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Sagen und —
von SE © —
der Stammburg Wirtemberg, dem Kloſter - Hirfan, der St. Johanniskirche zu Gmünd, von Hohen-Rechberg, Hohen-Neufen, dem Michelsberg u. ſ. w. u. — w. Von
* Ottnar 5. H. Schönhuth,
—— — = » FR > 4 F ge“ ir Stuttgart,
Berlag von Eduard Fifhhhaber.
Vvorwort.
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Wenn je eine Landſchaft unferes deutfhen Va— terlandes das Land der Burgen und Sagen ger nannt werden kann, fo ift es unſer liebes Würt- temberg, das Land der Schwaben mit Den Hohen: lohe'ſchen Landestheilen. Es ift fein Berggipfel, feine nur fleine Höhe, von der nicht eine Ritter: burg oder eine Ruine herabblickt, an deren Grün: dung oder Zerftörung ſich nicht eine anmuthige Sage fnüpfte; wir finden aber auch kaum einen ſchönen romantischen Thalwinfel, aus dem ung nicht die alterthümlichen Gebäude eines Klofterg oder einer Kaßelle entgegenwinken, über deren Entſte— hung ſich in Chroniken oder im Munde des Vol— kes nicht eine Geſchichte erhalten hätte,
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Zwar haben manche unferer Burgen und Klö— fter Schwabens Schon Darfteller gefunden , aber boch fehlte es bis jest an einem Werfe, das eine Zufammenftelung aller Sagen und Geſchichten derfelben enthält, und insbefondere hat eine Ge- gend des Württemberger Landes big jest noch wenige Darfteller erhalten — wir meinen Würt- tembergs Antheil am füdlihen Franfen, Die ſchö— nen Gegenden des Hohenloher Landes. Iſt aber diefer Fleck des Baterlandes niht auch reih an Burgen und Sagen? Wandert dur die reizen- den Thäler deg mittleren Kochers, der Jagst und der Tauber — auch auf ihren Höhen prangen alte Burgen, die der Berheerung ftürmifcher Jahr—⸗ Hunderte widerftanden, und da oder dort fhaut man noch ein Klofter, eine Kirche, oder Kapelle, ‚von denen das Volk Gefhichten und Mährchen zu erzählen weiß. Auch bier ift poetifches Land, auch bier ein Elaffifcher Boden, der einer Dar- ftellung werth ift mit feinen Burgen, Klöſtern, Kirchen und Kapellen.
Dieſes ſein geſammtes Württemberger Vater— land in ſeinen Burgen, Klöſtern, Kirchen und Ka— pellen hat der Verfaſſer zum Gegenſtand ſeiner
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Daxſtellung gewählt; vornämlich will. er alle Sa— gen und Geſchichten zuſammenſtellen, die ſich an dieſe und jene Burgen, Klöſter, Kirchen und Kapellen fnüpfen, wie ſich der Epheu um ihre alten Mauern und Ruinen windet. Als ein bekannter Antiqua— rius an der Tauber, wie an der Jagst und am Kocher, bevorab am herrlichen Bodenfee, hielt er fi) für berechtigt, diefe Arbeit zu unternehmen. Denn wie manchen Hügel und Felsberg hat er evitie- gen und ift auf den Auinen der Burgen geſtan— den, Die fie zieren — in wie mandes Klofter, Kirchlein und Kapelle ift er fehon eingetreten, und. bat auf alten Denfmalen nicht nur Namen, fon- dern auch Gefhichten und Sagen entziffert, oder in Chronifen darüber nachgeſchlagen; wie oft ift er mit lauſchendem Ohre vor einem alten Müt- terlein geftanden, und hat über dieſe oder jene Burg, diefes oder jenes Klofter fih Runden ge— fammelt, und Gefdhichten und Mährchen fi er- zählen Yaffen. Was er auf diefe oder jene Weite gefunden und gefammelt, fol in diefem feit Jah— ren vorbereiteten Werfe feinen lieben Landsleuten, den Schwaben wie den Franken, den Altwürt- tembergern wie den Hobenlohern, zu Luft und
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Lieb, zur Kurzweil, aber mitunter auch zur Ber lehrung, in gewiß anfprechender Weife befchrieben und erzählt werben.
Da die Preußiſch-Hohenzollern'ſchen Lande durch ihre Lage und Schidfale bisher in fo mannigfacher Beziehung zu Württemberg geftanden, fo haben wir auch diefe an Gefchichten und Sagen fo reiche Landſchaft in den Kreis unfrer Darftellung gezogen. Wir werden auch ihnen, den freundlichen Nachbarn von Hohenzollern, die mit uns durch Sprade und Sitte ſo innig verwandt find, ihre Burgen, Klöfter und Kapellen mit ihren fchönen Kunden der Borzeit vorführen, und ihnen ihre vaterländifchen Denfmale aufs Neue lieb und werth machen.
Möge vorliegender erfter Band eine freund: fihe Aufnahme bei Allen finden, die für ihr Hei: mathland, feine Gefchichten und Sagen begeiftert find, und Zeugniß geben, daß der Herausgeber erfüllt, was er verfprocen.
Ottmar F. H. Schönhuth, Pfarrer zu Edelfingen,
Inhalt.
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Burg Horneck am Necar . Suge vom Minneberg h Die fehlimme Barbara von Foerne > Das Klofter auf dem Eugelsberg Die Nonne auf dem Engelsberg —— Burg Neuhaus bei ARE a Der weiße Hirſch . . ? Der Michelsberg am Medar . Der heivnifhe Jüngling und die örifiche ungfrau Burg Laufen am Necdar . . Die heilige Hegiswindis Klofter Hirfan - Die Suge nom Müllerskind im owatzwad Stammburg Wirtemberg Der Wirth am Berge Burg Falkenftein im Schwarzwald Die Suge non dem weißen Falken. . Die Kapelle St. Wendel - Stein. im Saaftthal . - . Der Bau der Steinkapelle i Schloß Magenheim im Zabergän Die Erfiyeinung auf dem Stromberg . Die St, Martinsfirche und * Stift zu Sindelfingen äh Sage von der Gloce . Die Efeldburg 2% Die Suge nom Mädchenfelfen N h Die St. Johanniskirche zu Gmünd Die Sage vom Ringe : ;
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Seite Waldenburg im Hohenlohiſchen —6 Die Waldenburger Faſtnacht im Jahr 1570 . . 170
berggg . nee Der Klopfer zu Mefberg 27.207:
Der Geiſt auf Staufen . . 189 Langenburg und Katenftein an der Iagft 191 Die Sage vom Dreißigſten . . ; 196
Burg und Stift Beutelfpach u ee Der Schte von Beutelfpah . 2» 0 won .n nn 222 Munine Zangenargen am Bodenfee . - .- 245 Der Graf non Mantfort 2-00 seta 51246 Hohen-Neufen . . an Die Suge von dem edlen Beinen an dem Herrn Nous eNden 6 a — EN Mohentaryten . . unesns + ware
Die Suge vom Roßfprung . 284 ehren und das ‚ehemalige Siofter Hofen . . 315 Die treue Wendilgard ara: muyänıı "Des Lebens Schuld und Sühne . 332 Stift Comburg und — bei Halt. 345 Der Rechberger . - —— — vom Jäger Euornle a a ——— Der Buſſen . . ee Von ver frommen Kaiferin Hildegard ec «2 ee‘ Klofter Marienberg . . 2 6 Die Rinder von Altenburg . . 2 ———
Die Wurmlinger Kapelle bei Tübingen . „412 Graf Anfelm von Calw und die — or 418 Der Alte vom Berge . —** 427
Ruine Geyersburg bei Hall. ER ©) Die Gründung der Geyersburg. 445 Die warnende Ahnfrau ver Geyersburg ... 0 497
1: Burg Horneck a. Meckar,
ehemaliger Sig des deutſchen Ordens.
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Nur einen kleinen Antheil hat Württemberg an je— ner Strecke des Neckars, in der Hügel an Hügel, Berge an Berge ſich reihen, geſchmückt mit ſagenreichen Burgen und Kapellen. Nur eine einzige Burg iſt es, der wir auf dieſem Flecke begegnen, und die gleichſam den Reigen der Burgen führt, "die am rechten Ufer des Neckars liegen — es ift die Hiftorifch- merkwürdige, Burg Horneck, welche fich über dem fchon unter’ Carl dem Großen als villa Gundolfesheim befannten Städt- chen Gundelsheim erhebt. Cie liegt. auf einem an den Neckar weit vorlaufenden fteilen Kalkſteinfelſen mit Schöner Ausficht. Leider haben wir feine aus der älteften Zeit ftammende Burg vor und, fondern ein. Herrenhaus aus dem L6ten Jahrhundert. Mitten aus dem neuen Gebäude erhebt fich ein vierecfigter Thurm (Berchfried), genannt Treppentburn, deſſen Wendeltreppe in das neuere Schloß führt. Diefer, fo wie zwei in dem untern Hofraum der Burg rechter Hand vom Eingang ftehenden Gebäude von: düſterem Ausſehen gehören möch der alten Burg an, Auch die mit Epheu über—
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zogenen Vorwerke der Burg mit ihren Thürmchen, in deren einem noch ein fchauerliches Verließ jich findet, ffammen noch aus alter Zeit. Vom unten liegenden Städtchen Gundelsheim aus ift Die Burg leicht zu be- fteigen, nicht jo von der Landſtraße aus, da fie auf faft fenfrecht emporfteigenden Kalffelfen ruht. Von der nördlichen Seite aus hat Schloß Horneck ein noch dro— benderes Ausſehen, indem fich bier eine tiefe Schlucht den Berg binanzieht. — 2
Conrad v. Horneck, ein Ritter von altem Gefchlechte, ° das fehr begütert in dieſer Gegend geweſen, foll in der eriten Hälfte des 13ten Jahrhunderts Die Burg erbaut haben. Don ihm ging ſie an den deutſchen Orden über. Wie das geſchah, ‚darüber berichtet ‚ein altes, jeiner Inschrift nad) ums Jahr 1464 gefertigtes Del» gemälde, welches neben einer Jungfrau Maria und der Abbildung des alten Schloffes Die Uebergabe Der Bes figung ‘an den deutſchen Orden durch Herrn Conrad ». Horneck Darftellt. Die Legende des Bildes lautet aljo:
„Da man zalt von der Geburt: unfer& Herrn 1250 Jahr da faß ein edel freyman hie zu hornegg, der hieß berr Konrad von hornegg und hat 3 Kindt, der war eins ein Tochter und zween füne. Da demſelben edel freyman jein Fraw geftarb, da gab ihm Got Die Ge- nadt, Daß er fich begeben wollt, mit feinen. findern und gabe die Dochter in das Klofter zu Billigheim und gab da fich felber und feinen Sohn der Jungfrau. Maria und dem deutſchen Orden. Der Kinder eines, Wernher von Kornegg, war lahm. Opferte herr Conrad fich felber
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and das Schloß Hornegg und alles Gut, das er hatte Gott, unferer framen und dem Orden, und do er das lahm Kind auf den Altar gefegt, als er vor nie ge= tban hatte, da thatte Got das Zaychen und machte es alfo gefund als fein ander Menfch an all feinem Leib. Da nam do der vorgenannt Bruder Conrad von hor— negg den ein Sohn mit ime und fuhr über Meer und mar do alfo lang bis das derfelb fon geftorben, da kam er bier wieder zu hornegg und bleyb do alfo lang, bis Das Gott ime gaß ein gut felige ende feines Lebens an dem nechiten Tag nach St. Raurenzen tag und ligt begraben bie zu hornegg in dem fohr vor dem Altar. Danach lebt fein ander fune, Bruder Wörnder, den do Got gejund macht, manich Iare in eine gute beylige und vollkommende Leben und war alfo beyliges Lebens, Das sich alles Das befjert feines Lebens das in gefach, und ftarbe, do man zalt von der geburt unferes herrn Jeſu Chriſti Dreizehnhundert und fechs Jar, an St. Dionifti tag und liget auch allhier zu hornegg im kohr, begraben vor dem Altar und Bruder Conrads Gebein feines Vaters bei ihme. Den und uns allen Gott - genad. Amen.“
Zu dieſer Schenkung gefellten fich bald mehrere von umliegenden del, fo daß Burg Horneck bald zum Sit einer Commende wurde, denn ſchon i. 3. 1274 ver: faufte Bruder Werner, Commenthur auf Horneck, meb: rere Einfünfte in Edigheim und Oppau an das Klo= fter Schönau. Schon in der erften Hälfte Des 14ten Sahrhundert3 war die Commende fo bedeutend, Daß
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ſogar die Deutſchmeiſter auf dieſer herrlich gelegenen Neckarburg ihren Aufenthalt wählten. Eberhard von Seinsheim, Meiſter Deutſchordens von 1420—1443, wohnte und ſtarb zu Horneck, wo er in der Burgka— pelle begraben liegt. Nach ihm hielt ſich der Deutſch— meifter Eberhard von Stetten, aber nur furze Zeit, hier auf. Der wichtigjte Bewohner der Burg war Joſt von Denningen, Deutſchmeiſter und Rath Friedrich Des Siegreichen von der Pfalz, der fich gar oft in Streit- jachen feiner als eines Vermittlers bediente. Auch er ftarb zu Horneck und murde daſelbſt begraben. "Unter ihm wurde Horneck einer der Kauptfige des Ordens in deutſchen Landen. Auf ihr lebten und ftarben hin— tereinander Die Meifter Ulrich von Lentersheim, An— drea von Grumbach, Hartmann von Stockheim, Jo— hann Adelman von Adelmannzfelden, deren Grabmale in der noch wohl erhaltenen Burgfapelle zu fehen find. Unter den Deutfchmeifter Dietrich von Cleen war die Kanzlei und das Archiv des Ordens auf Horneck, ſei— nem Lieblingswohnſitz. Das anziehende Banerndeer veranlaßte ihn im 3. 1525, von hier aus mit allen jeinen Kleinodien nach Heidelberg zu flüchten, und Die Ordensburg Kornef ihrem Schickſal zu überlaffen. Darüber gerade, daß fie den Vogel mit all feinen Schä— Ben ausgeflogen fahen, und fie menig mehr fürs Ki- ſtenfegen und Seckelleeren fanden, ergrimmten fte jo ſehr, daß fie das Schloß anzündeten und abbrannten. Den alten gleichzeitigen Bericht hierüber finden wir in fol- gender alter Infchrift auf dem Treppentburm.
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Anno domini 1525 unter Regierung Herrn Dies terich son Eleen.
„Von Dftermondag den 17. Dags Aprillis bis uf * Sondag Exaudi zu rechnen an blibe das Schloß aus Forcht der Bauern Grimmikeit ganz öde und on ein Haupt verlaffen ftan. Am Sondag nach Oſtern wurde es von dem Hauffen der Bauern geblündert und genommen; un an Freidag nach quasimodoge- niti den 5. Dags Mait Durch vierzehn dazu verord- nethe von Bauern zu Boden verbrennt. Die Schloß Stocksbergk, Sulme, Dalaw desgleichen geblündert, zerrifen und abgebrochen, Schewerbergf jchon erbaut fampt SHeuchlen wurden auch ald darvor verbrenth. Darnac) umb den Sondag Exaudi name der Bawern Wüthen mit Blutvergiffen ein ende.
Bald nad) dem Banernfrieg wurde das Schloß Horneck wieder aufgebaut: mwahrfcheinlich von den Jahren 1529 bis 1533, denn Diefe Zahlen finden fich auf einzel- nen Steinen. Es geſchah unter dem Deutjchmeifter Walter von Cronberg, der zugleich als Adminiftrator des Hochmeifteramts in allen Landen des Ordens ein— gejegt war. Weil Diefer die Stadt Mergentheim zu feinem MWohnfig wählte, fo war Horneck von nun an nur der Sit eines Commenthurs. Als das Schloß mit Gundeleheim an die Krone Württemberg kam, war es bald Kaferne, bald Speicher, bald Lazareth. Später wurde es zu einem Amtsfig eingerichtet. End» lich, als es ſchon zum Abbruch beftimmt werben follte, faufte es ein deutſcher Kaufmann in Moskau un
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8000 fl.; von dem ging es an den jekigen Befiber, Kaufmann Sandel von Sall über, der Das herabge— fommene Gebäude, in dem fich noch manche Spuren alter Pracht finden, wieder wohnlich bergefiellt hat. In der reftaurirten Kapelle wird feit neuerer Zeit für die Evangelifchen der Umgegend Gottesdienft gehalten.
Von der Burg Sornef, deren Gefchichte wir im Ueberblick gegeben, gingen mehrere unter fich nahe ver— wandte Gejchlechter aus, die fich nach ihr nannten. Dem älteften gehörte‘ Der fchon genannte Conrad mit jeinen Kindern an, der noch einen Bruder Namens Merner hatte, welcher fehr reich geweſen ſeyn muß, denn er fliftete 4 Präbenden als Probft zu Wimpfen. Vielleicht war auch jene Mechtild von Horneck, Die im Stift zu Wimpfen eine Jahrzert hatte, won dieſem Stamme Mit ihn eng verwandt war das Gefchlecht der Hornecke von Hornberg, Das wohl nach Mebergabe der Burg an den deutichen Orden feinen Wohnſitz auf der nahen Burg Sornberg nahm, umd bis in Die jpätefte Zeit blühte. Zu diefem Gejchlecht gehörte jene Minna von Sorned, welche in der Lieblichen
Sage vom Minneberg
verherrlicht iſt. Füglich ziehen wir fie in unfern Bes reich, ob fie gleich mehr auf dem Hornberg gegenüber von Horneck und weiter unten am linfen Ufer Des Neckars auf der Burg Minneberg ihren Echauplaß hat.
Auf der Burg Hornberg, wo einft die heilige Note
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burga in ihrem ftillen Kämmerlein: zwifchen der. Welt und ihrem Glauben fchwanfte, wohnte lange nad) ihr auch eine Zierde ihres Gefchlechts, Minna von Horneck. Ein Graf von Dilsberg, reich und angefehen vor allen Nittern jener Gegend, warb um des Mägdleins Hand, und nicht vermochte Minnas DBater , einen ſo angefe- benen Eidam auszufchlagen.
Aber Minna's Serz und Liebe gehörten längft dem Nitter Edelmuth von Neckarfteinach, Der zwar arm an Gütern, aber deſto reicher an männlicher Tugend war. Einft hatte ihn ein fröhliches Turnier auf die Burg gerufen, und- die Jungfrau, welche ihm den: Sieges— preis: gereicht, hatte fein Derz gewonnen. Des Nitters Schönheit und wortreffliche Eigenfchaften verichafften ihm bald Gegenliebe. Doch der Liebe Glück war von furzer Dauer. Denn auch in Diefes einſame Thal drang der Ruf zur Eroberung des heiligen Grabes, und Ritter Edelmuth fäumte nicht, ,. ihm zu folgen. Minna's Bater war dieß erwünfcht: er mollte den Ges liebten feiner Tochter entfernen (hatte er Doch: bereits einem Andern ihre Sand zugefagt) und beſtärkte Edel— muthen noch durch Das gleißnerifche Berfprechen in feinen Vorſatze: ihm, komme er als Sieger zurüch Minna zur Gattin zu geben.
Echmerzlich; war die Trennung der beiden Liebenden. Zange fieht Dinna vom Söller der Burg trauernd ih- rem Geliebten nach, wie er, deſſen edle Geftalt inmit- ten der ganzen Pilgerſchaar hervorragt, den ——— ab⸗ wärts ſchifft.
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Fahre vergingen — der Thaten viele vollbrachte Edelmuth, und fchon war er feines Gelübdes ledig, und nur die Ehre hielt ihn zurüf, da des Kampfes noch fein Ende, als er in einer heißen Schlacht, abe: gefchnitten von den Seinen, in Veindes Hände gerieth.
Diefer, ergrimmt ob der ausgezeichneten Kriegstha— ten des Helden, welche Schaaren von Ungläubigen den Tod gebracht hatten, warf ihn in eine Höhle, einft Der Aufenthalt wilder Thiere. Zwei Tage verlebte ex bier ohne die mindefte Nahrung ; am dritten endlich erblickte er oben am der einzigen Deffnung, welche fein Kerfer hatte, ein liebliches Geficht ; eine .fehöne Hand warf ihm drei Pfirfiche hinab, und eine zarte Stimme rief, inden zugleich ein Seil von oben heraßgleitete: „Zwei Diener harren meines Winkes, darum komm und folge mir in jene ftillen Thäler, wo wir uns ungeftört der Liebe freuen fünnen.” |
Aber: der Ritter antwortete: „Nur in meiner Hei— math werd’ ich Liebe finden; Doch denkſt du edel, fo rette mich.’ — „Nur Liebe kann dich retten,‘ entgeg- - nete Die Stimme, „nur in meinen Armen: wirft du. Freibeit finden.“ — „Nur wer Treue übt,” antwortete Edelmuth, „ist wahrhaft frei; und ſo wahr ich ein Ritter bin, werde ich mein Gelübde nicht brechen. — Da verſchwand die rettende Erjcheinung, und tiefe Sehn— jucht ergriff den Gefangenen nach feiner Geliebten.
Auch Diefe hatte unterdeſſen ſchwere Kämpfe zu bes ftehen, doch wanfte ihre Treue gegen ihren: Erforenen nicht. Als endlich die flehentlichften Bitten über ihren
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harten Vater nichts vermochten, und er fie zur Ver— mählung mit den Grafen von Diläberg zwingen wollte, entfloh Minna aus der väterlichen Burg, von einer getreuen Zofe begleitet.
Sie beftiegen einen Nachen, und fuhren, im Dunfel der Nacht, den Strom hinab. Gegen Morgen famen jie an den fchroffen Abhang eines Berges, deſſen Gipfel von uralten Eichen bedeckt war. Sie landeten, um bier einen Zufluchtsort zu fuchen, und gaben den Nachen den Wellen Breis. Durch das dichtefte Gebüfch ftiegen die zarten Frauen den Felſen binan, nicht ohne große: Mühe, bis fie eine Höhle entdeckten, worin Minna, bis zur Rückkehr ihres Ritters, mit ihrer Zofe zu wohnen bejchloß.
Aber fiebenmal Eehrte der Frühling, nur der Geliebte nicht. Da endlich brach der Jungfrau Herz in unge filter Sehnfucht. — Die treue Zofe benegte die Leiche ihrer Herrin mit beißen Thränen. Plötzlich vernahm fie eine Stimme Hinter fich, und ala fie fich ummanbdte, ftand Ritter Edelmuth in lichtem Waffenſchmucke vor ihr. Er hatte ſeine Minna auf der Burg geſucht, und als er dort niemanden, als den trauernden und reuigen Vater fand, ſo ſchwur er, er wolle ſeine Waffen nicht eher ablegen, bis er die Verlorene gefunden. Viele Tage ſchon hatte er den Wald durchirrt, bis ihn fein treuer Dund auf den rechten Pfad führte. Allenthalben verfündeten feines Namens Zeichen, von Minna in Die Bäume eingegraben, ihm die Nähe der Geliebten. So gelangte ev endlich an den Eingang der Höhle.
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Auf einem Moosbette lag entfeelt die Geliebte, noch im Tode jchön wie ein Engel. Ein ungeheurer Schmerz machte den Ritter beinahe felbft zur Leiche. Zur Bes finnung zurückgekehrt, erfüllten feine Klagen die Wälder, und jo oft er die Stelle wieder fand, wo feine Minna jhon im fühlen Grabe rubte, rannen feine Thränen heißer. - Als einft die Abendfonne freundlich den Hügel beichien, warf Edelmuth, wie geftärft von oben, fich auf feine Kniee nieder, und dankte Gott, daß er ihn bieher geführt habe, um noch einmal das Bild fchauen zu können, das er fo lange in feinem Herzen getragen. Und als fein Schmerz ftiller geworden war,’ baute er zum. ewigen Denfmal feiner Liebe an dieſer Stätte eine Burg, und nannte fie Deinneberg, In der Velfen- höhle aber, in welcher er Minna's Grab bereitet hatte, fügte er indie Mauer des Hundes Bild, der ihn hieher geführt.
Hier brachte Edelmuth den Neft feiner Tage zu; täglich wandelte er, angethan mit dem Waffenkleide, in welchem feine verblichene Geliebte fih ihn ftets dachte, durch den Forft, und wenn er an einen Baume feinen Namen, von Minna's Hand eingegraben fand, fo fchrieb er den ihrigen darunter. Schon lag der Roſt auf feinem PBanzerfleide, fein Angeficht ward bleich, und feine fräftige Gejtalt begann zu welfen —
Bis endlich er, von Alter grau,
In ſchwarzem Waffenfleid fich niederlegt, Und nun zum Iegtenmal die Hände faltet, Auffiehend au der hohen Liebesmacht,
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Daß fie in ewiger Bereinigung Den Herzen, die einander nur gelebt, Die ird'ſche Liebestreue Tohnen möge.
Die Burg, von Menfchenhänden einft erbaut,
Sf num von Menfchenhand zerftöret au;
Ein Denfmal ew’ger Liebestreue, die,
Ob Mauern brechen, Schlöffer niederfinfen —
Selbft unzerftörbar, eine fih’re Burg,
Aufragt aus edler Herzen feftem Grund. Cari Jäger.
Der Sage von der edlen Minna von Horneck reihen wir füglich noch an die Geſchichte von der
ſchlimmen Barbara v. Horneck,
wie wir ſie einer alten glaubwürdigen Chronik ent— nommen.
Zu Anfang des 15. Jahrhunderts zog Herr Ni— klas von Dilsperg von ſeiner Burg am Neckar in das gelobte Land, um manche Sünde, ſo hieß es, abzu— büßen, die er an ſeiner erſten Hausfrau, einer Gertraud von Ehrenberg, begangen. Hätte das auch daheim thun können, denn er hatte feine ehmalige Buhlin, genannt Barbara von Horneck, geehligt, welche von fo böfer Gemüthsart war, daß er mit ihre ſchon eine Kölle auf Erden hatte. Zuvor war fie freilich fromm gewefen,
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wie ein Lamm, aber 8 Tage nach der Hochzeit ftreifte fie das Lammfell von ihr, und ein leibhaftiger Wolf kam zu Tage.
Nun hatte Herr Niklas v. Dilsperg 2 Kinder von der erften Ehe, Die er, mohl nur, um fich ferner zu verfündigen, der böfen Stiefmutter überließ. Diefe aber hatte einen ſchon in früherer Zeit mit dem Ritter er— zeugten boshaften Cohn, welchem ſie gar gern Die ſchöne Herrfchaft Dilsperg zugemendet hätte. Die Kine der ihrer Vorgängerin hielt fie natürlich gar übel, und war gegen fie eine Stiefmutter im eigentlichen Ginne des Morts. Eines Tags begegneten die beiden Kinder — fie biefen Dtto und Elsbeth — einem Bruder Car— thäufer, der noch die Thränen in ihren Augen fah, welche fie eben geweint hatten. Da fprach er ihnen Troft ein, und ſchloß alfo feine Nede: fo und das Daterhaus verläugnet, fo tröftet und nähret uns der liebe Gott ſelbſt in der Wildniß. Obgleich der fiebenjährige Dtto diefe Nede nicht recht verftand, fo grübelte er doch in feiner Meife Darüber nach, und fprach zu feinem Schweſterlein, als fie einmal wieder gar arg von Der böfen Stiefmutter geplagt wurden: lieb Elslein, feit die Mutter todt ift, haben wir Feine gute Stunde mehr — reißt Du, was? wir wollen in die Wildniß geben und den lieben Gott fuchen, daß er und tröfte und ernähre, wie der fromme Bruder gefagt hat. Deſſen war Elöbeth zufrieden ; fie nahm ihr Hütlein von der Wand und hing es über den Naden, nahm in die Linfe ihre liebe Urfel, das war ihre Eleine Dode, die Rechte
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gab fte dem Brüderlein, und fprach: wo du bingeheit, da will ich auch hingehen ; und nun lief fie fort, mit dem Bruder in den nahen Wald hinein. Sie gingen von Morgens bis Abends immer zu, und als fte hung— rig waren, fuchten fie Waldbeeren aller Art, mit denen fie den Hunger nothdürftig flillten ; ihren Durjt Löjchten fie an einem frifchen Wafferquell. Als es aber Nacht wurde, da fingen beide Kinder an zu meinen, jedoch während des Weinens fchliefen fie ein, und erwachten erft, als die Sonne über ihre blühenden Gefichtlein ſchien. Sie ftanden auf und gingen dann immer weiter und weiter in das Dickicht, und mußten fih manchmal mühſam hindurchwinden. Schon waren fie 2 Tage im Walde herumgeirrt, da vernahmen fie den Ton von Jagdhörnern; fie ftanden ängftlicy hin und laufchten, wußten aber nicht, ob fie Furcht oder Freude darüber baben jollten. Da war e8 ein Ritter, genannt Eitel— wolf von Zwingenberg, der mit ftattlichen Jagdgefolge daher ritt. Als Derjelbe die Kinder wahrnahm, fo be fragte er fie: woher fommt ihr und wohin wollet ihr, ihr lieben Kinder? Treuherzig erzählte Otto von der böfen Stiefmutter, und wie ihn die Mede Des Bruder Carthäuſer beftimmt hätte, mit Elsbeth Davon zu laufen und den lieben Gott in der Wildniß aufzufuchen. Den Nitter und feine Jagdgenofjen rührte gar fehr die Ver— laffenheit ver Kinder und ihr Vertrauen auf Gottes Hülfe; Eitelwolf fprach : ihr wiffet, lieben Freunde und Nachbarn, Daß meine Ehe nicht gefegnet ward mit Sins dern, Darum Däucht mir, der Kerr fende mir Diefe, daß
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von mir und von meiner Hausfrau die Trauer, und aus meiner Burg die düstere Stille weiche — ſo will ich diefer verlafjenen Kindlein Vater ſeyn. Nun nahm er felbit die Eleine Elsbeth auf fein Roß, fein Knappe den Otto, und fo ritten alle wohlgemuth nach Haufe, mo Hildegarde, des Ritters Hausfrau, den Gemahl und- Kinder mit großen Freuden empfing — und fie bielt die beiden Kinder von nun an gar wohl in mütterlicher Sorge.
Als die böfe Stiefmutter auf Dilsperg erfuhr, wo die beiden Kinder fich befanden , begehrte fie fie, aber Eitelwolf von Zwingenberg verweigerte und ſprach alfo : dem Vater, fo er wiederkehrt, will ich Die Kinder zurücfgeben, aber fein Andrer foll fie empfahen,, und follt es felbft der Kaifer feyn. Frau Barbara klagte nun den Ritter an, mo fie nur fonnte, aber er er- wehrte fich mit aller Macht des böfen Weibes, denn die Kinder waren ihm und feiner Hausfrau mit jeden Tag lieber geworden, und war von Niemanden ein Spruch gefällt worden, wornad er feine Bfleglinge außliefern follte,
Bereits waren 3 Jahre vergangen, Dito hatte jich geübt in aller Ritterſchaft, und Elsbeth war fleißig bei Spindel und Webftuhl. Da Fam aus Dem heil. Lande ein Bilger, der brachte der böfen Stiefmutter auf Dilsperg Die Botfchaft, daß ihr Eheherr Niklas vor mehreren Jahren Dort Todes vYerfchieden, und ver— ordnet babe, daß fein Leichnam in der Gruft feiner Väter beftattet werden möge. Frau Barbara that nad
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dem Testen Willen ihres Gemahls ; als aber das ge jchehen, fo erhub fie aufs Neue ihre Klage gegen ib- ren Eitelmwolf und rief den Pilger zum Zeugen auf, wie es der legte Wille ihres Gemahls geweſen, daß die beiden Kinder der GStiefmutter verbleiben follen. * Aber Eitelwolf beharrte auf ſeiner Weigerung, um ſo mehr, als aus dem Stiefbruder der Kinder ein böſer Geſell geworden war, in deſſen Nähe für Otto und Elsbeth Gefahr zu befürchten war. Ja, nicht nur weigerte er ſich, die Kinder herauszugeben, ſondern er forderte nunmehr dringend, daß Otto als Herr ſeiner Erbgüter anerkannt und in ſeinem Beſitz geſchirmt werde, ja er ſtiftete ſogar ein Bündniß mit ſeinen Nachbarn und Freunden, daß fie ihm in ehrlicher Fehde wollten beifteben, fo ein reifiger Zug noth thäte. Darob ges riethen Frau Barbara und ihr Sohn in arge Wuth, und verfammelten um jich eine große Schaar Söld— linge, fo viel fie nur werben mochten, denn fie ge dachten, auf ihren ungerechten Anfprüchen feft zu ver- harren. In denfelben geiten, am 7. Sevt. 1414, auf der Rückkehr von feiner Krönung zu Aachen, Hielt Kaifer Sigismund feinen Einzug zu Heidelberg und ward gar feierlich empfangen. Alles Volk ftrömte hinaus ‚' Die Altbürger der Stadt, Die Lehrer der Hochfchule und die gefammte Klerifei zogen ihm entgegen mit brennenden Kerzen, und begrüßten den Kaifer unter Abfingung von Palmen. Siehe da! mitten in dieſer Teftlichkeit drängte fich eine Frau zu dem Kaifer und fehrie: ſchaf—
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fet Gerechtigfeit, Kerr Kaiſer, einer bedrängten Wittik. Es war Frau Barbara von Dilöperg, die alsbald von den Umftehenden zurückgehalten wurde, alſo, daß ſie im Zorn von innerem Gift ſchäumte. Aber der Kaifer ollte ſie hören; und nachdem er die Wittib, anderer Sic auch Zeugen gegen fie vernommen hatte, be te ev feinen Kanzler und Rath Eberhard zum Aus— trag der Sache in jo weit, daß er ihm Bericht erftatte nach Anhörung des Einen wie des Andern. Als Sol— ches gefcheben, ließ er vermelden, er wolle auf feinem Meg gen Cojtnis felbft nach Dilsperg kommen, den Handel zu ſchlichten, befahl zugleich, Daß alle Theile fich alldort geftellen follten. Dann am 10. Septem— ber hielt er mit einem ftattlichen Gefolge von Kerren und Reiſigen Einfehr auf Dilsperg, und als Alle bei- jammen waren im Burghof, sprach der Kaiſer alfo zu der Wittib: Frau, in eurer Sache gab euch Lieb' allein das Reicht, weil ihr aber Die Liebe bier verläugnet habt, fo dürft ihr niemals ein Recht beanfpruchen. Sinte— “mal ihr nun gar haffet, wo Liebe Pflicht war, jo ver- fielet ihr in eine Schuld, die euer Gewiſſen ftrafen mag. Ich aber entfcheide nun, wie ich’ vor Gott zu vers antworten gedenfe: Die Kinder bleiben Denen, die ihr Herz gewonnen; die Güter gehören ihnen und jollen ihnen gehören — ich beftätige dem Eitelwolf v. Zwin— genberg und feiner Hausfrau die mwohlermorbenen Ele ternrechte, Die weder ich, noch ein Anderer ihnen ftreitig. machen, bin auch ficher, Ritter Eitelmolf werde die Wittib des Niklas von Dilsperg nicht Mangel leiden
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faffen, vielmehr alsbald mit Eberhard Winde berathen und beftimmen, was euch als fefter Sig, fo wie euch und euren Sohn zu des Leibes Noth und Pflege ger F bühre. Das Erbe der Kinder aber fey noch in Ne Stunde und bevor ich von Dannen ziehe, an Rit — Eitelwolf unter Landesbürgſchaft und Kaiſers Sch übergeben. |
Sp ward der Streit um die Kinder erledigt ur, den Spruch des Kaifers, den Iedermänniglich mit lau- tem Jauchzen aufgenommen. Der Diefed berichtet, Eber- hard Winde, feßt Hinzu: ift auch männiglich bekun— det, Daß Kaifer Sigismund ein grumdbiedrer Herzmann und Fürſt war, hätt’ auch gern überall Fried' und Ge— rechtigkeit gefehen, nur mochte er felten der Dienftmil- ligen Hülfe gehaben.
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Das Klofter auf dem Engelsberg bei Markelsheim a. d. Zauber.
Wer Fennt nicht den herrlichen Taubergrund und den föftlichen Feuertranf, der auf feinen Nebhügeln wächst ? Wenn je ein Gewächs des Weinftocds den Namen Nek- tar verdient, fo ift e8 der Wein von der Tauber, den er über feinen Bruder, den Neckarwein, ftellen. Be—
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jonderd aber ift e3 jener Mein, der auf den fteilen Bergen zwifchen Weikersheim und Mergentheim wächst, namentlich über dem ftattlichen Flecken Marfelsheim, von welhem Drte der feinfte Tauberwein den Namen
u Markelöheimer” führt.
Fine nicht nur der Schmeder feiner Weine findet ‚bier, was fein Herz befriedigt, fondern auch der Freund alter Geichichten und Sagen, die fih an die Mauren der Klöfter wie der Burgen anfnüpfen.
Auf jener Anhöhe bei Marfelsheim, Die man den ein nennt, ftand vor Zeiten ein Frauen— Hofter, welches für adelige wie bürgerliche Frauen ges Fliftet war, und die Dynaften von Hohenlohe zu Schirm— vögten hatte. Vom früheren Klofter find nur noch Reſte der Umfangsmauer übrig, dann ein fehöner hoher Thurm “von gotbifcher Bauart (aus dem XV. Jahrhundert) und eine Eleine Kirche oder Kapelle, welche wohl noch aus älterer Zeit ſtammt, wenn fie aud) in unfern Tas
-. gen wieder hergeftellt wurde und mannigfache Aenderuns
gen, erlitten hat. Schon im Jahr 1408 Fam das Klö- ferlein auf dem Engelöberg etwas in Abnahme, Doch im leidigen Bauernfriege im Jahr 1525 erhielt e8 Den empfindlichjten Stoß, und Fam nie mehr in Aufnahme. Aus diefer Zeit des Baurenkriegs hat fich eine Sage erhalten, welche uns belehrt, wie die Anhöhe, auf der das Klofter geftanden, den Namen Engelöberg erhalten. Diefe Sage hat in neuerer Zeit einige Begründung ges funden, wenn wir fo fagen dürfen; als nemlich, in Folge einer Repakatur, vor dem Altare der Kirche ge—
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graben wurde, da fand man das volltändige Gerippe einer Nonne, an deren Kopf noch goldgelbe Haare zu erfennen waren. Könnten das nicht Reſte Der feligen Frau Himmeltrud gemwefen feyn, von der wir fofort erzählen wollen, mas uns durch) die Sage aus Es Munde des Volls fund geworden m
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Die Nonne auf dem Engelsberg.
Eine traurige Zeit kam über das Kloſter auf dem En— gelsberg, als die aufrühreriſchen Bauern nach Oſtern des J. 1525 ſengend und brennend durch das Tauberthal zo— gen. Das ſtattliche Kloſter Scheftersheim wurde von den— ſelben rein ausgeplündert und zum Abſchied noch verbrannt. Kein beſſeres Loos durfte das Kloſter zu Markelsheim erwarten. Aber die geiſtlichen Frauen wurden noch zu guter Stunde davon benachrichtigt und rüſteten ſich zur Flucht, ehe noch der wilde Schwarm im Dorfe Mar— kelsheim erſchien. Nur die Melfterin des A Frau Himmeltrud, wollte zurück: bleiben, denn ſie hielt ed für Sünde vor Gott, aus Burcht vor Leiden und. Trübfalen Die Stätte zu verlaffen, wo fie vor dem An⸗ geſicht des Ewigen das Gelübde abgelegt hatte, nicht nur der Welt zu entſagen, ſondern auch Mangel und Armuth und alle Noth des Lebens geduldig zu ertras gen. Sie ‚blieb feſt bei: “ihren "Entfehluffe, obgleich die“ übrigen ‚Schweftern fie befchworen , mit ihnen zu fliee hen. Weinend nahmen Die geiftlichen Frauen. Abfchteb
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von ihrer geliebten Meifterin, führten mit fich die Kofl- barfeiten des Klofters, und was zum gottesdienftlichen Gebrauch in die Kirche gehörte, und flüchteten: fich nach Mergentheim. Sobald die geiftlichen Frauen: das Klo— fter verlafien hatten, verriegelte Frau Himmeltrud das Klofter von Außen: und Innen, Damit es Dem erſten Angriff der Raub-Horden widerftehen könnte. — Noch fein Tag war vorüber, fo ftanden die Schaaren der Bauern ſchon in Markelsheim — bereits von Schef- tersheim aus, wo fie fich einige Zeit gelagert hatten, um in ihrem Raube zu fchmelgen und. zum Verderben der Gegend Rathsverfammlungen zu halten, hatten fie mit den Bürgern zu Marfelsheim unterhandelt , "und längft hatten fich Viele an die Aufrührer angefchlofjen. Markelsheim felbft hatte alfo Nichts zu befürchten, deſto mehr aber die :geiftliche Claufur auf der Höhe. Auf die richteten Die Aufrührer nun ihr ganzes Abfehen ; fie beftürmten gleich nach ihrer Ankunft das Kloſter, und redlich halfen dabei Manche aus Markelsheim felbft, die-längft die Nonnen auf dem Berge haften, weil der eine oder der andere eine Gült von feinem Feldſtück oder ein Faftnachtshuhn in das Klofter zu liefern hatte. — So kräftig die Bauern an die Pforte anrannten, fie richteten wenig aus, denn Die gewaltigen Riegel widerflanden ihren, Aexten und Kellebarden ; und man— ches Merkzeug wurde ſtumpf an den mit Eifen beſchla— ‚genen eichenen Dielen. Sie hätten vielleicht: noch lange ihre Stöße und Hiebe vergebens: wieberholt, da Fam Einer auf den Einfall, flatt daß man an der Klofters
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thüre Die Aexte und Sellebarden vergebens zerftoße, Die Doch noch für andere Geſchäfte aufzufparen wären, würde es gerathener ſeyn, die Mauern zu überſteigen. Es brachten einige Bürger von Markelsheim die Feuerleitern des Orts herbei, und mit Hülfe dieſer war man bald innerhalb der Kloſtermauern. Nun ging es über das Kloſtergebäude her. Die Hauptthüre wurde eingeſchlagen, dann der Speiſeſaal und die Zellen erbrochen, aber nir— gends fand ſich, was ſie ſuchten. Sie hatten von ihren neuen Genoſſen gehört, daß die Vorſteherin, Frau Him— meltrud, allein noch zurück geblieben ſey. Dieſe nun ſollte ihre Fuhrerin ſeyn zu den verborgenen Schätzen des Klofters, aber dieſe war nirgends zu finden. In ihrer offenen Zelle fanden fie die Schlüffel der Schaffe nerin, melche diefelbe beim Gehen an Frau Himmeltrud übergeben hatte ; neben der Lagerftätte, Die. nur aus wenigen Bettftücken beftand, ftand ein Krüglein, in dem noch wenige Tropfen Waffer waren ; ein kleines Brod lag Darneben, und man fonnte wohl daran feben, daß Eines eben noch ſein Mahl dabei gehalten ‚hatte. Bon den Zellen gingen die Gierigen nach der Speifefammer
und den Keller. In der Speifefanmer waren nur -
Eleine NRefte von Vorrath zu finden. Denn feit man von den Bauern hörte, die wider ihre Herren fich auf- lehnten, waren alle Faſtnachtshühner, und was fonft zum Klofter geliefert murde, audgeblieben ; alfo konn— ten die DVorräthe nur gering feyn. Im Keller aber fanden fich nur einige Fäßlein Wein, den die geiftlichen Frauen aus den Keinen Nebgütern am Klofterberg zu
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erzielen pflegten; das letzte Jahr war der Herbſt nicht ſo reichlich ausgefallen. Dieſer wenige Wein war nun der einzige Raub, den ſie im Kloſter ſelbſt gewannen. Aus Aerger, daß ihre Beute ſo gering ausgefallen war, zerſchlugen ſie nun Alles, was ſie an Geräthen in den Zellen ſo wie in der Küche und im Keller fanden; beſonders die Schränke und Behälter, welche die Frauen ſelbſt vor ihrem Abgang ausgeleert hatten. Jetzt ver— ließen ſie das Kloſtergebäude und gingen auf einen Ort los, der reichere Beute verſprach, auf die Kirche des Kloſters. In dieſe wollten ſie brechen, obgleich mehrere von den Bewohnern des Orts dagegen rie— then; theils waren es ſolche, die es wußten, daß ſie leer wäre von ihren Koſtbarkeiten, da ſie Zeugen da— von waren, wie die geiſtlichen Frauen ſchon ausgeräumt hatten, theild waren e8 Männer von Markelsheim, Die noch fo viel chriftlichen Sinn hatten, es ungerne zu jehen, daß ihre Kirche, in der fie bisher ihre Andacht verrichtet hatten, unter ihren Augen vermüftet und ver— heert würde. Doch der ſchwarze Haufe aus dem oberen Tauberthal ließ fich nicht abhalten ; Die Aexte und Del- lebarden, welche fie eben noch an der Klofterpforte zer» jtoßen hatten, fegten fie auch an das Portal der Kirche an. Aber bier fanden fie ganz anderen Widerftand, als vor dem Thore der Kloftermauer. So oft ein eis fernes Werkzeug, Art oder Morgenjtern, auf den Thür— viegel fiel, prallte es gellend zurüd, oder brach in Stü- fen, wie wenn «8 von Glas geweſen wäre. Bald fahen fie, Daß eine andere Gewalt ihnen Widerſtand
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feiftete, die nicht von Menfchen war. Die Meiften zogen fich zurüdf von den Haufe des Kern — nur Einige der Wildeſten ließen noch nicht nach in ihrer Wuth ; jemebr fie Widerftand gefunden hatten, deſto gieriger wurden ſie nach der Beute, die fie immer noch in der Kirche zu finden hofften. Die Feuerleitern, mit welchen fte über die Mauern geftiegen waren, legten fie nun auch an die Kirche an, aber Keiner von den Marfelsheimern hielt mehr die Leiter, wie zuvor beim Befteigen Der Kloftermauer. Schnell waren einige der Frechen oben, doc, als fie fchon die Hände auftreten, um die runs den ſchön gemalten Feniterfcheiben einzujchlagen, Fam fie ein Schwindel an; fie fielen rücklings von der Lei— ter und wälzten ſich unten im Schmerz, denn Der eine hatte Die Füße, der andere die Arme gebrochen. Mit Schrecken wandten fih nun Alle von dem Öotteshaufe, ‚denn es mußten endlich auch die Roheſten erfennen, daß eine höhere Macht wider fie ftritt und Die Kirche Ihüßte. — Ja es war eine höhere Hand wider fie, denn der Herr hört Die Seinen, die zu ihm flehen in der Noth, und er fehirmt fein Heiligthum wider Die Gott— lofen. Am kleinen Altare der Kirche lag Frau Him— meltrud, die Meifterin des Klofters, auf ven Knieen, und flehte ohne Aufhören, fo lange die Rotte vor der Kirche tobte. Zuvor hatte fie in der Zelle des Klofters zugebracdht, als fie aber hörte, wie Die Tobenden über die Mauer fliegen, da flüchtete fie ſich in Die Kirche durch eine Eleine kaum fichtbare Thüre, die von dem Refektorium in den Chor führte, und warf den Riegel
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vor. Nun trat fie an den Altar, warf fich nieder zum Gebet, und ftand nicht mehr auf, bis fie hörte, Daß fih Die Feinde, auch von dem Heiligthum wandten. Noch nie war ihr Gebet zu Gott fo heiß und flehent- lich geweſen; ſie betete nicht um ihre Errettung, fon- dern um die Erhaltung des Gotteshaufes. Dft zitterte und bebte fie, wenn Die ſchweren Aexte auf Die Thüre fielen, aber fte verzagte nicht; ja fte ließ Die Hoffnung nicht fchmwinden, Daß der Herr ihr Gebet erhören merde, als fie hörte, wie Die Srechen ſchon bis zu den Kir- chenfenftern. heraufitiegen und ihre wilde Stimme ver- nehmbar wurde. Wie fie vertraut hatte, jo wurde auch ihr Gebet erbört — auf einmal murde es ftille um die Kirche ber, und deutlich hatte fie. vernommen, wie die Notten tobend und fluchend abzogen. Jetzt erft richtete fie fih auf, und ging vom Xltare weg der Kirchenthüre zu. Da war es überall ftille gewor— den. Nicht einmal in dem Kloflerhofe war mehr eine Stimme vernehmbar. Die Feinde waren alle den Weg wieder zurück gegangen, den ſie binaufgeftiegen waren. Jetzt erft erflaunte Simmeltrud, wie Großes der Herr an ihr und dem Gotteshaus gethan hatte. Noch einmal warf fie fich vor dem Altar auf die Kniee, und jeßt war es ein heißes Danfgebet, das aus ihrem Herzen emporftieg, aufwärts zu demjenigen, der die Macht der Gottlofen zerfireuet wie Spreu und das Hoffen der Frommen nicht zu Schanden werden läßt, fondern fie erhöret, wenn fie ihn anrufen in der Noth. — Nachdem Himmeltrud
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ıhre Andacht verrichtet hatte, wollte fie die Kirche ver— laffen und fich ing Klofter zurück begeben, denn während Alles dieß geſchah, mar es Abend und zulegt dunkle Nacht geworden. Sie ging auf die Kleine Pforte zu, welche den Chor mit dem Nefeftorium verband, und wollte auffchließen, aber im Dunkel der Nacht fand fte faum Die Stelle, wo fich die Pforte öffnete. Sie ging wieder zurück zum Altar, fegte fich auf die fleinernen Stufen nieder, um zu erwarten, bis fie beim Tages— lichte die Pforte öffnen könnte. Eine fchlaflofe Nacht durchwachte fie: bald quälte fie die Kälte auf Dem falten Steine, bald ein brennender Durft, denn feit der Morgenftunde, da fie aus der Zelle fich geflüchtet hatte, war fein Tropfen Waffer über ihre Lippen gefommen. Wie die erften Lichtftrahlen, wohl erft fpät, Durch Die Eleinen Fenfterfcheiben der Kirche fielen, da eilte fie auf die Pforte zu. Aber welch ein Schredfen! das Schloß war vorgefallen, und es war feine Möglichkeit vor— handen, es von innen zu Öffnen. Sie verſuchte es lange, aber es war vergebens ; da begab jte fich zu der eigentlichen Kirchenpforte, aber dieſe hatte ſie, ehe die Bauern in Markelsheim erfchtenen, oben ber mit einer ftarfen eifernen Stange noch zur Vorſorge ver: wahren laffen, und fo weit reichte ihre Kraft nicht hin, um dieſe eiferne Stange los zu machen und die Pforte zu öffnen. Troſtlos ging fie jet zu dem Altare zurück und fügte fich in das traurige 8008, eingefchloffen zu bleiben, "bis es Gottes Wille wäre, ihr durch eine Men ſchenhand das ins Klofter führende Pförtlein von Außen
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öffnen zu laffen; aber vor der Hand war noch wenig Ausficht dazu, denn feit der Stunde, da Die Bauern— rotte abgezogen war, herrſchte Todtenftille um die Kirche herum und im ganzen Klofter. Oft ging fie zur Kir- chenthüre und laufchte, ob fie nicht Menfchentritte ver— nehmen fünnte, aber, fo fie e8 auch manchmal wähnte, ed war nur eine leere Täuſchung. Wer hätte auch der Eingefchlofjenen gedacht, und wenn Simmeltrud auch die beiten Ireunde im Dorfe gehabt hätte — hatte ja alle Bürger zu Markelsheim ein folcher Schwindel er— griffen, Daß fie feinem andern Gedanken mehr Raum gönnten, als wie ihnen bald ein taufendjähriges Reich der Freiheit und Gleichheit anbrechen würde. Darum hatten fich faft alle Bewohner des Ortes, ausgenom— men Kinder, Greife und Weiber, an den ſchwarzen Haufen aus dem Tauberthale angefchloffen und waren der Stadt zugezogen. — Indeffen war der Mittag, end- lich der Abend angebrochen und noch Feine Hülfe und Rettung für Die Gingefebloffene in der Kirche erfchienen. Seit der Zeit, da fie aus der Zelle hierher ſich bege— ben hatte, war fein Biffen mehr über ihren Mund ges fommen. Die Nefte eines Laiblein Brodes hatte fie in der Zelle Liegen laffen; in der Eile ihres Flüchtens in Die Kirche hatte fie es vergeflen, den wenigen Vor— rath, welchen die geiftlichen Frauen in der Speifefam: mer zurück gelaffen hatten, zu ihrer Labung mit fich zu nehmen; welch ein anderes Loos fand ihr jeßt bevor, als auf Die fehrecklichfte Weile zu verhungern. In ſolcher Noth warf fie fich nieder an den Stufen
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des Altars, da fie fich zuvor fehon mund gefniet Hatte, im Flehen uud Gebet. Ach! fo flehte fie zu Gott mit thränendem Auge, Du haft erhöret mein Gebet und Dieß Haus wunderbar erhalten vor der Hand der Zerflörer, Du haſt mich entrinnen laffen vor den Gottlojen, und Dier in Deinem Heiligthum eine fichre Zuflucht mir bereitet ; follteft Du mich nur errettet haben von Der Hand der Böfen, um mich einem fchreeflichen Tode, dem Hungertode, zu übergeben ? Barmberziger Vater im Simmel, daß ift nicht Dein heiliger Wille, Du wirft mich nicht verfehmachten laffen, denn Du erbarmft Dib ja des ©eringften in der Natur; allmächtiger Gott und Vater, Du haft wunderbar diefes Gotteshaus geſchützt vor der Wuth feiner Feinde, Du kannſt auch mich erhalten auf wunderbare Weiſe, daß ich mein Leben friſten möge und Dein heiliger Name dadurch verherrlichet werde. — Himmeltrud erhob ſich von den Stufen des Altars und ſuchte einen der Chorſtühle auf, um in Diefem die zweite Nacht zuzubringen, Die nun— mehr bereingebrochen war. Wielleiht, fo dachte fie, wird Der Schlaf mich überwältigen und mich vergefjen machen, an die Stillung des Hunger und Durftes zu denfen. Uber es war dem nicht fo. So entfräftet fie auch war durch das lange Faſten, , fie entfchlief lange nicht ; jede DViertelftunde dehnte fich aus zur Stunden- länge in der fchauerlichen Stille, die höchftens durch das Krächzen eines oben auf den Kirchenthurme haufenden Käuzchens unterbrochen wurde. Schon war die Mit— ternacht vorüber; eine fühlere Luft wehte, und zeigte
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an, dag ein neuer Tag beginnen wolle — jetzt erſt fchten ein erquickender Schlaf auf die Augenlieder Der Frau Simmeltrud niederfinfen zu wollen. — Der Herr verläßt die Seinen nicht, er wird auch mich nicht ver— laſſen — mit diefem frommen Gedanken entſchlummerte die Gläubige. Nur ein Stündlein mochte fie der Schlaf erquickt haben, da ermachte fie wieder. Ein heller Schein umgab die nur halb Wachende, ihr Blick fiel auf den Altar, Der flrahlte, wie wenn er von vielen Kerzen beleuchtet wäre, und auf feinen Stufen ftand ein En— gel in glänzend weißer Geftalt — er hatte fich gegen jene Stelle auf dem Altar gewendet, wo der Priefler den heiligen Leib aufzubewahren pflegte. Himmeltrud ſah, wie der Engel die Hoſtie aus der geöffneten Mon- franz nahm und fie in den Speifefelch legte. — Im eriten Augenblick überfam die fromme Frau eine Furcht bei der ungewöhnlichen Erſcheinung, und noch mehr, als die weiße Geftalt die Stufen des Altars berabftieg, auf Sinmeltrud zu ging, und Die Softie vor ihr in Der Hand hielt. Himmeltrud, ſprach der Engel mit freundlicher Stimme, der Herr bat dein Stehen erhöret, nimm hin den Peib des Herrn des Gefreuzigten und nun zu Gott Exrhöheten! das ift Die rechte Lebensſpeiſe und das himmlische Manna, Das von nun an dich nähren foll, jo lange Deine Liebe’ fo groß fein wird, wie dein Vertrauen gewefen. Auf einmal war alle Furt bei Simmeltrud verſchwunden; fie trat aus dem Chorfiuhle, knieete nieder vor dem ‚ Engel und empfing mit gefalteten Händen aus der
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Hand des Himmlifchen den Leib des Herrn. Als fie * die Himmelsgabe “auf den Lippen fühlte, da war es ihe, als ob neue Lebenskraft durch alle ihre Glieder firömte. In Demfelben Augenblick war Alles. um fhe her verfehmunden ; an die Stelle des wunderbaren Lich— te8 , das ‚bisher den Ultar und den Chor: der Kirche beleuchtet hatte, war das natürliche Tageslicht getreten, und bald darauf fielen die erften Strahlen der aufge= henden Sonne durch die Beniterfcheiben. Himmeltrud hätte dieſe Erfcheinung für einen Traum halten Füne nen, ‘aber es mußte etwas wirklich Gefchehenes ſeyn, denn fie fühlte fich von jenem Augenbli an ganz neu geſtärkt, und nicht das geringfte Verlangen nach Bes friedigung eines Bedürfniſſes wurde mehr in ihr rege. Dasſelbe gefchah in der darauf: folgenden Nacht um diefelbe Stunde ; der Engel: erfchien und’ reichte ihr den Leib Des Herrn, und wieder fühlte fich Himmeltrud fo wunderbar geftärft, daß fie fein Verlangen mehr. nach irdifcher Speife und Trank empfand. So brachte fie viele Tage zu, indem fie nicht vom Altar wich, fondern nur dem Gebet und der Andacht fich widmete ; Des Nachts aber ftärfte fie Das himmliſche Manna, welches der Engel ihr darreichte. — Bald fühlte die fromme Frau kaum mehr, daß fie eingefchloffen war; am hei— ligften Orte fand fie ja ihren Wirfungsfreis im Amte des Gebets und der Fürbitte auch für ihre fernen Schwe— - fern. Vielleicht hatten Diefe jet ein unfteteres Loos, als fie, Die nun in Sicherheit war, denn gerade der Stadt Mergentheim zu hatte fich ja das Bauernheer
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gezogen. Aber nicht jehr Lange vermweilten die räube- rifchen Horden an diefem Orte, wo fie mehr Theil- nehmer ihrer Anfichten und Unternehmungen, als ir gendwo, fanden. Bald darauf verfammelten fich Die Bauern von überall ber beim Städtchen Königshofen. Dort aber nahm ihre Herrlichkeit auf einmal ein Ende; der Truchſeß von Waldburg, mit Recht genannt Der Bauernjörg, lieferte mit feinem ſiegsgewohnten Heere den ungeordneten Schaaren der Bauern ein blutiged Treffen, und vier bis fechötaujend blieben todt auf Dem Mage. Nur Wenige, die bei Zeit noch ihr Heil im der Flucht fuchten, retteten ihr Leben und entrannen in Die Heimath. Von den Bürgern aus Markelsheim, die fo zahlreich ausgezogen waren, famen nicht fünfzig mehr in das Dorf zurüd. Sie bereuten, Daß fie je von dem Aufruhr Der Uebrigen fich hatten ergreifen laffen, und waren von nun an wieder ruhige Bürger. Die Kolbenfchläge und Schwerthiebe Der bündifchen Meiter Hatten ihnen bei Königshofen den Schwindel aus dem Kopf getrieben. — Set war ed wieder wie zuvor in Markelsheim. Während Die bäuriſchen Un— ruhen dauerten, hatte Niemand mehr der Kirche und des Gottesdienftes gedacht. Nach Den unglüdlichen Ausgang der Bauernfache bei Königshofen kehrte auch ein frommer Sinn wieder. War bisher Die Kirche auf der Höhe Teer geftanden, jegt wallte man in Schaaren. wieder zu. ihr hinauf. Dießmal bedurfte es feines Merk zeugs, um die noch verfchloffene Kirche zu öffnen. Hat— ten die raubgierigen Horden trog aller Anftrengung
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die Pforte nicht mit Gewalt öffnen Fönnen , jegt, als frommgefinnte Menfchen , Die fich fehnten, am Altar des Herrn einmal wieder zu beten, Einlaß begehrten, da bedurfte es nur eine? Fräftigen Drudes an Die Küirchenthüre: Die von innen quer übergelegte Eifenftange fiel Elirrend herab, rafjelnd öffnete fich dag Eifenfchloß, und Die Thürflügel dehnten fich weit aufeinander. Aber welch ein Anblick bot fich der erftaunten Menge dar! An den Stufen des Altares fniete Frau Simmeltrud, welche bisher verfchwunden geweſen war, ohne daß man wußte, wo fie bingefommen ſey. Ohne beftürzt zu werden über Die Gintretenden, ftand fie auf und ging iänen mit freundlichem Blif entgegen. Es war Die felbe Himmeltrud, welche Alle früber gekannt hatten als Meifterin des Klofters, und doch war fie fo fehr verändert in ihrem Weſen. Abgemagert war ihre Ges ftalt, todtenbleich, wie bei Einer, Die jo eben noch mit dem Leichentuche umgeben war, waren Geſicht und Hände, aber in ihrem Angeficht lag der Friede der Himmli— jchen, und ihre Augen glänzten voll Verklärung, wie bei Stephanus, als er den Simmel offen fah, und Die Herrlichkeit Gottes fehaute. — Faft zwei Monate lang war Himmeltrud eingefchloffen geweſen, ohne irdifche Epeife und Trank zu fich zu nehmen, Denn der Engel des Herrn hatte fie mit dem Brode des Lebens ernäh- vet. Aber diefes Geheimniß wurde nur Wenigen fund gethan, Denn fie fprach feitdem felten mehr mit denen, die auf dem Berge fie bejuchten. Auch wich fie, troß den Bitten Vieler, nicht mehr vom Haufe des Herrn
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und feinem heiligen Altare, denn fie wollte nicht mehr ihre Wohnung unter den Menfchenkindern auffchlagen. Ihre Nuheftätte des Nachts war der Chorftubl, in dem der Engel Gottes ihr zuerft den Leib des Herrn dar— gereicht hatte; auch nahm fie Feine irdifche Speife mehr zu fih. Sie fchien bier fihon mit Den Geligen des Himmels im Umgang zu fliehen. Seitdem wurde fte als Heilige in Der ganzen Gegend verehrt. So oft Beter in die Kirche eintraten, fanden fie Die fromme Himmeltrud am Altare knieend, und ihre Andacht ers höhete noch mehr die Andacht der Betenden. Keiner trat aus dem Gotteshaufe, ohne zuvor den Segen von ihr zu verlangen, und Seiner ging, ohne das Wort des Troſtes aus ihrem Munde zu vernehmen : Friede jey mit Dir! Nur Einer ging ohne Segen und Frie— den von ihr. — Es war in den Tagen des beginnen den Serbftes 1525 , nachdem Dietrich von Clee, der Deutfchmeifter, in Mergentheim eingetroffen war, um ein fchauerliches Blutgericht über Diejenigen ine Amt Mergentbein zu halten, welche im Bauernfrieg befon= ders übel fich gehalten hatten. Bon allen Geiten wur— den Solche eingebracht, um in Mergentheim ihr Urtheil zu empfangen. Da war auch Einer, der fich befonders durch feine Wildheit und Rohheit ausgezeichnet hatte; er war ein Anführer der Bauern‘ gewejen und hatte die serfte Brandfadel in das Klofter zu Schefteröheim geworfen. Als man ihn mit gebundenen Händen Durch Marfelsheim führte, um ihn gen Mergenthein zu brins gen, und er eben an Die Anhöhe Fanı, wo das Srauen-
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Elofter ftand, da ſprach er: Lieben Freunde, ich weiß wohl, daß ich nimmer aus der Stadt zurück kehre, fondern allda mein Leben lafjen muß; fo gemähret mir noch die Bitte, daß ich hier oben in die Kirche gebe, meine Sünden beichte, und von der heiligen Frau Den Segen zu meinem fchweren Gange empfange. Es ward ihm gewährt, man führte ihn in Die Kirche vor Frau Himmeltrud. Schon hob fie die Hände über dem. vor ihe Knieenden und wollte dad Wort des Gegend fpre- chen, da blickte er auf — fie fihaute ihm ins Auge, und jest erft erfannte fie, wen fie den Segen ertheilen wollte. Es waren wohlbefannte Züge, welche nur durch Die vielen verübten Miſſethaten unfenntlich ges worden waren — ed war der Mann, welcher ihre einft Treue gelobte, diefe fchändlich gebrochen Hatte, und nun um ihre Vergebung flehte. — Dir wird gefchehen, wie du e8 verdienet haft, rief fie — habe feinen Segen, kei— nen Frieden in Deiner legten Stunde. Sie wandte fich lieblo8 ab von Dem Unglücdlichen, fie, Die noch Keinen ohne das Wort Des Friedens entlafjen hatte. Der Mann aber trat jest zum Altar, Fnieete nieder, nicht mehr vor fchwachen Menfchen, fondern vor dem ewigen Gott, er befannte feine vielen Miffethaten, Die er im Leben verübt hatte, flebte voll Herzlicher Reue zu dem All— barmherzigen, und als er aufitand, ward es ihm leichter umd Herz. Das Wort: „Friede fey mit dir” war aus Himmels-Höhen an ihn ergangen. Ruhig empfing er zu Mergentheim den Todesſtreich — Don Him— meltrud aber wandte fich von nun an Der Herr, fein
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Engel erjchten nicht mehr mit der Tabenden Himmels— ſpeiſe — nach drei Tagen fand man fie verfchmachtet an den Stufen des Altars. Cie hatte des Wortes vergeffen : jo lange Deine Liebe fo groß ſeyn wird, wie dein Vertrauen geweſen. — Die Höhe, auf der das Klofter fand, Hieg man von jener Zeit an, da der Engel des Herrn die Kirche gefehügt, und die Fromme Himmeltrud mit dem Brod des Lebens wunderbar er= nähret hatte, den Berg, wo der Engel waltete, den Engelöberg, und fo heißt er noch bis auf den heu— tigen Tag.
Il. Burg Wenhaus bei Mergentheim.
So maleriſch und romantifch auch der Zaubergrund jeyn mag — er mangelt eines Reizes, an dem andre Täler des Sranfenlandes fo reich find; nur wenige Burgen fihmüden die mit Reben befrängten Höhen zu beiden Seiten der Tauber. Doch ein Fleck des fchönen Grundes ermangelt auch Diefes Neizes nicht: Das ift der mittlere Taubergrund von Weifersheim an bis über Mergentheim hinaus. Auf der nördlichen Anhöhe über der Stadt fand einft Die alte Kötterburg, die bis auf die Spur verfehwunden tft — ihr gegenäber, auf Dem linfen Hfer der Zauber und weiter entfernt von Der Stadt, ragt auf einem ziemlich hohen Bergrüden, ge—
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nannt der Kitzberg, die Ruine der ehemaligen prächti- gen Deutfchordensburg Neuhaus, Die wir näher in's Auge faſſen.
Zwei Wege führen auf die Burg: entweder gehen wir auf der nach Igersheim führenden Landftraße eine Strefe und wenden und dann rechts Die Höhe hinan — in einer Viertelftunde find wir auf dem Kigberg, in der Nähe der Burg angelangt; ein zweiter, am meiften begangener Weg, führt von Markelsheim aus in Die Burg. Wir gelangen auf dieſem Weg zueft an einen hochaufgemauerten Wall mit gewölbter Thor— Öffnung; ift man Durch dieſe getreten, jo fleht man auf einer fieinernen, mit Drei Bogen verfehenen Brüde, weldhe 60 Fuß lang und 16 Breit if. Diefe führt über einen 45 Fuß tiefen, gang ausgemauerten Gras ben, welcher das ganze Schloß umgibt. Durch ein verfchließbares Thor tritt man in den äußeren Schlog- hof; über das Thor hinweg zieht fich eine ftarfe Bruft- wehr, Die auf jeder Seite mit einem dien runden Zhurm in Berbindung fleht. Der wichtigfte Diefer Thürme ift der zur rechten Sand ſich anlehnende, in dem er vom Öraben an 50 Fuß in die Höhe und 36 im Durchmeffer hat. Linker Hand am Eingang fehen wir 2 Platten von röthlichen Sandftein, auf der einen das Wappen des Hoch- und Deutfchmeifters Walther von Eronberg, mit Der Sahrzahl 1528, auf der andern das Mappen Maximilian I. von Defterreich, des’ Hoch- und Dentfchmeifters (1595 — 1618). Steigt man in der Nähe der ehemaligen Thorftube 30 Stufen aufwärts,
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jo gelangt man auf den eigentlichen Schloßplatz, wo aus Trümmern neben den Heften von 2 runden, mit dem Schloßgraben in Verbindung ftehenden Thürmen, ein koloſſaler, noch 70 Fuß hoher runder Thurm ragt, an den im Laufe der Zeit die übrigen Theile der Burg angebaut wurden. Zunächft diefem Thurm in einem Schuppen befindet fich ein 336 Fuß tiefer Brunnen, aus Dem die Bewohner Der Burg noch big auf diefe Stunde vermittelft großer, an Ketten hängender Eimer, das Waſſer beraufziehen. In Diefem in die Felſen gehaue— nen Brunnen foll der ſchwediſche General-Lieutenant Graf v. Königsmarf feine großen Schäge verborgen, und beim fehnellen Abzug zurücgelaffen haben. Die Ruinen der Burg bieten überall einen Standpunft dar, von wo aus man eine liebliche, wenn auch nicht ge— rade großartige Ausficht geniegen Fann — wäre der hohe Thurm befteigbar, dann würde man wohl bis zu den Waldenburger Bergen und den Höhen des Oden⸗ waldes blicken können.
Ueber den Urſprung der Burg Neuhaus gibt uns weder eine Chronik noch ſonſt eine Urkunde Aufſchluß, wir haben nur eine andeutende Sage. Dieſer zufolge ſtand auf dem gegenüberliegenden Kötterberg (in silva Ketereite, wie die Urfunde vom $. 1219 ihn nennt,) eine hohenloh'ſche Burg, Die nach und nach abging; Doch ftanden noch im J. 1746 merkliche Nefte Davon. ° Diefem Buraftall gegenüber follen nun Die Herren von Hohenlohe eine neue Burg erbaut haben, die fte Das Neue Haus (ſpäter Neuhaus) nannten. Vielleicht
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ftand der hohe Thurm fchon viel früher als Warte auf Diefer fehönen Höhe, und gab defto leichter Veranlaſ— fung, eine Burg daran anzubauen. Ihre älteften Bee ſitzer waren Die Serren von Hohenlohe-Brauneck, Die fih dann von diefer Burg Serren vom Neuen Haus nannten. Graf Gebhard von Hohenlohe-Brauneck war wohl der erfte, welcher Die Burg zu feinem bleibenden Mohnfig wählte; von hier aus begabte er im 3. 1282 die Clauſe zu Wachbach (f. die Sage). Er ftarb im 3. 1300 und Tiegt im Familtenbegräbnig zu Srauen- thal begraben. Seine Wittme Adelheid nebft ihrem Sohn Ulrich übergab im genannten Jahr ihre bisherige Nefidenz Neuhaus mit den dazu gehörigen Dörfern u. ſ. w., welches Alles bis dahin ihnen frei und eigen war, an das Hochftift Würzburg, und empfing Solches wieder von dem Stift ald.Mannlehen. Mit dem Fahr 1315 erhielt das Deutfche Haus zu Mergentheim die erften Anfprüche an die Herrfihaft Neuenhaus, denn drei Brudersfühne des genannten Gebhard von Hohen— Iohe, Gottfried, Gebhard und Andreas, verpfänden, die Burg fammt verfchiedenen Gütern u. f. w. an die Brüs der vom Deutfchen Kaufe zu Mergentheim für 1100 Pfund Heller. Im J. 1372 befaß Konrad von Ho— henlohe-Brauneck die Burg und Herrfchaft Neuenhaus. Diefer übergab im genannten Jahr das Schloß Neuen« haus fammt den Dazu gehörigen Dörfern um 7000 Gulden an den Deutfchmeifter Philipp von Bifenbach, unter der Bedingung, die Burg innerhalb 20 Jahren wieder einlöfen zu dürfen. Im Jahr 1390 ging die
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Herrfchaft auf feinen Bruder Gottfried über, aber nur für furze Zeitz; Durch den noch in demfelben Jahr er- folgten Tod Oottfrieds wurde das Lehen apert und fiel dem Hochftift heim. Seit Diefer Zeit mögen die Bir schöfe von Würzburg zur Abwechslung manchmal auf diefer Burg fich aufgehalten haben, aber fie wurde von ihnen noch zu andern Zweden gebraucht; ſie war auch geeignet, um ©efangene zu beherbergen. Im Jahr 1396 lieg Bifhof Gerhard Die beiden widerfpenftigen Geiftlichen, den Domdechant Dtto von Milz zu Bamberg, fo wie deſſen Bruder, Sand von Milz, beide Dom- herren zu Würzburg, in ihren Chorröden verhaften und auf Die Burg Neuenhaus führen. Bier hatten fie Zeit, anderes Sinned zu werden. Bald darnach belehnte Biſchof Gerhard feine DVettern, die Grafen Hans und Günther von Schwarzburg, mit Schloß und Amt Neu- haus. Im Sabr 1411 verkauften diefe die Burg an den Deutfchmeifter Conrad von Egloffftein unter Vor— behalt der Wiederlöfung, zu welcher e8 aber nie ges fommen. Don nun an war der deutfche Orden alleiniger — Befiker der Burg und ihrer Zugehör. Der Orden hielt auf derfelben einen Amtmann oder Vogt, Der von bier aus über das ganze Amt das fogenannte Eentgericht (pein— liche Dalögericht) übte. Neuenhaus wurde nun der Strap ort für Die übelthätigen Berfonen des Amts. Das Schloß hatte nur eine Eleine Beſatzung und hatte in jener Zeit nie Etwas zu leiden. Im I. 1525 empfing die Burg den erften Stoß. AS die aufrührerifchen Bauern durch das Thal zogen, übergab die mit denfelben einyerftandene Bes
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ſatzung das Schloß ohne Schwertjtreih. Die Seckel— leerer und Kiftenfeger plünderten es nach gewohnter Meife, und auf Anftiften eines gewiſſen Baul Werners aus Mergentheim wurde. Die ausgeleerte Burg zum Abſchied noch ausgebrannt. Der Schaden, den Der
Orden erlitt, war ein bedeutender, Bald nach Dem
Baurenfrieg ließ der Meifter Walther von Gronberg das Schloß wieder herftellen, und befeftigte es fo ftarf mit Außenwerfen, daß es von nun für Die Citadelle- der Stadt gelten Fonnte. Auch fein Nachfolger, Wolfgang Schußbar, that Etwas für die DBefeftigung der Burg ; der mächtige Thurm recht8 am Ihore mit der Auf- fchrift 1546, fo wie die innere Schlofmauer mit Der Jahrszahl 1550 ftammen aus feiner Zeit. Im fehmal- Faldijchen Krieg wurde Neuhaus von Johann von Meiks lenburg neun Tage lang beichoffen, dann erft übergeben. Die Burg murde in Folge dieſer Belagerung beinahe gänzlich zerflört. Unter dem Hoch- und Deutjchmeifter Georg Hans v. Wenkheim wurde fie wieder in wehr— haften Stand gefeßt. Die Hälfte feines großen Scha- tzes, 180,000 ſchwere Goldgulden, nebft vielen Gold» ftangen vertraute er ihren feften Gewölben an. Eine verhängnißvolle Zeit für Neuhaus. war die des dreißig— jährigen, Kriegs. Neubaus war gleichfam die Citadelfe
Der Stadt, an der fich immer die erftien Stürme bra=
chen, welche über die Stadt ergingen. Das Schloß theilte von nun an treulich das 2008 mit der Stadt Mergentheim, und wurde der Hauptſtützpunkt für Freunde
und Feinde. Im November 1631 rückte der ſchwe—
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difche Obriſt v. Sperreuter in den Taubergrund und legte fich alsbald vor Neuhaus. Er durfte nicht lange auf Deffnung des Schloffes warten, denn am 25. No— vember übergaben die 150 Bertheidiger dad Schloß ohne Schwertftreich, und die Schweden nahmen davon Befts, aber nicht auf lange Bald mußte Sperreuter nach Würzburg und ließ nur 50 Mann zurück. Diefe machten es wie die frühere Befaßung und kapitu— Titten, als die Mergentheimer mit 300 Muöfetieren, 30 Heitern und 2 Kanonen vor das Schloß zugen. AS der fchmedifche Feldmarfchall Guſtav Horn im De- zember Defjelben Jahres Mergentheim in Befig nahm, zog Obriſt von Sperreuter wieder vor Neuhaus und flürmte e8 in Der Nacht zu wiederholten Malen. Doch die Faiferliche Befaßung auf der Burg unter Sans Sig— mund Saller von Hallerſtein hielt fich dieß Mal rits terlich: mit blutigen Köpfen zogen die Schweden Sich zurüf, 6 Todte ließen fie in den Gräben und 60 Verwundete brachten fie in dad Standquartier zurüd. Dennoch übergab fich Die Befagung am andern Mors gen mit Accord und ging zu den Schweden über. Bald darauf fihenkte König Guftav Adolph dem Obrift Die- trich v. Sperreuter das Schloß und Amt Neuhaus als Mannlehen, mit der Bedingung, Daß er immerdar auf eigne Koften eine Garnifon darauf halten müßte. Das that er auch, und ließ das Schloß fogar noch mehr befeftigen. Obrift 9. Sperreuter befaß Schloß und Amt Neuhaus bis ind Jahr 1634. Als in die— jem Jahr die Schweden Stadt und Gebiet räumten,
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blieb auf Neuhaus nur eine fehmedifche Befabung von 20 Mann zurüd. Diefe Eapitulirte, ohne einen Schuß zu thun, als eine Abteilung Kaiferlicher vor das Schloß 309. Im November 1642 beſetzten Die Franzoſen das Schloß unter ihrem General Gubriane, im 3. 1645 unter Türenne, aber, als dieſer Die Schlacht bei Herbfthaufen verlor, nahmen die Baiern das Schloß und viel Geld und Gut, das Türenne dafelbft zurüd- gelafjen hatte. Im J. 1646 Fam wieder eine fehwes diſche Befakung auf Neuhaus; im 3. 1647 commane Dirte Dafelbft der ſchwediſche Generallieutenant Graf Hans Carl v. Königsmark, welcher feine in Schwaben zufammengeraubten Schäße von mehreren Millionen im Werth in den Gewölben des Schloffes barg. Um diefe Zeit foll die Gräfin v. Königsmarf in Ab- wefenheit ihres Gemahls einige Monate lang auf Der Veſte Commandantin gewefen feyn. Noch bis zum 3. 1649 hielten die Schweden Neuhaus befegt. Nach deren Abzug brach für das Schloß Neuhaus auf lange Zeit ein dauernder Friede an. Nur im 3. 1673 erhielt e8 noch einmal von den Franzofen einen Bes ſuch unter ihren Generalen Monclas und Tremonille. Als fich bald darauf eine Faiferliche Armee unter Mon— teeueuli der Gegend näherte, zugen die Franzoſen wie— der weiter. — Im fpanifchen. Erbfolgefrieg wurde Die Befte zun Testen Mal in wehrhaften Stand geſetzt; als aber ein Dauernder Friede den fränfifchen Landen | zu Theil wurde, Tieß man nach und nach die Außen— werke zerfallen und gebrauchte das Schloß nur noch
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zu einem Staategefängnig und temporärer Aufbersab- rung von Ordensfachen und Archivalien. Die ſchönen Genächer des Schloffes bewohnte der. jeweilige Amt- mann, Als aber im J. 1789 der Amtsjig in das unten am Berg liegende Igersheim verlegt wurde, ging auch Das Schloß bald dem Abgang zu. Im J. 1793 wurde die Thurmuhr, bald darauf Das reichhal- tige Archiv an Käſekrämer verfauft, und dann wurde, hauptfächlich Durch ſchmutzige Brivathabfucht einiger Herren der Deutfchorden’fchen Kammer, die fich Hütten zu bauen hatten und bauten, das Schloßgebäude zu Neuhaus in Abwefenheit des übelberathenen Hoch und Deutfchmeitters abgebrochen. So zerfiel Die herrlichfte Burg im Zaubergrund, von deren früherer Pracht noch Manche zu erzählen wiſſen. Nunmehr ift Neuhaus fönigliche Staatsdomäne — und die Auine wird beffer gepflegt und erhalten als in früheren Tagen. *
Eine Tiebliche Sage Fnüpft fih an die Auine von Neubaus.
Der weiße Sirſch.
Graf Gebhard von Hohenlohe, genannt vom Neuen Haus, war fo leidenfchaftlich der Jagd ergeben, Daß er fogar an den heiligften Tagen es für feine Sünde hielt, mit feinen Jägern und ganzen Koppeln von Hun— den birfchen zu geben. Wie oft mahnte ihn an joldyen heiligen Tagen der Klang des Glöckleins auf der Burg, welches ihre Bewohner zur Andacht rief, er möchte fich
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auch anfchliefen an die Schaar der. Beter, um zuvor wenigftens einige Augenblicke chriftlicher Andacht zu weihen, ehe e8 an das wilde Getreibe Der Jagd ginge. Aber er hörte nicht auf des Glöckleins Klang, das mit lockenden Tönen ihn erinnerte, doch auch an fein Seelenheil zu denken. Und hätte, er nur allein für fich. folch Unrecht gethan, aber er zwang auch feine Untergebenen, mit ihm die heiligiten Tage zu entwei— hen. Darum blieb nur felten ein Diener, der ein red» licher ChHrift war , lange bei ihm. Doch der, welcher die Derzen der Menfchen Ienft, wo e8 am menigften möglich feheint, Tieß eine Mahnung an den Grafen ers gehen, anderes Sinnes zu werden, und nicht umſonſt —
Es war gerade das heilige Chriftfeft, als der Graf in der Frühe Des Morgens fich zur Jagd anfchiekte. Freundlich bittend trat Frau Adelheid, feine Gemahlin, vor ihn im feftlichen Kleide, Das Gebetbuch an der Seite tragend, und wollte ihn dazu bewegen, mit ihr in die Kapelle zu treten, wo eben das Glöcklein läutete. Es war umfonft, beleidigten Blicks mandte er fich von der Bittenden; er eilte in den Hof, wo jein Bferd und der Jagdtroß ſchon bereit ftand. Frau Adelheid folgte ihrem Gemahl die Treppe hinab; fehon wollte er in den Stegreif fleigen, da rief fie noch fle- hentlicher bittend: hört ihr das Glöcklein, mein theurer Gemahl, es ruft zum heiligen Chriſtfeſt; haltet Doch nur einige Augenblicke. inne, bis die erfte Andacht vor— über ift. Was Glöcklein, was Chriftfeft! rief der Graf mit Hobnlachen, mögen Andere für mich beten. Wäh—
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rend er dieß fprach, gab er dem Roß die Sporen, fnallte Taut mit Der Peitfche, daß es feltfan hallte zu des Glöckleins Klang, und jagte mit feinen Leuten aus dem Burghof, lärmender als je, und es fchien, als ob er feine Gattin noch damit kränken wollte. Die aber fprah mit wehmüthiger Stimme — er hätte es noch hören mögen, wenn der Lärmen der Abziehenden nicht fo groß gewefen wäre — ja, mein Gemahl, Andere werden für Dich beten — ich will es ſeyn vor allen. Andern, ich will flehen zu Gott, daß er Dir ein ans deres Herz gebe. Das that fie auch, die fromme Adel- heid ; fie trat über Die Schwelle der Kapelle, und ihre Andacht war am heutigen Pefttage feierlicher ala je, ihr Gebet fo heiß und innig wie noch nie — umd es war auch nicht umfonft, deun Das Gebet einer from— men Geele für. die Seele eines andern noch nicht Bes kehrten ift vor Gott wohlgefällig und bleibt nicht uner— hört. — Wir folgen dem Grafen von Hohenlohe auf feinem Jagdzuge, der ging bin über die Wälder, welche fich auf den Höhen gegen Wachbach Hinziehen. Die Jagd ſchien für dießmal recht glücdlich von Statten zu gehen. Hirſche und Rehe in unzähliger Menge wurden die jchnelle Beute der Jäger. Wohin immer der Pfeil des Grafen fehwirrte, da fand er fein Biel, und immer traf er auf den rechten le, fo daß die Thiere auf Einen Schuß zufammenfielen. Daher fam es auch, daß der Graf nicht aufhören wollte in feiner glückli- chen Jagd, bis die Sonne über dem Haupte ftand, Daß er fogar den Imbiß vergaß, den er gewöhnlich an
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Ort und Stelle mit feinen Jagdgenoſſen zu halten pflegte, und zwar von dem, was man erjagt hatte. Es wurde Mittag, es murde Abend, umd fort’ ging Die lärmende Jagd, und laut ertönte das Halloh der Säger, und der Klang des Hüfthorns, denn der Graf fonnte nicht fatt werden an der Luſt des Jagens. Da, ala fehon die Abendfonne ihre jpärlichen Strahlen auf die Wälder herabfandte, ritt Graf Gebhard ein wenig abwärts von feinen Genofjen; im Lichte der Abend- fonne blinfte ihm Hinter dem Gebüfche etwas Weißes entgegen, er ritt näher und näher: da fprang ein Hirſch auf von blendend weißer Farbe, dergleichen er norh nie einen gefeben hatte, fo lang er ald Jäger den Bogen führte. Schnell legte der Graf an, aber, wie er den Bogen fpannte und zielte — auf einmal mar der Hirſch von der Stelle verfchwunden, und fein Auge fab Feine Spur mehr von ihm. Schon wollte er unmuthig feinen Bogen finfen laſſen, ſiehe da! in weiterer Entfernung wieder etwas Meißes hinter dem Gebüfcbe, dann wies der ein Geräuſch, und derſelbe Hirſch von blendender Weiße ftand auf, und hufchte Durch Gebüfch und Zweige. Wieder riß der Graf den Bogen in die Höhe, legte auf, fpannte, zielte, aber wieder war der Hirſch aus feinen Blicken verfchreunden ; und immer. wieder zeigte er fich in weiterer Entfernung. Statt laß zu werden, inden er fich immer vergeblich mühte, wurde Der Graf immer biiger im Derfolgen. Schon war er von fei- ‚nem Gefolge ganz ferne gefommen und die Dämmerung längft hereingebroshen ; doch konnte er immer noch den
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weißen Hirfih unterfcheiden, Der vor feinen Augen oft ganz nahe fich bewegte. Er mochte eine ſchöne Strede purchjagt haben, und immer war er mehr von den waldigen Berghöhen thalabwärt3 gefommen, ohne Daß er es recht wußte, auch fühlte er Feine Müdigkeit — aber feinem Bferde lief der Schweiß in Tropfen über Bauch und Mähne — es wurde immer träger, und zuletzt ſchien es ſo ermüdet, Daß es feinen Neiter nim— mer zu tragen vermochte. Da hielt der Graf an, denn eben hatte er wieder nach dem weißen Hirſch, der ſich nur auf 40 Schritte ihm in den Schuß geſtellt hatte, vergebens gezielt — er war wieder verſchwunden, und von nun an zeigte er ſich lange Zeit nicht mehr. Jetzt ſtieg der Graf vom Pferde, denn er fühlte eine Er— ſchlaffung durch alle ſeine Glieder; zugleich entdeckte er, daß er ganz und gar von ſeinem Wege abgekommen war. Mißmuthig warf er ſich nieder auf den eiskalten Boden, auf dem kaum die Eisdecke des Winters ſich gelöst Hatte. Er griff nach feiner Jagdflaſche, um ſei— nen brennenden Durft zu ftillen, aber die hatte er Der Hand feiner Jäger anvertraut; da flieg er ins Hüfte _ horn, doch der Klang verhallte ungehört in der ftillen Nacht, denn feine Genoſſen waren fern und fuchten den verlorenen Herrn überall, nur nicht da, wo er ſich gerade gelagert hatte. Immer brennender wurde des Grafen Durſt, immer fehneidender die Nachtkälte auf dem harten Boden und um ihn — er erhob feine erfchöpften Glieder, um eine Duelle aufzufuchen oder ein Bächlein, wo er feinen beißen Durft löſchte. Den
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‚Zügel des Pferdes im den Händen, fchleppte er fich immer weiter, aber er fand Nichts, woran er ſich la— ben konnte. Wohl eine Stunde mochte er ſich müh— fam Durch Dornen und Gefträuch über Klippen und Steine durchgerungen haben, da, im Dunkel der Nacht, zeigte fich auf einmal wieder der weiße Hirſch. Nicht mehr hatte der Graf Luft, feinen Bogen zu fpannen, diemeil er fo oft geäfft worden war; er ging zu auf. die Stelle, wo der Hirſch aufgefprungen war, und ſiehe da, eine Quelle fprudelte an dem Ort, wo fidh der Hirſch gelegt Hatte. In dem Augenblid , da fich der Graf nieverbeugte, um feinen Gaumen zu laben, hörte er aus der Ferne ein Glöcklein tönen. Schnell machte er ſich auf, nachdem er fich gelabt Hatte und folgte in der finftern Nacht dem Tone des Glöckleins, Das immer näher Fang, fein Fuß aber ging längs einem Büchlein, Das jene Duelle bildete; der Graf war in jenem damals noch mit Waldung überwachfenen Thäl- chen angefommen, wo der Forellenbach entfpringt. Als dritter Wegführer glänzte vor ihm der weiße Hirſch, welcher jeßt wieder erfchien und ihm traulich voran: ging. Immer heller Elang Das Glöcklein, je meiter Graf Gebhard fürbag fehritt. Auf einmal verfchwand der weiße Sirfch, und der Graf war an Dit und Stelle, wo das Glöcklein geläutet wurde. Es tönte von dem Thürmchen einer Eleinen Kirche, Die von wenigen Ge— N bäuden und einer nicht hohen Mauer umgeben war. ö Der Graf befand ſich am Klöfterlein der geiftlichen . Braun zu Wachbach, das ſchon in alten Zeiten von
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feinem Vorfahren, den Grafen von- Brauner, geftiftet worden war. Hier hatte man, zufällig als fich der Graf im Walde befand, nach Mitternacht die Mette geläutet, um die Nonnen in den Chor zum Gebet zu verfanmeln. — Don Wachbach aus brachte den Gra- fen ein Wegführer, den Die geiftlichen Frauen bereit- willig ihm mitgaben, in einer Fleinen Stunde auf Burg Neubaus, wo er von der Ängftlich forgenden Gemahlin, die fhon Boten nach ihm ausgefendet hatte, mit Freu— Den empfangen wurde. — Noch größer wäre ihre Freude gewefen, wenn fie gleich Damals gemußt hätte, wie ihr Gebet in der Kapelle für den geliebten Gemahl fo bald erhört, und jenes verhängnißvolle Verirren für ihn ein Segen im eigentlichen Sinne des Worts ge: worden war. Geit jenem Tage fah man den Grafen nie mebr, weder an einem Weiertag noch Sonntag, und noch viel weniger an einem Feſttage, zur Jagd reiten. Dafür begleitete ex deſto fleifiger feine fromme Gemahlin in Die Kapelle, und nie hörte man, Daß er je mehr den Ton des Glöckleins überhört hätte, jo oft es Die Bewohner der Burg zur Andacht rief. Er ges dachte, jo oft er es hörte, des Glödleins im Thale zu MWachbach, Dad den Verirrten wieder auf den rech— ten Weg zu feiner Burg, noch vielmehr aber auf Den Weg zu den ewigen Wohnungen geführt hatte. Aber Der Graf gedachte auch voll Freundlichkeit Der Nonnen zu Wachbach, von Denen jenes leitende Glöcklein zur guten Stunde geläutet worden war. Noch fein Tag war vergangen, feitvem Graf Gebhard wieder. glücklich
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auf Neuhaus. anlangte, fo erfehien fchon Der alte Weip— recht, Meier auf Neuhaus, mit einem Wägelein. vor der Pforte des Klofters und begehrte Einlaf. Er war ein willkommner Gaft, denn fobald. er eintrat, ‚hob er vom Wägelein 1 Malter Korn, 3 Malter Haber, ein halbes Malter Käfe, 4 Hennen und einen ſchweren Geldfaf, darin 36 Bfund Heller lagen. Das Alles ftellte er zw. Danden der Frau ‚Schaffnerin, und ver- meldete beinebens einen freundlichen Gruß von feinen gnädigen Seren, dem Grafen Gebhard auf Neuhaus: Das zu einer Verehrung, darum, daß fie in jener Stunde feines Herumirrens zur Mette geläutet und einen Führer ihm mitgegeben; ſie mögen. fürder feiner, und feiner Gemahlin im Gebet gedenfen. — Bald Fam Graf Geb- hard und feine Gemahlin in eigner Perſon in das Klöfterlein zu Wachbach. Beide wurden mit größter Freude empfangen, und Die Nonnen fprachen ihren ges rührten Dank für die fchöne Verehrung aus. ber, wie wurden fie von Neuem fo freudig überrafcht, ale Graf Gebhard beim Abfchied ein großes Pergament mit dem gräflichen Siegel hervorzog und in die Sand der Priorin legte. In der Urkunde aber ftand zierlich und deutlich gefchrieben: „Al und Jedmänniglich, fo dieß Iefen, fey Fund und zu wiſſen, Daß ich, Graf Gebhard von Hohenlohe, genannt vom Neuen Haus, und mein ehlih Gemahl, Frau Adelheid, mit gutem - Willen und mwohlbedachtem Rath, den ehrſamen geift- lichen Frauen des Kloſters zu Wachbach zu einem jähr—
Be Almofen vergabe: 36 Pfund Heller, 4 Malter H 4
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Korn,’ 3 Malter Kaber, ein halbes Malter‘ Kaͤſe 4 Hühner u. f. w. So gegeben auf’ Burg Neuhaus an St. Binzentit Tag im Jahr: 1282. Wirklich em— pfingen die Nonnen zu Wachbach alljährlich" diefe Gült des Grafen von Hohenlohe auf Nenhaus,ı'und won nun an ward das Mett- Glöclein mit Freuden ge- läutet , "wenn es auch noch fo frühe die Nonnen? aus dem Schlaf in den Ehor rief. Gerade nach 100 Jah⸗ ten verhallte der Ton’ des Glöckleins im Kloſter zu Wachbach, aber auch die jährliche Gült hörte guf, denn im Jahr 1381 verkauften die Nonnen Armuth halber ihre Elauſe mit all den Gütern, Rechten und Gewohn— beiten, ſo wie mit ihren eigenen Leuten, um ein jähr— liches — an das en a. zu⸗ iger am
IV. Der Michelsberg am Meder.
ir: eine Schlucht trennt Die Burg Hornet von er
Berg, auf welchem die Wallfahrtsfapelle zum h. Mi— chael fteht. Eines der ſchönſten Aundgemälde anı Near bietet fich auf dieſer Höhe dem entzücten Beſchauer dar. Bon den Hohenloher und Löwenfteiner Bergen, von den Schlöffern Waldenburg und Löwenſtein im Diten fehweift das Auge über die an: dem Neckar vor⸗ geſchobenen Gebirgsausläufer den Fluß hinab nach: deni
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Katzenbuckel im Odenwald hin, bis ein Kranz von Wäldern in unſrem Rücken ihm ein Ziel ſetzt. — Die mit Reben bepflanzte Abdachung gegen den Neckar und das Schloß Horneck heißt das Hummelreich; ob ſie wegen ihrer Höhe oder wegen des trefflichen Gewächſes, das hier oben wächsſt, dieſen Namen erhalten, oder auch ‚in, Folge der Sage; die unten folgt, Fäßt ſich nicht genau beftinnmen. Der den Felſen abgefämpfte Boden. beweist fich ‚auch. danfbar für Die rauf ihn ver— wendete Mühe ‚- denn er gibt. den feurigen Himmels— reicher. Dben auf dieſer Abdachung fteht Die uralte, von einem Friedhof umgebene Kapelle. Gleich beim Eingang gewahren wir in der: Mauerniſche einen vier— feitigen römischen Opferaltar aus röthlichtem Sandftein. Er Hat eine fehüffelartige Vertiefung, in welcher eine Deffuung angebracht if, ‚Deren: Beftimmung feine an- dere gewefen feyn kann, ala das Opferblut aufzufangen und abfließen zu laffen. Auf der rechten Seite befindet ich ein: Dahn und ein Opfermeffer, auf der linken ein Krug, ein Löffel oder Berfen mit Stiel (Pfanne) und ein. zweiſchneidiges Schwert: eingehauen. Die auf- der aesperieite ftehende Infehrift von 8 geilen lautet:
J (ovi) 0 (optimo) M( aximo) et Junoni re- ginae
C (ajus) Fabius Germanus (Bis) Ä
- Co (n) s (ulis) pro se et suis V (ota) s (ua).
* — L (ibenter u) M Pe
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Dieſer Altar iſt ſchon feit den Jahr 1564 bekannt; er weist darauf hin, Daß einft auf dieſem Berge eine beidnifche Opferftätte gewefen, wo römiſche Krieger geopfert ; als Das Chriſtenthum in dieſe Gegend drang, wurde die Opferftätfe mit dem Altare zerſtört und auf derfelben eine chriftliche Kapelle errichtet, wober man es mit den freilich an einem chriftlichen Gotteshaufe aufs fallenden Ueberbleibfeln eines heidniſchen Altar nicht fo genau nahm, wie wir denn überhaupt an fo man— chen alten Kirchen und Kapellen des Landes Steine mit römischen Bildwerken eingemauert finden. — Eine liebliche Sage, die noch in dem Munde des Volkes geht, gibt ung Bericht über die Entftehung der Wall fahrtsfapelle des h. Michael,
Der beidnifche Jüngling und die chriftliche Jungfrau.
Zu der Zeit, ald noch düftere Wildniß die Ufer des Neckars bedeckte, lebte in dieſer Gegend ein beidnifcher Jüngling. Er war mit einer edlen Jungfrau verlobt, Die den chriftlichen Glauben angenommen hatte, Diefe liebte ihn von ganzen Kerzen, aber fie wollte ihm nicht eher ihre Hand geben, ald bis er feinen Göttern ent- fagt und dem befeligenden Evangelium fein Herz ge Öffnet Hätte. Nun horchte zwar der Süngling mit Freudigkeit der Tieblichen Rede ihres Mundes, mit Der fie täglich und ftündlich ihn zum wahren Glauben zu as trachtete, aber er Eonnte den Sinn — Worte
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nicht begreifen, und fein Herz blieb verſchloſſen, den Segen des Evangeliums in fich aufzunehmen. Nach— dem all ihre Bemühen um ihn vergeblich gewefen, ver— ließ fie Vater und Mutter und die Heimath ihrer Ju— gend, und floh, von tiefem Grame getrieben, in eine fehauerliche Einöde, wo fe unter den grimmen Thieren des Waldes lebte, die jte aber nicht zu verlegen wagten, fondern fie fogar noch freumdlicy nährten. Hier verlebte jle ihre Tage unter ftetem Gebet für das Geelenheil ihres Geliebten. Us fie nun nach einigen Jahren hingewelkt war und der Engel des Todes ihr Die Aue gen zugedrüct hatte, verkündete nur noch manche Schrift von ihr an Bäumen und Steinen das Schickſal ihrer legten Tage. Da gefchah es einsmald, Daß der heid— nifche Iüngling, ihr Verlobter, fich auf der Jagd hieher
verirrte. Er jagte ein Wild, das er nicht zum Schuſſe
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bringen fonnte. Es war ein Hirfch von feltener Schöne, dem er manchmal ganz nahe Fam, und dann war er - fchnell feinen Blicken wieder verfchwunden. So verirrte er fich immer tiefer in den Wald hinein. Auf einmal war der Hirſch wieder fichtbar und er ftand ihm fo nahe, daß er ihn beinahe mit den Händen hätte greifen können — ſchon hatte er die Armbruft erhoben und den Bolzen aufgelegt, da wandte fich der Sirfch, blieb ftehen und blickte ihn unverwandt an, als wollte ev ihm fagen, Daß ein freundlicher Schußgeift feiner warte. Erſchrocken ließ der Jüngling die Armbruſt finken, und in demſelben Augenblick ſah er vor fich einen hochauf-
geworfenen Nafenhügel, der eine menfchliche Grabftätte
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verrietd. An Bäumen und Steinen. umher entdeckte
er eingegrabene Schriftzüge, welche ihm Kunde gaben von den Testen Schieffal feiner Verlobten und von Allem, was fie um feinetwillen gelitten. Wie ein En gel Gottes ſchwebte ihm jeßt ein Bild vor Die. Seele, und in des Waldes Dunkel ward es plöglich helle in jeinem Innern. Was die Geliebte im Leben nicht - vers mocht hatte, das gelang ihr nun im Tode. Er warf fein: Sägergeräth weg, -flürzte den Altar feiner Götzen um, und eilte gen Worms zum Bifchof, der ihn Durch die. heilige Taufe zum Chriſtenthum einweihte. Hierauf erbaute er neben dem Grabhügel feiner Geliebten auf Diefen Berge eine Eleine Hütte aus Hol und Steinen. Davon heißt der Berg heut zu Tage’ Simmelreich und der Drt, wo der Einftedler hauste noch’ jetzt Gottes— höhe, denn der Jüngling überließ fich bier heiligen Betrachtungen. Oftmals verivrte fich auch ein Wande- rer in dieſe Einfamfeit, den führte er in feine Hütte, fabte ihm mit Speife und Trank und Teitete ihn dann wieder auf-den rechten Weg. Bald Tief Die Kunde von den: frommen Einfiedler im Lande umher. Zahlreiche MWallfahrten zogen hin, und: jeder fühlte fich in feiner Gegenwart frei von allen Leiden und ' Drangjalen. Endlich, da der Einftedler alt und fchwach war, pochte es in einer ftürmifchen Nacht an die enge Bforte feiner Zelle; ein Pilger trat herein, hoch und ſchön geftaltet, und aus feinen Augen Teuchtete hoher Friede. Eiligſt zündete der Einſiedler ein Feuer an, die Kleider des Fremdlings zu trocknen und feine Glieder zu erwärmen,
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and feste ihm Speiſe und Trank vor; dann Enieete ex, wie er gewohnt war, nieder, und ‚verzichtete mit zitternder Stimme, aber freudig und glaubensvofl, fein Nachtgebet. Da, trat: der Pilger, das Haupt umgeben von einem Strahlenkranz, zu dem Berenden, der ihn, ohne ein Wort bervorbringen zu können, ſtaunend anblicte, und: fprach mit himmliſcher Milde: Dein Flehen ift erhört, Du frommer Knecht, gehe ein zur Ruhe deines Herrn. Damit füßte er. den Sprachlofen anf die Stirne. Entflohen war Die erlößte Seele. Am Morgen fanden ihn Die Waller fanft entichlafen neben den. £leinen: Ale tar, das Bild des himmlischen Friedens und Der Ruhe, nach heißen Kämpfen. Weinend begruben. ſie ihn und bauten ein Gotteshaus am der Stelle, dem h. Michael ae Das Kirchlein. fteht noch und fchaut weit in Die Lande, vormals gar oft befucht von Wallfahrern. Noch heut, zu Tage wird. Gottesdienft in dem Kirchlein gehalten, und die. Todtenfränge der im Friedhof ruhen— den Jungfrauen vom Dörflein Boͤttingen unten am Fuße des Michelebexgs werden in der Saale aufbe= wahrt.
I — Saufen. am Meckar.
Da, wo der liebliche Nedar in: zwei finsken, Krüm- mungen der. ‚Stadt Heilbronn zueilt, liegt der uralte Drt Laufen, deffen Kirche. ſchon ſeit dem Jahre 741
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bis 746 urkundlich genannt wird. Doch noch Alter mag die urfprüngliche Anlage der Burg feyn, deren Reſte fich auf der im Neckar liegenden Felfeninfel er heben, dem Sturm von Jahrhunderten noch Troß bie- tend. Zuverläßig fland auf diefer, Durch eine Brüde mit dem jenfeitigen Ufer verbundenen Felſenhöhe, ein Kaftell der Römer, wie fie folche unter den Kaifern Poftumus und Probud anzulegen pflegten, um von hier aus Ddiefen Theil des fogenannten Zehentlandes zu bewachen. "Doch auch Diefes Kaftell fiel im Sturm der Zeiten, und auf feinen Trümmern baute ein fpäterer Befiger Die jegige Burg. Das war der berühmte Graf des Nordgaued, Ernſt, welcher ums Jahr 832 das Eaiferliche Kammergut Saufen (villa Lauppa) vom Kaifer Ludwig dem Frommen zum Gefchenf er: hielt. Er war es wohl auch, der Die Durch die Brans dung Ded Neckars entjtandene Felfenkluft Fünftlich zu arbeiten anfing, indem dieß zu feinem Zweck, Die Ges gend zu verfchönern, mefentlich war, und feine Nachfolger vollendeten dieſes Werf, Das zur Befeftigung der Burg jo fehr diente, indem die Felfenhöhe ganz und gar vom Ufer getrennt wurde. Graf Ernft foll ein Sohn des Gebhard, und Enfel des Herzogs Taſſilo, Grafen in Oflfranfen, aus Agilolfifchem Stamme gewefen feyn. Er ftand wegen feiner Tapferkeit und" Frömmigkeit bei Kaifer Ludwig in großen Gnaden, und aud) nod) unter Kaifer Ludwig dem Deutfchen war er fehr angefehen. Kaifer Ludwig hatte ihm feine eigene Tochter Friedburga zur Ehe gegeben’, er felbft aber wurde der Schwieger
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von Karlmann, dem älteften Sohne Ludwig de3 Deut- fchen, der feine Tochter ehlichte, deren Namen nicht über— liefert if. Aber gerade diefe Verbindung führte feinen Sturz herbei, denn, da er im Jahr 861 feinem Echwie- gerfohne bei einem Aufftandsverfuche Deffelben gegen feinen Vater beiftand, fo wurde er von diefent aller feiner Ehrenämter entfegt und verlor wohl auch fein £aiferliches Lehen zu Raufen. Er ftarb auf feinen Al fodialgütern im Jahr 861; feine Söhne, Ernft IL IH. V.V., erhoben fi \vieber zu hohen Ehren.
