim. turUne tumultu.

108 e milibus Jiausü accepit me.

121 Hac aderit coniunx mea, Eriphile.

125 iras suas. arma citat dentes acuit vel movet.

141 currus humus sarbet quia vivi absorbemur.

143 profunde Noctis iter per quod vates descendit* ad inferos.

149 tellus cognoscit alumpnos quia nos solum absorbet etThebanoe eervat^.

162 Quae tibi tunc fades omnis Argiva phalanx.

166 Ncc laudavit equum qui mos est revertentibus de preliie.

* Hier wie xiets c. decendit.

* c. sevat.

Aus thOsdener Bandsohriften 419

168 efflantea piagas efflatus emittentes.

170 pugnae sttasü timor pugne que crae erat futura.

174 Hetis ubi kumgcri Verba Grecorum ad laudem Anphiarai (α).

189 quis casus habet quia inaudita niorte mortuus erat.

196 mutis Delphis omnia loca in quibus colitur Apollo mutaverat.

201 cornigeri vatis nemus in Libia llanionis harenosus lupiter in mo-

dum arietis oolitar. 205 nuUa ferientur ab alite quia aves nulla dabunt responsa. 217 facilis somnus quia facile dolentes invadit. 22f) ipsaeque marcent deficiunt pre ebrietate. 222 spiramifie sonat. biixtis fistula. 229 manibusque attrita tonantis Comua Europe. 245 abaeta prius solatia esse remota.

256 stridere volttcres Arpias. ut sensit abaeias a Zeto et Galai. 259 Graiorum iacebat cohors quia anima et corpore fatigati erant.

265 voces marcore süperbe marcor proprie est raucitae vocie cum eu- perbia.

266 Incerteque faces iam defioientes. male pervigil ignis quasi iam de- dignabantur vigilare et faces accendere.

269 Mandavere animas mari obdormientes.

270 deus qui navigat alno Triton vel Neptunue.

285 Seque honeri negat esse parem respuendo dignum se monstrat.

286 Achimenius puer Achimenii sunt populi in Oriente, ideo dat exem- plum de is, quia ibi regnum hereditate tenetur.

290 Caspia limina mandet ne quis suum ingrediatur regnum.

293 nee adhuc implere tyaram coronam patris.

312 0 rerum media quia medium looum tonet, in elementis unusquisque

habet sua. 332 des oro precatus ut sentiamus te orare pro nobis. 335 sctcra feram presaga quia notabo presagium vel significantia 343 fragor excitat enses ad bella sonuerunt. 319 multo laxantur cardinc scptem porte aperiuntur. 358 secretus Nilus quia ignoratur eins principium. 34)3 gradum tarde movet isti processerunt alacrus. 429 magnum et gentile tumentes seoundum virtutem gentis.

476 duos Hdiconidas filios Ethioclis.

477 Egee Veneris ab £geo mari ubi nata est. 481 Sanguis occisorum ab £mone.

533 non infensa cerebro Vülnera quia non percussit ad mortem. 548 Hdiconius Corimbus sacerdos Musarum. 556 soceros Aversatus £dipum et locastam.

558 Squalor deform itas Edipi.

559 nee peetora virginis Uli Diversa amabiliorem facit quia virgo ama- bat eum.

5(50 inque vicem placehant ut sibi mutuo iungerentur.

564 Ceu spectetur agit ut laudem acquirat a puella quia puer erat.

610 Nee mala dicebaiit. quae iuxta in presenti erant.

420 Manitius

641 tremens Tocasta tremens nt vetula.

653 teste remoto omnibus egressis.

656 beUum ^ntegrώat Enyo soror Martis.

677 Tunc prior ridendo dixit.

702 Omnia tela vovent cum votis in eum veniont.

709 nuda era a piotura.

710 volvuntur in arma molares lapides de capite in ecutum cadebant

713 PaUada fidam quo illi favebat.

714 ceHantem lumina parma quia plorabat. 726 maximus OpUus armiger saus.

731 liUera inclinantia non valentia stare.

751 vtdJtiiqve occurrit utpote sandus.

758 plus exigit uUrix plus compulit faoere.

766 purgavit lumina limpha quod se pnrgaverit nimpba cum lampade.

IX 216 Useris umbram corpus inhumatum.

299 Stridafit Tideus quia tos eritis in humana(!). 305 cum fluctivago Egyno quia nauta erat. 461 impingit Orina(\) nautis Stella tempestuota. 748 facies rubet igne veneni quia intoxicata erat.

X 5 Panditur campus illis recedentibus. 40 frontem frontem castrorum Grecorum. 67 Caamee pelicis Semeies.

72 magni Fors dedit auxüii licet esset in tanta ambiguitate. 179 perempto Proodmus consang^initate vel virtute. 558 Luctusque Furorque luctus mulierum, furor virorum. 599 Sanguineos flammarum apices quod significat Creontem regnatumm. 631 digesta vetustas preteritum quia dea memorie. 647 horrentia terga suum et aprorum.

Soweit reichen die Erklärungen des Scholiaeteo, wenigstene alle späteren Scholien sind nur Glossen und fast belanglos. Uebri- gens hört die blasse Tinte des Soboliasten von b mitten im Seho- lion zu VI 315 auf und wird dann durch eine Tinte ersetzt, die noch dunkler ist als diejenige des Schreibers. Die Hand des Scholiasten scheint aber dieselbe zu bleiben, nur gegen den Sohloss hin wird sie von einer etwas grössereren und weniger gleich- massig schreibenden Hand abgelöst, die in Lib. XI and ΧΠ äusserst zahlreiche Correcturen des überaus schlecht werdenden Textes anbringt und ausgelassene Verse ergänzt.

Die Scholien sind, wie man sieht, in beiden Handechriften sehr verschieden. Manches stimmt allerdings wörtlich überein, wie die Erklärungen zu IV 722 und 762, zu VI 315. 440. 535. 551. 553. 569. 570. 642. 650. 656. 846. VH 369.531. VIII 766.

Ans Dreadener Handsohriften 421

IX 305 and 461. Diese Stellen haben meist einen reicheren In- halt, aber stets zeigen sich doch kleine Verschiedenheiten zwi* sehen α und 6, so dass kaum einer ans dem anderen abgeschrieben haben kann, sondern wohl eher eine gemeinsame Vorlage anzu- nehmen ist.

Aus dem Vergleiche mit Lactantius Placidus ergiebt sich, dass die Dresdener Schollen zuweilen ein nicht unbedeutendes Mehr aufzuweisen haben. Viele grössere Stücke sind wörtlich aus Placidus abgeschrieben sie sind hier im Druck wegge- blieben — andere Stellen sind aus Placidus excerpirt, aber es findet sich doch manches, was auf ihn nicht zurückgehen kann, wenn sein authentischer Text wirklich vorliegt. Und davon kann einiges nicht aus dem Zusammenhange ergänzt sein, sondern muss auf alter Grundlage fnssen. Die hauptsächlich hier in Betracht kommenden Stellen sind folgende: α I 66. IV 695. 836. VI 321. Vn 97. h II 599. III 429. V 524. Vfl 279. 266. 666. 667. VIII 256. 358. 656. Viele andere Stellen verrathen deutlich späten Ursprung, aber die Hauptmasse der Erklärungen fügt sich durch- aus dem von Placidus festgehaltenen Modus. Es ist daher, wie schon oben hervorgehoben wurde, nicht unmöglich , dass die Schollen des Placidus reichhaltiger gewesen sind, als sie heute vorliegen. Oder es hat noch eine andere Scholienmasse zur The- bais gegeben, welche mit Auszügen aus Placidus verbunden in den Dresdenses theilweise zur Abschrift gelangt ist.

Dresden. M. Manitius.

zu GRIECHISCHEN PROSAIKERN

I. Ein paar Yerballhornongen in der Ynlgate.

Die Güte und Zuverlässigkeit einer Hs zeigt sich häafi^* grade an fehlerhaft überlieferten Stellen: in ihr ist gewissenhaft die Vorlage wiedergegeben, wenn sie auch unverständlich ist, während in einem andern Zweige der üeberliefening das un- verständliche durch eine freie Aenderung des Abschreibers so / zureoht gestutzt ist, dass ein brauchbarer Sinn entsteht. Oft genug ist so das Richtige gefunden, aber es ist Conjectur, keine üeberlieferung, andererseits hat nicht selten der mittelalterliche Gelehrte vorbeigeschossen und erst ein neuerer Kritiker hat das Richtige getroffen. £s ist deshalb Pflicht immer wieder auf die Ueberlieferung zurückzugehen. Das ist eine allbekannte Wahr- heit, und doch wird sie hin und wieder vergessen. Dafür ein paar Beispiele.

1. An der schönen Stelle in Piatos Gorgias, wo Sokrafee schildert, wie es einem Arzt ergehen würde, der sich gegen die Anklagen eines Koches vor einem Gerichtshof von Kindern ver- theidigte, heiest es 522» f\ el €Ϊποι τήν άλήθειαν, 6τι ταύτα πάντα έγώ έττοίουν, ώ παίδες, ύγιεινώς, πόσον οϊει δν άναβοήσαι τους τοιούτους δικαστάς; Hier ist πόσον in einem Apographum richtig geändert, BT haben όπόσον, oiei hat Τ und Β von zweiter Hand, die erste hat ποΐ€Ϊ, dh. Plato schrieb πόσον τι otei δν άναβοήσαι, vgl. Dem. 23, 210 πηλίκον τί ποτ' δν στβνάΕειαν θ\ ανορες εκείνοι; wo τι erst aus Σ hinzugekommen ist. Dem Wahren war übrigens Schanz schon nahe, er wollte όπόσον tilgen und τι οϊει schreiben. ΤΙ ist häufig in TT verlesen und verschrieben worden, ich erinnere nur an Sauppes schöne Emen- dation [Lys.] 9, 16 τι V δν ίπραΕαν aus παν ?πραΕαν Χ, was der Schreiber des Laurentianus in παν δν verballhornte. Vielleicht ist durch eine ähnliche BesRerung auch Plat. Prot. 328* zu heilen πολλού γαρ ποιούμαι άκηκοίναι δ άκήκοα ΤΤρωταγόρου, wo

Zu grieohisohen Prosaikern 423

man περί oder πρό einzusetzen vorgeschlagen hat; aher sollte man nicht besser τιμώμαι schreiben? s. Grastm. 175^ πολλού τι- μώμαι τήν παρά σοι κατάκλισιν. Doch dies ist ja nur eine andre Möglichkeit, sicher scheint mir folgende Vermuthnng.

2. In Isokrates' Sendschreiben an den König Philipp heisst es § 46 ηγούμαι b* ουτιυς δν σ€ μάλιστα καταμαθεϊν, εϊτ' el- ρηνικώς είτε πολεμικώς α\ πόλεις αύται προς άλλήλας ίχουσιν, ει οιεΗέλθοιμεν μήτε παντάπασιν απλώς μήτε λίαν ακριβώς τα μέγιστα τών παρόντων αύταϊς, καΐ πρώτον μέν σκεψαίμεθα τα Λακεδαιμονίων, wie seit den Zürcheru mit Γ gelesen wird. £s wird also σκεψαίμεθα von εΐ abhängig gemacht, aber das ist unlogisch, denn der König erkennt das Verhältniss der Städte, wenn der Redner die gegenwärtige Lage in den Hauptpunkten schildert, und er beginnt diese Schilderung mit κα\ πρώτον μέν, man muss also davor stark interpungiren. Das hat auch 0. Schneider richtig erkannt und den vor Benseier üblichen Punkt wieder hergestellt. Aber was soll nun der Optativ? Ich kann ihn nicht erklären, und so ist es vor vielen 100 Jahren schon einem andern ergangen, in ΛΘ steht εκεψώμεθα (Η. Buermann, Die handschriftliche Ueberlieferung des Isokrates, Berlin 1^85, S. 19), was I. Bekker beibehalten hat, und stünde es in Γ, so würde keiner Anstoss nehmen, denn οιεΕέλθοιμεν ist zwar Plnr. maiest. und εκεψώμεθα schliesst auch Philipp mit ein, aber dieser Wechsel findet sich auch sonst, zB. folgt 8, 18 auf πειρασόμεθα ^ώάσκειν υμάς unmittelbar περί bi. τής εΙρήνης πρώτον οιαλεχθώμεν και σκεψώμεθα, τί δν έν τω παρόντι γενέσθαι βουληθεϊμεν ήμϊν, es werden also die Zuhörer eingeschlossen. Aber Γ hat εκεψαί- μεθα, und nun erwäge man, dass der Redner den König anredet und den nächsten Abschnitt *Αργείους τοίνυν ϊδοις δν (51), den folgenden άλλα μην τα περί Θηβαίους ουδέ σέ λέληθεν (53) einleitet, und ich denke, man wird mir zugeben, dass eine solche Anrede auch hier höchst wahrscheinlich ist, also schreibe man σκέψαι wie zB. § 58 u. 68. σκεψαίμεθα iHt demnach eine An- gleichnng an οίεΕ^λθοιμεν, aber die andre Ueberlieferung ist vom Richtigen weiter entfernt als Γ. Für ihn muss ich auch § 49 eintreten. liokrates schildert die traurige Lage der Lakedä- monier: sie werden bekriegt von den Nachbarn, mit Misstrauen behandelt von den Peloponne<<iern, gehasst von den meisten Griechen, άγονται bk και φέρονται και τής νυκτός καΐ τής ημέρας υπό τών οίκετών τών σφετέρων αυτών, οόοένα bk χρόνον οιαλείπουσιν ή στρατεύοντες έπί τινας ή μαχόμενοι

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προς τινας f| βοηθουντες τοις άπολλυμένοις αύτων, Γ bat aber ού^εμίαν b* ήμέραν btaXeinouatv, was ausser Ο. Schneider keiner aufgenommen bat. Wabrscbeinlicb nimmt man an, ήμέραν sei ans dem yorbergebenden ημέρας entstanden, ein grade im Ur- binas sebr bänfiges Yerseben, und bält die Uebertreibnng für za stark, aber ούδεμίαν ήμέραν ist unzweifelhaft viel bezeichnender und nachdrücklicher als ούόένα χρόνον und findet sich ganz ähn- lich 7, 82 άλλήλοις κακά παρέχοντες ού^εμίαν ήμέραν διαλεί- πομεν, nnd was die Uebertreibnng angebt, so kann man auch Archidam. 65 όρώσι τάς στάσεις, δς έπυνθάνοντο πρότερον παρ' έτέροις οδσας, νυν παρ' αύτοϊς ολίγου όεΐν καθ' έκάστην τήν ήμέραν γιγνομίνας. Da aller guten Dinge drei sind, füge ich aus dem Pbilippos noch eine Stelle an, wo es sieb um eine grammatische Kleinigkeit handelt: § 64 heisst es von Eonon τά τείχη τής πατρίδος άνώρθωσεν, vgl. 15, 319 τά τείχη τής πατρίδος κατασκαφίντα, 20, 11 κατασκάψασαι τά τείχη τής πατρίδος, Dein. 1, 37 τους όρθώσαντας τά τείχη της πόλεως, Blass brauchte also nicht mit der geringem Ueberlieferung τά τής πατρίδος zu schreiben.

3. Nicht so sicher ist mein Urtheil in folgendem Falle. Plutarch erzählt Cam. 10 die bekannte Geschichte von dem ver- rätberischen Schulmeister in Falerii, den die Kinder nackt und gefesselt zurückfuhren, τόν Κάμιλλον σωτήρα κα\ πατέρα και θεόν άνακαλουντες• ώστε μή μόνον τοις γονεΟσι τών παίδαιν άλλα καΐ τοις άλλοις πολίταις ταυθ' όρακτι θαυμά τε και πόθον έμπεσεΐν τής του Καμίλλου δικαιοσύνης. Stephanus bat θαυμά τε aus θαυμάΖειν geändert, wozu man Cat. min. 64 σαφέστατη γάρ αϊσθησις τότε παρέστη καΐ πόθος καΐ θαΟμα τής του Κά- τωνος αρετής πάσιν όμαλώς vergleichen kann, aber τε και er- regte mir einst (Rhein. Mus. XXXIII 584) mit Recht Bedenkeo, nur war es damals noch nicht bekannt, dass die beste ueberliefe- rung für diese Vita, die Seitenstetter Hs, aus der sebr viele Stellen zu bessern sind, ταύτα ορθώς θαυμοΐσαι bietet; vgl. Wolfg. Meyer, de codice Plutarcheo Seitenstettensi, Leipzig 1895, S. 69; ich vermuthe, das daraus ταυτ' ορθώς θαυμάσασι πό- θον έμπεσεΐν herzustellen ist.

4. Der Seitenstettensis verhilft uns zu einer Variante, die W. Meyer nicht bemerkt hat. Gamillus ist wegen Unterscbleifs angeklagt, das Volk war gereizt und zeigte offen, dass es ihn verurtheilen werde, da versammelte er seine Freunde und die mit ihm gedient [und kommandirt] hatten, nicht wenige an der

Zu griechischen Prosaikern 425

Zahl, τους τε φίλους και τους συστρατευσαμένους [και τους συνάρ^αντας om. S] ουκ όλιγοΟς τό πλήθος δντας (c. 12) aber ζα φίλους hat S (wie öfter, besonders im Pomp, und im Crassus) eine Randbemerkung, nämlich von erster Uand (wie ich aus Autopsie weiss) γρ πελταστάς, dh. klärlich πελάτας, womit Liv. V 32, 8 zu vergleichen ist: cum accitis domnm tribulibus et clientibuSj quae magna pars plebis erat. In den Text wird πελάτας nicht aufzunehmen sein, gleich im folg. ist wieder von den Freunden die Bede, aber Beachtung verdient es sicherlich. Uebrigens liest man πελάται nicht mit ' Becht bei Sintenis Grass. 27 : als die Parther angreifen o\ μέν οΐκέται και πελάται πλάγιοι περιε- λαυνοντες έτόίευον, nach Pseudo-Appian, während die Plu- tarchhss, auch die Seitenstetter, o\ μέν Ιππόταΐ πλάγιοι haben; das Wort ist sonst nicht eben häufig, darf aber grade deswegen nicht angetastet werden, es ist aber auch viel anschaulicher und klarer als o\ οΐκέται και πελάται, denn um dies richtig zu ver- stehen, muss man sich erst erinnern, dass die Beiterei aus πελάται τε και όουλοι bestand, c. 21. ßeiläufig: Ages. 6 beseitigt der Seiten stetten sie eine Interpolation : άκού(Ταντες ουν, heisst es bei Sintenis, ol Βοιιυτάρχαι προς όργήν κινηθίντες ίπεμψαν ύπη- ρ<έτας άπαγορεύοντες τψ Άγησιλάψ μή θύειν παρά τους νόμους και τα πάτρια τα (so S) Βοιωτών, in S fehlt κινηθέντες, das hinzugesetzt wurde, weil man den adverbialen Gebrauch von προς όργήν verkannte, vgl. Alex. 71 πολλά μέν έλοιδόρησεν αυτούς προς όργήν, wie schon Soph. El. 369 μηδέν προς όργήν.

Π. ΕΘΗΚΑΝ und ΕΔΩΚΑΝ bei den Bednern.

Bei den Bednern ist es nicht ungewöhnlich, dass sie einen Gedanken allgemein beginnen, ihn aber nicht regelrecht zu Ende führen, sondern sich dem grade vorliegenden Falle zuwenden, der ihre Gedanken ganz erfdllt, zB. Lys. 31, 32 εΐ μήτηρ, ή πέφυκε και αδικούμενη υπό τών εαυτής παίδων μάλιστα άνέχε- σθαι . . . ένόμιΖε τούτον κδν άπό τεθνεώσης φέρειν εαυτής. Das hat man mehrfach nicht beachtet und die leichte Incongruenz durch Aenderungen beseitigen wollen, wie Lys. 19, 33 πώς &v εΤεν άνθρωποι όθλιώτεροι ή εΐ τά σψέτερ* αυτών άπολωλεκότες δοκοΐεν τά κείνων ίχειν; wo Frohberger εΤμεν, Hertlein τά ήμέτερ* αυτών und Bauchenstein δοκοΐμεν änderte, oder Isai. 6, 53 πώς άν τις περιφανίστερον έίελεγχθείη τά ψευδή με- μαρτυρηκώς ή ει τις αυτόν f ροιτο "Ανδρόκλεις, ττώς οίσθα Φι- λοκτήμον' ότι οίίτε διέθετο οοτε υΐόν Χαιρίστρατον έποιήσατο* ;

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wo Scheibe das erste τις tilgte. Etwas Aehnlichee liegt m. £r. auch an einer Stelle des Andokides vor. Er vertheidigt eich in der Friedensrede § 33 f. gegen den Einwand der Friedensfreunde, die den Gesandten vorwerfen, es sei unrecht, dass sie nieht knft ihrer unbeschränkten Vollmacht den Frieden abgeeelilossen hätten, denn dem Athenischen Volk könne man nur heimlich oder durch lUnschung helfen. Der Feldherr, sagt er dagegen, darf eich im Krieg der Heimlichkeit und Täuschung gegen den grossen Haufen bedienen, Gesandte aber, die über einen Frieden für Griechenland verhandeln, dürfen das nicht, sonderir es ist eher zu loben als zu tadeln, wenn sie mit unbedingter Vollmacht ausgesandt euch trotzdem die Möglichkeit erneuter Erwägung verschafiPen el- ρήνης bk πέρι πρεσβεύοντας κοινής τοις Έλλησιν, έφ' οϊς δρ- κοι τ€ όμοσθήσονται στήλαί τε σταθήσονται γεγραμμίναι, ταύτα bt ούτε λαθεϊν οοτε έΗαπατήσαι δεϊν, άλλα πολύ μάλλον έπαι- νεϊν ή ψέγειν, εΙ πεμφθέντες αυτοκράτορες (τι aild. Α, om. Q, dem Lipsius mit Recht folgt) όποοώσουσιν ύμΐν περί αυτών (Τκέψασθαί. Das ist denk ich ganz unanstössig, aber bei dem Redner lesen wir anders, άπο5ώ(Τομεν, dh. er hat den allgemeinen Gedanken verlassen und sich dem eignen Fall zugewandt, wozu nun allerdings streng genommen das Tempus nicht mehr passt. Blass hat deshalb άπεοώκαμεν geändert und damit eine unstatt- hafte Form in den Text gesetzt.

Die Stellen, an denen der Plural von ίθηκα und ^buiKa bei (ien Rednern vorkommt, hat E. R. Schulze, quaestiunculae gram- maticae ad oratores Atticos spectantes (Progr. des Gymn. zu Bautzen 1889J p. 22 ff. gesammelt, es fehlt nur κατέθεσαν [Dem.] 59, 30, iboeav Dem. 15, 29. 18, 195, hinzugekommen ist seit- dem έθεσαν Hyper. g. Athenog. 21, μετέόοτε ebenda 31; bei έθηκαν ist Aisch. 1, 13 zu streichen, dort ist mit dpg ίθεντο zu schreiben, [Dem.] 13, 28 ist παρέοωκαν besser bezeugt. Zählt man einfach zusammen, so ergiebt sich 3 mal ίθεμεν 1 mal έπε- θήκαμεν, 1 ίθετε 1 άνεθήκατε, 2 1 ίθεσαν ανέθεσαν usw. 1 2 ίθη- καν άνέθηκαν usw., 8 έοομεν u. Comp. 6 έόώκαμεν u. Comp., 31 έοοτε usw. 12 έοώκατε, 80 ibooav 17 έδωκαν, aber diese statistische üebersicht giebt kein klares Bild. Stutzig wird man sofort, wenn man sieht, dass von den 49 Formen des 1. Aor. 42 auf Demosthenes und die unter seinem Namen gehenden Beden entfallen, und sieht man des näheren zu, so findet man, dass in den ältesten Reden (27 81) auf 16 Formen ohne κ nur 1 παρβοώκατε kommt (28, 8), während in der Leptinea 3 δ>ομ€ν und β)θτ€

Zu grieohischen Prosaikern 427

6 έοώκαμεν nad έοώκατε gegenüberstehen, dh. Demosthenes meidet inzwischeii di• Hänfang mehr als 2 Kürzen und gebranoht deshalb lieber di« l^ormen mit κ, deren Ge- brauch im Anfang des 4. Jahrhanderte ia der officiellen Sprache aufkommt, sie erscheinen auf den Inschriften seit 885, •. Meister- hans, Grammatik d. att. Inschriften 74, 3. So erklärt sich (Τυμ- φέροντας ίθηκαν νόμουο 24, 211, οιίθηκαν 19, 88. 20, 109. 54, 8, κατέθηκαν 24, 16, προσεθηκαν 23, 202 (bis), έοώκαμεν 20, 139, μετεδώκαμεν 23, 65, έόώκατε 2η, 84. 85. 86. 97. 120. 21, 56. 57, 6, άπεόώκατε 21, 11, παρεοώκατε 51, 8, έδωκαν 19, 190. 20, 70, έν&ωκαν 19, 76, μετέδιυκαν prooem. 53, 4, παρέ- οιυκαν 19, 94. 36, 14. 44, und auch im Epitaphios έπέθηκαν 11 und παρέδωκαν 4, wie in der Rede von der Anordnung (XIII) άπεόώκαμεν 3, ίοιυκαν 23. 24. παρέοιυκαν 28. 34 dagegen προυοοσαν 8,40. 0,56. 19, 96. Was übrig bleibt, ist wenig: παρεοώκατε 28, 8, προυδιυκαν 20, 53, ούοένα προύοώκατε πώ- ποτε τών φίλων 23, 112, άλλα πολιτείαν &ωκαν μόνον 23, 200. Vielleicht sind an den beiden letzten Stellen rhythmische Erwä- gungen massgebend gewesen, wie auch bei Hyper. f. Euxenipp § 9 ανεβήκατε und Epit. § 19 στ^φανον τή πατρΛι [περι]έθη- καν (beidemal in der Klausel), der aber auch ί^ιυκαν hat Epit. § 16. Man darf aber auch nicht ausser Acht lassen, dass die Rede 322 gehalten ist. In den unter Demosthenes Namen gehen- den Reden steht 47, 2 έττέθηκαν, 59, 96 κατέθηκαν 97 άνέθηκαν, 34, 28 έπεθήκαμεν und dem entsprechend 88. c^9 έπε^ώκαμεν. Bei den altern Rednern findet sich von τιθέναι gar keine Form mit κ, έοώκατε bat Ant. 5, 77, άπέοωκαν Lys. 19, 7 (a. 387), άπεδώκαμεν Isai. 5, 28 (um 390), παρέδωκαν Is. 12, 106. Während Schulze aaO. 26 die Form bei Antiphon mit Recht an- gefochten hat, lasst er sie an den 3 andern Stellen gelten, weil die Reden ins 4. Jabrli. gehören, und auch ich habe früher ge- glaubt, Lysias habe άπέοιυκαν absichtlich gebraucht, um den dem Markt und den Gerichten fremden Sprecher durch eine alterthtim- lich-poetische Form zu charakterisiren, habe aber wohl den Werth der üeberlieferung zu hoch geschätzt (2, 64 hat der Palatinns μετέοιυκαν, die von ihm unabhängige andre üeberlieferung μετέ- bcKXav, fr. 75, 6 άπέοιυσαν Μ) und billige jetzt Thalheims Aen- derung. Isai. 5, 28 ϊσιυς έρεϊ, ώς όμολογήσαντες αύτφ άπο- δύκτειν τα άνηλιυμένα ουκ άπεοώκαμεν ist aus grammatischen Gründen Buermanns άποοε^ώκαμεν nöthig, vgl. zB. [Dem.] 34, 12 ώμολόγει άποδώσειν 14 έμοι γαρ άπο^έοωκε τό χρυσίον

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U8W. So bleibt nur παρέ^ωκαν bei le. Panatben. 106, in dem ftoaav 67. 171, άπ€Οοσαν 104, μετέοοσαν 94, παρέόοσαν 52. 126 stebt, icb kann deshalb an die Ricbtigkeit der Ueberliefe- rang nicht recht glauben, der Zufall bat es allerdings eigen- tbümlich gefügt, daes sich die Form grade in der jüngsten Rede findet, die aus einer Zeit stammt, wo die Formen mit κ schon häufiger sind.

Die Untersuchung lebrt also, dass die Formen mit κ sich öfter erst bei Demostbenes von 355 an finden, lediglich infolge des Bestrebens 3 Kürzen hintereinander zu meiden^, nebenbei denk ich zeigt sie, dass unsere Demostbenesüberlieferung nicht schlecht ist.

lil. Zu Philodems rbetorischen Schriften.

Philodems rhetorische Schriften verdanken ihre Auferstehung Siegfried Sudhaus. Mit hingebendem und entsagungsvollem Fleisse hat er scharfsinnig und gelehrt eine Ausgabe geliefert, die allgemeine Anerkennung gefunden hat und stets von Neuem die Bewunderung des aufmerksamen Benutzers erregen moss. Bei ihrem Erscheinen konnte man erwarten, es werde sieb die Aufmerksamkeit der Philologen dem jetzt erst zugängliob ge- machten Schriftsteller in reichem Masse zuwenden, aber die Zeit* umstände waren nicht günstig: gleichzeitig wurden ans Aegypteoe Sande Schätze hervorgezogen, die naturgemäss mehr das Interesse auf sieb lenkten, als die rhetorischen Ueberreste, deren Lektüre infolge ihrer Zertrümmerung nocb weniger angenebm ist, und so sind nur wenige Beiträge zur Herstellung erschienen. Vielleicht hält auch mancher seine Ergänzungen und Vermuthungen am Rande seines Exemplars verborgen. Wenn ich es meinerseits wage, ein paar anspruchslose Bemerkungen hier zu veröffent- lichen, so ermuthigt mich dazu das Lob, das S. Sudbaus einigen Vermuthungen gezollt hat, die ich ibm gelegentlich mittheilte.

1 Darauf muss man bei Dem. stets aufs sorgfältigste achten, Schulze aaO. p. 29 bei Besprechung der uncontrahirten Formen μ€(Ζονα usw. verabsäumt es und will das fehlerhafte ßcXiiova 24, 29 οΟτ€ xcfpova οϋτ€ β€λτ(ω νόμον aus Aks einsetzen. Beiläufig: Dem. 5, 7 el γάρ bf Διονύσου τραγψδούς έθ€άσασθ€, άλλα μή π€ρΙ σωτηρ(ας καΐ κοινιΰν πραγ- μάτων ήν 6 λόγος sind mir die beiden letsten Wörter seit langem ver- dächtig, nicht wegen der Kürzen, sondern weil die Redensart ^ση π€ρ( τίνος 'es handelt sich um* auch sonst verkannt ist, so war Lys. 12, 7 1 ού π€ρΙ πολιτείας ύμΐν £σται άλλα περί συιτηρ(ας ebenso ό λόγος in- terpolirt.

griechisoben Prosaikem 429

1. Nil sine magno vita labore dedit mortalibue, aucb die Beredsamkeit nicbt; znm Beweis kann man Themistokles an- führen (Π 205)

τόν νυκτε του στρατηγού π€ρι[πα-

τοΟντα καΐ καθ€ύδ[€ΐν ου- κ έώμενον υπό του [Μιλ- τιάοου τροπαίου.

Sudhaas ergänzt νυκτερεύοντος του στρατηγού, mir unverständ- lich, was der Sinn verlangt ist klar, tioctu ambtUabat in pitblico Themütocles sagt Cic. Tasc. IV 19, 44, also νύκτωρ πρό του στρατηγίου, eine Yermuthang, die übrigens nach Sudhaus' freund- licher Mittheilung der Papyrus in erwünschter Weise bestätigt, er hat οτρατηγίου, wie die Photographie der Oxf. Abschrift aus- weist. — Gleich darauf ist τόν öia τό καλώς πολιτεύεσθαι nach ρ. 301 fr. VI wahrscheinlicher.

Von Themistokles ist auch II 188 fr. III die Rede, wie schon V. Wilamowitz Herrn. XXXIV 636 gesehen hat. Es handelt sich in diesen leider sehr zerstörten Stücken um die Aufgaben des Staatsmanns, also wohl fr. III [πολι]τικοΟ, (έπίστασθαι) πάλιν έκ μικρας ποιήσαι μέγαληv(fr. IV 10) rühmte Themistokles von sich, Plut. Them. 2, Kim. 9. Er wird mit Sardanapalos verglichen, dessen Spuren Sudhaus mit glänzendem Scharfsinn auch fr. U gefunden hat in ΚΑΙΔΑΙΙΑΤΤ, eine Vermuthung, die durch das folgende ή]μέραΐ μίαι gesichert wird, es hiess bekanntlich von Sardanapal auf dem Denkmal bei Anchiale in Eilikien, er habe Anchiale und Tarsos an einem Tage gebaut, Arr. Anab. Π 5, 4 aus Aristobul, vgl. Strab. XIV 672, Athen. XII 530^

2. So viel im einzelnen in der Liste der grossen Staats- männer und Redner Π 212 f. unsicher bleibt, so stehen doch die Namen anfangs fest: Peisistratos, Eleisthenes, Themistokles, Perikles und dann nach dem Mann ό τήν έν ΤΤλαταια[ις μάχην βρα]βεύσας Eimon. Wer war aber jener? nach Sudhaus Pausa- niae, aber wo wird je von dessen Beredsamkeit gesprochen? Ich glaube es kann nur Αριστείδης dagestanden haben; Aristeidee findet sich Π 201 fr. XV ^ und in einer ähnlichen Aufzählung

^ Ob dort am Schluss 'Αντιφώντα zu ergänzen ist, scheint mir firaglich, Antiphon gilt Philodem scheint es weniger als Redner denn als Verfasser einer τέχνη I 1 87, wo Sudhane vorher aus den Bachstaben . . Ol . υρουκκ . αι, die 0 hat, ZunrOpou καΐ gemacht hat, ich glaube

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bei Dio ChryR. im Anfang der 22 Rede, nicht jedoch bei Cic. de oral. III 137 ff. Aaf Eimon folgt dann nach Sndhans Άλ]- κι[βιάδης ό τών Λακ€δ]αι[μονί]ιυ[ν και πάντιυν] ΤΤ€λο[π]ονν[η- σίυυν κρατήσ]ας ανα . . ., aber dieee Ergänzung ist sachlich höchst anfechtbar und bedenklich, zumal die Lücke nicht ganz ausgefüllt wird. Ich möchte mit aller Vorsicht zur Erwägung stellen, ob nicht von Epameinondas die Rede war, der bei Dio wie bei Cicero steht. Auffallend ist es, dass Solon nicht genannt wird, der sonst nirgends fehlt und von Philodem II 201 erwähnt wird, vgl. auch Cic. Brut. 7, 27. Das älteste Verzeichniss derart (a. 358) steht Iso kr. 15, 231 ff.: Solon, Kleisthenes, Themistokles, Perikles, ein paar Jahre später nennt Dem. 3 Ol. 21 Arieteides, Nikias, Demosthenes, Perikles; später wird mit Eimon und The- mistokles des ersten Vater Miltiades zusammengekoppelt, Doxo* patr. VI 24 W. = Max. Plan. V 214, was wahrscheinlich auf Plat. Gorg. 516*^ zurückgeht. Mit Sicherheit ergänzen läset sich bei Philodem der letzte der Reihe, nämlich Τιμόθ€θ€, wobe^ es dahingestellt bleiben muss, ob es ό μαθη]τή€ oder dKOUC]Tf|C Ίσοκράτουο hiess.

Tiraotheos wird auch Π 178 1 b erwähnt [*Ισοκράτης πάρα] του Κυπρ{[ου τάλαντα fJXaßev €Ϊκ[οσι και πα]ρά Τιμοθέ[ου του Κό]νιυνοο ού[το€ £λαβ€ν αλ]λα δέκα, doch ist es fraglich, ob die Ergänzung ganz richtig ist. Von einem so reichen Geschenk des Timotheos wissen wir sonst nichts, nach Pseudo-Plut. 837® gab er Isokrates aus der samischen Beute ein Talent. Es handelt sich bei Philodem um den finanziellen Ertrag der Beredsamkeit, von De- mosthenes wurde wohl Aelinliches berichtet wie bei Plut. Dem. 20, Pseudo-Plut. 847^, es hiess natürlich βασιλέα τόν [μέτα]ν, vgl. II 172, 13. Hier könnte das folgende τηο vielleicht Έφΐάλτηο zu ergänzen sein, vgl. Pseudo-Plut. aaO.

3. Manchmal lässt sich nicht verkennen, dass falsch ist, was Sudh. im Text hat, aber eine sichere Besserung zu finden will nicht gelingen. So ist zB. in der Anekdote I 333 unten das Impf.

C8 steckt eher Θεοδώρου darin, den Dionys an Amm. c. 2 p. 722 mit Tlirasymachos und Antiphon zusammen nennt, und II 111, wo er mit Korax zueammengestellt ist Es kann neben KalliBtratos (II 148 Καλ- λιστράτου δέ τής [μέν] πολυπραγμοσύνης [ούδέπ]οτ' [έκλ]υσαμένου ver-

stehe ich nicht, etwa ουδέποτε παυσαμένου?) Aiistophon genannt ge- wesen sein, den Sudhaus II 219 aufgespürt hat. Dahinter vermuthet V. Wilamowitz aaO. ί>37 Κέφαλος, die allerdings unsichern Spuren . ν . . υλθ€ weis• eher auf ΕΟβουλθ€ hin.

Ztt grriechischen Prosaikerü 431

^tt€X€(p€ic einnlos, der Zneammenhanf? verlangt dae Fut. (was willst du thun?) oder das Praes. (was hast du vor?), ob aber έτΓίχβιρεϊς wie 13 zu lesen ist, oder ob ein anderes Wort in ΕΠΕΛΕΙΡΕΚ (G, denn Κ = IC) oder ΕΠΕΛ . . EIC (N) steckt, das ist schwer zu sagen. Am Schluss ei wartet man eher έπΐ€τ]ά• μενοι. Oder Π 151, 20: die Hedner, so dem Volk nicht zu Willen sind, werden TeuSjeaOai 2[ημ[ιών καΐ 5ιαιττ]ώσειυν καΐ [ταπ€ΐνώσ€ΐυ]ν καΐ στρ€βλ[ών καΐ τ€λ]€υτών, wo mir κακώσειυν oder άτιμώσειυν und δημεύσεων oder φυγαδειών vorzuziehen scheint.

4. unsicher wie Conjecturen sind natürlich alle Ergänzungen, die einen Eingriff in die Ueberlieferung bedingen, sie können durch eine neue Vergleichung sofort über den Haufen geworfen werden, aber bei der Unsicherheit der Ueberlieferung muss man öfter schon etwas wagen, zB. II 94, 4 = 130 εΐ ö' ΑΙσχίνηο έχθρόο ών μετ' δλλων πλειόνων κα\ λέΕεωο .... ιαετονοιαν

όνεΐ5ι2Ιει, während 130, 11 θα .. αφ . οποίαν gelesen ^ird. Sud- haus schreibt θαυμα(Τιουρτίαν, der Ueberlieferung liegt θαυμα- τοποιίαν näher; angespielt wird auf Aisch. 3, 167 ταύτα bi. τ( έστιν, ώ κίνα^ος; βήματα ή θαύματα; Auch 1 197 liegt ein Aischinescitat* vor, ού μην άλλα και τούτψ (Demosthenes) φιυνήν όΕεΐαν ΑΙσχίνης όνεώίΖει geht auf 2, 157 έντεινάμενος ταύτην τήν όξεΐαν και άνόσιον φιυνήν, das folgende ποτέ hi και μακράν^ wohl auf 2, 106 dvaßoqi παμμέγεθες Δημοσθένης. Aisohines bietet übrigens eine erfreuliche Bestätigung einer Ergänzung von Sudhaus: Π 189 fr. I τόν πατίρ[α τύπτιυν] ή μή τρέφ(υ[ν ή μή πα]ρέχιυν οίκη(Τ[ιν, das ist ein Gesetzespassue, s. Aisch. 1, 28 'δοκιμασία' φησί '^^ητόρων έάν τις λέγη έν τψ οήμψ τόν πατέρα τύπτων ή τήν μητέρα ή μή τρέφιυν ή μή παρέχων οίκησιν'. Das bei Philodem sich anschliessende Wort über Perikles ist leider verloren gegangen, ΙΙΡΕΙΛ ist wohl

Ιέρεια. II 114, 19 in der Aufzählung der Verbrecher scheint

1 Zu 3, 158 hätte Blass Philod. I 358 anführen sollen δτι Δη- μοσθένην ούχ ώc τους περιτρέψαντας τύϋν πορθμέιυν έκώλυ[ον] . πευθύ- νειν άνατετραφότα τήν 'Ελλάδα, leider grade an der wichtigsten Stelle (έπευθύνειν oder άπευθύνειν?) lückenkaft; περιτρέψαντας ist wohl freies Citat.

^ Wenn II 203, 29 με nicht ganz sicher sein sollte, so ist es geraten das übliche ού μακροΟ δεΐ λόγου herzustellen, μέ'χα€ \6yoc ist unser *gn»8ses Wort*.

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ΛΕΙΤΤΟΙΑ aaf Xumoburac hinzuführen, die auch II 144, 12 er- wähnt werden.

5. Trotz eines EingrifiPe in die üeherlieferung ist die Her- stellung zweifellos I 126. Aufgezählt werden die Theile der Rede

πρ]οοιμιου κα[ι ο]ι[ητήσ€ΐυ]ς καΐ πίστεων καΐ πε ωτ [. καΐ]

συγκβφαλαιώσειυς, zu lesen ist καΐ [ύ]π€[Ηαιρέσ€]ακ *, vgl. Ι 202, 1 8 προοιμίων καΐ διηγήσεων καΐ πίστεων και υπεξαιρέσεων και επιλόγων.

Was Ι 369 der Sinn verlangt, ist klar, üeberliefert ist

be πιστ

οεων τάς μέν άτίχνου€

κοινός απάντων ύπάρ-

χειν, των b* έντεχνων κτλ., also των bk πίστεων, aber die überlieferten Buchstahen fügen sieb nicht ohne Grewaltsamkeit, und doch wird man den terminue tech- nicns einzuführen haben, den Philodem 1 126. 202. 372 braucht, denn πιστώσεων hat m. W. keiner je dafür gesagt und τής bi πιστώσεως, wie Theodoroe von Byzanz den 3. Theil der Rede nannte, Plat. Phaidr. 266^ ist im Zusammenhang unmöglich. Dass gleich darauf Z. 13 Ιατρού^ zu schreiben ist, hat Gomperz (s. Π praef. XXVI) schon bemerkt, vgl. 373, 3 τό εΙκός Ιατρόο οΤοε, wo Sudhaus den Artikel nicht einzusetzen brauchte, auch 383, 7 ist oub' δν σοφόο überliefert.

I 167 col. VII [τινές ο]έ γράφοντες και τοις άι ς

καταποικίλλουσι τον λόγον, ενίοτε bk άφ' έτερων γε πραγμά- των μεταψε ... ν τάς ονομασίας ist wohl άντιθέτοις und μετα- φέρουσιν zu ergänzen. Zu der ganzen Stelle kann man Dion. de Demosth. 966 vergleichen. Ob Π 95, 11 τά τε αντίθετα oder επί- θετα zu schreihen ist, wird sich vielleicht entscheiden lassen, wenn es daselbst gelingt das rätselhafte αϊ έπίφεσ zu lösen.

6. I 383 col. CX erhält durch die Nachvergleichung des Papyrus praef. XXIII) ein ganz andres Aussehen, obwohl vieles recht unsicher bleibt, aber wenn Z. 5 Sudhaus ούόέ μιμοΐντο

^ περάτωσις, das Usener im Ind. s. προοίμιον vorschlägt, ist mir unbekannt. Constant sind die Namen προοίμιον διήγησις and επίλογος, die Benennungen der anderen Theile wechseln häufig, 8. Syrian II 12 R• Rhet. VII G3 W (vgl. V 360) ist natürlich zu lesen άντίθεσις λύσις, ai λ€γόμ€ναι πίστεις, 64 πίστεις, ήγουν άντίθεσις καΐ λύσις τών άντικειμένυιν.

^ Dagegen ist II 220, 30 γυναίκας προς Αν&ρα[ς σ]τασια2Ιούσας zu lesen, vgl. 221, 23, wo Ζ. 21 cυμυcε in Ν auf συλλΟσαι führt, s. 220, 26. 222, 30.

2u griechischen t^rosaikern 4S3

τους οραπέτας lient, ro paRst dieR nicht in das Satzgefüge, die Buchetaben cibe weisen vielmehr auf €i bk hin. Ob Z. 6 in άποκα-

λο . αιτα etwa αποκαλούμενους steckt ? 7 α . λα τιναποοσι . θεν-

των scheint άλλα τίνα προστιθεντιυν zu sein, 384, 11 ένκαλοΰσί τίνες, 382, 13 wird Sudhaus' Flerstellung durch den Neapolitanus nicht bestätigt, er hat ποτενεγ | τα~, was wohl ποτ' ένεγκόνταο beiRsen wird. Aber wo der Znsammenhang unklar ist, ist jede Vermuthung mehr ein lusus ingenii, ich gebe nur ein paar Proben, die vielleicht hier und da weiter helfen: I 124 oben προοιμίων διηγήσεων? Ι 277 fr. XIX άκριβεσ]τέραν σκεψιν? Π 8, 4 ά]κα- [ρή]ά[νελ]οιεν; πώς b' δν άνα[ιρ]οϊεν? vgl. Π 28, 3, II 27, 2

λυμαίν[ε]σθα|ι] ? U 29 col. XXXIV 6 ύ]τ[ι]€ΐν[ο]τέρου ? Π 91 fr.

XIX δ τοιούτω συ[λλοτισμω?

7. II 67 fr. 3 heisst es ε[1 bi καί τ]ινε€ ίφησαν περι[τί- νεσθαι] το λέγειν και ταίϊ]ς ά[σκήσεσιν], das ist doch nichts anderes als das sprichΛvörtliche έκ του λέγειν τό λέγειν πορίίε- ται oder τό λαλεϊν έκ του λαλεϊν (Syrian li 4 R), wie aus dem folgenden hervorgeht άλλ' ol πλείστοι π[αρεστρέφον?1το και

τό λέγειν και κακώς έκ του λέγειν ίφασαν [περιγί]νε-

σθαι, Sudhaus' Ergänzung σπανίως scheint mir nicht angemessen, man erwartet 'fehlerhaft' Verkehrt^ φαύλως oder πλημμελώς. Damit haben wir das griechische Wort, das Cio. de orat. I 150 anführt: fallit eos quod audierunt dicendo homines ut dicant efficere solere ; vere enim etiam illud dicitur perverse dicere ho- mines perverse dicendo facillime consequi. üebrigens findet sich der aus Cic. de orat. I 62^ bekannte Architekt Philo auch bei

^ Die Erklärer der Bücher de oratore könnten etwas mehr aus den Griechen zur Erläuterung beibringen, zB. heisst es bei Sorof zu I 83 atque ipsam eloquentiam, quod ex bene dicendi scientia oonstaret 'nach stoischer Moral beruht die Tugend auf dem Wissen , warum aber fehlt die Definition der Rhetorik επιστήμη τοΟ €Ö λέγειν? So oft ich übrigens die Cicerostelle lese, nehme ich an atque Anstoss und ver- misse eine begründende Partikel, denn es beginnt der Beweis des stoi- echen Satzes oratorem nisi qui sapiens esset esse neminem» es scheint mir also nötig namque zu schreiben. Zu I 91 quasi dedita opera ne- minem scriptorem artis ne mediocriter quidem disertum füisse sollte auf Plato verwiesen werden, der gegen die Fechtmeister dasselbe Ar- gument vorbringt, Lach. 183o ιΰσπερ επίτηδες ούδεΙς πώποτ* €Οδόκιμος γέγονεν έν τφ πολέμψ άνήρ τΦν τά όπλιτικά έπιτηδευσάντων, ζπ 1 220 quid esset iracundia, fervoroe mentis an cupiditas poeniendi doloris auf Ar ist. rhet. II 1878* 31 οργή ορε^ις μετά λύπης τιμωρίας, eine Stelle,

Hboin. Mue. f. Philol. N. F. L\U, 28

434 Fuhr

Philod. 1 192, 1 ώς και Φίλωνα τόν αρχιτέκτονα π€ρΙ τής σκ€υο• θήκης ούτος αυτός €ΐσήγατ€ν οημηγοροΟντα. Wir wiesen leider nicht, wer der ούτος αυτός war, ob vielleicht Demetrioe von Phaleron ? er hatte Philo erwähnt (I 346, 1) nnd wird von Phi- lodem in diesem Abschnitt öfter angeführt, gleich ein paar Seiten darauf (197, 25) heisst es παρά bi τψ Φαληρεΐ λέγεται, sein Name muss also vorhergegangen sein, wie Philodero sonst citirt ό Δημήτριος ό Φαληρεύς έν τψ περί τής Ρητορικής oder έν τοις περί της Ρητορικής συνγράμμασι (1 272, 4). Im Index β. Δημήτριος hätte Sudhans ζα περί των Ισοκράτους Ι 198, 11 περιόδων hinzufügen sollen.

8. Π 6, 7 ου γαρ biopiZei λέγων 'θελήσω & καΐ ύμΐν συμφέρει, περί ών δη καΐ πείθειν πως ίστιν' έπει μέτριον δν ήν, εΐ και ψευδός, άλλ' άπλως λέγειν 'πείθει, δτι ποτ' δν βουληθή τους άκούοντας* kann ich nur verstehen, wenn ich άλλ' απλώς λέγει ändere, vgl. II 17, G ου τοιοΟτο ö' έστιν τό επάγγελμα, άλλ' ώς απλώς, περί ου ποτ' δν έθέλωσιν αυ- τοί, πείσειν.

9. Wenig glücklich hat Sudhaus die 2 Stellen hehandelt, in denen ein Wort des Demosthenes üher Phokion steht, II 102 καΐ γαρ [λέγ]εΓ 'τών έμών λόγων und 11 202, 25 δν ?φη Δη- μοσθένης σφ τών έαυτοΟ λόγων. Den Gedanken hat

inzwischen schon ν. Wilamowitz aaO. 637 richtig gestellt und unter Vergleichnng von Plut. Dem. 10, Phok. 5 σςκχγίόα ergänzt. Ich hatte mir ausserdem Stoh. 87, 34 άρχεται είπεν ή τών έμών

die Pohlenz de Posidonii lihris U€pi παθών (Fleckeis. Jahrb. Soppl. XXIV) p. 585 vor einer Conjectur bewahrt hätte, vgl. auch Hör. ep. I 2, (i9 qui non moderabitur irae, infectum volet esse, dolor quod suaserit et mens, dum poenas odio per viro festinat inulto. 1 209 sagt Antonius: id faciam quod in priucipio fieri in omnibus die- putationil)U8 oportere censeo, ut quid illud sit de quo disputetur, ex- planetur, wie ähnlich Cicero an andern Stellen. Darüber wird er von Prantl, Geschichte der Logik I 515 hart angelassen, er spreche *die ab- geschmackte, echulmässige Behauptung* aus, aber warum denn den guten Cicero wegen etwas schelten, was auf seine griechiscben Quellen zu- rückgeht? heisst es doch auch hei Plat. Phaidr. 237b π€ρΙ παντός μ(α αρχή τοις μέλλουσι καλώς βουλεύεσθαι * €ΐδέναι b£\ π€ρΙ οΟ Αν ij ή βουλή κτλ Ι 58 de iure civinm generatiin in ordines aetatesque discripto erklärt sich am besten aus Aisch. 1, 7 πρύϋτον μέν περί τής συκρροσύ• νης τών παίδων τών ήμετέρατν ^νομοθέτησαν, καΐ διαρρήδην άπέδει&ιν, £t χρή τόν παΐδα τόν έλ€ύθ€ρον έπιτηδεύβιν, £π€ΐτα δεύτερον wcpl τών μ€ΐρακ(ων, τρίτον δ' έφβξής π€ρΙ τών άλλων ηλικιών.

gnriechiechen Prosaikern 435

λόγιυν σφΟρα κα\ κοπίς notirt und yermnthet, daee II 202 σφΟ- ραν εΤναι ζα lesen sei, worauf auch II 102 die Spuren φ€λυ . α zu führen soheinen.

10. 11 141, 31 καΐ ταυθ' ώς ου κατ€[ψ€υσ]μίν' ήμ€ΐς, άλλ' ώσττερ ίχβι λέτο[μ€ν, 6 βίος] μ€μαρτύρη[κ€ν ήμϊν] και 6

πάντ' i Χρονος ergänzt SudhauB έμφανίΖων, aher Solon

κατά τών ψευόομένιυν τόν χρόνον ένόμισε σαφίστατον ίλβγχον βίναι Dem. 36, 27, τψ χρόνψ, δν ύμεϊς σαφέίΤτατον ίλεγχον του αληθούς νομίσατε Lye. 19, 61, ö τ' έΕελέγχων μόνος άλάθειαν έτήτυμον χρόνος Find. ΟΙ. Χ 53, also έλεγχων oder έΗελέγχων.

11. Einmal ist es mir glaub ich gelungen ein Bruchstück einzuordnen, Q 278 fr. XX a. Da b col. V a. £. entspricht, muss man a etwa col. IV a. E. oder V a. A. suchen, und es finden sich in der That einige Spuren, die uns berechtigen, das Fr. dort einzusetzen col. IV 32 τήν πολιτικήν = την το, zu col. V 8 βίβλψ wird bk τή gehören, 9 λον Δημάοην = αλλαδην, 1 1 θέλοντας = θέλον. Allerdings geht die Grleichung nicht ganz auf, καΐ φΐλθ(Τθ lässt sich nicht unterbringen, aber eben sowenig in b μαλ- λιυν, wie dort auch οιελέχ[θη] hinter πρόο άλλ ('Αλκιβιάοην ?) steht.

12. Wenig befriedigt die Art und Weise, in der Sudhaus Philodems Platocitate behandelt hat, ich meine nicht, dass er ein paarmal vergessen hat die Stelle anzugeben (I 224, 5 Gorg. 456^, I 261, 8 Meno 93^ ff., auch wohl II 3 col. Xil 9 u. Π 184 fr. IV Gorg. 450®), nein dass er die Ueberlieferung bei Plato vernach- lässigt hat. Das erste Citat steht I 2, 7 o\ bi τήν σοφίαν μόνην, o\ bi τήν λόγον έχουσαν, φ προσφέρει & προσφέρει καθάπερ Πλάτων, wozu Sudhaus bemerkt Gorg. 503. Als ich die Stelle bei Schanz verglich ol αλλοι πάντες δημιουργοί βλέποντες προς

τό αυτών ίργον έκαστος ουκ εική εκλεγόμενος προσφέρει

προς τό έργον τό αύτου, glaubte ich im ersten Augenblick, Philodem bestätige die Lesart des Vindoh. προσφέρει & προσ- φέρει, obwohl mir richtiger erschien, was ich mir vor Jahren beigeschrieben hatte δν προσφέρη) s. gleich darauf τίθησιν δ TxBfjij sah dann aber gleich, dass ja bei Philodem noch ψ steht und erinnerte mich der bekannten Stelle 465* τέχνην αυ- τήν (nämlich die Beredsamkeit) φημι είναι, άλλ^ έμπείρίαν δτι ουκ έχει λόγον ούοένα ών προσφέρει, wie die Neueren

* Etwas weiter oben schlage ich vor τοΟτο δέ τ^νη τις εΐναι <ώμολόγηταΓ πώς άν τις ίχοι) εΙπεΐν zu erganzen.

436 t^uhr ίΖα griechischen t'roeaikern

nach Ficinas und Comarins lesen, aber BT haben φ προ(Τφέρ€ΐ & προ(Τφ€ρ€ΐ, und diese Lesart hatte also auch Philodem in seinem Exemplar. Uebrigens hat auch ών προ(Τφέρ€ΐ eine Art handschriftlicher Gewähr bei Doxop. TI 114 W.

Die Ueberlieferung in BT bestätigt Philodem noch an einer andern Stelle: EL 177, 3 schreibt Sudhaus του] γάρ bixaiou [χά- ριν παΐρίοιυκεν, während bei Plat. 457** gelesen wird εκείνος γάρ έπι οικαίςι ΧΡ^ίςι παρέοιυκεν, aber οικαίςι stammt ans einem Vindob., BT wie vulg. vor Heindorf haben blKoiou, es ist also έπι γάρ bixaiou χρείςι nap^bu)K€V zu ergänzen. Im Anfang des Stücks hätte Sudhaus auch getrost ου τόν biboEavra schreiben sollen.

li 176 wird mit einigen stilistischen Aenderungen ein Stuck ans Eallikles' Rede Gorg. 486 angeführt. Sudhaus hat, scheint es, versäumt den Apparat nachzuschlagen, denn Z. 2 όπάγοι haben BT, 9 war aus Plato τυχόντα aufzunehmen, 10 ist Τ€ überflüssig und 11 muss es 6av€iv &v heissen (όποθάνοις bv Plato). Kallikles hat vorher seinen ganzen Spott ausgeschüttet über den Mann, der sich der Philosophie widmet und sein Leben mit 3 oder 4 jungen Leuten im Winkel (έν T^viqi) verbringt Das erinnert mich an Philod. U 174 fr. XIV = 180 fr. Via

ιλυμηι τών έν ταϊς

. . νιαις έσκιατροφημένων

φιλοσόςκυν, wo έπι λύμη und έν γωνίαις zu ergänzen ist, vgl. Cio. de erat. I 57 in angulis.

Berlin. Karl Fuhr.

UNBEACHTETE STRABOFRAGMENTE

Die nmfangreiche Lücke am Hchluese des 7. Bnchee Straboe wird von uns um so störender empfunden, als durch sie gerade die Beschreibung von solchen Ländern betroffen ist, welche zu- gleich in der Geschichte des Alterthums eine verhältnissmässig wichtige Rolle spielen : Epirus, Makedonien und Thrakien. Zum Glück ermöglichen es uns die palatinischen und vatioanischen Excerpte (vgl. hierüber Kramers Ausgabe Bd. 11 S. 72 ff., An- merkung), uns wenigstens in den Uauptzügen ein Bild von den verloren gegangenen Theilen zu machen. Nach Krämers Zählung sind es im Ganzen 58 Fragmente, welche uns durch diese beiden Chrestomathien erhalten geblieben sind ; aber gar manches davon verliert an selbständigem Werthe, da oftmals beide Auszüge einen und denselben Gegenstand behandeln, anstatt wie es für uns Wünschenswerther wäre sich gegenseitig zu ergänzen. Des- halb müssen wir es mit Dank begrüssen, wenn sich Meineke nach andern Hülfsmitteln umgesehen hat, um die Zahl der Fragmente zu erhöhen. So finden wir denn in seiner Ausgabe noch folgende Bruchstücke, die er den Berichten anderer Schriftsteller entnom- men hat:

fr. 1 = Steph. Byz. Διυοώνη

11• = Etym. Magn. p. 206, 6

,, 16* = Steph. Byz. Κραννών

16*= Steph. Byz. Όμόλιον

23*= Eustath. ad IL Β 850

,, 58» = Steph. Byz. Τετραχιυρΐται

58* = Athen. XIV p. 657 f.

Alle diese von Meineke aufgenommenen Fragmente enthalten

ein namentliches Citat Strabos mit Ausnahme von fr. 1.

Doch auch dies letztere für strabonisches Gut anzusehen, wird

uns nicht unmethodisch erscheinen. Wir lesen als Strabos letzte

438 Kanse

Worte vor der Lücke (p. 329 Gas.): Κινέας b' έτι μυθιυοέστβρον . . ., und in diesem Fragment 1 finden wir den Beriebt eben dieses Eineas genau über denselben Gegenstand (Dodona), wie er ans bei Stepbanus Byzantius s. v. begegnet. Mag freilieb Strabo von Stepbanus niebt ansdrticklicb als Gewäbrsmann erwäbnt werden, so ist es doch kaum andere möglich, als dieses Citat jenes un- bekannten Kineas auch bei Stepbanus auf Strabo zurück zafübren, zumal dieser ja eine Häuptquelle des Stepbanus bildet.

Ist es uns nun etwa vergönnt, zu Meinekes Strabofragmenten noch neue zu sammeln? Diese Frage glaube ich mit 'Ja* beant- worten zu können und zwar auf Grund des Gommentars von Eustatbius zu Dionysius periegetes (abgedruckt in Müllers Geographi Graeci minores Π ρ. 201 ff.). Schon länget hat man ja den hohen Werth dieses Commentares erkannt, wel* eher auf gewissenhafter Benutzung antiker Quellen beruht (für die geographischen Tbeile sind Strabo, Stepbanus Byzantius, He- rodot und Arrian excerpirt). Schon früher (Rhein. Mus. Bd. 56 p. 333 ff.) habe ich nachzuweisen gesucht, wie wir im einzelnen verderbte Stellen Strabos an der Hand dieses Gommentars ver- bessern können, wie also Eustatbius ein besseres Exemplar des Strabo besessen zu haben scheint, als die erhaltenen Handschriften darstellen. Daher lag mir die Vermutbung nahe, dass Eustatbine nicht nur eine bessere, sondern auch eine vollständigere Handschrift des Strabo besessen habe, welche noch nicht durch die Lücke in Buch 7 entstellt war. Zur Gewissheit aber wird mir diese Vermutbung erhoben durch fr. 23% in welchem wir ja in der That der Belesenbeit des Eustatbius (nämliob seinem Homercommentar) ein strabonisches Fragment verdanken. Ich habe nun alle diejenigen Steilen des Dionyscommentars, in denen irgendwie eine Erwähnung oder Beschreibung von Epirus, Ma- kedonien und Thrakien zu vermuthen war, durchgelesen und auf die Quellen hin geprüft, nämlich die Verse: 95; 132 174; 254 —260; 298—331; 378—400; 427—431; 488—496; 513—525; 538-553; 575—576; 587—590; 652-767; 793—814; 821; 863; 1088—1106. Die übrigen Stellen des weitschweifigen Gom- mentars durchzuarbeiten, habe ich bis jetzt wenigstens unter- lassen. Denn nach dem Ertrage der durchforschten Tbeile zu schliessen, hätte ich aus jenen entweder gar keinen gesicherten Erfolg erwarten dürfen oder doch nur einen solchen, der nicht im entferntesten der aufgewandten Zeit und Mühe entsprochen hätte. Denn so leicht auch auf der einen Seite die Quellen-

Unbeaohieie Strabofragmente 439

forschang des fiastathias erscheint, insofern als er an Hunderten yon Stellen seine Gewährsmänner gewissenhaft mit Namen an- führt, so giebt es doch vielleicht noch zahlreichere Stellen, wo wir nur auf Vermuthungen angewiesen sind, weil Eustathins dort mehr aus Nachlässigkeit, als um mit dem Schein von Ge- lehrsamkeit zu prunken die Nennung seiner Quelle unterlassen hat. Auch die sichere Thatsache, dass £uetathius von Geographen eigentlich nur die schon oben erwähnten Schriftsteller, nämlich Strabo, Stephanus, Herodot und Arrian ausgebeutet hat, hilft uns nicht viel weiter. Denn die Schlussfolgerung: ^Alle geographi- schen Stellen des Eustathius, die nicht von ihm ausdrücklich dem Arrian, Herodot und Stephanus zugeschrieben werden oder dort von uns nachgewiesen werden können, sind strabonisch , diese Schlussfolgerung wäre voreilig. Wir besitzen ja leider nicht den ganzen Stephanus und Arrian, sodass ein namenlos über- lieferter geographischer Bericht des Eustathius ebenso gut auch eine fehlende Stelle dieser beiden Schriftsteller wiedergeben könnte. Doch trotz alledem gab ich die HofiPnung auf Gewinn nicht auf. Dass ich freilich namentlich überlieferte Strabo- fragmente entdecken würde, war mir von vornherein unwahr- scheinlich. Das hiesse doch die Gewissenhaftigkeit eines Meineke zu gering einschätzen (freilich s. unten eine wichtige und merk- würdige Ausnahme). Meine Forschungsweise gründete sich nun auf folgende Erwägung : Eustathius verarbeitet seine Quellen nicht etwa gründlich, sondern fügt die verschiedenen Berichte lose neben einander, sodass die Fugen für uns noch deutlich zu er- kennen sind. Ein Beispiel genüge:

Eustathius p. 315 (Müller): V. 1— 3 = Strab. p. 591

4 = Steph. Byz. Σηστός 5—6 = Herod. IX 114 6—11 = Strab. p. 590 f.

11—13 = Strab. p. 813

13—14 = Steph. Byz. "Άβυόος (?;

14—16 = Eustathius selbst

16—19 = Istros (bei Strabo?)

19—26 = Steph. Byz. "Άβυόος

26—32 = Eust. selbst

32—33 = Strab. fr. 51

34—37 = Strab. fr. 33 u. 36

37—44 = Eust. selbst

•440 Kunze

44—45 = Strab. ρ. 487 46 = Arrian. Wenn nun also eine innerlich zueammenbängende geographische Notiz des Eustathius sich zum Tbeil nachweis- lich deckt mit einem anerkannten Strabofragraent oder einer sonstigen Strabostelle, so wird wohl auch der andere Theil, welcher mit jenem ein organisches Ganzes bildet, dem Strabo entstammen. Somit besteht das Ergebniss meiner Untersuchung mehr in der Erweiterung bekannter Strabobruchetücke als in der Auffindung neuer Fragmente. Ja, ich habe sogar auf die Ausbeutung aller der Stellen verzichtet, wo zwar die Art des Inhaltes mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf Strabo als Gewährsmann seh Hessen lässt, aber kein anderer Anhaltspunkt vorliegt. Um nur ein Beispiel anzuführen, Strabo spricht ver- schiedene Male (fr. 29, 31 und 82) vom toronäischen Meerbusen; da ist doch wohl die Annahme beinahe zwingend, dass er auch die Stadt Torone erwähnt haben wird, welche dem Meerbusen den Namen gegeben. In unserm Strabo nun steht nichts von Torone, dagegen lesen wir bei Eustathius p. 276, v. 13 f. die sehr brauchbare Nachricht : ίνθα που και τόπος τις κατά πάρα• φθοράν Τορώνη λεγόμενος. Da möchte man gern diese Worte auf Strabo zurückführen und zwar um so lieber, als uns im vorausgehenden wenigstens meiner Ueberzeugung nach ein strabonisches Fragment vorliegt. Aber die in diesem Bruchstück erwähnte Halbinsel Pallene und die Stadt Torone (auf der Halb- insel Sithonia) können unmöglich bei Strabo unmittelbar neben einander erwähnt worden sein, und es liegt uns daher hier keines- wegs ein zusammenhängender, einheitlicher Bericht vor. So habe ich nicht nur diese, sondern alle Stellen ausser Acht gelassen, in denen wir nur bis zu einer Wahrscheinlichkeit, nicht aber, gestützt auf sichere Anhaltspunkte, bis zu einem hohen Grade von Gewissheit gelangen können.

Folgende Stellen glaube ich nunmehr als strabonisch in An- spruch nehmen zu dürfen :

1. Eustathius (Müller) p. 268, 44— p. 269,7: φησί bk 6 αυτός Γεωγράφος και δτι ό "Ίστρος ποτέ Ματόας έλίγ^το, δ έστι κατά "Ελληνας δσιος* και δτι πολλάκις μέν οι Σκύθαι bf αύτου περαιούμενοι ούοέν ίπασχον, συμφοράς bi ποτέ αύ- τοϊς έπειςπεσούσης ήρμηνεύθη Δάνουβις ή Δάνουσις, ώςπερ του άμαρτεϊν εκείνους αιτίαν Ιχιυν (τουτέστιν αΐτιώμενος bia

Unbeachtete Strabofragmente 441

του τοιούτου ονόματος υπ' εκείνων κατά την αυτών γλακτσαν, ώς αίτιος αύτοϊς όυςτυχίας γενόμενος). Diese von Eustathius ausdrückliüb als Erzählung des Strabo (denn er ist κατ' έΕοχήν ό Γεωγράφος) bezeichneten Worte würden wir bis jetzt vergeb- lich in unsern Straboausgaben suchen. Denn der Gedanke, dass wir uns hier in der glücklichen Lage befinden, ein namentlich bezeugtes Strabofragment zu besitzen, scheint den Herausgebern bisher nicht gekommen zu sein. Das mag seinen Grund darin haben, dafts uns bei 8teph. Byz. unter Δάνουβις eine ganz ähn- liche Angabe überliefert ist: Δάνουβις ή Δάνουσις, Ίστρος ό ποταμός, πάλαι Ματόας καλούμενος, συμφοράς bi τοις Σκύθαις έπιπεσούσης ούτως εκλήθη. Ματόας bk λέγεται ές τήν Ελλη- νίδα γλώσσαν άσιος. δτι πολλάκις περαιούμενοι ούοέν έπεπόν- θεισαν. 6 bi Δάνουσις ερμηνεύεται ώςπερ του άμαρτεϊν ίχων αιτίαν. Anstatt nun anzunehmen, dass wie in zahlreichen andern Fällen (man vergleiche hierüber den index scriptorum in Meinekes Stephanusausgabe), so auch hier Stephanus von Strabo abhängig ist, bat man bisher vermutbet, dass es sich hier bei Flustathius um einen Schreibfehler handelt, der aus dem ursprünglichen έθνικογράφος (dh. Stephanus) ein γεωγράφος (dh. Strabo) hat entstehen lassen (Sernhardy: *ceterum ό αυτός Γεωγράφος niirum, ni librariorum lapsus procndit, cum pleraque sint deprompta de Stephano v. Δάνουβις : neque enim Strabo tale aliquid memo- ravit. Quare videtur vetus lectio fuisse oblitterata ό έθνικο- γράφος). Doch scheint es mir schon bedenklich, das in diesem Commentar wenigstens kaum nachweisbare έθνικογράφος durch Conjeotnr zu erschliessen (Eustathins citirt gewöhnlich mit den Worten ό τά εθνικά γράψας), und zweitens würden doch dann diese Worte ό αυτός έθνικογράφος weder zu dem vorausgehen- den noch zu dem nachfolgenden Berichte passen, der in beiden Fällen sich an Strabo anlehnt (p. 268 v. 43 : τόν παρά τψ Γεω- γράφψ έτερον *Ίστρον und ρ. 269 ν. 7: λέγει bk εκείνος και δτι τω Ίστρω παράλληλα κτλ. = Strab. ρ. 313). Deshalb hat man auch an einen sachlichen Irrthum des Eustathius selbst ge- dacht, der hier den Stephanus mit Strabo verwechselt habe. So schreibt Müller, *At quae sequuntur, errorem ipsius potius Eu- stathii esse coarguunt'. Müller ist es aber auch, der in seinen folgenden Worten zweifelnd diejenige Ansicht andeutet, die ich rückhaltlos für die einzig richtige erkläre, dass wir hier nämlich ein Strabofragment vor uns haben : *Modo errorem subesse recte statuamus. Fieri enim potest, ut nostra petita eint e Straboniani

442 Kunze

libri eeptimi parte deperdita, quam laudaverit Stephanus*. Mit dieser Annahme lösen eich alle bisherigen Schwierigkeiten der Erklärung am einfachsten und natürlichsten. Uebrigens können wir aus Strab. p. 305 und p. 311 noch deutlich nachweisen, dase Strabo in der That um derartige üebergSnge der Skythen über die Donau nach Thrakien gewueet hat. Und die Wahrscheinlich- keit, dass er gegen Schluss seines 7. Buches, wo er ja Thrakien behandelt, noch einmal ausführlich auf diesen Gegenstand za sprechen gekommen ist, wird wohl niemand yon der Hand weisen. Die von mir eingeklammerten Worte des Eustathius (τουτέ(Ττιν bis γενόμενος) möchte ich nicht zum Strabofragment selbst rechnen, sondern ich sehe in ihnen nur eine Erläuterung, die Eustathius zu den vorausgehenden Straboworten giebt Daher fehlen auch die entsprechenden Worte bei Stephanus. Schliess- lich sei noch beiläufig darauf hingewiesen, dass wir uns an dem citirten Stephanusartikel eine Vorstellung von der unverstän- digen, ja sinnlosen Art und Weise bilden können, in welcher der Epitomator den Text des Stephanus behandelte. Es macht sich nämlich die Umstellung der Worte (Τυμφορας bis εκλήθη (wie auch Meineke will) hinter έπ6πόνθ6(Ταν nothwendig, nm nur einigermassen den ursprünglichen Sinn herzustellen, was wir ja hier an der Hand von Eustathius bequem beurtheilen können.

2. Eustathius p. 309 v. 36 = Strab. fr. 7: δτι έπι 'χέ-

—43: Κορινθίων έστι κτίσμα λωτι έν παροιμίας μέρει *TC- ή Κέρκυρα κοί ηύΗήθη ποτέ, και λαται Κέρκυρα ταπ€ΐνα)θ€ϊσα πολλάς πόλεις και νήσους φ- τοις πολλοίς πολέμοις = fr. 8: κισε και ναυτικόν ίσχε πολύ, δτι ή Κέρκυρα τό παλαιόν εύ- ώςτε και έν τφ Περσικά» πο- τυχής ήν καΐ όύναμιν ναιτπκήν λέμψ οΐ Κερκυραίοι ναυς έΕή- πλείστην εϊχεν, άλλ' ύπό πολέ- κοντα έπλήρωσαν, δταν τό άμ- μων τινών καΐ τυράννων έ<ρ- φίβολον του πολέμου εύλαβού- θάρη καΐ ύστερον ύπό Tui- μενοι ούτε τω ΞέρΕη ούτε τή μαίων έλευθερωθεϊσα ουκ έπη- Έλλάόι έβοήθησαν, άλλα την νέθη, άλλ' έπΙ λοιόορίςι ποροι- βοήθειαν άνεβάλλοντο. ' Ηρη- μίαν έλαβεν ' ελευθέρα Κόρκυρα, μώθη bk αύθις, ώς και εΙς χέε' δπου θέλεις*, τοιαύτην παροιμίαν πεσεΐν ' * ελευθέρα Κέρκυρα, χέΓ δπου θέλεις \

Diese beiden Angaben über die einstige Macht (von den 60 Schiffen spricht auch Herodot VII 168) und den nachmaligeo Verfall von Korkyra ergänzen sich auf das vortheilhafteete. Einen

ünbeaGhiete Strabofragmente 443

zwingenden Beweis oafür, dass uns vom ersten bis zum letzten Worte des Eostatbius wirklieb die Angabe des Strabo vorliegt, sebe icb in folgendem Umstände. Die eigentlicbe Scbärfe des iSpottverses: 'ελευθέρα Κόρκυρα, χέΙ* δπου θέλ€ΐς* wird οηβ aus dem bis jetzt bekannten fr. 8 gar nicbt recbt klar, sondern es muss unbedingt neben dem έλευθ6ροΟ(Τθαι aucb das έρημοΟαθαΐ des £u8tatbius, sei es wörtlicb, sei es wenigstens dem Sinne nucb genannt gewesen sein (das ούκ έττηνέθη in fr. 8 ist so matt and farblos, dass es beinabe wie corrupt aussiebt). Ergänzen wir nun fr. 7 und 8 durcb die angeführten Worte des Eustathius, so verschärft sieb uns das Witz wort der G-riecben zu dem beissen- den Ausspruch: 'ihr seid frei, Kerkyräer! Ihr könnt jetzt tbun, was ihr wollt; ja, ihr könnt zB. sogar χέ2ΐ6ΐν, wo ihr wollt, gleich mitten in der Stadt ; denn diese neuro Stadt gleicht ja über- haupt mehr einer Einöde als einem bewohnten Orte'.

3. Eu St. p. 242, 4— 11: ίχ€ΐ = Strab. fr. 58 Anf.r δτι

γάρ άμφιβόλως ταΟτα bia τους Ελλήσποντος ούχ ομολογείται παλαιούς, ών di μέν μόνα τά παρά πδσιν 6 αυτός, άλλο bo- κατά Σηστόν και *Άβυοον Έλ- Εαι περί αύτου λέγονται πλείους. λήσποντον εϊπον, οι bk και oi μέν γάρ δλην τήν ΓΤροπον- δλην την ΓΤροποντίοα, ο'ί bk τίόα καλοΟσιν 'Ελλήσποντον, μέρος τι αυτής το εντός Πε- οι bk μέρος τής Προποντίοος ρίνθου ήτοι 'Ηράκλειας τφ τό εντός Περίνθου * ο1 οέ προς- Έλλησπόντψ απένειμαν, öi bk λαμβάνουσι και τής ?£ω θα- καί τι του Αιγαίου πελάγους λάσσης τής προς τό Αίγαϊον τψ Έλλησπόντψ προςέθεντο* πέλαγος και τόν Μέλανα κόλ- καθά που τάχα καΐ ^Όμηρος, πον άνεψγμένης .... μάρτυρα δπερ και πλατύν εκείνος λέγει καΐ "Ομηρον καλούντες κτλ. Ελλήσποντο ν.

Schon Müller hat die Thatsache, dass es sich hier um ein ziemlich umfängliches Strabofragment handelt, richtig erkannt, wenn er zu der Stelle des Eustathius sich äussert: ^Ducta sunt e Strabone, cuius vide lib 7 fragm. Vatic. 57 (Meineke Ö8)\ Doch hat es Müller noch unterlassen, eine wichtige Folgerung zu ziehen, dass wir nämlich aus Eust. das vaticanische Strabo - bruchstück trefflich ergänzen können: Bis jetzt fehlt ja bei Strabo die ganz uneriässlicbe Angabe, dass manche Gewährsmänner nur die Meerenge zwischen Sestus und Abydus Hellespont nennen; also gerade die aliergebräuchlichste Auffassung ist bei Strabo nicht angegeben, wenn wir nicht auf Grund von Eustathius bei Strabo zwischen μέν γάρ und δλην τήν ΓΤροποντίόα die Worte

444 Kunze

aufnehmen: <μόνα τά κατά Σηστόν και "Aßubov, οι bk και). Da man nun ferner aus den bei Euetathiue v. 11 folgenden Worten (τούτοις bi μη φαινόμενος άκολουθεϊν ό Διονύσιος) deutlich erkennt, dnes er bis zu dieser Stelle nur aus oiner Quelle geschöpft hat, so haben wir auch noch das Eomercitat V. 10 (πλατύν εκείνος λ^γ^ι Έλλήσποντον = Hom. II. Ρ 432 und Η 86) als strabonisches £igenthum zu rechnen. Und in der That finden wir ja im vatioaDischen Strabofragment schon zwei andere Uomerstellen citirt, durch welche Strabo in seiner be- kannten Weise geographische Ansichten einer spätem Zeit schon als homerisch zu erweisen sucht (IL I 360; Δ 520 nnd Β 845). 4. Eust. ρ. 244, 5—8: Διά bi τό κακόΕενον και όύςπλοον αύτου και τό εις Πόντον οπελθεΐν δμοιον ήν τψ εις μ^γα κακόν, ώς και ο1 παλαιοί φασιν* δπερ μέχρι και εΙς δρτι κρατεί, και τούτο οηλοϊ μέν και ό Γεωγράφος. Dieses ofifenbare Strabo- citat will Müller (in seiner lateinischen Uebersetzung des Έη- stathins) in Strabo p. 21 wiederfinden, yermuthlich in den Worten: τους πλεοντας έκεϊσε (seil. εΙς τόν Πόντον) ομοίως εκτοπί- ζει ν έοόκουν ώςπερ τους ίΕω στηλών έπι πολύ προϊόντας. Doch von der Ansicht, dass τό εΙς Πόντον άπελθεϊν δμοιον ήν τψ εις μέγα κακόν, lesen wir dort nichts» und es widerspräche aller Wahrscheinlichkeit, dass, wenn hier wirklich nur ein un- genaues Citat von Strabo p. 21 vorläge, bei dieser Citirung die Fassung des £ustathius schärfer und bestimmter ausgefallen sein sollte wie die des ausgeschriebenen Strabo selbst. Denn so ist doch ohne Zweifel das Wertverhältniss zwischen έκτοπίΖείν und εΙς μέγα κακόν. Nein, wenn man für diese £ustathius8telle den erhaltenen Text des Strabo heranziehen wollte, so wäre viel eher an Strabo p. 298 (Ende) zu denken: δπλουν είναι τότε την θάλατταν ταύτη ν και καλεϊσθαι "ΑΕενον biä τό όυςχείμερον και τήν αγριότητα των περιοικούντων εθνών. Doch auch diese Stelle entspricht in einem wichtigen Punkte nicht der Dar- stellung des Eustathius. Während nämlich dieser ausdrücklich auch von der Gegenwart spricht (δπερ μέχρι και εΙς αρτι κρα- τεί), gelten Strabos Worte ρ. 298 nur von der Vergangenheit (τότε). Meiner Ueberzengung nach haben wir es auch hier was man bisher verkannt hat von Anfang bis zu Ende mit einem Rtrabonischen Fragment aus Buch 7 zu thun.

5. Eust. p.315,32— 37: Σά- = Strab. fr. 50: ibiboEi

μος θρακία, ήτις Καβείρων εΤ- τους Τρώας τά έν ΣαμοθρςΙκη χεν ιερά, οι καΐ Κορύβαντες μυστήρια.

unbeachtete Sträbofragmente 445

έλέγοντο, και Θάσος, ήτις και fr. 51: δτι τους έν τή Σα- χρυσία €Ϊχέ ποτ€, και τό Δά- μοθρ()Ικη τιμωμένους θεούς εΙ- τον συνψκισε, πόλιν fvboEov ρήκασι πολλοί τους αυτούς τοις περί τήν του Στρυμόνος πα- Καβείροις. ραλίαν. άφ' ου παροιμίαν ο\ Strab. fr. 33 (Ende): εισι bk παλαιοί φασι *Δάτος αγαθών', περί τόν Στρυμονικόν κόλπον ώς τό 'αγαθών άγαθιοες\ πόλεις και ^τεραι, οίον . . .

Δάτον, δπερ καΐ άρίστην ?χει χώραν καΐ εδκαρπον και ναυ- πήγια και χρυσού μέταλλα άφ' ου και παροιμία * Δάτον αγα- θών*, ώς καΐ 'αγαθών άγαθϊ- οας' = fr. 36 (Anfang).

Es ist unverkennbar, dass Euetath ganz nnd gar die Er- zählung Strabos wiedergiebt. Das Neue nun, das wir aus Eustath als Bericht Strabos kennen lernen, besteht in der Nachricht, dass Daton eine Colonie von Thasos ist.

6. Eust.p. 298, 11—12: άπ' = Strab. fr. 3: δτι ή πα- αύτής καΐ *τό Διυοωναΐον χαλ- ροιμία *τό έν Δωδώνη χαλ- κεϊον* έπι τών πολυλόγων. κίον' εντεύθεν ώνομάσθη, κτλ.

Durch Enstathius wird also das strabonische fr. 3 insofern erweitert, als wir nunmehr erfahren, dass das Sprichwort auf schwatzhafte Menschen angewendet wurde (hierzu siehe auch Steph. Byz. s. v. Δωδώνη).

7. Eust. p. 314, 42—315, 1: Σηστός μέν. Λεσβίων άποι- κος, καθο καΐ ή Μάδυτος, ώς ό Γεωγράφος φησί, Χερρο- νησία πόλις, 'Αβύδου οιέχουσα σταοίους λ', έκ λιμένος εΙς λι- μένα. Dass Eustath sich hier der Angaben des Strabo bedient hat, giebt er ja selbst an, aber das Yerständniss der Stelle wird uns insofern erschwert, als wir die Bemerkung ώς ό Γεωγράφος φησι einerseits auf Λεσβίων άποικος beziehen können (und dann erfahren wir aus Eustath nichts, was wir nicht schon aus Strabo p. 591 wüssten); andererseits aber könnten diese Worte auch zu ή Μάδυτος gehören, und dann würde dadurch für uns das stra- bonische fr. 56 ergänzt: εΤτα Μάουτος και Σηστιάς άκρο κτλ. Die letztere Annahme gewinnt sehr an Wahrscheinlichkeit durch das eigene Geständniss Strabos (p. 591): περί bk Σηστού κα\ τής δλης Χερρονήσου προείπομεν έν τοις περί τής θρςίκης τόπο ι ς, dh. Strabo hat in dem verloren gegangenen Schluss des 7. Buches ausdrücklich über Sestos usw. berichtet.

446

Kunse

Hierzu gesellen sich nun noch einige Bruchstücke, die für uns nur von geringer Bedeutung sind, weil ihr Inhalt nirgends über das bisher schon Bekannte hinausgeht:

8. Eustp. 275, 30-32: κα- λούμενοι hl ποτέ Βρίγες, είτα μεταβάντες εΙς *Ασίαν μετέπε- σον εΙς τό τών Φρυγών δνομα = Ε U St. ρ. 359, 40—42 : δλλοι bi φασι κα\ έτερους Εύριυ• παίους εϊναί ποτέ Φρύγας, έΕ ίιν περαιωθίντων οΐ κατά τήν *Ασίαν έγίνοντο.

9. Eust. ρ. 276, 11 13: οϊονται bi τίνες ΓΤαλλήνην λέ- γεσθαι τήν τής Καασανορείας χερρόνησον, τφ Αιγαίψ καΐ αυ- τήν παρακειμένην.

= Strab. fr. 25: Βρίγες θρςι- κών έθνος, ιΐιν τίνες διαβάντες εΙς τήν Άσίαν Φρύγες μετιυ- νομάσθησαν, siehe auch Strab. ρ. 295: και ούτοΙ οΐ Φρύγες Βρίγες είσί, θρ<|1κιόν τι ίθνος.

= Strab. fr. 27 : δτι ή Παλ- λήνη χερρόνησος, ής έν τώ Ισθμψ κείται ή πριν μέν ΤΤοτί- όαια, νυν hi Κασσάνορεια, Φλεγρα τό πριν έκαλεΐτο.

Obwohl Steph. Byz. unter Παλλήνη ganz Aehnliches ent- hält, so muss dieser doch auf jeden Fall als etwaiger Gewährs- mann ausscheiden, weil Eustath selbst vorher die Angaben des Stephanus anführt (Z. 3 ff.) und mit οΤονται bi τίνες einen ge- wissen Gegensatz aufstellt.

10. Eust. p. 261, 42—43: ήν bi. και ό Μακεδών ήγεμών ποτέ τής ομωνύμου χώρας, ήτις και 'Ημαθία πρότερον έκα- λεϊτο.

11. Eust. ρ. 32.3, 3G bis 324, Ι: ό Μέλας κόλπος . . . τήν κλήσιν ίχων άπό ποταμού Μέλανος . . . έκόώόντος είς αυτόν . . . κόλπος bk Μέλας εστίν, ώς οΐ ακριβέστεροι λέ- γουσιν . . ., περί δν καΐ ή Αί- νος κείται, πόλις ΑΙολική. φασι γάρ δτι έν τφ Μέλανι κόλπψ ή Αίνος προς τή εκβολή τοΟ *Έβρου.

12. Eust. ρ. 241, 29—31: του μέντοι 'Ελλησπόντου τό στενώτατον έπταστάδιόν έστι,

= Strab. fr. 11 (Anfang): δτι Ημαθία έκαλεϊτο πρότερον ή νΟν Μακεδονία, ίλαβε τοδ- νομα τούτο άπ' αρχαίου τινός τών ηγεμόνων Μακεοόνος.

Strab. fr. 52 (Anfang): προς τή εκβολή του "Εβρου οιστόμου δντος πόλις Αίνος έν τψ Με- λάνι κόλπψ κείται, κτίσμα Μι- τυληναίιυν κα\ ΚυμαΙιυν.

= Strab. fr. 57 (Ende) : του bfe Ελλησπόντου τό στενώτα- τον έπταστάόιόν ψί\α\.

Unbeaobteie Strabofragmenie 447

ircpi που τήν θρςικίαν χερρό- νησον κατά Σηστόν.

Eüstath könnte hier ja auch eine andere Straboetelle ver- werthet baben, welcbe dieselbe Notiz bringt, nämliob p. 591 : ενταύθα (bei Abydae) ίστι τό έπτοστάοιον δπερ ilevie Ξ^ρΕης, aber grössere äussere Aebnlicbkeit befürwortet mehr die Ansicht, dass wir die Worte des Eustath anf Buch 7, fr. 57 zurück- zuführen haben. Ob nun Eustath seine folgenden Worte (έπτα- στάδιον bt κατά τόν Γεωγράφον ομοίως και τό τοΟ Σικελι- κού πορθμού στενώτατον) gleich im Anschlüsse an das Voraus- gehende im 7. Buche Strabos las oder ob es die Worte Strab. p. 122 sind (6 προς τή Ίτολίςι πορθμός έπταστάόιος), die er aus eigener, auserlesener Gelehrsamkeit zur Yergleichung heran- zieht| muss natürlich dahingestellt bleiben.

Schliesslich können wir aus Strabo selbst Bruchstücke seines 7. Buches reconstruiren. Dafür ergaben sich mir folgende, nur nebenbei gefundene Beispiele :

13. Strab. p. 443: εϊρηται έν τοις Μακεοονικοϊς, δτι ίστι (seil, τό Όμόλιον) προς τή "Οσση κατά τήν αρχήν τής του Πηνειού bia ταιν Τεμπών οιεκβολής. Wir könnten diese Worte etwa als fr. 16® ansetzen.

14. In gleicher Weise wird von Strabo p. 550 eine Stelle seiner Beschreibung Makedoniens oitirt, die für uns verloren ge- gangen ist: ό bk. Σκήψιος οδτε τήν τούτου böEav ίοικεν άπο- οεεάμενος οδτε τών περί τήν ΓΤαλλήνην τους Άλιίώνους ύπο- λαβόντων, ίιν έμνήσθημεν έν τοις Μοκεόονικοϊς. Diese Worte könnte man etwa als fr. 25* oder 27• einschieben.

15. Endlich gehört hierher die schon oben angeführte Stelle p. 591: περί bi Σηστού καΐ τής δλης Χερρονήσου προείπομεν έν τοις περί τής θρ(|1κης τόποις (= fr. 56).

