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IV 9 — Die Völker des Balkans IV 89 — Die geographischen Bedingungen des westpreußischen Landschaftsbildes IV 102 Dahms: Notizen über fossile Haifischzähne in den Wirtschafts- büchern des Haupthauses des preußischen Ordensstaates I 60 — Kochsalz und Kochsalzgewinnung im preußischen Ordens- staate (2 Fig. im Text) II 15 — Gewinnung und Verwendung von Geschiebeblöcken im Ordensstaate Preußen vor 500 Jahren. Nebst Bemer- kungen über den Fischhof der Marienburg III 58 Dorr: Bericht über die Tätigkeit der Elbinger Altertumsgesell- schaft in den Vereinsjahren 1900 bis 1913 I 6 — Bericht über die Tätigkeit der Elbinger Altertumsgesell- schaft im Vereinsjahr 1913/14 I 73 — Bericht über die Tätigkeit der Elbinger Altertumsgesell- schaft im Vereinsjahr 1914/15 (2 Fig. im Text) ... III 19 Försterling: Über die Reflexionen des Lichts an absorbierenden aktiven Körpern II 87 Lucks; Neue Wege zur Seidenraupenzucht und eigene Versuche und Erfahrungen in Westpreussen (14 Abb. im Text) . IV 23 Schmoeger: Die Aufbereitung von Stroh für menschliche und tierische Ernährung . IV 1 Sommer: Der Anteil der verschiedenen Kulturvölker an der Entwicklung der Mathematik IV 48 Sonntag: Heia, die Frische Nehrung und das Haff. Nach älteren Karten und Nachrichten entwickelungsgeschichtlich be- trachtet (4 Fig. im Text) I 32 Heft Seite Sonntag: Altes und Neues vom diluvialen Thorner Stausee (1 Karte und 3 Fig. im Text) — Die diluvialen Landscliaftsformen Westpreußens und ihre • • Verbreitung (3 Tafeln, 1 Übersichtskarte und 16 Fig. im Text) • — Neue geologische Bilder und Skizzen aus Westpreußen (12 Fig. im Text) Wolff: Entwickelung und Aufgaben der Orthopädie .... Zakrzewski; Fabrikmäßige Herstellung von Eiweiß durch Hefe- züchtung Vorträge: Abdfrhalden: Des Menschen Schicksalsdrüsen Bahn: Unsere schwere Artillerie und ihre Wirkung Barth: Fortschritte in der Kriegschirurgie Böttcher; Unser Militärsanitätswesen im Kriege Braun: Die Völker der Balkanhalbinsel, nach eigenen Beobachtungen . . VON Brunn: Neuere Forschungen über die Natur des Polarlichtes und der erdmagnetischen Störungen Försterling: Neuere Methoden der Drei färben photographie ...... Gläser: Gaskampf und Gasschutz Grammel: Der Kreisel Grundel: Die Herstellung von Kupferdraht-, Starkstrom- und Fernsprech- Kabeln ... Besse: Inzucht und Vererbung Krüger: Die höchsten und tiefsten Temperaturen — Neuere Forschungen aut dem Gebiete der Röntgenstrahlen . . . . — Über die Mechanik der Atome und Moleküle Kumai: Westpreußens Kultur um die Mitte des ersten vorchristlichen Jahr- tausends Lakoavitz: Durch Rußland zu den Petroleumquellen von Baku am Kaspischen Meer — Reisebilder aus Spanien — Lebenswunder in der Natur — Aus dem Gebiete der Technik, besonders der Elektrotechnik . . . — Aus der spanischen Sierra Nevada . — Konstantinopel, der Bosporus und die Dardanellen — Aus dem Lande der siebenbürgischen Sachsen — Eine Wanderfahrt über die Kurische Nehrung von Kranz bis Memel Lentz: Physiologische Entwickelungsschwankungen im Jugendalter . . . Lindner: Fettbildende Kleinwesen aus dem Tier- und Pflanzenreich . . . Lohrenz: Ballistik. Physikalische Grundlagen der Lehre vom Schuß . . — Luftverflüssigung und Sauerstofigewinnung Lucks: Neue Wege der Seidenraupenzucht und eigene Versuche und Er- fahrungen in Westpreußen VON Luschan: Die Einheit des Menschengeschlechts Marckwald: Die Lehre vom Atomzerfall der radioaktiven Elemente . . . Martini: Krankheitsübertragung durch Insekten — • Zellkonstanz, der Höhepunkt geordneter Zustände im Zellstaat . . . 11 66 111 1 IV 67 11 1 III 49 Heft Seite IV XIV II XXII III IX I XX IV X I XV III XII IV XVI III XI I XXV I XVIII I XXI n XIH III XIV IV XIII I XX I XXV I XXV I XXV III XVIII III XXII III XXIV IV XVIII I XX III XIX II XVI III XX IV XVI I XXII III XXII HI XVI III XXI IX Heft Seite Meyer: Entwickelung des Geistes, 1. Geistesformen I XVI Münch: Das veränderliche Bild in der Geometrie II XVIII Nagelschmidt: Die Chemie des Steinkohlengases I XXI Nahm; Ostpreußen, das Land des Bernsteins, des Elches und der Seen . . II XXII Flank: Die Kälteindustrie und ihre Bedeutung im Kriege II XXII Prehn: Der englische Aushungerungsplan und unsere Gegenwehr .... II XXII Rössler: Die Technik und der Krieg II XXII Rubner: Moderne Ernährungstheorien und der Krieg IV XVIII Schaeffer: Einige kriegschirurgische Erfahrungen an verschiedenen Front- abschnitten des deutschen Ostheeres II XX ScHMOEGER: Die Aufbereitung von Stroh für menschliche und tierische Er- nährung IV XIII Schwer: Unsere Freunde in der Bakterienwelt II XIV — Immunität, Schutzimpfung und Serumbehandlung IV X Siebenfreünd : Autotypie und Dreifarbendruck I XIII Sonntag: Die diluvialen Landschaftsforraen Westpreußens und ihre Ver- breitung III XVIII — Über einige neue Oser in Westpreußen und die „Porta cassubica“ . IV XIV — Neue geologische Bilder und Skizzen aus Westpreußen IV XVII Stremme: Der Mensch des Eiszeitalters ... II XIII Thienemann: Die neuesten Ergebnisse des Vogelberingungsversuches ... II XIX Vogel: Fortschritte und Probleme der Bodenbakteriologie I XII AVallenberg: Über die Entwickelung des Zentralnervensystems in der Wirbel- tierreihe I XIII — Elemente des Nervensystems und ihre Verbindungen II XI Wangerin: Der Kampf um das Dasein im Pflanzenreich IV VIII Wegener: Ethnologische und kulturgeschichtliche Bilder von asiatischen Fürstenhöfen I XXI V' V, Wilamowitz-Möllendorff: Die Griechen und die Naturwissenschaften . I XXII Wohl: Über Spreng- und Schießmittel III XVII WoLFF: Entwickelung und Aufgaben der Orthopädie II XVIII — Neuere Anschauungen über die Bedingungen der Entwickelung vor der Geburt, beim Menschen und beim Säugetier III XI Wreszinski: Die altägyptischen Grabgemälde IV XVIII Zakrzewski: Fabrikmäßige Herstellung von Eiweiß durch Hefezüchtung , III XXII SCHRIFTEN DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT IN DANZIG. 9 1927 lONAt« NEUE FOLGE. VIERZEHNTEN BANDES ERSTES HEFT. (MIT 7 ABB.IM TEXT.) MIT UNTERSTÜTZUNG DES WESTPR. PROVINZIAL-LANDTAGES HERAUSGEGEBEN. DANZIG 1915. KOMMISSIONS-VERLAG VON R. FRIEDLÄNDER & SOHN IN BERLIN NW. 6, KARLSTR 11. V. Bitte die 4. Seite dieses Umschlages zu beachten. SCHRIFTEN DER IN DANZIG. NEUE FOLGE. VIERZEHNTEN BANDES ERSTES HEFT. (MIT 7 ABB. IM TEXT.) MIT UNTERSTÜTZUNG DES WESTPR. PROVINZIAL-LANDTAGES HERAUSGEGEBEN. DANZIG 1915. KOMMISSIONS-VERLAG VON R. FRIED LÄNDER & SOHN IN BERLIN NW. ß, KARLSTR. 11. Druck von A. W. Kafemanii g. m. b. H. in Danzig. Inhalt. 1. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft für 1914 . 2. Bericht über die Ordentlichen Sitzungen und anderweitigen Veranstaltungen der Gesellschaft im Jahre 1914 Vogel: Fortschritte und Probleme der Bodenbakteriologie XII; Sieben- freund: Autotypie und Dreifarbendruck XIII; Wallenberg: Über die Entwickelung des Zentralnervensystems in der Wirbeltierreihe XIII; VON Brunn: Neuere Forschungen über die Natur des Polarlichtes und der erdmagnetischen Störungen XV'; Meyer: Entwickelung des Geistes, 1. Geistesformen XVI; Hesse: Inzuclit und Vererbung XVIII; Lentz; PhysiologischeEntwickelungsschwankungen im Jugendalter XX; Böttcher: Unser Militärsanitätswesen im Kriege XX; Nagelschmidt: Die Chemie des Steinkohlengases XXI; Krüger: Die höchsten und tiefsten Tempera- turen XXI; VON Luschan: Die Einheit des Menschengeschlechts XXII; YON Wilamowmtz-Moellendorff: Die Griechen und die Naturwissen- schaften XXII; Wegener: Ethnologische und kulturgeschichtliche Bilder von asiatischen Fürstenhöfen XXIV; Lakowitz: Durch Rußland zu den Petroleumquellen von Baku am Kaspischen Meer XXIV; Gründel: Die Herstellung von Kupferdraht-, Starkstrom- und Fernsprech-Kabeln XXV; Lakowitz: Reisebilder aus Spanien XXV; Lakowitz: Lebenswunder in der Natur XXV; Lakowitz: Aus dem Gebiet der Technik, besonders der Elektrotechnik XXV. 3. Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1914 be- handelten Gegenstände 4. Jahresbericht über die Sitzungen der medizinischen Sektion im Jahre 1914 5. Bericht über die Sitzungen der Anthropologischen Sektion im Jahre 1914 6. Jahresbericht des Westpreußischen Vereins für öffentliche Ge» sundheitspflege für das Jahr 1914 7. Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des Westpreußischen Fischereivereins im Jahre 1914 Seite I XII XXVI XXVIII XXXII XXXIII XXXIV Abhandlungen. Seite 8. Über die Hexenbesen der Edeltanne. Mit 2 Abbildungen im Text. Vom Geheimen Studienrat Prof. Dr. Bail -Danzig 1 9. Bericht über die Tätigkeit der Elbinger Altertumsgesellschaft in den Vereinsjahren 1900 bis 1913. Von Prof. Dr. R. Dorr- Elbing . . 6 10. Heia, die Frische Nehrung und das Half. Nach älteren Karten und Nachrichten entwickelungsgeschichtlich betrachtet. Mit 4 Figuren im Text. Von Prof. Dr. P. Sonntag- Danzig . . . , 32 11. Notizen über fossile Hailischzähne in den Wirtschaftsbüchern des " Haupthauses des preußischen Ordensstaates. Von Dr. P. Dahms- Zoppot a. d Ostsee 60 12. Bericht über die Tätigkeit der Elbinger Altertumsgesellschaft im Ver- einsjahr 1913/14. Von Prof. Dr. R. DoRR-Elbing . 73 13. Vom Graudenzer Becken. Mit 1 Abbildung im Text. Von Prof. F. Braun- Graudenz . 95 Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig für 1914. Erstattet von ihrem Direktor, Professor Dr. LAKOWITZ, in der Sitzung vom 6. Januar 1915, am Tage des 172jährigen Bestehens der Gesellschaft Öehr geehrte Herren! Friedensarbeit ist das Tun und Schaffen unserer Naturforschenden Gesellschaft, und nur in Zeiten des Friedens kann diese Arbeit gedeihen, das innere Leben unserer Vereinigung sich weiter entwickeln. Kein Wunder, daß der durch Rachsucht, Neid, Krämergeist und Raubgier von Deutschlands Feinden herauf beschworene gegenwärtige Weltbrand wie rings- um im weiten deutschen Reich so auch in unserem engen Kreise Hemmungen aller Art hervorgerufen hat. Einen Grund zu lauter Klage haben wir aller- dings nicht, und froh und stolz können wir sein, daß es dem heldenmütigen deutschen Heere gelungen ist, unser heimatliches Gebiet vor dem Wüten der Kriegsfurie zu bewahren. Ist das Interesse Aller naturgemäß diesem wilden Völkerringen und die Anspannung der Kräfte dem Erzwingen eines durchgreifenden Sieges zugekehrt, so ist doch noch Raum für ein Interesse an friedlichem Tun im allgemeinen vorhanden, und unsere Gesellschaft im besonderen konnte sich der Pflege der Wissenschaft fast ungestört weiter nach Kräften widmen. Wird es meine Hauptaufgabe sein, hierüber für das nunmehr verflossene Jahr, das I72ste seit der Begründung der Gesellschaft, zu berichten, so ist zunächst ein Überblick über die Bewegung innerhalb unseres Mitglieder- bestandes erwünscht. Der unerbittliche Tod schritt durch unsere Reihen und raubte wackere Mitarbeiter und Freunde. Dem engen Kreise des Vorstandes wurde zu Anfang November Professor Max Hess im verhältnismäßig frühen Lebensalter von 55 Jahren entrissen. In Danzig geboren und vorgebildet, studierte Hess in Halle und Berlin 1 Sehr. d. N. G. za Danzig. Bd. XIV, Heft 1. II Mathematik und Naturwissenschaften, begann nach bestandenen Prüfungen seine Lehrtätigkeit am Städtischen Gymnasium und setzte sie als Oberlehrer am Realgymnasium zu St. Johann hier bis zu seiner schweren Erkrankung im vorigen Jahre fort. Eine große Zahl dankbarer Schüler, die ihm auch über die Schule hinaus nahestanden, trauern um den erfolgreichen Lehrer. Bei seinen vielseitigen Interessen betätigte sich Hess über den Rahmen der Schule hinaus im öffentlichen und Vereins-Leben seiner Vaterstadt. Unserer Gesellschaft gehörte er seit 1891 als regsames Mitglied an und bekundete in den allgemeinen und in den Sektionssitzungen durch Vorträge seine wissen- schaftlichen Neigungen. — Im Jahre 1910 zum Bibliothekar erwählt, verwaltete Hess seitdem unsere umfangreiche Bücherei; während dieser Zeit konnte das dritte Heft des Bibliothekkataloges (die periodischen Schriften enthaltend) herausgegeben werden. Wir trauern um den Verlust dieses tätigen Mitarbeiters, dessen frisches, echt deutsches Wesen ihm viele Freunde erworben hatte. Von Korrespondierenden Mitgliedern starb im Juni Dr. Klunzinger, Professor a. D. an der Kgl. Technischen Hochschule in Stuttgart. Ursprüng- lich Mediziner, wandte Klunzinger sich frühzeitig der wissenschaftlichen Zoologie zu, erwarb durch eine große Reise nach Ägypten 1862 — 63, durch mehrjährigen Aufenthalt als Sanitätsarzt in Kosseir am Roten Meer 1863 — 69 und 1872 — 75 umfangreiche zoologische Sammlungen, auf Grund derer er bedeutsame Werke zoologischen und ethnographischen Inhaltes verfaßte. Von 1884 — 1900 wirkte Klunzinger an der Technischen Hochschule in Stuttgarts Reichhaltig und wertvoll war seine literarische Tätigkeit. Seine Hauptwerke sind: „Synopsis der Fische des Roten Meeres“, „Die Korallen des Roten Meeres“, „Die Krabben des Roten Meeres“, „Bilder aus Oberägypten, der Wüste und dem Roten Meere“. Auch dem Bodensee und seiner Fischfauna widmete er seine Arbeitskraft, größere und kleinere Aufsätze aus dem Gebiet der Zoologie und Ethnographie folgten. Seit 1875 Korrespondierendes Mitglied unserer Gesell- schaft, hat Klunzinger Proben seiner zahlreichen Schriften regelmäßig unserer Büchersammlung zugeführt und wissenschaftliche Anregung in unseren Kreis hineingetragen. Dem bis in sein hohes Alter von 80 Jahren rastlos tätigen Forscher und Förderer der Wissenschaft wird unsere Gesellschaft ein treues Gedenken bewahren. Noch ein zweites Korrespondierendes Mitglied ist im Berichtsjahr unserer Gesellschaft durch den Tod entrissen worden. Im März starb kurz nach der Vollendung des 70. Lebensjahres in Berlin Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Magnus. Als Botaniker ist der Verstorbene im Gebiete der Kryptogamenforschung eine anerkannte Autorität gewesen. Anfang der 70er Jahre begleitete er die von der Preußischen Staatsregierung ausgerüstete Untersuchungsfahrt auf der „Pommerania“ zur Feststellung der biologischen Verhältnisse der Ostsee und berichtete darüber. Bei dieser Gelegenheit kam er zum ersten Mal mit unserer Gesellschaft in persönliche Berührung, danach vor allem bei Gelegenheit des 150jährigen III Stiftungsfestes unserer Gesellschaft im Jahre 1893. Die Ergebnisse seiner Studien land- und forstwirtschaftlich bedeutungsvoller niederer Pilzformen sind Ton hohem Werte in theoretischer wie praktischer Hinsicht. Unserer Gesell- schaft gehörte der Verstorbene seit 1893 an; seine zahlreichen uns über- wiesenen Veröffentlichungen stellen eine beachtenswerte Bereicherung unserer Büchersammlung dar. Wir beklagen den Tod des Seniors der Danziger Ärzteschaft, den stets hilfs- « bereiten Förderer verschiedener Wohltätigkeitsunternehmungen, Geh. Sanitäts- rat Dr. Wallenberg, der seit 1865 unserer Gesellschaft als tätiges Mitglied angehört hat und trauern um den Hingang der Mitglieder: Domänenpächter Hartingk- Bielawken bei Kelplin, Apotheker Hüge- Berlin, Kammergerichts- Senatspräsident Roepell - Berlin, Zivilingenieur Leonhardt, Dr. Willy Lietzau, Professor Lukat, Rentier Petermann, Apothekenbesitzer Scheller, Hauptmann Wagener, sämtlich in Danzig und regelmäßig erscheinende Besucher unserer wissenschaftlichen Sitzungen. — Hauptmann Wagener, Ritter des Eisernen Kreuzes, starb den Heldentod auf dem Schlachtfelde. Noch in den letzten Tagen des Dezember kam die Trauerkunde von dem Ableben des seit einigen Jahren Auswärtigen Mitgliedes Professor E. Schumann in Zoppot, früher Oberlehrer am Realgymnasium zu St. Johann in Danzig und seit 1868 Mitglied unserer Gesellschaft. Er gehörte zu den tätigsten Mitarbeitern — sein spezielles Arbeitsgebiet bildeten die Conchylien Westpreußens — , trat durch Vorträge in den allgemeinen Sitzungen und in den Sektionen vornehmlich in früheren Jahren vor seiner Pensionierung hervor und hat sich den dauernden Dank der Gesellschaft durch die umfassende Bearbeitung der „Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig 1743 — 1892“ erworben. Diese Arbeit ist als Festschrift zur Feier des 150jährigen Bestehens der Gesellschaft und als 2. Heft des VIII. Bandes unserer ,, Schriften“ 1893 erschienen und ein zuverlässiges Nachschlagewerk in allen Fragen des inneren Lebens unserer Gesellschaft geworden. Die Zahl der dahingeschiedenen Mitglieder ist im Berichtsjahr verhältnis- mäßig hoch. Schwer wird es sein, die entstandenen Lücken auszufüllen. Das Andenken der Getreuen lassen Sie uns an dieser Stelle durch Erheben von den Sitzen ehren. (Es geschieht!) Der Mitgliederbestand ist trotz dieser Verluste infolge Neueintritts ziemlich unverändert geblieben. Es sind jetzt 5 Ehrenmitglieder gegen 6 ZU Ende 1913 und 6 ZU Ln de 1912, „ 46 Korresp. Mitgl. „ 49 77 77 77 „ 48 77 77 77 ,, 417 Einheim. Mitgl. „ 425 77 77 77 „ 400 7? 77 77 ,, 142 Auswärt. Mitgl. „ 131 77 77 77 „ 131 77 77 77 Die Gesamtzahl der Mitglieder beträgt hiernach zu Ende 1914: 610 gegen 610 zu Ende 1913 und 580 zu die der zahlend. Mitgl.jetzt 559 ,, 556 „ ,, ,, ,, 531 ,, Ende 1912, 1* 77 77 IV Hiernach ist der zu Ende des Berichtsjahres 1913 erhoffte Zuwachs im Bestände der Mitglieder leider nicht eingetreten. Einem infolge des Krieges zu befürchtenden Rückschritt vorzubeugen, wird es in Zukunft erhöhter Auf- merksamkeit bedürfen. Die Mithilfe, der geehrten Mitglieder hierbei sei dringend erbeten. Die Erhöhung der Einnahmen aus den jährlichen Mitglieder- beiträgen ist gegenwärtig der einzige Posten in unserm Etat, der eine Steigerung zuläßt. Und diese Steigerung ist nötig, da hiervon die Herausgabe unserer „Schriften“ bei den von Jahr zu Jahr gesteigerten Herstellungskosten abhängt. Mit dem Danke des Vorstandes für alle bisherigen erfolgreichen Bemühungen, neue Mitglieder unserer Gesellschaft zuzuführen, sei die erneute Bitte um weitere Werbung verbunden. Von Korrespondierenden Mitgliedern feierten Geh. Bergrat Prof. Dr. BRANCA-Berlin seinen 70. Geburtstag, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Wittmack- Berlin den 75. Geburtstag und Wirkl. Geh. Rat Prof. Dr. HÄCKEL-Jena seinen 80. Geburtstag. Den drei Jubilaren, die seit Jahrzehnten mit uns verbunden sind, wurden die Glückwünsche seitens der Gesellschaft zu den seltenen Festtagen übermittelt. Von wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Gesellschaft ist im Berichts- jahr das 22 Druckbogen starke Doppelheft 3 und 4 des XIII. Bandes der „Schriften“ erschienen und den Mitgliedern zugestellt. Es enthält in dem römisch paginierten Teil Seite I — CIV die Jahresberichte des Direktors und der Vorstände der Sektionen für die Jahre 1912 und 1913, die Berichte über die Ordentlichen Sitzungen in denselben Jahren, ein Verzeichnis der in den Jahren 1911 — 13 durch Tausch, Schenkung und Kauf für die Bücherei neu- erworbenen Druckschriften, ein vollständiges Mitgliederverzeichnis vom 1. Mai 1914, die Jahresrechnung der Gesellschaft für 1913 und eine Übersicht über den Vermögensstand vom 1. Januar 1914. In den arabisch paginierten Teil ,,Abhandlungen‘‘ Seite 1 — 243 sind aufgenommen zwei Arbeiten von Prof. Dr. DAHMS-Zoppot: ,, Mineralogische Untersuchungen über Bernstein‘‘ Teil X: ,,Über geschichteten und achatartigen Succinit'* mit 8 Figuren, und Teil XI: ,, Verwitterungsvorgänge von Bernstein“ mit 12 Figuren; ferner eine Abhandlung von Dr. HERRMANN-Berlin (jetzt Argentinien): ,,Die Rhinozerosarten des west- preußischen Diluviums. Morphologisch-anatomische und biologische Unter- suchungen“, mit 1 Karte, 4 Tabellen, 2 Tafeln und 21 Textfiguren; von Prof. Dr. RuFF-Danzig: ,,Über die Radioaktivität der Danziger Wässer“; von Prof Dr. SoNNTAG-Danzig: ,,Die Urstromtäler des unteren Weichselgebietes“; von Prof. Dr. WoLFF-Berlin : ,,Die geologische Entwicklung Westpreußens“. Die Drucklegung des 1. Heftes von Band XIV der ,, Schriften“ befindet sich in der Vorbereitung, dank der unermüdlichen Tätigkeit des Herrn Prof. Dr. Dahms. Es sind bis jetzt folgende Arbeiten aufgenommen: 1. Geh. Rat Prof. Dr. Bail; ,,Über die Hexenbesen der Edeltanne“, mit 2 Abbildungen im Text, 2. Prof. Dr. Dorr: ,, Bericht über die Tätigkeit der Elbinger Alter- tumsgesellschaft in den Jahren 1900 — 1913“, 3. Prof. Dr. Sonntag: ,,Hela, V die frische Nehrung und das Haff, nach älteren Karten und entwicklungs» geschichtlich betrachtet^‘, mit 4 Abbildungen im Text, 4. Prof. Dr. Dahms: ,, Notizen über fossile Haifischzähne in den Wirtschaftsbüchern des Haupthauses des preußischen Ordensstaates‘‘. Wissenschaftliche Vorträge wurden von acht unserer Mitglieder und von drei auswärtigen Gästen in 10 ordentlichen Sitzungen gehalten, wobei die Gebiete der Biologie, Chemie und Physik in ihren neuesten Ergebnissen den reichen Yortragsstoff darboten. Außerdem fanden noch zwei populärwissen- schaftliche Vorträge im erweiterten Kreise der Gesellschaftt statt. Bei dieser Gelegenheit hatten wir den Vorzug, am 3. Januar Herrn Geh. Reg. -Bat Prof. Dr. VON LusCHAN-Berlin und am 31. Januar S. Exzellenz WirklichenGeh, Rat Prof. Dr. V. WiLAMOwiTZ-MÖLLENDORFF-Berlin als Vortragsgäste zu begrüßen. Uber die Themen der Vortragsdarbietungen im ganzen Jahr berichtet noch im einzelnen der Sekretär für die inneren Angelegenheiten, Herr Prof, Dr. Wallenberg. Außerdem ergingen wiederholt Einladungen an die Mitglieder unserer Gesellschaft zu Vorträgen des Westpreußischen Bezirks Vereins deutscher Ingenieure und des Westpreußischen Botanisch-Zoologischen Vereins ^), denen gern Folge gegeben wurde. Weitere wissenschaftliche Anregungen boten die Sektionen unserer Gesell- schaft, worüber die hier nachfolgenden Einzelberichte der Herren Vorsitzenden der Sektionen genauere Mitteilungen bringen. In 2 Vorstandssitzungen und in 4 Außerordentlichen Sitzungen der Mitglieder konnten die geschäftlichen Angelegenheiten erledigt werden. Genauere Angaben hierüber folgen noch an passender Stelle. Aus Anlaß unserer öffentlichen Vorträge war unsere Gesellschaft in früheren Jahren und auch 1914 wiederholt Gast in der Königlichen Technischen Hoch- schule hier, und die guten Beziehungen zu dem Lehrkörper der Hochschule fanden weitere erfreuliche Pflege. So nahm Berichterstatter gern die Gelegen- heit wahr, am 6. Oktober im Namen der Gesellschaft die Hochschule zu ihrem nunmehr zehnjährigen Bestehen zu beglückwünschen. Das Schreiben lautete: „Euer Magnifizenz bittet der Unterzeichnete ganz ergebenst, der Königlichen Technischen Hochschule zu Danzig aus Anlaß ihres zehnjährigen Bestehens warm empfundene Glückwünsche der Naturforschenden Gesellschaft hier über- mitteln zu dürfen. Bei der Eröffnungsfeier am 6. Oktober 1904 hat S. Ma- jestät unser Kaiser die Hochschule als die Stätte bezeichnet, von der deutsche Wissenschaft, deutsche Arbeitsamkeit und deutscher Geist anregend, fördernd und befruchtend in die Lande sich ergießen sollen. Freudig wird heute jeder bekennen, daß die Danziger Hochschule dieser ihr gestellten Aufgabe in voll- 9 Dr, BECK-Berlin: Über flammenlose V^erbrennung (12. Y. 14), 2) Vorführung wissenschaftlicher Kinofilms: „Lebenswunder in der Natur“, erläutert durch Prof. Dr. Lakowitz (18. lY. 14). — Prof. Dr. Lakowitz, Reisebilder ans Spanien, Yereinsexkursion 1914. (27. XI. 14.) VI kommenem Maße gerecht geworden ist. Reicher Dank hierfür erwächst dem rastlos tätigen Lehrkörper der Hochschule in Land und Stadt. Dieses auch zu ihrem Teil aus eigener wohltuender Erfahrung bestätigen zu können und ihren besonderen Dank für die vielen wissenschaftlichen Anregungen nunmehr aussprechen zu dürfen, ist unserer Naturforschenden Gesellschaft eine hohe Ehre. Ein Vivat, Crescat, Floreat der Hochschule zu Danzig für alle Zeiten.“ Es erfolgte hierauf am 7. Oktober der Gegengruß durch S. Magnifizenz, Herrn Prof. Dr. Wohl, folgenden Inhalts: Für die liebenswürdigen Glück- wünsche, die uns die Naturforschende Gesellschaft zum Gedenktage der Er- öffnungsfeier vom 6. Oktober 1904 ausgesprochen hat, bringe ich den herz- lichen Dank der Hochschule zum Ausdruck, und den aufrichtigen Wunsch auf ein weiteres und fruchtbares Nebeneinanderarbeiten mit der altehrwürdigen Gesell- schaft, die so lange schon sich als Pflegestätte der Wissenschaft im Osten betätigt. Noch in ruhiger Zeit konnte die Königliche Polizeiverwaltung hier ihr lOOjähriges Bestehen am 21. Februar durch einen Festakt und eine abendliche festliche Veranstaltung feiern, und Berichterstatter, an den eine Einladung ergangen war, überbrachte Herrn Polizei-Präsident Oberregierungsrat Wessel, unserem langjährigen Mitgliede, die Grüße und Glückwünsche unserer Gesellschaft. Das 80. Stiftungsfest feierte am 1. Februar der Danziger Lehrerverein, aus welchem Anlaß nach erfolgter Einladung Berichterstatter gleichfalls die Grüße der Gesellschaft und Glückwünsche dem rührigen Verein und seiner Leitung übermittelte. In den Tagen vom 20. — 26. Juni fand die großartige Veranstaltung des Ostmarkenfluges statt, in deren Ehrenausschuß der Direktor der Naturforschenden Gesellschaft gewählt war. Nach einem Rundflug von Breslau über Posen und Königsberg landeten am 25. Juni auf dem großen Exzerzierplatz bei Hochstrieß 22 Flieger. Tags darauf stiegen 24 Flieger zu einem sogenannten Aufklärungs- flug auf und kehrten über Graudenz an demselben Vormittag nach Danzig zurück. Der Militärluftkreuzer Z. 4 zeigte sich über der Stadt. Alles in allem ein seltenes Schauspiel mit tiefer Bedeutung, ohne den geringsten Unfall, ein Meisterstück planmäßiger Organisationskunst, wozu wir dem Spiritus rektor des Ganzen, unserem Mitgliede Herrn Geh. Reg.-Rat Prof. Schütte, auch an dieser Stelle unseren Glückwunsch noch nachträglich aussprechen möchten. Von auswärtigen Vereinen, die mit unserer Gesellschaft in Schriftenaus- tausch stehen, beging am 6. März der Naturwissenschaftliche Verein in Karls- ruhe sein öOjähriges Bestehen. Die kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien zeigte den Tod ihres Präsidenten S. Exzellenz Dr. E. Ritter von Böhm-Bawerk, die Kgl. Ungarische Ornithologische Zentrale in Budapest den Tod ihres Präsidenten Otto Herman an. In allen Fällen wurde die Teil- nahme unserer Gesellschaft schriftlich zum Ausdruck gebracht, wie überhaupt die Beziehungen zu den auswärtigen Instituten und Vereinen durch den Sekretär für die äußeren Angelegenheiten, Herrn Prof. Dr. Kumm, und den Direktor weitergepflegt wurden. VII Die reichen Bestände unserer Bibliothek fanden infolge des beträcht- lichen Tauschverkehrs mit auswärtigen Akademien, wissenschaftlichen Vereinen und Instituten des In- und Auslandes ihren — durch den Krieg allerdings merklich beschränkten — Zuwachs. Eine Erweiterung erfuhr dieser Schriften- austauschverkehr im Betriebsjahre nicht. Dagegen erfolgten reiche Geschenke an die Bücherei. Durch gütige Vermittlung Sr. Exzellenz von Jagow, Ober- präsidenten von Westpreußen, überwies der Herr Minister der geistlichen und ünterrichtsangelegenheiten ein Exemplar der deutschen Ausgabe der Werke Friedrich des Großen, bearbeitet von VoLZ, in 10 glänzend ausgestatteten Bänden. Vom Kgl, Preußischen Landwirtschafts-Ministerium trafen wie alljährlich die wertvollen Landwirtschaftlichen Jahrbücher und umfangreiche Sonder- publikationen ein. Gebührender Dank wurde hierfür abgestattet, desgleichen den Verfassern naturwissenschaftlicher Werke, sowie Freunden und Gönnern unserer Gesellschaft, durch die gleichfalls Wertvolles an die Bibliothek über- ging. Es sind zu nennen die Herren Kommerzienrat Behnke, Prof. Fr. Braun, Prof. Förster, Dr. Hesse, Prof. Janet, Geh. Bergrat Jentzsch, Dr. Nitardy. Für Förderung der wissenschaftlichen Tätigkeit etlicher Mitglieder wurden auf deren Antrag einzelne Druckschriften gekauft und auch wie bisher der Bezug wissenschaftlicher Zeitschriften in vollem Umfang aufrecht erhalten. Die Benutzung der Büchersammlung und des mit ihr verbundenen Lese- zimmers wie auch des Journallesezirkels (für wissenschaftliche Zeitschriften) bewegt sich denn auch in erfreulichen Bahnen. Leider hat die Bibliothek ihren Verwalter durch den Tod des Herrn Prof. Hess verloren. Es besteht die berechtigte Hoffnung, daß sein Nachfolger, Herr Prof. Dahms, sich in gleich liebevoller Weise seiner Aufgabe widmen wird. Hervorzuheben ist noch, daß 1914 das lang ersehnte 3. Heft des Bibliothekskataloges, das die in unserer Büchersammlung vorhandenen periodischen Schriften enthält, heraus- gegeben werden konnte. Mit bibliothekarischen Arbeiten Vertraute werden die geleistete Arbeit richtig einzuschätzen wissen. Bei der Neuordnung, Neuauf- stellung und Aufnahme der hier in Rede stehenden Druckschriften hat außer dem Bibliothekar und der ihm beigegebenen Schreibhilfe besondersHerr cand. ing. jetzt Diplom-ingenieur Rabe Hervorrangendes geleistet. Herr Dr. La Baume über- nahm die mühevolle Arbeit der Sichtung des Zettelkataloges und die Vorarbeiten für die Drucklegung. Allen Beteiligten sei der Dank der Gesellschaft ausgesprochen. Von dem neuen Katalog der Bibliothek sind bis jetzt im Drucke herausgegeben die Abteilungen Mathematik und Astronomie (Heft 1), Meteorologie und Physik (Heft 2), und nun Zeitschriften und Gesellschaftsschriften (Heft 3). Alle drei Hefte stehen auf Wunsch den Mitgliedern unentgeltlich zur Verfügung. In unserer Sternwarte konnten auch im verflossenen Jahre praktische Arbeiten nicht zur Ausführung gelangen aus den bekannten Gründen, die den Plan eines Sternwarteneubaues außerhalb des Dunstkreises der Stadt notwendig gemacht haben. Die Aufgabe des Mechanikers war die zeitraubende saubere Instandhaltung der Apparate. Unser Astronom, Herr Privatdozent Dr. VIII VON Brunn, hat bis Ende März sein Kolleg über die Bahnbestimmungen der Planeten und Kometen fortgeführt, außerdem in unserer Gesellschaft über ^Neuere Forschungen, betreffend die Natur des Polarlichtes“ und im Physi- kalischen Kolloquium eine „Kritik der kosmogonischen Hypothesen“ vorge- tragen. Im zweiten Vierteljahr nahm Herr von Brunn Urlaub zunächst zur Herstellung seiner Gesundheit, sodann zu wissenschaftlichen Arbeiten am Kgl. Astrophysikalischen Observatorium zu Potsdam. Diese gemeinsam mit dem Direktor des Instituts, Herrn Geh. Reg. -Rat Prof. Dr. Schwarzschild, aus- geführten Untersuchungen über einen etwaigen Einfluß des Gravitationsfeldes auf die Emission der Sonne fanden einen vorzeitigen Abschluß durch den plötzlichen Ausbruch des Krieges, der beide Beobachter zur Fahne rief. Die Angelegenheit des Sternwarteneubaues erfreute sich zu Anfang des Berichts- jahres eines günstigen Fortschrittes. Auf diesseitiges Ersuchen hatten der Herr Landeshauptmann der Provinz Westpreußen, Freiherr Senfft von pilsach, und Herr Oberbürgermeister Scholtz ihre prinzipielle Geneigtheit bekundet, Beihilfen zur Unterhaltung der Sternwarte aus Mitteln der Provinz West- preußen bezw. der Stadt Danzig flüssig zu machen. Bezügliche Anträge, in den Etat für 1915 der Provinzialverwaltung wie der Stadt entsprechende Mittel einzustellen, waren auf Anregung des Herrn Stadtschulrat Dr. Damus vorbereitet worden zur Einbringung bei dem Provinziallandtag für 1915 wie bei der Stadtverordnetenversammlung, und die besten Aussichten auf Erfüllung eröffneten sich. Auch wären dadurch die letzten Bedingungen erfüllt worden, die die Vertreter der Staatsregierung im Kultusministerium gestellt hatten, um die werktätige Geneigtheit des Staates zu erlangen zur Deckung des fehlen- den Restes der laufenden Ausgaben der Sternwarte. Da brach der Krieg aus. Alle Kräfte und Mittel galten naturgemäß der Sicherung des Vaterlandes, alle Sonderinteressen mußten zurücktreten. In ruhiger Zeit wird man, hoffentlich mit schnellem Erfolg, die bis dahin günstigen Verhandlungen wieder aufnehrnen. Das neue Gebäude der Gesellschaft hat sich weiter gut bewährt. So weit die Mittel reichten, ist der Versuch gemacht worden, dem architektonisch schönen Beischlag einen geeigneten Pflanzenschmuck anzupassen. Auch da wird auf eine ruhige Zeit zu weiterem Gelingen gerechnet werden müssen, um so mehr, als derselbe Gönner, der bereits für den Bau der Sandsteinbrüstungen am Beischlag eine namhafte Summe hergab, Herr Bankdirektor Bomke- Magdeburg, nun auch für die Ausschmückung eine hochherzige Spende in Aussicht gestellt hat. Es zeigt sich hier ein werktätiges Interesse seitens eines geschätzten Mitgliedes, das seine Beziehungen zu unserer Gesellschaft noch aus der weiten Ferne in so schöner Weise aufrecht erhält. — Erfreulich ist es, hier einen zweiten ähnlichen Fall hinzufügen zu können, bei dem noch über das Grab hinaus solches Interesse werktätig sich offenbart hat. Im Berichtsjahr starb in Bonn unser früheres langjähriges Mitglied, einst Chef- arzt des hiesigen Städtischen Krankenhauses, Geh. Sanitätsrat Dr. Freymuth. In seinem Testament hat Fr. der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig IX 500 M vermacht, dieselbe Summe, die vor vielen Jahren die Gesellschaft ihm zur Förderung einer wissenschaftlichen hygienischen Untersuchung ge- währt hatte. Solche Beweise treuer Anhänglichkeit und edler Dankbarkeit wirken erhebend und anspornend; sie sind zugleich ein schönes Zeichen für das ge- sunde innere Leben in unserer Gesellschaft. Die Humboldtstiftuns: unserer Gesellschaft ist infolge Anwachsens des Kapitals, zumeist durch Schenkungen, in der Lage, seit einem Jahre bereits 4 Stipendien zu je 150 M zu vergeben. Im Berichtsjahr wurden zwei dieser Stipendien Herrn Prof. Dr. Sonntag zur Fortführung seiner Studien über die Geologie des unteren Weichselgebietes verliehen, die übrigen 300 M auf die Herren Stud. med. LENZ-Danzig, Stud. phiL G. MÜLLER-Freystadt und Stud. phil. ZiMMER-Schulitz gleichmäßig verteilt. Die Prof. Dr. BAIL -Stiftung, über deren Begründung durch unsere Ge- sellschaft und durch den Westpreußischen Botanisch-Zoologischen Verein im vorigen Jahre berichtet wurde, und die in der Lage ist, jährlich ein Stipendium von 150 M zur Förderung naturwissenschaftlicher Spezialforschung vornehmlich in Westpreußen zu verleihen, wird laut Beschluß des Vorstandes unserer Ge- sellschaft und mit Zustimmung des Westpreußischen Botanisch-Zoologischen Vereins fortan vom Schatzmeister unserer Gesellschaft, der in das Kuratorium der neuen Stiftung hineingewählt worden ist, außerhalb des Etats verwaltet. Die Bekanntgebung dieses Stipendiums erfolgt ebenso wie die des Humboldt- Stipendiums im Januar durch Aushang am schwarzen Brett der deutschen Universitäten und Hochschulen. Ein erstmaliges Stipendium, für 1914, wurde Herrn Kustos Dr. La Baume zu zoologischen Studien am Zarnowitzer See verliehen. Die Wahl des Vorstandes, satzungsgemäß in der letzten Dezembersitzung, erfolgte diesmal in der Außerordentlichen Sitzung am 17. Dezember 1914 und ergab für das Jahr 1915 folgende Zusammensetzung: Herr Prof. Dr. Lakowitz, Direktor, ,, Prof. Dr. Krüger, Vizedirektor (Austausch mit Herrn Prof. Sommer), ,, Bankdirektor Dr. jur. P. Damme (an Stelle des infolge Krankheit aus- ' scheidenden Herrn Kommerzienrat Münsterberg), ,, Prof. Dr. Wallenberg, Sekretär für die inneren Angelegenheiten, „ Prof. Dr. Kumm, Sekretär für die äußeren Angelegenheiten, „ Prof. Dr. Dahms, Bibliothekar (an Stelle des verstorbenen Herrn Prof. Hess), ,, Stadtrat Zimmermann, Hausinspektor, ,, Prof. Evers, ] ,, Prof. Dr. Petruschky, / Beisitzer. „ Prof. Dr. Sommer (Austausch mit Herrn Prof. Krüger). J Die Entlastung der Kassen Verwaltung für das Rechnungsjahr 1913 war in der Außerordentlichen Sitzung am 6. Mai 1914 nach Vortrag des Kassen- X berichtes durch den Kassenprüfer Herrn Prof. Dr. Dahms von der Mitglieder- versammlung genehmigt und der Dank der Gesellschaft dem Schatzmeister Herrn Kommerzienrat iMünsterberg für die Führung der Kasse und den Herren Kassenprüfern Prof. Dr. Dahms und Konsul A. Meyer für ihre Mühe- verwaltung durch den Direktor zum Ausdruck gebracht worden. In der Außerordentlichen Sitzung am 17. Dezember 1914 erfolgte nach Vortrag des Herrn Schatzmeisters die Festsetzung des Etats für 1915 gemäß den Vorschlägen des Vorstandes in Einnahme und Ausgabe der Allgemeinen Kasse auf 14000 Mk., einschließlich der Wolfe sehen, der Verch sehen und der HüMBOLDT-Stiftung auf 19368 Mk. Mit Schluß des Jahres 1914 scheidet unser langjähriger Schatzmeister infolge Erkrankung aus diesem verantwortlichen Ehrenamt aus. Durch 29 Jahre hat Herr Münsterberg das Amt verwaltet mit großem Erfolg für die gedeih- liche, materielle Entwicklung der Gesellschaft. Der Direktor nahm in der Schlußsitzung 1914 Gelegenheit, den Scheidenden zu rühmen als Wahrer und Mehrer der materiellen Güter der Gesellschaft, der bei größter Sparsamkeit doch nie zurückhielt, wenn es galt, für ideale Zwecke, zur Vervollständigung der Büchersammlung, zur Herausgabe wertvoller Veröffentlichungen die nötigen Mittel herzugeben, dem es gelang, infolge seiner vielen anderweitigen Beziehungen auch einen Teil der Mittel zum Ausbau unseres Gebäudes, der Bibliotheks- räume und des dringend nötigen, großen Sitzungssaales der Kasse zuzuführen. Mit Worten des Dankes im Namen des Vorstandes, der Versammlung und der ganzen Gesellschaft — Worte, die aus der Versammlung heraus Zustimmung fanden — schloß der Redner, worauf der Scheidende mit dem Ausdruck des Dankes Abschied von seinem Amte nahm. In derselben Sitzung wurden als Rechnungsprüfer für 1915 die Herren Konsul Meyer und Kommerzienrat Münsterberg gewählt. Für Herrn Münsterberg als Rechnungsprüfer und auf dessen Anregung erfolgte in der nächsten Sitzung eine Neuwahl. Diese Wahl fiel auf Herrn Bankier Stein. Wie in früheren Jahren, so erfreute sich die Gesellschaft auch im Berichts- jahre der Unterstützung der Hohen Staatsregierung zur Förderung von Arbeiten in unserer astronomischen Station durch die Überweisung einer Summe von 500 M und seitens der Provinzialverwaltung Westpreußens für die allge- meinen Aufgaben und im besonderen für die Herausgabe der Druckschriften durch Bewilligung einer Summe von 2000 M, während die Städtischen Körper- schaften Danzigs wie im Jahre vorher so auch für 1914 wieder 300 M zu den laufenden Ausgaben beigesteuert haben. Für diese wichtigen und dringend erwünschten Unterstützungen den ehrerbietigsten Dank im Namen unserer Gesellschaft auszusprechen, ist dem Berichterstatter eine angenehme Pflicht. Meine Herren! Ich bin am Schluß des zu erstattenden Jahresberichtes. Wir haben uns in die Vorgänge des inneren Lebens und der mancherlei Ge- schehnisse in unserem Kreise vertieft und gesehen, daß hier alles den durch Tradition vorgeschriebenen und durch den festen Willen zur Arbeit geebneten XI Weg aufwärts zu gutem Gelingen und fernerem Gedeihen weiterschreitet. Möge es immer so bleiben. Wenn es nun angezeigt erscheint, aus dem beschränkten Raum persönlichen Schaffens hinauszuschauen in das Getriebe der Umwelt, und es dürfte der Jahresabschluß 1914 hierzu wahrhaftig der gegebene Zeitpunkt sein, so müssen wir leider erkennen, wieviel kostbare Güter, materielle wie ideelle, bereits in den fünf Monaten des größten aller Völkerkriege zerstört sind, und sehen, daß es fast den Anschein hat, als wenn die durch die bisherige Kultur- entwicklung gewonnenen ethischen Werte von Nächstenliebe und Menschen- achtung bestimmt seien, in Trümmer zu sinken. Man möchte an dem Erfolg jeglichen Kulturbemühens in Vergangenheit und Gegenwart schier verzweifeln und meinen, alle unsere veredelnde geistige Arbeit habe im Grunde genommen für die Zukunft ja doch keinen Zweck. Wäre es wirklich so, dann müßten wir mit unserer vielgepriesenen Menschen- weisheit bald zu Ende sein; Menschenleben überhaupt müßten wir als ein überflüssiges Geschehen in der Natur betrachten. So kann es unmöglich sein! Was ist, muß mit Naturnotwendigkeit eben sein, d. h. sich erhalten, sich fortentwickeln. Menschentum ist ein von der Natur gegebenes Etwas, es muß sich also erhalten, weiterbilden. Sind gegen- wärtig durch minderwertige Menschenelemente die Leidenschaften bis auf den tiefsten Grund aufgewühlt worden — und ein Strafgericht muß und wird diese Verbrecher am Menschentum, am Menschen wert ereilen — , so besteht doch die Hoffnung, daß die Kulturvölker sich auf sich selbst wieder besinnen, die Werke des Friedens als höchste Güter des Menschenlebens, als Ziel mensch- lichen Tuns allein gelten lassen werden. Möge das neue Jahr 1915 den Frieden mit dieser Verheißung bringen, möge das deutsche Volk stark und fest wie bisher aus der gegenwärtigen harten Prüfung hervorgehen und den anderen Völkern ein Vorbild in allen Tugenden edlen Menschenwesens dauernd sein. Möge auch unsere altehr- würdige Naturforschende Gesellschaft zu ihrem Teil weiter erfolgreich mit- helfen zur Bewahrung und Vermehrung der idealen Güter der Menschheit. Das walte Gott! XII Bericht über die Ordentlichen Sitzungen der Gesellschaft im Jahre 1914. 1. Sitzung^) am 22. Januar 1914. Der Direktor, Herr Professor Dr. Lakowitz, eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere das Ehrenmitglied, Herrn Geheimen Studienrat Professor Dr. Bail und die neu eingetretenen Mitglieder, außerdem als Gast den Redner des Abends, Herrn Professor Dr. Vogel. Darauf hält Herr Professor Dr. Vogel- Bromberg (vom Kaiser Wilhelm -Institut für Land- und Forstwissenschaft) einen Vortrag über: „Fortschritte und Probleme der Boden- bakteriologie^^, mit Demonstration von Lichtbildern. Nach einleitenden Bemerkungen über die Beziehungen zwischen dem Fruchtbarkeits- zustand unserer Ackerböden und der Zahl und Art der in ihnen lebenden Mikroorganismen geht der Vortragende eingehender auf Untersuchungen ein, welche Aufschlüsse über die in erster Linie interessierende Leistun gsfähigkeit der Bodenmikroben zum Ziele haben. Es sind Methoden geschaffen worden, welche die „Tätigkeit“ des Kulturbodens, d. h. die Inten- sität, mit welcher die biologischen Vorgänge in ihm verlaufen, zum Ausdruck bringen. Sie basieren sämtlich auf den sog. Anhäufungsversuchen, bei welchen' durch passende Wahl der Versuchsbedingungen erreicht wird, daß nur Angehörige ganz bestimmter physiologischer Gruppen zu besonders günstiger Entwicklung kommen. Die Analyse solcher elektiven Kulturen kann dann Aufschluß geben über den Grad der vor sich gegangenen Umsetzungen und so ein Urteil ermöglichen über die Leistungsfähigkeit der angehäuften Mikroben. Vortragender hat sich die Ermittlung der für die Bodenfruchtbarkeit wichtigsten bio- logischen Eigenschaft, der nitrifizierenden Energie, zur Aufgabe gemacht. Aus einer Keihe von Gründen, die im Einzelnen gewürdigt werden, geht hervor, daß gerade diese Boden- funktion einen ausgezeichneten Maßstab für die natürliche Produktionskraft des Bodens bildet, und daß sie, in richtiger Weise gemessen, eine große Anzahl von Sondereigenschaften des Bodens, die von Einfluß auf seine Fruchtbarkeit sind, mit zum Ausdruck bringt. An Bei- spielen zeigt der Vortragende, wie es gelingt, Böden verschiedener Art auf Grund ihrer salpeterbildenden Kraft richtig einzuschätzen, und ferner die voraussichtliche Wirkung der stickstoffhaltigen Düngemittel durch eine einfache Laboratoriumsuntersuchung zu bestimmen. 1) An Stelle der sonst zu Anfang Januar üblichen ersten Sitzung trat diesmal ein allge- meiner Vortrag für die Mitglieder und ihre Angehörigen, über den auf Seite XXII berichtet wird. XIII Von anderen in den Kreislauf des Stickstoffs eingreifenden Prozessen wurden die zu Stickstoffverlusten und die zu Stickstoffgewinnen führenden etwas eingehender betrachtet. Für die Stickstofifverluste kommen besonders in Betracht: Versickerung, Ammoniak- verdunstung und Denitrifikation. Nach den vorliegenden Untersuchungsergebnissen darf ange- nommen werden, daß die in den Sickerwässern fortgeführten Stickstofimengen etwa 1 — 5 kg pro Jahr und Hektar betragen. Die Verdunstung von Ammoniak dürfte unter den Verhält- nissen der Praxis besonders auf besseren, nitrifikationsstarken Böden keine große Rolle spielen, und durch Denitrifikation können nur unter ganz bestimmten, ebenfalls praktisch nur selten vorliegenden Bedingungen erheblichere Verluste entstehen. Vielleicht ist eine noch wenig • • erforschte Quelle von Stickstoffverlusten, nämlich der Übergang von Eiweiß- oder Ammoniak- stickstofif in elementaren Stickstoff von größerer Wichtigkeit vor allem für die beim Lagern des Stalldüngers zu beobachtenden Stickstoflfabgaben. Die Stickstoffgewinne im Boden resultieren aus der Tätigkeit der Knöllchenbakterien der Leguminosen und verschiedener frei lebender sticksloffassimilierender Bakterien. Unter unseren klimatischen Verhältnissen haben wir den letzteren (Azotobakterarten und ähnlichen) Stickstoffgewinne von 20 — 40 kg pro Jahr und Hektar zu verdanken. Eine der wichtigsten Aufgaben der Bodenbakteriologie dürfte darin bestehen, Maßnahmen zu finden, durch welche die Stickstoffsammlung möglichst begünstigt wird, so daß größere Mengen dieses wertvollen Pflanzennährstoffes aus den unerschöpflichen Vorräten der Atmosphäre dem Boden zufließen. An den Vortrag schließt sich eine anregende Diskussion. Der Direktor spricht dem Vortragenden den Dank der Gesellschaft aus und erstattet den Jahresbericht^) für das Jahr 1913, sowie den der Vorsitzenden der Sektionen. Zu Ehren der im Laufe des Jahres 1913 dahingeschiedenen Mitglieder und des langjährigen Kastellans der Gesellschaft Herrn Belger, der ebenfalls in diesem Jahre gestorben ist, erhebt sich die Versammlung von den Sitzen. 2. Sitzung am 4. Februar 1914. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Versammlung, besonders die neu eingetretenen Mitglieder, und weist auf einen Vortrags-Cyclus über „Schutz der heimischen Vogelwelt" hin, der von Frau Kommerzienrat HENLE'Stuttgart ins Leben gerufen wurde, ferner auf einen Reiseplan nach Sizilien und Kreta und auf die vom Botanisch-Zoologischen Verein für den Juli geplante Reise nach Spanien. Dem verstorbenen Mitgliede der Gesellschaft, Herrn Holtz, widmet der Direktor herzliche Worte der Erinnerung und drückt der Gattin des Verstor- benen den Dank der Gesellschaft für die ÜberweisuDg von Schriften und Journalen an die Bibliothek der Gesellschaft aus. Darauf hält Herr Kurt Siebenfreund einen Vortrag über „Autotypie und Dreifarbendruck^^ mit Demonstration von Lichtbildern und farbigen Drucken in allen Stadien der Herstellung. 3. Sitzung am 18. Februar 1914. Der Direktor eröffnet die Sitzung und begrüßt die Anwesenden. Darauf hält Herr Professor Dr. Wallenberg einen Vortrag „Über die Entwickelung desZentral- 1) Abgedruckt in Heft 3/4 des XIII. Bandes. XIV nervensystems In der Wirbeltierreihe^^ mit Demonstration von Lichtbildern und Präparaten. , I Ein Verständnis der Anatomie und Physiologie des Zentralnervensystems ist ohne ver- gleichende Studien an Vertretern aller Wirbeltierklassen unmöglich. Die junge Wissenschaft der vergleichenden Nervenanatomie darf sich nicht auf das Studium der äußeren Form be- schränken, die zu Mißdeutungen Anlaß geben kann, sie muß vielmehr die ontogenetische und phylogenetische Entwickelung, sowie den inneren Aufbau berücksichtigen. His konnte auf entwicklungsgeschichtlichem Wege den Nachweis führen, daß alle Abschnitte des Zentral- Jiervensystems im wesentlichen den gleichen Bau besitzen, mit Ausnahme des Vorderhirns, das infolge der komplizierten Funktion (Witterung, Nahrungssuche, Nahrungsaufnahme, Schutz des übrigen Körpers) sich abweichend von den anderen Segmenten entwickelt. Gaskell und amerikanische Forscher sonderten innerhalb der Zentralorgane des Nervensystems bei allen Wirbeltieren drei sensible und zwei motorische Längszonen ab als die Hauptendigungs- und Ursprungsstätten für die Nerven des ganzen Körpers, und konnten diese Einteilung für die Aufstellung eines gemeinsamen Typus des Wirbeltierhirnes nutzbar machen. Edinger, der Hauptvertreter der vergleichenden Anatomie des Nervensystems, unterscheidet an jedem Wirbeltierhirn zwei Anteile, von denen der eine, das „Althirn“ (Palaeencephalon) überall im wesentlichen den gleichen Bau zeigt und nur nach der Größe der ein- und austretenden Nerven und deren Kerne variiert. Im Vorderhirn bildet das Palaeencephalon die Endstätte des Riechnerven, die auch mit Endkernen für den Geschmacksnerven und mit Empfindungs- nerven aus der Umgebung der Mundöffnung Verbindungen eingeht. Der andere Anteil, das. „Neuhirn“ (Neencephalon), entsteht aus der ältesten Großhirn-Rinde, der „ Archicortex“, die lediglich eine tertiäre Station der Riechfasern bildet, zunächst auch nur sensible, also recep- torische Zellschichten besitzt. Erst später treten die zentrifugal leitenden Rindenschichten liinzu. Zwischen der Endstätte des Riechnerven und der Riechrinde (Archicortex) werden auf höheren Entwickelungsstufen (von den Vögeln aufwärts) andere Sinnesfelder für Gesicht, Gehör, Gefühl, Geschmack angelegt (Neocortex), von denen ein jedes seinen charakteristischen Bau besitzt. Zu ihnen gesellt sich die Stirnhirnrinde, deren Areal kontinuierlich in der Reihe der Säuger wächst, und die motorische Rinde, das Zentrum für die willkürlichen Bewegungen, ebenfalls bei den höheren Säugern und beim Menschen mehr ausgebildet und besser differenziert als bei den niederen Arten. Der Ausfall an Bewegungsmöglichkeiten ist nach Zerstörung der Bewegungsrinde und ihrer Bahnen um so größer, je inniger ihre Verknüpfung mit deu Coordinationszentren in unteren Gehirn- Abschnitten sich gestaltet. Die niederen Wirbeltiere- besitzen zum Teil gar keine Rindenverbindung mit dem Urhirn oder lediglich eine solche mit dem selbsttätigen Mechanismus des großen Coordinationszentrums im Mittelhirn, der alle*: Instinkt- und Reflexbewegungen beherrscht. Je höher wir in der Reihe der Vertebraten emporsteigen, desto tiefer reichen die Verbindungsfasern des Großhirns hinab, bei höheren, Säugetieren und Menschen bis zum untersten Abschnitt des Rückenmarkes. Daneben aber^ bleibt stets noch die Rindenverbindung init dem Urhirnzentrum im Mittelhirn erhalten, als, Basis für die automatischen Bewegungen des Körpers und für die Vertretung der Rinden- tätigkeit im Zustande der Bewußtlosigkeit, des Schlafes usw., im Gegensatz zu den Willkür- bewegungen, die durch jene vorhin genannten langen Faserzüge von der Großhirnrinde aus- gelöst werden. Der Vortragende zeigte als Beispiel für die verschiedene Wertigkeit des(. Großhirns Präparate eines großhirnlosen Hundes (von dem Physiologen Goltz operiert) und eines großhirnlosen Menschen, die er Herrn Prof. BüiNGER-Frankfurt a. M. verdankt, und wies zum Schluß auf die Notwendigkeit hin, die vergleichende Anatomie des Nervensystems einerseits auch auf wirbellose Tiere auszudehnen und andererseits die"^ fortschreitende Ent- wickelung des Stirnhirns zu verfolgen, nicht nur durch Studien an geistig hoch und niedrig- stehenden Individuen, sondern vor allem durch vergleichende Rassenforschung. An den Vortrag schließt sich eine lebhafte Diskussion. 4. Sitzung am 3. März 1914. Der Direktor eröflPnet die Sitzung, heißt die anwesenden Mitglieder und Gäste willkommen. Darauf hält der Astronom der Gesellschaft, Herr Privat- dozent Dr. VON Brunn, einen Vortrag über „Neuere Forschungen über die Natur des Polarlichtes und der erdmagnetischen Störungen“, mit Demonstration von Lichtbildern. Der Redner führte etwa aus: Während der Mensch die meisten anderen geophysikalischen Erscheinungen einfach über sich ergehen lassen muß, hat die Ausnutzung des Erdmagnetismus einen der wichtigsten Kulturfortschritte herbeigeführt: Ohne Kompaß wäre die großartige Entwickelung der Schiff- fahrt zu Beginn der Neuzeit undenkbar gewesen. Ihrerseits aber führten die großen Ent- deckungsreisen wieder eine große Bereicherung der Kenntnis der erdmagnetischen Erscheinungen herbei: die Elemente Deklination, Inklination, Intensität, welche die erdmagnetische Kraft in jedem einzelnen Punkte definieren, wurden begrifflich erfaßt, ihre Veränderlichkeit erkannt. Der mittlere magnetische Zustand entspricht dem, den ein etwa unter 22 ° gegen die Erdachse geneigter Stabmagnet erzeugen würde. Zur genaueren rechnerischen Darstellung des Magnet- feldes der Erde bedarf es eingehenderer mathematischer Hilfsmittel (GtAUSS). Die wichtigsten Erfahrungstatsachen, denen eine Erklärung gerecht werden muß, sind die: die erdmagnetischen Elemente erleiden säkulare, tägliche, jährliche, 11,2jährige periodische Änderungen. Ferner treten unregelmäßige Störungen auf, die ebenso wie die Polarlichter, eine Zone größter Häufigkeit und ebenfalls eine 11,2jährige Periode besitzen. Ganz frappant ist hier, und muß die theoretische Erklärung entscheidend beeinflussen, daß diese Erscheinungen bezüglich ihrer Periodizität mit der Sonnentätigkeit (Sonnenflecken} koinzidieren. Die Er- klärung des Erdmagnetismus selbst, sowie seiner säkularen, täglich- und jährlich-periodischen Variationen, liegt außerhalb unseres Themas. Die Erklärung der „magnetischen Stürme“ und Polarlichter und ihre Verknüpfung mit solaren Erscheinungen geht von drei physikalisch-astronomisch als gesichert bekannten 'l’at- sachen aus: 1, Sehr heiße und radioaktive Substanzen senden negative ElementarqiTanten , Elektronen, aus. 2. Elektronen, welche in dichtere Gase eindringen, werden um so schneller unter Lichterscheinung gebremst, je dichter das Gas und je geringer die Geschwindigkeit der Elektronen ist (Lenard). 3. Die Sonne sendet besonders in den Fleckengebieten gewaltige Elektronen Wirbel aus, was in Übereinstimmung mit dem unmittelbaren Augenschein durch das Vorhandensein starker Magnetfelder in den Fleckengebieten bewiesen wird. Auf Grund dieser Tatsachen ist es Birkeland und Störmer gelungen, fast alle Einzel- heiten, die die magnetischen Stürme und Polarlichterscheinungen aufweisen, durch magnetische Induktion bezw. Lumineszenzwirkung von Elektronen zu erklären, die, von der Sonne aus- gehend, durch das Magnetfeld der Erde beeinflußt werden. Zur beweiskräftigen Erforschung dieser Frage mußten Hand in Hand gehen: Mathematische Untersuchungen über die Bahn- kurven elektrisch geladener Partikel im Felde eines . magnetischen Dipols, experimentelle Untersuchungen über die Bahn formen von Kathodenstrahlen im Felde eines verkleinerten Abbildes der magnetischen Erde, Untersuchung des Verlaufes der störenden Kraft während magnetischer Stürme, besonders in den Zonen ihrer größten Häufigkeit und Stärke, und endlich Vergleich zwischen geophysikalischen Ergebnissen einerseits mit denen der mathematischen Analysis und des physikalischen Experimentes andererseits. Die mathematische Frage hat Stürmer mustergültig gelöst; da sich jedoch dieser Teil der Aufgabe nicht ohne völlige Vertrautheit mit den Methoden der höheren Analysis verfolgen läßt, so können hier nur wenige Ergebnisse angeführt werden. Vor allem erklärt die matlie- matische Analyse ganz exakt, warum die großen, sinnfälligen Wirkungen der Kathodenstrahlen, Polarlichter und große magnetische Störungen auf schmale Zonen auf der Erde beschränkt sind, und zwar eben dadurch, daß von der Sonne ausgehende Kathodenstrahlen unter der Wirkung des Erdmagnetismus nur längs solcher schmalen Zonen um die magnetische Achse XVI zur Erde gelaiigen können. Ferner ergibt sich, daß von allen von einem fernen Punkte aus- gehenden Kathodenstrahlen bestimmter Geschwindigkeit nur solche in zwei ganz bestimmten Richtungen zur Erde gelangen können und diese in ganz bestimmten, infolge der Rotation der Erde auf deren Oberfläche selbst natürlich wandernden Punkten treffen. Durch Drahtmodelle wurden noch einige andere Ergebnisse der Störmer sehen Untersuchungen verständlich gemacht. Der übrige Teil der großangelegten Untersuchungen ist Birkeland zugefallen. Er hat zunächst durch verschiedene Expeditionen in die Gegenden maximaler Häufigkeit der erd- magnetischen Störungen reichliches, quantitativ verwertbares Material über den Verlauf der störenden Kräfte bei solchen „magnetischen Stürmen“ aus jenen hohen Breiten herbeigeschafft. Dann ist es ihm gelungen, bei gewissen charakteristischen einfachen Störungen festzustellen, welche Form ein elektrischer Strom haben mußte, der die gleichen Wirkungen ausüben sollte, wie sie wirklich festgestellt sind. Durch das Experiment mit einer von Kathoden strahlen bombardierten hochmagnetisierten und fluoreszierend gemachten Kugel ist dann weiter fest- gestellt, daß unter gewissen Verhältnissen solche, jenen elektrischen Strömen äquivalente Kathodenstrahlbahnen wirklich zu beobachten sind. Und endlich befindet sich dies alles auch in voller Übereinstimmung mit der theoretischen Rechnung. Eine spezialisierte Darstellung dieser Verfahrungsweise für einzelne charakteristische Störungen legte die Schlüssigkeit der ganzen Beweiskette dar. Zum Abschluß wurde noch auseinandergesetzt, daß die STöRMERschen Rechnungen, was das Experiment mit der magnetisierten Kugel nicht so bis in alle Einzelheiten hinein zeigen kann, sogar die spezielle Gestalt der Nordlichterscheinungen, besonders die so häufige und schöne Draperieform, vollständig zu erklären vermögen, und daß man sowohl aus dem Radius der Polarlichtzone, als aus den Höhenbestimmungen der Polarlichter zu dem übereinstimmenden Resultat gelangt, daß die Geschwindigkeit der die erdmagnetischen Erscheinungen verursachenden Kathodenstrahlen eine sehr große, nahe an die Lichtgeschwindigkeit herankommende sein muß. Sind auch die mathematisch-physikalischen Voraussetzungen der STöRMERSchen Rech- nungen und der Birkeland sehen Experimente nicht ganz konform mit den zu erklärenden kosmischen Verhältnissen, so geben sie uns doch den Schlüssel zum Verstäudnis der vorher völlig rätselhaften Erscheinungen und Zusammenhänge, 5. Sitzung am 1. April 1914. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Versammlung, besonders die neu erschienenen Mitglieder und erteilt das Wort Herrn Dr. Semi Meyer. Dieser hält einen Vortrag über „Entwicklung des Geistes. I. Geistesformen. Die Grundlinien seines Vortrages ergeben sich etwa aus folgenden Sätzen: Wie unser Geist entstanden sein mag, das muß in allem Ernst gefragt werden in dem Augenblick, wo der Mensch eiiigereiht wird ins Reich der Natur, und die einzig gegebene Methode, der Frage nachzugehen, kann nur die Vergleichung mit ähnlichen Lebensäußerungen tierischer Wesen sein. Aber die Nötigung, von uns aus den Einblick in fremdes Bewußtsem zu suchen, sich gewissermaßen einzufühlen, verführt nur zu leicht, die ganze Entwickelung als einen Ausbau anzusehen, der zum einzigen Ziele die menschliche Geistesform habe, um in ihr das Werk allein zu krönen und zu vollenden. Unter solchen Gesichtspunkten erscheint der menschliche Geist dann lediglich als eine Höchstentfaltung einer großen Anzahl von Anlagen, die wir allesamt auch in tierischen Wesen antreffen, nur nirgends zur menschlichen Höhe entfaltet und vielfach vereinzelt und verzettelt. Aber jede Lebensform, die erschaffen ist, muß doch in sich vollendet sein; die Entwickelung geht zwar ihren schwer verständlichen Weg fort, aber sie ist doch für jedes Geschöpf, das da lebt und je gelebt hat, zu Ende, für den Träger selbst ist sein Leib wie sein Geist fertig, seine Gestalt ist nicht ein Keim für kommende, etwa bessere oder höhere Formen, sondern jedes Wesen hat seinen Zweck in sich selbst, es kann nicht erschaffen sein, um nur einer Zukunft zu dienen, die nicht seine Zukunft ist. XVII Was aber für den Leib gilt, das muß auch für den Organismus und die Form des Geistes zutrefifen. Was jedes Lebewesen an geistigen Fähigkeiten besitzt, das muß dem Leben des Trägers selbst dienen, um überhaupt im Reiche des Lebens bestehen zu können. Denn hier hat nichts Bestand, als was dem Leben selbst dient. Wenn eine Urform geistigen Seins gesucht werden soll, so darf sie iiicht gedacht werden nach Art eines Samenkorns, das aus sich die ganze Pflanze hervortreibt, sondern der Keim selbst muß bereits eine Form besitzen, die im Leben ihre Stelle ausfüllt. Und nicht gradlinig kaim die Entwickelung von einer Urform des Bewußtseins zur mensch. liehen Art hinführen, denn das große Reich der Tiere, denen wir geistige Fähigkeiten mit aller wünschenswerten Sicherheit zusprechen dürfen, ist reich gegliedert; und sind die Körper- baupläne so grundverschieden, so sind es gewiß die des Geistes nicht minder. Wir kennen tierisches, unbedingt mit geistigen Energien arbeitendes Leben, das von dem unseren so grundverschieden sein muß, daß uns ein voller Einblick in seinen Zusammenhang vielleicht für immer versagt bleiben muß. Im Instinktleben der Bienen und Ameisen haben wir ent- schieden eine Höchstentfaltung einer Geistesform vor uns, die sich in einer der menschlichen entgegengesetzten Richtung abgespalten und immer weiter entfernt haben muß. Welchen Tierformen ein Anteil an geistigen Fähigkeiten zuzusprechen ist, das bleibt ein Grundproblem. Aber Empfindungen sind mit genügender Sicherheit bis in niedere Klassen hinein festzustellen, und eine Empfindung ist eine Form von Bewußtsein, nirgends anders kann sie eine Existenz haben, sie stellt einen Baustein eines Bewußtseins dar. Und jede Empfindung hat ihre scharf umrissene Form, sie ist nie gestaltlos, und nur durch ihre auf- dringliche Geschiedenheit voneinander erfüllen die Empfindungen ihre Aufgabe, dem Wesen zunächst einmal als Signal zu dienen den Reizen gegenüber, die es bedrolien oder locken. Wenn sich dies aber so verhält, so muß auch schon das denkbar einfachste und niederste Bewußtsein Gestalt haben. Ein formloses Aufdämmern eines dunklen Bewußtseins hätte keine Stelle im Leben, so darf man sich den Anfang des Geistes nicht denken. Die Tiere haben kein Dämmerbewußtsein, sie haben entweder gar keines oder sie sind Träger bestimmter Geistesformen, die nur mehr oder minder gegliedert zu denken sind, der Gestalt aber nicht entbehren können, um den Lebenszweck zu erfüllen. Wir kennen geistiges Wirken nur in der Form von Bewußtsein. Das aber ist eine eigenartig aufgebaute und zusammengesetzte Welt von fest umrissenen Gestaltungen mit eigenartiger Verknüpfung. Die Gliederung des Bewußtseins ist nicht die des Leibes, und ohne Vorurteil angesehen, finden wir eine geistige Gesetzlichkeit der leiblichen zugeordnet, ihr weder über- noch gleichgeordnet, sondern als Ergänzung in eigner, wenn auch abhängiger Entwickelung gebildet für eine bestimmte Aufgabe im Lebensganzen. Die ungemein ver- wickelte Gliederung des menschlichen Bewußtseins kann unbedingt kein anderes uns bekanntes Wesen besitzen. Aber deswegen sind die Tiere nichts weniger als bloße Vorläufer der Menschheit, sie leben ihr eigenes Leben, und ihre Welt ist auch eine Welt. Jedes Tier, das überhaupt eines Bewußtseins bedarf, hat auch eine eigene Form eines solchen, die ihrem Träger so viel dient, wie er eben geistiger Leitung bedarf. Aber der Geist ist nicht etwa der Baumeister des Leibes, sondern die Organismen be- sitzen, wie wir selbst, auch zahllose Selbstregulierungen, die nie mit Bewußtseinsregungen auch nur in Berührung zu kommen brauchen. Deswegen braucht die Urzelle kein Bewußtsein zu besitzen. Daß ein solches im Gange der organischen Entwickelung auftauche, das mag uns ewig unverständlich bleiben, die Möglichkeit von der Hand zu weisen, haben wir nicht die mindeste Veranlassung, wenn wir nur bedenken, daß ganz eigenartige Formen von Be- wußtseinsenergien ohne jeden Zweifel erst sich bilden auf höheren Stufen des Lebens. Die Urzelle kann nicht sehen und riechen, und das ganze große Reich der Töne, das in unserem Geistesdasein gerade von besonderer Bedeutung ist, kann nur ein verhältnismäßig junger Erwerb des Lebens sein. Es ist nichts damit anzufangen, daß sich aus einer Urempfindlichkeit alle die scharf geprägten Gestalten der Empfindungen eine nach der anderen abspalten. Hier 2 Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 1. xyiii ist Neuschöpfung, und wir werden die geistige Entwickelung gewiß nie verstehen, wenn wir nicht an ihre Erforschung mit der Überzeugung herantreten wollen, daß in der Welt Gelegen- heit sein maß zu wirklicher Schöpfung, zur Entstehung von Neuem, das der Keim auch nicht ahnen läßt. Die erste Aufgabe einer Geistesentwickelung bestimmt sich nach allem dahin, die Formen geistiger Existenz und geistiger Leistung in Vergleich zu stellen. Das Vorurteil ist zu be- seitigen, daß es nur eine einzige Form geistiger Betätigung geben könne, und schon die erste Übersicht ergibt, daß dem Formenreichtum der Körper eine tiefere Verschiedenheit auch der Bewußtseinsgestaltungen entsprechen muß. Der Aufbau des menschlichen Bewußtseins ist gerade in seiner Eigenart gegenüber allem tierischen nur in dieser Betrachtung zu beleuchten. Welche Stelle aber dem Geist und dem Geisteswirken in der Welt überhaupt zukomme, auch dafür ist der Standpunkt nicht unfruchtbar, denn wenn es sich erweisen läßt, wie das Bewußt- sein nur Schritt für Schritt die Funktionen sieh unterstellt, dann erscheint auch in allem Weltweben der Geist der Aufs’abe, dann kann man nicht den Gegensatz von Natur und Geist aufheben wollen, sondern in einem Entwickelungsringen erobert sich der Geist seinen Platz und bahnt er sich seinen Weg gegen die Hemmungen einer nichtgeistigen Wirklichkeit. Der Geist gehört dem Reiche des Werdens an. An den Vortrag schließt sich eine interessante Diskussion an. 6. Sitzung am 22. April 1914. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und macht auf demnächst im Saale der Gesellschaft zu veranstaltende kinematographische Vorstellungen aufmerksam. Darauf hält Herr Dr. Hesse, Tierzuchtdirektor der Landwirtschafts- kammer für Westpreußen, einen Vortrag über „Inzucht und Vererbung“, mit Demonstration von Lichtbildern. Er ging dabei von den 30 Jahre lang unbeachtet gebliebenen Spaltuugsregeln aus, die der Brünner Augustinermöch Gregor Mendel gefunden, und die dann, im Jahre 1900, Tschermak, CoRRENS uiid DE Vries unabhängig voneinander neu entdeckt hatten. Die in die Wissenschaft eingeführten Worte „Mendelismus“ und „mendeln“, d. h. Züchtuiigsversuche nach Mendels Entdeckungen machen, zeigen an, wie man dem ersten Entdecker gerecht geworden. Die Vererbungsfrage aber steht überall auf der Tagesordnung. Oberlandstallmeister Graf Lehndorff, Chapeaurouge, Goos, Allison, Bruce Love und eine ganze Anzahl anderer Forscher beschäftigten sich mit der Aufstellung von Ahnentafeln in der Tierzucht und fanden dabei heraus, daß die Inzucht als ein sehr wichtiges Mittel für züchterische Bestrebungen anzusehen sei. Sie erkannten, daß die von Settegast, Nathusius u.a. aufgestellten Behauptungen, daß Insucht schädlich sei, auf einem Irrtum beruhe, und daß nur dann Schäden auftreten, wenn Inzucht mit Tieren getrieben würde, die nicht ganz gesund seien. Diese Behauptung fand ihre Bestätigung darin, daß sie feststellen konnten, daß durch Inzucht eine Vereinheit- lichung und Summierung der Eigenschaften jener Tiere zu erzielen sei, auf die Inzucht getrieben würde. Dabei ist „Inzucht“ als „Paarung näher oder entfernter verwandter Tiere“ aufzufassen. Selbstverständlich werden durch Inzucht nicht nur gute Eigenschaften, wie dies dem Züchter wünschenswert erscheint, sondern auch schlechte, z. B. Anlagen zu Krankheiten, verstärkt. Daher die Gefahr der Inzucht für den einfachen Tierproduzenten. In Westpreußen konnte bei Rindern der Westpreußischen Herdbuchgesellschaft nach- gewiesen werden, daß bei Inzucht auf den Bullen „Erstling“ die Nachkommen über besonders günstige Breitenmaße verfügten. Bei Inzucht auf den Bullen „Marschall“ konnte hervorragende Größe und Schwere, aber auch pathologische Fettbildung festgestellt werden, während sich bei gleichzeitiger Inzucht auf den Bullen „Nestor“ Adel und Feinheit der Körperformen zeigte, und zwar so, daß unter Umständen Inzucht auf „Nestor“ imstande war, wenn sie mit Inzucht XIX auf „Marschall“ zusammentraf, die ungünstigen Wirkungen der Konsolidation auf „Marschall“ im Laufe der Entwickelung eines Tieres aufzuheben. Chapeaurouge zeigt in seinem Buche „Einiges über die Inzucht“ (Hamburg 1909) an einer ganzen Anzahl von Beispielen, wie richtig geleitete Inzucht wirkt, und welch wichtiger Zuchtfaktor die Inzucht für die Hochzucht ist. Bisher ist häufig von Gegnern der Inzucht behauptet worden, die von den Inzuchttheoretikern aufgestellten Prinzipien ließen sich nicht mit der Chromosomenlehre in Übereinstimmung bringen. Die Chromosomenlehre sei aber heute die Basis, auf der jede Vererbungslehre aufgebaut werden müsse. Leiderist bisher der Versuch nicht gemacht worden, die Richtigkeit der Inzuchttheorie mit der Chromosomenlehre zu beweisen. Die Nachkommen sind zweifellos ein vereinfachtes Mosaik der Eigenschaften ihrer Ahnen, soweit nicht einzelne Erbeinheiten bei der Reduktionsteilung der Geschlechtszellen verloren gegangen sind. Je heterogener die Eigenschaften der Ahnen waren, desto bunter ist naturgemäß aller Wahrscheinlichkeit nach bei den Nachkommen das zusammengesetzte Bild ihrer Eigenschaften. Es ist unzweifelhaft, daß sich im allgemeinen Vollgeschwister selbst bei Berücksichtigung der durch die Reduktionsteilung verloren gegangenen Erbheiten im Durch- schnitt ähnlicher sehen werden, wie Individuen, die keine gemeinschaftlichen Voreltern und deshalb wahrscheinlich auch keine gleichen Erbeinheiten haben. Desto größer ist dagegen die AVahrscheinlichkeit, daß, je näher zwei zu paarende Individuen miteinander verwandt sind, desto häufiger ihre Geschlechtszellen gleiche Determinanten haben. Es ist bekannt, daß sehr häufig bei der Befruchtung heterogene Determinanten nicht verschmelzen, sondern sich nur locker aneinander lehnen, um sich bei der nächsten Reduktionsteilung zu trennen, in dem Bestreben, für die „Reinheit der Gameten“ zu sorgen. Dieser Sorge sind die Zellen enthoben, sobald bei der Befruchtung gleiche Erbeinheiten zueinander stoßen, und es ist aus dem Vorher- gegangenen klar, daß sich gleiche Erbeinheiten relativ innig bei der Befruchtung verschmelzen und dadurch in der Konkurrenz der Determinanten gegenüber locker aneinanderliegenden eine besondere Energie entwickeln, praktisch gesprochen, daß Tiere, die auf diese Weise homozygote Determinanten-Paarlinge haben, in der Vererbung durchschlagen. Andererseits ist nach der Chromosomentheorie auch ohne weiteres klar, daß je weniger verschiedene Individuen in einer Ahnentafel Vorkommen, d. h. je enger die Inzucht ist, desto weniger Möglichkeit vorhanden ist, daß ein zu reich und verschiedenartig gebildetes, heterogenes Erbeinheitsmosaik beim Probanten entsteht. Da bekannt ist, daß für die Entwickelung der Ei- und Samenzelle eine Befruchtung der einen mit der anderen nicht unbedingt notwendig ist, sondern daß diese Entwickelung auch durch chemische Reize bewirkt werden kann, so ist die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, daß in all den Fällen, wo die Reduktionsteilung der männlichen und weiblichen Geschlechtszellen erst dann vor sich geht, nachdem die Samenzelle in die Eizelle eingedrungen ist, die Reduktionsteilung nach dem Gesichtspunkte der Reinheit der Gameten stattfindet, nach der die meisten Eizellen streben, und daß hierbei die verwandten Erbeinheiten über Agentien verfügen, die eine Anziehung und Verschmelzung besonders begünstigen. Auf jeden Fall ist die Inzuchttheorie sehr wohl mit den Lehrsätzen der Chromosomen- theorie zu vereinigen, vorausgesetzt, daß man beide Theorien genau kennt. Der Redner exemplifizierte in seinen Ausführungen des öfteren auch auf den Menschen und zeigte auch, wie durch Inzucht nützliche oder schädliche Eigenschaften sich mehren, und wie unter Umständen heterogene Veranlagung Schädigungen herbeiführt. Es lag außerhalb seines Themas, die Konsequenz in der Nutzanwendung seiner Theorien und Erfahrungen für den Menschen zu ziehen. Sind seine Ergebnisse richtig — und daran ist kaum zu zweifeln — , so müssen sie auch für den Menschen richtig sein. Dann werden wir unsere Ethik betreÖs der Blutschande doch erheblich zu revidieren haben, und wir werden uns zu der Ethik der ägyptischen Pharaonen zurückfinden müssen, bei denen Geschwisterehen nicht nur Recht, sondern unter Umständen auch Pflicht waren. An den Vortrag schloß sich eine längere Diskussion. 2* XX 7. Sitzung am 6. Mai 1914. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Versammlung und macht auf einen vom Bezirksverein Deutscher Ingenieure in Aussicht gestellten Vortrag „Über flammenlose Verbrennung“ aufmerksam, der am 12. Mai im Elektro- technischen Institut der Hochschule statifinden soll, ferner auf die für den 18. Mai geplante Vorführung kinematographischer Bilder über „Lebensvorgänge in der Natur“ hier im Sitzungssaal. Darauf hält Herr Professor Dr. LENTZ-Oliva einen Vortrag über „Physiolo- gische Entwickelungsschwankungen im JugendalteP‘ mit Vorführung von Lichtbildern. An den Vortrag schließt sich eine interessante Diskussion. 8. Sitzung am 4. November 1914. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere den Vortragenden des Abends, Herrn Generalarzt Dr. Böttcher. Er weist auf den Ernst der Kriegszeit hin und betont die Notwendigkeit, auch in dieser Zeit die Wissenschaft zu pflegen. Der Direktor überreicht dann ein Geschenk des Herrn Oberpräsidenten Exzellenz von Jagow an die Gesellschaft: Die Werke Friedrichs des Großen und spricht den Dank der Gesellschaft aus. Er legt ferner ein Geschenk des Herrn Kommerzienrat Behnke: ein großes Sammelwerk „Schweden“ vor. Auch dafür dankt der Direktor im Namen der Gesellschaft. Er weist schließlich auf das neu erschienene Doppel- heft^) der Schriften der Gesellschaft und das neu erschienene Heft des Kataloges der Bibliothek der Gesellschaft hin, das die periodisch erscheinenden Schriften enthält. Darauf hält Herr Generalarzt Dr. Böttcher einen Vortrag über „Unser IVlilitärsanitätswesen im Kriege‘S mit Demonstrationen. Im Großen Hauptquartier ist als Spitze der Chef des Sanitätswesens vertreten. Ihm zur Seite steht der Kaiserliche Kommissar und Miiitärinspekteur der freiwilligen Kranken- pflege. Die Tätigkeit des ebenfalls im Großen Hauptquartier befindlichen General-Etappen- Inspekteurs und des Chefs des Feld-Eisenbahnwesens geht Hand in Hand mit der der Vor- genannten. Dem Armee-Oberkommando ist der Armeearzt, dem Generalkommando der Korpsarzt mit beratenden Chirurgen und Hygienikern beigegeben. Den ärztlichen Dienst bei der Division leitet der Divisionsarzt. Bei den Truppen selber sind Regiments-, Stabs- fAbteilungs-) und Assistenzärzte vorhanden. Ihnen stehen Hilfskrankenträger (die als Kombattanten nicht unter dem Schutze des Genfer Abkommens stehen), Sanitätsmannschaften und Ausstattung mit Medikamenten, Verbandmitteln und chirurgischen Instrumenten zur Verfügung. An Sanitätsformationen sind vorhanden: für jedes Armeekorps 12 Feldlazarette und 3 Sanitätskompagnien, Während einer Schlacht leisten die Truppenärzte den verwundeten Soldaten unmittelbar auf dem Kampfplatz Beistand. Sie errichten Truppenverbandplätze. Seitens der Sanitäts- kompagnien werden Hauptverbandplätze errichtet; in ihrer Nähe befinden sich Leichtver- wundetensammelplätze. Die Feldlazarette werden schnell errichtet. Sie haben Ausstattung für je 200 Verwundete, können aber bedeutend erweitert werden. 1) Heft 3/4 des XIII. Bandes. XXI In die Feldlazarette gelangen die nicht transportfähigen Verwundeten. Die transportfähigen Schwerverwundeten werden in die Etappenlazarette überführt und die, welche einen längeren Transport vertragen können, mittelst Lazarett-, Hilfslazarett- und Krankenzügen in das Heiraats- gebiet. Ebenso Leichtverwundete, deren Heilung einige Zeit erfordert, während die voraus- sichtlich schnell zu Heilenden im Etappengebiet oder bei der Truppe verbleiben. Das Etappengebiet vermittelt einerseits den Abtransport alles dessen, was das Heer zurzeit nicht gebrauchen kann, und andererseits die Zufuhr dessen, was nötig ist, sowohl Personal als Material. An der Spitze des Etappenhauptortes steht der Etappeninspekteur. Ihm ist der Etappenarzt beigegeben, und diesem wieder stehen zur Seite der beratende Hygieniker, der Korpslazarettdirektor, die Kriegslazarettabteilung (Personal an Ärzten, Pflegern und Pflegerinnen), Krankentransportabteilung, Etappensanitätsdepot mit reichlicher Ausstattung an allem Material, das zur Krankenpflege und Wartung gebraucht wird. Von der freiwilligen Krankenpflege sind vertreten: Etappendelegierte. Delegierter des Kriegslazarettdirektors, Delegierter bei der Krankentransportabteilung (Transporttrupp), Personal für Lazarettzüge usw. Da die Feldlazarette dem Heere bald folgen müssen, wird das Personal durch das der Kriegslazarettabteilung abgelöst. Damit nehmen die bisherigen Feldlazarette den Namen Kriegs- lazarett an und werden eine bleibende Einrichtung. Im Etappengebiet werden die Verwundeten- und Kranken-Transporte zu Lande und zu Wasser hergerichtet. Es werden Etappenlazarette, auch für übertragbare Krankheiten, Krankensammelstellen, Verband- und Erfrischungsstellen, Leichtkrankenabteilungen aufgetan und unterhalten. Im Heimatsgebiet steht an der Spize des Militärsanitätswesen die Medizinalabteilnng des Kriegsministeriums. Ihm zur Seite steht der stellvertretende Militär-Inspekteur der frei- willigen Krankenpflege. Bei den stellvertretenden Generalkommandos vertritt der stellver- tretende Korpsarzt (mit Sanitätsamt) das Sanitätswesen. Ihm sind die im Heimatsgebiet errichteten Reserve- und Vereinslazarette unterstellt. An der Spitze der freiwilligen Kranken- pflege steht hier der Territorialdelegierte, für gewöhnlich der Oberpräsident. In seiner Hand vereinigen sich die Bestrebungen und Ergebnisse der Männervereine vom Roten Kreuz und der Vaterländischen Frauen vereine. Dem stellvertretenden Korpsarzt stehen fachärztliche Beiräte (Chirurg, Hygieniker) zur Seite. Aus dem Sanitätsdepot und aus den staatlichen Annahmestellen für freiwillige Gaben findet die Ergänzung des gesamten Materials für Krankenpflege und Wartung statt. Militärsanitätswesen und freiwillige Krankenpflege bilden eine Einheit. Auf ein harmonisches Zusammenarbeiten kommt für einen guten Erfolg alles an. Der Direktor spricht dem Vortragenden den Dank der Gesellschaft aus. 9. Sitzung am 2. Dezember 1914 Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Versammlung und gedenkt mit warmen Worten der Teilnahme des inzwischen verstorbenen Vorstandsmitgliedes Herrn Professor Hess. Die Versammlung erhebt sich zu Ehren des Dahingeschiedenen von ihren Sitzen. Darauf hält Herr Diplomingenieur Dr. Nagelschmidt einen Vortrag über „Die Chemie des Stein- kohlengases^^ mit Vorführung von Lichtbildern und Experimenten. An den Vortrag schließt sich eine lebhafte Diskussion. » 10. Sitzung am 17. Dezember 1914. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder und erteilt das Wort Herrn Professor Dr. Kküger. Dieser hält einen Vortrag über „Die höchsten und tiefsten Temperaturen“ mit Demonstrationen. XXII Anderweitige Vortrags Veranstaltungen. Außer jenen 10 Ordentlichen und den sich anschließenden, beziehungs- weise vorausgehenden Außerordentlichen Sitzungen, welche der Mitgliederwahl und der Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten dienten, fanden noch Ver- sammlungen statt, in welchen folgende Vorträge vor den Mitgliedern, ihren Damen und Gästen gehalten wurden: 1. Vortrag des Herrn Geheimen Regierungsrat Dr. von LusCHAN-Berlin über „Die Einheit des Menschengeschlechts“ mit Lichtbildern, am 3. Januar im Festsaal des Danziger Hofs. 2. Vortrag Sr. Exzellenz des Wirkl. Geh. Rat Professor Dr. von WiLAMOwiTz-MoELLENDORFF-Berlin Über ,,Die Griechen und die Natur- wissenschaften“, am 31. Januar in der Aula der Technischen Hochschule. Das Griechentum ist für uns noch immer das von Winkelmann gezeichnete; wir sehen in ihm ein ästhetisches Ideal. Von der Kunst, und zwar von der bildenden Kunst, ist es zuerst entwickelt worden. Homer hat uns ein Bild dieses Griechentums gezeichnet. Es erscheint durchaus primitiv, wenn auch mit manchen Vorzügen. Die Götter leben in idealer Nacktheit, die Menschen wenig bekleidet. Man sieht den ewig lachenden Himmel und über- legt nicht, daß sich die AVitterung ändern könnte. So eine Art Wunschland, ein glückliches Paradies. In Wirklichkeit wohnten die Menschen sehr kümmerlich, ebenso wie heute noch zum Teil. Nur die Wissenschaft und die Kunst hatte eine hohe Entwickelung genommen. Der Okzident hatte indessen im Laufe der Jahrhunderte jedes Verständnis für die grie- chische Wissenschaft verloren. Erst zur Zeit, als die erste medicäische Universität gegründet wurde unter Friedrich II., wurde der Gedanke an die griechische Kultur wieder wach. Die Araber bringen griechische Wissenschaft ins Abendland; allerdings ist das, was die Araber vermitteln, bloß Übersetzung. Dann kommt die große Bewegung des 14. und 15. Jahr- hunderts. Aber kaum ein neuer Gedanke ist darin! Wäre Kolumbus immer nach Westen weiter gefahren, wenn er nicht gewußt hätte, daß die Erde eine Kugel sei, wenn er nicht Karten gehabt hätte, wenn ihm nicht überlieferte Prophezeiungen bekannt gewesen wären? Ist es denkbar, daß Kopernikus das heliozentrische System aufgestellt hätte, ohne zu wissen, daß dieses schon von griechischen Astronomen, wenn auch nur als Hypothese, aufgestellt war. Leonardo da Vinci hat den Gedanken des Pliegens erwogen; er kannte die Tradition, daß ein Grieche eine fliegende Taube konstruiert hatte. Als die moderne Wissenschaft — die Naturwissenschaft — begann, ringt . sich etwas neues empor. Die Arzte z. B. mußten zuerst hinwegkommen über die alten törichten Rezepte. Es mußte das, was Aristoteles für richtig hielt, für falsch erklärt werden. Das vielfach mißverstandene Organon mußte durch ein novum organon ersetzt werden. Ein törichtes Festhalten hielt man für überwunden. Zur Zeit Boileaus begann in Frankreich ein heftiger Kampf der antiken Poesie gegen die moderne. Wenn wir heute diesen Kampf betrachten, so stellen wir uns auf die Seite der Angreifer der Antike. Denn nur so kommt die Wissenschaft weiter. Die Rätsel des Lebens an dem Lebendigen selbst zu lösen, die Regelmäßigkeit des Seins zu erkennen, das ist Wissenschaft. Das 6. Jahrhundert v. Ohr. ist eigentlich das merkwürdigste für die ganze Entwickelung der Menschheit .geworden. Zu dieser Zeit bildete sich in Indien die Religion, die die meisten Bekenner zählt, eine Religion, die zunächst nicht als solche gedacht ist — d. h. als Kultus — , die den Wunsch hatte, nicht nur staatslos und gesellschaftslos zu sein, sondern auch den Wunsch, überhaupt nicht zu sein. In demselben Jahrhundert bildet sich in Judäa eine Ge- meinde, die sich herausnimmt, auserwählt zu sein. Aus ihr erwachsen dann die beiden anderen großen Religionen; das Christentum und die Lehre Mohameds. Bei ihnen allen handelt es sich um Gedanken, die die Wirklichkeit im Hinblick auf ein Jenseits negieren wollen. XX] II In Jonien entwickelte sich bei den Griechen eine andere Richtung des Geistes. Auch dort forscht man nach den Rätseln des Lebens. Auch die Griechen wollen die Lösung der Dinge; aber im Gegensatz zu den übrigen Völkern fassen sie das an, was ihnen unmittelbar gegeben ist. Und auch das ist ein tiefes und im besten Sinne religiöses Empfinden. Dort oben wandeln nach ewigen Gesetzen die Götter; die wollen sie begreifen. Den Mondlauf, von dem sie sehen, daß er den Perioden des animalischen Lebens entspricht. Für das alles mußte eine Erklärung gefunden werden, wenn auch nicht von den Lebenden, so aber doch von denen, die später leben. Als selbstverständliche Grundlage ihres Denkens galt, daß das Leben eine Einheit ist, und daß alles nach Gesetzen regiert wird. Von Milet aus fahren Kaufleute über die weiten Meere. Sie sehen und beobachten viel, und einer von ihnen will alles das zusammenfassen, was er kennen gelernt hat. Dabei muß er zuerst Karten zeichnen. Sichtlich das darstellen wollen, was mit dem Auge wahrnehmbar ist, das ist der Beginn der griechischen Philosophie. Dieser Glaube, daß alles dem menschlichen Geiste erkenntlich sein mußte, daß alles sinnlich wahrnehmbar sein mußte, dieser Glaube geht den Griechen nie verloren. Dann kommen die schwierigen Fragen des Erkenntnisproblems, die Fragen, die sich mit dem Menschen selbst beschäftigen. Der Gedanke erwacht, daß alle Fragen erst durch den Menschen selber hindurch gehen müssen. Die Erscheinung gilt nicht als absolut, sondern in dem Menschen selbst liegt das einzig Absolute. Die Frage der Verbindlichkeit für andere wird aufgeworfen. Hier greift die Logik ein. Sie entwickelt sich an der Geo- metrie. — Im einzelnen kann das wegen der ungeheuren Fülle des Stoffes nicht verfolgt werden. Uns fällt vor allem wissenschaftliche Gesinnung und wissenschaftliche Konsequenz auf. Der Grieche muß alles erforschen, was die Fülle der Erscheinung ihm zeigt. Als Alexander der Grosse nach Asien herüberging, nahm er nur ein kleines Heer mit sich, aber auch einen Stab von Naturforschern und Geographen zur Erkundung der Flora und Fauna, zur Feststellung der Entfernungen. Und als er nach Ägypten kam, sandte er die wissenschaftlich gebildete Truppe aus auf eine Expedition der Nilquellen, Diese sahen urid beschrieben, was sie fanden und was ihnen fremd war. Diese Beobachtungen waren nicht der einzige Zweck der Reise; neben wissenschaftlichen Zielen sollten auch militärische erfüllt werden. Der König sorgte dafür, daß die Ergebnisse der Forschung sobald als möglich den Zentren der Wissenschaft mitgeteilt wurden. Eine Expedition wurde ausgerichtet, die erforschen sollte, ob das Kaspische Meer ein Binnensee sei, oder ob es in das Nordmeer hineinreicht. Man fuhr bis zu einer Stelle, wo das Meer aufzuhören schien, und berichtete entsprechend. Das Ergebnis war also ein Irrtum. Das schadet aber nichts; die Hauptsache ist das Wollen zur Forschung. In demselben Jahrhundert erfuhren die astronomischen Kenntnisse eine gewal- tige Erweiterung. Man erkannte, daß es Planeten gibt, daß die Erde sich um die Sonne dreht. Die Achsendrehung der Erde wird überzeugend dargelegt. Und so geht es auf allen Gebieten. Woher kommt es nun, daß das nicht weiter geht? Es geht nicht weiter; es geht bergab. Die materiellen Bedingungen fallen fort, die Herrschaft kommt an die Römer, die nie gewußt haben, was Wissenschaft ist. Die Talente wurden nicht geboren. Der ganze Schiffbau ver- fiel, man hatte nur noch Kähne. Wir müssen sagen, daß wir für das Sinken der geistigen Kraft einer Nation Erklärungen nicht haben. Aber es würde durchaus verkehrt sein, wenn man leugnen wollte, daß dieses Sinken eine Tatsache geworden ist. Gewiß, ein Mensch, der wie wir denkt und fühlt, steht einer Zeit, die gar nichts mehr will, die es zurückweist, irgend etwas Neues zu bekommen, ganz fremd gegenüber. Zu Tiberiüs kam ein Mann, der Glas machen konnte, das unzerbrechlich ist. Tiberiüs ließ den Mann köpfen. Man brauchte nichts Neues mehr. Diese Richtung läuft darauf hinaus, daß sie nicht das Bewußtsein ver- liert, es muß in allem einen natürlichen Verlauf nehmen. Niemals ist den Griechen der Gedanke gekommen, daß aus nichts etwas wird. Aber sie verlangen, daß sich alles zeigt. Man fragt sich, woher muß das alles kommen. Ein Wunder ist nicht möglich. Aber eine Prüfung der schon vorhandenen Erklärungen wurde nicht mehr angestellt. Der Gedanke des Experiments ging verloren. XXIV Dann kommt die Orientalisierung. Das Erbe der antiken Naturkenntnis bei den Griechen geht verloren. Das ist schon zu Zeiten Jüstinians. Da kann es sich die Kirche schon erlauben, zu sagen, daß der Glaube, die Erde sei eine Kugel, verderblich sei. Die Er- schaffung aus dem Nichts wird bewiesen. Die Materie ist erst das, was geordnet wird. Vor 150 Jahren waren solche Gedanken noch nicht möglich gewesen. Doch bildet sich in keiner Weise ein plötzlicher Gegensatz zwischen der gebundenen Auffassung der Kirche und der freien Wissenschaft der Griechen. Die Kirchen fürsten suchten zuerst zu lernen, und erst allmählich versank alles in dogmatischer Beschränktheit. — Auf dem Gebiete praktischer Baukunst erscheint eine Ausnahme; ein Gebäude wie die Haghia Sophia hat die frühere Zeit nicht gekannt. Aber wir wissen, daß die Baumeister zusammenhingen mit jenen letzten, die sich noch mit streng mathematischer Forschung abgegeben haben. Die damalige Zeit kannte die Naturwissenschaften, die Forschung, wie sie Aristoteles und seine Schüler getrieben hatten. Sie kannte die Sterne und pflegte die botanischen Gärten. Aber überall fehlt ein Verständnis für die persönliche Leistung des Denkens. Von dem größten Techniker und Gelehrten des Altertums, Archimedes, wissen wir nur etwas, weil er sich in bevorzugter sozialer Stellung befand. Er war ein Verwandter des Fürsten von Syrakus. Aber sonst ist es Ausnahme, daß jemand, der große Werke leistete, einen Namen hatter Wir haben keine Ahnung davon, wie technisclies Können gewertet worden ist. Der Technike. wird anders bewertet als der Arzt. Der Arzt ist immer einer von den Handwerkerberufen. Bei den Künstlern ist das schon anders; nur weil er Handwerker bleibt, behält er seine Stellung. Der Techniker verschwindet fast ganz. Wir wissen nicht, wie die Schulen waren, in denen er unterrichtet wurde, wie er sich fortentwickelt hat. Der Mangel an technischem Können, der immer wieder eintritt, hängt hiermit zusammen; wie überhaupt die Tätigkeit, zu erfinden, seltener wurde. Man wollte damals gern den Stein der Weisen machen, nicht aus wissenschaftlicher Konsequenz, sondern um Münzen daraus zu haben, die an sich einen etwas geringeren Wert als den auf dem Markte darstellen. Und dazu umkleidete man alles mit einem geheimnisvollen Mantel. Das Können war ohne Beachtung. Der Untergang der griechischen Wissenschaft liegt zum großen Teil darin, daß keine geistig produktiven Menschen mehr geboren werden und daß die technischen Fähigkeiten nicht mehr ausgeübt werden. Die Achtung der gesamten Gesellschaft hatte sich geändert. 3. Lichtbildervortrag des Herrn Professor Dr. G. WEGENER-Berlin über ,, Ethnologische und kulturgeschichtliche Bilder von asiatischen Fürsten- höfen“, am 23. März im Festsaal des Danziger Hofes. 4. Lichtbildervortrag des Direktors der Gesellschaft, Herrn Professor Dr. Lakowitz: Durch Russland zu den Petroieumquellen von Baku am Kas- pischen Meer‘‘, am 29. April im großen Saal der Gesellschaft. Der Wald von 2000 Bohrtürmen von Baku, einem Zypressenwald wirklich nicht unähn- lich, gibt im Bilde eine Anschauung von dieser Riesenindustrie, die mit den Namen Nobel und Rothschild als Hauptträgern verknüpft, mit 10 Millionen Tonnen etwa ein Fünftel der Erdproduktion darstellt. In diesem wasserarmen Lande gibt es bei den Bohrtürmen Teiche die Fülle, aber sie bergen nicht Wasser, sondern sind provisorische Ansammlungen des Roh- öles. Redner gab einen Ueberblick über die Verbreitung des Erdöles auf der ganzen Erde, wobei sich ergab, daß dies fast überall und in beinahe allen geologischen Horizonten zu finden ist, daß Baku nur für die Gewinnung vor vielen anderen Stellen bevorzugt ist. Für die Entstehung der erdölhaltigen Erdschichten, die nesterartig im Boden liegen, die Poren des Gesteins schwammartig mit flüssigem oder gasartigem Öl erfüllend, stützte Redner sich auf die Hypothese von Engler und Höfer, wonach das Erdöl die unter Luftabschluß entstandenen Verwesungsprodukte tierischer Reste sind, die in Lagunen durch Katastrophen XXV vernichtet und mit Sand überdeckt wurden. Die Kohlenwasserstoffe mit etlichen Beimischungen sammeln sich bei Bohrungen oder schießen auch fontänenartig zutage. Früher genügten Bohrungen bis zu 10 oder 12 m. Heute ist man schon genötigt, bis zu 600 m hinab- zubohren. Mit Pumpenbetrieb wird das Ol mit allen Beimengungen dann aus der IMefe geschöpft. Im Raffinierungsverfahren durch sogenannte fraktionierte Destillation, d. h. allmähliche Erwärmung, werden die Produkte gesondert, erst das leichtflüchtige Benzin, dann die Leucht- öle, dann die Schmieröle, darauf die bei niedriger Temperatur festwerdenden Körper Paraffin und Asphalt, endlich das dickflüssige Massut, das als Kesselfeuerung verwertet wird. Die Versendung war früher mühselig. Heute geht den ganzen, 900 km langen Weg vom Kaspischen zum Schwarzen Meer, von Baku bis Batum, eine Rohrleitung, die an 12 bis 15 Stellen durch Sammelbassins abgegliedert ist. Eine ausgezeichnete Verwaltung ordnet die Benutzung dieser Rohre, von denen aus dann das Produkt über das Schwarze Meer in die weite Welt geht. Außerdem wurden die Mitglieder zu folgenden außerhalb der Gesellschaft veranstalteten Vorträgen und Besichtigungen eingeladen: 1. Vortrag des Herrn Ingenieur Gründel vom Kabelwerk Oberspree über „Die Herstellung von Kupferdraht, Starkstrom- und Fernsprech-Kabeln“, am 10. März, auf Einladung des Westpreußischen Bezirksvereins des Vereins Deutscher Ingenieure. 2. Vortrag des Herrn Professor Lakowiz über „Reisebilder aus Spanien“ mit Demonstration von Lichtbildern, am 27. November, auf Einladung des Westpreußischen Botanisch-Zoologischen Vereins. In dem großen Sitzungssaal der Gesellschaft fanden 2 Vorführungen wissenschaftlicher Kinofilms statt: Am 18. April über „Lebenswunder in der Natur“, am 23. und 24. April „Aus dem Gebiet der Technik, besonders der Elektrotechnik“; mit Erläuterungen durch Herrn Prof. Lakowitz. :r- I— ^ XXVI Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1914 behandelten Gegenstände. A. Allgemeines. Der Direktor, Herr Professor Lakowitz, erstattet den Jahresbericht für das Jahr 1913 und legt die Berichte der Vorsitzenden der einzelnen Sektionen vor, am 22. Januar. B. Physik, Chemie und Technologie. 1. Herr Siebenfreund hält einen Vortrag über „Autotypie und Drei- farben druck ‘‘j am 4. Februar. 2. Herr Diplomingenieur Dr. Nagelschmidt hält einen Vortrag über „Die Chemie des Steinkohlengases“, am 2. Dezember. 3. Herr Professor Dr. Krüger hält einen Vortrag über „Die höchsten und die tiefsten Temperaturen“, am 17. Dezember. C. Meteorologie. 1. Herr Dr. von Brunn hält einen Vortrag schungen über die Natur des Polarlichts tischen Störungen“, am 3. März. B. Botanik und Zoologie. 1. Herr Professor Dr. Vogel- Bromberg hält einen Vortrag über „Fort- schritte und Probleme der Bodenbakteriologie“, am 22. Januar. 2. Herr Dr. FTesse hält einen Vortrag über „Inzucht und Vererbung“, am 22. April. E. Anatomie, Physiologie und Psychologie. 1. Herr Professor Dr. Wallenberg hält einen Vortrag über „Die Ent- wickelung des Zentralnervensystems in der Wirbeltierreihe“, am 18. Februar. über „Neuere For- und der erdmagne- XXVII 2. Herr Dr. Semi Meyer hält einen Vortrag über „Entwickelung des Geistes. I. Geistesformen“, am 1. April. 3. Herr Professor Dr. Lentz hält einen Vortrag über „Physiologische Entwickelungsschwankungen im Jugendalter“, am 6. Mai, F. Medizin. 1. Herr Generalarzt Dr. Böttcher hält einen Vortrag über „Unser Militärsanitäts wesen im Kriege“, am 4. November. XXVIII Jahresbericht über die Sitzungen der medizinischen Sektion im Jahre 1914. Erstattet von ihrem Vorsitzenden Dr. LOHSSE. Der Vorstand besteht, wie im vorigen Jahre aus den Herren: Dr. Storp, Vorsitzender. Dr. ScHUSTEHRus, Sanitätsrat, stellvertretender Vorsitzender. Dr. Farne, Geh. Sanitätsrat, Kassenführer. Dr. Francke, Schriftführer. Dr. Lohsse, stellvertretender Schriftführer. Vorträge. Sitzung am 8. Januar 1914. 1. Herr Vorderbrügge stellt einen Fall von stenosierenderTendovaginitis am processus styloideus radii vor. 2. Herr Berent zeigt einen Fall von Neuroretinitis nach Serum-Ein- spritzung. • • 3. Herr Jelski: über Mongolismus. 4. Herr Adolf Wallenberg: Der Hund ohne Großhirn, der Mensch ohne Großhirn. Sitzung am 5. Februar 1914. 1. Herr Adolf Schulz: Über Mucosa-Eiterung. • • 2. Herr Adolf Schulz: Uber Labyrinth-Operation. • • 3. Herr Vorderbrügge: über Pericolitis und ihre Beziehungen zur chronischen Blinddarm-Entzündung. Sitzung am 5. März 1914. 1. Herr Storp stellt einen Fall von doppelseitiger Coxa vara adoles- centium vor. 2. Herr Storp: Über Schußverletzung mit Krankenvorstellung. 3. Herr Schwer: Die Abderhaldensche Serumreaction und ihre dia- gnostische Bedeutung. XXIX Sitzung am 2. April 1914. 1. Herr v. Vagedes: Der gegenwärtige Stand unserer Kenntnis vom Pockenerreger. 2. Herr Züsch: Beitrag zur Frage der Prognose ausgedehnter Dünn- darm-Resektionen (Stoffwechseluntersuchungen.) Sitzung am 26. November 1914. 1. Herr Storp: Über Schußverletzungen des Centralnervensystems mit Demonstrationen. 2. Herr Sebba: Demonstration von Fällen von Kieferbrüchen. 3. Herr Lohsse: Demonstration eines Falles von spinaler Meningitis. 4. Herr Schmidt: Demonstration und Besprechung russischer und deutscher Geschosse. Sitzung am 10. Dezember 1914, 1. Herr Schmidt: Demonstration eines Falles von Morbus Basedow mit einseitigen Augensymptomen. 2. Herr Storp: Demonstration eines Falles von Kehlkopfschuß. 3. Herr Storp: Bauchschuß mit Blasen- und Darm Verletzung. 4. Herr Sebba: Die Behandlung der ünterkieferfrakturen. ö. Herr Adolf Wallenberg: Über Verstopfung der Arteria cerebellaris inferior posterior. XXX Verzeichnis der Mitglieder des Ärztlichen Vereins zu Danzig am Schlüsse des Vereinsjahres 1913/14. Ehrenmitglieder: Dr. Scheele. Geh. Sanitätsrat, Wiesbaden, ernannt 1896. „ Hoepfner, Dr. Abraham ,, Althaus, Sanitätsrat ,, Backe ,, Barth, Professor „ Becker ,, Behrendt, Sanitäts- rat „ Berent „ Birnbacher, Kreis- arzt, Medizinalrat ,, Bodenstein ,, Boecker ,, Boese, Marine- Generaloberarzt ,, ßOENHEIM ,, Borowski „ Brauer ,, Byczkowski ,, Catoir „ Catoir-Lindner, Frau „ Cohn ,, Diegner ,, Dreyling, Sanitäts- rat ,, Dultz ,, Dütschke „ Effler ,, Farne, Geh. Sani- tätsrat Generalarzt a. D., Danzig Mitglieder: Dr. Fleck ,, Francke ,, Freytag, Geh. Sani- tätsrat ,, Fuchs ,, Gaertner ,, Gehrke ,, Ginzberg ,, Glaeser, Sanitätsrat ,, Gloy ,, Götz, Geh. Sanitätsrat ,, Hahne ,, Hanff, Sanitätsrat ,, Hartmann ,, Hausburg ,, Helmbold ,, Hennig, Sanitätsrat ,, Hepner ,, Hoepfner, General- arzt a. D. ,, Hohnfeldt ,, Hopp ,, Jacob ,, Jeckstadt ,, Jelski .. Karpinski / / ,, Katke, Sanitätsrat ,, Klinge ,, Koestlin, Direktor ,, Körte „ 1906. Dr. Kraft ,, Kubacz ,, Labitzki ,, Landau ,, Liek ,, Lievin, Sanitätsrat ,, Litewski ,, Lohsse ,, Magnussen, Sanitäts- rat ,, Masurke ,, Meyer I, H. ,, Meyer H, Semi „ Michelsen ,, Mierendorff ,, Möller ,, Neumann ,, Ortmann, Sanitätsrat „ Panecki ,, Penner ,, Petruschky, Prof. ,, Philipp ,, Pflanz, Kreisarzt ,, Pietsch, Sanitätsrat ,, PiRWASS ,, Pusch, Kreisarzt ,, Redmer „ Reichel ,, Reinke, Sanitätsrat ,, Rudolph XXXI Dr. Säger „ Salinger „ SCHARFFENORTH, Sanitätsrat ,, SCHLOMANN ,, SCHOMBURG ,, SCHOURP ,, Schulz I, Anton „ Schulz II, Otto ,, Schulz III, Adolf „ SCHUSTEHRUS, Sanitätsrat ,, Schmidt ,, Schwer, Kreis- assistenzarzt ,, Seemann, Regie- rungS' und Geh. Medizinalrat ,, Sebba ,, Semrau I, Geh. Sanitätsrat Dr. Althaus ,, VAN DE Camp ,, Ellermann „ Freese ,, Galda ,, Grimm Dr. Semrau II „ Siegmund ,, Singer , Solmsen ,, Stahr, Prosector ,, Stanowski ,, Storp ,, Swierzewski ,, SzPITTER ,, Thel, Obergeneral- arzt ,, Thiel, Oberstabs- arzt ,, Thun „ V. Vagedes, Ober- stabsarzt, Professor ,, Valentini, Professor „ Vellguth, Kreis- assistenzarzt ,, Vorderbrügge Hospitanten: Dr. Grünbaum ,, Gusinde „ Korbsch ,, Lindner ,, V. Lukowicz ,, Metge Dr. Wagner, Sanitätsrat ,, Wallenberg I, Professor ,, Wallenberg II, Sanitätsrat. ,, Weber, Generalarzt ,, Wegeli ,, Wendt ,, Wisselink ,, WOBBE ,, Wolfe, Sanitätsrat „ V. Wybicki „ Zabel ,, Zemke „ Ziegenhagen ,, ZiEHM, Sanitätsrat ,, ZURALSKI ,, ZuSCH Dr. Seese ,, Senge ,, Seifert ,, Schmidt „ Schmücking ,, WiSOTZKI XXXII Bericht über die Sitzungen der Anthropologischen Sektion im Jahre 1914. Erstattet von dem Vorsitzenden der Sektion Professor Dr. KUMM. Am 7. April fand eine Sitzung statt, in welcher der Kustos am West- preußischen Provinzial-Museum Herr Dr. La Baume einen ausführlichen, durch zahlreiche Lichtbilder erläuterten Vortrag über „Jagd und Jagdgeräte in vor- geschichtlicher Zeit mit besonderer Berücksichtigung Westpreußens“ hielt. Darauf führte der Vorsitzende zwei kürzlich dem Provinzial-Museum zuge- gangene bemerkenswerte Urnen aus der jüngsten Bronzezeit vor. Die eine davon ist in Bebernitz, Kreis Berent, ausgegraben und trägt auf dem Bauch eine plastische Darstellung, die an ein Tier erinnert, aber nicht mit Sicherheit zu deuten ist. Die andere Urne ist vor einiger Zeit in Elsenau, Kreis Schlochau, ausgegraben und neuerdings von Herrn Generalkonsul von Koch in Bären- walde dem Museum überwiesen. Es ist eine große, vasenförmige, schwarze Urne, auf deren Bauch zahlreiche Menschen- und Tierzeichnungen eingeritzt sind. Zweifellos handelt es sich auch hierbei um die Darstellung von Jagd- szenen. Bemerkenswert ist, daß diese Urne unweit der Stelle ausgegraben ist, wo schon vor etwa 35 Jahren eine Urne mit auf dem Bauch eingeritzter Darstellung eines vierrädrigen, mit zwei Pferden bespannten Wagens aufge- funden ist. Die Urnen nebst ihren Zeichnungen wurden auch im Lichtbilde vorgeführt. =F XXXIII Bericht des Westpreussischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege fUr das Jahr 1914. Erstattet von seinem Vorsitzenden Landesrat CLAASZEN. Die Tätigkeit des Vereins bat sich auch im Jahre 1914 in demselben Rahmen abgespielt, wie in den Vorjahren. Der im vorjährigen Jahresbericht erwähnte Erlaß des Herrn Ober-Präsi- denten an die beiden Regierungs-Präsidenten und die sämtlichen Landräte der Provinz hat die erfreuliche Folge gehabt, daß in mehreren Orten der Provinz, so in Pr. Stargard, Kulm und Stuhm bereits neue Fürsorgestellen für Tuber- kulöse errichtet und in mehreren anderen Orten der Provinz solche Fürsorge- stellen in der Bildung begriffen sind. Wenn die Gründung inzwischen noch nicht vollzogen ist, so ist daran in vielen Fällen wohl der Ausbruch des Krieges schuld. Unsere Lupus-Kommission hat ebenso wie im Voijahre eine rege Tätigkeit entfaltet und mit Hilfe der ihr von dem Deutschen Zentol-Komitee zur Be- kämpfung der Tuberkulose gewährten Beihilfe eine größere Anzahl von un- bemittelten Lupuskranken teils in der Lupusheilanstalt des Dr. med. Brauer in Danzig, teils in der Lupusheilanstalt des Vaterländischen Frauen-Vereins in Graudenz behandeln lassen. Die Erfolge der Behandlungen waren gut. Nachdem wegen der Kriegslage im Osten im Anfang des Krieges die Grau- denzer Anstalt für mehrere Wochen geschlossen werden mußte, ist sie jetzt wieder eröffnet, so daß wir wieder Patienten in sie haben einweisen können. Auch der Ausschuß für Arbeitergärten hat im Berichtsjahre wieder eine große Arbeit geleistet. Die Nachfrage nach den Gärten war stets groß, so daß sämtliche vorhandenen Plätze stets vermietet werden konnten. Herr Vermessungsdirektor Block, der in den Vorjahren einen ausführlichen Bericht über die Tätigkeit dieses Ausschusses erstattet hat, ist zurzeit im Felde, so daß nähere Angaben zurzeit nicht gemacht werden können. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 1. 3 XXXIV Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des westpreussischen Fischereivereins im Jahre 1914. Erstattet vom VorsitzeDden des Vereins, Regierungsrat DOLLE. Die Untersuchungen in den Gewässern, besonders auch über Fischkrank- heiten und Fischsterben, wurden weitergeführt, soweit der Kriegszustand es zuließ. Namentlich kamen Fischsterben zur Untersuchung aus der Toten Weichsel bei Krakauer Kämpe, dem Karpfenkolk bei Östlich Neufähr, Teichen bei Wartsch, dem Wittstocker See, dem Gorznoer See, dem Zempelburger See, dem Riesenburger Schloßsee, Gewässern bei Marienburg, Taubenwasser, Klein Schlatau, dem Rosenberger See und dem Radaunesee. Von allgemeinem Interesse war die Auffindung des Corophium devium WüNDSCH, eines in die Ordnung der Amphipoden gehörigen kleinen Krebses, in Buchten des Weichselstromes. Diese Tierart ist im Müggelsee bei Berlin in großer Menge gefunden; das Corophium longicorne der Ostsee steht ihm im Körperbau minder nahe als gewisse im Schwarzen Meer vorkommende Formen, von denen namentlich C, nohile und C. monodon der neuen Form ähnlich sind. Der Fund in der Weichsel deutet daher auf die direkte Herkunft der Form aus Südosteuropa. Das C. lacustre, eine Form, welche Vanhöffen im Frischen Hafi* bei Pillau entdeckt hat, ist bis jetzt in westpreußischen Gewässern, namentlich auch in den Danziger Hafengewässern, nicht aufgefunden. Dagegen fand sich im Brakwasser des Hafens an gewissen Stellen das Amphipod Lepto- chirus pilosus Zaddach (vom Autor später als Protomedeia pilosa Bäte auf- geführt), das seit der Auffindung durch den Autor nicht wieder in der öst- lichen Ostsee beobachtet zu sein scheint. Wiederholte Beobachtungen bestätigten, daß der von den Fischern als Silberlachs bezeichnete sogenannte Weichsellachs, welcher im Herbst in großer Zahl aus der Ostsee meist in Länge von 40 — 100 cm aufsteigt, eine sehr großwüchsige Form der Meerforelle (T^mtta trutta) ist. Die Ovarien dieser Tiere sind dann höchstens einige Gramm schwer, die Ovula 0,5 bis gegen 1 mm groß, die Fische laichen also erst im folgenden Jahre und halten sich fast XXXV ein ganzes Jahr im Weichselgebiete auf; daraus erklärt sich die Behauptung der Dunajecfischer, daß die Lachse des Dunajec keine Wanderfische seien. Der eigentliche Lachs (Trutta salar), von den Fischern Schwarzlachs genannt, steigt im Laufe des Sommers mehr vereinzelt in die Weichsel auf; er wird viel größer als der Silberlachs. Unter den Aalen, welche im Putziger Wiek im Winter Gegenstand einer Speerfischerei sind, finden sich fast alle Größen von 20 bis über 60 cm Länge. Den Schuppen nach sind es meist 3- bis 7jährige Aale, überwiegend Weibchen, aber auch über 20 Männchen. Von den 1912 in die Weichselmündung gesetzten markierten Aalen sind einzelne, wohl über See und Haff, bis in den Drausensee gewandert; im ganzen ist die Zahl der wiedergefangenen Aale bis jetzt gering gewesen. Den die Fischerei in der Ostsee stark beeinträchtigenden Seehunden wird neuerdings mit besonderen ergiebigen Fangmethoden nachgestellt; seit November 1912 sind auf diese Weise an der westpreußischen Küste 135 Seehunde gefangen, darunter über 100 große Kegelrobben (Halichoerus gryphus)^ der Rest bestand größtenteils aus Gemeinen Seehunden (Phoca vitulinaj, daneben wenigen Ringel- robben (Ph. foetida) , Die Kegelrobben waren zum Teil ganz alte Tiere mit mächtigen Kiefern und fast vollständig abgekauten Zähnen. Seit Beginn des Krieges hat der Fang fast vollständig aufgehört. Der Bericht über die Tätigkeit der Sektion für den naturwissenschaft- lichen und mathematischen Unterricht muß verschoben werden, da der Vor- sitzende wie der Schriftführer der Sektion sich im Felde befinden. 3* • m Uber die Hexenbesen der Edeltanne. Vom Geheimen Studienrat Prof. Dr. BAIL. Mit 2 Abbildungen im Texte. 1. Einleitung. Zur Geschichte des Edeltannenrostes. In einem am 28. November 1894 in der Danziger Naturforschenden Gesell- Schaft gehaltenen Vortrage machte ich über den in der Überschrift genannten Gegenstand Mitteilungen, die hier mit einzelnen Zusätzen wiedergegeben werden. Zu den Rostpilzen gehört auch das Aecidium elatinum. Sobald ich auf meiner diesjährigen Reise nach Wildbad in Württemberg im Schwarzwalde die ersten Wälder der Edeltanne begrüßte, fielen mir auf dieser schon aus ziemlich weiter Entfernung die hellen, der Gestalt nach an Misteln erinnernden Büsche auf, die ich später fast auf jedem Spaziergange antraf. Es sind die Hexen- besen oder Donnerbüsche, verursacht durch das Aecidium elatinum. Indem die von diesem befallenen Zweige senkrecht in die Höhe wachsen und statt der platten, stumpfen Edeltannen-Nadeln, spitze, denen der Fichte ähnliche Nadeln tragen, die zur Reifezeit des Pilzes dicht mit den länglichen, orangefarbenen Pilzhäufchen besetzt sind, erinnert das Gebilde anfangs an hellgefärbte, zu runden Gruppen vereinte Fichtenbäumchen. Außer den mit Hexenbesen besetzten Astbeulen (den Astkrebsen) bringt der Pilz auch Geschwülste an den Stämmen (Stammkrebse) hervor. Diese erstrecken sich meist rings um den Stamm, der hier bis zur doppelten Dicke anschwillt, besonders starke, schwammig aufgetriebene Rinde und wenig ent- wickeltes Holz liefert. Die Rinde löst sich leicht an den Krebsstellen ab, wodurch der Fäulnis des Holzes die Wege gebahnt werden. Auch sind die krebskranken Stämme leicht windbrüchig, und die Tragkraft der betreffenden Stellen ist gering, so daß sie ausgeschnitten werden müssen, wodurch schwächere Balken entstehen. Die erste eingehende Untersuchung des Rostpilzes der Edeltanne danken wir De Bary. Ganz neuerdings ist eine sehr umfangreiche Arbeit des Herrn Oberförster Heck mit prachtvollen Abbildungen, besonders Photographien, und mit Tabellen erschienen. Sehr. d. N. Q. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 1, 1 1 2 Es ist zu beklagen, daß, obwohl wir jene verderbliche Krankheit bereits seit 27 Jahren genauer kennen, wenigstens in Wildbad und Umgegend selbst das allernächstliegende Mittel zur Bekämpfung des Übels, die Entfernung der sogar mit der Hand erreichbaren Hexenbesen, verabsäumt wird. Ich wies noch besonders auf das Lichtbedürfnis der Hexenbesen hin, die Heck geradezu als lichtbedürftige Gewächse bezeichnet. Jedenfalls ist durch die Verschmelzung der Säfte von Filz und Tanne aus dem eigentlich Lebenden in jeder einzelnen Zelle (dem Protoplasten) ein anderer Organismus geworden, der sich auch sein Haus (die Zelle) anders baut, und wir können den Hexen- besen wegen der anderen Richtung seiner Achse, der veränderten Stellung der Zweige, wie wegen der Färbung und Einjährigkeit der (sonst 6 — Sjährigen)^ jetzt runden und spitzen Nadeln nicht mehr schlechtweg als Tannenzweig be- zeichnen. Es erinnert vielmehr die Verschmelzung der Bestandteile jenes Zweiges mit denen des Pilzes vielfach an das Convivium von Algen und Pilzen, welches wir „Flechte"^ nennen. Nach dem Abfallen der Nadeln sehen die vom Pilze befallenen Äste mit ihren Zweigen so beseuartig aus, daß sie gewiß zur Sage vom Besenritt der Hexen auf dem ja auch an Edeltannen reichen Brocken im Harze (dem Blocksberg) Veranlassung gegeben haben. Der älteste bekannte lebende Hexenbesen ist Ißjährig und 60 — 70 cm (nicht wie in Heck’s Arbeit und in einem Referat über diese zu lesen ist, 60 — 70 m) hoch. Ein und derselbe Stamm kann gegen 50 Krebsbeulen zum größten Teil mit Hexenbesen tragen. So bespricht Heck eine Tanne, welche 45 Ast- und 4 Stammbeulen und außerdem noch 5 Mistelexemplare trug. Dabei sei hier noch erwähnt, daß die Edeltannen-Misteln besonders kräftig sind und sehr dicke, breite Blätter haben. Soweit der betreffende Bericht. De Bary hatte im Jahre 1867 das Äecidium elatinum aufs genauste studiert und den Nachweis geführt, daß dessen Sporen sich auf der Edeltanne nicht weiter entwickeln, daß es also durch Übertragung von einer andern Pflanze auf die Edeltanne gelangen müsse. Er selbst also hatte schon auf eine Lücke unserer Kenntnis in der Entwicklung jenes Äecidium hingewiesen. 34 Jahre lang sind nun von mehreren Gelehrten vergebliche Aussaat- versuche des Äecidium elatinum unter den erforderlichen Vorsichtsmaßregeln auf die verschiedensten anderen Gewächse gemacht worden, von Klebahn allein auf mehr als 33 Arten, und erst jetzt wissen wir, daß kleine, sehr bescheidene Blütenpflanzen, nämlich unsere Vogelmiere, Stellaria media, und ihre nächsten Verwandten, den Ansteckungsstoff züchten, durch den die ur- wüchsigen, himmelanstrebenden Edeltannen in so grausamer Weise entstellt und geschädigt werden. Liegt hier nicht der Vergleich mit der Übertragung der Malaria durch die Mücken auf den Menschen nahe? Der Forscher, welchem es im vorigen Jahre gelungen ist, die Zugehörig- keit der auf verschiedenen Stellarien lebenden, unscheinbaren Melampsorella- Caryopkyllacearum De. zu dem Äecidium elatinum unumstößlich zu beweisen,. 2 ist Professor Dr. Ed. Fischer in Bern. Er hat durch Aussaaten des Aecidium elatinum auf Stellaria- KAqxi die Melampsorella Caryophyllacearum hervorgerufen und umgekehrt durch diese die bekannte Erkrankung der Edeltanne herbei- geführt. Seine Ent- deckung ist durch V. Tubeuf und Kle- bahn bereits aufs be- stimmteste bestätigt worden. Die liebenswür- digeErfüllung seiner Bitte durch Profes- sor Dr. Ed. Fischer in Bern und Profes- sor Dr. Freiherrn vonTübeuf in Mün- chen setzt den Vor- tragenden in den Stand, derVersamm- lung heute Exem- plare der Stellaria nemorum und 8t. Holostea vorzulegen, auf denen sich die Melampsorella Ca- ryophyllacea7'um in- folge der Aussaat des Edeltannen- rostes, Aecidium ela • tinum, entwickelt hat. Gleichzeitig werden Separatab- züge der Abhand- lungen von Profes- sor Ed. Fischer über Gang und Er- folg der erwähnten Untersuchungen vorgelegt, welche Redner gleichfalls der freundlichen Über- sendung des Entdeckers verdankt. Ehe ich diese Einleitung abgeschlossen hatte, teilte mir der durch sein tiefes botanisches Wissen wie seine gärtnerischen Erfolge ausgezeichnete König- liche Garteninspektor Herr Erich Wocke mit, daß auf einer der ältesten Edel- tannen des berühmten Olivaer Schloßgartens sich ein solcher Hexenbesen Abb. 1. Hexenbesen, erzeugt durch Aecidium elatinum auf einem Edeltannenaste im Kgl. Garten zu Oliva. 4 befinde, und sandte mir ihn auf einem sehr langen Aste zu. Die Abb. 1 zeigt ihn nach einer von meinem früheren Schüler, Herrn Magistrats- Assistenten Abb. 2. „Große Tanne“ beim Forsthaus im Rollwassertal bei Wildbad in Württemberg. Ihr Alter wird auf 400 Jahre geschätzt, die Höhe beträgt nach heuern Messungen 41 m, ihr Umfang auf Brusthöhe betrug 1910 4,65 m ; ihr Durchmesser auf Brusthöhe 1,65 m und der Inhalt des Baumes 25 Festmeter. Hermann Behrent, freundlich gemachten photographischen Aufnahme. Er ist am Grunde stark knollig verdickt, 95 cm hoch und hat einen größten Umfang von 3,25 m. Seine diesjährigen, noch ganz weichen Zweige waren am Tage der Aufnahme, am 24. Mai 1914, durchschnittlich 6 cm lang. 4 5 2. Die grosse Tanne im Roiiwassertale bei Wildbad in Württemberg. Einen der im vorstehenden beschriebenen, in jeder Beziehung ganz ähn- lichen, in Abb. 1 dargestellten Hexenbesen trug im Jahre 1894 auch die von Einheimischen, Kurgästen und anderen Reisenden zu Fuß und zu Wagen viel besuchte „Große Tanne“ beim Forsthaus im Rollwassertal bei Wildbad in Württemberg. Er entsprang dort, wo in dem am 12. Mai 1910 entworfenen, in unserer Abb. 2 wiedergegebenen Bilde die untern, dem Hause zugewandten, im Knie senkrecht aufstrebenden Aste stehen. Sie zeugen von dem mächtigen Einfluß, welchen der winzige Edeltannen-Rost binnen 16 Jahren auf die Ent- wicklung der stolzen Tanne auszuüben vermocht hat. Das Bild ist einer Postkarte entlehnt, deren Alleinverkauf dem gegen- wärtigen Bewohner des vor der Tanne stehenden Forsthauses, Herrn Königl. Forstwart Böckle, gerichtlich gesichert ist. Ihm verdanke ich die unter Abb. 2 stehenden Angaben und die Erlaubnis zum Abdruck des Klischees, das mir vom Verlag der Karte, „Hans Pernat, Spezialhaus für Ansichtskarten München 46“, ebenso wie das der Abb. 1 geliefert worden ist. 3. Nachschrift. Als ich das Vorstehende bereits an die Naturforschende Gesellschaft ein- gesandt hatte, erzählte mir der Besitzer einer vielbesuchten Danziger Augen- klinik, Herr Dr. med. Helmbold: „Ich habe in Gesellschaft meiner Frau Hexenbesen an zwei Edeltannen beobachtet, und zwar auf dem Saignotte, einem etwa 1200 m hohen Berge auf schweizerischem Gebiete nahe der fran- zösischen Grenze unweit des großen Doubsfall. Die in der Nähe arbeitenden, von uns herangeholten und befragten Holzbauern erklärten uns französisch, die Bäume seien vom Schritt der Hexe berührt, und entfernten sich eiligst, als wir unsere Absicht äußerten, einen Ast herunter zu holen, wobei sie uns be- hilflich sein sollten. Den Aberglauben der Bergbewohner habe ich in fast allen Ländern auf meinen vielen Reisen gefunden, sehr verbreitet ist er auch im Thüringer Wald, wo ich aufgewachsen bin. Dort genießt die Hexe noch heute ein großes Ansehen.“ 6 Bericht über die Tätigkeit der Elbinger Altertumsgesellschaft in den Vereins- jahren 1900 bis 1913. Erstattet von ihrem Vorsitzenden, Prof. Dr. R. DORR in Elbing. Diese Berichte, die in den Schriften der Naturforschenden Gesellschaft für die Yereinsjahre 1885/1899 vollständig erschienen sind, wurden im Jahre 1901 abgebrochen, weil sich in den folgenden Jahren bis 1907 keine Gelegen- heit zu erfolgreichen vorgeschichtlichen Nachforschungen bot. Sie werden jetzt wieder aufgenommen und von 1900 bis 1913 nachgeholt. Znnächst soll in dieser zusammenfassenden Darstellung über die innere Geschichte der Elbinger Altertumsgesellschaft und zuletzt über die erfolg- reichen Nachgrabungen in den letzten sechs Jahren, denen eine Darstellung der Erforschung des Koggenhöfer Steinkistengräberfeldes im Herbst 1901 vorausgehen wird, berichtet werden. In der Generalversammlung vom 22. November 1900 wurde der bisherige Vorstand wiedergewählt, bestehend aus folgenden Herren: Dr. Robert Dorr, Professor am Realgymnasium, Vorsitzender, Carl Horn, Justizrat, Stellvertreter des Vorsitzenden, Dr. Eduard Kausch, Professor am Königl. Gymnasium, Bibliothekar, Arthur v. Schack, Rittmeister a. D., Schriftführer, Bruno Sieg, Kaufmann, Kassenführer. Bis heute traten im Vorstande folgende Veränderungen ein. Im Jahre 1902 starb der Stellvertreter des Vorsitzenden, Justizrat Horn. Er war seit 1874 stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft, außer 1883, wo er Vorsitzender war. An seine Stelle wurde in der Generalversammlung vom 4. Dezember 1902 Sanitätsrat Dr. med. Laudon gewählt. Dieser legte aus Gesundheitsrücksichten 1906 sein Amt nieder, worauf die Generalversamm- lung vom 15. November 1906 Herrn Gymnasialoberlehrer Dr. Bruno Ehrlich zum stellvertretenden Vorsitzenden wählte. Bereits 1901 hatte Professor Dr. Kausch sein Amt krankheitshalber aufgegeben und statt seiner war am 21 . November 1901 Herr Oberrealschuloberlehrer Dr. Traugott Müller von der Generalversammlung zum Bibliothekar gewählt worden. 1 7 Herr Oberst z. D. Grabe, der von 1884 — 1886 unser Bibliothekar gewesen war, wurde bei seinem Fortgange nach Königsberg (1886) zum Ehrenmitgliede unserer Gesellschaft ernannt. Br starb dort 1901. Heute besteht der Vorstand der Elbinger Altertumsgesellschaft nach der durch die Generalversammlung vom 6. November vollzogenen Wahl aus fol- genden Herren: Prof. Dr. Robert Dorr, Vorsitzender, Prof. Dr. Bruno Ehrlich, stellvertretender Vorsitzender, Prof. Dr. Traugott Müller, Bibliothekar, Arthur v. Schack, Rittmeister a. D., Schriftführer, Kaufmann Bruno Sieg, Kassenführer. Im Jahre 1905 schenkte Frau Justizrat Horn der Elbinger Altertums- gesellschaft aus dem Nachlaß ihres verstorbenen Mannes den Burgwall-Lenzen (im Volksmunde ,,Hünenberg‘‘ genannt). Um für dieses hochherzige Geschenk die gerichtliche Auflassung zu erlangen, mußte unsere Gesellschaft ,, eingetra- gener Verein^^ werden und ihre Statuten ändern, was in demselben Jahre 1905 geschah. Im Jahre 1892 hatte der Hofbesitzer Abraham Dobrick- Lenzen seine Besitzung parzelliert. Die Parzelle, zu welcher der Burgwall gehörte, 7,97 Hektar groß, kaufte damals Justizrat Horn für den Preis von 3000 M. Dieses Gelände umfaßt die westliche Hälfte eines Plateaurückens, der zwischen zwei vom Dorfe Lenzen herkommenden, sich unterhalb vereinigenden Schluchten gelegen ist. An drei Seiten bildet die Mitte der die beiden Schluchten durch- fließenden Bäche die Grenze gegen die Nachbargebiete, an der östlichen grenzt das Lenzener Kirchenland an unser Terrain, das größtenteils mit hochgewachsener Laub- und Nadelwaldschonung bedeckt ist. Nachdem dieses archäologisch un- schätzbare Stückchen Erde in unsern Besitz gelangt war, ließen wir 1906 auf dem Burgwall selbst und an dessen Westabhang durch Ausholzen entgegen- stehenden Gesträuchs eine Anzahl von Aussichten freilegen, die entzückende Blicke auf das Dorf Lenzen, auf Wald, Haff, Nehrung und Meer gestatten, auch wurden an den betreffenden Stellen Tafeln mit Aufschriften der von uns gewählten Benennungen (Horns Aussicht, Potrimposhain, Hoggiablick, Perkunos, höhe, Lansanienwäldchen, Herrmann Balk-Aussicht) angebracht. So ist dieses imposante vorgeschichtliche Befestigungswerk in die sichere, treue Obhut unserer Gesellschaft gelangt, die, so lange sie selbst besteht, es nicht nur erhalten, sondern auch vor jeder Verunstaltung bewahren wird. Am 1. Mai 1909 beging die Elbinger Altertumsgesellschaft die Feier meines fünfundzwanzig jährigen Jubiläums als des Ersten Vorsitzenden. Am Vormittage überreichte mir eine Abordnung, bestehend aus den Herren Sanitätsrat Dr. med, Bleyer, Prof. Dr. Ehrlich, Oberreal Schuldirektor Kantel, Prof. Dr. Müller, als Ehrengabe einen kunstvoll gearbeiten Lederkasten mit 50 Photographien, Bilder aus Elbings Vergangenheit darstellend, mit den herzlichsten Glückwünschen der Altertumsgesellschaft. Abends fand ein Festessen von Vereinsmitgliedern, Damen und Herren, im Saale des Gewerbevereinshauses statt, bei dem u. a. 2 8 der Kustos des Westpr. Provinz ialmuseums Herr Prof. Dr. Kumm die Glück- wünsche der Naturforschenden Gesellschaft und des Westpr. Provinzialmuseums in Danzig und Herr Prof. Semrau die des Co-ppernicus- Vereins in Thorn über- brachte. Während des Festabends liefen zahlreiche Glückwunschschreiben und -Depeschen ein, u. a. vom Magistrat zu Elbing, dem Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs für Elbing und Umgegend, der Elbinger Loge Constantia zur gekrönten Eintracht, der Altertumsgesellschaft Prussia Königsberg i. Pr., der Physikalisch -ökonomischen Gesellschaft Königsberg i. Pr., des Ermlän- dischen Geschichtsvereins Braunsberg, der Altertumsgesellschaft Insterburg, des Direktors des Westpr, Provinzialmuseums Herrn Geheimrat Prof. Dr. Conwentz, des Kustos des Prussia-Museums Herrn H. Kemke, des Herrn Geheimrat Prof. Dr. Weissbrodt Braunsberg. In fröhlichster Stimmung der Feiernden verlief das selten schöne Fest. Folgende Ausflüge wurden von der Altertumsgesellschaft unternommen r 1910 zum Burgwall Prökelwitz (Grewose) und nach Christburg; 1911 zum Burgwall-Tolkemita, südlich von Tolkemit; 1912 nach Marienburg zur Be- sichtigung des Ordensschlosses; 1913 nach Braunsberg. Außer der Generalversammlung im November, an die sich in der Regel eine ordentliche Sitzung für den Bericht über die Ausgrabungen im verflossenen Vereinsjahr anschloß, wurden während des Winters durchschnittlich vier ordent- liche Sitzungen abgehalten, in denen Vorträge gehalten wurden. Durch Tod, Wegzug und Austritt verliert die Gesellschaft alljährlich durch- schnittlich 10 Mitglieder, und es hält recht schwer, die Mitgliederzahl einiger- maßen in derselben Höhe zu erhalten. Zur Zeit beträgt sie 152. Folgende Vorträge sind in den Vereinsjahren 1900 — 1913 gehalten wordene Prof. Dr. R. Dorr: 1900. 1. Cadinen; 2. Alte Giebelhäuser in Elbing. — 1902. 1. Eindrücke und Erinnerungen von einer Rheinreise; 2. Ausgrabung eines Gräberfeldes aus der jüngsten Bronzezeit in Koggenhöfen, Kreis Elbing;: 3. Das städtische Museum und seine Bestände. — 1903. 1. Vorstellung der Hölle in alter und neuer Dichtung; 2. Der gedruckte Führer durch das städtische Museum. — 1904. 1. Grabdenkmäler auf dem alten Kirchhof der Marienkirche;. 2. Bericht über das 50jährige Stiftungsfest des Coppernicus -Vereins. — 1905. 1. Die Gefährdung der Naturdenkmäler und Vorschläge zu ihrer Erhaltung; 2. Der Burgwall Lenzen; 3. Das ehemals Dückmannsche Haus, Heilige Geist- straße 17/18. — 1906. 1. Urgeschichtliche Sagen der Babylonier; 2. Mikros- kopische Faltungsformen; 3. Der Bollwerkskrug. — 1907. 1. Die landschaft- lichen Schönheiten der Schluchten von Lenzen. Vortrag mit Lichtbildern;. 2. ein vorgeschichtlicher Begräbnisplatz aus der Trusozeit auf Benkensteiner Flur bei Elbing; 3. Der heidnische Burgwall bei Prökelwitz (Grewose). — 1908. Fortsetzung der Ausgrabung auf Benkensteiner Gelände. ■ — 1909. 1. Elbinger Goldschmiede früherer Zeit; 2. die prähistorische Karte von Ost- preußen nebst Erläuterungen, von E. Hollack; 3. Fortsetzung der Ausgrabung auf Benkenstein; 4. Die Schlacht im Teutoburger Walde, 9 n. Chr. — 1910. 3' 9 Die Schlacht bei Tannenberg, 15. Juli 1910. — 1911. Elbings Verfassung vor der preußischen Besitznahme. — 1912. Elbinger Schützenvereine in alter und neuer Zeit. — 1913. 1. Der gegenwärtige Stand der Heimatschutzbe- wegung; 2. aus der Vergangenheit des Seebades Kahlberg. Oberlehrer Dr. B. Ehrlich: 1907. Das Römerkastell Saalburg. — 1908. Orakel im Altertum. — Prof. Dr. B. Ehrlich: 1910. 1. Die ältesten Formen menschlicher Wohnungen. Vortrag mit Lichtbildern; 2. Ausgrabung auf Frei- walder Flur 1910. — 1911. 1. Denkmalpflege; 2. Ausgrabung auf Benken- steiner Flur 1911. — 1912. 1. Ausgrabung auf Wittenfelder und Benken» Steiner Flur 1912. — 1913. 1. Vorgeschichtliche Bevölkerung der Elbinger Gegend; 2. Die Ausgrabung auf dem Burgwall Lenzen 1913. Oberlehrer Dr. T. Müller: 1902. Die Bibliothek der Elbinger Altertums- gesellschaft. — 1904. Bildungen der Eiszeit und ihre Ursachen. — 1905. Herkunft unserer Haustiere. — 1906. Eolithe. — 1907. Die Ursachen der Eiszeit. Vortrag mit Lichtbtldern. — 1908. Konstantinopel und seine Um- gebung. Nach eigenen Eindrücken. — Prof. Dr. T. Müller: 1910. 1, Die Tierwelt des norddeutschen Flachlandes zur Eiszeit. Vortrag mit Lichtbildern; 2. Die Ausgrabung auf Freiwalder Flur 1910. — 1911. Die eiszeitliche Pflanzenwelt des norddeutschen Flachlandes. Vortrag mit Lichtbildern. — 1912. 1. Bilder aus Bosnien, Herzegowina, Montenegro und Dalmatien. Vortrag mit Lichtbildern; 2. Ausgrabung auf Wittenfelder und Benkensteiner Flur 1912; — 1913. Bilder von Moskau und aus dem Kaukasus. Vortrag mit Lichtbildern. Rittmeister a. D. v. Schack: 1902. Die Münzsammlung des städtischen Museums. — 1903. Das Goldland der Alten. — 1907. Das vorarmenische Reich von Wan. — 1909. Der deutsche Ritterorden und die Zisterzienser. — 1911. Heinrich von Hohenlohe. — 1912. Das Ulanen-Regiment Graf zu Dohna (Ostpreußisches) Nr. 8. — 1913. Hettiter. Oberlehrer W. Dorr: 1908. Die Herkunft der Indogermanen. Prof. Dr. Kausch: 1900. Die Katakomben Roms. Pfarrer Krause: 1909. Der Buddhismus in seiner Bedeutung für das Geistesleben Europas. Prof. Meyer: 1909. Hartmann v. d. Aue. Sitten und Charaktere der Helden, welche der Dichter, der Meister der Epiker, uns vorführt. Rentier Doering: 1909. Aus dem Leben, von den Sitten und Gebräuchen der alten Preußen. Prof. Dr. CoNWENTZ, Direktor des Westpr. Provinzialmuseums: 1900. 1. Der Cadiner Wald; 2. Studienreise nach Skandinavien. Skizzen zur Vor- geschichte, zu deren Aufklärung Sammlungen und Museen beitragen. — 1910. Eine umfangreiche Pfahlbrückenanlage aus Westpreußens vorgeschichtlicher Zeit. Kustos des Westpr. Provinzialmuseums Dr. Kumm: 1901. Die vorrömische Eisenzeit in Westpreußen. — Prof. Dr. Kumm, Direktor des Westpr. Provinzial- museums: 1913. Die westpreußischen Gesichtsurnen. Vortrag mit farbigen Lichtbildern. 4 10 Die vorgeschichtlichen Nachforschungen der Elbinger Altertums- gesellschaft 1901^ — 1913. 1. Koggenhöfen. Das Gut Koggenhöfen, 1901 dem verstorbenen Gutsbesitzer Grube ge- hörig, liegt 7,5 km nördlich von Elbing und 2 km östlich vom Halfstrande, auf der westlichen Abdachung des Trunzer Plateaus, etwa 90 m über dem Spiegel der Ostsee. Die Gutsgebäude sind malerisch gelegen zwischen der bewaldeten Hauptschlacht und einer gleichfalls bewaldeten Nebenschlucht der Bohnken-Beek. Ein Fahrweg führt westwärts zum Wiesengelände des Ost- winkels (südlichster Zipfel des Frischen Haffs). Auf der Südseite dieses Weges, 800 m vom Gut entfernt, erhebt sich eine flache, sandige Kuppe, der Aus- sichtsberg, von wo man eine entzückende Fernsicht auf Haff und Nehrung und das Mündungsgebiet der Nogat genießt. Auf diesem sandigen Hügel wurde in der ersten Hälfte des September 1901 ein kleines Tongefäß mit rundlichem Boden ausgepflügt. Herr Guts- besitzer Grube machte mir davon Mitteilung, und am 15. September nahm ich die erste umfangreiche Ausgrabung auf dem „Aussichtsberge“ vor. Es • • zeigte sich, daß hier noch ziemlich bedeutende Überreste eines Steinkisten- gräberfeldes vorhanden seien, von dem allerdings von früher her bereits viel durch den Pflug zerstört worden war. Eine zweite Ausgrabung auf dieser Stelle, am Nachmittage des 21. September 1901, wurde für immer denkwürdig dadurch, daß Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin mit dem Prinzen Joachim und der Prinzessin Viktoria Luise, nebst dem damals in Cadinen anwesenden kaiserlichen Gefolge, von dort auf mehreren Wagen herüberkamen und einer zweistündigen Nachforschung bei- wohnten. Ich vermochte in den beiden Nachmittagsstunden von 4 — 6 Uhr in Gegenwart der Allerhöchsten Herrschaften 5 Urnen zu heben. Erst als die Sonne sich anschickte, von dem herrlichen Landschaftsbilde des wolkenlosen, wundervollen Herbsttages Abschied zu nehmen, wurde die Ausgrabung geschlossen, über die Ihre Majestäten Ihre volle Befriedigung auszusprechen geruhten. Dann wurde in und neben dem Zelte, das Herr Grube auf dem „Aussichtsberge“ hatte aufstellen lassen, der Tee, zu dessen Bereitung von Cadinen alles Er- forderliche mitgenommen war, eingenommen, und die Allerhöchsten Herrschaften nebst Gefolge kehrten um Uhr nach Cadinen zurück. Beim Abschiede bestimmte der Kaiser, daß die an diesem Nachmittage gehobenen Urnen künftig eine besondere Abteilung des Elbinger Museums bilden sollen mit einer Tafel, auf der vermerkt ist, daß sie in Gegenwart der Kaiserlichen Majestäten auf dem Felde von Koggenhöfen ausgegraben worden sind. Die auf dem Koggenhöfer Gräberfelde untersuchte Stelle nimmt die Kuppe des Hügels ein und mißt etwa 30 m im Durchmesser. Wie bereits erwähnt, 5 11 waren die Grabstellen schon von früher her mehrfach stark zerstört. Im ganzen glich die Anlage der auf dem Neustädterfelde bei Elbing südlich vom Bahnhof, doch bildeten die Steinsetzungen bei Koggenhöfen zum Teil größere, zusammen- hängende Pflaster aus Kopfsteinen, unter denen hier und dort, in unregel- mäßigen Abständen, sich die Steinpackungen mit den Urnen befanden, denn eigentliche Steinkisten aus flachen Steinplatten kamen hier nicht vor. Man hat wohl alle diese Kopfsteine aus der benachbarten Schlucht der Bohnken- Beek entnommen und sie so verwendet, wie man sie fand; nur zu den Deck- platten und den Untersätzen der Urnen waren meistens flache Kalksteinplatten verwendet. Wie auf dem Neustädter Feld waren auch hier zuweilen Steinkränze um die Steinpackungen gelegt. Von den 16 mehr oder weniger intakt gehobenen Urnen zerfielen ver- schiedene beim Austrocknen gänzlich. Sämtliche Urnen waren noch viel mürber als die des Neustädter Feldes, manche gar nicht zu heben, da die Wände und der Boden durch und durch mit Graswurzeln durchwachsen waren. Drei Formtypen sind an den Urnen bemerkbar: 1. Die Halbkugelform bzw. Eiform. 2. Die augenäherte Kugelform. 3. Die Zwiebelform. Dem Typus 1 fehlt der Henkel und Deckel. Die Typen 2 und 3 sind gehenkelt (doch nur an einem Exemplar ist der Henkel erhalten), und hatten sämtlich schalenförmige gehenkelte Deckel, die freilich alle total zerdrückt waren. Nur ein vereinzelter Deckel, von dem jedoch ebenfalls der Henkel abgebrochen ist, hat sich erhalten. Eine Urne ist an der Außenseite mit Parallelreihen von Fingernageleindrücken verziert. Eine andere zeigt Strich- zonenornamente, z. T. in Zickzackform, über der obern Spitze der obern Zacken je drei Grübchen usw. Die Farbe der Urnen ist teils bräunlich, teils schwärzlich. Nur drei verzierte Gefäße enthielten einige spärliche Bronzebeigaben: Fingerringe aus dünnem Bronzedraht, ohne Schleifen; ein Bruchstück eines massiven bronzenen Armringes von kreisförmigem Durchschnitt, mit einer Zone von 12 senkrechten Kerben an der inneren Seite; ein Fragment einer Röhre, aus einem Bronzeblechstreifen gedreht; ein kleines eiförmiges Gehänge aus gedrehtem Bronzedraht. Sämtliche Koggen höfer Funde gehören der Hallstatt- zeit an. Herr Gutsbesitzer Grube hat sie der Elbinger Altertumsgesellschaft zum Geschenk gemacht und sie befinden sich jetzt in deren Sammlungen im Elbinger städtischen Museum^). 2. Benk enstein -Freiwalde. An der Königsberger Chaussee, 4,2 Kilometer nordöstlich von Elbing (Postgebäude), 0,6 km hinter der Abbiegung der Tolkemiter Chaussee, liegt das Gelände von Benkenstein, dem St. Elisabeth-Hospital gehörig, das von 0 Ein Bericht über das Gräberfeld aus der Hallstattzeit auf dem Gelände von Koggen- höfen wurde von mir veröffentlicht im Osterprogramm der Elbinger Oberrealschule, Elbing 1902 (S. 15 — 18). Er ist in vorstehendem mit einigen kleinen Änderungen wiedergegeben. G 12 der Hospitalverwaltung in Parzellen verpachtet wird. Hier wurden im Früh- jahr 1907 auf der Nordseite der Chaussee für den Bau eines Hochdruckwasser^ behälters umfangreiche Ausschachtungen vorgenommen, bei denen eine Anzahl vorgeschichtlicher Gegenstände zutage kamen. Es wurden gefunden: ein vor-^ geschichtlicher Mahlstein von Granit, eine einschneidige eiserne Schwertklinge,, zwei eiserne Trensen, verzierte Burgwallscherben, Überreste von älteren,, freihändig gefertigten Gefäßen und ungebrannte Knochenüberreste begrabener Pferde. Ferner, als auf der Nordseite des Zauns, der das Gelände des Hochdruck- wasserreservoirs begrenzt, ein Fahrweg ausgestochen wurde, kam ein Depot- fund zutage, bestehend aus zwei eisernen einschneidigen Schwertklingen, vier eisernen Lanzenspitzen und einer halben (von oben nach unten halbierten) ver-- zierten, freihändig gefertigten Urne, die auf den Eisensachen stand. Ein Schwertgriff war bereits abgebrochen. Er hat einen Holzbelag um die eiserne Angel und ist oben durch einen Beschlag von Eisenblech abgeschlossen, um dessen oberen Rand ein gekerbter Bronzedraht gelegt ist. Alle diese Gegen- stände wurden vom Magistrat dem Museum überwiesen und sind dort ausgestellt* Die Elbinger Altertumsgesellschaft führte nun bereits im Oktober 1907 auf Benkensteiner Flur auf der nördlich vom Wasserbehälter gelegenen Parzelle- die erste planmäßige Nachforschung aus, der alljährlich weitere bis zum Jahre 1912 (einschl.) folgten. Die oben genannten Funde ließen darauf schließen, daß es sich um ein Gräberfeld der Burgwall- und der dieser voraufgehenden Zeit handeln müsse, namentlich wies der Waffenfund auf das Gräberfeld des Silberberges bei Lenzen hin. Diese Vermutung hat sich bestätigt. Die erste Ausgrabung (1907) leitete ich selbst mit den Herren Prof. Dr. Ehrlich und Prof. Dr. Müller. Wir begannen die LFntersuchung auf der Nordseite der genannten Parzelle, und da ich mit Steinpflastern überdeckte Grabstellen vermutete, wie ich solche auf dem Silberberg ^) bei Lenzen gefunden hatte, so ließen wir die Arbeiter mit Stahlsonden den Boden untersuchen* Bald war in der Nähe des Nordrains eine kleine dreieckige Steinsetzung ge- funden, die außer den Steinen nichts weiter enthielt. Dann wurden bei der diesmaligen Untersuchung noch sechs weitere Grabstellen mit Steinpflastern bloßgelegt. In den sechs Jahren 1907 — 1912 sind im ganzen 61 Stellen unter- sucht worden. Es soll hier nun nicht auf eine Beschreibung sämtlicher Einzeln- heiten eingegangen werden — eine solche wird an einer andern Stelle später erfolgen — , sondern die Darstellung wird sich hauptsächlich auf die bisherigen Hauptresultate unserer Nachforschungen erstrecken. Die meisten Gräber lagen in Reihen, was ja auch auf dem Silberberg bei Lenzen der Fall war. Doch im Gegensatz zu dort waren die Steinpflaster nicht so sorgfältig angelegt, unregelmäßig im Umriß, zeigten öfters mehrere 0 E. Dorr, Die Gräberfelder auf dem Silberberge bei Lenzen und bei Serpin. Elbing, 1898. 7 13 (3 — 4) übereinanderliegende Steinschichten. Die Brandschicht erstreckte sich gewöhnlich nicht unter der ganzen Steinlage hin, sondern hatte meist kleineren Umfang und lag an einer Ecke. Mehrfach waren die Grabstellen bereits früher gestört und eines Teils ihrer Steine verlustig gegangen, wahrscheinlich beim Pflügen. Nur an wenigen Stellen waren die Steine zerschlagen oder durch Brand zerplatzt, gewöhnlich waren sie unbearbeitet, Kopfsteine bis herab zu Faustgröße. So waren in Grab 5 in mehreren Schichten 121 Kopfsteine, in Grab 9 in vier Schichten 68 Steine. Zuweilen kamen auch größere Steine vor, so in Grab 2 ein Steinblock 53 cm lang, 42 cm breit, 50 cm dick. Die Seitenlängen der unregelmäßigen Steinsetzungen waren verschieden; sie be- trugen 1 — IY2 — 2 m, zuweilen auch unter 1 m. Die oberste Steinlage befand sich 0,30 bis 0,50 m unter der Oberfläche. Der gewachsene Boden war meist Kies, zuweilen Lehm. Auf der Nordseite grenzt an die Benkensteiner — die Freiwalder Feldmark. Auf diesem der Frau Gutsbesitzer DROSS-Freiwalde gehörigen Gelände waren früher ebenfalls Steinsetzungen zutage gekommen. Frau Dross gestattete freundlichst, daß wir hier gleichfalls untersuchten, und so stellten wir hier im Oktober 1910 eine Nachforschung an, bei der in der Nähe des trennenden Grenzgrabens 11 Steinsetzungen aufgefunden wurden, die längs der Grenze in einer Reihe von Osten nach Westen lagen. Von den 61 bisher untersuchten Stellen sind nun die weitaus meisten wirkliche Gräber. Einige, in denen keine Spur von gebrannten oder unge- brannten Knochen festgestellt werden konnte, wo dagegen die Steine durch starken Brand zerplatzt erschienen, werden wohl als Steinherde betrachtet werden müssen. Es begegnen sich auf dem Benkensteiner und Freiwalder Felde die Burg- wall-Kultur mit Überresten von auf der Drehscheibe gefertigten, und eine frühere Kultur mit Scherben von freihändig gearbeiteten Tongefäßen. Darin, daß hier offenbar ein erkennbarer unmittelbarer Übergang der früheren zur späteren Kultur vorhanden ist, liegt die Bedeutung dieses Gräberfeldes für die prähistorische Wissenschaft. Auf dem Gräberfelde des Silberberges er- schienen gleichfalls außer früheren auch Bestattungen aus der Burgwallzeit. Da diese letzteren indessen unmittelbar unter dem Rasen eine 35 cm dicke Kulturschicht (der Sand stark mit Asche und Kohlengrus gemischt und darin zerstreut Fragmente calcinierter Knochen und Scherben der Burgwallzeit) bildeten, die durch eine 20 cm dicke reine Sandschicht von den darunter liegenden älteren Brandgruben getrennt war, so kann dort von einem unmittelbaren Übergange von der älteren in die jüngere Bestattungsweise nicht die Rede sein, da die jüngere von der älteren, abgesehen von der Trennung durch die dazwischen lagernde Sandschicht, auch in ihrer Ausführung ganz verschieden war. Das eben aber ist auf Benkensteiner und Freiwalder Feldmark nicht der Fall. Hier zeigen die älteren wie die jüngeren Gräber den gleichen Bau (Anlage von Steinpflastern). Sicher einordnen lassen sich in die beiden ge- 8 14 nannteD Kategorien von den bisher untersuchten Benkensteiner und Freiwalder Gräbern durch ihre Metallbeigabeu und Gefäßreste nur 35, von denen 15 ältere und 20 Burgwallzeit-Gräber sind. Unter den letzteren befinden sich indessen 10, die z. T. der späteren Burgvvallzeit angehören und die keine Steinsetzungen mehr haben. Es wurde nämlich 1911 zwischen den Stellen 33 und 34 eine 3 m lange, 0,30--0,50 m breite Scherbenader 0,50 m unter der Oberfläche entdeckt, die längshin in kohlehaltiger Erde mit Holzkohle- brocken Hunderte von Burgwallscherben enthielt, welche dort regellos zerstreut lagen im Verein mit zahlreichen gebrannten Menschenknochen; Steindecken fehlten ganz und gar. Wegen der calcinierten Knochen ist an eine Abfall- grube nicht zu denken, vielmehr handelt es sich um eine spätere Bestattungsart der Burgwallzeit, wie sie früher auch auf dem Kämmereisandlande bei Englisch Brunnen und auf Pangritz-Colonie zum Vorschein gekommen ist, bei der man Holzkohlenreste, gebrannte Menschenknochen und Scherben in eine nicht tiefe Grube schüttete. Auf dem Kämmereisandlande bildete die Brandmasse eine Brandgrube, in Pangritz-Colonie Häufchen, ohne jede Steiiisetzung^). Die An- zahl 10 ist ziemlich willkürlich gewählt, nur um diese Grabstellen in Rechnung zu bringen. Da die Gräber sich hier im einzelnen nicht sondern lassen, ist eine genaue Zahlangabe unmöglich. Das Auffinden der eben besprochenen Scherbenader ohne jede Steinsetzung im Jahre 1911 veranlaßte uns, als wir an dieser Stelle 1912 die Untersuchung fortsetzten, eine andere Methode der Ausgrabung wie bisher zu verfolgen.