Die Burg Laufen war feit dem Jahr 861 wieder reihsunmittelbar. Erſt mit dem Jahr Hören wir von andern Beſitzern der Burg, die wahrſcheinlich in Laufen oder in der Nähe ihren Urſprung hatten, und in ihrer Familie hauptfächlich den Namen Boppo führten. Der erfte dieſes Namens wird fehon im Jahr 1011 genannt, und dann noch einmal als Zeuge bei Gründung des Stifts Dehringen im Jahr 1037. Don
ihm ftammten drei Söhne: Heinrich, Bruno Iy, 5 der zugleich Graf im Kraich-, Enz- und Elfenzgau
war, und Arnold, deffen Gemahlin Adelheid eine Ur— enkelin Kaifer Heinrichs III. gewefen. Arnold hinter ließ drei Söhne, Heinrich II., welcher ausdrücklich ein Graf von Laufen (de castro Loufe) genannt wird, Bruno, der Erzbifchof von Trier gewefen (v. 1102 — 41124), und das Klofter Odenheim im Kraidigau fliftete, und Boppo H., der durch feinen Sohn Con rad I. den Stamm fortpflanzgte. Deffen Sohn Boppo IL. erhielt Die väterlichen Lehen und lebte noch bis zum
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Jahr 1174. Er zeugte drei Söhne: Heinrich IL, Boppo IV., Conrad IE Von ihnen: ftarben «Heinrich "und Conrad ohne Nachkommen, Boppo hinterließ: zwei Töchter. Er ift wahrfiheinfich Der Beſitzer der Burg Dilsperg am Reckar geweſen, denn im 3. 1208 bewohnte er Diefe Burg. Don feinen zwei Töchtern brachte Mech— tild nach Ausfterben des männlichen Mannsftammes die Erbgüter der Grafen von Laufen am das Gefchlecht Der Dpnaften von Düren (Walddüren), melches fofort den gräflichen Titel und den Bamiliennamen Boppo führte, | Nach, Abfterben Der Grafen von Laufen wurde Die Burg wieder reichdunmittelbar , denn nie wird unter den Befisungen der Dpnaften von Düren in nachfol- gender Zeit der Name Laufen genannt. Als: folche wurde fie mit der Stadt im Jahr 1227 von Kaiſer &riedrid DO. von Staufen dem Marfgrafenı Hermann von Baden verpfändet und nie wieder eingelöst. Seit— dem ſaßen Vögte in: der: Burg auf der Felfeninfel, und dieſe fonnten :wohl jenem edlen Gefchlecht ange: bört haben, von dem: ſchon ein Hermann. von Laufen vom Jahr 1156 bis 1165 vorkommt. Schon vor 1346 wohnte zu Laufen Albrecht Der. Hovewart von Kirchheim; er hatte die Burg anıdem Nerfar (im Neckar) von einem gewiſſen Gerhard von Ubftatt erfauft, der auch fonft Befigungen zu Laufen hatte, Er verkaufte im Jahr 1369 dieſe an die Grafen von Wirtemberg, nachdem er ihnen fehon früher Stadt und Schloß Lau— fen zu Kauf gegeben, welche er von den Markgrafen
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son Baden im Jahr 1346 erworben hatte. Aber nur zu. drei Theilen war die Burg am Nedar an Wir temberg übergegangen. Den vierten Theil befaß noch int Jahr 1434 ein gewiffer Hermann Neft von Ober- ftein und feine Hausfrau von Wifenbrunnen: nebft einem Theil am Zehenten‘, jo wie einigen Gefällen. Derfelbe verfaufte dies Alles int genannten Jahre an die Grafen von: Wirtemberg: um nein gewifjes Leibges ding. Weil: aber Diefer Theil des Schloffes ſo wie die übrigen vom Reiche zu Lehen rührten, fo empfing fie Graf Ludwig für fich und feinen Bruder Ulrich von Kaifer Sigmund zu Ulm zu Lehen. — Seitdem Wirtemberg Laufen erworben hatte, ſetzte es daſelbſt feine Dbervögte. Hand. Kriech im Jahr 1386 war einer der erftien, dem noch Zwanzig von Adel bis 1585 folgten. Das Schloß in. der Stadt, das an das obere Thor ftieß, war wohl ihr erfter Wohnſitz; ald aber diefes fchon zu Ende des 15. Jahrhunderts fehr bau— fällig und unmwohnlich geworden war, wurde die Burg im Nedar ihre Wohnung. Noch zu Anfang des 17. Jahrhunderts war die. alte Burg’ auf der Neckarinſel fehr wohnlich. in hoher Dicker Mantel umgab die— ſelbe, und der vieredigte Thurm aus Quadern hatte sine Höhe von 180 Fuß, war inwendig 8 Fuß wett, und hatte 7 Fuß dicke Mauern. Bon nun an hatte diefe Burg wie die Etadt viel zu leiden. Als im 3. 1643 die frangöfifcherweimar fche Armee: von Franfen her zog, legte der Generallieutenant Tupadel einen Kapitain Paul mit einer. Anzahl Dragoner zur Bewahrung des Paſſes
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in die Burg. Im I. 1672 legte Herzog Eberhard IH. in die Gränzorte Neiter und Fußvolk, um fie gegen die Streifereien verfchiedener Armeecorps zu jihügen. Er Fam in eigener Berfon nach Laufen, befeßte den Paß am Neckar mit Fußvolf, und ließ Stadt und Burg befier befeftigen. Um fo auffallender ift es, wie Die Burg im Nedar fo bald in Verfall gerathen, wie wir jetzt ſehen, da ſie in allen fpäteren Kriegsunruhen, Die befonders - diefe Gegend am Nedar betroffen, immer verſchont geblieben war. Doch war fie noch die Woh— nung der Oberamtleute, die feit dem Jahr 1759 an die Stelle der Dbervögte traten. — Dermalen ift hier der Eib des SHoffameralamts mit einem freundlichen Wohnhaus und Garten. Noch jest gilt von diefem Schönen Wohnort, was einft Carl Füger, der geiftreiche Befchreiber der Neckargegend, Davon rühmte: „Wenn wir Die niedlich gelegene Wohnung: des Beamten, mit Allem umgeben, was zu des Lebens Nothdurft und Ergötzung des Auges dient, den geſchmackvoll angelegs ten Garten, der an verfchiedenen Orten immer übers rafchendere Anfichten darbietet, und Den altergrauen Thurm, der mitten in Diefer üppigen Vegetation als ein Geift von der Herrlichkeit vergangener Jahrhunderte zeugt — wenn wir Alles diefes betrachten, fo wird man den Wunfch fehr verzeihlich finden, hier die Tage ſeines Lebens in heiterer Feier der Natur zubringen zu dürfen!” — Seßen wir und an einem der vielen lieb— lichen Plaͤtzchen, ſchlagen das Buch der Legenden auf, und vernehmen, was fich in altergrauen Tagen auf
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dieſer Tieblichen Infel und in den Räumen ber nun zer: fallenen Burgmauern begeben.
Die heilige Negiswindis.
Kaiſer Ludwig der Fromme pflegte oft fich auf ſei— nen Landſitzen von des Herrfchens Mühen zu erholen. ‚Eine befondere Vorliebe hatte er für das biedere Schwa— benland; hier war er, der jo manche Untreue erfahren hatte, ficher. Er hatte hin und wieder Meierhöfe ans gelegt, auf denen er fi) auch dem Vergnügen der Landwirthſchaft überließ. Ein folcher Meierhof war aud) Laufen am Nedfar, vorher Eigentbum des une glücklichen Herzogs Theudebald, nun in Ludwigs Hän— den. Einft kam Ludwig auch hieher ; in feinem Ges folge war ein hochedler Herr, Namens Emft — ein Graf aus dem Nordgau — dem war Ludwig mit befonderer Huld und Liebe zugethan; er war es, der dem Kaifer manche trübe Laune verfcheuchte und mane hen Schmerz über erfahrenen Undank vergeffen machte,
darum mußte er allezeit in ſeinem Gefolge feyn. % Läaängſt fchon hatte der fchöne Meierhof den edlen Ritter, der die Freigebigkeit feined Kaiferd Fannte, an— gefprochen. Hier an den Ufern des Neckars fehien Die Natur ihre Reize mit verjchwenderifcher Freigebigkeit ausgeſtreut zu haben, um dieſes Thal zu einem der ſchoönſten Punkte der in Diefer Hinficht fo reich aus— geſtatteten Gegend zu machen. Dießmal wüßte Ritter Ernft feinen Kaifer zu befonderd guter Laune zu ſtim—
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nen, und als er einsmals mit: ihn des Abends von einem Jagen recht fröhlich nach Hauſe ritt, brachte er feine Demüthige Bitte, der Kaifer möchte ihm feinen Meierhof zu Lehen ‚geben, Jo geſchickt an; daß Ludwig nicht umhin Fonnte, ihm Diefelbe zu gewähren. Den mitten in dem Meckar ganz iſolirt ragenden Felſen er- ſah ſich Graf Ernſt, um mit ſeiner Gemahlin Fried—⸗ burga darauf zu wohnen. Er baute daſelbſt eine Burg, in der er auch vor Feindes Angriff ſicher ſeyn fonnte; unter ſich den Fluß, der den Felfen von allen Seiten umſpült, über ſich den blauen Himmel, und rings um⸗ ber: eine äußerſt freundliche Natur — fühlte ſich der ‚Graf bald. recht zu Haufe auf feiner neuen Burg. Hier. febte er mit Friedburgen in Huhe und Frieden, und gewann bald ein großes Anfeben-in der Gegend; zu. feinem Glücke ſchien nichts mehr zu fehlen, als ihm Friedburga ein Töchterlein gebar, die er Regiswindis hieß. So oft Ludwig in die Gegend kam, mußte Ernſt ſein Begleiter ſeyn, wenn es da oder dort etwas zu ſehen, anzuordnen und zu ſchlichten gab. Manchs— mal begleitete ihn) Friedburga, das zarte Kind ließen fle in den Händen einer Wärterin zurück, die im Rufe befonderer Klugheit ftand, und auch fieben Jahre lang, zur ‚großen Zufriedenheit der Eltern, des Kindes pflegte.
Eines Tages begab es fich, Daß einer von Ernſts Dienitleuten , ein Bruder der: Märterin , bein Qüten der Pferde auf den benachbarten Waiden fich eine große Nachläßigkeit zu Schulden kommen ließ. Da er nichts zu feiner Entfchuldigung vorzubringen wußte,
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lieg ihn der Graf zur Warnung: fir: Andere ſtäupem. Als: ſolches die Wärterin vernommen, ergrimmete ſie darüber, und befchloß, an ihrem Herrn ſchreckliche Rache dafür zu nehmen; ſann auch lange — wie * ſolches am beſten thun könnte. —
Da geſchah es, daß. der Graf mit feiner Gemahun eine Reiſe machte, und niemand auf der Burg war, ala die Amme mit denn zarten Kinde. So ſehr dieſe das Mäagdlein auch liebte, jo. ergriff: ſie dennoch jetzt, da ſie ſich allein mit ihm ſah, die Wuth der Hölle; die alte Rachgier erwachte von neuem. Sie ergriff das Kind, eilte mit ihm auf die äußerfte Spitze der Burg— mauer, erwürgte es, und: warf es: in den vorübereilen— den Fluß, der’ die ſchreckliche That verbergen follte. „ Mit ſtarren Blicken ſah te in Den jähen Abgrund, und vernahm, wie das MWafler tobte und fprudelte, gleich als wollte e3 feinen Abſcheu zu erfennen geben. Sie glaubte hierin ‚die Stimme des Richters zu vernehmen, ermwachte aus: ihrem Wahnfinn, und: eilte, gefoltert von Sewifjensbiffen, ander entgrgengefegten Seite des Ne—
ckars ſich in feine Wellen hinabzuſtürzen. Plötzlich erſchienen einige Dienſtmannen der Burg, verhinderten
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die Ausführung ihres Vorhabens, und befragten fie er
darüber, worauf fie ihre Ihat befannte. Nach dieſem Geſtändniß entwich fe ihren, Sänden, und man —— nicht, was ‚aus: ihr geworden.
Alle, Die. es vernahmen, wie Die boshafte Anime die Meine: Megisreindis gemordet habe, maren tief — oll Angſt und Schrecken gingen ſie an den Ufern. auf
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und ab, das Kind zu fuchen; da fanden fie es endlich in einem Strudel; fein: zartes Angeficht ‘war: weiß, jeine Wangen roth, und feine Aermelein hatte e8 freuz- weife über die Bruſt gefchlagen. Darauf zogen fie den zarten Körper aus dem Waſſer, beriefen die Diener der Kirche nebft vielen Andern, die dem Grafen Ernſt in Lieb und Freundfchaft zugethan waren, und‘ begru- ben ihn unter beißen Thränen, der Burg gegenüber, an dent jenfeitigen Ufer des) Neckars. Nach etlichen Tagen fanı Ernft mit Friedburgen wieder nach Haufe ein fröhliches Getümmel von Knappen fam ihm jonft; entgegen, und jeder beeiferte ich, der erſte zu ſeyn, Der feinen Herrn bediente. Uber Diegmal war Alles in Todeöftille verfunfen, und auch an der Schloßpforte wat niemand, der ihnen, ihre Pferde abnahm. Bedenk— lich eilten fie über Den Burghof hinweg, und ergrimmt fragte Ernſt den erften feiner Dienftleute, was dieſes zu bedeuten habe? Da erzählte er ihm weinend, wie Das zarte Kind durch die boshafte Amme getödtet wor= ben fey, und daß es dort drüben ſchon im fühlen Grabe liege. |
Da ging e8 an ein Trauern und Klagen über den Tod Des geliebten Töchterleins, Daß die Burg Davon wiederhallte, und Friedburga wollte fich nimmer trö— ften Taffen. — Als nun der fromme Bifchof Humbert von Würzburg erfuhr, wie den Grafen Ernſt jo gro— ßes Leid betroffen habe, fo machte er fich auf gen Lau— fen, um den betrübten Eltern den Troſt der Kirche zu bringen. Er ließ ſich alles erzählen, und ald man
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ihm fagte, wie fich Die Gefichtöfarbe des Kindes auch im Tode nicht verändert, und es feine Arme kreuz— weiß über einander gefchlagen babe, fo wußte er Diefeg auf befondere Heiligkeit des Kindes zu deuten und rieth deßhalb dem Grafen, über dem Grabe eine Kapelle) zu bauen, zu Ehren der heiligen Negiswindis. Einſt, handelte im frommen Glauben feiner Zeit, und th wie ihm der Bifchof gerathen. Als man den Leichnam | in einen filbernen Sarg legte, hörte man den Gefang - | der Engel, Die dieſes Kind felig priefen. Humbert weihte die Kapelle ein, und viele Gläubige wallfahrteten
zu der Stätte, wo die Gebeine der heil. Regiswindis rubten.
Drüben auf dem Schloffe ward e8 aber num bald einfam und leer; Ernft und Friedburga wollten da nicht mehr wohnen, wo ihnen fo großes Leid wider- fahren war; die fchönen Ufer des Neckars hatten für fie ihren Reiz verloren. Sie zogen wieder in ihre alte Heimath.
Nach 400 Jahren ging die Kapelle der h. Regis— windis in Abgang, aber nicht ihr Andenfen. Es wurde im Jahr 1227 ihr zu Ehren neben der abgängigen Kapelle eine neue prächtige Kirche in edlem Style er— baut, die jegige Kauptfirche im Dorfe, die freilich im Laufe der Zeit manche Aenderung erlitten haben mag, denn von den vier Erfern und den goldenen Knöpfen die fie einft zierten, ift Nichts mehr zu fehen. Am 15. Juni des genannten Jahres, wurden die Gekeine der fleinen Heiligen in die neuerbaute Kirche überge-
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tragen und im Chor eingefenft. Auf Die Gruft wurde eine Steinplatte, in Oeftalt eines Sarges, gelegt, bie innen hohl ift und drei Deffnungen bat. Sie trägt Die gotbifche Inſchrift: Anno Dommi millesimo du- re vicesimo septime fuit canonisata et vanslata virgo et martir sancta Regiswindis et En data erları, (Nunmehr befindet fich diefer Grab: ſtein an der nördlichen Geite des Chors eingemauert.) Sm Jahr 1521 wurde S. Nenfis (Megiswindis) Sarg, zur Aufbewahrung ihrer irdifchen Reſte gemacht, wozu 56 Mark Silber im Werth von 729 fl. verbraucht wurden ; als die Neformation eingeführt wurde, foll der Silberne Sarg in einen zinnernen umgewandelt worden feyn. Im Jahr 1529 machte ein Kaplan der Kirche, Michael Epp, auf Die Thüren welche das Mo— nument der Heiligen einfchloßen, folgende zierliche In— ſchrift: En cubat insigni celebris Virguncula tumba Regiswindis in hac martyr et eximia. Quam fera primaevo nutrix in flore juventæ Insontem oppressit, acta furore gravi. ' Urna per &ternum summo dilecta tonanti Ossa verenda tenet, spiritus astra colit.
(Sieh in Diefer merkwürdigen Gruft Tiegt Regiswindis das berühmte Mägdlein und die ausgezeichnete Märtyre= rin, welche die rohe Umme, von Wuth getrieben, in der erften Blüthe der Jugend unschuldig erwürgte. Die Urne birgt tie dem Serrfiber im Donnergewölf ewig
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theuren Gebeine, der Geift wohnt über den Sternen.) Sn derfelben Kirche war früher auch ein altes Gemälde zu fehen, das die Todesgefchichte Der Jugendlichen dar— ftellte — wie diefe Legende überhaupt auch fonft im 46. Jahrhundert zum Gegenſtand bildlicher Darſtellung gewählt worden if.
. Südlich von der genannten Kirche fieht noch ein Altertbum, das wir nicht unbeachtet laffen Dürfen: es iſt Die eigentliche Kegiswindis- Kapelle, welche wohl erſt im. 14. Jahrhundert aus den Leberreften Der abge— gangenen uralten Wallfahrtsfapelle erbaut worden. Sie iſt im Grundriß ein Quadrat von ungefähr 18 Fuß Dreite, die Bedeckung bildet eine ‚achtfeitige Pyramide aus Duadern conftruirt z diefelbe ift im Innern hohl, ebenfalls achtſeitig. An Der Dftfeite ift ein Chor an— gefegt mit Drei Façen und ſpitzbogigem Gewölbe. Im
Innern ſieht man noch Spuren von Frescomalerei. End—
lich iſt dieſes altehrwürdige Denfmal wieder bergeftellt worden. Die 8. Koffammer bat 100 Thaler dafür bewilligt — der Altertbumsverein zu Gtuttgart bat eine ziemliche Summe zur Wiederherftellung beigeftenert, ebenfo bat auch die Stadt Laufen das Ihrige dazu beigetragen, und ſteht nun am freundlichen fer des Neckars wieder eine ſchöne Negiswindis- Kapelle.
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—— Kloſter Hirfan.
Die neuere Zeit hat verſchiedene Anſichten von den Klöſtern aufgeſtellt: wenn Die eine nichts anderes da— rin ſah, als den Sitz der Verfinſterung, ſo hat da— gegen die andere eine die ſchwärmeriſche Stimmung an— forechende Seite ihnen abzugewinnen geſucht. Wie wenig man bei Diefen beiden Anſichten der urfprünglichen Bes fimmung der Klöfter fich zu erinnern gewußt, bedarf faum angezeigt zu werden. Was die Burgen für Das- bürgerliche Xeben gemwefen find, das waren die Klöfter
— - für religiöfe und wiflenfchaftliche Bildung, Pflanz- und.
Zufluchtsftätten gegen die Vergewaltigungen der Zeit, und ficher geftellt in Abficht ihrer inneren Bebürfniffe durch reichliche, unantaftbare Stiftungen, Alles in For— men Die wir nach ihrer, nicht nach unferer Zeit beur— tbeilen müffen. Dieſe Eulturbiftorifche Bedeutung hatten beſonders im Deutfchland die Klöſter Neichenau im DBodenfee, fo wie Sirfau im Schwarzwald. Beinahe gleichzeitig gefliftet, Reichenau nur noch bedeutfamer, wie St. Gallen, durch die fogenannten äußeren Schulen (für Bildung weltlicher Zöglinge) haben Diefe drei Klöſter, wozu wir noch, wenn auch fpäter gegründet, Das Klofter Maulbronn zählen dürfen, am längiten ihre wichtige Bedeutung feftgehalten, wodurch fie ein Segen für Die nähere und fernere Umgebung geworden find. Wir
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wenden uns dem im lieblichen Schwarzwaldthale gele— genen Klöfter Hirfau zu, das noch in feinen Trümmern zeigt, wie prächtig e3 vor Zeiten gewefen.
Zwei Tiebliche Sagen eröffnen die Gefchichte Des Klofters Hirſau. »
Im flebenten Jahrhundert unferer Beitassnng (umso Sahr 643) da kaum noch das Chriftenthum in den Mäldern Alemanniens Eingang gefunden, Iebte eine reiche, edle und fromme Wittwe zu Calw, mit Namen Helizena, die ftammte aus dem Geſchlecht der Örafen jened Drts. Ihr einziger Wunfch war, da fie feine Kinder hatte, fich gang dem Himmel zu weihen; Das rum lag fie oft in brünftigem Gebete vor Gott, Daß er ihr offenbaren möge, wie fie ihre zeitlichen Güter ihm wohlgefällig anwenden könnte. Da begab fich einsmals, Daß fie in der Nacht über einem einfamen Thale in den Wolfen eine Kirche erblickte, unten im Thale aber drei fchöne Fichtenbäume, Die aus Einem Stamme gewachfen waren, und aus den Wolfen ver- nahm fie die Worte: Helizena, hab’ Acht! Dein Gebet . ift erhörec, und Deffen zum gewifien Wahrzeichen fiehe hier dieſes ebene Feld, Darauf drei Fichten ſtehen, welche aus Einem Stamme gewachfen, da follt du dieſe Kirche niederjegen. Als fie vom Schlaf erwachte, ftand ihr das Thal, fo fie im Traum gefehen, noch ganz vor Augen, ob fie gleich vordem nie dahin gefommen war. In ftillee Demuth zog fie des andern Tags, Gott zu - Ehren, ein Feftfleid an, und ging in Begleitung einer Magd und zweier Knechte hinaus, als ginge fie ſpa—
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zieren, ging ins Thal hinab und ſtieg dann auf einen Berg. Da erſah ſie von dem Berge die Gegend, ſo fe im Traume erblickt hatte; es war ein lieblich Feld, Darauf Drei Fichten ftanden, Die aus Einem Stamme gewachfen waren. Fröhlich eilte fie den Bäumen zu, und fiel weinend vor Freude auf Die Erde, Füßte den Boden, 309 ihr feiden Gemand aus, und legte es ſammt all ihrem Schmuck und Evelgeftein unter die Bäume. nieder, Damit anzuzeigen, Daß fie all ihr zeitlich Gut diefer Stelle fehenfe, und alfo hier zu Gottes Ehren ihre Habe verwenden wolle. Sofort fehrte fie nach Hauſe zurüc, berief ihre Obeime, die Herren von Calwe, Egward und Reupold, den Drtsvorfteher und ihr eigenes Gefinde, und bat, ihr Vorhaben auseinanderfeßend, um die Einwilligung ihrer Verwandten, da der zur Grün— dung der Kirche auserfehene Grund und Boden jenen angehörte. Diefe willigten gerne ein, und vergabten Wald, Waide und Felder zur Stiftung. Alsbald Tieß Kelizena ihr Feſtkleid, ihre Ninge und 'Koftbarkeiten in die St. Nievlai- Kapelle zu Calwe bringen, und gelobte Gott und den Heiligen, daß ſie fünftig Nichts mehr dergleichen tragen wolle. Nun begann fie den Bau der Kirche, vollendete ihn im drei Jahren, und bat Gott, er möge fich der Kirche in Gnaden annehmen. Bald hernach ward ihr weiter im Traume eingegeben, fie follte zu der neuerbauten Kirche einige Berfonen fegen, um dem Gottesdienft abzuwarten. Sie lieg alfo auch em Haus zur Wohnung für Diefe bauen und verordnete darein vier Männer, welche der Welt entjagt
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hatten und Die fie mit Allem, was zum Lebensunter- halt erfordert wurde, verforgte. Vieles Volk von der umliegenden Gegend ftrömte andächtig zu Diefer Kirche,
die dem Heiligen Nazarius geweiht wurde. Das war der erſte Anfang Des Klofters Sirfau; im Jahr 830 -
erfolgte eine: zweite Etiftung.
Um dieſe Zeit lebte Graf Erlafried von Calwe, ein reicher und mächtiger Mann, und wohlgelitten bei Kaifer Ludwig dem Frommen. Er hatte einen Sohn, Namens Notting, welcher Bifchof von Vercelli geworden war. Aber auch an den fehönen Ufern des Bo Eonnte er jein heimathliches Thal im Schwarzwald nicht vergeffei. So fapte er einmal den Entfchluß, fein theures Vater— land und die lieben Seinigen wieder zu fehen, aber er wollte nicht ohne Gabe ind Vaterland zurückkehren. Längft befaß er die Gebeine des heiligen Aurelius aus Armenien, Dem er zur Bercelli ein Foftbares Grabmal
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erbaut hatte. Diefen Schatz beſtimmte er für feine
Heimath, aber er wollte folch Vorhaben nicht ausführen, ohne den Willen Gottes zuvor Darüber zu vernehmen. - Darum wandte er fich im Gebet zu Gott, brachte eine ganze Nacht fehlaflos vor dem Grabe des Heiligen zu, warf fich zur Erde nieder und rief alſo den Gottes- mann Aurelius an: beiliger Vater Aurelius, meine Zierde und nächft Gott mein einziger Sort, ich ſchütte vor dir aus das Anliegen meiner Seele und bitte dich, bei Der göttlichen Liebe, laß mich nicht länger im Zweifel, und belehre mich, deinen demüthigen Knecht, damit ich weiß, was ich thun foll, nach Gottes und
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deinem Willen. Alſo betete er Enieend und unter Thrä— nen, legte fich dann müde nieder und entfchlief. Siebe da! im Traume erjcbien ihm der heil. Aurelius, ans gethan mit priefterlichem Schmucke, glängender ald Die - Sonne, und ſprach: Keil Dir, Bruder Nottingus! flehe auf, laß Dein Weinen, ich bin dazu da, um Dich nach Deutjchland zu begleiten, und mehr Seelen dort dem Herrn zu gewinnen, als mir im Leben gelungen, fo lange ich unter den Völkern predigte und Durch Wunder berühmt war. Kommſt du dahin, fo follt du ein Klofter der Diener Gottes gründen, da, wo Dir ein Dlinder begegnen wird, dem auf fein Gebet das Licht der Augen wieder gefchentt werden foll. Dieß gejagt, verfchwand der Heilige wieder. Sobald fich der ehr— würdige Bifchof vom Schlafe erhob, öffnete er noch in der Nacht den Sarg, trug die Gebeine des Heiligen in der Stille in fein Haus, nachdem er Das Grabmal forgfam verfchloffen, und ließ die Bewohner von Vercelli lange Zeit in dem Glauben, daß fie noch den theuren Gaft in ihrer Mitte hätten, den fie nimmer befaßen. Nun rüftete Notting Alles zur Abreife, wählte aus feiner Dienerfchaft die getreuften zu feinen Reiſegefährten, fieß einem Maulthiere die Kifte mit den Gebeinen des heiligen Aurelius aufladen, und trat feine Fahrt in Die Heimath an. Er langte nach furzer Zeit glüdlih im Deutfchland an, und wurde von den Geinigen in der Heimath mit Jubel empfangen. Nun zeigte er feinem Vater und Allen, die allda wohnten, an, welch theuren Schatz er ind Land bringe. Da noch im Augenblid
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fein geweihter Ort vorhanden war, Der würdig meäre, den hohen Gaft aufzunehmen, und man nicht wollte, daß diefe heiligen Nefte über drei Tagen unter jündigen Menfchen verweilen, fo hielt man einen gemeinen Rath, wo man dem 6. Befenner eine Wohnung bereiten follte. Zu derfelbigen Zeit fland nicht weit von der Burg des Grafen Erlafried eine dem h. Nazarius gemeihte Kapelle, welche dem Berge, auf dem fie erbauet war, den Na— men gab bis auf den heutigen Tag. Da hielten es Alle für gut, den Leib des 5. Waters in dieſer Kapelle einftweilen niederzulegen, bis man einen pafjenderen Ort Dafür finden würde. Am folgenden Tage machte fich Notting mit feinen Dienern und fein Vater Erlafried ‚mit feinem jüngern Sohn Ermefried frühe auf, an fie ichloßen fich viele Edle und Leute vom Volk an, melde Graf Erlafried den werthen Gäften zu Ehren verfammelt hatte, und nun, nachdem alles Nöthige zu Ehren Des - ‚Heiligen angeordnet war, ſchickte man fich an, den Leib des Heiligen die Anhöhe hinan zur genannten Kapelle Dee h. Nazarius zu tragen. Als man aber an jenem Page ankam, wo hernach das Klofter des 5. Aurelius errichtet worden, fiehe da trat ein Blinder mitten in die Schaar, entgegen dem 5. Leibe und fieng an, mit lauter Stimme zu rufen: erleuchte mich, heiligfter Gottes— verehrer Aurelius, durch deine Fürbitte, wie Du mir es verheißen haft! Da fprach Biſchof Notting zu ihm: wo hat der h. Aurelius dir verheißen, daß er dir Das
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Augenlicht geben wolle? der Blinde antwortete: in dieſer Nacht iſt mir der Heilige in der Noth meiner
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Seele erfchienen und fprach zu mir: Morgen, im Na— men Jeſu Chrifti, wirft du Das Augenlicht erhalten. Und ich fprach: Herr, wer bift du? Er antwortete: ich bin der Bifchof Aurelius, neuangefommen in Deutfch- land, und hat mich der Sohn deines Grafen Erlafried biehergebracht. Als der Blinde Das gejagt hatte, rief er noch. einmal: heiliger Aurelius, hilf mir, Daß ich dich fehe. Zur Stunde wurden feine Augen geöffnet und er ſah vollfommen. Alle Anwefenden aber, ale fie das fo feltene Wunder fahen, lobeten ‚Gott und fprachen : gelobt feift du, Serr Iefu Ehrift, du Sohn des lebendigen Gottes! und ein Jeder fagte zum Anz dern, Der ihm zur Seite ftand: o wie groß ift jener Heilige, Der auch Blinden das Licht geben fann. Dar— nach fagte Notting zu feinem Vater Erlafried: Diefen Plag Hier bat der heil. Aurelius zu feinem Wohnort erlefen. Sofort hielt Bifchof Notting allda eine Meſſe, und feste den 5. Leib des Aurelius an einer dazu be- reiteten Stätte nieder. Darauf nach wenigen Tagen legte Notting feinem Vater und Bruder dar, wie er längft auf Ermahnung des heil. Aurelius im Traume ein Gelübde gethan, und bat, flehte und. befchwor fie, ſte möchten aus Liebe zu dem allmächtigen Gotte, zu Ehren des Heil, Petrus, Des Apoftelfürften, jo wie des heil. Biſchofs Aurelius, ein Klofter für Öottes Diener gründen, und zwar an Demfelben Drt, wo der Blinde das Augenlicht erhalten ; zugleich verbieß er, nach feinen fehwachen Kräften das Werk zu fördern. Es bedurfte feines langen Zufpruche, denn Das gefchehene Wunder
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hatte auf die Herzen gewirkt; auch war Graf Erla— fried ein gottesfürchtiger Kerr, der längſt das Himm— liſche dem Irdiſchen vorzgog, und den Armen Tiebend diente. Ohne fich zu bevenfen, verhieß er, ſammt fei- nem Sohn Ermfried, Alles zu erfüllen, um was Potting bat. Kaum war derfelbe nach DVercelli zurücde gekehrt, fo fieng er fehon an, an dem genannten Plate dem heil. Aurelius zu Ehren ein Klofter zu erbauen. Im Jahr 831 5 der Bau begonnen, und nach ſteben Jahren vollendet. Jene Gegend bei Calw lieferte Holz und Steine im Ueberfluß, daß man Nichts für den Bau weit herholen mußte, dazu ſandte Biſchof Notting aus Vercelli eine Menge Gold und Silber, theils um den Bau zu fördern, theils zum erſten Un— terhalt der Mönche, Die allda fich anjledeln follten. Auch ſchickte er goldene und filberne Kreuze und Becher für den Gottesdienft, ferner Bücher und allerhand Ge- zierden zur Ausſchmückung des Gotteshauſes, um Doch auch einen Antheil am ſchönen Gott geweißten Werke zu haben. As Kirche und Klofter: vollendet ftand, begabte fie Graf Erlafried reichlich mit Öütern und Höfen, und Pabft Gregor VI. beftätigte die ganze Stiftung in einer feierlichen Urkunde Am 15. Mai 838 trafen fünfzehn Benediftinermönce mit ihrem Abt Liudebert aus Fulda ein, dire Graf Erlafried von Dem damals ſo berühmten Rabanus Maurus erbeten hatte. Die Einweihung der Kirche, zu Ehren des h. Petrus und Aurelius, geſchah am 11. September des genannten Jahres; ſie erhielt den Namen Aureliuskirche.
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In der Folgezeit Fam das Kloſter in Abgang, theils durch Die Peſt, theild Durch Bedrückungen der Schirm— vögte, theils durch die Ausartung der Mönche felbft. Im Anfang des 11. Jahrhunderts wurden die Mönche fogar vertrieben und das Klofter blieb 63 Jahre leer, bis Pabſt Leo IX. aus dem Gefihlechte der Grafen von Egisheim und verwandt mit den Grafen von Calw, Diefe feine DVettern bei einem Befuch in Calw durch Androhung des Bannes zur Wiederherftellung des Klofters veranlaßte. Zum zweiten Mal half jetzt eine Frau, die Gräfin Wiltrud, Gemahlin des Grafen Adelbert I. von Calw, eines Neffen des genannten Pabſts, dem faft abgegangenen Klofter wieder zum Aufgang. Cie bewirkte bei ihm, Daß er fich entjchloß, Das. ſchadhaft gewordene Gebäude von Neuem berzuftellen. Im Jahr 10066 berief er zwölf Mönche mit einem Abt Friedrich aus dem Klofter Einfiedeln, um das SKlofter neu zu beſetzen. Nach zwanzig Jahren war der Bau Der Kirche und des Klofters vollendet. Bei der Einweihung am 4. Septbr. 1071 erhielt das Klofter Die widerrechtlich entzogenen Güter wieder zurück. Am 9. Oktbr. 1075 unterzeichnete Babft Gregor VI. den zweiten Gtiftungs- brief und nahm das Klofter in feinen befonderen Schuß. Bon nun an beginnt die Olanzperiode Hirſau's, for wohl durch Die Schenfungen des ummohnenden Adels, als auch Durch Die Weisheit des Abtes Wilhelm und die Zucht feiner Mönche. Die Zahl der leßteren ver- wehrte fich bis auf 150, hiezu famen noch 50 Laien- brüder und 50 andere, damald Oblaten (Dargebotene)
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genannt, die fich während des Kampfes zwifchen dem Kaiſerthum und Der Kirche zu Diefer flüchteten, ihre weltliche Kleidung zwar beibehielten, aber dem Klofter als gefchiefte Handwerker dienten. Aus Hirſau gingen nunmehr Golonien von Mönchen nach Schwaben und Franken, Während der 22 Jahre feines Negiments- (1069— 1091) entfendete Abt Wilhelm aus Hirſau 130 Aebte nach verfchiedenen Kllöftern, und über 100 im Verfall gefommene Klöfter brachte er theilmeije oder gänzlich wieder mit feinen Mönchen in Ordnung. Die Zahl der Mönche, Laienbrüder und Oblaten wuchs auf 300 heran, Unter diefen Umfländen war Dad alte Kloftergebäude bald zu Elein, und Abt Wilhelm baute nun ein neues auf einem fanften Vorhügel am linfen Ufer der Nagold, weil das alte in den Nied— zungen des rechten, dem Andrang des Hochwaſſers all- zufehr ausgefeßt war. Wilhelm begann den Bau im Jahr 1083 und vollendete ihn 1091, lediglich nur mit Hülfe feiner Mönche, Laienbrüder und Oblaten. Am 2. Mai wurde Die Kirche zu Ehren Jeſu Chriſti und der Ayoftel Petri und Pauli geweiht. Am 4. Juli defielben Jahres flarb Abt Wilhelm, einer der fräftigften und thätigften Männer feiner Zeit. Im folgenden Sahre waren auch die Kloftergebäude fo weit vollendet, daß der Convent in das neue Peter- und Baulklofter einziehen fonnte, ein ‘Brior und 12 Mönche blieben in dem Aureliusklofter zurüf. Unter Abt Wil helms erſten Nachfolgern iſt vor Allen Bruno zu nennen, der ein Bruder Conrads yon Wirtemberg war
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und im J. 1105 Abt zu Sirfau geworden, Er war nicht weniger fromm als fein Vorfahr Wilhelm, und regierte 15 Jahre mit Eifer und Weisheit das Klofter. Auch unter ihm war das Klofter noch im Zunehmen: e8 erhielt ſchöne Etiftungen ımd gab im mehrere neu— geftiftete Klöfter, namentlich Lorch, Die erften Mönche, Die folgenden Aebte traten weniger in Die Fußftapfen Wilhelm's und Bruno’s, wenn wir auch einige Fluge und thätige aufzählen könnten. Abgeſehen davon, daß Sirfau unter feinen Schirmoögten, namentlich von ei— nem Udelbert VI. von Calw Biel auszuftehen hatte, beginnt 100 Jahre nach Wilhelm wieder eine traurige Zeit, Die wir bei jedem Kloſter wenigfiens einmal, wo nicht öfter eintreten feben, der. fatale Zirkel von Wohlftand zur Ausgelaffendeit, Derfchwendung und Are muth, von da, wenn es glücklich ging, durch gründe liche Befferung, welche ein paar Fluge und thätige Vor— ſteher bewirkten, dann wieder zum Wohlſtand, bis endlich der Geiſt der Zeit die Form, in welche alle gegoſſen waren, zerbröckelte oder zerbrach. Hirſau hat von nun an alle Schickſale, alle guten Eigenſchaften, ſo wie alle Fehler und Thorheiten mit den andern Klöſtern gemein, die wir von dem Ende des 11. bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts in Schwaben und Sranfen entftehen fehen. Bon dieſer Zeit an ſank bie ehemalige Pflanzftätte für Kultur und Wiljenfchaft, die Männer von religiöfem Cinne und hober wiſſenſchaft⸗ licher Bildung hervorgebracht hatte, zu einer Anſtalt herab, welche einer durchgreifenden Reform bedurfte,
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wie viele andern. Die Zeit der Reformation führte diefe Umpgeftaltung des Klofters Hirſau herbei, in Folge der fie noch lange, ihrer alten Beftimmung getreu, wenn auch mit der Zeit fortfchreitend, eine mohlthätige Anftalt geblieben ift. Wie mehrere andere Klöfter, fo war auc Sirfau in Volge der von den Serren von Mirtemberg geübten Schugvogtei allmählich unter ihre Hoheit gefommen. Im Jahr 1558 hob Herzog Chri- ſſoph Das Klofter auf und verwandelte es in eine ſo— genannte Kloflerfchule, Deren erfter evangelifcher Abt (Grälat) Heinrich Weikersreuter gewefen. Derſelbe Her— 309 erbaute „aus ſondrer Anmuthung und Luft zu dieſem Klofter, und fonften des luftigen Ortes halben” auf Dem Platz der alten Abtei ein ftattliches Herren— haus, Das er befonders als Jagdſchloß benügte. — Noch 40 Jahre nach dem weftphälifchen Frieden blühte Hirſau als ein evangelifches Seminar, das manchen frommen und gelehrten Geiftlichen dem DBaterland erzogen. Mit Ende des 17. Jahrhunderts erging über Sirfau, wie über viele Orte jener Gegend, ein trauriges Schiefal. Beim Einfall der Franzofen traurigen Andenfens, im Sabr 1692, nach dem Treffen bei Detisheim, wurde Klofter und Schloß gänzlich abgebrannt. ‚Die Klofterfchule mußte nad) Denfendorf verlegt werden. Es bat ſich feitdem nie mehr aus feinen Trümmern erhoben. Nur die Dekonomiegebäude, von Denen Das Klofter rings. umgeben war, wurden nothdürftig wieder hergeftellt, um fie als Fluchtboden zu benützen. Was aber noch te vom Brande verſchont geblichen war, wis
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jene Kapelle, die noch im Jahr 1783 unverfehrt da— ſtand, wurde in den legten Jahren des vorigen und zu Anfang des jegigen Jahrhunderts zu Baumateria- lien verwendet.
Mie es im Klöfter vor feiner Zerſtörung ausgeje- ben, darüber haben wir den genauen Bericht eines ge= wiffen Andreas Steinhard vom Jahr 1610, von dem wir Einiges in der naiven Schreibart des Verfaſſers felbft geben wollen. 2
„Auf der einen Seite des Wafjers Nagold liegt das alt oder Kleinere Klofter, auf der andern das neue oder das größere. Meber das Waffer zwifchen beiden Klö— fern, Die Doch zufammengehören, gebt ein ſchön ſtei— nerne Bruck von braunrotben Quaderftüden, mit etlis chen Schmwibogen und Neckhern, Darauf man fißen und fihb mit Geſpräch erluftigen Fann, über dem Waffer Wald und beide Klöftern vor Augen babend. Das Waſſer ift frifch, raſch, darein bin und her aus den Nebentbälern andre frifche belle Brunnen Wäfferlen aus den Felſen über Stein und Sand zufließen. Die Kirch im neuen Klofter ift groß, lang, Hoch, weit, mit zwei gleichen viereeften hohen Thürmen gegen Der Sonnen Niedergang. Sie ift gebauet in Form und Geftalt des Kreuzes Chrifti, auch von braunrothen Duaderftücken, wie vorgemeldte Brud, und felben glei— chen der Kreuzgang. Immendig der Kirche find viele runde fleinerne Säulen zu beiden Geiten, alles von einem Stein, auch mit fehönen gemalten Figuren und Geſchichten aus dem alten und neuen Teftament; item
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mit der römiſchen Kaiſer Bildniſſen, und ſonderlich des Herrn Chriſti Geſchichten von unten an bis oben aus, ein jedes an ſeinem Ort rausgeſtrichen und geziert. Gegen Mitternacht ſtoßen luſtige Capellen daran, da in der ein ein Meß eines Rieſen auf viel Schub und feine liverne Kleider, die er mit eifenen Ringen zuges than, in felben Gebirg oder Revier jich ſoll gehalten haben, gewiefen und gezeiget wird. Sonderlich gegen Mittag ftehet ein Capel dran mit Bfeilern, Fenſterge— fielen und einem Gewölb, alles von braunrothen Qua— derftücken oberzählter Barb. Da 0b demfelben eine feine Liberei, darinnen alte namhafte großen Bücher, fon- Derlich ein gar großes ſchweres pergamentnes Buch, das ein einziger Mann nit wohl naher thun oder handlen ann, welches inwendig der Decken an Orten und En— den herum, anftatt Der Spangen, mit hölzernen Riemen befihlagen und ein jeded Blatt ein junge Kalböhaut ſoll geweft feyn. Auch zwei neue, lange, fchöne und ausgeftrichne Refectorien mit Säulen. Im Sommer: Refectorio ift ein Springbrünnlein, da die Aebt con- terfeiet und mit ihrem Thun befchrieben werden... Im Minter-Refectorio ein eifner Of, darauf man ſteigen und oben rum fißen kann. Der Kreuzgang zwifchen der Kirchen und den Pefectorien, Darauf. der jungen Studiofen Dormitorium, Schlaffammern und Studier- kammern, umfängt einen ziemlichen Garten, bat auf 4 Ceiten 4 Benfter, da ein jedes der Breite nach im 3 Unterjchied oder Felde, durch zwei Eleine fleinerne - Säulen getheilet, und je zwifchen 2 Fenſtern ein. flei- 6
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nern. Pfeiler ; in den Fenſtern je im mittlern find Die Sefchichten, fo ſich mit Ehrifto verloffen, aus dem neuen Zeftament, fammt den prophetifchen Weiffagungen, und in denen beiden Nebenfeldern die Figuren, Vorbilden und Bedeutung aus dem alten Teftament in die Fen— ftergläfer gar Fünftlich und aufs deutlichfte mit allerlei ausbinftigen Farben gefchmelzt. An Dem Kreuzgang gegen Mitternachtwärts, in den Kreuzgarten hinein, ift ein hoher und meiter Erfer mit Bfeilern und Fenſter— geftelfen, auch gemahlten und gefchmelzten Fenſterglä— jern, darin ein hoher von Steinwerf und Bilder aus— gehauener Springbrunn, mit 24 Röhren und mit 3 fteinernen Wafjernapfen über einander, da er in das Waffer von oben in engen und weiten mit lieblichene Getöß herab rauſchet, doch nicht ftet, fondern wenn er anges laffen wird. — Das find die fürnehmften Gebäu ohne das neue fleinerne Fürftenhaus gegen Mittagwärts, Das zur fürftlihen Wohnung und Herberg mit hohen Schne— fen, auch Stuben und Kammern je eind umbs ander, und andern dergleichen Gemach, wie auch mit Uhr— — werken und Sonnenzeigern zugericht.“ * So Wenig noch von all dem Herrlichen vorhanden if, as vor 1692 geſtanden, fo gibt es Doch noch er zer, was dem Freunde des Alterthums von Wichtigkeit iſt — auch Die Trümmer Des ehemaligen Kloſters find noch ſchön, und wir machen den Be- N der Ruinen auf folgende Reſte befonderd auf merkſam: 1) Die alte Aureliuskirche, von Graf Erlafried m
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9: Jahrhundert erbaut und von Graf Adelbert II. wieder bergeftellt, wurde fon im J. 1584 abgebro- hen; nur der weftliche Theil des Yanghaufes mit fer nen alten Säulen und den Erdgefchoßen zweier Thürme iſt ftehen geblieben.
2) Auf der nordweftlichen Ecke des Vorhofs der großen Klofterkirche zum heil. Betras vom 3. 1091 fteht noch einer der beiden haben vwierecfigten Thürme, Die mit einander den Hauptgang in die Kirche bilde- ten. Diefer Thurm hat eine Höhe von mehr als 100 Fuß, die Mauern find 4 bis 4\, Buß did. Er if ein Quadrat, deffen Seite 19° 5 7° beträgt, hat > Stockwerk, die 3 unterfien find 29° hoch. Die Senfter find gefuppelt, im Kreis gefchloffen, zwifchen ihnen Säulen mit Würfelfteinen und erböhten Auf: fügen. Den Ihurm zieren halberhabene Steinbilder, biftorifcher und heraldifcher Deutung. Die Löwen Deus ten auf Das Mappen der Grafen von Calwe, die Hirſche auf das Kloſterwappen, der Enieende Mann, der feine Hand vor die Augen hält, foll wohl auf den Blinden hinweifen, Der nach Der oben gegebenen Sage vor dem Sarge des h. Aurelius wieder fehend gempre den. (Abgeb. in Der trefflichen Abhandlung des ger lehrten Krieg v. Hochfelden in Mone’s Anzeiger für Kunde der deutfchen Vorzeit Jahrg. 1835. Geite 101 und 259.) Dom andern Thurme, fo wie von. der Kirche felbft Hasen fich nur geringe Mauerreſte er- halten. Auf der Norbfeite des nördlichen Geitenchers ſtehen noch die Grundmauern einer Kapelle mit kleinem
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Chor aus dem 14. Jahrhundert, fie hieß Die Rieſen⸗ £apelle und war zur Aufbewahrung des Kirchenfchages und anderer Merfwürbdigfeiten beftimmt.
3) Die jetzige Ortöfirche zur heil. Marta 1508— 1515 unter Abt Sobann D. erbaut. An diefer bes findet fi) nahe bei der Thür zu dem Pfarrgarten das faft lebensgroße Bild des h. Aurelius mit der Infchrift: Anno benignitatis octingentesimo tricesimo almi praesulis Aurelü venerando corpore de Italia translato est eidem Hirsaugia suscipiendo funda- ta. Neben diefem Bild iff ein Stein mit dem Wappen des Grafen Erlafried von Calw und der Umfchrift, Die theilweife noch leſerlich: (ab) inearnatione (Christi anno) octingentesimo XXX. fundatum est hoc . (monasterium a generoso domino Erlafrido , co- mite) de Calw. cujus depositio agitur Iv. kal. febr. In dem neben der Ortskirche befindlichen Bi- Sliothefsfaal haben Dede und Wandfäften- treiiiine Schnigarbeit.
4) Un der Wand des Gebäudes, welches an Die Aureliusfirche anlehnt, ift eine Sandfteintafel mit dem Reliefbild eines Biſchofs oder Abts eingemauert.
5) Bon dem von Herzog Ludwig erbauten Jagd- schloffe, fpäter Die Prälatur genannt, find noch bedeus tende Ruinen vorhanden. — Don den ehemaligen Glas— gemälden des Kreuzganges ift nur eines im Wirths— Haus zum Lamm noch zu fehen, die übrigen alle ſind nach dem Luſtſchloß Monrepos gewandert. 0.0
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Ehe wir uns von der ehrmwürdigen Ruine des Klo— ſters Hirſau wenden, Hören wir noch
Die Sage vom Müllerstind im Schwarzwald,
Die ſchon der, Ehronift Gottfried von Biterbo (im 12. Sahrh.) erzählt, und von einem deutſchen Chronifen= fehreiber des 15. Jahrhunderts mit der Gründung des Klofierd Hirfau in Verbindung gebracht worden. Wir geben die naive Erzählung de3 legtern urkundlich treu wieder:
„Da man zählt von der Geburt Chrifti unſers Herrn taufend und fünfundzwanzig Jahr, da erwaͤhl— ten die Kurfürften Herzog Conrad von Franken; der tegieret fünfzehen Jahr, und liegt zu Epeier begraben. Derjelb König Conrad gebot, wer den Frieden brädh, dem follt man fein Haubt abjchlagen. Das Gebot brach Graf Luipold von Kalb. Und da der König zu Land fam, Da entwich Graf Luipold an den Schwarz- wald in eine öde Mül, und meinet fich da zu enthals ten mit feiner Hausfrau, bis ihn des Königs Huld erworben würd. Und einsmals ritt der König unge— fährlich an Schwarzwald für die Mül hin. Und da ihn Graf Luipold hört, da forcht er, der König der fuchte ibn, und floh in den Wald und lieg da fein Hausfrauen in der Mül. Die Frau mocht vor Schre- den niederfommen, denn ed um Die Zeit war, daß jle ſollt gebären ein Kind. Als nun der König neben
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die Mül kam und die Frau in ihren Nöthen hört Schreien, da hieß er befehen, was der Frau gebräch. In dem Drängen hört der König eine Stimm, die ſprach: auf diefe Stund ift ein Kind bier geboren, das wird deiner Tochter Mann, Der König erfchrad und wähnt anders nit, denn daß die Frau ein Bäurin wär, und gedacht, wie er fürfam, daß feine Tochter mit einem Bauern verbunden würd, und fchieft da zween feiner Diener in die Müle, daß fie das Kind tödten follten. Und deß zur Sicherheit, fo hieß er ihm des Kindes Herz bringen, und Sprach, er müßt e8 haben zu einer Buff. Die Diener mußten dem SKaifer genug thun, doch hätten fie Gottesfurcht und wollten das Kind nit tödten, denn es ein gar hübſch Knäblen war, und legten e8 auf einen Baum, Darum, Daß Etwer Des Kindes innen würd, und brachten dem Kaifer eines Hafen Herz. Das warf er den Hunden dar, und meinte, er wär damit fürfommen der Stimme der Weif- fagung. In den Weilen jagte Herzog Seinrich auf dem Wald und fand das Kind einig, und ſah, daß e3 eim neugeboren Kind war, und bracht ed heimlich beim feiner Frauen, die war unbärhaft, und bat, Daß fie fich des Kinds annähme und fie ſich in ein Kind» bet leg, und das Kind für ihr eigen natürlich Kind hätt, denn es ihm von Gott gefchidft wär worden. Die Her— zogin that e& gerne; und aljo ward das Kind getauft und Heinrich geheigen, und das Kind durft Niemand anders halten, denn für einen Serzogen von Schwaben.
Und da das Kind alſo erwuchs, da ward es König
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Conraden gefandt zu Sof. Da hieß der König den Knaben gewöhnlicher vor ihm ſtehen, dann die andern
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jungen Herren, die an ſeinem Hofe waren, von ſeiner klugen Weisheit und Höflichkeit wegen. Nun kam dem Kaiſer für, Daß ein Läumde (Sage) wäre, daß der Junge nit ein vechter Herzog wäre von Schwaben, und wie Daß er ein geraubt Kind wäre. Da das der Kai- fer vernahm, da rechnet er feinem Alter nach und fam in eine Furcht, Daß er Der wäre, von dem eine Stimm in der Mille geredet hätte, und wollte dem abermal fürfommen, Daß er feiner Tochter nit zu einem Manne würde, und fchrieb einen Brief der Kaiferin, in dem empfahl er ihr, als Tieb ihr Leib und Leben wär’, daß fie den Zeiger dieſes Briefs Tieß tödten. Den Brief empfahl er dem jungen Serren verfchloffen, Daß er ihn der Kailerin antworte und Niemanden anders. Der junge Serr verftund in der Sachen nit anders, Dann Guts, und wolle die Botfchaft vollenden, und kam in eines gelebrten Wirthshaus, dem empfahl er feine Ta— fche von Sicherheit wegen, darin der Brief und andre Ding lagen. Der Wirth kam über den Brief von feines Wunderd wegen, und da er geichrieben fand, dag die Kaiferin ihn tödten ſollt', da fchrieb er, daß die Kaiferin dem jungen Herren, Zeiger Diefes Briefs, ihr Tochter gebe, und ihm fie zulegte ohnverzogentlich, und beichloß den Brief mit dem Siegel gar höflich zu ohne Gebrechen. Da nun der junge Here der Kaiferin Den Brief zeigte, da gab fie ihm die Tochter und legte Be ihm zu, Die Mähren kamen für den Kaifer, da be—
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fand der Kaiſer mit dem Herzogen von Schwaben und ander Ritter und Knecht, wie der jung Herr war von Graf Luipold8 Weib in der Mül geboren, von dem die Stimm ihm geweiffagt hatte, und Sprach: nun merk ich wohl, daß Gottes Ordnung Niemand wider: ftehen mag, und fordert feinen Tochtermann zu dem Reich. König Heinrich bauet und flift Darnach Hirſau das Klofter an die Stat der Müle, Darin er geboren war worden. Alfo kam König Heinrich zum römifchen Reich, und hieß man ihn Henrifus Pius; er regiert 17 Fahr und Tiegt zu Speier.“
| VII. Stammburg Wirtemberg.
Nennt man die Burgen und Schlöſſer des Wirtem- berger Landes, fo ift e3 nicht mehr denn billig und recht, daß man auch den fchönen Berg nennt, auf dem einft die Stammburg unfered geliebten Sürftenhaufes geftanden.
Auf einer der Testen vorfpringenden anmuthigſten Höhen über dem Neckar, dem Rothenberg (Rodenberg), jo genannt wegen des audgerodeten Waldes, lag Burg Mirtemberg. Im Süden hat man beinahe die ganze Alb mit ihren Burgen ins Geficht, gegen Abend den
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Schwarzwald; an ihrem Fuße und weiterhin noͤrdlich die Gefilde des wirtemberg'ſchen Unterlands, vom Ne— Kar durchfloffen; in der Ferne am Horizont ift unter den Gebirgen der Melibofus zu erfennen.
Man ſagt von den alten Burgen, die jo gar zere ftört find, daß man kaum mehr ihre Stätte erfennet, wo fie geftanven, „es ift fein Stein mehr von ihnen vorhanden” — das gilt nicht von der Stammburg Wirtemberg, denn allerdings iſt noch ein Stein von ihr vorhanden, und zwar ein wichtiger Stein, denn er zeugt mit deutlichen Worten von der erften urkundli— chen Begebenheit, welche auf der Burg vorgegangen, von der Einweihung der ehemaligen Burg:Gapelle, de— ren Erbauung auf jeden Fall in die erfte Zeit ber neuerbauten Burg fällt. Die uralte Infchrift Des Stei— nes lautet: Anno dominice incarn. (ationis) mille LXXXIH. indie. (tionis) vı. vu. idus Feb. ded. (icata) hæc cap. (ella) ab Adelb. (erto) Wormen (sis) ecc. (ecclesiae) Epo (episcopo) in honorem S. Nicolai. Das ift: Im Jahr der Menſchwer— dung des Herrn 1083, der febsten Indie tion, den 7. Febr., wurde geweiht diefe Ka— pelle von Adelbert, Bifchof der Kirche zu Worms, zu Ehren des heil. Nicolaus. Die Einmeihung der Burgfapelle zu Wirtemberg gejchah ungefähr um diefelbe Zeit, da in dem fogenannten Bempflinger Vertrag ums Jahr 1090 ein Conradus de Wirtineberg erjceint. Wir würden alfo nichts zu Gewagtes behaupten, wenn wir diefen Conrad von
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Mirtineberg, den Alteften Stammherrn unferes uralten - Zürftenhaufes, auch für den Erbauer der Burg Wir- temberg erklären. Der Name der Burg ift fchon auf verfchiedene Weife gedeutet worden. „Einige leiten ihn von Wirth (im Nibelungenlied Herr) des Landes ab, ° wie bei Serrenberg ; Andre, und mit größerer Wahr- icheinlichfeit, nehmen an, daß die Burg zu Ehren der Frau des Erbauers Wirtimeberg, Frauenberg, ges nannt worden, wie denn auf der Feuerbacher Heide bei Stuttgart eine Burg Frauenberg geflanden. Da - Die Gefchichte des erlauchten Gefchlechtes, welches von der Burg Wirtenberg ausging, als eine allen Wir— tenibergern befannte anzunehmen ift, fo erzählen wir nur furz von den Schieffalen der Burg. Seit der Zeit ihrer Erbauung wird fie nicht ausdrücklich ge— nanut, aber vom großen Interregnum an. bis zum ewigen Landfrieden (200 Jahre lang) ift das Stammes ſchloß Wirtemberg unter feinen friegsfreudigen Herren der lebhafteſte Schauplag Der Begebenheiten. Hier ſammeln fich zahlreiche Vaſallen aus dem Adel des Schwabenlandes und treten unter den Schuß der Dy- naften von Wirtemberg; hier ift auch der Mittelpunft des fo oft, mit dem nahen Eflingen erneuerten Städte: kriegs. Damals erhob fich die Burg nach dem Bericht der Zeitgenoffer, in befonderer Pracht und Stärfe, die fie nach den folgenden Unfällen. nie wieder erreichte, König Rudolf Krieg gegen. Eberhard den Erlauchten brachte den meiften, in der Nähe von Stuttgart gele- genen, Burgen den lintergang; da bat wohl auch Bur
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Wirtemberg die erften feindlichen Stöße erlitten. Als König Heinrich VIL, der Erbe der Händel mit dem ſtolzen Grafen, ein ftarfes Heer von Reichsſtädtern gegen denjelben aufbot, da fiel das Stammjchloß in die Hände der Feinde, Die ed unter ihrem Führer Con» rad von Weinsberg von Grund aus zerftörten, wie jie auch dem Stift Beutelipach, dem Erbbegräbnig der Mirtemberger Grafen, thaten, das fie fo ſchrecklich ver» heerten, daß fie fogar die uralten Erbbegräbniffe ver- mwüfteten und Reichname und Gebeine aus den Gräbern riffen, um Haus Wirtemberg bis auf den Namen zu - ‚vertilgen (1312). Doch erftand Die Burg bald wieder aus dem Echutt und trogte ihren Feinden. Graf Eberhard der Greiner trat in Die Zußftapfen feines Großvaters und fland mit Kaiſer und Reich in Uns frieden. Kaifer Carl IV. zog auch gegen ihn zu Felde, und Die Burg Wirtemberg wurde zum zmweitenmal zers ſtört (1360), doch blieben die Außern Mauern ftehen, und fie wurde bald wieder aufgebaut. Im 3. 1519 wurde das Schloß im Angejicht des fchwerbedrängten Herzog Ulrichs abgebrannt.. Nach feiner Rückkehr aus der Verbannung im 3. 1534 ließ Ulrich Die Miege feiner Ahnen wieder aufbauen, und vielleicht in grö= Berem Umfange, als fie e8 früher gewefen war, Auch Herzog Chriſtoph, der fo bedeutende Summen, auf Die Schlöffer im Lande verwendete, baute das Schloß. wei—
ter aus, alfo, DaB ed als Bergfchlog immer ‚noch mit "
Autzen gebraucht werden konnte. So blieb das Schloß im Ganzen bis zu dem 80jährigen Kriege, einige wer
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nige Veränderungen abgerechnet. Noch ift aus Diefer Zeit eine genaue Abbildung vorhanden, welche der be= rühmte Merian (lebte von 1593 — 1651) gegeben. Vergleichen wir Diefe mit dem Stand des Schloſſes, wie es am Cchluffe des adıtzehnten und noch in den erften Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts ges -wefen, jo erlitt e8 freilich durd) Die Verheerungen des 30jährigen Krieges und Verwitterung im Laufe der Zeit noch manche Veränderung. Um das Echlof ber war eine dreifache feſte Mauer, ein Graben und ein Mall gezogen ; ein vieredigter maffiver Thurm bildete das Hauptthor, war aber (zufolge einer noch vorhan— denen Abbildung) ſchon vor 1799 verſchwunden, doch bildete ein zweiter ähnlicher noch; das innere Thor. Die äußere hölzerne Brücke mit einem Dach, welche zum. Abmerfen beſtimmt war, wurde durch eine fteinerne erfegt. Innen ftand ein gewaltiged Herrenhaus aus Duaderfteinen, mit einem Vorhäuschen auf der Well: feite, das aber mit den Zierrathen am Giebel des Haupt— gebaudes fpäter nimmer zu fehen war. Ueberdieß mar ren im Innern des Schloffes noch Spuren zweier Thürme zu erfennen, eines vieredigten, der gegen Abend, und eined runden, der gegen Morgen fland. Im SF. 1799 war noch im Umfang der erfleren Mauer ein Stallgebiude und eine Wohnung zu fehen, welche der Schloßvogt und Förfter bewohnte. Bei der Wohnung des letzteren ging der ehemalige Fußweg in tie Burg. Auf dem großen Thore der Burg fcheint in früher Zeit noch ein Gebäude geflanden zu haben,
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und auf Der Seite gegen die Landftraße herunter war eine Bettung für eine Lärmkanone angelegt, um ber Entftehung einer Feuersbrunſt der umliegenden Gegend davon Kunde zu geben. Noch am Ende des achtzehn- ten Jahrhunderts wurde das Echloß weieder reparirt und feiner Außenfeite ein leidiger weißer Anftrich ges geben. Im 3. 1819 gab König Wilhelm den Auinen feiner Stammburg eine wichtigere Bedeutung. Seiner vielgeliebten Gemahlin Katharina zu Ehren, Die jo gerne auf dieſer Tieblichen Höhe verweilte und liebevoll Dad Land überblickte, dem fie eine forgende Mutter ges worden war, ließ er die nach und nach verfallende Schloß» suine abbrechen, und durch Hofbaumeifter Salucci vom 5. 1820—24 auf diefer Stelle eine griechiiche Kapelle mit Priefterhaus bauen, um bier den irdischen Reften der verewigten Gattin eine Ruheſtätte zu be= reiten. Diefer in einfachem Styl erbaute Tempel bil- det eine Rotunde, die von innen vier Nifchen enthält, in welchen die Büften der vier Evangeliften aus caras rifhem Marmor, des Fohannes, von Danneder, des Lukas, von Wagner, des Marcus, von Zwere ger, des Matthäus, von Leeb, etwas über Lebend- größe, ftehen. ine verichloffene Treppe führt in Die ftille Gruft, wo die irdifche Hülle der edlen Landes- mutter ruht. Auf der öftlichen Seite des Tempels iſt die fchöne Infchrift zu lefen, welche König Wilhelm feiner umnvergeßlichen Gemahlin weihte: Seiner vol- lendeten Gemahlin, Catharina Paulowna,
Großfürftiin von Rußland, Hat dieſe Ruhe
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ftätte erbaut Wilhelm, König von Württem- berg, im Jahr 1824.
Den Gottesdienft an der Kapelle auf Dem rothen Berge verfehen zwei griechifche ©eiftliche, ein ‘Briefter und ein Sänger. Samftag Abends, fo wie Sonntag Morgens wird gewöhnlich Gottesdienft gehalten. So wird noch in den fernften Zeiten auf Ddiefem fehönen Berge dad Gedächtnig der liebenden und innig geliebs ten Landesmutter Catharina gefeiert werden, die in der gleich geliebten Königin Bauline, fo wie der er= babenen Kaiferstochter Olga edle Nachfolgerinnen in treuer Liebe und Sorge für das Wohl ihrer Landes— finder gefunden.
Sn der Safriftei der Kapelle ift die obengenannte alte Snfchrift vom Jahr 1083 eingemauert. ine freis lich nicht im Einklang mit unferer Ableitung des Na— mens Wirtemberg ſtehende Sage möge bier ftehen, zu— mal da Diefelbe ſchon im fechszehnten Jahrhundert von dem fleifigen Chroniften und Sagen- Sammler des Schwabenlandes, Martin Erufius, im 10. Bud H. Theil feiner Schwäbifhen Chronik überliefert, und jväter vielfach bearbeitet worden, in neuefter Zeit auch in einem größeren Büchlein, betitelt:
Graf Johann von Wirtemberg und die Brautwerbung zu Gtuttgarten, von Dttmar F. 9. Schönhuth. Hall 1846.
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Der Wirth am Berge.
Zur Zeit, ald der erfte Staufer, Friedrich, Herzog von Schwaben geworden (Anno 1078), war unter jeinem Gefolge ein junger Ritter, Namens Johannes, der Durch Tapferkeit, Schönheit und Edelſinn ſich aus— gezeichnet. Eines Tages ließ Herzog Friedrich den— jelben zu fich entbieten und fprach zu ihm: „Lieber Freund Johannes, da mein erftgeborner Sohn und ders einftiger Nachfolger nunmehr zu feinen Jahren gekom— men ift und ich demfelben eine Gemahlin beizulegen Bedacht nehmen muß, alfo habe ich Dich, um deiner großen Treue und Klugheit willen, auserjehen, mir zur Ausführung Diefes meines Vorhabens Hülfe und Beiftand zu leiften. Nimm Dir alfo, weffen du bedarfit, um Dich aufs Schnellfte und Befte zu rüften, und reite mit ftattlicher Begleitung hinunter nach Freiburg — ente biete Dem Herzog von Zähringen, Berchtold, meine Dienfte und freundlichen Gruß, und Gringe meine Wer- bung um Die Sand feiner Tochter, Der fhönen und tügendreichen Jungfrau Mechtilde, für meinen Sohn, Herzog Friedrich, auf Das Befte bei demfelben an, denn Diefe ift e8, welche ich meinem Sohne zur Ge— mahlin und mir zur Schnur erforen habe.‘ Go re= dete jener Herzog Sriedrich, den einft am Grabe Kaifer ‚Karla des Großen die Ahnung überfiel, Daß fein Ges ſchlecht einſt die Krone des römiſch-deutſchen Reiches bs werde, wie fpäter wirklich gefchab.
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Herr Sohannes beſann ſich nicht erft, den ehrenden Auftrag anzunehmen, ftattete fih fchnell aus und fuhr freudigen Muthes ſeine Straße hin.
Am Hoflager des Herzogs Berchtold angelangt, wurde, ſobald ſelbiger die Urſache feiner Sendung erfahren, den Gafte große Ehre und Gunſt erwiefen und feine Merbung mit Freuden angenommen. Alsbald wurde ein prächtiges Feſt veranftaltet: Banfet, Turnier und Zuftbarfeiten jeder Art wechſelten mit einander ab, Die Verlobung von Herrn Berchtold jchöner Tochter wür— diglich zu feiern. Bei jedem Unlaffe erwies. fich Jo— bannes, der Brautwerber, ala der flärffte und mutbigfte Ritter, beim Lanzenrennen, Schwertſchwingen und Kol- benfchlagen, fo wie geübt in anmutbiger Rede, und erfahren in manch einer fchönen Kunft, womit er Ritter und Frauen, Alt und Jung, zu vergnügen wußte, alfo, daß ion Alle aufs berzlichfte liebgewannen. . Doch zu- meift gemogen ward ihm Die fchöne Herzogstochter ſel— ber, und wie er, um zu feinen Herrn heimzufehren, Urlaub nehmend, vor ihre ſtand und fo hellen, freund— leben Blickes auf fie ſchaute, da trat unbemerft eine Thräne in ihr fehönes Auge, und fie fonnte nicht bins dern, daß nicht der leiſe Wunſch in ihr ficy regte: ihr Fünftiger Gemahl möge dieſem Ritter gleichen! — Und als er nun vollends fich entfernt Datte, da fühlte fie wohl, er habe ihr Herz mit. fich hinweg genommen, doch gelobte fte fich, ihre Empfindung niemals. zu offene baren und den Willen ihres Vaters zu vollbringen, denn fie war eine fromme und gehorfame Tochter. +
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Aber auch Dem Johannes war es gleichermaßen ergangen. Als er, feinem Geleite voraus, über die glänzende Morgenau der Heimath entgegen ritt, da gr verfuchte er es umfonft, wie er e8 zu thun früher ge wohnt war, ein Jagd-, Schlacht« oder Minnelied, de— ren er felbjt Funftreich zu fegen mußte, in die frijche blaue Luft hinaus zu fingen. Die wohltönende Stimme verfagte ihm, feine Bruft war beflommen, fill finnend ritt er vor fih hin und erwog betrübten Muthes, wie fo große Tugend und Schönheit er an Jungfrau Mech- tilde gefunden, und wie er fein eben lang ſolch Ge— mahl in treuer Liebe und Verehrung halten würde, und wie recht betrübt es doch fey, Daß Diefes num und nimmermehr gefchehen könne.
‚Wider alle Vermuthung empfing ihn Herzog Frie-⸗ Drich von Schwaben, welchem er Boten voraudgefendet und den glüflichen Ausgang zu wiſſen gethan, mit gar trauriger Geberde, und redete ihn alfo an: „DO mein lieber Freund Johannes, wie wohl und reiflich hatte ich mein Vorhaben erwogen, und wie gedachte ich weislich zu handeln, indem ich dir Diefe Brautwerbung auszurichten befahl, und ift nunmehr folche eine Urfache großer Trübfal und Unmuthes geworden; denn Du follft wiffen, daß mein junger Herr Sohn allbereits ohne mein Vorwiſſen feine zufünftige Gemahlin er-- wählet und ich derfelben mit einem theuren Eidfchwure verlobet hat. Auch vermöchte ich Diele feine Wahl nicht zu. ſchelten, denn es ift gleichermaßen: eines rei= hen und mächtigen Herzogs Rn eine tugendvolle
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Jungfrau adeligen Gemüths, in mancherlei Kunft und Wiffenfchaften wohl unterriefen, und von großer Schön— beit; und möchte ich felbige wohl als eine liebe Tochter annehmen, hätte ich nicht mein Mort an Herrn Berche told durch Dich alfbereit3 ſchon verpfändet, und wollte ich lieber mein Leben laffen, als folches nicht einlöfen: Geo, mein werther Johannes, bezeige Dich als einem getreuen und verftindigen Diener und &reund, und. entdecke mir einen Rath und Anfchlag, wie ich mein gegebenes Wort bei Ehren behalte, ohne meinen Herrn Sohn zu einer Gemahlfchaft zwingen zu müffen, welche feinem Sinne alfo ſehr widerftrebet. Findeſt du ein Mittel, ſolchem Verdruſſe zu begegnen, fo will ich es dir lohnen mit großen Ehren und Würden und reis chem Gute, und dich zeitlebens werth halten als mei= nen liebſten und getreueften Freund !”
Als der Herzog geendet, da erblühete eine helle Röthe auf dem Antlige feines Ritters Johannes, und fein Auge leuchtete von einem füßen Soffnungsfchimmer. Er beugte das Knie und fprach vergnügten Mutbes: „Gnädigſter Gebieter, fo verfcheuchet denn Euren Kum— mer, dieweil ich zuverfichtlich glaube, mit Gottes Bei- fand Euer Vertrauen zu rechtfertigen und Euer Anz liegen zu einem für alle Zeiten frohen Ende zu bringen, undefihadet Eurer Ehre und gegebenen Berfprechung. Laßt mich unverweilt von binnen und harref getroft erwünjchter Botfchaft, Die Euch in Bälde von mir Ku? fommen ſoll.“
Nachdem ihm ein folches verftattet worden, ie
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Herr Johannes auf das jchleunigfte weieder zurück an. das Hoflager des Zähringers; aber welche Töne kamen ihm da entgegen? Wehklagen erfüllte die Burg, denn Die Schöne und tugendreiche Derzogstochter war inzwi⸗ ichen in ein alſo ſchweres Siechthum verfallen, Daß die erfahrenften Aerzte und Meiſter der Kunft an ihren Auffommen verzweifelten, und für gewiß Dafür hielten, dag binnen kurzer Friſt Die Sichel des unerbittlichen Todes Diefe glanzvolle und füpduftende Blume son der Erde Hinmwegnehmen würde. Kerr Johannes erbat fich die Gnade, der Jungfrau alſogleich vorgeſtellt zu wer— den, dieweil ex eine Botfchaft an fte allein zu bringen gekommen fey. Als denfelben nun Herr Berchtold in dad Gemach der Fochter geführt und er an ihr Lager getreten, fich auf das Knie niedergelaffen; von ihr be= merkt werden — Da fahen Alle, jo zugegen, was ih— nen als ein Wunder des Himmel! fürkam, daß die erbleichten Wangen der Jungfrau ein fanftes Roth überflog, aus dem erlofchenen Auge neuer Glanz blinfte, die gefchloffenen Lippen ein Tiebliches Lächeln jpaltete, mund ein Blick des innigſten Wohlwoffens anf den in tieffter Bewegung vor ihr fnieenden Sohannes fich ſenkte. As Mechtild in Etwas fich wieder gefaßt: hatte, brach ſie zuerft das Stillſchweigen, und hub erhobenen Saup- tes mit leifer, aber Elarer Stimme an: yOeliebter Herr und Vater, warum jollte ich jetzo, wo ich viel wicht in Diefer Stunde noch von Euch und dem Leben mich trennen muß, nicht ungefcheut das Geheimniß vn Herzens, welches, fo mir Hoffnung längeren
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Lebens geblieben, Durch Feine Macht der Welt über meine Lippen gefommen wäre, nunmehr nicht freudig befennen? Sa, mein Johannes, da ich Deine hohe Tu— gend und adelige Sefinnung, Weisheit und Muth an dir erkannt, da hatte meine Seele ſich Div zu eigen ge= geben, und ich gedachte, welch ein fo großes Glück es feyn müßte, wenn ich als dein Gemahl mein Leben lang in getreuer Liebe dir angehören dürfte Da aber dieſes nicht gefchehen könne, dieweil mein geliebter Herr und Water über mich ein Anderes befchloffen, fo ge= lobte ich bei mir, al eine getreue Tochter, in Allem - mich gehorfam zu bezeigen. Seo nimmt Gott Die ſchwere Berpflichtung von mir, und freudig folg’ ib Seinem Rufe, indem ich hoffe, daß Er nach Geiner Barmherzigkeit uns Alle nach furzer Trennung in Geis ner Serrlichfeit vereinigen werde, und fage ich alfo biermit euch Allen mein letztes Lebewohl!“
Als Die Jungfrau geendigt, nahm fie Herr Berchtold mit großem Trauern in feine Arme und ſprach: „O meine geliebte Tochter, hätte ich dieſes zuvor willen follen, fo wollte ich dich gerne Deren Johannes zur Gemahlin gegeben haben, und darfſt du deiner Wahl Dich nimmer ſchämen, denn obwohl nicht von hober Geburt oder großer Reichthume, befigt derſelbe jo hohe Gaben und glanzuoffe Tugenden, daß er folchergeftalt wohl ebenbürtig zu nennen !”
Auf dieſe Rede erhob fich Johannes raſch und mit freudeftrablenden Mienen, eilte auf Herrn Berchtold und die Jungfrau zu, drückte deren Hände zu wiederholten
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Malen an feinen Mund, und rief alddann mit großer: Bewegung aus: „Preis und Ehre fey dem allmächti— gen Schöpfer Himmels und der Erden, ohne Ende ift Seine Güte und wunderbar Sein Rath und zum Heile!“ Hierauf entdeckte er Herrn Berchtold die Ur- fache feiner Rüdfehr, und Alle lobeten und dankten Gott, der fo bittere Schmerzen in füße Luft, und fo ſchwere Trauer in aljo erquicliche Freude verfehret. Da die Jungfrau fehnell von ihrem Siechthume ſich erholte und wieder zu vorigen blühenden Kräften ges langte, fo ward alsbald die Hochzeit auf Das Herr— lichfte ausgerichtet, und erhielt Herr Johannes gleichere maßen von Herzog Berchtold ſowohl, ald von Herzog Sriedrichen weite Zehen und großes Gut an Burgen und Ländereien mit reichen Gefällen und Einfünften. Zu feinem Hauptſitze wählte er ein ſchönes Schlöß- lein auf einem freundlichen, rebenumpflanzten Berge am Neckar, zwifchen den Städten Waiblingen, der Wiege des Hohenftaufengefchlechtes, Eßlingen und Stutt— gart, von welcher herab er einen großen Theil feiner Herrſchaft überfchauen konnte. Diefe ſchuf er aber in Kurzem durch Freigebigfeit und Milde, Gerechtigfeit und Weisheit zu dem blühendften und fruchtbarften Garten des ganzen Gaues um. AU fein Lebenlang, welches er bis zu den höchſten Jahren brachte, blieb er feinem Herrn und Wohlthäter in Danfbarfeit und unerſchütterlicher Treue ergeben, und nach deſſen Tode feinem Sohne, dem nachmaligen Kaifer, den er auch auf feinem Kreuzzuge ins heilige Land begleitete. Stets
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übte er nach der Väter Sitte gegendAlfe, Die bei ihm einfprachen, die bereitwilligfte Gaftlichkeit, und weil feine Burg das Haus am Berge genannt war, fo hieß man Herrn Johannes weit und breit nur den Wirth am Berge. Diefer Name ift denn auch dem erlauchten Gefchlechte der Megenten unferes Landes, und bon ihe sen aus Diefem ſelbſt verblieben. |
VI. Burg Salkenflein im Schwarzwald.
In einer einfamen, ganz von Bergen umfchloffenen Ihalgegend des Schwarzwaldes, nicht ferne von Dem gräflich von Biſſing'ſchen Marktflecken Schramberg, Tiegt hoch auf einem fehönen Granitfelfen, unter dem Der Waldbach Berneck Dahinraufcht, die Ruine Der ehe— maligen Burg Falkenſtein. Kein Fuß- oder Fahrweg führt zu den Trümmern der Burg; nur mühſam er— ſteigt man die hohe Felſenwand, auf der die Burg ſtand, und dann muß man von einem Bruchſtück zum andern Hettern, um zu der eigentlichen Auine zu gelangen. Hat man eine Höhe von 240 Fuß im Schmeiße des Angefichtd erftiegen, fo fteht man noch einige Umfangs- mauern des ehemaligen Wohngebäude von einer Höhe von 30 Fuß, und gegen die Nordfeite hin die Reſte
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‚der Umfangsmauer eines ecfigten Thurmd. Diefer Thurm enthielt wohl ein ſchreckliches Verließ der Gefangenen. Bon diefen Trümmern gebt es noch einmal aufwärts zu einer höher liegenden Burg, Die mit der untern durch einen verborgenen Gang in Berbindung ftand. Auf Diefer obern Burg ſtehen nur noch Die Refte einer Ihoröffnung mit bedeutenden Nebenmauern, welche 8
Fuß dick find. Diefe Thoröffnung foll der Sage nad Dazu gedient haben, in einer Mafchine, die man Män- nerfchlitten nannte, Menfchen und PBroviant an der jähen Felfenwand auf die Burg hinaufzuzicehen. Aus erden bat ſich auf einer überhängenden Felſenſpitze noch Die Wand eines Thurmes erhalten, dev wohl in alter Zeit Der Lug ind Land gemefen.
Die Gefchichte der Burg Palkenftein geht mit Ge— wißheit bis ins Jahr 1030 zurück: fie fpielt eine wich— tige Rolle bei den tragifchen Ausgang des edlen Her— 3098 Ernſt von Schwaben, den unfer erfter Yaterlän- difcher Dichter, der unübdertreffliche Ludwig Uhland, in einem herrlichen Drama verewigt hat. Wir geben die Erzählung Diefer wichtigen Begebenheit nach dem Bericht des Chroniſten Wippo, eines Zeitgenoffen.
„Durch Entziehtung des Reichs von Burgund, auf das Herzog Ernft Erbichaftsanfprüche machte, hatte fich Kaifer Konrad den Wivderwillen feines Stiefſohns zu— gezogen. Doch er, als der Mächtigere, achtete nicht darnach, fondern befahl dem Herzog fo wie den übri—
gen gleich unzufriedenen Fürften Des Reichs die Heeres— folge mach Italien, Nur durch Vermittlung feiner
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Mutter Gifela ließ fich Herzog Ernft Dazu bewegen. Zur Belohnung dafür ertheilte Konrad ihm Die Abtei Kempten, jo wie noch andere Ehrenbezeugungen. Das aber däuchte dem Herzog fein Erfaß für das Erbe von Burgund. Sobald er num aus Italien zurücfkehrte, befchloß er, mit Gewalt feine Rechte zu erlangen. Diefen Entſchluß befräftigten noch einige Vaſallen des Herzogs. Ernft unternahm nun manches Feindfelige gegen den Kaifer. Unter andern baute er eine Burg zu Zürich, um da fich ficher zu ftellen vor feinen Feinden, Die fih nun regen würden. Um dieß zu vollführen, nahm er aus den Abteien St. Gallen und Reichenau, was ihm gefiel, fo daß er beiden Klöftern einen großen Schaden zufügte. Alles das gefchad, während der Kaifer in Italien feine Angelegenheiten ordnete. Als er zus rücfam, forderte er den Serzog auf eine Fürſtenver— jammlung zu Ulm. Ernft erjchien aber nicht als Bits tender, jondern voll Vertrauen auf die Vaſallen, melche ihn umgaben. Aber Diefe hingen nicht fo unbedingt an ihm, wie er gehofft hatte. Wollte alfo Ernft wohl oder übel, jo mußte er fich feinem Stiefvater ergeben. Der ſprach ein Urtheil über ihn, und feßte ihn gefan— gen auf Die Burg ©iebichenftein in Sachſen. Nach zwei Jahren wurde Ernft wieder entlaffen, und das Herzogthun Alemannien wurde ihm wieder zugefagt, unter Der Bedingung, daß er feinen Lehensmann Graf Wezelo von Kyburg, der einer der fchlimmften Rath— geber Herzog Ernſts war, dem Kaifer ausliefere. Das thun zu wollen, follte Herzog Ernft mit einem Ed
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bejchwören, aber er wollte nicht: fein Freund war ihm lieber ald das Herzogthum. Da wurde Herzog Ernft für einen Reichsfeind erklärt und des Herzogthums förmlich entjegt. Ernft ging nun hinweg mit Den MWenigen feiner Getreuen und fann auf neue Rathſchläge gegen feinen Stiefyater. Er fammelte den Grafen MWezelo und noch andere Getreuen um fich, und machte ich an den Grafen Odo von Champagne, um Hülfe von ihm zu erlangen. Der war ihm aber nicht zu Willen. Da ging Ernft wieder nach Schwaben zurüd, nahm feinen Aufenthalt in einer Wildnif, genannt der Schwarzwald, an ficheren Orte, und lebte einige Zeit von elender Beute. Endlich geſchah e8, Daß er von den Leuten des Kaifers überall gedrängt wurde, daß Einige, die dem Kaifer günftig waren, die beften Pferde, welche der Herzog hatte, ihm hinterliftig won der Weide wegnahmen. Als der Herzog die Pferde verloren hatte, auf Die er fein Vertrauen fegte, da hafchte er in Der Noth überall alle Bferde zufanmen, die er haben fonnte, und brach mit Allen, die er um fich Hatte, aus Dem Walde hervor. Er gedachte, e8 wäre beffer, ehrlich zu ferben, als fehmählich zu leben. Sie famen durch das Waldgebirge hindurch in eine Gegend, Die man Baar nennt. Da fahen fie ein verlaßnes Echlop, Das feine Feinde in der vorigen Nacht befegt hatten. Dad hielt Herzog Ernft für einen Hinterhalt, den man ihm gelegt habe. Graf Manegold nemlich, ein Vaſall des Kaifers, der ein großes Lehen befaß von der Abtei Reichenau, welches ibm der Kaifer und der Biſchof
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Warmann übergeben hatte, war hier als Schußpoften aufgeftellt worden, auf daß Herzog Ernft in dieſer Gegend feine Verheerung durch Raub und Brand ans richte. SIegt glaubte Ernft und feine allzufreudigen Anhänger, Tech an feinen Feinden rächen zu können; fie machten fich fogleich auf den Weg und rückten auf diefelben 108. Im derfelben Abficht Hatte fich Mane- gold mit feinen Leuten da und dorthin gerichtet, um die Wege des Herzogs genau zu beobachten. So ger ichah es, daß Beide fo nahe zufammentrafen, Daß fie fich gegenfeitig fehen und anveden konnten. Es waren aber auf Seiten Manegold8 viel mehr Kriegsleute, denn auf Seiten des Herzogs. Keine Zögerung — fie tra— ten zufammen und Fämpften hitzig. Auf Seiten des Herzogs flritten Die Krieger von Born, Wuth umd Kühnheit angetrieben, auf der andern Geite kämpften fie für Ehre und Belohnung. Die mit dem Herzog waren, achteten nicht des Lebens und flürzten in Den Tod. Der Herzog fchonte Niemand in dem Treffen, er fand aber auch Keinen, der feiner. fchonte: von Vielen verwundet, ſank er endlich Durchbohrt nieder. Da fiel auch der Graf Wezelo, Vaſall des Herzogs, um deffentwillen dieß Alles gefchehen war: Adelbert und Swerin Die Edlen und viele Andere fanden hier ihren Tod. Auf der andern Seite fiel Graf Mane- gold, der Urheber dieſes Streites, und mehrere An— dere mit ihm. Der Leichnam des Herzogs wurde nah Gonftanz gebracht, und nachdem er zuvor von. dem Bifchof vom Banne befreit war, in der Kirche St.
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Maria begraben. Der Leib Manegolds aber wurde in der Neichenau zur Erde beftattet, Dieß geſchah am 18. Aug. 1030.”
GHundert Jahre nach diefer traurigen Begebenheit (1 130 — 1148) werden zwei Brüder von Yalfenftein genannt, Johann, Abt von St. Georgen, und fein Bruder Reginald, der im J. 1141 in einem Gnadenbrief zeugte, den Kaifer Konrad dem Klofter St. Blaften auäftellte. Erſt im Sahr 1274 erfcheinen wieder zwei Brüder, Otto und Heinrich von Falfenftein, als Zeugen bei der Schen« fung des Kirchenfchages zu Waldkirch. Diefe alle ges hörten dem höheren Adel an. Vom Jahre 1305 — 1315 fommen die Brüder Conrad und Erchinger Eigelwart, Breiherren von Falkenſtein, vor, die auf dem - unteren Schloffe Diefes Namens in der Baar wohnten, aber zuverläßig dem Gefihlecht derer von Falfenftein bei Schramberg angehörten. inige Jahre fräter (1323) wohnten auf Falfenftein die Gebrüder Eberhard, Sein: rich und Eglof, von denen der leßtere eine Adelheid von Landenberg (auf Schramberg) zur Che hatte. Unter ihnen wurde Burg Falfenftein Zeuge einer gräß- fihen That. Im Sabre 1372 wurde Graf Ulrich von Helfenftein von etlichen Vaſallen des Grafen Eberhards des Greiner von Würtemberg gefangen genommen und Dem Eberhard von Falfenftein in ritterliche Haft über« geben. Der von Falfenftein legte den Gefangenen in die nahe, ihm gehörige Burg Namftein, wo er Ein Jahr lang im ritterlicher Haft bleiben und gut gehal« ten werden follte. Sobald aber die Städter, befonderd
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die von Ulm, deren Feldobrifter Graf Ulrich von Hel— fenftein war, von dieſer ehrlofen Gefangenjchaft hörs ten, zogen fie mit zwei Söhnen des Grafen vor Die Burg, um den Oefangenen zu befreien. Da wurden die Städter durch einen Boten Kaifer Karls IV. bei PBermeidung faiferlicher Ungnade gemahnt, von der Belagerung der Burg Ramftein abzuftehen. Dennoch Scheint Eberhard von Falkenftein für feinen Gefangenen beforgt gewefen zu feyn, er möchte vor Ablauf der Frift aus feiner Daft erlediget werden, darum befchloß er, ihn im Schuge der Nacht, in aller Stille, mehr in feine Nähe, auf die Burg Falkenſtein feltft zu bringen. Aber kaum faß Der Graf von Helfenftein im DBerließ des unteren Burggebäudes zu Palfenftein, fo wurde ihm der Hals abgefchnitten. Wer feine Sand bei dieſer gräßlichen Ihat im Spiele hatte, darüber ift ein Schleier gezogen, der bis auf Diefe Stunde noch nicht gelüftet worden. Sobald oben genannte Adelheid von Valfenftein von diefer Mordtbat hörte, Tieß fte die verftünmelte Leiche des Grafen von SHelfenftein in der nicht fern von der Burg liegenden und noch jebt fie= benden alten Kirche beerdigen und ihm ein Grabmal errichten. Auch Tieß fie Mefjen für die Geele des Er— mordeten leſen, denen fe immerdar anmwohnte Da am Zage des h. Ulrichs des Jahre 1372, als Frau Adelheid am Grabe des Ermordeten andächtig betete, nahte eine jugendliche Frau von edler Geftalt, in Trauer gekleidet, den Stufen des Altars und fing an bittere lich zu weinen. Darauf verrichtete fie mit aufgehabes
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nen Händen ihre Andacht, und fprach ein andächtig Gebet für die Seele des ermordeten Vaters. Ehe fie ‚den Altar verließ, legte ſie ein goldenes Kreuz als Opfer an Ddemfelben nieder. Auch Tieß fie fich das - Grabmal ihres Vaters zeigen, das fie lange mit thrä- nenden Augen betrachtete. Die edle Trauernde war Catharina, die Tochter des ermordeten Orafen v. Sel- fenftein. Sie wohnte von nun an allen Todtenmeſſen bei, vermweilte vier Wochen bei der Nubeftätte des fel. Vaters, und ftiftete für ihn eine ewige Meſſe. Nach— dem fie den Prieſter reichlich beſchenkt hatte, verließ fie Diefen Ort ihrer Wehmuth, und lieg fi) von nun an nimmer in der Gegend fehen. Auch die edle Adelheid von Balfenflein verließ bald darauf Die Burg, da die Unthat gejchehen war.
Im Jahr 1440 hatte die Burg wieder eine Gefahr zu überfiehen. Zwei Berwandte, Jakob und Conrad von Falkenſtein, Damals Ganerben auf der Burg, ge— riethen wegen ihrer Befigungen mit einander in Streit. In Folge deffen überrumpelte Conrad von Falfenftein mit feinen Reiſigen Sand Hak von Waldnau und Hans von Ramſtein im 1444. Jahr feinen Vetter Safob, der an feinen folchen Ueberfall dachte, Er Drang mit feinen Genofjen in dem Vorhof des unteren Schloſſes, bejegte in größter Eile den Thurm, ver- wundete einige Edelknechte, und nahm Diefe fo wie feinen Vetter gefangen. Die Beinde hätten beinahe auch das obere Burggebäude erftiegen, wenn nicht Die Tochter Jakobs und der bei ihr fich aufhaltende Bräu⸗
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\ tigam Die mit dem untern Schloß verbindende Zug- brüce hätte ſchnell aufziehen laffen und einen Pfeilres gen auf die Anftürmenden herabgeſendet hätte, Bei diefem Lieberfall zeigte Die Tochter Jakobs einen ritter= lichen Muth, und trug Alles bei, um die Feinde ab- zutreiben. Bald mußte Conrad feinen Better wieder der Haft entlaffen, mußte Die Kriegsfoften und den Schaden erfegen und vor dem Sofgericht zu Rotweil dem Better Abbitte thun.
Doch hörten die Streitigkeiten unter Diefen verwand— ten Ganerben von Falfenftein niet auf, bis fie Die verfehiedenen Burgen und Güter in der Mitte des 19. Jahrhunderts theilten. Don nun am nannte fich eine Linie die von Falfenftein zu Falfenftein, Die andere Die von Palfenftein zu Namftein. Die Beſitzungen der er— fteren Linie zur Hälfte kamen im Jahr 1444— 1449 Durch Kauf an Graf Ludwig von Wirtemberg, Die der Balkenftein-Ramftein Durch Heirath an Hanſen v. Rech— berg, und von Diefem an. feinen Schwager Hans von Zandenberg. Mit der Mitte des 16. Jahrhunderts batte die fo hoch angefehene Familie von Falfenftein ihre fämmtlichen Stammgüter verloren. Die Söhne George, des Letzten von Falfenftein, find fchon im J. 1558 in den bürgerlichen Stand herabgefunfen, und jte verheiratheten fich mit bürgerliihen Töchtern in Der Stadt Villingen.
Mann die Burg Falfenftein Ruine geworden, läßt jich nicht mit Gewißheit angeben; nach einer münde — Sage wurde ſie durch die Rotweiler und andre
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Reichsſtädte im Jahr 1491 zerſtört. — Ueber die Entftehung des Namens der Burg noch eme ſchöne Sage. BB
Die Sage von dem weißen Falken.
In den älteften Zeiten hieß die Burg Falkenſtein nur der Stein, wie viele andere Burgen des deut— ſchen Landes den Namen Stein führen, und noch jeßt ein nicht ferne von Falfenftein wohnendes Geſchlecht den Namen „son Stein” trägt. Wie die Burg Fal— tenftein ihren Namen erhielt, darüber gebt im Munde des Volks folgende Sage:
In jenen Tagen, als Gottfried von Bouillon mit vielen Nittern und Herren nach Paläftina zog, um das h. Grab aus der Hand der Ungläubigen zu bes freien, befand fich unter der Zahl derer, welche den Bahnen des Kreuzes folgten, auch ein Nitter, genannt Kuno Yon Stein im Schwarzwald. Bein Abfchied von Daufe hatte er: zu feiner holden Gemahlin, Se— lindis von Höwin, geſagt: „Wenn ich nad) Jahresfrift nicht wieberfehre, dann bin ich todt und Du darfſt meiner nicht Länger harren.“ Als er dieß gejagt, fühte er noch einmal die Betrübte, beftieg fein Streitroß und ſchloß fich der Schaar feiner Genofjen an. Mit Thrä— nen im den Augen blickte Selindis dem Scheidenden nach, bis fein Selmbufch Hinter den dunfeln Tannen verſchwand. Eine 'innere Stimme fagte ihr, daß fie
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ihn Tange nicht, vielleicht nie wieder fehen würde. Bald, nachdem die Kreuzfahrer ın Den erfehnten Lande angefonmen waren, folgten Kämpfe auf Kämpfe bis in die Näbe der heil. Stadt, und jeden Fuß Breit mußten die ritterlichen Streiter mit theurem Blute von den Saragenen erfaufen. Doch erreichten fie endlich) das Ziel ihrer Münfche, fie fahen die Zinnen der heil. Stadt, und begrüßten auf den Knieen den gemeihten Boden, wo einft der Erlöfer der Welt gelitten hatte und geftorben war: Aber nicht Allen, welche an dem Zuge Theil genommen hatten, wurde dieſes Glück zu Theil: viele fahen nur die Stadt, ohne die Thore be- treten zu Dürfen. Unter ihnen war auch der Ritter Kuno von Stein. Noch unter den Thoren der heil. Stadt begann ein blutiger Kampf. Kuno drängte fich in das Gefecht, wo ed am higigften war, wurde von dem Feinde umzingelt, und, ob er gleich ftritt wie ein Löwe, mußte er Doch zuleßt Der Uebermacht weichen, und wurde von den Feinden als Gefangener davonges . führt. Ein trauriges Loos empfing den unglüdlichen Nitter unter den Saragenen ; er wurde als Sklave ver- Fauft und in Das Innere des Landes fortgefchleppt, wo er gleich den Zugvieh an das Joch des Pfluges gefpannt, unter den Beitfchenhieben des unbarmberzigen Treibers Das Feld umacern mußte So ging ein Jahr dahin, dem Ritter in Bein und Dual der Knechtfchaft, feiner Gemahlin in der Heimath in Schmerz der Sehn- fucht nach dem Entfernten. Eines Abends — Kuno batte eben ſein Tagwerk vollendet — wurde er mit
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noch andere Genoſſen feines Unglücks wie ein Vieh aus dem Pflug geſpannt und nach Haufe getrieben, um auszuruhen und für Die Mühe des folgenden Tages neue Kräfte zu ſammeln. Aber Der Ritter fand feine Rue ; feine Gedanfen ſchweiften hinüber in die ferne Seimath, er gedachte feiner geliebten Gemahlin, und RR gerade jetzt ein Jahr verfloffen wäre, jeit er fie verlaſſen und dag Wort gejprochen hatte: wenn ich nach Jahresfrift nicht wiederfehre, darfſt du nimmer- mehr meiner harren. Cine unendliche Sehnfucht,, Die theure Seimath und die geliebte Gemahlin wieder zu ſehen, befiel ihn bei Diefenn Gedanfen. „Ach! Daß ich fliegen Fünnte über Länder und Meere!" rief er oft aus, „um nur auf wenige Augenblice die Burg der Vä— ‚ter und meine Gemahlin wieder zu fehen, gerne wollte ic) Dann wieder zurückkehren in meine Knechtfihaft, in der ich täglich fehmachte.” Kaum hatte er das Wort ausgefprochen, da ftand vor feinem Strohlager, auf das er fich eben ermüdet hingeworfen hatte, eine Geftalt, deren Gefichtözüge er zwar in der Dämmerung nicht zu unterfcheiden vermochte, aber Deutlich vernahm .er die Worte: „Herr Ritter im Pfluge, ift Eure Sehnſucht nach Seimath und Gemahlin fo groß, jo läßt fich leicht helfen.” Wer bift du, unheimliches Wefen, rief Kuno, indem er fich aufrichtete, Die Augen rieb und der Ge- ſtalt unerfchroden in's Antlig ſchaute. Ein Geficht mit widrigen Zügen grinzte ihn an. „Dein guter Freund bin ich,” antwortete die Geftalt — „ver wegen feiner anderen Abſicht da iſt, als, um dich zu erlöſen aus 8
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deiner. traurigen Tage, und der Dich wieder zurückführen will in Die Arme deiner Gemahlin, Die voll Sehnſucht dei— ner harret; fpute Dich, denn wer weiß, ob. deine Gattin. noch lange fret feyn wird, fintemal fo gar Viele um. fie werben und fie noch in hoher Jugendblüthe ſteht. * Willſt du dich aber meiner Führung anvertrauen, Hl ift dir nichts als Entſchloſſenheit noth.“ „Sag' an,“ fprach der Ritter, „was foll ich thun? wie willft du nich nach Hauſe bringen und im wie viel Zeit?" — „Herr Ritter im Pflug,” entgegnete der Unbefannte lachend — „bei uns rechnet man nicht nach Tagen, ger biete vielmehr, in wie viel Stunden icy dich hinführen fol, und dein Wunfch foll ftrads in Erfüllung gehen.“ Der Nitter befann fich eine Weile ; nicht ohne einiges Grauen betrachtete er die lange, hagere Geftalt des Man— nes, der vor ihm fand, und es fehlen ihm Anfangs nicht gerathen, fich deffen Führung anzuvertrauen. „Willft du, oder willft du nicht ?” fragte diefer jegt ungeduldig — „dir gefchiebt ja der Dienft, nicht mir; bedenfe nur deine fehreefliche Lage, in der du noch lange fehmachten £annft, bedenke die Freude, wenn du Deine Gattin wieder ſtehſt, Die jeßt noch, aber vielleicht bald nimmer, Deiner wartet; ja oder nein, ich muß es wiſſen.“ Die legten Morte des Mannes brachten den Ritter zum Entfchlufje. „Ich will mich dir anvertrauen, unheimliches Weſen,“ tief Kumo ; aber man fah wohl, daß ihm das Wort jchwer vom Munde ging — „bringe mich dahin, wohin mein Herz fich ſehnt und zwar fo ſchnell als möglich.“ — „Alſo wären wir fomweit im Reinen“ — verjeßte
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der Unbefannte — „aber während ich Bir verfpreche, einen Dienft zu Teiften, haben wir Die Bedingung ver— | geffen, die Du mir dagegen zu leiten haft, und dieſe befteht, Damit ich dir's kurz jage, darin, daß du mir verſprichſt, von nun an mein Eigenmann zu ſeyn mit Leib und Seele, im Fall du, während ich dich in die Heimath führe, in Schlaf fällſt; bleibſt du aber wäh— rend dieſer Zeit und bis zur Ankunft daſelbſt wachend, ſo biſt du deines Verſprechens quitt, und ich erhalte dafür nichts, daß ich dich tauſend Stunden weit ge— tragen habe.“ — „Es ſey,“ verſetzte der Ritter, „aber ehe die Sonne hinter den Bergen hervortaucht, will ich in der Deimath feyn; nimm mein Wort, ich folge dir.” — „Dein Wort in Ehren,” fagte Der hagere Dann, „aber bei jedem Pakt muß eine Unterfchrift feyn, es ft für Leben und Sterben.” — „So trauft du aljo mei— nem ritterlichen Worte nicht ?" rief Kuno von Stein, ich habe e8 noch nie in meinem Leben gebrochen.” — „Herr,“ entgegnete der hagere Mann, „aber man geht halt doch ficherer, wenn man Schwarz auf Weiß, oder wie ich es lieber habe, Roth auf Weiß beſitzt.“ Mit diefen Worten z0g er einen Pergamentftreifen und eine Feder hervor und hielt Beides dem Nitter bin. Diefer wies Das Angebotene lange von fich, und befonders, als der Unheimliche mit der Feder eines der Blutge— ſchwüre, Die des Treibers Beitfche dem Nitter an Die Hand gefchlagen hatte, aufrigte und Die Feder in Das Blut tauchte — da beftel ihn ein heftiger Schauer. „Man muß fich zu helfen wiffen, wenn man feine
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Zinte hat," ſagte fcheinbar gleichgültig der Hagere, bot
aber gleich darauf alle Künfle der Ueberredung auf, un den Ritter zur Umnterfchrift feines Namens zu ver
mögen. Mit zitternder Hand ergriff Kuno endlich Die.
Feder und fihrieb auf das Pergament fein Namens- zeichen, wie er e8 gemöhnlich zu fchreiben pflegte. Schnell nahm der Mann den Pergamentftreifen wieder zur Hand und verbarg ihn unter den Falten eines Mantels, der feinen ganzen Körper bis zu den Füßen hinab einhüllte. „Friſch auf, Kerr Ritter!” rief er mit höhniſchem La— chen, „raſch und ohne Furcht das Roß beftiegen, Das Euch in wenigen Stunden an Ort und Stelle bringen wird.” Dieß gejagt, war der Unbekannte verfchwunden, an feiner Stelle dagegen ftand ein Löwe mit mwallender Deihne, aber nicht wild ausfehend, wie einer, der blut- gierig aus Lybiens Wüften bervorbricht, ſondern wie einer, der jeine Wildheit gänzlich verlernt hat und ko— fend feinem Meifter fich zu Süßen fehmiegt. Gehorſam beugte er feinen Rüden vor dem Ritter, und es war, als 05 er zu ihm fagen wollte: DVertraue Dich kühn meinem Nacken an, ich will dich ficher an Ort und Stelle bringen. Kuno Tieß fich nicht lange von dem freundlichen Blick des Löwen mahnen: voll Zuverficht ſchwang er fih auf den Nüden des feltfamen Roſſes, und es däuchte ihn, als ob er nie ficherer und beque= mer in einem Sattel gefeffen hätte. Sobald der Löwe
den Reiter auf feinem Rücken fühlte, erhob er fich wie:
mit Slügeln in Die Lüfte, und im Nu war unter ihnen der Ort verfchwunden, mo der Ritter biäher wie ein
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Laftthier gequält worden war. Bfeilfchnell gieng es dahin über Berge und Meere, und in Kurzem war dem Nitter nicht mehr bange auf dem ungewöhnlichen Reit- gaul; feft fchloß er feine Füße um die weichen enden des Löwen, während er die Sand um Die wallende Mähne ichlang und fich derjelben als eines Zügels be- diente. Aber während er dahin ritt, mar e8 ibm, als ob ein unabmehrbarer Schlaf ſich auf feine Augenlieder niederfenfen wollte. Drei Nächte waren dem Ritter ohne Schlaf Dahingegangen, der Schmerz der Wunden, die der Treiber feinem Leib gejchlagen hatte, hatte bis Dahin Den Schlaf von feinen Augen ferne gehalten. Jetzt Dachte er mit Angſt des ſchrecklichen Verſprechens, er wolle mit Leib und Seele dem dienftbaren Geift zu eigen werden, wenn er einfchlafe, und dieß hielt jedege mal den Schlaf von ihm zurück, wenn er ihn über- mannen wollt. Mit einen Male aber war es ihm, als ob er, wie in den Tagen feiner Kindheit, fanft in einer Miege gefchaufelt würde; Traumbilder aus der Heimath und vom feligen Wiederfehn begannen, feine Phantaſie zu umganfeln. Er fenfte fein Haupt auf die Mähne des Löwen nieder, um fich dem Schlummer zu überlaffen, da fühlte er plöglich einen fanften Schlag auf fein Haupt; erftaunt fuhr er. mit dem Kopfe in die Höhe und fah einen herrlichen weißen Falken über jich in der Höhe fehweben. Aber bald ließ er fein mü- des Haupt wieder ſinken, neue Traumbilder nahten ihm, und er fühlte einen zweiten Schlag, wie von den Bedern eines Vogels; er fuhr wieder aus der Betäu-
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bung auf, und dicht über ihm wehten dießmal die Fit- tige des weißen Falken.
Den hat mir ein gütiger Gott gefendet, ſprach Der Ritter bey fich, auf daß er mich errette aus der Hand defien, der nach meiner Seele verlangt.
Jegt war es ihm ganz Klar gemorden, um welch’ theuren Preis er die Rückkehr in Die Heimath und Das Wiederſehn feiner Gattin erfauft habe, darum nahm er ich von Neuem vor, wach zu bleiben, um die Soffnung des böfen Geiftes zu nichte zu machen. Aber fein Vor— baben wurde bald wieder vereitelt; mit Macht drückte der Schlaf wieder auf feine Augenlieder, und er ſank zum dritten Mal auf die Mähne des Löwen, um fi dem Schlafe zu überlaffen, dem er jo lange mit aller Gewalt widerſtrebt hatte. Da raufchte e8 zum Dritten Male über ihm; erfchroden fuhr er wieder auf, und fein Haupt berührte noch die Schwingen des weißen Falken, der ihn durch feinen Slügelfchlag fo eben wie der von Schlaf abgehalten hatte. Als er um fich blickte, fah er weit unter fich in der Morgendämmerung einen jchwarzen Gtreifen, der fich ihm bald als einen weithin ausgedehnten Wald zu erkennen gab; zugleich fenfte fich auch der Flug des Löwen immer tiefer. Bald erfannte der Ritter Die Zinnen einer Burg, die fich auf fteilen, von Tannen umwachfenen Beljen erhob, nah melcher der Löwe feine Richtung nahm; hell und friſch blickte er um fich, als ihn der Löwe vor dem Thore feiner mohlbefannten Burg niederfegte. In dem Au— genbli, da Ritter Kuno den Boden berührte, fiel der
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Vergamentftreifen vor ihm nieder, auf dem er feinen Namen unterfchrieben hatte; das Pergament war Durch und Durch zerriffen. Zu gleicher Zeit erhob fich ein fchreeflicher Sturmwind, dag die Zinnen der Burg er- bebten, ihre Thürme wankten und Der Fels bis in feine Tiefen zitterte. Der Sturm dauerte fo lange, bis Die Sonne binter den Bergen hervorftieg. Der Ritter blickte auf — oben auf der Spike des höchften Ihurmes ſaß Der - Falke, und die erften Strahlen der Sonne vergoldeten fein meißes Gefieder ; da ftreefte Kuno feine Hände aus und winfte dem Balken, der fein Netter geworden, feinen Danf zu, bis der Vogel verfchwand, als die Sonne über den Thälern ftrahlte. Sein Herz aber rich— tete ſich im ftillen Danfgebet zu demjenigen empor, der den Balken zur Rettung jeiner Seele gefandt hatte. Und num eilteer in die Burg zum froben Wiederfehen der Gattin, die den lang Erfehnten freudig in ihre Arme ſchloß. Zum Andenken an feine Rettung nahm Ritter Kuno von Stein den Falken in fein Wappen auf und nannte Burg und Gefchleht nach ibm Falkenſtein.