16. Dass wir aber bei Strabo manchmal auch an solchen Stellen Lücken anzunehmen haben, wo wir es an und für sich kaum vermuthen würden, lehrte mich folgender Vergleich:

Eust. p. 342, 34— 39: δτι Strab. p. 495: lujOi bk άπό περί τόν βηθέντα ϊσθμόν κείται τών κατά θάλατταν ληστηρίων, καΐ τό μέγα φυλον τών Καμα- ακάτια έχοντες λεπτά στενά ριτών, οί οοτιυ λέγονται άπό και κουψα, δσον ανθρώπους πλοίιυν στρογγυλών ληστρικών, πέντε καΐ είκοσι δεχόμενα, σπα- θίς έχρώντο, δ έκαλουντο κα- νιον bk τριάκοντα οίΕασθαι μάραι παρ' "Ελλησιν. ήσαν bk τους πάντας δυνάμενα* κα-

448 Κ u η 2 e Unbeachtete Strabofragmente

ακάτια λ€πτά, στενά καΐ κουφά, λουσι b' αυτά οί Έλληνες κα- άνθρώπους εις κε' beχόμ€vα, μάρας. σπάνια bk και εΙς λ'.

Έβ ist leicht ersichtlich : die beiden Erzählungen ähneln sich 80 auffällig, dass Eustath nnbedingt den Strabo ausgeschrieben haben mues, nur fehlt bei letzterem bisher die Erwähnung des Namens Καμαρΐται. Doch gewiss wird er dem Strabo auch die Kenntniss dieses seltenen Namens yerdanken, der tiberhanpt bei keinem griechischen Schriftsteller ausser bei Enstath nachweisbar zu sein scheint. Wir haben daher, ohne dabei dem Vorwurfe der Willkür zu verfallen, bei Strabo eine kleine Lücke anzu- nehmen und etwa zu ergänzen : καλοΰσι b' αυτά ol Έλληνες καμάρας, <άφ' ών και αυτούς λέγουσι Καμαρίτας). Εβ bedarf kaum noch eines Hinweises, wie leicht in Folge der Aehn- lichkeit zwischen καμάρας und Καμαρίτας die dazwischenetehen- den Worte von einem Abschreiber weggelassen werden konnten.

Grimma. R. Kunxe.

ANALECTA THEODORETIANA

PoRteaquam vere anni 1900 libellnin, qui inRcribitur De Theodoren Graecarum affectionum curationCy in lucera emiei» in animo mihi erat editionem huius Theodoreti operie qnam primum comparare. Neque tarnen mihi licuit operam meam tam celeriter absolvere, quam speraveram. Pancis enim mensibus, poetquam prodierat libelios mens, benevolentia viri dootiseimi meisque etu- diie enmmo opere faventie, loanniR Mercati, certior factus sum, in bibliotheca Vaticana etiamtam latere codicem praestantissimum Theodoreti Corationem continentem, qui me antea in illa biblio- theca versantem effngieset neqae omnino nmquam diligentias in- spectuB esset. Itaque textns recensendi operam tam dia differre constitui, quoad huias codicis ingenium penitas cognovissem. £xita vero anni 1901 cum Romam me contulissem, codicem in- spexi totnmqne contuli, quo factum est, ut de quaestionibus non- nullis ad textus recensionem pertinentibus certius iam diiudicare poesim quam antea.

Codex est Vaticanus 2249, olim Columnensis θ^^, membra* neue in 8^°, foliorum 320, saeculi, ut videtur, decimi. Gontinet foll. 1 163 varia Dionysii Areopagitae opera, fol. vero 164 in- cipit Theodoreti Curatio, qnae codicem explet usque ad finem. Sicut aetate praestat ceteris codicibus omnibns, quibus asservata est Theodoreti Cnratio, ita, licet locis haud paucis neglegentia quaedam librarii appareat, bonas tarnen scripturas tam saepe ex- hibet, ut affirmare liceat, huius maxime auctoritate genuina Theo- doreti verba revocari posse. Nee raro etiam confirmare mihi videtur, quae antea disputayi; est tarnen, ubi me erraviese ex eo edoctus sim. Quo melius intellegantur, quae infra disputabo, primum iterare libet summam eorum, quae de ceteris codicibus in libello supra nominato exposui.

Codicum genera tria distinxi, quorum primo praesunt Bod- leianus Auct. E. II. 14 (signatus littera B) et Laurentianus

Bbein. Mm. f. Phllol. N. F. LYII. 29

450 Ε ft 6 d e r

X 18 (L), alteri Parisinns Coicdinianus 250 (C) et in priore operis parte Vaticanus 626 (V), tertio Scorialeneis X. Π 15 (S). Huc accedit mixtam genns, ad qnod pertinet imprimis Marcianue 559 (M) et in posteriore operis parte etiam cod. V modo commemoratns. Longe optimos habni Codices generis primi (BL), cum secundi generis Codices (CV) mixtique (M) etiam ex parte non solom scribendi erroribus satis multis, sed etiam interpolationibus labo- rent ; ad tertii deniqne generis Codices (S), quamquam vitiis band paucis inquinati eint, saepe tarnen velut ad arbitros confagiendum esse existimavi. Hoc tarnen ex locis a me traotatis mihi apparere yidetnr, si errores tantum scribendi spectemos, cnm CV potias coniungendum esse codicem S, interpolationibus tarnen plerisque vacare, quibns abundant illi.

Redeamus nunc ad codicem nostram Yaticanum 2249, quem Κ littera signare übet. Qui quamquam, ut dixi, aetate pariter ac bonitate ceteris praestat, nuUus tamen illorum ex eo descriptns esse potest. Vitia enim praebet nonnnlia, quae in nullo alio co- dice inveniuntur. Praef. 10 (p. 2, 29 Sylb.) praebet ibti και tuüv θυσιών (καΐ τών θυσιών ibei cett), II 85 (ρ. 33, 37) cm. solue ψυχήν, ac continuo post praebet προσονομά2!ουσι pro προσαγο- ρεύουσι, ΠΙ 22 (ρ. 42, Ι) praebet έκάλεσαν pro ώνόμασαν, V 22 (ρ. 73, 16—17) om. solus verba έν τή κοιλίφ τής καρδίας* οΐ bk έν τψ αϊματι * και οΐ μέν, VII 21 (ρ. 105, 42) praebet θεραπεύων pro ιατρβΰων, VIII 4 (ρ. 111, 17 18) om. βοΐοβ verba άφορώντες άλλα τόν οϊνον θαυμάϊοντες, IX 69 (ρ. 134, 40) praebet βίον pro χρόνον.

Hie expositis alii loci afferendi sunt, nbi Κ codex solus veram scripturam servavisse videtur. IV 53 (p. 65, 21) praebent βςίστον απόντων τών ποιητών BLMCV, et ^ςίστον άπάντιυν τών ποιήσ€ΐυν S, quam scripturam in codiee etiam Palatino 214 in- venit Sylburgius, edidit autem e coniectura βςίστον όπασών τών ποιήσεων ; veram scripturam ^ςίστον απάντων τών ποιητέων servavit Κ. Recte etiam ήβρυσμένων praebet V 8 (ρ. 70, 45) (ήβρυσμένων S, ήβρισμένων BL, ήκριβωμένων V et Pal. 214, om. MC). V 14 (ρ. 71, 37) inter verba Philolai formam doricam σάματι solus servavit (σώματι BL, σήματι MSCV et Clementis cod. L). Denique animadvertendum est, IV 11 (p. 57, 45) eolum eum praebere Έκφαντος, quam scripturam coniirmat Stobaeus (Έκφατος BL•, Διόφαντος MSCV), sicut IV 12 (p. 58, 3) Mva- Οέου (non Μνασαίου) cum Plutarcho.

Satis igitur demonstrasse mihi videor, Κ codicem, com

Analecta Theodoretiana 45χ

locis haud paucis propriae soripturas, bonas aliae, alias pravas, exhibeat, nnllo modo neglegendura eese. Saepius vero accidit, nt looiR, nbi ceteri codicee inter se diseentiunt, a Κ oodice scri- ptura alterutra confirmetur. Itaqne quid ipse scripeerit Tbeodo- retus, Duno certius quam antea diiudicare poesumae.

Nee dubinm esse poteet, quin ad Codices optimoe BL pro- xime accedat codex E. Cum hnios generis oodioibos id commnne habet, ut praefatio operis inscribatar προθειυρία (deest tarnen ini- tium in L), cum in oeteris aut verbo ύπόθ€(Τΐς aut omnino non inscribatur. Praeterea vitia nonnuUa maioris momenti cum illis oommunia habet. Π 9 (ρ. 22, 37) cum BL om. αρχήν, quod desiderari nequit, Π 24 (ρ. 25, 10) cum iisdem praebet μνημο- νικόν pro μή μόνιμον, IV 59 (ρ. 66, 20) cum iisdem verba μ€- γαλαυχουσιν οδτε σμικρυνόμενοι pessime transposuit post κι- χρώμεναι, V 77 (ρ. 83, 22) cum BLM om. verba και αρετής έφιέμεθα, VI 30 (ρ. 90, 25) cum L om. verba τής μεγίστης πόλεως τούδε, et lacuna est in B, VII 9 (p. 103, 53) cum BL om. verba (ΤεμνολογοΟσι και. Denique totam sectionem X 27 om. cum BL, dubium rectene.

Quamquam igitur ad BL propius accedit Κ quam ad ceteros omnes» non tamen cum iis prorsus in unum coniciendus est ; mnlto enim artiore vinculo illi inter se conexi sunt. Antea autem, Ε oodice nondum adhibito, saepius locus erat dubitationi ; magno enim aestimandi erant BL, neque tamen omnibus locis sequendi. Nunc vero, ubi accessit auctoritas codicis K, affirmandum non est illud quidem, hunc cum illis consentientem semper veram scripta^ ram exhibere nam vitia quaedam, ut demonstravi, communis habent ; at si ceterorum codicura scriptura a Κ confirmatur, errorem codicum BL plerumque deprehendere licet. Minatos igitur est numerus locorum dubitationi obnoxiorum.

Exempla aflFero haec. I 54 (p. 12,9) cum SCVBrp. Μγρ. praebet τττίλοις, non πτεροΐς, quod exhibent BLM, et quod in illo proverbio, de quo agitur (τοις σουτου πτεροϊς ήλως), alibi quoque invenimus. De hoc loco in dissertatione mea (p. 53) du- bitaveram; nunc vero in codicibus BLM interpolationem subesse potius crediderira. U 25 (p. 25, 13) manifesta corruptela codi- cum BL τήν του τερατώδους Πυθαγόρου σοφίαν pro τήν τερα- τώδη Πυθαγόρου σοφίαν in Κ ηοη invenitur; rectius etiam II 94 (ρ. 34, 48) αποστολική καΐ προφητική idem praebet cum MSCV quam προφητική καΐ αποστολική BL (cf. dies, mea p. 49). Praetulerim etiam II 101 (p. iJ5, 47) scripturam codicura KMSCY

452 R a θ d e r

όνομά2ΐ€ται (προσογορεύετοι BL). Eadem ratione errores co- dicum BL deprebenduntur locis, qui sequuntur: III 75 (p. 49, 52) τάς άγαλματοττοΛας pro της άγαλματοποιίος τά πλείστα, III 105 (ρ. 55, 31) φιλίαν pro bouXeiov, IV 03 (ρ. 67, 7) ουναμίνην pro οοπανιυμένην, IX 11 (ρ. 124,40) πολιτείαν BLMV pro ήγε- μονίαν, IX 21 (ρ. 126, 38) νομοθετών BLMV pro νόμων. Deni- que XI 5 (ρ. 152, l^) forma eoloeca γνώσησθε a BL praebita, qnam in diseertatione mea (p. 72) prorsue respaere ausue non sum, a Κ non confirmatur; praebet enim γνώτε cum ceteris ple- rieque (γνώσητε Μ).

Sunt etiam loci, ubi Κ codex cum uno vel paucis oodicibas eorum, qui generie diverei sunt, scripturam babeat commnnem, quae vera esse videatur. Praef. 5 (p. 1, 32) non dubito, quin recte praebeant σοφών KS, om. autem ceteri. Etiam Praef. 13 (p. 3, 7) melior est scriptura ούοέν προγινώσκοντες, qnam prae- bent Κ8Βγρ. Μγρ. Ογρ., quam altera scriptura a BMCV exbibita, ούοέ μέρος γινώσκοντες, et Praef. 17 (ρ. Η, 35) ante είρημένίλΐν bene addunt εο KM. Recte iidem et VS m. sec. V 3 (p. 69, 35) praebent αυτήν pro αύτη, et XII 65 (p. 174,50) όρώντα poet μαχομένας recte praebent RS soli, om. autem LM, et poet bta- κωλύειν exbibent CL m. eec. Neque tamen semper pro vera ha- benda est ea scriptura, quam Κ codex cum codicibus generis di- verei communem babet. Sunt enim vitia quoque communia locie nonnullis, eins tamen generie, ut ea de causa dubitari non liceat, quin cum BL codicibus Κ artius cohaereat. Nam levia quaedam vitia eiusmodi sunt, ut et hie et illic casu oriri potuerint.

I 49 (p. 11, 20) τών φιλοα;όφων τά δόγματα praebent KiS pro τά τών φιλοσόφων δόγματα, Ι 86 (ρ. 15, 33) βοών pro εΙπών, Ι 90 (ρ. 16, 9) ώνόμασεν KV (εϊπε S, έκάλεσε BLMC, praecedit autem aliud έκάλεσε), V 6 (ρ. 70, 15) bia του προ- φήτου προσενεγκών ΚΜ pro ττροσενεγκών οιά του προφήτου, V 71 (ρ. 82, 14) λόγους KSCV pro λόχους, V1I1 17 (ρ. 113,44) πυράν νήσας καΐ εαυτόν γε καθείς KS (καταθείς recte BL, έν τώ ποταμώ πλησιάίοντί γε εαυτόν καθείς CV per interpolatio- nem), IX 60 (ρ. 133, 8) om. νόμων KC, nee potest desiderari, sed post σκυτοτόμου facile excidere potuit, IX 72 (p. 135, 2) πόλις KSC pro πολιάς. Magie dubito de VIll 52 (p. 119,42), ubi scriptura codicum BLMV της τών πραγμάτων βοώσης αλη- θείας melior mihi videtur quam illa codicum KSC τής τών πραγμάτων φωνής βοώσης, quae interpolationem ölet.

Eestant loci, ubi cum BL consentit K. Apparet antem, ei

Analectft Theodoretiftna 453

hi inter ee artine conexi »int, hie locis minus valere codicie Ε teetimonium quam illic, ubi cum alterine generie codicibne con- sentiat, ac locoe iam attnli, nbi iili vitia communia exhiberent. Sed est etiam, nbi veram ecripturam tradant. Praetnli iam antea 1 21 (p. 7, 18) ecripturam codicnm BL φησί (pro φα(Τΐ) sicut IV 67 (p. 68, 7) eornndem τερετιίόντιυν (pro κιθαριίόντων, quod inepte dicitur de cicadie); utrubique antem Κ cum BL consentit. Praeterea IV 70 (p. 68, 37) meliue KBLM άσπαρτος καΐ άνή- ροτος (verba sunt Homeri ι 123) quam SCV άνήροτος και δσπαρτος, sicut V 75 (ρ. 82, 47) meliue KBLS καταστίλλων quam MCV κατασπών. VII Γ Γι 6 (ρ. 122, 24) scriptura codicnm BL α\ bk τί γάμος ουκ επισταμένοι a Κ oonfirmatur (ίτι γάμους SCV pro τί γάμος). Sed manifestum est, nnoquoqne loco rem diligenter deliberandam esse.

Cum maltis locis non solum ipsius Theodoreti, sed eorum quoque scriptorum, quorum verba exscripsit, Clementis maxime et Ensebii, Codices nobis consulendi sint, hoc loco etiam illud quaerendum est, quam bene Κ codex cum bis consentiat. Cum vero ex ceteris codicibus BL ad dementem et Eusebium pro- pins accedant, plura etiam ille cum iis communia habet. Quod quamquam ad praestantiam eins comprobandam non nihil valet, memoria tamen tenendum est, cum locis permultis magna negle- gentia auctoree suos Theodoretus exscripserit, etiam hoc fieri po- tuisse, ut scripturae Clementis vel Eusebii in Theodoreti Codices per interpolationem inferrentur.

I 48 (p. 11, 14) cum LS et Eusebio recte ?χον praebet Κ (εχόντων Β, ίχοντος Μ, ίχοντα CV), VI 23 (ρ. 89, Ι) solus recte praebet καΐ bx] καθ' $οην (και bt] και καθ' $οην ceteri, καΐ γάρ καθ* &bηv Clem. et Eus.), VI 43 (ρ. 93, 11) cum C et Fiat, et Eus. praebet br\ φώμεν (Δημοφών ceteri corrupte), IX 38 (p. 129, 36) Piatonis ecripturam ατελή (του γελοίου σοφίας 1>ρ€πόμ€νος καρπόν) servavit Κ, apud Eusebium vero in δτ€ bi\ corrupta est, et ceteri Theodoreti Codices sie tradunt : δτ€ bia BLSV, δτε br\ biä MC. Discimus ex hie locie, codicum scripturas non nimis religiöse servandas nobis esse.

Sed est etiam, ubi Κ codex, etsi cum Theodoreti fontibus consentiat., scripturam tamen ab illo alienam conservasse videatiir. I 107 (p. 18, 21) in ceteris omnibus codicibne legimus τήν bk έπιστήμην f£iv άμετάπτωτον μετά λόγου; Κ solue cum Clemente (Strom II 2, 9. II 17, 76) υπό praebet pro μετά. Videtur e de- mente illatum esse. VI 12 (p. 87, 4) male sequitur C et Euse-

454 Raeder

bium ούτω bfe και τό χρ€ών εΙρήσθαι praebene; recte autem BL ούτω bi και χρεών παρά τό χρίος είρήσθαι; scilicet eic etiam apud Eueebium scribendam est. Quomodo factum sit, at II 80 (p. 33, 8) cum CV coneentiene χρόνον praebeat K, ne8<io (λόγον BLMS, τρόπον Plat. et Clem. et Eue.). Haec habui de codice Vat. 2249 quae dieeererem^

In dieeertatione mea, quam antea commemoravi, soriptores nonnulloe indicavi , qui Theodoreti Corationem exscripeerunt (p. 65 eqq.); fuerunt autem Anaetaeiue Sinaita atque Demo, Ho- meri interpree, quae vero apud Micbaelem Glycam Theodoreti verba reperiuntur, ab bis sumpta esse euspicatus sum. lie, quae tunc expoeui, quaedam addere placet.

Vidit iam GaisfordiuS; partem eorum, quae leguntur apud Theodoretum VI 26 eqq., apud Suidam inveniri 8. v. Πλάτων, sin vero Snidae editionem Bernhardianam consulas, non haec eo- lum, eed etiam articuloR Σαρόανάπαλος et Σατανάς magna ex parte a Theodoreto eumptos esse invenias. Neque tarnen exieti- mandum CRt, Theodoreti Curationem Suidae notam fuisse. Apparet enim, haec omnia Suidam a Georgio Monacho mutuatum esse. Omnia, quae de PlatoniR doctrina Suidae narrat, locique ex eiae soriptie desumpti iiedem fere verbis leguntur in Georgii Chron. II 8 (p. 58 62); articuli vero Σαρόανάπαλος et Σατανάς sumpti sunt e t 6 (p. 9—10) et II 7 (p. 55). Haec tarn manifeeta sunt, ut pluribuB verbie opus non sit; notum autem est, permulta om- nino Georgii apud Suidam reperiri^ Sed cum non solum Snidae Georgium, verum etiam Georgius Theodoretum verbo tenus ex- scripserit, factum est, ut haud raro ipsa Theodoreti verba apud Suidam inveniantur^

^ De codicibus Theodoreti Gurationis haeo addere placet. Aaser-

vata est etiam in cod. Vaticano ürbinati 117 (saec. XV), fol. 1β9 eqq.

Evuleia autem sex quatemionibua, lacuna est a I 71 usque ad VI 37.

Hie codex affinis est codioi S, quocum praeter alia id commune habet,

ut praefatio vocetur οπόθ€σις» et ut XI 34 novus libri tilulus TTcpi

μ€τ€μψυχώσ€ως inveniatur. Praeterea initium operis usque ad I 27 in-

venitur in cod. Vaticano 1949, fragmentum exiguum in Vaticano 1898,

aliud in Athoo 4508, ut indicat Lambros in catalogo.

^ Vid. Krumbacher: Geschichte der byzantinischen Litteratur * 566 sq.

^ Codicis Vaticani 1296, qui Suidae lexicon oontinet, primum

Aualecta Theodoretiana 455

Sed mnltis locie praeter eos, quoB indicavi, Georgius Theo- doretnm exscripsit vel compilavit. Ego eoe afferam, qui mihi innotuerunt ; sunt fortaeRe etiam alii, bis vero satie res demon- stratur. I 6 (p. 9) quae de Sardanapalo tradit GeorgiuR, a Theo- doreto XII 98—94 sumpeit. Tum vero II 6 (p. 52—53) de bar- baris artium inventoribus Tb. I 19—20 sequitur. Dein traneit ad pbilosopborum sententias de mundo exponendas Tb. IV 16 secutue. Anaxagoram et Pytbagoram et Platonem ab Aegyptiis edoctos esse (p. 54), sumpRit a Tb. II 23 24. Sequitur ex- positio de deorum gentium origine ; quae de ea disputat Georgine (p. 54—55), omnia compilavit e Tb. III 7. 44. 49. 85. 23—33. 59, quae vero eequuntur de Satana (p. 55—56), sumpeit a Tb. III 100—102. Dein (p. 58 57) barbarorum virtutee extollit; utitur autem verbis Tbeodoreti V 60—75. In capite sequenti 8) agit de Piatone. Praemittuntur quaedam de atomis eumpta a Tb. IV 10, dein vero aliorum pbilosopborum sententiae de for- tona et fato exponuntur. Sequitur autem (p. 57 58) Tb. VI 14 15. 9. 7. V 48. 28. Ceteris pbilosopbis Platonem opponit, qnippe qui liberum bominum arbitrium esse oontenderit Deumqne mali cauRam esse negaverit (p. 58 61); verba exscripeit Tbeo- doreti V 29—30. 33. 44-47. II 33—34. V 34—35. 37—88. VI 26—31. Statim subiungit Platonis sententias de iudicio post mortem futuro (p. 61 62); sequitur autem Tb. I 119. XI 25 27. Haec vero omnia Platonem in Aegypto ab Hebraeis di- dicisse ait; addit autem verba eiusdem, quae affert Tb. II 78. Denique iteratis, quae de falsis gentium opinionibus antea dispu- taverat (affert autem p. 64 verba Tbeodoreti III 86), iisdem ver- bis utens, quibus utitur Tb. VI 87 88, post Cbristi adventum omnia oommutata esse contendit (p. 64).

His locis e posterioribue Cbronicorum partibus alii addendi sunt, qui ipsi quoque a Tbeodoreto snmpti sunt. III 119 (p. 261) de anacboretis agit iisdem verbis, quibus utitur Tb. III 92 93. Transit deinde ad virtutem activam tractandam (p. 261 266), Tbeodoretum ut antea exscribens (XII 4 7. 35—36. 30 31.

folium atque ultimum (fol. 55B) quaedam e Tbeodoreti Cnratione oon- tinere ait Mercati (Giovanni Mercati: Note di letteratura biblica e cristiana antica p. 210 sq.). At sunt re vera Georgii: fol. 1 ine. άλλα

καΐ δλλοις , des διαρρήδην ot προφήται διδάσκουσιν πα

(i e. Georg. Cbron. II 8 (ρ. ί)0 fil)), fol. 556 ine. καταλύσβως καΐ

ίστιν φησίν , des ή προς τό οΟς ήχος έγέ (i. e. Georg.

ChroD. Π 6 (ρ. 51-53)).

456 Raeder

II 36—37. XII 43— 46. 53. 55—57). Denique IV 218 (ρ. 530 -- 531) de aniinarum aeternitate ac iudicio supremo agit secutu« Th. II 22. V 13. XI 40-41. 35.

Facile est intellegere, maxima socordia in Theodoreto ex- ecribendo Georgium egisse. Logos Theodoreti e diversie Cura- tionis partibus petitos alium alii subiecit, paucis commutatis vel omissis vel de euo additis. Evenit autem, ut verba Theodoreto apta, eibi inepta immutata reliquerit. Loquitur Theodoretus V 73 de Ismaelitis, de quibue utitur verbis oi νομάοες, o\ ήμίτ€ροι πρόίΤχιυροί; etiam apud Georgium p. 56 legiraus oi παρ' ήμϊν νομάδες και πρόσχιυροι; dicit Theodoretus V 72, de Persarum ingenio testari posse, €i τις vöv πρ€σβ€ύα)ν f| στρατηγών ή έμπορίαν τινά μετιών αύτοΐς (Τυνεγενετο; idem dicit Georgias ρ. 56, cuius tempore Persarum regiium occiderat. Legimus apud Georgium p. 57 : και γουν Δημόκριτος περί τούτου ουτιυς εΐ- πεν* και γαρ τά μέν έκ θεού πάντες έχομεν, τά bk έκ τής είμαρμίνης και τύχης και τών σμικροτάτων εκείνων σωμάτων και προοήλως φερομένων άνω και κάτω παλλομένων και περι- πλεκομένων τε και διισταμένων και περιφερόμενων H ανάγκης, quae verba aliquantum mutata sumpsit a Th. VI 9; Democritum vero ita locutum esse, non dixerat Theodoretus. Statim sub- iungit haec verba a Th. VI 7 sumpta: άφ' ου ου μόνον πλοίι- τον και πενίαν και ύγίειαν και νόσον και οουλείαν και έλευ- θερίαν και πόλεμον και είρήνην οιανέμειν, άλλα και άρετήν και κακίαν άποκληρουν ^φη, ubi illud άφ' ου, quod deest apud Theo* doretum, nihil habet, quo respiciat; ceterum Theodoretus non Democrito, sed Aristoteli haec verba tribuerat. Similiter quae

III 49 de Graecis narraverat Theodoretus, dicit Georgius p. 54 de Aegyptiis, nam quae praecedunt (apud Th. III 44), dicta erant de Aegyptiis, neo melius p. 55 Romani dicuntur malos daemonas ut deos coluisse, nam de illis non loqnitnr Th. III 59.

Accidit etiam, ut verba Theodoreti prorsus mataverit Geor- gius vel alium sensnm iis subdiderit; plernmque enim male in- tellexisse videtur. Sicut cum Theodoretus IV 10 de parvie illis corporibus locutus esset, ά bia των ςκυτύγωγών εισβάλλων ό ήλιος οείκνυσιν έν έαυτώ άνω και κάτω παλλόμενα, dicit Geor- gius ρ. 57 : δείκνυσιν εαυτόν άνω και κάτω παλλόμενον; quam- quam hoc fortasse librariis imputare licet. Male vero intellexit Theodoreti verba XII 57 : και ό Σωκράτης bfe φυλάττεσθαι έκέ- λευσε τά άναπείθοντα μη πεινώντας έσθίειν και μή διψώντας πίνειν, quae sie reddidit ρ. 266: έτι bfe πάλιν Σωκράτης φυ-

Analecta Theodoretiana 457

λάττεσθαι σφόδρα και παρατηρεϊσθαι τήν άκρασίαν διδάσκων ?φη, μή π€ΐνώντας λίαν έσθίειν και μή διψώντας πολλά πί- νειν. Seneus igitur plane commatatas est. Α lue locie sensu non commulato paaca addidit de suo. Dixit Th. V 46 : ό δέ *Αρΐ(Ττο• τίλης έτι ίαιντι τώ Πλάτωνι προφανώς άντετάΗατο; legimus apud Georgiuro ρ. 58: Αριστοτέλης ό τάλας et προφανώς τε και άναισχύντιυς. Infra Th. V 47: και γαρ δή την ψυχήν εκείνου φάντος άθάνατον, ούτος Ιφη θνητήν, Georgine vero ρ. 59: καΐ γάρ δή τήν ψυχήν εκείνου είπόντος τριμερή και άθάνατον τε και θεοειδή, αυτός θνητήν ?φη και έπίκαιρον.

Quaerendnm est denique, quid verba genuina Theodoreti nobis restituere conantibus excerpta Georgii valeant. Confiten- dum est, cum ipse Georgine Theodoretnm exscripserit negle- gentissime, ac praeterea opus illius pessime editum sit, nibil fere enbsidii ex eo peti posse. Locis tarnen quibusdam utile erit in- dicare, quibuscum codicibuR nostris consentiat Georgine. Tgitur III 100 (p. 54, 23) om. Georgine verba ή θεία τραφή i^uni KBLS, III 101 (ρ. 54, 33) exbibet του τύφου τό πάθος cum KBL, ibid. (ρ. 54, 39) om. ό cum KBLS, VI 30 (p. 90, 2")) om. verba τής μεγίστης πόλειυς τούδε cum KL (lacnna est in B). Knrene antem V 75 (p. 82, 47) cum MCV praebet κατασπών, non καταστ^λλιυν, et VI 30 (p. 90, 26) praebet γενέσθαι cum CV (γίνεσθοι cett); praeterea antem V 30 (p. 74,37) cum KM et Plat. et Eus. om. verba είναι αρχήν fj; ibidem vero (p. 74, ^8) cum Plat. et Eus. praebet άνθέλκειν τοις άλλοις νεύροις ?καστον, atque sie etiam apud Tbeodoretum ecribendum esee videtur (άν- ΘΛκειν τοις άλλοις μετρίοις ?καστον Κ, άνθίλκειν μετρίως τών τοις άλλοις ίκαστον μετρίως ίκαστον Μ, άνθίλκειν μετρίως τών άλλων ίκαστον cett.).

lam in diseertatione mea (ρ. 66) annotavi, locoe Theodoreti III 100—102, VI 30—31, VII 16-21, XII 89—94 etiam ab Anaetaeio Sinaita execriptoe eeee. Vidimue nunc, eoedem fere locoe (praeter VII 16 21) a Georgio execriptoe esse, sed plnree etiam hie addidit. Accedit, quod locis modo indicatie, ubi co- dicum ecripturae differunt, cum Georgio coneentit Anaetaeiue, ac praeterea pro verbis Theodoreti VI 31 (p. 90, 37—39) και ταύτα Ησαΐας και Ίείεκιήλ και πάντες ο\ προφήται οιαρρήδην οιοάσκουσι exhibent illi ως [διαρρήδην Georg., και Anast.] ο\ προφήται διδάσκουσι. Quo modo explicabimne lianc congruen- tiam inter Anaetaeium atque Georgium ? Execribere AnastaHium Georgiue non potuit, quia locoe mnlto plnree hie exhibet, nee ei

458 R a e d e Γ

quis contendat, illa Anastaeii capita spuria esse et e Geor^rio ex• scripta, boc ei credere possumus; nam e Georgio nemo intellegere potest, omnia sumpta esse a Tbeodoreto, quod dieerte indicatur apud Anastasiam. Nihil igitur relinquitar, niei nt excerpta qaae- dam e Theodoreti Curatione iam antiquitae facta esse soBpicemar, e quibus et Anaetasium et Georgiam sua baueisee credendam «it.

Exstat etiam fragmentum libri nuper repertum, in quo qnae- dam inveninntur e Tbeodoreti Curatione execripta. £didit Mer- cati in libro, quem antea commemoravimus ^, e codioe palimpeeeto Vaticano 1853. Fragmentum eet martyrii Tropbimi, qui cum praefecto (ήγεμόνι) aliquo altercane inducitur, ita ut a poetie et ecriptoribns antiquis nterque arma petat. Recte vidit Mercati, locos ecriptorum antiquorum eoedem Tropbimum afferre, qui in- veniantur apud Tbeodoretum VI 22 34, Epicbarmi, Dipbiii, Pin- dari, Platonie, Mosie, atqne ordine quoque eodem. Neqne locos solum affert eoedem; iisdem verbie etiam ntitur Tropbimus, qui* bu8 ipee Tbeodoretiifl, mutatiR tantum, quae res mutare iubebant, ei excipiae discrepantias quaedam exignae. Sicut Theodoretus VI 27, allatis verbie Platonie Legg. IV p. 715 Ε 716 Β, sie pro- eequitur: bxa τούτιυν 6 φιλόσοφος και τόν του παντός ^€ΐΕ€ κηί)€μόνα και την έπί τινιυν Ισθ' δττη μακροθυμίαν και τήν ίν- τευθεν τοις άνοήτοις προσγινομ^νην λώβην και τήν εΙς ύστερον αύτοΐς έπιφερομ^νην πανωλεθρίαν. Eadem fere Tropbimus prae- fecto : ίχεις bia τούτιυν έπιγνώναι, εΐ βουλει, και τόν τών πάν- των κηδεμόνα και τήν έπί τίνων μακροθυμίαν ?σθ' δπτι και τήν προσγινομένην λώβην τοις κατά σέ άνοήτοις κα\ τήν έπαχθη- σομένην αύτοϊς πανωλεθρίαν εΙς ύστερον. Mutata eane est ver- borum collocatio, ac praeterea verba Theodoreti coUoquio aptata eunt (ίχεις έπιγνώναι τοις κατά σέ άνοήτοις); cetera omnia congruunt.

Mihi quidem dubium eege non poteet, quin is, qui marty- riura confecit, Tbeodoretum exeeripeerit. Dubitat eane Mercati et ex uno fönte utrumque haueiese potiue exietimat. Ar locoe, de quibue hie agitiir, ab Eueebio eumpeit Tbeodoretue, neqne iure obici poteet, me quoque locie quibuedam aliunde Tbeodoretum baueieee opinatum eeee (vid. Mercati p. 221); illie enim locie, ubi omnia Theodoreti cum Eueebianie optime congruunt, alii fonti

^ Giovanni Mercati: Note di letteratura biblica e cristiana antica (Komae 1901), cap. 15, p. 207 sqq. ( Un' apologia antiellenica sotto forma di martirio*).

Analecta Theodoretiana 469

Dullue relinquitur loous; nam Eusebium sexcenties exscripsit Theo- doretus. Nee maiore iure huic eententiae obici potest, in mar- tyrio duos locoe Homeri (E 392 400, Α 2^6) aflferri, qui apud Theodoretum non inveniantür; verba enim Homeri non afferuntur a Trophimo, eed a praefecto. Scilicet ree ita ee habet, ut uter- qne poetarum atqne ecriptomm locis utatur, cum praefectus ChriRtianoe Deumque eorum irrideat, Trophimus Dei providentiae confidendum esse antiquorum testimoniis adhibitis demonntret. Itaqne qui martyrium conscripeit, Trophimo e Theodoreti arma- mentario tela ministravit, praefecto vero eumpsit aliunde. Neque tarnen pro certo coniirmari poteet, ipsam Theodoretum enm legisee. Nam cum loci e Theodoreto execripti (VI 22 34) iidem fere eint, qui etiam apud Anastasium et Georgium inveniuntur, fieri potest, ut ille quoque excerptis usus eit.

Cum palimpsestue codex , qui Trophirai martyrium con- tinet, Omnibus Theodoreti codicibus aetate praestet (videtur eese saeculi IX), quaerendum est denique, quidnam nobis eubeidii ad Theodoreti textum recensendum praebeat. Sed vel ea de causa minus praebet martyrium, quia non omnia Theodoreti verba dili- gentissime ibi exscripta sunt. Sicut VI 23 (p. 88,51) pro Theo- doreti verbis αληθή φιλοσοφίαν τή κωμψΜςι προ(ΤμίΗας in mar- tyrio legimus τή κωμψοίςι φιλοσοφιαν αληθή έπιμίΗας, ibid. (ρ. 89, 1) γνωρίίομεν pro νομίΣομεν, VI 25 (ρ. 89, 16) άκάματον pro τταναλκή. Kursus autem in locis ab ipso Theodoreto negle- genter e fontibus exscriptis cum eo aliquoties consentit martyrium, ut VI 22 (p. 88, 48) uterque praebet οιαφεύγει (έκφεύγει Cle- mens et Eusebius), VI 23 (p. 89, 1) και bi\ και καθ' ^bou mar- tyrium cum Theodoreti Μ (^ί)ην ceteri codd., και vero posterius, quod cum metro discrepat, om. solus Theodoreti E; και γαρ καθ' ^οην Clem. et Eus.), ibid. (p. 89,5) ante θεός add. 6 cum Theodoreti M8. Videtur igitur ma^yrium Μ codioem magis quam oeteros sequi, sed VI 26 (p. 89, 32) cum EL add. και post φλέγεται, verba autem sequentia τήν ψυχήν exhibet, quae de- sunt in M. Ceterum Μ codex non est inter optimos; quaedam tamen vitia eius iam antiquo tempore orta esse videntur.

Quamquam igitur ad textum recensendum vel emendaodum nihil fere adiuvamur ab iis, qui Theodoretum exscripserunt, id ipsum tamen, quod toties exscriptus est, dignum est, quod anim- advertamus. Apparet, Theodoretum saeculis proximis ac Byzan- tinorum quoque aetate magis lectum esse , quam ego aliique credidimus.

Hauniae. loann«« Β*^^^^τ«

MISCELLEN

Eine Anspielang in dem Zeushymnae des Kallinaehos

Der Kn8tehung8zeit des ersten Hyranae des Kalliniachoe muss die neuere Forschung den immerhin noch erhehlichen Spiel- raum zwischen den Jahren 285, 284, 281/279, 280, 278, 275. 271 und 266 lassen, ohne dass nicht gegeu jedes einzelne der genannten Jahre gewichtige Gründe genug sprächen, die den An- satz als mindestens zweifelhaft erscheinen Hessen. Sicher ist, dass nur durch Feststellung von Anspielungen auf Litteratur, vor- nehmlich aher auf aktuelle Politik und Geschichte, die dem Dichter ein Rüstzeug seiner Muse werden, eine chronologische Fixirung seiner Gedichte ermöglicht wird, ebenso eicher aber, dass dies an sich gewiss richtige Verfahren durch allzu grosse philologische Spürkraft so forcirt ist, dass die Erklärung der Hymnen darunter gelitten hat. Um zu einem endgültigen ürtheil über die Datirung zu gelangen, wird es noch vieler neuer Argu- mente bedürfen; auf einen Anhaltspunkt für den I. Hymnus sollen die nachfolgenden Zeilen hinweisen.

In dem Haupttheil des Gedichts wird Zeus als der Be- schützer der Könige gepriesen. Nicht der der Schiffahrt Kundige, nicht der Krieger oder Sänger sind seine Schützlinge sie alle sind der Fürsorge geringerer Götter anheimgestellt sondern die Herrscher (79 f.)

έκ Διός βασιλήες* έπε! Διός ουδέν άνάκτιυν

θειότερον. (so die Hss.). Dies Satzgefüge hat wegen der scheinbar durch nichts motivirten unmittelbaren Aufeinanderfolge des Wortes Διός von jeher den Erklärern die schwersten Bedenken verursacht, und bis auf den heutigen Tag bilden <lie8e Verse eine crux philologorum. Es kann hier nicht der Ort sein, die zahllosen Conjecturen durch- zugehen, welche man zur Heilung! der vermeintlich verderbten Stelle vorgeschlagen hat; doch will ich in Kürze bemerken, dass der (offenbar durch Bergks έπ' ουδεος veranlasste) Vorschlag von Wilamowitz επι χθονός zu lesen, abgelehnt werden rauss: denn abgesehen davon, dass dieser Zusatz zu farblos ist und zq sehr den Eindruck blossen VersfüUsels machen würde, trägt er einen ganz fremden Gedanken in den Zusammenhang hinein und reiht vor allem die beiden Gedanken *die Könige stammen von

Miscellen 461

Zeus' und * nichts ist göttlicher als die Herrscher ohne jede Ver- mittelung aneinander. Der einzige Ausweg zur Rechtfertigung dieses höchst auffallenden und harten Asyndetons wäre der, einen Gegensatz zu statuiren ; doch wird man einen solchen, wofern die Sache nicht etwa auf Spintisirerei hinausläuft, nirgendwo zu entdecken imstande sein. Deshalb nehme ich keinen Anstand zu behaupten, dass eine conjunctive Partikel auf alle Fälle verlangt werden muss, um klarzustellen, dass der Satz oubtv άνάκτιυν Gcioxepov als Motivierung der vorangehenden These έκ bfe Διός βα(Τιλή6ς gedacht ist. Zu gewagt scheint es mir, mit Vahlen (Berl. Ak. 1895 p. 881 f.) dem Dichter eine überaus knappe Rede- weise, die auch dem Sinne nach kaum genügen dürfte, vindiciren zu wollen wie

'έκ bi Διός βασιλήες , έπ€ΐ Διός.

f von Zeus stammen die Könige, weil sie des Zeus sind'). Hierbei ist έκ bk Διός βασιλήες nicht als von Kallimachos selber herrührend, sondern als Citat eines andern Dichtere (He- siod Theog. 96) aufzufassen. Indess ist es m. E. nicht angängig, das έπει Διός als selbständiges Kolon von den folgenden Worten abzutrennen und dann mit einem harten Asyndeton fortzufahren; überdies tritt der Gedanke έκ bk Διός βασιλήες erst in das rechte Licht, wenn man voraussetzt, dass er von unserem Dichter im Gegensatz zu dem von anderen Besungenen angeführt wird: man preist den Hephaistos als Schntzgott der Schmiede, den Ares als den der Krieger, den Phoebus als den der Sänger nun emphatisch : von Zeus aber stammen die Könige ab.

Ich glaube der Stelle mit Hülfe einer neuen Interpretation beikommeu zu können^. Bekanntlich war die Dynastie der Ptolemaeer seit Ptolemaeus Soter eine absolute Monarchie, wie sie strenger wohl kaum gedacht werden kann. Eine tiefe EJuft ist zwischen dem König und seinen Unterthanen befestigt, welche weder hüben noch drüben irgend einen Uebergang bietet. Ganz zu geschweigen von den ausserordentlich weitgehenden Hechten, welche der jeweilige βασιλεύς in politischer Hinsicht auszuüben in der Lage war, manifestirte sich seine unumschränkte Macht auch nach einer anderen Seite, der des Kultus und der göttlichen Verehrung. Es steht fest, dass die ägyptischen Könige von sich als von Göttern redeten und sich vom Volke als Götter an- reden und verehren Hessen zu ihren Lebzeiten nicht minder als nach ihrem Tode. Die Form des Kults war eine drei- fache : entweder führten sie eine Sonderexistenz als Gott und hatten eigene Priester (so auch Philadelphos), oder sie wurden als σύνναοι θεοί anderen Göttern aggregirt oder endlich es ward

^ Zu den folgenden Ausführungen vergl Strack Dynastie der Ptolemaeer. Derselbe: Griechische Titel im Ptolemaeerreich im Rhein. Mus. .55 (1900) S. U>1 ff. Kornemann: Zur Geschichte der antiken Herrschorkulte, in Lehmanns Beitr. z. allen Gesch. I 1 (1901) S. 51 ff.

462 Misoellen

ein Collegium von Königen za einem Cultae vereinigt Dieee Consecrirung wird äueserlich zum Ausdruck gebracht und die Könige als Götter gekennzeichnet^ indem man den sonstigen Bei- namen und Titeln das Attribut θεός beifügte, sowie 'Sohn des Gottes X'. Wenn wir uns nun zu der Kallimachosetelle zurück- wenden, so sind wir, denke ich, berechtigt Hoffnung zu schöpfen, dass der Worte έπ€\ Διός oObiv άνάκτιυν θ. eine befriedigende Lösung harrt. Zwar findet sich der Gottestitel in den officiellen Aktenstücken nur zu dem betreffenden Eigennamen des Königs hinzugefügt; indess spricht dies nur scheinbar gegen meine Deu- tung: denn obwohl der Dichter hier im Allgemeinen über die Könige spricht, die sämmtlich Abkommen und Söhne des Zeus sind, so ist dennoch unverkennbar, dass er schon hier ausschliesslich den Philadelphos, den speciellen Liebling des Zeus, im Ange hat, und an ihn allein konnten und mussten die Leser der damaligen Zeit denken. Und zur üeberpflanzung dieses streng genommen nur dem nomen proprium zukommenden Διός auf den Gattungs- begriff ανακτες bedurfte es, scheint mir, nur eines einzigen Schrittes. Dass Kallimachos statt des officiellen, farblosen θεός den θεός κατ' έΗοχήν setzte, wer wollte sich darüber wundem, der die Gepflogenheiten des sich in Hyperbeln bewegenden Hof- poeten kennt? Jenes problematische Διός scheint mir also in Anlehnung an den officiellen Titel der Könige gebraucht zu sein und sich auf die göttliche Verehrung und den Cult zu beziehen. Kine annähernde Uebersetznng würde vielleicht unser 'Herrscher von Gottesgnaden bilden.

Falls meine Erklärung der Stelle der Kritik standhalten sollte, würde es einer Aenderung des überlieferten Textes nicht bedürfen, zugleich gewinnen wir aber für die Chronologie des Hymnus eine Handhabe. Die neueren Papyrusfunde haben er- geben, dass gerade der in unserem Gedichte gefeierte Plolemaioe Philadelphos es gewesen ist, der den officiellen Königscultus in Aegypten einführte. Im Jahre 279 decretirte er zunächst seinen Eltern, Ptolemaios Soter und Berenike, göttliche £hren (θεο) Σωτήρες), darauf consecrirte er 271/270 seine Schwester und Gattin Arsinoe IL Unmittelbar nachher, vielleicht noch in dem nämlichen Jahre, scheint er auch selber den Gottestitel ange- nommen zu haben. £s könnte strittig erscheinen, welches dieser 3 oder richtiger 2 Ereignisse (denn die Apotheose der Arsinoe und ihres Brudergemahls stehen in ursächlichem Zusammenhange, worüber v. Prott Rhein. Mus. 53, 1898, p. 466) unser Hymnus zur Voraussetzung hat, doch wird, denke ich, die Entscheidung unschwer zu fällen sein, wenn man bedenkt, dass die 279 er- folgte Consecrirung der Eltern weit weniger bedeutungsvoll und epochemachend war denn sie geschah ' offenbar in Nachahmung der schon vorhandenen städtischen Culte von θεοί Σωτήρες, insbesondere des athenischen für Antigenes und Demetrios* Kor- nemann aaO. p. 70 als die Einführung des officiellen Cultns des lebenden Herrschers; dies ist das eigentliche Novum, and von

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dieeem βο bedeutsamen Ereigniss haben wir meiner üeberzeugung nach an der behandelten Stelle einen greifbaren Niederschlag. Ich sehe demnach als terrainiis post quem das Jahr 270 an, und viel später wird unser Hymnus auch kaum entstanden sein. Kiel. Gustav Wörpel.

Plantus Amphitrno

So viel ich weiss, hat Niemand bisher über Plautus Am- phitruo den Verdacht geäussert, dass auch diese Komödie, wie viele andere des Plautus, eine comoedia contaminata ist ; im Gegentheil hat man gemeint, Amphitruo, wie Bacchides Aulularia Mustellaria, sei von den Komödien, Meren Form Plautus gelassen hat, wie sie dem Geiste des Meisters entstiegen war, und denen er nur in der Ausführung von Spiel und Rede die bunten Züge seines zwischen griechisch und römisch schillernden Stiles aufgeprägt hat* (Leo, Plaut. Forsch. 151). Doch eine weitere Untersuchung wird vielleicht auch dieses Stück den contaminirten einreihen. Mir wenigstens ist es am wahrscheinlichsten, dass hier eine Con- tamination vorliegt, wenn in dem gleich auf die tiox longior, in der Zeus cum Alcumena voluptatem capit, folgenden Tage Alkmene geminos filios paritj obwohl alter decumo post mettse nascetur puer quam seminatus est, alter mense septumo (vgl. Leo zu 479 ff. und Langen, Plautinische Studien 234—237, welch letzterer eine Er- weiterung nachplautinischer Zeit für Vers 479 495 annimmt).

In der zweiten Scene des ersten Actus sagt Mercurins: Berte prospereque hoc hodie operis processit mihi: amooi α foribus maximatn molesiiam (Sosiam), patri ut liceret tuto illam amplexarier etc. alles richtig bis zum Vers 478. Von Vers 479 an giebt Mercurius einen Zusatz zum Argumentum: nunc de Alcumena dudum quod dLvimus minus, hodie Uta parkt filios geminos duos etc. Der Zusatz an und für sich ist vielleicht nicht sehr auf- fallend, obwohl ein ähnlicher sonst nirgends bei Plautus vor- kommt; denn in der Cistellaria sagt die lena nicht das Argu- mentum selbst, was nachher Auxilium erzählen soll, sondern sie sagt nur das aus, was sie über Seleniums Abenteuer weiss. Das Auffallende ist hier: der Zusatz trifft eben das, was im Original nicht vorhanden gewesen zu sein scheint, die Geburt und die Ge- burtssoenen. In der folgenden Scene (I 3) sagt Pseudo-Amphitruo zu Alkmene, indem er von ihr Abschied nehmen und das Eaus verlassen muss : Bene vale, Alcumena^ cura rem communem, quod facis; atque imperce, quaeso: menses iam tibi esse acios vides: mihi necesse est ire hinc; verum quod erit nalum tollUo, Krstene ist es sehr fraglich, ob Pseudo-Amphitruo dies sagen dürfte, menses iam tibi esse actos vides; auch wenn es für Amphitruo's semen geltend war, sollte der Dichter zugegeben, dass die Verse 479 495 nicht plautinisch sind, wie Langen will in der ersten Scene des dritten Actus, wo er den Juppiter sagen läset: post igitur demum faciam res palam fial atque Alcumenae

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in tempore auxilium feram faciamque ut uno fetu et quod gravida est viro ei me quod gravidast pariat sine dolorilms^ über Herkules* Geburt vorauesageUf daes er sogleicb nacb der Empfangnise ge- boren wird (wie Langen glauben will), dh. nicht άορί<Ττως in tempore, sondern hodie^ zumal *da der Üerkules-Mythus ganz an- ders klang. Wenn der Dichter weder dort (III 1) noch sonst irgendwo etwas über Herkules' Geburt sagte, so wäre es ein Beweis, dass die Geburt entweder natürlich oder wenigstens dass sie so geschehen sollte, wie man darüber zu denken pflegt. Wir glauben, wenn der Dichter den luppiter sagen läset in tempore auxilium feram, so stellt er sich die Geburt nicht am selben Tage, an dem er dies sagt, vor. Ausserdem wenn Alkmene der Niederkunft nah wäre, sollte sie nichts über die bevorstehende Geburt Pagen? Sie klagt, weil Pseudo-Amphitruo fortgehen will, priusquam lectus ubi cuhuit concaluit locus (513) und sie l/xcri- maniem ex abifu concinuat (529); über die Geburt kein Wort, weder in der dritten Scene des ersten Actus, wo Juppiter zu ihr sagt: menses iam tibi esse actos vides; mihi necesse est ire h%nc\ verum quod erit naium tollito, noch in der zweiten Scene des zweiten Actus (Canticum). Das ist sehr sonderbar für eine Frau die der Niederkunft so nah ist.

Da nun die Geburt nicht innerlich mit der übrigen Komödie verbunden ist, möchten wir glauben, dass Plautus die Geburts- scenen nicht im Original gefunden, sondern sie durch Contami- iiation aus einem anderen Stück zugefügt hat, * um Stoff und Hand- lung zu häufen ^ Er hat sich bemüht, diese Scenen vorzubereiten (I 2. I 3. II 2), aber ganz äusserlich und nicht treffend. Dass die Geburt ein dem Original fremdes Stück war,, zeigen auch die Verse 876 ff. post igitur demum faciam res palam fiat atque Al• cumenae in tempore atucilium feram etc., also der Betrug soll vor der Geburt entdeckt werden. Dass es aber nicht nothwendig, dass alles was Juppiter voraussagt, also die Geburt, in der fabala selbst stattfinden musste, kann man nicht leugnen (vgl. Casina). Der Dichter des Originals scheint mir den Mythus so umgeformt zu haben, dass Alkmene vom Amphitruo im schwangeren Zn- stande zurückgelassen wurde, als er in den Krieg zog; aus dem Krieg kam Amphitruo drei Monate nachher zurück, und zwar an dem gleich auf die nox longior folgenden Tage; in der iMX longwr wurde Alkmene auch von Zeus schwanger. Die Nieder- kunft sollte in zehn Monaten nach Amphitruos Zug und in sieben Monaten nach dessen Rückkehr stattfinden; also nicht, wie bei Plautus, gleich nach der Rückkehr.

Zum Schluss des Originales machte der μάντις Τ€ΐρ€(Τ{ας oder Ζευς άπό μηχανής die ganze Geschichte klar und sagte Herkules* Geburt voraus. Was die Bromia über die Geburt aus- sagt, ist wahrscheinlich aus Euripides^ Alkmene abgeleitet. Auf Euripides' Alkmene hat Plautus oder dessen Original im Badens (v. 8β) hingedeutet. Aus der Euripideischen Tragödie ist viel- leicht auch die von Sosia gelieferte Beechreibang der Schlacht

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(ν. 203 ff.). Eine solche Schilderang im Amphitrüo hätte nur dann Zweck, wenn Mercurius nichte üher die Schlacht und den Sieg der Thehaner wnsete, weehalh er Sosia's ßeschreihung ex angiportü erlaascben niueste; aber Mercurius, als Gott, wusste alles; er hatte auch die patera aus dem versiegelten Kasten weg- gestohlen, ohne das Siegel zu verletzen. Von Contamination scheinen auch die Inoonsequenzen und Unwahrscheinlichkeiten herzurühren, üher die Langen p. 91 ff. und Leo zu 880 sprechen.

Athen. Theophanes Eakridis.

Randbemwkangen zu Ht rai

Carm. III 4, 9—13

Me fabulosae Yolture in Appulo

Nutricis extra limen apud viam Ludo fatigatumque somno

Fronde nova puerum palumbes

Texere, mirum quod foret omnibus . . . Der Dichter betont: 'es war ein Wunder für alle Umwohner, wie ich dort wohlbehütet schlummerte, wie ich unter heiligem Lorbeer dalag' (Imperfect). Der Vorgang soll, wie die Zeitform zeigt, nicht erst durch Hörensagen bekannt geworden, sondern von vielen gesehen sein. Da durfte er auch nicht in des Waldes tiefste Gründe verlegt werden (etwa nutricis extra limina de- viam), sondern an eine den Bergwald durchkreuzende Strasse, auf der am Abend Feld- und Waldarbeiter, Bewohner der Nach- bardörfer, truppweise heimwärts ziehen und nahe am Weges- saume den Knaben gebettet finden. Nach der mehr negativen Ortsangabe extra nutricis limen giebt die genauere Bestimmung apud viam anschaulich den Platz für das Spiel des Knaben und für die zahlreichen späteren Augenzeugen ; sie stimmt zudem fast buchstäblich überein mit dem überlieferten Apuliae. Dass damit die nutrix 'Pullia' wieder in ihre Anonymität zurücksinkt, wird dem Odentone nur angemessen und förderlich sein.

Carm. III 6, 21—24 Motus doceri gaudet lonicos Matura vix et fingitur artibus lam nunc et incestos amores De tenero meditatur ungui. Die überlieferte Lesart matura virgo widerstreitet, trotz aller Rettungen, dem Postulate jedes Lesers; die neuere Erklä- rung der Worte de tenero ungui ist nicht überzeugend. Verlangt wird genau der obige Begriff quae vix (vixdum?) maturu est. Auffallend erscheint beim ersten Anblick das alleinstehende, fast substantivische matura. Sollte die Unbestimmtheit nicht beab- sichtigt sein, da das fragliche weibliche Wesen nicht Kind, nicht Gattin und am wenigsten passend virgo genannt werden konnte? Der horazische Sprachgebrauch zeigt das Adjectiv und Particip

Rhein. Mut. f. Philol. N. F. LVU. dO

466 Miscellen

nicht selten in jener eelbetändigen Stellung, ohne Anlehnung an ein Substantiv, ausser an ein gedachtes. Ars poet. 277 : qnae canerent agerentque peruncti faecibus ora. Ode ΓΙ 7, 11: cum fracta virtus et minaces turpe solum tetigere mento. Ode III 12,1: miserarum est. Selbst für den Singular, der ja noch kühner erscheint, giebt es bekannte Analogien. Ode III 20, 15: qualis aut Nireus fuit aut aquosa raptus ab Ida. Ode I 7, 9 : plurimus in lunonis honorem aptum dioet equis Argos.

Carm. III 23, 17-20 Inmunis aram si tetigit manns, Non cum torosa blandior hostia, MoUivit aversos penates

Farre pio et saliente mica.

Die überlieferte Lesart suratuoea ergiebt statt eines klaren Sinnes eine gradezu "merkwürdige Vieldeutigkeit der Beziehungen. Da soll non zu blandior gehören, gefährdet aber auch das noch näher stehende sumtuosa durch ein negatives Vorzeichen; hostia soll ablat. instruni. sein, wird aber unmittelbarer als abl. com- par. empfunden, wie in I 24, 13 Threicio blandius Orpbeo; für den philologisch ungeschulten Leser kam ausserdem die Möglich- keit hinzu, hostia als Nominativ aufzufassen, wie doch sogar Bentley that; schliesslich sind bei farre pio wiederum beide Ab• lative denkbar, der instrumentale und der comparative.

Das begleitende cum macht die Structur sofort einfach und eindeutig: non, cum torosa hostia (si acoedat, futura) blandior. Die Hand naht dem Altare mit einem Opferstiere: diesen Sach- verhalt drückt das cum der Begleitung wohl sogar genauer aus, als der instrumentalis ; und es schärft den Gegensatz zu inmanie. In des Dichtere Vorstellung ist die hostia hier eng verbunden mit der in V. 9 12 geschilderten victima, die auf üppiger Weide für ein solches Opfer heranwächst. Diese Schilderung der voranf- gegangenen Mästung führt eher auf einen Begriff wie torosne hinaus, als grade auf 'kostspielig' ; die Triften auf dem Algidae und bei Alba werden ja der Priesterschaft selbst gehören.

Schliesslich glaube ich, dass unsre Ode dem Ovid vorge- sciiwebt hat, als er Metam. 7, 426 schrieb:

fovet ignibus aras Munerihusque deos iniplet, feriuntque secures Collu ioi'osa boum viuctorum cornua vUtis, Solche Bezugnahme würde zugleich dem viel bestrittenen inmunis zu Hülfe kommen, das ich selbst früher durch insontis ersetzen zu sollen meinte.

Carm. I 20, 9 12 Caecubum et prelo domitam Caleno Tu soles uvam : mea nee Falernae Temperant vites neque Formiani Pocula colles. Das Mittelstück V. 3 8 ist im Verhältnies zu dem Ganzen

Miscelleij 467

dieser poetischen Kleinigkeit recht amfänglich. Es enthält also wohl auch die Hauptsache, den Hinweis auf die Bedeutung des Tages. Bei solcher Beziehung erst scheint das Gedicht die oft vermisste Pointe zu erhalten. Der Anläse des verab- redeten Zasammeiiseins ist, ähnlich wie bei III 8, ein Tag ge- meinsamer froher Erinnerung: der Erinnerung an Mäcens Er- rettung aus lebensgefährlicher Krankheit. Die Erinnerung haftet an dem Tage seines damaligen ersten Wiedererscheinens in der OefFentlichkeit, zugleich dem Tage einer grossen öffentlichen Hul- digung. An diesem Gedenktage will Horaz den Freund bei sich sehen. *Du würdest bei solchem Anlass Cäcuber und Trauben- blut von Cales spenden (bei soUs ist aus V. 1 zu ergänzen potare, aus der ganzen Situation apponere) ; mir füllen nicht diese er- lauchten Stätten, auch nicht Falemerreben den Becher mit ihrem Feuertrank, und ebenso wenig Formiäs Hügel. Schlichten Land- wein wirst du bei mir trinken; aber er ist vom eigenen Wachs- thum und sorgsam gepflegt; er ist zudem ein unmittelbarer Zeit- genosse des denkwürdigen Ereignisses'.

Schlichter Wein ist darum nicht schlechter Wein. Das Sabinergut ist nach seiner Lage die wir ja nun kennen für den Weinbau durchaus geeignet, trotz der Seufzer des un- geduldigen vilicus in Epist. I 14, 23. Die Schlussstrophe will nicht sagen, dass Horaz edlere Weine nicht führe; aber sie wachsen ihm nicht zu, er ist nicht Weingutsbesitzer Ίη Rüdes- heim und am Johannisberg\ wie wir es mntatis mutandis dem Mäcenas zutrauen dürfen. Die Strophe gibt nicht eine triviale Gegenüberstellung von Reichthum und Armuth. Sie will ne- gativ noch einmal die Pointe schärfen: 'an einem Tage von so hochpersönlichem Werthe gebe ich von dem Eigenen, von dem Ertrage des mir so werthen Eigenthums; so ehre ich den am besten, der es mir zugeeignet hat\

Epist. I 18, 104. 105

Me quotiens gelidus reficit Digentia rivus, Quem Mandela bibit rugosus frigore pagus . .

Vors übersetzt: 'die von Bergfrost schaudernde Dorfschaft '^; Döderlein: ^das rauhe Gebirgsdorf; Kiessling: Mie vom Frost verhutzelten Bewohner des pagus .

Wer im Thale des Anio von Tivoli nach Vicovaro wandert oder impositus mannis behaglich hinauffährt, hat, bevor er linker Hand in das Licenzathal einbiegt, längere Zeit den freien Aus- blick auf das vor ihm liegende Dorf Cantalupo (Bardella), das sich heute Mandela nennt. Zweierlei lehrt der Augenschein : erstens dass diese Ortschaft keine rauhe Höhenlage hat, zweitens dass ihre Bewohner nicht das Wasser der Licenza trinken. Der Ort liegt etwa 487 m hoch, überhaupt nicht mehr in dem engeren Licenzathale, sondern rechtsseitig ausserhalb davor; das Flüss- chen (337 m) bleibt tief unter dem Dorfe und ziemlich entfernt von ihm. Ob die Bewohner dieses Vorberges im Alterthum über-

468 Misoellen

haupt noch mit zum pagus Mandela zählten, bleibe dahingestellt; Horaz meint mit dem pagus, der aus dem Flusse trinkt, jeden- falls seine näheren Nachbarn, die Bewohner des eigentlichen, engeren LicenzathaleF, in welchem er selbst bei den heutigen vigne di S. iMetro gegenüber dem Dörfchen Licenzn wohnte (N. Fritsch, Neue Jahrb. f. Phil. 1895, S. 57—78). Das Klima dieses Thaies ist aber ebenso wenig von besonderer Kühle, wie das des sonnigen Cantalupo ( Mandela*) auf der vorgelagerten Abflachung des ßerges. Das zeigt die Satire II 8, 10 si vacunm tepido cepisset villula tecto; deutlicher noch der Brief I 16, 5 8 in dem Urtheil temperiem laudes. Folglich bezieht sich das At- tribut mgosus frigore überhaupt nicht auf das allgemeine Klima der Gegend, sondern nur auf die vielgepriesene Kühlung des Flüsschens selbst. In diesem Sinne steht das Substantiv in der Ode III 21, 10: tu frigus amabile . . tauris . . praebee. Das Attribut rugosus aber will mit leichter Hyperbel sagen: das Wasser der Licenza ist so kalt, dass es dem Trinkenden die Gänsehaut verursacht. Also ^aufschauernd ob der Kälte dieses Wassers* trinkt die Dorfschaft Mandela, dh, die Bewohner der im oberen Licenzathale zerstreut liegenden Anwesen, aus ihrem Fltisschen.

Ars poet. 251—259 Syllaba longa brevi subiecta vocatur iambus, pes citus ; unde etiam trimetris accrescere iussit nomen iambeis, cum senos redderet ictue primus ad extremum similis sibi: nempe ita pridem, tardior ut pauUo graviorque veniret ad aures, spondeos stabiles in iura paterna recepit commodus et patiens, non ut de sede secunda cederet aut quarta socialiter; hie et in Acci nobilibus trimetris apparet rarus .... Gedankengang: Die lange Silbe, verbunden mit der vorauf- gegangenen Kürze, heisst Iambus ; ein flüchtiger Fuss, weshalb er sich auch verstärkt hat und in der iambischen Zeile dreimal paarweise auftritt, während er eigentlich in sechs Hebungen eich wiederholte, vom ersten bis zum letzten sich selbst ähnlich. In solcher Absicht hat er ja von je her (nämlich ebenfalls, um etwas gemessener und gewichtiger ins Gehör zu fallen), die nach- haltigen Spondeen in sein väterliches Krbe aufgenommen, gefällig und fügsam ; doch nicht so weit ging die Kameradschaft, dass er auch den zweiten and vierten Platz geräumt hätte. An diesen Stellen kommt der Iambus in den gepriesenen Trimetem des Accius nur noch vereinzelt zum Vorschein*.

Hamburg. F. Schultese.

Ζπρ Cipis, v. 369—377

In seinem Buche *aus Vergils Frühzeit* hat Fr. Skutsch den Nachweis angetreten, dass die Ciris älter ist als es die Ge-

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dichte VergiU eind. Für die Begründung dieser These war neben anderen Untersuchungen auch eine Prüfung der ganzen Verse und Verstheile, die das Epyllion von der Skylla mit den Ge- sängen des altissimo poeta gemeinsam hat, auf ihre Priorität hin nothwendig. Skutsch hat diesen Vergleich auf S. 112 ff. seines Werkes augestellt, und zu Gunsten der Giris als der Aelteren entschieden. Dagegen ist Fr. Leo bei einer erneuten Durch- musterung der fraglichen Stellen (Hermes XXX VI! 1902 S. 34 47) zu dem entgegengesetzten ürtheil gekommen. Wenn ich es wage, in dieser Discrepanz der Meinungen das Wort zu er- . greifen, so geschieht es nur, um für eine Stelle der Ciris, die eich mehrfach mit Vergilischen Versen berührt, das Verfahren noch einmal aufzunehmen, da mir die letzte Behandlung hier nicht das Richtige zu treffen scheint.

Es ist V. 369 ff. : die Τροφός hat den Liebeskummer der Skylla entdeckt, und ist nun im Verein mit der Königetochter bestrebt, Nisus zu veranlassen, dass er dem feindlichen Herrscher der Kreter den Frieden und zugleich die Hand der Skylla an- biete. Um das zu bewirken, mues als letztes Mittel der Zauber herhalten; das poetisch so dankbare Motiv einer μαγική πράΕις wird in Scene gesetzt:

€tt nutrix, patula camponens sulphura testa, 370 narcissum casiamque herhas incendit olentes, terque novena ligans triplici diversa colore fila ter in gremium mecunC inquit ^despue^ virgo, *de$ptie ter, virgo: numero deus impare gaudet', inde lovi magno geminavs Stygio data sacra, 375 Sacra nee Idaeis a/nübus nee cognita CrraiSj pergiiy Amyclaeo spargens aliarm thallo^ regis lolciacis animum defigere votis. Zu der Ueberlieferung dieser Verse ist zu bemerken: 370 Die Hss. schwanken zwischen contundit^ was Leo aufnimmt (S. 42 Anm. 3), und incendit^ dessen sachliche Richtigkeit sich unten ergeben wird. 371 ligani oder ligat die Hss., ligans Verbesse- rung von 0. Ribbeck. 374 inde magno geminat iovi frigidula Sacra die Hss., von den vielen möglichen Aendemngen empfiehlt sich vielleicht die hier vorgeschlagene durch die geringe Ab- weichung von der Tradition. 375 idaeis die Hss., Aeaeis die Aus- gaben nach Heinsius. Aber diese Conjectur ist dadurch ausge- schlossen, dass sie einen Widerspruch mit lolciacus v. 377 her- vorrufen würde. Idaeae sind die Frauen vom kretischen Ida : weder des Minos noch des Kisus Landsleute kennen solchen Zauber.

In der hier ausgehobenen Stelle der Ciris sind die üeber- einstimmungen mit Vergil gehäuft. Bei ihm lesen wir Ecl. Ell herhas contundit olentes; ΙΪ 48 narcissum et flores iungit bene olenHs anefhi^ tum casia; VIII 73 ferna tibi haec primum triplici diversa colore licia circumdo; VIII 75 nvmero deus impare gau- det; VIII 77 necte tribtis nodis ternos Amarylli colores. Hiersa

470 Miscelleu

kommt, wenn man meine Lesung von v. 374 annimmt, noch Aen. IV 638 Sacra lovi Slygio. Dass diese Verse und Theile von Versen zuerst von Vergil gedichtet, und dann von dem V^erfasser der Ciris für sein Poem entlehnt seien, zeigt Leo dadurch, dass er in diesem eine Reihe von Verstössen gegen das antike Zauber- ritual aufweist. *Zerstossene Kräuter dienen dem Zaubertrank . . . (bei dem) Zerstossen der Blumen und (der) Knüpfung des Liebesknotens nur das kann v. 371 bedeuten . . fehlt die kenntliche Beziehung auf <len Zweck der Handlunfr, der nicht die Bethörung oder Bindung eines Liebhabers, sondern die Um• Stimmung des Königs ist. Ferner: Narciss und Seidelbast er- scheinen nirgend als magische Kräuter. lind lieh, warum zerstösst sie herhas olcntes, dh. in diesem Falle duftende Frtihlingsblüthen, nicht etwa Pflanzen, rleren Saft einen starken Duft verbreitet?*

Um die Berechtigung dieser Einwände zu prüfen, müssen wir zunächst nach der Absicht der Carme fragen; denn je nach dem Zwecke des Zaubers kann sein Ritual verschieden sein. Das bestimmende Wort steht in v. 377 : defigere. Wir haben es also mit einem Defixionszanber zu thun; diesem liegt, um die Worte E. Kuhnerts (Pauly-Wissowa, Realencyclopädie IV 2374) zu ge- brauchen, 'die Vorstellung zu Grunde,^ dass die Wirkung des Zaubers einem durchbohrenden Stich gleicht: wie ein solcher den Menschen lähmt, ihn des freien Gebrauchs seiner Kräfte be- raubt, so wirkt auch der Zauber auf ihn; der Besprochene ist dem Tode verfallen und wird so lange von Schmerz und Siech- thum gequält, bis er si(h durch Erfüllung einer bestimmten Be- dingung von der Wirkung der unheilvollen Zauberwaffe zu be- freien vermag. In dem hier vorliegenden Falle soll also der Geist des Nisus so lange gelähmt werden, bis er sich den Wün- schen seiner Tochter bequemt; ein Zweck, der übrigens nicht er- reicht wird, V. 378 :

null α movet stabilem fallacia Nisum.

Jede Zauberhandlung, also auch die defixw^ besteht, wenn sie vollständig sein soll, aus mehreren Theilen. Voran geht ein Rauchopfer (έπίθυμα), es folgt das Hauj)tstück, die Verbindung von magischer That (πραΕις) mit magischem Wort (λόγος), begleitet von einer Prophylaxe, die den Hexenmeister selbst vor allen bösen Geistern schützen soll, die sein Gebet entfesselt (φυλακή της ττράΕεως). Man kann sich von dieser stets gleich bleibenden Ein- theilung leicht überzeugen, wenn man die Recepte durchmustert, die uns in den Papyri magicae erhalten sind. So beginnt denn auch hier Carme mit der Bereitung des έπίθυμα; dazu nimmt sie als Ingredienzien Schwefel, Narzisse und Casia: hierzu, nicht zum Zaubertrank, der in der deßxio keine Stelle hat, verwendet sie die Blumen. Der Schwefel als heiliges Räuchermittel ist ur- alt ; es gab eine Etymologie, die θείον als 'das Göttliche* schlecht- hin fasste, weil es vor allem der sacralen also auch der zauberhaften -- Lustration diente. Als Odyssens die Freier im Palaste erschlagen hat, ruft er der Eurykleia zu (Od. XXII 481):

Miscellen 471

oke θί€ΐον, τρηο, κακών δκος, oTce hu μοι πυρ.

Auch der Chaldäer im Philopfieude» des Lukian (S 12) be- nutzt zu seinem Werke den Schwefel als έπίθυμα, und im Pa- pyrus Londinensis C}(X! (Denkscbr. d. Wien. Akad. XLIl) v. 498 heisst es: λαβών θείον και νειλοκαλάμης οπερμα έπίθυε προς τήν Οελήνην.

Wie dort die νειλοκαλάμη, wird hier von der Amme der Skylla die Narzisse verwendet. Allerdings ist in der sonstigen Zauberlitteratur νάρκκοος als derartiges Ingrediens nicht bezeugt, aber daes dies nur eine zufällige Lücke in der Ueberlieferung ifit, zeigt uns der mehrfach bestätigte Volksglaube, der sich an diese Pflanze anknüpft. £s ist eine unheimliche, cbthonische Blume ; die Erde hatte sie emporspriessen lassen, um Persephone durch ihren Glanz zu bethören (Hymn. Hom. in Cer. 8): als sie die Unterweltsblüthe pflückte, war sie dem Pluton verfallen. Narzissen waren es daher, mit denen sich die Göttinnen von £leusie bekränzten, Sophokles (0. C. 684) nennt sie τό μεγάλαιν θεαϊν άρχαΐον οτεφάνιυμα. Das Fcholion zu dieser Stelle und Eustathius (zur II. p. 87, 25 und 1173, 49) denken bei den ^grossen Göttinnen' an die Eumeniden, und stellen ebenso wie Plin. N. H. XXI 128 aus griechischer Quelle einen ety- mologischen Zusammenhang vapKiccoc άπό του ναρκαν her, δτι του φρίττειν και ναρκαν εκιν αι όαίμονεο αϊτιαι. Ausführlicher nennt Plutarch (Qunest. conv. 111 1 ρ. 647 Β) den Narziss αμ- βλύ V οντά τα νεύρα και βαρύτηταο έμποιουντα ναρκώνεις. Dass die Verwendung einer polchen Pflanze gerade hier, wo es eich darum handelt, Geist und Körper des Nisus zu lähmen, sehr wohl am Orte ist, wird man gerne zugeben.

Die Casia endlich wird uns auch in anderen Texten ge- radezu als Zauberkraut genannt. In dem Leydener Papyrus W I 17 (A. Dieterich, Abraxas S. 171) gehört sie zu den sieben Kräutern, die als έπιθύμοτα der sieben Planetengötter verwendet werden, und zwar ist die Kacta dem Hermes heilig; Pap. mag. Paris, v. 1309 (Denkschriften der Wien. Akad. XXXVI) erscheint sie ebenfalls als Bestandtheil eines έπιθυμα.

Die Schwefelstücke werden in hreiter Schale zurechtgelegt, Narziss und Casia werden dazu gethan. Damit ist die Vorberei- tung zum Rauchopfer vollendet, und es kann angezündet werden : incendit ist hier ganz an seinem Platze. Ist aber der Weihrauch erst im Brennen, so mischt sich mit dem Geruch des Schwefele der Duft von Narzisse und Casia: daher nennt sie der Dichter herbas olentes.

Nach dem έπίθυμα wird die eigentliche πρά^ΐς vorhereitet. Dreimal neun Fäden von drei verschiedenen Farben werden mit einander verknotet. Wie dadurch diese Fäden gebunden sind, soll auch der Geist des Nisus gefesselt sein. Die Symbolik er- klärt sich aus der griechischen Vorlage. Was den Lateinern die defiaiOi das ist in Hellas der κατάοεομος, der Bindezanber. Wir haben für diesen noch ein ausführliches Recept im Pap.

472 Misocllen

Par. 330: 'nimm zwei Figürcben und eine Bleitafel, ουνόήοας τό πεταλον τοις ίιυοίοις μίτψ άπό kxoO ποιήςας αμματα r^e\ Und zwar darf man nicht geltend machen, dase in diesem Bindezanber das Symbol des verknoteten FadcnR nur vorkomme, weil es ein Liebeszanber sei er beiRBt v. 296 φίλτροκατάόεομος , denn nicht nur der Name zeigt uns, daes ein ligare bei jedem κατάοεομος vorkommen kann, son- dern wir haben auch noch den directen Beweis bierfür auf der Bleitafel CIL. VTII suppl. 12511, 14. Hier handelt es sich um die defixio eines verhassten Gegners; da fesselt man einen Hahn und schreibt dazu d)C ouTOC δ αλέκτωρ καταόέοβται toic nocl και raic χέρα και τη κεφαλή!» ούτως καταόήςατε (τον οεΐνα). Auch an unserer Stelle ist demnach das Binden der Fäden als Vorbild der Fesselung des Nisus durchaus am Platze. Für die dreifache Farbe der Fäden sowie für die heiligen Zahlen 3 und» 3-3-3 verweise ich auf W. Kroll, Antiker Aberglaube (Virchow-Holtzendorflr XII 278) S. 38 f. Die Anschauung titi- mero deus impare gaudet ist uralt: so wird denn auch hier in der ganzen Handlung überall künstlich die ungrade Zahl her- gestellt. Wir haben dreimal neun Fäden, drei Farben, dreifaches Ausspucken. Daes die Ciris hierin weniger systematisch sei als Vergil in der VIII. Ecloge, der v. 74 drei Fäden, drei Farben, drei Umgänge hat, ist nicht ganz richtig.

Der λόγος, der die πραΗις begleitet, wird in der Cirie nur kurz erwähnt; es sind die vota in v. 377. Dagegen ist das φυλακτήριον ausführlicher geschildert: ter in sinum despuUur, Das ist bekannter griechischer und italischer Brauch, um böse Geister und schädliche Einflüsse abzuwehren. Wie der mensch- liche Speichel zu dieser prophylaktischen Kraft kam, hat Frank W. Nicholson dargethan {The Saliva Superstition in Classicat Litterature, Harvard Studies VllI 1897 p. 23—40). Unter den von ihm angeführten Belegen finden sich auch die beiden Theo- kritstellen, die contaminirt das Vorbild der Ciris gewesen sein könnten ^ Π 62:

καΐ λίγ' έπιφθύίοκα• το ΔίλφΛοο Ο€τία μάοοω, und VI 39:

ibc μή βαοκανθώ bi, τρις εΐο έμόν ίτττυοα κόλπον, ταύτα γάρ ά γραία με Κοτυταρις έΕεόίόαΗεν. Von weiteren Einzelheiten der Zauberhandlung erfahren wir nur noch in v. 376, dass der Altar auch der βωμός gehört zum magischen Apparat, s. zB. Pap. Par. 34, 37, 42 mit amykläischem Thailus bestreut wird. Das ist sicher die Blume des llyakinthos gewesen; dieser stammte aus Amyklai (Preller- Robert, Griech. Myth. I S. 248), und die nach ihm benannte,

^ Während der Correctur lese ich, dass P. Jahn dem Dichter der Ciris die Kenntniss Theokrits abspricht (Hermes XXXVll 1902 S. K'iO), dhvT seine Ausführungen Itaben mich nicht ülierzeugt.

Miscellen 473

tranerkündende Bltitbe eignete sich sehr wohl zur Verwendung im todtbringenden Bindezanber.

So folgt also die Hexenkunst der Carme in allem genau den Vorschriften antiken Zauberrituale und den Vorstellungen, die bei seiner Fixirung massgebend waren. Einen sachlichen Anstoss irgend welcher Art wird man in v. 369 377 der Ciris nicht finden, und so darf man denn auch aus dieser Partie kein Argument für die Priorität Vergils ableiten.

Breslau. R. Wünsch.

AgroeciuB et PlinlBS de Delphiea

Delphicae (i. mensae Tel cortinae) vocabulum ut per anti- quitatem notum erat et pervulgatum, ita postea non modo libra- riis sed etiam philologis fraudem fecit. velut Agroecii p. 116, 15 K. haec leguntur: Cicero 'ivibeo promi utrosque, hinos habcham , quia JDelphica vasa paria sewper sunt, unde ipse Cicero dicebat ^scyphorum paria conplura", sed dubitare non licet quin resti- tuenda sit codicum Bernensium 338 et 432 scriptura quia ad delfi- cam, a qua vix differt id quod est in libro Montepessulano 306 guae ad delfica, neque enim in Ciceronis verbis a grammatico allatis (in Verr. IV 32) quicquam invenitur de nescio quibus vasoulis Delphicis, sed sermo est de duobus scyphis argenteis si- gillatis, quos in abacis similibusye mensis pretiosis exponi solitos esse constat scriptorum et artis monumentorum unanimo consensu.

similis est condicio verborum Plinii nat. bist. VII 210 Del- phica aniiqui aeriSj qtiae esi hodie in Palatio dono principum Minervae dicata in hiblioihecay cum inscriptione täli eqs., nisi quod tahukif quod post Dclphica inserebatur et Welckerum huiue musei IV (1836) p. 422 sq. permoverat ut de tabula vel lamina Delphis Romam allata cogitaret, iam post Codices diligentius col- latos expulsum est. iure igitur Buechelerus ibid. XXXVII (1882) p. ^37 de tripode agi dixit et mireris Pregerum inscr. Graec. metr. 117 tabula illud recipientem eamque Delphicae Minervae dedicatam fuisse opinantem.

sed difficilior exietit de inscriptione huius donarii quaestio, cuius partem priorem postquam Welckerus senarium esse per- spexit, Mayhoffius merito sie edidit: Ναυσικράτης άνέθετο τςί Διός κόρςι. nam propins haec absnnt a litteris traditis quam quae alii posuernnt τή Διός κόρη et favent formis Doricis verba proxima. gravius corrupta est posterior iuscriptionis pars et ab aliis aliter constituta. quam sie exhibent Codices Vaticanus 3861 Parisinus 6795 Leidensis Lipsii VII : T" (ΎΕ) ΝΔΕΚΑ (Δ£, ^F)ΊA {ίϋΕ, ^F) ΝΗΔΔΕΞΙΟΔΔΙΟ-

NOONA (ύ^Ε, ^F)E sie Riccordianus :

Τ^ΝΑ^ΒΑΤΑΝΝΑΑΘΞΙΟΔΑΤΟΝΟΝΟΝΑΕ in quibus emendandis qui probabiliora protulerunt (τάν οεκάταν, ά bi 6έΗατ' ab€i νόψ Welckerus, ή b' 'Εργάνη όέίαιτο bibo-

474 Miscellen

μενον TObe Butcbeleru«) ideo et ipsi a vero aberraruDt, quod alterum Kerariuni elficere studiierurt. al eoruni quae tradita sunt numerus piojjius aecedit ad dactylicum et in promptu sunt aliorum titulorum exenipla, in quibus senarii cum bexametris ve) dietichis ita coniungantur (211, 282, 360, 450, 588, 642, 684, 798 Kai- belii, 44, 129 Pregeri) ui fere nomina piopria dactylie non apta iambis reserventur. boc si tenuerimus, verisimillimum videbitur bunc tripodi hexanietium inscriptum fuisse: τάν 1)€κάταν <ταύταν), ά b' άίχον ώνον όνασε.

Regimontii Prussorum. Otto Rossbaoh.

Ζπ Trogns Pompejns Frol. X

Im Pro). X zu den bistoriae Pbilippicae des Trogus Pom- pejuK sind die Tbaten des Artaxerxes U. in eine Periode zusam- mengefafist, die in Euebls Ausgabe folgen dermassen lautet: Ct Artaxerxes Mnemon pacificatus cum Euagora rege Cyprio bellnm Aegy ptium in urbe Ace compararit, ipse in Cadusiis victus, de• fectores in Asia purpuratos suos persecutus, primum Dotamen praefectum [Papblagoniae]: Papblagonon origo repetitÄ: deinde l)raefectum Hellepponti Ariobarzanen, deinde in Syria praefectum Armeiiiae Oronten, omnibueque (!) victis decesserit filio succee- 8ore Ocho. Es erscbeint mir unglaublicb, daes dieses ungeheuer- liche Satzgebilde den ursprünglichen Wortlaut darstellen sollte, und vielleicht if't es nur deshalb bisher der Aufmerksamkeit der Kritik entgangen, weil die Verderbniss der Stelle eine sehr alte und 80 allen Handschriften gemeinsam zu sein scheint. Die Anomalie des Satzes liegt darin, dass 1 . die Participia victus und persecutus unverbunden nebeneinander gestellt werden; 2. unklar ist, ob victns dem vorhergehenden compararit oder dem folgenden persecutus untergeordnet sein soll ; 3. den Participien ein über- geordneter Satz völlig fehlt, da statt des erwarteten Hauptver- bums ein mit que angeknüpfter, also coordinirter Satz folgte

Sowohl gegen die Annahme einer Subordination von victus unter persecutus als auch gegen die einer Coordination der Par- ticipia spricht vor allem das Fehlen des ilauptsatzee; coordinirte Paiticipia sind überdies in den Prologen stets durch Conjunctionen verbunden. Auch an einen substantivischen Gebrauch der Par- ticipien 'Seine Hesiegung durch die Kadnsier; Verfolgung der abtrünnigen Satrapen', durch den die Anknüpfung eines neuen Satzes mit que erträglicber würde, ist nicht zu denken, denn die zahlreichen so in den Prologen verwendeten Participia, zB. Papblagonon origo repetita in unFerer Stelle selbst, bilden natur- gemäss ausnahmslos selbständige Sätze und lassen stets die Er- gänzung von est oder sunt zu, während hier die Participialcon- strnctioiien : ipse in Cadusiis victus und defectores .... perse- cutus sich nicht ohne Zerstörung des Satzgefüges aus demselben herausnehmen lassen und ausserdem zwischen zwei Conjunctiven (compararit decesserit) stehen.

Miscellen 475

Wenn trotzdem auch beute noch die überlieferte Form des Satzes festgehalten wird, so können die Herausgeber persecutus unmöglich als Particip auffassen, müssen vielmehr sit dazu er- gänzen, so dass der Satz drei Prädicate enthalten würde: compa- rarit-persecutus (sit) decesserit. Aber auch gegen diese Er- klärung der Stelle erheben sich schwere Bedenken, sowohl gram- matische als sachliche. So häufig nämlich die Auslassung der Hülfsverba est und sunt auch in unseren Prologen ist, so findet sich für die von sit und sint in den Prologen sonst kein Bei- spiel. Denn Prol. IX : Ut Philippus a Perintho summotus und XXXIV: Ut habita inter Ariarathen et Orophernem regni cer- tamina ist, wie die Umgebung der Sätze zeigt, der Indicativ zu ergänzen. Nimmt man aber so suchte schon Grauert (vgl. die Ausgabe von Duebner) die Stelle zu heilen an, der Ver- fasser der Prologe habe wirklich persecutus sit geschrieben und letzteres sei nur später in den Handschriften ausgefallen, so ist ja äuBserlicb nun der Satz in bester Ordnung, nicht so aber der Inhalt. Denn dieser ist dann auch consequenterweise nach dem Vorgang Duebners ^ in drei Uiiterabtheilungen zu zerlegen, deren erste, mit compararit schliessend, die ohne persönliche Mitwirkung' des Königs ausgefochtenen Kämpfe der Perser gegen Kypros und Aegypten umfasst, wälirend die zweite, durch ipse eingeleitet, die Thaten des Artaxerxes selbst in den Kriegen gegen die Kadusier und die aufständisclien Satrapen andeutet, die dritte endlich von seinem Tode handelt. Dadurch wird jedoch der Kadusierkrieg von denen gegen Kypros und Aegypten scharf getrennt, dagegen in Verbindung mit den in eine viel spätere Zeit fallenden i^atra- penempörungen gebracht und so der Anschein erweckt, als ob Trogus jenen Krieg zeitlich später als den 374 v. Chr. unternommenen Feldzug gegen Aegypten^ angesetzt hätte. Nun beweisen aber Diod. XV, 8,4; 10, 1 und Cornel. Nep. Datam. 1 klar, dass der Feldzug gegen die Kadusier eine Reihe von Jahren vor dem gegen Aegypten noch während des kyprischen Krieges (390 380 V. Chr.) stattgefunden hat, und da die Quelle des Trogus unmöglich die umgekehrte chronologische Reihenfolge der Er- eignisse enthalten haben kann, so erfordert die Rücksicht auf den thatsächlichen Hergang der Dinge unzweifelhaft die engste Be- ziehung der Worte: ipse in Cadusiis victus zum vorhergehenden Satz: Ut Artaxerxes . . . pacificatus cum Euagora . . . bellum Aegyptium compararit, nicht zum folgenden: defectores . . . per- secutus, mit dem sie zeitlich und sachlich gar nichts zu thun haben.

Wie man also auch den Wortlaut unserer Stelle dreht und

1 D. setzt hinter compararit ein Kolon, Jeep und Ruehl vorsich- tigfr nur ein Komma, ohne dass es freilich auf letztere Weise klarer wird, ob victus dem vorhergehenden compararit oder dem folgenden persecutus untergeordnet ist.

^ Nur dieser kann mit deu Worten: bellum Aegyptium in urbe Ace compararit gemeint sein. Vgl Judcicb, Kleinasiat Studien S. 1<)0£Γ.

476

Miscellen

wendet, immer bleibt er bedenklich. Da nun ferner die Prologe sonst nirgends einen Satz von gleicher Länge und Unklarheit bieten, vielmehr überall einfach und klar gehalten sind, so muss in unserer Stelle noch ein Fehler verborgen sein.

Es bedarf nun, glaube ich, zu ihrer Heilung nur einer ganz geringfügigen Aenderung, nämlich ausser dem schon von Grauert vernmtheten eit hinter persecutus der Einechiebung von ut hinter victus. Der Satz lautet dann: üt Artaxerxee . . . bellum Aegyp- tium compararit, ipee in Cadusiia victus. Ut defeotoree . . . per- eecutne s^it omnibusque victis decesserit. Mit einem Schlage ver- schwinden so die unklare Häufung der Participien und das Ana- koluth, und der Sinn ist nun klar und den Thatsachen ent- sprechend. Der Ausfall des ut aber, der nach meinem Dafür- halten die ganze Corruptel verschuldet hat, konnte ausserordent- lich leicht und daher auch schon sehr früh durch das Znsammen- treffen der beiden fast gleichen Silben us in victus und nt be- wirkt werden, und es konnte dann nicht ausbleiben, dass ihm auch das sit nach porsecutus bald in die Versenkung folgte und das schon wegen des vorausgehenden pacißcatus später wohl meist abgekürzt geschriebene victus in victos, victor u. dgl. ver- dorben wurde.

Königsberg i. £r. 0. Neu haue.

Zn CIA. II 996

Auf der Burg gefundener Katalog, (ΤΤΟίχη^όν abgefasst, aus der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts v. Chr., von Köhler abgeschrieben. Erhalten sind zwei Golumnen, von denen die rechtsstehende ganz fragmentarisch ist. Die linksstehende lese ich folgendermassen ^; Abweichungen von Köhlers Lesung sind mit * bezeichnet.