^ Offenbar genügte hier das bloße Suchen mit der Sonde nicht mehr. Es kam hinzu, daß wir unmittelbar vorher auf Wittenfelder Gelände durch schichtweises Abheben des Erdreichs um einen von Steinen gebildeten Herd sichere Spuren von Löchern gefunden hatten, die von Pfählen herrührten, welche einst eine vorgeschichtliche Hütte stützten. Es wurde daher auf dem Benkensteiner Feld östlich und westlich der Stelle, wo die vorjährige Scherbenader zum Vorschein gekommen war, eine Fläche, 3 m breit und 10 m lang (30 qm), abgemessen und deren Erdreich schichtweise bis auf den gewachsenen Boden, der durch- schnittlich 0,5 m tief lag, abgehoben. Später wurde dann noch eine zweite Fläche, an die erste im Westen anstoßend, 7 m nach Westen lang und 5 m breit (35 qm), in gleicher Weise untersucht. Auf dieser zweiten Fläche ent- deckten wir dann ebenfalls in größerer Anzahl Spuren von Pfahllöchern, die gleichfalls den Grundriß einer ehemaligen vorgeschichtlichen Hütte an dieser Stelle festzustellen gestatteten. Auf diese Spuren soll hier nicht weiter ein- gegangen werden, darüber wird an einer anderen Stelle Herr Prof. Dr. Ehrlich genauen Bericht erstatten. Auf beiden Flächen wurden 1912 weitere 14 Grab- stellen entdeckt, teils unter Steinpflastern, teils ohne solche. Es zeigte sich nämlich, daß hier früher bereits viel, wahrscheinlich beim Ackern, zerstört 0 Vgl. R. Dorr, Übersicht über die prähistorischen Funde im Stadt- und Landkreise Elbing. Programm des Elbinger Realgymnasiums. II. T. 1894. S, 70. 9 15 worden war. Die Steinsetzungen waren augenscheinlich au verschiedenen • • Stellen unvollständig, oder sogar bis auf geringe Überreste verschwunden. Beide 1912 untersuchten Flächen nahmen eine Gesamtfläche von 69 qm ein. Die Grabbeigaben. a) Bronze. 2 Armbrustsprossenfibeln (defekt), 1 Armring mit verdickten Enden,. 1 Fragment eines solchen, 1 reicher Zaunbeschlag, 1 Armbrustfibel. b) Bronze und Eisen. 1 Trense mit bronzenen Ringen und bronzenen Schlaufen und Gebiß von Eisen, von letzterem nur an jedem Ringe je ein Fragment, 1 Bruchstück einer Trense, bestehend aus einem Bronzering mit einem Stück des eisernen Gebisses. c) Eisen. 1 Armbrustfibel, 2 dünne Haarnadeln mit kleinem Knopf an einem Ende,, 1 Meißel, 1 Trense, 3 kleinere Messer, Bruchstücke eines größeren. d) Bernstein. 1 Bernsteinperle (defekt). e) Granit. 1 eiförmiger, 1 kugelförmiger Stein. f) Unbekannte Gestein- oder Tonmasse. 1 halber Wirtel. g) Ton. 6 Gefäße, 4 davon defekt, zahlreiche ältere und Burgwallscherben. Die Knochenfunde. Die in den Gräbern gemachten Knochenfunde bestehen teils aus ge- brannten Menschenknochen, teils aus nicht gebrannten Pferdeknochen. Im ganzen fanden sich 6 Pferdegräber, davon gehörten 3 der älteren, 1 der Burg- wallzeit an, bei 2 war die Zeitstellung wegen Mangel an Scherben unbestimmt. 4 waren zugleich Menschen-, 2 ausschließlich Pferdegräber. Die Zeitsteilung des Benkenstein-Freiwalder Gräberfeldes. • • Dieses Gräberfeld zeigt in seinen älteren Bestattungen große Ähnlichkeit mit dem Gräberfelde auf dem Silberberge bei Lenzen. Es ist jedoch jünger als das letztere. Bei Bestimmung seiner Zeitstellung muß daher von dem Gräberfelde des Silberberges ausgegangen werden. Das Gräberfeld auf dem Silberberge hatte ich 1898 in den Zeitraum von (400 — 700) n. Chr. G. gesetzt^). Da erschien im Jahre 1899 in den Schriften der Physik. -Ökonomischen Ge- sellschaft zu Königsberg i. Pr. (40. Jahrg.) S. 87—112 eine größere Arbeit Kemkes, in welcher er den überzeugenden Nachweis liefert, daß das Gräber- 0 a. a. 0. S. 28. 10 16 feld von Daumen (Ostpr.), dem das auf dem Silberberge bei Lenzen etwa gleich- zeitig ist, in die Zeit vom Ende des 5. bis zum Anfänge des 8. Jahrhunderts nach Ohr. G. gehört (a. a. 0. S. 98). Ich schließe mich Kemkes Beweisgründen durchaus an und verlege heute das Silberberger Gräberfeld ebenfalls in die Zeit von 500 — 700 n. Chr. G. Da bieten nun die Funde auf Benkenstein- Freiwalder Gelände in den Jahren 1907 — 1912 die Möglichkeit, noch über die Grenze von 700 zunächst bis etwa zum Jahre 800 hinauszugehen. Die 15 älteren Gräber von Benkenstein- Freiwalde mit Gefäßresten, die von freihändig gearbeiteten Tongefäßen herrühren, sind nämlich augenschein- lich jünger, als die jüngsten Gräber des Silberberges. Das beweist zunächst die Anlage und der Bau der Gräber. Auf dem Silberberge haben die Steinpflaster eine regelmäßige, kreis- förmige oder elliptische Form und durchschnittlich nur eine Lage von Steinen, zuweilen in der Mitte des Pflasters 2 — 3 Steinschichten, a. a. 0. S. 7. Auf Benkenstein-Freiwalde ist der Umriß der Pflaster unregelmäßig, sie haben durchschnittlich 3 — 4 und mehr Steinschichten. Auf dem Silberberg breitet sich die Brandschicht unter dem ganzen Pflaster aus, a. a. 0. S. 6, auf Benkenstein-Freiwalde findet sie sich nur auf beschränktem Baume, ge- wöhnlich an einer Ecke des Pflasters, oder ganz außerhalb desselben. Mit einem Wort, die Gräber des Silberberges sind weit sorgfältiger angelegt, die auf Benkenstein-Freiwalde zeigen eine nachlässige, ja öfters gerade lieder- lich zu nennende Anlage. In den Brandgruben des Silberberges fanden sich nur selten Scherben, •dagegen 8 wohlerhaltene Beigefäße, auf Benkenstein - Freiwalde waren ge- wöhnlich nur Scherben und Fragmente von Tongefäßen mitgegeben. Die ver- zierten, geglätteten Fragmente eines freihändig gearbeiteten Tongefäßes in Grab 8 zeigen zwar auch kreisförmige Eindrücke als Verzierung, doch sind diese kreisflächenförmig, auf einem Gefäßrest des Silberberges (a. a. 0. Taf. I, Nr. 9) kreislinienförmig. Das freihändig hergestellte Tongefäß, welches, zur Hälfte erhalten, auf dem Waffendepotfunde stehend 1907 beim Ausstechen eines Fahrweges gefunden wurde (s. o.), zeigt bikonische Form; der untere Teil, zwischen dem Boden und der Hals bauchkante, ist länger als der obere, ü auf der Halsbauchkante sind Gruppen schräger Kerben eingeritzt mit wech- selnder Richtung, die oben und unten von je 2 parallelen Horizontalrillen eingerahmt werden ; unmittelbar über dem Boden zeigen sich 4 Horizontalrillen, unter dem abgebrochenen Rande noch Spuren von 3 Horizontalrillen, außerdem ist die untere Hälfte zwischen den oberen und unteren Horizontalrillen durch einige senkrecht und schräge laufende eingeritzte Linien verziert. Ganz ähn- liche Form und Verzierung zeigt die in Grab 49 zusammen mit der eisernen Armbrustfibel gefundene ältere Urne. Im Gegensatz zu diesen beiden Gefäßen von Benkenstein - Freiwalde haben die Tongefäße des Silberberges (a. a. 0. T. I, Abb. 1 — 8) zwar auch annähernd bikonische Form, doch ist die untere Hälfte durchgängig erheblich kürzer als die obere, und die Verzierung durch 11 17 Horizontalrillen und Schrägkerben fehlt ganz und gar, statt dessen tritt Punkt- und Grübchenverzierung auf. Der Rillenzierrat ist aber gewiß bereits ein Übergang zur Rillenverzierung der Burgwallgefäße. Deshalb sind die älteren Gefäße von ßenkenstein-Freiwalde jünger als die des Silberberges. Ich komme nun zu den Beigaben aus Metall. Da sind zunächst die beiden Armbrustsprossenfibeln aus Bronze. Beide sind defekt. Bei beiden sind die Sprossen fast ganz fortgebrochen, doch sind die Ansätze dazu erhalten. Das besterhaltene Stück wurde auf der in den Jahren 1907 — 1909 untersuchten Tafel von Benkenstein in Grab 8 unter der Nordostecke der halbmondförmigen Steinsetzung gefunden, zusammen mit dem oben beschriebenen Fragment eines durch kreisflächenförmige flache Grubeneindrücke verzierten älteren Gefäßes; an der Südostecke desselben Grabes lag eine Pferdebestattung, bestehend aus dem Rest eines Pferdeschädels mit den Zähnen und einem Trensenfragment, bronzener Ring mit Ansatz des eisernen Gebisses. Die Fibel hat die Form der Silberbergfibel (a. a. 0. Tafel II, Abb. 9), die bereits von Heydeck als spätere Übergangsform bezeichnet wird. Sie hat nur 3 horizontale Sprossen aus der vierten ist eine trapezförmige, geradlinige Verlängerung des ßügeb kopfes geworden. Von den drei wagerechten Sprossen sind, wie gesagt, nur Ansätze, am Bügelfuß zwei, am Bügelkopf einer vorhanden, und von diesen zeigen die beiden oberen keine Rillenverzierung, wie sie im Gegensatz dazu das entsprechende Stück vom Silberberg hat. Die Spirale mit den je 2 ge- kerbten Endknöpfen an beiden Enden und ein Fragment der Sehne ist eben- falls erhalten. Die zweite Fibel wurde auf Freiwalder Feldmark in Grab 14 gefunden. Von ihr ist die Sehne und der Bügel mit einem Fragment des Nadelhalters und den Ansätzen der Sprossen erhalten. Der Bügel ist schmal und IY2 länger als das oben genannte Stück des Silberberges. Beide Fibeln machen den Eindruck, jünger zu sein als die des Silberberges. Auch das Zaumzeug von Benkenstein - Freiwalde zeigt Unterschiede gegenüber dem des Silberbergs. Die Trensen des Silberbergs, Ringe und Gebiß, sind von Eisen. An dem Trensenring aus Grab 41 ist die linksseitige Schlaufe von Bronze, an dem aus Grab 13 hat die rechtsseitige Schlaufe 4 Bronzenieten. Die Bronze fehlt also nicht ganz, findet aber weit mehr Verwendung bei den Trensefunden von Benkenstein. Dort wurde in Grab 8, in dem auch die Bronzefibel zum Vorschein kam, im Pferdegrab ein Trensenfragment mit einem Bronzering gefunden, und nicht weit davon in Grab 10 eine in 2 Stücke gebrochene Trense mit Gebiß aus Eisen und 2 Bronzeringen, an dem einen eine, am andern 2 bronzene Schlaufen. Zusammen mit der Trense lag ein reicher Bronzezaumbeschlag, bestehend aus 20 rechteckigen, verzierten Platten, (1,1 cm breit und 5,5 bis 7 cm lang), 3 kreuzförmigen verzierten Scheiben und 2 Riemenzungen, von denen die eine länger und schmal, die andere kürzer und breit ist. Grab 25 des Silberberges lieferte 4 kreuzförmige Beschläge (einer abgebildet a. a. 0. Tafel III, Abb. 17). Aber diese sind nur einfach aus dünnem Bronzeblech ausgeschnitten und waren mit 5 Bronzenieten mit Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 1. 2 18 großen, hohlen Köpfen, die an den Stücken erhalten sind, befestigt. Dem- gegenüber sind die 3 kreuzförmigen verzierten Scheiben aus Grab 10 von Benkenstein aus einem IV2 Daoi dicken ßronzeblech so geschnitten, daß der mittlere Teil eine runde Scheibe bildet, von der oben und unten, rechts und links je ein quadratisches Scheibenstück vorspringt, in dem sich je 2 Bronze- nieten befinden. Dadurch erhalten diese Zierstücke zugleich ein kreuzförmiges Ansehen. Der mittlere, kreisförmige Teil ist reich verziert. Es zieht sich nämlich um einen großen, halbkugelförmigen, hohlen, eingenieteten Mittelknopf eine eingestanzte Zickzackverzierung und um diese zwei kreisrunde konzen- trische Reihen von aufgestanzten kleinen, halbkugelförmigen Erhöhungen. Ferner die viereckigen Zierbleche des Zaumbeschlags von Benkenstein sind nicht nur doppelt so stark wie die des Silberbergs, sondern auch reicher verziert. Man hat sich nämlich bei den Benkensteiner Blechen nicht damit begnügt, den Rändern parallel zwei Zierlinien einzuritzen, sondern in die Zwischenräume zwischen diesen Linien noch in gewissen Abständen kleine viereckige Vertiefungen eingestanzt, wodurch die Verzierung reicher wird. Endlich sind an der Armbrustsprossenfibel aus Grab 8 und den beiden Riemenzungen aus Grab 10 Spuren der Bearbeitung mit einer feinen Feile zu erkennen, wovon man an den entsprechenden Artefakten des Silberberges nichts entdecken kann. Man kann daher einen gewissen Fortschritt in der Technik bei der Herstellung von Schmuckgegenständen, der sich an manchen Benken- steiner Grabbeigaben zeigt, nicht verkennen. Auch dieser Llmstand nötigt dazu, sie in eine jüngere Zeit zu setzen. Erwähnt mag noch werden, daß das Pferdegrab von Grab 10 von Benken- stein 0,5 m südlich vom Südrande der Steinpackung sich befand. Dort lagen 0,75 m tief die Überreste eines Pferdeschädels zusammen mit der Trense und dem Zaumbeschlag. Unter der Steinsetzung dagegen, die in drei Schichten 50 Steine enthielt, wurden in einer Brandschicht mit gebrannten Menschen- knochen das Fragment eines roh gearbeiteten Tongefäßes und eine scheiben- förmig geschnittene, unregelmäßig viereckige Bernsteinperle, mit konischer Durchbohrung auf beiden Seiten, gefunden. Nun sind Beigaben aus Metall auch 1912 auf dem westlichen Teil des Benkensteiner Gräberfeldes zum Vorschein gekommen. Ich nenne zunächst ein massives Bronzearmband aus Grab 45, neben ihm lag ein größeres, mit dicken Rostklumpen bedecktes Messer aus Eisen, dessen eigentliche Gestalt schwer erkennbar ist. Das Armband hat ovale Gestalt. Größerer Durchmesser im Lichten 5,4 cm, kleinerer Durchmesser 3,9 cm, mit verdickten Enden^ größte Dicke 9 mm, kleinste Dicke 4,5 mm. Die Hälfte eines solchen Ringes fand sich auf dem Silberberg in Grab 10 (a. a. 0. Tafel Hl, Abb. 9). Der letztere ist unverziert, der Benkensteiner zeigt auf den verdickten Enden Ver- zierungen durch Reihen eingestanzter kleiner Kreise. Armring und Messer lagen unter einem großen Stein. Das Armband von Benkenstein zeigt in der Verzierung gegenüber dem des Silberberges gleichfalls einen Fortschritt in 13 19 der Technik. Über diese Armringe schreibt das Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Straßburg, Karl J. Trübner, 1912, I. Band, S. 512, § 9: In der Völkerwanderungszeit (etwa 450 — 750, 800 n. Chr.) sind die Ringe meistens offen, gegen die Enden verdickt. In Westdeutschland sind solche Ringe in der Merowingerzeit gefunden worden. In L. Lindenschmit, Hand- buch der deutschen Altertumskunde, Braunschweig 1880, Vieweg und Sohn, sind Abbildungen davon auf Tafel XIII, e und f. Der Ring e aus Silber, Durchmesser 69 mm, ist in Rheinhessen gefunden und befindet sich im Museum von Darmstadt. Weitere Abbildungen solcher Armringe aus der Merowinger- zeit bringt L. Lindenschmit Sohn in dem Werk: „Das Römisch -Germanische Central -Museum in bildlichen Darstellungen aus seinen Sammlungen, Mainz, Victor v. Zabern, 1889, Tafel IX, Abb. 2, 4, 6, 7, in 1. Abteilung die Altertümer der merowingischen Zeit, von der Mitte des 5. bis in das 8. Jahr- hundert.“ Die Stücke sind sämtlich aus Silber. Nr. 2 gefunden bei Worms, im Museum Worms; Nr. 4 gefunden Flonheim in Rheinhessen, im Museum Worms; Nr. 6 gefunden Pfallingen, Schwarzwaldkreis (Württemberg), im Besitz des Grafen Wilhelm von Württemberg; Nr. 7 gefunden Obrigheim, Rhein- bayern, im Museum Speyer. Das Fragment eines solchen Bronzearmbandes, 2,7 cm lang, gab 1910 auch das Grab 14 (Freiwalde) her. Von älteren Beigaben aus Metall ist auf dem Beukensteiner Gräberfeld schließlich noch eine eiserne Armbrustfibel aus Grab 49 zu nennen. Diese lag neben der oben bereits charakterisierten älteren Urne in einer Braud- grube, die gebrannte Menschenknochen, Holzkohlenreste und verrostetes Eisen enthielt. Da die ganze 1912 abgedeckte Fläche sich von früher her als außer- ordentlich zerwühlt und verwüstet zeigte, wird wahrscheinlich auch über der Grabstelle 49 sich ursprünglich eine Steinpackung befunden haben, zumal der obere Teil der Urne zerdrückt war. Die eiserne Armbrustfibel nun, die namentlich am Fibelkopf und der Sehne mit dickem Rost bedeckt ist, zeigt eine Eigentümlichkeit, die an den Sehnen der Fibeln des Silberberges nicht vorkommt. Sie ist nämlich nach hinten ausgezogen und verliert dadurch die sonst gewöhnliche halbkreisförmige Gestalt, letztere erscheint vielmehr nach hinten verschmälert. So erscheint auch an diesem Stück eine technische Weiterentwickelung, die au einer bereits in die Burgwallzeit fallenden Armbrustfibel aus Bronze noch deutlicher und schärfer ausgesprochen vorkommt. Aus der vorhergehenden Vergleichung geht hervor, daß die älteren Gräber von Benkenstein -Freiwalde jünger sind als die des Silberberges. Das be- weisen vor allem die Steinsetzungen der ältern Grabstellen von Benkenstein - Freiwalde, die durch ihre unregemäßige Anlage, ihre wenig sorgfältige, selbst liederliche Bauart, die Verwendung von mehreren Steinschichten, bis zu 4 den Steinpackungsgräbern aus der Burgwallzeit auf demselben Gräberfeld viel’ näher stehen als den regelmäßigen (kreis-, ellipsenförmigen), durchgehends aus einer Steinschicht erbauten Grabanlagen des Silberberges. Damit stimmen 14 9* 20 die Abweichungen in den Beigaben aus Ton und Metall überein, auch diese weisen auf eine ändere und zwar spätere Zeit hin. Daher, wenn wir nach Kemkes Vorgang die Gräber des Silberberges in die Zeit von 500 — 700 setzen, so müssen wir für die älteren Gräber von Benkenstein -Freiwalde das achte Jahrhundert (700 bis etwa 800) nehmen, denn 100 Jahre wird man für die ältere Benkensteiner-Freiwalder Zeit doch wohl rechnen müssen, da eine ver- änderte Kultur vor ihrem Erlöschen doch wohl eine längere Dauer als nur wenige Jahrzehnte haben mußte. Mit dem Auftreten der Burgwallkultur er- losch aber die frühere in einigen wichtigen Zweigen in der Tat. Es hat sich etwa um 800 n. Chr.^ als der Frankenkönig Karl auf dem Gipfel seiner Macht stand und sich in Rom die Kaiserkrone aufs Haupt setzte, eine epochemachende Umwandlung im Leben der Esten östlich der Weichsel und nördlich der Ossa vollzogen, denn sie haben damals von ihren südlichen slawischen Nachbarn deren Keramik und den Bau von Burgwallbefestigungen übernommen. Daß diese Umwandlung an einem bestimmten Zeitpunkt ziemlich plötzlich vor sich ging, dafür haben wir auf dem Benkenstein- Freiwalder Gräberfelde in einem überaus wichtigen keramischen Funde einen eklatanten Beweis. Zur Be- schreibung und Betrachtung dieses Fundes gehe ich nunmehr über. Am Nordrande der 1912 untersuchten Fläche wurde 5 m vom Ostrande ^ entfernt eine Steinsetzung, etwa 1 m im Quadrat, aufgedeckt. An ihrem Süd- ostrande wurden zahlreiche kalzinierte Knochen und, unter ihnen liegend, Burgwallscherben gefunden. Wahrscheinlich war hier ein Teil der Stein- packung, der über dieser Grabstelle ursprünglich gelegen hatte, bereits früher entfernt. Als die Steine aufgenommen waren, zeigte es sich, daß die Brand- grube dieses Grabes sich mit ihrem Inhalt von gebrannten Knochen auch noch unter der Steinpackung weiter hinzog. Am Westrande dieser Steinpackung nun wurden zuerst 2 Urnen gefunden, die östliche zusammengedrückt, die zweite, nordwestlich davon gelegene und nur durch einen Zwischenraum von 5 cm von der ersten getrennt, war ganz. Später wurde westlich von diesen beiden Urnen, aber unmittelbar daneben, eine dritte Urne entdeckt, die nur an einer Stelle des Randes wenig be- schädigt war. Die östliche, zerdrückte Urne habe ich später in meiner Wohnung gut zusammensetzen können. Sie zeigt jetzt nur an einer Seite ein paar größere Lücken, zu denen die betreffenden Stücke fehlten. Alle 3 Urnen waren durch faustgroße Steine an den Seiten umhegt und gestützt und um sie herum lagen zahlreiche calcinierte Knochen und Burgwallscherben, auch kleine Steine. Da sich bei der Entleerung der Urnen in meiner Wohnung zeigte, daß alle 3 mit kohlehaltiger Branderde gefüllt waren, in der sich wenige kleine Splitter kalzinierter Knochen befanden, so darf man wohl alle drei als Aschenurnen und nicht als bloße Beigefäße betrachten, aber annehmen, daß die Hauptmasse kalzinierter Knochen mit Urnenscherben neben die Urnen und um diese herum bei der Bestattung geschüttet wurden, und da ferner an der Nordwestseite unmittelbar an den Lagerplatz der Urnen sich eine Fläche von 15 s 21 etwa Y2 qm anschloß, die mit kleineren Steinen bedeckt war^ so darf man wohl ferner schließen, daß auch die 3 Urnen ursprünglich von einer Stein- setzung bedeckt gewesen sind. Auf der Nordseite der dritten Urne wurde unter Steinen ein kleines eisernes Messer gefunden. Dieses ist die Fundgeschichte der 3 Urnen, die ich hier nach dem von Herrn Prof. Dr. Ehrlich geführten geschriebenen Protokoll zusammengestellt habe. Mich selbst, den damals siebenundsiebzigjährigen, verhinderte 1912 das sehr ungünstige Oktoberwetter, der Ausgrabung beizuwohnen. Was verleiht nun diesem Urneufund einen so hohen Wert für die Unter- suchung? Es ist der Umstand, daß die dritte Urne freihändig und die beiden andern auf der Drehscheibe hergestellt sind. Es finden sich also hier Objekte beider Herstellungsarten unmittelbar nebeneinander, so daß man annehmen muß, zur Zeit ihrer Niederlegung, die wohl ungefähr die gleiche gewesen sein dürfte, wären beide Fabrikationsweisen nebeneinander geübt worden. Es ist « • mithin hier unzweifelhaft der Übergang von der älteren in die jüngere keramische Fabrikationsweise erkennbar, und da wir das Ende der älteren etwa in das Jahr 800 n. Chr. Geb. setzen dürfen, so würden die Esten der Elbinger Gegend die Drehscheibentechnik auch etwa um die gleiche Zeit von ihren südlichen slawischen Nachbarn übernommen haben. Entlehnten sie aber diese, dann ist es ferner wahrscheinlich, daß sie zu derselben Zeit etwa auch die Erbauung der Burgwälle von den Slawen übernommen und mit deren An- lage in der Elbinger Gegend begonnen haben werden, denn die eine große kulturelle Nachahmung dürfte die andere nach sich gezogen haben, weil die • • Übernahme der erstem doch eine bedeutende gegenseitige Annäherung der beiden verschiedenen Bevölkerungsschichten Altpreußens bezeugt. Läßt man die hier gegebenen Schlußfolgerungen gelten, dann ergiebt sich daraus weiter, daß die freihändig erzeugte der 3 Urnen die jüngste freihändige Technik, und die beiden auf der Drehscheibe hergestellten die älteste Dreh- scheibenarbeit der Elbinger Esten darstellen müssen. Eine genauere Be- schreibung dieser 3 Tongefäße ist daher hier am Platz. 1. Die freihändig gefertigte Urne (Nr. 3). Sie zeigt nicht mehr die bikonische Form der oben besprochenen Gefäße, sondern bereits eine bauchige Terrinenform, abgerundeten Bauch, kurzen, ein- gezogenen Hals und einen leicht umgebogenen Rand. Der größere Teil der Außenfläche, mit Ausnahme des Halses und des dem Boden zunächst gelegenen Teils, ist mit dicht nebeneinander scharf eingeritzten, horizontalen Rillen bedeckt, die jedoch ihrer freihändigen Herstellung entsprechend mehrfach von der Horizontalität abweichende Abbiegungen nach oben und unten zeigen. Die Farbe ist dunkelgrau. Durchmesser des Bodens 8,5 cm, größte Bauchweite I2V2 cm, kleinste Halsweite 11 cm, größter Durchmesser des Randumfanges 10 cm, Höhe 10 cm. 16 22 2. Die kleinere auf der Drehscheibe gefertigte Urne (Nr. 2). f I Sie ist älter als die zweite Drehscheibenurne. Sie hat Terrinenform, eine >. scharf hervortretende Halsbauchkante, eingezogenen, aber längeren Hals, wie H die vorige; der Rand zeigt an der Außenseite bereits eine Profilfurche, steht i aber senkrecht. Auf der Halsbauchkante stehen schräge Kerben, von links - oben nach rechts unten eingeritzt, in Abständen von 15 mm. Die Außenfläche I zwischen Halsbauchkante und Boden zeigt bereits eine Anzahl schmaler, flacher 1 Horizontalrillen. Durchmesser des Bodens 8,5 cm, größte Bauchweite 14,5 cm, 1 kleinste Halsweite 12 cm, größter Durchmesser des Randumfangs 13,5 cm, I Höhe 11 cm. Auf der Mitte der unteren Bodenfläche steht ein länglich rund- licher, erhabener Knopf, Kennzeichen der Herstellung auf der Drehscheibe, ^ Farbe dunkelgrau. | 3. Die größere auf der Drehscheibe gefertigte Urne (Nr. 1). ^ Sie ist das größte Gefäß von den dreien und war von oben nach unten durchgebrochen, konnte aber gut zusammengesetzt werden. An der einen Seite mußten einige größere Lücken bleiben. Sie hat Terrinenform, der Hals ist j scharf vom Bauch abgesetzt und steigt etwas steiler auf wie der von Nr. 2, I ist auch der Größe entsprechend etwas länger als bei Nr. 2. Der Rand zeigt | an der Außenseite eine Profilfurche und ist schärfer nach außen umgebogen || als bei Nr. 2. In die Halsbauchkante ist das Muster einer dicken Schnur || eingedrückt (Dicke der Schnur 7V2 mm). Die Außenfläche zwischen Hals- 1| bauchkante und Boden ist fast bis zum Boden mit 11 horizontalen Rillen be- I deckt, deren meist mehr oder weniger unregelmäßiger Zug eine freihändige I Herstellung der Rillen bezeugt. Durchmesser des Bodens 8 cm, größte Bauch- | weite 16,5 cm, kleinste Halsweite 14,5 cm, größter Durchmesser des Rand- - Umfangs 16,5 cm, Höhe 12 Y2 cm. Farbe rotbraun, schärferer Brand. i Nr. 1 und 2 zeigen das sichere Merkmal der Herstellung auf der Dreh- I scheibe, nämlich an den Gefäßwänden die fadenfeinen, horizontalen, parallelen | Erhöhungen und Vertiefungen, welche die feinen Furchen der Fingerspitzen . an der Gefäßwand hervorbringen. | Beigaben der Gräber aus der Burgwallzeit. j a) Aus Metall. ^ 1. Armbrustfibel aus Bronze. ' ^ Sie wurde zusammen mit 5 verzierten Burgwallscherben in Grab 46 | gefunden, zwischen 2 Steinen einer Steinpackung. Sie gleicht in | ihrer Form der oben beschriebenen eisernen Armbrustfibel aus | Grab 49. Auch bei ihr ist die Sehne leierförmig nach hinten, ) nur noch länger, ausgezogen, außerdem läuft der Fibelkopf über der Spirale in eine nach oben gerichtete Spitze aus; bereits eine | spätere Form. | 17 23 2. Drei kleinere Messer aus Eisen. Zwei wurden, in einem Abstande von IY2 m voneinander, in der 1911 untersuchten Scherbenader gefunden, das dritte lag nördlich von Urne Nr. 3 unter Steinen, wie oben erwähnt. Sie sind weniger plump als die des Silberberges und gleichen den kleinen Eisen- messern aus der Burgwallzeit, die sich im Stadtmuseum Thorn befinden. 3. Meißel aus Eisen. Dieser wurde am südwestlichen Rand der Steinpackung von Grab 40, unter einen Stein geschoben, zusammen mit Burgwallscherben ge- funden. Er hat eine Länge von I6Y2 cm, eine Breite von 1,4 cm. Die Spitze ist etwas verbogen. 4. Gi'oße eiserne Trense. Sie wurde in Grab 50 unter einem großen Steine, 75 cm unter der Oberfläche, zusammen mit unverbrannten Pferdeknochen (Zähne, Unterkiefer) gefunden. Da sich keine Scherben dabei befanden, bleibt unentschieden, ob der Fund der älteren oder späteren Zeit angehört. b) Aus Ton. Die 3 Urnen, die als 3 verschiedenen Gräbern (Nr. 42 — 44) angehörig betrachtet sind, wurden bereits oben genauer beschrieben und der Übergangs- zeit zugerechnet. Sonst sind in den Burgwallgräbern nur Scherbenfunde gemacht worden. Das Wellenornament kommt an den zutage gekommenen Scherben nur ver- einzelt vor, Stempelornamente auch nicht häufig. Die Hauptverzierung bleibt die horizontale Rille in der verschiedensten Form und Anordnung. In der Scherbenader wurden Hunderte von Burgwallscherben gesammelt, an denen eine größere Anzahl verschiedener Randprofile sich zeigte. Dieses wichtige Scherbenmaterial wird später Herr Prof. Dr. Ehrlich mit Abbildungen ver- öffentlichen. Ein Punkt muß schon heute hervorgehoben werden. Bei einem im Dezember vorigen Jahres von mir ausgeführten Besuch des Westpreußi- schen Provinzialmuseums zeigte mir der Direktor dieses Museums, Herr Prof. Dr. Kumm, in liebenswürdigster Weise, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank ausspreche, die Gefäße (bzw. Gefäßreste), in denen die dort aufbewahrten Hacksilber- und Münzfunde enthalten gewesen sind. Dabei konnte ich aus der Form mancher Rillenverzierungen, die sich auf Benkenstein an den Burgwallscherben der Scherbenader ebenfalls vorfindet, feststellen, daß das Benkensteiner Gräberfeld bis ins elfte und selbst zwölfte nachchristliche Jahrhundert benutzt worden ist. Die nachchristliche vorgeschichtliche Keramik in der Elbinger Gegend (Pogesanien) bis zum Jahre 800 n. Chr. Geb. Gegenüber den vorstehenden Erörterungen könnte man die Frage auf- werfen, ob denn die Übernahme der slawischen Burgwalltöpferei die erste 18 24 keramische Entlehnung der pogesanischen Esten sei, ob sie nicht vielleicht bereits in ihrer früheren freihändigen Keramik slavische Muster nachgeahmt hätten. Diese Frage muß, wenn man das bisher in unserer Gegend zutage gekommene Fundmaterial an vorgeschichtlichen Tongefäßen aus den ersten 8 nachchristlichen Jahrhunderten in Betracht zieht, verneint werden. In der römischen Kaiserzeit wohnten in der Elbinger Gegend die von Tacitus erwähnten Aestier, ein den Litauern sprachlich verwandtes Volk, dem vielleicht gotisclie Bestandteile beigemischt waren. Das gemischte Gräberfeld aus der römischen Periode auf Neustädterfeld bei Elbing, welches in den ersten vier nachchristlichen Jahrhunderten benutzt worden ist, hat nun eine ganze Anzahl vorgeschichtlicher Grabgefäße geliefert, von denen bisher nur von Anger einige Abbildungen, und auch diese nur in ümrißskizzen mit Andeutung der Verzierung, veröffentlicht worden sind^). Anger bildet a. a. 0. S. 112 zwei Aschenurnen ab und S. 113 fünf Beigefäße. Er schreibt dort S. 114: „Im ganzen sind gegen 60 Urnen gefunden, aber nur 4 große und 8 Beigefäße konnten der Sammlung einverleibt werden“. Wegen der Wichtigkeit für die vorstehende Untersuchung gebe ich hier Angers Beschreibung der Neustädterfelder Tongefäße vollständig wieder. Anger schreibt darüber a. a. 0. S. 12 — 14: „Die Urnen stehen über den Skeletten, 0,50 m unter der Oberfläche in der schwarzen Erde, in unregelmäßigen Abständen voneinander entfernt und ohne ersichtliche planmäßige Anordnung, sehr selten von 4 — 6 kopfgroßen Rollsteinen unregelmäßig umstellt. Nur auf der Südseite, wo die Leichen spärlicher liegen, scheinen die Urnen in regelmäßigen Abständen von 1,50 m beigesetzt zu sein. Die Urnen waren deckellos, wenige mit einem Henkel versehen, von matt- schwarzer, grauer, grauweißer oder rötlicher Farbe, mehrere mit horizontal- laufenden, parallelen Strichen oder Streifen, und zwischen denselben mit größeren oder kleineren Dreiecken, schrägen Streifen oder Punkten verziert, von ver- schiedener Wandstärke (bis 1 cm dick), aus Lehm mit eingemengten, oft sehr grobkörnigen, weißlichen und rötlichen Granitbrocken auf der Töpferscheibe gearbeitet und meistens schwach gebrannt. Die Mehrzahl der Urnen wurde zerdrückt vorgefunden. Die Höhe der Urnen schwankt zwischen 18 und 24 cm, der Bauchdurchmesser zwischen 20 und 24 cm, der Bodendurchmesser zwischen 7 — 10 cm. Der Inhalt bestand zu etwa zwei Drittel aus verbrannten und zerkleinerten Knochen und zu einem Drittel aus Erde. Die verzierten Urnen enthielten jedesmal Beigaben, die unverzierten sehr selten. ^ Die sog. Ceremonialurnen oder Beigefäße, ungedeckelt, bisweilen von kugelähnlicher oder tulpenförmiger Gestalt, mit und ohne Verzierung, fanden sich nur bei Leichen, und zwar neben denselben, in einem Falle neben einem, 1) Dr. Anger, Das gemischte Gräberfeld auf dem Neustädterfelde bei Elbing in der Zeitschrift für Ethnologie. Organ der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 12. Jahrgang. Berlin 1880. S. 112, 113. 19 25 zwischen zwei Steinen allein liegenden Schädel und einer neronischen Fibula^ in einem andern Falle unmittelbar unter einem Schädel, und zwar mit der Öffnung nach unten gekehrt, so daß also der Schädel auf dem Gefäßboden ruhte. Der Inhalt bestand nur aus Erde, in einem Falle aus wenigen ver- brannten Knochen und einem kleinen Urnenscherben. Beigaben wurden in den Gefäßen nicht, wohl aber neben denselben gefunden, besonders zahlreich neben einer grauweißen, am Bauche mit 26 ziemlich großen punktartigen Ein- drücken und unter diesen mit vielen parallelen (kerzenschrägen D-) Strichen verzierten, schön geformten kleinen Urne (8 cm hoch, 9 cm Bauchdurchmesser, 4 cm Bodendurchmesser); viele Eimerbreloques, im Feuer geschmolzene Glas- perlen und Korallen, Ohrring, Fingerring, Fibeln und Riemenbeschlag.“ Soweit Anger über die Neustädterfelder Tongefäße aus der römischen Kaiserzeit. Auf der Töpferscheibe sind sie nun allerdings nicht, sondern sämtlich freihändig hergestellt ^). Im ganzen sind auf Neustädterfeld 21 Aschenurnen und 30 Beigefäße zutage gekommen, von den ersteren konnte etwa die Hälfte unseren Sammlungen nur als Fragmente einverleibt werden^). Für diese Erörterung kommen nur die Beigefäße in Betracht, weil später auf dem Silberberg nur Beigefäße gefunden worden sind, die mit den Neu- städterfeldern verglichen werden können. Da zeigt es sich nun, daß die Ceremonialurnen des Silber berges, die in die Zeit von 500 — 700 fallen, sich aus einem bestimmten Typus der Neustädterfelder entwickelt haben. Eine Form nämlich, die auf Neustädterfeld öfters vorkommt, zeigtim größeren unteren Teil bis zum Halsansatz eine konische Gestalt, der Hals steigt dann ohne erkennbaren Absatz fast senkrecht auf, so zwar, daß die vertikale Profillinie keine erkennbare Unterbrechung erleidet. Diese Form zeigen bei Anger a. a. 0. S. 113 die Textabbildungen Fig. 7 a und Fig. 7 d. Eine Anzahl anderer Neustädterfelder Beigefäße zeigen eine konische Form nur im mittleren Teil bei scharf abgesetztem Fuß und Halsteil. Die erstere Gestalt haben auch die Beigefäße des Silberberges (a. a. 0. Tafel I, Fig. 1 — 8), nur daß bei ihnen die konische Form des ganzen Gefäßes noch stärker ausgebildet ist; als die späteren haben sie eine weitere Entwickelung erfahren. Wie die Neustädter- felder sind auch die des Silberberges freihändig gearbeitet und zeigen gleich- falls schwachen Brand. Findet sich also bei der nachchristlichen vorgeschicht- lichen Keramik der Elbinger Gegend bis zum Jahre 700 n. Chr. eine stetige Weiterentwickelung, so kann von einer Entlehnung von auswärts keine Rede sein. Eine solche Fortentwickelung ist ja auch ganz erklärlich, war doch 0 Ich sprach dies bereits 1894 aus in der , Übersieht über die prähistorischen Funde im Stadt- und Landkreise Elbing. Realgymnasialprogramm II. T. Elbing, 1894, S, 47, Anm.“. „Anger nennt sie „auf der Töpferscheibe gearbeitet“, ich vermag keine Spuren dieser Iler- stellungsweise an den Neustädterfelder Urnen zu entdecken und halte sie alle für freihändig hergestellte Gefäße. Der Gebrauch der Töpferscheibe zeigt sich erst an den Burgwallscherben 5 — 6 Jahrhunderte später.“ 2) Dorr, Übersicht, S. 57. 20 26 dasselbe Volk in denselben Wohnsitzen verblieben. Jordanes bezeugt um die Mitte des sechsten Jahrhunderts, daß östlich der Weichsel an der Ostsee die Esten wohnten, die ja nur die Nachkommen der Aistior des Tacitus sein konnten. Die Wenden aber saßen zu seiner Zeit noch im polnischen Tieflande, südwärts bis zu den Karpaten, und werden vor dem Jahre 600 schwerlich bis zur unteren Weichsel gelangt sein; eine Entlehnung von diesen konnte also vorher gar nicht und nachher auch noch nicht sobald stattfinden. Aber die Esten des Jordanes hielten damals auch Ostpreußen besetzt. Das beweisen die ßeigefäße aus den großen dortigen Gräberfeldern n. Ohr. Geb., bei denen die bikonische Form häufig erscheint. Die Funde aus diesen Gräber- feldern sind aber nach Kemkes überzeugender, oben zitierter Arbeit zum großen Teil in die Zeit von 600 — 800 zu setzen. Für die Übereinstimmung vergleiche das Werk „Ostpreußische Altertümer aus der Zeit der großen Gräberfelder nach Christi Geburt. Zusammengestellt von Dr. Otto Tischler, im Aufträge der Physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg i. Pr. herausgegeben von Heinrich Kemke. Königsberg i. Pr. In Kommission bei Wilh.Koch, 1902“. Taf. XXVJI, XXIX, XXX. Zu den von mir abgebildeten Beigefäßen des Silberberges a. a. 0. Tafel I, Nr. 1 — 8, stellen sich folgende Parallelen in Ostpreußen: I. Silberberg. Tafel I, Fig. 1. Verziertes bikonisches Beigefäß, in Grab 3 allein gefunden. Bauchhalskante im unteren Teil eingefaßt von 2 horizontalen Grübchenreihen. Mehrere solche ziehen sich von hier senkrecht bis in die Nähe des Gefäßrandes, um den eine einfache Grübchenreihe läuft. Ostpreußen. 1. Dollkeim bei Grünhoff, Kreis Fischhausen. Ostpreuß. Altertümer, Tafel XXIX, Fig. 14, ganz gleiche Form, ähnliche Verzierung, nur daß hier auch der untere Teil durch senkrechte Grübchenreihen geschmückt ist. Aus Grab 78. Brandgrube oder Knochenhäufchen. Außer dem Gefäß noch 1 Messer. 2. 1 Pollwitten bei Powayen, Kreis Fischhausen. Einzelstücke. Taf. 3. J XXIX, Fig. 17, 18. Gleiche Form. Verzierungen scheinen vor- handen zu sein, sind jedoch auf den Abbildungen nicht klar erkennbar. II. Silberberg. Tafel I, Fig. 2. Bikonisches Beigefäß. Ganz ähnliche Form wie Fig. 1, nur schlanker und der längere, senkrechte Hals sich schärfer abhebend. Ähnliche Verzierung, nur sind die Grübchen nicht rund, sondern 3 -förmig. In Grab 28 gefunden, zusammen mit einem reichen Gürtelbeschlag von Bronze, 5 Riemenzungen von Bronze, 1 Armbrustsprossenfibel von Bronze und 1 Messer von Eisen mit Resten der Holzeinfassung des Griffs. Abbildung Taf. II, Fig. 1 (a— e). Ostpreußen. 1 — 3. Die bei I. Silberberg genannten 3 Stücke. 4. Polwitten. Taf. XXX, Fig. 6. Grab 69 (Brandgrube), 1 defekter Celt. Ganz ähnliche Form, Grübchenreihenverzierung. 21 27 5. Dollkeim. Taf. XXX, Fig. 1. Ähnliche Form, Grübchenreihenver- zierung. Grab 119 (Brandgrube). 1 Armbrustsprossenfibel, spätere Form mit lang und schmal nach hinten ausgezogener Sehne. 6. Dollkeim. Taf. XXX, Fig. 2. Ähnliche Form, Grübchenreihenver- zierung. Grab 234 (Brandgrube). 1 Dolchmesser, Bernstein. 7. Dollkeim. Taf. XXX, Fig. 4. Ähnliche Form, Vertikalreihen huf- eisenförmiger Grübchen. Grab 192 (Brandgrube). 1 krummes Messer mit Öse u. a. 8. Dollkeim. Taf. XXX, Fig. 7. Ähnliche Form, Grübchenreihenver- zierung. Grab 206 (Brandgrube). 9. Pollwitten. Taf. XXX, Fig. 10. Ähnliche Form, reichere Verzierung, schräge Kerben, von Horizontalrillen eingefaßt, zwei Horizontalwülste mit schrägen Kerben. Grab 86 (ürnengrab). 1 Aschenurne, 2 Armbrustfibeln mit Nadelscheide und geradem Fuß (Abt. D), 1 defekter Kamm mit br. Niete u. a. 10. Warnikam bei Ludwigsort, Kreis Heiligenbeil. Taf. XXX. Fig. 14. Ähnliche Form: horizontale Punktreihe auf der Bauchkante, darüber und dar- unter Gruppen schräger Kerben. Grab 57 (Knochenhäufchen). Glas, Karneol- und Bernsteinperlen. III. Silberberg. Tafel I, Fig. 3. Bikonisches Beigefäß, der untere Teil weit kürzer als der obere, unverziert. Gefunden in Grab 11, allein. Ostpreußen. 1. Eisselbitten bei Rudau, Kreis Fischhausen. Taf. XXIX, Fig. 15. Grab 149 (Brandgrube). 1 Eisenstück. IV. Silberberg. Tafel I, Fig. 6, 7, 8. Bikonische Beigefäße. Das Fig. 6 wiedergegebene Gefäß wurde in Grab 47 zusammen mit 2 Armbrustfibeln von Bronze, wie Taf. I, Fig. 32, und einem Fragment einer eisernen Schnalle ge- funden. Das Stück Fig. 7 lag allein in Grab 4; neben dem Pflaster, 0,30 m tief, frei im Sande zwei eiserne Speerspitzen, wie Taf. I, Fig. 17. Das Bei- gefäß (Fig. 8) lag in Grab 10 zusammen mit 2 Armbrustsprossenfibeln von Bronze, 1 halben massiven Armring von Bronze mit verdicktem Ende, 1 kleinen Bronzeriug, 1 Riemenzunge von Bronze. Ostpreußen. 1. Dollkeim. Taf. XXX, Fig. 5. Bikonisches Beigefäß mit vertikaler und horizontaler Grübchenreihenverzierung. Grab 136 (Brandgrube). 1 Eisenstück. 2. Dollkeim. Taf. XXVII, Fig. 17. Bikonisches Beigefäß mit schräger Strichzonenverzierung auf der oberen Hälfte. Grab 79 (Knochenhäufchen). 3. Dollkeim. Taf. XXVIl, Fig. 15. Bikonisches Beigefäß in Grab 128 (Urnengrab). 2 Armbrustfibeln, Abt. D, 1 Dolchmesser, 1 roh geschnittene, scheibenförmige Bernsteinperle, 1 kleiner Ring. Aus der hier gegebenen Zusammenstellung ergibt sich, daß die bikonischen Formen der Beigefäße des Silberberges sich ebenso an ostpreußischen Bei- gefäßen der Tischler sehen Perioden D und E finden, aber auch bereits früher, woraus ersichtlich ist, daß eine gleichmäßige Fortentwicklung der freihändigen 22 28 Keramik in Altpreußen (zwischen Weichsel und Memel) in den Wohnsitzen der Aisten (Esten) bis zum Jahre 700 n. Chr. stattgefunden hat, ohne Ent- lehnung von benachbarten Slawen. Man könnte zu dieser Beweisführung auch noch die bikonischen Spinnwirtel, die massenhaft auf dem Neustädterfelde bei Elbing, aber auch auf dem Silberberg (a. a. 0. Taf. I, Pig. 10) und auch häufig in Ostpreußen gefunden sind, in Anspruch nehmen. In den älteren Benken- Steiner keramischen Funden, die ins 8. Jahrhundert (700 — 800) gehören, setzt sich diese Weiterentwickelung der freihändigen konischen Keramik fort, bis dann etwa um 800 n. Chr. plötzlich die slawische Burgwallkeramik in der Elbinger Gegend erscheint als ein von den slawischen Nachbarn südlich der Ossa entlehntes neues Kulturgut. Das bedingt keineswegs, daß die Töpfer- scheibenarbeit nun auch erst damals von den Slawen angewendet worden ist. Diese werden die Töpferscheibe wahrscheinlich bereits eine gute Weile (viel- leicht 100 Jahre) früher angewendet und auch mit der Erbauung von Burg- wällen vielleicht schon um 700 n. Chr. begonnen haben. An der Entlehnung der beiden neuen Kulturobjekte, der Töpferscheiben- gefäße und der Burgwälle, werden aber bereits jene Esten, die, als östlich der Weichsel an der Ostsee wohnend, Einhard im Leben Karls des Großen (etwa um 820) erwähnt, bereits teilgenommen haben, und als der Angelsachse WuLFSTAN 60 Jahre später, etwa um 880, zu den Esten nach Truso kam, hatten die letzteren jedenfalls beides schon geraume Zeit. Daß aber unter den „Städten der Esten“, die nach Wulfstan zahlreich waren, nun aber vor- zugsweise die Burgwälle zu verstehen sind, glaube ich nicht. Die Fogesa- nischen Burgwälle sind wohl ausnahmslos Pliehburgen gewesen, die vielleicht nebenher auch Kultuszwecken gedient haben mögen, Städte waren sie nicht. In ihrer Nähe und in ihrem Schutze werden sich ausgedehnte dorfähnliche Ansiedelungen befunden haben, wie eine solche auch Truso war. Diese hat Wulfstan Städte genannt. Auch Truso hat einen Burgwall gehabt, der wenig nordwärts hinter Englisch -Brunnen in der Nähe des Elbingflusses lag. Der Platz heißt der Schloßberg ^). Truso lag auf dem Gelände, das heute die Elbinger Vorstädte trägt, und reichte westwärts bis an die nördlichste Bucht des sich damals bis hierher erstreckenden Drausensees^). Auf Benken- steiner Gelände aber befanden sich zu jener Zeit wohl verschiedene Abbauten von Truso, die dort bis ins 12. Jahrhundert bestanden haben müssen, was die Scherbenfunde beweisen. Aus trusonischer und spättrusonischer Zeit rühren auch die Burgwallscherbenfunde her, die auf dem Kämmereisandlande bei 1) Fuchs (Beschreibung der Stadt Elbing etc. III, 3, S. 483 ff.) will an seinem Rande noch eine Umwallung gesehen haben. Ich sah dort 1886 nur noch einen Hügel, der aus Lehm zu Ziegeln ausgebeutet wurde und heute fast ganz abgetragen ist. Vgl. Dorr, Übersicht etc. S. 11. 2) Dieser meiner Ansicht ist auch Dr. Edward Carstenn beigetreten in Altpreuß. Monatsschrift, Bd. XLVIII, Heft 1, S. 60, 61. Königsberg 1911: „Zur Geschichte der Truso- forschung“ (S. 38 — 63). 23 29 Englisch-Brunnen, in Pangritz-Colonie und bei dem Pulverbause gemacht worden sind^). Diese alle liegen dem heutigen Elbingfluß weit näher, als das ßenken- steiner Feld. Wenn auf dem Gebiet der näheren, höher gelegenen Vorstädte, im Osten und Norden von Elbing (Äußerer Mühlendamm, Innerer St. Georgen- damm, Königsbergerstraße usw.) ßurgwallscherben bisher nicht zum Vorschein gekommen sind, so liegt das wohl daran, daß hier eben die heutigen Vorstadt- bauten das alte Pruzzische Gelände teils überdecken, teils zerstört haben. Eins ist höchst auffällig, nämlich daß Jordanes (550 n. Chr.) die Aisten ein durchaus friedliches V olk nannte, während 300 Jahre später Wulestan sagt, „da ist viel Krieg bei den Esten“, welches letztere die Waffenfunde auf dem Silberberg und auf ßenkensteiner Feld auch bestätigen. Dieser Wider- spruch in den beiden Angaben scheint doch darauf hinzudeuten, daß in der Elbinger Gegend ein friedfertiger Zweig des lettischen Volksstammes später einem kriegerischen entweder hat weichen oder ihn doch in seine Mitte hat aufnehmen müssen. Es ist nun noch kurz über einige keramische Funde auf ßenkenstein zu berichten, die mit den Esten nichts zu tun haben, sondern vorchrist- lich sind. Bereits auf dem Neustädterfelder Gräberfeld aus der römischen Periode sind einige keramische Spuren aus der Hallstattzeit zutage getreten. Auf Kämmereisandland bei Englisch-Brunnen wurden Hallstatturnen in Steinkisten aufgedeckt, über denen Aschenschichten mit Burgwallscherben lagen und an verschiedenen Stellen des Hügels, auf dem sich der Burgwall-Lenzen erhebt, wurde eine Hallstatt-Kulturschicht aufgefunden mit entsprechenden keramischen Resten. Das Nämliche war auch auf dem ßenkensteiner Felde der Fall. Dort lag nicht weit westlich von Grab Nr. 2 in loser Erde ein kleiner Topf, der nur der Hallstattzeit angehören kann. Seine Wandfläche steigt vom platten Boden ziemlich senkrecht mit geringer seitlicher Ausbiegung an, dann folgt eine kurze, rundliche Ausbauchung, die in eine ebenfalls fast senkrechte Hals- fläche, an der der Rand abgebrochen ist, übergeht. An der Ausbauchung sitzen in Abständen von des Bauchumfangs drei Knöpfe. Von zweien der- selben zieht sich bis zum Bodenrand eine Grübchenverzierung, die einen Hals- schmuck der Hallstattzeit darstellt (Schnüre mit daran hängenden trapezförmigen Klapperblechen). Ferner kamen 1911 unter der Steinsetzung von Stelle 34, südlich von der Scherbenader, Hallstattscherben mit knopfförmigen Ansätzen zum Vorschein. Auf der Steinsetzung lagen Burgwallscherben. Es scheint sich hier nicht um eine Grabstelle, sondern um den Überrest eines Herdes aus der ßurgwallzeit zu handeln, der über Scherbenresten aus vorchristlicher Zeit angelegt wurde. Gebrannte Knochen wurden bei den Burgwallscherben nicht gefunden, freilich auch keine Holzkohlereste. 9 Dorr, Übersicht, S. 70, 71. 24 30 Das Benkenstein - Freiwalder Gräberfeld (700 — 1200 n. Ohr.) ist noch keineswegs erschöpft. Seine weitere Untersuchung wird unsere Gesellschaft wahrscheinlich noch eine Reihe von Jahren beschäftigen^). 3. Wittenfelde. Der kleine Villenort Wittenfelde, 2^2 km nordöstlich von Elbing, liegt an dem Landwege nach Vogelsang. An seiner Südseite erhebt sich der in westöstlicher Richtung streichende Gänserücken, der an seinem Ostende im Gänseberg zu 69,8 m ansteigt und dort zum Schäfertal abfällt. Dahinter er- hebt sich der Thumberg zu 92,6 m Höhe. Zu Wittenfelde gehören auch zwei Landbesitzungen. Die Feldmark des einen Besitzers, des Herrn Diehne, zieht sich auf dem Nordabhang des Gänserückens hin bis in die Nähe des Gänse- berges. Bereits in der Nähe des letzteren wird auf diesem Gelände eine Kies- grube ausgebeutet, an deren Nordrand im Sommer 1912 drei vorgeschichtliche Herdstellen, aus Steinen erbaut, zutage kamen mit Scherben unserer Hallstatt- zeit. Bereits im Jahre 1896 war östlich davon, auf der östlichen, nach Wein- garten gerichteten Abdachung des Gänseberges eine Steinsetzung mit Hallstatt- scherben aufgedeckt worden, die damals nicht näher untersucht werden konnte. Den Scherbenfund jedoch überwies Herr Molkereibesitzer Schröter- Wein- garten damals unserer Sammlung. Nach den Funden im Sommer 1912 untersuchten die Herren Prof. Dr. Ehrlich und Prof. Dr. Müller im September desselben Jahres die Nachbar- schaft der genannten Steinsetzungen und fanden nördlich davon einen vierten Steinherd, bei dem zwar keine Scherben waren, doch um ihn herum wurden zahlreiche Pfahllöcher entdeckt, die den Grundriß einer vorgeschichtlichen Hütte festzulegen gestatteten. Da Scherben fehlten, läßt sich ihre Zeitstellung nicht beurteilen. Die Zukunft wird auf dem Wittenfelder Gelände hoffentlich weitere Aufklärung bringen. 4, Der Burgwall Lenzen. Da im Herbst des vorigen Jahres (1913) eine Fortsetzung der Nach- forschungen auf dem Benkensteiner Felde voraussichtlich nicht stattfinden konnte, weil die in Aussicht genommene Parzelle mit Kartoffeln bepflanzt war, führten wir anfangs August eine dreitägige Nachforschung im Wallkessel des Burgwalls Lenzen aus. Die von mir und Herrn Prof. Dr. Ehrlich geleitete Ausgrabung fand an der Innenseite des Nordwalles statt. Ich hoffte dort die Kulturschicht aus der Hallstattzeit noch einmal aufzufinden, was indessen nicht geschah. Dafür deckten wir 0,5 — 0,7 m unter Tage 5 Steinherde aus der 1) Dieser Abdruck meiner Arbeit über das vorgeschichtliche Gräberfeld von Benken^ stein-Freiwalde hat sich stark verzögert. Inzwischen ist derselbe Aufsatz mit 5 Tafeln Ab- bildungen, einem Plan des Gräberfeldes und verschiedenen Zusätzen auch in Heft 22 (März 1914) der ,, Mitteilungen des Coppernicus- Vereins für Wissenschaft und Kunst zu Thorn“ S. 2 — 26. erschienen. 25 31 Burgwallzeit auf mit Holzkohleresten und Burgwallscherben. Die Kopfsteine der Herde bildeten keine Pflaster, sondern bogenförmige Reihen, einmal war die Steinsetzung S-förmig. Interessant war das Auffinden eines großen Find- lingsblocks aus grobkörnigem roten Sandstein, 1 m im Quadrat, 0,5 m dick, an dem die regelmäßige quadratische Form bemerkenswert ist. 26 32 Heia, die Frische Nehrung und das Haff. Nach älteren Karten und Nachrichten entwickelungsgeschichtlich betrachtet. Von P. SONNTAG- Danzig. Mit 4 Figuren im Text. I. Heia. Es ist eine bekannte Tatsache, daß bis in die neueste Zeit hinein die Halbinsel Heia bei Sturmfluten an einzelnen Stellen Durchbrüche, besser gesagt Überflutungen, erleidet, so daß sich Seewasser hier für kurze Zeit ins Wiek ergießt. Um nur einen neueren Fall dieser Art anzuführen, sei auf die Sturm- flutverheerung im Januar 1905 hingewiesen, über welche, datiert Putzig den 15. Januar, in den Danziger Neuesten Nachr. folgende Notiz zu finden ist: „Der orkanartige Sturm hat an unserer Küste zahlreiche Verheerungen hervor- gerufen. In Karwenbruch ist die Düne auf eine weite Strecke fortgerissen und die Ortschaft ebenso wie das benachbarte Karwen überschwemmt. In Chlapau sind sämtliche Fischerböte zertrümmert worden. Die Halbinsel Heia ist an mehreren Stellen durchbrochen und die große See mit dem Wiek in Verbindung getreten. Auf weite Strecken sind auch hier die Dünen fortgespült, der Wald ist versandet und der Weg unpassierbar geworden. Die Ortschaft Ceynowa steht vollständig unter Wasser; auch Danziger Heisternest ist vom Wiek aus überschwemmt. Im Wiek hat sich das Wasser so angestaut, wie seit Menschengedenken nicht. Die an der See gelegenen Gärten und Wiesen bilden eine große Eisfläche. Der zu Oslanin gehörige Abbau Lenka ragt wie eine Insel aus dem Meere hervor.“ Die neueste Katastrophe vom 9. Januar 1914, auf welche obige Schilderung wörtlich paßt, ist noch im frischen Andenken, und die Verheerung war noch weit umfangreicher. Wollte man eine Statistik ähnlicher Ereignisse aufstellen, so dürfte es nicht schwer fallen, eine große Zahl ähnlicher Überflutungen noch im letzt- verflossenen Jahrhundert^) festzustellen, und es mag wohl diese Erfahrung den ersten Anlaß zu der verbreiteten Meinung gegeben haben, daß Heia noch in historischer Zeit eine Insel oder Inselreihe gewesen sei und erst durch Zu- sammenwachsen der einzelnen Teile zu einem Ganzen geworden. 9 Einige Fälle dieser Art sind von Wünsche (vgl. folg. S.) pag. 19/20 zusammengestellt. 1 33 Eine derartige Ansicht vertritt z. B. H. Pr^:uss („Die Halbinsel Heia“ in „Die Provinz Westpreußen in Wort und Bild“ p. 22). Er sagt (1. c.): „Eine Karte aus dem Jahre 1655 zeigt uns Heia als eine aus sechs Inseln bestehende Inselgruppe, deren Glieder durch breite Durchfahrten voneinander getrennt waren. Auch spätere Karten weisen einige Gatte auf.“ Preuss stützt sich dabei auf H. Wünsche, der in seiner Dissertation (Studien auf der Halbinsel Heia; Dresden, Leutert & Schneidewind; ohne Jahreszahl, 1904?) diese Frage eingehender erörtert hat. Hier finden wir inbetreff der Trennung der Halbinsel in einzelne Teile (p. 13) die Angabe: „Es kann sich hierbei auch nicht nur um kurz vorübergehende Formänderungen (der Halbinsel) ge- handelt haben, die Durchbrüche der Ostsee müssen vielmehr Kanäle und Passagen geschaffen haben, die von größerer Dauer waren und die Halbinsel- form auf längere Zeit aufhoben.“ Eine große Reihe populärer Schriften über Heia haben die oben ausge- sprochene Meinung übernommen; von ihrer Aufzählung kann hier abgesehen werden. Geht man der eigentlichen Begründung der Hypothese über die ursprüng- liche Inselnatur von Heia nach, so stößt man zunächst auf einige unhaltbare geologische Ansichten über Anhäufung von Sinkstoffen durch den Weichselstrom ^). Im wesentlichen ist aber von ausschlaggebender Bedeutung das Bekannt- werden von Karten gewesen, die unsere Halbinsel so darstellen, daß sie durch eine Anzahl von querlaufenden Durchlässen in Stücke zerlegt erscheint. Nach- dem zuerst CoNWENTZ ^) eine solche Karte vom Jahre 1655 reproduziert hatte unter Hinweis darauf, daß für die bei Rutzau aufgefundene steinzeitliche Siedlung eine Verbindung mit der offenen See quer durch die vorgelagerte Halbinsel hindurch vorteilhaft gewesen sein müsse, führte später H. Wünsche diesen Gedanken weiter aus und behandelte das vorhandene Material alter Karten eingehender in seiner obengenannten Abhandlung über Heia. Die wichtigste der vorhandenen Karten, auf welche sich sowohl Conwentz als auch Wünsche stets in erster Linie beziehen, ist eben die aus dem Jahre 1655. Sie findet sich in dem reich mit Karten und Bildern ausgestatteten Werke Sam. Freiherrn von Pufendorfs: „De rebus a Carolo Gustave Sueciae rege gestis“ Norimbergae 1696 und ist auch in der Übersetzung „Carl Gustavs Taten“ Nürnberg 1697 in genau gleicher Weise reproduziert. Das reiche Kartenmaterial des Pufendorf sehen Werkes ist vielleicht auf 1) Wie der Sand der Weichsel über die bis 60 m großen Tiefen der Danziger Bucht nach dem 3 Meilen entfernten Heia getragen werden sollte, ohne zu versinken, ist völlig un- erklärlich, selbst die feinsten 'ronteilchen der Sedimente setzen sich ja schon auf diesem Wege in der Tiefe von 40 — 60 m ab; sie gelangen vielleicht bis Heia, meiden aber die brandende Küste und versinken im tiefen Wasser. 2) Conwentz, Bilder aus der Pflanzenwelt d. Kreises Putzig, Sehr. d. Naturf. Ges. Danzig, N. F. Bd. X, H. 2/3 1901, auch Schulz, Gesch. d. Kreise Neustadt u. Putzig, hat die Karte benutzt. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 1. 2 3 34 Grundlage schwedischer Generalstabskarten und Seekarten hergestellt. Es ist in manchen Einzelheiten ziemlich genau (z. B. in Angaben über Meerestiefen)^ in anderer Beziehung aber wieder sehr fehlerhaft. Zur Zeit des zweiten schwedisch-polnischen Krieges (1654 — 1660) segelt eine schwedische Schiffsflotte nach Danzig und wirft unter Heia Anker, um die nach Danzig einkommenden und ausgehenden Schiffe mit einem Kriegszoll zu belegen. Danzig hält zu Polen, und auf der Halbinsel Heia bei Kußfeld T^ula 0<-oöraühjea LbtbrnsÄ«'z\oJ/» “ RI-UUX ,/0^ KUitm- {€ ' ■ 0*it'0 Oxiuer 'f 'f 1 v .UmL Slwirs IiA(J,T:ZEJN sITf «xiy ■i\ .iiiliL ■ :-if< Fig. 1. Pufendorfs Karte von Heia und der Danz'ger Bucht 1655. (auf der Karte als „Goeffelt“ bezeichnet) sind von den Polen zwei Festungen errichtet. Die Karte nennt sie „Casimirsschanz“ und „Vladislausburg“. Die- Instruktion für den Flottenkommandanten Wrangel. lautet: „Wenn die Vestungea so Vladislai und Casimiri Namen führeten, mit Polnischem Volke besetzt wären,, solte er sich bemühen, dieselben einzunehmen“ (Übersetz, c. p. 74). Wenn dagegen Danziger Kriegsvolk darin läge, sollte er nur angreifen, falls sie die Trinkwasserversorgung verhinderten.“ Die Polen hatten also, belehrt durch die Erfahrungen im ersten schwedisch- polnischen Kriege mit Gustav Adolfs Flotte, rechtzeitig hier nicht unbedeutende Befestigungswerke, wahrscheinlich 3 35 1638^) errichtet, auch einen Zufluchtshafen in dem tiefen Kußfelder Kolk an- gelegt, wohl um Putzig vor den Schweden zu sichern und eine Landung dort zu verhindern. Die erklärenden Bemerkungen auf der Karte selbst geben darüber genaue Auskunft. Die Aufschrift lautet: Tabula Geographica exhibens districtum inter Weichselmundam et promontorium Reesehöft, una cum delineatione littorum vicinorum nec non Classis Suedicae, qua sub ductu Exelentiss. Dn. Com. Caroli Gustavi Wrangelii portus Dantiscanus, Sinus Bautzensis una cum oppido ejusdem nominis cingebatur Ao. 1655. Sie ist ohne Weiteres verständlich. Darunter folgt der Maßstab und dann eine weitere sehr wichtige Bemerkung: „Flante e Septentrione procella fossae prope lit. A. aqua ad trium perticarum profunditatem, mari vero tranquillo arena iterum replentur. B. Portus novus a Rege Vladislao inventus. C. Breuia arenosa, ubi tempore verno glacies e Sinu Butzkano congeritur, ita tarnen ut nullum exinde portui damnum inferatur“. Also: „Wenn Sturm aus Nord weht, werden die Gräben bei A. bis zu 3 Ruten Tiefe mit Wasser, wenn jedoch das Meer ruhig, wieder mit Sand gefüllt. B. Der vom Könige Wladislaus angelegte neue Hafen. C. Sandige Untiefen, wo im Frühjahr das Eis aus dem Putziger Wiek zusammentreibt, ohne daß jedoch dadurch dem Hafen Schaden zugefügt wird.“ Diese Darstellung läßt keinen Zweifel darüber, daß die auf der Karte gezeichneten Durchlässe keine dauernd offenen „ Durchfahrten darstellen, sie sind ja nur bei Nordstürmen mit Wasser, bei ruhiger See aber mit Sand gefüllt, also doch wohl trocken gelegt. Auch heute noch schließen sich die Durchbrüche des Meeres stets sofort von selbst durch den Sandstrom, der die Küste entlang läuft, und auch durch den Flugsand. Es fehlt eben zur dauernden Offenhaltung ein gleichmäßig anhaltender Strom, wie bei jedem richtigen Tief. Dabei ist zu bemerken, daß die Angabe der Tiefe von 3 Ruten (perticae), also ca. 9 — 10 m für die Durchbruchsstellen übertrieben erscheint. Vielleicht wurden einzelne Stellen so tief ausgekolkt, etwas anderes ist nicht denkbar, da die Tiefe des dahinter liegenden „portus novus“ nur 24 Fuß beträgt, wie die Karte selbst • • angibt. Übrigens wird noch heute bei Kußfeld eine Maximaltiefe von 8 m = ca. 24 Fuß angegeben. Wenn aber weiter die gezeichneten Unterbrechungen der Halbinsel keine offenen Durchfahrten sind, so liegt die Vermutung nahe, daß sie mit den Ver- teidigungswerken in Zusammenhang zu bringen sind, also von Menschenhand unter Benutzung natürlicher Senken hergestellte Gräben sind. Das scheint mir auch schon aus dem Ausdruck „fossae“ hervorzugehen, den man doch kaum für eine Meerenge oder ein natürliches Tief gebraucht. Ihre Lage ist derartig, daß sich drei von ihnen direkt an die gezeichneten Befestigungswerke anlehnen, nämlich einer am Eingänge zum Hafen (Casimirsschanze) und zwei am Ende q Wladislaus IV. 1632 — 1648, Johann II. Casimir 1648 — 1668. 4 3* desselben (Vladislausburg). Der vierte zwischen Vladislausburg und Casimirs* schanze sollte wohl diese gegen einen Landungsüberfall schützen und die beiden an der Wurzel der Halbinsel gegen Überraschungen vom Festlande her. Die zackigen Ränder der Gräben, die Wünsche schon aufgefallen sind, deuten offenbar bastionenartige Vorsprünge an und sprechen trotz gegenteiliger An- sicht Wünsche s (I. c. p. 14) gerade für künstliche Anlagen. Kann also diese Karte keine Auskunft darüber geben, ob Heia einst aus einzelnen Teilen zusammengewachsen ist, so sind noch nach der Angabe der Autoren andere vorhanden, die Ähnliches zeigen, wenn auch unsere Karte immer als Hauptstütze ins Feld geführt wurde. Wünsche sagt in Bezug hierauf: „Dieselbe Darstellung — Heia als eine Reihe von Inseln, deren letzte die größte ist — findet sich auch auf einigen späteren Karten. Die Danziger Stadtbibliothek z. B. enthält deren fünf: 1. Generalcharte über die sämtlich Königl. Preuß. Staaten pp’ Augsb. 1797 bey JoH. Walch. 2. Charte von dem Kgr. Preußen pp. Neuer Entwurf von F. L. Güssefeldt. Nürnberg bey Homanns Erben, 1795. 3. Polen nach seinen jetzigen Grenzen. Nürnberg, Weigel sehe Kunst- u. Buchhandlung, 1796. 4. Gegend des Landes Heia. (Ohne Jahreszahl, aber anscheinend wesentlich älter als die vorhergehenden.) 5. Charte von Neu-Ost-Preußen, Entw. v. F. L. Güssefeldt. Nürnberg, Homanns Erben, 1798.“ Einmal sind nun aber alle diese Karten doch jüngeren Datums und anderer- seits sagt Wünsche selber von ihnen, daß „ihre Beweiskraft für die vermutete Inselnatur von Heia nicht über allen Zweifel erhaben“ ist. Außerdem führt er an, daß es gleichaltrige Karten gibt, die Heia schon als Halbinsel zeigen, ja, daß sogar schon vom Jahre 1584 eine Karte existiert, die Heia als zusammen- hängende Halbinsel darstellt (Caspar Hennebergers „Kurcze und warhafftge Beschreibung des Landes zu Preußen“). Ich habe diese Karten der Stadt- bibliothek durchgesehen und dazu noch eine große Zahl anderer. Ein Ver- zeichnis aller in Betracht kommenden Karten ist am Schlüsse augehängt. 14 Karten meist aus dem 18. Jahrhundert, wenige (2) aus dem 16., zeigen Heia als zusammenhängende Halbinsel, 6 dagegen mit Durchlässen. Dabei aber läßt sich konstatieren, daß derselbe Zeichner F. L. Güssefeldt, Homanns Erben, Nürnberg, drei Karten mit 5 — 6 Durchlässen entwirft (II Nr. 1/3) und zwei andere (Verz. I Nr. 7/8) ohne diese. Ebenso ist bei Walch (Augsburg) eine Karte ohne Durchlässe (I. Nr. 10) eine andere mit 5 Durchlässen (II. Nr. 5) erschienen. Es ist eben ein großer Teil dieser Karten oder alle unter starker Anlehnung an andere und besonders nach dem Vorbilde der Pufendorf sehen Karte gezeichnet z. T. mit den Fehlern derselben, z. B. kehrt der Name „Goeffelt“ statt „Coesfelt“ wieder (ll Nr. 1). Es gibt jedoch noch ein anderes, weniger anfechtbares Material zur Beur- teilung dieser Frage, das von Wünsche nicht benutzt worden ist, nämlich die wertvollen Zeichnungen und Pläne des alten Danziger Stadtarchivs, die sich jetzt im Königl. Staatsarchiv zu Danzig befinden. (300 P. K.) Hier findet ■I s: |] 37 sich eine Reihe auf Grund von Vermessungen gezeichneter Pläne, die ein gleiches Alter wie die Püfendorf sehe Karte besitzen und eine Entscheidung der Frage (soweit sie überhaupt noch zweifelhaft sein sollte) bringen. Sie liefern zugleich manchen interessanten Beitrag zur Geschichte der Halbinsel. Da ist zunächst ein wundervoll farbig ausgeführter Pharus-Plan von ca. 2 m Länge und 25 cm Höhe in 2 Exemplaren (300 P. K. II 271/272) betitelt; „Stück vom Hehlischen Promontorio dritte-halb Meilen lang“. „Von Groten-Dorp beym Hohen Lande biß an die Dantziger Gräntze bey Putzigker-Heister-Nest vorstellende 45 Übersp ülungen , welche veruhrsachen: Erstlich, daß der große Kaulbarß Fang am kleinen Strande vergehet: Her- nacher, daß die Wiesen, Drittens, daß die Äcker, und den endlich, daß die Wälder Aussoohren undt vertrocknen. Vermöge offen Hertziger Außsage der daselbst wohnenden Fischer, wie auch Vermöge Augen Scheins. Untersuchet und abgemessen im May Anno 1694.“ Der kleine Strand ist der Strand an der kleinen See, d. h. dem Wiek. An der Stelle der Vladislausburg steht auf dieser Karte an der Nordseite: „Sigismunds Schantze so gantz verfallen“. Es ist aber auch ein Grundriß der Befestigung angegeben. Auf der Westseite der Festung findet sich ein Graben, mit dem Hinweis F „Sigismunds durchschnitt, so aber wieder versandet. Kußfeld ist hier richtiger als auf der Püfendorf sehen Karte als „Coesfeldt“ bezeichnet. Östlich davon liegt die „Kleine Schantze umb den Coesnitz zu bestreichen“. „Coes- . nitz“ auch Kuznitza“ wird auch von Goldbeck (Topographie von Westpreußen 1789 p. 53) erwähnt; es ist ein Tief, das den Zutritt zum Wiek aber von der Innenseite Helas her über die Reffbarre gestattet. Es liegt dicht an der Innen- seite Helas bei Kußfeld = Coesfeldt, ist also nicht das jetzige Deepke bei Rewa^j. Die Angabe, daß die Befestigungen von Sigismund HI. (dem Vorgänger von Wladislaus IV.) angelegt sind, scheint auf einer Verwechslung des Zeichners zu beruhen, denn ein zweiter Plan derselben Zeit, der sogleich beschrieben werden soll, gibt wieder Vladislaus und Casimir an. Vielleicht sind aber auch die Arbeiten an diesen Festungswerken schon unter Sigismund (f 1632) begonnen und unter Vladislaus (1632 — 1648)bezw. seinemNachfolger Johann Casiöair beendet worden. Ein weiterer Plan, der in Betracht kommt, ist der im Inventar als „Riß vom Strande von Weichselmünde bis Putzig, nebst Heia, worauf 2 Schanzen, die Vladislausburg und die Casimirsschanz gezeichnet sind“ (HI. 521, 17. Jahrh.) aus dem Nachlasse von Gralath 1868) bezeichnete. Daß der Plan aus dem 17. Jahrhundert stammt, geht u. a. mit Sicherheit daraus hervor, daß von der Westerplatte vor der Weichselmündung noch keine Andeutung vorhanden ist. (Dieser Teil mußte auf unserer Kopie fortbleiben.) 1) Dieser Durchlaß ist noch heute benutzbar und auch der Name „Kussnitz“ noch bei der kassubischen Bevölkerung im Gebrauch. Herr Schiffskapitän Schenkien (Neufahrwasser) gab mir die Auskunft, daß er mit den Dampfern der Kgl. Hafenbauinspektion häufiger diese Fahrrinne benutzt hat. Dagegen ist die Fahrt aus dem Kußfelder Kolk nach Putzig schwierig. 6 38 Die Zeichnung ist sehr genau und gibt vor allem auch die Tiefen im Wiek an, z. B. an der Casimirs Schanze 18 Fuß, Deepke 6 und ein dritter Durchlaß zwischen Deepke und dem Kußfelder Tief ebenfalls 6 Fuß. Die Halbinsel Heia selbst jedoch ist völlig zusammenhängend dargestellt, auch an ' den Befestigungen. Bei der Vladislausburg (wo später die Ortschaft Ceynowa entstand) finden sich Andeutungen trocken liegender Gräben. Fig. 2. „Riß vom Strande von Weich selmünde bis Putzig, nebst Heia, worauf 2 Schanzen, die Vladislausburg und die Casimirsschanz, gezeichnet sind“ (17. Jahrh.). Copiert unter Weglassung unwichtiger Details von P. SONNTAG 1913. Original im Kgl. Staatsarchiv Danzig. (300. P. K. III 521.) (Verkleinert 2:3.) Endlich kommt noch eine dritte Handzeichnung für unsere Frage in Be- tracht, die zwar wie die vorige keine Jahreszahl trägt, aber allem Anscheine nach (auch nach den Inventarangaben) ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert stammt. Das Ganze ist eine sehr einfache Skizze von „Alt und Neu Heia mit einem Durchbruch der Halbinsel“. Sie ist offenbar unter dem Eindruck entstanden, den das Naturereignis eines Durchbruchs der Halbinsel bei Sturm- flut gemacht hat, denn sie beschäftigt sich in ihren Angaben ausschließlich mit dieser Überflutung. So heißt es: „Der Durchbruch ist 10. 11. 12 R. breit, 7 39 gemeiniglich 2 oder 3 Schu tief. Das Land daselbst ist aus einer See in die andere 35 R. breit. Und liegt derselbe Ausbruch gegen über dem Bach, •SO durch Reden fleußt zwischen beyden Gebürgen, da Mechlinicken und die Brücke liegt“. Der Durchbruch liegt dicht westlich bei „Kuheßfeldt“ der Karte. Es bedarf nach dem Vorhergehenden wohl keiner eingehenden Ausein- andersetzung darüber, daß man darauf verzichten muß, die ursprüngliche Insel- natur Helas mit Hilfe des vorhandenen historischen Kartenmaterials beweisen zu wollen. Die Trennung des Zusammenhanges der Halbinsel ist, soweit die historischen Nachrichten reichen, stets nur eine vorübergehende gewesen, sei es, daß sie durch „Überspülungen“ (Plan v. 1698) bewerkstelligt wurde, sei es, daß Menschenhand dabei im Spiele war (Plan v. 1655). Echte ,, Tiefe“ lassen sich nicht nach weisen, es fehlt eben bei der freien, weiten Verbindung des Wieks mit der Danziger Bucht nach Osten hin der zur dauernden Offen- haltung notwendige Strom. Man kann daher wohl sagen, daß die historischen Nachrichten mit den geologischen Annahmen über die „Hakenbildung“ von Heia übereinstimmen. Der an der pommerschen Küste bei den vorherrschenden Westwinden östlich wandernde Sandstrom erzeugte hier, wo die diluviale Küste plötzlich abbricht, eine von vornherein zusammenhängende einheitliche Sandablagerung. Diluviale Inselreste sind nicht nachgewiesen. Vielleicht tauchten im Anfangsstadium ffer Bildung einzelne Teile früher auf, diese vorübergehende Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, liegt aber weit vor historischer Zeit. Dazu kommt, daß ein zweiter schwächerer Sandstrom durch Oststürme an der Innenseite der Bucht hervorgerufen wird. Dieser beschreibt einen Kreis, vom Südufer der Bucht an der Barre des Wieks entlang nach Norden sich wendend, auf die Innenseite Helas zu, dort den groben Sand (es ist ein umgelagerter diluvialer Talsand) vom Reff hintragend. Ursprünglich, d. h. unmittelbar nach der Eis- zeit, lag der innere Teil des Wieks bis zum Reff trocken, so daß der Haken Heia zu dieser Zeit erst bei Kußfeld begann. Später tauchte während der sog. Litorinasenkung die sandige, von alten Tälern durchzogene Ebene westlich des Reffs unter bis auf die höhere Dünenkette, die im Norden die Verbindung mit dem Festlande aufrecht erhielt. Daher kommt die Verschiedenartigkeit der beiden Abschnitte des Hakens Heia (Großendorf — Kußfeld und Kußfeld — Heia), auf die schon von verschiedenen Autoren hingewiesen ist. (Vergl. z. B. Gust. Braun, Entwicklungsgeschichtl. Studien an europäischen Flachlandküsten u. ihren Dünen. Veröff. d. Inst. f. Meereskunde. Berlin, Heft 15, 1911, p. 20 ff.). Jedoch sind alle diese geologischen Vorgänge schon bei Beginn der histori- schen Zeit beendigt gewesen. Die Litorinasenkung fällt vielleicht mit der neueren Steinzeit zusammen. 1. Verzeichnis älterer Karten (bis gegen 1800), die Heia zusammenhängend darstellen. (Danz. Stadtbibi.) 1. Prussiae Descriptio ante aliquot annos ab Henrico Zellio edita, ab eoq. D. Joanni Clur civi Gedanensi Ded. 1550. (Zitiert in der Vorrede d. folg. Karteiisamml.) 8 40 2. C. Hennenbergers Große Landtafel von Preußen von 1576. Neu herausgeg. d. d. physik.- ökon. Ges. Königsberg 1863. i 3. Das gantze Danziger Territorium nebst Bemerkung aller seit Anno 1772 vorgefallenen Veränderungen etc. von C. F. Schubert. (Copie v. J. G. Krieger 1797; Original im Staatsarchiv Danzig.) 4. Plan des Environs de Dansic (Zeichnung aus der Zeit der franz. Okkupation). 5. Friderico Augusto etc. Polon. Lithuan. Borus. Pomer. Regi etc. von P. Schenkius. ! Amstelodami 1711. 6. A New Map of the Kingdom of Prussia and Polish Prussia from the best Authorities. Political Mag. Febr. 1786. London by J. Murray. ;] 7. Charte, das Deutsche Reich nach seinen Kreisen u. s. w. vorstellend. F. L. Güssefeld,. ■ Nürnberg, Homänn. Erben 1789. 8. Charte vom Königreich Preußen nach seiner dermaligen Einteilung in Ost- West- Süd- ' und Neu-Ost-Preußen. F. L. Güssefeld, Nürnberg b. Homanns Erben 1805. 9. Regni Poloniae et Ducatus Lithuaniae, Volinae, Podoliae, ücraniae, Prussiae et Curlandiae noviss. et corr. Descriptio per F. de Witt, Amstelodami (ohne Jahreszahl). 10. Polen nach seiner ersten und letzten oder gänzl. Teilung 1796 b, Joh. Walch, Augsburg. (Mit Angabe der Vladislausburg u. Kasimirs Schanze.) |i; 11. Magnae Prussiae Ducatus Tabula etc. v. N. Visscher. Amst. Bat. bei P. Schenk junior |i (ohne Jahr). 12. Plan des Territorii der freien Stadt Danzig 1808. TROSCHELsche Buchhandlung. (Großer farbiger Plan.) 13. Gegend von Danzig 15 Meilen im Umkreise v. E. Richter, 1810. 14. Karte von Ost-Preußen nebst Pr. Litthauen und Westpreußen etc., aufg. unter Leitung d. Kgl. Pr. Staatsministers Frey Herrn v. Schrötter, 1796—1802. (Vorzügliche, fast moderne Karte.) 2. Verzeichnis älterer Karten, die Heia als Inselreihe darsteilen. i 1. Borussiae occidentalis Tabula a F. L. Güssefeld. Homanns Erben 1780. (Mit 6 Durch- lassen, Wladislausburg ruin., Goefielt, Casimirs Schanz ruin.) | 2. Charte v. Neu-Ost-Preußen, entworfen von F. L. Güssefeld. Nürnberg b. d. Hohmann Erben 1798. (Mit 5 Durchlässen.) 1' 3. Charte v. d. Königr. Preußen mit seiner Hauptabteilung in Ost- West- und Süd-Preußen | von F. L. Güssefeld 1795. Nürnberg Homanns Erben. (Mit 5 Durchlässen.) |>- 4. Mappa Geographica Borussiam Orientalem atque occidentalem exacte exhibens etc. J. Fr. Endersch. Elbingae 1758. (M Casimirs Schantz.) 5. General Charte über die sämtlich. K Walch. (Mit 5 Durchlässen.) 6. Polen nach seinen jetzigen Grenzen, dem Teilungs-Tractat vom Jahr 1795 gemäß ent- worfen etc. Nürnberg 1796, Schneider u. Weigel. (Mit 5 Durchlässen.) II. Frische Nehrung, Elbingsches Tief und Kampenkin. | Daß auch die Frische Nehrung trotz ihres solideren Baus beim Sturmfluten f: ähnlichen Überspülungen ausgesetzt ist wie Heia, dürfte nicht so allgemein bekannt sein; es ist aber dies doch tatsächlich der Fall, es gibt darüber eine J Reihe von alten Berichten, in welchen sich stets die Befürchtung widerspiegelt, || die Nehrung könnte gänzlich zerstört werden, und es werden dann Maßregeln || 9 (1 *' lll it 6 zackigen Durchlässen, der Wladislausburg u. ,;l m.. gl. Preuß. Staaten. Augsburg 1797 bey Johannes 41 erwogen, wie dies zu verhindern. Über eine solche Katastrophe aus dem Jahre 1582/83 gibt z. B. Panzer (Die Verbindung des frischen Haffs mit der Ostsee, Altpr. Monatsschr. XXVI. 1884 p. 270) Nachricht. Derartige Über- spülungen und Durchrisse wurden stets bald wieder durch einen sog. „Zu- schlag“ verschlossen und auf alten Plänen der Nehrung sind sie oft sorgfältig verzeichnet, z. B. auf der Karte von Strackwttz (vgl. Seite 44) bei „Lauters- haecken“, dicht bei Pillau, und bei „Alte Wiesen“ westlich vom Alten Tief. Etwas besser bekannt und mehr gewürdigt, da von größerer Wichtigkeit, sind dagegen die Änderungen und Neubildungen von „echten“ Tiefen auf der Nehrung. Aber auch hier haben sich viele Schwierigkeiten ergeben, sobald man die historischen Nachrichten auf bestimmte geographische Punkte anwenden Fig. 3. Plan von der Gegend von Königsberg bis Danzig mit der Johannis- und Kasimirsburg und einem Tiefe bei Pröbbernau, (Teilstück, kopiert von P. SONNTAG 1913 nach dem Original im Kgl. Staatsarchiv Danzig 300 P. K. I. 68.) (Verkleinert 4 ; 7.) wollte. Es soll weiter unten noch näher auf die hierüber vorliegenden Unter- suchungen eingegangen werden. Zunächst sei hervorgehoben, daß unter den Plänen resp. Handzeichnungen des Kgl. Staatsarchivs in Danzig (aus dem früheren Stadtarchiv stammend) 2 Risse zu finden sind, die Andeutungen eines Tiefs an einer bisher nicht in Betracht kommenden Stelle der Frischen Neh- rung zeigen, nämlich bei Vogelsang, westlich von Kahlberg. Die eine Karte stammt aus der Zeit des 2. schwedisch-polnischen Krieges, wie aus den Bezeichnungen der eingezeichneten Festungswerke hervorgeht. Diese Karte hat schon Loch (Das Lochstädter Tief in historischer Zeit, Pro- gramm-Beilage Altstädt. Gymn. Königsberg i. Pr. 1903) eingesehen und benutzt (P. K. 300. T 68). Nicht blos auf Heia hatte man zur Zeit des 2. schwedisch- polnischen Krieges Befestigungen zur Sicherung gegen Landungsversuche der schwedischen Flotte angelegt, sondern auch auf der Nehrung. Und ebenso wie 10 42 man dort tief gelegene Stellen zu Durchschnitten benutzt hatte, war es auch hier geschehen. Die im großen Maßstabe gezeichnete Karte zeigt über- raschender Weise ein reguläres Tief zwischen „Pribbernau“ und „Vogelsangh“ (vergl. Abb. 3). Auf beiden Ufern sind Schanzen angelegt, westlich die Johannis-» östlich die Casimirsborgh. Offenbar hatte man, wie auf Heia, eine alte, längst vorhandene Vertiefung des Dünenwalls benutzt, einen Durchstich zu machen, und es ist mir ebenso wie Loch nicht zweifelhaft, daß die Reste der Mauern, die sich hier noch jetzt bei frischem Abbruch der Küste zeigen, Panzer zu der irrtümlichen Annahme über die Lage der verschollenen Ortschaft Kampenkin veranlaßten (vergl. die Karte in der Panzer sehen Abhandlung). Es ist nun sehr unwahrscheinlich, ja man kann wohl sagen ausgeschlossen, daß eine Ort- schaft auf der Nehrung an der Seeseite aufgebaut wird. Es gibt auf der ganzen Nehrung (ebenso auf Heia) nicht einen Ort in solcher Lage. Die Gründe dafür sind leicht ersichtlich und schon von Loch dargelegt (1. c. p. 34/35). Was also Schumann^) hier von Mauerresten etc. fand, sind offenbar die Trümmer der Befestigungs werke der Johann-Casimirsschanzen gewesen. In dem Bericht Schumanns heißt es: er habe auf einer Strecke von etwa 300 Schritt Mauerreste gefunden. „Sie stehen mindestens 80 bis 100 Schritt vom Strande entfernt. Stark gekrümmte Dach- pfannenstücke von 3/^ Zoll Dicke weisen darauf hin, daß die Gebäude durch sog. Mönchen und Nonnen gedeckt gewesen. Dabei faustgroße eckige Stücke Granit und grober Mörtel, ümher- liegende Knochen konnte ich nicht deuten, wohl aber erkannte ich in den Zähnen die des Edelhirsches und fand eine Schuppe, die einem mächtigen Stör angehört hat. Hellgelbe und dunkle Tonscherben mahnten an die grobe Töpferarbeit der alten Preußen {?), doch fehlte ihnen der beigemengte Grand. Ein großes Stück mit einem Henkel mag einem Kohlentopfe angehört haben. Eine aufgefundene Tonkoralle konnte und kann ich von einer altpreußischen nicht unterscheiden. Auch fand ich mehrere scharfkantige Feuersteine, die ebensowenig als die Granitstücke dem Strande entnommen sein konnten, da hier der Strand steinlos ist,“ Loch sagt mit Recht (p. 34): „Er (Schumann) erwähnt außer den selbst- gesehenen Dachpfanuenstücken und Mauerresten nach den Aussagen seiner ein- heimischen Begleiter Mauern von 3 Fuß Dicke und ein leeres Gewölbe von 9 Fuß Höhe und faud eiserne Nägel. Das klingt doch eher nach einer Be- festigung aus späterer Zeit“. Ich habe die Stelle auf der Nehrung im November 1913 aufgesucht und durch Umfrage bei älteren Leuten (Gastwirt, Händler und Fischer) festgestellt, daß den Bewohnern noch allgemein bekannt ist, daß an einer Stelle des Strandes nach starkem Sturm und Abspülung Mauerreste hervortreten. Sie nennen es „die alte Mauer“ und erzählen, daß öfters außer den Ziegelsteinen auch Angel- haken, einmal eine Münze gefunden sei. Wir ließen uns zu der Stelle hin- führen, sie liegt ca. 100 Schritt westlich von der Mündung von „Helings Seeweg‘‘ 1) Sie ist schon stark beschädigt, und daher die einzelnen Teile auf Leinwand aufgezogen 2) Geol, Wanderungen durch Altpreußen, p. 40 ff. 11 43 am Strande, konnten aber nichts finden, da viel Sand übergeweht ist^). „Helings Seeweg“ benutzt eine Senke, die kurz von dem Eintritt in die Vordüne einen ehemaligen, jetzt schon bewachsenen Flugsandberg überschreitet, auf welchem ein Signalmast nebst Bude steht. Nach W. steigen die Dünenhügel noch be- deutend höher, sie sind in der Vordüne frisch mit Legföhren bepflanzt. Nach Osten hin senkt sich das Gelände zu einer tiefen Mulde, in welcher sich haff- wärts wieder Dünenhügel und Kuppen erheben, zwischen denen tiefe, sumpfige Stellen unregelmäßig verteilt sind. Von dem Haffufer dringt eine flache Sand- ebene eine Strecke in den Dünenwald ein, auf welcher die Häuschen des mittleren Teiles der Ortschaft Vogelsang-Neue Welt steht. Diese Einbuchtung der Innenseite korrespondiert mit der Mulde von der Seeseite, sie sind aber durch unregelmäßige Dünenkuppen getrennt. Der oben genannte , .Helings Seeweg“ entspricht sicher dem Westufer einer alten Vertiefung, denn westlich tritt ein erhebliches Ansteigen der massigen Dünen ein. Demnach muß die ,,alte Mauer“ ein Rest der ,, Johannisburg“ der Karte sein. Die Casimirsburg muß östlich davon gesucht werden. Angeblich sind bei Pröbbernau auch Mauerreste beobachtet. Es könnte vielleicht eingewendet werden, daß die betr. Handzeichnung nichts weiter als ein Projekt darstellt, das vielleicht garnicht zur Ausführung gelangt ist, da sonstige Nachrichten darüber fehlen. Sind doch in neuerer, ja in neuester Zeit ebenfalls Durchstichsprojekte eben an dieser Stelle bekannt geworden. Es sei erinnert an den Entwurf des Danziger Baurats Licht aus den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts und an den ganz kürzlich in den Tages- zeitungen erörterten Plan, zur Verbesserung der Verbindung des Elbinger Hafens mit der See und zur Anlage eines Fischereihafens, die Nehrung an der schmälsten und niedrigsten Stelle, eben bei Vogelsang, zu durchstechen. Bedenkt man aber, daß die Mauerreste der ,, Johannisburg“ immerhin die Inangriffnahme des Projektes bezeugen, ferner daß auf Heia zu gleicher Zeit ähnliche Bauten ausgeführt wurden und endlich, daß eine Geheimhaltung solcher Fortifikationsanlagen allgemein üblich ist, so wird man nicht umhin können anzunehmen, daß auch hier wie auf Heia zu militärischen Zwecken schon da- mals ein Durchstich gemacht wurde, der allerdings wohl bald wieder ver- sandete, vielleicht auch nicht vollendet wurde. Solche Durchstiche werden aber meist an Stellen projektiert, wo die Natur dem Menschen bereits vorgearbeitet hat, eine Tatsache, die man z. B. auch am Weichseldurchstich von 1895 konstatieren konnte. Auch hier wurde eine Senke des Dünenzuges bei der Herstellung des Weichseldurchstichs be- nutzt, um an Erdarbeiten zu sparen, wahrscheinlich war es die Stelle, wo die Primislava, jener historisch unsichere Mündungsarm, die Düne einst durchbrach (vgl. Bindemann, Veränderungen d. Mündungsarme d. Weichsel, p. 195 der Verhandl. d. XV. D. Geogr.-Tages, Danzig 1905). Nach der großen Sturmflut im Jan. 1914 aber wurde die Mauer wieder freigelegt, wie die Danz. Ztg. berichtete. 12 44 Die Existenz einer alten Durchbrechung der Nehrung an der bezeichneten Stelle ist aber anscheinend noch aus einer zweiten älteren Karte ersichtlich, und daraus geht hervor, daß der offenbar künstliche Durchstich an einer Stelle erfolgte, wo bereits eine alte Vertiefung bestand. Es ist der ebenfalls im Danziger Staatsarchiv (P. K. 300 III. 643) auf bewahrte Plan: Der See- strand Pars Riss von der Danziger und Elbinger Wassergrenze, mit einer später darüber geklebten Klappe von Charpentier^), welche die bis zum 4. Febr. 1709 vorgegangenen Veränderungen der Ufer (Landbildung im Haff) darstellt. Dabei ist angeheftet ein von [CrWALTER Clemens^) am 22. Okt. 1601 über diese Grenze abgefaßtes Gutachten, welches auf die Kartendarstellung Bezug nimmt. Dieser Plan schneidet östlich gerade an einer Durchbrechung der Nehrung ab, die genau an gleicher Stelle liegt, wie die auf der vorher beschriebenen Karte. Eine Durchbrechung erhellt daraus, daß der besonders punktiert angedeutete Innen-Strand sich um das Ende des Nehrungsstückes quer herum zieht und sich mit dem Seestrande verbindet. Hier endet die Zeichnung der Nehrung. In dem Gutachten steht nichts darüber, da es sich ausschließlich mit der Markierung der Wassergrenze beschäftigt. Die Schanze fehlt hier ebenfalls, sie ist ja erst unter Johann Casimir (1648 — 68) angelegt. Der öfters in der Literatur erwähnte 3 m lange, prächtige Plan im Dan- ziger Archiv (P. K. 300 IV 5)^) von 1643/44 zeigt bei Vogelsang nur eine kleine, dünenfreie Verflachung, von der Haffseite in die Nehrung vordringend, auf welcher einige Häuschen stehen, wie heute noch. Das ist dieselbe Sachlage wie beim Kalenberger und Balgaschep Tief. Daraus geht hervor, daß, wenn hier einstmals ein Durchbruch vorhanden war, derselbe z. Z. der Abfassung der Karte längst wieder geschlossen war, wahrscheinlich auch schon zur Zeit der Aufnahme der Karte von Walter Clemens. Es wird aber damals wohl noch eine auffällige Querfurche vorhanden gewesen sein. Die Wahrscheinlichkeit eines Tiefes dicht östlich von Vogelsang in früherer Zeit wird durch die topographischen Verhältnisse sehr nahe gelegt. Gerade hier zeigt die Nehrung, wie ein Blick auf die Karte lehrt, noch heute eine auffallende Einschnürung. Die geologische Karte von Preußen (1 : 100000 von Berendt) gibt hier eine vertiefte Stelle der Dünen an, durch welche sich eine Waldschneise zieht und auch ein Weg (Konks Weg der Karte) hindurchgeht. Ein schmaler Saum von «Haidesand“ der hier eingezeichnet ist, ebenso wie übrigens vor dem ehemaligen „Kalenberger Tief“ dürfte nicht bedingungslos gegen die Annahme sprechen, da die Karte in dieser Beziehung nicht so genau ist (vergl. dazu die Erklärung von Jentzsch in der Panzer sehen Arbeit 1. c.). Es ist eben nicht überall, wo Haidesand eingezeichnet, derselbe auch tatsächlich durch Bohrungen nachgewiesen. h Vermessim^sbeamte des Danziger Rats. 2) Vgl. Figur 3 „grenscast“. 3) Alte Bezeichnung Plankammer XVIII 2. 13 45 Auf dieses Tief von Vogelsang bezieht sich wahrscheinlich auch eine Nachricht, die Toppen (Beiträge z. Gesch. d. Weichseldeltas p. 73) erwähnt und die auch sonst oft angeführt wird (Panzer 1. c. p. 274). Er berichtet: Ein furchtbares Ereignis war die Bildung des neuen Tiefs im Jahre 1426, über welches der oberste Marschal dem Hm. vom Störhofe^) auf der Nehrung schreibt: ,,Das ganze Tief überall behält eine kleine halbe Meile, aber die rechte Tiefe behält leicht 34 Ruthen oder dabei und ist die rechte Tiefe 6 Ellen tief, aber von beiden Seiten ist tief bisweilen eine Elle, drei Quartier von einer Elle, das tiefste anderthalb Ellen“. Toppen meint, daß dieses neue Tief an 20 Jahre und vielleicht noch länger offen blieb. Im Jahre 1431^) gab der Hochmeister dem Vogt von Leske den Auftrag mit dem Fischmeister von Scharfau und den Geschworenen aus allen 3 Werdern „die Nehrung zu beziehen und zu besehen das Tief, ob ihm zu helfen“. Daß der Fischmeister von Scharpau und die Geschworenen der 3 Werder beauftragt werden, weist mit einiger Sicherheit darauf hin, daß dieses Tief im Nordwestwinkel des Haffs lag. Wahrscheinlich war auch hier ein älteres ver- sandetes Tief wieder aufgebrochen. Panzer (p. 274 bis 279) will allerdings diese Angabe auf Pillau beziehen, aber sicher zu Unrecht. Daß das von Panzer vermutete Tief von Bodenwinkel aufgegeben werden muß, ebenso wie andererseits das Lochstädter wieder an alter Stelle einzu- führen ist, scheint mir nach den überzeugenden und eingehenden Ausführungen Lochs über jeden Zweifel ’ erhaben zu sein. Auch das Balgasche Tief ist schon durch die topographischen Verhältnisse für die Stelle gesichert, die die Generalstabskarte angibt; dazu kommt der Nachweis der irrtümlichen Aus- legung der sog. Teilungsurkunde (3. Mai 1258) des Samlandes und der Neh- rung durch Panzer, den Loch geführt; die Verlegung nach dem Danziger Haken, die Panzer vorgenommen hat, ist ebenfalls verfehlt. Panzer sagt (p. 279): „Nach einer Nachricht aus dem Jahre 1431 lag 22 Seile — das sind etwa 950 Meter — von der Balge entfernt die „Störbude des Hauskomthurs“ (Schreiben des Vogts von Leske, 1431). Es kann hier nur die Richtung von der Balge nordwärts gemeint sein, unter dem Haus- komthur aber nur der Hauskomthur von Balga verstanden werden“. Diese Ausführungen Panzers sind, nachdem Loch die Unrichtigkeit der Annahme nachgewiesen, daß zur Komturei von Balga auf der Nehrung Ge- biete gehörten, nicht mehr beweiskräftig. Loch meint, daß diese Störbude süd- lich des Tiefes lag und zum Mittelhofe gehörte. Der erwähnte Hauskomtur aber der oberste Marschall oder Hauskomthur von Königsberg war. (LoCH,p. 15Anm.) Es ist ja möglich, daß auch am Mittelhofe eine Störbude existierte, wenn aber der Durchbruch des neuen Tiefs 1426 bei Vogelsang stattfand, liegt die 9 „Stelirbude“ lag auf einer Kampe bei Stutthof, wo noch jetzt die „Störbuder Kampe“ auf den Karten angegeben ist. 9 Schreiben des obersten Marschalls an den Hochmeister. 1431, April 4 St. A. Königsberg. 14 46 j Störbude bei Stutthof in unmittelbarer Nähe. Auch die Nachricht von dem : „Elbingischen Tief“, das anno 1428 versandete (Elbinger Chronik Ramseys ; „Anno 1428 ist das Elbing sehe Tief, so 5 Faden tief gewesen, versandet“ nach j Töpfen, Elbinger Antiquitäten S. 220), dürfte sich auf dieses Elbingsche Tief f in der Nehrung (nicht auf eine Fahrrinne im Haff beziehen, wie Panzer will), |i denn eine Tiefe im Haff von 5 Faden ist ausgeschlossen. (Ein Faden (engl.) f: = 6 Fuß, preuß. 6 Fuß = 1,8831 m.) Die größte Tiefe im Haff beträgt 1'. heute an wenigen Stellen 5 m, durchschnittlich aber nur 3 m. |i Alle angeführten Nachrichten fügen sich eben am ungezwungensten in die i | Annahme, daß zu Beginn oder in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein m wirkliches Tief in der Nehrung bei Vogelsang aufgebrochen war, das Elbingsche |j Tief, das 1426 entstanden, schon 1428 wieder versandete und 1431 vom Fisch- J meister von Scharpau und dem Vogt von Leske besichtigt wurde, ob ihm zu | helfen. Worin die Abhilfe bestand, ob es ganz zugeschüttet oder etwa wieder schiffbar gemacht werden sollte, bleibt ungewiß. Bedenken könnten noch be- il stehen über die Lage der Ortschaft „Kampenkin“, die in der sog. Teilungs- 1 urkunde des Samlandes und der Nehrung vom 3. Mai 1258') eine große Rolle ^ spielt. Panzer und Loch haben sich über diese Örtlichkeit eingehend ge- 1 äußert. Sie wird auch in anderen Urkunden jener Zeit erwähnt, offenbar weil sie die Grenze zwischen dem Anteil des Ordens an der Nehrung und dem * der Herzöge von Pommerellen bildet. Das geht hervor aus mehreren Urkunden ; über Vergleiche zwischen dem Orden und Swantopolk, die auch Loch anführt, i In der Urkunde vom 25. Okt. 1247 (Pomm. Urkundenbuch von Perlbach) ; bestimmte der Erzbischof Fulco von Gnesen und Bischof von Heidenreich von Culm die Bedingungen für den Frieden zwischen Herzog Swantopolk von ; Pommern und dem deutschen Orden. „Fratres cedent duci predicto de arenis | et Nerei a Tuja (= Tiege) usque Camzieni et ipse e converso cedet eis de Pin et villis quas habebat juxta Cholmensem civitatem temporibus vite sue etc . . 1 S hoc addentes, quod ipse in predicta parte Nerei viam bestiis non precludat, quin ad partem fratrum possint transire.“ Perlbach sagt in der Anmerkung ^ ; dazu: In Camzieni (1248 Camzikini und Camtzikini) steckt wohl das an der j Mündung der Weichsel häufige Wort Kampe und vielleicht der Name des j "■ Dorfes Steegen bei Kobbelgrube auf der Nehrung. Es liegt in der Tat wohl |" nichts näher, einen Ort oder sonstigen geographischen Begriff „Kampenkin“ dort zu suchen, wo es „Kämpen“ (poln. — kqpa) gibt. I'' Unter dem 24. Nov. 1248 bekundeten ferner der Vicelandmeister Heinrich fl des D. 0. in Preußen und Herzog Swantopolk die Bedingungen des durch fl den Legaten Jacob von Lüttich unter ihnen vereinbarten Friedens (Pommerell. fl Urkundenbuch 1. c.). Da heißt es: „videlicet quod nos Henricus vicemagister fl et fratres concessimus ipsi Swantopolko et heredibus suis insulam, que vocantur fl Nerey, et silvam in eadem insula comprehensam et arenas sitas juxta eandem fl q Abgedruckt von Panzer (1. c,). 15 47 iDSulam a flumine, quod dicitur Tuja, usque ad locum, qui vocatur Camzikini, cum piscationibus in arenis et venationibus supradictis in insula libere perpetuum habenda et pacifice possidenda“. Wenn nun weiter der Orden bald nach diesem Vertrage, nämlich am 3. Mai 1258, mit dem Bischof von Samland die Nehrung teilt, so konnte natürlich nur der vom Samland bis Kampenkin reichende östliche Teil bei der Teilung in Betracht kommen. Der Herzog von Pommerellen würde sich eine Teilung seines Gebietes wohl energisch verbeten haben. Es ist also unmöglich, daß die Urkunde so ausgelegt wird (ex ista parte Kampekin), als ob noch westlich von Kampekin liegende Teile der Nehrung aufgeteilt werden. Panzer z. B. nimmt an (1. c. p. 285), daß noch 156 Seile hinter Kampenkin zerlegt werden, d. h. fast noch 7 km (1 Seil = 43,3 m nach Panzer). Noch Mestwin schließt am 18. Mai 1282 einen Vergleich mit dem Orden, worin den Untertanen des Herzogs die Fischerei auf dem Haff gestattet wird „a Campenkne sub Neryia descendeiido versus Lipam unum miliare in longitudine“. Also auch damals war Kampenkin noch offenbar die Grenze des pommerellischen Gebiets. Es ist daher sowohl die Annahme Panzers über die Lage Kampenkin bei Vogelsang zu verwerfen (wo er die Reste der Johannisburg damit identifizieren wollte), als auch die neuere von Loch und Bonk^), die Kampenkin bei Schmergrube suchen. Die irreführende Bemerkung der Teilungsurkunde ,,item in Nergia ex ista parte Kampekin miliare et dimidium etc.^‘ kann nur so ausgelegt werden, daß ,,die Nehrung diesseits (also östlich) Kampenkin'^ als einziger Gegenstand der Teilung hier gelegentlich einmal hervorgehoben wird im Gegensatz zu der herzoglichen Nehrung jenseits von Kampenkin, aber nicht so, daß die nun folgenden Parzellen jenseits Kampenkin (also westlich) liegen sollen. Kampenkin muß, wie schon Perlbach angab, in der Gegend von Steegen gesucht werden, aller Wahrscheinlichkeit nach noch etwas östlicher bei Stutthof, worauf weiter unten näher eingegangen werden soll. Wo lag nun das ,,eine Seil“, der ,,unus funiculus“, an dem die Teilung unterbrochen wird? Loch und Bonk wollen das ,, Kalenberger Tief“ dafür in Anspruch nehmen. Wenn die Festsetzung des Seilmaßes und auch der Meilen-Größe der alten Zeit so richtig ist, wie Panzer sie berechnet hat, läßt sich nichts dagegen sagen. Denn geht man von dem nun wohl endgültig geretteten Lochstedter Tief mit der Messung nach Vorschrift der Urkunde aus, so kommt man in der Tat in die Gegend von Schmergrube. Es würde daun aber ein Teil der Nehrung, nämlich etwa die Gegend von Liep-Kahlberg bis Stutthof von der Teilung ausgeschlossen gewesen sein. Wahrscheinlich hatte der Herzog von Pommerellen hier noch gewisse Eigentumsrechte, denn wie wir gleich sehen werden, tritt er ja 1282 erst ausdrücklich dieses Nehrungs- gebiet ab. Bei Kampenkin, wo die Kämpen an die Nehrung herantraten, begann h Besprechung der Loch sehen Arbeit in der Altpreuß. Monatsschr. 1905, p. 82 ff. 16 48 dann der pommerellische Delta-Anteil, während bei Liep (vgl. Loch und Bonk 1. c.) die pommerellische Nehrung ihr Ende erreichte. Liep und Kampenkin gleich zu setzen ist unmöglich, dagegen spricht klar der Wortlaut der Urkunde Mestwins über die Fischereigerechtigkeit. Auch heißt es in der Urkunde vom 18. Mai 1282: ,,a Campenkne sub Nerya descendendo versus Lipam unum miliare in longitudine‘^ Andererseits sagt Loch (p. 37): ,, schon 1282/3^) tritt Herzog Mestwin dem Orden dasselbe Stück 2 Meilen lang wieder ab (in Nerya a granicia sive termino eorum [d. h. fratrum ordinis Teuthonici] ascendendo juxta mare versus Gdanzk in longitudine duo miliaria et triginta funes in latitudine Nerye per transversum). ,, Ascendendo in Nerya“ ist also sicher nach Westen, „Descendendo“ nach Osten gerichtet. Loch sagt zwar in der Anmerkung: „Es scheint hier ascendendo die Messung auf der Seeseite nach Danzig und descendendo dieselbe Richtung auf der Haffseite nach Liep hin^) zu bezeichnen". Es ist klar, daß diese gezwungene Erklärung sich nicht aufrecht erhalten läßt. Loch kommt auch nur dazu, durch die Annahme, daß Kampenkin seine Lage bei Schmergrube gehabt. Das läßt sich nach dem vorausgeschickten nicht aufrecht erhalten. Kampenkin lag 2 Meilen, 30 Seile = ca. 17 km von Liep und war wahrscheinlich diese Strecke Liep — Kampenkin ein streitiges Gebiet zwischen dem Orden und dem Herzoge. Auch die von Loch zitierte (pag. 36) Verschreibung Swantopolks an die Lübecker von 1220, worin diesen Strand- rechte eingeräumt werden „in Nereo a portu (Danzig) usque ad tiliam arborem“ (lipa = tilia = Linde) weist darauf hin, daß die Herzoge gewisse Anrechte auf die Nehrung bis Liep hatten. Der Herzog Mestwin gibt seine Ansprüche auf, behält aber für seihe Untertanen die Fischerei auf dem Haff eine Meile nach Liep hin, von Kampenkin aus gerechnet, längs jener Strecke bis zur Mitte des Haffs (a Campenkne sub Nerya descendendo versus Lipam). Mißt man von Liep 17 km westlich, so kommt man nach Stutthof. Bis hierhin reichte noch um 1600 herum das Haff (vergl. Karte von 1601) und hier ist auch Kampen- bildung im wahren Sinne des Worts vorhanden. Es spricht also alles dafür, hier den Platz für „Kampenkin" zu suchen. Es sei noch bemerkt, daß das Wort „Kampe“ auch im polnischen Sprachschatz vorhanden ist (vergl. Mon- GROVius. poln. Wörterbuch). Dies ist der einzige Punkt, der in Lochs sehr verdienstvoller Arbeit einer anderen Auslegung bedarf. In jeder anderen Beziehung hat er die von Panzer so bestechend vorgetragenen Behauptungen über die Lage der Tiefe auf der Nehrung widerlegt. Von historisch sicher nachweisbaren Tiefen auf der Frischen Nehruns: bleiben demnach bestehen von Osten nach Westen fortschreitend: das Loch- städter Tief (bis ca. 1395), das Pillauer Tief (1497 entstanden), das Balgasche 0 Diese Darstellung ist nicht ganz richtig, da in derselben Urkunde (18. V. 82) die Nehrungstrecke von 2 Meilen 30 Seilen abgetreten, aber die Fischerei auf dem Haff 1 Meile östlich von Kamp. Vorbehalten wird. 2) Von Schmergrube ans gerechnet. it ■'I 17 49 Tief (15. Jahrhundert), das Kahlenberger Tief (vor 1300), das Elbingsche Tief (1426 — 1431 an der Stelle eines älteren Tiefs bei Vogelsang wieder auf- gebrochen). Dagegen läßt sich das Tief von Bodenwinkel und die Verlegung des Balgaschen Tiefs nach dem Danziger Haken weiter östlich von der alt- bekannten Stelle (Panzer) nicht aufrecht erhalten. III. Wislemund und die Entwicklungsgeschichte des Frischen Haffs. 1. WULFSTANs Wislemund. Eine bekannte Streitfrage, die schon vielfach erörtert wurde, ohne befrie- digend gelöst zu werden, hängt mit der geographischen Gestalt de^ Haffs und der Lage der Tiefe auf das engste zusammen; es ist die Lage von Wulfstans Wislemund. Nachdem zuerst Neumann die Lage jener alten Weichselmündung, die der Angelsachse Wulfstan gegen Ende des 9. Jahrhunderts auf seiner Fahrt nach Truso benutzte, bei dem heutigen Weichselmünde gesucht, wurde später diese Annahme von Panzer und Colberg bekämpft. Panzer wollte sein hypothetisches Tief von Bodenwinkel dafür in Anspruch nehmen, Colberg das sogenannte Kahlenberger Tief. Man könnte endlich auch an das Tief von Vogelsang denken, wenn man eine Einfahrt für Wulfstan ausfindig machen will. Vogelsang liegt fast genau nördlich von der Nogatmündung, und Wulfstan^) sagt, die Nogat- Weichsel streckt sich (ligeth) nach ihrer Vereinigung mit dem Ilfing von Estenmeer (dem Haff) nach Westen und Norden an der See bis Wislemund. Die Annahme Panzers, daß Wulfstan im 9. Jahrhundert das Tief bei Bodenwinkel benutzte, stimmt wenig mit der Angabe, daß der „Weichselmund“ nach Westen und Norden zu vom Haff gelegen; besonders für Vogelsang würde dies gar nicht zutreffen, noch weniger allerdings für das Kahlenberger Tief bei dem versandeten Dorf Schmergrube, das Colberg als Einfahrtsstelle Wulestans anzunehmen vorschlägt. Es scheint mir überhaupt sehr gezwungen, ein „Tief“ als Flußmündung anzusehen. Das Pillauer Tief wird mit Recht weder als Weichsel- noch als Pregelmündung bezeichnet. Ebensowenig würde Wulfstan ein Tief bei Bodenwinkel oder Vogelsang als „Wislemudhan“ bezeichnet haben. Die Annahme Neumanns ^), daß Wulfstan im 9. Jahrhundert schon die Weichselmündung beim heutigen Weichselmünde benutzte, ist wohl immer noch am besten begründet; die Danziger Weichsel existierte damals schon, wie hier hervorgehoben sein mag, gegenüber manchen neueren Angaben (Bindemann), als sei dieser Arm erst 1371 zur Ausbildung gekommen^). Auch die Elbinger 9 Wulfstans Reisebericht über Preußen (Script, rer. pruss. Bd. 1, p. 732). 2) Über die Lage von Wulfstans Truso, Wislemund und Witland. N. Preuß. Prov.- Bl 1854. Bindemann stützt sich auf die Nachricht einer Elbinger Chronik, daß die Danziger im Jahr 1371 die Weichselfahrt bekamen. Töpfen aber, der zuerst auf diese Nachricht hin- gewiesen, sagt selbst (1. c. p. 10): Vor dem Jahre 1371 war die Danziger Weichsel eine 18 4 Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 1. 50 Weichsel war vorhanden. Es ist nicht einzusehen, warum Wulfstan nicht die Danziger und Elbinger Weichsel benutzt haben sollte, um nach Truso am Drausensee zu gelangen. Der Ausdruck „ligeth“ oder wie übersetzt wurde „streckt sich“ nach Westen und Norden, ist doch nicht gleichbedeutend mit „fließt“. Das Letztere würde allerdings der Flußrichtung der Elbinger Weichei widersprechen. Nach dem Original (abgedruckt: Script, rer, pruss. I, p. 732/733) heißt es: „and seo Wisle lid üt of Weonodlande, and lid in Estmere and liged of thaem mere west and nord on sae, fordy hit man haet Wisle-müda“. Der Ausdruck „liged ist in der Übersetzung der Script, rer. pruss. wohl mit Recht durch „streckt sich“ wiedergegeben, nicht durch „fließt“. Denn „liged“ ist doch wohl sicher unser „liegt“ und sagt nichts über die Stromrichtung aus. Deshalb ist der Einwand Panzers (1. c. p. 286), die Auslegung: „die Nogat (?) gelangt nach ihrer Vereinigung mit dem Ilfing vom Haff nordwestlich in die offene See, widerlegt sich durch sich selber“, doch wohl trotz alledem hinfällig. Der Seefahrer Wulfstan wollte eben nur die Lage der Gewässer, der Wasser- verbindung, zunächst nach Westen (Elbinger Weichsel), dann im letzten Ab- schnitt der Danziger Weichsel nach Norden, angeben. Ob nicht das „on säe“ (im Gegensatz zum „in Estmere“) darauf hindeutet, daß sie „an der See“ liegt, d. h. auf dieser Strecke sich parallel zur Küste, und nur durch den Dünenwall davon getrennt, hinstreckt, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist zuerst für fließt der Ausdruck „lid“ (leitet) zweimal gebraucht, dann folgt liged (liegt) in anderem Sinne. E. Carsten (Zur Geschichte der Trusoforschung, Altpr. Monatsschr. 1911 p. 37 ff.) hat eine neue Übersetzung von Wulfstans Reisebericht gegeben. Ich kann nicht finden, daß das notwendig war, denn die Übersetzung in den Script, rer. Pruss. ist entschieden sachgemäßer, wenigstens ist von Carsten wieder „ligedh“ mit mündet übersetzt, wodurch von neuem die Unklarheit der Auslegung gefördert wird. Trotzdem hält auch Carsten die Klärung der Frage nach Wislemunds geogr. Lage für notwendig. Colberg (Wulfstans Seekurs etc., Ztschr. f. d. Gesch. etc. d. Ermlands, 6. Bd. 1875) wollte gewisser- maßen das Haff als verbreiterte Weichsel ansehen und ließ es zu Wulfstans Zeit bei Kalenberg ausmünden. Carsten hofl’t Aufklärung von geologischen Forschungen und weist darauf hin, daß schon der schwedische Schriftsteller Zeit lang so wasserarm, daß die damit sehr einverstandenen Elbinger lange Zeit mit Freuden daran zurückdachten und in späterer Zeit sagten: in jener Zeit wäre fast alles Weichselwasser teils durch die Elbinger Weichsel, teils durch die Nogat in das Frische Haff gegangen (vergl. auch Töpfen h. c. p. 14). Ich habe bereits früher darauf hingewiesen (Strandverschie- bungen etc., Ztschr. d. Westpr. Gesch.-Vereins, Heft 50 p. 40/41), daß schon in allen Ur- kunden vor 1371 die Weichselmündung bei Danzig bekannt ist und vor allem auch die früher landbildende Tätigkeit des Stromes durch ein ganzes Außendelta dort bezeugt wird, das vor 1371 schon ausgebildet war (Sasper See etc.), wie aus mehreren Urkunden hervorgeht. Es handelt sich nur um eine zeitweise Versandung der Danziger Weichsel. Vergl. dazu P. Sonntag, Danziger Weichsel — Linewka — Neuer Graben, Mitteil. d. Westpr. Geschichtsver. 1914, Nr. 3. 19 51 PoRTHAN (Henrik Gabriel Porthan, Kongl. Vitterhets Historie och Anti- quitets Academiens Handliogar sjette Delen, Stockholm 1800, p. 37) die Frage aufwarf, ob das Haff damals bis Danzig reichte und hier mit der See ver- bunden sein konnte. Diese Frage ist in der Tat beachtenswert; es soll im folgenden der Versuch gemacht werden, sie auf Grund des vorliegenden Materials an geologischen Tatsachen, das im besonderen durch die Aufnahme des westlichen Teiles des Deltagebiets durch die Kgl. preuß. geol. Landesanstalt bekannt geworden, zu entscheiden. 2, Entwicklungsgeschichte des Frischen Haffs. Kurz bevor das skandinavische Inlandeis für immer unsere Gegenden ver- ließ, um sich mehr und mehr nordwärts in das heute von der Ostsee bedeckte Gebiet zurückzuziehen, rastete es eine Weile auf einer Linie, die sich von der Putziger Kämpe über Oxhöft, Steinberg bei Gdingen durch den Nordrand der heutigen Weichselniederung zur Elbinger Höhe zog. Ich habe die Gründe, die zur Annahme dieser Eisrandlinie führen, ausführlicher an anderer Stelle dargelegt (Sehr. d. Naturf. Ges. Danzig, ßd. VHI, Heft 3, 1913). Durch diese Lagerung des Inlandeises wurde eine Aufstauung der Schmelzwässer zu einem ausgedehnten Stausee (Danziger Stausee) herbeigeführt, dessen Wasserspiegel mehr als 40 m über N. N. nach den heutigen Niveauverhältnissen reichte, und der seinen Abfluß durch das Neustadt-Lauenburger Tal zum Lebasee suchte und fand. Er bedeckte die heutige Weichselniederung südlich und westlich einer Linie Elbing- Danzig und quoll über die Ränder des heutigen Höhen- abfalls bei Dirschau und Mewe, bei Marienburg und Pr. Holland, die Höhen- ränder mit tonigen Sedimenten überziehend. Etwas später zog sich das Eis bis in das Gebiet der Danziger Bucht zurück. Dadurch war den angestauten Wassermassen ein niedrigerer Ausweg über Putzig geöffnet, und der Wasserspiegel sank auf ca. 17 m über N. N. Zugleich erweiterten sich nach Osten hin die Schmelzwasserrinnen am heutigen Haffrande entlang bis zum Pregelsystem, während von Süden her, wie die Terrassenablagerungen mit korrespondierenden Höhenlagen beweisen, um diese Zeit herum auch die Weichsel ihren Durchbruch nach Norden vollendete. Weichsel und Pregel müssen zu dieser Zeit vereinigt durch das Putziger Wiek die freie See erreicht haben. Das Wiek freilich lag damals noch trocken, nur ein noch heute als sub- marine Rinne erkennbarer Stromlauf durchzog die Talsandebene des innersten Wiekwinkels. Sie windet sich vom Brückschen Moor um die Putziger Kämpe zum Plutnitztal und entsendet Arme nach Großendorf und Kußfeld (Kußfelder Kolk). Der Abfall des Reffs, jener fast aus dem Wasser hei’austretenden Barre, die sich von Rewa nach Kußfeld herüberzieht, bildete den Küstenrand zur Danziger Bucht nach Osten während der nunmehr beginnenden „Yoldia-Zeit“. Nach den Untersuchungen schwedischer Geologen stand damals das eisfrei 20 4* 52 werdende Becken der Ostsee nördlich mit dem Weißen Meer, westlich über den Mälar-, Wetter- und Wenern-See mit der Nordsee in Verbindung. In dem kalten Wasser verbreitete sich eine arktische Fauna und Flora, deren charak- teristisches Leitfossil die kleine Eismeermuschel Yoldia arctica war, deren Reste, in Schweden weit verbreitet, bei uns aus dieser Zeit nicht beobachtet sind. Es liegt das an dem verschiedenen Verhalten der beiden Küsten: die schwedische stieg empor, unsere deutsche sank bald ca. 20 — 30 m unter den Spiegel des Meeres. Allerdings war dieselbe Yoldia schon einmal in der Danziger Bucht, nämlich in einem früheren Stadium der Eiszeit (ältere Yoldia- Zeit), und aus dieser ist sie uns in den Yoldiatonen von Elbing und Adlers- horst erhalten geblieben. Mit dem weiteren Abschmelzen des Eises in Skandinavien trat eine Hebung der westlichen Gebiete der Ostsee ein, so daß die freie Verbindung mit der Nordsee verloren ging. Dasselbe war mit der nördlichen Verbindung zum Eismeere der Fall, auch hier trennten sich erhebende Länder die vorher ver- ; bundenen Meere; die Ostsee war eine Zeitlang ein Binnensee See, nach i einer Schnecke ZöfcwstWs genannt) Während der Yoldia- \mdAncylus-7iQ\i lag Westpreußen, wie die ganze deutsche Ostseeküste, höher zum Meeresspiegel als jetzt. WoLFF (Die geol. Entwickl. Westpreußens. Schrift, d. Naturf. Ges. ' Danzig. N. F. VIII. Bd., 3./4. Heft, p. 97) sagt darüber: ,, Weder das spätglaziale : Yoldiameer Schwedens noch der Ancylussee warfen ihre Wellen an seine Küsten‘‘. j Mit weiterer Erwärmung und Besserung des Klimas begann dann aber die Senkung der deutschen Küste sich einzustellen, die wiederum ein reich- ; liches Einströmen salzigen Wassers von Westen her durch Öffnung der Ver- ; bindungen zur Nordsee bewirkte. Es wanderte wiederum eine Meeresfauna : ein, und die Meeresschnecke Litorina litorea verbreitete sich ostwärts bis nach Livland und den anstoßenden russischen Küstenländern. Nach ihr erhielt dieser Zeitabschnitt den Namen Litorina-Tieii. ,, Damals . ertrank ein Saum Landes an der Danziger Bucht und eine breite Fläche vor den pommerellischen Gestaden‘‘ (Wolff 1. c. p. 97 j. | Zu Beginn der Alluvialzeit lag also die Oberfläche des Landes im Delta- | gebiet über dem Meeresspiegel, dementsprechend sind auch in den unteren Alluvialschichten nirgends marine Fossilien gefunden. Die tiefsten Alluvial- ; schichten bestehen selbst in der Nähe der Meeresküste von heute aus Fluß- sanden, Schlickschichten und anderen Süßwasserbildungen (vgl. Erl. Bl. Trutenau i ; der geol. Karte p. 12). Nach Jentzsch bildet aber dann über diesen ältesten T' Schichten eine Ablagerung von Meeressand mit Meeresmuscheln aber nur ira »i Landgebiete des Blattes Nickelswalde, also in der Nähe der Küste, den Unter- El grund des jüngeren Alluviums. Später in jungalluvialer Zeit ist daher das Jj| ganze Gebiet hier bis ca. 1 Meile landeinwärts der heutigen Küste Meer ge- t.i wesen. Bei Kl. Zünder wurden in einer Tiefe von 17 — 19 m z. B. noch jfej Meeresmuscheln bei einer Bohrung gefunden (Erl. Bl. Käsemark p. 6), dagegen li nirgends mehr auf Blatt Trutenau (Erl. p. 12). 1 21 S 53 Durch die Senkung der Küste während der sog. Litorina-7jQ\i sind die ältesten Weichselalluvionen und die darüber ausgebreiteten, marinen Bildungen in ihre heutige Tiefenlage gekommen. Der Litorina-TieM fehlte also noch die Nehrung in ihrer heutigen Gestalt. Der Weichselstrom mündete in eine offene Bucht, deren Küstensaum sich aber nur, entsprechend den Funden mariner Ablagerungen, ca. 1 Meile landeinwärts von dem heutigen Strande hinzog, nicht etwa bis zur Montauer Spitze, wie mitunter angegeben wird. Erst als die Senkung mit dem Eintritt der neuesten Epoche, der sog. Mya-7iQ\i, ihr Ende erreichte, bildete sich die Nehrung und damit zugleich das Haff. Denn daß eine Senkung der Küste in dieser bis in die Jetztzeit hineinreichenden Periode stattgefunden, ist trotz vielfacher Bemühungen nicht nachzuweisen. Das Haff ist also, geologisch genommen, eine sehr jugendliche Bildung; in seiner ältesten Gestalt entsandte es, entsprechend dem vorhin als Meeres- anteil gekennzeichneten Gebiete, einen ca. 1 Meile breiten Arm nach Westen bis nach Danzig hin und fand hier be* Saspe (Rothof) sein Ende, dort, wo sich die Wurzel der Nehrung an die diluvialen Talsande ansetzt. Die Be- grenzung dieses ürhaffs nach S. aber war etwa so, daß sie dargestellt wird durch eine Linie von Elbing über das Danziger Haupt (Kl. Zünder) ^nach Danzig. Eine Bohrung am Drausensee bei Markushof, die Jentzsch erwähnt (Neue Gesteinsaufschlüsse etc., Jahrb. d. geol. Landesanst. Berlin 1896, p. 41), ergab, daß das Alluvium dort bis 12 m unter den Ostseespiegel reicht ohne Spuren von Meerestieren, dagegen mit Süß wassermuscheln {ünio und Valvata), Es ist überraschend, daß diese älteste Form des Haffs, wie sie auf Grund der Aufdeckung mariner Untergrundschichten in der beigegebenen Abbildung konstruiert ist, eine Bestätigung findet in der Verbreitung der Siedlungen aus prähistorischer Zeit. Es ist das Gebiet des Deltas, in welchem sich weder aus neolithischer Zeit noch aus der Bronze- und Eisenzeit bis jetzt Funde haben nachweisen lassen, während doch auf der Nehrung (Krakau, Kronenhof, Steegen) sowohl wie am südlichen Rande des bezeichneten Gebietes (Danzig, Nassenhuben, Schöneberg, Nogathau, Elbing) Reste schon aus der jüngeren Steinzeit gefunden sind. (Vgl. Lissauer, Prähist. Denkmäler d. Prov. Westpr. • • und auch Hirsch, Uber d. geogr. Lage u. Entw. Danzigs, Dissertation, Königs- berg 1912.) Einer der interessantesten Funde neolithischer Art ist der von Nogathau b. Gr. Wickerau, Kr. Elbing. „Hier wurde 7 Fuß unter der Oberfläche unter Torf und Schlick eine Herdstelle gefunden, d. h. 3 Steine mit Holzkohle und ein Topf. Die Scherben selbst bieten nichts Charakteristisches dar. Die Lage Schlick beträgt 3 Fuß und muß jedenfalls vor mehr als 150 Jahren abgesetzt sein, da 1722 der letzte rechtsseitige Durchbruch der oberen Nogat stattfand. Zur Zeit nun, als jene Herdstelle benutzt worden war, mußte dieselbe offenbar aus dem Wasser inselförmig hervorragen; später hat sie sich dann derartig gesenkt, daß sie heute nur künstlich durch Mühlen entwässert werden kann. 22 54 Diese Senkung des Landes setzt aber eine außerordentlich lange Zeit voraus“ | (Lissaüer, Präh. Denkmäler d. Prov. Westpr.). Außerdem wurde dort eine ^ steinzeitliche Bernsteinlinse im Torfmoor gefunden. Lissauer hat hier anscheinend den Beweis erbracht, daß die Litorina- ! Senkung bis in die Steinzeit hinein andauerte. Er nimmt den Beginn der | Bronzezeit frühestens mit dem Anfang des letzten Jahrtausends v. Chr. an und setzt die neolithische Zeit bei uns auf 1000 — 2000 v. Chr. (1. c. p. 19/20). 1 Er sagt weiter; „Auch die Betrachtung der neolithischen Fundorte innerhalb des Weichsel -Nogat- Deltas spricht nicht zu Ungunsten- dieser Anschauung. 5 j: Fig. 4. ÄJteste Gestalt des Frischen Haffs. (Während der neolithischen Zeit; Fundstellen +.) Fast alle bisher bekannten Funde der Steinzeit im Delta sind auf diluvialen oder alt-alluvialen Inseln gemacht worden, erst die La Tene und die römische Epoche sind vielfach auf jung alluvialen Inseln vertreten. Es spricht dieser Umstand dafür, daß in der neolithischen Epoche die Weichselanschwemmungen noch nicht lange genug bestanden, um so bedeutende Erhebungen zu bilden, daß sie der Mensch bewohnen konnte“. Lissauer will den Durchbruch der Weichsel bei Fordon auf die jüngere Steinzeit verlegen (spätestens 2000 v. Chr.). Er stützt sich dabei auf die bekannten Berechnungen von Jentzsch über das Alter des Weichseldeltas. In Bezug auf den Weichseldurchbruch neigt man jetzt der Ansicht zu, daß er schon gegen Ende der Diluvialzeit stattfand, also wohl erheblich früher als Lissauer annimmt. 23 55 Es dürfte von Wert sein, hier einen kurzen Blick auf die Resultate der vergleichenden Untersuchungen skandinavischer Geologen über die Nacheiszeit und die prähistorischen Zeitabschnitte zu werfen. Brögger (Om de senglaciale og postglaciale niväforandringer i Kristianiafeitet, Norges geol. undersögelse Nr. 31, 1901) unterscheidet in der Litorina- oder Topes-Zeit 3 Abschnitte, jüngere;, mittlere und ältere Tapes-T^mi. Die ältere fällt mit der älteren nordischen Steinzeit zusammen; damals war das Jäger- und Fischervolk nur mit roh be- hauenen Steinwerkzeugen bewaffnet (Kjökenmöddings), die mittlere Tapes-Z^il soll der mittleren Steinzeit mit rundnackigen Steinbeilen, die jüngere der jüngeren Steinzeit mit dünnnackigen Beilen entsprechen. Er setzt die neolithische Zeit in das A/ya-Zeitalter, in welches später auch die Bronze-Zeit fällt. Nach den Funden auf der Nehrung ergibt sich, daß zur neolithischen Epoche, als die L^Yor^7^a-Senkung sich ihrem Ende näherte, das Haff und die Nehrung in den ersten Anfängen ihrer Entwicklung vorhanden waren und etwa die auf der beigegebenen Karte dargestellte Form hatten (vergl. Abbild. 4). • • übrigens fällt auch die von mir angenommene Eisrandlage zur Zeit der Bildung der höheren Terrasse des diluvialen Danziger Stausees (vergl. Die Urstromtäler des unt. Weichselgebiets, Sehr. d. Naturf. Ges. Danzig N. F. XIII. Bd. 1912) mit dem angenommenen Südwestufer des ürhaffs im Weichsel- delta zusammen, so daß ein weiter zurückreichender, entwicklungsgeschicht- licher Zusammenhang sich darin zu offenbaren scheint. Während dieser Epoche in der Entwicklung des Haffs wäre es, wie Fortran zur Erwägung stellte, in der Tat möglich gewesen, durch ein bei Danzig vorhandenes Tief der Nehrung zu Schiff in das Haff zu gelangen und auf demselben in freier Fahrt nach Elbing bezw. auf dem Ilfing nach Truso zu gelangen. Jedoch Niemand wird behaupten wollen, daß diese Gestalt des Haffs sich von der neolithischen Zeit bis zum Beginn der historischen Periode in unsern Ländern also bis gegen 900 n. Chr. ungeändert erhalten konnte. Es ist vielmehr ganz klar, daß, sobald die Senkung des Küstengebiets aufhörte, eine schnelle Auffüllung der Lagune zunächst in ihrem westlichen, Danziger Anteil vor sich ging. Der Strom schüttete, in ein Netz von Mün- dungsarmen aufgelöst, sehr bald den ganzen Westwinkel bis an die Nehrung zu und mündete dann direkt in die See. Von den nördlich an der Nehrung entlang streichenden Armen läßt sich ein ganzer Zug von Nickelswalde über Wordel (Engwasser), Bohnsack, Krakauer Laache, Heubuder See noch heute wiedererkennen. Dagegen müssen sich die alten Mündungsarme des Marien- burger (Großen) Werders (Linau und Tiege), ebenso der Unterlauf der Mottlau, soweit er als ehemaliger Mündungsarm in Anspruch genommen werden kann, schon während der Litorina-7iQ\t ausgebildet haben. Bei Danzig, wo nach dem ersten Auftauchen der Nehrung wohl schon ein Tief existierte, blieb immer eine Mündung bestehen auch nach vollendeter Zuschüttung des Haffs. Der hierhin sich erstreckende Mündungsarm erreichte 24 56 direkt die See und erzeugte das älteste dort vorhandene, große Außendelta. Eine Zeit lang diente der Sasper See als Mündung dieses Armes, später die das ganze Mittelalter hindurch bekannte Mündung von Weichselmünde. Von dieser Mündung sagt Toeppen (1. c. p. 11) mit Hecht: „Der unterste Teil der Weichsel ist sicher so alt oder viel älter als die Stadt Danzig, deren Namen sie trägt“ (Danziger Weichsel). Den Beweis liefern die überaus zahlreichen pommerellischen Urkunden, die bis in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zurückreichen. Schon im 12., spätestens im 13. Jahrhundert hatte sich dann aber der Hauptabfluß des Stromes mehr östlich dem Haff zugewandt, gelegentlich wurde hier die Nehrung durchbrochen (Primislava = Prenzlaff), und die Elbinger Weichsel bildete sich aus. Die von ihr abgesetzten „Kämpen“ reichten bald bis Stutthof (Kampenkin) und darüber hinaus. Die letzte Phase in der Entwicklungsgeschichte der Mündungsarme war endlich die Ausbildung der Nogat (als der Lauf der Elbinger Weichsel zu lang geworden) und, damit verbunden, das Aufwachsen derNogatkämpen. Gleich- zeitig trat wieder eine Vermehrung des Zuflusses nach Danzig zu (der Jahr- hunderte völlig geruht hatte) ein, womit die Entstehung des Außendeltas der Westerplatte in der Zeit von 1640 — 1840 verbunden war. Im Jahre 1840 trat der Dünendurchbruch bei Neufähr und die Bildung der neuen Mündung daselbst ein, der durch das Eingreifen des Menschen ein schnelles Ende bereitet wurde. Das große Regulierungswerk von 1895 zwang den Strom in das neu gegrabene Bett und in die Durchstichsmündung bei Nickelswalde- Schiewenhorst ebendorthin, wo vielleicht schon im 12. und 13. Jahrhundert die Primislava ihren Weg durch den Nehrungswall gefunden hatte. Danziger und Elbinger Weichsel sind stromlose Kanäle geworden, der Nogat steht ein gleiches Schicksal bevor. In einheitlichem Schwall und mit gewaltiger Wucht wird sich in Bälde der ganze Strom durch den Durchstich von 1895 direkt ins Meer ergießen. Die Ausbildung der Nogat als Mündungsarm hat fast ganz in historischer Zeit abgespielt und zwar von vornherein unter starker Mitwirkung des Menschen. Ob die Nogat — als Mündungsarm der Weichsel — schon zur Zeit des Er- scheinens des Ordens in Preußen vorhanden war, ist noch eine umstrittene Frage, die von Toeppen bejaht, von Bindemann verneint wird. Jedenfalls war sie zur Ordenszeit anfangs noch nicht so wasserreich, wie es durch spätere bis ins 17. Jahrhundert hineinreichende Regulierungsarbeiten bewerkstelligt wurde. Auf die Kämpfe zwischen Elbing und Danzig, die sich hier abspielten, näher einzugehen, ist hier nicht angebracht. Wenn wir am Schluß unserer Betrachtung einen zusammenfassenden Blick auf den ganzen Werdegang des Haffgewässers werfen, so läßt sich eine be- stimmte Tendenz in dem Fortschreiten der Ausfüllung durch die Weichsel nicht verkennen. Sie liegt darin, daß die Neigung des Stromes, einen Aus- weg nach W. zum freien Meer zu suchen, mehr und mehr verloren geht und 25 57 allmählich sich eine vermehrte Ausschüttung der Sedimente in östlicher Richtung geltend macht. Wie gegen Schluß der Eiszeit die Entwässerung des Haffstau- sees westwärts gerichtet war, so blieb sie auch in gleicher Richtung bestehen in der anschließenden Epoche der älteren Alluvialzeit. Im jüngsten Abschnitt des Alluviums trat eine entschiedene Wendung nach Osten ein, die vorüber- gehende Ausbildung der Primislava, dann der Elbinger Weichsel und zuletzt der Nogat. Gelegentliche Rückfälle nach W., die durch Eingriffe des Menschen begünstigt wurden, ändern doch nichts an der Gesamttendenz. Zu diesen Rückfällen gehört der sog. Durchbruch nach Danzig vom Jahre 1371 und die Periode der Danziger Weichsel von 1640 — 1840 resp. 1895. Seitdem ist der Strom in den eisernen Zwang der modernen Technik gelegt und anscheinend für absehbare Zeiten gefesselt. 3. Gestalt des Haffs zu WULFSTANs Zeiten. Haben wir so den Versuch gemacht, die verwickelten Vorgänge bei der Bildung der heutigen geographischen Verhältnisse im Mündungsgebiet dej* Weichsel zu entwirren, so bleibt nun zu entscheiden, in welchem Verhältnis die geologischen Entwicklungsvorgänge zu den historischen Zeitläuften stehen. Soweit für die jüngsten Zeiten bestimmte und sichere Nachrichten vorliegen, ist natürlich Klarheit vorhanden; das ist aber eigentlich nur für die Nogat der Fall, und auch hier nicht einmal für die Anfänge der Bildung dieses jüngsten Mündungsarmes. Unsere Absicht ist es jedoch, Auskunft über die Zeit Wulfstans zu erhalten, d. h. bis auf das Jahr 900 zurückzugehen. Wie sah es damals an der Weichselmündung aus? Da bleibt nichts übrig, als einige Schätzungen über die Zeitläufte anzustellen, die die geologisch erkennbaren Bildungsvorgänge erforderlich machen, und damit die historischen Daten zu vergleichen; denn direkte, geographisch -genaue Darstellungen und Beschrei- bungen, aus denen man die Gestaltungsverhältnisse von Küste, Haff und Strom zu jener Zeit entnehmen könnte, fehlen eben, und es gilt zu entscheiden, welche Auslegung der Erzählungen Wulfstans die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat. Um 1250 herum war das Haff bei Danzig zugefüllt und das ältere Außendelta fertig (Urkunde über den Saspersee 1238), an der Elbinger Weichsel war um die gleiche Zeit die Landbildung bis zur Tiege und Stutthof vorge- schritten (Urkunde über Camtzikin von 1248). Wulfstan machte seine Fahrt nach Truso im 9. Jahrhundert, also etwa 400 Jahre früher. 1) In der Jubiläumssclirift: Die Entwicklung* des Deich- und Entwässerungswesens im Gebiet des heutigen Danziger Deichverbandes seit dem 14. Jahrhundert von H. Bertram (Danzig 1907) ist eine Karte gezeichnet: Das Danziger Werder am Ende des 13. Jahrhunderts. Auf Grund der Tatsache, daß der nördliche Teil des Danziger Werders 5 cm bis 1 m unter dem mittleren Wasserspiegel liegt, ist dieser Teil des Werders bis zur Linie St. Albrecht, Müggenhahl, Wotzlaff, Kl. Zünder, Käsemark mit Wasser bedeckt gezeichnet, da ja noch keine Deiche existierten. Es ist aber nicht zu bezweifeln, daß bei so geringer Tiefe (0,05 — 1 m!) 26 58 Wenn zu Wulfstans Zeiten das Haff noch ebenso wie während der j’ neolithischen Periode bis Danzig reichte, so müßte sich innerhalb dieser vier Jahrhunderte eine ganze Reihe von geologischen Vorgängen abgespielt haben, nämlich zuerst die Ausfüllung des westlichen Haffwinkels mit Sedimenten, j darauf die Entstehung eines Außendeltas, als der Strom direkt das Meer erreichte, und endlich die nach Osten fortschreitende Kämpenbildung an der ! Elbinger Weichsel bis gegen Stutthof. Es ist von vornherein unwahrscheinlich, daß innerhalb verhältnismäßig so kurzer Zeit der Strom zu einer solchen Leistung befähigt sein sollte. Jedoch läßt sich das einigermaßen näher prüfen und zwar scheint die Bildung des Außendeltas dazu am geeignetsten zu sein. Das neuere Außendelta bei Danzig, die Westerplatte, hat einen Flächen- inhalt von ca. 1,8 qkm, das ältere dagegen von ca. 14 qkm. Die Westerplatte hat sich im wesentlichen innerhalb zweier Jahrhunderte (1640 — 1840) gebildet. Wenn bei der Bildung des älteren Delta ähnliche Stromverhältnisse Vorlagen, so wird man bei im allgemeinen gleichen Tiefenverhältnissen an der Meeres- küste, einfach zu einem Resultat kommen, wenn man 200 Jahre mit 14 : 1,8 = 7,8 l'i . . . ^ i multipliziert, was 1560 Jahre ergibt. | j' ^ I Nach dieser Rechnung würde der erste Erguß des Stromes an dieser | Stelle direkt in das Meer im Laufe des ersten Jahrtausends v. Chr., wahr- | scheinlich um die Mitte desselben, erfolgt sein. Es ist nämlich außerdem zu | beachten, daß vor 1250 schon längere Zeit hindurch ein Ruhezustand oder l doch ein sehr geringer Stromzufluß geherrscht hat, da eine starke, seitliche ? Ausbreitung des älteren Außendelta (Zoppot bis Heubude) zu beobachten ist. Diese hat sicher auch 2 Jahrhunderte in Anspruch genommen. Während dieser t Zeit war eine starke Versandung der Danziger Weichsel eingetreten, die durch I Bildung von mäandrischen Stromschlingen verwilderte, so daß der Abfluß sich f mehr und mehr dem Haff zuwandte (vergl. p. 56/57). Zu den berechneten 1560 | Jahren für die Außendeltabildung kommen also noch ca. 200 Jahre hinzu, im > ganzen also 1760 Jahre; d. h. (von 1250 zurückgerechnet) um 500 v. Chr. | muß die Bildung des Außendeltas eingesetzt haben. ^ I Wenn aber damals, in der Bronze-Zeit, der Strom seine Alluvionen direkt | ; ins Meer trug, so mußte schon vorher das Haff an dieser Stelle zuge- fl schüttet sein; Nehrung und Delta waren miteinander verwachsen. das Gebiet durchaus unpassierbar für den leichtesten Kahn war; ja est ist sicher, daß die Sumpfvegetation keine freie Wasserfläche in dem ganzen Gebiet auf kommen ließ. Selbst der bei niedrigem Wasserstand schon schwer passierbare Saspersee hat noch 2,85 m größte Tiefe, der Drausensee hat nach Seligo eine mittlere Tiefe von 1,25 und eine größte Tiefe von 2,5 m. Die Frage, ob der Drausensee nicht eine nach S. eingreifende Bucht des UrhalFs gewesen, läßt sich nicht entscheiden, so lange die Eesultate von Bohrungen so spärlich bleiben, wie bisher. Die Bohrung v^on Markushof (Jentzsch) ergab keine Meereskonchylien. Die jetzige Tiefenlage des Drausen kann daher ebenso wie die der neolithischen Herdstelle von Nogathau durch die L?Vorma-Senkung zustande gekommen sein. Ganz anders liegen die Verhältnisse am Saspersee. Die große Zahl von Bohrungen, die der Danziger Magistrat im Febr. 1909 hier vom Eise aus niederbringen ließ, ergaben durchweg in 8 — 10 m Tiefe Sand mit Cardium ednle 27 59 Es ist eben eine überall konstatierte Tatsache, daß sich vor einem Tief keine oder ganz unerhebliche Anhäufungen von Sedimenten bilden; der Strom lagert sie so lange in der Lagune ab, bis diese verschüttet ist (Ausfüllungsdelta). Erst dann beginnt die Bildung des vorgeschobenen (marinen) Deltas^). Für die Frage, ob Wulfstan im 9. Jahrhundert noch bei Danzig das Haff offen vorfinden konnte, ergibt sich also mit Sicherheit, daß das nicht der Fall sein kann. Die Zuschüttung war hier seit mehr als ca. Eintausend Jahren vollendet, und Delta und Nehrung zusammengewachsen, wenn auch Sumpf, Moor, und Altwässer das Gebiet noch unwegsam und unwirtlich genug machten. Die Danziger und Elbinger Weichsel durchzogen z. T., nahe an den Dünen- wall der Nehrung herantretend, mit vielfachen Windungen das Gebiet. Auf der Danziger Weichsel kam 997 Adalbert von Prag zu Schiff den Strom herab und landete vor Danzigs Toren, um bei St. Albrecht zu predigen. Auch Wulfstan benutzte Hundert Jahre vor Adalbert das verzweigte System der Mün- dungsarme (Danziger Weichsel, Elbinger Weichsel, Haff, Elbingfluß), um nach Truso zu gelangen. Das erscheint immer noch die natürlichste Lösung der Frage und die einfachste Deutung, die man dem Reisebericht des alten Seefahrers geben kann. Das PANZERsche Tief von ßodenwinkel mußte aufgegeben werden, nachdem von Loch die Auslegung der Teilungs- urkunde von 1258 durch Panzer als unzutreffend nachgewiesen: aber auch die Tiefe von Yogelsang und Kahlenberg (sofern sie überhaupt damals offen waren) können nicht die Einfahrtsstelle Wulfstans gewesen sein, da die Angaben über den Reisekurs mit ihrer Lage in Widerspruch stehen. Auf die „Primis- lava“ zurückzugreifen, wäre ebenfalls sehr gewagt. Sie kann nur sehr vorüber- gehend und zwar erst im 12. oder 13. Jahrhundert eine direkte Mündung ins Meer gehabt haben, da sie auch nicht die geringste Spur von Sinkstoffablage- rungen vor ihrer Mündung zurückgelassen hat. Zudem deutet die Bezeichnung „Wisle“-Mund auf Weichsel und nicht auf Prinzlava hin. 1) Daß die Außendeltabildungen der Weichsel stets annähernd gleiche Zeit zu ihrer Entwicklung gebraucht haben, dafür spricht die Übereinstimmung der neuesten Erscheinung dieser Art (abgesehen von den noch im Flusse befindlichen Vorgängen am neuen Durchstich) des Neufährer Außendeltas, wenn man Vergleiche mit der Westerplatte anstellt. Bei Neufähr arbeitete der Strom von 1840 bis 1895, also 55 Jahre. Nun gibt es für die Westerplatte eine Karte aus dem Jahre 1691, welche in allen morphologischen Einzelheiten die größte Ähn- lichkeit mit der Neufährer Bildung zeigt, z. B. die neue Ost-Plaate mit der Messina-Insel, der Ost-Kolk mit dem Karauschen-Teich u. s. f., und hier begann die Ablagerung der Sedi- mente um 1640 herum. Eine Karte von 1643 zeigt noch keine Ablagerungen vor der Mündung^ bald darauf aber wachsen sie sehr schnell empor (vergl. Kartenzusammenstellung v. d. Wester- platte, Bl. Weichselmünde). 4 28 60 Notizen über fossile Haifischzähne in den Wirtschafts- büchern des Haupthauses des preussischen Ordensstaates. VoD Dr. Paul DAHMS in Zoppot a, Ostsee. Einen Überblick über die Kenntnis fossiler Haifischzähne im Mittelalter gibt bereits Conrad Gesner^). Er spricht von ihrer Substanz, ihrer Härte : und ihrem Glanz und unterscheidet sie nach Färbung, Größe und Form. Von | der letzteren führt er drei Haupttypen auf, die er mit den Buchstaben A, ß und C bezeichnet. Daß Autoren dieser und früherer Zeit teils nur eine von ihnen, teils deren mehrere kennen, erklärt sich aus der Verschiedenheit in den Vergleichsobjekten, die sie zur Verdeutlichung bei ihren Beschreibungen heranziehen. Plinius vergleicht diese Fossile mit Menschenzungen ^), de Laet^) nach Jo. Gor. Becanüs und Bock^) mit Zähnen eines Seehundes „oder einer ! Art des Hay^^^ {Canis Carchm'ias^ bzw. Linnes Squalus Carcharias) oder der ! Lamia. Conrad Gesner^) stellt die Angaben über dieses Geschöpf zusammen, « ohne entscheiden zu können, ob es ein Fabelwesen sei oder eine Art Hyäne. 9 Jedenfalls sei es sehr blutgierig und hause in Wäldern; zur Nachtzeit käme I es aus ihnen hervor, um Menschen zu überfallen. A. a. 0. sagt er, man « könne unter diesem Namen ein Raubtier annehmen, das in Libyen lebe oder I dort leben solle, vielleicht auch ein Gespenst (Vampyr) oder gar einen Fisch. I Jedenfalls zeichne es sich durch eine entsetzliche Gefräßigkeit aus. — Die | schmalen Formen dieser Zahngebilde erinnerten bald an den Oberschnabel I der AmseP), an Vogelzungen®), besonders die des Spechtes^), bald an! die Gestalt des Zungenbeines^), die gleichzeitig gekrümmten dagegen an S die Hornbildungen einiger Schlangen^). Am häufigsten vergleicht man diese ! Versteinerungen aber mit Schlangenzungen. ] Das hervorragendste Werk des Altertums für die Naturkunde stammt I von Aristoteles; in ihm ist von der Herkunft versteinerter Tier- und Pflanzen- fl reste nicht die Rede. Im Mittelalter regiert der Buchstabe. Die logischen fl Interessen haben das Übergewicht. Das Bestreben geht weniger darauf hinaus, fl Tatsachen zu sammeln und zu erkennen, als sie in Begriffe umzusetzen und fl aus diesen heraus über Tatsachen zu urteilen. Man beschäftigt sich Vorzugs- fl weise damit, die alten Schriftsteller zu erklären und kümmert sich wenig fl darum, ob die in den Schriften niedergelegten Angaben mit der Wirklichkeit fl 1) 1; 2) 7; 3) 2, 106; 4) 5, 414. 415; «) la, 562. 569; 6) 5, 414; 17, 223. 1 61 übereinstimmeD. So übernimmt man auch ohne jedes Bedenken die in älteren Schriften niedergelegte Auffassung, daß die Schlange „sticht“, hin, ohne sich da- von zu überzeugen, ob das der Wirklichkeit entspricht. — Daß man verhältnis- mäßig lange mit diesen V ersteinerungen nichts anzufangen wußte, ergibt sich auch aus dem Katalog des Naturalienkabinetts unserer Gesellschaft (1785), wo aufgeführt werden „Zwey halb versteinerte Fischgaumen, Glossopetrae“ ^). Andererseits gibt die Vielseitigkeit der Form Anlaß zu Verwechselungen. Man wirft sie mit den Donnerkeilen oder Ceraunien zusammen^), die Stein- kerne von ßelemnitenscbalen darstellen und pulverisiert als „Lyncurium“ in der damaligen Medizin Verwendung fanden^). Fossile Haifischzähne werden in der älteren Literatur deshalb auch unter den verschiedensten Bezeichnungen erwähnt: als Lam^ö!-Zähne, besonders wenn die Ränder gezähnelt sind, oder Odontopetrae; meist aber weisen die Namen auf einen Zusammenhang mit der Form einer Schlangenzunge hin, wie Glossopetrae, Glossites, Steinzungen, Natter- zungen (Naterzinglin, Nater Zünglein) und Schlangenzunge. Die Frage nach der Entstehung dieser Reste hat zu verschiedenen Er- klärungen Veranlassung gegeben. Nach PliniüS'^) fielen sie bei abnehmendem Monde vom Himmel, nach Agrtcola waren sie „verhärtete Wassergemenge“ ^). Andererseits glaubte man vielfach, daß Kräfte von den Gestirnen ausgingen und einen in den Steinen enthaltenen Samen befruchteten, so daß im Schoß der Erde ebenfalls Gestaltungen stattfanden. Auch in anderer Weise wurden Deutungen versucht, die darauf hinausliefen, daß hier statt echter und wahrer Reste aus dem Tier- und Pflanzenreiche nur „lusus naturae“^), Naturspiele, vorlägen, die ihre Entstehung einer besonderen Kraft, der „vis formitiva“ oder „vis plastica“, verdankten. Neben dieser Auffassungsweise des 15. Jahr- hunderts machte sich bereits hier und dort eine abweichende Ansicht bemerkbar, hatte doch Graf Albert von Bollstaedt (Albertus Magnus), einer der berühmtesten Gelehrten des 13. Jahrhunderts, darauf hingewiesen, daß die Fossile nicht in allen Fällen der Wirkung der vis plastica ihr Dasein ver- dankten, sondern auch durch die Versteinerung wirklicher Leichenreste ent- standen sein könnten®). Sowohl die erste wie die zweite Vorstellungsart von der Entstehung der fossilen Haifischzähne gab wohl den Anstoß dazu, daß die Medizin der da- maligen Zeit in ihnen nach nutzbaren Kräften suchte. Bei der Verwendung der Glossopetren als bloßer Bildungen in der Erde war das von Bedeutung, was die alten Ärzte als Signatur bezeichneten. Hierunter verstand man gewisse Eigenschaften der Naturobjekte, äußere und innere, bei Tieren auch geistige, von ganz bestimmtem Charakter. Sie sollten dem denkenden Menschen als Fingerzeige dienen, wie er sich die Kräfte der Natur dienstbar machen könnte. Die Phantasie sah in diesen Resten „Zungen“, die vom Himmel gefallen oder durch geheimnisvolle Kräfte der Gestirne oder anderen Ursprungs entstanden seien. 1) 6, 74 (Nr. 14); 2) 3, 341; 3) 8, 52; 4) 7; 5) 26, 46. 47; 6) 26, 46. 47. 2 % 62 Sie erinnerten mit ihren Spitzen und dem oft gezähnten Rande an solche Gebilde, mit denen die Schlangen „stächen“. Hier war die Signatur zu finden, die Versteinerungen waren gegen die schädlichen Stoffe zu verwenden, wie sie durch giftige Schlangen dem menschlichen Körper zugeführt werden konnten. Die älteste Verwendung war deshalb auch die gegen Vergiftungen. Die bei diesen auftretenden Begleiterscheinungen boten den Ausgangspunkt für eine weitere Verwendung: gegen Epilepsie, Fieber, Kinderkrämpfe und Beschwerden der Säuglinge beim Zahnen, die sich bis zu krampfähnlichen Anfällen steigern können. ■ — Doch noch eine andere Signatur lag vor, die freilich erst aus späterer Zeit stammt. Man wandte sich der Auffassung, daß die Glossopetren au Tierzuugen erinnerten, immer mehr ab, und der Deutung, daß hier zahn- artige Bildungen vorlägen, immer mehr zu. Deshalb benutzte man sie gegen • • allerlei Übel, die von den Zähnen ausgingen. So haben wir hier den eigen- tümlichen Pall, daß von zwei verschiedenen Ausgangspunkten her schließlich eine einheitliche Reihe von sinngemäß ähnlichen Krankheiten und Krankheits erscheinungen aufgestellt werden konnte, gegen welche diese fossilen Zahnreste vorweltlicher Haifische helfen sollten. Noch eine andere Quelle für die vielfache Verwendung und die häufige Erwähnung der Glossopetren liegt vor. Sie geht auf die Bibel zurück und hat ihren Ursprung in der Apostelgeschichte 28, 3 bis 6. Dort wird berichtet, wie Paulus auf der Insel Malta beim Zusammenraffen von Reisern von einer Schlange „gestochen“ sei. Er schleuderte das Tier in die Flammen des nahen Feuers und blieb gesund, als sei ihm nichts widerfahren. Zahnreste von Haien finden sich auf dieser Insel aber besonders schön und teilweise in gewaltigen Exemplaren. Auch der Großmeister des Malteser- Ordens wußte, wie man erzählt, die Kräfte solcher Versteinerungen zum Segen der Menschheit zu ver- wenden. Er besaß einen Goldring mit einer „Schlangenzunge“ und vermochte, Epilepsie durch bloße Berührung mit ihr zu heilen^). Der seinerzeit aus Rhodos vertriebene Johanniterorden erhielt von Kaiser Karl V. auf seine Bitte die Insel Malta als festen Sitz 1525 angewiesen, wurde durch eine päpstliche Bulle 1530 in ihrem Besitze bestätigt und hatte sie bis 1798 inne, wo Bonaparte sie auf seinem Zuge nach Ägypten ohne jeden Widerstand nahm. Innerhalb dieser fast 3 Jahrhunderte währenden Herrschaft stand der Malteserorden, wie er sich nunmehr nannte, mit dem Festlande in Beziehung. Die christliche Auffassung der Signatur fand er beim Antritt der neuen Herrschaft jedenfalls bereits vor. Von hier wird wahrscheinlich auch die Verwendung der Glossopetren gegen Gicht stammen. Gegen diese schienen sie auch das rechte Heilmittel zu sein, hatten doch die Begleiter des Paulus nach dem erfolgten Schlangenbiß ver- geblich darauf gewartet, daß der Apostel anschwellen und sterben, also ähn- liche Mißgestaltungen aufweisen würde, wie gichtische Erscheinungen sie zeigen. 1) 8, 27. 3 63 In kurzer Zusammenstellung ist die Verwendbarkeit und die Art der Ver- wendung recht verschieden. Meist werden diese tierischen Reste als Ganzes benutzt, seltener in Pulverform eingenommen. In der Nähe von Gift sollen sie feucht werden und schwitzen, doch weist bereits Conrad Gesner^) darauf hin, daß auch andere Steine an einer Tafel mit warmen Speisen das Gleiche tun. Tollius^) berichtet gleichfalls, daß sie gegen Vergiftungen benutzt werden sollen; er selbst habe eine derartige Tugend an ihnen freilich nie wahrgenommen. Auch ihreVerwendbarkeit gegen andere schädlicheEinflüsse ähnlicher Art, nämlich gegen Behexungen, weiß er anzuführen. Hauptsächlich galten sie aber als Vorbeugemittel gegen jede Art von Vergiftung. Ähnlich wie die Donnerkeile, mit denen sie auch oft verwechselt wurden, trug man sie deshalb als Amulette um den Hals^). So kamen sie auch mit dem Körper in direkte Berührung, und das war unbedingt notwendig, wenn sie wirken sollten. Epileptikern legte man sie deshalb auch in den Nacken, während man sie Kindern in die Hand gab, um ihnen das Zahnen zu erleichtern. Ferner gehörten sie häufig zu den Bestandteilen einer sog. Fraiskette. Hermann Peters^) bildet eine solche ab, deren einzelne Amulette in Silber gefaßt sind. Sie werden gebildet von Maulwurfpfötchen, Meerbohnen oder Meernabeln, Krebsaugen, Muskatnüssen, Bergkristall, Lasur-, Kröten- und Bezoarsteinen, Karneol, Nephrit und ähnlichen Sachen. Erwähnt wird ferner der rechte Eckzahn eines Wolfes, der ebenso wie eine „in Silber gefaßte Veilchen wurzel den Kindern das Zahnen erleichtern“ sollte. In der Mitte des Bandes mit diesen verschiedenartigen Amuletten ist in der unteren Reihe rechts auch ein Haizahn abgebildet. Im Texte wird er nicht erwähnt, deshalb ist es auch nicht möglich, ohne weiteres anzugeben, ob man es mit einem Fossil oder einem rezenten Vorkommen zu tun hat; jeden- falls hat er die gleiche Fassung wie die anderen Stücke. Zu diesen Anhängern der Kette, welche die „Frais“, Eclampsia infantum, verhindern sollte, sind Zähne besonders häufig. So erwähnt Pachinger^), daß zu ihnen unter anderem auch „ein gefaßter Wolfs-, Luchs- oder Saurierzahn“ gehöre. Den letzteren möchte ich ohne Bedenken als einen fossilen Haifischzahn ansprechen! Auch in Gold oder Silber gefaßt, wurden Glossopetren in Ohrzierraten und Fingerringen getragen, teils als Schutzmittel gegen Vergiftungen, teils als Heil- mittel gegen die Fallsucht. Gegen Blähungen will Plinius®) sie verwendet wissen, während man sie in gepulverter Form innerlich auch gegen Fieber benutzte'^). Mit solchen Steinen wurde ein recht bedeutender Handel betrieben, wie es in China heute noch der Fall ist®). Doch erhoben sich bereits 1647 Stimmen, die da angeben, daß sie freilich wohlfeil zu erstehen, in ihrer Wirkung aber wertlos seien ^). Neben den fossilen Zähnen fielen bereits im Altertume die großen Zähne der lebenden Haifische auf, besonders die des Heringshais Lamna cornuhica Flem. Bei der Länge dieses Tiers von 3 bis 4 m hatten auch sie eine stattliche Größe. Da man ihren Ursprung kannte, 1) 1; 2) 3^ 341. 