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IX.
Die Kapelle St. Wendel zum Stein im Jagſtthal.
Wandern wir von dem Ufer des Kochers durch Die gewerbreiche Stadt Künzelsau, mit Recht Klein Nürnberg genannt, die Höhe hinan, fo gelangen wir in 21% Stunden zu Den Ufern der jäh dahin frömenden Jagft. Ehe wir aber ins Thal wieder hinabfteigen, lohnt uns eine Tiebliche Ausſicht. Zu unſern Füßen liegt das Dorf Hohebach mit feiner bekannten ftattlichen Brücke mit 4 Bogen; rechts breiten fich fruchtbare Rebenge— lände aus, zur Linken haben wir ein waldiges Ufer, von dem die fchönjten Tufffteine zu Tag geben, Die man weit und breit finden kann — an dem fehönften Vor- fprung derſelben Elebt die Kleine Kapelle St. Wendel zum Stein, von dem Volk nur die GSteinfapel ges nannt. Aus geringer Ferne winkt der ftattliche Marft- jleefen Dörzbach mit feinen alterthümlichen, aber recht wohnlichen Schloffe der Freiherren von Eyb. — Wir überfehen eine der lieblichften Strecken des Jagſtthals — doch Das Schönfte in ihrer Mitte it die Steinfapelle, auf die wir zupilgern, aber nicht auf der Landſtraße, denn von da aus führt Fein Steg über Die Jagft, fon= dern am linfen Ufer des Floßes, größtentheild auf ei— nem angenehmen Waldwege. In einer ftarfen Bier telflunde gelangen wir zu dem Felſen, unter dem Die
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Kapelle liegt. Don diefem Felſen, der wie ein Altar aus dem Thal in die Höhe ragt umd in feiner Mitte eine fchöne Linde trägt, fleigen wir auf einem jähen Pfade hinunter zur Kapelle. Wohl wegen ihrer eigen- thümlichen Lage, vermöge der fie an dem Tuffiteinfels (Stein) gleichfam anklebt, hat die Kapelle den Namen zum Stein, oder geradezu Steinfapelle erhalten. Ihr Sockel bildet mit dem Tufffteinfels gleichfam eine Maffe, fo Daß man kaum mehr unterfcheiden kann, was Fels oder Gemäuer if. Aus diefem Sodel find fünf mäch- tige Ahornbäume bervorgemachfen, die fait bis an das Dach der Kapelle reichen, und ihr ein malerifches Aus— jehen geben. Die Steinfapelle ift im einfachen gotbifchen Styl gebaut, und hat ein kleines Thürmchen mit eine fachem Kreuze. Zwiſchen den größeren Penftern und den Chorpfeiler gegen Hohebach ift eine Schrift, Die einem Steinmebzeichen gleicht, eingehauen. Der größere, rundbogige Eingang liegt gegen Kohebach, ein kleinerer gegen Dörzbach foll noch im Jahre 1790 auf dem Thürſturz die Jahrzahl 1515 gehabt haben. Treten wir in die Kapelle ein, fo fehen wir auch hier wieder, wie fle ihren Namen zum Stein mit Necht trägt, denn der rohe zerklüftete Tufffleinfels bildet ihre Giebelſeite. Ihr Plafond it ein hölzernes Getäfel, das mit zierlichen Arabesken bemalt if. Zur Linken in der Kapelle ſteht ein einfacher fteinerner Nebenaltar, auf dem meh— rere Holzbilder aufgeftellt find, unter andern Et. Veit und St. Wendelin, welches letztere Bild wohl no aus dem 15. Jahrhundert ſtammt. Ueber dem
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Eingang in den Chor fteht die Jahreszahl 1520, welche wohl auf die Zeit einer Nenovation hinmeist. Die Decke des Chors ift ſchön gewölbt. Im Chor jteht ein einfacher Altar mit einer nicht ohne Kunft gear= beiteten Bildtafel aus Marmor. Ein ftattlicher Ritter im Harnifch kniet vor einem Grucifir, ihm gegenüber ein Srauenbild mit Iosgewundenen Haaren. Im Ges ſims des Altarbilds ift ein befonders Funftreich gear- beitetes Bild von Gott Vater angebracht. Die Infchrift lautet: der wol edel geftrenge Sebaſt. Strobi, der Zeit in des Herrn Obriſt Schönberg. Meg. bei Herrn Obriſt Leutenants Compagni Gornei hat Dis werd auf fein coſten hieher fertigen laßen Anno 1630. Bon der Kapelle führt eine Pforte aufwärts zu dem Felſen, an dem fie angebaut ift. Steigt man einige Stufen hinan, fo befindet man fich in einer weiten Grotte, da man oben am Fel— fen noch Die Spuren des Dachgiebeld einer früher Das geftandenen Wohnung wahrnimmt. Geht man zur Linken auf der in Feld gehauenen Treppe weiter auf- wärts, fo fommt man in eine von Nauch gefchwärzte Höhlung, welche eine Vorderwand mit Senfterlein hat. Beide Grotten follen in früherer Zeit dier Wohnung eines Einſtedlers geweſen ſeyn; Die Volksſage erklärt ſie auch für die Wohnung einer ehmals ſehr berüchtig— ten Vagabundin, genannt Britſchen-Babele (vielleicht Brigitta Barbara); daher hieß man noch lange dieſe Höhle Britfchen Babele's Loch. Neben der Kapelle ſteht ein altes Küfterhäuschen, in deffen unterem Raume
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eine Flare Quelle fich befindet. — Das Eigentbum und Einfommen der Kapelle befteht in dem Ertrag des über ihr liegenden Waldes, fo wie der umliegenden Güter- ſtücke, wozu der Erlös der zu beiden Seiten liegenden Tufffteinfelfen zu rechnen ift, welche nach und nach aus geweidet werden. — Das Gefchichtliche über Die Kapelle befteht nur in wenigen Notizen. Als Engelhard von Berlichingen im Jahr 1478 von Sans von Bachenften feinen Antbeil an Dörzbach erfaufte, da behielt der Ver⸗ fäufer für fich vor feine geiftlichen Lehen, darunter auch das Kapelin zum Stein. Im Jahr 1491 ver- kaufte Albrecht von Bachenftein den Kirchenfaß der Pfarr— firche zu Dörzbach, mit dem Stein Darob gelegen, an Herrn Gög von Berlichingen. Unter den Herren yon Berlichingen wurde Die Kapelle zufolge der obengenannten Jahrzahl renovirt, alfo beftand fie fehon in viel frühes rer Zeit. Vielleicht ift der Chor erft im Jahr 1520 an die Kapelle angebaut worden. — Die Kapelle St. Wendel zum Stein war fihon feit alten Zeiten eine viel befuchte Wallfahrt, in der durch einen Geiftlichen von Dörzbach Meſſe gelefen wurde, Noch im Jahr 4561 heißt es in einer Urfunde: „die Kapelle zum Stein, welche von dem evangelifchen Pfarrherrn zu Dörze bach, der darefidiren wird, verfehen werden fol.” Demnach war nicht nur am Tage St. Wendelins (20. Okt)., wenn man bieher wallfahrtete, fondern wohl in jeder Woche in der Kavelle ein Gottesdienft. Darum mohnte auch jeder Zeit neben der Kapelle der fogenannte Ka— pellenmann oder Sakriftan. Noch jebt dauert die Wall-
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fahrt fort, Denn jedes Jahr an ©t. Wendelin Tag wallen Schaaren von Andächtigen aus der Nähe und Ferne der Kapelle zu, und feiner verläßt die heilige Stätte, ohne ein Scherflein in den Opferitocf zu legen. — Bis in Die Ießte Hälfte des 17. Jahrhunderts fand ein eigner Gebrauch Statt von Seiten der proteftantifchen Anwohner der Kapelle. Je am Balmfonntag Famen Die (edigen Leute von Hohebach auf einem verfteinten Wege in die Kapelle und: fangen Paſſionslieder. Uber Die fromme Gemohnheit artete aus: die zufanımentreffenden Hohebacher und Dörzbacher geriethen vom Singen ind Streiten und Zanfen, da die Dörzbacher das Erjcheinen der Dohebacher in der Kapelle für einen Eingriff in ihre Territorialgerechtigkeit hielten. Vom Streiten Fam es zu Balgereien, wobei die jungen Leute von beiden Ge— meinden gegenfeitig Die Kraft ihrer Fäuſte aneinander versuchten. So mußte diefe Wallfahrt abgeftellt werden. Nur der Geiftliche, begleitet vom Seiligenmeifter, begleitet von Alten und Jungen, geht jest am Balmfontage auf die Kapelle, um den Inhalt des Opferſtocks zu erheben, der in die heilige Kaffe fällt. An die Stelle des wieder freundlichen Zufammenfommens bei der Kapelle ift ein liebliches Kinderfeft, der jährlibe Maientag, getreten, Der auf dem Felfen-Plateau über der Kapelle bei der bekannten Matenlinde abgehalten, und von allen An— wohnern des Jagſtthals, thalauf> und thalabwärts, befucht wird.
Ueber die Gründung der Kapelle geben wir eine lieb— liche Sage.
125 Der Bau der Steinfapelle.
Es war einmal ein Schäfer im nahen Dorfe Dörzbach — fo erzählt die Volksſage — bei welcher nur das Wort gilt:
Es war post Christum natum, Man weiß nit mehr das Datum.
Diefer Schäfer fand an der Stelle, da er feine Schaafe weidete, einen großen Geldfchag, der ihn auf einmal zu einem reichen Manne machte. Damals mußten die Leute das Geld beffer anzuwenden als jeßt, wenn fie Dejjen mehr hatten, als fie bedurften. Statt, daß fie große und ftattliche Häufer bauten, oder prächtige Geſpanne anfchafften, um mit zween oder auch vier Schimmeln zu fahren, widmete man folches, von Gott gejchenfte Geld, wieder zu Gottes Ehren an, entweder, um Spi— tale für Arme und Preßthafte zu ftiften, oder um Sir chen und Kapellen zur Vermehrung der Andacht zu bauen. Zu legterem frommen Zwecke beftimmte nun auch der genannte Schäfer feinen Geldſchatz, und be— Schloß, an demfelben Orte, mo. er dad Geld gefunden, dem Herrn zu Ehren, der ihm den Segen befcheert hatte, eine Heine Kirche oder Kapelle zu erbauen. Der Platz, wo der Schäfer den Schag ua foll über dem Fels gewefen feyn, nahe beim Walde; darum ließ er Steine und Alles, was man zum Bau einer Kapelle bedarf, dahin fchaffen. Schon waren die Steine behauen, und das Holz zugerichtet, und der Graben ausgeworfen, in
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welchen das Fundament eingefegt werden follte, ftebe da! über Nacht wurden Holz und Steine hinüber gewälzt bis an das Ufer der Jagſt und Niemand mußte, wie es gefchehen war. Demungeachtet wurden Holz und Steine wieder auf den Felfen hinauf gefchafft und das Fundament eingefegt. Am Morgen lagen Die Steine wieder unter dem Felfen, jedoch nicht mehr unter und übereinander, fondern an Der Stelle, wo jeßt die Ka— pelle fteht, und zwar gerade fo aufgefeßt und geordnet, wie das oben fchon eingefegte Fundament geftanden hatte. Da verbrach fich der Stifter Der Kapelle nicht mehr Den Kopf über der Sauce; er ließ auch Feine Steine in der Nacht auf den früheren Plag mehr ftellen, um zu erfahren, Durch weſſen Hand Solches gejchehen war, denn damals glaubte man noch mehr, al jet, an das Walten unfichtbarer Mächte. Darum wollte er Diefer unfichtbaren höheren Gewalt nicht widerftehen, fondern er erfannte darin Gottes Willen, daß Die Ka— pelle nicht über, fondern unten am Felſen im Tieblichen Thale erbaut werden follte. Alsbald ließ der Stifter auf dem Vundamente, Das eine unfichtbare Macht ein— gefeßt hatte, fortbauen, und die Kapelle gedieh fo ſchnell bis zum Giebel, daß Jedmänniglich erkennen mußte, wie der Bau nicht nur Durch Gottes Willen, fondern unter feiner fichtbaren Unterflügung zu Stande fanı. Kein Ar— beiter wurde müde, fo fleißig er auch war, fein Schweiß rann von der Stirne der Steinmegen, ihre ganze Ar— beit war wie ein Spielwerk — Denn Der Kerr baute fein Haus. Als die Kapelle daſtand, fertig und vol-
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lendet His zum Ihürmlein, in dem das Glöcklein Klang, da trat der fromme Schäfer freudig über die Schwelle ; er ftellte das alte Schnigbild des heiligen Wendelins -auf den Altar und fprach mit freudethränendem Blide: dem Schugpatron der Hirten foll die Kapelle geheiliget jeyn, denn ich bin ein Schäferemann! Dann fniete er nieder an den Stufen des Altars, über dem Das Bild des Gefreuzigten aufgerichtet war, und faltete jeine Hände zu einem andächtigen Gebet; er blickte auf zu dem Bil des Gefreuzigten, und von dem Bilde weg zu Demi, der nun erhöhet ift zur Herrlichkeit feines Waters, Die ihm von Ewigkeit ber bereitet ifl. Die Kapelle wurde bald darauf von dem Bifchof zu Würzburg feierlich geweiht zu Ehren Wendelins des Gottesheiligen. Seitdem hieß ſie die Kapelle St. Wendels zum Stein, zum Un- terfchied von andern Kapellen der Umgegend, die den— jelben Heiligen zum Patron haben ; fie wurde alljährlic) am Tage des heiligen Wendelin von Schaaren frommer Mallfahrer befucht. Aber am häufigften wallete Der fromme Schäfer zu Der von ihm geſtifteten Kapelle. 3a, al3 er alt und ſchwach war und feinem Berufe nimmer abwarten Eonnte, zog er für immer in die Nähe der Kapelle, Denn er hatte weder Weib noch Kinder. Er baute von der Habe, Die er noch befaß, ein Eleines
äuslein, das noch ftehende, in dem der Kapellenmann wohnt, und widmete fich dem Dienfte in der Kapelle. So oft der Frühmeßner von Dörzbach darin die Mefie las, abminiftrirte er als Sakriſtan; auch Täutete er das Glöcklein auf dem Thurme des Morgens und des Abends
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und gar mancher Wanderer, der auf der Straße über der Jagft vorüber ging, betete beim Klange des Glöck— leins andächtiglich fein Ave Mergen. ines Abends, an einem Falten Wintertage, Täutete er das Glöcklein, aber er that nur einige Züge am Strange, und Die Töne verffangen, wie die traurigen Töne eines Todten— glökleins. Am andern Morgen tönte das Glöcklein nimmer. Als einige Leute von Dörzbach auf die Ka— velle famen, lag der fromme Kapellenmann erflarrt an den Stufen des Altars, über den Strang des Glöckleins fromm die Hände gefaltet. Noch einmal flang das Glöcklein traurig, als man es läutete über des Kapel- lenmanns offenem Grabe neben der Kapelle. — Zum dritten Mal Flang es traurig, und dann nimmer. Als nämlich nach der Reformation der Gottesdienft in der Ka: yelle nach und nach in Abgang Fam, wurde auch das Ge— läute immer feltener. Da fanden die von Dürzhach es für gut, Das Glöcklein von hellem Metall in ihrer Kirche aufzubängen. Aber als man es zum erftien Mal an— zog, ließ es einen ſchrillenden Klagelaut vernehmen, und verftummte: es war von oben bis unten zerjprungen. — Erſt feit neuerer Zeit hört man wieder Morgens und Abends eines Glöckleins Klang. Edle Freundin= nen der Kapelle find vor Jahren freundlich zufammen- getreten und haben ein neues Glöcklein geftiftet. 4.
„ 123 | X. —* Schloß Magenheim
im Zabergäu.
Auf einem nördlichen Vorſprung des Michelsbergs, rückwärts durch eine ſchroffe Kluft von dieſem getrennt, oberhalb des Dorfs Kleebronn, liegt das Schloß Magen— heim, das dem Grafen von Uexküll feine Wiederherſtellung im antifen Style verdanft. Es ruht auf einer gewalti— gen Belfenmaffe, bat ſehr diefe und hohe Mauern von Bodelfteinen, und auf der Südſeite unten gothiſche Fenſter. Im Erdgefchoffe, wo fich dermalen ein Keller befindet, fcheint früher ein großer Saal gemefen zu feyn, auch auf der fihon genannten Südſeite eine Kapelle. Ein mafftver vierefigter Thurm, in gleicher Höhe mit dem Schloffe, enthielt ein tiefes Burgverließ, wurde ſchon vor Jahren abgebrochen, und die Steine davon wanderten nach Erligheim. Auf der Burg genießt man eine fehöne Ausficht über den Zabergau, den fie in al- tev Zeit beherrfchte. Cine zweite Burg fland in ur— alten Zeiten oben auf dem Michelöberg, Die zuerft Lu— naburg (castrum June, Mondburg) geheißen haben
; fpäter, nach dem Abgang der Römer, nahm jte ein deutſcher Häuptling in Befig, und nannte fich nach ihr Herr von Monheim (Mondheim), Magenheim, was noch dadurch beftätigt wird, daß dieſes Gefchlecht zmei Halbmonde im Wappen führt. Wenn mir der unten 9
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folgenden Sage Glauben fchenfen dürfen, jo war Er— finger von Monheim, der ums Jahr 1134 zu Zeiten Kaifer Lothars II. Icbte, einer der erften dieſes Ge— fehlechtes, das von Mainz feine Lehen trug. Im Jahr 41147 fo wie 1152 tritt ein Zaifolf von Magenbeim in einer Urfunde ald Zeuge auf. Im Jahr 1182 wird ein Erfinger (miles, vir nobilis) genannt, der aber zuverläßig dieſem Gejchlecht angehörte. Cin An— drer Diefes Namens lebte im Jahr 1203 und ein Ul- rich von Magenheim zeugt im J. 1220. Drei Brüder von Magenheim, Erfinger, Conrad und Zailolf von Magenheim , treten im Jahr 1231 auf. Von ihnen lebten Conrad noch im Jahr 1279 und Erfinger noch im Jahr 1287 mit zwei Söhnen Ulrich und Erfinger. Diefe Herren von Magenheim befaßen viel Dörfer, Ze= benten und Leute im Zabergau, unter andern auch Die Stadt Bönnigheim. Aber im Jahr 1288 veräußerten fie einen großen Theil ihrer Beftgungen, namentlich verfaufte Herr Conrad von Magenheim, der auf der oberen Burg faß, dieſe, jo wie die Stadt Bönnigheim und das Dorf Ramspach an König Rudolf von Habs— burg, der Alles das im Jahr 1291 feinem natürlichen Sohn Albrecht zu Eigen übergeben. Jedoch hatten die von Magenbeim- noch viele beträchtliche Befißungen im Zabergau, wenn auch eine der Stammburgen, ſowie die Stadt Bönnigheim veräußert war; beſonders wa— ren ſie noch begütert zu Güglingen: und im Jahr 1298 nennt ſich Ulrich von Magenheim Herr zu Brackenheim. Im Jahr 1309 ift Erfinger von Magenbeim, ein Cohn
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des älteren Erchinger, Inhaber der Stadt Brackenheim. Im Jahr 1320 verzichtet Zaifolf von Magenheim ges gen Heinrich von Cberftein auf feine Rechte, Die er hatte an die Stadt Güglingen, die Burg Blanfenhorn umd Die dazu gehörigen Leute; und das Jahr Darauf verfaufte er an den Marfgrafen Friedrich von Baden feine Burg Dchfenberg, die Dörfer Leonbronn, Michele bach, Zaberfeld, Ober-Ramſpach, Damp und den Hof zu Flehingen um 2200: Pſund Seller. Derfelbe ver= äußerte im Jahr 1341 an Graf Ulrich von Würtem- berg fein Gut zu Nieder-Ramſpach, Leut und Gut, auch den Kirchenfag und was dazu gehört, eigenthüme lich, um ein gewiſſes Leibgeding. Zaifolf von Magen- heim hatte fünf Söhne: Erfinger, Wilhelm, Ulrich, Friedrich, Heinrich, von denen die vier leßteren alle in geiftlichen Stand traten. Im Jahr 1367 verzogen ji diefelben all ihrer Anfprüche, Die fie von ihres Vaters und Erfingers ihres Bruders wegen, befonderd an die Burg Magenheim, die Stadt Bradfenhein halb und den Kirchenfag, To wie das halbe Dorf Kleebronn hatten, gegen Eberhard von Wirtemberg, dem Zaifolf und Er— chinger ihre Kerrichaft vermachten. Im Jahr 1399 begab ſich Folgendes: „Als Zaifolf und Erfinger von 9 nein alſo Hauß gehalten, daß von ihren fchönen ittern wenig mehr übrig blieb, fo faßte Erfinger den Entfeluf, bei denen von Heilbrun fich bürgerlich ein— zulaßen. Diele ſchickten nun ihren Büttel nach Bra— ckenheim, wo fich Erfinger bisher aufgehalten, Daß man ih da beleuten (ihm Durch die Glocke Etwas verfündigen)
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follte. Darüber wurde dem Büttel von den Braden- heimern ein Ohr abgefchnitten, als ver fich fremder Obrigkeit Sachen, die ihm, oder auch denen, die ihn abgefertigt, nicht gebürten, zu mifchen unterfangen.” Die von Heilbronn nahmen diefen Schimpf hoch auf, und flagten deßhalb gegen Graf Eberhard von Wür— temberg nebſt andern Punkten; da aber auch Diefer Manches gegen fie zu Elagen hatte, fo wurde auf einer Zagfahrt zu Bradenheim befchlofien, bei beiden Theilen jollten Schaden fgegen Schaden feyn. Der Lebte von Magenheim war der ſchon genannte Hemrich, Zaiſolfs Sohn, welcher noch im Sahr 1408 als Commenthur zu Rexingen lebte. Go endete das alte Gefchlecht der Herren von Magenheim, welches einft Durch Den Reiche thum feiner Befigungen und den Glanz feiner Verbin- dungen eine wichtige Rolle fpielte, Doch feltfamer Weife nie bei einemQTurnier genannt wird. Durch unflugen Haushalt und Freigebigkeit, beſonders an Die Kirche, war das edle Gefchlecht fo frühe herab gefommen. Bon den Schiefalen der Burg Magenheim wiffen wir nur fo viel, daß fie im Jahr 1360 zerftört wurde. ALS nemlich Serzog Nuprecht von der Pfalz in Kriege gegen Graf Eberhard von Wirtemberg mit Heeresmacht durchs Zabergau zog, und an die dreißig Dörfer und Schlöffer verheerte, mußte auch das Schlog Magenheim feinen Grimm erfahren, und wurde zerflört, wahrfchein= ich nur andgebrannt, denn es war ja fpäter wieder bewohnbar. Im Sahr 1566, da die Serren von Sach— jenheim das Schloß von Würtemberg zu Lehen trugen,
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wurde wieder viel daran gebaut. Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts bauten Die von Liebenftein es wieder neu auf.
Im Bereich des Schloffes Magenheim bewegt fich eine Sage, die wir wörtlich aus der fogenannten Zimmern’« chen Chronik (aus dem 16. Jahrhundert) entnehmen.
Die Erfcheinung auf dem Stromberg.
Herr Albrecht von Zimmern Fam zu mehr Malen zu Herzog Friedrich von Schwaben, feinem Herrn, Dies weil er bei ihm erzogen war, und allwegen eine bes ſondre Gnad gehabt. Zu einer Zeit, ald er abermals zu ihm geritten und einige Zeit bei ihm geweſen, bes gab es fich, daß Diefer Fürft mit feinen Graven und Herren, deren er in nit Eleiner Anzahl an feinem fürft- lichen Hof hatte, durch Kurzmweil ſpazieren ritt zu Gras - ven Erchinger von Monhaim, gen Monhaim in das Schloß, in den Zabergau gelegen, zu dem er vorhin mehr Malen fommen, in Anſehung, daß er gar fröhlich und furzweilig war mit Sagen und Allen, was einem edelgebornen Manne zu Kurzweil ziemt und gebührt. Sein Gemahl war eine Pfalzgrävin von Tübingen, Frau Maria genannt ; hatten mit einander zwo Töchter und feinen Sohn, war auch) fonft Fein Grave mehr Diefes Sefchlechts. Nun war ein großer luſtiger Wald, der Stromberg geheißen, allernächft dem Schloffe gelegen, darin viel Zeit her ein Hirfch, Dep Größe zu verwundern
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war, gefehen worden, und Doch von denen Jägern und Dienern dieſes Grafen nie mochte gefangen werden. Begab ſich aus Schifung des Glüfd und Verhängniß Gottes, daß jetzund, dieweil Herzog Friedrich da mar, der Hirſch abermals gefunden ward, daß der Herzog und alles Hofgefind, auch Örave Erchinger von Mon- haim fonderlich erfreuet, und ritten hinaus gewönlich in guter Anzahl. Nun begab ficb, daß Herr Albrecht von Zimmern an ein fonder Ort auf dem Holz ritt; indem ftef vor ihm bin ein großer Schöner Hirfch, Defgleichen er vorbin nie mehr gefehen hat, feßet derhalben an ihn, in der Meinung, den zu erreiten; rannt dem fd lang - nach Durch den Wald, der faft lang und breit war,
Daß er ihn nit mehr erfehen mocht, auch nit willen, wohin er hinfommen. Indem begegnet ihm ein Mann gar in ernftlicher und forchtlicher Geftalt. Wiewohl er nun fonft fein verfchrosfner Serr war, fo erjchraf er doch ob dieſem Menſchen oder menfchlicher Geftalt über die Maßen, und bezeichnete fich mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes. Der inmenfchlicher Geftalt, jo vor ihm fand, fieng an zu reden und fprach: er dörfte fich fürchten, dann er märe von Gott dahin verordnet, ihm Etwas zu offenbaren; er jollte auch mit ihm reiten, jo wolle er ihm Abenteuer zeigen, dergleichen er vormals nie geſehn, es ſolle ihm auch nichts Schädliches an feiner Seele oder an feinen Leib in feinem Weg bes gegnen oder widerfahren. Herr Albrecht von Zimmern, als der hört, daß er von Gott redet, bewilliget, mit ihm zu reiten. Die Perfon gieng vor ihm Hin, Als
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brecht folgte ihm nach. Als fienun, feines Bedünfeng, aus den Holz famen, fabe er die allerfchönften Wiefen und Iuftigfte Gegend, auch daſelbſt ein Schloß mit vie— len Thürmen und großer Köftlichfeit erbaut, dergleichen er vormals alle feine Tage nie mehr gejeben. Als fie nun zu dem Schloöß kamen, begegneten ihnen viele Leute, ala Knecht und Diener, alle ftilfchweigend, die ihm jein Pferd empfiengen. Der erfte, fo im Anfang mit ihm kommen, jagt: er dürfe fich des Schweigens nit verwundern, mit Niemanden auch nit reden, dann mit ihm, und feklich thun, was er ihn hieße. Hiemit kamen fie in das Schloß, da ward er geführt in einen fehönen weiten Saul; da faß ein Herr mit feinem KHofgefind zu Tiſch, melcher alsbald mit denenfelbigen allen gegen Herren Albrecbten aufitand, und neigten fich mit ihren Häuptern, ald ob fie ihn wollten empfahen und Ehr erbieten; fegten fich Darnach wiederum nieder, als ob fie äßen und tränfen. Herr Albrecht ftand alfo mit - feinem Schwerdt, das er in feinen Dänden hielt, und in feinem Weg von ihm laſſen wollte; befahe, wie ein föftlich Credenz- Efjen und anderes da war, body Alles fo ſtillſchweigend, daß er fich deſſen höchlich ver- wunderte. Als er nun eine gute Zeit allda geftanden, und alle Dinge nach Nothdurft befichtiget, audy der fißend Kerr famt feinem Hofgefind für fi) aß, und ſich Niemand feiner weiter dann, wie gehört, annahın, fagte der, fo ihn anfänglich befommen und ihn in das Schloß geführt: er follte gegen den Herrn und feinem Hofgefind mit dem Haupt neigen, dann er ihn wie—
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derum hinaus und von dannen führen wollte Nach— dem nun Solche gefchehen, und der Kerr, auch alles fein Gefind ihm mit Aufftehen und dem Hauptneigen wiederum Ehre bewiejen, wie im Anfang, als er erft- lichs kommen, gefcheben, führet er ihn wiederum für das Thor, da alsbald die, fo ihm vormals fein Pferd empfangen, ed wiederum darjtellten, und ihm ftillfchmei- gend aufhalfen, darnach wiederum in das Schloß giengen. Alsbald er nun für die Pforten Fam, und fein Schwerdt wieder zu ihm gegürtet, führet ihn fein Gefell den Weg hinaus, den fie anfänglich binan geritten waren. Als— bald fie zu dem Wald, der Stromberg geheißen, ka— men, fprach der Geift: Dich mag nun Diefes Schloß und das, fo du darinnen gefeben haft, wohl Wunder nehmen. Antmortete ihm Here Albrecht: es denke ihn das größte Wunder, das er alle feine Tage gefehen, begehrt darauf ernftlich, Daß er ihm mollte anzeigen die Bedeut- niß, was dieß Alles wäre. Darauf der Geift fagte: Der Herr, den du da gefehen Haft, ift deines Herrn Vaters Bruder gemefen, ein chriftlicher frommer Herr, der viel wider die Ungläubigen geftritten bat. ber ich und Andere, ſo du gefehen, feyn feine Diener und fein Ans - hang gemwefen, und leiden die allergrößte unfägliche Bein, die mit Worten nit mag ausgefprochen werden, um deßwillen, daß er in feinem Leben die armen Leute gar hart geplaget, denenfelben das Ihre unbilliglich, Etlichen gewaltiger Weile abgenommen, und daffelbige wider. Die Ungläubigen gebraucht hat. Dazu haben wir ihm Alle gerathen und geholfen, in dem num gräßlichen Unrecht
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gethan, und müfjen alle darum leiden, fo lang bis Gott ein Genügen hat. Diefes- Alles Haft du um Gott ver- dient, Daß es dir zu wiffen gethan werde, um Dich vor dDiefer und auch andern Sünden zu hüten und dein Les ben zu beffern. Nun muß ich mich jegund von dir jcheiden, fprach er, und zeigt ihm den Weg, wo er Durch den Wald wiederuns fommen wollt. Doch mußte er fich zuvor umfehren und befehen, wie der vorig Luft fich fobald in Kummer und Jammer verkehret hätte. Damit verfehwand er” vor ihm. Herr Albrecht Fehret fih um, fahe das vermeinte Schloß und alle vorige Schönheit, eitel Feuer und flinfenden Schwefel und Pech, hört auch das allerfläglich Gefchrei und Weinen, darob er einen folchen Schreden empfieng, der mit Wors ten nit gefagt werden mag. Nichtsdeftoweniger fehrte er fich der Gegend zu, die ihm der Geiſt gewiefen, und kam in kurzer Zeit wiederum zu Herzog Friedrichen und Grave Erchingern, von denen er nicht Teicht mehr erkannt worden, in Anſehung feiner fehnellen und kur— zen Veränderung, dann fein Haar und Bart, wiewohl er der Jahren nit fo alt, ganz weiß worden, darob fie ein groß Verwundern hätten. Nachdem er ihnen aber anzeigte die Urſach, was ihm die Weil begegnet, anfänglich mit dem Hirſch, darnach mit dem Geift in menfchlicher Geftalt, wie er ihn geführt und was großer Angft und Noth er darnach gejehen, hatten fie noch) mehr Verwundern, empfiengen darob eine große Furcht, und ritten alsbald mit Schwermüthigfeit wiederum auf Monhaim Herr Albrecht erfuchte Grave Erchingern
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von Monhatınm gar ernitlicben, dieweil ihm Diefe Aben— teuer in feiner Grafichaft begegnet, daß er ihm ver- gönnte, der Enden eine Kirche zu bauen, welches Grave Erchinger nit allein gütlichen bewilligt, ſondern mit Gefallen feines Gemahls begab er fich, hierin zu vathen und zu helfen, daß da ein Frauenflofter gebauen wurde, darin Gott ewiglichen gelobt und geehret würde. Nit weniger bemwilligten fich Herzog Friedrich von Schwaben, ihmen beiden Hilf und Steuer zu thun, Damit Das Gotteshaus fürderlich erbaust würde, und folch Erbieten erjtattet er mit ganzen Treuen; dann er etlich Zehen- ten, jo fein eigen waren, und Anderes dazu verordnet und vergab, und war folches Klofter dem Schloß gegen über gebaut und Frauenzimmern geheißen. — Die Geſchicht hat fich ereignet, al3 man zählet nach Chrifli unjers Seeligimachers Geburt eintaufend einhundert und vier und dreißig Jahr, ift auch von Herrn Conraden von Manfchbach, Rittern, Yandgraf Wilhelms von Kefjen Zandhofmeiftern, der Golches in einem gar alten Buch gelefen, dermaßen angezeigt worden.
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XI.
Die St. Martinskirche und das Stift | zu Sindelfingen.
Unter die älteften Kirchen unſers Vaterlandes gehört die St. Martinsfirche zu Sindelfingen. Sie wurde in einem und demfelben Sabre (1083) mit der Kapelle auf Burg Wirtemberg eingeweiht. Die Kirche ift, abge rechnet geringere Veränderungen, noch Diejelbige, wie fie am Ende des 11. Sahrhundert3 erbaut worden, und gibt Zeugniß, dag auch Wirtemberg manche Bau— denfniale aus der älteften Zeit aufzumeilen bat.
Die Grundform der Martinsfirche iſt Die Der älteften chriftlichen, nach römischen Grundlagen erbauten Kirchen, der fogenannten Bafilifen, Sie hat ein Mitteljchiff und zwei Geitenfchiffe, die ſich im Oſten mit drei halb— runden Chorniſchen fchliegen. in eigentlicher Chor— raum fehlt der Kirche, indem derfelbe in das Mittel: ichiff verlegt if. Die Geitenmauern des hohen ‚» aber ſchmalen Mittelfchiffs, ruhen auf feharffantigen Arka— denbögen, die von vierzehn vieredigten, an ven Ecken durch Dreiviertelsfäulen abgerundeten Pfeilern getragen werden. Zwiſchen diefen, mit Würfelfnäufen verfehenen Dreiviertelsfäulen, tritt je ein Stück Pfeilergeſims her— vor. Die Seitenfchiffe mit hohen rundbogigen Fenjtern find etwa- um die Hälfte niederer, als das mit kleinen Rumdbogenfenftern verfehene Mittelfchiff, und haben, wie
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dieſes, eine flache Dede. Die, urfprünglichen Fenſter an dem füdlichen GSeitenfchiffe find zum Theil in ob- longe verwandelt worden. Bon den mit KHalbfuppel- gewölben bedeckten Abſiden bat Die mittlere Drei ſpitz— bogige Fenſter, die wohl erft fpäter in folche verän- dert wurden, die beiden Seitennifchen dagegen haben je ein rundbogiges, in der urfprünglichen Geftalt erhalte ned, Venfterchen. Das Innere der Kirche bietet wenig Intereffantes. Sie ermangelt eines jeglichen Bildwerfe. Nirgends fieht man ein freiftcehendes Sfulpturwerf, ein Relief oder auch nur das geringfügigfte Ornament; ja wo Das Tegtere zur Sonderung, zum Abjchluß. oder der Bezeichnung architeftonifcher Theile unbedingt noth— wendig erfcheint, ift e8 von einer beinahe herben, rohen Einfachheit. Allein von Bedeutung ift der aus grob— förnigtem Sandftein in Form eines Tifches gefertigte Altar, mit einer einfachen, auf vier runden ſchmucklo— jen Säulen ruhenden Steinplatte; er hat zwar. feinen Kunſtwerth, ift aber megen feiner Cinfachheit und ur— iprünglichen Form, wie fie zur Zeit der Einführung des Ehriſtenthums üblich war, einer der merfwürbigften in Mirtemberg. In der Mitte des Altars befindet ſich eine oblonge, gegenwärtig zugemauerte Oeffnung, unter der früher der Behälter für Reliquien angebracht war, deren die Kirche ſehr viele beſeſſen. Dieſer Altar ſtammt aus der Zeit der Erbauung der Kirche. Die in go— thiſchem Styl gefertigte Kanzel iſt aus viel ſpäterer Zeit. — Im erſten Jahrzehent dieſes Jahrhunderts, da der Verfaſſer dieſer Blaͤtter im der Kirche ſeiner
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theuren Vaterſtadt noch aus- und eingieng, waren die Wände der Kirche nicht fo kahl und kalt, wie in unfern Tagen. Ueber den Nrfadenbögen waren Die zwölf Apoſtel mehr als Iebensgroß angebracht „ lauter Bilder von Kunftwertb und hohem Alter. Eine den Bildern feindliche Zeit hat dieſe ebrwürdigen Gemälde übertüncht, und den Wänden den Schmuck genommen, der denn Auge der Alten und Jungen jo wohlthuend war. uch jenes große Presfogemälde oben auf der ‚Empore, wo die alte, mit ſchönen Holzgemälden gezierte Orgel geftanden, ift verſchwunden. Wie oft ftand der Berfaffer ald Knabe voll ernfter Betrachtung vor dem ‚Gemälde, das, wie aus der Divina Comedia des herrlichen Dante entnommen, den Zuftand der Ver— dammten Darftellte, wo der Fürft der Hölle, als ein ko— foffaler grüner Froſch dargeftellt, Die Kinder der Ver— dammnig auf einem Karren in den Schwefelpfuhl führe te. — Don all dieſen Freskogemälden ift nur einem einzigen Gnade widerfahren, es ift jenes, Das noch nee ‚ben der Sufriftei zu ſehen ift, und Den Erbauer der Kirche Graf Asimbart zeigt, wie er Das Bild ver Kirche in der Hand hält. Schade, daß ein Schmierer, jtatt ein Albrecht Dürer, das chrwürdige Gemälde reftaurirt bat. Außer dieſen Fresfogemälden waren auch andere an den Wänden angebracht ; eines hing nicht fern von der Kanzel, und enthielt auf Einer Tafel von Holz ‚die gut gemahlten Bruftbilder der ‚regierenden Herzoge ‚von Wirtemberg, von Eberhard im Bart bis Eberhard IH. Als es aus der Kirche verbannt wurde, lag es
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Tange im Staube der Bühne, bis ihm ein würbigerer Plag im Bürgerfaale des Rathhauſes angewiefen wurde,
Un der nördlichen Seite der Kirche ift Die maffive, mit einen Kreuzgewölb verfehene Sakriſtei angebaut, in der zwei im Nenaifjanceftyl gefertigten Schränfe ent halten find: Im einem derfelben wird ein fehr altes meſſingnes Taufbecken aufbewahrt.
Das Aeußere der Kirche iſt ebenſo einfach wie das Innere; die glatten Wände des Schiffs haben außer den Rundbogenfenſtern unter den Dachgeſimſen keine Ver— zierungen. An den Dachfrieſen der Abſiden fehlen dieſe Rundbogen, und nur eine ſchmale Verzierung von ne— ben einander geſtellten, die Ecke gegen Außen gekehrten Würfeln ziehen unter dieſen hin. Dagegen laufen Halb— ſäulen an ihnen hinauf, welche blinde Arkaden über den Fenſtern und den dazwiſchen liegenden Räumen tragen. Die Giebelſeite des Mittelſchiffs ragt über die Halbkuppeln der Abſiden bedeutend hervor und bat außer einem vertieften griechifchen Kreuz in dem ſtumm— winkligen Giebelfelve feine Verzierung. An der vorderen weftlichen Giebelfeite, wo im Giebel das gleiche Kreuz angebracht ift, befindet fich der urfprüngliche Hauptein— gang, deſſen Gewände fich in ſchmuckloſen rechten Win» feln abftufen. An der füdlichen Seite des Langhaufes fteht ein mafjiver Bau mit zwei Stocdwerfen, von des nen das untere mit einem vrippenlofen Kreuzgewölbe bedeckt iſt. Durch diefe Vorhalle, die ehmalige Tauf— Fapelle, noch jegt das „Wortzeichen" (sacramentum) genannt, gelangt man zu einem fpigbogigen Gingang
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in Die Kirche, der, obwohl einer fpäteren Zeit angehö— rig, an feiner hölzernen Thüre ein jehr fehön gearbei- tetes DBroncebefchläge mit Löwenkopf im romanifchen Style zeigt: Das obere Stockwerk mit flacher Dede bat zwei fich gegen das füdliche Seitenſchiff öffnende rundbogige, Durch einen Pfeiler verbundene Arfaden, und an der öftlichen eine große Nifche, die nach Außen auf einem von überfragenden Wulften gebildeten Fuß balbrund hervortritt, und eine Ereisrunde, nach Innen vermauerte Deffnung enthält.
Unter dem in das Mittelfehiff verlegten Chorraum der Kirche befand fich in alter Zeit die Gruftkirche (Kıypta) , deren noch zugemauerte Penfter von Au— Ben fichtbar jind. Noch kann fich der Verfaſſer einer Zeit erinnern, da man durch einen num bededten Gang in die Gruftfirche binabfteigen konnte. Hier» ift die Begräbnißftätte Der meiften Pröbſte und Gtiftsherren, über deren leider unlesbaren Grabmalen in der Kirche der Fuß Ddahinfchreitet. Viele Adelige Der Umgegend liegen gleichfalls in dieſer Krypta begraben ; unter An: dern foll auch Hans von Hutten, von der Stätte, wo er unter den Händen des zornmüthigen und vachjüchtis gen Kerzog Ulrichs von Wirtemberg fiel, bieher gebracht worden jeyn.
Der maffive vierecfigte Thurm der Kirche mit hohem ſechsſeitigem Zeltdach hat nur oben rundbogige Fenſter, welche, obgleich theils zugemauert, theild verändert, fein bobes Alter beurkunden. Er ſtand urfprünglich frei von der Kirche, und wurde erft fpäter Durch einen ver—
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mauerten Gang mit ihr in Verbindung gebracht. In feiner Glockenſtube hängen vier Öloden, von denen. Die größte die Jahrzahl 1450 trägt, die. beiden andern find fehr alt, und tragen nur die Namen der vier Apoftel ohne Jahrzahl; Die vierte ift vom Jahr 1796.
Ueber die Erbauung der Martinsfirche gibt eine von einem Mönche in lateinifcher Sprache gefchriebene Chro= _ nit genauen Bericht, dem wir noch Einiges aus andern Chroniſten über die Gefchichte des Klofterd zu Sindel— fingen beifügen.
In der Mitte des 11. Jahrhunderts lebte Graf Adalbert II. von Calwe, zubenannt Atzimbart (Abo der Pärtige) auf feiner Burg oberhalb dem Flecken Sindelfingen, mit feiner Gemahlin Wilifa, einer Tochter des Herzogs Gottfried von Niederlothringen (Bouillon). Um frühere Bergehungen an Der Kirche wieder gut zu machen, hatte er, auf Antrieb feiner frommen Gemahlin, das Klofter Hirfau von Neuem erbaut. Im eben dem Sinne errichtete er im Sahr 1059 auf feinem Grund und Boden zu Sindelfingen ein Benediftinerflofter, und ließ, um dieſes zu vollführen, die Mauern feines Schlofjes abbrechen. Schon um diefe Zeit mag die erfte Kirche von Fleinerem Anfang erbaut worden ſeyn. Als Graf Abo im Jahr 1066 die Mönche des Klofterd nach Hirfau verfeßte und an ihrer Stelle weltliche Chorher— ren berief, wurde mohl ein Bau in großartigerem Style begonnen, der den 4. Juli 1083 von dent Erzbifchof Gebhard von Salzburg und dem Bifchof Adalbert von Würzburg, dem heiligen Martin zu Ehren, geweiht
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wurde. Aber auch- da war fie noch nicht vollendet, denn erft im Jahr 1110 wurde die Gruftfirche durch den Bifchof Gebhard von Conſtanz in Anweſenheit des Biichofs Adalbert von Worms zu Ehren der heil. Dreiei- nigfeit, der Geil. Maria und abſonderlich Des heil, Jo— hannes eingeweiht. Die Oberaufficht über die Kirche ‘ wurde dem jeweiligen Bifchof von Conſtanz übertragen, und erhielt er dafür jährlich eine Viertels-Mark Sil— ber. Die Schirmvogtei des Klofterd übernahmen Die Herren des Fleckens, Die Grafen von Calwe.
Graf Adalbert erbaute zunächſt an Die Kirche ein Haus für ſich und feine Gemahlin, in welchen er bis an ihren Tod (1093) wohnte. Im Jahr 1095 dar- auf nahm er das Mönchsgewand, und flarb im Klofter Hirſau im Jahr 1099. Er und feine Gemahlin Tiegen zu Sirfau begraben. Nach Beider Tod famen die Calw'- ſchen Befigungen an ihren Sohn Gottfried, und von diefem an Herzog Welf VI., den Gemahl feiner Toch— ‚ter Uta. Durch dieſes Vermächtniß glaubte - fich Gott⸗ frieds Neffe, Graf Adalbert IV. von Calw, in ſeinen Rechten und Anſprüchen verkürzt. Er überfiel den Welf in ſeiner Burg Sindelfingen, nahm die Beſatzung gefangen und brannte den Flecken nieder. Dieſe Burg des Welfen war wohl jener neue Wohnſitz, welcher in ‚demjenigen Theil des Fleckens erbaut wurde, der in ber jpäteren Stadt zunächfi an der Mauer belegen, noch bis in die neuere Zeit ven Namen „in der Burg” führte. — Gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts finden wir Sindelfingen und die Schirmvogtei über das Stift im
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Bei der Pralzgrafın von Tübingen, von denen Rus dolf im Jahr 1274 dem Flecken bei Kaiſer Audolf Stadtgerechtigfeit erwarb. Von den Bfalggrafen von Tübingen kam Sindelfingen im Jahr 1326 an die von Nechberg, und von Diefen mit der Vogtei des Gifts im Jahr 43514 an die Grafen von Wirtemberg. Letz- teres hatte feit jeiner Gründung bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts an Befigungen und Einfünften be deutend zugenommen, fo daß es für eines ver reichiten der Gegend galt, und die Stelle eines Brobfies zu Sindelfingen felbft von Berlonen des höchiten Adels eine fehr gefuchte war. Das kam gar gelegen Dem Grafen Eberhard im Bart, als er die Univerfität zu Zübingen im Jahr 1477 gründete Er erhielt von Pabſt Sirtus IV. die Erlaubniß, zwei Triitheile Der Einfünfte des Stifts für die Ausftattung der neuge— gründeten Univerjität zu verwenden. Das Stift ge radezu aufzuheben, wäre nicht angegangen, darum er— richtete Eberhard mit einigen wenigen Abfällen des alten ſtiftiſchen Beſitzes, ſtatt des früheren weltlichen, ein re— gulirtes Chorherrn-Stift, und verſchrieb ſich dazu friſchen Saamen aus einem reformirten Auguſtiner-Kloſter. Trotz dem, daß das Stift zu Sindelfingen in Folge folcher Veräußerung feiner Befigungen und Einfünfte gar Viel verloren, war e8 doch noch im Anfang des 16. Jahrhunderts ein nicht umnbegütertes Convent. Denn als Herzog Ulrich von Wirtemberg auf feinem Zuge zur Wiedereroberung feines Landes mit feinen Schweizern über Eindelfingen zog, thaten ſich diefe
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drei Tage lang recht gütlich im Stifte; darüber be= richtet der fchweizerifche Ritter Hans Stockar gar naiy in feinem Tagebuch: „wir lagen da dri Tag ftill, und tranfen den Mönchen im Klofter in der VBorftadt ihren Min und Bier us, und hielten den Mönchen wild Hus, denn es ein rich Klofter if.” Nach der Refors mation wurde das Stift aufgehoben.
Von den ehemaligen reichen Stift bat ſich nur Weniges erhalten, das deutlich an fein früheres Da— ſein erinnert. Es ſind die an die Martinskirche zu— nächſt anſtoßenden Gebäude, welche im Laufe der Zeiten mancherlei Veränderungen erlitten haben; fie find mit einer alten Mauer umgeben und führen nod) den Namen „Kloſterhof.“ Das eigentliche Convent war wohl Das mit der Kirche fo eng verbundene jegige Kameralamtsgebäude, von deſſen oberem Stocwerf man in die Kirche eintreten fann. Da war auch die Wohnung, welche Graf Atzo, nachden die Burg auf dem Berge abgetragen war, für ſich und feine Ge— mahlin einrichtete. — Ueber den Cingang zum Klo— fterhof findet fich noch eine gut erhaltene alte Gedächt- nigtafel, auf welcher in erhabener Arbeit vor dem Bilde des Erlöfers ein Ritter und eine fürftliche Frau im altdeutfcher Tracht fnieen. Die Infchrift in alter Moͤnchs— fchrift lautet:
Illustrissima dna Mechtildis nata Palentina Reni ac Archiducissa Austriae et illustris Eber- hardus comes de Wirtemberg et ejusdem filius hujus saeri coenobii post prioris collegii transla-
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tionemad Tuwingen restauratores atque canonieae regulae institutores anno domini MECCCLXXVH. Zu Deutfh: Die erlauchte Frau Mechtilde, geborne Pralggräfin vom Rhein und Erzherzogin von Defters reich, und Der erlauchte Graf Eberhard, ihr Cohn, Grneuerer dieſes heiligen Klofterd nach Verlegung des früheren Collegiums gen Tübingen, und Einrichter der Ganonifchen Regel im Jahr des Seren 1477.
Noch weniger als vom ehemaligen Stifte hat ſich von der alten Calw'ſchen Grafenburg erhalten, aus deren Steinen Kirche und Klofter erbaut worden. Gie lag auf der nordöftlichen Seite der Stadt auf dem noch jest fogenannten Burghaldenberg (einem Vorberg der Schönbuchsterraffe) oberhalb dem großen ftädtifchen Gee. Es muß eine ftattliche Burg gemefen jeyn, wenn man einem alten Gemälde trauen darf, daS fammt dem Wap— yen der Stadt eine Pergamenthandſchrift v. I. 1560 enthält und in einer treuen Kopie in der „Kleinen Chronik der Stadt und des Stifts Gindel- fingen® von Ottmar 8. 9. Schönhuth (Böb— Iingen 1834) zu finden if. Jetzt ift nur noch ein Theil des Burggrabens ſammt einigen Mauerreften vorhanden. Wie alle Nefte alter Burgen, fo find auch Diefe von Schaßgräbern Durchfucht worden. Auch Sa- gen knüpfen fi an den Burghaldenberg. Ein Hund mit feurigen Augen ſoll daſelbſt die vergrabenen Schäge hüten. Ein Wandrer ging in fpäter Nacht über Die Höhe, da die Burg ſtand — er fah einen Haufen glühender Kohlen, und eilte erfchrocden Davon; am
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andern Morgen, als er wiederfehrte, um nach den Kohlen zu fehen, waren alle verfchwunden. — Die auf die Erbauung der Martinskirche fich beziehende
Sage von der Glncke
geht auf die Zeit des älteften Beflgerd der Burg, Graf Agimbart von Calwe, zurück. — Eines Tages, als - Graf Abimbart- ermüdet von der Jagd heimfehrte und fih niederlegte, hatte er einen Traum. Es däuchte ihm, als ob ein Mann in weißem Kleide vor ihm fände, der fprach: als ich auf Erden wandelte, bie ich Martinus, und nun bin ich unter den Seiligen Gottes. Dich babe ich erforen, daß du eine Kirche baueft, und ich will ihr Schüger feyn. Du follft abe brechen Die Mauern Deiner Burg, und aus den Stei— nen erbauen eine Kirche im Thal dort unten, wo der Flecken liegt. Zum Zeichen aber, wie es Gottes Wille ift, daß alfo gefchehe, will ich Dir offenbaren: es wird fich eine Glocke finden, die fehon lange in einem ſchlam— migten See verborgen liegt, Die foll der Erftling wer— den für das Gotteshaus, und ewige Zeiten foll fie bangen im Thurme Der Kirche. Alſo ſprach der Mann im weißen Kleide zu Graf Ba a da erwachte er son ſeinem Traume.
Kaum graute der Tag, als ſchon Der Jaäger Des Grafen in's Gemach trat. Mein hoher Gebieter, ſprach er, laßt euch melden eine feltfame Gefchichte: Schon
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feit manchen Tagen lauerte ih auf ein Wildſchwein, Das Nachts aus dem Walde Bricht und ringsum die Felder verheert. Auf einmal bin ich auf feine Spur fommen, und babe es verfolgt, ald e8 vom Raub in die Waldung heimfehrte. Das Wildſchwein flüchtete an den See, der mitten im Walde liegt, den man den Hinterlinger See heißt, von Dort aber wandte e& fich nach einer Stätte im Oeftrüppe nahe am Gee. Ich folgte ihm — fiehe da! es lag bei vielen Jungen in einer Höhlung , und der Rand ver Höhlung glänzte wie Metall. Ich unterfuchte es genauer, da war Die Höhle, in der dad Echwein mit den Jungen lag, der Bauch einer ungeheuren Glode, die das Schwein aus den See gewälzt hatte.
Als der Jäger feinen Bericht ſchloß, erfannte der Graf die Wahrheit der Worte, welche im Traum an ihn ergangen waren. Alsbald fandte er Leute an den Hinterlinger See, ließ nachſuchen, und wirklich fand man die Glode, wie Der Jäger des Orafen berichtet hatte. Mit großer Mühe wurde Die Glocke aus dem Schlamme gezogen, und unter Jubel brachte man fie in den Flecken, wo die Kirche erbaut werden follte.
Zur Stunde ließ Graf Agimbart Die Mauren feines folgen Schlofjes niederreißen ; man führte Die Steine binab in den Flecken, und in furzer Zeit fland allda eine fchöne Kirche. In Dem hoben und fchlanfen Thurme der Kirche bieng man die Ölodfe auf mit großer Freude, und ihr erfter Klang tönte dem Grafen und feiner Gemahlin füß zu Ohr und Herz. Die Kirche
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wurde den heil. Martin geweiht, der dem Grafen im Traum erfchienen war. Heben Die Kirche aber Tieß Graf Atzimbart für fih und feine Gemahlin Wilika ein Haus bauen, welches mit der Kirche fo zuſam— menbieng, daß die beiden frommen Cheleute zu jeder Stunde des Tages darin der Andacht pflegen Eonnten, ohne nur einen Schritt über Die Straße zu gehen. Hier in diefen Kaufe, fo nahe dem Tempel Des Herrn, lebten Die Beiden noch manches Sahr in Sottfeligkeit und Uebung guter Werfe, was befonders die Armen und Dürftigen des Fleckens in reichem Maße erfuhren. Als die fromme Wilifa in Gott ihre Xebenstage be- ſchloß, zog Graf Asimbart hinüber in den Schmarz- wald in das von ihm wiederhergeftellte Klofter Hirſau, und ließ fich allda unter die Zahl der Mönche aufneb- men. Kurz vor feinem Hinſcheid ließ er die irdifihe Hülle feiner Gemahlin aus der Kirche zu Sindelfingen abholen und in der Aureliusfirche feierlich beifegen. Als er ftarb, wurde er neben ihr eingefenft, Damit, was im Leben verbunden, auch im Tode nicht getrennt ‚wäre,
Die Efelsburg.
Eines der fchönften Thäler unfers Vaterlandes ift dad Brenzthal. Schon der alte Chronift Bruſchius nannte das Thal voller Begeifterung eine paradieftiche Gegend. Drei alte namhafte Klöfter, SHerbrechtingen, Anhaufen, Königsbronn, am Ufer der Brenz gelegen, und zahlreiche Burgen auf den felfigten Höhen, machen das Thal ungemein malerifch. Beſonders romantifih ift es Da, mo die Ruinen der Efelsburg von hohen Fels jen in das Thal blicken. Da meint man faft, die Brenz molle fich in dem Thale verbergen, bis fie weiter unten wieder mit ihren Flaren Wellen zum Borfchein fommt, die nun in breitem Bette Daher raufchen.
Die Efelsburg ift eine Zierde des Thals, ob fie gleich FTeinen großen Umfang bat und ganz und gar zerfallen if. Sie ift Das Stammfchloß der Herren Eſel von Ejelsburg So komiſch der ame Diefer edlen Familie lautet, jo Dürfen wir Doch nicht annehmen, daß er dDerfelben geworden, um ihr damit eine Schmach anzuthun. Im Mittelalter war der Efel, deſſen man fich viel häufiger als jet bediente, fein fo verachtetes Thier, wie in umfern Tagen, im Gegentheil war der Eſel das Symbol der Kraft, und. die Herren Efel von Eſelsburg durften fich jo wenig ihres Namens ſchämen, als die Serren von Riedeſel, unter denen Männer mit dem Degen wie mit der Bes
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der fich einen Namen erworben. — Das Gefchlecht der Herren, welche die Eſelsburg gründeten, ftand ohne al= Ien Zweifel in naher DBerwandtfchaft mit den Herren von Eſelsberg bei Vaihingen. Die Iegteren blühten ion im 13. Jahrhundert, denn in einer Maulbronner Urfunde vom Jahr 1232 zeugt ein Belrein von Efel$- perg. Dieſem Gefchlecht gehörte wahrfcheinlich jener Dichter Eblin von Efelsberg an, von dem unfer gelehrter Literatur» Hiftoriter Adalbert von Keller zwei altdeutfche erzählende Gedichte herausgegeben, Die zum wenigften in das 14. Jahrhundert gehören. Die von unfrer Burg benannten Herren von Eſelsburg fommen nicht viel fpäter vor. Im Jahr 1256 zeugt ein Gerwich von Eſelspurg in einer Urkunde des Gra— fen Hartmann von Dillingen. Im Jahr 1270 be— jtegelt Nudolf von Efelspurg einen Vertrag zwi— ſchen dem Bifchof Hartmann von Augsburg und dem Markgrafen Heinrih von Burgau. Im Jahr 1317 leben die Gebrüder Rudolf und Germig von Efele- purg. Der erftere verkaufte „mit Willen Rudolſs ſei— nes Sohns und Gerwigs, Dtten von Ejelsyurg Sohnes, der (Dtto) Rudolfs des Alten Bruder geweft, alle feine Güter zu Illingen (bei Maulbronn), jo Gerwigs jeine8 Bruders gemefen find, um 500 Pfund Seller.” Es ift Derfelbe, der im Jahr 1327 feine Höfe und Güter zu Witeßlingen verkaufte und im Jahr 1328 und 1329 unter dem Namen Audolf der Efel von Eſelspurg erfiheint: im Ilegteren Jahr als Bürge für Heinrich yon Stotzingen bei dem Verkauf des Kirchens
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faßes zu Niederitogingen an das Kloſter Herbrech— tingen. Wir fehen hieraus, daß Rudolf Der Ejel von Gjelspurg bei Vaihingen, wie an der Brenz, begütert war. Die von Ejeleverg und die von Der Ejeläpurg an der Brenz gehören aljo zu einem Stamme. — Im Jahr 1343 verfaufen die Gebrüder Dans Conrad und Rudolf, genannt von Gfeleperg, ihre Güter zu Herbrechtingen, worauf die Grafen von Selfenflein fein Bogtrecht hatten. Im Jahr 1387 fiegelt Beter Ejel der SFüngere neben dem Brobft von Serbrechtingen. Ginige des Geſchlechts waren zu Geißlingen feßhaft. So fiegelt im Jahr 1412 der „erbar und veft Mann Dtto der Eſel von Gfelspurg, zu den Zeiten zu Geiß— Iingen gefefien, für Jakob Kottenbein, Bürger alda.‘ Sm Sahr 1417 am Tage ©. Florian ftarb Veit von Eſelspurg, feßhaft zu Geiflingen. Im Jahr 1540 lebt Wolf Wilhelm von Ejelöpurg und feine Hausfrau Margaretha von Neideck, geborne von Neideck (in der fränfifchen Schweiz). Ihre Grablege hatten die Ejel von Eſelspurg in den Klöftern Anhaufen und Her— brechtingen. „Zu Anhaufen in der Kirchen, fagt der alte biedre und glaubwürdige vaterländifche Ehronift Gabelkover, find unter andern Wappen deren von Adel auch angemalet der von Eſelspurg Wappen; ift ein Ichreitender Ejel, feiner natürlichen Yarb im blauen Feld, auf dem Helm ein ganzer gehender Ejel, ſteht Dabei: Nudolf von Eſelspurg der Eſel.“ DBielleicht war Der genannte Wolf Wilhelm der Legte der Ejel zu Efelepurg, und die Männerfeindin, von der wir
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erzäblen werben, feine Tochter. Die Burg fiel noch im 16. Jahrhundert an fremde Herren. Im 3.1592 war fie in den Händen der Herren von Rechberg; von diefen Faufte fie Herzog Ludwig von Wirtemberg nebft der Burg Balfenftein und den Dörfern Dettingen, Heuchlingen und Mergelftetten für 79275 fl. — Ueber die ferneren Schieffale der Burg, wann und wie fie zerftört worden, haben wir Feine Berichte; vielleicht ift fie im Baurenfrieg zerftört morden, oder ift fie, wie manche Burg, die nun im Schutte liegt, von feltit zerfallen. Ganz nahe bei der Ejelsburg liegt der Mäd— chenfelg, von dem fich eine fchauerliche Sage im Munde des Volkes erhalten.
Die Sage vom Mädchenfelfen.
In jener Zeit, da Eſelsburg noch ein ftattlicher Wohnſitz war, lebte auf ihr ein altes Fräulein, Die Letzte des Gefchlechtes der Herren von Ejelsburg. In ihrer früheren Jugend hatte fie geliebt; heiß und innig, mit ganzer Seele hing fie an dem Manne, der ihr als Ideal, als Abglanz aller Vollkommenheit erjchienen war. Diefer aber hatte fie um die Freuden ihrer Ju— gend betrogen, hatte fie verlaffen und der Neue, wie dem Hohne ihrer Verwandten preiögegeben. Finſterer Haß zog in Das Herz der Oetäufchten; fie jebwur Den Männern Hache, und fchloß fich ein in die alte Burg Der Väter, die Eſelsburg, wo fie ſich mit dem Studium
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der geheimen Naturkräfte befchäftigte, und es Darinnen jo weit gebracht haben foll, daß ſie Gewitter beſchwö— ven, alle Kranfbeiten heilen und den Tod in allen Geftalten Den Menſchen bringen Fonnte. Auf dem ganzen Schloffe lebte feine männliche Seele ; blos Jung» frauen, welche bei ihrem Eintritte Die Liebe abſchwören mußten, durften dort bleiben. Sie verfahen den häus— lichen Dienft und lebten abgejondert, fich felbit genü— gend, denn eines Männerfchugee bedurften fe nicht, da im weiten Umfreife die Gegend fo verrufen war, dag Niemand .derfelben nahen wollte, und jeder Wan— derer gerne einen weiten Umweg machte, um derfelben auszuweichen. So war eine Neihe von Jahren vers floffen, die Jungfrau war alt, aber noch bösmilliger geworden, und quälte ihre Mägde, die faſt aus lauter jungen und fchönen Mädchen beitanden.
Da kam ein junger, fremder Fifcher in dieſe Ge- gend, fiedelte fib in dem Brenzthale an und warf je den Abend feine Nebe aus, wobei er mit Elarer und fhöner Stimme zu fingen pflegte. Seine Lieder tru— gen gewöhnlich das Gepräge tiefer Sehnfucht, oder ſie drücten das Gefühl erbörter Liebe aus. Die zwei jüngften Mädchen hörten Die Lieder und Fonnten nicht lange der Lockung widerftehen ; fie nahmen Eimer und
gingen hinab zu dem Fluſſe, wo fie mit dem Fifcher -
iprachen und mit ihm fofeten. Die Männerfeindin aber auf ihrer Warte hatte fogleich Davon Kunde und befchloß, ihrer Rachjucht zu genügen, die Mädchen zu verderben. Ein Wetterftrahl mit dumpfem Donnerfchlag
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züdte durch das Thal; die Mädchen fühlten auf einmal im Sprechen ihre Zungen immer fihmerer werden, ihre Glieder waren Feiner Bewegung mehr fähig, das Herz allein ſchlug in immer matteren Bulfen, bis es endlich ganz aufhörte fich zu regen. Entſetzt fprang der Sifcher auf; feine Gefährtinnen maren in einen Stein verwan— delt, der fich innmer mehr ausdehnte und nur in ſchwa— hen Umriffen die menjchliche Form erkennen ließ.
Die Zauberin farb, ihr Schloß ift zerfallen, aber noch ftehbt der Fels und erinnert an zwei Herzen, Die ein Opfer der Liebe wurden. Das romantifche Thal wird noch heute von manchen liebenden Baar befucht, und wenn dieſe dort Lieder der Liebe fingen, Dann hört man ein leiſes Geufzen, ein ftilles, Elagended r gleich einem Seufzer aus den Felfen tönen.
XIH. Die St. Johanniskirche zu Gmünd.
Die alte Hohenftaufen-Stadt Gmünd hat viele merk— würdige Kirchen aus alter Zeit — die jchönfte in Bezie— bung auf Bauart ift die St. Johannisfirche. Sie if zuverläßig noch ein Bauwerk des 11. Jahrhunderts. Sie ift Dreifchiffig mit einem ganz maſſiv gebauten Thurme, genannt Schwindelftein, welcher aus dem Viereck durch Abfchrägung ins Achteck übergeht, mo er zwei
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Stockwerke im reinften Nundbogenfiyl zeigt; Darüber ift ein Giebelfranz, aus den ein Spigdach fich erhebt, zwar auch aus Holz mit glaſirten Ziegeln gedeckt, aber alterthümlich und in ſchönen Verhältniſſen zum ganzen Thurme. An der Weſtfront der Kirche ſind zwei Thü— ren, von denen die größte in das Mittelſchiff führt, aber nicht in der Achſe deſſelben ſteht. Auch ſind an dieſer Fronte frühzeitige Vergrößerungen „er Abſeiten zu bemerken. Zwei andere Thüren in der Südfront zeigen in ihren Umfaſſungen ſchlanke Säulchen mit äußerſt zierlichen Kapitälen von faſt cylindriſcher Form mit wenig Ausbauchung und von feiner Blätterzierung umrankt. Eine beſondere Merkwürdigkeit am Aeußern dieſer Kirche ſind die vielen ſymboliſchen (gnoſtiſchen) Geſtalten in den, unter Geſimſen und Gurten hinlau— fenden Rundbogenverzierungen, in erhabener Arbeit. So iſt an der unteren Ecke gegen Süden eine ſitzende ge-⸗ frönte Frau eingehauen, welche ein Kind auf ihrem | Schooße hält. Die rechte Sand der Frau und Die Linke des Kindes halten Etwas, mas einem Apfel gleicht; über ihnen ſchwebt ein Engel, der jegnend die Hände über der Frau und dem Kinde ausſtreckt. Unten- find zwei gefuppelte Sunde in vollem Lauf, und ein Männchen, das in ein Jagdhorn ftößt. Dieje bei- den Hauptfiguren, Frau und Jäger, follen mit Der Sage vom Ninge in Verbindung flehen, ob gleich die Mutter Gotted mit dem Kinde auch auf ähnliche Weife abgebildet wird, wenn wir nemlich den vermeintlichen Apfel für einen Reichgapfel oder eine Eleine Weltfugel
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in den Händen des Kindes halten. Unter diefen Fi— guren ſteht noch ein anderes Männchen, neben dem ſich Etwas befindet, Das drei in einander gefchlunges nen Bregeln gleich Sieht. Das Volk nennt Diefe in einander verwicelten Bregeln oder Stricke Zweifelsſtrick. Mas ift das? fragen wir mit Vielen, die ſchon vor diefer Figur ftanden und fich über dem Näthfel den Kopf zerbrachen. — In der Mitte ungefähr, an dem Giebel gegen Welten, erblidt man ein Männchen, Dem ein Teufel die Nechte wegreift. Tas Männchen joll nach der Volfsfage der Baumeifter der Kirche ſeyn, an dem der Teufel dieſe Operation vertragsmäßig vorge— nommen, weil er verfäunite, Die Slirche in der verſpro— chenen Zeit herzuftellen. Außerdem find auf den Qua— derfteinen der Kirche viele andere zahme und milte Thiere eingebauen,, die aber alle ſehr rauh und ohne Zeichnung ausgearbeitet find. Noch jieht man an der Siebelfeite, unten vor einem alten Gingang in den Chor, einen eingemauerten Grabftein mit dem Bildniß eines — einen Kelch in der Hand baltenden — Prieſters mit der Umfchrift: Anno gratiae 1050 (richtiger 1350) obiit Johannes Kirssenesser caplanus ad sanctum spiritum. (Im Jahr der Gnade 1350 ftarb Johannes Kirfjeneffer, Caplan zum heil. Geift.)
Das Innere der ehrwürdigen Johanniskirche iſt lei- der! im Sefuiten-Styl verändert, und bietet außer eis nenn Delgemälde Nichts dar, das irgend einen Kunft- werth hätte. Das auf Tuch gemalte Bild ftellt die Burg Kohenftaufen und die Gegend vor, ehe die Stadt
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Gmünd eriflirte. Das Bild ift wohl fchwerlich müßige Erfindung eines neueren Malers, fondern e8 mag dem Berfertiger ne ein altes Bild als Vorlage gedient haben.
Ueber Die ——— der Johanniskirche haben wir keine urkundlichen Berichte, aber höchſt wahrſcheinlich war ihr Gründer der Staufer Herzog Friedrich von Schwaben (1080 —1105), der ſich überhaupt viele Verdienſte um die Hebung der Stadt Gmünd erwarb. Nicht mit Unrecht bringt man die eigentliche Gründung der Stadt mit der Erbauung der Kirche in Verbin— dung, denn erſt jetzt erhielt die Stadt ihren jetzigen Umfang, indem ſie zur Zeit, als Abt Volrad von St. Denys mit Genehmigung Kaiſer Karls des Grafen (768— 814) zu Gamundia die nun abgebrochene St. Veitskirche mit einem Klöfterlein gründete, eine Art Meiler, Hof (villa) gemefen feyn muß. Noch im Jahr 1297 beforgten die VBenediftiner zu Lorch den Gottesdienft an der St. Johannisfirche, ein Beweis von der innigen Beziehung, in welcher die Johannis— firche zum Klofter Lorch und fomit auch zu Den Her— ven auf Hohenſtaufen ftand. — Gar lieblich und finnig berichtet von der ——— der Kirche durch Herzog Friedrich
Die Sage — Hinge.
Wir fehen jet reiche, blühende Städte auf jenen Plätzen erbaut, mo vor langen Jahren nichts ald Wilde
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niß und rauhe Wälder, von wilden Ihieren ‘bewohnt, gemefen. So war es auch mit dem Platze, wo jet das freumdliche Gmünd fleht. Den ganzen Raum be— deckte finftere Waldung, umd zeigte nur eine lichtere Stelle, mo eine fleine Wohnung, dem Jäger Effard gehörend, erbaut war. Der Alte war früher ein tapfe— rer Krieger und hatte feinen Sohn tüchtig im Waffen- handwerfe unterrichtet, fo Daß Diefer in der Leibwache des Herzogs Friedrich von Schwaben diente, und fid) ſchon bei mancher Gelegenheit hervorgethan hatte, Die Tochter des Kanzlers hatte den ſchönen Jüngling oft gefehen, und beide liebten fich mit der ganzen Innig— feit unverdorbener feuriger Jugend. Allein was Fonnte der junge Mann, der nichts befaß als feinen Namen, dem ftolzen, ehrgeizigen Kanzler bieten, der ihm hohn— lachend den Rücken gewieſen, al® er vor ihn getreten mar mit dem offenen freien Worte feiner Werbung ? Da wurde eine große Jagd veranftaltet und die Frau Herzogin Agnes (Tochter Kaifer Heinrichs IV.) Hatte das Unglück, ihren Ehering zu verlieren, mas damals für ein ficheres Zeichen einer unglücklichen, verderben- vollen Zufunft gehalten wurde. Die Jagd, welche fo heiter begonnen, wurde unterbrochen, und traurig -Fehrte alle nach dem herzoglichen Schloffe zurütf, wo der übrige Theil des Tages entfernt von jeder SHeiterfeit trübe verflof.
Um andern Morgen ging der Xiebende zu feinem Vater und jagte ihm, wie er den Dienft des Herzogs verfaffen und in Waldeseinfamfeit der Erinnerung ſei—
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ner Sugendliebe leben wolle. Dev Bater hatte nichts dagegen; er hoffte, die Zeit würde feinen Sohn heilen, und er wolle ihm daher feinen Zwang anthun.
Auf dem Rückwege gemahrte ber junge Dann einen prachtvollen Hirſch, der feheu vor ihm die Flucht er: griff, aber nach kurzer Verfolgung von dem ſchwirren— den Todespfeil des fichern Schügen getroffen wurde. Erftaunen aber faßte denselben, als er an einer Spitze des Geweihes feiner Beute den verlorenen Ehering er= blickte. Sogleich eilte er nach Hohenſtaufen und brachte voll Freude den Fund. Die Serzogin, eine gmädige rau, wollte den Finder reichlich belohnen, Doch Diefer fchlug alles aus, und entdeckte ihr endlich Die Urſache feiner Traurigkeit, welche fie bemerft und Darum ges fragt hatte. Die Herzogin brachte es dahin, Daß Der Kanzler feine Tochter dem Jünglinge gab, dem ein ftattliches Haus im Walde gebaut wurde,
Auf der Stelle aber, wo der Hirſch getödtet wurde, ließ der Herzog die noch jeßt ſtehende Et. Johannes Tirche bauen, wohin bald eine große Anzahl Pilger walls fahrteten. Das war auch die Beranlaffung, daß nach und nach der Wald gelichtet und angebaut wurde, fo Daß fich jest Dort eine blühende und ſchöne Stadt befindet. —
Sonft kann die Sage weder Urkunde noch Sigill für ihre Glaubwürdigkeit aufmweifen, aber Die eben er= zählte ijt noch Daurender verewigt, denn fie wurde auf dem Thurme der Iohannisfircherzum ewigen Gedächt— niß eingehauen, wenn die Darftellung auch nur eine andeutende ift.
XV. Waldenburg, im Hohenlohiſchen.
Reich an Schlöffern und Burgen ift das Schöne, von Gott gefegnete Hohenloher Land — Ffaum ift ein Städtchen zu finden, wo nicht ein ftattlicher Herrenſitz prangt, in den fchon feit alten Zeiten die zahlreichen Glieder des erlauchten Fürftenhaufes Hohenlohe aus— und eingingen. In allewege aber gebührt zweien un- ter den fürftlichen Wobnfigen von Hohenlohe in Be- ziehung auf herrliche Lage der Vorzug. Diefe find: Schloß Schillingsfürft zwifchen Rotenburg und Anjpach zu, fchon feit den Anfang des 14. Jahrhunderts im— mer im Bejige des Hauſes Hohenlohe, und Schloß Waldenburg, faft im Herzen des Hohenloher Landes gelegen. Waldenburg, Schloß und Stadt, ragt auf dem teilen Borfprung einer Reihe von waldbekränzten Höhen, welche nad) dem Schloffe den Namen „Wal- denburger Berge‘ tragen, und blieft mit ihren Mau- ven und Thürmen wie eine Königsfrone auf das unten liegende gefegnete Zand herab. Auf Den innen des Schloffes hat man die fchönfte Ausficht im ganzen Hohenloher Lande. Wenden mir die Blicke gegen Oſten, fo zeigt fich, wohl in weiter Ferne, der ſchon genannte hohenloh'ſche Fürſtenſitz Scillingsfürft, und grüßt nach- barlich herüber zum Schloffe, wo daS blutsvermandte Sefchleht wohnt. Ueber Die Stadt Rotenburg hin
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ichweift das Auge zu den „fränkiſchen Bergen,” auf deren höchfler Kuppe der hohe Landsberg, Das alters thümliche Schloß der Serren von Pöllnitz, fich lagert. Hinter den Frankenbergen verfinfen die fehönen Ufer des majeftätifchen Mains, dagegen ragen im fernften Hintergrumde Die Vorberge des Nhöngebirgg, und wenn wir immer weiter im Bogen gen Norden uns wenden, Die dunklen Waldhöhen des Speſſarts. Noch näher und deutlicher liegt vor uns der Odenwald mit dem weithin fichtbaren Kagenbudel und deſſen entfern- terem Nachbar, dem Melibofus, dem Mächter der Berge ftraße. Zulegt ruht da3 Ange auf den mit Burgen geſchmückten Bergen des Neckarthals, zieht fich dann wieder zurück über die Höhen, unter denen Kocher und Jagſt im brüderlichen Neckar münden, und betrachtet Die reich gefegnete Landſchaft, Die unmittelbar unter ung fich außbreitet. Es iſt Die fogenannte Kupferzeller Ebene, im Vordergrund Hohenbuch, wo Das treffliche Bier bereitet wird, und nicht ferne Davon Das dazu gehörige Landhaus, mo Herr Oekonom Otto Möride, der bedeutendfte Gutsbefiger im Umkreis, rationell und praftifch feine Felder baut und der Landwirthſchaft im diefer Gegend neuen Schwung gegeben. — Am ſchön— jten genteßt man die herrliche Ausficht auf Walden— burg zur Zeit, wenn der Reps blüht, wo Freunde der ihönen Natur von allen Gegenden dem Berge zu— wallen und ein heiteres Feſt feiern, das durch den An— blick Der reizenden, im ihrem fehönften Blumenfchmud ſtehenden Landfchaft, feine Weihe erhält,
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Schloß Waldenburg (Maldenberg) hat, wie alle Burgen ähnlichen Namens, feine Benennung von dem Malde, der früher den Bergvorfprung bededte, und jegt noch über den ganzen Bergrüden fich hinzieht. Vielleicht war e8 zuerft ein Wartthurm, der auf Der Höhe erbaut wurde, und dad wäre der noch flehende fogenannte Männleinsthurm, zuverläßig das Altefte Bau- werk auf Waldenburg. An ihn wurde im Laufe Der Zeit das Schloß mit feinen VBorwerfen angebaut.
Schon frühe faß ein edles Gefchlecht auf der Burg, das von ihr feinen Namen führte. Im Jahr 1218 lebt ein Gottfried v. Waldenberg, Domherr zu Mürzs burg. Heinrich und Hermann, Grafen von Walden« berg, erfcheinen in einer Urfunde vom Jahr 1246, und es ift ſehr wahrfcheinlich, daß fie von unſrer Burg ſich gefchrieben, Denn die edlen Herren, welche neben ihm genannt werden, find alle aus der näheren oder ferneren Nachbarfchaft, wie z. B. ein Graf v. Eber- ſtein und von Neifen, ein Burggraf don Nürnberg, fo wie ein Herr von Büdingen u. f. w. Aber fehon mit der Mitte des 13. Jahrhunderts ift Waldenburg im Beſitze des berühmten Gottfried von Hohenlohe, Grafen von Romaniola. Im Jahr 1252 geht der Streithof bei Waldenburg von ihm zu Lehen, und im darauf folgenden Sabre ftellt derjelbe zweimal zu Wal- denburg Urkunden aus — ein Beweis, daß, er jich manchmal Dort aufgehalten. Später fommen wieder Herren von Walvdenberg vor, aber fie waren nur ho— henloh'ſche Burgmänner oder Vögte auf Waldenburg,
166 on Im Jahr 1289 zeugt ein Raveno von Neuenftein, der alte Vogt von W., im Jahr 1292 Heinrich Gut- jar, weiland Vogt zu W. Im Jahr 1329 leben Ru— dolf von W., im Jahr 1339 Heinrich, Ulhards Sohn von W., und im Jahr 1342 Ulhard von Waldenberg. Spätere hohenloh'ſche Vögte waren: im Jahr 1338 Heinrich von Enfingen, im Jahr 1346 Engelyard von Bachenftein, 1362 Götz von Stetten, 1380 Dietrich son Berlichingen, 1383 Hofwart Landfchad von Si— fingen, 1397 Götz von Belfenberg, 1445 Beter Zwi- far. — Schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts, da Waldenburg im Befig Kraft III. von Hohenlohe, Urenfel des Grafen Gottfried, geweſen, war es zu einer Fleinen Stadt mit Mauer und Graben geworden, welche eine Gemeindeverfafjung mit zwölf zum Theil adeligen Richtern hatte Wie die kleine Stadt auf der nördlichen Seite Durch Die Burg und die natürliche Lage geſchützt war, jo erhielt fie auch gegen Süden, wo leicht an fie zu kommen war, ein ftarfes Vorwerk, welches Dann Die jpätere Vorftadt Durch Brücke und Graben verbunden. Der fogenannte Schanzthurm, wohl das ältefte Bauwerk nach den Männleinstäurm, To iwie der Wartthurm, bildeten dann das „alte Veſtungs— werk’, wie e8 der ehrliche und glaubwürdige M. Wibel auf einem Bilde (Hohenlohiſche Kirchendiftorie Bo. 4. Titelvignette) bezeichnet, und Die Stadt war von der füdlichen Seite gegen jeden feindlichen Angriff gededt. Im Laufe der Zeit, befonders im Dreißigjährigen Kriege, wurde Waldenburg da und Dort Durch angebrachte
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Schanzen noch weiter befeftigt. Wir fünnen alfo Wal- denburg für Die durdy Rage und Gtärfe der Werfe wichtigfte Veſte des Hohenloher Landes betrachten. Da— rum, weil Waldenburg ſchon ſeit alten Zeiten als ein wohl verwahrt Haus galt, wurde es auch in Friedens— zeiten zu ähnlichen Zweden, wie Die Veſtung Asperg, nemlich zur Aufbewahrung wichtiger Oefangenen ver— wendet, wie MWibel jagt: „die landſäßige und übrige son Adel, die etwas verfchuldet, wurden allda verwah- vet.” So faßen hier gefangen im Jahr 1330 Engel— hard von Neivdek, 1351 MWartwein von Walde, und 1352 Kreß von Büttelbronn. Auch Andre wurden in fpäterer Zeit auf Waldenburg in Haft gelegt, die den Herren der Burg zuwider waren. Go legte ein- mal (etwa um 1520) Graf Kraft von Kohenlohe den Junfer Götz Senft zu Münkheim, den er auf der Jagd (auf feinem vermeintlichen Jagdbezirk) gefangen genome men, gen Waldenburg in den Thurm. „So er heraus bat kommen wollen — fagt der treffliche Chroniſt Herold — Hat er ſich unter Andern verſchreiben müſſen, daß er ſein Lebenlang, wo er hinreiten will, allweg in ein zwilchen Juppen und Jägerhorn, wie er dazumal geritten, reiten will.“ Um dieſelbe Zeit hat Graf Albrecht Hanſen Newſer und Daniel Huſſen auf den Vogelheerden an dem Streiffelsberg gefangen, und nach Waldenburg geführt. —
Stadt und Veſte Waldenburg war ſeit dem 13. Jahrhundert in ununterbrochenem Beſttz des hohenlohi— ſchen Hauſes. Nur vor dem Jahr 1390 war Wal-
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denburg an Bifchof Gerhard von Würzburg verjeßt worden, allein im genannten Jahre wieder eingelöst. Das Jahr darauf empfingen Die Gebrüder Ulrich und Gottfried von Hohenlohe (Söhne Krafts III.) die Stadt und Veſte Waldenburg ſamk Neuenftein und Dehringen von Bifchof Johanſen von Regensburg, „alfo daß diefelben fie und ihre Erben, Söhn und Töchter niefen und inne haben follen, mit allen Rech— ten und Nuten, wie Die genannt find, auch was zu dem Allem gehört, Nichts ausgenommen, als es bis— ber an ung fommen ift; fie follen auch und ihr Er— ben fürbaß diefelbe Lehenfchaft zu rechter Zeit. fordern und empfahen.” — In der zweiten Hälfte des 16. Sahrhunderts gab Waldenburg der von Graf Eberhard (r 1570) geftifteten Sauptlinie von Hohenlohe den Namen, und ift ſeitdem wenigftens die jeweilige Reſi— denz der erlauchten Familie gewefen. Der jegige Befiger, Se. Durchlaucht Fürſt Friedrich Carl Joſeph zu Hobenlohbe-Waldenburg-Schillingsfürfl, der begeifterte Verehrer feiner Ahnen, und der gelehrten Welt rühmlich befannt Durch feine gründlichen Forſchungen im Gebiet der Gefchichte und Siegel- und Wappenfunde, hat e8 zwar vorgezogen, das freundliche Kupferzell in der Ebene zu feinen Wohnfig zu wählen, aber er jchenft doch der Burg feiner Ahnen gebührend alle Aufmerkſamkeit. Davon find fprechende Beweiſe nicht nur Die forgfame Erhaltung des Schlofjes, ſondern manche neuere Baus ten und DVerfchönerungen, die auch Dem jonft weniger anfehnlichen Städtchen zur Zierde gereichen. — Außer
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dem Schloffe bietet Waldenburg wenig Merlwürdiges für den Befucher. Im letzterem befteige man vor Al- lem den merfwürdigen Männleinsthurm, fogenannt we— gen den fleinernen Männlein, Die auf feinen Zinnen angebracht find.- Er ift vieredigt, aus Buckelſteinen erbaut , und hat eine Wendeltreppe, auf der fi) nur eine Berfon mit großer Mühe hinaufwinden Tann, weßwegen es fehr gerathen ift, wenn Damen mit Cri— nolinen dem gefährlichen Gang entfagen, und lieber unten auf dem Schloßwalle die Ausficht betrachten. Hat man jich bit zum Plateau des Thurms hinauf— gewunden, fo wird man freilich reichlich für feine Mühe belohnt, denn bei hellem Wetter hat man bier oben eine Ausficht auf 18 Meilen weit. Vom Thurm ſtei— gen wir herunter in Die ehrmürdige Schloßfapelle, wo ſich die Fürften von Hohenlohe-Waldenburg ihre Grab- lege erkoren; fie iſt einfach, aber für ihre Beltimmung würdig ausgeſtattet, und fcheint auf Grundlagen der älteften Kapellen zu ruhen, die im Jahr 1487 von dem Grafen Kraft von Hohenlohe aufs Neue do— tirt worden. Die Kapelle beftand ſchon viel früher, denn ihre Kapläne, Heinrich Steffer, Lupold, Paul Tras ber, werden ſchon in früherer Zeit, der leßtere im Jahr 1420, genannt. — Wenig Merfmürdiges bietet Die Hauptfirche der Stadt. Sie wurde im Jahr 1591 von Graf Georg dem älteren erbaut und am Sonntag nach Aegidien eingeweiht. Ihre jebige Geftalt erhielt fie durch eine Renovation im Jahr 1717. Wohl — an ihrer Stelle zuvor eine alte Kirche, denn im
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Jahr 1356 erhielt Waldenburg einen Pfarrer. Biel leicht war das ältere Gotteshaus eine jener Kapellen, welche nah ©. Widmanns Bericht auf Dem Rücken zu Waldenburg von Waldbrüdern erbaut worden. Die Kirchhofskirche außerhalb der Stadt ift in Beziehung auf Bauart weit älter und merfmwürdiger als die Stadt- firche; fie wurde in alter Zeit von Dehringen aus yerfeben, und ſteht vielleicht an der Stelle der zweiten von den ebengenannten Waldbrüder-Kapellen. — Au der am ſüdlichen Thore ftehende Thurn der Stadt ift von fehr alter Bauart, und wegen feiner, den Männ— leins-Thurm vielleicht noch überragenden Höhe, und der dadurch noch umfafjenderen Ausjicht, eines Be— juches wertb. — Unter die negativen Merkwürdig— feiten der Stadt gehört, Daß das Wafler 230 Staffeln hoch von der Seite des Bergs beraufgetragen werden muß.
An Schloß Waldenburg knüpft ſich eine Geſchichte, die faſt «fo ſchauerlich lautet, wie eine der ernſteſten — und Mähren, die
Waldenburger Faſtnacht im Jahr 1570.
Wir geben den Bericht darüber wörtlich, wie ihn ein Augenzeuge, der Waldenburger Hofprediger Apin, in feiner noch bandfchrifilich vorhandenen Trauerpredigt geliefert.
»Anno 1570. ben 7. Febr. iſt zu Waldenburg übel
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hergegangen, hat jich ein Teidiger Hall begeben; da hat hr
der leidige Satan aus Gottes Verhengnuß eine ſchrök— liche Trageedien und Spectacul angerichtet, und ale ein-arger Schadenfroh fein Müthlein nach Luſt gefühlt: darum foll man ihn nit über die Thür malen, noch zu Gaft laden, dann er kommt wol von ihm ſelbſt, eder wo er gleich ſelbſt nit hinkommt, da fchift er jeine Botten hin.
Damals waren zu Waldenburg in der Faftnacht, neben den Graven und neben denen von Adel beyein> ander neun Grävinnen, deren etliche vermumten fich nit einem englifchen ſchönen Habit, gingen daher in gar weifer Kleidung mit weifen papirnen Flügeln, wie man die Engel pflegt zu malen, und trugen auf ihren Häudtern weife papirne Kronen, darinnen fleine Ware lichtlein Grennten und Feuchteten: dagegen vermumten fih die Herren und der Adel mit einem fehenslichen Habit, ließen an ihre Sofen und Wam Arm und Beinen, dick Werk von Flachs mit Fade £. anne= ben und anfnüpfen, daß fie berein traten” zotigt und zerlumpt, wie man die Cacodæmones und ſchwarze Höllhund pflegt zu malen. Indem fie nun nad ger haltenem Tanz bei nächtliche Weile um 10. Schlag uf Dem obern Eaal bey dem Licht kniend emander ein Mummtanz bringen und nit dem Licht nicht für— fichtig umgehen, da gehet vom brennenden Licht das Berk unverfehens an: bald da wird auf dem Saal ein großer Tumult und Auflauf, ein großer Schref, Schreyen und Klagen: Cuntz von Velberg gibt bald
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die Flucht, und alſo vermumt ſpringt er die Schneken herab, daß er unverſehrt davon kommt, und von den andern nit angeſtekt wird, aber Veltin von Berlichin— gen und Simon von Neudek, auch Graf Albert von Hohenlohe (Neuenſtein) verbrennen ſo hart, daß ſie etliche Wochen zu Bett liegen müßen. | Graf Georg von Tübingen empfeht das Nachtmal den 22. Febr. darnah am 5. März (mar der Sonn» tag Laetare) da ihm unverfehens ein ander und neuer Zufall zum Brand gejchlagen, ftirbt um 8 Uhr Vor— mittagg und wird darnach den 7. hujus mit feines Gemahls großem Leid, Schmerzen und Wehklagen, be- graben zu Deringen in der Stiftsfirchen, da ich dann ibm eine Leichtpredigt gethan, die ich bernach feiner Frau Mutter auf ihr Begehren den 22. Matt mit mei— ned ©. 9. Leichtpredigt hinein gen Lichtenek geſchikt, Dagegen ihr Gnaden mir folgendes den 24. Jul. durch den von Bubenhofen hat irberantworten lafjen ein fir bernen Becher mit einem Deckel, Darauf Deren von Tübingen Wappen ift ausgeftochen gewefen. Y Mein gn. Herr Graf Eberhard verbrannt fo hart, dap man ihm hernach den 21. und 22. Febr. alle Finger an beeden Händen mußte vornen abjchneiden, empfing Doch zuvor den 29, (das war’ damals der Sonntag Reminiscere) das Hochwürdige Abendmal, that gar eine ſchöne chriftliche Bekanntnus, daran ich einen fonderlichen Gefallen hatte. Hernach den 9. Martii, vier Tag nach) feines Kern Schwagers Graf Georgen Abſchied, ftirbt er in der Frauenzimmerftuben
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um 10. Schlag Vormittag in meinem Beymefen, wird = ven 11. Tag hujus zu Deringen in der Stiftsfirchen neben jeiner Frau Mutter und neben Graf Georgen.
ehriftjeliger Gedechtnuß begraben, da ich dann ihm eine
Leichtpredigt gethan. Den 14. Martii lies ſich Graf
Albrecht wieder heim nach Neuenſtein fahren "und iſt mit Rath und Sülf feiner Frau Mutter wieder auf- kommen.“
Im Munde des Volks, das ſich weniger um Jahr und Datum kümmert, hat ſich die wahre Geſchichte zu einer Sage geſtaltet, in der das Geſchehene nur noch einige Zuſätze erhält, wie es ganz im Weſen der ſich fortbildenden Sage liegt.
Eine Geſellſchaft junger luſtiger Leute hatte ſich ver— einigt, den Faſching auf dem Schloß Waldenburg mit rechter Ausgelaſſenheit zu begehen. Zwölf von ihnen ließen ſich zu dem Ende Teufelsmasken mit Hörnern, Schweif und Klauen verfertigen, umgaben ihre Kleider mit Werg, und neckten fo die übrige Geſellfchaft auf eine ziemlich ausgelaſſene Weife. Als endlich die Mite ternachtftunde vom Schloßthurn herabtönte, da fand fich plöglich ein Dreizehnter Teufel, völig fo gefleivet, wie die übrigen, unter den Gäften ein. Diefer übers bot die Andern noch bei Weitem an Ausgelaſſenheit, hatte aber in kurzer Zeit auch eine auffallende Unord— nung und Beftürzung im ganzen Schloffe verbreitet. Die Gäfte laufen verwirrt unter einander herum, und ‚ehe man ſich's verfah, fanden Die zwölf Teufelsmas— ‚Ten, deren Kleider Feuer gefangen hatten, in lichten
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Slammen. Hülfe rufend, Dnrchrannten fie die Zimmer, und ſtürzten ſich endlich bewußtlos in Den tiefen Schloß— ‚graben, der noch in derſelben Nacht vertrodinete, allein zur Verwunderung Aller nicht die geringfte Spur der — Leichen mehr enthielt.
XV. Gohenrechberg.
Der Rechberg oder Nebberg , fo genannt von den Reben , welche fich einft zahlreich in den Nadelhölgern des Gebirgs aufhielten, ift von dem nahen Aalbuch völlig abgefondert, und nur durch einen langen Erd— rücken mitoden SKohenftaufen zufammenhängend. Er gehört zu den höchften Höhen der Alb und erhebt ſich 2167 Fuß über die Meeresfläche. Auf der Oberfläche des Bergs findet man bie und da Gold» und Silber— fteine, die jedoch nicht reichhaltig find, fo wie verftei- nerte Meerfchnerfen und Ammonshörner. Der Nechberg beftebt aus zwei Kuppen, vom denen Die erftere, bei weitem höhere, eine Kirche ſammt einem Pfarrhaus, die andere Die Burg Hohenrechberg trägt. Wir be- trachten zuerft Die obere Kuppe, genannt Dohenrechberg- Kirchberg. Auf dem Blake, da die gegenwärtige Kirche ftebt, foll vor Beiten die Klaufe eines Waldbruders
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geſtanden haben, der auf dem noch mit Tannenwäldern überwachſenen Berge, im Anblick einer herrlichen Na— tur, reichlichen Erfaß für die Genüſſe der Welt fand. Neben feiner Klauſe erbaute er eine kleine hölzerne Kapelle, in der er ein aus Lindenholz gejchnigtes Bild der heiligen Jungfrau aufftellte. Bald wallte von Nah. und ern das Volk der Umgegend zu diefer Kapelle, ja an hoben Feſttagen Famen oft jo viele Wallfahrer auf Der Höhe des Berges zufammen, daß fchon zu den geiten des M. Cruftus viele Läden und Krämer— buden für Käufer aufgefchlagen wurden, woraus förm— liche Märkte entftanden, die noch vor 90 Jahren febr zahlreich befucht wurden. Als die Zahl der frommen Maller fich immer vermehrte, erbaute Herr Ulrich von Rechberg im Jahr 1488 eine Kapelle von Stein, bes gadte fie mit einem ewigen Lichte, und fliftete eine Befoldung für einen jeweiligen Pfarrer, der zu gewiſ— fen Zeiten den Wallnern eine Meffe lefen mußte. Mönche von Gmünd verfahen bis in den Anfang des 18. Jahr— hundert3 den Gottesdienft an Diefer Kapelle. Als Die neue Kapelle vollendet war, wurde das alte Marien- bild feierlich von Geiftlichen in Diefelbe übertragen. „ber — fo lautet Die Legende — das Bild blieb nicht in der neuen Kapelle, fondern e8 wurde wiederholter Ma— len Nachts von den Engeln in Die alte Kapelle zu— rückgetragen.“ Darum ließ man die alte Kapelle mit dem Bilde ftehen; allein in der neuen wurde der Got- teebienft abgehalten, bis im 17. Jahrhundert der Graf drang Albrecht von Nechberg die von feinem Water
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Bern begonnene neue und weit größere Kirche vollen- dete. In dieſer jetzt noch flehenden Kirche find fünf Dpferflöcfe mit ftets offenen Mäulern aber leider! mit immer leeren Mägen. — Im Jahr 1767 errichtete Sraf Mar von Rechberg eine eigene Pfarrei auf dem Berge; ans der. im Jahr 1488 erbauten Kapelle aber wurde für einen jländigen Pfarrer eine Wohnung ein= gerichtet. Im diefem Pfarrhaus wird dermalen ein guter Tubus aufbewahrt, der jeden Befucher des Berge zur Verfügung ſteht. Betrachten wir mit Hülfe Diefes Tubus die reigende Ausficht, die ſich auf Hohenrechberg Darbietet. Die ausgedehntefte hat man hauptfächlich, - wenn man fich zum nördlichen Dalbzirkel des Gefichtö- freifed wendet. Links gegen Weiten liegt der Hohen— ftaufen mit dem gleichnamigen Flecken, und den Dör— fein Wüfchenbeuren, Maitis, Lingling, Reitprechts, Mes nenz, Straßdorf, Gmünd. Rechts gegen Often erblicden wir die Dörfer Unterwaldftetten, VBettringen, Bargau, Eßingen, Herlifofen, Muthlangen u. a. mehr. Wenden wir Die Blicke nach Süden, ſo haben wir zur Rechten wieder den KHohenftaufen und Die Orte Ottenbach, Ki— zen, Krummmiälden, Großeislingen, Kleineißfingen, Göp— pingen, Salach; die Burgen Staufened, Ramsberg, „ Scharfenberg, nebft den Orten Donzdorf, Reichenbach, Winzingen, Wisgoldingen, Vorder- und Hinter-WBeilere Rechberg, die dicht am Fuße des Rechbergs ftehen. Das Alles ift aber nur die nächſte Umgebung des Rech— bergs, lauter Orte, die faum drei Stunden entfernt“ liegen. . Ueber die reizende Nähe ſchweift das Auge zu
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y entfernteren Punkten, und entdeckt nach Often das Schloß
zu Ellwangen mit dem Schönenberg, gegen Norden den Einkorn bei Hall, gegen Weften Lorch, weiter hin Hohenheim und die Solitüde; gegen Süden und Süd— often den Aalbuch, den Bernhardäberg, die Ruinen Der Burg Nofenftein u. f. w. — Bei ganz reiner Luft fiebt man fogar Die Vogefen, ebenfo erblickt man, frei-
lich nur felten, die ganze Kette Der Vorarlberger Schnees -»
gebirge, immer als Vorbote eines nach 24 Stunden eintretenden Negenwetters, welche Erfahrung man be— fonderd auch auf dem herrlichen Qphentwiler Berg ma— chen Tann. Unſer unvergegliher Guftav Schwab muß einmal bei einem Beſuch auf Dohenrechberg fo glücklich gewefen feyn, von bier aus die Alpgebirge zu erfchauen, Denn er fchrieb in das Fremdenbuch auf Ho— benrechberg folgenden fchönen Reim:
Sonnenfgein und Wald und Thal, Drüber fühner Winvesflügel, Schneegebirg im Abenpftrahf, Ningsum grün und golone Hügel, Alles veimet die Natur —
Du, mein Lied, wie wenig nur!
Hat ſich das Auge an der herrlichen Gegend fatt ge—
ſehen, jo hat man hier oben, nach der Mühe des Berg-
feigens, Gelegenheit, fich auch Teiblich zu Taben. Der
jeweilige Pfarrer ift jederzeit fo eingerichtet, daß er die
Dungrigen fpeifen und die Dürftenden tränfen Fan. 12
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Hat man Sich, abfonderlih an einem Humpen mit Meißenfteiner Bier, gehörig erquickt, fo fleigt man von der oberen DBergfuppe auf Die untere; wir gelangen in einer kleinen DViertelftunde auf die Burg Hohen— rechberg, Die, um ein Biemliches tiefer, auf einem abgefonderten Hügel ſteht, deſſen Mittelfelfen fie ernft und alterthümlich, und noch gangerhalten, frönt. Auf einer großen fleinernen Brücke, die über eine Fleine Thalfchlucht führt, welche Die Burg von dem Gipfel des Nechverges trennt, gelangt man in den von Oe— fonomie-Gebäuden a Vorhof der Burg, Der auch die Wohnung des Schloßwächters enthält. Nun kommt man über eine hölzerne Brücke, die über einen ſehr tiefen Graben geſchlagen ift, der den Felſen von dem eriten Vorhof trennt, und rings um ihn ber lauft. Die Brüdfe führt zu einem zweiten Thor, Über welchem ehemals ein hoher Thurm geftanden haben foll. Bon
da aus geht man zwifchen dem Schloßgebäude und
der innern Umfangsmaner dem dritten Thore zu, und gelangt in ein enges Dreieck, welches Die zuſammen— laufenden hoben Duadermauern der Gebäude bildete.
Darnadı fommt man durch ein viertes Thor in den innern Vorhof, zu welchem mehrere Staffeln hinauf führen; allda findet fich ein fehr tiefer, in Felſen ge— bauener Brunnen, der immerdar mit Regenwaſſer ge= füllt it, und auch bei der größten Trockenheit nie MWaffermangel hatte. — Das eigentliche Schloß hat die Form eines Hufeiſens, Das auf der nördlichen Eeite durch eine zweites Gebäude fortgefeßt und gejchloffen
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it. Der Bauart nach ift die Burg von hohem Alter, Das erite Stockwerk ift von den ftärfiten Sanditein- Duadern, die man am Berge felbit findet, aufgeführt., Die übrigen zwei Stockwerke find aus aufeinander getie= belten Balken erbaut. Das ganze Schloß ftanımt aus verfchiedenen Seiten: an manchen Stellen wurde jpäter angebaut oder ausgebefjert. Die innere Einrichtung it durchaus aus neuerer Zeit. Wohl wohnte jeit 1585, Keiner aus der Familie mehr im Schloffe, aber es wurde dennoch fo ziemlich im nothwendigfien Bauweſen erhalten. — Im unterften Stock find: Die alte Schlof- füche, einige Stuben für Das ©efinde, und der Pferde— ftall u. ſ. w. In das zweite umd dritte Stockwerk ge= langte man ehemals auf einer Neinernen Schneckenſtiege, die in einem hoben Thurm angebracht war, der jeit 1660 abgetragen worden ; nunmehr führt eine ge- mwöhnliche bedeckte Stiege in dieſe Stockwerke. Im zweiten Stode befindet fih die ehemalige Beamten— wohnung, Das Kanzlei-Zimmer und die Küche, forie die jehr alte, ehrwürdige Burgfapelle; im dritten Stock— werfe find noch etwelche - Zimmer für die Herrſchaft, wenn fie etwa Die Burg befucht, und ein großer alter Saal. Im Jahr 1585 farb der Letzte der Hohen— rechberg'ſchen Hauptlinie auf dem Schloſſe Rechberg; ſeither wohnten nur die Beamten bier, und ſeit län— gerer Zeit auch dieſe nicht mehr, ſondern nur ein herrſchaftlicher Jager. Verfallener als die Burg find ihre Mauern, Thürme und Vorwerke, die ehemals ſehr bedeutend geweſen ſeyn müſſen. An der äußerſten
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Mauer ftanden einft zwölf Ihürme, die wahrfcheinlich bewohnbar waren. Einer derfelben war von Folofjalem Umfang und ungeheuer hoch, er war durch einen Gang mit dem Schloffe verbunden; ſchon vor manchen Jah— ren wurde er, weil er baufällig war, abgetragen. Außerhalb der Aingmauern waren an dem Berge Ge— wölbe und unterirdifche Oänge angebracht, wahrſchein— lich für den Fall, wenn in Zeiten der Noth die Bes mwobner der Burg jich flüchten mollten.
Kun zur Geſchichte der Burg und des Gefchlechts, das von ihr feinen Namen führt.
Eine Sage, deren erfte Grundlage der fchmwäbifche Chronift, der alte treuberzige Thomas Lyrer von Rankwyl (aus dem 15. Jahrhundert), uns überliefert
bat, eröffnet bie Gefthichte der Burg und Des Ge— jchlechts. —
Im Anfang des 7. Jahrhunderts, als das Ehriften- thum in Deutfchland Wurzel zu fehlagen begann, hauste ‚auf der Teck ein gewaltiger Heidenkönig, der Alle wü— tbend verfolgte, Die fich von ihren Götzen mandten ‚und den chriftlichen Glauben annehmen wollten. Da jammelte der zu den Heiland der Chriften befehrte Herzog Rumelius von Schwaben alle feine Freunde und Vafallen und die fänmtlichen Edeln Der Umge—
R3 gend gegen ihn, und zog Damit gegen den Feind der
Chriſtenheit aus. Er lagerte fich mit einem gewaltigen Heer am Fuße der Te, wo auch der Heidenfönig ſein Heer verfanmelt hatte. ALS Die Veinde einander entgegenrückten, fiegte Herzog Rumelius, geftärft Durch
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die Macht feines Glaubens, über den mächtigen Geg— ner. Dreizehentaujend erjchlagene Heiden bededten das Schlachtfeld, und noch viele von den Feinden wurden von den Chriften gefangen. Unter den Gefangenen waren auch vier Sünglinge, Gebrüder, die einen rothen Löwen auf den großen hölzernen Echilden führten. Der Sieger, gerührt durch die Schuldlofigfeit der. Jugend, ließ fte frei, beſchenkte fie veichlih, und fchiekte fie in das Land zwifchen der Rems und Fils, um ſich Dort anzuftedeln. Die vier Brüder nahmen den chriftlichen Slauben an, liegen ſich taufen, und erbauten auf eis nem fchönen hoben Berge, dem Rechberge, eine Burg, von der fie jofort ihren Namen führten. So wurden fie die Stammväter des noch jegt blühenden Gefchlechte. Sie behielten den rothen Löwen im Wappen bei, den fie noch ungetauft als Abzeichen geführt, mit dem Uns terfchiede, daß es nun zwei aufrechtftehende, mit dem Rücken gegen einander ftehende Löwen mit hervorgered- ten Zungen und dreifach in einander gefchlungenen Schwänzen find, und über dem Schilde als Helmzierde wächst der vordere Theil eines Nehbods hervor. Zum Andenken an bie blutige Ehriftene und SHeidenfchlacht, führt noch jet ein Thal in der Nähe von Hohenrech— berg den Namen Chriſtenthal.