[Ίπποθωντίοος*]

ς Άντικλέους

Α]ίσχριυνος

Άριστο]φάνης 'Αριστομήο(ου)

Keipia*]öai

.... 6]ιυρος Σμικύθου

Νικ()σ*]τρστος Νικοστράτ(ου)

Εοκο]μος Εύκομίωνος

Κόπρ*ι

10

€101

Εύβου]λί6ης Εύβούλου Φιλι]τπτίοης Κεφαλίωνος Ξ€ν]ότιμος Ξενοκρίτου 'Ανα*]καιής

1 |Nachtrag:lich bemerke ich, dasB die Ergänzungen in Z. 1.6. 10. Η ohüe BegrÜLdung schon von K. Löper Athen. Mittheil. XVII 418, 1 gegeben sind.]

Miscellen 477

15 [θρά]σιυν 'Αριστοκλέους Καλ]λί6ημος Ξενοτίμου Άρι]στηΐοης ΈΕηκίστου Άριστοκ]λής θρ[ά1σω[νος].

Daes dae VerzeichnisH der Hippotliontis angehört, ^eht ans Z. 14 hervor. Der einzige Demoe, der vor -καιής drei Buchstaben hat, ist der der [Άνα]καιής. [Έρι]καιής darf nicht ergänzt werden, da nur die Schreibung Έρικεεύς, Έρικειεύς, Έρικιεύς in den vorchristlichen attischen Inschriften üblich ist. Von den hier genannten Άνακαιεϊς hat Z. 15 [θρά](Τιυν 'Αριστοκλέους einen Nachkommen in θράσιυν θράσωνος Άνακαιεύς, dem Antrag- steriler des Volksbeschlusses zu Ehren des Zenon im J. 264, Laert. Diog. Vll 10. Auch CIA. II 952 Θράσων Πολύευκτου Άνακαιεύς, επιμελητής in einem Katalog Anfang des 2. Jhdts. v.Chr. gehört zu derselben Familie. Z. 18 [*Αριστοκ]λής θρ[ά]- σω[νος] wird ein Vetter des in Z. 15 genannten [θρά]σων 'Αρι- στοκλέους sein. Von dem Z. 17 erwähnten [*Αρι]στηΐ6ης ΈΕη- κέστου ist ein Bruder CIA. II lOOG [Έ]Ε[ηκία]ς Έ£η[κίστου*] (Ι) [*Αν]ακαιεύς in einem Katalog kurz vor Mitte des 4. Jhdts. Dieses ΈΕηκίας Sohn ist CIA. II 1177 ΈΕήκεστος (II) ΈΕηκίου Ανακαιε[ύς] in einer VVeihinschrift eines Collegiums Mitte des 4. Jhdts. oder etwas später. Auch in der Grabschrift CIA. II 2075 haben wir einen Angehörigen dieser Familie, sofern hier zu lesen ist: [- - η] Φίλωνος [Εύιυν]υμέιυς [θυγ]άτηρ, [ΈΕη- κ]*ίστου f Ανα]καίυϋς [τυν]ή. Ob hier die Gattin des ΈΕή- κεστος Ι oder des ΈΕήκεστος II gemeint ist, lässt sich nicht sagen.

Von den [Κειριά]οαι muss Z. 7 [. . . . ο]ιυρος Σμικυθου für einen Bruder des CIA. II 672 vorkommenden -όβιος Σμικυθου Κειριάοης, ταμίας τών δλλων θεών im J. 37G/5 gelten. Der Ζ. 8 genannte [Νικόσίτρατος Νικοστράτ(ου) ist identisch mit dem in der Grabschrift CIA. II 2126 aus der Zeit von 400-350 er- wähnten Νικόστροτος Νικοστράτου Κειριάοης.

Unter den [Κόπρ]ειοι ist Ζ. 13 [Ξεν]ότιμος Ξενοκρίτου der Vater des CIA. 11 944 als διαιτητής um 325 v. Chr. bezeugten Νικοτέλης Ξενοτίμου Κόττρειος. Wenn Νικοτίλης um 325 als διαιτητής 60jähri^ ist, so ist seine ακμή um 352, die ακμή des Vaters Xenotimos um 385 anzusetzen. In Berücksichtigung des zuletzt genannten Jahres, zusammengehalten mit dem J. 376/5, welchem der zu Z. 7 herangezogene -όβιος Σμικυθου Κειριάδης zuzuweisen ist, wird man unseren Katalog CIA. II 996 etwa in die Zeit 380 370 verlegen müssen.

Welchem Demos die Z. 3 5 erwähnten Personen angehören, ist nicht auszumachen. Vielleicht istZ. 2 einzusetzen [Ά^Ιηνιεΐς]. Zu Z. 5 [*Αριστοφ]άνης 'Αριστομή5[ου] vgl. CIA. II 643, 6 Άρ[ιστ]ομή5ης Ά[2Ιηνιεύςν], ταμίας Ιερών χρημάτων im J. 400/399, aus derselben Familie wie CIA. II 1006 Άριστομήοης Άριστο- φώ[ντος] Άίηνιεύς in einem Katalog etwas vor Mitte des 4. Jhdts. = Άριστομήόης Άίηνι(εύς), τριήραρχος in einer Seeurkunde dee

478 Miscellen

J. 356/5, CIA. II 794 d 28. Zu Z. 4 [- - - Α]ϊσχρωνος vgl. Αϊσχριυν Mev[av6pou Άίηνΐ€ύς*], επιμελητής in einem Ver- zeicbnisfl nach der Mitte des 2. Jhdts., CIA. IV 2,952 b 29. Oeeeen Sohn iet Μένανδρος Αϊσ[χριυνος Ά*]ίηνιευς, ίφηβος unter Archou Echekrates (lOl/lÜO), CIA. II 467, 141.

Berlin. Job. £. Kirchner.

Drei Deutnngen

I οή 6εΐ).

δη pro 5ίη nilvili' mit diesen kurzen Worten faset Vablen * Rein Urtbeil über eine Contraction zusammen, deren Existenz zuerst Dindorf angenommen hatte.' Dabei spricht V. freilich sehr vorsichtig über eine Aristophanesstelle, die in Betracht kommt*: verum utut de Aristophane iudicatur et comicis, Aristoteles nee nietri angustiis premitur neque vero Dorice scribit. Es handelt sich um Aristophanes Frösche 265. Dionysos, von Charon übere Wasser gerudert, ist in den berühmten Wettstreit mit den Frö- schen verwickelt;

βρεκεκεκέξ κοά£ κοάξ* τούτψ γαρ ου νικήσετε.

Βάτραχοι ούοέ μήν ήμας βύ πάντως.

Διόνυσος ουδέποτε κεκράΗομαι γαρ καν με δή bi* ημέρας βρεκεκεκέέ κοάΗ κοάΗ, έως δν υμών επικρατήσω του κοάΕ.

Die Ueberlieferung steht fest ; denn bei, das einige Handschriften bieten, bedeutet keine Abweichung. Dazu Dindorfs Anmerkung: Kestitui ego ex libris Ravennate et Veneto, quorum alter bfy alter bf] habet, monosyllabam subiunctivi formam bfji, eamqoe aliis etiani in locis poetarum oblitteratam esse exietimo, quibas synizesin adhibuit Meinekius in Curis criticis p. 14. Dindorf ist mit seiner Vermuthung keineswegs durchgedrungen; auch Meineke hat später in seinem Text das überlieferte με gestrichen und κδν bex] br ημέρας gedruckt, und das ist die gewöhnliche Lesung aller, die weder an eine Synizese^ noch an eine (sonst nirgendwo in dieser Form tiberlieferte) Contraction von δέη glauben.

Aber lässt sich die Ueberlieferung nicht ganz andere ver- stehen? Muss sie vielmehr nicht anders gedeutet werden? Es giebt doch auch ein V'erbum beuj ich fessele, binde; in der atti- schen Gerichtssprache heisst es soviel wie unser * einkerkern*. So auch bei den Komikern; έν Εύλω, έν κλίμακι tritt gelegent-

1 Aristoteles Poetik» S. 294. 2 Ebd. S. 208. » Sie ist

vielleicht zulässig, wenn lange Silbe vorangeht. Vgl. Kook z. St.

Miscellen 479

lieb hinzu. Sein regelrecht gebildeter Conjunctiv iRt brj^. Aleo bat man bloss deutlich zu interpungiren:

κεκράΗομαι γαρ, KÄv με bx} bi* ήμίρας, βρεκεκεκέέ κοάΕ κοά£, 2ως δν υμών επικρατήσω του κοά£. Das heisst wörtlich: Auch weun er mich für einen Tag ein- sperrt (wegen öffentlicher Ruhestörung nämlich), so werde ich dennoch βρεκεκεκέΗ κοά£ κοάΗ schreien, bis ich über euer κοάΗ die Oberhand gewinne*. Dass ich bi' ημέρας richtig verbunden habe, will ich nicht durchaus behaupten; jedenfalls gewinnt durch die andere Auffassung des brj der Gedanke an komischer Kraft. Gerade die Frösche zeigen ja, dass dort unten die Polizei genau wie im Diesseits pfehandhabt wird; Dionysos selbst verfällt ihr später in bochnothpeinlichem Verhör. Aber wen hat man sich als Subjekt zu brj vorzustellen? Es könnte Charon sein, auf den dann Dionysos mit dem Finger weist; als Kapitän hat er auf seinem Schiffe Polizeigewalt. Indes mit grösserem Rechte dürfen wir wohl übersetzen: auch wenn man mich für einen Tag ein- sperrt', mit jener Unbestimmtheit des Subjekts, die in der alten Sprache nicht gerade selten ist. v. Wilamowitz (Griech. Lese- buch Erläuterungen 1 S. 23) hat neuerdings davon gehandelt*. Gemeint ist in solchen Fällen immer *der dazu Befugte*. 6εϊ ό οήμιος.

Fesselung in der Unterwelt als Strafe für dort begangene Ungebühr ist zuletzt eine volksthüraliche Anschauung; auch Theseus und Peirithoos sind im Hades gebuuilen worden, genau wie Held Dieterich und seine Gesellen, da sie den Rosengarten des Königs Laurin verwüsteten. Mehr über diese Dinge an an- derer Stelle! Hier mögen die grammatischen Folgerungen ge- nügen. Als Beweis für eine Contraction von bir] dürfen die Aristophanesverse nicht in Betracht kommen, und damit ist aller- dings dieser Annahme die stärkste Stütze entzogen.

II εις νέων In dem soeben erschienenen Hefte der von der Berliner Mu- seumsverwaltung herausgegebenen griechischen Urkunden ist Ν 958- von einem Apollonios die Rede als von του vuvl λι- τουργοΟντος άμφόοου Απολλώνιου εις νειυν λειτουργεΐν πάλιν μέλλοντος. Da Wilcken εις νέων durch zugesetztes Fragezeichen und weggelassene Prosodie als dunkel bezeichnet, so sei die Deutung nicht verschwiegen, die mir allein berechtigt erscheint: es steckt mit ganz gewöhnlicher und leichter itacistischer Ver- schreibung für o) είς νέον darin im Sinne von unserem *auf ein Neues*. Die Zahl dieser Adverbialbildungen mit εΙς ist im Griechischen ausserordentlich gross; είς άεί, εΙς αύθις, εΙς αύ-

^ Unter den einsilbigen Stämmen auf ε ist ja gerade dieser der einzige, der zum Unterschiede von *bέ^u ich ermangele' die Contraction überall durchführt.

2 Vgl. Külincr-Cierth, iJramm. der gr. Sprache § iif>2g (S. .35).

480 Miscellen

τίκα, εις όψε, εις ύστερον, εις αυριον, εις τήμερον sind beliebig herausgegriffene ßeispiele, die lehren, daHS ee Rieh in der Regel um die Verbindung von Adverbien mit der Präposition bandelt, εις oibiov, seit ThukydideR gebräuchlich, läest eich auch so ver- stehen und εις νέον nicht minder; denn νέον ist neben νέιυς seit Homer Adverbinm gewesen. Dass πάλιν hinzutritt, darf eo wenig AnstoRS erregen, wie wir an unserem * wieder von Neuem' Anstofis nehmen, πάλιν ist bekanntlich ein Wort, das Verstär- kung liebte; seine Stellung nach dem Begriff, zu dem es gehört, ist echt hellenistisch. Noch sei auf die merkwürdige Bildung έν νέψ hingewiesen, über die ich Fleckeisens Jahrb. 1895 S. 255 gehandelt habe.

III ί)έ?

Das 149. Fragment des Epicharmos steht bei Kaibel in folgender Fassung:

τί bk TOV εστί ; οηλαοή τρίπους. τί μάν έχει πό^ας τέτορας; ουκ έστιν τρίπους, άλλ' (^έστιν) οίμαι τετράπους.

ίστιν δνομ' αύτψ τρίπους, τέτοράς γα μάν έχει πόδας. Alles einleuchtend bis auf das έ(Ττιν im letzten Vers; denn die Ueberlieferung bietet έστι b' δνομ', und das ist, meine ich, zu be- halten. Man mag die Adversativpartikcl durch eine Ellipse erklären, wie sie lebhaften Südländern wohl zuzutrauen ist: ^ού τρίπους έστίν^, έ(Ττι b' δνομ' αύτψ τρίπους. Epicharm hat geeohrieben, wie das Volk sprach; solch ein freies hi hat in seinen Gesprächen Kpiktet, bei dem es zB. Diss. I 14, 11 heisst; Άλλ' έγώ, φησίν, ού ούναμαι πα(Τΐν δμα τούτοις παρακολουθεϊν. τούτο όέ^αοί και λέγει τις, δτι ίση ν έχεις δύναμιν τψΔιί; Entsprechend liest man in dem lateinischen Fragment des Buches Henocb (S. 138 Fl.-R.): Et timuit Lamecb, ne non ex eo natus esset nie! nontine dei, et venit ad patrem suum Mathusalem et narravit illi omnia. dixit Mathusalem: Jugo atitem non possum scire, nisi eamas ad patrem nostrum Enoc. Bekannter ist eine Stelle des Petron, cena Trimalch. c. 58: Post hoc dictum tiiton, qui ad pedee etabat, risum iam diu compressum etiam indecenter eifudit. Qaod cum animadvertisset adversariuR Ascylti, flexit convicium in pnemm et *iw auiem inquit 'etiam tu rides, caepa cirrata?' Der Bedende stellt in seinen Gedanken den Giton in einen Gegeneats χα Ascyltus.

Bonn. L. Radermacher.

1 ]{ei Luüian vcrao bist. I 12 ist die liiterpuuction falsch: καΐ {ίμεΐς ήρόμεθα, τίνες τε εΐεν ο1 πολέμιοι καΐ τήν αΐτίαν τής διαφοράς. hi Φαέθων', ψησίν, τών έν τψ ήλ{ψ κατοικούνταιν βασιλεύς*. £■ mu88 hoissen δ be, 'Φαέθων*, φηαίν, των έν τφ ήλίψ κατοικούντυιν βασιλεύς*. Gewöhnlicher ist άλλα in der oben charakterisirten Ver- WLMidun^^: Xenophon Anab. II 1,4 Epictet. Dissert. I 2,20 etc.

Verantwortlicher Kedaeteur: L. Kadermacher in Bonn.

(la. Juni 1902.)

■\

InhaltMes dritten Heftes.

Seite Oonioctanea. Scripsit F. Bu«icJie.l«»r Ι\ϋ1

Die Berliner Bruflisiücke iWr Sappho. Von F. Rolmseii tVI^f ,

FacetijU! Tullianne. Von 1^. (iurliit 337 !

Der Ma*;iie.t und die Atlinmn^' in antiken Theorien. Von

H. Λ. Fritzbchc. 363

Aus Dresdener IlaniUehriftrn. Λ'οη Μ. Mauitius . . 302

Zu ^rieeliischen Prosaikern. Von K. Fuhr 422

l-nheaehtetft Strabolraj^niente Von II. Kunze . . . 437

Analecta Theodoreliana. Srripsit .1. Kaeder . . . 449

Μ i Η e e I 1 e 11.

Kiue Anspielung in dem Zeusliymnos des Kalliniachos.

Von (;. Wöri.el 1(50

IMautus Aini»liitrnf». Von Th. Kakridis 4(>8

liandhenierkun.i'»*n /u Horaz. Von F. Sehultess . . 465

Zu ('iri>. V. :{i>:>-;3TT. V..n K*. Wünsch 4β«

Aüroei'ius »«t IMinins de Dflplnca. S^•rip^it D. Kosshach 473

Zu rr<»;:u> I*i»nip('iii> Γγ«»!. \. V()n <>. Xeuhaus . . 474

Zu 1ΊΛ. II m:m; \m|, .l,,ii. K. Kirchner 476

Dri-i Druiii•::•• '■. \ .•υ 1. li ;ni»• Γ niai' li er 478

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Rheinisches Museum

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Franz Buechelor unä Hermann Usener.

EIN SCHREIBGEBRAUCH UND SEINE BEDEUTUNG EUER DIE TEXTKRITIK

Wie man heutzutage das, was man einem Schriftstück nach- träglich einzufügen wünscht und doch nicht in den Context selbst liineinschreiben möchte, auf seinem Rande einzutragen und da- durch an den gewollten Platz zu verweisen pflegt, dass man hier und dort einander entsprechende Zeichen setzt, so verfuhr man auch im Alterthum und Mittelalter. Aber die Verweisungszeichen waren nicht das einzige Mittel, das zur Orientirnng solcher Rand- zusätze verwendet wurde, man suchte diesen Zweck auch noch auf andere Weise zu erreichen. Ein paar Beispiele mögen den Sachverhalt erläutern.

Theodoros Metochites sagt von Synesios S. 127 MK. f(JTi b' ού και ν€μ€σήσαι τις δν δικαίως το της γλώσσης τταρά- τροτΓΟν. An Stelle des letzten Wortes bietet die Handschrift, nach der A. Mai diesen Essai zurrst veröffentlichte (Scriptorum vett. nova collectio II S. 687), ττάτροττον, wozu am Rande ρά- τροπον vermerkt ist. Auch damit ist ersichtlich nichts anderes als παράτροπον gemeint, die Randbemerkung will sagen : schiebe in πάτροπον vor τρόπον die Silbe pa ein. Das gleiche Ver- weisungsprincip ist in einem von A. Lud wich Batrachomachie S. 345 hervorgehobenen Falle bei einem sehr umfänglichen Nach- trage befolgt. In der ältesten Handscihrift dieses Gedichts (Ba• roccianus 50) stehen die Verse 209, 214, 215, 218 und 219 (άλλ* oub' ώς άπεληγεν κτέ.) in dieser Reihenfolge im Text. Dazu notirte ein Corrector des IB. Jahrhunderts rechts neben 209: στίχοι, wiederholte dann auf dem unteren Rande der Seite das Zeichen: und schrieb dazu ])aarweise die Verse 210, 211, 212, 2i:^ 2\'λ\ 21«, 217, 218, 219 αλλ' oub' ως άπεληγεν. Wie im vorigen Beispiel τρόττον, so stellt hier der aus dem Text

Rhein. Hiu. f. Philo]. N. F. LVII. ?i\

482 ßrinkmann

wiederholte Verstfaeil das Stichwort dar, das den yoränegehen- den Versen ihren richtigen Platz vor 219 anweist.

Dies Verfahren ist nicht erst im Mittelalter aufgekommen. Ganz ehenso half sich der Copist des Herondas-Papyrus, als er das Anfangswort des Verses VII 99 (Τειυυτοϋ irrthümlich aue- gelassen hatte: er holte es in dem freien Kaume üher der Co- lumne (40) nach und fügte ihm das Wort, vor dem es einza- schalten ist, στατήρας, in Verbindung mit einem Verweisunge- zeichen ^ hinzu. Aber auch wo es sich nicht um Ergänzung fehlender, sondern um Variante oder Correctur vorhandener Text- worte handelt, hat man sich desselben Orientirungsmittels be- dient. ZB. in der Herculanischen Rolle von Polystratos' Schrift περί άλογου καταφρονήσ€ΐυς liest man am Fuss der 22. Col. die Notiz λαβείν άληθι, durch correspondirende Zeichen bezogen auf Z. 25 άπόλαυσιν λαμβάνειν άληθινήν. Mit einer ganzen An- zahl in gleicher Weise orientirter Randzusätze ist der Text des von Leemans (Papyri gr. musei Lugduni-B. II 1885) und A. Die- terich (Abraxas 1891) herausgegebenen Leydener Zauberpapyrus W nachträglich vervollständigt. So stehen unter S. 19 (199 D.) die Worte επικαλούμαι σε ώς ό λίψ, στάς προς τον λίβα λέγε η II 000 υυυυ υυωιυιυο) αααααα εεεεεεε επικαλούμαι, es ist dem- nach im Texte vor einem επικαλούμαι der Satz επικαλούμαι (5ε εεεεεεε einzuschieben, der durch ein nahe liegendes Versehen übersprungen war. Nun findet sich επικαλούμαι auf dieser Seite sebr oft, in Betracht kann jedoch nur der Abschnitt kommen, in dem von den Winden die Rede ist, nämlich Zeile 20, 22, 24 oder 26, und unter diesen hat wieder Z. 24 die am besten be- gründeten Ansprüche. Denn nur wenn man den Nachtrag hier einrückt, werden die vier Winde in einer naturgemässen Reihen- folge (OSWN) aufgeführt. Ferner sind über S. 9 (173 D.) die Worte gesetzt είτα κυνός άστρου ανατολή ν είτα τήν τήςΟώθεως, dh. είτα ανατολή ν soll vor είτα τήν τής (sie) Οώθειυς Ζ. 47 eingeschaltet werden. Kurz vorher macht sich eine weitere Lücke bei πρόθεσιν (Ζ. 45) auf den ersten Blick bemerklich. Sie wird ausgefüllt durch die am Fuss der Seite eingetragenen Worte την τροπήν τού κόσμου τήν καλουμίνην πρόθεσιν. Unmittelbar über diesem Nachtrage steht ein zweiter: και τόν τής ημέρας

' Crusius liest 6 und deutet dies οίίτως, aber weder kann die nach links sich öilnendc krumme Liuie ein ο sein, noch sind die Zeichen darüber Spiritus und Accont.

Ein Schreibgebrauch und seine Bedeutung für die Textkritik 483

και τόν έπάναγκον αυτών ϊνα H αυτών (S. 172 D.). Er dient zur Ergänzung von Z. 36 καΐ τόν τής ήμίρας θ€Ον, ϊνα H αυτών. Hier sind also dem Supplement nicht nur die Worte, vor die es gehört, sondern auch die, hinter denen es seinen Platz finden soll, hinzugefügt. Noch mehr Sioherheitsmassregeln sind bei einer Naohtragnng am Ende der S. 8 (192 D.) getrofi'en. Ausser voran- und nachgestellten Stichworten finden sich noch Yerweisungs- zeichen im Text Z. 22 άκουε μοχλέ 7, ανάβαλε γή und vor dem Nachtrage 7 ακουε μοχλέ, εΙς bvo γενου^ κλείιυν biä τόν αϊααϊνρυχαθ, ανάβαλε γ ή. Nur einmal werden, abgesehen von Verweisungszeichen, zur Orientirung allein die Worte verwendet, hinter denen der Randzusatz einzuschieben ist. Ueber S. 6 (187 D.) steht της θεοσοφίας άνεύρετον ττοίησον τήν βίβλον, zu Ζ. 22 πλησθεις τής θεοσοφίας gehörig. Dass diesmal das Stichwort vorausgeschickt ist, mag seinen Grund in der Rücksicht auf die grammatische Zusammengehörigkeit und den Platz der nachzu- tragenden Worte haben, die den Abschluss eines Textabschnittes bilden. Immerhin dürften derartige Fälle zu den Ausnahmen gehören. Die Regel bei Verweisungen mittelst Stich Worten war jedenfalls, Randzusätzen die Textworte folgen zu lassen, vor denen sie eingeschaltet werden sollen. Und es leuchtet ein, dass diese Art von Reclameu sich in der That am besten zur Orien- tirung eignete. So hat sich ihr Gebrauch auch nicht auf die Verweisung von Marginalien beschränkt. Denn es liegt doch das gleiche Prinzip zu Grunde, wenn man die Reihenfolge der Blattlagen, Blätter oder Seiten in den Codices statt durch Zahl- zeichen vielfach dadurch bezeichnete, dass man ihnen am Bchluss das oder die Anfangsworte der nächstfolgenden Seite beischrieb. Auch diese Sitte reicht bis ins Alterthum zurück. Nicht nur der Leydener magische Papyruscodex W befolgt sie^, eondern bereits altbabylonische Schreiber verfahren danach. So ist die Reihenfolge der von Zimmern (Assyriolog. Bibliothek XII 1. 1896) veröffentlichten ' Surpu' -Tafeln auf diese Weise

^ Das entspricht genau dem deutschen 'entzwei gehen*, es kann

b daher κλβιδων, wie man das κλ€ΐων gelesene Wort gedeutet hat, un- möglich richtig sein. Man vgl. noch S. 6, 51 (189, 13 Ό.)σχ(σον €ΐς δύο. ^ Dass es in diesem Sinne zu verstehen ist, wenn bis S. 19 (mit einer Ausnahme) die Schlussworte jeder Seite und die Anfangsworte der nächsten sich decken, gelit am klarsten daraus hervor, dass das Wort Ιερατιστί, das die 8. Seite eröffnet, am Schless der 7. in beson- derer Zeile für sich allein geschrieben ist.

484 Brinkmann

festgelegt. Die 4. Tafel zB. schliesst mit den Worten (S. 25): *' Beschwörung. Ein böser Flach hat wie ein Dämon einen Men- sehen befallen. Vierte Tafel Surpu. Ihrem Original gemäss ab- geschrieben* usw. Die Worte * Beschwörung befallen' sind dem Anfang der 5. Tafel entnommen, sie bilden die ^Stichzeile^ die angiebt, dass diese Tafel derjenigen unmittelbar voranzugehen habe; die so beginnt. Aus dem Mittelalter hat sich dann diese Verwendung der Eeclamen in Schrift und Druck weiter und weiter vererbt, und wenn sie jetzt aus den Erzeugnissen der modernen Drnckerpresse fast ganz verschwunden sind, leben sie bekanntlich in der conservativen Praxis der Kanzleien noch heute uneingeschränkt fort.

So verbreitet nun auch der Gebrauch von Stiehworten zur Orientirung marginaler Nachträge gewesen sein muss, ist er doch allem Anschein nach niemals zu allgemeiner oder auch nur über- wiegender Geltung durchgedrungen. Dieser Zustand konnte aber, ja musste fast mit Nothwendigkeit zu mancherlei Uebelständen führen. Abschreiber, denen das Stichwort-Verfahren nicht ge- läufig war, standen derartigen Verweisungen rathlos gegenüber und waren genöthigt sich mit ihnen nach Massgabe ihrer Ein- sicht und Gewissenhaftigkeit abzufinden. Wessen man sich aber unter solchen Umständen zu versehen hat, lässt sich leicht er* messen, wenn man bedenkt, wie viel Verwirrung überhaupt durch unrichtige Verwerthung von Marginalien in der antiken Litteratur angerichtet ist, wie oft Varianten und abweichende Recensionen ^, Correcturen und Inhaltsangaben^, Glossen und Scholien, Ver- weisungen^ und redactionelle Vermerke^, lobende oder tadelnde

1 Vgl. Blase in* Iw. Müllers Handbuch S. 260 f. Ueber die be- sondere Bedeutung dieses Factors in der Aristoteles- Ueberliefening s. namentlich L. Spengel, Abhandl. d. bayerischen Akad. VI (1852) S. 511, Torstricks Praef. zu de anima S. XXII fi*. und Diels Abhandl. d. Berliner Akad. 1882 S. 31 fi*.

2 Das gilt natürlich vorzugsweise von Werken wissenschaftlichen Inhalts, zB. Rhet. ad Alex. S. 23, 20 Sp. [πόθ€ν dv τις άπολογήσαιτο] (erkannt von VicloriusJ, Philon Mech. S. 49, 17 [πβρί τής καθόλου τέχνης], sowie S. 94, 13, Heron Pneum. S. 12, 3 f. Seh. [μεταβάλλει τά παχύτερα τών σωμάτων εΙς λεπτομερεστέρας ουσίας] und S. 22, 25 ff. [διότι oi κάτω κολυμβώντες ού θλίβονται ύπό τοΟ υπεράνω Οδατος].

8 χβ, Hippocr. V S. 344 L. [τά έκ τοΟ σμικροΟ πινακιδίου σκε- . πτέα] s. Bröcker Rhein. Mus. 40 S. 431, Alex. Aphrod. II S. 128, 22 [περί τής απορίας ταύτης καΐ έν τοίς ύστέροις εΤρηταί τι] β. Bruns, Suidas unter Συριανός [εΙς τά Πρόκλου] β. R. Scholl Anecd. II S. 5.

* Dionys. Hai. de Isoer. S. 570 R. = 80,' 12 ÜR. [άσύναπτα] β.

Ein Sohreibgebrauch und seine Bedeutung für die Textkritik 485

Aeueserungen ^ und sonstige Notizen kritischer Leser an der ersten besten Stelle dnrch die Abschreiber den von ihnen copirten Texten einverleibt sind. Bereits Galen weiss in seinen Erläute- rn ngsschrifte η zu Hippokrates ein Lied davon zu singen ^.

Nach alledem wird man daranf gefasst sein müssen in den antiken Texten auch solche Schäden anzutreffen, die anf diesem Wege entstanden sind. Diese Fehlerquelle ist auch nicht ganz ohne ausdrückliche Anerkennung geblieben. So zeigte üsener Epicurea S. XXIV f., dass einer der verschiedenen Zusätze, durch die Diogenes Laertius III 6 und 7 seine Vorlage erweitert hat und die dann durchweg an möglichst unpassende Stellen gerathen sind, noch jetzt sein ürsprungszeugniss in Gestalt des angehängten Stichworts aufweist. Es ist der Satz 7)

Sadee de Dion. H. scr. rhet. S. 19 ff. und Serapion v. Thmuis S. 72, 2' Lagarde [ανακόλουθα] s. Pitra Anall. sacra V S. 59 und Sitzungsber. Berl. Akad. 1894 S 481, dh. * hier ist der Text unzusammenhängend*, femer Diog. Laert. X 121 [μ€τιτέον bi έπΙ τήν έπιστολήν] u. 122 [τό έξης* Δοκεΐ δ' αύτοΐς] s. Usener Epicurea S. XXXII ff. Im psendoplut. Leben des Andokides steht am Schluss des von Westermann als nach• trägriche Einlage entlarvten Excurses über den Hermenfrevel (δια τό πρότερον ώς Κράτιππός φησι) der Vermerk [προσαμαρτών μυ- στήρια], di., wie Dübner erkannt hat, προς *Αμαρτών μυστήρια 'setze vorstehendes den (der Einlage unmittelbar vorhergehenden) Worten άμαρτών μυστήρια hinzu*.

* Vgl. ua. Cobet Mnemosyne IX S. 98 ff. Es ist freilich auch wohl hie und da Missbrauch mit solchen Annahmen getrieben. So hat Cobet bei Julian VII S. 231» in dem Satze di ZeO πάτ€ρ ή ότι σοι φ{λον όνομα ή Οπως όνομά2Ιεσθαι τουτί γάρ £μοιγε ουδέν διαφέρει δε{κνυέ μοι τήν έπΙ σέ φέρουσαν όδόν die Worte τουτΙ γάρ έμοιγε ουδέν διαφέρει als ironische Bandbemerkung eines Lesers getilgt. Schon das hierbei ganz unbegreifliche γάρ hätte ihn oder Hertlein, der ihm folgt, bedenklich machen müssen. Vollends klar wird die Verkehrtheit der Athetese, wenn man vergleicht zum Gedanken etwa Origen. o. Gels. V 41 und Macar. Magnes IV 21 S. 200, zum Ausdruck Method. S. 343, δ Bonw. άπό τών στοιχείων ή ολης ή στηριγμάτων, ή βιτως αύτοΙ βούλεσθε όνομάίειν ουδέν γάρ διαφέρει, Aelian V. Η. Ι 25 ΑλέΗανδρος ό Φιλίππου, εΐ δέ τψ δοκεΐ ό τοΟ Διός έμοί γάρ ουδέν διαφέρει, Aeschines Tim. 164 όστισδηποτοΟν ουδέν γάρ διαφέρει.

2 S. Galen XVII 1 S. 79 f., 634, 909 und sonst (vgl. Bröcker Rhein. Mus. 40 S. 417 ff. und Blass im Handbuch Ρ S. 257 ff.), ausser- dem Simplicius in Categ. 51^ 38 Br. δισσογραφία τις έν τούτοις συνέβη* ουδέν γάρ 'Αριστοτέλης έκ περιττοΟ τοϊς λόγοις προστίθησιν, άλλ' ΐσως ßu) παραγεγραμμένης τής Αλλης γραφής οΐ γράφοντες τά δύο εΙς τό εδάφιον ένεγράψαντο.

486 Brinkmann

ττροσεϊχε Κρατύλψ le τψ Ηρακλειτείψ καΐ Έρμογένει τψ τά ΤΤαρμ€νίοου φιλοσοφουντι, der wie das folgende, im jetzigen Zusammenhange unverständliche ίπειτα angiebt, vor ίιτειτα μέντοι μέλλιυν 6) seinen Platz hatte finden sollen. Und Ludwich erklärte Batrachomachie S. 345 die Tbatsache, dass sich V. 76 fast vollständig mit 69 deckt durch die Yermuthung, es seien 74 und 75 im Archetypus am Rande nachgetragen gewesen und 69 hinzugefügt, um ihre Einreihung vor diesem Verse zu ver- anlassen. Im Allgemeinen hat man jedoch anscheinend diesem Verweisungsmodus sowie den durch seine ünkenntniss oder Ver- nachlässigung verursachten Irrungen nicht die gebührende Auf- merksamkeit geschenkt. £s dürfte sich daher verlohnen dem Gegenstande etwas näher nachzugehen und seine Wichtigkeit fur die Ueberlieferung der antiken Litteratur an einigen charakter- istischen Proben aufzuzeigen.

Ein bekanntes, dem Anaxagoras zugeschriebenes Wort lautet in Jamblichs Protreptikos c. 9 nach dem Florentinus ερωτηθέντα, τίνος δν ένεκα ϊλοιτο γενίσθαι τις και 2ήν, άποκρίνεσθαι . . . ώς του θεάσασθαι τά ΤΓ€ρι τον ούρανόν και ττερι αυτόν δστρα κτέ. Mit Hilfe der Parallelstellen hat Pistelli in seiner Aus- gabe S. 51, 13 die Schlussworte verbessert zu

θ€άσασθαι [τά ττερί] τον ούρανόν και <^τά^ περί αυτόν

αστρα. Man wird diese Corruptel schwerlich anders erklären können, als wenn man in τά περί eine ursprünglich ausserhalb des Textet, beigeschriebene Correctur sieht, die besagen sollte, dass vor περί (αυτόν α(Ττρα) der Artikel irrthümlich ausgelassen sei. Ebeoso wird man Stellen zu beurtheilen haben wie Eleomedes II 5 S. 194, 17 f. Z.

ουτιυ [πάσαν αυτήν] περιέρχεται nämlich ή σελήνη περί (πασαν) αυτήν, Heron Automat. S. 430, 9 Seh.

καΐ (άνωθεν περόνιον) οιώσαι bia τρυπηματίου του έν τή πλευρςί και [άνωθεν περόνιον οιώσας] 5ιά της αγ- κύλης, und vermuthlich auch den in dieser Zeitschrift LVI S. 70 f. be- handelten Satz der Rede Gregors an Origenes § 161

οίς εϊπερ έπείσθη. πριν φιλοσοφήσαι, προσελθεϊν το πρώτον, (προσανείχετο) αν και ήγάπα, . . . οία μή προκατειλημμένης της ψυχής μηοέπιυ λόγοις [προσανεί- χετο δ ν και ήγάπα].

Ein Sohreibgebrauch und seine Bedeutung für die Textkritik 487

Zar Annahme eines verkannten Nachtrages mit doppelter Orien- tirung drängt die XJeberlieferung in Porphyrios' Leben Plotins c. 9 : ?σχ€ bk και γυναίκας σφόδρα προσκειμενας, Γεμίναν τε, ής και έν τή οίκίςι κατφκει, καΐ τήν ταύτης θυγατέρα, Άμφίκλειάν τε ... [σφόδρα φιλοσοφίςι προσκει- μίνας].

Die Schlnssworte waren wohl die Randbemerkung eines Lesers, der an dem Ausdruck ?σχε σφόδρα προσκειμένας (*es waren ihm sehr ergeben') mit Unrecht Anstoss nahm und zum Schaden des Sinnes φιλοσοφίςι dazwischen eingeschoben wissen wollte. Der seltenere Fall einer Verweisung durch voraus- geschicktes Stichwort scheint dagegen bei Athenaeus XI S. 505 f. vorzuliegen. Denn wenn Kaibel mit Eecht hergestellt hat

άλλα μην ου δύνανται Πάραλος καΐ Ξάνθιτπτος ο1 Περι- κλέους υ\οι [τελευτήσαντες τφ λοιμφ] Πριυταγόρςι διαλέγεσθαι, δτε <τό> δεύτερον έττεδήμησε ταϊς 'Αθήναις, οΐ Ιτι (?) πρότερον τελευτήσαντες (τψ λοιμψ),

so ist die Verderbnies doch nur unter der Voraussetzung be- greiflich, dass τελευτήσαντες τψ λοιμψ ein verstelltes Mar- ginale ist, das den Ausfall von τψ λοιμψ am Satzschluss be- richtigen sollte.

Handelt es sich in den bisher betrachteten Beispielen immer nur um die Nachtragnng von einem oder zwei Worten, so fehlt es auch nicht an Belegen für irrthümliche Einordnung längerer Randzusätze dieser Art. Besonders klar tritt der Sachverhalt zu Tage in dem biographischen Artikel des Suidas über den Ko- miker Phrynichos. Da werden die Stücke dieses Dichters in folgender Ordnung aufgeführt:

'Εφιάλτης, Κόννος, Κρόνος, Κιυμασται, Σάτυροι, Τρα- γιυδοί ή Απελεύθεροι, Μονότροπος, ΜοΟσαι, Μύστης, Ποάστριαι, Σάτυροι.

Nun kennt die Liste des cod. fistensis (Eaibel FCG. IS. 10) von Phrynichos nur 10 Komödien, hier sind es 11, aber der Titel Σάτυροι wird zweimal genannt und zwar das zweite Mal ohne jedes unterscheidende Kennzeichen. Man strich daher frühzeitig das zweite Σάτυροι als überflüssig. Allein C. Wachsmuth (Symb. phil. Bonn. 8. 151) erkannte, dass die Verderbniss tiefer greife und die ursprünglich durchweg alphabetische Reihenfolge der Titel zerrissen habe, ohne dabei auf eine Erklärung ihres Ur- sprungs einzugehn. Einmal auf diese Dinge aufmerksam geworden

488 Brinkmann

sieht man leicht, was vorgegangen. Die Titel Μονότροττος, MoOdai, Μύστης, ΤΤοάστριαι waren ans Versehen übersprangen und am Rande zusammen mit Σάτυροι als Stichwort nach- getragen, zum Zeichen dass sie vor Σάτυροι in den Text ge- hörten ^. Der nächste Copist beachtete das nicht und schob den Nachtrag sammt seinem Stichwort kurzerhand ans Ende des Pinax.

Nicht ganz so einfach liegt der Thatbestand bei einer Stelle der Schrift des Alexander von Aphrodisias περί κρά(7€(υς και αύΗή(Τ€ως. Im 11. Kapitel dieses ebenso schwierigen wie wich- tigen Buches wird die stoische Lehre, dass Gott (das wirkende) die Materie (das leidende Prinzip) durchdringe und gestalte, von den verschiedensten Seiten aus beleuchtet und ad absur- dum geführt. An seinem Schlüsse heisst es dann S. 226, 80 ff. der Akademie- Ausgabe προς bk τούτοις ei τά κιρνάμενα άλλή- λοις σώματα άντιπάσχειν ύπ' αλλήλων^ ανάγκη, τά bk αλ- λήλων χιυρουντα σώματα κιρνάται άλλήλοις, €Ϊη τ' δν δλληλα *«* Ταύτα μέν €ΐπ€ίν προήχθην bia τους αντιλέγοντας κτέ. Mit Recht hat der Herausgeber das Zeichen der Lücke gesetzt, es fehlt der Nachsatz, die Schlussfolgerung: 'so ist auch Gott mit der Materie vermischt, erfährt demnach von ihr Gegenwirkung, leidet also oder ähnlich. Bruns hat auch bereits treffend darauf hingewiesen, dass der hier ausgefallene Gedanke sich weiter unten S. 227, 19 ff. vorfinde. Da stehen unvermittelt und zusammen- hanglos zwischen zwei Sätzen, in denen von ganz anderen Dingen die Rede ist, die Worte και ό θεός κιρνάμενος τή υλη, ei hl τούτο, και άντιπάσχων ύπ* αυτής* οίς έπεται τό τε τον θεόν πάσχειν και τό την υλην ποιεϊν, άλλα ταύτα dem Sinne nach genau das, was S. 226, 34 fehlt. Es kann daher kein Zweifel sein, dass hier eine verschlagene Randbemerkung vorliegt, die zur Ergänzung der Lücke am Ende des 11. Kapitels hatte dienen sollen. Nun ist mit οίς ϊπεται τό τε τόν θεόν πάσχειν και τό την υλην ποιεϊν die Schlussfolgerung ans Ziel gelangt, für den Gedanken ist nichts weiter erforderlich. Immerhin besteht aber die Möglichkeit, dass einst doch noch eine jetzt verlorene Be-

* Von hier aus eröffnet sich vielleicht auch ein Weg zu der von Daub (Flcckeis. Jahrb. 1881 S. 264) vermissten Erklärung, wie iu den Bios des Ophelion die Titel der diesem Komiker von Meineke (Bist, crit. S. 415) u. A. abgesprochenen Stücke Σάτυροι, ΜοΟσαι, Μονό- τροποι (sie) eingedrungen sein können.

Ein Schreibgebrauch und seine Bedeutung für die Textkritik 489

merknng mehr oder weniger gleichgiltigen Inhalte folgte und die abgerieeenen Worte άλλα ταύτα ihren Anfang bildeten. Darüber gilt ee zunächst Klarheit zu gewinnen. Der Satz, der auf die von Bruns angezeigte Lücke folgt (S. 226, 34), beginnt mit den Worten ταύτα μέν είπεϊν προήχθην κτέ., ihm fehlt also der un- mittelbare Anschlüge an das vorangegangene. Hergestellt wird die Verbindung, wenn man entweder hinter μέν ein bi\ oder oöv einschiebt, oder aber λόγ ταύτα eine Partikel wie και oder άλλα hinzufügt. Da nun vor ταύτα sich ohnehin die Lücke befindet, so ist natürlich das letztere weitaus vorzuziehen. Ist dem aber 80, dann kann, da mit diesem Satze die bisherige Erörterung ab- gebrochen wird, nur άλλα ernstlich in Frage kommen. Der auf die Lücke folgende Satz begann also aller Wahrscheinlichkeit nach mit άλλα ταύτα. Eben diese Worte άλλα ταύτα stehen aber ganz abrupt am Schlues des Nachtrags, der zur Ausfüllung jener Lücke bestimmt war und sie auch inhaltlich in vollkommen befriedigender Weise ausfüllt. Der Nachtrag ist also in der That am Ende vollständig und das abrupte άλλα ταύτα stellt das ihm zur Orientirung angehängte Stichwort dar: er passt somit genau an den auf die Lücke folgenden Satz an. Setzt man ihn nun an dieser Stelle ein, so wäre Alles in schönster Ordnung, wenn das jetzt vor der Lücke stehende άλληλα fehlte. Also vor der statuirten Lücke ist ein άλληλα überflüssig, da- hinter ein άλλα erforderlich, mit anderen Worten dies άλληλα ist nichts anderes als das vermisste άλλα, leicht verschrieben unter dem fortwirkenden Einflüsse der unmittelbar vorhergehenden άλλήλιυν und άλλήλοις^. Die Entstehung des jetzigen Textes dürfte demnach in folgender Weise vor sich gegangen sein. In einem dem Archetypon vorausliegenden Exemplar war der Schluss des 11. und der Anfang des 12, Kapitels geschrieben €Ϊη τ' &v| άλλα ταύτα μέν ειττεϊν προήχθη ν κτέ. mit Auslassung von και ό θ€Ος ποΐ€Ϊν zwischen δν und άλλα. Diese Auslassung zog dann die weitere Verderbnies von άλλα zu άλληλα nach sich. Der übersprungene Satzschluss και ό θεός ποιεΐν aber ward am Eande nachgetragen und ihm die Anfangsworte des nächsten Satzes άλλα ταύτα als Reclame angehängt. Wird er eingeordnet, 80 ergiebt sich folgendes :

προς bi τούτοις el τα κιρνάμενα άλλήλοις σώματα άντι- πάσχειν υπ' αλλήλων ανάγκη (bia τούτο γάρ ούοίτερον

1 Vgl. Bd. LVI S. 72 dieser Zeitschrift.

490 Brinkmann

αυτών φθ€ίρ€ται, δτι έκάτ€ρον αυτών πάσχον ύφ' έκατέρου έν τώ πάσχ€ΐν άντιποιεϊ), τά hk bC αλλήλων χωρουντα σώματα κιρναται άλλήλοις, εϊη τ' δν^ | και ό θεός κιρνά- μενος τή υλη, el οέ τούτο, και άντιπάσχιυν υπ' αυτής* οίς ?π€ται τό τε τόν θεόν πάσχειν και τό την υλην

άλλα ταΟτα

ποιεϊν. Ι άλλ[ηλ]ά.ταϋτα μέν εΙπεΐν προήχθην 5ιά τους

αντιλέγοντας μέν Άριστοτέλει κτέ. Wie ist aber der Nachtrag an die eo weit abgelegene Stelle ge- rathen, an der er jetzt steht? Der Schaden ist, wie eich gezeigt hat, jedenfalls recht alt. Nun lehren aber die griechischen Hand- schriften des Alterthums und frühen Mittelalters*, wie die Her- culanischen Rollen, die Papyri des Bakchylides, Herondas, Homer, Hypereides, der Ascensio Jesaiae, die Bibelcodices nya., dass man damals als Unterkunft für Nachträge, Varianten und ähn- liche Notizen vorzugsweise den Baum über und unter den Spalten oder Seiten zu benutzen pflegte^. Es dürfte sich daher

^ Dem T€ entspricht (cl δέ τοΟτο) και. Der sich zunächst dar- bietende Gedanke, nach €ΐη τ' Äv etwa ολη κιρναμένη τφ θ€φ) oder dergleichen zu ergänzen, hält reiflicher Prüfung nicht Stich. Mit εΐη dv beginnt Alex, mit Vorliebe den Nachsatz, zB. S. 221, 35. 222, 15. 18. 24. 22β, 23 und t€ gebraucht er oft in sehr freier Weise.

' Dasselbe g^lt, wie es scheint, von den ältesten lateinischen Handschriften. Die Orientiruug der Randzusätze wird hier abgesehen von den Verweisungezeichen noch dadurch bewirkt, dass man der de- fekten Text stelle wie ihrem Supplement die litterae singulares hs (dh. hoc supplendum oä.) beifügt, so im Plinius-Palimpsest von St. Paul (Dziatzko Unters, über d. antike Buchwesen S. 110, vgl. Mommsen- Studemund Analecta Liv. S. 22), und in Dichter-Handschriften auch in der Weise, dass dem der Auslassung vorangehenden Verse ein Ä^ den nachgetragenen Β und die folgenden Buchstaben in der Reihenfolge des Alphabets vorgesetzt werden, zB. im Mediceus 39, 1 (s. Max Hoff- mann S. XVII) und Vaticanus 3225 des Vergil (s. das Facsimile), viel- leicht auch im Ambrosianus des Plautus (383^ s. Studemuuds Apo- graphum).

^ Diese Thatsacbe hat bereite Schubart in seinen Bruchstücken zu einer Methodologie der diplomatischen Kritik (1855) S. 84 richtig erschlossen, erklärt und verwendet: 'Auch durch Verschulden der Ab- schreiber konnten grössere Stücke des Textes ausfallen; bemerkte man dies nicht, so entstand eine Lücke ; wurde es noch bei Zeiten entdeckt, so trug man das Ausjrelassene am Rande nach, und zwar in der Regel am oberen oder unteren Rande, weil es an dem schmäleren Seiten- rande meist an Raum gebrach, um einen längeren Abschnitt einzu-

Ein Sohreibgebraach und seine Bedeutung für die Textkritik 491

auch im vorliegenden Falle empfehlen, mit diesem feststehenden Gebrauch zu rechnen und nicht abstracten Möglichkeiten nach- zujagen. Die ausgelassenen Worte waren also ursprünglich am Fuss der Seite nachgetragen, zu der sie gehörten und wurden später an eben dieser Stelle in den Text eingereiht.

Zu dem hier erschlossenen Vorgang liefert die genaueste Analogie ein Abschnitt des mehrfach erwähnten Leydener Zauber- papyrus W und zwar der in doppelter, grossentheils gleich- lautender Fassung darin enthaltenen Kosmopoiie, die A. Dieterich zum Ausgangspunkt seiner Abraxas-Untersuchungen genommen hat. In der zweiten Fassung heisst es S. 12, 1 ff. (Leemanns II S. 121, Dieterich S. 8 f.) έγίλασε τό πέμπτον (η. ό θ€Ος) καΐ Τ€λών έστύγνασε και έφάνη Μοϊρα κατέχουσα ίυγόν, μηνύουσα έν εαυτή τό Μκαιον €Ϊναι. An der entsprechenden Stelle der ersten (S. 5, 7 ff.) ist aber zwischen δίκαιον und etvai folgendes eingeschoben :

λέγ€ΐ την βάριν, έφ' ή αναβαίνει άνατ€λ[ο]λιυν τφ κόσμψ. ίστιν hi

?φη b* αύτοϊς ό θ€Ος έΗ αμφοτέρων είναι τό οίκαιον πάντα υπό σέ έσται τα έν κόσμψ. και πρώτη εκλήθη οέ ονόματι άγίψ άναγραμματιίομένψ φοβερψ καΐ φρικτφ θοριοβριαταμμαωραγγαοιυιυοαγγαρωαμματαιρβοι- ροθ. έκάκχασε τό έκτον ουτιυς είχε τό άντίγραφον. Wie man sieht, besteht die Einlage, abgesehen von den Schluss- worten, aus drei Stücken, die weder zu einander noch zu dem Satze, in den sie eingeschoben sind, die geringste Beziehung haben. Ihr Auftreten an dieser Stelle ist daher, wie Dieterich (S. 9) gesehen hat, nur dann begreiflich, wenn man sie als Rand- bemerkungen der Vorlage fasst, die der Copist von W versländ- nisslos dem Texte einverleibte. Darauf weist auch das ihnen am Schluss angefügte οίίτως είχε τό άντίγραφον, mit dem der Schreiber seine Rathlosigkeit eingesteht und sich zugleich dem Leser gegenüber aller Verantwortung entledigt. Und weiter,

tragen. Hierdurch wurde derselbe in den meisten Fällen weit von seinem ursprünglichen Platze abgerückt, und gerieth in Ermangelung von VerweisungBzeichen oder bei Vernachlässigung derselben von Seiten des Abschreibers in rathlose Irre, so dass man den Ausfall entweder da einfügte, wo sich ein passender Platz ohne Suchen darzubieten schien, oder wo er etwa zunächst stand.' Vpl. auch Blass im Handb. S. 262.

492 Brinkmann

jedes dieser drei ehemaligen Marginalien besteht aus einem in sich geschlossenen Satze, auf den jedesmal zwei bezw. drei abge- rissene Worte folgen: sie tragen also durchaas das Gepräge der mit nachgestelltem Stichwort orientirten Randzusätze und Varianten.

Was zunächst das erste von ihnen betrifft, so findet es sich in dieser ersten Fassung der Kosmopoiie nirgends, es war daher in der Vorlage zweifellos als Supplement gemeint, das vor einem ?(Ττιν bk in den Text aufgenommen werden sollte. Nun kommt aber έ(Ττιν hk in dieser Partie des Papyrus wiederholt vor, es empfiehlt sich daher, um den richtigen Platz zu ermitteln, von der zweiten Fassung auszugehen. Hier stehen jene Worte λέγ€ΐ κόσμψ S. 11, 21 (Dieterich S. 6**) hinter τό bk φίΚΓικόν σου δνομα αίγυτττιστι Άλοαβαείμ und vor 6 bk έττι της βάρβως φανείς. Dem entspricht in der ersten Fassung S. 4, 26 (Diete- rich S. 6•) τό bk φυσικόν σου δνομα αίγυτιτιστι Άλοαβαείμ (γράμματα θ), κατ έστιν bi ό έττι της βάρ€ΐυς φαν€ΐς κτέ. Man hat hier κατ und έστιν zu κάτεστιν zusammengefasst und so ein weder sonst beglaubigtes noch an sich glaubliches Ver- bum geschafi'en. Wie man sich aber auch mit diesem κατ mag abzufinden haben, soviel ist unbestreitbar : genau an der Stelle, auf welche die zweite Fassung hinführt, findet sich in der That ein ίστιν bi, das Stichwort jenes Nachtrages. Was bedeutet nun das räthselhafte κατ? Es kommt noch einmal im Papyrus vor, nämlich S. 4, 2, und zwar wie aus dem beigegebenen Facsi- mile auf Tafel Π ersichtlich ist, mit hoher gestelltem Endbuchstaben geschrieben (κα'Τ), somit als Abbreviatur gekennzeichnet. Die Satzgruppe, in der es da erscheint πρώτον έφάνη φώς, αυγή, bi' ής έστησ€ τα πάντα έγένετο bk θ€Ος. κατ. ούτοι γαρ €ΐσι. ούτως €Ϊχ€ τό άντίγραφον^ steht ausser jeder Verbindung mit dem vorhergehenden, wie dem nachfolgendeu, sie ist auch äusser- lich vom übrigen Text scharf abgetrennt. Dieser Umstand im Verein mit dem bezeichnenden Zusatz ούτως €ΐχ€ τό αντίγραφαν beweist aber, dass der Passus bereits in der Vorlage am Rande stand, und zwar da die Stelle, auf die er sich bezieht (S. 4, 39 = S. 7* 8 ff. D.), erst später folgt, ebenso wie in W am oberen Rande. Also κατ ist Abbreviatur, es findet sich einmal an einer Stelle, zu der ehemals eine Randbemerkung gehörte (S. 4, 27), das anderemal in einer solchen Randbemerkung selbst (S. 4, 2), in beiden Fällen

^ Diese Zeilen sind von Dieterich unberücksichtigt gelassen.

£ίη Scbreibgebraucb und seine Bedeutung für die Textkritik 493

ist 68 ein tiberflüseiges und störendes Element, das aus dem Zu- sammenbange vollständig berausfällt. Was liegt also näber als den Scbluss zu zieben, dass es auf die Randbemerkung als solcbe Bezug bat, db. irgendwie zur Verweisung dient, mitbin, da im einen Falle das zugebörige Marginale weiter unten folgt, im an- deren das Marginale zu einer weiter unten folgenden Stelle ge- bort, dass es κάτυϋ zu lesen ist? In der Tbat sind derartige Vor- und Rückverweisungen auf und von Randbemerkungen mit- telst κάτΐϋ und άνω im Sinne von 'siebe unten' bezw. *oben' in den antiken Manuscripten nicbts weniger als selten. So stebt im Oxyrbynchos- Papyrus des V. Bucbes der Ilias (II S. 102) neben V. 125 recbts κάτιυ, links ein Verweisungszeicben , am Fuss der Colnmne ist dann der ausgelassene Vers 126 nacb- getragen und ibm ein entsprecbendes Zeichen vor-, ein δνιυ nach- gesetzt. In ähnlicher Weise ist verfahren in den Herculaniscben Rollen der Rhetorik Philodems I S. 9 Sudh. (= V^ 33), II S. 133 (= VP 189), S. 185 (= X12 114), S. 245, 264, des Index Aca- demicorum Col. 20 (Mekler S. 72 f., vgl. S. 21, 37, XIII), ferner in den Oxyrbynchos-Papyri I S. 26 Col. II, im Codex Sinaiticus IV 82, 92 US. Ebenso findet sich aber auch häufig umgekehrt neben oder über eine lückenhafte Stelle ein äviü gesetzt, das auf die am Kopf der Seite eingetragene und demgemäss mit dem Vermerk κάτω versehene Ergänzung verweist. Im Hypereides- Papyrus Α zB. bat der Copist zu Anfang der Euxenippea eine Zeile ausgelassen und den Defect dann dadurch ausgeglichen, dass er die übersprungenen Worte άλλ' fjv (Τττάνιον ib€iv über der Columne (19) nachholte, ihnen ein κάτω anhängte und da, wo sie im Texte fehlen (hinter Z. 2), άνω hinzufügte. Weitere Belege liefern Volum. Hercul. X* 176, der Herondas Papyrus Col. 34, Oxyrb. P. I S. 42, Π S. 44, S. 100 f., Amberst P. Π S. 24. In einigen der angeführten Beispiele ist, wie es scheint, auch nur eins der beiden V^erweisungswörter gesetzt, in mehreren Fällen sind sie ferner abgekürzt geschrieben, einmal, in der Hy- pereides-Handschrift, κάτω fast genau so wie im Leidensis W. Es ergiebt sich also nunmehr folgendes Resultat: In der Vorlage des Leydener Zauberpapyrus stand am Rande zwischen Αλδαβαείμ, γράμματα θ und έστιν hk ό oder im Text über dieser Stelle (S. 4, 27 W^ = S. 6* 3 D.) das Verweisungswort κάτω, dies κάτω bezog sich auf »He am Fuss der Seite nachgetragene Ergänzung λ€γ€ΐ την βάριν, έφ' ή αναβαίνει ανατέλλων τω κόσμω, der ί(Ττιν als Stichwort angeschlossen war. Die Einordnung de«

494 Brinkmann

Supplements ist mithin darcli zwiefache Orientirungsmittel fest- gelegt und gegen alle Zweifel gesicliert.

Eine etwas andere Bewandtniss hat es mit den heiden übrigen in W zwischen δίκαιον und €Ϊνάι (S. 5, 8 ff. = S. 9* D.) eingesprengten Eandbemerkungen der Vorlage. Ihr Inhalt findet sich in ganz ähnlicher Form einige Zeilen weiter im Text von W vor. Dem einen (S. 5, 8 ff. = S. 10» D.) entspricht Z. 14 ff.:

?φη b* αύτοϊς ό θεός il τών hk μαχόμενων ό θ€Ος

άμφοτίριυν €Ϊναι το δίκαιον, έφη* ΈΕ αμφοτέρων το δίκαιον

πάντα bk υπό σέ έσται τά έν φανήσεται, πάντα δέ ύπό σέ

κόσμψ. και πρώτη ίσταιτάένκόσμψ. και πρώτη...

das andere (S. 5, 10 ff. = S. 10» D.) kehrt Z. 17 ff. wieder:

εκλήθη δέ ονόματι άγίψ άνα- ής τό όνομα άναγραμματιίό- γραμματιίομίνψ φοβερψ και μενον μέ'χα έστιν και δγιον φρικτψ θοριο οιροθ. έκάκ- και ίνδοΕον. έστι δέ τούτο* χάσε τό ϊκτον θοριο οιροθ γραμμάτων μθ.

έκάκχασε τό Ικτον . . . Beide hilden also im vorliegenden Exemplar nicht Ergänzungen, sondern stellen Varianten dar. Es fragt sich allerdings, ob sie diese Bestimmung von vornherein hatten. Denn es ist an eich sehr Wühl denkbar, dass wie der erste, so diese beiden anderen Theile der Einlage von S. 5 im Antigraphon ursprünglich zur Ausfüllung von Lücken bestimmt waren, dann aber diesem Zweck entfremdet wurden, weil nachträglich, sei es der Copist, ein Cor- rector oder Leser nach einem anderen Exemplar die Ergänzung im Texte selbst vornahm. Es fehlt dafür nicht an Analogien. So ist im Herondas-Papyrus das ausgelassene Anfangswort des Verses VII 99 ((Τεωυτου) nicht nur über der Columne ergänzt, sondern auch dem Verse selbst nachträglich vorgesetzt, und im Demosthenes-Fragment Amherst Papyri II S. 24 sind die Z. 5 übersprungenen Silben γεθος δυναμε sowohl am Kopf der Seite wie über der lückenhaften Zeile nachgetragen. Indessen einfacher und natürlicher erscheint doch die Annahme, dass diese beiden ehemaligen Randbemerkungen von Haus aus als Varianten gedacht waren ^. Zu Gunsten dieser Auffassung fällt insbeson-

^ Es liegt dann derselbe Fall vor wie in der oben S. 482 ange- führten Stelle aus Polystratos' Schrift π. άλογου καταφρονήσεαις und ζ Β. im Rainer-Papyrus von Xenophons Kyrupaedie V 2", 24 (Mitth. aus der Sammlung der Pap. Erzherzog Rainer VI S. 88): neben den Text- worten μέλον αύτοϊς Ισχιιραις δπΐ} τό μέλλον άποβήσοιτο steht ein Ver-

Ein Schreibgebrauch und seine Bedeutung für die Textkritik 495

dere der Umstand ins Gewicht, dass auch in der zweiten Version der Kosmopoiie wenigstens die Bemerkung über den anagramma- tischen Namen θοριο οιροθ in doppelter Fassung gegeben ist (S. 12, 8 ff. = S. 10*» 13 ff. D.), einmal genau in der Gestalt, wie sie in der Einlage S. 5, 10 ff. steht, sodann wörtlich in der Form, die sie im fortlaufenden Texte S. 5, 17 ff. hat^

Ist hier die Entscheidung immerhin nicht allen Zweifeln entrückt, so läset sich eine andere Frage, deren Lösung noch aussteht, mit um so grösserer Sicherheit beantworten. Von diesen drei vom Schreiber des Leydener Zauberbuchs verkannten Rand- bemerkungen (S. 5, 8 ff.) beziehen sich die zweite und dritte auf nachfolgende Stellen (S. 5, 14 ff. und 17 ff.), sie standen daher in der Vorlage jedenfalls über der Seite, zu der sie gehörten. Die erste dagegen hatte im Antigraphon ihren Platz, wie sich (8. 493) ergab, am Fuss der Seite, zu der sie einen Nachtrag lieferte, und zwar ging diese Seite derjenigen unmittelbar voraus, an deren Kopfe die beiden anderen standen. Indem sie nun der Schreiber des Leydensis alle drei, ohne sich um ihre Bestimmung

Weisungszeichen, dies wiederholt sich unter der Columne bei einer Fuss- note, welche die varia lectio giebt μέλον Ισχυρώς αύτοίς δπη τά νΟν παρόντα άποβήσοιτο.

^ Ebenso ist die Notiz am Kopf der S. 4 πρΦτον έφάνη φως, αυγή, δι' ής έστησε τά πάντα, έγένετο δέ θ€Ος zu beurtheilen. Sie bezieht sich auf Z. 39 f. κανχάσαντος πρώτον αύτοΟ έφάνη φώς, αυγή, καΐ διηύγασεν τά πάντα έγένετο δέ θ€Ος κτέ. Wie früher (S. 492) ge- zeigt, stand sie bereits in der Vorlage am oberen Rande der ent- sprechenden Seite. Zur Orientirung waren ihr ausser dem auf die zu- gehörige Textstelle verweisenden κάτω noch die Z. 38 in W wieder- kehrenden Worte οδτοι γάρ cloi angeschlossen, dh. 'siehe unten die mit ούτοι γάρ είσι beginnende Zeile* . Und hier ist auch noch das dem κάτω des Marginale correspondirende άνω bei der zugehörigen Text- stelle vorhanden: es ist nach Dieterichs Angabe (zu S. 1^ 8) am linken Rande der Z. 38 ein AN beigeschrieben, das nur als άν(ω) gedeutet werden kann. Während nun diese Bemerkung im Antigraphon am Kopf derjenigen Seite stand, der die 4. des Leydensis W entspricht, so befand sich, wie früher (S. 493) ermittelt, die erste der drei Ein- lagen S. 5, 7 ff. in der Vorlage am Fuss derselben Seite. Diese be- gann demnach aller Wahrscheinlichkeit nach ebenda, wo in W die S. 4 anfangt, und schloss sicher mit τό δίκαιον S. 5, 7 W, war also noch etwas umfänglicher als die correspondirende ihrer Copie. Aus dieser Seitenlänge dürfte dann weiterhin folgen, dass bereits die Vorlage nicht Rollen- sondern Codexform hatte.

496 ßrinkmann

zu kümmern, an eben dem Orte, wo er sie vorfand, dem Texte einverleibte, mussten sie naturgemäss in der Weise, wie sie eich jetzt im Papyrus vorfinden, genau binter einander zu sieben kommen und in eine gänzlicb fremdartige Umgebung binein ge- ratben ^.

^ Diesen Bemerkungen zum Leydener Zauberbucb mag es ge- stattet sein ein paar kritische Kleinigkeiten anzuschliessen. S. 1, 10 = 170, 4 D(ieterich) ist gelesen €ΐσ€λθόντος γάρ τοΟ θ€θο π€ρισσότ€ρον (η. οΐ λύχνοι) έΕαωθήσοντα ι. Man hat daraus έΕωσθήσονται, Gau ώσθήσονται oder έΕαπωθήσονται gemacht, ohne jede Wahrscheinlich- keit. Geroeint ist doch 'wann der Gott erscheint, werden die Lampen stärker brennen', also έΗαφθήσονται. Wer es für nöthig hält, ver- gleiche zB. λύχνον έζημμένον im Pariser Zauberpapyrus Z. 67 (S. 46 Wessely). S. 1, 33 f. = ITö, 4 D. 1. τόν λόγον τΦν ώροτ€ν(αιν) τόν έν τή Κλ€ΐδί. S. 4, 17 U. 11,7 = 4, D. 1. διά σέν (= σέ) έδοΕάσθην. S. 7, 26 f. = 190, 20 D. 1. βοήθησον έν άνάγκσις, έλ^ησον (für έλβήμων) έν ώραις βιαίοις. S. 15, 43 = 181, δ D. 1. έπικαλοΟμαί σ€ τόν πάντων μ€ίΤονα. S. 18, 1 = 196, 17. D. 1. συ γάρ έΐ έγώ καΐ έγώ συ* δ έ<ά>ν €Ϊπω δ€ϊ γβνέσθαι. Ebenso ist 9, 28 = 170, 16 D. ού έν βούληται für έάν = δν geschrieben. Eine Form wie ένβίπω hat in dieser Sphäre keinen Platz. Weiter heisst es dann τό γάρ δνομά σου ίχω φυλακτή- ριον έν καρδίςι τή έμή - καΐ ού κατισχύσβι μ€ απασα σ δ ρ α Ε κινού- μενη, OÖK άντιτάΕ€τα( μοι πάν πνβΟμα, ού δαιμόνιον κτέ. Das von D. für das uuverstäDdliche σδραΕ eingesetzte Στύζ verstösst gleich sehr gegen alle diplomatische Probabilität, wie es den durch den Zusammen- hang geforderten und durch κινούμενη grewährleisteten Sinn verfehlt: Wer den zauberkräftigen Gottesnamen im Herzen trägt, gegen den vermögen weder lebendige Wesen von Fleisch und Blut noch Geister und Gespenster etwas auszurichten. CAPAE ist also CAPAE dh. σάρΗ, mit der gerade in diesem Papyrus so ungemein häufigen Vocalent- faltung. Der Beispielsammlung D.s Fleckeiscns Jahrb. Supplementbd. XVI S.822 sind hinzuzufügen 7, 34 u. 35= 191. 3 f. D. σ€βέσαι u. σ€- βέσθητι, 7, 37 = 191, 7 D. φηλόΕ (= φλόΕ), 10, 11 = 174, 12 D. Αστβρου, 17, 35 = 196, β D. πολλοΟτος (= πλούτος). Dagegen ist aus seiner Liste άνατέλολων S. 5, 7 = 9, 4 I). als Schreibfehler zu streichen, zwi- schen gleichen Consonanten kann naturgemäss Anaptyxe nicht ein- treten. Zum Ausdruck vgl. zB. LXX Numeri 16, 22. 27, 11 (κύριος ό) θ€Ος τών πνβυμάτων καΐ πάσης σαρκός und die Bemerkung Deissmanns zu den Rachegebeten von Rheneia Philol. LXI S. 256. Auf die zahl- reichen Stellen, an denen man mit Unrecht die Ueberlieferung an- getastet hat (wie S. 10, 12 = 174, 12 D. κατά δυ€ΐν [für δύο) τρόπους, freechützt durch das folgende καθότι καΐ δτι usw. vgl. diese Zeit- schrift LVl S. 67. 2, S. 14, 43 = 17H, 16 D. α1σθήσ€σι, S. 16, 15 = 186, 4 D. άποθαν€ίσαι für άποθαν€ΐ uam.), soll hier nicht naher ein- gegangen werden.

Ein Schreibgebraach und seine Bedeutung ftir die Textkritik 497

Die Betrachtung aller angeführten Stellen dürfte somit für die Ueberlieferungsgeechichte und Textkritik insbesondere folgende Ergebnisse herausgestellt haben:

In sorgfältigen griechischen Manuscripten des Alterthums und früheren Mittelalters werden nachträgliche Zusätze zum Text, Varianten und ähnliche Notizen im Allgemeinen nicht im Schrift- raum, sondern am Rande und zwar in älterer Zeit vorwiegend am Kopf oder Fuss der Seiten eingetragen.

Die Orientirung dieser Marginalien geschieht dadurch, dass man ihnen wie den zugehörigen Textstellen einander entsprechende Zeichen oder die Verweisungswörter κάτω und fivui beisetzt oder aber den Randzusätzen Stichworte hinzufügt. Häufig kommen auch je zwei dieser Orientirungsmittel gleichzeitig zur Verwendung.

Als Reclamen benutzt man vorzugsweise das oder diejenigen Textworte, vor denen der Leser die Nachtragung vorzunehmen hat, sie werden also den Marginalien am Schluss angehängt.

Trotz ihrer Einfachheit und Zweckmässigkeit werden diese G-epflogenheiten, die sich zum Theil bis ins späte Mittelalter und weiterhin fortgepflanzt haben, oft verkannt oder vernachlässigt, wodurch zahlreiche und nicht selten schwere Textschäden ver- ursacht sind.

Königsberg i. Pr. A. Brinkmann.

fiUeüi. Mue. f. Phllol. N. F. LVII. 32

ΙΕΡΑ ΔΕΥΡΟ

In der bekannten Stelle über die Epidauria bei Pbiloetrat (Leben des ApoUonios o^on Tyana IV 18, 155): fjv μέν οή 'Em- baupiujv ήμερα, τά bi ΐπώαύρια μετά πρόρρησίν^ τε και Ιέρεια όευρο μυεΐν Άθηναίοις πάτριον έπι QOCiq. όευτέρςι, τουτί bk ένόμισαν 'Ασκληπιού ϊνεκα, δτι br\ έμύησαν αυτόν ήκοντα Έπιόαυρόθεν όψέ μυστηρίων hat das Wort bevpo Schwierig- keiten gemacht und ist wohl meist als verdorben angesehen wor- den. Zuletzt hat A. Körte (Ath. Mitth. 21, 315 Anm.) vorge- schlagen δεύτερον statt όευρο zu lesen. So elegant nun diese Conjeotur in palaographischer Hinsicht ist, so wenig innere Wahr- scheinlichkeit hat sie, da das δεύτερον neben έπι θυσ{(^ οευτέρφ überflüssig ist^, so dass ich fast behaupten möchte: wenn δεύ- τερον selbst überliefert wäre, müssten wir es ändern bezw. alfl Interpolation streichen. Demgegenüber stand für mich schon lange fest, dass δευρο überhaupt nicht zu ändern, sondern mit dem vorausgehenden Worte zu einem Ausruf zu verbinden sei, der als Festtagsname ebenso gebildet sei wie das bekannte &\abi

1 In der Handschrift steht πρόσρησις, aber dass die bekannte eleusinische πρόρρησις gemeint und so auch zu schreiben ist, hat schon Preller gesehen.

3 Man hat sich freilich auch die Interpretation dieses Ausdrucb ohne Noth erschwert und mehr dahinter gesucht als dahinter steckt, obwohl die einfache Erklärung dessen, was Philostrat meint, so nahe liegt: von einer gewiesen Zeit an fand zweimal eine Yorweihe für die grossen Mysterien statt, einmal wie immer in Agra und ausserdem iid θυσίςι δευτ^ρςι an den Epidaurien. Ob diese übrigens wirklich zugleich mit Einführung des Asklepioscultes im J. 4*20 gestiftet wur- den, kann bezweifelt werden ; auffallend ist jedenfalls, wie Foucart mit Recht bemerkt hat, dass die auf diese Einführung bezügliche Urkunde, die Körte mit so glänzendem Scharfsinu hergestellt hat, mit keinem Wort die μύησις des Asklepios erwähnt.

'Ιερά beOpo 499

μύ(Τται. Aber nicht minder war ich mir darüber klar, daee ich, wenn diese Ansicht^ mehr als ein vielleicht richtiger Gedanke sein sollte, schuldig sei den Namen aus dem Verlauf der Myste- rienfeier zu erklären. Hierbei stiess ich nun aber auf unüber- windliche Schwierigkeiten, die nicht sowohl in beOpo, als im Worte Upeia lagen, und die deshalb ebenso für diejenigen gelten, die den Tag einfach ιέρεια benennen, nur von ihnen nicht be- rücksichtigt worden sind. Grosse Opfer nämlich wurden natür- lich an den grossen Mysterien ebenso gut dargebracht wie an jedem anderen grossen Fest, aber vergebens wird man nach einem Tag suchen, an dem die Opferthiere selbst eine solche Rolle spielten oder überhaupt spielen konnten, dass er danach hätte benannt werden können, zumal mit einem so farblosen Namen wie es Ιέρεια ist. Man braucht nur einmal zum Vergleich andere Festtagsnamen wie die Χόες und Χύτροι der Anthesterien heran- zuziehen, um sofort den Unterschied zwischen diesen charakter- istischen Bezeichnungen und dem angeblichen Ιέρεια gewahr zu werden. Was aber für das einfache Ιέρεια gilt, gilt auch für Ιέρεια δεΟρο. Zwar kommt durch δεΟρο wenigstens Leben und Handlung in den Namen, aber bestehen bleibt, dass die Ueber- lieferung nichts bietet, was eine solche Bezeichnung rechtfertigen könnte. Und so konnte ich meine ursprüngliche Ansicht, dass alles an der Stelle in Ordnung sei, doch nicht aufrecht erhalten; wenn ich mich nicht mit einem blossen Namen ohne realen In- halt begnügen wollte, war der Schlues unvermeidlich, dass zwar nicht όευρο, wohl aber das Wort Ιέρεια verdorben ist. Und ich sah denn auch bald, dass die Heilung leicht und, wie ich hoffe, sicher ist.

Bei Philostrat muss ein Tag gemeint sein, an dem irgend etwas όευρο, dh. also doch nach Athen, kam oder gebracht wurde. Nun weiss die Ueberlieferung nichts von Opferthieren, die dahin gebracht wurden, wohl aber berichtet sie bekanntlich, dass am 14. Boedromion das Datum steht inschriftlich fest* durch

^ Zustimmend bereits erwähnt v. Prott, Bursians Jahresber. CII (1899. ΠΙ) S. 114. ~ Jüngst hat auch Foucart (Les grands mystdres d'Kletisis. Paris 1900) dieselbe Ansicht vertreten und icpcla δ€θρο als Namen zusammen gefasst.

8 CIA III n. 5 Z. 9: δεδόχθαι τ]ώι δήμωι, προστάΕαι τώι κοσ• μητήι τών [έφηβων κ]ατάτά αρχαία νόμιμα [δ](γ)£ΐν Έλευσΐνάδε τού[ς έφήβ]ους τήι τρίτη ι έπΙ δέ[κα] τοΟ Βοηδρομιώνος μ€[τά τ]οο είθισμένου σχήμα[τος] τής άμα Ιεροΐς πομπ[ής, Ί'ΐνα τήι τετράοι έιτί &έκα πα[ραττέ]μψωσιν τά kpa μέχ[ρι] τοο Έλευσεινίου τοο ύπό [τήι π]όλ€ΐ.

500 ZiehQu

die Epheben die heiligen Bilder der Göttinnen nnd andere Cnlt- gegenstände, die sogenannten Upd, von Elensis nach Athen ge- leitet worden. Yon diesen also konnte es in der That heissen Ιερά beGpo und, wenn wir nan gar in einer der über diesen Festakt handelnden Inschriften lesen {CIÄ III 5, Dittenberger Syll. *652): δπως δ[ν έν κόσμω άχθ]€ίη τά tepa beOpo τ' έκ τής Έλ€υσ€Ϊνο[ς κα\ πάλιν έΕ] άστεως Έλ€υσ€ΐ[ν]άΟ€, βο darf darin wohl geradezu eine urkundliche Bestätigung dafür ge- sehen werden, dass bei Philostrat Ιερά δεΟρο zu schreiben und damit also der 14. Boedromion gemeint ist. Daraus folgt dann weiter, wenigstens bei ungezwungener Interpretation, dass die bei Phiiostrat yorhergenannte πρόρρηΟΊς auf den 13. Boedr., und zwar wohl auf den Abend, die nachfolgenden Epidauria auf den 15. Boedr. fallen.

Dies Ergebniss steht nun aber in scharfem Widerspruch mit den herrschenden Anschauungen über Anordnung und Datierung der eleusinischen Festtage, als deren Hauptvertreter heute wohl A. Mommsen und Foucart gelten dürfen, die beide aueführlich diese Frage behandelt haben Κ Wie dieselben die für uns in Betracht kommenden Tage angeordnet und datiert haben, wird am besten folgende kurze Gegenüberstellung zeigen:

MOMMSEN FOUCART

13 Boedr. Zug der Epheben nach Eleusis

14 Geleit d. Ιερά durch d. Eph. nach Athen

15 άγυρμός άγυρμός πρόρρησις

16 πρόρρησις &\abe μύσται δλ. μύσται Ιέρεια δευρο

IAsklepieen ,^ , 17 od. 18 Έττιοαύρια.

Επιόαυρια

Wie man sieht, weichen beide in wichtigen Punkten von einander ab, aber darin, worauf es hier ankommt, stimmen sie überein: sie lassen beide die πρόρρη(Τΐς erst nach dem 14. Boedr., also nach der Kinholung der Ιερά, und die Έπώαύρια nach dem 16., dem eicher bezeugten^ Tag des άλαδε μύσται, stattfinden, wah- rend nach meiner Annahme jene auf den 13., diese auf den 15.

1 S. A. Mommsen, Feste d. Stadt Athen S. 205 ff., Foucart, Les grands mysteres d^fileusis p. 91) ff.

2 S. Folyaeu. III II, 2 Plut. Phok. G und Cam. 19.

Ιερά δ€θρο &01

fallen. Es fragt sich nun, ob nicht vielleicht für die herrschende Anechauang wichtige sachliche Grründe sprechen, denen gegenüber das, was ich oben auf Grund der Philostratstelle ausgeführt, trotz allem, was dafür spricht, hinfällig wird. Aber ich glaube umgekehrt, dass die Datierung Mommsens und Foucarts schweren Bedenken unterliegt, die durch die meinige vermieden werden. Dabei sehe ich ganz von dem äusseren Bedenken ab, das wohl jedem sofort in die Augen springt, dass nämlich nach jener An- nahme Philostrat zwar den 16. Boedr. erwähnt, aber nicht mit dem für ihn sonst bezeugten Namen &Xab€ μύ(Τται und daraus für sie die Nothwendigkeit folgt für diesen Tag eine doppelte Benennung anzunehmen. Wichtiger sind die in der Sache selbst liegenden Gründe.

Was zunächst die πρόρρη(Τις betrifft, so urtheilt Foucart insofern richtiger als Mommsen, als er sie auf den von ihm an- genommenen ersten Tag des Festes verlegt. Denn eine πρόρ- ρηαις muss doch, was auch ihr besonderer Inhalt sein mag, zu Anfang des Festes stattfinden, wenn sie anders ihren Namen mit Recht tragen soll. Aber dass nun gerade der 15. Boedromion den Anfang des Festes bildete, ist nicht mehr als eine freilich oft wiederholte Hypothese, die auf einer willkürlichen Auslegung der Angaben Plutarchs (Camill. 19 u. Alex. 31) über die der Schlacht bei Arbela vorausgehende Mondfinsterniss beruht. Da- nach hat diese, wie wenigstens sehr wahrscheinlich^ ist, am 15. Boedr. und zwar, wie Plutarch ausdrücklich bemerkt, περί τήν τών μυστηρίων των Άθήνησι αρχήν stattgefunden. Aber da Plutarch das Wort περί gebraucht, sind wir doch nicht ge- zwungen, nun gerade unbedingt den 15. selbst als den Tag der αρχή anzusehen. Fiel der erste Tag der Mysterien auf den 14. oder auch den 13., so konnte er doch immer noch sagen, die Mondfinsterniss des 15. sei π€ρι τήν αρχήν gewesen. Nun fand aber ja doch schon am 14. die feierliche Einholung der Ιερά nach Athen statt; gehörte dieser Akt etwa nicht zum Fest? Ich weiss nicht, ob man mir entgegnen wird, er gehöre bloss zu den * Vorbereitungen* und das eigentliche Mysterienfest habe damit noch nicht begonnen. Jedenfalls ist es gut, dass die Entschei-

* Dpr Vollmond an sich beweist freilich noch nicht den 15.; für Oeminos beginnt, wie ich A. Mommsen (S. 205 Anm. 6) entnehmet die πανσέληνος nach mittlerem Gang der Phasen am 14., nach dem schnell- sten Gang am 13. und nach dem langsamsten erst am 15.

502 Ziehen

dang nicht von dieser Frage, die auf einen Wortetreit hinaos- käme, abhängt; entscheidend ist vielmehr die Rücksicht auf den Inhalt der πρόρρησις. Denn die πρόρρη(Τΐς der Mysterien ent- hielt, wie feststeht ^, die Ausschliessung der άνοροφόνοί und der βάρβαροι vom Feste. Sollen wir nun wirklich glauben, daet man mit dieser Ausschliessung bis nach der Einholung der Ιερά wartete und es ruhig geschehen Hess, dass Mörder und Barbaren sich unter die Gemeinde drängten, die den Ιερά entgegeΏging^ und vielleicht mit den Uebrigen das Eleusinion ^ betraten? Das scheint mir unmöglich: jene πρόρρη(Τις musste vorher stattfinden, damit die Ιερά nicht durch die Gegenwart von Unreinen befleckt werden konnten, dh. also am 13. Mittags oder Abende, dem Tag, auf den auch die oben gegebene Lesung der Philoatratstelie führte.

Nicht ganz so einfach steht es mit den Epidauria. Hier ist ohne Zweifel A. Mommsen derjenige, der tiefer und schärfer in die Frage und ihre Schwierigkeiten eingedrungen, zuletzt aber doch auch nicht zu dem m. E. richtigen Schluss gekommen ist. Das πρώτον ψευδός liegt bei ihm darin, dass er glaubt, ver-

} Isoer. Pancg. 157: Εύμολιτ(δαι bk καΐ Κήρυκες έν τή τ€λ€τή τών μυστηρίων διά τό τούτων (Persarum) μίσος καΐ τοις άλλοις βορ βάροις εΐργεσθαι τών i€pu)v ώσπερ τοΙς άνδροφόνοις προαγορεύουσιν ; Schol. Arist. Ran. 369 : παρά τήν τοΟ Ιεροφάντου καΐ δςιδούχου πρόρ- ρησιν τήν τή ποικίλη στο^ Statt der βάρβαροι steht wohl mehr dem Wortlaut der Formel entsprechend bei Libanius (Corinth. IV p. 356 R.} οστις φωνήν άσύνβτος und bei Theo Smyrnaeus (p. 22) τους φωνήν άΕύν€τον ίχοντας. Foucart hält freilich auch in seinem neuen Werke daran fest» dass hierunter diejenigen zu verstehen seieOf deren Stimme mit einem physischen Defect behaftet war, so dasi sie die heiligen Formen nicht nachsingen konnten, und dass die Bar- baren als άνδροφόνοι ausgeschlossen waren. Bei der Wichtigkeit der Sache vor allem für die Hypothese von der ägyptischen Herkunft der Eleusinien wiederhole ich hier, was ich früher in den Ber. d. Freien DButsch. Hochstifts 1899 S. 203 bemerkt, dass die Foucart'sche Auffassung auf einer falschen Interpretation der in der oben ange- führten Isokratesstelle stehenden Worte ιΰσπ€ρ τοις άνδροφόνοις beruht, welche bedeuten * ebenso wie den Mördern', nicht 'comme meurtriere*; bei dem von F. angenommenen Sinne dürfte der Artikel nicht stehen.

^ Lys. gegen Andok. 52 άπήντα τοΙς ΙεροΙς πβρί & ήσέβησβν, clcr- ήλθ€ν €ΐς τό Έλ€υσ(νιον.

8 S d. Lysiasstelle in Anm. 2; vielleicht aber bezieht sich hier das Betreten dos Kleusinions auch auf einen späteren Ta^.

Ιερά δ€θρο 503

pflichtet zu der Reinigung des 16. Boedr. seien nur die gewesen, die in den Epidauria geweiht werden wollten, und daee er dem- gemäse den Tag &\abe μύσται nur als Paraekeue der Epidauria auffaset. Das ist aus mehr als einem Grunde unglaublich. Ein- mal lautet der Ruf fiXabe μύσται nicht so als ob bloss ein Theil der Mysten gemeint sei, sondern er richtet sich doch offenbar an alle. Das verlangt auch die Sache; denn mögen auch einmal die kleinen Mysterien als προκαθάρσις und προάγνευσις der grossen bezeichnet werden (schol. Arist. Plut. 895) dass die dort ge- weihten, nachdem so viel Zeit verstrichen war, bevor sie an der τελετή theilnabmen, sich noch einmal einer feierlichen Reinigung unterziehen mnssten, versteht sich doch von selbst. Ja, streng genommen verbietet uns sogar der Sprachgebrauch das &λαοε μύ(Τται auf die zu beziehen, die erst nach dem 16. die Weihe empfingen; denn μύαται können nur die heissen, die schon ge- weiht sind, oder auch die gerade geweiht werden \ Eher liesse sich also auf Grund der herrschenden Datierung behaupten, dass die Theilnehmer der Epidaurienweihe die Reinigung des 16. über- haupt gar nicht mitgemacht hätten. Und dass jene Datierung in der That zu diesem bedenklichen Schluss führt, lehrt auch eine andere, zeitliche Erwägung.

Die Anknüpfung der Epidaurienweihe an des Asklepios An- kunft in Athen setzt die Möglichkeit voraus, dass auch derjenige, der erst an dem Tage der Epidauria in Athen eintraf, noch die Weihe empfangen konnte. Das trifft zunächst für Asklepios selbst zu ; denn der Tag heisst doch wohl deshalb Epidauria, weil der Gott an diesem Tage von Epidaurus herkam, und dass auch später noch jene Möglichkeit vorhanden war, beweist eben Apol- lonios von Tyana, der nach der Erzählung Philostrate an diesem Tage in Athen eintraf und die Weihe empfing. Wenn nun aber diese Weihe erst nach dem 16. Boedr. stattfand, so hat Asklepios und jeder, der sich später in gleicher Lage befand, die so wich- tige Reinigung im Meere versäumt^, und die Athener hätten doch

* Hesych. s. v. ό τών μυστηρίων μεταλαβών und das ist, soviel ich sehe, die vorlierrschende Bedeutung; in der anderen steht es bei Plutarch. Alk. 19: τους ö' Αλλους έτα(ρους παρ€ΐναι καΐ μυείσθαι, μύστας προσαγορευομένους, und wiederholt in der alten eleusinischen Inschrift CIÄ IV 1, 1 (Dittenb. Syll. a 046, Ziehen, Leg. Sacr. 3), zB. c am Ende: τό]ς μύστας τός Έλ€[υσ1νι μυομ^]νος.

^ Man könnte einwenden, Asklepios bedürfe der Reinigung nicht,

504 Ziehen

dann so, wie sie eine nacbträgliche μύη(Τΐς einriebteten, auch eine nachträgliche Reinigungflfeier vorsehen mtieeen. Allein davon ist keine Spnr zn entdecken. Ich hin in der eigenthümlichen I^age hier mit A. Mommsens eigenen Worten argumentieren zn können. Er sagt (S. 219): 'Der Sage nach führte man ihn (den Tag der Epid.) ein zn Gunsten des Asklepioe, der όψέ μιΚΤτηρίΐϋν^ gekommen war. Er kam zu spät, er hatte etwas versäumt Etwa die Rei- nigung des 16., indem er sich erst am 17. einstellte?* Die Frage sei zu verneinen : ' Hätte es sich um Yersäumung des Reinigungs- tages gehandelt, so würden die Athener einen zweiten Reinigungs- tag für Asklepios gestiftet haben, aber sie stifteten die Epidan• rienweihe. Was Asklepios versäumt hatte, war eine Weihe ; er hätte als Neuling schon im Frühjahr (Anth.) sich einfinden und sich zu Agra der Vorweihe der kleinen Mysterien unterziehen müssen'. Das ist durchaus richtig; nur, scheint mir, fehlt der richtige Schiuss: Asklepios hat nicht die Reinigung versäumt, also ist er auch vor der Reinigung bereits eingetrofi^en, dh. vor dem 16. Boedromion. Auch hier also bewährt sich wie bei der πρόρρη(Τΐς mein aus Philostrat gewonnener Ansatz, der die Epidauria dem 15. zuweist, als der richtigere.

Es bleibt kurz die Frage zu erledigen, was an den beiden Tagen, die jetzt zwischen dem 16. und 19. Boedr. frei sind, ge- schah. An dem einen von ihnen fand nun ofi^enbar überhaupt keine Feier statt, vielleicht meint ihn Aristoteles ΆΘ. ΤΤολ. 56, 4: πομπών b' έπιμ€λ€ΐται δρχιυν) της τ€ τψ Άσκληπιψ γιγνο- μίνης δταν οίκουρώσι μύσται. Denn dass die hier erwähnte πομπή an den Epidauria stattgefunden hat, wie meist angenommen wird, ist durchaus nicht bewiesen und scheint mir sogar unwahr- scheinlich ^. Jedenfalls ist die Voraussetzung berechtigt, daes

aber, was sich vielleicht der Gott sparen konnte, war für die gewöhn- lichen Sterblichen nach ihm jedenfalls nothwendig.