342; 3^ 15^ 75; 4) 24, 49—51, Fig. 4; 5) 22, 91. 92; 6) 7; 7) 8, 27; 15, 75; 9) 3, 342. 4 64 hat man sie auch nur gegen Leiden der Zähne verwendet^). Bereits damals wußten Heilkünstler sie zu benutzen; Goldschmiede faßten sie in Edelmetall und übertrugen die Bezeichnung „Schlangenzungen^ auch auf sie. Mütter hingen derartige Zierrate ihren Kindern gegen Zahnschmerz und Krampf um den Hals, doch fertigte man aus ihnen auch ein Zahnpulver an, in der festen Annahme, daß dieses sicherlich die Zähne schneeweiß erhalten müsse. Tm Marienburger Treßlerbuch findet sich eine Notiz, die auf solche Glosso- petren hinweist; sie stammt aus dem Jahre 1699 und lautet im Text: „Goltsmyt. — Item 15 m. Willam deme goltsmede zum Elbinge vor silbir zur notirzunge dem meister zum Sthume gegeben am dinstage nach Letare. item 20 scot meister Willam vor eyn futer zur notirzunge zu ostern. item 5 m. ouch die selben zwene bome zu der natirzunge am donrstage Philipp! und Jacobi, als wir mit aberechenete. item der eyne bom zur natirzunge hat gewegen 6 m. lotig und der ander bom hat gewogen 4V2 und Y2 ferto lotig, des hatte der meister dorzu gegeben 9 m. minus 8 scot lotig, und das ist nicht gerechent. zo hatte wir das ander dorzu gegeben, item 6 m machelon vor den eynen bom, vor die mark lotig 1 m. item 6 m. zu vorguldin. item 4V2 ni. und V2 ferto vor den andren bom zu machelone. item 472 m. und 72 ferto zu vorguldin.“ Eine zweite Stelle stammt aus dem Ausgabebuch des Marienburger Haus- komturs und zwar aus dem Jahre 14147: „item 4 sc. vor 1 lade czu den noterczongen. item 8 sc. dem kleynsmeit vor 2 laden czu beslon. item 4 sc. vor 1 lade czu den grosen noterczongen. item 4 sc. dem kleinsmeit diselbige lade czu beslon.“ Als erster Unterschied zwischen beiden Angaben fällt zunächst auf, daß in der ersten von Natterzungen nur in der Einheit, in der zweiten jedoch in der Mehrheit die Rede ist. Jedenfalls handelt es sich hierbei um wertvolle Erzeugnisse der Goldschmiedekunst. In der Glanzzeit des Ordens lieferte sie vielerlei Gegenstände, die für die Repräsentation des Ordens von Bedeutung waren. Neben vielen Schmuckgegenständen, die als Geschenke für Fürstinnen und andere vornehme Frauen dienen sollten, Tafel- und Prunkgerät der ver- schiedensten Art, wurden auch für die Kirchen und Kapellen in Marienburg selbst, sowie für andere Ordensburgen wertvolle Arbeiten hergestelltY* Fin allgemeines Bild von der damals tätigen Kunstfertigkeit entrollt Johannes Voigt in seinem Aufsatz: „Das Stilleben des Hochmeisters des deutschen Ordens und sein Fürstenhof“ im „Historischen Taschenbuch“, herausgegeben von Friedrich VON Raumer, 1. Jahrg. 1830, S. 167 — 253 (vergl. S. 239. 240). — Daß es sich in diesem Falle um etwas besonders kunstvolles handelt, geht daraus hervor, daß man bereits gleich nach der Fertigstellung das Werk mit einer Q Schutzhülle, einem „futer“, umgibt. Eine solche sorgfältige Behandlung wird an anderer Stelle auch zwei Wisenthörnern zuteil, die der Goldschmied reinigt I) 11, 450; 2) 9^ 16, z. 22—23; 3) 20, 122, Z. 18—21; 9 9, 286, Z. 20—25. o 65 und vergoldet; sie sollten als Ehrengabe dem Könige von Ungarn übersandt werden^). Hier wie dort soll das „futer^* dazu dienen, die wertvolle Arbeit vor äußeren Beschädigungen zu schützen. — Bei der Natterzunge, bezw. den Natterzungen, geht man sogar noch weiter. Man bringt sie, solange man ihrer nicht bedarf, in eine Lade, die der Kleinschmied mit Metallbändern versieht. So kann sie unter Verschluß auf bewahrt, vor dem Verstauben, vor neugierigem Auge und unberechtigter Hand gesichert werden. Zur Herstellung werden dem Meister einmal 15 m., ein zweites Mal 5 m., d. i. im ganzen 20 m. gereicht. Der Silberpreis beträgt in damaliger Zeit (1399) nach Th. Hirsch für 1 Mark Silber 2 m. bis 2 m. 6 sc. ^), nach einer Angabe des Marienburger Treßlerbuches 2 m und 7 sc. ^), wobei nach Vossberg 1 Mark (m.) etwa gleich 13 M heutiger Währung und 1 scot (sc.) gleich ^24 dq* zu setzen ist. Bereits 1404 ist der Wert der Gewichtseinheit für das Silber, die lotige Mark, auf 2 m. 8 sc. gestiegen und von diesem und dem nächsten^) Jahre an geht er mehr und mehr in die Höhe, so daß er für die Zeit von 1399 bis 1409 durchschnittlich auf 2 m. 8 sc. = 2'^/^ m. zu stehen kommt^). Wird dieser Wert in Rechnung gesetzt, so hat der Goldschmied 20 »Vt Mark lotig, d. i. rund 8,6 Mark lotig eingekauft. Dieses Gewicht stimmt mit dem in der Aufzeichnung gegebenen sehr gut überein, nach der der Meister 9 m. minus 8 scot lotig gegeben hat. Die beiden „Bäume“, von denen die Rede ist, wiegen zusammen lO^g niark lotig, so daß der Treßler die Differenz aus diesem und jenem Gewicht, also 10% — ~ Mark lotig „dorzu geben“ mußte. Feinsilber nach den Begriffen des 14. und 15. Jahrhunderts war solches, das „weiß aus dem Feuer geht“. Es war 15 bis 1572 lötig, da die damaligen chemischen Kenntnisse nicht ausreichten, eine vollständige Raffinierung herbei- zuführen. Unter lötiger Mark verstand man ursprünglich die Gewichtsmark im Gegensatz zur Münzmark. So heißt „mark lotig“ auch an dieser Stelle deshalb nur eine Gewichtsmark damaligen Feinsilbers. Der Zusatz „lotig“ hat mit dem Feingehalte des Silbers nichts zu tun. Es wurde vorausgesetzt, daß nur das reinste Metall, das man gewinnen konnte, in Frage kam, absichtliche Zusätze von unedlem Metall aber unterblieben. Erst später wurde der Fein- gehalt mehr und mehr herabgesetzt, und man gewöhnte sich, die Lötigkeit als Verhältniswert der Menge des zulässigen Zusatzes zum Feinsilber anzusehen®). Nach der Umrechnung von E. v. Czihak^ entspricht die alte preußische Mark Silbergewicht rund 190,60 g. Benutzen wir dieses Ergebnis als Aus- gangswert und rechnen die Beimengen auf Kupfer um, so ergibt sich für I51ötiges Silber das spez. Gew. 10,40, für 15V2lötiges 10,45, wenn das spez. Gew. des Kupfers gleich 8,90, das des Silbers gleich 10,50 gesetzt wird. Der Mittelwert für das Eigengewicht des damaligen Feinsilbers wäre demnach 10,425. Der schwere Baum der Notiz hätte bei 6 Mark lotig für heutige Ver- 1) 9, 467, Z. 8—11; 2) 14^ 10. 3) 9^ 7, z. 29. 30; 4) 25, 157, Z. 21. 22; 5) 14, 10; «) 14, 8. 9; 7) 14, 9. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 1. 6 5 66 liältnisse ein Gewicht von 1,144 kg: der leichtere von Mark lotig wöge dagegen 0,882 kg. Unsere heutige Silbermünze ist 900haltig, d. h. sie enthält auf 1000 Teile Legierung 900 Teile Silber und 100 Teile Kupfer. Von denselben Daten wie vorher ausgehend, ist ihr spez. Gewicht 10,34. Packt man die ehemaligen 20 Pfennig-Stücke, die rund einen Durchmesser von 1,6 cm hatten, aufeinander und denkt sich Prägung und Zähnelung des Randes fort, so würde bei dem Gewicht des ersten „Baumes“ eine Säule von 55,03 cm, im anderen Palle eine solche von 42,42 cm Höhe herauskommen. Für die Legierungsbedingungen in der lotigen Mark hätten sie die Maße von 54,62 cm und 42,10 cm. Denke man sich ferner die durch das Gewicht bekannten Silbermengen in Stabformen von dem gleichen Durchmesser! Was hier zunächst aufifällt, ist die deutlich hervortretende Verschiedenheit in der Länge, die rund 12,5 cm beträgt. Will man in den „Bäumen“ bloße Gestelle für Schmucksachen sehen, so ist nicht zu erkennen, warum sie ungleich lang angefertigt wurden. Wären sie dünner hergestellt, so kämen noch bedeutendere Unterschiede heraus. Und doch müßte das der Fall sein, denn der größte Haifischzahn, den es gibt, braucht derart dicke Streben nicht, um gehalten zu werden. Wenn wir bei dem Bilde bleiben, daß hier ein Gestell geschalfen wurde, welches den Zahn, auf der Brust ruhend, hielte, so ergeben sich weitere Schwierigkeiten. Es ist nur von zwei Bäumen die Rede, nicht aber von verbindenden Teilen. Da die Silbermenge in ihrem Gewichte genau gegeben ist, bliebe dann nur die An- nahme, daß die fehlenden Glieder aus einem anderen Material angefertigt wären. Bei der Bedeutung, die dem Werke durch seine Aufbewahrungart beigemessen wird, ist dann wohl anzunehmen, daß auch dieses wertwoll ge- wesen sein müßte. Dann wäre über seinen Preis aber mit Sicherheit eine Angabe in dem Rechnungsbuche zu erwarten gewesen. Außer der erheblichen Länge der Bäume, die bei 1,6 cm Dicke im Mittel 0,5 m beträgt, ist die Klärung der Frage wünschenswert, wie lang und wie schwer die größesten Glossopetren sein mögen. Sie stammen von Carcharodon megalodon Ag., und lagen mir in 2 Exemplaren vor, die gewogen und gemessen wurden. Gewicht Länge des Kronenteils Gesamtbetrag Fundort 171 ö* in cm Längsachse innen außen in cm Panama 324,5 8,2 S,i 11,6 Florida 272,5 7,6 8,1 10,6 Bei der Gewichtsangabe kommt es darauf au, wie viel von dem unteren, dem Wurzelteil, und wie viel von der Schmelzschicht erhalten geblieben ist ; ferner ist darauf zu sehen, aus was für einer Substanz der Zahn nunmehr be- steht, und welche anderen Veränderungen er noch im Laufe der Zeit erfahren 7 67 hat. Es handelt sich um Reste gewaltiger Tiere, deren Rachen nach E. Fraas^) etwa 1 m breit gewesen sein mochte, während ihre Länge bis zu 12 m betrug, so daß Oken^) sie sogar auf etwa 22 m schätzte. Nach einer Angabe von ZiTTEL^) erreichen die Zähne eine Höhe bis 15 cm und werden im Eocän bis Pliocän gefunden. Einen aus dem Pliocän von Malta bildet er ab. Selbst bei diesem äußersten Maße dürfte das Gewicht für jeden von ihnen nicht über 1 kg hinausgehen. Dieses ist aber nicht imstande, Silberstäbe von der be- rechneten Dicke ohne weiteres zu durchbiegen. Es liegt hier also entweder eine ganz plumpe Arbeit vor, was sich mit den Angaben über ihre Wertschätzung nicht in Einklang setzen lassen will, oder ein Schmuckstück von anderer Art, als es beim ersten Zusehen scheint. Bei den Fahrten zum heiligen Grabe werden wiederholt solche oder ähn- liche Zähne aus dem Tertiär der Küsten des Mittelländischen Meeres nach Deutschland und in die Hände von Deutschrittern gelangt sein. Mit diesen Fundstücken ist sicher gleichzeitig die Fabel von ihrer Wirksamkeit, wie sie sich durch die heilige Schrift belegen läßt, über das Festland von Europa nordwärts gewandert. Gegenstände aus der Fremde, die von heiligen Stätten stammen, eine Beziehung zum Christentum haben oder gar Heilkräfte besitzen sollen, werden bei dem damaligen Hang nachRaritäten und Naturseltenheiten gern mitgebracht. So erwähnt das Treßlerbuch zwei Pilger zu Montau, Kr. Marien- burg, „die von sente Jacob qwomen und dem homeister 1 Jaspis goben“'^); sie erhalten eine Gegengabe von 1 m. Dieser Halbedelstein ist meist ein dichter Eisenkiesel, den oxydische Eisenverbindungen rot, bzw. gelb und braun färben, teils auch ein durch die gleichen Beimengungen entsprechend gefärbter auskristallisierter Quarz. Die roten Kristalle trifft man bei San Jago di Compostella in Spanien (Oviedo in Asturien), in Gips und Aragonit einge- wachsen, an; sie werden als „Hyacinthen von Compostella“ bezeichnet (Brauns, Klockmann). Daß diesen Mineralen von dem berühmten Wallfahrtsorte ganz besonders segensreiche Kräfte innewohnen mußten, war wohl zu erwarten. Deshalb wird er nicht nur getragen, sondern auch in Pulverform und, auf Medikamente verarbeitet, innerlich verwendet. Das Danziger Arzneibuch vom Jahre 1668^) zählt deshalb unter seinen offizineilen pharmazeutischen Gegen- ständen auf: Hiacinth, Confect. Alkermes incomplet. de Hiacintho. Hiacynthen Confekt, Praepar. Hyacinthus. Zubereitete, d. h. präparierte und abgeriebene, Hiacinten, das Antimonpräparat: Antim. Yitri hyacinthini, sowie einen nahen Verwandten des Jaspis von teilweise ähnlicher Färbung, den CarneoH): Praep. Carneolus. Zubereiteter Carneol. — Mit dem Jaspis zeigt das Schlangenzünglein verschiedene Übereinstimmung im Sinne der mittelalterlichen Auffassung. Beide werden an heiliger Stätte gefunden und sind deshalb im Besitz erheblicher, wirk- samer Kräfte. Deshalb trägt man sie auch in der einen oder anderen Form oder verleibt sie sich in gepulvertem Zustande oder in Gestalt von Medikamenten ein. 1) 17, 224; 2) vergl. 10, 475; 3) 21, 52; ff 9, 320, Z. 20. 21; 0 4, 43. 63. 80. 93; 6) vgl. 22, 47—50. o" 8 68 Sicherlich hatte man in Malta bereits vor der Besitzergreifung durch den Johanniterorden den geheimen Sinn in diesen Versteinerungen gesehen. Als die Arzte in Preußen sie kennen lernten, und man von ihrer Wirksamheit hörte, suchte man im heimischen Boden nach ähnlichen Stücken. Besonders Ostpreußen ist wegen seiner anstehenden Tertiärbildungen be- kannt. Für eine Anzahl zutage tretender Schichten in dieser Provinz wie in dem andern alten Preußenlande ist es offenkundig, daß es sich nur um Schollen handelt, die zur Diluvialzeit von den Gletschern hierher verschleppt wurden^). Besonders die Schichten der Bernsteinformation, von der „Wilden Erde“ bis zum „Grünen Sande“, sind reich an Fossilresten. Nötling konnte aus diesen eine vielgestaltige und artenreiche Meeresfauna zusammenstellen. Für diese fand er 120 Arten; eine Zahl, die sich durch die von von Koenen ausgeführte Revision auf 152 erhöhte. Es werden 23 Vertreter der Wirbeltiere aufgeführt, die außer einer Krokodilform ausschließlich von Haien und Rochen gestellt werden^). Diese gefundenen Werte stimmen gut mit der Tatsache überein, daß Fischknochen in den Absätzen des Meeres sehr selten sind, während in denen der heutigen Tiefsee sich mitunter Haifischzähne und Gehörsteine in großen Mengen finden. Freilich ist hier meist nur der Schmelz erhalten und das Zahnbein durchaus zerstört und gänzlich aufgelöst, während die Funde in den tertiären Ablagerungen einheitliche Gebilde darstellen. Diese Unterschiede sind aber ohne erhebliche Bedeutung; man findet sie ähnlich auch bei fossilen und subfossilen Resten aus einer Zeit, die nicht so weit zurückliegt. Je nach der Lagerstätte zeigen sich die Hörner prähistorischer Rinder meist nur in ihren Knochenzapfen, dagegen seltener nur in ihren Hornscheiden erhalten. Bei den Studien des „Challenger“ wurden im Atlantischen Ozean zwei Haifischgattungen (Oxyrhina und Lamna) in 3380 bis 4450 m Tiefe angetroffen. Im Indischen Ozean fand man in einer Tiefe von 4754 m die Zähne zweier Gattungen (Carcharodon und Lamna), im Stillen Ozean in Tiefen von 4297 bis 4354 m Zähne mehrerer Gattungen (Carcharodon, Corax, Lamna u. a.^. Ferner wurden im Stillen Ozean aus 4297 m Tiefe mit einem einzigen Netzzug 250 Haifischzähne in die Höhe gefördert, aus einer Tiefe von 4354 m sogar 1500 Zähne ^). Wie häufig entsprechende Fossilreste in marinen Absätzen des Tertiärs sind, zeigt eine Angabe von E. Fraas^); nach ihr gelang es einem eifrigen Tertiärsammler, allein aus einem Steinbruch in Baltringen (Württem- berg), über 10 000 Zähne zusammenzubringen. Auch in Westpreußen sind die gemachten Funde nicht selten. Der Amtliche Bericht des Westpreußischen Provinzial- Museums^) macht in 26 Jahren Mit- teilung von 14 verschiedenen Funden, die teils dem Tertiär, teils auch der senonen und cenomanen Kreide zuzurechnen sind; in einem Falle wird als Eingang eine ganze Kollektion solcher Zähne aus Langenau erwähnt. Dabei geben diese Jahresberichte kein genaues Bild von allen tatsächlich gemachten 1) 19, 79. 85. 86; 2) 23, 50. 51; 3) iß, 120; 17, 223; ) 12 (1890), 6. 9 69 Funden. Verschiedene Angaben über sie sind durch die Literatur^) zerstreut; über andere wurde keine Mitteilung gemacht. Und doch finden sich noch yiele Stücke im Besitz von Sammlern, Liebhabern und Kindern, die sie wegen ihrer eigentümlichen Form, ihrer hohen Festigkeit und ihres Glanzes nicht herausgeben. Auch Zähne von ganz erheblicher Größe werden erwähnt, so sagt ßoCK^): „Einigemal hat man sie bis zween Zoll lang und an der Wurzel über einen halben Zoll breit ausgegraben/ Ein anderes Mal wurde mit einer Sammlung verschiedener Fossilien aus der Kiesgrube Waplitz, Kr. Stuhm, vom Westpreuß. Prov.-Museum^) auch ein Haifischzahn von 5 cm Basis und 4,5 cm Höhe erworben. Prof. Dr. Jaekel in Berlin, dem das Stück zur Bestimmung damals vorgelegt wurde, bestimmte ihn als einen Seitenzahn aus dem Oberkiefer von Carcharodon heterodon äg. aus dem Eocän. Ob die Schlangenzünglein, von denen die alten Wirtschaftsbücher sprechen, heimisches Material oder solches aus Malta behandeln, ist ungewiß. Jedenfalls waren die von dieser Insel herrührenden die begehrtesten, weil die Heilige Schrift unmittelbar auf sie hinwies. Doch auch die von den anderen Fund- orten waren von Bedeutung; das geht daraus hervor, daß die Verfasser von Arbeiten, die über sie handeln, in jedem Falle die bekannten Stellen, wo sie aufgelesen waren, herzählen, besonders wenn diese in der Nähe ihres Wohn- sitzes lagen. Wie mir scheint, kommt aber bei der Einschätzung dieser Fossil- reste noch eine weitere Bibelstelle in Betracht. Es ist das 4. Mosis 21, 4 bis 9. Es wird dort der Zug der Juden auf dem Wege vom Schilfmeer um der Edomiter Land geschildert. Hierbei wurde das Volk verdrossen und murrte wider Gott und Moses. Bestraft wurde es durch eine große Schlangenplage, die viele von ihnen dahinrafifte. In dieser Not bat es um Gnade, und Moses richtete das Bild einer ehernen Schlange auf, „und wenn Jemanden eine Schlange biß, so sah er die eherne Schlange an, und blieb leben“. Hier wirkt sie allein durch den entgegengebrachten Glauben. Wie weit dabei Heste von Schlangen- kulten mitspielen, ist für die Deutung der hier behandelten Goldschmiedarbeiten gleichgiltig. Auch die Heilungen, die der Hochmeister des Johanniterordens mit Hilfe seines wundertätigen Ringes vorgenommen haben soll, dürften im wesentlichen darauf fußen, daß einzig durch den Glauben die Wiederherstellung der Kranken möglich wäre. Freilich wird die Fabel von dem Schlangenbiß des Apostels ebenfalls ihre Bedeutung dabei haben. Ähnlich liegen die Ver- hältnisse bei den Rosenkränzen, die an den Seen Oberitaliens aus den Früchten der Wassernuß, Trapa natans L., hergestellt werden. Diese sind mit langen, kräftigen, schwach oder stärker gekrümmten Dornen bewehrt, die als Ver- ankerungsapparate in dem schlammigen Grunde der Gewässer Verwendung finden und die Betenden unwillkürlich an die Dornen in der Krone Christi erinnern. In der Benennung „Natterzunge“ liegt in der ersten zitierten Stelle nicht ein einzelner Zahn vor, sondern difr Gesamtbezeichnung für ein Gerät, das 0 vergl. 18, 12; 2) 5, 415; 3) 12 (1901), 11. 10 70 sakralen Zwecken diente und einen oder mehrere Fossilreste trug. Auf diese zweite Möglichkeit weist die spätere Notiz hin, die nur in der Pluralbe- zeichnung spricht. — Es muß sich um ein Kunstwerk handeln, das sich aus zwei Hauptteilen zusammensetzte, die beide verschieden stark ausgebildet waren und deshalb auch verschieden schwer sein konnten. Eine solche Arbeit liegt nach CziHAK^) in einem „das Muttergottesbild tragenden Baume, der als Stamm- baum Christi gearbeitet und mit versteinerten Flaifischzähnen behängen war“ vor. Er stützt diese Vermutung durch die Angabe, daß eine derartige Arbeit noch heute im Grünen Gewölbe zu Dresden und zwar im Silberzimmer unter Kat. Nr. 108 erhalten sei. Diese Auffassung scheint mir um so berechtigter, als von Künstlern die Wiedergabe dieses Motivs wiederholt in Zeichnungen, Malereien und sogar in Ornamenten der Keramik versucht wurde ^). Gewöhnlich ist der Stammvater Jesses im unteren Teile des Bildes dargestellt; aus seiner Brust steigen zu beiden Seiten Zweige, bezw. ,,Bäume^‘ heraus, die oben Zusammentreffen, um die Heilige Jungfrau zu bilden. Auf diese Weise wird sie von ihren sämt- lichen Vorvätern getragen. Bei dem erwähnten Erzeugnis der Keramik biegen • • sich die beiden Aste dabei derart zur Seite aus, daß sie den Kähmen zu einer weiteren religiösen Darstellung aus dem gleichen Material darstellen. Hieraus ergibt sich auch, daß die als Zierrat diesem Stammbaum angehängten Natter- zungen eine andere als die ursprüngliche Bedeutung haben mußten, z. B. als Symbole des Glaubens dienten. — Als Arbeitslohn für den Künstler zahlte der Orden je 1 m. für die Mark lotig. Man berechnete also die Arbeit nach dem Gewicht. Diese Art der Entlohnung würde unseren heutigen Künstlern erniedrigend verkommen, doch hinderte sie die Meister des Mittelalters nicht, unsterbliche Werke zu schaffen. Arbeiteten doch auch berühmte Maler oft derart, daß sie von ihren Gehilfen den mehr allgemeinen und rohen Teil hersteilen ließen, während sie sich selbst nur mit der Schaffung des Wesentlichsten, sowie mit dem Fertigstellen und Abrunden des so zustande Gekommenen abgaben. In ähnlicher Weise wird die Herstellung von Glasmalerei in früheren Zeiten nach dem Maße, etwa ,,spannenweise‘^ bezahlt^), wobei die Spanne rund zu 20 cm gerechnet wurde. Auch bei der Vergoldung unserer ,,Natterzungen‘‘ geht die Entschädigung von ähnlichen Gesichtspunkten aus; für die Mark lotig zahlt man ebenfalls 1 m. 1) 14, 2; 2) 13, 40; 3) 13, 62. 63. 11 71 Benutzte Literatur, geordnet nach der Zeit des Erscheinens. 1. Gesner, Conrad: De rerum fossilium, lapidum et gemmarum maxime, figuris et simili- tndinibiis über: non solum medicis, sed oinnibus rerum naturae ac philologiae studiosis, utiüs et jucundus futurus. Cum gratia et privilegio S. Caes. Maiestatis ad annos Vir. Tiguri 1565. S. 163. 164. 1 a. Gesner, Conrad: Historiae animalium über primus de quadrupedibus viviparis, Opus philosopliis, medicis, grammaticis, philologis, poetis, et omnibus rerum ünguarumque variarum studiosis, utiüssimum simul jucundissimumque futurum. Editio secunda novis iconibus nec non observationibus non paucis auctior atque etiam multis in locis emendatior. Francofurti 1603, S. 562. 569 — 572. 2. DE Laet, Joannes: De gemmis et lapidibus übri duo. Quibus praemittitur Theophrasti Liber de lapidibus graece et latine cum brevibus annotationibus. Lugduni Batavo- rum 1647. Vgl. Lib. 2, cap. 3 mit 6 Fig., S. 103 — 106. 3. Tolliüs, AdrianüS: Gemmarum et lapidum liistoria. Quam oüm edidit Anselmus Boetius de Boot, Brugensis, Rudolphi II. Imperatoris medicus. Postea recensuit; figuris meüoribus, et commentariis pluribus illustravit, et indice auxit multo locu- pletiore. Tertia editio longe purgatissima. Cui accedunt Joannis de Laet, Ant- werpiani. De gemmis et lapidibus libri II. Et Theophrasti über De lapidibus. gr. et lat. cum brevibus notis. Lugduni Batavorum 1647. Vgl. Lib* 2, cap. 168 mit 5 Fig., S. 340 — 342. 4. Designatio et valor, omnium materiaüum et medicamentorum, tarn simplicium^ quam compositorum, quae in officinis Gedanensibus reperiuntur et venduntnr. Verzeichnüß und Taxa aller Materialien und Artzneyen, so wol der Einfachen als zusammen gesetzten, welche in den Dantziger Apotheken zu finden seyn, und verkauffet werden. Dantzig 1668. 5. Bock, Friedr. Sam.: Versuch einer wirthschaftüchen Naturgeschichte von dem König- reich Ost- und Westpreußen. Zweeter Band, welcher das unterirdische Preussen, oder das Fossiüenreich dieses Landes beschreibet. Dessau 1783. 6. Naturaüenkabinet an die Hochberühmte Naturforschende Gesellschaft in Danzig ge- schenket von D. von Wolf. Danzig 1785. 7. Plinius Secundus, C. : Naturaüs historiae libri XXXVII. Recensuit et commentariis criticis indicibusque instruxit Julius Sillig. Vol. V. Accedit Appuleii qui fertur de remediis salutaribus fragmentum e codice Salmasiano nunc primum editum. Hamburgi et Gothae 1851. Vgl. Lib. 37, cap. 10, sect. 59; 164, S. 449. 8. Marshall, William: Neueröffnetes, wundersames Arzenei-Kästlein, darin allerlei gründ- liche Nachrichten, wie es unsere Voreltern mit den Heilkräften der Thiere gehalten haben, zu finden sind. Leipzig 1894. 9. Das Marienburger Treßlerbuch der Jahre 1399—1409. Auf Veranlassung und mit Unter- stützung des Vereins für die Herstellung und Ausschmückung der Marienburg her- ausgegeben von Archivrat Dr. Joachim. Königsberg i. Pr. 1896. 10. Grimm, Jakob und Wilhelm: Deutsches Wörterbuch. 9. Bd. Leipzig 1899. 11. Brehm, Alfred E. : Die Fische. Mit 146 Abb. im Text, 1 Karte und 11 Tafeln. Unter Mitwirkung von Wilh. Haacke neubearbeitet von Pechuel-Loesche. Leipzig und Wien 1900, S. 449. 450. 12 72 12. Amtliclier Bericht über die Verwaltung der naturhistorischen, archäologischen und eth- ffi nologischen Sammlungen des Westpreußischen Provinzial -Museums. Danzig 1890 Ij bis 1901 (XXII). I 13. Schmidt, Karl Eugen : Sevilla. Mit 111 Abb. Berühmte Kunststätten Nr. 15. E. A. ii SEEMANN-Leipzig 1902. |] 14. CziHAK, E. V.: Die Edelschmiedekunst früherer Zeiten in Preußen. I. Allgemeines. 11 II. Königsberg und Ostpreußen. Mit Unterstützung der Provinzial- Verwaltung und 1 der Stadt Königsberg von der Altertumsgesellschaft Prussia herausgegeben. Mit I 25 Lichtdrucktafeln und 17 Textabbildungen. Düsseldorf 1903. I 15. Diederichs, K.: Von Zauber- und Wundersteinen. Mit 6 Abb. Kosmos, Bd. 6, Heft 3, 1 1909, S. 74—77. 1 16. May, W. : Korallen und andere gesteinsbildende Tiere. Mit 45 Abb. im Text. Aus | Natur und Geisteswelt. Leipzig 1909. ' 17. Fraas, E. : Der Petrefaktensammler. Ein Leitfaden zum Sammeln und Bestimmen der 1 Versteinerungen Deutschlands. Mit 72 Tafeln und 139 Textfiguren. Stuttgart 1910. | 18. Sonntag, Paul: Geologischer Führer durch die Danziger Gegend. Danzig 1910. 19. Tornquist, A.: Geologie von Ostpreußen. Mit Titelbild und 71 Textabbild. Berlin 1910. ■■ 20. Das Ausgabebuch des Marienburger Hauskomturs für die Jahre 1410 — 1420. Mit Unter- stützung des Vereins für die Herstellung und Ausschmückung der Marienburg her- ; ausgegeben von Dr. Walther Ziesemer. Mit 1 Karte, Plan, Schriftproben und Wasserzeichen. Königsberg i. Pr. 1911. ^ 21. ZiTTEL, Karl A. von: Grundzüge der Paläontologie (Paläozoologie). Neu bearbeitet von Broili, F., Koken, E. und Schlosser, M. II. Abt. Vertebrata. München und Berlin 1911. 22. Pachinger, A. M. : Glaube und Aberglaube im Steinreich. München 1912. 23. Kaunhowen, F.: Der Bernstein in Ostpreußen. Jahrb. der Königl. Preuß. Geolog. Landesanstalt für 1913. Bd. 34, Teil 2, Heft 1. Berlin 1913. S.-A. S. 1 — 80. 24. Peters, Hermann : Die historisch -pharmazeutische und chemische Sammlung des Ger- manischen Nationalmuseums. Mit 39 Fig. Mitt. aus dem German. Nationalmus. Nürnberg, Jahrg. 1913. 25. Das Marienburger Konventsbuch der Jahre 1399 — 1412, Mit Unterstützung des Vereins für die Herstellung und Ausschmückung der Marienburg herausgegeben von Dr. Walther Ziesemer. Mit 2 Schriftproben und einer Karte der Marienburger Komturei. Danzig 1913. 26. Abel, Othenio: Die Tiere der Vorwelt. Mit 31 Abb. im Text. Aus Natur und Geistes- welt. 1914. 13 73 Bericht über die Tätigkeit der Elbinger Altertumsgesellschaft im Vereinsjahr 1913/14. Erstattet von ihrem Vorsitzenden, Professor Dr. R. DORR in Elbing. In der am 6. November 1913 abgehaltenen Generalversammlung wurde der bisherige Vorstand wiedergewählt. Folgende Vorträge wurden im Winterhalbjahr 1913/14 gehalten: 1. Professor Dr. Ehrlich: Über die im Sommer 1913 veranstaltete Aus- grabung auf dem Burgwall Lenzen. 2. Professor Dr. Dorr: Aus der Vergangenheit des Ostseebades Kahlberg. Dieser Vortrag ist später (1914) in erweiterter Gestalt im Verlag von C. Meissners Buchhandlung (C. Pedersen) im Druck erschienen. 3. Professor Dr. Müller: Blicke auf den Kulturstand der alten Pruzzen auf Grund des Elbinger Vokabulars. 4. Pfarrer Küssner: Die preußischen Litauer, ihre Sprache und ihre Sitten. 5. Rittmeister a. D. v. Schack: Die Entwickelung der bildenden Künste von ihren Anfängen bei den üreuropäern bis auf Raphael und Albrecht Dürer. 1 74 Nachforschungen. 1. Neolithische Periode. | Die Küchenabfallhaufen bei Tolkemit. i Hier batte ich am 19. bis 23. Juli 1898 eine umfangreiche Nachgrabung ausführen lassen, die eine große Ausbeute von neolithischem, vielfach ver- ziertem Scherbenmaterial, außerdem auch von neolithischen ßernsteinperlen lieferte, worüber ich in dem „Bericht über die Tätigkeit der Elbinger Alter- ! tumsgesellschaft in den Vereinsjahren 1894/1899“ in den Schriften der Natur- i forschenden Gesellschaft in Danzig, N. F. Band X, Heft 1, S. 96, 97 nähere | Mitteilungen machte. Ich untersuchte damals eine Stelle, etwa 2 km östlich von Tolkemit, am oberen Nordrande des Plateaus, Schweinelager genannt, wo das Plateau steil zum darunter liegenden Haffstrande abfällt. Am 6. April 1914 unternahmen nun die Herren Prof. Dr. Ehrlich und Prof. Dr. Müller einen Ausflug nach Tolkemit und entdeckten am Fuße des Plateaurandes, in der Nähe der Telegraphenstange 330, etwa unterhalb der von mir 1898 untersuchten Stelle, eine 30 cm starke Kulturader, die sich in einer Länge von etwa 3 m feststellen ließ. Hier sammelten sie eine Anzahl neolithischer Scherben, auch verzierte, darunter einen mit Schnurornament, I) ein Boden- und ein Pandstück. Eine genauere Untersuchung ist für später | in Aussicht genommen. 11 2. Hallstatt -Periode. | Hallstatt- und Bernsteinfunde am Burgwall Lenzen. Der ßurgwall von Lenzen, im Volksmunde „Hünenberg“ genannt, liegt j 700 m nordwestlich vom Westende des Dorfes Lenzen (Kreis Elbing) und ist | auf dem Endkopf eines zwischen zwei von Lenzen herabkommenden Schluchten ■ gelegenen schmalen Plateaurückens aufgebaut. Die Erbauer lehnten sich bei ; der Anlage dieser Befestigung genau an die vorhandene Örtlichkeit an, indem i sie nur an der Nord-, Süd- und Südostseite einen eigentlichen Wall aufschütteten, ! auf der Nordostseite der steilen Schluchtwand den Schutz des Werkes über- ! ! ließen und auf der Westseite nur die steile Böschung des Hügels verstärkten | und vervollständigten. Auf der Südostseite erheben sich aus der davorge- i lagerten Wiese zunächst zwei Terrassen, von denen die größere untere bogen- förmig gewölbt ist. Über der darüber liegenden steileren zweiten Terrasse steigt dann der mächtige Südostwall der Anlage steil auf^). 1) Eine gute Abbildung des hier in Rede stehenden Abschnitts der Burgwallanlage nach einer Photographie von Professor Dr. EuRLiCH-Elbing bringt Kafemanns Heimatkunde. Die Provinz Westpreußen in Wort und Bild. Teil II, Einzeldarstellungen. II. Aufl. 1915, S. 403. Der Yordergrund zeigt den nordwestlichsten Streifen der Wiese. Darüber erhebt sich die größere Terrasse, über dieser die kleinere, über der wiederum der steilabfallende Südostwall emporsteigt. Die dreifache Gliederung ist deutlich erkennbar. 2 75 Am 6. bis 8. Juli 1914 veranstalteten wir nun eine Ausgrabung auf den beiden Terrassen, die von mir und Herrn Professor Dr. Ehrlich geleitet wurde, um festzustellen, was zu vermuten war, ob die beiden Terrassen, ebenso wie der eigentliche Wall, von den ßurgwalleuten angelegt seien ^). Am 6. und 7. Juli wurde auf dem oberen Rande der untern Terrasse, da wo diese an die obere angrenzt, etwa mittenwegs zwischen den beiden Schluchten eine Fläche von 4,20 X 5,20 m Ausdehnung untersucht. Etwa in der Mitte dieser Fläche wurde in Tiefe von m eine unregelmäßige An- häufung einiger Kopfsteine bloßgelegt. Daneben und unter den Steinen lagen verschiedene Hallstattscherben, um die Steine herum zahlreiche Holzkohle- stückchen, auch ein Stück Bernstein kam zum Vorschein. 2,50 m seitwärts lag ein größerer Stein, um ihn herum wiederum Holzkohlebrocken und ver- zierte und sehr zahlreiche unverzierte Hallstattscherben. Der ganze Befund zeigt, daß man es mit einer künstlichen Aufschüttung zu tun hat, durch welche die Burgwalleute ein Vorterrain zum Burgwall schufen und in welches auch Trümmer der alten Hallstattansiedelung gerieten. Die Ausgrabung wurde bis ca. 1 m Tiefe fortgeführt, ohne daß der gewachsene Boden zum Vorschein kam. Das nämliche war der Fall in der Stelle, die wir am 8. Juli untersuchten. Sie war 2 m lang, 1 m breit und wurde lYa Ri tief ausgehoben, ohne daß der gewachsene Boden erreicht wurde. Diesmal galt die Untersuchung der zweiten höheren Terrasse. Die untersuchte Stelle lag an deren obern süd- lichen Rande. Auch hier fand sich bei Yg Tiefe eine Anzahl Steine in unregelmäßiger Lage, um sie herum Holzkohlebrocken, gerauhte und unver- zierte Hallstattscherben und, was besonders wichtig ist, in größerer Menge Knollen rohen Bernsteins. Die Funde erwiesen, daß auch die zweite höhere Terrasse von den Erbauern des Burgwalls künstlich aufgeschüttet ist. Von gebrannten Menschenknochen fand sich auch hier keine Spur, so daß die An- nahme, es könnte sich um ein mehr oder weniger zerstörtes Steinpackungs- grab der Hallstattzeit handeln, in dem die Bernsteinstücke Grabbeigaben wären, gänzlich ausgeschlossen ist. Die Scherben rühren von den verschie- densten Gefäßen her. — Die Hallstattsclierbenfunde Y« Es muß ausdrücklich konstatiert werden, daß bei den Nachforschungen vom 6. bis 8. Juli 1914 kein einziger Burgwallscherben zutage gekommen ist, 1) Über diese Ausgrabung’ berichtete Herr Prof. Dr. Ehrlich in der Sitzung der Elbinger Altertumsgesellsehatt am 11. Dezember 1914. Dieser Bericht ist abgedruckt in den „Eibinger Neuesten Nachrichten vom 24. Februar 1915, Nr. 54, erstes Beiblatt.“ 2) Mit der Bezeichnung „Hall stattscherb en“ werden hier diejenigen vorgeschicht- lichen Scherben benannt, welche von Gefäßen*^der Elbinger Hallstattzeit herrühren. 3 76 während bei der Ausgrabung im Jahre 1913 im nördlichen Wallinnern bei einigen Herdstellen nur Burgwallscherben zum Vorschein kamen ^). Um die vorgeschichtliche Bedeutung der im Juli 1914 am Lenzer Burg- wall gemachten Hallstattscherbenfunde klarzustellen, muß ich hier auf die bis- herigen Untersuchungen unserer Gesellschaft an diesem Burgwall noch einmal in Kürze zurückkommen. Die erste Untersuchung unserer Gesellschaft auf dem Lenzer Burgwall fällt ins Jahr 1885. Im Sommer dieses Jahres veranstaltete ich dort an mehreren Stellen Ausgrabungen^). Ich fand zahlreiche Hallstattscherben, deren Zeitstellung ich damals allerdings noch nicht richtig erkannte. Die auf dem Yorgelände rings um den eigentlichen Burgwall gesammelten und aus gegrabenen Scherben waren Streufunde, bis auf eine Stelle. Was ich in der genannten Abhandlung S. 152 schrieb, gilt noch heute: „Auf dem ursprünglichen Hügel hatte bereits vor Anlage des Burgwalls eine heidnische Ansiedlung bestanden. Die von dieser herrührenden Haufen älterer Scherben wurden durch den Bau des Walls über das ganze Wall- und Vorterrain zerstreut, wo sie noch heute, teils oberflächlich, teils tiefer ge- funden werden; nur die unter der Sohle des südwestlichen Eingangs gefundenen älteren Scherben dürften noch in ursprünglicher Lage gewesen sein und den letzten Rest eines Abfallhaufens der älteren Ansiedlung ausgemacht haben.“ Es folgten nun die Steinkistenfunde auf dem Kämmereisandlande 1886^) und auf Neustädter feld 1886 und 1887^), durch die wir sicheres Urnen- und Scherbenmaterial aus der Elbinger Hallstattzeit erhielten. Durch Vergleichung mit diesem ließen sich nun auch die älteren Scherbenfunde vom Burgwall Lenzen aus dem Jahre 1885 als der Elbinger Hallstattzeit angehörig sicher erweisen, und die einstige dortige ältere Ansiedlung rückte in die vorchristliche Zeit (3. bis 4. Jahrh. v. Chr.). Dieses Resultat wurde glänzend bestätigt durch die Untersuchungen der Jahre 1894 und 1897, die an der nordwestlichen Außenböschung des Walles eine ursprüngliche Kulturschicht der Hallstattzeit bloßlegten. Durch diese Nachforschungen wurde das beweiskräftige Scherbenmaterial der Elbinger Hall- t l 1) Bericht über die Tätigkeit der Elbinger Altertumsgesellschaft in den Yereinsjahren ; 1900 bis 1913. Schriften der Natur forschen den Gesellschafc in Danzig. N. F. XIV. B., 1. Heft, S. 30, 31. 2) Diese sind in einer umfangreichen Abhandlung nebst zwei Tafeln mit einer Ansicht und einem Grundriß des Burgwalls nebst Abbildungen der wichtigsten Scherbenfunde ver- öffentlicht in den Schriften der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig. N. F. Sechster . Band. Danzig 1884 — 1887. Kommissions-Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig unter ^ dem Titel: Der Burgwall bei Lenzen von Professor Dr. Dorr, Elbing. Mit Tafel III und IV. ; S. 142—154. 3) Bericht der Elbinger Altertumsgesellschaft 1886/87 in Schriften der Naturf. Ges. zu Danzig. N. F. VII. B. 1. Heft, S. 22, 23. 4) Bericht der E. A. G. 1887/88 in Schriften d. N. G. z. D. N. F. VII. B. 2. Heft 1889, S. 4—6. 4 77 Stattzeit am Lenzer Burgwall in einem von den Burgwalleuten nicht berührten Teil des alten Hügels durch sehr charakteristische neue Stücke vermehrt^). Welches sind nun die charakteristischen Merkmale der Keramik der Elbinger Hallstattzeit? Ich stellte bereits 1893 sechs solcher Merkmale auf unter Hinweis auf ihr Vorkommen auch bei ostpreußischen Hallstatturnen ^). Es sind folgende; „1, Die Fingernageleindrücke, die an neolithischen Gefäßen nur auf dem Rande Vorkommen, sich bei unsern Steinkistenurnen jedoch, wie in Ost- preußen, an den äußern Wandungen vorfinden, öfters kombiniert mit Eindrücken der Fingerspitzen; letztere kommen auch allein vor. 2. Die kleinen Öhrenhenkel. Daneben kommen allerdings auch weiteHenkel vor. 3. Vertikal durchbohrte Knöpfe statt der Henkel. 4. Der gewöhnlich senkrecht oder fast senkrecht aufsteigende, glatt ab- geschnittene Rand. 5. Ein die größte Bauchweite, da wo der Hals beginnt, umgebender relief- artiger Wulst, gekerbt oder mit Eindrücken der Fingerspitzen verziert. 6. Ein weiteres Merkmal unserer Hallstatt -Typen ist die absichtliche Rauhung, welche ornamental erscheint, wenn mit den ein wenig gespreizten Fingern in schräger Richtung, oder senkrecht parallele breite Furchen in die mit dickem Granitgrus durchsetzte, zur Rauhung aufgetragene Tonmasse ge- zogen sind. Tischler nennt dies „mit den Fingern grob verstrichen, so daß man deren Eindrücke deutlich verfolgen kann“. Von diesen Merkmalen befindet sich in den am Lenzer Burgwall 1914 ausgegrabenen Scherbenmaterial zunächst Nr. 1. An zwei Scherben erblickt man die Eindrücke der Fingerspitzen, an einem dritten schräg gestellte, parallele Fingernageieindrücke auf dem Rande. Dann erscheint Nr. 2, kleinere und weitere Henkel. Nr. 4 kommt an einer ganzen Anzahl von Randstücken vor. Nr. 6 absichtliche Rauhung der Außenseite ist wohl an der Hälfte sämt- licher Stücke vorhanden. Bei Randstücken reicht die zur Rauhung auf- getragene, mit gröberem Granitgrus gemengte breiartige Tonmasse teils bis zum Rande, teils bis in die Nähe desselben. Einige Scherben müssen hier noch besonders besprochen werden; Da ist zunächst ein Randstück, das das Fragment eines Siebes ist. Der Scherben ist 6 cm lang, 3 cm breit, der Rand horizontal glatt abgeschnitten, 0,9 cm breit. Auf der Fläche von 18 cm befinden sich 33 runde Durch- lochungen von 4 — 5 mm Durchmesser, die bis unmittelbar an den Rand hinan- reichen. Farbe hellbraun. Ein Fragment eines Tonsiebes war auch 1894 in der Kulturschicht aus der Hallstattzeit an der nordwestlichen Außenböschung des Walles gefunden worden. 1) Berichte der E. A. G. in Schriften d. N. G. z. D. N. F. B. IX. Heft 1, 1895, S. 58—62; und N. F. B. X, Heft 1. 1899, S. 99, 100. 2) Übersicht über die prähistorischen Funde im Stadt- und Landkreise Elbing von Prof. -Dr. R. Dorr. Beilage zum Programm des Elbinger Realgymnasiums. Ostern 1893. S. 27. 5 78 Ein 0,12 cm dicker Scherben, 7 X 5,5 cm, außen glatt, innen ganz wenig konkav, also vielleicht von einer plattenförmigen Schale herrührend, die Außen- seite hellbraun, die Innenseite schwärzlich, zeigt auf der nur stellenweise ein wenig gerauhten Außenseite folgendes Ornament: Gruppen von 3 — 4 feinen parallelen, geradlinigen Ritzungen schließen drei- und viereckige Felder ein. Eine ganz ähnliche Strichzonenverzierung findet sich auf der Oberfläche des. Stöpseldeckels einer 1887 auf Neustädterfeld bei Elbing aufgedeckten Stein- kistenurne ^). Solche Verzierungen kommen auch auf einer Anzahl von Hall- statturnen des Kulmer Landes, die sich im städt. Museum in Thorn befinden, vor^). Der interessanteste Scherben ist ein Randstück, 4,5 cm hoch, 3 cm breit, gelbbraun mit schwärzlichen Stellen, außen und innen geglättet. Von einem Stück des noch erhaltenen Bauchrandes steigt der schwach nach innen ab- gesetzte, 3 cm breite Hals steil auf, der Rand ist ganz wenig nach außen umgebogen. Auf dem Bauchrande sitzt ein fast kreisrunder Knopf, Durch- messer 1,7 X 1,2 cm, 0,3 cm dick, in der Mitte ein wenig eingebogen. Dieser Knopf auf dem Bauchrande ist ein ganz sicheres Zeichen der Hallstattzeit._ Wir besitzen im Museum eine große Hallstatturne aus Rosenau, Kreis Kulm,, mit 2 solchen Knöpfen auf dem Bauchrande ^). Im städt. Museum in Thorn befindet sich eine ganze Anzahl von Hallstatturnen mit solchen Knöpfen aus dem Kulmer Land^). Die vorstehend besprochenen Scherbenfunde gehören sicher der Hallstatt- zeit an. Wie steht es nun aber mit jenen Scherben, die weder verziert, noch gerauht, noch Randstücke sind, da doch im Wallkessel früher zu verschiedenen Malen und noch 1913 Burgwallscherben, auch unverzierte, gefunden worden sind; lassen sich die unverzierten Hallstattscherben von den unverzierten Burgwallscherben sicher unterscheiden? Diese Frage muß unbedingt bejaht werden. 1. Auch ganz unverzierte Burgwallscherben tragen das untrügliche Kennzeichen der Flerstellung auf der Drehscheibe, nämlich die fadenfeinen horizontalen, parallelen Erhöhungen und Vertiefungen, welche bei Anwendung der Drehscheibe die feinen Furchen der Fingerspitzen an der Gefäßwand her- vorbringen®). Die unverzierten Hallstattscherben zeigen dieses Merkmal nie;: 1) Abgebildet in Prof. Dr. Dorr: Die jüngste Bronzezeit im Kreise Elbing. Oster Programm 1902 der Oberrealschule zu Elbing, Abb, 9. -) Nach Mitteilung von Herrn Prof. Semrau, Kustos des städt. Museums in Thorn. Vergl. Führer durch die Sammlungen des Städtischen Museums zu Elbing von Prof.. Dr. Dorr, Elbing 1903. S. 16. Nr. 1. h Nach Mitteilung von Herrn Prof. Semrau. 5) Die Randstücke der Hallstattscherben können mit Randstücken von Burgvvallscherben. nie verwechselt werden, da die letztem stets einen stark umgebogenen und scharf profilierten Rand haben. 6) Ich habe auf dieses ganz sichere Kennzeichen auch unverzierter Burgwallscherben bereits 189-1 nachdrücklich hingewiesen in Dorr: Übersicht usw. II. Teil, Realgymnasial- programm 1894, S. 77. 6 79 wenn sie keinen rauhen Bewurf haben, sind ihre Wandungen im Gegenteil sorgfältig geglättet. 2. Die Hallstattgefäße sind bedeutend schwächer gebrannt, auch die stärker gebrannten Gebrauchsgefäße noch immer weit weniger, als die Burgwallgefäße. 3. Der Ton der Hallstattgefäße ist viel feiner und sorgfältiger geschlämmt, sie fühlen sich infolgedessen, auch weil sie noch besonders geglättet sind, weich an. 4. Dem Ton der nicht gerauhten Hallstattgefäße ist fein zerstoßener Granit’ grus, namentlich Glimmerplättchen, beigemischt, die aus der glatten Gefäß- wand förmlich hervorleuchten, während der Ton der Burgwallgefäße mit grob- körnigem Sand vermengt ist, dessen Körner au der Gefäßwand noch z. T. hervorragen, so daß diese sich stets rauh an fühlt. Eine Verwechslung der beiden Arten von Scherben ist daher völlig aus- geschlossen, ebensowenig darf man sagen, wo sich unverzierte vorge- schichtliche Scherben vorfinden, es bleibe ungewiß, welcher der beiden genannten vorgeschichtlichen Perioden sie angehören. Die Bernsteinfuiide. In der zuerst untersuchten Stelle fand sich nur ein Stück dunkelroten rohen Bernsteins von 20 g Gewicht und einer Verwitterungsschicht von H/g mm Dicke. In der zweiten Stelle dagegen kamen bis zur untersuchten Tiefe von durchschnittlich 1 bis IV2 ni zerstreut, in der Nachbarschaft von gerauhten und unverzierten Hallstattscherben, eine ganze Anzahl von Knollen rohen dunkel- roten Bernsteins zum Vorschein, und zwar 12 größere, 14 mittelgroße und 40 kleinere Stücke. Von den 12 größeren Stücken hatten die vier größten ein Gewicht von 73 g, 35 g, 32 g, 30 g, dann 5 von je 20, 3 von je 15 g. Das Gesamtgewicht dieser 66 Stücke beträgt 450 g. Die Verwitterungsschicht wechselt zwischen Yg bis 2 mm Dicke. Ein mittelgroßes Stück von 10 g Gewicht zeigt in der Mitte eine 5 bis 7 mm dicke Schicht weißlichen Bernsteins. Da die Bernsteinstücke ausschließlich zusammen mit Hallstattscherben in dem aufgeschütteten Erdreich der zweiten Terrasse gefunden wurden, so rühren auch sie von Überresten der einstigen alten Hallstattansiedlung her, die auf dem Hügel lag, über welchem anderthalb Jahrtausende später von den Esten der Burgwall von Lenzen aufgeschüttet wurde. Diese Tatsache ist aber von hoher kulturgeschichtlicher Bedeutung. Schon bei meiner ersten Untersuchung des Burgwalls (1885) fand ich in der alten Kulturschicht unter der Sohle des südwestlichen Eingangs mehrere Stücke rohen Bernsteins^). Bei einer Grabung im Jahre 1892 im südlichen Wallinnern kamen zusammen mit Hallstattscherben einige Bernsteinstücke zum Vorschein^). 1) Dorr, Der Burgwail bei Lenzen S. 150. 2) Bericht der E. A. G. in Schrft. d. N. G. z. D. N, F. VIII. Bd. 3. Heft, S. 183, 7 80 Noch reichere Ausbeute an Rohbernstein ergab die Untersuchung der alten Kulturschicht aus der Hallstattzeit au der nordwestlichen Außenböschung des ßurgwails im Jahre 1894^). Von den Leuten im Dorfe Lenzen erfuhr ich bereits 1885, daß Arbeiter aus dem Dorfe gelegentlich am Burgwall ge- radezu auf die Bernsteinsuche ausgegangen wären. Die Ausbeute soll häufig eine sehr lohnende gewesen sein. Dies war sicher dann der Fall, sobald jene Bernsteinsucher eine solche Stelle antrafen, wie es die zweite von uns im Sommer 1914 untersuchte war. Dieser letzte reiche Fund (1914) aber zu- sammen mit den früheren machen es sehr wahrscheinlich, was ich bereits 1895 a. a. 0. aussprach, „daß hier ein Stapelplatz für den Bernsteinhandel zwischen dem Samlande und der Ansiedlung bei Elbing in der Hallstattzeit gewesen ist“. „Das häufige Vorkommen von Rohbernstein in der Hallstätter Kulturschicht und in den von den Burgwalleuten ausgeführten Aufschüttungen auf dem Lenzener Burgwallterrain ist daher darum so wichtig, weil es ein sehr beweiskräftiges Argument abgibt für das Vor- handensein einer Bernsteinhandelsstraße um den Drausensee herum längs dem Haffstrande nach dem Samlande bereits in der Hall- stätter Zeit.“ Die Funde von Bronzen der Hallstattzeit in West- und Ost- preußen weisen ebenfalls deutlich auf diese Handelsstraße, worauf ich an anderer Stelle erst kürzlich erneut hingewiesen habe^). 3. Römische Periode. Herr Hofbesitzer TEUCHERT-Gr. Wickerau, Kr. Elbing, schenkte unserer] vorgeschichtlichen Sammlung unverzierte Scherben einer Urne, die, gefüllt mit] gebrannten Knochen, in der Nähe seines Gehöfts beim Suchen von Steinen] zum Vorschein gekommen war, und eine defekte bronzene Armbrustfibel mit umgeschlagenem Fuß und knieförmigem Bügel, die sich in derselben Urne befand. 4. Die Ruine Vogelsang auf der Frischen Nehrung. In der Nummer 30 der „Elb. Neuesten Nachrichten“ vom 31. Januar 19141 stand die Notiz, daß infolge der letzten großen Sturmflut bei Vogelsang auf’ der Frischen Nehrung eine dicke Mauer ausgespült worden sei, die aufi der Vordüne in nächster Nähe des Strandes stehe. Die Mauer sei Yg dick J und müsse von beträchtlichem Alter sein, da sie aus handgestrichenen Ziegeln erbaut sei. Da auf der Nehrung die Sage gehe, es habe dort früher eine alte Burg gestanden, so glaube man jetzt vielfach, die nun gefundene Mauer, sei ein Überrest jener alten Burg. 1) Schrft. d. N. G. z. D. N. F. B. IX. Heft 1, 1895, S. 61. 2) Der Bronzedepotfund von Lindenau (Kr. Marienburg) von Prof. Dr. R. Dorr in Mit- 1* teilungen des Coppernicus-Vereins für Wissenschaft und Kunst zu Thorn. 21. Heft, Nr. 1, 1913. S. 12—14. 8 81 Ich wandte mich an Herrn Amtsvorsteher WiCHT-Kahlberg und bat ihn um nähere Nachrichten über den Yogelsanger Fund. Herr Wicht begab sich darauf am 13. Februar nach Vogelsang zur Besichtigung der Fundstelle. Er schrieb mir darüber unter dem 15. Febr. folgendes: „Dort angekommen, fand ich nur noch lose, zerbrochene Ziegelreste vor. Die zum Vorschein gekommene Mauer ist von der inzwischen nachgestürzten Sanddüne wieder ganz verschüttet worden. Die Fundstelle liegt etwa 80 m westlich von „Helings Seeweg“ entfernt. Nach der Angabe von Augenzeugen soll die seinerzeit ausgespülte Mauer etwa 2 Steine stark gewesen sein und der Verlauf derselben von NW. nach SO. zeigen. Der untere Abschluß der Mauer- reste steckte etwa 2 m über der Strandoberfläche in der abgestürzten Dünen- wand; die Mauer selbst war etwa 2Yg hoch.“ Um eine eigene Anschauung der Fundstelle zu gewinnen, besuchte ich am 12. Juni von Liep aus Vogelsang. Ich fand dort 100 Schritte westlich von Helings Seeweg (etwa 80 m, wie Herr Wicht angibt), am Fuß der Düne, wo der flache Strand sie berührt, zahlreiche Bruchstücke von Ziegeln, aber auch ganze Ziegel. Diese Stelle war mir von Fischern, die ich am Strande traf, als der Ort der einstigen, nunmehr von der nachstürzenden Düne wieder verschütteten Mauer bezeichnet worden. So hatte ja auch Herr W. die Stelle gesehen. Meinen Fuhrmann hatte ich mitgenommen, und mit Hilfe der Stahl- sonde entdeckten wir etwa iVg — ^ m über der Strandebene in der Dünen- wand einen noch zusammenhängenden Mauerblock, von dem wir mit großer Mühe, da beständig loser Dünensand von oben herabrieselte, eine horizontale Fläche von ca. 1 m^ freilegten. Der Block war 2 bis 3 Ziegellagen dick, im Ziegelverband der frühen Ordenszeit (14. Jahrh. n. Ohr.), je ein Läufer und ein Kopfstein in den Steinlageu an den Sichtflächen abwechselnd. Da dar- unter kein Fundament, auch der Kalkverband der untern Ziegellage bereits fast ganz zerstört war, kann es sich dort wohl nur um einen seewärts abge- stürzten Mauerblock handeln, die eigentlichen Mauerreste müssen sich dagegen weiter südwärts unter der hohen Stranddüne befinden und waren nicht zu er- reichen. Die Ziegel waren mittelgroß, mit der Hand gestrichen (28 cm lang, 12 cm breit, 8 cm dick). Die Entfernung von der Wasserlinie der See betrug 60 Schritte. Der Mauerblock wurde nach der Untersuchung von mir ganz unberührt gelassen. — Mit der Zeitstellung (Zeit des Deutschen Ordens, Mitte des 14. Jahr- hunderts) der von mir am 12. Juni 1914 an der Stranddüne von Vogelsang besichtigten Mauerreste stimmen dort gemachte Funde überein, die Dr. Anger 1874 an der Buine Vogelsang sammelte Y* Es befinden sich darunter ver- schiedene gebleichte Knochen, zwei starke Feuersteinsplitter, die auf Abfall von Bearbeitung deuten und, was das wichtigste ist, Gefäßscherben, die nicht Sie sind iin städt. Museum in zwei Zigarrenkisten auf bewahrt, tragen die Katalog- nummer 49 und hinter derselben die Bezeichnung: „Ruine Vogelsang auf der Frischen. N ehrung.“ Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 1. 9 6 82 heidnisch, wohl aber ordenszeitlich sind und aus dem 14. Jahrhundert her-; rühren. Es sind darunter Füße von Tiegeln, Knöpfe von Topfdeckeln, man findet die spätere Rillenverzierung, den profilierten, z. T. noch scharf um- gebogenen Rand der Gefäße und den klingend harten Brand. Sie sind sämt- lich unglasiert, teils hell-, teils dunkelgrau, teils gelbrötlich von Farbe. Dem Ton ist Sand beigemischt. Das Fragment eines Henkels ist auch darunter. Sichere Spuren der Herstellung auf einer bereits schneller rotierenden Dreh- scheibe sind unverkennbar vorhanden. Darauf, daß diese Keramik der Ordens- zeit in Altpreußen aus der heidnischen Burgwallkeramik hervorgegangen ist, habe ich vor kurzem an einer andern Stelle besonders hingewiesen ^). Dort wird auch eine charakteristische Stempelverzierung an diesen Tongefäßen der Ordenszeit erwähnt. Sie besteht aus einem Bande kurzer, sehr regelmäßiger • • Yertikalgruben, das am Übergänge des Bauchs in den Gefäßhals horizontal] um die äußere Gefäßwand herumläuft. Diese Gruben werden in gewissen Abständen durch ein stehendes, erhabenes Kreuz in Gruppen gesondert. Unter den von Anger an der Ruine Vogelsang gesammelten Scherben ist nun ein größerer Scherben vorhanden, der diese Verzierung zeigt. Der unglasierte hellgraue Scherben zeigt den stark umgebogenen Rand, eine stark ; hervortretende Profilleiste am Zusammenstoß von Bauch und Hals, darunter drei breite, flach muldenförmige Gurtrillen, darunter die genannte Gruben- verzierung, die eine Unterbrechung zeigt, die nicht durch ein stehendes Kreuz, sondern durch drei schräggestellte Vertiefungen gebildet wird, dann folgt bereits auf der Bauchfläche die spätere Rillenverzierung. Daran, daß die ANGERSchen ■ Scherben aus der Ordenszeit stammen, ist nicht im mindesten zu zweifeln^).; Unter den Knochen befinden sich Zähne vom Rind, außerdem nach dem Urteil j des Herrn Prof. Dr. Müller -Elbing Unterbeinknochen und ein Unterkiefer und Zähne vom Hirsch. Über die ÄNGERschen Funde an der Ruine Vogel- sang findet sich in dem Sitzungsprotokoll der Elb. Altertumsgesellschaft vom 5. November 1874 ein von Anger eigenhändig niedergeschriebener Bericht — er war damals Schriftführer der E. A. G. — den ich hier mitteile: „Darauf erstattete der Unterzeichnete Bericht über .... Die Besichtigung der auf der Frischen Nehrung bei Vogelsang liegenden Ruine .... Von der Richtigkeit der SCHUMANNSchen Angaben hat der Unterzeichnete sich über- zeugt. Zwar sind die Mauerreste mit Sand überdeckt, aber noch liegen viele l Topfscherben, Knochen, Zähne und auf der Nehrung sonst sich nicht findende Feuersteine umher, von welchen er mehrere mitnahm und der Gesellschaft ä 1) In der Abhandlung über „Das vorgeschichtliche Gräberfeld von BankensteiiirFreiwalde,. Kr. Elbing (700 — 1150 n. Chr.) von Prof. Dr. R. Dorr“ in den Mitteilungen des Coppernicus- Vereins für Wissenschaft und Kunst zu Thorn. 22. Heft. März 1914:, Nr. 1, S. 22, 23. 2) Bewiesen wird dies zunächst durch die unmittelbar erfolgte Weiterentwickelung der J| Form und V erzierung aus der Technik der heidnischen Burgwallgefäße. Ein gesicherter f \ geschichtlicher Beweis läßt sich ferner erbringen aus den 1914 im Baugrunde des Löwenthal- | sehen Neubaues (Wasserstraße) gemachten überaus reichen Gefäßfuiiden, was weiter unten | ausführlicher auseinandergesetzt ist. 10 83 vorlegte. Zugleich erfuhr er von dem Schiffer Popall, daß in der See Mauerreste sich befänden, welche nicht selten den Fischernetzen gefährlich würden, daß vor vielen Jahren in der Ruine Münzen, silberne Ketten, Angeln und dergl. gefunden seien, ja daß derselbe in vergangenen Jahren an dem Orte nachgegraben habe, um dort einen Kasten mit Geld zu finden, welcher, wie die Leute sagten, sich dort befinden müsse und dessen Schlüssel sich in Frauenburg befände. Alle Nachforschungen, welche Unterzeichneter über die Zeit der Gründung sowie über die Zeit und nähern Umstände der Zerstörung des Baus angestellt, haben zu keinem erheblichen Resultat geführt . . . gez. Anger. Hiermit komme ich zu den noch früheren, auch in Angers Protokoll erwähnten Nachrichten über die Ruine Vogelsang. Oberlehrer Schumann- Königsberg hatte sie bereits 1858, also 16 Jahre vor Dr. Anger, besucht und weit mehr von der Ruine als dieser gefunden^). Er fand auf einer Strecke von etwa 300 Schritten Mauerreste von einem oder mehreren Gebäuden. Sie standen mindestens vierzig Fuß über dem Spiegel der See und waren 80 — 100 Schritte vom Strande entfernt. Stark- gekrümmte Dachpfannenstücke von Y4 Zoll Dicke wiesen darauf hin, daß die Gebäude mit sogenannten Mönchen und Nonnen gedeckt gewesen. Dabei faust- große, eckige Stücke Granit und grober Mörtel. Umherliegende Knochen konnte er nicht deuten, wohl aber erkannte er in den Zähnen die des Edel- hirsches und fand eine Schuppe, die einem mächtigen Stör angehört hatte. Hellgelbe und dunkle Tonscherben mahnten an die grobe Töpferarbeit der alten Preußen, doch fehlte ihnen der beigemengte Grand. Ein großes Stück mit einem Henkel mag einem Kochtopfe angehört haben. Eine aufgefandene Tonkoralle konnte er von einer altpreußischen nicht unterscheiden. Auch fand er mehrere scharfkantige Feuersteine, die ebensowenig wie die Granitstücke dem Strande entnommen sein konnten, da hier der Strand steinlos sei. Sein Begleiter sagte ihm, daß er vor einigen Jahren mit seinem Bruder hier ge- graben und Mauern von 3 Fuß Dicke gefunden habe, auch ein leeres Gewölbe von etwa 8 Fuß Länge, 4 Fuß Breite, 9 Fuß Höhe. Die Ruine sei übrigens bereits halb von der See verschlungen. Wenigstens liege der Begräbnisplatz schon in der See. Bei heftigen Stürmen würden aus ihm Leichname aufge- wühlt und an den Strand geworfen. An ihrer Tonsur erkenne man, daß es Mönche gewesen. Man habe mancherlei Dinge gefunden, namentlich Geräte von Messingblech, auch seien die großen Stecknadeln, die daselbst zerstreut angetroffen würden, von demselben Metalle. Vor nicht langer Zeit seien noch tüchtige Mauern zu sehen gewesen, die jetzt der Dünensand begraben habe. Endlich muß ich hier noch über den allerneuesten Fund an der Ruine Vogelsang berichten, den Herr Professor Dr. MÜLLER-Elbing in der zweiten Hälfte des Mai 1915 (in den Pfingstferien) dort gemacht hat. Er fand an 9 Schumann, Geologische Wanderungen durch Altpreußen. Königsberg 1869. S. 39 — 41. 11 g5|< 84 der von mir besuchten Stelle die auch von mir gesehenen und oben erwähnten i' Keste von alten Ziegeln; den von mir freigelegten Mauerblock hat er jedoch ' nicht gesehen, der war also bereits wieder verschüttet, was er an einer benachbarten Stelle fand: 25 m westlich von Helings Seeweg, also 55 m östlich von dem von mir j bloßgelegten Mauerblock, holte er, etwa 2 m über der Strandfläche, also un- | '! gefähr in der Höhe des Mauerblocks, aus der Stranddünenwand einige ordens- zeifcliche Scherben, einige stark verrostete eiserne Nägel, den Hauer eines Ebers und einige Knochen, darunter ein Rippenfragment, desselben Tieres hervor. Diese Funde sind unseren Sammlungen einverleibt. Die hell- und dunkelgrauen, unglasierten Scherben sind ordenszeitlich und zeigen genau den i Charakter der ANGERschen Scherben. Die BootsnägeH) mit großen, breit und ' unsymmetrisch ausgeschmiedeten Köpfen gehören ebenfalls der Ordenszeit an. _ Auch das Randstück eines Glasgefäßes mit grünlich irisierender Patina trägt « ri die Merkmale hohen Alters. I | Die MüLLERSchen Funde sind wichtig, weil sie gestatten, die Stelle der jj ANGERSchen Funde festzulegen. Auch Angers Fundstelle wird etwa 25 m i >!; westlich von Helings Seeweg gelegen haben, nur mehr landeinwärts, weil seit || Angers Besuch (1874) die Stranddüne sich nach der Seeseite hin verstärktl| haben wird. Die Schümann sehe Ruinenstelle dürfte in der gleichen Entfernung l;| (25 m) westlich von Helings Seeweg gelegen haben, jedoch noch mehr land-|' einwärts als Angers Fundort, (80 — 100 Schritte vom Strande [der Wasser- 1’ linie]) und höher (40 Fuß, etwa 13 m über dem Spiegel der See). Ordens- ly zeitlich waren die Mauerreste der Schümann sehen Ruine jedenfalls, was diel'' alten Dachpfannen (Mönche und Nonnen) beweisen, ebenso die hellgelben und l :; dunkeln Tonscherben, obwohl man letzteres nur vermuten kann, da Schümann | | davon nichts aufgehoben hat. Heidnisch waren sie nicht, da S. ein großes 1 1 Stück mit einem Henkel sah. Die stark verrosteten eisernen Nägel Schümanns I '1; stimmen mit Müllers Funden überein; die Zähne des Edelhirsches mit denen f j Angers, ebenso die scharfkantigen Feuersteine. Schümann erzählte man, | I es wären an der Ruinenstelle Geräte von Messingblech und große Stecknadeln : I von demselben Metall gefunden, und Anger wiederum hörte von dem Schiffer ^ I Popall, es wären vor vielen Jahren in der Ruine Münzen, silberne Ketten, | Angeln und dergl. gefunden worden. Alles dieses zeigt, daß es sich bei | Schümann und Anger um dieselbe Ruinenstelle handelt, die Schümann noch > von beträchtlicher Größe, auf einer Strecke von 300 Schritt, vorfand. t 0 Bei Baggerungen zur Anlage eines Hafens, die das König!. Wasserbauarat im Sommer 1913 am Ufer des Elbingflusses gegenüber der Gießerei der Firma Schichau ausführen ließ, “;; wurden 4 m unter Mittelwasser des Elbingflusses, 6 m unter Terrain im aufgesclnvemmten, - “ abgelagerten Lehm des üfergeländes Reste eines alten Kahns gefunden, die sich jetzt im £ städt, Museum befinden. In diesen stecken eiserne Bootsnägel, die in derbreiten, unsymme- b j frischen Ausschmiedung der Köpfe genau den von Prof. Dr. Müller an der Ruine Vogelsang gefundenen gleichen. Wegen der Beschaffenheit dieser Kahnreste und der großen Tiefe des c Fundortes dürften sie in das 14. Jahrh. n. Clir. zu datieren sein. ■ 12 I I ■ j I; Wichtig aber ist. II 85 Der Vollständigkeit halber mag hier auch noch ein Ordensmünzfund er- wähnt werden. Es wurde in Vogelsang 1879 ein Halbscoter gefunden, den damals Herr Rittmeister a. D. v. Schack in Kahlberg erwarb und, wie er mir mitteilte, nach 1905 an Prof. Dr. Conwentz mit Vermerk einschickte. Der Ordeiishof Yogelsaiig auf der Frischen Nehrung. Anger hat nicht den Versuch gemacht, seine an der Ruinensteile Vogel- sang gemachten Scherbenfunde chronologisch festzulegen. Es hängt das wohl damit zusammen, daß man hier damals über die Zeitstellung älterer Scherben- funde noch vielfach im unklaren war. Doch weist er bereits im genannten Protokoll auf eine Stelle in Rhodes Werk „Der Elbinger Kreis“ hin, in der ein Hof in Vogelsang erwähnt wird. Rhode gibt , dort den Inhalt des sogenannten „Hauptprivilegiums“ wieder, einer Urkunde, die König Kasimir IV. von Polen am 24. August 1457 den Elbingern ausstellte. Ein Transsumpt derselben befindet sich im Elbinger Stadtarchiv und ist abgedruckt in Crichton s Urkunden^). Die Stelle in Rhode, dem Transsumpt entnommen, lautet: „Auch geben wir en das Dorf Jungfraw mit seynen Grenitczen mitsammt dem ganzen Fischampte, das czuvor czum Schlosse Elbing gedienet hat, in allen seynen Grenitczen beide czu Lande und czu Wasser, in Strömen, Czinsern und andern Czubehörungen im Habe und im See Drawsen, uns keine Czinser noch Hirschaft dorinnen behaldende alleine die Kewteltrift.“ Zu diesem Passus in der Urkunde gibt dann Rhode die Erläuterung: „also Alles, was ehedem zum Elbinger Fischamte gehört hatte, nämlich der Drausen und der westliche Teil des Frischen Haffs, das Dorf Jungfer und ein Teil der Frischen Nehrung mit dem Hof in Vogelsang und den Viten Pröbbernau, Kahlberg.“ Für diese erläuternde Notiz gibt Rhode leider seine Quelle nicht an, aber richtig ist sie, denn Toppen bezeugt dasselbe. Toppen hielt nämlich am 10. XL 1887 in der Elbinger Altertumsgesellschaft einen Vortrag: „Über den Stroem, Beitrag zur Fischereigeschichte auf dem Drausen“ und hat darin nach dem von Herrn Rittmeister a. D. v. Schack geführten Protokoll gesagt: ,,Der Elbinger Fischmeistereibezirk war der größte. Er umfaßte einen großen Teil des westlichen Haffs und erstreckte sich vorüber- gehend über den Hof Vogelsang' auf der Nehrung, die Ortschaften Pröbbernau und Kahlberg, sowie über das an der Nogat gelegene Dorf Jungfer. 1457 VIII. 24 verleiht König Kasimir das ganze Fischmeisteramt der Komthurei Elbing an die Stadt'h Den Hof Vogelsang auf der Nehrung behielten die Elbinger nicht lange. Rhode a. a. 0. S. 59 schreibt: „Auf die Nehrung erhoben die Danziger An- sprüche; sie behaupteten, daß Kasimir ihnen dieselbe bereits 1455 verschrieben habe, und erwirkten auch 1485 einen Befehl des Königs, nach welchem die 0 Rhode, Der Elbinger Kreis. Danzig, Kafemann. 1871. 8. 58. Crichton, Urkunden zur Preußischen Geschichte usw. S. 39 ff. 13 86 Elbiüger den „Genieß der Nehrung“ vorläufig in einem besonderen Kasten zu Vogelsang bis zur entschiedenen Sache aufbewahren sollten. Anfangs sprach sich der König dahin aus, daß nach den vorgelegten Zeugnissen keiner der streitenden Teile ein Recht auf die Nehrung habe, späterhin (1505) aber stellte er eine Schenkungsurkunde^) für die Danziger aus. Zuletzt kam am 21. Februar 1509 ein Vergleich zustande, in welchem die Elbinger auf die Nehrung verzichteten und dafür von den Danzigern „aus lauterer Gunst und freundlicher Verwandnuß“ einige Handelsvorteile und „etlich Bauholz von der Nehrung zu der Stadt Bollwerkes nothdürftiger Besserung und Aufhaltunge“ erhielten; auch ward den Elbinger Fischern gestattet, jährlich auf der Nehrung die gewöhnlichen Fischerbuden zu errichten, dort ihre Netze zu trocknen und das dazu nötige Brennholz zu nehmen^)“. Aus dem aus „Bhode: Der Elbinger Kreis“ und aus Toppen s Vortrag oben Mitgeteilten geht hervor, daß der Orden auf der Frischen Nehrung den Hof Vogelsang erbaut hatte, den König Kasimir 1457 den Elbingern schenkte, und der 1509 endgültig in den Besitz Danzigs überging. Ursprünglich gehörte der Hof Vogelsang zum Fischmeisteramt der Komthurei Elbing. Der Orden übte von dort aus wohl die Aufsicht über die Fischerei auf beiden Seiten der Nehrung, auf See und Haff, und über die Fischerdörfer Pröbbernau und Kahlberg aus — ein Dorf Vogelsang gab es damals jedenfalls noch nicht. Die ordenszeitliche Ruine Vogelsang, die oben beschrieben ist, wird also der Überrest jenes Ordenshofes Vogelsang sein. Dieser Hof lag nicht auf der Haff-, sondern auf der Seeseite. Nach dem, was Schumann über die Ruine schreibt, muß er aus umfangreichen, massiven Baulichkeiten bestanden haben. Er wird auch eine Kirche oder eine Kapelle gehabt haben, in der Ordensgeistliche (Mönche) ihres Amtes walteten, und was Schümann von angespülten Leichen mit Tonsur erfuhr, dürfte seine Richtig- keit haben, auch daß der Kirchhof bereits von der See verschlungen sei; wurde doch auch Anger (s. o.) vom Fischer Popall erzählt, daß in der See Mauerreste sich befänden, welche nicht selten den Fischernetzen gefährlich würden. Daß noch heute die Ostsee in siegreichem Vorschreiten gegen die Frische Nehrung begriffen ist, erfuhr ich bereits im vorigen Sommer von Herrn Amts- vorsteher WiCHT-Kahlberg. Auf eine meinerseits vor kurzem an Herrn Wicht gerichtete schriftliche Anfrage teilt er mir unterm 1. VI. 1915 folgendes mit: „Wunschgemäß die ergebenste Mitteilung, daß ich seit dem Jahre 1862 Nehrungsbewohner bin und seit dem Jahre 1882, von wo ab ich hier wohne, die Dünenabwaschungen genau verfolgt habe. In dieser Zeit ist die Vordüne um mindestens 15 — 18 m landeinwärts abgewaschen und auf den Strand und in die See hinein verspült worden, ohne daß hierbei die Strandbreite zuge- 1) Dogiel IV. 190 tf. \ 2) Crichton, 48 ff. von Rhode angegebene Quellen. 14 87 nommen hat; im Gegenteil ist der Strand schmaler als vordem geworden. Besonders stark sind diese Abwaschungen westlich von Schmergrube bis Steegen und weiter gewesen, weil hier die Vordüne höher und demnach auch die Erd- massen schwer sind, und wenn sie am Fuße abgespült werden, leichter nach- stürzen.“ Mögen nun die Ursachen des von Herrn Wicht beobachteten Vorgangs sein, welche sie wollen, jedenfalls beweist er, daß an der Seeseite der Frischen Nehrung noch heute eine Strandverschiebung zugunsten des Meeres stattfindet. Seit Schumanns Besuch der Ruine 1858 würde sich die Wasserlinie der See um26 — 31 m landeinwärts vorgeschoben haben. Schujvianns Ruine lag 80 — 100 seiner Schritte von der Wasserlinie ab. Schumann war, wie Zeitgenossen bezeugen^), ein gewaltiger Fußgänger, der beim Wandern weit ausgriff. Seine Schritte werden, wie beim Militär, Meterschritte gewesen sein, so daß wir dafür 80 — 100 m setzen können. Da sich die Strandlinie seit 1858 um 26 — 31 m landeinwärts verschoben hat, müßte Schumanns Ruine 54 — 67 m von der heutigen Strandlinie entfernt liegen. Heute liegen meine und Müllers Fund- stellen 60 meiner Schritte = 40 m von der Wasserlinie ab, folglich hat Schumanns Ruine noch 14 — 27 rn weiter landeinwärts gelegen. Das will bei der bedeutenden Ausdehnung der von S. gesehenen Mauerreste (300 m) nicht viel besagen, und ich, Müller und Anger werden nur noch den nördlichsten Rand gefunden haben. Es geht aber daraus hervor, daß die Hauptruine heute ganz unerreichbar ist. Sie wird von der mächtigen Stranddüne überlagert. Das Nehrungstief bei Vogelsang. Als ich im Sommer 1914 den oben beschriebenen Ausflug nach Vogelsang unternahm, erfuhr ich in „Neue Welt“ im Wirtshause, daß unter der ansässigen Bevölkerung die Sage von einem früheren dortigen Tief verbreitet ist, über seine genaue Lage wußte man jedoch nichts Bestimmtes anzugeben. Ein Tief bei Vogelsang findet sich aber verzeichnet auf einer Karte im Kgl. Staatsarchiv Danzig (.300 P. K. 1 . 68), von der P. Sonntag ein ver- kleinertes Teilstück mit dem in Rede stehenden Tief jüngst veröffentlicht hat^). Das Tief ist breit Vg der dortigen Nehrungsbreite = 333 m, an beiden Enden stark ausgebuchtet und hat vom Haff zur See die Richtung SO- — NW. An der Mündung des Tiefs in die See liegt zu beiden Seiten je ein Fort Quarre, auf der Westseite die Johans, auf der Ostseite die Casemieresborgh, die Johansborgh 300, die Casemieresborgh 500 m vom Tief entfernt, südöstlich von der Johansburg liegt am Hafifstrande das Fischerdorf Vogelsang. b »Ein Gutsbesitzer in der Nähe von Königsberg bemerkte einmal auf einem ziemlich entfernten Höhenzuge einen langgewachsenen Fußgänger, der mit weitaus greifen den Schritten seines Weges zog. Unbedenklich rief er, ohne ihn zu kennen: »„Das muß der Oberlehrer Schumann sein““, Schumann, Geologische Wanderungen S. XVI, 2) In einer vortrefflichen, sehr gründlichen Arbeit: „Heia, die Frische Nehrung und das Haff'“, in Schriften der Naturf. Ges. in Danzig, N. F. XIV, Band, 1. Heft, Danzig 1915, S. 41, 15 Johann Kasimir regierte von 1648 bis 1699. In dieser Zeit sind also die genannten Befestigungen von den Danzigern zu beiden Seiten des Vogelsanger Tiefs angelegt. Schon 1903 hatte Loch in der Programmbeilage des Altst. Gymn. Königs- berg i. Pr. auf diese Kartendarstellung hingewiesen. Sowohl er wie Sonntag halten die Schumann sehen Mauerreste für „Trümmer der Befestigungswerke der Johann-Casimirschanzen“. Diese Annahme ist aber nach meinen obigen Ausführungen unhaltbar. Die ScHUMANNsche Ruine ist 350 Jahre älter. Beiden sind ja die Anger sehen Funde, die hier zum erstenmal veröffentlicht werden, unbekannt. War nun aber ein geräumiges Tief bei Yogelsang im 17. Jahrh. n. Chr. vorhanden, so wird es auch wahrscheinlich schon lange Zeit vorher vorhanden gewiesen sein, wennschon vielleicht mit Unterbrechungen in Zeiten, wo es ver- sandete, wie es ja auch heute gänzlich versandet ist. Man darf aber wohl annehmen, daß der Ordenshof Vogelsang, der so geräumig angelegt war, außer zur Beaufsichtigung der Fischerei auch zur Bewachung des schon in der Frühordenszeit vorhandenen Vogelsanger Tiefs erbaut wurde. ft \ ' Wulfstans Wislemudha. ; Wenn in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. n. Chr. nachweisbar ein Tief auf J der Frischen Nehrung bei Vogelsang vorhanden war, und höchstwahrscheinlich ; auch in der frühen Ordenszeit, dann hindert nichts die Annahme, daß ein > solches auch bereits im letzten Viertel des 9. Jahrhunderts dort existierte, ^ und daß Wulfstan durch dasselbe aus der Ostsee in die Weichsel, dann ins ^ Estmeer (das Frische Haff), die Ilfing (den Elbing) und weiterhin nach Truso gelangte, und daß damals das Vogelsanger Tief Wislemudha (Weichsel- { fK, n'ündung) genannt wurde. Mit dieser Annahme kann sehr wohl die andere bestehen, daß dieses Tief gelegentlich vorübergehend versandete und später wieder neu aufbrach. Es ist die erstere Voraussetzung um so wichtiger, als nur mit ihr eine zwanglose Auslegung des Wulfstan sehen Textes möglich ist. Ich setze zunächst die betreffende Stelle des Wulfstan sehen Textes mit der Übersetzung des Herrn Geheimrat Prof. Dr. Kaluza- Königsberg i. Pr. hierher : Aus Aelfreds Orosius, Wulfstan saede thaet he geföre of Haedhum, thaet he waere on Trüso on syfan dagum and nihtum, thaet thaet scip waes ealneweg yrnende under segle. Weonodhland him waes on steorbord, and on baeebord him waes Langaland and Laeland and Falster Wulfstan sagte, daß er von Schleswig fuhr, daß er in sieben Tagen und (sieben) Nächten in Truso war, daß das Schiff den ganzen Weg unter Segel / lief. Wendenland war ihm zur rechten (Steuerbord), und zur linken (Back- bord) war ihm Langeland und Laaland 89 und Falster und Schonen, und diese Länder gehören alle zu Dänemark. Und dann war uns ßornholm (der ßurgunden Land) zur linken und die haben für sich selbst einen König. Dann nach ßornholm waren uns die Länder, die beißen zuerst ßlekingen und Möre und Oeland und Gotland zur linken, und diese Länder gehören zu Schweden. ündWendenland war uns den ganzenWeg zur rechten bis Weichsel- münde (bis zur Weichselmündung). DieWeichsel ist ein sehr großer Fluß und sie trennt Witland und Wenden- land, und (dieses) Witland gehört den Esthen. Und die Weichsel fließt aus Wendenland heraus und fließt in das Frische Haff (Estmere) und dasFrische Haff ist wenigstens (sicherlieh) 15 Meilen breit. Dann kommt die Elbing von Osten in das Frische Haff aus dem See (merej, an dessen Gestade Truso steht, und es kommen zugleich heraus in das Frische Haff die Elbing von Osten aus dem Esthenlande und die Weichsel von Süden aus dem Wendenlande, und dann nimmt die Weichsel der Elbing ihren Namen und fließt aus dem Haff (mere) nordwestlich in die See (sae), und darum heißt man es^) Weichsel- münde (Weichselmündung). Der Elbinger Stadtrat F. Neumann veröffentlichte in den N. Preuß. Provinz.- ßlättern, Jahrg. 1854, ß. VI. 290 fl\ einen Aufsatz: „Über die Lage von Wulfstans Truso, Wislemund und Witland.“ Darin sucht er, abweichend von früheren Übersetzern und Auslegern des Wulfstan scheu Reiseberichts nachzuweisen, daß unter Wislemudha die Ausmündung der Danziger Weichsel beim heutigen Weichselmünde zu verstehen sei. Neumanns Übersetzung und Auslegung übernahm dann Töpfen in der Herausgabe des WuLFSTANSchen ßerichts in den Script, rer. pruss. ß. I. 732 ff., nach ihm manche andere und neuerdings auch Sonntag a. a. 0. 49. 0 d h. den Ort, von dem die Weichsel sich in die See ergießt. 17 and Scöneg; and thäs land eall hyradh tö Denemearcan. and thonne ßurgenda land waes üs on baecbord, and thä habbadh him sulf cyning. thonne aefter ßurgenda lande waeron üs thäs land thä synd hätene aerest ßlecingaeg and Meore and Eowland and Gotland on baecbord; and thäs land hyrad tö Sweon. And Weonodland was üs ealne weg on steorbord odh Wislemüdhau. seo Wisle is swydhe micel ea, and hio tölidh Witland and Weonodland; and thaet Witland belirnpedh tö Estum; and seo Wisle lidh üt of Weonodlande, and lidh in Estmere; and se Estmere is huru fiftene mila bräd. thonne cymedh Ilfing -eastan in Estmere of dhaem mere dhe Trüso standedh in stadhe, and cumadh üt samod in Estmere Ilfing eastan of Estlande and Wisle südhan of W^inodlande. And thonne benimdh Wisle Ilfing hire naman and ligedh of thaem mere west and nordh on sae ; fordhy hit man haet Wislemüdha. 90 Neumann stützt sich auf eine abweichende Übersetzung von tölidh und ligedh. Seine Interpretation tut aber offenbar dem klaren Wulfstan sehen | Text Gewalt an, und seine gekünstelte Beweisführung gelangt zu unlösbaren r Widersprüchen. Ich kann darauf in diesem Bericht nicht im einzelnen eingehen. Um aber für meine Ansicht eine sichere sprachliche Grundlage zu ge- | winnen, wandte ich mich wegen tölidh und ligedh an Herrn Dr. Ziesemer- ! Königsberg, und dieser befragte den Anglisten der Albertina Herrn G.-R. Prof. i Kaluza, der ihm in liebenswürdigster Weise Auskunft erteilte. Herr Dr. Ziesemer schreibt mir unter dem 23. YI. 15: „Sie haben ganz recht: Der Text Wulfstan s ist gar nicht mißzuverstehen. Weichselmünde bei Danzig ist unter keinen Umständen gemeint. Das entscheidende Verbum ist liegan „liegen, fließen“ Praes. I. Sg. liege 2. „ ligest, list |j| 3. „ ligedh, lidh. ligedh und lidh sind also zwei Formen desselben Verbums, lidh als kontra- || hierte Form ist ags. durchaus gebräuchlich. M to-licgan ist nicht intrans., sondern transitiv. So wie im Deutschen 'M ein intrans. Verbum durch Vorsetzung eines Präfixes transitiv werden kann (gehen — etwas umgehen, lachen — belachen), so ist auch ags. liegan intrans., f > dagegen to-licgan trans,, also = etwas zerliegen, d. h. durch Liegen (vom 1,! Flusse durch Fließen) trennen. Daher ist die Übersetzung richtig: Die Weichsel | j trennt Witland und Wendenland (dadurch, daß sie zwischen beiden Ländern Al hindurchfließt). 9 Herr Kaluza hat, als ich ihm von Ihrer Anfrage erzählte, eine Über- fl Setzung der Stelle aufgeschrieben, die ich Ihnen mitsende. Es kann gar kein flj Zweifel sein, daß unter Wislemudha die Weichselmündung, d. h. das Tief in fl der Nehrung bei Vogelsang gemeint ist.“ fll Auch an dieser Stelle spreche ich den beiden Herren für ihre gütige Be- fl mühung meinen verbindlichsten Dank aus. Nach der Übersetzung des Herrn G.-R. Kaluza ist nun die Anschauung fl Wulfstans folgende: fl Es kommen die Weichsel von Süden aus dem Wendenlande, der Elbing fl von Osten aus dem Estenlaude und beide fließen in das Frische Haff. fl verliert der Elbing seinen Namen, weil seine Strömung in der des mächtigeren flj Weichselstroms verloren geht, und dann fließt die Weichsel aus dem Haff^) fll nordwestlich in die See, Ebenso, nämlich daß die Weichsel Wulfstans aus t dem Haff direkt in die See mündet, faßte auch bereits Johannes Voigt den m ^ rflfl WuLFSTANschen Bericht auf^). Weil er aber auf der westlichen Frischen fl Nehrung kein Tief kannte, bleibt ihm der Wulfstan sehe Bericht in diesem fl 1) Nicht etwa zuerst rückwärts durch die Elbiiiger — und dann erst vorwärts durch ;|m die Danziger Weichsel. -) In: Geschichte Preußens Bd, I. S. 211 ff. IS .. 91 Funkt rätselhaft. ^Die Sache ist, schreibt er, wie die Worte Wulfstans vor uns liegen, nicht aufs Reine zu bringen“^). Ferner, nach Wulfstan fließt die Weichsel nordwestlich in die See. Auch das Tief der Danziger Karte hat vom Haff die Richtung von SO. nach NW. „Die Weichsel ist ein sehr großer Fluß und sie trennt Witland und Wendenland, und (dieses) Witland gehört den Bsthen.“ Witland war also nur ein Teil des Esthenlandes, und Wulfstan versteht darunter jedenfalls die Frische Nehrung östlich des Vogelsanger Tiefs bis zum Samland, wo Wit- landsort urkundlich erwähnt wird. Am Vogelsanger Tief war mithin an der See die politische Grenze zwischen Wenden und Esten, hier erblickte sie Wulfstan mit eigenen Augen. Wulfstan kennt nur einen ungeteilten Weichselstrom ^), der durch das Vogelsanger Tief in die See mündete. An dem östlichsten Punkt seiner Fahrt lag ihm Gotland zur Linken. Von dort führte ihn eine direkt südliche Fahrt geradenwegs zum Vogelsanger Tief, während er bis zur Danziger Weichselmündung an der Südostspitze Helas vorbei in einem nach Westen ausladenden Bogen fahren mußte. Doch kannte Jordanes bereits um die Mitte des 6. Jahrh. n. Chr. drei Mündungsarme der Weichsel. Er schreibt Getica 5: ad litus autem Oceani, ubi tribus faucibus fluenta Vistulae fluvii ebibuntur, Vidivarii resident. Unter zweien von den drei hier genannten Mündungsarmen der Weichsel könnten die Danziger und die Elbinger Weichsel verstanden werden. Für den dritten etwa eine Nogatweichsel anzunehmen, geht nicht an. Eine solche gab es damals, auch zu Wulfstans Zeit noch nicht. Die Wasser der Nogat gingen nämlich früher durch die alte Nogat in den Elbingfluß und durch diesen ins Hafi*. 1483 wurde die alte Nogat bei Nogatau kupiert und der Fluß in die „weiße Lache“ geleitet, durch die er an Zeyer vorbei ins Haff gelangte^). Zu Wulfstans Zeit, als es noch keine Deiche gab, ergossen sich die Wasser der Weichsel, abgesehen von jener Masse, die durch die alte Nogat und den Elbingfluß abgeführt wurde, zur Hochwasserzeit über die mittleren Teile des Weichselnogaldeltas durch die Weiße Lache, die Jungfersche Lache und die Schwente-Tiege ins Frische Haff, das damals vielleicht noch bis Zeyer reichte, dazu kam dann noch im Nord- h a. a. 0. S. 215, Anm. 1. 2) Auch dies bemerkt bereits Voigt a. a. 0. S. 211: „Von einer Teilung des Weichsel- stroms in mehrere Arme scheint Wulfstan keine Kunde zu haben; wenigstens erwähnt er weder des westlichen Armes, der nach Danzig geht und bei dem späteren Weichselmünde in die See fällt, noch auch der Nogat unter diesem Namen.“ 3) Rrode, Der Elbinger Kreis, Danzig 1871, S. 7. Fuchs, Beschreibung der Stadt Elbing und ihres Gebiets, B, I, S. 422. Rhode a. a. 0. S. 89 schreibt über die Abschließung der Nogat folgendes: „Im Jahr 1483 wurde die Nogat wegen der durch sie bewirkten Ver- sandung des Elbingflusses dem Dorf Robach gegenüber, da wo sie sich nach Osten wendet, zugedämmt und dadurch außer Zusammenhang mit dem Elbing gesetzt, zugleich aber mit der bei Zeyer vorbeifließenden weißen Lache verbunden und ihr Wasser durch diese dem Haft* zu ge führt.“ 19 92 westen die Wassermasse der Elbinger Weichsel. Wenn daher Wulfstan die Weichsel „einen sehr großen Fluß‘‘ nennt, so versteht er darunter jeden- falls den gesamten Wasserschwall, der sich ins Frische Haff und durch dessen |.j westlichsten Teil in starker, breiter Strömung durch das Yogelsanger Tief H in die See ergoß, von den verschiedenen Mündungsarmen hat er gewiß keinen i kennen gelernt. Nun noch ein Wort über den Elbing. Wulfstan sagt, er käme von Osten aus dem Estenlande, während die heutige mittlere Laufrichtung dieses Flusses eine südnördliche ist. Für das 9. Jahrh. n. Chr. hat man da wohl an den „alten Elbing“ zu denken. Rhode a. a. 0. S. 89 schreibt: ,,Die Stadt Elbing stellte 1495 auf ihre Kosten eine Verbindung der Nogat und des Elbings durch Graben eines Kanals, des Krafohlkanals, her. Sie benutzte dazu den linken Elbingarm, den sog. alten Elbing auf einer Strecke von 900 Ruthen, schlug ihn ,,bei der langen Else^^ oder ,,bei Hoppen^^ (jetzt Rund- manns Ecke) zu und grub hierauf westwärts einen 660 Ruthen langen Kanal, |!| der 1596 verbreitert und vertieft wurde.“ Ü Der Elbingfluß teilt sich nämlich 2V2 km nordnordwestlich von Elbing in zwei Arme. Der rechte Arm bildet den Weiterlauf des heutigen Flusses, der i hinter Bollwerk und Terranova in das Haff mündet. Im 17. Jahrh. war das noch in Bollwerk, nicht weit hinter dem Bollwerkskruge, der Fall. Der linke Arm, der alte Elbing, also der ältere Flußlauf, zweigt sich von dem andern an der sog. Roten Bude ab und schlägt eine nordwestliche Richtung ein bis zur i „langen Else“, von wo ab 1495 der Kraffohlkanal nach Zeyer geführt wurde. An der genannten Stelle, wo er damals zugeschlagen wurde, und die etwa 3Y2 km von der Roten Bude entfernt und IV2 km nördlicher als Zeyer liegt, ging der alte Elbing in eine nördliche Richtung über, den Herrenpfeil durch- schneidend, wandte sich dann ostwärts und vereinigte sich zwischen Bollwerk und Alt Terranova mit dem andern Arm. Von der nördlichen Hälfte dieser nordwärts und ostwärts gerichteten Laufstrecke des ,, alten Elbing“ sind noch heute versumpfende Reste vorhanden. Zu. Wulfstan s Zeit wird wohl nur der alte Elbing vorhanden gewesen sein, dessen Mündungsstelle ins Haff da- mals wohl an der Ecke mitten wegs zwischen der „langen Else“ und Rote Bude, nicht nördlicher als Zeyer, wird gelegen haben. Von Elbing bis zu diesem Punkte fließt der Elbing in nordwestlicher Richtung, kommt also aus Südosten, was mit Wulfstans Angabe weit besser stimmt. Legt man vom Elbing an der Hohen Brücke über die genannte Ecke durch Haff und Nehrung eine gerade Linie, dann trifft man auf das Vogelsanger Tief und die Schumann- sche Ruinenstelle. Wulfstan mußte also, wenn er, aus der See kommend, in südöstlicher Richtung das Tief durchfuhr und diese Richtung beibehielt, unfehlbar in die Mündung des alten Elbing und weiterhin nach Truso gelangen^). 1) Ygi. die Generalstabskarte. 20 93 5. Funde in der Stadt Elbing. a) Alte Wandmalereien in dem Hause Fisclierstrasse 9, In diesem Hause, das früher der alte Artushof war, „wurde gelegentlich des Einbaues einer Zentralheizung eine durch Vorblendung bisher verdeckte ältere Wandfläche freigelegt und dabei der Rest eines Wandgemäldes gefunden“, das einen Reiterkampf von Ordensrittern darstellt. Herr Provinzial-Konservator Schmid hat in dem 12. Bericht an die Frovinzialkommission, Danzig 1915, S. 10, Tafel 2, eine Beschreibung dieses Gemälderestes mit einer Abbildung gegeben, auf die ich hier verweise. Er würdigt darin den geschichtlichen Wert des Bildes und sagt, daß es nicht viel später als etwa 1350 entstanden sein kann. ,, Herr Kaufmann Berlowitz, der jetzige Hausbesitzer, hat sich in dankens- werter Weise bereit erklärt, bei dem in nächsier Zeit vorzunehmenden Umbau des Haukes das Bild vollständig freilegen und dann ablösen zu lassen, und bis dahin das jetzt Vorgefundene schonend zu erhalten^' ^). b) Ausgrabungen auf dem Gelände des Elbinger Ordensscblosses. ,,Auf dem Gelände des ehemaligen Ordensschlosses wurde im April 1914 ein Erweiterungsbau des Rektor- Wohnhauses, der ünterrichtsräume der altstädt. Mädchenschule aufnehmen soll, in Angriff genommen und bis zum Schlüsse des Jahres im Rohbau beendet. Hierbei stieß man auf umfangreiche Mauer- reste aus alter Zeit, die aber an Stelle des Neubaues lagen und nicht erhalten werden konnten. Östlich von diesem Neubau und südlich vom Rektorhause wurden die Kellermauern eines größeren Gebäudeflügels angeschnitten. Die städtische Verwaltung ließ diesen Keller vollständig ausgraben, da hier ganz unerwartet wichtige Aufschlüsse über die bauliche Anlage des Ordensschlosses zu Tage traten.“ Herr Provinzial-Konservator Schmid hat in dem oben genannten Bericht an die Provinzialkommission S. 11, 12, Taf. 2, einen eingehenden fachmänni- schen Bericht über diese Funde erstattet, auf den ich hier verweise. Der Herr Provinzial-Konservator sieht in den zutage gekommenen Funden Reste einer Gebäudegruppe in der westlichen Vorburg des ehemaligen Ordensschlosses in Elbing^). 1) In der Sitzung der Elbinger Altertumsgesellscliaft am 20. Januar 1914 gab ich eine genauere Beschreibung des Gemäldes, abgedruckt in den „Elbinger Neuesten Nachrichten“, Nr. 24, vom 25. Januar 1914. Ferner machte ich in der Sitzung der Elbinger Altertums- gesellschaft am 19. Februar 1914 nähere Mitteilungen über die Auffindung des Gemäldes, die in Nr. 50 der „Elbinger Neuesten Nachrichten“ vom 20. Februar 1914 abgedruckt sind. 2) Bereits im Vereinsjahr 1914/15 hielt Herr Prof. Dr. Ehrlich in der Sitzung der Elb. Altertumsgesellschaft am 11. Dezember 1914 einen größeren Vortrag: „Das Elbinger Ordensschloß und seine neuentdeckten Spuren“, in dem er auch über die obigen Funde be- richtete. Abgedruckt in mehreren Nummern der „Elbinger Neuesten Nachrichten“, in Nr. 342, 344, 349, 356 des Jahrgangs 1914 und in Nr. 10 des Jahrgangs 1915. 21 94 c) Funde in dem Baugrunde des Erweiterungsbaus des LÖWENTHAL sehen i Warenhauses (Wasserstrasse 21 — 23). j Dieser Erweiterungsbau begann im Frühling 1914. Hier kamen im west- |' liehen Teil des Baugrundes in alten Senkgruben in Tiefe bis zu 6 Meter i* reiche, sehr wertvolle Funde aus der älteren Ordenszeit (14. Jahrh. n. Chr.) zutage. 37 ganze Tongefäße in verschiedenen Formen, auch eingeführte - rheinische, Fragmente von verzierten Bömergläsern, Holzschalen, z. T. mit ' fazettierten Außenseiten u. a. m. Ein Prachtstück ist ein zinnernes Ölkännchen mit gotischen Verzierungen. Im östlichen Teil des Baugeländes wurden in Tiefe von IV2 dq unter der Kellersohle in einem zerbrochenen braunen glasierten Topfe einige tausend Dreigroschenstücke Friedrichs des Großen und Friedrich Wilhelms III. gefunden. Diese Münzen sind sämtlich mit einer starken Rostschicht bedeckt. Etwa 200 Stück habe ich bis jetzt gereinigt, unter diesen ist das jüngste aus dem Jahre 1808. Der Schatz ist also, soweit man bisher sehen kann, wahrscheinlich während der Franzosenkriege vergraben worden. Alle diese Funde hat Herr Kaufmann Löwenthal in dankenswerter Weise dem städt. Museum überwiesen^. 9 Auch über diese Funde machte in der Sitzung der Elbinger Altertumsgesellschaft am 11. Dezember 1914 Herr Prof. Dr, Ehrlich ausführlichere Mitteilungen, die in den „Elbinger Neuesten Nachrichten vom 24. Februar 1915, Nr. 54, erstes Beiblatt“, abgedruckt sind. Prof. Ehrlich weist dort nach, daß die alten Senkgruben, in denen die Funde aus der Ordenszeit gemacht wurden, während des 14. Jahrhunderts in Benutzung waren und im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts durch Neubauten überdeckt wurden und verschwanden. Damit stimmt die Zeitstellung des zinnernen Kännchens, welches auf dem Boden der Innenseite in Relief eine Darstellung der Kreuzigung zeigt, die nach dem Urteil des Provinzialkonservators Baurat ScHMiD wegen der Behandlung des Lendenschurzes stilistisch in das 14. Jahrhundert zu setzen ist. In dieselbe Zeit gehören also auch die 9'ongefäße, deren Form und Verzierung die gleiche ist wie die der 1880 in der neustädt. Wallstraße -Elbing gefundenen ordenszeitlichen Tongefäße und der von Anger 1874 an der Ruine Vogelsang gesammelten Gefäßreste. V Berichtigung. In dem Bericht der Elbinger Altertumsgesellschaft für die Vereinsjahre | 1900 — 1913 in diesem Heft Seite 8 Zeile 17 von oben statt Braunsberg lies Pr. Holland. 22 95 Vom Graudenzer Becken'). Von Fritz Braun -Graudenz. Mit 1 Abb. im Text, W^enn wir in unserer Heimat bestimmte Gaue scharf umreißen und von ihnen in erdkundlicher Hinsicht wie von Individuen sprechen, so handelt es sich gemeinhin um ein Hügelland oder um ein Stromdelta. Als Beispiel für den ersten Fall nennen wir die Kassubei und den Stablack; die andere Sach- lage gilt bei dem Weichselwerder und dem Schwenimland der Memel. Daß im Herzen der Provinz Westpreußen, rund um die Stadt Graudenz herum, eine Landschaft zu finden ist, die nicht weniger bestimmt gekennzeichnet und sozusagen mit den Rechten einer geographischen Person ausgestattet werden kann, ist nur den wenigsten bekannt. Da an Graudenz die Weichsel, der größte Strom unseres deutschen Ostens, vorüberrauscht, liegt es nahe, diesen Fluß mit der endgültigen Ausgestaltung unserer Landschaft in innigen Zusammenhang zu bringen. Wie wir sehen werden, trifft diese Voraussetzung durchaus zu. Wir verstehen hier unter „Graudenzer Becken“ einen fast kreisrunden Raum zu beiden Seiten der Weichsel, dessen Umfang etwa durch die Ort- schaften Bergswalde, Adl. Waldau, Wiewiorken, Tursnitz, Marusch, Wangerau, Gr. Tarpen, Wossarken, Mockrau, Sackrau, Gr. Sibsau, Buschin und Schwenten gekennzeichnet ist. Sein Durchmesser beträgt etwa 15 km. Die Weichsel erreicht das Graudenzer Becken heute im Südwesten, südlich von Schwenten und strömt in einem flachen, nach NW. geöffneten Bogen genau nach N., um bei Sackrau, am Hange der Bingsberge, das Gebiet des Beckens wieder zu verlassen. Ehe wir uns der Aufgabe zuwenden, dem Leser an der Hand logischer Schlüsse eine Vorstellung davon zu vermitteln, wie das Graudenzer Becken sich seit den Tagen verändert haben dürfte, da die in ihm aufgestauten Ge- wässer einen Abfluß nach Norden fanden, und welchen Anblick es in den ver- schiedenen Abschnitten gewährt haben mag, in welche wir den seitdem ver- 1) Beim Studium dieser Arbeit empfiehlt sich der Gebrauch der Generalstabskarte de» Kreises Graudenz im Maßstab 1 : 100000. I 96 flossenen Zeitraum gliedern können, wollen wir einen sinnlichen Gesamteindruck dieses Gebiets zu gewinnen suchen. Um das zu erreichen, besteigen wir den so recht im Herzen unseres Gaues gelegenen Klimmeck, den stolzen Wart- turm, welcher den letzten Rest des Graudenzer Ordensschlosses darstellt. Man braucht kaum Geograph zu sein, um zu erkennen, daß wir in den Tälern, welche im Westen und Osten an dem Schloßberge vorüberziehen, Stromtäler vor uns haben. Aus dem Grunde im Westen blinkt ja der helle Spiegel der Weichsel zu uns empor, und wenn wir in dem östlichen Teile auch vergebens nach dem Silberbande eines Flusses ausschauen, so ist dafür das ganze Gepräge der Landschaft von der Art, daß sie dem breiten Grunde zwischen Graudenz und Gruppe so ähnlich sieht wie ein Zwillingsbruder dem andern. Doch wir wollen die einzelnen Teile der großzügigen Landschaft, über die unser Blick hinwegschweift, etwas genauer ins Auge fassen. Dicht zu unseren Füßen — die steile Böschung des Schloßberges vermochte nur zu dauern, weil sie der Mensch durch allerlei Kunstbauten stützte — wälzt der etwa 600 m breite Strom seine gelbbraunen Fluten dahin. Ist gerade niedriger Wasserstand, so erkennen wir deutlich, daß die Weichsel trotz aller Buhnen, der vom Ufer senkrecht in den Strom hinausgebauten Steinmolen, nicht die geringste Lust hat, einen gradlinigen Stromstrich innezuhalten. Sandbank reiht sich an Sandbank, und zwischen ihnen schlängeln sich die Serpentinen der tieferen Fahrrinne dahin. Hier und da sind diese Sandbänke — wenigstens jetzt, wo der Schwall des Hochwassers verlaufen ist — bereits fest mit dem Flußufer verbunden und ahmen im kleinen das Bild der großen Stromniede- rungen nach, welche auch in beständigem Wechsel einmal am rechten und einmal am linken Ufer der Weichsel zu finden sind. Hinter dem sommerlichen Strombett dehnt sich das malerische Gebiet der Außenkämpen mit seinen Weidichten und Altwassern. Schon ein flüchtiger Blick klärt uns darüber auf, daß auch diese Kämpen keine vollkommen ebene Fläche sind. Von jener Trift, wo die schwarz-weißen Kühe weiden, mußt du 4 bis 5 m ansteigen, ehe du den Roggenschlag erreicht hast, dessen reicher Segen goldglänzend zu uns herübergrüßt. In dem undurchdringlichen Gewirr von Weidenruten, das einen großen Teil der Kämpen bedeckt, vermutet man von vornherein mit Recht ein Paradies der gefiederten Sänger. Und doch ver- dient das insofern eine Einschränkung, als durch die Hochwasserwellen immer wieder die Bruten der Vögel vernichtet werden. Früher, als der Mensch durch die Deiche dem Überschwemmungsgebiet des Stromes noch nicht so enge Grenzen gezogen hatte, war diese Gefahr lange nicht so groß, weil die gleichen Wasser mengen infolge ihrer Verteilung über ein weit größeres Gebiet nur ein viel geringeres Steigen der Weichsel verursachten, etwa so, wie das noch heute an der Donau der Fall ist. Der gewaltige Deich, durch den das Kämpengebiet von der eigentlichen Niederung getrennt wird, war früher zur Sommerszeit nur schlecht zu erkennen, 97 weil das Grün seiner Rasenböschung fast unmerklich mit dem Grün der statt- lichen Laubbäume zusammenfloß, welche die hinter ihm entlangführende Chaussee begleiten. Heute hat sich das geändert. Weil man die Dammkrone während der Mobilmachung als Fahrstraße brauchte, wurde sie dicht bei dicht mit hohen Prellsteinen besetzt, deren frischer Kalkanstrich sich von dem satten Grün aufs deutlichste abhebt. Seit der Eindeichung der Weichsel ist dem Strome die schlechthin natur- gemäße Ablagerung seiner Schwemmstoffe verwehrt worden. Anstatt sich wie früher über den ganzen Raum des Hochwassergebiets zu verbreiten, bleiben die Senkstoffe nunmehr in der schmalen Rinne zwischen den Deichen bzw. dem Deiche und dem Steilufer zurück, die demzufolge höher und höher über die Umgebung hinauswächst. Da auch schon vor der Eindeichung für den eigentlichen Hauptarm des Stromes ähnliches galt, weil dort das meiste Material abgelagert wurde, ist es leicht zu verstehen, daß in dem breiten Weichseltal die Stromufer mit am höchsten gelegen sind, und daß wir die tiefsten Gebiete inmitten der Niederung suchen müssen. Erst unmittelbar vor der pomme- rellischen Höhe, dort, wo die Wasser der Schneeschmelze und allerlei Regen- bäche ihre Schuttkegel abgelagert haben, hebt sich der flache Grund allmählich wieder empor, jedoch in der Weise, daß der höhergelegene Strich dort viel schmaler ist als am Weichseldamm, so daß sich zwischen Strom und Höhen- rand etwa folgendes Profil ergibt: Höhe A \ Deich r, — ^ ' _ ^ — . Strom 1 Dieser Sachlage entsprechen auch die Siedelungsverhältnisse der Niede- rung auf das beste. Dicht hinter dem Deich reiht sich in fast unübersehbarer Folge ein Gehöft an das andere, und von ihnen streben zahllose Wege in die Niederung hinaus. Vertraust du dich jedoch einem dieser Wege an, um auf ihm ausschreitend den Westrand des breiten Weichseltals zu erreichen, so erlebst du fast immer eine arge Enttäuschung, da die meisten Wege nur der Feldwirtschaft dienen und Sackgassen gleichen, welche ohne rechtes Ziel mitten in der Flur ein Ende nehmen. Schon hier vom Schloßberg aus erkennst du, daß in der Niederung ein breiterer Streifen am Damm und ein weit schmalerer am Fuße der westlichen Randberge viel emsiger bestellt ist, als die Gebiete in der Mitte, wo wii\ wie eben bemerkt wurde, die tiefsten Stellen der Niederung zu suchen haben. Dort am Deich und Höhenrand wird die Flur durch von Kopfweiden begleitete Gräben und schattige Feldwege in unzählige kleine Schläge geteilt, während der mittlere Streifen, der vorwiegend als Weideland dient, wegen seiner Baumarmut und wegen des völligen Mangels an Siedelungen dem Be- schauer viel öder und verlassener vorkommt. Im Osten, längs des Dammes, Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 1. ^ 7 98 und im Westen, längs des Abhanges der Höhe, wird die Niederung von Siede- [ lungsstreifen begleitet. Beide entsprechen der Bedeutung der erhöhten Sockel, i auf denen sie sich entlangziehen. Im Osten bemerken wir in der Reihe der statt- lichen Höfe kaum eine Lücke; im Westen ist sie dagegen vielfach unter- brochen, und die einzelnen Anwesen sind in der Regel kleiner und ärmlicher, , als dort in der Nähe des Stromes. i Die Aussicht vom Schloßberge wird von den Graudenzern mit hoher f Begeisterung gepriesen. Einer der Hauptreize dieses Bildes besteht in den | wechselvollen Umrissen des Höhenzuges, der die Niederung im Westen begrenzt, p Blauschwarze Kiefernbestände, Kornfelder und wüste Heidestriche wechseln ff hier in bunter Folge, und nicht selten blinkt auch der gelbe Sand auf, die |;* Stellen bezeichnend, wo sich die Gewässer der Schneeschmelze tiefe Erosions- | ' rinnen schufen. Solche vegetationslose Schluchten sind jedoch nicht allzu | 1 zahlreich, und zwar wird ihr Entstehen hauptsächlich durch den Wald ver- hindert, dem man alle die Hänge zu überlassen pflegt, deren Böschung so f ■ I' steil ist, daß sie nicht mehr bestellt werden können. Gerade der Wald scheint jj aber in diesem Gelände die Erosion am stärksten zu verzögern. Die mächtigsten ^ „ o O I Schuttkegel bauen sich vor dem Höhenrande in der Regel dort auf, wo ein || Weg die Höhe erklimmt, da gerade die Wege dem Wasser die Richtung uj weisen. v j Im allgemeinen verändert sich die Gestalt dieses Höhenrandes lange nicht 1 so schnell als es dort geschieht, wo der Strom unmittelbar am Fuße der Höhen ; entlang zieht. Will man über die Ursachen und den Verlauf der am Weichsel- v || ufer recht häufigen Bergstürze nachgrübeln, so muß man an dem Steilhange } zwischen Rondsen und der Veste Courbiere entlangpilgern. Gerade im letzten ; | Winter brach dicht bei Böslershöhe ein gewaltiges Stück des Steilufers in ' I sich zusammen, wobei das stattliche Gasthaus nur durch einen glücklichen ^ Zufall der Zerstörung entging. So bedauerlich es sein mag, daß durch diesen - Bergsturz ein großer Teil der prächtigen Holzbestände vernichtet worden ist, | so hat doch der Naturfreund andererseits allen Grund, sich des gewaltigen !; Bildes zu freuen, das der gelbe Sandsturz mit seinen wild durcheinander-^! geschleuderten Baumriesen bietet. Augenscheinlich gewährte die steile BöschungM dem höchsten Teile des Berghanges keinen Halt mehr, sodaß der obere Rand i- abbrach und in die Tiefe stürzte, wo er einen gewaltigen Schuttkegel formte, ® aus dem die neu entstandene Wand beinahe senkrecht emporragt. An derS Gliederung des Schuttkegels hat sich die Erosion in den wenigen Monden Ä seines Bestehens schon kräftig zu schaffen gemacht, da ihn eine schmale Rinne« neben der anderen durchfurcht. Bei einem neulichen Besuche dieser Stätte® bemühte ich mich festzustellen, ob auch hier Findlingsblöcke und größere-^' Steine, welche in den Schuttmassen enthalten sind, den Verlauf der Erosions- j rinnen in erster Linie bestimmt haben. Allem Anschein nach ist das nicht j der Fall. Der Druck, welcher die Lagerung der soeben niedergebrochenen | | Schuttmassen entscheidend beeinflußte, ist an den einzelnen Stellen ersichtlich j 4 99 sehr verschieden gewesen. Hier sind die Massen gehörig zusammengepreßt, während sie dicht daneben ziemlich locker blieben. An solchen Stellen, wo die Lagerung besonders locker ist, setzt auch die Erosion mit Yorliebe ein, tiefe Rinnen formend, in welchen sich so große Wassermengen zusammenfinden, daß sie mit Erfolg an die Zerstörung tiefer gelegener und festerer Teile des Schuttkegels gehen können. Im Gegensatz zu dem Bilde, das dieser Bergsturz gewährt, zeigen in dem unterhalb des Schloßberges gelegenen Abschnitt des Steilufers grade die obersten Schichten des Hanges große Widerstandskraft und schauen noch als zackige Erker und schlanke Türme ins Land hinaus, wenn der mittlere Teil der Steil- wand längst zu Tal gerutscht ist. Die Zerstörung des Ufers geht an diesem Abschnitt des Weichselhanges zumeist von grauen Tonschichten aus, die zwar für gewöhnlich recht fest erscheinen, in jeder Tauwetterperiode des Winters aber nur allzuleicht ins Gleiten kommen. Schon deshalb, weil das zauberische Farbenspiel des Sonnenunterganges dort aufs beste beobachtet werden kann, wird der Naturfreund den Höhen am östlichen Ufer des Stromes den Vorzug vor den gegenüberliegenden Hügeln geben. Daß der Sonneuuntergang hier so viel reizvoller erscheint als auf dem freien Blachfeld, liegt wohl daran, daß sich die Wolken über dem feuchten Talgrunde weit abenteuerlicher auftürmen, als wir es sonst von ihnen gewohnt sind. Selbst bei wolkenlosem Himmel erscheint mitunter die Luft hier bei- nahe wie etwas greifbares, körperliches, wenn sie in tiefvioletten Farbtönen zu glühen beginnt. Kehren wir uns auf der freien Warte des Klimmecks gen Osten, so folgt unser Blick einem Flußtal, das dem breiten Weichseltal im Westen noch viel ähnlicher sehen würde, hätte sich nicht gerade unterhalb unseres Standortes der Mensch in dem Grunde eingenistet, so daß die städtischen Straßenzeilen und all das Beiwerk einer größeren Siedelung das Bild wesentlich verändern mußten. Immerhin ist dadurch die Ähnlichkeit der beiden Flußtäler nicht so stark beeinflußt worden, als du im ersten Augenblick vermeinen könntest. Namentlich die Uferhöhen zwischen Marusch und Wossarken dürfen wir getrost als ein Spiegelbild der Hänge zwischen Marsau und Sibsau bezeichnen. Ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Landschaftsbildern westlich und östlich des Schloßberges besteht darin, daß der Hang, auf dem wir selber stehen, im Westen geradlinig von S. nach N. streicht, so daß die fernen Bingsberge im N. uns sofort als die Fortsetzung der Graudenzer Diluvialinsel erkennbar sind, während nach 0. zu die Graudenzer Höhen im N. unseres Standortes sehr weit nach Osten vorstreben und so den nördlichsten Teil des östlichen Flußtales unseren Blicken entziehen. Infolgedessen beschreibt die Berglinie hier einen konkaven, nach Osten zu offenen Bogen. In ihn ist die Graudenzer Siedelung gerade hineingepreßt, ein Umstand, der nicht ohne wesentlichen Einfluß auf das Klima der Stadt bleiben konnte. Man wundert sich oft, daß gerade Graudenz als rauh ver- 100 schrien ist, obgleich andere Städte unter dem gleichen Breitengrade als recht leidliche Wohnstätten bekannt sind. Der Grund dafür ist in der Lage der Stadt zu dem Graudenzer Diluvialrücken zu suchen, die derart ist, daß den warmen Westwinden der Zutritt verwehrt ist, während die Ostwinde mit voller Kraft in die Straßen hineinblasen dürfen. Immerhin ist auch der Schloßberg lange nicht hoch genug, um uns einen • • klaren Überblick über das Graudenzer Becken zu verschaffen, da wir dort nicht imstande sind, die Inselnatur der Höhen zu erkennen, von denen der Klimmeck gen Himmel ragt. Könnten wir in einem Fesselballon einige hundert m über das Gelände aufsteigen, so läge das Becken so übersichtlich wie auf einer Landkarte vor uns. Wir sähen dann, daß die große Diluvialinsel zwischen Rondsen und Parsken rings von Flußtälern umfangen ist, und daß auch westlich der Weichsel zwischen Mischke und Gruppe eine ähnliche Diluvialinsel durch Erosionstäler aus dem pommerellischen Hochlande herausgeschält ist. Aller- dings würde dem forschenden Blicke in manchen Gegenden, und zwar namentlich, im Süden, die Bodengestalt unseres Gebietes durch die weiten Kiefernheiden| bei Rudnick und Gruppe arg verschleiert werden, so daß dort die sinnliche^ Betrachtung des Bildes nicht so unmittelbar zu klarer Erkenntnis zu führenf vermöchte wie in der nördlichen Hälfte des Beckens. Je länger man in^^ diesem Revier wandert, desto auffälliger wird einem auch die große Ähnlichkeiti der Graudenzer Diluvialinseln mit den Kämpen an der Westküste der Danzigerf Bucht. Hier wie dort haben die Schmelzwasser der Gletscher das gleichet Landschaftsbild zustande gebracht. Daß dennoch in beiden Gauen ein anderer^ * Geist lebt und webt, liegt vor allem daran, daß an dem Fuße der Danziger ^ Kämpen die Ostsee brandet, während an dem Steilhang der Graudenzer Diluvial- ^ insein die Weichsel wogen dahinrauschen. ^ ' Wir wollen uns nun einmal im Geiste in jene Zeiten versetzen, da es| eine westpreußische Weichsel eigentlich noch gar nicht gab, in die Jahre, wof '■ der gewaltige ürstrom über Fordon hinaus dem Netzetal zueilte, um in dessen breitem Bette weiter gen Westen zu ziehen. Damals wurde die Seengruppe, i welche die Gegend unseres Beckens belebte, noch nach Süden zu entwässert, vielleicht durch einen Fluß, der aus dem damals noch viel größeren Rudnicker . See heraustrat und zwischen Rondsen und Schönaich die Gegend erreichte, in dem heute die Weichsel den Raum des Graudenzer Beckens betritt. Mög- licherweise lag in jenen Tagen gerade hier bei Graudenz die Wasserscheide zwischen dem großen ürstrom des Südens und den nördlichen Küstenflüssen, zu denen wohl auch ein Wasserlauf gehörte, der in dem Tale der Ossa gen Norden floß. Wie damals das Graudenzer Becken im einzelnen aussah, wieviel Landseen man dort zu suchen hatte, und wie deren Grenzen verliefen, wird sich vermutlich niemals genauer feststellen lassen. Sicherlich war es ein Gebiet, dem mächtige Gletschererosion ihren Stempel aufgeprägt hatte. Malerische, wüste Schluchten durchfurchten namentlich am Südostrande die stattlichen' Moränenzüge, welche stellenweise eine relative Höhe von 100 m erreichen, 6 101 und dort, wo das Wasser den Grund des Tales bereits freigegeben hatte, trieb der Wind sein Spiel mit den unabsehbaren Lagern von Talsand, aus denen er ansehnliche Inlanddünen formte, die von Nordwesten nach Südosten zu über die weite Fläche dahinwanderten. Auch heute gehört das Graudenzer Becken ja noch zu den Teilen unserer Provinz, deren Oberfläche durch äolische Kräfte schnell und energisch verändert wird. Die Bewohner einer Fischer- hütte am Nordwestufer des Rudnicker Sees, dessen Gestade stellenweise gar sehr an die pommerschen Strandseen erinnert, mußten sich ihren Feind, den gelben, lebendigen Dünensand, Jahr und Tag mit dem Spaten vom Leibe halten. Leider fiel die malerische Behausung, an der man dem Fremdling das gefährliche Eigenleben solcher Inlanddünen vortrefflich zeigen konnte, im Sommer 1914 einem Brande zum Opfer. Mir war es immer ein hoher Genuß, gerade diesen Teil der Graudenzer Gegend zu durchwandern, dessen Relief uns auf Schritt und Tritt daran erinnert, daß es von den Kräften der Vorwelt herausgearbeitet ist, ohne daß diese Tage doch so weit zurücklägen, diese Einflüsse so ungreifbar wären, daß sie dem forschenden Blick nur Rätsel auf- gäben. Schackerten in den ersten Maiwocheu noch allerorten die Wacholder- drosseln und strichen die großen russischen Gimpel mit flötendem Lockruf von einer Eberesche zur anderen, so tat auch die Vogelwelt noch ein übriges, das reliktartige Gepräge dieser Landschaft zu vertiefen. Daß man die erodierende Wirkung des Schneewassers und der Gewitter- güsse nicht unterschätzen darf, lehrt uns schon die Hügellandschaft im Nord- westen unserer Provinzialhauptstadt. Wir finden dort so manche ansehnliche Schlucht, die sich sicherlich erst in die Moränenhügel eingrub, als der Mensch das buckelige Revier seines Waldkleides beraubt hatte. Aber dennoch dürfen wir wohl die Entstehung der tiefen Rinnen, welche in die Südostecke des Graudenzer Beckens münden, in denen gewaltige Mengen von Schutt und Sand zu Tal ge- fördert worden sind, nicht allein auf solche Kräfte zurückführen. Die Anfänge vieler dieser Schluchten reichen sicherlich noch in die Eiszeit zurück und in jene Tage, welche dieser Erdperiode unmittelbar gefolgt sind. In manchen Schluchten der Gegend ziehen noch heute schmächtige Rinnsale ihres Weges, doch stehen die Tagwasser, die im Hochsommer beinahe durchgehends ver- siegen, zu der wuchtigen Größe der Talfurchen in so schreiendem Gegensatz, daß wir ihnen beim besten Willen nicht Zutrauen können, ganz allein das wechsel- volle Relief dieses Gebietes herausgearbeitet zu haben. Das ansehnlichste dieser Täler ist das, dessen Richtung durch die Lage der Ortschaften Gottersfeld, Sarnau und Adl. Waldau gekennzeichnet wird. Es besitzt die Abmessungen eines stattlichen Flußtales, ist aber nur etwa 4 km lang und endet dann plötzlich blind, wie abgeschnitten. Auf die Wege, welche die aus der Moränen- landschaft hervorbrechenden Wassermassen einschlugen, vermögen uns vielleicht noch einige Seen, wie der bei Robakowo, einen gewissen Hinweis zu geben. Überall, nicht nur an den Berghängen, wo sie durch die Erosion freigelegt wurden, sondern auch im ebeneren Gelände, finden wir hier auch größere und 7 102 kleinere Lehminseln, von denen einige prachtvolle Buchenbestände tragen. Am | bekanntesten ist der Buchenhain bei der Försterei Weißheide. Er spielt in der i sandigen Kiefernforst eine ähnliche Rolle wie die Laubwaldinsel der Chirkowa in der Tucheier Heide. Leider ist diese Gegend im Südosten des Graudenzer Beckens, die durch | wechselvolle Bodengestalt und Laubreichtum gleicherweise ausgezeichnet ist, ! von der Hauptstadt des Gaus bereits zu weit entfernt, um häufig das Ziel wanderfroher Ausflügler zu bilden. Sie machen zumeist schon in der Försterei ; Weißheide halt, während gerade die Gegend Östlich und südöstlich von diesem laubreichen Tal besondere Beachtung verdient, denn schöner noch wie bei Weißheide heben sich bei Daczkowo-Mühle prangende Buchenhänge' über den Wiesengrund empor. Außerdem finden wir hier zwischen Wiewiorken, Nieder- Bogacz, Tursnitz und Daczkowo-Mühle eine etwa 3 km große Diluvialinsel, ^ * mit deren Herausarbeitung die Schmelzwasser seiner Zeit nicht völlig fertig . geworden sind. Sie verhält sich zu den Diluvialinseln bei Graudenz und Gruppe wie ein Kind zu einem Erwachsenen. Im allgemeinen mögen die Formen des Graudenzer Beckens in jener Zeit, f j auf die wir eben zurückblickten, doch ein gut Teil fließender und ausgeglichener -' ii gewesen sein als heutzutage, da hier ein gewaltiger Strom auf Jahrtausende), :S| voll erodierender Tätigkeit zurückblicken kann. Das Gelb der Sandflächen, i i ~ ^ I I! das auch heute in dem Landschaftsbilde eine große Rolle spielt, herrschte i , damals wohl noch ganz anders vor, da der rege Wind, der den Talsand vor^ ; sich hertrieb, die Bildung einer Humusschicht an den meisten Stellen zu ver- < f hindern wußte. h Sicherlich wird die Bodengestalt unseres Gebietes noch in vieler Hinsicht | ! an jene längst verrauschten Tage erinnern, aber man hüte sich doch, die|i Ähnlichkeit zu überschätzen. Als das Tal eines der verhältnismäßig winzigen® Flüßchen, die vordem das Graudenzer Becken entwässerten, der gewaltigen! Weichsel den Weg zur Danziger Bucht zeigte, begannen in diesem Erdraum f erodierende Kräfte zu wirken, wie sie dort seit der Eiszeit nicht mehr zur | Geltung gekommen waren. Immer wieder brachen längs des Stromes die Ufer- j ' wände auf weite Strecken hin zusammen und halfen so den weiten Grund verbreitern, in dem die Serpentinen des Flusses sich zwischen Weidenkämpen ■ * und Sandhaiden dahinwanden. |^| Wann und wie lange das mächtige Stromtal östlich der Graudenzer ' Diluvialinsel von lebendigen Weichselwellen durchströmt wurde, ist schwer zu sagen. Bahnte sich die Weichsel gleichzeitig den Weg durch beide Täler, das im Westen und das im Osten der Stadt? — Wurde das östliche Stromtal anfangs nur bei besonders hohem Wasserstande von einem Weichselarm durch- zogen? — Währte die Zeit, da beide Stromtäler von der Weichsel benutzt ■ l wurden, sehr lange, oder wurde das kürzere westliche Strombett bald so . | viel tiefer gelegt, daß der andere Flußlauf sozusagen zur Disposition gestellt 1 i werden konnte und sich nur noch bei Hochwasser mit Fluten füllte? — Alle ■ 8 103 diese Fragen regen uns wohl zum Sinnen und Grübeln au, aber ob wir sie jemals unzweideutig beantworten werden? — Der Rudnicker See, in dessen Fluten heute die Graudenzer an heißen Sommertageu Erfrischung suchen, ist als eine Art Restsee anzusprechen, ebenso wie die kleinen Landseen, die wir südwestlich von ihm in der Nähe der Culmer Chaussee vorfinden. Auch die reichen Torflager, die wir hier antrefifen — der nördliche Abschnitt des östlichen Flußtals bei dem Tuscher Damm und Kunterstein ist an Torf recht arm — sprechen dafür, daß wir es hier mit einem alten Seegebiet zu tun haben, das nicht plötzlich trocken fiel, sondern auf dem Wege der Vertorfung landfest wurde. Weiter nordwärts können wir die wichtigste Stromrinne jenes alten Flußtals in ihren bezeichnenden Schlangenwindungen noch ziemlich genau verfolgen. Von Piasken an begleitet sie die nach Graudenz führende Chaussee an ihrer Ostseite bis zu deren Einmündung in die Rehdener Heerstraße und zieht dann in nordnordöstlicher Richtung nach den Pfaffenbergen hinüber. Während man rechts und links darin vorwiegend Getreide baut, finden wir in dieser eigent- lichen Stromrinne ganz überwiegend Wiesenwirtschaft, da der Graswuchs hier durch den hohen Stand des Grundwassers sehr begünstigt wird. Dennoch ist auch auf diesen Wiesen die Grasnarbe, welche dem schieren Talsande aufliegt, sehr dünn und leicht ablösbar. Als die Böschungen des Hermannsgrabens, welcher die Tuscher Wiesen zur Weichsel entwässern soll, mit Rasen belegt werden mußten, entnahm man die dazu benötigten Plaggen den Tuscher Wiesen. Die Stellen, welche man damals in dieser Weise beraubte, heben sich noch heute, nach Jahr und Tag, ganz deutlich von ihrer Umgebung ab. Vermutlich ist der neue Weichsellauf im Osten der Graudenzer Diluvial- insel ebenso allmählich entstanden wie er dann später gegenüber dem west- lichen Stromarm wieder zurücktrat. Auf eine Zeit, wo er nur zu Hochwasser- tagen eine größere Wassermenge aufnahm, mochten Jahre folgen, in denen der östliche Weichsellauf dem westlichen wenig genug nachgab. Später ging seine Wasserführung wieder mehr und mehr zurück, so daß er nur dann noch an frühere Glanzzeiten erinnerte, wenn in der Weichsel Hochwasserweilen zu Tal rauschten. Dieser Zustand hat sich vermutlich sehr lange erhalten, und Graudenz war wohl schon sehr lange eine ansehnliche Siedelung, als noch in jedem Lenz im östlichen Strombett das Wasser aufblinkte und den Verkehr nicht un- wesentlich erschwerte, konnte man doch selbst in den bangen Tagen des Russensommers 1914 damit rechnen, dem Feinde das Betreten der Graudenzer Flur durch eine große Überschwemmung zu verwehren. Wahrscheinlich war die Tatsache, daß die Hügel zwischen Rondsen und Sackrau, die heute nur der Geologe als Diluvial in sei bezeichnet, früher noch während langer Zeiträume eine wirkliche und wahrhaftige Insel darstellten, den Bewohnern jener Höhen gar nicht unangenehm, weil dadurch ihre Sicherheit wesentlich erhöht wurde. Außerdem wird die Bedeutung, welche die Fischerei für unsere primitiveren Vorfahren hatte, wohl noch immer arg unterschätzt. 9 104 Nicht ohne einen gewissen Unmut lese ich immer wieder in den geschichtlichen Lehrbüchern unserer Schuljugend, die mitteleuropäischen Völker hätten in der jüngsten Stein- und Bronzezeit hauptsächlich von der Jagd gelebt. Nur unter ganz besonderen Umständen, wie in jenen Tagen, da der Mensch in Süd- frankreich viele Meter hohe Schichten von Pferdeknochen auftürmte, dürfte die Jagd imstande gewesen sein, ganze Völker zu ernähren, sonst sind aber jene Leute, die wir für Jäger ausgeben, in erster Linie wohl Fischer gewesen. Sie betrieben damit ein Gewerbe, das seinen Mann viel sicherer nährt als alle Schlingen- und Fallenstellerei in Wald und Hag. Diesem Berufe nachzugehen, boten die geräumigen Hügel zwischen den beiden großen Stromtälern geradezu ideale Gelegenheiten, und daß diese reichlich benutzt worden sind, lehren uns zur Genüge die reichen prähistorischen Funde, welche gerade beiRondsen zutage befördert sind. Daß das alte Stromtal im Osten von Graudenz ganz und gar trocken gefallen sei, können wir eigentlich erst seit wenigen Jahren behaupten, seitdem der Mensch durch allerlei Drainage und den Bau von Schöpfwerken sein mög- lichstes tat, den Grundwasserspiegel in jenem Gebiet so weit wie möglicn zu senken. Erst seit dieser Zeit sieht man sich dort vergeblich nach den weiten Eisflächen um, die noch vor einem Jahrzehnt dem heranwachsenden Geschlecht die erwünschteste Schlittschuhbahn darboten. Damit war denn auch der Sieg des Pfluges auf jenen Triften, welche man vordem nur zur Weidewirtschaft zu benutzen pflegte, endgültig entschieden. Selbstverständlich blieb auch die Flora des Graudenzer Beckens sich in den einzelnen Abschnitten seiner jüngsten Geschichte durchaus nicht gleich. Als noch weite Seen in dem Grunde wogten und auch die tiefen Erosions- rinnen, die sich die Gletscherwasser gewählt hatten, noch ansehnliche Bäche beherbergten, als die Talsandhalden erst hier und da bescheidene Anfänge einer Pflanzendecke zeigten, war wohl die Weide der Charakterbaum dieser ärmlichen Gebiete, jenes anspruchslose Gewächs, das überall fortkommt, wo ihm eine genügende Wassermenge zur Verfügung steht. Die Rolle, welche gerade die Weide, sei es als Baum, sei es als Strauch, in der Geschichte unserer Fauna, namentlich unserer Ornis spielt, wird meines Erachtens noch immer nicht genügend gewürdigt. Gerade die Weidenarteu schlugen eine Brücke von dem Süden des Erdteils bis zu seinem äußersten Norden. Wodurch unterscheiden sich denn weidenbewachsene Sandbänke und Uferhalden am Po und Wardar so wesentlich von ähnlichen Landschaften an der Düna oder dem Tornea Elf? — Gebiete mit undurchdringlichem Wald- wuchse hätten sich kaum dazu geeignet, am Ende der Eiszeit die gefiederten Bewohner der Mittelmeerregion aufzunehmen, und solchen Vogelarten, für welche früher die Alpen den Nordrand ihres Verbreitungsgebietes bedeutet hatten, ein allmähliches Vordringen bis an die Fjelder Skandinaviens zu ermög- lichen. Dazu eigneten sich dagegen die Weidendickichte der Ströme und Bäche, die damals weit häufiger gewesen sein mögen als heutzutage, auf das 10 105 allerbeste. Ihnen haben wir es wohl in erster Linie zu verdanken, daß heute manche zarten Laubsänger beinahe bis in arktische Breiten vorgedrungen sind. Für die Aufgabe, südlicheren Formen unter höheren Breiten die ersten Bratreviere zu liefern, wurden die Weidensträucher auch noch durch den Um- stand besonders befähigt, daß ihre Buten sich schon sehr zeitig mit grünen Blättern schmücken, zu einer Zeit, wo die meisten waldbildenden Laubbäume unserer Heimat noch kahl und unwirtlich dastehen; schauen doch die Weiden- dickichte längs der deutschen Flüsse mitunter schon in den ersten Tagen des April fast sommerlich aus, wenn man sie mit den Hochwäldern der Nachbar- schaft vergleichen will. Wenn wir in unseren Tagen wahrnehmen, daß die Zugvögel mit Vorliebe den Stromtälern folgen, sind wir leicht geneigt, diese Tatsache darauf zurück- zuführen, daß deren mehr oder minder tief eingeschnittene Furchen besonders leicht gangbare Wege darstellen. Ich glaube jedoch, daß damit der enge Zusammenhang zwischen den Flußtälern und den Zugvögeln durchaus nicht genügend erklärt ist. Daß sich jene Wanderer mit Vorliebe längs der Flüsse und Bäche bewegen, liegt wohl in erster Linie daran, daß sie dereinst bei ihrem Eindringen in nordische Breiten an die Vegetationsform gebannt waren, welche den Flußufern ihr Gepräge verleiht. Ehe sie ein Land gleichmäßiger besiedelt hatte, dürfte so manche Art nur in den Weidichten und Auwäldern der Ströme und Flüsse gelebt haben, so daß wir uns den Umstand, daß die Wanderer noch immer jenen Wasserläufen folgen, nicht nur aus der größeren Wegsamkeit dieser Straßen erklären dürfen, sondern dabei auch auf die alte Erfahrung hinweisen müssen, daß die Zugvögel es lieben, bei ihren Wanderungen inmitten früherer Siedelungsgebiete zu verbleiben. Damals mag in dem Graudenzer Becken ein Vogelleben geherrscht haben, wie wir es heute in den breiten Überschwemmungsstreifen an den nord- und inittelrussischen Strömen finden, ein Vogelleben, als dessen Zeuge sich noch immer hin und wieder der Karmingimpel {Carpodacus erythrinus Pallas) bei uns einstellt. Wenn wir lesen, wie hier und da ostdeutsche Ornithologen das Auftreten dieser Vogelart verbuchen, hat man oft den Eindruck, sie vermeinten, es handele sich hier um Erstlingserscheinungen, so daß wir allen Grund hätten, mit einer raschen Zunahme der Vogelart zu rechnen. Höchstwahrscheinlich ist dieser Gedankengang grundfalsch, denn die Geländeform, welche dem Karmingimpel zusagt, wird in unserer Heimat immer seltener, so daß jener Gimpel viel eher als ornithologisches Relikt bezeichnet werden darf. Das Zeitalter der Weide wurde dann wohl abgelöst durch die Tage der Heide. Allmählich hatte sich auf den Sandflächen wenigstens so viel Humus gebildet, daß sie imstande waren, der bescheidenen Kiefer das Leben zu fristen. Auch heute sind die Tage des Heidewaldes noch nicht vorüber, und doch ist das Bild der Landschaft durch die Tätigkeit des Menschen fast überall merk- lich beeinflußt und sehr oft sogar wesentlich verändert. Infolge der Bemühungen der Forstbeamten sind die Räume, die nur mit kusseligen Kiefern besetzt waren, 11 106 wohl immer kleiner geworden. An ihre Stelle ist die geschlossene Forst ge- treten, mag der Holzzuwachs ihrer Belaufe auf dem kümmerlichen Boden auch noch so gering sein. Damit ist dem Bothänfling sein ehemals so weites Reich immer mehr beschnitten worden, und heute bilden die mit kusseligen Kiefern bestandenen Heidestriche, welche vordem die Regel sein mochten, bereits die Ausnahme. In unseren Tagen ist die Alleinherrschaft der Kiefer in dem östlichen Teil des Graudenzer Beckens bereits an mehr als einer Stelle gebrochen und zwar durch die Arbeit des Menschen, der es versteht, der Natur in der un- mittelbaren Nähe größerer Siedelungen selbst dann ein reicheres Kleid zu schenken, wenn sie ihm nur ärmlichen Boden zur Verfügung stellt. Gerade bei Graudenz erkennen wir, wie wenig man denen beipflichten darf, die von vornherein des Glaubens leben, die Ornis eines bestimmten Ge- bietes müsse durch die Fortschritte der Kultur notgedrungen verarmen. Die blütenreichen Gebüsche an dem Westhange der Veste Courbiere, in denen die Sperbergrasmücke {Sylvia nisoria Beckstein) ihre auffälligen Lockrufe hören läßt, die alten Laubholzbestände der Plantage, wo der Zwergfliegenfänger {Muscicapa parva Beckstein) sein helles Liedchen vorträgt, und die alten Alleen und Haine an der Trinke, die der Girlitz (Serinus hortulanus Kock) im Frühsommer mit seinem klirrenden Singsang so freundlich belebt, sie alle verdanken ihr Dasein und ihre Eigenart doch mehr oder minder der Tätigkeit des Menschen, durch welche der Graudenzer Gau nicht nur für den Herrn der Schöpfung, sondern auch für seine zahlreiche tierische Gefolgschaft ein- ladender und wohnlicher wurde. Namentlich in dem Graudenzer Stadtwald zwischen dem Bahnhof und dem Rudniker See erkennen wir überall das Streben des Försters und Landschafts- gärtners, den Wuchs von allerlei Laubhölzern nach Kräften zu fördern und so der dürftigen Kiefernheide wenigstens hier und da allmählich das Gepräge des Mischwaldes zu verleihen. Allerdings kamen auf diesen weiten Talstand- halden nur die anspruchslosesten Laubbäume in Frage, vor allem Ebereschen, Birken und Eichen. Immerhin ist es in der Nähe der Stadt schon heute ge- lungen, den Charakter des Waldes wesentlich zu verändern und dadurch auch eine Menge von Gefiederten anzulocken, w^elche den Heideforsten sonst fern bleiben. In dieser Hinsicht herrscht zwischen der nördlichen und südlichen Hälfte des eigentlichen Stadtparks ein sehr wesentlicher Unterschied. Dort singen die Laubvögel (Phylloscopidae), deklamiert der Sprechmeister {Hippolais hippolais L.), übertönen die klirrenden Lieder zahlloser Girlitze {Serinus hortu- lanus Kock) die flötenden Rufe des Schwarzplättchens {Sylvia atricapilla L.). Ja, im jüngsten Lenz fand sich dort sogar ein Sprosser {Erithacus philomela Beckstein) ein, obgleich er das Fehlen von Tagwassern übel genug ver- merken mochte. Jenseits der Fahrstraße, die nach den vereinigten Friedhöfen führt, zeigt uns die Landschaft mit einem Male ein ganz anderes Antlitz. Der Heidewald i 12 ¥ - 107 nimmt uns auf; in den Kronen der Kiefern geistert das unruhige Volk der Meisen. Daneben herrscht allerdings gerade hier im Herbste, kurz vor seiner Abreise, der graue Fliegenschnäpper {Muscicapa grisola L.) in auffälligster Weise vor, ein Vogel, der mir sonst im Kiefernwalde kaum irgendwo begegnet ist. Die Erfahrung, daß die Umgebung größerer Siedelungen durch den Ein- fluß des Menschen immer reicher an Laub hölzern wird, machen wir nicht nur bei Graudenz, sondern auch anderswo, so daß dadurch in sehr erfreulicher Weise dem Mißstande entgegengewirkt wird, daß der Förster die Fläche des Laubwaldes auf Kosten des wirtschaftlich einträglicheren Nadelholzes mehr und mehr zurückgehen läßt. Infolgedessen rücken auch viele gefiederte Laub- waldfreunde den Wohnstätten des Menschen immer näher und näher, bis manche von ihnen aus Waldbewohnern zu Parkvögeln geworden sind. Während in der westlichen Hälfte des Beckens weite Gebiete das gleiche landschaftliche Gepräge zeigen, indem wir es entweder mit den Stromkämpen, der Niederung oder dem baumreichen Abhang der Höhe zu tun haben, finden wir östlich der Weichsel ganz verschiedene Landschaftsformen auf kleinstem Raume dicht beieinander. Den laubreichen Waldrain bei Weißheide, wo die Mandelkrähe (Coracias garrula L.) ihre Flugspiele aufführt, die Sandhalden bei Adl. Waldau, auf denen der Triel [Oedicnemus oedicnemus L.) haust, und den Wiesengrund am Maruscher Fluß, wo der Kiebitz (Vanellus vanellus L.) umhergaukelt und der Wiesenpieper {Anthus pratensis L.) seinen Balzflug übt, kannst du insgesamt in derselben Stunde besuchen. Auch bei der Veste Courbiere liegen die Wohnstätten der Singdrossel {Turdus musicus L.), des Zwergfliegenschnäppers {Muscicapa parva Beckstein), des Sprossers {Erithacus philomela Beckstein) -ob die Nachtigall {Erithacus luscinia L.) hier nistet, ist noch strittig, da es zwar von solchen Vogelpflegern, die gerade Sprosser und Nachtigall pflegen, nach dem Verhören der Vögel ganz bestimmt behauptet wird, eine einwandfreie Lösung der Frage aber nur durch Belagstück erbi acht werden könnte — — dicht neben weidenbewachsenen Stromufern und sandigen Berghalden, auf deren Flugsand nur hier und da eine krüppelhafte Kiefer ihre verschrotenen Äste bettet. Daß wir es in der östlichen Hälfte des Beckens mit einem verlassenen Flußtal zu tun haben, in dem sich auch heute noch die Landschaft verhältnis- mäßig rasch verändert, können wir auf unseren Wanderungen nicht so leicht vergessen, denn immer wieder sehen wir, daß dort die Feldflur auf Kosten der feuchten Trift an Boden gewinnt, so daß der Wiesenpieper {AntJius pra- tensis L.) dem Braunkehlchen {Pratincola ruhetra L.), die Kuhstelze {Budytes flavus L.) dem Grauammer (Emheriza calandra L.) Platz macht. Recht traurig ist es, daß gerade dicht bei der Stadt das alte Stromtal im Osten seines Baumschmuckes mehr und mehr beraubt wird. Überall stoßen wir auf mächtige Weiden- und Pappelstubben, die uns zeigen, daß diese Triften noch zur Zeit unserer Väter viel freundlicher ausschauten. Der Krieg, der uns erschreckend hohe Holzpreise brachte, wird die Neigung der Landwirte, 13 108 ! ! unter ihren alten Bäumen aufzuräumen, wohl noch verstärken. Nur längs der i Trinke hat sich eine Fülle schattigen Laubholzes erhalten, in dessen Gezweig Girlitze und Gartenammern [Emheriza hortulana L.), Sprechrneister, Stieglitze j {Cm'duelis carduelis L.) und Stare (Sturnus vulgaris L.) ihre Lieder zum | besten geben. Als die Komturei Graudeuz gebaut wurde, suchten sich die Ordensritter dazu die Stelle aus, wo die Neudorfer Diluvialinsel mit einem schmalen Höhen- rücken wie mit einem ausgestreckten Zeigefinger gen Süden weist. Wenn man dort eine Veste errichtet hatte, brauchte man nur nördlich von der Burg den schmalen Rücken mit einem tiefen, schluchtartigen Graben zu durchbrechen, i? um nach allen Seiten hin vor Angreifern geschützt zu sein. Dabei beherrschte g die neue Burg auch den Paß, der zwischen der Neudorfer und Kallinker Dilu- j vialinsel aus dem östlichen Stromtal zur Weichsel führte. Daß neben der ' festen Burg zur Anlage einer Stadt auf dem schmalen Hange zwischen der i Feste und dem alten Flußtal nicht viel Raum blieb, machte den Weißmänteln ' | wohl noch kein Kopfzerbrechen, da der junge Wohnplatz eigentlich nur zu der östlichen Hälfte des Graudenzer Beckens in engere Beziehungen treten |j| konnte, also auch nur ein sehr kleines Gebiet beherrschte. Die ungestüme f | Weichsel stellte in jenen Tagen noch ein recht arges Verkehrshindernis dar, 1 im Norden dehnten sich ineüenweite Wälder, und für die Bewohner der Mo- | ränenlandschaft im Süden war Kulm viel leichter erreichbar als Graudenz, von dem sie durch fast weglose Talsandwüsten getrennt waren. Diese Lage der Dinge änderte sich von Grund aus, als die Weichsel bei I- Graudenz überbrückt wurde, und als bald darauf von der früher so beschei- p denen Stadt ein Stern von Eisenbahnlinien ausstrahlte. Nach dem Bau der | Weichselbrücke trat die Schwetz-Neuenburger Niederung mit Graudenz in die | allernächsten Beziehungen, und als durch die neuen Eisenbahnlinien die Mög- I lichkeit geschaffen worden war, Graudenzer Erzeugnisse nach allen Seiten aus- | , zuführen, besannen sich die Gewerbetreibenden endlich darauf, daß unsere i . . . . • I Stadt eigentlich den natürlichen Mittelpunkt eines recht großen Gebietes dar- stelle. Handel und Wandel erwachten zu kaum erhoffter Blüte, und aus dem i j leblosen Kleinstädtchen ward in wenigen Jahrzehnten eine ansehnliche Siede- " lung von 45 000 Einwohnern. So haben wir in der Wirtschaftsgeschichte von !| Graudenz bisher drei Abschnitte zu unterscheiden. Während des ersten war j die Stadt nur der Hauptort der östlichen Hälfte des Graudenzer Beckens, im li zweiten ward sie so recht in den Mittelpunkt dieser ganzen Landschaft ge- j rückt, und im dritten begann sie die Gunst der Tatsache auszunutzen, daß sie j gerade im Zentrum der Provinz gelegen ist. Hoffentlich ist damit die wirt- j schaftliche Entwicklung von Graudenz noch lange nicht abgeschlossen. Viel- | leicht strahlt gar bald in einer vergrößerten Ostmark von der alten Ordens- i Stadt ein Stern von Eisenbahnlinien aus, die der Graudenzer Eisenindustrie gestatten, ilire Erzeugnisse auf dem kürzesten Wege nach den Hauptorten des benachbarten Polens zu verfrachten. 14 109 Auch die Geschichte der Festung Graudenz können wir in drei ähnliche Abschnitte gliedern. Während des ersten haben wir es mit der alten Ordens- burg zu tun, die sich mit der winzigen Bergzunge begnügte, die das Südende des Neudorfer Hochlandes bildet und sich diesem wie ein Fremdkörper vor- lagert. Die friderizianische Festung hatte wenigstens das Neudorfer Plateau schon ganz und gar in den Feuerkreis ihrer Geschütze gezogen, deren Fern- wirkung aber noch lange nicht so weit reichte, um sich auch jenseits der Stromtäler im 0. und W. Geltung zu verschaffen. Erst die moderne Festung unserer Tage hat auf ganz andere Räume Anspruch erhoben, so daß nunmehr die Hänge bei Wangerau und Marusch, welche die Festungsbaumeister des Großen Friedrich noch wenig genug angingen, schon recht in die Mitte des befestigten Platzes zu liegen kommen. Erst als Graudenz in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts rascher zu wachsen anfing, begann man über das Verhängnis zu murren, daß die Städter auf den gerade bei der alten Komturei so schmalen Raum des Höhen- zuges angewiesen waren. Anfangs wußten die feuchten Triften sich gegen Maurer und Zimmerleute mit bestem Erfolge zu verteidigen, und westlich des Schloßberges machte der mächtige Strom die Anlage neuer Straßenzüge von vornherein unmöglich. So entstand denn die lange, schmale Siedelung unserer Tage, die im äußersten Norden und Süden geradezu das Gepräge des Straßendorfes annimmt. Die Zustände, die dadurch in wirtschaftlicher Hinsicht geschaffen wurden, waren um so ärgerlicher, weil der Staat den dicht am Stadtkern gelegenen, in seiner Gesamtheit volle dreißig Morgen umfassenden Grundbesitz des Zucht- hauses mit stiefväterlicher Zähigkeit festhielt und so der Bebauung entzog. Die ^Vergrößerung unserer alten Städte, die durch das rasche Anwachsen der Bevölkerung im letzten Jahrhundert bedingt wurde, vollzog sich sonst zumeist in der Art, daß von dem licht- und Inftarmen Stadtkern vorstadt- ähnliche Straßenzeilen ausstrahlten, in denen die Häuser anfangs noch schütter standen und geräumige Gärten zwischen sich duldeten. Nahm die Einwohner- zahl noch weiter zu, so verschwanden allmählich diese Gärten, während weiter nach draußen wieder neue Stadtviertel entstanden, deren Bewohner sich anfangs noch einer erquicklichen Ellenbogenfreiheit erfreuen durften. Bei Graudenz war eine solche Entwickelung der Stadt unmöglich. Als der Platz der alten Siedelung nicht mehr ausreichte, marschierten im Süden und Nordosten, an der Thorn-Marienwerderer Chaussee, die recht eigentlich als die Hauptstraße der Stadt bezeichnet werden kann, die Häuser weiter in die Feldflur hinaus, ohne daß rechte Möglichkeit vorhanden war, durch die Anlage einer größeren Anzahl von Parallelstraßen der leidigen Verlängerung des Wohnplatzes ent- gegenzuwirken. Es versteht sich von selbst, daß eine solche Siedelung ganz anders in ihre natürliche Umgebung eingeschaltet ist als etwa die Provinzialhauptstadt Danzig oder Thorns enge City. Zumeist ist der Raum, den die Häuserblöcke 15 110 von Graudenz einnehmen, nur ein paar hundert Schritt breit, und recht oft sind selbst dann, wie z. B. längs der Diagonale Gemeindehaus - Schloßberg, noch baumreiche Friedhöfe und Gärten (in diesem Falle die Schulhöfe der Oberrealschule und des Gymnasiums, die Gärten des Zuchthauses, der Alte Friedhof und der geräumige Garten des Hotels zum Schwarzen Adler) und weite, schattige Plätze in die städtische Siedelung eingeschaltet. Trotzdem ist Graudenz kaum eine Gartenstadt in dem Sinne, daß ein großer Teil seiner Bewohner über ein Hausgärtchen verfügte. Dazu mangelte es auf der schmalen Abdachung zwischen dem Schloßberg und dem Stromtal im Osten von vorn- herein an Raum. Alle jene Gärten, die in Graudenz erhalten blieben, gehören zu staatlichen und städtischen Anstalten und verdanken ihr Dasein dem erhöhten Schutze, der ihnen wegen dieser Eigenschaft zuteil ward. Jedenfalls wird es aus dieser Sachlage verständlich, daß unsere Stadt, die sich, schmal wie ein Regenwurm, mit ihren Vororten beinahe 7 km weit hinzieht, zu der sie um- gebenden Natur lange nicht in dem scharfen Gegensatz steht wie etwa Danzig, in dessen dicht bebautem Kern kaum für eine Linde oder Ulme Platz blieb. Wenn ich mit tönender Stimme meine Schüler allerlei Weisheit lehre, ärgere ich mich gar manches Mal zur Frühsommerszeit über die zahlreichen Weidenlaubsänger (Phylloscopus rufus Bechstein), die mit ihrem lauten Zilp- Zalp jedem meiner Aussprüche Beifall spenden. Füge ich noch hinzu, daß auch die Lieder des Garten- und des Goldammers (Emberiza citrinella L.), der Schlag des Buchfinken (Fringilla coelebs L.) und die Strofen des Sprechmeisters und Schwarzplättchens ins Klassenzimmer hineintönen, und daß im Garten des Direktors, der im Vorfrühling von großen russischen Gimpeln (Pyrrhula pyrrhula L.) wimmelt, auch die zierliche Sumpfmeise {Parus palustris L.) nistet, so wird es dem Leser zur Genüge klar sein, daß diese Vogelwelt, obgleich es sich um mitten in der Stadt gelegene Örtlichkeiten handelt, doch durchaus nicht von städtischer Art ist. Wollte man ein paar Species als Charaktervögel von Graudenz bezeichnen, so würde es sich in erster Linie um den Girlitz und die Haubenlerche {Galerida cristata L.) handeln. Grundsätzlich gemieden werden von diesen Vögeln wohl nur ein paar düstere Häuserblöcke in nächster Nähe des Marktes, sonst sieht man sie fast allerorten. Namentlich während der minniglichen Lenzeszeit treibt sich der Girlitz, von dem hier viel mehr Weibchen als Männchen vorhanden zu sein scheinen, auf allen Dächern umher, während ich die Hauben- lerche namentlich an klaren Februar- und Märzabenden mitten in der Stadt vom ragenden Hausgiebel aus ihre köstlichen Lieder vortragen hörte. Wie gern wüßte man, wann der Girlitz in dieses Revier eingezogen ist! Aber leider wird sich die Frage kaum jemals beantworten lassen. Meiner Meinung nach dürfte kaum ein Menschenalter seit jenen Tagen verstrichen sein, blicken doch auch die gartenreichen Quartiere, in denen er sich mit Vorliebe herum- treibt, und die Bäume, in deren Geäst er seine Nebenbuhler befehdet, noch auf kein höheres Alter zurück. 