Urkundliche Nachrichten von dem hochedlen Gefchlecht erhalten wir erft gegen das Ende des 12. Jahrhunderte. Da lebte Ulrich von Rechberg, Marfchall von Schwa- ben und des Reichs, im Jahr 1179 ein Begleiter ‚Kaifer Friedrichs, und in den Jahren 1199 8. Phi⸗
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fipps auf deren rheinifchen und ſchwäbiſchen Pfalzen. . Auch ift fein Name und der feiner beiden Frauen, Edilheid und Berchterade, auf einer Monſtranz, vere- wigt, Die er der heil. Kreuzfirche in Augsburg vergabte. Sein Sohn Hildebrand zog im Jahr 1194 mit K. Heinrich VI. nach Stalten und war fpäter in der Um— acbung K. Philips , K. Friedrichs IL. und Heinrich VI. Sb der im Sahr 1205 und 1215 in Urfuns den vorfommende Ulrich von Rechperg ein Bruder Hil— debrands gewefen, ift zweifelhaft, dagegen hatte Hilde: brand noch eine Schwefter Adelheid, Burggräfin zu Augsburg, und einen Bruder Siegfried, der vom Jahr 1208—1227 Biſchof zu Augsburg gemwefen. Ale folder war er mit 8. Otto bei feiner Krönung in Rom und wohnte unter K. Friedrich II. vielen Reiche» tagen an; auch nahm er ein paar Male das Kreuz im Sabre 1219 und 1227, in welch legterem er auch auf feinem Hinzug nach Baldflina bereits in Apulien verjebieden. Hildebrands Söhne maren Hildebrand, Augsburger Domberr T 1279, Conrad und Ulrich, son Denen Ulrich im Sahr 1255 allein erfcheint, und dann werden im Jahr 1259 beide miteinander als Gebrüder aufgeführt. Bon diefen Gebrüdern wurde Gonrad Stifter der Sauptlinie auf den Bergen, und Ulrich der Gründer der Linie unter den Bergen (Rech— berghaufen). Letztere erlofch wieder mit Wilhelm von Nechberg im Jahr 1413, die erftere blühte Daurend fort und theilte fich wieder in vier Pinien, von denen Die zu Staufeneck im Jahr 1590, die zu Hohenrech—
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berg im Jahr 1685, und die zu Donzdorf im Jahr 1732 erlofchen ; Die zu Weißenftein ift Die noch blü— bende. Eo lange das Kaiferhaus der Staufer blühte, fchloßen fich die Recyberger mit unmandelbarer Treue an diefe an; als aber fein Stern erloſch und neben ibm das fchnell aufblühende Grafenhaus der Wirtem— berger eine wichtige Rolle in der Gefchichte des Schwa— benlandes übernahm, da waren fie eben fo treu Diefen zugethan. So jener friegerifche Dans von Mechberg, der in der Mitte des 15. Jahrhunderts Rath und Die- ner des Grafen Ulrich) von Wirtemberg gewelen. Er war ed, der dem Grafen vom Kriege mit dem Pfälzer Fritz abrieth; aber man hörte nicht auf feinen Rats, ja er verlor fogar die Gnade des Grafen. In Folge dDiefer unmwürdigen Behandlung ward er dann der Wi- Derpart des Wirternberger Grafen. — Ein andrer des Gefchlechts war Wilhelm von Nechberg um Diejelbe Zeit, ein Mann von biederem, aber aufbraufendem Gemüth. Diefer war ein treuer Diener Herzog Georgs von Baiern, der im Jahr 1489 von dem Pabſt in den Bann getyan wurde. - Ein wälfcher Geiftlicher mußte dem Serzog den Bann verkündigen. Wilhelm ‚von Nechberg, der chen anwefend war, wurde über Diefe Frechheit jo erbost, dag er den Pfaffen nöthigte, den Bannbrief zu verfchlingen. Als fich aber diefer weigerte, jo Durchfchoß ihn Der Nechberger mit einem Dfeile. Die Folge davon war, daß auch er vom Pabft mit dem Dann belegt wurde und der Herzog Nichts mehr son ihm wiſſen wollte. Diefer Wilhelm von
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Rechberg ift wohl Derfelbige, der im Jahr 1445 in der Kirche zu MWeifersheim eine Mefje ftiftete und allda begraben liegt. Er fteht daſelbſt in ganzer Figur in Stein gehauen. — Ein befonders treuer Diener des Wire tembergifchen Hauſes war Philipp der Lange von Rech— berg, wirtembergifcher Dbervogt zu Göppingen, auch befannt als Befchüger des wegen feines evangelijchen Glaubens verfolgten Martin Cleß. Philipp von Rech— berg war der einzige unter den Anhängern des vertrie— benen Herzog Ulrichs, der auch im Unglüd bei ihm aushielt. Als Herzog Ulrich im. Jahr 1525 nad einem unglüclichen Verfuche zur Wievereroberung feines Landes wieder auf feine Felſenburg Hohentwiel jich zurückzog, da richtete ihn Der treue Diener auf in feiner Troftlofigkeit mit den Worten: „darum, mein Fürft, - die Hoffnung nicht weggeworfen, jondern deſto rüftiger geftrebt, Daß wir wohl ins Vaterland zurückkehren. Die Hände gerührt! dann wird ein Gott beiftehen; dem tapfeın Mann iſt Nichts Schwer, dem Tugendhaften fein Weg verfchloffen, den, der auf Recht und Billigfeit hofft, Nichts unehrbar. Gelang e3 hier nicht, jo muß man einen neuen Weg einjchlagen, mit neuen und wieder neuen Waffen ftreiten, bis wir mit Gottes Önade unfern Wunfch erreichen.” — Auch zu Ende des 16. Jahrhunderts lebte ein edler Utz von Rechberg auf Schloß Hohenrechberg, der ein eifriger Lutheraner war. Er faufte Luthers Hauspoftille und andre Bücher, aus denen er alle Sonntage feinem ganzen Haus die Pre= digten felbft vorlag, und zuvor und hernach Palmen
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fang. „Soldyes wird man an wenigen Orten antref- fen,” jagt der alte Chronift Cruſius.
Ueber die Schidfale der Burg Nechberg, Die zum erften Mal im Jahre 1317 Hohenrechberg genannt wird, nur noch Einiges. — Im Jahr 1440 wurde ſie vergebens von den Gmündern und Hallern umzingelt, In der Mitte des 16. Jahrhunderts hauste ein hitzi— ger Junker, Utz von Hechberg, auf der Burg, der eis nen wirtemberg’fchen DBedienten umbrachte. Darauf lieg Herzog Chriſtoph die junge Mannfchaft aus dem Amte Schorndorf mit einigen Reitern gegen die Burg zieben. Diefe fchlugen auf dem Gipfel des Bergs bei der Mallfahrtäfirche ihr Lager. Da floh der Junfer zum Burgfrieden: darauf nahm ihn feine Mutter an der - einen Hand, mit der andern nahm fie die Schlüffel der Burg, bot fie dar, und bat demüthig mit Thrä— nen um Frieden. Eine nicht geringe Genugthuung erfolgte. — Im legten Jahre des Dreißigjährigen Kriegs erhielt dad Schloß gewaltige Stöße, Da e8 von der frangöfiichen Befaßung zu Schorndorf mit Lift einges nommen wurde Doc fteht es würdig und feft von Geſtalt bis auf diefen Tag, wie fein Gefchlecht noch blüht, das in neuerer Zeit in den Grafenſtand erhoben, feinen Ruhm auf dem Schlachtfelde wie im ee behauptet hat.
Ehe wir vom Berge fcheiden,, laffen wir und noch zwei wunderbare Sagen erzählen, welche in Familien— nachrichten überliefert find.
186 Der Klopfer zu Rechberg.
Glockengeläute ertönte in der Burgkapelle des Schlof- ſes Nechberg; der Fleine Altar war mit Blumengewins den verziert und hatte fein Feſtgewand angelegt. Es galt aber auch einer fchönen Beier, denn Ulrich Yon Nechberg follte heute im Stammfchloffe der Ahnen mit jeiner reigenden Braut Anna von Venningen getraut werden. Schon betrat Der Diener des Herrn Die ge— weihte Stätte und fegnete den Bund der Xiebe, während die geladenen Gaſte in froher Rührung der heiligen Handlung folgten, und die errötbende Braut jich fanft an den geliebten Dann fchmiegte, mit dem fie jo eben das unauflösliche Gelübde der Liebe und Treue gewech- jelt hatte. Längft hatten die Herzen ſich gefunden und verftanden,, aber der alte Herr von Benningen war Rechberg's Werbung nicht hold und manch heiße Thräne bleichte Die blühende Wange des Mädchens, wenn fle mit inniger Sehnſucht des fernen Geliebten dachte.
Es war fein leichtes Unternehmen, wenn ein Fräu- lein jener Zeit gegen den Willen ihrer Eltern dem Geliebten Nachricht von fich geben wollte: aber wo wäre das Hinderniß, das der Liebe Ausdauer, Mutb und Klugheit nicht endlich zu beflegen wüßte? Graf Rechberg hatte einen treuen Hund, welcher jo gut ab- gerichtet war, daß er die Briefe der Liebenden, unter feinem Halbbande verborgen, ficher an Ort und Stelle beforgte. Range Zeit war das Tluge Thier ein unent— behrlicher Freund der jungen Leute gewefen, als Ans
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na's Vater der Sache auf den Grund fam, und ohne zu zürnen, den Entſchluß faßte, Das Glück der Kinder durch feinen Segen zu Frönen.
Selige, wonnige Tage flogen num in ungetrübter Freude über ihrem Haupte bin: Ulrich Tuchte feine Welt in den glänzenden Augen feiner Frau und er bildete ihr ganzes Glück!
Aber wie oft, wenn wir uns gleichfam im Glücke fonnen, haben ſich, ohne daß wir es bemerken, fchon Wolfen des Leidens iiber ung gefammelt und der Sturm droht Ioszubrechen, um all die zarten Knoſpen unferer dreude zu zernichten.
So oft Uhrih von Nechberg vom Haufe abmejend war, jandte er feiner Gattin Nachricht durch Den treuen Hund, welcher ihnen ein eben fo Fluger, als fehneller Liebesbote geworden.
Es war im Jahre 1496, als der Burgherr ſich veranlaßt ſah, auf eine Fehde auszuziehen. Wie im ängfllichem Vorgefühle nahenden Unglücks weinte Anna lange am Halſe ihres Gatten und ſchien ſich nicht von ihm trennen zu können.
„Gott ſegne dich, mein treues Weib!“ ſprach er ge— rührt, ſie zum letzten Male umarmend, „ſey getroſt, bald ſoll mein Bote dir gute Nachricht bringen, und ſo Gott will, auch die frohe Zeit des Wiederſehens melden.“
Fort ſprengte der Ritter mit ſeinen Reiſigen, und von der Burgzinne winkte die zärtliche Gattin ihm ein
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letztes Lebewohl zu, und blickte ihm nach, bis der Zug ihren thränenfchweren Blicken entfchwunden war.
Tag um Tag verging — aber fein freundlicher Bote kam, der barrenden Herrin frohe Kunde zu bringen.
Anna's Herz wurde immer fchwerer, und täglich fniete fie Stunden lange vor dem gleichen Altare, an welchem fie einjt dem geliebten Manne angetraut wor— den war, und flehte für ihn um Gegen, für ſich um Gnade und Kraft.
Ein ſonniger Herbſttag neigte fich zu feinem Ende; die legten Strahlen der finfenden Sonne füßten ſchei— dend Berg und Thal und fandten goldene Streiflichter durch die runden Scheiben der Burgkapelle, in welcher Frau Anna, wie gewöhnlich, in tiefer Andacht betete. Immer länger wurden die Schatten, immer düſterer die Beleuchtung der Kapelle, bis endlich nur der Altar, in Schwachen Umrifjen von dent ewigen Lichte erleuche tet, jich hervorbob. Unna von Rechberg hatte, in ftiller Andacht verloren, Das Eintreten der Dämmerung faum Gemerft, als ein immer ſtärker mwerdendes Klopfen an der Kirchenthüre fie aufjchreefte. Ihr war wohl ges mejen in dem heiligen Frieden des Gotteöhaufes, und die Störung fam ihr unerwünſcht. Sie dachte, es jey einer der Diener des Kaufes, und Fümmerte jich zuerft nicht darum. Aber ftärfer und andauernd ertünte dad Klopfen, bis die junge Frau fich ungeduldig, mit den Morten „Ad, daß du ewig Elopfen müßteſt!“ von ih— vem DBettftuhle erhob, um die Thüre zu Öffnen.
Der treue Hund, welcher ihren Gatten begleitet hatte,
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ftund vor derfelben, und jchmeichelte der Herrin mit traurigen Blicken und ängftlichem Winfeln ; fein Brief war unter dem Halsband zu finden, und mit einem Schmerzensfchrei fanf die arme Frau ohnmächtig zu Doden. Zwei Tage fpäter brachte ein Knappe die Trauerbotfchaft von dem Tode des Herrn von Rechberg ; er war im Kampfe erfchlagen worden.
Don diefer Stunde an ſchien das Leben in Anna’s Bruft gebrochen, der Gram zebrte fichtbar an ihr, und als nach Jahresfrift Die Serbitftürme wieder durch Die Bäume beulten und die gelben Blätter davon trieben, fangen fie auch ihrem armen Herzen das Todtenamt, und fie ward zur emigen Ruhe gebettet. Zur felben Stunde, ald ihr Geift ſich von den Feſſeln des Körpers löste, ertönte das geifterhafte Klopfen an der Thüre ihres Sterbezimmers wieder, und fo lange Das Befchlecht der Nechberg blühte auf Erden, hörte jeder Nachfomme, wo immer er lebte, jenes geheimnißvolle Klopfen in feiner Todesftunde, gleich einem mahnenden Rufe aus einer andern Welt. — Noch lange ſah man im Schloffe der Herren von Rechberg zu Weißenftein einen Hund abgebildet, der eine lederne Taſche am Halsband trug.
Der Geift auf Staufen.
Nach geläuteter Abendglocke fieht man oft, felbft bei Sturm und Regen, eine helle, weitleuchtende blaue Flamme über den ſchmalen Erdrücken, welcher Hohen— ſtaufen und Hohenrechberg verbindet, hinwandeln. Sie
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ziebt, bald schnell, bald Tangfam, linfs an der Burg vorüber, bis an die Bfarrficche auf dem Berge. Von bier aus macht fie den gleichen Weg zurück und bleibt bis zum Morgenfegen am Hohenſiaufen fichtbar, wos rauf fie verfebwindet. Diejes Phänomen erſcheint nicht alle Tage, fondern nur bie und da, befonders zur Herbſtzeit.
Im Munde des Volkes erhielt ſich eine Sage, der zufolge das Flaͤmmchen ein Geiſt iſt, der aber noch nie Jemand Böſes zugefügt bat.
In den grauen Zeiten des Mittelalters, als der Minnefang im feinem ſchönſien Glanze blühte, lebte auf Hohenſtaufen ein Edelknecht, der, obgleich ein tapfes rer Kämpe, doch Die Yaute mit Meiſierſchaft jchlug. Seine Lieder voll Glut und Leben, fanden in gar man- chem Frauenderzen ein Echo, und manch ſchönes Auge itrahlte ihm im fenchtem fange eistgegen, ihm Der Minne Luſt Yerbeigend. Er aber blieb kalt gegen Das füße Locen, denn im feinem Kerzen lebte Das Bild der Freiin von Hohenrechberg. Er hatte Das Ideal, das er im Brennpunkte der Seele trag, im Weibe eines Andern gefunden: aber er blifte anf zu ihr, wie man zur Madonna aufblickt, in jeliger Begeiſterung, hoch erhaben über jeden irdiſchen Wunſch! Traf ihn ihr Auge, ſo fühlte er ſich hingeriſſen von dem ſüßen, unnennba— ren Zauber dieſes Blickes, und doch glich ſeine Liebe einer heiligen Verehrung. So oſt die Nacht anbrach, verließ der Sängling Staufen und pilgerte einſam nach
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Hohenrechberg, wo er zu den fehmeichelnden Tönen der Laute der Geliebten ein Schlummerlied fang.
Der Nitter von Nechberg aber entbrannte in wilder &iferfucht, er konnte Die reine ſchwärmeriſche Leiden haft des Jünglings nicht begreifen, und lauerte ihm auf. Nach tapferer Gegenwehr mußte der arme Sän— ger unterliegen umd wurde, febwer verwundet, in Das Burgverlieg gefchleppt, wo er, ohne Pflege und Nah— zung, nad) wenigen Jagen verfchmachtete.
Keine Chronik meldet, 05 die Frau von Rechberg unter jenen Ereignifjen gelitten habe, aber des armen Sän— gers treue Liebe hat felbft Das Grab überlebt, umd feit jener geit fieht man, bejonders im Herbſte, als der Jahreszeit, in welcher die unfelige That vollbracht wurde, das blaue Flämmchen den gewohnten Weg mwallen und beim Morgenfegen verfehmwinden. Wer
"vermag das Räthſel Diefer Erfcheinung zu ergründen, und wer die geheimnißvolle Verbindung mit einer an— dern Welt zu läugnen oder zu erklären?
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XVL Sangenburg nnd Kabenflein
an der Jagſt.
Langenburg, früher Langenberg, das nach Waldenburg am febönften gelegene Schloß des erlauchten KHohenloh’- ſchen Bürftenhaufes, Nefidenz des Fürſten Ehriftian Ernft Earl zu Hohenlohe-Langenburg, rühm⸗ lich. bekannt als Präſident der würtembergiſchen Kam⸗ mer der Standesherren. Es liegt auf der Spitze einer weit in das freundliche Jagſtthal hinausragenden Ge— birgszunge, in Mitte eines wohlgepflegten Gartens, von deſſen Plattform aus ein ſchöner Einblick in Das Jagſtthal fich eröffnet. Das Schloß Langenburg ift ein mafjived geräumiges vierecfigte8 Gebäude, mit vier Eckthürmen und einem Mittelthurm, deſſen Knopf 1642 Fuß über dem Meere ragt. ES ift Durch zwei tiefe Graben, über welche Brucken führen, von der Stadt getrennt. Im Jahr 1610 wurde das Schloß theil- weife neu aufgebaut. Wahrfcheinlid wurde Damals auch die Burgfapelle eingerichtet, welche im Jahr 1627 eingeweiht worden.
Der jebige, fehr wohnlich eingerichtete Fürftenfig, fteht auf den Grundlagen einer alten, einft wohlbe— Ne Burg, von der fich febon zu Anfang des 13.
Jahrhunderts ein hochedles Gefchlecht nannte, Das mit den Dynaften von Hohenlohe, ihren Rechtsnachfolgern,
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in nahen, mahrfcheinlich verwandtichaftlichen Verhält— niffen fland, und namentlich im althohenloh'fchen Drte Mergentheim mit begütert war. Walther von Zangenbere zeugt von den Jahren 1201 bis 1232 häufig in Urkunden, und befindet fich meiftens unter dem Gefchlechte der Kaifer vom flaufifchen Haufe. Seine Söhne waren Albert und Siegfried. Mit Diefen trägt er im Jahr 1226 dem Hochftift Würzburg zu Lehen auf: Rangenberg, Veſte und Stadt, Bächlingen, Neffelbah u. ſ. w., nebſt allen Fifchengen in der Jagſt, Die zur Veſte Langenburg gehören. Unter feinen - Söhnen war Albert Bruder Deutfchordens in Preußen. Zu gleicher Zeit wird ein Heinrich von Langenberg genannt, der durch feine Gattin Sophie von Bielrieth. zu Biringen bei Schönthal Güter erworben hatte. Das Wappen dieſer Edelherren war queergetheilt, oben in der ſchwarzen Abtheilung ein gefrönter goldener leopardirter Löwe, unten Schwarz und Gold gefchacht. Wie Siboto von Langenberg, der mit Albrecht von Langenberg im Sahr 1224 in einer Urkunde zeugt, in das Gefchlecht einzureihen wäre, wiffen wir nicht. Mappen und Beflgungen der Herren von Langenberg gingen wohl fchon vor 1234 in den Befi dee Herren von Hohenlohe über. Wohl tritt noch im Jahr 1253, während Veſte Langenburg bereits hohen— lohiſcher Beſitz iſt, ein Heinrich von Langenburg in einer Urfunde ald Zeuge auf, aber, wenn er anders nicht der ‚Ichte Erbe der Langenburger war, fönnte er ein Burgmann der Herren von Hohenlohe geweſen ſeyn,
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wie der fpäter im Jahr 1287 und 1290 genannte Conrad Neze von Langenburg, welcher fich eigentlich von Bächlingen geſchrieben. — Im Jahr 1234. er= ging über die Veſte Langenburg ein trauriges 2008. Don ihr und andern ihren Burgen aus follen Die Gebrüder Gottfried und Conrad von Hohenlohe Feind- feligfeiten, ja fogar Raub und Brandfiftung verübt haben, wodurd der Landfriede geftört wurde, Als Klage darüber ergieng, fällten die Fürften auf dem Keichstage zu Frankfurt im genannten Jahr das Ur— theil, daß Diefe und andere Burgen zerfiört werden follten. König Seinrich (VII) von Staufen, Fried— rich II. Sohn, ließ Diefen Beſchluß Durch Heinrich von Neufen vollziehen, und Die Veſte Langenburg murde nach Urtheil und Recht zerfiört. Darüber fcheint fich Gottfried von Hohenlohe bei dem Kaifer, feinem Gönner, beſchwert zu haben, und Diejer befahl als— bald feinem Sohne, mit eigenem Oelde Die zerftörten Schlöffer wieder berzufiellen , und namentlich Das Schloß Langenburg, welches zu Frankfurt von Rechts- wegen einem Pupillen (etwa Dem obigen Heinrich von Langenberg) zurücgeftellt war, Diefem wieder abzu- nehmen und an Gottfried von Hohenlohe wieder zus rückzugeben. König Heinrich aber that das nicht, um nicht Ehre und Necht zu verlegen, Dagegen ließ ev an Gottfried von Hohenlohe 2000 Mark Silbers zur Wie— derherftellung der Burg auszahlen. Von nun an blieb Die Veſte Langenburg im Befis der Herren von Hohenlohe. Bon Gottfried ging fie auf feinen Sohn Mraft J.
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über, der fie jeiner Tochter Adelheid, Gemahlin Con: rads von Dettingen, für 1200 Mark Heimfteuer ver- febrieben. Seitdem wurde Langenburg son feinen Ber figern manchmal verfegt und verpfändet, aber immer wieder eingelöst, ja im Laufe der Zeit wurden noch mehrere Höfe, Güter und Zehenten erfauft, auch kamen in Folge von Erbtheilungen mehrere namhafte Orte hinzu, und jo bildete fich Die Herrſchaft Langenburg, welche durch daS neuefte Erbe, Stadt Weikersheim und Die Dazu gehörigen Orte, bedeutend vermehrt, nunmehr eines der fchönften hohenlohiſchen Fürſtenthümer ge— worden.
Auf der Gemarkung des Schloſſes und der Stadt Langenburg Tagen in alter Zeit noch zwei Burgen, deren Befiger wie Die Reize von Bächlingen zu den Dafallen (Burgmännern) der Kerren von Hohenlohe auf LZangenburg gehörten. Eine lag am Weg nach Michelbach auf der Marfungsgränze, und hieß Struth, eine zweite etwas entfernter auf einem Vorſprung Des
Bergs, oberhalb dem Weiler Hürden, welche den Nas
men Kagenftein trug. Don diefer Burg find nur noch wenige Nefte übrig; es find nichts als Stein— haufen, welche an der Stelle fich finden, Da die frühere Burg ftand. Noch kennt man Güter bei Bichlingen,
welche zur Burg Katzenſtein gehörten, und bis auf die
Zeit, der Zehentablöfung flatt dem Zebenten nur dreißigſten Theil zu reichen hatten. Wir geben ein "Sage, wie fie noch im Munde des Volkes ‚gebt „die von der hi Diefer feltenen Abgabe berichtet,
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196 Die Sage vom Dreißigften.
Gegen das Ende des 13. Jahrhunderts, da Lan— genburg ſchon längft den Herren von Hohenlohe an= gehörte, lebte auf der Burg Katenftein Ritter Kunibert, ein Vaſall der Hohenloher, ein Mann tapfer und kühn, aber raub in feinen Sitten, und hart und ftreng gegen feine Dinterfagen. Sa, was wollen wir fagen? er war es nicht nur gegen jeine Hinterſaßen, fondern auch gegen fein eigen Fleiſch und Blut. Seine Gattin Irmgard von Langenberg batte ibm einen Sohn geboren, an defjen Geburt fte ftarb. Das war der einzige Sprößling, an dem feine Hoffnung bieng. Demungeachtet ließ er ihn aufwach— jen obne Sorge und Pflege, ganz ſich jelbft überlaffen, aljo Das der Knabe wenig in die Nähe des Vaters fam, jondern mehr bei den Knechten im Stall feine Zeit zubrachte, oder unter den Buben der Hinterfaßen, die unten im Dorfe Bächlingen wohnten. Nur bei Tiſche ſah er den Vater, und da war die Unterhaltung gemöhnlich weder eine belehrende, noch freundliche, denn Ritter Kunibert war ein mürrifcher und troßiger Mann, der wenig redete. Sah der Sohn den Vater außer diefer Zeit, fo waren es nur jene Stunden, wo er den Sohn wegen dieſes oder jenes jugendlichen Ver— gebens zornig zur Rede ftellte, oder, was gemöhnlich der Fall war, den Rüden des armen Knaben mit der Veitſche Durchbläute, Die fonft für feine Jagdhunde bes flimmt war. Go fünnen wir uns mohl denfen, daß fih der Knabe von Jugend an menig an das Herz
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des Vaters anfchlog, fondern vielmehr jich demfelben immer mehr entfremdete. So wuchd der Knabe zum Jüngling, ohne Liebe zum Vater, aber auch ohne Sitte, denn der raube Vater ftand ihm weder mit Mahnung, noch Lehre zur Seite. Im jenen Zeiten war es Ges brauch, daß Nitter ihre Söhne, fobald fie das 14. Sahr erreichten, auf die Burg eines befreundeten Rit- terö jandten, um Hitterfchaft, Sitte und Anftand zu lernen ; das hielt Ritter Kunibert nicht für nöthig, denn er glaubte, daß fein Sohn Wildemar durch fich ſelbſt oder feine Knechte ſchon genug lernen Fönnte, um dereinft fein Roß tummeln, den Eber been und den Reiher beizen zu können; wie man den gnädigen, oder vielmehr ungnädigen Seren gegen die armen Hin— terfaßen jpielte, Das, meinte er, würde der Sohn am beiten dem Vater abjehen. Jedoch gerade darin nahm Wildemar den Vater nicht zum Vorbild, wenn er auch in Anderem viel Achnlichkeit mit dem Vater zu haben ſchien. Statt ſtolz und hochfahrend, war er gegen Die DBauernlümmel, wie fie fein Vater in feinem Gtolze nannte, freundlich und liebreich, und gar nicht wie ein Junkherr. Ja er war fo gerne unter den Bauern, daß man ihn oft bei ihnen auf dem Felde fand, wenn jte ihre ländliche Arbeit verrichteten, und Junkherr Wilde» mar entblödete jich nicht, Die Pferde am Pflug zu treis ben, oder in der Erndtezeit Die Garben zu binden und den Bauern helfen den Wagen zu laden. Darum wurde Wildenar manchmal gar firenge von dem Vater zu Rede geftellt, denn, ob er gleich den Sohn unter
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den Bauernbuben hatte aufwachfen laffen, war es ihm Doch zuwider, Daß er als Junkherr von altem Adel zu ſolchem Bauernvolf ſich erniedrigte, und mit dem ge— meinen Volk, auf das er in feinem Adelſtolz jo Hoch berabfab, fo gar freundlich verkehrte. Ob gleich Ritter Kunibert dem Sohn wegen dieſes feines Treibens, Das ja nur eine Folge feiner vernachläßigten Erziehung war, heftige Vorwürfe machte, fo hörte der Junkherr dennoch nicht auf, jich freundlich zu Den Bauern zu halten, und man ſah ihn bald jelten mehr droben auf Der Burg, fondern eher drüben über Der Jagst in dem Dörflein Bächlingen. Wenn die Randleute in der Feier: ftunde oder an den Sonntag Abenden fich unter Der Drtslinde mit Söhnen und Töchtern verfammelten, da fehlte felten der Junkherr ab der Burg, und er that viel freundlicher mit den Dirnen des Orts, als mit den Töchtern des Grafen drüben auf der Burg Lan— genberg, wenn er je einmal jene Burg beimfuchte. Einer vor Allen wendete Wildemar feine Aufmerkſam— feit zu, es war ©ertrude, das Mägpdlein mit blauen Augen und blonden Saaren. Sie war nicht aus dem Drte gebürtig, fondern hielt fich fett ihrer Jugend bei einem Wetter von mütterlicher Seite, dem Ortsrichter zu Bächlingen auf, dem fie, da er ohne Gattin und Finder war, bisher das Hausmefen führte. Ihre El tern und Gefchwifter faßen weiter unten im Sagstthal und waren Sinterfüaßen der Grafen von Hohenlohe. Seit Junkherr Wildemar die Tiebliche Gertrude ſah, verging fein Abend, Daß er nicht unter der Linde im
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Drt fich einfand, und oft Echrte er erft, wenn der Mond weithin über das Thal ftrahfte, auf die väterliche Burg zurüf. Als aber der Winter mit feinen langen Aben— den eintrat, wo die Mägdlein des Dorfs fih zum Vorſitz verſammeln, fehlte auch der Junkherr nicht; er ſaß unter den Sünglingen des Dorfs, die noch Gefpielen feiner Jugend waren, und machte alle jene heiteren Spiele und Scerze mit, welche den Mägdlein von Lande die Unterhaltung der VBornehmen erfegen müſ— jen. War der Junkherr während der Spiele freund- lich gegen: Alle, fo ließ er, wenn die Jünglinge und Mägdlein auseinander gingen, unverbolen merken, wen jein Beſuch gegolten, denn er begleitete jeder Zeit Das liebliche Mägpdlein bis zum Haufe des Vetters — von dort aber kehrte er um, denn im Haufe des Drtörichterg war firenge Zucht, und Gertrude war fo rein und fittjam, Daß nur ein warmer Händedruck Alles war, was der Junkherr zum Abfchied erhielt. Mit Diefen Lohne mußte er fich begnügen, und dann in der ftod- > finftern Nacht Durch den tiefen Schnee, ja oft unter Wind und Sturm, den Burgpfad hinanfleigen, den er oft mit den Händen fuchen mußte Doch, wo hat ein Tiebender Jüngling je Wetternacht gefürchtet, oder von ſteilem und unmweglamen Pfade fich abſchrecken laffen, wenn diefer zum Liebchen Hin, ‘oder von ihm zurückführte? Aber andere Hinderniſſe flellten fich bald Wildemars Liebe in den Weg, die ſchwerer zu über— winden waren, ald Sturm und Wetternacht, als ſteile und ſchneebedeckte Pfade zur Hochgelegenen Burg. Rit—
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ter Kunibert von Kaßenftein wurde bald aufmerkffam auf die nächtlichen Wanderungen des Eohnes, er er- fuhr von feinen Leuten, wen zu Lieb der Junkherr jo oft Die Burg hiuabſtieg, und fo fpät wieder nach Haufe kehrte — über der Jagst zu Bächlingen war es vor Niemand mehr verborgen, daß der Junkherr der blon- den. Gertrude zugethan ſey; ja, man wollte ſogar noch Mehr wiſſen, denn nirgends pflegt die geſchwätzige Sage mehr Hinzuzuthun, als in folchen Fällen. Wohl war es, als der Winter im Jagstthale Abichied nahm, und der Frühling fich wieder einftellte, zwifchen dem Junfe berrn und der lieblichen Gertrude weiter gekommen, ald es zu Anfang des Winters geweſen war — Das Mägpdlein ließ des Junkherrn Zuneigung nicht uner— wiedert, ja fie machte fich fo wenig Daraus, wenn fte von ihren Gefpielinnen mit ihm geneckt wurde, daß ſie ſich nicht feheute, Des Abends, wenn der Junkherr von der Burg herunterfam und wieder dahin zurückkehrte, ihm bis zu dem Steg, der über die Jagst führt, das Geleit zu geben. Aber immer geſchah es ohne Wiſſen ihres Vetters, Denn er ſah ungerne dazu, Daß ber Junkherr von Kagenftein auf feine Gertrude dad Auge geworfen hatte. Oft fagte er im ernften und bedeu— tungsvollen Tone zu ihr: Gertrud, laß von dem Junkherrn, denn zur Hausfrau kann er Dich nicht wollen, und für feine Buhlin bift du mir zu gut; weife ihn artig von Dir, ſonſt befürcht' ich, möcht! es wohl ein übel Ende nehmen. Gertrud verſprach es feierlich, den geliebten Junkherrn abzumeifen, ohne ihn
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zu beleidigen, aber fo oft fie es ſich auch vornahm, jie Fam nie dazu. Noch viel weniger lieg Wildemar von feiner Neigung ab, obgleich der Vater zuerft bittere Worte, und dann die furchtbarften Drohungen an- wendete, um jeinen Sohn zu beflimmen, daß er von der Bauerndirne laſſe, mit der er nur den hohen Adel feined uralten Gefchlecht3 beflecke. Letzterer Grund galt bei Wildemar gar wenig, denn wenn er unter der Linde zu Bächlingen neben Gertrude faß, oder wenn fie ihm beim Abjchied auf dem SJagstbrücklein einen warmen Händedruck gab, fo ſchwand vor ihm jene Kluft, welche die Edelgeborenen und die Unfreien von einander trennte. Aber auch die Drohungen des Vaters machten nur auf Furze Zeit einen Eindruf auf ihn. Einige Zeit blieb er auf der Burg, aber bald ging er wieder ind Thal hinab. Er Dachte nicht, daß fein Vater in der Erbitterung des gefränften Adelftolzes fo weit gehen würde, felbft gegen fein eigen Fleiſch und Blut graufam zu verfahren, oder zum wenigiten das fchuldlofe Mägdlein zum Opfer feiner Rache zu machen. Das geſchah bälder, ald man nur vermuthen Eonnte. Eines Abends Eehrte der Junkherr vom Dorfe zurück — es war fchon tiefe Dämmerung, als er mit feiner Begleiterin an dem Brücflein anfam; eben hatte er ihr die Hand geboten, und war mit dem Wunfche: gute Nacht! über den Steg getreten, Gertrude aber wendete fich fehon beimmärts; da auf einmal wurde fie von einer hohen Geſtalt feftgehalten, die in Dunfel an den Eteg gefchlichen war, ohne daß Wildemar es merkte.
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Gertrude ſchrie laut auf, als fie Die fremde Sand am Arme fühlte. Schnell Fehrte der Junkherr um, und fand wieder bei Gertrud, welche jich von dem fremden
anne loszumachen fuchte, Der fie nach dem Brücklein zog. — Wildemar unterfuchte nicht fange, wer es war, er faßte Den Gegner, um ihn von Gertrud zu reißen. Aber Diefer war £räftiger, und fehleuderte das Mägd— fein, das er ohne Mühe an fich gezogen. hatte, über den Steg, wo die Jagst am tiefften war. Als Wil- demar den Ball hörte, ließ er von dem Manne, und iprang Der Geliebten nach, um fie zu retten. Er ver- ſank mit ihe in Die Mellen des Fluffes. — Der Ritter von Katzenſtein — das war die vermunmte Geftalt — hatte fein Werk vollbracht, zu den er ausgegangen war — er hatte das Opfer feiner Rache den Fluthen der Jagst übergeben — wider feinen Willen war e8 ein Doppeltes Opfer geworden, auch der Sohn wurde mit in das Verderben Dineingezogen. Doc es machte dent harten Manne, der noch nie recht liebend für den Sohn gefühlt hatte, feinen großen Kummer. Er ſah das Mädchen, und bald Darauf auch den Sohn im Die Fluthen verfinfen — bald darauf, wie der Sohn Die Geliebte am Arm faßte und mit den Wellen rang, aber er wurde nicht gerührt — wie ein Fremder wandte er fih ab, und überließ die Külfsbedürftigen ihrem Schickſal. Er ging gleichgültig auf feine Burg zu— rue, und meinte noch ein gute8 Werk gethan zu haben. Aber über Dem Schieffal der Beiden, Die in der Fluth verfanfen, wachte ein Höherer, der es liebevoller mit
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ihnen meinte. Weit unter dem Dorfe Bächlingen brachte Mildemar das halb todte Mädchen ang Land. Als Gertrude wieder zu fich gefommen war, wurde ſchnell ein Entſchluß gefaßt und ausgeführt. Wildemar hatte erfannt, Daß e3 fein Vater gewejen war, der fo ſchrecklich gegen das unfchuldige Mädchen verfahren war; alle Bande Der Liebe waren Dadurch zerrifien : er wollte nimmer auf die Burg zurückkehren. Un Der Hand des Tiebenden Mädchens zog er abwärts Das Thal. Im Dörflein Hohebah, nicht ferne von Der fteblichen Kapelle St. Wendelins zum Gtein, im Ge— burtsorte Gertrudeng ; fanden. beide freundliche Auf— nahme in Dersärmlichen Hütte liebender Eltern, und nach Kurzem die Erfüllung ihrer Münfche. Der Junf- herr Tegte alle Zeichen des adeligen Standes ab, ex vertauſchte Den ritterlichen Sammtrock mit den leinenen Kittel des Bauern, die Stiefel mit Flirrenden Sporen
mit dem plumpen Bundſchuh, und fühlte ih von nun
an viel glücklicher in feinem geringen Stande, am der Seite feiner getreuen Gertrud, als in feinem früheren Leben auf der Burg, Das ohne Liebe war, und ihm nie recht behagt hatte. Er lebte einfam und verborgen vor der Melt, in füßem Frieden, in dem er durch Nichts geftört wurde, da Niemand von ihrem Aufent— halt wußte, ausgenommen der Better zu Bächlingen, der bald nach Gertruds Rückkehr in die Heimath von ihren Eltern in Kenntniß gefeßt worden war, aber
unter dem Giegel der größten Verſchwiegenheit, denn
Gertrud und Wildemar befürchteten, der Vater anf
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der Burg Fönnte fie früher oder fpäter in feiner Ver— borgenheit aufjuchen. Ihre Furcht übrigend war ver— gebens. Ritter Kunibert von Katzenſtein hatte nicht einmal nach feinen Sohne Nachfrage angeftellt, er mwähnte ihn in den Fluthen der Jagst begraben mit dem Mäbchen. — Er ſchweigt gerne von dem fo fchnell verfchwundenen Sohn, denn die Erwähnung feines Namens muß ihm ja in die Seele rufen, daß er, von Reidenfchaft verleitet, eine Doppelte Sünde gethan. Doc) die Stimme feines Gewiſſens fchmeigt nicht, wenn auch Niemand mehr von dem verfchmundenen Sohne redet, es Elagt ihn an uud macht ihm manche trübe Stunde. Je mehr feine Haare grau werden und Die Tage des Alters nahen, deſto einfamer und verlafjener fühlt er fib. Ritter Kunibert hat Diener und Reiſige um fich, Die feiner Befehle gewärtig find, aber unter ihnen ift kaum einer, der feinen Sohn erfegen fünnte, und wenn der verlorene Sohn Wildemar feinem Kerzen audy nicht fo nahe ftand, wie es hätte jeyn können. — Dreizehn lange Sabre feblichen dem Ritter dahin in feiner Ein- ſamkeit und DVerlaffenheit, in feinem Gram und Trüb- finn, der durch Nichts, weder durch Jagd, noch Trink gelag verfcheucht werden Fonnte. Oft famen Stunden bei ihm, Daß es Fein Diener mehr in feiner Näbe aushalten fonnte, fo düſter und griesgrämig war Ritter Kunibert. Es waren Stunden, wie bei König Saul, wenn der böfe Geift über ihn Fam. Nur Einer feiner Diener, der ergraute Wunibald , durfte in folchen Stunden um ihn ſeyn, und fonnte ein Wort des
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Zufpruch® wagen, wenn der Nitter je ein folches an- nahm. Es war ein ſchöner Morgen im Mai, der Pfingfimontag, die Sonne glänzte mild über das Thal bin, aus dem Schatten der blüthenreichen Bäume er= Hang luftig die Stimme der Vögelein, und die Jagst raufchte noch rafcher durch den Wiefengrund, gleichſam ihre Freude zu bezeugen, daß es fo herrliche Zeit ſey. Der alte Wunibald trat in das Gemach feines Herrn, um ihm das Handbecken zu reichen. Was für ein fhöner Tag, fo begann er, als er feinen Seren mit düftrem und trübem Blicke ſah — traun, Das ift der jchönfte Pfingftentag, den ich mir denfen kann; die Leute im Thal haben es gut getroffen, Daß fie den _ zu ihrer Maienfahrt erfehen. So, fo, fagte der Ritter. griesgrämig, die Bächlinger wollen eine Maienfahrt halten, und doch find letztes Jahr die Früchte fo ſchlecht gerathen, Daß es kaum zum Zehenten für mich hin— reichte; von Gült und anderer Steuer will ich nicht reden — ich mein’, die Luft zur Maienfahrt follte heuer meinen Hinterfaßen vergangen feyn. Doch nicht, guädiger Kerr, entgegnete Wunibald, und fie haben auch Recht — was follen fie den Kindern dießmal die Freude nehmen, weil Ge legte Jahr fein geſegne— te8 und der Winter ein fo gar firenger gewejen? das Bittre müſſen fie verſchmerzen im Anblick des Segens, der jeßt vor ihrem Blicke Tiegt; wahrlich, gnädiger Herr, fo ſchön haben die Bäume noch nie geblüht, wie heuer, man flieht vor Blüthe Fein Blättchen mehr, im Saatfeld aber mwallen ſchon die ehren, Daß fie
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nur reif werden Dürfen — traun, Da darf man fi fchon freuen im Mat, und eine Maienfahrt ift Feine Sünde. Aber, gnädiger Herr, was fagt ihr Dazu, Daß eure‘ Hinterfaßen diegmal bei ihrer Maienfahrt hieher auf Die Burg. ziehen und unter Der Linde Den Maien— tanz halten wollen? — Wer hat e8 dem Bauernvolf er= Yaubt? fragte der Ritter mit bittrem Ton: Niemand, entgegnete Wunibald, aber mich haben die Bächlinger angegangen, bei euch darum anzuhalten, und ihr wer— det es doch nicht abfcehlagen ; auch würd’ es euch wohl nicht fehaden, wenn ihr Die Sreude mit. anfehen würdet, denn ihr habt Doch fo wenig Sreude im Leben. „Wohl — die Luft Anderer mehrt nur meinen Trübfinn — Sag’ ihnen, fie Dürfen nicht Fommen.” Obgleich der Ritter auf ſolche Weiſe entichieden feinen Willen fund that, daß feine Maienfahrt nad) der Burg ge— fchehen dürfe, fo ließ fich Doch der gute Wunibald nicht abfehreden ; er wiederholte noch einige Male feine dringende Bitte, und beſtürmte fo lang das Herz Des Burgseren, bis er endlich, wenn auch etwas umwillig, fagte: fo mögen fie fommen! Im der andern Stunde hatten die Sinterfagen im. Thal ‚von ihrem treuen Fürfprecher fchon Bericht, Daß es geſchehen Dürfe, was ſie wünfchen. — Nachmittags um die zwölfte Stunde verfanmelte ſich Alt und Jung unter der Drtslinde, Alles war feftlich angethan wie zu einem Kirchgange, Befonders hatten die Mägplein und Sungfrauen allen Kleiverflaat zufammengefucht, den fie ſchon lange Zeit nimmer aus dem Behälter hervorgezogen hatten. Die
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Sungfrauen bis zu den kleinſten Mägdlein von fieben Fahren trugen Schayeln von Roſen- und Goldbändern auf dem Kopf, und Blumenfränze in den Händen ; auch Die Knaben hatten reiche Schapeln aufgefegt und ſchwangen Diaienreifer. Als ſämmtliche Bewohner um Die Linde verfammielt waren, wurde Der Feſtzug geord— net, Knaben und Mägdlein ftellten ſich Baar und Baar. Den Zug eröffneten zwei Knaben, Die befonders feftlid) angethan waren; fie trugen große feidene Bahnen, welche, fonft bei firchlichen Aufzügen durchs Ort und auf der Flur getragen worden. Die früh vollendete Burgfrau hatte ‚beide Fahnen in die Kirche geftiftet, und mit eigener Hand in die eine Fahne ihr Familien— wappen, in Die andere das Mappen des Gemahls ges ſtickt. Nach den Tahnenträgern folgte die Muſik; «es waren Sünglinge mit einem Dudelſack, Blöten, Po— faunen und Hörnern. Hinter ihnen: gingen zwölf Mägdlein in weißen Kleidern, die trugen Blumenförb- chen in der Hand; dann Fam der ganze Zug, und zwar fo, daß immer Die Eleinften Kinder Horangingen.
Nachdem der Zug in Reih und Glied getreten war, ‘gab der Schulmeifter , welcher Alles geordnet hatte, ein Zeichen, und die Muſik fpielte eine heitere Meife zum Abzug. Jetzt erſt, als der Zug Die Linde verließ, und bergan flieg, ſah man die Menge, welche fich verfammelt hatte. So lange ſich der Zug der Kna— ben und Mägpdlein dehnte, fo groß war der Troß der Erwachfenen, der fich Hinten anfchloß, und zum Theil zur Eeite ging, ohne jedoch Die Ordnung zu flören,
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Niemand im ganzen Orte war zurückgeblieben, felbft Greife und alte Mütterchen verliefen ihre Hütte, von der fie fich fonft felten trennten, und feuchten an ihrem Etabe Hinter oder neben dem Zug her, der, fo lange es fteil den Berg binanging, nur langfam einherzog, und da und dort einen fleinen Stillftand machte. Auf jolche Meife bedurfte e8 lange Zeit, bis man oben anfam, und e8 war Sleinen Leid, weder den Alten, no den Jungen — denn fo oft man einen Gtill- ftand machte, Fonnte man fich umfehen, und an dem fhönen Thale, feinen blumenreichen Wiefen und Feldern, jowie an den Gärten mit blüthenreichen Bäumen weiden. Endlich gelangte man auf der Fläche des Berges in der Näbe der Burg an. Mit Willen des Burgherrn — fo Diel Hatte der gute Wunibald bei feinem Herrn durch freundliche Bitte zumege gebracht — war das Thor der Burg mit frifchen Maien geziert, und ein Kranz von Moos, Epheu und Immergrün fchlang fich über den Bogen des Portals. Als Die Vorderften des Zugs den Burgherrn erblictten, der ſchon auf den Söller getreten war, um den Zug zu betrachten, bes gannen Die Spielleute eine heitere Weife, Die aber nur furz dauerte, denn fehnell fiel die ganze Jugend mit ihrem Geſang ein, und es Hang aus Aller Mund der Größeren, wie der SKleinften, die wonnigliche Weife:
Wohl auf grüßen
Wir den füßen
Mat, der büßen
Will des Winters Bein ;
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Der ung will bringen Böglein Singen, Blumen Springen Und der Sonne Schein.
Dann jpielten die Jünglinge wieder, und fo ging es fort mit Gefang und Muſik, bis der Zug unter der großen Linde im Burghof angefommen war. Wäh- vend Der Zug fich im Kreife ftellte, kam der Burgherr, begleitet von Wunibald, in den Hof herunter und der Linde zu, wo ein fehöner Sitz für ihm bereitet war. Die Fahnenträger fenkten vor ihm die Fahnen, Die Mägdlein mit Blumenförben beftreuten. feinen Weg mit Blumen, und Andere, welche Kränze trugen, bingen diefelben an den Aeſten der fich weit ausbreitenden Linde auf. Als Ritter Kunibert fich niedergelaffen hatte, ftellten fich Die blühenden Fahnenjunker zu beiden Sei: ten des Sitzes und liegen die Bahnen luſtig über dem Haupte des Burgherrn wehen. Bald gab der Führer- der Jugend wieder ein Zeichen ; die Knaben und Mägd- fein erhoben die luſtige Tanzweiſe:
Wohl auf ihr Mägdlein zart und fein, Heran im füßen Maien!
und die ganze Menge fiel unter dem Klange der Flöten und Pofaunen ein bei den Worten:
Im Maien am Reihen Sich freuen Knaben und Mägdelein. 14
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Und nun begann die rechte Freude unter dem Spiele der Flöten und Pojaunen; Knaben und Mägplein bes | gannen zu tanzen auf dem mit Blumen beftreuten Boden ringd um Die Linde herum. Das war ein Ge— wimmel und ©etümmel, wie jdron lange Zeit nicht mehr in dem Burghof gewefen war. Se lärmender es zuging, deſto mehr freute e8 den Burgherrn. Co war ihm jchon lange nimmer Dad Herz aufgegangen, das für die Freude beinahe verichloffen zu feyn fchien. Darum Tieß er fich auch heute beſonders gnädig finden. Auf feinen Wink mußten die Diener große irdene Krüge mit Wein, und Körbe mit Brödchen berbeibringen. Wunibald machte den Mundſchenk, und Fieß den Be- cher mit edlem Wein fleifig unter den Kindern herum gehen. Als dies vorüber war, warf ein anderer Die- ner die Brödeben unter die Kinder; da gab es ein Gefrappel und Gezapypel, das dem Burgherrn eben fo viele Freude machte, wie das Tanzen felbft. Jedes der Kinder wollte fein Brödchen zuerft haben, und während fie haftig darnach griffen, purzelten die meiften auf den Boden, wo es bald fo voll mit Kindern, wie mit Blumen lag. Doc, kam feines zu kurz, denn wer auf dem Boden fein Brödehen ermifchte, erhielt jolches8 aus Der Hand Des Dienerd, Der noch einen Eleinen Vorrath zurücbehalten hatte. Als dieſe fürs mifche Brodvertheilung vorüber war, und fich Die jänmtlichen Kinder mit Speiſe und Trank erquidt! hatten, ging der Tanz wieder an, an dem befonderd die Mägdlein fich bei Weitem noch nicht erfüttigt hats
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ten. Dießmal war e5 eine befiere Ordnung, als zu= vor, denn die Eleineren Kinder drangten fich noch nicht alle herbei, da manche noch mit dem Berzebren ihrer Brödlein befchäftigt waren. War es zuvor nur ein ungeordnetes Gewimmel, fo ſtellten fich jest Baar und Paar hintereinander ; ein Vortänzer mit feiner Tän— zerin begann den Reihen, und nur 6 Paare tanzten auf einmal um die Linde; hatten 6 Baare die Runde gemacht, dann flellten fie fich außer dem Kreis, und der Vortänzer begann wieder mit 6 andern PBaaren den Tanz. Mit fichtbarer Freude fah der Burgherr auf dieſen mohlgeordneten Reihen; befonders richtete er feine Aufmerffamfeit auf die Vortängerin. Es war ein Mägdlein von etma 12 Jahren mit blühenden Wangen und langen blonden Zöpfchen. Keines unter allen den Tanzenden zeigte eine folche Fertigkeit im Zangen, feines ftellte den Fuß fo niedlich, und hüpfte jo leicht an der Sand des Tänzer wie dieſes Mäd— chen — kurz, e8 war die bejte und Tieblichite Tänzerin unter allen, Die verfammelt waren; auch zeigte jich das Mädchen umermüdet, denn bei feinem einzigen Reihen hatte fie ausgeſetzt. Nitter Kunibert verfolgte das Mädchen immer mit feinem Auge, und fo oft ed an ihm vorüberflog, wollte er es aufhalten, um es zu fragen, wen es angehöre, aber es gelang ihm lange nicht. Kaum hatte dad Tanzen ein Ende erreicht, jo winkte der Burgherr dem Mägpdlein, das alsbald, aber frhüchtern und mit verfehämten Wangen, ihm mabe trat. Er faßte es bei der Sand und jprach: wen
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gehörft Du zu, mein Kind, und wie heifeft du? Ich heiße Trudchen, und gehöre dem Ortsrichter von Bäch- fingen, antwortete das Mägdlein. Du bift eine ſchmucke Sängerin, jprach der Burgherr weiter, jo erbitte die eine Gnade von mir, weil du Deine Sache ſo gar brav gemacht haft. Das Mägdlein war verlegen und mollte lange nicht mit der Sprache heraus ; es wandte fich zu einem alten Manne, der indefjen fich genäbert hatte und binter ihm ſtand, und biete ihn forfchend an, gleichfam, als ob e8 fragen wollte, um maß es den Burgherrn bitten müßte. Noch einmal fapte Nitter Kunibert das Mägdlein bei der Sand, zog es zu fich, und fragte: was wünfcheft du, Daß ich Dir es erfülle, du ſchmucke Tänzerin? Ein Kreis von Ermwachfenen drängte ſich herbei, und richtete ſich mit gefpannter Erwartung auf das Mädchen, um zu hören, um was es bitten würde. Trudchen fab eine Zeitlang vor fich bin, als ob fie fich befinnen wollte, dann fprach ſie: weil ihr mir eine Gnade erlaubt, gnädiger Derr, fo bitte ich euch, Daß euch mein Vater Dort von feinen Grundftüden fürder nicht den zehnten, fondern den dreißigften Theil geben möge. Freundlich lächelte der alte Orterichter dem Mägdlein zu, als es jo fpradh, und flopfte ihm auf die Schulter ; der Burgherr aber ſprach: es ſey Dir verwilligt, mein Kind, um was Du gebeten haft — die Grundſtücke des Ortsrichters von Bächlingen follen auf ewige Zeiten nur den dreigigften geben. Jetzt trat Trudchen herzu und fühte dem Burg«
herrn ehrerbietig die Sand; dann nahte auch der alte
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Mann und Danfte Dem Ritter für feine Gnade, die er um des Mägdleins willen ihm erzeigt. Wirklich war es auch Fein Geringes, denn der Ortärichter hatte ſehr viele Grundftücke gerade unterhalb der Burg Kapenftein. Auf alle Umftehenden machte dieſe Önadenerweilung des Burgheren einen aar freudigen Eindrud. — Jetzt tanzen auch wir einen unjrem gnädigen Herrn zu Eh— ren, tiefen Die Erwachſenen, die einen Kreis um Die Linde geſchloſſen und vor Die Kinder fich gedrängt hatten. Und nun begann ein Tanzen und Springen, das noch länger dauerte, als bei den Kindern; Ritter Kunibert wurde fo fröhlich und in Folge feiner Freude iv gnädig, wie er es feit Mannsdenken nimmer ges mweien war, und ließ nicht nur den Kindern noch ein— mal Wein und Brod auftragen, Tondern er bewirthete auch die Erwachſenen, jo dag Alte und Junge Alles hatten, was nur das Herz wünschen fonnte. Das war ein luſtiger Maientag, dergleichen noch Feiner gehalten wurde, er endete erft, al$ die Sonne am Simmel fich neigte. inter hellem Subeljang verließen Alte und Junge den Burghof und zogen den Berg hinab, wenn auch nicht ganz in derfelben Ordnung, wie man hinaufge- kommen war, denn der kühle Trunf, den der Burgherr fvendete, hatte den Alten recht warın gemacht. Nur zwei blieben nod) im Burghof zurüf nach dem Willen des Burgherrn, der alte Ortsrichter und Trudchen. Als es im Hofe ruhig war, wendete ſich der Burgherr zu Trudchen, deren Gefichtszüge ihm gleich Anfangs auf- gefallen waren — fag’ mir, Trudchen, ſprach er, wie
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heist deine Mutter? Gertrude, gnädiger Herr, antwors tete Das Mädchen. Und du wäreft alfo die Tochter diefes alten Mannes? fragte er weiter. Nein, dem ift nicht alfo, gnädiger Herr, nahm der Ortsrichter dag Mort — das Mägplein heißt mich nur Vater, weil ich e8 Schon Jahr und Tag bei mir habe — e8 ift aber das Kind meiner DBafe, Die weit unten an der Jagst, wohnt. Der Nitter fragte immer meiter; unbefangen antwortete Irudchen, bis er einem Geheimniß auf bie Spur Fam, das ihm der alte Mann zulegt nicht mehr vorenthalten fonnte ; unter Zittern und Zagen geftand er Alles, was fich feit jener Stunde begeben hatte, da der Burgherr feinen Jähzorn über Gertrude audgelafe jen hatte. Da wurde es dem Burgherrn weich ums Herz, er 309 das Mägplein an die Bruft und küßte es innig ; er, der felten geweint hatte, vergoß Thränen der innerjten Rührung ; er Sprach aber fein Wort, Denn, wenn Das Herz von Gefühlen überfließt, finden mir feine Worte, um ihnen den Ausdruck zu geben — nur aufwärts blickte er zu dem, der die Gefchide Der Menſchen oft wunderbar leitet, und deſſen Willen ims merdar gefchehen muß. Auch dem alten Ortsrichter liefen Die hellen Zähren über die Wangen herunter. Nur Trudchen mußte nicht, mas Das Alles bedeutete, daß der fo vornehme Herr fie and Herz drückte und füßte, und der alte Vater belle Thränen vergoß. Aber bald wurde auc dem Mädchen Das Räthſel gelöst. — Am anderen Tage nach der heiteren Maienfahrt Der Bächlinger faß Gertrude vor ihrer Hausthüre zu Hohes
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bach, ein Kind hatte fie auf den Armen, und drei fleine Knaben fpielten in ihrer Nähe. Eben war ihr Gatte nach Haufe gefomnen — er trug die Senfe auf dem Rüden, und hatte auf der Wiefe Gras gemäht. Das Kind auf dem Schooß der Mutter ftreefte freudig Die Händlein gegen den Bater aus, und der fchäderte bald mit dieſem, bald richtete ex freundliche Worte an Die Mutter. Auf einmal rief Gertrude, Die eben in Die Ferne ſah: fehau, dort herab an der Jagst fommt ja Trudchen und der alte Vetter von Bächlingen, und mit ihnen ein vornehmer Herr. Wildemar, von den Bewohnern des Dorf3 nur der Edelbauer genannt, wandte ſich um, und ſah, woher Die drei kamen. O Gott, rief er, der gleicht dem Ritter auf Kagenftein; fein hoher Wuchs und fein Gang ift es. Gott fey ung gnädig, rief Gertrud ſchreckensbleich — dein Vater fucht uns auf; fie wandte fich zitternd und bebend Der Hausthüre zu, um fich in einen Schlupfwinfel zu ver- ftecfen. Bleibe, Gertrud, fagte Wildemar, der Vater kommt nicht im Zorn, fondern im Trieben, denn fiehe, er führt Trudchen an der Hand. Bald waren Die drei Säfte dem Haufe nahe gekommen — Trudchen lief in die Umarmung des Vaters und der Mutter, und freute fih im Wiederfehen der ihrigen. Ein amdere8 war freilich das Wiederfehen zwifchen dem Ritter und feinen Sohne. Auf wefjen Seite das Unrecht war, wiflen wir, aber auch der Sohn war nicht fo gegen den Va— ter geweſen, wie es Pilicht war. Es gab gegenfeitig abzubitten und zu bereuen, ed floßen gegenfeitig Thrä-
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nen ber Reue und der Wehmuth — die Liebe aber ſühnet Alles aus. So auch bier. Der Ritter hebt die Söh— nerin auf, Die ihm zu Füßen gefunfen, und fühnt durch eine väterliche Umarınung das Unrecht, welches er ge— gen fie geübt — jebt erfi erfennt er, Daß auch ein ‚niedrig geborenes Weib Tiebensmürdig feyn fann. Die Enkelinnen faffen Hände und Füße Des vornehmen Herrn, der fihb nun als ihr Großvater fund tout, und fie herzlich Tiebfofet; befonderd Trudchen zeigt, daß fle Anfprüche an die Liebe des Großvaters habe, va er ſchon zuvor fo freundlich mit ihr gethan. Faſt hätte der Nitter von Kabenftein vergeffen,, heimzufehren, fo wohl fühlte er fich im Diefen ländlichen Familienfreife. Aber nach wenigen Stunden fuhr ein Wagen heran, mit prächtigen Roſſen befpannt — jo hatte es der treue MWunibald veranftaltet, der neben denn Wagen berging, und das Leibroß feines Kern führte. Sohn und Söh— nerin, fammt ihren Kindern groß und £lein, wie fie gingen und ftanden, mußten nebft dem Drtsrichter von Bächlingen einfteigen ; der Nitter aber faß auf Das Roß, das Wunibald geführt hatte, und nun ging es der Burg Kabenftein zu. — Im Eleinen Bauernhaus zu Dohebach war es auf einmal ftill und öd geworden, ein Defto froheres Leben aber begann von nun auf der Burg über der Jagst. Nitter Kunibert fühlte ſich, umgeben von den Seinigen, reicher, als er je geweſen war. Zum Andenken, daß ein Matentang den Burgs beren zum glücklichen Vater gemacht hatte, wurde jedes Fahr, wenn man in Bächlingen Maienfahrt hielt, der
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Maientang bei der Linde auf der. Burg gehalten, und auch Wildemar hielt e8 fo, nachdem fein Vater zu den Vätern verfammelt war. Sene Grundftüce aber, welche der Ortörichter von Bächlingen befaß, geben bis auf den heutigen Tag nur den en
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XVII. Durg und Stift Beutelſpach.
Nahe am rebenumkränzten Remsthal, am Bache Beutel, liegt das ſtattliche Pfarrdorf Beutelſpach, wel— ches zunächſt nach der Burg Wirtemberg für die Ge— ſchichte des Wirtembergiſchen Fürſtenhauſes die wichtigſte Bedeutung hat. Ueber dem Dorf liegt eine Höhe, genannt der Kapellberg, wo vielleicht urſprünglich eine Wallfahrtskapelle geſtanden. Hier ſtand vor Zeiten die Burg der edlen Herren von Beutelſpach, die älteſte Wiege des Wirtembergiſchen Fürſtenhauſes, denn ſie ſtand lange vor der Burg auf dem Rothenberg. Sie iſt ein Raub der Zerſtörung geworden, aber noch zu den Zeiten des alten Verfaſſers der „Würtemberg'ſchen Stamms- und Namens-Quelle“ M. Joh. Georg Walzen, im Jahr 1657 muß die Burg Beutelſpach noch eine bedeutende Ruine geweſen ſeyn, ſah man ja noch im Jahr 1784 auf dem Berge die Ueberbleibſel
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eined fehr ftarfen Thurms, an deffen Fundament ein zahmer Seigenbaum empor wuchs, welcher ohne einige Wart und Pflege Die fehönften Früchte trug. Jetzt ift fein Stein mehr von dieſer wichtigen Burg über ver Erde zu finden, aber, wer jich die Mühe nehmen will, nachzugraben, der ftößt da und dort auf Mauerrefte. Wunderbar! gerade Die wichtigften Burgen unferes Paterlandes find bis auf den Grund ein Raub der Zerflörung geworden. — Wer hat zuerft eine Burg auf dem SKapellberg erbaut * Wer uns dieſe Frage beant- wortet, der nennt und zugleich den älteften Stamm- bern des Wirtembergifcben Hauſes, wenigftend von mütterlicher Seite. Der ehrliche Chronift M. Walz it rüftig zur Hand, um die Frage zu löfen, und legt und mit allen möglichen Beweifen voll Wahrfchein- lichfeit, indem er fogar alte gefchriebene Chronifen zu Zeugen anruft, die fait ausgemachte Wahrheit dar, dag ein gewiffer Emmerichus, zu deutſch Emicho, weiland Feldhauptmann des Königs. Klodwig, der in der Schlacht bei Zülpich (496) das Belle getban, von feinem Herrn eine ſchöne Kandfchaft im Nemsthal, unweit Waiblingen, der alten Gibellinen= Stadt, zum Geſchenk erhalten, und über dem Flüßlein Beutel ein Schloß erbaut habe, das er Beutelſpach nannte, und von Dem er und feine Nachfommen fich fodann Herren von Beutelfpach heißen. Auf ihn läßt er nun ein ganzes ununterbrochenes ejchlechtäregifter folgen, in dem die Namen Emmerich noch zwei Mal vorkonmen, aber zulegt auch ein Mlrich, ein Albert, und ein Con-
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vad erfcheint. Wir nehmen uns feine Zeit, zu untere fuchen, woher Walz feine Genealogie von Emmerich I. bis Heinrich, den Sohn Emmerichs III. (984), ent» nommen, denn Das Dürfen wir auch unſere neueren Gefchichtsforfcher nicht fragen, die den ehrlichen Wal; und Gonforten belachen, auch fie können nicht immer mit Siegel und Urfunde bemeifen, wo die Namen der Herren ftehen, die fie in ihre, auch oft felbft gemachten Genealogien, einführen. Wir halten und an’ den legten Namen Cunrad, und faffen mit diefem hiſtoriſchen Namen gewiffen Fuß im der Gefchichte. Cunrad ift der erfte, der mit dem Namen von Beutelſpach nach einem glaubwürdigen Berichte, dem Hirfchauer Vergabungsbuch, erfcheint, was ſchon der alte Chronik Nauflerus für eine gute Duelle anerfannt hat. Neben ihm ift Bruno, fein Bruder, der als Abt zu Hirſchau im Sabre 1120 ftarb, und Ruitgard, eine Schmeiter aufgeführt.
Mer der Vater Diefer drei Gejchwifter von Beutels ſpach geweſen, ift nirgends überliefert, aber höchſt wahrfcheinlich war es Herr Adelbert von Beuteljpach, der vielleicht von den Grafen. von Galme abſtammen fönnte, welche in Ulri I Grafen von Linz und Argengau, dent Bruder des berühmten Gerold8 von Buſſen, ihren älteften Stammpyater haben follen. Wie fommt e8 aber, daß der genannte Cunrad von Beus telfpach in demſelben Vergabungsbuch von Hirſchau auch Cunrad von Wirtemberg genannt wird? Dems nad) hätte er zu gleicher Zeit Beutelfpach befeffen und
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auf Burg Wirtemberg gewohnt, und bald fich von Beutelipach, bald von Wirtemberg genannt. Der ge- lehrte Profeffor Saug in Tübingen und unfer fcharf- finniger Dr. Carl Bfaff, der Altmeifter der Wirten- bergiſchen Gefchichte, behaupten aus triftigen Gründen, daß Cunrad von Beutelfpacy und Cunrad von Wir: temberg nicht eine und diefelbe Berfon, fondern Cun— rad von Mirtemberg fei der Sohn Luitgards, wie auch wirklich im Hirſchauer Buch ein ſolcher Eunrad als ihr Sohn genannt wird. Somit wäre der Knoten gelöft, aber der Schreiber des Hirſchauer Buchs hat nach ihrer Anſicht einen Schreibfehler gemacht, indem er, wo er Yuitgard, Die Schmefter Abt Bruno's, und Cunrads son Wirtemberg erwähnt, wie fie zwei goldene Arm— ſpangen zu einem Kelch dem Klofter Hirſchau vermacht, hätte feßen follen „Die Mutter Cunrads von Wirtem- berg.” Wir laſſen es Dahin geftellt ſeyn, zu ent- jcheiden, ob der Schreiber des alten Pergaments ges tehlt, oder ob die beiden ©elehrten fich geirrt. — Wer der Gatte der Ruitgarde von Beutelſpach und der Vater dieſes Cunrads von Wirtemberg geweſen, bleibt wie— der unentſchieden. Dr. Pfaff behauptet, es ſey ein Graf Ulrich geweſen, der ebenfalls ſeinen Urahnherrn in dem ſchon genannten Ulrich J., Grafen im Linz- und Argengau, auch Stammvater der Grafen von Nellenburg— Bringen, babe. Das Alles find — wenn auch ſcharf— jinnige Unterfuchungen — nur Vermuthungen; jo Biel bleibt gewiß, daß die Herren von Beuteljpach von mütter- licher Seite Die Ahnherrn der Wirtemberger geweſen,
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und Beutelfpach fomit mit Recht auch für eine Wiege des Wirtembergifchen Fürftenhaufes gilt. Cunrad von Beutelfpach war wohl der LXegte feines Stammes; es gingen nun feine Befitungen auf den Sohn feiner Schweſter Ruitgarde, Cunrad von Wirtemberg, über, mit dem in einem Sohn Ludwig die Reihe der Grafen von Wirtemberg beainnt und ununterbrochen fortdauert. Burg Beutelfpach aber ift immer ein Wohnfig geblies ben, der den Grafen von Wirtemberg werth und theuer war. In dieſem Sinne hat Graf Ulrich mit dem Daumen (T 1263) das Stift zu Beutelfpach von Neuem hergeftellt und dotirt. Es war fchon Tange vorher, wie Graf Eberhard der Erlauchte es ſelbſt ausgejprochen, fchon längſt von Vorfahren der Wir temberger (denen von Beutelfpach) gegründet, und wurde von Ulrich zur Grablege feines Geſchlechts ges wählt, wo er felbft begraben wurde. Diefes fogenannte Heiligfreuzftift erhielt im Jahr 1247 von Pabſt Innos conz IV. die Erlaubniß, bei allgemeinem Interdikte Seelmefjen Tefen zu Dürfen. Einer feiner Pröbfte hieß Bertbold, und fommt in den Jahren 1253, 1254, 1262 in Urfunden vor. As Kaifer Heinrich VIL mit Graf Eberhard dem Erlauchten Friegte, zog das ‚Neichöheerr im Jahr 1312 gegen die Burgen des Grafen, gewannen und zerftörten fie. Wie die Burg MWirtemberg, fo wurde auch das Schloß Beutelivach gebrochen, das durch Verrath in Die Sände der Feinde gefommen war. Mor Allen wurde das Stift mit feinem ehrwürdigen PBamiliendenfmale ſchrecklich ver⸗
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wöäftet, denn die Feinde wollten Wirtemberg bis auf den Namen vertilgen. Da verlegte Graf Eberhard das Stift und das Erbbegräbnig des Hauſes nad Stuttgart (1321).
Die Kirche des ehemaligen Stifts, welche Durch eis nen umterirdifchen Gang mit der Burg verbunden war, hat fich wenigſtens in den ältejten Theilen der Orts— firche erhalten, denn ed find noch Steine mit grotes- fen Figuren an derjelben vorhanden. Mod) findet fich vor dem Altar eine uralte vertiefte Steinplatte, mit dem älteften Wirtembergifchen Wappen, drei Hirſch— gemweihen, Deren jedes blos drei Zinfen hat. Neben demjelben findet fich auch auf einer alten Steinplatte ein Kelch von Erz eingegofjen, und hinter dem Altar ind noch platte Figuren mit Innfchriften, aber fehr verreifcht, auf dem Boden zu ſchauen. Die Wände der Kirche find bemalt, aber auch, wie wir e8 leider! jo häufig finden, übertüncht. Neben der Kirche ift Die ehemalige Gruft, die noch nicht ganz verfehüttet iſt — noch ein Zeuge der vandaliſchen Zerftörung Durch Menſchenhand.
Eine Sage über den Ausgang der Herren von Beutelfpach möge Hier jtehen.
Der Lebte von Beutelfpach.
‚Gegen das Ende ded il. Jahrhunderts wohnte Herr Conrad von Beutelfpah, Gaugraf im Rems— gau, auf dem Kapellberg. rau Willeberg, aus dem
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Hauſe Der Grafen von Achalm, war feine Haus— frau. Das erfte Kind, das fie ihm gebar, war ein liebliches Töchterlein. Der Graf foll nicht freudig gewejen ſeyn, ala ihm die Mutter Diefes Töchterlein zum erſten Mal in die Arme Iegte, denn er hatte ſehnlich einen Knaben gewünfcht, der ein Stammphalter jeines ©efchlechts hätte werden follen. Das Töchter lein erhielt in der heiligen Taufe den Namen Adelheid, und blühte froh und wonneſam heran zur Freude der Mutter; und auch der Water gewann das Töchterlein zulegt lieb wegen feines Tieblichen Weſens. Frau Willeberg gebar ihrem Gemahl hintereinander noch Brei Knaben, aber alle ftarben in den erften Wochen ihres’ Dafeyns. — Mit Schmerz erkannte zulegt Graf Com rad, Daß ihm von Gott fein Sohn beftimmt fey, Der feinen Stamm fortführe — er fügte fich in das Un— vermeidliche Des Schiefjals, und von nun an wandte cr alle feine Liebe feiner E£leinen Adelheid zu, Die durch ihre freundliches Wefen oft den Trübfinn feines Herzens verjcheuchte, wenn er gedachte, Daß er num mit um— gefehrtem Helm und Schild zu feinen Vätern fahren würde. Das war aber nicht fein einziger Kummer — das Töchterlein war faum 7 Jahre alt, da verfiel e8 in ein gefährliches Siechtbum, wo es dem Rande des Grabes nahe war. Jetzt erit fühlte Der Vater, wie lieb das Töchterlein ihm geweſen war, als es da lag bleich und abgezehrt, als es feine fonft fo regfamen Händlein faum mehr rührte, und mit trüben Augen die lieben Eltern anblickte — da, in jenen für Vater:
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und Mutterherz jo bangen Stunden, that Frau Wille: berg das heilige Gelübde, jo Gott das Töchterlein vom augenjcheinlichen Tode retten würde, wollte fie es dem Himmel weiben. Der Vater, der den Jammer nimmer mit anjehen konnte, war ab der Burg in's Thal ge- titten; dort an einfamer Stelle fnieete er nieder, betete inbrünftig und that daſſelbe Gelübde, das Milleberg gethan hatte, Seit jener Stunde wandte es fich bei dem Kinde zum Beſſern; Die zuvor trüben Augen wurden heffer, auf feinen fo blafien Wangen blühte wieder eine Röthe auf, feine Händchen befamen wieder Leben, umd nach wenigen Tagen hatte es fo viele Kraft, um fich in feinem Bettlein von felbft aufzu— richten und feine Spielfachen zur Sand zu nehmen. Als Adelheid wieder vollfommen genefen war, traf den Grafen ein neuer Kummer. Frau Willeberg legte fih auf's SKranfenlager. In Folge des ununterbro= chenen Nachtwachens am Bette des Franfen Kindes batte fie fich ein fchleichendes Fieber zugezogen. Alle möglichen Mittel wurden zu ihrer Rettung angewendet; fie ftarb 8 Tage nachdem fie fich Eranf gelegt hatte. Tiefgebeugt ging Graf Conrad Hinter ihrem Sarge, an der Hand das Töchterlein, welches heiße Thränen in dad Grab der Mutter weinte, die in der Gorge für fein Leben ihr eigenes Leben geopfert hatte. Graf Conrad tröftete ſich am Grabe feiner geliebten Haus— frau, denn Das Töchterlein, dad er an feiner Hand führte, war ja das Ebenbild der Seligvollendeten. Adelheid follte auch in den Tugenden der Seele pas
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Shenbild Der Mutter werden, Das war von nun an Die einzige Sorge des verwittweten Orafen — und diefe Sorge war auch nicht umfonft. In jedem Zuge des Geſichts, im jeder Bewegung war Adelheid ihrer Mutter gleich, fie wurde es auch in jeder Tugend Des Herzens und des Geiftes, wodurch Die Mutter fo liebenswürdig gewefen war, fie wurde es in ihrer liebevollen Gefinnung gegen Dürftige und Leidende, fo wie in jenen Eigenschaften und Kenntniffen, wodurd) Die Mutter als Hausfrau fo jegensreich gewirkt Hatte. Das Fräulein hatte faum Das zwölfte Jahr angetreten, fo nahm ſie ſchon Die Schlüffel zur Sand, Die bisher eing alte Dienerin des Hauſes unter fich hatte — ſie beforgte Das Hausweſen, wie eine Ermwachfene, beftellte die Küche und mar des Vaters Koch und Trurhfeß, Mundfchent und Kellermeifter in Einer Berfon. Der Vater aß Nichts, mas feine Liebe Tochter nicht felbft gekocht Hatte — fie bereitete Wildpret und Fifche, wie die Mutter folches bereitet hatte — er trank feinen Wein, den nicht Adelheid vom Keller geholt hatte und in feinem Lieblingsbecher kredenzte, aus dem einft feine jelige Willeberg getrunfen hatte. Wie oft gedachte Graf Conrad, wie Gott es doch fo liebend vorgeſehen batte, daß er ihm eine Tochter gegeben, die jebt durch Sorge und Pflege die Stelle einer Liebenden Hausfrau bei ihm vertrat.
Dft fprach er Die Worte aus: „Gottes Wille ift immer der befte." — Gr drückte feine Adelheid an's Herz und fühlte fich reich in Dem Beſitz der guten
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Tochter, die, jemebr fie an Jahren zunahm, umſichti— ger und thätiger im Hausweſen wurde, und im der Lebe und Anhänglichfeit gegen den Vater Doch immer ein Kind zu bleiben fchien. So trat fie in das fünf- zehnte Jahr, ohne daß fie die Welt außerhalb der Burg Fennen gelernt hatte. Auf die Burg des Va— ters Fam Niemand, auffer der Oheim, Graf Emicho auf Burg Wirtemberg, der feine beiden Söhne und feine Tochter Luitgarde mit fich brachte. Diefe drei waren ihr einziger Umgang, ihre einzigen Ge— jpielen, — das war die ganze Welt, Die jle Eannte. Diefe Drei fuchte fie wieder auf ihrer Burg beim, und das war Dann der einzige Ort, auf dem fie fich hei— milch fühlte, wenn fie mit ihrem Vater je einmal auswärts Fam. Auſſer ihrem Oheim und ihren beiden Bettern gab es feine Männer in ver Welt, gegen Die das holdſelige Fräulein von Beutelſpach beſonders freundlich und liebevoll war; nur gegen fie trug fte eine Öefinnung, die derjenigen ähnlich war, melche fie ihrem Vater von ganzer Seele, von ganzem Herzen und ganzem Gemüthe weihte. Wer hätte glauben jollen, daß es in ihrem Herzen je anders hätte wer— den können? daß bald ein Sremdling einen Platz neben den Vater gewinne im Herzen der allein für den Vater lebenden Tochter ? |
Eines: Abends ſaß Adelheid ganz allein bei ihrem Vater; fie drehte fleifig die Spindel, während ſich Graf Conrad nach den Mühen der Jagd im Lehnftuhl gütlich that. Eben hörte Adelheid aufmerkſam dem
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Vater zu, der über das Crgebnig der Jagd berichtete, welche der Oheim auf Wirtemberg mit feinen Söhnen, fo mie viele Herren der Umgegend, ja fogar Orafen und Nitter aus dem fernen Schwargwald mitgemacht; denn e8 galt eine Hetze auf eine Schaar Bären und Mölfe, Die fih vom Schwarzwald herüber in die Schluchten des Welzheimer Waldes gezogen hatten. Graf Conrad Hatte feinen Bericht noch nicht geendet, da hörte man das Horn des Thorwächters ; bald da— vauf trat der Leibfnappe des Grafen .mit der Meldung ein: vor dem Thor fey eine Schaar Leute angefommen mit einem jungen Nitter, Der auf der Jagd verun- glückt ſey; ob man fie einlaffen jolle? Sogleich, be- fahl der Graf — denn es wäre das erfte Mal, daß ich einen Sülfsbedürftigen von meinem Thore gewieſen hätte. Das wird mohl einer von den Junfherrn ſeyn, fuhr er fort zu feiner Tochter, welche an der Jagd. nicht genug kriegen können, bis fie ihren Reſt davon tragen: aber jegt Adelheid, laß das Epinnen, und beftelle die Küche, Denn die Leute, "welche den Junk— heren bringen, werden hungrig feyn. Nicht! ein Stüb— lein zu und laß 28 wärmen ; auch jchaffe Linnen und Pflafter herbei, DaB e8 an Nichts fehle, denn eilige Hülfe ift Die rechte Hülfe. Während Adelheid ging, um nach dem Befehl des Vaters zu thun, fand auch er auf, um die nöthigen Anordnungen zu Unterbrin- gung des angekündigten Gafts zu treffen. Gerade trug man Diefen zum Thore herein, als Graf Conrad im den Hof binabfam, Auf einer Bahre von Eichen-
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zweigen trugen vier Jäger einen Junkherrn in reichem Sagdanzug. Bis über Die Füße war er mit Decken überlegt, um fein Saupt waren Tücher gebunden, jo daß e8 fait ganz bedeeft war, doch Fonnte man fo viel erkennen, Daß es ein ſchönes blühendes Antlitz war, auf dem wohl die Nöthe der Jugend noch kurz zuvor brannte, aber jest war es todtenfahl. Um Gott! rief Graf Conrad, als er in das Angeficht des Junk— beren ſchaute — Das iſt ja der Sohn meines — Sa, Eures Feindes, fagte der Verwundete mit fehmwacher Stimme, und doch hoffe ih, bei Euch ein Plätzlein zu finden, wo ich ruhig ſterben kann. Davon ift jest noch nicht Die Nede, Sunfherr, fagte Graf Conrad mit liebreicher Stimme — wenn Ihr nicht gar zerfeßt ſeyd, wird Euch mein alter Leibarzt Schon mieder zuſammen— jlifen, und meine Salben und PBflafter werden audı ihren Dienft thun wie immer. Jetzt erſt erfuhr Graf Conrad, was fi) begeben hatte. Wie er vermuthet hatte, fo war es auch gefchehen. Die Junkherrn, welche an der Jagd Theil nahmen, waren zu bißig im Verfolgen der Büren, während Die älteren Herren jich bald zurücdzogen. Einer der beftigfien Verfolger war der edle Süngling, den fie eben auf der Bahre brachten. Als er die Bolzen feiner Armbruft auf eis nen gewaltigen Bären verfchoffen hatte, daß er gleich einem Igel. umſpickt war, warf er feinen SJagdfpeer nach ihm ; aber dieſer fehlte. Da mendete fi} der Bär gegen den Jäger, riß ihn mit feinen Tatzen vom Pferde, und machte ſich fehon über ihn ber, als eine
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fichere Beute. Unter dem Bären liegend fanden die Nachfolgenden den Jüngling — nocd zu rechter Zeit, - denn eben fuhr er mit feinen Taten gegen Das Daupt des unten Liegenden. Ein fräftiger Speerwurf traf den Büren bis ins Herz, und rettete Den Süngling. Hart vermundet an Haupt und Füßen luden fie den halb Ohnmächtigen auf eine Bahre, und trugen ihn einer Burg zu, Die am nächſten lag.
Eine befjere Herberge hätte man für den Stranfen nicht finden fünnen. In einem Stüblein, das an das Schlafgemach des Grafen ſtieß, wurde der Jüngling untergebracht ; gar wohltuend war dem Kranfen die Märme, Die ihm entgegenfan, denn. er zitierte vor Fieberfroft. Das Erſte, was gefchah, war, daß feine Wunden unterfucht wurden. Es mar ein frauriger Erfund. An feinem linken Fuß war Wunde an Wunde, denn da hatte der Bär feine Krallen tief eingefchlagen ; fein Haupt aber blutete auf allen Seiten, denn er war auf felfigen Boden mit demfelben aufgefallen, als er vom Pferde geriffen war. Als die Wunden fammt dem Haupt ausgewafchen waren, wurde Linien mit
- Del gefeuchtet und umgefihlagen. Erſt, nachdem dieſes
Mittel ſchmerzſtillend gewirkt hatte, wurden Pflaſter und Salben aufgelegt.
Der alte Leupold, Wildmeiſter und Leibarzt des Grafen in Einer Perſon, widmete ſich ganz der Pflege des Kranken. Zwei Drittheile ſeiner langen Laufbahn hatte er im Walde zugebracht, und bei einem Klaus— ner, bei dem er oft einkehrte, die Kräuter- und Heil—
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funde kennen geleınt. Er fam nie vom Lager des Junkherrn — alfo war e8 der Wille des Grafen — Tag und Nacht war er um ihn befchäftigt, und Das dauerte mehr als vierzehn volle Tage. Da ermattete Die Kraft des alten Mannes — oft, wenn er Nächte hindurch gewacht hatte, übermannte ihn beim hellen Tag der Schlaf, er feßte fih in den Lehnſtuhl und bielt fein Schlafftündlein. Doch wurde indeffen der Kranke nicht verfäumt, Denn der alte Leupold batte eine thätige Sandlangerin gewonnen, die indeffen Den Kranken beforgte. Das war Adelheid, Die Tochter des Haufe, Die bisher dem alten Leupold treulich abge- eben hatte, wie er den Verband vom Haupte Des Kranken nahm, Die Wunden mit Linnen trocnete, und wieder frifche Salbe auflegte.. Darum durfte Adelheid und Niemand anders als fie Leupolds Stellvertreterin werden und des Kranken in folchen Stunden warten. Bei folcher Pflege von Zweien, befonderd eines ſo torgfamen Fräuleins, wie Adelheid, mußte die Seilung des Kranfen von Statten geben, und wir wundern uns nicht, Daß das Wort des Burgherrn in Erfüllung ging: feine Salben und Pflafter thaten gute Dienfte, ja fie übten beinahe Wunder an dem Gafte. Ehe der Frühling feine Boten fandte, Fonnte er das SKranfen- iager verlaffen, und er faß am Tifche des edlen Haus: herrn, wo Adelheid mit rofigen Lippen ihm den Becher bot, und ihn würzte mit freundlichem Blicke. Als Die Büfche und Heden blübten, und die Bäume fi zur Blüthe entfalteten, da beurlaubte fich Der edle Jüng—
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fing von feinem biederen Gaſtfreund, und dankte ihm für all das Gute, das er ihm gethan Hatte feit zwei Monaten. — Der Graf drückte ihm herzlich Die Sand zum Ubfchied, als er aber dem Sräulein Die Hand reichte zum Lebewohl und Worte des Dankes fprechen wollte, da fiotterte er, und feine Hand zitterte in Der ijrigen. Fahrt wohl, fagte Adelheid, mit Thränen in den Augen, die fie mit aller Mühe nicht verbergen tonnte — fahrt wohl, und gedenfet auch zumeilen an die Burg auf dem Kappelberg. Sa, ers vergaß fie nie — wie gerne wäre er wiebergefehrt, ehe er noch recht fein Pferd, Das fich bisher im Stalle des Burg— herrn beimifch gefühlt hatte, über Die Zugbrüde traben lieg — wie gern hätte er noch einmal den Schmerz der Wunden getragen, und von Neuen angefangen, Trank zu feyn. Ja er vergaß nie die Burg auf dem FKappelberg und ihre freundlichen Bewohner. Nur an fie denfend, ritt er, begleitet von dem alten Xeupold, pen Burgweg hinab, und hörte nicht auf den Geſang der DVögelein, der von den grünenden Bäumen erflang, daß es vom Berge wiederhallte. Gr ritt der Burg MWirtemberg zu; unten beim Dörflein Uhlbach ſchied fein alter 2eibarzt von ihm, und von nun an waren Die Junfherren von Wirtemberg, Bruno und Conrad, feine Begleiter. Sie hatten ihn oft an feinem Schmer- zenslager auf der Burg des Oheims beſucht, und waren innige Freunde Des edlen Jünglings geworben. Die begleiteten ihn nun bis zu den Höhen des Schwarz: waldes, deſſen dunkle Waldung ihn aufnahm. Ehe
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er fchied, verfprach er den beiden Brüdern, fie bald wieder auf Burg Wirtemberg heimzufuchen.
Der edle Junkherr hielt fein Wort ; noch nicht war der Frühling vorüber, jo ftellte er fich wieder auf Burg Wirtemberg ein und begrüßte feine jugendlichen Freunde. Uber wie freudig wurde er überrafcht, als kurz nach feiner Ankunft zwei Fräulein in das Ge— mach traten, um den Saft zu bewillfonımen — die eine war Luitgarde, Die andere, das Fräulein vom Kappelberge, die eben auf Befuch bei ihren Verwand— ten auf Wirtemberg war. Auf ein freudiges Wieder— ſehen Beider folgte wieder ein Abſchied, und der war noch bitterer, als der erſte auf der Burg Des Vaters, denn hier vor den Augen einer liebenden Freundin durfte Adelheid ihre Gefühle weniger verhehlen, als vor den Augen eines ſtrengen Vaters. Der Junkherr ging und kam wieder, als es ſchon der fröhlichen Weinleſe entgegenging. War es Zufall oder Zug des Herzens, auch Adelheid war wieder bei ihrer Freundin Luitgarde, und fah den theuren Freund wieder, bei dem ihre Ge— danfen oft vermweilt hatten. Was Beide jchon längſt für einander fühlten, konnte Fein Geheimniß mehr bleiben — der Bund der Seelen ſchloß ſich — in der ° Burgfapelle zu Wirtemberg wurde der Bund. beftätigt — an den Stufen des Altars gelobte der Jüngling ewige Treue dem Fräulein von den Kappelberge, und fte ihm binwiederum. Nur Luitgarde, Die treue Seele, war Zeuge ihrer heiligen Schwüre. Ach! Daß der Se— gen des Vaters nicht mit Diefem Bunde war!
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Lange blieb dieſer Bund der Herzen ein Geheimniß vor dem Vater des Fräuleins ; war es ja felbit unter den Bewohnern der Burg Wirteniberg nie bekannt ge= worden, was in der Kapelle vorgegangen war. Nur fo viel merkte Sedmänniglich, daß der Junkherr von Schwarzwald öfter fich einfand, als früher, und daß Fräulein Adelheid öfter als fonft ihre Verwandiin Luit- garde heimfuchte. Leäteres war beionderd dem Grafen von Beutelfpach aufgefallen, denn früher hatte feine Tochter nur felten ihn allein gelafien. Bald erfuhr er von den häufig wiederkehrenden Befuchen des Junk— herein vom Schwarzwald, und nun fonnte er wohl vermutden, warum Adelheid häufiger als je ihre Ge— fpielin Luitgarde heimſuchte. Schon beim Abjchied des Junkherrn aus feinem Haufe hatte er gefehen, was er für einen ſchmerzlichen Eindruck auf das Herz Der Tochter gemacht hatte; er hatte e3 für ein Vorüber- gehendes Gefühl gehalten, aber leider mußie er jest einer andern Anſicht werden.
Eines Tages — es war unmittelbar, nachdem Adel— heid von einem Befuch auf Wirtemberg zurückgekehrt war, ftellte fie der Vater zu Rede. Adelheid, die nie mit einem Worte ihren Vater belogen hatte, ge: ftand, nachdem er fie ausgeforfcht hatte, Daß fle dort den Junkherrn gefehen, ja fie geftand, Daß fie ihn ſchon öfter- auf Burg Wirtemberg gefehen und ges ſprochen habe, aber immer nur unter den Augen ihrer Freundin Luitgarde. Nur noch wenige Sragen aus dem Munde des Vaters mit forfchendem Blicke waren
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nötdig, und er hatte feiner Tochter Das Geheimniß ihrer Liebe zu dem Junkherrn entlocdt. Adelheid glaubte, daß Diefes Gefühl Fein Unrecht gegen den Bater wäre, denn fie hatte ihn fortwährend fo treu und innig ge- liebt, wie in ihren Kinderjabren, wenn auch die Liebe zu einem Fremden in ihrem Herzen Raum gewonnen batte. Jetzt erft erkannte fie, daß fie ein Unrecht bes gangen hatte, als der Vater, mehr mit fchmerzlichem, als erbittertem Blicke zu ihr fprach: „Adelheid, meine einzige Tochter, mein einziger Troft, warum muß Deine Piebe dem Sohne meined Feindes werden? Du fannft nie, nie die Seine werden." Meiter fprach er nicht ; er wandte fich ab von feiner Tochter mit thränendem Auge und ging in ein anderes Gemach, um fich feinen fehmerzlichen Gefühl zu überlaffen, um ſich felbft an- zuklagen, daß er einfi ein fo unbefonnenes Gelübde abgelegt hatte.
Hätte Graf Conrad mit feiner Tochter hart geredet, hätte er ihr bittere Vorwürfe gemacht, es hätte ihrem Herzen wehe gethan, aber jene Worte, Die er eher mit Wehmuth, als mit Bitterkeit gefprochen hatte, gingen ihr noch tiefer. Einen folchen Schmerz hatte fie nod; nie gefühlt, wie heute; jte hätte vergehen mögen vor Herzeleid, und ob fie auch in Thränen zerfloß, es wurde ihrem Herzen nicht leichter. Sie wollte ihrem Vater nachgehen und Ulles geftehen, auch den Schwur in der Kapelle. Was märe e8 geweien? Gie hätte den ohnedies fehon tiefbetrübten Water noch tiefer ge—
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beugt. Sie befann ſich lange, ob fie es thun ſollte — doch fie kam nicht Dazu.
Seit jener Stunde, da es zu einem jo ſchmerzlichen Auftritt gekommen war, verließ Adelheid nie mehr die Burg, ſie wich nimmer von der Seite ihres Vaters. Luitgarde, die treue Freundin, welche ſie in dieſer Zeit auf dem Kappelberg heimſuchte, war die einzige, der ſie anvertraute, was indeſſen geſchehen war; durch ſie ließ ſie dem Mann ihrer erſten Liebe ein Lebewohl ſagen. Ihr Mund ſprach es, ob es aber auch aus dem Kerzen kam? — Dennoch war es ihr ernſter, feſter Wille, dieſer ihrer Liebe zu entſagen, die gegen den Willen des Vaters war. Wie leicht iſt ein Entſchluß gefaßt, aber wie ſchwer kommt er oft zur Ausführung! Von nun an war ein immerwährender Kampf im Herzen des Fräuleins: die Pflicht der Tochter kämpfte mit dem Gefühle der Liebe. Adelheid ſuchte zu ver— bergen, welcher Kampf in ihrem Innern vorging, aber es war nur zu ſichtbar vor Aller Augen. Das zuvor lebensvolle heitere Fräulein wurde ſtill und düſter, das Roth ihrer Wangen verſchwand — ſie glich eher einer verblühten Jungfrau, als einem Fräulein von 16 Jahren — fie wandelte in den Gemächern der Burg, wie eine Nonne in den öden Gängen des Klofters, in das fie wider ihren Millen verfchloffen worden. Mit Wehmuth fah es Der Vater, aber, wenn er auch wußte, was die Veranlafjung diefes traurigen Zuftands feiner einzigen Tochter war, er Fonnte ihr feinen Troft geben; er fonnte fein Wort nicht zurücdnehmen, denn
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das Gelübde, das er einft mit feiner feligen Hausfrau gethan hatte, fonnte er nicht brechen.
Sonſt hatte der Graf feine meifte Zeit auf feiner Burg zugebracht, Der Umgang mit feinem Kinde war alle feine Freude — im böchften Falle, daß er von Zeit zu Zeit einer Jagd beimohnte feit bei feiner Adelheid ein fo gar Düfterer Gemüthszuftand eintrat, und fie mehr wie ein Geiſt als ein lebende Weſen in feiner Nähe wandelte, war er unfroh in feiner Burg, und riet manchmal hinüber zu feinen Bruder gen Wirtemberg, oder zu einem andern Seren Der Gegend, und fuchte fich feine Zeit zu vertreiben. Eins— mals, ed war an einem Winterabend, weilte er länger bei einem feiner Nachbarn, als er gewohnt war. Es war Schon Späte Nacht, als er, von feinem alten Diener Leupold begleitet, nach Kaufe ritt; der Rück— weg führte ihn über Die Rems, Die ſchon feit mehreren Tagen überfioren war. Nur ein fcehmales Brücklein führte über Diefelbe, Darum zog er ed vor, über Das Eis zu reiten. Er that e8, troß der Einrede yon Seiten Leupold's, der, und zwar nicht mit Unrecht, vermutbete, Daß das Eis noch fchwach wäre. ber, fiehe da! Graf Conrad war noch nicht in der Mitte ver Strömung, da brach das Eid, und das Pferd tank unter, fo daß fein Neiter bis über den Unterleib einſank; Leupold vitt ihm nach und 309 das Pferd am Zaume binüber. Er fam mit ihm ans Ufer, aber Graf Conrad zitterte und bebte vor Froſt. Er er- reichte noch feine Burg, aber kaum war er abgeftiegen,
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fo fehüttelte e8 ihn im Fieberfroſt. Schnell brachte man ihn zu Bette, um ihn zu erwärmen, denn er hatte fich im eisfalten Waffer eine Erfältung zugezogen. Adelheid fam nimmer vom SKranfenlager des Vaters, und beforgte ibn ganz allein nach der Anweiſung des beilfundigen Leupold's. Der wendete alle Mittel an, und bot feine ganze Kraft auf, aber dießmal war es umfonf. Die Krankheit nahm überhand, Graf Eon- rad fühlte bald, daß fein Stündlein fommen werde. Es war auch näher, als er es glaubte. Er fiel aus einem Fieber in Das andere — oft redete er im Fieber— traume, während Adelheid an feinem Bette ſaß. Er nannte den Namen feiner feligen Hausfrau, und ein Lächeln verbreitete fich über fein Angeficht ; er rief den Namen feiner Tochter, und ein fehmerzliches Gefühi wurde in feinem Blicke fichtbar. Es war am Abend des Dritten Tage, als er aus einem folchen Fieber— traume erwachte, der ihn über Die Maßen geſchwächt hatte, Adelheid! rief er, indem er fich rafcher als je aufrichtete — Adelheid, meine einzige Tochter! Was wollt ihr, lieber Water, ſprach Adelheid fehluchzend, Denn fie ſah an dem bleichen Antlig, an dem trüben Blicke feiner Augen, daß fie ihren Bater nimmer lange befigen werde. Gieb mir Deine Sand, Liebes Kind, tief er, und verfprich mir, meinen Willen zu erfüllen, wenn ich nicht mehr bin. Ich will's, erwiederte Adel— heid, indem fie ihm ihre Hand reichte. So verſprich mir, dem Manne Deiner erfien Liebe zu entfagen, denn ev ift der Sohn eines Mannes, der mich einft bitter
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beleidigt. Hab' ich es nicht gethan, lieber Vater, jagte Adelheid — ich habe ihn feit jener Stunde nimmer gejehen — aber warum foll er den Haß ent- gelten, den Ihr gegen feinen Vater traget ? habt Ihr ihm nicht alle Liebe erzeigt, al8 er nach Külfe bes dürftig zu Euch gebracht wurde? Wohl, ich Habe ihn nie gebaßt, fprach Graf Conrad, ob er gleich mir wehe gethan, Daß er Deine Liebe mir geſtohlen, und mit Undanf meine Gaftfreundfchaft gelohnt bat. Ach mein Vater, fehluchzte Adelheid, er Hat die Liebe eurer Tochter nicht erfchlichen, mein Herz hat fich felbft ihm zuge: wandt, weil ich ihn für einen edlen Mann erfannt habe. So, rief Graf Conrad, und man fah, daß er im Inneriten bewegt war — er bat Deine Neigung nicht erjchlichen, es ift Deine eigene Schwachheit ge— weien? fo kann ich ihn nicht Haffen — doch kannſt Du nie die Seine werden — gelob' e3 mir feierlich, meine Tochter, Daß Du ihm auf immer entfagen willft — er faßte ihre Hand, inden er alle Kraft zufammen- nahm, und erhob fie in der feinigen — gelobe mir, rief er heftig, als Adelheid noch zauderte, gelobe mir, dag Du nie die Gattin eines Mannes werden molteft, denn ich und Deine Mutter Haben Dich — Graf Conrad fonnte feine Rede nimmer vollbringen; er ſank auf fein Lager zurück und fprach nimmer. Weinend warf fich Adelheid über den Sterbenden: ich will es geloben, rief ſte, ich will es geloben! — aber der Pater hörte nimmer Den Schwur Der Tochter, nur fen brechendes Auge war auf fie gerichtet. Ach! daß
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Adelheid den Schwur nicht hielt, den fie jo ſpät ges ſchworen! i Nur wenige Wochen waren vorüber, nachdem Graf Conrad zu feinen Vätern verfammelt war, fo fand fich ein Gaft auf der Burg ein, den Adelheid ſchon lange nimmer gefehen hatte, Er fam in Begleitung des Grafen Emicho und feiner beiden Söhne — es war der Junkherr vom Schwarzwald, der jet öffent» lich und ungefcheut um ihre Sand warb. So lange der Graf Conrad am Leben war, hatte er es nicht gewagt, auf die Burg zu kommen, zumal, nachdem Luitgarde ihm bedeutet Hatte, wie miffällig Das Ge— ftändniß der Tochter von dem Vater aufgenommen worden war, ja er hatte feitdem nicht einmal mehr die Burg Wirtemberg heimgeſucht. Wie nahm aber Adelheid Die Werbung des jungen Ritters auf, Der, jeit jte ihm nicht mehr gefehen, noch männlich fchöner geworden war? Cie ſprach Anfangs Nein — und wies auf das ſchwarze Kleid, Das fie noch trug in der Trauer um den geliebten Vater. Endlich gab fie dem Zureden des Oheims und ihren beiden Vettern nach und wollte e3 bedenken. Ihr Herz bedurfte Feiner langen Bedenkzeit — der liebevolle Bli des treuge- bliebenen Geliebten Hatte in ihrem Herzen Die alte noch frühere Liebe wieder rege gemacht, welche nur zurück— gedrängt war, aber nie ganz aufgehört hatte. Adel— heid vergaß ihres Schmurs, Den fie vor dem ſchon ge= Ichiedenen Vater gethan. Ehe der Junkherr vom Schwarzwald mit feinen Begleitern die Burg verlieh,
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erhielt er des Fräuleins Sawort, und als er nad Aween Monaten wiederfehrte, wurde Adelheid von Beutelſpach fein eheliches Gemahl.
Adelheid war eine glückliche Gattin, das Glück ihrer She wurde erhöht, als fie ihrem Gemahl verfündete, dag fie fich Mutter fühle. Ach, Daß dieſes Glück nur furze Zeit dauerte. Sie ging ſchon im achten Monate, da Äuferte fie gegen ihren Gemahl den Wunſch, ſie möchte ihre Verwandte Luitgarde auf Wirtemberg wiederfehen. Nie hatte ex ihr einen Wunfch verfagt, auch dießmal willfahrte er feiner Gemahlin. Er wollte fie felbft auf Burg Wirtemberg begleiten, "und auf dieſem Wege zugleich eine Beſitzung befuchen, die ihm jein Vater erft in jüngfier Zeit abgetreten hatte. Leu— pold, der alte Diener des Grafen Conrad, den Adel— beid von der elterlichen Burg mit fich genommen hatte, war der einzige Begleiter des Ehepaars. Als fie nahe dem Ort ritten, den Adelheid miit ihrem Oatten zum erften Mal beiuchen wollte, rief Leupold: gnädiger Herr! das ift ja der Ort, ob dem fich zwiſchon mei⸗ nem ſeligen Herrn und eurem Herrn Vater eine Feind— ſchaft erhoben, daß ſie nie mehr einander gut geworden, denn Jeder glaubte ein Recht darauf zu haben. Sie ritten weiter vorwärts, bis ſie die erſte Hütte des Hofs erblickten — der geſchwätzige Alte fuhr fort in ſeiner Rede, indem er ſich zu Frau Adelheid wandte: hieher ritt ich mit Eurem Vater ſelig, damals, als Ihr noch ein Kind todtkrank geweſen ſeyd, und dort an der Linde ſtieg er vom Pferde, ſtreckte die Arme gen
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Simmel, um Eure Genefung flebend, und da bat er vor meinen Ohren das Gelübde gethan, er wolle Euch dem Simmel weihen, aber — der Menſch denkt's und Gott lenkt's — wär’ auch Schade geweſen, wenn Shr eine Nonne geworden mwäret. O Gott, rief Frau Adelheid, ebe noch Keupold ganz ausgefprochen, warum haft Du wir das nicht früher gefagt? Mit Diefen Worten fanf jie todtbleich ihrem Gemahl in Die Arme, Der Dicht neben ihr ritt. Man war an der Linde angefommen: Leupold fprang vom Pferd und nahın Die Todtfchwache aus dem Arme feines Kern, und legte fie fanft im Moos der. Linde nieder. Kauf, was Du laufen fannft, rief der Nitter dem Alten zu, und hole Wafler aus jener Sütte. Der Alte tripvelte von Dannen, während Adelheid in des Gemahls Schoß lag — ſich Freifend und wendend in Geburtswehen. Der Alte verzog, Da fprach Adelheid mit ſchwacher Stimme: hol! Du mir einen Trunk Waffer, mein Lieber. Er ging, fuchte ein Bächlein auf, füllte damit feine Jagdflafche und eilte der Gemahlin zu. Während er ein Bächlein auffuchte, gebar Adelheid ohne Hülfe einer Mehmutter. Als der Gemahl den Labetrunf herbeibrachte, hielt fie ihm ein Tiebliche® Mägpdlein entgegen. Er nahm es freudig in feine Arme; es war das Ebenbild feiner Mutter. Gott lohn' Dir deine Treue! fagte Adelheid, und fie blickte liebevoll den Gemahl an, aber Todtenbläffe überzog auf einmal ihre Angeſicht — ich fterbe — ihre Stimme wurde immer fchwächer — lebe wohl mein Beliebter — fie bot ihm Die Hand mit fchon brechen- 16
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dem Auge — dort auf Wirtemberg mein Grab in der Ka —. Sie fonnte das Wort nimmer aus— iprechen, neigte ihr Haupt an die Bruft des Gemahls, der mit der echten jte umfchlungen hielt, während er Das Töchterlein mit dem linfen Arm an fich drückte — amd entjchlief zu einen beffern Leben. Mutter und Kind in den Armen baltend, und im ftummen Schmerz fand Xeupold feinen Herrn. Mit ihm kamen die Bewohner der Hütte. Man brachte Alle, Vater, Mutter und Kind, in Die Hütte. Erſt dort ermwachte der faft Lebloſe, und goß feinen beißen Schmerz in Thränen aus. Noch an demjelben Tage wurde Adels heids Leiche auf Die nicht ferne Burg Wirtemberg ge- führt. Yuitgarde, die treue Freundin, die jo lang nach der Geliebten fich geiehnt hatte, ſah ſie wieder, aber e8 war eim jchmerzliches Wiederfehen. Am dritten Tage wurde Adelheid' eingefenft, wie e8 ihr Ießter Wille gemefen — an dem Orte, da fie den Bund ges Ichloffen, bei dent des Vaters Gegen nicht gewefen.