^ Es ist fraglich, ob 6ψ^ wie M. meint, in Beziehung auf die kleinen Myst. gesagt ist; es kann sich auch einfach darauf beziehen, dass Askl. erst am 15. kam, während die Mysterieutheilnehmer sich sonst wohl schon am 13. versammelten, weshalb dieser Tag auch άγυρμός gehcissen haben mag; s. Hesych. unter dem Wort.

2 Der Ausdruck τής πομπής τφ Άσκληπιψ γιγνομ^ς zeigt, dass diese π. zu Ehren des Δ. nach seinem Tempel stattfand; aber an den Epidauria erwarten wir gerade umgekehrt Asklepios als Gast im Eleu- sinion zu sehen, wie übrigens auch Foucart gefühlt zu haben scheint (Grands myst. p. 119). Was die Worte δταν olxoupukn μύσται be-

Ιερά &€θρο 505

ζ wieeben dem Zug nach dem Meere am 16. nnd dem anstrengen- den Jakoboszuge am 19. Boedr. ein Ruhetag eingeschoben war. Man darf wohl damit in Verbindung bringen, dase wir vom 18. Boedr. Decrete besitzen^, und daif also diesen 18. dafür in Anspruch nehmen. Es bleibt nun noch ein Tag übrig; allein wenn ich mich nicht sehr täusche, brauchen wir auch noch einen, nämlich für eine Opferfeier im städtischen £Ieusinion. Freilich wurde auch an den Epidauria dort geopfert, aber diese Feier ging nur die an, die hier erst die Weihe empfingen, nnd es ist doch mehr als wahrscheinlich, dass den Göttinnen, deren icpd eigens nach Athen gebracht wurden, hier auch von der Gemeinde selbst wie von allen Mysten zusammen und zwar nach dem 16., dem Tag der Reinigung, ein Opfer dargebracht wurde. Auch die Ueberlieferung bietet hierfür Anhaltspunkte, vor allem Lysias gegen Andokides 4: φέρε γάρ, δν νυνι 'Ανδοκίδης άθψος απαλ- λαγή και λάχη βασιλεύς, άλλο τι ή υπέρ ημών κα\

θυσίας θύσ€ΐ κα\ €ύχάς eöEexai κατά τα πάτρια, τα μέν έν τψ ένθάδε Έλευσινίω, τα bi έν τω Έλευσϊνι Upiu;

Völlige Gewissheit hierüber ist freilich erst von dem Fund neuer Urkunden zu hoffen; für sicher halte ich nur, um dies zum Schlüsse noch einmal festzustellen, die Reihenfolge: 13. Boedr. άγυρμός mit πρόρρησις, 14. Ιερά όεΟρο, 15. Έπώαύρια, 16. &\abe μύσται.

Plön i. Η. Ludwig Ziehen.

trifft, 80 ist mit Recht aufgefallen, dass der Artikel fehlt, den man deshalb auch wohl eingeschoben hat. Sollte nicht vielleicht in den Worten sich der Name des betreffenden Tages verbergen, bei dem ebenso wie bei äXabe μύσται der Artikel weggelassen war, und den Aristoteles möglichst getreu wiedergiebt? 1 CIA U 314. 330.

UNTERSUCHUNGEN ZUR ROE MISCHEN

KA ISERGESCHICHTE

I. Die Ermordung Garacallas.

Die Verschwörung, welche Caracallae grausamer Willkür ein Ziel setzte, hatte sich in dem Kreise jener Officiere gebildet, durch deren Treue der Kaiser sein Leben gesichert glaubte. Das Haupt der Verschworenen war der Gardepräfect M. Opellius Ma- crinus. Er wupste, dass der Kaiser seinen Tod beschlossen hatte und nur in seiner feigen und tückischen Art zögerte, den Mord- befehl zu erlassen. Der Tod des Kaisers allein konnte ihn noch retten. So gewann er die Brüder und Tribunen des Prätoriume, Aurelius Nemesianus und Aurelius Apollinaris, sowie den evocatus lulius Martialis die gefahrvolle That zu wagen ^. Die Vita zeigt, dass auch andere einflussreiche Männer um die Verschwörung wussten, und ergänzt dadurch Dio in wesentlichen Punkten. Sie sagt: Conscii caedis fuerunt Nemesianus et frater eius ApoUinarie Reciannsque^, qui praefectus legionis secundae Parthicae mili- tabat et qui equitibus extraordinariis praeerat, non ignoran- tibus Marcio Agrippa, qui classi praeerat^ et praeterea plerieqoe

^ Dio 78, 5. Herodian. 4, 13. Vita Carac. 6. Herodian erwähnt nur den Martialis, weil er allein den Mord vollzog. Nach Dio ist Martialis persönlich beleidigt durch die Verweigerung des Centurionates. Herodian nennt andere Gründe: τούτου τόν döcXqpov πρό ολίγων ή쀕 ρών άνηρήκ€ΐ διαβληθίντα μέν ούκ έλεγχθ^ντα bi, αύτφ τ€ Μαρτιαλ(ψ ένύβρισεν, Ανανδρον αυτόν καΐ άγβννή καλΦν καΐ Μακρίνου φ{λον. Beide Begründungen können neben einander bestehen. Herodian hebt nach seiner Weise das psychologisch Interessantere hervor. Es genügt nicht auf die gleiche Beleidigung des Cassius Chaerea hinzuweisen, um Herodians Angaben zu verwerfen. Auch die Tyrannen gleichen sich in ihrem Wahnwitz.

^ Ist w-ohl nur ein Schreibfehler und der richtige Name Tric- cianus wäre einzusetzen.

^ Hirschfeld, Untersuchungen S. 126; Mommsen Staater. Π 851. Auch er war durch Zurücksetzungen gereizt.

Untenachangen zur römischen Kaisergeschichte 507

officialium^ impnleu Martialis. Dio bestätigt indirect die Angaben der Vita, da er Aeliue Triccianus und Marcius Agrippa als Männer bezeichnet, welchen Macrinus nach seiner Thronbesteigung sein volles Vertrauen geschenkt habe^ In der Vita ist der Name des Mannes ausgefallen, der die equites extraordinarii befehligten Die equites extraordinarii werden nur an dieser Stelle genannt. Aber der Name ist nach dem Gebrauche der römischen Militär- sprache so richtig gebildet, dass er auch richtig tiberliefert sein muss. Wer diese equites extraordinarii waren, ist unschwer zu erkennen. Dio berichtet, dass Caracalla im Augenblicke seiner Ermordung von einer engeren Leibwache umgeben war, die er aus Scythen und Germanen gebildet hatte: 78, 5, 5 f. ό bk br\ Σκύ- θης ούτος ούχ ως κα\ συμμάχων αύτψ μόνον, άλλ' ώς και φρου- ράν αύτου τρόπον τινά έχων συνήν και γαρ Σκύθας και KeX- τούς, ου μόνον ελευθέρους άλλα και δούλους, κα\ ανδρών και γυναικών άφελόμενος, ώττλίκει και περί αυτόν εΤχεν, ώς και μάλλον αύτοϊς ή^ στρατιώταις θαρσών τά τε γάρ άλλα και έκατονταρχίαις σφάς έτίμα, λέοντας τε έκάλει.

Diese Truppe unterncheidet sich von der, ebenfalls germa- nischen, Garde der equites singulares in wesentlichen Punkten. Die equites singulares ergänzen sich im dritten Jahrhundert aus den Auxilia, wie die Prätorianer aus den Legionen, während die Σκύθαι Gothen oder Carpen^ sind. Auch gelangen die Decu-

* Officiales ist technisch correct ; aber der evocatus Martialis ge- hört nicht zu den officialee. Vgl. lib. do castr. mun. c. 6. 7 und meinen Commentar S. 53 und 65.

δ Dio 78, 13.

* Das lehrt der Satzban und ist von Gemoll richtig erkannt worden.

' Der Artikel τοΙς, den Boissevain nach Reiskcs Vorschlag vor στρατιώταις einschiebt, ist sinnwidrig. Sie sind nicht eigentlich Sol- daten, ebenso wenig wie die, auch analog recrutirten, corporis custodes der ersten Kaiserzeit. Vgl. Marquardt St. V. II 487.

8 Vgl. Westd Korr.-Bl. 1900, 146: honorato a divo Magno An- tonino Augusto (scstertium) quinquaginta milia u(ummum) et viginti quinque [et] gradum promotionis [ob] alacritateni virtu[tis adv]ersu8 hostes Ca[rpos] et res prospere et va[lide gesjtas Claudius) Nicom[ede8] buleuta civitatis [Tyra]norum. Diese Inschrift wirft Licht auf die Worte der Vita Carac. 5, 4 Deinde ad Orientem profectionera parans, omisso itinere in Dacia resedit. Der Schauplatz der Kämpfe ist die Gegend um Tyra, also das Scythenland. Deshalb kann der Witz, der dem Helvius Pertinax das Leben kostete, Vita Carac. 10, 6 Getae 6, 6 echt sein.

508 γ. Domaszewski

rionen der equites singalares nach der Dienstordnung regel- mässig zum Centurionat, was dagegen für die corporis custodes mit Recht als ungewöhnlich hervorgehoben wird. Endlich sind die equites singulares römisch organisirt und civilisirt; der Bei- name Löwen jedoch bezeichnet die barbarische Wildheit der ^blonden Bestien . Zur Zeit des Mordes hielten diese Reiter in unmittelbarer Nähe des Kaisers, der in seiner steten Todesangst nur ihrer blinden Treue vertraute. Und doch hatte Martialis mitten unter ihnen, beritten ^ seinen Platz gehabt und konnte sich dem Kaiser nähern ohne ihren Verdacht zu erregen. Nur seine dienstliche Stellung kann dies erklären. Er ist der praepositns der equites extraordinarii gewesen ^^. Gerade deshalb hat Macrinus den Martialis zum Werkzeug gewählt. Denn er ist der einzige, der den Mord auch nur versuchen konnte.

Der Scythe, der den Mord rächte wird sofort von den beiden mitverschworenen Tribunen getödtet, die befürchten konnten, der sterbende Martialiß hätte sie verrathen. Denn bei Dio 78, 5, 5 ist zu lesen έκ€Ϊνον [αύτοι] ol χιλίαρχοι ώς και βοηθουντες κατέ(ΤφαΗαν. Auch die Anwesenheit dieser beiden Tribunen des Prätoriums kann nicht auf Zufall beruhen. Der Kaiser war nach Herodiane Zeugniss nur mit einem kleinen Gefolge nach Carrhae

Denn aus Vita Carac. 4, 8; Herod. 4, ß, 3 folgt keineswegs, dass er am Anfange der Regierung Caracallas ermordet wurde.

^ Das sagt Herodian ausdrücklich; aber auch aus Dios Erzählung geht es hervor. Die Vita holt die Umstände des Mordes nach c. 7, 1, wo Rieh die Haud des späten Scribenten in dem Anachronismus pro- tectores verrath. Vgl. Moramsen Ephem. ep. 5, 126. Die zweite Schil- derung c. 7, 2 ist eine schlechte Variante. Denn der Strator der dem Kaiser das Pferd hält (Herod. 4, 13, 4) ist nicht der Mörder. Am albernsten ist der Schlusssatz conclamatumque ab omnibus est id Mar• tialem fecisse. Martialis That wurde nur von einem der zunächst stehenden corporis custodes bemerkt, weil ihn der blutige Dolch ver- rieth. Den pugio, nicht den gladius hat Martialis benutzt, weil das Aufblitzen des Schwertes bemerkt worden wäre. Die falsche Aue- malung der Vita ist eine unzeitige Reminiscenz an das, was Dio vom Rufe des Volkes in Rom berichtet 78, 8, 2.

In der Vita ist der Name gestrichen, weil er gleich spater wieder vorkommt. Wie sinnlos der Scribent seine Vorlage oft ver- stümmelt, zeigt sehr deutlich Vita Severi 6, 11 wo die Auflösung der Garde die Hauptsache getilgt ist. Sie ist erst c. 17, in einer Einschaltung aus Eutrop, erwähnt.

Untersuchungen zur römischen Kaisergeschichte 509

aufgebrochen^^. Yon dem Erscheinen des Kaisern untrennbar sind die speculatores des Prätoriums und die hastilarii der eqnitee singulares^^. Die equites singulares werden von zwei Tribunen befehligt ^^. Obwohl diese Tribuni bis zur Gardepräfectur empor- steigen^*, hat sich doch nie ein solcher tribunus der equites sin- gulares auf einer Inschrift gefunden, die die Laufbahn eines Offi- ciers von Ritterrang verzeichnet. Ich kann mir dies nur erklären, wenn diese Tribuni abkommanüirte Tribuni des Prätoriums waren. Stauden die beiden Brüder Nemesianus und ApoUinaris an der Spitze der equites singulares, so ist ihre Anwesenheit beim Morde selbstverständlich und es ist wieder klar, warum gerade sie mit dem Commandanten der engeren Leibwache von Macrinue ausersehen waren. Sie sind die sichersten Werkzeuge, die er finden konnte.

Ich hatte früher die Ansicht Mommsens^^ getheilt, dass die Γερμανοί, welche nach Herodian bei der Ermordung der Kaiser

^* σύν Ιππ€θσιν oöv ολίγοις, ϊνα δή μή πάντα τόν στρατόν σκύλη, τήν oöoiiropiav έποιβίτο.

^^ Vgl. Westd. Zeitschr. 1895, 91 ff.; ebendeshalb heissen diese Reiter später tectores.

^8 Marquardt, Staatsv. II 491 und Annali dell' Instit. 1885, 230 ff.

** So Tattius Maximus Prosopogr. 3, 297 n. 28 und zwar inner- halb weniger Jahre.

ΐδ St. R. II 809.

8, 6, 6 άφίκτο bi αύτφ καΐ Γ€ρμανΦν ούκ όλίγη συμμαχία, π€μφθ€ΐσα ύπ' αυτών κατ' eövoiav ήν €Τχον προς αυτόν Ανωθεν, έΕ ούπερ ήν αυτών επιμελώς ΑρΗας. 8, 7, 8 έπανήλθον δέ καΐ οΐ άπό Γερμανίας έληλυθότες σύμμαχοι* έθάρρει γάρ αυτών τή εύνοίςι άτε καΐ τοΟ έθνους επιεικώς πρότερον ΑρΕας, οτε Ιδιώτευεν. 8, 8, 2 έλύπουν δέ αυτούς (die Prätorianer) καΐ ο1 Γερμανοί παρόντες τψ ΜαΕίμψ €ν τε τή 'Ρώμη διατρίβοντες ' αντιπάλους γάρ ίΕειν ήλπιίον, ει τι τολμφεν, καΐ έφεδρεύειν αύτοίς ύπώπτευον, εϊ τινι δόλψ άποίωσθείεν, εκείνοι δέ ατε παρόντες ί)()ΐδίως ύποκατασταΐεν τό τε Σεβήρου υπόδειγμα, δς τους ΤΤερτίνακα άποκτείναντας άπέίωσεν, είσήει αυτούς. 8, 8, 5 έβούλετο μεταπέμψασθαι τυύς Γερμανούς συμμάχους, όντας ίν 'Ρώμη, αυτάρκεις έσομένους άντιστήναι τοΙς έπιβουλεύουσιν. 8, 8, 7 έπεί δέ πυθόμενοι. οΐ Γερμανοί, λαβόντες τά οπλα, ήπείγοντο ώς άμϋνοΟντες αύτοΐς. 8, 8, 7 οΐ Γερμανοί μαθόντες άνηρημίνους τε καΐ έρριμμένους, ών χάριν ήπεί- γοντο, ούχ έλόμενοι πόλεμον μάταιον υπέρ ανδρών τεθνηκότων, έπαν- ήλθον ές τό εαυτών καταγώγιον.

510 ν. Domaszewski

Balbinus und Puppienus Maximus eine Rolle spielen, die equitee singnlares des Kaisers seien, und deragemäss angenommen, Pnp- pienus Maximus hätte als Privatmann auch das Amt eines Tri- bnnns der equites singulares bekleidet. Aber diese Ansicht ist unhaltbar. Nicht nur dass Herodian an allen Stellen die Vor- stellung festhält, die Γερμανοί seien vexillationes des Rhein« heeres^'^, treffend die Befürchtungen der Garde schildert, dass sie das Schicksal der Garde des Commodns ereilen könnte, und damit die letzte Ursache der £rmordung des Kaisers bezeichnet, den rivalisirenden Corpsgeist der Truppen, am Schlüsse verwendet er ein Wort, das die equites singulares ausschliesst. Die castra der equites singulares können nimmermehr als καταγιυγιον be- zeichnet werden. Dieses Wort kann nur die Nothunterkunft von Vexillationen bedeuten, für welche die Lager der Hanptstadt keinen Kaum boten. Genau in derselben Weise lagen die frem- den Truppen bei Galbas Ermordung in öffentlichen Gebäuden: Tacit. bist. 1, 31 Missus et Celsus Marius ad electos lUyrici ex- ercitus, Vipsania in porticu tendentes. Praeceptum Amullio Se- vere et Domitio Sabine primipilaribus, ut Germanicoa milites e Libertatis atrio accerserent. Und von Septirains Severns £inzug sagt die Vita 7 Tota deinde urbe milites in templis, in porticibus, in aedibus palatinis, quasi in stabulis manserunt. Fuitque in- gressus Severi odiosus atque terribilis, cum milites inempta di- riperent, vastationem urbi minitantes ^^. Das καταγώγιον der germanischen Vexillationes des Puppienus Maximus lag weit ab ' vom Kaiserpalaste, und so kam es, dass sie zu spät eintrafen, das Leben ihres Kaisers zu retten.

II. Die Pompa an den Decennalien des Gallienns.

Zu den werth vollsten Theilen der Historia Angosta gehört die Vita Gallien i. Dennoch besteht auch hier bei unserer ge-

^^ Die Alpenpässe waren gedeckt gegen Maximinus durch die Armee, die sich in der Lombardei gebildet hatte. Weetd. Korr. -El. 1892, 231.

le Die IJeberlegenheit des Annalisten, der diesem Theile der Vita Severi zu Grunde liegt, über Dio tritt hier glänzend hervor. Während Dio nur von weissgekleidetem Publikum und Bluroenwerfen spricht, schlägt der grosse Schriftsteller mit voller Macht den furchtbaren Ton an, den das Erscheinen der barbarischen Garde für das lieben der Hauptstadt bedeutete. Es ist der scbicksalssohwerste Moment in der Geschichte Roms.

Untersuchungen zur römischen Kaisergeschichte 511

ringen Eenntniss jener Zeit völlige Unsicherheit, wie weit der echte Grandstock durch ganz unhistorieche Interpolationen ge- litten hat. Das merkwürdige Stück über die Decennalienfeier des Kaisers enthält des Befremdenden genag. Und doch lasst sich für eine Beihe von Zügen dieser Pompa zeigen, dass eine ganz echte üeberlieferung vorliegt. Die Schilderung des Fest- zuges beginnt mit den Worten 8, 1 iam primum inter togatos patres et equestrem ordinem albato milite et omni populo Ca- pitolinm petit. Mommsen verstand die militee albati ^ von einem weissen Festkleid der späteren Zeit und verglich Herodian 8, 7, wo der Einzug des Maximus in das befreite Aquileia geschildert wird : ol λευχειμονουντες και όαφνηφόροι θεών πατρίων έκαστοι προσεκόμιίον αγάλματα εύφήμουν τε και έφυλλοβόλουν τον ΜάΕιμον. Der weisse Anzug des Publikums bei Festlich- keiten ist vielmehr eine alte Vorschrift. So sagt Dio vom P^inzug des Tiridates unter Nero 63, 4 τό μέν γαρ μίσον αυτής ό δή- μος λευχειμονών και όαφνηφορών κατά τέλη είχε, τα b' δλλα οΐ στρατιώται, λαμπρότατα ώπλισμένοι, ώστε καΐ τα δπλα αυ- τών και τα σημεία άατράτττειν. Ebenso von Severus Einzug in Rom 74, 1 καΐ ol άνθρωποι λευχειμονουντες και γανύμενοι πολλά επευφημούν οι τε στρατιώται έν τοις δπλοις, ώσπερ έν πα- νηγύρει τινι πομπής, έκπρεπώς άνεστρέφοντο. Auch für die Festspiele im Theater und im Circus ist die weisse Tracht vor- geschrieben ^ Aus Dios ZeugnisB ersieht man, dass die Soldaten in der Pompa bewaffnet aufziehen. Wenn sie unter Gallienue weisse Mäntel tragen, so hat dies einen ganz anderen Sinn als bei der Plebs. Was wir darunter zu verstehen haben, lehrte vor Kurzem eine Inschrift aus Helinpolis C. III 14387 ff. : . . . Antonio M. f. Fab. Nasoni [(centurioni) le]g. III Cyrenaicae [(cen- turioni) le]g. XIII ueminae honorato albata deoursione ab im-

1 St. R. III 221.

3 Martialis 14, 137 Amphitheatrali nos commendamus ab usu, cum tegit algentes alba lacema togas. 4,2 Speotabat modo sola s inter omnes oigris munus Horatius lacernis, cum plebs et minor ordo maxi- musque sancto cum duce caDdidus sederet. Toto nix cecidit repente caelo: albis spectat Horatius lacernis. 5, 23. 14, 131. Domitians Theateredict hatte die weisse Farbe wieder eingeschärft. Dagegen Commodus erspart dein lieben Pöbel die lästige Tracht Vita IG, β et contra consuetudinem, paenulatos iassit spectatorcs, non togatos, ad muiius con venire, quod funebribus solebat, ipse in pullis vestimentis praesideoB. TertuUians heiliger Zorn gegen die römische Kleiderord- nung richtet sich eigentlich gegen den römischen Staat.

512 ν. Domaszewski

peratore [prirao] pilo leg. Xlil Gem. Dieaem Cen-

turio ist die Ehre den weiseen Mantel zu tragen bereite verliehen worden, ehe er noch zum Primipilat gelangte. Wenn man eich hier einer Stelle des Tacitus erinnern will über den Einzug de« Vitelliue in Rom, so wird das Wesen dieser Auszeichnung voll- kommen klar: bist. 2, 89 ante aquilas praefecti castrorum tri- bunique et primi centurionum, Candida veste; ceteri iuxta suam quisque centuriam armis donisque fulgentes; et militum pha- lerae torquesque splendebant. Das weisse Festkleid ist demnach ein Vorrecht der Officiere von Ritterrang und wird den Cento- rionen nur als ein Zeichen der äusseren Annäherung an die Ober- officiere verliehen. An der Spitze der Legionen marschiren auch in der Marschordnung Centurionen, bei Arrian. ίκτ. ρ. 81 Η. ίπειτα τό σημ€Ϊον της π€ντ€καιΟ€κάτης q)άλαγγoς και άμφ' αύτψ 6 ήγ€μών της φάλαγγος Ούάλης. και ό ύπαρχος και οΐ χιλίαρχοι οίς τίτακται^ και οΐ έκατόνταρχοι οΐ τής πρώτης (Τπ6ίρας έπκττάται. Während in Arrians Marschordnung nur die primi ordines diesen Ehrenplatz haben, wählt Tacitus für die decursio, den Parademarsch, mit Absicht den Ausdruck primi centnrionum, weil er auch jene Centurionen umfaest, welche, von niedrigerem Range, durch die albata decursio ausgezeichnet sind. Gallienus dagegen hat allen Soldaten das Recht ertheilt in seiner Pompa mit dem weissen Mantel der Oberofficiere aufzuziehen. Um das zu verstehen, muss man erkennen, dass in jener Zeit die Söhne der Centurionen bereits als equites Romani geboren werden.

C. III 4327 M. Val. Valeriani (centurionis) leg. IUI Fla- viae vixit an. XLII et M. Val. ülpio eq(uo) publ(ico) fil. vixit an. VIII

G. III 8156 lul. Victorino eq(uite) R(omano) vixit ann. V diem uno lul. Flavianus (centurio) leg. IUI Fl(aviae)

Die ständische Gliederung des Heeres ist hier gänzlich zer- stört^. Das eigentliche Wesen von Gallienus Pompa erhellt er^t

^ Nicht alle Tribunen der Legion fuhren ein Commando. Der tribunus sexmestris ist dem Stabe des Statthalters zugetheilt. Westd. Zeitechr. 1895, 81. Vgl. auch C. XIII 3162.

* Lehrreich sind auch C. III 12388. VI 273. 2477. 3552. VIII 18Γ)95. XI 2655. XIV 2429. Eph. ep. V 1300. Cagnat an. opigr. 1894 n. 26. Den Grund auch zu diesem Verderben des Heeres hat Septi- roius SeveruB gelegt. Die genaue Behandlung dieser Frage kann hier nicht gegeben werden.

Untersuchungen zur romischen Kaisergeschiohte 513

aus den Worten 8, 3 mille dacenti giadiatoree pompabiliter ornati cum auratU vestibue matronarnm. carpenta cum mimis et omni genere histrionum. £8 ist also thateächlicb ein Carnevalszug. Woher er stammt erläutert die Inschrift C. VI 3744:

Descriptio fer[iarum]

quae in cohorte [. . . vig(ilum)]

Cl. Mamertino et [Nevitta]

C08S a. 362

Matronae cum carpentis 8ifon[ibue] falci[bu8] un[cini8] b[alli8tis]

Die beiden seltsamsten Züge der Pompa, die matronae und die carpenta kehren auch hier wieder. Die Pompa ist ein reines Soldatenfest, wie man sie zu Ehren des Kaiserhauses im Lager zu feiern pflegte ^ Der gemeine Soldat giebt den Ton an bei Gal- lienus Decennalia^. Dennoch marschirt an der Spitze des Fest- zuges, in grotesker Verzerrung von Roms grosser Vergangenheit, der Kaiser als Triumphator, wobei, wie billig, die besiegten Völker blosse Comparsen sind. 8, 5 ipse medius cum picta toga et tu* nica palmata inter patres, nt diximus, omnibus sacerdotibus praetextatis "^ Capitolium petit. hastae auratae altrinsecus quin- genae, vexilla centena praeter ea, quae collegiorum erant, dra- cones et signa templorum omniumque legionum. ibant praeterea gentes simulatae ut Gothi, Sarmatae, Franci, Persae. Die hastae auratae weiss ich nach ihrer technischen Bedeutung nicht zu er- klären. Aber vielleicht bezieht sich auf sie Herodian 5, 4, 9 ώς bk έπι πολύ τόν Μακρϊνον ουκ ίβλεπον ο\ υπέρ αύτου μα- χόμενοι ούόέ τα βασιλείας σύμβολα ~ 5, 6, 8 εϊτι πολυτελές ανάθημα δσα τε της βασιλείας σύμβολα. Die Vexilla der Collegia sind inschriftlich beglaubigt ®. Dass sie mitten unter den Fahnen der Armee einherziehen, ist eine Concession an die plebs urbana und ein Carnevalsscherz mehr. Die Dracones werden hier zum erstenmale in unserer üeberlieferuiig genannt, während sie dem spätrömischen Heere des 4. Jahrhunderts geläufig sind. Es sind die

^ Vgl. über diese Art κωμασία der Lager Neue Heid. Jahrb. 9, 162. β Neue Heidelb. Jahrb. 10, 231.

' Auch das ist ein echter Zug. Mommsen St. R. 1, f. 8 C. III 7437. 7900. 8018. 8837. Vita Aurel. 34.

Kbeln. Mna. f. Philol. N. F. LVII. 33

514 ν. Domaszewski

Fahnen reicbefremder, barbanscher Htilfsvölker zu versteben, die in dieser Zeit einen festen Bestandtbeil des römischen Heeres zu bilden beginnen ^.

Am Schiasse ist signa templornm omniumqne legionnm nicht eigentlich verderbt, sondern ein Missverständnies des Autors. In der Vorlage stand, ähnlich wie bei Herodian 4, 8, τα αγάλ- ματα και τα σημεία πάντιυν τών στρατοπέδων. Der üeber- setzer verstand αγάλματα von Tempelstatuen, während es die Bilder von Heeresgöttern sind. Denn eine griechische Quelle liegt sicher zu Grunde. In der Mitte des dritten Jahrhunderts gab es keine lateinische Historiographie mehr, der eine solche Schil- derung entstammen könnte. Noch unter Diocletian sind die Götterbilder des Heeres nachzuweisen ^®. Der Autor wnsst« nichts mehr davon; er hat demnach in christlicher Zeit geschrieben ^^

Die Signa der Legionen jener Zeit sind durch die Nativi- tätsgestirne characterisirt ^^. Ihr Auftreten in der Pompa der Decennalien wirft Licht auf die Legionsmünzen des Gallienus^'. Die Legionen der Münzen sind folgende. Britannien : U Augusta,

^ Unter Maximinus Thrax, Herodian 7, 8, 10; 8, 1, 3. Aurelian, Dexippus fr. 24 Müller p. 682 u. 685, wo die Art ihres Eintrittes ins römische Heer klar wird. Vita Probi 14, 17 = Zosimus 1, 68 (die Contingente haben die Stärke der numeri). Vita Probi 18, 1. 2 = Zo- simus 1, 71.

w Westd. Zeitechr. 1895, 114 Anm. 471.

** Der 80g. Trebellius Pollio hat also nicht unter Diocletian ge- schrieben. Ein ähnlicher Anachronismus findet sich in der Vita Getae 6 Ventum denique est usque ad seditionem urbanicianomm mi- litum, quos non Icvi auctoritate Bassianus conipressit, tribuno eomm, ut alii dicunt interfecto, ut alii relegato. Der Schreiber denkt sich die Cohortes urbauae nur von einem tribunus befehligt. Das ist für uns erst in der Zeit zwischen ol7 und 337 nachweisbar C. VI 1186 und ist historisch nach unserer Eenntniss aufzufassen als eine Folge der capitis deminutio, die Rom durch Constantin erlitten hat. Und doch soll auch der sog. Spartianus unter Diocletian geschrieben haben. Ueber- dies ist es ein Missverständniss; denn der Tribunus, der Cilo zum Tode schleift, ist nach Dio 77, 4 ganz deutlich ein Tribunus der Prätoriaoer. Der Irrthum, dass die urbaniciani den Cilo bedrohen, findet sich auch Vita Carac. 4. In der Vita Carac. 2 wird die legio II Parthica als pars militum apud Albam bezeichnet, wie die griechischen Schrift- steller den Legionsnamen umschreiben. Vgl. Dio 78, 34; 79, 2. 4 Herodian 7, 5. Das spricht entschieden gegen eine lateinische Vorlage.

12 Arch. epigr. Mitlh. XV 191 f.

1^ Vgl. meine Schrift, die Fahnen S. 55; Cohen, Gallien.

Untersnchungen zur römischen Kaiscrgeschichte 515

XX Valeria Victrix; G-ermania: I Minerria, VIII Aagneta, ΧΧΠ Primigenia, XXX ülpia Victrix; Raetia: III Italica ; Noricum 11 Italica; Pannonia: I Adintrix, Π Adintrix, X Gemina, XIV Ge- rn ina. Dacia: V Macedonica, XIII Gemina. Moeeia: I Italica, IUI Flavia, VII Claudia, XI Claudia.

. Von den britannischen Legionen stand die XX Valeria da- mals am Bheine ^^ und wahrscheinlich die II Angusta, da eine Inschrift unter Gallienus Vexillationen mehrerer britannische Le- gionen in Illyricum nennt ^^ Es fehlt dagegen auf den Münzen die 3. britannische VI Victrix, die spanische VII Gemina, alle des Orientes und die III Augusta Africas.

Daher müsste man sich die politische Lage zur Zeit der Decennalien so denken, dass Gallienus in den Standquartieren der Legionen, deren Münzen er prägte, anerkannt war, dagegen den Orient, Africa, Spanien, Britannien verloren hatte. Wenigstens für den Westen lässt eben diese politische Lage zur Zeit der Decennalien die Vita Gallieni erkennen. 7, 1 Contra Postumum igitur Gallienus cum Aureolo et Claudio duce qui postea Im- perium optinuit ^principe generis Constanti Caesaris nostri^ bellum iniit et cum multis auxiliis Postumus iuvaretur Celticis et Fran* cicis, in bellum cum Victorino processit, cum quo Imperium parti- cipaverat. victrix Gallieni pars fuit pluribus proeliis eventunm variatione decursis. Mommsen hat alle diese Kämpfe gegen Postumus als blosse Erfindung gestrichen^®, weil keine andere Quelle davon wisse. Das ist nicht richtig. Zonaras 12, 24 be- richtet den 1. Krieg gegen Postumus des Jahres 261, der an der schweren Verwundung des Gallienus scheitert , genau wie die Vita 4, 4 5^''. Doch hat Mommsen selbst später den Grund- stock der Vita Gallieni mit vollem Rechte auf Dexippus zurück- geführt, also die beste, gleichzeitige Quelle ^^ Auch die eigen-

1* Westd. Korr.-Bl. 1898 p. 153.

15 C. III 2228. Die VI Victrix konnte nicht abberufen werden, da sie den britannischen Wall vertheidigte.

w Rom. Gesch. V 150.

1' Auch die Angabe der Vita, dass Postumus 7 Jahre regierte, wird richtig sein, sie zählte vom Jahre 2β1, dem Siege über Gallienus, während Postumus auf seinen Münzen die tribunicia potestas vom Tage seiner Usurpation rechnet. Wenn Claudius als einer der Führer des zweiten Krieges im Jahre 268 genannt wird, so ist das sicher richtig. Denn nur einer der vornehmsten Generale konnte später Gal- lienus auf den Thron folgen.

18 Hermes 2.0, 255.

516 ν. Domaszewski Untersuchungen zur römischen Kaisergeschichte

thümliche Zählung der Ehrennamen sextnm pia sextum fidelie auf den Legionsmünzen erklärt sich einfach, wenn sie im Jahre der Decennalien geprägt sind. Spätestens im Jahre 260 führt die Legio V Macedonicn auf einer daciechen Inschrift ^^ den Beinamen tertium pia fidelis. Noch unter Claudius heisst die legio II adiutrix, sextnm pia sextum fidelis^''. Die 6. Verleihung des Ehrennamens hat also Epoche gemacht, ist im Gedächtnies ge- hliehen, während die 7., die weit weniger Münzen nennen, ver- gessen wurde. Das Yerhältniss der älteren Inschrift mit tertium pia fidelis zu der jüngeren Inschrift mit sextnm pia fidelis zeigt, dass Gallienus nach der Zahl dieser Verleihungen seine Regie- rungejahre zählte, seit dem Zeitpunkt wo sein Yater Valerianus zum Partherkriege ausgezogen war und er allein im Westen herrschte. Als hald nach den Decennalien Gallien wieder ver- loren ging, in Illyricum neue Gegenkaiser auftraten, gah Gallienus diese Adulatio auf. Der Legionen, die ihm noch anhingen, waren zu wenige geworden. Man sieht aus dieser Art von Münzlegenden, dass Gallienus das einzige Fundament seiner Herrschaft in den gemeinen Soldaten sah.

Heidelberg. y. Domaszewski.

C. ΠΙ 875.

» C. III 3725 a. 270.

DIE AELTESTE REDACTION DER PONTIFICALANNALEN

Die Frage, nm welche Zeit und von wem die ältesten An- nalen in Rom zusammengeetellt wurden, ist für die Kritik der älteren römischen Geschichte eine Cardinalfrage, die im Grunde noch einer hestimmten Lösung harrt. Wie bei sehr vielen Pro- blemen der römischen Geschichte, so lässt sich auch hier, wie wir weiter unten sehen werden, wahrnehmen, dass die klarste Formulirung der Frage schon längst von Theodor Mommsen auf- gestellt worden ist. Hinsichtlich der ältesten Anfänge der offi- ciellen Historiographie Roms hat Mommsen, im Gegensatz zu den grundlosen Leugnungen und ausweichenden ümdeutungen der Neueren, an den kostbaren Zeugnissen Cioeros (De oratore 2, 52) und des vielleicht aus Verrius Flaccus schöpfenden Vergilcom- mentators zu Aen, 1, 373 festgehalten, wonach die römische Stadtchronik ihren Ursprung aus der jährlich vom Pontifex in der Regia ausgestellten Tafel genommen hat. Diese geweieste Holztafel {alhum) enthielt oben die Namen der eponymen Magi- strate und in späterer Zeit, wie es aus dem Zeugniss des Poly- bios (bei Dionys. 1, 74) erhellt, die Jahreszahl der Stadtära. Auf ihr merkte der Pontifex an digna memoratu dornt müifiaeque terra marique gesta, und zwar, nach dem Vergilcommentar, per singulos dies. Der Hauptzweck der Publication war, nach Ciceros Worten, potestas ut esset populo cognoscendu also der, dass das Publikum alle wichtigen Vorkommnisse erfahren konnte. Mit Recht hat man nach dieser Seite hin die Pontificaltafel mit den seit Cäsar publicirten u4c^a diurna verglichen ^ Einige Schwierig-

1 H. Peter, Hist. Rom. rell. p. X. Es liegt in der Natur der Sache, dass besonders wichtige Nachrichten, deren möglichst schnelle Verbreitung man wünschte, wie zB. die Nachricht von der trasimeni- schen Niederlage, auch durch öfifentlichen Ausruf bekannt gemacht wurden.

518 £Dmann

keit bietet nur die Angabe, dase die Aufzeichnung der Ereignisse auf der Tafel per singulos dies stattgefunden habe. Sollten diese Worte buchstäblich bedeuten, dass der Pontifex jeden Tag seine Aufzeichnung machte, so hat man mit Recht entgegnet, dass nicht jeden Tag des Gedächtnisses würdige (digna memoratu) Dinge sich in der Stadt ereigneten. Andererseits gab es tief sich dem Gedächtnisse einprägende Ereignisse, die nicht an be- stimmte einzelne Tage gebunden waren. Hierzu gehörten zB. Epidemien und Hungersnöthe, welche neben Finsternissen, nach Catos (bei Gellius 2, 28, 6) freilich wohl sicher übertreibenden Worten, den Hauptinhalt der Pontificaltafel ausmachten. Gerade das Vorkommen von Einzeichnungen letzterer Art beweist, daes der Zweck der Tafel war, nicht sowohl eine Tageschronik, als vielmehr zugleich und hauptsächlich eine Jahreschronik zu liefern. Darauf führt ja auch der Name libri annales, welchen die Zu- sammenstellung der Tafel von jeher geführt haben muee. Der Ausdruck per singulos dies ist also nicht übertrieben streng zu verstehen, sondern bedeutet offenbar nur, dass die Jahrestafel aus allmählichen Einzeichnungen entstand, die der Pontifex an den einzelnen Tagen vornahm, sobald etwas erinnerungswürdiges sich ereignet hatte. Hunger und Pestilenz konnten zur Auf* Zeichnung gelangen etwa bei Gelegenheit einer zur Abwehr unter- nommenen öffentlichen, sacralen oder administrativen Handlung ^ Eine sehr ansprechende Erklärung der Worte per singulos dies hat 0. Seeck (Die Kalendertafel der Pontifices S. 62) zu geben versucht. Die historische Jahrestafel sei ursprünglich ein Kalender gewesen, auf dem der Pontifex Tag für Tag anzugeben

* Hiermit erledigt sich wohl das von Cichorius (Pauly-Wissowa Realencycl. I, Sp. 2250) erhobene, durch Catos Worte angeregte kri- tische Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des ciceronischen potestas ut esset populo cognoscendi. Ein zweites Bedenken von Cichorius, dass es keinen Sinn gehabt hätte, stadtbekannte Thatsaohen noch zur all- gemeinen Kenntniss zu bringen, scheint mir ebenfalls nicht stichhaltig zu sein. Selbst unsere Tageszeitungen, um von Wochen-, Monats- oder Jahresübersichten zu schweigen, bringen häufig Nachrichten, die sich bereits von Mund zu Mund verbreitet haben und aller Welt schon bekannt sind. Unsere Presse würde eine ihrer Aufgaben, als voll- ständige Chronik der Ereignisse zu dienen, schlecht erfüllen, wenn sie in jenem Falle sich Schweigen auferlegen wollte. Was zu gegebener Zeit allen bekannt war, kann ausserdem nach einiger Zeit wieder ver- gessen sein, dann dient eben die Aufzeichnung zur Wiederherstellung des Gedächtnisses.

Die älteste Redaction der Pontificalannalen 519

hätte, welches Datum man schrieb. War etwas merkwürdiges in der Stadt vorgefallen, so fügte er dieses zum gegebenen Datum in kürzester Form hinzu, ursprünglich weniger um einer künftigen Geschichtschreibung vorzuarbeiten, als um das Datum durch eine allen geläufige Erinnerung kenntlich zu machen und so innerhalb des Kalenders gewisse Marksteine zu schaffen, von denen man voran und rückwärts zählen konnte. Wir fügen hinzu, dass dieser ursprünglich chronologische Zweck den von Cicero be- zeichneten einer öffentlichen Bekanntmachung neuer Ereignisse nicht ausschliesst, ebenso wenig wie den Zweck einer Beurkun- dung für die Zukunft. Alle drei Dinge konnten sehr wohl Hand in Hand gehen oder sich sehr bald eines aus dem anderen ent- wickeln. Der natürliche Zusammenhang der Jahreschronik mit dem Kalender wird nicht nur durch Analogien aus andern Zeiten und Ländern bestätigt, sondern steht auch in bestem Einklänge mit allem, was sich über die Geschichte des Pontificalcollegiums ermitteln lässt. So ist es im höchsten Grade wahrscheinlich und auch von Mommsen (Rom. Gesch. 1, 173) nachdrücklich behauptet worden, dass die vielseitige und wichtige Thätigkeit jenes Priester- collegiums sich im Lauf der Zeit entfaltet haben muss aus seiner ursprünglichen Obliegenheit alljährlich den Kalender zu redigiren und zu veröffentlichen. Die ursprünglichste Form der Kalender- publication hatte sich erhalten in einem ehrwürdigen Rest, der allmonatlich durch öffentlichen Ausruf auf dem Kapitel vom Rex sacrorum, als dem ehemaligen Haupt des Collegiums, vollzogenen Verkündung der Kalender und Nonen. Eine jüngere, bereite schriftliche Form der Pnblication wäre die Kalendertafel des Pontifex, aus welcher sich dann auf natürlichem Wege die histo- riographische Thätigkeit des Collegiums ausgebildet hätte. Wann jener Uebergang zur schriftlichen Bekanntmachung des Kalenders stattgefunden hat, entzieht sich einer sicheren Bestimmung. Seeck (aO. 72) lässt die Kalendertafel entstehen gleichzeitig mit der regelmässigen Schaltung. Da der Schaltmonat, nach dem Zeugniss des Macrobius (1, 13, 21) bereits in einer Gesetzurkunde der Consuln L. Pinarius und P. Furius (282 d. St. = 472) erwähnt war, rückt Seeck den Anfang der schriftlichen Kalenderpublication bereits in die allerälteste Epoche der Republik. Allein aus dem Gebrauch des Schaltmonats folgt noch nicht die Nothwendigkeit seiner schriftlichen Publication. Im Gegentheil beweist der Aus- druck intercalare und intercalatio unwiderleglich, dass er anfange durch Ausruf verkündet wurde, indem die ^ Ζ wischen ausrufung'

520 Enmann

die calatio der gewöhnlichen Monate unterbrach. Für die Re- form der Kalenderpublication, ihren üebergang zum schriftlichen Verfahren, liegt es nahe, an diejenige Epoche zu denken, in welcher überhaupt in Rom die alte mündliche Rechteübnng echriftlich fixirt wurde, nämlich an die Zwölftafelgeeetzgebung, die ja nach Mommsene Nachweis eine Ealenderreform in sich einschloss.

Die ausgefüllten Jahrestafeln mit ihren kalendarischen und den im Laufe der Zeit vielleicht immer reicher werdenden chro- nikalischen Notizen wanderten, wie angenommen werden muss, in das Archiv der Regia. Sie haben dann später das authen- tische Material für die römische Geschichtschreibung gebildet. Wäre uns bekannt, vom welchem Jahr an diese kostbare Samm- lung sich bis zur Epoche der beginnenden Buchannalistik er- halten hatte, so liesse sich damit auch der Anfangspunkt der beglaubigten Geschichte Roms feststellen. Livius (6, 1) wusste oder nahm als sicher an, dass die Verwüstung Roms durch die Gallier auch die ältesten historischen Documente betroffen habe. Selbst wenn man in der That auch den [Jmfang der damaligen Zerstörung Roms, wie Thouret (Jahrb. für class. Philol. Suppl. XI S. 95) erweist, auf massige Grenzen zurückführt, so werden, nach Seecks treffender Bemerkung (aO. 8. 74), die auf dem Fo- rum campirenden Eroberer ihr Feuerungsmaterial sicher nicht aus den Wäldern geholt haben, so lange dicht nebenbei, in der Regia, ein ganzer Stoss für sie unnützer Holztafeln aufgeschichtet lag. Seit Niebuhr hat man mit Recht auf Ciceros (Rep. 1, 25) Angabe hingewiesen, wonach die älteste Sonnenfinsterniss, welche sich in den Pontificalannalen mit dem richtigen Tagesdatum ver- zeichnet fand, ungefähr auf das Jahr 350 der Stadt fiel. * Hier lag also die erste Spur gleichzeitiger chronikalischer Aufzeich- nung vor, die entweder auf eine noch erhaltene oder unmittelbar nach der Katastrophe aus der frischen Erinnerung der Zeit- genossen reconstruirte Jahrestafel zurückgehen mochte. Auf den Tafeln waren ferner die Namen der Magistrate angemerkt, also in älterer Zeit wohl vorzugsweise die Consulnamen. Wir glauben nun an einem anderen Orte naöhgewiesen zu haben ^, dass in der

^ Vgl. meinen Aufsatz 'Die älteste Redaotion der römischen Con- eularfasten* (Zeitschr. für alte Geschichte Bd. I S. 93). Nachzutragen ist, dass Matzat (R. Chron. 1, 197) und Seeck (Kalendertafel S. 77) Spuren noch andersartiger Interpolation nachgewiesen haben, bestehend

Die älteste Redaction der Pontifioalannalen 521

älteeten, um das Jabr 300 v. Chr. erfolgten Redaction des uns überlieferten Consnlarverzeicbniseee eine nicbt geringe Änzabl von JabresRtellen durch willktirlicbe Interpolationen ausgefüllt waren, die wieder bis um das Jahr 350 der Stadt reichen, also der Epoche, von welcher an die Rnbrik der Sonnenfineternisee in den Annalen ihren Anfang nahm. Offenbar ist der Ornnd beider Erscheinungen ein gleicher. Es fehlte an älteren Jahres- tafeln, und diese Lücke hat nur zam Theil aus andersartigen Auf- zeichnungen ergänzt werden können. Diese und andere Anzeichen, wie zB. die Thatsache, dass erst von dem Jahr 361 (393) an zuverlässige Censuszahlen überliefert sind und sichere Kach- richten über Coloniegründungen beginnen, führen zum gemein- samen Schluss, dass regelmässige zeitgenössische annalistische Aufzeichnungen erst ungefähr von der Zeit des gallischen Brandes an in Rom vorhanden waren. Die Geschichte des fünften vor- christlichen Jahrhunderts dürfte somit zu irgend einer gegebenen späteren Zeit auf Grund mehr oder weniger zuverlässiger oder, besser gesagt, unzuverlässiger Daten reconstruirt worden sein. Der Geschichte dieser Epoche geht aber noch eine ausführliche Erzählung der Urgeschichte der Stadt, die Königsgeschichte, voraus. Auf einem völlig unannalistischen Gerüst aufgebaut und allenthalben das Gepräge ätiologischer Construction verrathend, kann sie in keinem Falle aus der einzigen für die Römer nutz- baren Quelle echter Geschichte, der annalistischen mit den Er- eignissen gleichzeitigen Aufzeichnung entflossen sein.

Die Geschichte Roms bis zur Epoche des pyrrhischen und der punischen Kriege zerfällt also hinsichtlich ihres Ursprungs und ihrer Bezeugung, wie aus dem vorhergehenden hervorgeht, in drei ungleiche Theile. Von der Zeit um die gallische Er-

in der Wiederholung der Eponymennamen der Jahre 326—330 (428 424) und 338-342 (416—412) für je fünf folgende Jahre. Meine übrigens, wie ich nachträglich sehe, schon von A. Schäfer (N. J. f. Ph. 113, 574) gemachte, aber anders erklärte Beobachtung ging dahin, dass in die Liste der patricischen Consuln des V. Jahrhunderts v. Chr. im ganzen 11 Volumnii, Minucii, Sempronii und Genucii eingesohwärzt sind und dieses nicht anders als im Interesse der plebejischen Consuln der Jahre 447—451 (307—303 v. Chr.) L. Volumnius, T. Minucius, P. Sempronius und L. Genucius geschehen sein kann. Hieraus habe ich geschlossen, dass unsere Redaction der Fasten etwa im Jahre 450 451 (304-303), im Aedilenjahr des Cn. Flavius und wahrscheinlich von ihm selbst vorgenommen worden ist.

522 £nmann

oberung an beruhte sie auf gleichzeitig mit den Ereignissen von den Pontifices geübter Einzeicbnung in die Jahrestafeln. Trotz vieler Zusätze, Erweiterungen und Ausschmückungen durch die einander folgenden Grenerationen annalistischer Bearbeiter liegt uns über diese Periode ein zuverlässiger Grundstock echter histo- rischer üeberlieferung vor. Der zweite Theil, die Geschichte der Republik von dem ersten urkundlich bezeugten Consul, dem Einweiher des kapitolinischen Tempels, M. Horatius, an bis um das Jahr 350 d. St. entbehrte, im ganzen genommen, jener seu- verlässigen Grundlage, der Jahrestafeln. Zu einem gewissen Theil kann dieser Mangel ausgeglichen worden sein, theils durch unvollständige Ueberreste chronologischer Aufzeichnung, wobei vielleicht das Decemvirat eine gewisse Epoche gebildet hat, theils durch anderweitiges indirect historisches Material, Familientra- dition und jedenfalls noch manches rechtsgesohichtliche Material, welches in den Akten und Commentarien der Priesterechaften und Magistrate eine Zuflucht gefunden hatte. Weitaas zum grösseren Theil aber wird die Geschichte dieser Epoche aus ätiologisch gebundener erfindender Reconstruction geflossen sein. Dazu kam als dritter Theil die Eönigsgesohiohte, welche völlig dem Gebiet der ätiologischen Dichtung angehört. Trotz dieses ungleichen Ursprungs finden wir, soweit sich die römische Ge- schichtschreibung übersehen lässt, alle drei Theile stets mit einander nicht bloss äusserlich verschmolzen, sondern auch in einen durchaus unlösbaren inneren Zusammenhang gesetzt. Sie bilden zusammengenommen eine wohlgeordnete, vollständige, von der Gründung an beginnende Stadtgeschichte, ein Werk von dem- selben streng folgerichtigen Aufbau, wie der Staat, dessen all- mähliches Anwachsen von den unscheinbarsten Anfängen es schil- dern sollte. In classischer Weise hat die Entstehung dieser römischen Stadtgeschichte Tb. Mommsen in folgenden kurzen Zügen skizzirt (Rom. Gesch. ^ 1, 469): *Es liegt in der Natur der Chronik, dass sie zu der Geschichte die Vorgeschichte fügt und wenn nicht bis auf die Entstehung von Himmel und Erde, doch wenigstens bis auf die Entstehung der Gemeinde zurückgeführt zu werden verlangt und es ist auch ausdrücklich bezeugt, dass die Tafel der Pontifices das Gründungsjahr Roms angab. Da- nach darf angenommen werden, dass das Pontificalcollegium, als es in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts anstatt der bis- herigen spärlichen und in der Regel wohl auf die Beamtennamen sich beschränkenden Aufzeichnungen zu der Anlage der form-

Die älteste Redaction der Pontiflcalannalen 523

liehen Jahreschronik fortschritt, auch die zu Anfang fehlende Geschichte der Könige Roms und ihres Sturzes hinzufügte und indem es auf den Einweihungstag des capitolinischen Tempels, den 13. Sept. 245 zugleich die Stiftung der Repuhlik setzte, einen freilich nur scheinhaften Zusammenhang zwischen der zeit- losen und der annalistischen Erzählung herstellte.' üeher die Königsgesehichte stellte Mommsen folgendes .fest: Eine Zu- sammenknüpfung der verschiedenen Märchen, die Feststellung der Reihe der siehen Könige, die ohne Zweifel auf der Ge- schiechterrechnung ruhende Ansetzung ihrer Regierungszeit ins- gesammt auf 240 Jahre und seihst der Anfang officieller Auf- zeichnung dieser Ansetzungen hat wahrscheinlich schon in dieser Epoche stattgefunden : die Grundzüge der Erzählung und nament- lich deren Quasiclironologie treten in der späteren Tradition mit 80 unwandelbarer Festigkeit auf, dass schon darum ihre Fixirung nicht in, sondern vor die litterarische Epoche Roms gesetzt werden muss.'

Mommsens Ansicht ging also darauf hinaus, dass im Schoosse des Fontificalcolleginms in der ersten Hälfte des fünften Jahr- hunderts der Stadt, also etwa um die Periode der Samniterkriege, das vorhandene annalistische Material vereinigt und bei dieser Gelegenheit durch die Frühgeschichte der Republik und die Königsgeschichte nach oben hin ergänzt wurde. Dieses Anfange- werk einer eigentlichen Geschichtschreibung darf, wie wir oben auseinandergesetzt haben, als die älteste Redaction der römischen Annalen bezeichnet werden, als das erste annalistische Corpus einer Gesammtgeschichte Roms. Diese erste Fixirung der Stadt- geschichte hat, wie Mommsen treffend hervorhebt, ein für allemal die immer wiederkehrenden Grundzüge auch für alle weiteren Bearbeitungen des gleichen Stoffes geliefert. Gerade deshalb ist es für die historische Kritik von besonderer Wichtigkeit, die durch die Bemerkungen Mommsens eingeleitete Frage nach der näheren Beschaffenheit der ältesten Annalenredaction einer scharfen Untersuchung zu unterziehen. Insbesondere muss sich die Frage erheben nach einer genaueren Bestimmung der Zeit und Person des Verfassers, endlich nach dem Umfang und der Form, welche die ältesten Annalen muthmasslich gehabt haben.

Sehen wir uns in der neueren Litteratur über römische Ge- schichte um, so erweist sich leider, dass Mommsens Erwägungen auf einen wenig fruchtbaren Boden gefallen sind. Von einer älteren Redaction der Pontificalannalen als die Annales maximi

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des ausgebenden zweiten Jahrhanderte y. Cbr. ist nicht die Rede, weder bei Seeck oder Soltan, nocb bei Cicborius, Paie nnd den vielen anderen, welche sich über die Anfänge der römiechen An- nalietik mehr oder weniger aasfübrlich aoBgeeprochen haben. Der Oberpontifex Muciue Scaevola stellte im Zeitalter der Grac- eben den alten Brauch der Ausstellung der Jahrestafeln ein und höchst wahrscheinlich war es derselbe Scaevola, der das ganze vorhmdene Material an Tafeln und andern historischen Aufzeich- nungen des Pontificalcollegiums einer zusammenfassenden Re- daction unterzog und in 80 Büchern als Annales maximi heraus- gab. Dieses Werk war also die Schlussredaotion der officiellen Annalistik und bildete den Absohluss der gesammten historio- graphischen Thätigkeit der Pontifices. Sieht man nun mit den oben erwähnten Forschern in diesen Annales maximi die erste und einzige Buchausgabe der Pontiiicalannalen, so wird man zum Schluss genöthigt, dass die ganze ältere Annalistengeneration zu- sammen mit Naevius, Ennius und Cato ihr Material einzeln aus mühsamem Studium der in der Regia aufgeschichteten Jahres- tafeln entnommen haben musste. Bei der Wiedererzählung der Eönigsgeschichte und der Frühzeit der Republik mtieste sie dann eine noch grössere Wunderkrah geleitet haben, als die 70 Bibel- übersetzer, da ja für jene älteste Periode in dem Tafelarchiv jede feste Grundlage fehlte. Gegenüber Mommsens lichtvollen Erörterungen ist unleugbar eine bedauerliche Unklarheit über die Anfänge der römischen Annalistik eingetreten. Anstatt der Lö- sung des Problems der Pontiiicalchronik zeigen sich die Epigonen der kritischen Schule eher bestrebt, die gegebenen festen Punkte des Problems nach Möglichkeit wegzudisputiren, wodurch freilich die schwierige Frage scheinbar am sichersten aus der Welt ge- schafft wird. Seeck versucht zu demonstriren, dass die Annalee maximi (und damit die Buchannalistik der Pontifices) so gut wie gar nicht existirt haben. Cichorius lässt sie aller annalistischen Analogie zuwider und im Widerspruch zu den klaren Worten Ciceros ab initio verum Romanorum erst von 400 v. Chr. die Er- zählung beginnen, wonach implicite die Königsgeschichte und ihr organischer Zusammenhang mit der Chronik in ein nichts auf- gelöst wird. Einer ähnlichen Auflösung unterwarfen Cichorius und, wie es scheint, neuerdings auch Bormann die von Cicero, Dionysios und Servius wohl bezeugte historische öffentliche Tafel- chronik, indem diese in eine unbestimmbare Sammlung esoteri- scher Notizen über specielle Amtshandlungen der Pontifices ver-

Die älteste Kedaction der Pontificalannalen 525

wandelt wird. Dergleichen Notizen geborten vielmehr in die Acta oder Commentaria des Collegiums. Freilich ist nicht zu bezweifeln , daes in diesen Gattungen des oberpriesterlicben Schrifttbums die ätiologische Tendenz ähnlich gewuchert haben und zur Erklärung der Anfange des Fest- und Opfercyclus, so- wie zur Exemplificirung des geistlichen Rechts eine ähnliche Menge von fingirten pKeudohistori sehen Erzählungen erzeugt haben wird, wie auf dem Gebiete der politischen Stadtgeschichte. Ab- gesehen von ihrer allgemeinen Geistesverwandtschaft mit der Annalistik ist ans den geistlichen Commentarien sicher vieles direct in die Annalen hineingetragen worden, um die leeren Blätter der älteren Periode angemessen auszufüllen. Inbesondere scheinen die δΟ Bücher der Annales maximi zu einem beträcht- lichen Theil mit ans den Commentarien geflossener geistlicher Fabulistik angefüllt gewesen zu sein. Für dergleichen Dinge sind dann die Annales maximi eine reiche Quelle für die jüngere Privatannalistik eines Tubero, Macer und Antias geworden, noch mehr aber für die Antiquare. Es wäre aber durchaus verkehrt, sich hiernach ein einseitiges Bild von den Anfängen der Ponti- flcalannalen zu machen, ein Bild, in welchem gerade die in einer unverdächtigen guten Ueberlieferung bewahrten Grundzüge ihrer Entstehung ausgetilgt sind.

Wir halten daran fest, dass die römischen Annalen anfangs ans jährlich wechselnden Holztafeln bestanden, welche der Ober- pontifex nicht für die Sonderzwecke seines Collegiums, sondern zum öffentlichen Besten, zur Bekanntmachung und Beurkundung chronologischer, allmählich aber auch immer reicher werdender historischer Daten abfasste. Diese zeitgenössischen, etwa vom Jahre 400 oder höchstens ein halbes Jahrhundert früher be- ginnenden Aufzeichnungen bildeten, in der Regia aufgehäuft, dank ihrer äusseren Form, grosser schwerer und leicht zerstör- barer Holztafeln, das denkbar schwierigst zu benutzende histo- rische Archiv der Welt. Es konnte nur eine Frage der Zeit sein, wann dieses kostbare Material in bequemerer Buchform zu- sammengebracht und redigirt, leichterer Benutzung zugänglich gemacht wurde. In der That begegnen wir bald nach dem zweiten punischen Kriege in Rom bereits einer blühenden historischen Buchlitteratur. Ihre Vertreter, Fabius Pictor, Cincius Alimentus, Ennius, Cato erscheinen den Zeitgenossen des Augustus und auch noch uns als die Begründer der römischen Historiographie, pennoch setzt die Thätigkeit aller vier die bereits vollzogene

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Bachredaction der annalistiechen Geschichte in Verbindang mit der Königsgeechichte voraus. Mit Recht hat Mommsen auf die anwandelbare Festigkeit der Königsgeschichte in der ganzen rö- mischen Litteratnr anfmerksam gemacht und deshalb ihre ein- malige individuelle Fixirung vor den Anfang der litterarischen Epoche Roms, also vor Fabius Pictor gesetzt. Die geringe Zahl der Varianten in der Erzählung der ältesten Geschichte bei den genannten vier Autoren einige Abweichungen des Fabius kommen dabei auf Rechnung von ihm benutzter griechischer Au- toren — lassen au der Benutzung einer gemeinsamen Urquelle nicht zweifeln. Das Originelle jener Autoren besteht nicht in der Aufsuchung des ürstoffes für die alte Geschichte, sondern in den jedem eigenen Zielen der litterarischen Bearbeitung eines und desselben Stoffes. Fabius und Cincius gestalten daraus eine gedrängte Uebersicht unter reicherer Berücksichtigung der Ur- geschichte für den Geschmack de hellenistischen Publikums. Cato wendet sich an das nationale Publikum, sucht aber seine Bearbeitung auf die Höhe hellenistischer Wissenschaft zu bringen. Ennius gestaltet den Stoff zu einem nationalen Epos und aus prosaischen Annalen schafft sein Dichtergenius poetische.

Die Annales maximi sind gewiss nicht, wie Seeck haupt- sächlich aus der geringen Zahl namentlicher Fragmente zu de- monstriren versucht, wenig gelesen und benutzt worden. Im Gegentheil steht ihr Erscheinen offenbar in ursächlicher Wirkung zu dem erhöhten neuen Aufschwung der Privatannalistik des

«

sullanischen Zeitalters und dem Aufblühen einer antiquarischen Wissenschaft in der letzten Periode der Republik. Dieser Litte- ratnr hat dies Werk der Pontifices eine Fülle thatsächlichen Stoffes zugeführt, ist aber von ihr, wie das ganz natürlich ist, absorbirt und schnell der Vergessenheit überliefert worden. Es bedarf keiner namentlichen Citate, wo wahrscheinlich jede Seite des Livius, Dionysios, Varro und Festus umfangreiche und in- dividuell bearbeitete indirecte und directe Fragmente jenes An- nalenwerks darbieten. Eine parallele Wirkung aus paralleler Ursache bietet das Aufblühen einer privaten Geschichtslitteratur im ausgehenden Zeitalter der punischen Kriege dar. Die an der Oberfläche nicht mehr sichtbare befruchtende Quelle kann nichts anderes gewesen sein, als eine ältere Ausgabe der Pontifical- annalen, die Vorgängerin der Annales maximi. Ihr äusseres Verhältniss zu letzteren kennzeichnet sich durch das Prädicat maximi. Die 'grosse^ erweiterte Gesammtausgabe ist an die

Die älteste Kedaction der Pontificalaimalen 527

Stelle älterer und wahrecheinlioh weit kürzerer Annalen getreten. Theile aus der gleichen Ursache wie die maxlmif wegen der bal- digen Abeorbirung durch die Privatannalen, theils aber gerade durch die neue officielle vermehrte und verbesserte Publication sind die alten Annalen einer noch gründlicheren Vergessenheit verfallen als die des Scaevola. Diesen Todesursachen verdanken die alten Annalen andererseits sicher auch ihr Fortleben bis in die auf uns gekommenen letzten Ausläufer der römischen 6e- schichtscontinuation. Es kann deshalb durchaus nicht als Ver- messenheit betrachtet werden, wenn wir uns in der Erzählung eines Livius oder Dionysios nach kennzeichnenden Spuren der ältesten Annalen umsehen, welche uns Auskunft über die Zeit und Person ihres Herausgebers an die Hand zu geben im Stande sind. Namentlich ist dazu die Königsgeschichte geeignet, da sie als litterarische Schöpfung am ehesten das individuelle Gepräge einer bestimmten Zeit und eines bestimmten Verfassers an sich tragen muss.

Die Königsgeschichte ist in ihrer ursprünglichen Gestalt, wie ich in meinem russisch geschriebenen Buch ^ Die römische Königssage (St. Petersburg 1896)' nachzuweisen versucht habe, ursprünglich mit der Absicht erfunden worden, in den kurzen Biographien von sieben fingirten Königen, in der Art des Fertor Kesius rex Aequicolorum, ätiologische Gründungsgeschichten der sieben vornehmsten Priestercollegien Roms zu geben. Vielleicht haben diese Biographien, wie ich vermuthe, als Einleitungen zu einer um die Zeit des ogulnischen Gesetzes im Interesse der Plebs angelegten officiellen Priesterliste gedient. Dann sind diese Königsbiographien vereinigt, in chronologischer Reihenfolge ge- ordnet und in zweiter Schicht überarbeitet worden mit Rücksicht auf die Aetiologie der allgemeinen Entstehungsgeschichte der Stadt und des römischen Staates, sodass jedem Könige sein be- stimmter Antheil an der Gründung Roms zufiel. Im Gegensatz zu den alten zeitlosen Königsbiographien wurde die neue Könige- geschichte chronologisch fixirt und in dieser Form den streng chronologisch geordneten Annalen der Republik angegliedert. In der Umarbeitung und Einordnung der Königsgeschichte in die allgemeine Geschichte Roms muss das Werk des ersten Heraus- gebers der Annalen bestanden haben. In der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts vor Chr. ist die Kunde vom Stadtgründer, dem König Romulus, schon zu den griechischen Historikern Kallias und Timaios gedrungen. Obgleich letzterer wahrschein-

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lieh eine Forechungereiee nach Latium, vielleicht auch nach Rom unternommen hat, fehlte ihm noch die Eenntniss eines Grün- dangedatume Roms aus römischer Quelle. Die erste Thatsache, welche die vollzogene chronologische Fixirung der Gründung der Stadt und somit auch der chronologisch fixirten Eönigsgeschichte beweist, ist das Säcularfest vom Jahre 505 (249 v. Chr.). Hier liegt eine Berechnung des Gründnngsdatums der Stadt vor anf das Jahr 749 unserer Zeitrechnung. Wie wir (aO. S. 361 ff,) gezeigt haben, war in dieser Rechnung der ältesten Annalen- redaction auf die Eönigzeit sieben Generationen, 7 X 33^3 = 233 Jahre + 4 Interregnen (4 X 500 Tage = 2000 Tage = rund 6 Jahre), also 239 Jahre gezählt, der Anfang der Republik auf 510 V. Chr., die Vertreibung der Könige auf 511 gesetzt, wäh- rend nach der Rechnung der Fasten des Cn. Flavius bis auf das Jahr 304 nur 204 Jahre vom ersten Gonsuljahr an verflossen waren, also die Gründung der Republik auf 508 v. Chr. angesetzt war. Die Fasten waren also in der Annalenredaction, vielleicht um die im Jahre 249 nöthigen 500 Jahre der Stadt abzurunden, um 2 Jahresstellen vermehrt worden. Eine der letzteren dürfte das schon von Mommsen (Rom. Forsch. 1, 111) als Interpolation beanstandete Consularjahr 267 (= 487 v. Chr.) gewesen sein. Der angeblich patricische Consul dieses Jahres C. Aquilius ist sicher wohl als patricischer Ahne des plebejischen Consule 495 = 259 V. Chr. C. Aquilius eingeschoben worden, wie dieselben Aquilier auch in die Gründungsgeschichte der Republik als Ver- wandte des Freiheitehelden Collatinus eingeführt sind ^. Weisen also bereits zwei Spuren auf einen Zeitgenossen des ersten pa- nischen Krieges, der ersten Säcularspiele und des Consuls C. Aquilius als Verfasser der Annalen hin, so zeigen sich noch weitere Kennzeichen der Rücksichtnahme auf die Ruhmsucht der plebejischen Nobilität der genannten Zeit. In der Geschichte des Tarquinius Superbus (Dionys. 4, 62) tritt ein Orakelbe wahrer M. Atilius auf, als einer der vornehmen Bürger (επιφανείς) be* zeichnet, ein Ahnherr des berühmten Consuls M. Atilius Regulas. Mit sichtlich ironischer Absicht sind freilich sowohl der 'vor- nehme Orakelbewahrer Atilius, als auch die Aquilii, die angeb* liehen patricischen Ahnen des Consuls C. Aquilius, zu ruchlosen Verbrechern gestempelt. Offenbar that das dem Vergnügen, schon in der alten G-eschichte vorzukommen, keinen Abbruch. Weit

^ Mommsen, Rom. Forsch. 1, 111.

Die älteste Redaction der Pontificalannalen 529

liebevoller, ja mit besonderer Audzeichnung ist in den Annalen das Geschlecht eines dritten Consuls der Zeit des ersten pani- schen Krieges, des Qu. Mamilius Vitulus (Consul 265 und 262 V. Chr.) bedacht worden. Octavius Mamilius aus Tusculum er- scheint als Schwager des Königs Tarquinius, L. Mamilius aus derselben Stadt rettet das Capitol vor dem Ueberfall des Appius Herdonius und erhält dafür von den dankbaren Römern das Bürgerrecht (Liv. 3, 29), als der einzige Tusculaner, dem diese Ehre zu Theil geworden ist (Cato Orig. 1 fr. 24^. Aber nicht bloss das Geschlecht der Mamilier, sondern auch ihre Vaterstadt Tusculum erfreut sich einer ganz besonders liebevollen Beachtung in den Annalen. Von keiner andern Stadt ausser Rom wird so häufig und so eingehend berichtet, als von Tusculum und seinen Bürgern^. Man sollte meinen, der Annalist sei ein Landsmann der Mamilier, ein Tusculaner gewesen.

Das älteste Annalen werk war als Ausgabe des Pontifical- collegiums äusserlich ein anonymes Werk, wie auch die späteren Anoales maximi. Wie man aber mit Recht annimmt, dass das Erscheinen dieser letzteren erst durch die persönliche Autorität und die persönliche litterarische Thätigkeit des gelehrten Pontifex Maximus P. Mucius Scaevola zu Stande gekommen ist, so läset sich gleiches und in noch höherem Masse für die älteste Redaction der Annalen voraussetzen. Um das historische Archiv der Regia zum ersten Mal der OeflFentlichkeit zu übergeben, bedurfte es eines Mannes, dem nicht bloss die Autorität eines Pontifex Maxi- mus zu Gebote stand, sondern der besonders freisinnig den Bann der priesterlichen Geheimnisskrämerei zu durchbrechen im Stande war. Nicht umsonst ist in die Geschichte des Ancus Marcius die bezeichnende Erzählung eingelegt, dass dieser König die von Numa verfassten priesterlichen Commentarien der Oeffentlichkeit übergab, bis die patricischen Pontifices sie nachher wieder ver- steckten. Der Verfasser dieses historischen Präcedenzfalles, der dem Princip der Oeffentlichkeit besonders zugeneigte Oberpon- tifex muss selbstverständlich ein Plebejer gewesen sein. Es geht das nicht bloss aus den Spuren seiner nahen Beziehungen zur plebejischen Nobilität hervor, sondern auch aus der ganzen an-

i Vgl. Liv. 3, 7. 18. 42. GO; 4, 10. 27. 45-47; 5, 28; G, 25-26. ii'o. 37; 7,11; S, 7. 14. 37. Besonders interessant ist die letztauf- geführte Stelle, wo rühmend von der Liebe der Tusculaner zu ihrer Vaterstadt und ihrer Einmüthigkeit erzählt wird.

Kheia. Mus. f. Pbilol. N. F. LVIL 34

530 Enmann

nalistieoheii Erzählung, welche Schritt für Schritt die Errungen• Schäften der Plehs in ihrem grossen Kampfe um Rechtegleichheit verfolgt. Die praktische Staatskunst muss dem ältesten Anna- listen nahe gelegen hahen, insbesondere blickt in der Königs* geschichte ein besonderes Interesse durch für Dinge, die die Finanzverwaltung des Staats und den Kreis der censorischen Ge- schäfte berühren. Dem alten FetialenkÖnig Anous Marcius sind eine Reihe von Neugrnndungen zugewiesen, die auf den ersten Blick jeden Zusammenhang unter einander vermissen lassen. Blickt man aber genauer hin, so sind diese Gründungen lauter Steuerobjecte des römischen Staates (vgl. meine ' Königssage S. 180 ff.): der Hafen liefert das portorium maritimum, die Tiber- brücke den Brückenzoll, die silva Maesia als Staatewald das vectigal picariarum und Schiffsbauholz, die Salzgruben das vectigal salinarum, die Wasserleitungsanlagen (aqua Murcia, Tnllianum, fossae Quiritium) das vectigal pro aquae forma, die Anweisung des Aventin zu Bauplätzen der Plebejer den Bodenzins (vectigal Solarium). Noch näher streift an das censorische Interesse die Sorgfalt, mit welcher der Annalist den Ursprung der grossen öffentlichen Bauten unter seine Könige vertheilt, der Bauten, an denen noch die Republik beständig remontirend und erweiternd fortgebaut hat, die Kloaken, der Circus, der grosse Tempel dei Capitols, die Stadtmauern, um nicht zu reden von der Dar- stellung der allmählichen Bebauung der Stadthügel und -thäler. Die Phantasie des ältesten Annalisten hat den plebejerfreundlichen Larensobn und Fortunadiener Servius TuUius ausersehen, um für das Uauptstück des censorischen Geschäftes den Grund legen zu lassen. Nach dem Nachweise Mommsens (Rom. Staatsrecht 3, 245) muss der Verfasser der Erzählung vom ersten Census des Servius TuUius ein Censusformular vor sich gehabt haben der Zeitperiode, wo der Werth des As dem zehnten Theil des Denars entsprach. Diese Valuta ist nach Mommsen im Jahre 485 (269 v. Chr.) ein- geführt worden, so dass ich hier zu meiner Freude aus Mommseus glänzendem Forschungsresultat einen neuen Beweis dafür schöpfen kann, dass der älteste Bearbeiter der Annalen ein Zeitgenosse des ersten punischen Krieges war. Dem selben Verfasser ver- danken wir vermuthlich die Reihe guter und zuverlässiger Census- zahlen der älteren Annalen und die weniger guten, weil stark der künstlichen Construction verdächtigen Notizen über die ältesten Coloniegründungen.

Zu den bereits gewonnenen persönlichen Zügen fdgen wir

Die älteste Kedaction der Pontifioalaunalen 531

noch einen hinzn. Der Herauegeber der ältesten Geschichte Korns muss ein Mann von nicht gewöhnlicher echriftstellerischer Begabung gewesen sein. Das epische und dramatische Golorit der Erzählung hat bekanntlich bereits Niebuhr zur Annahme hin- gerissen, dass die älteste Geschichte Roms auf eine dichterische Quelle zurückgehe. Mommsen (Hermes 21, 570) hat den Ver- fasser der Tatiuslegende einen Dichter genannt, wenn auch ver- muthlich einen derjenigen die ^ ihre Eingebungen nie aufgeschrieben haben'. Nicht ohne Grund haben grosse Dichter der Neuzeit von Shakespeare an sich an Stoffen, wie sie die Erzählungen von den Horatiern und Curiatiern, Lucretia, Coriolan ua. boten, zu herrliehen Schöpfungen begeistert. Wer war, fragen wir nun, dieser hochbedeutende Gescbichtserzähler und Begründer der rö- mischen Historiographie, der Freund der Aufklärung, der ple- bejische Staatsmann und Pontifex Maximus, der Freund und Landsmann der Mamilier von Tusculum, der Zeitgenosse des ersten punisrhen Krieges und der ersten Säcularspiele Roms? Hat dieser Mann in seinen Annalen der Ruhmsucht seiner Freunde, der Mitglieder der neugebackenen plebejischen consularischen Aristokratie, mit harmlosem Spott nachgebend, nur ihnen Ahnen erdacht, hat er nicht ein ähnliches ironischss Denkmal sich selbst gestiftet? Unser Blick lenkt sich unwillkürlich auf den Volks- tribun des Jahres 274 d. St. (480 v. Chr.), Tiberius Pontificius, dessen Thaten Livius (2, 44) und der halikarnassische Rhetor (9, 5) gewissenhaft, ausführlich und feierlich uns darlegen. Der alte Annalist hätte sicher kein geringes Vergnügen über diesen Erfolg seiner witzigen Erfindung gehabt. Die edele Gens der Pontificii, das plebejische 'Pontifexgeschlecht' ist leider mit seinem ersten Vertreter, dem wackeren Volkstribun Tiberius, so- fort wieder ausgestorben, vermuthlich weil es für sein hohes Alterthum an unheilbarem Anachronismus, litt. Erst lange nach- her, im Zeitalter des pyrrhischen und ersten punischen Krieges tritt uns in verkehrtem Laufe der Generation der, wenn auch nur geistige, Vater des Tiberius Pontificius entgegen. Es ist ein wohl bekannter Tiberius Pontifex, der erste plebejische Pontifex Maximus Tiberius Coruncanius. Aus dem Municipium Tusculum stammend ^ hatte er sich in Rom durch seine hervor-

^ Cicero pro Plancio 8, 20 num quando vidcs Tusculanum ali- qaem de M. Catono illo num de Ti. Coruncanio, municipe suo, num de tot Fulviis gloriari? Diesem bestimmten Zeugnisse widersprechen

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ragenden Eigenschaften den Weg zu hohen Ehren und zu grossem Ansehen bei seinen Zeitgenossen gebahnt. Im Jahre 474 (280 V. Chr.) zum Consul gewählt zeichnete er sich im Krieg gegen die Etrusker und den König Pyrrhos aus. Ob er selbst das Censoramt bekleidet hat, wie viele angenommen haben, läset sich aus der verdorbenen Stelle des Festus (p. 237 s. v. portorinm) mit Sicherheit nicht entscheiden (vgl. De Boor Fasti censorii S. 77). Nach dem Zeugniss Ciceros war er indessen mit den Censoren Q. Aemilius Papus, L. Fabricus Lnscinus 478 (276) and M'. Curius Dentatne (Censor 482 = 272) in naher Freundschaft verbunden^. In seinem Consulat wurde ausserdem die Plebs durch den Censor Domitius zum ersten Mal in die Abhaltung des Lustrum eingeführt. In das PontificalcoUegium cooptirt erlangte er darauf zwischen den Jahren 501—502 (= 253—252) die Würde des Pontifex Maximus*, sodass unter seiner Aegide die ersten Säcularspiele gefeiert werden konnten. Als Inhaber der höchsten geistlichen Würde zeichnete er sich durch grosse Fröm- migkeit und tiefe Kenntniss des geistlichen Rechte aus und be- wies sich, den Traditionen des Collegiums zuwider, als Vorkämpfer der Oeffentlichkeit, indem er zuerst alle geistlichen Kechtssachen bei offenen Thüren verhandelte. Zu diesen vielen Verdiensten liegt es uns daran, sein grossestes mehr als zweitausendjähriger Vergessenheit zu entreissen, den Kuhm Eoms nationale Ge- schichte und die lateinische Prosalitteratur begründet zu haben. Dieser Ruhm gebührt dem Tiberius Coruncanius und nicht seinem engeren Landsmann Cato, der mit Unrecht in der Schätzung der

allerdings die Worte des Kaisers Claudius bei Tacitus (Ann. 11, 24) 'neque enim ignoro lulios Alba, Coruncanios Camerio, Porcios Tusculo in senatum accitos*. Einen Irrthum des über Coruncanius im übrigen so wohlunterrichteten Cicero anzunehmen, ibt unmöglich. Vielleicht stammte das Geschlecht des Coruncanius aus Camerium und war dann nach Tusculum übergesiedelt oder Camerium, das schon zu Catos Zeit nicht mehr existirle und dessen Lage noch heute unbekannt ist, ge- hörte zum Gebiete von Tusculum.

^ Cic. Lael. 11, 39 videmus Papum Aemilium C. Luscino fami- liärem fuisse (sie a patribus accepimue) bis una consules et collegas in oensura: tum et cum iis coniunctissimos fuisse Manium Curium et Ti. Coruncanium.

* Epit. Livii XVIll *Tib. Coruncanius primus ex plebe pontifex raaximus creatus est'. Die Notiz steht zwischen einer Nachricht von der im Jahre 2h\\ erfolgten Zerstörung der Flotte und der über die Censur des Valerius Maximus und F. Sempronius 252.

Die älteste Redaction der Pontificalannalen 533

neaeren seinen Platz eingenommen hat, nur dank dem zufälligen Umstand, dass die nächsten Vorgänger des Cato, die ersten Be- nutzer des grossen Annalenwerks, sich der griechischen Sprache bedient haben. Die Annalen des Coruncanius, in den allerersten Jahren des sechsten Jahrhunderts der Stadt entstanden, mussten einen Schatz zeitgenössischer Erzählung über die Geschichte der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts geboten haben. An diese schloss sich dann mit seiner ausführlichen Erzählung des Zeitalters der punischen Kriege Fabius Pictor an, während das von dem Redactor der ältesten Pontificalannalen errichtete Grund- gerüst für alle Zeiten bestehen geblieben ist.

St. Petersburg. A. Enmann.

EPIGRAPHISCHE BEITRAEGE

I Corpus Inscriptionum Graecaram 1511.

Unter den uns erhaltenen Inschriften übertreffen nicht viele an Wichtigkeit des Inhalts die von Böckh aus Fonrmonte Pa- pieren veröffentlichte Corpus Inscriptionum Graecarum 1511. Denn sie enthält eine Liste von Geld- und Naturalbeiträgen, die den Lakedaimoniern zur Führung eines bestimmten Krieges (ποτ- τόν πόλ€μον) von andern Staaten und von Einzelnen geleistet worden sind, und zwar hat, wie die Yocalbezeichnung lehrt, dieser Krieg nicht später als im fünften Jahrhundert stattgefunden. Fourmont überliefert die Urkunde unter den tegeatischen, was Böckh damit erklärte, dass die Lakedaimonier durch die Auf- stellung an einem fremden, ihnen ergebenen Orte die Kunde der ihnen zu Theil gewordenen Wohlthaten weiter verbreiten wollten ; Röhl (Inscriptiones antiquissimae 69) schloss, dass zu Tegea der gemeinsame Schatz der gegen die Perser verbündeten Hellenen bewahrt worden sei. Dass der Dialekt einer öffentlichen Urkunde der Lakedaimonier nur der lakonische sein könne, hat Ahreos gesehen^, dass von der Schrift das gleiche gilt, Kirchhoff ', in- dem er sagt: 'es bleibt, wenn eine andre Erklärung sich nicht darbieten sollte, immer die Möglichkeit offen, dass das Bruchstück verschleppt worden ist*.

Dazu brauchen wir jedoch nicht unsre Zuflucht zu nehmen; der Stein war nicht in Tegea aufgestellt, sondern in Lakonien und ist dort noch heute, leider arg verstümmelt, vorhanden: er bildet zurechtgehauen den Bogen der Thüröffnung an der Kirche des heiligen Vasilios, die etwa 2% Stunden südlich von Sparta auf einem kleinen Hügel zwischen den Dörfern Trapezondi ond Kydonia liegt. Lesbare Beste sind nur von den ersten zehn

1 De dialectis Π 8. 157.

2 Alphabet 2 94 f. = * 149 f.

Epigraphische Beitrage 535

Zeilen der Breitseite übrig, und auch diese sind seit Fourmonts Zeit durch eingemeisselte Ornamente stark beeinträchtigt: links durch ein 16 Centimeter breites mit verschiedenen Zuthaten ver- sehenes liegendes Kreuz, rechts durch einen Kreis von 14^/2 Centi- metern Durchmesser, in den ein zweiter eine Rosette umgebender Kreis eingeschrieben ist. Nach der zehnten Zeile hat der hier beginnende Bogenschnitt nur ein schmales Stück zurückgelassen, in dem ausser einigen Schatten von Buchstaben nichts mehr kenntlich ist. Mein Reisebegleiter im Frühjahr 1902, Herr Dr. von Prott, hat das schwierige Geschäft vollbracht in blendender Mittagsglut die kostbaren Reste abzuschreiben, und er hat mir einen wohl gelungenen Papierabklatsch gemacht.

Fs ist ein sprechender Beweis, wie wenig Griechenland epigraphisch erforscht ist, dass ein solcher Stein hart an einer der am meisten begangenen Strassen, dem guten Fahrwege nach Gythion, offen an einer Kirche, in deren jeder man nach Resten des Alterthums zuerst zu suchen pflegt , so lange verborgen bleiben konnte. Wie nützlich könnten sich rüstige junge Männer machen, wenn sie kleinere Bezirke vollständig und bedächtig ab- suchten; wer eine ganze Landschaft eilig durchstreifen muss, kann unmöglich alle Seitenwege verfolgen, selbst wenn seine Körperkräfte ihm die Vermehrung der Unbilden einer griechi- schen Reise gestatten sollten. Auch ich hätte an der Stelle un- seres Steines schwerlich gesucht, wenn ich nicht längst gewnsst hätte, dass er vor 40 Jahren dort vorhanden war: Conze und Michaelis erwähnen ihn unter genauester Ortsbeschreibung in ihrem bekannten Reisebericht Annali delf instituto 1861 p. 50, ohne freilich die Inschrift, die sie mit Recht als olfremente lo- gora e corrosa bezeichnen, mitzutheilen. Aber abgeschrieben hatte sie Michaelis: ich fand sie in seinem Tagebuche, das er mir bei dem Beginn meiner Vorbereitungen für das peloponnesische Cor- pus gütigst zur Verfügung gestellt hatte; von Conze rühren einige am Rande fragweise beigefügte Lesungen her. Dass sie ihren Schatz nicht erkanr.ten, ist natürlich; denn sie konnten zunächst nur unter den als lakonisch veröffentlichten Inschriften suchen, und als dies vergeblich war, mochten sie wohl nicht von einem Steine, den sie für unbekannt hielten, eine Copie bieten, die ihnen bei dem traurigen Zustande der Erhaltung unzulänglich und nicht nutzbar schien. Die Leistung hätten sie dann freilich unter- schätzt; schwerlich wäre es einem Andern besser gelungen, der nicht die ältere Abschrift zur Hand gehabt hätte.

536 Fränkel

Wie aber ist Founnonts Ortsangabe zn erklären? Hat er , da er vorzöge weise die Epigraphik der wabren Gegend uiieree Steines durch seine grotesken Fälschungen za bereichern versucht hat, sie in der Absicht gewisser ausgleichender Ge- rechtigkeit andrerseits durch bewnsste Unwahrheit berauben wollen, oder hat er eine grobe Fahrlässigkeit begangen? Da die Antwort wesentlich ist für die Glaubwürdigkeit der vielen Orts- angaben, für die wir anf ihn angewiesen sind, bat ich Herrn Gustave Foug^res in Paris zn prüfen, ob aus der Handschrift eine Lösnng des Problems zu gewinnen sei, und indem er mir mit der Frenndlichkeit und sachlichen Hingabe willfahrte, durch die er und andre seiner Landsleute eich schon früher das grösste Verdienst um meine epigraphische Arbeit erworben haben, ist es ihm gelungen den Sachverhalt völlig aufzuklären.

In dem von Michel Fourmonts Hand herrührenden Codex steht die Inschrift auf Folio 220, dadurch eingereiht unter die von Tegea, dass die Abtheilung auf ihrem Titelblatt Folio 218 * Tnscriptions de Tegee* überschrieben ist. Aber zu unsrer In- schrift selbst so wenig wie zu einer andern auf demselben Blatt copirten ist als ihr Ort Tegea genannt; in dem Manuscript, das die auf Grund des andern angefertigten Keinschriften Fourmonts enthält, ist zwar, wie Herr Henri Omont die Güte hatte mir mit- zutheilen, ά TegSe^ beigemerkt, aber mit Bleifeder von späterer Hand. Dies ist also gleichgiltig, ebenso dass in dem Index der von Fourmont gesammelten Inschriften, den sein Neffe und Reise- begleiter verfasst hat, die unsrige unter den ^ Inscripiions trouvces ä Tegee verzeichnet ist; denn Niemand wird darin eine selb- ständige Erinnerung suchen anstatt blindlings vorgenommener Registrirung nach dem fertigen Codex. Aber der ursprünglicheren Copie ist wenn auch nicht der Ort, so doch die nähere Stelle unserer Inschrift beigeschrieben: '7)aw5 la meme eglise de St. Bastle^ ce fragment, sur une base. Der Ausdruck setzt voraus, dass unmittelbar oder doch kurz vorher eine Kirche des heiligen Vasilios erwähnt sei; aber man muss bis Folio 45 zurückgehen, ehe man eine solche findet, und zwar zu einer unter den In- schriften von Sparta angeführten byzantinischen Urkunde. Offen- bar hatte also das Blatt mit der Abschrift unsres Steines ur- sprünglich seine Stelle unmittelbar hinter Folio 45 und hat sich von da in die tegeatische Abtheihing verirrt. Das Unglück ist vor der Anfertigung des Registers geschehen; ob die Schuld daran Mioliel Fourmont selbst trägt oder sein Neffe oder die nn-

Epi graphische Beiträge 537

vorsichtige Hand eines Dritten, der sich mit den noch losen Blättern beschäftigte, kann man nicht wissen, aber es steht fest, dass die richtige Angabe Fourmonts nur durch einen Zufall ver- dunkelt worden ist. Er hat die Inschrift ohne Zweifel in der- selben Kirche des heiligen Vasilios gesehen, bei deren Umbau sie nachher verwendet worden ist.

Weder oben noch links noch in Zeile 1 10 rechte hat seit Fourmonts Zeit eine Verstümmelung des Steines stattgefunden; ob aber oben und rechts der ursprüngliche Band erhalten ist, lässt sich so lange der Stein verbaut bleibt ans äusseren Kenn- zeichen nicht entscheiden und seine Loslösung würde, auch wenn die Erlaubniss zu erreichen wäre, ohne grössere Kosten nicht zu bewerkstelligen sein. Pennoch ist nicht zu zweifeln, dass rechts der Band intakt ist. Fourmont fand nämlich auf zwei Seiten Schrift, und zwar hat die der zweiten, die er nur als 'sur Vautre coste* befindlich bezeichnet, nach ihrer geringen Breite nothwendig auf einer Schmalseite gestanden ; es muss also der anstossende Rand der vorderen Breitseite erhalten gewesen sein. Nun ist dies links nicht der Fall, war es aber zu Fourmonts Zeit ebenso wenig, da er hier nicht mehr Schrift giebt als wir noch heute haben: folglich war die unbeschädigte Seite die rechte. Die grösseren Ergänzungen sind also an die Anfänge der Zeilen zu stellen. Die Schrift ist nicht sehr gleichmäesig, so dass für die Zahl der fehlenden Buchstaben ein kleiner Spiel- raum bleibt. In dem hier folgenden Herstellungsversuch sind die heute lesbaren Buchstaben durch Unterstreichen kenntlich ge- macht, die sonst ausser Klammern stehenden sind von Fourmont überliefert; die übrigen nöthigen Nachweisungen über die Lesung werden unten angefügt.