16 111 Als ich nach Graudenz kam, war ich recht gespannt darauf, wie sich dort Schwalben und Segler in die Brutstätten teilen, da ich annahm, die Nachbar- schaft des großen Stromes und seiner Kämpen würde es der Hausschwalbe (Chelidonaria urhica L.) sehr erleichtern, die Schlammerde zu finden, deren sie zum Nestbau bedarf. Trotzdem ist diese Schwalbenart hier nicht häufiger als anderswo. Auch in Graudenz ward der Mauersegler zum rechten Beherrscher der Lüfte. Oh Apus apus L. an dem Verschwinden der Hausschwalben schuldig sei, wage ich nicht zu entscheiden. Ich hielt Chelidonaria urhica in unserer nordostdeutschen Heimat schon beinahe für einen Seltling, als ich sie im letzten Sommer längs der hinterpommerschen Küste in Dorf und Stadt in wolken- ähnlichen Schwärmen traf. Auch andere Schriftsteller haben ja die Erfahrung gemacht, daß diese Schwalbenart immer mehr zum Küstenbewohner wird. Immerhin könnte auch dabei ihr Verhältnis zu Apus apus eine gewisse Rolle spielen, da in den aus niedrigen Fischerhäusern bestehenden Städtchen jener Küstenstriche der Mauersegler niemals eine rechte Heimat gefunden hat. Wie die Stadt Graudenz im allgemeinen sehr wenig den Vorstellungen entspricht, die wir uns von einer einheitlichen, in sich geschlossenen Siedelung ihrer Größenklasse gebildet haben, so finden wir im östlichen Teile des Grau- denzer Beckens auch nur wenig ländliche Ortschaften, die mit dem landläufigen Begriiöfe des Dorfes durchaus übereinstimmten. Nicht nur den Graudeuzern, auch den Bewohnern des flachen Landes machte die Frage, wo sie sich nieder- lassen sollten, arges Kopfzerbrechen, da in den breiten Stromtälern weite Gebiete zu tief und feucht waren, um den Bau menschlicher Wohnstätten zu ermöglichen. Daß in dem westlichen Teile unseres Gaus, in der Schwetz- Neuenburger Niederung, dieser Umstand die Anlage der unabsehbaren Siede- lungsreihen am Weichseldamm und am Fuße des Höhenrandes zur Folge hatte, ist bereits oben erwähnt worden. Ein Gegenstück zu den ländlichen Siede- lungen zwischen Neu Marsau und Konschitz bilden in dem östlichen Stromtal die Dörfer, die wir, wie Tursnitz, Manisch, Wangerau und Groß Tarpen, unmittelbar am Hange der Randberge finden. Immerhin besteht zwischen den beiden Siedelungsreihen im Westen und Osten ein wesentlicher Unterschied. Dort, wo unzählige Erosionsrinnen dem Abhang stellenweise beinahe die Form eines Haarkammes gegeben haben, wird die Höhe von einer recht gleichmäßig angeordneten Häuserreihe begleitet; hier, wo nur wenige Täler das östliche Hochland erschließen, entstanden die Dörfer fast ausschließlich an den Stellen, wo eine wichtige Straße zur Höhe emporsteigt. In dem sumpfigen Wiesenstreifen, welcher dem tiefsten Grunde des östlichen Strombettes folgt, hat der Mensch kaum irgendwo eine dauernde Stätte gefunden. Weil wir dort aber die wertvollsten Ländereien dieses Reviers zu suchen haben, ist es verständlich, daß wir sehr viele Ansiedelungen ganz dicht am Rande des Wiesenstreifens an treffen, sei es, daß es sich dabei, wie bei Piasken und Past- wisko, um halbwegs geschlossene Dörfer handelt, sei es, daß sich dort bäuerliche Ansiedelungen, wie etwa bei Gatsch, kilometerweit neben einander aufreihen. 17 112 Nach Ortschaften, in denen wir längere, beinahe lückenlose Dorfstraßen y finden, halten wir in dem Östlichen Teile unseres Beckens vergeblich Ausschau, i' Was das Verhältnis zwischen Straße und Dorf angeht, so ist bei den meisten ! Straßendörfern nicht das Dorf, sondern die Straße der ältere Teil, und erst |! die Vorteile, die sich die Ansiedler davon versprachen, dicht an dem Wege :; zu wohnen, veranlaßten sie zu solcher Bauweise. Deshalb entstanden auch g. die einzigen wichtigeren Straßendörfer unserer Gegend, die Vorstädte im Süden | und Nordosten von Graudenz, an der einzigen großen Heerstraße dieses Ge- 1 biets, an der Thorn-Marienwerderer Chaussee. I Abgesehen von diesen Ortschaften, die fast unmerklich in das eigentliche I Graudenz übergehen, finden wir nur noch in Neudorf, einer Landgemeinde auf | der Graudenzer Diluvialinsel, eine längere Straßenzeile. Dort mag diese Bau- 1« weise durch die Bodennatur bedingt worden sein. In einer flachen Erosions- 1 mulde scheinen die stattlichen Bauernhöfe vor dem frischen Winde Schutz zu | suchen, der über die kahle, aber fruchtbare Hochfläche dahinbraust. f Durchschnittlich bewährt sich auch hier der alte Erfahrungssatz, daß der | Gutsbesitzer auf die Höhe, der Bauer in die Niederung und auf den Wiesen- ? grund gehört. Die Art und Weise, wie die Bauernhöfe bei Tusch und Gatsch 'i über die Feldflur zerstreut sind, erinnert uns imm.er wieder an ähnliche Ver- ■■ hältnisse in dem Danziger Werder. Oft ist es für den Wanderer ganz un- möglich, nach dem Augenschein zu entscheiden, ob ein Gehöft zu Tusch oder ) ZU Tarpen, zu Wossarken oder zu Wangerau gehört, und auch dort, wo wir etwas linden, was mit einigem Vorbehalt als Dorfkern bezeichnet werden darf, haben wir außerdem noch mit einer großen Zahl von Ausbauten zu ' rechnen. Derselben zerstreuten Siedelungsweise, die in den Wiesengründen die Regel ist, begegnen wir oft genug auch auf den unfruchtbaren Talsandflächen. ; Klassische Beispiele dafür sind die Ortschaften Weißhof und Weißheide, wo : die weithin zerstreuten Gehöfte ein schier labyrinthisches Wegenetz notwendig machten. Daß damit auch eine wesentliche Einbuße an Nutzland verbunden ■ war, mochte man hier wegen des unfruchtbaren Sandbodens leichter als anderswo verschmerzen. Solche Weglabyrinthe geben auch bei Ruduik, Adamsdorf, Steinwege u. v. a. 0. dem eiligen Wanderer manchen Grund zum Verdruß, da er immer wieder die Erfahrung macht, daß ein breiter Sandweg, auf dem er sich ein gutes Fortkommen verspricht, nur zu einem einsamen Feldhof führt. In den fruchtbarsten Teilen des Stromtales, den Wiesengründen zwischen Past- wisko und Tusch, ist er bald gewitzigt. Dort dürfen die Wege samt und sonders eigentlich nur sehr bedingungsweise als öffentliche Wege bezeichnet werden, weil sie nur den Bedürfnissen eines einzigen Grundbesitzers zu dienen pflegen, nicht aber den Verkehr von Ortschaft zu Ortschaft vermitteln sollen. Die zerstreute Siedelungsweise, die wir hier schildern, hat man auch an der einzigen Stelle beibehalten, wo die Industrie die Graudenzer Feldmark wesent- lich beeinflußt hat, bei dem neuen Eisenwerk in Mischke, wo die Arbeiter- is 113 und Beamtenhäuser sich nicht etwa zu einer Art Dorfstraße zusammengeschlossen haben, sondern über eine weite Fläche verteilt worden sind. So wenig die Talsandhalden im Süden von Graudenz den Landwirt an- locken können, so nützlich dürften sie sich vielleicht noch den Dienern der Industrie erweisen. Leichter als anderswo vermag hier, wo der Grund und Boden nur äußerst geringen Wert besitzt, jede Arbeiterfamilie mit einem eigenen Häuschen und einem tüchtigen Stück Gartenland ausgestattet zu werden. Welchen Vorzug das aber gegenüber anderen Fabrikstädten unseres Ostens bedeuten würde, wird sich jeder selber sagen können, der jene Quartiere in Danzig kennt, wo die Arbeiterbevölkerung stellenweise nur auf licht- und luft- arme Hinterhäuser und Seitengebäude beschränkt ist. Nach alledem könnte man beinahe die widersinnig klingende Regel auf- stellen, daß in dem östlichen Teile des Beckens bei den Siedelungen keine Wege und an den Wegen keine Siedelungen seien, finden wir doch an den nach Südosten führenden Heerstraßen zwischen Graudenz einerseits und Piasken und Marusch andererseits keine einzige Ortschaft. Wie Brücken führen diese Chausseen über den breiten Grund hinweg, nur bemüht, die Stellen ausfindig zu machen, wo sie das grundlose Wiesental am leichtesten überschreiten könnten. Jene Orte in nächster Nähe der Stadt, bezüglich deren die Volkswirte schon die Zeit zu berechnen suchen, da sie mit der Hauptstadt des Gaus ver- schmelzen müssen, suchst du in dem Weichbilde von Graudenz vergebens. Dafür finden wir dort eine überaus große Menge schier atomistischer Nieder- lassungen, vereinzelte Wirtschaften, die ein rechtes Sonderleben führen und ihre ländlichen Erzeugnisse oft genug sogar auf einem nur von den Bewohnern des betr. Gehöfts benutzten Wege zum Markte führen. Man könnte es beinahe als eine besonders kennzeichnende Eigenschaft von Graudenz ansehen, daß diese Stadt in wirtschaftlicher Hinsicht ihrer Um- gebung nur verhältnismäßig locker eingefügt ist. Bis zum Bau der Eisenbahn- brücke dürfte mau die Entfernung der Schwetz - Neuenburger Niederung von dem Graudenzer Rathause beileibe nicht nach der Luftlinie berechnen, da der mächtige Strom sowohl zur Winterszeit als auch bei sommerlichen Hochwasser- wellen eine sehr entschiedene Schranke darstellte. Auch von dem Warenhandel, der sich früher in dem Weichselhafen Graudenz abspielte, dürfen wir uns keine übertriebenen Vorstellungen machen, weil durch ihn sicherlich kein beständiges Kommen und Gehen zahlreicher Gefährte bedingt wurde. Wenn der Bauer sein Getreide in die riesigen Verteidigungs- speicher oberhalb der Ordenskomturei gebracht und einen Teil des Erlöses zum Erwerb von allerlei Wirtschafts- und Gebrauchsgegenständen benutzt hatte, waren die Maßnahmen erledigt, die dadurch im jährlichen Kreislauf des Lebens bedingt wurden. Auch die Bedeutung der neuen Bahnbauten für Graudenz bestand ja weniger darin, daß das Weichbild der Stadt, sagen wir einmal im Umkreise Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 1 . 19 8 114 Ton 35 km, enger mit Graudenz zusrnmaengeschweißt wurde, als vielmehr in dem Umstande, daß nunmehr die Industrie der Stadt befähigt wurde, für den europäischen Markt zu arbeiten. Wollten wir die Gebiete, in denen Graudenzer Industrieerzeugnisse Verwendung finden, etwa mit roter Farbe kennzeichnen, so erhielte man nicht etwa einen rings um die Stadt gelegenen Kreis, dessen Farbton mit wachsender Entfernung verblaßte, sondern man müßte manchen Bezirk im fernen Rumänien und Rheinland, wo die Pflüge von Ventzki und die Ofentüren und Röhren von Herzfeld und Viktorius in Gebrauch sind, besonders vermerken, während der eine oder andere Ort in der Nähe unserer ■ Stadt, wo bisher polnische Konsumvereine nur englische und belgische Waren führten, sich dem benachbarten Graudenz gegenüber ziemlich neutral verhielt. > Doch bei diesen Betrachtungen wollen wir unsere Wanderungen im Weich- V bilde des Klimmeck auch schon beschließen. Unser Ziel war es, dem Leser klar zu machen, daß auch in das Antlitz unserer Heimat, magst du das Treiben ^ der Menschen oder das unaulfälligere Wirken der großen Allmutter ins Auge fassen, die allmächtige Zeit fortwährend neue Runen eingräbt. Doch brauchen diese Runen nicht die Kennzeichen des Alters, die Vorboten des Welkens zu sein, untersteht doch der Mensch als Gattung nicht jenen Gesetzen, nach denen | der Einzelne seines Daseins Kreise vollendet. Gerade zu unserer Zeit zieht für den deutschen Osten ein neues Welt- alter herauf. Es wird der Arbeit unserer Landsleute neue Ziele setzen und den Werken ihrer Hände weite Absatzgebiete erschließen. Deshalb dürfte auch der Mann, der sich nach einem Menschenalter daran macht, unseren Enkeln das Graudenzer Becken zu schildern, seinen Lesern und Zuhörern ganz andere Bilder zeichnen. Gebe nur Gott, daß auch er ihnen künden darf, dort, wo ehedem ein Courbiere stritt und unser großer, plattdeutscher Dichter um seiner Jugend rechten Sonnentag betrogen ward, herrsche noch immer gemütswarme deutsche Art und stolzes, wehrhaftes Preußentum ! 20 Druck von A. W. Kafemann g. m. b. h. in Danzigs ; /;F/‘ ■ . ' ’ -'. - ' '■' ■' '' ■ ‘ '’'■■»;■•- *vi i' /' '”^;/'V.''' ’ ' ■■ ■ ■-■ •• jC‘ < 0 ‘ ■■'-■. ■ . .'■ ■/' ■•' ' -.'^•'ü ■■:■■■ A'\ ■'''■■- V.-'"' , ' '' ' ■■' i.-‘ ^ .^ ... "r-. 7 / '* T.,j t> ■• :L''s ■ ^ 'I - ' ■ ■ ' • • ^ - . •• ;/ "i -V< Vj:/ • ■ ^'v^■v^ ■;':> -‘ ' ' ■' ’.• ’A'') ' .'-'l^i' ' , IJ ‘ «^.«v , ' .. , ' ,’ -i /.; ■■•■ /■ ; A-L,'Vvi'',.''l''v'A-, t'.'.'V?’ ‘ '‘.V- -A'-'.,-- s.. •• .V.--".. ■ •• :••• . '••- • :x- ',A : . -ir : :--?v: Ä': i-pux:f^ ;>f ■ ..\ Vj-A ;■. y-.\^'.', ■ ' v-^' r ’ ■- • \ » |■<'■'. A’ .; ' .■ -'. . ..1. ■? A ■, ' I- ;.■■ ‘‘''v’.. ' ., ■,•■. y:' .'V,.-:, ^ ,y; ■ ■• ,•. 'V'-'jt.V, ■ • • ." ^ 'aAv -A} ixyy , I ;■ '■ A" ' ■ ' ■ , '■•'’a- - ' A'A,:I\ ;’■/, A,.'-:;:,:.'. ^ ■• .-.>J; »«,:?;« , W-' ■ ■ U'< ' ■ ■ '■ Yi .. I ■ .;./ . '■•/ ■ ■■:r.- ■ Ai;>ilv -.-.>■ - .'■.' ' . ^ >i .r- ' '. ■', -■' a'saT's ' / '■■ ' ;>',v ■ ■' .• y -,' A'A, ■'■ ' , ;y,-^ •, '■ . .,/)••■ . -a". ■ ■■ A'.' V :y .. a'-'V'öäm . 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Quart. — VIII und 63 S. Ladenpreis: M 20. Für die Mitglieder: M 10. 2. Band. Conwentz, Die Angiospermen des Bernsteins. Mit 13 lithogr. Tafeln. Danzig 1886; gr. Quart. — IX und 140 S. Ladenpreis: M 30. Für die Mitglieder: M 15, II. Die prähistorischen Denkmäler der Provinz Westpreussen und der angrenzenden Gebiete von Dr. A. Lissauer. Mit 5 Tafeln und der prähistorischen Karte der Provinz Westpreußen in 4 Blättern. Danzig 1887; gr. Quart. — XI und 210 S. Ladenpreis: M 20. Für die Mitglieder: M 10. III. Monographie der baltischenBernsteinhäume von H.Conwentz. Mit 18 lithographischen Tafeln in Farbendruck. Danzig 1890; gr. Quart. — IV und 151 S. Ladenpreis: M 50. Für die Mitglieder: M 25. den Schriften der Gesellschaft, Neue Folge Von dem s. Zt. in Bd. I bis IV 1866 — 1879, erschienenen Werk: Menge^ Preussische Spinnen. Mit 91 Tafeln sind noch einige vollständige, gut erhaltene Exemplare vorhanden. Ladenpreis: M 50. Für die Mitglieder: M 25. Der Betrag nebst Porto für die gewünschte Zusendung ist an den Schatzmeister der Gesellschaft, Herrn Bankier Dr. Damme in Danzig, Karren wall 7, einzuschicken. Von den älteren Schriften der Naturforschenden Gesellschaft sind hauptsächlich das 2. Heft des II. Bandes (1868) und das 1. Heft des III. Bandes (1871) vergriffen. Es würden die Herren Mitglieder, die diese Hefte etwa abgeben können, uns dadurch zu besonderem Dank verpflichten. Der Vorstand. s Druck von A. W. Kafemann G. m. b. H. in Danzig. N.'- 1- T K'' SCHRIFTEN DER NATÜRF0R8CHENDEN GESELLSCHAFT IN DANZIG. MAY 9 1927 ☆ iVAJU NEUE FOLGE. VIERZEHNTEN BANDES ZWEITES HEFT. (MIT 1 TAFEL UND 7 FIG. IM TEXT.) MIT UNTERSTÜTZUNG DES WESTPR. PROVINZIAL-LANDTAGES HERAUSGEGEBEN. DANZIG 1916. KOMMISSIONS-VERLAG VON R. FRIEDLÄNDER SOHN IN BERLIN NW. 6, KARLSTR. 11. Bitte die 4. Seite dieses Umschlages zu beachten SCHRIFTEN DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT IN DANZIG. NEUE FOLGE. VIERZEHNTEN BANDES ZWEITES HEFT. (MIT 1 TAFEL UND 7 FIG. IM TEXT.) MIT UNTERSTÜTZUNG DES WESTPR, PROVINZIAL-LANDTAGES HERAUSGEGEBEN. DANZIG 1916. KOMMISSIONS-VERLAG VON R. FRIEDLÄNDER & SOHN IN BERLIN NW. «, KARLSTR. 11. Druck von A. W. Kafemaim g. m. b. H. in Danzig. Inhalt. Seite 1. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft für 1915 . . I 2. Bericht über die Ordentlichen Sitzungen und anderweitigen Ver- anstaltungen der Gesellschaft ira Jahre 1915 XI Wallenberg: Elemente des Nervensystems und ihre Verbindungen XI; Stremme: Der Mensch des Eiszeitalters XIII; Krüger: Neuere Fort- schritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen XIII; Schwer: Unsere Freunde in der Bakterienwelt XIV; Lorenz: Ballistik. Physikalische Grundlagen der Lehre vom Schuß XVI; Münch: Das veränderliche Bild in der Geometrie XVIII; Wolfe: Entwickelung und Aufgaben der Orthopaedie XVIII; Thienemann: Die neuesten Ergebnisse des Vogel- beringungsversuches XIX; ScHAEFFER: Einige kriegschirurgische Erfah- rungen an verschiedenen Frontabschnitten des deutschen Ostheeres XX; Bahn: Unsere schwere Artillerie und ihre Wirkung XXII; Rössler : Die Technik und der Krieg XXII; Prehn: Der englische Aushunge- rungsplan und unsere Gegenwehr XXII; Nahm: Ostpreußen, das Land des Bernsteins, des Elches und der Seen XXII; Plank: Die Kälte- industrie und ihre Bedeutung im Kriege XXII, • • 3. Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1915 be- handelten Gegenstände XXIII 4. Jahresbericht über die Sitzungen der medizinischen Sektion im Jahre 1915 XXV 5. Bericht über die Sitzungen der Anthropologischen Sektion im Jahre 1915 XXVIII 6. Jahresbericht des Westpreußischen Vereins für öffentliche Ge- sundheitspflege für das Jahr 1915 XXIX 7. Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des Westpreußischen Fischereivereins für das Jahr 1915 XXX 8. Mitglieder-Verzeichnis der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig. 1. Januar 1916 XXXI 9. Mitglieder des Vorstandes der Gesellschaft für das Jahr 1916 . XXXIX 10. Verzeichnis der im Jahre 1914 und 1915 durch Tausch, Schenkung und Kauf erworbenen Bücher XL 11. Jahresrechnung der Naturforschenden Gesellschaft für das Jahr 1915 LII 12. Vermögensbestand am 1. Januar 1916 LIV JV Abhandlungen. Seite 13. Entwickelung und Aufgaben der Orthopaedie. Von Sanitätsrat Dr. WoLFF- Danzig 1 14. Kochsalz und Kochsalzgewinnung im preußischen Ordensstaate. Mit 2 Figuren im Text. Von Prof. Dr. Paul DAHMS-Zoppot .... 15 15. Fortschritte in der Kriegschirurgie. Von Generalarzt Prof. Dr. Barth- Danzig .57 16. Altes und Neues vom diluvialen Thorner Stausee. Mit 1 Karte und 5 Figuren im Text. Von Prof. Dr. Paul SoNNTAG-Danzig ... 66 • « 17. Uber die Reflexionen des Lichtes an absorbierenden aktiven Körpern. Von Dr. Försterling, Privatdozent an der Königlichen Technischen Hochschule in Danzig-Langfuhr 87 1 Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig für 1915. Erstattet von ihrem Direktor, Professor Dr. LAKOWITZ, in der Sitzung vom 6. Januar 1916, am Tage des 173jährigen Bestehens der Gesellschaft. Sehr geehrte Herren! Am 2. Januar dieses Jahres hat die Naturforschende Gesellschaft zu Danzig das 173. Jahr ihres Bestehens vollendet. Trotz mancher Hemmungen konnte sie in diesem verflossenen Jahr, dem zweiten Kriegsjahr, ihre Tätigkeit aufrecht erhalten. Jetzt soll ein Rückblick getan werden auf das, was erstrebt, gearbeitet und wirklich erreicht worden ist. Gemeint sind die Vorgänge des inneren Lebens unserer Gesellschaft, und da ist es des Berichterstatters Pflicht, zunächst aller derer aus unserem Kreise zu gedenken, die das Schicksal aus diesem Leben abberufen hat. Der Tod hat während des Berichtsjahres in unserer Gesellschaft eine überaus reiche Ernte gehalten, wie nie zuvor in der gleichen Zeitspanne. Nicht weniger als 22 Mitglieder sind ins Grab gesunken. Am 27. Januar 1915 starb in Lichterfelde bei Berlin im Alter von 76 Jahren unser Ehrenmitglied, der Wirkliche Geheime Oberregierungsrat Prof. Dr. VON Auwers, Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Kanzler der Friedensklasse des Ordens Pour le merite. Als Astronom der Mathematisch- physikalischen Klasse der Berliner Akademie und als ihr langjähriger, ständiger Sekretär gehörte von Auwers seit fast einem halben Jahrhundert zu den an- gesehensten Persönlichkeiten der Berliner Gelehrtenwelt; 1866 war er als Nachfolger Enckes an die Akademie nach Berlin berufen worden. Die Pflege der Fixsternkunde hatte er sich zur Lebensaufgabe gemacht. Von wichtigen Veröffentlichungen sind seine Untersuchungen über veränderliche Eigenbewe- gungen der Fixsterne, die Neubearbeitung der Greenwicher Fixsternbeobach- tungen von 1750 bis 1752 und die grundlegenden Fixsternkataloge hervorzu- heben. Seine Feststellungen des Sonnendurchmessers und der Sonnenentfer- nung sind das Ergebnis eigener Beobachtungen der beiden Venusdurchgänge von 1874 und 1882 sowie seiner Bearbeitung der vielfältigen, einschlägigen Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 2. 1 II Beobachtungen anderer Forscher. - — Die Ortsbestimmungen aller Sterne der ersten neun Größen, einst von Argelander begonnen, setzte von Auwers planmäßig fort. Regen Anteil nahm er an der Ausgestaltung des Astrophysi- kalischen Observatoriums in Potsdam sowie an den wissenschaftlichen Arbeiten | der Astronomischen Gesellschaft. Auch unserer Naturforschenden Gesellschaft ' bekundete er sein Interesse vornehmlich als sachverständiger Berater des | Ministers, indem er für die Pflege und Weiterausbildung unserer Sternwarte tatkräftig eintrat. Seiner Fürsprache verdankt unsere Gesellschaft seit Jahren einen regelmäßigen, staatlichen Zuschuß. Ihrem Danke hierfür und der Ver- ehrung für den hervorragenden Gelehrten gab die Gesellschaft Ausdruck durch seine Ernennung zu ihrem Ehrenmitglied im Jahre 1908, bei Gelegenheit seines 70. Geburtstages. Als Förderer der Wissenschaft war er uns ein leuch- tendes Vorbild, als Freund unserer Bestrebungen stand er unserer Gesellschaft nahe. Wir verehren in ihm den Forscher und edlen Menschen, dessen AndenkenJ| in unserem Kreise die Zeiten überdauern wird. — | f Am 8. August 1915 entschlief nach langem, schwerem Leiden unser früheres 1 Vorstandsmitglied, Kommerzienrat Münsterberg. Seit 1877 Mitglied unsererT: Gesellschaft, verwaltete er durch 29 Jahre bis zum Schluß des Jahres 1914ji das verantwortungsvolle Amt des Schatzmeisters. Wiederholt hat Bericht?; erstatte!' die hohen Verdienste Münsterbergs für das Gedeihen unserer Ge» ' Seilschaft rühmend hervorgehoben, hier in den Sitzungen wie auch in den Jahresberichten für 1910 und 1914 aus Anlaß seiner 25jährigen Tätigkeit, bzw. seines durch Krankheit herbeigeführten Ausscheidens aus dem Schatz- meisteramt. Aber auch jetzt sei es nochmals ausgesprochen, daß unsere Gesell- schaft durch das Hinscheiden Münsterbergs einen überaus schmerzlichen Verlust erlitten hat. Mit ganzem Herzen hat er sich dem so lange Jahre geführten Ehrenamt gewidmet. Die Arbeit gedieh unter seiner Führung. Stets ver- mochte er für unsere wissenschaftlichen Zwecke genügende Mittel bereitzustellen. Wissenschaftlicher Sinn, ein weiter Gesichtskreis, Vornehmheit der Gesinnung gaben seiner praktischen Betätigung auch in unserem Kreise sicheren Boden, Ziel und uneingeschränkte Anerkennung, letztere nun auch über sein Grab hinaus. Am 10. Januar starb unerwartet der Bankier und Konsul Albert Meyer, seit 1878 Mitglied und seit 1908 ständiger Prüfer der Kasse und der Jahres» rechnung der Gesellschaft. Hat der Verstorbene hierdurch den Vorstand wesentlich unterstützt und sich durch solche treue Mitarbeit um die wirt- schaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft verdient gemacht, so war nicht minder groß seine Anteilnahme an unseren ideellen Bestrebungen, und gern wird ihm hiermit von dieser Stelle aus bezeugt, daß er während der Jahre seiner Mitgliedschaft unübertroffen geblieben ist an regem Eifer und aufmerk- samer Teilnahme bei allen Vortragsveranstaltungen der Gesellschaft. Albert Meyer fehlte in den Sitzungen eigentlich nie und war stets voll rührender Dankbarkeit für alles, was ihm an wissenschaftlichen Anregungen geboten wurde. Unvergeßlich bleibt noch seine nachahmenswerte, werktätige Mithilfe III zur besseren Ausstattung unseres kleinen Sitzungs- und Lesezimmers vor zwei Jahren mit passenden Möbelstücken. — Von Korrespondierenden Mitgliedern schieden im Berichtsjahr infolge Tod aus Prof. Dr. Klein-KöIu, Herausgeber der Astronomischen Monatsschrift „Sirius“, und der Geh. Regierungsrat Prof. Hr. Remele von der Forstakademie Eberswalde, dessen uns überwiesene Druckschriften über Untersuchungen der versteinerungsführenden Diluvial- geschiebe im norddeutschen Flachlande, 1883 — 1890, eine Zierde unserer Bibliothek sind, und schließlich Prof. Johannes Trojan. — Mit Schmerz sehen wir die beiden genannten Naturforscher und den uns Danzigern besonders nahe stehenden sinnigen Naturbeobachter und Dichter von uns scheiden, welch letzterer es wie selten einer verstand, bei seiner vielseitigen und innigen Naturbeobachtung das Gemütvolle im Natur- und besonders im Menschenleben in ansprechender poetischer Form zum Ausdruck zu bringen. — Am 29. Juli 1915 starb der Geheime Sanitätsrat Dr. Freytag, seit 1871 Mitglied, einst in ge- sunden Tagen einer der eifrigsten Besucher unserer Versammlungen und im Kreise seiner Fachgenossen durch seine Schriften: „Die kontagiösen Sexual- krankheiten“ (1893) und „Vorträge über Nierenkrankheiten“ (1898) rühmlichst bekannt. Mit Freytag ist wieder einer der ausdauernden Getreuen dahin- gegangen, denen die Gesellschaft treue Erinnerung bewahrt. Doch weiter geht der lange Reigen der Totenschau, und wir beklagen ferner das Hinscheiden der folgenden einheimischen, bzw. auswärtigen Mit- glieder: Schlachthofdirektor Arens, Apotheker Bieber, Konsul Brandt, Pro- fessor Büttner, Praktischer Arzt Dr. Catoir, Justizrat Citron, Stadtrat Claassen, Oberlehrer Dr. Hennecke, Justizrat Honrath, Uhrmacher Laasner, Praktischer Arzt Dr. Mierendorf, Oberlehrer Wichmann, sämtlich in Danzig, Medizinalrat Dr. Rabbas - Neustadt und Rechnungsrat ScHOLZ-Marienwerder. Dr. Catoir, Oberlehrer Hennecke und Oberlehrer Wichmann haben ihr hoffnungsreiches Leben im blutigen Kampfe dem Vaterland zum Opfer ge- bracht. — Oberlehrer Hennecke ist durch seine fesselnden Vorträge über die moderne Erbliclikeitslehre, und der Botaniker Scholz - Marienwerder durch seine umfang- und inhaltreiche Arbeit über die Pflanzengenossenschaften West- preußens im 11. Bande unserer Schriften rühmlich hervorgetreten. — Klaffende Lücken sind in die Reihen der Mitglieder gerissen. Sie aus- zufüllen wird die nicht leichte Arbeit der nächsten Zukunft sein. Das An- denken der getreuen Toten lassen Sie uns zu dieser Stunde durch Erheben von den Sitzen ehren. (Es geschieht.). — Der Mitgliederbestand ist infolge dieser durch Eintritt neuer Mitglieder nicht ausgeglichenen Verluste etwas geringer als im Vorjahre. Es sind jetzt am Schluß des Jahres 1915: 4 Ehrenmitglieder gegen 5 z. E. 1914 und 5 z. E. 1913, 43 Korresp. Mitglied. „ 46 „ „ „ „ 49 „ „ „ 410 Einheim. „ „ 417 „ „ „ „ 425 „ „ „ 135 Auswärtige „ „ 142 „ „ „ „ 131 „ „ „ l-x- IV Die Gesamtzahl der Mitglieder beträgt demnach jetzt 592 gegen 610 zu Ende 1914 und 610 zu Ende 1913, die der zahlenden Mitglieder jetzt 545 gegen 559 zu „ „ „ 556 „ „ „ Dem Danke des Vorstandes an alle die Herren, die neue Mitglieder unserer Gesellschaft im verflossenen Jahre zugeführt haben, sei die Bitte hinzugefügt, in dieser werbenden Tätigkeit auch weiter allerseits mitzuhelfen. Ist die gegen- wärtige, schwere Kriegszeit zu solchem Unternehmen auch gewiß nicht günstig, so zeigt doch der Erfolg im Berichtsjahre, daß es hier und da nur der per- sönlichen Anregung zum Eintritt bedarf, um Erfolg zu erzielen. Und die Ein- nahmen der Gesellschaft zu erhöhen, ist dringend nötig, da die Ausgabeposten im Zwange der äußeren Verhältnisse ständig wachsen und des Ausgleiches harren. — Von persönlichen Angelegenheiten sei noch folgendes erwähnt: Unser Ehrenmitglied Dr. Sven von HEDIN-Stockholm beging im Februar 1915 seinen 50. Geburtstag, Geh. Regieruugsrat Conwentz- Berlin im Januar seinen 60. Geburtstag, unser Mitglied Rentier Galli im Mai seinen 80. Geburtstag. Allen drei Herren, die treu zur Gesellschaft halten, wurden zu ihrem Festtage die Glückwünsche der Gesellschaft übersandt, desgleichen Exzellenz von Mackensen zu seiner Beförderung zum Generalfeldmarschall. Herzliche Dankschreiben der vier Herren trafen dafür hier ein. Die wissenschaftliche Tätigkeit unserer Gesellschaft erstreckte sich wie üblich zunächst auf die Abhaltung von Sitzungen mit wissenschaftlichen Vorträgen, von denen im ganzen neun stattfanden. Themen aus der Biologie des Menschen, der Tiere und Pflanzen, aus der Medizin, der Physik und der Mathematik, d. h. aus den Forschungsgebieten der Herren Vortragenden, gaben den stets gut besuchten Versammlungen ihren reichen wissenschaftlichen Sach- inhalt. Die jedesmal sich anschließenden Fragen und Erörterungen legten Zeugnis ab von dem lebhaften, durch die Darbietungen geweckten Interesse. Bei Gelegenheit unseres letzten Vortrages im Jahr, am 15. Dezember, hatten wir die Freude, ein Mitglied des mit unserer Gesellschaft seit vielen Jahren in regem Schriftenaustausch stehenden Naturhistorischen Vereins in Heidelberg, Herrn Prof. Dr. Schäfeer, jetzt hier beratender Chirurg beim XVIL Reserve- korps, als fesselnden Redner des Abends zu begrüßen. Und die erste Sitzung im Winterabschnitt 1915/16 führte uns als Vortragenden Herrn Geh. Schulrat Dr. Münch aus dem befreundeten Verein in Darmstadt zu, dessen lebhaft interessierender Vortrag „Das veränderliche Bild in der Geometrie die hohe Leistungsfähigkeit unseres neuen ERNEMANN-Kinoapparates erkennen ließ, der übrigens auch sonst sich als sehr nützlich erwiesen hat bei Vorführungen zu Kriegswohlfahrts-Veranstaltungen. Aus Anlaß des Vortrages über die „Ent- wicklung und die Aufgaben der Orthopaedie“ erfolgte am 2. Dezember der Besuch des Zander sehen Instituts des Vortragenden, Herrn Sanitätsrat Dr. WoLFF in Danzig. — Der nachfolgende Sonderbericht des Schriftführers, Herrn V Prof. Dr. Wallenberg, über die wissenschaftlichen Sitzungen gibt die Vor- tragsthemen in übersichtlicher Aufstellung. Am 15. und 22. Februar hörten die Mitglieder mit ihren Angehörigen in der Aula der Königl. Technischen Hochschule hier zwei inhaltreiche Vorträge unseres Mitgliedes, des Herrn Prof. Dr. Rössler, über das Thema: „Die Technik und der Krieg“, die inzwischen in den Monatsblättern des Berliner Bezirksvereins Deutscher Ingenieure veröffentlicht und vom Vortragenden dankenswerter Weise der Bibliothek der Gesellschaft überwiesen worden sind. Eine sehr stattliche Beteiligung fand am 16. November im großen Werft- saal der von der Gesellschaft veranstaltete Lichtbildervortrag des Herrn General- major a. D. Bahn- Auerbach in Hessen: „Unsere schwere Artillerie und ihre 'Wirkung“. Wie damals Herr Prof. Rössler, so konnte diesmal die Gesell- schaft für die Danziger Kriegshilfe und für das Rote Kreuz hübsche Geld- beiträge abliefern. Endlich folgten die Mitglieder gern den Einladungen des uns nahe stehenden Westpreußischen Bezirksvereins Deutscher Ingenieure — mit dem gemeinsam wir unsere Sitzung vom 20. Oktober mit dem Vortrag von Geh.-Rat Dr. Münch: „Das veränderliche Bild in der Geometrie“ abhielten — zu den vom ge- nannten Verein veranstalteten Vorträgen: 1. „Der englische Aushungerungsplan und unsere Gegenwehr“, am 24. Februar von Oberingenieur Prehn, 2. „Ostpreußen, das Land des Bernsteins, des Elches und der Seen“, am 9. März von Dr. Nahm, 3. „Die Kälteindustrie und ihre Bedeutung im Kriege“, am 23. November von Professor Plank. — Über die wissenschaftliche Tätigkeit der Sektionen der Gesellschaft geben die hier nachfolgenden Berichte der Herren Vorsitzenden näheren Aufschluß. — Von wissenschaftlichen Veröffentlichungen ist das erste Heft des XIV. Bandes der „Schriften“ der Gesellschaft erschienen und den Mitgliedern inzwischen zugestellt worden. Es enthält den Jahresbericht des Direktors, die Berichte der Sektionsvorstände für das Jahr 1914, den Bericht über die ordent- lichen Sitzungen sowie den Bericht über die Tätigkeit der Elbinger Altertums, gesellschaft in den Jahren 1900 — 1913 und 1913/14 (Prof. Dr. Dorr), und außerdem noch folgende Abhandlungen : „Uber die Hexenbesen der Edeltanne (Geh. Stud.-Rat Dr. Bail); „Vom Graudenzer Becken“ (Prof. F. Braun); „Notizen über fossile Haifischzähne in den Wirtschaftsbüchern des Haupt- hauses des preußischen Ordensstaates“ (Prof. Dr. Dahms); „Heia, die Frische Nehrung und das Haff. Nach älteren Karten und Nachrichten entwicklungs- geschichtlich betrachtet“ (Prof. Dr. Sonntag). Die Drucklegung des zweiten Heftes des XIV. Bandes ist von Herrn Prof. Dahms in emsiger Arbeit schon vorbereitet und sie wird so beschleunigt, daß dem Wunsche der Herren Verfasser nach schnellerer Veröffentlichung der eiugelieferten Arbeiten diesmal ohne weiteres Rechnung getragen werden kann. VI Später soll dem schon lange bestehenden Wunsche einer schnelleren Heraus- gabe der „Schriften“ durch die Veröffentlichung zwangloser Teilhefte Folge gegeben werden. In ruhiger Zeit wird, einer Anregung im Vorstand ent- sprechend, eine eingehende Beratung über diese wichtige Frage einer Um- gestaltung der „Schriften“-Herausgabe erfolgen, unter Hinzuziehung der dabei am meisten interessierten, wissenschaftlich arbeitenden Mitglieder. In der Astronomischen Station unserer Gesellschaft haben die wissen- schaftlichen Beobachtungen und Versuche, abgesehen von Zeitbestimmungen, im Berichtsjahr ganz ruhen müssen, da der Astronom, Herr Dr. v. Brunn, im Felde steht. Zeitbestimmungen, die Beaufsichtigung und Regulierung der Uhren besorgt der Gehilfe an der Sternwarte, Herr Krause, der auch die Instandhaltung der übrigen Instrumente gewissenhaft besorgt. Der Plan des Baus einer neuen Sternwarte außerhalb des Dunstkreises der inneren Stadt|. hat im verflossenen Jahr eine erfreuliche Förderung erfahren. Zunächst hatf der Provinzialausschuß von Westpreußen laut Schreiben des Herrn Landes-J hauptmann vom 25. März 1915 eine Summe von 1000 M jährlich zu den% laufenden Ausgaben der neuen Warte bewilligt. Die gleiche Summe von 1000 M ist der Magistrat von Danzig laut Schreiben vom 21. April 1915 bereit, in den Haushaltungsplan der Stadt einzustellen. Dieses günstige Er] gebnis der gepflogenen Verhandlungen ist dem lebhaften Interesse der Herrem Landeshauptmann Freiherr Senfft von Pilsach, Oberbürgermeister Scholz | und Stadtschulrat Dr. Damus zuzuschreiben. Den genannten Herren in erster' Linie schuldet unsere Gesellschaft ehrerbietigen Dank. Weiter hat in dankens- werter Weise unser Mitglied, Herr Fabrikbesitzer Hartmann, auf seinem Ge- lände hinter der Technischen Hochschule den Bauplatz für die neue Warte frei zur Verfügung gestellt. Um die Sicherung dieses Resultats hat der Haus- verwalter der Gesellschaft, Herr Stadtrat Zimmermann, sich ein großes Ver- dienst erworben. Inzwischen hat Berichterstatter zweimal Gelegenheit gehabt, im Kultusministerium in Berlin, wo seit lange ein lebhaftes Interesse für diese Angelegenheit besteht, über deren Stand eingehend vorzutragen und darauf hinzuweisen, daß unsere Gesellschaft in der Lage ist, die auf 20 000 M ange- setzten Bau- und Einrichtungskosten der neuen Warte aus dem Dr. Kayser sehen Legat völlig zu bestreiten und daß aus den Zinsen der der Gesellschaft ge- hörigen v. Wolf sehen Stiftung zur Förderung astronomischer Arbeiten, zu- sammen mit den zugesagten Zuwendungen seitens der Provinz und der Stadt, die auf 6300 M veranschlagten, laufenden Kosten der neuen Anlage gedeckt seien, bis auf eine Restsumme von 2600 M. Die Bitte um Gewährung der genannten Restsumme aus staatlichen Mitteln fand günstige Aufnahme. Der Dezernent für die Technischen Hochschulen, Herr Ministerialdirektor Dr. Naumann Exzellenz, persönlich seit lange für den ganzen Plan lebhaft interessiert, weil die neue Warte nach bereits erfolgten Vereinbarungen mit dem Senat unserer Hochschule Studien- und Arbeitszwecken der Hochschule in Langfuhr zugänglich Sein wird, gab seiner Freude über den gegenwärtig günstigen Stand der ganzen VII j Angelegenheit Ausdruck und die bestimmte Zusicherung, aus den ihm für die i preußischen Hochschulen zur Verfügung stehenden Fonds die noch fehlenden I ^600 M jährlich beizusteuern. Der bereits früher angenommene Bauplan soll I nun nach erfolgter neuer Durchsicht dem Herrn Minister eingereicht werden. Nach diesen Vorbereitungen und Erfolgen kann an die Ausführung des Baus gedacht werden, diese selbst natürlich erst nach der Beendigung des Krieges ( I erfolgen. Hoffen wir, daß dies noch in diesem Jahr stattfinden kann. ! Die die wissenschaftlichen Arbeiten der Mitglieder fördernde Bibliothek ^ unserer Gesellschaft fand im verflossenen Kriegsjahr zunächst durch Tausch mit Akademien, Vereinen und Instituten des Inlandes wie des neutralen Aus- landes ihren Zuwachs. Vom Kgl. Preußischen Landwirtschaftsministerium wurden wieder mit großem Dank seitens der Gesellschaft die wertvollen Land- wirtschaftlichen Jahrbücher hierher überwiesen. Von besonderem Wert ist eine Schenkung aus der nachgelassenen Büchersammlung unseres leider zu früh der Wissenschaft und uns entrissenen Mitgliedes Dr. Hennecke. Der Vater des an der Ostfront Gefallenen, Herr Prof. Hennecke - Dresden, hat zwölf biologische, wertvolle Druckschriften zum Andenken an seinen Sohn der Ge- sellschaft geschenkt. Den Dank hierfür möchte ich hiermit an dieser Stelle wiederholen! — Aus dem Nachlaß des durch den Tod uns entrissenen • Mit- gliedes Rechnungsrat ScHOLZ-Marienwerder konnten mehrere Werke vorwiegend botanischen Inhaltes für die Bibliothek billig erworben werden. Außerdem wurden eigene und fremde Druckschriften naturwissenschaftlichen Inhaltes der Bibliothek schenkungsweise zugeführt durch die Herren Geh. Bergrat Branca, Prof. F. Braun, Geh. Rat Conwentz, Prof. Dahms, Stadtrat Dumont, Pro- fessor Freund, Prof. Lakowitz, Prof. Lindner, Kapitän Reinecke, Professor Rössler, Prof. Sonntag. Allen sei der Dank der Gesellschaft hiermit nochmals ausgesprochen. Im einzelnen gibt über die Neuerwerbungen der nachfolgende Bericht des Bibliothekars, Herrn Prof. Dahms, näheren Aufschluß. Die Benutzung der Bibliothek und des Lesezimmers wie des unentgelt- lichen Zeitschriftenlesezirkels bewegte sich im bisherigen Rahmen. Doch auch da machten sich mancherlei durch den Krieg herbeigeführte Hemmungen be- merkbar. Trotzdem nimmt der Vorstand nach wie vor darauf Bedacht, das Lesezimmer noch besser auszustatten und den Aufenthalt darin behaglicher zu gestalten. Nachdem es Berichterstatter gelungen war, aus freiwilligen Gaben seitens verschiedener, werktätiger Mitglieder das Lesezimmer — unseren früheren Sitzungsraum — mit schönen Schränken und Tischen zu schmücken, sollen nach einer im Vorstand gegebenen Anregung aus den Mitteln der Gesellschaft ein neuzeitlicher passender Leseschrank und andere in das Ganze sich gut einfügende Ausstattungsstücke dort zur Aufstellung gelangen, damit allmählich der würdige Raum ein Anziehungspunkt für die Mitglieder und eine Sehens- würdigkeit in unserer Stadt werde. Hierfür geeignet dürften einzelne Stücke aus einer im dritten Stockwerk dieses Gebäudes untergebrachten Sammlung älterer und neuer physikalischer Apparate sein. Auch diese Sammlung ist VIII einer erhöhten Würdigung und einer besseren Aufstellung wert. Dahin gehende Bemühungen sind im Gange. An dieser Stelle sei erwähnt, daß Frau Rentier Kist, die Gattin eines früheren, verstorbenen Mitgliedes, eine sogen, magnetische Sonnenuhr, Fräulein Dr. ScHiRMACHER, die Schwägerin unseres Kommerzienrats Münsterberg, ein Relief bild des Königsberger Professors der Botanik Caspary und Herr Pro- fessor Ruff, dem wir so manchen schönen Experimentalvortrag in unseren Sitzungen verdanken, aus Anlaß seiner Versetzung an die Technische Hoch- schule in Breslau, seine Sammlung keramischer Handstücke aus Tonen diluvialer Lager der Umgegend Danzigs und Herr Prof. Müller - Danzig, gegenwärtig als Hauptmann d. L. im Felde, eine Anzahl selbst gesammelter Versteinerungen von Rombach in Lothringen unserer Gesellschaft zum Geschenk gemacht haben. Diese wertvollen Gegenstände sind mit großem Dank in Empfang genommen worden und werden hier eine geeignete Aufstellung in den Sitzungszimmern finden. Unsere Gesellschaft verwaltet zwei Stiftungen für die Förderung natur- wissenschaftlicher Forschungen und Arbeiten, vorzüglich zur Landeskunde Westpreußens. Aus der älteren, der HuMBOLDT-Stiftung, wurde 1915 dem einzigen Bewerber Cand. phil. Miehlke aus Danzig für eine mathematische Arbeit ein Stipendium von 150 M verliehen. Zu dem Stipendium aus der Prof. Dr. BAIL-Stiftung hatte ein geeigneter Bewerber sich diesmal nicht gemeldet. Die geschäftlichen Angelegenheiten der Gesellschaft fanden in 5 Außerordentlichen Sitzungen der Mitglieder und in 3 Vorstandssitzungen ihre Erledigung. Am 6. Januar wurde der Jahresbericht für 1914 vom Direktor, am 7. April der Bericht über den Stand der Kasse und die Rechnungslegung für 1914 durch den Rechnungsprüfer Herrn Prof. Dahms erstattet und mit . der Entlastung durch die Mitgliederversammlung den beiden Rechnungsprüfern, Herrn Bankdirektor Stein und Herrn Prof. Dahms sowie dem damaligen Schatzmeister, Herrn Kommerzienrat Münsterberg, der Dank der Gesellschaft ausgesprochen. In der Außerordentlichen Sitzung am 15. Dezember erfolgte nach dem Vortrag des Schatzmeisters Herrn Dr. Damme über den Haushaltungsplan für 1916 die Festsetzung des Voranschlages für 1916 zur Allgemeinen Kasse in Einnahme und Ausgabe auf 13 154 M, unter Einschluß der v. Wolf sehen Stiftung (für astronomische Zwecke), der Verch sehen Stiftung (für Bibliotheks- zwecke), der HuMBOLDT-Stiftung (für Stipendienzwecke) auf im ganzen 18518 M^). In derselben Sitzung ergab die satzungsgemäß anberaumte Wahl der Vor- standsmitglieder die folgende Zusammensetzung des Vorstandes für das Jahr 1916: Herr Prof. Dr. Lakowitz, Direktor, „ Prof. Dr. Krüger, Vizedirektor, „ Bankdirektor Dr. jur. Damme, Schatzmeister, 1) Die Prof. Dr. BAiL-Stiftung, die zugleich für den Westpreußischen Botanisch-Zoolo- gischen Verein gilt, gehört nicht zum Haushaltungsplan unserer Gesellschaft. IX Herr Prof. Dr. Wallenberg, Sekretär für die inneren Angelegenheiten, „ Prof. Dr. Kumm, Sekretär für die äußeren Angelegenheiten, „ Prof. Dr. Dahms, Bibliothekar, „ Stadtrat Zimmermann, Hausverwalter, „ Prof. Evers ] „ Prof. Dr. Petruschky / Beisitzer. „ Prof. Dr. Sommer J Als Pechnungsprüfer wurden die Herren Bankdirektor Stein wieder- und Eealgymnasialdirektor Prof. Frech neugewählt an Stelle des ausscheidenden (weil dem Vorstände angehörend) Herrn Prof. Dahms. Im Berichtsjahre erfreute sich die Gesellschaft, wie in früheren Jahren, der Unterstützung der Hohen Staatsregierung durch die Überweisung einer Summe von 500 M zur Unterhaltung unserer astronomischen Station und seitens der Provinzialverwaltung durch die Gewährung eines Zuschusses von 2000 M für die allgemeinen Aufgaben und im besonderen für die Herausgabe der Druckschriften, während die Städtischen Körperschaften Danzigs wieder einen Jahresbeitrag von 300 M beigesteuert haben. Für diese wichtigen und dringend erwünschten Unterstützungen den ehrerbietigsten Dank im Namen der Gesell- schaft hier auszusprechen, ist dem Berichterstatter eine angenehme Pflicht. Meine Herren! Dieser kurze Rückblick auf die Vorgänge des inneren Lebens unserer Gesellschaft läßt die Rückwirkung des großen Völkerringens auch auf unseren immerhin engen Kreis erkennen. Hemmungen mancher Art, Verluste materieller wie ideeller Natur hat das Kriegsjahr 1915 auch uns gebracht. Selbstverständlich wollen wir gewiß nicht zurückstehen im Dar- bringen von Opfern in dieser schweren Zeit. Und fast wunderbar will es uns erscheinen, daß die Tätigkeit unserer Gesellschaft wie anderer wissenschaft- licher Vereinigungen im Deutschen Reiche im großen Ganzen gleichmäßig fast wie zu Friedenszeiten ihren Fortgang nimmt. Daß dies möglich ist, danken wir den Heldentaten der wehrhaften deutschen Männer und Jünglinge, die Schulter an Schulter mit den wackeren Streitern der Bundesgenossen weit in der Feinde Lande eingedrungen sind und so am wirksamsten die Grenzen des Vaterlandes schützen. Zurückgedrängt und niedergerungen sind die Millionen- heere der Feinde ringsum, Gewaltiges an Mannesmut und Ausdauer ist und wird von unseren bewundernswerten Kämpfern da draußen vollbracht. Aber auch drinnen im eigenen Lande, in den bisherigen Arbeitsstätten des Friedens, ist Erstaunliches geleistet, und der tückische Plan der Feinde, durch Ab- sperrung Deutschlands Widerstand zu brechen, zunichte gemacht worden. Welche gewaltigen Kräfte unseres gesunden Volkskörpers sind nicht auch da zum eigenen Erstaunen und zum Staunen der Welt ringsum hervorgetreten. Dem Boden ist abgerungen, was er nur herzugeben vermochte, und gesichert ist die Volksernährung, mag der Krieg noch so lange dauern, d. h. bis zu dem die Gegner völlig niederschmetternden Siege, der wiederum erfochten werden muß, damit die ausgesprochene Absicht der Feinde, das Deutsche Reich X zu zertrümmern, seine Kultur, seinen Wohlstand für immer zu vernichten, endgültig vereitelt werde. Die für die wirksame Kriegführung nötigen, früher vom Auslande für teueres Geld bezogenen Rohstoffe, wie vor allem Salpeter, ' Baumwolle, Kampfer, Kautschuk, hat die deutsche chemische Industrie in i solcher Güte und Menge während des letzten Kriegsjahres in eigenen Be- . j trieben herzustellen vermocht, daß Deutschland nach dieser Richtung nun jj völlig selbständig und unabhängig dasteht und später sogar in der Lage sein | wird, alle diese wertvollen Stoffe auszuführen. Alles Geld ist daher im Lande \ geblieben, liegt zu noch langer Kriegführung bereit und hilft mit den SiegÄf; erringen. |!|l Kurzum, das deutsche Volk hat eine ureigene Kraftentfaltung auf wirt-fj|; schaftlichem, kriegstechnischem und finanziellem Gebiete bewiesen, wie sie auch|i|i die größten Optimisten vorher nicht geahnt haben. Und diese gewaltige Ijf; Kraftentfaltung wurzelt schließlich — das zeigt sich mehr und mehr — l dem Boden der reinen Wissenschaft, im besonderen der Naturwissenschaft. ||;T Diese Wissenschaft gab der deutschen Industrie die grundlegenden Mittel, all||fi das zu schaffen und zu leisten, was Deutschland jetzt und hoffentlich für immer unbesiegbar macht. Es ist nicht zu viel gesagt: Die angewandte Naturwissen- Schaft darf als die Retterin des Vaterlandes in dieser schweren Zeit betrachtet f werden. Stolz dürfen wir auf ihre Leistungen blicken, und mit Genugtuung 1 muß es uns erfüllen, daß auch unsere A'ereinigung im Dienste dieser Wissen- |j Schaft steht. | Mögen unserer altehrwürdigen Naturforschenden Gesellschaft wie bisher f l so auch in Zukunft stets die Mittel und Kräfte zur Verfügung stehen, zum | weiteren Ausbau dieser Wissenschaft ihr Scherflein beizutragen. Dieser Aus- 1 blick soll uns ein Ansporn sein, gleich denen da draußen an der Front hier | an den Stätten friedlichen Tuns unentwegt unsere Pflicht zu erfüllen, auszu- 1 harren mit zäher Ausdauer in wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Arbeit 1 zur Erzwingung eines durchgreifenden Sieges über Deutschlands Feinde. Wir I gehen mit dem ganzen deutschen Volke im Bewußtsein unserer Friedfertigkeit | aus dem alten Jahr in das neue hinüber, hoffen, daß das Jahr 1916 dem Zer- | störungswerk des Krieges ein Ende setze, aber, und das ist die Bedingung, | nur, nachdem von uns der volle Sieg errungen ist. Gott schütze weiter das deutsche Volk! I ;V >1, >, I XI Bericht über die Ordentlichen Sitzungen der Gesellschaft im Jahre 1915. 1, Sitzung am 6. Januar 1915. Der Direktor, Herr Professor Dr. Lakowitz, eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder, und erstattet den Jahresbericht für das Jahr 1914 sowie den der Vorsitzenden der Sektionen. Zu Ehren der im Laufe des Jahres 1914 dahingeschiedenen Mitglieder erhebt sich die Versammlung von den Sitzen. Darauf hält Herr Prof. Dr. Wallen- berg einen Vortrag über: „Elemente des Nervensystems und ihre Verbindungen^^, mit Vorführung von Lichtbildern und Präparaten. Unsere Kenntnis von den Grundbestandteilen eines jeden Nervensystems hat mit der Erforschung der äußeren Form, des architektonischen Aufbaus nicht gleichen Schritt gehalten. Bis zu den 80er .Jahren des vorigen Jahrhunderts gestatteten es die angewandten Färbemethoden nicht, in das gegenseitige Verhältnis der Ganglien- zellen (mit ihrem Kern, Kernkörperchen, Pigment und ihren z. T. reich verzweigten Fortsätzen), der Nervenfasern (von denen ein großer Teil eine isolierende Markhülle trägt, die in den außerhalb des Gehirns und Rückenmarks liegenden Nerven von Zeit zu Zeit unterbrochen ist) und des Stützgewebes, der „Neuroglia“ (mit ihren viel- füßigen Zellen und dünnen Fasern) Klarheit zu bringen. Erst als Golgi mit seiner Chromsilbermethode aus dem engmaschigen Filzwerk des Zentralnervensystems ver- einzelte Ganglienzellen mit allen ihren Fortsätzen bis zu den feinsten Verzweigungen hin herausheben konnte, war es möglich, der Frage nach dem Zusammenhang der einzelnen Elemente näher zu treten. Cajal konnte mit dieser Methode an den meisten Ganglienzellen reich verzweigte, dickere „Protoplasmafortsätze“ oder „Dendriten“ und einen gleichmäßig dünnen „Nervenfortsatz“ darstellen, der von Zeit zu Zeit Seitenzweige, „Collateralen“, abgab, dann zur marklosen oder markhaltigen Nerven- faser wurde und schließlich büschelartig, oft auch mit einer kleinen Verdickung in der Nähe einer anderen Ganglienzelle oder an deren „Dendriten“ endigte, soweit er nicht mit außerhalb der Zentralorgane gelegenen Endapparaten (Muskel, Haut, Sinnesorgane usw.) in Verbindung trat. Auf Grund dieses Befundes, der durch Unter- suchungen von His über die embryonale Entwickelung des menschlichen Nerven- systems in schönster Weise ergänzt wurde, nahm Cajal an, daß jede Ganglienzelle mit allen ihren Ausläufern eine biologische Einheit bildet, der Waldeyer den Namen „Neuron“ gab, und daß die zahllosen Neuronen, aus denen sich das Nervensystem zu- sammensetzt, voneinander unabhängig sind, nicht direkt ineinander übergehen, son- XII dem sich nur bis zur gegenseitigen Berührung nähern („Contiguität“, nicht „Con- tinuität“). Golgis Methode war aber nicht imstande, den inneren Bau der Ganglienzelle zu enthüllen. Erst Ehelich und besonders Nissl gelang es, innerhalb der Zelle außer Kern, Kernkörperchen, Pigment mit basischen Anilinfarben be- stimmte Teile des Protoplasma zu färben, die sogenannten „Nissn-Körper“, die im Nervenfortsatz fehlen, also mit der Leitung der Nervenerregung anscheinend nichts zu tun haben. Das chemische Verhalten dieser Körper in verschiedenen normalen und krankhaften Zuständen der Zelle spricht dafür, daß sie in erster Keihe bei dem Stoff- Avechsel der Ganglienzelle, der Assimilation und Dissimilation, den Anbau- und Abbau- vorgängen beteiligt sind. Grundbedingung für die normale Funktion der Ganglienzelle ist die Sicherung der Anfuhr von Nährstoffen und Abfuhr von Stoffwechselprodukten, unter denen lipoide Substanzen (als Körnchen und Stäbchen in den Zellen und in den Markscheiden der Nerven sichtbar zu machen) eine Hauptrolle spielen. Diese An- und Abfuhr wird durch Lymphscheiden, durch eigenartige Kanälchen und durch Fortsätze von Stützzellen vermittelt, die in die Ganglienzelle hineindringen. Bei einigen Knochen- fischen gibt es sogar einen Blutkreislauf der Ganglienzelle. Die Untersuchung der Zellen in ultraviolettem Licht (Tello) und mittels des Ultramikroskops (M arinesco) haben bisher unser Wissen von dem inneren Aufbau nicht wesentlich gefördert. Dagegen gab die Darstellung feinster Fädchen (Fibrillen) in den Lücken zwischen den NissL-Körpern und in den Nervenf ortsätzen (Methoden von 8imarro, Ca.jal und Bielschowsky) Gelegenheit, der Frage nach der Leitung und Übertragung von Nerven- erregungen näherzutreten. Da die Fibrillen an den letzten Enden des Nerven- fortsatzes dichte Netze um die Nachbarzellen bildeten und in den letzteren ebenfalls Fibrillen-Netze sich darstellen ließen, so entbrannte wieder der alte Streit zwischen den Anhängern und Gegnern der Neuronenlehre. Diese behaupteten, es bestehe eine direkte Verbindung zwischen den Endnetzen des einen Neurons und den intrazellu- lären Fibrillennetzen des anderen. Jene glaubten, es käme nur eine enge Berührung des einen Netzes mit dem anderen zustande. Ob die eine oder die andere Ansicht zu Kecht besteht — der Begriff des Neuron als biologischer Einheit im Sinne Edingers — wird dadurch nicht berührt. Die Frage nach der funktionellen Bedeu- tung der Fibrillen wurde weder durch die Entdeckung stäbchenartiger Einlagerungen noch durch eigenartige A^eränderungen des Fibriilenbildes nach Einwirkung extremer Temperaturen, bei verschiedenen Stadien der Tätigkeit, nach bestimmten Vergiftungen gefördert. Auch heute noch läßt sich nicht entscheiden, ob die Fibrille selbst als Leiter der Nervenerregung anzusehen ist oder die sie umhüllende, halbflüssige „Perifibrillärsubstanz“, die Fibrille also lediglich Stützfunktion besitzt. Auch über die Entstehung der Fibrillen gehen die Ansichten diametral auseinander. Die Anhänger der Neuronenlehre nehmen an, daß sie aus der Ganglienzelle mit dem Nervenfortsatz herauswachsen, die Gegner halten eine mehrzellige Entstehung, außer- halb der Ganglienzellen, für wahrscheinlich. Die Fibrillen sollen von Zellen ge- bildet werden, die in der Hülle der Myelinscheide markhaltiger Nerven gelegen und mit dem Nervenfortsatz enge verbunden sind („Schwann sehe Zellen“). Die zur Entscheidung dieser Fragen angestellten Versuche (Züchtung von lebenden Nerven ohne ScHWANNsche Zellen, Unmöglichkeit der .AA^iederherstellung von Nerven- fasern, die von ihrer Ursprungs - Ganglienzelle völlig abgetrennt sind) sprechen in ihrer Mehrheit für die Anhänger der Neuronentheorie. Unerklärt bleibt aber dabei die Tatsache, daß die Nerven unter den mannigfaltigsten Versuchsbedingungen und trotz der größten Hindernisse stets auf gleichen Wegen zu ihren Endorganen gelangen. Gegenbaur und Hensen nahmen frühembryonale, protoplasmatische Ver- bindungen zAvischen Ursprungszelle und Endorgan an, Düstin vorbestimmte Wege geringeren AA^iderstands („Odogenese“), Gajal und Forsmann chemische „Lock- XIII Substanzen“ an den Endorganen („Chemotaxis“); andere Forscher sprachen von „Neiirobiotaxis“. Als Beispiel dafür, daß, wie Edinger und Liesegang nachgewiesen haben, durch rein mechanische Kräfte ähnliche Wirkungen wie beim Auswachsen regenerierender Nervenfasern entstehen können (abgesehen natürlich von dem. un- geheuren Größeniinterschied) werden die bekannten „bäum- und strauchartigen Metallsalzvegetationen“ Böttchers vorgeführt, die beim Einführen von bestimmten Metallsalzen in Wasserglas entstehen. Ähnlichkeiten im Aufbau der Ganglienzellen und der Drüsenzellen haben neuerdings wieder zu der alten Hypothese von einer Sekretion während des Ablaufes der Nervenerregung geführt. Viele Hindernisse sind noch zu überwinden, um über die Bahnen Klarheit zu schaffen, auf denen die Tätigkeit des Nervensystems sich abspielt, das Wesen dieser Tätigkeit selbst aber ist noch ganz in Dunkel gehüllt. — Der Vortrag wurde durch schematische Zeichnungen, Lichtbilder und Präparate unter dem Mikroskop erläutert. 2. Sitzung am 3. Februar 1915. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und widmet herzliche Worte der Erinnerung dem verstorbenen Ehrenmitglied der Gesell- schaft, Herrn Wirkl. Geheimrat Professor von Auwers sowie dem verstorbenen langjährigen Mitgliede der Gesellschaft, dem Herrn Konsul Albert Meyer. Die Anwesenden erheben sich zu Ehren der Verstorbenen von ihren Sitzen. Der Direktor berichtet ferner über ein an Geheimrat Dr. Conwentz an- läßlich seines 60. Geburtstages abgesandtes Telegramm und über den Dank des Jubilars. Darauf hält Herr Professor Dr. Stremme einen Vortrag über „Der IVlensch des Eiszeitalters“ mit Vorführung von Lichtbildern und Präparaten. An den Vortrag schließt sich eine angeregte Aussprache. Der Direktor spricht dem Vortragenden den Dank der Gesellschaft aus. — Herr Dr. Stremme gedenkt für unsere Schriften eine ausführliche Behandlung des Themas als selbständige Arbeit in einem der nächsten Hefte zu veröffentlichen. 3. Sitzuug am 4. März 1915. (Im Hörsaal des Physikalischen Instituts der Kgl. Technischen Hochschule.) Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die anwesenden Mitglieder und Gäste, überbringt einen Gruß von Sven von Hedin, dem er zu seinem 50. Ge- burtstage den Glückwunsch der Gesellschaft übersandt hatte. Er macht ferner Mitteilung von einer Einladung des Bezirks - Vereins Deutscher Ingenieure (Sektion Westpreußen) zur Sitzung am 9. März, in der ein Vortrag über „Ost- preußen, das Land des Bernsteins, der Elche und der Seen“ stattfinden soll. Darauf hält Herr Professor Dr. Krüger einen Vortrag über „Neuere Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen“ mit Vorführungen von Experi- menten und Lichtbildern. Der Direktor spricht dem Vortragenden den Dank der Gesellschaft aus. XIV 4. Sitzung am 7. April 1915. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, legt einige der Gesellschaft durch Geschenk und durch Vermächtnis des fürs Vaterland gefallenen Herrn Dr. Hennicke zugegangenen Werke vor und spricht den Dank der Gesellschaft aus. Dem Andenken des Herrn Dr. Hennicke widmet er herzliche Worte. Er weist dann auf einen am 10. April vom Bezirksverein Deutscher Ingenieure veranstalteten Vortrag hin und erteilt das Wort Herrn Stabsarzt d. R. Dr. Schwer zu einem Vortrag ,, Unsere Freunde in der Bakterien- welt^‘ (mit Demonstrationen). Ausgehend von unseren Feinden unter den Mikroorganismen, den pathogenen Bakterien, welche die Infektionskrankheiten hervorrufen, unterzieht der Vortragende dieses Gebiet zunächst einer kurzen Betrachtung und hebt hervor, daß, dank der großen Errungenschaften der modernen Hygiene und Bakteriologie, die Zeiten vorbei sind, wo die Seuchen von Land zu Land zogen und die Staaten entvölkerten. Die Seuchen haben in unseren Kulturländern viel von ihren Schrecken verloren. Es liegt daher auch jetzt in Kriegszeiten kein Anlaß vor, allzu ängstlich zu sein und eine Einschleppung und Weiterverbreitung von ansteckenden Krankheiten namentlich durch die kriegsgefangenen Bussen zu befürchten. Es sind von der Heeresverwaltung- und ihren Ärzten umfassende Vorkehrungen dagegen getroffen; bisher ist noch keine Seuchenverschleppung aus den Gefangenenlagern unter die Bevölkerung vorgekommen und bei unseren vorzüglich organisierten Einrichtungen auch nicht zu befürchten. Sodann gab der Kedner unter Demonstration von Lichtbildern und Kulturpräparaten einen kurzen Überblick über die Bakterien und niederen Pilze im allgemeinen, über ihre äußeren Formen und ihr inneres Leben, das er hinsichtlich ihrer Lebensäuße- rungen und Lebensbedingungen kurz schildert, und hebt hervor, daß die ganze moderne Bakteriologie sich auf den genialen Methoden unseres unvergeßlichen Robert Koch aufbaut, deren grundlegendste die A^erwendung der festen und durchsichtigen Nähr- böden ist. Nach diesen einleitenden, zum allgemeinen A^erständnis für das Reich der Bak- terien dienenden Ausführungen geht der A^ortragende auf das eigentliche Thema ein und bespricht im ersten Teil die Bakterien und Pilze, welche sich im Haushalt des Menschen nützlich erweisen und ihm manche Annehmlichkeit und manchen Genuß verschaffen. Da sind zunächst die Bakterien der sauren Milch, welche durch Ver- gärung des Milchzuckers zu Milchsäure und Kohlensäure die spontane Milchgerinnung verursachen und uns ein angenehmes, bekömmliches, namentlich zur Abwechselung bei Milchkuren sehr willkommenes Getränk liefern. In ähnlicher Weise entstehen die Milchpräparate Kefir und Kumis, welche durch Vergärung von Kuh- bzw. Stuten- milch mittels der Kefirkörner, jener mit wunderbarer Kraft belebten „Hirse des Propheten“ entstehen. Diese enthält eine Milchsäurebazillenart, die den Milchzucker zu Milchsäure vergärt und aus ihm gleichzeitig Traubenzucker herstellt, den dann die Hefe zu Alkohol upd Kohlensäure vergärt. So entsteht ein bekömmlicher, angenehm schmeckender Milchwein. Ein weiteres Gärprodukt aus Milch, den Yogurth, erzeugen die Yogurth-Bakterien. A^erschiedene Milchsäurebakterien erzeugen, im Molkerei- betriebe dem Rahm in Reinkultur zugesetzt, eine in bezug auf Geschmack, Aroma und Haltbarkeit vorzügliche Butter, die oft die feinsten natürlichen Produkte über- trifft, ein Verfahren, das vor Butterfehlern schützt, welche oft durch das Eindringen fremder Bakterien entstehen. Viele Nahrungsmittel erhalten erst durch die Milch- säüregärung ihren eigentlichen AVert, wie das Sauerkraut, die Salzgurke und gewisse nordische Beerenarten, z. B. die Preißelbeere. Auch die Essiggärung ist eine XV chemische Leistung von Bakterien, der Essigsäurebazillen, von denen mehrere Arten bekannt sind. Ein bekömmlicher, wohlschmeckender Essig läßt sich nur durch die Gärtätigkeit dieser Lebewesen herstellen, andere aus chemischer Essigsäure her- gestellte Kunstprodukte sind dem Naturessig gegenüber minderwertig. Der Eeifungs- prozeß der verschiedenen Käsesorten ist ebenfalls an die Mitwirkung von Mikroben gebunden; ohne diese keine Käsereifung. Für einige Käsesorten spielen bestimmte Mikroorganismen bei der Reifung eine Rolle. Auch der Tabak verdankt seine Qualität einem durch Bakterien hervorgerufenen Gärungsprozeß. Es ist gelungen, minder- wertige Sorten durch Vergärung mit Bakterien von feinen, ausländischen Tabaken zu veredeln. Auf der Tätigkeit der Hefezellen, die aus zuckerhaltigen Flüssigkeiten Alkohol, Kohlensäure und gewürzhaft aromatische Substanzen bilden, basiert die Gärungsindustrie, welche uns die alkoholischen Genußmittel verschafft. Während man früher bei der Bierbereitung unkontrollierbare Hefegemische benutzte, kommen jetzt in den Großbetrieben nur Reinkulturen und sterilisierte Würze zur Anwendung, wodurch Krankheiten des Bieres ausgeschaltet werden. Bei der Weinbereitung werden mit günstigem Erfolg edle Heferassen zur Veredelung minderwertiger Moste benutzt. Im zweiten Teil des Vortrages kommen diejenigen Mikroorganismen zu ihrem Recht, welche uns nicht allein nützlich, sondern für uns und die Katur notwendig sind. Bei der Brotbereitung erfüllt die Hefezelle eine für die Volksernährung notwendige Aufgabe. Die gewürzigen, nahrhaften Substanzen, die die Hefe aus den in Zucker umgewandelten Stärkekörnchen des Mosts und durch Auflösung ihrer eigenen Zellen bildet, können nicht künstlich durch Chemikalien, wie das Backpulver, ersetzt werden. Für die Erhaltung des Lebens sind ferner notwendig die Bodenbakterien, welche die Abbauprodukte der dem Ackerbau überwiesenen stickstoffhaltigen Substanzen, ins- besondere den Ammoniak, zu Nitraten oxydieren, so daß es dann als Nährstoff zum Aufbau des Pflanzeneiweißes von den Wurzeln auf genommen werden kann. Ohne diese nitrifizierenden Spaltpilze ist ein Pflanzenwachstum nicht möglich. Zwei Arten kommen in Betracht, von denen die eine das Ammoniak zu Nitriten, die andere die letzteren zu Nitraten überführt. Ferner gibt es im Boden, regelmäßig in Knöllchen an den Wurzeln der Leguminosen vorkommend, Bakterien, welche den Luftstickstoff direkt assimilieren, aufspeichern und ihn zum Pflanzenaufbau verwenden. Diese sind in Reinkultur als Nitragin im Llandel erhältlich und werden zur Förderung der Erträge beim Aufbau der Leguminosen und auch anderer Feldfrüchte (Getreidearten, Kartoffeln) und zur Urbarmachung von Ödland mit großem Vorteil angewandt (Licht- bilder), Die im menschlichen und tierischen Darmkanal regelmäßig vorkommenden Darmbakterien haben offenbar auch eine für den tierischen Stoffwechsel notwendige Bedeutung, wie die interessanten Versuche von Schotteuus beweisen, daß steril aus- gebrütete und steril ernährte Hühnchen nur kurze Zeit zu leben vermögen. Jedenfalls steht fest, daß das in dem Darmkanal regelmäßig vorkommende Bact. coli commune und der Milchsäurebazillus eine fäulnishemmende Wirkung im Darm ausübt bzw. primäre Fäulnisprodukte dort rasch weiter spaltet und unschädlich macht. Unter den harm- losen Bakterien gibt es auch Arten, wie der B jluorescens und B. prodigiosus, welche uns im Kampfe gegen pathogene Bakterien, z. B, den Milzbrand- und Typhusbazillus, helfen und diese, wenn sie mit ihnen Zusammenkommen, vernichten. Unsere größten Wohltäter, ohne die ein Leben undenkbar wäre, sind die Fäulnisbakterien im Boden. Sie zersetzen alle tierischen und pflanzlichen Abfallstoffe und befreien uns hierdurch von diesem schädlichen Unrat. Die zersetzten einfachen Atomgruppen werden dann wieder von den oben erwähnten Bodenbakterien zum Aufbau der Pflanzenwelt umgewandelt. Das ist der Kreislauf des Stoffes, der an die Mitwirkung der Mikroorganismen ge- bunden wird. Die biologischen Eigenschaften der Fäulnisbakterien werden in großem Maßstabe zur hygienischen Beseitigung der schädlichen Abfallstoffe auf den Riesel- XVI feldern aiisgenutzt, wo sie den natürlichen Weg in den Erdboden durch das Seich der Bakterien in den Körper der Pflanzen ziirücklegen. Wo genügend Land zur An- lage von Rieselfeldern nicht zur Verfügung steht, bildet das biologische Reinigungs- verfahren der Abwässer einen guten Ersatz. Durch beide Verfahren werden die Seuchen indirekt und die Erreger derselben direkt bekämpft. Eine ungezwungene Betrachtung der Bakterien zeigt also, daß sie ein un- entbehrliches Glied in der Kette bilden, die alle lebenden Wesen der Erde unter- einander verbindet und daß wir, die Tiere und Pflanzen ohne die Bakterien nicht existieren könnten. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, muß die Tätigkeit der Mikroorganismen beurteilt werden, damit nicht nur ihre schädlichen Eigenschaften bekämpft, sondern auch ihre guten Leistungen in den Dienst der menschlichen Gesundheitslehre gestellt werden können. 5. Sitzung am 5. Mai 1915. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und beglück- wünscht Herrn Geheimrat Professor Lorenz zu seiner Wahl als Rektor der Königl. Technischen Hochschule. Darauf hält Herr Geh. Regierungsrat Professor Dr. Lorenz einen Vortrag über: „Ballistik. Physikalische Grundlagen der Lehre vom Schuss“ (mit Vor- führung von Lichtbildern und Zeichnungen). Der Vortragende beginnt mit einer Schilderung der gleichzeitigen Bewegung des Geschosses im gezogenen Rohr und dem Rücklauf des letzteren, der durch eine Bremsung und eine federnde Vorschubeinrichtung beeinflußt wird. Daran schließt sich eine Erörterung des Kräftespiels, das den Verlauf dieser Bewegungen bedingt. Hierbei wird besonders auf die Reibung in den Zügen hingewiesen, die ihnerseits eine Rotation des Geschosses um seine Längsachse bedingen. Nachdem das Geschoß das Rohr verlassen hat, vollzieht dieses unter der Wirkung der Rücklaufbremse und der federnden Vorschubeinrichtung eine gedämpfte Schwingung, die aber schon nach einer Periode praktisch ausgeklungen ist. Läßt man die Bewegung .des Rohres während des Schusses durch einen soge- nannten Rücklaufmesser graphisch aufzeichnen, so kann man daraus die jeweilige Geschwindigkeit des Rohres und daraus wieder seine Beschleunigung ableiten, aus der sich dann die Treibkraft für jeden Augenblick und jede Stellung des Geschosses ergibt. Allerdings sind diese Messungen wegen der kurzen Dauer des Vorgangs (1 bis 2 Tausendstel einer Sekunde) nicht sehr sicher. Jedenfalls ergibt sich ein Druck- diagramm, das demjenigen einer Gasmaschine ähnelt, das heißt ein sehr steiler Druck- anstieg bei Beginn der Bewegung bis zu 2000 bis 3000 Atmosphären, darauf eine Expansion bis etwa 200 — 400 Atmosphären, mit der die Pulvergase hinter dem Geschoß das Rohr verlassen. Infolge ihrer weiteren Expansion im Freien steigt noch ihre Geschwindigkeit über die des Geschosses hinaus, wodurch scheinbar das Bild einer Explosion entsteht, das der Vortragende vorzeigt. Der hohe Druck im Rohrinnern bedingt in den Rohrwandungen ganz erhebliche Spannungen in radialer und tangentialer Richtung, die sich aber über die Wand- stärke sehr ungleichmäßig verteilen. Das führt insbesondere für sehr große Kaliber zu einer schlechten Materialausnützung, der man durch einen oder mehrere auf das Seelenrohr warm aufgezogene Mantelringe begegnet. Die Zahl dieser die Festigkeit erhöhenden Ringe nimmt mit dem Gasdruck nach der Rohrmündung ab und ist folglich über dem Kartuschenraum am größten. Die Engländer, die nicht in der Lage sind, so große homogene Stahlblöcke herzustellen wie Krupp, helfen sich daher durch Aufwickeln einer nach vorn abnehmenden Zahl von Stahlbandlagen, weshalb XVII ihre Geschütze wohl auch als Drahtkanonen bezeichnet werden. Wäre die Keibung’ der Stahlbänder gegeneinander, die wie diejenigen eines Riemens auf der Scheibe sich längs des Umfangs stark ändert, nicht vorhanden, so besäßen die Drahtlagen sämtlich die gleiche Tangentialspannung, während die Radialspannung wie bei den Mantelringrohren von innen nach außen abnimmt. Infolge der Reibung wird indessen der Spannungszustand vollständig unbestimmt, worin wir eine große Unsicherheit über die Materialbeanspruchung erblicken müssen. Dazu kommt noch der Umstand der geringeren Biegungsfestigkeit der Drahtgeschütze, die sich besonders bei großer Rohrlänge in der Zielsicherheit äußern muß. Als schwacher Punkt gilt ferner noch die Befestigung der Drahtlagen auf dem Rohr, die eine dauernde Beaufsichtigung erfordert. Zur äußeren Ballistik übergehend, schildert der Vortragende zunächst die para- bolische Bahn des Geschosses im luftfreien Raum, die sich unter dem Einfluß der Erdbeschleunigung als ein Sonderfall der Planetenbewegung ergibt. Wesentlich ist hierbei das Ergebnis, daß im allgemeinen ein Ziel mit zwei Elevationswinkeln er- reicht werden kann, also durch Steilschuß oder durch Flachschuß. Von ihnen kommt der erstere hauptsächlich für feste gedeckte Ziele, der letztere dagegen für die Feld- schlacht und das Seegefecht ausschließlich in Betracht. Wesentlich beeinträchtigt wird die Geschoßbewegung durch den Luftwiderstand, dessen gesetzmäßige Abhängig- keit von der Geschwindigkeit noch nicht vollkommen erforscht ist. Immerhin hat man an Hand von Schießergebnissen Schußtabellen ausgearbeitet, die eine recht sichere Einstellung der Rohre auf Ziele mit bekannter Entfernung gestatten. Vom Luftwiderstand ist außerdem bekannt, daß er sowohl vom Geschoßquerschnitt, als auch vom Zustand der Luft abhängt. Daraus folgt dann die größere Flugweite langer und schwerer Geschosse, das heißt die Überlegenheit des Langgeschosses über das Eugelgeschoß und diejenige des Artilleriegeschosses über das Infanteriegeschoß. Durch den Drall erhält das Geschoß eine Rotation, die es zu einem Kreisei macht, der ähnlich dem Kinderkreisel Nutations- und Präzessions-Erscheinungen auf- weist. Vor allem will sich die Geschoßachse jeder Richtungsänderung, zum Beispiel durch den Luftwiderstand, durch eine Seitenabweichung entziehen. Andererseits wirkt auch die Luftreibung an der rotierenden Mantelfläche ebenso bremsend wie die Bodenreibung des Kinderkreisels, der sich infolgedessen schließlich ganz auf- richtet. Dieser Aufrichtung entspricht beim Geschoß die Einstellung der Geschoß- achse in die Flugtangente, die allein eine richtige Wirkung beim Auftreffen verbürgt. An den Vortrag schließt sich eine angeregte Aussprache. Der Direktor spricht dem Vortragenden den Dank der Gesellschaft aus. 6. Sitzung am 20. Oktober 1915. (Gemeinsam mit dem Westpreußisclien Bezirksverein Deutscher Ingenieure.) Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu gewählten Mitglieder und dankt dem ortragenden des Abends, Herrn Geheimen Schulrat Dr. MÜNCH-Darmstadt, für seine Bereitwilligkeit, vor der Gesellschaft zu sprechen. Er begrüßt die anwesenden Mitglieder des West- preußischen ßezirksvereins Deutscher Ingenieure und spricht mit herzlichen Worten den Wunsch einer ferneren, erfolgreichen Fortführung und Beendigung des blutigen Krieges aus. Er widmet ferner warme Worte der Erinnerung an die gefallenen Mitglieder und besonders auch an das Ableben des lang- jährigen, hochverdienten Schatzmeisters der Gesellschaft, Herrn Kommerzienrat Otto Münsterberg. Sehr. d. N. G, zu Danzig. Bd. XIV, Heft 2. 2 XVIII Die Anwesenden erheben sich zu Ehren der Verstorbenen von ihren Sitzen. Herr Marine-Oberbaurat Schmidt begrüßt darauf im Namen des Bezirks- vereins Westpreußen der Deutschen Ingenieure den Herrn Vortragenden des Abends und die anwesenden Mitglieder"^ beider Vereine. Darauf hält Herr Geh. Schulrat Dr. MüNCH-Darmstadt einen Vortrag über ,,Das veränderliche Bild in der Geometrie^^ mit Vorführungen durch den Kinematographen. Vortragender weist nach, wie durch die Einführung der Bewegung und Ver- änderung in die geometrischen Figuren das Kinematogramm ein vorzügliches Lehr- mittel für den Unterricht in der Geometrie wird. Man verläßt die Art Euklids, die geometrischen Figuren als starr und unveränderlich anzusehen. Das Kinematogramm kann zur Erläuterung des Gedankenganges bei geometrischen Beweisen dienen, in- dem es die Übergänge von einem Teil der Figur zum nächsten vor den Augen des Beschauers sich vollziehen läßt. Als anschauliches Beispiel gibt Vortragender die Vorführung des Beweises für den Pythagoräischen Lehrsatz, indem er die Um- formung des halben Kathetenquadrats in ein anderes Dreieck, Drehung dieses Drei- ecks um eine seiner Ecken und seine Umformung in ein anderes Dreieck zeigt, das das halbe Rechteck aus Hypotenuse und ihrem einen Höhenabschnitt ausmacht. Durch Wiederholung der Vorführung soll sich das vermindernde Bild dem Gedächtnis ein- prägen. Es werden sodann im bewegten Bilde gezeigt die Tangenten von einem bewegten Punkt an einen Kreis; die äußeren und inneren Tangenten an zwei Kreisen, von denen einer fest und einer beweglich ist; alle die Kreise, die zwei feste Kreise berühren; die Einführung eines dritten Kreises (Apollonisches Problem). Das Problem des Apollonius behandelte der Vortragende neueren Anschauungen entsprechend, indem er zugleich darauf aufmerksam machte, daß beim Vorführen des beweglichen Bildes an diesem gleichsam Versuche angestellt werden können durch Hineinhalten von festen Kreisgebilden in die verschiedenen Teile der veränderlichen Figur. Ferner wurde die Erzeugung aller Kegelschnitte, die durch bestimmte Punkte oder Tan- genten gegeben sind, gezeigt, sowie die Darstellung der Bewegung von Sonne und zwei Planeten unter der Annahme, daß 1. die Sonne, 2. einer der beiden Planeten feststeht. Den Schluß bildeten Demonstrationen über das Gelenkviereck, um . dar- zulegen, daß besonders auch in der Kinematik das lebende Bild selbst da Verwendung finden kann, wo alle Mechanismen versagen. An den Vortrag schließt sich eine angeregte Aussprache. Der Direktor spricht dem Vortragenden den Dank der Gesellschaft aus. 7. Sitzung am 3* November 1915. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neuen Mitglieder, legt das neueste Heft der Schriften der Gesellschaft vor und weist auf die in Aussicht genommenen Vorträge der Gesellschaft hin. Darauf hält Herr Sanitätsrat Dr. Wolff einen Vortrag über ,, Entwickelung, und Aufgaben der Orthopaedie^^ mit Vorführung von Lichtbildern durch das Episkop. (Der Vortrag ist ungekürzt in diesem Hefte, S. 1 — 14, abgedrückt.) An den Vortrag schließt sich eine angeregte Aussprache. Der Direktor spricht dem Vortragenden den Dank der Gesellschaft aus. 8. Sitzung am 1. Dezember 1916. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder, heißt den Vortragenden des Abends, Herrn XIX Professor Dr. Thienemann, herzlich willkommen und teilt der Versammlung mit, daß Herr Sanitätsrat Dr. Wolfe die Mitglieder der Gesellschaft zur Be- sichtigung seines orthopädischen Instituts eingeladen hat. Darauf hält Herr Professor Dr. Thienemann - Rossitten einen Vortrag über: „Die neuesten Ergebnisse des Vogelberingungsversuches'* mit Vorführung von Lichtbildern und Karten. Der Vortragende weist zunächst darauf hin, daß wohl seiten ein wissenschaft- liches Experiment so unmittelbar durch den Weltkrieg betroffen wird, wie der Vogel- beringungsversuch, der sich nach und nach zu einem internationalen IJnternehm.en ausgewachsen hat. Gleichwohl treffen auch jetzt noch recht interessante Ring- sendungen und -Meldungen auf den Vogelwarten ein. Der Versuch ist fortwährend im Fluß. Hmmer kommen neue Ergebnisse hinzu, dank der regen Unterstützung, die von allen Seiten geleistet wird. An der Hand von aufgeliängten großen Zugkarten wird nunmehr eine Anzahl Zugbilder, wie sie durch die jüngsten Ringvogelfunde selbsttätig auf gezeichnet und gegen frühere ergänzt wurden, erläutert. Das Zugbild der Nebelkrähe {Corvus cornix) ist sehr konstant geblieben. Nur nach den Niederlanden zu muß das Winterbesiedelungsgebiet etwas erweitert werden. Was das Alter der Krähen anlangt, so liegt jetzt ein Vogel vor, der den Ring rund 8^2 Jahre getragen hat. Im Gegensatz zu den wanderlustigen Nebelkrähen weisen die — allerdings nicht zahlreichen — Funde von beringten Rabenkrähen ( Corvns corone) auf große Seßhaftigkeit dieser Art hin. Von der Dohle {Colaeus monedula) liegen Fälle vor, die eine Rückkehr in die alte Brutheimat beweisen. Bei Behandlung der Störche ( Ciconia ciconia ) wird namentlich der Zug nach Süd westen besprochen, der neuerdings durch eine ganze Anzahl Ringfunde mehr geklärt worden ist. Dabei wird die Frage nach der Grenzscheide zwischen dem Süd- ost- und Südwestzuge näher erörtert. Sie scheint im Gebiete der Weser zu liegen. Die Lachmöwen - Zugforschung hat mancherlei bemerkenswerte, neue Ge- sichtspunkte ergeben. Es seien hier nur erwähnt ein regelmäßiger Zug über den Atlantischen Ozean nach Westindien und Mexiko, das gelegentliche Überfliegen der Alpenkette und die Rückkehr in die alte Brutkolonie, die bisher zweifelhaft erschien. Als neue Beringungsstationen für Lachmöwen sind hinzugekommen für Norddeutsch- land; der große Lauternsee in Ostpreußen, Hiddensee, die Werderinseln, Lübeck und Fehmarn; für Süddeutschland der Wörthsee und Fronberg in Bayern und für Ost- deutschland Sibyllenort in Schlesien. Die Markierungen am letztgenannten Ort zeigen die auffallende Erscheinung, daß die schlesischen Möwen fast ausschließlich nach Nordwesten und Westen abwandern, nicht, wie man erwarten sollte, nach Süden. Die mit Silber-, Herings- und Sturmmöwen (Lnrus ar gentat us^ L. fuscits und L. canus) erzielten zahlreichen Resultate wurden vom Vortragenden zu eingehenden Vergleichen der genannten Arten unter sich, sowie mit den Zug- gewohnheiten der Lachmöwen herangezogen, wobei sich mancherlei wissenschaftlich wichtige Unterschiede ergaben. Es sei hier nur an die große Seßhaftigkeit der Silber- möwen erinnert, ferner an die direkte Verbindung über Land zwischen Ostsee und Mittelländischem Meere, wie sie die wandernden Heringsmöwen dauernd hersteilen. Zum Schluß kommt der Vortragende auf die Raubvögel zu sprechen, wobei R a u h f u ß b u s s- a r d, Mäusebussard und Sperber zur Behandlung gelangen. 2* XX Aus Mangel an Zeit mußte eine größere Anzahl von Vogelarten^ deren zahl- reiche Beringung und Erbeutung nunmehr auch allgemeine Schlüsse zulassen, von der Besprechung zurückgestellt werden. Zum Demonstrieren der einzelnen Vogelarten waren vom Westpreußischen Pro- vinzial-Museum in dankenswerter Weise Naumann -Bildertafeln zur Verfügung ge- stellt worden. An den Vortrag schließt sich eine angeregte Aussprache. Der Direktor spricht dem Vortragenden den Dank der Gesellschaft aus. 9, Sitzung am 15. Dezember 1915. Der Direktor eröfiPnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder und dankt dem Vortragenden des Abends, Herrn Professor Dr. Schaffer - Heidelberg, für seine Bereitwilligkeit, über seine reichen Erfahrungen der Gesellschaft zu berichten. Herr Professor Ruff spricht darauf über Keramische Erzeugnisse aus Westpreußisclien Tonen, die in der Umgebung von Danzig gewonnen sind, und gibt eine Beschreibung seiner Sammlung, die er in dankenswerter Weise der Gesellschaft zum Geschenk gemacht hat. Der Direktor spricht für die Schenkung Herrn Professor Ruff den Dank der Gesellschaft aus und bedauert außerordentlich, daß dieser durch seine Be- rufung nach Breslau verhindert ist, der Gesellschaft weiter seine wertvolle Kraft zu leihen. Er dankt ihm im Namen der Gesellschaft dafür, daß er die Mitglieder wiederholt durch seine schönen Vorträge erfreut hat. Darauf hält Herr Professor Dr. Schaeffer - Heidelberg einen Vortrag über: „Eigene kriegschirurgische und sanitäre Erfahrungen an verschiedenen Front- abschnitten des deutschen Ostheeres^^ Bei bestimmten Verwundungen stirbt der Getroffene am Transporte, oder es tritt durch den Transport eine erhebliche Verschlimmerung des Zustandes ein. Den Transport zu unterbrechen, dienen zunächst die Feldlazarette, welche aber sehr oft auch nicht in der Lage sind, solche Verwundete genügend lange liegen zu lassen. Diese Verhältnisse sind verschieden je nach den Frontverhältnissen, d. h. ob es sich um Stellungskämpfe, um eine ständig fortschreitende oder um eine fluktuierende Front handelt, wie es lange Zeit im Osten, besonders im Nordosten, der Fall war. An sich könnte der Hauptverbandplatz einer geeignet ausgerüsteten Sanitätskompagnie der geeignete Ort sein, um solche Verwundete zu lagern. Voraussetzung ist, daß dieser Platz längere Zeit in ruhigem Betriebe bleibt oder daß er sofort durch ein Feldlazarett abgelöst werden kann, und daß ein gut ausgebildeter Chirurg mit ge- eignet geschulter Mannschaft bei der Kompanie ist. Eine solche führt an sich schon eine gute Ausrüstung von Operationsutensilien jeder Art mit sich. Es ist ein großer Unterschied, ob z. B. ein Schädelschußverwundeter 4 — 5 km bis zum Hauptverbandplatz einer Sanitäts-Kompanie oder 30’ und mehr km bis zu einem Feldlazarett gefahren wird, zumal bei schlechten Wegen und auf meist nur un- genügend oder gar nicht federnden Wagen. An der Stellungs front haben sich hier und da Sanitätskompanien an diese Aufgabe in der Weise herangemacht, daß sie solche Fälle operierten und ihren Haupt- verbandplatz lazarettartig betrieben oder in der Lage waren, auf guten Wegen ihre Operierten in Verwundetenautos weiter zu schaffen. XXI Das haben wir sogar an der fluktuierenden Front so gemacht, mit der Erfahrung, daß ein operierter Schädelschuß den alsbaldigen Abtransport weit besser verträgt als ein nicht operierter. Den ersteren Weg des Lazarettbetriebes haben wir an anderen Stellen der fluktuierenden Front eingeführt, sei es, daß wir den Hauptverbandplatz an der großen Heeresstraße stabil ließen und unsere einzelnen Sammelverbandplätze immer weiter nach vorn trieben, sei es, daß wir in Ermangelung nachgeschobener Feldlazarette den bisherigen Hauptverbandplatz völlig belegt und versehen verließen und einen neuen Hauptverbandplatz weiter vorn eröffneten. Eine weitere Veran- lassung hierzu waren gewöhnlich üble liückwärtsverbindungen. Vor allem wurden alle Schädel t a n g e n t i a 1 schlisse breit freigelegt und von Fremdkörpern befreit, also Verwundungen, bei denen die Kugeloberfläche auf- gepflügt ist. Die große Gefahr ist nämlich, selbst für die endgültige Heilung, die Funktionsfähigkeit, nicht so sehr der mechanische Hirnsubstanzverlust, als viel- mehr das Tieferdringen von Infektionskeimen mit oder ohne Fremdkörper und Knochensplitter. Natürlich muß ergiebig trepaniert und nicht die Wundöffnung hernach fest ausgestopft werden. Ebenso müssen schon erfolgte Tiefeninfektionen des Hirnes und Abszedierungen durch breite Einschnitte eröffnet werden. Auf diese W eise wurden allein auf einem Hauptverbandplatz 15 Kopfschüsse trepaniert, deren Prognose von vornherein als nicht aussichtslos gestellt wurde und hiervon wurden 11 nach einigen Wochen in gutem Zustande abtransportiert, das sind 73 %. Im ganzen wurden 39 Kopfschüsse operiert, also auch diejenigen mit infauster Prognose und hiervon wurden 17 abtransportiert, also immerhin doch 43,5 %. Bei Durch Schüssen des Kopfes wurde nur operiert, wenn eine rasch ein- setzende Infektion stattgehabt hatte oder eine Blutung innerhalb des Schädels be- stand. Daß diese Fälle im allgemeinen günstig verlaufen, liegt daran, daß die Trans- porte weniger schädlich wirken können; die Schädelkapsel klafft nicht, das Hirn liegt allseitig gebettet, keine Knochenzacken verletzen die Oberfläche desselben. Sehr wichtig ist das alsbaldige Liegenbleiben der Brust schußverwundeten, wenn auch zunächst nur für wenige Tage; erstaunlich zeigte sich wieder die bekannte gute Vorhersage dieser Schußarten, auch der Fälle in ihrer Gesamtheit, wie wir sie frisch von der Kampflinie genommen hatten. Ganz betrübend gestaltete sich aber auch uns der Ausgang der Bauch schüsse. Immerhin konnten auch wir wieder feststellen, daß leere Eingeweide einen erheb- lichen Anteil an der Verbesserung der natürlichen Heilungsmöglichkeit haben. Wir haben auch operiert; indessen hierauf einzugehen, führt zu sehr ins einzelne: es gibt auch hierfür bestimmte gute Möglichkeiten, die zu erkennen aber leider oft unmöglich ist, es sei denn, daß man die Probeschnitte nahezu allgemein machen wollte, und das ist ein sehr zweischneidiges Auskunftsmittel. Die Ausführbarkeit ist abhängig von der Unterkunft und von der Sicher- heit derselben, bzw. des plötzlichen Abtransportes. Schließlich haben wir auch in Unterständen operieren müssen und können; das Lagern der Patienten ist da natürlich angesichts des Mangels des Tageslichtes trübselig und ungünstig. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich aus der Überschwemmung des Haupt- verbandplatzes mit Verwundeten. Wir haben uns immer zu helfen gewußt, bzw. ärztliche Unterstützung von Feldlazaretten erhalten, so daß die Operationsabteilung ungestört arbeiten konnte. Wie sehr Transportieren schädigt, erhellt daraus, daß besonders Kopfverwun- dete, die schon eine Woche lang völlig fieberfrei waren, nach mehrstündiger Fahrt, selbst im luxuriösesten Lazarettzug, wieder zu fiebern begannen. XXII Was nun die Seuchenprophylaxe anlangt — • denn eine weitere Behand- lung kommt natürlich an der Front und bei den Sanitätskompanien nicht in Frage — , so ist das Personal einer Sanitätskompanie aufs äußerste gefährdet. Es ist völlig außerstande, bei den eingelieferten — zumal verwundeten — Fiebernden festzu- stellen, ob überhaupt eine nicht von den Wunden ausgehende Ansteckung vorliegt, z. B. Fl ecktyphus; man bedenke auch, daß diese Fälle fast ausnahmslos in den ersten Tagen ihrer Entstehung die Sanitätskompanien passieren, wo also eine Diagnosenstellung an sich selten möglich ist. Verdächtige Fälle werden aber schon hier oder direkt von der Truppe in die Seuchen-Etappenlazarette geschafft, kommen also gar nicht in das Fleimgebiet hinein. Das Gleiche gilt für Ruhr, die natürlich zu allermeist schon hier festgestellt werden konnte. Der Flecktyphus ist nach un- seren Beobachtungen entschieden weit häufiger eine Kontaktinfektion, denn durch Läuse übertragen. Bei Ruhr wurden oft keine Ruhrerreger im Stuhl, wohl aber fast immer im Blute gefunden. Eine Colitis haemorrhagica nahmen auch wir an; indessen ist diese Frage angesichts der Mehrheit der Ruhrerreger wohl noch eine offene. Cholera sahen wir nicht. An den Vortrag schließt sich eine angeregte Aussprache. Anderweitige V ortrags Veranstaltungen. Außer jenen 9 Ordentlichen und den sich anschließenden, beziehungsweise vorausgehenden Außerordentlichen Sitzungen, welche der Mitgliederwahl und der Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten dienten, fand noch vor den Mitgliedern, ihren Damen und Gästen ein Öffentlicher Lichtbildervortrag des Herrn Generalmajor a. D. Bahn - Auerbach i. Hessen: ,, Unsere schwere Artillerie und ihre Wirkung*^ am 16. November im Werftspeisehause statt. Die Gesellschaft nahm ferner teil an den beiden Vorträgen unseres Mit- gliedes, des Herrn Professor Dr. Rössler (im Februar) in der Aula der Hoch- schule: „Die Technik und der Krieg‘S bestimmt zu Kriegswohlfahrtzwecken, sowie an den vom Westpreußischen ßezirksverein Deutscher Ingenieure ver- anstalteten Vorträgen der Herren Oberingenieur Prehn : „Der englische Aus- hungerungsplan und unsere Gegenwehr^^, am 24. Febr. v. J., Dr. Nahm: „Ost- preußen, das Land des Bernsteins, des Elches und der Seen“, am 9. März, und Professor Flank: „Die Kälteindustrie und ihre Bedeutung im Kriege“, am 23. November. XXllI Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1915 behandelten Gegenstände. A. Allgemeiiies. Der Direktor, Herr Professor Lakowitz, erstattet den Jahresbericht für das Jahr 1914 und legt die Berichte der Vorsitzenden der einzelnen Sektionen vor, am 6. Januar. B. Physik, Chemie und Technologie. 1. Herr Professor Dr. Krüger hält einen Vortrag über „Neuere Fort- schritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen“ am 4. März. 2. Herr Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Lorenz hält einen Vortrag über „Ballistik. Physikalische Grundlagen der Lehre vom Schuß“ am 5. Mai 1915. C. Geometrie. Herr Geheimer Schulrat Dr. Münch- Darmstadt hält einen Vortrag über „Das veränderliche Bild in der Geometrie“ am 20. Oktober. D. Botanik und Zoologie, 1. Herr Stabsarzt d. R. Dr. Schwer hält einen Vortrag über „Unsere Freunde in der Bakterien weit“ am 7. April. 2. Herr Professor Dr. Thienemann - Rossitten hält einen Vortrag über „Die neuesten Ergebnisse des Vogelberingungsversuches“ am 1. Dezember. E. Anthropologie. Herr Professor Dr. Stremme hält einen Vortrag über „Der Mensch des Eiszeitalters“ am 3. Februar. XXIV F. Anatomie und Physiologie. 1. Herr Professor Wallenberg hält einen Vortrag über „Elemente des Nervensystems und ihre V erbindungen“ am 6. Januar. (j, Medizin. 1. Herr Sanitätsrat Dr. Wolfe hält einen Vortrag über „Entwickelung und Aufgaben der Orthopaedie“ am 3. November. 2. Herr Professor Dr. Schaffer - Heidelberg hält einen Vortrag über „Eigene kriegsch irurgische und sanitäre Erfahrungen an verschiedenen Frontabschnitten des deutschen Ostheeres^^ am 15. Dezember. XXV Jahresbericht über die Sitzungen der medizinischen Sektion im Jahre 1915. Erstattet von ihrem Vorsitzenden Dr. LOHSSE. Der Vorstand besteht, wie im vorigen Jahre, aus den Herren: Dr. Storp, Vorsitzender. Dr. SCHUSTEHRUS, Sanitätsrat, stellvertretender Vorsitzender. Dr. Farne, Geh. Sanitätsrat, Kassenführer. Dr. Francke, Schriftführer. Dr. Lohsse, stellvertretender Schriftführer. Vorträge. Sitzung am 18. März 1915. 1. Herr Vorderbrügge: Schußverletzung des Kopfes. 2. Herr Storp: Vorstellung eines Falles von Fußgelenktuberkulose mit Amputation nach Chopart. 3. Herr Storp: Über Knochenplastik. 4. Herr Fleck: Über einige neuere diagnostische Hilfsmittel bei der Untersuchung des Magens und des Zwölffingerdarms. 1. 2. Sitzung am 2. Dezember 1915. Herr Barth: Über Unterschied der kriegschirurgischen Tätigkeit in Ost und West. Herr Glaeser: Über Gasangriffe und Gasvergiftungen. XXVI Verzeichnis der Mitglieder des Ärztlichen Vereins zu Danzig am Schlüsse des Vereinsjahres 1914/15. Ehrenmitglieder: Dr. Scheele. Geh. Sanitätsrat. Wiesbaden, ernannt 1896. „ Hoepfner, Dr. Abraham ,, Althaus, Sanitätsrat ,, Backe ,, Barth, Professor „ Becker ,, Behrendt, Sanitäts- rat ,, Berent „ Birnbach er, Kreis- arzt, Medizinalrat ,, ß ODENSTEIN ,, B GECK ER ,, Boese, Marine- Generaloberarzt ,, Boenheim ,, Borowski ,, Brauer ,, Byczkowski „ Catoir-Lindner, Frau „ Cohn ,, Diegner ,, Dreyling, Sanitäts- rat ,, Dultz ,, Dütschke „ Effler „ Farne, Geh. Sani- tätsrat ,, Fleck Generalarzt a. D., Danzig M itglieder : Dr. Francke ,, Fuchs ,, Gaertner ,, Gehrke ,, Ginzberg, Sanitätsrat ,, Glaeser, Sanitätsrat ,, Gloy ,, Götz, Geh. Sanitätsrat ,, Hahne ,, Hanff, Sanitätsrat ,, Hartmann, Sanitäts- rat ,, FI AUSBURG ,, Fl ELM BOLD ,, Hepner ,, Hoepfner, General- arzt a. D. ,, Hohnfeldt, Sanitäts- rat ,, Flopp ,, Jacob ,, Jacoby, Sanitätsrat ,, Jeckstadt ,, Jelski ,, Karpinski, Sanitäts- rat ,, Katke, Sanitätsrat ,, Klinge ,, Koestlin, Direktor ,, Körte „ 1906. Dr. Kraft ,, Kubacz ,, Labitzky ,, Landau ,, Liek Lievin, Sanitätsrat ,, Litewski ,, Lohsse ,, Magnussen, Sanitäts- rat ,, Masurke ,, Meyer I, H. ,, Meyer H, Semi ,, Michelsen ,, Möller ,, Neumann ,, Ortmann, Sanitätsrat ,, Panecki ,, Penner ,, Petruschky, Prof. ,, Philipp ,, Pflanz, Kreisarzt ,, Pietsch, Sanitätsrat ,, PiRWASS ,, Pusch, Kreisarzt ,, Redmer „ Reichel ,, Reinke, Sanitätsrat ,, Rudolph ,, Säger XXVII Dr. SCHARFFENORTH, Sanitätsrat „ SCHLOMANN ,, ScHOMBURG, Sanitäts- rat „ SCHOURP ,, Schulz I, Anton, Sanitätsrat „ Schulz II, Otto ,, Schulz III, Adolf „ SCHUSTEHRUS, Sanitätsrat ,, Schmidt ,, Schwer, Kreis- assistenzarzt ,, Seemann, Regie- rungs* und Geh. Medizinalrat ,, Sebba Dr. Semrau I, Geh. Sanitätsrat ., Semrau II ,, Siegmund ,, Singer ,, SOLMSEN ,, Stahr, Prosektor ,, Stanowski ,, Storp ,, SwiERZEWSKI ,, SzPITTER ,, Thel, Obergeneral- arzt Thiel Oberstabs- arzt ,, Thun „ V. Vagedes, Ober- stabsarzt, Professor ,, Valentini, Professor Dr. ' 1 1 ? jj yy JJ n j) j» 7 j V 7? ’7 77 Vellguth, Kreis- assistenzarzt VORDERBRÜGGE Wagner, Sanitätsrat Wallenberg I, Prof. Wallenberg II, Sanitätsrat. Wegeli Wendt WiSSELINCK WOBBE Wolff, Sanitätsrat V. Wybicki Zabel Zemke Ziegenhagen Ziem, Sanitätsrat ZURALSKI ZuSCH XXVIII Bericht über die Sitzungen der Anthropologischen Sektion im Jahre 1915. Erstattet von dem Vorsitzenden der Sektion Professor Dr. KUMM. Da die meisten der als Vortragende in Betracht kommenden Mitglieder uDmittelbar oder mittelbar durch den Krieg vollauf in Anspruch genommen waren, und da auch der Vorsitzende der Sektion infolge der militärischen Ein- ziehung seiner Museums-Hilfskräfte, sowie infolge einer langwierigen, gesund- heitlichen Störung in seiner Zeit aufs äußerste beschränkt war, hat die Anthro- pologische Sektion im Jahre 1915 keine Sitzung abgehalten. Hoffentlich wird sich im nächsten Jahre eine Wiederaufnahme der Tätigkeit der Sektion er- möglichen lassen. XXIX Bericht über die Tätigkeit des Westpreussischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege im Jahre 1915. Erstattet von seinem Vorsitzenden Landesrat CLAASZEK. Infolge des Krieges und der damit verbundenen, stark vermehrten Arbeit mußte die Vereinstätigkeit sehr erheblich eingeschränkt werden. Auf dem Gebiete der Lupus - Bekämpfung wurde die Arbeit in der bis- herigen Weise fortgeführt; mittellose Lupuskranke wurden zum Teil der Lupus- Station des Vaterländischen Prauenvereins in Graudenz, zum Teil der Lupus- Heilanstalt des Dr. med. Brauer in Danzig überwiesen. Durch die Einziehung des Herrn Dr. Brauer zum Heeresdienst wurde die Benutzung seiner Lupus- Heilanstalt bis auf weiteres leider unmöglich gemacht. Die Verpachtung der Lauben-Kolonien wurde ebenfalls in der bisherigen Weise fortgesetzt; es wurde auch eine Anzahl neuer Stellen geschaffen. Die Nachfrage nach Plätzen war, wie bisher, eine rege. r-- 1 - --t XXX Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des westpreussischen Fischereivereins im Jahre 1915. Erstattet von seinem Vorsitzenden Regierungsrat Dr. DOLLE. Die Gewässeruntersuchungen wurden fortgesetzt, soweit es die Lage der Yerkehrsverhältnisse während des Krieges zuließ. Namentlich wurde das Wasser zahlreicher Fischgewässer vergleichend untersucht. Corophium lacustre Yonhöffen, die dritte der in Deutschland bis jetzt beobachteten Co7^ophium- Arten, wurde im Elbingflusse gefunden, bis jetzt nur in wenigen Stücken. Bei Heia wurde eine Motella cimbria Nilss. gefangen, ein Nordseefisch, der bisher an der preußischen Ostseeküste noch nicht gefunden war. Nicht als seltener Gast, sondern liäufig und weitverbreitet kommt in unserer Gegend ein Fisch vor, der bisher nur aus Ostsibirien, in wenigen Stücken aus zerstreuten Gegenden des europäischen Rußland bekannt war: unsere Sumpfelritze ist nicht anders als die Munda Sibiriens, Phoxinus percnurus Pallas (die „dunkelschwänzige“ Elritze). Die vorliegenden Be- schreibungen und Abbildungen lassen über die Zugehörigkeit keinen Zweifel. Nähere Angaben über den Fisch werden demnächst in den Mitteilungen des Fischereivereins gemacht werden. Die Durcharbeitung der zahlreichen Messungen an Fischen, welche sich im Laufe der Jahre angesammelt hatten, ergab u. a., daß die Beziehungen zwischen Länge und Gewicht der Fische wenig konstant sind, daß dagegen Länge, Umfang und Gewicht, mindestens bei einigen Fischarten, in ziemlich gleichmäßigem Verhältnis stehen, so daß es möglich ist, aus zweien dieser Größen die dritte zu bestimmen. Andere Untersuchungen in der Versuchsanstalt betrafen das gegenseitige Gewichtsverhältnis der Körperorgane der Fische, sowie die Verteilung des Fettes im Fischkörper. Auch über diese Untersuchungen wird in den Mit- teilungen des Vereins berichtet werden. ft XXXI A. Mitglieder -Verzeichnis der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig 1. Januar 1916. I. Ehrenmitglieder. Ehrenmitglied seit: Bail^ Dr,, Prof., Geh. Studienrat in Danzig (Ordentl. Mitglied 1863) .... 1894 Conwentz, Dr., Prof., Geh. Reg. -Rat, Staatlicher Kommissar für Natur- denkmalpflege in Preußen, Berlin- Schöneberg (Korresp. Mitglied 1878, Ordentl. Mitglied 1880) .... 1910 Ehrenmitglied seit: V. Drygahki, E., Dr., Prof, an der Uni- versität in München (Korresp. Mit- ■ glied 1897) 1904 V. Hedin, Sven, Dr., in Stockholm, Norra Blasieholmhamnen 5 b (Korresp. Mitglied 1898) 1903 II. Korrespondierende Mitglieder. Korresp. Mitglied seit: | Abroineit, Dr., Prof, in Königsberg i. Pr. 1912 : Jßerendt, Dr., Prof., Geheimer Bergrat, Landesgeologe a. D. in Berlin . . 1893 Bezzenberger, Dr., Gell, Regierungsrat, Prof, an der Universität in Königs- berg i. Pr 1894 Hranca, Dr., Geh. Bergrat, Prof, an der Universität in Berlin ..... 1903 Braun, Dr., Prof., Geh. Regierungsrat in Königsberg 1908 Deecke, Dr., Prof, an der Universität in Freiburg i. Br 1898 Dorr, Dr., Prof., Oberlehrer a. D. in Elbing 1898 Förster, B., Dr., Prof., Oberlehrer a. D. in München 1893 Freund, Dr., Prof, in Frankfurt a, M. . . 1907 Geinitz, E., Dr., Prof, an der Universität in Rostock . .1897 Griesbach, H., Dr, med. et phil,, Prof., Dozent an der Universität Basel und Oberlehrer in Mülhausen im Elsaß 1893 Korresp. Mitglied seit: Grün, Dr., Geh. Regierungs- u. Medizinalrat in Hannover 1877 Haeckel, Dr., Exz., Wirklicher Geheimer Rat, Professor an der Universität in Jena 1868 Jentzsch, Dr., Prof., Geh. Bergrat, Landes- geologe in Berlin 1880 Fafemann, Buchdruckereibesitzer (Ord. Mitgl. 1886) 1908 Kehding, Konsul in Radebeul bei Dresden 1894 Knoblauch, Dr., Prof, in Frankfurt a. M. 1907 Kolhn, Georg, Hauptraann a. D., General- sekretär der Gesellschaft für Erd- kunde in Berlin 1893 Koehne, Dr., Professor in Berlin-Friedenau 1909 Lemcke, Dr., Prof., Geheimer Regierimgsrat in Stettin 1898 Lindner, Dr., Prof, in Berlin 1908 Ludwig, Dr., Prof., Oberlehrer in Greiz . 1890 Luerssen, Dr., Prof., Reg.-Rat in Berlin (Einheimisches Mitglied 1910) . . 1893 XXXII Korresp. Mitglied seit : M^üller, Paul A., Dr,, Hofrafc, Gehilfe des Direktors des Magnet.-Meteorol. Observatoriums in Jekaterinenburg (Ordentl. Mitglied 1886) .... 1893 Münsterherg^ Dr., Professor an der Univer- sität Cambridge Mass 1911 Nagel, Dr., Prof., Geh. Keg.-Eat in Danzig 1908 Nathorst, A. G., Dr., Prof., Intendent der phytopalaeontologischen Abteilung des Naturhistorischen Reichsmuse- ums in Stockholm 1890 Penzig, Dr., Prof, an der Universität in Genua 1888 Poelchen, Dr., dirigierender Arzt des Stadt, Krankenhauses in Zeitz (Ordentl. Mitglied 1882) 1893 Memicke, Dr., Yerlagsbuchhändler in Leipzig 1893 Reinicke, Kapitän, Hilfsarbeiter an der Kaiserlich Deutschen Seewarte in Hamburg 1907 Reinke, Dr., Geh, Regiernngsrat, Prof, an der Universität in Kiel .... 1893 Korresp. Mitglied seit Ross, Dr., Konservator am Kgl, Botan. Museum in München 1897 V. Rümker, Dr., Geh. Regierungsrat, Pro- fessor an der Landwirtschaft!. Hoch- schule in Berlin . , .... 1910 Rust, Dr., Arzt in Hannover 1897 Schweder, Staatsrat, Gymnasial -Direktor a. D. in Riga 1895 Seger, Dr,, Prof., Direktor des Museums Schlesischer Altertümer in Breslau 1908 Süring, Dr., Prof., Abteilungsvorsteher im Meteorolog. Institut in Berlin . . 1909 Treptow, Emil, Oberbergrat, Prof, an der Bergakademie in Freiberg i. S. (Ordentl. xMitglied 1890) .... 1893 Wegener, Dr., Prof., Dozent an der Handels- hochschule Berlin ...... 1913 Wien, Dr., Prof, an der Universität Jena (Einheimisches Mitglied 1904) . . 1911 Wittmack, L., Dr., Geh. Regierungsrat, Prof, an der Landwirtschaft!. Hoch- schule in Berlin 1893 Wülfing, Dr., Professor an der Universität in Heidelberg 1907 III. Ordentliche Mitglieder. a. Einheimische. Soweit nicht anders bemerkt, ist der Wohnort Danzig Aufgen, im Jahre Ahraham, Dr., Arzt in Langfuhr . . . 1899 Althaus, Dr., Arzt, Sanitätsrat .... 1874 Angern, Major und Direktor der Kgl, Gewehrfabrik . .1911 Anker, Kaufmann und Fabrikbesitzer . . 1910 Aumund, Prof, an der Techn. Hochschule 1913 Axt, Kaufmann 1907 ßasner, Kaufmann . 1913 Baatz, Franz, Kaufmann 1896 Bade, Bankdirektor 1912 Badt, Frida, Kunstmaler 1899 Bädecker, Oberapotheker 1911 Bail, Dr., Bürgermeister 1897 Bartels, P., Oberlehrer in Langfuhr . . 1910 Barth, Dr., Prof., Geh. Medizinalrat und Oberarzt 1896 Bautz, Kaufmann 1911 Beermann, Oberpostdirektor ..... 1915 Behnke, Kommerzienrat und Konsul, Reedereibesitzer ....... 1911 Aufgen. im Jahre Behrendt, Dr., Arzt, Sanitätsrat .... 1893 Behrendt, Ingenieur 1913 Beleites, Kaufmann ........ 1912 Bereut, A., Dr., Arzt 1901 Berenz, E., Kaufmann 1911 Berger, F., Fabrikbesitzer, Langfuhr . . 1912 Bertling, A., Redakteur 1892 Bialk, Kuratus, Schidlitz 1901 Bibliothek der Landwirtschofitskammer für Westpreußen 1910 Birnbacher, Dr., Medizinalrat ..... 1906 V. Bockeimann, Gymnasialprofessor u. Do- zent an der Techn. Hochschule . 1888 Bodenstein, Dr., Arzt ....... 1913 Böse. Oberlehrer, Langfuhr 1913 V. Bötticher, Buchhändler 1896 Borowsky, Dr., Arzt ........ 1913 Borschke, Kaufmann 1915 Brandt, Oberlehrer 1911 Brauckhqf, Prof., Oberlehrer 1912 XXXIII Aufgen, im Jahre Brauer, Dr., Spezialarzt 1915 Bretsch, Erich, Zahnarzt 1907 Brodnitz, Dr., Rechtsanwalt 1904 V. Brunn^ Dr., Astronom der Naturf. Ges. und Privatdozent a. d. Technischen Hochschule ........ 1908 Brunzen, Direktor 1910 Carsten, Geh. Baurat, Professor an der Techn. Hochschule, Langfuhr . . 1912 Caskel, Max, Fabrikbesitzer 1903 Carhon, Ingenieur und Werftdirektor . . 1910 Claassen, Landesrat 1912 Cohn, Bruno, Dr., Arzt 1904 Conradinum, Realschule u. Progymnasium in Langfuhr 1901 V. Corvin, Major, Direktor der Artillerie- werkstätte 1914 Czerwinski, Dr., Zahnarzt 1910 Dähne, Stadtbauinspektor 1910 Dalitz, Herrn., Kaufmann ...... 1905 Damme, Geh. Kommerzienrat 1867 Damme, Dr., Bankier 1897 Davidsohn, Musiklehrer 1915 Dohm, F., Kaufmann 1911 Dolle, Dr., Regierungsrat 1906 Domansky, Karl, Kaufmann ..... 1907 Drägert, Stabsveterinär 1909 Dreyling, Dr., Sanitätsrat ...... 1889 Dultz, Dr., Arzt 1907 Dumont, Stadtrat 1912 Effler, Dr., Arzt 1897 Eggert, Dr., Prof, an der Techn. Hochschule 1905 Erdmann, Rektor d. Rechtstädt. Mittelschule 1898 Eschert, P., Dr., Fabrikbesitzer .... 1901 Evers, Prof., Oberlehrer 1878 Ewert, Dr., Stadtrat 1915 Fähndrich, Baurat, Vorsteher des Kgl. Hafenbauamts Neufahrwasser . . 1911 Farne, Dr., Geh. Sanitätsrat 1878 Fey, Bruno, Architekt 1912 Fischer, 0., Kaufmann 1913 Fischer, P„ Kaufmann 1913 Flebhe, Landesrat 1911 Fleck, Dr., Arzt 1902 Fleischer, Max, Apothekenbesitzer . . . 1896 PbVsier,Wirkl.Geheim er Oberregierungsrat, Regierungspräsident 1910 Försterling, Dr., Privatdozent a. d. Techn. Hochschule 1914 Aufgen. im Jahre Föttinger, Prof, an der Techn. Hochschule 1913 Fortenbacher, Kreistierarzt 1907 Francke, Dr., Arzt 1896 Frank, Dr., Landesrat 1911 Frech, Direktor des Königl. Kronprinz Wilhelm-Realgymnasiums, Langfuhr 1910 Freytag, Dr., Gerichtsassessor .... 1915 Fricke, Dr., Direktor des Realgymnasiums zu St. Johann 1898 Fritzen, Redakteur 1912 Fröhlich, Rechtsanwalt . 1904 Frost, G., Kaulmann 1911 Frost, 0., Kaufmann 1911 Fuchs, Gustav, Zeitungsverleger .... 1898 Fuchs, Vermessungssekretär 1903 Fuchs, Dr., Arzt 1910 Funk, Dr., Landesrat . 1911 Gaebler, Fabrikbesitzer 1892 Ginzberg, Dr., Sanitätsrat 1890 Gläser, Dr., Sanitätsrat 1894 Glimm, Dr., Privatdozent a. d. Technischen Hochschule 1905 Goetz, Dr , Geh. Sanitätsrat 1882 GÖtz, Postrat 1912 Goguel, Apothekenbesitzer, Schidlitz . . 1913 Golgner, Diplomingenieur 1914 Gordan, Dr., Direktor d. bakteriologischen Instituts d. Landwirtschaftskammer 1913 Gottheil, Photograph 1910 Gramberg, Prof. a. d. Techn. Hochschule 1905 Grimm, Dr., Assistenzarzt am Städtischen Krankenhause 1913 Grix, Dr., Dozent a. d. Techn. Hochschule 1910 Gross, Kaufmann 1911 Grott, Bankbuchhalter 1910 Grundmann, Oberlehrer ....... 1915 Grundmann, Kaufmann 1915 Günther, Dr., Prof., Direkt, d. Stadtbibliothek 1903 Guttzeit, Optiker 1911 Habermann, Kandidat d. höh. Lehramtes 1913 Haedrich, IF., Oberlehrer, Langfuhr . . 1912 Hagele, Dr., Chemiker ....... 1899 Hagendorff, Kaufmann 1910 Hahn, Fabrikbesitzer 1905 Hamann, Optiker 1901 Hanff, Dr., Sanitätsrat 1874 Hardtmann, Franz, Kaufmann .... 1900 Hartmann, Dr., Sanitätsrat 1911 Hartmann, Fabrikbesitzer 1912 Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 2. 3 XXXIV Aufgen. im Jahre Hasse, Franz, Kaufmann 1877 Haukeboe, Konsul 1912 V. Hegener, Oberstleutnant z. D., Langfulir 1908 Hein, Stadtrat 1901 Helmbold, Dr., Arzt 1897 Hempel, Architekt 1906 Herrmann, Reg.- und Forstrat . . . .1910 Herteil, Chefredakteur . 1912 Hevelke, Heinrich, Kaufmann ..... 1900 Hevelke, Dr., Oberarzt am Sanitätsamt des XVII. Armeekorps 1914 Heyrnann, Dr., Rechtsanwalt 1913 Hildebrand, Medizinal-Assessor .... 1883 Hodam, Robert, Kaufmann 1910 Hoepffner, Dr., Generalarzt a. D 1890 Hoff mann, Major a. D 1911 Hohnfeldt, Dr., Arzt in Langfuhr . . , 1898 V. Holleben, Vize- Admiral, Exz., Ober- werftdirektor 1910 Hollmann, Prof., Oberlehrer in Langfuhr 1907 Hopp, Dr., Arzt 1899 llgner, P„ Kaufmann 1910 Iffländer, Seminarlehrer 1910 Jacob, Veterinärrat 1910 Jacobi, G., Kaufmann 1910 V. Jogow, Exz., Oberpräsident d. Provinz Westpreußen 1910 Jantzen, Dr., Oberlehrer, Langfuhr . . . 1911 Jeckstadt, Dr., Arzt 1905 Jelski, Dr., Arzt 1892 Jentzsch, Oberlehrer, Langfuhr .... 1913 Jonas, Direktor des Stellenvermittelungs- amtes der Landwirtschafskammer . 1912 Jorck, Landesrat 1901 ü[ff/*ewö!aa,Bnchdruckereibesitzer(Korresp. Mitglied 1908) 1886 Kaloehne, Dr., Prof, an d. Teclin . Hochschule 1907 Kammerhoff, Korpsstabsveterinär . . . 1912 van Kämpen, Ingenieur und Fabrikbesitzer 1906 Kaufmann, Dr., Archivrat 1911 Keil, Prof, Oberlehrer 1885 Kempke, Apotheker 1910 Kette, Oberregierungsrat 1909 Kittier, Kaufmann 1915 Klawitter, Fr., Werft- u. Fabrikbesitzer . 1910 Klawitter, Willy, Kaufmann 1897 Klebs, Dr., Arzt am Städt. Krankenhaus 1910 Klein, Oberingenieur 1915 Knoch, Prof., Oberlehrer in Langfuhr . . 1880 Aufgen. im Jahre Knoch, Max, Dr., Chemiker 1907 Knochenhauer, Stadtrat 1905 König, Civil-Ingenieur 1912 KÖstlin, Dr., Direktor der Provinzial-Heb- ammen-Lehranstalt 1898 Kohnke, Prof, an der Techn. Hochschule 1911 Kolbe, Dr., Geh. Reg.-Rat, Prov.-Schulrat 1912 von Kolkow, Kaufmann . 1911 Korella, Dr., Prof., Oberlehrer .... 1890 Kornstaedt, Apothekenbesitzer 1884 Kraft, Dr., Arzt in Schidlitz 1903 Krause, Marinebaumeister, Langfuhr . . 1913 Kreyenberg, Kaufmann 1911 Kronheim, Georg, Kaufmann 1904 Krüger, Dr., Prof, an der Techn. Hoch- schule, Langfuhr 1911 Kubacz, Dr., Arzt 1911 Kuhn, Weinhändler . 1906 Kuhse, Oberlehrer 1905 Kumm, Dr., Prof., Direktor des Westpr. Provinzial-Museums 1892 La Baume, Dr., Kustos am Westpr. Pro- vinzial-Museum 1911 Lakowitz, Dr., Prof., Oberlehrer .... 1885 Langer, Apothekenbesitzer ...... 1913 Lehmann, Rechnungsrat, Eisenbahnsekretär 1896 V. Leibitz, Major a. D., Langfuhr . . . 1892 Leiding, Kaufmann, Langfuhr .... 1909 V. Lengerken, Dr., Prof., Oberlehrer . . 1902 J^ewinsky, Rechtsanwalt, Langfuhr . . . 1908 Lewschinski, Dr., Apotheker 1905 Lick, Dr., Arzt 1910 lAepmann, Bankdirektor 1913 Lierau, Dr , Prof., Oberlehrer .... 1888 Lietzau, Fritz, Kaufmann 1910 Lievin, Dr., Geh. Sanitätsrat 1881 LÖwens, Kaufmann 1910 Löwenstein, 11\, Kaufmann ...... 1911 Lohsse, Dr., Arzt 1903 Lorenz, Dr., Geh. Regierungsrat, Professor, zurzeit Rektor der Techn. Hoch- schule 1904 Lorenz, Hauptmann, Neufahrwasser . . 1913 Lucass, Bankdirektor a. D 1910 Lucks, Assistent an der landwirtschaft- lichen Versuchsstation ..... 1904 V. JUackensen, Exz., Generalfeldmarschall 1910 Magistrat der Stadt Danzig 1912 Magnussen, Dr., Sanitätsrat 1904 Makowski, Kuratus 1911 XXXV Aufgen. im Jahre V. Mangoldt, Dr., Prof., Geh, Regierungsrat 1904 Mannhardt, Prediger 1894 Marklin, Kaiifmann 1912 Marschalk, Kaufmann 1912 Marx, Konsul und Bankdirektor . . . 1912 Masurke, Dr., Arzt . 1905 Mehrhardt, Oberforstmeister 1913 Mende, Oberlehrer, Langfuhr 1913 Mendel, Kaufmann . 1904 Mentz, Prof, an der Techn. Hochschule . 1905 Meyer, Semi, Dr., Arzt 1901 Meyer, Hermann, Dr., Arzt 1902 Meyer, H„ Landmesser 1911 Meyer, Oberlehrer 1913 Meyer, Dr. jur., Bankier 1915 Meyer, Dr. phil., Bankier 1915 Meyer, G., Dipl.-Ingenieur 1915 Mix, Kaufmann 1910 Mix, Fabrikbesitzer 1913 Möller, Paul, Dr., Arzt 1899 Möllers, Dr., Oberlehrer 1910 MÖrler, Apothekenbesitzer 1911 MoUing, Obertelegraphensekretär . . . 1912 Momber, Diplomingenieur in Langfuhr . 1910 Müller, Konsul 1912 Müller, Dr., Professor, Oberlehrer . . . 1913 Muscate, Fr., Dr 1914 Muscate, Dr., Kaufmann 1911 Nagelschmidt, Betriebsingenieur der städti- schen Gasanstalt 1914 Nass, C., Prof., Oberlehrer 1894 Nesselmann, Direktor der Kaiserl. Reichs- bank 1913 Neubacker, Ingenieur, Fabrikbesitzer . . 1911 Oehlschläger, Landgerichtsrat 1901 Paneski, Dr,, Arzt . 1911 Papenfuss, Oberlehrer 1912 Patschke, Kommerzienrat in Langfuhr . . 1910 Paul, Kaufmann 1913 Pauly, Ingenieur 1911 Peemöller, Oberlehrer 1909 Penner, W., Stadtrat 1872 Penner, F., Optiker 1911 Penner, Dr., Augenarzt 1912 Pertus, Oberingenieiir 1902 Peter sen, Kaufmann 1912 Petruschky, Dr., Prof 1897 Petschow, Dr., Fabrikbesitzer .... 1892 Pflanz, Dr., Kreisarzt, Langfuhr . . . 1911 Aufgen. im Jahre von Pfuel, Generalmajor, Kommandant der Festung Danzig 1915 Philipp, Dr., Arzt 1898 Plagemann, Dr. jur., Kaufmann .... 1910 Prager, Kaufmann 1912 Prodoehl, Zahnarzt 1912 Purrucker, Oberlehrer ....... 1910 Pusch, Dr., Kreisarzt, Vorsteher des Kgl. Med.-Untersuchungsamtes für West- preul3en 1910 Hasenack, Marinebaumeister, Langfuhr . 1913 Redmer, Dr., Arzt 1903 Regel, Apothekenbesitzer 1913 Reimann, Justizrat, Rechtsanwalt . . . 1901 Reichel, Dr., Arzt 1911 Reichenberg, Baumeister 1912 Rein, Oberlehrer 1912 Reynke, Dr., Sanitätsrat 1891 Reitzen stein, Kaufmann 1912 Rhode, Fabrikbesitzer 1915 Rickert, Franz, Dr,, Buchdruckereibesitzer und Zeitungs Verleger 1903 Riepe, Landesbaurat 1911 Rimrott, Dr. ing., Eisenbahndirektions- Präsident 1911 Rink, Dr., Oberlehrer . 1911 Rodenacker, Ed., Stadtrat, Stadtältester . 1873 Rodenacker, H., Kapitän zur See a. D. . 1906 RÖssler, Dr.,Prof. an der Techn. Hochschule 1904 Röhrig, Hauptmann und Batteriechef . , 1913 Rosenbaum, Dr., Rechtsanwalt .... 1906 Rosenberg, Buchhändler 1910 Ruff, Dr., Prof, an der Techn. Hochschule 1905 Ruhm, Rechtsanwalt 1904 Runde, Eugen, Kaufmann 1900 Runge, Stadtrat 1911 Ruoff', Dipl.-Ingenieur, Langfuhr . . . 1911 Sachse, Regierungs-Assessor 1911 Sander, Redakteur 1909 Sauerhering, Kaufmann 1912 Schaefer, Kaufmann 1885 Schahnasjan, Rentier 1882 Schar ff' enorth, Dr., Sanitätsrat .... 1889 Schilling, Dr., Geh. Regierungsrat, Prof, an der Techn. Hochschule .... 1907 Schlomann, Dr., Arzt 1910 Schlüter, Prof., Oberlehrer ...... 1879 Schmacht, Ingenieur 1910 Schmechel, Landschafts -Sekretär .... 1868 .3* XXXVI Aufgen. im Jahre Graf von Schmettow, Generalmajor, Kom- inand.d. Leibliusareiibrig., Lang fuhr 1913 Scimieder, Apotheker . , ..... 1910 Schmöger, Dr., Prof,, Vorstand der Versuchs- station der Westpreuß. Landwirt- schaftskammer 1900 Sclimook, Reg.-Rat 1911 Schneider, Baumeister 1911 Schneider, Buchhändler 1913 Scholtz, Oberbürgermeister 1910 Schubert, Oberstleutnant z. D 1911 Schubert, Dr., Fabrikbesitzer 1908 Schütte, Dipl.-Ing., Geh. Reg.-Rat, Prof. an der Techn. Hochschule . . , 1910 Schulz, Ad., Dr., Arzt 1904 Schulz, 0., Dr., Arzt 1896 Schulz, Ernst, Dr., Arzt 1910 Schulze. F. W. 0., Professor an der Techn. Hochschule 1905 Schustehrus, E., Dr., Sanitätsrat . . . 1892 Schwarz, Dr., Bibliothekar bei der Stadt- bibliothek 1906 Schwarze, Dr., Oberlehrer in Langfuhr. . 1904 Seeger, Prokurist der Schichau -Werft . 1911 >Semaww^Dr.,Geh.Medizioal-u.Regierungsrat 1903 Seering, Geh. Regierungsrat 1912 Seligo, Dr., Prof., Oberfischmeister, Ge- schäftsführer des Westpreußischen Fischerei- Vereins 1898 Seinrau, Dr., Arzt. . 1911 Senfft von Pilsach, Freiherr, Landeshaupt- mann von Westpreußen .... 1910 Siebenfreund, C., Kaufmann 1905 Sieg, Konsul, Reedereibesitzer .... 1911 Simson, Dr., Prof., Oberlehrer .... 1911 Skerle, Fabrikdirektor . 1914 Smolinski, Rektor, Langfuhr 1910 Solmsen, Dr., Arzt 1899 Sommer, Dr., Prof, an d. Techn. Hochschule 1905 Sonntag, Prof., Dr., Oberlehrer, Saspe . 1910 Spendlin, Prof., Oberlehrer 1898 Spitzer, Kaufmann 1911 Staberow, Victor, Fabrikbesitzer .... 1893 Stach, Marinebaurat, Langfuhr .... 1912 Staeck, Ad., Gutsbesitzer in Leegstrieß . 1883 Stahr, Dr., Prosektor am Städt. Kranken- hause u. Direktor des Pathologischen Instituts 1912 Steimmig, Dr., Generalsekretär der Land- wirtschaftskammer in Danzig . . 1911 Steimmig, Zivilingenieur 1908 Aufgen. im Jahre Stein, Bankdirektor 1912 Steinbrecher, Prof., Stadtschulinspektor . 1901 Stentzier, Prof., Oberlehrer und Dozent an der Technischen Hochschule . . 1900 Stoddart, Kommerzienrat, Stadtrat . . . 1877 Storp, Dr., Oberarzt 1910 Strehl, Prof., Dr 1915 Stremme, Dr., Prof, an der Techn. Hoch- schule 1914 Stürckow, Zahnarzt, Langfuhr .... 1913 Stumpf, Kgl. Hofjuwelier 1910 Suckau, Justizrat, Rechtsanwalt .... 1903 Suhr, P., Provinzial-Schulrat 1890 Szpitter, Dr., Arzt . 1900 Tenzer, Fr., Ingenieur 1910 Terletzki, Dr., Prof., Oberlehrer .... 1902 Thiel, Dr., Oberstabsarzt 1912 Thun, Dr., Arzt 1911 Thomas, Qust., Direktor a. I) 1893 Toepfer, Postinspektor, Langfuhr . . . 1913 Tornier, Kaufmann 1912 Treitel, Gerichtsrat 1901 Trettau, Betriebsdirektor d. Kgl. Artillerie- werkstatt 1913 Trommsdorff, Dr., Bibliothekar an der Techn. Hochschule 1908 TJllrich, Kgl. Baurat 1910 Unruh, Adolf, Konsul, Kommerzienrat . 1896 Unruh, W., Kaufmann 1911 Unger, Dr., Chemiker 1910 V. Vagedes, Dr., Prof., Oberstabsarzt . . 1908 Valentini, Dr., Prof., Med.-Rat, Oberarzt 1899 Viktoria - Schule, vertreten durch Herrn Direktor Dr. Tesdorpf 1911 Vogt, Oberlehrer 1910 Voigt, Albert, Ingenieur 1912 Vorderbrügge, Dr., Arzt . . . . . . 1905 V. Vultejus, Regierungs- und Schulrat . . 1912 JVachsmann, Oberingenieur 1899 Wachsen, Major z. D., Langfuhr . . . 1911 Wallenberg, Adolf, Dr., Prof., Oberarzt . 1887 Wallenberg, Th., Dr., Arzt 1897 Wallmuth, Oberzollrevisor, Langfuhr . . 1908 Walter, Kaufmann 1915 Wanfried, Oerh., Fabrikbesitzer .... 1911 Wangerin, Dr., Oberlehrer, Dozent an der Technischen Hochschule .... 1913 XXXVII Aufgen. im Jahre Warschauer, Geh. Archivrat, Direktor des Staatsarchivs für Westpreußen . .1912 von Wartenberg, Dr., Prof, an der 'J^echn. Hochschule 1913 Wedel, Architekt, Langfuhr 1912 Wegeli, Dr., Arzt, Langfuhr ..... 1911 V. Weichhmann, Dr., Regierungsrat . . . 1910 V. Wengersky, Graf, Major i. Inf. -Regt. 128 1910 Wenski, Oberpostpraktikant 1913 Werwach, Direktor der Zuckerraffinerie . 1913 ILme/, Oberregierungsrat, Polizeipräsident 1894 Wiederhold, Kunstmaler 1910 Wieler, Kommerzienrat 1907 Willers, Dr., Ober-Regieriingsrat .... 1892 Willstätter, Bankdirektor ...... 1914 Witdielhausen, Kaufmann 1904 Wisselinck, Dr., prakt. Arzt 1904 von Witzleben, Oberstleutnant 1913 Aufgen. im Jahre Wohl, Dr,, Geh. Reg.-Rat, Prof, an der Teclm. Hochschule 1904 Wolff, Dr., Sanitätsrat . 1911 ^^olff, H., Kaufmann 1912 V. Wybicki, Dr., Arzt 1911 Zabel, Dr., Arzt 1913 Zander, Rechtsanwalt 1910 Zemke, Dr., Arzt, Schidlitz 1913 Zessin, Kaufmann 1911 Ziegenhagen, Dr., Arzt 1904 Ziegler, G., Kaufmann 1912 Ziehm, Brauereidirektor, Langfuhr . . . 1910 Ziehm, Generalkonsul, Langfuhr .... 1912 Zimmermann, Aug., Ingenieur, Stadtrat . 1883 Zusch, Dr., Arzt 1911 Zwerg, Kgl. Gymnasialdirektor .... 1910 b. Auswärtige. Aufgen. im Jahre Altertumsgesellschaft in Elbing .... 1884 Arndt, Oberlehrer in Tiegenliof .... 1912 V. Auwers, Dr., Landrat in Stuhm Wpr. . 1901 iBaenge, Oberlehrer in Zoppot .... 1910 Beckherrn, Kandidat des höh. Lehramtes in Schwetz 1911 Begeng, Dr., Praktischer Tierarzt in Ohra 1911 Belgard, Kommerzienrat in Graudenz . . 1910 Belgard, Dr. phil. in Graudenz .... 1910 Bindemann, Geh. Regierungs- und Baurat in Steglitz, Südenstraße 48 . . . 1889 Bockwoldt, Dr., Prof., Oberlehrer a. D. in Neustadt Westpr 1882 BÖcker, Dr, Arzt in Oliva 1911 BÖnheim, Dr., Arzt in Ohra bei Danzig . 1915 Bölke, Major a. D. in Zoppot .... 1912 Böhm, Joh., Dr., Prof., Kustos der Samm- lungen an der Königlichen Geolo- gischen Landesanstalt in Berlin N. 1884 BÖttger, Direktor der Zuckerfabrik Praust 1915 Bomke, Bankdirektor, Magdeburg . . . 1910 Braun, Fr., Professor in Graudenz . . . 1910 Brilling, Oberveterinär in Marienburg Wpr. 1910 Büchner, Buchdruckereibesitzer, Schwetz 1911 Burmeister, Ökonomierat in Berlin, Lützowstraße 42 1910 Chmielewski, Vikar in Kulm Wpr. . . . 1906 Czachowski, Mühlenbesitzer in Oliva . . 1913 Aufgen. im Jahre Dahms, Dr., Prof., Oberlehrer in Zoppot 1892 Domnick, Ferd., Gutsbesitzer in Kunzendorf Kr. Marienburg 1885 Dudek, P., Oberlehrer in Kulmsee . . . 1906 Ehlers, Buchdruckereibesitzer in Karthaus 1896 Elbing, Magistrat der Stadt 1906 Elias, Dr., Apotheker in Stettin . . . 1910 Ewert, Vorsteher d. Agentur d. deutschen Seewarte in Neufahrwasser . . . 1910 Feldner, Apotheker in Zoppot .... 1909 Feyerabend, Prof., Zoppot 1905 Gcdli, Privatier in Zoppot 1906 Gehrke, Dr., Kreisarzt, Putzig .... 1895 Gelhorn, Bankier, Konsul in Zoppot . . 1914 Goldfarb, Kommerzienrat in Pr. Stargard (Lebenslängliches Mitglied) . . . 1913 Grä6wcr,P.,Dr.,Prof.,KustosamKgl.Botani- schen Garten in Dahlem bei Steglitz 1894 V. Grass, Exz., Rittmeister a. D., Wirklicher Geheimer Rat, Rittergutsbesitzer auf Klanin bei Starsin Wpr. . . . . 1873 Grott, Direktor der Ober -Realschule in Graudenz 1885 Gymnasium, Königliches in Elbing . , . 1914 Gymnasium, Königliches, in Marienburg . 1900 Gymnasium, Königliches, in Neustadt Wpr. 1900 Gymnasium, Königliches, in Pr. Stargard . 1900 Gymnasium, in Strasburg Wpr. 1900 XXXVIII Aufgen. im Jahre Heil, König!. Wasserbauwart in Pieckei . 1900 Hein, Apotheker in Zoppot 1911 Heinick, Oberlehrer in Zoppot . . . .1911 Heintz, Sekretär in Zoppot ..... 1905 Hennig, PvoL, Oberlehrer in Graudenz 1901 Hensel, Eittergutsbesitzer in Bissau . . . 1913 Herstowski, Professor, Oliva 1913 Hesse, Dr., Tierzuchtdirektor der Westpr. Landwirtschaftskammer, Zoppot . 1912 Hevelke, Rittergutsbesitzer in Warschenko bei Kölln Wpr 1911 Hilbert, Dr., Sanitätsrat in Sensburg Opr. 1899 Höcherl, Gutsbesitzer in Pelonken bei Oliva 1903 HoJmfeldt, Dr., Prof., Oberlehrer in Thorn 1884 Hoyer, M., Direktor, Demmin (Pomm.) . 1892 Janzen, Apotheker in Eisenach .... 1910 Kaiser Wilhelm - Institut, Abteilung für Pflanzenkrankheiten in Brombero' O ^ vertreten durch Prof, Dr. Schänder Kämpfe, Dr., Kreisarzt, Medizinalrat in Karthaus Westpr. 1895 Kiesow, Dr., Arzt in Polajewo (Posen) . 1910 Klinge, Dr., Arzt in Oliva 1910 Komorowski, Schulrat in Dirschau . . . 1914 Kreis-Ausschuss in Karthaus Westpr. . . 1902 Kreis- Ausschuss in Strasburg Westpr. . . 1874 Krenz, Pfarrer a. D. in Zoppot .... 1912 Kressmann, Arthur, Konsul a. D. in Groß- Lichterfelde bei Berlin 1880 Krickau, Oberlehrer in Dt. Eylau . . . 1912 Kunau, Dr., Geh. Med.-Rat in Zoppot . 1910 Kurowski, Oberlehrer in Pelplin .... 1906 Lange, Kandidat des höheren Lehramtes in Graudenz 1913 Lehrerseminar, Kgl, in Bereut Wpr. . . 1911 Lentz, Dr., Prof., Oberlehrer in Zoppot (Einheimisches Mitglied 1902) . . 1910 Linck, Rittergutsbesitzer auf Stenzlau, Kr. Dirschau 1879 Linssen, Kand. des höh. Lehramtes, Kulm 1913 Luerssen, Dr., Prof., Geh. Regierungsrat, Berlin. (Korresp. Mitglied 1893). 1910 Mangold, Dr., Kreisarzt in Allenstein . 1912 Meyer, A., Oberlehrer in Zoppot . . . 1908 Meyer, Rentier, Zoppot 1913 Molly, Ingenieur in Berlin-Lichterfelde , 1911 Momher, Regierungsrat in Berlin . . , 1910 Aufgen. im Jalire Morwitz, Jos , Kaufmann in Philadelphia, 614. Ohesterroad JJ. S. A. . . .1871 Mürau, Gutsbesitzer in Oliva .... 1909 Naturwissenschaftlicher Verein in Bromberg 1881 Nebel, Reg.-Baumeister in Briesen . . . 1911 Oberbergamt, Konigl, in Breslau . . . 1890 Palm, Schulrat in Karthaus Westpr. . . 1901 Paullig, Dr., Arzt in Zoppot 1883 Peters, Rentner in Zoppot 1880 Preuss, Dr., Seminaroberlehrer, Löbaii . 1905 Prochnow, Franz, Apotheker in Oliva . . 1908 Progymnasium, Kgl, in Löbau .... 1900 Progymnasium, Kgl, in Neumark . . . 1897 Progymnasium, Kgl, in Pr. Friedland . . 1900 Pealprogymnasium, Kgl, in Riesenburg Westpr. 1884 Realschule, Kgl, in Dirschau 1900 Realschule, Kgl, in Kulm 1900 Reinecke, Dr., Oberl. in Zoppot .... 1910 Ressler jun., Kaufmann in Zoppot . , , 1911 Roese, Rechnungsrat in Zoppot .... 1912 Romberg, Stabsapotheker in Graudenz , 1906 Rosentreter, Apotheker in Zoppot . . . 1906 Rottenburg, Dr., Glasgow (Schottland) (Lebenslängliches Mitglied) . . . 1909 Ruttke, Alfred, Generalagent des Nordstern, Halle a. S 1892 Schänder, Prof., Dr.,Abteilungsvorsteher am Kaiser Willi. -Instit. in Bromberg 1910 Schefler, Lehrer a. D. in Zoppot . . . 1910 von Schickfus und Neudorf, Major a. D. in Zoppot 1913 Schimanski, Dr., Sanitätsrat in Stuhm . . 1886 Schmelzer, Rittergutsbesitzer in Zoppot . 1913 Schnaase, Prof,, Oberlehrer in Pr. Stargard 1883 Schnibbe, Kunstgärtner in Schellmühl . . 1883 Schönberg, Kaufmann in Zoppot (Ein- heimisches Mitglied 1874) . . . 1911 Schröter, Dr., Pfarrer, Oliva 1905 Schütz, Oberlehrer, Bereut 1913 Schultz, Kgl. Forstmeister in Oliva . . 1904 Semon, Dr. in Königsberg (Einheimisches Mitglied 1893) 1910 V. Sierakowski, Graf, Dr., Königlicher Kammerherr, Rittergutsbesitzer in Waplitz, Kreis Stuhm ..... 1890 Speiser, Dr., Kreisarzt in Labes i. Pomm. 1901 XXXIX Aufgen. im Jahre Stadtbibliothek in Königsberj? Opr. . . . 1899 Stobbe^ Kaufmann in Hamburg-Lockstedt 1914 von Tiedemann, Rittergutsbesitzer auf Rassoscliin, Kreis Danziger Höhe 1913 Tümmler, Prof,, Oberlehrer in Zoppot . . 1913 Weichbrodt, Major z, D. in Zoppot . . 1912 Weidmann, Reclitsanwalt in Karthaus . 1910 Weiss, Justizrat (Einheim. 1890) in Zoppot 1911 Wiebe, Oberstleutnant z. D. in Oliva . . 1906 Wieferich, Oberlehrer in Neustadt . , . 1910 Aufgen. im Jahre Wissenschaftliche Gesellschaft für Lvft- schi fahrt in Charlottenburg b. Berlin 1915 Wittich, Regierungsrat in Zoppot (Ein- heimisches Mitglied 1902) . . . 1910 Wocke, Kgl. Garten-Inspektor in Oliva . 1900 Wolf, Amtsvorsteher in Silberhammer bei Danzig 1910 Wollschläger, Apotheker in Zoppot . . . 1912 Wundermacher, Rechtsanwalt in Neustadt AYpr 1912 Zehr, Photograph in Elbing 1896 Zynda, Lehrer a. D. in Zoppot .... 1883 B. Mitglieder des Vorstandes der Gesellschaft. Für das Jahr 1916 sind gewählt worden als: Direktor; Professor Dr. Lakowitz. Vizedirektor: Professor Dr. Krüger. Sekretär für innere Angelegenheiten : Oberarzt Professor Dr. Adolf Wallenberg. Sekretär für äußere Angelegenheiten: Professor Dr. Kumm. Schatzmeister: Bankier Dr. Damme. Bibliothekar: Professor Dr. Dahms. Hausinspektor: Ingenieur August Zimmermann, Stadtrat. Beisitzer: Professor Evers. Beisitzer: Professor Dr. Petruschky. Beisitzer: Professor Dr. Sommer. Vorsitzender der Anthropologischen Sektion: Professor Dr. Kumm. Vorsitzender der Sektion für den naturwissensch. u. niathem. Unterricht: Oberleher Vorsitzender der Medizinischen Sektion: Oberarzt Dr. Storp. Vorsitzender des Westpreußischen Fischerei-Vereins : Regierungsrat Dr. Dolle. Vorsitzender des Westpr. Vereins für öffentlichve Gesundheitspflege: Landesrat Claassen. XL Verzeichnis der im Jahre 1914 und 1915 durch Tausch, Schenkung und Kauf erworbenen Bücher. I. Durch Tausch gingen ein: Nord-Amerika. E e r k e 1 e y. University of California; Fiiblications Zoology, Vol. 12 N. 1 — 7, Vol. 13 N. 1—5, 1914. E o s t 0 n. American Academy of Arts and Sciences: Proceedings. Vol. XLIX X. 11, Vol. 4 X. 1—3, 1914. Xational Academy of Sciences: Proceedings. V ol. I X. 1 — 8, 1916. Brooklyn. Museum of the Institute of Arts and Sciences: Cold Spring Harbor Monographie. Vol. VIII, 1913. Cambridge. Museum of comparative zoology at Harvard College: 1. Bulletin. Vol. LVIII X. 2—7. 2. Memoirs. Vol. XLIV X. 3. Philosophical Society : Transactions. Vol. XXII X. 2—4, 1913/14. Charlotteville. University of Virginia Publications, Philos. Society: Bulletin. Vol. I X. 18—23. Chapel Hill. Elisha Mitchell Scientific Society: Journal. Vol. XXX X. 1—4, 1915. Chicago. The Chicago Academy of Sciences: Bulletin. Vol. III X. 4—5. The John Crerar Library: Annual Report, 1914. Cincinnati. Lloyd Library; Bibliographical Contributions. X. 13 — 14, 1914. Havenport. Academy of Sciences: Proceedings. Vol. XIII p. 1 — 46. Milwaukee. Wisconsin Xatural history Society: Bulletin. Vol. XII X. 1—4, 1914; Vol. XIII X. 1—5, 1915. Minneapolis. The University of Minnesota: 1. Agricultural Experiment Station. Bulletin. X. 139. 2. Botanik-Studies. Vol. IV X. 3. XLI e w H a V e n. Connecticut Academy of Arts and Sciences: Transactions. Vol. XVIII p. 347—447, 1913/15. Aew Y 0 r k. Academy of Sciences: Annals. Vol. XXIII X. 145—353, 1914. Ottawa. Canada Departement of Mines. (Geological Survey Branch): 1. Memoirs. X. 23, 29, 43—44. 2. Snmmary Keport, 1912. Departement of the Inferior, Sessional Papers. 25 A: Publications of the Dominion Observatory. Y^ol. I X. 6 — 8, 1914. Philadelphia. Academy of Xatiiral Sciences: Proceedings. Vol. LXV p. III; Vol. LXVI p. 1, 1914. P r i n c e t 0 n. University Observatory: Contribiitions. X. 3, 1915. San Francisco. California Academy of Sciences: Proceedings. Vol. IV pp. 1^ — 13, 1914; Vol. V X. 4 — 5, Vol. V X. 1 — 2, 1915. St. Louis. Missouri Botanical Garden: Annals. Vol. 1 X. 4. W a s h i n g t 0 n. Carnegie Institution, Departement of Experimental Evolutions: Annual Eeport of the Direktor, 1914. Smithsonian Institution U. S. X. Museum: 1. Bulletin. X. 89. 2. Proceedings. Vol. 46, 1914. 3. Eeport on the Progress Condition, 1913. Smithsonian Institution U. S. X. Museum: Miscellaneous Collections. Vol. 65 X. 4 — 8, 12. Contributions froni the U. S. X. Mus. Herbarium. Vol. 18 p. 1 — 2. Departement of the Inferior U. S. Geolog. Survey: 1. Bulletin. X. 580e, 581a. n. b, 585, 579. 2. Water Supply. X. 340b, 345e. n. f, 323. 3. Professional Paper. X. 83, 90c. n. d. 4. Annual Eeport. Bd. 34, 1913. 5. Mineral Eesources. 1913, Part II X. 1 — 19. Xational Academy of Sciences: Proceedings. Vol. I X. 1 — 11, 1915. Xavy Departement U. S. Xaval Observatory: Annual Eeport, 1914. Süd-Amerika. Eio de Janeiro. Musen Xacional. Archivos. Vol. XVI, 1911. T a c u b a y a. Observatorio astronomical nacional: Observatorio meteorologicas. Tome 1 — :3, 1915. Asien. Tokyo. Kaiserl. Jap. Universität d. med. Fakultät: Mitteilungen. Bd. 13 FI. 1 — 2, 1914. Dänemark. Kopenhagen. Kgl. Danske Videnskabernes Selskabs (Oversigt): 1. Forhandlingar. X. 5 — 6, 1914; FF. 1 — 4, 1915. XLll 2. Skrifter. (Memoires de racademie roy. d. Sc. et. d. Lettres). Tome XI 6, Tome XII X. 1—6. Nordisk Oldkyndige og Historie (k. Xordiske Oldskrift-Selskabs) ; Memoires (de la societe r. d. antiquaires du Xord). Hansk Botanisk Forening:* 1. Botanisk Tidskrift. Bd. 34 H. — 4, 1914. 2. Dansk Botanisk Arkiv. Bd. 1 H. 1 — 5, Bd. 2 H. 1, 1914. Deutschland. Bamberg. Beineis-Sternwarte. Veröffentlichungen. Keihe 2. Bd. 1 IT. 2, 1913. Xaturf ersehende Gesellschaft. Bd. 22 und 23, 1915. Berlin, Babelsberg-Berlin. Kgl. Sternwarte. Veröffentlichungen. Bd. 1 H. 2 — 4, 1915. Kgl. preuß. Akademie der Wissenschaften: 1. Sitzungsberichte N. 37- — 47, 1914; K. 1—40, 1915. 2. Abhandlungen d. phys. Klasse 1914, X. 1 — 5, 1915. Kgl. preuß. Geologische Landesanstalt: 1. Erläuterungen zur geolog. Karte. Liefrg. 189, 172, 175, 177, 185, 196. 2. Jahrbuch. Bd. 34 Teil II H. 1—2, Bd. 35 Teil I H. 1, 1914. 3. Abhandlungen. H. 73 — 76. 4. Ergebnisse von Bohrungen. H. 6. 5. Beiträge zur geolog. Erforschung deutscher Schutzgebiete. H. 6 — 7. Kgl. preuß. meteorologisches Institut: 1. Veröffentlichungen. H. 281 — 286 (Kegenkarte v. Hessen-Xassau). 2. Abhandlungen. Bd. 5 H. 1 — 2. Kgl. Sternwarte: Beobachtungsergebnisse. H. 16, 1914. Kgl. Astronomisches Kecheninstitut: Veröffentlichungen. H. 42, 1913. Keichsamt des Innern: Berichte über Landwirtschaft. H. 37. Botanischer Verein der Provinz Brandenburg: Verhandlungen. Jhrg. 56, 1914. Preuß. Landesanstalt für Gewässerkunde: 1. Jahrbuch, Abflußjahr 1911. 2. Allgemeiner Teil, 1911. 3. Besondere Alitteilungen. Bd. 3 H. 1 — 2, 1915. Gesellschaft Xaturf ersehender Freunde: Sitzungsberichte. 1913, TI. 1—10. Kaiserl. Biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft: Mitteilungen. H. 15. Vereinigung für angewandte Botanik. Jahresbericht. Jhrg. 12 Teil 1 — 2, 1914, Deutsche Dendrologische Gesellschaft: Mitteilungen, 1914. Wissenschaft!. Gesellschaft für Flugtechnik: Jahrbuch. Bd. 3, Lief erg. 1 — 2, 1914/15. Deutsches Entomologisches Museum in Dahlem: Mitteilungen. Bd. 4 H. 1 — 6, 1915. Kgl. preuß. Ministerium für Landwirtschaft nsw.: Statistische Xacli- weisungen a. d. Gebiete der Landwirtsch. Verwaltung von Preußen. Jhrg. 1913. Berliner Zweigverein der deutsch. Meteorolog. Gesellschaft: Jahresbericht 30, 1913. B ielefeld. Xaturwissenschaftlicher Verein für Umgegend: Bericht 1911/13. Bremen. Xaturwissenschaftlicher Verein: Abhandlungen. Bd. 23 H. 2, 1915. XLIII Meteorologisches Observatorium. Deutsches meteorologisches Jahrbuch der Hansastadt Bremen. Jhrg. 25, 1914. Breslau. Verein für schlesische Insektenkunde: Jahresheft 7, 1914. Schlesische Gesellschaft für Vaterländische Kultur: 1. Jahresbericht. Bd. 91 H. 1 — 2, 1913. 2. Literatur d. Landes- u. Volkskunde der Provinz Schlesien, 1907/12. Kgl. Oberbergamt: Produktionen der Bergwerke. Jahrg. 1913. D a n z i g. Landwirtschaftskammer der Provinz Westpreußen. Bericht über die Tätig- keit der Landwirtsch. Versuchs-Kontrollstation. Jahresbericht, 1914/15. VVestpreuß. Provinzial-Museiim: Bericht der Provinzialkommission d. Westpr. Provinzialmuseen über ihre Tätigkeit und die Verwendung der ihr zur Verfügung gestellten Mittel. Jhrg. 1914. Westpreuß. Botanisch-Zoolog. Verein; Jahresbericht 36, 1914. Da r m s t a d t. Verein für Erdkunde u. Großherz. Geolog. Landesanstalt. Notizblatt, IV. Folge. H. 35, 1914. Dresden. Gesellschaft für Natur- und LIeilkunde: Jahresbericht, 1913/14. Elberfeld. Naturwissenschaft!. Verein: Jahresbericht. H. 14 Teil 1 — 2, 1915. Emden. JSlaturf ersehende Gesellschaft: Jahresbericht 98, 1913. Erfurt. Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften: Jahrbücher. N. F. 41, 1915. Erlangen. Physikalisch-med. Societät: Sitzungsbericht. Bd. 45, 1913; Bd. 46, 1914. Frankfurt a. M. Physikalischer Verein: Jahresbericht, 1913/14. Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft: 1. Abhandlungen. Bd. 36 TI. 1. 2. Berichte. Bd. 45 H. 1-— 2 (Sonderheft). E r e i b u r g. Naturforschende Gesellschaft: Bericht. Bd. 21 H. 1, 1915. Göttingen. Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften: 1. Math. Phys. Klasse. 1914, H. 4; 1915, H. 2. 2. Geschäftliche Mitteilung. 1914, H. 2. Greifswald. Geographische Gesellschaft: Jahresbericht. Bd. 15, 1914/15. Kgl. Universität; 1. Amtl. Personal-Verzeichnis, 1914/15. 2. Chronik. Jhrg. 29, 1914/15. 3. Verzeichnis der Vorlesungen, 1915/16. Güst r 0 w. Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg: Archiv. Jhrg. 68 Abt. 1—2, 1914. Gub e n. Niederlausitzische Gesellschaft für Anthropologie und Altertumskunde: Mit- teilungen. Bd. 12 H. 5 — 8, 1913. Halle a. S. Kaiserl. Leopoldinisch-Carolonische Deutsche Akademie d. Naturforscher: Abhandlungen (Nova Acta). Bd. 992. Naturforschende Gesellschaft: Abhandlungen. N. F. Bd. 4, 1914. (Sächsisch-Thüringischer Verein für Erdkunde: Mitteilungen. Jhrg. 36, 1912. H a m b u r g. Sternwarte in Bergedorf: 1. Jahresbericht 1914. 2. Meteorologische Beobachtungen, 1914. 3. Astronomische Abhandlg. Bd. III H. 1, 1913. Deutsche Seewarte (kaiserl. Marine); 1. Jahresbericht 36, 1913. 2. Deutsches Meteorologisches Jahrbuch. Beobachtungssystem d. deutschen Seewarte. Jhrg. 36, 1913. 3. Aus dem Archiv. Jhrg.1914, Bd. 37, TI. 1. 4. Deutsche überseeische Meteorologische Beobachtung. H. 22. XLIV jNaturhistorisches Museum (zugleich Beiheft zum Jahrbuch der Hamburger Wissenschaftl. Anstalten); Mitteilungen. Jhrg. 31, 1914. h' atur Wissenschaf tlicher V erein : 1. Verhandlungen. 3. Folge, Bd. 21 und 22, 1913/14. 2. Abhandlungen a. d. Gebiete d. Naturw. Bd. 20 H. 2. Mathematische Gesellschaft; Mitteilungen. Bd. ^ H. 4, 1915. Heidelberg. Naturhistorisch-medizin. Verein; Verhandlungen. Bd. 13 H. 1, 1914. Jena. Medizin.-naturw. Gesellschaft; Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft. Bd. 53 H. 1—4, 1914. Insterburg. Altertumsgesellschaft; Zeitschrift. Heft 15, 1914. Kiel. Kommission zur wissenschaftl. Untersuchung d. deutschen Meere in Kiel und der Biolog. Anstalt auf Helgoland; Wissenschaftl. Meeresuntersuchung. Is'. F. Abt. Helgoland, Bd. 11 H. 1. K. F. Abt. Kiel, Bd. 17. 1915. A'aturw. Verein für Schleswig-Holstein; Mitteilungen. Bd. 16 H. 1, 1914. K ö n i g s b e r g. Physikalisch-ökonom. Gesellschaft; Schriften. Bd. 54, 1913. Preußischer Botanischer Verein; Jahresbericht 1913. Altertumsgesellschaft Prussia; Sitzungsberichte. Heft 23, 1 Teil. Landsberg. Verein für Geschichte der Keumark; Schriften. Bd. 30 — 31, 1913/14. Leipzig. Verein für Erdkunde; Mitteilungen. 1914. Kgl. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften (Math.-Physik. Klasse); Berichte. Bd. 66 H. 2, 1914. Naturforschende Gesellschaft; Sitzungsbericht. Jhrg. 41, 1914. Stadt. Museum für Völkerkunde; 1. Jahrbuch. Bd. 5, 1911/12. 2. Veröffentlichungen. H. 5. Marburg. Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Naturwissenschaft; 1. Sitzungsberichte. 1914. 2. Schriften. Bd. 13 Abt. 7, 1914. Meißen. Naturwissenschaftliche Gesellschaft „Isis“; Mitteilungen. 1912/14. München. Kgl. Bayrische Akademie der Wissenschaften; 1. Sitzungsbericht. 1915, H. 1. 2. Abhandlung. Bd. 27 H. 1 — 4, 1914. (Festrede zum 155. Stiftungsfest.) Gesellschaft für Morphologie und Physiologie; Sitzungsberichte. Bd. 29, 1913. Ornithologische Gesellschaft in Bayern; Verhandlungen. Bd. 12 H, 1 — 3, 1915. Münster. Westfälischer Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst; Jahres- bericht 42, 1913/14. Nürnberg. Germanisches Nationalmuseum; 1. Anzeiger. H. 1 — 4, 1914. 2. Mitteilungen. 1914/15. Naturhistorische Gesellschaft; 1. Abhandlungen. Bd. 19 H. 4. 2. Mitteilungen. Jhrg. 17 H. 1 — 2, 1912/13. 3. J ahresbericht 1912/13. Posen. Historische Gesellschaft für die Provinz Posen ; 1. Zeitschrift. Jhrg. 29 H. 1, 1914. 2. Historische Monatsblätter. Bd. 15 H. 1—12, 1914. (Gesch. d. Provinz Posen in pol. Zeit, 1914.) Deutsche Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft, Naturw. Abteilung; Zeitschrift. Jhrg. 21, H. 1 — 2. Potsdam. Kgl. preuß. Geodätisches Institut; Jahresbericht 1914/15. Begensburg. Naturwissenschaft!. V^erein; Bericht. H. 14, 1912. XIA Reichenberg. Verein der Naturfreunde: Mitteilungen. Jhrg. 42, 1914. Rossitten. Vogelwarte der deutschen Ornithologischen Gesellschaft: Jahresbericht. Bd. 13, 1913; Bd. 14, 1914. kS c h w e r i n. Verein für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde: Jahr- bücher und Berichte. 78, 1913; 79, 1914. Stettin. Entomologischer Verein: Zeitung. Jhrg. 75 H. 1 — 2,1914; Jhrg. 76 H. 1, 1915. Polytechnische Gesellschaft: Jahresbericht. Jhrg. 53, 1914. Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde: 1. Baltische Studien. Bd. 18, 1914. 2. Monatsblätter. H. 1—12, 1914. S t r a ß bürg i. E. Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft und Künste: -Monats- berichte. Bd. XVII H. 1, 1914. Stuttgart. Verein für vaterländische Naturkunde in AVürttemberg: Jahreshefte. Jhrg. 70, 1914. T h 0 r n. Kopernikus-Verein f. Wissenschaft u. Kunst: Mitteilungen. H. 23 N. 1 — 4, 1915. Ulm a. D. Verein für Mathematik und Naturwissenschaften: Mitteilungen. II. 16, 1912/14. W iesbaden. Nassauischer Verein für Naturkunde: Jahrbücher. Jhrg. 67, 1914. W ü r z b u r g. Physikalisch-med. Gesellschaft: 1. Verhandlungen. Bd. 43 H. 1 — 5, 1915. 2. Sitzungsberichte. H. 1 — 4, 1914. 3. Jahresbericht 1913/14. Frankreich. Lyon. Academie des Sciences, Belles-lettres et Sciences. Memoires. III. Serie, Tome XIV, 1914. Societe d’Agriculture, Science et Industrie: Annales, 1912. Societe Linneenne: Annales. Tome LX, 1913. Nancy. Societe des Sciences: Bulletin des Seances. Tome XIV Fase. 1 — 3, 1914. Nantes. Societe des Sciences naturelles; Bulletin. III. Serie, Tome III Fase. 1 — 2, 1913. Paris. Observatoire de la Societe Astronomique de France: Observations et Travaux. Vol. II, 1912/13. Großbritannien. Dublin. Royal Irish Academy: Proceedings. Ser. C. Vol. XXXII N. 9 and 11. „ B. Vol. XXXII N. 3. 1913. „ „ N. 47 and 9. Royal Dublin Society: 1. The Economie Proceedings. Vol. II N. 7. 2. The Scientific Proceedings. Vol. XIV N. 8 — 16. Glasgow. Natural history Society: The Glasgow Naturalist. Vol. VI p. 1 — 2, 1914. London. The Linnean Society Botany: 1. List, 1913/14. 2. Journal. XLI, N. 285 — 286. Manchester. Literary and Philosoph. Society: Memoirs and Proceedings. Vol. 58 p. I, 1913/14. XLVl Holland. A m s t e r d a m. Kg’l. Akademie van Wetenschappen: 1. Jaarboek 1913/14. 2. Verslagen afdeeling Naturkunde. Vol. XXIII II. 1 — 2, 1914/15. 3. Verhandelingen. II. Serie, Del. XVIII N. 4 — 5. H a r 1 e m. La Societe hollandaise des Sciences: Archives neerlandaises des Sciences exactes et naturelles. La Haye. Serie Illb. Tome II N. 2. Musee Teyler: 1. Archives. Vol. II, 1914. 2. Ivatalogue. Tome IV, 1904/1912. Leiden. JS'eederlandsche Dierkundige Vereniging: 1. Tidskrift. Del. XIV N. 1, 1915. 2. Ivatalogue vom 1. Jan. 1907 bis 1. Juli 1914. Italien. Mailand. Societa italiana di Scienze naturali et del museo civico: Atti. Vol. LXIII N. 3-4. Modena. Societa del Naturalist e Matematici: Atti. Vol. XLVII, 1914. Neapel. Zoologische Station: Mitteilungen. Bd. 21 H. 6, 1914, Bd. 22 H. 1 — 10, 1915. Badua. Accademia scientifica A^eneto-Trentino-Istriana: Atti. Vol, VII, 1914. Norwegen. B e r g e n, Borgens Museum (Abhandlinger og Aarsberetning): 1. Aarbog. 1914/15, H. 1—3; 1915/16, H. 1. 2. Aarsberetning. 1914/15. 3. Skrifter (Ny Raekke). Vol. I N. 2, 1914. 4. An Account of Crustacea. Vol. VI p. 6 — 10, 1915. Kristiania. Foreningen til Norske Fortidsmindesmaerkers Bevaring: Aarsberet- ning. Jhrg. 70, 1914. S t a V a n g e r. Museum: Aarshefter 1914. T r o m s ö. Museum : 1. Aarshefter. Jhrg. 36, 1912/13. 2. Aarsberetning 1912/13, Trondhj ein. K. Norske Videnscabs-Selskab: Skrifter. 1913. Österreich-Ungarn. Agram. Societas scientiarum naturalium croatica: Glasnik. Bd. 22 H. 1 — 2. Brünn. Naturforschender Verein: Verhandlungen. Bd. 51, 1912. Budapest. Kgl. Ungarische Geologische Reichsanstalt: Mitteilungen. Bd. 21, H. 1—3, 1914. Academie hongroise des Sciences: Rapport 1912. Mathematikai es Termeszettudomanyi Ertesitö, Bd. 33, H. 1, 3 — 4, 1915. Ungarische Geologische Gesellschaft: Foldtani Köztoni. Bd. 43 H. 1 — 12, 1913, Bd. 44 H. 1—2, 1914. Museum nationale hungaricum: Annales (historico-naturales). Vol. XIII Nr. 1, 1915. Vol. XII Nr. 1—2, 1914. Officium regium hungaricum ornithologicum: Aquila. Bd. 20 — 21. 1913/14. Graz. Naturwiss. Ver. f. Steiermark: Mitteilungen. Bd. 49, 1912, Bd. 50 H. 1 — 2, 1913. Verein der Ärzte in Steiermark: Mitteilungen. Bd. 50, 1913. Verein für Höhlenkunde in Österreich: Mitteilungen. H. 1 — 3, 1913. XLYll H e r m a n n s t a d t. Siebenbürgisclier V erein für Naturwissenschaften: Verhand- lungen und Mitteilungen. Bd. 63, 1913. Iglo. Ungarischer Ivarpathenverein: Jahrbuch. Bd. 41, 1914. Bd. 42, 1915. Innsbruck. Naturwissensch.-med. Verein: Berichte. Jhrg. 35, 1912/13 und 1913/14. Klagenfurt. Carinthia: Mitteilungen des Naturhistorisch. Landesmuseums in Kärnten. Bd. 104 Nr. 1 — 6, 1914. Krakau. Akademie der Wissenschaften: Kozprawy. Serie III, 1913. 13a, 13b. Kolozsvar (K 1 a u s e n b u r g). Museumi Füzetek: Mitteilungen a, d. Mineralog. Geolog. Sammlung d. Siebenbürg. Nat. -Museums. Bd. II H. 1 — 2, 1913/14. Leipa. Nordböhmischer Verein für Heimatforschung und Wanderpflege: Mittei- lungen. Jhrg. 38 H. 1—3, 1915, Jhrg. 37 H. 1—4, 1914. Linz. Verein für Höhlenkunde: Mitteilungen. Jhrg. 7 H. 1, 1914. Museum Francisco-Garolinum: Bericht. Jhrg. 72, 1914, Jhrg. 37, 1915. Prag. K. K. Sternwarte: Magnetische u. meteorolog. Beobachtungen. Jhrg. 75, 1914. Kgl. Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften (Math.-Phys. Klasse): 1. Sitzungsberichte. Jhrg. 1913 und 1914. 2. Jahresberichte. Jhrg. 1913 und 1914. Deutscher Naturwissenschaft-mediz. Verein für Böhmen „Lothos“: Bd. 61, 1913, Bd. 62, 1914. Lese- und Kedehalle der deutschen Studenten: Bericht. Jhrg. 65, 1913. Keichenberg. Verein der Naturfreunde: Mitteilungen. Jhrg. 42, 1914. Wien. Kgl. Akademie der Wissenschaften (Math.-naturw. Klasse): 1. Sitzungsberichte. 1914 — 1915. Abt. I: Bd. 123 H. 1—10; Bd. 124 H. 1—4. „ Ha: Bd. 123 H. 1—10; Bd. 124 H. 1—4. „ Ilb: Bd. 123 H. 1—10; Bd. 124 H. 1—4. „ III: Bd. 123 H. 1—10. 2. Mitteilungen der Prähistorischen Kommission. Bd. II H. 3, 1915. 3. Mitteilungen der Erdbeben-Kommission. Nr. 47 und 48, 1913. Verein zur Verbreitung naturwissenschaft. Kenntnisse: Schriften. Bd. 54, 1913/14, Bd. 55, 1914/15. Naturwissenschaftlicher Verein a. d. Universität. Mitteilungen. Jhrg. 11; H. 1—10, 1913. K. K. Zoologisch-botanische Gesellschaft: I. Abhandlungen. Bd. 8 H. 1 — 2, 1914, Bd. 9 H. 1, 1915. 