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XVIII. Ruine Montfort (Sangenargen)
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Eine der fohönften Ruinen am herrlichen Bodenjee ift Sangenargen, das man fonft auch Schloß Montfort nennt nach feinem Erbauer, dem Grafen Wilhelm von Montfort. Die Schloßruine liegt äußerft nialerifch auf einer Inſel im See, genannt Argen, die jedoch längft durch einen Danım, welcher beim Abbruch des Schloffes durch Den Schutt gebildet wurde, mit dem Orte Lane genargen verbunden if. Da das Land, vor deu Die Eeine Infel liegt, hier eine ftarfe Ausbeugung in Den See macht, und Langenargen faft in der Mitte am oberen See liegt, jo bildet die Nuine einen Ausficht3- punft, der unftreitig den erſten Nang am Bodenjee einnimmt. Im feiner größten Breite dehnt fich der See vor dem Blicke aus, und kann von dem einen Ende bis zum andern überfchaut werden, was auf dem Standpunkt Friedrichshafen weniger der Fall if. Im duftiger Berne erblickt man bei heiterer Witterung jen- jeit8 Die ſchönen Schweizerufer mit ihren herrlichen Städten und Dörfern, mit ihren Schlöffern und Bur— gen, in ihrem Rücken erheben fich Die grünen Vorberge von Appenzell und St. Gallen, hinter ihnen der hohe Säntis, und fofort die entfernteren Alpenfetten mit ihren ewig befchneiten Häuptern. Wie durch feine teis
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zende Lage, fo ift das Echloß auch Durch jeine Geſchichte merkwürdig. Seine Ruinen führen den Beichauer mit Einem Blif von einem Zeitabſchnitt in Den andern zurüf. Während mitten in den Ruinen und jelbft als Ruine die Schale des in fpäterer Zeit erſt erbauten Schlojjes ich erhebt, weißt ein andrer auf eine alt— deutiche Burg und Veſte des Mittelalters, ein dritter aber noch auf ein Römiſches Bauwerk. Wie Bregenz, Lindau und Wafferburg, fo war auch die Infel Argen einft einer der feften Bunfte, auf welchen die Römer feften Fuß gefaßt haben, und es follen. bier lange noch zwei mächtige Ihürme geftanden haben, Die man für ein Römerwerk erfannte. Auf dem Grund Ddiefer rö— mifchen Befeftigung wurde fpäter eine Deutjche Burg gefeßt. Aber auch fie unterlag den Stürmen der Zeit. Es ift lange von feiner Burg Langenargen mehr Die Rede, bis Graf Wilhelm von Montfort, welcher als Statthalter und Hauptmann Kaifer Ludwigs des Baiers in Mailand groß Gut in die Heimath gebracht hatte, auf den Grund der alten, faft zerftörten Burg in den Jahren 1332—1343 eine neue erbaute. Zu gleicher Zeit errichtete er nicht ferne Davon einen Münzhof, in dem filberne und fpäter fogar güldene Münzen geprägt wurden, denn die Grafen von Montfort hatten von alten Zeiten ber das Münzrecht. — Noch im 30jäh- rigen Krieg galt Schloß Langenargen für eine bedeu- tende Veſte. Im Jahr 1647 rückten Die Schweden unter General Wrangel vor dieſelbe; Der Eaiferliche Gommandant verließ fie feiger Weiſe, und wurde Das
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für ın Lindau enthauptet. Darauf befeßten Die Schwe— den das Schloß, und hielten es inne bis zu dem Jahr 1649. Eine während diefer Zeit aufgemorfene Schanze, wo jebt das Gärtlein angelegt ift, heißt noch die Schwe— denſchanze. Auch ein Hof Schwedi hat Durch feinen Namen noch das Andenken an die Schweden erhalten. Im Jahr 1720 Tieg Graf Anton von Monfort die Feſtungswerke abbrechen, das Schloß aber, fo von dem tobenden See ziemlich übel zugerichtet und ruinirt wor— den, neu herftellen. Graf Ernft legte dem Schloß ge genüber einen prachtvollen Garten mit einer auserleſe— nen Orangerie an, that auch fonft Viel zur Verſchö— nerung des Drtes, fo daß unter ihm Langenargen ſich zu einer der herrlichſten Orafenfite am See erhob, wo noch im Jahr 1744 die glänzendften Feſte gefeiert wurden. Auch ein Zeughaus mit den feltenften Rüftun- gen und Waffen war in dem Schloffe. — Im Jahr 1783 fam die Burg Argen mit Zugehör an Oeſter— reich; da wurde Die reiche Rüftfanımer ausgeleert und die jeltenen Waffenftüce wurden nach Insbruck geführt, und son da wohl nach Ambras. Im Fahr 1805 fiel Lan- genargen an Baiern — Da wurde fein 2008 ein trauriges. Die bairifche Regierung verkaufte Das noch mwohlerhal- tene Schloß im Sahr 1809 an vier Bürger des Städt- ben: auf den Abbruch um die elende Summe von 2100 Gulden, und diefe begannen das Werk der Zer— flörung. Als jedoch im mächften Jahr Langenargen an MWürtemberg kam, mußte auf ausdrücklichen Befehl König Friedrichs Der Abbruch des Schloſſes eingeftellt
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werden. So wurden wenigftens die Nuinen des Schloj- ſes als eine romantifche Zierde Der Gegend erhalten. — In neuefter Zeit hat unfer vielgeliebter König Wil helm die Ruine Langenargen als Eigenthum erworben, und wir hegen die freudige Hoffnung, daß er Die Durch schöne Lage wie durch ihre Gefchichte wichtige Ruine aus ihren Schutte erweden, und vermöge feines Kunft- finns zu etwas Schönem umgeflalten werde, Damit Langenargen und Friedrichshafen ebenbürtige Nachbarn iverden.
Dem Gefchlechte der alten Befiter des Schlofjes Zan- genargen gehörte jener ritterliche Graf von Montfort an, von dem uns der. jagenfundige Thomas Lyrer von Rankwyl eine denfwürdige Mähre berichtet.
Der Graf von Miontfort.
Zu Derfelbigen Zeit — wann? Das gibt Der alte treuherzige Chronift nie an bei allen feinen Gefchichten — da ift gemwefen ein mächtiger und edler Herr von Montfort, und ift ein ritterlicher, frommer und mann— bafter Mann gewelen. Der ift um der Ehre willen und der Nitterfchaft nach in ferne Lande ausgezogen, und fam an des großen Kaiſers Hof, des Chans zu Cathay. Da Hat er fich etwie viel Zeit gar ritterlich und wohl gehalten. Indem da hat fich eine Sache begeben, daß Die Frau des ehgenannten Kaiſers außer ihrem ehlichen Gemahl einen andern liebte und ausers wählte, um Kurzweil mit ihm zu haben. Das wollte
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einen Ritter am Hof gar fehr verdrießen, und Die Kö— nigin war bei ihren Gemahl verklagt. Nun ift dazu— mal an dem Hof und in dem Lande Sitte gemwefen, daß eine jegliche in Unehren bezüchtigte Frau mit einem rittermäßigen Manne im Kampfe gegen den Bezüchter fich verantwörten und die Schuld von ihr bringen mußte. Das war alfo auc ihr von dem König auferlegt. Nun war die Königin in großem, fchwerem Leid, und wußte Niemand an ihrem Hof, den fie darum erfuchen und auf den fie Treu uud Glauben jegen möchte. Da fam ſie an den Grafen von dem Rothenfahn mit hohen Ermahnen und Erfuchen in Tieblichen jchönen und guten Morten, auch mit Berühmen der deutfchen Artigfeit im Srauendienft, und bat ihn zugleich um aller Frauen Zucht und Ehre willen: ob ihm je eine Güte oder Breundlichkeit von einer Frau gefchehen wäre, oder ihm fünftighin gefchehen follte, fo möchte er ihre Ehre und guten Leumund gegen den bösartigen Chrabfchneider, ihren Widerpart, im Kampf in Schuß nehmen. Der fromm ritterlich Graf bewies fein Mannheit und fein adelich Gefchlecht und gewährte der Königin ihre Bitte ; dadurch ließ fie all ihr Trauern ſchwinden, ihr Herz erhob fich zu großen Freuden, und fie nahm mit großer Dankbarkeit und in Gnaden fein edles Anerbieten auf. Doch verlangte er von ihr bei ihrer Königlichen Treue, ihm die Wahrheit zu fagen, fo er eine Frage an fie thäte. Da fragte er fie: ob fie der That, die man fie zeihe, fchuldig wäre, oder nicht? da fagte fie ihm: ja, fie wäre derfelben ſchuldig. Da fagte er ihr zu: nicht
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defto minder wolle er denn auch um ihrer Ehre und feiner Zufage willen kämpfen.
Soldyer Kampf ward durch den König fürgenommen und angejchlagen. Der fronm ritterlich Graf fanımelte jein Gemüth, und bat den allmächtigen Gott und feine liebe Mutter, fte möchten um alle Fromnten Ehr mil: len Sülf und Beiftand thun; dann befann er fich jchnell, zum Kampf gegen den Feind der Königin in den Kreis zu treten. Als er nun in den Kreis fan, um fi im Kampf gegen den Ritter der Königin we— gen zu wehren, Da gedachte er des Geftändniffes und war erfchrocen; er wich zurück und floh eine Zeit lang vor dem Gegner. Das verdroß den Ritter ihm ges genüber, er wandte fich mit Scheltworten an ihn und jchrie: ei du Böſewicht, du fleuchſt? Das ging dem Grafen zu Herzen, er rechtfertigte fich gegen ihn und fprach: Du lügſt und biſt an dir ſelber; ob Goit will, ſo will ich heute mein Ehre und Frömmigkeit an dir kund machen und dich mit der Hilfe Gottes zu Tod ſchlagen! Da gewann er den Sieg, ſchlug den Ritter zu Tod und rettete alſo der Königin ihre Ehre. Das kam der Königin zu großem Gut, alſo, daß es nicht unbillig war, wenn ſie ſich gar erbot, nach ihrem Vermögen ibm zu vergelten, und ihm viel Haab und Gut zu ges ben. Deffen weigerte er fich und begehrte Feine zeit— liche Haabe dafür, denn er hatte Alles um unfrer lieben Frau und aller Frauen Ehre willen gethan. Nun aber hatte die Königin ein Tuch, Das war, als unjer Herr Chriſt vom Stamme des h. Kreuzes geftorben ab»
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genommen ward, unter und über ihn gelegt worden. Um das bat er ihr Eönigliche Gnade, e8 ihm zu ges ben und Nichts Andered. Da gab es ihm die Königin mit großen Ehren und hohem Erbieten, feine gnädige Frau bleiben, zu wollen. Alſo Fam er hinweg, und nahm Das Tuch mit ihm und fam an das Herzogen von Savoyen Hof, da ift er geblieben, Seine ritter- liche That an der Königin Hof aber ward ihn und allen feinen Nachkommen zu Lob und Preis immer und ereig angefchrieben. Deffen fich ein jeder rittermäßiger Mann wohl freuen mag; auch daß man fchönen Frauen deſto eifriger dienen möge, um den Lohn zu empfahen, den fie zu geben haben.
XIX. Hohen-Menfen.
Der Bergfegel, welcher auf feiner Spige mit fühnen Velfen und den noch Fühneren und großartigen Ruinen von Hohen-Neufen gefrönt ift, fleigt vom Neufes ner Thal auf, und hat an feinem Fuße Weinberge, Acker, etwas höher Maiden und Wälder. Das obere Drittheil des Berges ift, mit Ausnahme einer neuen Eleineren Tannencultur, vom Walde frei und zeigt weite - hin durch Schwaben den großen Umfang der ehemaligen
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Feſtungswerke. Der höchſte Punkt der Burg liegt über der Stadt, 1292 Fuß über dem Meere, 2555 (2298 Barifer. Fuß). Bon der eigentlichen Alb ift der Berg— fegel durch eine Fünftlich vertiefte Einfattelung getrennt. Die Landzunge, welche die Alb ſüdlich mit den Ho— hen-Neufen verbindet, ift in der Nähe Der Burg ziem— lich fchmal, und zeigt an einer Stelle einen noch ſchma— leren, über Felſen fünftlich angelegten Uebergang. Hat der Befucher die Landzunge hinter fich, fo befindet er ſich an der Gtelle eines Glacis, hinter welchem ſich Vor— werfe terafjenförmig erheben. Zur vechten Seite führt der Weg zur Burg. Derfelbe Hatte an verfchiedenen noch jest erfennbaren Stellen Zugbrücden. Zur linfen Seite dieſes Weges find Die Cingänge zu drei Vor> werfen. Im einen Graben dieſer Feftungstheile befindet fich eine merkwürdige, auf dieſer Höhe nie verfiegende Duelle. Diefe Vorwerke, in welchen fich Gewölbe und ein Thurm befinden, trugen einfl den Namen würt— tembergifcher Fürften. Unter einer großen Baftion, zu welcher und aus welcher Zugbrüden führen, geht ein gewölbter Gang durch, welcher den Weg weiter führt. Nach Ueberſchreitung dieſer Parthie kommt man, links ſich haltend, um einen gewaltigen runden Eckthurm, deſſen Baſis in Felſen gehauen iſt. Ueber die Stellen, wo früher eine ſteinerne Brücke führte, geht jetzt ein Weg mit Schranken, der auf die Höhe eines andern gewaltigen Eckthurms führt. An derjenigen Stelle, wo über dieſem Weg an den Ruinen ein neues Mauerſtück eingeſetzt ift, überragte Die Wohnung der Offiziere Die
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Brücke. Don den Rondell des legtgenannten Thurmes aus führt eine Pforte in das Innere der Feſtung. Ueber und zu beiden Seiten der Pforte befand fid) die Kaſerne für Die Befakung. Dieſe Kaſerne ließ in Die= ſem Raume nur einen Kleinen Hof übrig. Am öftli- chen Ende der Kaferne war die Slirche, deren Glocken in dem benachbarten Weiler Tifchardt, und deren Ors gel auf dem Rathhauſe in Neufen ſich befinden. Die Gewölbe, welche man in diefen Räumen fieht, waren unmittelbar unter der SKaferne. Verläßt man diejen Raum und fteigt nach rechts weiter empor, jo gelangt man in den obern jehr geräumigen Schloßhof. Ueber dem Eingang und weiter nad) rechtd (in einem rechten Minfel) war die Wohnung des Kommandanten. Neben dieſer Localität und gegen Weſten, da wo jich in Den Auinen noch die hohen Gibel befinden, war das Zeug- baus, unter welchem ein noch gut erhaltener Keller fich befindet. Außer den zum Schuße nöthigen Waf— fen enthielt diefes Zeughaus eine Sammlung interejs fanter Waffen. An das Zeughaus reihen fich linfs und etwas höher gelegen zwei Burgverliege an. Das Volk bezeichnet eines davon als dasjenige, in welchem Süß Oppenheimer gefefjen fey. Die von der Mauer freie weftliche Seite des obern Schloßhofes bildet eine Terraffe ; Diefelbe gewährt von seiner Art Erfer aus eine prachtvolle Fernficht. — Eine kleine Brücde, welche noch fteht, führte vom öftlichen Theil des Schloßhofes in den Garten des Kommandanten. Rechts von Diefer Brücke, innerhalb des obern Hofes und neben der
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Mohnung des Commandanten, befand fich das Staate- gefängniß. Un diefes reihten fich im Halbfreife Ma- gazine, Werkftätten und Stallungen an. Der vordere Theil des ziemlich großen Gartens des Gommandanten bietet als höchfter Theil der Feſtung eine herrliche Rund— ſchau. Die weiteren Räumlichkeiten, Thürme, Gänge, Umfangsmauern dienten zu Kriegszwecken und erklären jtch leicht von felbft. Vor Erfindung des Schießpulvers nahm Die Burg wohl nur denjenigen Raum ein, wel chen Das Felfenplateau darbietet. Der Eingang in Diefe alte Burg fand wabhrfcheintih von Süden aus über eine Zugbrüde flatt, welche in den ſüdöſtlichen Thurm führte. Diefer zeigt noch heute in ziemlicher Höhe, einer Felſenerhöhung gegenüber, em nun zugemauertes Thor. Im übrigen ftanımen die Werfe von den Her— zogen Ulrich, Chriftopb und Earl Ulerander. — Die Ausficht auf Den ebengerannten Punkten ift von einer in Württemberg kaum anderswo gefannten Schönheit, und läßt fich eher bewundern als beſchreiben. Rechts erhebt fich Die Teck und etwas ferner ragt der Hohen— ftaufen herüber. Die Kapelle der Stammburg Würt- temberg glänzt von Dem rebenbefränzten Necarthale herauf. Die Schlöffer Asberg, Hohenheim, Golitude und eine Anzahl Dörfer und Städte liegen vor dem Befchauer in einem gewaltigen Salbfreis, der im fer nen Welten vom Schwarzwald eingerabmt wird. Linfs schaut Der Thurn der Achalm herüber, hinter ihr birgt ſich Die Gegend des Kichtenftein und der Nebelhöhle, und noch weftlicher Der durch Vorberge verdeckte Zol⸗
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lern. In der Richtung nah Süden wollen einige ſchon die Alpen gefehen haben. Wenn diefes aber auch nicht wahrfcheinlich it, fo ſchließt ein Blick auf Die Alb ein Banorama, welches felten feines Öleichen hat. Befonders herrlich ift Die Ausficht auf Hohenneufen, wenn man in der Zeit vor Sonnenaufgang die Veſte befteigt, und mit den erjien Strahlen der aufgehenden Eonne .die Nähe und Ferne betrachtet, Die wunderbar verherrlicht von goldenen Lichte vor unfern Augen liegt.
Von der’ ſchönen Natur wenden wir ung zur Ge— ichichte der Burg, Die fo oft und trefflich bejchrieben worden, Daß wir wenig bier Neues mehr geben fönnen. — Schon ©. Schwab erwähnt der Sage, daß die Vefte Neufen römifchen Urfprungs fey, feheint aber wenig Gewicht darauf zu legen ; dagegen hat ein fcharffinniger
und gefchichtsfundiger Gelehrter neuefter Zeit, Dr. A. Doll zu Neufen, in feinem mit Necht als trefflic anerfannten Büchlein (Hobenneufen und Hohenurach mit ihren Umgebungen. Urach 1859), aus dem wir Die vorangehende Schilderung des Bergs und der Ruine wörtlich entlehnt, Diefe Sage wieder aufgenommen, und fie einigermaßen Hiftorifch begründet. Die Landzunge, welche die Veſte mit der Alb verbindet, führt auf ein Gebirgs - Blateau, welches wegen feines fteilen Abfalls nach drei Seiten für die Nömer als firategifcher Anz baltspunft gelten Eonnte. Wälle und Gräben, weldıe die wenigen gefchügten Punkte deckten, find noch heute bei Erfenbrechtsweiler, Burrenbof und Grabenftetten fichtbar, und wurden längft für beidnifches Werk an—
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gefeben. Dom Nedar aus führten römijche Straßen zu diefer Alb-Befeftigung, und Hohenneufen, das weithin die Gegend überragt, war eines ver Vorwerfe, eine Marte oder Eaftell, wie wir fie häufig auf den Ge— birgsvorfprüngen des alten Zehentlandes von Alleman— nien finden. Römiſche Münzen, Gelten= oder Germa— nengräber,, die in der Nähe von Neufen aufgefunden werden, möchten wir für weniger triftige Beweiſe eines römifchen Urſprungs von Hohenneufen halten. Die erſten urfundlichen Beftger und wohl Erbauer der Burg Meufen Flammen aus einem in Oberſchwaben hochan— jehnlichen Gefchlecht, den Grafen von GSulmetingen, deren Stammburg noch jegt in dem freundlichen Riß— thal im Dorfe Oberfulmetingen zu finden ift. Dort, auf der alten Burg Sulmeningen, faß ſchon im 10. Jahrhundert ein fchwäbifcher Graf, Namens Beiere, der drei Söhne hatte. Neginbald T 955, Adelbero, Goadjutor des H. Ulrich in Uugsburg, Manegold. Letzterer ift ohne Zweifel Der ältefte Stammherr Der Dynaften von Neufen. Er vermäblte ſich mit Mech- tild, der Tochter des Grafen Egino von Urach, und der mag ihm wohl beftinmt haben, fich in der Nähe feiner Anverwandten einen Stammfig zu gründen. Seine Kinder waren: Ulrich, Mönch im Klofter Zmiefalten, Mechtilde, Nonne in demfelben Klofter, und Eging, jo benannt nach feinem Großvater, der aber den Namen eines Grafen von Sulmetingen noch fortführte. Wann die Grafen von Sulmetingen auf Neufen anfäßig ges worden, ift nicht genau überliefert, aber zuverläßig be—
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reitd im der erften Hälfte des 12. Jahrhunderts. Ob Graf Manegold den Grund und Boden von Neufen durch feine Gemahlin ererbt oder erfauft, ift nicht über— liefert. — Nun folgt die ununterbrochene Reihe der Her— ren von Neufen, die fich nicht mehr von Sulmetingen, fondern von Niefen, und zwar nur Herren von Niefen nennen. - Wenn Egino, Mangolds Sohn, Graf von Nifen, im Jahr 1190 als Zeuge genannt wird, jo kann er wohl Vater Bertholds L. von Neufen gemefen feyn, der vom Sabre 1198 —1219 vorkommt. Er war, wie Alle feines Namens nad) ibm, ein ungers trennlicher Sreund und Kriegsgefährte der Kaifer vom Haufe Staufen. Durch feine Verbindung mit einer reichen Erbin, der Tochter Graf Adalbert3 von Achalmı, wurde er Befißer der Graffchaft Achalm. Faſt gleich- zeitig mit ihm erfcheint Heinrich von Nifen, der mit Anfelm von Suftingen von Reichs wegen nach Italien fuhr, und den jugendlichen Bringen Friedrich von Staus fen zur Königswürde berief (im Jahr 1211.) Auch kommt um Diefelbe Zeit ein Berthold von Nifen vor, der im Jahr 1212 Kanzler Kaiſer Friedriche IL. ge— weſen, und im Jahr 1222 ala Bifchof von Briren geftorben. Söhne Bertholds I. waren Heinrich U. und Albert; fie waren meiftens im Hoflager K. Friedrichs, waren ihm zur Seite bei allen feinen Unternehmungen in Stalien und begleiteten ihn, den Bannfluch mit ihn tragend, nach Paläſtina, wo ſich Friedrich felbft Die Kaiferfrone auffeßte. Noch häufiger kommen fie vor bei Friedrichs Sohn K. Heinrichs VIL., beſonders wurde
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Seinrich von Nifen viel von legterem gebraucht. Diefer Heinrich U. von Nifen muß zu feiner Zeit ein wich- tiger Mann gewefen ſeyn, denn der gleichzeitige Chro— nift Albertus Bohemus fagt von ihm im Jahr 1240, er. jey einer von den Mächtigeren und Edleren des Lan- des, er verftehe Die Grammatif und fehr gut Das Fran— zöfiiche. In einer Urfunde vom Jahr: 1241 nennt er fih Heinrich, von Gottes Gnaden Grave von Nifen. Seine Söhne waren Seinrich III. und Gottfried. Beide lagen in Fehde mit Bifchof Heinrich von Conftanz ; im Sabr 1255 am ©. Albanstage fam es im Schwig- gerthale (unterhalb Mesingen) zu einem Kampfe, in dem der geiftliche Krieger über Die ritterlichen Herren Sieger wurde. Die beiden Brüder nebft 40 andern Rittern und Edelfnechte wurden gefangen. Zum Danf gegen Gott ob. des verliehenen Siegs, bejchenfte Der Bifchof noch im Feldlager Die Marienfapelle zu Reut— Iingen, welche dem Kloſter Marchthal gehörte, mit al- lerlei Rechten. Später finden wir die beiden Gebrüder von Nifen abermals in einer Fehde mit dem Bilchof son Speier, und mitthätig bei Verwüflung des Etifts Badfnang. Gottfried ift der Durch feine Lieder berühmte Diinnefänger und erfcbeint in Urkunden von 1234— 1254. Sein reifes Alter fällt genau in Die Periode des Mittagsglanzes der Dichtfunft in Der Zeit Der Staufer. Seine Lieder, Die ein ganzes Bändchen füllen, find ausgezeichnet Durch Anmuth der Form, durch Künftlichkeit und Zierlichfeit Der Reimſpiele, bewegen fih im engen Kreife der Gedanken und Ausdrücke. Der
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ichöne Wald, des Frühlings Pracht, der grüne Anger, die Blumen der Wiefe, der Vögelein füßes Singen, der rotbe Mund der Geliebten, der an Glanz und Frifche mit der thauigen Roſe wetteifert — das ift der Gegenftand feiner Minnelieder. Mit Hecht feiert der edle Sänger die ſchöne Natur, denn ſah er fie nicht von feiner Burg in fo heiterem Glanze vor fich liegen Noch heute heißt im fühlen Thale, in das er mit feinen Windhunden binabritt, die Umgebung feines Guts „das Frauenhardt.“ In der pergamentnen KHandfchrift der Minnefänger zu Paris ift Gottfried von Nifen dargeftellt auf offenen grünem Feld, jugendlich, mit güldnem Kranz aufden Lo— fen, in grünem goldgefäumten Rocke und rothem, pelzge— füttertem Ueberfleid; er bietet die Nolle feiner Lieder einer Frau dar, welche ihm den Rücken wendet. Aber im blauen Felde hängen drei jilberne Jagbhorker mit rothem Band über einander — das angeborne Wappen des Geſchlechts. — Erſt im Jahr 1253 ſcheint Gott— fried die Frau ſeines Herzens gefunden zu haben; ſie hieß Mechtild und zeigte ſich mit ihm wohlthätig gegen das Kloſter Maulbronn durch eine Spende von Wein und Weizen für die dortigen Mönche. Gottfried zeugte mit Mechtild einen Sohn, der die alte Linie des Ge— ſchlechts zu Hohenneufen fortſetzte. Gleichzeitig mit ihnen erſcheint ein Berthold III., mit dem eine neue Linie des Haufes beginnt. Diefer heirathete Jutta, die einzige Tochter und Erbin Gottfrieds, des Grafen von Marftetten. Damit erhielt Berthold die Würde und den Namen eines Grafen von Marftetien, melche feinen
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Nachkommen verblieben, die fpäter im Jahr 1326 auch die Graffchaft Graifpach (links der Donau unterhalb Donauwörd) noch erhielten. Berthold, der fich von nun an immer Graf von Marftetten nennt, hatte zwei Söhne, Albert I. und Berthold IV. Berthold III. und fein Sohn Albert begleiteten den unglüdlichen Conradin von Schwaben nach Italien, um ihm das Erbe der Vater erobern zu helfen. Wahrfcheinlich nahm Berthold, Graf von Marftetten, feinen Wohnfiß auf der Burg Maritetten an der Sller, deren bedeutende Trümmer noch ihre ehmalige Größe verfündigen, feine Söhne aber blieben vielleicht auf der. alten Stammburg Niefen, von der ſie fich immer noch nennen. Nach ihnen tritt Rudolf, der Sohn Gottfrieds des Minnefängerd, auf, der die alten Stammgüter, ald Neufen, Nürtingen, Min ben, Blankenhorn und Güglingen im Zabergau, int Beſitz hat. Diefer zeugte einen Sohn Berthold und eine Tochter Luitgarde, welche letztere jich mit Herrn Conrad von Weinsberg vermählte. Da Berthold Feine Nachkommen hatte, fo wurde fein Schwager Erbe der Kerrfchaft, Die er aber fchon im Jahr 1301 an Oraf Eberhard den Erlauchten von Wirtemberg verkaufte. Die jüngere Linie Neufen-Marftetten blübte bis in Die Mitte des 14. Jahrhunderts. Berthold VIL., der Trä- ger diefer Linie, ftand bei Kaifer Ludwig dem Baier in großem Anſehen; er wurde fein erfter Rathgeber und Hauptmann in Baiern, al8 welcher er Vollmacht hatte, an Ludwigs Stelle zu fihalten und zu walten. Sm Jahr 1323 übertrug er ihm die Statthalterfchaft
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in Stalin. Der Kaifer ließ feine Treue auch nicht unbelohnt, denn er befchenkte ihm reich mit Geld und Ländereien. Berthold vermäbhlte fich mit Agnes, Schwe— fer des Burggrafen Johann von Zollern-Nürnberg ; aber dieſe gebar ihm nur drei Töchter: Zwei von die— fen gingen ing Klofter, eine aber, Anna genannt, war fo hoch geehrt, daß Friedrich von Bayern, Cohn Her— zog Stephans, fie zur Hausfrau erforen. Durch fte erhielt Haus Wittelfpach das reiche Erbe von Neufen, Unna von Neufen zählen wir fomit unter die Ahn— frauen des bairiſchen Königshauſes.
Nun noch Einiges über die Schieffale der Veſte Ho— benneufen. Der erite, der fie im Jahr 1311 aus Auftrag des Kaiſers berannte, war jener Conrad von Weinsberg, der fie noch im Jahr 1301 als eigew be- jefien hatte. Nur die Stadt Neufen, aber nicht die - Veſte, Eonnte Conrad erobern. — Als die Grafen von Wirtemberg in Jahr 1361 das Rand theilten, da ers hielt der ritterliche Eberhard der Naufchebart die Burg Kohenneufen zu einer Reſidenz, auf der er freilich nicht lange Ruhe hatte. Ber einer fpäteren Theilung, die aber Eberhard in Bart wieder aufgehoben, hatte Neu— fen die Beftimmung, feinen Namen einer Hälfte des Landes zu geben, denn es zerftel in WirtembergeNeufen (Stuttgart) und in Wirtemberg-Urach. Unter Herzog Eberhard II. wurde Neufen zum erften Mal der Ver— wahrungsort eines Staatsgefangnen. Holzinger, des Herzogs Schlimmer Rathgeber und Kanzler, wurde auf Neufen in Saft gelegt; ihm folgte bald (im Jahr 1512)
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ein geiftlicher Würdeträger, Abt Georg Piscator (Fifcher) von Zmiefalten. Herzog Uleich Tieß ihn auf Neufen fegen. Der Vogt und Forjtmeiiter Belz, ein Schwager des berüchtigten wirttemberg. Kanzler Lamparter, jtarb
im Ihurm auf Neufen, weil der Herzog ihn im Ver—
decht hatte, er fey in den Händeln megen des ermorde- ten Hand Hutten gegen ihn gewefen. Conrad Breu— ning;' Dogt zu Tübingen, ſaß gleichfalld im Kerker zu Sohenneufen ; er mußte Dort Die Folter überftehen, und ward in Stuttgart enthaupter. Nach der Ver— treibung Herzog Ulrichs wurde auch Neufen mit an- dern Veſten vom ſchwäbiſchen Bund eingenommen.
Ulrichs Gemahlin Sabine wählte im Jahr 1520 ihren Sit auf Kohenneufen und fand während den Schreden
des Qaurenfriegs hinter den Mauren der noch gewal- tigen Veſte Schuß und Sicherheit. Als Ulricy nad der Schlacht bei Laufen im Jahr 1534 das Land fel- ner Väter wieder eroberte, übergab Der Burgvogt Ber- thold von Schilling die Vefte ihrem rechtmäßigen Seren. Gerade feierte Berthold Die Geburt feine erften Söhn— leind und war im Begriff, ihn zur Taufe zu tragen. Al2 der Serzog mit feinen Nittern und Reiſigen Die
Burg binaufritt, fand er die Brürfen herabgelafien und
das Thor offen. Bor dem Thore fland Berthold der Burgvogt, reichte demüthig dem Herzog den Schlüfjel der Burg, und erbat fich eine Gnade, Die der Herzog ihm gewährte: er trug das Söhnlein feines Dieners als Pathe in eigner Berfon zur Taufe. - Im Jahr 1609 Fam wieder ein wichtiger Gefangner auf Hohen-
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neufen, es war Matthäus Enzlin, der wirtemberg’fche Kanzler; von Neufen Fam er nach Hohen-Urach, wo bald darauf fein Haupt unter dem Schwert fiel.
Im 3Ojährigen Kriege bewährte Kohenneufen den Ruhm feiner Feftigkeit. Der Hauptmann Schnurm vertheidigte die Veſte gegen den faiferlichen General Gallas mit ungeheurer Ausdauer und Tapferkeit. Doch im Jahr 1635 wurde fie durch Aushungern eine Beute der Feinde, aber im weftphälifchen Frieden wurde Hohen— Neufen wieder an MWirtemberg zurücgegeben. Nach dem ZOjährigen Kriege hatte Hohen = Neufen keinen feindlichen Stoß mehr auszuhalten. Doch wurde jte in Jahr 1733 von Herzog Carl Alexander von Wir- temberg, dem auch Die Bergvefte Hohentwiel feine Bes feftigung zu verdanken hat, aufs Neue befeftigt. Die Merke, welche die Vefte gegen die Alb hin verteidigen follen, find hauptfächlich aus diefer Zeit. Er war in eigner Berfon auf der Veſte im Jahr 1734. Drei Jahre Darauf mußte fein unredlicher Minifter Jud Süß Dppenheimer in den Kerfer nach Neufen wandern. Seine Haft auf Neufen dauerte aber nur einige Wo— chen, von da kam er nach Asperg, und dann nach Stutt- gart an den Galgen. Im Jahre 1795, in der Zeit der franzöftfchen Nevolution, hatte die Veſte noch Dach und Fach, bot aber feinen drohenden, fondern vielmehr arımfeligen Anblick dar, denn nur 9 Invaliden bildeten die ganze Befagung. Als um jene Zeit der Gouver— neur dem Herzog Ludwig Eugen die feierliche Meldung that; auf der Veſtung Neufen ift Nichts Neues vor:
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gefallen! — da erhielt er vom lächelnden Herzog zur | Antwort: D, ich bin froh, wenn nichts Altes einge- | fallen it! Doch wurde auf Antrag der Stände —
bei den obfchwebenden ſchweren und ernften Zeitläuften — die Schleifung der Veſte befchlofien. Sie wurde jofort im Anfang dieſes Jahrhunderts abgetragen, denn die Zeit ihrer Bedeutfamfeit war vorüber. Es mag der Umgegend, befonders der Stadt Neufen, fein Leid
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geweſen feyn, ald die Mauern ihrer früheren Befchüßes |
rin fielen: fie hatte mit dem dazu gehörigen Amt Bisher Die fehr bejchmwerlichen Feſtungsfuhren zu ver— feben. — Das fogenannte Wahrzeichen der Veſte Neufen war ein Eſelsfuß, der neben der zweiten Wache aufs gehängt war. , Die DVeranlafjung dazu fol dieſe ge—
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wefen ſeyn: Vor Zeiten wurde ein Efel zum Waffer- |
tragen gehalten, weil die Feſtung daran Mangel hatte. Ginft aber war fie fo enge eingelperrt, Daß die Beſatzung Den bitterftien Mangel litt. Da fütterte man den Efel von dem lebten Scheffel Gerfte jo reihlih, Daß er ftarb. Dann wurde fein wohlangefüllter Wanft über die Mauer binabgeworfen. Als Die Feinde, welche ſchon auf die Mebergabe der Stadt gehofft hatten, dieß ſahen, fchloßen fie daraus, daß die Befagung noch vollauf zu leben hätte, und zogen ab. Dem Ejel zum wohlverdienten Andenfen wurde einer feiner Süße auf— gehängt. Einft hatte ein gutes Weib von Linfenhofen mit einem dieſer Waffertriger Mitleiven und ſprach:
„Du armer Efel, haft du auch zu freſſen?“ und als fie
frank wurde, vermachte fie dem Ejel eine Wiefe, welche
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auch nachmals, als Fein Efel mehr gehalten wurde, der Commandant jährlich mähen und einheimfen Tiep. Dieß gefchah noch bis ins Jahr 1802, und die Wicfe führte den Namen Efelöwieje.
Hier noch Die romantische Gefchichte von der Verer— bung der Graffchaft Marjtetten an die Herren von Neufen, wie fie ein altveutfches Lied aus dem 15. Jahrhundert enthält, das unfer edler Ludwig Uhland in feiner trefflicyen Sammlung „Althochdeutſcher Bolfslieder” vom Jahr 1845 2. I. ©. 775— 733 gegeben.
Die Sage son dem edlen Moringer und dem Herrn von Neufen.
Im fehönen Schwabenland, am Ufer der Iller, Tebte in alten Zeiten auf der Burg Marſtetten ein veicher Graf, Gottfried von Marftetten, den man den edlen Moringer nannte. Er war reich an Tugenden umd erfahren in aller Ritterſchaft. Er Hatte viele Lande durchzogen, und manch Abenteuer erfahren, nur ein Land hatte er noch nicht erjchaut, Dad jo man nennet St. Thomasland. Das zu fchauen, darnach fand fhon lang feine ganze Schnfucht. Eined Morgens un den Hahnenſchrei rief er ſeiner Frau, und ſprach zu ihr; Herzliebe Frau, höre, mich verlangt in St. Thomasland zu ziehen, das hab’ id) längſt mir ge—
264 lobt, und nun will ich einmal mein Gelübd erfülien, denn Tag und Nacht hab’ ich Feine Ruhe, bis ich demfelben Genüge gethan. Darum, holde Frau, gib mir Urlaub, Daß ich ziehen mag, und barre meiner fteben Jahre. Da Sprach die Frau gar trauriglich : jaget mir, mein lieber Herr und Gemahl, wenn ihr von dannen ziehet, wer ift es, Dem ihr euer Land und Gut anvertrauet? und wenn auch das treu und gut verwaltet wäre, wer foll, lieber Herr, mein treuer
Pfleger jeyn, und wer foll Jutta, unſer zartes Töchter- lein, in feine Huth nehmen, bis Daß ihr wiederkehret von eurer Fahrt? Der edle Moringer tröftete fein boldes Ehegemahl und fprach : o traure nicht fo ſehr, du Liebe und Theure, Daß ich Yon-dannen ziehen will. Sch Habe fo manchen Ritter und Dienfimann, die von und Gut und Ehre haben: die werden dir im Treuen untertban feyn und dich in ihre Obhut nehmen. Das zarte Töchterlein werden und die frommen Klofterfrauen aufnehmen und erziehen ; ich will ihr dermaleins den Schleier felbft vom Haupte nehmen, und fie als folge Braut zum Altar begleiten. Auf Dich aber traue ich, daß du deine Ehre wohl bewahren wirft, wie Alle, die deinem Gefchlecht entfprofjen find, und wie du bis auf Diefe Stunde mir ſtets Fund gethan. Nun gib mir Urlaub, zarte Frau, ich will vollbringen meine Fahrt, denn mein Gelübde mag — brechen. Gedenke meiner mit Treue in Deinen ommen Ge⸗ bet, wenn ich von hinnen bin. ‚Lebe wohl; jegne Dich, und habe ung Alle in ſeiner Sud. aun
er
265 möge St. Thomas, der fromme Heidenbote, uns feine Hülfe angedeihen laſſen. Unter füßen Küfjen verlieg der edle Kerr Die meinende Frau.
Nun verließ der edle Herr fein Bette und trat aus. der Kammer. Da fland der Kämmerer vor der Thüre, in den Händen des Herrn Gewand. Als er ihn an- gefleivet hatte, brachte er ihm Das jilberne Beden dar; der edle Herr goß fih das Waſſer über die Hände und wufch fein Tichtes Auge Flar. Dann ſprach er zu feinem Kämmerer: mein allerliebfter Diener, mein Sinn fleht mir nah St. Thomasland, dahin will ich . ziehen und mein Gelübde erfüllen. Dir, du getreuer Knecht, der in meinem Dienft grau worden und fchon jo viele Treu erzeiget: hat, will ich meine Frau über— geben, auf daß du ihrer pflegeſt. Sieben Jahre will ich auswärts bleiben, und dann, wenn ich wiederkehre, und du mir Treu erzeiget haft, will ich dir's vergelten mit reichem Lohne. Da ſprach der Kämmerer tugend- lich: edler Serr, es däucht mir viel klüger gethan, wenn ihr daheim bliebet in eurem Lande, wo ihr Alles babt, was ihr nur begehren möget: die Frauen tragen lange Saare und haben kurzen Muth. Das merfet wohl, wenn ich euch rathen darf — nicht möcht ich eure Frau, jo gut und edel fie auch ift, länger hüten denn fieben Tag. Drum folget eurem treuem Knecht, und bleibet, wo ihr ſeyd. Dieſe Rede feines Kämme—
ur BR: N —34 *
rers däuchte fremd und ſonderbar dem edlen Morti
ſie ging ihm tief ins Herz, und mit traurigem Muͤthe
trat er hinaus. Vor dem Hauſe fand er einen Junk—
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bern, der war ihm wohl befannt: es war Berthold von Neufen, ein blonder und ſchöner Rittersmann, feiner Bafallen der beften einer. Der edle Moringer fab ihn freundlich an, dann fprach er liebevoll: mein allerliebfter Diener von Neufen, junger Herr, ich will jeßt ziehen gen Thomasland, aber wem befehle ich aladann meine Frau? wem anders, als euch, deſſen Treue und Nitterfinn ich ſchon oft erfannt babe; darum feid ihr Hüter und Pfleger fieben Jahre, ſo lange ich abwefend feyn will. Wißt ihre, wie einft der Herr vom Kreuze zu feinem Tiebften Jünger fprach? „Diefe ift deine Mutter!” Alſo fpreche ich auch zu euch, und befehle eurer Treue und Tugend mein viel liebes Ehegemahl, daß ihr derfelben pfleget als ein lieber Sohn. Da neigte fich der junge Kerr von Neufen gar tugendlich und fprach: Kerr, ziehet hinaus,
° wohin ihr wollt, und habt getroften Muth, und mwäret
ihr wohl dreißig Jahr in St. Thomasland, fürmahr, ihr Dürftet ohne Sorgen feyn, denn wie ein Sohn will ich warten und pflegen meiner edeln Frauen, alfo daß ihr. euch freuen werdet, wenn ihre wiederfehret. _ Dep freute fich der edle Moringer, als er folche Rede von dem jungen Grafen von Neufen vernahm, umd auf einmal war von. feinem’ Kerzen alle Schwere ge- men, die das Mort ded treuen Kämmererd auf fein‘ Herz gelegt hatte. Er gab dem Herrn von Neufen
die Hand mit lieben Blicken, und zog von hinnen im
Pilgergewand. Ben volle Jahre war br edle Moringer in St.
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Thomasland, nachdem er die liebe Heimath, auch Weib
und Kind verlaffen, — und manch ein Abenteuer hatte der theure Öotteöftreiter unter den Heiden überftanden, da der Herr ihm treulich aus aller Gefahr geholfen. Eined Tages lag er müde in einem Gartenhag, um auszuruhen, und war in tiefen Schlaf verfunfen. Und wie er dalag, das Antlig gen Simmel gerichtet und die Hände fromm gefaltet, da ward fein Geift von einem böfen Traum befchwert. Ein Engel vom Simmel Rand ihm zur Seite und ſprach alfo zu ihm: „er wache Moringer, es ift Zeit — fommft du nicht nad Haufe eben am heutigen Tage, fo nimmt der Junkherr von Neufen dein Ehegemapl zum Weibe.” Da machte
der edle Herr auf, und raufte fi vor Sammer und
Zeid feinen grauen Bart. Weh mir! rief er ſchmerz⸗
voll aus, wie reut mich meine Frau! weh wir, mein —*
Land und meine Leute! weh mir, daß mich, iejeni die ich zu hoher Ehre und Wuͤrdigkeit erhoben M
FOR
fchänden will an meiner eigenen Ehre. Und daß ich
—
fo weit muß geſchieden ſeyn von meiner Heimath, um.
Babin zu gelangen! So weit ich ſchau', ein fremdes Land, Gebirg an Gebirg, hoch wie die Wolfen —
und fönnt ich fliegen, ſchnell wie ein Aar, nicht fan’ 4
ich zur Stätte noch zeitig, um das Unrecht unver hüten, das mein Gemahl an mir begehen will.
Gott verhüten! und du St. Thomas, mögeft Mir he
trübtem Manne helfen. Du haft in dieſem Sande
Wunder ſchon fo viele geübt, wenn du mir Oottes .
Hülfe ſchickſt, ſo komm' ich wohl * Stätte. y-
du feine neue Mähre aus der Burg dert
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der edle Moringer jo Elagte und feufzte, und zu Gott und St. Thomas flehte, da fühlte er auf einmal Troft in feinem Herzen. Schnell wollte er fich erheben, doch war fein Leib fo bang und ſchwer von Leid und Kummer, daß er vor Müdigkeit wieder zurücjanf, und in einen tiefen Schlummer fiel.
Und es gefchah, als der Ritter vom Schlaf ermachte, und feine Augen noch Faum geöffnet waren, da hörte er das Waſſer rauſchen; es war ein fo mohlbefannter Laut, und als fein Blick fich erbellte, da ſah er vor fich die Illee mit den blauen Wogen. Und neben ihm da raufchte das Rad von feines Schloffes Mühle, das oft vor feinem Ohr geraufcht hatte, wenn er in Schönern Tagen son feiner Burg bernieder ſah. Hoch oben auf der Höhe erglängte feine Burg im leßten Abenditrahl.e Da fprang er auf und bub Die Kände soll Andacht empor zum Himmel, er betete: nun dank ih Maria und ihrem Kinde, auch St. Thomas den heiligen zwölf Boten, dag fie mir hieher fo wunderbar geholfen haben und ich wieder bei meiner Mühle ftehe, auch meine Burg und Alles wieder erblicke nach mei— nes Herzens Begehren. Doch war er bald wieder ein trauriger Mann, denn, als er eintrat in Die Mühle, da mochte Niemand den beimgefommenen Herrn, Den edlen Moringer, mehr fennen, alfo war feine Geftalt unfenntlih und Bart und Haupthaar weiß und grau geworden. Als er den Müller fand; rief Ber an und ſprach: o Müller, du mein trauter Die ner, weißt
; Br W Rx wine, ABeE:
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an mir Sreundfchaft, lieber Mann, denn ich bin ein fremder Bilger, und thu' mir Befcheid auf meine Frage. Der Müller fah feinen Herrn, den auch er nicht Fannte, verwundert an und Sprach: kommt ihr aus aljo fer- nem Land, Daß ihr nicht wiffen foll’t, was fich in diefer Zeit begeben? Ja wohl weiß ich der abenteuer- lichen Mähren viele, Do eine. ift vor allen andern neu, die ift, Daß des edlen Moringers Frau den Junk— bern von Neufen heute zur Stunde zum Ehegemahl nehmen will: man fpricht, der edle Dioringer jey längft in fremden Landen geftorben; — das ift mir leid und macht mir ſchwer. Gott wolle ihm helfen aus aller Noth; ja Gott fey guädig meinem Tiebften Herrn! von ihm hab' ich groß Gut und alle meine Ehre. Gott tröfte feine Seele! ach! daß er nur immer bet ung wäre! Die Wort von feinem treuen Diener ging dem Ritter tief ins Herz, er Sprach bei ſich“ o weh! die Frau und der Vaſall vergaßen ihre Pflicht, doch meines Dieners Treu ‚blieb, mir ganz Zum Müller fagte er: ich wünſch' die einen guten Tag. merk aber — wenn deine Worte wahr find, — haft du zu Haus ein holdes Weib, fo geh’ nicht fort von ihr auf fieben Jahr. Auch traue feinem Gefellen, der noch von Alter zart ift, und dir von Herzen’ fromm und unfchuldsvoll dDäucht, Denn mit der Zeit kommt böfe Luft, und mit den Jahren wächſt der Bart. Als der Moringer alfo ſprach, wollte der Müller die Rede nicht verfieh'n, und wandte fich von ihm. Der Ritter ging den Burgpfad hinauf, den er vor
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fieben Jahren fo oft gegangen war. Ach Gott! fo feufzte er, während er aufwärts flieg, fteh mir jeßt bei, uud rathe mir, wie ich in meine Burg hinein— komme, ohne daß mir ed das Hofgeſinde mwehret, jo mir zuvor unterthan gewefen. Jetzt fland er vor dem Thor feiner eigenen Burg. Mit fchweren Herzen und zitternder Hand Elopfte er am das Thor. Da rief der Thorwart: wer ift Davor? Der Moringer antwortete: o Freund, fag’ deiner Frau, es ift hienieden vor der Burg ein armer Pilgersmann. Nun komme ich heute jchon von ferne ber, daß ich gerade müde worden bin. Sp Öffne mir um Gotteswillen, und fäume dich nicht lang, denn e3 drängt mich, einzutreten in die Burg. Nur um ein Elein Almofen bitt ich deine Frau, um Gottes und St. Thomas willen, und um des edlen Moringerd Seele. Der Thorwart that nach feinem Gebot, ging ins Gemach zur edlen Burgfrau und jrrach: edle Frau, bienieden vor der Burg da fleht ein armer Pilgerömann, und flebt gar ſehr um ein Eeined Almofen um Gottes und St. Thomas willen, und um des edlen Moringers Seele. Als die Burg- frau dieſe Worte hörte, rief fie: fchleuß auf, ſchleuß auf Die Pforte und laß den Pilger fihnell zu mir herein" nicht foll er lang vor der Burg warten um St. Thomas und Gottedwillen; ja gib dem. armen Pilgersmann recht reichlich und fatt zu effen. Als— bald war der edle Moringer von dem Burgwart in die Burg eingelaffen. Indem er eintrat, ſprach er: ich danke dir Herr Jeſus Chriftus! Deiner Milde und
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deiner Güte hab’ ich’E zu Danfen, daß mir meine Burg geöffnet if. Doch, als er in dem Hofe fland, ward ihm aufs Neue leid und fchwer, denn weder Diener noch Knabe Fam ihm entgegen, um ihn zu empfahen. Da jeßte er fich nieder auf Die Bank, denn, obwohl er faum hundert Schritte gethan hatte, däuchte er fich doch gar müd und ſchwach. Er ſchaute Hinauf zum Saal der Burg, der war erleuchtet wie zu jener Zeit, da er feine tugendfame Braut zum Altar führte. Auch ging es droben laut und luftig ber; denn Pfeifer und Harfenfpieler ließen fich hören, Daß es hell hinab in den Hof flang. Wie anders fchlug dem müden Kern dad Herz zu all dem lauten Schall! die Weile wurde_ ihm gar zu lang, und doch wagte er es nicht, hinauf zu gehen in den Saal, ob er gleich des Schloſſes einziger rechter Herr war. Day
Indefien faßen droben im Saale Braut und Bräuti- gam, der von Neufen und des edlen Moringers Che- gemahl. Die Lampen brannten helle, und immer lauter Hangen die Pfeifen, Lauten und Harfen. Die beiden pflegten wohl des Mahls, das reichlih und, Eöftlich aufgetragen ward und mit ihnen Herren und Brauen, die an langen Tifchen im Saale faßen. Als nun die Abendftunde Fam, daß der Bräutigam mit der Braut in die Kammer eingehen follte, da fand ein alter treuer. Dienfimann auf und ſprach: fo lang mein Herr, der edle Moringer, in Diefer Burg noch waltete, da iſt es je feine Sitte gewefen, daß Fein Gaft auf feiner Burg entjchlief, er Hätte denn zuvor ein Lied gejungen; ein
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folcher fißt dDrunten in dem Hof auf harter Banf, ein fremder wegemüder Bilgersmann. Das Wort vernahm Herr Berthold von Neufen, der Bräutigam — wie bald rief er voll Freudigfeit: es foll in alten Rechten ftehen! holt nur herauf den Pilgersmann ! Ihr Pfeifer hört zu Spielen auf, ihr Lauten ſchweigt — viel Tieb- licher ein helles Lied, dag aus der Menfchen Kehle klingt. Da rief man den Bilger in den Saal; er trat ein durch die hohe Ihüre, den Blick gefenft zur Erde, als blendete ihn der Schein, der aus dem Saale ftrablte. Er legte zur Seite feinen Stab, den er nicht gebraucht, und ſetzte fich ganz unten, wo das Gefinde feinen ©iß hatte. Kaum hatte Der von Neufen ihn erblickt, fo fprach er: mein Gaft, fing mir ein Liedlein fein, und gefällt es meinen Gäften wohl, ich geb’ Dir bier mein NRitterwort, du follft eine reiche Gabe dafür von mir empfahen. Da reichte man dem Pilger eine Harfe dar, er ftand auf, faßte fie mit gemandter Hand, ſchlug ihre Saiten und fang voll Ernft und Bedeutung ein Lied von der Frauen Wanfelmuth. Als der edle Moringer fang, war große Stille im ganzen Saal, daß man das Mühlrad im Thale raufchen hörte. Alle hörten voll Aufmerkfamfeit dem Liede des Pilgers zu, aber Eine vor allen, Das war die Braut, Des edlen Poringerd Ehgemahl. Die Worte ſanken ihr tief ind Herz, und ihre zuvor Elaren Augen, trübten ſich; fe mocht' wohl gedacht haben des edlen Gemahls, deſſen je vergeffen. Sie nahm einen goldenen Becher vom Tiſch und winkte ihrem Mundſchenk; der ſchenkte ihn
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voll mit klarem Wein, und fie reichte ihn dem Pilger dar. Der Bilger nahm ihn aus der Hand der edlen Burgfrau, verneigte fich, und that Daraus einen kräf— tigen Zug. Dann zog er ab feiner, Hand einen Ring von lauterem rothen Gold, den ihm einit feine aller- liebſte Frau am Vermählungstag angefteeft hatte, und warf ihn, jo dag man es kaum merken fonnte, in Des Bechers Grund. Er fprach bei fich: Du treuer Ring, o wende meinen Schmerz, und vermähle mich zum zweiten Male mit meiner allerliebften rau. Dann wandte er fich zu dem Mundſchenk, indem er wieder den Becher nahm, und ſprach: mein trauter Gefelle, du allerliebfter Diener mein, willſt du thun nach mei- nem Willen, fo bring’ den Becher deiner Frau; ich gelobe dir's, Daß ich es dir vergelten will. Ja, ſprach der Mundfchenf, mein lieber Pilgersmann, es foll zur Stunde gefchehen. Er nahm den Becher, gab ihn der Burgfrau in die Hand und fprah: ach Tiebfte Frau, verjchmäht Den Becher nicht, und nehmt ihn, der Pilger jendet ihn. Während die Burgfrau den Becher aus der Hand des Mundſchenken nahm, faßte der Pilger die Harfe wieder, und fang noch ein Lied. Als die Burgfrau den Becher in der Sand hielt und in feinen Grund ſchaute, ſiehe, da blickte ihr in Ans lein yon rothem Gold entgegen; es war ihr wohlbe- fannt noch aus frühen Tagen. Da ward fie bald bleich, bald roth, und rief: Ihr Herren, der Moringer, mein Herr und Gemahl, ift hie! Zur Stunde ftand fie auf vom SHochzeitmahl, und fiel demütbiglich auf 18
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ihre Knie vor dem fremden Pilgersmann; fie ſprach: ſeyd mir willfommen, mein lieber Herr, wo bleibt ihr doch fo Tange® ob ihr reich an Leid geweſen, nun darf euch nimmer bange feyn. Laſſet ſchwinden all euer Trauern, entjchlagt euch alles Leids: ich habe meine Ehre noch; Die hab’ ich immer feft gehalten, edler Herr, drum danfet Gott im Himmelreich mit mir. Doch Hab’ ich Unrecht gegen euch gethban, daß mein Viund das eheliche Gelübde gebrochen, fo laſſet ftrenge Strafe über mich ergeh’n, und manert nur mich ein, ich will e8 mit Geduld ertragen. Als nun der Junk— herr von Neufen Solches alles fah und hörte, da trat auch er herzu, fiel Dem edlen Moringer zu Füßen; und flehend fprach er: mein Tiebfter Serr, ich hab’ gegen euch gebrochen Treu und Eid, und euer Weib von euch gewandt, drum fchlaget mir ab das Haupt, denn wohl hab ich's verdient durch mein Unrecht. Da fprach der edle Moringer, mein junger Herr, Das foll nicht geſchehen. Meint ihr, ich fomme nur aus der Fremde ber, um Rache zu üben? mit Nichten, das wäre gar Unrecht. Gott hielt uns alle in feiner Huth, er bat es mohl gelenkt. Wenn er fo große Gnade mir erzeigt, und mich gefund und wohl hieher geführet hat, wie Follt ich Zorn und Ungnade üben gegen Die, fo gegen "mich der Pflicht Yergeffen? Nein, euch und meinem Ehegemahl will ich verzeihen zur Stunde, da— mit an jenem großen Tage des Gerichts Gott auch mir möge gnädig und barmberzig feyn. Co flehet Beide auf, euch ſey verziehen von Herzen gern. Doch)
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jagt, ſprach Der edle Herr zu feinem Ehegemahl — wo ift mein Töchterlen Jutta? damit ich froh ihr Antlitz ſchau, und fie fich freue meiner Wiederkehr. Herr, entgegnete Die Burgfrau, eben heute ift fie aus dem Klofter gefommen. Als ihr von dannen zoget, fprachet ihr, Daß ihr ſelbſt ihr Den Schleier Tüften wollt, jchaut, lieber Kerr, fie trägt ihn no. Da trat aus ihrem Kämmerlein hervor eine Jungfrau gar ſchmuck und ſchlank, alfo, daß der edle Moringer in ihr fein Töchterlein nicht mehr erfannte, das er ver- laffen hatte, fo fehr Hatte fie ihre Geftalt verändert, und war groß und ftattlich geworden. Nun, rief der Vater, indem er Die Tochter soll Verwunderung ans fchaute, wohl gediehen ift fie Doch! St. Thomas habe Danf. Dann trat er vor die Jungfrau, und nahm ihr den Schleier vom Geficht, und ein minniglich Brauenbild mit holden und verfchämten Wangen, mit Aeugelein, Die wie zwei Sterne ftrahlten, und einem Mündlein purpurroth, fo recht bereit, den erften Liebes- fuß zu empfaben, blickte den Umftehenden entgegen. Ei ſchauet, junger Herr von Neufen, rief der edle Moringer freudenreich — gleicht Diefe nicht der Mutter, und it fie nicht ihr Ebenbild? ja wohl, fo war fie auch) im jungen Jahren, als ich fie zum Altar ‚geführt, und dieſer alte Bart noch nicht grau war. Das fey die einzige Buße, Die ich zur Stunde euch auferlege, Herr von Neufen: werbt auf der Stelle um Diefes bolde Fräulein, eh daß ein Anderer fommt, der fte von binnen führt. Nehmt Hin mit ihr als Mitgift,
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die Hälfte von Allen, was ich babe, Yon Feld und Wald, und allem Gut, was reich gebäuft in meinen Ccheunen liegt. uch ziemt viel beffer dieß mein ſchmuckes Töchterlem zum Ehgemahl, und laßt mir die alte Braut. Nicht zweimal ließ fich der von Neufen vathen, einzugeh'n den ſchönen Tauſch, denn e8 wollt! ihm zur Stunde bedünken, daß die junge Maid viel minniglicher blickte, al3 die alte Braut. Er ging auf fie zu und mahnte fie des Worts, das jo eben der Vater geiprochen. Das Jungfräulein lieh ihm gar bald ihr Ohr, denn ſchön und fehlanf von ftolgem Blick war der, der fie um Liebe bat. Indeß Der edle Moringer jein reuig Weib emporbob und den erfien Kuß nach langer Zeit wieder auf ihre Lippen drückte, umfchloß auch der von Neufen feine junge Braut, und bat den Dater und Mutter um ‚ihren Segen. Nach kurzen Stunden führte er die füße Braut zu Gottes heiligem Altar, und fchloß jebt einen jehönern Bund, als der zuvor gefchlofien war. Jetzt erft ging recht die Hoch zeit an — von Neuem fpielten auf Die Pfeifer, und Harf und Laute klang, daR es ins Thal erfcholl, und weithin über den ganzen Gau. Acht Tage lang mährte die Hochzeit mit Tanz und Spiel, alfo, Daß Die Freude und Wonne nimmer enden wollte. Die Hochzeit ward befchloffen mit einem feftlichen Turnier, in dem der edle Moringer mit dem jungen Schwiegerfohn eine Ranze brach, und der Alte ward Gieger über den Jungen. Noch Yange lebte der edle Moringer mit feinem Ehegemahl und wiegte helde Enfeln auf ſeinem
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Schooße. US er zu feinen Vätern verfanmelt war und man ihn mit umgekehrten Helm und Schild in die Grube fenfte, da fam Herr Berthold von Neufen, und nahm die ganze Grafjchaft ein. Das war das reichfte Erbe im ganzen Illergau. Seitdem wohnte er mit feinem bolden Ehgemahl auf der Burg Marftetten bi3 an fein felig Ende.
XX. Hohenkarpfen.
Im Südweſten Wirtembergs liegt eine Landſchaft oder vielmehr großer Gau, der theils von der Alp, theil8 von Ausläufern des Schwarzwaldes begränzt wird, und den Namen Baar trägt. Die Landjchaft ift ziemlich gebirgig, nicht fehr bevölkert, trägt zwar . gute Frucht, allein weder Obſt noch Wein. — Als noch unfer deutjches Vaterland in Gaue, größere vder Eleinere Bezirke, eingetheilt war, Die von einem Gau— grafen verwaltet wurden, war einer der größten Gaue die fogenannte Berchtoldsbaar, manchmal auch einfach Bara genannt, die fich über einen großen Theil ver badi— ſchen Bezirfsänter Villingen, Hüfingen, Möhringen, und der wirtemberg'ſchen Oberämter Tuttlingen, Epaichingen, Rottweil, Balingen, Oberndorf, Sul, Treudenftadt, - Dorb, fo wie über Die figmaringen’fche Herrſchaft Haiger—
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koch und das Fürſtenthum Hechingen ausdehnte. Ihre Nordgränze bildet der Neckar, die Weftgränge zog fich auf den Höhen des Schwarzwald von Freudenftadt aus bis in die Gegend der Donauquellen hin; gegen Dften bildetedie Gegend des Lauchart- und Steinlachthals die Abmar— fung. Somit beftand der Saupttheil der Baar aus Bezirken des Schwarzmalds. Ihrem ganzen Umfange nach bildete Diefelbe in den älteſten Zeiten ein klei— nes Herzogthum. Der in der Mitte des 8. Jahre hunderts vorfommende Graf Birchtilo (Berchtold), Urs enfel des allemannifchen Herzog Gotefrieds, gab ihr den Namen Berchtoldisbara, der fchon im Jahr 775 im einer Urkunde vorfommt. — Jetzt veriichen mir unter Der wirtembergifchen Baar bauptjächlich die Ges gend von Tuttlingen bis an die Neckar- und Donaus Duelle bei Schwenningen und Donauefäingen. Ueber die Entftehung des Namens Baar herrichen verfchies dene Anfichten. Einige meinen, von einem Dorf Bara, in der Nähe der Vrigachquelle, Fomme der Name Baar ber, Andere leiten das Wort von Para ab, was jo» viel al8 Gericht bedeute, und fomit wäre Damit bes zeichnet worden, daß Graf Berthold in Diefem Bezirfe einft Gericht übte. Wie fit) der Name dieſes Gau’s ſeit mehr als 1000 Jahren erhalten hat, während Die Namen fo vieler Gaue des Landes ganz und gar ver- fchwunden find, fo hat ſich auch bei den Bewohnern der Baar, Die Durchfchnittlich einen Fräftigen Menfchenfchlag bilden, eine fchöne Eeidfame, ja malerifche Volkstracht bei den Frauen erhalten, an welcher bejonders Die
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vothen wollenen Strümpfe am Sonntag wie Werktag fich auszeichnen, fo wie die von Zlittergold prangenden Kappen (Schapeln im Mittelalter), melche die aus: frauen nur am Sonntag tragen.
Die Landjchaft Baar beherrjchen zwei in en Entfernung bon einander Tiegende Bergfegel, der Zupfenberg und der Hohenkarpfen; der erftere ift mit ‚einen Tannenwald bedeckt, und gleicht einem auf Der Bahre rubenden Sarge, woher die Baar den Namen haben foll, der andere ganz baumlos und fteil ift, in feiner Sorm den SHohenftaufen merkwürdig ähnlich. In alten geiten trugen beide Berge gewaltige Burgen. Die Burg auf Lupfen ift ſchon in der erften Hälfte des 15. Jahrhunderts eine Nuine geweſen und jetzt find nur noch Wälle und Gräben von der uralten Bergveite vorhanden, Hohenkarpfen zeigt noch ftattliche Ueberrefte von einer gewaltigen Burg, Die einft ein bochedles Gejchlecht bewohnte. Die Burg Lupfen wird fpäter Gegenftand unferer Darftellung werden — wir wenden und vorerft der Nuine Kohenfarpfen zu, auf der die, welche Die Höhe erfteigen, reichlich für ihre Mühe belohnt werden, denn man genießt hier oben eine Ausficht, beſonders gegen Süden auf Die Berge mit emwigem Schnee, Die nur von der Ausficht auf der Zuttlinger Höhe übertroffen wird. Auch hier auf Hohenfarpfen will man, und nicht ohne Wahrfchein- fichfeit, wie auf dem Nachbarberg Lupfen, Die Trümmer einer urfprünglich römischen Bergvefte finden, Denn einmal. fiheint das noch yorhandene uralte Gemäuer
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römifchen Ursprungs zu feyn, und dann find im Um— fang des Berges fehon häufig römische Münzen ges funden worden, welches Ießtere freilich Fein fo gar ftichhaltiger Bemeisgrund if. Wunderbar ift über Die frühefte ©efchichte der Burg Hohenfarpfen, jo wie über ein Gefchlecht, Das ſie in dem älteflen Zeiten be— wohnte, nicht das Geringfte überliefert. Die Gefwichte jeder Burg, und wenn fie auch von Der geringften Bedeutung geweſen wäre, gebt doch immerhin bis in das 14. Jahrhundert zurüd, und wir fennen die Na— "men des Gejchlechts, das ſie bewohnte, wenn es nur einige waren, aber Diefe gewaltige und durch ihre Lage wichtige Burg kann nur einen Beſitzer aus ältefter Zeit aufweifen, der ihren Namen geführt, das ift Egilwart von Karpfen, der im 3. 1050 lebte. Die ülteften Herren von Hohenkarpfen müffen demnach ſchon in der früheften Zeit ausgeftorben feyn, und Die Burg fam im verfchiedene Hände. In der erften Hälfte des 15. Jahrhunderts war Die Burg in den Händen eines Stephans von Emershoven. Derfelbe hatte auch Wild- berg und Bulach von Wirtemberg zu Lehen, und ge— hörte jenem edlen Geſchlecht an, das fofort häufig in der Gefchichte des wirtemberg'ſchen Fürftenhaufes ers “ jebeint. Ein Gerwig von Emershoven bediente fich bei feiner Unterschrift gewöhnlich Diefes Namens: Gerwig von Emeröhoven das edel Blut, Das Wenig hat und Biel verthut.
Im Jahr 1444 kaufte Graf Ludwig von Wirtemberg yon Stephan von Emershoven das Schloß und den
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Berg Karpfen mit feinem Inbegriff und Zugehörde, die Dörfer Haufen ob Verena, Unter- und Öberal- Dingen, den halben Kirchenfab von gedachtem Haufen, die Gerechtigkeit und Gülten von dem Hof zu Günn- rigen, den halben Zehenten zu Aixheim, Die Pogtei zu Tellingen bei Aldingen, und etliche Gülten dafeldft, Rietheim, Troffingen, Bäfenheim mit Steuern, Dien- ſten, DVogtrechten, Gerichten und Zugehörden. Im Jahr 1453 belehnte Kaifer Friedrich II. in eigener Derfon zu Neuenftadt den Grafen Ludwig mit dem Schloß Karpfen fammt feinen Zugehörden, Serrlich- feiten, Würden, Ehren, Rechten, Dannichaften, hoben und niedern Gerichten, Wildpännen, Münzen, Zöllen, Glaiten, Landen und Leuten. Wir fönnen aus Diefem Kauf des Schloffes und der Herrſchaft Karpfen ans nehmen, Daß um jene Zeit frhon das Gefchlecht, wel— ches ſich von Der Burg nannte, ausgegangen war, obgleich M. Erufius und nach ihm I. U. Stein- bofer behaupten, daß Die Edelleute von Karpfen, welche einft auch Gundelfpach und Großheppach an der Rems befaßen, erit im Jahr 1480 ausgeftorben feyen. Im Jahr 1491 gründete Graf Eberhard der ältere von Wirtemberg ein neues Gejchlecht Der Herren von Karpfen, denn er übergab im genannten Jahr feinem natürlichen Sohn Hans Wirtemberger das Schloß Karpfen mit dem Berg und zugehörigen Gütern, einen - Theil des Zehenten zu Oberaldingen, das Dorf Haufen ob DBerena (unterhalb des Bergs), Das Burgftal Riet— heim, das Jagen am Rugenhart und an Dem Liemberg
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nebft 34 Pfund Seller, welche das Amt Tuttlingen Bisher einem Burgvogt zu Karpfen für Die Burghut gegeben, als ein rechtes Mannlehen. Doch behielt er fich dabei bevor das Deffnungsrecht und verordnete, „daß Diejenigen, welche in Das Schloß eingelaffen würden, dem Hanſen oder feinem Burgvogt zuvor geloben und ſchwören follten, feinen Schaden zu thun; fo oft es auch zur Deffnung gebraucht würde, foll Graf Eber- hard allezeit einen frommen Reiſtgen und zween ehr= bare Knecht auf eigene Kolten in den Schloß haben. Weil aber das Schloß baufällig war, fo wurde dem Inhaber erlaubt, 1000 fl. darein zu verbauen, Doch, daß folcher Koften bei feinem Abgang ohne männliche Erben und Seimfallung des Lebens feinen Erben er- jet würde." — Don nun an nannte fich Sans MWirtemberger Herr von Karpfen, aber doch hat er bis an feinen Tod Den wirtembergiihen Schild mit den drei Hirfchhörnern und zwei Fiſchen, mit einem über- zwerchen Balken kreuzweiß durchzogen, behalten und
geführt. Noch im Jahr 1498 erfcheint Dans von-
Karpfen als Dogt zu Balingen; er flarb im Jahr 1504 zu Stuttgart, wo fein Grabftein mit dem wir— temberg fchen Wappen und der Infchrift: „Der ehrbar Dann Sans Wirtemberger, dem Gott gnad Amen.” Wohl Söhne von ihm waren Eberhard und Ludwig von Karpfen, deren Namen freilich nicht mit Ruhm genannt werven, denn fie find auf der noch im Schloffe zu Tübingen befindlichen fchwarzen Tafel zu lefen, wo jene 64 Nitter mit goldener Schrift verzeichnet find,
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welche im Jahr 1519 ohne Noth das Schloß Tübinger übergeben, und fich nicht als Helden und treue Diener ihre unglücdlichen Seren, Herzog Ulrichs, erzeigten. Der Stanım der jüngeren Herren von Karpfen blühte bis in das 17. Jahrhundert; da ging er aus bis auf eine einzige Erbtochter Anna Sabina von Karpfen, Tochter des Junkers Hans Dietrih von Karpfen. Johann Georg Widerhold , ein Urenfel Heinrich Wider- bolds, Bruders des Großvaters von umferen vielges feierten Conrad Widerhold, auf welchen das Kommando der unbezwingbaren Belfenvefte Hohentwiel im Jahr 1650 übergangen war, vermählte fich mit genannter Anna Sabine von Karpfen, »pfropfte ein neues Meis auf den feinem Abgang nahen edlen Stamm, und übernahm mit ihr eine jchöne Herrſchaft als Erbe. Johann Georg Widerhold erzeugte mit Anna Sabina zwei Söhne, Johann Conrad und Johann Dietrich; von ihnen wurde der ältere, Sohann Dietrich, Nache folger feines Vaters im Commando auf Hohentwiel, und Stammherr der noch jeßt in einem ritterlichen Sprofjen, dem königl. würt. General, Freiherr Cuno von Widerhold, blühenden edlen Familie. Derfelbe if Befiger des vormaligen reichsritterfchaftlichen Guts Niet beim, wo ein adelicher Wohnftg fich befindet, und Des nunmehrigen Hofguts Dohenfarpfen, welches mit Niet» heim im fideicommiſſariſchem Verbande fteht. In dem Dorfe Saufen ob Verena befinden fich in der Orts— firche noch Grabmale, Wappen und Gemälde der Edlen von Kohenfarpfen und Rietheim, welche Eigenthum der Familie yon Widerhold find.
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Eine wunderbare Sage Fnüpft ſich an die Gefchichte des älteren Gefchlec;ts von Hohenkarpfen, die wir num Be laſſen.
Die Sage vom Noßſprung.
Vor mehr als 600 Jahren wohnte auf der Burg Hohenkarpfen ein junger Ritter, Hugo von Hohen— Earpfen, ein Herr von ganz eigenthümlichem Wefen und Charakter. Seine früh verftorbenen Eltern hatten ihm der Glücksgüter Yiele und mancherlet hinterlaſſen: die Schönften Deerden trieben auf feinen großen üppigen Maiden, Die fruchtbarften Aecker und wildreichiten Wäl- der bededten feine weitläufigen Beſitzungen, und daheim in den mohlverfchlojfenen Gemölben lag Goldes und Silbers die Fülle. Dabei war Hugo ein Mann von hübſcher Körpergeftalt und trug ein edles Herz im ſei— fem Bufen.
Dennoch ‚ward der reich Begabte Diefes vielfachen Se— gens nicht froh, denn ſtets umdüſterte ihn der Geift der Schwermuth und Langweile. Sein einziger Genuß beftand darin, im Morgen- oder Abendrothe die Gipfel der Berge zu erflimmen, um von dort unvderwandt in die dunkle, ftille Ferne Dinauszufehen. Da war dem Traurigen oft, als ob ihm aus dem wunderbaren Dufte, der den Blick feines Auges begränzte, das lange ver- mißte und lange erſehnte Glück entgegentreten follte. . Und wenn Ddieg Sehnen fich danıı nicht erfüllte, wenn Die Nebelftreifen, zu feiner freundlichen Geftalt fich bil-
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dend, an ihm vorüberzogen, fo brach ihm das ſtürmiſch bewegte Herz und er vergoß nicht felten einen Strom von Thränen. Ward ihm auch bie und da eine frobe Stunde zu Theil, jo midmete er fich dem ritterlichen Waidmannsgeſchäfte; allein oft warf er mitten in Die fem Schwert und Wurfipieß von ſich und legte fich unter einen Baum, um fich dem unbefannten Quälgeiſte Sinzugeben,, der ihn unaufhörlich bedrängte.
Einit hatte er, jpät Abends , als ſchon Die Sonne ſich Hinter die bewaldeten Anhöhen hinabſenkte, fein Jagdgeräthe ergriffen und eilte, nur von einem einzigen Knechte begleitet, hinaus in die Düftern Wälder. Sie batten noch nicht lange gejagt, als ein plöglich auf- fteigendes Gewitter den Forſt mit tiefer Nacht bedeckte. Der Regen goß in Strömen herab und zabllofe Blite feßten Die ganze Umgegend in ein augenblidliches Feuer. Herr und Diener hatten fich bei dieſem Toben der Elemente unmwillfürlich getrennt, jeder fuchte Den Heim— weg nach eigenem Gutdünfen, und geblendet von dem Slammenfpiel der Blige Hatte Ritter Hugo eine ganz entgegengefegte Richtung gewonnen.
Endlich brach Die Wuth des Unwetters und die Gi- chel des Mondes zeigte fich wieder an dem klarer ge— wordenen Firmament. Allein, wo der junge Ritter fein Auge hinwandte, traten ihm überall wildfremde, noch nie geſehene Gegenftände entgegen, Er war ganz vom rechten Wege abgefommen, auch verfagte ihm fein ermüdetes Roß den Dienft und der Entfräftete befchloß
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Daher, unter dichtem Bufchwerfe gelagert, den Morgen zu erwarten.
So in dem Labyrinthe feines unruhvollen Herzens serloren, erfehütterte ihn mit einem Dale ein Dumpfes Getöfe, wie das Rollen eines unterirdifchen Donners, das von Sekunde zu Sekunde zunahm, Pazwifchen war e8, als murmelten tiefe, mißtönende Geifterftiimmen. Der Nitter richtete ſich langſam auf, faßte mit der Rechten fein gutes Schmerbt, mit der Linfen den Wurf: fpieß und ftarrte lautlos und kaum atbmend in Die Ferne.
Da borft, nicht Hundert Echritte von dem Lauſchenden entfernt, der Boden auseinander und ein Licht fchlug aus dem weiten Riß empor. Die dumpfen Stimmen Zangen vernehmlicher, allein Hugo vermochte Feine Silbe zu verfiehen. Unverwandt war fein Blick nach der Spalte gerichtet, Da gewahrte er mit einem Male einen Zug bäßlicher, Schwarzer Zwerge aus dem blen- denden-Lichte emporfteigend. Endlich ſchwebte auch eine bolde, jungfräuliche Geftalt enıpor , deren Anblick das Herz des jungen Nitters im Innerften erſchütterte umd fein Gemüth wunderbar ergriff. -
Nach einer Eleinen Weile fegte fich der Zug in Be- wegung und nahın feine Hichtung nicht ferne von Hugo. Da rief Einer aus der mißgeftalteten, graulichen Schaar in widerlich bellendem Tone: „Nun, übermüthiges Kind, wie fteht Deine Hoffnung aufdie Hilfe der himmlischen Götter? Siehe, nur drei Schritte von Dir entfernt gähnt Dein Grab und ruhig ftehen und wandeln Die verhaßten
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Geftirne, auch eilt Fein zweibeiniges 5 eh zu deiner Rettung herbei.”
Die Jungfrau rang auf dieſe furchtbare Anrede -
jchmerzlich die Hände und vergoß einen reichen Strom von Thränen. „Es würde ihr auch wenig belfen,” — heulte gar widerlich ein zmeiter — „habt Ihr denn die Bedingung ſchon vergeffen? Er muß ein Vater- und Muttermörder feyn, und doch unſchuldig; er muß reich, tugendhaft, voll frifchen jugendlichen Lebens ſeyn, und fich Doc unglüclich fühlen; mer, vermag ſolche Widerſprüche zu vereinigen ?"
Da fiel e8 wie ein Schleier von des Ritters Augen. Dit hohem Muthe und geſchwungenem Schwerdte, fprang er vor den grauenvollen Zug und rief: „Euer Gericht Hat ein Ende, ihr Unbolde! ich bin es, Der alle dieſe Widerfprüche zu vereinigen vermag! Meine Geburt nahm meiner Mutter das Leben und ihr Ver— luft flürgte meinen Vater in Wahnfinn und Tod. Euer räthſelhafter Höllenmund hat Euch betrogen. Ich bin reich, voll Fräftigen jugendlichen Lebens, und Gott fey Zeuge zwifihen mir und Euch, daß nicht der leifefte Vorwurf auf meinem Herzen lajtet ; den— noch fühle ich mich nicht glücklich feit dem erften Tage meines Bewußtfeins, und meine Tage fliegen in Trauer und Schwermuth dahin. Darum hinweg, Ihr Häflie ches Gefindel und laßt mir die holde, weinende Jung— frau frei, oder ich will Euch vertilgen von der Ober: fläche der Erde, daß fürder feine Spur mehr von Euch
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zu ſehen fein fol!” Hierauf ſchwang der junge, muthige Nitter fein Schwerdt und im Nu war Die nächtliche Brut verfchmwunden. |
Die Jungfrau hatte fich indeffen, wie in füßer Be- täubung an einen Baum gelehnt, durch Defjen Dichtes Gezweige nur wenige Mondftrahlen ihr wunderbar ver- klärtes Geficht beleuchteten. Der Ritter nahte fich ihr auf das Ehrerbietigfte, neigte fich befcheiden und ſprach: „Schönftes Mädchen, irgend ein guter Geift, der Euer jüßes, zartes Leben bewacht, hat mich zur rechten Stunde hieher an diefen Ort geführt. Sagt mir, wer feid Ihr, und wo ift das Haus Gurer Lieben, Damit ich Euch dorthin geleiten Fann 2”
Da neigte das holde Mägplein fittfam ihr Haupt, jank auf ihre Kniee, faßte küſſend Hugos Hand und brach in lautes Weinen aus.
„Am Gottes willen!” — rief beflürzt Der junge Held — „was beginnt Ihr, meine Theuerfte ? Bei den schönen ©eftirnen dieſes nächtlichen Himmels! ich habe nicht mehr gethan, ala was mir Nitterpflicht gebot. Ein Blick aus diefen holden Augen ift Danfes genug, und mir, nicht Euch, geziemt e&, das Knie zu beugen.“
Die Jungfrau drückte ihre gefalteten Hände an Die bochwallende Bruft und hob die von Thränen feuchten, blauen Augen zu ihrem Wetter auf. „Sprecht, hold» feliges Kind” — fuhr Hugo fört, und fuchte Die Knieende emporzurichten — „ſei Eure Heimath auch noch fo fern, ich will nicht eher ruben, bi8 ih Euch den fehükenden Armen der Eurigen übergeben habe.’
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— Das Mägdlein aber legte Die zarte, weiße Hand auf den vofigen Mund und zusfte fchweigend die Achjeln. „Dürft Ihr nicht ſprechen?“ — rief der Ritter er- flaunt und entrüftet — „und fürchtet Ihr noch immer Die ſchwarzen nächtlichen Mißgeburten da unten?" — Sie fohüttelte verneinend das lockige Haupt und fah demüthig und fehweigend zur Erde. „Nun, bei den Göttern, Das ift Höchjt ſonderbar“ — forach Hugo gemäßigter — „jollte die Natur, Die Euch jo gütig, ja verichwenderifch bedacht hat, Euch einzig die Gabe der herzbewegenden Rede verfagt haben?“ — Sie lächelte bei Diefen Worten und Drüdte beide Hände mit einem beißen, brennenden Blicke an ihr Herz.
Darauf fagte der Ritter: „Hier fünnen wir nun einmal nicht bleiben, meine SKoldfelig. Wollt Ihr auf meine Burg mit mir ziehen, und Dort fo lange verweilen, bis Euer mir -unbefannter Zauber gelöst ift, fo kommt.”
Das Mädchen nicte, freudig zufanmenfchauernd und mit wunderjüßen Lächeln. Hierauf erhob te ſich und gab dem in ihren Anblick ganz verfunfenen Süngling Die Hand, Diefer ſchwang ſich mit der fanft Erröthenden auf fein Roß, und in wenigen Stunden waren fie auf Hohenkarpfen angefommen.
Die alte, gute Frau Margarethe, Hugo's gewefene Amme und nunmehrige Dausverwalterin, wunderte fich nicht wenig, als ihr junger Herr mit feiner neuen, über Ulles fchönen Burginfaßin anfam. , Er übergab fie alfogleich in ihre Hände und empfahl fie ihrer
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Obforge, was das Mädchen auch ganz willig und ver: gnügt aufnahm. Ihm felbft aber, dem fonft fo un— muthigen Sünglinge, war es nicht anders, als ob über jein bisher jo Düfteres Gemüth ein helles, wunderbares Licht aufgegangen wäre. Eine füße, freundliche Ahnung regte fich mit zarten Tönen in feinem nun weit fröh- licher fchlagenden Kerzen; verfchwunden war der Trauer- flor vor feiner Seele, und fte trat leuchtend und lächelnd aus fich ſelbſt hervor, fich freuend des fügen Lebens und der wunderherrlichen Schöpfung. Dahin— geſchwunden war die dunkle Nacht, die ihn fonft fo wehmüthig umfangen, und es begann, wie an einem beitern Maimorgen, um ihn zu tagen, um ihn zu blühen und zu grünen, dDuftige Blumen und Föftliche Brüche zu treiben. Denn, obgleich ſtumm und wort- los, fo. ſprach Das holde Mädchen Doch mit Bliden voll Liebe, mit holdlächelnden Engelsmienen, mit zarten balblauten Seufzern zu dem Ritter, jo daß Frau Margarethe darüber gar oft, jedoch lächelnder Were, den Kopf fcbüttelte.
Eines Abends, als die Sonne fanf, Blumen und Blüthen rings auf dem Gefilde dufteten, die Sänger in Feld und Wald laut wurden, unzählige glänzende Thautropfen auf dem frifchen Grün hingen, luſtwan— delt Hugo mit der fehönen, ftummen Jungfrau und Frau Margaretde in dem herrlichen Gehölze, das die Burg Sohenfarpfen umgab. Die alte, redfelige Frau ſprach von den ſchönen Tagen ihrer Tängft entſchwun— denen Jugend; der Ritter und feine Holde aber fchwelgten
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im Genuffe der Gegenwart und brücdten ſich mit feuchten Augen an die Bruft ihrer guten Bflegerin. Jetzt ſchollen Auftritte durch die grüne Waldesnacht und ein heißeres Schreien und Rufen ertönte durch die ftillen Abendlüfte. Während Die drei Wandler jich noch verwundert anſahen, brach ein ſchönes, weißes Roß mit gar Iujtigem Wiehern Durch die im Abend- rothe funfelnden Gebüſche. Auf ibm jap ein Fleince, höckeriges Ungethüm, gleich einem von denen, welden der junge Ritter feine füße Beute abgejagt hatte, und das abjcheuliche, ungeſtaltete Ungebeuer that ehr ängit- lich, hielt fich mit beiden Händen an der mwallenden Mähne des Thieres, und fehlen nicht anders, ald ob es augenblicflich in einen Abgrund zu ftürzen fürchtete. Sobald es aber den Nitter und das flumme Mädchen erblickte, da plumpte es ungeſchickt herab und Follerte in die Gebüfihe. Das Nöplein aber lief zu der freu— dig lächelnden Unbekannten und fniete demüthig vor ihr nieder. Sie umbalste gar freundlich das janfte Thier und bezeigte fich überaus erfreut und bewegt. Der junge Ritter und die alte Frau verwunderten ſich nicht wenig über die feltfame Ericheinung, Die ſich ſo eben in ihrer Gegenwart zugetragen hatte; dag Summe Mägdlein aber hatte ſich indeſſen auf das luſtig foharrende Roß geſchwungen und leitete es mit zarter Hand rückwärts nah der Burg, wohin auch die Andern willig folgten. „Wahrhaftig“ — fagte dran Margarethe zu Hugo — „wir beherbergen einen lieben, aber auch wunderfeltfamen Gaſt!“ — „So it
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5" — erwiederte der junge Nitter; — „allein, wie ich ihr Bild, Das mich ganz beherrfcht, in meinem Kerzen trage, ſo foll fie die freiwaltende Herrin in, dDiefer meiner Väter Burg werden und bleiben !”
Wie Dugo die fröhliche Jungfrau fo fanft und leicht die zarten Olieder auf dem fchlanfen Thier wiegen ſah, und wie fie mit den runden, munderjchönen Händen den glänzenden Hals des Freudigipringenden ftreichelte, da ging ihm Das volle Herz über ; er verließ Die alte, bedächtige Freundin und eilte der Heißgeliebten nach. Bald hatte er fte ereilt und fprach zu ihr, Die fo gar . boldfelig zu ihm herabſah: „Wie mag e8 doch fommen, daß Du ſchönes, fprachlofes Weſen mein unrubiges, widerſpenſtiges Herz fo fchnell in Deine füße Saft ges fangen nahmft? Es Tehren mich. meine Lieder, es lehrt mich mein junges Xeben, was ein treuliches Wort über des Menfchen Gemüth vermag. Und du haft mich Doch nicht anders angefprochen , als mit Deinen füßen Blicken, mit Dem holden Lächeln, das Dir um Mund und Wange fpielt und ich finde mich fchon ganz und gar dein eigen.‘
Kaum hatte Hugo dieß gefagt, da lächelte Die zärt— lich Begrüßte gar hold zu ihm herab und reichte ihm die, wie aus Roſen und Lilien gemobene Hand, auch that im demſelben Augenblicke das Rößlein einen jo raſchen Satz, daß die entfattelte Jungfrm in des Ritters Arme herabſank, morauf er fie alfogleich um— ichlog und die Erfchrocfene an feinen Bufen drückte.
„un hab’ ich Dich!" — liſpelte Fofend Der Ente
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zückte — „nun hab’ ich Dich, und wenn bein aller innerſtes Weſen mir nicht weiderftrebt und fonft auf Gunſt und Liebe eines irdiſchen Menfchen achtet, To magft du mir für immer bleiben. Was ich warn und laut ſchlagend an meinem Herzen gewahre, ift wahrhaftig des Sterblichen fihönfter Antheil. Und biſt du auch ein Weſen aus der höhern Melt, jo baft du Dein ſchönes, himmliſches Leben Doch in einen fo reizen den Körper gebaut, Daß dur mir nicht zürnen kannſt, wenn ich Dich ganz zu befiten wünſche.“ Da fah der in ihren fügen Blicken Verlorene eine glänzende Thräne unter den langen Augenwimpern ſchimmern, und e8 war ihm, als wenn das feligite „Ja!“ von ihren Lippen erfchollen wäre. Er fog den zarten DVerräther, der_die auf der Jungfrau Wangen auffteigende holde Scham vergebens Rügen zu firafen fuchte, Iangfam mit den brennenden Rippen auf, und das Rößlein hätte Leicht Davonlaufen Fönnen, Denn, Arm in Arm verfchlungen, war Simmel und Erde für die beiden Glücklichen verfchmunden.
„So wilft du mein treues Weib werden und blei- ben?“ — fchmeichelte noch ferner der Entzüdte. Das Maͤgdlein antwortete nur mit füßen Küffen und ftillen Seufzern und ſchmiegte ſich innig und anmuthig an den vor Liebe Glühenden. Frau Margarethe, Die von ferne das entzückende Schaufpiel gewahrte, war gar fehr darüber erfreut, Denn fie erinnerte fich aus Den Tagen ihrer Jugend noch recht wohl, wie fehr treue Liebe Das Herz des Menſchen beglücke.
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Stil, ohne Prunk und lärmende Feftlichkeiten, feierte der entzückte Hugo feine Vermählung, feine „Hoch— zeit” im eigentlichiten Sinne des Wortes, denn eine bobe Zeit ift fie für Seven, der das Höchſte im Mens fchenleben zu begreifen weiß.
As nun am andern Morgen die Sonne mit gol- denen Strahlen das Lager der beiden Glücklichen be= grüpte, Da überrafchte Die bolde, junge Öattin den ſchmeichelnden Gemahl mit folgender fügen Anrede: „Nun, da ich ganz dein eigen bin, ift mein Mund entflegelt; in dem Simmel Deiner Liebe erreicht mich die Gewalt der finftern Erdengeifter nicht mehr, und ich darf in wohl lautenden Ionen Dir des Herzens Allerinnerftes eröffnen. Sp wife denn, mein füßes Leben, mein geliebter Gemahl, ih bin Jutta, die Tochter des Fürſten der Erdgeifter, und von dieſem mit Der geranbten Nichte des Herzogs von Alemannien auf Twiel erzeugt.‘
„Dem unbegreiflichen Willen des Schieffalg gemäß, folgen die Töchter aus einer folchen Verbindung immer der Natur der Mutter, die Söhne aber geftalten ſich ganz nach dem Ebenbild des unterirdifchen Vaters. Mas foll ich Dir erzählen von den Tagen meines auf- blühenden Lebens, von den glücklichen Jahren der Kindheit! Gleichförmig, mie eines ſanft wellenden Sluffes Wogen, floffen diefe Stunden dahin, da ſtarb meine Mutter, und ich fland nun allein, mit menjche lich fühlender Bruft, unter den wilden, unheimlichen
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Zwerggeftalten, deren häßliches Orinfen, deren gefpenfters
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haftes Neden mir immer das Herz erzittern machte.“
„Da warf, als ich immer mehr emporblühte, mein Vater fein lüfternes Auge auf mich, und begehrte mich Ungfüdliche zu feinem Weide; denn wiſſe, mein theuerfter Hugo, dag jene fromme, heilige Scheu, die unter euc) menfjchlichen Weſen waltet und den Water von der Tochter, den Bruder von der Schwefter fcheidet, jenen finfteren Ungeheuern gänzlich abgeht. Toll leben fte unter einander, wie das fie umfriechende Gewürme — und nun magft du dir, mein Geliebter, den Jammer und das Elend dvorftellen, Die ich in Diefer Umgebung ftündlich zu erdulden hatte.“
„Vergebens rang ich mit Eindlichen Bitten, mit Thränen und Klagen gegen den eifernen Entſchluß meined Vaters, und als ich endlich ein ganzes Jahr lange mit mutbiger Standhaftigfeit gekämpft Hatte, ließ er mir nur die Wahl zwifchen dem Tod und ſei— nem Willen. Ohne Bedenken mählte ich den erftern.“
„Mein Vater ließ mich nun von feinen fchadenfrohen Erdgeiftern greifen und befahl, mich an das Licht der Sonne zu bringen und Dort zu tödten. Doch, wie im Borgefühle einer glücklichen Zufunft, die meiner noch warten follte, fprach er einen Zauberbann über mich aus, den Du, mein trauted Derzgeipiel, in feinem ganzen Umfange gelöst halt. Stumm follte ich näm— lich bleiben, bis fich ein Netter in meinen Todesnöthen fände, der Vater- und Muttermörder und dennoch un= fchuldig, der reich, tugendhaft, voll frifchen jugendli- chen Lebens ſeyn und fich dennoch unglücklich fühlen
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müſſe. Stumm bi8 er Die Sprachlofe, dem unbejchadet, zu feiner Gattin gemacht hätte. Der erften Bedingung haft du mit Deinem Schwerdte entiprochen” — fuhr Jutta fort, und verbarg das erröthende Antlig an des freundlich Tächelnden Gatten Bruft — „und der zweiten mit Deiner mich beglücfenden Liebe. Ganz bin ich nun dent ſchönen Lichte wiedergegeben, und Die finfteren Erdgeifter haben fürder Feine Macht mehr über mich. Das fchöne, weiße Roß aber, das an jenem herrlichen Tage, wo Du mich zu Deinem lieben Weibe begehrteft, zu uns Fam, ift mein gutes Leibroß, Das mich öfter Durch Die langen, glimmenden Erdgänge trug, und es wohnen ihm gar wunderfame, zauberifche Eigenſchaf— ten bei.”
Vier Jahre lang Hatte Hugo an der Seite feiner geliebten Gemahlin die füßeften Freuden der Liebe ge— foftet. Frau Jutta trug einen zarten Snaben auf ihren Armen ; ihre fanfte Serzensglut hatte ſich nicht vermindert, obgleich fie ihren Reichthum an Liebe jest zwifchen Vater und Sohn theilen follte, Denn ein unerfchöpflicher Zauberfchag von Liebe lag in ihrer ſchönen Brufl. Nicht fo der weltluftige Ritterfmann, in deſſen Innerem jest manche Stimme erflang, die früher gefchwiegen hatte. Zwar hing er noch immer mit warmen Serzen an ber reigenden, liebevollen Gattin, allein in der Verne, jenſeits der Berge, ſchien das fremde Leben nach ihm zu verlangen, und vor- züglich war e8 das Treiben in der Hofburg des mäch— tigen Landgrafen von Fürftenberg, deſſen Lehensmann
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er war, was ihm manchen heimlichen Wunſch entlockte.
Obgleich an zeitlichen Gütern überflüfftg gefegnet, wollte Hugo, um es den Erften feines Standes gleich zu thun, ebenfall® die Bergesadern in feinem Gebiete Öffnen, und Die blendende Beute aus dem Schooſe Der Erde für ſich gewinnen. Davor aber riet) ihm Frau Sutta, der er feinen Plan entdeckt hatte, aus allen Kräften ab. „Weißt du wohl” — fagte fie, — „wer dieſe von Euch fo gepriefenen Schäge bewacht? Es find die düſtern, tüdifchen Erdgeifter, Denen Du mich ritterlich abgewonnen haft, und die da unten in ihrer fchauerlichen Nacht auf unjere Göfe Stunde lauern. Gibſt du ihnen Luft und Licht auf deinen Gründen, fo ift e8 um dich und um mid) und um unfer hold— feliges Kind gefchehen. Auch kommt der göttliche Gegen nur von oben, und nicht aus den tiefen, grauen- vollen Schachten. Ich fage Dir, e8 thut nimmer gut, Die Alten da unten aufzufordern zur Gemeinfchaft mit den Kindern des Lichts."
Diefe freundliche Warnung nahm Hugo folgfam im feinem Herzen auf, denn Jutta’3 weifjagende Geele hatte Die Dinge, Die da fommen würden, gar wohl errathen. Niemand wollte mehr dem ſegenbringenden Aderbau obliegen, Alles nur in den funfelnden Erden— ſchoos binabfteigen. So muhte es kommen, daß oft Groß und Klein inmitten feines Goldes und Silbers darbte, ja, daß felbit der fchmerzliche Hungertod nicht Wenige aus dem Volke wegraffte. Rings um unferes Ritters Beſitzungen herrſchte Die blinde Begierde nach
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Schätzen; nur feine Seele mußte die holde Gattin davor zu bewahren.
Don den Burgen der Ritter von Honberg und Gonzenberg, und von den Befisungen des Landgrafen ſelbſt erftrecften jich Die ergiebigen unterirdifchen Gänge bis in Hugo's Gebiet, und man wußte fich an deſſen Gränzmarken fo Mancherlei von dem boshaften Spude der Berggeifter zu erzühlen. In Der Morgen- und Abenddämmerung wagte fich Fein Arbeiter mehr auf den Adfer, wenn derfelbe nahe an den Grängen lag ; da wandelten in fürchterlichen, abentheuerlichen Ge- jtalten die finjteren Gnomen, und ſchreckten den fleigigen Landmann nicht felten bis auf den Tod.
Der Jammer des Landes und das Unweſen der böfen Gefpenfter traf das Herz des Ritters von Hohen— karpfen recht fchwer. Da Sprach er eines Tages zu feiner Hausfrau: „SH kann das ftet3 mwachfende Lan deselend nicht mehr länger mit anfehen, darum will ich Hinüberziehen nach dem Hoflager meines gnädigen Herren, des Langrafen Egon, und ihm Die Augen öffnen.” | |
„Ach“ — antwortete ihm Frau Jutta — „du bift da im Begriffe, eine böfe, undanfbare Sache zu untere nehmen, und wenn du von deinen Vorhaben nicht abſtehſt, wirft du uns Alle ficherlich zu runde richten.” — „Welch ein ängftliches Gefühl ergreift dich mit einem Male?’ — fragte Hugo ganz verwundert — „will ich doch nicht die Fahne des Aufruhrs gegen meinen Lehensheren erheben, jondern ihm, ald treuer
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Dafall, nur des Landes Noth und Gefahr an da3 Herz legen.” — „Ach, du ſtellft Dich den Gewaltigften im ganzen Lande entgegen” — ſprach Frau Jutta — „wenn du des armen Volkes Bartei ergreift. Der Durft nach Gold hat fie Alle entzündet und jeder Miderftand dagegen wird dir nur den Untergang be= reiten. — „Du thuft. meinem Herzen Unrecht” — erwiederte Hugo — „ed liegt gar ein guter Kern in dent Landarafen, und feines Volkes Wohl geht ihm über alles Gold und Silber der Erde.” — „Wollten die Götter, daß es fo wäre" — feufzte Frau Jutta — „allein eine innere, Unglück verfündende Stimme fagt mir das Gegentheil. Wofern du aber, troß meiner Warnung, dennoch auf deinem Vorhaben bes harrſt, fo nimm wenigftens mein treues Leibroß mit dir, umd befteige es im Augenblicke der dringendften Gefahr zu deiner Rettung.”
Hugo that, wie feine fehöne und beforgte Gemahlin ihm geboten und zog zur Stunde mit dem trefflichen Roſſe nach dem Hoflager des Landgrafen auf Burg Fürftenberg.
- Das Nöplein, das fonft fo munter und fröhlich mit feinem Reiter davonjagte, fehlen den Unmuth feiner Gebieterin zu theilen, es geberdete fich heute ganz un— gehorfam und widerfpenftig, und Zunge und Sporen des Ritters vermochten faum es fortzutreiben. So hatte jich denn Hugo verfpätet und ihn die Nacht überfallen, ehe er auf Fürſtenberg angefommen war. Zugleich thürmte fich ein fehweres Gewitter über feinem
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Saupte auf, und bald jah er ſich genöthigt, wie in jener jchauerlichen Nacht, wo er feine geliebte Jutta aus der Gewalt der häplichen Erbgeifter befreite, unter einem Dichten Gebüfche feine Zuflucht gegen die herab» flürzenden Regenftröme zu fuchen.
Es mochte beinahe Mitternacht ſeyn. Ritter Hugo gedachte bald feines MWeibes und Kindes zu Haufe, bald des morgenden Tages, wo er vor den Landgrafen treten milde, um ein gut gemeintes Wort für das Beite des Volkes zu ſprechen, allein Nichts vermochte die rätbjelbafte Unruhe zu bannen, von der er ſich befangen fühlte.
Ein helles Praſſeln und Kniftern, nicht anders, als wenn ausgedörrte Holzwände berſten, erfcholl mit eis nen Male in der ganzen Gegend, und von Zeit zu Zeit Lang ein gellenvder Pfiff dazwiſchen, den ein dumpfes, entferntes, nur noch hörbares Geheul zu beantworten ſchien. Der Ritter ftarrte lange hinaus in Die finftere Nacht, ohne das Mindefte zu bemerfen. Endlich ſchien fich Die nördliche Seite des Waldes in einen bläulichen Brand zu fegen, der bald verlofch, bald fich mieder von Neuem entzündete. Das unge- wife Feuer bewegte ſich langſam vorwärts, und wie e3 dem Staunenden näher rückte, fehien ed immer mehr an Umfang zu gewinnen. Aehnliches begab ſich audı bald von der andern Seite des Forſtes, und fo weit das Auge des Ritters reichte, ſchienen Die Thäaͤler, Die Wälder und die Gebüfche in einem düſtern Feuer zu brennen.
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Endlich entwirrte fich das Verworrene vor des Staunenten Auge, und er fah mit Entfegen, daß es feurige Bergmännlein waren, Die jchaarenmweife von allen Seiten heranzogen und gerade nach dem Orte ire Richtung nahmen, wo ſich Hugo mit feinem Roſſe gelagert hatte. Nicht ferne von ihm hielten fie ſtill, ſchloſſen einen Dichten Feuerfreis und tanzten unter feltfjamen Geften einen furchtbaren Reigen. Nach Beendigung deſſelben trat der Anſehnlichſte, Der eine flammende Krone auf dem Haupte trug, hervor und fprach mit beiferer, widerlicher Stimme: „Endlich, nach langem Hoffen und Sarren, ift die Stunde der Rache gefommen. Ihr wißt es, getreue Untertbanen meines Reiches, wie empfindlich mich jenes fterbliche Ungeheuer verwundete, indem es Die falfche, undanfbare Tochter meiner gerechten Beſtrafung und dem wohlverdienten Tode entriffen hat, und jest ftellt er fich auch noch der Ausbreitung unferes Reiches mit allen Kräften entgegen, indem er nach dem Hoflager des Landgrafen zu ziehen Willens ift, um ihm gegen den Bergbau auf Gold und Silber einzunehmen und fo unferer Macht über die Erdenföhne eine tödtlihe Wunde zu verjegen. * Rat uns daher den zmiefachen Verbrecher, Der zu meinem und Euerem Verderben lebt und arbeitet, vers urtheilen, und nach unferen unmandelbaren Gefegen mit ihm verfahren.”
Ein vüfteres Gemurmel flog bei dieſen Worten durch die leuchtenden Schaaren; es jchien, ald ob die unge— flalteten Zwerge jich beratbichlagten ; endlich trat Einer’
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aus ihrer Mitte hervor, warf fich vor dem Sürften, - deſſen Krone immer dunkler brannte, nieder und fpracb: „Herr und Gebieter der mächtigen Geifter, welche Die gebeimnifvollen Tiefen der Erde bewohnen! Dein Wille ift und flet3 gerecht; wad Du über den DBerräther verbängft, das werde auf der Stelle an ihm vollzogen.“
Da leuchtete Iufliger die Krone auf dem Haupte des Erdfönigs, und mit fiegreich fehmetternder Stimme rief er: „Nun wohlan denn, fo ijt der Stab über ihn gebrochen ! Sterben bat die Menfchendrut längft ſchon gelernt; Der kurze Todesfchmerz wäre eine allzu ges linde Strafe für den heimtücifchen Verräther. Er ſoll leben, aber ein banges Leben voll Ungemach und Elend; ihn quäle die Erinnerung an die fchöne, Da= bingefchiedene Vergangenheit, und Der verzweiflungs- solle Gedanfe an eine lange, langſam marternde Zu— kunft; an feinem Herzen nage zudem eine matte, kern— Iofe Gegenwart und der feelentödtende Lebensedel. Das goldene Schlößlein, das wir mit funftfertigen Händen in ae Bei Erdhöhlen erbaut haben, foll er fcheuern und rein erhalten, Damit es inmitten der feuchten Erd- Dämpfe immer helle und glänzend fich fpiegele. Wehe im, wenn ein einziger Fleck, nur fo groß wie ein Stäubchen, Daran haften bleibt!”
Nach Diefer Rede brach die ganze gräuliche Menge in ein lärmendes, gellendes Beifalljauchzen aus; Hugo ſah, wie fich augenblicklich der weite, feurige Kreis zu verengen begann, um ihn rettungslos einzufangen. Da 6ligten auf einmal Frau Jutta’ letzte Worte durch
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feine Seele und fchnell ſchwang er fih auf fein Roß, das luftig aufwieherte, als ed die Laſt feines Herrn verfpürte, und wie ein Pfeil mit ihm davonfprengte. In demfelben Augenblicke verlofchen die düftern, bläu— lichen Feuer der Bergmännlein, der ganze Spuck ver- ſchwand, und der Mond trat aus den geriffenen Wol— fen und beleuchtete eine fchöne, anmuthige Gegend. Der Hitter aber küßte fein rettendes Rößlein auf die milchweige Stirne und feste wohlgemuth feine Reife fort.
Ein lichter, lauer Maimorgen begrüßte die Erbe, und noch nicht lange war Hugo, nachdenklich über Die faum überjtandene Gefahr, feines Weges dahingeritten, als ihm ſchon die Thürme der ftolgen Burg Fürften- berg von der gewaltigen Anhöhe herab im Strahle der Morgenfonne entgegenleuchteten. Etwas Unmuthiges empfand er Doch in feinem Innern, als er über die herabgelafjene Zugbrüdfe durch die hohe DBurgpforte eintritt ; auch fein treues Roß fchnob, als ob 58 die Sachen hier nicht geheuer fände; allein der Embfang, der ihm von Seiten des Randgrafen zu Theil wurde, ſchien alle trüben Ahnungen Lügen zu firafen. Er
“ umarmte den jungen Ritterömann, den er fihon fo lange nicht mehr an feinem Hoflager beherbergt hatte, und erwies fich überhaupt fo zutraulih, Daß Hugo» über die Beſorgniſſe feiner Gattin Daheim, ſowie über feine eigenen Zweifel lächeln mußte, Er bielt darum auch nicht lange mit feinem Anliegen hinter Dem Berge,
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fondern trug dafjelbe in wenigen, fchlichten, aber Klaren und beflimmten Worten vor.