1 τοις Λακ]€δαιμονίο[ις ....

2 ακα]τίος 1)αρι(κ)ός. ΐφ€[κ]€ [Κ]αλ[λίμα-

3 χος δραι τοις Λ]ακ€δαιμονίοις ποτ[τ]όν

4 πόλεμον evveja μνας και δέκα στατέρας. ["Ε-

5 boKe τοις Λακ]€δαιμονίοις Λυίκ]€ίΙ)α Λυιός

6 ος Όλέ[νι]ος [έ]1)θ[κ€ τοις Λακ€-

7 οαιμονίοιςΐ ττοττόν πόλεμον τριερείσιν] μ[ι-

8 σθόν άργυρί]ο μνας biie και τριάκοντα. [Έδον 9 τον Χίον τοι φίλοι τοι τον [Λα-

1() κεδαιμονίον] στατερας Αιγιναιος

538 F r ä D k e 1

Z. 1 Ι-ΙΛΙΟ'Ν . . . . \0 Fourmont, nach

gütiger Mittheilung des Herrn Omont; CIGr. weicht etwas ah. ^ΨΙΙιΜν. Michaelis. Die Stelle ist äaseerst schwierig, aher Protts mühsame Lesung vollkommen sicher.

Z. 2. Das auslautende Sigma des Zahlwortes, das sehr ver- riehen ist, hat Fourmont nicht erkannt und die Lücke dafür an- zugehen unterlassen; das Richtige vermuthet hatte Höhl. Dann giebt Fourmont zutreflPend ΔΑΡΙΥΟΣ: der Steinmetz hat geirrt; das Wort erkannte Böokh. Es folgt ΕΦΕΙ . . ΑΛ . ΨΟΙ bei Four- mont, EU TIE///AM Michaelis, ΕΟΕΙΦ///ΑΛ \0 Prott, indem er das zweite Phi als unsicher bezeichnet; es würde die Möglich- keit einer Lesung ausschlieesen. Ich sehe auf dem Abklatsch EC El C . ΑΛ . . \ und halte das hergestellte Verbum für sicher. In dem auslautenden Ε stimmt Michaelis mit mir überein; davor kann man an der senkrechten Hasta, die ganz deutlich und von allen Zeugen gesehen ist, den Ansatz des abwärts gehenden Striches im Winkel des Κ zu erkennen glauben. Der Sinn war also 'gestattete zu erheben' : der Beitrag ist nicht haar ausgezahlt, sondern auf einen Ort, an den die lakonische Streitmacht ge- langen musste, angewiesen worden. Am Ende sehe ich klar den Schimmer, den Fourmont und Prott als 0 auffassten, aber dies ist ganz unsicher und eher wäre / anzunehmen, so dass, da \ die letzte Hasta eines Μ sein dürfte, Καλλίμαχος wahrscheinlicher ist als ΚαλλιμίΟ€ς, Καλλιμέν€ς usw.

Ζ. 4 Anfang Ξ Formont, daraus Böokh ένν]ία, und in der That scheint von dem Epsilon vor Alpha ein Rest vorhanden.

Z. 5. ΛΥΡΕΙΔΑ Fourmont, emendirt von Böckh.

Zeile 6 ist von Fourmont ausgelassen. Die Lesung bis 0^ ist ganz sicher und Michaelis hat sie übereinstimmend; nachher giebt dieser nichts, Prott 'eine schwache Rundung, unklar von welchem Buchstaben ; darauf D unsicher und I *. Ich sehe auf dem Abklatsch ' υ )l. Dass zu Anfang der Zeile der Name von Lykeidas' Sohn angegeben war, ist von der äussersten ün- wahrscheinlichkeit, denn auf den etwa 11 12 Stellen stand noth- wendig seine Gabe und der Anfang des Namens des Oleniere ; das gewöhnliche ποττόν πόλεμον ist hier vollends unmöglich. Gewiss war der eigentliche Spender Lykeidas und der Sohn konnte ungenannt bleiben, da er nur den Beitrag abgeliefert hat; viel- leicht hatte der Tod den Vater gehindert die geäusserte Abeicht auszuführen. Das Ethnikon war bei einem Fremden nothwendig zu nennen, während es bei den lakonischen Spendern fehlt. Man

Epigraphischd Beiträge 539

könnte auch Ολέ[ρι]ος ergänzen, aber ein Beitrag aas Kreta ist sehr viel weniger wahrscbeinlicb als einer aus dem peloponnesN ecben Olenos.

Z. 7 Ende ΤΡΙΕΡΕΓ'ΧΜ . . Fourmont. τριήρ6[σι] Böckb; das Ny έφ€λκυστικόν wird mit Bitten berger (Sylloge, 1. Auf- lage n. 34), der danaob sebr wabrscbeinlicb μ[ΐ(Τθόν ergänzt bat, hinzuzufügen sein.

Z. 8 άρτυρί]ου gab Böckb. bu6 ist vollkommen sieber.

Z. 9. Zu Anfang reicbt für die Ergänzung τοις AaKebai- μονίοι]ς der Raum bei weitem nicbt. Die Anelassung erklärt sieb leicbt, da die Empfänger durcb das gleicb folgende τον [Λακ€&αιμονίον bezeiobnet waren, welcbe Ergänzung Ditten- bergers dadurcb nocb sicberer wird. Es war bier gewiss der Verwendungszweck des Beitrages, den die Spender vorgeschrieben hatten, angegeben, wie bei dem vorhergehenden Posten Z. 7/8. Dann hat Fourmont +ION; der erste Buchstabe bat sehr ge- litten, doch ist Ψ, die notbwendige lakonische Form des Chi, vollkommen sicher. Während Dittenberger gewaltsam ändern wollte, bat also Meister (Dialekt-Inschriften 4413) richtig ange- nommen, dass nur in der Gestalt des Buchstabens geirrt war. Wie nahe + lag, siebt man noch heute aufs Deutlichste, und ebenso wie der so sorgfältige Michaelis fast übereinstimmend mit Fourmont glauben konnte F zu sehen; Conze hatte das Wahre erkannt, indem er 'K?' beisobrieb.

Z. 10 Anfang. Die Ergänzung Λακ€&αιμονίον ist von Dittenberger.

Der Fund unsres Steines ist durcb die Sicherheit über den Schriftcharakter auch wertbvoll für die Feststellung der Zeit, auf die für die historische Nutzbarkeit alles ankommt. Kirchhoif hatte geurtbeilt, dass die MdXioi, die zweimal als Beitragende auftreten (und zwar nach dem Ausdruck ibov TOl Μάλιοι ihre Gemeinde), nur die Bewohner der Insel Melos sein können, und da diese von Ol. 91, 1 93, 4 von attischen Kleruchen besetzt gewesen sei, es aber wegen der nocb ganz epichorischen Schreib- weise ^ bedenklich wäre die Urkunde unter das Ende des pelo- ponnesischen Krieges herabzurücken, so sei sie vor Ol. 91, 1

1 Mit Recbt hält Kirchhof wie Böckb für unglaublich, dass das in der letzten Zeile überlieferte ΧΙΛΙΟΥΣ auf dem Steine ge- wesen sei.

540 Fränkel

(416) zu setzen; am wahrscheinlichsten sei unter dem Kriege, ftir den die Beisteuern geleistet sind, der archidamiscbe zu ver- stehen. Dieses auch ausdrücklich als 'keineswegs sicher* be* zeichnete Resultat ist nicht zwingend; denn die Prämissen ge- statten die zweite Möglichkeit, dass die Beiträge aus Melos in der kurzen Frist zwischen der Restitution der alten Bewohner im Jahre 405 und dem Ende des Krieges im Frühjahr 404 geleistet worden sind. Betrachtet man aber die Schrift, so kann man nicht glauben, dass die Aufzeichnung früher erfolgt ist als in den. letzten Jahren des fünften Jahrhunderts: sie zeigt den Cha- rakter des Schwankens und üeberganges, vor allem in den For- men des My und Ny, die theils alterthümlich sind, theils gut dem vierten Jahrhundert angehören könnten. Das geseblossene Uauchzeichen B, das Fourmont in Zeile 5 überliefert, hat eich in Lakonien sehr lange gehalten : es findet sich neben dem ioni- schen Omega auf der Inschrift bei Röhl, Inscriptiones antiquis- simae n. 83, wie auf der höchst wahrscheinlich ebendaher stam- menden n. 82, die Dittenberger-Purgold (Inschriften von Olympia 274) mit Recht auf die Scheide des fünften und vierten Jahr- hunderts gesetzt haben werdend Dass um diese Zeit in die officielle Orthographie Spartas der lonismus noch nicht ein- gedrungen war, zeigt der obere Theil der Urkunde n. 91, der in Delos genau nach spartanischer Vorschrift aufgezeichnet ist, und zwar nach Homolies sicherem Nachweis zwischen 403 und 397. Diesen epigraphischen Gründen hat mich die Güte des Herrn Henri Omont in den Stand gesetzt einen sehr gewichtigen historischen hinzuzufügen. In Zeile 21 (der früheren Zählung) ist nämlich ΕΦΕΣΤΙΟΙ ein starkes Versehen Bekkers, während Fourmont sowohl in der ursprünglicheren als in der ine Reine geschriebenen Copie ΕΦΕΣΙΟΙ überliefert^. Wenn man aber auch

1 Ebenso wird n. 83 zu datiren sein, welche Urkunde Kirchhoff, Alphabet* S. 154 erst gegen die Mitte des vierten Jahrhunderte setzt. Sein Grund ist, dass Theta in n. 91 Zeile 2 und (5 noch die archaische Form mit Kreuz hat; aber eine solche Einzelheit braucht nicht typisch zu sein, sondern kann auf der beibehaltenen Gewohnheit oder dem archaisirenden Geschmack des Ausfertigers beruhen.

3 So hatte Otfried Müller (Dorier I 181) vermuthet oder viel- leicht auch, da er die Lesart, ohne ein Wort darüber zu sagen, nur in der Darstellung vervverthet, durch einen sehr begreiflichen Lese- fehler aus den Scheden des Corpus, die seine Quelle waren (s. Böckh, Kleine Schriften 7, 251), gewonnen. Mit Recht hat Dittenberger die

Epigraphische Beitrage 541

alleDfalls meinen kann, dass den Meliern ihr damaliges Verhalten bei dem furchtbaren Gericht dee Jahres 416 angerechnet worden sei, wie hätten die Ephesier, die Mitglieder des attischen See- bundes waren, vor dessen Zerfall eine Handlung so offenbarer Rebellion wagen können, als die Beisteuer der grossen Summe von tausend Dariken zu den Kriegemitteln des Feindes gewesen wäre , ohne dass wir durch Thukydides von Strafmassregeln hörten? Dagegen war die Stadt seit dem Jahre 412 den Athenern verloren und ihre Beziehung zu der spartanischen Streitmacht musste eine besonders nahe sein, da diese von 408 bis 406 dort ihr Hauptquartier hatte ^. Wenn ferner Zeile 9 geflissentlich hervorgehoben wird, dass der chiische Beitrag nicht von der Ge- meinde, sondern von den Lakonerfreunden herrührt, so niuss er in eine Zeit der Unruhe und Parteigährung gehören, wie die Insel sie nach ihrem ebenfalls 412 erfolgten Abfall von Athen durchgemacht hat^ So vereinigt sich alles zu der Sicherheit, dass die in der Urkunde verzeichneten Beiträge in den letzten Jahren des peioponnesischen Krieges geleistet worden sind. Aue dieser Zeit sind uns auch solche freiwillige Beisteuern an die Spartaner bezeugt: Lysander hat dazu die asiatischen Küsten- städte vermocht^; vor allem aber ist für uns wichtig, dass sein Nachfolger in der Nauarchie Kallikratidas, wie Xenophon (Hel- lenika I, 6, 7 tf.) erzählt, angeekelt von der Nothwendigkeit bei den Satrapen zu antichambriren und ergrimmt über die Schmach, dass Hellenen den Barbaren um des Geldes willen schmeicheln müssten, im Jahre 406 in einer Versammlung der Milesier, die er berief, die Bundesgenossen zu Opfern aufforderte, worauf er von milesischen Privaten und aus Chios erhebliche Summen er- hielt*. Seine gerechten und starken Empfindungen, deren ein-

jetzt als richtig herausgestellte Lesung als Conjectur für unstatthaft erklärt; Höhl hat sie als seine eigne wieder aufgestellt.

1 Vergl. Ed. Meyer, Geschichte des Alterthums IV S. 563. 631 ff.

2 Thukydides 8, 38, 3: ol bi Xloi - - ύπόπτως διακείμενοι άλλή- λοις. Diodor 13, ()5, 3 f.

8 Diodor 13, 70, 4.

* Der in der Urkunde Z. 9 verzeichnete Beitrag aus Chios kann schwerlich mit dem von Xenophon erwähnten identisch sein, da dieser, fünf Drachmen auf den Mann der Schiffsbesatzung, zu erheblich war als dass der Raum die Erj^änzung der nöthigen .\nzahl von Stateren zuiiesse. Dasselbe gilt für die nach Thukydides S, 101 παρά τών Χίων im Jahre 41 1 eingegangene Unterstützung, als deren Urheber man

542 Fränkel

dringliche Schilderung dnrch Xenophon den Stempel der Wahr- heit trägt, hat Kallikratidas ohne Zweifel durch die von ihm nach Geld entsandten Trieren in Sparta geltend machen lassen, und hei dem Versiegen der persischen Goldquelle werden sie nicht hloss in Milet und Chios gewirkt haben. Etwa in dieser Zeit werden also die Beiträge geleistet sein, von denen unsere Urkunde meldet; dass die eben von Sparta zurückgeführten Melier, die sich erklärlicher Weise zur Betheiligung gedrängt fühlten, erst auf der Schmalseite vet zeichnet sind, stimmt dazu, dass ihre Spenden zu den spätesten gehört haben müssen. Die Breitseite könnte ja etwas früher geschrieben sein, aber nach den Kriterien der Schrift nicht wesentlich früher; so wird kaum ein Zweifel sein, dass die Urkunde erst unmittelbar nach dem Friedensschluss als ein Zeichen der Dankbarkeit aufgestellt wurde und dass sie uns so- mit für die Geschichte der lakonischen Schrift einen festen chro- nologischen Anhalt gewährt^.

überdies, wie auch wohl bei der von Xenophon Hell. 2, 1, 5 bezeugten aus dem Jahre 405, die Gemeinde ansehen muss.

^ Otfried Müller (Dorier 1 180), dem Böckh zuzustimmen geneigt war, wollte nicht weit von der Wahrheit unsre Urkunde in die Zeit Lysanders setzen. Sehr merkwürdig ist das Verfahren Röhls, der, da die Schrift vor das Jahr 427 fallen müsse, entschlossen gleich bis etwa in die Zeit der Schlacht bei Mykale hinaufgebt. Damals hätte man die Spenden doch nicht an die Lakedaimonier, sondern an die Hellenen gerichtet. Beruhen kann der ter minus ante quem nur auf Kohls falscber Datierung der Inschrift n. 88, die in Wahrheit ins vierte Jahrhundert gehört; s. Kircbhoff, Alphabet^ S. 154. Man sollte meinen, für die subtile Abschätzung des Scbriftcharakters wäre die Voraus- setzung ein starker Glaube an die Geschicklichkeit und Genauigkeit Fourmonts, die durch die doppelte Brechung in Bekkers Abschrift und Böckhs Typen noch wirksam geblieben wären. Dennoch ist Röhl von solchem Glauben weit entfernt; er erhebt entrüstete Klage über Four- monts neglegentia-y da der Stein misere exscriptus sei, habe homo Ute uns um seinen Nutzen gebracht. Hat er uns denn nicht vielmehr die Urkunde gerettet, und mit ihr blos in Lakonien, wo gerade man seine Ausdauer bewundern lernt, hunderte anderer? Das arge Missverständ- nies, dass er Reste des Alterthums geflissentlich zerstört zu haben be- kenne, hat Boss (Archäologische Aufsätze S. 429 f.) aufgelöst; er hatte nur nicht zugeben sollen, dass es manchmal doch geschehen sei, auf den blossen Gemeinplatz hin, dass die Eitelkeit einen Stein allein ge- sehen haben zu wollen vorkäme. Boss rühmt ebenda Fourmonts Ab- schriften : ' wo ich seinen Spuren habe folgen können, ... da habe ich ihn gewissenhaft genau befunden, selbst genauer als seine Commen-

Epigraphieclie Beitrage 543

Am Fusse dee kleinen Htigele, der das Kirchlein des hei- ligen Yaeilioe trägt, liei;t das Fragment einer uncanellirten Säule; in der Kirche hefindet eich ein korinthisches Kapitell. So bat vielleicht der Hügel, wozu seine Lage sehr geeignet ist, auch im alten Hellas ein Heiligthum getragen; aher viel wahrschein- licher ist es, dass die Spartaner unsrem Steine denselhen Platz angewiesen hahen, an dem sie ihre wichtigsten öffentlichen Ur- kunden aufzustellen pflegten ^ , dass er also aus dem etwa IY2 Stunde entfernten Amyklaion verschleppt ist.

II. Zur Aphaia-Inschrift ClPel. 1580.

Es ist ahermals Adolph Michaelis, dem ich zu danken hahe: er hat mir für die Aphaia-lnschrift eine durch veränderte Inter- punction zu gewinnende wesentliche Verbesserung mitgetheilt. Er liest: . . . Όϊνος [οιίοοομ]6θ6 χό βιυμός. χόλέφας ποτ€- ποιέθ€. [χό π€ρίβολο]ς π€ρι[€]ποιίθ6. Es leuchtet ein, dass diese Satztheilung die wahre ist. Mit Recht urtheilt Michaelis, dass οίκος und βωμός zusammengehörig sind und dass der In- halt, da er nun völlig auf das eine Haus der Aphaia zu beziehen ist, geschlossener wird. Doch ο19οοομ]ήθη passt jetzt nicht; ich war auch vorher damit nicht völlig zufrieden, fand aber ein andres Verbum auf έω, an das ich allein dachte, nicht. Einwand- frei möchte Folgendes sein:

Κλ]€θίτα Ιαρέος έόντος τάφαίαι ώι9ος έτ]έθη χώ βωμός, χώλέφας ποτεποιήθη. και τώρ9θ]ς π€ρι[6]ποιήθη. Die Form von τιθέναι zu Anfang von Zeile 2 wie zB. ClPel. 192; Inscriptiones antiguiss, 314; Inschrift des erzenen Viergespanns

tatoren*. Auf unsrem Stein erkennt man noch heute in täuschenden Zufälligkeiten Quellen seiner Fehler, so dass also schon damals die Lesung sehr schwer gewesen sein muss, wie ja auch die letzten vierzig Jahre darin einen merkbaren Unterschied nicht hervorgebracht haben. Man sollte sich klar machen, was es hiess eine verriebene archaische Urkunde zum ersten Male abzuschreiben, im Jahre 1730, wo die dia- lektischen und epigraphisohen Eigenthümlichkeiten nicht verstanden werden konuten, die Arbeit also zumeist eine rein mechanische sein niusstc: da wird man auch die Auslassung einer Zeile, das schlimmste Versehen, nicht für unverzeihlich halten.

1 Vergl. zB. Thukydides δ, 18, 10. 23, 5.

544 Fränkel

auf der Burg von Athen Herodot 5, 77. Zu Anfang von Zeile 3 (και το ?ρ9θζ) stünde AI auf dem Raum der breiten Buchetaben Λ in Z. 1 und Τ in Z. 2, genau wie in dem Erhaltenen in Z. l Ol über φ und dae zweite AI über Γ, in Z. 3 PI unter M.

Da ich zu der Inschrift nochmal« das Wort nehmen mueste; habe ich zugleich auf die Entgegnung einzugehen, durch die Furt- wängler oben S. 252 fiP. meine S. 152 ff. gegebenen Ausführungen zu widerlegen gemeint hat^. Der erneuten Erörterung kommt die feste Grundlage zu Grute, die Michaelis geschaffen hat, und die erhobenen Einwände scheinen zu zeigen, dass es gut ist man- ches eingehender zu begründen als ich früher für nöthig hielt. Furtwängler fragt: 'der aeginetische οΤκος der Aphaia, wenn er . . . dem Cultus dieser Göttin diente, was war er denn anders als ein Tempel? Selbstverständlich war er das, aber nicht der Haupttempel des Temenos. Furtwängler heftet sich daran, dass Ulrich Köhler, auf den ich mich berief, für die lepoi οΤκοί den Cult ausscbloss. Ich hätte hervorheben sollen, dass seine Be- stimmung zu eng ist, dass er die lepoi οΤκοί zwar richtig als ^Dependenzen der dabei stehenden Tempel' definirt hat, dass sie aber einem Cult ebenso gedient haben können wie der Ver- waltung^; einen für den Cult bestimmten οΤκος hatte ich aus der Inschrift CIGr. Sept. I 2233 angeführt. Wenn aber im ge- nauen amtlichen und sacralen Gebrauch οίκος gleichbedeutend mit ναός sein könnte, müsste es in einer unsrer vielen Bau- inschriften dafür stehen. Worin sonst sollte aber der nothwen- dige Bedeutungsunterschied bestanden haben als in der von Köhler für die andre Art der Upoi οΐκοι festgestellten Inferiorität? Meint mau, dass bei der Unterscheidung mehr auf Ausstattung und Grösse gesehen sei, so kommt es im Allgemeinen und sicher in unsrem Falle auf dasselbe hinaus, denn das Gebäude für den Hauptcult unsres Temenos kann nicht eine Aedicula gewesen sein. Man kann von zwei vaol desselben Bezirkes sprechen, wenn man die Unterscheidung zwischen dem ursprünglichen und dem zu- gefügten Culthause nicht betonen will ; aber der einzige Tempel

^ Auf Herwerden, Lexicon Graecum suppletorium p. 935 f. u. * Αφαία hat Furtwänglers Polemik keinen Eindruck gemacht.

2 Ich darf die Flüchtigkeit, die ich begangen habe, damit ent- 8chuldig»in, dass ich zur «iiössten Eile gezwungen war, um meine Aus- führungen noch im Corpus citiren zu können und dass die Jahreszeit zur Reise nach Griechenland drängte.

Epigrapbisohe Beiträge 545

eiDes Bezirke kann in der VVeihung nicht οΤκος genannt werden. Da jetzt durch Michaelis vollende gesichert ist, dass der οΓκος der Aphaia ihrem Culte diente, kann der Haapttempel des Te- menos nicht dem Gälte derselben Gottheit gedient haben. Wenn Aphaia so gründlich in Vergessenheit gerieth, dass ihre * Legende erst der gelehrte Nikander wieder entdeckt zu haben scheint*^, so ist das schwer vorzustellen, wenn sie einen prachtvollen Tempel an bevorzugter Stelle besass, leicht wenn ihr nur eine neben- sächliche Capelle zu eigen war.

Gegen die, wie ich meine, feste philologische Thatsache, dass οίκος nicht dasselbe ist wie ναός, können die Fundthat- Sachen, die zufällig sind, nicht aufkommen. Die hier behandelte Inschrift ist bis auf das kleine Fragment zur äussersten Linken durch Verbauung gerettet; die ausserdem ganz oder fast sicher auf Aphaia bezüglichen Steine ClPel. 1582 und 1584 sind in einer und derselben Gegend gefunden, auch der minder sichere 1585. Wenn höchstens drei oder vier inschriftliche Zeugnisse für Aphaia übrig sind, so ist die Zahl zu gering um zu behaupten, dass deren auch für Artemis übrig sein müssten. Wie gründ- lich die Zerstörung der Inschriften in unserem Temenos war, be- weist dass wir nach so erschöpfenden Ausgrabungen wie den bairischen im Ganzen mit Einschluss des schon vorher vorhan- denen Inventars ClPel. 39 nicht mehr als neun haben. Nach- dem unser üeiligthum, wie Furtwängler (Akad. S. 389) gewiss mit Hecht annimmt, schon seit dem Jahre 431 verödete, können auch Weihgeschenke an Artemis in ihren unterwärts gelegenen Tempel versetzt worden sein. Wenn Furtwängler weiter geltend macht: 'Unter den zahlreichen Terrakotten ist keine einzige, die etwas von Artemis hätte', so könnte auch keine auf Aphaia zu be- ziehen sein ; denn nach dem was Furtwängler (Akad. S. 380 ff.) über deren künstlerische Darstellung ermitteln konnte, war sie der Artemis ähnlich. Die Terrakotten beweisen also nach keiner Seite; aber jedenfalls ist Marmor nicht schlechter als Thon. Nun berichtet Furtwängler (Akad. S. 380) von dem Funde einer früharchaischen Marmorstatuette, deren * Typus auch ... in einer Marmoretatuette ans der tiefsten Schicht am Artemision von Fphesos erscheint . . . : die Aphaia und die ephesische Ar- temis wurden in alter Zeit in einem und demselben . . . Typus gebildet'. Es wird einfacher sein, auch die aeginetische Figur

^ So Furtwängler, Sitzungsber. d. Münchener Akad. 1901 S. 389.

Bhein. Maa. f. PhUol. N. F. LVIL 35

546 Fränkel

für Artemis zu nehmen und für eine erwtinecbte Bestätigung ihres Cultes.

^Die örtlichen Verhältnisse zeigen femer deutlich, daes nur ein Gultus hier gepflegt wurde .... Vor Allem ist gar kein Platz vorhanden in dem beschränk ten Raum des alten Heilig- thums, wo der . .' zweite Tempel gestanden haben sollte/ Setzt man hier, wie es recht ist, anstatt des zweiten Tempels eine Capelle von vielleicht sehr bescheidenen Abmessungen, so kann die Behauptung auf hinreichender Grundlage nicht ruhen ; denn Mas Fundament des (alten) Baues muss wohl unter dem jetzigen Tempel stecken', heisst es in den Sitzungsberichten S. 386.

Dass an unsrer Stelle ein \ερόν 'Αφαίας sei, sagt Pausanias völlig zutreffend, er sagt nur nicht, dass es sich im Heiligthum der Artemis befindet, begeht also keinen 'unerhörten Irrthum , noch überhaupt einen Irrthum, sondern nur eine Auslassung. Ich möchte hier ein für die Frage nach dem Inhaber unseres Temenos, wie ich meine, wichtiges Argument nachtragen. Nach dem Zeug- niss des Pausanias 3, 14, 2 wurde in Sparta die 'Άρτεμις AI- γιναία in einem eignen Tempel verehrt. Die ethnische Bezeich- nung beweist, dass Artemis die Hauptgottheit von Aegina gewesen ist; um' einige Beispiele anzuführen, nenne ich die epidaurischen Weihungen Άπόλλιυνι Άμυκλαίψ ClPel. 1078, Άρτίμιοι Έφεσία η. 1193, Ασκληπιού ΤΤεργαμηνου η. 1262. Dass man aber das Geschlecht des Landeeheroen ^ der Insel Aiakos in den Tempel- giebeln der Hauptgottheit verherrlicht , ist verständlich, aber nicht, dass man dafür den Tempel einer untergeordneten Heroine gewählt hätte, deren Legende keinen Grund dafür bot. Sicher ist auch, dass wenn der Cult der Artemis so bedeutend war, sie nach der frühen Aufgabe, mindestens dem gänzlichen Zurück- treten des auf der Höhe gelegenen Heiligthums einen andern Tempel gehabt haben muss, den Pausanias erwähnt. £r nennt 2, 30, 2 als Hauptgottheit der Aegineten für seine Zeit Hekate, die ja auch nur eine Gestalt der Artemis ist; sie hatte neben dieser einen eignen Tempel.

Endlich Antoninus Liberalis. Durch die Absicht seines Buches wie durch das im Codex voranstehende Argument ist sicher, dass die uns angebende Erzählung einen Verlust erlitten hat: es fehlt die Verwandlung der Britomartis in ein Götterbild. Otto Schneider und Martini haben den Ausfall nach tv hk vSi

* iS. 155 ist dafür 'Landesherren' gedruckt.

Epigraphische Beiträge 547

lepiD της Άρτίμώος angeeetzt, was Furtwängler (Akad. S. 377 f.) verwirft, indem er vermuthet, dass das Fehlende vielmehr die Stelle des tautologiechen Zneatzee και ώνόμασαν αυτήν Άφαίαν eingenommen hahe. Es steht fest, dass er recht hat: das Emblem hat das Echte verdrängt; dass für Britomartis ihr Bild erschienen sei, muss noth wendig an den Bericht von ihrem Verschwinden angeschlossen gewesen sein. An der Stelle aber, von der Furt- wängler mit richtigem ürtheil den einzigen in der Ueberlieferung fehlenden Zug der Erzählung entfernt, nimmt er nun doch einen zweiten derartigen Defect an. Das ist nur zulässig, wenn er für ihn einen nothwendigen Inhalt aufweisen kann, und dieser Verpflichtung genügt er nicht ; denn er kann nur sagen * was hier (in dem Heiligthum der Artemis) auf Aphaia Bezügliches war, ist durch die Lücke des Textes verloren'. Was soll denn in einem fremden Heiligthum auf das Verschwinden der Bri- tomartis Bezügliches geschehen sein? Wenn hier das Heilig- thum der Artemis erwähnt wird, so ist zweifellos, dass es der Schauplatz des Erzählten gewesen ist. Es ist auch offenbar, dass dies allein zu Pausanias' Ausspruch ταύτην θεόν έττοίηοτεν 'Άρτεμις passt und dass es sich mit dem aus der Anwendung des Wortes οΤκος in der Inschrift Ermittelten zusammenschliesst. Da jedes Anzeichen fehlt, dass die Erzählung einen zweiten Verlust erlitten habe, ist seine Annahme ein unerlaubtes Mittel, um unsren Text in Ordnung zu bringen. Dem Anstoss, der an der unvermittelten Einführung des Heiligthums der Artemis ge- nommen werden kann, ist leicht zu begegnen, indem man die zweifellos nothwendige Ergänzung ungefähr so gestaltet: κάν- ταΟθα έγένετο αφανής <καΙ Ηόανον έφάνη άντ' αυτής συνίβη) bk έν τψ ιερψ τής 'Αρτέμιδος, τόν οέ τόπον κτλ. Dass nach der Lücke bk und έν ihren Platz vertauscht hätten, wäre sehr natürlich. Nachher ist jedenfalls noch ein kleiner Verlust ein- getreten, da das Object zu ώνόμαοταν fehlt, als welches Martini αυτήν einsetzt. Es wäre entbehrlich, wenn man άφ(εριυ(Ταν ΑΙγινήται <αύτή) schreibt, wo der Aasfall nach dem ganz ähn- lich auf ται auslautenden Worte leicht eintreten konnte; aus dem Dativ des Pronomens wäre wohl der Accusativ zu entnehmen. Doch mag der Schriftsteller sich auch nachlässig ausgedrückt haben; wenigstens fehlt dasselbe αυτή auch am Schluss seiner ersten Erzählung nach o\ bk θύουσιν άχρι νυν, wo freilich auch wieder der Ausfall des Wortes vor Ίουλιήται wegen des Ho- moioteleuton veranlasst sein kann.

548 Franke 1 Epigraphieche Beiträge

Betrachten wir nach diesen Einzelheiten noch einmal die ganze Inschrift. 'Als Kleoitas Priester (der Artemis) war, ist der Aphaia das Haus errichtet worden und der Altar/ Da der Altar hesonders erwähnt wird, hat er nicht in der Aedicnla gestanden, die das vom Himmel gefallene Culthild enthielt, sondern vor ihr im Freien. 'Und das Elfenhein wurde hinzugefügt* Es war also nichts Nothwendiges, sondern Schmuck; an welchem Theile des Bauwerke er sich hefand, können wir nicht wissen; doch ist die Yermuthung statthaft, dass er an der Thür angebracht war. *Und das Gitter wurde herumgelegt', nm Haus und Altar von dem übrigen Bezirk der Artemis abzusondern. Die Monumen- talität der Inschrift war, wenn auch nicht durch die Grösse des Baues, durch die Bedeutung ihres Inhalte begründet, meldete sie doch von der Aufnahme einer neuen Gottheit.

Berlin. Max Frank el.

SATZSCHLUSSSTÜDIEN ZUR fflSTORIA AÜGUSTA

I. Hadrians Autobiographie.

In der Vita üadriani beraft flieh Spartian mehrmals * auf die Seibetbiographie dee Kaieers^, und Peter hat in sorgfältiger Analyse der Vita die Meinung begründet ^ dass grossere Ab- schnitte im ganzen auf diese Quelle zurückgehn. Dass Spartian selbst die Autobiographie ausgezogen und mit einer andern Quelle (dh. mit Marius Maximus) verglichen habe, will ihm Peter frei- lich nicht recht zutrauen.

Hier führt der Satzsohluss^ weiter. Die Scriptores histo- riae Augustae wenden ihn alle an; freilich wohl nicht ohne ge- wisse individuelle Eigenheiten, die noch näher festzustellen sein werden. Für uns genügt hier zu wissen, dass auch Spartian durchaus den metrischen Satzschluss schreibt. Nun finden sich aber in der Vita Hadriani nicht bloss einzelne Stellen (die schlecht überliefert sein können), sondern ganze Abschnitte, die diesem festen Gebrauch Spartians widersprechen. Die genaue Unter- suchung dieser satzschlusslosen Abschnitte und der wenigen ein- gesprengten rhythmischen Sätze oder Sätzchen ist im Interesse der Quellenkritik nicht zu umgehn. Ich bemerke von vornherein, dass auch in 'satzschlusslosen Abschnitten sich vereinzelte Aus- nahmen finden und finden müssen, die aber nur die Regel be- stätigen : auch wer nie etwas vom Satzschluss gehört hat, schreibt

^ Historicorum Romanorum firagmenta, coli. disp. reo. Peter (Leipzig 1883), S. 324 f.

^ Die Scriptores historiae Augustae (Leipzig 1892), S. 121 ff.

^ Rhein. Mus. N. F. LVII 167, Anm. 1; hinzugekommen ist in- zwischen Skutsch, zu Favonias Eulogius und Chalcidius, Philologus LXl 193 ff.

550 ν. Winterfeld

mitunter correcte Schlüsse ; wir können ans nur wundern, dasi diese zufälligen Ausnahmen nicht häufiger sind.

Zunächst die Eingangspartie, Kapitel 1 4.

1, 1 von einem andern als Hadrian stilisirt, aber inhaltlich auf der Autobiographie beruhend. Die Satzschltisee Hispanien- sibüs manatj iemp^rihüs r^sedlsse^ xps^ cömm^m^rat eämmtlich correct.

1, 2 kaum ein Satzechlues correct: ätävüs Märyllinus ist keine Pause; und der Jambus pflegt auch meist nur in schwä- cheren Pausen zu stehn, nicht wie hier in der etärketen üomanl füit. Inhaltlich ohne Zweifel aus der Autobiographie.

1, 3 1, 5 ebenfalls. Nur der eine Satz ingenio eiiis sie ad ea declinapte, ut α nonmdlis Grüecülüs dlc^retur ist nach Inhalt und^ Form dem Kaiser schwerlich zuzutrauen.

2, 1 dagegen wird von Hadrian herrühren, der sich der echt spanischen^ Jagdlust seiner jungen Jahre auch spater nicht geschämt haben dürfte ; das folgende quare setzt diesen Satz noth- wendig voraus: mit dem fünfzehnten Jahre ist Hadrian nach Spanien zurückgekehrt, hat dort seine militärische Laufbahn be- gonnen — und ist alsbald der spanischen Nationalleidenschaft verfallen; das sieht Trajan, er will ihn herausreissen, und ruft ihn, da er als Spanier unter Spaniern nicht davon zu heilen wäre, kurzer Hand aus Spanien ab. Dazu stimmt es, dass reprehen- siönem stüdiösus ein fehlerhafter Satzschluss wäre, da nur _^, v^w-*^ und -vi^, w— -.«^ erlaubt sind.

2, 2 sicher authentisch. Zwei der vier Satzschlüsse sind correct, iüdicändis dätns und legiönis cr^ätus\ die beiden andern incorrect.

2, 4 giebt sich als Gerücht {dlcitür cömp^rlsse), wozu die rhythmisirte Form stimmt (auch ess^ cömp^riSrat),

2, 5 2, 8 knappe authentische Nachrichten (nur die sors Vergiliana ausführlich) ohne Satzschluss; die paar Ausnahmen be- weisen nichts: exercttüs mlsstts in schwacher Pause; benefictä- riürn ünt^venit in starker Pause, aber doch mit Hiatus; zweimal könnte * altlateinischer* Kretiker^ vorliegen: superiorem irüns- latus (est), sörtes cönsül^ret ; der Rest widerstrebt hartnäckig. Nur wo die paedagogi puerorutn erwähnt werden, qtws Traianus impensiüs diUgebat, zeigt Inhalt (vgl. 4, 5) und Form, dass wir

^ KiesBÜng, Neues Schweizerisches Museum V 327 ff. 2 W. Mt'yer, Gott. gel. Auz. 1893, S. 14.

Satz8chlu888tudien zur Historia Aaga8ta 551

in dem Relativsatz ein Eineohiebsel von andrer Hand, aus skan- daleüclitiger Zeit, vor uns haben. Und ebenso ist der Schluss- satz quam (sortem) alii ex Sibyllinis versibus ei provenlss^ dlae- runt natürlich auszuscheiden: wieder stimmen Inhalt und Form zusammen.

2, 9 aus dem (natürlich nicht direct benutzten, sondern von Marius Maximus citirten) Apollonius Syrus^ Die Satzschlüsse imp^rn möx füttlri, manänt^ respönso^ librts suis Indtdit sämmt- lich correct.

2, 10 aus Marius Maximus, dem soeben auch das Apollonius• citat entnommen war. Die Satzschlüsse dem entsprechend cor- rect: pleniOrem rMiU faventS Plötlna (was 4, l. 4 wiederkehrt), dicit völente.

3, 1 der erste Satz ein kurzes Datum ohne Satzschlnss, also aus der Autobiographie. Das daran angeknüpfte Histörchen von der Verspottung seines Dialekts und seinem £ifer, den Dia- lekt abzulegen, zeigt, wie billig, correcten Satzschlnss: pronüri' tiäns risus (esset), und (allerdings in starker Pause) operäm dSdit.

3, 2 bereitet zunächst Schwierigkeiten. Inhaltlich ist dieser Paragraph ohne Zweifel κ&ηζ, wie Spartian es für die zweite Hälfte bezeugt, der Autobiographie entnommen; aber die Form ist durchaus rhythmisch: nur zu Anfang der altlateinische Kre- tiker senütüs cürämt; sonst familüriüs pros^cütus {est), mörtbüs obsiSquentem, locupletlssime mün^rätum. Wörtlich herübergenom- men ist also wohl nur das erste Grlied post quaesturam acta se- natus curavii; die andern sind umstilisirt. Und zwar ungeschickt. Denn Trajan wird wohl kaum den Hadriau ' wegen seiner Theil- nahme an der kaiserlichen Trinktafel begabt haben. Der 'schrift- stellernde Kammerdiener'^ mag die Sache nach seinem Auf- fassungsvermögen pragmatisirt haben. £r findet bei Hadrian, dass dieser sich den Trinkgelagen des Kaisers nicht habe ent- ziehen können, und dann weiter, dass Trajan ihn (wohl gar bei einem Gelage) beschenkt oder befördert habe ; da ist sein Schluse fertig: post hoc: ergo propter hoc.

3, 4. 5 trotz des adserit nicht umstilisirt, und daher ohne Satzschluss: man darf nur für in quo magistratu . . omen sibi

^ Für diesen völlig unbekannten Autor hat auch die Gelehrsam- keit und der Sammelfleiss des J. A. Fabricius (Bibliotheoa Graeca, cur. Harless, Hamburg 1790 ff., ΙΠ 162. IV 278) keinen zweiten Beleg auf- treiben können.

^ Kiessling aaO.

552 ▼. Winterfeld

factum adseritf guod paenvlas cuniserit einsetzen owiem ei factum estf und amisit^ so hat man den arspronglicben Wortlaut. Der Antor ist alfK> hier zn träge gewesen, auch nur die Conseqnenz des Citates za ziehen und den Satz zu rbythmisiren. Nor der Hinblick auf seine Zeit unde hodieque imperatares sine paenulis α togütis videniur zeigt wieder den Satzscbluss.

3, 6-3, 10 ans der Autobiographie; kein Satzscbloss aoseer 3, 7: qu€tre adamante gemma^ quam Trctianus α Xerva acceperatj donatus ad spem suceessioms erectus est. Aber diese Stelle ist verdächtig. Zwar wäre der immerhin überladene Ausdruck nicht schlimmer als 2, 5 missus translatus est; aber es ist plump, dass die Bedeutung der symbolischen Handlung ausdrücklich angegeben wird. Ich meine, ad spem successionis erectus stammt nicht von Hadrian, sondern ist späterer Einschub.

3, 11— 4, l, wo abermals die Begünstigung durch Plotina erscheint, sind wieder gut rhythmisirt : familiäriiäs crebrüity im- peratör^ dtctäv^raf, (empört desfinütus (est): Klatsch k la Marias Maximus.

4, 2 glaube ich wiederum die Autobiographie zu erkennen: der Inhalt schliesst eich ungezwungen an 3, 10 an: 'jetzt endlich hatte die Zurücksetzung von Seiten der Freunde Trajans ein Ende; bisher hatten ihm nur folgende nahegestanden.*

4, 3 dagegen mit dem indirecten Vorwurf der Grausamkeit und dem Satzschlues iyrünnidis lüpsis wird ganz auszuscheiden sein, zumal der unbedingt unechte Zwischensatz ohne eigne Pause geblieben ist: der Ditrochäus allein Ins^cütus {est) genügt wohl für Cicero, aber im allgemeinen nicht mehr für die Historia Augusta.

4, 4— 4, 5 müssen gleichfalls fallen : 4, 4 enthält wieder den favor Plotinaey 4, 5 ein Gerücht (ppinio mültä firmävit) skanda- löser Art; natürlich dem entsprechend Satzscbluss.

4, 6 4, 7 erkennen wir in den satzschlusslosen Daten vom 28. und 30. Juli 118 noch einmal die Autobiographie: da hat Hadrian die Nachricht von der officiellen Adoption und gleich darauf vom Tode Trajans erhalten und diese Daten (nicht die, wo die Ereignisse wirklich eingetreten waren, sondern die, wo er die Nachricht erhielt) hat er der Berechnung seiner eignen Regierung zu Grunde gelegt.

4, 8 4, 10 blosse Gerüchte über andere Adoptionspläne Trajans. Satzschluss.

Damit sind wir bei der ersten Epoche in Hadrians Leben,

Satz8cblu888tudien zur Historia A^ngusta 553

bei Reiner Thronbesteigung, angelangt. Von hier an verläset uns der unmittelbare Wortlaut der Autobiographie mehr und mehr ; fast alles zeigt den metrischen Satzschluss. Wenn Peter auch den zweiten Theil als eine für Hadrian sehr parteiische Ge- schichte bis zum Jahre 134 charakterisirt, und nach einer Be- merkung Plews betont, er zähle chronologisch die ersten Re- gierungehandlungen auf, ordne aber nach Eigenschaften (was doch Hadrian selbst ganz gewiss nicht gethan haben wird), so stimmt dazu die Beobachtung des Satzschlusses. Von hier ab sind fast alle Nachrichten, so weit sie überhaupt in der Auto- biographie gestanden haben, durch das Medium des Marius Ma- ximus benutzt, und dem entsprechend umstilisirt. Nur ganz ver- einzelt begegnen auch noch jetzt unrhythmische Notizen; aber sie sind selten und dann meist von geringem Umfange.

5, 1 Friedensvorsätze beim Regierungsantritt.

6, 3 Hadrian lehnt es ab, den letzten dem todten Trajan zukommenden Triumph sich selbst zuerkennen zu lassen. Aber die triviale Begründung ut optimus imperatar ne post mortem quidem triumpki amitt^ret dlgmtäfem wird Zusatz sein.

6, 6 8 mit seinen zwar nicht geradezu fehlerhaften, aber seltenen Schlüssen : zweimal altlateinischer Kretiker tempäs prae- fecit und päcem cömpösüit, ferner Moesiäm petitj nur einmal und gerade in schwacher Pause stipendiis qu^Srehatur: Dispositionen im Orient.

6, 9 (Jneigennützigkeit bei Confiscationen.

10, 2 über sein einfaches Leben im Lager (p. 12, 4 dbis 12, 7 Traiani) und 10, 3 Mannszuoht (p. 12, 9 siquidem 12, 12 abesse).

11, 2 der Feldzug nach Britannien, wo aber die letzten Worte (mumm,) qui barbaros Romnvdsqu^ dtvtd^ret wiederum sich nach Sinn und Form als Einschiebsel kennzeichnen.

18, 3 ff. scheint hie und da der ursprüngliche Wortlaut durchzuschimmern: 18, 3 und 18, 5 (üneigennützigkeit bei Pro- scriptionen und Erbschaften), ferner 18, 7 (Milderung der Sklaven- gesetze) sind Satzschlusslos, der nächste eng anschliessende Satz hat nur den altlateinischen Kretiker. Wie weit hier ausserdem die wörtliche Entlehnung noch geht, wage ich nicht zu entscheiden.

19, 1 Amtsdaten, und daran angeschlossen Bemerkungen über Bauten und Spiele im allgemeinen (19, 2), in Athen (19, 3), in Rom (19, 4 ff.). Aber 19, 4 ist wohl Einschiebsel (scaeni- cum avocävit), ebenso 19,5 die V^i orte post cetercts inmenHssimüs

554 ν. Winter fei d

völüptätes; der Sohlues des Kapitels (19, 6 19, 3) iet mindestens nmstilisirt.

Kapitel 22 (Sorge für Recht und Brauch) ist ganx satz- echlusslos: in 21 Zeilen finden eich nur folgende mehr oder we- niger erlaubte Schlüsse: saepissime dMit, togZUüs pröcessity spönt^ dltüvitj peregflnä cOntempsit^ frequent^r aüdivit, öptümls s^nütdribus, Äfricüms dilectus {est)j also kaum ein Drittel, und auch davon sind nur drei rein kretisch. Hier haben wir also wieder die durch ihren knappen Stil genugsam erkennbare eatz- schlusslose Quelle vor uns. Denn auch die beiden satzechluss- losen Sätze 22, 12 (lacum Fucinum emisit) und 22, 14 (Hadrian in Afrika), die Peter mit Recht hier ausgeschieden hat, sind wohl durch das Ungeschick des Biographen an diese Stelle gerathen, stammen aber aus der gleichen Quelle, wie der Haupttheil des Kapitels. Dass dies die Autobiographie war, erecbeint mir sicher; auch das printtis 22, 8 {ab epistulis et α libellis primus equites Romanos habuit) besagt nicht, dass es dann nachher andere Kaiser ihm nachgethan haben, sondern nur, dass es niemand vor ihm gethan hatte.

Wer diese Abschnitte auf ihren Inhalt hin prüft, wird, von den rhythmischen Zwischensätzen abgesehen, absolut nichts darin finden, was nicht in der Autobiographie gestanden haben könnte ; dagegen sehr vieles, was nur aus ihr stammen kann. Darnach erscheint der Schluss unausweichlich: wie im übrigen Marius Maximus die Quelle ist, so ist es für diese satzschlusslosen Ab- schnitte die Autobiographie, und zwar wörtlich, soweit nicht etwa eine unwillkürliche Ungenauigkeit des Benutzers, dh. nunmehr doch wohl des Spartian selbst, oder ein Fehler der Ueberliefe- rnng eine Ausnahme bedingen. Denn wenn wir annehmen wollten, die Autobiographie sei nur indirect benutzt, so wäre es recht auffällig, dass hier trotz des complicirten Weges der ursprüng- liche Satzschlusslose Wortlaut so sorgfältig bewahrt worden ist

Freilich erhebt sich hier ein Einwand, an dem die sonst wohlbegründete Annahme zu scheitern droht. War die Auto- biographie Hadrians lateinisch oder griechisch geschrieben? Hören wir, was Spartian selbst sagt, 16, 1 : famae celebris Hadrianus tarn cupidüs fuU, ut libros vitae suae scriptos α se libertis suis dM^rlt lltt^rätls^j iubens, ut eos suis noimnibüs pÜbUcürent; nam et Phlegonfis Ubri Hadriani ess^ dicüntur. Darnach weiss Spar-

^ So ist der Satzschluss herzustellen: UttertUit dederit vg.

Satz8chla888tadieii zur Historia Augusta 555

tian von einer unter Phlegons Namen gebenden, also grieohiechen Selbstbiographie des Kaisers; aber benutzt hat er nicht sie, son- dern, so schliesse ich, eine lateinische, die Hadrian vielleicht auch zunächst einem seiner Freigelassenen zur Veröffentlichung übergeben hatte, bei der sich dann aber der Name des wahren Autors durchgesetzt hatte. Aus Phlegons Schrift hätte er die Citate Hadrianus ipse commemorat (1, 1) usw. nimmer in dieser Form geben können, da er hier der Autorschaft des Kaisers ja gar nicht gewiss ist. Dagegen ist Phlegon benutzt in der Vita Saturnini des Vopiscus, c. 8 : dort zeigt der Brief Badrians ^ ziemlich sorgfältigen Satzschluss^ und die Diction ist die des Vopiscus; ob der Brief echt ist oder nicht, kann ich hier un- erörtert lassen : er ist jedenfalls aus dem Griechischen übersetzt, wie noch jetzt die Worte alassontes versicolores (p. 226, 9) zeigen. Und es ist nichts Unerhörtes, dass wir eine lateinische und eine griechische Fassung der Selbstbiographie neben einander treffen: das nächste Vorbild ist die Selbstbiographie des Augustus, das Monumentum Ancyranum, bei dem freilich die doppelte Redaction andere Gründe hatte; doch mochte der £influss dieses Vorbildes auch auf Hadrian wirksam sein.

n. Zur Textgeschichte und Textkritik.

Die Untersuchung hat sich bis hierher ganz auf den Satz- schluss gegründet. Ich füge nunmehr noch einige Bemerkungen über einzelne Stellen der Historia Augusta an, die sich mit Hilfe des Satzschlusses herstellen lassen.

Hadr. 4, 10 nee desunt qui factiön^ Plötinae mortuo iam Traiano Hadrianum in adoptionem adscifum ess^ prödid^rint^ supposito qui pro Traiano fessa vocä loquehatur. Hier hat die Ueberlieferung loquebatur mit Correctur in löqu^retur. Gram- matisch richtig ist nur der Conjunctiv, und nur ihn erkennt der Satzschluss an.

Hadr. 15, 1 amicos ditavit et quldem nön p^SdnteSf cum pe- tenftbüs nihil negaret. Der Satzschluss verlangt ηϊΐ nPgüret, Ebenso ist Aurel. 10, 1 curiösttäs nll riScüsai zu schreiben.

Hadr. 17, 6 zerstört parieti an der Stelle, wo Peter es mit Kellerbauer einschiebt, den Satzschluss; es niuss wohl heissen

1 Darüber Peter S. 188 f.

^ Die Ausnahmen (p. 225, 19 vivai otiosus und p. 225, 23 otiasi vivunt: p. 226, 1 morata civitas; p. 226, 11 convivUs adhibeas) ent- sohuldigt die Uebersetznng.

556 ν. Winterfeld

cum quodam tempore veleranum quendam notum sibi in mäitia dorsum ei ceteram pariem corporis (^parieti) vidissH ädflir^re.

Hadr. 18, 0 wird doch wohl der einzige Verstoss durcb eine kleine Aenderang zu beseitigen sein: de thesauris ita cavU, «ist qnis in suo repperisset, tps^ pöt^retur^ si quis in alienOy dimidium dominö dar et ^ si quis in publicOy cum fisco aequabtlUer pQrtiretwr. Die üeberlieferung hat ipse potiretur. Ebenso ist Tac. 10, 2 ne quid per noctem sedUiönis Ör^retur zu verbessern.

Äurel. 5, 1 ist die von Lessing im Lexicon s. v. legere mit Recht gebilligte Ergänzung multa superflua in eodem leglss^ (n^^ memini nicht bloss dem Sprachgebrauch gemäss und graphisch elegant, sondern sie wird auch vom Satzsohluss gefordert.

Aurel. 15, 6 ist nur das vom Sprachgebranch geforderte Futurum zulässig: sed noSy ut solemus^ hone quoque rem in m^- dtö r^tlnquemus] vgl. 16, 3 Ver. 11, 4 Prob. 3, 3.

Aur. 19, 6 ist Cramers Aenderung falsch, die überlieferte Lesart fata rei p., quae sunt aefernä, perqulrite richtig. Aber weit wichtiger , von grundlegender Bedeutung für die Text- geschichte und Kritik der Historia Augusta, ist es, dass 'post perquirite volg. haec add.: pufrimis watrimisque pueris cürmi^n Itidlctte: nos sumptum sacriSy nos apparatum s<icrificiiSy nos agris ambarväliä ^nd^cem^s* So Peter im Apparat der zweiten Aus- gabe ; in der ersten waren diese Worte ganz weggeblieben, und ebenso hat Lessing diese zwei Sätze in seinem Lexicon bei Seite gelassen. Aber sie sind echt, so echt oder unecht wie die ganze lange Rede des Ulpius Silanus. Die ambarvcdia wer- den nachher wirklich angesagt (20, 3), und entsprechend dem ersten Satz heisst es kurz canfata carmina. Aber man wird viel- leicht einwenden, gerade aus der späteren Stelle habe ein Ge- lehrter der Renaissance sich den Stoff zu jenen Zusätzen geholt Das trifft indessen nicht zu. Weder hätte er dorther die cor• recte Erwähnung der patrimi mairimique pueri nehmen können, noch würde er sich auf jene zwei Sätze beschränkt, sondern voll- ständige üebereinstimmung des Geforderten und Ausgeführten hergestellt haben. Dazu kommt nun der Satzschluss, der die beiden beliebtesten Formen aufweist. Dass der Ditrochäns durch

iv» ersetzt wird, ist ganz in der Art des Vopiscus; vgl. zB.

gleich 19, 4 eriipisse^ und 20, 5 iracfaretis. Auch der Hiatus ist für Yopiecus unbedenklich, der zB. 22, 1 gleichfalls in Starker Pause sogar impermm iter ßescit schreibt. Es wird also noth- wendig sein, dass bei der Wahl des Ersatzes ftir die Editio

SatzBchlussstudicn zur Historia Augusia 657

princepe^ auf diese Stelle besondere Rücksicht genommen wird. Auch auf das jetzt durch einen Murbacher Katalog aus der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts^ verbürgte hohe Alter des Mur- bacensis darf hier wohl hingewiesen werden, und auf die Tbat- sache, dass die üeberlieferung der Historia Augusta in Murbach, wo soviel irische Handschriften lagen, und die Excerpte des Se- dulius in dem Cusaner Florilegium^ für die Textgeschichte der Historia Augusta schwerer wiegen müssen als die angelsächsische Schrift des Bambergensis, dessen Bruder oder Vater in Rom ge- wöhnliche fränkische Schrift zeigt*.

Aur. 37, 5 f. nam multi ferunt QuinHUumy fratrem Claudii, cum in praesidio Italico esset, audita morte Claudii sumpsJss^ Imperium', verum posiea, ubi Aurelianum cömp^rit Imp^rärCj α toto exercitü \ea\ der^lictum, cumque contra eum contionaretur nee α miUfibüs aüdiretur, incisis sihimei venis die vicesimo imperii sui perisse. Hier ist ea einfach zu tilgen: ΣΛ ist falsche Wieder- holung der ersten Züge von EXEBCITV^, und man darf nicht eum herstellen, was hier ganz überflüssig ist und den Satzschluss verdirbt. Wie der Schluss herzustellen ist, wird sich vorläufig nicht mit Sicherheit ausmachen lassen. Für wahrscheinlich halte ich incisis sibimet venis, die vicesimo imp^rvl 3lc p<^rtsse. Lessinge

1 Peter in Bureians Jahresbericht LXXVH (1893 II) S. 150 ff.

2 Bloch, Strassburger Festschrift zur 46. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner (1901), S. 271, Nr. 268 Vita cesarum vd tirannorum ab Melio Adriano usque ad Carum Carinum libri VII; und dazu meine Notiz, Neues Archiv für ältere deutsche Geschichtskunde XXVII 527 f. Ich bin nicht im Zweifel, dass das dieselbe Murbacher Handschrift ist, die Frobenius für die Erasmische Ausgabe von 1518 be- nutzt hat, und auch dieselbe, aus der in der gleichen Druckerei Beatns Rhenanus und Burer 1520 den Velleius Paterculus herausgegeben haben. Aber wie kommen die sieben Bücher heraus? Die Üeberlieferung des werthvollen alten Cataloges ist jung und schlecht. So ist es ganz un- bedenklich, daraus herzustellen usque ad Carum Carinum LVII; denn soviel sind es nach dem Index der Bamberger und der Palatinischen Hs. (Peter I S. XIII) : L VI eiusdem Firmus, Saturnimia, Proculus et Bonosus. L VII eiusdem Carus, Charinus et Numerianus.

^ Mommsen , Hermes XIII 298 ff. ; Traube , 0 Roma nobilis S. 364 f.

^ Chatelain, Paleographie des classiques latins, pl. 191.

^ Viele Beispiele für die Vertauschung von Ä und X bei W. Heraeus, Quaestiones criticae et palaeographicae de vetustissimis codi- cibus Livianis (Berlin 1885), S. 96 f.

558 y. Winter feld Satzschlnssetudien zur Hietoria Augueta

Lexioon 8. v. imperium (S. 262^) kann zeigen, daes sui bei solchen Datirnngen wegzubleiben pflegt; aber es wird die Darlegung dee Sprachgebranche von ^c abzuwarten sein, ehe man ein znyer- sichtlich es Urtheil abgeben darf.

Tac. 14, 5 werden die Worte post Interregnum prlncipes nüncüpüii mit Unrecht seit Salmaeias gestrichen; ohne sie ist kein rhythmischer Absohluss da.

Tac. 15, 4 hat eine kleine Interpolation yeranlasst, dem Text mit Umstellungen oder mit der Annahme einer Lücke zu Leibe zu gehn, während der Satzschluss lehrt, daes ein einziges Wort ge- strichen werden muss, das hinzugefügt worden ist, weil man einen Gräcismus nicht verstand. Ich gebe gleich die richtige Lesart an: die Wahrsager handeln sehr klug, gleich auf tausend Jahre im voraus zu prophezeien, quia, si post centum annos praedi- cerefit, forte possent [eorum] deprehendi mendäciä pulttcentesy cum via; remanere talis posstt htstöria^ dh. ^man könnte alsdann nach- weisen, dass sie Lügen prophezeiten, während sich das Gedächt- niss einer solchen Geschichte tausend Jahre lang gewiss nicht lebendig hält*.

Berlin. Paul v. Winterfeld.

ZUR UEBERLIEFERUNG DER GESCHICHTE

ALEXANDERS D. GR.

Kaum eine andere Zeit ist Gegenstand so vielfacher Qnellen- nnterfiuchangen in den letzten Jahren gewesen, als die Zeit Ale- xanders des Grossen, gleichwohl entspricht das Ergebnise der auf- gewandten Mühe nur in geringem Masse, nnd die Ansichten stehen mit einander in so schroffem Widerspruche, wie kaum auf einem anderen Gebiete der geschichtlichen Forschung. Will man zu einem richtigen ürtheil über die üeberlieferung der Alexandergeschichte gelangen, dann muss man mit verschiedenen Vorstellungen bre- chen, unter deren Bann ein grosser Theil der Untersuchungen steht, und zunächst die richtige Beantwortung verschiedener lit- teraturgeschiohtlicher Fragen zu gewinnen suchen, ehe man die Frage nach den in der erhaltenen Literatur benutzten Quellen auf werfen darf. Unter den Historikern, welchen besonders weit- gehender Einfluss auf die überkommenen Darstellungen von Ale- xanders Regierung zugeschrieben wird, steht mit in erster Linie der im Ausgange der Republik und zu Beginn der Eaiserzeit in Rom lebende Alexandriner Timagenes. Glaubt doch G.Landgraf (Berl. philol. Wochenschrift 1901 S. 410 14) in der von Wagner in den Jahrbüchern f. class. Philol. Supplbd. 26 S. 91 167 herausgegebenen epitome rerum gestarum Alexandri Magni den Auszug eines im 4. oder 5. Jahrhundert n. Chr. lebenden Schrift- stellers aus einer lateinischen Bearbeitung der griechischen Ale- xandergeschichte desselben erkennen zu dürfen. Man hat damit ihm eine Bedeutung beigelegt, die ihm nicht zukommt, und es dürfte angezeigt erscheinen, gegen die auf unhaltbaren Voraus- setzungen aufgebaute Timageneshypothese Einsprache zu erheben.

1. Timagenes und die Alexanderüberlieferung.

Nur wenige unsichere Mittheilungen über die Schriften des Timagenes sind auf uns gekommen, gering ist auch die Anzahl

560 Reuse

der Fragmente, die wir aus ihnen besitzen. Der die Aufmerk- eamkeit auf ihn lenkte, ist kein Geringerer gewesen ale Gustav Schwab in seiner Abhandlung de Livio et Timagene aemnlis, Stutt- gart 1834; er sprach die Vermuthung aus, dass der bei Livine IX 17 ff. gegen die 'levissimi ex Graecis gerichtete Tadel auf ihn gemünzt sei. Von dieser Annahme ausgehend erklärte Gutschmid (Rhein. Mus. Bd. 37 S. 548 ff.) die historiae Philippicae des Trogus Pompeius für die Bearbeitung eines griechischen OrigiDal- Werkes, dessen Verfasser Timagenes gewesen sei, eine Hypothese, die Wachsmuth (Rhein. Mus. Bd. 46 S. 465—79) dahin modi- ficirte, dass zwar neben Timagenes noch andere Quellen benutzt seien, auf diesen aber eine Reihe charakteristischer £igentbüm- lichkeiten wie die augenfällige Feindschaft gegen Rom und die Hinneigung zu den Parthern zurückzuführen sei. Seine Sporen in der Alexanderüberlieferung suchte dann nachzuweisen J. Kaerst: Beiträge zur Quellenkritik des Q. Curtius Rufns Gotha 1878, Forschungen zur Geschichte Alexanders d. Gr. Stuttgart 1887, und Untersuchungen über Timagenes in Philologns Bd. 56. Dagegen fehlte es auch nicht an Stimmen, welche sioh gegen diese Annahme ausgesprochen haben; so erklärte E. Meyer (Gesch. d. Alterth. U S. 23), die Hypothese, dass Trogus eine Umarbei- tung des Timagenes sei, sei nicht erwiesen und lasse sich nicht erweisen, und Soltau (Hermes XXIX S. 614 A. 3) glaubte, för Livius' Diatribe keine besondere Quelle annehmen zu dürfen. Vor allen hat aber in letzter Zeit Schwartz (Pauly-Wissowa im Artikel Q. Curtius Rufus) gegen die Schwäbische Hypothese scharfe Stellung genommen und mit gewichtigen Gründen ihre Unhaltbarkeit dargethan. Von einer Alexandergesohichte des Timagenes, so führt er aus, ist uns nichts bekannt, die erhaltenen Fragmente weisen vielmehr ausnahmslos auf eine Diadochen- geschichte hin. Ebenso wenig ist uns überliefert, dass er jemals im Solde des Partherkönigs gestanden hat, wir wissen nur, dass er sich durch gelegentlich geäusserte Bosheiten und Taktlosig- keiten die Gunst des Augustus verscherzte. Der Vorwurf des Livius läset sich mit weit grösserer Berechtigung auf andere griechische Zeitgenossen beziehen, von denen Dionys. Halic όρχ. 'Ριυμ. Ι 4, 3 schreibt: 'von den Zeitgenossen klagen die Uebelgesinnten das Schicksal an, dass es das nichtewürdigste aller barbarischen Völker mit den Gütern der Griechen bereichert habe, ja einige Schriftsteller haben sich sogar erfrecht, dies schriftlich zu hinterlassen und haben als echte Sklaven und

Zur üeberlieferung der Geschichte Alexandere d. 6r. 561

Schmeichler barhariechen Königen zu Liebe Schriften verfaeet, die weder unparteiiech noch wahr sind.' Dies ist die Anffaesung, die auch LiviuR bekämpft, wenn er sich gegen die nichtswürdigen Griechen wendet, welche selbst den Parthern ihre Sympathieen widmen nnd behaupten, das römische Volk würde schon vor dem Namen Alexanders des Grossen gezittert haben. Dionysios kann, darin muss man Sohwartz beistimmen, Timagenes nicht im Auge gehabt haben, auf diesen treffen die Worte: οίς οουλευοντες καΐ καθ' ήδονήν ομιλούντες in keiner Weise zu. Er ist im Jahre 55 V. Chr. nach Rom gekommen und ist in Italien gestorben (Suidas έτελεύτησεν έν *Αλβάνψ, Seneca de ira III 23). Aus der Zeit, da der Krieg zwischen Octavian und Antonius auszu- brechen drohte, ist eine von Müller (Fr. H. Gr. Ilt S. 315 ff.) nicht beachtete Nachricht über ihn erhalten, die auf eine ein- flussreiche Stellung in Bom schliessen lässt; Plut. Anton, c. 72 καΐ γάρ ΆλεΗας ό Λαοοικεύς γνωρισθείς μέν έν 'Ρώμη bxä Τιμαγένους και πλείστον * Ελλήνων δυνηθείς. Er war beliebt bei der ganzen Bürgerschaft, selbst die spätere Ungnade bei dem Kaiser verschloss ihm das Haus keines einzigen Römers (Seneoa aaO.). Auf eine besonders scharf hervortretende Feindseligkeit gegen das Römervolk lässt dies nicht schliessen; wenn er daher als Feind der Stadt Rom bezeichnet und berichtet wird, er habe bei einem Brande derselben sein Bedauern darüber ausgesprochen, dass die Stadt aus ihm nur um so schöner wieder erstehen werde, so kann dies nur eine der gelegentlich gemachten boshaften Aeusserungen sein, wie sie damals wohl vielfach von ihm um- liefen (Seneca ep. 91 u. Controv. 34 a quo multa improbe, sed venuste dicta). Seine Zunge verschonte niemanden, selbst nicht den Herrseber und das Herrscherhaus (Seneca de ira III 23 ; Controv. 34; Plut. de adul. c. 27)^; da alle Warnungen nichts fruchteten, verbot Augustus ihm schliesslich sein Haus. Auch nachdem er die Freundschaft des Kaisers verscherzt hatte, zogen seine Freunde sich von ihm nicht zurück, und dieser selbst ver- dachte es einem Asinius Pollio in keiner Weise, dass er in per- sönlichem Verkehr mit dem spottsüchtigeu Griechen blieb. Ans allen Zeugnissen geht hervor, dass Timagenes im alltäglichen

^ Auch in den von Plut. quaest. conv. 1 13 citirten Worten: καΐ προς *Αθηνόοωρον τόν φΐλόσοφον, εΐ φυσική ή προς τά έκγονα φιλο- στοργία ist eine Beziehung auf Octavian, den Schüler des Athenodoros, enthalten.

Bhelo. Mue. t PhiloL N. F. LVIL 36

562 R e η 8 8

Verkehr eeine Neigung zum Spott Dicht zu zügeln yeretand, darum braucht aber noch nicht der Vorwurf des blinden Römer- haesee, wie ihn Livins ausspricht, an seine Adresse gerichtet zu sein. Ausser auf die von Schwartz angeführten Worte des Dio- nysios kann auch auf eine Stelle Plutarchs hingewiesen werden, die uns nahelegt, dass die Frage, ob Alexander, wenn er nach Italien gekommen wäre, die Römer besiegt haben würde, damals die Gemüther in Rom vielfach beschäftigt haben muss. In der Rede des blinden Appius Claudius gegen den Frieden mit P^'rrhus heisst es Plut. Pyrrh. c. 19: που γάρ υμών ό προς Απαντάς θρυλούμενος άει λόγος, ώς, εΐ παρήν εκείνος είς Ίταλίαν ό μέγας ΆλέΕανδρος καΐ συνηνεχθη νίοις ήμΐν και τοις πατράσιν ημών άκμάίουσιν, ουκ ύμνεϊτο νυν ανίκητος, άλλ' ή φυγ\υν ή που πεσών ενταύθα την 'Ρώμην ένδοΕοτέραν άπέλιπε, ν^Ι. Αρρ. Samn. c. 10, Oros. IIJ 15, 10. Diese Worte hat Plutarch gewiss auch Dionyeios von Halikarnass entnommen, den er ja neben Hieronymos von Kardia benutzt. Ist der Satz, dass Ale- xander bei einem Angriff auf Rom den Ruf der ünbesiegbarkeit eingebüsst haben würde, ein damals in allen Tonarten behandeltee Thema gewesen, dann hat es gewiss auch an Gegenerklärungen nicht gefehlt und es wird misslich einen bestimmten Namen für den Uebelthäter auffinden zu wollen, über den Livius die Schale seines Zorne ausgiesst. Damit wird der Hypothese Schwabs der Boden entzogen, und mit dieser fallen auch alle auf ihr auf- gebauten Combinationen zusammen.

Von Timagenes soll auch die ungünstige Beurtheilnng stam- men, die Alexander bei Trogus und Curtius erfahrt. Diodors ürtheil über Verfehlungen des Königs ist ein mildes, bei Trogus und Curtius hat die mit diesem gemeinsame Vorlage (Klitarch) durch eine Mittelquelle di. Timagenes, der Gurt. IX 5, 21 citirt wird, eine Fassung erhalten, in der über jenen ein scharfes Ver- dammungsurtheil ausgesprochen wird. Dieser Mittelqnelle soll auch Livius die Thatsaehen entnehmen, mit denen er sein hartee Urtheil über den Makedonierkönig begründet. Der Gegner, mit dem der römische Geschichtschreiber sich auseinandersetzt, ist sicher ein Zeitgenosse: IX 18, 9 non intellegunt se hominis res gestas et eius iuvenie cum populi iam octingentesimum bellantie annum rebus conferre, aber in der Annahme, dass er Alexander ungünstig beurthellt habe, liegt ein innerer Widerspruch, Livius hat grade das an ihm auszusetzen, dass er diesen auf Kosten der Römer erhebt. Von den Fragmenten des Timagenes nimmt nur

Zur üeberlieferung der Geschichte Alexandere d. 6r. 563

eine (Curt. IX 5, 21) auf die Zeit Alexanderfl Bezug, ohne Zweifel fand er indessen in dem Werke π€ρι βασιλέων oft Gelegenheit, auf die Thätigkeit seiner Feldherrn, der Begründer neuer Dy- nastieen, zurückzugreifen, ohne damit eine eigentliche Alexander- geschichte zu liefern. Als Historiker genose er nach Quintilians Zengniss (X 1, 75) Ansehen, es ist daher leicht erklärlich, wenn gelegentlich auch Curtius sich auf das Zeugniss des ihm zeitlich nahestehenden Schriftstellers beruft, ohne dass man deshalb tiefer- gehende Benutzung seitens desselben annehmen darf. Auch für die parteiische Behandlung des Königs, wie sie bei Trogus und Curtius vorliegt, ist nicht er verantwortlich zu machen, diese geben das Urtheil wieder, welches unter den damaligen Römern allgemeine Geltung gewonnen hatte. Wie sie urtheilte auch Vel- leius Paterc. II 51 magno illi Alexandro, sed sobrio neque ira• cundo, und mit ganz besonderer Schärfe Seneca, dem vielleicht die Darstellung von Curtius nicht unbekannt gewesen ist (ep. 59, 12 gentes ne finitimie quidem satis notas und Curt. ΥΠ 8, 5 nationem ne ünitimis quidem satis notam ; ep. 56, 9 otii vitia negotiis discuti und Curt. ΥΠ 1, 4 otii vitia negotio discuti, vgl. Klebe Philol. N. F. Υ S. 151 A. 2). Unersättliche Ländergier ist die Triebfeder des Königs und lässt ihn nicht einmal an den Grenzen Halt machen, die Hercules und Bacchus gesteckt waren (ep. 15, 2). Glückliche Yerwegenheit schafft ihm Erfolg, aber dem Raubthiere gleichend, das mehr mordet, als sein Hunger verlangt, ist er der Henker seiner Freunde, eine Gotteegeissel der eroberten Länder geworden (de benef. I 15). In wahnwitziger Yerblendung kennt er nur das eine Ziel, der Schrecken der Yölker zu sein, gebietet er den Lakedaimoniern• Sklavendienste und den Athenern Schweigen. Mit Unrecht führt er den Namen des Grossen, denn der Sieger über so viele Yölker erlag der eigenen Leidenschaft und dem Zorne. Gegen diese Herabsetzung des grossen Königs erhoben Widerspruch Plutarch in der durch- aus polemisch gehaltenen Schrift π€ρΙ της ΆλεΗάνδρου τύχης und Arrian in seiner όνάβα(Τΐς ΆλεΕάνορου. Wenn bei Curtius das Bild Alexandere verunglimpft ist, so trägt die Schuld daran nicht die Yorlage, die er benutzte; immer wieder bricht auch bei ihm die Bewunderung durch, die dem Makedonier gezollt wird, und wiederholt sieht er sich zum Zugeständniss genöthigt, dass seines Helden Anlage von Haus aus gut und tüchtig ge- wesen sei. Curtius ist mit einem Yorurtheil, das von vornherein feststand, an seine Aufgabe gegangen, er wiederholt nur die

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Kritik, die vor ihm Liviue an dem Könige geübt hatte. Daee die Aaedrncksweise dieses Alexanderbiographen von der des römischen Gesohicbtscbreibers abhängig ist, ist eine schon oft hervorgehobene Beobachtung \ dass er sich auch in seinem Ur- theil über Alexander durch ihn hat beeinflussen lassen, ergiebt die Vergleichung mit Liv. IX 17 19.

Mit Livius tbeilt Curtius die Geringschätzung der Griechen: yill 5, 7 qui profeesionem honestissimarum artium maus cor- ruperant moribus, vgl. IV 5,11; VIII 10,12. Die Erzählung von Alexanders Edelmuth gegen die königlichen Frauen giebt ihm Anläse, mit den gleichen Worten, wie jener, auf die spä- teren Ausschreitungen des Königs hinzuweisen: Liv. IX 18, 4 referre piget . . . foeda supplicia et inter vinum et epulas caedes amicorum, vgl. Curt. III 12, 19 sie abstinnisset inter epulas et vinum caedibus amicorum, VIII 2,6. 8; 3,8; 4,30. An Liv. IX 18) 1 u. 2 'de Alexandro nondum merso seoundis rebus .... qui ei ex babitu novae fortnnae novique ut ita dicam ingenii, quod sibi victor induerat, spectetur, Dareo magis similis quam Alexandro in Italiam venisset' erinnern: Curt. III 12,20 sed non- dum fortuna se animo eins superfuderat, VI 6, 5 sed cum illis quoque mores induerat saperbiamque habitus animi insolentia sequebatur (X 1, 40), VI 6, 10 regem viotis quam victoribui similiorem. Von den Freunden forderte Alexander fusefallige Verehrung : Liv. IX 18, 4 desideratas humi iacentium adulationes, vgl. Curt. VI 6, 3 iacere humi venerabundos, VIII 5, 6. Der Tadel über die super ba vestis mutatio kehrt bei Curt. VI 6, 4 wieder, über die Neigung zum Trünke V 7, 1 ; X 5, 34, über den Jäh- zorn III 12, 19; IV 2, 5; 4, 17; 6, 27; VI 2,4; VIII 5,22; 6, 1 ; X 5, 34, über die vanitas emetiendae stirpis IV 7, 25 und 30; VIII 5, 5; X 5, 33. Wie der König, ist auch das Heer entartet: Liv. XI 18, 3 exercitum degenerantem in Perearum mores, Curt. VIII 5, 14 ne in peregrinos extemosque ritus se degenerare cogeres, X 5, 33; V 1, 36 u. 39. Mit trunkenem Heere durchzog der König das eroberte Land, als hielte er einen fröh- lichen Umzug: IX 17, 17 per quam temulento agmine comissabundus incessit, Curt. V 7, 5 surgunt temulenti, V 7, 10 a commissabundo rege, VIII 10, 18; IX 10, 26; 10, 28 incessisse temulentos. Um

^ Auch an der vielbesprochenen Stelle X 9, 3 *qui noctis quam paene eupremam habuimus, novum sidus illuxit* ahmt er Liv. VI 17, 4 'noctis illins quae paene ultima atque extreva nomini Romano fiiit* nach.

Zar Ueberlieferung der Geschichte Alexanders d. Gr. 565

den Ruhm des Siegers herabzusetzen, werden seine Oegner yer- ächtlich gemacht, Weiber und Eunuchen bilden ihr Gefolge: Liy. IX 17, 16 quem mulierum ac spadonum agmen trahentem inter purpuram atque aurum, oneratum fortunae apparatibus, praedam verius quam hostem, Curt. III 3, 23 spadonum grex, uö.; III 2, 12 nitet purpura auroque, III 10, 9; 13 , 7. Was Liyius vom persischen Heere behauptet, wird gelegentlich auf das Heer Alexandere übertragen: IV 14,11 parata hostibus praeda, IX 10, 27; V 1, 6 usu didicisse . . . eadem trahentem Alexandrum, quibus rebus antea vicisset, inferiorem fore. Wäre der König nach Italien gekommen, hätten Perser, Inder usw. ihm mehr Schwierigkeiten bereitet, denn Hilfe geleistet: Liy. IX 19, 5 Indos .... maius impedimentum quam auxilium, Curt. IV 12, 9 Indi . . . nomina yerius quam auxilia. Ueber solche Gegner siegte er, weil er sie geringschätzte; Liy. IX 17, 16, Curt. 17 14, 3, in einem Kampfe mit italischen Stämmen dagegen hätte er dem Urtheil seines Oheims Alexander beistimmen mtlssen, dass er es bisher nur mit Weibern zu thun gehabt habe: Liy. IX 19, 11; Curt. VIII 1, 37. Mit einer einzigen Schlacht würde er den ganzen Krieg yerloren haben : Liy. IX 19, 9 uno proelio yiotus Alexander hello yictus esset, ein Gedanke, den bei Curtius der Perserkönig yor der Schlacht bei Gaugamela ausspricht: IV 14, 15 et hello yioerimus, ei yicimus proelio. Dass ihm dabei wirklich die Worte des Liyius yorsch webten, ergiebt die Ver- gleichung yon IV 14, 18 ^quantusounque . . . yideri potest, unum animal est' mit Liy. IX 1 8, 8 quantalibet magnitudo hominis con- cipiatur animo, unius tamen ea magnitudo erit. Noch einmal yerwendet er Liyianische Gedanken in einer Rede des Chari- demus ; Livius yergleicht das makedonische Heer mit dem römi- schen, Charidemus mit dem persischen : Liy. IX 19, 6 arma olupeus sarissaeque illis, 19, 7 statarius uterque miles, ordines seryans, sed illa phalanx immobilis, Curt. III 2, 13 Macedonum acies cly- peis hastisque immobiles cuneos .... peditum stabile agmen . . . ordines seryare didicerunt. Seine Erfolge dankte Alexander in erster Linie dem Glücke: Liy. IX 18, 8, Curt. IV 9, 22; 16, 23; V 5, 5; VH 7, 31; VIII 3, 1; 10, 18; IX 10, 28; X 5, 35; für ihn stritt der Ruhm seines Namens : Liy. IX 18, 6 ; Curt. V 13, 14; IX 5, 6 pugnabat pro rege oelebrati nominis fama.

L•t demnach Curtius* ürtheil durch Liyius beeinfiusst, dann darf man die Alexander feindliche Tendenz, welche in seiner Darstellung zu Tage tritt, nicht als Kriterium für die Benutzung

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« des Timagenee verwerthen. Noch weniger ist man daza be- rechtigt bezüglich der Partherfreandlichkeit, die man bei ihm hat erkennen wollen. Wohl kommt der Schriftsteller wiederholt auf dieeee Volk zu sprechen: IV 12, 11; V 7, 9; 8, 1 ; VI 2, 12, ee wäre auch höchst auffallend, wenn er in einer Zeit, da der Gegensatz zwischen Römern und Parthern so stark war, von den Ländern, die später den Sitz der Partherherrschaft bildeten, hätte epreehen wollen, ohne dieser zu gedenken, aber eine besondere Vorliebe für die Gegner Roms läset er an keiner Stelle durchblicken.

Was Trogus betrifft, so nimmt er zweifellos einen parther- freundlichen Standpunkt ein, doch das trifft, wie das Zengniss des Dionysios zeigt, auf griechische Historiker zu, die wir nicht mit Timagenes gleich setzen dürfen. Auf das Bild Alexandere, wie es bei jenem gezeichnet wird, scheint der scharfe Ausfall des Livius gleichfalls nicht ohne Einwirkung geblieben zu sein. Trogus hat die Geschichte desselben gekannt, das spricht er XXXVIIl 3, 11 aus; directe Bezugnahme auf die Alexanderepieode (Liv. IX 17, 10 imbellem Asiam quaesisset) mag in Justin XXXVIIl 4, 7 vorliegen, wo Asien zu Italien in Gegensatz gestellt wird: audire populos transalpinae Galliae Italiam ingressos maximis eam plurimisque urbibus possidere et latius aliquanto solum finium quam in Asia quae dicatur imbellis idem Galli occupa- vissent. Hinweisen darf man daher auf die mannigfachen Con- gruenzen, welche beide Historiker in der Alexandergeschichfe bieten: Justin XI 6, 15 terrore nominis vicit, XII 13, 2; XI 13, 1 hortatur, spernant illam aciem auro et argento fulgentem, in qua plus praedae quam periculi sit; XI 14, 7 felicitas regle; ΧΠ 3, 8 habitum regum Persarum adsumit; 4, 1 a Philippe patre illum tantum degenerasse, ut mores Persarum adsumeret; 12/2; XU 6, 6 amicum a se occisum inter epulas et pocula; 13, 7 in- staurata commissatione ; 14, 4 snpplicia crndeliter habita (TAv, IX 18, 4) uä.

Nahe liegt auch die Frage, ob bei Curtius die Bekannt- schaft mit Trogus anzunehmen ist. Eaerst glaubt sie verneinen zu müssen und höchstens Curt. Vlll 1, 17 die Möglichkeit einer versteckten Polemik gegen Justin XV 3, 7 einräumen zu dürfen, andere dagegen, wie Crohn (de Trogi apud antiquoe auctoritate Strassburg 1882) und Peteredorf (eine neue Hauptquelle des Qu. Curtius Rufus, Hannover 1884) zählen die historiae des Trogue zu den von Curtius benutzten Quellen. Unwahrscheinlich ist letzteres nicht. So knüpft der Alexanderhistoriker an den Kampf

Zur üeberlieferung der Geschichte Alexandere d. Gr. 567

zwischen Makedonien! und Lakedai moniern bei Mantinea Be- trachtangen an, die stark an das anklingen, was Trogus über den Zusammenstoss dieser Stämme bei Sellaeia aasführt:

Justin XXVIII 4, 2 inter duas Curt. VI 1, 7—8 duarum no-

nobiliseimas gentes bellum sum- bilissimarum hello gentium exer- mis utrimque viribus fuit, cum citus pari Marte pugnabant, La- hi pro vetere Macedonum gloria, oedaemonii yetera, Macedones illi non solum pro inlibata li- praesentia deoora intuebantur, bertate, eed etiam pro salute illi pro libertate, hi pro domi- certarent. natione pugnabant.

In gleicher Weise sprechen sich beide auch über die Herkunft der Parther aus: Justin Π 1, ^ qui cum ipsi Parthos Bactrianos- que condiderint, ebenso II 3, 6, und Curt. VI 2, 14 Scythae qui Parthos condidere^ Auch die auffallenden Uebereinstimmungen in der Alexandergeschichte sind daher wohl nicht alle aus der Benutzung der gleichen Quelle zu erkläreni sondern verrathen einen engeren Zusammenhang beider Darstellungen. Von solchen seien hervorgehoben : Justin XI 8, 3 plenus pulveris ac sudorie, Curt. III 5, 2 pulvere ac sudore simul perfusum; J. 8, 4 rigor

C. HI 5, 2 rigere; J. 8, 8 oculos in vultus legentis intendit

C. III 6, 9 nee a vultu legentis movit oculos; 8, 9 ut seou- rum vidit, laetior factus est C. III 6, 12 non securum modo, sed etiam laetum regem feoit ; J. 15| 5 multis vulneribus con• fossum C. V 13, 16 multis vulneribus confossum; J. XII 5, 8 in unam cohortem contribuit C, VEI 2, 35 in unam cohortem secrevit; J. 6, 5 aestimatio C. VIII 2, 1 aestimatione ; J. 6, 7 a se occisum inter epulas et pocula lugebat C. VIII 2, 8 a me inter epulas occissus est; J. 9, 9 trunco se adplicuit C. IX 5, 4 stipiti corpus adplicuit; J. 11, 5 missionem flagitabant

C. X 2, 12 missionem postulare ooeperunt; J. 11,8 e tribu- nali desiluit C. X 2, 30 desiluit de tribunali^

Hat Curtius die Darstellung des Trogus eingesehen, dann erklärt sich die Gemeinsamkeit der Verurtheilung Alexandere

1 Vgl. Justin II 12, 4; XVIII 3,*1; XXII 5,10. Sonny (Rhein. Mus. Bd. 41 8. 473 ff.) sieht darin eine Nachahmung Vergils (Aen. I 33 Romanam condere gentem, I 277).

3 Neuhaus, Progr. d. Friedr. College zu Königsberg 1900 S. 37 A. 3 vergleicht Justin XI 15, 14 mit Gurt V 13 ut regio more cura- tum maiorum moaumentis inferretur, übersieht aber, dass die an- geführten Worte gar nicht Curtius angehören, sondern in einem supple- mentum stehen.

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auch ohne Timagenee, die Bedentang, die man diesem für die Alexandergeschiohte hat beimeseen wollen, kommt ihm in keiner Weise zu. Von seiner Partherfreandlichkeit wiesen wir gar nichts, von seiner Römerfreundschaft zu wenig, um so weit- gebende Combinationen darauf bauen zu dürfen, wie sie vielfach auf die spärlichen überlieferten Notizen gebaut worden sind.

2. Eratosthenes und die Alexandertiberlieferung.

In der Zueammenetellung der verschiedenen Berichte giebt sich bei den einzelnen Autoren vielfach eine auffallende üeber- einntimmung kund, die zu der Annahme geführt hat, Plutaroh und Arrian hätten die oitirten Quellen nicht direct benutzt, son- dern aas einem Sammelwerk geschöpft (Schöne). Von einer Yer- mutbung Gutschmids, die auch Niese (Greech. d. Hellenism. Bd. I H. 8) billigt, ausgehend, suchten Kaerst und Lüdecke (de fonti- bui, quibuB usus Arrianus Anabasim composnit in Leipziger Stu- dien XI) Strabo als den Verfasser desselben zu erweisen, erkläre dieser doch selbst, die Alezandergeschichte in einem besonderen Werke behandelt zu haben S. 70). Gegen die Benutzung eines derartigen Sammelwerks sprach sich Fränkel, die Quellen der Alexanderhistoriker, Breslau 1883 S. 30 fip. aus, und mit ihm ff hob auch Schwartz (Pauly - Wissowa im Artikel Arrian) den Einwand, ein so citatenreiches Sammelwerk, in dem die einzelnen Citate sauber geschieden gewesen seien und Arrian gleich erkannt habe, was Aristobul und Ptolemaios ausgesagt hätten, habe nicht existirt und könne nicht existirt haben, da nur vereinzelt citirt werde und auch Strabo davon keine Ausnahme mache. Eine Alexandergeschichte Straboe hat, so fährt er fort, nicht existirt, die Worte ύπομνηματιίομένοις τάς ΆλεΗάνορου πράξεις sind von Excerpten zu verstehen, die jener aus Alexanderscbrift- stellem sich für seine Geographie gemacht hat Diesen Aus- führungen kann ich mich nur anschliessen. Hätte Arrian wirk- lich nur aus Strabo geschöpft, dann wäre nicht einzusehen, wes- halb er in vielen Parthieen* so wenig Verwandtschaft mit Strabo zeigt. So ist jener selbst in geographischen Dingen, die beide Aristobul entnehmen, aneführlicher als dieser (Strabo XVI 1 8. 739 u. 740 und Arrian VII 21, 2), in der vorausgesetzteo Alexandergeschichte konnten dieselben aber unmöglich eingehen- der behandelt sein, als in den γεωγραφικά. Auch mehrfache Irr- thUmer, die sich Strabo in seiner .Geographie bezüglich der Ge- schichte Alexanders zu Schulden kommen lässt, machen die Ab-

Zur UeberlieferuDg der Geschichte Alexanders d. Or. 569

faeeung einer besonderen Schrift über diese nicht sehr wahr- scheinlich. So vertritt er XIll S. 593 allein die Ansicht, erst nach der Schlacht am Oranikos sei Alexander nach Ilion ge- kommen (Arrian I 11, 7, Plat. Alex. c. 15, Diod. X7II 17, 6), lässt den König XIY 3 S. 666 die Stadt Termessos erobern, während nach Arrian I 28, 2 die Belagerung aufgegeben wurde, und bezeichnet IX 5 S. 533, wenn hier nicht ό Λ€Οννατος ausgefallen ist, Leostbenes als Oefährten Alexanders. Höchst eigenthümlich ist XI c. 13 S. 523 die Notiz, Μηοία ^Ατροπάτιος habe seinen Namen von Atropates erbalten , der die Unterwerfung dieses Reiches unter die Makedonier verhindert habe und König daselbst geworden sei, während er nach Arrian IV 18, 3 von Alexander als Satrap dorthin geschickt wurde. Wird man daher auch von der Benutzung Strabos durch Plutarch und Arrian absehen müssen, so lässt sich gleichwohl eine Oemeinsamkeit verschiedener Citate sowie der Darstellung bei den erhaltenen Schriftstellern nicht in Abrede stellen. Um diese zu erklären, hat man festzuhalten, dass in den benutzten Quellen schon ältere Darstellungen ver- arbeitet waren, dazu kommt aber noch ein zweites nicht un- wesentliches Moment. Unsere Alexanderüberlieferung ist von einem für die spätere Zeit sehr einflussreichen Kritiker behandelt und gesichtet worden, der Niederschlag seiner Kritik liegt mebr oder weniger bei Strabo, Plutarcb und Arrian vor. Dies geschab durch Eratosthenes, dem eine reiche Litteratur zu Gebote stand (Strabo II S. 69) und der die Summe des geographischen Wissens zog, das durch die Feldzüge Alexanders und der Diadochen er- schlossen war (vgl. Droysen I 2 S. 396 und Niese I S. 7). Keiner der Schriftsteller nach ihm hat sich seinem Einfluss entziehen können, sein Urtheil ist massgebend geblieben für Strabo, Plu- tarch und Arrian.