2. Verhandlungen. Bd. 63, 1913, Bd. 64, 1914. K. K. Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik: Jahrbücher. Bd. 48, 1911. K. K. Geologische Reichsanstalt: 1. Verhandlungen. 1913, Nr. 1 — 18, 1914, Nr. 2. Jahrbuch. Bd. 63 Nr. 1—4, 1913, Bd. 64 Nr. 1—4, 1914. K. K. Naturhistorisches Hofmuseum: Annalen. Bd. 28 H. 1 — 4. Bd. 29, H. 1—2, 1914/15. Zagreb. Societas Scientiarum Naturalium Crovatica: Glasnik. Bd. 26 H. 4, 1914, Bd. 27 H. 1—2, 1915. Portugal. Coimbra. Academia polytechnica: Annales scientificos. Vol. IX Nr. 1—2, 1914. Lissabon. Instituto de Anatomia: Archive. Nr. 1, 1912. XLVlll Rußland. Dorpat. Naturforschende Gesellschaft bei der Universität; 1. Sitzungsberichte. Bd. 22 H. 1 — 2, 1913/14. Helsingfors. Societas pro fauna et flora fennica: Acta. Bd. 38, 1913/14. Moskau. Societe imperiale des Naturalistes: Bulletin annee 1913. N. 1 — 3. , Riga. Naturforscher-Verein: Korrespondenzblatt, Bd. 56, 1913. St. Petersburg; Academie imperiale des Sciences: 1. Bulletin. 1914, H. 3 — 11. 2. Memoires. Vol. XXXI Nr. 2—9. Comite geologique: 1. Bulletin. A^ol. XXXII Nr. 1, 1913. 2. Memoires (nouv. Ser.). Nr. 87 — 89, 93. Societe Entomologique de Russie; 1. Horae. Tome XLI Nr. 1 — 2, 1914. 2. Revue de Russe d’Entomologie. Jhrg. XIII, Nr. 3 — 4, 1914. P u 1 k 0 w a. Nikolai-Hauptsternwarte: Mitteilungen: Bd. VI. H. 1, 1914. Schweden. Lund. Universitas Lundensis: Acta. Vol. IX, 1913, A^ol. X, 1914. Astronomiska Observatorium: Meddelanden (in Quart). Serie II, Nr. 12 — 13. Stockholm. Kgl. Svenska-Vetenskaps-akademiens: 1. Aarsbok 1914. 2. Meteorologiska Jakttagelser i. Severige. Bd. 41, 1913 (Bihang 39—40). 3. Arkiv för Mathematik, Astronom, et Phys. Bd. 9 H. 3 — 4, 1914; Bd. 10 H. 1—3, 1915. 4. Arkiv för Botanik. Bd. 13 H. 1—4, Bd. 14 H. 1, 1915. 5. Arkiv för Kemi, Mineralog., Geolog. Bd. 5 H. 3 — 5, 1915. 6. Arkiv för Zoology. Bd. 8 H. 1 — 4, Bd. 9 H. 1 — 2, 1914. 7. Nobel-Institut, Meddelanden. Bd. 3 H. 1 — 2, 1915. 8. Les Prix Nobel. 1913. K. Vitterhets Historie och Antiquitets Academien. Fornvännen (Meddelan- den). 1914 H. 5, 1915 H. 1 — 23 (Tillags Heft). Svenska Botaniska Foreningen. Svensk Botanisk Tidskrift. Bd. 8 H. 1 — 4, 1914; Bd. 9, H. 1—2 1915. Entomologiska Foreningen Tidskrift. Jhrg. 34, H. 1 — 4, 1913; Jhrg. 35, 1914. Geologiska Foreningen. Förhandlingar. Bd. 35, 1913; Bd. 36, 1914. Kgl. Forstliche Versuchsanstalt. Mitteilungen. H. 11, 1914. Kgl. Svenska Vetenskapsakademien: Archiv för Mathematik, Astronom, etc. Bd. 10, H. 15, 18, 27. Nordiska Museet Kulturhistorick Tidskrift; Fataburen. 1913, H. 1 — 4; 1914, H. 1—4. Upsala. Kgl. Universitäts-Bibliothek: 1. Jac. Berzelius, Bref: I 3, II 1. 2. Zoologische Beiträge. Bd. III, 1914. Schweiz, Aarau. Schweizerische Naturforschende Gesellschaft: A^erhandlungen. Jahresvers. 96, 1913 in Frauenfeld; Jahresvers. 1914, Teil I u. II. Basel. Universitätsbibliothek: Jahresverzeichnis der schweizerischen Llniversitäts- schriften, 1913/14, 1914/15. XL]X Bern. Xaturf ersehende Gesellschaft: Mitteilungen. Jhrg. 1913, 1914. Schweizerische Entomolog. Gesellschaft: Mitteilung. Vol. XII, H. 5 — 6. Chur. Naturforschende Gesellschaft Graubündens: Jahresber. 55, 1913/14. Frauenfeld. Thurgauische Naturforschende Gesellschaft: Mitteilung. H. 21, 1915. Genf. Societe de Physique et histoire naturelles: 1. Memoires. Vol. 38, Fase. 1 — 3, 1914. 2. Comptes rendus. Vol. XXX, 1913. Conservatoire du Jardin botanique. Annuaire 17, 1913. Neuchätel. Societe neuchateloise des Sciences naturelles: Bulletin. Tome XL, 1912/13. St. Gallen. Naturwissenschaft!. Gesellschaft: Jahrbuch, 1913. Winterthur. Naturwissenschaft!. Gesellschaft: Mitteilung. 10, 1913/14. Zürich. Naturforschende Gesellschaft: Vierteljahresschrift. Bd. 59, H. 1 — 4, 1914; Bd. 60, H. 1 — 2, 1915. Neujahrsblatt. Stück 111 — 117, 1909/15. Schweizerische botanische Gesellschaft. Bericht 23, 1914. Spanien. Madrid. Institute Geographico y Estadistico Observatorio: Annario. 1914, 1915. II. Geschenke. a) Vön Nichtautoren. Von Prof. HENNECEE-Gera (aus dem Nachlass seines Sohnes, des im Felde gefallenen Oberlehrers Dr. HENNECKE): W. Neger: Biologie der Pflanzen. Stuttgart 1913. Cr. Bauer: Einführung in die experiment. Vererbungslehre. Berlin 1911. Korschelt-Heider : Entwickelungsgeschichte der wirbellosen Tiere. Allgem. Teil Jena 1902. Hartwig: Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere. Jena 1906. Hermann : Lehrbuch der Physiologie. Berlin 1896. Hertwig: Lehrbuch der Zoologie. Jena 1907. — — ‘ Allgemeine Biologie. Jena 1906. Korschelt: Pegeneration und Transplantation. Jena 1907. Warming: Handbuch der systematischen Botanik. Berlin 1911. Correns und Goldschmidt: Die Vererbung u. Bestimmung d. Geschlechtes. Berlin 1913. Doflein: Lehrbuch der Protozoenkunde. Jena 1909. Gegenbauer-Fürbringer: Anatomie des Menschen. Leipzig 1909. Claus : Lehrbuch der Zoologie. Marburg 1905. B. Eyferth: Einfachste Lebensformen des Tier- u. Pflanzenreiches. Braunschweig 1909. A. Weismann: Vorträge über Deszendenztheorie. Jena 1904. P. Stöhr: Lehrbuch der Histologie. Jena 1906. E. Bade: Praxis der Aquariumkunde. Magdeburg. Möbius: Mikroskopisches Praktikum für systematische Botanik. Berlin 1912. A. Weisbach : Tabellen zur Bestimmung der Mineralien. Leipzig 1903. Hagen: Natur og Kultur Arvetighetsfooskning. Kristiania 1912. C. Gegenbauer: Grundriß der Vergleichenden Anatomie. Leipzig 1878. — — • Kosmos. Zeitschrift von Jäger und Krause. Bd. 1 — 8. Leipzig 1877/81. — — Darwins Werke. Bd. 1 — 6 und 9 — 12. Stuttgart. Sehr. d. N. G. in Danzig. Bd. XIV, Heft 2. 4 L J. CoRi : Der Naturfreund am Strande der Adria. Leipzig 1910. Selenka: Zoologisches Taschenbuch. Wirbeltiere. Leipzig. — — Süßwasserfauna Deutschlands von Brauer. H. 1 — 13 und 15 — 19. Von Prof. Dr. L AKOWITZ-Danzig: CoNWENTZ: Die Provinz Westpreußen in Wort und Bild. Bd. I und II. — — Die Heimatkunde in der Schule. Berlin 1904. Kreidemann: Entstehung und Werdegang des Menschen und der Lebewesen aller Zeiten auf Grund des Verwachungsprinzipes. Altona. — ' — Bibliotheca Geographica, herausg. von der Gesellschaft für Erdkunde. Berlin. Bd. 53. 1896. 0. Finsch: Systematische Übersicht der Ergebnisse seiner Reisen und schriftstelle- rischen Tätigkeit. Berlin 1859/99. JoH. Reinke: Naturw. Vorträge f. d. Gebildeten aller Stände. H. 1 — 2. Von der Köiiigl. Teclinisclien Hocliscluile in Danzig-Langfnlir: Henntcke: Die Leuchttürme und die Vogelwelt. Sonderabdruck a. d. -Tahresber. d. G. 0. F. d. N. in Gera. H. 55/56. b) Geschenke von Autoren: Dumont: Petroleumversorgung von Danzig während des Krieges. W. Branca: 3 Separatabzüge aus den Sitzungsber. der Kgl. preuß. Akademie der Wissenschaften. H. 47, 1914; H. 5, |915. Lindner: 3 Separatabzüge über Schattenbildphotographie. Fr. Braun: Ostmärkische Städte u. Landschaften. Reinicke: 3 Separatabzüge über das Barozyklonometer. — — Eis und Schiffahrt der 5 Winter 1907 — 12 in den Häfen des Schwarzen Meeres. Rössler: Die Technik und der Krieg. III. Angekauft wurden folgende Werke. Kurt Gohlke: Die Brauchbarkeit der Serum-Diagnostik für den Nachweis zweifel- hafter Verwandtschaftsverhältnisse im Pflanzenreich. Stuttgart und Berlin 1913. Oswalds Klassiker der exakten Wissenschaft. Leipzig 1895. Rabenhorst s Kryptogamenflora: Lebermoose. Bd. 6, L. 20 — ^42. Engler: Das Pflanzenreich. H. 64 und 65, 1915. Das Tierreich. Liefer. 43, Bd. IV, L. 155—158. Deutscher Universitätskalender. Teil I u. II, 1915/16; Teil I, 1915, Berliner Astronomisches Jahrbuch. Bd. 16, 1918. Bronn : Klassen u. Ordnungen des Tierreiches. Bd. IV, L. 145 — 154, t59 — 162, II. Abt. L. 28—32. Astronomischer Jahresbericht. Bd. XVI, 1914. Willkomm: Die pyrenäische Halbinsel. Prag 1884. Junge: Der Dorfteich, I als Lebensgemeinschaft. Kiel-Leipzig 1907. Grimm: Deutsches Wörterbuch. Bd. 13, L. 12. Leipzig. Brandt und Apstein: Nordisches Plankton. Liefer. 18, 1915. A. Engler: Die natürlichen Pflanzenfamilien. Erg., H. III, Teil II — IV, William Stern: Psychologie der frühen Kindheit. LI L. VON ScHLECHTENDAL, Langenthal Und E. ScHENK: Flora von Deutschland. 5. Auf- lage von E. Hallier. Gera Unterhaus. 1880 u. Eegister. A. Pascher: Die Süßwasserflora Deuts^chlands, Österreichs u. d. Schweiz. Jena 1915. Engler: Botanische Jahrbücher. Bd. 52 und 53. Bericht der Freien Vereinigung für Pflanzengeographie und der systematischen Botanik. 1914 — 15. H. Glück: Biologische und morphologische Untersuchungen über Wasser- und Sumpf- gewächse. Teil 1 — 3. Jena 1911. A. Kerner: Pflanzenleben. Teil I und II. Leipzig u. Wien 1898. Appün: Unter den Tropen. Bd. 1 — 2. Jena 1871. Pax: Karpathenflora. Bd. II. Leipzig 1908. Wasmann: Die moderne Biologie und Entwickelungstheorie. Freiburg 1906. Schube: Die Verbreitung der Gefäßpflanzen in Schlesien. Breslau 1903. Sendtner: Die Vegetationsverhältnisse des Bayrischen Waldes. München 1860. Morin: Unter der Tropensonne. Streif züge auf Java, Sumatra und Ceylon. München. Ernst von Hesse- Wartegg: Schantung und Deutsch-China. Leipzig 1898. J. Milde: Die höheren Sporenpflanzen Deutschlands und der Schweiz. Leipzig 1865. Koch: Taschenbuch der deutschen und Schweizer Flora. Leipzig 1878. Eömer: Aus der Pflanzenwelt der Burzenländer Berge in Siebenbürgen. Wien 1898. A. Kerner: Schedae ad Floram Exiccatam Austro-Hungaricam. Vindobonae 1881. C. Fritsch: Schulflora für die österreichischen Sudeten und Alpenländer. Wien 1900. Fr. Unger: Wissenschaftliche Ergebnisse einer Eeise in Griechenland. Wien 1862. Franz Büchenau: Flora der Ostfriesischen Inseln. Leipzig 1896. Jean Chalon: Eevue des Loranthacees. Mons 1870. Möbius: Kryptogamen. 1908. Jäger: Die Verwendung der Pflanzen in der Gartenkunst oder Gehölz, Blumen und Käsen. Gotha 1858. Eeiser: Die Vogelsammlung des Bosnisch-Herzegowinischen Landesmuseums in Sera- jewo. Budapest 1891. Carl Domin : Das böhmische Erzgebirge und sein Vorland. Prag 1905. 4* LII Jahresrechnung der Naturforschenden Einnahme. A. Allgemeine Barbestand aus 1914 I. Grundstücks-Miete usw II. Zinsen aus Wertpapieren und Hypotheken III. Beiträge von Mitgliedern IV. Provinzial-Zuschuß V. Verkauf der Gesellscliaftsschriften . . . VI. — VIII. Verschiedenes ....... M 2 222,39 „ 3 066,— „ 2 491,50 „ 5 364,— „ 2 000,— „ 38,50 „ 4 533,35 M 19 715,74 B. Wolffsche I. Zinsen aus Wertpapieren und Hypotheken Ml 807,48 II, Zuschüsse 500, — III. Zuschuß aus Kasse A 875,32 ' M 3 182,80 C, Verchsche I. Barbestand aus 1914 M — ,03 II. Zinsen „ 525,02 M 525,05 D. Humboldt» r. Barbestand aus 1914 M 666,44 II. Zinsen 759,75 III. Vom Verkauf von Wertpapieren 9 004,10 IV. Geschenke 11,60 M 10 441,89 Llll Gesellschaft für das Jahr 1915. Ausgabe. Kasse. I. Gehälter und Remunerationen M 909,35 II. Grundstück, Baukosten und Abgaben »4 102,65 III. Sitzungen und Vorträge 1001,11 IV. Bibliothek 2 719,26 V. Bruck der Gesellschaftsschriften » 1 469,95 VI. Porti und Anzeigen 414,25 VII. Erhaltung des Inventars 35,15 VIII. Insgemein inkl. Zuschuß zur Wolff-Stiftung „ 5325,77 IX. Barbestand Ende 1915 • . . . „ 3 738,25 M 19 715,74 Stiftung. I. Gehalt des Astronomen Ml 800, — II. Astronomische Station 1 382,80 M 3182,80 Stiftung. Zur Anschaffung von Druckschriften für die Bibliothek M 525,05 M 525,05 Stiftung. I. Zu Stipendien M 150, — II. Zur Anschaffung von Kriegsanleihe 1915 II »3 365, — III. Barbestand Ende 1915 „ 1 426,89 M 10 441.89 LU Jahresrechnung der Naturforschenden Einnahme. A. Allgemeine Barbestand aus 1914 . . . M 2 22^^39 I. Grundstücks-Miete * 3 066,— II. Zinsen aus Wertpapieren und Hypotheken ^ 2 491,50 III. Beiträge von Mitgliedern «5 364,— IV. Provinzial-ZusclmI3 ... .„2 UÜU,— Verkauf der Gesellschaftsschriften 38,50 VI.— YIII. Verscliiedenes 4 533,35 M 19 715.74 B. Wolffsche I. Zinsen aus Wertpapieren und Hypotlieken Ml 807,48 II. Zuschüsse 500,— III. Zuschuß aus Kasse A .... - 875.32 * M 3 182,80 C. Verchsche I. Barbestand aus 1914 M — ,03 II. Zinsen 525,02 M 525,05 D. Humboldt- I. Barbestand aus 1914 666,44 II. Zinsen 759 75 III. Vom Verkauf von Wertpapieren 9 004,10 IV. Geschenke 11 60 M 10 441,89 LIII Gesellschaft für das Jahr 1915. Ausgabe. Kasse. I. Gehälter und Remunerationen M 909,35 II. Grundstück, Baukosten und Abgaben ,4 102,65 III. Sitzungen und Vorträge 1001,11 IV. Bibliothek ... „ 2719,26 V. Druck der Gesellschaftsschriften »1 469,95 VI. Porti und Anzeigen 414,25 VII. Brlialtung des Inventars 35,15 VIII. Insgemein inkl. Zuschuß zur Woltl-Stiftung 5 325.77 IX. Barbestand Ende 1915 ■ . . . . „ 3 738,25 M 19 715,74 Stiftung. I. Gehalt des Astronomen Ml 800,- ir. Astronomische Station „ 1 382,80 M 3182,80 Stiftung. Zur Anscliaffung von J)ruek8chriften für die Bibliotliek M 525,05 M 525,05 Stiftung. I. Zu Stipendien M 150,— II. Zur Anschiitfung von Kriegsanleihe 1915 II „8 805,— III. Bnrbestand Ende 1915 , 1 426,89 M 10 441.89 LIV Vermögensbestand am 1. Januar 1916. I. A. Allgemeine Kasse. Grundbesitz : a) Die Grundstücke Frauengasse 25/26 und Kleine Hosennäher- gasse 12/13 . M 129 000, — zuzüglich Neubauten 1914 „ 1 500, — b) Hypothek M 130 500,— „ 25 000,— II. Wertpapiere im Kurswerte von III. Hypotheken IV. Barbestand M 105 500,— „ 4 330,— „ 51 200,— . 3 738,25 M 164 768,25 B. Wolffsche Stiftung. I. Wertpapiere laut Kurswert M 5 685, — II. Hypotheken » 28 900, — M 34 585,— C. Verchsche Stiftung. I. Wertpapiere laut Kurswert M 1 170, — II. Hypothek .,10 500, — M 11 670,- D. Humboldt=Stiftung. I. Wertpapiere laut Kurswert M 12 571, — » 1 872,- II. Barbestand „ 1 426,89 M 15 869,89 E. Physikalisches Kabinett. Barbestand M 140,11 F. Masse zur Unterstützung wissenschaftlicher Arbeiten. I. Wertpapiere laut Kurswert M 1 560, — II. Hypothek „ 3 400,— M 4 960,— *r ' ■ J " A' Entwickelung und Aufgaben der Orthopaedie'). Von Sanitätsrat Dr. WOLFF- Danzig. Einer Anregung unseres Herrn Vorsitzenden folgend, bitte ich Sie um Ihre Aufmerksamkeit für ein Gebiet, das den meisten von Ihnen wahrscheinlich nur ein sehr entferntes Interesse abzugewinnen geeignet sein dürfte, für die Entwickelung und die Aufgaben der Orthopaedie. Unter Orthopaedie verstehen wir gemeinhin die Lehre von den Verkrüm- mungen und Verbildungen des menschlichen Körpers. Der Name ist aus dem griechischen ogd'og (gerade) und Tcatg (Kind) abgeleitet und wurde zuerst von dem Arzte Andry gebraucht, der um die Mitte des 18. Jahrhunderts alle früheren in dieses Gebiet schlagenden Beobachtungen zusammenfaßte und ein Buch veröffentlichte, das den Titel führte: „Die Kunst, bei den Kindern die Ungestaltheit des Körpers zu verhüten und zu verbessern.“ Das sind auch in der Tat die ersten Aufgaben der Orthopaedie, aber bei weitem nicht die einzigen. Es gibt nichts Schöneres, als den aufrechten, gut gewachsenen und ebenmäßig gebauten Menschenkörper in seiner völligen Unversehrtheit, und unser ganzes Bestreben muß darauf gerichtet sein, ihm diesen Vorzug zu erhalten und ihn da wieder zu verschaffen, wo er verloren gegangen ist. Diese Bestrebungen sind gewiß so alt wie die Menschheit selbst. Denn der Formensinn ist eine tief im Menschen wurzelnde Eigenschaft, und stets wird es mit diesem Sinne begabte Menschen gegeben haben, die eine Ab- weichung von der Norm störend empfanden und sie auszugleichen versuchten. Freilich hatten dieseAusgleichsversuche zuweilen einen etwas radikalen Charakter, Inder, Chinesen, Griechen und Römer rotteten Mißgeburten und Schwächliche einfach aus. Bei allem Respekt vor dem Heroismus, der in einem solchen Verfahren liegt, müssen wir doch anerkennen, daß diese Völker außer dem praktischen Interesse der Zuchtwahl auch ein gewisses ästhetisches Gefühl leitete. Als aber der Mensch, unter dem Einflüsse humanerer Anschauungen, mehr als Individuum zu gelten begann, hörte das Aussetzen schwächlicher und defekter Kinder auf. Naturgemäß häufte sich jetzt die Zahl der fehler- 1) Vortrag’, gehalten in der Sitzung vom 16. November 1915. 1 Sehr. d. N. G. za Danzig. Bd. XIV, Heft 2. 1 2 haft gebildeten, und der Trieb, ihnen zu helfen, ihren Zustand zu bessern, bekam nunmehr die Oberhand. So sehen wir denn auch von früh auf das Interesse der Ärzte auf die Erkennung und Erforschung dieser Defekte gerichtet, und ihre Bemühungen auf deren Abwendung und Heilung. Bereits Hippocrates, der Asklepiade, der um 460 v. Chr. geboren wurde, der berühmteste Arzt des Altertums, spricht ausführlich von den Verkrümmungen der Wirbelsäule, ferner von den Wirbelentzündungen, dem Klumpfuß und der angeborenen Hüftverrenkung, also ziemlich den wichtigsten orthopaedischen Erkrankungen. Er unterscheidet bereits erbliche krankhafte Anlagen, die auch heut noch in der Orthopaedie eine bedeutende Rolle spielen, empfiehlt die Gymnastik zur Kräftigung des Allgemeinbefindens und behandelt Miß- bildungen mit Maschinen. Weiter wäre Galen zu nennen, jener hochstehende Arzt des Altertums, der im zweiten Jahrhundert nach Chr. lebte. Wenn man von seiner Behand- lung der Rückgratsverkrümmungen hört, so glaubt man sich in die modernste Zeit versetzt. Er legt korrigierende Verbände um die Brust und empfiehlt Atemübungen zur Selbstkorrektur, eine Forderung, die gerade heut mit allem Nachdruck betont wird. Er war es auch, der die Namen für die typischen Haltungen der Wirbelsäule einführte. Ferner beschreibt er das X-Bein und gibt auch dafür eine besondere Behandlung an. Das Mittelalter scheint, namentlich in Deutschland, wie überhaupt für die Medizin, so besonders für die Orthopaedie, wenig ergiebig gewesen zu sein. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts wurden die Forschungen des englischen Arztes Glisson, nach welchem die bekannte Schwebevorrichtung für die Sus- pension der Wirbelsäule noch heut benannt wird, über die Rachitis — von dem schottischen Rakits (Höcker) hergeleitet — für die Orthopaedie von größter Bedeutung. Noch heute sind die Rätsel über diese eigenartige Erkrankung, auch Eng- lische Krankheit genannt, nicht völlig gelöst. Man weiß nur soviel, daß in ihr der Bestand an Kalksalzen vermindert ist und daß dadurch eine derartige Weichheit der Knochen herbeigeführt wird, daß die natürliche Belastung ge- nügt, um die häßlichsten Verkrümmungen zu erzeugen. Wir würden diese sog. Englische Erkrankung gern neidlos den Engländern überlassen, aber sie kommt leider nicht nur dort vor, sondern ist über die ganze Welt verbreitet, ja, sie findet sich auch an domestizierten Tieren. Wie häufig sie bei uns vertreten ist, dürfte vielleicht ganz unglaublich erscheinen. Manche Forscher geben den bei uns befallenen Prozentsatz auf 70 an, andere noch höher. Sie finden ihre Spuren selbst an den Modellen der Künstler, die gewiß ausge- suchtes Schönheitsmaterial für sich beanspruchen. Auch in anderen Ländern begann sich damals die Orthopaedie zu regen, so in Italien und in Frankreich. In Holland wurde um jene Zeit bereits die Durchschneidung des Kopfnickers zur Heilung des Schiefhalses geübt. 2 3 So fand der ersterwähnte Andry bereits eine ganze Reihe wissenschaft- lich und praktisch bearbeiteter orthopaedischer Gebiete vor, als er an sein Sammelwerk heranging. Aber erst im 18. Jahrhundert knüpfte sich an die Ausbildung der Ortho- paedie eine ganze Anzahl hervorragender deutscher Namen, unter denen nur Heister, Albrecht v. Haller und Ludwig in Leipzig erwähnt werden sollen. Von dem letzteren stammt die grundlegende Lehre über die Schief- haltung der Wirbelsäule ohne Knochenveränderungen, die sog. Habituelle Skoliose. Durch Andry s Vorgehen begann die Orthopaedie eine Art Selbständig- keit zu gewinnen. Sie, die bis dahin von der Chirurgie gewissermaßen im Nebenamt betrieben wurde, suchte sich von ihr zu lösen und sich auf die eigenen Füße zu stellen. Dieser Scheidungsprozeß konnte jedoch nur ganz allmählich vor sich gehen, und erst das 19. Jahrhundert brachte ihn zur vollen Entfaltung. Seitdem hat die Orthopaedie in ununterbrochenem Fluß eine glänzende Entwicklung erfahren. Da war es zunächst Joh. Georg Heine, der im Anfang des vorigen Jahrhunderts in Würzburg eine orthopaedische Anstalt gründete, zu der aus aller Herren Ländern Patienten und Schüler hinströmten, und die vorbildlich für die seitdem in großer Zahl im In- und Auslande entstandenen Anstalten wurde. Er war es auch, der die Lähmungen der orthopaedischen Behandlung zuführte, und noch heute wird nach ihm die so häufige Kinderlähmung als HEiNEsche oder HEiNE-MEDiNsche Krankheit bezeichnet. Nicht unerwähnt bleiben darf hier der englische Kinderarzt Pott, der allerdings bereits am Ausgang des 18. Jahrhunderts sein noch heute klassisches Buch über die tuberkulöse Wirbelentzündung, den sog. spitzen Buckel, schrieb, eine Krankheit, die nach ihm den Namen Pott sehe Kyphose führt. Bis dahin war die Orthopaedie, obgleich die Tochter der Chirurgie, eine völlig unblutige Kunst. Man versuchte in der Hauptsache, durch maschinelle Gewalt der Verbildungen und Lähmungen Herr zu werden. Da war es Delpech, der um das Jahr 1830 das Messer in die Behandlung orthopaedischer Leiden einführte. Als er sah, daß bei der Redression des Klumpfußes die verkürzte Hackensehne der Hand- und Maschinengewalt ganz außerordentliche, unüberwindliche Schwierigkeiten bot, da durchschnitt er sie kurzer Hand und konnte nunmehr ganz andere Erfolge erzielen als früher. Aber freilich, die offene Durchschneidung einer Sehne war in vorantiseptischer Zeit kein un- gefährliches Beginnen. Die Sehnenscheide, welche die Sehne umhüllt, ist ein für Infektionen besonders empfindliches Organ, und eine glatte Heilung ihrer Verletzung war in jener Zeit nichts als ein besonderer Glückszufall. Aber der Weg war gewiesen und wurde seitdem nicht mehr verlassen', er mußte nur weniger gefahrvoll gestaltet werden. Da faßte der deutsche Chirurg Stromeyer die höchst einleuchtende Idee, die Sehne unter der Haut 3 4 aufzusuchen und sie hier zu durchschneiden. Mit einem schmalen, gekrümmten Messer stach er neben der Sehne ein, ging schonend unter ihr nach der andern Seite hinüber und durchschnitt sie so von untenher, ohne die Haut weiter zu verletzen. Jetzt waren die Bedingungen für die Heilung ganz andere. Statt der großen Hautwunde, welche die Sehnenscheide bloßlegte und sie jeder Verunreinigung aussetzte, ein kleiner Hautstich, der während der Operation durch das Messer selbst gedeckt war und sich nach dessen Entfernung sofort schloß. Die völlig keimfreie Verletzung der Sehne heilte nunmehr ohne jede Störung aus. Seitdem konnten in der Behandlung des Klumpfußes, nachdem die Technik noch weitere Modifikationen brachte, restlose und geradezu ideale Erfolge erzielt werden. So führte Jul. Wolff in Berlin die Etappenverbände in die Behandlung des Klumpfußes ein. Er korrigierte ihn nicht mit einem Male, wobei ernste Verletzungen nicht gerade selten sind, sondern versuchte, in mehreren Sitzungen — gewissermaßen Schritt für Schritt — vorwärtszukommen und erreichte dabei Heilungen noch in einem Alter, in welchem man es früher für unmöglich gehalten hätte. Die Einführung des Messers in die Orthopaedie gab ihr ein neues Gepräge, es entstand die orthopaedische Chirurgie. Dann kam die Erfindung der Narkose, welche den Kreis orthopaedischer Operationen bedeutend erweiterte. Aber erst die Einführung der Antisepsis und vornehmlich der Asepsis förderte sie ganz besonders. Mittlerweile waren auch die anatomischen Kenntnisse bedeutend vertieft, die Statik und Mechanik des menschlichen Körpers waren besonders durch G. Hermann Meyer auf wissenschaftliche Grundlagen gestellt. Das alles trug dazu bei, die orthopaedische Chirurgie immer kühnere Wege zur Beseitigung der Deformi- täten einschlagen zu lassen. Es ist selbstverständlich hier nicht möglich, jedes einzelne orthopaedische Leiden besonders zu erwähnen und jeden Weg zu seiner Heilung zu beschreiben, es sei mir jedoch gestattet, auf einzelnes hinzuweisen. Da gibt es ein Leiden, mit dem behaftet ganz besonders Mädchen geboren werden. Es ist die sog. Angeborene Hüftverrenkung. Während unter normalen Verhältnissen der Oberschenkelkopf fest in der Hüftpfanne steht, hat er sie hier bereits im Mutterleibe verlassen und befindet sich irgendwo in lockerer Verbindung am Becken, er ist verrenkt und schiebt sich beim Gehen am Becken auf und nieder, es besteht die sog. Lose Hüfte mit dem watschelnden Gange, wie man ihn bei der Ente findet. Der Gang ist nicht nur äußerst unschön und ver- letzt jedes aesthetische Gefühl, sondern die Betreffenden sind auch zu keiner Anstrengung fähig, die Beschwerden werden mit zunehmendem Alter immer größer, zumal sich auch Entzündungserscheinungen anschließen, und Daseins- freude und Lebensgenuß werden durch dieses Leiden auf ein Minimum redu- ziert. Ich erwähnte oben, daß bereits Hippocrates das Leiden kannte, aber seine Beseitigung war bisher nicht gelungen. Da griff ein junger Orthopaede aus der Würzburger Schule, Albert Hoffa in Würzburg, gestützt auf genaue 4 5 anatomische Beobachtung, mit kühner Hand ein. Er bahnte sich mit dem Messer einen Weg nach dem Hüftgelenk, öffnete es und stellte den Ober- schenkelkopf in die Pfanne. Mit regstem Eifer wurde diese kühne Operation von Hoffa selbst und einer großen Anzahl von Orthopaeden geübt und ver- bessert. Aber sie hielt nicht das, was man von ihr erwartet hatte. Es mußte bei ihrer Ausführung zuviel von den Weichteilen verletzt werden, infolge da- von verlor der anfänglich fest im Gelenk stehende Hüftkopf seinen Halt und rutschte wieder heraus. Aus diesem Grunde wurde die Operation von den meisten aufgegeben und wird heute nur noch im äußersten Notfall ausgeführt. Aber der Weg zur Beseitigung des Leidens war einmal gewiesen, es unterlag keinem Zweifel mehr, daß die Möglichkeit existierte, den Ober- schenkelkopf zu reponieren; es handelte sich jetzt nur noch darum, ein Mittel zu finden, ihn auch dauernd in der Pfanne festzuhalten. Da war es der Wiener Orthopaede Adolf Lorenz, der durch zahlreiche blutige Einrenkungen mit den vorliegenden Verhältnissen auf das genaueste vertraut, auf die Idee kam, es mit der unblutigen Einrenkung zu versuchen. Und der Versuch gelang. Seitdem ist die Operation in ungezählten Fällen an allen Ecken und Enden der Welt wiederholt, und man weiß heute, daß man bei einseitiger Verrenkung bis zu 80 % volle Heilungen, bei den übrigen 20 % wesentliche Besserung, bei den doppelseitigen Verrenkungen, die ebenfalls häufig genug Vorkommen, gleichfalls eine ganz erhebliche Zahl Heilungen und Besserungen erzielen kann, wenn man eine gewisse Altersgrenze einhält und die Eltern die sog. Quälerei der Kinder in den allerdings wenig anmutenden Verbänden nicht stört und sie zu voreiligem Abbrechen der Behandlung veranlaßt. Auch die große Reihe der anderen Deformitäten an den unteren Extre- mitäten, von den Krümmungen der Zehen bis zu den Schenkelhalsverbiegungen, wurde wissenschaftlich erforscht und praktisch angegriffen, wo es ging, un- blutig, wenn nötig, unter Zuhilfenahme blutiger Eingriffe. Das häufigste Fußleiden ist zweifellos der Plattfuß in seinen zahlreichen Variationen, von der Schwäche des Fußes, der sog. Insuffizienz, angefangen, bis zu den schwersten Formen, die nichts mehr von einem Menschenfuß an sich haben. Die intime Kenntnis dieses Leidens ist ausschließlich eine Er- rungenschaft der Neuzeit. Ganz besonders waren es G. Hermann Meyer, Beely, Hoffa und Lorenz, die zur Vertiefung der Kenntnisse über die Statik des Fußes beitrugen. Gestützt auf diese Kenntnisse ist man heute in der Lage, diesem außerordentlich vielgestaltigen und weitverbreiteten Übel wirksam zu begegnen und es selbst in seinen schwersten Formen, evtl, unter Zuhilfenahme kleiner chirurgischer Eingriffe zu heilen. Aber was wir leider nicht heilen können, ist der Unverstand der Mode, die nicht nur häufig den Plattfuß, sondern auch eine ganze Anzahl anderer schwerer Verbildungen und sonstiger Fußleiden hervorruft. Freilich will ich nicht in Abrede stellen, daß gewisse Veränderungen des Fußes, die zur Plattfußbildung führen können, Rasseneigentümlichkeiten darstellen, daß man ihn mehr in der Ebene als in 5 6 gebirgigen Gegenden findet und daß manche Störungen als Degenerations- zeichen aufzufassen sein dürften. Zum Teil hängt auch das überaus häufige Vorkommen des Plattfußes mit der Zunahme der Rachitis zusammen. Sie sehen, das Problem des Plattfußes ist überaus kompliziert und beschäftigt nicht nur den Orthopaeden, sondern auch den Anthropologen und Soziologen. Doch dies nur nebenbei! Wenn wir alle gängigen orthopaedischen Leiden zusammennehmen, so erreichen sie in ihrer Häufigkeit nicht diejenige der Rückgratsverkrümmungen, gemeinhin Skoliosen genannt. Auch die Zahl der hierbei vorkommenden Variationen ist nicht gering, wenn sie auch stets in einem gewissen Typus wiederkehren, von der geringsten Schiefhaltung beginnend, bis hinauf zum hochgradigen Buckel. Das Übel wird nicht, wie man so häufig hört, vererbt, sondern es entsteht meist auf der Grundlage der Rachitis, die allerdings in vielen Familien erblich zu sein scheint. Es überspringt häufig eine ganze Generation. Seine nachherige Ausbildung entsteht auf rein mechanischer Grundlage. Aber man findet tatsächlich häufig, sei es daß Angewöhnung oder sonstweiche Ursachen mitsprechen, bei Mutter und Kind oder Großmutter — auch Großvater — und Enkel dieselben Formen, so daß die Annahme der V.er- erbung erklärlich ist. Dieses Leiden, in seiner ausgeprägten Form nicht nur ein Schönheitsfehler, sondern eine schwere Gesundheitsschädigung, ist wohl von allen orthopaedischen Erkrankungen das schwierigste Objekt der Behand- lung. Auf keinem Gebiete der Orthopaedie ist dementsprechend auch mehr gearbeitet worden als gerade auf diesem. Und noch lange sind wir nicht am Ziele. Seitdem die Orthopaedie sich mit der Behandlung der Rückgrats- verkrümmungen beschäftigte, tobte der Streit, ob Gymnastik oder Stützapparate anzuwenden sind. Man sah wohl ein, daß eine Schiefhaltung der Wirbel- säule der Gymnastik wich, und man glaubte, sie als Allheilmittel auch für die schwersten Fälle empfehlen zu müssen. Und sie versagte. Man kon- struierte theoretisch, daß ein festes Korsett, das zu verbiegen die größte Kraftanstrengung erforderte, doch wohl ein schwächliches Kind gerade halten müßte, und man irrte sich. Die Verhältnisse änderten sich erst etwas, als Gustav Zander in Stockholm die rationelle schwedische Gymnastik auf Apparate übertrug und als der Laie Hessing in Göggingen sein Stützkorsett schuf, das zum ersten Male einen festen Stützpunkt für den Aufbau eines Apparates schaffte, der die Wirbelsäule fixieren sollte. Mit diesen beiden Hilfsmitteln sind wir heut so weit, daß wir auch die mittelschweren Fälle günstig zu beeinflussen vermögen. Aber für die schwersten Fälle versagen auch diese Mittel fast völlig. Schon Galen erkannte, wie ich oben erwähnte, daß hier nur ganz energische Arbeit etwas zu leisten vermöchte und fixierte den Brustkorb durch Bandagen. Aber es fehlte ihm der feste Angriffspunkt, um die komplizierten Drehungen und Windungen einer gekrümmten Wirbel- säule wirksam zu beherrschen. Da erfand Sayre seinen Gipsverband. Er hängte den Körper in der GLissONSchen Schwebe auf, und zwar freischwebend, 6 7 so daß die Fußspitzen die Erde nicht berührten, und gipste ihn so ein. Gewiß streckt sich der Körper dabei, es tritt auch eine leichte Abflachung des Buckels auf, aber keine Umformung des Körpers. Und so versagte dieser Verband ebenso wie alle übrigen bis hinauf zu demjenigen des Hallenser Ortho- paeden Wüllstein, weil sie auf falschen Voraussetzungen beruhten. Wull- STEIN z. B. glaubte, die Wirbelsäule korrigieren zu können, wenn er die • • Streckung übertrieb, sie in Uberstreckung aufhängte. Aber es zeigte sich, daß gerade diese Überstreckung die Wirbel erst recht untereinander verhakte und ihre Aufrollung, welche die erste Bedingung für eine Korrektur bildet, verhinderte. Er wirkte nur durch einen enormen Druck auf den Buckel. Sobald der Druck aufhörte, war auch die Wirkung geschwunden. Erst in allerletzter Zeit scheint uns der umgekehrte Weg, der uns von dem Amerikaner Abbott gezeigt wurde, dem Ziele etwas zu nähern. Wegen des allgemeinen Interesses, das die Skoliose beansprucht, will ich versuchen, Ihnen das Ver- fahren etwas näher zu bringen. Der Wirbel besteht aus einem Körper, einem Bogen und Fortsätzen. Der Körper ist ein massiger, würfelförmiger Knochen, der nach vorn zu liegt, während der Bogen nach hinten, die Fortsätze teils nach hinten, teils nach den Seiten hin gerichtet sind. Ein Wirbelkörper ist von den andern durch eine dicke, sehnige Bandscheibe getrennt, die Fortsätze ragen entweder frei hervor, oder diejenigen zweier benachbarter Wirbel berühren einander und sind gelenkig miteinander verbunden. Drängt man nun von hinten gegen dieses Gefüge sich ineinander verhakender Fortsätze, so drängt man sie nicht auseinander, sondern ineinander, während der massige Wirbelkörper aller- dings an seiner Vorderfläche etwas auseinanderweicht. Diese stärkere Ver- hakung der Wirbel ist natürlich einer Aufrollung im Wege. Beugt man aber die Wirbelsäule, wie man es beim Bücken tut, so drängen sich die Wirbel- körper vorn wohl aufeinander, während die Rückfläche und besonders die Fortsätze auseinanderweichen. Das Aufeinanderdrängen der Vorderflächen ist bedeutungslos, weil hier die elastischen Bandscheiben dazwischenliegen, da- gegen wird durch das Auseinanderweichen der hinteren Teile eine freie Be- weglichkeit der Wirbel geschaffen, die ihre Aufrollung und ihre Verdrängung aus der fehlerhaften Stellung gestattet. Greift man jetzt an den Rippen an, die an den Wirbeln befestigt sind und wie lange Hebelarme wirken, so kann man jede beliebige Korrektur herbeiführen. Von diesem Gesichtspunkt aus- gehend, legte Abbott die Kinder auf eine Art Hängematte aus Drell, korri- gierte durch lange Bindenzüge, die er um den Brustkorb befestigte, soweit möglich, die Verkrümmungen und gipste die Kinder in dieser Lage ein. Dann machte er auf der eingefallenen Seite des Brustkorbs große Ausschnitte in den Gipsverband, an der entgegengesetzten Seite kleinere, in welche er Filz- stücke hineinpreßte. So drängte er einerseits rein mechanisch den hervor- tretenden Buckel nach der andern Seite, andererseits zwang er die eingefallene Seite durch tiefe Atembewegungen, sich möglichst auszudehnen. Die Erfolge, 7 8 die mit diesem Verfahren gezeitigt werden, sind mindestens in rein kosmetischer Hinsicht ganz auffällige. Sie können es erleben, daß nach Abnahme des Ver- bandes ein Buckel nahezu beseitigt erscheint. Allerdings sind völlige Korrek- turen, d, h. eine volle Wiederkehr der Veränderungen zur Norm, bisher noch nicht beobachtet. Aber es scheint doch, als ob wir auf dem richtigen Wege wären, dieses schwere Übel einigermaßen erfolgreich anzugreifen. Jedenfalls stehe ich nicht allein da, wenn ich behaupte, daß es bisher kein Mittel und keine Methode gibt, die bei den schwersten Formen der Kück- gratsverkrümmungen so hervorragende kosmetische Resultate hervorbringt, wie das richtig angewandte Abbott sehe Verfahren. Zu denjenigen Leiden, welche den Orthopaeden mit am meisten beschäf- tigen, gehören die tuberkulösen Knochen- und Gelenkleiden, die ebenso wie die Tuberkulose der Lungen und übrigen Organe in letzter Linie auf den Koch sehen Tuberkel-Bazillus zurückzuführen sind. Der spitze Buckel und die Hüftgelenksentzündung sind die häufigsten Erkrankungen dieser Art. Die Behandlung dieser Leiden hat im Laufe der Zeit wesentliche Wandlungen erfahren. Solange die Chirurgie vorherrschte, bildeten Messer und Meißel die ausschließlichen Heilmittel. Aber die Mortalität war eine hohe, und die furchtbaren Verkürzungen bei den überlebenden, meist jugendlichen Patienten, waren nicht gerade geeignet, die verstümmelnden* Operationen besonders schätzen zu lehren. Die selbständiger werdende Orthopaedie ging auch hier bald ihre eigenen Wege. Das konservative Verfahren gewann, bei jugend- lichen Patienten besonders, rasch die Oberhand. Heute stehen bei den tuber- kulösen Knochen- und Gelenkerkrankungen die fixierenden Gipsverbände im Vordergründe der Behandlung. Die neueste Zeit hat uns ferner die von Bernhard in Samaden erfundene und von Kollier in Leysin weiter aus- gebaute Sonnenbehandlung gebracht, wir haben den Aufenthalt an der See und die Kräftigung des Allgemeinbefindens als schätzenswerte Faktoren kennen gelernt, auch die Röntgenbestrahlung und die Bestrahlung mit künstlicher Höhensonne sind in den Heilschatz eingefügt. So sind die operativen Ein- griffe immer mehr in den Hintergrund gedrängt und zwar mit dem Erfolge, daß auch die Mortalität geringer geworden ist, zumal es mit Hilfe der Röntgen- strahlen heute leichter ist als früher, die Gelenk- und Knochentuberkulose auch im Beginne ihres Entstehens zu erkennen. In den letzten Jahren hat eine Erkrankung der Kinder, die früher nur vereinzelt vorkam, eine recht erhebliche Ausdehnung erfahren, die sog. Kinder- lähmung, die, wie ich bereits oben erwähnte, nach ihrem Erforscher auch mit dem Namen Heine sehe oder Heine-Medin sehe Krankheit genannt wird. Sie ist ihrem Ursprünge nach noch nicht völlig aufgeklärt. Sie tritt meist in klei- neren oder etwas größeren Gruppen auf und befällt fast ausschließlich Kinder bis zum 4. Lebensjahre. Aber es sind auch ältere Kinder nicht völlig immun dagegen, und es sind auch an einzelnen Orten Fälle erwähnt, wo erwachsene Menschen betroffen wurden. Indes ist es nicht ganz ausgeschlossen, daß hier ' 8 9 VerwechseluDgen mit ähnlichen Erkrankungen vorliegeno Das Leiden befällt die Kinder in blühendster Gesundheit, oft ohne die geringsten Vorboten, und lähmt sie in vielen Fällen nahezu völlig. Allerdings gehen die Lähmungen meist ebenso rasch wieder zurück, aber ein Rest bleibt bestehen, entweder ein gelähmter Arm oder ein gelähmtes Bein oder auch nur Teile davon. Gegen diese Lähmungen wurde bis vor einiger Zeit der ganze physikalische Heil- schatz, der uns zu Gebote steht, Bäder, Massage, Elektrisieren, Stützapparate aufgeboten, ohne daß ein voller Erfolg herbeigeführt wurde. Es gelang entschieden, auf diesem Wege wesentliche Besserungen herbei- zuführen, es gelang aber nie, die ausgefallenen Funktionen eines Gliedes in einigermaßen normalem Umfange wiederherzustellen. Das war erst den Ein- griffen der orthopaedischen Chirurgie Vorbehalten. Von dem Gesichtspunkte ausgehend, daß ein Muskel die Funktion eines andern übernehmen kann, ging man folgendermaßen vor: Fand man z. B., daß derjenige Muskelapparat, welcher an der Vorderfläche des Oberschenkels liegt und das Bein streckt, gelähmt war, so löste man auf der Beugeseite des Oberschenkels von den dort zahlreich vorhandenen Beugemuskeln den einen oder den andern von seinem unteren Ansatzpunkte los, zog ihn nach vorn und befestigte ihn hier durch Seidennähte an dem Streckmuskel. Wenn diese Operation technisch einwand- frei ausgeführt wird, so ist man in der Lage, dadurch die Streckfähigkeit des Beines wiederherzustellen. Außerordentlich häufig werden solche Operationen in der geschilderten oder ähnlichen Weise am Unterschenkel vorgenommen, um die häufigste Folge* erkrankung der Kinderlähmung, die Lähmung des Fußes, zu beseitigen. Und so manches Kind wird auf diesem Wege wieder auf die Beine gebracht und einer den Lebenszweck und die Lebensfreude bedingenden Arbeitsmöglichkeit zugeführt. Nun ist Ihnen ja wohl bekannt, daß die Tätigkeit der Muskulatur bedingt ist von den vom Zentralorgan herkommenden, in sie eindringenden Nerven. Der Muskel funktioniert nicht, wenn der ihn versorgende Nerv gelähmt ist. Gelingt es also, den gelähmten Nerven wiederzubeleben, so ist er auch wieder in der Lage, dem Muskel seine Kraft zu spenden. Zahllose Versuche haben gelehrt, daß es gelingt, einen gelähmten Nerven durch Verbindung mit einem gesunden zu neuer Funktion zu bringen. Darauf fußend, hat man diesen Weg auch zur Heilung der Kinderlähmung beschritten. Eine große Bedeutung haben die Operationen an den Nerven in der allerjüngsten Zeit durch den Krieg erfahren. Noch nie haben wir so zahl- reiche und so mannigfache Nerven- Verletzungen gesehen wie in diesem Kriege, hauptsächlich bedingt durch die kleinkalibrigen Geschosse. Es ist natürlich vorläufig noch gar nicht zu übersehen, welchen Prozentsatz die Nerven- verletzungen ergeben, aber daß sie außerordentlich zahlreich sind, wird von allen Seiten bestätigt. Es kommen Lähmungen durch völlige oder teilweise 9 10 Durchtrennungen der Nerven, durch narbige Veränderungen oder durch Ver- wachsungen mit den durchschossenen Knochen und Weichteilen zustande. In vielen dieser Fälle vermag man mit Erfolg einzugreifen. Man kann die durchtrennten Nerven wiedervereinigen, sie aus ihren Narben vorsichtig her- auspräparieren und aus ihren Verwachsungen mit den Knochen und Weich- teilen herauslösen. In überraschend kurzer Zeit stellt sich oft die Leitung wieder her, und vor allem werden die Verletzten von ihren Schmerzen, die sie oft Tag und Nacht nicht zur Ruhe kommen lassen, in kürzester Zeit befreit. Dort aber, wo die Lähmungen auf operative Eingriffe nicht zurück- gehen, hat die orthopaedische Mechanik noch bedeutende Aufgaben zu er- füllen. Eine Hand, welche durch eine Lähmung des Speichennerven z. B. leblos herabhängt und für das Erfassen und Festhalten von Gegenständen nur wenig zu brauchen ist, kann durch einen geeigneten Stützapparat gehoben und festgehalten werden. Die Brauchbarkeit der Hand wird auf diese Weise bedeutend gebessert, und es gibt Leute, die mit einem derartigen Stützapparat es bald lernen, selbst komplizierteste Arbeitsfunktionen ohne besondere Störung auszuführen. Dasselbe gilt für die Lähmung des Fußes. Auch hier vermag man durch einen kleinen Stützapparat eine wesentliche Besserung, zuweilen einen der Norm sich nähernden Gang zu erzeugen. • • überhaupt hat die orthopaedische Mechanik in den letzten Jahrzehnten sehr an Bedeutung gewonnen und gehört heute eng zur Tätigkeit des Ortho- paeden. Mit der Erkenntnis, daß ein Stützapps^rat nur dann seinen Zweck erfüllt, wenn er den anatomischen und physiologischen Forderungen gerecht wird, hat sich die Orthopaedie dieses mechanischen Zweiges bemächtigt und bemüht sich, unablässig an der Vervollkommnung und Verbesserung der Stütz- apparate zu arbeiten. Hierzu gehört auch die Anfertigung künstlicher Glieder, der sog. Prothesen, die durch den Krieg ein so großes und allgemeines Inter- esse erlangt haben. Von früh auf haben die Menschen erkannt, welchen Wert die Übung für die Kräftigung der Muskulatur und die Gestaltung und Gesundheit des mensch- lichen Körpers besitzt. Bereits Hippocrates und Galen empfahlen für die Verkrümmungen des Rückgrats die Übung der Muskeln, die Gymnastik. Und welche Bedeutung der Gymnastik in der Ausbildung der griechischen und römischen Jugend bei gelegt wurde, ist Ihnen wohl allen bekannt. Auch die Ausbildung der ritterlichen Jugend in jeder Art körperlicher Kraft und Ge- wandtheit und ihre Kampfesspiele, ihre Turniere, gehören hierher. Aber allmählich wurde die Pflege des Körpers immer mehr vernachlässigt, es schien sich immer mehr die Anschauung Bahn zu brechen, daß nur der Geist der Vervollkommnung bedürfe^ daß der Körper nur ein Anhängsel des Geistes wäre, das mit Essen, Trinken und Schlafen genügend gewürdigt würde. Aber wenn wir in der Weltordnung überhaupt Sinn und Zweck haben, so kann er nur darin liegen, daß beide Kräfte, die im Menschen wirksam sind, diejenigen des Geistes und des Körpers, in gleicher Weise veredelt und ver- 10 11 Yollkommnet werden. Nur die harmonische Entwickelung beider Kräfte garantiert einen wirklichen Fortschritt des Menschengeschlechts. Und wie jedes Extrem an seiner eigenen Überspannung zugrunde geht, so trat auch gegen die abnorm einseitige geistige Ausbildung bald die Reaktion ein. Laut und dröhnend erhoben sich die Stimmen, welche die Rückkehr zur Natur forderten, und das Sehnen Rousseau s ist nichts weiter als die Ver- zweiflung darüber, daß sein siecher Körper seinem geistigen Wirken nicht genügenden Rückhalt bieten konnte. So trat der Umschwung ein. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts regte es sich allenthalben, und besonders bei • • uns fanden die körperliche Übung und Betätigung im Turnen ihren Ausdruck. Aber das Turnen ist nur für gesunde Menschen vorhanden. Es ist ein Unding, einen Kranken oder auch nur einen allgemein Schwächlichen vor Kraftanstrengungen hinzustellen, wie sie gemeinhin das deutsche Turnen ver- langt. Für Kranke ist das Heilturnen oder die Heilgymnastik am Platze, wie sie besonders in Schweden schon lange geübt wird. Damit ist auch der jahr- zehntelange Streit abgetan, der mit ganz unverständlicher Schärfe geführt wurde, ob schwedisches oder deutsches Turnen wertvoller wäre. Das sind eben zwei grundverschiedene Dinge, beide gleich wertvoll, aber jedes an seinem Platze. Das deutsche Turnen kann uns hier nicht beschäftigen, weil es, wie gesagt, • • . nur Übungen für Gesunde enthält. Wir haben es als Orthopaeden aus- schließlich mit schwedischer Heilgymnastik zu tun. Die schwedische Heil- gymnastik wurde ursprünglich von Empirikern ausgeübt, und wie es so häufig bei derartigen Leuten geschieht, mit einem gewissen Nimbus umkleidet, der denjenigen, welche sie ausübten, gewiß materielle Vorteile brachte, der Sache selbst aber schadete. Jedoch bereits um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde sie auf eine gewisse wissenschaftliche Basis gestellt, und es entstanden Schulen, in welchen sie auf der Grundlage genauer anatomischer und physio- logischer Kenntnisse gelehrt wurde. Welches sind nun die Aufgaben der schwedischen Gymnastik? Welche Mittel stehen ihr dabei zu Gebote? Sie soll durch äußere Reize eine kräftigere Durchblutung der Haut und Muskulatur herbeiführen und dadurch die Innern Organe entlasten, sobald es sich um eine allgemeine Beeinflussung des Körpers handelt; ihre lokale Einwirkung erstreckt sich auf Kräftigung der Muskulatur und Mobilisierung von Gelenken, auf Anregung der Darmtätigkeit und Beseitigung entzündlicher Veränderungen. Auch die Korrektur von De- formitäten, wie der Rückgratsverkrümmungen, gehört hierher, während der Einfluß auf die Herztätigkeit und gestörte Zirkulation mehr den allgemeinen Maßnahmen zufällt. Die Hilfsmittel, deren sie sich dabei bedient, bestehen in Massage, passiven Bewegungen und aktiven Widerstandsbewegungen. Bei den letzteren macht der Patient Bewegungen, denen der Gymnast einen allmählich abnehmenden Widerstand entgegensetzt, um die Muskulatur dadurch zu energischer Zusammen- 11 12 ziehuDg anzuregen und sie zu kräftigen, die passiven Bewegungen führt der Gymnast am Patienten aus, während dieser sich eben passiv verhält. Sie werden einsehen, daß die Arbeit, die ein Gymnast auf diese Weise zu leisten hat, nicht ganz gering ist, zumal wenn es gilt, eine Reihe von Patienten hintereinander abzufertigen, und es ist gar nicht so selten, daß er eine ganze Menge von Herzkranken heilt und selbst eine Herzschwäche erwirbt. Dazu kommt, daß die Arbeit des Gymnasten unmöglich gleichmäßig sein kann. Welches unendlich feine Gefühl gehört dazu, seinen Widerstand einem jeden anzupassen, und es muß selbst die Kraft eines Riesen schwanken und erlahmen, wenn er stundenlang hintereinander derartige Widerstandsbewegungen ausübt. Schließlich ist es für Damen nicht immer angenehm, die Bewegungen unter einem männlichen Gymnasten vornehmen zu müssen. Diese Erwägungen veranlaßten bereits den Schweden Nykander, die Be- wegungen auf Apparate zu übertragen. Aber diese bürgerten sich nur wenig ein, da sie nicht zweckmäßig genug und mehr der Empierie als der Wissen- schaft entsprungen waren. Erst dem schwedischen Arzt Dr. Gustav Zander aus Stockholm gelang es, etwas wirklich Brauchbares zu schaffen. Er konstruierte Apparate, welche es gestatten, den Widerstand so einzurichten, daß er gradweise, in Überein- stimmung mit den Hebelgesetzen und mit den Gesetzen, nach welchen die Muskelkraft arbeitet, zu- oder abnimmt. Unser Knochensystem ist ein Hebel- system, und die an ihnen ansetzenden Muskeln entsprechen in ihrer Kraft- wirkung den Hebelgesetzen. Und so können nur Hebelapparate diese Wirkungen nachahmen. Zander, der neben seiner völligen Beherrschung der anatomischen und physiologischen Tatsachen auch offenbar über tüchtige mechanische Kennt- nisse verfügte und ein vorzüglicher Empiriker war, verstand es, in der oft verblüffenden Einfachheit seiner Konstruktionen das Vollkommenste zu leisten. Dadurch, daß er die Bewegungen des menschlichen Körpers auf Apparate übertrug, die etwas Beständiges an sich haben und jedermann zu Gebote stehen, machte er die Gymnastik zum Gemeingut aller. Dadurch, daß er in ihnen gewissermaßen mechanische Gesetze verkörperte, wie sie unserm Muskel- system eigen sind, und dazu bestimmte Erfahrungstatsachen heranzog, hob er sie in ihrem Werte weit hinaus über die Fähigkeit der feinfühlenden Hand des besten Gymnasten. Und so versteht man auch die ungeheuer rasche Ver- breitung seines Systems fast über den ganzen Erdball. Seine Apparate oder Maschinen zerfallen, wie die schwedische Gymnastik es vorschrieb, in drei gesonderte Gruppen: In Apparate für aktive Wider- standsbewegungen, in rein passive Bewegungsapparate und in Maschinen, durch welche gewisse Handgriffe der Massage, wie Reiben, Hacken, Klopfen usw. nachgeahmt werden. Über diese letzteren Maschinen ist nun von den Gegnern ein furchtbares Geschrei erhoben worden: Nie und nimmer könnten durch Maschinen die feinen Manipulationen der Massage ersetzt werden. Das ist aber bisher auch noch niemandem eingefallen, der die Gymnastik wissenschaftlich 12 13 betreibt. Wer den Zweck der Massage kennt, weiß, daß hier die Hand im allgemeinen durch keine Maschine zu ersetzen ist. Aber es gibt gewisse grobe mechanische Wirkungen der Massage, die sehr wohl durch eine Maschine zu ersetzen sind, ja, es gibt gewisse, die nie durch die menschliche Hand zu erreichen sind, und für welche eine Maschine viel geeigneter ist. Ich erinnere Sie nur an die neuerdings mit so vieler Heklame empfohlene Vibrationsmassage, die in dem Zander sehen System seit über 50 Jahren unter dem etwas mehr deutsch klingenden Namen der Erschütterungsmassage geübt wird. Welche menschliche Hand ist geeignet, diese Erschütterungen mit solcher Präzision und Gleichmäßigkeit auszuüben wie eine Maschine? So beobachtet man z. ß., wenn man an dem ZANDERschen Erschütterungsapparat eine kleine Pelotte befestigt und sie auf den Rücken zwischen den beiden Schulterblättern wirken läßt, eine fast momentane Herabsetzung der Pulszahl, eine Erscheinung, welche auf eine Reizung eines in der Brusthöhle verlaufenden Nerven zurückgeführt wird. Wo ist die menschliche Hand, die imstande wäre, eine derartige Wirkung auszuüben? Der Wert der ZANDERschen Apparate für die Beeinflussung geschwächter Konstitutionen, für gewisse Stoffwechselanomalien, wie Gicht und Zuckerkrank- heit, für Kräftigung geschwächter Muskeln und Mobilisierung versteifter Gelenke unterlag bald keinem Zweifel mehr. Eine ungeahnte Bedeutung erlangten sie jedoch erst durch die Emanation der Wohlfahrtsgesetze im Jahre 1884. Damals wurden die berufsgenossen- schaftlichen Organe eingesetzt und ihnen die Aufgabe gestellt, nicht nur Unfälle zu verhüten und die entstandenen zu entschädigen, sondern auch ihre Be- deutung durch Übernahme des Heilverfahrens auf das möglichst mindeste Maß zurückzuführen. Und dazu erwuchsen den Berufsgenossenschaften in den Ein- richtungen der ZANDERschen Institute die besten Helfer. Wenn die Verletzten so weit ausgeheilt waren, daß Bewegungen und Übungen an den Apparaten möglich waren, wurde damit begonnen und durch Besserung und ev. Heilung der Unfallsfolgen nicht nur den Berufsgenossenschaften Unsummen von Ent- schädigungen erspart, sondern auch durch Wiederherstellung der Verletzten unendliche Mengen von Arbeitskraft wiedergewonnen. Daß dieser letztere Umstand, der naturgemäß mit einer Minderung der Rente einhergehen mußte, nicht gerade immer besonders wohlwollend von dem arbeitenden Publikum aufgenommen wurde, liegt in der Natur der menschlichen Dinge, andere Gegner traten aus anderen Gründen hinzu, und, angefeindet von rechts und links, mußten diese Institute ihre Befriedigung in der von ihnen geleisteten Arbeit suchen. Und die Institute bemühten sich, unbekümmert um das Geschrei um sie her, unablässig, durch Einbeziehung neu entstehender Heilfaktoren ihre Wirksamkeit immer weiter auszudehnen und ihre Heilerfolge zu erhöhen. So wurde das Heißluftverfahren eingeführt, ferner die Diathermie, wobei wirksame thermo-elektrische Wellen in die Tiefe der Gewebe dringen, die Radiumbehandlung wurde gewonnen u. a. m. Diese Bestrebungen und Bemühungen haben heute 13 14 eine Anerkennung gefunden, die weit über alles Erwarten hinausgeht. Als der Krieg ausbrach mit seinen unendlichen Verletzungen und Yerstümmelungen des menschlichen Körpers, da bemächtigte sich die Heeresverwaltung all der ge- sammelten Heilfaktoren und Erfahrungen der orthopaedischen Institute und machte sich mit Eifer das zunutze, was die Berufsgenossenschaften bereits in jahrzehntelanger Fürsorge für ihre Verletzten angewandt hatten. Unzählige von Verwundeten werden, so bald es die Verletzung gestattet, den Instituten zur Heilung funktionell geschwächter Glieder oder zur Kräftigung ihrer Allgemein konstitution, zur Beseitigung rheumatischer Beschwerden oder lokaler Leiden überwiesen. Und Tausende und Abertausende von diesen sind bereits wieder geheilt ins Feld zurückgekehrt oder gebessert ihrem Truppenteil zugeführt worden. M. H.! Ich habe versucht, Ihnen einen kleinen Einblick in das Arbeits- gebiet des Orthopaeden und Mechanotherapeuten zu geben. Von den großen und schönen Aufgaben, die unsere Wissenschaft bietet, sind manche gelöst, bei vielen sind wir noch weitab vom Ziele. Möge das neue Jahrhundert unserm Streben ebenso günstig sein wie das vorige, zum Wohle der Menschheit! 14 15 Kochsalz und Kochsalzgewinnung im preußischen Ordensstaate. Von Dr. PaüL DaHMS - Zoppot a. d. Ostsee. Mit 2 Figuren. W eiche Bedeutung das Kochsalz für unser Leben hat, studierte zuerst G. VON Bunge eingehend. Er wies nach, daß der sog. „Kochsalzhunger“ in bestimmter Beziehung zur aufgenommenen Nahrung steht. Für die fleisch- fressenden Tiere konnte er nachweisen, daß sie mit ihrer Nahrung fast ebenso viel Chlornatrium (Kochsalz) aufnehmen wie die pflanzenfressenden, wenn das Körpergewicht als Einheit zugrunde gelegt wird. Dagegen besteht ein erheb- licher Unterschied hinsichtlich eines anderen Salzes in der Tier- und Pflanzen- nahrung; in letzterer ist mehr Kali als im Fleisch enthalten. Das Plasma unseres Blutes, das Serum, enthält vorwiegend Chlornatrium und nur wenig Kali (10:1); hier ist das Verhältnis also umgekehrt wie bei den Pflanzen. Die mit der Pflanzennahrung verhältnismäßig reichlich aufgenommenen Kali- salze setzen sich, sobald sie ins Blut gelangen, mit seinem Gehalte an Chlor- natrium an. Durch die Massenwirkung der Kalisalze bedingt, gehen dabei chemische Umsetzungen vor sich, und es entstehen neue Verbindungen. Unter anderen Kalisalzen ist das Karbonat KgCOg, Pottasche, ein ständiger Bestand- teil der Pflanzensalze, der sich mit Chlornatrium umsetzt. Dadurch ändert sich aber der Salzgehalt, er ist ein anderer geworden als unter normalen Ver- hältnissen. Der Organismus strebt, die natürliche Zusammensetzung wieder- herzustellen und das neben KCl als NagCOg fortgeführte Natrium wieder zu ersetzen. Hierdurch wird das Verlangen nach Chlornatrium erklärt. Eine zusammenfassende Behandlung der Arbeiten Bunge s mit ihrem Hauptergebnis bietet Karl Kautsch^). Dieses besagt, daß zu allen Zeiten die Völker, welche fast ausschließlich von animaler Nahrung leben, kein Verlangen nach Salz haben, es nicht erwähnen und, wo sie es kennen, verabscheuen; die Die fett gedruckten Zahlen verweisen auf die im Anhang niedergelegte Literatur, die anderen geben die Seitenzahl bzw. die betreffende Zeile an. 0 30« 1 16 andern Völker, die sich von Vegetabilien nähren, sehen es dagegen als unent- behrliches Lebensmittel an. Diese verschiedene Bewertung des Kochsalzes bei verschiedener Lebensweise der einzelnen Völker erklärt auch den Umstand, daß eine „ziemlich eingehende Terminologie des Ackerbaues sich durch indo- germanische Gleichungen belegen läßt“, die „nur sehr selten zu den asiatischen Indogermanen“ hinübergreift. Dadurch wird die Annahme gestützt, daß in den Zeiten, die für die Sprachwissenschaft zugänglich sind, die Indogermanen keine einheitliche Wirtschaftsform mehr besaßen. Die eine Gruppe von Stämmen bewohnte die östlichen Gebiete und lebte fast ausschließlich von Viehzucht, die andere hauste westlich und betrieb bereits Ackerbau in aus- gedehnterem Maße. Damit stimmt auch sehr gut überein, daß ebenso wie die meisten Ackerbaugleichungen auch unser Wort für „Salz“ auf Europa be- schränkt ist^). Durch den „Salzhunger“ werden auch die wütenden Aus- rottungskriege zwischen germanischen Volksstämmen erklärt, die zum Acker- bau und zur Pflanzennahrung übergingen und um den Besitz von Salzquellen in Streit gerieten^). Als der Orden nach Preußen kam, fand er hier eine ackerbautreibende Bevölkerung vor. Man hat in ihr die Nachkommen der Astier zu sehen gemeint. Damit würde gut übereinstimmen, daß Tacitus diesen einen großen Fleiß in der Feldarbeit nachrühmt, wie er bei den Germanen nicht gewöhn- lich war. Den slavischen Völkerschaften standen diese Bewohner des Landes damals fremder gegenüber, als es heute der Fall ist. Außerdem wird ihr ungewöhnlich friedfertiger Charakter erwähnt^). Der vorhandene preußische Sprachschatz gestattet wichtige Rückschlüsse auf den Stand und den Anschauungskreis des alten Preußen- Volkes. So weist das Elbinger Vokabular unter anderem darauf hin, daß es bereits „Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Hirse, Erbsen und Bohnen, an Gewürzen Mohn, Fenchel und Senf, als Ölfrucht Hanf“ anbaute^). Als Feldgerät benutzte es den Haken- oder sog. Polnischen Pflug, den der russische Bauer bis auf den heutigen Tag gebraucht. Der von ülfilas für jenen verwendete Ausdruck entspricht einem indischen Wort, welches genau „Ast“ bedeutet’’^). In ihrer ursprünglichen rohen Form stellt diese Pflugart ein hakenförmiger Baumast dar, der von Menschen oder Tieren gezogen wird. Bei ihrem Bau vermag sie den Ackerboden nur zu durchreißen, während der deutsche Pflug tief in ihn hineingreift und ihn umwendet. Wurde das deutsche Wort „Pflug“ als Bezeichnung für das Besitztum des deutschen Bauern an Ackergelände gebraucht, so kam bei der Besitz- ergreifung Preußens durch den Orden die Bezeichnung „Haken“ für das Ackergebiet, zu deren Bearbeitung ein Haken ausreichte, in Aufnahme ®). In Urkunden über die Ansiedlung deutscher Ritter wird die jährliche Abgabe 1) 35 a, 27. 30; 26^ 98 bis 100; 2) 30, 363; 3) 31, 7; 4) 31^ 54; 5) 35 a, 23. 29; «) 35, 9. 2 17 meist nach der Zahl der Haken festgesetzt ^), und die Kulmer Handfeste be- stimmt die jährlichen Lieferungen der Bürger je nach ihrem Besitz an deutschen Pflügen oder polnischen Hakenpflügen ^). Grunau gibt an, daß 1307 eine allgemeine Versammlung zu Engelsburg stattgefunden habe. Auf ihr wurde eine Landesordnung über alle im Lande gebräuchlichen Maße und Gewichte festgesetzt, da bisher in dieser Hinsicht keine Einheitlichkeit in Preußen gegolten hatte. Bei dieser Gelegenheit wurden 3 Haken gleich 2 Hufen bewertet ^). Dieses galt jedoch nicht durch- gehends und dauernd. Da in diesen Bezeichnungen die Fläche ausgedrückt werden soll, die mit einem Pfluge, d. h. mit einem Feldarbeiter bestellt wurde, so mußte sie nach den äußeren Verhältnissen wechseln, besonders nach der Güte des zu bearbeitenden Bodens^), — Außerdem wurde nach dem Zinsbuch des Hauses Marienburg®) noch zwischen großen und kleinen Haken unter- schieden, von denen der erstere das IY2 fache des zweiten betrug. — Noch im Jahre 1656 findet man ferner in dem gleichen Orte des Marienburger Werders bei Angabe der erlittenen Schädigungen während des schwedisch- polnischen Erbfolgekrieges gleichsinnig unter dem Hausgeräte „Hahken“ und „Pflügens“ aufgeführt®). Der Hang der alten Preußen, zu ihrer Pflanzenkost Kochsalz zu genießen, zeigt sich in verschiedenen Bemühungen um dieses Genußmittel schon in vor- geschichtlicher Zeit. Bereits vor dem Eindringen des Ordens bestanden Handels- beziehungen, die vor allen Dingen unentbehrliche, im Lande aber nicht vor- handene Mineralien, wie Salz, Kupfer, Zinn und edle Metalle, beschaffen sollten. In einer Reihe von Bullen der Päpste Honorius HL und Gregor IX. wird ferner im Interesse der Polen verboten, Salz, Eisen und fertige Waffen nach Preußen einzuführen Y* Doch auch im eigenen Lande suchte man nach salz- haltigen Quellen und Brunnen und, wie es scheint, mit Erfolg. Bekannt ist z. B. eine derartige Fundstelle in dem sog. DruskenwinkeH), wobei zu er- wähnen ist, daß der Name Drusken auf litauisch soviel wie Salzbewohner be- deutet. Noch im Jahre 1887 wurden an dieser Stelle mit Erlaubnis des Ministers und mit Unterstützung des Kultusministers Ausgrabungen ver- anstaltet. Einen Anstoß dazu gab wohl eine Prüfung, die das Wasser der Quelle einige Jahre früher erfuhr. Der Fundort liegt in der Drusker Forst, Schutzbezirk Espenhain, Jagen 206. Zur Ordenszeit hat man diese Quelle bereits genutzt; in neuerer Zeit mußte man davon absehen, da die Unkosten bei dem Salzgewinn mit dem Steigen der Preise für das Feuerungsmaterial und der Arbeitslöhne zu hoch wurden Y- Salzhaltige Quellen können in verschiedener Weise entdeckt sein. Wo sie emporsteigen, muß der Boden tiefer liegen wie in der Umgebung. An solchen Stellen vermögen sie die vorhandene Vegetation zum Verdorren zu 1) 43, 8. 9; 2) 2, 21 bis 24; 43, 12; 3) 15 a; 4) iß, 152 bis 155; 5) 35, 9; 6) 42, 59; 0 31, 49; 8) 6, 244; 9) 23, 356. Sehr. (1. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 2, 3 2 18 l)ringen und eine neue Pflanzendecke hervorzurufen. Andererseits blüht das gelöste Salz an kahlen Stellen aus und hebt sich in weißen Flecken vom Untergründe ab. Jagdtiere und weidendes Vieh, die solche Stellen gern ab- lecken, mögen Jäger und Hirten in den frühesten Zeiten dadurch aufmerksam gemaclit haben ^). Haben hervorquellende Wasser einen etwas erheblicheren Salzgehalt, so bilden sie die Lieblingstränkplätze für Wild und Weidetiere; sie ziehen den Menschen mit sich dorthin und verraten ihm die Eigentümlich- keit jener Stelle. Die feinsten Spuren von Salz im Boden zeigt die Salzflora (Halophyten) an. Gewisse Pflanzen wachsen mit Vorliebe auf salzhaltigem Boden oder nur auf solchem. Deshalb vermag der Botaniker durch ihr bloßes Auftreten auch dort noch Salzstellen zu entdecken, wo der Geschmack des Menschen und sogar die chemische Prüfung versagen: Die Empfindlichkeit der Pflanzen auf das Vorhandensein von Salz ist eine sehr große. Immerhin ist es nötig, gewisse Vorsichtsmaßregeln anzuwenden, damit Trugschlüsse nicht zu einem falschen Ergebnis führen, denn völlig frei von Chlor (bzw. Chlornatrium) ist kein Boden. Das Leben der Pflanzen ist von einer großen Zahl äußerer Bedingungen abhängig, und so mag die eine verminderte Einwirkung auf einer Seite durch eine verstärkte in anderer Dichtung wieder ausgeglichen werden. Auch dort, wo menschliche Siedelungen Abfälle verschiedener Art anhäufen, wird der Boden sich mit Kochsalz und anderen chlorhaltigen Verbindungen anreichern. Hier kommt es zur Entstehung der sog. Ruderalflora. Die Pflanzenkunde hat im Laufe der Zeit mehr und mehr gelernt, diese von der Gruppe der echten Salzpflanzen abzugrenzen, so daß von diesen nur eine engbegrenzte Zahl übrig- geblieben ist. Manche Art, die früher als Salzpflanze bezeichnet wurde, hat sich letzthin auch auf anderem Boden gefunden, und manche Stelle, die man früher als Salzstelle bezeichnete, mußte mit dem Fortschreiten der Floristik aus der Zahl der letzteren gestrichen werden^). Durch das Antreffen von Halophyten in der Nähe von Thorn kam Nowicki auf die Vermutung: hier müßten Salzquellen vorhanden sein. Unterstützt wurde sie dadurch, daß er an heißen und trockenen Tagen außerdem bei Podgorz, in der Nähe der Weichsel, einige Stellen antraf, die mit Salz über- zogen waren. Später fand er auch eine Salzquelle bei dem Dorfe Czernewitz^). Salzstellen, soweit sie in unserer Provinz angetroffen wurden, sind meist nur auf kleinere Flächenräume beschränkt, dagegen treten sie gern in Gruppen auf. Zu den Bedingungen ihres Zustandekommens gehört, daß die betreffende Stelle in der Regel dort liegt, wo der Horizont der schwachen Sole in irgend einer Weise angeschnitten wird, z. B. durch eine Talkehle. Stellen, auf denen Halophyten gedeihen, liegen deshalb entweder in der Nähe von Quellen, die in solchen Kehlen ausbrechen oder zusammenfließen, oder dort, wo der Boden 1) 29, 22. 23; 2) 37, 438; 3) iQ, 393. 4 19 etwas höher als seine Umgebung liegt, hier leichter austrocknet und deshalb salziger wird, wie der Boden der tiefer gelegenen Teile ^). Die Stellen für emporquellende Solen liegen naturgemäß tiefer als ihre Umgebung, deshalb fließen sie gelegentlich in Torfmooren aus; doch auch auf sandigem Boden können sie emporsteigen und ausfließen ^). Die Anreicherung des Salzes an den erwähnten, höher gelegenen Stellen wird außerdem dadurch besorgt, daß hier die Feuchtigkeit kapillar hochge- hoben und nach Verdunsten des Wassers durch fortgesetzte Zufuhr von unten her immer wieder ersetzt wird. — Die mit der überaus dünnen Sole herbei- getragenen, geringen Mengen von Chlornatrium speichern sich gelegentlich zu erheblichen Mengen auf. W. Deecke berichtet von einem lehmigen Sand, welcher lufttrocken 10 % Salz enthielt. Unter derartigen Verhältnissen trifft man beim Graben oder Bohren nach Wasser scheinbar auch recht reiche Solen. So stieß man in der Nähe von Salzflecken bei Mesenhagen in Pommern, bei einem Wärterhause der Stralsunder Bahn, auf ein Bohrloch mit achtprozentigem Wasser^). Bereits Bock^) schreibt über derartige Stellen, über die er berichtet fand, ohne sie freilich in Preußen selbst kennen gelernt zu haben. Aus der Notiz, „daß, wenn bey warmen Frühlings-, Sommer- und Herbsttagen diese Materie ganz rein abgekratzet wird, dennoch nach einer oder zwo Stunden, nachdem die Sonne heiß scheine, die Erde von dieser salzigen Materie wiederum so, wie das erstemal, nicht anders als mit Zucker überzogen sey“ scheint hervorzu- gehen, daß die Zirkulation der dünnen Solen im Boden unter derartigen Flecken, und die Kapillarität mit ihr, eine recht erhebliche Rolle spielen. Von solchen salzhaltigen Quellen Preußens, besonders der von Gr. Ponnau — nördlich von der Verbindungslinie zwischen Wehlau und Insterburg — wird berichtet, daß ihr Wasser wie eine verdünnte Lösung von Küchensalz schmecke, daß das Vieh davon mit großer Begierde saufe und die Einwohnerschaft in diesem Dorfe sich seiner gern bediene, um die Speisen gar nicht oder nur sehr wenig salzen zu brauchen^). Zu Zeiten der Teuerung machten die dort wohnenden Instleute sich auch ein Gewerbe daraus, es in die benachbarten Dörfer zu tragen und dort zum Verkaufe anzubieten®). Wo Salz aus dem Boden herauswittert und in der Dicke eines Messerrückens den Boden wie ein starker Reif bedeckt, wird es wohl von armen Leuten abgekratzt, ausgelaugt und dann eingesötten ^). Aus dieser Tatsache hat man gemeint, daß ein Erbeuten des Kochsalzes in Preußen möglich gewesen und ausgeführt sei. Einen Anhalt zu dieser Vermutung bot eine Angabe von JoH. Wigand^), daß nahe an den Grenzen Preußens, aber auch in diesem Land selbst, Salz durch Einsieden von Sole gewonnen werde: denn an gewissen Stellen quelle sie hervor. 1) 37, 493; 2) 33, 75; 3) 29, 23; 4, 100. 101; s) 4, i05; 6) 0, 247; 7) 4, 100; 8) 1, 105. B. 5 9* 20 Als der Ritterorden in Preußen eindrang, sorgte er dafür, daß ihm aut der kleinen Saline Slonsk, die im Lande des Herzogs von Dobrin lag, die not- wendige Zufuhr von Salz zugesichert wurde ^). Dieser Ort liegt an der Weichsel. In einem Vergleich zwischen dem Deutschen Orden und Herzog Konrad von Masovien (17. Okt. 1235) erhält der Meister „das Salzwerk von Zlonske und 2 Salzpfannen gegen eine Abgabe von 14 Scheffel Salz an den Herzog, 4 als Zehnten an den Bischof, 2 Herrn Hebdo für einen Wald, den der Herzog, wenn jener nicht zustimmL anderweitig befriedigen will. Ferner darf der Orden gegen eine Abgabe von 2 Scheffel Salz in den Wäldern jenseits des Flusses Salz finden, wenn in mehreren Pfannen, so soll der Zins nach Ver- hältniß steigen“^). Aus diesen Angaben wollte man erkennen können, daß in Preußen Salz aus Sole gewonnen sei, die dem Boden dieses Landes entstammte. Man machte Wigand Vorwürfe, daß er statt eines eingehenderen Berichtes nur eine kurze Notiz über diesen so wichtigen Beweis ehemaliger Industrie hingeworfen hätte. Diese Angelegenheit erhält indes eine Klärung durch eine Auffassung, die bereits der Geh. Archivrat Faber zum Ausdruck brachte. Danach handelt es sich um Siedereien, in denen auswärtiges, grobes Salz nur gereinigt wurde. Diese Annahme wird durch verschiedene historische Daten gestützt®). Aus dem Jahre 1405 liegt ferner eine Wertangabe vor, nach der „eine Tonne grob Salz um 20 Scoter, eine Tonne klein Salz um 2 Mark“ verkauft wurde es würde hiernach der Preis des gereinigten und zerkleinerten Salzes zu dem für das ungereinigte Ausgangsmaterial im Verhältnis 100 : 41,67 stehen. Diese Ver- teuerung ist allein auf die Raffinierung zurückzuführen, da Kochsalz bei seiner leichten Spaltbarkeit sich ohne besondere Mühe zerkleinern lassen würde. Solche Reinigung wurde auch für andere Stoffe durchgeführt, die man in rohem Zustande ins Land brachte. Wiederholt werden im Treßlerbuche^) Angaben gemacht, daß Kupfer geläutert (S. 112, Z. 14 bis 29; S. 217, Z, 17 bis 28), bzw. rein gemacht (S. 36, Z. 1), im Ausgabebuch des Marienburger Hauskomturs®), daß es gebrannt (S. 334, Z. 12 bis 14 und 17 bis 19; S. 358, Z. 6. 7 ; S. 358, Z. 39 bis S. 359, Z. 1) wurde; und eine große Zahl Notizen im Treßlerbuche erwähnt die Läuterung des Salpeters, der zur Fabrikation des Schießpulvers verwendet werden sollte. Wenn es sich um eine bloße Reinigung ausländischen Salzes in West- preußen handelt, ist auch eine Stelle verständlich, die von einem Salzsumpf in Danzig spricht: „Mertin unser kornknecht czu Danczk tenetur 2^2 4 sc. und 6 ^ von den salczszumpen, dy her Claus Furman vorkouffte in der 1) 39, Nr. 14, S. 1; 2) 14, m. U2; 3) 6, 243. 3, 700. — Die preußische Mark wird folgendermaßen geteilt: 1 m = 4 Vierdung (ferto) = 24 Scot — 45 Halbscot = 60 Schilling (solidi) = 180 Tierchen (firchen) = 720 Pfennig (denarii). Für 1393 bis 1407 ist sie nach Yossberg gleich 13 M, für 1407 bis 1410 gleich 12,30 M zu setzen. In anderen Zeiten pendelt ihr Wert um 10 M herum. 5) 24; 6) 36. 6 21 langen gasse“ ^). Es handelt sich hierbei um eine Anlage, in der das unreine Salz „eingesumpft“ wurde. Es entstand dabei eine konzentrierte Lösung, während sich auf dem Boden die Verunreinigungen absetzten. Die klare Flüssigkeit über ihnen wurde nach einiger Zeit entfernt und eingedampft. Derartige Säuberungen des rohen, aber billigen Naturprodukts wurden wahrscheinlich an vielen Orten vorgenommen; dann ist es auch verständlich, wenn man von solchen Einrich- tungen zur Gewinnung von Kochsalz nirgends bemerkenswerte Beschreibungen oder Angaben findet. Diese Vermutung wird durch die Tatsache belegt, daß in Deutschland an vielen Orten Baiensalzhandelsunternehmungen aufblühten und Siedestätten für das Baiensalz eingerichtet wurden, z. B. in Schlesien, der Lausitz, Branden- burg und Norddeutschland (Stettin, Hamburg, Bremen)^). Weshalb das natürlich vorkommende Mineral nicht bereits am Orte seiner Gewinnung gereinigt wurde, ob es bereits zum Teil auf Speisesalz verarbeitet über die Grenze kam oder ob man es für andere Zwecke sogar in rohem Zustand — und deshalb billiger — verlangte, ist nicht zu ersehen. Ebenso wenig, ob das sog. Niederlagsrecht, wie es die Stadt Krakau schon verhältnis- mäßig früh für sich erworben hatte®), oder die Zollstätten, welche bei Be- nutzung des Landweges ihre Gebühren erhoben^), hemmend oder verteuernd auf das raffinierte Salz einwirkten, während das ungereinigte vorteilhafter dabei fortkam. Vielleicht führte man es auch deshalb in rohem Zustande aus der Fremde ein, um es daheim so zurichten zu können, wie es hier dem Geschmacke entsprach. Wenn Wigand®) von den Salzquellen Preußens spricht, so bezieht er sich jedenfalls auf frühere Angaben und Notizen. Er selbst gibt für keine einen Ort an. Da seine Behandlung dieses Themas eine „consideratio methodica et theologica“ ist, darf ihr nicht allzuviel Gewicht beigemessen werden. Sicherlich vermengt er die ihm mitgeteilten Gerüchte mit den Tatsachen, daß an vielen Orten Salzsiedereien bestanden, in denen konzentrierte Sole her- gestellt und versotten wurde. Hat das Land doch eine reiche Salzzufuhr nach seinen Angaben von auswärts. Auf dem Wasserwege der See geht ihm Meersalz und gesottenes Salz zu, auf der Weichsel und zu Wagen wird es aus Polen herbeigeschafft. Dem entgegen ist die Auffassung von Bock®) wohl die rechte, daß Preußen niemals so viel einheimisches Küchensalz besaß, um fremdes ent- behren zu können. In den ältesten Zeiten habe man es daher schon aus andern Ländern einführen müssen, und daher käme auch die öfter wiederholte Klage in Berichten und Geschichtswerken früherer Zeiten über hohe Salzpreise. Neben Eisen und Waffen war auch Salz für die heidnischen Preußen dringend erforderlich. Die Einfuhr dieser Handelswaren verhindern, hieß : es aufs äußerste schädigen. Deshalb verbietet — wie bereits früher kurz erwähnt wurde — Papst Honorius III. im Jahre 1218 dem Bischof von Preußen, 1) 22, S. 115, Z. 13 bis 15; 2) 26a, 108. 109; 11, 181. 182; 4) 14, 117. 326. 327; 5) 1, 104. 105; 6) 4, 99. 7 22 heidnischen Preußen seiner Nachbarschaft hiervon zu verkaufen^). Der Bischof wird diesem Befehl gehorsam nachgekommen sein, nicht so andere Personen. Diese versuchten vielmehr die bestehenden Zeitläufte, um ein glänzendes Geschäft ohne Nebenbuhlerschaft zu machen. Bezeichnend ist in dieser Hinsicht eine Aufforderung, die Honorius wegen des Herzogs Lesko von Polen ergehen läßt. Letzterer wollte in der Nachbarschaft der Preußen, an den Grenzen seiner Herrschaft, eine neue Stadt und einen Markt „für Eisen und Salz, woran die Heiden Mangel litten“, errichten. Freilich hatte er seinerzeit daran gedacht, an einem Kreuzzuge ins Heilige Land oder nach Preußen teilzunehmen; jetzt entschuldigt er sich damit, daß er leidend sei und seinen ersteren Plan nicht ausführen könne. Da befiehlt der Papst, dafür zu sorgen, daß jener wenigstens an einem Zuge gegen die heidnischen Preußen teilnähme, statt mit ihnen in friedliche und sie unterstützende Handelsbeziehungen zu treten^). Auch Kaufleute versuchen das päpstliche Gebot zu übertreten und führen Eisen, Salz und andere Bedürfnisse ihrer Nachbarn über die Grenze, Sie verfielen der Exkommunikation, von der sie sich in einem Falle durch Zahlung von 800 m. los kaufen durften®). — An der Grenze von Preußen und Livland, an der Memel, erhielten die Heiden trotzdem Waffen, Kleider, Salz und andere Bedürfnisse. Hier legte der Orden eine Burg an. Papst Innozens IV. unter- stützte ihn dabei, indem er den Predigermönchen, die für Preußen und Livland das Kreuz verkündigten, auftrug, die Pilger zur Hergabe von Ablaßspenden zu veranlassen; diese sollten dem Bau der Befestigung, sowie Preußen und Livland zugutekommen ‘^). Der Handel mit Salz erfuhr durch die Zollstationen eine recht erhebliche Erschwerung. Bereits 1238 versucht Herzog Wladislaw von Polen deshalb durch einen Vertrag mit dem Deutschen Orden, den zahlreichen Beschwerden abzuhelfen. Neben anderem erfahren wir aus ihm, daß in Gnesen und Posen die Kaufleute für jedes Wagenpferd 2 Scot bezahlen sollten, mit Ausnahme des Palles, daß sie Salz oder Heringe führen®). Vom Salze sollte für jede Last je ein gehäufter Scheffel hergegeben werden. 1243 wird ein ähnlicher Vertrag zwischen den Herzögen Primuzlaus und Bolezlaus und ihrer Mutter, der Herzogin von Polen, und dem Orden anderseits abgeschlossen. Nach ihm waren auf der Straße von Vladislav nach Gubin drei Zollstätten festgesetzt. Der Münzmeister und der Kastellan von Posen und Gnesen erhielten für jede Pferdelast ein gestrichenes Maß, „von denen drei gehäufte ein Weizenmaß füllen“®). Etwa aus gleicher Zeit, er. 1220 bis 1227, stammt eine Urkunde, in der Swantopolk, der Herr von Danzig, die Abgaben beim Schiffbruch und den Warenzoll für die Lübecker festsetzt, die in sein Land kommen. Beim Ein- laufen in den Hafen sollten größere Schiffe, die Salz geladen hätten, zwei Pfund (pundo od. punth) zahlen, kleinere nur eins"^). . 1) 14, 14; 2) 14, 17; 3) 14, 121 bis 123; 0 14, 428; 5) 14, 117; 6) 14, 326. 327; ■^) 19, 29. 30. 23 Als der Orden nach Preußen zog, ließ er sich von Kaiser Friedrich II. das Bergwerksrecht über das neue Land erteilen ^). Es geschah das in dem gleichen Sinne, wie es bei Fürsten des Reiches stets der Fall war. Es hat die Verleihung dieses Rechtes aus natürlichen Gründen keine Tatsachen ent- sprechende, weitere Bedeutung. Bereits in der Kulmischen Handfeste^) machte der Orden die' Auffindung von edlem und unedlem Metall sowie von Salz als sein Regal geltend. Seinem Beispiele folgen die Gebietiger und die Bischöfe in ländlichen Verschreibungen^). Seltener finden sich solche Angaben bei Gelegenheit der Erneuerung einer Handfeste^) oder einer Vereinbarung^). In all diesen alten preußischen Ur- kunden ist der Ton ein so sicherer, daß man glauben möchte, es handle sich um ganz bestimmte und bekannte Fundstellen des Kochsalzes. Diese Ausdrucks- weise ist auch zum Teil die Veranlassung dazu gewesen, irrtümlich berg- männischen Betrieb auf Kochsalz in Preußen anzunehmen. Hierzu konnte man um so eher kommen, als in andern Quellen hervorgehoben wird, wo es sich bei den aufgeführten Salzvorkommnissen nur um Möglichkeiten, bzw. Geschenke der Zukunft handelt. Ausdrücke wie „que nunc vel in posterum super terram aut sub terra poterunt inveniri“, „que super terram humano se representant conspectui aut qui percipiendi sub terra futuro tempore appare- bunt“, ,,fontes vel venas salis . . . que nunc est et in posterum apparebit‘‘ und ,,et quidquid . . inventum fuerit“, welche sich in den Dokumenten des Pommerellischen ürkundenbuches^) finden, mögen als Beleg dafür dienen, ln diesem Werke ist 11 mal von Salz schlechthin — davon zweimal in einer unechten Urkunde — die Rede, 5 mal von Salzquellen, 1 mal von mineralisch vorkommendem Salz und 10 mal von Salzadern: und doch kann man in jedem Fall herausfinden, ob tatsächlich vorhandene oder nur erwartete Fundstellen gemeint sind. Unter der Herrschaft des Deutschen Ordens unterschied man vorzugsweise 4 Salzsorten. An erster Stelle wird Lissabonisches und Baiensalz genannt. Ersteres holte man — besonders seit Anfang des 16. Jahrhunderts — aus Lissabon und von der spanischen Küste bei St. Lucas und SetubaU), letzteres aus der Baie herbei. Die „Baie^‘ ist eine kurze Bezeichnung für die südlich von der Loire-Mündung gelegene Baie von Bourgneuf, die in der hansischen Welt sehr wohl bekannt war. Man übertrug sie nach Arthur Agats weiter- hin auf den Hauptort Bourgneuf, sowie auf das Küstenland und die Niederung zwischen dem Meere und den umrahmenden Höhenrücken^). Hier landeten die Hansen und die Handelsvölker, um an Ort und Stelle oder in den benach- barten Binnenstädten ihre Einkäufe an diesem Naturprodukte zu decken^). An diesem Platz hatten die Flotten aller seefahrenden Mächte der Nordsee ihre Faktoreien, um gegen die Waren ihrer Heimat das berühmte grobkörnige 1) 9, 629; 2) 19a; 3) 14, n. 142. 198. 199. 200. 210. 211. 327. 426; q 14, ip 205. 206; 5) 14, n. 344; q 19 ; 7) 39, Nr. 14, S. 1; 8) 26a, 3. 4 q 26a, 22. 9 24 Salz einzutauschen, welches als beste Würze der Fische galt. Für den Salz- handel war ferner an der Westküste Frankreichs Brouage (Browase) von Wichtigkeit. Dieser Platz liegt südwestlich von Rochefort, etwa 2 km vom Meere entfernt. Besonders in späterer Zeit wurde er viel besucht und ver- mochte die Baie allmählich zu überflügeln^). Genannt wird ferner das Vlä- mische und das Travesalz. Das letztere wurde in den Lüneburgern, teilweise auch in den Oldesloer Salzwerken gewonnen und über Lübeck verschifft^). Durch die große Verbreitung des Baiensalzes geschah dem Lüneburger erheb- licher Abbruch. Der Handel mit ihm ging beständig zurück. Der Verkehr mit Flandern war in damaliger Zeit sehr groß; das ergibt sich bereits aus der Tatsache, daß der Orden dort seinen eigenen Lieger, d. h. dispositions- fähigen Bevollmächtigten in Handelsangelegenheiten, hatte ^). Die für die einzelnen Salzsorten angegebenen Preise schwanken sehr je nach den äußeren Verhältnissen, die durch historische Ereignisse, durch Epi- demien und Wetter bedingt waren. So trat 1427 als Folge einer Pest eine große Teuerung in Danzig von dem Umfange ein, daß „eine Last Roggen, auch Salz, 120 große Mark gegolten, welches bis dahin ein unerhörter Preis war“. Auch mit Anfang des Jahres 1428 kostete die Last Salz noch soviel, dann fiel der Preis auf 23 m. Henneberger begründet das dadurch, daß dann soviel Salz aus Lüneburg kam. Für 1443 wird die Tonne „klein Salz“ sogar nur mit 2 m. bezahlt. — Eine Reihe von Angaben dieser Art gibt F. S. Bock^) noch für die Jahre 1575, 1688, 1691 und 1742. Besondere Gefahren durch Feind und Wetter drohte der Baienflotte, die in die Hanse- städte der Ostsee zurückkehrte; deshalb war es immer ein freudiges Ereignis, wenn sie glücklich den Sund durchfahren hatte. Diese Ungleichheit in dem Salzpreise zeigt sich auch in der Zusammen- stellung, die T. Hirsch bringt^). Von den 43 Angaben für Lissabonisches und Baiensalz ist die niedrigste 3,25 m, die höchste 120 m im Zeitraum von 1399 bis 1458, wobei der Gesamt-Mittelwert 19,22 m beträgt. Für Pi 'eise bis 5 m werden 2 Werte, von > 5 55 10 55 55 1 55 n > 10 55 15 55 55 17 55 5? > 15 55 20 55 55 10 55 51 > 20 55 25 55 55 8 55 55 > 25 55 30 55 55 1 55 55 > 30 55 40 55 55 3 55 55 200 55 5» 1 „ gezählt, Der Mittelwert der Buchungen von ^ 10 bis 15 m beträgt 13,2 m (17 Angaben) „ > 15 „ 20 „ „ 16,5 „ (10 „ ) „ > 20 „ 25 „ „ 22,5 „ ( 8 „ ) 1) 26 a, 38. 39; 11, 258; 3) 22, XV; 0 3, 703. 704. 705. 718. 737. 741. 805; 5) 11, 258. 259. 10 25 / und damit das Gesamtmittel für diese 35 häufigeren Preisuotierungen (von 10 bis 25 m) 16.3 m. Das Emporschnellen und Abstürzen der Preise hat mit den Wertschwan- kungen der Mark im Laufe der Zeit so gut wie nichts zu tun, dafür sind diese zu klein. Von größerer Bedeutung ist die Entfernung der Verkaufs- stellen der einzelnen Salzarten von den Orten ihrer Erzeugung; doch auch an demselben Orte und in demselben Jahre, ja sogar gleichzeitig und an gleicher Stelle ist die Übereinstimmung in den Notierungen oft eine sehr geringe. Wenn in Danzig während der Pest im Jahre 1427 der Preis für Salz um 400 % stieg, so zeigen andere Jahre infolge der unregelmäßigen Zu- fuhr oder anderer bedeutender Ereignisse auch bedeutende Preisschwankungen, z. B. 1433: 52 1436: 61,25 1443: 200 %. Im Jahre 1458 ließ die Ankunft der Baienflotte den Salzpreis in Riga um 50 % sinken. — Baiensalz zeigt 1440, je nachdem es an Ort und Stelle oder in Zwin gekauft wurde, einen Unterschied im Preise von 83,33 %. Dabei ist erwähnenswert, daß die für seine Fracht gezahlten Summen beinahe die gleiche Größe hatten, wie der Wert der Last^). Für das Travensalz hat Hirsch ebenfalls eine Reihe von Werten für die Zeit von 1424 bis 1451 mitgeteilt. In dieser ist der kleinste 17,46 m, der größte 37 m, das Mittel für alle Werte 25,71 m. Für Preise von 15 bis 20 m sind 2 Daten, , >20 25 n 59 6 55 „ >25 30 w 95 2 95 „ > 30 35 95 2 95 „ > 35 w 40 n 2 „ aufgeführt, Der gebräuchlichste Preis beträgt im Mittel 21,97 m. Über die benach- barten Preise erheben sich 3 Maxima; das erste mit 37 m (1428) über die nächst früheren und späteren um ca. 83 das zweite mit 36 m und 34 m (1439. 1440) um 43 das dritte mit 32 m (1443) um 52 %. Auch die für Vlämisches Salz aufgeführten Kaufpreise zeigen nur geringe • • Übereinstimmung. Im Jahre 1408 wird 6 m, 1420 dagegen 11 m für die Last notiert. — Mit Beginn des Handels war Salz ein Frachtgut, das in jenen frühen Zeiten nur auf dem bequemen Wege der Flüsse und Ströme fortgeschafft werden konnte. Landstraßen im heutigen Sinne waren noch nicht vorhanden, und wo sie nach und nach angelegt wurden, tauchte mit ihnen der Straßenzoll auf, um den Preis des wertvollen Naturproduktes recht erheblich in die Höhe zu drücken. Von den Streitigkeiten, die aus diesem Grunde an vielen Orten entstehen mußten, war bereits die Rede. Doch auch der Wasserweg auf den Strömen bot seine Schwierigkeiten; er verlangte eine relative Sicherheit des umliegenden Landes, die sein Zustandekommen ermöglichte; andererseits war 1) 26 a, 37. 11 26 sie aber auch die Folge der Verbreitung des Salzes^). Auch auf diesen Wasserstraßen boten sich Schwierigkeiten durch das Inkrafttreten des sog. Niederlagsrechtes. Ein solches bestand für die Stadt Krakau. Über sie wurde aus Ungarn her hauptsächlich wohl Kupfer, Eisen und Blei nach Preußen geführt; schon 1306 erwarb sie von Herzog Wladislav von Krakau in bezug auf diese Waren das Eecht, sie aufzuhalten und auszustellen, wobei sie den Krakauer Bürgern zum Kaufe angeboten wurden. Ähnlich wie dieses Nieder* lagsrecht für die aus Ungarn und Neu Czandek kommenden Metalle galt^), wird auch ein willkürliches Recht über das Steinsalz gewaltet haben, das in dem nahen Wieliczka gebrochen wurde. Hier ging bereits in vorgeschicht- lichen Zeiten bergmännische Gewinnung um; später wurde das Bergwerk, im Jahre 1253, neu entdeckt. Da bereits im 13. Jahrhundert der Bergbau in Ungarn blühte^), ist wohl anzunehmen, daß Bergleute aus diesen Gegenden später als Instruktoren bei dem jungen Betrieb des Ordens in Preußen herbei- geholt wurden. Wie Krakau an der oberen Weichsel, hatte Breslau für den schlesischen Handel die Herrschaft an sich gerissen. Durch sein Stapelrecht drückte es schwer auf die nach Schlesien ziehenden preußischen Kaufleute. In Verbin- dung mit politischen Verwickelungen wuchs dadurch die Hemmung im gegen- seitigen kaufmännischen Verkehr derart an, daß er — wie es scheint — für längere Zeit vollständig ins Stocken geriet^). Eisen, Blei und vorzugsweise Kupfer gehören zu den wichtigsten Produkten, die über diese Stadt nordwärts bis nach Danzig gelangten; sie stammen fast ausnahmslos aus Krakau her, dessen Kaufleute den Bergbau in Ungarn selbst betrieben. Für diese Metalle war in den beiden Städten, über die sie ihren Weg nach Preußen nehmen mußten, eine unbequeme Störung für ihren Transport gegeben. Die gebotenen Verkehrswege benutzten nicht nur die Handelsleute mit Vorteil, auch Herzöge und Grafen und die christlichen Glaubensboten wußten sich ihrer zu bedienen. Die einen erhoben an den Ladeplätzen und Kreuzungs- plätzen ihre Zölle und setzten Beamte ein, welche die notwendige Aufsicht übten, die anderen folgten den Straßen mit ihren Lehren und Verboten, gründeten Kirchen und Klöster und verlangten dann ihren Anteil von dem Salzertrag ^). Auf der Notwendigkeit des Salzes für die Nahrung gründete sich ferner die Berechnung der Obrigkeiten, von den ältesten Zeiten an diesen Verbrauch mit einer Steuer zu belegen®). Aus den Geschäftsbüchern des Deutschen Ordens erfahren wir verhältnis- mäßig wenig über Ankäufe und Vertrieb von Salz. Die meisten Angaben enthält das Marienburger Treßlerbuch, keine das Konventsbuch. Das Ausgabe- buch des Marienburger Hauskomturs gibt nur wenige Daten. Für 1411 wird notiert: „Y2 salcz yn dem spicher czu rumen“, während 1415 und 1) 26, 3. 4; 2) 11^ 181; 3) 26b, 7. 9; 4) n, 182. 186; &) 26, 6; 6) 26, 8; ^) 36, S. 10, Z. 31. 32; S. 153, Z. 18. 19; S. 241, Z. 32. 33. 12 27 1416 von Salzfässern die Rede ist, einmal „7 scot. vor eyn nuwe salczfas czu machen von 9 pfund“, dann „8 sc. vor eyn salczvas off des meisters tisch“. Eine Erklärung für dieses Fehlen von Angaben über größere Einkäufe wird durch die Tatsache gegeben, daß der Erwerb des Ordens für viele Stoffe durch besondere Beamten besorgt wurde. In seinem Staate war der Orden selbst der bedeutendste Großkaufmann. Bei der großen Menge der eingehenden Naturalabgaben, die besonders in Getreide bestanden, und durch die reichen Funde von Bernstein an seinen Küsten wurde er auf einen ausgedehnten Handelsbetrieb hingewiesen. Die Hauptämter hierfür waren in Marienburg und Königsberg, und von diesen Zentralen aus dehnten sich die Beziehungen über ganz Europa. Die obersten Beamten waren die Großschäffer, und an fast allen bedeutenden Plätzen waren Bevollmächtigte tätig. Diese ganze Organisation tritt uns plötzlich 1360 fertig entgegen^). Der Großschäffer von Königsberg schaffte jedes Jahr große Mengen Bern- stein nach Lübeck und Brügge, und erhielt — besonders vom Lieger in Brügge — dafür große Quantitäten kaufmännischer Waren zurück, die er ver- treiben mußte. Neben verschiedenen Tuchsorten und Leinen wmrden ihm „flämisches Salz, Gewürze, Zucker, Kaneel, Ingwer, Feigen, Rosinen, Mandeln, Reis“ zugeschickt. Diese mußte er teilweise an den Konvent zu Königsberg zu dessen Unterhalt oder „Notdurft“ abliefern, zum großen Teil verkaufte er sie in kleinen Partien an die Kaufleute des Inlandes und des benachbarten Polens. So teilt Sattler in dem Rechnungsbuche der Großschäfferei Königs- berg von 1402 bis 1404 unter der Gesamtüberschrift „Dys ist des huses not- dorfft czu Konyngisbergh yn alle ampte des huses“ mit, daß dem Hauskomtur „12 leste Traben salczs by tunnen czal. Item 10 leste Ylomiscz salczs“ und dem Burnesteynmeyster „4 leste Vlomyschs salczs“ geliefert wurden^). Der Kleinhandel trieb unfehlbar dazu, den Verkehr nach Flandern zu steigern. Der Großschäffer kaufte deshalb in Preußen Gegenstände auf, die sich zur Ausfuhr dorthin eigneten, dann betrieb er aber auch den Zwischen- handel zwischen Flandern einerseits und Polen, Masovien, Livland und Ungarn andererseits. Der Marienburger Großschäffer hatte noch bedeutendere Handelsverbin- dungen. Diese erstreckten sich nicht nur nach Flandern, von wo er neben andern Waren auch Salz erhielt; auch in England und Schottland finden wir ständige Diener von ihm; in Bornholm und Schonen, in Spanien und Lissabon, in Bergen und Riga treffen wir auf seine Waren und Güter ^). Auch der Salzhandel war wahrscheinlich ein Monopol des Ordens. In den Städten findet sich nach Voigt keine Spur eines freien Handels mit diesem Artikel, andererseits plagen hier und da in den Magazinen der Ordens- häuser oft so bedeutende Quantitäten im Vorrat, daß daraus wohl auf einen ausschließlichen Handel damit zu schließen ist“. 1) 22, VIII; 2) 22, 167. 169. 171; 3) i7, 25L 252; 0 9^ gao. 13 28 Von Preußen aus verkaufte der Orden in Danzig Salz an Stockholmer Bürger. Irn Inlande kaufte der Großschäffer in Marienburg Weizen, Roggen, Mehl zum Zwecke der Ausfuhr und verkaufte dagegen Tuche verschiedener Art und neben anderen Nahrungs- und Gebrauchsartikeln auch Salz^). Nach Schottland und Riga vertrieb er es ebenfalls^). Die Hauptniederlagen für eingeführtes Salz befanden sich in Danzig®); besonders in den Handelsstädten Danzig, Elbing und Thorn waren größere Räumlichkeiten eingerichtet, die zum ünterbringen eingeführter Waren und zum Aufspeichern von Getreidevorräten dienten^). Bornholm und Schonen hatten damals durch den Heringsfang ihre Be- deutung. An ihm ließ der Orden durch Beauftragte teilnehmen; er sandte seine Knechte hin, vermittelte durch eigene Schuten den Verkehr mit Danzig und hatte an dieser Fischerei sicher erheblichen Gewinnanteil, wie die dort vorhandenen Buden, Heringsschauer, Tonnen und Gerätschaften andeuten ^). Der Bornholmer Hering hat 1404 einen Preis von 10 m. für die Last, der von Schonen in der Zeit von 1400 bis 1402 den Preis von TLg m. Die mit der Fischerei beauftragten Leute wurden von Preußen aus verpflegt, deshalb er- fahren wir, daß Mehl und Salz nach den Fangorten geschafft und dort aufbe- wahrt wird. Erwähnt mag werden, daß im Anfänge Heringe als Ausfuhr- gegenstände aus Preußen zur Ausfuhr gelangen, dann seit 1424 aber umge- kehrt aus Flandern nach Preußen eingeführt werden®). In Beziehung dazu steht vielleicht die Angabe von Luc. David, daß mit dem Jahre 1313 der weitbekannte Heringsfang an der Preußischen Ostseeküste allmählich aufgehört habe. Seit jener Zeit habe man hier nur noch schlechte Hohlheringe gefangen und noch bis ins 16. Jahrhundert eingesalzen und verkauft'^). Aus dieser Angabe, die von der Verwendung des Pökelns der Fische spricht, und den Angaben über Tonnen ist zu ersehen, daß ein großer Teil des Salzes, das von Preußen nach Bornholm und Schonen geschafft wurde, dort zum Ein- machen des Herings Verwendung fand. Hatte die Salzausfuhr Danzigs in den skandinavischen Reichen ein ergiebiges Absatzgebiet, so galt das namentlich für die beiden Heringsplätze im dänischen Schonen: Skanör und Falsterbo. Große Mengen Baiensalz wurden hier zum Salzen der erbeuteten Fische benötigt, und die Lüneburger Salzwerke waren allein nicht imstande, die erforderlichen Mengen davon zu liefern®). Über den Handel mit Salz zur Zeit des Deutschen Ordens gibt die Arbeit von C. Sattler Auskunft. Die in seinen „Handelsrechnungen“ gemachten Angaben sind der verschiedenartigsten Herkunft. Bald handeln sie von den Salzmengen, die auf dem Speicher lagern (S. 15, Z. 2. 3) oder von sonst vor- handenem Gut, z. B. auf Bornholm (S. 10, Z. 23 bis 25). Einige sprechen von Abgängen aus dem Danziger Speicher, z. B. an das Haus Danzig (S. 14, 1) 22, XVII. XVIII; 2) 17, 251. 252; 3) n, 258; 22, XIII; 5) 22, XVII; 6) 22, XXVI; 7) 3, 691; ») 26 a, 40. 14 29 Z. 31. 32; 67, Z. 16 bis 18 und 31. 32) oder von Lieferungen für des Hauses zu Königsberg Notdurft (S. 169 bis 171) oder an die Küche des Konvents (S. 59, Z. 35). Vielfach wird der Kaufpreis für die Lieferung direkt genannt (S. 4, Z. 10 ff.), andererseits findet man nur Angaben entweder über die gelieferte Menge oder über die entrichtete Summe. In Rechnung gezogen wurden von mir ferner die mit „tenetur“, „hat empfangen“ (S. 20, Z. 12 bis 14), „hat vorgestreckt erhalten“ und „aus dem Speicher genommen“ (S. 28, Z. 15 bis 18) geführten Angaben; desgleichen Anteile der Ladung von Schiffen (S. 96, Z. 6 bis 9), Verlust durch Schiff brnch (S. 269, Z. 7 bis 9) und alte (S. 85, Z. 23) sowie ungewisse (S. 266, Z. 28 bis 30) Schuld. Bei der Zusammenstellung der Werte wurde eine Umrechnung der gegebenen Daten notwendig. Als Einheit wurde für das Gewicht die Last, für den Preis die Preuß. Mark (m.) gewählt. Diese letzteren Angaben wurden dezimal aus- gedrückt, da sie in den vorliegenden Rechnungen teils durch Addition der minderen Werteinheiten zur Mark, teils durch Subtraktion von ihr zum Aus- druck gebracht sind. Bei der Zusammenstellung der Gewichte wurde 1 Last zu 16 Tonnen (S. 59, Z. 35; S. 67, Z. 27) gesetzt; Schwierigkeiten stellten sich dagegen ein, wo von Pfund ohne weitere Angaben oder von der Maß die Rede ist. Diese Werte sind nur gering, Fehler durch sie deshalb verschwindend klein. Bemerkenswerter sind die Irrtümer, welche durch die Verwandlung der Flan- drischen Pfund Grote in Mark entstanden. Je nach den Jahren wechselt der Verhältnis wert zwischen beiden Münzsorten erheblich; für manche fehlen genauere Angaben ganz (S. XXXIX). Man ist in diesen Fällen auf Interpolation zwischen den gegebenen Werten angewiesen. Manchmal sind die letzteren aber so fern- liegend, daß eine genügende Genauigkeit ausgeschlossen erscheint. In solchen Fällen wurde von den möglichen Werten der kleinste gewählt. Unangenehm waren kombinierte Daten, z. B. solche, bei denen die Wert- angaben für Salz und Holz (S. 88, Z. 19. 20) zusammengefaßt werden; sie mußten fortgelassen werden. In einigen Fällen versteht sich der Preis auf die bloße Ware (S. 33, Z. 30, 31); daneben finden sich Angaben, nach denen der Preis für das Salz faßweise m i t dem umschließenden Holz aufgeführt wird. Wo eine Handhabe für die Umrechnung geboten war, wurde sie be- nutzt, so daß in möglichst allen Fällen nur das Netto-Gewicht in Rechnung gezogen ist. Ebenso liegt die Sache, je nachdem der bloße Preis oder der Preis „myt allem ungelde^^ (S. 148, Z. 9) aufgeführt wird. Auch die Angaben für Fracht sind in gleicher Weise nicht immer klar durchsichtig. Hinzukommen hier und dort Rechenfehler in der Buchführung, andererseits Wertbemessungen, die auf unkontrollierbare Verhältniswerte zurückzuführen scheinen. Diese machen sich freilich nur in untergeordneter Weise bemerkbar. Da ferner stellenweise nur das Gewicht oder nur der Preis angegeben sind, mußten hier, um das Gesamtbild einigermaßen vollständig wiederzugeben, auf rechnerischem Wege Ergänzungen beschafft werden. 15 30 Aus festen gegebenen Daten wurden für die einzelnen Jahre die folgenden Werte gefunden: Jahr 1399 1400 1404 1410 1411 1417 1423 1428 Mittelwert pro Last in m 10,67 9,42 9,71 5,17 13- 7,84 9,08 9,19 Größter Wert in m. . 10,67 12,50 13- 6,50 13,- 12- 11- 9,73 Kleinster Wert in m. 10,67 7,75 6,5 3,75 13,- 6,50 8,- 8,64 Zahl der Einzelwerte 1 3 ’ 23 3 1 7 3 2 Nur für die Jahre 1404 und 1417 liegt eine größere »Zahl von Einzel- angaben vor, so daß, von den gewonnenen Mittelwerten mit einiger Sicherheit ausgehend, aus den Gewichten die zugehörigen Preise einerseits, aus den Preisen andererseits die Gewichte ermittelt werden konnten. Hiernach werden im Jahre 1404 : 236,64 Last Salz für 2026,40 m. und „ „ 1417: 161,32 „ „ „ 1241,57 m. erwähnt. Dabei verteilt sich die Salzmenge nach folgendem Verhältnis: Flämisches Salz Salz Travesalz 1414 nach Last: 111,11 90,74 34,79 3,19 2,61 1 ^ 38 31 12 nach Wert: 897,45 768,12 360,83 2,49 2,13 1 30 26 12 1417 nach Last: 127,50 33,82 — 3,77 1 nach W ert : 987,00 254,57 3,88 1 Demnach kommen für das Jahr 1414 das gewöhnliche und das Flämische Salz fast in gleicher Menge zur Erwähnung, während das Travesalz nur den 2^2* Teil von jedem von ihnen ausmacht. Für 1417 überwiegt das Flämische Salz das gewöhnliche rund um das 4 fache. Um einen ungefähren Überblick über sämtliche gemachten Angaben zu bekommen, wurde aus den für die Zeit von 1399 bis 1428 gemachten Angaben das Mittel berechnet. Es ergibt sich zu 9,1 m. für die Last. Daraus läßt sich für die während jener Zeit in den Handelsrechnungen gemachten Angaben folgende Verteilung ermitteln, welche die einzelnen Salzsorten in reellen Werten und prozentualem Ausdruck betrifft: 16 31 Menge in Last Preis in m. Yerhältn Last is nach: Wert Flämisches Salz . . 265,94 2027,18 (75,98) 76 (110,29) 110 Salz 158,57 1304,77 (45,31) 45 (70,99) 71 Travesalz .... 66,21 703,33 (18,91) ,19 (38,27) 38 Baiensalz .... 57,50 378,99 (16,43) 16 (20,62) 21 Lissaboner Salz . 3,50 18,38 1 1 Überraschend klein ist der Preis für die Last Lissaboner Salz. Falls die Angabe S. 9, Z. 36 bis S. 10, Z. 3 sich wirklich nur auf Frachtgeld be- zieht (zu 4 m. pro Last), ist wohl zu verstehen, weshalb der Bezug dieser Art Salz nur geringfügig ist. Das Frachtgeld wäre dann höher als der Wert der bezogenen Ware. Abgesehen von der gefahrvollen, weiten Fahrt durch fremde Meere, würde man für die gesamten Unkosten auch im Laude selbst gutes Salz haben beziehen können. Die beigegebene Tabelle gibt die Preise für die einzelnen Jahre und Salz- arten nach den „Handelsrechnungen“ an. Bei der Betrachtung dieser nieder- gelegten Resultate ist noch hervorzuheben: Beim Kauf fanden Abrundungen statt; die vorliegenden Notizen sind meist ohne „üngeld“, vielfach aber mit solchem gemeint; doch ist das letztere nicht immer zu ersehen. Ferner: Für Teile einer Last wird meist entsprechend mehr wie für die ganze gezahlt, während bei größeren Einkäufen eine Preisermäßigung stattfindet. — Werte, die in dieser oder jener Hinsicht abzuweichen scheinen, sind in Klammern gesetzt. Diesem großen Umsatz von Salz zur Ordenszeit gegenüber ist das, was wir über das Vorkommen dieses Produktes in Preußen selbst erfahren, nur gering. Bock*) hat eine Reihe von Angaben aus älterer und jüngerer Zeit zusammengestellt; er hebt hervor, daß Helwing an manchen Orten gesalzenes Wasser entdeckt haben wollte und daß zu dessen Zeit im Taplackschen Amte eine Salzader bekannt gewesen sei; wegen des häufig zugeflossenen Wassers hätte diese freilich die Kosten des Salzsiedeus nicht eingebracht. Dann nennt er Groß Ponnau im salauischen Amte. Kr. Wehlau. Eine Probe von dem dort gewonnenen Salze wurde zu seiner Zeit noch auf bewahrt. Ferner erwähnt er nach Hartmann einen salzigen Brunnen zu Gilgenburg und andere in Heiligenbeil, sowie einen in Liebstadt, ferner drei Meilen von Thorn im Dorfe Sulgsk einen kleinen See und einige Brunnen auf dem Stolzenberge bei Danzig, von denen „einige ein salziges Seewasser haben, da doch die Fläche dieses Berges gegen die Fläche der nahen Ostsee nahe an tausend Fuß höher ist“. 1) 4, 103. 104. 106 bis 108; 37, 488. 17 Angaben über Werte in m. für die einzelnen Salzsorten. 32 00 CM CO CM CO c Ir- t-H S) r-^ cS 00 o T— I o t- t— GO Oi O (M R Sn R ^ S tH (M 1—1 t— tH o o CO cö S CT5 05 CO CO OD a> O OQ :c3 CO CM «CD ir- t- t- g c ft J5 R CD £ t- 05 CO cö CM o N CO c3 £ CO tH CO ^ 1 ,__l 1 cä CO eo lO CM CM 03 03 ^ no 0S15 c3 ^ bß !'sö N OQ 03 t> cS Rh H (M & 03 ^ bß CO £ N GO I 03 *£ pq hH ICO N GO Rh 03 O hO o3 OQ CQ 05 05 m • pH ^ o GO S c6 05*' c- o m ^ o o ^ CM CO 1— ( CO CO i£ S .iai .£ ®l C3 E3 fi 03 03 j-i a P-i 03 a -03 -g ^ 03 Rh »pH 03 ’XS ’TO a a Ü5 P5 ^ pq w 03 w M m o &q P5 H O 18 33 — Die Notiz, das gesalzene Wasser vom Brunnen am Rathause in Liebstadt sei von vielen als niederschlagendes Mittel angewendet worden, weist darauf hin, daß nicht in allen Fällen tatsächlich „lötiges Wasser“ vorliegt. Das Gleiche wird unzweifelhaft auch von dem A^orkommen auf dem Stolzenberge gelten. — ^ Wo Abfälle menschlicher Siedelungen hingelangen, reichert sich der Boden mit Chloriden an. Diese geben Veranlassung zum Auftreten der Ruderalflora, die vielfach mit den Halophyten zusammengeworfen und für gleich- wertig mit diesen gehalten wurde. Wo Abfälle lagern, tritt Fäulnis und Gährung ein, und die dabei freiwerdenden Gase wirken lösend auf die Bestand- teile des Bodens ein, die von dem Regen fortgeführt und dem Brunnenwasser beigemischt werden. Wird dieses später versotten, so scheiden sich die ge- lösten Teilchen wieder aus, und der eigentümliche Geschmack der gleichzeitig konzentrierteren Chloride mag dann Gelegenheit bieten, bei flüchtiger Unter- suchung voreilige Schlüsse zu ziehen. Außer bei Thorn sind Salzquellen bei Prawdzisken^), Kr. Lyck, erbohrt; ferner sind in der marinen oberen Kreide Wasserhorizonte bekannt, die im Memeldelta und bei Tilsit artesisches Wasser mit etwa 0,3 % Chlornatrium führen^). Schumann berichtet über die Bohrungen, welche man in den Jahren 1848 bis 1851 im Brückenkopf von Thorn vornahm. Dabei drang man 137,5 m in die Tiefe, wobei der Horizont des Brunnens 11,3 m über dem niedrigsten Wasserstande der Weichsel, d. h. etwa 43,3 m über dem Spiegel der Ostsee, lag. Es wurden 5 Quellen angetroffen, die nach der angestellten Analyse Natron, Tonerde, Kalk, Magnesia und Kleesäure (! ?) enthielten^). Wunder- barerweise werden keine Angaben über weitere Säuren gemacht, welche unter Bildung von Salzen, durch die aufgeführten Basen gebunden wurden. Denn Säuren mußten doch vorhanden sein, um Tonerde, Kalk und Magnesia in ge- löster Form dem Brunnenwasser zuzuführen. Desgleichen fehlen Angaben über den Gehalt der Quellen an Kochsalz. Dagegen gibt Nowicki genauere Werte für das Qiiellwasser bei dem Dorfe Czernewitz, Kr. Thorn, das neben Kochsalz: Magnesia, Kalk, Schwefelsäure und Kohlensäure enthielt. Beim Ein- dunsten blieben 0,42 % feste Substanz zurück. Eine weitere Quelle, auf die man zu Altendorf bei Christburg, Kr. Stuhm, in einem Keller stieß, zeigte sich zu verschiedenen Zeiten mehr oder weniger salzhaltig. In einem Falle wurde dieser Gehalt quantitativ bestimmt; er betrug 0,36 X""). Weitere Salzquellen von ähnlichem geringen Gehalt sind für Westpreußen von Tiegenhof im Weichseldelta und von Schwetz bekannt geworden^), für Ostpreußen vorzugsweise von Ponnau, Insterburg, Tilsit und Wehlau Wiederholt ist die Quelle von Gr. Ponnau untersucht worden. Der Obrist- Leutnant und Oberingenieur Heinrich Steutner machte im Jahre 1692 Vor- schläge über die Benutzung der Eisenerze in Kiauten, Kr. Goldap, und Mischen, 1) 15, 73. 74; 2) 37^ 490; 3) 13^ 137. 138; 4) p), 393. 394; 5) 12, iGO ; 0 37, 491; 0 34, 230. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 2, 19 3 34 Kr. Fiscbhausen, und erwähnte zu gleicher Zeit die Salzbrunnen im Dorfe Ponnau. Auf seine Anregung wurden diese einer genaueren Prüfung unter- zogen und in der Tiefe von 20 bis 23,3 m aus einer hervorbrechenden Quelle Proben entnommen. Das Wasser enthielt hier in einer Tonne 4 Stof Salz^). Unter der Voraussetzung, daß diese Tonne eine ßiertonne gewesen sei, be- rechnet Schultz daraus einen Gehalt von 3,76 % Salz; unter der Annahme, daß die Tonne dem heutigen Handelsgewicht in Deutschland t = 1000 kg entsprach, wäre der Salzgehalt 0,40 % gewesen. Hierbei handelt es sich freilich um willkürliche Annahmen, denn der Wert einer Tonne war schon in früheren Zeiten ein recht schwankender. So betrug er zur Ordenszeit unter der Be- zeichnung Faß bald ein Fuder (Yg Last), bald ein Oxhoft (Vs Last) und in anderen Fällen wieder ein anderes Maß^* Die erste chemische Untersuchung dieser Quelle stammt von Hagen Y aus dem Jahre 1764. Da er den Gang seiner Arbeit genau angibt, läßt sich nachweisen, daß er 0,46 % feste Substanz — vorzugsweise Kochsalz — und 0,33 % basisches Kalziumkarbonat in der Probe fand; die Chlorite und Sulfate sind bei dem Eindichten der Flüssigkeit mit "dem Chlornatrium zusammen bestimmt. — 1787 will Kern das Wasser der Hauptquelle lYglötig, d. h. rund 4,7 das der anderen Yr und V2lötig gefunden haben Y- Diese auffallend hohen Werte erklären sich durch die Ungenauigkeit der damals angewandten Methode; auch Verunreinigungen dürften eine Rolle bei dieser Bestimmung gespielt haben. — 1808 nahm der Sohn des oben genannten Hagen eine aber- malige Analyse vorY* Danach enthielten die beiden Brunnen, die dem Dorfe zunächst liegen, ein Wasser vom spez. Gewicht 1,002 und nach Abzug des in ihnen enthaltenen Chlorkalziums 0,35 % Kochsalz. Dem Hauptbrunnen wurden 2 Proben aus seinem oberen und unteren Teile entnommen; sie hatten das spez. Gew. 1,005 und enthielten 0,42 % reines Küchensalz. An solche Untersuchungen knüpften sich natürlich Betrachtungen, ob das Wasser die Kosten des Gradierens und Siedens belohne. Da es nur ca. 0,4 bis 0,5 % Salz enthielt, war das nicht zu erwarten, da die auswärts verarbeiteten Solen einen höheren Prozentsatz davon enthielten. Doch meinte man, daß man dieses Wasser reichhaltiger machen könne, wenn man den Brunnen bis auf 100 Fuß (33,3 m) und mehr aufräume und alle Zuflüsse des süßen Wassers verstopfe Y- Heinrich Steutner (1692) gab an, daß jeder der 3 Brunnen in Ponnau etwa 5 m im Quadrat Öffnung gehabt habe und mit Holz verschalt wai'Y* Wie Hagen 1764 mitteilt, befand sich der Brunnen auf einem abgetragenen Berg, hatte eine Tiefe von 7 bis 8 Klaftern (13 3 m bis 15,2 m) und enthielt zu allen Jahreszeiten reichlich ein gleichhaltiges, salziges Wasser. Wie er erfuhr, waren vor Jahren in dem Dorfe 3 Brunnen, von denen einer ein bitter schmeckendes Wasser enthalten haben sollte. „Es ist aber nach der Zeit so- wol diese Quelle wie die andern versieget, so daß an diesem Orte jetzo nur 1) 6, 244; 2) 11^ 961- 3) 4,104. 105; 9 6, 245. 246; 9 6, 248; 6) 6, 249; ?) 6, 244- 20 35 eine einzige Salzquelle übrig ist“^). Sein Sohn fand die beiden dem Dorfe zunächst gelegenen Brunnen 1808 bereits ganz verfallen; sie waren teilweise mit Schlamm gefüllt. Der Hauptbrunnen lag vom Dorfe am weitesten ab, war mit Planken eingefaßt und hatte eine Öffnung von etwa 3,3 m im Quadrat bei 8,3 m Tiefe. In seinem unteren Teile enthielt er Schlamm und Steine; der Geschmack seines Wassers war etwas salzig^). Im Jahre 1857 bis 1859 wurde an dieser Stelle gebohrt. Man ging bis 77,6 m in die Tiefe, konnte jedoch das Diluvium nicht durchdringen und erhielt ein Wasser von etwa gleichem Salzgehalt wie in den oberen Schichten, nämlich von etwa 0,5 Die arme Quelle ist trotzdem seiner Zeit zur Yerarbeitung herangezogen worden. Mit Anfang des 15. Jahrhunderts wandte der Deutsche Orden ihr sein Interesse zu und konnte aus ihr ansehnliche Mengen von Kochsalz ge- winnen. Es läßt sich fragen, weshalb er nicht lieber das Wasser der Ostsee in Arbeit genommen hat, da dieses doch einen viel höheren Gehalt an Salz aufweist. — Die Unterschiede im Salzgehalte der offenen Meeresflächen schwanken bei den Weltmeeren zwischen 3,2 und 3,8 %. Die Nordsee hat eine breite Zugangsöffnung zum Atlantischen Ozean und ihr Wasser für ihre mittleren Teile einen Gehalt, der oft bis über 3,5 % ansteigt. Dieser sinkt im Skagerrak und Kattegatt bis auf 3 dann fällt er infolge der Zuflüsse in dem abge- schlossenen Becken der Ostsee immer mehr, je weiter man sich von den engen dänischen Sunden entfernt. Bei Rügen beträgt er nur 0,7 bis 0,8 %, am Ein- gang des Bottnischen Busens 0,4 und in seinem nördlichen Teil, nahe bei Haparanda (0,15 %) wird zur Zeit der Schneeschmelze sogar trinkbares, süßes Wasser gefunden. Trotz der nahen Weichselmündung beträgt er im Jahres- mittel für das Oberflächenwasser vor Neufahrwasser etwa 0,5 in der Tiefe sogar mehr, während das freie Wasser dicht vor Heia auf Grund von Prüfungen in 22 Beobachtungsjahren einen konstanten Gehalt von 0,72 aufweist, und für das Tiefenwasser in der Danziger Bucht im Mai 1903 sogar ein Gehalt von 1.31^ festgestellt wurde ^). Für das Wasser der Haffe gelten ähnliche Werte. Man überging diese natürliche Quelle für Kochsalzgewinnung, trotzdem sie reicher war wie die Brunnen von Ponnau, weil die Beamten des Ordens nicht wußten, wie sie die unangenehm schmeckenden Bestandteile aus ihm entfernen sollten. Sie hatten von der Salzgewinnung in andern Ländern gehört und wußten am besten Bescheid mit der Methode, wie man in deutschen Landen und den benachbarten Gebieten durch Bergbau oder mit Hilfe von Salinen sich in den Besitz dieses wertvollen Nahrungsmittels zu setzen vermochte. Das Marienburger Treßlerbuch der Jahre 1399 — 1409 gibt über diesen Zeitraum eine Reihe bemerkenswerter Angaben, unter anderen auch solche, die sich auf die Salzquelle in Ponnau beziehen. Unter den Notizen finden sich zwei über Salzsteine, „dy man vor dy pferd legen sali“. In einem Falle bringt man solche dem Meister zum Geschenk 1) 4, 104; 2) 0, 247; 3) 18, 60; 0 28, 15. 16. 21 3* 36 und erhält dafür eine Gabe von Y2 (0,125 m.), im andern schaffen „Schiff- kinder“ drei davon nebst Gold und Silber auf das Haus von Marienburg (S. 126, Z. 23. 24, S. 354, Z. 41 bis S. 355, Z. 2). Gewöhnliches Salz und Salz ohne genauere Bezeichnung wird öfter erwähnt. Sein Preis schwankt erheblich. Er ist am höchsten im Jahre 1407, zu dem es langsam steigt, um später wieder zu sinken. 1400 kostet die Last 7,04 m 1401 » II • • . 9,56 1406 » 10,67 12 m. 1 1407 M » 11 ” im Mittel 11,67 12 6 ” 1 1408 » » 10 .. } im Mittel 8,- Erwähnt wird ferner „Bay“-Salz, die Last zu 3,25 m. (1408), und Flämisches Salz, die Last zu 6 m. (1408). Auch diese beiden Salzsorten haben um 1408 also einen verhältnismäßig geringen Preis, der wahrscheinlich nur für das bloße Material am Orte des Verkaufs gilt. Die erstandene Ware wird in Tonnen gefüllt, welche ihrerseits lastweise gekauft werden. 1400 kostet 1 Last Tonnen 0,417 m. (S. 84, Z. 12), 1406 » 0,375 „ (S. 398, Z. 29), \ 5) 0,375 „ (S. 394, Z. 15), 1408 » » » 0,333 „ (S. 501, Z. 67). 1400 wird für die Last Salz 1,40 Last Tonnen gebraucht (S. 84, Z. 10 bis 12), 1406 „ „ „ „ „ 1,67 „ „ „ (S. 394, Z. 14. 15), 1408 » „ „ „ „ 3,83 „ „ „ (S. 501, Z. 5 bis 7). Das starke Anwachsen des Preises für die Last Tonnen läßt die Ver- mutung aufkommen, daß diese Gefäße für das Jahr 1408 kleiner als sonst sind, deshalb mehr Holz gebrauchen und dadurch verhältnismäßig schwer waren, oder daß sie vielleicht massiver gearbeitet wurden. Noch leichter würde sich diese Preissteigerung durch die Annahme erklären lassen, daß die Menge der angekauften 46 Lasten Tonnen nicht nur für die erwähnten 12 Lasten Salz aufgebraucht, daß ein Teil davon vielmehr noch für späteren Bedarf zurück- gehalten wurde. Das Einfüllen des Salzes in die Tonnen wird in einem Falle (S. 84, Z. 7 bis 14) für die Last mit 0,067 m. (1400) bezahlt, sonst findet sich diese Angabe gleichzeitig mit anderen zusammen. So ist einmal für Wägen, Betonnen und Schiffen pro Last 0,167 m. notiert (1406), ein anderes mal 0,417 m. (1408). Weitere Unkosten sind solche für das Tragen, für die Fahrt auf den Speicher und für Fracht. Von Danzig bis Marienburg beträgt die letztere für jede Last 0,208 m. (1408). Im Jahre 1399 wird für die Last Salz mit Tonne 8 m. gezahlt. Die Unkosten für das Füllen des Salzes auf Fässer lassen sich’ er- mitteln. Sie betragen je nachdem 10,62 % bis 28,25 % von dem Werte des Salzes. 22 37 Die Erbeutung des Salzes im Ordensstaate beginnt 1399 mit der Tätig- keit eines Boten von Halle: „her sal salzwerk im lande suchen“ (S. 36, Z. 35. 36). Dann wird 1400 und 1401 ein Knecht erwähnt, „der do salzwerk im lande hat gesuchet“ (S. 65, Z. 30 bis 32 und S. 108, Z. 36. 37). Der* Bote erhält 1 m. für Zehrung, der zweite jedesmal etwa 673 m., ihm wurden auch 10 Ungarische Gulden (etwa 5 m.) gereicht, damit er einen Sachverstän- digen herbeischaffe, „der vor das salzwerk sal raten“ (S. 108, Z. 39 bis S. 109, Z. 1). Der Salzmann, welcher 1401 wiederholt erwähnt wird (S. 119, Z. 10. 11, sowie S. 120, Z. 25. 26) und mittels verschieden großer Beträge abgelohnt wird, ist mit ihm zweifellos identisch. Außer von ihm wird dann von Salz- leuten in größerer Zahl berichtet, als sie aus ihrer Heimat nach Preußen kommen. In der ersten Zeit des Betriebes sind verhältnismäßig genaue Angaben über sie und ihre Reise aufgeführt. Später sind die Notizen allgemeiner. Größere Summen, die „uf rechenschaft“ (S. 236, Z. 4 bis 8) gegeben oder als fertiges Resultat aus vorliegenden Abrechnungen (S. 397, Z. 29 bis 33) der Einfachheit wegen übernommen werden, lassen Einzelheiten nicht mehr hervor- treten. In einem Falle wird der Witing Niclus (Niccze) Meiner damit beauf- tragt, eine größere Summe der Verwaltung des Salzwerks zu überbringen, nämlich 200 m. im Jahre 1404 (S. 290, Z. 7. 8). Witinge waren preußische Eingeborene, die sich in bedrängten Zeiten dem Orden treu erwiesen hatten. Sie wurden als Ordensdiener mit Vorliebe zu solchen Botendiensten verwendet, die Treue, Gewissenhaftigkeit und Pünktlichkeit verlangten. In ihr neues Arbeitsbereich werden die Arbeiter und ihre Ehefrauen auf einem Wagen mit vier Pferden von dem Bürger Samuel von Thorn-Neustadt geschafft; er selbst begleitet als Reiter das Gefährt. An größeren Orten, besonders in Wien und in Marienburg, wird zur Abwickelung der wichtigsten Geschäfte längere Zeit gerastet. Die Leute werden in einer Herberge unter- gebracht und bei der Fortsetzung der Fahrt durch Zahlung von Kost und Unterkunft „gelöst“. — Zum Herbst kommt der Betrieb der Salzwerke zum Stehen, und die Arbeiter kehren in ihre Heimat zurück am Tage Michaelis (S. 122, Z. 5. 6). Der Hochmeister läßt sie kleiden und ihnen gelegentlich sogar (1401) ein reichliches Trinkgeld von 60 Ungarischen Gulden (etwa 30 m.) reichen (S. 110, Z. 21. 22). Unter den Leuten, die auf dem Salzwerk arbeiten, wird 1402 ein Salz- knecht erwähnt, dem 6 Ungarische Gulden, 1 Schock Böhmischer Groschen und 72 Dl. preußischer Währung, zusammen etwa 5,125 m., ausgehändigt werden (S. 187, Z. 21 bis 23). An anderer Stelle wird ein Salzknecht von Hallin, d. i. wahrscheinlich Hallein (!) erwähnt; man reicht ihm 1 fird. (S. 304, Z. 6. 7). Hannus von Hallen wird auch als Bote ausgesandt, um im Frühling 1404 mit Wiederaufnahme der Arbeit in den Salzwerken „gesinde her in das land“ zu holen (S. 304, Z. 7 bis 9). Es ist micht ersichtlich, ob er der Salzmann ist, der 1402 von Llalle (!) kam und zu Meister Bode auf das Salzwerk zog 23 38 (S. 187, Z. 11. 12). Der ähnliclie Klang der beiden Ortsnamen von gleicher Stammbildung läßt eine weitere Aufklärung nicht zu. 12 Knechten auf dem Salzwerk wird im Juli 1403 „10 m. an 1 fird.“ (9,75 m.) gegeben. Aus der Zahl dieser Personen und der unmittelbar darauf folgenden Angabe: „item 3Y2 m. dren knechten gegeben, die meister Bote mit ym besunder nam of die erbeit“^ (S. 258, Z. 17 bis 19) ergibt sich, daß zeit- weise wenigstens 15 Knechte in dem gesamten Salzwerk beschäftigt waren. ■ — Die oben erwähnten Salzkuechte dürften vielleicht Leute sein, die mit der Arbeit vertraut und aus der Fremde herbeigeholt waren, während die andern Arbeitsleute aus Preußen selbst stammten. Die Geschichte der planmäßigen Ausbeutung des preußischen Bodens auf Salz beginnt mit dem Absuchen des Geländes, dem Urteil der Sachverstän- digen und dem Herbeiholen von Leuten aus Gegenden, in denen man mit der Ausnutzung von Salzquellen vertraut ist. Die in Angriff genommenen Brunnen von Gr. Ponnau befanden sich an einem Anberge und mußten vor süßem Wasser geschützt werden, das ein niedergehender Platzregen ihnen zuführen konnte. Deshalb wurde ein tiefer Graben um sie angelegt; dieser war noch 1692 zu erkennen Y- Weiter waren zum Beginn des Betriebes notwendig Einrichtungen zum Sieden und Darren. Die Quelle mußte vertieft, geleitet und ausgekleidet, die Sole gehoben werden^). Ferner war für Feuerung zu sorgen; das Material dazu konnte anfangs aus der Nähe geholt werden, später wurde ein immer weiterer Weg notwendig, um es in hinreichender Menge herbeizuführen. Über den Einzug der ersten herbeigeholten Salzleute berichtet das Treßler- buch für das Jahr 1401: „Salzwerk, item 10 m. den salzluthen geben am frytage nach ostern ; das gelt entpfing Samuel zu Thoran; dy salzluthe synt von Osterrich körnen, item 26 guldin Samueli zerunge nach dem salzwerg, als her reyt keyn Obirhaln^) 4 wochen, unde 7 guldin dem knechte zerunge, den her sante ken Halnstetynü nach dem amptmanne, und 6 guldin dem amptmanne geschanket, das her schickete gewisse luthe. item do dy salzluthe mit dem amptmanne körnen ken Wynen, do verzerten sy 15 guldin in eylf tagen e denne sy der herzuge wertige^), item zo koufte [her] 4 pferd unde eynen wayn vor 5272 guldin ungerisch golt und gab eyme knechte, der sy us und in furte, 4 guldin. item 20 guldin den salzluthen geben und yren wyben ouch zu zerunge. item 272 ra* und 2 scot prusch, dy her obir dy 10 m. vorzert hatte, dy wir ym vor hatten geben, item 20 m. zu cleyden dy salzluthe und 20 m. zerunge Widder heym. item 60 ungerische guldin, dy in der meister gab zu vortrynken. 1) 6, 224; 2) 26, 69. 70. 3) Wohl Oberkail in Steiermark (Aiim. des Heransgebero). Wohl Hallstadt bei Ischl (Anin. des HSrausgebers). 0 „Soll wohl heißen: abferiigte“ (Anm. des Herausgebers). 24 39 oucli zo vorzerte ich von Wynen bis ken Thoran guldin; das gelt berechente uns Samuel am donrstage vor pfingisten.“ (S. 110, Z. 8 bis 24.) Die herbeigebolten Leute beginnen mit den Arbeiten, und bereits im Jahre darauf (1402) trifft auch der technische Leiter, Meister Bode (Bote, Bothe), und der bereits genannte Samuel auf den Werken ein. Als sie ,,zum irsten“ dorthin reisen, erhalten sie 30 m. ,,zu zerunge‘‘ (S. 187, Z. 7 bis 9). Im nächsten Jahre (1403) zieht auch der Ordensherr Niccze von Belicz dorthin. Man rüstet ihn mit 2 guten Pferden aus, als er abreitet; die Tiere kosten zusammen 12,25 m. (S. 268, Z. 9 bis 11). Als Zehrgeld erhält er 60 m. (S. 236, Z. 15 bis 17). Mit Meister Bode setzt eine geregelte Arbeit auf den Salzwerken ein. Er ist Leiter und Ingenieur und wird kurz als ,,Salzmacher‘^ (S. 352, Z. 18. 19) bezeichnet. Im Jahre 1404 erhält er für die Zeit von Fastnacht bis Pfingsten einen Wochenlohn von 28 m., für die Woche also 2 m. (S. 304, Z. 11 bis 13). In Verbindung mit dem Salz werk wird er 1406 zum letzten Male genannt (S. 382, Z. 23). Es schließt das jedoch nicht aus, daß er noch im nächsten Jahre tätig ist, da die Zahlungen von Gehalt und die Rückerstattung von Auslagen, von Löhnen und für Ankäufe auch durch Verrechnung durch den Bevollmächtigten des Ordens an ihn geleistet werden konnten. Im Jahre 1408 wird dann der Salzsieder Kunrad vom Berge (S. 495, Z. 31. 32) erwähnt, der wahrscheinlich an Bodes Stelle tritt. Unter ihm wird auf dem Salzwerk zu Gr. Ponnau für 34,31 m. Salz gesotten (S. 504, Z. 37. 38). — In Un- gnade beim Hochmeister — wie Voigt meint — scheint Bode nicht gefallen zu sein, da der Orden seine Dienste noch weiter verwendet. 1408 (S. 504, Z. 6. 7) und 1409 (S. 584, Z. 13. 14) wird er noch im Treßlerbuch genannt. — Nach Johannes Voigt '^) trat Konrad vom Berge 1408 an die Stelle des Ordensbruders Heinrich Holt. Ich vermag dieser Auffassung nicht beizu- pflichten; blieb dieser doch beim Salzwerk, bis die Arbeiten endgültig auf ihm eingestellt wurden. Außerdem scheint seine Stellung keine hervorragende gewesen zu sein. So reicht man ihm am 13. Juli 1408 5 m., d. ln an dem- selben Tage, an dem man auch dem Diener des Marschalls Michel von Hoeii- steyne 4 m. giebt (S. 495, Z. 29 bis 32; vergl. S. 491, Z. 1. 2). Beide Aus- zahlungen werden nacheinander gebucht, die letztere zuerst, wobei der Keller- meister die Anweisung zur Zahlung gibt. Bereits mit dem Jahre 1402 ist von Zimmerwerk die Rede, es wird 3^0 m. für ^/2 Schock ,,zymmers“ notiert, desgleichen für solches aus Eichen- holz 3 m. an 8 scot, d. h. 2,67 m. (S. 187, Z. 14. 15, 26 bis 28). Das Bau- holz, teilweise bereits wohl „abgebunden^‘, wird teils zu Schiff, teils zu Wagen herbeigeholt. — Zimmerleute werden verschiedentlich aufgeführt, 1403 an einer Stelle 4 Zimmerleute und 1 Zimmermeister (S. 267, Z. 16. 17). Im nächsten 0 „Plier dentlicli sichtbar, wie nach einer vorliegenden Liquidation der Eintrag gemacht wurde; des Treßlers Schreiber fällt aus der Konstruktion und gebraucht die eigenen Worte des Samuel“ (Anm. des Herausgebers); 2) 7^ 212, Anm. 20. 25 40 Jahre zieht Meister Heinrich der Zimmermann von Krakau (Crokow) nach Preußen und wieder zurück. Er ist wahrscheinlich mit den Absteifungen und anderen Holzarbeiten in dem Salzwerke von Wieliczka bekannt und herbei- geholt, um beim Ausbau der Anlage im Ordensland mit Rat und Tat zu helfen (S. 304, Z. 4 bis 6). Dieses Salzwerk hatte damals schon eine große Bedeutung, da im Jahre 1368 bereits Kasimir der Große ein besonderes Salinenstatut für es erlassen hatte ^). — Auch ßrettschneider werden gelegent- lich erwähnt, meist zusammen mit den Zimmerleuten, so 1403 wiederholt 2 von ihnen. Im Jahre 1402 werden einmal 9 m. 9 scot (9,375 m.) für 5 Schock Dielen gezahlt. Ebenso dürftig sind die Angaben über die Schmiedearbeit. 1403 wird ,,der“ Schmied erwähnt (S. 258^ Z. 17. 18), 1405 „der^^ Schmiedemeister (S. 343, S. 20. 21); er hat für die Ausführung der in sein Fach schlagenden Arbeiten zu sorgen und für die Reparaturen der Werkzeuge und Maschinen. Die letzteren nimmt er zur Herbstzeit in Aufbewahrung. — Von der Aus- dehnung der Schmiedearbeiten verlautet wenig. 1403 werden für 10 m. 8 Faß Osemunt, schwedisches Eisen, angekauft (S. 258, Z. 16), 1405 findet sich für Eisen und Kupfer gemeinsam eine Notiz (S. 356, Z. 20. 21). Das letztere dürfte zum Ausbessern der Siedepfanne Verwendung gefunden haben. Öfter wird Blech erwähnt; 1403 werden 6’/2 Schock mit 4 Pferden nach Ponnau gefahren, sie kosten 26 m. (S. 285, Z. 6 bis 8 und 31. 32); 1405 kaufte der Schmiedemeister für weitere 12 m. davon ein (S. 343, Z. 20. 21). Nach diesen Angaben scheinen die Anlagen keine bedeutende Ausdehnung gehabt zu haben. Eine andere Auffassung erhält man aber, wenn man erfährt, daß 1402 für Zimmer- und Eisenwerk nebst Arbeitslöhnen und sonstigen Un- kosten allein 104,69 m. ausgegeben werden (S. 187, Z. 13 bis 17). Die Zu- sammenfassungen in Form vorheriger oder nachträglicher Gesamt-Zahlungen gestatten an Stelle einer klaren Übersicht vielfach nur annäherungsweise Ver- mutungen und Schätzungen. — Erwähnt wird schließlich noch ein Maurer (S. 267, Z. 15 bis 19). Daß bei dem Bau und dem Instandhalten noch andere Arbeit, als oben angedeutet wurde, zu leisten war, ergibt der Hinweis, in dem neben Schmieden, Brettschneidern und Zimmerleuten noch „andere Werkleute“ erwähnt werden (S. 304, Z. 14 bis 16). Der Wert für das Material, das für das Salzwerk verbraucht wurde, ist recht bedeutend. In der Abrechnung für 1406 findet sich allein der Posten „400 m. vor das gut, do das salzwerk of gemacht ist“ (S. 397, S. 28. 29). Das Salzwerk, das nach verschiedenen Vorarbeiten 1401 in Betrieb gesetzt wurde, befindet sich an zwei Orten: zu Gr. Ponnau und Kobbelbude. Beide werden zuerst 1402 nebeneinander erwähnt (S. 187, Z. 13 bis 16 u. 33. 34), doch wird bereits in demselben Jahre eine Trennung zwischen beiden ange- 1) 26, 49. 2«» 41 deutet. So erhält Samuel 124 m. für „das“ Salzwerk und zwar 74 m. für das zu Ponnau, die andern 50 m. für das zu Kobbelbude (Kobelbude, Kobil- bude, Cobilbude). Es gibt in Ostpreußen 3 Orte dieses Namens. Von diesen ist der im Landkreise Königsberg der größte; er gehörte damals als Vorwerk mit 5 Pflügen zum Kammeramt Wunterau, Ponnau dagegen zur Komturei Brandenburg als Lehngut im Lande Nadrauen zum Marschallamt oder Komturei Königsberg. Die beiden andern Orte sind gegen ihn nur klein; der im Kreise Fischhausen, früher Bistum Samland (Lehngut), gilt heute nur für eine Oberförsterei, der andere im Kreise Pr. E}dau ist ebenfalls bedeutungslos. Früher galt die Be- zeichnung dort für eine Mühle im Kammeramt Knauten der Komturei Branden- burg^). Die Lage von Kobbelbude findet sich gelegentlich durch die Angabe „bei Ponnau“ bezeichnet. Auf Grund wiederholter Messungen auf den Meß- tischblättern zeigt sich aber, daß dieser Hinweis nicht genügt. Die Abstände der genannten 3 Orte von Ponnau sind nicht allzusehr von einander verschieden. In der Luftlinie verhalten die Entfernungen vom Kreise Fischhausen, vom Land- kreise Königsberg und vom Kreise Pr. Eylau sich von Ponnau wie die Zahlen 22 : 21 : 17. Andererseits sind sie so groß, daß man das Wörtchen „bei“ nicht mit Recht gebrauchen kann. Meines Erachtens soll dies weniger die Nähe, von der nicht die Rede sein kann, als die Zugehörigkeit beider Orte zueinander ausdrücken. Das beigegebene Kärtchen (Fig. 1) gibt ein Bild von der Lage der beiden im Treßlerbuche genannten Salzwerkorte und der Größe ihrer gegenseitigen Entfernung. Ponnau hat von beiden die größere Bedeutung. Die früher dort gefundene Sole wird teilweise noch heute angetrofifen. Entsprechend den aufgewandten Kosten ist hier der Hauptort für die Salzgewinnung zu suchen. Hier sitzt auch der Bevollmächtigte des Ordens, während der Werkmeister sich vielfach, vielleicht hauptsächlich, in Kobbelbude aufhält. Daß dieses als Gewinnungs- 1) 16, 506. 510. 513. 532. 27 42 ort für Kochsalz in Frage kommt, ist nicht ersichtlich; es hat aber eine andere, weit wichtigere Bedeutung. Es liegt am Frischingfluß, zwischen dem ertragreichen Ponnau und der Marienburg. Mittels Nogat und Haff steht es mit der Zentrale des Ordensstaates in bequemer Verbindung. Von hier aus ist der Wasserweg ins Innere des Landes weniger bequem. Materialien und Maschinen nebst Geräte kommen hier vielfach zum Aus- oder ümladen. Hier stellt auch Meister Bode seine Versuche an, die sich auf die Güte des Salzes und seine Gewinnung beziehen (S. 258, Z. 19 bis 21). — 1403 beißt es: „item 11 m. 1 fird.", d. i. 11,25 m., „im schiffe das holz zu furen von der Kobil- bude ken Welow und von dannen ken der Ponnow uf wagen und mit wagen von der Cobilbude ken Koningisberg. item V2 fii'd., meister Boten von der Cobilbuden bis ken Koningisberg zu furen“ (S. 258, Z. 5 bis 9). Der Transport geht auf dem bequemen Wasserwege, so weit die Möglichkeit geboten ist, zuerst den Frisching abwärts, dann über das Haff und schließlich den Pregel aufwärts bis Wehlau, d. h. bis dorthin, wo dieser Fluß heute noch ohne Schwierig- keit mit Dampfern befahren werden kann. Der weitere Wasserweg wird nicht benutzt; die Notiz stammt vom 13. Juli, d. h. aus der Jahreszeit, in welcher der obere Flußlauf durch das Hervortreten von Sandbänken und Untiefen eine glatte Fahrt für tiefer gehende Schiffe auch jetzt noch unmöglich macht. Außerdem bietet sich in Wehlau am besten Gelegenheit, das Holz auf Wagen umzuladen. — Bereits die Lage von Kobbelbude am Wasser weist darauf hin, daß der Ort im jetzigen Landkreise Königsberg allein in Frage kommt; die beiden anderen liegen mitten im Lande. Von Kobbelbude aus wird Ponnau außer mit der erforderlichen Ausrüstung auch mit Nahrungs- bzw. Genußmitteln versorgt, von denen Mehl und Bier genannt werden (S. 258, Z. 11. 12). An einer weiteren Stelle findet sich die Angabe ,,2 m. zwen knechten, die zum salzwerke zu Taplauken haben gearbeit. item Y2 ^ zymmer- knechte ken Taplauken zu furen‘‘ (S. 187, Z. 28 bis 30). Gemeint ist Taplacken im Kr. Wehlau. Ob es sich hier wirklich um eine versuchsweise Anlage zur Salzgewinnung handelt oder um einen Arbeitsplatz für Zimmer- arbeiten, die dann gebrauchsfertig zu den beiden Werken geschafft werden, ist durch das Fehlen jeder weiteren Notiz ohne weiteres unmöglich zu ent- scheiden. Jedenfalls handelt es sich aber um eine ähnliche, aber viel kleinere Anlage wie bei Kobbelbude. Der Vertreter des Ordens bei dem Salz werke ist der Ordensherr Niczcze von Belicz. Wie bereits erwähnt wurde, reist er zuerst im Herbst 1403 mit 2 guten Pferden an den Ort seines Aufsichtspostens. Er nimmt bei dieser Gelegenheit 100 m. mit, die er Meister Bode zum Ausbessern seiner Maschinen und Werkzeuge übergeben soll (S. 236, Z. 13 bis 15). Im Aufträge des Ordens besichtigt er die von Bode getroffenen Einrichtungen und den Arbeits- gang. Er ist der Herr, der 1403 erwähnt wird unter der Umschreibung, daß er mit Meister Bote ,,zur Ponnow leyt^‘ (S. 258, Z. 12 bis 14). — In den 28 43 ersten Jahren ruht die Besorgung der vorläufigen Abrechnungen und der Zahlungen in den Händen von Samuel von Thorn; er hat schon die Geschäfts- führung beim Einzuge der bereits erwähnten Salzarbeiter in Preußen geleitet. Nach einem Berichte, den Niczcze von Belicz dem Hochmeister abstattet, wird mit 1404 für eine Geschäftsführung gesorgt, die den Orden vertritt und gleich- zeitig Arbeiten beaufsichtigt und die Regulierung der Zahlungen veranlaßt. Die Verantwortung liegt jetzt dauernd in der Hand eines einzelnen, und damit werden auch die Abrechnungen im Treßlerbuche immer summarischer. Diesen Vertrauensposten übernimmt mit dem Jahre 1404 Herr Heinrich Holt (Holcz) (S. 304, Z. 16 bis 18 und Z. 21. 22; S. 343, Z. 16 bis 20 und Z. 21. 22), und Samuel von Thorn tritt von seinen Geschäften zurück, 1406 wird von dem neuen Leiter als von ,,dera herren of das salzwerk‘‘ gesprochen (S. 385, Z. 7. 8). Er wird noch am 25. Juli 1408 erwähnt (S. 465, Z. 30. 31), während am 12. Juli (S. 495, Z. 26 bis 28) von der Abfuhr des Eisenwerks von Ponnau, d. h. von der vorläufigen Aufgabe weiterer Arbeiten am Hauptorte des Salzwerks, die Rede ist. Heinrich Holt hat also seinen Posten bis zum Ende des Betriebes verwaltet. Außer dem ,,gezoyge“, zu dessen Ausbesserung Meister Bode im Jahre 1403 100 m. erhält (S. 236, Z. 13. 14) wird noch Geräte genannt. Es handelt sich auch hier um das vorhandene Werkzeug, das im Herbste nach Abschluß der ,,Kampagne‘‘ nach Thorn geschafft wird, um dort bis zum nächsten Frühjahr vor Wetter und Menschenhand geschützt und aufgehoben zu werden. Der Fuhrpreis und die Entschädigung für Samuel, der den Trans- port (die für) begleitet, wird mit 1 m. angegeben (S. 236, Z. 21. 22). Ein anderes -Mal wird ,,Geräte‘^ genannt, das man über Kobbelbude nach Ponnau schafft, freilich ist die Angabe recht summarisch: ,, ander gerethe ... zu furen als mel byr und die pfhanne‘‘ (S. 258, Z. 11. 12). Die Sole, welche verarbeitet werden sollte, wird wahrscheinlich durch Pferdekraft gehoben und durch Pumpwerke in der Anlage weiter befördert. Außer den ,,guten^‘ Pferden, die Niczcze Belicz zur Reise erhielt, und gemieteten, die Meister Bote mit dem Herrn, der zu Ponnau stationiert ist, benutzen, liegen einige Notizen vor, welche direkt auf ,,das Salz werk“ Bezug haben. 1404 werden 3 Pferde für 12 m. ,,zur Ponnow“ gekauft (S. 290, Z. 8). 1405 gibt der Haus- komptur Herrn Heinrich Holt 44 m. zum Ankauf von Pferden (S.343, Z.18 bis 20). Die Verwendung von diesen Tieren in den Anlagen zum Treiben des Räderwerks wird in einem Bericht des Ordensmarschalls an den Hochmeister geschildert^): „Wir seyn gewest czur Ponnaw uff dem salz werke, und haben vaste besehen die arbeyt, die man aldo tut, und forwar, lieber her meister, die arbeyt ist groß, die Pfert, die euwer erwirdigkeit do hin gekoufft hat, die loufen durch zehn täg vor dem Rade und begyunen etliche zu vorblynden von grosser arbeyt, die sie thun müssen.“ — 1) 1, 212, Amn. 20. 29 44 Die gewonnene Sole wird in der Pfanne, die oben bereits erwähnt wurde, eingesotten. Genaueres erfahren wir über sie aus dem Jahre 1404 (S. 304, Z. 13), wo ihr Preis ,,mit allem gerethe‘^ zu 24 m. angegeben wird. Diese Notiz fährt fort; ,,item 8 m. vor 1 kethe‘^, so daß man wohl bei der Annahme nicht fehlgeht, daß an letzterer die Pfanne aufgehängt worden sei. Diese eigenartige Befestigung bedingt freilich kein Verbilligen der Feuerungskosten, dafür aber eine Beweglichkeit, die beim Ausräumen des gewonnenen Gutes von großem Vorteil ist. Bei dem Holzreichtum der damaligen Zeit und dem geringen Werte dieses natürlichen Feuerungsmaterials konnte man ohne Bedenken verschwenderisch in der Weise verfahren, daß man das Abtreiben des Wassers über freiem Feuer vornahm. Wie spätere Untersuchungen über den Gehalt an Salz zeigten, ist er verhältnismäßig gering und betrug — wie bereits angeführt — etwa 0,44 %. Dieser Wert dürfte auch nach gewissen geologischen Änderungen des Untergrundes für damalige Zeit der richtige gewesen sein, gibt doch bereits A. Jentzsch^) an, daß die Salzquellen Preußens nur etwa 0,3 %. sind. Für die Haltigkeit der Sole herrschte aber bereits damals schon ein hohes Interesse; war sie es doch allein, die die Arbeit erleichterte und damit eine schnellere und lohnende Gewinnung des Salzes verbürgte. 1403 wird eine solche Unter- suchung der Sole vorgenommen, wie die folgende Angabe zeigt: „item 2 m. 1 fird. vor salzwaßer von der Ponnow ken der Cobilbuden zu fureu, und 2 sch., das waßer zu laden‘^ (S. 258, Z. 19 bis 21). Wie bereits erwähnt, war dieser Ort vrohl der Haupt-Aufenthalt von Meister Bode, der in praktischer Hinsicht die Leitung der Anlagen hatte. Hier waren auch die Geräte, mit deren Hilfe in schlichter Weise derartige Bestimmungen vorgenommen werden konnten. Der Salzgehalt wurde nach „Lot“ bestimmt. Friedrich Samuel Bock") schildert im Jahre 1783, wie man seiner Zeit vorging. Die verwendete Methode wird von der früherer Jahrhunderte kaum irgendwelchen Unter- schied aufweisen, jedenfalls mutet sie durchaus ursprünglich an. Im Wortlaute wird sie — * wie folgt — gegeben: ,,Man wiegt ein Gefäß voll süßen Wassers mit einer richtigen Wage, und lässet das gefundene Gewicht als den Wasserpaß in der einen Schale liegen. Alsdann füllet man dasselbe Gefäße mit Soole an, wieget es auch, und so viel man zulegen muß, um das Gewicht zu erhalten, so stark nennet man die Soole also 3. 4. 5 löthig, wenn man 3. 4. 5 Lothe in einer Kanne, oder in einem Pfunde findet. — Dann fährt Bock fort: ,, Allein diese und andre Wagen haben den Fehler, daß sie nicht bloß den Gehalt der Soole an Küchensalz, sondern ihren Gehalt an allem, was nicht Wasser ist, angeben, und also den richtigen Gehalt des darin befindlichen Kochsalzes nicht genau ermitteln. Eine Soole muß wenigstens dreylöthig sein, wenn sie die Unkosten ein- bringen soll.^^ 1) 37,490; 2)4,108.109. 30 45 Heute gibt mau den Gehalt der gewonnenen Salzlösung in Prozent an, d. h. durch die Menge der Gewichtsteile Salz in der Probe, die auf 100 Gewichtsteile Lösung kommen. Früher zählte man, der damaligen Gewichts- einheit entsprechend, nach Lot, Das Pfund hatte 32 Lot; unserer heutigen Auffassung entsprechend, wären dann bei einer 1 lotigen Sole in Pfund = 100 g 32 Lot : 5, d. h. 15,625 g : 5 = 3,125 g enthalten. Eine 1-lötige Sole wäre somit 3,125 eine dreilötige rund Da von Gradierwerken zu Anfang des 15, Jahrhunderts noch nicht die Rede sein kann und ein Ein- dichten der Sole dort, wo man sie durch Verdunsten vornahm, recht primitiv ausgeführt wurde, mußte man entweder Salzwässer von höherem Gehalt benutzen oder im anderen Falle sehr viel Feuerungsmaterial verwenden. Bei dem niedrigen Gehalte der preußischen Quellen war der zweite Weg gewiesen. Der Umstand, daß der Boden des Ordensstaates damals reichlich Waldungen trug, wo Köhler ihr Handwerk trieben und im Aufträge des Ordens arbeiteten, andererseits zahlreiche Rodungen zum Zweck der Gewinnung von Ackerland vor- genommen werden mußten, läßt erkennen, daß Mangel an Brennholz nicht bestand. Der viel erwähnte Reichtum daran läßt sich besonders durch zwei iKngaben feststellen, durch eine Notiz im Treßlerbuche und durch eine Zusammenstellung von Ortsnamen auf dem Werder. Die erstere gibt an, daß in einem Falle zum Brennen von 11 Last Kalk 40 Ruten Brennholz verwendet wurden. Lotar Weber berechnet diese Menge Feuerungsmaterial auf ca. 1800 Raummeter^). Sieht man von den Zwischen- räumen bei dem Holze ab und nimmt für Kalkstein das spez. Gewicht 2,5 an, so erhält man, die Last zu 4800 Pfund angesetzt, folgendes Ergebnis: Zu 1 Pfund oder 0,2 dm^ Kalk gebrauchte man ca. 34 dm '^ Holz, so daß für jeden Raumteil Kalk rund 170 Teile Holz aufgewendet wurden. — Andererseits stellt Walther Ziesemer^) die Ortsnamen zusammen, die über das ganze Werder verstreut sind und eine Beziehung zum Walde ausdrücken. Sie er- innern an Eichen, Birken, Linden, an gewesene Horste, Hage und Wälder. Noch im 14. Jahrhundert war ein großer Teil des Werders von Wald bestanden. Der große Werder trug in seinem südlichen Teil den Montaner, nördlich davon den Warnauschen Wald. An einer anderen Stelle des Treßlerbuches ist von Blut die Rede: „V2 vor IY2 tonnen blutis und eynen Schilling sponde- und tragelon zu schiffe, item 1 lodt, das blut ken Welow zu furen“ (S. 267, Z. 13. 14). Von den 3 Brunnen in Gr. Ponnau führte der Hauptbrunnen und einer der Nebenbrunnen eine Sole, die sich gut verarbeiten ließ und ein wohl- schmeckendes Salz lieferte. Der andere soll ein Wasser geliefert haben, das bitter schmeckte Y* Diese Mitteilung klingt nicht unwahrscheinlich, denn auch in den Solen von^ und bei^ Thorn und in solchen von anderen Gegenden wies die Analyse Magnesia nach; diese dürfte in der Form von Bittersalz in 1) 16, 234; 2) 35, 13, Anm. 2; 4, 104; 0 13^ 138; 5) 10, 394. 