Da antwortete Landgraf Egon, ihn gütig bei der Hand faſſend: „Wahrlich, Ihr erfreut mich aufferor- dentlich, junger Nitter, mit Eurer überaus wohl ge— lungenen Borftellung. Ihr feid noch fo jung und ſchon jo erfahren, fo arm an Jahren und fo reich am Verſtande. Miffet, mein lieber, junger Freund, daß ich ebenfall3 das Gift in dem fonft jo friſchen Blute meines Landes gefunden habe, und daß ich entjchloffen bin, mit Gottes Hilfe dem um fich greifenden Unheil zu wehren; allein mich bedrängt für den Augenblic von einer andern Geite her eine weit größere Gefahr. Bon Norden ber bedrohte mich der Herzog von Urs— lingen und der mächtige Graf von Bollern, und von Mittag der Graf von Habsburg mit blutiger Fehde, fie jammeln bereits ihr Kämpfer, und jeden Tag muß ich eines feindliches Angriffes gewärtig ſeyn. Erſt muß dieſer Gefahr begegnet werden, ehe ich an die übrigen Landesangelegenheiten die bildende Hand legen kann. Leihet mir deßhalb vor Allem Euern Arm und Euer Schwerdt für dieſen Kriegszug und nachher werde ich Euch, als Euer Lehensherr, reich dafür belohnen.“
Der freudige Kriegsmuth, der, von dem ſüßen Koſen der Liebe eingewiegt, bisher in Hugo's Herzen nur geſchlummert hatte, erwachte auf des Landgrafen Mah— nung nicht anders, als wie ein junger Löwe, den eine leichte Verwundung zum blutigen Kampfe gereizt hat. Unſeres Ritters ganze Seele loderte auf in Luſt und
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Begierde, ‚dem Srieden des Landes und feines Herrn auf dem Schlachtfelde zu begegnen, und ſchon am andern Tage zog er an der Spike einer muthigen Reiterichaar gegen den Herzog von Urslingen. Ueberall, wo er. mit feinem guten Roſſe erfchien,, Durchbrach er Die Schlachtordnung und jagte Haufen um Saufen in fchmähliche Flucht. Das Röplein felbft that dem Feinde mehr. Schaden, als viele einzelne Neiteröfnechte, denn wie) es in Die feindlichen Reiben. Fam, ſo biß und ſchlug e8 wie müthend um ſich und verwundete Viele bis auf den Tod. Bald war der Kriegszug beendet und. das — gräfliche Heer zog mit Ruhm und Beute, jeder in feine, Seimath. Kerr Egon empfing ‚den tapfern Hugo auf das ‚freundlichfte, -befchenfte ihn mit einer goldenen Chrenfette und fügte die Worte bei: „Ihr Habt Euch untadelig „betragen, junger Held, - und Durch. meinen Mund danft Euch Das Baterland. Allein Tage der Arbeit erfordern auch Tage der Ruhe, Darum .ziehet beim. zu Euerer geliebten Gemahlin und Euerem zar— ten Söhnchen und geniefet Die. Segnungen ; eines Friedens, den Ihr fo rühmlich erfämpfen halfet. Bei mir aber find Eure Worte auf feinen unfruchtbaren: Boden. gefallen, ‚fie werden keimen und reifen und dem Lande föftliche, Früchte tragen.”
im ‚Hierauf nahm der Nitter freundlichen Yrlauh, und 309, wiewohl nicht ganz befriedigt, nach Kaufe, \wo-ers aber nicht, Alles in den beften Unftänden, fand. Zwar waren Frau und. Kind gefund. und. wohl, allein Die
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Nachbarn hatten fich gar feindfelig bewiefen , ja, fle wagten e3 fogar, ihren goldhungerigen Bergbau bis auf des Nitters von Hohenkarpfen Grund und Boden zu treiben. Daraus erwuchſen dieſem allerlei Bes fehwerlichfeiten, und es Tiefen Klagen auf Klagen von feinen Untertanen ein. Die feindfeligen Bergmänn— fein necften nicht blos Morgens und Abends die Are beitsleute auf den Feldern, jondern auch am Tage, wo Ihnen das Sonnenlicht gebot, in ihrer falten Er dennacht zu bleiben, auch fliegen oft ſchwere Sten- bagel aus den tiefen Schachten empor und verwunde⸗ ten manchen fleißigen Landmann.
Darüber ergrimmte Hugo im innerſten Stk, * feine reiſigen Knechte und verjagte Alles, was inner halb feiner Gränzen nah Gold und Silber grub; - hierauf verfehüttete er alle Gänge und begab fich dann wieder an des Landgrafen Hoflager, um * von dem Geſchehenen Rechenſchaft abzulegen.
Weit weniger freundlich, als das erſte Pal, em⸗ pfing ihn Egon von Fürſtenberg, ja, er gab ihm nicht undeutlich zu verſtehen, wie er ſich mit ſeinen fort— währenden Klagen und Beſchwerden höchſt überflüſſig mache, und daß man ſelbſt recht gut wiſſe, was zu des Landes Beſtem erforderlich ſey. Ritter Hugo hin— gegen, der ſich feiner guten Sache bewußt war, nahm die froſtige Zurechtweifung auf das beleidigendfte auf und‘ fehrte, mit bitterem Unmut gegen den Lande! grafen im’ Herzen, auf feine heimathliche Burg zurück. Er beſchloß, nun und nimmermehr zu klagen, ſondern
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fich, nach Achter Nitterart, ſelbſt Recht zu verſchaffen.
Zu Haufe angekommen, fand er Alles in großer Beſtürzung und Berwirrung. Die benachbarten Grunde herren, namentlich der von Conzenberg, hatten fich der von Hugo's Beſitzungen Bertriebenen angenommen, während Des Legtern Abweſenheit feine Aecker vers wüftet, feine Höfe verbrannt, und Alles, was jich widerfegte, niedergemacht. Frau Jutta jelbft hielt fich nur mit Noth in der Burg gegen den wüthenden An— fall, und erſt wenige Stunden vor ihres Gemahls Heimfehr waren die Feinde abgezogen. Da ermachte der heißeſte Grimm in Hugo's Innerem, cr meinte vor Zorn und that einen hohen Schwur, dieſe Unbill fchwer und blutig zuräcen: Flugs fammelte er feine Knechte und zahlte feinen Widerfachern mit Wucher. Die Röthe ihrer brennenden Burgen und Höfe Teuchtete weit in das Land hinein, fo dag der Landgraf tu nicht geringer Beſorgniß war, es feten fremde Feinde eingefallen. Alle Schichten und Gruben wurden zer— ftört, und was mit den Waffen in der Hand getroffen wurde, mußte ohne Gnade den Tod erleiden. | Des folgenden Tages aber zogen. die Gefchlagenen an das Hoflager des Landgrafen, und weil ſie fich ſchon früher durch reiche Gefchenfe feiner’ Gnade ver— fichert hatten, fo fanden fte hier auch ſchnell Recht, Ritter Hugo’ von Hohenkarpfen wurde als Landesver— derber angeklagt und unverzüglich vor feines Lehens⸗ Gern Richterſtuhl geladen. id Frau Jutta — nicht wenig, als fie dieſe Nach⸗
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richt erfuhr, meinte bitterlich und fiel Dem geliebten Gemahl um den Hals mit den Worten: „Ach, hätten du doch den Grimm des Wolfes nimmermehr gereizt, fo wäre er nicht -in Deine Deerde gefallen; nun wer— den aber deine unfchuldigen Lämmer bluten, und dw ſelbſt, der kühne Hirte, wirft dieſe Wagniß vielleicht mit deinem Herzblute bezahlen müſſen.“ — „Faſſe Muth” — entgegnete ihr Hugo — „hab' ich ja Doch nichts Böfes verbrochen,, jondern nur Gleiches: mit: Gleichen: vergolten. Der Landgraf wird auch mich hören, und meine Feinde werden bejchämt abtreten.” — „Ad, das Gold ift weit mächtiger, als die Wahr- beit und das Recht“ — verfegte Fran Jutta — „mid befällt eine gar: böfe Ahnung. Sollte Dir aber irgend etwas Gefährliches widerfahren, fo vergiß nicht Deines guten. Leibroſſes.“ — Mit diefen Worten umarmte fie den geliebten Gemahl, und dieſer zog mit feinem treuen
Thier nad) der Burg: ded Landgrafen.
Mie e3 die fromme Geele der bejorgten Gattin - geahmet hatte, fo geſchah es auch. Beſtochene Richter fagen zu Gerichte , und. der Landgraf ſelbſt war. voll; des grimmigften Zornes. Der ritterliche Stolz, mit dem ſich Hugo vertheidigte, verfchlimmerte feine Sache noch mehr, und ihm wurde, als überwiefenem Landes⸗ verderber, das Todesurtheil gefprocden. us;
Da warf. er fein ‚gutes Schwerdt vor, des —— grafen Füße und ſprach voll edeln Unmuths: „Nehmt hin meine wackere Waffe, die ich für Euch fo treu und ehrlich geführt, und mit ihr mein. Leben. Weiß
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ich doch, wie Ihr einen gehorfamen "Lehensmann zu Selohnen pfleget. Noch aber waltet ein Gott über uns, und ihm übergebe- ich meine Sache!" — Der Landgraf wandte fich erröthend von dem Verurtheilten, und dieſer wurde ohne Verweilen in den unterften Kerker Der Burg abgeführt, wohin kein Strahl der Sonne dringen konnte.
Mie nun der arme Nitter fo ohne afle Hoffnung gefangen ſaß, da erinnerte er ſich der letzten Worte feiner geliebten Gemahlin, und ein neuer, freundlicher Troſt ging in feiner Seele auf. Als Daher der Ker- Eermeifter erfchten, um ihm feine Flmmerliche Nahrung zu bringen, fprach er zu dieſem: „Lieber Sreund, als mir noch mein Glücksſtern ftrahlte, Habe ich Euch, wie Ihr Euch gewiß noch erinnert, manches Liebe und Gute ermwiefen. Nicht, als ob ich Euch jetzt überreden ‚wollte, einen Treußruch am Euerem Gebieter zu be— geben, um mein bischen Leben dem Beile des Kenfers zu entziehen; da fey Gott vor! Vielmehr ermahne ich Euch ſelbſt, ſtandhaft gegen alle Verfuchung zu bleiben, denn Untreue ſchlägt ihren eigenen Seren. Aber ei- nen Wunſch Helfet mir erfüllen. Wenn ich noch einmal des Landgrafen Antlig ſchauen könnte, jo wäre mir der bittere Gang zum Tode gar fehr erleichtert. Mar er doch immer mein Freund und hatte e8 gut mit mir vor, ich aber habe im meinen verirrten Sinne ‚gegen mich ſelbſt gevofithet. Seid doch fo gut, und — es durch Euere — dahin, daß mir
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‚ber —— mein gnadiger Herr, dieſe letzte Pike gewährt.”
Kurt, der Kerfermeifter, fühlte Mitleid ne dem unglücklichen Ritter und feiner boffuungslofen Jugend, und ging bin zu dem Landgrafen, um die legte Gnade für den Nerurtheilten von ihm zu. .erbitten. Herr Egon, eingedenf der früher aeleifteten Dienfte Hugo's,
gewährte Diefelbe, und als er in aller Pracht feiner Miürde, umgeben von feinen Dienfimannen und Knappen, in den hohen Ahnenfaale des Schlofjes Fürftenberg faß, wurde der NWitter von Hohenkarpfen aus Dem Dunkel ſeines Kerfers in die glänzende Berfammlung geholt.
„Edler Herr und Gebieter” — fprach der. Verur—⸗ theilte — „ich danke Euch für die hohe Gnade, Euer erhabenes Antlig noch einmal ſchauen zu Dürfen, und Gott mag dafür die Jahre, die ich früher in Das Reich der Schatten hinabfteigen muß, Euerem herrlichen Leben zurechnen. Meine Richter haben mich verurtheilt,, zu ſterben, ich murre nicht, auch mag ich meinen Tod verdient haben; allein mein letztes, umbedeutendes Ge» fuch — bedenfet, hoher Herr, es fpricht ein den Tode Gemeihter zu Euch — werdet Ihr mir gewiß nicht verwei—⸗ gern. Sch weill nicht um mein Leben bitten, das verwirkt ift, nicht um meine Freiheit, Die ich, wie meine Richter jagen, mißbraucht habe. Laßt mich nur. ald einen ritterlichen Mann von Diefer Welt Abfchied nehmen, und verleigt mir die Öunft, nur eine Kleine Weile noch mein wackeres Streitroß herumtummeln zu Dürfen.‘
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Der Landgraf lächelte ob der ſonderbaren Bitte, und befahl, alle Zugänge zu der Burg forgfältig zu ver fperren, die Wachen zu verdoppeln und jodann Das Begehrte zu gewähren. br se
Das Röplein wieherte freudig sin als es herbei= geführt wurde und feinen wohlbefannien Seren erblickte, und fprang wie toll umber, fo daß es die Knappen faum zu halten vermochten. Der Ritter aber trat binzu, ftreichelte freundlich den ſchneeweißen Nacken des lieben Thieres, und wie Diefed ihn mit, feinen großen frommen Augen wieder anfah, da fonnte Hugo ſich nicht enthalten, es zu umhalſen und auf. Die jehöne, glänzende Stirne zu küſſen. „Wirſt mir nun wohl zum. legten Male dienen‘ — Sprach er und lehnte ſich traulich an das fchlanfe Rößlein. — „Saft mich zu mancher fügen Luft, zu manchem freudigen Kampfe getragen, magft mich nun auch zu meinem. .leßten, bittern Gange geleiten.”
Das Nöflein wieherte abermals luſtig und heil auf, nicht anders, als 0b e8 feinem betrübten Herrn eine fröhliche Antwort geben wollte; auch ſchlug es in demfelben Augenblicke nach einem der Knechte, der den Ritter bohnlachend mahnte, nicht. fo lange mit dem legten Ritte zu zögern, ſo daß der ungeſchickte Burſche -fopfüber zu Boden purzelte,
Nun ſchwang ſich Hugo auf das fcharrende Roß⸗ lein, gab ihm koſend die Zügel und ganz leiſe und linde den Schenkel. Mit ſchnaubenden Nüſtern und fliegender Mähne freiste es in Dem geräumigen Burg—
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hofe, bald langſam, bald fröhlich tanzend, und der Landgraf und feine Umgebung fahen mit Freuden Die ſtolze Zierlichfeit Des Thieres, und wie es jo mit Liebe feinen fchönen Ritter zu tragen ſchien. Als es nim ſo fröhlich herumtobend an des Hofes nördliche Seite gekommen war, wo ſich der Berg, auf welchem die landgräfliche Burg emporragte, ſteil hinabſenkt in das Thal, durch welches die kaum erft ihren Quellen ent— jprungene Donau fich binfchlängelt, da wieherte es dreimal Hinter einander, daß die hoben Mauern und Mille wiederhallten, und feßte, wie auf eines Vogels Fittigen, mit einem Sprunge über Wall und Graben, und mit einem zweiten den Berg hinab in's Freie und Weite. Da erft errieth Ritter Hugo den Sinn feines Tieben Weibes, als fie ihm empfahl, in der äußerſten Gefahr feines Lebens r dem treuen * anzuvertrauen.
Nun jagte Das rettende Sie mit feiner Henkkh Laſt nicht anders, als wie von Fitligen des Windes getragen, dahin, und bald waren beide in der Dichten Waldesnacht den Augen ber ai ent⸗ ſchwunden.
Frau Jutta ſtand an der Pforte der heimathlichen Burg, ihr holdes Knäblein auf den Armen, als der Gerettete mit verhängtem Zügel dahergeſprengt Fam. Athemlos ſank er in Die Arme der ihn zärtlich Um— fangenden, dieje aber fprach mit Teifen Liebestönen zu ihm: „Hab' ich es Doch immer gefagt, mein Theuerfter, dag dieſes ferne, fremde Hofleben nicht für Dich tauge,
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daß die Luft dort Die Herzen ſchwer niederdrücke, und daß du nur in Deinen friſchen Berglüften frei und froh zu athmen vermögeſt. Sieh Hier dein Söhnlein, das durch dich bald feinen Vater verloren hätte; ſieh mich, die wieder Glückliche, Die Durch dich zur Unglüdlichiten ‚geworden wäre, und laß die wilden Wünſche, ‘die dich hinweglocken aus meinen Armen, für immer erfterben.” Hugo aber umarmte die weinende Gattin und fagte: „Wohl wäre mir manches Unheil erfpart worden, wenn ich Deiner Bitte gleich von Anfang willfahrt hätte; laß das Vergangene warnend für mich dahin— gegangen feyn, ich will mir von nun an eine heitere, glückliche Zufunft bereiten. Bier aber, mein ſüßes Weib! bier Haben wir die Tängfte Zeit gehaust; ich ‚muß die heimathliche Erde verlafien, denn mit dem Landarafen babe ich für immer gebrochen, auch wird er es mir nie verzeihen, daß ich mich feinem Gewahre fan und, feinem Gerichte entzog. Ich will meine Burg in Flammen jeßen, damit feiner meiner Feinde fich darin nähre und fih mit feinem Siege über mich bruſte. Wir ziehen in eine fremde Gegend, binab an den fchönen Neckarſtrom, zu den Pfalzgrafen von Tü— ‚Bingen, oder den mächtigen Herzogen von Teck, wo ich der fügen Nude froh geniegen kann; dort will ich mir einen neuen Heerd gründen
Frau Sutta lächelte gar anmuthig Durch ihre Thrä— nen hindurch und fprach: „Was der gewaltige Troß des Mannes fich zu erreichen nicht getraut, Das wird vieleicht de3 Weibes duldender, bittender Sanftmuth
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gelingen. Laß, mich, deinen, Friedensboten an den Landgrafen auf Fürftenberg ſeyn; ich. hoffe, zu Gott, fein Herz zu rühren und dich auf dem altheimifchen Boden feſtzuhalten. Ich will zu ihm binziehen mit diefem unferem Sohne auf den Armen, und nur von einem einzigen reiftgen Knechte begleitet. Wir Frauen, mein geliebter Gemahl, führen Waffen, denen fein menfchlich fühlendes Herz zu widerftehen vermag, und ſo hoffe auch ich meine Sendung auf das Beſte aus—⸗ zurichten.“
Hugo, deſſen früher. jo widerſpenſtiges Herz, Die Gefahr des nahen Todes bezähmt hatte, willigte in die Bitte, feiner Holden Gattin, und die Gnaden-Walls fahrt wurde für den fommenden Morgen befchloffen. Kaum war. Diefer angebrochen, fo tbat Frau Jutta, wie ſie es verbeißen, nahm den Sinaben auf den Arm, feste fich auf das ‚Fluggetreue Roß, und zog, im Ges leite nur eines einzigen Dieners, hinauf gen, Fürflens ‚berg. Schon unterwegs, nicht weit von da, mo jet das freundliche Städtchen Geifingen an der Donau liegt, traf fie auf den Landgrafen, der bereitd an der Spibe eines Trupps Gewappneter ausgezogen. war, um die Burg des entflobenen Ritters von Hohenkarpfen zu brechen. — Wer hat noch je dem Flehen einer holden, tugendreichen Frau widerftanden? Auch Landgraf Egon von Fürftenberg vergab und vergaß, und fortan Tebte Mitter Hugo ruhig auf feiner Burg, ohne die Gunft des Hofes ferner zu verfuchen. eh
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XXI. Friedrichs hafen | und Das ehemalige Klofer Hofen.
Beide, dad Schloß und die Stadt, liegen Dicht, am ‚See, jeder Theil auf einem ausjpringenden Bogen Ron) des Geftades. Die Page ft eine der fehönften und großartigften am ſchwäbiſchen Meere, denn hier liegt Der Bodenfee in feiner größten Breite vor dem Blicke. Friedrichshafen befteht aus Drei verfchiedenen ‚heilen, der ehemaligen Reichsſtadt Buchhorn, dem vormaligen Klofter (Briorat) Hofen, und der foge nannten Neuftadt, einer von Tag zu Tag wachfen- den Reihe Häuſer, welche fich von der Altſtadt gegen das Schloß und den Bahnhof Hinziehen.
Stadt und Schloß Friedrichshafen haben eine beinahe tauſendjährige Gefchichte. Schon im Jahr 837 fommt Buchhorn, der alte Name der Stadt, als Buachihorn, Puhihorn, Buochihorn vor, welchen Namen ſie wohl won ihrer Lage am See, wie Romanshorn, Argen— born und andere Orte, erhielt. Vielleicht reichte ein Buchenwald bis an den See, wo nun ‚Schloß und Stadt ſtehen, und im gelichteten Walde wurde die erite Willa oder Burg gegründet. Daß der Nanıe von Buche herzuleiten, dieſe Anficht möchte Dadurch unter
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Buchhorn fort... Seine drei Söhne waren: Adelbard, Ulrich . und Burfhard. Der leßtere. wurde Abt zu &t: ©allen, die beiden anderen. Brüder theilten nach dem Tode des Vaters das väterliche Erbe. Ulrich erbielt Bregenz und Die Befigungen der. Familie in Nhätien, Adelbard aber Buchhorn und Die Dazu ges hörigen Güter. Adelhard, Graf in. Buchhorn, der ſich durch Schenfung um das: Klofter Betershaufen vers dient machte, hatte einen Sohn Richar, der als Kämmerer von St. Gallen erſcheint. Von dieſem ſtammte Otto. L, Linzgaugraf, im Jahr 1058... Dtto vermählte fich. mit Bertha, einer Tochter Welfd des Aelteren, Herzogs von Baiern. In feinen Tagen vers breitete ſich der. verderbliche Streit Kaifer Heinrichs IV. mit feinem. Gegner, Herzog Audolf von Schwaben, bis an Das Gelände des See's. Biſchof Dito von Gonftanz hielt zu Heinrichs Parthei. Als nun der, Gegenfönig Rudolf an den See nad) Reichenau und Gonftanz kam, da flüchtete fich .Bifchof Otto ver ihm in Die benachbarte Burg des Grafen von Buchhorn, und von da, al8ı er: fich nicht mehr. ſicher glaubte, nach Zürich. Dieſe Burg war wohl keine andere,; als Das befeftigte Buchhorn. ‚Dtto von. Buchhorn. jliftete, mit- feiner Gemahlin noch vor. dem, Jahre, 1089. ‚Daß. Kloſter Hofen; er ſtarb im Sahr 1101 und. liegt mit ſeiner Gemahlin in dieſem Kloſter „begraben. Noch, in fpäteren, Zeiten wurde am 31. Januar Bertha's Zahrstag gefeiert: — Mit: feinem, Sohn, Dtto, endete: der Stamm der Örafen von Buchhorn. Otto machte
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fich vor feinen Zeitgenofjen eines grogen Verbrechens ſchuldig, denn er räubte einem Graf Ludwig von Pfullendorf feine Gemahlin und ließ jich mit ihr trauen. Da verkündete Biſchof Gebhard den Bann über ihn, und er wurde, in Folge göttlichen Etrafe gericht®, von den Dienftmannen des Grafen Ludwig auf die ſchrecklichſte Weile ermordet im Jahr 1089 Graf Otto, das Opfer einer fehnöden Reidenfchaft, wurde von den Geinigen im Klofter Hofen begraben, aber ver Bifchof Gebhard gönnte ibm Feine Aube in’ der geweihten Erde; auf feinen Befehl: wurde er wieder audgegraben und auf den Schindanger geworfen. Alſo endete eines der edelften und mächtigiten Grafenhäuſer am Ufer des Bodenſee's. Dtto’8 Hab und Gut wurde von feinen Mördern geplündert. Da er kinderlos ftarb, fo wurden feine Güter von den Welfen in Befis genommen, obgleich die Orafen von Bregenz; als Blutsverwandte, nähere Anfprüche darauf hatten. Auch Buchhorn fiel an die Welfen und war ſchon längſt ein wohlbefeftigter Ort, denn wir Iefen, daß lange vorher (im Jahr 925) eine bis nach St. Gal— len ftreifende Ungarnhorde einen Angriff auf Bude horn machte, jedoch umverrichteter Dinge wieder abziehen mußte. Unter den Herzogen und Königen aus dem Haufe der Staufen bahnte fih Buchhorn den Weg zur Breiheit, und ging aus den Wirren des Zwifehen- reiches fchon als unabhängige Stadt hervor. ‚Ihre Sreigeiten wurden von Kaifer Rudolph I. im Fa
1275 ’und von Kaifer Adolph im Jahre 1291 Bed
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ftätigt. Kaifer Albrecht verlieh ihr im Jahre 1299 das Recht, Daß feine Ritter oder Mönche erbliche Güter in der Stadt erwerben oder beſttzen Eünnen. Auch Die freie Wahl eines Stadtammanns erlangte Buchhorn, und zahlte dafür an die Neichslandvogtei zu Altdorf jährlich zehn Pfund und zwei Schilling Drennige. Im der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erwarb fie fich noch ein Eleines Gebiet Durch Anfauf der Drte Baumgarten und Erichskirch. — Buchhorn hatte auch eine Münze, und fand fehon im Jahre 1404 in einem Münzverband mit Württemberg und mehreren ſchwäbiſchen Städten. — Die Berfaffung war democratiich. Das Regiment beftand aus einen klei— nen und einem großen Rath, mit zwei Burgermeiftern, die je auf zmei Jahre gewählt murden, und abwechs— lungsweiſe über eine Bürgerfchaft regierten, Die kaum zahlreicher war, als Die eines mittelmäßigen Dorfes. — Ueber die früheren Schickſale Buchhorns haben Die Ehroniften wenig aufgezeichnet. Im Sabre 1292, als der Abt von St. Gallen, Wilhelm von Montfort, nebſt feinem Bundesgenoſſen, dem Biſchof Rudolph yon Couftanz , gegen König Albrecht am See in Fehde lag, mußte auch Buchhorn es entgelten, daß es gegen den Bifchof von Gonflanz gewefen war. „Am Mars tinstag,“ fo erzählt der glaubwirdige St. Galler Chroniſt Kuchimeifter, fuhr der Bifchof von Con— ſtanz zu und ihr Theil (feine Bundesgenoffen) und fürmten zu Schiff und zu Fuß an ‚Buchhorn und gewannen es mit Gewalt.” Im Jahre 1363 rannte
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die Stadt faſt ganz ab. Im breißigjäbrigen Krieg. war Buchhorn bald in der. Hand der Schweden, bald. in ‚der der Kaiferlichen.. Beide Theile binterließen fein. freundliches Andenfen, daſelbſt. Im Jahr 1643 wurde. e3 von den Weimaranern und im Sabre. 1645. von: Miderhold geplündert. — Mit dem Jahre 1802 hörte Buchhorn auf, eine Reichöftadt zu feyn, ‚denn ‚ed Fam. an Baiern, und im Jahr 1810 an Würtemberg. Wir gehen zur Gefchichte des Klofters Hofen über, die mit. der ‚der Stadt in der innigften Beziehung ſteht. Klofter Hofen gehörte in früheſter Zeit nebft ‚dem Dörflein. diefes Namens ebenfalls zu dem. rund und, Boden der. Stadt, denn gewöhnlich. hieß Das. Klofter. die. Zelle von Buchhorn. Dort ftand. auch, im Jahr 919. die dem h. Andreas geweihte Pfarrkirche, des Orts, und gab vielleicht die erfte Beranlaffung, zur Gründung des Klofters, was wir oben erzählt. Das Klofter zu Hofen ‚wurde zu. Ehren . ‚Der, ‚heiligen Dreieinigfeit,, der Sungfrau, Maria und ‚des heiligen, Pantaleon und Stephanus geweiht, und war. zuerſt mit Nonnen beſetzt, die meiſtens abeligen , Geſchlechts waren. Schirmvoͤgte des Kloſters waren. Die. Grafen von Buchhorn. Als nach dem. Erlöfchen dieſer ‚Grafen, Die Güter Derfelben an die Welfen. fielen, da übergab, Herzog Welf IV. das Kloſter Buchhorn, und die Pfarr⸗ kirche im Sof (qux est in atrio monasterii,,. im Vorhof des Kloſters) ſammt deren Zehenten a Weln⸗ hauſen, Argen, Meckenbeuren, Feldkirch u. A... mas; Alles zur Zeit: der Stiftung und. bald, nachher va
321 ⸗ Geber, unter andern durch Rupert von Otterswang, Cuno von Sigebrandesberg und Bernhard von Atege— dorf an das Klöſterlein gekommen war, an die Abtei Weingarten. Im Jahr 1130 wurde auf Betreiben des Abtes Cuno zu Weingarten der VBertragi erneuert, und es Heißt Darin ausdrücklich: „Abt und: Convent follen Darauf bedacht jeyn, Daß Die Nonnen zu Sofen einen tauglichen Prior erhalten, der des Klofters An- gelegenbeiten vermalte, und die Geelforge übernehme, zugleich aber follen Abt und Convent darauf ſehen, daß feiner feiner Nachfolger oder Erben, welche nad) den Erbrecht Vögte des Klofters Weingarten find, die Vogtei über das genannte Klöfterlein veräußere oder seinen Andern Damit belehne.‘ Der Abt von Weingarten jchiefte fofort einen Bruder als Probſt dahin, Der zugleich Die Bfarrfirche verſehen mußte. Dieſe Kirche muß Damals auch als Kloſterkirche ge— dient „haben. Im Anfang des 13. Jahrhunderts wurde eine eigene Kirche für Das Klofter erbaut‘, Die baufällige Andreasfirche aber wieder erneuert, Denn ie Jahr 1215 meihter der Bifchof von Conftanz Die Pfarrkirche und am folgenden Tage auch die Klofter- Tirche mit dem Klofter zu Ehren ihrer alten Schuß- heiligen. Unter den Meifterinnen des Klofterd werben genannt: Frau Catharina von Morel, Frau Agnes von Bergen, Frau Agnes von Anmil, und Frau Arſula von Hoimar. Die Iegtere Meifterin hatte viel zu kämpfen mit ihren. Schweftern,, Die feinen gar keuſchen Lebenswandel führten, und auch miderfpenftig 21
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gegen die Herrſchaft zu Weingarten jich erzeigten. Da machte Abt Johann Blaurer zw Weingarten mit Ge— nehmigung des Bifchofs Otto III. vom Gonftanz und des Johannes Truchfeg von Waldburg, Reichsvogt in Ober- und Niederfchwaben, eine Aenderung mit Dem Klofter zu Dofen. Das Kloftergut wurde von num an unter dem Namen Probſtei Hofen von dem je- weiligen Brobft aus Weingarten allein verwaltet. Der Probſt Hatte zu Hofen feinen ftändigen Sig und schaltete und waltete nach Belieben. Die noch übrigen Tonnen ließ man nach und nach abfterben, und e8 wurde feine mehr aufgenommen. Sm Jahr 1430 ftarb der von Weingarten veroronete Probft, und die Probftei blieb vafınt bis 434. Zu jener Zeit hatte Buchhorn zwei Pfarrer, welche in der-Stadt wohnten, einen Namens Hürnler und einen Namens Meate: Dem erfteren übertrug der Abt zu Weingarten Die Probſtei und Die Vfarrfirche, eigentlich Nicolausfapelte zu Buchhorn. Huch jenen Tod Drängte fich Der Dominikaner Reate mit Gifchöflicher Begünftigung und mit Anterflügung der Buchhorner als Pfarrer in die Kirche zu Hofen ein, obgleich Weingarten bereitd einen Brobft ernannt hatte Nach langem Streit ward im Jahr 1440 ein Bergleich gefchloffen, in Folge deſſen dem Reate die Fortfegung pfarrlicher Verrichtungen in der Kirche zu Buchhorn geftattet wurde. Im Jahr 1456 war Jodokus Dietheimer aus Ulm Probſt zu Hofen bis zum Jahr 1482. Sein Nachfolger war Johannes Lang aus Weingarten, er farb‘ im Jahr
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1499. Ihm folgt Jodokus Neukhum aus Lindau, der 16 Jahre der Probftei vorftand. Johann von Ramſperg, aus edlen Gefchlecht, wurde im Jahr 4515 an feiner Statt gewählt. Zu feiner Zeit fanden ſich noch viele Urkunden und Briefe in Der Regiftratur der Probſtei, welche der gelehrte Caſpar Bruſchius, der Chroniſt der Klöſter, noch geſehen. Johann von Ramſperg war Probſt bis 1550. Im Jahr 1591 wurde die Brobftei aufgehoben, umd die Verwaltung von einem Klofterhofmeifter, genannt Vogt, geführt, die Pfarrei aber einem Weltgeiftlichen übertragen. In demfelben Jahr wurden zum erjten Mal die zwei Pfarrer zu Hofen und zu Buchhorn‘ inveftirt, und jeit Diefer Zeit laufen zwei Pfarreien neben einander. Dennoch blieb die Buchborner Kirche Filialkirche "von Hofen. Erſt, als Teßteres im Jahr 1634 völlig abe _ gebrannt war, wurde die Pfarritelle von Hofen mit
der von Buchhorn der Art vereinigt, Daß die Pfarrer in Buchhorn auch Die Pfarrei Hofen verfaben. Da ed aber an einer Kirche daſelbſt fehlte, fo wurde Die Gemeinde an die Pfarrfirche zu Buchhorn gewiefen. Im Sahr 1695 beſchloß Ast Willibald von Wein garten, ein Priorat zu Hofen einzurichten, und erbaute ein neues Klofter und eine neue Kirche, wie fie jest iſt. Im Jahr 1708 wurde Klofter und Kirche dem h. Bantaleon, Andreas und andern Heiligen gewidmet. In Demfelben Jahr wurden zwölf Kloftergeiftliche nebſt zwei Brüdern, fo wie ein Brior von Weingarten nach Hofen'verfegt, und an die Stelle der ehemaligen Probſtei
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trat num Das Priorat Hofen. Im Sahr 1803 kam das Priorat Hofen ſammt Weingarten an Naſſau— Dranien, durch den Vertrag von 1804 an Oeſterreich, und Durch den Preßburger Frieden im Jahr 1805 an Mirtemberg. Der meife, König Friedrich, welcher den Werth dieſer Erwerbung in Beziefung auf Kandel und Schifffahrt erkannte, Tieß alsbald zur Wiederherz ſtellung Des alten zerfallenen Hafen von Hofen fchreiten. Als im Jahr 1810 auch die Stadt Buchhorn an Mirtemberg fam, wurden Buchhorn und Hofen unter den Namen „Stadt und Schloß‘ Friedrichshafen‘ zu Einer Gemeinde vereinigt, und eine Schöpfung trat ins Leben, die König Friedrichs Namen im Gegen verewigt. Dennoch Eonnte fich Das neue Friedrichs— bafen noch Feines großen Auffchwungs erfreuen, bis Vriedrichs edler Nachfolger Wilhelm Diefer ſchön gelegenen Beſitzung feine Aufmerffamfeit zumendete, und das frühere Brobfteigebäude zu einer jeweiligen Sommers refidenz einrichten Tieß. Zu gleicher Zeit murden Schiff- fahrt und Sandel, durch die Erbauung des Dampf- boots Wilhelm, Des erften auf dem Bodenfee, mehr als je gehoben.
Der herrlichen Schöpfung unferes geliebten Königs, dem ſchönen Schloffe, wenden wir unfre Schritte zur, und finden in ihm das Merkwürdigſte, was —— hafen bietet.
Ein ſchöner, von einer majeſtätiſchen Linde be⸗ ſchatteter Eingang führt in einen großen, zum Theil mit Blumenbeeten geſchmückten Hofraum. Rechts ſtehen
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die Wirthichafts- und Dienftgebäude mit dem ehema— ligen PVfarrhaufe, weiter links das Schloßgebäude und die an daſſelbe fich anfchliegende Kirche. Vorwärts und zur Site breiten fich herrliche Gartenanlagen aus. Das Ganze ift rundum mit einer Mauer umgeben, welche einen Blächenraum von 131% Morgen eins schließt. Das Schloß ift hoch und geräumig und bildet mit der Kirche ein Viereck, in deſſen Mitte ſich ein Sof, ehemals Conventhof, befindet. Ein auf Bögen rubender Gang, an deffen einem Ende ein Thürmchen fteht, verbindet das Schloß mit den Oe— fönomiegebäuden, und vermehrt den Zauber des Ganzen. Das Innere des Schloſſes ift geſchmackvoll und finnig eingerichtet, gang in Uebereinftimmung mit der fchönen Natur, die man hier vor Augen hat. Wir treten im erften Stock durch ein Vorgemach mit Pferdeſtücken in das blaue, in Form eines Zeltes drapirte Arbeits- zimmer des Königs, wo uns das Bild der unvergeß— lichen Königin Catharina begrüßt. Don da fonımen wir in ein weißes Ankleidezimmer, an das fich ein grünes Schlafgemach anfchlieft. In letzterem machen wir befonders auf Die fchwäbifchen Bauernfeenen, Kirch— weihe u. dgl., forwie die Studentenverfammiungen vom Biberacher Dialer Pflug aufmerffam. Durch die Garde— vobe gelangen wir in ein Gelag mit Abbildungen ruſſiſchen Militärs. Im Billardzimmer fchöne Vieh— ſtücke, Landfchaften und Geebilder, im Speifefaal Ehloris und Daphne von Gegenbauer, fowie Scenen aus deutichen Dichtern, z. B. Göthes Erlkönig, Bür—
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gers Leonore, Der wilde Jäger, — ſodann zwei vater: fändifche Landfchaften, Burg Lichtenftein, Nebelhöhle, Feſte Hohentwiel — letzteres als düſteres Nachtſtück. — In zweiten Stock ſind die Gemächer der königlichen Vrinzeſſinnen mit drei Anſichten Neapels und zwei des feuerſpeienden Veſuvs. Durch Schlaf- und Garderobe— zimmer treten wir in den Salon, von deſſen offener Säulengallerie man eine der herrlichſten Ausſichten am ganzen See genieft. Man befindet fich eigentlich im Mittelpunft der ganzen Seelänge, erfchant bier auf einer Seite die Thürme von Gonftanz, anf der andern über Langenargen bin, die lange Erdzunge, aus wel—⸗ cher Der Rhein in den See tritt — und zwifchen dieſen beiden Punkten liegt der Obftgarten St. Gallens und des Thurgaus mit unzähligen Ortfchaften, Burgen, Höfen und Landhäufern, und die im Sintergrund der— felben auffteigende Kette grüner Hügel mit den fahlen Selfenwänden des Säntis. — Nun folgen die Zimmer Ihrer Majeſtät der Königin Bauline, die befonders Diefe ſchöne Reſidenz am Bodenfee zu einem lieben Aufenthalt in der freundlichen Jahreszeit erforen; das Arbeitszimmer mit einer Sammlung von Miniaturbildern der Föniglichen Familie, das Gefellfchaftszimmer mit zwei Genrebildern von Heß, ſowie einer Anficht von Friedrichshafen mit dem Dampfjebiff Wilhelm. — Im pritten Stod befinden fich die Gaſtzimmer mit dem VBortrait der Königin, von Steinfopf, mit Schweizer profpeeten, Rheingegenden n. ſ. w. und mehreren ſehr
ſchönen Woafferfarben - Zeichnungen, Scenen aus dem
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ruſſiſchen Feldzuge, von dem genialen Difettanten Fabre— Dufaure, württembergiſchen Artillerie-Dberften, welcher Augenzeuge Diefer Handlungen war. — In zwei Öängen des Schloſſes machen wir noch auf zwei Fenſter mit Glasgemälden aufmerffam, die bei günftiger Beleudh- tung ein wunderbares Licht entgegenftrahlen. — Bon den Gemächern des Schloffes gelangt man in die Kir— che, jegt evangelifche Pfarrkirche. Sie ift ein maje- ftätifches, aus Rorfchacher Quadern im neuromanifchen Styl aufgeführtes Gebäude, und hat zwei hohe, mit Kuppeln verjebene Thürme. Ihr Inneres ift reich. an Stuffaturarbeit, und bat einen ſchönen, mit Figuren gezierten Hochaltar. Schade, dag auch hier, wie in den meiften Kirchen dieſes Styls, jo viel Ueberladung berrfcht, was dem an die einfach ſchöne Ornamentif des byzantinischen oder gothifchen Styls gewöhnten Auge
fo wenig wohl thut. Bier in Diefer Kirche wurde am 17. Juli 1851 die Bermählung Der jüngſten Tochter des Königs, Augufte, mit dem ritterlichen Prinzen Hermann zu Sachfen- Weimar gefeiert. Es ward aufs Neue Fund bei Diefer feierlichen Veranlafjung, wie lieb und theuer der Schöne Wohnjig der ganzen hohen Königsfamilie geworden — und mit welch inniger Liebe und Verehrung die Bewohner der Stadt und Gegend an der fünig- fichen Familie hängen, Davon fah man die rührendften Beweiſe. |
Einen bejondern Befuch verdienen auch die jchönen und gejchmadfvollen Anlagen um Kirche und Schloß»
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gebäude. Jeder Morgen: und Abend bietet bier neue Naturfeenen dar, indem nach Der Jahres: und Tages— zeit die Beleuchtung beftändig: wechſelt und der Eee, ſowie Die Hochgebirge, durch den Einfluß der Witte rung fich bald in Klarheit. und Ruhe, bald wolken— umhüllt und aufgeregt zeigen. Schloß Friedrichshafen und Umgebung: ift fürwahr ein Feenſitz zu nennen, befonders in jenen Tagen, wo die allgeliebte Königin Pauline in den Gemächern des Schloffes waltet, und eine zweite fromm und jegensreich wirfende Wendil— gard von Buchhorn für Einheimiſche und Fremde wird.
2. Die treue Wendilgard.
Zu Anfang des 10. Jahrhunderts lebte Graf Ulrich von Linz und Argengau zu Buchhorn mit feiner Oe⸗ mahlin, der edlen Frau Wendilgard.
Als ums Jahr 919 die Ungarn zum zweiten Dale in Deutjchland einfielen und. verbeerend durch Das Baierland hereinrückten, zog auch Graf Ulrich mit feinen Genoffen ihnen entgegen, feine dortigen Güter zu vertheidigen. Es kam zur Schlacht. Graf Ulrich focht ritterlich gegen Die fremden Bedränger, batte aber das Unglüf, in die Hände der Feinde zu fallen, die ihn im die Gefangenfchaft wegführten. Er wurde von allen feinen Mitgenoffen für todt gehalten. So erhielt - auch Wendilgard die Kunde, Daß ihre Gemahl nimmer am Leben wäre Bald ftellten fich Freier ein, welche
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ſich um die Hand der jugendlichen Wittwe bewarben, aber fie wollte nicht3 von folchen Anträgen hören. Um Allen auszumweichen, begab fie fich auf den Rath Bifhof Salomos nah St. Gallen, wo fie neben der Klaufe der heil. Wiborade eine Zelle ſich bauen ließ; allda Iebte fie von dem Ihrigen, und fpendete zum Seelenheil ihres todtgeglaubten Gemahld Deu Armen reichliche Almoſen. Alljährlich Fam fte nach Buchhorn und feierte Dort des Gemahls Andenken mit andächtigen Gebet und Werfen der Wohlthätigfeit. Bier Jahre waren verfloffen, da begab fie ſich wie- der hinüber nach Buchhorn, um die gewohnte Trauer- feier zu begeben. Während fie num damit befchäftigt war, ihre milden Gaben an die zahlreich herbeiſtrömen— den Armen auszutheilen, drängte fich ein zerlumpter Bettler durch die Menge umd verlangte von ihr ein Kleid. Wendilgard Schaft, daß er fo frech und unge— ſtümm feine Gabe verlange, Doch reichte fie das Kleid, wenn auch etwas unwillig. Plötzlich ſchloß der Bett: fer die Geberin in feine Arme und küßte fie, Frau- Mendilgard mochte es geſchehen Tafjen oder nicht. Schmerzlich bewegt‘, Daß ihr folche Schande wider: fahren, zog dieſe ich auf ihren Stuhl zurück und rief: „Jetzt erft erfahre ich, daß mein Gemahl Ulrich nim— mer am Leben, da ich folche Frechheit von einen Bett- ler erfahren muß.” Da kamen einige der umftehenden Diener und wollten dem frechen Bettler Fauftichläge geben, aber der warf feine wilden langen Haare mit der Hand in den Naden zurüf, und rief: „O ver
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ſchont mich doch mit euren Fauſtſchlägen, denn ich habe deren genug erduldet; ſchaut her und erkennet Graf Ulrichen euren Herrn!“
Als die erſtaunten Diener der Gräfin die Stimme ihres Seren hörten, und das einft jo mwohlbefannte Angeficht zwifchen feinen Locken erblickten, grüßten fie ihn laut, und das Hausgeſinde jauchzte vor Freuden. Ulrich trat zu Frau Mendilgard, nahm ihre Hand, und führte fie an eine ihr mohlbefannte Narbe. Da erwachte Wendilgard wie aus einem Schlafe und ſprach; „Das ift mein Herr, der Tiehfte aller Menfchen! Bit mir willfonmen, bift mir willfommen, mein Süßefter !“ Mährend fie den miedergefundenen Gemahl umarmte, rief fie ihrem Gefinde zu: „Leget eurem Herrn Kleider an, und fputet euch zur Stunde, Daß er ein Bad ‚ empfange!” Als Ulrich wieder ziemliche Kleider ange tegt hatte, fprach er: „Nun laßt und zur Kirche gehen, um Gott zu danken!’ Mährend dem Gehen fehaute Ulrich feine Gemahlin an, und bemerfte den Nonnene jchleter, welchen fie angelegt hatte. „Sprich, wer bat dir den Schleier umgelegt?“ fragte er Frau Wendile gard. US er hörte, der Biſchof von Gonftanz habe ſolches gethan, da fie alle Hoffnung aufgegeben, daß ihr Gemahl je wiederfehren würde, fprach er: „Nun Darf ih Dich von Stund an nicht mehr umarmen, wenn der Biſchof nicht Erlaubniß dazu ertheilt.“
Bon den Geiftlichen, deren mehrere an dieſem Tage zufammen gefommen waren, wurden jeßt in der Kirche Aemter gehalten, nicht in Trauer für den Verftorbenen,
331 fondern soll: Freude für den Lebenden, und all das Bolt nahm andächtig daran Antheil. Darnach wird ein feſtliches Mahl gehalten, zu vem Diele berbeiftrö- men, Die von der wunderbaren ©efchichte hören, und Alle erquicen und freuen fich bei diefem Maple.
Die nächfte Zeit Darauf berief Salomo von Conflanz eine Synode; auf diefer forderte Graf Ulrich feine Gemahlin wieder von dem Bifchof zurück. Der Be: ſchluß der Verfammlung fiel dahinaus: „Aelter ift das Gelübde, das Wendilgard ihrem Gemahl gethan; fie werde dem Gatten zurückgegeben, der Schleier aber in den Schränken der Kirche aufbewahrt, damit Frau MWendilgard, wenn je ihr Gemahl vor ihr fterben follte, denfelben als Wittwe wieder anlege.” Nun fehrte das wieder vereinigte Ehepaar nach Buchhorn zurüd, nachdem fle das Gelübde getban, daß, wenn fie noch einen Sohn erzeugen würden, derſelbe an der Mutter Statt dem heil. Gallus geweiht werben follte. Mirflich empfing Frau Wendilgard noch einen Sohn von ihren Gemahl, aber fie gebar ihn nicht: vierzehn Tage vor der Zeit Fam ſie in Kindesnöthen und ftarb. Das Söhnlein mußte ihr aus dem Leibe gejchnitten werden, und wurde dann in einem warmen Bauch eines frifchgefchlachteten Schweins zur Reife gebracht. Ju der Taufe erhielt das Kind den Namen Burfhard.
Kaum war Burkhard der Pflege feiner Amme ents wachfen, fo brachte ihn fein Vater nah Et. Gallen, wie er mit feiner feligen Mutter gelobt hatte, und legte ihn auf den Altar der Kirche nieder, indem er
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Segen für dad Kind von einer Mutter erflehte. Als Zugabe weibte er dem Klofter Grundftücde und Zehen— ten zu Höchſt. Im Klofter wurde der £leine Burf- hard erzogen ; Die Brüder nannten: den wunderfchönen Knaben Burkhard den Ungebornen. Weil er unzeitig geboren wurde, mar er fo zart, daß er bei jedem Fliegenftich Glutete; darum befam er von feinen Lehrern jelten Ruthenhiebe. So ſchwächlich und zart Burk hard immer am Leibe blieb, fo ſtark ward er an Geifteskraft. Er wurde fpäter wegen feiner ausge— zeichneten Gaben zum Abt des Kloſters gewählt.
2. Des Lebens Schuld und Sübhne.
An den reizenden Ufern des Bodenſee's Tag Die ftolge Burg der Grafen vom Linzgau. In Mitte lieblicher Anlagen erhob fie jich mit fürftlicher Pracht, und wenn die Morgenjonne die Ihürme und Binnen vergoldete und ſich in den hohen Benfterfcbeiben ſpiegelte, bot fie einen prächtigen Anblick. Drüben, am gegen» über liegenden Ufer der hohe Säntis und die ganze Kette der Schmeizergebirge , vollendete ein Bild para— dieſiſcher Schönheit.
Die Grafen von Pinzgau waren ein altes, edles Geſchlecht, das bedeutende Namen unter feinen Gliedern zählte. Zur Zeit unferer Erzählung war. Otto II, Graf von Linzgau, Kerr und Beſitzer der. Schönen Herrschaft. Er war ein Enfel der frommen Wendile garde, deren hohe Tugenden und gottjeliges Leben ihr
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den Ruf der Heiligkeit erworben hatten. Aber des jungen Grafen Sinn befchäftigte ſich nicht gleich dem Geiſte feiner edlen Ahnfrau mit hohen Dingen, ihm lachte die Welt: und junges, leidenjchaftliches Blut rollte in feinen Adern. Jagden und Turniere , Feſte und Trinfgelage folgten fich in bunter Abwechslung, und Das vergnügensfüchtige Derz des Schloßheren eilte unbefriedigt von einem zum andern.
- Ein herrlicher Sommertag neigte fich zu feinem Ende, als Graf Dtto befahl, ihm fein Leibroß zu fatteln ; er batte fich längft vorgenonmen, feinen ehemaligen Maffengenoffen, den Grafen Ludwig von Pfullendorf, zu befuchen und einige Tage auf deſſen Burg zu ver: leben. Graf Ludwig war feit ein paar Jahren vers beivathet und die geſchwätzige Fama mußte viel von der hohen Schönheit feiner Gemahlin zu erzählen. Otto von Pinzgau war längft begierig gewefen, feines alten Breundes Hausfrau zu fehen, aber Vergnügen und Befucbe hatten ihn immer aufgehalten. Während er nun müßig an einem Fenſter feiner Burg Tehnte und dem Spiele der dunfeln Wellen zuſah, fam ihm plöglich der Gedanke, auf Schloß Pfullendorf einzu- fprechen ; dem Entfchluffe folgte Die rafche That, und ‚eine halbe Stunde fpäter trabte Graf Otto über Die Zugbrücke.
Die Nacht war bereits vorgeſchritten, als der Graf, von einem einzigen Diener begleitet, an dem Burgthore des Pfullendorfers Einlaß begehrte. Klirrend fiel Die Brücke nieder und mit den ſchuldigen Ehrenbezeugungen
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wurde, der werthe Gaft empfangen. Graf Ludwig ließ fich'8 nicht nehmen, noch einen’ Becher zum Willfomm mit dem Freunde zu leeren, er bedauerte nur, daß feine Gemahlin fich febon zur Ruhe begeben hatte, und er ihn bitten müffe, fich bis morgen zu gedulden, um der Gruß der Hausfrau zu empfangen. Ein Stündchen mochte in traulichem Geplauder verfloffen jeyn, als die beiden Grafen fich derb Die Hände ſchüttel— ten und in ihren ®emächern die Ruhe fuchten. Der Graf von Linzgau befand ſich in einer eigenthümlichen Stimmung; ihm war's, als follte eine neue Lebens woche beginnen und doch begriff er nicht, welch Ereig— niß diefe Gemüthsbewegung begründete! Wie oft be— fchleichen und düftere Ahnungen Fommenden Unheils und der Menfchen Blindheit begreift die warnende Stimme nicht!
Der. Morgen des folgenden Tages erglängte in all der Bracht des Sommers. Die Gärten und Anlagen des Schlofjes prangten in taufend Reigen, und Thau⸗ yerlen funfelten gleich Diamanten im den füpen Blüu⸗ thenkelchen.
Graf Otto begab ſich frühe in das Gemhi in welchem der Morgenimbig genommen werden ſollte. Mit herzlichem Gruße trat ihm Graf Ludwig entgegen, und bald verfündete das Naufchen eines ſeidenen Ge: wandes das Nahen der Hausfrau. Gräfin Iſabella
trat ein und begrüßte mit holdem Lächeln den Freund
des Gatten, welcher: ſprachlos vor ihr ſtand, wie a blendet von dem Zauber ihrer Erjcheinung.
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Die Kunde ihrer Schönheit war nicht übertrieben, fie Eonnte im Gegentheile diefem Leibreiz nicht genügen.
Sfabella war eine hohe, ſchlanke Geftalt, reiches dunfelbrauned Saar umgab in glänzenden Loden ein Madonnenantlig, deffen dunkle, glühende Augen jedoch im ſeltſamen Widerfpruch mit dem frommen Ausdrucke ftanden, welche ihre Züge annahmen, fobald die langen Wimpern ihren funfelnden Blick verfchleierten. Süd— liche Leidenſchaft und zarte Weiblichkeit fchienen ſich bier im feltenen Vereine zu begegnen und brachten den verfchiedenften Eindruck hervor.
Ein ſchwarzes Seidenkleid umfchloß im reichen Fal— ten die reisende Geftalt, und fo ftand fie vor dem er— jtaunten Grafen mit der Hohheit und Anmuth einer Fürftin. „Ihr feht, STabella, mein trautes Gemahl, Daß mein edler Freund Euern Weizen huldigt, obwohl er feine Worte für feine Bewunderung finden kann“ fprach Graf Ludwig lachend zu feiner Gattin. „Wir wollen ihm den Gruß verzeihen, fo er ung Fünftig feiner Aufmerkſamkeit würdigen will“ ſprach die Grä— fin mit milder Stimme und reichte dem Grafen, der unwillkührlich ſich vor ihr auf ein Knie niedergelaſſen hatte, die Hand zum Kuſſe. Otto blickte auf, ihre Augen trafen fich und —— Eine Blick hatte ſein Loos entſchieden!
Liebe erwacht oft bei einem erſten —— iſt ein geheimnißvolles Band zwiſchen zwei fh erft
enden Weſen, welches ſie uneierfehich zufanmen Bean |
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‚Bisher war des Grafen von Linzgau's Herz der
fügen Leidenfchaft fremd geblieben; unter. männlichen Vergnügen und Mebungen floß ihm die Zeit, und noch feinem Weibe war es gelungen,’ in feine Geele den verzehrenden Funken zu werfen: jest „aber liebte er zum erften Male mit der ganzen Glut feines Weſens — liebte — die Gattin feines Freundes.
Milde Kämpfe folgten fich in feiner Seele, — er wollte nicht ehrlos handeln, nicht den ihm vertrauen: den Freund um fein ganzes Glück betrügen, nicht dem Weibe feines Herzens den innern Frieden rauben: — aber unbefiegbar tobte die Feidenfchaft im feinen Adern ! Immer wieder verzögerte er feine Abreife, gleich als hielten ihn unfichtbare Mächte an den Ort feiner Luft und Qual gefefielt. |
Sfabefla Hatte wohl längft, mit denn jeder" drau
eigenen Scharfblid , Des Grafen Liebe errathen. Sie
war fein pflichtwergefjenes Weib, wenn fte auch ihrem Gatten die Sand nicht aus Liebe gereichtohatte, ſo wollte fie doch das Gelübde der Treue nicht verlegen und der fügen Lockung widerfiehen. Wohl jehmeichelte des Grafen Huldigung ihrer Eitelfeit, aber fie glaubte ſich ftarf genug, jede Herzensregung zu überivachen. Bald jedoch flößten feine glühenden Blicke das ſüße Gift auch ihrer Seele ein; fie verſäumte es, Die fei- wende Keidenfchaft zu zügeln, und als fie es wollte, war ed zu fpät! — Graf Ludwig von Pfullendorf Hatte nicht viel Sinn für Die Freuden der. Häuslich-
feit, eine Bärenjagd hatte für ihn mehr Reiz, als das
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zarte Kofen der Liebe. Erft wollte er den Gaft auch mit in feine Wälder nehmen, da diefer aber feine be- fondere Luft bezeugte, zog er allein unter fröhlichen Hörnerflang und Hundegebell feined Weges. Er liebte fein Weib und vertraute ihr unbedingt — glüdliche Blind» heit !
Eine Zeit voll Wonne und Weh war nun über Iſabella gekommen. ; Die Leidenfchaft war in ihrem Kerzen zum Drfane gewachſen, und ihrer Seele half ihr Kämpfen nichts. Otto hatte ihr feine Liebe ges ftanden, hatte in dem Zittern der Hand, in dem ver> rätherifchen Glanze des Auges Gegenliebe errathen, und füße Stunden flogen an Beiden vorüber, wenn ſie in innigem Geplauder nur ihrer Liebe dachten.
Dft aber, wenn die Gräfin Abends allein in ihrem ftillen Gemache faß, Erallten fich ihr Die Furien der Neue ind Herz. Sie flehte auf den Knien um Er— barmen zum Himmel, faßte die heiligften Vorſätze, vergoß heiße Thränen, — doch fie ſah Ihn am nächften Morgen wieder — und liebte ihn rafender als zuvor! Auch Graf Dito von Linzgau Mitt unter der Glut feiner : Leidenſchaft und den Pflichten feiner Ehre. Tropfenweife hatte fich das brennende Gift in Die Herzen der Beiden gegoffen, Hatte ed erfüllt mit der Göttergabe des Abgrundes — der verbotenen Liebe! diefem wahnftnnigen Gefühle, zufammengefeßt aus Der Seligkeit des Himmeld und den Martern der Hölle — einem MWahnfinn, in welchem der Kranfe bald in den böchften Wonnen jchwelgt , bald auf der Folterbanf
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der Qualen ächzt. Iſabella's Tugend verfuchte einen legten Kampf. Sie hatte viel getan, was fie zu bereuen hatte, nichts, was die Neue abfchnitte. Sie bat den Grafen Otto, um feiner Liebe willen, ihr Haus zu verlaffen, ihre Ruhe zu fchonen, und er ge= borchte ihrer Bitte, und ſchied mit. blutendem Herzen von dem Schauplake feiner Luft und Dual. Das Herz kann Den Bruch. einer fehuldlofen, er— laubten Neigung überleben, Die Narbe bleibt, aber die Munde heilt: die Liebe jedoch, welche: ein Kind ver Schuld iſt, gräbt fich mit Any SET [Ben Zügen in's Herz ein.
Sfabella gab ich redliche Mühe, — * Schmerz * Trennung von Otto zu bewältigen, ihre Pflichten treu zu erfüllen, ihrem Gatten ein liebes Weib zu ſehn; Niemand ahnte, was ſie litt, und ſie erſchlen wenigſtens äußerlich ruhig und gefaßt, obwohl die Sehnſucht nach dem Geliebten, der Schmerz um ein unerreichbar Glück, ihr wie ein Krebsſchaden an der Seele nagte.
Einige Monate waren vergangen. Der Öraf von Rinz- gau hatte vergebens jede Zerftreuung gefucht; feine alten färmenden Freunde und deren Zechgelage Tprachen ihn nicht mehr an, Jagd und Waffenfpiel Hatte jeden Weiz verloren, und. in trübem Sinnen verfenft, verlebte er traurige Tage. JIſabella's Bild thronte auf Dem Altare feines Herzens, und wie all das, was unerreichbar ift, im unfern Augen auch unfehäßbar wird, jo * er ſie mit einer unverdienten Glorie.
Otto hatte — die Stimme des Gereiffeng‘ eine
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geſchlaͤfert; er fehnte fich nach dem Befige der Ge— liebten und: war entfchloffen , fein Opfer zu ann, Das ihn zu Diefem Ziele führen konnte.
» Eines Tages wurde ihm die Kunde, der Graf von Pfullendorf fey auf längere Zeit von Haufe abwefend, und Otto beſchloß, die Friſt zu nützen. Er wollte zu Iſabella veilen, fie zur Flucht bereden, zur Beruhi— gung ihrer Zweifel, ſich von dem Burgkaplan, welcher ſein Werkzeug war, mit ihr trauen laſſen und dann in ihren Armen ein glücklich Leben führen. Mit der Ungeduld der Leidenſchaft flog er nach Pfullendorf und ließ ſich der Gräfin melden. Mit glühenden Wangen und hochklopfendem Herzen trat Iſabella ihm entgegen. Er ſank vor ihr nieder, flüſterte mit all der Beredtſamkeit der Leidenſchaft ihr ſeine Liebe zu, malte ihr das Glück, das ſie erwarte, und bat ſie, ſich ihm anzuvertrauen. Er verſtand es ſo gut, ſie zu beruhigen, hatte er doch in ihrem Herzen ſeinen eifrigſten Verbündeten. Mit einem Male ſchien ihre, Angſt zu ſchwinden, es war ihr, als könnte ſie nie zagen, jo lange ſie an dieſem Herzen ruhte, und waͤh— rend ſie auf feine glühenden Worte lauſchte und: ihr Auge im jenem zu leſen fuchte, das fie ſo zärtlich anblickte, ging in ihrer Seele eine. neue Sonne aufs ſſe fühlte feine Reue, feinen Zweifel mehr, der wilde Sturm im Innern batte fich gelegt, — mas kümmerte ſie die Zufunft, wenn die Gegenwart fo unausſprechlich — war!
“Inder folgenden. Nacht entführte - der Öraf von
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Pinzgau feines Freundes Weit. Dem SHausgeiftlichen hatte er nicht gefagt, daß feine Braut die angetrante Gattin eines Andern fey, und Diefer fegnete in finfterer Mitternacht bei matten Kerzenfchein die unfelige Ber: bindung. Iſabella's Seele fehien in narfotifcher Ber täubung zu liegen: fein Gewiſſensvorwurf ftachelte fie: — fie rubte am Herzen des geliebten Mannes, und dort wähnte fie im Abgrunde der Hölle ku) glücklich zu ſeyn!
Aber die ewige Gerechtigkeit läßt keine Uebertretung ihrer Gebote ungeftraft, und das Glück Der Sünder ift von furzer Dauer. Ä
MWährend die pflichtvergeffene Gattin in den Armen Otto's ruhte, kehrte der Graf von Pfullendorf in die Heimath zurück und erfuhr dort feines Weibes Flucht. Voll edlem Zorne wandte er fich an den frommen Bifchof Gebhard von Gonftanz und bat ihn um Bei: ftand in feinem .berben Web. Der Name Des Ber: führer Fonnte dem Bfullendorfer fein Geheimniß bleiben, und er gelobte fich blutige Rache.
Der Kirchenfürft ließ den Grafen von Linzgau aufs fordern, Die Entführte ihrem rechtmäßigen Gatten zus rücfzugeben und für die ſchwere Sünde Buße zu wirfen. Dtto verweigerte den Gehorſam, und nun ward mit ergreifender Peierlichkeit der Kirchenbann über ihn aus⸗ geſprochen.
Nirgends war nun für den Unglücklichen mehr Ruhe und Sicherheit. Wenn er ſich aus ſeinem Schloſſe wagte, drohte ihm der Tod durch die Mannen des
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fehmwergefränften Grafen, in den Armen der Geliebten verfolgte ihn der Bannftrahl, welcher ihn ausſchloß von der Gemeinde der Oläubigen und der ewigen Seligkeit. — Tag für Tag frallte fi) das Gefpenft der Angft tiefer in feine Seele, felbft Iſabella's Liebe Eonnte es nicht mehr werfcheuchen. Im folchem Ge— müthazuftand verlebte der Unglücliche viele Monden lang, wie ein VBerbannter auf einer Feljenflippe. Kaum daß er alle Wochen einmal aus feinem Gemach here vorging und mur auf den Balkon feines Schlofjes trat, um Gottes freie frifche Luft und die fchöne Natur zu genießen. Doch wandelte ihm einmal die Luft an, die er in früherer glücklicher Zeit oft genoffen hatte, und Die ihm oft mehr Vergnügen gemacht, ald die Jagd in den nahen Wäldern — die Luft, auf den Wellen des See's fih zu erfrifchen. Keinen Schritt vor feiner. Burg war er ficher vor der Verfolgung feiner Feinde, Die wie ein Neb feinen Wohnfig um— gaben — auf den Wellen des See's, fo däuchte ihm, war er ficher vor ihnen. Raſch ftieg er, ald «8 dunfelte, die Wendeltreppe hinab, welche zu einem Ausgangspförtlein führte, 6i8 zu dem faft die Wellen des Sees reichten. Dort war an eifernem Riegel ein Nachen angebunden, auf dem er in früheren Tagen fi oft allein auf den Wellen des See's zu erluftigen pflegte. In den flieg er hinein, ergriff das Ruder, fuhr bis weit in den See hinein, und fehrte nach Eurzen Ausbleiben wieder in das Schloß zurück. Nies mand ſah ihn ab» und zurückfahren, und er wieder
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holte Diefe Fahrt bald wieder ‚und wieder gelang es ihm, im Schuge der Nacht, ungefährdet in’ fein Schloß zurückzukommen. Beim dritten Male war es eine Unglücsfahrt. Schon bei feiner zweiten Fahrt war er ftatt ‘gegen die Mitte des See's, hinunter gegen die Burg Argen gefahren, und derfelben fo nahe: ges kommen, daß er die Leuchte des Wartthurms hell firahlen ſah. Dort hatte wohl der Wächter das Plätſchern des Nuders vernommen: Dort hatten Die Ritter von Hohenfels, Dienftmannen des Grafen von Pfullendorf, ſich ein DOeffnungsrecjt “erworben, um dem vogelfreien Grafen von Buchhorn nahe zu fegn. Da, wo die Nach in Den See minder, Tauerte Walter von Kohenfels jede Nacht, ſeitdem er Kunde erhalten, mit feinen Leuten auf einem Machen. "Graf Dito fuhr aus feiner Burg See über, aber noch war er nicht 10 Schritte cab der Burg gefahren, da fuhr wie ein Bliß ein Nachen auf ihn zu, mit Männern im eifernen Kleide, und ein fehreefliches Halt! tönte Durch Die Nacht über die Wellen des ftilfen Sees. Otto's Nahen wurde auf. einmal von eifernen Fäuften ge— halten, Ergid dich! fehrie Walter von Hohenfels ihn an. Graf Dtto, der im leichten Hauskleid ohne Waffen im Nachen faß, erwiederte das Wort mit einem Schlag feiner Nuderftange , der fo gewaltig war, wie Die Schläge der alten’ Fergen in der Heldenſage; aber Der Schlag traf nur einen Knecht des Ritters, Der zu Boden fank Walter von Hohenfels fprang auf den Machen des Grafen, und nun begann ein fehredlicher
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Ringkampf. Aber während“ ſich diebeiden Gegner umſchlungen hielten, ſtieß der noch lebende Knecht des Ritters dem Grafen den Dolch in die Seite. Mit dem Rufe: Gott fer mir Sünder gnädig! endete der Graf unter den Armen des Ritters. Der Machen mit der blutenden Leiche des Grafen: Dito ſchwamm an Die Burg zurück. Noch in: der Nacht fanden die: Geinen die Leiche und brachten ſie vor die Gräfin. Iſabella fanf ohnmächtig neben: ihr: nieder und wurde Davon
getragen, US ſie wieder zu fich kam, verlangte fie
nochmal zu dem todten Gatten gerührt zu werden, und betrat langſam das düftere Gemach, in welchem — irdiſche Hülle rühte.
Kein Menſch kennt die Kämpfe und Gefühle, bie indes armen. Weibes Herzen rasten. Ein Gefühl der
Reue Über ihr verlorenes Leben erwachte mit aller
Macht, die begangene Sünde mit ihren gräßlichen Solgen ftand klar vor ihrem geiftigen Auge und Doch tobte in ihrer Seele noch die Leidenschaft und der
Schmerz um. den Verlorenen, und BR die Qualen
der Reue zu übertäuben.
Gottes unergründliche Barmherzigkeit aber hat noch nie ein armes Menſchenherz verlaſſen, und als Iſabella an dem Sarge kniete, Der ihn umſchloß, für Den fie Alles geopfert, da ſtammelten ihre Lippen faſt unwill— kührlich: „O heilige Jungfrau Maria Hilf mir armen Süuͤnderin!“ Der Schmerz ſchien feine Kraft vor dieſem ſüßen Namen verloren zu haben, die Thränen der Verirrten floſſen lange, und als fe ſich endlich erhob,
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hatte jle Frieden gefunden im eigenen Herzen; Gnade vor dem Ewigen.
Noch in der gleichen Nacht verließ ſie ſtill und ungeſehen die Burg, um in einem fernen Kloſter Buße zu thun über. ihrer Sünden Menge. |
Graf Dtto von Linzgau wurde mit all ſeinem
Stande gebührenden Ehren in dem von ſeiner frommen
Mutter Bertha geſtifteten Kloſter Hofen an der Seite ſeiner Eltern beigeſetzt. Nicht lange aber war es ihm gegönnt, in Frieden Dort zu ruhen; er war unver— jöhnt mit der Kirche, im Banne geftorben, und jo ges bührte Die heilige Stätte ihm nicht.
Der Bischof von Conſtanz gab den Befehl, die Leiche wieder auszugraben und in ungeweihter Erde beizu— fegen. Im wilden Taumel der Leidenfchaft hatte Otto die Gebote feiner Kirche mit Füßen getreten, fte fonnte ihm deshalb ihre Segnungen aud) im Tode nicht ge⸗ währen.
Der Graf Ludwig von Pfullendorf ftarb bald nach der fehmerzlichen Geſchichte, Die fein Lebensglück jäh zerftörte und ihm den Glauben an die Menfchheit ges raubt hatte. Iſabella aber lebte noch lange Jahre in firenger Buße: ihr einzig Flehen war um Gnade für Dtto’8 arme Seele und um Verzeihung für Die eigene jchwere Schulb.
Als endlich ihre Auge im Tode brach, ftammelten die Lippen noch hörbar: O du Lamm Gottes, das der Welt Sünde trug, erbarme dich meiner !
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Stift Comburg und Einkorn bei Sall.
Auf einem freien, aus dem Kocherthal fich erheben- den mäßig hohen Bergkegel Tiegt das ehemalige Ritter- ſtift Comburg , früher Kamberg genannt, und bietet nit feinen uralten feften Ringmauern, feinen hohen Thürmen, mit feinen malerifchen Baumgrupben, Allen und fruchtbaren Bergfeiten, einen ungemein freundlichen Anblid. Im Jahr 1802 kam Comburg mit feinem Gebiet unter wirtemberg’fche Hoheit und wurde als— bald aufgehoben. Nach feiner Säcularifation war Comburg einige Zeit Nefidenz des Prinzen Paul von Mirtemberg und feiner Gemahlin, die ihm hier im Jahr 1808 den durchlauchtigften Prinzen Friedrich geboren. Zu Ende des Jahre 1816 wurde Das
k. Ehren-Invaliven- Korps hieher verlegt. In 12 Ges
bäuden iſt daffelbe untergebracht. Die Wohnung des Commandanten ift außerhalb der Ningmaner.
Auf dem Berge, auf welchem Comburg fteht, ſtand einft eine Burg, die von dem nahen Fluß Kocher deu Namen Kocherberg, Kobenburg (nach einer Urkunde von Jahr 1080.oppidum Cochenburg) führte, aus welchem Namen dann fpäter durch Zufammenziehung Camberg, Comburg geworden, Auf diefer Burg ſaß
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vielleicht jchon im 10. Jahrhundert eines der ebelften - Grafengefihlechter im Frankenlande, das mit den Grafen son Rotenburg an der Tauber ein und daffelbe ge— wefen, und den Kocer, Mulache und Tauber» Gau verwaltete. Der erfle dieſes Gefchlechtes, welcher ur— fundlich genannt wird, ift Graf Burkhard von Comburg, welcher im Jahr 1037 als Schirmherr des Stifts zu Debringen saufgeführt wird: » Zu feiner Sippſchaft gehörte wahrfcheinfich jener Biſchof Gekhard IH: von Regensburg, welcher die Stiftskirche zu Dehringen- gründete, und deſſen Verwandte die frühere Pfarrkirche daſelbſt als ihre künftige Grabftätte bezeichnet: ‚hatten. Da der Stifter dieſer Kirche die Vogtei über dieſelbe dem Grafen Burkhard übertragen, eine Auszeichnung, womit man nur nahe Verwandte bedachte, auch Biſchof Gebhard von den Gütern der Grafen von Rotenburg bei der Stadt Hall, wenigſtens die Hälfte beſeſſen, ſo iſt die Anſicht unſeres trefflichen Vaterlands-Hiſto— rikers, Chr. Stälins, eine ſehr annehmbare, daß Burkhard und Gebhard mit einander verwandt geweſen. Nun war. aber : Bifchof Gebhard. sein Vatersbruder König Heinrichs III., des Saliers, und gehörte zum falifchen Herzogshauſe, demnach war auch Burkhard, Graf von Comburg, ein Salier, und die Anficht des Haller Chroniſten G. Widemanns iſt eine richtige, wenn er ſagt, daß Graf Reichard, ein Sohn Burf hards, won Geblüt der Herzoge von Franken gewefen. Ein Sohn Burkhards, deſſelben Namens, ft Der Gründer des Stifts Comlburg „geworden. ' Die Ges
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ſchichte dieſer Gründung: fo wie ihrer der erften Zeit des Stifts, iſt fo reich an Sagen, und ſo naiv er- zählt: von dem genannten «Georg Widemann, ESyndi⸗ cus zu Comburg ums Jahr 1553, daß wir vielleicht den Leſern Diefer Blätter einen Gefallen erweifen, wenn wir Die Chronik (nad) der alten Hoſch. im Jahr 1855 Herausgegeben von Ottmar Schönhuth) in * alten ehrlichen Tone ſelbſt reden Tafjen.
Es iſt geweſen ein Graf von Rotenburg an * Tauber, vom Geblüt Der Herzoge von: Franken, Nee chardt genannt, deſſen Wappen war ein güldener Lö— wenfopf mit einen güldenen «Sparren im Maul, im blauen Feld, und eine Taube mit’ ausgebreiteten Flü— geln auf dem Helm. Gedachter Graf’ hat ‘gehabt zween Brüder mit Namen Einhardt und Rüger! Einhardt hatte kein Kind noch Weib, ver baute in den zwei Dirfern als’ Reinwolſperg und Ihüngenthal, To Dazu nal ihm gehört haben, zwo Kirchen anno 1025, und machte zwo Pfarre Daraus. Dan ’fagt auch, Daß dieſer Einhardt das Bethaus zu Würzburg, nun dad neue Münfter genannt, da St. Kilian, Colonat und Totnant ruhen, gebaut habe. Graf Nüger aber hat gezeugt zween Söhn, als Albertum und Rügern. Dieſer Rüger hat durch einen Wechfel das Schloß Comburg, dazumal Cohenburg genannt, welches durch Abfterben des Letzten dieſes Geſchlechts Comburg dem Biſchof von Augsburg als Lehenherrn heimgefallen, überkommen. Und hat dies Schloß Comburg Graf Rüger wie ein Staͤdtlein erweitert, darin ſein Hofhaltung gehabt, und
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bat nach feinem Tod vier Söhne verlaffen, ala Eins bardt den Bifchof von Würzburg, Burkhard, Rügern und Heinrichen, und glaub’ ich, Daß dieſe zween Grafen Rüger und Heinrich auch einen Theil an der Graffchaft des Kochergaues gehabt haben. Graf Eine bardt wurde ©eiftlicher, die andern drei aber hielten wie die Sunggefellen Haus zu Comburg, dahin and umliegenden Schlöffern von Edeln und Reitern ein tägliches Aufreiten war, alfo daß Comburg einem Reiter- oder Raubhaus gleicher fah, denn einem Grafenhof.
Nun war beim Schloß Comburg eine Capelle in der Ehre Gottes und St. Bartholomäi gebaut, iſt unſer Frauen Kapelle derzeit beim Kreutzgang genannt, dem Falle dräuend gelegen; bei dieſer Kapelle ſtund ein großer Eichbaum, unter welchem bemeldete Grafen und deren Hofgeſinde Sommerszeit pflegten zu ſitzen und zu ruhen. Zu einer Zeit, als gedachter Graf Burkhardt darunter ruhete und ſchlief, hatte es ihn gedünkt, als ſehe er ein Klofter anſtatt des Schloſſes Comburg ſtehen, und Einen in biſchöflichen Kleidern, eine Ruthen in feiner Hand habend, ſolches Kloſter damit theilend, und auf dem Berg gegenüberliegend, hie vor Klein-Comburg, jetzt zu St. Gülgen genannt, ſitzend. Solches Geſichts Graf Burkhardt ſich, als er erwachte, verwunderte, ſeinem Bruder Graf Rügern es an— zeigt und treulich dem nachgedacht, und es beherziget hat. Es wohnete ein andächtig Weib unten am Berg Kohenburg, nun Steinbach genannt, welche täglich
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dieſe Bartholomäi- Kapelle befuchte, Die zeigt dem Grafen
an, Daß an dem Tag, als der Graf ermelder Geficht gefeben im Schlaf, jie auch folckes, als fie in der Kapelle an ihrem Gebet andächtig lag, machend ge- feben Habe. Es follen auch die im Dorf Heffenthal in der Chriftnacht ein großes Getön großer Glocken gehört haben, davon fie erwacht, aufgeftanden feyen, und in ihre Pfarrkirche gen Steinbach zur Chriftmette gehen wollen. Als fie zur Heſſenthaler Steig ge— fommen, habe e3 ſie gedünft, wie fie viel brennende Kerzen im Schloß Comburg fehen, und Chorgefang hörten, darob fie fich verwundert und gedacht haben, es werde Chriftmetten in obgedachter St. Bartholomäi- Kapelle gehalten werden; haben derhalben am Schloß Comburg angeklopft, und zur Chriftinetten in gemeldete Kapelle eingelaffen zu werden begehret. Da haben Ale ohne die Wächter im Schloß gefchlafen, und nichts hiervon gewußt. Als folch Geficht deren zu Heſſenthal lautbrecht ift worden, haben etlich zu Stein— bach gefagt, fie haben folches in der Chrifinacht zu Comburg auch gefehen und gehört; Etlich aber haben ein Gefpött daraus gemacht.
Auf eine Zeit ift ein Graf des Kochengaues, zu Weſtheim mwohnend, mit gedachtem Graf Burfhardten gen Comburg geritten, und als er zum Berg Com— burg kam, Hat er feinen Hut abgezogen, fich gegen den Berg geneigt auf dem Pferd; als aber Graf Burkhardt feinen Freund, den Grafen des Kochengaueß, warum er fich gegen den Berg neige, fragte, fol er
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geantwortet haben: die göttliche, Kraft verleihe, daß du Dich nicht vergebens geneigt habeſt =. Bolgendes bat fich begeben am heiligen Pfingſttag, als die drei Brüder, Graf Burkhardt, Heinrich und Rüger, in St. Vartholomni Kapelle zu Comburg Meſſe hörten, welche die Brüder St. Benedieter⸗-Ordens zu St. Jacob zu Hall hielten, wie fie Dem. Geſang: „Komm heiliger Geiſt mit deiner Gnaden,“ bis auf den Vers ſangen: „ertheil uns deine Salbung“ — Da find. die Brüder zu weinen bewegt aus der Kapelle gangen, Graf: Burfhardts -Gefichts , das er mie. obge— meldet, im Schlaf unter der. Eichen gehabt, > erinnert, in Emma einander zu verftehen gegeben, ihr Gemüt) und einſtimmiger Wille ſey, Das Schloß, und ‚Städt- fein zu zerbrechen, und sein Kloſter an die Statt zu bauen. : Wiewohl von Diefer Zeit an Die drei Grafen gedachten, wies angeregter ihr Wille fürderlich vollbracht möchte werden, jedoch, weil dazumal Kaiſer Heinrich IV. im andern Jahr feines Reichs einen Heerzug umd Krieg gegen Sachjenland führte‘, : welchem ‚die zwei Grafen, Heinrich und Rüger, als des. römifchen Reichs Lehensmänner, zu ſolchem Zug eigner Perſon mußten reifen, wurd es eingeſtellt. Als aber ſolcher Zug in Sachſen vollendet, Die Grafen wieder heinigefommten waren, hätte mittlerer Zeit Graf Burkhardt etliche andächtige Brüder aus: St. Jacobskloſter zu Hall zu ſich genommen, fo. in oftgedachter Bartholomäi-Kapelle die Sieben Zeiten hielten und in —* Burkhardts Be hauſung wohnten.» Dergeftalten das Reitergeſinde,
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welches Graf. Rüger dazumal zu Comburg bei ſich hatte, Graf Burfhardts Brüder Gebet verjpottete und verachtete die Mönche, dadurch Umeinigfeit unter beder "Brüder Hofgefinde entftand, und der. Grafen — das Kloſter zu bauen, verhindert wurde.
Als aber Graf Burkhardt und Rüger ſich vereinet, daß Graf Rüger mit etlichen ſeiner Diener gen Rom zog, ſich etliche Zeit in Italien aufgehalten, und mitt lerweilen auch Graf Burkhardt das Schlog und Städte fein Comburg abgebrochen, darauf Graf Rüger ver- ritten, hat man ein Kloſter Daraus 'gebauet. Dem— nach hat Graf Burkhardt auf einen Tag alle fein und feines Bruders Nügers gebliebenes Sofgefinde zu fich berufen, ihnen feinen und feiner Brüder Willen entdeckt, daß fie Willen! wären, aus dem Schloß Comburg ein Klofter zu bauen, und hätten fie zu erachten; dag Mönche und Reiter nicht taugten bei— einander zu wohnen, wolle ſie hiemit deßwegen beur- lauben, was Lohns fie verdient haben, ihnen auch geben, mit einem Zehrpfennig für ihren Abzug, follten fomit hinziehen und ihnen andere Herren fuchen. Uber Graf Rügers KHofgefinde wurde folcher Nede reufchig, ſagend, fie wären Graf NRügers und nicht fein Graf Burfhardt3 Diener, deſſen Zukunft: wollten fie er— warten: gab er ihnen Urlaub, mußten ſie wohl fort ziehen. Alfo ift Graf Burkhard von ihnen gegangen und hat fich bedacht, wie er Graf Rügers Hofgeſindes möchte los werden. Als am 26. Mat nach dem Morgeneſſen Graf Rügers und Burkhardts übrig Hof
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aefinde zum Theil vor dem Thor des Schloſſes Com—⸗ burg jahen und fchwagten, hat Graf Burkhardt etlich feiner. geheimften Diener zu jich berufen und die Borten des Schlofjes und Vorhofs Comburg beichloffen, dem Hof⸗ gejinde ihre Fahrniß und Kleider von oben vom Thurm der Vorten berabgeworfen und geſchrieen: fie follen jich eilends padfen oder er wolle mit Steinen zu ihnen werfen. Da fie aber verbarret, hat Graf Burkhardt mit Steinen zu ihnen geworfen. Als nun das Sof geſind feinen Ernft geipürt, fein fie mit viel Schelt- und Schmäbworten von dannen zogen. Alsbald bat Graf Burkhardt alle Gebäu des Stättleins und Bor: hofs Comburg, das zur Wohnung der Mönch nit dienftlich, abbrechen laſſen. Alſo bat Graf Burkhardt den 25. Mai Anno 1070 angebebt zu bauen, umd den erfien Stein an das Klofter Comburg und Das Münfter, wie es noch ftebt, gelegt, fanımt dem Schlaf baus und Refentbal und Creuzgang, ausgenommen Pie drei jteinen Thürn, jo nit über 10 Elfen hoch, mit großer Müh und Koften geführt, bis Anno 1082, das ift nach 12 Jahr vollendet und ausgebaut worden.
Als nach vollendetem Bau Graf Rüger wieder beim fam, das Schloß Comburg abbrochen und allda ein . Klofter mit einem ſchönen Münfter gebaut erfahe, ward er fehr erfreut; und ift alfo Anno 1082 an Et. Thomastag den 21. Decembris das Münfter zu Com bnurg Durch Albertum, würgburgifchen Bifchof, im Na men der heiligen untheilbaren Dreifaltigkeit, Ehre des Heiligen Kreuzes, Mariä Gottes Gebärerin, St. Nicola
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und aller Heiligkn geweiht worden. Dieſer Weihung fein zugegen geweſen Burfhardt, Seinrich und Rüger, die Grafen von Rotenburg, Gebrüder , mit Graf Heinrichs Gemahl, Geba genannt, und vielandere Örafen und Edeln: Da Abt und Eonvent zu Comburg ihres Gefallens Macht und Gewalt hatten, Vögt oder Schirmberren zu nehmen, ſo finden wir Graf Seinrichen, Graf Burf- hards von Rotenburg Bruder, diefes Klofters erften Schirm= herren, nach welcher Abjterben ift Graf Engelhard von 2obenhaufen, nach diefem ein Bischof von Mainz wor— den, und Anno 1106 Einer, Herzog Friedrich genannt, ob er aber eim Herzog in Franken oder Schwaben ge= weft, ift nit gewiß. Es ift nach und nach unter vers ſchiedener Herren Schug Ffommen, einmal auch unter den Schirm der Grafen von Hohenlohe und eines Grafen von Wirtemberg ‚' der das Klofter von einem neuen ungewöhnlichen. Zoll, "welchen ein. Serr zu Limpurg in der Haalfteig fürgenonmen, entlediget hat; item: untern Schirm der Stadt Hall, zulegt iſt dieſer Schirm als ein Afterlehen an Die Herren zu Limpurg erwachſen. — Folgends, als die Zahl der Brüder zu Eomburg zugenommen ‚ ift ſolch Klofter zu Unters haltung derſelben von andächtigen Perſonen reichlich begabt : worden, als von Pfalzgraf Heinrichen und feinem’ Gemahl, Frau Adelgeid, von Herrn Albrecht von Bielrieth, Rittern, jo mit fenent Bruder abge— theilt, den Kalbtheil feines Schloſſes Bielrieth am Tluß Bühler, ob Cröffelbach gelegen, dem Schloß Comb gegeben, und ein Mönch daſelbſt worden iſt. Heinri 23
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von Mulfingen und Herr Heinrich? Erzprieſter “zu Mürzburg, ſammt zween ſeiner Brüder von Altdorf, die Winthar und Rihilo genannt; item: Einer Sigiboth genannt, mit ſeiner Mutter, Egesbert von Heſſenthal, Gutta von Bockſperg und viel Andere, die haben alle ihr Steur und Nugung an das Klofter geben.
Bon den oftgenannten drei Grafen von Rotenburg, Gebrüdern, iſt Graf Einhardt der ältefte und Biſchof zu Würzburg geweßt, allda er ruhet. Graf Rüger nahm ihm für, gen Serufalem zu reiſen, in welcher Reis er ift verſchieden; wo er aber. begrabeng-ift nit fundbar worden. Graf Burkhardt iſt ein Laienbruder des Convents, genannt zu Comburg, worden); und als er daſelbs etlich Jahr gehorſamlich unter der Regel St: Benedikti gelebt, iſt er dem 2. Septembris ver⸗ ſchieden und daſelbſt begraben worden.
Dieſer Zeit iſt ein reicher Edelmann zu Moingg ge⸗ feffen, Etliche wollen, er ſei ein Herr geweßt, Wignand genannt, der hat feine Wohnung: zu Kaſtell, wor Mainz: über liegend, «gehabt, welcher ein ehelich Weib, Adelheid genannt, hatte; Die, fromm, gerecht, aufrecht, redlich gewefen: » Diefer, Mann Hatte zu Mainz einem alten: jteinernen Hof oder Behaufung, dem Fall dräuend, den: ließ 'er abbrechen, und fund im ſolchem Gemäuer einen. nabmbaftigen Schatz verborgen. Dieweil num Wignand ein Mann guts Gewiſſens nit wußte, wer den Schab dahin“ verborgen, wem er gehöret, oder wohin er gewendet werden follt, hat er nach langen — ‚von. Der neuen Stiftung des: Kloſters
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- Somburg, und daß drei ſteinern Thürn am Münfter dafelbft angefangen, aber durch Abſterben Graf Burk— hardts, des Klofters fürnehmften Stifters, und Mangel des Koftens nit ausgebaut worden ſeyen, gehört: zudem, DaB Graf Heinrich nach dem Traume feines Bruders aufın Berg vor Comburg überliegend, dazumal Kleins Comburg zu ©. Gilgen genannt, gein Frauenklofter ° zu bauen fürgenommen; weldyes Wignand und fein Weib bewegt, daß ſie beede mit dem gefundnen Schatz gen Comburg Sich gefügt und begeben haben. Als nun die fürgenommen Gebäu und Stiftung zu Kleine und Großen-Comburg ihnen gefallen, haben fie den gefundnen Echag mit all ihrem: Haab und Gut, das fie zu Mainz, Eaftell und fonften gehabt, zu voll— bringen: beeder Klöfter Gebäu, und daß die Brüder und Schwefter allda wohnende, ihre Wohnung als beſſer haben möchten, gewendet. Anno 1108 feyn die fchönen ausgehauen fandfteinern Ihürn zu Comburg und das Srauen-Klofter dabei zu St. Gilgen genannt, wie noch zunv Theil vor Augen iſt, darzu obgedachter Graf Heinrich von Rotenburg auch fein Hülf und Steuer geben, durch Wignand vollendet worden. Diefer Mignand ift ein Mönch zu Comburg, und feine Frau Adelheid eine Kloflerfrau zu St. Gilgen worden: | Kerr Wig— nand ſtarb am andern Tag nad) Martini, liegt zu Comburg ‚begraben ; an welchem Tag: noch jährlich fein Gedächtniß gefeiert wird; aber ‚feine Hausfrau iſt zu: &t. Oilgen begraben.‘ Graf Heinrich von Roten— Burg ift, als Etliche wollen, vor feinem End regieren—
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der. Kerr im Sranfen worden; er flarb den 18. Febr. und Tiegt zu Comburg ‚begraben. Deſſen Hausfrau aber foll nach feinem Tod eine Klofterfran zu St. Gilgen worden ſeyn, allda fie auch begraben liegt.
Das Flöfterlich Leben zu. St. Gilgen hat erſtlich gepflanzt Schwefter Agnes aus Gallien, welche Graf "Heinrich von wegen. ihres Elöfterlichen Reben: von Barid zu St. Gilgen gebracht, zu einer Briorin verordnet, Daß fie Die andern Klofterfrauen darin nach Regeln St. Scholaftifa, der Schwefter St. Benedicti, zu leben unterweifen: bat follen: |
Anno 1088 hat eine edle Wittfrau, Mechtild Meer⸗ woltin genannt, ſo im Schloß zu Stein, zwiſchen Künzelsau und Ingelfingen am Fluß Kocher gelegen, gewohnt, zu ſolchem Schloß ein Felſen, darunter eine ſelbſtgewachſen ſteinern Hülen iſt, eine Kirche in der Ehre Gottes und St. Martini gebaut, und folche Kirche mit dem Schloß und aller Nugung den Klofters frauen zu ‚St. Gilgen, da fie auch. eine Kloſterfrau worden, übergeben, verhoffend, daß mit: der Zeit andre mehr andächtige Berfonen ihr Hülf dahin ſollten thun, damit: Durch die Klofterfrauen zu St. Gilgen zum Stein auch eine: Klaus oder Frauenkloſter eingerichtet: würde, aber ihr Will ift verhindert worden. Darnach baden ‚auch zieren Ritter von Nußbaum, Vater und: Cohn, beede Marguardt genannt, ihr Schloß Nußbaum, bei Grießen an der Jagst Tiegend mit aller Zugehör und Einfommen,: den Brüdern zu Comburg, Doch daß allweg ſolch Kirch und Wohnung, darin ſie geweſt, mit
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einem oder zween Brüdern des Convents zu Comburg, allda Elöfterliches Leben zu pflanzen, befeßt würde, übergeben. Dieſe Nutzung iſt etlich Jahr in die In— firmerei oder Spital zu Comburg genommen, verbraucht worden, nun aber iſt es in andre Sand: kommen.“
Sp weit wörtlih aus Widemanns Comburger Chronik; wir geben nun, ebenfalls aus dieſer Quelle, eine kurze Öefchichte der Aebte des Klofters, ſowie der fpäteren Bröbfte des: Stifte.
1) Hemmo der erfte Abt, ein Conventbruder aus Lorch, war ein geiftlicher andächtiger Mann, haufete wohl undftarb bei einen Befuch zu Lorch. 2) Adel- ranı, unter ihm wurde St. Gilgen geftiftet , hat ebenfalls wohl gehauſet. 3) Abt Herdwig war unter allen Aebten zu Comburg der fürnehmſte, und wird als der dritte Stifter geachtet, denn er hat viel Brüder und Schweſtern zu Groß- und Klein-Comburg verfammelt und ein gut Exempel geiſtlichen Lebens vorgetragen, hat wohl gehaust, das, Klofler und Gar— ten, wie die noch zum Theil stehen, mit einer Mauer umfangen, hat geftiftet den großen übergüldeten Leuchter, wie ein Kron ausſehend, fo ob der Stifter Sarg hängt; item: zwei übergüldete Tafeln, ‚die Bildnis Chriſti, jüngften Gerichts, und 12 Boten-in Die eine, welche zu St. Gilgen auf dem vorderen: Altar fteht, ‚geftochen, aber die andre, fo zw Comburg bornen am Hohen Altar steht, ift viel. größer — deren: Bild find außgetrieben,, und mit viel gefaßten Edelſteinen ge— ſchmückt; item: ein gülden Kreuz, einer: Ellen hoch,
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vier Singer breit, auch mit vielen eingefagten edlen Steinen, Darunter der fürnehmfte in der Mitten, ein Gamahu, in Größe einer Junghennen Ei, die Bildniß eines Mohrenangeficht3 und Bruſt habend; und hat das Alles zu Gnad des Münſters zu Comburg ges geben und ewiglich allda zu bleiben verordnet. Abt Herdivig liegt unter dem güldenen: Leuchter neben den Fundatoren begraben. 4) Abt Adelbert hat Et. Sofen Capelle und den Spital zu Comburg gefiftet. 5) Bernold wurde zu einem. Abt nach: Fulda be= rufen; führte ein gar geiftlich: Leben. 7 1158.16) Engelhard Leo, liegt zu St. Jakob in Hall be— graben. 7) Wernher, unter ihm wurden die Ge— beine der Stifter, Graf Burkhardts, Graf Heinrichs, Herrn Wignands und Abt Herdwigs ausgegraben, und in feinen ſteinernen Sarg gelegt. 8) Rüdinger, ein Sulmeinjtr aus Sall, bat wohl. gehaust. 9) Volkhard, liegt in der Probfter Nußbaum begraben. 10) Walther tr 1213, liegt in Murrhardt begraben. 14) Eonradrder Alt, wich wegen feines Alters von der Abtei, an feine Stelle trat Conrad bon Entfee Unter dieſem wurde das Statut gemacht, daß Keiner, er jey Denn von Dater und Mutter: edel, zu Comburg zum Conventual follt angenommen‘ wers den, denn zuvor wurden Edle und Unedle aufgenoms men; aus Diefem Statut iſt aber erwachſen, daß Die Eonventualen im Chor Mönche, im Feld: aber Ritter wollten ſeyn, führten auch Panzer unter den Kutten, und entflunden dem Klofter Daraus allerlei Abgäng
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und Anlaufens. 13) Eberhard Philipp von El— tersbofen F 1230. 14) Emerih von Beben- burg... 15) Seinrih von Scheffau T 1241. 16) Berchtold von Michelfeld, nach Andern von SHobenftein. 17) Siegfried von Morftein, welcher viele Güter zum Klojter erfaufte. 18) Hein- rich von Bregingen. 19) Berniger, Etliche “aber "wollen, Burkhard Sulmeinfter, liegt zu Murrbard. 20) Conrad von AnhaufenT 1273. 29 Wolfram von Bielrieth, mit dem die Halbe Burg Bielrieth an Comburg kam; "auch wurden zu feiner Zeit die vier Pfarren Thüngenthal, Gebfattel, Steinbach und Künzelsau dem Klofter inforporirt. 22) Conrad von Münkheim regierte 41 Jahre; er geriet mit denen "von Hall in Fehde, zog ſelbſt den Banzer an, wurde aber ſchwer verwundet und von den’ Dalleın gefangen; nur durch Verwendung des Biſchofs Matthias von Mainz kam er, wieder in Breibeit. Auch von den Schenken von: Limpurg und dem Graf von Hohenlohe ward er angefochten und 7 1365. 23) Heinrich Sieder, der den nun folgenden Abt zuvor verdrängt hatte. 24) Rudolf von Gundelshoven folgte dem vorigen, © welchen er zuerft hatte weichen müſſen; er war ein frommer ‚geiftlicher Mann und hatte ‚viel Widerwärtigfeit und Gewalt: von feinen Nachbarn zu leiden. 25) Er—
finger Feldner + im Jahr 1399. Als später (1549) fein Grab zu Comburg geöffnet wurde, fand ‚man ‚ihn in einen hölzernen Sarg noch unverwest
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liegen. . 26) Ernfried von Vellberg, unter ihn ftifteten Die, von Hohenſtein die Et. Micheld= Kapelle, er: 71421: 27) Gottfried von: Stetten;-unter ibm befehdete Einer von Bemberg das Klofter, au ‚ging der Städte Srieg an, und wurden des Kloſters Hinterfaßen mit Brand, Schwerdt_und Raub Schwere lich angegriffen.» Zu Beſchützung derſelben ward; er gezwungen, Reiterei zu treiben, führet ſeinen Harniſch und Spieß, æ1451. 28) Ernfried der ander des Namens von Vellberg, hat! die Kaiferfiube vollendet, die fein Norgänger angefangen ; er: hat im Jahr 1468 den steinernen Sarg zu Comburg, darin der Stifter Gebeine in drei ledernen Säcken lagen, eröffnen, und nach genommener Einficht wieder verfchließen laſſen. 29) Endres von Triffihbaufen FT 1485. 30) Hildebrand von Crailsheim; wider. den feßten ſich feine: Gonventbrüder , weil er darwider war, Daß man aus der Kutten wollte Us er nah Würzburg 309 und wieder heimkehrte, da wollten fie ihn nicht mehr: zu Comburg einlaſſen; er zog nun gen Hall in feines Vettern Hans von Morftein Haus, und ſtarb im Jahr 1488 vor Bekümmerniß. 31) Seifried von Holz fonnte nicht verhindern, wa8 feinem Vor— fahr zuwider ‚gemejen ‚war: der langgehegte Wunfch der Mönche, das Klofter in ein weltliches Chorberrn- oder Nitterflift zu verwandeln, ging im: Erfüllung. In den alten Zeiten. beftand der Convent aus einem Abt, einem Prior, einem Kämmerer, einem antor und 10. bis 12 Mönchen; nun: wurde das Klofter
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ein: Stift, das unter einem: Probft einen Tefan , einen Scholaſter, einen Bantor, einen Cuſtos und 10 Dom- herren haben ſollte, die alle edlen Geſchlechts, ſo wie zwei ſolche, die Doctoren der heil. Schrift oder der Rechte ſeyen, und einige Chor-Vikarien haben ſollen. Seifried von Holz war der legte Abt und erſte Probſt; ser wählte zu feinem Coadjutor den Domherrn Beter von Aufjeg, einen Dann hohen Verſtands und An— ſehens, und FT im Sahr 1504. 2) Peter v. Auf ſeß hat Helfen für 12000 fl. Güter verfaufen und Fim Jahr 1522. 3) Marfgraf Gumpreibt von Brandenburg wurde dritter Probft, aber er ſah fein Rebenlang Gomburg niemals, bielt feine Hofhaltung zu Rom, und ließ die Probſtei Durch den Dekan zu Onolzbach einnehmen. Durch ihn iſt das Kapitel hart ‚geftraft worden. 4) Probſt Philipp, Herr zu Lim- purg, Erbfchene und Semperfrei wollt’ mit Marfgraf Gumprecht die Probſtei einnehmen, der aber iſt ihm vorgangen; erft nach defien Tod ift er in die Probftei eingefommen, er T im Jahr 1545. 5) Probſt Da- miel Stieber hat dem Stift in feinen Nöthen viel Guts gethan, ſonderlich, da der Kaifer mit feinem Kriegsvolk zu Rotenburg Tag, erlangte er es, daß: fein Kriegsvolk das Stift bejchweren follte ; aber die treu * Heſſen haben es nicht gehalten.
Der letzte Prior und erſte Dekan zu — if geweſen Friedrich von Büchelberg, der hat wohl gehauſet und *1493. Der zweite Dekan war Herr Conrad — von Schenfenftein im Jahr
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1504. Der dritte Defan Erhard: von Schaum— burg verkaufte. für 12000 fl. Comburgifche Güter an Hall, und F im Jahr: 1518. Kerr Heinrich von Cöln, vierter Defan, murde vergiftet, ebenfo ftarb der fünfte Defan Georg von Truppach, der nur vierzehn Wochen regierte, durch Gift. Unter dem fechsten Dekan, Craft von Rüringen, ift das Stift Comburg, er felbft, fo wie das Kapitel in große Schuld und Noth gefommen ; er ward im Sahr 1533 abgeſetzt. Eucharius von Fronhofen, Der fie Gente Defan, haufete wohl, löste alfe Schulden und Zinsgeld ab, und: verrechnete Dennoch auf 3000 fl. Einfünfte; die Chroniften nennen: ihn deßwegen den Dater von Comburg. Er wehrte fich nebft. dem Ca— pitel vitterlich gegen den damaligen Probſt Schent Philipp von Limpurg, der Den Convent außerordentlich drückte. Auch ihm wurde Durch Eine von Steinbach vergeben im Jahr 1536. Er wollt, fagt der Chronift, urorirt haben — fo wäre alfo auch er einer. von Dee nen gewefen, melche in Folge der Reformation zur Anficht gefommen, „es ift nicht gut, Daß der Menſch alfein ſey.“ Der achte Defan war Eytel Traufs wein, Doktor der Nechte, Domberr zu Worms, hat die Hälfte am Kreuzgang gebaut. Wohl Durch ihn wurden viel juridifche Werke der Stiftsbibliothek ein= werleibt; er T im Jahr 1536. Der neunte Defan war Bernhard von Schwalbach,‘ ein Chorherr aus Brüffel; er ließ alle Kirchen und Kapellen ſehr ‚abgehen, jo dag Alles baufaͤllig wurde. Vielleicht
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durch” ihn Fam Die intereffante, niederländifche flam— maͤndiſche, Sandjchrift, welche unter andern den Reis neke Fuchs enthält, in die Kloſterbibliothek. Er war ein großer Verfechter des Fatholifchen Glaubens, weßwegen auch die Reformation in Comburg feinen Gingang fand. ‚Der zehnte Defan, Erasmus Neuftetter, genannt Stürmer, hat, was der Borfahr beinahe einfallen ließ, wieder neu aufgebaut, auch. Durch mancherlei neue Bauten fich DBerdienfte um das Klofter erworben. Beſonders aber hat er fich auch. um die Nachwelt ver— dient gemacht, Daß er. „die Bibliothek: mit koſtbaren, fowohl alten als neuen Sandfehriften und Büchern sbereicherte ,, ja fogar einen Fond zur Fortſetzung Der Bibliothek aus eigenen Mitteln geftiftet hat.
"Die Bibliothek muß früher gering und klein ges wefen jeyn, denn die früheren ritterlichen Mönche trieben fich mehr auf der Jagd und den Fehden herum, ‘als dag ſie den Wiffenfchaften. oblagen ; fo find wohl wenige Bücher von den. Iebensluftigen Gonventherren abgefchrieben oder verfaßt worden. Durch Gragmus Neuftetter hat Comburg eine Bibliothek an Incunabeln und Handjchriften erhalten, wie ſie nur Heidelberg und St. Gallen anfzumeifen hatte. Der fehr gelehrte, um: Deutfche und nordifche Literatur und Alterthums— Funde. fo. hochverdiente F. D. Gräter, Neftor des Gymnaſiums zu Hall, hat die reiche Comburger Bib— lioihef vor ihrer Wanderung nach Stuttgart im Jahr 1806. befchrieben, in feinem trefflichen Werfe Bragur 7. Band. Diefer fleißigen Befchreibung zufolge, be—
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fanden jich in der Bibliothek und find nun im Etutt- gart im allem 150 Bände mit Handjchriften ; ‚unter diefen 46 auf Pergament und ebenſo viele auf Bere gament- Papier. . Unter den Pergamenten gehören. noch den 9.,. 10. und 11. Jahrhundert ann ein Paulus 'Diaconus von den Thaten der Longobarden,: eine lat. Kirchengefchichte,, ein Tat. Pfalter mit Gloſſen, die Briefe des Apoſtels Paulus Tat; Scholien dazu, des b. Bernhards Briefe: Tat, Reden und Leben des heil. Benedikt. Außer diefen viele noch unverglichene Int. Elafe fifer in Papierhandfchriften des 15. Jahrhunderts, als Horaz, Terenz, Dvid, Cicero, Virgil, Tacitus von den Sitten der Deutfchen, Blinius. Ferner Gejchichtes iwerfe aus dem 16. Jahrh., unter andern die treffliche, vollftändigfte Sandfchrift der Annalen des J. Aventin, 7 Voliobände lat. und 4 Poliobände deutfch. Endlich altdentfche Kandfchriften: die 24 Aelteften von Otto von Vaſſau, Bud) vom Schachſpiel, ind Deutfche
überfegt von Heinrich yon Berg im J. 1438, Ulrich
Schmids von Straubingen Reife nach Spanien und
Indien, die goldene Bulle u. ſ. w. Unter den felter nen Wiegendrucfen der Comburger Bibliothek nennen
wir nur: ein C. Zacitus v. J. 1469, ein Doctrinal
v. J. 1470, Ciceros Briefe v. 3.1469, des Plinius Briefe v. 3. 1476, Naturgefchichte v. 3. 1476, eine Tat. Bibel v. 3. 1471, Albrechts von Eyb Margarita u.a.