Auf das Zeugniss des Eratosthenes beruft sich Plutarch (Alex. c. 3) für die Nachricht, Olympias habe ihrem Sohn das Gebeimniss seiner göttlichen Herkunft mitgetheilt und ihn er- mahnt, dieser stets eingedenk zu sein. Vor der Schlacht bei Gaugamela , so laatet des Eratosthenes Erzählung bei Plut. Alex. 31, fand im makedonischen Lager ein Zweikampf zwischen zwei Soldaten statt, von denen einer Alexander, der andere Darins darstellte, Alexander rüstete jenen, Philotas diesen aus. Mit ge- spannter Aufmerksamkeit folgte das Heer dem Kampfe, der für den Darsteller Alexanders entschieden wurde und diesem als Be- lohnung zwölf Dörfer und ein persisches Gewand eintrug: ταΟτα

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οΰν 'Ερατοσθένης \στόρηκ€ν. Als Gewäbremann wird dieser auch in der Schrift de fort. Alex. I 8 für die Behauptung ge- nannt, dans Alexander nicht persische oder medische, sondern eine ans beiden zusammengesetzte Tracht angenommen habe, und diese Mittheilung wird auch Plut. Alex. c. 45 vorgetragen (vgl. Diod. XVil 77, 5, wonach Eratostbenes aus Elitarch zu schöpfen scheint). Aristoteles rieth dem lumig, die Griechen als Freunde zu behandeln, den Barbaren aber zu begegnen, als seien sie nur Thiere oder Pflanzen, dieser Rath fand weder Alexanders Beifall, noch die Billigung des Eratostbenes, der nur die Scheidung der Menschen nach der Tüchtigkeit oder Schlechtigkeit gelten lassen wollte (Strabo II S. 66 = Berger frg. Π C 24). Auch dieser Nachricht begegnen wir in der Schrift de Alex. fort. I 6. Die Fabeleien über die Feldzüge des Dionypos und Herakles nach Indien fanden bei dem alexandrinischen Gelehrten keinen Glauben, ebensowenig Hess er die Verlegung der Promet heussage nach dem indischen Kaukasos gelten: Arrian V 3 λέγει πάντα δσα ές το θεϊον αναφέρεται έκ Μακεδόνων προς χάριν της ΆλεΗάνορου ές τό όπέρογκον έπιφημισθήναι.* Von Eratostbenes stammt nach Kaeret die Kritik, welche bei Plut. Alex. c. 46 an der Amazonen- sage geübt wird, diese Vermnthung erhält ihre Bestätigung durch Justin XL II 3, 5, der ebenfalls schon die Zeugnisse für die Be- gegnung Alexanders mit der Amazonenkönigin in seiner Quelle zusammengestellt fand (multi anctores prodidere). Dass diese Quelle Eratostbenes gewesen ist, beweist die Vergleichung von Justin XLU 3, 5 ff. mit Strabo I 8. 48 (Berger frg. I Β 8), XI S. 523 (Berger III Β 32), XVI 746 (Berger III Β 38) und Plinius VI 31.

So finden wir eine Reihe von Stellen, die auf Benutzung des Eratostbenes in der erhaltenen Litteratur uns führen; wir sind aber auch im Stande, die Kritik kennen zu lernen, die er an den Alexanderschriftstellern und ihren Schriften übte. Die Feldzüge Alexanders haben die geographische Eenntniss der Mit- welt und Nachwelt erweitert, sie haben den grössten Theil Asiens und die nördlichen Striche Europas erschlossen (Strabo I 2 S. 14 = Berger I Β 10). So kann man die Gebirgsgegend von Ariana am besten beschreiben, wenn man den Weg darstellt, welchen Alexander von Parthiene aus nach Baktra nahm (Strabo XV 2 S. 724). Das ist ein Eratüsthenischer Satz, den auch Plinius wiederholt ausspricht: Π t)7; VI 15. 21. Nicht alle, welche über den Orient mit seinen Wandern schrieben, haben sich ein nüch-

Zur Ueberlieferung der Geschichte. Alexanders d. Gr. 571

ternes Urtheil bewahrt, viele sind daher in den Verdacht der Uebertreibung und Lüge gekommen. Den meisten Schriftstellern ist nicht zu trauen, sie nehmen es leicht, theils um Alexandere Ruhm noch zu mehren, theils weil der Feldzng bis zu den äussersten Enden Asiens ging, das Entfernte aber schwer zu widerlegen ist (Strabo XI 6 S. 507, vgl. l S, 14). Einfalt und Fabelsucht nehmen ihnen alle Glaubwürdigkeit, Alexanders Prah- lerei zu Liebe hat man viel Lügenhaftes vorgebracht. Man wusste, dass der Tanais die Grenze zwischen Asien und Europa bilde, das Stück aber vom hyrkanischen Meere bis zum Tanais einen grossen Theil Asiens ausmache; so sann man auf ein Mittel, dass sich wenigstens die Sage verbreite, Alexander habe auch über diese Gegenden geherrscht. Daher zog man die mäotische See, in welche der Tanais mündet, mit dem k aspischen Meer in eins zusammen und behauptete, beide seien mit einander verbunden und eins sei ein Theil des anderen. Als Beweise dafür führt Polyklit an, dass jenseits des Tanais die Tanne wachse, die dem oberen und östlichen Asien fremd sei, und dass das hyrkanische Meer süsses Wasser habe und Schlangen in ihm lebten. Hier- gegen wendet Eratostbenes, der auch andere derartige Behaup- tungen widerlegt, ein, dass die Tanne auch in Asien vorkomme und Alexander aus ihrem Holze eine Flotte gebaut habe (Strabo XI S. 509). Auch mit den Erzählungen des Onesikritos war Eratosthenes wenig einverstanden. Was er von den Baktrern erzählt, ist nicht gut. Sie werfen die vom Alter oder durch Krankheit Entkräfteten den Hunden vor, die geflissentlich hiezu gehalten werden und die sie in der Landessprache Todtengräber nennen. Ausserhalb der Stadtmauern von Baktra sieht man nur Reinlichkeit, innen aber ist alles voll von menschlichen G-ebeinen. Alexander schaffte diesen Brauch ab. Wenn Alexander wirklich dergleichen traf, so weiss man nicht, was man von den persi- schen und früheren Herrschern denken soll, was für Gebräuche sie gehabt haben mögen (Strabo XI S. 517), vgl. de fort. Alex. 1 5. Aus der Kritik des Eratosthenes mag auch Plutarch Alex, c. 46 stammen : Onesikritos las König Lysimachos das 4. Buch seiner Aufzeichnungen vor, in welchem er die Begegnung Ale- xanders mit den Amazonen darstellte, da fragte dieser lächelnd: ^wo war ich denn damals?' Unter allen Gefährten Alexanders, welche die miterlebte Geschichte litterarisch behandelt haben, verdient er darum am allerwenigsten Glauben. Strabo XV 1,698 'man bollte Onesikritos nicht sowohl Alexanders, als aller Fabeln

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ObereteaermaDD nennen. Zwar haben alle, die um Alexander waren, eioh lieber an Wunder, als an die Wahrheit gehalten, doch scheiiit dieser an Liebe für das Wunderbare alle übertroffen zu haben. Uebrigens hat er auch manches Grlaubwtirdige und Wichtige, wenn man ihm schon keinen Glauben beimisst.' Den Vorwurf der Lüge erspart ihm daher auch Arrian VI 2, 3 nicht: Onesikritos hat auch darin gelogen, dass er sich als Nanarohen ausgiebt, während er doch nur Steuermann war. Nicht minder hat er sich in seinen Berichten über Indien der üebertreibung und Lüge verdächtig gemacht, doch ist er hier von anderen noch überboten worden: Strabo Π S. 70 (Berger I Β 23) ^Diejenigen, welche über Indien schrieben, haben sich als Lügner erwiesen, vor allen Deimachos, hernach Megasthenes, Onesikritos und Nearch und andere, die solche Albernheiten erzählen. Am wenigsten darf man Deimachos und Megasthenes trauen. Diese sind es, die von Langohren reden, von Leuten ohne Mund und Nase, von Einäugigen und Langfüsslem und von Menschen mit zurück- geschlagenen Fingern. Sie wärmten auch den homerischen Kampf der Kraniche mit den Pygmäen, welche sie drei Spannen lang machten, wieder auf. Sie kennen auch die goldgrabenden Ameisen, die spitzköpfigen Pane, die Schlangen, welche Rinder und Hirsche mit dem Geweih verschlucken, worin einer den anderen zu wider- legen sucht, wie auch £ratosthenes sagt.^ Ihnen werden Pa- trokles und andere, nicht unglaubwürdige Zeugen, die Eratosthenes anführt, gegenübergestellt. Die gleichen Vorwürfe werden wieder- holt Strabo XV S. 702 u. 711, vgl. Plin. VO 21, sie hat auch Arrian offenbar vor Augen, wenn er V 4, 3 schreibt: υπέρ ών έγώ oÖT€ οίστισι νόμοις οιοχρώνται έν τήΟ€ τή HuTTpoqrt ανέγραψα ούτ€ Ιψα εΐ br\ τίνα ατοπα ή χώρα αύτοΐς εκφέρει

ovbk τους μύρμηκας τους τόν χρυσόν σφισιν εργαζομένους.

Als Motiv für die unwahren Erzählungen wird vielfach der Wunsch Alexander zu schmeicheln vorausgesetzt. So ist es die Schmeichelsucht der Schriftsteller, welche die Erzählung von der Königin der Amazonen Thalestris aufgebracht hat. unter den vielen Geschichtschreibern reden gerade die wahrheitsliebenden nichts davon, and die, welche davon reden, stimmen nicht über- ein. Klitarch sagt, Thalestris sei von den kaspischen Pforten und vom Thermodon her zu Alexander mehr als 6000 Stadien weit gekommen. Was aber, um des Königs Ruhm zu mehren, verbreitet worden gesetzt es stimmte alles überein das kennzeichnet mehr die Schmeichelsucht, als die Wahrheitsliebe

Zur üeberliefemng der Oeschiclite Alexanders d. Or. 673

derer, die es erfunden haben (Strabo XI S. 505). Ihre Unglanb- würdigkeit giebt sich in dem Mangel an üebereinetimmnng kund. Von denen, welche Alexander Asien unterjochen halfen, wider- spricht oft einer dem anderen. Da sie nun über das, was sie gesehen haben, so verschiedener Meinung sind, was soll man von dem nach Hörensagen Berichteten halten? (Strabo XV S. 685). Das was von Bacchus und Herakles gesagt wird, hält Megasthenes mit einigen für wahr, die meisten anderen, darunter £rat08thenes, für unglaubwürdig und fabelhaft (S. 687). Nach solchen Sagen haben einige die Nysäer zu einem Volke gemacht und bei ihnen eine Stadt Nysa, eine Gründung des Dionysos, und einen Berg Meros angenommen, wofür sie sich auf den dortigen Epheu und die Weinrebe berufen. Zu Nachkommen des Dionysos machen sie auch die Oxydraken wegen der bei ihnen wachsenden Rebe, sowie wegen der herrlichen Bacchuszüge, bei denen die Könige unter Cymbelnklang und in prächtigen Gewändern ins Feld rücken. Auch reden sie prunkend von einem Felsen Aornos, an dessen Fuss der Indus vorbeiflieset und welchen Alexander beim ersten Sturme eroberte, um nämlich diesen zu erheben, dass Herakles dreimal an diesem Felsen angesetzt habe und dreimal zurück- geschlagen sei. Abkömmlinge seiner Kriegsgenossen seien die Sibier, die als Kennzeichen ihrer Abstammung noch den Brauch hätten, sich mit Fellen zu bekleiden und Keulen zu tragen, und diese auch den Stieren und Mauleseln aufbrennen. Unterstützt wird diese Sage durch die vom Kaukasos und Prometheus; denn diese haben sie vom Pontes £uxeinos hierher versetzt, weil sie bei den Paropamisaden eine heilige Grotte fanden. Diese wiesen sie als dan Gefängniss des Prometheus vor, hierher sei He- rakles gekommen zur Befreiung des Prometheus, und dies sei der Kaukasos, den die Griechen als den Ort der Anfesselung des Prometheus bezeichneten. Dass dies Erfindungen von Schmeichlern Alexanders sind, erhellt daraus, dass die Geschichten nicht mit einander übereinstimmen, indem einige es wirklich erzählen, an- dere es nicht einmal erwähnen. Denn es ist nicht wahrschein- lich, dass so berühmte prahlerische Geschichten nicht einmal be- kannt geworden sein sollten, oder zwar bekannt, jedoch nicht merkwürdig genug befunden, und zwar von den glaubwürdigsten derselben (Strabo XV S. 687). Die Herkunft dieser Ausführungen aus Eratosthenes kann nicht zweifelhaft sein, wir finden sie genau 80 wieder Arrian Indica 2, 4 und 5, 8 13 und Anab. V 1 ff. An der letzten Stelle wird c. 3, 1 dieser ausdrüeklich als Uf«

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beber genannt. Arrian kann die Zweifel Reines Gewäbremannes nicht theilen and sich nicht entRchlieeeen, die Erzäblnngen über Dionysos wenigstens preiszugeben, wenn er ancb zngiebt, dass die Verlegung der Prometbenssage της 'AXeEavbpou fv€Ka δόξης vorgenommen ist (V o, 3, vgl. ^, 3 τά 'AXeEavbpou αυΕοντ€ς) und das« die Mittheilungen über Herakles' vergebliche Angriffe auf den Aornosfelsen eitel Prahlerei sind (IV 28, 2 τον Ήρακλβα ές κόμπον του λόγου έπιφημΚβσθαι. Ind. c. 5, 10 Μακβόονικόν κόμπαΟ'μα*. Trotz dieses Zugeständnisses aber kann er ps sich nicht versagen, Alexander selbst in der Rede V 25, 3 ff., die auch noch andere Widersprüche mit der sonstigen Darstellung aufweist (26, 1), die gleiche Prahlerei in den Mund zu legen: 26, 5 f) "Αορνος πίτρα ή τψ ^Ηρακλεϊ άνάλωτος προς ημών ίχεταΐ. Alles, was auf die Gottheit und ihr Eingreifen von den Makedoniern zurückgeführt wird, ist nach Eratostbenee Alexander zu Liebe ins Masslose tibertrieben: V 3, 1 λέγει ές τό ύπέρογκον έπιφημκτθήναι. Das ist der Wortlaut der Eratoetbeniecben Kritik, den Strabo und Arrian festgehalten haben: IV 28, 2 έπίφημί- ίεσθαι, 28, 4 τφ μύθψ πεφημισμένψ , V 3, 1 έπίφημισθήναι, Strabo XVI S. 737 οΐ Μακεδόνες κατεφήμισαν, ΧνΠ 802 (ßerger Ι Β 9) προσεπιφημισθήναι, er kehrt auch wieder bei der Be- urtbeilung Homere: I S. 22 (Berger I Α 12) τών μύθιυν . . . πεφημισμίνων.

Trotz dieser scharfen Verurtheilung spricht Eratosthenes diesen Gewährsmännern nicbt alle Glaubwürdigkeit ab. Wenn sie auch manches ans Schmeichelei hinzusetzen, so geben sie doch auch viel Glaubwürdiges an. So sagt Ealliethenes, Alexander habe hauptsäcblich des Ehrgeizes wegen gestrebt, zu dem Orakel des Juppiter Ammon zu geben, da er gehört, dass aucb Persens und Herakles dabin gegangen seien. Strabo XVII S. 814 knüpft hieran die Erzählung des Kallistbenes über Alexanders Zug zum Ammontempel und dessen Mittheilungen über das Orakel und die Orakelsprticlie der Brancbiden, wobei wieder der Vorwurf der Schmeichelei und Lüge nicht unterdrückt wird: τούτιυν κολο- κευτικώς λεγομένων und προστραγψδεϊ bfe τούτοις 6 Καλλισθένης. Wegen dieser Inconsequenz tadelte Hipparcbos seinen Vorgänger bezüglich des Patrokles (Strabo Π S. 69), und in allgemeiner Fassung ist dieser Tadel ausgesprochen Strabo I S. 47 τά μέν έλεγχων, τά hk πιστεύων. Eratostbenee spricht gegen solche, die offenbar Erdichtetes und Unmögliches tbeils als wirkliche Fabel, theils als Geschichte vorbringen, was zu erwähnen nicht

Zur Üeberliefening der Geschichte Alexanders d. 6r. 575

der Mühe lohnt, weshalb er sich anf solches Geschwätz nicht hätte einlassen sollen (Strabo I S. 62). Zu den Schriftstellern, denen man nicht trauen kann, gehört, wie wir sehen, auch One- sikritos, gleichwohl kann man seine Nachrichten nicht übergehen, da er manches Glaubwürdige und Erwähnenswerthe berichtet (Strabo XV S. 697). Wie sehr Arrian diesen Standpunkt theilt, wird weiter unten dargelegt werden.

Der Einfluss des Eratosthenes tritt auch deutlich zu Tage in den Auslassungen, die Strabo XVI S. 737 über die Schlacht bei Gaugamela giebt. Da die Mak^donier Gaugamela als ein elendes Dorf antrafen, Arbela dagegen als einen ansehnlichen Ort, machten sie dies aU Ort der Schlacht bekannt und über- lieferten es so den Geschichtfichreibem, vgl. Plut. Alex. c. 31. Ausführlicher hat Arrian, der sich für Gaugamela auf das Zeug- niss des Ptolemaios und Aristobulos beruft, den kritischen Ex- curs des Alexandriners uns überliefert: VI 11, 4 6 Gaugamela war keine Stadt, sondern ein unbekanntes Dorf mit schlecht* klingendem Namen, deshalb trug Arbela den Ruhm davon, als Schlachtort gewählt zu werden. Arbela lag 600 oder nach an- derer Ueberlieferung 500 Stadien vom Schlachtfelde entfernt, mit demselben Rechte könnte man daher die Schlacht bei Salamis als Schlacht von Korinth oder die Schlacht bei Artemision als Schlacht bei Aigina oder Sunion bezeichnen. Arrian bringt dies nicht in dem die Schlacht darstellenden Abschnitte, sondern bei Behandlung der Frage, ob Alexander im Lande der Ox}draken oder Maller verwundet wurde, schöpft also offenbar aus einer Quelle, die sich über die Glaubwürdigkeit der Alexander Schrift- steller aussprach. Eben daher stammt selbstverständlich das ganze Kapitel über die Verwundung des Königs: VI 11, 2 vieles andere haben die Geschichtschreiber über die Verwundung ge- schrieben und die Ueberlieferung hat es aufgenommen nach dem Berichte derer, die zuerst gelogen haben; 11,7 das schwerste Versehen ist aber die Rettung Alexanders durch Ptolemaios, der nach eigenem Berichte gar nicht an jenem Kampfe theil- genommen hat.

Auf Eratosthenes wird auch die Zusammenstellung der ver- schiedenen Zeugnisse über den Tod des Kalanos zurückgehen, ob- wohl Schwartz (Pauly-Wissowa: Arrian) für Strabo und Arrian eine gemeinsame Quelle leugnet. 'Von dem Mangel an Ueber- einstimmung bei den Schriftstellern zeugt auch das, was von Kalanos gesagt wird. Dass er zu Alexander kam und freiwillig

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dnrch Feuer sieb tödtete, dann stimmen sie überein, aber nicht in der Art und Weise' (Strabo XV 717). Strabo will verecbie- dene Ueberliefernngen mittheilen, verspricht aber mehr als er hält. Nachdem er die Erzählung Elitarehs (Diod. XVU 107) vorgetragen hat, bemerkt er, nach anderer üeberlieferung eei der Inder nicht auf ein goldenes Ruhebett gelegt worden, sondern auf einen Holzstos in einem hölzernen, mit Blättern gefüllten Hause, und knüpft daran den Tadel des Megasthenes gegen Ka- lanos und dessen Anerkennung für Mandanis. Soweit stimmt auch Arrian VII 2 und 3, 1 mit Strabo überein, wird dann aber eingehender in der Mittheilung anderer Abweichungen über Neben- dinge, die letzterer übergeht.

ün Wahrhaftigkeit und Uebertreibnng sind also die Fehler, deren die grosse Menge der Alexanderschriftsteller sich schuldig macht, sie lassen sich leiten von dem Streben, dem Könige zu schmeicheln, um so mehr, als dieser geschmeichelt haben will, sie kennen um so weniger Mass in ihren Fabeleien, als sie von weit abliegenden Ländern erzählen, bei denen Niemand sie wider- legen kann; nur der Umstand, dass sie einander widersprechen, lässt in vielen Fällen ihre Lügen als solche erkennen. Hält man sich an diese Grundzüge der Eratosthenisohen Kritik, dann kann man nicht zweifelhaft sein, wem Arrian seine Ansicht über die von ihm benutzten Quellen zu danken hat. Ueber Nie- manden haben, so erklärt er I 1, so viele Schriftsteller geschrieben, wie über Alexander den Grossen, bei Niemanden stehen sie aber auch mit einander so in Widerspruch, wie bei ihm. Arrian hält sich an Ptolemaios und Aristobulos, beide haben an des Königs Feldzügen theilgenommen, beide aber nach des Königs Tod ge- schrieben, für beide fiel daher der Grund zur Schmeichelei weg, weder Zwang noch Aussicht auf Belohnung konnte sie ver- anlassen, die Dinge anders darzustellen, als sie sich zutrugen. Neben ihnen giebt es aber noch die Berichte anderer, die nicht ganz unglaublich und daher der Wiedergabe nicht unwerth er- scheinen: ου πάνττ) δττιστα, Π 12, 8 οοθ' ώς αληθή οΰτ€ ώς πάντη δτηστα. Wo das Eingreifen der Gottheit in Frage steht, kann Arrian dem skeptischen Eratosthenes nicht folgen, manches, was dem natürlichen Verstände unglaublich erscheint, wird doch begreiflich, wenn man göttliches Walten annimmt (V 1, 2). Solcher Glauben wird freilich auf harte Probe gestellt, wenn selbst die zuverlässigsten Gewährsmänner mit einander nicht harmoniren, ψϊβ III 3, 5; dann mnss er auf genaue Darstellung versichten

Zur Ueberlieferung der Geschichte Alexandere d. Gr. 577

und kann nur yersichern, dase eine Gottheit dabei eingegriffen habe, weil die Wahrscheinlichkeit dafür spreche. In solchen Fragen hat Plutarch sich dem Standpunkt des Eratosthenes mehr genähert, wenn er von dem Marsche Alexanders an der pamphy- lischen Küste schreibt: AI. c. 17 ή τής Παμφυλίας πάρα- ορομή πολλοίς γέγονε τών Ιστορικών ύττόθίσις γραφική προς ίκπληΗιν και δγκον ώς θβίςι τινι τύχη παραχιυρήσασαν τήν θάλασσαν Άλεζάνόρψ, während Arrian auch hier die Zweifel an dem Walten der Gottheit für unberechtigt hält: I 16, 2 ουκ δνβυ του θείου ^ Trägt letzterer aber auch Bedenken, hier die Anschauungen seines Gewährsmannes zu den seinen zu machen, so folgt er doch sicher diesem, wenn er von den ungereimten Lügen über die Inder spricht, die sich nicht widerlegen liessen (V 4, 3). Manche Fabeleien über diese haben Alexanders Feld- züge als solche erwiesen, soweit nicht einige seiner Gefährten selbst Lügen verbreitet haben, sie haben dargethan, dass die Inder kein Geld besitzen und nicht verweichlicht in ihrer Lebens- führung sind, dass sie hohen Körperbau und dunklere Hautfarbe als die anderen Völker, mit Ausnahme der Aithioper, haben (V

4, 4). Das ist ein Citat aus Eratosthenes, wie die Vergleichung mit Eustath. ad Dionys. peripl. v. 1107 (Berger fr. III Β 16) und Strabo XV S. 690 (111 β 12) ergiebt (vgl. auch Strabo XV

5. 695 βελτίους bk φαμέν).

In der Behandlung der Alexandergeschiohte nimmt Erato- sthenes denselben Standpunkt ein, wie in der Homerfrage, und darin liegt ein weiterer Beweis für unsere Annahme, dass die Spuren der kritischen Methode, wie sie bei den späteren Histo- rikern vorliegen, auf ihn zurückführen. Auch Homer jagt nach Wundern (Strabo I S. 18), seine Mythen knüpfen theils an wirk- liche Oertlichkeiten an, theils werden sie nach erdichteten Orten verlegt (I S. 22 τών μύθων . . . πεφημισμένων). Die Meinung derjenigen, welche behaupten, die Irrfahrt des Odysseus sei nicht erdichtet, lässt eich durch den Mangel an Uebereinstimmung widerlegen (έΕ αύτου του μή συμφωνεϊν έλίγχεσθαι ψευδό- μενους). Das ist dasselbe Argument, mit dem auch die Glaub- würdigkeit der Alexanderschriftsteller in Zweifel gezogen wird.

^ Kallisthenes, um den es sich haudelt, mag sich wohl ähnlich ausgesproüheu haben, wie Xenophon über den Uebergaug des Kyros über den Euphrat: Anab. I 4, 18 έ6όκει θ€ΐον cTvai καΐ σαφώς ύποχωρήσαι τόν ποταμόν Κύρψ ώς βασιλ€ύσοντι

UheiD. Mua. f. Pbilol. Ν. F. LVIl. <57

578 Renas

Nicht anders steht es mit der Behauptung, man könne annehmen, der Dichter hahe die Irrfahrt des Odysseus in den Westen ver- legen wollen, hahe aher theils aus Mangel an genaueren Nach- richten, theils mit Ahsicht seinen Vorsatz nicht ausgeführt, um alles ins Furchthare und Wunderbare ziehen zu können (Strabo I S. 26). Noch schärfere Fassung wird diesem Vorwurf mit des Worten gegeben: Homer stellte besonders das Fernä als wunderbar dar, weil er hier am leichtesten aufschneiden könne (bia τό €u- κατάψ€υ(Ττον). Auch die Schriftsteller über Alexander nehmen es leicht, weil der Feldzug des Königs bis zu den äussersten En- den Asiens ging, das Entfernte aber schwer zu widerlegen ist (XI S. 507).

Von den Schriften des Eratosthenes kann nur seine Geo- graphie als Quelle für die späteren Darsteller der Alexander- geschichte in Betracht kommen. Sie bestand, wie Berger S. 17 ausführt, aus drei Büchern; das erste enthielt einen kritischen üeberblick über die Geschichte der Geographie von den ersten Anfängen bis auf die Zeit des Verfassers, in dem zweiten wurde eine Darstellung der leitenden Prinzipien und Fixirung der Pa- rallelen gegeben, dem dritten war die Eintheilung und epecielle Behandlung der οικουμένη vorbehalten. Nach Berger beschränkte Eratosthenes sich im dritten Buche auf die Darstellung der äusseren Umrisse der einzelnen Länder, so wie sie unter seinem Namen bei Strabo erhalten sind, indessen dürfte er in der Mit- theilung von geographischem Material doch weiter gegangen sein, als Berger annimmt. So läset in Strabos Behandlung Indiens auf Eratosthenischen Ursprung schliessen, waet XV S. 685 über die Widersprüche bei den Schriftstellern über Alexander und S. 688 über die Lügen der Schmeichler desselben mitgetheilt wird. Für Benutzung des gleichen Autors auf S. 686 688 spricht die Vergleichung mit Arrians Indica: Megasthenes über frühere Feldzüge nach Indien = Ind. 5, 4 7; Nysa = Ind. 5, 9; Aornos = Ind. 5, 10; Sibier = Ind. 5, 12; Kaukasos = Ind. 5, 10 11 ; eine solche Uebereinstimmung wäre undenkbar, wenn beide nicht diese Zusammenstellung schon vorgefunden hätten. Zwischen den von Berger als frg. III Β 6 und III Β 12 be- zeichneten Stücken Strabos steht ein Abschnitt, der Angaben aus Ktesias, Onesikritos, Nearchos, Megasthenes und Deimachos ent- hält, auch diese finden sich bis auf die Notiz aus Deimachos id derselben Reihenfolge Arrian Ind. 3, 6 8 wieder; bei beiden kann es sich nur um Herübemahrae dieser Citate aus Eratosthenes

Zur Ueberlieferung der Oesdiichte Alexandere d. Gr. 579

bandeln. Den angeführten Fragmenten entspricht im ganzen Arrian Ind. 3, 9 6, 9, hier liest man die Eratosthenes (frg. III Β 52) eigentbümliche Erklärung der Nilanech wellung (6, 7 u. 8), seine Ansicht über die Regengüsse in Indien (6, 6), den Ver- gleich zwischen Indien und Aetbiopien (Berger fr. III Β 16). Strabo und Arrian (6) 8) citiren Onesikritos für das Vorkommen der Flusspferde in den indischen Flüssen, ersterer wiederholt seine Angabe XV S. 707 gewies nach derselben Quelle. Eben daher ist aber auch XV S. 692 das Citat aus Nearchos ent- nommen, das in demselben Zusammenhange auch Arrian Ind. 6, 5 steht in einer Form, die deutlich die Polemik gegen Aristobul erkennen lässt ; οεται hk και του θέρους. Dem Auszuge aus Eratosthenes will Strabo eine speziellere Beschreibung Indiens nach anderen Schriftstellern folgen lassen, doch macht er sich auch in dieser von jenem nicht frei. Was er S. 691 aus Nearchos mittheilt, steht ausführlicher Arrian V 6, 4—6, wo in § 2 die Eintheilnng Asiens in 4 σφραγίδες, in § 3 die Grenzen Indiens nach Eratosthenes behandelt sind. Bei der Erklärung des Namens in § 4 zählt er wie Nearch bei Strabo verschiedene Ebenen auf, die von Flüssen angeschwemmt sind, und citirt wie dieser das Wort Herodots, dass Aegypten ein Geschenk des Nil sei. Das Citat ist von Nearchs Worten unabhängig, daher hat er es nicht gehabt, wie ja Arrian, der Υ 4, 2 schon Ktesias angeführt hat, hier noch auf Hekataios sich beruft (vgl. Strabo XI S. 507 ή Κτησίφ ή'Ηροδότψ καΐ Έλλανίκψ και SXXoic τοιούτοις). Auch für Strabo wird es daher wahrscheinlich, dass Nearch hier nicht direckt benutzt, sondern mit Herodot aus Eratosthenes herüber- genommen ist. Eine Nachricht aus Ktesias enthalten Strabos Worte XV S. 700: ώστε και έφ' εκατόν σταδίους, ώς οι μή μετριάίοντές φασιν κτλ. vgl. Arrian V 4, 2, der V 6, 8 auch der 15 Nebenflüsse des Indus gedenkt (Strabo aaO.); auch hier darf man daher Eratosthenes als Mittelquelle betrachten. Diesem , möchte ich auch Arrian V 20,8—9 zuweisen; die Bemerkung, dass Ptolemaios nur bei dem Akesines die Breite angegeben habe, weist deutlich auf Benutzung eines Geographen hin. Wenn von Strabo XV S. 705 die Lebensdauer der Elefanten auf 200, nach Onesikritos auf 300 Jahre berechnet wird, so bat auch hier nicht er diese verschiedenen Angaben zusammengestellt, sondern sie schon vorgefunden: Plin. VI 11 10 vivere ducenis annis et quosdam trecenis. Aehnlioh steht es mit Strabo XV S. 705 τών bi μυρκήκων κτλ. und Arrian Ind. 15, 4 u. 5. In einem Ab-

580 Reuse

eobnitte über die Jagden in Indien wird an die Bemerkung Ne- arcbe» er habe die Haut von goldgrabenden Ameisen gesehen, die Beeobreibung der letzteren, wie sie Megasthenes giebt, an• gescblosBen, das führt zur Annahme, dass auch hier die gemein- same Vorlage eingesehen ist. £rato8thenes wird ja als Quelle seiner Indica von Arrian V 5, 1 ausdrücklich genannt. Seine Kritik des Deimachos, der den Schattenwechsel im südlichen Indien leugnete, steht Ind. c. 25, 7 8. Zu den Worten, welche Strabü XV S. 720 auf das Bergersche Fragment III Β 22 folgen : πλην φοινίκων και άκάνθης τινός και μυρίκης sei auf frg. III Β 48 (Strabo XVI S. 767) hingewiesen : φοίνικας έχουσα ολί- γους και άκάνθαν και μυρίκην και ορυκτά ΰοατα (ΣκΤπερ και ή febpuJCTia, auch hier geht die Benutzung des Eratostbenes weiter, als sie von Berger angenommen wird. Hierher werden auch Strabos Mittbeilungen über das Klima der Landschaft Persis (XV S. 727 wo ein Fragment aus Eratostbenes sich anschliesst) gehören,- die Arrian Ind. 40, 2 5 Aufnahme gefunden haben und hier durch die Worte: τήν hk TTepaiba τριχή νενεμήσθαι τών ώρέιυν λόγος κατέχει von dem aus Nearoh Entnommenen ge- schieden werden. Das Citat aus Nearchos bei Strabo XI S. 524 , über die Uxier, Kossäer und Marder steht auch Arrian Ind. 40, 6, doch wird jener im 11. Buche von Strabo gar nicht genannt, und es ist unwahrscheinlich, dass dieser ihn dort eingesehen hat, um ihm eine Notiz über die Kossäer zu entnehmen, üeber den Tigris handelt Erat. fr. Β III 38 (Strabo XV S. 746) und III Β 31 (ebendas.), sowie HI Β 32 (Strabo XI S. 523), letzteres hat grösseren Umfang, als Berger ihm giebt, wie aus der völlig gleichlautenden Darstellung des Plinius (VI 31) ersichtlich ist. Für Strabo XVI S. 748 έν ή τιμώσι τήν Συρίαν θεόν und XVI S. 785 Δερκετώ b' αυτήν Κτησίας λέγει ergiebt sich die Quelle aus dem unter Eratostbenes Namen gehenden κατα(Ττερ. c. 38 . κατά τήν Βαμβύκην . . . ΔερκετοΟς ήν οΐ περί τους τόπους οίκουντες Συρίαν θεάν ώνόμασαν. Von besonderer Bedeutung für die Alexandergeschichte ist auch das 11. Buch Strabos, auch in ihm hat man vieles als Eigentbum des Eratostbenes anzu- erkennen. So gehört ihm an die Tbeilung Asiens durch einen von Westen nach Osten streichenden Gebirgszug in eine südliche uod nördliche Hälfte (vgl. Π S. 67, XI 12 S. 522, Arrian Ind. 2, 2, Anab. V 5; 6, 1 2), die Schilderung der Fruchtbarkeit Hyr- kaniens, die man im gleichen Wortlaut auch II S. 73 liest. Die Vorstellung, welche Eratostbenes von dem kaspischen Meere hat,

Zur üeberlieferung der Geschichte Alexanders d. Gr. 581

hat Arrian Anab. V 2β, 1 und VH 16, 1—3 beeinfluset. Auf ihn geht auch Arrian III 30, 7 9 zurück, nur ist die in den Worten και τόν Τάναϊν τούτον είσΐν οΙ . . . ausgesprochene Ansicht diejenige, welche von Eratosthenes bekämpft wird. Ebenso steht es mit Strabo XI 8 (S. 717): Die Makedonier nannten das Ge- birge, welches Asien scheidet, Kaukasos; im Osten schliessen sich Paropänisos, Emodos und Imaos an (Arrian Ind. 2, 1—9, Anab. V 5). Verwandt mit dem, was Plut. de fort. AI. I 8 aus Eratosthenes angiebt, ist auch das, was wir Strabo XI 18 S. 526 über die medische und persische Tracht lesen.

So dürfte Eratosthenes doch in seinen Mittheilungen weiter gegangen sein, als dies Berger zugestehen will. Spätere Be- arbeiter der Alexandergeschichte fanden bei ihm reiches Material, vor Allem aber fanden sie die Ueberlieferung kritisch gesichtet und nach dem ihr zukommenden Werthe beurtheilt. Von der Kritik, die er geübt hat, haben Strabo, Plutarch und Arrian ihr ürtheil über die Geschichtschreiber der Feidztige Alexanders ab- hängig gemacht.

8. Aristobul und Elitarch.

Ueber die Zeit, in welcher Klitarch geschrieben hat, und über das Verhältniss, in welchem er zu Aristobul steht, gehen die Ansichten auseinander. Nach Fränkel (S. 82) hat er seine Alexandergeschichte vor diesem in den Jahren 304 300 v. Chr. abgefasst und ist, wie Schwartz (Pauly-Wissowa: Aristobulos) be- hauptet, von ihm benutzt worden. Die überlieferten ürtheile über Aristobul lauten, von Lukians anekdotenhaften Erzählungen abgesehen, sehr günstig, sie haben, ausser bei Schwartz, all- gemeine Zustimmung gefunden. Letzterem dagegen ist er ein hausbackener, nüchterner Philister, der erst spät zur Feder ge- griffen habe, sein Werk kein wurzelechtes Gewächs, sondern nur ein Spross an dem grossen Baum der geschichtlichen und legen- darischen Erzählungen von Alexander. Nicht allein Nearch und Onesikrit, sondern auch Klitarch soll der compilirende Litterat zu Rathe gezogen und in Kleinigkeiten bekämpft haben, um die von ihnen vertretene Gesammtanschauung doch bestehen zu lassen und selbst zu tibernehmen. Niese (Histor. Zeitschr. Bd. 79 S. 2 A. 1) nimmt dagegen Abhängigkeit Klitarchs von Aristobul an: 'Kli- tarch gab für den Beinamen Soter des Ptolemaios Lagi die be- kannte Erklärung. Nun ist aber als festgestellt anzusehen, dass dem Ptolemaios er^t nach seinem Tode die Apotheose und der

5^ Reosi

ßeioame Soter zoerkannt worden ist; «iieeer lisfft sich erat im 2b, Jabre des Ptolemaioe II zuerst naehweisen db. 261 v. Cbr. . . . ΑΙλο wird Klitarcb nicbt vor 260 v. Cbr. freacbrieben baben, womit stimmt, dass er obne Zweifel den Aristobnl aos^ebig be- nutzt bat*. Ein scbrofferer Widersprucb der Ansiebten ist nicbt denkbar, ebensowenig aber die Lösung der Qoellenfrage, ebe die litterariscbe Frage der Priorität des einen oder anderen Sebrift- stellers gelöst ist. Das ürtbeil von Sebwartz eracbeint yon voroberein als wenig wabrscbeinlicb. Aristobnl sebrieb am Ende seines Lebens nieder, was er selbst erlebt nnd geseben batte, dabei nabm er Bezug anf Veröffentlicbungen von Zeitgenossen, die vor seiner Darstellung ersebienen waren, Klitarcb dagegen ist an dem Erzählten selbst nicbt betbeiligt gewesen nnd be- natzte das Material, das andere vor ibm beransgegeben batten; jener wird von den Alten wegen seiner Zuverlässigkeit gerubmt, dieser erfäbrt dagegen den scbärfsten Tadel. Der Nacbweis, dass Klitarcb erst um 260 v. Chr. geschrieben baben kann und Aristobnl benutzt baben muss, lässt sich aber aus den erhaltenen Fragmenten und Berichten erbringen.

Das kaspiscbe Meer betrachteten Alexander und seine Zeit- genossen, ebenso wie die Griechen vor ihm (Herod. I 202, Arietot. meteor. Π 1, 10), als Binnenmeer (Diod. XVIII 5, 2, anders Arrian V 5, 4). Da man Jaxartes mit dem Tanais gleichstellte, kam man auf die Vermuthung, kaspisches Meer und palus Maeotis müssten dasselbe Meer bezeichnen oder doch miteinander in Ver- bindung stehen. Dies ist die Auffassung Polyklits, die er mit Gründen zu erweisen suchte (Strabo XI S. 509 u. 510). Auch von Alexander erzählt Arrian VII 16, 2, er habe beabsichtigt, durch eine Flotte untersuchen zu lassen, ob das kaspiscbe Meer mit dem schwarzen Meer zusammenhinge oder, ein Busen des grossen Ozeane sei, doch giebt er, wie schon die Worte: ου γάρ πω έΕεύρηντο αΐ άρχαι τής Κασπίας θαλάσσης beweisen, eine Auffassung wieder, die der Zeit dee Makedonierkönigs fem lag. Diese Untersuchung führte später im Auftrage der Könige Se- leukos Nikator und Antiochus I Patrokles aus (Plin. VI 21), der in dem genannten Meer einen Busen des äusseren Meeres sah und es als möglich hinstellte, von Indien ans in dasselbe zu segeln (Patrokles fr. 3 u. 5 b. Müller F. H. Gr. Π S. 443). Die Autorität des Eratosthenes hat seiner AnRicht allgemeine Geltung verschafft. Demselben Kreise gehörte auch die Vorstellung an, dass der Isthmos zwischen kaspischem und schwarzem beziehunge*

Zur Ueberlieferung der Geschichte Alexanders d. 6r. 583

weise asowschem Meere sehr schmal sei, deshalb trag sich Se- leakos mit dem Plane ihn durchstechen zu lassen, wurde aber vorher von Ptolemaios Keraunos ermordet (Plin. VI 12). Damit vergleiche man Klitaroh fr. 6 u. 7 bei Müller. Das erste lautet bei Plinius VI 13 Irrumpit Scythico Oceano in aversa Asiae, pluribus nominibus accolarum appellatum, celeberrimis duobns Caspio et Hyrcanio. Non minus hoc esse quam Pontnm Euxinum Clitarchus putat. Dass er wirklich nur die Ansicht des Patrokles wiedergiebt, lehrt Strabo XI S. 508 ώς φησι ΤΤατροκλής, δς και πάρισον ηγείται τό πέλαγος τούτο τψ ΤΤοντικώ. Mit den Gelehrten und Technikern des Selenkidenhofes theilt Klitarch ^ ferner die Meinung, dass nur ein schmaler Landisthmos schwarzes und kaspisches Meer trenne: Strabo XI S. 491 o\ b' έπι το- σούτον συναγαγόντες τόν Ισθμόν, έφ' δσον Κλείταρχος, έπί- κλυστον φήσας il έκατέρου του πελάγους. Klitarch muss da- her Patrokles benutzt und nach ihm geschrieben haben, die Ab- fassung seiner G-eschichte kann frühestens um 280 v. Chr. er- folgt seifb.

Klitarch ist bei Diodor XVII 75 benutzt (vgl. § 7 u. frg. 8), der über das kaspische Meer sich folgendermassen ausläset : Ale- xander unterwarf alle Städte bis zum kaspischen Meere, das einige hyrkanisches nennen, in ihm soll es viele grosse Schlangen geben und mancherlei Fische, die sich in der Farbe sehr von den unserigen unterscheiden. Auch Plut. Alex. c. 44 giebt die Darstellung Klitarchs wieder, dies beweist ausser anderem die mit Diod. XVIII 76, 5 und Curt. VI 5, 18 gleichlautende Er- zählung von der Wegnahme des Bukephalas bei den Mardern (anders Arrian V 19); er berichtet: 'Da Alexander einen Meer- busen sah, der nicht kleiner zu sein schien, als der Pontos Eu- xeinos, aber süsseres Wasser hatte, konnte er nichts Genaueres über ihn erfahren, vermuthete aber, dass es ein zurückgetretener Theil des mäotischen Sees sei , und knüpft daran die miss- verstandene Bemerkung, dass die Naturforscher schon vor Ale- xander (las kaspische Meer (τό Ύρκάνιον πέλαγος και Κάσπιον όμου προ(Ταγορευόμ€νον) als einen Busen des äusseren Meeres erkannt hätten. Diodor und Plutarch bringen Züge aus der Be-

^ loh stimme den Ausführunßfen Neumanne (Hermes XIX S. 180 ff.) bei, doch das eine kann ich ihm nicht zugeben, dass Klitarch nur die An^cbaauDgen der Zeitgenossen Alexanders vertrete und dass Aristobul schon Patrokles gekannt und benutzt habe.

584 Reu8s

Schreibung Polyklite, die wir aus Strabo XI 509 kennen und die von Eratoethenes bekämpft wurde, Plutarcb verbindet t$ie mit den Angaben des Patrokles. Dasselbe ist der Fall bei Cnrtius VI 4, 16—19. Man vergleiche VI 4, 18 dulcius ceteris = Flut, c. 44 γλυκύτερον τής δλλης θαλάτης, ingentis magnitudinie ser- pentes alit = Polyklit frg. 5, Diod. XVIl 75, 5, piscium in eo longe diversus ab aliis color est = Diod. XVII 75, 5 ; qui- dam Caspium, quidam Hyrcaninm appellant = Elit. fr. 6, Diod. XVn 75, 5, Plut. 0. 44, alii sunt, qui Maeotim paludem in id cadere pntent et argumentum afferant aqaam, quod dnlcior sit quam cetera maria = Polyklit fr. 5, Plut. c. 44; § 19 a septen- trione ingens in litus mare incumbit longeque agit fluotus et magna parte exaestuans stagnat = Klitarch fr. 6 u. 7 (έπίκλυ(Ττον φή(Τας). £t quidam credidere, non Caspium mare esse, sed ex India in Hyreaniam cadere = Patrokles fr. 3. Bei Klitarch stand ein längerer geographischer £xcure, der bei Curtius bis zur Cn- verständlichkeit gekürzt ist: VI 4, 16 namque perpetua valles iacet usque ad mare Caspium patens. Duo terrae eitls velot bracchia excurrunt: media flexu modico sinum faoiunt lunae ma- xime similem. Durch Eratosthenes , aus dem Patrokles und Polyklit ja auch bei Strabo citirt werden, kann er seine Angaben nicht erhalten haben, dem steht die Erwähnung der Amazonnm campi 17) im Wege, von welchen jener ja nichts wissen will (Fr&nkel S. 63). So bleibt auch hier die Möglichkeit, dass Curt. VI 4, 16 19 aus Klitarch entnommen ist, dass dieser also der 'compilirende Litterat * (Schwärt z) ist, der Polyklit und Patrokles benutzt hat. So wird auch VI 2, 15 nrbs erat ea tempestate clara Hecatompylos condita a Graecis verständlich, eine Mit• theilung^ die in dieser Form in der Vorlage nicht gestanden haben kann, vgl. Diod. XVH 75, 1 πλησίον τής όνομα2[ομ€νης Έκατομττύλου. Weder Plutarcb noch Arrian erwähnen die Stadt, und dies mit gutem Grunde^ da sie allerdings von Griechen, aber erst von Seleukos Nikator angelegt ist (Appian Syr. c. 57). Auch hierdnroh erweist sich Klitarch als einer späteren Zeit angehörig. Ueber Hyrkanien sprechen Diod. XVll 57, 4 ff. 7 = Klitarch fr. 8) und Curt. VI 4, 21 u. 22, des ersteren Nachrichten über die dortigen Feigen und Reben stehen auch Strabo II S. 73 und XI S. 508 u. 509, nur weicht dieser in einer Zahlenangabe (έΕή- κοντα) von jenem (δίκα) ab. An der ersten Stelle wird eine Mittheilung über den Oxos vorgetragen, die Eratosthenes ^of Aristobulos und Patrokles zurückführt (Strabo XI S. .500), an der

Zur üeberlieferung der Geschichte Alexanders d. Gr. 58«5

zweiten wird das Zeugnise Aristobuls für eine Angabe angeführt, die auch Klitarch macht: πεύκην bk και έλάτην κα\ πίτυν μη φύ€ΐν, τήν bh. Ίνδικήν πληθύειν τούτοις, vgl. Diod. Χ VI! 89, 4. Strabo hat wahrscheinlich Eratoethenee benutzt, dieser aber Ari- stobulos. Ob auch Klitarchs Darstellung daher stammt, muss noch unentschieden bleiben, da Diodor XVII 75, 6 und Curt. VI 4, 22 auch mit Onesikritos frg. 3 (Plin. XII 18) harmoniren. Ausgeschlossen ist freilich nicht, dass auch Aristobul diesem folgte, sicher fand sich die gleiche Mittheilung schon in Strabos Vorlage : U S. 73 έν bh. τοις bivbpeai σμηνουρτ€Ϊσθαι καΐ τών φύλλων άπο^^€Ϊν μίλι, ebenso XI S. 509.

Dass bei Curtius Eratosthenische üeberlieferung vorliege, ist angenommen worden (zB. von Fränkel S. 23), ist aber nicht richtig. Nach VII 3, 19 22 theilt das Kaukasosgebirge Asien in zwei Theile, der eine fällt nach dem kilikischen Meere usw., der andere nach dem kaspischen Meere, dem Araxesflusse und den Steppen Skythiens hin ab. Mit ihm hängt das Taurosgebirge zusammen, das in Eappadokien sich erhebt, Kilikien begrenzt und in die armenischen Berge übergeht. So bilden die Höhen- züge einen fortlaufenden Gebirgsrücken, von dem die Flüsse theils nach dem rothen, theils nach dem kaspischen, theile nach dem hyrkanischen und pontischen Meere abfliessen. Wie Curtius dazu kommt, hier das kaspische Meer und das hyrkanische Meer von einander zu scheiden, ist nicht ersichtlich, möglich ist, dass er hier seine Quelle unrichtig wiedergiebt, doch werden beide ja auch Aristot. meteor. U 1, 10 als verschiedene Meere betrachtet. Nun hat ja bekanntlich Eratosthenes die Scheidung Aiens in zwei Hälften durch das Taurosgebirge und seine Fortsetzung behauptet, dennoch kann weder Curtius noch Arrian III 28, 5 von ihm ab- hängig sein. Die vorgetragene Anschauung bestand schon vor ihm (vgl. Diod. XVIII 5, 3), auch jene haben sie anderswoher entnommen. Beide bezeichnen den Gebirgszug als Kaukasos und betrachten den Tauros nur als einen Theil desselben (Arrian III 28, 5, Curt. VII 3, 20 secundae magnitudinis mons), Eratosthenes dagegen bat für den ganzen Gebirgszug den Namen Tauros ge- braucht: Strabo II S. 67 u. Γ)8 (Berger III A. 2 uö., Arrian Ind. c. 3, 1 άπό του ουρεος του Ταύρου, ϊνα του Ίνί)ου α\ πηγαί). Gegen die Alexanderschriftsteller wendet er sich mit scharfem Tadel, weil sie den Namen Kaukasos auf das indische Gebirge übertragen haben: Strabo XI S. 505, Arrian Ind. 2,4 ff., dessen wird Arrian erst Anab. V 5 inne und sieht sich daher

^Ht» Reuse

•u einer Entschuldigung veranlasst (V 5, 3). Arrian hat 111 Ji8» 5 sich an Aristobul angeschlossen, für Elitarch, dem nicht eigene Beobachtung und Erfahrung zu Gute kamen, wird das Gleiche angenommen werden itaüssen. üeber das Land der Paro- pamisaden haben gemeinsame üeberliefemng Diodor XVII 8, 2 und Strabo XV S. 725, wo sich auch vieles mit Curtius Ge- meinsame (Vn 2,18; 3,1; 4,25) findet. Strabos Quelle ist aber Dicht Klitarch, sondern Aristobul, wie Arrian An. 11128,6 ergiebt.

Benutiung des Eratosthenes durch Curtius könnte man auch 111 1. 13 aniunehmen geneigt sein, da ersterer als Westseite eine neue Linie, die auf ungefähr 3000 Stadien bemessene Entfernung v^>m i9$ischen Meerbusen nach Amisos einführte (Strabo Π 68, ΓΗη» VI 2, Berger S. 157), indessen behauptet der Alexander- biv^cr^ph doch nichts anderes, als zB. Strabo ΧΠ S. 534 lOTX ^' itknrcp χ€ρρονησου μεγάλης !σθμός ούτος, σφιγγόμενος θα- λάτταΐς ουσί κτλ. Ebenso steht es mit Curt. V 1, 13 duo milia «»t quingenta stadia eraensi sunt, qui amplissimum intervallum oiroa Armeniae raontes notaverunt, genau so Diod. Uli, 1. Auch Strabo theilt dies mit: ΧΪ S. 521 οιέχουσι bk αλλήλων a\ πηγαι . . . περί δισχιλίους καΐ πεντακόσιους σταδίους, aber in Era- toHthenes hat er diese Massbestimmung nicht gefunden, wie er XVI 746 ausdrücklich ausspricht: τό μέν ουν μέχχΟΊον δ άφί- ατανται διάστημα άπ' αλλήλων τό προς τοις δρεσίν έστΓ τούτο b* δν 6Ϊη τό αυτό δπερ €Ϊρηκ€ν Ερατοσθένης, τό άπό θαψάκου .... έπ\ την του Τίγριος διάβασιν . . . δισχιλίων τετρακοσίων vgl. II S. 80. Diodor oder seine Quelle hat im zweiten Buche Alexanderschriftsteller benutzt, unter ihnen ist auch Klitarch ge- wesen (Jacoby, Ktesias und Diodor in Rhein. Mus. XXX S. 555 ff.)^.

1 Jacoby geht zu weit, wenn er den ganzen Abschnitt aus Klitarch herleitet, aber auch Ktesias ist nicht direct benutzt, wie Krumbholz, Rhein. Mus. Bd. 41 S. 321 ff, Bd. 44 S. 2H7 ff. annimmt; nach Marquart (Phil. Suppbd. Vi S. 501 ff.) ist Agatharcbides Diodors Quelle. Wenn W^agner (Jahrb. f. Phil. IHi^ß S. 335) diesem auch Diod. XVIII 5 zu- weisen will, 80 kann ich ihm ebenso wenig folgen, wie Haake (Progr. V. Hagen 1884 S. 3), der dies Eratosthenes zuschreibt. Gegen beide spricht XVIII 5, 3 τήν Ύρκανίαν θάλατταν οΰσαν καθ' έαυτήν. Den geographischen Abschnitt giebt Diodor hier, weil mit ihm seine neue Quelle di. Hieronymos von Kardia einsetzte. Für diesen spricht auch § (i Ινδική βασιλ€ία μ€γάλη καΐ πολυάνθρωπος, womit auf das von Saudrokotlos begründete indische Reich hingewiesen wird.

Zur Ueberlieterung der Geschichte Alexanders d. Gr. 587

Sicher ist es aber nicht zufällig, wenn Elitarch und Ari- stobuloB hier wieder mit einander tibereinstinimen: Diod. II 11,1 = Strabo XV S. 739 μετά γάρ τους Ινδικούς ούτοι λέγονται ί)€υτ€ρ€ύ€ΐν; denn dass Strabo letzterem folgt, ergiebt die Ver- gleichung mit Arrian VII 2, 21 ff. Die Klitarch^sche Beschrei- bung Babylons (Diod. II 1, 10; Curt. V 1, 24 ff.) ist dieselbe, der wir auch bei Strabo XVI S. 738 begegnen (vgl. Diod. II 9, 4 u. 5 und Arrian VII 17, 1), doch werden XVI c. 1 ausser Era- tosthenes nur Polyklit und Aristobul namhaft gemacht. Benutzang Polyklits ist bei Klitarch• Curtius ausgeschloesen : V 1, 12 causa fertilitatis est humor qui ex utroque amne manat, dagegen Πολύ- κλειτος bl φησι μή πλημμυρεϊν τόν Εύφράτην (Strabo XVI S. 742), wohl aber könnte sie für Aristobulos zutreffen: XVI S. 740 πλημμυρεϊ γάρ ό Ευφράτης und Arrian VII 21, 2. Von letzterem stammt auch Arrian VII 7, 3 δθεν και τό βνομα Μεσοποταμία προς τών έπιχιυρίιυν κληΐίεται (Schwartz aaO.), ihm schliesst sich Curt. V 1, 15 an. Dergleichen Bemerkungen finden sich bei ihm mehrfach, vgl. Arrian III 30, 7 und frg. 13. Auf ihn, nicht auf Eratosthenes, geht daher auch Curt. IV 9, 16 (genauer epit. rer. Alex. § 67) zurück, obwohl auch dieser für den Namen Tigris dieselbe Erklärung hatte (Strabo XI S. 529, Plin. VI 31).

Bei Aristobulos hat die Geographie besondere Berücksich- tigung gefunden, dies machte ihn für Geographen wie Eratosthenes als Quelle sehr schätzenswerth. Auch Elitarch hat von seiner Darstellung der durch Alexanders Feldzüge berührten Länder vieles sich angeeignet. Dies ist der Fall bei dem, was er über den Fluss Eydnos schreibt: Curt. III 4,8 u. 5, 1 Cydnus . . . quippe . . . solo puro excipitur und mediam Cydnus amnis inter- fluit = Arrian II 4, 7 ^€i b\a μέαχ]ς της πολίως . . οΙα bxa χώρου καθαρού ^έων, und in gleichem Masse bei seinen Angaben über den Pasitigris, womit andere die vereinigten Flüsse der Landschaft Susis bezeichnen (Strabo XV S. 729), und über das Land der Uxier: Curt. V 3, 1 oritur in montibus Uxiorum =■ Strabo XV S. 729 δς έκ της ΟύΗίας και αυτός ^€Ϊ (Diod. XVII 67, 2), V 3, 3 finitima Susis est et in priraam Persidem ex- currit, artum inter se et Susianos aditum relinquens, Diod. XVII 67, 2 bia χώρας τραχείας = Strabo XV S. 728 παρεμ- πίπτει γάρ τις ορεινή τραχεία και απότομος μεταΕύ τών Σου- σίιυν και της ΤΤερσίοος, στενά έχουσα δυαπάροδα. Letzterer deckt sich in seiner weiteren Darstellung mit Arrian III 17, 1^

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wo Arietobuloß benutzt ist (Fränkel S. 272). üeber das östliche Europa und Westasien nördlich des kaspischen Meeres haben Aristobul und Klitarch die gleichen unklaren Vorstellungen ; beide unterscheiden zwischen europäischen und asiatischen Skythen: Arr. III 8, 3; IV 1,1: 15, 1 ; Curt. VI 2, 13; 6, 13; VI! 4, 6. 32; 6,12; 7,2 u. 3, zwischen denen der Tanais die Grenze bildet (Arr. III 30, 7, Curt. VU 7, 2 u. 3). Für Aristobul ist dies verständlich, Klitarch aber tritt hierdurch in Widerspruch mit der Aneicht des Patrokles, dass das hyrkanische Meer ein Busen des nördlichen Weltmeers sei, er hat diese neben der älteren Anschauung aufgenommen, ohne sie weiter zu berücksichtigen und ohne die Identität von Tanais und Jaxartes aufzugeben : Curt. VI 4, 19 et quidam credidere etcet. Den Zug Alexandere nach dem Tempel Ammons hat Aristobul nach Kallisthenes erzählt (Arrian III 3 u. Strabo XVII S. 814), desgleichen Klitarch (Diod. XVII 49, Curt. IV 7). Bei der Schilderung der Oase Siwah ist manches aus Herodot IV 181 selbst mit Beibehaltung des Wort- lautes entlehnt: Arr. III 4, 5 μακρός ό χόνδρος, Herodot κατά χόνδρους μεγάλους; Diod. XVII 50, 5 τήν πηγήν χλιαράν, He• rod. χλιαρόν, sie muss daher auch von Kallisthenes herrühren, der wiederholt auf jenen sich bezieht: frg. 22 auf Herod. VI 21, frg. 38 και Καλλισθένης ήκολούθησεν αύτψ. Damit wird aber die Vermuthung von Schwartz hinfallig, dass Arrian II Ϊ 4 aas Klitarch geflossen sei ; die Möglichkeit ist sogar nicht aus- geschlossen, dass diesem die Erzählung des Kallisthenes durch Aristobul vermittelt ist.

So wenig wie Eratosthenes haben auch Agatharchides und Artemidor ein Anrecht, unter die bei Curtius benutzten Quellen gezählt zu werden, wie dies von Gutschmid und Kaerst geschehen ist. Es handelt sich um die Land und Leute von Indien be- handelnde Einleitung, welche Curt. VIII 9 der Erzählung des indischen Feldzuges vorausgeschickt wird. Aus der Aehnlichkeit von § 9 mit Artemidor bei Strabo XV S. 719 (Οίδάνης, boi Curtius: Dyardanes) folgt nur, dass dieser ebenfalls Mittheilungeo aufgenommen hat, die in der Quelle des Curtius Aufnahme ge- funden haben, und etwas anderes ergiebt sich nicht aus der Ver* ^leichung von § 14 mit Agatharchides bei Strabo XVI S. 779. Xearch verwarf die schon von Ktesias (Strabo aaO.) gegebene Er- klärung des Namens 'Erythräisches Meer' aus der Farbe und leitete diesen von einem Könige Erythras her, weiter geht die ^ittheilung von Curt. VIII 9, 14 u. X 1, 13 u. 14 nicht, dazu

Zar UeberlieferuDg der Geschichte Alexanders d. ßr. 589

braucbte er aber nicht Agatharohidee einzusehen/ Keinerlei An- gabe findet eich bei ihm, welche erst aus späterer Zeit stammen könnte, vielmehr weisen alle auf die Alexanderschriftsteller hin. Wenn § 2 die üeberlieferung des Megasthenes (Arrian Ind. 3, 7 u. 8) verworfen wird, so wird von Cartioe* Quelle einer der zahlreichen abweichenden Angaben, die Strabo XY S. 689 auf- gezählt werden, der Vorzug gegeben ; ist Diod. II 35, 2 aus Aga- tharchides entnommen, so kann er nicht Quelle des Curtius sein, da er der Üeberlieferung des Megasthenes folgt. Auffallender- weise erscheint § 10 unter den Flüssen Indiens der Ethimandus, aber was über ihn mitgetheilt wird, läset keinen Zweifel, dass Aristobuls Etymandros (δς biä των Ευεργετών ^έει) gemeint ist: Arrian IV 6,6; Aristob. fr. 22. Die Nachricht, dass die Inder auf Baumbast Schriftzeichen geschrieben haben 15), steht im Widerspruch mit Megasthenes frg. 22 (Strabo XV S. 709), aber im Einklang mit Nearch (Strabo XV S. 717). Die Elefanten Indiens sind nach § 17 grösser und stärker als die afrikanischen (Diod. II 35), das licrichtet auch Onesikritos (Strabo XV S. 703). Mit Strabo XV S. 718 ψήγματα χρυσού καταφέρειν τους ποτα- μούς harmonirt § 18 aurum flumina vehunt, hier kann daher die Entlehnung aus Megasthenes nicht zweifelhaft sein, aus dem auch die Nachrichten über die kostbaren Perlen in § 19 geflossen sein können (Arr. Ind. c. 8, 11). Zu § 21 lapilli ex auribus pendent, bracchia quoque et lacertos auro colunt (vgl. IX 1, 29), bietet eine Parallelstelle aus Megasthenes: Strabo XV S. 709 (Arrian Ind. 10, 5) und S. 712 σινί)ονοφορουντα και χρυσοφορουντα μετρίως ταΐς χερσι καΐ έν τοις ώσί, zu § 22 aus eben dem- selben Strabo XV S. 719 κομάν bk κτλ., zu § 23 Strabo XV S. 718, wo Aehnliches aus Klitarch berichtet wird. Für Be- nutzung des Megasthenes sprechen mancherlei Anzeigen in § 28 und 31, gegen ihn gerichtet ist aber in § 30 die Bemerkung: cuius (vini) Indis largus est usus. Auch an Nachrichten aus Aristobulos fehlt es in diesem Abschnitte nicht. Die Pfeile der Inder sind nach Nearch (frg. 7 bei Strabo XV S. 718 und Arr. Ind. IH, 7) drei Ellen lang, nach § 28 und IX 5, 9 (namque Indis, ut antea diximus, huius magnitudinis sagittae erant) haben sie nur eine Länge von zwei Ellen. Letzteres ist die Üeber- lieferung des Aristobulos frg. 28 διττήχει το£εύματι. Stammt demnach Curt. VIII 9 aus Klitarch , so muss dieser sich an Onesikritos, Nearch, Aristobulos und Megasthenes gehalten haben ; für Nearch ist dies längst erkannt (vgl. fr. 14 u. 15 mit Clit,

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fr. 15 und Diod. XVII 90, frg. 25 mit Diod. XVII 106), für Megasthenes ergiebt sich die ßenatznng seitens Elitarche aas Plin. VII 2. Wenn es hier heisst: Mandorum (?) nomen eis dedit Clitarchus et Megasthenes, so muss bei Clitarch die Erzählung des Megasthenes, dass indische Frauen mit 7 Jahren gebären (Megasth. fr. 24, Arrian Ind. c. 9, 7), Aufnahme gefunden haben. Dieser kann daher erst nach Megasthenes, der in Seleukos' Auf- trag in Indien gewesen ist, seine Geschichte Alexandere ge- schrieben haben.

Klitarch schliesst die Reihe der Alexanderschriftsteller und hat die endgiltige Redaction der Alexandergescbichte gegeben, wie sie für die nächsten Jahrhunderte massgebend geblieben ist Dies lehrt uns auch die Vergleichung der Fragmente bei den Nachrichten , die nicht auf geographische Verhältnisse Bezug haben. Wir sahen, dass Aristobul und Klitarch nach Kallisthenes über den Zug Alexandere nach dem Ammontempel berichteten, Spuren des Kallisthenes und Aristobulos lässt Justins Bericht über die Schlacht am Granikos erkennen (XI 0, 11 ff.). Mit jenem verlegt er das Schlachtfeld auf die campi Adrastii, vgl. Strabo XIII S. 587 ' Αδράστειας πεδίον (frg. 20), mit diesem giebt er die Zahl der auf makedonischer Seite gefallenen pedites auf 9 an (XI 6, 12). Nach Aristobul bei Plut. Alex. 16 sind vom Heere Alexanders 34 Mann, darunter 9 π€Ζ!θί gefallen, eine Ajigabe, die durch Arrian I 16, 4 dahin ergänzt wird, dass beim ersten Zusammenstoss 25 Keiter gefallen seien; auch die 9 Mann von der Infanterie bedeuten nur diesen ersten Verlust. Auch über die Ehrung der Gefallenen macht Justin XI 6, 13 die gleichen Angaben, wie Arrian 1 16, 4 und Plut. Alex. c. 16. Aristobal hat Kallisthenes theilweise ausgeschrieben: Callisth. frg. 23 (daza Strabo XIII 656 über Halikarnass) vgl. mit Arr. I 23; Call, frg. 32 vgl. mit Aristob. frg. 6; Call. fr. 36 mit Arist. fr. 9. Was dieser von Alexanders Weg an der Küste Pamphyliens er- zählte, ist in die Darstellung Aristobuls übergegangen (Arrian I 26, 2) und ebenso in die Klitarchs : Curt. V 3, 22 mare quoque novum in Pamphylia iter aperuerat. Wie Kallisthenes, war auch Onesikritos Klitarch bekannt. Bei den Kathäern stand, so er- zählt er bei Strabo XV S. 699, die Schönheit in besonderer Achtung, die Königswürde wurde dem Schönsten übertragen, die Kinder wurden zwei Monate nach ihrer Geburt untersucht und nach dem Befund am Leben erhalten oder getödtet. Das Gleiche erzählen Diodor XVII 91, 4 und Curt. IX 1, 24 vom Lande des

Zur Ueberlieferung der Geschicbte Alexanders d. Gr, 591

Sopeithee, das von Strabo zur Kathaia gerechnet wird (Niese I S. 136, A. 4). In gleicher Weise ist Nearchos von Klitarch be- nutzt worden: Nearch fr. 14 πήχεων έκκαίΟ€κα, fr. 15 έκκαώεκα- ττήχεις έχίονας, Clit. fr. 15 δφιν ττηχών έκκαΛεκα. Aristobul polemisirt frg. 32 gegen die übertriebenen Angaben von der G-rösse der indischen Schlangen, wobei er wohl Nearch im Auge hat, und bezeichnet eine kleine Schlangenart als besondere ge- fährlich. Auch seine Mittheilungen hat Klitarch, dessen frg. 15 u. 16 durch Diod. XVII 90 vervollständigt werden, verwerthet: Arist. fr. 32 τους bi πληγέντας αίμοβ^οεϊν έκ παντός πόρου μετά έπιυουνίας, Diod. XVII 90, 6 τον bi πληγέντα πόνοι δεινοί συνεϊχον και ^ύσις Ιδρώτος αίματοεώους κατείχε. Zur Heilung benutzen die Eingeborenen gewisse Wurzeln, üebereinstimmend mit Nearch frg. 25 schildert Kleitarch den Kampf der Flotte mit den Ungeheuern des indischen Ozeans (Diod. XVU 109). Un- verkennbar ist die Benutzung des ersteren (frg. 20) in Klit. frg. 21•: Oritas ab Indis Arbis fluvius disterminat (Nearch b. Sfrabo XV S. 720). Hi nullum alium cibuni novere quam piscium, quoe unguibus dissectos sole torreant : atque ita panem ex bis faciunt, ut refert Clitarchus (Diod. XVII 105, 4; Curt. IX 10, 6 ff.). Wort für Wort dieser Schilderung finden wir wieder: Arr. Ind. 24,9; 28,8 u. 9; 29,12. Ueber die Kleidung dieses Volkes wird gesprochen : Ind. c. 24, 9 (Strabo XV S. 720) = Diod. XVU 105, 3; Curt. IX 10, 10, über die Wohnungen: Ind. 28, 16; 30, 9 ; Strabo aaü. =: Diod. XVU 105, 5. Indessen auch hier fehlt es nicht an Zügen, die für Aristobul charakteristisch sind, 80 Strabo XV S. 721 πίτττειν bk τους δμβρους έν τοις δνιυ μέρεσι τοις προσαρκτίοις και εγγύς τών όρων, wozu Arrian Anab. VI 25,5 den bezeichnenden Zusatz macht: καθάπερ ούν καΐ ή Ivbujv γή. Mit Hecht weist daher Schwartz diesem Arrian VI 24, 4—26 zu ; selbst das Citat aus Nearchos in VI 24, 2 dürfte aus ihm entnommen sein^ lag es doch Arrian näher, den Land- weg Alexanders nach Aristobul darzustellen, als nach dem Be- richte des Nearchos über seine Seefahrt. Auf jenen geht weiter- hin aber auch Strabos Darstellung XV S. 722 προς bk. τη όπορίςι 723 εΙς την Καρμανίαν zurück. Erzählt wird hier die wunder- bare Heilung des Ptolemaios, der im Lande der Oriten verwundet war. Justin ΧΠ 10,3, Diodor XVII 103 und Curt. IX 8, 20 ff. verlegen dieselbe nach Hamatelia, auch ist es bei ihnen eine Schlange, die Alexander auf das heilende Kraut aufmerksam macht, nicht ein Mann. Ueber die Zubereitung des Heilmittels sprechen

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eich Strabo und Diodor übereinetimmend aus: τρ(βοντα, Diod. XVII 103, 8 τρίψας, über die Verwundung am genauesten Diodor: τό hk σώμα κατέπλασε και πιεΐν 5ούς, wonach also Justins 'qua in potu accepta , sowie Curtius* ^vulneri imposuit' (Strabo έτητι- θέναι τιμ τριυθέντι) in der gemeinsamen Vorlage gestanden hat. Die Differenz zwischen Strabo und den anderen Berichterstattern führt darauf, dase Elitarch den Bericht des Aristobulos umgebildet hat. (lenau dieselbe Beobachtung lässt sich bei Klitarch frg. 16 und Strabo XV S. 699 machen. Bei diesem bestrichen die in- dischen Jäger ihre Augen mit Wasser, bei jenem mit Honig (Diod. XVII 50, 2), bei diesem benutzen sie zum Fangen der Affen Säcke, bei diesem Spiegel und Sandalen, aber trotz dieser Diffe- renzen ist bei Klitarch selbst der Wortlaut der Quelle Strabos mehrfach beibehalten worden.

Auffallend wenig Berührung mit der Erzählung Elitarche bieten die Fragmente des Ptolemaios (Fränkel S. 247), damit er- ledigt sich von selbst Müllers (frg. S. 74) Behauptung, Klitarcbs Bestreben sei es gewesen, dem Könige Aegyptens zu schmeicheln. Ebenso wenig kann man Fränkel zugeben, dass dieser sein Werk geschrieben habe, um den Uebertreibungen Klitarcbs entgegen- zutreten. Bei den Verlustangaben von Issos berechnet Arrian II LI, 8 die gefallenen Perser auf 100,000 Mann, unter denen sich 10,000 Eeiter befanden; soll dies heissen: ^zu denen 10,000 Reiter kamen', dann giebt er dieselben Zahlen, wie Diodor XVII 36, Curt. III 11,27, Plut. AI. 20 (Justin XI 9, 10). Man betrachtet sie als die Zahlen des Ptolemaios, doch bezieht sich sein Zeugniss bei Arrian: ώστε \ife\ Πτολεμαίος nur auf die Worte: τους μετά αφών φάραγγα und er hat selbst gar keine Zahlen mit- getheilt. Ist Ptolemaios von Klitarch nur wenig benutzt worden, dann ist dies um so mehr mit Aristobulos der Fall gewesen. Um von den zahlreichen Congruenzen abzusehen, welche man bei Arrian einerseits und Diodor -Curtius- Justin andererseits auf- gedeckt hat (vgl. Fränkel § 12), will ich hier nur noch das ge- meinsame Gut hervorheben, das in den Fragmenten erhalten ist Hierher gehört Aristobuls Erzählung vom Tode Parmenions bei Strabo XV S. 724, die gleichlautend auch Diodor XVII 80 und Curtius VII 2, 17 geben. Die Weissagung, welche Antigonos von den Chaldäern erhielt (Arist. fr. 1), wird auch Diod. II 31, 2 mitgetheilt, hat also auch bei Klitarch gestanden. Den Inhalt von frg. 7 liest man Justin XI 10, 2. Bei Gaugamela fand man schriftliche Aufzeichnungen über die persische Aufstellung (frg. 12),

Zur Üeberlieferung der Geschichte Alexanders d. Gr. 593

daher muss Arrian III 11, 3 7 aue AriRtobulos stammen (Sohwartz aaO.) ; auf diesen geht dann aber auch zaräck, was § 8 ff . über die Aufstellang des makedonischen Heeres gesagt wird. Diodor (XVII 57) und Curtius (IV 13,26) haben sich hier gleichfalls an ihn angeschlossen, nur haben sie einzelne Aenderungen vor- genommen, wie sie zB. beide schon die Abtheilung der Argyras- piden erwähnen, deren Arrian erst VII 11, 3 gedenkt und die nach Justin XII 7, 6 erst vor dem indischen Feldzug gebildet worden ist. Nach Aristobul (frg. 18 u. 20) erzählen Diodor (XVII 83, 7) und Curtius (VE 5, 19) die Gefangennahme des Bessos, nach ihm (Arrian IV 3, 7; 6, 2) auch die Niederlage des Menedemos (Curt. VII 7, 31), aus ihm (Arrian IV 13,5) stammt Cart. VIII 6, 16. Eine Aenderung hat erfahren, was frg. 28* erzählt wird, indem Curt. VIII 10, 29 (Plut. AI. c. 28, de fori. Alex. Π 9) Alexander selbst in den Mund gelegt wird, was nach Aristobul Aeusserung des Dioxippos ist.

Unter den Quellen Klitarchs befand sich auch Megasthenes, von ihm stammten die von jenem übernommenen (frg. 11) Er- zählungen über Dionysos und Herakles in Indien. Arrian V 1 ff. hat sie nachträglich eingeschoben, nachdem er in IV die Er- zählung schon bis zu Alexanders Ankunft am Indus geführt hatte, er giebt V 2, 7 einen Zusatz, der vielleicht aus Elitarch stammt (Justin XU 7, 8 und Curtius VUI 10, 16 ff.). Mit ihm stimmt überein die Darstellung in der epit. rer. Alex. § 36-38 (ed. Wagner in Jahrb. f. Phil. Supplbd. 26) , vgl. Ind. 1 und PluU Alex. c. 48. Fast bei allen Schriftstellern wird der gleiche Tadel gegen die griechischen Dichter und ihre Fabeleien über die Ge- burt des Dionysos ausgesprochen: Diod. Π 38; Curt. VIII 10, 17; Arrian Ind. I 7; Plin. VI 23; Pompon. Mela III 66. hei Arrian wird angeschlossen die Kritik des Eratosthenes (V 3, 1 vgl. Ind. c. 5). Von Aristobulos und Ptolemaios können diese Erzählungen nicht herrühren, als (rewährsmann für sie wird Arrian Ind. c. 5, 2 ausdrücklich Megasthenes namhaft gemacht, und dasselbe ge- schieht auch Strabo XV Ö. 687 και τά περί Ηρακλέους όέ καΐ Διονύσου Μεγασθένης μετ' όλίγιυν πιστά ηγείται, vgl. Arr. Ind. 8, 6. Eratosthenes kritisirt bei Arrian Α nah. V 2, 4, Ind. 5,11 und Strabo XV S. 678 die Erzählung von Herakles und den Sibiem, die bei Curt. IX 4, 2 u. 3 Aufnahme gefunden hat.

Klitarch hat also ausgiebigen Gebrauch von der Ueber- lieferung der ihm vorausgehenden Schriftsteller gemacht, er ist der compilirende Litterat, der die Geschichtschreibung über

Rheio. Mus. f. Pbilol. N. F. LVII. 38

594 Rene 8

Alexander zu einem gewissen Abschluse gebracht bat. Unter seinen Quellen stebt in erster Linie Aristobulos, der selbst nicht unabhängig von anderen gewesen ist, vgl. auch Ühares frg. 6. 7. 8 (Arrian IV 19) und 9. Es ist daher erklärlich, dass in den ans Klitarch abgeleiteten Berichten wiederholt auf den Widerspruch der Gewährsmänner aufmerksam gemacht wird Diod. ΧΥΠ 22.5; 23,1; 65,5; 73,4; besondere Beachtung verdient XVÜ 65,5 εκουσίως *Αβο^λήτου . . . παράγοντος αύτψ τήν πόλιν, ώς μέν fvioi Τ€τράφασι, προστάΗαντος Δαρείου . . ., weil die Ver- gleichung mit Curt. V 8, 8 ^sive Darei iussu sive sua sponte' den Beweis liefert, dass die abweichenden Angaben schon in der ge- meinsamen Vorlage gestanden \ lieber die Lebensumstände Kli- ^archs ist uns nichts überliefert worden, abgesehen von einer Notiz bei Diog. Laert. II 113, der zufolge er aus der Schule des Aristoteles aus Eyrene in die des Megarensers Stilpo übergetreten ist. Als Demetrios Poliorketes im Sommer 307 Megara eroberte, lebte Stilpo noch in dieser Stadt, demnach müsste man annehmen, dass auch Klitarch gegen Ende des 4. Jahrhunderte v. Chr. sein Schüler gewesen ist. Allzugrosses G-ewicht darf man indessen der Nachricht des Diogenes nicht beimessen, der Name Klitarch« konnte leicht mit gleichlautenden (z6. Klearchos) verwechselt werden. Sollte die Mittheilung aber auch auf guter Ueberlieferung beruhen, dann kann er doch erst Jahrzehnte später mit der Ge- schichte Alexanders sich beschäftigt haben, das ergiebt sich aus der Benutzung des Megasthenes und Patrokles. Klitarch war der Sohn des Historikers Deinen, über dessen Lebenszeit eben- falls nichts bekannt ist, aus dessen Fragmenten man aber viel- leicht auf Bekanntschaft mit der Ueberlieferung über Alexander schliessen darf, vgl. frg. 15 bei Athen. II 67 und frg. 16 bei Plut. Alex. 36 mit Arrian III 4, 3, frg. 3 mit Klitarch frg. 18. Als Zeitgenossen Alexanders sieht auch Diod. II 7, 3 Klitarch nicht an, wenn er schreibt: ώς φη(Τΐ Κτη(Τίας ό,Κνίδιος, ώς 5i Κλείταρχος και τών ύστερον μετ' 'Αλεξάνδρου biaßavrurv und § 4 ίνιοι τών νεωτέρων, *die welche nach Ktesias mit Alexander nach Asien gezogen waren', sind offenbar die Autoren, auf welche Klitarch sich berufen hat.

^ Curt. IV lf>, 12 incertum, suone consiiio an regis imperio. Kacrst vergleicht Arrian III 13, 3 Κ€λ€ύ€ΐ und schliesst daraus, die Ueberuiustimmung solle absichtlich verdunkelt werden, näher liegt es, auch hier Diflferenz in der Ueberlieferung anzunehmen.

Zar Ueberiieferung der Geschichte Alexanders d. Gr. 595

Nur gelegentlich iet bieher die von Wagner edirte epitome reram Alexandri herangezogen worden; sie ist durch zahlreiche Irrthümer des Epitomators entstellt» giebt aber, von einzelnen fremden Zuthaten abgesehen, im ganzen in § 1 87 die Ueber- iieferung Klitarchs wieder. Wagner hat in seinen Anmerkungen sehr sorgfältig die entsprechenden Parallelstellen zusammen- gestellt, ich kann daher davon absehen, dies noch einmal zu thun und hervorzuheben, wie nahe die epitome der Darstellung Diodors und des Gurtius steht. Nur einige wenige Stellen mögen hier Besprechung finden, an denen der Epitomator von diesen abweicht oder nur abzuweichen scheint; an eineinen Stellen glaube ich auch den sehr verderbten Text richtiger gestalten zu können. Wenn in § 1 Schwartz rediisse für redegisse vorschlägt, so steht dem Diod. XVli 77, 4 entgegen, wo man ebenfalls κεκρατηκέναι liest. Zu § 2 darf man auch auf die Worte des Klei tos bei Plut. c. 51 την ΤΤερσικήν ίώνην και τον διάλευκον χιτώνα hinweisen, doch mag zugleich erwähnt werden, dass c. 56 τψ Σπιθριόάτου Είφει nicht zur Erzählung Klitarchs passt, da nach dieser nicht Spithridates, sondern Rosoikes durch das Schwert des Kleitoe fällt (Diod. XVH 70, 7; Gurt. VIII 1, 20). In § 3 hat man für Gabisios nicht den Namen einer Völkerschaft herzustellen, son- dern zu schreiben : Agrianos et hypaspistas armari iussit; in § 4 darf vor amicitiam insinuandi die Präposition in nicht fehlen. Wagners Erklärung von in agro regio in § 9 halte ich für un- möglich und lese in arce regia, vgl. Gurt 6, 24 praesidio inde (di. Maracanda) deiecto, Arrian IV 5, 2 o\ hi. έν Μαρα- κάνοοις έν ακρςι φρουρούμε νοι. Der richtige Sachverhalt ergiebt sich aus epit. 13 Graios oppugnare destitit. Auf einem Versehen, wie sie sich der Epitomator mehrfach zu schulden kommen lässt, beruht es, wenn er § 23 berichtet, Gattenes sei an Alexander ausgeliefert worden, er fiel im Kampfe gegen Krateros. FiLr castra praeterit in § 32 ist vielleicht Bactra praeterit zu lesen. Der Aornosfelseu hatte nach Arrian IV 28, 3 einen Umfang von 200 Stadien und eine Höhe von 11 Stadien, nach Diodor XVII 85, 3 von 100 bezw. 16 Stadien, Wagner giebt es auf, ihre Ueberiieferung mit derjenigen der epitome in Einklang zu bringen, und schreibt in § 46 cui (statt cuiue) circuitus stadium XVII [milia] erat in summo vertice. Die Zahl 17 soll sich unzweifel- haft auf die Höhe beziehen, daher mag etwa: cuius circuitus Stadium G. , altitudo XVII erat in summo vertice (vgl. Gurt. VIII 11, 6 cuius summa in acutum cacumen exsurgunt).

69() k e u s 8

Ueber die Streitkräfte des Könige Porue hat Diod. XVII 87, 2 ganz andere Zahlen als ep. § 54 und Curt. VIII 13, Ü, aber die Veriustangaben bei Diod. XVII 89, 2 α. 3 und epit. § 62 sind die gleichen; die Differenz mag sich etwa so erklären, dass Diodor nicht das Heer, das Porus folgte, sondern die gesammte Kriege- inaoht seines Landes im Auge hat; die Zahl der Reiter wurde freilich immer noch nicht mit Curt. VIII 14, 2 sich vereinigen lassen, doch kann die Zahl fehlerhaft überliefert sein. Der Zahlen- differenz bei Angabe der Elefanten in epit. § 18, Diod. XVII 93, 1, Curt. IX 2, 4 ist gleichfalls keine Bedeutung beizamessen, Wagner findet aber auch einen Widerspruch darin, daee Alexander nach Curtitts zuerst an den Hypanis, dann zu König Phegeos gekommen sei, während nach der epitome dieser den Makedoniem auf dem Marsche zu dem genannten Eluss sich anschlieset. Bei dieser Annahme haben Curtius* Worte ad flnvium Hypanim pro- cessit (IX 1, 35) eine unrichtige Deutung erhalten, sie sind zu übersetzen: er rückte in der Richtung auf den Hypanis vor*. Im folgenden § schlägt Wagner aucta für pauca vor, damit ist wenig gebessert; vielleicht dürfte passim die ursprüngliche Les- art sein (Plut. 62 6ιέρριψ€ν). Wie der Epitomator dazu kommt, in § 70 den Tod eines Sohnes der Roxane zu melden, ist nicht ersichtlich; auch hier trägt nur er, nicht seine Quelle die Ver- antwortung für diese Nachricht. Vergebens bemüht man sich die Worte ad Eleumezen zu erklären, ich ändere sie in: ad coe- tum amnium oder fluminum, vgl. Curt. IK 4, 9. Schwierig ist es, die Erzählung über Alexanders Kampf und Verwundung bei den Mallern aus einem der bekannten Schriftsteller ableiten za wollen, bei seiner Darstellung scheint der Verfasser der epitome Klitarch ntcht gefolgt zu sein. Leider nennt auch Arrian VI 12, 7 ff. nicht die Vertreter der abweichenden Berichte. Die Worte oi μέν £ύλιυ πληγέντα usw. scheinen auf Aristobulus zu gehen (frg. 28•^), aber bei ihm wird der König erst an der Brust und dann am Halse verwundet; ebenso muss die Deutung von § 8 auf Klitarch als zweifelhaft erscheinen, da die Worte Ευνανα- βήναι ΆλεΕάνορψ κατά την κλίμακα όμοϋ Π€υκίστ()ΐ im Wider- spruch mit Diod. XVII 99, 8 bi' έτερας κλίμακος προσαναβάς und Curt. IX 5, 7 stehen. Unvereinbar mit Diodor, Cartius und Justin ist auch die Darstellung des Kampfes bei dem Epitomator, bei jenen springt Alexander zunächst allein in die Stadt (XVII 99, 1 καθήλατο μόνος, Justin XII 9, 5 sine ullo satellite) und wird durch einen Schuss in die Brust verwundet, ehe die Freunde

Zur Üeberlieferung der Geschichte Alexanders d. Gr. 597

zu Hilfe kommen, bei diesem ersteigt er mit 3 Gefährten die Mauer, springen dieselben mit ihm in die Stadt hinab, wird Leon- natos am rechten Schenkel (Curt. IX 5, 17 cervice graviter icta), Alexander an der Brust und dann am Halse verwundet. Das ist die Erzählung des Aristobnlos, der Plut. Alex. c. 63 folgt: ώς elbov αυτόν μετά buoiv υπασπιστών. Dabei finden eich auch in der Klitarch'sohen üeberlieferung Züge, die sie mit der Er- zählung Aristobuls gemeinsam hat, zB. Curt. IX 5, 3 forte ita libraverat corpus, ut se pedibus exciperet, Plut. Alex. c. 63 κατά τύχην ορθός ίστη, IX 5, 9 sagittam dnomm cubitomm. Aristo b. frg. 28*. Auch die Vergleiohung mit Plut. de fort. Alex. I u. Π bringt keine Klarheit ; hier kämpft Alexander zuerst allein (II 13 ώς έώριυν ?να), wird der Kampf bald ins Land der Maller (i 2 ; II 9), bald der Oxydraken (11 13) verlegt, werden Ptole- maios (I 2; II 13), Limnaios und Leonnatos (II 13) als Retter des Königs genannt. Zu den hier benutzten Quellen gehört Ari- stobulos, neben ihm sind aber auch andere, wie zB. Ptolemaios (II 7 που ol δράκοντες) zu Rathe gezogen. Ein deutliches Bild gewinnen wir nur von der üeberlieferung Aristobuls, darnach scheint es unzweifelhaft zu sein, dass diese auch in der epitome vorliegt. Der Inhalt von epit. § 79 84 deckt sich vollständig mit Plut. Alex. c. 64, doch ob er von Klitaroh stammt, muss unentschieden bleiben. Erst von § 84 an treflPen wir wieder nachweisbar auf neine Spuren ^ Für das fehlerhafte in Ophiorum war gewiss in ostio fluminis (finm) geschrieben, vgl. Curt. X 1, 11 insulam ostio amnis snbiectam. Ueber den Inhalt von § 87 flP. vgl. Wagner aaO.

Gegen den Ausgang der römischen Republik stand die Alexandergesohichte Klitarchs in höchstem Ansehen, Sisenna hat, so erzählt Cicero de leg. I 2, an seinem Vorbilde sich gebildet, Caelius Rufus ihn aufs eifrigste studirt (ad famil. V 10). Diodor, Trogus Pompeins und Curtius, welche in der nächsten Zeit die Geschichte Alexanders behandelten, haben daher in erster Linie ihm sich angeschlossen. Wie weit sie ihn direct benutzt haben, soll hier nicht untersucht werden, auszuscheiden ist jedenfalls eine Mittelquelle, welche die Darstellung Aristobuls und Klitarchs

1 Kaerst, Diseert. § 3 iet dor Aneicht, Curtius Erzählung (IX 8, 30 ff.) sei aus der bei Arrian (VI 18, 4 f.) entweder mit Absicht oder aus MiRsverständniss umgebildet worden; auch epit. §84. 85. 86 giebt dieselben NachrichtiiTi, wie Curtius, theilweise mit den gleichen Worten.