31 46 dem Quellwasser gelöst sein. — Als die Yerarbeitung der Sole in Ponnau begann, war der Wunsch rege, auch die aus dem Brunnen mit dem bitter schmeckenden Wasser zu verwenden. Es handelt sich bei dem Reinigungs- versuch nur um dieses Salz (Bittersalz), nicht etwa um die schlammigen Bestand- teile, die man später auf dem Grunde der Anlagen fand; sie wurden durch Regen und Wind hineingeführt. Selbst wenn sie als trübende Teilchen bereits beim Hervorbrechen der Quelle vorhanden gewesen wären, hätten sie nach kurzer Zeit wegen des Salzgehaltes der Quelle absitzen müssen, d. h. das Wasser hätte eine Selbstreinigung erfahren. Der Gehalt an Bittersalz machte sich dauernd unangenehm bemerkbar. Da entsann man sich eines Kunstgriffes, den man bei anderer Gelegenheit hatte auwenden können. Eisenhaltiges Wasser besitzt einen Geschmack nach Tinte; beim Kochen und bei Zusatz von Eiweiß und ähnlichen Körpern läßt es seinen Gehalt an Eisen ausflockeu. Den Grund, weshalb ein Wasser unangenehm schmecken konnte, vermochte man in jenen Zeiten noch nicht zu ersehen, und so versuchte mau die Methode, mit der man in einem Falle Erfolg gehabt hatte, auch mit Vorteil im anderen Falle anzuwenden. • • Es ist bekannt, daß Kolloide beim Übergang in den Gelzustand Salze mit ihrem Lösungswasser aufnehmen. Sie sind mit diesen nicht chemisch verbunden, sondern haben es nur physikalisch adsorbiert. — Die Kolloidteilchen sind sehr klein; sie haben deshalb eine große Oberfläche und besitzen eine erhebliche Oberflächenenergie. Deshalb galt es für mich zu prüfen, ob Blut beim Er- hitzen durch Koagulieren Salzteilchen aus ihren Lösungen auf der großen Oberfläche des Gerinnsels adponiert und so herausfällt. Außer einer Lösung von Chlornatrium (Kochsalz) wurde auch die von Magnesiumsulfat (Bittersalz) untersucht, da letzteres in der Sole des einen Brunnens in Ponnau vorhanden war. Verwendet wurde Rinderblut, das nach dem Filtrieren bei 18,3° C. das spez. Gewicht 1,092 besaß. Es wurde augestrebt, die einzelnen Messungen möglichst unter gleichen Bedingungen vorzunehmen. Die Salzlösungen wurden in Meßgefäßen nach bestimmtem Verhältnis hergestellt und sowohl für sich allein studiert, wie auch nach Zusatz einer kleinen Blutmenge. Jedesmal kamen 100 cm^ zur Untersuchung. Wo ein Zusatz von Blut erfolgte, betrug dieser 0,5 cm^. Die so versetzten Flüssigkeiten blieben 48 Stunden stehen. In den gesättigten Lösungen hatten sich dann Spuren von Blutgerinnsel ab- gesetzt. Diese Tatsache stimmt gut mit den von Hofmeister und seinen Schülern gemachten Beobachtungen überein, nach denen die Salze der Alkali- metalle und des Magnesiums erst in starker Konzentration aus dialysiertem, filtriertem Rinderserum Flocken ausscheiden, die sich ihrerseits beim Verdünnen wieder kolloid lösen ^). Das niedergeschlagene Gel bot seinerseits für Kristallbildungen willkommene Ansatzpunkte. — Darauf erfolgte eine Erhitzung der mit Blut versetzten Salz- 1) .32,-424. 32 47 lösuDgen auf dem Wasserbade von 1 Stunde Dauer und danu Filtration. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich, daß die zugesetzte Blutinenge für die Beob- achtungsreihe zweckentsprechend gewählt war, denn während bei den Gemischen von geringerer Konzentration das Filtrat opalisierte und beim Filtrieren kräftig schäumte, blieb es bei den konzentriertesten Lösungen völlig klar und verriet keine wesentliche Neigung zur Schaumbildung- Die Bestimmung des spezifi- schen Gewichtes wurde mit dem Aräometer vorgenommen, trotzdem die Un- genauigkeit der Ablesung und die Kapillarität zwischen Meßapparat und Glas- zylinder die Schärfe dieser Messungsmethode in geringem Maße beeinträch- tigen. Leider schwankten die Temperaturen der Flüssigkeiten nicht uner- heblich, ohne daß es möglich wäre, durch Umrechnung die gewonnenen Werte auf eine gleiche Basis zu setzen. Trotzdem genügen sie für den Zweck der vorgenommenen Prüfung vollkommen. Die Werte für die reinen und die mit Blut versetzten Lösungen zeigen eine so große Übereinstimmung, bzw. eine so verschwindend kleine Differenz, daß von einem Entfernen von vor- handenem Magnesiumsulfat aus der Sole nicht die Rede sein, andererseits aber auch eine bemerkenswerte Ausscheidung von Kochsalz durch das Blutgerinnsel nicht stattgefunden haben kann. Die gewonnenen Resultate sind in den folgenden Tabellen niedergelegt; sie werden in Fig. 2 nochmals zusammengestellt. Die punktierten Linien ver- binden hier die Werte, welche die Salzlösungen bei Zusatz von Blut ergaben. Spez. Gewicht der Kochsalzlösimg allein mit Zusatz von Blut o o 1,203 bei 19° 1,203 bei 23,1° 75 ^ 1,158 „ 18,6° 1,152 „ 21,8° 50 X 1,109 „ 18° 1,098 „ 25,6° 25 ^ — ■ 1,052 „ 23,9° Spez. Gewicht der Bittersalzlösung allein mit Zusatz von Blut o o 1,322 bei 22,6 ° 1,304 bei 19,2° 75 X 1,245 „ 24,6 ° 1,242 „ 18,9 ° 50 ^ 1,167 „ 25,7° 1,163 „ 19° 25 ^ 1,081 „ 21,5° 1,090 „ 18,5 ° 83 48 ^sz '~^(rrc ' Fig. 2. Auch für die Religionsübungen der Arbeiter auf dem Salzwerke war ge- sorgt. 1404 zahlt der Treßler „6 m. vor das messegerethe zur Ponnow“ (S. 290, Z. 9), und 1407 werden einem Rheinischen Mönche 4 m. gereicht, „als her zum andirmole of das salzwerg zoch“ (S. 430, Z. 12. 13). Anderer- seits versucht man das „Gesinde“ bei frohem Mute zu erhalten. Bald erhält es 1 fird. als Geschenk (S. 181, Z. 22. 23), bald die dort tätigen Schmiede (4 scot) und Knechte (8 sch.) (S. 236, Z. 39. 40). Dieses Geldgeschenk war besonders hoch, wenn der Hochmeister selbst nach Ponnau kam. Bei solcher Gelegenheit (1406) reicht man den Arbeitern Im. (S. 398, Z. 35. 36). Meister Bode erhält 1403 Geld für Bier, und zwar die stattliche Summe von 5 m. an 8 scot (4,67 m). Von den Salzmengen, die mittels dieser Werke gewonnen wurden, findet sich keine eingehendere Aufzeichnung. Sie wanderten wohl ausnahmslos in die Speicher des Ordens. Nur 1406 zahlt man „IV2 ’^or 4 leste tonneu, doryn man das salz zur Ponnow insluck, das [man] mete of den tag nam“ (S. 398, Z. 29 bis 31), und 1408 sogar „28^/2 m. vor salz zu furen of den tag ken Kau wen, des salzes was 124 tonnen“ (S. 465, Z. 37. 38). Kauen (Kowno) hatte zu dieser Zeit eine große Bedeutung für den Salzhandel. Danzig führte Baiensalz in das preußische Hinterland und nach Polen aus; besonders lebhaft war dieser Handel nach Litauen, den die Danziger fast ausschließlich in ihre Hand brachten. Um ins Innere zu gelangen, benutzten sie neben den Landstraßen vor allem den Memelstrom. Von Kauen, dem Haupthandelsplatz, führten wichtige Straßen ins Innere Litauens und nach Rußland; auf alles aus 34 49 Preußen kommende Salz übte diese Stadt ein unbedingtes Stapelrecht aus^). — Ferner nehmen 1407 2 Wagen mit je 4 Pferden, die Mühlsteine, Räder und Holz nach Ponnau geschafft hatten, von hier nach Königsberg Salz mit (S. 442, Z. 40 bis S. 443, Z. 1). Diese erheblichen Mengen, die auf die Tagfahrten mitgeführt wurden, sollten eigentlich von einem Emporblühen der Salzwerke sprechen, besonders da der Preis für Salz im Jahre 1407 recht hoch war; er betrug — wie bereits angegeben — damals pro Tonne nach den Angaben des Treßlerbuches 11,67 m. Für 1408 sinkt der Preis im Mittel freilich auf 8 m. herunter. Ob dieser Niedergang ein weiteres Fortführen nicht mehr vorteilhaft erscheinen ließ, ist nicht ohne weiteres zu entscheiden. Jedenfalls lautet die letzte Notiz über die Salz werke: „item 7 fird. an 1 sch. vor das ysenwerg von der Ponaw ken Tapiaw of waynen zu furen, das dem smedemeyster do selbist of dem salz- werke holte“; sie stammt aus dem Juli 1408 (S. 495, Z. 26 bis 28). Die in jedem Jahre eingehaltene Arbeitszeit ist also noch nicht beendet. Der Schmied hat die Werkstücke somit noch nicht zum Wiederherstellen und Aufbewahren für das nächste Frühjahr in Verwahrung genommen. Mit diesem Forträumen ist der Betrieb vorläufig auf lange Zeit unterbrochen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Ausgaben des Ordens für Salz und Salzgewinnung in m. während der Jahre von 1399 bis 1409. Jahr Ausgaben für Salz im ganzen Ausgaben für Salzgewinnung in Preußen Ausgaben für Salz Ausgaben für Salzgewinnung in ^ 1399 5- 1- 4- 20,- 1400 84,25 6,33 77,92 7,5 1401 290,01 289,88 — ,13 100,- 1402 413,40 413,40 — 100,- 1403 644,52 644,52 — 100,- 1404 1138,58 1138,58 ■ — 100,- 1405 1081,92 1081,42 — ,50 100,- 1406 1229,21 1180,50 48,71 96,- 1407 56,92 54- 2,92 94,9 1408 427,06 249,58 177,48 58,4 1409 — — Sa. 5370,87 5059,21 1 311,66 Die in Prozenten ausgedrückten Werte für die Ausbeutung der heimischen Quellen zeigen einen Aufstieg zum Jahre 1401 hin und einen Niedergang vom 1) 26 a, 39. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 2. 35 4 50 Jahre 1406 an. Bei den niedergelegten Werten handelt es sich um sämtliche^ die im Treßlerbuche niedergelegt sind. Die verschiedenen ausländischen Münzsorten wurden auf m. umgerechnet, ebenso die preußischen, welche Teile der Mark sind. Wo verschiedene Gegenstände bei den Zahlungsangaben zu- sammengefaßt wurden, mußten letztere übergangen werden. Ebensowenig war es möglich, für die einzelnen Jahre die Ausgaben für das Salzwerk nach ver- brauchtem Material und Arbeitslöhnen zu sondern. Versuche in dieser Richtung hat bereits Karl Faber angestellt ^) ; er sieht freilich in dem damaligen Ponnau das heutige Preuß. Bahnau, Kr. Heiligenbeil. In aller Kürze gibt Johannes Voigt einen Überblick über das Aufblühen und das Schicksal der Anlage in Ponnau; a. a. 0.^) weiß er zu berichten, daß im Lande jedes weitere Salzsieden verboten wurde. Um dem jungen Unternehmen stärkeren Absatz und damit ein schnelleres Gedeihen zu verschaffen, sei auch der Salzzwang auf Bornholm aufgehoben, woher sonst starke Zufuhr gekommen war. Inner- halb der Jahre 1401 bis 1406 verwendet der Orden stattliche Summen auf Arbeitslöhne, Anlagen und Verbesserungen, und längere Zeit scheint das Werk auch gediehen zu sein. Der Niedergang ist nicht zum geringsten Teil mit dem Tode Konrads von Jungingen in Beziehung zu bringen, dessen Interesse fördernd bei der Entwickelung mitgeholfen hatte. Dem auf reichen und schnellen Gewinn gerichteten Sinne des Ordens mochten die Erträge im Hinblick auf die hier notwendigen Kapitalsanlagen freilich nicht genügen. Von den Nachrichten aus dem Ordens-Treßlerbuch ab bis zum Jahre 1600 fehlt jede weitere Nachricht von dem Geschick der Quelle. Die bereits er- wähnten Angaben von Joh. Wigand geben keine genaueren Daten, veranlaßten dagegen Mutmaßungen verschiedenster Art. Erst in späterer Zeit, unter der Regierung des Kurfürsten Georg Wilhelm (1639) und Friedrich III. (1692) und dann 1787 unter König Friedrich Wilhelm II. entsann man sich jener Brunnen in Gr. Ponnau wieder. Als dann im Frieden bei Tilsit (1807) Halle mit seinen Salzquellen vom Preußischen Staate abgetrennt wurde, erließ der König Friedrich Wilhelm III. den Befehl (21. April 1808), die Beschaffenheit und Natur der Ponnauer Solen an Ort und Stelle genau zu untersuchen. Das Ergebnis war wenig günstig; es ergab sich, daß die Unkosten des Betriebes zu dem Wert des gewonnenen Salzes in keinem annehmbaren Verhältnis ständen^). Von dem Gedanken geleitet, daß solche schwachen Solquellen mit reichen, in der Tiefe ruhenden Lagerstätten Verbindung hätten und von ihnen herrühren müßten, begann man in den Jahren 1857 bis 1859 dort zu bohren. Man durchsank auch bei 77,6 m das Diluvium nicht, und das Wasser aus dieser Tiefe hatte kaum soviel Salzgehalt als das aus den oberen Schichten^). Diese Salzquelle hat das gleiche Schicksal gehabt, wie die meisten andern des norddeutschen Flachlandes, sowohl in medizinischer wie in technischer Hinsicht. Von den vielen mecklenburgischen ist nur noch eine in Sülze, an 1) 5, 268. 269; 0 7, 212, Aiiin. 20; 3) 9^ 392. 393; 4) 5, 268. 269; 6, 246; 5) 18, 60. 36 51 der pommerschen Grenze, in Betrieb; diese ergibt 5 %. Sole^). Zahlreiche derartige Quellen wurden früher auch in Pommern, Brandenburg, den Elb- ländern und im Nordwesten ausgebeutet. Die meisten davon sind ganz er- loschen oder werden nur noch zu Badezwecken benutzt. Auch die Kolberger Saline hat dieses Schicksal gehabt. Das Gradierwerk wurde zwar in der Zeit von 1806 bis 1807 zerstört, doch in den Jahren 1807 bis 1813 blühte die Saline wieder auf. Sie wurde zu einer Kostbarkeit für Preußen mit ihrer 4 bis 5 %. Sole, war sie doch die einzige in dem verstümmelten Königreiche. Mit dem Jahre 1815 beginnt der Rückgang in dem Betrieb der nord- deutschen Salinen, weil nach dieser Zeit die preußischen Berg- und Salzgesetze eingeführt waren. Die reichen sächsischen Salzlager und die gegen früher so sehr erleichterten Verbindungen mit ergiebigeren, aber abwärts gelegenen Salinen machten der Benutzung der viel ärmeren Solquellen ein Ende^). Wie in der Mark, Holstein, Posen, Hannover und Mecklenburg ordnen sich auch die pommerschen Salzquellen zu bestimmten Zügen an. In Vor- pommern geschieht das in der Richtung von NW nach SO, in Hinterpommern von WSW nach ONO, anklingend an das Streichen des Erzgebirges^). Auf Spalten und Klüften steigt die Sole hier aus der Tiefe empor. Ihr Salzgehalt steht mit dem der Ostsee in keinerlei Zusammenhang, da er viel stärker ist als der Salzgehalt in dieser. Außerdem nimmt er mit dem Niedergehen in größere Tiefe zu. Die Solen entstammen hier, wie weiter im Westen und östlich bis an die Weichsel heran, den Salzlagern des Zechsteins und vielleicht zum Teil der Trias. Die Züge, zu denen sie sich anordnen, gehen bis an den Südwestrand des Russisch-baltischen Schildes heran. Sie sind Kennzeichen von Störungen, welche die Schichten der sog. Saxonischen Scholle erfuhren. Auf der Erdoberfläche machen Salzpflanzen die Stellen bemerkbar, wo die Sole als Quelle oder durchtränkende Feuchtigkeit des Bodens aus dem Untergründe hervortritt ^). Östlich von der Grenze der Saxonischen Scholle sind Salzstellen und Sol- quellen verhältnismäßig selten. Es hängt das nach A. TornquistÖ »mR der außerordentlichen Einförmigkeit des vordiluvialen Untergrundes“ zusammen, den der östlich von der Weichsel gelegene Teil Westpreußens und die Provinz Ostpreußen aufweisen. Nur im nordöstlichen Zipfel der letzteren stehen einige Reste von Schichten älterer Entstehungszeit an, sonst überall nur die Kreide- formation. Die Mächtigkeit dieser „Kreideplatte“ ist sehr bedeutend; bei Heilsberg wurde sie einmal durchsunken; sie hatte hier eine Dicke von 338 m. Der Salzgehalt, welchen das Wasser in der Kreide meist besitzt, hat sich wohl in den Schichten aus der Zeit erhalten, als diese zum Absatz gelangten. Freilich ist dabei die Annahme notwendig, daß Tiefenwässer seitdem nicht auf sie allzusehr eingewirkt haben. Ihre eigenartige Lagerung, welche heute 1) 20, 13. II; 21, 116; 25, 61. 62; 2) 29, 29; 21, 146; 0 34, 30. 229. 3) 29, 21; 4) 33, 74. 75; 37 4* 52 noch einheitlich und weder durch Faltungen oder Verwerfungen zerstückelt ist, läßt diese Vermutung auch nicht auf kommen. — Auch das Wasser aus dem ostpreußischen Jura ist salzig; es ist als ein Kest des ehemaligen Jura- meeres anzusehen. Bereits vor einem halben Jahrhundert beschäftigte sich Gustav Bischof mit der Frage, ob schwache Solquellen mit starken Zusammenhängen müssen^). In verschiedenen Schichten weisen Reste von Meereskonchylien darauf hin, daß zu dieser ihrer Ablagerungsstätte auch Kochsalz gelangt sein muß. Nur von der Gunst der Umstände hing es ab, wenn dieses zur Ausscheidung ge- langte, bzw. mit dem Wasser erhalten blieb. Solche lokale Anreicherung einer mehr oder weniger allgemein verbreiteten Substanz gibt also auf dem Russisch- baltischen Schilde die Veranlassung zum Hervorbrechen von Solquellen, keines- . wegs aber das Vorhandensein unterirdischer Salzlager ^). Diese Annahme, welche den Salzgehalt der preußischen Quellen aus den unterlagernden mächtigen Absätzen der Kreide ableitet, erklärt auch, weshalb die Solquellen aus dem Wasserhorizonte der oberen Kreide fast ausnahmslos 0,3 % Chlornatrium ent- halten^). Sie gibt auch einen Anhalt dafür, weshalb sie punktförmig und zer- streut auftreten können. Seit ihrer Entstehung sind diese Ablagerungen wahr- scheinlich niemals über das Meer getaucht, ihre Auslaugung fand deshalb viel langsamer statt wie in solchen Teilen, die der Einwirkung der Tagewässer ausgesetzt wurden. Freilich muß hervorgehoben werden, daß in Westpreußen an mehreren Stellen der Kreide auch auf ein treffliches Trinkwasser gestoßen wurde. Die erdmagnetischen Karten sind für die Erforschung der Tektonik von hoher Bedeutung. Die sich auf ihnen ausprägenden Anomalien werden aller Wahrscheinlichkeit auf das Vorhandensein von elektrischen Erdströmen zurück- geführt. Nach der Auffassung von A. Jentzsch^) werden diese nicht allein durch die Verteilung des Schicht- und Grundwassers, sondern besonders durch die chemische Beschaffenheit des letzteren hervorgerufen. Ost- und West- preußen, das heißt ein Gebiet solcher Anomalien, führt in gewissen Tiefen- schichten stellenweise verbreitet, schwach salziges Wasser. Da dieses erheb- lich besser leitet als salzarmes, so dürfte hierin der Grund für solche Ab- weichungen zu sehen sein. Schließlich sei kurz erwähnt, wie man sich das Emporsteigen dieser Solen zu denken hat. Tornquist'“^) nimmt für sie, soweit sie dem preußischen Jura entstammen, eine besondere Art von Quellen an, die er als „Schichtendruck- quellen“ bezeichnet. Diese kommen dadurch zustande, daß die Sande des unteren Jura unter sehr weiten Gebieten der Provinz Ostpreußen und von Russisch-Polen sich fast horizontal erstrecken, und mächtige, für Wasser un- durchlässige Tonschichten ihr Hangendes bilden; diese drücken auf die Wasser führenden Lager und verleihen ihm eine gewaltige Steigkraft, so daß es nach 1) 37, 387; 2) vgl. 18, 60; 3) 37, 490.491; 4) 38,370; &) 34, 231. 38 53 Art der Artesischen Brunnen emporsteigt. Ähnliche Verhältnisse und Be- ziehungen gelten wohl auch stellenweise für die Brunnen und Quellen der überlagernden Kreideablagerungen. Jentzsch^) erklärt das Emporquellen durch „hydrodynamischen Druck“. Dieser wird durch „mikroseismische Schwingungen und Kriechbewegungen der mit einem Teile ihres Gewichtes auf der sole- führenden Schicht lastenden Gesteinsbänke fortwährend neu erzeugt“. 1) 37, 492. 39 54 Benutzte Literatur, geordnet nach der Zeit des Erscheinens. 1. Wigand, Joh. : Yera liistoria de succiiio borussico. De alce borussica. Et: de herbis in Borussia nascentibus. Item de sale creatura Dei saluberrima, consideratio metho- dica et tlieologica. Jenae 1590. 2. [Dogiel, Mathias]: Codex diplomaticus regni Poloniae et magni ducatus Lituaniae Tomus lY. In quo totius Prussiae res continentur. Yilnae 1764. 3. Bock, Friedrich Samuel; Yersucli einer wirthschaftlichen Naturgescliiclite von dem Königreich Ost- und Westpreußen. Erster Band, welcher allgemeine, geographische, anthropologische, meteorologische und historische Abhandlungen enthält. Dessau 1782. 4. — Yersuch einer wirthschaftlichen Naturgeschichte von dem Königreich Ost- und West- preußen. Zweiter Band, welcher das unterirdische Preußen, oder das Fossilienreich dieses Landes beschreibet. Dessau 1783. 5. Fab ER, Karl: Historische und curiöse Notizen aus dem Rechnungsbuche des Ordens- Treßlers. Yon den Jahren 1399 bis 1409. Preußisches Archiv oder Denkwürdig- keiten aus der Kunde der Yorzeit. Herausgegeben von Karl Faber, Königlichem Geheimen Archivar. Zweyte Sammlung. X. Königsberg i. Pr. 1810. S. 257 — 277. 6. Hagen: Zur Geschichte der Salzquellen in Ponnau. Beiträge zur Kunde Preußens. Bd, 1. Königsberg i. Pr. 1818. S. 241 — 249. 7. Yoigt, Johannes: Geschichte Marienburgs, der Stadt und des Haupthauses des Deutschen Ritter-Ordens in Preußen. Königsberg i. Pr. 1824. 8. — Das Stillleben des Hochmeisters des Deutschen Ordens und sein Fürstenhof. Histo- risches Taschenbuch, herausg. v. Friedrich v. Raumer. Jahrg. 1, Leipzig 1830. S. 167—253. 9. — Geschichte Preußens, von den ältesten Zeiten bis zum Untergange der Herrschaft des Deutschen Ordens. Bd. 6; Königsberg i. Pr. 1834, 10. Nowicki: Beitrag zu Preußens Flora. Preuß. Prov.-Blätter. Bd. 21, 1839. S. 393 — 405. 11. Hirsch, Theodor: Danzigs Handels- und Gewerbsgeschichte unter der Herrschaft des Deutschen Ordens. Gekrönte Preisschrift. Leipzig 1858. 12. Schumann, J, : Eine neue Salzquelle in Preußen. Neue Preuß. Prov.-Blätter. 3. Folge, 9. Bd., 1864, S. 160. 13. — Geologische W^anderungen durch Altpreußen. Gesammelte Aufsätze. Königsberg 1869, — Der im Brückenkopf von Thorn erbohrte artesische Brunnen. S. 133 — 141. 14. Perlbach, M. : Preußische Regesten bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts. Alt- preußische Monatsschrift; Königsberg i. Pr. 1874, Bd. 11, S. 1 — 32, 97 — 128, 326—348, 385—432, 546—572, 609—624 und 1875, Bd. 12, S. 1—26, 97—144, 193 — 216, 319 — 344, 385—428, 577 — 645. — In einem Bande unter gleichem Titel herausgegeben Königsberg i. Pr. 1876. 15. Jentzsch, ikLFRED: Die nutzbaren Gesteine in der Provinz Preußen. Gewerbeblatt für die Provinz Preußen 1875; Nr. 18, S. 69. 70 und Nr. 19, S. 73. 74. 15a. Simon Grunau’s Preußische Chronik. Die Preußischen Geschichtsschreiber des XYI. und XYH, Jahrhunderts. Im Aufträge des Yereins für die Geschichte der Provinz Preußen herausgegeben von Dr. M. Perlbach. Band I, Tractat I — XIY. Leipzig 1876, S. 469—471: „Yon eim capitel unnd seiner Satzung vor des landes nutz“. 40 55 l(j. Weber, Lotar: Preußen vor 500 Jahren in culturhistorisclier, statistischer und militai- rischer Beziehung nebst Special-Geographie. Danzig 1878. 17. Sattler, Carl: Der Handel des Deutschen Ordens in Preußen zur Zeit seiner Blüthe. Altpreuß. Monatsschrift, Bd. 16. Königsberg i. Pr. 1879. S. 242 — 269. 18. Jentzsch, Alfred: Die Zusammensetzung des altpreußischen Bodens. Schrift, d. Physik. - Ökonom. Ges. zu Königsberg, 20. Jahrg., 1879. Königsberg i. Pr. 1880. S. 42 — 102. 19. Perlbach, M. : Pommerellisches Urkundenbuch. Herausg. vom Westpreußischen Geschichtsverein. Danzig 1882. 19a. Preußisches Urkundenbuch. Politische Abteilung. Bd. I. Die Bildung des Ordens- staats. Erste Hälfte. Herausgegeben mit Unterstützung des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten von Archivrath Philippi, Königlichem Archivrath zu Königsbers’, in Verbindung mit Dr. Wölky, Domvikar zu Frauenburg. Königsberg i. Pr. 1882; Nr. 105, S. 77 — 81. 20. Geinitz, E.: Der Boden Mecklenburgs. 1885. Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde im Aufträge der Centralkommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland, herausg. von Dr. Richard Lehmann. Bd. 1. Stuttgart 1886, S. 1—32. 21. Hahn, F. G.: Die Städte der norddeutschen Tiefebene in ihrer Beziehung zur Boden- gestaltung. 1885. Forschungen zur Deutschen Landes- und Volkskunde im Auf- träge der Centralkommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland, herausg. von Dr. Richard Lehmann. Bd. 1. Stuttgart 1886. S. 93 — 168. 22. Sattler, C. : Handelsrechnungen des Deutschen Ordens. Im Aufträge des Vereins für die Geschichte von Ost- und Westpreußeu herausgegeben. Leipzig 1887. 23. Bujack: Sitzungsber. d. Altertumsgesellschaft Prussia vom 19. Oktober 1888. Altpr. Monatsschrift. N. F. 26. Bd. Königsberg i. P. 1889. S. 355 — 358. 24. Das Marienburger Treßlerbuch der Jahre 1399 — 1409. Auf Veranlassung und mit Unter- stützung des Vereins für die Herstellung und die Ausschmückung der Marienburg herausgegeben von Archivrath Dr. Joachim. Königsberg i. Pr. 1896. 25. Geinitz, E. : Geologischer Führer durch Mecklenburg. Mit 1 Übersichtskarte und 15 Tafeln. Berlin 1899. 26. Hehn, Viktor: Das Salz. Eine kulturhistorische Studie. 2. Aufl. Mit einem Nachwort von 0. Schräder. Berlin 1901. 26a. Agats, Arthur: Der hansische Baienhandel. Mit 3 Karten. Heidelberger Abhand- lungen zur mittleren und neueren Geschichte. Herausgegeben von Karl Hampe, Erich Marcks und Dietrich Schäfer. 5. Heft. Heidelberg 1904. 26b. PiESTRAK, F.: Illustrierter Führer durch das k. k. Salzbergwerk in Wieliczka. Wieliczka 1904. 27. Keilhack, K. : Sur le regime des eaux souterraines dans les depöts quaternaires et tertiaires de l’Allemagne du Nord. Congres international des mines, de la metallurgie, de la mecanique et de la geologie appliquees. Liege, 25. juin — 1. juillet 1905. Section de la geologie appliquee. S.-A., S. 1 — 9. 28. Lakowitz, C.: Die Danziger Bucht. Mit 1 Karte. Beiträge zur Landeskunde West- preußens. Festschrift zum 15. Deutschen Geographentag. Danzig 1905. S. 42 — 66. 29. Deecke, W. : Geologie von Pommern. Mit 40 Textabb. Berlin 1907. 30. Kautsch, Karl: Worauf beruht unser Kochsalzbedürfnis? Natur und Schule. Zeitschr. f. d. gesamt, naturk. Unterr. aller Schul. Bd. 6, 1907. S. 356 — 373. 31. Lohmeyer, Karl: Geschichte von Ost- und Westpreußen. 1. Bd. Bis 1411. Allgemeine Staatengeschichte. 3. Abteil.: Deutsche Landesgeschichten. Gotha 1908. 32. Freundlich, Herbert: Kapillarchemie. 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Jentzsch, A. : Geologisches über Salzpflanzen des norddeutschen Flachlandes. Jahrbuch d. Königl. Preuß. Geolog. Landesanstalt für 1911. Bd. 32, Teil 1, Heft 3. Berlin 1912. S. 487—493. 38. — Das Präzisions-Nivellement Lauenburg-Neustadt-Rheda. Eine Studie zur Frage nach senkrechten Boden-Bewegungen. Mit 2 Karten. Jahrbuch d. Königl. Preuß. Geolog. Landesanstalt für 1912. Bd. 33, Teil 2, Heft 2. Berlin 1913, S. 367 — 384. 39. Semrau, Franz: Die Bodenschätze Ostdeutschlands und ihre Nutzung durch die Industrie. Heimat und Welt. Mittwochs-Unterhaltungsbeilage der Danziger Zeitung, Jahrg. 1913. Nr. 13. 14. 21. 27. 40. Das Marienburger Konventsbuch der Jahre 1399 — 1412. Mit zwei Schriftproben und einer Karte der Marienburger Komturei. Mit Unterstützung des Vereins für die Herstellung und Ausschmückung der Marienburg herausgegeben von Dr. Walther ZiESEMER. Danzig 1913. 41. Dau, Eugen: Aufsätze zur Wirtschaftsgeographie und Landeskunde von West- und Ost- preußen. Berlin 1914. 42. Schwarz,, R.: Leiden des Marienburger Werders im schwedisch-polnischen Erbfolge- kriege. Mitt. des Westpr. Geschichtsvereins. Jahrg. 13, Nr. 3, Danzig, 1. Juli 1914. S. 58—61. 43. Lüdtke, Franz: Der Deutsche Ritterorden. Quellensammlung für den geschichtlichen Unterricht an höheren Schulen, B. G. Teubner. 1915. 57 Fortschritte in der Kriegschirurgie'). Von Generalarzt Prof. BaRTH- Danzig. Die moderne Kriegschirnrgie fußt auf der Lehre v. Bergmanns, daß Gewehrschußwunden aseptisch sind und aseptisch, d. h. ohne Eiterung, ver- laufen, sofern man sie in Ruhe läßt und nicht etwa durch das früher beliebte Sondieren der Wunde direkt infiziert, v. Bergmann stützte seine Lehre auf seine im russisch -türkischen Kriege 1878 gesammelten Erfahrungen und hat sie leidenschaftlich bis zu seinem Tode vertreten. Und sicherlich hat er mit ihr den Kriegsverletzten mehr Segen gebracht als irgend ein Chirurg vor ihm. Er empfahl, die Wunde auf dem Schlachtfelde lediglich mit einem aseptischen oder antiseptischen Verbandstück zu bedecken und für Ruhigstellung des ver- letzten Körperteils zu sorgen, bis der Verletzte in den rückwärtigen Lazaretten in definitive Behandlung genommen werden könne. Auf seine Forderung wurde jedem Soldaten ein Verbandpäckchen zur ersten Versorgung der Wunde mitgegeben. Solche Verbandpäckchen sind bei allen Heeren der heutigen Kulturstaaten eingeführt worden, und. nach v. Bergmanns Grundsätzen wurde auf allen neueren Kriegsschauplätzen behandelt, von dem Buren- und Boxer- kriege und dem russisch-japanischen Kriege bis zu den Balkankriegen und dem Weltkriege, in dem wir heute stehen. Die Erfolge gegen früher waren glänzend. Erst allmählich, am lebhaftesten zuletzt im Balkankriege, wurden Stimmen laut, welche Einschränkungen machten und den schädlichen Einfluß ungünstiger Transportverhältnisse auf den Verlauf der Knochenschußwunden betonten. Man hob die Unterschiede in dem Wundverlauf hervor, je nachdem eine exakte Ruhigstellung der Knochenbrüche stattgefunden hatte oder nicht. Heute, nach unseren überreichen Erfahrungen im jetzigen Kriege, sehen wir klar und müssen feststellen, daß v. Bergmann mit dem ersten Satz seiner Lehre, dem von der aseptischen Beschaffenheit der Schußwunde, im Irrtum war. Zweifellos sind die Schußkanäle, zum mindesten in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle, nicht bakterieufrei, sondern zumeist sind Bakterien aus den Kleidungsstücken und von der Haut mit dem Geschoß in die Gewebe hineingetragen und in dem Brandschorf des Schußkanals abgestreift. Nun bietet der Brandschorf einen gewissen Schutz gegen ihr Eindringen in die 1) Vortrag, gehalten am 5. 1. 191(3 in der Naturforsclienden Gesellschaft zu Danzig. 1 58 Lymphbalmen und Gewebe, und so kommt es, daß die Bakterien günstigen Falls in dem Brandschorf der Wunde ein harmloses Dasein fristen, bis sie von den Zellen des um die Wunde aufsprießenden, jungen Gewebes und den Blutzellen vernichtet werden. Anders, wenn der schützende Schorf von den Saftspalten der Wunde durch Bewegung der Knochenbruchstücke oder auch nur durch heftige Muskelbewegungen der umgebenden Weichteile losgelöst, d. h. eine neue Wunde von dem Schorf erzeugt wird. Dann gelangen die Bakterien in die frisch eröffneten Saftspalten, und der fortschreitenden Eiterung ist das Tor geöffnet. Diese Gefahren sind um so größer, je frischer die Wunde ist; etwa vom 4. Tage an, wenn bereits die Bildung einer jungen Narbe im Gange ist, nehmen sie erheblich an Bedeutung ab. Es kommt da- her gerade während der ersten Tage alles auf eine exakte Ruhigstellung der Wunde an, eine Forderung, die zwar schon v. Bergmann erhoben, aber mehr als nebensächlich angesehen und mit dem alten Satz: „Jede Wunde muß zu ihrer Heilung Ruhe haben“ begründet wurde. Sicherlich war sie von den meisten Aerzten unterschätzt worden, und so kam es, daß wir noch in diesem Kriege zu Anfang traurige Erfahrungen sammeln mußten, ehe das praktische Ziel, das einen wirklichen Fortschritt in der Kriegschirurgie darstellt, erreicht wurde. Welche Bedeutung die Frage hat, mögen Sie daraus erkennen, daß ich im Anfänge des Feldzuges kaum eine nicht infizierte Schußfraktur des Oberschenkels in den Feldlazaretten gesehen habe, und was von frischen infizierten Verletzungen dieser Kategorie in unsere Behandlung kam, starb damals ohne Ausnahme. Selbst die Amputation konnte diese Unglücklichen nicht mehr retten. Und umgekehrt sah ich zum Schluß unserer Tätigkeit im Osten während des dreimonatigen Narewfeldzuges, nachdem eine kunstgerechte Ruhigstellung dieser Knochenverletzungen streng durchgeführt worden war, trotz der schwierigsten Verhältnisse unter zahlreichen Oberschenkelbrüchen kaum einen infizierten Fall. So sinnfällig war der Unterschied im Verlauf, je nachdem ungenügend oder kunstgerecht für Ruhigstellung der Glieder gesorgt wurde. Aber noch eine andere typische Verletzung kann ich für die Richtigkeit unserer Anschauung anführen, das sind die Wadenschüsse. Diese an sich leichten Verletzungen können, gerade weil sie als harmlos angesehen und deshalb in der Regel nicht geschient wurden, fast ausnahmslos zur In- fektion führen, wiederum offenbar infolge von Lösung des Wundschorfes, durch die Bewegungen der Wadenmuskulatur und dadurch herbeigeführte Mobili- sierung der im Schorfe ruhenden Bakterien. Die Schwierigkeiten für eine exakte Ruhigstellung von Knochenschußbrüchen bestehen mehr an den unteren als an den oberen Gliedmaßen, und das drückt sich auch ohne weiteres in der relativen Gefährlichkeit dieser Verletzungen aus. Das souveräne Mittel, namentlich für die Beinschüsse, ist der Gipsverband, von dem wir zuletzt nicht nur im Stellungskriege, sondern auch im Bewegungskriege ausgiebigen Gebrauch gemacht haben. Aber er ist zeitraubend und kommt deshalb auf dem Hauptverbandplatz, wenigstens nach größeren Gefechten bei starkem 59 Verwundetenzustrom, nicht in Frage. Als Ersatz dienen in solchen Fällen Schienenverbände, und es steht für mich außer Frage, daß man mit ihnen bei geschickter Verwendung geeigneten Materials und guter Technik dasselbe leisten kann wie mit Gipsverbänden. Ich zeige Ihnen hier einige Modelle, die sich uns am besten bewährt haben, in erster Linie die Heusner sehen und KRAHMERSchen Schienen. Sie haben beide den Vorzug, nicht viel Raum fortzunehmen und bequem verpackt werden zu können. Bei all diesen Ver- bänden hängt viel von dem persönlichen Geschick und einem gewissen mecha- nischen Verständnis ab, und ist der Erfindungsgabe des Einzelnen, sofern er die chirurgischen Grundsätze der Frakturbehandlung beherrscht, ein großer Spielraum gelassen. Ich selbst habe vor zwei Jahren einen Verband für die schwierig zu behandelnden Hüft- und Oberschenkelverletzungen angegeben, der sich mir im Kriege ebenso wie in der Friedenspraxis auf das beste bewährt hat. Ihre Anwendung ist aus den vorgelegten Abbildungen ersichtlich. Die Kriegschirurgie ist die Kunst der Anpassung unter schwierigen und wechselnden Verhältnissen, und nirgends stellt sie darin größere Anforderungen, als in der eigentlichen Wundbehandlung und Wundpflege. Da müssen wir Abschied nehmen von der Hochkultur unserer modernen Operationshygiene, wie sie sich in den herrlichen Operationsräumen unserer heimischen Kranken- häuser verkörpert, und sollen uns nun anpassen an die gegebenen Verhältnisse in einer Scheune, einer schmutzigen Bauernhütte oder, wenn wir Glück haben, eines Schulraumes oder einer Kirche. Und während daheim der geordnete Betrieb sich regelt durch den vorbereiteten An- und Abtransport einzelner Kranker, werden wir hier oft überflutet von Hunderten von Verletzten. Es ist nicht gerade zu verwundern, daß da mancher Arzt verzagte und rundweg erklärte: hier hört jede Asepsis auf. Und doch, wie grundfalsch ist das, und wie scharf ist ein solches Denken zu verurteilen. Selbstverständlich kann von uns nicht das Unmögliche verlangt werden, aber das, was von Maßnahmen der Asepsis auch unter solch schwierigen Verhältnissen möglich ist, um Schädi- gungen von den Wunden fernzuhalten, das muß unter allen Umständen ge- schehen; und Gott sei Dank ist das gar nicht gering anzuschlagen, wenigstens im Vergleich zu der Kriegschirurgie früherer Tage. Uns stehen aseptische Verbandstücke zur Bedeckung der Wunde, ich möchte sagen, in unbeschränkter Menge, draußen zur Verfügung. Die schmutzige Haut der Wundumgebung, früher nur durch zeitraubendes Waschen und dann noch höchst unsicher desinfizirbar, wird heute durch einfaches Bestreichen mit Jodtinktur augenblicklich und absolut sicher keimfrei, und die übelsten Bakterienüberträger in der Wundbehandlung, die Hände, lassen sich bei der Versorgung einfacher Wunden, welche keinen operativen Eingriff erheischen, mühelos durch die Technik des sogenannten händelosen Operierens ausschalten. Statt der Finger benutzt man zum An- fassen Pincetten, die von Fall zu Fall durch Auskochen sterilisiert werden. Und wo wir die Finger in der Wunde nicht entbehren können, da schützt der Gummihandschuh vor Infektion, ohne daß wir im Notfall die zeitraubende 3 60 Händedesinfektion vorausschicken. Der Gummihandschuh, im Wasserdampf mit den Verbandstoffen sterilisiert, hat den großen Vorteil, daß Infektions- stoffe an ihm nicht fest haften, sondern durch einfaches Abspülen, wie durch einwandfreie Untersuchungen festgestellt ist, beseitigt werden können. So schreitet der Chirurg heute auf dem Verbandplatz oder im Operationsraum des Feldlazaretts in seinen Gummihandschuhen von Fall zu Fall, diese immer nur zwischendurch in Sublimatlösung reinigend, und legt sich nach getaner Arbeit in dem schönen Bewußtsein auf sein Strohlager, gegen das ,,nil nocere‘‘, den obersten Grundsatz der Chirurgie, nicht gröblich gesündigt zu haben. Füge ich nun noch hinzu, daß wir in der Lage sind, die Sterilisierung der Instrumente durch jedesmaliges Auskochen vor dem Gebrauch bei einem frischen Fall zu gewährleisten — sicherlich eine der wichtigsten Vorbereitungen für jede Wundversorgung und Operation — so haben Sie ein Bild unserer zwar primitiven, aber doch ausreichenden Aseptik im Felde. Wir müssen zwar auf die Rückversicherung gegen die äußere Wundinfektion, wie sie die pein- liche und üppige Hygiene unserer Operationsräume in Friedenslazaretten dar- stellt, im Felde verzichten, aber die eigentliche Versicherung gegen die Kontakt- infektion, d. h. die Sterilität der mit der Wunde in direkte Berührung kommenden Gegenstände, können wir bei gutem Willen im großen und ganzen durchführen. Das ist meine persönliche Überzeugung, von der mich auch mancherlei Schwierigkeiten, die uns entgegentraten, nicht abbringen können. Und nichts veranschaulicht den Fortschritt, den wir in unserer Kriegswund- behandlung gemacht haben, so schlagend als der Erfolg. Wenn von 100 Ver- wundeten nur 1 — 2 sterben und 90 wieder feld dienstfähig werden, so ist das eine Leistung, die wohl die kühnsten Erwartungen übertrifft. Und trotzdem, wer von uns wollte leugnen, daß dem Chirurgen in der Kriegswundbehandlung noch viel zu wünschen übrig bleibt? Ich denke da vor allem an die von vornherein meist schwer infizierten Artillerieverletzungen, namentlich die durch Granaten, welche allerhand Schmutz aus dem auf- gewühlten Erdreich in die Wunde mitreißen, während sich die Schrapnell- verletzungen mehr den einfachen Gewehrschüssen nähern. Aber auch Gewehr- schüsse mit großen Schußöffnungen, wie sie für Nahschüsse und Querschläger charakteristisch sind, gehören hierher. Die ausgedehnte Weichteilzertrümme- rung dieser Verletzungen macht sie an sich für fortschreitende Infektionen empfänglich und gefährlich, und häufig sind sie durch spezifische Infektionen ganz besonders gefährdet. Ich rechne hierher die sogenannte Gasphlegmone und den Tetanus, beide durch spezifische, anaerobe Bazillen verursacht. Wir würden all diesen Fällen sehr viel günstiger gegenüberstehen, wenn eine Desinfek- tion der Wunde, wenigstens der frischen Wunde, möglich wäre, und es ist be- greiflich, daß manche Chirurgen angesichts dieser zahlreichen, zumeist recht üblen Fälle ihre Überzeugung über Bord werfen und von der Aseptik zur Antiseptik, d. h. zu dem Versuch der Abtötung der Bakterien innerhalb der Wunde, zurückkehrten. Daß wir mit den gangbaren bakterientötenden Mitteln, wie 4 61 Sublimat, Carbol usw., eine infizierte Wunde nicht keimfrei machen können, weil diese Mittel Eiweißkoagulation bewirken und die Bakterien weder in der Wunde noch viel weniger in den Gewebsspalten erreichen, ist nun aber eine feststehende Tatsache, die dem Erfolg einer Wunddesinfektion entgegensteht, und wir müßten schon nach neuen Methoden Ausschau halten, wenn wir uns einen Erfolg versprechen wollen. Der Amerikaner Garrel glaubte in dem Natriumhypochlorid ein Mittel gefunden zu haben, welches den gestellten An- sprüchen genügt: es koaguliert Eiweiß nicht und ist ausreichend bakterientötend, ohne für den Menschen giftig zu sein. Er und der französische Chirurg Tüffier haben das Mittel an der französischen Front bei frischen infizierten Wunden, namentlich schweren Artillerieverletzungen, ausgedehnt angewendet und behaupten, solche Wunden damit in 3 — 5 Tagen in der Regel bakterien- frei gemacht zu haben. Sie geben aber selbst zu, daß sie 6 — 32 % Mortalität gehabt haben, je nachdem die Wunde frühzeitig oder spät desinfiziert wurde, und daß nur bei der genauesten Befolgung ihrer Vorschriften ein Resultat erzielt wird. Und diese Vorschriften sind keineswegs dazu angetan, die Methode eindeutig erscheinen zu lassen. Spätestens 6 Stunden nach der Verletzung soll die Wunde breit freigelegt und in allen Taschen auf das sorgfältigste ge- reinigt werden. Dann werden Drains überallhin eingelegt, die ganze Wunde mit Mull tamponiert, und nun eine permanente Irrigation oder mindestens 1 — 2stündige Spülung mit Natriumhypochloridlösung für die nächsten Tage eingeleitet. Ja, wenn man uns Zeit läßt, uns draußen nach der Schlacht in dieser subtilen Weise mit dem einzelnen Fall zu beschäftigen, reichen wohl auch unsere alten Methoden aus, ähnliche Resultate zu erzielen. Ganz vor- zügliche Erfolge habe ich da bei großen verschmutzten Artillerieverletzungen mit dem Friedrich sehen Verfahren gehabt, der sorgfältigen Freilegung der Wunden und mechanischen Säuberung durch Abtragung aller Fremdkörper und gequetschten Gewebe mit Schere und Pinzette, so daß eine reine Wund- fläche schließlich übrig blieb, die mit Tamponade behandelt wurde. Aber das ist ein zeitraubendes Geschäft und kann bei Massenverletzungen nicht durchgeführt werden. Auch Ritter in Posen hat mit einem ähnlichen Vor- gehen in einer größeren Anzahl von Fällen gute Erfolge gehabt, wie er in einer neueren Veröffentlichung mitteilt. Man sieht, daß man gewissermaßen mit dem vorbereitenden Eingriff Garrels ohne seine Irrigation schon ähn- liches erreichen kann. Es kommt eben schließlich auf eine frühzeitige, sehr sorgfältige Wundpflege durch möglichste Entfernung aller infektiösen Fremd- körper und nicht mehr ernährungsfähigen Gewebe hinaus, mit der wir in der Friedenspraxis durchaus auskommen. Aber wo bleibt draußen im Felde für jeden Fall die Zeit dazu? Nun will ich ein Verfahren erwähnen, welches auf ganz andere Weise die Bakterien aus der Wunde zu entfernen sucht. Wright benutzt eine hypertonische Kochsalzlösung, um durch Exosmose eine Lymphorrhoe in der Wunde zu erzeugen und die Bakterien dadurch hinauszuschwemmen. Er 5 62 wäscht die frische Wunde mit einer b%. Kochsalzlösung aus, der zitron- saures Natron zugesetzt wird, um die Lymphe flüssig zu erhalten, und will damit gute Resultate erzielt haben. Deutsche Erfahrungen liegen darüber nicht vor. Im Grunde kommt das Verfahren auf etwas ähnliches hinaus, wie die Bier sehe Stauung, bei der auch eine starke Lymphsekretion nach außen entsteht. Bier selbst zeigte mir in Quentin eine Modifikation seiner Stauungsmethode, mit der er bei frischen und älteren Wundinfektionen recht bemerkenswerte Erfolge hatte. Eine Gasphlegmone war ohne Inzision völlig zurückgegangen, zahlreiche komplizierte Brüche mit schwerer Eiterung, Gelenk- eiterungen u. 8. w. waren schnell entfiebert und geheilt oder in Heilung be- griffen. Natürlich mit Ausnahmen. Das Verfahren besteht in einer rhythmischen Stauung. Durch den Druck einer Kohlensäurebombe, die durch ein Schlauch- system mit den Staumanschetten der im Bette liegenden Kranken verbunden ist, und die sich durch ein Uhrwerk alle 3 Minuten öffnet oder schließt, wird die Stauung in Intervallen andauernd hergestellt oder unterbrochen und jede Gefahr der Stauung dadurch beseitigt. Die Ergebnisse dieses etwas kompli- zierten, überaus sinnreichen Verfahrens sind zweifellos recht überraschend. Alle diese Fortschritte aber, welche wir in der Behandlung der schwer infizierten Wunden gemacht haben, werden in Schatten gestellt durch die erfolgreiche Bekämpfung der fürchterlichsten Wundinfektionskrankheit, des Wundstarrkrampfes. Der Erreger desselben, der Tetanusbazillus, ist ein Anaerobier, er gedeiht nur unter Luftabschluß. Er ist in der Erde verbreitet und führt hier ein Schlummerdasein, um im menschlichen Gewebe, durch eine Wunde dorthin gelangt, aufzuleben und seine Schreckensherrschaft zu entfalten. Wir wissen, daß er in bestimmten Gegenden häufiger vorhanden ist als in anderen. Hier in Danzig und Westpreußen ist er außerordentlich selten, in Stettin beispielsweise sehr häufig. Nun ist es gelungen, Tiere durch ein im tierischen Körper erzeugtes Antitoxin zu immunisieren, und bei Pferden wirkt auch nach Ausbruch der Krankheit dieses Antitoxin auf den Verlauf der Krankheit sichtbar günstig. Anders beim Menschen, bei dem in dieser Anwendung kaum Erfolge erzielt worden sind. So haben im russisch-japa- nischen Kriege die Arzte auf die Antitoxineinspritzung bei Tetanuskranken schließlich ganz verzichtet, weil sie nie einen Erfolg gesehen hatten. Das gleiche Urteil wurde von den deutschen Ärzten im Beginn des jetzigen Krieges gefällt. Wir im Osten bekamen wenig Tetanusinfektionen zu sehen, was wir davon sahen, verlief trotz hoher Tetanusantitoxingaben fast immer tätlich. An der Westfront, in den ersten Kämpfen an der Aisne und Marne, war der Tetanus außerordentlich häufig und hat schmerzliche Verluste gefordert. Da wurde durch Armeebefehl die prophylaktische Antitoxininjektion bei jeder Schußverletzung eingeführt, wie sie sich im Tierversuch so sicher wirkend gezeigt hat, und siehe, mit einem Schlage war der Tetanus beseitigt. Nur außerordentlich selten kommen noch Tetanusfälle zur Beobachtung, die sich wohl aus einer mangelhaften Anwendung des Antitoxins erklären dürften c 63 Und wenn noch auf der Brüsseler Kriegschirurgentagung im April 1915 Zweifel an der Wirkung der prophylaktischen Antitoxinbehandlung möglich waren, heute sind sie verstummt. Es ist ein glänzender Sieg über einen entsetzlichen Feind, den wir da errungen haben. Auch die Friedenschirurgie wird davon den größten Nutzen ziehen. Was die gefürchtete Gasphlegmone aulangt, so ist sie nach meinen Er- fahrungen recht selten geworden. Ob das auf klimatische oder örtliche Ver- hältnisse zurückzuführen ist, wie wir anfangs meinten, lasse ich dahingestellt. Ich möchte glauben, daß die zunehmenden Fortschritte in der ersten Wund- versorgung hierauf nicht ohne Einfluß gewesen sind. Übrigens ist die Behand- lung der Gasphlegmone keineswegs aussichtslos. Frühzeitige große Einschnitte, in anderen Fällen die rechtzeitige Amputation, haben häufig genug das bedrohte Leben gerettet. Ich möchte mich hier nun nicht auf eine Besprechung der einzelnen Organ- verletzungen einlassen, so verlockend es auch wäre, Ihnen daran die Leistungen der Chirurgie im Felde zu demonstrieren. Es würde zu weit führen und Ihnen schließlich doch kein richtiges Bild bieten. Im allgemeinen muß sich der Chirurg draußen die unliebsamsten Beschränkungen auferlegen, sei es, weil es bei der Fülle von Verletzungen an Zeit gebricht, um große Eingriffe in Ruhe auszuführen, sei es, daß die Aseptik unter den gegebenen Verhältnissen zu unzuverlässig ist. Im Stellungskrieg lassen sich solche Schwierigkeiten über- winden, im Bewegungskriege in der Regel nicht. Die Gefahren des Eingriffes nehmen hier so zu, daß naturgemäß die Indikationen zum Eingriff sehr zu- sammenschrumpfen. Denn selbstverständlich müssen wir die Operation unter- lassen, wenn ihre Gefahren schätzungsweise größer sind als die Gefahren der Verletzung selbst. Ich will aber erwähnen, daß wir auch im Bewegungskriege gelegentlich Bauchschnitte ausgeführt haben, um durchschossene Darmschliugen zu nähen oder zu resezieren, und zwar wiederholt mit gutem Erfolg. Auch bei Blasen- und Harnröhrenverletzungen haben wir manches Menschenleben durch unsere Eingriffe gerettet. Einen breiten Raum nehmen die Trepanationen bei Schädelschüssen ein. Sicher ist, daß wir dadurch viele Verletzte über die ersten Gefahren hinweggebracht haben; sicher aber auch, daß davon so mancher späteren Komplikationen wie Hirnabszeß u. dergl. erlegen ist. Ein Urteil über den Gesamterfolg läßt sich heute noch kaum abgeben, da größere Statistiken ausstehen. Gute Erfolge hatte ich bei beginnender Hirnhaut- entzündung mit der Lumbalpunktion und gute Erfolge mit der Punktion oder Drainage großer Blutergüsse in die Brusthöhle bei Brustschüssen. Sie sehen, bei aller Reserve, die wir uns auferlegten oder auferlegen mußten, haben wir unsere Hände keineswegs in den Schoß gelegt, und wo wir uns vernünftiger Weise einen Erfolg von unserem Eingreifen zur Rettung des bedrohten Lebens versprechen konnten, da haben wir ihn versucht. Aber selbstverständlich hat die Kriegschirurgie weit größere Triumphe in den wohleingerichteten Kriegs- lazaretten der Etappe und in den Heimatslazaretten gefeiert. Ich erinnere 7 64 da nur an die komplizierten Schädel- und Gehirnoperationen, an die Wirbel- trepanationen und Nervenoperationen, an die Gefäßresektionen bei Aneurysmen nach der Schußverletzung größerer Schlagadern, und an die kunstvollen Ope- rationen zur Entfernung zurückgebliebener Geschosse. Nur mit wenigen Worten will ich Ihnen die Fortschritte skizzieren, welche die Kriegschirurgie gerade auf letzterem Gebiete gemacht hat. Während ehedem nur diejenigen Geschosse entfernbar waren, welche von außen zu fühlen oder durch die Wunde mit der Sonde festzustellen waren, sind wir heute durch das Köntgenbild in der Lage, das Geschoß überall im Körper genau zu bestimmen und, falls es erforderlich und angängig erscheint, zu ent- fernen. Es ist ja richtig, daß das einmal eingeheilte Geschoß keine Schädi- gungen für den Träger zu bedingen braucht, aber eine Sicherheit dagegen gibt es nicht, daß nicht noch nach Jahr und Tag Störungen, sogar ernster Natur, dadurch herbeigeführt werden könnten. Deshalb empfiehlt sich die Entfernung aller Geschosse, die ohne eine unverhältnismäßige Gefahr entfernt werden können. Davon sind auch die Verletzten durchweg überzeugt und nicht selten drängen sie den Chirurgen zu den kühnsten Eingriffen. Natürlich geben einfache Durchleuchtungen oder Aufnahmen kein Urteil darüber, in welcher Ebene des durchleuchteten Körperteiles der Fremdkörper sich befindet. Dazu ist eine zweite Aufnahme in der Vertikalen zur ersten Aufuahme erforderlich. Das genügt für viele Fälle, namentlich dort, wo wir an charakteristischen Knochenteilen in der Nachbarschaft sichere Anhaltspunkte für die Orientierung haben. Wo das nicht der Fall ist, müssen wir eine exakte Tiefenbestimmung von einem markierten Punkte der Haut aus machen. Was darin heute geleistet wird, ist das denkbar Vollkommenste. Ich über- treibe nicht, wenn ich Ihnen sage, daß diese Lokalisationen auf den Millimeter stimmen, und da es sich häufig um Millimeter handelt, die das Geschoß von der gefährlichen Nachbarschaft eines großen Gefäßes, des Rückenmarkes u. dergl. trennen, so können Sie ermessen, welche Sicherheit diese Methoden dem Chirurgen bei seinem Vorhaben heute geben. Ich bin am Schluß meiner Ausführungen, die nur das Wesentliche der Fort- schritte in der Kriegschirurgie berührten. Damit soll nicht gesagt sein, daß ich manches, was ich überging, für unwesentlich halte. Das trifft vor allem auf die Orthopaedie zu, die Glänzendes für die Wiedererlangung der Gebrauchsfähigkeit von Gliedern geleistet hat und die Erfolge des Chirurgen in oft geistvoller und mühsamer Weise ergänzt und sichert. Mir lag nur daran, Ihnen eine Vor- stellung zu geben, wie die Kriegschirurgie sich die Fortschritte der Friedens- chirurgie zunutze gemacht hat und auf welche Weise unsere Erfolge erzielt wurden, die ein bekannter Parlamentarier vor kurzem in folgenden Worten anerkannte: „Gewiß kann unsere ärztliche Kunst Tote nicht lebendig machen, aber die zunehmende Diensttauglichkeit unserer Verwundeten ist eines der merkwürdigsten Kapitel dieses Krieges. Von Monat zu Monat hat die Zahl der Wiederverwendungsfähigen sich gehoben. Mögen also unsere Gegner noch 8 65 so hohe Phantasiezahlen über die deutschen Verwundeten anführen, sie mögen doch nicht vergessen, daß 90 v. Hundert davon wieder in die Front zurück- kehren. Wenn es manchmal hieß, daß der deutsche Lokomotivführer den Krieg gewinnen werde, so darf man auch sagen, daß der deutsche Arzt den Sieg mit erfochten hat. Diese 90 v. H. der Wiederverwendeten werden in keinem anderen Lande erreicht.“ Die deutsche Ärzteschaft darf diese Anerkennung mit Genugtuung und Stolz hinnehmen. Leicht hat sie es sich nicht gemacht, dieselbe zu verdienen. Sehr. d. N. G, zu Danzig. Bd. XIV, Heft 2. 9 5 66 f Altes und Neues vom diluvialen Thorner Stausee. Von Prof. Dr. PAUL SONNTAGr-Danzig. Mit 1 Karte vmd 5 Fionren im Text. O Einleitung. Bisherige Ansichten über den Thorner See. Bei ihrem Eintritt von Russisch-Polen her in preußisches Gebiet hat die Weichsel eine kurze Strecke lang noch den gleichen, nordwestlichen Lauf wie vorher in Polen. Aber schon bei Thorn wendet sie sich fast genau gen Westen und scheint der Stadt Bromberg zuzustreben. Ehe sie jedoch diesen Ort erreicht, eine Meile vor den Toren der Stadt, wendet sie sich plötzlich mit Rechtsum nach Norden und durchbricht den dort aufstrebenden Höhen- rand zwischen Ostrometzko und Fordon. Diese eigenartige, plötzliche Richtungsänderung des Stromes hat von jeher allgemeines Interesse erregt und die Aufmerksamkeit der wissenschaft- lichen Forschung auf sich gelenkt, besonders wohl auch aus dem Grunde, weil es nicht recht ersichtlich ist, was den Fluß veranlassen konnte, das bequeme, weite, sich nach Westen gleichmäßig fortsetzende Diluvial-Tal zu verlassen und seine Kraft an der Durchbrechung des nördlichen, hohen Tal- randes zu versuchen, während doch westlich keine nennenswerten Hindernisse seinem Lauf entgegenstehen. Jedenfalls drängt sich dem aufmerksamen Beobachter an dieser Stelle ohne weiteres die Meinung auf, daß der Strom vor Zeiten eine andere Richtung verfolgte wie heute. Schon Girard^) führte die Betrachtung dieser orographischen Verhält- nisse zu der Annahme, daß in einer gewissen Periode der Entwicklung die Weichsel einst ihren Lauf nach Westen nahm über Bromberg nach Nakel zu, später soll, so nimmt er an, sich alsdann der Strom gegabelt haben, ein Teil gen Westen, ein anderer gegen Norden abgeflossen sein (Übergangs- periode Girards) und endlich trat dann in einer dritten Periode der gänz- b Die norddeutsche Ebene etc, Berlin 1855 (p. 8. tF.). 1 67 liehe Umschwung der Verhältnisse ein, der Abfluß geschah allein auf dem neu- gebahnten Wege zwischen dem pommerellischen und dem preußischen Land- rücken hindurch. Die erste zeichnerische Darstellung dieser Verhältnisse dürfte wohl die BERENDTsche Skizze „Das alte Weichseltal und seine spätere Ablenkung nach Norden^^ sein (Z. d. d. Geol. Ges. 1879), die noch heute zur Einführung in die ganze Situation von Wert ist. Berendt gibt die Begren- zung des alten Weichseltales (er kennt noch keinen Stausee an dieser Stelle) durch starke Striche deutlich wieder, ebenso die Bromberger Diluvialinsel, die von zwei Stromarmen umfaßt wird. Die Nordgrenze verläuft auf der kleinen Skizze von Nakel über Fordon nach Thorn, wäh- rend im Süden eine Linie von der Ausbuchtung bei Schubin öst- lich nach Gniewkowo (jetzt Ar- genau, an der Strecke Hohen- salza-Thorn gelegen) die Grenze bildet. Die nächst jüngere Bil düng ist Berendt s altalluviale^) Talsohle; sie ist am nördlichen Ufer der weiten Talung an der Drewenzmündung, bei Thorn und bei Ostrometzko - Fordon darge- stellt, läuft auch noch über die Mündung des Brahetals halbwegs nach Nakel. An das Südufer setzt sich ein großes Stück der altalluvialen Talsohle bei Gniewkowo (der Karte) an; dann zeigen sich einzelne altalluviale Inseln weiter westlich nach Schubin zu, wo sich die vorspringende Spitze der diluvialen Hochfläche nach 0. zu ebenfalls in eine altalluviale Fläche verlängert. Dasselbe ist der Fall bei der Bromberger Insel nach Westen zu, aber dieser Vorsprung ist von einer Senke (Oberer Netzekanal) durchquert. Im nördlichen Abschnitt der Karte, in der Darstellung des „jetzigen Weichseltales“, interessiert besonders die große Ausbuchtung südlich von Kulm mit einer altalluvialen Insel (Scharnese etc.) und das große, altalluviale Becken von Graudenz mit 3 dilu- 1) Das BERENDTsche Alt-Allnvinm wird bekanntlich jetzt als jungdiluvialer Talsand bezeichnet. DAS ALTE WE1CHSEL”THAL iaassstab l:1,7000,00T Diiuvials Aitalluv/ialB Jung alluvi als Alluv/iutn i-d.HocbflächB 2 68 vialen Inseln. Berendt äußert sich über die Graudenzer Gegend nicht weiter; Jentzsch aber sagt hierzu erklärend: „Das preußische Weichseltal erscheint auf der Höhenkarte (v. Jentzsch und Yogel 1 : 300000, herausg. v. d. phys.- ökon. Ges. Königsberg) als eine durch Erosion umgewandelte Seenkette. Die Stadt Graudenz bezeichnet den Mittelpunkt des bedeutendsten der ursprüng- lichen Seen, aus welchem drei hohe Inseln hervorragten: die heutige Festung Graudenz und die Hügel von Kallinken und Gruppe“^). Berendt selbst weist darauf hin, daß die große Ausbuchtung des Weichseltales südlich von Kulm auf dem rechten Ufer des Flusses niemals von der Weichsel selbst, sondern nur von einem in nordsüdlicher Kichtung herabkommenden Gewässer ausgehöhlt sein kann, wie der Augenschein lehrt. Alsdann fährt er fort: „Ganz übereinstimmend damit fließen aber auch heute noch die jetzigen Neben- flüßchen der Weichsel, die Brahe, das Schwarzwasser und die Ferse in dieser nordsüdlichen Richtung und kommen ihrem jetzigen Hauptstrom daher geradezu entgegen. Allem Anschein nach mündete hier in der Gegend des heutigen Fordon einst ein von Norden kommender, durch die Schmelzwasser gebildeter, bedeutender Nebenfluß der ehemaligen Weichsel, welcher, selbst unter Be- nutzung der ursprünglichen Schmelzwasserrinnen entstanden, später bei weiterer Hebung Norddeutschlands in umgekehrter Richtung von den Wassern des Hauptstromes benutzt wurde.“ (1. c.) Diese Bemerkungen Berendts kennzeichnen sehr anschaulich die ganze Situation, wenn auch die Hypothese über die Hebung Norddeutschlands auf- gegeben ist. Von einem „Stausee“ ist bei Berendt, wie erwähnt, noch nicht die Rede, er spricht vielmehr ausdrücklich nur von dem alten Weichseltal. Eine nicht unerhebliche Erweiterung unserer Kenntnis der Verhältnisse des diluvialen Weichseltales bei Thorn, besonders in Bezug auf genauere Dar- stellung von Einzelheiten, ist in der kleinen Abhandlung von Ernst H. L. Krause (Saarlouis), Der ehemalige Thorner See, Globus 1898, Bd. 74. p. 13. u. f.) zu finden. Hier wird zum ersten Male von einem See gesprochen, und ein wesentlicher Fortschritt ist die Unterscheidung mehrerer Terrassen in den sandigen Rückständen des ehemaligen Gewässers. Krause gibt etwa folgende Beschreibung des Gebietes des Thorner Sees. Die Begrenzung bildet im Norden das Kulmerland, im Süden Kujawien, beides fruchtbare Diluvialmergelgebiete, dabei in Kujawien eine lößähnliche Schwarzerdebildung. Nordwestlich von Thorn erstrecken sich sandige Gebiete, die beim Forsthause Ollek ziemlich steil 20 m zu einem 95 m Höhe besitzenden Sandhügel aufsteigen. Es sind hier Gehängedünen vom Winde den Abhang hinaufgetrieben und krönen den Rand. Letzterer läßt sich westwärts bis Hohenhausen und weiter in verminderter Höhe bis Ostrometzko , verfolgen. Auch ostwärts von Ollek bis zum Drewenztal bei Leibitsch wird die Höhe 1) Jentzsch, Einige Züge in der Oberflächengestaltung Westpreußens. Z. d. d. Geol. Ges. 1890. p. 615. 3 69 des Abhanges geringer. Von Ollek östlich bis Leibitsch zieht sich die ,,Wasserturmterrasse“ (von Krause nach dem Thorner Wasserturm benannt) in ca. 75 m Maximalhöhe hin. Von Ollek westlich bis Hohenhausen tritt eine niedrigere Sandebene an den Rand der diluvialen Hochfläche heran, von Hohenhausen weiter westlich bis Ostrometzko wieder die Wasser turmterrasse, die östlich ca. 15 — 20 m zur niedrigen Sandebene abfällt. Das Gebiet des Thorner Forstreviers Steinort liegt ca. 20 m unter dem Kulmerlande und 20 m über der niedrigen Sandebene. Am Abfalle des Kulmerlandes und auch unter dem Sande der Wasser- turmterrasse (bei Steinort und Thorn) tritt Diluvium (Mergel?) zu Tage, da- gegen am Abfall der niedrigen Sandebene zum jetzigen Weichseltal Tertiärton (Posener Ton), z. B. bei Thorn. Der Boden der Wasserturmterrasse ist stellenweise mit Dünen besetzt, zwischen denen sich Torfsenken ein- schalten ^). Was die Höhenlage der einzelnen Stufen anbetrifft, so gibt Krause für das jetzige Weichseltal 35 m über NN. an, die niedrige Terrasse liegt in 45 m, die Wasserturmterrasse in 70 m, das Kulmerland in 85 m Höhe über NN. Bei Ostrometzko, wo die heutige Weichsel nach Norden durchbricht, ist eine Lücke in dem nördlichen Abfall vorhanden, jenseits von Pordon zieht sich das nördliche Ufer angeblich über die Brahe nach Dzialy (bei Bromberg) und Nakel. Ist so das Nordufer ziemlich genau begrenzt, so läßt sich das südliche Ufer nicht so leicht festlegen; besondere Schwierigkeiten macht die Begrenzung der höheren und niedrigen Terrasse, die von Krause hier nur in einzelnen Teilstücken angegeben werden konnte, ein Umstand, der später weitere Er- klärung finden wird. Der Fußartillerie-Schießplatz bei Podgorz ist ein hügeliges Flugsandgebiet, das auch bei Durchstichen nur Sand zeigt. Der Abhang von Podgorz fällt mit ca. 15 m Höhe gegen die Nessauer Niederung ab, die erst 1897 einge- deicht wurde und 40 m über NN. gelegen ist. Eine alte Uferlinie ist nach Krause beim Kasinogebäude des Schießplatzes in 55 m oberer und 50 m unterer Höhe zu bemerken. Bis 50 m reichen die Aufhöhungen und Anschwemmungen der jetzigen Weichsel. (Anm. d. Verf. : Nach Bindemann überschreitet die Weichsel bei mittlerem Wasserstande in 38,6 m Höhe die preußisch-russische Grenze.) Die erste ältere Terrasse liegt hier 55 — 60 m über NN., 10 m höher als die niedrige Sandebene am jenseitigen Ufer. Bei Ziegelei Glinkekrug ist der Abhang der nächst höheren Terrasse erkennbar (70 — 75 m). Weniger deutlich ist der Aufstieg bei Dziwak. Diese Terrasse hat die gleiche Höhen- lage wie die Wasserturmterrasse. Bei Argenau beginnt der fruchtbare, schwarz- graue Boden Kujawiens, der, wie schon Girard bemerkt, lößähnlich ist, in- 0 Krause gibt für einen Punkt ostwärts von Hohenhausen am Rande der niedrigen Sandebene folgendes Profil: 1 m Schilftorf, darunter Lehm, darüber 0,5 m Talsand. 4 70 dessen keinen echten Löß darstellt, da er Geschiebe enthält. Hier ist kein deutlicher Abfall vorhanden, wahrscheinlich ist er unter Gehängedünen be- graben. An einzelnen Stellen (bei der Kapelle, Mergelgrube beim letzten Bahnwärterhause der Schirpitzer Forst) tritt der Diluvialmergel hervor. Das rechte Ufer der Tuntschina bildet hier wahrscheinlich die Grenze, deutlicher ist der Abfall (10 — 15 m) weiter westlich zur 72 m hohen Grünfließniederung; er zieht sich dann mit Unterbrechungen über Labischin zum Nakeler Brückenkopf. Die „Schießplatzterrasse“ (50 — 55 m) beobachtete Krause auch nördlich der Grünfließniederung in 54 m Höhe im Forst Wodek. Soweit reichen die Beobachtungen Krauses. Sie stellen den ersten Versuch einer Gliederung der diluvialen Talbildungen des ausgedehnten Beckens zwischen Thorn und Bromberg dar und mußten naturgemäß als erster Versuch, der sich auf keine schon vorhandenen Grundlagen stützen konnte, lückenhaft bleiben. Es fehlt vor allem die Begrenzung der inmitten der weiten Talung liegenden Insel älteren Diluviums, und es bleibt zweifelhaft, in welchem Ver- hältnis die „Schießplatzterrasse“ zur „Niedrigen Sandebene“ steht. Die Grenzen der Schießplatzterrasse und der Wasser turmterrasse im Westen und Süden sind ebenfalls nur auf ganz kleine Strecken hin festgestellt. In ein neues Stadium traten die Untersuchungen über die Entwickelung der ganzen Talbilduug in unserem Gebiet durch Keilhack s Forschungen. In demselben Jahre (1898), in dem Krauses kleine Abhandlung erschien, kam auch Keilhack s Arbeit über die „Stillstandslagen des letzten Inlandeises etc.“^) und die „Geolog.-morphol. Übersichtskarte der Provinz Pommern“ heraus. Keilhack unterscheidet im Gebiete des gesamten Thorn-Eberswalder Tales zwei große Anstauungen der Schmelzwässer, den Thorner Stausee an der russisch-deutschen Grenze und den Küstriner Stausee im heutigen Warthe- Oderbruch. Die Bedingung für die Entstehung dieser großen Seen war nach ihm die Präexistenz tiefer Depressionen an den genannten Orten. (1. c. p. 112.) Begründet wird die Annahme von Stauseen durch den auf große Strecken hin in gleichem Niveau bleibenden Verlauf der Terrassen jener Gewässer. Beim Thorner Stausee, der uns hier allein angeht, treten die Terrassen in etwa 75 m Höhe bereits aus Polen in preußisches Gebiet herüber und behalten die gleiche Höhe bis in die Gegend von Bromberg. Die von der großen baltischen Endmoräne herabkomraenden Sanderflächen, im besonderen der Schwarzwasser- und der Brahesander, überschreiten nirgends das Haupttal, dessen Südrand von Hoch- flächen ohne Sandercharakter gebildet wird. Daraus geht hervor, daß die vom nördlichen Eisrande ^) kommenden Wassermassen das Tal benutzten; aber auch die jenseits östlich der Weichsel vom Höhenrücken herabkommenden Schmelz- wasserströme und die von Süden herkommenden Flüsse (Weichsel, Warthe) sammelten ihre Wassermassen hier an. 9 Jahrb. d. geol. Landesanst. Berlin f. 1898, XIX. 2) Vom Rande der großen baltischen Haiiptendmoräne auf dem pommereil. Höhenrücken. 5 71 Die höchsten Terrassen des Haupttales und diejenigen des Südrandes der Sanderflächen (Brahe) stimmen in ihrer Höhenlage überein. Keilhack unter- scheidet bei Bromberg 2 Terrassen (vgl. Geol.-morphol. Karte v. Pommern), die höher gelegene wird als die des Thorn-Eberswalder Haupttales, die tiefere als höchste Stufe der Pommerschen Urstromtäler bezeichnet. Die oberste Terrasse erlangt an der heutigen Weichsel bis zu 15 km Breite, an vielen anderen Stellen 5 — 10 km, mitunter beschränkt sie sich auf schmale, nur wenige hundert Meter den Talrändern angelagerte Säume. Die an der Reichs- grenze mit 75 m Höhe eintretende obere Terrasse hat von der Mündung der Brahe in das Haupttal bei Bromberg 70 — 75 m Meereshöhe, und der Brahe- sander schließt sich mit hdächen von 80 m Höhe an. Die niedrigere Terrasse wird nach Keilhack auf 50 — 55 m Höhe angegeben bzw. gezeichnet. Was den Durchbruch der Weichsel nach Norden betrifft, so nimmt Keilhack an, daß nach dem letzten Zurückweichen des Eises westlich der Weichsel eine subglaziale N — S-Rinne frei wurde, durch welche der Strom alsbald seinen Lauf zum Gebiet des Frischen Haffs nahm, während die westlich von Bromberg liegende Pforte des Bromberger Kanals überflüssig wurde. Nach erfolgter Verlegung des Weichsellaufes sank der Wasserspiegel auf 45 — 50 m, gegen die ursprüngliche Höhe also um 20 — 25 m. Gegen diese Anschauungen Keilhack s sind von G. Maas^) einige Ein- würfe gemacht worden, die zu einer lebhaften Polemik mit Keilhack führten. Die wichtigsten Folgerungen, die Maas aus seinen Untersuchungen gezogen hat, beziehen sich wiederum einmal auf die Altersbestimmung des großen Weichseldurchbruchs, andererseits auf die Entstehung des Thorn-Eberswalder Haupttales, ln dieser Hinsicht vertritt er die Anschauung, daß das Thorn- Eberswalder Haupttal kein einheitliches Gebilde ist und nicht mit nur einer Eisrandlage in ursächlichem Zusammenhang steht, wie Keilhack annimmt. Das Thorn-Eberswalder Haupttal soll nach Maas, wie die andern Haupttäler, aus einer Reihe perlschnurartig aneinander gereihter Einzelbecken entstanden sein, und nur der unterste Teil des Tales, das Warthe- und Netzegebiet, hatte eine Verbindung mit der unteren Elbe, während bei Usch (Schneidemühl, Küddowmündung) eine Eisrandlage, deren Moränen Maas nachgewiesen, den oberen, östlichen Teil des Tales noch absperrte. Der Durchbruch von Fordon soll wahrscheinlich nur wenig später als der von Usch erfolgt sein, und nur in einer sehr späten Phase der Entwicklung kann man nach Maas von einem Thorn-Eberswalder Tal sprechen. Es floß durch die untere Oder ab. Maas nimmt ferner an, daß der endgültige Durchbruch der Weichsel in sehr jugendlicher Zeit erfolgte und glaubt sichere Beweise dafür bei Bromberg gefunden zu haben. Er unterscheidet bei Bromberg zwei Weichselterrassen in 53 und 48 m Höhe, die sich bis Fordon auf etwa 40 m senken. Westlich 1) G. Maas, Zur Entwicklungsgeschichte des sog. Thorn-Eberswalder Haupttales, Z. d. d. geol. Ges. 1904, p. 40. — Keilhack s Erwiderung ebenda. 6 72 lehnen sie sich angeblich an das viele Meter mächtige moorige Alluvium, das die Kanalsenke erfüllt, an. Die Kiesterrassen könnten sich also erst gebildet haben, als das alte Bromberger Becken bereits hoch hinauf vertorft war. Mithin kann die Bildung des Weichseldurchbruchs erst in alluvialer Zeit er- folgt sein. Maas will infolgedessen für diese Terrassen den alten Berendt sehen Begriff „altalluvial“ wieder einführen. Die Furche des jetzigen Weichseltales hält Maas ihrem Ursprünge nach für eine offene Schmelzwasserrinne, sie soll nicht subglazial vorgebildet sein, wie Keilhack annahm, und der Weichsel- durchbruch wird mit der postglazialen Z/^^or^/^a-Senkung in Verbindung gesetzt. Schon Keilhack hat einige der weitgehenden Annahmen von Maas be- zweifelt, insbesondere die Kiesterrassen, die sich an mächtige Moorbildungen anlehnen. In der Tat läßt sich diese Annahme nicht aufrecht erhalten, es handelt sich, wie ich gezeigt habe^), um ein späteres Anwachsen des Moores in einem stromlos gewordenen Tal, und der Durchbruch der Weichsel erfolgte schon in diluvialer Zeit. Immerhin dürfte von den Maas sehen Ausführungen so viel richtig sein, daß die Entwicklung des Thorn-Eberswalder Tales nicht so einfach verlief, wie wohl bisher allgemein angenommen wurde. Insbesondere kommt für den Thorner Stausee in erster Linie eine ältere Eisrandlage in Betracht, während zur Zeit der großen, baltischen Endmoräne der See zu einem fast flußartigen Talbecken zusammengeschrumpft war. Dieses auf Grund einiger neuer Beobachtungen näher darzulegen, soll die Aufgabe unserer weiteren Ausführungen sein. I. Ein Endmoränenrest am Südufer des Bromberger Kanals bei Lochowo-Nakel (Steinburg). Bei einem mehrtägigen Aufenthalt in Bromberg im Juli 1914 besichtigte ich den prächtigen, neuerbauten Bismarckturm. Am Höhenrande, dem ca. 30 m betragenden AbfalU) der Hochterrasse des diluvialen Thorner Stausees zur jüngeren und jüngsten Talbildung, in der Yorortgemeinde Klein Bartelsee östlich von Bromberg gelegen, bietet er bei rund 25 m Höhe einen ausge- zeichneten Rundblick über das Brahetal östlich bis zu den Höhen von Ostro- metzko hin, wo gegenüber von Fordon die Weichsel mit plötzlicher Wendung nach Norden den diluvialen Höhenrücken durchbricht, während im Westen und Norden das Häusermeer der Stadt die weiten Talflächen fast bis zum Horizont bedeckt. Das Baumaterial des wuchtigen Turmes ist ganz aus Findlingen gebildet, die aus der Umgebung zusammengebracht wurden, nur zum geringen Teil der alten Sadtmauer entnommen sind; wahrscheinlich stammt aber auch dieser Teil 1) Die Urstromtäler des unteren Weichselgebietes, Schrift, d. Naturf. Ges. Danzig. N. F. XTII. Bd. 3./4. Heft, p. 57. 2) Yon 70 m auf 40 m. 7 73 des Materials aus der nächsten Umgebung der Stadt. Auf eine Frage, aus welchen Ortschaften der Bromberger Umgebung wohl diese nicht geringe Menge (ca. 700 cbm) von Steinen herkommen möchte, erhielt ich von dem Führer zur Antwort, daß ein großer Teil aus Lochowo, ca. 11 km westlich von Brom- berg, gekommen sei. Das Vorkommen größerer Anhäufungen von Findlingen im Gebiete des höchsten Talsandes des ehemaligen Thorner Stausees (Lochowo liegt in ca. 70 m Meereshöhe an dem Speisekanal, der von der Netze zum Bromberger Kanal in nördlicher Richtung führt, und erst 16 km westlicher bei Nakel ver- Fig. 2. Bismarcktiirm bei Bromberg. Der Turm ist aus Findlingen erbaut, die von Lochowo herstammen. Er steht am Abfall der Hochterrasse zum Brahe-Tal. engt sich die weite Talsandhochfläche zu einer flaßartigen Talsohle) war auf- fallend genug, um zu einer näheren Besichtigung des fraglichen Geländes an- zureizen, und der Erfolg war die Feststellung von unzweifelhaften Stein- packungen, die sich besonders innerhalb des Waldes gut erhalten haben. Am schönsten treten sie in der vorspringenden Waldecke (Jagen 186 des Meßtisch- blattes) östlich des „Oberen Netzekanals^^ alias Speisekanals auf, wo im Birken- wald in kiesigem Sande dicht bei dicht Blöcke in den Boden eingesenkt, von Baumwurzeln überwachsen, lagern. Weiter am Waldrande westlich ziehen sich Steinpackungen bis zur Brücke, die über den Kanal führt. Hier ist auch eine Sammel- und Verladestelle für Steine vorhanden, die von den Bauern aus Lochowo gefunden und verkauft werden. Jenseits westlich des Kanals sind 8 74 anscheinend keine Findlinge in der Forst mehr vorhanden. Die Häuser in Lochowo sind unter reichlicher Verwendung von Findlingen gebaut. Verfolgt man den Speisekanal nördlich bis zur Schleuse VIII, wo der Abfall zur ver- torften Senke des Bromberger Kanals beginnt, so kommt man nach „Stein- holz“, einem Gut, dessen Name ebenfalls den Zug der Moräne andeutet ^). Von Steinholz bis Lochowo bildet der Moränenzug einen nach NW. offenen Bogen von fast 4 km Länge, der aber nicht bemerkbar aus der Ebene des Geländes hervortritt. Weiter nach 0. läßt sich der Verlauf der Moräne nicht verfolgen, bei Prondy beginnt der Talsand der höchsten Talstufe; es ist jedoch, wie unten gezeigt werden soll, ohne Zweifel anzunehmen, daß der Eisrand das jetzige Tal des Bromberger Kanals durchquerte^) und in nördlicher Richtung über Pawlowke nach Wtelno am Westufer der Brahe sich fortzieht, denn bei Pawlowke und Wtelno ist eine starke Steinbestreuung zu konstatieren und eine typische, kuppige Grundmoränenlandschaft mit abflußlosen Senken etc. ent- wickelt. Von Lochowo nach W. zu läßt sich der Verlauf der Moräne über Lochowitz nach Gorsin erkennen, auch weist die Erstreckung der Sandterrasse auf einen Anschluß nach Steinburg-Nakel zu hin. Der Moränenrest von Lochowo ist ein Seitenstück zu den bei Czarnikau, Usch und Kolmar aufgefundenen Moränen, die ebenfalls am südlichen Ufer des Thorn-Eberswalder Tales liegen. II. Bedeutung der Eisrandlage von Lochowo für die Entwicklung des Thorner Stausees. Vergegenwärtigt man sich das Bild des rekonstruierten diluvialen Thorner Stausees, wie es z. B. von E. H. L. Krause gezeichnet worden ist, so hat man ein in ost-westlicher Richtung gestrecktes Becken, in dessen Mitte eine in gleicher Richtung gestreckte Insel den auf 75 rn Meereshöhe anzunehmenden Wasserspiegel überragte. Die beiden Arme aber, welche nördlich und südlich die Insel umfassen, sind jetzt verschieden ausgetieft. Während der südliche Zweig, in welchen bei Labischin die Netze ein tritt, eine Wasserscheide von 73 m bei Neudorf aufweist, liegt der Wasserpaß des nördlichen Armes jetzt in der Senke des Bromberger Kanals 60 m hoch. Es war schwer einzusehen, wie sich der Spiegel des Stausees auf 75 m Höhe halten konnte, wenn hier eine Pforte von nur 60 m offen stand. Es ist deshalb auch schon die Annahme gemacht, daß ursprünglich nicht bloß nach Norden der Abfluß der Wasser durch eine Eismauer gehindert war, sondern auch nach W. So sagt z. B. 0 Die Äcker bei Steinholz zeigen eine außerordentlich dichte Steinbestreuung, und Haufen von Lesesteinen liegen an den Wegrändern. Der Boden wechselt zwischen lehmigem Sand und rein sandigen Heidestellen. 2) Die beim Umbau des Kanals gefundenen Steinpackungen (Zentralbiatt der Bauver- walt. 2. Juni 1915, Vom Ausbau der Oder-Weichselstraße), die dicht westlich von Bromberg liegen, halte ich für die überall verbreitete Steinsohle, den Auswaschrückstand des Ob. Ge- schiebemergels, der im Talgebiet oberhalb des Posener Tons sich findet. 9 75 Jentzsch: „Damit dieser See in der entsprechenden Höhe sich halten konnte, mußten die heute offenen Täler, das Weichseltal nörd- lich Brahnau und das Netze- tal einige Meilen westlich von Bromberg, zur Zeit der Ablagerung dieses Talsandes geschlossen sein.“ (Jentzsch, Erläut. z. geol. agron. Karte der Gegend östlich von Bromberg; p. 26, Berlin 1912). Daß das heutigeWeichsel- tal nach Norden durch Eis- massen abgesperrt war, ist uns eine geläufige Anschau- ung. Dagegen ist die in der Tat ebenso notwendige Absperrung der Täler nach Westen zu weniger be- kannt, und nur Maas er- örtert gelegentlich den Durchbruch der Netze bei Usch, wo ebenfalls Moränen- reste einen über dasThorn- Eberswalder Tal hinüber- greifendenEisrand andeuten. Maas hat zwischen Küd- dow und Brahe mehrere (3) parallele Moränenstaffeln angegeben, deren südlichste fast unmittelbar andasNord- ufer des Thorn-Eberswalder 1) Wenn diese Täler ihre heutige Tiefe auch erst später durch intensive Auswaschung er- hielten, so muß man doch an- nehmen, daß hier nach dem Ab- schmelzen des Eises eine Senke freiffelegt wurde, die tiefer war als der südliche Neudorfer Arm des Stausees, denn sonst wäre dort die Vertiefung eingetreten. Fig. 3. ,D e r Thorner Stausee. Stadium I = Thorn-Netzwalder Talsandfläche. .LJ J.J ^ ' Stadium II = Thorn-Bromberger Tal. (ll||l|||l) W. von Bromberg die Eisrandlage von Lochowo. 76 Tales herantritt, nämlich von Usch über Morzewo, Friedheim, Wirsitz, Sadke nach Nakel verläuft. Dieser Zug würde seine Fortsetzung nach der Ver- breitung der Sandflächen sehr gut bei Lochowo finden können (nicht, wie Maas annimmt, plötzlich nach S. nach Schubin herüberspringen). Für die Absperrung des Thorner Stausees scheint mir der oben beschriebene Moränen- rest von Lochowo aber ungleich wichtiger zu sein als die weiter westlich gelegenen. Nicht einige Meilen, sondern nur wenig über eine Meile westlich von Bromberg lag die Eismauer, die hier die Aufstauung bewirkte. Es ist eben die Moräne von Nakel-Gorsin-Lochowo-Steinholz, die die Lage des Eis- randes markiert. Die tiefe Kinne des Bromberger Kanals war noch gar- nicht vorhanden und eine noch wenig ausgetiefte Senke an ihrer Stelle mit kompaktem Eis belegt, das den Abfluß verhinderte bzw. erschwerte. Denn eine gänzliche Absperrung ist nach Maßgabe der Höhenverhältnisse des südlichen Geländes nicht anzunehmen. Es stand ein Ausweg über die südlich von Steinburg 74 m und weiter westlich bei Kirchberg 67 m erreichenden Abhänge frei. Dem entspricht die Terrasse Keilhack s am Südrande des Netzetales zwischen Nakel und Kolmar. Die Höhe des Geländes am Eisrande südlich von Lochowo beträgt 70 m, es ist die gleiche Höhe, welche die Hoch- terrasse westlich von Bromberg innehält (vgl. auch die Keilhack sehe Geol. morphol. Übersichtskarte der Prov. Pommern). Keilhack ^) gibt ausdrücklich an, daß westlich von Bromberg die höchstgelegenen Terrassen „mit gleich- mäßiger Langsamkeit sich senken“, während östlich von Bromberg die Ter- rassen ein gleichmäßiges Niveau von 75 m innehalten. Bemerkenswert ist hierbei noch, daß die Eisrandlage, wie sie oben über Steinholz nach Norden abbiegend (Pawlowke-Wtelno) beschrieben, die Mündung des Braheflusses in den Stausee nicht versperrt, und die Hochterrasse, die den Unterlauf dieses Flusses besonders am östlichen Ufer begleitet und in ca. 80 m Höhe abgeschnitten ist, an die 75 m Hochterrasse des Stausees Anschluß finden konnte. Es ist anzunehmen, daß erst bei Crone der Eisrand das heutige Brahetal durchquerte und die Moränen von Schirotzken - Alt Jaschinnitz- Bagniewo^)^die Fortsetzung andeuten (vgl. Bl. Schirotzken). III. Ausbildung des Thorn-Bromberger Tales. Aus dem Obigen ergibt sich, daß der Thorner Stausee schon lange vor der Eisrandlage auf dem baltischen Höhenrücken (Große baltische Endmoräne) existierte, sogar noch vor den Zeiten der Endmoränenbildungen in der Tucheier Heide. Seine durch die Terrasse dasj^) (Jentzsch) gekennzeichnete größte 0 Die Stillstandslagen des letzten Inlandeises etc. Jahrb. d, geol. L. Berlin f. 1898, XIX. p. 111. 2) Vg]. das Kärtchen: Der Zusammenhang der Endmoränenzüge i. d. östl. Tucheier Heide und ihrem Yorlande 1 : 200000. Erl. Bl. Dritschmin bzw. Schirotzken. 1. Thor]\-Netzwalder Terrasse daSfj 2. Thorn-Bromberger „ dasj; 3. Thorn-Schwetzer „ das^^ 11 77 Ausdehnung hatte er nur, so lange der Eisrand noch streckenweise im W. unmittelbar seine Grenze bildete (I. Stadium des Thorner Stausees). Als dies auf hörte, trat ein vermehrtes Zuströmen des Wassers zu der vom Eise frei- gegebenen, vorgebildeten Senke Bromberg-Nakel ein, und es bildete sich all- mählich eine 15 — 20 m tiefere Talsohle aus (55 m Terrasse das^ nach Jentzsch), die bei Bromberg jenen südlichen Talrand eingeschnitten hat, auf dem der Bismarckturm steht. Diese starke Erosion hat in dem Bromberger Tal vielenorts das Diluvium bis fast zur Oberfläche des Posener Tons zerstört. Der südliche Arm des alten Stausees, der bis dahin über Neudorf-Netzwalde entwässert hatte, wurde trocken gelegt (Netze- und Grünfließniederung). Hier blieben Fig. 4. Weictiselufer östlich von Thor n. Abfall der Hochterrasse zum Weichselstrom, der hier direkt an ihren Fuß herantritt. (Abfall ca. 30 m). die ursprünglichen Ablagerungen des Sees init dem kujawischen Ufer bis auf die spätere Moor- und Dünenbildung fast unverändert erhalten. Während der nördliche Arm in dem folgenden diluvialen Abschnitt (Eisrandlagen in der Tucheier Heide und auf dem baltischen Höhenrücken) eine weitgehende üm- modelung erfuhr. Ein großer Teil der alten Terrassen im Norden am Rande des Kulmer Landes wurde abgetragen, Reste blieben bei Thorn (Wasserturm- terrasse Krauses) und bei Ostrometzko bestehen. Das Resultat war aber eine neue breite Talsohle von ca. 51 — 55 m Meereshöhe (II. Stadium des Thorner Stausees). Die jetzige Höhe des Bromberger Kanalpasses mit 60 m stört nur scheinbar (vgl. hierzu Maas^)), denn hier ist durch Torfbildung eine Erhöhung während der Alluvialzeit eingetreten, die sicher auf mindestens 5 m anzusehen ist^). 1) Zur Bntwicklungsi^escliiclite des sog. Thorn-Eberswalder Haupttales. Z. d. d. geol. Ges. 1904, Monatsber. Nr. 10. Die eigentliche Höhe des Bromberger Kanals liegt auf der Strecke zwischen dem Örtchen Prondy, unmittelbar westlich von Bromberg, und der Stadt Nakel. Hier verläuft 12 78 Das Gefälle in der Talstrecke Bromberg-Nakel-Küddowmündung (Usch) muß aber zuletzt ein sehr geringes gewesen sein, so daß hier am Ende wiederum ein langgestreckter See entstand, denn die Terrasse das^ Jentzsch (Keilhacks „Höchste Stufe der Pommerschen Urstromtäler^^ behält ihre Höhe ^üL\ 55 m über Nakel fast bis Usch gleichmäßig bei. Erst hinter Usch tritt ein deut- liches Fallen ein. Dieses geringe Gefälle auf der ganzen Strecke mag den Fig. 5. Exerzierplatz Thorn bei Podgorz. Blick über die Talstufe IT, des Thoru-Bromberger Tales. (Aus H. PREUSS, Die pont. Pflanzenbestände etc. B. z. Naturdenkmalpfl. II.) schließlichen Durchbruch der Weichsel nach Norden vorbereitet und be- günstigt haben. Ehe wir aber darauf näher eingehen, muß noch erwähnt werden, daß zur Zeit der Bildung der 55 m Terrasse sowohl die Brahe als auch ein weiterer zwischen Schleuse YIII und IX eine ca. 16 km lange, schnurgerade Strecke des Kanals, die „Lange-Treidel‘‘, durch den ebenen Moorboden eines alten, weiten Stromtaies, überall in 60 m Meereshöhe. Über die BodenbeschafFenheit dieser Strecke finden sich schon bei Girard einige wichtige Angaben, die sich auf Erfahrungen der Bauverwaltung stützen. Darnach ist in dem Grunde, in welchem der Kanal liegt, ein Lager von Torf, Mergel und Infusorienerde (wohl Diatomeen- erde), die bei mikroskopischer Untersuchung kalk- und kieselschalige Reste, gemengt mit Pflanzenteilen, aufwies. Das Lager fängt an 6. u. 7. Schleuse westlich von Bromberg an und geht bis zur 10. bei Nakel. „An den flachsten Stellen des langen Treidels liegt es 16 Fuß^ an den tiefsten 36 Fuß unter der Horizontallinie der 8. Schleuse. Überall ruht es auf Sand“ (Girard). Girard berechnete den Gesamtinhalt des Lagers auf 5000 Millionen Kub.-Fuß. Da die Schleuse VIII in ca. 56 m Höhe liegt, so dürfte hiernach bei 16 Fuß = ca. 5 m Minimalmächtigkeit des Alluviums die diluviale Talsohle höchstens bis 51 m über NN. aufragen. b Stillstandslagen des letzten Inlandeises etc. Jahrb. d. g. L. Berlin XIX, 1898; nebst Karte. 13 79 bedeutender Nebenfluß, wahrscheinlich der Abfluß einer Seenkette (Berendt), bei Fordon in den seeartigen Urstrom einmündeten und mit demselben nach W. abflossen. Der bei Fordon einmündende Nebenfluß bildete den Abfluß des Graudenzer Stausees, dessen Terrassen bei 63 m (Gruppe, Stremotzin) liegen und bis Schwetz auf 56 m (Terespol) einfallen. Hier muß sich das Wasser gestaut haben, da bis Bromberg kein Gefälle der Terrassen eintritt. Die oberdiluvialen Tonlager, z. B. bei Schönau (Schwarzwassermündung), mögen dieser Wasseranstauung ihre Entstehung verdanken. Auch hier gibt das ge- ringe Gefälle aber wiederum eine Erklärung für den späteren Durchbruch der Weichsel nach N. Von Terrassenresten dieser Periode sind nördlich von Pien (bei Ostrometzko) am Westabhange des Forstes Schönsee Spuren erhalten, die in ca. 55 m Höhe liegen. Südlich bei Thorn gehört die von Krause als „Schießplatz-Terrasse“ bezeichnete Bildung hierher, die in 55 — 60 m über NN. liegt. IV. Der Weichseldurchbruch bei Fordon. Das heutige Weichseltal von Fordon bis Pieckei (Montaner Spitze), wo der Strom die Senke des Weichseldeltas erreicht, liegt in einer tertiären Ver- tiefung, die während der Diluvialzeit erhalten blieb, in der Westpreußischen Senke. Solange Eismassen die Senke bedeckten und ausfüllten, mußten die Schmelzwässer unbedingt nach Süden zum Thorn-Eberswalder Tal gehen. Daß sie während dieser Periode die schon vorhandene Senke vertieften, durch An- stauung Seen bildeten und dem rückwärtsschreitenden Eise mit ihrer Vertiefungs- arbeit folgten, ist leicht erklärlich. Von den Seen ist am bekanntesten der Graudenzer See geworden. Als nun schließlich durch den weiteren Rückzug des Eises die Senke des Weichseldeltas ganz frei wurde, bedurfte es nur eines geringen Anstoßes, um den Strom zu veranlassen, sich den kürzeren Weg zum Meere zu suchen. Ich habe bereits an anderer Stelle^) darauf hingewiesen, daß sich mit dem Rückzuge des Eises in die Danziger Bucht ein Stausee im Gebiet des heutigen Weichseldeltas ausbildete, dessen Spiegel zunächst ca. 40 — 50 m, später ca. 17 m hoch lag. Zur Zeit des zweiten Stadiums dieses Sees gelangte die Weichsel durch die schon vorgebildeten Rinnen der Seenkette des Kulmer und Graudenzer Stausees über die letzte trennende Wasserscheide zur tiefge- legenen Weichselniederung bei Danzig. Das Gefälle nach Süden zu innerhalb 1) Die noch höher (über 75 m) gelegenen Terrassen resp. Sandbildnngen, die Jentzsch bei Graiidenz, Sartowitz usw. konstatierte, und auch Maas am Schwarzwasser auffand, sind offenbar älteren Datums. Zuflüsse vom Unterlauf der heutigen Brahe und vom Schwarzwasser her mündeten schon in den Thorn er Stausee I. 0 Artillerie-Schießplatz gegenüber Thorn am linken Weichselufer. Die Urstromtäler des unteren Weichselgebiets. Schrift, d. Naturf. Ges. Danzig, N. F. XI 11. Bd., 3./4. Heft, p. 25 ff. 1912. 14 80 dieser Seenrinne war ja ein sehr geringes; wie oben bereits erwähnt, zeigen die höchsten zugehörigen Terrassen bei Graudenz 63 bis 64 m Maximalhöhe, während bei Schweiz noch fast genau dasselbe Niveau wie bei Bromberg, Nakel, üsch herrscht, nämlich 56 gegen 55 m. Wahrscheinlich wurde durch rückwärtsschreitende Erosion kleinerer nördlich fließender Gewässer der letzte Riegel beseitigt. Weichsel mit Brahe wandten sich nordwärts, es entstand die 48 m^) hohe Terrasse bei Bromberg {das^ Jentzsch), die sich in allen älteren Sandablagerungen des Stromes mit regelrechtem Gefälle bis in das Deltagebiet bei Danzig verfolgen läßt, wo sie mit 17 m Höhe eintritt und An- schluß findet an die Terrassen des jüngeren diluvialen Danziger Stausees. Im einzelnen diese Verhältnisse zu verfolgen, muß ich mir hier versagen, zumal in der oben angeführten Arbeit einige Angaben darüber gemacht worden sind. Nur darauf möchte noch hinzuweisen sein, daß der Weichselstrom sein neues Bett vielfach umgemodelt hat. Das beweisen die Reste sehr alter Eluß- läufe bei Scharnese-Ünislaw einerseits, sowie besonders westlich und östlich von Graudenz (Rudnicker See). Jentzsch unterscheidet bei Bromberg außer der höchsten Talstufe (das^), des ältesten Stausees, noch 3 diluviale Talstufen, nämlich das^ in 50 — 55 m Meereshöhe, das^ zwischen 40 — 45 m und das^ unterhalb 40 m. Von der letzten nimmt er mit Recht an, daß sie einer Zeit angehört, zu welcher die Weichsel bereits ihren Weg nach NO. gefunden hatte, während die beiden älteren Stufen dem Thorn-Eberswalder Tal zugerechnet werden. Für die Stufe das^. wird man dieser Ansicht unbedingt zustimmen müssen, für die schwierig davon zu trennende Stufe 40 — 45 m (die nach Maas bis 48 m reicht) jedoch ist der Anschluß an die 45 m erreichenden Talsande bei Scharnese im nördlichen Durchbruchstal der Weichsel, die mit gleichmäßigem Gefälle über Schwetz-Graudenz bis zur Weichselniederung fast zusammenhängend fortschreiten, näher liegend. Nach Westen zu kann diese Stufe schon deshalb keine Fortsetzung gefunden haben, da die Wasserscheide des Bromberger Kanals nach Abzug der Moorbildungen noch immer mindestens 50 m über NN. liegt. Der Talstufe das^ gehören auch die ganz überwiegende Mehrzahl der dilu- vialen Talsandbildungen im nördlichen Durchbruchstal der Weichsel an. Dagegen wird man entgegen der Ansicht von Maas mit Keilhack und Jentzsch die 55 m Terrasse unbedingt dem Thorn-Eberswalder Tal zurechnen müssen. V. überblick Uber die Entwicklungsgeschichte der Talbildungen bei Thorn-Bromberg. Die Veränderungen, die das Becken des Thorner Eis-Stausees im Laufe der Zeit erlitten hat, lassen sich deutlich auf 3 Entwicklungsphasen zurück- führen, die hier zunächst einmal im Überblick dargestellt werden mögen. 0 Die 53 m- Terrasse, welche Maas hervorhebt und die ich ebenfalls in meiner obigen Arbeit angenommen habe, mnß mit den bis 55 m und mehr reichenden Bildungen westlich von Bromberg zusammengefaßt werden; sie gehört noch zum Stadium II des Thorner Stau- sees, also zum Thorn-Eberswalder Urstrom. 15 81 Ursprünglich sammelten sich in der flachen Depression, sobald sie eisfrei ge- worden, die Schmelzwässer des nördlich liegenden Bisrandes und die Flüsse des südlichen, höher gelegenen Landes. Von Norden her wölbte sich am west- lichen Ufer der Brahe weit nach Süden ein Bislobus vor, der mit seinem Bande den heutigen Bromberger Kanal bei Lochowo überschritt und in 70 m Höhe endigte. Dadurch wurde ein Aufstau des Wassers bis zu diesem Niveau und etwas darüber bewirkt und für längere Zeit aufrecht erhalten. (Erstes Stadium des Thorner Stausees.) Die sandigen und kiesartigen Rückstände dieses Sees bilden eine ausgedehnte Talstufe {das^ des Bl. Bromberg-Ost von Jentzsch), die ich nach den am Eingänge bzw. am Auslaufe liegenden Ört- lichkeiten als „Thorn-Netzwalder Talsandfläche“ bezeichnen möchte^). Sie zeichnet sich durch ihre weite Ausdehnung über ein ost-westlich gestrecktes Gebiet aus, aus dem eine Insel hervorragte, so daß ein nördlicher Bromberger und ein südlicher Neudorfer Arm unterschieden werden kann. Auf die genauere Begrenzung soll weiter unten näher eingegangen werden. Sobald der Eisrand sich aus der Gegend von Nakel-Lochowo-Steinholz nach Norden zurückzog, wurde auf der Linie Bromberg - Nakel ein schon ursprünglich tiefer gelegener Streifen frei, über den eine bequeme Entwässerung nach Westen stattfinden konnte (Durchbruch von Nakel). Es trat eine starke Erosion im nördlichen Bromberger Arm des alten Stausees ein, während der südliche bei Neudorf trocken gelegt wurde. Er ist bis heute in seiner alten Gestalt oder nur wenig verändert durch die winzigen Flüßchen, die sich in ihm sammelten, erhalten geblieben. Die große Wasserfläche zog sich zu einem flußartigen, schmalen See zusammen, der von Thorn über Fordon (Brahnau) nach Bromberg und Nakel sich erstreckte, ein wesentliches Teilstück des Thorn-Eberswalder Ur- stromtales. Eine Austiefung bis auf 55 m und mehr durch die starke Erosion während der ersten Ausbildung dieser Stufe entfernte das Diluvium vielenorts bis auf das darunter befindliche Tertiär, den Posener Ton (zweites Stadium der Thorner Talbildungen). Es bildete sich die „Thorn-Bromberger Tal- stufe“ (das^) aus. Der erhebliche, 15 m und mehr betragende Steilabfall zwischen beiden Talstufen kann nur durch starke Erosion erzeugt sein, so daß hier stark strömende Gewässer wenigstens zeitweise tätig gewesen sein müssen. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß dies in der ersten Zeit nach dem Rück- züge des Eisrandes von Lochowo der Fall war, allmählich aber durch rück- schreitende Erosion ein Ausgleich des Gefälles und damit auch ein Nachlassen der erodierenden Kräfte eintrat. Von Norden mündete während dieses Stadiums außer der Brahe noch bei Fordon der Abfluß des Graudenzer Stausees in den Urstrom ein, zwei Zuflüsse, die mit den Anfängen ihrer Entwicklung bis in die Zeit des Stadiums I der Talbildungen, des eigentlichen Eis -Stausees, zu- rückgehen; jedoch sind Reste der höchsten Talstufe nur an der Brahe nach- weisbar, an der Mündung des bei Fordon eintretenden nördlichen Zuflusses 1) Wasserturmterrasse Krauses. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 2. 16 6 82 fehlen sie, wohl infolge späterer Zerstörung, zurzeit gänzlich. Hier hat die Weichsel bei ihrem späteren Einbruch die älteren Talstufen so gründlich fort- geräumt, daß selbst von der 55 m Stufe nur wenig übrig geblieben ist (vgl. S. 79). Der Durchbruch der Weichsel nach Norden zur Danziger Bucht (vgl. S. 79/80) ist es denn auch, der die letzte große Umwälzung der diluvialen Tal- bildungen herbeiführte und in einem III. Stadium die Talsandstufe das^ erzeugte. Die Verbreitung dieser Stufe beschränkt sich auf das Gebiet des heutigen Weichselstromtales und des Unterlaufes der Brahe. Um eine leicht verständ- liche Bezeichnung zu haben, mögen diese Talsandbildungen als Thorn-Schwetzer Talstufe bezeichnet werden, da die Stadt Schwetz awf einem hierher gehörigen Terrassenrest liegt. Sie erreicht nach Maas bei Bromberg 48 m, nach Jentzsch 40 — 45 m, bei Scharnese (nördlich vonFordon) 45 m und läßt sich in den Talsand- bilduugen des ganzen nördlichen Weichseltales über Schwetz, Graudenz bis zur Deltasenke gleichmäßig einfallend verfolgen. DieDeltasenke erreicht sie mit 17 m Höhe, und hier schließt sie sich den sandigen Randbildungen der Niederung an. Die Thorn-Schwetzer Talstufe ist einer stark zerstörenden Erosion in der Zeit nach ihrer Trockenlegung ausgesetzt gewesen. So ist sie westlich von Thorn am rechten Stromufer in einzelne Höhenzüge und Rücken zerlegt worden, die parallel zur Richtung des heutigen Stromes laufen und damit beweisen, daß dieser selbst das Zerstörungswerk vollbrachte. Zwischen den sandigen, waldbedeckten Rücken liegen hier bruchartige Niederungen (Schwarzbruch 38 m, Neubruch 37 m) 5 — 6 m über dem heutigen Stromspiegel. Ein fast zusammen- hängender Zug solcher Sandrücken verbindet als natürlicher Deich Thorn nach Westen zu über Wiesenburg, Pensau mit Scharnau, wo die Hochterrasse er- reicht wird und der Anschluß nach Fordon über die Hochfläche gesichert ist (Chaussee, Eisenbahn). Am linken Ufer tritt das gleiche eigenartige Land- schaftsbild bei Schulitz auf. Im nördlichen Durchbruchstal der Weichsel finden sich ähnliche Landschaften bei Scharnese und Ehrenthal, dagegen ist die Terrasse an geschützten Buchten, beispielsweise an der Brahemündung und bei Schwetz (Konopather Wald), gut erhalten. Außer den bezeichneten drei Hauptstufen, die die Folge wichtiger, ent- wicklungsgeschichtlicher Umwälzungen waren, läßt sich noch eine 4. Stufe unterscheiden, die sehr deutlich an der Brahemündung einen niedrigen Abhang bildet und mit 40 m abschneidet. Sie ist von Jentzsch mit das^^ bezeichnet; ihre Verbreitung ist dieselbe wie die der Stufe HI der Thorn-Fordon-Schwetzer Terrasse. Sie korrespondiert mit den niedrigeren älteren Stufenresten nördlich von Kulm (32 m) und bei Graudenz (28 m), während der Hauptstufe III die Talsande der Schweizer Terrasse und des Konopather Waldes, hier aber nur in ihrer unteren Stufe, entsprechen^). Bei Gruppe-Graudenz dürften die über 35 m liegenden Talsande ebenfalls zur Hauptstufe HI gehören. 1) Vgl. Bl. Schwetz, nebst Erl. Jentzsch unterscheidet im Konopather Wald (an der Öffnung des Schwarzwassertales zum Weichseltal) 2 Terrassen. Die obere, am südwestlichen Rande von JO m bis 55 m reichend, findet sich wieder am Ostrande des Beckens an 17 83 VI. Bemerkungen Uber die Grenzen des ältesten Thorner Stausees. (Vgl. Kartenskizze.) Im allgemeinen hatte dieser Stausee in seiner ältesten Form die Gestalt einer langgestreckten Ellipse, deren größte Achse ungefähr eine ost-westliche Richtung besaß und etwa von Thorn bis Nakel reichte. Die Grenzen des ganzen von ihm einst bedeckten Gebietes sind im Norden deutlich und leicht festzustellen; auf der Südseite dagegen ist die alte üfer- linie streckenweise durch starke Dünenbildung auf den niedrigen Gehängen verwischt. Ebenso ist die Begrenzung der inmitten des alten Stausees auf- ragenden Insel, wie sie meist angenommen wurde, nur schwierig festzulegen. Sie besteht nämlich oberflächlich gänzlich aus sandigen Bildungen, die vielfach mit Strich- und Bogendünen bedeckt sind, so daß das ursprüngliche Boden- relief nur selten erhalten geblieben ist. Die zeichnerische Darstellung dieser hypothetischen Insel zeigt denn auch bei den verschiedenen Autoren (es kommen allerdings bisher nur skizzenhafte Zeichnungen in Betracht) große Verschieden- heiten. Man könnte fast annehmen, daß der höhere inmitten der ganzen ehemaligen Seefläche gelegene inselartige Teil nichts anderes ist als eine durch Dünen- bildung erhöhte Fläche der 70 m Talstufe. Diese würde dann in der ganzen Breite von Bromberg bis Schubin und östlich bis zur Weichsel bei Thorn reichen und müßte den Boden des alten Stausees darstellen. Der Stausee müßte demnach sehr flach gewesen sein, denn höher als 75 m ist der Spiegel desselben nicht anzunehmen, meist geht die Annahme nur auf 70 m. Bei weitem der größte Teil des Inselgebietes hat eine Höhe von 80 — 85 m, es kommen aber auch Punkte von über 100 bis 115 m vor, während auf den Meßtischblättern nur ganz wenige Punkte von 69 und 70 m sich ausfindig machen lassen. Einige Teile der Inselhochfläche zeigen deutlich den Charakter einer typischen Dünenlandschaft mit den Strich- und Bogendünen Solgers. Andere aber stellen eine unzweifelhafte, hügelig-sandige Grundmoränenlandschaft der Chaussee Terespol-Sehönau in 56 m, wo auch Kiesgruben vorhanden sind. Hier wurde der von Hermann beschriebene Zahn von Rhinoceros antiquitatis gefunden, der in der Königs- berger Sammlung auf bewahrt wird. Die tiefere Terrasse das^p rechnet Jentzsch bis 40 m; in ihr liegt der Fundort vom Moschusochsen bei Wintersdorf. Die schön eingeebnete Terrasse, auf welcher Stadt und Bahnhof Schwetz sich aufbauen, erreicht 41,9 — 42, i m. Jentzsch faßt sie mit das^ zusammen. Es ist dies unzweifelhaft ein Rest der Hauptstufe III, die bei Bromberg 45 — 48 m Höhe er- reicht, d. h. sie gehört schon der Zeit nach dem Durchbruch der Weichsel zur Danziger Bucht an. Dagegen dürften die höher gelegenen (bis 56 m) Talsandreste noch zur Stufe II des Thorn-Eberswalder Tales gehören, also von südlich strömenden Gewässern erzeugt sein. — Die bei Bromberg an der Brahemündung so deutlich abgesetzte, aber wenig ausgedehnte Stufe lY dürfte wie die anderen niedrigeren Stufen im nördlichen Durchbruchstal der Weichsel vielleicht ihre Entstehung der L^Yorma-Senkung in postglazialer Zeit verdanken, durch die eine Vermehrung des Gefälles eingetreten sein muß. 18 6^ 84 dar. Das ist besonders bei Grünwalde am Wege nach Emilienau der Fall. Hier findet sich ein unverkennbares Soll, von dem aus eine Seenrinne zum Jesuitersee führt, dessen Wasserspiegel in 71 m Höhe liegt. Die großen Kieslager bei Gr. Salwin-Feyerland an der NO.-Seite der Insel, die offenbar üferbildungen darstellen, liegen genau in 70 m Höhe. Sie werden zurzeit nicht mehr ausgebeutet. Dicht daneben tritt in einer kleinen Lehm grübe typischer Geschiebemergel mit großen Blöcken zu Tage. Geschiebe- mergelflächen, die über 70 — 75 m ansteigen, sind bisher nicht bekannt. Auch Krause fand Diluvialmergel im Gebiete des Thorner Schießplatzes bei Glinke- krug in 70 — 75 m, bei der Kapelle in 75 m und beim letzten Bahnwärter- hause in der Schirpitzer Forst in 70 m Höhe. Auf der 70 m hohen Hochfläche unmittelbar südlich von Bromberg tritt er überall nahe an die Oberfläche oder frei heraus, wie die Aufnahmen ergaben. Durch Auswaschung des Geschiebemergels entstandener Kies ist auch bei der Schwedenhöhe südwestlich von Bromberg nach Jentzsch vorhanden, ebenso findet er sich noch weiter westlich bei Prondy, wo in ihm Fossilreste auftreten. Ich sah bei dem Gasthofbesitzer in Prondy diluviale Hirschgeweihe, einen Hornzapfen von Bison priscus und einen Fußknochen von einem Wiederkäuer. Der Kies oberhalb von Prondy wurde eine Zeitlang in Gruben gewonnen und für den Umbau des Kanals verwertet. Diese Kiesgruben liegen etwas tiefer als 70 m, in der Nähe des 66 m Ver- messungszeichens. Das ganze Gelände der diluvialen Insel, wenn wir eine solche nun einmal annehmen wollen, zeigt die größte Ähnlichkeit mit den Verhältnissen der Tucheier Heide; ob die Tucheier Heide aber eine sandige Grundmoränenland- schaft darstellt oder einen Sander oder eine Verbindung beider, ist ebenfalls schwer zu entscheiden. Jedenfalls scheint unser Gebiet, soweit es als Insel in Anspruch zu nehmen ist, keineswegs eine echte Binebnungsterrasse zu sein. Sanderbildungen und Terrassen sind ja in der Tat verwandte Erscheinungen, die wohl mitunter ineinander übergehen, jedoch spricht hier die Moräne von Lochowo mehr für eine Sanderbildung mit sandiger Moränenlandschaft. Wollte man annehmen, daß allein durch Dünenbildung die größere Höhen- lage des mittleren Teiles verursacht sei, so müßten diese Dünen 30, ja an einzelnen Punkten 45 m Höhe erreichen, denn Höhenpunkte von über 100 m sind in diesem Gebiete verbreitet und einzelne Höhen erreichen 115 m (z. B. westlich von Kabott). Während also die üfergrenzen an der mittleren inselartigen Hochfläche schwer zu erkennen sind, ist dagegen das nördliche Ufer der gesamten, ehe- maligen Seefläche sehr deutlich. Es lief unverkennbar von Leibitsch an der Drewenz über Ollek, Schloß Birglau, Hohenhausen nach Ostrometzko. Jenseits des heutigen Weichseldurchbruchs geht es weiter oberhalb Fordons nach Binkau am Brahetal. Im letzten Teil dieser Strecke ist durch spätere Auswaschung die Stufe I aber gänzlich fortgeschafift, so daß der Abfall sogleich bis zur Stufe II herunterreicht, ein Verhalten, das streckenweise auch schon östlich der Weichsel, 19 85 zwischen Ollek und Hohenhausen zu beobachten ist^ wo der Abfall meist sogar direkt bis zur Stufe III heruntergeht. Kehren wir nach Rinkau zurück, so befinden wir uns hier an dem be- liebten Ausflugsorte der Bromberger an einer Stelle, wo sich 2 geologische Grenzlinien kreuzen, das ist der ungefähr nord-südlich verlaufende Abfall einer Geschiebemergelfläche nach Westen zum Brahesander (80 m) und der west- östliche Abfall beider, d. h. des Brahesanders und der Hochfläche zur Stufe II des Thorn-Eberswalder Tals. Da die Stufe I hier gänzlich fehlt, bleibt auch die Ufergrenze des ältesten Stausees unsicher, wie überall, wo diese Stufe durch spätere Erosion zerstört ist. Man nahm früher an, daß von hier aus die Uferlinie schnurstracks westlich über die Brahe hinweg am Nordrande der Kanalsenke nach Nakel verlief (vergl. Krauses Skizze 1. c.). Nunmehr ist man aber gezwungen, sich der An- sicht zuzuwenden, daß jenseits der Brahe der Rand des Gletschers bei Stein- busch, Lochowo, Gorsin, Steinburg, Nakel das Ufer bildete. Weiter westlich kommt als Fortsetzung dieses Eisrandes die Randlage Nakel-Wirsitz-Friedheim in Betracht, auf deren großartige Moränenreste schon Jentzsch hingewiesen hat (Erl. Bl. Schweiz p. 21). Er bezeichnet sie als die eigentlichen End- moränen der einst zum Thorn-Eberswalder Tal abwässernden Eismasse. Wenden wir uns noch mit einem Blick dem Südufer des Stausees zu, so ist es eine Linie von dem Brückenkopf bei Nakel über Labischin, Argenau zum rechten Ufer des Grenzflüßchens der Tuntschina bei Alexandrowo, die in großen Zügen seine Lage bezeichnet. Eine weit südwestlich eingreifende Bucht war bei Labischin, eine andere bei Schubin vorhanden. Wie die Grenzen auf dem benachbarten russischen Gebiete sich fortsetzen, ist bisher nicht genau bekannt. Nach dem Rückzuge des Eisrandes, der westlich von Bromberg die Ab- sperrung und Aufstauung bewirkte, schrumpfte die weite Wasserfläche auf den nördlichen Thorn - Bromberger Arm zusammen, der auf ca. 55 m ausgetieft wurde. Die dadurch gebildete neue Talsohle ist am schönsten bei Bromberg erhalten, wo ihre weite Ebene von einförmigem Kiefernwald bedeckt nördlich der Stadt von Fordon bis zur Kanalsenke sich dehnt. Die Grenzen dieser Talstufe sind in Fig. 3 und der angehängten Karte angegeben, eine Beschrei- bung erscheint in diesem Falle daher überflüssig. 20 86 Übersichtskarte des Gebietes des ehemaligen Thorner Stausees. Etwa 1 ; 150000. 1. I-II-II-IIH Grenze der Verbreitung der Hochterrasse, (derThorn- Netzwalder Talsandfläche) 65 — 75 m. 2. Illlljllllll Gebiet der mittleren Talstufe, daSj. (des Thorn- Bromberger Tales) 50—55 m. Anm. Lange Treidel durch alluv. Moor auf 60 m erhöht. 3. ZZZZ Gebiet der unteren Talstufe, das^ (des ThormFordon-Schwetzer Tales) 40 — 45 m. Nicht besonders dargestellt ist die niedrigste Talstufe (das die die ßrahe von ihrer Mündung bis Bromberg begleitet und auch an der Weichsel auftritt. Ihre Entstehung verdankt sie vielleicht der Z/^^on7^a-Senkung der Küste. Sie ist auf der Karte nur an der Brahe angedeutet, wo ihre obere Grenze mit der 40 m- Linie zusammenfällt. Höhenzahlen mit (D) bedeuten; Düne. Die alluvialen Moorbildungen usw. im Grünfließ-Netzegebiet sind durch punktierte Umrahmung angedeutet. Sthr ö N. G- zu Oanzig.Bd. XIV. H 87 Über die Reflexion des Lichtes an absorbierenden aktiven Körpern. Von Privatdozent Dr. FÖRSTERLING-Danzig. Im folgenden soll der Fall der Reflexion des Lichtes an absorbierenden aktiven Körpern nur in dem Falle senkrechter Inzidenz untersucht werden, und zwar soll entweder die optische Achse des einachsigen Kristalls senkrecht zur reflektierenden Fläche liegen, oder, was auf dasselbe hinauskommt, der Körper als isotrop vorausgesetzt werden. Die Behandlung dieser speziellen Frage aber auf Grund der strengen Formeln der VoiGTschen Theorie, ohne die üblichen Vernachlässigungen, hat darum Interesse, weil eigenartige Beobachtungen von Herrn Giesel, 0. Lehmann und F. Stumpf vorliegen. Diese Beobachtungen zeigen, daß bei senkrechter Inzidenz das reflektierte Licht für gewisse Farben zirkular polarisiert ist, auch wenn linear polarisiertes einfiel. Wir haben also die Theorie zu befragen, ob sich diese Erscheinungen durch reguläre Reflexion erklären lassen. Es wird sich zeigen, daß dies nicht möglich ist. Da es nach Herrn 0. Lehmann nicht ausgeschlossen erscheint, daß die flüssige Kristall- platte nicht durchweg homogen ist, und daher in ihrem Innern Reflexionen auftreten können, so soll die Reflexion an der Grenze zweier aktiver Körper behandelt werden. Seien X, Y, Z die Komponenten der elektrischen Feldstärke, A, B, C „ „ „ magnetischen „ S H Z „ elektrischen Polarisation, A B r „ „ „ magnetischen „ so sind die Polarisationen durch die Gleichungen bestimmt: und X = 0h Ä + i flh ^ Y = 0h H + i dh B Z = 0h Z + i dh r A ~ Sih A — i dh Ä B = ßh — i dh i? C = ßh r — i dh z h = 1, 2 und die 0i, 0g, ßj, ßg, dj, dj sind die für den Körper charakteristischen optischen Constanten. 1 88 Als Grenzebene der zwei Körper wählen wir die X Y> Ebene. Dann verlangen die Grenzbedingungen der Maxwell sehen Theorie z. ß. die Stetig- keit von A, B, r und X. Lassen wir die Reflexion zunächst unter beliebigem Einfallswinkel statt- finden und wählen als Einfallsebene die X Z- Ebene, so wollen wir die ein- fallenden Komponenten parallel der Einfallsebene mit Ep0 undEp(^) (entsprechend den zwei existierenden Wellen), die senkrecht zur Einfallsebene mit Eg0, Es(*) bezeichnen, und entsprechend für die reflektierten RpO), Rp(^), Rs(0, Rs(*) und für die durchgehenden DpO), Dp(^), DgO) und Dg0 einführen. Die beiden Brechungsindices des ersten Mediums seien nj0 und nj(*), die des zweiten ngO) und ngC*); sie sind im allgemeinen komplexe Größen. Unter Hinzunahme der MAXWELLschen Gleichungen: da d Q ö B dt ~ d Y ~ d z d Ä dY dz dt ~ dZ ^ dZ nehmen dann die Grenzbedingungen die folgende Gestalt an: Ep(‘) + Bp0 + ,7^) R,p(i) + Rp0 = „{(t) Dp« + 7^ Dp« fi," { Ep« + Ep« — R « — Dp« } — i d, ß/ { Dl« Ep« + n,« Es« — n,(D Rs« - n,« I = { Dp« + Dp« } - i dj ß/ { u^« Ds(‘) + n,« Ds«) I rl I 1 1 E (2) ß/ j Es(D + Es« + Rs« + Rs« I © I Ep« -f- ^ I nj(^) +j^,E,m+ ‘ I>2« Rp« = ß/ Ds« +Ds« +i @9 1 n 9O) n^ (') ^ Ds«-! ^ n , « Ds(^) ß/ ©1 { Di(‘) Es« -t- Dl« Es« — ni(D Rs« — n,« Rs« } -f 2 i d, { Ep« -|- Ep« — Rp« — Rp«} = ß/ ©,{d2« Ds« + %« Ds«} + 2i d2{Dp«-fD «} Hierin ist für den Augenblick zur Abkürzung gesetzt: d^ Definiert man die oberen Indizes der Wellen durch die Festsetzungen: Uh(0 y 0h Sil 0h Sih -dh dh' nh(^) = y 0h *4" d 0h Sih dh^ so hat man zu setzen: EpO) = — i Eg(L RpO) == — i RgO) Dp« = — i Dg(4 Ep(')= + i Eg(2) Rp(2) = + i Rs0 D 0 = + i Dg(*) 89 Wir wollen nun folgende Abkürzungen einführen: EsW + Bs0 == B' Bs(‘) — Es(^) = B" Rs(‘) + RsW = R' Rs(‘) — RsP) R" Ds« + DsP) = D' Ds(i) — .. n" Die p-Amplituden können dann aus den Grenzbedingungen eliminiert werden. Man erhält: y®i ß, B" + dl E'+ ]/ ©1 ßi R" 4- djR' = y©,ß2 D" 4 dj D' r y y©i ßi B" 4 d, E' — y©i ßi R" — djR' y@A D"4d2Ü' ßl y ©1 ßi E^ “f" dl E^^ 4 T ©i ßi R^ 4 dl R^^ y®2ßä D^4~d2 D ff ^2 ©2 ^ ©, y ©1 ßi B' 4 dl B"— y©i ßi R' — dl R" == y©2.Ö2 D'4-dä D Setzt man zur Abkürzung: ff l/ßl ®2 r ß2 ©. d. 1 4 } — ^1, 1 + @2 V, i^2 so erhält man zwischen B und R die Beziehungen: — r { B" + ^1 E' } = R" 4- ^1 R' r { B' 4- ^1 E" } = R' 4-^1 R" Also: r [1 — { B' — E" } = [1 + .9-,] { R' f R” } r [1 + ^i] { E' 4 E" } = [1 — ^,] { R' — R" } Hieraus folgt, daß nur dann das reflektierte Licht zirkular polarisiert ist, also R' = + R" ist, wenn E' = + E" gilt, also wenn das einfallende Licht zirkular polarisiert ist. Für das durchgehende Licht gilt: ^ j 0, E" + dj E' j = p 2 tf also: P = >^©2 D" + d2 D' yß, ®i B' f dl B" I = y©y;fl2 d' 4 d2 d 2 (yß, ©1 4 dl) . , r {b' + E"} = D' -I D P (y^öj ®J 4 dj) ff 2 (yß, ©1 — dl) 1- {e' — E"} =. D' p (yß2 ©2 — dj) D ff 3 90 Hieraus folgt, daß, wenn zirkulares Licht auf die Grenzfläche auffällt (E' = + E"), auch das durchgehende Licht zirkular polarisiert ist. Jedenfalls haben wir das Resultat erhalten, daß ein aktiver Körper nicht zirkulares Licht reflektieren kann, wenn anderes als zirkular polarisiertes auf- fällt. Die Beobachtungen sind also nicht aus der Theorie der Reflexion ab- leitbar. Ist dj “ 0, d. h. das erste Medium, nicht optisch aktiv, so ist r Es(2) RsO) -- i RpO) r EsO) Rs0 — i Rp(0; fällt linear polarisiertes Licht ein, d. h. ist Es(0 — -f- Es(^) (oder EsO) = — Es(^)), so ist die gesamte reflektierte p-Komponente — RpO) -|- Rp(^) immer gleich Null. Das reflektierte Licht bleibt also stets linear polarisiert, wenn eben solches einfällt, oder mit anderen Worten: zerlegt man das einfallende linear polarisierte Licht in zwei entgegengesetzt rotierende, zirkulare Schwingungen, so werden diese stets gleich stark reflektiert. Mit diesem Ergebnis entfällt bis zu einem gewissen Grade eine gelegent- lich hervorgehobene Schwierigkeit bei der Anwendung des Kirchhoff sehen Satzes auf aktive Körper. Man kann zeigen, daß man ihn nur dann auf die beiden einzelnen zirkularen Wellen, die sich in einem aktiven Körper fort- pflanzen, anwenden darf, wenn beide gleich stark reflektiert werden. Wir haben gezeigt, daß bei senkrechter Inzidenz dies nach dem Aoigt sehen Ansatz stets der Fall ist. — Der Voigt sehe Ansatz für die Lichtfortpflanzung in aktiven Körpern stellt also die eingangs erwähnten Beobachtungen nicht dar. Eine etwas nähere Betrachtung zeigt indes, daß es sich nicht um ein Versagen des speziellen Ansatzes handelt, sondern daß die Auffassung der erwähnten Beobachtungen als regelmäßig reflektiertes Licht allein aus Symmetriegründen auf Schwierig- keiten stößt. Um etwas weiter Aufschluß über das reflektierte Licht zu gewinnen, habe ich mit Herrn Stumpf zusammen den Versuch gemacht, zu entscheiden, ob das reflektierte Licht vorwiegend von einer der beiden zirkularen Wellen her- rührt, welche sich im Kristall fortpflanzen. Wir ließen also zirkulares Licht auf den Kristall senkrecht auffallen. Nach dem ersten Satz dieser Seite pflanzt sich dann nur eine Welle im Kristall fort. Dann beobachteten wir das reflektierte Licht. Man sah sogleich, daß wesentlich mehr (zirkular polarisiertes) Licht reflek- tiert wurde, wenn die stark absorbierte Welle auffiel. Man hat also anzunehmen, daß das reflektierte zirkulare Licht mit der stärker absorbierten Welle im Kristall zusammenhängt und nur durch deren Zustandekommen verursacht wird. Nach den Beobachtungen von Herren 0. Lehmann und Giesel, die ich mit Herrn Stumpf bei dieser Gelegenheit bestätigen konnte, hat dann aber das reflektierte Licht denselben Rotationssinn wie das einfallende. Denkt man sich nun die auffallende zirkulare Schwingung in zwei zu- einander senkrechte Komponenten zerlegt, so können diese, da beide gleich- 4 91 wertig sind, keinen Gangunterschied bei der Reflexion erhalten. Da anderer- seits die Normalen der einfallenden und reflektierten Welle in entgegengesetzter Richtung weisen, so hat in bezug auf die Wellennormale die reflektierte Welle den entgegengesetzten Rotationssinn wie die einfallende. Sie hätte also den- selben ümlaufsinn wie die nichtabsorbierte. Dies widerspricht den eben ge- nannten Experimenten, nach denen die reflektierte Welle den entgegenge- setzten Rotationssinn aufweist wie die durchgehende. (Ebenso würde folgende naheliegende Vorstellung zu einem falschen Rota- tionssinn führen: Man könnte annehmen, daß im Innern des Kristalls diffuse Reflexion vorkommt, bei denen das Licht zugleich depolarisiert wird. Parallel der Achse wird dann eine zirkulare Welle durch Absorption vernichtet, die andere tritt aus dem Kristall heraus und gelangt zur Beobachtung.) - -- 5 Druck von A. W. Kafemann g. m. b. H. in Danzig. Zur Beachtung. Die folgenden von der Naturforsclienden Gesellschaft herausgegebenen Einzelwerke können von den Mitgliedern zum Selbstkostenpreise bezogen werden, soweit der Vorrat reicht: I. Die Flora des Bernsteins und ihre Beziehungen zur Flora der Tertiärformation und der Gegenwart von H.B.Göppert und A. Menge. 1. Band. Göppert, Von den Bernstein-Coniferen. Mit dem Porträt M eng e’s und 16 lithogr. Tafeln. Danzig 1883; gr. Quart. — VIII und 63 S. Ladenpreis: M 20. Für die Mitglieder: M 10. 2. Band. Conwentz, Die Angiospermen des Bernsteins. Mit 13 lithogr. Tafeln. Danzig 1886; gr. Quart. — IX und 140 S. Ladenpreis: M 30. Für die Mitglieder: M 15. II. Die prähistorischen Denkmäler der Provinz Westpreussen und der angrenzenden Gebiete von Dr. A. Lissaiier. Mit 5 Tafeln und der prähistorischen Karte der Provinz Westpreußen in 4 Blättern. Danzig 1887;. gr. Quart. — XI und 210 S. Ladenpreis: M 20. Für die Mitglieder: M 10. III. Monographie der baltischenBernsteinbäumevonll.Conwentz. Mit 18 lithographischen Tafeln in Farbendruck. Danzig 1890; gr. Quart. — IV und 151 S. Ladenpreis: M 50. Für die Mitglieder: M 25. Von dem s. Zt. in den Schriften der Gesellschaft, Neue Folge Bd. I bis IV 1866 — 1879, erschienenen Werk: Menge, Preussische Spinnen. Mit 91 Tafeln sind noch einige vollständige, gut erhaltene Exemplare vorhanden. Ladenpreis: M 50. Für die Mitglieder: M 25. Der Betrag nebst Porto für die gewünschte Zusendung ist an den Schatzmeister der Gesellschaft, Herrn Bankier Dr. Damme in Danzig, Karren wall 7, eiuzuschicken. Von den älteren Schriften der Naturforschenden Gesellschaft sind hauptsächlich das 2. Heft des II. Bandes (1868) und das 1. Heft des III. Bandes (1871) vergriffen. Es würden die Herren Mitglieder, die diese Hefte etwa abgeben können, uns dadurch zu besonderem Dank verpflichten. Der Vorstand. Druck von A. W. Kafenaann G. m, b, H. in Danzig. DER NATÜRFORSOHENDEN GESELLSCHAFT . IN DANZIG. NEUE FOLGE. VIERZEHNTEN BANDES DRITTES HEFT. (MIT 3 TAFELN, EINER ÜBERSICHTSKARTE UND 18 FIG. IM TEXT.) MIT UNTERSTÜTZUNG DES WESTPR. PROVINZIAL-LANDTAGES HERAUSGEGEBEN. DANZia 1917. KOMMISSIONS-VERLAG VON R. FRIEDLÄNDER & SOHN IN BERLIN NW. 6, KARLSTR. 11. j Bitte die 4. Seite dieses Umschlages zu beachten l SCHRIFTEN DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT IN DANZIG. NEUE FOLGE. VIERZEHNTEN BANDES DRITTES HEFT. (MIT 3 TAFELN, EINER ÜBERSICHTSKARTE UND 18 FIG. IM TEXT.) MIT UNTKRSTÜTZUNG DES WESTPR. PROYINZIAE-LANDTAGES HERAUSGEGEBEN. DANZIG 1917, KOMMISSIONS-VERLAG VON R. FRIEDLÄNDER & SOHN IN BERLIN NW. ß, KARLSTR. 11. Druck von A. W. Kafemann g. m. b. H. in Danzig. ♦ Inhalt. Seite 1. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft für 1916 . . I 2. Bericht über die Ordentlichen Sitzungen und anderweitigen Ver- anstaltungen der Gesellschaft im Jahre 1916 IX Barth: Fortschritte in der KriegscMriirgie TX; Grammel: Der Kreisel IX; Wolfe: Neuere Anschauungen über die Bedingungen der Entwicklung vor der Geburt, beim Menschen und beim Säugetier XI; Försterling: Neuere Methoden der Dreifarbenphotographie XII; Krüger: Über die Mechanik der Atome und Moleküle XIV; Martini: Krankheitsüber- tragung durch Insekten XVI; Wohl: Über Spreng- und Schießmittel XVII; Sonntag: Die diluvialen Landschaftsformen Westpreußens und ihre Ver- breitung XVIII; Lakowitz: Aus der spanischen Sierra Nevada XVIII; Lindner: Fettbildende Kleinwesen aus dem Tier- und Pflanzenreich XIX; Lohrenz: Luftverflüssigung und SauerstofFgewinnung XX; Martini: Zellkonstanz, der Höhepunkt geordneter Zustände im Zellenstaat XXI; Zakrzewski : Fabrikmäßige Herstellung von Eiweiß durch Hefezüch- tung XXII; Lakowitz: Konstantinopel, der Bosporus und die Darda- nellen XXII; Marckwald: Die Lehre vom Atomzerfall der radioaktiven Elemente XXII; Lakowitz: Aus dem Lande der siebenbürgischen Sachsen XXIV. 3. Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1916 be- handelten Gegenstände . XXV 4. Jahresbericht des Ärztlichen Vereins zu Danzig für das Jahr 1915/16 XXVII 5. Bericht über die Sitzungen der Anthropologischen Sektion im Jahre 1916 XXXI 6. Jahresbericht des Westpreußischen Vereins für öffentliche Gesund- heitspflege für das Geschäftsjahr 1. Januar bis 31. Dezember 1916 XXXII 7. Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des Westpreußischen Fischereivereins im Jahre 1916 XXXIV Abhandlungen. 8. Die diluvialen Landschaftsformen Westpreußens und ihre Ver- breitung. Mit 3 Tafeln, 1 Übersichtskarte und 16 Figuren im Text. Von Prof. Dr. Paul SoNNTAG-Danzig 1 9. Bericht über die Tätigkeit der Elbinger Altertumsgesellschaft im Vereinsjahr 1914/15. Mit 2 Figuren im Text. Von Prof. Dr. E. DoRR-Elbing 19 10. Beobachtungen an Kanarienbastarden. Von Prof. Fritz Braun- Dt. Eylau 11. Fabrikmäßige Herstellung von Eiweiß durch Hefezüchtung. Von Dr. ZAKRZEWSKi'Freiburg i. Breisgau 12. Gewinnung und Verwendung von Geschiebeblöcken im Ordens- staate Preußen vor 500 Jahren. Nebst Bemerkungen über den Fischhof der Marienburg. Von Prof. Dr. Paul DAHMS-Zoppot a. Ostsee Jaliresbericht der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig für 1916. Erstattet von ihrem Direktor, Professor Dr. LAKOWITZ, in der Sitzung vom 3. Januar 1917, am Tage des 174jährigen Bestehens der Gesellschaft. Sehr geehrte Herren! Der am Schluß des vorjährigen Jahresberichtes ausgesprochene Wunsch, daß das Jahr 1916 dem Zerstörungswerk des gegen- wärtigen Krieges ein Ende setzen möge, ist nicht in Erfüllung gegangen. Trotz ihrer Niederlagen an allen Fronten wollen die feindlichen Machthaber vom Frieden noch nichts wissen. Der wütende Kampf tobt weiter, doch dank der unüberwindlichen lebendigen Mauer in West und Ost bleibt deutscher Boden von den Greueln des Krieges unberührt, freilich ist wohl keine Familie in der Heimat von den Verlusten durch das grausige Männermorden verschont geblieben. Machen wirtschaftliche Hemmungen aller Art den Kampf um das Dasein in der Heimat weit schwerer als zur Friedenszeit, so müssen wir und werden wir in der Gewißheit und mit dem Trost, daß es unseren Feinden hierin nicht besser geht, alles dieses tapfer ertragen und gern mit unsern Feld- grauen an der Front an Entschlossenheit und Ausdauer wetteifern, bis unser schlimmster Feind, England, die verdienten Schläge mit überzeugender Wucht -erhalten hat und zur Erkenntnis gelangt, daß Deutschland unbesiegbar ist. Inzwischen geht bei uns das innere Leben seinen geregelten Gang. Man gewöhnt sich, sozusagen, an den Krieg, wenn auch eine gewisse Unruhe in uns ist und den Ereignissen da draußen unsere Aufmerksamkeit gehört. Die unverwüstliche deutsche Yolkskraft arbeitet ungeschwächt, nein, in unverkenn- barer Steigerung weiter. Freilich, zähe Nerven gehören dazu. Auch die deutsche Wissensehaft regt sich kräftig, und geradezu glänzende Triumphe hat sie während der Kriegszeit bei ihrer praktischen Umwertung in der Kriegs- und der Wirtschaftstechnik gefeiert. Wie dort die angewandte Wissenschaft in stürmischem Tempo arbeitet, so zieht auch die reine Wissen- schaft, freilich in ruhigerem Fahrwasser, weiter ihre Bahnen, und das Leben Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 3. 1 II in den wissenschaftlichen Vereinigungen Deutschlands, das zu Anfang des Krieges jäh unterbrochen wurde, betätigt sich im ganzen wieder in alt- gewohnter Weise. Auch unsere Naturforschende Gesellschaft rastet nicht. Trotz ihrer heute vollendeten 174 Lebensjahre hat sie in arbeitsfroher Jugendfrische ihre Tätig- keit nach innen und außen rege und erfolgreich fortgesetzt. Darüber für das nunmehr abgelaufene Jahr kurz zu berichten, ist gegenwärtig meine Aufgabe. Zunächst ist es des Berichterstatters Pflicht, aller derer zu gedenken, die an unserer gemeinsamen Arbeit nicht mehr teilnehmen können, da sie das Schicksal in ein höheres Dasein abberufen hat. Zum Glück ist die Zahl der 1916 aus dem Leben geschiedenen Mitglieder nicht so groß wie im Vorjahre, der Verlust darum aber nicht weniger schmerzlich. Am 19. Februar 1916 starb unser Korrespondierendes Mitglied, der Buch- druckereibesitzer und Verlagsbuchhändler Otto Kafemann. Seit 1886 Mit- glied unserer Gesellschaft, hat er als Leiter der Firma, die die Drucklegung unserer „Schriften“ besorgt, sowie durch seine stets rege Beteiligung an dem inneren Leben der Gesellschaft sich dauernde Verdienste erworben. Zum Dank dafür ernannte ihn bei Gelegenheit der Feier des 50jährigen Bestehens seiner Firma 1908 unsere Gesellschaft zu ihrem Korrespondierenden Mitglied. Unvergessen bleibt ihm die Betätigung seines Interesses durch seine Spende einer namhaften Summe für wissenschaftliche Zwecke bei Gelegenheit des 150jährigen Stiftungsfestes der Gesellschaft im Jahre 1893. Ein begeisterter Soldat, zog Kafemann 1914 hinaus gegen den Feind im Osten, erwarb das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse und wurde zum Major befördert. Er starb an den Folgen eines schweren, durch die Kriegsstrapazen hervorgerufenen inneren Leidens; ein treues Mitglied ging uns verloren. Am 28. Juni 1916 starb hochbetagt das Korrespondierende Mitglied Geheimer Reg.-Rat Prof. Dr. Luerssen in Charlottenburg, ehemals Direktor des Kgl. Botanischen Gartens und Professor der Botanik an der Universität Königsberg. Als Vertreter naturwissenschaftlicher Vereinigungen Königsbergs zum 150- jährigen Stiftungsfeste unserer Gesellschaft entsandt, wurde L. damals zum Korrespondierenden Mitglied ernannt und blieb seitdem in Fühlung mit uns. Im Dezember 1916 erreichte uns die Nachricht vom Tode unseres Korre- spondierenden Mitgliedes Dr. Münsterberg, Professor der Psychologie an der Universität Cambridge Mass. Die meisten von Ihnen haben den jetzt Ver- storbenen bei seines Bruders, unseres früheren Schatzmeisters, Besuch im Winter 1910 hier kennen gelernt, und ich behaupte wohl nicht zu viel, wenn ich sage, daß seine von ihm damals in unserem Kreise gehaltenen zwei Vor- träge über die Ergebnisse der modernen Psychologie und über die treibenden Kräfte in der nordamerikanischen Kultur unauslöschliche Eindrücke durch ihren reichen, sachlichen Inhalt und die Formvollendung ihrer Sprache bei uns allen hinterlassen haben. In der Wahrung und Förderung des Deutschtums jenseits des Ozeans stand Münsterberg an führender Stelle, und er hatte in III dieser seiner Stellung zu Beginn des großen Krieges dort drüben heftige Kämpfe zu bestehen, die vielleicht dazu beigetragen haben, den Rüstigen so schnell zu fällen. Die Wissenschaft, das Deutschtum im Auslande, unsere engere Heimat und unsere Gesellschaft beklagen seinen frühen Tod. Ein ehrwürdiges Mitglied verlor die Gesellschaft durch das Hinscheiden des Geh. Kommerzienrats R. Damme im September 1916. Treu hat er seit 1867 zu unserer Vereinigung gehalten, nie fehlte er in unseren Sitzungen und öffentlichen Vorträgen, so lange Ohr und Auge den Darbietungen zu folgen vermochten. Liegt seine Haupttätigkeit und sein Hauptverdienst auf prak- tischem Gebiet, in seiner hervorragenden Mitarbeit zur wirtschaftlichen Hebung der Stadt Danzig, so ist nicht minder dankenswert sein lebhaftes Interesse für die Naturwissenschaft anzuerkennen, wodurch er auch Anregung in unseren Kreis trug. Das Gleiche gilt von unserem langjährigen Mitglied Gutsbesitzer Staeck- Hochstrieß, dessen eifrigem Bestreben, seine vielseitigen, naturwissenschaftlichen Kenntnisse in unseren Sitzungen zu bereichern, leider zu früh durch den Tod ein Ziel gesetzt wurde. Wir betrauern ferner den Hingang der folgenden einheimischen Mitglieder: Sanitätsrat Dr. Hohnfeldt, Fabrikbesitzer Rhode, Kaufmann Wolff, praktischer Arzt Dr. Zemke. Allen diesen Verstorbenen werden wir ein getreues Gedenken bewahren. Zu dieser Stunde sie durch Erheben von unseren Sitzen zu ehren, sind wir bereit. (Es geschieht.) — Es schieden durch Fortzug von Danzig und infolge ungünstiger, wirt- schaftlicher Verhältnisse jetzt zur Kriegszeit einige Mitglieder aus, und es sind in unserem Mitgliederbestände Lücken zu verzeichnen, die durch jetzt natürlich nur spärlich zu erwartende Neuanraeldungen nicht ausgeglichen werden konnten. Der Mitgliederbestand gestaltet sich hiernach am Schluß des Jahres 1916 folgendermaßen: 4 Ehrenmitglieder gegen 4 zu Ende 1915 und 5 zu Ende 1914, 40 Korresp. Mitgl. „ 43 > J n 11 46 ,, 11 11 396 Einheim. „ 410 11 11 „ 417 „ 11 11 129 Ausw. 5» „ 135 1) 11 „ 142 „ 11 11 Die Gesamtzahl der Mitglieder beträgt demnach jetzt 569 gegen 592 zu Ende 1915 und 610 zu Ende 1914, der zur Beitragszahlung verpflichteten Mitglieder: jetzt 525 gegen 545 zu Ende 1915 and 559 zu Ende 1914. Von persönlichen Angelegenheiten sei noch erwähnt, daß Berichterstatter dem Korrespondierenden Mitglied Herrn Hauptmann a. D. KoLLM-Berlin zu seinem 70. Geburtstag und unserem Vorstandsmitglied Herrn Prof. Dr. Kumm aus Anlaß seines 25jährigen Wirkens am Westpreußischen Provinzialmuseum die Glückwünsche der Gesellschaft übermittelt hat. 1-^ IV Die wissenschaftliche Tätigkeit unserer Gesellschaft kam zunächst durch die Vorträge in den Sitzungen zum Ausdruck, von denen im ganzen 12 abgehalten wurden. Dazu traten drei öffentliche Vorträge mit Lichtbildern und Experimenten, bei deren einem wir den erfolgreichen Radiumforscher, Geheimrat MARKWALD-Berlin in unserem Kreise zu begrüßen die große Freude hatten. Die Gebiete der Medizin, Physik, Erdkunde, Entwicklungsgeschichte, Cliemie, Zoologie, Geologie, Mikrobiologie boten die zeitgemäßen Vortrags- stoffe, über die der Sekretär für die inneren Angelegenheiten, Herr Prof. Dr. Wallenberg, noch im einzelnen berichten wird. Durchweg fanden die Dar- bietungen rege Beteiligung. Die öffentlichen Vorträge waren gegen ein Ein- trittsgeld auch Nichtmitgliedern zugänglich. Die Reinerträge konnten in Höhe von im ganzen rund 500 M an die Kriegshilfe und an das Rote Kreuz abge- führt werden, in den beiden vorangegangenen Kriegsjahren jedesmal ungefähr die gleiche Summe. — Wiederholt folgte die Gesellschaft der Einladung des Westpreußischen Bezirksvereins deutscher Ingenieure zu dessen wissenschaft- lichen Vortragsveranstaltungen, wie andererseits der genannte Verein aus gleichem Anlaß mehrmals bei uns zu Gaste war. Der Versorgungsausschuß für Kriegsinvaliden in der Provinz Westpreußen lud zu einem Vortrag über die Seidenraupenzucht — gehalten von Professor DAMMER-Berlin — ein, und unsere Gesellschaft leistete für Versuche zur Ein- führung der Seidenraupenzucht in Westpreußen zunächst eine einmalige Bei- steuer von 50 M. Der Aufforderung des Geschäftsausschusses der Deutschen Kriegsausstellung Danzig 1916, öffentliche Vorträge über Rußland und den Kaukasus sowie über Siebenbürgen zu halten, gab Berichterstatter gern nach, da der Reinertrag für Kriegswohlfahrtszwecke bestimmt war. Schließlich gaben die Mitglieder der Einladung zum Besuch der für Kriegswohlfahrtszwecke bestimmten Hochschulvorträge am Schluß des Jahres Folge. Über die wissenschaftliche Tätigkeit der Sektionen der Gesellschaft liefern die hier nachfolgenden Berichte der Herren Vorsitzenden näheren Aufschluß. Alles in allem genommen, war die Vortragstätigkeit eine rege und fand große Aufmerksamkeit und warmen Dank. Nicht leicht war es in dieser schwierigen Zeit, Herren für wissenschaftliche Vorträge zu gewinnen. An dieser Stelle den Herren Vortragenden für ihre Bereitwilligkeit, ihre Kräfte in den Dienst unserer Bestrebungen zu stellen, den Dank des Vorstandes und der ganzen Gesellschaft auszusprechen, ist dem Berichterstatter ein Bedürfnis und eine angenehme Pflicht. — Wiederholt bot uns die Firma Lau hier, deren Inhaber Mitglied unserer Gesellschaft ist, ermäßigte Eintrittskarten zu öffent- lichen Vorträgen naturwissenschaftlichen und geographischen Inhalts dankens- werter Weise an. Gern wurde davon Gebrauch gemacht. In der Januarsitzung legte Berichterstatter ein interessantes Dokument aus dem Ende des 18. Jahrhunderts vor: die Urkunde über die Ernennung des Direktors der Naturforschenden Gesellschaft und Ratsherrn Daniel Gottlieb Weickhmann zu Danzig im Jahre 1785 zum Mitglied der Kgl. V Norske Vedenskabers Selskab in Trondbjem. Das interessante Stück ist durch die Aufmerksamkeit des Herrn Prof. Dr. Jellinek dem Archiv unserer Gesell- schaft zugeführt worden. In der Dezembersitzung konnte Berichterstatter eine Sammlung wertvoller Tierschädel (zumeist Vogelschädel) aus Deutsch Neu- Guinea der Gesellschaft übergeben. Sie stammten aus dem Nachlaß des Forschungsreisenden Richard Rohde, der in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts Kaiser Wilhelmsland und die Salomonsinseln bereist hatte, und waren von dessen Schwager, Herrn Major RiEDEL-Kaukehmen (Ostpr.), an die Gesellschaft geschickt worden. Für ihre geeignete Aufstellung in den Sammlungen des Westpreußischen Provinzialmuseums wird die Museumsleitung Sorge tragen. Den Geschenkgebern sei auch an dieser Stelle nochmals ver- bindlichster Dank ausgesprochen. Von wissenschaftlichen Veröffentlichungen ist das zweite Heft des XIV. Bandes der „Schriften“ der Gesellschaft herausgegeben und den geehrten Mitgliedern bereits im Spätsommer 1916 zugestellt worden. Die Drucklegung des dritten Heftes des XIV. Bandes wird von Herrn Prof. Dr. Dahms gegenwärtig dankenswerter Weise überwacht und gefördert. Es erscheint gleichzeitig mit diesem Bericht in der ersten Hälfte des Jahres 1917. Dieses dritte Heft wird außer dem vorliegenden Bericht und den Berichten der Sektionsvorstände für 1916 sowie der Altertumsgesellschaft Elbing für 1914/15 noch folgende Abhandlungen enthalten: Sonntag: Die diluvialen Landschaftsformen Westpreußens und ihre Verbreitung. Mit 3 Tafeln, 1 Über- sichtskarte und 16 Zeichnungen im Text; Fr. Braun: Beobachtungen an Kanarienbastarden; Zacrzeavski: Die fabrikmäßige Herstellung von Eiweiß durch die Hefezüchtung und Dahms: Gewinnung und Verwendung von Geschieben im Preußischen Ordensland. Die der wissenschaftlichen Arbeit der Mitglieder dienende Bibliothek unserer Gesellschaft fand im Berichtsjahr zunächst wieder durch Tausch mit Akademien, Vereinen, wissenschaftlichen Instituten ihren Zuwachs. Außer dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn waren während der Kriegszeit daran beteiligt die Schweiz, Holland, Dänemark, Norwegen, Schweden und die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, letztere allerdings nur in beschränktem Maße. Vom Königl. Preußischen Landwirtschaftsministerium empfängt die Bibliothek nach wie vor die wertvollen Landwirtschaftlichen Jahrbücher und von der Staatlichen Kommission zur Erforschung der deutschen Meere ihre stattlichen Abhandlungen, wofür an dieser Stelle erneuter Dank ausgesprochen sei. Eigene und fremde Druckschriften naturwissenschaftlichen Inhalts wurden der Bibliothek als Schenkungen überwiesen durch die Herren Geh. Rat Branca, Prof. Braun, Prof. Dr. Förster, Prof. Dr. Geinitz, Hauptmann a. D. Kollm, Prof. Dr. Lakowitz, Prof. Dr. Lindner, Geh. Rat Dr. Lorenz, Pfarrer Mühlradt, Prof. Dr. Rössler, Prof. Dr. Sonntag und durch Frau Rentiere Mencke hier aus dem Nachlaß ihres verstorbenen Gatten, unseres früheren Mitgliedes. Nochmals allen gütigen Geschenkgebern für diese Bereicherung VI unserer Bücherei vielen Dank! Die Verwaltung der Bibliothek, des angeschlossenen Lesezimmers und des regelmäßigen Journallesezirkels für wissenschaftliche Zeit- schriften steht unter der bewährten Leitung des Herrn Prof. Dr. Dahms; eine weibliche geschulte Hilfskraft (Fräulein Lakowitz) steht ihm hierbei zur Seite. — In der astronomischen Station unserer Gesellschaft ruhen zurzeit die besonderen wissenschaftlichen Beobachtungen und Versuche, da der Astronom, Herr Dr. von Brunn, im Felde ist. Die regelmäßigen Zeitbestimmungen, die Regulierung der astronomischen Uhren u. a. m. besorgt der Gehilfe an der Sternwarte, Mechaniker Krause, nach wie vor. Ihm liegt auch die Instand- haltung der Apparate ob. Seit kurzem werden einige Abteilungen in den Sternwarte- und den physikalischen Sammlungsräumen von der Militärbehörde zu besonderen militärischen Zwecken benutzt. Der Plan desNeubaues derSternwärte auf dem Gelände zwischen demKönigs- taler Weg und der Feldstraße hat weitere Fortschritte zu verzeichnen. Der Herr Kultusminister hat laut Schreiben des Herrn Oberpräsidenten vom Januar 1916 sich geneigt erklärt, „das Vorhaben der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig in der Weise zu fördern, daß mit ihr ein Vertrag abgeschlossen wird, wodurch der Technischen Hochschule gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung das Recht eingeräumt wird, die Räume und Einrichtungen der Sternwarte für ünterrichtszwecke zu benutzen“, und anderseits der Besitzer des Baugeländes, unser Mitglied Herr Fabrikbesitzer Hartmann, hat versprochen, gemäß früherer Zusage und nach nunmehr durch Herrn Stadtrat Zimmermann, den unermüd- lichen Hausverwalter unserer Gesellschaft, geführten Verhandlungen ein 1000 qm großes Geländestück zu schenken, außerdem ein hiermit in Verbindung stehendes Stück von weiteren 3000 qm Größe zu einem billigen Preise herzugeben. Der Platz für die Sternwarte sowie für etwaige spätere Erweiterungsbauten scheint dadurch gesichert zu sein. Der auf Wunsch des Ministeriums s. Zt. wesent- lich vereinfachte, nach dem Muster einer bei Tübingen seit Jahren bereits bestehenden leistungsfähigen, privaten Sternwarte neuerdings von Herrn Geh. Baurat Prof. Carsten hier entworfene Bauplan samt einem von unserem Stern- warte-Ausschuß aufgesetzten Vertragsentwurf ist durch Se. Exzellenz den Herrn Oberpräsidenten im Herbst 1916 dem Herrn Minister vorgelegt worden. Der ersehnte endgültige Bescheid steht noch aus. Unsere Gesellschaft verwaltet zwei Stiftungen für die Förderung natur- wissenschaftlicher Forschungen und Arbeiten, vorzüglich zur Landeskunde Westpreußeus. Aus der älteren, seit 1859 bestehenden Humboldt -Stiftung wurden im Berichtsjahr 3 Stipendien zu je 150 M an Herrn Prof. Dr. Sonntag zu geologischen Studien im Karthäuser Seengebiet, ein Stipendium von 150 M Herrn Oberlehrer REiiBERG-Marienwerder zu zoologischen Studien verliehen. Aus der seit 1913 bestehenden, mit dem Westpreußischen Botanisch-Zoologi- schen Verein gemeinsam geführten Prof. Dr. BAiL-Stiftung erhielt ein Stipendium von 150 M Herr Dozent Oberlehrer Dr. Wangerin zu botanischen Studien in westpreußischen Moorgebieten. — VJI Die orescbäftlichenAugele^eDheiten der Gesellschaft fanden in vier Außerorden t- liehen Sitzungen der Mitglieder und in drei Vorstandssitzungen ihre Erledigung. In der Sitzung am 5. Januar 1916 wurde der Jahresbericht für 1915 vom Direktor, am 3. Mai der Bericht über den Stand der Kasse und über die Rechnungslegung für 1915 durch den Rechnungsprüfer Herrn Bankdirektor Stein erstattet und mit der Entlastung durch die Mitgliederversammlung den beiden Rechnungsprüfern Herrn Stein und Herrn Dahms in Vertretung für Herrn Direktor Frech sowie dem Schatzmeister Herrn Dr. Damme der Dank der Gesellschaft ausgesprochen. In der Außerordentlichen Sitzung am 20. Dezember 1916 erfolgte nach dem Vortrag des Schatzmeisters Herrn Dr. Damme über den Haushaltsplan für 1917 die Genehmigung des Voranschlages für 1917 [unter Einschluß der T. WoLFFschen Stiftung (für astronomische Zwecke), der Vercii sehen Stiftung (für Bibliothekszwecke), der HuMBOLDT-Stiftung (für Stipendienzwecke ^)] in Höhe von im ganzen 17 286 M. In derselben Sitzung ergab die satzungsgemäß anberaumte Wahl der Vor- standsmitglieder die folgende unveränderte Zusammensetzung des Vorstandes für das Jahr 1917: Herr Prof. Dr. Lakowitz, Direktor, „ Prof. Dr. Krüger, Vizedirektor, „ Bankdirektor Dr. jur. Damme, Schatzmeister, „ Prof. Dr. Wallenberg, Sekretär für die inneren Angelegenheiten, „ Prof. Dr. Kumm, Sekretär für die äußeren Angelegenheiten, „ Prof. Dr. Dahms, Bibliothekar, „ Stadtrat Zimmermann, Hausverwalter. „ Prof. Evers, 1 „ Prof. Dr. Petrüschky, \ Beisitzer. „ Prof. Dr. Sommer J Als Rechnungsführer wurden die Herren Bankdirektor Stein und an Stelle «des durch Versetzung nach Wilna ausscheidenden Herrn Realgymnasialdirektor Prof. Frech Herr Kaufmann Domanski gewählt. Im Berichtsjahr erhielt die Gesellschaft, wie in früheren Jahren, von der Hohen Staatsregierung eine Beisteuer von 500 M zur Unterhaltung unserer astronomischen Station und seitens der Provinzialverwaltung 2000 M für die allgemeinen Aufgaben und im besonderen für die Herausgabe der Druckschriften, während die Städtischen Körperschaften Danzigs wieder einen Jahresbeitrag von 300 M beisteuerten. Für diese wichtigen und dringend erwünschten Unter- stützungen stattet hiermit wiederholt die Gesellschaft ihren ehrerbietigsten Dank ab. Meine Herren! Ich bin am Schluß meines Berichtes, aus dem Sie trotz seiner Kürze doch wohl den Eindruck gewonnen haben, daß unsere Gesellschaft treu den Überlieferungen vorangegangener Generationen in den Bahnen der 0 Die Prof. Dr. BAIL-Stiftung, die zugleich für den Westpreußisclien Botanisch- Zoolo- gischen Verein gilt, gehört nicht zum Haushaltungsplan unserer Gesellscliaft. VIII Wissenschaft nach Kräften weiter arbeitet trotz all der unvermeidlichen Hemmungen durch den Krieg. Dem alten Jahr entsteigt das neue wie ein junger Tag, auf den wir alle unsere Hoffnungen sehnsuchtsvoll setzen. Was- wird außer Arbeit und Sorgen das neue Jahr uns allen bringen? In dem Bewußtsein ausgesprochener Friedensliebe und eines reinen Ge- wissens tritt das deutsche Volk in das neue Jahr ein, voll Sehnsucht nach einem durch endgültigen, deutschen Sieg gesicherten Frieden. Moralisch hat das deutsche Volk bereits entscheidend gesiegt, denn es hat sich in diesem größten aller Kriege bewährt wie kein anderes Volk Europas. Ist es nicht eine einzig dastehende Leistung des einigen, deutschen Volkes in Waffen, daß trotz des überraschenden Ansturmes der feindlichen Millionenheere gleichzeitig in Ost und West doch ganz Mitteleuropa dank der bewundernswerten Erfolge der deutschen Heere friedlich seiner Arbeit nachgehen kann, während der Krieg nur außerhalb der Grenzen, in Feindesland, tobt! Man denke^ wie noch bis zur Schlacht von Leipzig 1813 das arme, deutsche Land immer wieder der selbstverständliche Kampfplatz der europäischen Völker gewesen ist. Bewährt hat sich das deutsche Volk aber auch in allen Zweigen der Friedensarbeit. Ist diese sieghafte Tüchtigkeit des deutschen Volkes in den Werken des Friedens zweifellos eine hohe Tugend und rühmenswert, so liegt aber gerade in ihr der eigentliche, tiefe Grund des gegenwärtigen, entsetzlichen Blutvergießens. Denn da der friedliche Wettbewerb keine Aussichten auf Erfolg für die neidischen Widersacher und Feinde ringsum mehr bot, griffen sie zu dem letzten Mittel, den unbequemen, strebsamen Konkurrenten zu beseitigen, zur rohen Gewalt. Dies müssen wir uns immer wieder vergegenwärtigen, um ganz zu begreifen, wie sehr es jetzt nötig ist, einen Frieden zu erzwingen, der dem friedliebenden deutschen Volke ein für allemal und bis in die fernsten Zeiten freien unein- geschränkten Raum und freie Bahn auch nach außen in der weiten Welt zu friedlicher Arbeit unter allen Umständen sichert. Dann erst wird der friedliche Siegeslauf deutscher Arbeit bei der bewährten starken Anspannung der geistigen und idealen Kräfte unserer Nation seinen höchsten Triumph feiern. Hierbei wird zweifellos die deutsche Wissenschaft von der Natur in ihrer Umwertung für das praktische Leben die starke Bahnbrecherin in noch höherem Maße sein als bisher, sie, die gerade in diesem Kriege ihre gewaltige, innere Kraft- fülle offenbart hat. Dieses alles uns zum Bewußtsein zu .bringen, mit durchzuhalten, mitzu- arbeiten und das Gelöbnis, im besonderen an der Befestigung der Baupfeiler des menschlichen Wissens von der Natur nach Kräften mitzuhelfen, sei ein Ergebnis dieser Stunde. Meine Herren, helfen Sie, bitte, jeder zu seinem Teil und nach besten Kräften, in Einmütigkeit und Beharrlichkeit an den Aufgaben unserer den gekennzeichneten Zielen zustrebenden, altehrwürdigen Naturforschenden Gesellschaft im einzelnen mitzuwirken zum Gedeihen des Ganzen und zum Heil und Segen des Vaterlandes. IX Bericht 1 über die Ordentlichen Sitzungen der Gesellschaft im Jahre 1916. 