Einer der fpäteren Nachfolger des Grasmus Stür— | mer im Jahr 1614 war Herr Conrad Lud. Zobel
von Gibelftatt, ebenfalls ein großer Freund ber
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Wiſſenſchaften, hat gleichfalls die Bibliothek: mit meh— reren foftbaren Merken, Handfihriften und alten Dru— fen ‚vermehrt, und. fie wahrfcheinlich "zuerft: in Ord⸗ nung gebracht; er T 1.3. 1619. Bon feinem Nache _ folger Hans Adam Truchfep von Hofingen wird gleichfalls: gemeldet, daß er ein Miffale Romanum mit filbernen Schildchen und Clauſuren der Stiftskirche verehrt Habe: Dieſer Dekan, der 15. in der Reihe, fällt wohl in. die Zeiten des 30jährigen Kriegs. Als im Jahr 1631 der ſchwediſche Obriſt Scavalygfi mit Gewalt die evangelifche Lehre in Comburg einführen wollte, da flohen die fämmtlichen Bewohner, und erft ım Sahr 1634, nach der Schlacht bei Nördlingen, fonnten die Stiftöherren wieder ins Stift zurückkehren. Im folgte im Amte Fauft von Stromberg, T im Jahr 1673, Seinrih von Dften, T: 1695, Ulrich Baron vor Öuttenberg. Unter letzte— tem wurde Die neuerbaute Stiftskirche im J. 1717 eingeweiht, Der legte Probft und Dechant zu Com— burg war Joh. Gottfried. Franz Lothar von: Grei— fen£lau; diefer T im Jahr. 1803 und. überlebte die Säcularifation des Stifts, das 732° Sahre unten dem. Wechfel der Zeiten, bald in. Herrlichkeit: bald in Abnahme beftanden hatte. — Wir wenden und von der Chronik des Stifts, und betrachten nun Alles, was noch won feiner alten Herrlichkeit zugt un
Wenige Orte unſers Vaterlandes haben: ui Reid thum von uralten Baudenfmalen, ſo wie andern Alters thümern aufzuweiſen, wie das ehemalige Ritterſtift
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Comburg mit dem dabei liegenden, St. GilgensKlöfters fein ; darum hat auch der jo thätige württembergiſche Alterthumsverein vor allen übrigen «den: Comburger Bandenfmalen feine Aufınerffanifert gugewendet: 0% . Da Comburg urfprünglich aus einer Burg in ein Klofter umgewandelt wurde, jo mußte man auch bier, wie es bei den meiften alten Burgen der dal war, durch: mehrere Thore in. das Innere „gelangen. Die äußeren zwei Thore find, wenigftens in ‚ihrer jetzigen Seftalt, neueren Urfprungs, das dritte, wodurch man in den Umkreis der eigentlichen Stiftsgebäude tritt, ift ganz einzig in feiner. Art, und ſtammt wohl Br aus dem Anfange des 12. Jahrhunderts. | A Zunächſt über dem Thorbogen nehmen wir einem Bildrahmen wahr, Der: zu beiden Geiten auf Löwen— föpfen ruht, welche, mit einem Sparten im Rachen, das MWappenbild des Klofters ſind. Er iſt in ächtem byzantiſchem Style, nit fogenannten verwechfelten Zahn⸗ ſchnittreihen ausgeführt. Das Frescobild in dieſem Rahmen zeigte in; früherer Zeit auf himmelblauem Grund einen thronenden Chriſtus und zu jeder Seite einen knieenden Heiligen; über den Bildern waren Bänder: mit Schrift, die man aber ſchon im Jahr 1840, da die Aufnahme geſchah, nimmer entziffern founte, In neuefter Zeit ifto das Bild ganz und gar übertüncht worden. : Meber dem Thorbogen zieht ſich ein Gang’ hin mit Arkaden im Rundbogenſtyl. Der Sockel dieſer Gallerie zeigt: ähnliche Zahnſchnittreihen, wie die am Bildrahmen befindlichen. Zu beiden Geis
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ten’ des Gangs erheben ſich Thürme in zwei Store werken; der Einbau derſelben hat ſich nimmer er— halten, deßgleichen ſind auch die Dächer erſt aus neueſter Zeit. Die Fenſter beider Thürme, wie Die Arkaden der Gallerie, haben alte Säulen, welche in ihren Wür— felknäufen den Aufſatz tragen, der in der byzantiſchen Baufunft: fo häufig einen tiefen Boygenanfänger unters ſtützt. Zwiſchen den beiden Thürmchen befindet ſich ein: Gebäude 15%, Fuß breit und: 31 lang, das in früherer Zeit als Kapelle diente. Die Architectur des ganzen Thorgebäudes, das wohl wenige ſeines Gleichen hat, iſt in ſchönem Sandſtein ausgeführt, und zeigt ſowohl im Ganzen, wie im Einzelnen die ſchönſten Verhältniſſe. Schreitet man von dieſem Thore den alten Burgweg aufwärts, ſo befindet man ſich an dem ſogenannten Archiv. Es ift sein von allen Seiten freiſtehendes, im Grundriß ſechseckiges Gebäude, mit pyramidalem Dache. Durch den untern Theil führt ein aufſteigendes halbkreisförmiges Gewölbe mit einer Treppe zum Plateau der Kirche. Darüber befindet ſich ein: ſechseckiger gewölbter Raum, deſſen Gewölbe— rippen ih Spitzbogen durch. eine iin der Mitte ſtehende Säule sunterftügt s ſind. Diefer Raum ift von einem „unter demſelbigen Dach befindlichen Gang umgeben, welcher durch Arkaden erhellt, wird. Letztere Haben dieſelben Säulen mit Würfelfnäufen, wie die am Thor befindlichen. . Die das Gebäude ‚tragende: Säule, welche noch fo friſch erſcheint, wie wenn fte eben Dev Meipel verlaffen: hätte, hat sein ſchönes Kapitäl,: das aber
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fon auf den Uebergang des byzgantiichen im: dem gothiſchen Styl dentet, wie der Tpigbogige Eingang. Die Winde des Gebäudes Haben noch gut erhaltene, ſchöne Frescogemälde aus dem 15. Jahrhundert. Ueber dem auf nordöftlicher Seite flehenden Altar fehen wir faſt in Lebensgröße den hl. Erhart, Kilian, Nikolaus und, Erasmus; an den vier übrigen Wänden den Matthäus, Marcus, Lukas und Johannes, fowie den Daniel, Johannes den: Täufer, Petrus und Paulus. Diefes Gebäude, welches wohl weit und breit das einzige im feiner Art ift, ſoll in uralter Zeit: eine Tauffapelle geweſen ſeyn, und wurde wegen feiner feiten Bauart fpäterhin für das Archiv beftimmt. Etwa 40° Schritte won’ bier aus steht die leider! nimmer alterthümliche Kloſterkirche. Nur drei Ihürme in by— zantiſchem Styl der im vorigen Jahrhundert, ganz im Jeſuitenſtyl, umgebauten: Kirche, ragen aus dem Dachwerk hervor, und mahnen am die frühere Herr— lichkeit der wohl noch im 11. Jahrhundert begonnenen Kirche. Zwei dieſer Thütme ſtehen nebeneinander über dem Chor, ein dritter erhebt ſich in gleichen: Höhe über dem öſtlichen Eingang. Alles drei Thürme find noch gut erhalten, ‚und: zeigen beſonders in den Fen—⸗ ſteröffnungen die herrlichſten Sculptürarbeiten im byganıı tiniſchen Styl. Da auch die innere Architectur und Dekorirung der Kirche einer neueren Zeit (dem 18. Jahrhundert) angehört‘, ſo machen‘ wir den Beſucher der Kirche nur auf Diejenigen Merkwürdigkeiten auf— merffam; welche. ſowohl in Beziehumg auf Kunſt, als
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auf Altertum einzig in ihrer Art find. Voran fteht der in der Kirche befindliche. Altar, von vergoldetem getriebenem Kupfer, welcher noch aus dem 12. Jahr— hundert ftammt. Das Antipendium zeigt den Heiland mit den zwölf Apoſteln in ſieben Zoll Hohen Figuren nach uralter Manier. Im der Mitte innerhalb eines oben und unten zugelpigten Ovals, welches mit präch— tigem Schmelzwerk umgeben iſt, ſteht Chriftus in der Tunika und den gegürteten Mantel darüber, die Rechte fegnend. erhoben, in der Linken. die Bibel haltend;
außerhalb des Schmelzwerfs in vier Ecken je: das Emblem eines Evangeliften Zu beiden Seiten , in viereckigen, durch Schmelzwerk abgetheilten Feldern, erblicken wir die zwölf Apoſtel mit beigeſchriebenen Namen, aber ohne die ſpäter ihnen beigelegte Attribute. Bwifchen dem Schmelzwerk und am ganzen Rande herum ift Viligranarbeit mit eingefeßten, theilweife num ‚ausgebrochenen Edelfteinen. Das Chriflusbild umgibt mod) innerhalb ‚des Schmelzwerks eine Infehrift in ſchönen Lateinifchen Verſen. Ebenfo Täuft eine größere um die ganze Tafel herum, welche fich auf die Apoftel bezieht... Weber “dem Altar: hängt ein Kronleuchter, Aus einem Eupfernen vergoldeten Reif yon 151 Fuß Durchmeſſer beftehend; an ihm find: 12 thurmartige Laternen in byzantinischen Style, je von verfchiedener Arbeit, ringsum angebracht. Um den Reif geht gleichfalls eine uralte Umſchrift in Minen a Bei una
Außer dieſen beiden Denkmalern alter Kunft nah
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wir noch aufmerkſam duf drei in der Kirche befinde
lichen Grabmäler aus verfchiedenen Zeiten. In Ber
Sacriftei befindet fih an der Wand das Denkmal des
Abts Seyfried von Holz. Es zeigt eine Figur in
Lebensgröße mit einer Ueberſchrift. Im Schiff der
Kirche, wenn man aus dem Chor tritt, an der Tech
ten Seitenwand, fehen wir das Denkmal des Defans
Erasmus Neuftetter, genannt Stürmer, der durch
feine vielen Bauten ald ein zweiter Stifter des Kloſters zu betrachten ift. Das dritte Denkmal jtand früher in. einer alten, vor mehreren Jahren abgebrochenen Kapelle, und murde an die nördliche Seitenwand Der Kirche verſetzt. Es iſt ein: in Alabafter mit viel Sculptur ausgeführter Denkſtein, auf dem wir eine fnieende Frau, einen Wolf mit offenen Rachen, umd einen gewaltigen Rittersmann erblieten. Georg Bhilipp von Berlichingen zu Dörzbach ließ ihn feiner Mutter Brigitta, geb. v. DVellberg, die ausdrüdflich auf Com- burg begraben ſeyn wollte, errichten. — Treten wir aus Der weftlichen Pforte der Kirche binaus, fo haben wir bor und den in. der Wand des Kreuzgangs ber feftigten Denfitein des Abts Ernfried von Vellberg, zu. deſſen Finfer Hand die Randinfchrift nur den Na— men fammt der Jahreszahl 1418 enthält. Die Ine fehrift zu dem: Füßen fehlt, Dagegen find von den vier Pamilienwappen drei gut: erhalten. Von bier aus kommen wir in den im alterthümlicher Beziehung: merk U würdigften Theil der Kirche, in Die fogenannte Bar tbolomäus= Kapelle, welche wegen der daſelbſt befind⸗
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lichen Grabmale auch die äußere Schenfenfapelle heißt, und unmittelbar an die Oftjeite der Kirche ſtößt. Wir gelangen zuerjt in einen Kaum, der wohl den Altejten Theil der Kapelle bildet. Der ganze Boden befteht aus uralten Grabmalen, die fo abgetreten find, daß man weder Bilder noch Umſchrift Darauf zu erfennen vermag. Diefen Raum und die eigentliche größere Schen= ken⸗Kapelle trennt eine Wand mit einer Rundfenjter Gallerie, wie wir fie beim Thor und Archiv finden. Die Kapelle ſelbſt Hat eine flache Dede ohne irgend eine Verzierung, die Winde und der Boden find mit zum Theil abgetretenen Grabfteinen aus ver älteften Zeit bedeckt, unter andern mit den gut erhaltenen Wappen von Bebenburg und Nechberg. Wir ermähnen bier nur Die wichtigften derfelben, von welchen. die wer ihren Namen bat.
Der zuverläßig -ältefte ift der auf — * duhboden liegende⸗ ‚Herrn Friedrichs von Limpurg (T 1333) und feiner Hausfrau, welcher ein einfaches Limpurgiſches Wappen mit Umſchrift zeigt. Nicht fern von dieſem ſteht an der Wand eine koloſſale Figur, vom Kopf bis zum Fuße in Eiſen gebültt, die rechte Hand Tiegt an einem Dolch, der an einer Kette über die Bruft hängt, die Tinfe liegt am Griff des Schlachtſchwertes. Auf den breiten Gurt prangen Löwenbilder. Leber dem Arme Tiegt der Turnierhelm, weiter unten das Wappenfchild mit den fünf Kolben.” Der Ritter ſteht auf einem Drachen; über dem Kopf des Drachen ſitzt auf einem von der Nandeinfaſſung etwas vorfpringen-
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den Fußbänkchen ein nicdliches Hündchen. Es iſt dns Denkmal des Schenken Albert von Pimpurg (1,1373). Neben ihm an. derfelben Wand fteht das Denkmal feines Bruders, des Schenfen Conrad (F 1376), eine ebenfalls Tebensgroße Figur mit dem Weinsberger und Limpurger Wappen und einer Umfchrift.. Das jchönfte Denkmal ift unftreitig das des Schenken Georg (T. 1376), welches an der Wand neben dem. Eingang in Die Sofephs- Kapelle ſteht. Die Eolofjale, ganz freiſtehende Nitterfigur, in einer höchſt kunſtreich gearbeiteten Ar— matur hält ein Banner in der Rechten; zu ſeinen Füßen liegt ein Löwe, zu beiden Seiten ſieht man die Wappen feiner väterlichen und mütterlichen Ahnen, nemlich: Limpurg, Hohenlohe, Weinsberg und Henne— berg; Thierberg, Blankenburg, Baden und Leuchten— berg. In der Mitte ſteht das Wappen ſeiner Ge— mahlin, Margaretha, Gräfin von Hohenberg. In dieſer Kapelle, neben dem genannten Grabmal, ſteht noch ein uralter ſteinerner Betpult, auf den vier Ecken von Säulen mit Würfelkapitälern eingefaßt, und auf einem gegliederten Sockel ſtehend. Dieß iſt wohl das wichtigſte Alterthum an dieſem Orte. Ein Schwib⸗ bogen verbindet Die innere, Schenken- oder. ſogenannte Joſephskapelle mit ihrem Chore oder. der Altarnifche, Eine Reihe Wappen ftellt Daran die Ahnen Schenf Friedrich. V. und feiner Gattin Sufanna,ıgeb. von Thierjtein, dar, welche auch) ‚in Den zwei entgegenges fegten Ecken der Kapelle lebensgroß in: Sandſtein da ſtehen. Er ftiftete dieſe Kapelle und ruht: vor dem
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Altar. Zwifihen feinen kaum mehr Eenntlichen Wappen war zu leſen: Anno Domini: 1474 ſtarb der. Edel und Wohlgeborne Streng Herr Friedrich, Herr zu Limpurg, des hailigen Römiſchen Reichs Erbſchenth und Semperfrei. — Eines beſondern Beſuches werth iſt das gegenüber von Comburg liegende ſogenannte Ca— puzinerkloſter Klein-Comburg, welches zur Gemeinde Steinbach gehört. Die noch wohl erhaltene. Klofter= Kirche St. Gilgen iſt dreiſchiffig und im Tateinifchen Kreuz erbaut, mit einem halbfreisförmigen Chor im Innern, außen aber geradlinigt beendigt. Das Chor ift im: Halbkreis überwölbt. Alles übrige Deckenwerk aber :ift von Holz. Das hohe Mittelſchiff wird auf jeder Seite von drei Säulen und einem Pfeiler im Innern unterftüßt: © Die’ Durch Halbkreisbogen ver— bundenen Säulen haben Würfelfnäufe und attijche Bafen. Sonftigen Schmuck an Gemälden. u. Dergl. aus alter Zeit Hat fle feinen mehr. Das Altarbild ftammt aus der Gapuziner- Periode. Wie St. Gilgen, fo mag einft die chi zu Sen erbaut ge weſen feyn.
“ Bon Comburg — wir füglich auf dem alten Grund und Boden des Stifts einen — auf den ganz wir Weiler
Ba it Sinkorn, Il
* ſchon ſeit alten Zeiten einen Theil der —— Beſitzungen des Stifts bildete. Zwar gehen wir keinen
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wichtigen Alterthümern mehr nach, aber einigen „alten Volksſagen, und was der Freund des Alterthums nicht findet, Das. wird dem Freunde der Natur zu Theil — es iſt eine der herrlichſten Ausfichten, die wir genießen fönnen. Don einem 1570 Buß hohen und fleilen Berge fehen wir über das hallifche, Timpurg’fche und hohenloh'ſche Gebiet bis nach Kohenftaufen, Rechberg, Ellwangen und Kapfenburg, und weithin gegen Sranfen. Dran genießt dieſe Föftliche Ausficht von einer Hoch— wacht aus, welche von einem Wächter bewohnt wird, der fonft von hier aus mit einer Allarmkanone Feuerſignale gab, und zugleich dad Amt hat, die Iremden zu bee dienen, welche den hier aufgeftellten Tubus für Die fehöne Ausficht benügen wollen.
Neben der Hochwacht fleht die Wohnung eines fönigl. Waldfchüsen mit Defonomie = Öebäuden. Am intereffanteften find uns Die noch bedeutenden Nuinen einer Wallfahrtskirche, welche im Jahr 1710 an Die Stelle einer alten Wallfahrtskirche erbaut worden war, und am 6. Mai 1814, durch Blig entzündet, abbrannte. Die alte Wallfahrtsfapelle „zu den 14 Nothhelfern* war vom Stift Comburg fehon in frühen Zeiten er baut, wohl wegen der fchönen Ausficht, Die wir immer bei folchen Wallfahrtöfapellen finden. Es war wohl eine Kleine, aber in altem Style erbaute Kapelle — Die, deren Ruinen noch fiehen, war, ihren Reiten nach zu Schließen, eine in jenem. prächtigen fogenannten Sefuitenftyl erbaute, wie die Stiftskirche zu Comburg. Noch bie zum Jahr 1803. wurde diefe Wallfahrts-
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fapelle von den Sranziöfaner- Mönchen zu Klein- Com⸗ burg verfeben.
An den Einforn und fein Gebiet knüpfen ſich einige Sagen, die fo recht das Gepräge des Volksthümlichen fragen. Wir geben die vom Kechberger, vom Jäger Cuornle und von der Teufelskanzel.
Der Rechberger.
Wer fennt nicht die herrliche Ballade unferes ge— feierten Dichter-Greifen, Ludwig Uhlands „Junker Rechberger?“ Woher der Stoff zu dieſer Ballade ge- nommen, willen wir nicht, aber fte ift nach Form und Inhalt ganz ſo gehalten, wie viele ſeiner freien Balladen, die reine Produkte ſeines großen Dichtergeiſtes ſind, ob ſie gleich jo naiv klingen, daß wir manchmaf glauben koͤnnten, er hätte fle aus diefer oder jener Chronik al- ter Zeit oder aus dem Munde des Volks entnommen. Mit großer Freude lefen wir nun in der jedem rechten Schwaben liebgewordnen „Schwäbifchen Familienchro- nik“ eines fagenfundigen vaterländifchen Schriftftellers, Daß ein gewifjer Sigbertus (2) in feiner Chronif von einem SJunfer Nechberger erzähle, der mit feinen Dienern einſt fremden Herren entgegen ritt und über Nacht in einer Feldfapelle geblieben. Da er Morgens ‚weiter zog, ließ er feine Handſchuhe liegen, und fehiekte deßhalb feinen Reitknecht zurück, um fie zu holen. Aber, ald der Reitknecht in die Kapelle kommt, fieht er bort einen Todtenfarg und darauf einen leibhaftigen
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Teufel fißen, der hatte ſeines Herrn Handichube an. Kaum hat der Neitfnecht das gefehen, fo kehrt er zu. feinem Herrn zurüd und erzählt ihm Die Suche. Der reitet fed- lich in die Kapelle zurück, reift Dem: böſen Geiſt die Handſchuhe aus den Händen, und ritt weiter jeined Megs. Ueber eine Weile begegnet "ihm eine ‚ganze Truppe Reiter, und bald darauf noch eine; hintennach aber ritt Einer,» der führte ein leeres Pferd, dieſen fragte Nechberger: wer fie feyen? worauf Jener ant- wortete: fie jeyen Das wüthende Heer. Fragte Rech— berger, weiter: was foll Das ‚leere Pferd bedeuten ? Sprach der Reiter: mein Herr der Teufel hat einen 'getreuen Diener, der heißt Rechberger, für. den: iſt es beftellt, denn derjelbige foll von Heut! übers Jahr er— ftochen werden und auf dieſem Pferd in fein Quartier reiten. — Einen fhönen Schluß gibt‘ unfer edler Uhland, der den Junker Rechberger füglicher als einen ächten Schnapphahn und Heckenreiter der. alten Zeit darftellt, welcher endlich,, um: feine vielen Sünden ab— zubüßen, wie der große Wolfdietrich im der Selden- fage, in ein- Klofter gebt, allda im Klofterftalle der Pferde waltet, und richtig über ein Jährlein von einem fchwarzen wilden Roße mitten aufs Herz gejchlagen und getödtet wird, mworauf um Mitternacht an des Junkers Grab ein fchwarzer Reitknecht mit einem Rappen erjcheint, und ihn aus dem Grabe wert, daß er von nun an als Junfer Nechberger “auf feinem Rappen umber reiten muß. Und das naive Eprüch« lein gibt er zur Warnung: a 1:94.00
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vn Das Lied it Junkern zur Lehr gemadt, , | eu "Daß fie geben auf ihre: Handſchuh Acht, 2 Und daß fie: fein bleiben laſſen
Sn der Naht am Weg zu paffen.
Woher auch die Sage von Junker Rechberger in ibrer doppelten Geftaltung ſeyn mag, fo viel ift gewiß, Daß zwifchen ihm und dem Rechberger des Einforns ein enger. Zuſammenhang Statt findet. Der Nechberger vom Einkorn ift fein fehreckender Reiter auf: ſchwarzem Rappen, fondern ein neckender Berageift. Er ift ein ebenbürtiger Bruder des im Höhgau am Bodenſee weit und breit befannten Poppele von Hohen— fräben, jenes Bergfobolds,, der befonders in guten Meinjahren am See fein Wefen treibt. Der Rede berger ift der Spuk, Irr- und Volter-Geift des hällie ſchen Landes, der die Spätlinge, Die mit etwas zu voller: Ladung : beimfehren ; die Händler, welche ein nicht ganz ‚moralifches Vrofitchen im Gurt, oder ein dergleichen Project im Kopfe Durch die Nacht tragen, die menfchlichen Kater, Die. „um: Die Feuerleitern ſtrei— chen,“ die Fubrleute, welche, um die bei Tag in den Wirthéshäuſern verfäunte Zeit hereinzubringen, nächte Iicher Weile ihr armes Geſpann bergauf plagen, irre führt. Bald leuchtet er als eine Feuersbrunſt in einer benachbarten Drtichaft und lacht unbändig, wenn die Sefoppten den Erennenden Weiler unverfehrt und in tiefſter Ruhe finden ; bald fchreit er kläglich um Hülfe und jcheint ſehr befriedigt, wenn die zu Hülfe Eilens
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den in eine Pfüge plumpenz bald knarrt und aͤchzt er als überladener Wagen mit Peitſchengeklatſch und Bluchen eine Steige hinauf, und ift plöglich‘ ftilfe, wenn die, welche Beiftand leiſten wollen, ihr eigenes Fuhrwerk in einen Graben abjegen; bald bumpelt er als ein müder gebüdter Wanderer mit: einem WMefen, als wünfche er Die Gefellichaft des Nachfchreitenden, auf einem Fußpfade voraus, und ift jühlings vers jhwunden, wenn Diefer von einem berabhängenden Baumaft emen Schlag vor den Schädel erhält oder feine Beine gen Himmel kehrt; bald tanzt er als ein Licht voraus, und verlifcht, wenn die Leute nach eins gen Stunden genau wieder an dem Ort anlangen, von wannen fie ausgegangen find. Sein Gebiet ift Die ganze Gegend, welche vom Kocer- und Bühler Flug umſchloſſen wird, alfo vorzugsmeife Die jogenannte thüngenthaler Ebene bis Dber- Sontheim umd das Bifchachtbal, fein eigentlicher Si aber der Einforn, der fi) zu den oben befchriebenen Operationen‘ Dadurch befonders eignet, Daß fich Diefer Berg ſammt feinen Ausläufern als einziger Höhepunft mitten in der Ebene erhebt, und ſomit auch bei Nacht, zumal wenn Der Spuf ein feuriger ift, weithin fichtbar wird. Ueber— Dieß führt die Landſtraße von Hall nach Ellwangen, welche Die einzige Communicationslinie zwifchen dem Öftlichen und weitlichen heil des Oberamts bildet, über Die nordöftliche Abdahhung des Einforns, und if, fomit durch ihre Frequenz ein auserlefener Schauplag für Rechbergers Thätigkeit. Die Sage meldet, Rech»
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berger jey der Befehlshaber eines Bähnleins Haller geweſen, das er im Kriege, wahrfcheinlih im Städte frieg, entwender zum Beinde übergeführt, oder zur Niedermezelung in die Hände gefpielt habe und dabei ‚ felbft umgefonmen fey. Seitdem jey er verdammt, in diefer Gegend, entweder weil fie feine Heimath, oder der Echauplaß feiner Werrätherei war, rubelos ſich und Andern zur Geißel umberzufpufen. Wahrfcheins lich fteßt Diefe Sage in Verbindung mit einer Fehde, welche Die Haller gegen das Jahr 1444 oder 1449 nach ©. Widemann mit den Herren von NRechberg führ ten, im der fie ihnen zwei Schlöffer zerftörten und den umbergelegenen Wald umhieben. Als ſie ſich hierauf in einiger - Unordnung und mit allzumeiter Vorausſchickung der Neiterei beutebeladen gegen Gmünd urüczogen, that einer der Kern von Nechberg, im Bund mit dem Grafen von Wirtemberg, einen Aus— fall aus dem Schloß Nechberg, machte 54 Halliſche ‚nieder und führte Deren 68 ſammt Der wieder ges mwonnenen Beute als Gefangene nach Göppingen.
Sage vom Jäger Cuornle.
Jäger Cuornle war vor nicht gar langer Zeit eim Borftfnecht auf dem Einforn, der hatte feine Seele dem ® Teufel verſchrieben, Dafür, daß er alles treffe, was ihm vor den Schuß käme. So ward er ver Tod alles Wildes, aber auch der Schreden der Wildjchügen, deren mehr als einer feinem Geſchoß erlag. Er hielt
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zugleich eine Scenfe auf dem Einforn und ‚hatte vielen Zujpruch von den. benachbarten Ortſchaften und von den angefebenften Einwohnern won Somburg, Steins bach und Hall; Denn er war, obſchon ein unheimlicher, doch ein: mohlgebildeter intereffanter Mann, von feinen Sitten, und das Unheimliche zieht befanntlich auch ans Eines Tages nun gab er Tanz ‚und: Spiel in feinem Haufe, zu dem fich viele und vornehme Gäſte aus den obigen Drten einfanden. Als der Reigen im vollen Zuge war, und der Einforn von. Geigen und: Flöten wiederhallte, wurde Cuornle plötzlich Hinausgerufen: es läge unter. einer nahen Eiche ein prächtiger Edel— birfch, dem Verenden nahe. Cuornle ging und mit ihm einige Andere vom Handwerk. Am Plage ange langt fanden fie den Hirſch nicht „ wohl aber den Boden und das Gebüfch umher zerftampft und zermüßlt. Nun hieß Cuornle die Andern zurücfbleiben > er wolle den Hirſch, der fich nur, ind Buſchwerk zurückgezogen haben könne, allein fuchen. Plötzlich hörten die Männer ein Ringen und ein herzzerreißendes Hülfsgeſchrei, und als te herzueilten, fanden fe eine große Lache Blut, aber weder Hirſch noch Jäger Cuornle, mehr. Seine Zeit war um gewefen, und entweder hatte er fie ganz vergeflen gehabt, um feine Angſt zw betäuben, oder den Teufel durch irgend eine Lift hinauszuziehen und. um feine Seele zu betrügen gefuchtz Per aber weiß. Zeit und Stunde beffer, und gebet umher, wie ein brüflender Löwe, zu firchen, wen er verſchlinge. Seitdem jagt der Cuornle oft nächtlich Durch den Forſt und führt .
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die benachbarten Säger ‚welche Wilderer in ihm» ver muthen, irre, mit manchen Bauern dagegen feheint er ſich gut zu verftehen, "und ihre Büchfen zu laden und zu richten. Wieser fich mit Rechberger, der Daffelbe Revier hat, verträgt, ift nicht anzugeben, es feheint aber, daß fie gute Kameradfchaft Halten , denn 'alle Geiſter, die Menfchen irre Leiten, find verſchworen. Noch iſt der Zeufelsfanzel zu gedenfen, die auf einem wilden Hügel ftand, in einem öden und abgelegenen Wintel des Einfornd, wo zur Zeit eim Steinbruch. Es Enüpft ſich Feine befondere Sage an dieſen Ort, außer daß nian in alten Zeiten: oft von einem auf der Spiße des Hügels befindlich geweſenen runden Stein aus gottesläſterliche Predigten, die Niemand als der Teufel babe halten können, gehört habe. Der runde Stein iſt verſchwunden, und ſeitdem hört man hier => feine —“ —
—— Der Buffen.
Eine Meile öfllich von Riedlingen Tiegt der Buffen, der ‚audgezeichnetfie Berg in Oberſchwaben, Daher auch _ von Alters her der Schwabenberg (Mons Duevus), aud, blos Schw abe genannt. Er erhebt ſich frei und weithin ſichtbar in der großen Donauebene bis
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zu einer Höhe von 2364 Par, Fuß (2680 Würt. F.) Da aber feine Grundfläche fchon ſehr hoch liegt, fein Fuß überall fehr breit it, fo erreicht man jene Höhe ganz unvermerft und mit aller Gemächlichfeit. Um den Berg her liegen eine Menge größere und Eleinere Drte, und das Dorf Offingen» Buffen reicht bis an den Scheitel des Bergs_hin. Die Abhänge find gegen Norden und Diten bewaldet, auf der andern Seite tbeil3 angebaut, theils öde. Der im die Länge ges ſtreckte Scheitel De8 Bergs hat eine ziemlich geräumige Dberfläche, . welche durds einen tiefen Graben in zwei Theile getheilt-ift. Auf dem vorderen Theil fteht die alte Bfarrfirche Buffen, auf dem hintern liegen die Nuinen der Burg Buffen. Die Augficht auf dem Buffen iſt unvergleichlich ſchön: ganz Oberſchwaben bis an den Bodenfee, den man: felbjt noch auf dem Kirchthurm erblickt, und das Land, bis tief nach Baiern binab, liegt ald eine unermeßliche Ebene vor Augen, und in einer unüberfehbaren Kette ziehen im Hinter grunde die Tyroler= und Schweizeralpen bin, oft fo deutlich und Elar fich darftellend, daß man jeden ein- zelnen Berg mit bloßem Auge, und bei günftigem Fichte felbft die Landhäufer von St. Gallen unter ſcheiden kann. Mehr als 500 Drtfchaften Tiegen vor dem Blicke des Beſchauers. Nur die Waldburg, welche näher dem Bodenfee liegt, könnte dem Bun den Vorzug der Ausficht ftreitig machen. © at
Das einzige ganze noch ftehende Gebäude auf 3 Buſſen iſt die Kirche, welche nebſt dem Gottesacker
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zum Dorfe Offingen gehört; fie wurde im Jahr 1516 von den Trümmern der vorderen Burg neugebaut, und 1781 abermals erneuert. Sie ift der Jungfrau Maria geweiht, deren Bild, als mater dolorosa, fie zu einer ſtark befuchten Wallfahrtskirche gemacht hat. Neben der Kirche ift ein Häuschen, das längſt aus einer Eremitenklaufe zur Wohnung einer: Eleinen Bamilie eingerichtet worden. — Auf. den Bufjen befanden fich in alten Zeiten zwei Burgen; die eine hieß Die Vor— derburg, Die andere Die Hinterburg. Die erſtere ftand zunächft ‘bei der Kirche und ift ſchon im 415. Jahre Hundert: ein Burgftall gewefen, deffen ‚Steine: verwen— det wurden, Die Hinterburg , auf dem binterg, Theil des Bergs ftehend, und. durch einen“ Graben von der - Kirche, fo mie von der andern Burg getrennt, hat fich am längſten wohnlich erhalten. Noch bis in den Anfang des 18, Jahrhunderts war die Hinterburg bewohnbar, Denn in einer alten handfchriftlichen: „Bes fehreibung der fchwäbifchen Burgen und Echlöffer durch Ernftvon Pflummern“ beißt es: „Sonften ift das jegige Schloß ‚auf dem Bufjen (darinnen ſich ſchwer— lich ein Jäger mit der Wohnung betragen fann) gegen feiner alten Magnifizenz gar fehlecht und nit viel höcher oder beffer, dann ein vergangnes Burgftall zu rechnen, fintemalen nit glaublih, dag Graf Gerold, welcher Kaiſer Earoli Magni Schwager war, auch über Baiern und Schwaben ein Landvogt gewejen, und auf Diejem Berg zum Buffen, allda er vornemlich reſidiret, feinen
gräflichen Stammen, als ein Graf von Buſſen, ad
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posteros transmittiret hat, felbiger Zeit, dieſe Reſi— denz nit viel ftattlicher erbaut habe.“ Unter Der zerftörenden Einwirkung der Zeit iſt auch Diefe Burg nach und nach von fel6ft zerfallen, und es finds nur noch wenige Ueberrefte "won ihr vorhanden. Unter diefen zeichnet fi) der Rumpf eines Thurms, durch feine eigene Bauart, ſo wie Durch feinergewaltigen, wiewohl größtentgeils geplünderten "Steinmaffen aus. Zuverläßig war diefer Thurm die erſte Anlage einer Befeftigung auf dem Buſſen, vielleicht ein: römischer MWartthurm: An dieſen Thurm wurde: in der chrifte lichen Zeit eine Burg ‚gebaut, die in alten Schriften den Namen Suevia führte, und der Sitz eitied ge waltigen "Alemannifchen Häuptlings “oder Herzogs ge wefen seyn muß. - Vielleicht: war es ſchon Herzog Gotefried von Alemannien, der auf dem Buſſen ſeinen Sitz hatte, denn feine Nachkommen find nach ihm auf und um den Bufſen herum begütert geweſen. Daß Graf Gerold, Schwager Karls des Großen, und durch feine Mutter Imma Urenkel des Herzogs Gotefried auf Dem Berge: Buffen feinen Sitz hatte, iſt wohl feinem‘ Zweifel "unterworfen. In den Annalen Der Reichenau, ſo mie in dem Urbarium des Klofters Beuron heißt er ausdrücklich Graf von Buſſen. Er war ein. befondrer Liebling , Karls des Großen und Graf in der Berchtoldsbaar,, ja vielleicht Graf über mehrere Gate; Denn im ſchwäbiſchen Landrecht, Dem Echmabenfpiegel, heißt er Herzog Gerold v. Schwaben, und dort wird auch um fänetwillen Den Schwaben‘
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das Recht verlieben, im Streite die Vorfechter zu ſeyn. Es heißt darin: Kaifer Karl verlieh . den Schwaben, wo man um des Reiches Noth ftreiten follte, da fell- ten die Schwaben vor allen Andern ſtreiten, und joll ihr Hauptmann. feyn der Herzog. von Schwaben. Als Karl die bairiichen Verhältniffe ordnete, da übers trug er im Jahr 791 feinem Schwager Die Statt- halterjchaft Baierns, eine. fehr. bedeutende Stellung. Gerold Hatte fich ſchon in früheren ‚Kriegen, nament: lich im fächftfchen Kriege, ausgezeichnet: er hatte fein eigenes Gefolg von Vaſallen. Gerold fiel im Fahr 799 in einem Treffen gegen die Qunnen, und wurde in dem Klofter Reichenau , das er fo reich begabt hatte, begraben. Nach einer Urkunde vom Jahr 811 hatte Gerold einen Sohn Berthold, dem Karl Der Große die Vogtei über gewiffe Orte am Buſſen ab— genommen, weil er übel damit gehanst habe. Da- gegen wurde fie einem Grafen Adelbert übertragen, unter dem eidlichen Berfprechen, daß er ein treuer Vogt und Schirmer der Güter feyn wolle, welche fein (Karls) lieber Better Egino (Bifchof von Verona, ‚Gründer der Kirche zu Niederzell auf der Reichenau) dem Klofter zu, Tirmentingen und Offingen gefchenft, fo wie der Güter, welche Gerold zu Unlingen, Grü— ningen und Altheim dem Klofter übergeben. Möchten wir das Erflere bezweifeln, »Daß Graf Gerold einen Sohn gehabt, denn ein Zeitgenofje aus der Reichenau jagt ausdrüdlich, dag er feine Nachkommen Hinterlafjen, jo ift das Andre urfundlich wahr, Daß neben Graf 25
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Gerold wirklich ein Graf Berthold Güter um und auf den Buſſen befeffen, denn im Jahr 790 vermacht derfelbe Beſitzungen an der Donau und am Buſſen den Klofter St. Gallen, und feine Söhne Chadaloch und Paldebert fiegeln mit dem Vater. Derſelbe ver- gabt im Jahr 802 an die Reichenau Bufjen, Offingen dabei (eine der Burgen auf dem Bufjen und einen - Antheil am Dorfe). - Dann ſchenken im Jahr 805 Chadaloch, der ſchon genannte, und fein drit— ter Bruder Wago, dem Klofter St. Gallen Die Kirche auf dem Bufjen und die Kirche am See (See- firh) u. f. w. Der Vater diefer drei Brüder, Ber— tbold, T im Jahr 802, hatte zur Gemahlin eine ge— wiffe Gerfinda, und war zuverläßig ein Enfel jenes Bertholds, der mit feinem Bruder Nebi den heiligen Pirminius in der Reichenau einfeßte, und ein Enfel Herzog Gotefriedd gewefen. Demnach ift es fehr wahr— jcheinlich, daß er von Vater und Großvater feine Be— figungen auf und um den Buffen geerbt. So werden wir wieder auf den Bufjen, als einen uralten Herzogs— fi, gewiefen, und ed wird und auch flar, wie Graf Gerold, Enfel jenes Herzogs Nebi, mit den Berchtolden (Birtilonen) feinen nahen Verwandten, Herr auf dem Buſſen gemefen. — Neben Gerold und den Bertholden war noch Mitbefiser Egino, Bifchof von Verona, der von ſehr vornehmen Eltern in Schwaben abftammte und mit Karl dem Großen verwandt gewefen. Er ging wieder in Die Heimath zurück, wählte Die Reichenau zu feinem Aufenthalt, und gründete im Jahr 799 zu.
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Niederzell eine Kirche und eine Probſtei; er ftarb alla, . wo noch fein Grabmal zu fehen. Auch er vergabte Güter zu Dürmentingen und Offingen an die Reichenau. — Hauptbefiger der Güter auf und um den Buffen find noch gegen Schluß des 9. Jahrhunderts Die Urenfel des genannten Bertholds, denn im Jahr 889 beftätigen Graf Chadaloch, der noch einen Bruder Berthold Hatte, eine Urfunde in dem Eritgau, in dem Drte Puſſo (Buffen). Nach den Birtilonen finden wir die Grafen von Vöhringen und Nellenburg, ohne Zweifel ihre Abkömmlinge, im Befige der Buffengüter. Zu diefen gehörte wohl auch jener erlauchte Mann, Veregrinus, der zweite Stifter des Kloſters Buffen- Beuron, der nad) einem ihm in dem Klofter gefeßten Grabmal im Jahr 1092 auf feinem Schloffe Buffen oeftorben it. Im Jahr 1291 Faufte 8. Rudolf von. dent Grafen Heinrich von Vöhringen den Buffen und ‚alle auf und an demfelben gelegenen Güter und Orte, die Sinterburg auf Demfelben und die Vogtei über die Kirche. Die Vorderburg (bei der Kirche) war Neichenau’fches Lehen, wie fi das Urbar vom Jahr 1303 ausdrückt: „Uf dem Buffen die Sinterburg und ein Baumgarten unter dem Thurme (dem angeblichen Römerthurm) ift der. Herrſchaft (Defterreich) eigen, jo ift die Vorderburg Lehen von Owe (Reichenau). Später ging auch die Vorderburg an Defterreich über. Nicht unmahrfcheinlich ift e8, daß K. Rudolf von Habsburg, der bekanntlich für einen feiner Söhne ‘ wieder ein Herzogthum Schwaben errichten wollte, ‘den
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Buſſenberg, an den fich Die Erinnerungen eines alten Herzogsfiges Fnüpften, zum Mittelpunft und Hauptſitz einer neuen Echöpfung erfeben. Ob je Einer vom habsburg'ſchen Hauſe auf der Burg Buffen ſaß, if nicht befannt, Dagegen faßen nach "dem genannten Urbar fehon im Jahr 1292 auf dem Buffen öfter reichifche Burgvafallen (Burgmänner, Burgbefagung), die von den Drten der Serrjchaft Gefälle als Sold- leben bezogen. Unter andern werden genannt: ein Lud— wig von Sornftein im Jahr 1313, Einer von Stadegen (Stadion), Conrad von Ramftein, Audolf von Frie— Dingen, die leßteren beide im 3. 1408. Diefe hatten, wie es fcheint, ihre eigenen Wohnſitze auf dem Buſſen, nabe bei den Echlöffern, denn im fpäteren Zeiten: ver- fauften Nachfommen derfelben diefe ihre ererbten Burg- gefäge CBurgftälle) als freies Eigenthum an Andere.
Mie die meisten öfterreichifchen Befigungen in Schwa— ben, fo Batte auch die Herrſchaft Buffen das Long, mehrmals verpfändet zu werden. Im Jahr 1325 kam te an die Grafen von Hohenberg, fpäter an Burfhard von Ellerbach, und endlich an Die Truchfeßen "von MWaldburg, und befaß die Herrſchaft im Jahr 1398 Hans der Truchjeg von Waldburg, der zugleich Die Schirmvogtei über Die Reichenau’fchen Befigungen in der Gegend hatte. Neben dieſen Inhabern erfcheinen noch als öfterreichifche WVögte Die von Stein auf dem Bufjen,- weil Defterreich wohl Die Landeshoheit über die Herrſchaft beibehalten hatte. Im Jahr 1452 vers faufte Erzberzog Sigmund die Grafſchaft "Friedberg
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ſammt dem Schloß und Stadt zu der Scheer, dazu Die Vogtei auf dem Schloß und Dorf Buſſen und Dirmentingen an den Truchfeßen Eberhard von Wald— burg um 32,000 fl., auf ein Ewiges und Beftändigee. Derfelbe wohnte im Jahr 1483 auf dem: Buffen. Später fuchte Defterreich die Herrſchaft Buffen wieder an ſich zu ziehen. » Durch einen Bertrag vom Jahr 41680, da Defterreich Die Herrſchaft wieder einlöste, blieb den Truchſeßen Buffen mit Dürmentingen als Lehen und ewige Mannsinhbabung. Diefe Inhabung begriff die zerftörte Burg Buffen die Orte Buffifch- - Dffingen, Hailtingen, Unlingen, Dentingen und Alt beim. Im Sahr 1786 verkauften die Truchſeßen von Waldburg die. Grafichaft Friedberg mit Buffen und Dürmentingen, Dem-Lehen, für 2,100,000 fl. an. den Bürften Karl Anfelm von Thurn und Taxis. Im Jahr 1806 kam Beides unter württembergifche Dber: berrichaft.
Ueber die Schickſale der Burgen auf dem Buſſen wiſſen wir nur ſo Viel zu berichten. Im Jahr 1358 wurde der Buſſen von Graf Eberhard v. Wirtemberg nebſt den Städten Rotenburg und Horb den Grafen von Hohenberg und Haigerloch abgenommen. Viel— leicht hat die Vorderburg ſchon damals ſtarke Stöße erhalten. Im Jahr 1633 den 14. und 15. Dezbr. wurde die Hinterburg von den Schweden und Wirtem— bergern eingenommen und bis auf die leeren Mauerſtöcke ausgebrannt; doch wurde ſie wahrſcheinlich wieder noth— dürftig zu einer Wohnung eingerichtet. — Daß der
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Buffen ein wichtiger Bunft zu Kriegsoperationen war, hat fih am Schluß des 18. Jahrhunderts bewährt. Als im Jahr 1796 Der General Defair mit dem finfen Flügel der franzöftfchen Armee zwifchen der Donau und dem Federſee eine Stellung einnahm, da befegte er den Buß des Buſſen mir feiner Artillerie. Defair, der in eigner Berfor auf den Buſſen Faur, warf von hier aus am 30. September die Defterreicher über Ahlen zurüf, und begann von derfelben Stellung aus, am 2. Dftober, den Angriff in der Schlacht bei Biberach gegen Seekirch hin. — Es beftätigt ſich mit dieſem unſre oben ‚auögefprochene Anficht, daß Der Buffen zu alfen Zeiten auch ein ſtrategiſch —— Punkt geweſen.
Da nach unfrer Anſicht der Buſſen ein Wohnſitz des Grafen Gerold und ſeines Geſchlechts geweſen, ſo iſt Die Anſicht keine gewagte, wenn wir annebnten, daß der Buſſen auch die Wiege der edlen Schwäbin Hildegard gewefen, die Gerolds Schweſter und Karls des Großen vielliebe Gemahlin mar.
Hier alfo die Sage von der frommen Hilvegaxb.
Bon der frommen Saiferin Sildegard. |
Es gefchah mit Ausgang des Jahres 776, daß Karl der Große fich zu einem neuen Feldzug rüftete, und er trat eines Morgens in das Gemach feiner Gattin, um ihr Lebewohl zu ſagen. Liebe Hildegard! ſprach er, rathe mir, wem ich in meiner Abweſenheit das
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Reich anvertraue, und das beſte Kleinod, jo ich habe, Dich, meine Theuerfte? Mein lieber Gemahl, ant- wortete Hildegard, wenn ich Euch rathen darf, fo ift es Euer Stiefbruder Taland, den Ihr zum Reichöver- weſer jeget, er ift ein tugendhafter Mann, und mich befehlet Ihr dem, in Defien Hut Wittwen und Waifen fteben, denn ich werde auch eine Wittwe feyn, wenn Ihr von, dannen ſeyd. Sie fagte dieſe Worte mit vielen Weinen. Wohl mochte fie gedenken, daß ihr. Trauriges bevorftehe. Da ſchloß Karl feine Gattin in feine Arme und ſprach mit thränendem Auge: ja Dem, in deſſen Schuß wir alle ftehen, will ich Dich anbefeblen.
Schon warteten Karls Mannen im Hofe der Burg; er beftieg ſchnell ſein Roß, ehe fein Schmerz laut war, und ritt von dannen mit feinen GSchaaren. Wohl mit ſchwerem Seren, denn er ahnte, es würde in⸗ deſſen Trauriges geſchehen. —
Wie ihm Hildegard gerathen hatte, ſo geſchah es auch. Karl ſetzte mit Willen ſeiner Reichsſtände ſeinen Stiefbruder Taland über das Reich, und übergab ihm ſeine Hildegard, daß er für alle ihre Angelegenheiten ſorge. Ach, daß er gerade dem Ungerechten ſein beſtes Kleinod anvertraute! Kaum war Karl abgezogen, ſo trat der böfe Mann mit feinen unreinen Begierden und Abfichten hervor, Die er ſchon lange im Kerzen verborgen hatte. Seht hielt er e8 für gute Gelegen- beit, ald Karl abırefend war, daß er der frommen Hilde— gard feine böfen Wünfche vortrug. Wo habt Ihr Eure
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Sinne? fprach Hildegard zu Taland als er folche& ihr vorbrachte, wifjet Ihr nicht, Daß ich die Gemahlin Eures Bruder bin? und ſo Dieß auch nicht wäre,
wie follte ich Die Treue ‚brechen gegen den, dem ih
die Treue am Altare ſchwur? Darauf achtete aber Taland nicht; je mehr ſie ihn abwies, deſto mehr drang er in fie, und am Ende forderterer das mit Droben, was er Anfangs nur erbeten hatte. Das brachte die fromme Hildegard über die Maßen in Sorgen ; fie gedachte ihrer fehmweren Ahnungen beim Abſchied, wie fie jetzt in Erfüllung gingen, : undı wandte ſich nun in ihrer Noth zu dem, der Die Bedrängten nie verläßt, und ihnen Hilft, oft wunderbarer Weife. Eines Tages, al3 fie gerade wieder von des böfen Mannes Anträgen beſtürmt worden war, trat Rofine von Bod— man, ihre Gejpielin, Die fie fich fchon lange zur innige ften Freundin erforen hatte, in ihr Gemach. Was it Euch, theure Gebieterin *: fragte dieſe, als fie Die Kaiferin in Thränen gerfliegen ſah. Ach, meine Theure! erwiederte Hildegard, nur Gott kennt meinen Kummer; er mag mir helfen, Menfchen können es nicht. So enthüllet Doch, fuhr: Das, Fräulein fort, mir Euren Kummer, Ihr wiffet ja, daß Euer Kummer auch der meine ift, und: vielleicht Eann ich Euch Rath Schaffen. Mit niedergefcblagenen Augen, denn fie ſchämte fich, e8 auszufprechen, erzählte: nun —— was bisher ſich ch zugetragen hatte.
Roſine hörte mit inniger ——— ‚als Hilde⸗ gard ihren Kummer erzählte — ſie ſchwieg eine Zeit
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Yang, als Hildegard geendet, und begann, nachdem ſie ein’ wenig nachgedacht hatte: Theuerſte Gebieterin, ich will Euch einen Rath geben, der gut gemeint it, und dieſen befolget. Mit Lift müffet Ihr fuchen des böfen - Mannes los zu werden, denn Gewalt flieht Euch Feine zu ‚Gebot. Ihr müffet fuchen, ihn hinzuzuhalten, bis Euer Gemahl wiederfehret. Wie dieß möglich ift, da— rüber. habe ich eben nachgedacht, "und es beftehet darin: So der böfe Mann wieder Fehret mit feinen Anträgen, jo müſſet Ihr freundlich gegen ihn: feyn, denn leicht fönnte er über Euch in Zorn entbrennen, und dad möchte Euch Böjes zuziehen; Ihr follt alſo zu ihm fprecben: „Ich wäre Euch ſchon längſt zu Willen gewefen, aber ich feheue Den Argwohn der böfen Welt. Darum gehet hin, umd errichtet im einem entlegenen - Walde ein Luftfchlößlein, da will ich Euch Dann aufs fuchen, »und es mag dann’ weder Euch noch mir Böſes daraus erfolgen." Wenn er dieß gethan hat, Dann will ich Euch ſchon einen weiteren Rath geben. — Hildegard Danfte Herzlich ihrer Freundin, daß fie ihr - aus ihrer Noth helfen wollte mit Gottes Willen, und ſie that alſo. Taland der Böfe kam wieder; Hilde— gard ſprach zu ihm, wie ihre. Freundin ihr gerathen hatte, und Taland ging hocherfreut wieder von dannen, verhoffend, daß jetzt bald das Ziel ſeiner Wuͤnſche erreicht wäre. Sogleich ließ er tief in einem entlege— nen Walde ein Haus aufführen, das eher einem feſten Thurme, als einem Luſtſchlößlein glich, und er ließ daran feſte Thürme anbringen, die er verwahrte mit
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ftarfen Schlöffern, denn er gedachte dort recht umge . Hört feine unrechten Abjichten auszuführen. Bald fündete er der Kaiferin an, daß der Bau nach ihrem Willen vollendet fey, und nie mahnte fie an ihr Vers jprechen.
Nun, liebe Rofina, jprach Hildegard in der Stunde, als Taland fie wieder verlaffen hatte, zu ihrer Freun— din, nun rathe weiter, was ich anfangen foll, daß ich des Böfen los werde? — Das ift jest leicht zu rathen,, antwortete Rofina, der Böſe hat jich eine Schlinge bereitet, in die er jegt felbft fallen muß. Ihr gehet mit ihm, — fo rathe ih Euch — in das Schloß, fo er bat erbauen lafjen; nehmet dann den Schlüffel zur Hauptthüre, der Böfewicht möge zuerft binein_ gehen, Ihr fchlieget dann zu, und laffet den fchlauen Fuchs fo lange in der Grube, bis Euer Ge— mahl fommt. Serausfommen mag er nicht, denn wie ich höre, ift das Schloß feft gebaut, und feine Riegel find dauerhaft. — Hildegard that, was ihre Freundin ihr gerathen, und es gefchah auch, wie fie gehofft hatte.
Taland der Ungetrene traute ihren Worten, und fo wurde der Böfewicht in feiner Grube gefangen, die er felbft gegraben hatte. Hildegard folgte ihm in das Waldſchloß: Taland ging voran in das Gemach fo am ftärkften verfchloffen war, und Hildegard ſchloß hinter ihm Die Thüre. Seht erſt that fie ihm fund, was fie mit ihm vorhatte. Du follft in dem Gemach bleiben, fprach fie, 6i8 mein Gemahl wieder fehret, fo mag ich verfchont bleiben von Deinen böfen Wünfchen ;
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was Du bedarfit, jollft Du Haben, und nichts foll Dir abgeben, bis auf jene Zeit, daß mein Gemahl wieder fehret. Da redete-auf einmal der böfe Taland in einer andern Sprache: Laſſet mich Doch heraus, bat er, ich will Euch Fünftig mit Allem dem verfchont lafjen, das ich Euch zumuthete, ich will Euch zwei Eide ſchwören, Daß ich es halten mag. Hildegard hörte nicht auf die Worte des Ungetreuen, verriegelte die Thüre fefter und ging von dannen. Als fie nach Haufe fam, danfte fie Gott inbrünftig, daß er fie auf jolche Weile von dem böſen Manne befreit Hatte, Mährend dieß am föniglichen Hofe geſchah, Hatte Karl feine Kriegsangelegenheiten fehneller in Ordnung ‚gebracht, ald man gemähnt hatte, und er trat flegreich den Rückweg nach Aachen an. Kaum hörte Hildegard die freudige Botjchaft, daß ihr Gemahl in wenigen Stunden anfonımen würde, da eilte fie in das ver- borgene Waldſchloß und befreite den böfen Taland aus feiner Gefangenfchaft, in welcher er mehrere Wo— ‚ chen zugebracht hatte, ohne großes Auffehen des Vol: fed, denn man wähnte ihn auf einer Ruftreife. Zaland that gar freundlich gegen Hildegard, als fie die Thüre öffnete, und fprach mit heuchlerifchem Blicke : es ſoll jest alles zwifchen und vergefien feyn, was gejchehen iſt — aber fein Herz gedachte nicht fo, fondern er entbrannte voll Rachfucht, Die er auch bald auss brechen Tief. AS fein Bruder, der Kaifer anlangte, da war.große Freude in der Stadt, zu allermeift bei Hildegard, deren Leid jeßt wieder im Freude und
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Monne verwandelt febien. Aber es ſollte nicht Tange fo währen; fie fonnte nur furge Zeit das Glück Des Wiederſehens genießen, und noch mehr des Bittern folgte.
Wenige Tage waren verfloſſen, ſo trat der unge- treue Mann vor feinen Bruder, und brachte allerlei böſe Kunde über das bisherige Betragen Hildegardens: vor allem, Sprach er, wollte fie mich auch zw Dingen verleiten, die ich nur Dann erfüllen fonnte, wenn ich Deine Ehre hätte in den Staub treten wollen. Siehe, fte hat ein: Ruftfchlog im Walde bauen laſſen, von dem nur ich weiß, auf Daß ſie mit ihren Buhlen ihrer Untreue. ungeftört fröhnen könnte.
As der Kaifer dieſe verläumderifchen Worte des ungetreuen Bruders hörte, da ward er im Innerſten betrübt. So, fprach er weinend, das ift die Treue die mir Die Falſche am Altare gelobte? ich will ſie nimmer ſehen, die Treulofe. Gehe bin, mein Bruder, thue mit ihr, was Dir gefällt, daß fie nicht mehr vor mein Angeſicht kommt, die Schlange. Das waren eöftliche Worte für den Böfewicht. Sogleich fandte . er feiner Knechte zween aus, die mußten in der Naht die Kaiferin aus ihrem Gemache holen. — Was wollt ir? Sprach ſie überrafcht, als dieſe hereintraten, wo fie mit ihrer geliebten Freundin, Roſina von Bodman, ſchlief. Wir: wollen das Gebot unferd Herrn erfüllen, fyrachen Diefe mit rober Stimme. Wer ift Denn euer Herr? fragte Hildegard zitternd. Unſeres Kaifers Bruder: auf feinen Befehl, und Der iſt auch des
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Kaifers Mille, ſollen wir Eud) yon! dannen führen, und das Weitere werdet Ihr ſehen. Ach, du böjer Dann, wie rachjichtig biſt du, ach, du betrogener Gemahl, daß du dem Rathe deines böfen Bruders fofgft! feufzte Hildegard. — Wohl mochte Hildegard gedenken, daß der böfe Taland fich durch Verläumdung an ihr zu rächen juche und der Kaifer feinen Worten glaube. — So lafjet mich doch, bat Hildegard wei— nend, meinen Gemahl noch einmal ſehen, und ihn fragen, warum mir. folches gefchebe? Die rohen Knechte hörten nicht auf ihre Wort. Da trat Rofina, die treue Maid von Bodman, hinzu und fprach: ich trenne mich nicht von meiner Gebieterin, führer mich auch mit ihr von dannen. Die Knechte wehrten ihr, aber Roſina lieg ſich nicht abhalten, und folgte weinend der fronmen Kaiferin. Stille führten fie Die beiden Frauen durch den Burghof; da harrete fcehon ein Wagen, in den wurden fie gefeßt, zu beiden Geiten die Knechte ‚die jie bewachen mußten... Viele Stunden waren fie ges fahren, da hielt der Wagen ftille, und die beiden Frauen hörten Das Braufen eines breiten Stromes. Es war der Rheinſtrom, über den eine Brüde führte. Seßt fteiget ab, fprachen die Knechte, bier ift Das Ziel eurer Reife. Die rauen fliegen ab. Es war eine dunkle Nacht und nur wenige Sternlein erglänzten am - Himmel, überall Zodesftille, nur des Stromes Wogen unterbrachen Durch ihre Bewegung die Stille. Im. dieſem Strome, Sprachen die Kriechte zu: Hildegarden, ſollt Ihr Euer Grab finden — fo ift der Wille unfers
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Gebieterd. Hildegard weinte, als fte dieſe Worte hörte. Hieß mein Gemahl, der Kaifer, euch ſolches an mir thun? fragte fie fchluchzend. Ja, unfer Gebieter hat es befohlen nach dem eignen Worte des Kaiferd. Nun, feufzte Sildegard, wenn mein Gemahl es befohlen, dann müßt ihr fein Gebot erfüllen. Ih will nun gerne fterben. AS fie dieß gefagt hatte, nahm fie ihr Diadem von Gold und Edelſtein von der Gtirne und bot es ihrer Freundin dar. Nimm es, ſprach fie weinend, und trag’ e8 zum Andenken an Deine unglücliche Freundin. Da fey Gott für, antwortete fehluchzend Rofina von Bodman, ich werde Euch nicht verlaffen, Dieweil ich Euch Treue geſchworen bis ing Grab. Ach, meine Theure, bat Hildegard, folge mir nicht, Du haft ja feine Schuld an Allem, was fi bisher zugetragen. Es wird Dir Niemand Böſes zu— fügen, kehr' mit diefen Männern und bringe meinem Gemahl die Kunde, daß ich unfchuldig fterbe, Daß alles Lüge fey, was fein Bruder über mid vorgebracht. Da antwortete Rofina von Bodman: redet mir nicht darein, theure Gebieterin, daß ich Euch verlajfen follte, und von Euch umfehre, wo Ihr fterbet, da will ich auch- fterben und begraben feyn. Nun fprach Hilde gard nicht? weiter zu ihrer Freundin. Die Knechte nahmen jeßt Die unglücfliche Frau und führten fie an das Geländer der Brücke. Rofina hing ſich an ihre Gebieterin und wollte fich nicht von ihr trennen laſſen. Da riffen Die Knechte das Fräulein von der Kaiferin, und flürzten diefe über die Brücke in Die Wogen des
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braufenden Rheinſtromes. Als Rofina ihre Gebieterin hinunterftürgen fah, da beugte fie fich über die Brücke und flürzte ihr nach. Die Knechte verliefen den Dit, nachdem fie ihr Gebot erfüllt Hatten, Fehrten an den Hof zurüf, und berichteten ihrem ©ebieter, daß fie jeinen Willen vollführt. Der freute fich Deffen über die Maaßen, denn er wähnte, e8 fey feiner Rache ein Dpfer geworden. Aber es war dem nicht fo. Gotted Hand waltete über der. unglüflichen Fürftin und der getreuen Jungfrau von Bodman. Das Fräulein holte im Sturze in das Waſſer ihre ©ebieterin ein, fie er griff fle an ihrem Gewande umd hielt fie feit, daß fie nicbt unterfanf. Sie hielt fich lange über dem Waffer, denn in ihrer frühen Jugend, ehe fie an den Hof der Kaiferin Fam, Hatte fie manchmal in des Bodenſees Bluthen unter der Burg ihres Vaters mit ihren Ge— jpielinnen durch Das Bad fich ergößt, und hatte nad) und nad) im Schwimmen fich. geübt; fo gefchah es, daß fie die Retterin der treuen Sildegard murde. Sie brachte fie im Schwimmen an das entgegengefeßte Ufer. Danfend fanf Hildegard ihrer Retterin in die Arme. Beide harrten nun, bis e8 Tag war, an der Brüdfe des Stromes. Sie machten ſich jegt auf, und gingen längs des Stromed; da fanden fie eine Sifcherhütte,. Der Fifcher öffnete ihnen, und er und fein Weib färften Die Ermatteten mit Speis und. Trank, Mit dem Morgen ging der Fifcher in die Stadt und brachte an den Hof des Herzogs, der daſelbſt wohnte, feine Fiſche. Da erzählte er unter anderem, wie am Mor:
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gen zwei Srauen Lei ihm angefommen wären, die _ ihm vornebmer Abfunft ſchienen. Sogleich fendete der Herzog in die Fifcherhütte, und. Hildegard mit ihrer dreundin wurde an den Hof abgeholt, der Herzog nahm beide mit aller Würde auf, aber Hildegard vers ſchwieg, ſo fehr der Herzog auch in fie Drang, ihre Abkunft, und alles, was ihr widerfahren war. Hilde— gard lebte eine ziemliche Zeit: lang an dem Hofe des Herzogs mit ihrer. geliebten Freundin Roſina von Bodman. Der Herzog ehrte beide wie lieder feiner Familie, und bot allem auf, un den beiden Frauen ein angenehmes Leben zu bereiten. Beſonders mar. der Gegenftand feiner Aufmerkſamkeit die ſchöne Hil— degard; fie merkte Dieß bald, und e8 war ihr eine jchmerzliche Bemerfung, Denn fie hatte. bis auf Diefe Stunde ihren Gemahl noch nicht vergeſſen. Wirklich trat im furzer Zeit Der Herzog mit feiner Neigung an den Tag; er erklärte Hildegarden, Daß er fie von Herzen liebe, und feine für würdiger fände, daß ſie das Herzogthum mit ihm beherrjchete. Co gerne hätte Hildegard geftanden, daß fie fchon Gemahlin‘ eines Andern wäre, aber fie Hatte bei fich Das Gelübde ge- than, feinem Menfchen ihr trauriges Schieffal anzu— vertrauen. Der Herzog drang in fie, daß fie fih er— Fläre. Da ging fie mit ihrer Rofina zu Rathe. Das Ergebniß der Berathung war, Daß fie beide den Hof des Herzogs verließen. Wohl redete: gegen diefe Ab— ficht Die Danfbarfeit, Die beide gegen den edlen: Her— zog begten, da er bisher fo viele Wohlthaten ihnen
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erwiefen hatte, und es entftand ein harter Kampf im Herzen der treuen Hildegard. Das Gelübde, das jie ſich gethan hatte, ihrem Gemahl ewig treu zu bleiben, ob er fie auch verfloßen hatte, ſiegte; und beide, Hilde— gard und Roſina, entflohen in der Nacht vom Hofe des Herzogs in Bilgerkleidern. Was follten fie num aber beginnen, wohin follten fie fliehen? das war jetzt Die Srage, welche die beiden Freundinnen auf ihrem Wege bejchäftigte. Wir wollen auf Die Burg meines Oheims, der am Bodenfee baufet, fprach die treue Maid von Bodman. Sch folge Dir, ermiderte Hildegard, wohin Du geheft. Nach langem Erfragen erfundeten fie den Weg, der nach dem Bodenfee führte. Ueber manche verlaffene Ebene, manche Höhe wandelte der Fuß des Bilgerpaars, bis fie Die erjehnten Ufer des Bodenſees und Die befreundete Burg Bodman er— reichten. Wer lange Zeit von feiner Seintath ferne war, der kann fich vorftellen die Freude des Fräuleins von Bodman, als fie den Spiegel des Seed wieder zum erſtenmal erblidte, an deſſen Ufer ſie in ihrer Kindheit Iuftwandelte und die innen der Burg, in der jle geboren war. Alles was fte erblickte, ſchien ihr wieder herrlicher. Beide Pilger wurden von dem Ritter Hans von Bodman voll Gaftfreundfchaft auf- genommen. Wie hocherfreut war er, als er ein Glied feiner Familie in der Jungfrau erfannte, Die neben Hildegard ging. Noch in jungen Jahren hatte Rofina die Burg verlaffen, und jest war fie zur blühenden Jungfrau herangewachfen. Auch hier verhehfte Hildegard 26
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ihr traurige Gefchif, und nur ahnen fonnte Hans von Bodman, was Die fremde Frau auf feine Burg geführt. Bald betrachtete der Ritter von Bodman die treue Hildegard und feine Nichte als liebe Hausge— nofjen. Hildegard gewann den Aufenthalt an den Schönen Ufern des Sees fo lieb, Daß fie wünfchte, immer bier zu bleiben. Allein nicht nur, Daß Diefer Drt der Gegenftand ihrer wieder ermachenden Freude wurde — Hildegard murde ein Segen für Die ganze Ungegend. Schon von früher Jugend. an hatte fie eine Breude an Pflanzen und Steinen gehabt, und ihre verborgenen Kräfte zu erforſchen gefucht. Jetzt wandte fie Diefe Kunde an, um manchem. Kranfen, Der zu. ihr Fam, ein beilfames Tränklein, oder eine wohl- thuende Salbe zu bereiten. Dazu hatte fie auch Die befte Gelegenheit, denn jene ganze Gegend, bejonders das fchöne Höhgau mit feinen Bergfegeln, vor allen der nahe Berg Twiel, brachte eine, Menge beilfamer Kräuter hervor. Bald erjchallte der Auf der frommen Hildegard vom: Bodenfee bis in die fernften Gegenden des Schmwabenlandes, und Jedermann fprach von Der frommen Frau und ihrer Heilkunde. Um dieſe Zeit machte Kaifer Karl eine Reife durch das Schmabenland, Bei ihm war fein Bruder Taland, der fchon lange an einer unbeilbaren Krankheit litt. Seit jener Zeit nemlich, als er Die treue Hildegard ind Elend ver— ftoßen hatte, hatte ihn der Ausſatz befallen — e8 war wohl ein fichtbared Strafgericht, Das Gott ob feiner Miffethat über ihn verhängt hatte Er reiste im
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manche Lande, um fich heilen zu laſſen, aber nirgends fand er Heilung Als er nun feinen Bruder Durch Schwaben begleitete, da hörte er von der frommen Hildegard am Bodenſee. Sogleich entjchloß er fich, den Weg dahin zu machen.
Unterwegs hörte er, daß die fromme Frau feit längerer Zeit oft Konſtanz befuche, um Dort viele Kranke zu heilen, die in dieſer fchönen Stadt fich ein- fanden. Er z0g mit feinem Bruder, Der gerne auch einmal Diefe Stadt befuchte, gen Konftanz. Als Taland in Konftang ankam, fuchte er die Wohnung der Wun— derthäterin auf. Man zeigte ihm Diefelbe: es war eines der unanfehnlichften Häuslein der Stadt. Che er eintrat, Fam ihm die treue Maid von Bodman ent gegen und fragte nach feinem Begehren. Zaland ers fannte fie nicht, und fagte ihr, wer er fey und was er wolle. Roſina erzählte ihrer Gebieterin, daß Ta— fand, der fo groß Unglüf über fie verhängt, ihrer Hülfe begehre. Die foll ihm werden, fprach Dildegard, und man fah ihr in ihrem Tiebevollen Blide an, daß fie alles das Unrecht vergeffen hatte, fo er einft gegen fie verübt. Ich danke Gott, fprach fie, daß er mir Gelegenheit gibt, feurige Kohlen zu fanımeln auf Das Haupt meines Feindes. Gehe Hin und fage es ihm, aber zubor möge er hingehen in die Münfterfirche und feine Sünden befennen: dann erfi werde Die Arznei helfen, welche fie ihm fenden werde. Roſtna ging hin, und fprach zu Taland, wie ihr Hildegard befohlen hatte, Taland that nach dem Wort der Jungfrau:
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jegt jandte ihm Hildegard eine Arznei, und Taland war in furzer Zeit genefen.
Das vernahm Kaifer Karl; fogleich fandte er nach der mwunderthätigen Frau, denn er wünfchte, fie Eennen ° zunlernen. Da ließ ihm Hildegard fagen: fie würde wohl vor ihm erfebeinen , aber fie Habe das Gelübde getdan, nur im Hauſe des Herrn. fi) vor dem Mens hen zu zeigen. Mit dem frühen Morgen erichien der SKaifer, begleitet von feinem Bruder, Dem wieder- genefenen, in dem Münfter zu Konftanz. Berfchleiert trat Hildegard vor ihren Gemahl, Daß er fie nicht erfannte. Großmächtiger Kaifer, begann Hildegard nit verftellter Stimme, Ihr wollet wiffen, wer ich ſey — e8 ſey Euch denn fund getban, aber zuvor gebt mir das Derfprechen, daß Ihr eine Bitte erfüllet, welche ich Euch dann vorlegen werde. Es iſt eine Bitte, Die Ihr nie bereuen werdet. Sch verfpreche e8 Euch, wunderthätige Frau, gelobte der Kaifer. Da ſchlug fie den Schleier zurück, und feine verftoßene Gattin fland vor ihm. Können die Todten auferftehen? rief Zaland, und er fanf blaß nieder am Kirchenftuhle, Hildegard iſt unfchuldig! feste er hinzu mit zitternder Stimme. Meine Hildegard unfchuldig ? rief Karl hucher- freut, und er ſchloß fie in feine Arme. Kannft Du mir verzeihen? fprach Karl. Sch verzeihe Euch, mein theurer Gemahl, aber Ihr müßt dem verzeihen, ver fein Unrecht bereut hat, antwortete Hildegard, Ih wills um Deinetwillen, Da trat Roftina von Bode man hinzu, und alle drei dankten Gott für ferne
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wunderbare Führung. Karl und Hildegard Iebten noch lange glücklich mit einander,
XXIV. Kloſter Marienbers.
Klofter Marienberg, Kloſter Berg zur lieben Srauen, auch häufig blos Klofter zum Berg genannt, liegt fehr maleriſch auf einem Felſen über der Lauchart, Hat noch gut erhaltene Gebäude und eine Eleine, aber fehöne Kirche. Das Klofter, wozu noch mehrere Dekonomie - Gebäude, auch eine Mühle gehören, wurde im Jahr 1682 neu erbaut, bat aljo nichtö alterthümlich Merkwürdiges mehr aufzuweifen. Auf der Anhöhe, da das Klofter zum Berg erbaut wurde, fand fchon in alten Zeiten ein armfeliges Beguinenhaus mit einer Eleinen Kapelle, das Frauen vom Auguftinerorden bewohnten. Dem Ktlöfterlein gegenüber ftand das Schloß Altenburg, welches dem Grafen Hugo von Montfort gehörte, und num bis auf etliche Hefte vom Burggraben verſchwunden ift. Gin Unglüf in der Familie des Grafen gab Veranlafſung zur Gründung eines förmlichen Klofters. Hören wir darüber den noch vorhandenen Stiftungsbrief vom 6. April des Sahres 1265, in dem fich Graf Hugo von Montfort,
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der Stifter alfo ausdrückt: „Wir hatten zwei Söhn— fein, Die aus unjerem Schloß Altenburg an den Fluß hinab gingen, um zu baden; als fie fich gebadet, legten fie fih im einen Heufchuppen, Der nicht weit von Schloß entfernt, anf das Heu und fchliefen fanft ein, Wie nun durch Zufall neues Heu im Schuppen aufgehäuft wurde, find fie ohne Zweifel nach Gottes Millen erftidt. Nachdem wir mit großem Jammer und Herzeleid einige Wochen eifrige Nachfuchung nach unfern Söhnlein angeftellt und fie nicht finden Fonnten, dr haben wir den allmächtigen Gott und die Jung» frau Marta inftändig angeflehbt, er möge und folcher Gnade würdigen, Daß, wo wir unfre Söhnlein Teben- dig oder todt finden würden, wir. zu Ehren und Lob Gottes des Allmächtigen, auch der Gottesgebärerin, der Jungfrau Marta, zum ewigen Gedächtniß ein Klofter bauen wollen.” Wirflich wurden die beiden Söhnlein mit Anfang des Frühlings unverwest unter dent Heu gefunden. Graf Hugo von Montfort, eingedenf feines Gelübdes, ftiftete nun ein Klofter zu Lob des all- mächtigen Gottes und feiner Mutter Maria, auch zu Ehren des h. Benedikts, und gab dazu dad Eigen- thum von Altenburg mit der Vogtei und allen Gütern, . als Wiefen, Feldern, Waiden, Fiſchenzen und Wäldern, - nebft einer Mühle; auch vergabte er noch fünf Pfund Hellerzing, Tübinger Münze, welche er mit feinen Mite erben vom Orte Oamertingen zu beziehen hatte. Die eigentliche Uebergabe gefchah Durch die Hand des Grafen Wolfrad von Vöhringen. Das Andenfen des Stifters
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it durch ein noch im Klofter aufgehängtes Gemälde verewigt. — Die neue Stiftung hatte gleich im erfien Jahre Widermwärtigfeiten zu erdulden. Neidifihe, bös— geſinnte Menſchen fielen in das Klofter ein und jagten die Priorin mit ihren Schweftern hinaus, Die Dabei alle ihre Habe verloren. Doch nicht lange dauerte das Eril ver frommen Schweftern, denn im Jahr 1267 jammelte Biichof Eberhard von Conſtanz die Zerftreu- ‘ten wieder, feßte fie wieder ein und nahın fte in —* beſondern Schutz.
Auch die Grafen von Wirtemberg machten ſich um das Kloſter verdient, denn laut einer Urkunde vom Jahr 1271 ſchenken und beſtätigen die Grafen Ulrich und Eberhard von Wirtemberg, auf Bitte ihres Vetters Graf Wolfrad von Vöhringen, der Priorin und dem ganzen Convent zu Marienberg die Vogtei des Städt- leind Brunnen, und all ihre Recht in dem Städtlein felbft, wie es ihnen fchon ihre Vater Ulrich gefchenft hatte. Berner betätigt Graf Eberhard von Wirtem- berg im Jahr 1288 die- Schenkung feines ehemaligen Bafallen Swigger von Truchtelfingen, beitehend in einigen Gütern zu Truchtelfingen und Steinhülben.
Im Sabre 1281 wurde das Klofter vom Pabſt - Sohann XXL. in Schuß genommen. Im Jahr 1293 übergab es der Bifchof Rudolf von Conftanz dem Abt und Convent Zwiefalten in Schuß und Schirm, und unterwarf es deſſen Obrigkeit in leiblichen wie in geiftlichen Dingen. Im der Folge jedoch nahmen ſich des leiblichen Schirms immer die Herren von Gamer-
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tingen und Hettingen an, und der Abt von Zwiefalten war immer nur der geiftliche Obere. Im Jahr 1523, ald Die Herren von Speth zu Gamertingen Kaftenz, Schutz⸗ und Schirmvögte des Klofters geworden waren, entftanden bald allerhand Mißhelligfeiten. Der Con— vent zu Marienberg fündigte ihnen den Schirm auf, erkannte aber fpäter wieder die Herren von Speth ala Schirmvögte an, und gab eine jährliche Schirmsfrucht. In der Folge machte fich das Klofter ganz und gar los, und war frei und unabhängig, ohne jedoch ein immatrifulirtes Neichöflofter zu feyn. Im Jahr 1802 wurde Marienberg von Württemberg in Beſitz ges nommen, aber es. behielt feine Cinrichtung. Man beließ die ſieben Klofterfrauen, Drei Schweftern und einen Beichtyater, um bier den Reſt ihrer Tage zu ver- leben. Noch im Sahr 1835 war das Klofter von Nonnen bewohnt. - Die Nonnen find nunmehr ſämmt— fich abgegangen, und das Klofter hat eine andere fchöne Beftimmung erhalten, wodurch es der Menfchheit wohl nüßlichev geworden ift, al3 in früheren Tagen. Der ehemalige rühmlich bekannte Arzt, Dr. Röſch zu Urach und der edle Pfarrer Geßler, nunmehr zu Graben ftetten, entwarfen den Blan zu einer Rettungsanftalt für förper- und geiftesfchmwache Kinder, und erkannten diefes im gefunden Albthal Tiegende Klofter für ein taugliches Afyl zu einer Seilanftalt. Das SHerzeleid trauernder Eltern gab dem Kloſter Marienberg feine Entſtehung — ſchon manchen trauernden Eltern ift hier ein Kind von Leiden genefen, und fie haben, wie
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einſt Graf Hugo und feine Gattin, für ihre wieder- gefundenen Söhnlein fo Gott Lob und Preis dDargebracht für ihre Kinder, die ihnen der Helfer über alle Helfer von Neuen gefchenkt, und haben danfbar ind Herz ges graben die Namen der edlen eg Stif- ter der Anftalt.
Die Kinder von Altenburg.
Das Schloß Altenburg hatte eine herrliche Lage. Auf einer mäßigen Anhöhe reigend- gelegen, beherrſchte es ftolz Die nächfte Umgebung und fpiegelte fich in den fryftallhellen Wellen der nahen Lauchart.
Graf Hugo von Montfort, der Beſitzer dieſer ſchönen Burg, hatte ſich mit feinem: trauten Weibe und zwei blühenden Knaben hieher zurück gezogen. - Müde von dem Geräufche der Welt, gab es für ihn Fein liebli— cheres Nuheplägchen, als Schloß Altenburg im flillen Albthale, und frohe Tage zogen von nun an über den Häuptern diefer glücklichen Familie hin. Der Eltern innigftes Beltreben ging dahin, ihre Kinder zu guten Menfchen zu bilden und Pie jungen Kerzen mit treuer Sand zu leiten. Diefe fehöne, heilige Sorge umfaßte ihr ganzes MWefen, und e8 war eine Freude, der Kinder fröhliches Gedeihen und der Eltern rührende Sorgfalt, fie vor Allem zu ſchützen, was der Seele oder dem Leib gefährlich Hätte werden fünnen, zu beobachten. Eines der Tiebften Vergnügen der beiden Knaben in den Sommermonaten war das Baden in den Fühlen,
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Elaren Fluthen des Fluffes, welcher in der Nähe: der Burg vorbeiftrömte, und fie meilten beſonders gerne in den Abendftunden in dem erfrifchenden Elemente. Eines Tages kehrten fie nicht zurück; die Abendglocken waren längft verflungen und. die Dämmerung hatte ihren Schleier über die Gegend gefenkt, als die bes forgten Eltern felbft an’3 Ufer eilten, um die Lieblinge zu fuchen. Das Maffer war nicht reißend und hatte feine bejondere Tiefe; am Geſtade fanden fich Feine Kleider und fo war das Ertrinfen der "Kinder nicht wahrfcheinlich: dennoch zeigte fich Feine Spur derfelben und Das ängitliche Aufen der armen Eltern blieb un- beantwortet. Der Vollmond beleuchtete in Diefer Nacht eine Scene der Angft und des Schredene. Alle Be— wohnet der Burg und der nächften Umgebung verein- ten fich, um die Verlornen zu fuchen. In dem nahen Malde wurde das Wild vom Fadkelfchein und lautem Rufen aufgefiheucht, fein Winkel blieb undurchfucht, aber fein Erfolg frönte das redliche Mühen. Gerührt von dem Jammer der verzweifelnden Mutter, fegte man die Nachforfchungen noch den ganzen folgenden Tag fort, umſonſt — die Kinder waren und blieben fpurlos verfchmunden. Keine Worte können den Schmerz des Herrn von Altenburg und defjen Gattin befchreiben, weil feine erfunden find, Diefes entfegliche Weh zu malen. AL ihr Glück, ihre fühen Hoffnungen waren zertreten und fie fanden eine troftlofe Dede, wo früher Alles voll Leben und Sonnenfchein gewefen war! Im ihrem berbften Schmerze beteten fie gläubig zu Gott
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um Gnade und Erbarmen, und gelobten mit frommem Einne, an der Stelle, wo immer ſich die erfte Spur von ihren Knaben zeigen würde, ein Klofter zu bauen. Der Herbft und ein endlos Tanger Winter: waren ver- floffen, die erften Schneeglöckchen erhoben schüchtern ‚ihre Köpfchen, Die Sonnenftrahlen vergoldeten mit neuer Bracht die entlaußten Bäume, al3 wollten fie die jungen Knoſpen zum froben Leben weden: aber fein LKichtftrahl Hatte je das Dunfel erhellt, dad über dem Schickſale der verlornen Kinder ruhte. Eines Tages gingen Die Knechte aus einer Scheune, Die Der Burg gegenüber lag, Heu zu holen, welches im ver— flojjenen Jahre dorthin gebracht und feither unberührt geblieben war. Dort in Mitte des Schoberd fanden fie Die zwei Leichen! — Da lagen die einft fo blühen«- den, boffnungsvollen Knaben, der Troft und die Freude der Eltern und all der milde Schmerz derfelben fonnte fte nicht wecken! Die Knaben hatten wahrfcheinlich nach dem Bade fich niedergelegt, um ein wenig zu fchlafen, waren von den Knechten nicht bemerft und mit Heu bedeckt worden, unter welchem fie erftickten. Dem Gelübde gemäß erbaute der Graf von Montfort an der Stelle der Scheune ein Klofter und gab ihm den Namen „Marienberg. Zwölf fromme Sungfrauen weihten bier ihr Leben dem Kern, und Die Eleine Gemeinde blühte unter dem Schutze der Öefegneten unter den Weibern.: Der treue Gott, auf den Die unglücklichen Eltern’ in ihres Lebens herbſtem Wen vertrauten, fenfte in ihr Herz den Frieden, den die
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Melt nicht geben kann und vereinte fie nach einem fanften Tode wieder mit Jenen, die fie bienieden am Meiften geliebt. Ihre Leichen ruhen nebft denen ihrer Kinder unter dem SHochaltare der Klofterfirche, deren
fromme Stifter fie gewejen. 2ina Welebil.
XXV. Die Wurmlinger Kapelle bei. 3.05 In ac,
Ganz abgefondert erhebt ſi ch über den Dörfern. Wurmlingen und Hirſchau ein runder fteiler Berg,
. auf deſſen Spige wunderlieblich eine Kapelle pranget,
die und an das fehöne Lied unferes L. Uhlands mahnt:
Droben ftehet die Kapelle, Schauet ftill ins Thal hinab.
Gegen das Ammerthal Hin ift der Berg weniger ange baut, gegen das Nedarthal, beſonders Kirfchau zu,
iſſt er vom Fuß an beinahe bis zur Höhe mit Wein-
bergen —— Der Weg, der uns an die Kapelle führt, ztehk ſich an letzterem bin und iſt faſt einer der ſteilſten, * er auch manchmal ermüden, wir werden reichlich fuür unſere Mühe belohnt. Iſt die Höhe er—
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reicht, jo treten wir Durch das fehwarze Thörchen rechte, das zu dem, die Kapelle umgebenden Friedhofe fuhrt. Mit Hecht hat eine neuere Hand auf dieſes Thörchen die Mahnung zur Mildthätigfeit gefchrieben, in früherer Zeit war es wohl nie nöthig gewelen. Das erfte nun, was ir thun, ift, daß wir im Innern des Friedhofes Die Hunde un Die Kapelle machen, um der herrlichen Ausficht zu genießen, die und Durch die Deffnungen der altergrauen Mauer und über das alte zerfallene Gemäuer felbft hinaus zu Theil wird. Mit Einen Blicke überfehen wir das ganze Neckarthal von Rottenburg bis Derendingen, und noch einen großen Theil des Ammerthals. Am weftlichen Buße des Berges liegt Wurmlingen, am öftlihen Hirſchau. Längs dem Neckarthale Tiegt Rottenburg mit feinen Thürmen, und in feiner Nähe rechts der hohe Wart: thurm, links die wenigen Nefte der Weilerburg; an Rottenburg ſich anfchliegend in einer fchönen Reihe hinunter die Dörflein Kiebingen, Bühl, Kilchberg, Meilheim und Derendingen, (die Stadt Tübingen ver- bergen die öftlichen Berge). inter Diefen Dörflein zieht fich die bläuliche Albfette bin, an Die noch der ichwärzliche Streifen des Schwarzwalds ftößt. Von der nördlichen Seite des Bergs erblicken wir zur Rechten den ſchön gelegenen Ammerbof, weiter linfs Sefingen, an das fich Pfäffingen und Boltringen an— reihen. PBreundlich winket vom nahen Berge herüber das anmuthige Schlößlein Roſeck, und die Thurnfpige von Dorfe Entringen meldet, Daß nicht ferne von
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ihm Das brüderliche Schlößlein Hohen-Entringen fich erhebe, das von Den nördlichen Bergen neidifch ver: fteeft wird.
Die Kapelle, wie wir fte jegt erblicken, zeigt und wenig Merfwiürdiges. Ein gewöhnliches einfaches Kirchlein, deffen Inneres an Unmichtigfeit dem Aeußeren entjpricht. Die Berzierungen beftehen bauptfächlich in unbedeutenden Votivgemäldchen aus neueren Beiten ; das einzig Merfwürdige ift im Innern des Kirchleind eine erneute Infchrift, die ſich auf der gegen das Neckarthal gefehrten Seite des Kirchleins befindet, welche meldet, daß „bier ein Graf Anfelmus von Calw aus dem 10. Jahrhundert begraben Tiege. *
Im 16. Jahrhundert mußte diefe Infehrift noch nicht vorhanden gemefen feyn, denn es erzählt M. Erufius, daß er im Jahr 1589 auf einem Spaziergange zur Wurmlinger Kapelle einen Grabftein in einer Mauer- vertiefung eingefchloffen (da wo jegt die Infchrift fteht) gefunden habe, aber ohne eine Infchrift; mobei der ihn in die Kapelle führende Geiftliche die Bermuthung geäußert, Daß fich die Imfchrift auf der Kebrfeite bes finden möchte, was aber nur mit Wegheben des Steins gezeigt werden fonnte. Er erwähnt noch einer Tafel, die Dabei an der Mauer. gehangen babe, mit den Morten: „Graf Anfelm zu Calw, Stifter”, und einem beigefügten Wappen, das einen rothen Löwen ohne Haare im weißen Felde vorftellte, der auf drei bläu— lichen Hügeln oder Felfen ftand, eine bläuliche Krone auf dem Haupte trug, und feine ebenfalls bläuliche
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Zunge herausſtreckte. Dieß nur zum Beweis, daß die jeßige Infchrift, ob fte gleich neweren Urfprunges fcheint, entweder erneut wurde, oder wenigfien3 auf einer älteren Meberlieferung beruht. Daß übrigens das Grab eines Stifters ſich wirklich auf der Kapelle ſchon in frühefter Zeit befand, dieß bezeugt die fpäter zu erwähnende Wurmlinger Stiftung, die Diefem — zugeſchrieben wird.
Das Alterthümlich-Merkwürdigſte am Aeußern der Kapelle möchte das unter ihr angebrachte Gewölbe ſeyn. Mir gelangen am beiten zu demfelben, wenn wir durch das linke Thörchen des Kirchhofs Hinabfteigen. Der Eingang, durch den wir kommen, zeigt und mehrere Eleine Gewölbe, deren Bogen von niederen maſſiven GSteinpfeilern gebildet werden ; von dieſen fleigen wir ein wenig abmärts und treten in ein eins faches Gewölbe, das in einen gemauerten Gang aus— läuft, der bis gegen die Mitte des Kivchleins unter dem Boden fortführt. Was die Beftimmung dieſes unterirdifehen Gemwölbes früher war, ift ungewiß; wahr— fcheinlich ift e8, dag in der früheften Zeit Hier ein Todtengewölbe war. Vielleicht wäre dieß als die Stelle anzufehen, an der der Graf Anſelm von Calm laut jener Infchrift in der Kapelle begraben wurde. Die ganze Bauart des Gewölbes fpricht für ein Hohes Altertum und Fönnte die Muthmaßung unterftügen. Wohl mochte dieſes Gemölbe allein den Verwüſtungen des 30jährigen Kriegd entgangen feyn, während Die Kapelle felbft ein Opfer deffelben wurde.
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Die Kapelle hieß vor Zeiten Die Kirche zum heiligen Nemigius, und der Berg der Nemigiberg. Der latei— nifche Name des Bergs ift mons vermicularis, eigent⸗ lich Wurmberg, von Lindwurm abgeleitet, wie’ jchon das Mappen der Edlen von Wurmlingen zeigt. Neben dem Kirchlein war in früherer Zeit noch eine Wohnung für den ©eiftlichen , den Das Klofter Kreuzlingen bei Conſtanz beordnete. Die führt und auf Das Ver— hältniß des Klofters Kreuzlingen. zu der -Wurmlinger Kapelle Schon nah Urfunden von 1185 finden wir Kreuzlingen im Beflg mehrerer Gefälle diefer Gegend ; dieſe foll Der oben erwähnte Graf Anſelm von Calw ſchon in frühefter Zeit dem Klofter Kreuz- lingen mit der von ihm geftifteten Kapelle auf Dem Berg vermacht haben. Zur Beziehung dieſer Gefälle nun und zum DBerfehen des Gottesdienftes auch für die Gegend, wurde yon dem Klofter ein Geiftlicher auf dem Berge angeftellt. Daß mirflih fchon frühe ein ſolches Verhältniß ftattgefunden habe, läßt fich aus Volgendem beweifen. Im Jahr 1192 übernimmt Kaifer Heinrich VI. die Befigungen des Klofters Kreuzlingen, und unter diefen auch Die von Wurm— lingen als Schirmvogt, indem fie ſchon früher fein Urgroßvater Welf befaß. 1213 kommt ein Abt Theodorich von Kreuzlingen als Plebanus (Geiftlicher) in Wurmlingen vor. 1226 will ein Graf Albert von Rottenburg dem Klofter Kreuzlingen den von ihm an defien Gütern in Wurmlingen zugefügten Schaden wieder erfegen. Dieſes Verhältniß betrifft natürlicher
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Meile Hauptfächlich "Die Kirche auf Ya Berge und was von Befigungen um den Berg: jeldft oder in der Marfung des Dorfes Wurmlingen Tag. Es dauerte Bis im Die neueren Zeiten fort; Denn als während Des 3Ojährigen Kriegs, der befonderd auch: dieſe Gegend jein Weh fühlen ließ, die Kapelle und: die Pfarr- wohnung niedergebrannt wurde, ward die Kapelle im Jahr 1682 wieder aufgebaut, 1685 eingeweiht und wieder von Kreuzlingen aus mit einem Geiftlichen des Klofters befegt. Im der neueften Zeit wurden die ſchon unter‘ Defterreich fequeftirten Güter infammerirt und vom Staate der Pfarrer ernannt. Bisher war die Kirche auf dem Berge auch Die eigentliche Dorf kirche. Erſt im Jahr 1820, als die auf dem Berge zu klein und Gaufällig wurde‘, baute man im Dorfe eine eigene. Der Zuftand, in den wir die Kapelle erblicken, iſt gleichfalls ein Werk Der neueften Zeit; natürlich war es mehr eine Verbefferung des Einzelnen, als eigentliche Wiederherftellung des Ganzen. Die Stelle des im 30jährigen Kriege mit der Kapelle niedergebrannten PBfarrgebäudes Auf dem Berge, Das nimmer "aufgebaut wurde, vertrat wahrfcheinlich das jeßige Pfarrhaus im Dorfe, Das: ſchon — als Kreuzlinger Pfleghof erbaut worden: war.
Eine ſinnige Sage, ſo wie eine höchſt ſeliſame Stiftung knüpft ſich an die Perſon des obengenannten Grafen Anſelm von Calw, des erſten und edelſten Todten auf der Wurmlinger Kapelle.
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Graf Anfelm von Calw und die Wurmlinger Mabl;eit.
Graf Anjelm zu Calw war ein frommer Mann, der e3 mit Allen redlich meinte und treu ‚an feinem Worte bielt;-für ihn gab es fein gröperes Vergnügen, als frei, wie der Vogel in den Lüften, in der Welt berumzuftreifen. "Schon vor Jahren hatte er das Beil. Land gejehen, St. Thomasland hatte er auch bejucht, und dank. in die Heimath zurücgefehrt, war er wieder von Land zu Land gefahren, denn er freute jich, Die verjchiedenen Charaktere, die mannigfaltigen Sitten und Gebräuche der Menfchen Fennen zu. lernen. Um feiner Landfahrerluft vollfommen genügen zu fünnen, Hatte er. auch feine Frau genommen, damit nichts im Stande wäre, ihn zurüdzubalten. So blieb er oft jahrelang von jeiner Heimath weg, und fam er wieder nad Haufe, fo geichah es nur auf einige Wochen, um fein Saus zu beftellen und Anordnungen zu treffen, im Ball er nimmer in die Heimath ehren würde. Bereitö Hatte er ein hohes Alter erreicht, und. da er feine Kräfte mehr hatte, in die Berne, zu fahren, jo ftrich er durch Die Wälder und Täler feiner Graf: haft. Das ging. jo. mehrere Jahre Hin, bis endlich der Tod auch bier fich einfand. - Ungerne verließ Der Wanderluftige die Erde, um zur Ruhe einzugeben und unbeweglich zu liegen. Im Sterben vertheilte ex jeine ganze Habe unter feine Dienflleute, und machte den- jelben zur Pflicht, feine Leiche in einen Sarg, dieſen
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auf einen fehwarzen Wagen zu legen, vor benfelben vier ſchwarze Stiere zu fpannen und folche ungehindert des Weges ziehen zu laſſen. Wo fie aber halten würden, dort follte eine Kapelle gebaut und in ders jelben der Graf begraben werden. Der legte Wille des Todten wurde gewiffenhaft befolgt. in langer Zug trauernder Diener folgte dem Wagen, bis die Stiere nach einem beſchwerlichen Wege über Berge und Durch Thäler auf einem hoben, fteilen Berg biel- ten und fich dort gemächlich niederliegen. Nun wurde der Sarg noch einmal geöffnet. Die Augen ganz offen, als wollte er noch einmal mit einem weiten Aundblide Abfchied von der Erde nehmen, lag der Todte in ftiller Ruhe da, von der Abendröthe beftrahlt, dag er ausfah, als rollte noch das Blut in feinen Adern, als wohne noch das &ben im feiner Bruft. Jetzt wurde der Erde wieder gegeben, was ihr gehörte, während von fünf Dörfern in der Runde ein feier liches Grabgeläute erfcholl. Der Sarg des Grafen wurde der Grundſtein der Kapelle, „die nunmehr über dem Grabe erbaut wurde, nah dem Willen des Stifters. Im ihr Verrichtete von nun an manch an— dächtiger Pilger fein Abendgebet. Nah und nad fingen Die Bewohner der Umgegend an, ihre Todten auf den Berg zu bringen, fo daß fich mit der Zeit um den ©rafen eine Fleine Schaar Abgefchiedener fammelte;5 und Graf Anfelm von Calw war Bald nicht mehr der Einzige, der Diefe freundliche Höhe bes wohnte. — Während eine Infchrift feinen Namen in
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der Kapelle verewigt hat, lebt fein. Andenken in ‚einer jonderbaren Stiftung fort, die wir in. ihrersalten naiven Sprache bier folgen laſſen.
„Sn das Kapitel Wurmlinger Berg gehört der- Stadt Tübingen und Rottenburg, ſammt deren umliegenden Flecken Priefterfchaft, die ihren eigenen. Defan und Kammerer haben. Derfelbe Kammerer foll alle Jahr, auf Montag nach Allerfeelen Tag, mit einem oder zwei Dienern auf den Wurmlinger Berg gehn. Da fol er vor den Thor des Kirchhofs, auf. obgenanntem Berg, einen Wagen gut gejpaltenen dürrens Holzes, das gerne brennt und nicht rauchet, und Dazu einen Sack voll mohlgebrannter Kohlen finden. Darnach ſoll auch da feyn ein Wagen voll Heu, Darauf fol eine bafelbraune Gans ſitzen, welche der Kammerer dem Fuhrmann, der das Heu hiehergeführt hat, fchenfen ſoll, zum Zeugniß, Daß auf den morgenden Tag ei- nem jeden Briefter, jo da anmefend feyn werde, ‚eine eigene Gans vorgefeßt werden foll. Weiter joll da ſeyn ein wohlgemäfteter dreifäbriger Stier, deßgleichen Drei gemäftete Schweine, nämlich ein. Milchferfelein, ein Sährling und ein Zweijährling , die. jollen auch durch einen Mezger beftchtigt werden, Damit fie nicht finnig feyen. Ferner foll der Kammerer da finden | dreierlei Bier, nämlich jährige, zweijähriges und drei— jähriges ; Diemeil aber das Bier in dieſem Land und zu dieſer Zeit 658 zu bekommen ift, haben ſich die Gapitelöverwandte Briefter mit dreierlei Wein, Davon der eine Nappus (Roth), der andere alt, der dritte
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neu, doch weiß ſeye, abthätigen laſſen. Deßgleichen ſoll auch da ſeyn dreierlei Brod, nämlich Semmel-, Kern- und Roggenbrod, und je drei um einen Schilling gebacken werden. Auch ſoll da ſeyn ein geſchickter Mezger und ein berühmter Koch, der alles Obgemeldete wohl wiſſe zuzurichten und zu kochen. Alsdann ſoll des Abts von Kreuzlingen Pfleger, ſo auf dieſem Berg ſeine Wohnung hat, er feye eine geiſtliche oder welt— liche Perfon, der Mebger und Koch, fammt allem andern Gefind, Das zu dienen allda gebraucht wird, dem Kammerer einen Eid ſchwören, daß fie Deren oben angezeigten Dinge nichts in feinem andern Weg ver— ändern wollen, als wie er's fie befcheiden werde; Da-- rum foll ihm auch ein eigen befchloffenes Gemach, alle Dinge darinnen zu behalten, gegeben werden, und folches alles, wie oben gefchrieben ftehet, foll auf be— flimmten Tag verrichtet werden. Morgens, das it auf Dienftag nach Alferfeelen, follen der Dekan und alle Capitelherrn, ſammt den Miethlingen oder Helfern beider Städte, Tübingen und Rottenburg, frühe auf den obdgenannten Berg, e8 feye zu Noß oder zu Fuß, kommen und ihre Kußfappen mitbringen, bei Straf eines Moden Dinfels, mit Dem ein jeder, der zu fpät kommt, beftraft wird. Bleibt er aber gar aus, wird er gleicher Geftalten gebüßet. Es kann auch ein jeder mitbringen feinen Meßner, oder fonft einen Schüler, derfelbe foll feinem Pfarrherrn gleich gehalten werben. Und ob ſichs begebe, daß einem Capitelherrn, wern er unterwegs wäre, um auf den Berg zu ziehen, eine
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oder mehrere ehrliche Perſonen bekämen, Die mag er einladen, und alſo einen oder mehrere Gäfte mit ficb bringen, doch foll er folches,: fobald er auf den Berg fommt, Dem Kammerer anzeigen, Damit man, fold;e Gifte nach Ehre wife zu halten. Man foll auch einem jeden, der ein Roß mit- fich bringt, einen neuen Kübel und einen Bierling Haber darein Dem Roß zum Butter geben, dazu auch-einen Streik, das Roß daran zu binden, zuftellen ; folchen Kübel und Strid bat eines jeden Capitelherrn Meßner zum Gedächtnig die Macht mit ihm beim zu nehmen. Wann nun Die Gapitelherren alfo am Morgen auf dem Berg zu— ſammen fommen find, follen fie ihre Stiefel und Sporn ausziehen und Die Kußfappen anlegen, vor der Kirche auf obgedachten Berg Fiegend, und bei Des Stifters Grab ein Bigilien beten. Darnach foll der Dekan des Capitels ein Seelenamt fingen und die Capitelherrn zu opfern geben, auch mittlerweilen zum Theil etliche Dieffen Iefen. Unter dieſem Amt vers fündet ein Briefter dem Stifter fen Gemahl und Kinder, auch fiehet der Kammerer mittlermweilen ein oder zweimal in die Küchen, ob Dad Feuer recht und ohne Rauch brenne. Nach dem Amt der Meffe geht man wieder zu des Gtifterd Grab, fingt ein Vesper Placebo ſammt angehängten Colkecten. Dennoch ftehet der Defan in Der Kirche vor dem Seel-Altar, und die Gapitelherren, angethan mit ihren Kußfappen, neben ihm nach der Reihe; Da bedeckt er zmeen feiner Apftanten mit der Stola, alsdann verlieft der Kammerer den
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MWillen des Stifter mit verftändlicher Sprache, und erklärt alles, was darinnen nicht verftändlich geſetzt wäre. Darauf müffen ‚alle Gapitelherren mit einge- ſenkten Fingern in das Plenarium einen Eid ſchwören, daß ſolche Stiftung, als bis anhero gehalten worden, daß ſie auch ſolche Haltung von ihren vorfahrenden Capitelherrn, alſo je und allwege gehalten feye, allein das: ausgefchloffen, daß man jego Wein für Bier zu trinken vorfeßt. Auf folches bittet Der Kammerer die Gapitelheren , fammt allen ſo gegenwärtig find, zu Saft, und weil fie fih um den Vorſitz zanfen oder verlängern, ‘gebt er hinab gen Sulchen, welches unten am Berg liegt, und fpannet dafelbft auf dem Kirchhof des obgemeldeten gemegelten Stierd Haut au, fo breit fie mag, und heißt die ausfägigen Leute, fo fich allda, vermöge der Stiftung, verfammelt haben, nieders jigen. Darnach kommt er wieder zu den Gapitelheren und Gäften, nimmt ein Semmelbrod , höhlet es aus und flellt e8 einem jeden vor, darein legt ein jeder Gapitelherr einen Pfennig, aber‘ ein Gaft gibt was er will. Solches Geld trägt er zu den Armen, bie auf dem Kirchhof um die Stierhaut figen, und theilete unter fie aus. Mittlerweilen trägt man vor Dreierlei Brod, und feet dreierlei Wein vor, je zweien und zweien zufammen, und alsdann fpricht man das Bene- dieite. Darauf befichlt der Kammerer dem Koch an- zurichten. Alfo fegt man erfilich vor die drei Schweins— föpf geröftet, und nachdem man Davon gegeflen bat, hebt man Die wieder auf, jammt Wein und: Brod,
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was auf dem Tiſch iſt und gibt es den Ausfäsigen, die bei der Stiershaut figen. Darnach legt man wieder dreierlet Brod auf, und trägt auf ein Beyeſſen von der ans, Fuß, Leber, Flügel, Magen und vergleichen, und wann. man. von folchem gegejjen: hat, hebt mans auf, ſammt Wein und Brod und gibts, wielohges meldet, armen Leuten. Darnach ſetzt man voriges ſottene Hennen, Brüh und Fleiſch, friſch Wein und Brod — was übrig bleibt, wird aufgehoben und armen Leuten mitgetheilt; alſo wird auch mit dem Pfeffer gehandelt. Darnach fegt man vor gefottene Fiſch in einer. wohlgewürgten Brüh, aber alsdann legt man nur zweierlei Brod, nämlich Semmel= und Kernenbrod, und fehenft ein dreierlei Wein, mit dem aufgehobenen aber wird es, wie obgemieldet, gehalten.» Folgends wie—
derum frifch Wein und Brod vorgelegt, und je zmei
und zweien Capitelherrn vorgefeßt, eine gebratene Gans, darinnen fol ftecken ein gebratenes Huhn und in dem Huhn eine gebratene Wurft, damit aller guter Dinge drei ſeyen. Und von folchem mögen fle ihren Gäften, Mepnern, Schülern und Andern, fo zugegen find, etwas vorlegen; das übrige alles wie obgemeldet, foll mit
Wein und Brod aufgehoben und den armen Leuten
gegeben werden. Zuletzt fegt man vor Käß, Kuchen, Nuß, Trauben, Birn und dergleichen, und wann fols ches aufgehoben, gibt man das den armen Leuten, alfo,
Daß vom diefer Mahlzeit nicht3 überbleibe, Dad nicht
armen: Leuten mitgetheilt werden folle. Ueber das ſoll man auch den armen Leuten fochen und vorſetzen
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I Brüh und Fleiſch, auch einen Pfeffer, Dazu jedem einen Becher mit Wein darfegen. Wann nun alfo Die Mahlzeit vollbracht, das Gratias gefprochen, und Die Herren vom Tiſch aufgeftanden find, gehen fte in die Kirch in den Chor und halten Rath, ob ihm mit diefer Mahlzeit, vermög der Stiftung‘, genugfam ge— fchehen feye oder nicht, und fo das mehrer wird, Daß ihnen genugfam gefchehen feye, auch fonften der Stiftung gelebt worden, alsdann zählt der Decan den Abt von Kreuze lingen und fein Convent, als VBerrichter dieſer Stiftung, frei, ledig und los aller Forderungen und Anfprach, die man im Fall, wo Mangel: vorhanden gewefen, an ihm oder dem Gonvent, mit oder ohne echt haben möchte, in allweg. Darnach verlieft man die Stiftung wieder öffentlih. Es mögen auch die apitelheren, wann e3 ihnen gelegen, eine Summe Geldes für Diefe Mahlzeit nehmen, Doch foll den Armen an ihrer Ge rechtigkeit Fein Abbruch, wie oberzählt, damit gefchehen. Und vb ſichs begebe, Daß dieſe Stiftung in einem oder mehr Bunften nicht gehalten würde, alsdann follen alle Nusungen und Einfommen des vorgemelveten Berges dem Klofter Kreuzlingen entwendet, und wie— derum zu dem älteften Grafen zu Calw fallen, der folle alsdann zu: einem Zeugniß einen Goldgulden, reitend auf einem Pferd und in dem GStegreif ftehend, über den Kirchthurm des gemeldeten Wurmlinger Bergs ausmwerfen und fehnellen, und foll darnach er und feiner Erben ſolche Stiftung gu verrichten fehuldig ſeyn. Am Abend gibt man dem Gefind Brüh und
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nach alles übrige, es ſey gekocht oder ungefocht, "den #
arnıen Leuten." —
Diefe Stiftung - ift noch Anno Eprifti 41530 ‚ger halten worden. Nachher wurde: fie in ein ordentliches Mittagemahl, mit. dem noch ein Geldgefchent Yon 2 fl. 45 fr. verbunden: war, verwandelt. Während der erften Zeiten "der Reformation fanden fich felbft evangelifche Pfarrer dabei ein, was zu manchen Irrungen Anlaß gab, worauf fie dann wegblieben. Noch heut zu Tag wird Durch die Pfarrer der Umgegend jährlich diefe Stiftung mit Todtenvigil, Seelenämtern und Befper am Dienftag nach der. allgemeinen Kirchweihe im Dftober gehalten, und Jeder erhält für Diefe Mahl: zeit 6 fl.
Dieß die. befannte Stiftung der Wurmlinger Mahl⸗ zeit, die offenbar in eine ſehr frühe Zeit zu verſetzen iſt, wenn wir wirklich Graf Anſelm von Calw für den Stifter halten, der jeden Falls zu den -älteften Ahnherrn des Calwer Grafenhaufes “gehört, wahre jcheinlich einer der nächften Nachfommen Erlafrieds und Ermefrieds von Calwe gewefen, und mohl im Jahr 938 gelebt haben kann, wie unfre alten wirtembergis chen Chroniften annehmen. Wenn e8 in der Stiftung gegen den Schluß beißt, Daß der ältefte Herre von Calwe auf dem Bferde, im Stegreif flehend, einen Goldgulden über den Kirchthurm der Kapelle werfen toll, fo bezieht jich Das auf eine Zeit, da der Stamm der Orafen von Calwe noch nicht auögeftorben war.
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Das war der Fall im J. 1219, da mit Öottfried von Calwe der alte Stamm der Calwer Grafen ausge- gangen. Somit war im Anfang des 13. Jahrhun- derts bereits die wahrfcheinlich in Iateinifcher Sprache verfaßte -Stiftungs =» Urkunde vorhanden. Daß Die Stiftung des Grafen Anfelm fchon in alter Zeit wirk lieh in Ausführung gefonmmen ,, bezeugen mehrere Ur- funden , unter andern eine von Jahr 1348, Die ein gewiffer Dekan Berthold zu Boltringen verfaßte, Der zu Bolge follte die Mahlzeit am Dienſtag nach Allerſeelentag gehalten werden.
Nun noch eine Sage, die der Verfaſſer während der unvergeßlich febönen Tage auf der Alma Eber- hardina bei feinen Wanderungen auf die Wurmlinger Kapelle oft hat erzählen hören:
Der Alte vom Berge.