598 Reue 8 Zar Ueberlieferong der Geeohichte Alexanders d. Gr.

contaminirt hätte, da dieser selbst sobon die Geschichte des ersteren zur Grandlage seiner eigenen Bearbeitung gemacht hatte. Als Mittelqnelle muss auch Timagenes ausser Betracht gelassen werden, von ihm können nur einleitend die Stifter der einzelnen Dynastieen und ihre Thätigkeit unter Alexander in seiner Könige* gesohichte behandelt worden sein. Strabo theilte mit seinen Zeitgenossen die Werth Schätzung Klitarchs nicht, nur an 5 Stellen seiner Geographie erwähnt er den Namen desselben; man setzte Zweifel in seine Glaubwürdigkeit (Qnint. X 1, 75) und kehrte zum Urtheile des Eratosthenes zurück, der Plolemaios und Ari- stobulos vor allen anderen den Vorzug zuerkannt hatte. Seinem Urtheile schlössen sich Arrian und theilweise auch Plutarch an, bei beiden begegnet uns daher der Name Klitarchs an keiner ein- zigen Stelle. Wenn man eine besondere Alexandergeschichte Strabos annehmen zu müssen glaubte, um die zahlreichen, auf- fallenden üebereinstimmungen bei den Letztgenannten daraus zu erklären, so entbehrt diese Annahme der Berechtigung, Strabo, Plutarch und Arrian sind in der Wer thbem essung und Auswahl ihrer Quellen bestimmt durch die Kritik des grossen alexandri- nidchen Gelehrten.

Köln. Friedrich Reuss.

ZUR ROEMISCHEN ELEGIE

1.

ünerschöpfliob ist in der römisohen Elegie das Thema der Eifersucht. Man kennt die Leidenschaftlichkeit, mit welcher sie sich änssert. Erbrochene Thüren, zerrissene Gewänder, zerraufte Haare, zerschlagene und zerkratzte Gesichter ista decent pueros aetate et amore calentes (Ov. a. a. III 571). Süss ist es, solche Ausbrüche der Eifersucht von der Geliebten ertragen zu dürfen (Tib. I 6, 69 flP. Prop. III 8, 5 flp. R. Ov. Am. I 7, 63 ff.; a. a. II 451 f.). Properz, der wiederholt fingirt (III 8. IV 8), sie von Gynthia erfahren zu haben, sieht darin die sicherste Bürgschaft für die Echtheit der Liebe, die sich durch Kämpfe nur um so reizvoller gestaltet. 'Aei γαρ παις ήδίους a\ τών έρώντιυν μ€θ' υβριν κολακεϊαι δοκουσιν (Aristaen. Ερ. II 14 Η.). Er selber freilich bekennt sich über die Anwendung solcher Ro- heit erhaben und will sie dem άγροΐκος überlassen (II 5, 21 ff.) ^, wie Tibull dem rauhen Krieger (I 10, 65 f.). Genug, wenn der Liebende der Geliebten den Rock zerreisst, ihr Haar verwirrt und sie zum Weinen bringt (Tib. I 10, 61 ff. Ov. Am. I 7, 45—48). Ovid hält Am. I 7 eine förmliche Anklagerede gegen sich selbst, weil er es gewagt habe, der Geliebten die Haare auszureissen und ihre Wangen blutig zu schlagen^. Siegreich bekämpft er Am. 11 5, durch den Anblick ihrer holden Scham gerührt, die Versuchung die Treulose zu züchtigen ^ und Am.

1 Vgl. Ribbeck Agroik. S. 32. Kock Com. Att. fr. III S. 28. Hauptsächlich nach dieser Properzstelle ist der wilde Timanth ge- zeichnet, von dessen Jähzorn Pausias und sein Blumenmädchen in Goethes schöner Elegie sich unterhalten.

2 Vgl. Tib. I 6, 73 f.; Ov. Am. I 7, 1 ff. 23 ff. Ov. a. a. II 169 ff. ; Prop. FV 5, 31 f.

8 Vgl. Tib. 1 10, 59 f.; Ov. Am. II 5, 11 f. I 7,6.

600 Wilhelm

II 7, 7 giebt er vor, den Nagel seines Mjldohens in seinen Haaren zu verspüren, sobald er eine andere lobe*.

Die Abhängigkeit der römischen Elegiker untereinander, insbesondere diejenige des Ovid von Tibull, soll hier nur an- gedeutet sein, aber nicht ausführlicher besprochen werden: vgl. Jahrb. f. Phil. 1895 S. 117 f. In der griechischen Komödie findet sich das Motiv der Misshandlnng der Geliebten, soweit ich sehe, zuerst bei Aristoph. Plut. 1013 ff., wo die verliebte Alte von dem jungen Manne, der sich einst von ihr aushalten liess und den ihr Plutos durch Ausschüttung seines Reichthums entzogen hat, folgendes berichtet:

μυστηρίοις bk τοις μεγοίλοις όχουμ^νην έπΙ της άμάΕης δτ€ προσέβλεψέν μέ τις, έτυτττόμην 5ιά τουθ' δλην τήν ήμέραν. οοτιυ σφόδρα ίηλότυττος ό νεανίσκος ήν.

Eingehend ist es von Menandros in den Komödien ΤΤερικειρομενη (di. die Geschorene, zum Zeichen der Schmach durch Beraubung des Kopfhaars Entstellte) und 'Ραπιίομένη verarbeitet worden^: vgl. Huschke Anal. crit. in Anthologiam Graeoam. Jenae et Lips. 1800 S. 171 ff. und dazu Meineke: Menandr. et Philem. rell. p. 136 ff.; ßibbeck, Alazon S. 39; Dziatzko in: Jahrbb. f. class. Phil. 27. Supplbd. Leipz. 1900 S. 123 ff. β. Bei Theokr. Id. 14, 34 ff. erzählt Aischines dem Tbyonichos, wie er beim Ge- lage seiner Geliebten Kyniske aus Eifersucht zwei Schläge ins Gesicht versetzt habe (πύΕ έπι κόρρας Ήλασα, κδλλαν αύθις), so dass sie auf und davon gelaufen sei, und wie ihn hinterher die alte Liebe zu ihr gequält habe (v. 3. 50 ff.) ; vgl. Calpurnius Ecl. 3, 28 ff. Noch belangreicher ist das Trostgedicht des Bufinus A. P. V 41 (vgl. ebd. 43) auf eine zerbläute und herausgeworfene treulose Schöne, dessen Anfang (Τις γυμνήν ουτιυ σε και ίΐέ- βαλεν και fbeipev; Τίς ψυχήν λιθινην είχε και ουκ f βλέπε;) eine gewiss nicht zufällige Aehnlichkeit mit Tib. I 10, 59 f. (A, lapis est ferrumque, suam quicumque puellam Verberat) aufweist; vgl. auch das proripi vias bei Tib. I 6, 72. Ferner gehört hier-

* Vgl. Tib. I β, β9 f.; Ον. Am. II 7, 7.

δ Anders war der Inhalt des Γεωργός. Vgl. Dziatzko im Rhein. Mue. 54, 1899 S. 497 ff.; 55, 1900 S. 104 ff.

^ Eine ^απι2[ομένη καΐ π€ρικειρομένη ist die Magd der schönen Sismonda bei Boccaccio Dec. VII 8; vgl. Landau, Die Quellen des De• kameron2 S. 132.

Zar römischen Elegie 601

her dae Epigramm des AgathiaR Scholastikos A. P. V 220 έπί τινι Κλεοβούλψ την παλλακήν άποκείραντι und die reuevolle Palinodie des Paulus Sileutiarus A. P. V 248 (^Q παλάμη πάν- τολμ€, σύ τόν παγχρύσεον ίτλης ΆπριΗ ορα^αμένη βόστρυχον αύ€ρύ(Ται κτλ.), deren Verwandtschaft mit der oben erwähnten ovidischen Elegie Am. I 7 unverkennbar ist. Aebnlioh wird in Menandros' ΤΤ€ρικ€ΐρομένη die Klage des jähzornigen Polemon gelautet haben, der nach dem Zeugniss des Philostratoe Ep. 16 nach verübter That κλάει κα\ μεταγιγνώσκει τφ φόνψ τών τριχών.

Nach Huschke aO. haben die römischen Elegiker den Vor- wurf der Züchtigung der Geliebten durch den eifersüchtigen Lieb- haber direct ans Menandros entnommen. Jeder Kundige weiss, dass die augusteischen Dichter die Dramen des Menandros gelesen haben, und die Möglichkeit einer unmittelbaren Beeinflussung der lateinischen Elegiker durch den griechischen Komiker muss auch hier zugegeben werden*^. Aber die Thatsache, dass jenes Motiv bei den spätgriechischen Epigrammatikern begegnet^, läset kaum einen Zweifel, dass es auch in der hellenistischen Elegie, der er- giebigen Quelle för jene®, verbreitet war und dass es, wie so viele der den römischen Elegikern gemeinsamen Motive, haupt- sächlich durch Vermittlung der hellenistischen Elegie, die ihrer- seits aus der Komödie und nicht zum wenigsten aus der me- nandrischen schöpfte ^®, in der römischen Elegie lüingang ge- funden hat^i. So hat wohl auch Ovid Am. I 7, von dem Vor- bilde des Menandros abgesehen ^^ eine Elegie aus alexandrinischer Zeit und zwar vermuthlich die nämliche benutzt wie Paulus Silentiarius aO., der nicht für einen Nachahmer der lateinischen Dichter gelten darf ^^ Auf ein alexandrinisches Muster dieser

7 Vgl. Leo, Plautin. Forsch. S. 129 [und Rhein. Mus. 55, 604 ff.].

8 Vgl. auch Philoetr. Ep. 61.

ö Vgl. R. Bürger, De Ovidii carminum amatoriorum inventione et arte. Guelf. 1901, S. 8.

Vgl. V. Hoelzer, De poesi amatoria a comicis atticis exculta, ab elegiacis imitatione expressa. Pars prior. Marp. Catt. 1899.

^^ Nicht beweiskräftig hierfür ist Ov. Her. 19, 81 ff. (Acontius anCydippe), weil Ovid hier von den lateinischen Dichtern abhängig ist. Vgl. Zingerle, Ovidiue und sein Verhältnies zu den Vorgängern und gleichzeitigen römischen Dichtern. 1. Theil, S. 96 f.

12 Vgl. Bürger aO. S. 23.

" Vgl. Mallet, Quaest. Prop. S. 0.

602 Wilhelm

Art dürfte ferner das Tiballische (I 10, 57 f.) Bild des Amor, der in gemächlicher Gleichgiltigkeit zwischen den Streitenden sitzt (vgl. Theokr. Id. 1, 32—38 und Chariton I 1, 4 Φιλόνεικος b' έστιν 6 "Ερως και χαίρει τοις παραδόΕοις κατορθώμασιν), zurückzuführen sein. Wird man fehlgehen, wenn man annimmt, dass auch die komische Figur des miles gloriosue^^, der aus Eifersucht auf geradezu barbarische Weise gegen die Geliebte loszieht ein solcher Barbar in Weibsgestalt ist Cjnthia bei Prop. IV 8, 55 ff.^^ bereits in der alexandrinischen Elegie vorgekommen ist?^®

2.

Jahrb. f. Phil. 1892 S. 614 ff. habe ich begründet, warum ich die Auffassung, dass sich Tibull I 2 beim Gelage befinde, nicht theile. Mag sich das Motiv des unglücklich Liebenden, der beim Becher unter Freunden Trost sucht, aber seine Leiden- schaft nur noch mehr erhitzt, so dass er jammert, weint, schreit, vor Erschöpfung einschläft und von den Genossen theils be- mitleidet theils verlacht wird, in der hellenistischen Elegie auch Öfter vorgefunden haben (vgl. Asklepiades A. P. ΧΠ 135. Kal- limachos A. P. XII 134. Alkiphron 135,2. Prop. III 25, 1"), das Tibullische Gedicht an und für sich betrachtet besagt nichts, was die Annahme einer solchen Situation nothwendig macht ^^ Unmittelbarer » und ergreifender erscheint mir die Wirkung des Gesanges, wenn ich mir vorstelle, dass ihn der Dichter leibhaftig vor der Thür der Geliebten vorträgt άνήνυτα προσκαρτερών και θυραυλών . . . kereuuiv . . . ταΟτα δή τα μυριόλ€κτα και συνήθη προς τά παιδικά τοις έρώσιν (Aristaen. Π 20). Nicht als ein bloss gedachtes, sondern als ein wirkliches πάρα* κλαυ(Τ{θυρον nach conventioneller Art giebt sich die Dichtung. Der Ansicht, dass die Scene von Anfang bis zu Ende vor Delias Thür zu denken sei, ist auch Hoelzer aO. S. 61 fi.,

1* Tib. I 10, 65 f. ; Hoelzer aO. S. 74 f.

^^ Vgl. Lukianos D. mar. 9. 15.

^^ üeber das Motiv des Erbrechens der Thür (θυροκοπήσαι) vgl. Leo aO. S. 140 und Hoelzer aO. S. 68 f.

^"^ Risus eram positis inter convivia mensis; vgl. Leo, De Horatio et Archilocho. S. 10 f.

^^ Auf das Argument, dass v. 1 die Anrede puer nicht enthalte, will ich kein Gewicht mehr legen; vgl. Kallimaohos A. P. ΧΠ 51. Meleagros A. P. V 136.

Zur römischen Elegie 603

nur dase er sich mit Rücksicht aaf die Beziehung zwischen Ko- mödie und Elegie, wie sie in diesem Gedicht mehrfach hervor- tritt, nach Dissens Vorgang den Dichter gleich dem Phaedromus im Eingang des Plautinischen Curculio in Begleitung eines mit Wein und den erforderlichen Gefässen versehenen Dienere vor- stellt^^. Aber heisst nicht auch das, in die Elegie etwas hinein- tragen, was die Worte des Dichters selbst, die unter allen Um- ständen den ersten Masstab für die Erklärung abzugehen haben, mit keiner Silbe andeuten?

Die Voraussetzung, dase der κωμάίιυν vom Becher kommt, ist für den antiken Leser selbstverständlich. ΤΤρός μ^θην ό έρών και προς τό έράν ό μεθύιυν έπίφορος (Heliod. III 10). TibuU hat sich, nachdem er, es sei zu Hause im stillen Kämmer- lein oder auswärts im Freundeskreise, umsonst versucht hat, den Liebesgram durch Wein zu lindern (vgl. I 5, 37), vom Trank hinweggestohlen. Da steht er, wie der verliebte Asklepiades A. P. V 164. 167 oder Meleagros A. P. V 191 allein und ohne Begleitung^, der Kälte der Nacht und dem Begen ausgesetzt (v. 29 f.; Asklepiades A. P. V 167. 189), vor der Thtir der Ge- liebten, findet aber keinen Einlass. Um diesen neuen Schmerz zu stillen, will er sich den Wein kräftiger mischen (natürlich, nachdem er dahin zurückgekehrt ist, wo er soeben getrunken hat) und trinken, bis ihn tiefer Schlaf befällt, den niemand stören soll. TTiv\ Άσκληπιάδη• τί τα δάκρυα ταύτα; τί πάσχεις; er- muntert der liebeskranke Asklepiades Α. Ρ. ΧΠ 50 sich selbst. So redet auch Tibull und zwar im Anklang an die Vorschrift des Meleagros A. P. XII 49 (Ζιυροπότ€ΐ, δυσέριυς, καΐ σου φλόγα

*^ 'Venit nimirum poeta cum puero, qui vasa et vinum fert, ad Deliae ianuam, eive ut item ac Phaedromus lenam (cf. Tib. 1 5, 47 sqq.) sibi vino propitiam faciat, sive ut ipse cum Delia potet et accubet. Sed magno cum dolore intellegit fores clausas et sibi infecta re domum abeundum esse. Itaque reversurus iubet servum potioni plus meri afifundere« ut fortiore poculo sumpto et amoris dolore vino superato domi somnum capere possit. Sed ut plerisque amatoribus etiam Ti- bnllo Bacchus non remedium furoris, sed 'ignis in igne* fuit. Quare poculo epoto ad maiorem oupidinis ardorem incenditur, ita ut que- rellas, quae inde a versu 7 sequuntur, fundat/

20 Vgl. auch Tib. I 2, 33 ff. Ob die άποκεκλειμ^νη in Grenfells Erotic fragment in Begleitung einer Dienerin zu denken sei, ist nicht sicher; vgl. dagegen Crusius Philol. 55, 1896 S. 367. Omni oomite viduatus erscheint auch Thrasyllus bei Apuleius Met. VIII 10 f. an der Thür der Geliebten.

604 Wilhelm

τάν φιλότταώα Κοιμάσει λάθας 5ωρο5ότας Βρόμιος* Ζωρο- πότει, και πλήρ€ς άφυσσάμενος σκύφος οϊνας , Έκκρουσον στυγεράν έκ κραόίας όόύναν)^^ und an Theogn. 469 f. (Μηδ* €ÖbovT' έπέγειρε, Σιμιυνίόη, δν τιν' δν ημών θαιρηχθεντ' οϊνψ μαλθακός ύπνος ?λη)^ sich selber an:

Adde merum vinoque novoe compesoe dolores,

OGcnpet ut feesi lumina victa sopor :

neu qaisquam multo percassuni tempora Baccho

excitet, infelix dum requiescit amor. Aber Amor erweist sich mächtiger als Bacchus*^. Er kann nicht weichen von der spröden Thür^ und stimmt nach kurzer Be- gründung des ^ριυς ουσέριυς (ν. 5 f.) mit ν. 7 die Klage an, die bis zum Schlüsse währt.

Delia ist wie die Lyce in dem παρακλαυ(Τίθυρον des Hör. Ca. III 10 saevo nupta viro. Der συγκοιτος (Α. Ρ. V 191«•^) = coniunx (Tib. I 2, 41) hat ihr strenge Keuschheitswächter be- stellt (v. 5. 15). Die Rathschläge, wie jener betrogen werden kann ούχ ουτο) γαρ ευφραίνει τό φανερόν της έΕουσίας ώς το απόρρητον τής ηδονής, παν bk τερπνότερον τό κεκλβμμένον (Philostr. Ερ. 30; vgl. Ον. Am. Π 19, 3) sind nichts anderes, als die Vorschriften der von Tibull I 2, 15 flP. und in den verwandten Partien 1 6, 5 fF. 8, 55 ff.^ verwertheten Liebeslehre der alexan- drinischen Elegie. Vgl. Bürger aO. S. 88 ff. 127. Hier war in An- lehnung an die erotische Tragödie (vgl. Eur. Hipp. 476 ff.) und Komödie (vgl. Plaut. As. 756 ff.) die Anweisung gegeben, die Tbür geräuschlos zu entriegeln und zu öffnen (Tib. 12, 10. 18; vgl. Ari- stoph. Thesm. 487 f.; Plaut. Cure. 158 f.) 27, die Wächter zu täuschen

^^ Auf diese Stelle verweist Leo aO. S. 11. ■— Zu dem ebd. an- geführten Verse Ov. Her. 15, 230 vgl. Philostr. Ep. ed. Boies. S. 20i). E. Rohde, Der griechische Roman ^ S. 171, Anm. 3. Bürger aO. S. 54.

^ Durch einen alcxandrinisohen Dichter (Kallimachos) vermittelt? vgl. Reitzenstein, Epigr. und .Skolion. S. 69 f.

2^ Dieser Conflict zwischen beiden bildet das Motiv für Lygdamus III β; vgl. Jahrb. f. Phil. 1893 S. 709 ff.

2* Zu dem plötzlichen Umschwung der Stimmung vgl. Tib. I 2, 7-10. 5, 5-8. 9, 3-fi.

^ τιν* ίχει σύγκοιτον; vgl. Tib. Ι 6, 6 nescio quem tacita callida nocfe fovet ίΛλλος knel ΔημοΟς θάλπεθ' ύπό χλαν{δι; Α. Ρ. V 178).

Vgl. Philol. 1901 S. 586.

2*^ Die verrätherische Thür auch bei Boccaccio Dec. VIII 7.

Zur römischen Elegie 605

(v. 15. Plant. Mil. 153. 467), lautlos vom Lager anfzastebn und fortzuschleicheD (v. 19; vgl. Tib. I 8, 59. Nonnos Dionye. XVI 265 flP.), eich durch σημεία, συνθήματα und νεύματα λα- epibia (Tib. I 2, 21 f. Plaut. As. 784. Prop. III 8, 25 f. Mu- saios 1 Ol-- 107. Heliod. V 4 VH 7. Ach. Tat. I 10, 4. Paul. Sil. A. P. V 262) sogar in G-egenwart des Gatten gar trefflich zu verständigen-® Lieblingsthemen des aus ähnlichen Quellen wie Tibull schöpfenden und diesen selbst nachahmenden^^ Ovid: vgl. Am. I 4. 6»o. U 2. Γ.. 19. III 2»^ 4. a. a. I 137 f. 489 f. 597 ff. 82. III 611 658. Her. 16,75 ff. Wie Tibull auf die verheirathete Delia v. 16 (audendum est: fortes adiuvat ipsa Venus), so redet bei Eur. Hipp. 476 die Amme'^ auf Phaedra ein (τόλμα b' έρώσα* θεός [sc. Κύπρις] έβουλήθη τά5ε), und wie sie den Liebeszauber zu Hilfe ruft (v. 478 f. 509 f.), so

^ Hierher gehört auch das Spiel mit dem Becher (Ov. a. a. I 575 f A. P. V 171. Lukianos D. d. 5, 2 p. 214. β, 2. ρ. 217. Apuleius Met. 11 16. Ach. Tat. II 9. Aristaen. I 25) und der Kniff, die begangene Untreue mit constanter Keckheit abzuleugnen (Plaut. Mil. 188 ff. Me- leagros Ä. P. V 184. Tib. I 6, 7 f. Ov. Am. II 2, 57. III 14. Boccaccio Dec. VI 7). Hinterher beschwert sich der έρωτοδιδάσκαλος, dass er von der Geliebten mit Hilfe der Künste, die er ihr gelehrt hat, selbst hinter• ganzen wird: heu heu nunc premor arte mea (Tib. I H, 10). So be- klagt sich Aristaen. I 25 die Hetäre Philainis über ihre undankbare Schülerin, die ihr durch Anwendung des von ihr gelernten Verfahrens den Geliebten abspenstig gemacht hat: τοιαύτα μοι παρ' αυτής τά τρο- φεία' oÖTUj με νΟν άντιπελαργοΟσα δικαίαν άποδίδωσι χάριν.

Vgl. Ον. Trist. II 447 ff. (lauter Anspielungen auf Tib. I 6).

^ Flehentliche Bitte an den ianitor. Derselbe Vorwurf bei Apu- leius Met. IX 18; vgl. Ov. Am. II 2. Andere Parallelen zwischen Ovid und Apuleius: Ov. a. a. I 229 ff. III 7ß2; Apul. II 11 (vgl. Ach. Tat. II 3, 3). Ov. a. a. III 771 ff.; Apul. II 17 (vgl. Ps.-Lukianos Λούκιος ή όνος c. 8 ρ. 576 c. 10 ρ. 578).

81 Hierzu Bürger aO. S. 46.

82 Vgl. v. G08. Tib. I 2, 16. Die Abhängigkeit des Ovid von hellenistischem Vorbilde erhellt besonders aus der Vergleichung mit Ach. Tat. I 9. 10. II 4; vgl. Rh. Mus. 57, 1902 S. 74. Den Vor- schriften der Liebcslehre durchaus entsprechend ist übrigens auch das Benehmen des Thrasyllus gegen die verheirathete Charite bei Apuleius Met. VIII 2. Bemerkens werth ist die Aehnlichkeit dieser natürlich aus dem Griechischen entlehnten Novelle mit der Erzählung bei Plut. Amator. 22: vgl. Rohde aO. S. 590.

^ An Stelle der τροφός übernimmt in der Komödie die Kupp- lerin die Stelle des έρωτοδώάσκαλος.

606 Wilhelm

auch Tibull (v. 41 ff.)• ^'^^ Verse 25—28»* sind zusammen- zuhalten mit Prop. III 16, 11 20. Gemeinsam ist der wohl gleichfalls aus der hellenistischen Elegie übernommene Gedanke, dass der (treu) Liebende saorosanot ist, weil er unter dem Schutze des Amor und der Venus steht, unangefochten wandelt er in finstrer Nacht (vgl. Philodemus A. F. V 25), kein böses Thier statt der bissigen Hunde bei Prop. aO. ist bei Hör. Ca. I 22^^ «1er Wolf»® eingesetzt kann ihn verletzen. Von der Liebeslehre scheint Tibull auch an der Stelle abhängig zu sein, wo er mahnt, dass die Geheimnisse der Venus zu verschweigen sind (I 2, 33—40; vgl. Ov. a. a. II 603—612) und dass die diva non mihi generata ponto (Sen. Phaedr. »^ 279; vgl. Tib. aO. v. 40) an dem, der jene preisgiebt, furchtbare Rache nimmt.

Auf die besprochene Versgruppe 15 40 folgen die auf den Aberglauben der Geliebten*^ berechneten Verse 41 58. Ueber das Motiv des Liebeszaubers bei den römischen £legikern und seine griechischen Quellen vgl. Philol. 1901 S. 582 '®. Allerdings glaube ich, dass Tibull an dieser Stelle in der Hauptsache von einer andern griechischen Leetüre als der dort bezeichneten

8* Vgl. Ov. Am. 1 6, 7-14.

^ Zum Wesen des integer vitae scelerisque parus di. mit einem Worte des pius gehört es, dass er der Geliebten die Treue hält: vgl. Wunder iu Jahrb. f. Pbil. 99 (1869) S. 854. Dass Horaz am Schlüsse dee (iedichts nicht bloss die Sappho (fr. 2, 3 £f. αδυ φων€ύσας υπακούει καΐ γελαίαας ίμερόεν), sondern auch einen bellenietischen Dichter, dem die Stelle der Sappho vorschwebte, nachahmt, lehrt Aristaen. II 21, wo der Jüngling der Geliebten die ganz ähnliche Schlussversicherung seiner Liebe giebt: 2στω τοίνυν ίργον iv μόνον έπιδέΗιον έμοί φίλεΐν Δελ• φ(δα καΐ ύπό ταύτης φιλεΐσθαι και λαλεϊν τή καλή καΐ άκούειν λαλού- σης. Nach dem λαλεϊν des hellenistischen Vorbilds ist der Name La- lage gebildet, wenn ihn Horaz nicht schon dort vorfand.

^ Die Begegnung mit einem wilden Thier auf einsamem Pfade gilt als der schrecklichste der Schrecken; vgl. Semonides fr. 14. Catull. 45, 7. Dieses catullische Duett gemahnt wie das horazische Ca. III 9 an die erotisch-mimische Lyrik der Hellenisten; vgl. Grusius aO. S. 384. Beide Gedichte handeln vom Glück des amor mutuus (Catull. aO. v. 20). Man beachte, wie in beiden die Geliebte den Liebenden im Ausdruck überbietet. Zum horazischen Motiv (Trennung und herzlichste Ver- söhnung) vgl. Aristaen. I 22.

3"^ Nach dem Muster des Euripideischen Ιππόλυτος καλυπτόμενος.

^ Zum Typus der abergläubischen Hetäre vgl. ua. Lukianos D. mer. 4, I p. 286. Alkiphron I 37. II 4, 15 f. 21.

Dazu Bürger aO. S. 99 f.

Zur römisohen Elegie 607

abhängig ist. Ein oonianx, der mit Hilfe solcher Sohwarzknnst^ derartig verblendet wird, dass er an keinen Hörnerpflanzer glaubt (v. 41. 55) und seinen Augen, die ihn in keinem andern Falle im Stich lassen würden (v. 57 f.), selbst dann nicht traut ^^, wenn er sein Weib mit jenem zusammen im eignen Ehebette sieht (v. 56), das ist ein StoflP, der den Vergleich mit den pikanten Geschichten von zauberknndigen Buhleriunen und geprellten Gatten nahelegt, wie sie Ps.-Lukianos (Λουκιος ή δνος) und Apuleius (Metamorphosen) erzählen*^, deren Vorgänger auf diesem Ge- biete, Aristeides von Milet*•, Eubios ua., ihre zahlreichen Leser in ihren dem TibuU gewiss nicht minder wie dem Ovid (Trist. U 413 ff.) bekannt gewesenen Novellen mit ähnlichen άκόλα(Ττα διηγήματα (Ps.-Lukianos Amor. 1) unterhalten haben. Eine solche Novelle wird dem Tibull vorgeschwebt haben. Dieser Typus des durch έπψ5αί (ν. 53) gebannten Ehemanns, der ού πιστεύων τοις έαυτου όφθαλμοϊς οδθ' δτι βλέπουσιν οδθ' δτι έγρηγό- ραίΤιν^*, zusehen muss, wie er zum Hahnrei gemacht wird, er- innert an die Figur des geleimten Alten in der Komödie *^, die von der Novelle nicht unbeeinflusst iet^^, und lebt in dem alten Nikostratus der bekannten Erzählung des Boccaccio Dec. VII 9 fort: er bemerkt von dem angeblich bezauberten Birnbaum aus

*o Vgl. Boccaccio Dec. VHl 7. IX 5.

*i Vgl. Ov. Am. II 2, 57 f. Viderit ipse licet, credet tarnen ille neganti Damnabitque oculos et sibi verba dabit.

^ Vgl. Pe.-Luk. aO. c. 4 p. 572 ff. (die Gemahlin des Hipparch, eine μάγος &€ΐνή καΐ μάχλος, und ihre gleichgeartete Magd Palaistra); Apuleius aO. I 8 (Meroe, saga et divina, potens caelum deponcre, ter- ram suspendere, fontes durare, montes diluere, manes sublimare, deos iofirmare, sidera extinguere, Tartarum ipsum inluminare; vgl. Tib. I 2, 42 ff); 1X29. IX 5 ff. (die listige Tagelöhnerfrau und ihr betrogener Gatte; vgl. Boccaccio Dec. VII 2). IX 17 ff. (der düpirtc Rathsherr Barbaras).

^^ Vgl. Apuleius aO. I 1. Susemihl, Gesch. d. griech. Litt, in der Alexaudrinerzeit U 574. 700. Uohde aü. S. 584 ff.

** Ps.-Luk. aO. c. 13 p. 581. Auf das Moment der Augen- täuschung bei der Zauberei kommt es an. Sonst hat die Stelle ihrem Zusammenhange nach mit dem Tibullischen Passus nichts zu thun.

Vgl. Ribbeck, Gesch. d. röm. Dichtung * IS. 81. Man denkt an die Fabel des miles gloriosus, auch an Amphitruo : vgl. du Meril Poesiee inedites du moyen äge Paris 1854, S. 354 Credere quod nihil est ali- quid fuit Amphitryoni, Quod videt Decius credidit esse nihil und dazu Landau aO. S. 82.

Vgl. Rohde aO. S. 59(;.

608 ' Wilhelm

den Ehebruch seiner Frau Lydia mit seinem Diener Pyrrbus und ist schliesslich fest überzeugt, dass seine leiblichen Augen ihm eine falsche Thatsache vorgespiegelt haben ^'^. Unter den v. 43 ff. angeführten Künsten der saga scheint das aestivo convocare orbe nives (v. 50) anderweitig nicht nachweisbar zu sein. Dase Tibull auch hier nach griechischem Muster gearbeitet hat, verräth die von Huschke herbeigezogene Stelle Diod. Sic. V 55, wo es von den Teichinen heisst : λέγονται b' οΰτοι και τόητες γεγονέναι και παράγειν δτε βούλοιντο (vgl. cum libet Tib. aO. ν. 49) νέφη τε και δμβρους και χαλάίας, ομοίως be και χιόνα έφέλ- κεσθαι.

Die Gruppe 59 64 schliesst mit einem Gemeinplatz der erotischen Poesie (amor mutuus) : vgl. zu den von Leo PI. F. S. 130 f. und Hoelzer aO. S. 66 f. angeführten Stellen Plaut. Mil. 100 f. Theokr. Id. 12, 15 f. Bion 8*8. Die v. 65 ff. fingirte Persönlichkeit des ferreus*®, der es über sich gewinnen kann, dem Liebchen Kriege- ruhm und Beute vorzuziehen, ist in der Elegie typisch : vgl. Prop. III 12. 20. Ganze Seh aaren von Barbaren vor sich hertreibend, ganz in Gold und Silber gerüstet, hoch zu Ross und dadurch vor allen kenntlich, so ist er ähnlich dem άλα2!ών gedacht, den Lukianos D. mer. 13 nach dem Vor- bild des Menandrischen Μισουμενος^ prahlen läset: προβΕήλασα τών δλλιυν Ιτπτέιυν έπι του ϊππου του λευκού . . . oi Γα- λάται^^ καίτοι άλκιμοι δντες ίτρεσαν ευθύς ώς εΐ5όν με και ούοεις ?τΐ υπέστη (1) . . . Άλλ' έγώ τολμήσας παρήλθον ές το μέσον ου χείρον του ΤΤαφλαγόνος ώπλισμένος, άλλα πάγ- χρυσος και αυτός, ώστε βοή ευθύς έγένετο και παρ' ημών και παρά τών βαρβάρων* έγνώρισαν γάρ με κάκεϊνοι ίόόντες άπό της πέλτης μάλιστα και τών φαλάρων και του λόφου (3). Das Gegentheil jenes ferreus ist der bei den £rotikern so oft wiederkehrende Liebhaber, dem aller Ruhm und alle Schätze der

*'' Directe Blindheit an Stelle der Verblendung in Scheraemins Erzählung bei Wieland, Oberon VI 36 ff.; vgl. H. Düntzer, Erläute- rungen zu deuteehen Ciassikern II. Wielands Oberon. 2. Aufl. S. 71. M. Koch , Das Quellenverhältnies von Wielauds Oberon. S. 55. üeber antiken Einfluss auf Boccaccio vgl. Landau aO. S. 288; Rohde aO. S. 572 ff.; Gaspary, Gesch. d. ital. Litt. II 33 f.

*8 Dazu Anm. 36.

Vgl. Leo, Phil. Untere. II S. 37.

«^ llibbeck, Alazon S. 36.

δΐ Dafür bei Tib. aO. v. 67 die Cilicier, wie bei Plaut. Mil. 42.

Zar römischen Elegie β09

Welt gegenüber dem traulichen Zusammenleben mit der Geliebten nichts bedeuten (vgl. ua. Plaut. Cure. 178 ff. CatuU. 45. Me- nandroR bei Alkiphron 11 3, 12): κδν πέτραν οΐκώμεν, €Ö olba ^Αφροοίσιον αυτήν το εονουν ποιήσειν (Glykera an Menandros bei Alkiphr. 11 4, 10; vgl. Tib. aO. v. 74). Die ganze Reihe V. 65 74 ist nichts als die ausführliche Ausmalung des^Non ego laudari curo, mea Delia: tecum Dum modo sim, quaeso segnis inersque vocer* der ersten Elegie (v. 57 f.). Zu dem folgenden (v. 75 78) überaus oft, am anschaulichsten von Heliod. VII 9, behandelten Gemeinplatz von den qualvollen Nächten des un- glücklichen Liebhabers vgl. Phiiol. 1901, S. 586. Der Liebende, der sein Leid der Verletzung der Gottheit zuschreibt (v. 79 ff.), begegnet in der Komödie (Plaut. Gas. 617) und wird in der alexandrinischen Elegie ebenso wenig gefehlt haben (vgl. Cydippe an Acontius bei Ov. Her. 20, 47 ff. 177 ff.) wie der bussfertige ουσερως (Tib. aO. v. 83 ff.), unter den hier bezeichneten αλ- λόκοτοι προσκυνήσεις, wie sie im Δεισιδαίμων^* des Menandros verspottet waren, habe ich das tundere poste caput sonst nirgends belegt gefunden. Dem vorübergehenden jugendlichen Spötter ^^, der sich an dem Unglück des Ausgeschlonsenen weidet (87) ^, wird das Schicksal des πάλιν μειρακιευόμενος πρεσβύτης^^ pro- phezeit (87—96), welcher nach langer Verachtung des Amor be- kennen muss: αυχένα σοι κλίνω, Κύπρι, μεσαιπόλιος (Paul. Sil. Α. Ρ. V 234; vgl. Tib. aO. ν. 90 poa Veneris vinclis Rubdere colla sene m). So giebt Meleagros A. P. Xll 23 vor, die κιυμάίοντες oft verlacht zu haben (τοις ουσέρωσι Κώμοις ήιθέων πολλάκις έγγελάσας. vgl. Tib. aO. ν. 89 qui iuvenum miseros lusisset amoreej, bis er sich selbst vom triumphirenden Eros vor die Thür eines Geliebten gestellt sieht. Auf der Vorschrift der Liebeslehre, dass, wer die Herrin gewinnen will, sich erst die Dienerin geneigt machen muss (Ter. Heaut. 300 f. Ov. a. a. I 351 f. II 251 ff. Ach. Tat. II 4, 2), beruht v. 94. Vgl. Bürger aO. S. 59. Von einem solchen Gespräch zwischen einem Jüngling und der Magd der Geliebten berichtet Aristaen. I 22^®. Zu v. 97 f. vgl. Ov. Am. II 9.

Ratibor. Friedrich Wilhelm.

52 Nach Meinekes Vermuthuug von Plutarch in der Schrift π€ρΙ δεισιδαιμονίας benutzt.

w Hoelzer denkt κη einen grassator nocturnue. Aber ein solcher läset es beim blossen Spott nicht bewenden; vgl. £1. in Maec. I, 29.

^ Zu V. 88, wo freilicii die Lesart f^chwankt, ist das Trostwort der Chryeothemis an Elektra bei Sopli. Kl. Dl•) f. verglichen worden: τοις αύτοΐσί τοι Ούχ αυτός aUl δαιμόνων παραστατεΤ.

•»5 Hoelzer S. 87.

^ Vgl. Boccaccio Dec. 11 5.

aheiD. Μαβ. f. PhUol. Ν. F. LVII. 39

DER VATER DER SISYGAMBIS

UND DAS VERWANDTSCHAFT SVERHAELTNISS

DES DAREIOS Ul KODOMANNOS

ZU ARTAXERXES II UND lU

Bekanntlich leitete der Grosekönig Artaxerxee III Ochos seine Regierung durch ein graueigee Blutbad ein, indem er alle Mitglieder des Achämenidengeschlechtes und des Hofes, von denen er in irgend einer Weise Gefahr fttr den Bestand seiner Herr- schaft befürchten zu müssen glaubte, ohne Rücksicht auf Bluts- verwandtschaft, Alter und Geschlecht abschlachten Hess. Von diesem Massenmord besitzen wir in zusammenhängender Dar- stellung der persischen Geschichte nur einen, ganz kurz und all- gemein gehaltenen Bericht bei Justinus X 3, 1 : Hereditas regni Ocho tradita, qui timens parem coniurationem (als die seines Bruders Dareios gegen Artaxerxee Π gewesen war) regiam cogna- torum caede et strage principum replet, nulla, non sanguinis, non sexus, non aetatis misericordia permotus: scilicet ne innocentior fratribus parricidis haberetur. Daneben erzählen aber noch zwei andere Schriftsteller des Alterthums von einer gewaltigen Metzelei, die jener Perserkönig unter den höchststehenden Persönlichkeiten seiner Umgebung angerichtet habe ; ja sie geben über dieselbe genauere Einzelheiten als sie Justin bietet, freilich beide nicht in zusammenhängender geschichtlicher Erzählung sowie ohne An- gabe der Zeit, in welcher die blutige Tragödie sich abspielte, und der Umstände, durch welche sie herbeigeführt wurde. Va- lerius Maximus berichtet in seiner Sammlung historischer Bei- spiele (IX 2 Ext. 7) Folgendes: Apertior et taetrior alterins Ochi cognomine Artaxerxis crudelitas, qui Atossam Fororem atque eandem socrum vivam capite defodit et patruum cum centum amplius filiis ao nepotibus vacua area destitutum iaculis confixit, nulla iniuria lacessitus, sed quod in bis maximam apud Persae

Der Vater der Sy8i<Qrambi8 usw. β11

probitatis et fortitudinis landem consistere videbat. Die zweite Stelle findet eich bei Cnrtine X 5, 23, wo auf dasselbe Ereigniss angespielt zu werden scheint wie bei Valer. Max. Hier heisst es: Subibat inter haec animnm (sc. Sisygambis) octoginta fratres suos eodem die ab Ocho, saevissirao regum, trucidatos adieotum- que stragi tot filiorum patrem.

Beziehen sich nun die Angaben des Valerius und Curtius auf dasselbe Ereigniss, von dem Justin berichtet? Es wäre ja immerhin nicht ganz unmöglich, dass Ochos wiederholt einen solchen 'Aderlass' zu seiner Sicherheit für nöthig erachtet und vollzogen hätte. Indessen dies ist sowohl an sich als wegen des Schweigens Justins kaum glaublich, und, dass wenigstens Valerius von dem gleich nach der Thronbesteigung des Ochos erfolgten Blutbad spricht, das auch Justin berichtet, wird dadurch ausser allen Zweifel gestellt, dass beide Schriftsteller dasselbe Motiv für die ünthat des Herrschers angeben (Just.: timens pareni con- iurationem, Valer.: quod in bis maximam apud Persas probitatis et fortitudinis laudem consistere videbat). Da nun aber, wie ich glaube, auch die Notiz des Curtius mit der Erzählung des Va- lerius sich vollkommen in Einklang bringen läset, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Angaben aller drei Schrift- steller auf einunddenselben Vorgang sich beziehen und daher ge- trost mit einander in gegenseitiger Ergänzung für die Darstellung desselben combinirt werden dürfen ^. Nur eine auf den ersten Blick sehr auffällige Abweichung zwischen Valer. und Gurt, scheint dem im Wege zu stehen. Valer. giebt nämlich, wie wir

^ Von den neueren Darstellern der persischen Geschichte stützen sich Spiegel, Eran. Alterthumskunde Bd. 2 S. 480 und Grote, Gesch. Griechenlands V^ S. 544 A. 124 nur auf die Erzählung Justine. Noel- deke, Aufsätze zur pars. Gesch. S. 75 hält die Angaben des Curtius, die noch weiter gehenden des Valer. Max. oar nicht berücksichtigend, für übertrieben, bezieht sie aber auf denselben Vorgang, von dem Justin berichtet; ihm schliesst sich Judeich in Pauly-Wissowas Real- encyklopädie u. Artaxerxes 3. Halbb. S. 1318 völlig an. Nur Droysen (Gesch. d. Hellenismus Bd. 1 S. 57) und Justi (Gesch. d. alten Persiens S. 137) verschmelzen, wenn sie auch ihre Quellen nicht ausdi-tioklioh anführen, die Nachrichten aller drei Schriftsteller mit einander, wie sowohl ihre Darstellung als namentlich der Umstand, dass sie weiter- hin, allein unter den Modernen, sich über die nur aus Gurt. X 5, 23 und Valer. Max. IX 2 Ext. 7 zu ergründende Herkunft der Sisygambis äussern, deutlich erkennen lassen.

ί)12 Neu hau 8

sahen, die Zahl der Ermordeten auf mehr als 100, Cart. nur auf 80 Personen an. Aber diese Differenz verschwindet, wenn man erwägt, dass ersterer erzählt, Ochos habe seinen Vaters- bruder mit über 100 Söhnen und Enkeln tödten lassen {pa- (ruum cum centum amplius filiis ac nepotibus)^ letzterer dagegen nur von den Brüdern und dem Vater der Sisygam bis spricht

Voraussetzung hierbei ist nur, dass unter dem Vaterebruder des Ochos bei Valer. und dem Vater der Sisygambis bei Cnrt. dieselbe Person zu verntehen ist, und so werden wir auf die nicht nur für die Quellenkritik, sondern auch geschichtlich wich- tige Frage geführt: Wer war der Vater der Sisygambis und in welchen verwandtschaftlichen Beziehungen stand der letzte Perser- könig Dareios Rodomannos zu seinen Vorgängern Artaxerxes II und Artaxerxes III? Die sichere Entscheidung dieser Frage wird durch die Dürftigkeit der uns zu Gebote stehenden üeberlieferung sehr erschwert. Abgesehen von der uns beschäftigenden Stelle des CurtiuR findet sich nämlich nirgends die geringste Andeutung über die Herkunft der Mutter des Dareios III; nur über des letzteren Vater Arsanes giebt uns Diod. XVII 5, 5 die Auskunft, dass derselbe der Sohn des Ostanes, des Bruders des Artaxerxes II (vgl. Plut. Artax. 1), war. Von den modernen Historikern äussern sich über das Verwandtschaftsverhältniss der Sisygambis zum Hause der Achämeniden meines Wissens nur Droysen^ und Justin aber in entgegengesetztem Sinne; nach ersterem war Sisygambis eine Tochter des Artaxerxes If, nach letzterem eine Tochter des Ostanes und Schwester und Gattin zugleich des Arsanes. Da keiner von beiden Gelehrten die Gründe, auf die seine lieber• Zeugung sich stützt, angegeben hat, so sei uns der Versuch ge- stattet, selbst ZU ergründen, wie sie zu ihren Aneichten gelangt sind und welche Anschauung die richtige ist.

Das Fundament der ganzen Untersuchung kann nur unsere Curtinsstelle bilden, aus ihr allein kann überhaupt gefolgert wer- den, dass Sisygambis dem Hause der Achämeniden angehört hat^

ι aaO. S. 64.

3 aaO. S. 15 vgl. 39 und Iran. Namenbuch, Marburg 1895, S. 304 vgl. 399.

Β Freilich kommen auch Stellen in Betracht, wie Diod. XVII 37, <i (Alexander redet die bei Irsos gefangene Sisygambis 'Mutter an, versichert, sie solle ihm eine zweite Mutter sein, und läset ihr die ge- wohnten königlichei. Ehren erweisen) und 118,3 (Sisygambis nimmt sich Dach Alexanders Tod selbst das Leben καταθρηνήσασα .... τήν

Der Vater der Sisygambis usw. 613

Freilich giebt Gurt, kein anderes Motiv für die Blatthat des Ochos an als seine Grransamkeit, aber durch den Vergleich mit den Nachrichten des Justin und Valerins Maximus ergiebt sich zum mindesten so viel, dass den Tyrannen bei der Ermordung der Brüder der Sisygambis (und ihres Vaters?), von der Curtius spricht, dasselbe Interesse geleitet haben muss, das ihm Valerius und Justin in ihrer Erzählung seiner Greuel zuschreiben, dass also die Familie der Sisygambis ein Zweig des königlichen Hauses gewesen sein mnss. Ebenso mnss aber auch jeder weitere Versuch, Genaueres über die Abkunft der Sisygambis zu er- gründen, von derselben Stelle ausgehen. Alles hängt ab von der sachgemässen Erklärung der Worte: adiectumque stragi tot filiorum patrem* und ihrer richtigen Combination mit den anderen uns erhaltenen auf die Verhältnisse in der königlichen Familie bezüglichen Stellen. Nimmt man die Worte des Curtius für sich allein, so kann er mit ihnen doch nur mei- nen, dass nach der Ermordung seiner 80 Söhne auch noch der Vater der Sisygambis niedergemetzelt wor- den sei. Nun hat man jedoch wenigstens weiss ich es mir nicht anders zu erklären diese Worte einerseits mit der Er- zählung Plutarchs Artax. 30, dass Artaxerxes II aus Schmerz über den durch die Hinterlist des Ochos bewirkten Tod seiner beiden andern Söhne Ariaspes und Arsames gestorben sei, an- dererseits mit Justins (X 1, 1) Angabe, dass jener König 118 Söhne gehabt habe, in Verbindung gebracht. Beides lag nahe, da der

εαυτής έρημίαν, vgl. Juet. ΧΙΠ 1, β: quod pietatem filii in eo, quem ut hostem timuerat, experta esset); ferner die genau mit Diod. XVII 37, 6 übereinstimmendeu Parallelerzählungen des Curtius III 12, 13 ff., Plutarch Alex. 21 und Justin XI 9, 12 ff. über die erste Begegnnnpr zwischen AlexandtT und Siaygambis; die Schilderungen der hohen Ver- ehrung, die der Eroberer stets der unglücklichen Frau zollte (Gurt. V 2, ff.; 3, 12 ff.; Flut. Alex. 30), und endlich auch Curt. V 3, 13, wo sich Sisygambis selbst als regina bezeichnet. Man könnte sagen, dass Alexander so grosse, in den ihm von Curt. V 2, 22 in den Mund gelegten Worten: 'Dulcissimae matri Olympiadi nomen dcbitum tibi reddo* gipfelnde Ehren nur einer wirklich königlichen Frau, einem Gliede des Achämonidenhauses, erwiesen haben würde. Gleichwohl geben uns alle diese Stellen keine absolute Gewissheit darüber, ob Sisygambis schon durch Geburt dem königlichen Hause angehört hat; alles dort Erzählte könnte auch darin allein seine Erklärung ünden, dass sie eben die Mutter des regierenden Herrschers war. (8. über die Stellung der Königinmutter am persisch• π Hofe Spiegel aO. 3, 680.)

614 NeuhauB

Ausdruck: * adiectumque stragi tot filiorum patrem die Todeeart dee Vaters der Sisygambis nicht bestimmt genug erkennen läset und die auffällig hohe Zahl (80) seiner getödteten Söhne von selbst die Gedanken auf Artaxerxes lenkte, der sich, wie man aus Justin wusste, eines der Angabe des Curtius entsprechenden Reichthums an Söhnen erfreut hatte. Έβ hätte freilich dabei nicht vergessen werden dürfen, dass nach Valerius Maximue auch der auf Ochos Befehl ermordete patmus desselben, also der Bruder des Artaxerxes II, eine annähernd gleiche Zahl von Söhnen ge- habt haben muss als letzterer nach Justin, da über 100 Söhne und £nkel mit ihm niedergemacht wurden; ja, ich wage sogar zu behaupten, dass die Primärquelle, auf die die Angabe des Valerius Maximus zurückgeht, die Ziffern für die Zahl der ge- tödteten Söhne und Enkel von einander gesondert enthalten und für die Söhne dieselbe Ziffer - 80 geboten hat, welche Curtius (aus derselben Quelle) für die Zahl der ermordeten Brüder der Sisjgambis giebt. Dazu ist wohl noch ein drittes Moment ge- kommen, auf das Herr Prof. Justi in Marburg, dem ich über- haupt mehrere werthvolle Fingerzeige für die Behandlung der io Rede stehenden Frage zu danken habe, mich aufmerksam gemacht hat, nämlich die Verwechselung des von Diod. XVII 5, 5 ge- nannten Arsanes (in Wirklichkeit ein Bruderssohn des Arta- xerxes Π) mit dem bei Flut. Artax. 30 erwähnten Sohn des Artaxerxes II, Arsames. Beide Personen sind schon von den Chronographen des Alterthums in den Königslisten wegen ihres fast gleidh lautenden Namens sehr häufig zusammengeworfen wor- den ^ und dasselbe ist dann von den Neueren geschehen, die da- bei die ausdrückliche Angabe Diodors, dass Arsanes der Sohn des Ostanes, Bruders des Artaxerxes, gewesen sei, entweder über- sehen oder ihr keinen Glauben geschenkt haben münsen. Auf diese Weise hat sich dann die Ansicht gebildet, dass als der pater der Sisygambis bei Curt. Artaxerxes II anzusehen sei, die 80 ermordeten Brüder derselben zu den 118 Söhnen dieses Könige gehörten und die Worte : adiectumque stragi tot filiorum patrem nicht von einem gewaltsamen Tode des pater der Sisygambis zu verstehen, sondern aus Plut. Artax. 30 zu erklären seien, kurz, dass Sisygambis eine Tochter des Artaxerxes II sei.

^ Vgl. Justi, Iran. Nameubuch und Judeich in Pauly• Wieso was Realenc>klop. u. Arsaues.

Der Vater der Sisygambie usw. 615

Sie findet sich ausser bei Droysen auch in Teuffels Realencyklo- pädie^ und in der Encyklop. Britannica^.

Allein gegen diese Annahme erheben sich die schwersten Bedenken :

1) hat, wie bereite erwähnt ist, nach der einzigen aus- führlichen Erzählung über den Tod des Artaxerxes II, die wir besitzen, Plut. Art. 30, Ochos bei Lebzeiten seines Vaters nur zwei seiner Brüder, die gefürchtetsten Rivalen um die Herrschaft, aus seinem Wege geräumt, und der Tod dieser beiden Lieblings- söhne hat genügt den greisen König mit Kummer und Grram in die Grube zu stürzen.

2) nach Justins ausdrücklicher Angabe hat Ochos erst nach dem Tode seines Vaters und nach seiner Thronbesteigung die Abschlachtung seiner zahlreichen übrigen Verwandten angeordnet.

3) ist es schon an sich ganz unglaublich, dass Ochos, so lange sein Vater noch lebte und herrschte denn auch nach dem Tode des ursprünglichen Thronfolgers Dareios und des Ariaspes wurde er nicht zum Nachfolger ausersehen, geschweige denn zum Mitregenten erhoben, wie Plutarchs Erzählung (c. 30 vgl. 26) ausser allen Zweifel stellt ein solches Blutbad unter seinen Brüdern anzurichten hätte wagen dürfen.

4) würde Curtius, wenn Sisygambis wirklich eine Tochter des Artaxerxes, demnach eine Schwester des Ochos, also die 80 Brüder, deren Ermordung durch Ochos er sie beklagen lässt, ebenfalls Söhne desselben Königs und Brüder des Ochos gewesen wären, sie gewiss haben sagen lassen: ihre und seine eigenen Brüder seien von Ochos getödtet worden (octoginta fratres suoe ipsiusque),

5) berichtet Curt. V 3, 12, dass Madates, Satrap der üxier, mit der Tochter einer Schwester der Sisygambis vermählt und so ein naber Verwandter des Dareios Kodomannos gewesen 8ei. Auch hier fällt es auf, dass Curtius, wenn er wirk- lich Sisygambis für eine Tochter des Artaxerxes II gehalten

1 Bd. 2, 866 u. Dariue. Hier wird auf Aeliane Var. Biet. XII 43 als Beleg hingewiesen, wo siel» aber nur die Worte: Ό bi τελευ- ταίος Δαρείος ό ύπό *Αλ€Εάνδρου νικηθείς δοΟλος (so in der Ausgabe von Hercher, alte Lesart: δούλης) ήν finden, die für alles andere eher sprechen als dass Sisygambis eine Tochter des Artaxerxes gewesen sei, jedenfalls aber nicht das Geringste zur Entscheidung der Frage nach ihrem Vater beitragen können.

2 Vol. VI p. 826 u. Dariue.

Gie Neuhaud

hätte, weder den Namen ihrer Schwester genannt noch die Zu- gehörigkeit derselben zu dem regierenden Zweige der Achäme• niden erwähnt haben sollten Auch sollte man doch in diesem Falle erwarten, dass der Schriftsteller nicht bloss von einer Ver- wandtschaft des Madatee mit Dareios redete, sondern vielmehr hervorhöbe, dass jener Satrap durch seine Heirath auch mit den Groeskönigen Artaxerxes Π und III oder mit dem königlichen Hause überhaupt verwandt geworden sei.

6) endlich haben, wenn Justis Vermuthung, eine Ver- wechselung des Arsanes bei Diodor mit dem Arsamee bei Plu- tarch habe zur Bildung der Ansicht, Sisygambis sei eine Tochter des Artaxerxes II, mitgewirkt, richtig ist, die Gelehrten, denen dieser Irrthum zugestossen ist, übersehen, dass in diesem Falle der Arsanes Diodors doch zum Sohne des Artaxerxee 11 und Bruder der Sisysambis wie des Ochos selbst würde, Dareios III aber von väterlicher wie von mütterlicher Seite ein Enkel des Artaxerxes II und Neffe des Ochos und damit als legitimes erb- berechtigtes Mitglied der regierenden Linie der Achämeniden ein, wenn auch vielleicht wegen jugendlichen Altere nicht sogleich, ho doch für spätere Zeit dem Ochos sehr gefahrlicher und zu fürchtender Nebenbuhler um die Herrschaft gewesen «ein würde. Uann wäre es aber einerseits, zumal im Hinblick auf die An- gabe des Valerius Maximus, dass der argwöhnische Tyrann seinen Oheim sammt Söhnen und Enkeln tödten Hess, und des Justin« dass er alle irgendwie hervorrai^enden Angehörigen des königlichen Hauses ohne Rücksicht auf den Grad der Verwandtschaft, auf Alter und Geschlecht hinschlachten üess, völlig rätbselhafl, warum Ochos, der Mörder des Vaters (Arsames), den Sohn, dessen Rache und Rivalität er mehr als die irgend eineß anderen Prinzen zu fürchten hatte, verschont haben sollte; andererseits aber würde alles, was Diodor, Plutarch, Justin u. A. uns über das Jugendleben des Dareios Kodomannos und sein Emporkommen aus niedrigen und dürftigen Verhältnissen (er soll in seiner Ju- gend königlicher άίΐτάνοης di. Courier, Eilbote gewesen sein, ja er wird sogar geradezu als οοΰλος bezeichnet) berichten^, völlig unbegreiflich.

^ Dies und das vorhergehende Argument verdanke ich der Güte des Herrn Prof. Jueti.

2 Vgl. Plut. Alex. IM u. de Alex. fort. I 1; Π Η; Diod. XVII 30,7; Just. X 3, .Ί; Curt. ΠΙ 3,2 AT.; Strabo XV 3,24; Aelian Var. Hiet. XII 48.

Der Vater der Sisygambis usw. β17

Von welcher Seite man also auch die Annahme, Sisygambie sei eine Tochter des Artaxerxes 11 gewesen, betrachten mag, immer stellt sie sich als unhaltbar heraus. Ich bin daher über- zeugt, dass Curt. X 5, 23 nicht mit Plut. Artax. 30 und Just. X 1, 1, sondern mit Valer. Max. IX 2 Kxt, 7 (sowie mit Diod. XVIJ 5,5 und Just. X 3, 1) zu combiniren und durch letztere Stellen zu erklären ist. Nach Valer. Max. liess Ochos, wie wir wissen, auch seinen Vatersbruder mit über 100 Söhnen und £nkeln tödten. Dieser patruus aber ist jedenfalls kein anderer als der von Diod. aO. genannte Ostanes, δς ήν άοελφός ΆρταΗίρΗου του Περσών βασίλευσα ντο ς, Vater des Arsanes und Grossvater des DareioslII.

Nach Ktesias nämlich (Exe. Phot. § 49), der, wie er ver- sichert, seine Angaben der Parysatis persönlich verdankt, hatte diese Königin ihrem Gemahl Dareios Π 18 Kinder geschenkt, von denen die ältesten eine Tochter, Amestris, und drei Söhne: Ar- sakas, als König Artaxerxes genannt, Kyros und Artostes waren. Nur die genannten und noch ein vierter jüngerer Sohn, Oxendras, wuchsen, wie Etesias weiter berichtet, heran, während die übrigen Kinder schon früh stHrben. Auch Plutarch Artax. 1, l (vgl. 5, 3 n. 22, 6) führt, nach seinem eigenen Zeugniss Etesias folgend, vier Söhne des Dareios II und der Parysatis an : Arsikas, Eyros, Ostanes und Oxathres. Auffällig erscheint es hierbei anfangs, dass Plutarch, trotzdem er unmittelbar nachher (1, 2) dem Ktesias betreffe des ursprünglichen Namens des Artaxerxes grössere Glaubwürdigkeit zuerkennt als dem Deinon^, den Söhnen des Eönigspaares Namen giebt, die zwar den von Photios aus Ktesias entlehnten ähnlich, aber doch immerhin abweichend sind. In- dessen diese Schwierigkeit ist leicht zu beseitigen, ohne dass wir annehmen dürften, der Getanes und Oxathres des Plut. seien etwa andere Brüder des Artaxerxes II als die von Phot. Artostes und Oxendras genannten. Das ist wegen des unumstössliohen Zeug- nisses des Etee.-Phot. § 49 völlig unmöglich. Wie der Arsikas bei Plut. mit dem Arsakas des Phot., so ist vielmehr zweifellos auch der Ostanes des ersteren mit dem Artostes des letzteren und der Oxathres des ersteren mit dem Oxendras des letzteren

^'0 6* *ΑρτοΗ^ρΕης *Αρσίκας πρότ€ρον έκαλεΐτο* καίτοι Δείνων φησίν οτι Οάρτης. 'Αλλά τόν Κτησίαν, el καΐ τδλλα μύθιυν απίθανων καΐ παράφορων έμβ^βληκ€ν €ΐς τά βιβλία παντοδαπήν πυλαίαν, ούκ €ΐκός έστιν άγνο€ΐν τοΰνομα τοΟ βασιλέως, παρ' φ δι^τριβ€, θ€ραπ€ύων αυτόν καΐ γυναίκα καΐ μητέρα καΐ παΐδας.

618 Neuhaus

identisch ^ Wenn Justi in dem von ihm im Iranischen Namen- buch S. 398 aufgeetellten Stammbaum der Achämeniden im Gegen- satz zu seinen früheren Ausführungen (S. 40; 52) den Getanes neben dem dritten Sohn Artostes als fünften und jüngsten Sohn besondere rechnet, so thut er dies wohl nur, um eine absolut vollständige, jedem Zweifel entzogene Namenliste herzustellen, setzt sich aber dadurch in Widerspruch sowohl mit der ausdrück- lichen Angabe des Ktes.-Phot. § 49, dass nur vier Söhne des Dareios II und der Parysatis am Leben blieben, als auch mit der von Flut. Artax. 1, 1 und 5, 3 gebotenen Reihenfolge der- selben, da an beiden Stellen Ostanes als dritter Sohn vor Oxathree genannt wird. Von diesen beiden jüngsten Söhnen des Dareis U und der Parysatis wird endlich (Artostes-) Getanes, wie wir be- reits wissen, noch bei Diod. XVII 5, 5, (Gxendras-) Gxathres unter der Namensform Gxyartes bei Athenaios XIII p. 609* er- wähnt*.

£s sind also unzweifelhaft von den 13 Kindern des Da- reios II und der Parysatis neben Artaxerxes II nur drei Söhne am Leben geblieben und in das Mannesaiter gelangt: Kyros, Gstanes und Gxathres. Da nun von diesen der bei Eunaxa ge- fallene Kyros auescheidet, so kann nur entweder Getanes oder Gxathree der nach Valer. Max. von Gchoe getödtete patruue ge• weeen eein. Aber auch an Gxathree kann schwerlich gedacht werden, da eicherlich Juetie Yermuthung (Iran. Namenb. S. 232),

^ Vgl. schon Beehr, Ctes. Cnid. oper. reliqu., Frankfurt 1824, p. 19G, der sich auf Scaliger, Emend. temp. p. 587 D, beruft, und ebenso urtheilen in neuester Zeit Justi, Iranisches Namenbuch S. 40 vgl. 52 (u. Artostes und Austanes) und 232 (u. Ozathres) und Judeich in Pauly-Wissowae Realencyklop. u. Artaxerxes. Während dann Smith, Α study of Plut. life of Artax., Leipzig 1881, p. 7 die drei Stellen in Plutarchs Artaxerxes, wo Getanes (und Gxendras) ge- nannt werden, wegen der Abweichung der Namen von Ktes.-Phot. § 49 auf Deinen zurückführt, und Mantey: Welchen Quellen folgte Plut. in seinem Leben des Artaxerxes?, Greiffenberg 1883, S. 3 wenigstens zu derselben Ansicht hinneigt, weist Krumbholz, de Ctesia aliisque aucto- ribus in Plut Artax. vita adhibitis, Eisenach 1889, p. 12 nach, dass die von Photios gebotenen Namen Artostes und Oxendras ebenso in den Handschriften verdorben sind wie Arsakas (vgl. über letzteren Namen auch Noeldeke aO. S. 61 A. 1) und Plutarch die richtigen Nameneformen aus Ktesias bewahrt hat.

2 Vgl. Schweighäuser, Ausgabe von Athen. Deipnoe. vol. Vll p. 304 ; Justi, Iran. Namenbuch S. 232 u. Gxathres.

Der Vater der Sisygambis usw. 619

dass unter dem von Cart. III 13, 13 als Bruder des Dareioe III bezeichneten Oxathree vielmehr unser in Rede stehender Oxathres, der jüngste Bruder des Artaxerxes II und somit Grossonkel des Dareioe III, zu verstehen sei, das Richtige trifft. An der ge- nannten Stelle, wo Curtins die Gefangennahme zahlreicher vor- nehmer persischer Frauen bei der Einnahme von Damaskos er- zählt, heisst es: 'In eodem grege uxor quoque eiusdem Ochi fuit Oxathrisque frater hie erat Oarei filia.* Da nun unmittelbar vorher erzählt wird, dass auch drei erwachsene Töchter des Ochos gefangen wurden (aO. § 12: *Inter quas tres fuere virgines, Ochi, qui ante Dareum regnaverat, filiae, olim quidem ex fastigio paterno rerum mutatione detractae, sed tum sortem earum cru- delius adgravante fortuna'), so kann es wohl keinem Zweifel unterliegen^ dass die hier erwähnte Gemahlin des Ochos nicht die Mutter jener Jungfrauen gewesen sein kann, sonst würde Curtius doch wohl die Mutter vor den Töchtern oder wenigstens mit ihnen zusammen erwähnt haben. Vielmehr muss es sich hier um eine andere Gattin jenes Königs handeln. Justi hat daher, wie ich glaube, richtig die folgenden Worte 'Oxathrisque filia* als aufs engste mit ^uxor quoque eiusdem Ochi fuit' zusammen- gehörend mit einander verknüpft und versteht unter *Oxathris filia' dieselbe Person, die eben als 'uxor Ochi von Curtius be- zeichnet ist. Έβ entspricht dies sowohl dem natürlichen Sinn und dem Öatzbau der Stelle^ als auch dem Gebrauch der Con- junction que, welche 'solche Nomina, die als zusammengehörig einander ergänzen und vervollständigen, also (integrirende) Theile eines Ganzen^ verbindet^. Ungenau und unrichtig erscheint mir dagegen Spiegels, Grotes und neuerdings B. Nieses Interpretation der Stelle, die neben vielen anderen edlen Perserinnen die Wittwe und Töchter des Königs Artaxerxes Ochos und die Tochter von Dareios Bruder Oxathres in die Gewalt der Makedonen fallen lassen f.

Ist nun aber Justis Erklärung von Gurt. III 13, 13 richtig,

ist es dann glaublich, dass eine Tochter des jüngeren

-

^ Dem erstüu Gliede des Satzes: In eodem grege uxor quoque eiusdem Ochi fuit Oxathrisque ftlia folgt ein genau correspondirendes zweites: et coniunx Artabazi, principis purpuratorum, nliusque, cui Ilioneo fuit nomen.

2 Ellendt-Seyffert latein. Gramm. (25. Aufl. Berlin 1882) S. 289 § 343.

8 Vgl. Spiegel aaO. II 8.512; Grote Bd. ^2 s. 471; Niese, Gesch. d. griech. u. makedon. Staaleu, Gotha 1893, S. 78 Δ. 3.

620 Ν eil hau 8

Bruders des Dareios ITI, des bei Gurt, und anderen Schrift- stellern sonst oft genannten Oxathres, Gemahlin des Ochos gewesen sein sollte? Dareios und der eben erwähnte Oxathree waren doch Neffen jenes Königs (I)iod. XVTl 5, 5), die Tochter des Oxathres und Gemahlin des Ochos wäre also zu- gleich seine Grossnichte gewesen. Was für einen ge- waltigen Altersunterschied müssten wir in diesem Falle zwischen den beiden Ehegatten annehmen ! Ochos, Sohn des Artaxerxes II und der Stateira, muss vor dem Jahre 400 v. Chr. geboren sein, da letztere um dieses Jahr durch Parysatis vergiftet worden ist ', während, da Dareios III Geburt um 380 fällt*, sein jüngerer Bruder noch später geboren ist und sich kaum vor 360 v. Chr. verheirathet haben kann. Wir würden also die Vermählung des Ochos mit der Tochter des Oxathres, selbst wenn die Frühreife orientalischer Frauen berücksichtigt wird, frühestens in eines der Jahre 350 345 v. Chr. setzen können, in eine Zeit also, in der Ochos bereits dem sechzigsten Lebensjahre sich näherte, während die junge Frau kaum das jungfräuliche Alter erreicht hatte. Un- möglich ist ja auch dies nicht, und Justi lässt es daher (im Stammbaum der Achämeniden aO. S. 399) auch unentschieden, ob jene von Curt. III 13, 13 erwähnte Gemahlin des Ochos die Tochter des Grossoheims oder des Bruders des Dareios 111 ge- wesen ist. Einleuchtender indessen ist , wenn überhaupt die Worte: *uxor quoque eiusdem Ochi fuit Oxathrisque frater hie erat Darei - filia' mit Recht von ihm zu einem Ganzen zusammengefasst und von derselben Person verstanden worden sind, jedenfalls seine Hypothese (S. 232), dass Curtius hier die beiden Oxathres mit einander verwechselt hat und dass die ge- fangene uxor Ochi eine Tochter des jüngsten Bruders des Ar- taxerxes II, also eine Cousine des Ochos gewesen ist.

Ist nun aber der von Curt. III 13, 13 * frater Darei' ge- nannte Oxathree in Wahrheit der Oheim und zugleich Schwieger- vater des Ochos gewesen, so ist wohl wegen des letzteren Ver- wandtschaftsverhältnisses kaum anzunehmen, dass Ochos auch ihn habe ermorden lassen. Scheidet daher auch Oxathres aus der Reihe der Oheime des Ochos aus, so bleibt nur Ostanes als der patruus übrig, von dessen und seiner Söhne und

1 Ktes.-Phot. § (;i; Plut. Artax. VX Vgl. Judeich in Pauly AViseowaa ReHlencyklop. u. Artaxerxes II.

2 Arrian. Auab. III 22, 0.

Der Vater der Sisygambis usw. 621

Enkel Ermordung Valerius Maximus IX 2 Ext. 7 8priclit, und die an eich schon nahe liegende Vermuthung, dass der Vater und die Brüder der Sisygambie, deren Abschlachtung Cnrt. X 5, 23 sie beklagen läset, dieselben Personen sind, von denen Valerius spricht, wird so meines Erachtens bis zur Evidenz gesichert. Sisygambis war also nicht eine Tochter des Artaxerxes II, sondern seines Bruders Ostanes. Hält man damit endlich die Angabe Diod. XVII 5, 5 zusammen, dass Dareios ΙΠ der Sohn des Arsanes, dieser aber der des Ostanes, des Bruders des Artaxerxes, gewesen sei, so ergibt sich, dass Sisygambis, die Gemahlin des Arsanes, zugleich auch seine Schwester, Dareios 111 Rodomannos aber von mütterlicher wie von väterlicher Seite ein Gross- neffe des Artaxerxes II und Neffe des Artaxerxes III im zweiten Grade gewesen ist.

Freilich verhehle ich mir keinen Augenblick, dass der Be- weis, den ich zu führen versucht habe, nicht exact genug ist, um jeden Zweifel an der Richtigkeit meiner Behauptung, dass Ostanes der Vater der Sisygambis sei, auszuschliessen. Denn um nachweisen zu können, dass dieser Mann der nach Valer. Max. von Ochos ermordete Vatersbruder sei, habe ich mit Justi die Worte des Curt. 111 13, 13 ' uxor quoque eiusdem Ochi fuit Oxathris- que filia' vielleicht unrichtig, jedenfalls abweichend von sehr her- vorragenden Gelehrten erklären und den Zusatz jenes Schrift- stellers 'frater hie erat Darei' als einen Irrthum desselben be- zeichnen müssen. Selbst wenn dies aber mit Recht geschehen ist, so kann immer noch gegen meine Argumentation der Ein- wurf erhoben werden, es sei zweifelhaft, ob der Vatersbruder des Ochos sowie dessen Söhne und Enkel, von deren Ermordung Valer. spricht, identisch seien mit dem Vater und den Brüdern der Sisygambis bei Curt. X 5, 23. Erwäge ich jedoch alle in Betracht kommenden Dinge, so werde ich immer wieder zu Justis und meiner Ueberzeagung zurückgeführt. Zunächst schliesst der Zustand der auf uns gekommenen Ueberlieferung jedes be- stimmtere Ergebniss als das unserige aus, und die allein neben der unserigen noch aufgestellte Vermuthung, Sisygambis sei eine Tochter Artaxerxes Π gewesen, hat sich als ganz unhaltbar er- wiesen. Sodann wird durch unsere Annahme der beste Einklang der gesammten Ueberlieferung, die uns erhalten ist, hergestellt. Einmal finden so die drei von den Greueln des Ochos handelnden Stellen ihre vollkommene Aufklärung, und es stellt sich heraus,

622 Neuhaus

dass sie eich auf einunddasselbe Blutbad beziehen. Zugleich aber ist es nur bei unserer Annahme zu veretehen, wie Dareioe dem von dem miestrauischen und grausamen König angerichteten Blutbad entgehen konnte, und ebenso ist, was hiermit aufs engste zusammenhängt, nur mit unserer Ansicht die bei zahlreichen oben zusammengestellten Schriftstellern sich findende Nachricht von den bescheidenen Verhältnissen und der niederen Stellung, in denen Dareios in seiner Jugend sich befunden habe, zu ver- einigen. Nur wenn er ein Spross eines fem vom Hofe lebenden jüngeren Zweiges der Achämeniden war, nicht, wenn er der re- gierenden Linie angehörte, ist es erklärlich, warum Ochos seine Eltern und ihn verschonte. Seine Eltern müssen dann aus irgend einem für uns nicht mehr erkennbaren Grunde, vielleicht, weil auch sein Vater Arsanes schon in untergeordneter Stellung und ausserhalb des nächsten Gesichtskreises des Ochos lebte, dem von Curtius berichteten Schicksal ihres Vaters und ihrer Brüder ent- gangen, und mit ihnen muss auch er selbst gerettet und in der Verborgenheit bescheidener Verhältnisse aufgewachsen sein, bis er sich durch seine persönliche Tüchtigkeit von dem niederen Amte eines ά(Ττάν6ης wieder in die hohen Kreise emporschwang, denen er, wenn man Droysens Ansicht folgt, schon durch seine Geburt selbstverständlich angehört hätte. Ganz besonders der Umstand endlich, dass wir durch unsere Untersuchung in dem nach Valer. Max. ermordeten Vatersbruder des Ochos den von Diod. XVII 5, 5 als Vater des Arsanes, des Vaters des Dareios 111, erwähnten Ostanes wiedergefunden haben , scheint zu zeigen, dass wir der richtigen Spur gefolgt sind, denn so wird auch zwischen dieser Stelle und der Erzählung des Valer. ein enger Zusammenhang hergestellt. Wenn es nun auch nie möglich sein wird, den ganz einwandfreien Beweis zu führen, dass dieser Ostanes auch der Vater der Sisygambis und ihrer Brüder ist, von deren Ermordung Curtius redet, so wird doch Jeder, der dies bestreitet, entweder annehmen müssen, dass das von Ochos bei seinem Regierungsantritt unter seinen Verwandten angerichtete Blutbad einen noch grässlicheren Umfang gehabt habe, als man bisher geglaubt hat, oder dass er gar wiederholt ein so furchtbares Verbrechen begangen habe. Beides ist gleich unwahrscheinlich. Es scheint also, wenn wir zum Schluss die Ergebnisse un- serer Untersuchung zusammenfassen, gewiss oder wenigstens auf Grund aller in Betracht kommenden Verhältnisse das Glaub- hafteste zu sein, dass:

Der Vater der Sigygambis usw. 623

1. der Vaterebrader des Ochos bei Valer. Max. IX 2 Ext. 7 dieeelbe Person ist wie der Vater der Sisygambis bei Cart. X 5, 23;

2. an beiden Stellen auf denselben Vorgang nnd dieselben Personen angespielt wird ;

3. Sisygambis nicht eine Tochter Artaxerxes IT, sondern seines Bruders Getanes nnd nicht nnr Gemahlin, sondern zugleich auch Schwester des Arsanes gewesen ist, was nichts Wunder- bares hat, da Heirathen unter Geschwistern im persischen Königs- hause etwas ganz Gewöhnliches waren. Schon Perizonius bemerkte denn auch zu Aelians Var. Hist. XII 43: '(Sisygambis), quae vel ipsius Artaxerxis Mnemonis fuit filia vcl potius ex eins fraire orta, vide Gurt. X 5, 23' und neuerdings zählt Judeich in dem von ihm verfassten Artikel über Artaxerxes Π in Pauly- Wissowas Realencykl. (2, 1317) Sisygambis unter den Töchtern dieses Königs nicht mit auf.

Endlich möchte ich noch ganz kurz darauf hinweisen, dass die Erzählungen des Valerius und Cuitius über die von Gchos verübten Greuel nicht nur sachlich mit Just. X 3, 1 überein- stimmen, sondern dass wenigstens zwischen Valerius und Justin vielleicht eine noch engere Verbindung besteht, insofern manches dafür zu sprechen scheint, dass Val. Max. IX 2 Ext. 7 ebenso wie Justins Bericht dem Werke des Pompeius Trogus entlehnt ist. Für Gurtius lässt sich deshalb Bestimmteres nicht aussprechen, weil, was er X 5, 23 sagt, nur eine der Sisygambis in den Mund gelegte Anspielung auf die Massenmorde des Ochos ist, diese selbst aber in einem der verlorenen beiden ersten Bücher seiner Alexandergeschichte erzählt waren. Da aber seine Worte an jener Stelle, wie wir gesehen haben, mit den Angaben des Valer. und Justin vollkommen vereinbar sind und da ferner auch sonst zahlreiche Uebereinstimmungen zwischen ihm und Justin fest- gestellt sind, so kann man wohl die Vermuthung wagen, dass er dasselbe erzählt hat wie Trogus Pompeius, sei es, dass er, wie Grohn (De Trogi Pompei apud antiquos auctoritate, Strassburg 1882) und Petersdorff (Eine neue Hauptquelle des Q. Gurtius Rufus, Hannover 1884) behaupten, aus diesem selbst geschöpft hat, sei es, dass beider Nachrichten auf dieselbe Quelle zurück- gehen.

Königsberg i. Pr. Otto Neuhaus.

MISCELLEN

Ζα Sophokles Anti/^one 528

0. Hense bat in seinem Aufsatz 'Die Modificirang der Maske in der griechischen Tragödie' (Festschr. der Universität Freiburg z. ÖOjähr. Regierungsjubiläum des Grossherzoge Friedrich von Baden 1902, S. 234) die sehr gewinnende Vermuthung aus- gesprochen, dass Ismene v. 524 ff. in einer neuen, das gerötbete Angesicht darstellenden Maske auftrete. Er sobliesst das wohl mit Hecht aus der Ausführlichkeit, mit der ihr Gesichtsauedruck in den Worten des Chors geschildert wird, und begründet den Maskenwechsel mit dem seit Ismenens erstem Auftreten in ihr vorgegangenen Gesinnungswechsel : mit den unverkennbaren Zeugen jenes Kampfes (durch den sie sich zu dem Kntechluss^ der Antigone doch noch nachträglich beizustehen, durchgerungen), der ihr das Blut in das Antlitz getrieben hat, Hess sie der Dichter erscheinen, db. mit veränderter Maske.'

Die Thatsächlichkeit des Maskenwecbsels darf unbedenkli';h zugegeben werden. Eine andere Frage aber ist: drückte die neue Maske wirklich ein errötbendes Gesicht aus?

Ismene weint; die φιλαοελφία hat ihr Thränen in die Augen getrieben (527). Die νεφέλη kann, wie ja auch durch τέτχΟΌύα über jeden Zweifel erboben wird, mit gebräuchlichem Tropus umschreibend, nichts anderes bezeichnen sollen, als eben die φι- λάδελφα δάκρυα; vgl. Eurip. Hippel. 172 στυγνόν b' όφρύων νέφος αύΕάνεται, welche Stelle zugleich beweist, dass auch bei Sophokles die Worte νεφέλη οφρύων zu verbinden sind. Also ist ύπεραιματόεν als ein Wort zu verstehen. Eine Verbindung des ιίπερ per tmesin mit αί(Τχύνει giebt keinen befriedigenden Sinn. So wachsen die längst geltend gemachten äethetischen Bedenken gegen den Ausdruck an dieser Stelle. Das Gesicht Ismenens wird gar als 'über und über blutig' bezeichnet. Dass ein solcher Ausdruck den Sinn des Erröthens haben soll, kann nur annehmen wer dem Dichter eine starke Geschmackelosigkeit zutraut. Die Sache liegt aber thatsächlioh anders: das ^θος muss, da die Thränen darauf niederfallen, den Wangen gleich- gesetzt werden ^ die also nach richtiger Interpretation hier reicb-

^ Die Vorstellung, dass Thränen das Gesicht entstellen (αίσχύνει), ist seit Homer 37Ü; b 74i)) geläufig (Propert. 1 18, 15 et tua flendo lumina doiectis turpia eint lacrimis).

Miscellen 625

liehe Blutspuren zeigen. Also bat sich lemene die Wangen zer- kratzt, eine Sitte, die mit Trauer und Todtenklage ständig ver- bunden ist. Man erinnert sieh der Worte des Choephorenchore bei AeschyluR (v. 24 f.):

πρέπει παρηΐς φοινίοις άμυγμοΐς δνυχος δλοκι νεοτόμψ, der στίρνιυν πληγαι αιμασσομενιυν Soph. El. 90, der Stelle der euripideischen Hekabe (v. 652 ff. N.)

πολιόν τ' έπ\ κράτα μάτηρ

τέκνων θανόντιυν

τίθεται χέρα δρύπτεταί τε παρειάν,

οίαιμον όνυχα τιθέμενα σπαραγμοϊς. Wenn nun die άμυχαι παρειών zum festen Bestand der rituellen Todtenklage gehören, wie bezeugt ist (Luc. de luct. 12. 16), so giebt Ismene an unserer Stelle ohne Weiteres durch ihren Auf- zug zu erkennen, dass sie die Todtenklage um Polyneikes voll- zogen hat, und die φιλάοελφα όάκρυα ν. 527 gelten nicht der όοελφή Antigone, sondern dem άόελφός Polyneikes. Damit hat sie aber etwas gethan, was von Kreon (v. 204) ausdrücklich ver- boten war, sich also zur Mitschuldigen der Antigone, wiewohl in einer ihren Charakter bezeichnenden mehr äusserlichen und gefahrlosen Weise, gemacht. Als solche will sie ja eben hier erscheinen, und so ist was sie 536 sagt, nicht geradezu erlogen, wenn freilich auch Antigone eine solche Hetheiligung von Weitem an dem τάφος zurückweisen muss. lemene hat ja offenbar den κιυκυτός nicht an der Leiche des Polyneikes, sondern innerhalb des Palastes vollbracht: Kreon meint v. 491 f. nichts anderes als ihre Todtenklage, die diesem Verstandsmenschen wie jede sonstige Aeusserung des πάθος (vgl. ν. β2.ί) als λύ(Τ(Τα erscheint. Tübingen. W. Schmid,

Ein tieeetz des Redners Lykargos

In dem unter Plutarchs Namen überlieferten Leben des Redners Lykurgos werden eine Anzahl von Gesetzen mitgetheilt, die der eifrige Reorganisator der athenischen Finanzen und des athenischen Cultus eingebracht hat. Das an vierter Stelle an- geführte Gesetz (vit. X oratt. p. 842 Α = Westermann Biogr. p. 273) Έτι ώς του Ποσειδώνος αγώνα ποιεϊν έν ΤΤειραιεϊ κυκλίιυν χορών ουκ ίλαττον τριών, [και] δίοοσθαι τοις μέν νικώσιν ουκ ίλαττον 6έκα μνάς, τοις bk δευτεροις οκτώ, ΐί τοις τρίτοις κριθεΐσιν*.

Man hat, so viel ich sehe, bisher an dieser Nachricht keinen Anstoss genommen, und die Einrichtung kyklischer Chöre für den Poseidon ist mehrfach mit Lykurgs Priesterthum des Posei-

* Vor οίδοσθαι hat Duebner καΐ eingefügt, Reiske schlug ών vor; μέν habe ich hinter τοις statt hinter δ{5οσθαι gestellt.

Rhein. Mus. f. PhÜol. N. F. LVII. 40

626 Misoellen

don-Erechtheu8 (vit. X oratt. 843 E) in Verbindung gebracht worden ^. Aber der im Peiraiens verehrte Poseidon war sicher- lich nicht der Foseidon-Erechthene der Burg, er ging also den Priester dieses Gottes nichts weiter an, und die Poseidonchöre lassen sich aus den Familieninteressen des Eteobutaden nicht er- klären.

Die Nachricht will sich nun gar nicht recht mit unsern sonstigen Kenntnissen von attischen Festen vertragen. Lyrische Chöre werden in Attika sonst nur den beiden musischen Göttern A'pollon und Dionysos dargebracht*, warum erhält der im Cult so wenig hervortretende Poseidon plötzlich diese kostspielige Ehre? Wie kommt es ferner, dass wir von Poseidonien im Pei- raieus sonst weder durch die Schriftsteller noch durch die In- schriften etwas erfahren? Müssten nicht wenigstens die Haut- gelderlisten (CIA. II 741), deren Zusammenhang mit Lykurgs Verwaltung so klar erkennbar ist, dieses von ihm verherrlichte Fest erwähnen? Diese Fragen drängen sich auf und erwecken ein gewisses Miästrauen gegen die Nachricht des Biographen.

Schwerlich würde ich aber eine Aenderung wagen, wenn nicht zu dem sachlichen Anstot^s ein sprachlicher hinzukäme: Einen Agon für Poseidon einrichten, heisst nicht αγώνα ποιεΐν του ΤΤοσ€ΐοαινος, sondern τψ TToaeibdivi. In allen mir bekannten Fällen wird bei ποιεΐν, συντελεΐν, τιθίναι αγώνα der Name des Gottes im Dativ hinzugefügt, eine besonders reiche Fülle von Beweismaterial liefern die Magnesischen Inschriften über die Ein- setzung der Leukophryena (Kern, Inschriften von Magnesia 16 87), nicht weniger als 36 Mal kommen in ihnen solche Wen- dungen vor. Mit Einfügung eines einzigen Buchstabens lassen sich jedoch alle sprachlichen und sachlichen Schwierigkeiten be- seitigen — es ist zu schreiben του ΤΤθ(Τεώεώνος. Im Monat Po- seideon werden im Peiraieus Diouysien gefeiert, die sich grade im IV. Jahrb. grosser Beliebtheit eifreuen. In den Hautgelder- listen werden mehrfach (a G, c 15, d 7) nicht unerhebliche Be- träge als von ihren Opfern stammend verzeichnet, und die Tempel- verwaltung von Eleusis verwendet für sie im Jahre 329/8 (Ditten- berger Slü.^ 587 Z. 106 und 183) genau dieselbe Summe wie für die Lenaeen. Im Gesetze des Euegoros bei Dem. XXI 10 heisst es δταν ή πομπή ή τψ Διονύσψ έν ΤΤειραιεϊ και ot κω- μωδοί και ot τραγψδοι, damals fehlten den peiräischen Dionysien also noch die lyrischen Chöre, erst Lykurgos hat das Fest auch hierin den städtischen Dionysien gleichgestellt. Nach Arist. πολ. *Αθ. 54, 8 wird man annehmen dürfen, dass auch für diese Chöre der Demarch des Peiraieus die Choregen bestimmte. Alles dies fügt sich so zusammen, dass die leichte Aenderung des Textes

^ So Meier, Commeut. de vita Lyc p. XLII, A. Mommsen, Feste der Stadt Athen S. 147.

2 R fisch nimmt auch für Panathenaeen, Prometheen und He- phaistien chorische Agone an (Pauly-Wissowa III 24H3), schwerlich mit Recht, vgl. Dittenberger zu SIG. 2 712 Z. 11.

Miecellen 627

wobl als gesichert gelten darf. Zweifeln kann man nur, ob der Name des Gottes Dionysos bei Pseudo-Plutarch genannt war; unbedingt nöthig scheint es mir niclit ihn einzusetzen, denn wenn im Poseideon kyklische Chöre im Piraieus auftreten sollen, so ist es für jeden Athener selbstverständlich, dass sie zum Dionysos- fest gehören.

Greifswald. Alfred Körte.

Eine Blattversetzong bei Galen

In Galens Commentar zu der hippokrateischen Schrift περί δρθρων steht znr Erläuterung des Satzes (c. 45; t. II p. 171, 13 Kühlewein) τούτο μεν γάρ τό προς τήν κοιλίην ^ε'πον οι σφόνου- λοι εντός δρτιοί είσιν άλλήλοισιν Folgendes (t. XVIII Α 526 Kuhn): όποϊαι μέν ουν εισιν έκάστψ των σφονδύλιυν αΐ άττοφύ- σεις, έπί τε τών σκελετών εϊπεν ειρημένον νυν περί τΛν σφον- όύλων, οΟς κατά τά ένδον μ^ρη κέκληκεν άρτιους, τουτέστιν άπηρτισμένους αυτών τε καθ' εαυτών ϊκαστον Ιν τε τη προς αλλήλους ομιλία. Offenbar reiset hinter έπί τε τών σκελετών der Zusammenhang ab: von Beobachtung der Wirbel an Skeletten ist bei Hippokrates nicht die Rede, und schon die äussere Form der Rede zeigt, dass mindestens mehrere Worte, vielleicht mehrere Sätze fehlen, um von den anderen Verderbnissen zunächst ganz abzusehen.

Nicht geringeren Α nstoss bietet der Al.schnitt, der den hip- pokrateischen Worten (o. 45; t. II p. 173,9 Kühlewein^ άπό τούτου άχρι του μεγάλου σφονδύλου του υπέρ τών έπωμίοιυν Ιθυκύφη• ίτι δέ μάλλον οοκέει ή Ιστιν gewidmet ist. Er lautet VIII Α 546 Κ.): ολίγον τι κατά τον θώρακα φαίνονται σιμού- μενοι τά fvbov τών οστών οι σφόνδυλοι τό b* οπίσω μέρος αυτών Ικανώς κυφόν φαίνεται bia τήν τής άκάνθης άπόφυσιν. δν λέγει μέγαν σφόνδυλον υπέρ τών έπιυμίδων εϊσεσθαι και bi' υπομνήματος έρχεται προς άνάμνησιν, έν φ περί τών οστών έγραψα, προσαρμόίειν b' ημάς προσήκει τοίνυν τοις λεγομένοις έκεϊνα μη bεoμέvoυς ύπ' έμου πλην ει που λέΕις έμπίπτοι χρή- Ιουύά τίνος έΕηγήσεως, ης ένεκεν και τά τοιαύτα υπομνήματα γράφεται, καθάπερ γε και τό έπι τη προκειμένη νυν ^ήσει. Auch hier liegen schwere iStörungen des Zusammenhanges vor; vor εϊσεσθαι klafft eine Lücke, und die folgenden Sätze passen, wenn man genauer zusieht, überhaupt nicht an diese Stelle. Welches ist denn die λέΕις χρήίουσά τίνος έΕηγήσειυς, «lie für den in ßede stehenden Satz der hippokrateischen Schrift den An- lass zur Commentirung gegeben halben roHV Man könnte den- ken, Ιθυκύφη; aber dieses Wort wird ja thatsächlich gar nicht erläutert.

Der Codex Laurentianus LXXIV 7, eine Pergamenthand• scbrift des IX. Jahrhunderts \ führt zu einer überraschenden Lösung der beiden Probleme.

1 Vgl. Apollonius von Kitiura (Leipzig IHOiij, Einleitung S.I— XVII.

628 Misocllen

Auf den ersten Blick freilich vermehren sich die Schwierig- keiten nur, statt sich zu verringern ; denn der Text der Flo- rentiner Handschrift weist noch weitergehende Störungen der üeberlieferung auf, als der Druck. Es folgt nämlich 526, 4 auf die Worte: όποϊαι μέν ουν eioxv έκάστψ των σφονούλων αι αποφύσεις, άπό τε των σκελετών zunächst ein Abschnitt, der im Druck 536, 3 mit τό στέρνον απάντων πλατύτατον beginnt und bis 546, 10 καθάπερ τε και τό πρό της προκειμένης βή- σεως fortläuft. Hieran schliesst sich unmittelbar 526, 4 εΤπεν είρημένον und es geht wie im Druck weiter bis 546, 4 άπό- φυσιν. Dann heisst es : δν hk λέγει μέγαν σφόνδυλον υπέρ των έπωμίδων, ήτις ίστιν των του τραχήλου κατά τον αριθμόν ϊκτον άπό τής κεφαλής. Es folgt das neue Lemma: αυτό bi τό άρθρον του αύχένος λορδόν έστιν (ρ. 546, 11).

Mit anderen Worten : die Handschrift giebt den Abschnitt 536, 8 546, 5 zweimal; einmal an falscher (526, 4), das andere Mal an richtiger Stelle (536,3). Hei -seinem ersten Auftreten sind ihm noch 6 Zeilen angeschlossen, die im Druck an anderer Stelle (546,5- 10) stehen ; das andere Mal wird er durch 12 Worte vervollständigt (ήτις κεφαλής), die im Druck ganz fehlen. Erst mit diesem halben Satz sind die Elemente vollständig gegeben, deren wir zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zusammen- hangs bedürfen.

Der Hergang ist aller Wahrscheinlichkeit nach folgender gewesen. In einer Handschrift des Galencommentars war das innerste Doppel blatt eines Quaternionen, das den Abschnitt 536, 3 546, 5 (153 Zeilen des Kühn'schen Drucks) enthielt, an falsche Stelle gerathen. £in Abschreiber copirte den Passus zunächst da, wo er ihn fand ; dann merkte er den Irrthum und copirte das Stück zum zweiten Mal an der richtigen Stelle, ohne jedoch die erste Version zu tilgen. In diesem Zustand liegt die üeber- lieferung in der Florentiner Handschrift vor.

Bei dem Versuch, das grosse Emblem auszuscheiden, ist dann später durch ein Versehen der Abschnitt 546, 5 10 von der ersten an die zweite Stelle mit hinübergeschoben worden, und die 12 letzten Worte (ήτις κεφαλής), deren Anschluss vielleicht wegen der in ήτις steckenden Corruptel nicht klar wurde, sind ganz verloren gegangen. Diese Fassung liegt in den Drucken seit der Aldina vor.

Um den ursprünglichen Zusammenhang der Darlegung her- zustellen, scheiden wir den doppelt vorhandenen Passus, da wo er in der Handschrift zum ersten Mal und an falscher Stelle auftritt, aus und schliessen uns sodann in der Anordnung der Abschnitte vollständig, im W^ortlaut so nahe als möglich der Üeberlieferung an. Die beiden Abschnitte des Galencommentars, die zunächst in Frage kommen, erhalten dadurch folgende Gestalt:

I XVIIl 525,9 ff.: Τούτο μέν γάρ τό προς τήν κοιλίην ()έπο\ ο\ σφόνδυλοι εντός άρτιοι είσιν άλλήλοισιν.

Mieoellen 629

Τών σφονούλων το μέν όπίσιυ μίρος άπόφυσιν oSeiav Ιχει χονόρώδη κατά το π^ρας, ήν όναμάίουσιν δκανθαν, τό b' άντικείμβνον τούτω τό πρόσω τε και εντός έκατέρως γαρ ονομάζεται χόνόρω μίν επαλείφεται και αυτό, περιφερές 6' έστι και λεΐον ούοεμίαν όΗεϊαν άπόρυσιν Ιχον oOb' όλως έΗοχήν τίνα βραχυτάτην, ώσπερ οπίσω τε κάκ (κα\ L) των πλαγίων ίχει. όποϊαι μέν ουν είσιν έκάστω των σφονούλων αΐ (in ras. m. 1) αποφύσεις, άπό τε των σκελετών || 546, 5 || εϊσεσθε (εϊ- σεσθαι L) καΐ bf υπομνήματος ίχετε (έχεται L) προς άνάμνη- σιν, έν φ (viell. fdv] δ) περί των οστών ίγραψα (vgl. Ιί ρ. 758 Κ.), προσαρμόζει ν b' ύμας <προσ>ήκει τοϊ<ς> νυν [τοις] λεγομένοις έκεϊνα μη bεbεμέvoυς (bεbεμέvoις L) ύπ' έμου, πλην ει που λέΗις (λέΗεις L) έμπίπτοι χρήίουσά τίνος (τινας L) έΗηγήσεως, ών (ήν L) ένεκεν και τα τοιαύτα υπομνήματα γράφεται, κα- θάπερ γε (τε L) και τό κατά τήν προκειμένην βήσιν (πρό τής προκείμενης βήσεως L•) || ρ. 526, 4 || είπεν είρημένον περί τών σφovbύλωv, οδς κατά τά fvbov μέρη κίκληκεν άρτιους, τουτέστιν άπηρτισμένους αυτόν τε καθ' εαυτόν ίκαστον Ιν τε τη πρόο αλλήλους όμιλίςι. bιότι γάρ οοτ' έΕοχή τις αύτοϊς έστιν ενταύθα και κατά πάν άλλήλοις έφαρμόττουσιν, άρτιους αυτούς ώνό- μασεν εΤναι προς αλλήλους οίον άπηρτισμίνως (άπηρτισμένους L) όμιλουντας.

II

XVIII Α 545, 10 ff. (L erste, Lg zweite Fassung) : *Από bfe τούτου άχρι του μεγάλου σφovbύλoυ του υπέρ τών έπωμίbωv ιθυκύφη, έτι bk μάλλον boκέει (boκέειv L) ή ?στιν. ή γάρ άκανθα κατά μέσον ύψηλοτάτας τάς έκφύσιας τών όστίων ίχει, ένθεν bk και ένθεν έλάσσους.

'Ολίγον τι (om. L2) κατά τον θώρακα φαίνονται σιμού- μενοι τά fvbov [έάν] (om. Lg) τών οστών (om. Lg) ο\ σφόvbυλoι. τό b' οπίσω μίρος αυτών Ικανώς κυφόν φαίνεται (φαίνεται κυφόν L2) bia τήν τής άκάνθης άπόφυσιν. δν bk λέγει μέγαν σφόvbυλov υπέρ τών έπωμίbωv. εΐς τις (ήτις L) έστιν τών τοΟ τραχήλου, κατά τόν αριθμόν έκτος (έκτον L.) άπό τής κεφαλής.

Charlotten bürg. Η. Schöne.

Zu Cicero ad Q. fr. II 3

Am 12. Februar 56 berichtete Cicero seinem in Sardinien befindlichen Bruder über die politischen Vor^fänge seit dem Be- ginn des Monats. Der Anfang des Briefes (II 3) lautet: Scripsi ad te antea Buperiora; nunc cognosce, postea quae sint acta. Α Kai. Febr. legationes in Idus Febr. reiciebantur: eo die res con- fecta non est. Den zweiten Satz giebt die Moser* sehe Ueber- setzung 80 wieder: 'Vom 1. Februar wurden die Gesandtschaften auf den 13. hinausgeschoben: an diesem Tage wurde (^also) die Sache nicht abgemacht.' Hier ist zweierlei falsch aufgefasst: erstens ist reiciebanfur ein imperfoctum de conatu: die Audienzen

630 Miscellen

der fremden GeRandten eollten hinaut^geschoben werden, man debattirte darüber; und zweitene ist res nicht eine beliebige an- dere Sache, die in Folge der reiectio legationnm nicht zu Stande kam, sondern eben die reiectio selbst: die Debatten verliefen re- sultatlos^. Es war gewiss nicht nötbig, den überlieferten Satz so misszuverstehen ; aber allerdings steckt meines Erachtens auch ein Fehler in der Ufiberlieferung. Es scheint mir unzweifelhaft, dass das Α vor Kai. Febr., als dnrch Dittographie entstanden, zu tilgen ist. Denn es kommt Cicero gar nicht darauf an, mit- zutheilen, dass die Audienzen vom 1. Februar auf den 13. ver- schoben werden sollten, sondern vielmehr, dass am 1. Februar kein Beschluss darüber zu Stande kam. Die Sache wurde näm- lich hinterher doch perfect, wahrscheinlich gleich am 2. Februar, jedenfalls vor dem 6., wie das folgende zeigt: zwischen die Be- richte über die Gerichtsverhandlungen vom 2. und vom 6. Fe- bruar schiebt Cicero den wieder auf die Senate Verhandlungen bezüglichen Satz ein : Interim reiectis legafionibus in Idus refere- batur de provinciis quaestorum etc. Auch diese Verhandlungen führten zu keinem Ziel. Liest man nach meinem Vorschlage: Kai. Febr. legationes in Idus reiciebantur: eo die res confecta non est, so wird das reiciehanfur sofort durchsichtig, und eo die hat nun seine deutliche Beziehung: auch die falsche Auffassung Tnnstalls, der eo die von den Idus verstehen wollte, ist nun aus- geschlossen. Nach der lex Gabinia vom Jahre 67 ging bekannt- lich während des ganzen Februars die Annahme der Gesandt- schaften allen andern Gegenständen vor: legationes in Idus Febr. reicere ist also auch ohne die Hinzufügung eines terminus a quo verständlich, ja der Zusatz α KaL Febr. hat sogar an unserer Stelle, wo die Debatte über die von der Regel abweichende Ar- beitseintheilung am 2. Februar fortgesetzt wird, etwas Schiefes. Zudem aber spricht die ganze Anlage des Briefes für die Weg- lassung des α: Cicero giebt seinem Bruder eine tabellarische üebersicht über die acta der einzelnen Februartage ; an der Spitze der verschiedenen Abschnitte steht immer das Datum, auf welches wiederholt mit eo die Bezug genommen wird. Vgl. § 1 : A. d. l\\l. Non. Febr. Milo adfuit .... prodict.i dies est in Vlll. Idus Febr.; § 2 (nach der Einschiebung des^ Satzes mit Interim): A. d. VlJI.ld. Febr. Milo adfuit .... Res in poeterum dilata est. Clodius in Quirinalia prodixit diem; § 3: A. d. VII. Id. Febr. senatus ad Apollinis fuit . . . eo die nihil perfectum est. A. d. VI. Id. Febr. ad Apollinis senatus consultum est factum .... Eo die Cato vehementer est in Pompeium invectus . . .; § 5: Λ. d. IUI. Id. Febr. Sestius . . est pootulatus . . . eodem die senatus consultum factum est . . .; § 6: A. d. III. Id. Febr. dixi pro Bestia . . .; § 7: Pridie Idus Febr. haec scripsi ante

* Beide Fehler auch bei Tyrrell, der reiciebantur mit *were put otf * überspitzt und unter res versteht 'the question who should reston- Ptülemy'.

Miscellei) 631

lucem. Ohne Zweifel begann also die Aufzählung der Tage nach dem einleitenden Satze mit: Kai. Febr, legationes in Idus reicie* bantur: eo die res confecta non est.

loh benutze die Gelegenheit, um auf eine meineR Erachtens ganz evidente Euiendation von Gulielmus hinzuweisen, welche die neueren Herausgeber verschmäht haben, obgleich sie durch Mad- vigs Autorität empfohlen worden war. Nämlich in § 2 unseres Briefes heisst es von der Rede des Pompeius für Milo: Dixit Pompeius sive voluit; nam, ut surrexit, operae Clodianae clamo- rem sustulerunt, idque ei perpetua oratione contigit, non modo ut adclamatione, sed ut convicio et maiedictis impediretur. Qui ut peroravit nam in eo sane fortis fuit; non est deterritus ; dixit omnia atque interdum etiam silentio, cum auctoritate pere- gerat - sed ut peroravit, surrexit Clodius. Dazu bemerkt Madvig Adv. crit fll p. 194 : Quid auctoritate peregerat et quidem sae- pius? Nihil sane, sed perfregeraf (er drang durch). Sine accu- sativo dicitur perfringere etiam Or. 97. [Sic iam Gulielmus, cui nemo auscultavit.] Die Aenderung ist leicht: Ausfall von FR hinter ER. Aber dass sie auch einen vorzüglichen Sinn her- stellt, hat man nicht erkannt. K. Lehmann (Jahresber. in der Zeitschr. f. Gymn. 1888 p. 286) stiess sich an dem Tempus: ' Ref. hält hier ein Plusquamperf. nicht für recht möglich*. Das scheint auf C. F. W. Müller Eindruck gemacht zu haben; denn er lässt peregerat mit crux im Texte stehen und sagt in der adn. crit.: ^perfregerat Gulielm., Madv. Adv., plusquamperfectum improb. Lehmann Jahresber.' Der Einwand Lehmanns beruht' aber offenbar auf einem Missverständniss; er hat wohl cum für die Präposition genommen^, und dann ist allerdings das Plus- quamperfekt anstössig. Aber cum ist die Conjunction, in itera- tivem Sinne gebraucht^ mit Rücksicht auf das vorhergehende interdum: manchmal herrschte sogar Stille, nämlich allemal, wenn seine Autorität durchschlug. Für den absoluten Gebrauch des Verbums hat Madvig eine Stelle nachgewiesen; die Redensart auctoritate perfringere findet sich auch, vom Senate gebraucht, in der (kritisch allerdings nicht ganz sicheren) Stelle p. red. ad Uuir. 4, 1 0 : ut aliquando perüceretur, cum primum licuit, fre- quentia atque auctoritate perfregit.

Dortmund. W. Sternkopf.

^ Wie Süpfie-BÖckel, welche umstellen: 'dixit omnia cum aucto- ritate*, oderKayser, welcher vorFcblng * cum auctoritate peregit*, oder Lambinus. der lesen wollte 'cum Huctoritate eemper egerat', oder Tyrrell, der die Ij eher lieferung hält, aber anmerkt: tbe ohange of tense is stränge.

^ Madvigs Frage lautet: quid auctoritate peregerat et quidem aaepiits?

β32 Miscellen

Zar Lex Manciana Pro salnte imperatoris

Obwohl ich die üeberzeugun^ hege, dase einem urtbeils- fähigen Publikum wenig mit Antikritiken gedient ist denn ee wird sich sein Urtheil über die Berechtigung einer Kritik selbst bilden glaube ich doch Seecks Entgegnung (in dieser Zeit- schrift LVI 477 f.) auf meine Kritik (ebenda LVl 120 f.) beant- worten zu müssen, da Seeck sich und seine Leser über einen für seine Lesung wesentlichen Punkt täuscht. Er glaubt, sich bei seiner Lesung der Inschrift zweier bei verschiedenem Licht aufgenommener, also sich ergänzender Photographien mit Erfolg haben bedienen zu können ; die eine sei ihm von Dessau mit- getheilt worden, die andere ist die der Toutain'schen Publikation beigegebene. Dem gegenüber kann ich feststellen, dass der Stein überhaupt nur einmal photographirt worden ist (Mittheilnng Gaucklers), dass die von Dessau an Seeck gesandte Photographie dieselbe ist, welche Toutain in Heliogravüre reproducirt bat. Seeck hat sich wohl durch den verschiedenen Ton der beiden Abdrücke täuschen lassen. Sollte aber nicht diese optische Selbst- täuschung ein schlimmes Präjudiz für die Seeck'schen Lesungen sein, die man weder auf dem Stein noch auf der Photographie hat wiederfinden können? Mit den beiden verschiedenen Photo- graphien ist es also nichts, aber bestehen bleibt immerhin die entfernte Möglichkeit, dass Seecks Augen auf der Photographie mehr haben lesen können als andere auf dem Stein und auf der Photographie zu entdecken vermögen. Bei allem Respekt vor diesen Augen - Glauben verdienen sie erst dann, wenn auch andere noch auf dem Stein, der doch den Ausschlag geben mnse, Seecks Lesungen wiederfinden sollten. Ich glaube nicht, dass das geschehen wird. Wenn Seeck anführt, dass Studemund und Löwe anerkanntermassen auf Palimpsesten mehr gelesen hätten als ihre Vorgänger, so dürfte dieser Vergleich nicht ganz zu- treffend sein, denn jene beiden Gelehrten hatten eben das Original vor sich. Was würde aber Seeck sagen, wenn Jemand auf einer Photographie seiner ambrosianischen Palimpseste mehr gelesen haben wollte als er auf dem Original ? und doch wäre das der- selbe Fall. Berechtigter wäre der Einwand, dass unter um- ständen ein guter Epigraphiker auf einer Photographie mehr lesen könne als ein schlechter auf dem Stein, aber diese Prä- rogative wird Seeck wenigstens in diesem Falle wohl nicht in Anspruch nehmen, da Toutain und ich den Inschriften, zumal den afrikanischen, nicht als Neulinge gegenüber stehen.

Seeck glaubt sodann meine Lesung 'pro salute . . im- p(eratoris) . . (lea:) data α . . procuratoribus^ als sachlich unmög- lich nachweisen zu können und meint dazu ganz nett: 'an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.* Ich fürchte, dass hier der Pfeil auf den Schützen zurückprallt.

Seeck schreibt : * Nach Toutain und Schulten wäre das Statut 'zum Heile des Kaisers' gegeben. Liegt darin wohl Sinn und Verstand V ' Für die Römer allerdings, denn es giebt nicht wenige

MisGcIIen 4)33

Fälle, wo sie pro saluie imperaJtoris solche an und für sich un- gewöhnliche Weihgahen, wie jene lex ist, dedicirt haben. Pro Salute imperatoris führen kaiserliche Colonen eine Mauer (C. VIiI8777) oder andere absolut profane Anlagen auf (C. VIII 587), werden geweiht: Thermen (C. VIII 2706, 1245), tabularium et pondera (ib. 757), cella victuaria (ib. 4615), arcus (ib. 1577, 2480) ; pro beatitudinc priftcipvm eine hasilica (ib. 8324), pro magni- ficentia saeculi ein Getreidesy)eicher (ib. 7975); pro felicitate do- miuorum Äugg. wird ein Fluss eingedämmt (C. ΧΠ 1690 und 1691) und pro scdute etc. ein Weg wiederhergestellt (C. XII 2343). Auch dass pro saluie imp. in Lambäsis eine schola (Clublokal der militäriFchen Vereine) dedicirt wird (Wilmanns, Exempla 1481) gehört hierher, denn wenn auch in der schola das Bild des Kaisergottes ptand, ihr erster Zweck war ein pro- faner wie der des Vereins ein profaner ist ; die religiöse Form durfte aber nicht fehlen. Ist nun in allen diesen Fällen, wo pro saluie imp. nicht eine der gewöhnlichen Weihgaben (Altar, Tempel etc.), sondern ein profaner Bau dedicirt wird, jene Formel %hne Sinn und Verstand?' Keineswegs. Zwar werden diese Bauten nicht wie gewöhnliche Exvoto ad hoc für das Heil des Herrschers dedicirt, sondern ihr eigentlicher Zweck war ein pro- faner, aber nach römischem, jeden Akt des öffentlichen und privaten Lebens auf die Götter beziehenden Empfinden, dienten auch sie, indem sie dem von den Göttern behüteten Reich dienten, den Göttern so gut wie Tempel und Altar, mochten also auch sie pro Salute imp. gelobt und dedicirt werden.

Damit ist Seecks Annahme, dass die Formel pro saluie imp. sich nur auf ein eigentliches Weihgeschenk beziehen könne, wider- legt, denn wenn für das Heil des Kaisers Afauern und Bade- anstalten dedicirt werden, warum nicht auch ein Domanialstatat ? Es lässt sich aber sogar der gar nicht noth wendige Beweis er- bringen, dass die Dedication einer Urkunde pro saluie imp. nicht vereinzelt dasteht. In Lambaesis steht über dem Mit- gliederverzeichniss und dem Vereinsstatut der cornicularii : pro felicitate et incolumitaie saeculi dominorum nn. (Wilmanns 1482) und über dem ^ album veteranorum* (ib. 1489): /. o. m. p(ro) sia- Itäe) d. n. Äureliani Äug. Die beiden Vereine weihen also für das Heil des Kaisera ihre Stiftungsurkunde oder halten es, wenn man die Formel nicht so streng nehmen will, für angebracht, über dieselbe zu setzen : ^pro salute imperatoris* . Wie man aber auch die Formel auffassen mag, ob wörtlich, als causa volif ob formel- haft in dem Sinne wie das griechische Τύχη αγαθή, in jedem Fall bezieht sie sich hier auf eine Vereineurkunde, die eigentlich mit der Salus des Kaisers wenig zu thun hat, sicherlich nicht mehr wie jene Nutzbauten, deren Dedicatiunsurkunde ebenfalls die üeberschrift pro saluie imp. trägt. Aber es giebt noch nähere Analogien zu der lex Manciana; ich verdanke sie niemanden anders als Seeck selbst. Er hat zuerst gesehen, dass es mehrere Fälle gieht, wo Akten eines Processeieges von der siegreichen

β34 Micollen

Partei in der Form eines Exvoto deilicirt werden (Zeitachr. f. Soz- und WirthschaftPgesch. 1898, 320). So Rteht auf dem die lis fvUonum ( Bruns fonies p. 362) enthaltenden Stein : ' Herctdi sacrum' und der ad txemplum legis Hadrianae gegebene Er- läse der Procuratoren (Inechrift von Αϊη Waeeel) steht auf einer ara legis divi Hadriani, die also ebenfalls ein Exvoto ist. Und diefle ara legis Hadrianae wird geweiht pro salute imp, (wie sicher und mit Seecke Beifall hergestellt worden ist). Zwi- Fchen der ara legis Hadrianae aber und der ara, auf der die lex Manciana angebracht ist, also der ara legis Aiancianae, be- steht nicht der geringste Unterschied, denn hier wie dort wird ein Altar dedicirt, der ein Domanialgesetz trägt. Ausdrücklich wird diese Dedication bekundet freilich nur anf der ara legis Hadrianae (aram legis divi Hadriani Pafrochis . . proc. instituit) aber dass auch der Stein der lex Mancianae ein £xvoto ist, zeigt Keine Form. Warum soll also in aller Welt der Altar der lex Manciana nicht ebenso gut pro saltUe imp, dedicirt worden sein wie die ara legis Hadrianae? Wenn Seeck die Formel pro sa- lute imp, . . {lex) data" statt, wie man erwarten würde: pro salute imp. ara inslituia et lex ad exemplum legis M, α procc. data inlata est nicht gefällt, so ändert das an der Tbatsache, dass wir es hier mit einem Altar zu thun haben, also einem in hundert Fällen pro salute imp. dedicirten Fxvoto, nicht das Ge- ringste, und vor lex data steht pro salute so gut und so schlecht wie vor album vcferanorum auf dem Stein von Lambaesis. Wir haben eben aus solchen Fällen zu lernen, dass pro salute imp. oft eine formelhafte nur in lockerem Zusammenhang mit der eigentlichen Inechrift stehende Wendung ist, durch die man einem an sich profanen Gegenstande , wie es eine Urkunde oder ein Nutzbau ist, die beliebte sacrale Weihe geben wollte ganz so wie sich die römischen Vereine bei einem denkbar praktischen Zweck doch gerne als Cultgenossenschaften formu- liren. Was Seeck sonst noch vorbringt dass die Lesung [pro salu]te gegen die epigraphische Symmetrie Verstösse, da der Raum vor pro grösser als der hinter salute gewesen sein würde, heisst doch dem Verfertiger einer so erbärmlich gravirten In- schrift, wie es die lex Manciana ist, zu viel Ehre anthun. Göttingen. A. Schulten.

PRODECESSOR

Successori decessor inuidit heisst es in einem Fragment von Ciceros Scauriana § 33 und auch Tacitus Agr. 7 wendet decessor nur in einem Athem mit successor an. In officiellen Acten- stücken der späteren Kaiserzeit begegnet dann decessor 'der Vor- gänger * überaus häufig, un«l man hat nach Analogie von proauus pronepos weitergebildet prodecessor 'der Vorvorgänger . So redet Papst Simplicius öfter von prodecessor meus Ιλο Collect. Avell. ed. Günther p. 127, 8. i:52, 7. 134,1. 138,7: es folgen auf einander Leo Hilarius Simplicius. Symmachus in den Relationen

Miecellen β35

bezeichnet 20, 1 den Auchenius BasRue als prodecessor nwus: dasB dieH eein Vorvorgänger war lehrt rel. 26, 2 Auchenius . . . sticcessor eius . . . ajmd me. Von demselben als prodecessor scheint 32, 2 die Rede zu sein, wie W. Meyer p. 27 seiner Aus- gabe anmerkt £in Secretär der ostgothischen Kanzlei schreibt in Cassiodors Varia IV 4 1, l decessorent prodecessoremque uestrum und VIII 16, 6 per decessores prodecessoresque uesfros. Daneben aber hat man das Wort als gleichbedeutend mit dem abge- schliffenen rfecessor verwendet : in dem pro = προ fand man den scheinbar fehlenden Begriff des *vor\ So deutlich Symmachus rel. 25, 3, wo freilich Meyer auch Vorvorgänger* übersetzt. In Bauangelegenheiten hat sub e^amine decessoris mei der Professor C^'riades den Senator Auxentius verklagt: posfquitm ad cogni- tioncm meam (des Symmachus) «<?n/Mtn cs^ hat Auxentius mit einer Gegenklage gegen den Professor geantwortet, dieser mutua ac- cusatione seinerseits wiedergebissen. Vor der eingesetzten ünter- suchungscommission hat sich Auxentius aus dem Staube gemacht. Aue Furcht vor Angriffe!} hinter seinem Rücken bittet nun Cy- riades ut aeternitati uesfrae ef relafionem u. c. prodecessoris mei et nunc acta sitggererem. Die Relation des prodecessor ist also nichts anderes als das Protocoll sub e.ramine decessoris^ beide fraglichen Worte also hier gleichbedeutend gebraucht. In einem kaieerlichen Decret an den Proconsul von Africa Probianus bei Augustin epist. 88, 4 (Goldb. p. 410, 4 im Apparat I) wird Aelianus als prodecessor tuus bezeichnet. Probian ist am 25. Aug. 315 als Proconsul Africae nachweisbar, Aelian in gleicher Stellung bis zum 25. Febr. 315: schwerlich ist ein anderer dazwischen gewesen. Im sog. Cyrillglossar (Goetz Π 416, 14) steht 'προάρζας ante• cessor prodecessor^ und das Muratorische Fragment bezeichnet Z. 48 den Johannes als prodecessor des Paulus. Cbaracteristisch ist, dase an sämmtlichen bisher behandelten Stellen die alten Anegaben praedccessor herstellen, ein Wort, das es gar nicht giebt. In Georges' Handwörterbuch '^ finden sich dafür folgende Belege: 'Aügustin. de bapt. c. Donat. 11 i^ 12. 13. Symmach. epist. X 47. Cassiodor. var. IV 14. Rutil. Namat. I 474'. Das Caeeiodorcitat birgt einen stets weiter vererbten Druckfehler IV 14 statt IV 44: das ist die eben citirte Stelle. Symmach. epist. X 47 ist alterthümlich für rel. 34, 8: da haben die Hss. de- cessoris: dasselbe steht auch längst bei Rutilius. Bleiben als einziger Beleg die Augustinstellen, wo natürlich die Mauriner wie gewöhnlich aus prodecessor geändert haben: 11 § 12 wird Bischof Agrippinus von Carthago prodecessor des Cyprian ge- nannt: er hat lange vor diesem amtirt. II § \^ sind prodecessor es die Bischöfe der Vorzeit, wie in dem Actenstück Coli. Avell. p. 231, 20 prodecessores sanctitatis uestrae. Die praedecessio fa- miliae, welche Du Gange aus den Gesta Tancredi bei Martene Anecd. III 111 citirt, stammt aus einer zu jungen Handschrift und einem zu alten Druck um Berücksichtigung zu verdienen. Bonn. Hans Lietzmann.

eSG Miscellen

lieber die röuiiseheii bczw. italischen Personeiinamen, die bald die

Staiiinietlbe Pop(b) bald Pab(p) tragen

Hühner laest sich Iw. M. Ρ ρ. 655 f. tiher das nennte la- teinische praenomen folgendermassen aus: Püblirxß gr. ΤΤόπλιος, selten P/<p(liu8), alt. PöbVio. Dieselbe Abwechslang im Stamme zeigt auch pühlicns, und hier kam Thurneysen darauf s. Kuhns Ztschr. Bd. 30 p. 490 f. zwei verschiedene Adjective püblicns und poplicuH anzunehmen, von denen eins von pubes, das andere von pop(u)lu8 hergeleitet sei und die dann schliesslich im Ge- brauch identisch geworden wären. Aber dieses Aushilfsmittel versagt überall da, wo kein 1 hinter der Stammsilbe sich be- findet, zB. bei Pop(p)ius neben Püpius, bei der tribus Popinia vgl. CIL. VI 1421 neben der tribus Püpinia, bei n. g. Popidius neben Püpidius usw.; und doch kann man eich dem Gre- danken nicht verschliepsen, dass alle diese Eigennamen zu einander gehören. Da nun Kretschmer s. Einleitung in die griechische Spr. 334 f. aus Lall namen gebildete Personennamen in Klein- asien in erstaunlicher Häufigkeit findet, da nach ihm die Sitte Lallwörter zur Bildung von Personennamen anzuwenden auch bei idg. Völkern nachweisbar ist er führt unter andern für das Latein Acca, Atta Appius Tatius an , so werden wir den Namenstamm Pop- bezw. Püp auch so entstanden uns denken dürfen, wenn er sich unter ein bekanntes Kinderwort unterbringen läset. Nun haben wir im Latein das c. Päpus, und von Weiter- bildungen desselben führe ich hier nur an n. g. Päpius, Päpilius, Päpinius, Päpirius bezw. Päpisius, c. Papo. n. p. Papsenna und Papuleins. Diese Namen hängen doch offenbar mit dem Kindes wort für 'Vater* zusammen. Für den Vokal a, der nach Kretschmer p. 385 der häufigste ist in diesen Kinderworten, treten aber, wie er selbst sagt, auch andere ein. So führt er neben Nonna Ntinna, Nonna N/nna an usw. Demnach konnte auch im Latein neben dem Kindesworte des Stammes päp bezw. papp vgl. für PsLppiue CIL. VI 23815 und V 5526 und XV 1179 auch pöp bezw. popp und püp bezw. pupp Eph. Ep. VIII 501 Puppo- nius es geben, zumal wenn mit der Vokalveränderung auch eine Bedeutungsveränderung verknüpft war päpa Vater neben püpus Sohn, Knabe. So scheint mir auch Titus Sohn bedeutet zu haben, während tata Vater hiess. Heisst doch im Pariser Jargon titi heute noch ein Strassenju nge und toto nennen das Kind die französischen Ammen. Ich will nun zuerst die Namen mit Stamm Pöp (Popp) und dann die mit Püp anführen, so weit sie mir eben aufgestossen sind. Entsprechend dem Appellativum l»üpu8(a) wird es im Latein auch pop(p)us bezw. pop(p)a gegeben haben. Denn ebenso wie jene Kinderlaute finden wir auch diese als Eigennamen angewendet, so CIL. XIII 2297 Valeriae Poppae, XIII 1868 Mansuetia Poppa, Bramb. n. 715 Popae matri und CIL. IV 1119 Popum. Hierher stelle ich nun auch die Ab- kürzung Pop., ich fasse sie also nicht als Abkürzung von Publius

Miscellen 637

bezw. Poplius, wie gewöhnlich geschieht. Wird doch auch Pupas in der Abkürzung Pup. gebraucht, zB. bei Planta II p. 550 n. 278 (äquikuliech) steht Pup. Herenniu. und CIL. XIV 4030 P. Mae- cilins 3 et Pup. 1. Apollonius; in der letzten Inschrift wäre doch die Abkürzung dieselbe gewesen, wenn beidemal der Vorname Publins bezw. Puplius gelautet hätte. Wir finden die Abkürzung Pop. CIL. Ι 178 (inscr. Pisaurensisj T. Popaio(8) Pop. f; ferner bei Conway § 326 b (faliskisch) Pop. Petruiies = Pupus Petronius, und Pop. CIL. I 937 ist nicht näher zu bestimmen, weil es ganz allein steht. Eine Weiterbildung hiezu ist das n. g. Popip)iue bezw. Pop(p)ia ; es erscheint nicht nur im Latein, so zB. CIL. II 5914 Popia L (f.»), VllI 7690 Rocta Poppia, Statins Popius 8aturuinu8 Inschr. von Tebessa in Algerien, CIL. III 2615 Maxi- milla Poppia, Eph. Ep. VIII n. 1247 Sex Popius, sondern auch im Italischen, so nach Conway § 345 (faliskisch) Popia Calitenis und nach Planta II 506 n. 78 osk. Ni Ράρίβ = Numeri Popii. Zum n. g. Pop(p)pius bezw. Pop(p)ia giebt es nun wieder Weiter- bildungen, wofür ich die Belege jedoch nur bei seltenem Vor- kommen angeben will. Besonders häufig ist die gens Pop(p)aea bezw. Pop(p)eia zB. CIL. VI 24701 L Popeius Sex fil. oder Poppea zB. Poppeae Agrippinae CIL. VI 7638. Die Urform haben wir noch im CIL. 1 n. 178, wo T. Popaio(8) steht. Ans diesem n. g. leitet sich wieder hier die gens Pop(p)aedia urspr. Pop(p)aidia, cf. CIL. X 8056 Q Popaidius; eine andere Weiterbildung ist Poppaienus cf. CIL. XI 1368 und 1381. Ein Deminutiv zu Pop(p)us ist Popallus s. CIL. V 8122, 6 ; beide verhalten sich zu einander wie Attus zu Attalus. Weiter- bildung hiezu ist Poppaienus CIL. XIV 3945. In dem Namen Poppeo^^a Valeriana CIL. V 3109 sehen wir eine speciell ober- italische Weiterbildung. Unter den Weiterbildungen ist ziemlich häufig auch Pop(p)idius (a), die auch das Italische hat bei Planta n. 34. 35 (osk.) steht U Pupidiis und n. 251 (päl.) V. Po^rfis, doch n. 167 (osk.) finden wir schon die parallele Form Ptipdis. Auch popillus (a) finden wir als Namen, also eine Ent- sprechung zu püpillus (a), zB. CIL. VI 2407 Valentinius Po- pillus, XllI 2237 Popillae, vgl. auch IX 4381. Die hieraus her- vorgehende gens Popi//ia, bei der aber auch die Form Popi/ius (a)

vgl. zB. CIL. I 533 ja selbst Το^ψύΓΐΛ so CIL. VI 24809

gebräuchlich war, ist bei den Römern bekanntlich sehr häufig gewesen. Poplius vgl. CIL. I 1116 bezw. Poplia, so bei Conway (falisk.) p. 382 n. 339 und p. 375 XI β η. 19 und J21

merkwürdig ist, dass die Griechen fast immer ΤΤόπλιος schreiben, nur selten ΤΤούπλιος, nie ΤΤούβλιος bezw. Poplianus

vgl. CIL. X 7545 könnten synkopirte Formen zu dem vorigen Gentilnamen in der Form Popilius sein vgl. Manliue neben Manilius ; aber da sie auch zu pop(ujlu8 bezw. Popli- cola als Koseform gezogen werden können, so bringe ich sie hier nicht in Anschlag, ebenso wenig wie die g. Poplicia, die man auch zu poplicus ziehen könnte. Von der tribus Popinia statt

638 Miscellen

i\ipinia habe ich oben schon gesprochen; in Popnia Q. 1. Fausta CIL. I 1062 und VI 21470 haben wir die syii köpirte Form dazu. Poppo häufig in CIL. XII verhält eich zu Poppus wie Cato zu Catus. Als Weiterbildung dazu fasse ich die gens Pop(p)onia vgl. zB. CIL. I 939 und halte diete Form nicht für verderbt aus Pomponia(ue); denn es giebt ein paralleles Pu/;onio(s) im Faliskischen nach Conway p. 375 n. 320 XI β 23 und Pujpponius (Tibur) Eph. Ep. VIII n. 501. In Pop- puleia T. f. CIL. IX 3820 sehen wir eine Deminutivform zo Poppeia, die wir oben gebracht haben.

Vom Stamme Püp- führe ich hier au in seiner Anwendung als praeti. und c. das bekannte Appellativum pupu8(a). Weiter- bildung dazu ist das häufig vorkommende u. g. Püpius (a), ferner die gens Pupelia vgl. CIL. VI 28735 Pupeliae i'uftcae , die pens Pupenia s. CIL. VIII 877 Quartina Pupenia , ferner die g. Pupidia zB. CIL. X 8370 , ferner die g. Pupien(i)a

vgl. zB. CIL. VI 2i)2J23 u. J24, Die Deminutive von püpos püpulus und püpillus kommen ebenfalls als Cognomina vor;

ich erinnere hier nur an den bekannten Orbilius Püpillus und führe aus CIL. V 5373 P. Secundieni Pupuli an. Eine Weiter- bildung zu Püpillus ist das n. g. Pupillius (a) vgl. zB. CIL Vi 25225 . Und hierzu könnte als synkopirte Form Ptfplias gehören vgl. zB. Gr. Lat. K. 1 p. 321 (Diomedes) und p. 533 (Charisius) 'Puplius Cornelius Scipio , wenn man nicht Ver- derbung aus Füblius annehmen will. Zu Puplius haben wir aU Weiterbildung Puplena n. g. masc. Not. d. Sc. 1897 p. 93 f., ferner gens Publicia zB. CIL. VI 25144, daneben umbr. puplece Planta II n. 293 (1, 2, 3 aus Tuder) ferner g. Puplilia so zB. CIL. VI 18259 . Als weitere Abkömmlinge von Pupue(a) bezw. n. g. Pupius (a) füge ich hier noch an Pupinus s. CIL 3871 , woher wieder die gens Püpinia zB. CIL. V 5796 und die tribus Pupinia und der ager Pupinius entstammt, üeber Pupponius und falisk. Puponio(8) habe ich oben schon gesprochen. Wie sind nun die Formen mit Pob- bezw. mit Pü6- neben den aufgeführten, die Po^^- und Püp. aufweisen, zu erklären? Erstere haben fast alle hinter sich 1; nur CIL. VIII 5630 heisst ein Mann P. PuMscius Fidus. Nach dem Vergleiche Faleriufi : Fa- liscus ^ puber : pubiscus könnte man wohl auf eine Herkunft dieses Namens von pubes (pubis) Subst. bezw. puber Adj. schliessen, und da in dem b von pubes eine uspirata media sei es bh, sei es dh stecken wird, so könnten wohl Pu/us{a) vgl. CIL. VI 2316 Otacilia Pufa und VllI 20178 Q, Terentius Pufus

die italische Wurzelform des Wortes pubes aufweisen. Auch sie sind zum n. g. weitergebildet, wie CIL. VI 2545 Sex Pufio Quarto und XV 6641 C. Puf(i) Sec(undi) beweisen. Dazu soll nun auch nach Conway das pälignische Poef. p. 684 add als abgekürzte Form eines n. g. gehören cf. ind. V s. v. Wir haben also in Pubiscius aller Wahrscheinlichkeit nach einen Eigennamen mit dem Stamm von pubes (pubis), und die italischen c. Pufu8(a),

Miscellen 639

sowie das italische d. g. Pafius lassen auch auf die Existenz eines lateinischen o. Puhus(a), sowie eines lateinischen n. g. Pubias einen Schluss zu. Pnbu8(a) bezw. Pnbius mussten natürlich wegen der Formähnlichkeit mit dem c. Pupus(a) bezw. dem n. g. Pupius(a) verwechselt werden, und so hat denn im Kampf ums Dasein die Form Pub- in den 1-Formen den Sieg davon getragen, während sie in den Mosen den kürzern zog. Daher Publeius, Publius, Publicius, Publilius, Publienius, Publisidia, Publinus CIL. V 6625 , Publinedius - s. CIL. VI 25109 —, In den l-Formen trat nun noch als vierter Concurrent p5p(u)luR herzu. In Popli- cola hatte sich im Latein einer von den wenigen Vollnamen mit JS Namenstämmen erhalten, ähnlich wie in Agricola, Silvicola zB. Yalerius Silvicola CIL. XIII 2016 -, Horticola - zB. CIL. VI 1530 L Val. Helvidio Prisco Horticolae c. v. ; aber auch die Kurzformen mit einem Stamme wurden gebraucht, so Agnus, Silvius, Hortius diese selbst italisch, so steht bei Planta II n. 201 ' Mz. Hurtiis , und Poplius. Nun konnte aber auch ans Popilius, wie ich oben zeigte, ein Poplius sich entwickeln, und so waren denn in den 1-Formen die von Poplicola bezw. p5p(u)lu8 herkommenden Namen von denen mit dem Stamm Pop nicht mehr zu unterscheiden. Da aber Pop- und Pup- neben einander hergingen und die Püp-Formen in der 1- Weiterbildung noch Beeinflussung von Pub- (aus pubes) erfuhren, so konnte es vorkommen, dass desselben Wortes Namenstamm bald Popl-, bald Fupl-, bald Pübl- lautete. Ja schliesslich schuf man nach Pübl- neben Pübl-, analogisch zu Popl- noch ein Po61-. So gab es denn Poplius, Püblius, Püplius; ja selbst Poblius, wie CIL. XI 6695, 73 (Perusiae) L Poblio(s). 'Es gab Poblicola CIL. V (4484 und 4486) , Poplicola, Publicola; Puplicola ist mir nicht bekannt. Es gab Poblicius, Poplicius, Publicius und Pupli- oiue - zB. CIL. VI 25144 und XIV 490_ -, usw. Uebrigens braucht Publicius nicht nothwendig von püblicus herzukommen, es kann auch eine Kurzform zu Public-ola sein, grade wie Δη- μο(Τθάς zu Δημοσθ-ένης. Schliesslich möchte ich noch bemerken, dass Thurneysens Herleitung von püblicus aus pubes nach der Analogie von pop-licus K. Z. 30, 4ÖÖ f. mir nicht ganz einwandsfrei erscheint; gab es ja doch, wie ich eben gezeigt, höchst wahrscheinlich die regelmässig gebildete Adjectivform pubiscus. Konnte püplicus, später püblicus, nicht etwa das be- zeichnet haben, was die püpuli dh. die jungen Burschen angeht? Pubes bedeutet ja auch nur 'die junge Mannschaft', und da ist es doch wahrscheinlicher, dass püplicus bezw. püblicus von einem Worte mit 1 als einem ohne 1 herstamme.

Breslau. August Zimmermann.

640 MisoelIeD

Μυκήνησι

Der alte Lokativ des Plarale ist, adverbial erstarrt, in Bil- dungen wie θύρασι *Αθήνησι Δεκελείασι Μουνυχίασι Όλυμπίασι ΤΤεντελησι ΤΤλαταιασι Φλυήσι zum Theil bie in späte Zeit lebendig geblieben, üblich war er namentlich bei der Bezeichnung attischer Demen*. Dass von dem uralten Ortsnamen Μυκήναι eine gleiche Bildung einmal existirt haben muss, ist an sich wahiecheinlich. Steht zu θύρασι ein θύραθεν, zu ΤΤεντέλησιν ein ΤΤεντέληθεν usw., so finden wir entsprechend Μυκήνηθεν im antiken Epos. Aber Μυκήνησι ist, soviel ich sehe, erst durch Conjectur zu erschliessen. In einem neuen Fragment der so- genannten Epitome des Adamantios, das Foerster Rhein. Mus. N. F. 55 S. 141 bekannt gemacht hat, heisst es: δνομα έρ- γάσεται ό τοιούτος άνήρ ή φόνους συγγενών ή μίΗεις ή βρώ- σεις άνομους και ειοωλοθύτους. όιτοϊα τα θυέστου του Πέλοπος πάθη έν πόλει Μυκήνη και του Οίοίποοος του Λαίου έν θήβαις και τά Θηρέως τουθρςικός λέγεται γενε'σθαι. Aber die Pariser Handschrift, auf der das Excerpt beruht, hat die merkwürdige Lesung όποια τά Θυέστου του TT. πάθη έμοί κινήσει και του κτλ. Wer diese Ueberlieferung nach dem Buchstaben einschätzt, wird in έμοΊ κινήσει nichts anderes erblicken als ein durch ita- cistische Aussprache entstelltes Μυκήνησι.

Für die Werthung der Pariser Excerpte ist die seltene Form, die sicher nicht von dem Epitomator stammt, sich viel- mehr wohl schon bei Polemon fand, von nicht geringer Bedeutung.

Bonn. L. Radermacher.

^ Vgl. noch Άγγελήσι Άγρυλήσι *Αθμονήσι ΑΙΕωνήσι Άλαιττεκήσι Αμφιτροπήσι *Ανακαίασι Άραφηνήσι Άφίδνησι Άχαρνήσι Έκαλήαι *Επι- ηφισιασι 'Ερικείασι *Ερχιασι Κβφαλήσι Κηφισιάσι Κριώσι Κρωπιασι ΤΤβρ- ασήσι ΤΤρασιασι ΤΤτελβασι Σφβνδαλήσι Φυλήσι.

Verantwortlicher Kedacteur: L•. Radermacher in Bonn.

(<). October 1902.)

•Ί

Register.

Achilles Tatius Kritisch- Exegeti- sches 55 (I 8, 1-9) 60 (II 4,2) <>09 (II 35, 3-38) 60 (II 36, 1) 71 (II 36, 2) 62 (p. 40, 8) 64^ ip. 45, 25. 30 f. p. 46, 24 f. 47, 5) 69 (p. 49, 13) 64^ (p. 84, 11) 64 (p. 84, 12) 641 (p. 85, 3) 63 (p. 85, 7 f.) 68 (p. 85, 9. 10 ff. 24 f.) 65 (p. 86, 3) 66 (p. 86, 14-87,8) 73 (p. 87,14. 18. 19 f. 21 f. 23) 65 (p. 141, 10) 64^

Adamautios Epitome 640

Aderlass 391

Aegyptiaches Harfnerlied 270

Aeiian var. hist. (XII 43) 615*. 616^

Aelius Lampridius (vita Alex. Sev. c. 63) 171

Aelteste Redaction der Pontifical- annalen 517 f.

Aeschines (lU 215) 6^

Aeschylus Choeph. (602 ff. Khff.) 230 Pere. (460—467 Weckl.) 3

Aetius-Plutarch Plac. phil. (IV 22, 1 p. 411 Diels) 379«8 (IV 22, 2 p. 412 D.) 374. 380

Agathias Scholastikoe ΓιΐΊ

Agesistratos 10

Agroecius de Delphica (p. 116, 15 K.) 473

Akraiphiai Inschr. (Bull, de corr. hell. XXIV 70) 315

Alexander Aphrod. quaest. uat. et mor. (II 23, 136 f. p. 72 f. Bruns) 368 περί κράσειυς καΐ αύΕήσειυς (c. 11 ρ. 226, 30 ff. akad. Ausg.) 488

Alexander der Grosse, zur Ueber- lieferung der Geschichte A. d. Gr. 559

Alexandriner, Canon d. A. 140 Prosaausgaben 139

Alkaios (48 A.) 335

Altchristliche Bräuche 183 f.

Amherst Papyri, Kritisches zum II Bande der Amh. Pap. 137 f.

Klieiii. Muh. f. Pliilol. N. F. LVII.

AmmianuB Maroellinus, zu (HO, 5

§ 19) 166 Amphictyonen-Gesetz (a. 380) 173 f. άμυχαΐ παρ€ΐών 624 dvd distributiv 147 Analecta Bollandiana (t. XII p. 26,

16) 182«* Anastasius Sinaita 457 Andokides περί εΙρήνης (33 f.) 426 Anemesetus 325 Annales maximi 524 Anonyme Fragmente in den Amh.

Pap. 145 Anthologia Palat. (V 41) 600 (V

116. 208) 59 (V 220. 248) 601

(V 234) 609 (V 217 f. 302. XII 7.

17)59 (XII 23) 601. 609 (XII 49.

50) 603 (XII 41. 86. 175. 245) 59 Antiphon (V 36) 4 Antoninus Liberalis (10) 177 8 (40)

154. 228 Aphaia- Inschrift aus Aigina 152.

252. 543

Aphaia Sondergöttin, ebd.

ApoUodor (II 5, 11) 281 (III 210) 0001

ApoUonius von Tyana 498

aquaeductus 397

Archilochus- Fragment in Strass-

burg (l) Kritisches 157 AristHinotos (I 22) 609 Aristarch, Commentar zu Herodot

(Amh. Pap. 17) 139 Aristides rh. (4 t. I ρ 49 Dind.)

178* (45 t. II p. 23 Dind.) 178^ Aristobulus 581 ff. Aristophanes, Reste in d. Amh.

Pap. 145 vesp. (241) 180"

av. (749j 180** thesm. (schol.

v. 50Γ,) 1!ι3β8 - ran. (265) 478

Plut. 1013 ff.) 600 Ai istoteles reap. (7 p. 473» 15) 379«* Arnobius (V 8 fr. 7 fr. hist. Rom )

232. 243 Aniaii έκταΕις (ρ. 81 Η) 512

41

642

Regieter.

anab. (I 1) 576 (I 16, 2) 577 (I 16,4) 590 (I 28,2) 569 (114,7) 587 (II 11, 8) 592 12, 8) 576 (in 3. 5) 576 (III 4, 5. 8, 3) 588 (III 11, 3-7) 593 (ΠΙ 17, 1) 587 (III 28, 5) 585 (III 28, 6) 586 (III 30. 7-9) 581 (IV 1, 1) 588 (IV 3, 7) 593 (IV 5, 2) 595 (IV 6. 2) 593 (IV 6,6) 589 (IV 13, 5) 593 (IV 15, 1) 588 (IV 28, 2. 4) 574 (IV 28, 3) 595 (V 1, 2) 576 (V 2, 7. 4) 593 (V 3, 1. 3) 570. 573. 574 (V 4, 2) 579 (V 4, 3. 4) 572. 577 (V 5) 585 (V 5, t. 6, 1-2) 580 (V 6, 4—6. 8. 20, 8-9) 579 (V 26, 1) 581 (V 26, 5) 574 (VI 2, 3) 572 (VI 11, 2. 4—6. 7) 575 (VI 12, 7) 596 (VI 25, 5) 591 (Vn 2, 21 ff. 7, 3) 587 (VII 11, 3) 593 (VII 16, 1-3) 581 (VII 16, 2) 582 (VII 21, 2) 587. - Indic. (1, 7) 593 (2, 2) 580 (?, 4) 573. 585 (3, 1) 585 (3, 6-8) 578 (3. 9—6, 9) 579 (5, 2. 11) 593 (5, 4-7. 9. 10-11. 12) 578 (5,8- 13) ^73 (15,4. 5)579 (24,9)591 (25, 7—8) 580 (28, 8. 9. 16. 29, 12. 30, 9) 591 (40, 2-5. 6) 580

Arsanes 612

Artaxerxes (II u. ΙΠ) 610

Artemishymnus des Kallimachos (Schollen) 141

Asklepiades 373

Astydamas' *Hector (?) in den Amb. Pap. 137

Athenaeus (p. 9) 43 (19/20) 45 25) 47 Athenaeus (IV 3 p. 129») 311 (VII 297b) 223 (XI p. 479 f.) 254 (XI p. 505 f.) 487 (XIII c. 7 p. 558^ ff.) 57 (XIII c. 8 f. ρ 559 f.) 68 (XIU c. 10 p. 560b-i; c. 15 p. 563^ c. 20 p. 566« ; c. 87 p. 608» ff.) 57 (XIII p. 609») 618 (XIV p. 657 f.) 437 (XV c. 53 p. 697^) h^

Athmangslehre bei Plato 374 ff. bei Asklepiades 380

Augustinus (de civ. Dei XVIII 10. 40) 240 (XXII 28) 235

Avianus: Fabeln-Datirung, Kriti- sches 167 f.

Habrius in den Amh. Pap. 142

Bacchylides (14, 9) 334

Backöfen und Backsteinbau im

Alterthum 35. 37 Βασιλικός Eigenname 14<ί Batracbomyomachia (v. 209 21i>)

481

Berliner Bruchstücke der Sappbo

328 Berliner Gr Urkunden (958«) 479 Betriacum, Schlacht bei B. 126 Bibel (2. Rom. 6. 18 Apostelg. 13,

11 Rieht. 16, 20 ff.) 275 Bienen und Honig, Beziehung zur

Dichtung 179 Blattversetzung bei Galen <>27 Bleirohre, antike 22 Blindheit Homers 274 f. Bocchus 17

Briefe in d. Amh. Pap. 149 Buchredaction der Pont.-Ann. 525 Busirislegende 281

Gaelius Aurelianus : morb. acut. (I 15 p. 46. 52 f. Π 22 ρ. 131 Am- man) 390 f.

Canon der Alexandriner 140

Caracallas Ermordung 506

Cassius Dio: 'Ριυμ. ίστορ. (54, Γ4,2) 250 (63, 4) 511 (64, 6) 106 (64, 7) 116 (64, 8) 115 (64, 10) 117 (64,11) 129 (64,12)127 (64,14) 129 (74, 1) 511 (78, 5, 5 ff.) 507

Gatull (45) 609

Gensorinus de die nat. (21, 1) 231 (14, 10. 17, 5) 237 (17, 10) 246 (18, 7) 237

Ζητήματα der Liebesphilosophie 56

Christlicher Cult und heidnische Mysterien 183 f. 193

Chronologie im alten Griechenland 233

CIA 545) 173» (II 996) 476 (ΠΙ 5 9) 499^

Cicero de div. (I 39, 86) 3i>4 (U 47, 98) 243. de off. (II 58) 325 - de fin. (III 15) 343 de orat. (159) 314 Tim. (I) 236 acad. (I 3, 9) 243 Tusc. (I 1, 1) 242 (IV 2. 3 f.) 236 - pr. Rose. Am. (7) 344 ad Att. (IV 17) 359' (VI 1, 25i 361 (X 6, 1) 355 (XI 17a, 1) 359 (ΧΠΙ

4, 1) 359 (XIII 20, 4) 359' (ΧΠΙ 25) 326 (XIII 48, 1) 356 (XIV 14, 1) 360 (XV 2) 359 (XV 3, 1. 24) 359 (XV 26, 4) 359' (XVI 2,

5. 10, 1) 360 (XVI 11, 1) 347 (XVI 15, 6) 356 - ad faro. (II 16, 6) 355 ilX 4) 389' (IX 7, 2) 343 (IX 10, 2) .344 (IX 10, 3) 350 (IX 16, 7) 3.39 (IX 19, 1) 344 (IX 18, 3) 343 (IX 20, 2) .345 (IX 21, 1) .339' (IX 22) .337 (XV 17, 2. 19, 3) 353 ad Quintum fr. (II 3) 629

Register.

643

CIG (1511) 584 f. (1688 Ahrens Dial. II 484-492) 1731 (3163) 153

CIGIna. (III 248) 153. 254^

GIGS (I 27aS) 253

CIL (1 p. 274) 172 (I 183) 316 (III 4327) 512 (III 5876) 316 illl 6541a) 317 (III 8156) 512 flll 14:^7 f.) 511 (VI 3637) 316 (VI 3744) 513 ι IX 3849) 316 (X 3464a u. 34<>9) 317 (XI 4095) 323 (XI 5265) 324 (XI 5440) 325 (XI 5717) 324 (XI 5748. 6035. 6117) 325 (XIV 2215) 317 (XIV 1386. 4270) 316

ClPel. (1580) 543

Cirie (46—53) 205 (105 f.) 214 (112, 113) 2271 (130 f.) 213 fl32) 321 (156) 322 (172) 215 (190) 221» (220) 228 (257—282) 2142 (2β2) 322 (268) 215 (286 ff.) 213 (287 ff. 301 ff.) 228 (312) 322 (367) 321 (369-377) 468 ff. (383) 323 (387) 2161 (404-458) 214« (418 ff. 428) 221 (429 ff.) 213 (451) 223 (4(i5 ff.) 227 (471) 221 (484) 223

Cietemenbau, antiker 39

ClemeDS Alexandr. 453; Stroinat. (I 21, 139) 240

Concilium Trullanum (can. LVII) 320

Contamination von PlautuR *Ατη- phitruo'? 4(>3

Culttage der XII divi imperatoree 172

CurtiuB Rufus (II 6, 24) 595 (III 1, 13) 586 (III 2. 12. 13) 565 (III 3. 2 f.) 6162 (ΠΙ 3. 23) 565 (III 4,8. 5,1)587 (1115,2. 6,9. 12. 8,9)567 (11111,27) 592(111 12, 13 f.) 612» (III 12, 19. 20)5<)4 (III 13. 13) 619 (IV 2, 5. 4. 17. 6, 27. 7, 30. 50) 564 (IV 9, 16) 587 (IV 9, 22) 565 ilV 12, 9) 565 (IV 13, 26)593 (IV 14, 3. 11. 15. 18. 16, 23) 565 (Y 1, 12. 15. 24) 587 (V 1, 13) 586 (V 1, 36. 39) 564 (V 2, 18 ff.) 6128 (V 2, 22) 612» (V 3, 1) 5H7 (V3, 12) 612» 615 (V 8, 22) 590 (V 5, 5) 565 (V 7, 1. 5. 10) 564 (V 8, 8) 594 (V 13, 14) 565 (V 13, 16) 567 (VI 1,7-8) 567 (VI 2, 4) 564 iVI 2, 13) 588 (VI 2, 14) 567 (VI '2, 15) 584 (VI 4, 16—19) 584 (VI 4, 19) 588 (VI 4, 21. 22) 584 (VI 5, 18) im (VI 6, 3. 4. 5. 10) 564 (VI 6, 13) 588 (VII 2, 17)

592 (VII 2, 35) 567 (VII 3, 19— 22) 585 (VII 4, 6. 32) 588 (VII 5, 19) 593 (VII 6, 12) 588 (VII 7, 2. 3)588 (VII 7, 31) 565 (VIII 1, 36. 39) 564 (VIII 1, 37) 566 (VIII 2, 1. 8) 567 (VIII 3, 1)565 (VIII 5, 5. 14) 564 (VIII 5, 7. 22) 564 (VIII 6, 1) 564 (VIII 6, 16)

593 (VIII 7, 5 10) 564 (VIII 9, 14) 588 (VIII 10, 16-17) 593 fVIII 10, 18) 564 f. (VIII 10, 29) 593 (VIII 13, 6. 14. 2) 596 (IX 1, 24) 590 (IX 5, 4) 567 (IX 5, 21) 563 (IX 8, 20) 591 (IX 10, 6. 10) 591 (IX 10, 26. 28) 564 (X

1, 11) 597 (X 1, 13. 14) 588 (X

2, 12. 30) 567 (X 5, 23) 611 (X 5. 33. 34) 564 (X 5, 35) 565 (X 9, 3) 5641

Dareios III Kodomannos 610 ff.

bi 480

bfji - δέη 478

Decennalien des Gallien 510

decessor 634

Demetrius de eloc. (7) 283

Demokrit 369

Demosthenes (XX 117) 4 (XXI 98) 4 (XXIII 104) 6 (XXXIV 33) 6 (XXXIX 12) 5 (XLIV 15) 5 (pro- oem. 53) 5 προς Φίλιππον (Amh. Pap.) 145

Dichterweihe 179

Digamma bei Sappho 333

Diodor (II 1, 10) 587 (II 7, 3) 594 (II 11, 1) 586 (II 31, 2) 592 (II 35, 2) 589 (II 38) 593 (V 55) 608 (VII 67, 2) 587 (XVH 5, 5) 612 (XVII 8, 2) 586 (XVII 30, 7) 616« (XVII 37, 6) 6128 (XVO Siy) 592 (^XVII 50, 5) 588 (XVII 57) 593 fXVIl 57, 14 f.) 584 (XVII 65, 5) 594 (XVII 75, 1. 5) 583. 584 (XVII 75, 6) 585 (XVII 77, 4) 595 (XVII 80) 592 (XVII 83, 7) 593 (XVII 85, 3) 595 (XVII 87, 2. 89, 2) 596 (XVII 90. 6) 591 (XVII 91, 4) 590 (XVII 93, 1. 99, 1. 8) 596 fXVIl 103, 8) 591 f. (XVII 105,3. 4. 5) 591 (XVII 118. 3) 6128 (XVIII 5, 2) 582 (XVIII 76, 5) 583

Diogenes Laertins (II 113) 594

Dionysosoommentar des Eustathins 439 f.

Dionys Halioam. άρχ. 'Ριυμ. 4, 3) 560 de Lysia (ρ. 23, 22

644

Register.

ρ. 483 Κ.) 159^ Krit. zu (ρ. 32,

12 ρ. 496 R) 158. Dionysos-Sage und -Cult 177 f. Di vi imperatores (Cult tage) 172 Divus Alexander 171 f. hoKU) μοι und boKCl μοι 311 Dresdener Handschriften 392

Eifersucht als Thema in röm. und griechischer Elegie 599

€ΐς vcuiv = €ΐς v^ov 478

Elegie, zur röm. El. 599

Elephantiasis 391

Eleusinische Mysterien 500 f.

ένδρομή, ένδρομίς 146

Ennius bei Porphyrio (G, 12) 321

έπΙ bi adv. 150

Epicharm (fr. 149 Kaibel) 480

Έπιδαύρια 502

Epigramm (Berl. Sitzungsber. 1901 I p. 905) 315

epitome rerum Alex. 595

Epochen bei Varro „de gente po- puli Roman i" 231 ff.

Epos (in den Amh Pap.) 145

Eratosthenes, als Geograph 569. Fragm. (Berger I Α 12) 574 (I Β 8) 570 Β 9) 574 Β 10) 570 Β 23) 572) (II C 24) 570; (Müller III Α 2) 585 (Berger ΠΙ Η 6) 578 (III Β 12, 16) 577 (III Β 22. 31 . 32. 38. 48) 580 (III Β 32. 38) 570

Erfindung der Handramme 43

Erntearbeit bei Homer und im Mittelalter 304

Έρωτ€ς (II 37, 5) 72

Erotische Epigrammenpoesie 65

Erstarrte Flexion von Ortsnamen im Lateinischen 168 ff.

Erstickungstod 389

ίθηκαν und έδωκαν bei den Red- nern 425 f.

Etruskieche Monatsnamen und Zahl- wörter 318 f.

Etymologicum Magn. (p. 206, 6) 437

Eucharistische Gebräuche 184

Kuripides, über eine Scene des Eurip. Orestes 278 Alcestis 283-Bacchen (142) 177 Μ 708 f.) 178 Chry8ippos58 Electra (ββ7) 7 Hec. (246) 7 Hipp. (96)7 (476)605 (schol. z. 12()0) 210 Iph. Taur. (538 f.) 7 Oreet. (schol. z. 640 f.) 283 (schol. z. 932. 232 (schol. z. 13()9. 1384) 280* Polyd. (fr. Γ,4 1.643. 644) 2262

Eusebius praep. evang. (X 10, l) 241 (X 10, 7) 240 - ehren. (I p. 181 Seh.) 240

Euetathins (438. 439 ad II. Β 850) 437. Com. ad Dionys. (p. 241, 29-31 Müller) 446 (p. 242, 4-11) 443 (p. 244, 5-8) 444 (p. 261, 42—43) 446 (p. 268, 44) 440 (p. 275, 30—32) 446 (p.276, 11— 13)446 (p. 276, 13 f.) 440 (p. 298, 11 12) 445 (p. 309. 36— 43) 442 (p. 314, 42— 315, 1) 445 (p. 315. 32-37) 438. 444 (p. 323, 36-324, 1)446 (p. 342, 34-39) 447 (p. 359, 40—42) 446

exercire 323

Fabeln, lateinisch griechisch 142 Facetiae bei Cicero 337 Faveutinus, epitome 12 Festus (p. 329) 247 Flexion, spätgriechische 149 Florus (I 6, 2. 1, 15) 318 Flutsage 239 Fragm enta scriptorum apud No-

nium servata 196 Frontinue, de aquis (25) 11' γαιδάρια 151

Galba, imperator 87 f.

Galen, Blattversetzung im Comro. zu Hipp, περί Αρθρων 627 nat. fac. (I 14) .366 (II p.45f K.)327f. (118; Π ρ. IHK, ΠΙ ρ. 182 He.) 385 (ΠΙ ρ. 466 f. Κ) 382 (VIII ρ. 74S. 755. 757. 758 Κ) 382 de US. resp. (IV ρ. 494—496 Κ) 389

de US. part. (VIII 8; III ρ. 540 Κ) 389 - de plac. Hipp, et PI. (Vin8; V p. 707 f. K; ed. Iw. Müller p. 714 f.) 379«*

Gallienus (vita S, 1) 510 Ganymedsafife 67

γάρ, über eine besondere Bedeutung von γ. 1 f γάρ = freilich 2 f.

γάρ und γέ = freilich 7 γάρ aus γέ άρα 7 γάρ zur Einleitung von Entgegnungen im Dialog 7

γαυνάκιον 150

Gellius (I 9, 6) 237 fl 16, .3) 2.W genethXiaci 237 Georgius 457 Goldenes Zeitalter 181 Götterland und seine Ausstattung 180

Reßrister•

645

Oratn. Tractat (in den Amh. Pap.)

145 Gregor, or. ad Orig. V]\) 48ö

Hadrians Autobiographie 549

Heliotior (VII 9) «09

Hercnlaneneische Bmchstüoke einer Geschichte des Sokrates u. seiner Schule 285 fr.

Hermes-Hymnus (558-5G3) 179^1

Hero Byzant. (Anonymus Wescher p. 214) 45

Herodian (V 4, 9. 6,8) 513 (VH! 6, β ff.) 509^«

Herodot (Uli. 137. Π1 1)275 (IV ISl) 588

Heron Automat, (p 430, 9 Seh.) 486

Herondas (VII 99) 482

Hesiod, Werke (232 f.) 181« ίργ. (25) 269

Hieronymus (p. 78 f ) 241

Himmelsspeise 178

Iliütoria Augusta, Satzschlussstu- dien zur H. Aug. 549 f.

Homer (in den Amh. Pap ) 145 328 ff. 207 351) 2<;6 (a346) 268 370 f.) 267 267 f.) 272 (6 229 f.) 275 255. 477 f. 487 f. 500 f.) 266 474) 268 ii 527 f.) 276 (i5f. 11)271 (X26f.) 18483 (X 3ßi f.) 274 314 f.) 268 (o 344) 271 (p 319 f.) 272 (p269. 287 f.) 271 (p 347) 268^ (p 374 f. 397 f. 347) 268 (σ54)271 344 f.) 267 330 f.) 272 148 f.) 271 217) 274 845 Δ 520 Η 86 1 360)444 432)444 (Ρ575 f.) 271 ίΣ541*ιν€ΐός)3028 (Σ541— 547)503 (Σ556-559)304 (Σ565— 572) 306

Honig 177 f.

Horatius, carm. (1 2) 321 (1 20, 9— 12) 466 (III 4, 9-13. 6, 21—24) 465 (11123,17-20)466 (IV 2, 27 ff.) 180« - epod. (16, 47. 49 f.) 181« epist.d 18, 104. 105) 467 ars poet. (251—259) 4()8

Hygin, fab. (198) 219

Jamblichos, protreptic. (c. 9) 486

Ί€ρά δ€θρο 49Hf.

Indisches ilpos 269

indolis 326

Infinitivus pro imperativo 147

Inschrift der Aphaia aus Aegina

152. 252. 543 Johannes Chrvsostomos (t. X p.624a

Montf.) 171

Isaios (6, 53) 425

laocrates, προς Δημόνικον (in den Amh. Pap.) 145 Philippos (8, 18. 46. 49. 51. 53) 423 (64) 424 Archidamos (65) 424 Paneg. (157) 502»

Julian (VH p.231a Cobet) 485

Justin 56Hf. (s. Trogus Pompeius bei Justin)

Juvenal 146 (12. 116, 34 ff.) 60

Kol προς 147

Kalenderpublikation 519

Kallimachos, Artemishymnus (195 ff.) 228 - Schol. z. Art.-II. (in den Amh. Pap ) 141 Zeue- hymnus 460 (Anspielung im Z.-H.)

Kapitelüberschriften in Handschrif- ten 2911

Karme 228 f.

Kastor, Χρονικά 233 f.

κατήγωρ etc. 148^

καθιστάνω 146

Kleomedes 5 ρ. 194, 2171.) 486

Klitarch 581

Komische Scene im Euripideischen Orest 280

Ktesias bei Photios 49) 617

Κύμη 327

κυτίνιον 151

Lactantius Placidus 166. 421

Ländliches Leben bei Homer und im deutschen Mittelalter 301 ff.

Legionen des Orient (nach der no- titia dignitatum) 259 ff.

Lex Manciana 632

Lexikon zur Od. (XV) und II. (XI) in den Amh. Pap. 145

Liebesproblem, dilettantische Art der Betrachtung des L. 55 Stellungnahme der Verfasser erot. Schriften zum L. 57

Livius (V 32, 8) 425 (VIII 3, 7) 245 (IX 17, 16) 565 (IX 17. 17) 564 (1X18, 1. 2.4) 564 ΓΙΧ 18. 6.8)565 (IX 18,9)562 (1X19, 5. 6. 7. 9. 1 1) 565 (X 1 1 8, 3) 564

Locativ auf -ησι 640

ludi saeculares 244

Luftdrucktheorie der Alten 371 f.

Luftziegel 34

Lukian πβρί παρασίτου (c. 30» 270 ?ραπ•€ς 58. 62 (c. 25 ρ. 425) 71 fc. 25 ρ. 426. c. 27 ρ. 427) 59 (c. 27 ρ. 428) 60 (c. 33 ρ. 433- c. 36 ρ. 437) 59 (c. 37 ρ. 438) 62

646

Reg^ieter.

ver. bist. (I 12) 480^ - d. mer. (13, 1. 3) 608

Lukrez (VI 799 f,) 389 (VI 802 f. 804 f.) 390 (V! 906-1089 Lm.) 363 (VI 921-990) 370 f. (VI 1114 f.) 391

Lykurgoe Redner (Gesetz) 625

Lysias (19,33. 31,32) 425

Macrobius (p. 91 Keller) 247 Magnettheorie bei Lukrez 367 f. Magnet und Atmung in antiken

Theorien 3(i3 Mantik (in den Amb. Pap.) 145 Martial (VI 32) 136 (1X25. XI 43)

60 Menander bei Alkiphron (II 3,

12) 609 Δεισιδαίμων 609

Μισογύνης 58 Milch und Honig in Sage α. Cultus

177 ff. Mims 322

Mithrasweihen 182 f. 195 μοΟσα παιδική in der Poesie und

in der νέα κωμψδία 58 Μυκήνησι 640

Nectar und Ambrosia im Götter- lande 180

Nero 77 f. N. und Acte 79 N. und Sabina Poppaea 79 f.

Nisos- und Skyllasage 205 f.

Nonius Marceil US, compend. doct. Quellen 196 f. de vero ordine fr. 198 f.

Nonnu8Dionys.(XV2n7)212 (XXV 148 ff.) 211

uotitia dij?nitatum 259

οίκος in der Kultsprache 153. 252. 544

Όρνιθιακά (Dionys.) (II 15 in den poet. bucol. et didact. p. 119 Didot) 206

Ortsnamen im Lateinischen, er- starrte Flexion von 0. im L. 168 f.

Otho, Kaiser Marcus Salvius 7<>

Ovid. ars amat. (I 351 f. II 251 f.) 609 (ini83f.).59f. (111571)599

araor. (17)599 (119)609 - fast. (3, 736 ff.) 177 - heroid. (20, 47 f. 177f.)609 - metam. (1 1 11 f.) 181 (VII 426) 466 (VIII 14 f.) 214 (Vni 21 f.^ 211 (VIII 44-80) 214^ (VIII f)4) 215 (VIII 73) 323 (VIII 101) 211 (VIII 108-142) 2143 (VIII 109. 127) 221 (VIII Ii5)22l8 (VIII 145 f.) 206

Pachtvertrag in den Amh. Pap. 1 48

Pacuvius, Grabschrift des P. 1ί)4

Paladins 12

Palingeneeie 226

ParthenioB 205. 226 f. metam. (fr. 2i) Martini p. 23 p. 270 Mein.) 206

Paulus Silentiarius 601

Paueanias (I 9, 4) 230^ (I 22, 7) 150 (142,2)227 (144,8)227 (II 13,4) 150 (1130,3)155 (1134,7)222 (ΙΠ 14, 2) 546 (V7,8) 150 (IX 23, 2) 179"

π€ρΙ οψους (4, 10) 31 1

Personalstandregister (in den Amh. Pap.) 146

Petronius, cena Trimalch. (c. 48) 327

Pfitigen des Feldes bei Homer und im deutschen Mittelalter 301

Phanocles, £ριυτ€ς ή καλο{ 58

Philodemus, rhet. Schriften 428 (12,7)435 (I 126. 167 col. VII) 432 (I 197) 431 (I 333) 430 (I 369) 432 (I 383 col. CX) 432 (II 6, 7) 434 (II 67 tr. 3) 433 (II 94, 4) 131 (II 95, 11) 432 (11102)134 (ΙΪ 114,19)431 (U 130, 11) 431 (II 141, 31) 435 (II 151, 20) 431 (II 174 fr. 14) 436 (11176.177,3) 43ίί αϊ l'i8, !»>) 430 (II 188 fr. III) 429 (II 189 fr. I) 431 (il 202, 25) 434 (II 205) 429 (II 212 f.) 429 (11 278 fr. XX«») 435

Philostratos, imag. (1, 44 p. 30, 23 Ausg. d. Wien. phil. Sem.) 177^ (2, 12) 17912 vita Apollon. Tyan. (IV 18, 155) 498

Phrynichos 487

Pindar, Isthm. (4,54) Nem. 3, 77) 179W 01.(6.45)179 Pyth. (4, 60) 179 (9, 63) 194

Piso als Mitregent Galbas 90

Piaton —Craty 1.(393 c) 3 (iorg. (451 a. d. 449 b. 470 e) 7 (522 a) 422 Jon. (533 e) 365 (534 a) 178« Legg. (694 e 712 b) 7 (794 c) 4 - Parm. (141 c) 7 Phaedo 63 Phaedr. H.i (229 a. 268 a) 7 - Prot. (328 d) 422 - Soph. (231 e) 7 Symp. 63 - Theaet. (187 a. 207 b) 7 Theag. (121 d) 311 - Tim. (77 ff.) 374 de rep. (432 d. 433 a) 7

Plan tue, Amphitruo eine co- moed. contaminata? 4<>3 ('as. (617) 609 - Cure. (178 f.) 609

Register.

647

Plinius, nat, bist. (II 67) 570 (VI 12. 13) 583 (VI 15. 21) 570 (VI 21)582 (VI 23) 593 (VI 31) 570. 587 (VII 2) 590 (VII 210) 473 (VIII 10) 579 (XU 8) 585 (XV 2) 325 (XV 25. 30. 209) 20 (XVI 45. 48. 230) 16 (XVI 186) 18 (XVI 192. 195—198. 216 flf.) 17 (XVI 198) 15 (XVI 218) 19 (XXXI 20 (XXXI 36. 43. 57) 21 (XXXI 58) 23 iXXXlU)31 (XXXHl 119.121) 32 (XXXIV 26) 236 (XXXV 41. 42. 170-173) 33 (XXXV 160) 235 (XXXVI 47. 176) 38 (XXXVI 166—188) 41 f. (XXXVI 170. 173) 39 (XXXVI 176)40 (XXXVII 28. 120) 15 Plotinus, Eon. (I 6, 8) 311 Plutarch, vitae parall. : A.ge8il. (6) 425 Alex. (c. 3) 570 (c. 16)590 (c. 17) öTl (c. 18)616« (c. 20) 592 (c.21) 6128 (C.28) 593 (c.30) 6128. 613 (c. 31) 501 (c.31. 45.46)570 (c. 44) 583 (c. 63. 64) 597 Auton. (c. 1-2) 561 - Artax. (1. 1) 612. 617 - Cam. (10) 424 (19) 501

Cato miu. (64) 424 CraHS. (27)425 Galba (21-28) 90f.

Numa (8) 236 Otho (1—4. 7-18) 117 f. Pyrrh. (c. 19) 562 Rom. (12) 237 Sulla (7) 24;) de fort. Alex. (I 1) 616« (I 2) 597 (1 5) 571 (1 6. 8) 570 (117)597 (118) 616« (119)593. ;)97 (II 13) 597 couv. disp. (VIII 9, 1 p. 731 ) 391 - de Pyth. orac. (12, 13, 14) 253 Erotik. 57 (c. 4) 62 (c. 21 p. 767 A) 59 quaest. Piaton. (VII 7 p. Iu05b,d) 369 quaest. Rom. (10) 236 vitae X or. (p. 824 A) 625

Poiystratos 482

Pompa, die P. an den Decennalien des Gallienus 510

Pompcianisches Wandgemälde 218

Pontincalannalen, die älteste Re- daction der P. 517 flF.

PontiBcaltafel• Jahreschronik 518

Pop- pub- Stammsilbe von Personen- namen ()36

Populär-philosoph. Litt. 66

Porphyrius (p. 6, 12 Hold.) 321 (vita Peotini c. 9) 487

praedecessor 635

Priscian (VI 70 p. 255 H) 321

pro salute imperatoris 632

probeantur ,'>24

jyrodecessor 634

Properz (lU 16, 11-20) (506 (III

19,21)209 (IV 4, 25) 215 (IV 4,

39) 209 πρόρρησις 501 f. Prosaausgaben der Alexandriner

139 προσβπίτροπος 147 Protokoll (in den Amh. Pap.) 146 Pseiido-Hippokrates , π€ρ1 τέχνης

(c.5)(> (0.11)7 Pseudo-Sallust, Invectiva 159 Ptolemaeus, Astrologe 97 Ptolemaios Philometor, Erlass dess.

in den Amh. Pap. 145 Pythagoras und Varro 23tj

quattus 325 Quinarsystem 21

Quintilian (11,9)313 (1115,34)314 (XII 1,1) 313

Rhapsodien 272

Reitercenturien des Tarquinius Priscus 318

Römische Elegie 599

Römische Kaiser-Geschichte, Unter- suchungen 506 fiF.

Rufinus 600

8abina Poppaea 80 f.

saeculum 245

Sänger, der S. in der Odyssee 265

Sappho, Berliner Bruchstücke 328 Abschied einer Schülerin 329 f. An eine Freundin 330 f.

Satzschlussstudien zur historia Au- gusta 549 f.

Säuglingspflege der Griechen 193

Scaevola 524

Schreibgebrauch u. Textkritik 481

8C(ypu8 324

Scriptores histor. Aug. 549 ff. vita Hadr. (S])artianus) 549 f. (rhythm. Satzschluss) 549 f. (Quel- len) 554 (c. 1, 1. 2. 3—5. c. 2, 1. 2. 4. 5-8) 550 (c. 2, 9. 10. c. 3, 1. 2. 3. 4. 5) 551 (c. 3, 6-10. 11-c. 4, 1 ; c. 4, 2. 3. 4—5. 6—7. 8—10)552 (c. 5, 1. c. 6, 3. i)'-^. 9. c. 10,2.3. c. 11, 2 c. 18,3. c. 19, 1. 4. 5)553 (c. 1(5, 1. c. 22)

554 Aurel. (5, 1) 556 (10, 1

555 (15,6. 19,6)556 (37,5f.)557 Tac. (10, 2) 556 (14, 5. 15, 4) 558

Scylla 323

secus = secundus u. ä. 169 f. Seneca, - Oedip. (494 ff ) 178 quaest. nat. (11127; 28,7) 237

648

Regieter•

S«uöcio 78

^pt6W montee urbis Bomae 396

S^rviu•, ad Verg. - Aen. (VI 43) U• I Ylll δδβ) 346. Georg. (II 18> W - £cl. 4, 4) 236 (9, 46 fr 5 p. Ä5S) 344

S«xtu* Kmpiricu* «ρός /Ρήτορας (6)

^14 Sibvll«i«he Wwwagungen 244

Simplicitt« 5171

Swi^t^ainbi* 610

'^ΐΛ«. Hypotheeie zu Euripidee' ' Sk. m d«n Amh. Pap. 138 >^^]jMtg« 305 ff.

^^rat<« (β. Uercul. Brachst) 285 f.

N>iibodet (Antigene 528) 624 Sol. i. Aias (1199) 179>8 schol. ,, CVd. Col. (17) 179W

Spartianus, vita Hadriani 549

SiAtitte' Thebais 397 f.

St<»phanu8 Byzaut., Δάνουβις 441 Δω6(ύνη, Κραννών, Όμόλιον, Τβ- τραχωρΐται 437 Τύμφη 142

ατηβ(ον 149

SUchworte 483

Stigma in der lat. Schrift 170 f.

Stobaeus 69

Strabo, unbeachtete Fragmente 437 - (I p. 22) 574 (I p. 48) 570 (II p. 67) 580. 585 (II p. 70) 572 (II p. 73) 584 (V 3, 3) 587 (VII fr. 3) 445 (Vll fr. 7) 442 (VII fr. 11. 25. 27) 446 (VII fr. 33. 36) 445 (VII fr. 50) 444 (VII fr. 51) 445 (VII fr. 52. 57) 446 (VII fr. 56) 445 (VII fr. 58) 443 (VII p. 295) 446 (VII p. 298) 444 (VII p. 495. 550. 591) 447 (VIII p. 373) 222 (IX 5 p. 533) 569 (X p. 452; 311 (XI p. 491. 508) 583 (XI p. 505) 573. 585 (XI p. 507) 578 (XI ρ 509) 571. 582. 584 (XI 508j δ^<4 (XI p.510)582 (XIp.521)5SG iXI 12 p. 522) 580 (XI 13 p. 523) 569. 570 (XI p. 524) 580 (XI 13 p. 52()) 581 (XI 529) 587 (XI p. 637) 254 (XI 8 p. 717) 581 (XII 534) 586 (XIII p. 593 XIV 3 p. 66()) 569 (XV p. 678. ()87) 593 (XV p. 685. 687) 573 (XV p. ί)^s5. 688. 691 1. VOO. 705. 707) 579 (XV p. 699; 590. 592 (XV 709. 71Λ 718. 719) 589 (XV p. 717) 576) XV p. 719) 588 (XV p. 720. 727) 580 (XV p. 721 f.) 591 (XV p. 724)592 (XV p. 725) m\ (XVp.72Sf. 739) 587 (XVI p. 737) 774 f. (XVI p. 738. 740.

742) 587 (XVI p. 746) 570. 586

(XVI p. 748. 767) 580 (XVI p. 779)

588 (XVIp.785) 580(XVIIp.802.

814) 574 Straten (bei Simplicins in Arist.

phys. p. 663, 3. 652, 21) 371 Sueton, Aug. (31) 244 Claud.

(21) 244 Galba (4. 6. 14. 17.

19. 20. 21. 24. 50) 76 f. Nero

(35) 84 - Otho (1. 3. 4. 5. 6.

7. 10. 11. 12. 50) 129 ~ Vitell.

(10) 134 Suidas 487

*Surpu* -Tafeln (aseyriol. Bibl. XII

1. 1896) 483 f. συσκευώρημα 147

Taoitus, aun. (1 80) 80 (III 742«) 81 (IV 31. 39. 46) 80 (XI 1) 80 (XI 1. 4)83 (XI 2. 3. 4. 13. βΟ) 81 (XI 5) 80 (XU 13) 77. 83 (XII 41. 69)93 (XII 52) 7ii (XIII

12) 79. 88 (XIII 45) 79. 80. 82. 84 (XIII 46) 84. 85 (XIII 46«) 86 (XIII 47) 88 (XIV 61) 86 (XV 17. 49. 50. 70) 78 (XV 71) S:i (XVI 16. 17) 83 biet. (15.17) 93 (I 9. 14) 90 (I 12. 22) 89 (I

13) 77. 86 f. (I 15. 16) 91 (I 18. 19) 94 (I b. 31) 99 (I 21) 96 (I 22) 97 (I 23) 95 (I 24. 25. 72) 98 (I 26. 27) 100 (I 27. 28. 29) 101 (I 29. 30) 102 (1 31. 32) 103 (I 32. 34) 104 (I 35) 106 (i 36. 37) 107 (I 38. 39) 108 (I 40. 43; 109 (I 41)110 (I 42. 43) 111 (I 44)112 (I 45. 46. 47)113 (149) 114 f. (I 50 52. 56) 116 (l 59) 126 (1 61. 74 75)117 (162.71. 74. 75) 118 (I 75. 77. 90) 76 (I 71. 86. 81) 124 (I 77)132 (178) 86 (I 80. 89. 90) 120 (I 81. 82) 121 (I 83. 84. 85) 122 (I 88) 119 f. (II 11) 118. 124 (1123.33. 39. 60) 76 (11 31. 33. 39. 40) 136 (U31. 39. 40. 43.44)126 (II 31.

47) 135 (II 33. 39) 125 (II 37. 44. 45) 127 f. (II 46. 47) 130 (II

48) 131 (II 48. 49) 133. 134 (II

49) 132 (II 60) 77 (II 89) 512 (VII 41. 42) 126

TarquiniuB Priscus 318 Taufgebräuche 183 f. 191 Terenz, zwei alte T. -Prob lerne 48 ff. Hautontira.(prol. 1— 3) 50 (Bembin. schol. z. prol. 3) 51 (prol. 6) 48 (I 1,91) 323(300f.> 609 Audria (I, 24 f.) 52

Register.

049

Textgeschichte und Textkritik 555

Theocrit (II 62 VI 39) 472 (XIV 34 ffj eOO

Theodore t 454 *Graec. äff. cur.* (cod. Vat. 2249) 449

Theodoros Metoch. (p. 127 M. K.) 481

Theognifl (El. 469 f.) 604

θρύγη 149

Thukydides (III 40, 4) l (111 43, 4 f.) 2

Tiberiu8 Coruncanius 531

TibuU (I 2) 602 (I 3, 45) 181 (I 10, 57 f. 65) 602

Timagenes 564

Timaios, com. Galeu. 385

Titus Vinius. 111

Totencult 182

Trogus Pompeius 623 Krit. zu (prol. X) 474 Tr. Pomp, bei Justin (11 1,3. 3,6) 567 (XI, l) 613 (X 3, 1)610 (X 3, 3) 6163 (χι 6, 11 ff.) 590 (XI 6,15) 566 (XI 8,3. 4 8. 15,5)567 (XI 9, 12 f.) 6123 (XI 10,2)592 (XI 13, 1. 14, 7) 566 (ΧΠ 3, 8. 4, 1. 6, 6. 12, 2. 13, 2. 7. 14, 4) 566 (XII 5, 8. 6,5. 7. 9,9. 11,5.8)567 (XII 7, 6. 8) 593 (XU 9, 5) 596 (XII 10, 3) 591 (XIII 1, 6) 612^ (XV 3, 7) 566 (XXVIII 4, 2) 567 (XXXVIIl 4, 7) 566 (XLII 3, 5) 570

Trophimus martyr. 458

Τύμφη 142

Τυφλός άνήρ 265

Tzetzes zu Lykopbron (650 Chil. II 539) 216

Ueberlieferung der Gesch. Alex. d.

Gr. 559 ff. Unbeachtete Fragmente bei Strabo

437

Untersuchungen zur röm. Kaiser- Gesch. 506

Valeriue Maximus fact. et dict.

mem. (IX 2 Ext. 7) 610 Varro de gente populi Romani

231 de re rust. (III 1, 2 ff.)

232 - de 1. 1. (VII 88) 247 Vegetius, Scholien 392 f. VaUegius, Verse des V. in der vita

Terentii 163

Velleius Paterculus (1 5, 2) 265 (II 51) 563

Verballhornungen in der Vulgate 422

Verfasser der X libri de archi- tectura 8

Vergil, Aen. (VI 791 ff.) 249 Ed. (IV 4-7) 248 (IV 30) 181 (Prob. z. VI 74 p. 23 Keil) 216 Georg. (I 404 ff.) 206 f.

Vibius Maximus 146

Vir bonus dicendi peritus 312 f.

Vitellius, Kaiser 115

Vitruv, de archit. (II 3, 1) 33 (II 8,9-17) 34 (U 9, 7)18 (VU 3, 5) 40 (VIII 6, 4) 22 (VIII 14— 15) 39 (X 19) 43. 45 (X 21) 45

Wandgemälde von Tor Marancio

218 Weinlese bei Homer und im deutsch.

Mittelalter 305

Xenophon, Cyrupaed. (V 4, 37) 311 Mem. (II 1,2) 7

Zauberpapyrus (Leyden) Kriti- sches 496> (p. 5, 7 ff. p. 12, 1 ff.) 41^1 (p. 19, 6. 8. 9) 482

Zeushymnus, Anspielung im Z.-H. des Kallimachos 460

Zosimus (II 4) 246

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