In jener drangfalsollen Zeit Des preißigjäßrigen Krieges, da die ehrwürdige Wurmlinger Kapelle von oben Händen niedergebrannt war, ſiedelte fich ein fronmer Mann neben den Ruinen des Kirchleind an, den man nur den Vater Leonhard, oder den: „Alten vom Berge” nannte. Er war hieher gefommen, um auf Gott geweihtem Boden in fliller Einſamkeit fein Leben Gott zu weihen. Niemand wußte, woher er Fam, Niemand Fannte feine früheren Sciedfale, aber Alle liebten und fegneten den guten Alten, deſſen Rath und Beiftand ihnen fo oft aus mander Noth geholfen.
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Dichtes Waldgefträuch Hatte Die Auinen der Kapelle übermwachfen ; an diefe hatte er eine arme, kleine Woh— nung angebaut, die nur dürftig mit dem Nöthigſten verfegen war. Das Zeichen unferes Heiles, das Kreuz, war der einzige Schmuck der kahlen Wände. Sp arm aber auch Die Umgebung des ehrwürdigen Vaters war, fo reich an Liebe und innerem Frieden war jein Herz. Jahr um Jahr war ihm im Dienfte Gottes und in treuer Sorge für das Wohl der Mitmenfchen dahingefloflen; manch heilend Kräutchen, von ihm ge jvendet, hatte Der weinenden Mutter ihren Liebling wiedergefchenft , manch tröftend Wort hatte der jam— mernden Wittwe Vertrauen und Hoffnung in die Seele gegoffen, und in allem Weh des Lebens kamen die Bewohner Wurmlingens zu Bater Leonhard. Keiner verließ Die arme laufe ungetröftet, denn der Alte vom Berge. Tehrte fie voll Eindlichen Vertrauens den thränenvollen Blid gläubig nah Oben zu wenden, wo Alles Liebe und Erbarmen ift.
Das Alter hatte feinen Silberfchnee auf das Haupt des frommen Vaters geſtreut, die einſt kräftige Geſtalt war nun gebückt, die zitternde Hand umklammerte den Stab, und nur ſelten mehr ſah man Vater Leonhard vom Berge herabwallen. Die Saat der Liebe bleibt nie ohne Ernte — und als die Kräfte des Greiſes immer mehr ſchwanden, brauchte er nur ſein Eſelein, dem er längſt neben ſeiner Clauſe eine Wohnung bereitet hatte, von ſeinem treuen Hündlein begleitet, hinab gen Wurm— lingen zu ſchicken, und die Einwohner wetteiferten, dem
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allverehrten Vater Liebesgaben zu fenden und für alle jeine Bebürfniffe zu forgen. Tag um Tag fam denn die kleine Karavane den Berg herab, voraus lief das Hündchen, als wollte es forglich den beften Weg ſuchen, ihm trabte das Ejelein behutfam nach, «und fo kamen fie, von Jung und Alt begrüßt, ins Dorf, um es alsbald reich beladen wieder zu verlaffen. Die An— funft der Beiden war für Wurmlingen längft "ein Ereigniß geworden, dem man mit Sicherheit entgegen- ſah; um ſo mehr mußte es auffallen, als fie eines Tages "nicht eintrafen. „Was foll das bedeuten 2 „warum fommt Vater Leonhard’S Efelein heute nicht?” folche Fragen gingen von Mund zu Mund, und fihnell entjchloffen fich einige Männer, nach der Urfache dieſes Ausbleibens zu forfchen.. Auf dem ganzen Wege fan— den fie feine Spur der beiden Thiere, und gelangten endlich zur Zelle des frommen Einftedlers, wo ſich ihnen die traurige Löſung Des Räthſels bot. Zwifchen einer Gruppe von hohen Gefträuchen fund ein kunſt— loſes Grucifixz, vor welchen Vater Leonhard lag, die eine Hand um Das Kreuz gefchlungen, während Die andere ſich am Boden ſtützte. ALS fie näher traten, fahen fie fein mildes, greijes Angeficht, aber die klaren, blauen Augen, die jo oft ihnen Frieden zugelächelt, waren mie im Schlafe gefihloffen. Ein langes, braunes Kleid hüllte Die Geftalt ein. Tiefe Etille herrſchte ringsum, fein Vogel wiegte ſich in der reinen Serbft- luft. Sie ftanden lange vor dem Liegenden und be— trachteten ihn aufmerffam; da konnte es ihnen nicht
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entgehen, daß er fill und ſtumm, daß er ohne Athem war. Vater Leonhard war todt, noch im Tode Hielt er das heilige Bild umfchlungen! Im Anbau der Zelle fand man die beiden Gefährten des Einfiedlers Tiegen. Die Hand, welche fie fo Tange gefüttert Hatte, war erftarrt, und fo waren die treuen Thiere, die ihren Herrn nicht verlaffen wollten, verfchmachtet. Tief er- griffen berathfchlagten die Männer von Wurmlingen, was nun zu thun fey, und fanden nichts Beſſeres, als Die Leiche einftweilen in Die Hütte des Einfiedlers zu tragen, bis man ſie in gemeihte Erde beiſetzen könne. Gie thaten es, fprachen Die Todtengebete und gingen ftille fort, um die traurige Kunde gen Wurm— lingen zu bringen. Wer Vater Leonhard früher ge- wefen, wurde niemals ergründet. Lina Welebil.
XXVI.
Ruine Geyersburg bei H ae
Auf einer füdlichen Anhöhe über dem: linken Ufer- des Kochers, zwifchen Gelbingen und Obermünfheim, ragt ganz nahe beim Lindenhof (Lindenau in alten Zeiten, von dem fich fehon im Jahr 1275 ein Ritter Walther von Lindename genannt) die malcrifche Ruine
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der Geyeröburg. „Die ganze Ruine befleht: nur noch aus einen uralten achtedfigten gebrochenen Thurme, an dem noch viele Fenfter und Luden jichtbar find. Un- ten am Thurme ift eine große Deffnung und ein Theil des Bogens über dem Eingange, der immer mehr zer fällt und fich erweitert. Da nirgends in der Umge— bung des Thurms Reſte von Mauerwerk fichtbar find, auch über dem ehemaligen Eingang an den Seiten des Thurms mehrere Fenſterlucken über einander: fichtbar find, jo möchte man faft glauben, daß diefer Thurm das Hauptgebäude geweſen, in dent Die Wohnung des Beligerd angebracht war. Wir wiſſen ja, wie fich im Mittelalter oft ganze Familien mit vielen Kindern mit einem einzigen Saale und etlichen Nebengelaffen begnüge ten, Denn in der guten alten Zeit lebte und wohnte man vick einfacher, als jetzt. Vielleicht ftand auch auf den oberſten Stockwerk des Thurms, auf defjen Trüm— mern nunmehr ſchlanke Tannen emporwachſen, eine höl— zerne Wohnung, wie wir ſie beſonders auf den alten Burgen der Schweiz finden. Wenn ein ſolcher Burg— thurm von einem Graben mit einer Zugbrüde umgeben war, fo war er binlänglich befeftigt, und fonnte leicht gegen den erften Angriff eines feindfeligen Nachbare aus» halten, bis Entfag aus der nahen Stadt herbeifam. Wenn wir von den wenigften Burgen wifjen, wer ihre Erbauer gemwefen, fo wiffen wir ed genau von der Geyersburg, wenn auch nicht Tag und Jahr der Er: bauung angegeben ifl. Der alte zuverläfige Haller Chroniſt Sodann Herold berichtet und in feiner.
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Ehronica von der Stadt Hall (herausg. wm. Dttmar Schönhuth, Hall 1855) ©. 19 alſo: „Geierß— burg Hat ein Wittfram, ein geboren Geyerin, Die aber einen Veldner gehabt, zwifchen Gelbingen und Münk— ben, gleich bei Newenburg am Kocher: vber, vf einem Berg, imeiner Theurung ein klein Steinhauß umbgra— ben, gemauert vnd gebamwet, vnd irem gebornen Na— men nach Geyergburg genannt. Von diefem Steinhauß vnd Schloß ihr Wohner , ihr Sohn und Nachkommen die Geyer genannt fein worden.“ Woher dieſe Geyerin ftammte, die wir als die Erbauerin der Geyerdburg ken— nen, wiffen wir nicht. Im Jahr 1361 erfcheint ein Dietrich Geyer in einer Urkunde neben mehreren Rit— tern und Edlen aus der Umgegend, aber ſein Wohnſitz ift nicht genannt; es Tönnte aber möglicher Weife einer von Gejchlecht der Geyer von Gibelftatt im Gau feyn, deren Burg noch jest in jenem Dorfe in Trümmern zu fehen. "Nach unfrem Berichterftatter Hatte fie (zum Gemahl einen gewiſſen Veldner. Diefer Veldner ges hörte einem Geſchlecht an, das urſprünglich in Gailen— kirchen ſeinen Sitz hatte, und einen Conrad Veldener (um 1298) als ſeinen Ahnherrn zählte. Die Veldener, welche einen Fiſch im Wappen führten, zogen frühzeitig nach Sal, wo ſie bürgerlich wurden und im ſogenann⸗ ten DVeldenersthurm wohnten. Der Stammpater Diefer Haller Veldner ift wieder ein. Conrad Veldner, deſſen Wittwe Guta vom Jahr 1333—45 häufig in Haller Urkunden erfcheint, und Hauptfächlich Durch Erbauung der fogenannten Velonerin- Kapelle ihres Namens Ges
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dächtnig verewigte. Sie hinterließ drei Söhne: Hein— rich, Conrad und Sand. Der leßtere ift wohl jener Dans Beldner, der in Jahr 1345 vorkommt und wohl mit jener Geyerin vermählt war, welche Die Burg baute, und fie den Grafen von Hohenlohe zu Lehen auftrug. MWahrichemlich ihr Sohn gleichen Namens nannte fich zum erfien Male „Gyr. Im Jahr 1383 ftiften Jo— hannes von Stetten, Ritter, Peter und Wilhelm von Stetten, Hand Beldener, Gyr genannt, und Sand yon Stetten, der jüngere, Bürger zu Hall, um ihres See— lenheils willen, den Altar in dem Chor in der Ka— yelle auf St. Michels Kirchhof , welche der Veldnerin ‚Kapelle heikt, für den Kapları gemiffe Gülten von Häu— fern zu Hall (Hans Veldners bei der Brudfen) u. ſ. w. Im Jahr 1386 wird Hans Veldner, genannt Gyr, ‚gemeinfchaftlich mit Götz von Stetten belehnt mit deſ— fen Theil an Kocherftetten. Er und feine Nachkom— men führten in ihrem Wappen einen weißen Fifch in einem gelben Strich, überzwerch in einem rothen Feld, und einen rothen überftülpten Heidenhuth, oben mit einem jchwarzen Sederbufch, fonft vom Ende zu beiden Seiten von Fifchen und Farben wie Die Schilde. — Schon mit Anfang des 15. Jahrhunderts war Die Geyersburg nicht mehr im Befis der Veldner, genannt Gyr, denn fchon im Jahr 1403 werden dem Sans Veldner alle feine Befigungen von der Stadt Hall ausgelöst und im Jahr 1406 von ihr an Rudolf von Münkheim übergeben. Hierunter waren auch Die Hohenloh'ſchen Lehen Veldners, mit welchen im Jahr —
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1408 der genannte Rudolf von Münfhen, Ulrich von Sailenfirchen, und Conrad von Thalheim, alle drei Bürger zu Hall, von Graf Albrecht von Hohenlohe belehnt wurden. Insbeſondere befanden ſich darunter Geyersburg, das Haus und Kofraith mit feiner Zus gehörde, auch der Hof zu Lindenau und die Kelter da— felbft, wie das Alles dem Geyer geweſen ift. Diejes Mannslehen erhielt im Jahr 1414 Rudolf von Münf- beim allein, nachdem Graf Albrecht im Jahr 1408 auch ihm allein, im Jahr 1430 aber Graf Kraft ſo— wohl Dem jüngern Rudolf, als des älteren Söhnen, Enderlin und Egelin das Burgftadel zu Obermünfhein, das Gütlein davon, Die Kelter, Fiſchwaſſer, viele Wein- berge, Gülten und Güter zu Ober: und Untermünf- heim nebft den Keltern in den Gaisbergen verliehen hatte. Im Jahr 1453 verlieh dieſes Mannslehen Graf Krafi von Hohenlohe dem genannten Endris von Münkheim, welchen Graf Albrecht im Jahr 1473 noch den Hof zu Michelfeld beifügte. Im Jahr 1484 wird Ulrich von Münfheim damit belehnt, nach deſſen Tod im Jahr 1507 das ganze Lehen der Lehenfchaft heim— fiel. Im Jahr 146... (eine Zahl fehlt) machen Hand und Gebaftian von Stetten, genannt die Veldner, auf die heimgefallenen Lehen eines Hans Geyers zu Hall Anfprüche. Derfelbe hätte alfo, nach dem er Die Geyers— burg verlaffen , wieder zu Hall gemohnt, wo er auch
verftorben. Wir halten für feinen Sohn jenen Sans Veldner, genannt Geyer, der im Jahr 1473 erfcheint
und feinen Antheil mehr an der Geyersburg hatte. —
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Ob die Geyeröburg im letztgenannten Jahr bereits zer— ſtört gemwefen, darüber haben wir feinen urkfundlichen Bericht. Der Sage nadı wurde fie von den Hallern gebrochen, weil die auf der Burg Räuberei getrieben, — Hören wir zuerft die Gefchichte von der Erbauung der Geyersburg, wie fie ſich zur fehönen Sage geftaltet hat.
Die. Gründung der Geyersburg.
- rau Bertha, aus dem Gejchlechte der Haller Edlen, genannt die Geyer, fühlte fich nach dem Tode ihres, in der Blüthe feines Lebens Hingefchiedenen Oatten, Hans Veldner, nicht mehr heimiſch in der lauten ges räuſchvollen Stadt Hall, wo fie die wenigen glücflie chen Jahre ihrer Ehe verlebt hatte. Sie entfchloß fich, geleitet von einer heißen Sehnfucht nach Ruhe und Stille, und nach wohlerwogener Wahl, ein Eleines Schlößlein, fern vom bunten Getriebe der Welt, zu erbauen, um allmählig ihr wundes Herz am Buſen der treuen Mutter Natur zu heilen und ihren Schmerz ungeftört in ihren Schooß auszuweinen. Sie traf mit fräftigem Geift alle Anftalten, bald den Bau zu begin- nen, nicht ahnend, welche Qinderniffe fid; Dagegen aufthür- men würden. Die Herren in Hall, ſich berufend auf einen vom römifchen Kaifer ihnen verliehenen Freiheits— brief, kraft defjen fie ermächtigt waren, jeden Bau einer neuen. Veſte im Umkreis einer Meile um Die Stadt zu verwehren, widerfegten ftch ihrem Willen, und verboten ihr geradezu, das bereitö Angefangene weiter zu fördern,
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Aber Frau Bertha Veldnerin hatte den Gedanken mit zu großer Vorliebe im Herzen bewahrt, ſich über dem ftillen friedlichen Thale anzuftedeln, als ihn fo wohlfeilen Kaufs wieder abzugeben.
Sie wandte ſich in ihrer Verlegenheit an einen Freund ihres feligen Gatten, den Schenken von Lim— purg, Deffen fräftiger DBermittlung es gelang, ihr Die Erlaubnig zum Bau zu erwirfen, welche ihr jedoch nur. unter dem ausprüclichen Vorbehalt ertheilt wurde, daß der Stadt Hall nie und unter Feinerlei Vorwand das Deffnungsrecht auf der von ihr erbauten Veſte ver- weigert werden dürfe, worüber eine Urfunde verfaßt, und fowohl von den Herren des Raths in der Stadt Hall, als von der Mittwe Veldner und dem Schenfen von Limpurg als Zeugen unterfchrieben und beftegelt wurde. 7
Raſch und freudig begann num Die Arbeit des Baues Kaum wurde es fund, als von nahe und ferne“ viele durch Die damals herrfchende Theurung dem bitterfien Mangel ausgefegte Arme berbeieilten, der rau Veld— nerin für Nahrung und Obdach die thätigen, Arbeit gewohnten Hände zum Dienfte zu bieten. Unweit dem Plage, auf welchem das Schlößchen emporfteigen follte, lagen verfchüttet und vermoost die Trümmer‘ einer großen Burg in wilden Mafjen über einander; ein weites Feld mwuchernder Neffeln und Dornen begeichnes ten ihre Gränzen; aber ihr Name war verflungen in den Tagen der Vergangenheit und Niemand wußte, wer einft hier gehaufet. Aber reichlich Tieferten dieſe
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Reſte Die Bedürfniſſe des Baus, und. aus den ſchön und: zierlich ‚behauenen Steinen ahmete der Geift einer Eräftigen Beriode der Kunft.
Ein munteres, reges Treiben belebte jegt Die einfante Gegend. Täglich :befuchte Frau Bertha die Stätte des Baues, ſpornte mit Ernft und freundlicher Rede den Eifer der Arbeiter, um des Schlößleins Zinne bald luſtig emporfteigen zu fehen. Ein ſchönes Vorahnen hob ihr die tiefbewegte Bruft; aus dicht verhüllter Zukunft Dämmerten ihr frohe, fonnenhelle Tage herauf, und mit Ungeduld fah fie dem Tage entgegen, der fie in ihr Eleines ftilles Eigentbum ‘einführen follte Und als das Schlöflein nun daftand in wohnlicher Zierde, und die Abendfonne feinen Schatten malte im fleinen Wellengefräufel des Kochers, die fertigen Arbeiter, am Fuße des Berges gelagert, mit trübem Blick ‚hinauf ſahen, und Darüber hinweg in ihre, wieder dem Mangel preiögegebene Zufunft, und manche Thräne banger Erwartung fich in dem grünen Nafen barg, da trat, von tiefen Mitleid bewegt, die Herrin zu dem Bau— meifter und gebot ihm, feinen Arbeiter zu entlaffen, ehe Denn er den Tag ihres: Einzugs im neuen Eigen- thum feftlich mit ihr gefeiert habe, und der Schaffner erhielt Befehl, Allen wie bisher Speife und Trank zu reichen.
Ein heiterer Tag ging über Bertha auf, den Pfad zu erbellen, der fie mit ihrem einzigen Kinde, einem Golden Knaben, einführte in ihr erfehntes, freundliches Aſyl. Mit lauten Jubel begrüßte fle das ganze Chor
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der Meiſter und Gefellen, angeführt von dem Bau— meifter, und geleitet von den Dielen, denen Die milde Hand der Herrin Brod und Unterhalt gefpendet hatte. Mit Danfbaren Thränen und Segenswünfchen weibten f fie des Schlößleins Pforte, und ala Frau Bertha den Fuß auf die Schwelle feßte, ertönte lautes Freuden— gefchrei der Menge von Neugier getriebenen Bejchauer, und Glückwünſche wirbelten im bunten Gewirre durch einander; mit Blumen und Eichengezweig fand fie alle Gemächer zierlich gefchmücdt, und der Geift des Friedens und der Ruhe wehete ihr heilverfündend ent= gegen. Reichlich fpendete fie nochmals Speife und Tranf, reichte mit eigener Hand umd freundlich dan— fenden Worten jedem feinen Lohn, und entließ am Abend alle, die nicht zu ihrem Eleinen Haushalt ge= hörten.
Nach einigen Tagen entbot fie den Schenker von Limpurg, die Nitter von Sulburg und von Münkheim, Herren Berfer von Dullau, "Schultheißen der Stadt Salt, die Herrn von Teuwer und von Michelfeld und Den Eolen von Enslingen, zu einem Mittagsmahl; und als ſie nach dem Effen noch fröhlich beim Becher ver- weilten, mit Erzählung manch luſtigen Schwanfs aus der fröhlichen Jugendzeit fich die Zeit Fürzend, trat, fich fittig verneigend, Frau Bertha zu ihnen und bes gann alfo: |
„Vergönnt, ihr edlen Ritter und Herren, mir em geneigtes Gehör und laffet euch mein Anliegen in Demuth vortragen. Ihr wiſſet allzuwohl, wie höchlich
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Noth einer einfamen Wittwe ein Fräftiger Schuß thut, darum wollet ihr, Herr Schenk, mir.und meinem Waislein noch fürder ein treuer Schutzherr und Ver— fechter unferer Nechte feyn. Da ich aber nicht weiß, obwohl ich noch jung an Fahren und gefunden Leibes bin, wenn mein legted Stündlein jchlägt, jo habe ich in Gott und unter dem Schuge feiner Seiligen einen Entſchluß gefaßt, und bin gewillet, dieſes mein Schlöß: fein, jo ich frei aus eigenen Mitteln und ohne eines Menfchen Zufchuß erbauet, meinem einzigen Söhnlein Edelbert zu verfchreiben, welches ihm, fo ich früh ver— fterben und ihn unmündig verlaffen follte, Teichtlich von der Stadt Hall, als welche fih dem Bau ſtark widerfeget, ftreitig gemacht und entriffen werden fönnte, fo habe ich deßhalb dem Scultheißen Kern Berler von Dullau ‚» und den andern ehrfamen Rittern und Herren Die Bitte vorzutragen mich erfühnet, mit eueres Namens Unterfchrift und adeligen Inflegel die Urkunde zu beglaubigen und zu feften, und meinem Söhnlein ſo fein Erbe zu fichern. Da ich aber die letzte Sproſſe de3 Stammes der Geyer bin, jo ift mein Begehr, daß mein Name fih auf fpätere Gefchlechter Durch meinen Sohn vererbe, und er fürder „Edelbert Veldner der Geyer,” das Schlößlein aber für alle Zeiten die Geyers— burg heißen fol. Sämmtliche Herren fanden feine Urfache, der Mittwe ihr Verlangen zu verweigern, Es wurde alles rechtskräftig aufgefeßt, unterfchrieben und befiegelt, und von Stund an das Schlößlein vie Geyersburg, ſowie das junge Serrlein Veldner der
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Geyer genannt. — Nur eine fchöne, heilige Sorge um: faßte von nun an das ganze Mefen und Leben der Burgfrau, Die Erziehung ihres Kindes. Schon in Hall ward er einem vielerprobten Lehrer vertraut. Zarte Liebesbande, wie die Natur fie um Vater und Sohn jchlingt, batte Gereit3 beide, Lehrer und Zögling, fo einzig und feft verbunden, daß Kerr Johannes Mühlbei- mer alles bisher Gewohnte und Liebgewonnene verließ und mit dem Knaben und feiner Mutter Hinaufzog ind ftille einfame Schlößlein über dem anmuthigen Thale.
Zu gut Ffannte Meifter Johannes die Beftimmung eines Knaben, dem edles Blut die Adern ſchwellt, als daß er für binreichend halten Fonnte, feinen Zögling blos in den fehönen genußreichen Künften des Friedens heranzubilden. Edelbert mußte einft auch das Schwert zu führen wiffen, follte fich zum Ritter hinauffämpfen, jollte nach) der Sitte der Zeit auf blutbedeckter Bahn fih Größe und Macht erringen, Darum übte er den Knaben oft im Waffenfpiele, tummelte ſich mit ihm auf bäumendem Roſſe im weiten Felde umher, und machte ihm auf Diefe Weile eine Biegfamfeit und fichere Vertigfeit eigen, Deren wohlthätige Folge ſich in feinem fpäteren Leben oft bewährte. So gerne und freudig aber Edelbert dieſen Vorſpielen einer ernften Zufunft fich Hingab, To zog Doch eine innere Mahnung ihn unmiderftehlich in’8 Neich der Töne. Jeder Klang, kaum berührten Saiten entfchwebt, weckte in feiner Bruſt mächtig der Harmonie verwandte Töne, und in bober Begeifterung erbebten alle die zarten Saiten des
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reinen jugendlichen Herzens. Herr Johannes, ſelbſt Meifter auf der Laute, bob durch feinen Unterricht noch höher des Knaben Streben, und bald war er fo weit, nicht mehr hinter der geflügelten Hand des Meifters gurück zu bleiben.
So jchwanden Jahre dahin, und Edelbert in feäftiger Blüthe Hoch herangewachſen, hatte fein fechszehntes Jahr befchlofjen. Kleine Ausflüge an der Seite des Meifters zu den Herren der Nachbarfchaft, die der Sängerfunft hold, ihn freundlich willfommen hießen, hatten ihn vor der gewöhnlichen Schüchternheit in der Einſamkeit auf- gewachjener Jünglinge bewahrt, und ihm edlen Anftand und feine Sitten eigen gemacht; und mit holder Freude Jah die Mutter das verjüngte Bild ihres fo früh verlorenen Gatten.
. Einft al& der Schenke von Limpurg feinem Sohn vor dem verfanmelten Adel der Stadt, fo wie vieler feiner Freunde und Bundesgenofien, die Ritterwürde ertheilen wollte und fie alle mit Frauen und Töchtern auf einen Tag auf feine Veſte einlud, Eonnte Frau Bertha um der vielen Verpflichtungen willen, Die fie dem Schenken ſchuldete, es nicht verweigern ‚ feiner freundlichen Mahnung mit ihrem Sohne gehorchen, fo wenig fo ein Feitgelage ihr Genuß bieten fonnte. Sie ritt, eine der leßten, an Edelbert3 Seite, der in an— muthiger Tracht der Sänger fie begleitete, in das Burgthor ein. — „Gott grüß Euch, edle Frau!’ rief ihr der biedere Schenfe entgegen, und hob -fie von ihrem Rößlein, „darf ich doch traun ! nichts Geringeres
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beginnen, als meinen Sohn wehrhaft zu machen. Soll ich euch einmal hier oben auf meinem Nefte begrüßen * Nun feid mir willkommen! — Und auch Ihr mein ſchmucker Zunfer, kommt ja geſchmückt wie ein recht erprobter Sangesheld. — Fa, ja, fingt nur jeßt noch recht fröhlich und guten Muths. — Werdet zeitig genug verftummen, wenn Ihr einmal beim Schwerttang Den Reihen führt.” — Damit geiellte er beide der vers ſammelten großen ©efellfchaft zu, und machte fofort Anftalt, die feierliche Geremonie, deren Zeugen Die Säfte fein follten, vorzunehmen. Nach Deren Beendi— gung vereinte laute Luft und Sröhlichfeit die Herren und Frauen an reich befegten Tafeln. Luſtig kreisten die Becher voll perlenden Weind Die Runde von Mund zu Mund, und Scherz, Jubel und lautes Gelächter ſchwirrten in wirrem Getöfe durcheinander.
An einer der Tafeln hatte fich zwifchen zwei jungen Rittern, Kungen von Kransberg und Walther von Hohenthüren, ein Streit entjponnen und ungezähmte Kampfesluſt, gefteigert Durch den Geift des Weins, entjchied, daß ein ernfter Gang das Necht an's Licht bringen follte. Hinaus auf die Ebene ritten troßig und ſtolz die Kämpfer. — Biele fammt einer Menge des Trofjes folgten ftürmend ihnen nacb, mit gefpann- ter Erwartung welchem der Sieg werde, und in manch neuem Zwiefpalt äufferten fich die getheilten Meinungen der Zuſchauer. Doch im kurzer Frift tönte lauter Zubelruf dem Sieger, Kungen von Kransberg. Im Zriumphe führte ihn Die Menge wieder in die Bere,
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aber Walther von Hohenthüren, der gewaltige Prahler, ichlich fich heimlich und hinkend Davon.
Aus aller Munde tönte Freudenruf und Lob Herrn Kunzen entgegen, als er wieder in den Hof trat. Seht griff Evelbert im fchönen Hochgefühl eines ver: wandten adeligen Ginnes mit geflügelter Hand in feine Saiten, und ein Lied voll deutfcher Kraft ent ftrömte des begeifterten Sängers Lippen. Verſtummt war jeder Laut, alles lauſchte dem herrlichen Gefang, wie er aus der Tiefe eines bemegten Gemüths herauf— jchwebte, alles, was fich Dort entfaltete, in Bild und Wort zu gejtalten. Er hatte geendet. Still in ſich verfenft entbebten nur einzelne Töne den faum bes rührten Saiten, wie ein mächtiges DBerbraufen der ftürmenden Gefühle feiner Bruft, und das laute Lob, ihm von allen Seiten gegollt, vermochte nicht, ihn feiner Begeifterung zu entrüfen. Da flüfterte, wie das flüchtige Vorüberwehen eines Zephyrs, eine mes fodifche Stimme in fein Ohr: Habt Danf, edler Sänger, habt Dank! Schnell ſich wendend, fah er zwei weibliche Geftalten vor ihm hinſchweben. Raſch folgte er ihnen und fragte den Erften, der ihm in den Meg kam, wer die beiden Frauenbilder wären. Der Gefragte nannte ihm Die rofenwangige, üppig aufge blühte Jungfrau Bertha, des Haaken von Wöllftein Tochter, und das Mädchen an ihrem Arme, Emma von Steinwang. Am Fuße des Berges, der Die Veite Limpurg trug, wohnte im einem kleinen Schlößlein Raimund, ihre Vater, ein biederherziger frommer Greis.
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Wohl war Edelbert noch ſehr jung, und noch Fein Saum am Kinn Fündete den Fünftigen Bart; und doch fagte eine leife, innere Stimme, daß hier etwas Höheres, Heiligeres, als das gewöhnliche Anerfennen der Tapferfeit des Giegerd, fich in des Fräuleins flüh- . tigem Lobe ausſprach. Er trat in ihre Nähe, griff zarte, fchmeichelnde Töne in feine Laute und fang der Schönheit Preis, Der Liebe Glück aus einem vollen, _ reichen Serzen,, gehoben durch die Weihe der Kunft. Hocherglüht ſenkte Bertha den Blick tief zur Erde. Sie verftand des Gefanges Sinn, und bebte vor dem Ge— danfen, ihr Geheimniß verrathen zu haben. Aber mit frommen Taubenaugen ſah Emma, ihre Gefährtin, dem Sänger frei und offen in's Geficht, als wollte fie den Lippen Die Worte des Sängers entichlüpfen ſehen, und wunderbar — als müſſe er Die Kniee beugen — mar e8 dem Füngling um's Herz, wie er ihr in Die Haven | frommen Himmelsaugen blickte.
Noch hatte er nicht geendet, als ein junger, zierlich aufgeſtuzter Herr — es war Giſelbert von Buchhorn und erſt ſtolz und übermüthig von einer Ritterfahrt nach Frankreich zurückgekehrt — höhniſch zu ihm trat und mit einer widerlich hohlen Stimme ſagte: „Was möcht ihr junger Fant mit dem Milchkinn Euch erkühnen, dem holden Fräulein etwas vorzuliebeln? Mir gebt die Laute und ihr ſollt euch baß der Weiſen verwundern, Die ihr aus deutſchem Munde wohl nie fo hören möget.“— Dann wollte er mit kecker Hand Die Raute dem Fünge ling entwinden. Zornesglut flog über Edelberts Ant
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li; „die Laute ift mein, Herr,” rief er troßig, „und weder Eure Hand, nocd eure Stimme foll meiner Sai— ten reiner Klang verunehren.” Damit warf er fein Eaitenfpiel über die Schulter und fehritt unmilligen Zritted über den Hof bin.
‚Eine laute raufchende Muftf rief nun Die Tänzer zum Reihen. Im vielfach verfchlungenen Kreiſen wir— belte die muntere, lebensfrohe Jugend dahin, und frei von jedem Zügel entfaltete laute Luft und Fröhlichkeit die rofigen Schwingen. Die älteren Derren und Brauen fosten noch beim Becher in gefelliger Einheit, und be— ſchauten mit manch holder Erinnerung aus den Tagen ihrer wonnereichen Jugend das bunte Treiben der Fröh— lichen. Auch Frau Bertha Veldnerin weidete fi an den vielfach geftalteten Wendungen der Tanzenden, unter denen harmlos und luſtig fich auch ihr Sohn tummelte, als mit befonderem Ernfte im Geſichte der Schenfe von Limpurg, ſich am ihre Seite fegend, alfo begann: „Noch felten that e8 Noth, Euch, mie Ihr mir das Hecht hiezu einst verliehet, mit gutem Rath zu Handen zu feyn, wo Ihr folchen bedürfet; Ihr. felbft, eine kluge Frau, wifjet Euch zu berathen, Doch "mahnt es mich ſchon lang, mit Euch einmal zu verfehren ob eurem Sohn. Wohl weiß ich, Daß mem: Zufpruch Euch nicht fonderlich erfreulich feyn wird, Doch gilt es enres Kindes Heil, edle Frau! So möget Ihr das Böſe hinnehmen um des Guten willen. Es ift mohl eine ergößliche und Tiebliche Kunft, fo mit dem Sat tenfpiel Ohr und Herz zu erfreuen, finde ich doch felbft
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Gefallen daran, und mag ed “gar leiden, Daß Euer junger Herr der Kunft Meiſter wird, aber feht, Der Junker wird zu weibifch bei Euch, Frau Bertha! — Will er feinem Namen Ehre machen, reicht er nicht aus mit dem Ging und Gang; er muß hinaus in die Welt, unter Männern ein Mann werden, und im rechten Ernft das Waffenfpiel erlernen. Da wäre denn mein Rath, ihn irgend einem rechtlichen und tapfern Herrn zur Zucht anzuvertrauen, und fo e8 Euch nicht entgegen wäre, wollt ich wohl jelbft in ein Paar Ta— gen gegen Waldenburg reiten, mit dem Grafen von Hohenloh deßhalb Zwiefprach zu halten, und will er den Junker zum Edelknaben annehmen, fo geleite ich ihn, fo e8 euch lieb ift, felbft dahin. Ja, ich kann Euch nicht helfen, Frau Bertha,* fuhr der Schenke fort, als, ftatt Der Antwort, die Wittwe fehmerzlich zu weinen anfing, „Ihr nehmt es Eucy jegt gar leid, werdet mird aber einft danfen; ich meyn' es gut mit Euch, wenn ich gleich mit rauher Hand Euer weiches Herz vermunde. Befinnt Euch Darüber: — Könnt mir wohl in ein paar Tagen erft Eure Meinung fagen, wenn Ihr wollt.“
Damit flund er auf, um wegzugehen, aber Frau Veldnerin hatte fich gefaßt. und fagte, indem ſie ihre Thränen trodnete: „Ich kenne Eure Fürforge und Huld, Herr Schenke ! und ich bin Euch Höchlich zum Danfe verpflichtet Darob, aber möget es mir einfamer Wittwe jedoch nicht verargen, wenn ich den einzigen Sohn mit Schmerzen binziehen fehe, obwohl zu feinem Nußen und Frommen. Meyn' ich Doch, all meine Freude und
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Friede ziehe mit ihm hinaus aus meinem Schloͤßlein. Doch ſtelle ich Alles Eurem weiſen Rath und Willen anheim. Waltet nach Eurem Gefallen, wie es Euch gut und recht dünkt. Gott und ſeine Heiligen werden mit ihm ſeyn!“ „Nun ja, ſo iſt's klug,“ entgegnete zufrieden der Schenke. „Waldenburg iſt ja nicht fern von Euch und Edelbert mag Euch wohl des Jahres ein paar mal heimſuchen.“ Er rief hierauf dem Jüng— ling und machte ihm ſeinen Willen kund, den dieſer mit freudigem Beifall vernahm.
Der Graf von Hohenloh, dem der Schenke von Lim— purg, ſeinem Verſprechen zu Folge, die Wünſche der Frau Veldner in Einklang mit ſeinem eigenen kündete, war willig und bereit, ſte zu gewähren, und nach mes nigen Wochen zog Edelbert Veldner an der Seite des Schenken als Evelfnabe auf Waldenburg ein.
Eine neue Welt erfchloß fich hier feinem Auge; Man- ches fprach ihn wunderſam, Manches erfreulich in des Grafen großem Haushalt an, aber ſchwer gemöhnte er fich an den rauhen, derben Ton der zahlreichen Diener- Schaft. Wohl fügt ein ernfter, fefter Wille fich überall der Nothwendigkeit eifernem Gebot. So auch Evelbert. Er gewöhnte ſich allmählig an die neue Weile. Der Graf gewann den befcheidenen, fügfamen Süngling lieb, und auch er hing mit ehrfurchtsyoller Liebe und Treue an feinem Herrn und Beſitzer. — So waren vier Jahre und etwas Darüber hingeeilt, und Freudenthrä— nen aus den Augen der treuen Mutter begrüßten den SJüngling, fo oft er auf der Geyersburg einfprach.
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Wohl dankte ſie es jetzt dem Freunde, daß er einſt mit rauher Hand in ihre ſchoͤnſten Freuden gegriffen und den einzigen Liebling aus ihren Armen hinaus in's Leben geführt hatte. Gereifter an Geiſt und Kör— per ſtand er jetzt in hoher Anmuth und edler Haltung vor ihr, und die Saat des weiſen Johannes hatte ſich zu kräftiger Blüthe entfaltet. Seine ſtille Jugend, feſter Muth, Beſcheidenheit und Treue hatten ihm das beſondere Vertrauen ſeines Herrn erworben, weßhalb er ihn nicht nur jedesmal als Leibknappe begleiten mußte, ſondern auch oft in beſonders wichtigen oder geheimen Geſchäften von ihm verſchickt wurde. Klug— heit leitete dabei immer ſeine Schritte, er beſchickte ver— ſchwiegen und ſorgſam das ihm Aufgetragene und ge— wann ſich mit jedem Tage mehr das Vertrauen des Grafen von Hohenloh, ſeines Herrn. — Einſt, an einem trüben Novembertage, kehrte er im Geleite eines Knechts von einer kleinen Reiſe zurück. Schon fieng es all— mählig an zu dunkeln, als ihm das Brauſen eines Pferdes, ſo wie Hufſchläge das Nahen mehrerer Reiter verrieth. Doch ehe ſich der Geſtalten Umriſſe aus dem Nebel entwickelten, vernahm Edelbert die Worte, rauh und unwillig geſprochen: „Schweigt einmal mit euren unnützen Klagen. Iſt es Doch Eure und Eures Va— ters Schuld! — Warum habt Ihr — — —.“ Der Sprechende fehwieg, wie er. die Entgegenfommenden be= merkte, und dieſe fahen acht bis neun Pferde vorüber- ziehen, ohne erfpähen zu können, wer fte leite; aber in Edelbert erregte die Stimme, Die fo rauh und vers.
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weifend gefprochen, eine wibrige Erinnerung. : Schon einmal hatten dieſe Töne ihm unfanft berührt. Gie viefen etwas längſt Verklungenes wieder ins Leben zu— rück, ohne daß er mit ſich in’s Klare fan, was es ſeyn möchte, was wie eine halb verwiſchte Schrift ernft und bedeutungsyoll in feiner Seele lag. Sinnend ritt er vorwärts, bog bei Dullau rechts ab nach der Stadt Hall, von wo er befchloffen hatte, noch zur trauten Mutter zu gelangen, und unter ihren ſchir— menden Dache heimathlich zu übernachten. Schon: war, ald er Die Stadt erreichte, die Nacht herabgeſunken. Er hielt an einer Herberge, ſich Das verfpätete Veſper— brod reichen zw laffen, trat im die Schenke, und hatte eben fich behaglicy am warmen Ofen gefeßt, als ein ftarfes, ungeftümmes Klopfen an den niedrigen ver— ichloffenen Senfterladen feine Aufmerkſamkeit erregte. Es war ein Bote, der nach: dem jungen Herrn Kurt von Steinwang, oder vielmehr feiner Wohnung fragte und mit wenigen grauenhaften Worten erzählte, "Daß diefen Nachmittag der Pfarrderr von Mainhardt | mit feinem Meßner und einem Gafriftan heimfehrte, von einem Kranken, dem er am Morgen: die Simmelöfpeife im heil. Sterb - Sacrament 'gereicht und auf dem Wege im Wald unter: mehreren erfchlagenen Knechten einen ritterlichen Seren in feinem: Blute liegend gefunden Habe. Der: fchnell nad) Mainhardt um Hilfe gefchidte Mepner fehrte bald nach der Schreefensftätte, zurüf. Der Pfarrherr hatte unterdeffen "mit. Sorgfalt die Ge— fallenen unterſucht, nur noch in einem ber Knechte
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glimmte matt ein Funke des Lebens, » Der Ritter hatte
aus vielen Wunden feinen Lebensquell verftrönt, und fein ehrwürdiges ©reifenhaupt im Tode geneigt, Man brachte fie alle gen Mainhardt, wo nach einigen Stun— den der Knecht fich ſo weit erholte, um zu jagen: daß der erfchlagene Ritter Herr Raimund von Stein- wang ſey, der feine Tochter Emma nad) Klofter Lich— tenftern: geleiten wollte, und bat, einen Boten feinem jungen Herrn zu fenden, damit er fehleunig der Räuber Spur: verfolge und das Fräulein rette. Edelbert eilte jelbft mit dem Boten fort zu Seren Kurt, den er in einer großen Beftürzung fand. "Eben war: feines Va— ters Pferd ſchnaubend und blutbefleckt mit zwei andern ledigen Roſſen heimgefommen, und hatte Sammer und Schrecken verbreitet. — Schon waren Pferde gefattelt und Kerr Kurt: im Begriff aufzufigen, als Edelbert mit dem Boten eintrat, um ihm das Schrecklichſte zu verfünden. Schmerz und Wuth zerriffen mit: wilder Gewalt des jungen Mannes Brujt. Er ſandte die gräßlichiten Schwüre hinauf in den trüben Nachthim— mel, nicht zu raſten, bis er des Vaters edles Blut an dem Thäter gerächt und die Schwefter gerettet-habe. Mit Mühe Fonnte ‚Edelbert dem von Schmerz Zerrüt- teten eine Antwort auf die Frage abgewinnen, ob ver auf: irgend Jemand feinen Verdacht zu leiten Urſache habe? Und. ala: ihm Diefer Gifelbert von Buchhorn nannte, Dem feine Schwefter ihre: Hand verfagt, und “feinen Nachftellungen zu entgehen, fich unter den Schuß der Frau Nebtiffin Kunigunde, Gräfin von Limpurg,
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im Klofter Lichtenftern ftellen wollte, da zuckte es ihm wie ein Strahl vom Himmel Durch die Seele. Der Ton der heute im Vorüberziehen ‘der Reiter vernome menen Rede hatte ſchon einmal ihn unfanft berührt, al8 bei den Fefte auf Limpurg Buchhorn ihm höhnend begegnete, und klar wie der Tag war ihm die Gewiß— heit, daß Buchhorn der Ehrlofe mit feinem Raube an ihm vorbei auf feine Befte gezogen fey. Er eilte nach Hal zurück, beftieg fein Pferd, um auf der Höhe mit Kurt zufammenzutreffen. Schon harrte Kurt feiner und mit verhängtem Zügel gings fort nach Mainhardt.
Mit heißen Thränen fanf diefer an der Reiche feines Vaters nieder. Wenig, jehr wenig war e8, was der todtfchwache, verwundete Sinecht noch berichten Eonnte, Aus feinen kaum vernehmbaren Worten wurde fo viel gewiß: „Als fie eine Strecke im Walde geritten waren, ſprengte ein Nitter mit gefchlofjenem Viſir nebft acht bis neun Knechten auf fie zu, ergriff des Fräuleing Pferd beim Zügel und jagte mit ihr dem Dieficht zu, wohin seiner ihrer Geleitöfnechte nachjagte. Sein Herr, von der überlegenen Zahl angefallen, habe fich vertheidigt; er aber, von einem Kolbenfchlag gleich bewußtlos zu Boden geſtreckt, wußte nicht weiter, wie alles geendet, erfuhr erſt bei feinem Erwachen aus der tödtlichen Ohnmacht feined Herrn fchmähliches Ende, und ent- fchlief. nun nach wenigen Stunden zum ewigen Frieden,
Ueber der Keiche des Ritters gelobte Edelbert feinem Sohne treuen Beiftand, in dem gewiffen Vertrauen, daß Graf Hohenloh ihm mit einem Käuflein tapferer
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Männer zuzueilen nicht‘ verfagen werde — Sobald die Todten der Erde übergeben waren, kehrte Kurt von Steinwang zurück, und bot feine Freunde und Maffengenofjen auf, mit ihm dem Näuber und Mör— der zu Leibe zu geben. Er forderte, nach Sitte und Brauch, Das geraubte Fräulein zurückzugeben, oder ge— wärtig zu jeyn, dag Waffengewalt ſie ihm ientreiße. Buchhorn aber. gab Höhnend zur Antwort! „Wenn fie die Hochzeitsfackeln leuchten ſehen vom Schloffe, würden fte ihm willfommene Gäſte ſeyn.“
Fünfzehn reifige Knechte vertraute der Graf Hohen⸗ loh Edelberts Führung. Den nächſten Morgen ſollte der Zug nach Buchhorn unternommen werden, und tief in der Nacht ſaßen die Herren noch beim Becher, ihre Plane beſprechend, als ein wildes Geſchrei: „die Veſte Buchhorn ſtehe in Flammen,“ ſie aufſchreckte. In fliegender Saft enteilten Kurt mit Edelbert und den Reiſigen dahin. Wie Teicht Fonnte Emma, viel- leicht eingeferfert, im Schreefen vergeffen, ein Haub der - Mammen werden! Wie leicht von einem Räuber zu- einem feiner Verbündeten geflüchtet und für fie’ ver- loren feyn! Ihr zu Hülfe, war jet die Lofung und wie auf dem Fittig der Windsbraut flogen Die Reiter durch die Nacht Hin. Schon war ein Theil’ des Ge— bäudes eingeftürzt.. Eifrig fuchten die ihm zur Vers theidigung von feinen Bundesgenoffen ‚geliehenen Knechte das Mebrige zu retten. Ungehindert drang Kurt! mit den Seinen ein, mit lauten Angftruf rannten fie fu— chend umher, hieher, dorthin, überall in alle Gemächer.
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Ihrer Gewalt wichen Schlöffer und Riegel, öffneten ſich Keller und Gewölbe: Umfonft! nirgends eine Spur von Emma, kein Laut, feine Antwort. Auch der Ritter ließ ſich nicht ſehen. Der Gedanke, daß er mit dem Fräulein entflohen, um ſie anderwärts in Verwahrung zu bringen, machte es nothwendig, Knechte auf alle Wege auszuſenden, un die Flüchtlinge einzu— holen, falls e8 ihnen gelungen wäre, zu entkommen:
Trüb und düſter Dämmerte der Tag herauf, Auch Kurt verließ: mit Edelbert die Brandftätte, um im der Gegend nach dem Fräulein und dem Räuber zu fpähen, als ein Knecht mit der Kunde auf fie zueilte: Das Fräulein fey Da, einer von den mit dem feligen Herrn auögerittenen Knechten — fie wohlbehalten zurück— gebracht.
Seit jenem Tage, als bei dem Feſie auf Limpurg dem noch an das Knabenalter gränzenden Jüngling das Herz vor Emmas reinem Himmelsauge in hoher Andacht aufging, hatte er das Mädchen nicht mehr gefehen.
&3 war ihm wunderbar wohl und weh zu Muthe, als er jetzt dem Schlößlein nahte, in vollendeter, ju— gendlicher Schöne, wie die junge, in zarter Farben pracht aufgeblühte Rose ; aber unter heißen Schmerzens— thränen trat dem Kommenden Die Jungfrau entgegen. Hier hatte fie erft den ganzen Umfang des Unglücks fennen gelernt. In freudiger Eile war fie dem leiten- den Knechte aus Buchhorns Raubneſte gefolgt, nicht ahnend, welche ſchwere Schuld er mit ihrer Rettung
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zu Jühnen wähne. Hier hoffte fie dem Greifenvater in die Arme zu‘ finfen und: ihm mit Liebe und find» licher Pflege die Tage der Angft um ſie zu vergüten. Erfehüttert von ihrem namenloſen Schmerze bat der Knecht fie um geheimes Gehör, warf mit bittern Renethränen fich zu ihren Füßen und befannte, Daß er es fey, der fie werrathen und dem Ritter Buchhorn, in deſſen geheimem Solde er ſchon längſt ftehe, in die Hände gefpielt habe. Mehrere DVerfuche, es zu thun, waren mißlungen, hatten des Vaters Aufmerkſamkeit erregt und ihn bewogen, fie nach Lichtenftern zu bringen. Durch den niedrigen Verräther ward dem Ritter Der Tag der Reife genannt und das Bubenſtück ausgeführt. Mit heiligen Schwüren betheuerte der Verworfene zwar, daß er zur unerläßlichen Bedingung gemacht habe, fei= nes Herrn: zu ofchonen, aber defjen gewaltige Gegen- wehr erbitterte feine ®egner fo ſehr, daß fie, Das eigene Leben zu gewinnen, achtlos ſich vertheidigten und fo ſank der Greis, ein Opfer väterficher Liebe, ins Grab. Dem Fräulein wurde ein Reitermantel umges worfen, das ſchöne jungfräuliche Haupt in eine Sturm= haube verfteekt. Im fichern Hinterhalte harrten fie, bis die Knechte fich wieder zu ihnen: fanden. Unge— fährbet erreichten fie Buchhorn, wo der Verräther über das Ende des blutigen Kampfes unterrichter, gequält von Gewiffensangft und Reue, nicht Ruhe noch Raſt fand; empört über Verweigerung feines Sündenlohns, befchloß er, Durch des Fräuleins Rettung fich an dem Nitter zu rächen. Sorgfältig erfpähte er des Fräuleins
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Gemach, legte in der Nacht in’ deffen Nähe in einer Vorrathskammer Feuer an, und als bei feinem Aus— bruch Angft und Schrecken jede andere Sorge beftegte, Lärm und Getümmel allgemein wurde,’ ftemmte er fich niit Mannesfraft an die Thüre. Willig folgte. das Fräulein den Mohlbefannten auf Nebenwegen zur väterlichen Wohnung, wo Trauer und Weheklagen ihr entgegen tönte. Gerührt von des Knechtes Neue, ver— fprach fe ihm zum Lohne ihrer Rettung die Ver— “ zeihung ihres Bruders zu erwirfen; er aber, ahnend, daß hier die Gnade der Gerechtigkeit weichen müffe, entfloh, ehe der junge Herr zurückkam, belaftet mit der Schwere eined böfen Gewiſſens, und fehrte nie wieder.
Unruhig ſchritt Kerr Kurt im Gemache auf und ab; aber nur für heute wähnte er den Frevler feiner Mache entgangen. Feierlich erneute er den. Schmwur, nicht zu raften, bis er aus feiner Hand den Kohn des Bubenſtücks empfangen Habe. — Doch der Herr fpricht: die Rache ift mein; noch am Abend deſſelbigen Tages erhielt: Kurt Die Kunde, Daß, nachdem die Flamme bewältigt, man den Ritter Gifelbert in dem Gemach, worin das Fräulein verwahrt gewefen, gefunden habe, wahrſcheinlich wollte er fie retten und erſtickte i im Rauche, ehe des Rächers Hand ihn fand.
Noch blickte Emmas blaues Auge fo fromm, fo rein, wie einft, aber nimmer fo unbefangen- weilte es auf Edelberts Untlig, und hohes Glutroth flog, be= gegneten fich ihre Blicke, über Die zarten jungfräulichen Wangen. Wohl verftand Evelbert dieſe ftummen Zei⸗
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chen, aber zu fehr ehrte er des Mädchens flille Trauer um den geliebten Vater, als Daß er jebt es wagen mochte, ihr feine Gefühle zu bekennen. Sinnig und ernſt kehrte er wieder heim mit feinem Häuflein, fein gutes: Schwert hatte dießmal nicht Die Scheide ver— laſſen, und fein Hochgefühl tapferer Waffenthat hob ihm die Bruſt. Tief verſchloſſen in verſchwiegener Bruſt, was ſo ſchön, ſo beſeligend ſie hob, ſtrebte er, ſich bald des Ritterthums würdig zu machen. Und als nach Jahresfriſt der Graf Hohenloh ſelbſt ihm des Kreuzes Zeichen mit blankem Schwert über die Schulter ſchrieb, ſäumte er nicht länger, der matauien Mutter die liebliche Tochter zuzuführen.
An der Seite der ſchönen Emma floß ſein Leben im reichen Genuſſe häuslicher Freuden ſtill und ge— räuſchlos, wie der Fluß unter dem Schlößlein dahin. In kräftigen Sproſſen blühte das Geſchlecht der Geyer fort, und fo lange der Sohn deutſche Treue und Biederkeit mit dem Erbe des Vaters empfing, mit edler Sorge dieſe wieder in die Herzen ſeiner Kinder legte, wich das Glück nicht aus dem der Liebe und Gottesfurcht geheiligten Familienkreiſe; als aber Gier nach fremdem Gut und wilder Rachedurſt das Herz des letzten Bewohners der Burg erfüllte, floh die fromme Freude und das ſtille Glück der Häuslichkeit aus der Veſte, bis ſie bei einem nächtlichen Ueberfall in Brand geſteckt wurde und der Burgherr im Kampfe mit den ihm Nachſetzenden ſein Leben verlor, a wir ERS das Nähere erfahren. ink
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—* ——— Ahnfrau der Gepers- j burg. |
In * — Sälfte, des 15; Fahegunderts, als fchon Die meiften Adelsgeſchlechter des Kochergaues: ihre Burgen verlaſſen umd ſich in der bei ihren reichen Salzquellen herrlich aufblühenden Neichsftadt Hall ein— gebürgert hatten, hauste Kunz Beldner, genannt der Geyer, ein wilder Rittersmann und einem der mächtigen fogenannten Giebenburgen-©efchlechter ange— hörend, auf ſeiner, nur eine halbe: Stunde unterhalb der Stadt, am linken. Kocherufer fich. erhebenden Burg Geyersburg. Er zog es vor, bier oben auf heiterer Höhe ſeinem eigenen Willen zu leben, als drinnen in der eingeengten Thalftadt im Dumpfen Veldner⸗Thurme, der einftigen Burg feiner Ahnen, oder in einem Der ibm erblich "zugefallenen fünf Steinenhäufer auf dem Fiſchmarkte zu wohnen. Das freie Ritterweſen da auſſen, die ernſte Fehde, die luſtige Jagd, das fröh— liche Zuſammenſeyn mit Nachbarn beim traulichen Humpen uud — wann er Abends von dem Treiben des Tages heimkehrte — die frohen: Stunden im Kreife feiner. lieben: Hausfrau und feiner Kinder, wa= ren ihm weit anziehender, als der Aufenthalt in Der durch Uneinigfeiten in feindliche Parteien gefpaltenen,
wildaufgeregten Stadt. Frau Agnes, Kunzens Ge. .
mahlin, ftand mit emfiger Thätigfeit ihrem Hausweſen jelber »vor ‚unterrichtete das weibliche »Dausgefinde im Spinnen und Wolleweben, und leitete mit Eluger Ein-
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ficht die Gefchäfte der nicht unbeträchtlichen Maierei in der freundlichen Lindenau hinter der Burg, welche den Bewohnern den nöthigen Unterhalt Tieferte. Sie und ihre beiden Kinder, Fräulein Adelheid, eine Eräftig beranblühende Jungfrau und ganz das fchöne Ebenbild ihrer Mutter, und Junker Dietrich, ein wilder Knabe, lebten während der häufigen Abwefenheit Kunzens unter den Schutze ded ergrauten Nitterd Hans Beldner, ihres Schwieger- und Großvaters, des älteften Raths— herrn von Hall, der den Reſt feiner Tage auf der Geyersburg, im Kreife. der Seinigen, zu verleben be⸗ ichloffen hatte; allein anders war es im Rathe des Höchſten befchloffen.
Ed: war an einem ſchönen Somnterabende des Zah. re8 1432 — Ritter Kung war ſchon vor einigen Ta- gen mit einem Häuflein Reifiger zu einer Vehde gegen den Nitter von Bebenburg, Die Diefer mit dem Abt von Comberg hatte, ausgeritten — da ſaßen auf der Geyeröburg der. alte Hand Veldner, Walther Senft von Sulbürg und Hang. von Stetten beim traulichen Becher beifammen und unterhielten fich in ernften und ſcherzhaften Gefprächen mit einander. Die Weltbege: benheiten lieferten zwar Stoff genug zu ernfter Unter- baltung, aber aus Rüuückſicht für die ängftliche Frau Agnes, die fih mit dem Spinnrorfen zu den Herren hingefegt hatte und nebſt Adelheid für deren mangels lofe Bewirthbung beforgt war, wurde dad Geſpräch immer wieder auf feherzhafte Gegenſtände gewendet. Frau Agnes äußerte jedesmal: die innigfte Freude, wenn
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der ergraute, lebensmüde Schmäher, von den Uebrigen zum Frohſinne geſtimmt, zuweilen den Schleier lüftete, der ſeine vorübergegangene Lebenszeit von der düſtern Gegenwart trennte und aus dem mannigfaltigen Vor: rathe feiner Grlebniffe einige der Taunigften Scenen aushob und fie mit dem "Teuer eines‘ Jünglings ver Geſellſchaft preis gab. Eben hatte der Alte wieder ſo ein luſtiges Mährchen aus der Vorzeit geendet und die Andern ihm lachend den Dank zugetrunfen , als ein Notbzeichen des Thurmwächters yplöglich die Aufs merkjamfeit Aller erregte. Sie fprangen haſtig an das Fenfter, von dem fich eine weite Ausficht in Das ſchöne Kocherthal darbot. „Was gibts 2’ riefen Veld— ner und Ritter Senft zugleich in den Burghof hinaus, wo fie den alten Knappen Kurt eben im Zwiegefpräche mit dem Thurmwart begriffen fahen. — „Bon der Lugebene fprangen zwei Ritter gegen die Fährte des Kochers herunter; drei andere traben eilends jenfeit3 auf der Straße gen Münkheim.“ — „Habt ihr das Seldzeichen wahrgenommen?! — „Es ſcheint und Die Farbe der Münfheimer zu ſeyn; — jegt geht's durch den Kocher, der Eine eilt voraus — hu! wie Das jagt.” Da glaubte Ritter Senft vom Fenſter aus au noch wahrzunehmen, daß der Zurücfbleibende den Raps ven Egmunds von Münkhein unter fich habe; bald aber erfannte er Egmunden ſelbſt, der über die Line denau gegen die Burg heraufjagte. Alle waren jeßt von dem Gedanfen ergriffen, es müfje dem Ritter Kunz ein großes Unglück zugeftoßen fein, weil er nicht
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mit feinem Lieblinge Egmund, mit dem er Doch zugleich ausgeritten war, auch wieder zurückkehrte. Aber "feiner der Männer wagte fich auszufprechen, und. Die ängft- liche Agnes fanf, ihrer Sinne nicht mehr mächtig und mit dem Ausrufe: „o Gott, mein Gemahl ift erſchla— gen ! auf dem Stuhl zurück. „Tröſtet euch, liebe Mutter — wief die hilfreich herbeigeeilte Adelheid — „glaubt nur fo Etwas nicht ; ſolch ein großes Unglück würde unfere fromme Ahnfrau Bertha, die Erbauerin diefer Burg, Die ja um ihrer vielen guten Werfe willen vom Himmel die Gnade erlangt: hat, die ihren Nach— fommen drohenden Unglücsfälle jedesmal durch ficht- bare Warnungszeichen anzudeuten, nicht unvorbereitet über ung ergehen laſſen.“ | |
Dieſen Troftworten der fanften Jungfrau: nieften die Männer freudigen Beifall zu, und gerade wollte Hans Veldner fie ausführlicher beſtätigen, als Kurt einen Knappen zur Thüre bereinfchob, deſſen heitere Miene keinen Trauerboten ankündigte. Er wandte ſich gegen Frau Agnes, und meldete in beſcheidenem Tone, daß Herr Egmund von Münkheim unter Entbietung ſeines freundlichen Grußes, um die Erlaubniß bäte, aufwarten zu Dürfen. Er wurde willkommen geheißen, und kaum hatte Der freundliche Knappe einige Fragen beantwortet, fo verfündigte ein Hufſchlag auf der Zug- brücke und: Lärm im Burghofe des Ritters Anfunft. She noch der alte Veldner die Wendeltreppe erreichte, um den Ankonınenden zu bewillfommen, kam ihm ſchon Egmund oben entgegen und trat, Jeden freund-
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fih grüßend und Frau Agnefen und Adelheid nach Nitterfitte die Hand drückend, im das Gemach. Alle blieften mit gefpannter Erwartung auf den jungen Rit— ter, um aus feinem Munde die Betätigung oder Rich- tigkeit ihrer fchreeflichen Ahnung zu vernehmen. ' Aber indem er Das fammetne, mit fchwarzen Büſchen vers zierte, Barret abnahm, öffnete ſich ſein kurzer Mantel, und Agnes’ und Adelheid gewahrten fogleic) mit Schres cken, Daß er den linken Arm mit ftarfem Verband in der Feldbinde trug. „Edle Frau" — fprach Egmund lächelnd — „erſchreckt nicht" ob der geringen Verwun— dung, Die ich als Denkmal der Freundfchaft höchlich achte; betrachtet fie vielmehr vald eine: Euch günftige Schiefung, denn ohne. fie möchte vielleicht Euerem Haufe Leid erwachfen und ich jegt nicht jo glücklich ſeyn, Euch Die tröftliche Kunde von der heute noch erfolgenden Rückkehr Eures Gemahls zu überbringen.” — „Um aller Heiligen willen‘ — rief Agnes voll Angft — „eröffnet mir Doch ohne Rückhalt, ‚Kerr Egmund, was deuten“ Euere Worte? warum fehrt mein Gemahl nicht mit Euch" zurück? ficherlich iſt ihm ein großes Unglück zugeſtoßen.“ — „Ihr wißt, edle Frau” — erwiederte Egmund — „daß Nitter Kunz immer nur im den vorderftien Reihen zu’ reiten pflegt und beim erften Unrennen fein Weſen dem Feinde fühn beurfundet: fo gefchah es auch bei. der dießma— ligen Fehde. Der Feind wurde gereorfen, . aber beim Nacheilen geriet Euer: Gemahlin einen Hinterhalt . und hofte fich einige Winden, die uns Anfangs Sorge
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machten, bei näherer Befichtigung jedoch fich nicht als gefährlich zeigten. Burkhard von Eltershofen bot uns bei unferer Rückkehr geftern Nachtherberge an und ließ nicht zu, daß Kunz heute früh mit und fortreite, ſon— dern begehrte, er folle noch der Ruhe pflegen. Conrad von Gailenfirchen wird ibn heute noch hieher geleiten. Euer Gemahl erfuchte mich, meinen Heimritt über Die Geyeröburg zu machen und Euch Kunde von ihm zu. bringen, und ich gebe Euch mit meinem Nitterwort . die Verfiherung, daß er aufer Gefahr iſt. Unter Eurer forglichen Pflege «wird er binnen kurzer Zeit wieder vollſtändig geneſen.“ — „Serzlichen Dank für diefe Berficherung, Herr Egmund“ — fagte Velbner, ihm die Hand drückend — „laßt es Euch nun ge fallen, bei uns niederzufigen und einen Labetrunk an- zunehmen. Adelheid! — febt Doch, wie das Mägd- len fo verfebüchtert Dafteht — eile, und fredenze dem Ritter den Willkomm!“ Mit einem theilnehmenden Seitenblie auf den verwundeten Ritter holte Adelheid einen filbernen Pokal aus dem: Kaften, füllte ihn: mit einem alten, Föftlichen Sorgenbrecher und fagte, indem fie ihn Egmunden darbot, mit fehüchterner Stimme: „Herr Ritter, ich bringe Euch den freundjchaftlichen Willkomm, und Gott jchenfe Euch zu unferem Troſte und unferer Freude vecht baldige Gefundheit !! — „Ich danfe Euch, edles Fräulein, für Euern freundlichen Wunſch, der nur deßhalb bald in Erfüllung gehen möge, Damit ich fortan mich ganz Euern Dienften zu widmen in den Stand gefegt werde” — entgegnete
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Egmund, indem er mit feurigen Bliden den Pokal aus den Zitternden Händen der holden Jungfrau em— pfing:; — „Edle Frau, auf die glückliche, Rückkehr Eures Gemahls! Auf Euer Wohl, ihr Lieben Herren und Freunde!” Alle riefen ihm Dank zu, und Veldner bat’ ihn jeßt um einen kurzen Bericht über des Her⸗ gang des Streites.
Eben wollte Egmund von Münkheim — — beginnen, als vom Thurme herab der Ruf des Wäch— ters ertönte: „Sie kommen, ſie kommen!“ und das auf der Mauerbrüſtung lauernde Burggeſinde ein lautes Sreudengefchrei erhob. Denn hinter der Burgebene wurden flatternde Fähnlein und ſchimmernde Lanzen- ſpitzen ſichtbar; allmählig zeigten fich die Reiter und Noffe des Vorderzuges auf der Höhe; die Kappen chwenften ihre Bidelhauben und blanfen Schwerdter über den Köpfen, freundlich gegen die Burg hinauf grügend, und fchlugen fie an einander, daß e8 weithin über das Thal klirrend ſcholl. Das frohe Getümmel hatte die Zafelrunde rafch in die Fenſter gezogen und Agnes ftarrte voll Freude und Bangigkeit, “voll Heff— nung und Angft, dem langfam von der Höhe herab» wallenden Zuge entgegen. Aber als fle zwijchen den - Keitern und Fußknechten einen bederften Wagen ge— wahrte, da Durchbebten fie Schauer und Schrecken und eine Thränenfluth entftürgte den zitternden Wimpern ded jammernden Weibes. „Tröſtet Euch doch, Frau Tochter!" — rief Beloner, von Mitleid ergriffen — „ſchauet nur hinüber, fle ziehen ja nicht mit geſenkten
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Waffen noch verhüllten Fähnlein und Büfchenndaher, ſeht nur, der Wind fpielt freundlich mit den freien Fähnlein, hoch wallen die Helmbüſche und ſtrack er- heben fich die flimmernden Spigen der Ranzen in die Lüfte; wahrlich, Alles feine Zeichen der Trauer. Aber — fügte er wohlbedächtig hinzu — laßt und nun über den Empfang übereinfommen, mich Dünft, nad) Herrin Egmunds Bericht vertrage fich ein. lärmender Willfomm nicht mit Kunzens Kopfwunden, deßhalb“ — „wollen wir ung ftrafs aus dem Staub machen" — nahm Walther Senft die Rede auf — „wir könnten und Doch nicht venthalten, ihm Rede abzuges winnen und läftig zu fallen.” ‚Schnell nahmen Die Freunde Abfchied, eilten hinab, fchwangen fich auf Die Roffe und trabten über die Lindenau den fteinigen Weg am Kocher hinab gegen Obermünfhein. Indeffen Der Wagen mit dem Geleite gemächlich und in aller Stille herauf zog, |prengte Konrad von Gailenkirchen voraus und gerade über die Zugbrüde, als die mweinende Agnes mit Adelheid’ aug dem Thurme trat, um. den Zug im Burghof zu empfangen. Nach furzer, berzlicher Begrüßung fragte Die immer noch in Angft fehwebende Agnes, fowie Adelheid und der alte Beldner den Angefommenen fogleich nach Kunzens Be: finden nnd erhielten die beruhigendfte Auskunft darüber. Als aber der von Gailenkirchen den nähern Hergang der Sache erzählte und von Dem Verluſte der Hand Iprach, den Ritter Egmund bei Kunzens Rettung: er— litten Hatte, Da erſchracken Agnes und Adelheid auf
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das Heftigfte und „es ift nicht möglich!’ — flotterte fegtere erblaffend — „er faß ja erft noch vor wenigen Augenblifen bei uns, ſprach nur von einer leichten Perwundung und verrieth nicht den geringften Schmerz. Kein, es ift nicht möglich!” — „In Eurer Gegen wart, ſchönes Mihmchen“ — verficherte Konrad lä— chelnd — „wird Ritter Egmund freilich nicht über Schmerzen klagen, ſie kämen denn von innen; indeß kann ich Euch ſelbſt keinen Eid dafür ſchwören, daß dem wirklich ſo ſey, wie ich geſagt habe; es ging nur ſo ein Gerede herum, als ihm die Wunden ausge— waſchen wurden. Indeß laßt uns das Wichtigere nicht vergeſſen. Euch, Frau Agnes, wollt ich zuvörderſt bitten, bei der Ankunft Eures Gemahls Feine unnöthigen. Klagen laut werden zu laffen; es it ja Feine Gefahr vorhanden, darum wäre das Befte, Ihr begebet Euch hinauf, bis wir ihn in fein Gemach gebracht und für die Pflege feiner Wunden das Nöthige beforgt haben.” — „Ihr habt Necht, Ritter Konrad” — fiel der alte Beldner ein; — „kommt Weiber, geleitet mich hinauf. Seht, ſchon beugt dorten der Zug um die Ede des Waldes heranwärtd. Im der Trinkſtube, Herr Vetter, fehen wir Euch und Euere Gefellen wieder 1" — „Wie Ihr es für gut findet, meine Herren” — feufzte Ag— ned, warf woch einen traurigen Blick Durch das Thor und ging mit Sans und Adelheid hinein. Jetzt rollte hohl und Tangfam der Wagen über die Zugbrüde. Geraume Zeit war feit diefen Vorfällen verflofien, die Berwundeten waren durch forgfame Pflege wieder 30
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völlig genefen und Adelheid, die ſich dem tapfern Egmund von Münfheim ob feiner bemährten Berdienfte um den Vater, und wegen feiner Beharrlichfeit in der Minne höchlich verpflichtet fühlte, hatte diefe Doppelte Schuld getreulich mit ihrer Hand abgetragen und war ihm, als feine liebe Hausfrau, hinunter in Das veigend gelegene Wafjerfchloß nach Münfheim gefolgt, wo fte an feiner Seite, ungefährdet von den Stürmen umher, fchon mehrere Monden im wonnigen Lenze des ehelichen Glückes lebte. Mutter Agnes aber theilte ihre Zeit zwifchen den Pflichten auf der Geyeröburg und den erholenden Beſuchen bei Adelheid, und nicht EM luftwandelte auch der alte Veldner an ihrer Seite hinunter zu den glüclichen Enfeln, vermeilte dort den Tag über und fehrte vergnügten Geiſtes Abends wie- der zurüd. "
Sp ſchlich Allen der Winter und ein Theil des Frühjahres 1433 wie ein Tieblicher Traum fehnell da— bin, ald an einem trüben, flürmifchen Apriltag Ritter Kunz binabritt, um feinen Schwiegerfohn Egmund zu einer Gafterei auf die Burg Conrad von Enslingen abzuholen. Auch den alten Hans Veldner auf der Geyersburg hatten mehrere Sreunde an diefem Abend heimgefucht, und fie faßen nach gewohnter Weife in traulicher Auswechſelung der neneften Zeitereigniffe beim labenden Becher. Hans von Stetten, der alte treue Freund, und Frau Agneſens nächfter Verwande ter, ein Herr des Rathes der Stadt Hall und feiner reichen Erfahrungen wegen fehon mehrmals in. wichti-
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gen Angelegenheiten an das KHoflager des Kaiferd Sigis— mund abgeordnet, unterhielt die aufmerffamen Zuhörer über Die bedeutendften Vorfälle in der Stadt, endete aber unter bedenklichem Kopfichütteln Damit, Daß er in Dem DBerfehre Der Gegenpartei und .ihrem ftern heimlichen Zufamnientreten, ſowie aus noch verfchiedenen Anderen Andeutungen irgend einen neuen böslichen An— jchlag muthmaße. Doch ließ er fich nicht weiter her— aus, um der ängftlichen rau Muhme Agnes feine Beranlafjung zur Traurigkeit zu geben und leitete Die Unterhaltung auf andere Gegenftände über. Erſt am
äten Abende machten die Freunde Anftalt zum Auf-
che. Draußen aber ftrömte der Negen in Fluthen herab und der Sturm fauste um Die Mauern Der Burg ; deghalb bot ihnen die forgliche Hausfrau gaſt— liche Nachtherberge an, fie aber wendeten e8 ab, nah— men freundlich dankend Abfchied und trabten von dannen. Noch war Nitter Kunz beim Einbruche Der Dunkelheit nicht zurückgekehrt, und Da Veldner ver- muthete, er möchte, wie er öfter that, bei feinen Kin- dern in Münfheim übernachten, befahl er die Zugbrücke
aufzuziehen und die gewöhnlichen Sicherheitsporfehrungen
zu beobachten. Indeſſen wüthete der Sturm immer
ftärfer, die Fenſter klirrten von dem anpraffelnden
Regen, der Wetterhahn Fnarrte unheimlich vom Ihurme herab und Das Toben Des Kochers und das Ungeſtümm des Eichwaldes hinter der Burg ſchreckten Frau Agnes aus ihrem Schlummer empor. Eben verfündeten ferne Glockenſchläge Die Mitternachtäftunde, als der ſchauer—
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liche Nothruf des Thurmwarts herabtönte. Agnes ftürgte mit der Lampe in das Gemach ihred Schwieger- vaters, der fich bereits vom Lager erhoben hatte, um Kunde über das fehrecliche Getümmel einzuziehen, den auch vom Burghof herauf fchallte Das Sammergefchrei des Gefindes, mit dem durchdringlichen Geheul ver Hunde Einen nächtlichen Ueberfall abnend, Den die ftürmifche Nacht begünftigen Fonnte, fiieß er mit fräf- tiger Fauft den Laden zurück, aber — Frampfhaft fich an dem Flügel des geöffneten Fenfters erhaltend, ftarrte er in jählinger, fchredlicher Ueberraſchung lautlos birraus, und Agnes, betäubt von der blendenden
fcheinung, die fich ihren Blicfen darbot, ſank an je Seite mit dem Silferuf: „Iefus Maria!” befinnungs- 108 zu Boden. Eine Geftalt, wie die der Ahnfrau Bertha, ſchwebte in hellem Lichtglanze an Der Burg— mauer vorüber gegen den Eichwald und zerrann dort im bläulichen Schimmer. Lange ſchon war die Er- ſcheinung verfchwunden, als Agnes mit Hilfe Veldners und einer Dienerin fich wieder erholt. Alle Bewoh— ner der Geyeröburg verfammelten fich um die geliebte Gebieterin und ſtimmten in ihren Erzählungen überein, dag Die Geftalt völlig dem Bilde jener freundlichen Edelfrau, das im Prunfgemache hänge, geglichen, ihre harmvollen Blicke gegen die Stadt gerichtet und, mit den Händen zingend, dahin gedeutet habe. Die uns nennbare Furcht der guten Frau mollte in Der warnen den Ahnfrau ein ihrem Gemahl drohendes Unglück er= kennen und flehte jammernd die Umſtehenden um eilige
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Hilfe an. Der alte Ritter aber vermutbete einen etz neuerten Aufruhr in der Stadt und große Gefahr für feine Freunde, und befahl daher dem Schloßvogt, ſo— gleich zwei Reiſige auffigen zu laffen, um. Kunz und Egmund von der feltfamen Begebenheit auf der Geyers- burg fchleunig zu benachrichtigen. Auch in - Hall wurden am gleichen Tage, bald nach Mitternacht, Die Einwohner Durch ein reges Leben und Treiben auf den Straßen aus der Ruhe gefchredt. Gemappnete Schaaren durchſtreiften Die Gaffen , forderten einander
ie Loſung ab, ertheilten und erhielten Befehle, bes Mc ſich gegenfeitig über den Erfund ihrer Streife und tobten mitunter in grimmigen Worten gegen den nächtlichen Sturm, der mit Steinen und Ziegelftüden ihre Pickelhanben und Harnifche gar unfanft begrüßte, Die, ſchweren Ketten. an Den Aus- und Cingängen der Straßen wurden raffelnd aus den Globen gehoben ‚und.quer über Diefelben ausgefrannt, und an alle Machen der Thore und Ausläſſe ergingen firenge Be— fehle, Niemanden weder ein= noch auszulaſſen. Die Bürger wolten in dieſen geheimnißvollen nächtlichen Anftalten einen Gotteögerichtäfampf auf den grauenden Morgen muthmaßen, Denn jedesmal wurden folche Dorjichte- und Sicherheitöyorfehrungen gegen den ſtö— venden Zudrang des Volkes getroffen. Einzeln fehlichen jich Aichter und Näthe, in ſchwarze Mäntel gehüfft, durch Die graufe Nacht: in das von Söldnern ftarf umftellte, alte und finftere Nathhaus, aus dem um die Dritte Morgenftunde ein Abgeorüneter des Raths
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mit einem Haufen Gewappneter trat: und eilends dem Beldnerthurme in der Schuppach zufchritt, in welchen der erft vor menigen Stunden von der Geyersburg zurücgefehrte Sand von Stetten mit feinem einzigen Junker wohnte. Nach oft wiederholten ftarfen Schlägen an dem wohlserwahrten ftarfen Ihore des Thurmes entriegelte endlich ein Knecht auf: Befehl feines Ge— bieters — welcher, durch den Lärm geweckt, herab— geeilt war und dem Einlaß DBegebrenden, der ihm wichtige Nachrichten zu binterbringen vorgab, an der Stimme und als einen feiner Bartei erfannt —
die kleine Einlaßpforte. Aber mit dieſem drang ungu— haltſam auch die Schaar hinein und umzingelte jählings den alten Ritter. Dem über dieſen ſchmählichen Ver— rath höchſt Ueberraſchten eröffnete nun der Abgeordnete in unfreundlichen, kurzen Worten den Befehl, alſo— gleich vor dem bereits verſammelten Gerichte zu er— ſcheinen, um über einen wichtigen Vorfall Rede zu ſtehen. Nicht achtend der bitteren Schmähreden, Vor— würfe und Einwendungen gegen das gewaltſame Ber fahren, beharrte der Verräther mit Ungeſtümm, auf ſchleuniger Folgeleiſtung, wendete des Alten Begehr, ſeinen Sohn als Begleiter und Beiſtand mitzunehmen, als nicht zuläßig ab und gab Einigen ſeines Gefolges den Befehl, den Junker bis zu abgemachter Sache ſtreng zu bewachen und beſonders wohl darauf zu ſehen, daß weder er, noch einer der Hausgenoſſen durch den geheimen Ausgang entrinne, der durch das Ge— wölbe des zunächſt mit der Stadtmauer verbundenen
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Thurmes hinaus in's Freie führe; denn das alte Ge— ſchlecht der Veldner hatte ſchon in der Vorzeit, nebſt mehreren anderen Freiheiten, auch das Vorrecht einer eigenen Oeffnung aus der Stadt erlangt. Hans von Stetten, ſich keines Frevels, keiner Schuld bewußt, ergab ſich endlich den wiederholten Aufforderungen des Abgeordneten, ließ ſich ſeinen Mantel reichen und — gewarnt, nicht durch Hilferufen den gewiſſen Tod her— beizuführen — folgte er lautlos feinem Führer nad.
Aus den meiften Käufern ſchimmerte ſchwaches Zampenlicht auf Die engen Gaffen herab und verrieth "Die Wachſamkeit der Bürger, deren Viele in der Stille ſich wappneten, um nöthigenfalls gleich bei der Hand zu ſeyn. Die Beherzteren ſchlichen aus ihren Woh— nungen, um bei den Herumwandelnden und Nachbarn Kundſchaft über die nächtliche Unruhe einzuziehen; aber die Anführer der Schaaren riethen den Neugierigen, ſich, nach eines ehrbaren Rathes Willen und Begehr, in ihre Häuſer zurückzuziehen und allda ruhig und ſtill des Weiteren zu harren; denn er, der für die Sicherheit und Ruhe ſeiner lieben Bürger in alle Wege wache und ſorge, ſey gerade jetzt verſammelt, um über ein ſchweres Verbrechen zu richten und da— durch großes Unheil von der Republik abzuwenden. — —
Mehr als vier Jahrhunderte trennen uns jetzt von dem in jener Nacht über Hans von Stetten hereinge— brochenen, furchtbaren Verhängniſſe. Das Blutgericht wurde nicht, wie in früheren Zeiten, öffentlich, ſondern ganz geheim bei verſchloſſenen Thüren gehalten, und
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es bfeibt uns Daher auch Der Gang dieſer VBerhand- fungen in Dunfel gehüllt. Aber nach Der Meberein- flimmung mehrerer bewährter Chronifen wurde Sans von Stetten fälfchlich einer hochverrätberifchen Hand» fung bezüchtigt, Die aber. ver Angeflagte als ſchändliche Berläumdung erklärte und fich erbot, fie vor einem vollen, nicht aber vor einem unvollftändtigen, einfeitigen Gerichte zu widerlegen‘ und feine Un— ſchuld völlig darzuthun ; Denn Das Gericht war nur von feinen Gegnern befeßt und es fehlten fünf Der älteften Richter. Aber, ohne darauf zw achten, wurde die Unterfuchung fortgefeßt: und ihm mehrere Zeugen feiner verbrecherifchen That gegenüber geftellt. Nach kurzer Verhandlung war das DBlutgericht beendigt. Hans von Stetten wurde für fehuldig erklärt, ihm das Todesurtheil angefündigt, und er alfogleich einer Rotte von Söldnern zur Abführung und Bollftrefung deffelben übergeben. Unter fortwährender Bethenerung feiner Unfchuld trat der, Durch fern Mißgeſchick gänz— fich entmuthigte, zitternde Greis aus der Rathsſtube. Noch konnte er nicht an die Möglichkeit eines fo unerhört graufamen Verfahrens glauben, fondern hielt e3 für eine fchrecfende Brüfung der. Todesangft, und darum bat er im Serabfchreiten flehentlich, feinen Sohn oder Einen feines Gefchlechted zu beſchicken, um unter deren Beiftand noch einmal Rede zu ſtehen. Sie aber fchleppten ihn befohlenermaßen eilend und ſchweigend in gepreßter Mitte hinab vor das Rathhaus in einen dichten ‚Kreis von Speeren, allwo fie ihn dem Nach—
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Der Blutakt war vollbracht, und wegen der ſchnellen nächtlichen Vollziehung ohne Störung der Gegenpartei vorbeigegangen. Mit den erſten Strahlen der Morgen— ſonne wurden die Thore der Vorſtädte geöffnet und die Wachen von den TIhürmen- und Mauerumgängen,
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mit Ausnahme weniger Poſten, in die noch verfchloffen gehaltene innere Stadt zurücfgezogen, um fie ald nöthige Derftärfung gegen die möglicherweife jet erſt aus— brechenden Unruhen verwenden zu Fönnen. Nachdem die barfchen Feuerbüchfen- und Armbrufl-Schüßen ab— gezogen waren, wagten fich die Bemohner der Gelbinger Vorſtadt allmälig aus ihren Käufern, um ſich unter einander über die Veranlaffung des nächtlichen Tumults zu befragen, und als fie jo längs der. Gaſſe hinauf, in neugierige Häuflein zufammengedrängt, fich ihre Muthmaßungen mittheilten, da fprengten von . Der Münfheimer Straße herauf durchs äußerfte Thor ſechs Ritter auf braufenden Kengften, gefolgt von Knappen und Knechten, und bahnten ſich kühn ihren Weg durch die Volfsmenge. Den rafchen Lauf ihrer Roſſe end— lich Hemmend, mühten «fie fich im Hinreiten bie und dort, Aufichluß über das feltfame Negen und Treiben einzuziehen, doch vie felbft unfundigen Bürger ver- mochten den eifrig Nachforjchenden feine Auskunft zu geben. Aber bei der St. Iofen= Kapelle fehmetterten jest plöglich Trompeten, und ein Herold auf ſtattlichem Roſſe hielt inmitten eines Volfshaufend, dem eben Die Nitter fich naheten, und verfündigte der aufmerfjam borchenden Menge mit lauter, vernehmlicher Stimme: „Daß ein edler Rath des h. römifchen Reiche freier Stadt Hall, ſtets wachſam für das Wohl feiner guten und getreuen Bürger und Infaßen, ſolchen hiemit Öffentlich fund und zu wiffen thue, mie er ſich, ob— wohl ſchweren Herzens, gemüßigt gefunden, gegen einen
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Hochverräther mit aller Strenge der Geſetze zu ver— fahren. Hand von Stetten, Mitglied des Raths, habe fich ruchlos unterwunden,, feine Burg Sanzenbaäch, innerhalb der Gränzen des freien Gebietes Der Stadt Hall, an eine fremde Serrfchaft, nämlich an Den Grafen von Wirtemberg, zu verfaufen, und zwar, wider fein Gelübde und Eid, und ohne VBormiffen und Berrilligung eines edlen Raths, und feie deßhalb an- geklagt und überwiefen von dem gefammten Gericht einftimmig nach Hecht und Gefeß zum Tod verurtheilt und demnach heute, ihme zur mohlverdienten Strafe, Andern aber zum abicheulichen Erempel, durch Den Nachrichter vor dem Rathhaus vom Leben zum Tode gebracht worden, und verſehe fich ein edler Rath — —“ „Gottes Donner über das giftige Lügengezücht!“ brüllte Ritter Kung dem Herold, ihn unterbrechend, fürchterlich entgegen — „melde Deinem blutaierigen Rathe, daß ich Kunz Veldner, der Geyer von Geyers- burg, ihm der frecheften Lügen bezüchtige, ihm ob feinem jhändlichen Verfahren an meinem Ohm hiemit feind- ich abfage und, wo und wie ich fann, auf allen Wegen zu Schaden fein werde, es fei bei Tag oder Nacht, offen oder heimlich, mit Mord, Brand und Raub? — er fonnte nicht enden, denn es erhob ſich ein allgemeines Geichrei, als der Herold im höchfter Entrüfung fein Gefolge und die Bürger im Namen faiferlicher Majeftät um Hilfe anrief, den zwiefachen Frevler, der e3 wage, fein geheiligtes Amt anzutaften und einen ehrbaren Rath zu befchimpfen, auf ver
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Stelle ala Aufrührer und Lundfriedensbrecher, in ges füngliche Haft zw bringen. Aber gefihügt bon Den rüftigen Kämpen, die, gleich ihm, mit Blißesjchnelle die Roſſe herumgemworfen und in gehöriger Verne ſich gleich vortheilhaft zum Angriff und Vertheidigung auf geftellt Hatten, als’ auch abgefchreeft durch Die gebiete- rifche Stimme Egmunds von Münfheim, der Die Bürger warnte, fich nicht in dieſe Irrung zu mifchen, Die er ohne Schwerdtftreich und Blutvergießen beizulegen ge— meint ſey, verlief fich das Volk, und der Herold, aller Unterſtützung baar, jagte zürnend mit feiner Schaar in die Stadt zurück. Aber auch die Ritter ‚erachteten es für gerathen, fich zurückzuziehen, und es gelang ihnen, den bis zum Wahnſinn aufgereizten Ritter Kunz, der Jogleic) nachjagen und in der wild gährenden, von fremden Söldnern gefchüsten Stadt die Fehde eröffnen wollte, zum Abzuge zu bewegen. In Gelbingen hielten ſie Rath, und es wurde befchloffen, daß Egmund von
Lünfheim und Konrad von Gailenfirchen nah Hall zurücdfehren, über die an ihrem Verwandten verübte Blutthat Nechenfchaft verlangen und ſich mit den Bornehmften ihrer Partei des Meitern berathen follten. Walther Senft, Seinrich Keck und Volk von Roßdorf aber nahmen den rachefchnaubenden Kunz ins Geleite und kehrten mit ihn auf feine Burg zurüd.
Bereits: war e8 Abend geworden und noch immer warteten die Bewohner Der Geyersburg und Die da- felbjt verfammelten Freunde vergebens auf die Ent: wirfelung Der ſchrecklichen Bezebenheit. Während Frau
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Agnes droben im Frauengemach in den Armen ihrer von Münfheim fchleunig herbeigeeilten Tochter Adels . beid lag, die fich erfolglos bemühte, Der tief erſchüt— terten Mutter tröftenden Balfam in das fummererfüllte Herz zu träufeln, faßen die Ritter unten in der Trink: ſtube, ihre anfänglich laute, in Aeußerung der vers fchiedenften Anfichten ſich Fundgebende Unterhaltung war allmählig einer, nur von kurzen, barfchen Wor— ten und Flüchen unterbrochenen Stille gewichen und nur darüber waren Alle einig, daß dad dem Hans von Stetten Schuld gegebene Verbrechen eine teufelt- fche, zu feinem Untergange gefchmiedete Erfindung fey. In fiheinbarer Theilnahmsloſigkeit ſaß Ritter Kunz, den Kopf auf den rechten Arm geftügt, an der Tafel, und nur eim einzigesmal entfuhr ihm im der Ueber- wallung feines Innern eine schreefliche Drohung, Die er mit Hinunterflürzen eines vollen Humpen und deſſen lautem Niederftoßen auf den Tiſch beſiegelte. Der alte Hans Veldner dagegen, der in dem ſchrecklichen Ende ſeines Freundes deutlich genug eine vorher nicht geahnete Ueberlegenheit ſeiner Gegner erkannte, die ihre Unthat in geſetzliche Formen einzuhüllen wußten, wo— gegen ſich im jetzigen Augenblicke Nichts unternehmen ließ, ſah mit Bangigkeit die unheilvollen Folgen vor— aus, die dieſe Begebenheit durch vorſchnelle Einmiſchung und thätliches Verfahren ſeiner Partei nothwendig bringen mußte. Eben ſann er über die wirkſamſten Gegenmittel gegen die drohende Gefahr. nach, und wie er den ſtarren, unbeugfamen Willen ſeines Sohnes zu bejonnenem
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Handeln Hinleiten Fönnte, als der Thurmwart Die An- kunft mehrerer Reiter anmeldete, die auch bald darauf in feierlicher Stille in die Burg einzogen. Unter ernfter Begrüßung traten Egmund und Conrad von Gailen- Eircben «mit noch mehreren befreundeten Kämpen im Die Stube, und indem eriterer fi) gegen Hans Veldner wandte und defien Hand ergriff, Iprach er mit gedämpf- ter, doch fefter Stimme: „Wir fommen oben von feiner Nudeftätte auf St. Jakobs Friedhof ; Diefe Hand, Die in der Eurigen ruht, drüdfte vor wenigen Stunden noch Die Falte Nechte des hingemordeten wadern Ge- fellen, und ich theile Eucb mit dieſem Drucke ſein letz— tes Lebewohl hienieden mit. Gott tröfte feine Seele!” — „Und verdanme feine Henker!" — brüllte Kunz, vor Zorn bleich, Dagegen. „Fandet Ihr ihn ſchuldig?“ — fragte nach eingetretener Stille Hans Veldner mit einem ſchweren Athemzuge, als befürchte er eine Be- jahung. „So wenig Ihr ein neugeborenes Kind einer Sünde zeihen möget, fo wenig ift Hand von Stetten des Frevels fehuldig, wegen deſſen er angeklagt und enthauptet wurde,” — entgegnete bitter Conrad von Sailenfirchen — „unfere fivengften Nachforfchungen vermochten nicht, eine Schuld gegen ihn aufzufinden ; die Knechte und Leibeigenen der Burg Sanzenbach ftehen nach wie vor unyerändert in Dienften und Pflich- ten; ja, felbjt mehrere von denen, Die zu unfern Geg- nerm gehören, haben ihre entfchiedene Mißbilligung über diefe Frevelthat zu erfennen gegeben und die Stimme des Volks hat jich bei der Beerdigung des Gemordeten
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laut genug ausgefprochen. Defmegen find wir feft- entichloffen, Durch den gelehrten Licentiaten der Rechte, Herrn Hand Mangolt, eine, Klage vor des Kaifers Majeftät zu bringen und um unverweilte Unterfuchung und firenge Beftrafung zu Bitten, und wir hoffen, daß auch Ihr, Herr Veldner, und die übrigen bier anwe— fenden Ritter und Sreunde, Euch zu gemeinfchaftlichem Handeln mit und vereinigen werdet.” Unter allge: meinem: Beifalle wurde die getroffene Anordnung ges nehmigt ; nur Kung, dem Diejes friedliche und lang- fame Vorgehen im höchften Grade mißfiel, beharrte trogig auf feiner fchon ausgefprochenen Erklärung öf— fentlicher Abfagung, und weder die Vorftellungen feines Vaters, noch der Freunde dringende Bitten vermochten feinen Starrfinn zu brechen. Unmwillig über den Un- beugfamen, wandten fte fih von ihm ab und überließen es dem erfahrenen Alten, bei günftiger Weile feinen Sohn zu gemäßigteren Gefinnungen binzuleiten. Aber eben fo wenig, wie den Freunden, gelang es dem Va— ter, den harten Sinn Kunzens zu brechen; in vermef- jenem Zone und unter den fehreeflichften Betheuerungen ſchwur diefer, Daß er von num an als abgefagter Feind des Raths von Hall handeln werde, und indem er dad Gemach und Die Burg verließ und in dem hinter der— jelben Tiegenden Fichtenwalde verſchwand, entzog er ſich allen ferneren Einreden.
Don nun an war der Friede und das häußliche Glück von der Geyersburg entwichen. Kunz, feinem Schwure getreu, fuchte und fand leicht Veranlaſſung,
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fich mit den Feinden der Stadt in nah und fern zu verbinden und namentlich den Mitgliedern des Raths allen möglichen Schaden zuzufügen. Nicht das Bitten und Jammern feiner guten Hausfrau Agnes, nicht Die Vorftellungen des Vaters und der Freunde fanden in ber vacbeerfüllten Bruft des Ritters ferner Gehör. Mord, Drand und Beichädigung des Eigenthums feiner ver: baten Gegner bezeichneten feine Ausritte, auf allen Wegen lagerte er mit feinen Genofjen und mußte ge= raume Zeit den Gegenanftalten. der Haller gewandt auszuweichen und Diefelben fogar zu. ihrem eigenen Nachtheil zu menden. Höchſt entrüftet über das Treiben ſeines Sohnes, dem er nicht mehr zu fteuern im Stande war, hatte fich der alte Veldner in die Stadt zurüd- gezogen, um nicht in das vorausftchtliche Unglück ſei— ne8 Haufes mit hineingeftürgt zu werden und zugleich feine Habe fir Die Enfel zu retten ; ſelbſt Frau Agnes gab den DBorftellungen Egmunds und Adelheids end— lich nach, und z0g zu ihren Kindern in das Waſſer— ſchloß Münfheim hinab: denn fehon fehritt der Rath von Hal mit Einziehung aller dem Geyeröburger ge— hörigen Güter, deren man habhaft werden Fonnte, voran und hatte bereits einen ypeinlichen Prozeß bei dem Eaiferlichen Hofgerichte zu Rotweil eingeleitet, Der nothiwendig eine Achtserklärung gegen den Landfrieden- brecher zur Folge haben mußte.
Eines Tages, in derfelben Abendftunde, als Kunz und feine wilden Gefelfen, mit ſchwerem Raube gepackt, eben auf Die Geyersburg zurücffehrten, vitt auch unter
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2 ſtarkem Geleite ein Bote vom Hofgericht zu Rotweil in die Thore Hall's ein, und überbrachte die Urkunde der Achterklärung gegen Ritter Kunz von der Geyers— burg und feine Helfershelfer. Auch rücte in derſelben Nacht noch der Waldbot, dem von Faiferlicher Majeftät die Aufficht über Die Wegelagerer und die Vollziehung der Acht übertragen war, mit einem Haufen Reiter und Bogenfchügen in die Stadt. Aber fafl um die— jelbe Stunde fchlich auch ein Kundfchafter zum Wei— terthor hinaus und nahm feinen Weg längs dem Ko- cberfluffe hinab, um in aller Eile Nachricht von dieſen Dorgängen auf die Geyeröburg zu bringen. Schon war es beinahe Mitternacht,. ald er auf dem fchmalen Fußpfad im DVogelholz an die Stelle gelangte, wo ber Fluß in weitem Bogen fih um den Neuberg herum— krümmt und er die heil erleuchtete, nicht mehr weit entfernte Burg erblidte. Von hier feßte er nun feinen Meg auf der Steige gegen Sülz hinauf fort, und fchlih oben auf befchwerlichen Pfade zmifchen wildem Geftrüppe und Gteingerölle durch den nur ihm und wenigen Getreuen befannten, geheimen Einlaß der in- nern Umfriedung der Burg zu. Hier oben aber berrfchte in dDiefen nächtlichen Stunden die gräulichfte Wirth: fchaft. Unten im Burghof und in der geräumigen Tenne über dem Gewölbe des Thurms, wo früher Frau Agneſens Häuslichkeit mwaltete, der aber nun zum Kerker unglüdlicher Gefangener umgefhhaffen worden war, lagerte bei Fackelſchein das Burggefinde mit den 31
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fremden Knappen und Sinechten, foffen wader drauf [05 und erzählten fich grauenhafte Mähren und voll brachte Bubenftüdfe: oben im PBrunfgemache aber- tha= ten ſich Kung und feine Gefellen in dem erft heute aufgefangenen alten Aheinweine, Der den Herren des Raths zu Hall von Heilbronn herauf zugefendet wor— den war, fo lange gütlich, bis der Geift in den Köpfen der wilden Becher fchredlich zu ſpucken begann und feuerfprübende Blige ihren Augen entfuhren. Als fie fo in unfinnigem Toben binfchwelgten, einander ihre eigenen vollführten Zrevelthaten zubrüfften und dann in muthwilligen Echerzgen und Schmähreden auch über die Ahnherrn herfielen, deren Bilder von den Wänden ernft auf diefes ganze Unweſen berabblickten, und als fie eben den Tugenden der frommen Ahnfrau Bertha, unter Beifallnicken des ausgearteten Enfels, mit grim— migem Lachen Hohn zu ſprechen wagten, da drang des Wächters brüllender Nothruf in ihre Ohren und bewirkte ploͤtzliche Stille in der Trinkſtube und im Burghofe. Alle eilten an die Fenſter und gewahrten im volfeften Lichtglanze fehwebend (dieſe plögliche Er— icheinung hatte den Ruf des Wächters veranlaßt) — die Geftalt der beleidigten Ahnfrau Bertha. Nahe dem Benfter, aus welchem Kunz binausjtarrte, jchwebte die Warnerin, unverwandt die Blicke auf den gefallenen Nachkommen gerichtet und mit drohenden Fingern gen Simmel deutend, bis fie allmählig den Blicken des Erſchrockenen wieder entfchwand. Kunz
483 ” & fanf auf den Steinfig in der Senftervertiefung nieder, fenfte erfchüttert dad Haupt in beide Hände und harrte, gleich feinen Gefellen, eine Weile unbeweglich und Taut- 108; endlich richtete er fich empor und rief mit wuthent- brannten Blicken auf die Anweſenden Diefen zu: „Wehe über Euch ! mwehe über mich! mein Stündlein naht ! Helfe mir Der, an den fie mich wies!" — „Wie, Kung?“ — fchrie Konrad von Thalheim — „Ihr wagt e8, uns, die wir Euch auf Eueren dringlichen Aufruf-gegen die Mörder Hanfens von Stetten Hilfe und Beiftand ge: leiftet haben, Vorwürfe zu machen? verflucht fey Euere Rede!“ „Das Wehe fomme über Dich allein, Undanf: barer!“ — ftimmte Claus von Buchhorn mit ein, und griff nach Helm und Schwerdt — „verdammt ſey Deine Ahnfrau mit fammt ihren Zauberftüclein !C Schnell erhob fich Der ergrimmte Geyer von feinem Site, um diefe Unbilden auf der Stelle thätlich zu rügen, da trat Konrad von Enzlingen befchwichtigend dazwiſchen mit den Worten : „Haltet ein ihr Freunde und lieben Geſellen! wie mögt Ihr gleich fo aufbraufen über ein Wort, Das Angft und Gewiffen dem Herzen erpreßte ? laßt ung einig bleiben, dieß thut uns jetzt vor Allem Noth!“ — Bei der plöblichen Stille, die dieſe Rede be- wirft hatte, wurde ein von befannten Zeichen begleitete: Pochen von den geheimen Einlaffe herauf gehört. Kunz eilte fogleich aus dem Gemache und befahl drohend den Knechten, die fich bei der ſchrecklichen Grfcheinung der Ahnfrau in den Thurm geflüchtet, Die Thüre verrammelt
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und in der lärmenden Unterhaltung das Pochen nicht gehört hatten, Das Pförtchen zu öffnen. Einige der Beherzteften gingen hinaus, dem Befehle zu gehorchen und bald darauf wurde ein Knecht Hang Beldners in das Gemach eingeführt. Stark angegriffen durch feinen fchleunigen Marjch von Hal her, fowie durch die über: rafchende Erfiheinung von der Burg herab, Die auch er geſehen hatte, fprach er mit Angftlicher Stimme zu Kunz: „Gerne möchte ich Euch, geftrenger Herr, einen freund: lichen Gruß bringen, aber da“ — indem er Kunzen ein Brieflein überreichte — „ver Inhalt wird Euch belehren, dag Euch von Stund an Feine freundliche Begrüßung mehr vergönnt ift.“ Raſch entfiegelte der Ritter Das Blatt, das nur die wenigen Worte enthielt: „Kunz, Du bift fammt Deinen Gefellen geächtet, fliehe eilends; nach Mitternacht brechen drei flarfe Haufen gegen Die Geyersburg auf, um Dich zu fangen und das Neft zu zerftören. Es ift das die legte Bitte Deines Vaters. Der barmherzige Gott geleite Dich.“ — Verzweiflung, Wuth und Gewiſſensbiſſe tobten in Kunzens Bruſt; er ließ den Brief fallen, ballte krampfhaft die Fauſt und fihrie unter gewaltigen - Schlägen auf den Tifch, daß die Humpen zufammenflirrten: „Hölle und Verdamm— nig den Mördern! Fluch über mich! o Vater! o Weib! o Kinder! Gott erbarme ſich unfer!“ Mit diefen Wor: ten ftürzte er ermattet auf den Sig zurüd. Auch Kunzens Unglücksgenoſſen ftanden lange, wie vom Donner gerührt, ob der entfeglichen Nachricht da. Der
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Abgejandte ermahnte ſie aber, dem Inhalte des Briefes ohne Auffchub nachzukommen, da der Morgen bald ans brechen, mit dem Ave-Marinläuten die Burg unfehlbar umzingelt feyn werde und dann an fein Entfommen mehr zu denfen ſey. Damit entfernte er fich „weil er“ — wie er noch hinzufügte — „Feine weitere Gemeinschaft mehr mit Geächteten haben wolle, die den Menfchen nur Fluch und Verderben bringe.“
Nachdem die Betroffenen ich von ihrem erften Schre⸗ en in Etwas erholt hatten, gingen ſte mit einander zu Rathe und befchloffen,, die Burg anzuzünden und auf verfchiedenen Wegen Rettung durch die Flucht zu fuchen. Kumz wurde während der Anftalten hiezu von den Fu— rien der Hölle gequält; er war der Lebte, Der Das Haus feiner Väter, den Aufenthalt feines dereinftigen Glüdes, verließ. Noch unter der Thüre wandte er ſich um, nahm feuchten Auges Abfchied von den erzürnten Ahnen, glaubte in den lächelnden Antlige der frommen Bertha die Berficherung der Verzeihung zu lefen, zog dann raffelnd die ſchwere Thüre Hinter fich zu und wanfte deu voranleuchtenden Knechte die Treppe hinunter nach. Durch die fchauerliche Stille im Burghofe, die nur durch das Wiehern der Roſſe und die Befehle der Ritter unterbrochen wurde, tönte von Münfhein herauf das Glöcklein zum Ave-Maria und zu gleicher Zeit fohmetter: ten Zrompetenftöße oben von der Waldſpitze herein, Die jich bald nachher Hart vor dem Thore der Burg wieder:
holten. Eilig hatte der größere Theil der Ritter und
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Knechte den Umgang der Mauern erftiegen, um das Begehren der Angefonmenen zu vernehmen. Nach dem dritten Zeichen rief ein Herold Die Achtserflärung über Kunz Veldner, den Geyer von Geyeröburg, und feine Geſellen aus, und als er feierlich mit fehredlichen Wor— ten endete: „Daß dieſe von Kaiferlicher Majeftät und dem Reiche offenbar Geächteten fürbaß mit ihren Leibern für vogelfrei erklärt und ihre Habe und Güter ohne Gnade der Confiscation verfallen feien, und Niemand ihnen Aufenthalt, Atzung, Trunk, Hilfe oder Troft, weder heimlich noch öffentlich angedeihen Iaffen dürfe, ohne in Die nach des Neiches Nechten beftimmten Strafen zu verfallen“ — da verließen die Knechte und das übrige Burggefinde mit Sammergefchrei die Mauern und begehrten mit Ungeftüm die Deffnung des Thord, um in aller Eile von dannen zu ziehen. Alle Verfuche der Ritter, fie zu einem gemeinfchaftlichen Ausfalle gegen die feindlichen Saufen zu bewegen, waren fruchtlos ; die Zugbrüde mußte herabgelaffen werden, die Reifigen und Fußfnechte ftürmten hinaus und verbanden fich. theils geradezu mit den feindlichen Saufen, theils ſuch— ten fie fih auf Schleichwegen durchzuwinden, over bis zu abgemachter Sache im Walddickicht zu verbergen. — Die Geächteten, fech8 an der Zahl, nebft zwei treuge— bliebenen Knappen, gelobten fich männlichen Beiftand bis in den Tod und trabten dann zwifchen dem Wald und Burggarten bin. Schon graute der Morgen, als fte auf einen Haufen Fußknechte fließen; doch dieſe
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wichen ins Dickicht zurück und verfündeten den auf freiem Felde lauernden Reiſigen die Flucht der Geächte: ten. Der Kampf begann, lange hielt das verzweifelte Häuflein der Aechter Stand, Wunden wurden gefchlagen und empfangen; bald aber waren die Wenigen von alfen Seiten gänzlich umgingelt, wie praffelnder Hagel fielen faufende Schwerdter auf Kung und feine Unglücks— gefährten ein; — noch eine kurze Weile und fein Schwert zifchte mehr, Todtenftille trat ein, denn Kung lag ſammt feinen Gefellen gefchlachtet auf dem Stoppel— felde unmeit des Burggartens. Noch viele Jahre nach: her bezeichneten einige Steinfreuze die Stätte, wo die Raubritter der Geyersburg getödtet wurden.
Indeß waren die Fußfnechte des Waldboten, dem Die Vollziehung der kaiſerlichen Acht oblag, in die verlaffene Burg eingedrungen, fchafften alle Habe heraus, befreiten die Gefangenen, und bald fah man aus dem Thurme eine hochlodernde Flamme emporfteigen, der Eurz nachher — unter dem Jubelgefchrei des lauernden Volkes, das fich auf dem jenfeitigen Bergrücken, wo einft die ſchöne Burg der reichen Erlacher ftand, verfammelt hatte — dag dumpfe Gefrache des einftürzgenden Dachjtuhled und der Gemächer folgte.
Nicht lange nach dieſen Begebenheiten wurde der alte Hans Veldner zu feinen Vätern verfammelt, und mit ihm ftarb der Name der Veldner und Geyer im Kocher: gau aus. Junker Dietrich, der, ehe noch fein Vater
488 dem Mißgefchie verfiel, zu Verwandten nach Branfen gefchiekt wurde, fol fein Gefchlecht Dort fortgepflangt haben. Auch Agnes erlag vor der Zeit dem Kummer, und das Gejchlecht derer von Münfheim — der Nach: fommen Geyerd bon feiner Tochter Adelheid — erlofch im Jahr 1505 mit Ulrich von Münfheim, dem reichen | Ritter und großen Wohlthäter der Armen, der zu Hall bei St. Michael mit Schild und Helm beigefegt wurde.
Drud von Sr. Henne in Stuttgart.
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