1. Sitzung am 5. Januar 1916. Der Direktor, Herr Professor Dr. Lakowitz, eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und erstattet den Jahresbericht für das Jahr 1915 sowie den der Vorsitzenden der Sektionen. Zu Ehren der im Laufe des Jahres 1915 dahingeschiedenen Mitglieder erhebt sich die Versammlung von den Sitzen. Der Direktor weist ferner auf einige von der Direktion Lau veranstaltete Vorträge hin, die den Mitgliedern zu ermäßigten Preisen zugänglich sind. Darauf hält Herr Generalarzt Geheimer Medizinalrat Professor Dr. Barth einen Vortrag über „Fortschritte in der Kriegschirurgie“ mit Vorführung von Röntgenbildern und Schienen eigener Konstruktion. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor spricht dem Vortragenden den Dank der Gesellschaft aus. 2. Sitzung am 19. Januar 1916. (Im Hörsaal des Pliysikalisclien Instituts der Kgl. Technischen Hochschule.) An Stelle des erkrankten Direktors eröffnet der Vizedirektor, Herr Prof. Dr. Krüger die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und erteilt das Wort dem Vortragenden des Abends, Herrn Privatdozent Dr. J. Grammel, der einen Vortrag über „Den Kreisel“ mit Vorführung von Experimenten und Licht- bildern hält. Unter einem Kreisel sei ein materieller Körper verstanden, der sich um einen festgehaltenen Stützpunkt irgendwie drehen kann. Ein solcher Kreisel kann sym- metrisch oder unsymmetrisch sein. Je nachdem sein Schwerpunkt mit dem Stütz- punkt zusammenfällt oder nicht, heißt er ein kräftefreier oder ein scliAverer Kreisel. Von der Reibung Avird zunächst abgesehen. Jeder materielle Körper besitzt zAvei ausgezeichnete Achsen durch den Schwerpunkt, um welche sein ScliAvungvermögen (Trägheitsmoment) am größten bzAv. am kleinsten ist. Diese beiden Achsen zusammen mit der zu ihnen senkrechten dritten Achse durch den SchAverpunkt heißen die drei ^) Bereits erschienen im 2. Heft des XIV. Bandes der „Schriften“ der Gesellschaft 1916, S. 57 ff X Haiiptträgheitsachsen des Körpers. Für die Kreiselbewegimg eines Körpers sind nur seine Schwungvermögen um die drei Hauptträgheitsachsen maßgebend. Ein einfacher A^ersuch mit einer fallenden und dabei rotierenden Scheibe zeigt die im Schwung- vermögen sich äußernde Massenträgheit. 1. Der kräftefreie Kreisel. — Man kann jedem Kreisel ein Ellipsoid der kine- iischen Energie zuordnen, dessen Hauptachsen mit den Hauptträgheitsachsen zusammen- fallen und der Länge nach proportional mit den Drehgeschwindigkeiten sind, die man durch gleich große Arbeitsaufwände um die drei Achsen erzeugen kann. Dabei setzen sich sowohl die Drehgeschwindigkeiten um die d»rei Achsen als auch die zugehörigen drei Drehstöße zu einer einzigen Drehung bzw. einem einzigen Drehstoß oder Impuls um die momentane Drehachse bzw. um die beim kräftefreien Kreisel raumfeste Impuls- achse zusammen. Diese beiden Achsen sind von der Symmetrieachse (Figurenachse) des Kreisels i. a. verschieden. Der kräftefreie Kreisel bewegt sich so, wie wenn sein Ellipsoid der kinetischen Energie bei festgehaltenem Mittelpunkt auf einer festen, zur Impulsachse senkrechten Ebene abrollte, ohne zu gleiten; und der Fahrstrahl vom Mittelpunkt aus nach dem augenblicklichen Berührungspunkte gibt die momentane Drehachse an. Der Berührungs- punkt beschreibt auf dem Ellipsoid die Polhodiekurve, auf der festen Ebene die Her- polhodiekurve, und es rollt gleichzeitig der durch den Mittelpunkt und die Polhodie gelegte Polhodiekegel auf dem analog definierten Herpolhodiekegel und mit seinem Bande, d. h. mit der Polhodie auf der festen Ebene. Diese sog. Poixsoi-Bewegung wird an einem Lichtbild, einer Beihe von Modellen sowie an dem Prandtl sehen Kreiselapparat erklärt und vorgeführt, einschließlich der Stabilitätsverhältnisse der sog. permanenten Drehachsen (Hauptträgheitsachsen). Im Falle des kräftefreien, symmetrischen Kreisels sind die Polhodien ebenso wie die Herpolhodien Kreise, und die Bewegung ist eine reguläre Präzession (gleichförmige Drehung der Figurenachse auf einem Kreiskegel um die Impulsachse.) Die Bewegung des kräftefreien Kreisels kann gestört werden entweder durch Stöße, welche eine Verlegung der Impulsachse zur Folge haben, oder durch zwangs- mäßige Führung der Figurenachse; im letzteren Fall wird im Kreisel ein Deviations- moment geweckt, welches die Figurenachse in gleichstimmigen Parallelismus mit der Achse der zwangsmäßigen Drehung zu richten bestrebt ist. Auf diesem durch die Massenträgheit leicht zu erklärenden Deviationsmoment beruhen die paradoxen Erscheinungen des Kreisels. 2. Der schwere Kreisel. — Trennt man den Schwerpunkt des Kreisels von seinem Stützpunkt, so führen die Zusatzimpulse der Schwerkraft den Endpunkt .der Impuls- achse auf einer horizontalen Kurve um die durch den Stützpunkt gelegte Vertikale herum; der Endpunkt der Figurenachse beschreibt dabei zykloidenartige Kurven, die im Falle des symmetrischen Kreisels bekannt, beim unsymmetrischen Kreisel dagegen noch unerforscht sind. Auch hier kann unter besonderen Umständen eine reguläre Präzession sich einstellen, und zwar sowohl eine sog. langsame als auch eine schnelle. Bei rascher Dotation des Kreisels um die Figurenachse tritt immer eine präzessionsähnliche Bewegung ein. Die Bewegungen des symmetrischen schweren Kreisels lassen sich an einer Beihe von Instrumenten gut vorführen (Pp:ssel-Plücken scher Kreisel, gyroskopisches Pendel). 3. Einfluß der Beibung. — Eine Beihe merkwürdiger Kreiselerscheinungen läßt sich durch die Beibung qualitativ in einfacher Weise erklären, so z. B. das Auf richten des gewöhnlichen Kinderkreisels oder eiförmiger Kreisel, die Erscheinung am sog. peri- metrischen Kreisel und die Paralleleinstellung der Figurenachsen zweier aufeinander rotierender Kreisel. XI 4. Einige technische Anwendungen des Kreisels. — Jeder kräftefreie Kreisel, dessen Impulsachse mit der Figurenachse zusammenfällt, würde erlauben, die Eotation der Erde festzustellen. Auf demselben Prinzip beruht der Geradlaufapparat des White- HEAD -Torpedos. Ein ähnliches Prinzip führt zur Konstruktion des AnschiiTz-Kämpfe- schen Kreiselkompasses. Schließlich kann ein mit einem Pendel geeignet kombinierter bremsbarer Kreisel zur Dämpfung der Pendelschwingungen dienen, was Schlick zur Konstruktion seines Schiffskreisels benutzt hat, welcher die Eollscbwingungen ver- mindern soll. Zahlreich ist die Fülle weiterer technischer und naturwissenschaftlicher Anwendungen des Kreisels. Herr Prof. Krüger dankt dem Vortragenden für seine lichtvollen Aus- führungen und schließt die Sitzung. 3. Sitzung am 2. Februar 1916. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und legt eine alte Urkunde vor, das Diplom der Ernennung des Direktors der Gesellschaft Dr. VON Weickhmann zum Mitglied der Trondbjemer Naturforscbenden Gesell- schaft vor 100 Jahren. Darauf hält Herr Stabsarzt Dr. Wolfe einen Vortrag über „Neuere Anschauungen über die Bedingungen der Entwicklung vor der Geburt, beim Menschen und beim Säugetier''. In seinem Gedicht „Die Metamorphose der Pflanzen“ schildert Goethe,, wie sich in der Entwickelung der Pflanze an die Blüte die Frucht, an die Frucht der neue Keim reiht und so die ewige Folge des Lebens in ununterbrochener Kette aufrecht erhalten wird. Xicht anders ist es beim Tier, doch bedarf es beim Tier vielfach viel engerer und länger dauernder Beziehungen zwischen dem elterlichen, besonders dem mütter- lichen Organismus und dem jungen Sproß, damit der junge Keim sich entwickeln und zur Eeife gelangen kann. Eedner gibt eine kurze Übersicht über die Brutpflege im Tierreich. Im großen und ganzen, wenn auch nicht ohne Ausnahme, hat der Satz Gültigkeit, daß die Beziehungen zwischen Mutter und Sprößling im Tierreich desto engere werden, je höher man in der Eeihe der Tiere hinaufsteigt. Die engsten und besonders eigenartigen Beziehungen zwischen Mutter und Kind knüpfen sich beim Säugetier und beim Menschen. Neuere Arbeiten haben gezeigt, daß das Kind im Mutterleib zwar in hohem Maße vom mütterlichen Organismus abhängig ist, daß es aber andererseits doch eine große vitale Selbständigkeit besitzt. In das Verständnis der naturwissenschaftlichen Beziehungen hat erst die Erkenntnis dieser vitalen Selb- ständigkeit tiefer eindringen lassen. Es handelt sich um einen „symbiotischen Konnex“ zweier Lebewesen, um ein Verhältnis zu gegenseitigem Nutzen; denn die Mutter gewährt dem zarten Keim in der sichersten Weise Schutz und Nahrung, das werdende Kind aber führt das Weib zur Erfüllung ihrer höchsten Lebensaufgaben und eröffnet ihr zugleich die Möglichkeit einer Dauerhaftigkeit ihres Wesens hinaus über die enge Spanne des individuellen Daseins. Die Betrachtung der Beziehungen zwischen Mutter und Kind legt den Gedanken nahe an die Ewigkeit des Lebens und des Lebens ewige Werte, und von diesem Gedanken aus läßt sich der Übergang finden von dem scheinbar so theoretischen Thema zu der großen Forderung des Tages, die uns alle bewegt. An den Voilrag schließt sich eine interessante Diskussion. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. XII 4. Sitzung am 16. Februar 1916. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder. Darauf hält Herr Privatdozent Dr. Försterling einen Vortrag über „Neuere Methoden der Dreifarbenphotographie'^^) mit Vorführungen von LüMIERE-Aufnahmen. Das Licht besteht aus elektromagnetischen Wellen. Solche Wellen sind uns bekannt aus den drahtlosen Telegraphien, wo die Wellenlänge viele Kilometer beträgt, bis herab zu den Röntgen - Strahlen mit einer Wellenlänge von zirka 0,0000001 mm. Das sichtbare Gebiet umfaßt nur einen kleinen Teil dieser uns bekannten Schwin- gungen. Wir empfinden mit dem Auge solche elektromagnetischen Wellen als Licht, wenn die Wellenlänge rund zwischen 0,0008 und 0,00035 mm liegt. Das Licht ver- schieden langer Wellen empfinden wir als verschiedene Farben. Bei einer gegebenen Gesamtintensität muß z. B. eine ganz bestimmte Verteilung dieser Intensität über die verschiedenen Wellenlängen vorhanden sein, die Energieverteilung muß im Spektrum eine ganz bestimmte sein, damit wir das Licht weiß nennen. Fällt nun weißes Licht auf einen Körper, so werden die verschiedenen Wellenlängen im allgemeinen ver- schieden stark reflektiert; im Vergleich mit dem normalen weißen Spektrum werden jetzt gewisse Wellenlängen zu viel Energie haben. Diese werden dominieren, der Körper wird uns farbig erscheinen. Wollen wir ein vollkommen naturgetreues Bild des Körpers haben, so wäre das Idealste, wenn jeder Punkt des Bildes beim Betrachten im weißen Licht genau die- selben Schwächungen der einzelnen Wellenlängen hervorruft, wie das Original; oder mit anderen Worten, daß das von einem Punkt des Bildes reflektierte Licht dieselbe spektrale Zusammensetzung hat, wie das von dem entsprechenden Objektpunkt aus- gehende. Haben wir eine Methode, das Ziel wenigstens näherungsweise zu erreichen? In der Tat strebt die LiPPMANNsche Methode der Farbenphotographie danach, diese Forderung zu erfüllen. Sie baut sich auf der Theorie der Reflexion des Lichtes an einer planparallelen Platte auf. Haben wir eine solche Platte von der Dicke d, so kommen die an der Vorder- und Rückseite reflektierten Strahlen zur Interferenz; sie verstärken sich — das reflektierte Licht hat also ein Maximum — , wenn die 2 d Wellenlänge A = ist, und h eine ganze Zahl =. 1, 2 — bedeutet. Hätten wir also eine Methode, an jeden Punkt des Bildes eine oder besser noch mehrere hinter- einander liegende, planparallele Platten mit entsprechendem Reflexionsvermögen her- zustellen, derart, daß die halben Plattendicken gleich den belichtenden Wellenlängen wären, so hätten wir annäherungsweise unsere Forderung realisiert. Denn nach dem Gesagten würde uns jedes System von Platte von der Dicke d^ im reflektierten Licht die Wellenlänge 2 dj^ = geben, während die anderen Wellenlängen sich durch Interferenz mehr oder weniger zerstören. Die nähere Diskussion würde ergeben, daß es gut ist, von jeder Lamellendicke möglichst viel Lamellen zu nehmen, da solche einmal mehr Licht reflektieren und dann vor allem, das reflektierte Spektrum reiner wird. Wir können solche Lamellensysteme nun in der Tat rein photographisch her- stellen. unter Benutzung stehender elektrischer Wellen. Die Platte wird durchs Glas belichtet, während die Schicht direkt auf einem Quecksilberspiegel aufliegt. Die auf- fallende und reflektierende Welle zusammen ergeben in der photographischen Schicht eine stehende Welle, d. h. eine Lichtbewegung, deren Knoten und Bänder dauernd an 1) Vgl. das Referat von Herrn Prof. Kalähne in der Sitzung vom 8. Januar 1908. XJII derselben Stelle sich befinden. Das Silber der Schicht wird nun zersetzt proportional der an der betreffenden Stelle herrschenden elektrischen Schwingimgsenergie. Wenn wir vom Kern der Platte absehen, wird die Schwärzung analog den stehenden Wellen ebenfalls einen „wellenförmigen“ Verlauf zeigen. Um nun die Wirkung dieser perio- dischen Schwärzungen uns deutlich zu machen, können wir in ganz roher Annäherung uns jede „Welle“ der Schwärzung durch einen Spiegel, der im „Wellenberge“ steht, ersetzt denken. So haben wir genau das System von planparallelen Platten (ent- sprechend dem Zwischenraum zwischen zwei Spiegeln) erhalten, welches wir brauchen. Unsere Aufnahme wird also die natürlichen Farben zeigen, allerdings auch noch die Oberschwingungen ~y usw. Die letztere Folgerung bestätigt sieh nicht. In der Tat zeigt eine genauere Theorie, welche die Eeflexionen innerhalb einer einzigen „Schwärzungswelle“ berücksichtigt, daß diese Oberschwingungen nicht auftreten können. Im übrigen bestätigt die exakte Kechnung unsere rohen Überlegungen im wesentlichen. Die Schwierigkeit bei der Ausführung der Lippnaxn- Photographie, besteht nun darin, daß eben in den Farben der Körper alle möglichen Wellenlängen verkommen, deren Schwärzungen sich alle in der Platte überlagern. Damit das Licht beim Betrachten die entsprechenden periodischen Schwärzungen analysieren kann, sind sehr hohe Anforderungen an die Gradation der Platte zu stellen. Müssen wir aber an die farbige Wiedergabe so große Forderungen stellen? Wir sehen ja das Bild nicht mit dem Spektroskop, sondern einfach mit den Augen an, denen es nun naturgetreu scheinen soll. In der Tat wissen wir, daß wir alle Farben aus nur drei passend gewählten Grundfarben zusammensetzen können. Machen wir nun drei Aufnahmen je hinter einem roten, grünen und blauen Filter, stellen dann drei Diapositive her und projizieren diese drei Diapositive, jedes jnit dem Aufnahme-Filter kombiniert, übereinander, so mischen sich an jedem Punkt des Bildes die Farben Kot, Grün, Blau in dem durch die Abstufung der Dia- positive gegebenen Verhältnis. Das Bild erscheint auf dem Schirm farbig. Durch Benutzung der Gesetze der Komplementär-Farben kann man die farbige Wiedergabe offenbar auch erreichen, indem man drei passend gefärbte Kopien auf Papier übereinander klebt oder übereinander druckt. Dieses Verfahren ist bei weitem sicherer als das LiPPMANNsehe. Indes erfordert es dort immer drei Teilbilder. Kann man das vermeiden? Auch hier führt die Berücksichtigung der Unvollkommenheit des menschlichen Auges weiter. Wir können mit dem Auge nicht zwei beliebig nahe Lichtpunkte, etwa zwei nahe Sterne auflösen, auch dann nicht, wenn die Netzhaut vollkommen wäre. Denn an den Pupillenrändern findet Beugung statt, welche das Bild eines Punktes auf der Netzhaut immer als kleine Scheibe erscheinen ließe. Teilen wir also einen kleinen vom Auge nicht mehr auflösbaren Bruch der Platte in drei Teile und färben diese blau, grün, rot, so wird das Auge nur die Summe der drei Farben wahrnehmen. Da- mit ist die Methode gegeben. Wir belichten die Platte durch ein feines Farbenraster (das so gewählt ist, daß die Platte weiß erscheint, wenn alle ihre Partien gleichmäßig durchsichtig sind); kehren das Bild um, indem wir nach dem Entwickeln das reduzierte Silber weglösen, und dann das allein zurückgebliebene Bromsilber schwärzen. Dann ist, genau wie bei der Projektion der 3 Teilbilder, an jeder Stelle der Platte die Durchlässigkeit für das Licht verschiedener Farben, der Natur entsprechend, geregelt: das Bild erscheint im durchgehenden Licht in den natürlichen Farben. Als Farbenraster wurden bekanntlich von den Gebr. LuMifcRE gefärbte Stärke- körner benutzt. Neuerdings werden ähnliche Platten in Deutschland hergestellt, welche allerdings an Echtheit der Farben die LumiI^re - Platten noch nicht zu erreichen scheinen. XIV Diese Platten von LuMiüRe (und wohl auch die der Agfa -Gesellschaft) erlauben ein vollständiges, sicheres Arbeiten und gestatten die Anwendung der Farbenphoto- graphie auch auf der Reise. (Die dann projizierten Lumi£re - Platten waren fast alle gelegentlich auf verschiedenen Reisen angefertigt worden.) Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine interessanten und anregenden Ausführungen und schließt die Sitzung. 5. Sitzung am 1. März 1916. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neueingetretenen Mitglieder. Er gedenkt mit herzlichen Worten der Teilnahme des verstorbenen langjährigen Mitgliedes der Gesellschaft, des Majors und Verlagbuchhändlers Otto Kafemann, der vor einigen Tagen einem heim- tückischen Leiden zum Opfer gefallen ist. Die Versammlung erhebt sich zu Ehren des Verstorbenen von den Sitzen. Der Direktor macht ferner Mitteilung, daß der Westpreußische Bezirks- verein Deutscher Ingenieure die Gesellschaft zu einem Vortrag am 14. März freundlichst eingeladen hat. Darauf hält Herr Professor Dr. Krüger, der stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft, einen Vortrag „Über die Mechanik der Atome und Moleküie^^ * mit Vorführung von Modellen und Lichtbildern. Der Vortragende wies einleitend darauf hin, daß unsere Sinnesorgane uns nur eine sehr beschränkte Kenntnis der Welt vermitteln, daß wir die Naturvorgänge, die unserer direkten Beobachtung verborgen sind, aber erkennen und untersuchen können, wenn wir unsere Sinne durch geeignete Instrumente erweitern. So ist es gelungen, die akustischen Erscheinungen als mechanische Schwingungen zu deuten und ebenso die Wärme auf verborgene Bewegungen zurückzuführen, die Akustik also und die Lehre von der Wärme als Spezialkapitel der Mechanik unterzuordnen. So ist m,it der Vertiefung unserer Einsicht in die Naturvorgänge gleichzeitig eine weitgehende Ver- einfachung gewonnen, indem die Kompliziertheit der sichtbaren Vorgänge durch die Einfachheit unsichtbarer Bewegungen sich ersetzen ließ. Hiernach haben wir in der Wärme nichts anderes als die kinetische Bewegung der Atome resp. Moleküle der Körper zu erblicken, die mit steigender Temperatur zunimmt. Diese Wärmebewegungen werden von einem sehr allgemeinen und einfachen Gesetze beherrscht: Die kinetische Energie der Atome und Moleküle ist bei größerer Temperatur sowohl im gasförmigen, flüssigen wie festen Agregatzustande für jeden Freiheitsgrad der Bewegung dieselbe und steigt der sogenannten absoluten Temperatur proportional an. Auf Grund dieses- Gesetzes ließen sich die spezifischen Wärmen der Gase und festen Körper in weit- gehender Weise exakt berechnen. So schien eine in ihrer Einfachheit und Klarheit durch große Schönheit ausgezeichnete Theorie der Wärmeerscheinungen gewonnen zu sein. Leider aber entstanden an dem klaren Himmel dieser Erkenntnis dunkle Wolken, als an festen Körpern mehr und mehr Erscheinungen beobachtet wurden, die mit dieser Theorie nicht vereinbar waren. Man erkannte, daß die kinetische Wärme- energie gewisser fester Körper, z. B. des Diamanten, schon bei Zimmertemperatur viel kleiner ist, als sie nach der Theorie sein sollte, daß aber bei sehr tiefen Temperaturen alle festen Körper Abweichungen in diesem Sinne auf wiesen, und zwar diejenigen XV Substanzen am frühesten, deren molekulare Eigenscliwingungsfrequenz am größten ist. Eine anschauliche, molekiilartheoretische Deutung dieses Verhaltens auf Grund der uns bekannten Gesetze der Mechanik zu geben, gelang bisher nicht, wohl aber ver- danken wir den theoretischen Arbeiten von Planck und Einstein, sowie von Born und V. Karmann und von Debye und den experimentellen Arbeiten besonders von, Nernst und seinen Schülern eine mathematische Formulierung des A^erlialtens festei" Körper auf Grund der PLANCXschen Annahme, daß sie die zugeführte Wärmeenergie- nicht stetig, sondern nur in diskontinuierlichen, der jeweiligen Schwingungsfrequenz’: proportionalen Beträgen aufzunehmen vermögen. Vom mechanischen Standpunkte- noch unverständlicher als das Verhalten der festen Körper erschien das auf Ver- anlassung von Nernst durch Eucken untersuchte Verhalten des zweiatomigen Wasser- stoffes bei sehr tiefen Temperaturen: Die Versuche zwangen zu dem Schluß, daß die?- Ivotation der Wasserstoff moleküle bei sehr tiefen Temperaturen aufhört. Der An- v/endung der PLANCK-EiNSTEiNschen Quantentheorie stand hier die Schwierigkeit im Vv’ege, daß der Unstetigkeit der Energieaufnahme eine Unstetigkeit der Eotations- frequenz entsprechen müßte, was noch weit unbegreiflicher wäre als das Verhalten, der festen Körper. Der Vortragende zeigte nun, daß diese Schwierigkeit verschwindet, wenn man berücksichtigt, daß ein Wasserstoffmolekül, wie wir aus seinem optischen und magnetischen Verhalten schließen müssen, von Elektronen umkreist wird, so daß es- Ivreiseleigenschaften besitzen muß. Es hat infolgedessen eine bestimmte Eigen- schwingungsfrequenz, die der regulären Präzession des kräftefreien Kreisels entspricht,, und wird daher durch einen Stoß nicht zu Kotationen, sondern zu Schwingungen ver- anlaßt. Dieses Verhalten 'wurde an einem Kreiselmodell eines Wasserstoffmoleküls- demonstriert. Die Frequenz der Schwingungen des Wasserstoffmoleküls ließ sich aus- den optischen Eigenschaften in guter Übereinstimmung mit dem aus der spezifischen. Wärme folgenden Werte berechnen. So ist das von dem allgemeinen Gleichverteilungsgesetz der Energie abweichende Verhalten der festen Körper und der zweiatomigen Gase wenigstens auf dieselbe- Grunderscheinung, das Vorhandensein von Eigenschwingungen, zurückgeführt. Es fragt sich, ob wir nun nicht doch einige Hoffnung haben, dies Verhalten molekular- theoretisch vom Standpunkt unserer normalen Mechanik verstehen zu können. Das erscheint in der Tat wohl möglich, wenn wir die Bedingungen der Erregung schwin- gender Systeme durch Stoß näher ins Auge fassen. Soll eine kräftige Schwingung' erregt werden, so ist es notwendig, daß die Berührungszeit beim Stoß klein im Ver- gleich zu der Schwingungsdauer sei, andernfalls gibt der schwingende Körper den größten Teil der erhaltenen Energie an den reflektierenden, stoßenden Körper zurück.. Die Stoßzeit ist aber kürzer bei dem Stoß durch schnell bewegte, als bei dem durch- langsam bewegte Körper; nur ein Teil der Stöße wird also Energie an den schwin- genden Körper übertragen. Für die Übertragung der Energie vom schwingenden Körper auf freibewegliche Körper aber existiert diese Beschränkung nicht. So über- sieht man, daß ein schwingungsfähiges System mit hoher Frequenz im allgemeinen durch Stoß weniger Energie auf nimmt, als ein solches mit kleinerer Schwingungs- frequenz. Das entspricht aber dem Wärmeverhalten der festen Körper. Das molekular- theoretische Problem hat also in mancher Beziehung Ähnlichkeit mit dem der Schwin- gungserregung einer Klavierseite durch den Schlag des Hammers. Erst eine exakte- Durchrechnung des komplizierten Vorganges kann eine sichere Basis für diese quali- tative Erklärung auch in quantitativer Hinsicht bringen. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung, XVI 6. Sitzung am 15. März 1916. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neuerscliienenen Mitglieder sowie den Vortragenden des Abends, Herrn Ober- arzt d. R. Dr. Martini- Hamburg. Dieser hält darauf einen Vortrag über „Krankheitsübertragung durch lnsekten‘‘ mit Vorführung von Lichtbildern. Nachdem sich gezeigt hat, daß ansteckende Krankheiten von Organismen, Para- siten, hervcrgerufen werden, ist es natürlich, daß die A^erbreitungsweise der Krank- heiten dieselben Wege erkennen läßt, wie sie auch sonst von der Verbreitung der Organismen, besonders der Parasiten, bekannt sind. Hierher gehören vor allem die Erscheinungen des Wirtswechsels und des Generationswechsels. Für die menschlichen Seuchen haben sich besonders in den letzten Jahrzehnten stechende Insekten als Wirte oder Zwischenwirte wichtig gezeigt, die beim Saugen am Kranken sich mit dem Erreger beladen, umx ihn nun bei späteren Stichen Gesunden einzuimpfen. Die Beziehungen zwischen Erreger und Wirt oder Zwischenwirt werden an einzelnen wichtigen Seuchen dargestellt, zunächst der Pest, für deren Verbreitung unter Ratten und auf Menschen neuerdings dem Rattenfloh, Loemopsylla Meopsis, die größte Bedeutung beigemessen wird. Filarienwürmer geben Veranlassung zur Elefan- tiasis, einer unförmlichen Verdickung der Glieder und anderer Körperteile. Sie werden durch Mücken von Mensch zu Mensch verimpft. Ebenso werden die viel gefährlicheren Seuchen Malaria und Gelbfieber verbreitet. Gerade gegen diese Krankheiten sind in Kuba und Panama durchschlagende Erfolge mittels Insekten(Mücken)bekämpfung erreicht, so daß das Gelbfieber aus diesen Strichen völlig geschwunden ist. Dazu aber gehört als Vorbedingung eine genaue Kenntnis der unterschiedlichen Mückenarten und ihrer oft sehr verschiedenen Lebens- gewohnheiten. Auch in der Schlafkrankheitsbekämpfung, die die Lebensfrage der tropisch- afrikanischen Kolonien ist, sind mit Bekämpfung der Glossina palpalis, der Stech- fliege, die den Erreger überträgt, einige erfolgreiche Anfänge gemacht. In der ersten Zeit dieses Krieges hat das Fleckfieber im Osten und besonders in den Gefangenenlagern einige Bedeutung gehabt, aber nicht annähernd wie in früheren Kriegen, in denen es die gefährlichste Seuche war. Denn wir wissen jetzt, daß es durch die Kleiderläuse übertragen wird, und schneiden ihm durch deren Vernichtung die Ansteckungswege ab. Am Beispiel des Rückfallfiebers, das ebenfalls durch Kleiderläuse übertragen wird, wurde dann erläutert, daß einige Krankheitskeime nicht nur durch das Insekt selbst, das Krankenblut gesogen hat, weitergetragen werden, sondern durch dessen Eier auch auf seine Nachkommen übergehen können, so daß noch die Stiche mehrerer Generationen gefährlich sind. Der A^ortrag war durch zahlreiche Lichtbilder belebt. Mit einem Dank an den Vortragenden schließt der Direktor die Sitzung. 7. Sitzung am 5. April 1916. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder und als Gäste die Mitglieder des AVestpreußischen Bezirksvereins Deutscher Ingenieure. Er legt ferner eingegangene AVerke vor XVII und erteilt dann das Wort dem Vortragenden des Abends, Herrn Geheimen Regierungsrat Professor Dr. Wohl, der einen Vortrag hält ;,Über Spreng- und Schiessmittel^‘ mit Vorführung von Experimenten und Bildern. Der erste Teil des Vortrages brachte die Erörterung des Wesens explosiver chemischer Vorgänge, Die Besonderheit, auf der ihre ungeheure Wirkung beruht, liegt in der geringen Zeitdauer (bis zu Sek.), mit der sie verlaufen. Die Fort- Pflanzungsgeschwindigkeit der Explosionswelle und ihre Beeinflussung durch Bei- mengen, die Grenzen, innerhalb deren ein Gemisch von Verbrennlichem und Sauer- stoff noch explodiert, die Begriffe der Explosionstemperatur, der Brisanz usw. wurden an dem einfachen Beispiel der Knallgasexplosion erörtert und durch Lichtbilder und Tabellen erläutert. Ungeheuer viel höher als bei explodierenden Gasen wird der erzeugte Druck, also die räumliche Verdichtung der Energie, wenn alle Bestandteile von vornherein flüssig oder fest sind, wie am Beispiel der Explosion eines Gemenges Amn Benzin mit flüssiger Luft gezeigt Avurde. Da flüssige Luft rasch verdampft, muß im allgemeinen der Sauerstoff durch chemische Bindung festgehalten werden, aber so, daß er noch als Energieträger wirken kann. Die Bedingungen dafür ergaben sich an Hand des periodischen Systems der Elemente. Praktisch handelt es sich bei allen Spreng- und Schießstoffen immer nur um Verbrennungsvorgänge mit Hilfe Amn Stick- stoff-Sauerstoffverbindungen, die ihren Sauerstoff an Verbrennliches abgeben. Die AAÜchtigsten Sprengstoffbestandteile, ihre Zersetzungsgleichungen, die i)i'aktisch A^er- AAmndbaren Sprengstoffmischungen und ihre Eigenschaften Avaren in übersichtlichen Tabellen dargestellt und Avurden durch einige Versuche gekennzeichnet. Im einzelnen Avurde die Fabrikation des ScliAvarzpulvers, des Dynamits, der Schießbaumwolle und des Trinitrotoluols besprochen. Bei der SchießbaimiAvolle z. B. wurde Darstellung und Gelatinieren gezeigt und die Wichtigkeit des Auskochens für die Lagerbeständigkeit ei’Avähnt, durch deren Mangel z. B. die bekannte Explosion des französischen Panzer- schiffes Liberte auf der Heede yoh Toulon verursacht Avorden ist. Lichtbilder zeigten die in der Technik üblichen Apparate, ebenso Bilder und Muster die Mittel, deren man sich bedient, um die Energie, den Druck und die gesamte mechanische Wirkung von Sprengstoffen vergleichend festzustellen. Zündungen erfolgen mittels Flamme, Stoß oder Sprengkapsel und durch Übertragung von einer Patrone auf die andere durch Druck und Wärmewellen. Bei der VerAvendung zum Sprengen in Erzbetrieben Avird eine Energieausnutzung von 15 — 20 % erreicht. Die Ladedichte ist besonders wegen der Herabsetzung der Bohrkosten von Wichtigkeit, 1 cbm Gestein braucht etAva 2 — 3 kg Sprengstoff. Im Kohlenbergbau bieten die gewöhnlichen Sprengstoffe die Gefahr, durch Hitze und Dauer ihrer Flamme SchlagAvetterexplosionen herbeizuführen. Hier werden vielfach Sicherheitssprengstoffe angewendet, die durch eine AmrschAvindend geringe Zeitdauer ihrer Flamme (V;,oooo fliese Gefahr beseitigen. Die Bilder der Amrschiedenen Flammen lassen die Unterschiede des Verhaltens deutlich erkennen. Die Vei’Avendung als Treibmittel in Gewehren und Geschützen erfordert eine genaue Kegulierbarkeit der Explosionsdauer (der Brisanz), damit die Energie auf Vorwärts- treiben des Geschosses und nicht auf Zerstörung der GeschützAvände Avirkt. Beim Schwarzpulver Avar das durch die sehr geringe ExplosionsgescliAvindigkeit ohne Aveiteres gegeben, bei den rauchlosen Pulvern ist diese Kegulierbarkeit erst durch das Gelatinieren ermöglicht worden. In großen Geschützen geht die Energieumsetzung beim rauchlosen Pulver bis zu 35 %, Avie in einem DiESELmotor. Gegen die Mitte des Amrigen Jahrhunderts haben sich jetzt für gleiche Verhältnisse die Puhmrladung auf die Hälfte, das GeschoßgeAvicht auf % — 14 vermindert, Wirkungsgrad, Mündungs- geschAvindigkeit, Mündimgsenergie auf das 3fache vermehrt. In den größten Schiffs- Schr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 3. 0 XVlli geschützen beträgt die Mündungsenergie bis 40 Mill/kgin, d. i. mehr als das 4fache von der Energie eines D-Zuges mit 4 dreiachsigen Wagen bei 90 km Stundengeschwin- digkeit. Als Geschoßfüllung diente früher nasse Schieß wolle, die ungefährlich zu handhaben ist, nachdem man entdeckt hatte, daß sie nur durch kleine Mengen trockener Schießbaumwolle mit zur Explosion gebracht werden kann. Neuerdings wird an Stelle nasser Schießbaumwolle das in ähnlichem Grade ungefährlich zu hand- habende Trinitrotoluol verwendet, das, durch passende Zündung zum Zerfall gebracht^ ebenso kräftig wirkt. Zum Schluß wurde die Entwicklung der Sprengstoffindustrie und ihre wirtschaftlichen Beziehungen kurz erwähnt. Für 1913 kann die Welt- produktion auf 400 000 t, die Inlandsproduktion auf 40 000 t geschätzt werden. Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine hoch interessanten Aus- führungen und schließt die Sitzung. 8. Sitzung am 3. Mai 191(>. Der Direktor eröffnet die Sitzung und begrüßt die Anwesenden. Herr Professor Dr. Sonntag hält darauf einen Vortrag über ,,Die diluvialen Landschaftsformen Westpreussens und ihre Verbreitung^^ mit Vorführung zahlreicher Lichtbilder^). Dann hält der Direktor der Gesellschaft, Herr Professor Dr. Lakowitz,, einen Vortrag ,,Aus der spanischen Sierra Nevada^^ mit Lichtbildern. Vortragender kennzeichnet in Umrissen den geologischen Entwickelungsgang der iberischen Halbinsel. Der älteste Teil ist das große kastilische Tafelland, aufgebaut aus Gneisen und kristallinischen Schiefern. Es ist der stehengebliebene Sockel eines mächtigen Hochgebirges vom Ende des paläozoischen Zeitalters, zugleich eine der ältesten Erdschollen Europas. An diesen uralten Kern der Halbinsel haben sich in der Tertiärzeit im Nordosten das kantabrisch-pyrenäische Faltenland und am Südrande- das andalusische Faltenland angegliedert. Dieses andalusische Gebirgssystem steht in Beziehung zu dem großen Faltensystem am Nordrande Afrikas. In einer geologisch, recht jungen, der quartären Zeit, ist dann mit der Bildung der Gibraltarstraße dieser- nordafrikanisch-südspanische Gebirgswall durchborsten und die offene Verbindung- zwischen Mittelmeer und Ozean entstanden. Den höchsten Teil dieses andalusischen Faltensystems stellt die bis 3484 m ansteigende Sierra Nevada dar. Der oberste Grat, ist Tonglimmerschiefer, die Hänge sind in den höheren Lagen mit Jura- und Kreide- kalk, die tieferen mit Tertiär- und schließlich Diluvialmassen mantelartig bedeckt. Ähnliche Verhältnisse herrschen an dem nordafrikanischen Gebirgswall. Dieser genetische Zusammenhang und die verhältnismäßig späte Trennung des andalusischen und nordafrikanischen Gebirgszuges in Verbindung mit gleichen klimatischen Ver- hältnissen erklärt die große Übereinstimmung beider auch in bezug auf die Pflanzen- decke hüben und drüben der Gibraltarenge. Bei einem längeren Aufenthalt in Spanien 1914 hat der Vortragende in der zweiten Hälfte des Juli von Granada aus mit Mitgliedern des Westpreußischen Botanisch-Zoologischen Vereins eine Wanderung hinein in die Sierra Nevada und eine Besteigung des zAveithöchsten Gipfels des bis 3440 m ansteigenden Picacho de Velata unternommen. An der Hand von Lichtbildern konnten Charakterzüge der Gebirgslandschaft und der eigenartigen Gebirgsvegetation, hier u. a. die auf die Sierra beschränkten sparrigen, kreuzblütigen Herbsträucher 1) Abgedruckt im 3. Heft des XIV. Bandes der Schriften der Gesellschaft, S. 1 IF. XIX Vella spinosa Boiss., Ptilotrichum spmosum Boiss,, ferner die hochalpine Plantago nivalis Boiss.^ gezeigt und Erlebnisse während der Wanderung anschaulich geschildert werden. Inzwischen ist über diese spanische Wanderfahrt in Vorträgen an verschiedenen Orten berichtet worden. 9. Sitzang am 18. Oktober 1916. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder und dankt dem Vortragenden des Abends, Herrn Professor Dr. Lindner, für seine Bereitwilligkeit, die Gesellschaft mit einem Vortrage zu erfreuen. Er legt dann neu eingegangene Schriften von Herrn Geheimrat Prof. BRANCA-Berlin und Geheimrat Prof. Lorenz vor. Darauf hält Herr Professor Dr. Lindner -Berlin (Institut für Gärungs- gewebe) einen Vortrag über „Fettbiidende Kleinwesen aus dem Tier- und Pflanzenreich,^^ mit Vorführung von Lichtbildern. Wie vom „fetten Schwein“ spricht der Volksmund auch von der „fetten Made“, spöttisch wohl auch vom „Mückenfett“. Das letztere ist gar nicht in so geringen Mengen vorhanden in der eben ausgekommenen Mücke bzw. in der Larve und Puppe, aus der sie entstanden. Unsere Fische würden ohne die letzteren kaum so schnell fett werden. Auch die Fliegenlarven sind Fettspeicherer. LiNNß tat den Ausspruch, daß ein gefallenes Pferd von einem Löwen nicht so schnell aufgefressen werden könne, w’ie von der Nachkommenschaft dreier Schmeißfliegen. Unsere Waldpilze stellen im Alter schließlich das reinste „Mädchenpensionat“ dar. Auf saftigen Pflanzen wdmmelt es geradezu von fetten Blatt- und Schildläusen. Kopf- und Kleiderläuse brennen angezündet infolge ihres Fettgehaltes wie ein öllicht und werden bei manchen Völkern gern verspeist. Die Kopflaus soll wie Stachelbeerkompott schmecken. Die Milben auf alten Backpflaumen stellen fast reines Fett vor. Das Geschlecht der Fadenwmrmer liefert beim Absterben die reine Fettwurst. Die Kaupen tragen unter ihrer Haut ein ziemlich dickes Fettpolster. Lauter Fettquellen, die bisher noch wenig ausgenützt sind, außer vielleicht von Leuten, die auf das Gedeihen ihrer Stubenvögei bedacht siod und ihre Mehhvürmerkiste oder dgl. im Betrieb erhalten. Von pflanzlichen Kleinwesen weiß man seit langem, daß sie Fett speichern, der Tuberkelbazillus enthält über 40 % Fett. Vortragender fand in matschigen Pflaumen und in Bakterien Fetthefen, die von Fett strotzten. Ein von Hofrat Ludwug in Greiz vor etwa 25 Jahren im Milchfluß der Birke und Heimbuche entdeckter Pilz, Endomyces vernalis, wmrde vom Vortragenden als Fettpilz erkannt und in größerem Maßstabe gezüchtet. Seine Ausnützung im Großbetrieb wird zur Zeit eifrig betrieben. Getrocknet läßt er sich an der Flamme entzünden und brennt wie ein öllicht zu Ende. Sein öl entspricht dem Olivenöl und macht über 40 % des Trockenpilzes aus. Merkwürdiger- weise hält die Pilzzelle das Fett überaus fest, und nur durch ihre Zertrümmerung gelingt es, dasselbe freizumachen. Dieses Problem hat aber neuerdings eine so einfache Lösung gefunden, daß wir der kommenden neuen Industrie alles Vertrauen entgegen- bringen können. An den Vortrag schließt sich eine interessante Diskussion. Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine lichtvollen und aussichtsreichen Ausführungen und schließt die Sitzung. 2* XX 10. Sitzung am 8. Noyember 1916. (Gemeinsam mit dem Westpreußischen Bezirksverein Deutscher Ingenieure.) An Stelle des erkrankten Direktors eröffnet der stellvertretende Vor- sitzende, Herr Professor Krüger die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und besonders die Mitglieder des Westpreußischen Bezirksvereins Deutscher Ingenieure. Er erteilt darauf das Wort Herrn Geh. Regierungsrat Professor Dr, Lorenz zu einem Vorträge über „Luftverflüssigung und Sauerstoffgewinnung^^ mit Vorführung von Lichtbildern. Der Vortragende beginnt mit einer Darlegung der physikalischen Eigenschaften der Luft und ihrer Hauptbestandteile, des Sauerstoffs und Stickstoffs, welche alle früher zu den sogen, idealen Gasen gerechnet wurden. Solche Gase folgen dem Gesetze von Boyle-Gay-Lussac und zeichnen sich durch konstante spezifische Wärmen aus. Beim Abdrosseln ihres Drucks erleiden sie außerdem keine Temperaturänderungen, solange wenigstens die Strömungsgeschwindigkeit nicht nennenswert zunimmt. Es liegt dies daran, daß hierbei der Energieinhalt, der nur von der Temperatur abhängt, unverändert bleibt. Erhebliche Temperaturänderungen können mit solchen Gasen nur erreicht werden durch Ausdehnung unter Leistung äußerer Arbeit. Davon wurde früher in sogen. Kaltluftmaschinen häufig Gebrauch gemacht. Entgegen diesem Verhalten hatten nun schon im Jahre 1854 die englischen Physiker Thomson und Joule eine Temperaturabnahme beim Abdrosseln von Luft und Kohlensäure festgestellt und daraus auf ein vom idealen Gasgesetz abweichendes Verhalten dieser Körper geschlossen. An diese Erscheinung knüpfen im Jahre 1895 unabhängig von einander der Deutsche Linde und der Engländer Hampson an, um die Temperatur solcher Gase durch Gegenstromeinrichtungen bis zum Eintritt der Verflüssigung zu erniedrigen. Ein vor der Verflüssigung stehendes Gas hat alsdann den sogen. Dampfzustand erreicht. Während der Verflüssigung bei konstantem Druck, und ebenso bei der Wieder- verdampfung der gebildeten Flüssigkeit unter gleichen Verhältnissen, findet keine Temperaturänderung statt. Dagegen werden bei der Verflüssigung erhebliche Wärme- mengen frei, welche beim Wiederverdampfen von neuem gebunden werden. Die Möglichkeit des Überganges aus dem dampfförmigen in den flüssigen Zustand ist nun an die IJnterschreitung der sogen, kritischen Temperatur gebunden, die von dem Engländer Andrews im Jahre 1869 entdeckt wurde, nachdem mannigfache Versuche der Verflüssigung von Gasen ohne Erfüllung dieser Bedingung fehlgeschlagen waren. Die erste Darstellung flüssiger Luft gelang dem Franzosen üailletet im Jahre 1877 durch aufeinander folgende Abkühlung von schwefeliger Säure, Kohlensäure und mit dieser schließlich verdichteter Luft. Es war dies ein Verfahren, welches sich im wesentlichen nicht v'on dem Vorgang in gewöhnlichen Kühlmaschinen unterscheidet. Die aufeinander folgenden Arbeitsvorgänge und die Benutzung verschiedener Körper brachte dagegen so viele Betriebsschwierigkeiten mit sich, daß auf diesem Wege eine Verflüssigung von Gasen im großen nicht erreicht werden konnte. Dies trat erst ein, nachdem die schon oben erwähnten Forscher Linde und Hampson auf die Abkühlung von Thomson und Joule unter Verwendung von Gegenstromapparaten zurückgriffen. Sie erreichten dabei eine immer größere Absenkung der Temperatur der eingeführten Luft, bis schließlich die Verflüssigung eintrat. Dabei zeigte sich, daß die Zusammen- setzung der niedergeschlageuen Flüssigkeit mit derjenigen der atmosphärischen Luft im Gaszustande nicht übereinstimmte. Die Flüssigkeit war vielmehr reicher an Sauer- XXI Stoff als die Luft, was darauf zurückzuführen ist, daß der flüchtigere Stickstoff aus dem Gemische zu verdampfen bestrebt ist. Wir haben es hier mit einem Destillations- vorgang zu tun, ganz ähnlich demjenigen des Alkohols aus seiner Lösung. Um Sauer- stoff und Stickstoff in großem Maße zu trennen, braucht man nur die in der Spiritus- Fabrikation gebräuchlichen Eektifizierapparate mit flüssiger Luft zu beschicken. In diesem wird oben der Stickstoff abdestilliert, während sich unten in ihnen eine fast aus reinem Sauerstoff bestehende Flüssigkeit ansammelt, deren Wiederverdampfung nichts mehr im Wege steht. Die verschiedenen Arbeitsverfahren unterscheiden sich jetzt nur noch in unwesentlichen Einzelheiten, wie aus den gezeigten Lichtbildern hervorgeht. Insbesondere hat man es neuerdings verstanden, den Verflüssiger mit der Eektifikationskolonne zu einer wenig Eaum in Anspruch nehmenden Säule zusammen- zubauen, aus der die Gase in der gebrauchten Zusammensetzung entweichen. Durch dieses Verfahren ist die früher gelegentlich angewendete Sauerstoffdarstellung aus der Luft mit Hilfe von Baryumsuperoxyd völlig verdrängt worden. Es mag noch erwähnt sein, daß man in Frankreich zur Temperaturerniedrigung in solchen Ver- flüssigungsanlagen an Stelle der TnoMSON-JouLESchen Abkühlung auf eine solche durch Arbeitsleistung zurückgegriffen hat. Diese war schon im Jahre 1859 von William Siemens zu dem gedachten Zwecke vorgeschlagen worden, konnte sich aber nicht einbürgern, da für die Arbeitszylinder kein Schmiermaterial zu finden war, welches^ bei so tiefen Temperaturen noch wirksam blieb. Aber auch jetzt, wo diese Schwierigkeit durch Petroleumäther überwunden ist, dürfte das Linde sehe Verfahren, schon vermöge seiner Einfachheit und des Wegfalls bewegter Teile in Eäumen mit tiefer Temperatur den Vorzug verdienen. In der Tat haben diese Anlagen auch bei weitem die größte Verbreitung gewonnen. Der Vorsitzende des Westpreußischen Bezirksvereins Deutscher Ingenieure spricht dem Vortragenden seinen besonderen Dank im Namen dieses Vereins aus. An den Vortrag schließt sich eine anregende Aussprache. Herr Professor Krüger dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 11. Sitzung am 6. Dezember 1916. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder, macht Mitteilung über demnächst stattfiudende Vorträge, legt eine Sammlung von Tierschädeln, namentlich von tropischen Vögeln aus Neu-Guinea vor, die aus der Sammlung 4es verstorbenen ForschungS' reisenden R. Rohde stammen und die Herr Major a. D. Riedel der Gesellschaft zum Geschenk gemacht hat, und spricht dem Spender den Dank der Gesellschaft aus. Darauf hält Herr Stabsarzt d. R. Dr. Martini einen Vortrag über „Zeilkonstanz, der Höhepunkt geordneter Zustände im Zellenstaat‘^ mit Lichtbildern. Dr. Martini berichtet, daß in Verfolgung -von Aufgaben der Gewebelehre und von entwickelungsgeschichtlichen Fragen die Wissenschaft neuerdings entdeckt hat, daß es Tiere gibt, bei denen die einzelnen Organe nicht aus mehr oder minder zahl- reichen Zellen auf gebaut sind, sondern nur aus einigen wenigen, deren Zahl und Anordnung bei allen Stücken derselben Art ganz genau die gleiche ist. Als Haupt- beispiel wird ein Rädertier {Hydatina sento.) gegeben, über dessen 959 Zellen einige Einzelheiten berichtet werden. Bei anderen Tieren sind diese Erscheinungen nur auf einige Organe beschränkt, während die anderen verschiedene Zeilenzahlen haben können. In manchen Fällen geht die Beständigkeit der Zeilenzahl und Anordnung XXII über Grenzen der Art hinaus und umfaßt wenigstens in einigen Organen eine ganze Gattung, so bei Eorrhynckus oder bei den Madenwürmern (Oxyuris). Solche konstant- zeilige Organe oder Tiere wachsen nicht durch Zellvermehrung, sondern durch Zell- wachstum. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. * 12. Sitzung am 20. Dezember 1916. Der Direktor eröffnet die Sitzung und begrüßt die Anwesenden. Darauf hält Herr Dr. Zakrzewski- Freiburg i./Br.-Danzig einen Vortrag über ,;Fabrikmässige Herstellung von Eiweiss durch HefezUchtung^^ ') mit Vorführung von Präparaten und Lichtbildern. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine anregenden Ausführungen und schließt die Sitzung. Außer jenen 12 ordentlichen und den sich anschließenden beziehungsweise vorausgeheuden außerordentlichen Sitzungen, welche der Mitgliederwahl und der Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten dienten, fanden noch vor den Mitgliedern, ihren Damen und Gästen folgende Vorträge statt: 1. Lichtbildervortrag des Direktors der Gesellschaft Herrn Professor Dr. Lakowitz für Kriegswohlfahrtszwecke: „Konstantinopel; der Bosporus und die Dardanellen^^, am 31. Januar im großen Sitzungssaal der Gesellschaft. 2. Experimentalvortrag des Herrn Geh. Regierungsrat Professor Dr. Marck WALD -Berlin für Kriegswohlfahrtszwecke: „Die Lehre vom Atomzerfall der radioaktiveji Elemente‘‘, am 20. April in der Aula der Kgl. Technischen Hochschule. Ist schon das Radium an und für sich ein Gegenstand, der immer wieder das lebhafte Interesse der Wissenschaft wie des großen Publikums erregt, so kam dieses bei dem Vortragenden um so mehr auf seine Rechnung, als er es verstand, den Stoff so gemeinverständlich als möglich darzubieten. Der Dank, der seinen fast zwei- stündigen Ausführungen gespendet wurde, bewies das. Fast die Hälfte des Vortrages nahm die das Radium an sich betreffende und es ausführlich behandelnde Einleitung ein, erst die zweite Hälfte wandte sich dem eigentlichen Thema zu. Der französische Physiker Becquerel stellte zuerst am Uran eine besondere Art Strahlen fest, die nach ihm BECQUERELstrahlen genannt werden. Derartige Strahlen aussendende Stoffe nennt man radioaktiv, die Erscheinung selbst Radioaktivität. Von den zur Zeit dieser Entdeckung bekannten Elementen zeigte außer dem Uran nur noch das aus der Herstellung der Glühstrümpfe bekannte Thorium die Erscheinung. Das Ehepaar Curie, die Assistenten Becquerels, entdeckten eine Reihe radioaktiver Stoffe, das Polonium und das Radium, die sie aus der Pechblende isolierten. Dem schlossen sich etwa 20 bisher meist nur durch ihr Strahlungsvermögen charak- terisierte neue Elemente an. Die Radioaktivität, die Fähigkeit also, Strahlen aus- 1) Abgedruckt in diesem Hefte (Bd. 14, Heft 3), S. 49 ff. XXIIl ziisenden, ist bei den einzelnen Stoffen verschieden groß. Die am stärksten strahlenden :sind nur in sehr kleinen Mengen in der Natur vorhanden, so braucht man z. B. um etwa 3 mg Polonium herzustellen, 50 000 kg Uranerz. Der amerikanische Physiker PuTHEEJFoKi) hat sicli eingehend mit diesen Strahlungen beschäftigt und ist hierbei zu mißerst wertvollen Entdeckungen gekommen. Er stellte das Vorhandensein drei ver- -schiedener Arten Strahlen fest, die er ß- imd y -Strahlen nannte und die sich in magnetischer, elektrischer (positiv und negativ) und mancher anderer Hinsicht unter- scheiden. Der Vortragende stellte an einer Beihe von Vorführungen die verschie- »denen Wirkungen der Strahlen dar. Je mehr man nun diese Erscheinungen unter- suchte, desto mehr drängte sich die Frage auf: Woher stammt die Energie, die diese Strahlen aussendet? Durch eingehendes Studium ist man auf Vorgänge ganz anderer Art als die gewöhnlichen chemischen Prozesse gestoßen. Insbesondere hat Kuther- Eoao hieraus die Lehre vom Atomzerfall der radioaktiven Elemente aufgestellt, daß nämlich die Strahlungen auf in Umwandlung begriffene Stoffe zurückzuführen sind. Man fand, daß schnell zerfallende Stoffe stark, langsam zerfallende hingegen schwächer ^strahlen, daß aber bei allen diesen Stoffen das Strahlungsvermögen mit der Zeit nbnimmt, wenn auch bei einigen so langsam, daß die Zerfallszeit nur theoretisch er- mittelt werden kann, und stellte für die verschiedenen Stoffe ganz bestimmte, fest- istehende Kurven her, die aus der Abnahme der Radioaktivität, dem sogenannten Abklingen, und dem Zeitmaß zusammengesetzt sind. Zu den Stoffen, deren Zerfallszeit nur indirekt ermittelt werden konnte — es zerfällt erst in 1800 Jahren zur Hälfte — , gehört das Radium. Dabei geht es in einen gasförmigen Stoff über, die sogenannte Radiumemanation, die in 3,8 Tagen zur Hälfte zerfällt. Dieses Gas ist bis in seine Einzelheiten untersucht worden; es sendet selbst wieder Strahlen aus, wie am Elektro- skop nachgewiesen Avurde, es läßt sich in Gefäße auffangen, bildet Niederschläge und zeigt auch seinerseits wieder ein Abklingen der Radioaktivität bis zu ihrem völligen Aufhören. Die Emanation, rvie überhaupt alle or -Strahlung aussendenden, radioaktiven Stoffe, bilden Helium. Denn «-Strahlen sind nichts anderes wie positiv geladene Pleliumatome. Helium ist aber ein Element für sich, wie Radium eins ist. Nun zeigt Radium, wie auch seine Emanation an und für sich, keine Spur von Helium. Man kommt somit jzu der Feststellung, daß aus einem Element — Radium — ein anderes — Helium — geworden ist. AVas einst die Alchemisten vergebens suchten, aus einem Element ^Blei oder dergl.) ein anderes (Gold) zu machen, die Natur tut es. Der Verfall des Radiums geht nur sehr langsam vor sich; man hat berechnet, ■daß von 1 g Radium in einem Jahre nur ^/o^oo ^ Emanation umwandelt. In 52000 Jahren ist reines Radium fast völlig umgewandelt. Yiel länger ist die Lebens- dauer des schwächer strahlenden Urans, bei dem die Hälfte erst etwa in 5000 Mil- lionen Jahren A^erwandelt ist. Die Frage liegt nahe: in Avelchen Endstoff wandelt sich schließlich Radium um? Man hat daraus, daß überall, wo Radium vorkommt, auch Blei vorhanden ist, vermutet, daß dieses der Endstoff sein dürfte, bis neueste Forschungen das auch tatsächlich Bestätigt haben. Bei allen Untersuchungen und Berechnungen war die völlige Über- einstimmung des Endstoffes mit Blei festgestellt, nur das Atomgewicht des gewöhn- lichen Bleis (man nennt es in diesem Zusammenhänge wohl auch das von Gott gegebene) ist 207, während alle Berechnungen, die man mit dem Endstoff anstellte, auf '206 hinausliefen. Man konnte das Rätsel nicht lösen. Da fand man in Ostafrika Uran- erze in vorher nicht dagcAvesener Reinheit und siehe da, das hier Avie stets mit- vorhandene Radium-Blei zeigte tatsächlich ein AtomgeAvicht von 206, Avenn es auch .sonst völlig mit dem gewöhnlichen Blei übereinstimmt. XXIV Man hat versucht, die Umwandlung zu beschleunigen; umsonst, es hat nichts genutzt. Xach eigenen Gesetzen vollzieht sie sich, die keinem fremden Eingreifen nachgeben. Aber selbst wenn es gelingen sollte, auf künstlichem Wege in diesen Umwandlungsprozeß einzugreifen und damit der Frage der künstlichen Umwandlung eines Elementes in ein anderes näher zu kommen, so lehren die Erscheinungen der Eadioaktivität doch, daß die künstliche Herstellung von Gold (Atomgewicht 200) aus jedem Elemente mit niederem Atomgewicht ein schlechtes Geschäft wäre. Denn man müßte so viel Energie zuführen, daß das so gewonnene Gold sich viel, viel teurer stellen würde als das gewöhnliche Gold, daß Alchemie auch heute auf keinen grünen Zweig kommen dürfte. Es würde zu weit führen, all das Interessante, das der Redner bot, hier erschöpfend wiederzugeben oder auch nur anzudeuten. Es sei nur noch erwähnt, daß das Radium, das bei seiner Umwandlung auch Wärme abgibt, Veranlassung bietet, hinter die Lehre, die das Alter der Erde als festen Körper auf ungefähr 40 Millionen Jahre annimmt, ein Fragezeichen zu machen. Besitzt die Erde große Mengen von Radium, die also gewaltige Wärme bei ihrer Umwandlung erzeugen und so den Erkaltungsprozeß der Erdrinde verlangsamen können, so dürfte in der Tat die angegebene Zahl als viel zu niedrig erscheinen. Welche Kräfte das Radium in sich birgt, erhellt, wenn man bedenkt, daß 1 g so viel Energie hat wie 500 t Kohlen und daß 1 kg Uran die Kraft besitzt, einen modernen Schnelldampfer über den Ozean zu schicken. 3. Lichtbildervortra^ des Direktors tlerrn Professor Dr. Lakowitz zum Besten der Kriegsblinden in Westpreußen: „Aus dem Lande der siebenbUrgischen Sachsen'^, am 27. November im großen Saale der Gesellschaft. Die Gesellschaft nahm ferner teil an einem vom Stellvertretenden General- kommando des XVII. Armeekorps in Verbindung mit dem Deutschen Seidenbau- verband-Dresden veranstalteten Vortrag des Herrn Professor Dr. Dammer- Berlin „Über die Seidenraupenzucht und ihre Einführung in Deutschland^^ am 30. September im„Danziger Hof**, außerdem auf Einladung des Westpreußischen Bezirksvereins Deutscher Ingenieure an einem Vortrage des Herrn Professor VON Bockelmann über: „Industrie und Bergbau in der Türkei urd Persien*‘ am 14. März in der Kgl. Technischen Hochschule und an einem Lichtbildervortrag des Herrn Professor Dr. Kassner über: ,, Bulgarien, Land und Leute*^ am 22. Februar im „Danziger Hof.“ XXV Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1916 behandelten Gegenstände. A. Allgemeines. Der Direktor, Herr Professor Dr. Lakowitz, erstattet den Jahresbericht für das Jahr 1915 und legt die Berichte der Vorsitzenden der einzelnen Sektionen vor, am 5. Januar. , " B. Physik, Chemie und Technologie. 1. Herr Privatdozent Dr. Grammel hält einen Vortrag über das Thema „Der Kreisel“ am 19. Januar. 2. Herr Privatdozent Dr. Försterling hält einen Vortrag über „Neuere Methoden der Dreifarbenphotographie“ am 16. Februar. • • 3. Herr Professor Dr. Krüger hält einen Vortrag „Uber die Mechanik der Atome und Moleküle“ am 1. März. 4. Herr Geh. Regierungsrat Professor Dr. Wohl hält einen Vortrag „Über Spreng- und Schießmittel“ am 5. April. 5. Herr Geh. Regierungsrat Professor Dr. Lorenz hält einen Vortrag über „Luftverflüssigung und Sauerstoffgewinnung“ am 8. November. 6. Herr Dr. ZAKRZEWSKi-Preiburg i. Br. -Danzig hält einen Vortrag über „Fabrikmäßige Herstellung von Eiweiß durch Hefezüchtung“ am 20. Dezember. C. Botanik und Zoologie. 1. Herr Professor Dr. Lindner- Berlin hält einen Vortrag über „Fett- bildende Kleinwcsen aus dem Tier- und Pflanzenreich“ am 18. Oktober. 2. Herr Stabsarzt d. R. Dr. MARTiNi-Hamburg hält einen Vortrag über „Zellkonstanz, der Höhepunkt geordneter Zustände im Zellen- staat“ am 6. Dezember. 3. Der Direktor, Herr Professor Dr. Lakowitz, legt eine Tierschädel- sammlung aus Neu-Guinea vor aus der Sammlung des verstorbenen Forschungsreisenden R. Rohde, durch Herrn Major a. D. Riedel der Gesellschaft gestiftet, am 6. Dezember. XXVI D. Geologie. 1. Herr Professor Dr. Sonntag hält einen Vortrag über „Die diluvialen Landschaftsformen Westpreußens und ihre Verbreitung** am 3. Mai. 2. Herr Professor Dr. Lakowitz hält einen Vortrag „Aus der spanischen Sierra Nevada** am 3. Mai. E. Anatomie und Physiologie. 1. Herr Stabsarzt Dr. Wolff hält einen Vortrag über „Neuere An- schauungen über die Bedingungen der Entwickelung vor der Geburt, beim Menschen und beim Säugetier** am 2. Februar. F. Medizin« 1. Herr Generalarzt Geh. Medizinal-Rat Professor Dr. Barth hält einen Vortrag über ,, Fortschritte in der Kriegschirurgie ** am 5. Januar. :2. Herr Oberarzt d. R. Dr. Martini -Hamburg hält einen Vortrag über „Krankheitsübertragung durch Insekten** am 15. März. XXVll Jahresbericht des • • Ärztlichen Vereins zu Danzig (eingetragener Verein Nr. 35 am 2, Februar 190i und 26. August 1913) über das Vereinsjahr 1915/16. Erstattet von dem Vorsitzenden Dr. Storp. Der Ärztliche Verein zu Danzig begann seine Tätigkeit im Vereinsjahre 1915/16 mit der Hauptversammlung am 28. Oktober 1915. Nach dem vom Kassenprüfer erstatteten Bericht betrugen die Einnahmen <161* Kasse 2408,18 denen 2^1b,3S M Ausgaben gegenüberstanden, so daß ein Bestand von 32,80 M übrig blieb. Die Kasse der Bibliothek hatte bei 1315,66 ilf Einnahmen und 629,25 M Ausgaben einen Überschuß von 686,41 M. Dem Kassenführer wurde Entlastung erteilt. Die Jahresbeiträge wurden festgesetzt: für den Verein 6 J/, für die Bibliothek 10 J/, für den Ärzte vereins-Verband (mit Vereinsblatt) 6 il/, für den Ärztevereins-Verband des Regierungsbezirks Danzig 2 M und für die kassenärztliche Kommission 1 M, Armenärzte 1 M. Mit Rücksicht auf die Kriegslage beschloß die Hauptversammlung, die Wahl des Vorstandes und der Kommissionen bis zum Ende des Krieges zu vertagen. Der Vorstand und die Kommissionen bestehen somit aus folgenden Mitgliedern: 1. Vorstand: Storp, Vorsitzender, Schustehrus, stellvertretender Vor- sitzender, Farne, Kassenführer, Francke, Schriftführer, Lohsse, stell- vertretender Schriftführer. 2. Kassenärztliche Kommission: Vorsitzender Lohsse, 1. stellvertretender Vorsitzender Dreyling, 2. stell vertr. Vorsitzender Ai>. Schulz 111. Mitglieder: Abraham, Bodenstein, Boenheim, Cohn, Dultz, Fleck, Hahne, Ht:pner, Hopp, Klinge, Kraft, Masurke, Penner, Redmer, SCHOMBURG, SebBA, SeMRAU II, SwiERZEWSKI, WeGELI, WeNDT, WOBBE, VON WyBICKI. 3. Bücherei-Kominission: Ginzberg, Glaeser, Götz, Storp, Ziegenhagen. 4. Armenärztliche Kommission: Abraham, Bffler, Gehrke, Karpinski, Kraft. XXVIll 5. Kurpfuscherei-Kommission: Abraham, Berent, Pflanz, Pusch. 6. Kassenprüfer: Scharffenorth, Schourp. 7. Schwarzeliste-Kommission: Eedmer, Schmidt, v. Wybicki. • • 8. Delegierte für den Arztevereins - Verband des Regierungsbezirks: Lohsse, Schustehrus, Storp. Stellvertreter: Effler, Francke, Magnussen. Im Laufe des Jahres wurde 1 wissenschaftliche Sitzung am 2. Dezember 1915 und 4 wirtschaftliche Sitzungen abgehalten. Neu aufgenommen wurde im Laufe des Jahres Herr Dr. Burghardt. Ausgeschieden sind durch Tod: Herr Dr. Hohnfeldt, Herr Dr. Zemke. XXIX Verzeichnis der Mitglieder des Ärztlichen Vereins zu Danzig am Schlüsse des Vereinsjahres 1915/16. Ehrenmitglieder: Dr. Scheele, Geh. Sanitätsrat, Wiesbaden, ernannt 1896. „ Hoepfner, Generalarzt a. D., Danzig, „ 1906. M itglieder : Dr. Abraham ,, Althaus, Geh. Sani- tätsrat ,, Backe ,, Barth, Professor ,, Becker ,, Behrendt, Sanitäts- rat „ Berent, Sanitätsrat. ,, Birnbacher, Kreis- arzt, Medizinalrat ,, Bodenstein ,, Boecker ,, Boese, Marine- Generaloberarzt ,, Boenheim ,, Borowski ,, Brauer ,, Burg HARDT ,, Byczkowski ,, Catoir-Lindner, Frau ,, Cohn ,, Diegner, Sanitätsrat ,, Dreyling, San. -Rat ,, Dultz ,, Dütschke ,, Effler „ Farne, Geh. Sani- tätsrat Dr. Fleck ,, Francke „ Fuchs ,, Gaertner ,, Gehrke ,, Ginzberg, Sanitätsrat ,, Glaeser, Sanitätsrat „ Gloy „ Götz, Geh. Sanitätsrat „ Hahne ,, Hanff, Sanitätsrat ,, Hartmann, Sanitäts- rat „ Hausburg, San.-Rat ,, Helm BOLD ,, Hepner ,, Hoepfner, General- arzt a. D. ,, Hopp ,, Jacob ,, Jacoba^, Sanitätsrat „ Jeckstadt ,, Jelski ,, Karpinski, San.-Rat ,, Katke, Sanitätsrat ,, Klinge „ Koestlin, Direktor ,, Körte ,, Kraft ,, Kubacz Dr. Labitzky ,, Landau ,, Liek ,, Lievin, Sanitätsrat ,, Litewski ,, Lohsse ,, Magnussen, Sanitäts- i’at ,, Masurke, Sanitätsrat ,, Meyer I, H. ,, Meyer II, Semi „ Michelsen „ Möller ,, Neumann ,, Ortmann, Sanitätsrat ,, Panecki ,, Penner „ Petruschky, Prof. ,, Philipp ,, Pflanz, Kreisarzt ,, Pietsch, Sanitätsrat ,, PiRWASS ,, Pusch, Kreisarzt „ Redmer „ Reichel „ Reinke, Sanitätsrat ,, Rudolph ,, Säger „ Scharffenorth, Sanitätsrat XXX Dr. SCHLOMANN „ ScHOMBURG, San.-Rat 5, SCHOURF ,, Schulz I, Anton, Sanitätsrat „ Schulz II, Otto „ Schulz III, Adolf „ SCHUSTEHRUS, Sanitätsrat „ Schmidt „ Schwer, Kreis- assistenzarzt „ Seemann, Regie- rungs- und Geh* Medizinalrat „ Serba ,, Semrau I, Geh. Sanitätsrat Dr. Semrau II, H. ,, Siegmund ,, Singer „ SOLMSEN ,, Stahr, Prosektor „ Stanowski ,, Storp „ SwiERZEWSKI „ Szpitter ,, Thel, Obergeneral- arzt ,, Thiel, Oberstabsarzt „ Thun „ V. Vagedes, Ober- stabsarzt, Professor ,, Valentini, Professor „ Vellguth, Kreis- assistenzarzt Dr. Vorderbrügge ,, Wagner, Sanitätsrat ,, Wallenberg I, ProL „ Wallenberg II, Sanitätsrat. ,, Wegeli „ Wendt ,, Wisselinck „ Wobbe „ WoLFF, Sanitätsrat „ V. Wybicki „ Zabel „ Ziegenhagen „ Ziem, Sanitätsrat „ ZURALSKI ,, ZUSCH =f==; XXXI Bericht über die Sitzungen der Anthropologischen Sektion im lahre 1916. Erstattet von dem Vorsitzenden der Sektion Professor Dr. KUMM. Im abgelaufeuen Jahre hielt die Sektion am 29. November eine Sitzung- ab, in der zunächst der Vorsitzende über die Verbreitung der pommerellischen Gesichtsurnen und ähnlicher Gefäßformen sprach. Seine ausführlichen Mit“ teilungen, aus denen sich die eigenartige engbegrenzte Verbreitung dieser für unser Gebiet so überaus charakteristischen Gefäße ergab, wurde durch zahb- reiche Lichtbilder veranschaulicht. Darauf berichtete derselbe über einen vor einiger Zeit io Seemark, Kreis Flatow, gemachten größeren Hacksilberfund, sowie über einen Grabfund in Pagelkauermühle, Kreis Schlochau, woraus eine große, reich verzierte Bronze- schale dem Provinzialmuseum zugeführt werden konnte. Endlich legte derselbe den im Jahre 1916 erschienenen XXXIV. — XXXVI. Verwaltungsbericht des Westpreußischeu Provinzialmuseums für die Jahre 1913 — 1915, sowie eine- Anzahl künstlerischer Bronze- und Eisenmedaillen vor, die von der Gesellschaft. ,,Die Freunde der deutschen Schaumünze‘‘ in Berlin herausgegeben sind. XXXll Jahresbericht des Westpreussischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege für das Geschäftsjahr 1. Januar bis 31. Dezember 1916. Erstattet von seinem Vorsitzenden Landesrat Claaszen. Die Tätigkeit des Vereins bewegte sich wie in den Vorjahren hauptsäch- lich auf zwei Gebieten, nämlich: 1. Auf dem Gebiete der Lupus-Bekämpfung. 2. Auf dem Gebiete der Schaffung von Lauben-Kolonien. 1. Seit Jahren hat es sich der Lupus-Ausschuß des Westpreußischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege zur Aufgabe gemacht, heilbaren Lupuskranken, die aus eigenen Mitteln zur Aufbringung der Kosten für eine Heilbehandlung nicht in der Lage sind, und denen auch von anderer Seite — Landesver- sicherungsanstalt oder Krankenkassen — ein Heilverfahren nicht gewährt werden kann, weil sie nicht der Invaliden- und Krankenversicherungspflicht unterliegen, die Heilung ihrer Krankheit aus Vereinsmitteln zu ermöglichen. Die Aufbringung der Mittel geschieht in der Weise, daß dem Verein seitens des Deutschen Zentral-Komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose in Berlin alljährlich ein Betrag von 1000 M überwiesen wird, aus dem die Behandlungs- kosten zum Teil gedeckt werden. Es wird dann zunächst ermittelt, ob der Erkrankte selbst in der Lage ist, einen Teil der Kosten zu tragen oder ob er zahlungsfähige Angehörige besitzt, die hierzu in der Lage sind. Ist dieses nicht der Fall, so wird die zuständige Stadtverwaltung oder der zuständige Kreis um Mithilfe ersucht. Derartige Ersuchen sind bisher auch noch niemals abgelehnt. Auf diese Weise trägt unser Verein etwa ein Drittel bis zur Hälfte der Kosten, während der übrige Teil von anderer Seite getragen wird. Im Berichtsjahre war die Überweisung eines Betrages seitens des Deutschen Zentral-Komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose nicht notwendig, weil die aus den Vorjahren vorhandenen Mittel noch ausreichten. Während bis zum Kriege die Patienten aus dem nördlichen Teil der Provinz der Klinik des Herrn Dr. med. Brauer hierselbst, die aus dem süd- lichen Teil der Provinz der Lupusheilanstalt des Vaterländischen Frauenvereins in Graudenz überwiesen wurden, konnte im Berichtsjahre nur noch die letztere XXXIII Anstalt beschickt werden, weil die Klinik des Herrn Dr. med. Brauer ge- schlossen ist. Eine stationäre Unterbringung in Danzig war nicht möglich, weil sämtliche Krankenhäuser überfüllt waren. Soweit es genügend erschien, wurden die Patienten ambulant von Herrn Dr. Schourp hierselbst behandelt, die schwereren Fälle, die einer stationären Behandlung bedurften, wurden sämtlich nach Graudenz überwiesen. Der Behandlungserfolg war im allge- meinen ein zufriedenstellender, wenn auch bei der Hartnäckigkeit des Leidens durchweg mit sehr langen Behandlungszeiten gerechnet werden muß. Immerhin ist es sehr erfreulich, daß es durch die Unterstützung des Deutschen Zentral- Komitees möglich geworden ist, mittellosen Lupuskranken, die wegen ihres entstellenden Leidens besonders bemitleidenswert sind, die Heilung oder wenig- stens erhebliche Besserung ihres Leidens zu ermöglichen, was ohne die erheb- liche Mithilfe seitens des Deutschen Zentral -Komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose kaum möglich wäre. 2. Uber die Tätigkeit des Ausschusses zur Errichtung von Arbeitergärten ist von dessen Vorsitzenden, Herrn Stadtrat Dr. Mayer hierselbst, der an- liegende Bericht erstattet worden. Lfd. Nr. Name der Kolonie Wann die Kolonie entstanden ist Größe der Kolonie ca. qm Größe der Parzellen ca. qm Zahl der Parzellen in einer Kolonie 1 Laubenkolonie Altschottland 1908 ca. 7400 240 27 1909 2 ,, Schidlitz . 1910 ca. 27 350 225 113 1911 3 ,, Altschottland II 1913 ca. 7500 240 27 4 ,, Neufahrwasser . 1914 ca. 13500 250 54 4a 1915 ca. 10920 250 35 5 ,, St. Michaelsweg 1915 ca. 9350 225 36 6 ,, Posadowskyweg 1915 ca. 10000 225 39 7 ,, Stolzenberg . 1916 ca. 10 7801 05 250 41 8 ,, Karthäuserstraße 1916 ca. 6141 05 h-i CO 220 24 1 — ^ oo o 9 ,, Bären weg 1916 ca. 162001 M- 225 65 119141 461 r— Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 3 3 XXXIV Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des westprenssischen Fischereivereins im Jahre 1916. Erstattet von seinem Vorsitzenden Regierungsrat Dr. DOLLE. In Fortsetzung der Untersuchungen über die Gewässer der Provinz und ihre Tier- und Pflanzenwelt wurden Mitteilungen über die Maß- und Ge- wichtsverhältnisse einiger einheimischer Fische mit ausführlichen Tabellen veröffentlicht. Aus den Ergebnissen dieser Feststellungen sei hervor- gehoben, daß Gewicht, Körperlänge und größter Körperumfang bei den unter- suchten Fischen in so engen Beziehungen stehen, daß aus zwei dieser Größen die dritte berechnet werden kann. Der Anteil der Organe des Fischkörpers ist derart, daß auf die Muskulatur etwa 35 — 50 %, beim Lachs bis 70 % ent- fallen. Mit dem Alter nimmt der Anteil der Muskulatur zu, während bei jüngeren Fischen die inneren Organe verhältnismäßig größer sind; wirtschaftlich sind deshalb, wie aus andern Gründen, die jüngeren Fische von minderem Werte. Das Knochengerüst beträgt nur 4 — 9 %, den größten Teil davon bildet das Kopfskelett. Der ganze Kopf nimmt etwa 12 — 20 %, die Gliedmaßen 1 — 2 % des Fischkörpers ein. Das Gehirn ist etwa 0,1 das Auge meist 0,2 — 0,3 auch das Herz nur 0,1 — 0,2 %. Der Kiemendeckelapparat wiegt etwa 5 %, das Darmrohr 2 — 5 die Leber meist 1 — 2 %. Die Haut ist bei den meisten Cypriniden in Folge der dicken Beschuppung schwer, etwa 5- — ^10 bei Dorsch und Lachs dagegen nur etwa 2 %. Die Generationsorgane ent- wickeln sich hauptsächlich im Laufe des Sommers. Andere Untersuchungen, deren Ergebnisse veröffentlicht sind, betrafen die Verteilung des Fettes im Körper einiger Nutzfischarten. Es ergab sich, daß Fettansammlungen bei den Fischen regelmäßig in der Schädelhöhle zu finden sind; das fettreich erscheinende Augenpolster ist dagegen überwiegend mit Lymphe gefüllt. Reich an Fett sind ferner die Knochen der Fische. Bei manchen Arten sammelt sich das Fett im Laufe des Lebens vorwiegend im Fleische an, wo es deshalb besonders bei älteren Fischen zu finden ist. Echte Fettfische dieser Art sind Aal, Lachs, Neunauge, ferner Perpel, Zehrte. Bei XXXY andern Fischarten, z. B. Schnepel, Flunder, nimmt das im Sommer aufgesammelte Fett den Winter hindurch deutlich ab. Noch .andere Fischarten sammeln ihr Fett mehr oder weniger ausschließlich in dem Bindegewebe der Eingeweide, so namentlich Zander und Hecht, deren Fleisch fettarm ist; bei Dorsch und Quappe konzentriert sich das Fett in der Leber, während Bauchhaut und Pieisch fettarm bleiben. So zeigen die Fischarten teilweise deutliche Unterschiede in der Fettspeicherung, die im Übrigen auch mit der Örtlichkeit wechseln kann. Es liegt nahe, aus diesen Ergebnissen bei dem im Augenblick bestehenden Fettmangel praktische Folgerungen zu ziehen. O 'j. I l Die diluvialen Landschaftsformen Westpreussens und ihre Verbreitung*). Von P. SONNTAGr- Danzig. Mit 3 Tafeln, 1 Übersichtskarte und 16 Figuren im Text. Wenn auch die Formen der Landschaft im norddeutschen Flachlande schlicht und bescheiden erscheinen im Vergleich mit den Höhen und Tiefen, wie sie uns im Mittel- und Hochgebirge entgegentreten, so sind sie doch auf- fallend genug, wenn wir sie näher ins Auge fassen, um unser Interesse auf das höchste zu fesseln. Keine tektonischen Kräfte waren es, die hier Berge und Täler schufen, keine Bewegungen der Erdkruste, die eine Faltung der Schichten bewirkten, sondern im wesentlichen ist es die Wirkung der gewaltigen Inland- eismasse der Diluvialzeit und der Schmelzwässer, die hier in Betracht kommt. Die Oberflächengestaltung des gesamten norddeutschen Flachlandes ist im großen und ganzen ein Werk der Eiszeit; sie schuf alle Hügel und Täler, Seen und Ebenen; der ganze Formenschatz der Landschaft ist bis auf ver- schwindende Ausnahmen auf sie zurückzuführen. In den letzten Jahrzehnten hat man diesen Dingen eine mehr und mehr wachsende Aufmerksamkeit geschenkt. Eine zusammenfassende Darstellung haben die Erscheinungen dieser Formenbildung in dem Buche ,,Die Ursachen der Oberflächengestaltung des norddeutschen Flachlandes‘‘ von Felix Wahnschaffe gefunden. Das Buch ist 1909 in der 3. Auflage erschienen. Wahnschaffe hat auch in der Kafemann sehen Heimatkunde von Westpreußen einen kleinen Aufsatz ,,Die eiszeitlichen Landschaftsformen im norddeutschen Flachlande‘‘ veröffentlicht, der weiteren Kreisen bekannt sein dürfte. Von anderen Forschern, die sich auf diesem Gebiet betätigten, kommt besonders Keilhack in Betracht, der sehr eingehende Untersuchungen in der Provinz Pommern anstellte und, was uns hier besonders interessiert, eine „Geologisch - morphologische Übersichtskarte der Provinz Pommern“ (1901) 0 Vortrag, gehalten in der Sitzung vom 3, Mai 1916. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 3. 1 1 2 herausgab. Diese Karte ist der erste grundlegende Versuch, alle Formen der Diluviallandschaft auf einer Karte zur Darstellung zu bringen, und da ein großer Teil der Provinz Westpreußen, nämlich das ganze Gebiet westlich der Weichsel, hier ebenfalls dargestellt ist, so ist diese Karte für uns von doppelter Wichtigkeit. Ganz neuerdings ist nun endlich auch eine Wandkarte, die geologisch- morphologische Wandkarte der Provinz Pommern, bei WESTERMANN-Braun- schweig erschienen, die von einem jungen Danziger Kollegen Gurt Habermann Fig. 1. Geschiebemergel-Ebene südlich Putzig. (Putziger Kämpe.) P. Sonntag phot. im geographischen Institut zu Greifswald gezeichnet wurde. Sie umfaßt das gleiche Gebiet wie die KEiLHACKsche Karte. An der Hand dieser Karte ist es uns jetzt sehr erleichtert, einen Über- blick über die Formen der diluvialen Landschaft zu gewinnen. Die Formen sind schlicht, aber das Auge, welches sich einmal dem Reiz dieser schlichten Form erschlossen hat, findet sie alsdann bald wieder, wo wir auch immer im Diluvialgebiet verweilen mögen, und die oft als eintönig und langweilig ver- schriene Landschaft gewinnt für uns eine ganz andere Bedeutung, wenn wir ihre Formen verstehen. Sehr viele von Ihnen werden gewiß schon die Fahrt auf der Eisenbahn- strecke Schneidemühl-Dirschau zurückgelegt haben, die auch nicht gerade als sehr interessant berufen ist. 2 3 Bald hinter Schneidemühl durcheilt der Zug ein ebenes, sehr flachwelliges Plateau von erheblicher Fruchtbarkeit, auf welchem z. B. bei Linde ausge- dehnter Obstbau getrieben wird. Der Boden ist vorwiegend lehmig, wir be- finden uns auf einer sog. ,, Geschiebemergelebene“ oder ,,P lach wellige n Grundmoränenlandschaft“. Die Entstehung dieser Landschaftsform erklärt sich, wie das bei allen eiszeitlichen Formen der Fall ist, durch die Art des Abtauens des Eises. Es ist anzunehmen, daß sog. tote Eisfelder, die also ihre Bewegung infolge mangelnden Nachschubs eingebüßt hatten, hier einem ruhigen Abschmelzen ohne rasches Abfließen des Tauwassers ausgesetzt P. Paschke pliöl. Fig. 2, Heidelandschaft (Sander) bei Mentschikal, Oberer Brahesander östlich des Müskendorfer Sees. waren. Sie hinterließen ein mehr oder weniger ebenes Feld, das von dem Geschiebemergel der Grundmoräne meist gleichmäßig bedeckt ist. Mitunter tritt allerdings an Stelle des Geschiebemergels ,, Geschiebesand“ auf (Fig. 1). Bald hinter Könitz ändert sich das Landschaftsbild. Man erblickt öde Sandfelder mit Kiefernwald und Heide, dazwischen einsame Seen, im Walde verloren. Bei Czersk etwa befinden wir uns im Mittelpunkte dieses Heide- gebietes, das von Keilhack nach isländischen Vorbildern als ,, Sander“ be- zeichnet wurde. Es sind das weite, gleichmäßig überschichtete Yorsandeberien mit Schmelzwassertälern und Becken. Die Sande entstammen einer Still- standslage des Eises auf dem baltischen Höhenrücken. Wo das Gelände vor dem Eisrande sich abwärts senkt, wie das hier der Fall ist, breiteten fort- während auf ihm ihren Lauf wechselnde Schmelzbäche gröberes und feineres 3 1* 4 Material aus. Trichterform der Sander, d. h. allmähliche Zusammenziehung in ein talartiges Bett, ist charakteristisch (Fig. 2/3). •• Wiederum eine Änderung der Formen der Landschaft tritt bei Hoch Stüblau ein. Der äußeren Erscheinung nach bietet diese Landschaft eine höchst unregelmäßige Verteilung von Höhen und Tiefen (Bucklige Welt). Zahlreiche Seen und Moore treten auf. Vorherrschend ist der Geschiebe- mergel, jedoch finden sich auch öfters Sandfiächen. Wir befinden uns in der „Ruppigen Grundmoränenlandschaft“ (Fig. 4/5). P. Paschke pkot. Fig. 3. Biaheufer bei Turowietz, Kreis Könitz. Sanderlandscbaft mit Flußrinne. Über die Entstehung dieser verworrenen, hügeligen Landschaften ist wohl jene Annahme am besten begründet, die davon ausgeht, daß hier ein ,,Oscilla- tionsgebiet“ vorliegt, wo der Eisrand im Vorrücken und Zurückweichen wechselnd sich betätigte. Nur an jenen Stellen, wo ein längerer „Stillstand des Eisrandes“ auf einer Linie stattfand und auch ein fortwährender Ersatz der abschmelzenden Massen durch Nachschub einsetzte, baute sich auf dieser Linie ein Schuttwall auf, der aus dem gröbsten Material besteht, da die feineren Teile von den Schmelzwässern fortgeführt und als Kies und Sand vor dem Wall ausgebreitet wurden (Fig. 6/7). So bildeten sich die ,, Endmoränenzüge“ oft in mehreren Staffeln als Steinpackungen, mitunter auch als Aufpressungen der Grundmoräne (Staumoräuen). 4 o P. Paschlre phot. Fig. 4. Schwach kuppige Grundmoränen-Landschaft mit Soll. Jastrzembie bei Schöneck, Kr. Berent. P, Paschke phot. Fig. 5. Kuppige, sandige Grundmoränen-Landschaft mit ausgetrocknetem Soll. Borkau bei Kan haus. ö 6 Die genannten vier Landschaftstypen sind sehr verbreitet und bilden gewissermaßen die Grundbestandteile der Diluvial-Landschaft. Außerdem sind aber noch Formen zu erwähnen, die eine mehr lokale Verbreitung, aber gerade einen sehr auffallenden Bau besitzen, das sind die: ,,Oser‘^, ,,Kames‘^ und ,, Drumlins“. Endlich können noch unterschieden werden die Landschaften, welche durch die Ansammlung der Schmelzwässer in vorgebildeten Vertiefungen sich bildeten, die ich als ,, Stufenlandschaften “ bezeichnen möchte, und endlich die kleineren Formen der Erosion, die „Erosionslandschaften und Parowen“. P. Sonntag phot. Fig. 6. Endmoränenwall bei Lubezin am Zarnowitzer See. (Als Naturdenkmal geschützt.) Oser-Wallberge (Sing. — der Os). Diese äußerst merkwürdigen Bildungen bestehen aus oft mehr als meilen- langen Grandrücken, die vielfach die Gestalt eines Eisenbahndammes besitzen. Ihr Lauf ist oft flußartig gewunden und verästelt. Seitlich sind diese, auch Wallberge (Mecklenburg) genannten Bildungen von Rinnen (Osgräben) be- gleitet. In Westpreußen ist durch Jentzsch ein Os bei Zempelburg (Borowke) bekannt geworden, ferner kennen wir sie von Schönlanke, Schlochau, Schwe- katowo und vom Lappiner See (Wolfe). Die Entstehung der Oser wird durch Ausfüllung im Eise befindlicher Hohlräume, Tunnels, Spalten mit Kies durch subglaciale oder ' inglaciale Flüsse erklärt. 6 7 Karnes (Grandkuppen, Kiesmoränen). Wurden am Eisrande von den strömenden Schmelzwässern Sande und Kies in großen Massen zum Absatz gebracht, so bildeten sich Hügel und Rücken, die man mit einem schottischen Ausdruck als „Kames‘‘ bezeichnet. Diese Hügel müssen darnach zu den Endmoränen gerechnet werden. Als Beispiel für diese regellosen Hügel, die durch tiefe tal- und wannen- förmige Einsenkungen voneinander getrennt sind, führt Wahnschaffe aus unserer Provinz die „Jastrower ßerge^‘ nördlich von Schneidemühl an (Die Provinz Westpreußen in Wort und Bild, p. 139). Geschichteter Sand und grober Kies sind das Material, aus welchem sie sich aufbauen. Aus KAFEMaNNs Heimatkunde. Fig. 7. Steinpackung bei Miscbiscbewitz, Kr. Karlhaus (z. T. als Naturdenkmal geschützt). Eine bisher noch nicht bekannte Kameslandschaft der Provinz bildet der ,,Putziger Berg‘‘ mit seiner Umgebung. Nicht bei Putzig, sondern südlich von Neustadt, am Ende des bekannten Cedrontales gelegen, erreicht dieser charakteristische Berg eine Höhe von 201 m und bildet eine öde, unbebaute Hügelgruppe. In einer Kiesgrube unterhalb des Gipfels und in mehreren Kies- löchern, die wohl einmal zu Probegrabungen angesetzt worden, zeigt sich der stark abgerollte grobe Kies und Grand (Fig. 8 und Tafel I mit Fig. 9/10). Vielleicht ist auch der Turmberg selber mit den angrenzenden Höhen nichts anderes als eine Kiesmoräne, denn auch hier ist ein ganz ähnlicher Bau vorhanden. Drumlins, Der Name dieser Bildungen ist als Diminutivum von dem irisch-keltischen Worte „drum‘^ abgeleitet. Es sind Hügelgruppen von sehr eigenartiger Form 7 8 mit elliptischem Grundriß und von linsenförmiger Gestalt auf dem vertikalen Längsschnitt. Diese elliptisch gestreckten Rundhöcker treten in Scharen auf, und die lange Achse der Ellipse liegt in der Richtung der Eisbewegung, also senkrecht zu den zugehörigen Endmoränen. Berühmte Landschaften dieser Art sind vom Bodensee (Bodan- Halbinsel, Lindau) her bekannt, ferner aus Pommern, Posen und neuerdings aus dem nördlichsten Ostpreußen. Bei uns finden sie sich südlich von Dirschau bei Czarlin an der Chaussee nach Subkau und weiter südlich bis über Pelplin hinaus. Sie sind in der Richtung NO — SW oder ONO — WSW gestreckt und Fig. 8. Putziger Berg von W. gesehen. P. Sonntag phot. verbreiten sich hier^) über ein Gebiet von zirka 4 km Länge und 1,5 km Breite. Die Länge eines dieser Drumlins wurde von mir auf 250 m, seine Höhe auf 15 — 20 m festgestellt; das sind Zahlen, die mit anderwärts gefundenen über- einstimmen. In der Drumlinlandschaft bei Nimmersatt (Memel) hat Hess v. WiCHDORFF eine Länge zwischen 200 — 1700 m, eine Breite von 75 — 100 m, eine Höhe von 2 — 6,5 m gefunden (Jahrb. Geol. L. Berlin 1911. 1). Die Höhe ist hier anscheinend sehr gering, in Pommern fand Keilhack 5 — 15 m und darüber. Die Drumlinhügel sind sicher zu den Gebilden zu rechnen, die unter dem Eise (subglacial) entstanden sind. Über ihre Entstehung sind sehr ver- schiedenartige Ansichten ausgesprochen. Die größte Wahrscheinlichkeit hat die Annahme Wahnschaffes, daß schon vorhandene Durchragungs- oder Auf- 0 Die Landschaft setzt sich aber weiter südlich bis gegen Hardenberg fort. 8 Tafel I Schriften der Natiirforschenden Gesellschaft zu Danzig. N. F. Bd, XIV, Heft 3. P. Sonntag phot. Fig. 9. Putziger Berg (201 m) südlich von Neustadt. Kiesmoräne (Kamcs). Fig. 10. Putziger Berg — Kiesgruben-Aufschluß. P. Sonntag phot. 1 Schriften der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig. N. F. Bd. XIV, Heft 3. Tafel II Fig. 11. Drumlin-Landschaft bei Dirschau. P. Sonntag phot. P. Sonntag phot. Fig. 12. Di'umlinhügel (Seitenansicht) an der Chaussee Dirschau — Czarlin. ) 3 ,, i ] i 9 pressungskuppen durch darübergleitendes Eis nach Art der Rundhöcker auf anstehendem Gestein umgeformt wurden. Wie bei den von Keilhack beschriebenen pommerschen Drumlins sind auch die Dirschauer von Geschiebemergel überkleidet und enthalten wenigstens zum Teil einen sandigen Kern, wie die Sandgrube in dem neben der Chaussee gelegenen und dadurch angeschnittenen Drumlinhügel beweist. P. Sonntag phot. Fig, 13. Urstromtal westlich von der Oxhöfter Kämpe. (Im Vordergründe vertorft, unterhalb des AValdes sandige Terrasse.) Schon anderwärts ist beobachtet, daß die Drumlins an der Grenze der koupierten Moränenlandschaft zur Geschiebemergelebene auftreten. Das ist auch bei Czarlin-Dirschau der Fall. Übrigens hat schon Wahnschaffe an- gegeben, daß an der Südgrenze des Blattes Mewe drumlinartige Bildungen Vorkommen; die oben erwähnten, an der Nordgrenze des gleichen Blattes ge- legenen, sind ihm aber unbekannt geblieben, trotzdem sie gerade viel typischer sind als die sehr flachen, wellenförmigen Erhebungen, die Wahnschaffe in seiner Abhandlung meint (Tafel II mit Fig. 11/12). Stufenlandschaften, Urstromtäler. Die Schmelzströme fanden selten schon ausgeprägte Täler vor, selten war gleichmäßiges Gefälle vorhanden. Infolgedessen stauten sich die Gewässer, J) Ursachen d. Oberfläcliengestaltung, UI. Aufl. p. 15. 9 10 bildeten eine Reihe von Randseen, und mühsam schufen sie sich ein einheit- liches Tal. Durch Abtragung und Auswaschung der hindernden Barren trat eine Tieferlegung des Wasserspiegels und eine Verkleinerung der Seenfläche ein. An manchen tieferen Stellen wurde Sand abgelagert und überhaupt eine Aus- gleichung herbeigeführt. Die ehemaligen Wasserstände machen sich durch fast ebene sandige oder kiesige Talstufen kenntlich, die durch mehr oder weniger deutliche Abfälle voneinander getrennt sind (Thorner Stausee — Graudenzer Stausee — Danziger Stausee, Ponimerellische Urstromtäler) (Fig. 13 u. 14/15). Fig. 14. Mittlere Talstute des Thoni-Bromberger Tales, Exerzierplatz Thorn bei Podgorz. (Aus H. PREUSS, Die pont. Pflanzenbestände etc. B. z. Naturdenkmalpflege II ) Formen der kleineren Erosion. Wo die Eisdecke über einen Abhang sich herüber lagerte, mußten beim Abschmelzen — besonders wenn dasselbe schnell und unter starker Wasser- entwicklung geschah — tiefe und weit eingreifende Erosionstäler entstehen. (Keilhacks Erosionslandschaft). Die so entstehende Landschaft gehört meist zu den landschaftlichen Glanzpunkten unseres Gebietes. Es braucht nur an die herrlichen Täler vor den Toren Danzigs bis Zoppot und weiter erinnert zu werden, ferner an die üfergehänge des Zarnowitzer Sees und der Elbinger Höhe (Fig. 16). Nacheiszeitlich entstanden an diluvialen Steilgehängen durch die schwächere Aiisnagung der atmosphärischen Niederschläge die Parowen oder Wasserrisse. Sie ließen besonders an den Steilabfällen von Geschiebemergelebenen, z. B. an den pommerellischen Kämpen und den Weichsel talgehängen, typische V (= V) Täler hervorgehen (Fig. 17/18). 10 11 Verbreitung der diluvialen Landschaftsformen in Westpreussen (vergl. Kartenskizze), Während in Ostpreußen der ganze nördliche Teil beiderseits des Pregels eine zusammenhängende, weite, fruchtbare Geschiebemergelebene bildet, sind die Gebiete dieser ebenen Landschaftsform in unserer Provinz mehr zerstückelt, aber sowohl im äußersten Norden bei Rixhöft als auch an der Südgrenze des Gebietes anzutreffen. Typisch entwickelt ist die ebene Grundmoränenlandschaft z. B. auf den sog. Kämpen am Westufer der Danziger Bucht, der Schwarzauer, Putziger und Oxhöfter Kämpe. Am Steilufer dieser Kämpen zum Meere haben Terletzki phot. Fig. 15. Abfall der diluvialen Talstufe zur alluvialen Küstenebene bei Zoppot (Rennplatz). sich besonders bei Rixhöft-Chlapau auf der Schwarzauer Kämpe und nördlich von Oxhöft auf der gleichnamigen Kämpe tief eingeschnittene Wasserrisse, Parowen genannt, gebildet, die sich nach dem Meere zu öffnen und deren schönste, labyrinthartig verzweigte die Babidole (N. von Oxhöft), das Hexental, ist. Die Geschiebemergelflächen der Putziger Kämpe greifen nördlich und westlich über Krockow nach Zarnowitz herüber. Südlich vom Zarnowitzer See aber tritt eine kleine Endmoränenlandschaft, mit einem Sander (Darslub) verbunden, auf. Auf kleineren Flächen ist hier die kuppige Grundmoränenlandschaft (bei Oberbismarck, N. Gr. Boschpol) entwickelt, und am äußersten W.-Rande von Rixhöft bis zum Zarnowitzer See zieht sich eine sandige Endmoräne hin. Ein schmaler Saum ebener Geschiebemergelflächen, der aber stark von Erosionstälern zerschnitten ist, so daß er seinen eigentlichen Charakter meist ganz eingebüßt hat, begleitet den Abfall der pommerellischen Höhe zum 11 12 Neustadt- Lauenburger Urstromtal und weiter zur Weichselniederung über Danzig bis Dirschau. Südlich von Dirschau bis zur Fersemündung bei Mewe ist die flachwellige Ebene von ausgezeichneter Fruchtbarkeit, ein vorzüglicher, toniger Boden (z. T. Schwarzerde) für die Zuckerrübenkultur und Weizenbau, bildet aber ebenfalls nur einen schmalen Saum vor der anders gearteten Hochfläche westlich davon. Südlich von Danzig fehlt die starke Zerklüftung dieses Randstreifens, der im Norden von Danzig bis nach Neustadt hin von Keilhack als ,, Erosions- landschaft“ seinem Charakter entsprechend bezeichnet wurde. Terletzki phot. Fig. 16. Weg durch das Erosionstal Jäschkental — Pietzkendorf bei Danzig. Westlich der Weichsel findet sich weiter ein schmaler Streifen südlich von Neuenburg, eine größere Fläche bei Schweiz nördlich der Schwarzwasser- mündung und ein ausgedehnteres Plateau zwischen Schwarzwasser, Weichsel und Brahe bis zum Thorn-Eberswalder Haupttal. Alle diese Gebiete tragen den Charakter fruchtbarer Lehmmergelebenen. Auch das Gebiet zwischen Brahe und Küddow nördlich bis Könitz wird meist als ebene Grundmoränen- landschaft bezeichnet, ist aber besonders in seinem südlichen Teil recht kuppig und nimmt hier in der Provinz Posen z. T. sogar den Charakter einer echten kuppigen Grundmoränenlandschaft an. (Jentzsch, Erl. Bl. Schweiz p. 21; End- moräne Nakel-Wirsitz-Friedheim). Am rechten Weichselufer ist nach Bayreuther') die Gegend südlich von Marienburg bis gegen Garnsee hin, der nordwestliche Teil von Pomesanien im D Die Oberflächengestalt von Pomesanien und ihre Abhängigkeit vom geologischen Aufbau. Diss. Königsberg 1913. 12 13 P. Pascbke phot. Fig. 17. Parowe bei Chlapau (Rixböft), mit Blick auf die See. Fig. 18. Große Parowe von Altbauseu bei Kulm an der Weicbsel. (Aus H, PREUSS, Die pont. Pflanzenbestiinde etc., Beilr. z. Naturdenkmalpflege B. II.) 13 14 allgemeinen (mit Ausnahme der Stuhmer Höhen) aus einer flachwelligen Grund- moränenlandschaft gebildet, die durch eine von Garnsee nacli den Ramter Bergen, östlich von Marienburg, verlaufende Randschwelle nach S 0 abgegrenzt ist. Durch die bis hart an die Weichsel vorspringenden Bingsberge ist dieser Teil getrennt vom Graudenzer Becken und von der gleichfalls durch ihre fruchtbaren Gefilde ausgezeichneten Ebene des „Kulmer Landes“, südlich bis zum Abfall des Thorn-Eberswalder Tales reicliend, nordöstlich bis zur End- moräne bei Schönsee. Endruweit phot, Fig. 19. Kuppige Grundmoränen-Landschaft mit Rinnensee. Ostritzsee bei Karthaus, Blick nach dem Turmberg. Die genannten Landschaften, die bisher aufgeführt wurden, gehören zu den landwirtschaftlich besten Gegenden der Provinz, ihre Meereshöhe geht zwar stellenweise über 100 m hinaus, bleibt aber stets unter dem Niveau der angrenzenden kuppigen Landschaften. Eine kleine Bucht ebener Geschiebe- mergelflächen zwischen der Elbinger Höhe und dem „Hockerland“ steht mit den Geschiebemergelgebieten Ostpreußens in Verbindung; die Elbinger Höhe und die kuppige Hügellandschaft des Stablacks, östlich davon zwischen Passarge und Alle, sind von schmalen Geschiebemergel - Ebenen umflossen, die (wie auch der Nordabfall Pomesaniens zum Weichseldelta) häufig einen rötlichen Tonmergelboden aufweisen. Die Senke zwischen Elbinger Höhe und Stablack steht mit einer von Norden nach Heilsberg zu vordringenden Bucht über Wormditt in Verbindung (Fig. 19/20). 0 Nach Bludau nicht von Hocker = Kuppe abzuleiten, sondern das „höhere Land“, 14 15 Was nun die zweite Hauptlandschaftsform, die „kuppige Grundmoränen- landschaft“ anbetrifft, so tritt sie in Gestalt eines breiten Streifens im An- schluß an die große baltische Hauptendmoräne von Westen her auf den höchsten Erhebungen des pommerellischen Höhenrückens in unsere Provinz herüber und zwar in der ungefähr nordöstlichen Richtung des Hauptkammes. Bei Karthaus aber wendet sich die Zone dieser Landschaft nach Süden, eine Erscheinung, die man als Zusammenstoß des „Oder- und Weichselbogens“ der großen baltischen Endmoräne bezeichnet. Das nördliche Ende des hier ge- P. Paschke phot. Fig. 20. Stark kuppige Grund- bzw. Endmoränen-Landschaft. Schönberg bei Karthaus (am Turmberg). bildeten Moränengebiets reicht bis nahe an Neustadt heran (Putziger Berg), südlich begleitet die End-Moränenlandschaft den Abfall der Höhe zur Weichsel- talsenke in einem gewissen Abstande; nur südlich der Fersemündung, in der Münsterwalder Forst bei Fiedlitz, treten die Höhen unmittelbar an den Weichselstrom heran, der sie kräftig benagt und häufige Bergstürze veranlaßt. Aber schon bei Neuenburg weichen die Hügel etwas zurück vom Strom und enden ungefähr bei Sartowitz am Westrande des Graudenzer Beckens. Der einspringende Winkel, der durch diesen Verlauf gebildet wird und dessen Spitze bei Berent liegt, wird durch den großen Sander ausgefüllt, der nach Süden zu in jene drei Trichter ausläuft, die als Schwarzwasser-, Brahe- und Küddow-Sander bezeichnet werden. Zwischen die südlich verengten Trichter- röhren schieben sich wieder Geschiebemergelflächen ein und zuletzt auch die 15 16 schon erwähnte kuppige Grundmoränenlandschaft zwischen ßrahe und Küddow am Nordrande des Thorn-Eberswalder Haupttales. Östlich der Weichsel zeigt der T}^pus der kuppigen Grundmoränenland- schaft eine noch größere und vorherrschende Verbreitung. Mit Ausnahme des Nordwestens von Pomesanien und des Kulmer Landes im Süden ist das ganze Gebiet der Provinz und der anstoßende Teil von Ostpreußen hier eine durchaus kuppige Landschaft, die nur durch eine schmale Sander-Bildung ge. gliedert wird. Diese geht vom Geserich- und Drewenz-See aus und endet an der Drewenz-Mündung, wird dabei aber auf einer großen Strecke vom Drewenz- Flusse nicht berührt. Nach Süden reicht dieses Gebiet bis an die russische Grenze in deren Nähe Geschiebemergelflächen und Sander (Lautenburg und Willenberg) den Abfall des Hochlandes bezeichnen. Aber bei Mlawa tritt noch einmal eine neue Endmoränenlandschaft auf, die neuerdings von Behr und Tietze beschrieben ist. (Jahrb. Berlin 1912; vergl. S. 27). Hier sind Höhen von 378 m gemessen, die also den Turmberg (331 m) um zirka 50 m übertreffen (Taf. HI mit Fig. 21/22). Der Drewenz - Sander verdankt seine Entstehung offenbar einer Eisrandlage nördlich des Geserich- und Drewenz- Sees. Hier liegen die Gr. Bestendorfer und Reichertswalder Moränen (Maas, Endmoränen in Westpreußen). Dieser bisher in der Literatur nicht bekannte Sander ist z. B. südlich von Dt. Eylau sehr schön entwickelt und an der Ver- breitung sandiger Heidewälder jener Gebiete deutlich wahrzunehmen. Die weiteren Sanderflächen am Südabfalle Masurens sind neuerdings in den dort aufgenommenen Blättern dargestellt und in einem besonderen Kärtchen an- gegeben (vergl. z. B. Erl. Bl. Willenberg-Opalenietz). Eine kuppige Endmoränenlandschaft ist auch die allseits wie ein kleines Gebirgsmassiv abfallende bis fast 200 m Höhe' erreichende ,,Elbinger Höhe‘^ und der die gleiche Höhe erreichende, aber weniger geschlossen hervor- tretende ,,Stablack‘‘ östlich der Passarge. Die Grenze der großen kuppigen Moränenlandschaft rechts der Weichsel gegen die Geschiebemergelebene des Kulmer Landes im Süden bildet die zu- erst von Maas beschriebene Moräne von Schönsee, welche Jentzsch als Rückzugmoräne von Schönsee oder auch als ,,Gralsdorfer Moräne“ bezeichnet hat. Sie ist keine Hauptendmoräne (vergl. Erl. Bl. Gollub). Bilden Geschiebemergelebeiie, kuppige Grundmoränenlandschaft und Sander die Haupttypen der Landschaftsformen, wie sie die Eiszeit geschaffen, so treten dazu noch einige landschaftliche Bildungen mehr lokalen Charaktei-s hinzu, es sind die Drumlins, Karnes und Oser, ferner die eigentlichen End- moränenzüge, die meist in den kuppigen Grundmoränengebieten enthalten sind, weniger in dem Heidesandgebiet (Sandige Grundmoränenlandschaft Wahn- SCHAFFEs) und noch seltener in den Geschiebemergelebenen auftreten. Sie sind schon öfters (vergl. Wahnschaffe) beschrieben und in ihrem Verlauf dargestellt und können hier nicht zur Darstellung kommen. 16 Scliriften der Naturforsclienden Gesellschaft zu Danzig. N. F. Bd. XI\^ Heft 3. Tafel III. Fig. 21. Turmberg (331 ni) bei Karthaus. Kies-Endmoraiie. Eudruweit ])hot. Endruweit pbot. Fig. 22. Dobnasberg (2e6 m) bei Zoppot. Endmoräne. 17 Es sei übrigens darauf verwiesen, daß amerikanische Geologen (Salisbury, Tlie Drift of the North German Lowland in ,,The Americ. Geologist‘‘ 1892, Vol. IX Nr. 5, p. 294 — 319) den Begriff der Endmoräne weiter fassen als die norddeutschen Forscher und darunter die stark kuppige Grundmoränen- landschaft in ihrer gesamten Ausdehnung verstehen, während die deutschen Geologen als ,, Endmoräne'^ nur die zugartigen Moränenwälle gelten lassen, die vor dem Eisrande entstanden sind. Was die ,, Drumlinlandschaft“ anbetrifft, so ist das bisher einzig bekannte Vorkommen südlich von Dirschau bereits erwähnt; auch östlich von Marienburg scheinen drumlinartige Bildungen aufzutreten. Oser (vergl. p. 6) sind von Zempelburg (Borowke), Schönlanke, Schlochau, Schwekatowo (nach Burmester^ Beiträge z. Landesk. der Tucheier Heide, Diss. Königsb. 1914, p. 23) und vom Lappiner See bei Danzig erwähnt, während als ,, Karnes“ die Jastrower Berge bisher das einzige Beispiel in der Provinz darboten; es dürften aber noch mehr hierher gehörige Bildungen vorhanden sein, z. B. der oben erwähnte ,, Putziger Berg“ südlich von Neustadt. Auch der Turmberg selber wird am besten als Kiesmoräne zu ei'klären sein. Was endlich die Urstromtäler (Stufenlandschaften) betrifft, so kann von ihrer genauen Darstellung hier wohl abgesehen werden, da sie erst vor kurzem (vergl. P. Sonntag, Die Urstromtäler des unteren Weichselgebietes und Altes und Neues vom Thorner Stausee, Schrift d. Nat. Ges.) eingehender behandelt wurden. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 3 17 2 18 Bemerkungen zur geologisch - morphologischen Übersichtskarte. 1. Die Grenzen von kuppigen Moränen- Landschaften bei Heilsberg sind auf Grund der Angaben der aus jener Gegend veröffentlichten Blätter gezeichnet. 2. Die Grenze in Pomesanien ist nach Angaben von Bayreüther angegeben. 3. Die Grenzen des Drewenz-Sanders sind auf Grundlage der Waldverbreituiig und eigener Anschauung der Gegend von Dt. Eylau festgelegt. 4. Die Grenzen der Sander im Süden von Masuren (Willenberg, Lautenburg usw.) sind angegeben nach der Darstellung der veröffentlichten Blätter jener Gegend und auf Grund des Studiums der Generalstabskarten. 5. Nördlich des Thorn-Eberswalder Tales treten kuppige Grundmoränen-Land- schaften, wie auch Jentzsch angibt, besonders westlich der Brahe bei Nakel, Wirsitz usw. auf, wohl auch sonst in dem von Keilhack als „Ge- schiebemergelebene^^ dargestellten Gebiet zwischen Brahe und Küddow. Ebenso sind nördlich vom „Lauenburger Längstale“ stellenweise typisch kupierte Gruudmoränenlandschaft und Sander vorhanden. Dies Grundmoränengebiet von Karthaus zieht sich weiter nördlich wie auf der Keilhack sehen Karte bis gegen Neustadt hin. Die Urstromtäler und Moränenzüge sind in der Übersichtskarte nicht besonders dargestellt. Die Darstellung beschränkt sich also auf: 1. Flachwellige Grundmoränenlandschaft ehee 2. Kuppige Grundmoränenlandschaft °o°o°o 3. Sander ^ 4. Urstromtäler (weiß). 18 Schriften der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig. N. F. Bd. XIV, Heft 3. Geologisch- morphologische Übersichtskarte der Provinz Westpreußen. 1. Flachwellige Grundmoränenlaudschaft . . . . ^ 2. Kuppige Grundmoränenlandschaft °o°o°o 3. Sander 4. Urstromtäler (weiß). 3 19 Bericht über die Tätigkeit der Elbinger Altertumsgesellschaft im Vereinsjahr 1914/15. Erstattet von ihrem Vorsitzenden, Professor Dr. ß. DORR in Elbing. Mit 2 Figuren im Text, ln der am 18. November 1915 abgehaltenen Generalversammlung wurde der bisherige Vorstand wiedergewählt. Folgende Vorträge wurden im Winterhalbjahr 1914/15 gehalten: 1. Professor Dr. Ehrlich: Das Elbinger Ordensschloß und seine neu- aufgedeckten Spuren. 2. Derselbe: Bericht über die Ausgrabungen der Elbinger Altertums- gesellschaft im Jahre 1914. 3. Professor Dr. Müller: Auf den Spuren der Phönizier und Römer in Frankreich und Spanien. Lichtbilder-Vortrag. Nachforschungen. 1. Hallstatt- Periode. a) Der Bronzedepotfand von Dambitzen. Im Sommer 1915 wurden beim Ausheben von Schützengräben auf dem Exerzierplatz bei Dambitzen, etwa 4,5 km östlich von Elbing, 8 Bronzeringe gefunden, die zunächst durch Eingreifen des leitenden Offiziers, Herrn Feld- webel-Leutnant Barckow, geborgen und später seitens des Ortskommandanten, Herrn Major v. Bauer, dem städtischen Museum in Elbing überwiesen wurden. „Die Ringe lagen nach dem Fundberichte des Herrn Barckow im Sande in Abständen von etwa 10 cm wagerecht übereinander, der oberste V4 bis 1 m unter der Oberfläche. Scherben oder Spuren von Kohlebeimengung im Sande sind nicht bemerkt worden. Es handelt sich also jedenfalls um einen Depot- oder Votivfund. Von weiteren Altertumsfunden auf dem Exerzierplätze 2* 1 20 hat Herr Barckow nichts gehört. Herr Prof. Dr. Ehrlich suchte Mitte November 1915 die Fundstelle auf. Der Schützengraben, in dem die Bronze- ringe gefunden wurden, war leider sofort wieder zugeschüttet worden. Eine flüchtige Wanderung durch eine lange Reihe noch offener Grabenstücke in der Nähe der Fundstelle ergab keinen Anhalt für das Vorhandensein vorgeschicht- licher Wohn- oder Grabstätten. Der Fund besteht aus 8 großen Bronzeringen. Alle sind vorzüglich er- halten und mit schönem, dunkelgrünen glänzenden Edelrost überzogen, der nur eine ganz dünne Schicht bildet. Bis auf einen sind sie verziert. Zu unterscheiden sind drei Gruppen: 1. Ein offener Hohlring, innen geschlitzt. Der lichte Durchmesser beträgt 16 cm. Die beiden Enden zeigen auf der obern Seite je eine 2,2 cm breite Verzierung, bestehend aus zwei Bändern von vier bzw. zwei eingeritzten Linien und zwei aus Doppel-Linien gebildeten Zickzackverzierungen, die sich zwischen den beiden Bändern bzw. unterhalb des zweiten befinden. 2. Ein Bügelring mit Vogelkopfenden (von Tischler so bezeichnet). Lichter Durchmesser 16,8 cm. Der Ring ist durch Zonen von schräg gegen- einander gerichteten Kerben verziert, ebenso das Ende des Schnabels. 3. 6 massive geschlossene Ringe. Lichter Durchmesser 18,2 — 19,4 cm“. Die Verzierungen bestehen teils aus Zonen von schräg gegeneinander gerichteten, teils aus tannenzweigartig angeordneten Kerben^). Die Fundstelle liegt noch 1^4 km östlich von dem Gut Dambitzen, 200 m südwestlich von dem Punkt, wo die nach Mühlhausen führende Chaussee am sogenannten Knüppelberg nach Osten zum Seeteich umbiegt. Das Meßtisch- blatt der Generalstabskarte, Nr. 544 Elbing, verzeichnet dort den Hügel 109,5. 100 m westlich von dessen Kuppe wurde der Fund gemacht. Das Gelände des dortigen Exerzierplatzes ist Eigentum der Stadt und an die Militärver- waltung verpachtet. In dem Raum zwischen der Fundstelle und Dambitzen sind bisher keine vorgeschichtlichen Gegenstände zutage gekommen, aber auch die ganze Art der Bergung des Fundes weist darauf hin, daß er ein Depotfund ist. Er ist darum für unsere Vorgeschichte besonders wichtig, weil er der erste größere Bronzefund in der Elbinger Gegend aus der jüngsten Bronzezeit (Hallstattzeit) ist. Auf dem Neustädterfelde bei Elbing, südlich vom Staatsbahnhot, deckten wir 1888 eine Anzahl von Steinkistengräbern, die meisten mehr oder weniger zerstört, auf, in denen außer Fragmenten eines bronzenen Ringhalskragens nur noch bronzene Schleifenriuge und Fragmente davon gefunden wurden^). Später kamen zwischen Elbing und Dambitzen an b Ein Bericht über den Fund mit Abbildungen, von Prof. Dr, Ehrlich verfaßt, ist kürzlich in dem 13. Bericht des Provinzialkonservators, Kgl. Baurats ISchmid, an die Pro- vinzialkommission usw. Danzig 1916, S. 5, 6 veröffentlicht. Diesem Bericht sind die obigen Mitteilungen größtenteils entnommen. 2) R. Dorr, die jüngste Bronzezeit im Kreise Elbing. Beilage zum Osterprogramm der Oberrealschule zu Elbing. 1902. S. 11 ff. 2 21 den Abhängen des Gänseberges noch Spuren eines Steinkistengrabes und vor einigen Jahren auch Spuren von Wohnstätten aus der Hallstattzeit zum Vor- schein. Wurde durch diese Funde erwiesen, daß sich in der Hallstattzeit in der Nähe des heutigen Elbing eine größere Ansiedlung befand, so zeigt der jetzige Dambitzer Bronzefund, daß auch wertvollere Schmuckgegenstände aus Bronze in größerer Menge damals hieher gelangten. Hiervon legt auch noch ein anderer jüngst in der Umgegend von Elbing zum Vorschein gekommener Bronzefund Zeugnis ab. b) Der Bronzenierenring von Koggenhöfeii (Kreis Elbing). Auf einem Feldstück des Gutes Koggenhöfen, das 7,5 km nördlich von Elbing und 2 km vom Ostwinkel des Haffs entfernt liegt, fand der Besitzer desselben, Herr Gutsbesitzer Gertzen, im Herbst 1915 die vordere Hälfte eines größeren Bronzenierenringes, den er den Sammlungen der Elbinger Alter- tumsgesellschaft als Geschenk überwies. Die hintere Hälfte des Ringes ist abgebrochen, der Bruch ist alt. Beide Enden sind hier stark verbogen. Der in der Mitte des erhaltenen Stücks befindliche ovale Buckel (geschlossene Mittelknoten) ist in der Mitte und an den Bändern durch je zwei eingestanzte, senkrechte Rillen verziert. Auf der äußern Ringfläche, von beiden Seiten des Buckels um je 1 cm entfernt, befindet sich je eine Gruppe von 5 solcher Rillen. Die äußere Fläche dieses Hohlringes hat schöne, dunkelgrüne Patina. Der lichte Durchmesser des Ringes beträgt etwa 14 cm. Das Ringfragment war wahrscheinlich vom Pfluge aus dem Erdreich gerissen und bereits eine Strecke weiter verschleppt, als Herr Gertzen es obenaufliegend fand. Auf demselben Feldstück war im Jahre 1901 ein Steinpackungsgräberfeld zum Vorschein gekommen, welches ich damals untersuchte. In den damals zu Tage geförderten, meist zerbrochenen und sehr mürben Urnen wurden nur • • spärliche Überreste von Ringen aus dünnem Bronzedraht gefunden^). In der Provinz Westpreußen westl. der Weichsel sind Nierenringe mit geschlossenem Mittelknoten und z. T. ähnlichen Verzierungen an verschiedenen Stellen ge- funden worden, so bei Rittei und Czersk (Kr. Könitz), Miruschin (Kr. Putzig) und bei Kramsk (Kr. Schlochau)®). 2. Die Ruine Vogelsang auf der Frischen Nehrung'*). Herr Prof. Dr. Müller setzte im Aufträge unserer Gesellschaft seine in den Pfingstferien (Mai 1915) an der Ruine Vogelsang begonnenen Nach- 0 Beschrieben a. a. 0. S. 15—18. 2) Abgebildet in: Lissauer, Altertümer der Bronzezeit in der Provinz Westpreußen usw, Danzig 1891. Taf. VI. 3) Abgebildet in: Conwentz, Das westpreuß. Provinzialmuseum. 1880 — 1905. Danzig 1905. Taf. 48, Fig. 4. 0 Vgl. den Bericht über die Tätigkeit der Elb. Altertumsgesellschaft im Vereinsjahr 1913/14 in den Schriften der Naturf. Gesellschaft in Danzig. N. F. XIV. Baud, 1. Heft. S. 80 ff. 3 22 forschungen^) in den langen Ferien (Juli 1915) und in den Herbstferien (Oktober 1915) fort und gelangte dabei zu reichen, erfreulichen Ergebnissen. Seine Fundstelle im Mai lag 25 m westlich von Helings Seeweg. Im Juli und Oktober entdeckte er 9 neue Fundstellen, und zwar in 38,5; 40,4; 62,0; 70 — 95; 95; 108,60; 123,20; 127,60; 136,50 m westlichem Abstand von Helings Seeweg. Den von mir 1914 besichtigten Mauerblock, 80 m westlich von Helings Seeweg^), fand er auch diesmal nicht vor. Statt dessen legte er 95 m west- lich von Helings Seeweg einen kleinen Mauerrest frei, dessen 3 z. T. erhaltene, aber mehr oder weniger verschobene, auch nicht mehr an ursprünglicher Stelle liegende Ziegellagen einen sichern Schluß auf ihre Zeitstellung zwar nicht zulassen, von denen jedoch ein für unsere Sammlungen eingesandter Ziegel mit den von mir in Augenschein genommenen Ziegeln in Beschaffenheit und Größe genau übereinstimmt. Er befand sich 1 m über der Strandebene, lag mithin etwas tiefer als der von mir gesehene. Unmittelbar an der Fundstelle dieses Mauerrestes, jedoch in größerer Höhe, 2,35 m über dem Strande, entdeckte Herr Müller eine richtige, dunkle Kultur- schicht, die sich 25 m ostwärts hinzog und zahlreiche Fundstücke lieferte. Das an sämtlichen Stellen gesammelte Fundmaterial bestand aus den folgenden verschiedenen Arten von Gegenständen: 1. Zahlreiche ordenszeitliche Scherben, sowohl heimischen als rheinischen Ursprungs, unverzierte und verzierte, auch einzelne mit scharf herausgearbeiteter Wellenlinie; fünf vor ordenszeitliche Scherben, darunter 4 Burgwall- scherben, von denen der eine mit schwachen Horizontalrillen verziert ist; ein vorchristlicher Scherben. 2. Zahlreiche Gegenstände aus Eisen, fast alle mit dicken Rostschichten bedeckt, darunter wiederum Nägel mit unsymmetrisch ausgeschmiedeten Köpfen, Eisenklammern, Messerfragmente; 2 eiserne Angelhaken, der eine 5, der andere 7 cm lang; ein 25 cm langer speerspitzenartiger Gegenstand, am einen Ende zugespitzt. 3. Verschiedene Knochenfragmente, meist bereits in sehr vermorschtem Zustande; von dem einen Beinknochenstück ist nur noch eine dünne äußere Schale vorhanden, das Innere ist ganz mit einem Wulst von hindurchgewachsenen Wurzelfasern erfüllt: verschiedene Knochen von Fischen, darunter Bruchstücke eines Schädelknochens vom Stör; Knochen und Zähne des Rindes; Zahn eines kleineren Raubtiers. Aus den ANGERschen Funden hat Prof. Müller jetzt einen Zahn als den eines Hirsches bestimmt. Auch Schumann hatte 1858 an der Ruinenstelle Yogelsang in herumliegenden Tierzähnen solche des Edel- hirsches erkannt und eine Schuppe gesehen, die einem mächtigen Stör an- gehört hatte ^). 4. 7 mittelgroße und ein kleineres Stück Bernstein. 1) a. a. 0. S. 83, 84. a. a. 0. S. 81. 3) a. a. 0. S. 83. 4 23 5. In einem abgestürzten Teil der Kulturschicht wurde ein sehr wichtiger voi’ordenszeitlicher Gegenstand aus Bronze gefunden, der nachstehend ab- gebildet ist (Fig. 1). Das kleine Schmuckstück ist hohl, aus dünnem Bronzeblech gepreßt und hat dunkelgrüne, glänzende Patina. Au dem unteren Teil der Seitenflächen einer vierseitigen abgestumpften Pyramide sitzt je ein halbkreisförmiger, durchlochter, ösenförmiger Ansatz. Auf der obern Fläche befinden sich fünf rundliche Vertiefungen, in den vier Ecken je eine und die fünfte in der Mitte. Die Vertiefung in der Ecke links unten ist durchlocht, und durch diese ist ein Bronzestift gelegt, mit dem das Zierstück angeheftet wurde. Es ist also ein Besch lag stück. In Hampels Altertümern des frühen Mittelalters in lJugarn, Braun- schweig 1905, III. Band, Taf. 374, 3a ist aus dem Grabfund von Kaba (Com. Hajdu) ein zweigliedriger Hängeschmuck abgebildet, der in seinem obern vier- eckigen Teil mit den vier runden Vertiefungen in den Ecken dem Vogelsanger Stück so auffallend gleicht, daß beide offenbar in dieselbe Gruppe gehören. Mit dem genannten Stück aus Ungarn, das aus grauem Metall besteht, zu- sammen wurde ein Schläfenring aus Bronze gefunden. In die Zeit der Schläfenringe, also in der Weichselgegend in die heidnische Zeit, gehört also auch das Vogelsanger Beschlag- stück. Mit den oben genannten 4 Burgwallscherben bildet aus dünnem Bronzebiech. es also einen Beweis dafür, daß unmittelbar westlich vom vogeisan„ (- . i). Vogelsanger Tief vor Ankunft der Ordensritter eine heidnische Ansiedlung bestand, die, wenn man Wulfstans Angaben zu Rate zieht, nur eine wendische gewesen sein kann, da das Vogelsanger Tief auf der Frischen Nehrung die Wenden von den Esten schied. Bewohnt wird diese Stelle auch bereits in vorchristlicher Zeit gewesen sein, wofür der oben genannte vorchristliche Scherben spricht, aber auch andere vorchristliche Funde auf der Frischen Nehrung, östlich von Vogelsang, die sich in den Sammlungen der Elbinger Altertumsgesellschaft befinden, zeugen dafür. Yorordenszeitliche Funde auf der Frischen Nehrung, östlich von Yogelsang. I. Die Stelle des versandeten Dorfes Schmergrube auf der Frischen Nehrung. Das ehemalige Dorf Schmergrube östlich von Kahlberg, war 1643/44 noch vorhanden. Als es versandete, sollen die Bewohner nach Vöglers und Neukrug ausgewandert sein. Ich fand dort im Sommer 1889 dicke, schwarze, mit grobem Granitgrus durchmengte Scherben, die wahrscheinlich der neolithischen Zeit angehören ^). Ganz ähnliche hatte ich 1887 durch Maschinenbautechniker 1) Elbinger Museumskatalog Nr. 1370. .5 24 W. Netke erhalten, darunter einen mit einem Schnurornament ^). Eine wert- volle Kollektion vorgeschichtlicher Scherben von der Stelle Schmergrube er- hielten wir ferner 1894 durch Herrn Stadtrat Sausse^). Diese Sammlung habe ich kürzlich wieder durchmustert. Es befinden sich darin außer ordens- zeitlichen auch Burgwallscherben und solche, die wegen ihrer Verzierung der Jüngern Bronzezeit (etwa 4. Jahrh. v. Chr.) angehören. 2. Kahlberg. Von hier besitzt unsere vorgeschichtliche Sammlung einen durchlochten Steinhammer aus Grünstein und einen Scherben mit Schnurornament in Form einer Wellenlinie. 3. Neukrug. Von hier befindet sich ein Steinhammer im Westpr. Provinzialmuseum^). Wenn man nun die zahlreichen steinzeitlichen Scherbenplätze auf der Kurischen Nehrung in Betracht zieht, so darf es nicht wundernehmen, daß auch auf der Frischen Nehrung Spuren vorgeschichtlichen Bewohntseins bis in die Steinzeit hinein zutage treten, und derartige Funde auch bei Vogelsang können darum nicht überraschen. Es scheint aber nicht zufällig zu sein, daß diese Funde gerade bei den drei Tiefen, dem Schmergruber, Kahlberger und Vogelsanger, gemacht wurden, denn diese Verbindungsstellen des Haffs mit der See mußten in der Vorzeit die Menschen ganz besonders zur Anlage von Siedlungen reizen. Andererseits aber liegt in dem oben mitgeteilten Vor- kommen vorgeschichtlicher Funde in der Ruinenstelle Vogelsang, zunächst aus der Zeit Wulfstans, das mit den gleichen Erscheinungen in Kahlberg und Schmergrube übereinstimmt, ein weiteres, nicht unwichtiges Argument für die Richtigkeit der Annahme, daß das Vogelsanger Tief des siebzehnten Jahr- hunderts auch bereits zur Zeit Wulfstans und noch früher vorhanden ge- wesen sei. Die Schmergruber Burgwallscherben stammen von Gefäßen der Esten her, die von Vogelsang von Gefäßen der Wenden. Der Orden unter- warf dann beide Völkerschaften, wie die ordenszeitlichen Scherben an beiden Fundstätten beweisen. Auch andere ordenszeitliche Funde befinden sich in der Sausse sehen Sammlung, so eine Anzahl jener charakteristischen Nägel mit unsymmetrisch ausgeschmiedeten Köpfen und auch ein eiserner Angelhaken von der Art der Vogelsanger, nur größer, 8 cm lang. 3. Der Ordenshof Vogelsang auf der Frischen Nehrung. Zu diesem Kapitel in meinem vorjährigen Bericht vermag ich heute noch einige wichtige handschriftliche und urkundliche Nachträge und Ergänzungen zu liefern. 1) M. — Katalog Nr. 1363 und Schriften der NFG. zu Danzig. N. F. ß. VII. H. 3. 1890. S. 33—35. . M. — Katalog Nr. 1213. 3) Dorr, Übersicht usw. S. 8. ebenda. 6 25 t 4l Fig. 2. Schlüssel zu dem Kasten von Vogelsang auf der Nehrung. 1. Der Schlüssel zu dem Kasten der Elbinger in Togelsang. Am 20. Oktober 1915 sandte mir der Archivar des Elbinger Stadtarchivs, Herr Professor Dr. Neubaur, nachstehende Abschrift einer Aufzeichnung des um die Elbinger Geschichtsschreibung sehr verdienstvollen Elbinger Kaufmanns Abraham GrüBnau (1740 — 1823). Grübnau schrieb massenhaft Elbinger Chroniken und Urkunden selber ab, von denen vieles heute nicht mehr im Original vorhanden ist. Das oben genannte Schriftstück fand Herr Prof. Neubaur bei Katalo- gisierungsarbeiten auf dem Archiv. Es wird dort im Grauen Schrank, Fach 7, Varia Nr. 3, aufbewahrt und lautet folgendermaßen: „Im Jahr 1809 d. 23 Maertz erhielte ich vom Geheimbden Commercien- Raht Hr. August Friedrich Jebens in einem Papier eingewickelt einen ganz alten Schlüssel, so verrostet war, und daran ein Pergament längliches mit einer Schrift mit einem Zwirnsfaden angehangen: Disser Slössel gehört czu dem kastens czu dem Vogelsange vff der Nerie (Pig. 2). Auff dem Papier stand folgende schrifft ein- geleget: Von sicherer Hand wird vermuhtet, daß diese im Thresel gefundene Schlüssel auf einen Kasten ziele, der in dem Dorlf Vogelsang in der Nerung gelegen, und ehemahlen zur Stadt Elbing gehörig vergraben worden, und zwar in einem Gewölbe, so daran kenntlich, daß über dem Eingang desselben das Elbingsche StadtWappen und Ferbersche Wappen befindlich. Bemerkung meines Papiers, darinnen er gewickelt: Schlüssel zu dem Kasten von Vogelsang auf der Nehrung gehörig d. 23. Martz 1809 erhalten durch Hl. Stadrath Jebens vom Kriegs Rath Flesch erhalten. Auf dringendes erfordern Hl. Joh. Daniel Jebens junior so beym Hl. StRath Benjamin Silber in Condition, habe nach vielem Nachforschen es in dato gefunden und mit derselbigen Envelope, durch meinen alten Haus- knecht um 10 Uhr Vormittag abgeschicket. Elbing d. 13. Maerz 1818. Abraham Grübnau. (Auf einem besondern Blatt folgende Quittung:) Von Herrn StadtRath Grübnau Wohlgebohren den in seinem Verwahrsam befindlich gewesenen Schlüssel von Vogelsang auf der Nehrung, dato wieder zurück erhalten zu haben bescheinige ich hiemit dankbarlichst. Elbing d. 13. Maertz 1818 Joh. Danl. Jebens. Die von Grübnau beigefügte Zeichnung soll offenbar den Bart jenes alten Schlüssels darstellen. Der Kasten, zu dem der Schlüssel gehörte, ist nun jedenfalls derselbe, in dem die Elbinger nach einem im Jahr 1485 erteilten Befehl des Königs 26 Kasimir den „Genieß der Nehrung“ zu Vogelsang bis zur entschiedenen Sache vorläufig aufbewahren sollten ^). Dieser der Stadt Elbing gehörige Kasten war in einem Gewölbe ver- graben worden, über dessen Eingang das Elbingsche Stadtwappen und das FERBEiische Wappen befindlich gewesen wären. Der Danziger Patrizier „Eberhard Ferber wurde 1506 Mitglied des Rates, 1510 Bürgermeister und erlangte bald im Kreise der vier Bürgermeister die leitende Stellung^)“. Das FERBERsche Wappen zeigte drei Schweinsköpfe^}. Im Jahre 1509 kam der Vergleich zustande, in welchem die Elbinger auf die Nehrung ver- zichteten.'" Wohl bald nachher wird Ferber — er wurde 1510 Bürgermeister — sein Wappen auf dem Gewölbe in Vogelsang haben anbringen lassen. Die Stadt Danzig verpachtete an Ferber 1514 sogar die Nehrung auf 10 Jahre für einen Pachtzins von „1400 Marek klein“^). Wichtig ist die Angabe, daß die beiden Wappen über dem Eingang eines Gewölbes angebracht waren, das doch nur zu dem ehemaligen massiven Ordenshof Vogelsang und nach dessen Zer- störung zu der Schümann sehen Ruine gehört haben kann, denn zu Schumann sagte sein Führer, daß er an der Ruinensteile ein leeres Gewölbe von 8 Fuß Länge, 4 Fuß Breite und 9 Fuß Höhe gefunden habe. In diesem Ge- wölbe wird der Kasten, in dem Elbing seinen Besitzanspruch auf die Nehrung aufbewahrte, nach der Besitzergreifung des Gebietes durch Danzig vergraben worden sein. Daß dieses Gewölbe nicht etwa zu einem Fischerhause des Fischerdorfes Vogelsang gehört haben kann, scheint unzweifelhaft zu sein. Meine Nachforschungen nach dem Verbleib des in dem Grübnau sehen Schrift- stück erwähnten Schlüssels sind bisher erfolglos gewesen. 2. Originalurkunde im Elbinger Stadtarchiv (Schrank A, Kapsel VI, Nr. 158), enthaltend des Rats zu Tolkemit Ausfertigung eines vor dortigem Gericht abgelegten Zeugnisses über die Grenzen des vor- maligen zur Elbinger Comturei gehörigen Fischamts vom 8. Nov. 1491. Die Urkunde ist auf Pergament geschrieben mit anhangendem Siegel der Stadt Tolkemit. Ich teile den Text der Urkunde hier mit nach der Abschrift Ferdinand Neumanns, die sich in Neumanns Codex diplomaticus Elbingensis 3. 1454 — 1500 befindet. Dieser Codex dipl. befindet sich gleichfalls im Elbinger Stadtarchiv. Die Abschriften Neumanns sind zuverlässig. Der Wortlaut der Tolkemiter Urkunde lautet: ,,Vor allen vnnd itzlichen Herenn, wasz Statusz weszens adder wirdikeith dy seyn moghen Beyde geystlichen und wertlichen czu weicherer keghenwerti- keyt dyser unser offener brieff wird vorkomen, vnszern gnedighen Herenn 1) Vorjähriger Bericht S. 85, 86. 2) Paul Simson: Geschichte der Stadt Danzig, Danzig, Leon Saunier 1903, S. 47. 3) a. a. 0. S. 46. Hartwich, Beschreibung der drey im Pohlnischen Preußen liegenden Werder, Königsberg 1722. S. 18. 8 27 uud Sunderlichen gunstighen frunden. Noch dieszlicher unsers hogisten ver- mogensz irbittunghe Bekenne und thun kunth wyr ßurgemestere und Rath manne der stadt Tolkemith dasz vor vns in sitzendem Rathe irscheynen seyn dy Erszamen Richter und Scheppen gehegeten Dinges vnszer Stadt vnd haben vor vns offenbar vorlawtbarth bekandt vnd gezewgith, wy vor yn in gerichte inscheynen seyn und gestanden haben dy Erszamen vnd vorsichtighe Michel rosenberch unser Bürgermeister, Langhe Herman vnd Hans Lemke vnszers Ratis methekompen vnd Lucas ribe vnd Hans Holtfaste vnser altsessene metheburghere, Alle Erliche Lobisz und czewgisz wirdighe menner vnd haben do selbisth vor yn in gerichte vngetwunghen vnd vngetrunghen Alleyne vmbe rechtir lawtherer worheith mit iren vffgerechten fingheren Rechtes gestabtes Eydisz czu den Heylighen worgemacht Bekannth Ge- sworen vnd geczewgit, dasz in allen vnd itzlichen in sunderheith in worheyt wissentlich ist. Dasz vor dem grossen krighe dy herren fischmeisters des Schlosses Elwingk gerothyn haben vor das fischampt daz czum selbighen Schlosse Elwingk gehört hat Als vor das hap vor dy nerye vnd och vor dy fischerey in dem S(3hestrande deszselbigen landes neryn Alzo beschedentlicli czu vornemen: dasz sich dasz wasser deszselbighen Elwingischen fischampts angehoben hoth czwischen dem Juncfrow- schen felde und dem newghenstedischen walde off dem brethen Sthene. Von dem brethen steyne gerichte czu gehende noch eyner Eychen dy do steht hoben dem Schitepusche bisz tzwersz in dy gesaltzene Sehe, vnd denne dy nerye myt sampt dem strande vnd dasz hab abe czu gehende bisz czu der Smeregrube czu eynem krewcze dasz do steht doselbist vor dem krughe Als der wegk twers obir dy nerye in dy gesaltzene Sehe geht: vndt denne von demselbigen krewcze gerichte zu ghende Noch der nartz^). Als das flysz dy nartz in dasz hab felleth. Allisz dasz bynnen dyssen itzgenanthen Grenitzen begriffen ist vnd beschlussen czu lande vnd czu wasser Als do ist der fogelsangk Pribernow vnd der kalenbergk. Mitsampt dem Sehe- strande vnd mit der fischerey in der gesaltzenen Sehe hoth allisz ge- horth czu dem Slosse Elwingk in das fischampt. keynerley awszgenommen. Vorder haben dy obgenanthen vnd guthe manne vor yn in gerichte bey iren vorgethanen eiden Offenbar bekandt worgemacht vnd geczewgit: das das Stücke Landesz der nerye . Mith Sampt dem strande bisz an der Herren von Dantczke Grentze, mit dem Stutthoffe mit der Kobelgrufihe und mit andern Vitten vnd Dorfferen vff dem selbigen Stucke der nerye beghende gehorth czu der Scharffhawe: vor welche scharffhawe mit sampt der nerye vnd mit dem strande bis tzwersz in dy gesaltzene Sehe der Here fischmeister von derselbigen scharffhawe in seynen sunderlichen grenictzen bisz an dasz Elwin- gische fischampth gerothen hoth vnd dasz vorweszet, abse eyne Sunderliche Herschaft. 1) Der Narzer Bach mündet 2 Kilometer südwestlich von Frauenbnrg* in das Haff. 9 28 Szo alse dysse vorgeschrebende Sachen von richter vnd Scheppen geheg- heden dinges vnszer Stadt en vnsz gelawtbarth vnd geczewghet seyn, Also czewgen vndt bekennen wir dy vortan an Jdermanniclich wo dasz ist von nothen mit dissen vnszerm Brieffe dem wir czu Orkunth der worheyt vnd mehrer sicherheyth vnszer Stath Secreth haben anhengen lassen, der gegeben ist zu Tolkernith am Dinstage nehest vor martini im vierczenhundertzen vnd ym eyn vnd newentzigsten Jare nach cristi geborth Vnszers lieben Herren,“ Oöenbar hat der Rat von Elbing in seinem Streit mit Danzig wegen der Nehrung die obige Urkunde in Tolkemit sich ausstellen lassen, weil in dem am Haff gelegenen Tolkemit sachverständige und zugleich unparteiische Zeugen zu finden waren, denn Tolkemit mit seiner Umgegend bildete eine polnische, die sog. Tolkemiter Starostei. 3. Die Elbinger Urkunde vom 17. November 1491. Der Elbinger Rat unterließ es jedoch nicht, sich in derselben Angelegen- heit in seinem eigenen sitzenden Rat gleichfalls eine Urkunde ausfertigen zu lassen, deren Original nicht mehr vorhanden ist, von der sich aber im Elbinger Stadtarchiv in „Sprengels Verzeichnisz aller Acker, Felder xx oder Revision des A. C. u. L R Amts“ fol. 254b eine Abschrift befindet, welche die Über- schrift hat: „attestatio wegen der habgrentze zwischen der Stadt und dem Scharfauschen Wasser“. Von Sprengels Abschrift hat Neümann in seinem Codex diplomaticus Elbingensis 3, unmittelbar vor der Abschrift der Tolke- miter Urkunde, ebenfalls eine Abschrift geliefert, die ich hier folgen lasse, weil die Elbinger Urkunde z. T. noch genauere Angaben als die Tolkemiter enthält. Neumanns Abschrift hat die Randbemerkung: „Zeugenaussage über die Gränzen des elb. u. scharpauischen Fischamts.“ Der Wortlaut der Elbinger Urkunde lautet: „Vor allen vnde itzlichen Herren wes Standes wesen oder wirdikeit die sein mochten beide geistlichen vnd wörtlichen die diesen vnseren offenen brieflf werden sehen, hören oder lesen vnseren gnedigsten Herren und besunderen günstigen freunden. Noch gutwilliger vnsers Vermögens derbittunge. Bekennen nnd thuen kunt wir Bürgermeister vnd Ratmanne der Stadt Elbing das für vns im sitzenden rathe erschienen sein die Erbaren Richter und Rath vnser Stadt vnd haben öffentlich bekannt vnd geczeuget. Wie vor ihn in gerichte gekommen sein vnd gestanden haben die Ersamen Peter Summe, 1) Johann Sprengel, geb. 1517 zu Elbing, besuchte seit 1535 die Universität Witten- berg und erhielt dort 1546 die Magisterwürde. Rektor des Elbinger Gymnasiums war er wahrscheinlich von 1542 — 1547. Von der Leitung der Schule wurde er in den Verwaltungs- dienst berufen und hat sich als Bürgermeister um seine Vaterstadt sowie um Polen vielseitige Verdienste erworben. Stephan Bathory verlieh ihm 1576 den polnischen Adel. Er starb 1602. Nach den Mitteilungen von Prof. Dr. Neubaür in der Programmabhandlung des Elb, Realgymnasiums: „Aus der Geschichte des Elbinger Gymnasiums“. Elbing 1897. S, 6 — 7. 10 29 Niclaus Tile und Janker Mattis der genanten Stadt Elbing altsessene mit- bürgere vnd beywonere, alle ehrliche, lobes vnd czeugis wirdige manne, vnd haben daselbst vor ihn in gerichte aus freien wolbedachten willen vnd mute vngedrenget, niemand zu liebe oder zu leide, noch durch irkeiner andere Sachen denn alleine durch der gerechtigkeit willen offenbar mit ihren auf- gereckten fingern rechten gestabeten eides zu den heiligen geschworen, war- gemacht, bekant vnd gezeuget, das ihn semptlichen vnd einem itzlichen von in in Sonderheit in worheit wissentlich ist; das vor dem negsten grossen krige das fischampt, welches zu dem Schlosse Elbing bei des wirdigen Ordens ge- zeiten gehöret hat, also vnterscheiden vnd gehalten wart in seinen rechten grentzen: In das erste anzuheben also das flis die Nartz fleuset in das hab, von demselbigen flisse Nartz gerichte zu gehende vber das hab nach dem Creutze das do stehet vff der Nerie vor der Smergrube vnde von dem Creutze twers vber das land Nerie zu gehende bis an die gesaltzene Sehe vnde den von doselbist das land die Nerie mit sampt dem Sehestrande vnd das hab aufzugehende bis zu einer Eichen die do stehet boben dem Schite- pusche, bis auch die twers vber an die gesaltzene Sehe, vnd von derselbigen Eichen boben deme Schytepusche stehende, gerichte zugehende vber das hab nach einem breiten steine der do leit zwischen dem felde des Dorfes Juncfraw, vnd zwischen dem Walde der do gehöret der Neustadt Elbing. Alles was binnen diessen itzberurten grentzen gelegen ist, alse der Kalenberg, Prüb- bernaw, der Vogelsang vnde Jungfraw mit dem lande Nerie vnd mit den weiden mit dem Sehestrande, vnd mit der fischerei in der ge- saltzenen Sehe, vnd dorzu mit allen andern nutzbarkeiten vnd zubehorungen, wie die mögen genimpt werden, keins ausgenommen hat alles bei des Ordens regiment gehöret zu dem fischampte des Schlosses Elbing. Weiter haben die vorgenante drei gutte Mann vor ihn in gerichte bei denselbigen ihn vorgethanen gestabeten eiden offenbar geschworen, wargemacht, bekant vnd gezeuget, das ihn in rechter warheit wissentlich ist, das von der vor- gedachten eiche, die do stehet boben dem Schitepusche sich anhebet die grentze des landes derNerie die welche do gehöret in das scharfauische fischampt, vnd gehet auch von dannen bis die twers vber an die gesaltzene Sehe vnd von derselbigen Eiche vnd von dem Sehestrande zugehende bis zu der grentzen die do bei dem wirdigen orden gehöret hat zu dem Kompteramte des Schlosses zu Dantzke vfi‘ welchen Scharffauschen Nerie gelegen sein der Stuthofif, die Kobelgrube, Stegen vnd andere Dorffer vnd Vitten zwischen den Strömen vnd dem Scharfifaui- schen habe vnd am Scharffauischen Sehestrande gelegen. Dis vorgedachte alles mit sampt den weiden auf dem lande Nerie vnd in der Scharflfaw, vnd mit dem Sehestrande vnd aller fischereien desselbigen Scharflfauschen Sehe- strande, vnd des Scharffauschen habes hatt gehöret bei des wirdigen Ordens gezeiten in das Scharffausche vischampt vnd der Herr Fischmeister derselbigen ScharfiTawen hat vor all dis geroten vnd hatt das geregieret, vnd vorstanden, alse eine sunderliche herschaft. 11 30 So also diese vorgeschriebene Sachen alle durch Richter und Radt unser Stadt vorgedacht an uns gelautbaret sein und gezeuget, also zeugen und be- kennen wir das vortan an alle geistliche vnd weltliche herren vnd an jder- menniglich wo das ist von noten mit diesem vnsern offenen briefe deme wir zu v^’kundt der warheit vnd mehrer Sicherheit vnser Stadt Secret haben vndene anhengen lossen. Der gegeben ist zum Elbinge am Donnerstage nehest vor Elizabet der heiligen frawen Im vierzenhundersten vnd im ein vnd Neunzigsten Jare nach Christi gebürt unsers Herrn.“ Nach dem Inhalt dieser beiden Urkunden gehörte vom Haff und der Frischen Nehrung zu dem Fischamt der Elbinger Komturei der Teil des Haffs und der Nehrung, welcher im Osten begrenzt wurde von einer Linie, die von der Mündung des Baches Narz in das Haff quer über das Haff bis zu einem Kreuze vor dem Kruge von Schmergrube und von da quer über die Nehrung bis zum Seestrande gezogen wurde, und im Westen lief die Grenze von einem breiten Steine zwischen der Feldmark von Jungfer und Neustädterwald über das Haff bis zu einer Eiche auf der Nehrung, die über dem Schitepusche stand, und dann quer über die Nehrung bis zur See. Es gehörten zu dem so eingeschlossenen Gebiete Jungfer, Vogelsang, Prebbernau und Kahlberg; die Eiche über dem Schitepusche wird also auf der Westseite von Vogelsang, zwischen Vogelsang und Boden winkel gestanden haben. Der Ordenshof Vogel- sang gehörte also zum Fischamt der Elbinger Komturei. Dieses grenzte im Westen an das Scharpausche Fischamt, welches auf der Nehrung Stutthof, Kobbelgrube, Stegen und andere Dörfer und Vitten umfaßte, westwärts bis zur Grenze der Danziger Komturei reichte, einen eigenen Fischmeister hatte und eine besondere Herrschaft bildete. Für den Ordenshof Vogelsang ist nun von Wichtigkeit, daß beide Ur- kunden ausdrücklich betonen, daß dem Fischamt der Elbinger Komturei auch die Fischerei in der „gesalzenen See“ gehörte. Die Beaufsichtigung der Seefischerei wird die Anlage des Hofes in der Nähe des Seestrandes notwendig gemacht haben. 12 31 Beobachtungen an Kanarienbastarden. Von Fritz Braun. • • LJber die Eigenschaften der Kanarienbastarde finden wir in dem ein- schlägigen Schrifttum nicht allzuviel Auskunft, so daß es bis zu einem gewissen Grade begreiflich ist, wenn uns hin und wieder solche Wahrnehmungen, die an einem einzigen Stieglitz- oder Zeisigbastard gemacht worden sind, wie besonders wertvolle Entdeckungen aufgetischt werden. Zu so hoher Einschätzung der- artiger Berichte ist jedoch keinerlei Grund vorhanden. Wem wirklich daran gelegen ist, das ganze geistige Gepräge dieser Blendlinge kennen zu lernen, der vermag sich im Laufe der Jahre ohne bedeutende Schwierigkeiten soviel Kanarienbastarde zu verschaffen, daß er nicht mehr gezwungen ist, sich auf die bloße Anführung einiger individueller Züge zu beschränken, sondern immer- hin in die Lage versetzt wird, das Gepräge jener Mischlinge wenigstens der Hauptsache nach zu skizzieren. Merkwürdigerweise erhalten wir von den Tierpflegern, die sich in erster Linie mit der Bastardzucht beschäftigen, lange nicht so gründliche Auskunft, wie wir erwarten könnten. Die Erklärung dieses scheinbaren Widerspruchs liegt recht nahe. Viele von diesen Herren betreiben die Bastardzucht als eine Art Sport, und es kommt ihnen vor allem darauf an, daß in ihren Vogel- stuben solche Blendlinge erzogen werden, von denen die Literatur noch nichts zu vermelden weiß. Wie diese Geschöpfe nach fünf, sechs Lebensjahren beschaffen sein mögen, ist ihnen verhältnismäßig gleichgültig; in manchen Fällen, wo der Vater der Blendlinge irgend ein selten gehaltener amerikanischer Zeisig ist, hätte allerdings diese Kenntnis auch nur recht bedingten Wert, denn weil wir mit der Eigenart dieser Vogelarten noch lange nicht genügend vertraut sind, würde es uns sehr schwer fallen, die Vererbungserscheinungen bei ihren Blendlingen richtig zu deuten. Bei vielen Bastardzüchtern ist der Hauptzweck ihrer Tätigkeit schon erreicht, wenn die Nachzucht flügge geworden ist, und manche von ihnen, bei denen in jedem Sommer zwanzig, dreißig Blendlinge erbrütet werden, haben noch niemals einen solchen Vogel lange Jahre hindurch ihr eigen genannt. Zumeist ist bereits im Spätherbst die ganze Nachzucht ausverkauft, und anstatt durch emsige Beobachtung das Wesen und die Eigenart 1 32 seiner Zöglinge zu ergründen, grübelt der Züchter nur noch darüber nach, welche Gatten er während der nächsten Brunstzeit seinen Kanarienweibchen zugesellen soll, oder wie sich die Schwierigkeiten beseitigen ließen, welche beispielsweise die Zucht von Buchfinken- und Sperlingsbastarden in so leidiger Weise erschweren. Demnach beschränken sich die Auskünfte, welche uns die Bastardzüchter über ihre Pfleglinge erteilen können, im wesentlichen auf deren Jugendzeit, d. h. der Hauptsache nach auf die Zeit bis zu ihrer ersten Mauser. Darauf allein dürfen wir aber unsere Kenntnis von diesen Geschöpfen nicht auf bauen, denn um mit dem Charakter einer Tierart wirklich vertraut zu werden, müssen wir ihre Eigenschaften in reiferen Jahren, ja im Greisenalter ebenso gut beobachtet haben, wie ihr Verhalten in Jugendtagen; vermag sich doch auch ein Lehrer, der außerhalb seines Dienstes ein ganz zurückgezogenes Leben führt, nicht Menschenkenntnis im höchsten Sinne des Wortes anzueignen. Diese Tatsachen hier so scharf hervorzuheben, veranlassen uns nicht rein logische Erwägungen, sondern die Wahrnehmung, daß uns bei vier- oder fünf- jährigen Bastarden mancherlei körperliche und geistige Eigenschaften begeg- neten, die bei den Jungvögeln niemals hervorgetreten waren. Auch aus diesem Grunde ist es bedauerlich, daß die Kanarienbastarde, abgesehen von den Girlitz- blendlingen, in der Praxis so gut wie unfruchtbar sind, so daß sie als Zucht- vögel kaum in Frage kommen. Stände es damit anders, so wäre mancher Bastardzüchter, der mit den Lebenserscheinungen der Jungvögel wohl vertraut ist, sicherlich auch in der Lage, uns lebensvolle Charakterbilder der alten Blendlinge zu entwerfen. Auch bei freilebenden Vögeln machen wir ja die Erfahrung, daß es Jahre lang dauert, bis die scharf umrissene Eigenart der Species zustandekommt. Hat man doch unseren Bluthänfiing [Acanthis cannahina L.) in mehrere Arten (Grauhänflinge, Lehmhänflinge und Bluthänflinge) zergliedern wollen, einzig und allein deshalb, weil die ein- und zweijährigen Männchen mit recht alten Artgenossen nur wenig gemein haben. Deshalb würde ein Beobachter, dem nur jüngere Rothänflinge zu Gesichte kämen, auch nicht in der Lage sein, sich von dem Wesen dieser Vogelart eine rechte Vorstellung zu macheu. Unter solchen Umständen dürfen wir wohl annehmen, daß manche geradezu irreleitende Angaben in der Literatur einzig und allein darauf zurückzuführen sind, daß der Gewährsmann, so erfahren er auch in der Zucht von Kanarien- bastarden war, nur selten ein fünf, sechs Jahre altes Bastardmännchen einige Zeit hindurch beobachtet hatte. Wie ließe sich sonst die Behauptung auf- recht erhalten, daß alle Nachkommen von Rothänflingen und Birkenzeisigen {Acanthis linaria L.) unscheinbar gefärbte Vögel seien? Es wäre kurzsichtig und sehr töricht, die Verdienste der Bastardzüchter irgendwie herabsetzen zu wollen, denn ohne diese Männer, die ihre Versuche oft mit großer Zähigkeit und einem Geschick, in dem sich die Erfahrung langer Jahre widerspiegelt, allen Enttäuschungen zum Trotze fortsetzen, wären die seltsamen Tiere, die uns die schöpferische Arbeit der Allmutter Natur in ganz eigener Beleuchtung 2 I 33 zeigen, gar nicht vorhanden. Gerade der Verfasser dieser kurzen Abhandlung ist manchem Bastardzüchter, vor allem seinem alten Mitarbeiter Herrn Wickel- Thorn, für die Überlassung dieses und jenen Seltlings zu dem allergrößten Danke verpflichtet. Und wer möchte leugnen, daß der erste Lebensmonat der Blendlinge für den Beobachter weit wichtiger ist als jeder andere, gleich lange Zeitraum ihres späteren Lebens, wobei wir höchstens die Brunstperioden aus- nehmen dürften. Trotzdem bedarf die Tätigkeit der Züchter nach der eben gekennzeichneten Seite hin dringend der Ergänzung, denn wollen wir die Wesen- heit der Kanarienblendlinge von Grund aus kennen lernen, so können uns solche Beobachtungen, welche sich ganz überwiegend nur auf das Leben von Nest- lingen und Jungvögeln beziehen, doch nicht vollauf genügen. Nicht zum wenigsten aus diesem Grunde war der Verfasser seit langen Jahren bestrebt, eine möglichst große Zahl von Bastarden zu erwerben und sie unentwegt weiter- zupflegen, obgleich manche von ihnen solche Teilnahme an und für sich nicht verdienen mochten, denn nur der vermag eine Tierart genügend zu kenn- zeichnen, der eine große Anzahl von Individuen beiderlei Geschlechts auf allen Altersstufen jahraus, jahrein in allen möglichen Lebenslagen beobachten konnte. Verhältnismäßig am häufigsten wird der Kanarienvogel mit dem Stieglitz (Ca7'duelis cai'duelis L.) gepaart, da deren Blendlinge durch ihre Schönheit nicht weniger für sich einnehmen wie durch ihre Gesangesgabe. Wer eine größere Menge dieser Bastarde verpflegt hat, den werden die kurzen Beschreibungen, welche unsere Handbücher dem Stieglitzbastard widmen, nicht mehr befriedigen können, denn in Wirklichkeit begegnen uns unter diesen Tieren, je nachdem das Blut des Vaters oder der Mutter die Oberhand gewonnen hat, ganz verschiedene Typen. Neben verhältnismäßig langschnäbeligen Männchen, welche Gesang und Lockrufe regelmäßig mit den arteigentümlichen Bewegungen des Stieglitzes zu begleiten pflegten, wenn ihre Verbeugungen auch etwas weniger schneidig und kavaliermäßig ausfielen, besaß ich auch Bastardmännchen, die ihren Gesang fast ganz in derselben Weise vortrugen wie ein Kanarienhahn. Diese Vögel waren in der Regel von gedrungenerem Körperbau und erinnerten auch hinsichtlich der Schnabelbildung weit mehr an eine Kanarie als an einen Distelfinken. Solche dickköpfigen Vögel pflegen auch nur geringe Lust zu jenen Kletterkünsten zu zeigen, in denen gerade der Distelfink ein unübertroffener Meister ist. Dabei darf allerdings nicht ver- gessen werden, daß die Neigung dazu gerade bei jungen Blendlingen am größten ist und ohne jeden äußeren Einfluß von Jahr zu Jahr geringer wird. Der Umstand, daß die Vögel infolge der engen Kerkerhaft immer stiller und ruhiger werden, liefert dafür wahrscheinlich keine erschöpfende Erklärung; mindestens ebenso sehr dürfte dabei der allgemach wachsende Einfluß des mütterlichen Blutes eine Rolle spielen. Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, daß auch die Kopfform der Stieglitze viel veränderlicher ist, als man gemeinhin glaubt. Wer ein halbes Hundert Stieglitze und Rothänflinge längere Zeit hindurch beobachtet hat, könnte sich fast veranlaßt fühlen, eine Physiognomien- Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 3.3 ^ 34 lehre dieser Vogelart zu schreiben. Noch jüngst besaß ich einen Stieglitz, dessen kurzer gedrungener Schädel und derber, stark kegelförmiger Schnabel mit dem Durchschnittstyp herzlich wenig gemeinsam hatte. Frisch gefangene Stieglitze hangeln nicht selten, wie das Erlenzeisige (Chrysomitris spiniish.) ganz regelmäßig zu tun pflegen, mit Vorliebe kopfüber an den Sprossen der Käfigdecke. Auch bei Stieglitzbastarden begegnet uns mitunter diese Neigung, doch waren die Blendlinge, bei denen ich sie bisher wahrnahm, samt und sonders Weibchen. Als sich eines Tages ein recht fleißig singender Stieglitzbastard bei mir fortwährend desselben Kunststücks befleißigte, meinte ich schon, meine Beobachtungen nach dieser Richtung hin seien rein zufällig und völlig wertlos. Doch gab sich auch dieser Vogel noch in der unzweideutigsten Weise als Weibchen zu erkennen. Die Bastarde des Erlenzeisigs gleichen von allen Finkenbastarden den Blendlingen des Distelfinken in ihrem ganzen Wesen wohl noch am meisten. Auch ihr Gebahren spricht für den naiven Glauben des Volkes, das, ohne viel von Systematik gehört zu haben, Zeisig und Stieglitz stets in einem Atem nennt. Aber mußten wir schon bei den Bastarden des Distelfinken betonen, daß mancher von ihnen sehr viel Kanarienartiges in seinem Wesen hat, so gilt das von den Zeisigbastarden noch viel mehr. Neben spitzschuäbeligen, schlanken, spindeldürren Männchen, denen man ihr Zeisigblut selbst dann auf den ersten Blick ansieht, wenn ihr Kopf von einer mächtigen Haube geschmückt wird, die zu dem schmächtigen Körperchen dieser gefiederten Leichtathleten nur wenig stimmen will, finden wir auch weit plumpere Vögel mit viel dickerem Schnabel, die einem grünen Kanarienvogel sehr ähnlich sehen. Und zwar gilt das nicht nur für ihre Körperform, sondern auch für die Bewegungen. Während jene schlanken Vögelchen fortwährend nach Zeisigart klettern und turnen, gleichen die behäbigen Gesellen nicht selten älteren, ruhigen Kanarien- vögeln, die ihre Kräfte nicht unnütz verausgaben möchten. Diese Blendlinge sind (abgesehen von einem vielleicht kranken Berghänflingsbastard, auf den wir noch zu sprechen kommen) die einzigen Kanarienbastarde, unter denen ich als seltene Ausnahmen auch solche Männchen traf, welche sich nicht während der ganzen Brunstzeit als unleidliche Raufbolde betätigten. Einen männlichen Zeisigbastard konnte ich dereinst sogar das ganze Jahr hindurch in einem Flugkäfig unter einheimischen Finken halten, ohne daß solcher Fürwitz sich durch allerlei Verstümmelungen der Genossen rächte. Merkwürdigerweise geht die große Schreckhaftigkeit der Erlenzeisige, die ^ durch jede Störung sehr leicht zu nächtlichem Toben veranlaßt werden, auch auf die Bastarde über. Ein schöner, ganz wie eine Lizardkanarie gefärbter Erlenzeisigbastard machte mir dadurch vor Jahren nicht wenig Umstände. Im Flugkäfig veranlaßte er durch seine Schreckhaftigkeit nächtlicherweile immer wieder jenes kopflose Geflatter, durch das sich die Stubenvögel so garstig verunstalten, und auch im Einzelkäfig gelangte er kaum jemals in den Besitz normaler Schwungfedern, da sie alle paar Wochen seinen Tobsuchtsanfällen zum Opfer fielen. Daß ein 4 35 Vererben scheinbar so nebensächlicher Charakterzüge keine seltene Ausnahme bildet, nehmen wir übrigens auch bei den Rothänflingsbastarden wahr, deren Väter ähnlich wie die Diukafinken in der Hand des Menschen zu singen pflegeu. Diese befremdende Gewohnheit ist mir schon bei sehr vielen Rothänflings- bastarden, dagegen noch bei keinem Stieglitz- oder Zeisigbastard begegnet. Daß die Jungvögel der väterlichen Art auffällig ähnlich sehen, trifft namentlich bei den Rothänflingsblendlingen zu. Wenn mich befreundete Orni- thologen besuchten, mußten sie sich solche Vögel schon recht genau betrachten, um zu erkennen, daß sie es nicht mit gewöhnlichen Hänflingen zu tun hatten. Ein vier- oder fünfjähriges Bastardmännchen mit einem Rothänfling zu ver- wechseln, wäre ihnen dagegen sicherlich nie widerfahren. Bei dem Umstande, daß auch das Gefieder der Jungvögel, welche eine reingelbe Kanarie zur Mutter haben, mit dem Jugendkleide der väterlichen Art so auffällig über- einstimmt, mag auch die Tatsache mitsprechen, daß die gelbe Farbe der Mutter nur eine durch Domestikation erworbene Eigenschaft ist, und daß auch bei den Vorfahren der Kanarie die Nachkommen in einem dunklen Jugendkleide steckten. In dieselbe Rubrik gehört es auch, daß wir bei allen Bastardvögeln das dichtere, dunklere Dunenkleid der väterlichen Art finden, und selbst die Erfahrung, daß alle jungen Blendlinge sich beim Flüggewerden gewandt und zielstrebig wie junge Wildvögel bewegen und nicht nach Art junger Kanarien immer wieder von den Sitzstangen purzeln, mag in diesem Zusammenhänge erwähnt werden. H. WiCKEL-Thorn, einer unserer erfolgreichsten Bastard- züchter, behauptete mir gegenüber, er könne schon im Neste an der Beschaffen- heit der Dunen und zwar, wie das Ergebnis gelehrt habe, mit völliger Sicher- heit erkennen, ob er es mit jungen Kanarien oder mit Bastardvögeln zu tun habe. Daß alte Rothänflingsbastarde mitunter ganz prachtvoll gefärbt sind, muß deshalb besonders auffallen, weil die Schmuckfarben des Rothänflings gerade so wie die des Birkenzeisigs in der Gefangenschaft unrettbar dahiuschwinden. Wenn man einen alten Bastard betrachtet, gewinnt man aber auch den Ein- druck, daß nur die Tatsache, daß gerade die betreffenden Stellen, nämlich Stirn und Brust, in Schmuckfarben prangen, als Wirkung des väterlichen Blutes gedeutet werden darf; die Schmuckfarben selber, ein “Gelb, das bald an die Schale der Zitrone erinnert, bald in prachtvollem, hellgoldbraunem Bronzeton leuchtet, muß wohl zum guten Teile als Erbstück seitens der mütterlichen Art bezeichnet werden. Ebenso wie freilebende Rothänflinge prangen auch diese Bastarde im Frühsommer io den sattesten Farben, die ebenso wie bei jenen Vögeln sich erst dann in voller Schönheit zeigen dürften, wenn die Feder- enden, die sie unmittelbar nach der Mauser verdeckten, abgestoßen worden sind. Es verlohnt sich wohl, das Prachtkleid eines solchen recht alten Rot- hänflingsbastards, den ich mir gerade zu diesem Zweck aus dem Käfig langen will, im einzelnen zu beschreiben: Schnabel hornfarben mit dunklerer Spitze, Stirn und Scheitel hellbräunlich- gelb und glänzend wie Goldbronze. Zügel hellgrau, Hinterkopf und Ohr- 5 3^ 36 gegend braun mit schwachen, dunkleren Längsstreifen, ebenso, nur etwas dunkler gefärbt, der ganze Rücken bis zum gelbgrünen Bürzel. Kinn leuchtend hell- gelbbraun. Von gleicher Farbe Kropf und Brust, an der Kehle ein schmaler Streifen, der dunkler geflammt ist. Bauch kanariengelb. Weichen hellzimmet- braun mit dunkleren Längsstrichen. Flügel und Schwanzfedern hänflingsbraun. Ein solcher Vogel mag von der grellen Schönheit vieler Stieglitzbastarde überstrahlt werden, ihn aber als unscheinbar gefärbt zu bezeichnen, geht um so weniger an, als die gelbliche Farbe an Stirn und Brust von ziemlicher Leuchtkraft ist. Von dem Jugendkleid der Hänflingsbastarde ist dieses Pracht- gewand nicht viel weniger verschieden, als das Hochzeitskleid eines zwei- jährigen Rothänflings von dem eines jungen Vogels. Die temperamentvolle Art der Stieglitzbastarde pflegt dem Vogelkenner nicht besonders aufzufallen, da der Stieglitz dieselbe Anlage besitzt. Um so auffälliger ist das kecke, stets auf Kampf und Streit gerichtete Wesen der Rothänflingsbastarde, und wenn man sich daran erinnert, wie draußen in der Natur selbst während der Brütezeit mikinter fünf, sechs Hänflinge trotz großer Sangesfreudigkeit friedlich nebeneinander hausen, wird es einem klar, daß gerade bei ihnen der unüberwindliche Trieb zu Brunstkämpfen als mütterliches Erbe gedeutet werden muß. Das Girlitzerbe der Kanarien mutter äußert sich auch in den Bewegungen der Blendlinge. Während Rothänflinge oft die Neigung haben, ihr Gefieder locker zu tragen und uns deshalb mitunter wenig schneidig und kraftvoll erscheinen, sind völlig gesunde Rothänflingsbastarde in der Regel aalglatt und straff. Wenn diese Blendlinge in brünstiger Erregung nach Girlitzart laut singend über dem Kopfe des feurig befehdeten Gegners rütteln, so fällt es uns schwer zu glauben, daß die furchtlosen Kämpen die Nachkommen eines Rothänflings sind, der Jahr und Tag in unserer Flughecke das Leben eines behäbigen Rentners zu führen schien. Allerdings, mit den Bastarden des Girlitz {Serinus ho7'tulanus Koch) können es selbst solche Vögel an unentwegter Rauflust noch lange nicht auf- nehmen. Auch unter diesen Blendlingen sind selbstverständlich individuelle Unterschiede vorhanden, doch sind sie meinen Erfahrungen nach lange nicht so groß wie bei Stieglitz- und Zeisigbastarden, was uns auch nicht allzusehr verwundern darf, weil der spezifische Unterschied zwischen Vater und Mutter bei ihnen überaus gering ist. Fühlen wir doch schon wegen der Fruchtbarkeit dieser Bastarde ein gewisses Bedenken, die europäischen Girlitzformen und den Kanariengirlitz, den Stammvater unseres gelben Hausfreundes, als scharf getrennte Arten zu bezeichnen. Wir werden das wegen der Beständigkeit ihrer Färbungsmerkmale und wegen des beträchtlichen Größenunterschiedes sicherlich tun müssen, aber dennoch dürfen wir niemals vergessen, daß es eben Species sind, die einander ganz besonders nahestehen und von einander kaum durch eine viel größere Kluft getrennt sein mögen als unser Dompfaff {Pyrrhula pyi'rhula europaea Vieill.) und die große östliche Form dieses Vogels {Py^'rhula 6 37 pyy'rhula L.). Damit hängt es auch zusammen, daß diese Blendlinge sich fast uneingeschränkt fortpflanzen können, während bei den übrigen Bastarden nur in überaus seltenen Fällen ein Vertreter der zweiten Generation das Licht der Welt erblicken mag, sozusagen nur als eine Ausnahme, welche die Kegel, daß die Blendlinge ihre Sondernatur nicht dauernd zu erhalten vermögen, zu ihrem Teile noch bestätigt. Dennoch hoben wir soeben mit voller Absicht das Wörtchen „fast“ hervor, denn wenn Girlitzbastarde der zweiten Generation keine Seltenheit sind und auch nicht selten noch von solchen der dritten und vierten Geschlechtsfolge berichtet wird, so ist damit ein streng wissenschaft- licher Beweis für die uneingeschränkte Fruchtbarkeit dieser Bastarde doch noch nicht erbracht. Sie besteht vorläufig sozusagen nur in der Theorie; in Wirklichkeit pflegt ja die Fortzucht solcher Geschöpfe auf soviel Hindernisse zu stoßen, die mit der Fruchtbarkeit der Tiere an sich gar nichts zu tun haben, daß die in Frage kommenden Zuchttiere zugrunde gehen, ehe sie noch zu Zuchtversuchen verwandt werden können. Bezüglich der Fruchtbarkeit der anderen Kanarienbastarde möchten wir noch beiläufig bemerken, daß die Fälle von Fruchtbarkeit der Bastard Weibchen sich möglicherweise vermehren dürften, wenn man häufiger zwei- und dreijährige Vögel in die Hecken bringen wollte. Einjährige Weibchen dieser Kreuzungen sind nur in den seltensten Fällen als vollkommen geschlechtsreif zu bezeichnen. Die einzelnen Girlitzbastarde pflegen sich, abgesehen von der Färbung, im wesentlichen nur hinsichtlich der Größe zu unterscheiden. Kleineren, schlankeren Bastarden, deren Kopf und Schnabelbildung ganz an den Vater erinnert, stehen größere Vögel gegenüber, deren Kanariennatur viel deutlicher hervortritt. Diese pflegen sich auch weniger keck und hurtig zu bewegen, und sie sind in der Regel auch nicht ganz so schreckliche Raufbolde, wie ihre kleineren Sippegenossen. Absolut genommen sind die Unterschiede aber nicht allzugroß, kommen doch sogar unter den reinen Kanarienvögeln nicht selten solche Stücke vor, deren Kopf- und Schnabelform auffällig an die unseres Girlitzes erinnert. Um sich darüber klar zu werden, worin der Kern und das Wesen tierischer Brunstkämpfe eigentlich bestehen, braucht man nur einen solchen kleineren Girlitzbastard einen Sommer hindurch in einem mit Finkenvögeln besetzten Flugkäfig zu beobachten. Allerdings wäre dabei ein gut Teil Tierquälerei, müßte man doch den gelbgrünen Ritter ohne Furcht und Tadel immer wieder zu Einzelhaft verurteilen, damit die ehrenvollen Wunden vernarben könnten, die er in den unaufhörlichen Brunstkämpfen davonzutragen pflegt. Auch die reinblütigen Girlitze treiben es in dieser Hinsicht sicherlich arg genug; doch dürfen wir trotzdem wohl behaupten, daß die brünstige Rauflust bei den Girlitz- bastarden noch wesentlich größer ist. Früh von des Morgens erstem Schein bis zum verdämmernden Abend gehen die hitzigen Männchen ganz und gar in dieser Beschäftigung auf und halten nur dann einmal Ruhe, wenn der erschöpfte Körper die Kräfte zu neuem Streit nicht mehr hergeben will. 7 38 Unaufhörlich folgt ein Balzflug dem anderen, und augenscheinlich dienen diese Flugkünste nicht nur dazu, sich dem Gegner bemerkbar zu machen, sondern sie sind gleichzeitig der Anmarsch zum AngrifiP. Aus dem Balzfluge heraus greift der brünstige Vogel sogleich seinen Partner an, indem er rüttelnd über ihm in der Luft schwebt und dem Feinde mit Schnabel und Krallen zu Leibe geht, wenigstens dann, wenn es sich um einen Widersacher einer anderen Art handelt, denn Girlitze und Girlitzbastarde pflegen dem Angreifer schon in der Luft zu begegnen, da sie ihm in gleichem Balzfluge entgegenstreben. In diesen Fällen kommt es in der Regel nicht zu ernstlichen Verletzungen. Die Gegner fallen als wirrer Federknäuel zur Erde und stieben auseinander, sobald sie den Boden berührt haben. Gilt der Angrifi* einem sitzenden Vogel, der, im Besitze eines festen Haltes, die Kraft seiner Muskeln wirksamer ausnutzen kann, so liegt viel mehr Grund zu Besorgnis vor. Manch biederer Grünfink wurde bei mir durch die unaufhörlichen Angriffe dieser quecksilbernen Gesellen schließlich ganz nervös und schreckhaft, obgleich er sich ihrer bei seiner überlegenen Körperkraft wohl erwehren konnte, und suchte schließlich, um nur vor den unermüdlichen Quälgeistern Ruhe zu haben, solche Stellen des geräumigen Behälters auf, an denen er vordem nie zu finden war. Ich erwartete anfangs, daß die unaufhörlichen Brunstkämpfe und der hohe Erregungszustand, der sie veranlaßt, diese Bastarde schädlich beeinflussen würden, und daß ich zum mindesten bei der nächsten Mauser mit großen Ver- lusten zu rechnen haben würde. Diese Befürchtung hat sich als grundlos erwiesen. Selbst solche Tiere, die in den Brunstkämpfen fast skalpiert worden waren und dabei noch mehrere Zehen eingebüßt hatten, erholten sich sehr rasch, mauserten schnell und prangten nach der Mauser in glatter, frischer Schönheit. Beinahe könnte man sich zu der Behauptung veranlaßt fühlen, wir dürften gerade den erbittertsten Brunstkämpfern die längste Lebensdauer in Aussicht stellen, weil eben diese Kampflust für ihre volle, ungebrochene Lebenskraft das gültigste Zeugnis ablegt. Meinen Erfahrungen nach sind jene Weibchen, welche nicht zum Brutgeschäft gelangen, weit übler daran. Gerade von diesen pflegt ein großer Bruchteil während der Mauser an Auszehrung zugrunde zu gehen, wie denn überhaupt bei mir die Sterblichkeit unter den Bastardweibchen höher war als die unter den Männchen gleicher Blutmischung. Um das uneingeschränkt behaupten zu dürfen, müßte ich allerdings noch viel mehr solche Tiere verpflegen. Immerhin sind aber meine Wahrnehmungen umfassend genug, um solchen Schlüssen einigen Wert beizulegen. Beispiels- weise hatte ich während des großen Weltkrieges für den Graudenzer Kinder- arzt Dr. Schultz, der den feldgrauen Rock anziehen mußte, mehr als ein Dutzend verschiedener Bastardweibchen in Pflege genommen, welche der genannte Herr erworben hatte, um an ihnen Gewebe- und Organverpflanzungen vorzunehmen. Es liegt nahe, daß ich diese Vögel mit doppelter, ja dreifacher Sorgfalt versah, um nicht durch Mißerfolge meinen Ruf als Tierpfleger zu gefährden. Das will um so mehr besagen, als der Unterhalt solcher Vögel kaum 8 39 besondere Schwierigkeiten macht und man ihnen, abgesehen von Vogelmiere und knospenden Baumreisern, keine besonderen Wohltaten erweisen kann. Trotzdem gingen mir in knapp zwei Jahren drei von den dreizehn Weibchen zugrunde, und zwar sämtlich deshalb, weil sie während der Mauser an Aus- zehrung erkrankten. Hätte sich unter den Vögeln eine größere Zahl älterer Tiere befunden, so wäre dieser Bruchteil der Toten so ziemlich normal gewesen, aber vermutlich zählten alle diese Bastardweibchen, als ich sie erhielt, erst ein Lebensjahr oder höchstens deren zwei. Wenn ich sage, die Vögel erkrankten während der Mauser, so stimmt das insofern nicht ganz, als die zugrunde gegangenen Tiere gar nicht recht in die Mauser kamen, sondern an Stelle dieses naturgemäßen Lebensvorganges die erwähnten Krankheits- erscheinungen eintraten. Einer der auf solche Weise eingegangenen Vögel, ein Bothänflingsblendling, ist mir ganz besonders in der Erinnerung geblieben, weil es sich bei ihm um das einzige Bastard weibchen handelte, das in meinen Vogelstuben einen regelrechten Gesang vortrug. Von den weiblichen Stieglitz- und Zeisigbastarden zwitscherten ja eine ganze Menge, doch würde ich dies Getön, das sie nicht selten Viertelstunden lang fortsetzten, schon aus dem Grunde nicht schlechthin als Gesang bezeichnen, weil es nicht in lange, selb- ständige Strophen gegliedert war. Der Gesang dieses weiblichen Hänflings- bastards begann nicht etwa im Lenz, sondern erst am Schluß einer Brunstzeit, während welcher das Tier nicht zum Brutgeschäft gekommen war. Mit den Liedern männlicher Rothänflingsblendlinge hatten die Weisen so gut wie nichts gemeinsam; es waren schlagartige Strophen von einander ganz ähnlichen Tönen, doch waren sie lang genug und rhythmisch so innig miteinander verschmolzen, daß sie kein Gezwitscher, sondern einen regelrechten Gesang darstellten. An Tongebilde der im gleichen Raum verpflegten Singvögel lehnte er sich durch- aus nicht an, so daß es klar war, es handle sich nicht um spielerische Nach- ahmung immer wieder gehörter Lautbilder, sondern der Vogel bemühe sich, zu singen, weil ein innerer Drang ihn dazu zwinge. Das Bastardweibchen begann mit seinen Liedern etwa im Anfang des August, wo seine Mauser zu erwarten war, und blieb bis in den November hinein in vollem Gesänge, um erst wenige Tage vor seinem Tode vollkommen zu verstummen. Weil keine Mauser eintrat, wurde der Vogel [immer ruppiger und ruppiger, so daß man durch seine dünnstehenden, abgenutzten Federn ebenso gut die Haut zu sehen • • vermochte, wie zwischen den Ähren eines kassubischen Roggenfeldes den leuchtenden Sandboden. Auch die hohe Zahl der Atemzüge verriet dem Beobachter, daß er es mit einem Kranken zu tun habe. Trotzdem blieb das Blendlingsweibchen auch noch in diesem Zustande in einem Singen, einem Lichte ähnelnd, das sich mit großer, heller Flamme rasch verzehrt. Während sonst singende Weibchen nicht selten auch die brünstige Streitlust der Männchen zeigen, war dieser Vogel vollkommen friedlich und behelligte keins der Finkenmännchen, bei denen ich ihn in meinem Wohnzimmer untergebracht hatte, um ihn besser beobachten zu können. 9 40 Trotzdem gerade die Girlitzbastarde von unbändiger Brunstraserei befallen zu werden pflegen, zählte der kampflustigste, wütendste Kanarienbastard, den ich besessen habe, nicht zu ihnen. Es war ein Blendling der Grünfinken (Chloris chloris L.), der sich während der Brunstzeit geradezu wie ein gefangenes Raubtier benahm. Um zu erproben, ob der Erregungszustand sich legen möchte, wenn der Vogel nicht mehr beständig durch die Lockrufe und den Anblick verwandter Männchen gereizt würde, brachte ich diesen Blend- ling zuletzt in einer entlegenen Bodenkammer unter. Trotzdem tobte er nach wie vor, und es war geradezu komisch, wie er mit seinem starken Schnabel in verblendeter Wut an den Drahtsprossen der Käfigwände rüttelte und selbst die Sitzstangen zum Ziel seiner unüberlegten triebmäßigen Angriffe machte. Andere Grünfinkenbastarde trieben es dagegen nicht ärger, wie ich es von der Mehrzahl der Blendlingsmännchen gewohnt bin, und ein solcher Bastard erwies sich sogar als recht schüchterner, beinahe furchtsamer Vogel. Unter diesen Blendlingen war so manches Männchen, das man nach seinem Gefieder unbedenklich als einen Grünfinken bezeichnet hätte; selbst bei genauerem Hin- sehen wäre ein Vogelkenner erst dann seines Irrtums bewußt geworden, wenn er einen Grünling zum Vergleiche daneben gehalten und einen Körperteil nach dem andern aufmerksam betrachtet hätte. Gerade meine Grünfinkenbastarde warnten mich auf das eindringlichste davor, über das Temperament solcher Geschöpfe nach den an zwei, drei Stücken gemachten Erfahrungen mit allzu- großer Sicherheit zu urteilen. Gerade bei den Blendlingen scheinen geschlecht- liche Entartungen nicht selten zu sein, und deshalb kann es dem, der keine individuellen Abweichungen bei artgleichen Tieren voraussetzen möchte, leicht widerfahren, daß er gerade eine Ausnahme, ja etwas Krankhaftes als den Durch- schnitt und die Regel hinstellte. Solche Entartungen sind durchaus nicht immer angeborene Eigenschaften der betreffenden Individuen. Nicht selten finden sie sich erst in höherem Lebensalter. Beispielsweise trug ein Bastard des Berghänflings {Acanthis flavirostris L.), den ich bei der 37. Jahresversamm- lung des Westpreußischen Botanisch -Zoologischen Vereins in Dt. Eylau im Jahre 1914 als Seltenheit vorführte, damals weit lebhaftere Hochzeitsfarben, obgleich inzwischen zwei Jahre ins Land gegangen sind und die Geschlechts- merkmale des Vogels nunmehr viel stärker hervortreten sollten. Da dieser Bastard sich jetzt auch viel friedfertiger benimmt als in seinen Jugendtagen, habe ich wohl ein Recht dazu, diese Veränderungen seines Temperaments auf eine körperliche Entartung zurückzuführen, so daß dieses Individuum von mir beileibe nicht mehr als typischer Vertreter solcher Blendlinge geschildert werden dürfte. Um dem Leser eine Vorstellung von dem Beobachtungsmaterial zu geben, auf Grund dessen ich die Vererbungserscheinungen zu deuten wage, möchte ich hier anführeu, daß ich im Laufe eines Menschenalters vielleicht 60 Grünfinken, 50 Stieglitze, ebensoviel Zeisige und Rothänflinge und an die 30 Girlitze längere Zeit, in der Regel jahrelang verpflegte, während die Zahl der „Passanten“ in die Hunderte ging. Dabei handelte es sich um Männchen. 10 41 Weibliche Vögel besaß ich in viel geringerer Anzahl. Über 12 — 15 dürfte ich bei keiner Art hinausgekommen sein. Diese Zahl wurde bei den Girlitz- weibchen wohl erreicht, da sie mir im Herbst immer wieder als Männchen zugesandt wurden. Wenn ich in meinen Schlüssen hier und dort danebenhaue, wird es nicht am wenigsten daran liegen, daß ich hinsichtlich des Temperaments der Vögel mit den Eigenschaften der Weibchen nicht so wohl vertraut bin wie mit denen des männlichen Geschlechts. Bei der Gelegenheit möchte ich von den beiden Bastarden, die ich damals in Dt. Eylau vorführen durfte, noch einiges andere berichten. Diese beiden Blendlingsmännchen, ein Berghänflings- und ein Leinfinkenbastard, waren die beiden seltensten Kanarienbastarde, die ich jemals besessen habe, so daß der Leser sich wundern könnte, daß ich sie hier erst so spät in das Treffen führe. Daß dem so ist, liegt an Gründen, die ich soeben des weiteren erörterte. Weil es sich hier um einzelne Individuen handelt, schreibe ich den Beobach- tungen, welche ich an diesen Vögeln machte, nur einen vergleichsweise geringen Wert zu. Dennoch glaube ich an den beiden Blendlingen so manches gelernt zu haben, denn trotz aller individuellen Abweichungen haben solche Geschöpfe in ihren Bewegungen und Lautäußerungen doch immerhin soviel gemeinsam, daß der erfahrene Vogelpfleger auch dann, wenn seine Wahrnehmungen sich schlechterdings nur auf einen einzigen Vogel beziehen, nicht anstehen wird, dies und jenes in ihrem Wesen für bezeichnend und typisch zu erklären. Vor allem ist mir an diesen Bastarden, deren Väter nordischen Vogel- arten angehören, der Umstand aufgefallen, daß ihre Brunst trotz der domesti- zierten Mutter erst sehr spät einsetzt. Besonders trat das bei dem Leinfinken- bastard hervor, der erst im zweiten Drittel des Juni jene Unrast, Sangeslust und Unverträglichkeit an den Tag legte, welche die Höhe der Brunst zu kenn- zeichnen pflegen. Nur in diesen Wochen durfte der Vogel wirklich als fleißiger Sänger bezeichnet werden; im Herbst und Winter übte er nicht allzuviel, und selbst im April, wenn die deutschen Finken und ihre Bastarde längst im Sängerkriege miteinander wetteiferten, leierte er sein Liedchen noch ohne besonderes Feuer und ohne auffälligen Eifer. Trotz der unauffälligen, braunen Farbe, die dem Jugendkleide dieses Vogels zu eigen war, hätte ich ihn doch nie für einen Hänflingsbastard gehalten; daran hätten mich schon die Form und die Bewegungen des Kopfes gehindert, dessen Werkzeugnatur — ich finde keinen bezeichnenderen Aus- druck — bei dem Blendling ebenso unverkennbar ist wie bei dem Vater. Noch neulich las ich die Bemerkung eines Bastardzüchters, die Zucht von Leinfinkenblendlingen lohne nicht recht, weil diese Vögel kein schönes Gefieder bekämen. Der betreffende Gewährsmann ist sicherlich einer jener Züchter, welche ihre Nachzucht gewöhnlich schon im ersten Lebensjahr, wenn möglich sogar vor ihrer ersten Mauser zu verkaufen suchen. Ist doch mein Leinfinkenbastard ganz im Gegensatz zu jener Behauptung ein auffallend hübscher Vogel, nicht darum, weil er ein besonders buntes Gefieder trägt. 11 42 sondern deshalb, weil sein schlichtes, braungelbes Kleid in einem wunder- hübschen Goldglanz prangt, der an Stirn und Brust am stärksten ist. Meine Leinfinkenmännchen, die im Käfig schon mehrmals gemausert haben, erscheinen neben diesem Blendling überaus dürftig und unscheinbar. Die kurzen Füße, die Form des Schnabels und die- sehr stark entwickelten Borsten an dessen Wurzel verraten die Art des Vaters nur allzugut, und auch in seinen Bewe- gungen ist der Bastard mindestens ein halber Leinfink. Wenn man den Vogel im Gezweige herumklettern sieht, kann man an seinem guten Willen, es dem Vater völlig gleichzutun, nicht mehr zweifeln; nur scheint der etwas plumpere Rumpf bei solchen Kunststücken nicht recht mithalten zu können. Auch die Lockrufe und die Bewegungen des brünstig erregten Männchens haben noch viel Leinfinkenartiges an sich. Weil aber der Vogel ein gut Stück größer ist als der Birkenzeisig, sein helles Gefieder einen leuchtenden Farbton hat und der Umfang seiner Stimme doch wesentlich größer ist, sieht der unruhige Gesell weit schneidiger und kecker aus als seine Ahnen, so daß auch dieser Bastard sein durch die Kanarienmutter vermitteltes Girlitzblut nicht verleugnet. Auf der 38. Jahresversammlung des Botanisch-Zoologischen Vereins führte ich diesen Blendling vor, um an ihm zu zeigen, wie leicht Beinbrüche gefangener Vögel verheilen, wofern ein kräftiger, vollsaftiger Vogel von dem Mißgeschick getroffen wurde. Der Blendling hatte sich diese Verletzung im minniglichen Kampfe mit einem Grünfinken zugezogen, der in berechtigter Notwehr dem von oben auf ihn stoßenden Angreifer die Kraft seines dicken Schnabels beweisen sollte. Auch späterhin zeigte er sich als unverbesserlicher Raufbold. Sobald der Vogel im Juni in Brunst kam, mußte ich ihn, um Unheil zu ver- hüten, in einem leeren Flugkäfig unterbringen, wo er beständig lockend voller Unrast umherflog und durch sein ganzes Gebühren bekundete, wie wenig ihm der erzwungene Friedenszustand behagen mochte. Leider ist er gerade in diesen Tagen schwer erkrankt, auch ein Opfer des Weltkrieges, weil die Säme- reien, die ich mühselig genug für meine Pfleglinge auftreibe, hinsichtlich ihrer Güte schon längst nicht mehr den Anforderungen entsprechen, welche ein gewissenhafter Vogelpfleger an solche Ware stellen soll. Hoffentlich gelingt es mir, durch innerliche und äußerliche Behandlung mit gutem Olivenöl den schädlichen Wirkungen der Bakterien, welche seinen bösen Darmkatarrh hervorriefen, so erfolgreich entgegenzuarbeiten, daß mir der seltene Vogel erhalten bleibt. Alles in allem habe ich den persönlichen Eindruck, daß der Leinfinken- bastard, den ich beobachten durfte, ein recht typischer Vertreter dieser Kreuzung sei. Was meinen Berghänflingsblendling angeht, so möchte ich nicht das Gleiche behaupten, schon aus dem Grunde, weil der Vogel in seinem zweiten Lebensjahr viel auffälliger gefärbt war als späterhin. Da auch die übrigen Erscheinungen der Brunst damals viel auffälliger hervortraten als im letzten Sommer, liegt, wie ich oben schon ausführte, der Verdacht nahe, daß der Vogel in irgend einer Hinsicht entartet sei. Auf eine Erkrankung im engeren 12* 43 Sinne wage ich jene Veränderungen nicht zurückzuführen, denn der Bastard trägt sich schlank, ist gut befiedert und läßt auch, namentlich während der ebenso wie bei dem Leinfinkenblendling recht spät eintretenden Brunstzeit seinen Gesang vernehmen, wenn er auch hinter dem Birkenzeisigbastard an Sanges- lust bedeutend zurücksteht. Auch vorher zählte dieser Vogel nicht zu den lebhafteren Bastarden, doch dürfte es voreilig sein, den Eigenschaften dieses vermutlich nicht ganz normalen Bastards einen allzuhohen Wert beizulegen. Mancher, der in den hier behandelten Stoff näher eingedrungen ist, könnte sich wundern, daß ich diese beiden Bastarde als Seltlinge bezeichne, obgleich namentlich in England auch diese Blendlinge in größerer Zahl gezüchtet werden. Solche Vögel kommen zu lassen, hätte für mich wenig Zweck. Ihre Mütter sind zumeist riesige, englische Gestaltskanarien, d. h. ganz einseitig weiter- gezüchtete Vögel, die sich auch nach der Seite des Temperaments von unseren Landkanarien und Harzer Sängern wesentlich unterscheiden. Um von dem Nachwuchs dieser Vögel wirklich etwas lernen zu können, müßte ich erst eine größere Anzahl englischer Gestaltskanarien, ein rundes Jahr zum mindesten, aufmerksam beobachten. Dazu reicht aber der Inhalt meiner Börse ebenso- wenig wie meine Zeit, empfindet man es gerade bei diesen Arbeiten doch so wie so schon lästig genug, daß man oft um einer geringen Erkenntnis willen recht große Geduld entwickeln muß. Im allgemeinen wird die Bastardzucht von solchen Züchtern betrieben, die vordem reine Kanarienvögel zu züchten pflegten. Da diesen Leuten haupt- sächlich daran gelegen ist, den Gesang ihrer Zuchttiere zu verbessern, haben sie in der Hegel eine begreifliche Neugierde, wie es mit dem Gesänge der Blendlinge bestellt sein werde. Dennoch richteten sie mit ihrem Urteil dar- über mancherlei Verwirrung an, weil sie, von Hause aus bestrebt, ihrer Nach- zucht treffliche Vorsänger zu halten, auch die Blendlinge zumeist mit trefflichen Lehrmeistern zusammenbrachten. Weil nun alle Bastarde, namentlich in der Jugend, mehr oder weniger Spöttertalente besitzen, strebten die jungen Vögel hauptsächlich danach, sich die Lieder dieser Vorsänger anzueignen, und es war dann schlechterdings unmöglich, zu entscheiden, was von den Lautäuße- rungen überhaupt als ihr eigener, angestammter Besitz bezeichnet werden könnte. Wenn auch viele Vogelpfleger dem Gesänge mancher Blendlinge reiches Lob zollen, so vermag ich dem doch nicht vorbehaltlos beizupflichten. Muß ich auch zugeben, daß viele Bastarde recht anmutige Weisen vortragen, so schätze ich doch einen wirklich gut singenden Stieglitz und Rothänfling als Sänger höher ein als deren Bastarde. Augenblicklich besitze ich einen Rothänflings- blendling, der als Sänger allen seinen Vorgängern überlegen ist; so oft ich ihn jedoch neben meinen stimmgewaltigsten Rothänfling hänge und eine Zeit- lang ihrem Sängerkriege lausche, bin ich niemals zweifelhaft, wem ich die Palme zuerkennen soll. Die Blendlinge der Erlenzeisige, Leinfinken und Berg- hänflinge sangen allerdings besser als ihre Väter, doch will das bei deren bescheidenen Stimmmitteln ja nicht allzuviel besagen. Wer mit den Vogel- 18 44 stimmen unserer Wälder und Felder vertraut ist, fühlt bei den Liedern der Bastarde immer ein gewisses Unbehagen. Sicherlich hat alles Persönliche, Eigenartige besonderen Wert, doch ist der Rahmen des der Art eigentümlichen Gesanges gerade bei den besseren Sängern weit genug, um auch individuelle Sonderleistungen zu ermöglichen. Die Weisen der Blendlinge erscheinen uns dagegen weniger eigentümlich als vielmehr ausschweifend und regellos, sozu- sagen wie Gebilde, welche im leeren Raum schweben. Vom Standpunkt eines Goethe verdienten sie in ihrer Eigenart kaum als wahr und seiend gepriesen zu werden. Auch das persönliche Gepräge eines menschlichen Künstlers werden wir ja nur so lange als liebenswert empfinden, so lange wir darin bei aller persönlichen Eigenart das Wesen eines bestimmten Volkstums wiederfinden, während wir dem Manne, der keine völkischen, sondern nur persönliche Eigenschaften aufwiese, höchstens empfehlen könnten, sich von Gulliver als Nationaldichter für eines seiner Märchenvölker anwerben zu lassen. Im Gegensatz zu jenen Kanarienzüchtern, die sich im Nebenamt mit Bastard- zucht beschäftigen und die Blendlinge zu möglichst guten Sängern ausbilden möchten, ist dem Forscher, der die Eigenschaften solcher Geschöpfe kennen lernen will, mit derlei Förderung der Vögel wenig gedient, weil dadurch die vererbten Lautäußerungen nur verhüllt und unkenntlich gemacht werden. Wo die Absicht, den ererbten Besitz der Jungvögel festzustellen, nicht vor- liegt, handelt deren Besitzer wohl am praktischsten, wenn er den jungen Stieglitz- und Rothänflingsbastarden in besonders gut singenden Stieglitzen bzw. Rothäuflingen Lehrmeister bestellt. Sie lernen deren Lieder in kürzester Frist getreu nachahmen, da ihre Lautäußerungen infolge der Abstammung so wie so die Neigung haben, sich in ähnlichen Bahnen zu bewegen. Der Um- stand, daß ihre Stimmmittel in solchen Fällen, wo sie von hochedlen Kanarien abstammen, einen größeren Umfang haben als bei den Männchen der väter- lichen Arten, tut der Sache keinen Eintrag; der Stieglitz- und Hänflingsgesaug kann dadurch an Kraft und Feuer nur gewinnen. Hinsichtlich der individuellen Entwickelung der Gesangesgabe unserer Kanarienbastarde möchte ich unterscheiden: 1. die Sangesübungen der Männ- chen vor der ersten Brunstzeit; 2. ihren Gesang in den Wochen und Monaten höchster geschlechtlicher Erregung; und 3. die mehr spielerische Betäti- gung des Triebes während der in geschlechtlicher Hinsicht neutraleren Jahreszeit. Die meisten Blendlinge beginnen mit dem Gesänge schon bald, nachdem sie das Nest verlassen haben, doch bestehen in der Hinsicht große individuelle Unterschiede, und nicht immer werden die Vögel die besten Sänger, die am frühesten mit den Übungen begonnen haben. Wer solchen übenden Bastard- jünglingen fleißig zugehört hat, wird die darauf verwandte Zeit nicht zu bedauern haben. Immer wieder wird er Zeuge davon, wie Töne des Wildlings- gesanges mit Bestandteilen des Kanarienliedes um den Vorrang streiten. Bald zwitschert da ein Blendling wie ein Zeisig, bald reiht er wieder Lockrufe des 14 45 Kanarienvogels aneinander, bald folgen bei einem Rothänflingsbastard auf frohe Rufe, deren Hänflingsnatur unverkennbar ist, kurze, rollende Strophen, wie wir sie von unseren Harzer Freunden zu hören bekommen. Anfangs werden diese Töne nur rein äußerlich nebeneinander gesetzt, so daß sie nur ein langsames, mühseliges Gestammel ergeben. Dann werden die anfangs noch recht auffälligen Pausen kürzer und kürzer, und allmählich macht sich auch eine rhythmische Zusammenfassung längerer Strophen bemerkbar, bis schließlich das Ganze trotz seiner mannigfachen Bestandteile eine organische Einheit zu bilden beginnt und so flott und frisch vorgetragen wird wie der Gesang irgend eines blutreinen Sängers. Allerdings gilt diese Darstellung nur für solche Fälle, wo der Jungvogel nicht mit Sängern anderer Vogelarten zusammen- gehalten wird. In deren Nachbarschaft haben die intransitiven, so zu sagen von innen heraus unterhaltenen und geförderten Übungen der Jungvögel in der Regel bald ein Ende. Der Nachahmungstrieb tritt dann in seine Rechte, und die möglichst getreue Wiedergabe der immer wieder vernommenen Weisen wird sein Ziel. Für gewöhnlich sind die Kanarienbastarde recht gewandte Spötter, doch gilt für den so erworbenen Besitz fast immer die Regel: wie gewonnen, so zerronnen. Während der ersten Brunstperiode brechen sich zumeist doch ererbte Strophen und Rufe mit elementarer Gewalt eine freie Bahn und das, was Hänschen lernte, hat Hans schier über Nacht vergessen und verlernt. Mein Rothänflingsbastard, der als Jungvogel das Lied des Grauedel- sängers vollkommen täuschend nachahmte, läßt heutzutage als fünfjähriger Vogel nie mehr ein Bruchstück dieser Weise hören. Will man von den Fähigkeiten der Bastarde eine möglichst günstige Vor- stellung gewinnen, so darf man ihnen beileibe nicht dann lauschen, wenn sie in brünstiger Erregung ihre Kriegslieder nur so hervorsprudeln. Es geht ihnen darin ähnlich wie unseren Walfenstudenten, die auf dem Fechtboden auch eleganter zu fechten pflegen wie auf dem Paukboden, wo die scharfen Speere sausen. Wir gewinnen fast den Eindruck, als ob die Gesangesübungen in geschlechtlich neutraler Zeit mehr ganz im allgemeinen dem Zwecke dienen sollen, die beim Singen benötigten Organe zu kräftigen und geschmeidig zu machen, als daß sie ein strophenreiches Lied in allen seinen Teilen scharf aus- prägen wollten, damit es in solcher Form als Brunstruf dienen könnte. Die Töne, welche wir von den Bastarden in den Zeiten höchster geschlechtlicher Erregung zu hören bekommen, unterscheiden sich von den Weisen, die in neutralerer Zeit herausgebildet werden, nach zwei Richtungen hin. Einmal treten alle durch Nachahmung erworbenen Strophen zugunsten solcher Laut- reihen sehr zurück, die wir mit Leichtigkeit als ererbten Besitz der Vögel zu erkennen vermögen. Wie uns der Zorn die wahre Natur eines Menschen verrät, so gilt auch bezüglich der Blendlinge die Regel, daß sie in höchster Leidenschaft am deutlichsten ihre Abstammung verraten. Zum andern finden wir anstelle der früheren Mannigfaltigkeit insofern eine ermüdende Einförmig- keit, als immer wieder ein paar laute, gellende Rufe hervorgestoßen werden, 15 46 die sich durch besoudere Tonstärke auszeichnen und außerdem den Sängern sehr geringe Mühe zu verursachen scheinen. Im allgemeinen stellen die Biologen die Sache so dar, als ob jene Sing- vögel, die als Gesang einen regelrechten Schlag, d. h. eine Reihe ziemlich gleichartiger Töne hören lassen, auf die Weise zu dieser Strophe gekommen seien, daß sie einfach ihren Lockruf wiederholten und die so entstandenen Tongebilde einem mehr oder weniger vollkommenea Rhythmus anpaßten. Ob diese Erklärung wohl das Rechte trifft? — Nicht wenig Vögel, die während der Brunstzeit schlagen, lassen während der in geschlechtlicher Hinsicht neu- tralen Monde, wo sie ihren Gesang einüben, ein Getön hören, in dem sehr verschiedene Lautgebilde miteinander abwechseln. Ob da nicht die Meinung berechtigt ist, daß sie vor Zeiten einen wechselvollen Gesang ihr eigen nannten, in dem das Urbild ihres heutigen Schlages nur einen kleinen Teil bildete, daß sie dann aber diesen Teil immer mehr bevorzugten, weil in ihm besonders viel trotzige Kraft zum Ausdruck kam, ohne daß sein beständiger Vortrag den Sänger sonderlich ermüdete? — Höchstwahrscheinlich wird das weit häufiger der Fall sein als wir gemeinhin vermuten. Haben wir doch nach allgemeinen ^ • Erfahrungen ein gewisses Recht dazu, in solchen Fällen, wo der Ubungsgesang der jungen Vögel von dem scharf ausgeprägten Brunstlied wesentlich ver- schieden ist, aus dieser Tatsache auf die Eigenart der Lieder zu schließen, welche die betreffenden Arten auf früheren Stufen ihrer Entwickelung hören ließen. In diesem Zusammenhänge möchte ich beispielsweise daran erinnern, daß die Gesangsübungen des Buchfinken {Fringilla coelebs L.) manche Ähnlich- keit mit dem fertigen Liede eines nahen Verwandten, des Bergfinken {Frin- gilla moniifringilla L.), besitzen. Solche Wahrnehmungen geben uns doch mancherlei zu denken. Auch im Freileben machen wir ja die Erfahrung, daß manche Singvögel zur Zeit der höchsten Erregung vorwiegend einige wenige laute Strophen und gellende Rufe hinausschmettern. Dennoch pflegt sich in der Natur die dadurch bewirkte Entartung des Liedes in engeren Grenzen zu halten, da die Sänger auch in den Wochen der höchsten Brunst zur Nahrungssuche ge- zwungen sind und dadurch wenigstens zeitweilig auf andere Ziele eingestellt werden. Außerdem spielt sich dort ihr Leben in einem viel größeren Raume ab. Daraus ergibt sich eine größere Mannigfaltigkeit der Bewegungen, denen sich die Rhythmen des Gesanges mehr oder minder anpassen. In der Gefangenschaft dagegen können sich die erregten Männchen fortwährend ihrem brünstigen Kampf- triebe überlassen, und bei der geringen Mannigfaltigkeit ihrer Bewegungen darf es uns nicht wundernehmen, daß so mancher Grünfinkenbastard uns im Frühsommer durch die ewige Wiederholung kurzer, geradezu grell klingender Strophen und langgezogener, mißtönender Rufe beinahe zur Verzweiflung bringt. Manche Be- sucher, die ich im Mai oder Juni in meine Vogelstube führte, fühlten sich, wenn sie eine Viertelstunde lang die ununterbrochenen Lockrufe von fünfzehn Bastard- weibchen und das überlaute, kaum noch als Gesang zu bezeichnende Getön von sechs, sieben Bastardmännchen genossen hatten, dadurch geradezu zum Lachen gereizt. k; 47 Am wenigsten wird noch der Gesang des Stieglitzbastards durch den brünstigen Übereifer entstellt, da er so wie so von kriegerischem Feuer ei'füllt ist. Viel schlimmer ist es dann um den Gesang der Rothänflingsbastaide bestellt, aber am ärgsten treiben es doch die Grünfinkenblendlinge, welche zur Brunstzeit mit ihrem gellenden Getön geradezu Steine erweichen und Menschen rasend machen können, so anmutig in geschlechtlich neutralerer Zeit ihre weichen Lockrufe und gleichmäßig dahinrollenden Strophen sein mochten. Nicht viel nach geben ihnen im minniglichen Lenz die Girlitzbastarde, deren aus- drucksloses Geklirr dann stundenein, stundenaus im Schnellzugstempo vor- getragen wird. Ganz anderen Zuständen begegnen wir dagegen, wenn wir etwa an einem sonnigen Novembertage nach glücklich überstandener Mauser dieselbe Vogel- stube betreten. Die gleichen Bastardmännchen, die zur Brunstzeit um ihrer mörderischen Kampflust willen samt und sonders zur Einzelhaft verurteilt werden mußten, halten dann in ein paar großen Flugkäfigen die beste Kamerad- schaft und wetteifern miteinander in Gesangesvorträgen, die nichts mehr von dem verzehrenden Feuer erkennen lassen, das ihnen zur Brunstzeit zu eigen war. Sanft und milde rollen die Strophen der Rothänflingsbastarde dahin, die Weisen der Grünfinkenblendlinge zeigen eine fast weiblich anmutende Weich- heit und Klangschönheit, und selbst das Geklirr der Girlitzbastarde hat ein erträglicheres Tempo angenommen. Und wieviel größer ist dann ihr Melodien- schatz, der sich beinahe von Tag zu Tag vermehrt, weil die Tonreihen, welche sie umtönen, diese eifrigen Spötter immer wieder zur Nachahmung anregen. Was später zur Brunstzeit blutigem Ernste dienen wird, ist jetzt ein heiteres Spiel, durch das nur die Leistungsfähigkeit der dem Gesänge dienenden Organe gesteigert werden soll. Noch manches ließe sich aus dem Leben der Kanarienblendlinge berichten, doch möchte ich mich nicht in Einzelheiten verlieren, aus Furcht, die Richt- linien wieder zu verwischen, die ich den Beobachtern solcher Geschöpfe eben gewiesen habe. Der eine oder andere meiner Leser wird vielleicht den Tat- sachengehalt dieser Arbeit nicht allzuhoch einschätzen; und doch spiegelt sich darin die Arbeit von acht langen Jahren wider. Gerade in neuester Zeit ist die Zucht solcher Blendlinge sehr in Aufnahme gekommen; hoffen wir, daß ihre Ergebnisse auch dem ernsten Wissenschaftler, der sich die Erforschung des tierischen Lebens zum Ziele setzte, wichtige Dienste leisten können. Mögen die Züchter deshalb bedenken, daß uns mit dem Schaffen eines neuen Rekords, mit der Zucht eines noch nie dagewesenen Blendlings, unter Umständen sehr viel weniger gedient ist als damit, daß uns solche Blendlinge in größerer Anzahl zur Verfügung stehen, deren Elternarten uns in allen Lebensäußerungen genau bekannt sind. Die noch so fleißige Beobachtung eines Bastards, deren väterliche Art dem Beobachter nur in zwei, drei Stücken flüchtig zu Gesicht gekommen ist, vermag ihm hinsichtlich der Vererbung tierischer Lebensäuße- rungen nur sehr wenig zu verraten, so daß jeder Rothänflings- oder Stieglitz- 17 48 bastard in der Hinsicht als besserer Lehrmeister gelten kann. Dennoch sollte man in dem Bestreben, beispielsweise Buchfinken- und Sperlingsbastarde zu erziehen, auch fürderhin nicht ermatten, da diese Blendlinge uns hinsichtlich der Vererbung des Gesanges und bezüglich seiner Zusammensetzung aus einzelnen Bestandteilen sicherlich noch manches verraten könnten, und ebenso verdienten die Züchter Dank, wenn sie die Bastardweibchen ^^icht schon im ersten Herbste ihres Lebens verschenkten oder verkommen ließen, sondern sich ernstlich bemühten, mit zwei- oder dreijährigen Blendlingsweibchen einen Zuchterfolg zu erringen. Vielleicht dürften sich dann die praktischen Ausnahmen von der theoretischen Unfruchtbarkeit dieser Blendlinge doch noch um den einen oder anderen Fall vermehren lassen. Dem Verfasser dieser kleinen Abhand- lung gewährte es stets hohe Befriedigung, solche Vogelblendlinge zu beobachten, die sozusagen einen ausschweifenden Gedanken der Allmutter Natur verkörpern, aus dem wir trotz seiner paradoxen Form doch manche Weisheit und Wahr- heit zu lernen vermögen. 18 49 Fabrikmäßige Herstellung von Eiweiß durch Hefezüchtung'). Von Dr. ZAKRZEWSKI - Freiburg i. Breisgau. Vor einigen Monaten hielt liier Herr Professor Lindner vom Institut für Gärungsgewerbe in Berlin einen wissenscbaftliclien Vortrag über die Ergebnisse der modernen Hefeforscliung. Ich folge mit einer populären Darstellung der Hefezüchtung auf Eiweiß aus meiner 25 jährigen FabriktätigKeit. Vieles aus dem Vortrage meines gelehrten Kollegen voraussetzend, wende ich mich zu- nächst einem historischen Rückblick zu. Die Verwendung von Hefe ist uralt. Sie entsinnen sich aus der Bibel, daß Noah den Wein aus Trauben darstellte. Dabei spaltet die Hefe den Zucker des Mostes in Kohlensäure und Alkohol. — Moses gibt in seinem Gesetzbuche genaue Vorschriften für Verwendung des Sauerteiges. In diesem sind Milch- säurestäbchen stets mit Hefepilzen vergesellschaftet, wodurch das Brot den säuerlichen Geschmack und die für die Verdauung so nötige Lockerung erhält. — In den Pyramiden hnden wir Nachrichten, daß die alten Ägypter aus Gerste ein schäumendes, berauschendes Getränk bereiteten, also auch dabei Hefe prak- tisch verwandten. Nach diesen drei Verwendungszwecken spricht man von Wein-, Bier- und Backhefe. Was ist nun Hefe? Die Forschung darüber im wissenschaftlichen Sinne reicht auch weit zurück, war aber bis ins vergangene Jahrhundert mehr spekulativer Natur auf philosophischer Basis. So erwähnt schon Fäulnis und Gärung Aristoteles, in derselben Weise fast Albertus Magnus 1% Jahrtausende später, gegen Ende des Mittelalters, in der Neuzeit wendet Paracelsus in seiner Phlogiston-Theorie sich ihr zu, aber es ist fast unmöglich, sich eine klare Vorstellung heute von dem zu machen, was diese großen Denker eigentlich sagen wollten. Mit dem Erwachen der neueren Naturwissenschaft wird dies anders. Berzelius wandte der Gärung sein Interesse zu. Liebig folgte und hielt sie für eine rein chemische Wirkung, bei der freilich Fermente tätig seien, Eilhard Mitscher- .LiCH führte die erste noch heute gültige Hefeanalyse aus, aber klare Vor- stellungen über die Natur der Hefe brachten uns erst zwei exakte Forscher fast gleichzeitig 1836 und 1837, doch völlig unabhängig voneinander. Der eine 1) Vortrag, gehalten in der Naturf. Gesellschaft zu Danzig am 20. Dezember 1916. Sehr, d, N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 3. ^ 50 war Theodor Schwann, Assistent von Johannes Müller in Berlin, der andere Charles Cagniard de la Tour, Physiker in Paris. In genannten Jahren veröffentlichten beide mikroskopische Untersuchungen über die Wein- gärung. Danach sei die Gärung auf Entwickelung von Infusorien oder einer Pflanze zurückzuführen. Schwann beschrieb sie als Zuckerpilz — Saccharo- myces, und damit war dem Hefepilz seine Stellung in der belebten Natur gegeben. Die neue Lehre fand keineswegs allgemeine Aufnahme. Liebig sprach sich scharf gegen die vitalistische Theorie aus. Erst 20 Jahre später, 1860, gelang es Pasteur in Paris anerkannt zu beweisen, daß die Luft ent- wickelungsfähige Keime enthält, die der Grund von Gärung und Fäulnis seien. Wieder einige 20 Jahre später, 1881, bewies der Däne Emil Christian Hansen in Carlsberg bei Kopenhagen, daß es verschiedene Hefearten mit konstanten Eigenschaften gäbe, die er in Reinkulturen züchtete. Wir wollen uns nun der Betrachtung des Hefepilzes zuwenden. Dieser ein- zellige Pilz ist rundlich, eiförmig oder langgestreckt und hat eine Größe von etwa ^/loo mm. Bei mikroskopischer Betrachtung, wozu ich hier einladen möchte während meines Vortrages, beobachten wir in der Zelle eine größere Vacuole und häufig körnigen Inhalt. Beim Wachsen stülpt sich die Zellmembrane auf, und es bildet sich eine Knospe, eine Sprosse, die, größer geworden, sich als selbständiges Individuum abspaltet. Daher werden diese Pilze auch Spalt- ]j i 1 z e genannt. Es findet sich aber auch Sporenbildung bei bestimmten Lebens- bedinguDgen. Um sich von dem Größenverhältnis der Hefepilze und deren Mengen Vorstellungen zu machen, ziehe ich Vergleiche heran. Streicht man mit dem Fingernagel über ein Pfundstück Bäckerhefe, so bleiben an ersterem so viele Zellen ungefähr haften, als ein mit Garben hochbeladener Erntewagen Getreidekörner enthält. Das Pfundstück hat rund eine Milliarde Hefezellen. Die Produktion Deutschlands an Bäckerhefe betrug jährlich vor Kriegsausbruch 800 000 z, dazu traten 200 000 z gewaschener Bierhefe, also zusammen rund 1 Million z. Diese waren jährlich nötig, um den Bedarf der 65 Millionen Ein- wohner an Kuchen und Weißbrot besonders zu decken. 1 Million z entspricht JOO Millionen Pfundstücken und ebensoviel Milliarden einzelner Hefezellen. Sie sehen, die Gärungs-Chemie kann auch mit Milliarden operieren! Die Hefe verdankt ihre Verwendung in den Gewerben verschiedenen Enzymen, also Stoffen, die von den Fermenten während ihrer Entwickelung abgeschieden werden. Diese verursachen chemische Prozesse, ohne selbst daran teilzunehmen. Wahrscheinlich kommen sämtliche chemische, physiologische Vorgänge durch diese Enzyme zustande. Man nennt sie auch organisierte Katalysatoren, sie sind ebenfalls eiweißreich. Früher nahm man mit Pasteur an, daß die Gärung durch den Lebensprozeß der Hefe stattfindet. Jetzt weiß man, daß die Gärung eine Funktion der Enzyme bildet. Sie kommt durch das Enzym Zymase zustande, das Eduard Büchner- Tübingen in München 1897 zuerst isolierte, später wurden die Invertase, Glukase und andere in der Hefe festgestellt. Mit diesen Körpern allein kann man heute Zucker- 2 51 safte vergären, mit der Invertase die Stärke im Mehl bzw. Teig in Zuckerarteii um wandeln. Der Hefepilz vermehrt sich ungemein schnell in zuckerhaltigen Medien unter ihm günstigen Lebensbedingungen, bei verschiedenen Temperaturen, die zwischen 4 bis 30° liegen. In acht Stunden kann man das Achtfache ernten! Hefepilze finden sich an jeder Frucht, man braucht nur die Weinbeeren zu zerquetschen, ebenso die Kirschen, und sofort beginnen sie zu wachsen, sich zu vermehren und die Nährstoffe aus den Lösungen aufzunehmen, um daraus Eiweiß aufzubauen in ihrem Körper, Kohlensäure auszuscheiden und meistens Alkohol in der Flüssigkeit zurückzulassen. Notwendig für die Hefevermehrung sind noch Phosphate, Sulfate, Kali und Magnesia. Diese Stoffe in Verbindung mit Kohlehydraten ergeben also den so wertvollen eiweißhaltigen Körper der Hefezelle. Die wissenschaftlichen Einzelforschungen über die Hefe drängten seit Pasteurs Institut zu Paris auch in andern Ländern zu ähnlichen Einrichtungen, da der Praktiker sich nicht zu Hause die Resultate zu eigen machen konnte. Bei uns war es besonders Hansens Reinzuchthefe, die der Brauerei Vorteile versprach. Diese gab den Anlaß zu den großartigen Einrichtungen des Institutes für Gärungsgewerbe als Annex der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin, der Brauer- Akademie in Weihenstephan bei München, der Weinbauschiile in Geisen- heim und Klosterneuburg bei Wien. Die meisten wissenschaftlichen Unter- suchungen aber bewegten sich im Rahmen der Hefetätigkeit, Alkohol zu bilden. Man schenkte zwar der Bäckerhefe auch einige Aufmerksamkeit. Bei deren Fabrikation aber spielte der Kornbranntwein eine wichtigere Rolle sowohl steuertechnisch wie finanziell, so daß die Hefeerzeuguing an sich nie zur rechten Entwickelung kam. Der Grund dafür lag darin, daß die Hefe bei Wein-, Bier- und Spiritus-Erzeugung immer nur Mittel zum Zweck war : Alkohol zu erzeugen. In der Brauerei wird zwar ein Teil der gezüchteten Hefe wieder zur Anstellung der späteren Gärbottiche benützt, der Rest aber war Ballast, für den man keine rechte Verwendung finden konnte, seitdem die stark gehopften, bayerischen und böhmischen Lagerbiere sich überall Eingang verschifft hatten. In der Spiritus-Industrie pflanzte man in einer Art natürlicher Reinzucht seit 1% Jahrhunderten die Anstellhefe fort. Man wußte zwar seit EruHARD Mitscherlichs erster Hefe-Analyse, daß abgepreßte Hefe 40 — 50 % Protein enthielt, also mehr als dreimal soviel als mageres Rindfleisch, aber wer würde denn Hefe essen wollen?! Es wurde zwar bekannt, daß die englischen Saucen aus Hefe bereitet wurden, es fehlte auch nicht an Versuchen, daraus einen Extrakt herzustellen ähnlich dem Liebig sehen Fleisch-Extrakt, auch in der Medizin erkannte man den Heil wert der Hefe, z. B. bei Furunkeln. In Deutsch- land und Österreich, den klassischen Ländern der Weinkultur und Bierbrauerei, gelang es aber nur auf dem Lande vereinzelt die Schweine mit flüssiger Hefe zu füttern. Die große Menge der gezüchteten eiweißreichen Hefe aus diesen 3 4* beiden Giewerben im Werte von Millionen Mark suchte jeder auf Reinlichkeit haltende Betrieb möglichst rasch in die Abzugskanäle zu spülen, damit nicht ,,falsche Säurung entstände“. Vor 10 Jahren begann man in Prag und Berlin mit der Trocknung der Brauerei- Abfallhefe größere Versuche auszuführen, um sie vor dem raschen Verderben zu schützen und dorthin senden zu können, wo eiweißreiche Futtermittel begehrt wurden. Denn die biederen Bäuerlein auf dem Lande wollten natürlich nichts zahlen für die wässrige, leicht verderbliche Hefe, die ja allerorts weggespült wurde. Sie hatten zwar beobachtet, daß die damit gefütterten Tiere größere Freßlust entwickelten und früher schlachtreif wurden. — Das Trocknen aber bereitete Schwierigkeiten. Da griff das Institut für Grärungsgewerbe vor 6 Jahren ein, nachdem es ihm vorher gelungen war. die Kartoffeltrocknung ins Leben zu rufen. Wir haben bisher den Saccharomyces-^i\z in seiner Hauptfunktion, Alkohol zu erzeugen, betrachtet, aber er verdient auch bei der Brotbereitung unsere Auf- merksamkeit, um so mehr, weil hierbei sein Eiweißgehalt eine wichtigere Bolle für die Ernährung der Menschen spielt. Die Bäckerhefe, von der Deutschland in Friedenszeiten, wie vorhin gesagt, 1 Million z braucht, wdrd größtenteils aus Getreide, seltener aus Kartoffeln oder Melasse gewonnen, allerdings bisher auch mit Branntwein. Die Wiege dieser Industrie steht im klassiischen Lande der knusprigen Gipferl, auch Hörnchen genannt, wo das Karlsbader Gebäck zu Hause ist, in Wien. Im Jahre 1847 erließ der niederösterreichische Gewerbe- Verein ein Preisausschreiben zur Herstellung einer brauchbaren, guten Back- hefe, die sich längere Zeit transportfähig erhalten sollte. Die sogenannte Ober- zeugbrauerei, die bisher die flüssige Hefe für das gute Gebäck geliefert hatte, ging ein, und da die stark gehopften. Lagerbiere keinen passenden Ersatz boten, so war es dem Bäcker nicht mehr möglich, wohlschmeckendes, knusperiges, hoch- aufgegangenes Backwerk überall zu liefern. Den Preis von 1000 Gulden und eine goldene Medaille im Werte von 50 Dukaten erhielt Ad. Ig. Mautner, der Ahnherr der noch jetzt bestehenden, großen Brauerei und Preßhefefabrik St. Marx in Wien. Daher wurde diese Hefe sofort Wiener Hefe genannt, und da sie wirklich Vorzüge hatte, eroberte sie sich leicht den Markt in Öster- reich, Sachsen, Preußen, ja selbst entfernteren Ländern. Das Verfahren bestand darin, daß Roggenschrot mit Darrmalz eingemaischt und mit einer bei hoher Säurung gezüchteten Mutterhefe zur Vergärung gebracht wurde. Der dabei durch Kohlensäure-Entwickelung aufgetriebene Hefeschaum wurde abgeschöpft, gewaschen, gesiebt und abgepreßt. Er konnte, ein großer Fortschritt, lange und weit versandt werden, ohne merklich zu leiden. Die frühere, obergärige Bierhefe wurde breiig abgegeben, war daher für längere Transporte ungeeignet. Das Verfahren breitete sich durch Verwandte Mautners nach Graz, Dresden und Teplitz aus, wo heute noch die betr. Fabriken in hoher Blüte stehen. Da das Bedürfnis nach wohlschmeckendem Gebäck bei steigendem Wohlstand sich erhöhte, entstanden in allen Kulturstaaten Mittel- und Nordeuropas solche Hefe- fabriken, in denen ich in meiner Tätigkeit als ,, Fabrikdoktor“ durch 25 Jahre 53 zu tun hatte auf Revisionen und als Gutachter usw. Es war dabei interessant zu beobachten, wie die deutsche Maschinen-Industrie sich durch ihre Tüchtigkeit diesen Markt erobert hat. Von der grünen Insel, Irland, an bis Kiew, vom Ostseegestade bis zur Seine fand man dieselben Maschinen und Geräte, die von drei bis vier deutschen Spezialfabriken gefertigt waren. Ebenso traf man als leitende Personen fast ausschließlich biedere Deutsche oder gemütliche Öster- reicher, so daß ich mich bei Betriebsrevisionen in sieben Staaten leicht ver- ständigen konnte, ohne Französisch, Englisch, Tschechisch, Polnisch, Russisch, Italienisch geläufig zu beherrschen. Die Ausbeute an Hefe war aber gering. Der größte Teil des eingemaischten Stickstoffs kam nicht als Eiweiß des Hefepilzes dem Brot zugute, sondern wanderte als Schlempe in den Tierkörper. Daher war der Preis der Wiener Hefe hoch, und sie konnte nur für teures Gebäck angewandt werden. Bedürfnis und Konkurrenz führten zu Verbesserungen und Mehrausbeuten, die von England und Skandinavien ausgingen. Durch künstliches Lüften wurde die Hefevermeh- rung angeregt, und durch Ziehen einer Würze, wie bei der Brauerei, gelang es, sämtliche Zellen, zunächst durch Absitzenlassen in flachen Gefäßen, zu ge- winnen, später durch Einschieben der bekannten schwedischen Separatoren. Die Ausbeuten stiegen auf das Zwei- bis Dreifache rein aus der Praxis heraus. Inzwischen hatte die wissenschaftliche Hefeforschung eingesetzt und fest- gestellt, daß die Sprossung der Hefe nachteilig beeinflußt wird durch zunehmen- den Alkoholgehalt. Je größer der Stickstoffgehalt der Würzen namentlich an Amiden, um so haltbarer wird die Backhefe und um so besser der„Auftrieb'‘, also um so größer wurde das Gebäck. Das war natürlich angenehme Musik für die Bäcker, die gern am Mehl sparen! Infolgedessen kam das sogenannte Lüftungs- Verfahren mit verdünnten Würzen auf, und sämtliche Hefefabriken in Europa und Amerika wurden wieder von deutschen Maschinenwerkstätten umgebaut. Die Ausbeuten an Hefe stiegen bis auf 40 % abgepreßter Ware, während sie bei Mautner nur höchstens 10 % betragen hatten. Durch das starke Lüften mittels Kompressoren und Gebläsen wurde aber der Alkohol aus der gärenden Würze bis auf 6 % ausgetrieben, während er früher 30 Liter auf 100 kg Getreide betragen hatte. Die Hefepreise sanken natürlich nun, aber der Konsum stieg auf das Doppelte, ja Dreifache innerhalb eines Jahrzehnts in Deutschland, da auch der einfache Arbeiter jetzt wohlschmeckendes, leichtverdauliches Weiß- brot und Kuchen sich leisten konnte. Findige Köpfe kamen sogar auf die Idee, nur stickstoffreiche Malzkeime einzumaischen in Aussicht auf viel eiweißreiche, triebkräftige Hefeernte und gänzlich auf den Alkohol zu verzichten, da keine Kohlenhydrate dafür vorhanden seien. Dagegen aber machten die Verbände der Hefefabrikanten Front, da ja in deren Einrichtungen auch die teuren Destillierapparate eine Rolle spielten, und sie erhielten Unterstützung bei den Regierungen der verschiedenen Länder. Denn steuertechnisch konnte diese Industrie am leichtesten bei der Alkoholproduktion gefaßt werden, obgleich Rußland mit seiner Banderolensteuer auf Hefe gute Erträge hatte. — Auch von 5 54 den gebräucliliclisten Rohmaterialien, den Getreidearten, wollte man in Deutsch- land nicht abgehen zugunsten des Kornbranntweins in westlichen Provinzen. In Österreich und Ungarn wurde zwar % der Backhefe schon vor 25 Jahren aus Melasse erzeugt und daneben Melassespiritus gewonnen, der rektifiziert genau dieselben feinen Liköre herstellte, wie bei uns der Kartoffelspiritus. So blieb auch die Bäckerhefe-Industrie immer in den Fesseln des Alkohols, obgleich schon sich Ausblicke für weitere A^erwendung der Hefe als nur zu Backzwecken bemerkbar machten, so daß für verstärkte Produktion ein Absatzfeld möglich erschien, nämlich für die getrocknete Hefe als Eiweiß -Ersatz. Ich erwähnte schon vorher die Bemühungen der Brauerei, für ihre Abfall- hefe etwas zu erlösen, anstatt diesen reichen, eiweißhaltigen Stoff wegzuspülen; ferner daß das Institut für Gärungsgewerbe die Trocknungsfrage ebenso wie bei den Kartoffeln gelöst hatte, ja daß man auch die Hefe des stark gehopften Bieres entbitterte und so für Menschen einen geeigneten Fleischersatz gefunden habe. Umfassende A^ersuche mit Unterstützung von Ärzten hatten dies für den menschlichen Körper bewiesen und ausgedehnte Fütterungsversuche bei allen Kutztieren. Die größte Brauerei Deutschlands, Sch ültheiss -Berlin-Dessau, hatte vor 10 Jahren angefangen, unbeirrt um gegenteilige Meinungen, ihre sämtliche Abfallhefe zu trocknen. Sie erzielte dafür zuerst 16 M pro 100 kg und schon nach 5 Jahren fast das Doppelte. Dadurch wurden von einem Betrieb, allerdings dem größten Deutschlands' mit seinem 1 Million hl Ausstoß, an- nähernd 10 Doppelladungen trockner Hefe, also rund 100 000 kg, erzeugt, die zur Hälfte aus assimilierbarem Eiweiß bestanden, was früher in die Kanäle gespült wurde. Das Beispiel wirkte! Und es entstanden bis zum Ausbruch des Krieges 30 Bierhefetrocknungsanlagen, die ihr Produkt reißend zu steigenden Preisen los wurden. Die damit gefütterten Schweine wurden früher fett, genau so, als wenn ihnen Fleisch- oder Fischmehl gereicht wurde anstatt eiweiß- armere Kleie oder Ölkuchen, die Hühner legten mehr dottergelbe Eier, die Kühe gaben fettere Milch und blieben dabei gesünder. Die entbitterte Bierhefe wurde von großen Sup^Jentaf el-Fabriken schlank- weg aufgenommen als Ersatz für das immer teurer werdende Abfallfleisch. Auch in die Gemüsekonserven-Fabriken wanderte die entbitterte Bierhefe in jedem verfügbaren Quantum. Man konnte also damit rechnen, auch Backhefe in dieser Form loszuwerden, da keine chemischen bedeutenden Unterschiede bei diesen Arten sind. Der A^erband der Preßhefe-Fabrikanten trocknete auch Back- hefe, um eventuelle Überproduktionsmengen an die Schiffahrt und das Ausland abgeben zu können. Bei dieser Art der Trocknung war aber die Lebenstätigkeit der Hefe nicht abgetötet, sondern die Enzyme wirkten noch nach Jahr und Tag fort für Gärung und Invertierung. Da auch der Spiritus in den letzten Jahren bessere Preise brachte, weil dank Bemühungen des Instituts für Gärungsgewerbe immer größere Quanten der Technik zugeführt wurden, so sah man sich nach weiteren Stoffen für die Vergärung um. Man wird Abfälle aus der Stärke- und Sulfit-Zellstoff-Fabri- 6 55 kation dafür verwerten. Bei letzterer enthalten die Sulfit- Abfalllaugen etwas Zucker, wodurch bisher die Flußläufe verunreinigt wurden und ein Sterben der Fische eintrat. Es war klar, daß auch die getrocknete Bierhefe noch zu a,ndern Zwecken als nur zur Fütterung von Tieren Verwendung finden würde, z. B. als Nährmittel für die gärende Hefe bei der Spiritusbereitung. So war das Feld vorbereitet, daß alles Eiweiß aus der in Fabriken gezüch- teten Hefe nicht weiter vergeudet wurde, sondern daß sich auch für die Er- zeugung von Hefeeiweiß an sich ohne Spiritusgewinnung Absatzmöglichkeiten in größerer Zahl als nur für die Verfütterung finden ließen. Ein Rohstolf- material lag besonders noch in Deutschland, um einen vulgären bezeichnenden Ausdruck zu gebrauchen, auf der Straße, nämlich die Melasse, die aber aus- gezeichnete Resultate gerade für Hefeproduktion gab. Aber in Deutschland erlaubte der Verband der Preßhefefabrikanten die Ausführung der betreffenden Verfahren nicht. Die Spiritus-Industrie war auf ein gesetzliches Minimum der Produktion an Melassespiritus seit Jahren gebunden, und auch das neue Brannt- weinsteuergesetz von 1912 brachte keine besseren Preise für dieses Sorgenkind der Zuckerindustrie. Die deutsche Rübenzuckerindustrie, wohl die intelligenteste der Welt, hatte sich seit Marggrafs kleinen Anfängen vor 150 Jahren soweit vergrößert, daß sie nicht nur den jährlich sich ausbreitenden und steigernden Konsum der Heimat befriedigen konnte, sondern 40 % ihrer Produktion als Raffinade besonders an England abgeben mußte. Durch den verstärkten Hackfruchtbau und rationelle Düngung, durch die Auswahl von Enzymen für die Ackerkrume stiegen die Getreide- und Rübenernten beträchtlich. Kostspielige Entzuckerungs- einrichtungen für Melasse hielten sich nur lebensfähig, weil die Zyanverbin- dungen daraus gerade von den Engländern zur Gewinnung der letzten Reste Goldes auf ihren südafrikanischen Minen gebraucht wurden. Für die Vieh- fütterung wurden zwar auch Melassemengen abgesetzt, aber die Träger dafür, wie die zugemischten Malzkeime und Schalen usw. genannt wurden, verteuerten den Landwirten das Material zu sehr. Mit 4 M konnte man 100 kg Melasse hier in Westpreußen häufig kaufen und hatte dafür einen Zollzentner Zucker darin! Mit solchen Preisen ließ sich schon billig Hefeeiweiß produzieren in Verbindung mit Malzkeimen als Stickstoff quelle. Der Landwirt aber blieb kühl gegenüber den Sirenengesängen der Chemiker und bezog ruhig aus dem Auslande seine Öl- kuchen, Kleie und Mais weiter. Da brach der Krieg los, und mit einem Male stockten die Zufuhren an eiweißhaltigen Futtermitteln. Sie alle haben am eigenen Leibe gespürt, was das heißt! Und jeder Staatsmann wird die Ernährung von Mensch und Vieh für solche Fälle mehr als bisher in seinem Kalkül beachten müssen! Einsichtsreiche Landwirte hatten längst auf das Mißverhältnis aufmerksam gemacht, das bei unseren Ernteerträgen zwischen Kohlenhydraten und Eiweiß herrschte. Er- fahrene Männer der Wissenschaft hatten berechnet, daß der Mastwert eines Zentners Kartoifeln bei zureichender Eiweißfütterung sich um 1 bis 2 M bei 7 56 den Schweinen bzw. Kühen erhöht. Man kann einem Schweine, das 10 Pfund Kartoffeln im Durchschnitt pro Tag verzehrt, noch einmal 10 Pfund geben, es wird dieselben fressen, aber wird darum nicht fetter, weil ihm nicht genügend Eiweiß dazu gereicht wird. In dieser Kot war es ein glücklicher Gedanke Delbrücks, sich der Fähig- keit der Hefe zu erinnern, verdauliches Eiweiß zu produzieren aus Melasse mit Zusatz von Mineralsalzen an Stelle der bisher gebräuchlichen, organischen Stoffe. Seine jahrelangen Vorarbeiten darin fertigten einen geradezu genialen Aus- führungsplan zum Segen hoffentlich für Deutschlands Ernährung auf eigenen Füßen, nicht mehr abhängig vom Auslande! Der Krieg, der Vater aller Dinge, hat es zuwege gebracht, daß die Hefeproduktion an sich nicht mehr das Aschen- brödel bei der Bier- und Branntwein-Gewinnung ist, sondern als vollwertige Industrie danebentritt; was in Jahrtausenden nicht möglich war, hat mit einem Schlage diese Kriegsnot zuwege gebracht! Das Verfahren ist durch Verfügung des Reichskanzlers vom 27. Juni 1915 für das Reich beschlagnahmt worden und wird mit Unterstützung des Reichs- schatzamtes in zehn großen Anlagen, wovon die Danziger Ölmühle und Industrie- gesellschaft Holm zwei sind, ausgeführt. Aus angeführten Gründen ist über das Verfahren selbst Stillschweigen zu bewahren. Im großen und ganzen baut es sich in technischer Beziehung auf das Ihnen geschilderte Lufthefe-Verfahren auf, aber wegen seiner stärkeren Verdünnung und Verzicht auf jegliche Alkohol- gewinnung mit Zugrundelegung sämtlicher Stoffe für den Aufbau der Hefezelle in Form von löslichen Mineralsalzen und Melasse mit geradezu riesenhaften Ausbeuten. Man darf freilich nicht den Maßstab für die gute Wiener Backhefe anlegen, aber uns kommt es heute ja nicht auf die enzymatischen Kräfte der lebendigen Hefe mehr an, sondern auf möglichst viel Eiweiß, das durch die Trockenapparate sofort in ein haltbares, totes, unveränderliches Produkt über- geführt wird, in die sogenannte Trockenhefe. Dieselbe enthält 50 % Eiweiß, 3 % Fett, 30 % stickstofffreien Extraktstoff, 10 % Wasser und der Rest sind Aschenbestandteile. Vergleicht man damit die bekannten Ölkuchen, so haben diese nur 30 % Eiweiß. Deutschland bezog vor dem Kriege jährlich 500 000 t Ölkuchen aus dem Auslande für unser Kutzvieh, das entspricht bei 30 % rund 150 000 t Eiweiß. Würde man diese durch Trockenhefe ersetzen, wären 300 000 t nötig. Das können die jetzt in Durchführung begriffenen 10 Fabriken natürlich nicht leisten. In Kriegszeiten wird das von der jungen Industrie überhaupt nicht erreicht werden, dazu sind lange Jahre von Friedensarbeit nötig. Aber Sie sehen, daß hier die Regierung weitschauend war! Denn es ist nicht anzunehmen, daß nach Friedensschluß uns im Handumdrehen wieder die Speicher gefüllt werden, es fehlt dazu vor allem an Transportschiffen, um die Futtermittel aus Asien und Amerika in kurzer Zeit heranzuschaffen, aber es werden auch andere Handelsverträge hindernd sein. Koch ein kurzes Wort über die Größenverhältnisse der Trockenhefe- fabriken, die selbstverständlich auch für die Ernährung der Menschen mit Eiweiß an Stelle von Fleiscli eingestellt werden können, schon jezt werden von Reichs wegen Himderttausende von Gefangenen damit beköstigt. In der Preßhefe-Industrie wird eine Fabrik von 40 000 z abgepreßter Ware als Jahres- leistnng schon als große angesehen. Der größte Betrieb Deutschlands ist im- stande, ^/lo sämtlicher im Jahre konsiimierter Backhefe herzustellen, das ist die Gesellschaft S inner in Grünwinkel-Karlsrnhe. In der Futterhefe-Industrie rechnet man zunächst mit t an Stelle von z oder Doppelzentnern. Als kleinster Typ wird eine Jahresleistung von 4000^ — 5000 t für nötig erachtet, um rentabel arbeiten zu können, das ist gegen 20 mal so viel als die vorhin angeführte größte Backhefe-Fabrik leisten kann. Darin liegt zugleich eine Erläuterung für die innere Einrichtung der neuen Fabriken. Es wäre verkehrt, etwa zwanzig- mal so viele Bottiche aufzustellen. Man baut dagegen wenige große, die öfters beschickt werden können in 24 Stunden ununterbrochenen Betriebes. Zum Schluß möchte ich Sie bitten, dem Hefeeiweiß weiter Ihr freund- liches Interesise zu schenken. Auch die Damen darf ich vielleicht auf die Ver- wendung der Nährhefe in der Küche hinweisen, es sind zu dem Zwecke schon kleine Kochbücher erschienen, die vom Institut für Gärungsgewerbe in Berlin N 65, Seestraße, zu beziehen sind. Die Nahrungsmittelchemie will etwas angeregt werden, sie pflegt bescheiden und still zu arbeiten, ist aber dafür lebenspendend und sucht zu erhalten. Sie erbarmt sich der Klagen der Menschen um Milch, Butter und Fett und der hungrigen Tiere. Jetzt, wo Mars die Stunde noch regiert, blickt man mehr auf den Zweig der Chemie, der die totbringenden Geschosse, die vernichtenden Torpedos und die erstickenden Gase liefert. Diese beiden Zweige der Chemie erinnern an die Schwestern Antigone und Ismene in des alten Dichterfürsten Sopho-kles’ Drama. Dort nimmt auch die herbe Antigone das Hauptinteresse in Anspruch. Aber die liebliche Ismene folgt ihren Instinkten auf Erhaltung des Lebens, ebenso die Nahrungsmittelchemie, und legt ihren Standpunkt in rührenden Worten dar, die ausklingen in dem bekannten: ,, Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da!“ 58 Mnnuii^ und Verwendung von Oesehiebeblöcken im Ordensstaate Prenssen vor 500 Jahren. Nebst Bemerkungen über den Fisch hof der Marienburg. VoD Dr. Paul DAHMS in Zoppot. Die Eismassen, die zur Diluvialzeit von Skandinavien und Finnland her Norddeutschland überzogen, trieben unter ihrer Decke mächtige Gesteins- stücke als Grundmoräne mit sich fort. Zu dem Yerwitterungsschutt aus frü- heren Zeiten gesellten sich Trümmer von festem, anstehendem Gestein, das unter dem Eise infolge steten Eindringens von Schmelzwasser in die Spalten und Gefrierens in diesen zerkleinert und zermürbt wurde. Hinzukamen die Trümmer, die unter der Last der vordringenden Masse vom Untergründe abge- hobelt wurden. Alle diese Reste wälzten und schoben sich unter der gewaltigen Eismasse dahin; dabei rieben sie sich aneinander, verloren ihre Kanten und Ecken und rundeten sich gegenseitig ab, so daß die zahllosen, auf diese Weise fortgeführten, großen und kleinen Blöcke abgerundet, teilweise glatt geschliffen und geschrammt wurden. Weichere und verwitterte Stücke verloren dabei mehr und mehr an Größe, wurden teilweise gänzlich zerrieben und machten die unteren Schichten des Eises dadurch undurchsichtig. Wo ein Gletscher zum Stehen kommt und die Schmelzwässer von seiner Stirn abfließen, sind sie deshalb durch die zarten Zersetzungsprodukte milchig getrübt. Die mitgeführten Gesteinsblöcke, welche weite Teile unseres Yater- landes bedecken, entstammen der Grundmoräne jener Gletscherzeit. Sie sind als Geschiebe- und Findlingsblöcke in zahllosen Mengen in wirre zusammen- gepreßte Massen von Sand und Lehm bzw. Ton eingebettet, die die Bezeichnung ,, Geschiebelehm“ bzw. „Geschiebemergel“ führen. — Als die Gletschermassen schließlich ihren Rückzug antraten, geschah das nicht in gleichmäßig fort- schreitendem Abschmelzen, sondern in Etappen. Zu gewissen Zeiten hielten Eiszufuhr und Abschmelzen sich das Gleichgewicht, so daß Stillstandslagen her- vorgingen, denen Norddeutschland seine Rückzugs- oder Endmoränen verdankt. E. Geinitz zählt zwischen dem Allertal und Rügen neun davon auf, von Der fett gedruckte Teil der Fußnoten gibt die zitierte Literatur, die klein gedruckte: die Seitenzahl an ! — 18 ; 32, 33. 1 59 denen acht für Mecklenburg und dessen nähere [Jmgebung -Bedeutung haben. Sie bilden hintereinanderfolgende Absätze eines einheitlichen Rückzugs, der durchaus rhythmisch verlief, wie die Regelmäßigkeit ihrer Aufeinanderfolge zeigt. Die nördlichste Endmoräne verläuft über Rügen und Möen. Je nach der Lage der Endmoräne ist die Beschaffenheit ihrer Gesteins- trümmer verschieden. Für Rügen haben E. Cohen und W. Deecke die häu- figsten Diluvialgeschiebe nebst ihren Ursprungsorten in einer Liste zusammen- gestellt^); nach dieser bildet je ein Drittel die Gruppe der massigen Gesteine nebst den kristallinen Schiefern, der Kalksteine und der anderen Gesteine. Jeden- falls hat diese zahlengemäße Zusammenfassung nur eine annähernde Richtigkeit. — Erst als alle Teile des Geschiebelehms, die im Wasser beweglich sind, durch mechanische Aufbereitung fortgeführt wurden, traten die erratischen Blöcke als Kerne des Geschiebelehms heraus und bildeten ganze Lager, die sich ober- flächlich oder auch in der Tiefe als Grenze zweier Schichten fortziehen. Oft besitzen sie eine ansehnliche Größe, so daß man diese sogar mit der eines Hauses verglichen hat^) oder durch Steinbruchbetrieb regelrecht abbaute, wenn sie aus Kalkgesteinen bestanden 'f). Ganze Schollen sind durch die Gewalt des Gletschers verschleppt; wenn ihre Heimat nicht allzu weit von dem Ort ihres Verbleibens entfernt war, konnten sie dabei eine erhebliche Mächtigkeit auf- weisen. Erwähnt sei eine Oligocänscholle in Neufahrwasser, in der der Bohrer 36,25 m durchsank ^). Bei einem weiteren Transport konnten freilich nur solche Geschiebe erhalten bleiben, welche der zermürbenden Kraft des Eises den erfor- derlichen Widerstand entgegenzusetzen vermochten. Das war am ehesten der Fall bei kristallinen Silikatgesteinen. Die größten Blöcke bestehen deshalb auch ausschließlich aus Granit und Gneis, mittlere oft auch aus anderen Gesteins- arten, wie Diabas, Diorit und Porphyr. Von gleicher Größe mengen sich freilich bereits unter sie Geschiebe aus kambrischem Sandstein, devonischem Dolomit und Harter Kreide; seltener kommen Juragestein und Sandstein aus der älteren Kreide hinzu ^). Kalkblöcke sind oft sehr fest, meist aber auch spröde und haben deshalb trotz ihres häufigen Auftretens niemals größere Ausmessungen; wo sie trotzdem von bemerkenswerterer Größe auf treten, sind sie als Selten- heiten zu bezeichnen. Dagegen findet man im norddeutschen Diluvium öfter ganze Mengen von Kalkgeschieben von gleicher Beschaffenheit dicht beieinander und ist deshalb zu der Annahme berechtigt, daß sie einem großen Wanderblock entstammen, der unterwegs zerfiel, oder mehreren von derselben Herkunftstelle, die in Gemeinschaft nach dem Süden verschleppt wurdeiJ’). An gewissen Stellen scheinen sich für die Ablagerung der Moränen beson- dere Vorteile geboten zu haben, so häufen sich zwischen der Ostseeküste und dem baltischen Höhenrücken Geschiebe an. Nach Wahn.schaffe^) reichte das Gefälle des skandinavischen Gebirgsmassivs aus, um von den Eismassen den mitgeschleppten Bodenschutt dnrcli das Ostseebecken hindurchtransportieren zu 1) 14; 2) 24, 141; ö) 28, 28; 4) 10.97. 98; 16,98; 27,96; ß) 26,14. 15; h 22a, 157. 60 lassen. Die Bewegung ließ jedoch mehr und mehr nach, sobald der Band erklommen werden mußte; als die größte Yerlangsamung eintrat, fand ,,die stärkste Anhäufung von Glazialbildungen und zu gleicher Zeit ihre bedeutendste Zusammen Schiebung“ statt. Auch in der Nähe von Strömen findet man -Blöcke besonders häufig^). Bei höheren Terrassen wurde zur Alluvialzeit das Gehänge von 'Schluchten durchfurcht. Wo die Täler aber eine größere Länge, bis zu einer Meile haben, scheint die Arbeit des Wassers hierzu jedoch nicht ausreichend gewesen zu sein. Besonders wenn in der Nähe der Ausmündungen ihr Boden ebenfalls aus steinigem Kies besteht, darf man vermuten, daß die Schmelz- wasser toter Eismassen die Haupttäler eingruben. „Die Blocklager entlang dem Plateaufuß mögen durch den Wasserstrom eingeebnete Bandmoränen des hier wieder standhaltenden Eises sein“^). Andererseits sammeln sich Blöcke am Fuß von Gehängen aber auch dadurch an, daß das Wasser hier unterwühlt und die abstürzenden diluvialen Bildungen auswäscht.’ In gleicher Weise arbeitet die Brandung der See, welche die Ufer mit Blockhaufen umzieht und schließlich das Festland so weit zurücktreten läßt, daß die freigelegten Kerne ganze Biffe bilden ^). Wo Blöcke allzu dicht gehäuft lagen, hat man beim Urbarmachen des Bodens den Wald stehen und das Land als öde ,,Steinpalwe“ liegen lassen ^). Andererseits hat der Ackerbau dafür gesorgt, daß Geschiebe, die im Boden verborgen waren, an die Oberfläche befördert wurden. Von jedem Acker schaffen Schneeschmelzen und Gewitterregen Schlamm und Sand nach den tiefer liegen- den Teilen hin. Da die Pflugfurche mit Vorliebe so gezogen wird, daß die Scholle nach der tieferen Seite hin fällt, fördert die Bestellung des Bodens die Erniedrigung aller Äcker. An Flurgrenzen in bewegtem Gelände zeigt sich, daß dieses Abpflügen stellenweise recht erheblich sein kann. Die Grenzen können, „bisweilen meterhoch nach der einen Seite abf allen, während sie nach der andern (höheren) Seite unmerklich in die Ackerfläche verlaufen“^). Abpflügen und Abspülen schaffen immer neue Bodenschichten in das Gebiet der Frost- wirkungen, die bis zur Tiefe eines Meters hebend auf die Steine wirkt; wo der arbeitende Pflug auf sie stößt, werden Buten als Merkzeichen eingesteckt, und bei der nächsten Gelegenheit diese Steine gehoben^). Der Mensch hat sich seit den ersten Zeiten seines Auftauchensi der Gesteine für seine Zwecke bedient. Den ersten Brocken, den sein Arm schleuderte oder det in seiner Faust die Bolle eines Hammerkopfes spielte, folgten bald Geräte zu bestimmtem Zwecke. Neben scharfe, kleinere Werkzeuge aus Feuer- stein treten axt- und meißelförmige aus Granit, Porphyr, Diorit und Diabas. Hornblendegesteine und uralitisierte Diabase überwiegen bei der Herstellung von Steinwerkzeugen in der Zahl der Gesteine; ihre Härte ist freilich geringer wie bei den anderen, dafür fehlen ihnen aber die Mineralbestandteile, die beim derben Zusehlagen wegen ihrer Spaltbarkeit gern splittern, während anderer- ■ 1) 2, 332. 333; s) 27, 95. 96; 3) 20; 14; 0 1(>, 97; -h 16, 98. 99. 3 61 seits eine besonders stark entwickelte Zähigkeit sie zu den -Arbeiten geeignet macht, zu denen der harte, spröde Feuerstein nicht geeignet ist. Ihnen schließen sich quarzhaltige Porphyre mit feiner Grundmasse wegen ihrer Zähigkeit in beschränkter Menge an. Gröbere Geschiebe von derberem Gefüge hat man möglichst nicht oder nur zur Herstellung ganz plumper Werkzeuge benutzt^). Auch an die Verarbeitung von mittelgroßen Geschieben machte man sich und fertigte daraus Mahlsteine oder setzte sie zu Steinkisten, Dolmen, Menhirs und Steinkreisen zusammen. — Bei der Herstellung von Steinkisten benutzte man mit Vorliebe flache Blöcke und wählte diese aus j)lattenförmigen Stücken von Sandstein oder aus solchen, die durch die Einwirkung des ehemaligen Eises angeschliffen und deshalb stets mit Schrammen auf der Schliff fläche versehen waren. Die Decksteine von Gräbern haben gelegentlich eine bedeutende Größe; der bereits vernichtete „Breite Stein“ bei Virchow in Pommern, welcher ein neolitliisches Grab abschloß, besaß fast 5000 z Gewicht, und nicht weniger als 77 m^ Schotter wurden aus ihm gewonnen^). An Stelle der größeren Geschiebe werden auch Böllstein e verwendet, zum Schutz der Gräber zusammengehäuft oder an anderen Stellen zu einem Pflaster zusammengefügt. — Als dann der Deutsche Eitterorden einzog und sich dauernd in, den Besitz des erkämpften Landes setzte, begann die Entfaltung einer „emsigen und hochstrebenden Bau- tätigkeit“ im Lande. Die unzähligen Blöcke wurden in Angriff genommen und zum Bau von Kirchen und Burgen verwendet, und seit jener Zeit hat man gewußt, die Überreste der ehemaligen Gletschermassen für technische Zwecke immer mehr nutzbringend zu verwerten. Mit dem einziehenden Christentum verloren die Fabeln und Sagen, die an größere Geschiebeblöcke anknüpften, ihr ursprüngliches Gepräge; aus der Götter- und Heldenwelt wurden unholde Mächte, mit anderen wurde das Leben von Heiligen in Verbindung, gebracht^). Immerhin bildeten große Geschiebe eine Merkwürdigkeit des Geländes, und deshalb benutzte man sie bei Grenz- festlegungen als feste Punkte und führte sie in Urkunden an^). Bei der Bestellung der Äcker begann man die störenden Gesteine zu ent- fernen, vergrub sie, versenkte sie in Brückern oder häufte sie um die Wohn- häuser zu Mauern auf. Später benutzte man den hier angesammelten Vorrat, um beim Bau der Häuser feste Fundamente zu gewinnen oder wohl auch, um Mauern teilweise oder auch ganz aufzuführen. Zum Hafen- und Molenbau, sowie zur Anlage von clauerhaften Landstraßen brauchte man mehr und mehr davon, bis sie schließlich von der Oberfläche der Erde verschwanden. Selbst Blöcke, die in früheren Zeiten durch ihre Festigkeit der Verarbeitung Wider- stand entgegengesetzt hatten, konnten sich den Mitteln der modernen Technik gegenüber nicht halten. Ihre Verwendbarkeit ist so groß, daß stellenweise kein einziger dieser Wanderblöcke unverletzt ist. Wo ihre Gesteinbeschaffenheit, ihre Lage oder Gestalt, anknüpfende Sagen und Erinnerungen sie merkwürdig h 17, 50; 2) 26, 29. 35; 3) 26, 25 bis 31; h 25, 85. 89. 104; 35, 27. 29. 4 62 maclien, hat man versucht, sie zu erhalten und vor dem Untergang zu schützen; für den Regierungsbezirk Danzig wurden sie, soweit sie der Naturdenkmals- pflege unterstellt sind, inventarisiert und genau beschrieben^). Dabei kommt die Größe der Stücke erst in zweiter Reihe in Betracht, und alljährlich bringt die Ackerwirtschaft und mehr noch die Äußerung der Naturgewalten weitere von ihnen zutage, welche teilweise die kleineren der bisher erwähnten an Ausdehnung erheblich übertreffen. Besonders die Arbeit des Meeres an den Kliff küsten holt bei der Zerstörung der Ostsee-Üfer Blöcke von ansehnlichen Ausmessungen hervor; durch die Sturmflut der Jahreswende 1913/14 wurden z. B. mehrere in der Nähe von Zoppot bei Danzig von 2,5 und mehr m Länge freigelegt, ebenso an der Küste Ostpreußens^). Von den größten der noch vorhandenen Riesenblöcke des alten Ordenslandes und benachbarten Gebietes mögen kurz folgende erwähnt werden. In Ostpreußen hat der Tartarenstein in der Feldmark Neidenburg wohl folgende größte Werte: Länge 4,5 m, Breite 2,5 m, Höhe I, 7 m. Umfang 12 m ^), in Westpreußen der Stoyc oder Heidenstein im Reg.-Bez. Danzig (Kreis Putzig) : Länge 7 m, horizontale Breite 4,5 m, Höhe 3,5 m. Umfang 20 m^), noch größer ist im Reg.-Bez. Marienwerder der Teufelstein bei Groddeck (Kreis Schwetz); in Posen findet sich wenige Kilometer südöstlich von der Stadt Kalisch ein Riesenblock von ungefähr 10 m Länge, 4 m Breite und 6 m Höhe"), in Brandenburg hat der größte der Markgrafensteine bei Rauen recht bedeuteude Dimensionen; noch etwas größer als er ist das Geschiebe auf dem Kirchhofe von Groß Tychow bei Belgard, das gleichzeitig das größte der Provinz Pommern und der gesamten norddeutschen Ebene ist. Es hat 44 m Umfang, 3,74 m Höhe, wobei es noch über 4 m tief in der Erde steckt, 16,90 m Länge und II, 25 m Breite. Seinen Inhalt schätzt man auf 600 m^ ^). Die Hauptmenge der Angaben über Verwendung von Geschieben zu bau- technischen Zwecken im Ordenslande bezieht sich auf das Aufführen von Gemäuer. Eine weitere Verwendungsart ist die Anfertigung von „wendern zu den thorn vor dem nuwen melzhuse^)“, also der großen Quadern, in welche die Angeln zu den Torflügeln eingelassen sind; ferner werden Steine gehauen zur Auskleidung des Brunnens zu Ragnit und ,,zur kochen of der Tylset“^). Nicht weniger als vier bzw. fünf Angaben des Hk., sämtlich aus dem Jahre 1411, beziehen sich auf 3 Steinhauer, die mit Hilfe zweier Knechte ,,czu des meysters gemache“ Steine hauen^); für das Jahr 1417 findet sich die Notiz: „3 sol. eyme steynhauwer vor eynen steyn dorchczuhuwen czu dem nuwen borne des bruw- huses am. sontage Cantate^)“. Die Entlohnung für derartige Arbeiten erfolgt in zweierlei Weise. Einmal wird die verwendete Zeit zugrunde gelegt; bei den erwähnten Arbeiten für das Gemach des Hochmeisters wird jedem Steinhauer für die Woche % Lohn gezahlt, während die Knechte, die ihnen helfen, die Hälfte, % m. bis % m., 0 25; 2) 26a, 253 und Taf XVI Abb. 12; 3) 16, 113. 114; 2, 338. 339; 4) 25, 81 bis 86; 12, 237. 238; 6) 11,783; 20, 11, 12; 26, 12; 7) Tr. 532, z. 13—25 (1409); ») Hk. 15, z. 27. 28 (1411); 9) Hk. 282, z. 10—12 (1417). 5 63 erhalten. Dann geht man andererseits aber auch von der Menge des zugerichteten Gesteinsmaterials aus; meist wird hierbei die „Elle“ als Einheit gewählt. Zum Ausmessen von Bruchsteinen bediente man sich bis in die neueste Zeit hinein der sog. Stein rute. Sie war je 1 Rute lang und breit und 3 bis •A Fuß hoch. Nach L. WeberD ist für die damalige Zeit 1 Rute = 7% Elle und 1 Elle — 2 Fuß. Geht man von diesen Zahlen aus, so enthält 1 Steinrute 84,4 bzw. 112,5 Kubikellen. Im Treßlerbuch finden sich nun 3 Angaben, welche über das Größenverhältnis von diesen beiden Raummaßen Aufschluß geben. Bei den Arbeiten zu Grebin, dem jetzigen Gute Herrengrebin bei Danzig, ist zwischen dem Hochmeister und Fellenstein das Übereinkommen getroffen, daß für die „Rute“ 25 m. gezahlt werden sollen^), während dem Steinhauer Hannus am gleichen Orte für die „Elle“ 1 fird. gegeben wird^). An weiterer Stelle wird für die ,,Rute“ die Summe von 26 m. berechnet, ,,yo von der eie 1 firdÜ“- Es ist die „Rute“ also mit 100 bzw. 104 „Ellen“ anzusetzen; im ersteren Falle hätte sie eine Höhe von rund 3Vo Fuß, im zweiten von 3% Fuß; die Differenz zwischen den beiden möglichen Höhenmaßen beträgt mithin r, Fuß. Nach Weber^) hat 1 Fuß die Länge von 0,307 m; danach enthielte die „Rute“ 19,54 bzw. 26,05 m® und die ,,E 1 1 e“ etwa % bis % m®. Gewöhnlich wird das Hauen der Elle mit 1 fird. = 0,2500 m. bezahlt. Einmal wird der Lohn dafür aber mit ,.11 Schilling^)“ = 0,1833 m. und einmal mit 4 scot — 0,1667 m. angegeben. Im letzteren Falle ist zur Erläuterung beigefügt ,,mit der herren gezoye^^)“, so daß die Annahme erlaubt scheint, der Lohn sei niedriger gesetzt worden, wenn hinzugezogene Steinhauer das notwendige Werkzeug vom Orden geliefert erhielten. — Außer dem Hauen wird auch ein Reißen von Steinen erwähnt^). Beim ersten Blick könnte man daran denken, daß von einem Um- grenzen mit ebenen oder gekrümmten Flächen die Rede sei. Bei genauerem Zusehen muß man jedoch von dieser Auffassung Abstand nehmen; bezieht sich doch diese Tätigkeit einmal nur auf bloße Steine. Das andere Mal wird die Menge freilich genau angegeben, für jede „Elle“ aber nur 4 Schilling = 0,0667 m. gezahlt. Dieser Preis ist so gering — sogar geringer wie für das Hauen von Steinen — , daß man wohl nur an ein ,, Reißen aus dem Boden“, also ein Herausschaffen aus der Erde zu denken hat. Eine eigentümliche Angabe wird von der Mauer um Sobowicz, dem heutigen Sobbowitz (Kreis Dirschau), gemacht. Dort hat der Steinhauer Peter 11 Steine gehauen, deren Ausmessungen gegeben sind: „17 eien lang und 9 eien dicke ^)“; dabei ist vorauszusetzen, daß Länge und Breite wieder gleich groß waren. Diese Zahlenwerte lassen auf einen oder mehrere Findlinge von gewaltigen Aus- messungen schließen. Ähnliche Angaben findet man, und zwar annäherungs- weise, nur selten; so berichtet W. Deecke von den Gesteinsblöcken im Funda- 1) 6, 150; 2) Tr. 212, z. 12-18 (1403); 3) Tr. 374, z. 40—375, z. 1 (1406); Tr. 532, Z.13— 25 (1409); 5) Tr. 5, z. 26—35 (1399); 6) Tr. 532, z. 13—25 (1409); 0 Tr. 5, z. 26—35 (1399) und Tr. 6, z. 15. 16 (1399); ») Tr. 5, z. 20—22 (1399). 6 64 ment der Marienkirclie zu Stralsund^). Dort sind Stücke „roten Granits bis zu 1^/2 m Länge eingebaut, die alle einem einzigen Steine entnommen sein müssen“. Unter den Angaben über den Bau von Ragnit ist verzeiclinet : „33 m. vor die pliiler zur kochen zu liauwen, und 5 m. vor die wopen zu stelen und zu Scherfen^)“. Die Herstellungskosten weisen auf eine Säule, die stattliche Dimen- sionen hatte; auch der hohe Preis für das Instandhalten der benutzten Werk- zeugstücke weist darauf hin, daß hier eine Arbeit aus einem gewaltigen Geschiebeblock geleistet wurde. Zum Vergleich sei angeführt, daß zu Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts ein großer Granitblock in den Mühlen- becker Porsten bei Alt Damm in Pommern in Angriff genommen wurde; bis dahin hatte er nur wenig aus der Erdoberfläche hervorgeragt. Hach G. Rose^) wurden aus ihm verfertigt ,,die große Säule in der Treppenhalle der neuen Münze von 9' 3" Länge, acht Säulen von 12%' Länge für den Bau der Hational- galerie, die 4' im Durchmesser haltenden Basen der 16 Säulen aus schwedischem Granit für das Siegesdenkmal, ein Erbbegräbniss auf dem Petrikirchhofe, sowie eine Anzahl größerer und kleinerer Denkmäler“. — Über die Verarbeitung einer Reihe anderer Geschiebeblöcke berichtet H. Klose^). Auch von den Arbeitsstätten, wo Findlinge zurechtgehauen wurden, sind Angaben vorhanden. Einmal wird eine Stätte „zur slusen by dem Swyn- kowen^)“ — wohl in der Nähe von Elbing — genannt, wo das fertige Material zur Fahrt nach Marienburg eingeschifft wird; der Schweinehof, der an anderer Stelle genannt wird, ist mit dem Platze „by dem Swynkowen“ wohl gleich. Dort heißt es „5 m. und 10 sc. vor 16 ruten steyne gekowfft, die rute vor 8 sc. im swynhoveJ)“. Diese Notiz ist auch deshalb bemerkenswert, weil in der Gesamtausgabe der Preis für die Rute mit 0,3385 m., im Einzelwert aber mit 0,3333 m. angegeben wird; es hat also eine Abrundung stattgefunden. Die Angabe der zweiten Werkstelle ist angegeben mit: „zum thore of Tylsid'^)“; von hier gehen die Steine auf dem Wasserwege nach Ragnit ab. Der Treßler sorgte dafür, daß Geschiebe in rohem und zugerichtetem Zustande für den etwaigen Gebrauch zur Hand waren. So werden einmal 18 Fuder ,,vom graben by seynte Niclus“ herbeigefahren; sie sind unter seiner Obhut und werden von ihm zur Verwendung herausgegeben^ ). Man kann sich wohl vorstellen, daß der Graben zur Zeit des Friedens teilweise trocken lag und hier alles, was an Steinen in der näheren und weiteren Umgebung gefunden wurde, zur Niederlage gelangte. An einer weiteren Stelle wird ebenfalls von Geschieben gesproehen, die sich im Besitze des Treßlers befanden, und zwar von „zerbrochenen“ Steinen: ,,8 sc. 1 m. von der hewschune czuczufuren und von dem czubrochenen steyne, dy mich der treszeler hys geben^)“. Gelegentlich wird dem Steinhauer Hannus ebie größere Summe, 27% m., zugewendet „vor das steyii haiiwen^®)“, dann wird ihm auch Geld ,,uf rechenschaft gegeben^^)“, um ihn an den Orden 1) 20,13. ‘0 Tr. 257, z. 14— 22 (1403); s) 5, 422. 423; h 26,42—44; 5) Tr. 119, z. 13-16 (1401); 6) Kv. 10, z. 28. 29 (1399); b Tr. 445, z. 12—15 (1407); 8) Hk. 71, z. 15—18 (1412); 9) Hk. 78, z. 19—21 (1412); J«) Tr. 291, z. 32. 33 (1404); n) Tr. :301, z. 11. 12 (1404). 7 65 zu binden. Von Marienbnrg, wo der Hauptpunkt für die Befestigung des preußischen Landes zu suchen ist, werden Büchsen und Büchsensteine nach Labiau geschickt^), dann aber auch Steinhauer zu Wagen, um dort an die Arbeit zu gehen ^). Aus den Angaben über diese Werkleute ergibt sich freilich nicht immer mit Deutlichkeit die Art ihrer Arbeit; sie wurden verwendet, um sowohl Werksteine wie auch Büchsensteine aus den Steinblöcken herzustellen: ,,1 m. den steynhauwern, dy ken Thorun czogen. item 3% m. vor 7 mandelyn buchsensteyne czu hauwen. item 1 m. steyne czu hauwen. item 1 tird. steyne czu hauwen^)“. Feinkörniger Granit wird zur Herstellung von Steiiikugeln für Büchsen verwendet. In dem Zeitraum von 1401 bis 1411 beträgl der Preis für ihre Fabrikation 116^2 m. Dabei sind nur ein wandsfreie Angaben gezählt; bei einigen von ihnen ist freilich gleichzeitig das Fuhrlohn vom Orte der Her- stellung bis zur Gebrauchsstelle eingerechnet. Von den verschiedenen Größen werden aufgeführt: faustgroße 30 Stück (% Schock), solche von der Größe der ,,boskulen“ 1028 Stück (ca. 17 Schock), kopfgroße 560 Stück (ca. 9 Schock) und solche von noch bedeutenderer Größe für Büchsen von stärkerem Kaliber. Von den letzteren stellt man her: 1% Schock zu je 0,0556 m. für das Stück, 3 Schock 2 Stück zu je 0,0625 m., 1% Schock zu je 0,0667 (bzw. 0,0500) m. für das Stück und 1 Schock zu je 0,0833 m. für das Stück. Zusammen machen diese größten Kugeln 7 Schock 10 Stück aus. Außerdem werden 24 Kugeln von noch größerem Preise — bis zu 2% m. — auf geführt. Auch von den ersteren 3 Kugelarten kennen wir den Preis; er beträgt für die kleinsten je 18 Pfg. (Denare) für das Stück ^), für die nächst größeren je 2 Schillinge (Solidi) und für die von Hauptgröße je 1 Skot^). Diese Preise bleiben für den ganzen Zeitraum die gleichen; sie verhalten sich wie 3:4:5. Auch dieses Verhältnis erhält sich deshalb für diese Dauer. — Um einen Anhalt für die Größe der einzelnen Kugelarten zu gewinnen, wurden die geballte Faust und der Kopf an der breitesten Stelle durch ihren Umfang gemessen. Dabei ergab sich für die erstere in einem Falle 27,5 cm, für die andere 59 cm. Faust und Kopf haben freilich verschieden geformten Umfang. Er wechselt bei beiden je nach ihrer Größe und Ausbildung bei verschiedenen Individuen, mit dem Alter und damit in dem Verhältnis seiner Ausmessungen. Außerdem kommt hinzu, daß man es hier nicht mit größten Kreisen wie bei Kugeln zu tun hat. Wäre das der Fall, so hätten die errechneten Radien von 4,375 und 9,386 cm ihren vollen Wert; unter den hier obwaltenden Umständen ist er freilich weniger vollkommen. Dagegen gelangt man zu einem gewissen Resultat, wenn man die A^erhältniswerte aus der Messung mit denen aus den Wirtschaftsbüchern vergleicht. Dann ergibt sich das folgende Bild: 1) Tr. 247, z. 9. 10 (1403); 2) Hk. 4, z. 34. 35 (1410); 3) Hk. 11, z. 14—16 (1411); Tr. 572, z. 14—19 (140); 0 Tr. 212, z. 4—9 (1403). Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 3. 8 5 66 Das Verhältnis der Preisangaben für die Kugeln von Kopf- und Faustgroße 1 : 0,6 I )as V erhältnis von den Messungen an Kopf und Faust beträgt 1 : 0,466 ; daraus ergibt sich das Verhältnis für ihre Durchmesser, Halb- messer und Umfänge 1 : 0,5 Oberflächen 1 : 0,2 Inhalte und Gewichte 1 : 0,1 Ein Yergleicli dieser Werte zeigt, daß die Verliältnis werte 1:0,6 und 1:0,5 am besten übereinstimmen; das Ansteigen der Radienlänge und der Größe der Zahlung erfolgt in gleicher Weise. Die Ausgangswerte für die Fest- stellung der zu zahlenden Preise sind also durch die Größe der Radien bzw. Durchmesser gegeben und werden am Umfang gemessen. Es wäre noch eine andere Möglichkeit gewesen, die zu zahlende Vergütung festzulegen, nämlich die Benutzung des Gewichtes der fertiggestellten Kugeln. Es würde das um so weniger Schwierigkeiten bereiten, als das spez. Gewicht für den dichten Granit mit nur kleinen Abweichungen um 2,71 schwankt. Auch in einem anderen Falle läßt sich nachweisen, daß Arbeiten, die an den Oberflächen von Körpern vor- genommen wurden, nach dem Gewichte des Gegenstandes bezahlt wurden^). Da- bei nahm man dann die Entlohnung derart vor, daß man den zu zahlenden Preis mit der dritten Potenz der Ausdehnung in Anrechnung brachte, während die zweite am Platze gewesen wäre. Die Oberfläche von kugelförmigen Körpern konnte man damals noch nicht in verhältnismäßig einfacher Weise bestimmen, deshalb suchte man nach Anhaltspunkten für die Bezahlung und nahm sie, wo man sie am bequemsten fand. Die Bewertung der Kugelfabrikation nach dem Gewicht scheiterte an der Schwierigkeit, schwere Körper schnell an jedem Orte zu wägen; so wandte man sich der Messung größter Kreise an den Kugeln zu, um die zu zahlenden Preise festzusetzen. Wenn man nun weiß, wie groß eine ,, Faust“ ist, vermag man sich ein Bild vmn der Größe der anderen Kugeln zu machen. — Ujiter ,,Faust“ versteht man ein altes Ijängenmaß, das besonders in Österreich benutzt wurde,, doch auch in deutschen Gebieten — wie früher dort — gelegentlich noch heute zur Ariv/en- dung kommt; besonders ältere Landwirte können von ihm Auskunft geben. Es betrug „4 Zoll zu 4 Strich“ = 10,537 cm. Legt man diesen Wert als Durch- messer für die faustgroßen Steinkugeln zugrunde, so findet man für die nächst größeren einen solchen von 14,05 cm und für die kopfgroßen 17,56 cm. Geht man andererseits von der kleinsten Rohrweite der kleinsten Steinbüchsen — von 11 cm — aus, so ergeben sich ähnliche Werte. Dabei ist für den Spielraum zwischen Rohrwandung und Geschoß von dem Rohrdurchmesser in Abzug zu bringen^). Der Durchmesser einer Kugel von der Größe einer Faust beträgt 0 29, 70; 2) 34, 200. 9 67 dann 10,45 cm, einer Boßkule 13,93 cm, eines Hauptes 17,42 cm. L. Meyer^) hat die von Töpfen gemachten Gewichtsangaben über die Geschütze der Ordenszeit umgerechnet und teilt die Steinbüchsen in Gruppen; nach ihm gibt es große von 38 bis 40 und 47 bis 64 cm Hohrdurchmesser, mittlere von 20 bis 22 und 28 bis 33 cm und kleine von 11 bis 14 cm Durchmesser. Es würden danach die Kugeln von der Größe einer Faust und einer Boßkule dem kleinsten und größten Kaliber der kleinen Büchsen, die von Kopfgröße dem kleinsten Kaliber der mittleren Büchsen entsprechen. Die Übereinstimmung zwischen den Kugelgrößen, wie sie sich aus der Größe einer Faust bzw. der des kleinsten Kalibers einer Steinbüchse errechnen, zeigt am besten die folgende Tabelle: Kugelgröße Gefunden aus der Größe eiuer „Faust“ in cm Getänden aus der Größe der Rohr- weite in cm Faust 10,5 10.5 Boßkule 14.0 13,3 Haupt 17,5 19,0 Die Werte stimmen also gut überein. Bedenken könnte nur der AVert von 17,5 cm erregen, da man nach dem kleinsten Kaliber von 20 cm einen solchen von 19 cm erwarten müßte. Da die gegebenen Grenzwerte für das Kaliber aber nicht scharf sind, kann man mit den gefundenen Hesultaten recht wohl zufrieden sein. Außerdem kommt hinzu, daß man auch kleinere Kugeln verschoß, als der Kalibergröße der Geschützrohre entsprechen würden. — An den Zünd- löchern hatte man die unangenehme Erfahrung gemacht, daß sie beim Abfeuern der Geschütze durch die herausstoßende Stichflamme der Pulvergase mehr und mehr ausbrannten. Durch Einführen von stählernen Höhren, welche die Zünd- löcher auskleideten, vermochte man dieses Übel zu beseitigen. Auch die Rohre der Geschütze brannten im A^erlaufe des Gebrauchs mehr und mehr aus, und die rauhe Oberfläche der Kugeln wirkte dabei mit, das Innere stark anzugreifen. Dadurch nahm die Erweiterung der Rohre mit jedem Schuß zu. Man fertigte deshalb Kugeln von möglichst jeder Größe an, um stärkere an der Stelle von den bisher benutzten, minder gewichtigen zu verwenden, sobald es die zunehmende Rohrweite zu verlangen schien. Es war das um so eher möglich, als man den Raum zwischen Kugel und Wandung mit Holzspänen verkeilte und mit gedrehten Tuchstreifen, die vorher mit Wachs getränkt waren, verstopfte^). Im Gegensatz zu meiner Annahme über die Kugeln von Faustgröße steht die von Lotar AVep>er^). Er nimmt für sie einen Durchmesser von 8 cm an, 1) 34, 199. 214-216; 2) 34, 2OO. 202; 3) 6, 633. 10 5-)f 68 für die beiden anderen Kugelsorten solche von 11 cm und 16 cm. Hierbei würde der erstem Wert unterhalb der Größe liegen, die für Steinbüchsen gefunden ist; sie würde sich in Einklang bringen lassen mit den Ausmessungen, die für Lotbüchsen anzunehmen sind. Der Durchmesser von 16 cm für Kopf- größe fiele andererseits zwischen die Werte für kleine und mittlere Stein- büchsen. L. Meyer^) gibt auf Grund alter Eeuerwertsbücher die Größe der Kugel von Hauptgröße zu 13 bis 17 cm an, doch sollten diese aus ,, kleinen“ Steinbüchsen geschossen werden. Die Zahlenangabe ist mit den errechneten Werten in Einklang zu bringen, während die Notiz über die Art der Büchse nicht störend wirkt. Die Artillerie war damals in steter Entwickelung begriffen, und die Bezeichnungen für die Größe der Büchsen erfuhren eine Verschiebung, je nachdem man es lernte, die Geschützrohre immer größer anzufertigen; so konnten solche, die man beim Guß zuerst als solche von mittlerer Größe bezeichnete, recht bald von anderen überholt werden. Sie verloren an Interesse und Bedeutung und wurden den „kleinen“ Büchsen zugezählt. Die „boskulen“ haben verschiedene Deutung erfahren. J. H. Campe und Walther ZiESEMER sehen in ihnen Kugeln von der Größe einer Kegelkugel. Weber^) gibt an, daß dieser Ausdruck jetzt eine große Mörserkeule bezeichnet; wie das Wort Boßhaken von Bootshaken, stamme er wahrscheinlich von Boots- keule. Ähnlich ist die Angabe bei L. Meyer^). Nach ihm findet man bei Schrift- stellern des 17. Jahrhunderts ,, Boßkeulen“ statt Paßkugeln; „Boßleute sind Schiffer, Boßkeulen oder Paßkeulen wären also Schifferkeulen“. Außer den eben besprochenen Kugel arten, die man als die gebräuchlichsten bezeichnen könnte, werden noch größere erwähnt; diese kommen wohl weniger für Feld- wie für Festungsgeschütze in Betracht. Wollte man für sie annehmen, daß die Unkosten bei ihrer Herstellung mit der Länge ihres größten Kreises (Umfangs) wüchsen, so käme man zu absonderlichen Werten. Der größte Preis, der für das Hauen eines Steins bezahlt wurde, beträgt 2,33 m."^). Der danach ermittelte Durchmesser würde 983,45 cm sein. Selbst mit der Annahme, daß es sich hier um einen Ausnahmspreis handele, wäre nichts zur Klärung der Frage erreicht. Für 6 andere Kugeln zur Marschallsbüchse wird je 0,1667 m. bezahlt^), was einem Durchmesser von 70,25 cm entsprechen würde. Wieder- holt, nämlich 17mal, beträgt der Preis für die Herstellung der Steingeschosse 1,125 m.®) ; der berechnete Wert für den Durchmesser der Kugel wäre 474,165 cm. Die Bezahlung steht hier also nicht im gleichen Verhältnis mit dem Wachsen des Durchmessers bzw. Umfanges. Bei der verhältnismäßig geringen Menge, die von den Kugeln dieser Größe hergestellt wurde, legte man eine andere Art der Vergütung für die geleistete Arbeit zugrunde. Man machte sich davon frei, die geleistete Arbeit an der Oberfläche nach der Länge des Durchmessers (Umfanges) zu bestimmen, und ging von der Zeit aus, die zum Hauen von 1) 34, 200 ; 2) 6, 633; 34, 199, Aiim. 2; Tr. 496, z. 2. 3 (1408); 5) Tr. 597, z. 18 bis 24 (1409); 6) Tr. 511, z. 21. 22 (1408) und 532, z. 20—24 (1409). 11 69 Büejisei3 steinen gebraucht wurde. So lautet eine Angabe: „3 m. eyme buclisen- steynliouwer, 10 wochen hatte her buchsenstejme gehauwen^)“, h. die Ent- lohnung ist hier genau so groß, wie bei der Anfertigung großer Gesteins- quadern. — Man ist hiermit zu einer Preisbemessung übergegangen, die der tatsächlich aufgewendeten Arbeit entspricht. Aus dieser Angabe lassen sich verschiedene Daten ableiten, so hätte ein Mann, der für die Herstellung einer Kugel 1 m. 3 sc. = 1,125 m. erhält, an ihr 3% Wochen gearbeitet. Auch aus dem festgeleg'ten Kaliber (Toppen, Meyer), d. h. der Hohrweite, der größeren und größten Büchsen des Ordens lassen sich interessante Ergebnisse finden. Bei dem spezifischen Gewicht des Granits zu 2,71 und unter Abzug von ^/2o des Kalibers für Spielraum zwischen Kugel und Hohr wand nng, berechnen sich die folgenden Gewichte für die Steinkugeln: Für das größte Kaliber, das man annimmt, von 64 cm Kaliber ergibt sich eine Kugel von 319 kg — er. 6% z — Gewicht, für die kurze Büchse^) des Ordens, deren Hohrweite etwa 61 bis 63 cm betrug, 276,3 kg bis 304,1 kg, das sind er. 5% z bis 6 z. Eine Kugel von Kopfgröße wog er. 7% kg, eine Boßkeule er. 4 kg, eine Kugel von Faustgröße er. 1% kg. Das Material zu kleineren Steinen las man einfach zusammen''), größere Steine mußte man auf suchen und aus dem Boden hervorholen; sind die ange^ troffenen Blöcke von größerer Ausdehnung, so muß man das gewünschte Material „brechen“ Dazu wurde es mit Hilfe von Spaten^) freigelegt, wobei auch die Rodehacke (rodehouwe)^) fleißig mithalf, hervorgeholt und verarbeitet. Ist es angängig, so haut man das Gestein an Ort und Stelle zurecht; das ist besonders dann der Fall, wenn größere Geschosse hergestellt werden sollen, die viel Abfall geben. Zur Herstellung kleinerer Kugeln verladet man das Material und schafft es auf die Arbeitsplätze der benachbarten Besitzungen des Ordens oder nach Königsberg auf den Fischhof, „do man sie hat gehauwen“^). Den letzteren Weg verwendet man mit Vorteil dann, wenn Wasser in der Nähe ist, auf dem sich ein bequemer Transport ermöglicht ^ ) . V Oll dem Fischhof ist wiederholt die Hede. Es ist dann der von der Marien- burg gemeint, wo die zur Verpflegung notwendigen Erträge der Fischerei bei ihrer Ankunft abgesetzt und vorläufig aufgestapelt wurden. Auch die Ordens- vogtei Stuhm der Komturei Marienburg besaß einen Fischhof 0, auf dem das Gerät zum. Abfischen der vielen Seen in der dortigen Gegend aufbewahrt und die gemachte Beute untergebracht wurde. — Um über die Lage und Größe des ersteren Aufschluß zu erhalten, ist es notwendig zu wissen, in welchem Maße man sich in damaliger Zeit der Fische zur Speise bediente. In einem katholischen Lande mit seinen Fasten konnte die Fischerei, als die Gewässer noch nicht stark abgefischt wurden, die Bevölkerung weniger dicht und der Landbau weniger 9 Tr. 117, z. 3. 4 (1401); 2) 34, 200 ; 3) Tr. 597, z. 18. 19 (1409); b Tr. 127, z. 23 bis 28 (1401); 9 Tr. 257, z. 18—22 (1403); 6) Tr. 240, z. 38 bis 247. z. 4(1403); 9 Ä. 23, z. 20 (1446). 12 70 intensiv betrieben war, von großer Bedeutung sein. Sie bot eine „bequeme und angenelime Einnalimequelle“^), und wegen des Bedarfs an Fischen und der Liebhaberei für sie war der Preis von Seen deshalb verhältnismäßig hoch. Andererseits betrieben die preußischen Städte den Heringsfang bei Schonen und Heia; er war so ergiebig, daß sie mit seinem Ertrage nicht nur Preußen und Polen, sondern teilweise auch Eordf rankreich und Flandern versorgen konnteiL'). Der Fischmeister von Scharf aw, dem heutigen Scharpau im Kreis Marienburg, beteiligte sich auch an dem Heringsfang bei der Insel Bornholm; so werden erwähnt ,,4 leste gros salcz und 10 leste kleyn salcz off dem spicher czu Danczik, item 5% last und 3 tonnen salcz czu Bornholme, die czu den Schuten gehoren‘‘''^) und ,,% last salczes und 4 tonnen, item 2 teste salczes czu Bornholmen“ — Das Marienburger Konventsbuch, das den Zeitraum von 1399 bis 1412 umfaßt, zählt folgende Fische auf: Bornholmer und Schonischen Hering, Hering schlechthin, Dorsch und Stockfisch, Aal und — vereinzelt — gesalzenen Hecht, gesalzenen Bresemfisch, d. i. Brachsen Abramis hrama L., und Lachs. Den Einkauf besorgen der Großschäffer von Marienburg, der vorzugs- v/eise Dorsch und Aal ersteht und dann mit dem Konvente abrechnet, sowie der Fischmeister von Scharpau. Dieser beschafft außer Aal, Hering und Dorsch auch Stockfisch und gesalzenen Bresemfisch. Doch auch andere Personen be- teiligen sich an dem Einkauf für den Orden. Bornholmer und Schonischer Hering werden vom Fangorte herbeigeschafft oder in den Städten an der See, Danzig, Elbing und Memel, gekauft. In diesen Orten werden auch andere Fischsorten erstanden. Einmal gibt ein Mann „vom Brunsberg“, aus Brauns- berg, 3 Last und 2 Tonnen Dorsch ab^"^), in einem anderen Falle kommen z. B. von Putzig 4 Last Dorsch ^ ) . Aus den Kotierungen des Konventsbuches lassen sich für die einzelnen Jahre die folgenden Summen berechnen, die Fische und Fischfang kosteten. 1399 105,83 m. 1406 . . . . 107,17 m. 1400 .... 150,22 „ 1407 — 1401 . ... 99,10 „ 1408 . . . . 101,27 1402 .... 1 14,22 „ 1409 .... 217,83 » 1403 .... 214,21 „ 1410 . . . . — 1404 .... 138,42 „ 1411 .... 356,61 1405 . . . . 107.89 „ 1412 .... 372,- » Der größte Betrag ist 1412 mit 372 m verzeichnet. Minima sind 1407 und 1410, für welche keine Ausgaben notiert werden. Das zweite Minimum liegt zwischen den Jahren 1409 und 1411, für welche eine stete Steigerung der ver- zeichnet en Beträge nachweisbar ist; es wird durch die Zeit der Schlacht bei Tannenberg bedingt. Der Mittelwert dieser Ausgaben, für 14 Jahre berechnet, beträgt 148,86 m. 1) 6, 221; 2) 0^ 179. 200. 201; Ä. 56, z. 10—12 (1406); 0 Ä. 58, z. 1. 2. (1419); 5) Kv. 275, z. 36—38 (1412); 6) Kv. 275, z. 19. 20 (1412). 71 Das Ausg’abebucli des Marienburger Hauskomturs umfaßt die Jahre 1410 bis 1420; es beginnt mit seinen Aufzeichnungen im Jahre der Schlacht von Tannenberg. Die Beziehungen zum Auslande sind durch' die kriegerischen Hreignisse gestört. Man verzichtet darauf, bei der Unsicherheit der Zeit die Fische von weither zu beziehen. Das ist um so mehr notwendig, als die Fracht- sätze äußerst hoch sind. So wird für das Schilfen von 8 Last Hering von Danzig nach Marienburg 2 m. gezahlt^), für (> Last Dorsch und Hering auf dem gleichen Weg 2 m., wobei für das Einschiffen noch % m. besonders berechnet wird und für 8 Last Schonischen Herings 2% m.'^). Das verwüstete und ausgeraubte Land bietet weniger Gretreide und Fleisch als früher. Andererseits' versucht man die Schäden des unseligen Krieges zu beseitigen und sammelt Arbeitskräfte, um die zerstörten Gebäude und festen Häuser wieder aufzurichten. Zur Beschaff ung der notwendigen Kahrung besinnt man sich auf den Fischreichtum des Landes und wendet ihm die Aufmerksamkeit zu. Diese Behauptung wird durch die Angaben gestützt, welche in Zahlen über die Vorräte in den ein- zelnen Ämtern des Haupthauses berichten. Besonders die Notizen über den ein- gepökelten Hering, der aus den östlichen Teilen der See kam, geben in dieser Hinsicht ein klares Bild. Mit dem Jahre der Schlacht bei Tannenberg beginnen die Vorräte dieses Ernährungsmittels stetig abzunehmen; wo eine Zunahme trotzdem stattfindet, ist sie nur gering und läßt sich dadurch erklären, daß eine Schiebung aus dem Lager des einen Amts in das eines anderen stattfand. Erst mit Beginn der zwanziger J ahre macht sich wieder ein langsames Aufwärtssteigen bemerkbar. Dagegen setzt der Fang von DorschJ) und Stör '0 kräftig ein, um den heimischen Gewässern zu entnehmen, was die ferner liegen- den versagen. In den Angaben dös Ämterbuches werden 15 verschiedene Arten von Nutzfischen auf geführt. — Auch in dem Buche des Hauskomturs spiegelt sich ein Bild des damaligen Fischereiwesens Preußens ab, das gleichzeitig über die Lage des Fisch hofs Auskunft gibt. • Konrad von Jungingen war ein großer Tierfreund und besaß eine reiche Sammlung von verschiedenen Vertretern der Tierwelt, mit deren Zusendung ihm befreundete Fürsten eine Ehrung erwiesen. Er besaß auch einen Karpfen- teich, zu dem jetzt ein neuer hinzukommt^). Der ältere lag in einem Garten und enthielt eine Insel mit einem Häuschen''^), in dem man wohl die Geräte zur Fischerei und zur Pflege des Teiches aufbewahrte. Um den Teich wurde ein Zaun aus Eichenholz angelegt^); dieser sollte weniger vor der Gefahr des Hineinstürzens sichern, als Diebstahl verhindern; wird doch auch eine Wache erwähiffl^), die bei den Karpfenteichen aufgestellt ist. Ferner sind Garne auf- geführt und Fischer, die sie zum Abfischen benutzen. Die Teiche liegen an der Nogat, in die sie durch Schleusen entleert werden können Im Winter 1) Kv. 174, z. 14—17 (1406); Kv. 275, z. 31—35 (1412); 3) Kv. 161, z. 16-19 (1405); 4) Ä. 57, z.' 37 (1419); 5) Ä. 57 bis 59 (1414 bis 1435); «) Hk. 334, z. 23. 24 (1419); 7) Hk. 351, z. 33. 34 (1420); ») Hk. 348, z. 23—27 (1420); 9) Hk. 330, z. 1 (1419); lO) Hk. 339, z. 39. 40 (1419); 11) Hk. 357, z. 21—23 (1420). 14 72 wird das Eis durch Wunen geöffnet, damit die Fische genügend Atemluft er- halten. Die wiederholten Notizen über das Graben an den Teichen lassen ver- muten, daß man sich deren Pflege lebhaft angenommen hat. Sogar Enten werden erwähnt, die bei ihrer Gefräßigkeit vielleicht die Rolle spielen sollten, wie sie heute der Hecht spielt: „9 sol. vor 6 enten gekowft von dem gertenner by der mole umb der karpentichen willen Die in diesen Anlagen gezogenen Edelfisiche vermochten freilich nicht den ganzen bestehenden Bedarf zu decken, sie waren wohl nur für die Tafel des Hochmeisters und der oberen Würdenträger bestimmt. Die Hauptmenge hatte der Fischmeister zu beschaffen, der in Scharpau saß. Er allein versorgte den Orden in dieser Hinsicht; der andere zu Mortecke, dem heutigen Mohrungen, v;ird niemals hierbei genannt. Der Fischmeister „czum Druwsen“ erhält 1415 eine bestimmte Summe (14 m.) auf Rechnung „in syn ampth nothdorfft czu kouffen was man im von hynnen nicht schicken mochte“^); um Weihnachten legt er Abrechnungszettel vor und läßt sich auszahlen, was er über diesen Betrag verauslagt hat^). Er hat für die Fahrzeuge des Ordens zu sorgen und läßt sich einmal 11% m. zurückerstatten ,,vor schiffe zu flicken unde zu bessern“^). Außer diesen Kähnen auf dem Drausensee stehen ihm eine „Saue“ zur Verfügung, in der die Beute lebend ins Haupthaus geschafft wird. Sie ist mit den heutigen ,,Sieken“ in Ver- gleich zu bringen, die einen doppelten Boden und unter dem Deck einen Raum besitzen, dessen Wandungen durchlocht sind. Bei dem Liegen dieser Schiffe vermag frisches Wasser deshalb in das Innere zu dringen und die hier lebend aufgehobenen Beutetiere zu umspülen; bei der Fahrt erfolgt das Zuströmen von frischem Wasser in die Fischbehälter von selbst. Die Saue des Ordens hat ihren Lagerplatz bei der Fischbude und ist mit Schlössern^) an den Deckluken versehen, durch die man die gefangenen Tiere mit Keschern hervorholt; zu ihrer Bedienung sind fünf Knechte notwendig*"), die für jede Fahrt 14 sc. erhalten. Sie läuft zum Drausensee und holt eine volle Ladung Fische von dort herbei. Wenn in einem Jahre (1415) die Fahrten sich wiederholen, ist es mög- lich, daß die Füllung des Behälters ,, nicht vol wart, alsi of dem Druwsen gebrach“. Dann läuft das Fahrzeug bei Elbing an, und der Fischkäufer ersteht hier noch das Fehlende, bis die Ladung vollständig ist. Einmal kauft der Fisch- meister in dieser Stadt auch die Fische, welche nach Marienburg gehen sollen, lind zahlt für die Füllung der .,suwe“ 20 m. und 14 sc. ^). Der Jahrlohn für die Fischer am Drausensee wird mit 2% m. und 4 sc. notiert®). Außer zu Schiff werden Fische auch auf dem Fischwagen herbeigeholt, zu dessen Bedienung der Knecht (waynknecht) Matthias^) bestellt ist. Man bedient sich des Gefährts, um die Umgegend abzustreifen und Fische herbei- zuholen ^*^); auf ihm stehen verschließbare Fässer, in die man die Tiere hinein- 1) Hk. 334, z. 25—27 (1419); 2) Hk. 159, z. 16—19 (1415); 3) Hk. 204, z. 35—38 (1416); b Hk. 205, z. 10. 11 (1416); ^) Hk. 204, z. 1. 2. (1416); 0 Hk. 159, z. 5—11 (1415); 0 Hk. 203, z. 1—3(1416); 8) Hk. 7, z. 8. 9 (1411); 9) Hk. 288, z. 35. 36 (1417). lO) Hk. 43, z. 4. 5 (1412). 16 73 gibt^). Auch das erAvälinte ,,huttevass“ diente zum vorläufigen Auf bewahren von diesem^,); es befand sich im Wasser und hatte durchlöcherte Wandungen, um ständig frisches Wasser in sich eintreten zu lassen, war also eine Art Fisch- kasten. — Gelegentlich bringt auch ein Fuhrmann auf dem Landwege Fische Amm Drausen nach Marienburg. Erwähnt wird ferner öfter der Fischkäufer, von dem bereits oben die Hede war. Wie der Fischmeister hat auch er dafür zu sorgen, daß die notAvendigen Mengen von Fischen für die Hauptburg des Ordens beschafft werden ; so heißt es für das Jahr 1416: „12% m. vor fische dem fischmeister offm Druszen am sontage vor Andree. item Peter fischkouffer 8 sc. vor fische“ ^). vSeine Einkäufe haben freilich geringeren Umfang; er bringt sie wohl auch selbst zu Wagen herbei: „4% m. 1 lod vor fische, dy Peter fischkofer off dem wayne Amm Elwinge brochte“ oder er beaufsichtigt den Transport der erworbenen Tiere und rechnet dann mit den Knechten ab: „21 sc. 6 d. Peter fischkouffer vor czwu reysen fische vom Druwsen czu holen den knechten zcu lone, alz 14 sc. eyne reyse mit der suw und 7 sc. 8 d. die ander reyse mit dem liutteAmsse“^'). Je nach der Größe des Fanges wird also, wie von Elbing her auch vom Drausensee, bald dasi Fischschiff, bald ein Fahrzeug mit Fischkasten benutzt. Wegen der Kähe des großen Drausen besucht man Elbing besonders häufig, um Einkäufe zu machen; dem Fischknechte — gemeint ist wohl der Wagen- knecht — wird in einem Falle ein Zehrgeld von 8 sc. gereicht, als er mit anderen Knechten dorthin geschickt wird^). Auch in der Stadt Marienburg kauft man Fische für das HausJ); die erstandenen Mengen sind jedoch nur Amn unter- geordneter Bedeutung, einmal beträgt der Einkauf dort sogar nur 5% Eimer, für die man 11 sc. zahlt ^). Von anderen Orten, welche die Burg in dieser Weise A'ersorgen, sind zu nennen Scharpau und Sommeran (SomeraAv), beide im heu- tigen Kreise Marienburg, von wo die Zufuhr zu Wagen erfolgte^), ferner Zantir (Czanter)^^), das wohl an der Stelle des heutigen Dorfes Weißenberg im Kreise Stuhm zu suchen ist, und das Waldmeisteramt Bönhof (der Benhoff)^^) in der Komturei Marienburg, heute im Kreise Stuhm. Andererseits ließ der Orden auch die Gewässer in der Mähe seiner Hochburg selbst abfischen, so wird gezahlt „1 m. 3 sol. 4 vischern, dy 9 wochen alhie umb das hus gevischet haben“^^) und ,,3 sol. 3 fischern, dy im graben czogen by dem snitczthorm“^^); ein Versuch bei Braunswalde, südlich von Marienburg im heutigen Kreise Stuhm, Beute zu machen, mißlang: „10 sc. den vischern, dy czogen czum Bruns- walde uf den sehn und Adngen nicht“^'^). Von den erbeuteten Tieren Averden genannt Hecht, Lachsi, iVal, Stör, bresemfisch (Brachsen), nuAAmnocken (Keun- augen) und Fische schlechthin, von den verwendeten Geräten: Leinen, Fisch- 1) Hk. 254, z. 37—40 (1417); 2) Hk. 204, z. 12 (1416); 3) Hk. 231, z. 33—34 (1416); 0 Hk. 85, z. 40. 41 (1413); 0 Hk. 204, z. 10—12 (1416); 6) Hk. 261, z. 12. 13 (1417); 7} Hk. 86, z. 5. 6 (1413), 204, z. 14. 15 (1416), 245, z. 33. 34 (1417); «) Hk. 261, z. 13. 14 (1417); 9) Hk. 114, z. 23—25 (1413), 80, z. 35. 36 (1412); lO) Hk. 203, z. 18—21 (1416); 295, z. 39—296, z. 1 (1418); % Hk. 158, z. 26—27 (1415); i3) Hk. 262, z. 32. 33 (1417). 16 74 gariie, Fisch leinen und Tücher zu Fischgarnen, Grrobstein zu Fischgarnen, Steine zum FTetzbeschweren, Säcke, Kescher, Zuber und Fischkörbe. Über die Verwendung der gekauften Fische gibt eine Notiz aus dem Jahre 1415 Auf- schluß: ,, summa vor fissiche 246 m. 5 sc. 14 d.; des ist das drittetyl in des meysters kochen, 82 m. minus 5 d. unde czwey teyl in dy conventskochen 164 m. % fird. 10 d.“^). Die Gesamtausgaben für die einzelnen Jahre betragen nach dem Ausgabebuche des Marienburger Hauskomturs: 1410 . . . . — m. 1416 . . . 170,74 m. 1411 . . . . 270,51 1417 . . . . 110,96 „ 1412 . . . . 319,87 V 1418 . . . 1,67 „ 1413 . . . . 351,17 1419 . . . • V 1414 . . . . 231,02 1420 . . . • yy 1415 In den 11 . . . . 246,23 „ Jahren sind also drei inima zu je 0 m. und ein Maximum zu 351,17 m. verzeichnet; die Gesamtausgabe in dieser Zeit beträgt 1702,16 m., der Mittelwert 154,74 m. Das erste Minimum (1410) erklärt sicli durch die Not der Zeit, die eine geregelte Buchführung unmöglich machte. Die jährlichen Ausgaben steigen bis 1413 mehr und mehr an, um dann langsam abzunehmen und schließlich zu verschwinden. W ahrscheinlich war es dem Schäif er inzwischen wieder gelungen, die verlangten großen Fischmengen von auswärts zu besorgen; es war das um so notwendiger, als der Fischfang in der näheren und weiteren Umgebung des Ordensschlosses nicht immer Erträge von der gewünschten Höhe zu liefern vermochte. Die im Laufe des Jahres herbeigeschafften Vorräte konnten in dem Fisch- fahrzeug lebend erhalten werden, die kleineren Einkäufe von totem Material wur- den wohl bald verwendet. Größere Schwierigkeiten entstanden, wenn gesalzene Fische last weise herbeigeschafft wurden, wie es uns das Konventsbuch angibt. Der Fischhof mußte also am Wasser liegen, damit die Anfuhr möglichst bequem vorgenommen werden konnte, andererseits bedingte der Duft der geöffneten Fässer bzw. der Fischerei geräte und offen lagernder Fischvorräte, daß diese Anlage seitwärts ihren Platz haben mußte. War damals einerseits die Empfind- lichkeit geringer als heutzutage, so war es andererseits auch die Sauberkeit. Von dem Fischhof selbst wird nur wenig berichtet; Avir erfahren nur, daß am Sonn- tage nach Pfingsten 1416 drei Schlösser für ihn gemacht werden und daß zwei Zuber zu ihm gehören, sowie die Fässer, in denen man Fische holt. Auf ihm steht eine Fischbude, die verschließbar ist und für deren Schloß wiederholt Schlüssel angefertigt werden. In ihr werden verschiedene Geräte, die leicht entfernt Averden können, z. B. Seile u. ä., aufgehoben"); sie ist seitlich bis an den umfriedigenden Zaun gerückt und steht dicht am Wasser^), neben ihr befindet sich die ,,suAve“, soweit sie nicht Fische herbeiholt. Auf die Lage der 1) Hk. 159, z. 12—15 (1415); 2) Hk. 204, z. 7. 8 (1416); 3) Hk. 228, z. 19. 21— 23 (1416); 4) Hk. 204, z. 1. 2 (1416). 17 75 Bude am Wasser weist uocli eine andere Stelle liin, nacli der zwei Knechte „den danczick reyne gemacht haben hie der fyschbiideii“ ^); nach dieser Angabe wird man wohl an den großen Herren-Danzk an der Südwestecke des Hoch- schlosses denken müssen. Der Fischhof hatte also eine beträchtliche Ausdehnung, um Schiffsladungen von Fischen auf nehmen zu können, er lag am Wasser und bot Fahrzeugen eine bequeme Gelegenheit zum Anlegen. Auf diesem geräumigen Platze fand sich Raum genug, die herbeigeschafften Steine zu hauen und die fertig gestellten Kugeln bis zum A^ersand aufzuheben“). Büchsensteine werden ferner zu Sobbowitz, Kreis Dirschau, gehauen. Dort wird eine Zahlung von 16 scot. 20 den. = 0,6945 m. "^) im Jahre 1409 allein für das Schärfen der stumpfgewordenen Steinbicken gezahlt. Zwei Jahre später kommt es dort zu einem eigentümlichen Vorfall. Der ansässige Schmied hat für die Steinhauer Bicken geschärft und fordert für seine Arbeit einen liohn von 1 m.; weil die Arbeiter den verlangten Preis nicht zahlen können, behält er die Werkzeugstücke zum Pfände, bis der Orden sie auslöst 0. 1409 werden dort 2^5 Schock kleiner Steine gehauen''^). — Als zweiter Ort kommt Schöneck, Kreis Berent, zur Erwähnung. Die dort beschäftigten Steiiihauer werden von dem Witing Mattis aufgesucht^^ ) und auf ihre Tätigkeit hin inspiziert. Der Treßler wendet diesem Gewinnungsorte seine besondere Teilnahme zu, werden hier um diese Zeit doch große Büchsensteine gehauen; der dort arbeitende Stein- hauer Hannus hatte Geld auf Rechenschaft erhalten und seine Dienste damit dem Orden verpflichtet 0. — Eine große Menge von Gesteinsgeschossen wurde auch in der Umgegend von Gotteswerder (Gotswerdir; Burg des Deutschen Ordens in Litauen)^) und bei Bütow'^) hergestellt.' Ein wichtiger Gewinnungsort für Blockmaterial war Labiau. Hier werden 1409 16 große Büchsensteine hergestellt ^*0, jeder zu 4% fird. = 1,125 m., dorthin werden 1410 zu AVagen Steinhauer geschafft, um die Gewinnung der Steine in ausgedehnterem Alaße zu betreiben ^^). Die Wahl dieser Gegend war besonders vorteilhaft, da der Kreis Labiau durch seinen Reichtum an Blöcken auch heute noch ganz besonders hervortritt^^ ). Solche ergiebigeiiFimdorte brachten freilich oft Schwierigkeiten dadurch, daß durch das Fortführen der angefertigten Steine erhebliche Unkosten entstanden. — Über das Fortschaffen derartiger schwerer Kugeln liegen verschiedene Angaben vor. Als 14 Steine zur großen Büchse von Elbing nach Strasburg kommen, muß für jeden 1 m. gezahlt werdeiU'^), ebenso als diese Steine von Strasburg nach Gollub weitergeheiU'^) ; liierbei waren für jedes Geschoß vier Pferde notwendig. Als der Komtur von Gollub acht große 1) Hk. 229, z. 8—10 (1416); 2) Tr. 247, z. 9. 10 (1403); 3) jr. 523, z. 16—18 (1409); 4)Kv.252, z. 20— 23(1411); 5) Tr. 572. z. 14— 19 (1409); 6) Tr. 574, z. 12. 13 (1409); 7) Tr. 545, z. 10—14 (1409); ») Tr. 127, z. 23—28 (1401); 9) Tr. 326, z. 25. 26 (1404); lO) Tr. 532, z. 20 bis 24 (1409); n) Hk. 4, z. 34.35 (1410); i2) 15, i08; i3) Tr. 591, z. 29— 30 (1409) ; i4) Tr. 577, z. 24—26 (1409). 18 76 Steine nach Beberen im Lande Dobrin — dem heutigen Bobrownik a. d. Weichsel — schickt, muß er für jeden 1 m. zahlen^); für zwei solcher Geschosse, die nach Graudenz gehen, wird noch mehr bezahlt, nämlich 2 m. 2 scot., also für jedes 1,0417 m.“). Die aufgewandten hohen Kosten lassen sich durch die schlechten Wege erklären, auf denen der Transport sich vollziehen mußte; dabei mußte jede Kugel im Wagen fest verstaut werden, damit sie bei den Schwankungen sich nicht hin- und herbewegte und beim Anprall die Wände zu zertrümmern drohte. Da für jede dieser großen Steinkugeln ein Gewicht von mehreren Zentnern anzunehmen ist, und jede durch ein besonderes, derbgebautes Gestell in ihrer Lage gehalten werden mußte, so kam für jede mit ihrer Yer- packung ein stattliches Gewicht heraus. Dabei ist nicht ausgeschlossen, daß noch verschiedene Geräte von der Werkstatt her oder Begleitungsmannschaften mitgeführt werden mußten, um mit Hilfe zur Hand zu sein, wenn auf dem Wege sich Unglücksfälle ereigneten. Mußte man bis nach Labiau greifen, um das Gesteinsmaterial für die Büchsen auf der Marienburg anzutreffen, so ging man in anderen Fällen äußerst sparsam vor, um Kugeln anfertigen zu können. So benutzte man größere Kugeln, die überständig geworden waren, um sie kleiner hauen zu lassen. Für die Baigische Büchse werden einmal 38 Steine'^) und dann nochmals 37 Steine'^) in dieser Weise hergestellt; im ersten Falle wird für jedes Umformen 0,0197 m., im andern 0,0293 m. gebucht. Beide Werte liegen unterhalb derer, die für die kleinsten Steinkugeln gelten; die frühere Bearbeitung ließ sich bei der Um- formung noch teilweise mit Vorteil verwerten. Es ist von Interesse, daß wir für dieses Vorgehen einen ähnlichen Fall in der Industrie der Vorzeit kennen. Die mit Mühe hergestellten Steinbeile konnten bei ihrer Verwendung dadurch Schaden leiden, daß die für den Schaft bestimmte Durchlochung ausbrach. In diesem Falle legte man nach der Schneide zu eine neue an, die zur älteren parallel verlief, und benutzte das Werkzeug weiter. — Im Jahre 1417 wird notiert: ,,3 hrd. minus 1 sol. 3 knechten, dy dem muwerer geholfen haben unde ouch bochsensteine us dem graben gewonnen Es werden also aus dem Festungsgiaben die Kugeln, die bei der Belagerung gegen die Marienburg geschossen waren, hervorgeholt, sie werden — wie es heißt — gewonnen. Mit diesem Ausdruck bezeichnet man aber an anderer Stelle^) die Herstellung der Steingeschosse. Man holte diese hervor und benutzte sie — soweit sie nicht durch den Anprall allzu sehr geborsten waren — zur Gewinnung neuer Büchsenkugeln. Wie bei Gelegenheit der Bausteine erwähnt wurde, war im „graben by seynte Kiclus“ freilich auch ein Lager von Gesteinsstücken, die der Treßler dort für den Fall des Bedarfes zusammenbringen ließ. — Vielleicht lassen sich beide Erklärungen durch die Auffassung vereinigen, daß die Beste alter Steinkugeln zu den anderen Steinvorräten im Graben geworfen wurden, um bei Gelegenheit verwendet zu werden. 1) Tr. 576, z. 33—35 (1409); 2) Tr. 579, z. 32. 33 (1409); s) Tr. 556, z. 26—28 (1409); 4) Tr, 572, z. 14- 19 (1409); ö) Hk. 274, z. 15—17 (1417); 6) Tr. 326, z. 25. 26 (1404). 19 Außer diesen Angaben läßt sicli noch eine Reihe weiterer aufführen, bei denen nur im allgemeinen von derartigen Kugeln die Rede ist. Einmal zahlt man ,,21 sc. 10 d. 11 mannen vom Blumensteyne von 2 tage und 18 mannen oucli von Blumensteyne vor 1 tag dy grose bochse und steyne usczuschiffen“ ^). Die Blumen steiner sind Bewohner des Dorfes Blumenstein an der Kogat, unter- halb von Marienburg; sie werden oft herangezogen, wo Arbeiten auf dem Schloß zu leisten sind, in einem Falle werden sogar 100 Mann von ihnen gebraucht“). Dann wird an anderer Stelle^) vom Fuhrmann Nicclos Opeler berichtet, „der buchsen und bochsensteine czum nuwen husze furte“, sowie von dem Schiffsmann Jokup Stuwernagel, dem man ,,vor 9 teste swer bochsen und steyne ken der Swecze in dy Bro^) zu furen, yo von der last % m.“ reicht^); ferner erhält der Fuhrmann Mönch einmal 10 sc. ,,vor % thon polfers und vor 2 bochsen und vor 20 stevn ken Grudencz czu vuren“^). Eine andere Angabe C' CD handelt von dem Ausladen: ,,V2 m 8 knechtin, dy do hulffen usschoflin ysen, bochsensteyne, czyn, delen“ usw. "). Größere Mengen scheinen gebrauchsfertig auf dem Speicher, wie in einem Zeughaus, aufbewahrt worden zu sein; als man neues Fachwerk einziehen will, müssen Knechte erst die hier aufgehobenen Kugeln forträumen ^). Schließlich ist auch davon die Rede, daß der Büchsen- schütze Herman Büchsen und Steine auf die Mauer zu „schleppen“ hat, wobei ihm zwei Knechte helfen'^). Bei der Herstellung der Büchsensteine ist hauptsächlich die Steinbicke, kurzhin auch als Bicke bezeichnet, in Gebrauch. Sie dürfte mit der heute noch verwendeten ,, Zweispitze“ verwandt sein; vielleicht ist auch nur ein meißel- förmiges Werkzeug darunter zu verstehen. Bevor große Blöcke in Arbeit genommen werden, schlägt man sie soweit zurecht, daß sie kleinere Stücke bilden; diese Arbeit dürfte in einem bloßen Zerspalten bestanden haben. Dazu benutzte man einen „schelhammer“^*^), unter dessen Wucht das Gestein zerbarst (zerschellte). Von diesem Werkzeug ist freilich nur einmal die Rede, um so häufiger von den bereits erwähnten Instrumenten, die auch als „wopen“^^), d. h. die Ausrüstungsgegenstände der Steinhauer, bezeichnet werden; sogar die Bezeichnung „das wapen“^^) kommt vor. Diese Bicken werden bei ihrer Art der Verwendung leicht abgenutzt und stumpf, daher sind wiederholt Angaben gemacht, daß sie gestählt und geschärft werden mußten. Interessant ist die Kotiz: ,,8 scot vor 1 steyn stol, bicken zu scherfen^^)“; wiederholt müssen auch neue derartige Werkzeuge beschafft werden, in einem Falle werden für 4 neue Bicken 7 scot.^^), in einem anderen für 12 Bicken 3 m.^*^) bezahlt. Die ersteren kosteten also 0,0729 m., die letzteren 0,2500 m. das Stück, und zwar 1) Hk. 22, z. 23—26 (1411); 2) Hk. 254, z. 26 (1417); s) Hk. 113, z. 14—16 (1413); 4) Fluß Braa; &) Tr. 590, z. 20—22 (1409); 6) Hk. 36, z. 2—4 (1411); 0 Hk. 35, z. 6. 7 (1411); 8) Hk. 72, z. 2.3 (1412); 9) Hk. 115, z. 22. 23 (1413); lO) jr. 597, z. 18-24 (1409); 11) Tr. 257, z. 14—22 (1403); i2) Tr. 119, z. 41—120, z. 4 (1401); i3) Tr. 127, z. 23—28 (1401) und 257, z. 14—22 (1403); n) Tr. 596, z. 4. 5 (1409); i5) Tr. 247, z. 4 (1403); 16) Tr. 497, z. 13. 14 (1408). 78 wurden diese dazu beschafft, um große Büchsensteine zu hauen. Vielleicht ist der erhebliche Unterschied im Preise dadurch zu erklären, daß für die letztere Arbeit größere und kräftigere Werkzeuge notwendig waren. Man gab dem rohen Stein annähernd Kugelform von etwas größerem Durchmesser, als das Geschütz es verlangte. Danach arbeitete man diese Massen mit Hilfe eiserner Hinge, die man als Schablone (Lehre) benutzte, soweit ab, wie es erforderlich war^). Die so erhaltenen Kugeln erhielten durch diese Darstellungsweise natürlich eine rauhe Oberfläche. Einige Angaben beziehen sich auf Wacken; eine gibt an, daß für 13% m. davon nach Memel gefahren sein“), die andere lautet: ,,46 m. Marqwart Hassen vor 368 leste waken von Schonbowme bis zu Ragnith zu furen“^). Im zweiten Falle ist Schönbaum im Kreise Friedland Ostpr. gemeint. — Verwendet werden diese Steine zum Bau von Fundamenten. Zu solchem Zweck werden sie für den Bau des Speichers des Hochmeisters in Elbing gebraucht, ihre Anfuhr allein kostet 6 m.^). Auch in Kysschaw, dem heutigen Kischau im Kreise Berent, benutzt man sie hierzu: ,,10 m. vor dy grünt zu graben zu Kysschaw zu den pfylern und us der grünt weder mit wacken zu muwern^)“. Das Fortschaffen wird gewöhnlich auf Prähmen vorgenommen, die vom Ufer aus an Seilen vor- wärts gezogen werden. Derartige ,,treylyn“ aus geschlagenem Hanf hatte der Seiler herzustellen^). Auf einem solchen Fahrzeug schafft man Holz und Wacken auf der Dange — die bei Memel mündet — zum Kalkofen ^). Da Kalk, der gebrannt werden soll, immer schlechtweg alsi ,,Kalk“ bezeichnet wird, kann es sich hier beim zweiten Teile der Fracht nur um Daumaterial handeln. Viel benutzte Wege und Orte, besonders solche, die der Feuchtigkeit aus- gesetzt sind, werden durch Steinbrücken befestigt. In den meisten Fällen werden Wacken als Kopfsteine dazu benutzt sein. Neben allgemeinen, Angaben, wie ,,steynbrocken zu Labiaw^)“, ,,steynb rucken im huse“ für das Ordens- schloß Bütow^) und ,,steynbruckern, die zu Ragnith gesteynbruct haben^^)“, werden auch genauere geboten. Wiederholt werden derartige Arbeiten vor des Meisters und vor des Treßlers Gemach, hinter und vor des Meisters Marstall, vor dem Stall des Treßlers und in des Meisters Küche erwähnt. Durch Stein- brücken wird der Boden ferner festgelegt ,,kegen dem bakhuwsze, alz die rynne leyt^^)“, um den Brunnen im Marstalle, „vor dem gather vor dem thore bey Concze thorwart^^)“, ,,vor derbrucken obir dem Nogut und „bie dem Caldenhove und vor der brücken obir dem Nogut^^)“. Die gemachten Angaben über diese Arbeiten sind meist ganz allgemein gefaßt, so daß nicht klar zu ersehen ist, ob der vermerkte Preis den Wert der 1) 34, 204; 30, 85; 2) Tr. 274, z. 5. 6 (1403); 3) Tr. 276, z. 21 (1403); ‘b Tr. 503, z. 21—23 (1408); b Tr, 523, z. 4—6 (1409); b Hk. 229, z. 16. 17 (1416); 7) Tr. 276, z. 28. 29 (1403); 8) Tr. 489, z. 39 (1408); 9) Tr. 294, z. 16 (1404); Tr. 326, z. 36, 37 (1404); 11) Hk. 285, Z.16. 17 (1417); i2) Hk. 191, z. 34— 36 (1415); i3) Kv. 7, z. 13—15 (1399); % Kv. 7, z. 16—18 (1399). 21 79 verwendeten Steine angibt, oder ob er sich auf das Heranfahren des Materials oder das Steinbrücken selbst bezieht. Für letzteres wird bei der Lohnbemessung die Rute als Ausgangspunkt gewählt und für jede 4 sol. = 0,0667 m. gezahlt^). . Aus dieser Rotiz ergibt sich freilich nicht, ob es sich um die verarbeitete Raumrute, von der oben die Rede war, handelt oder ob man ein Flächenmaß, die Quadratrute, dafür anzunehmen hat. Auch bei diesen Arbeiten wird Greld auf Rechnung gegeben, wie wiederholt auftauchende Eintragungen in das Ausgabebuch des Hauskomturs dartun. Zum Einbetten der Steine in den Grund wird, wie es auch heute noch der Fall ist, Sand^} benutzt. Unter den Werkleuten sind zwei Arten zu unter- scheiden, die eigentlichen Steinsetzer und die Knechte, die ihnen bei der Arbeit halfen „und mit der ramme stissen^)“. Von den Notizen über Mühlsteine ist für einige nur der Ort angegeben, wo sie benutzt werden sollen, z. B. in den Windmühlen von Montaw, Czapkaw, Petirshayn, vom Rosenberge oder kurz ,,off das hus^)“. Vom Großschäffer zu Königsberg findet sich ferner im Rechnungsbuch vom Jahre 1402 — 1404 für die Stadt Danzig auf geführt ,,7 Reynissche molesteyne, das stucke vor 15 m.^)“; 1412 werden 15 Rheinische Steine zu je 4 m. in Königsberg gekauft ^). Eine weitere Angabe lautet ,,27 m. vor 4 molsteyne dem grosscheffer, dy im wdnter czu Danczk gekauft worden Die Mühlsteine, die in Danzig und Königsberg erworben werden, stammen also aus dem Rheinischen Gebiet, sie kamen ins Ordensland durch die Handelsbeziehungen des Königsberger Groß- scheffers. Nach Preußen waren sie in größerer Zahl auf dem Seewege geschafft worden; so finden wir den Meister des Mühlwerks, Kunz, zu Roß auf dem Wege nach Danzig, um dort die notwendigen Steine für da^ Haupthaus einzukaufen ^). Hin und wieder wird ein derartiger Einkauf auch in Marienburg besorgt. Die größte Menge der Mühlsteine stammt aber aus Thorn. Wie Krakau die Handels- herrschaft an der oberen W eichsei, hatte die Stadt Breslau die in Schlesien an sich gerissen und übte durch ihr Stapelrecht auf die in dieses Land ziehenden preußischen Kaufleute einen so gewaltigen Druck aus, daß für längere Zeit sogar der gegenseitige Verkehr vollständig zum Stocken kam^®). Man kann deshalb nicht angeben, ob die Mühlsteine aus Ungarn stammten oder aus Schlesien selbst. Aus diesem sind wiederholt Steine von Ruf hergestellt v/orden, in späterer Zeit besonders in der Gegend zwischen Löwenberg und Bunzlau; der Stoff, aus dem man sie anfertigte, wmr Sandstein. Außerdem besaß Thorn bereits früh ausgebreitete Handelsbeziehungen nach Ivrakau und Galizien Als Gegengewicht für die Warenniederlage in Krakau hatte der Orden in Thorn ebenfalls ein Stapelrecht angeordnet — Gelegentlich wird der Einkauf in dieser Stadt durch den W erkmeister besorgt, der aus 1) Kv. 7, z. 16—18 (1399) und 8, z. 9—11 (1399); 2) Kv. 8, z. 7. 8 (1399); ») Kv. 8, z. 9—11 (1399); ‘9 H.-R. 93, z. 30—33 (1417), H.-R. 94, z. 2. 3 und 7. 8 (1417); 5) Hk. 10, z. 7 (1411); 6) H.-R. 203, z. 1. 2 (1402-1404); 9 Kv. 283, z. 5 (1412); ») Kv. 259, z. 20-26(1411); 9 Kv. 282, z. 38. 39 (1412); lO) 4^ isi. 182; n) 6, 197; 12) ß, 198. 22 80 diesem Grunde dortliin reistd), oder vom Mtinzmeister, der der Münze des Ordens in dieser Stadt vorsteht^). Auch der Großsclietfer ist in diesem Sinne wiederholt tätig'^). Der Preis liegd; in der Pegel bei 3 ni.; ausnahmsweise steigt er bis zu 15 m. empor, um andererseits bis zu % m. herabzusinken, doch gilt er dann ausdrücklich nur für kleine Steine. Zu ihm kommt dann noch das ,, Ungeld“, die Fracht und sonstige ISrebenausgaben. Die erstere von diesen beiden schwankt für die Strecke Thorn — Marienburg zwischen % m. und % m.; kleinere Beträge, die nur vereinzelt angegeben werden, sind für das Ein- und das Ausschiffen zu entrichten. Die Aufzeichnungen sind hier nicht immer zufriedenstellend; meist ist nicht zu erkennen, ob die gezahlte Summe mit oder ohne Nebenkosten gemeint ist; mitunter fehlt jegliche weitere Angabe. In Preußen verstand man freilich, die abgemahlenen Steine wieder auf- zuschärfen: „4 sol. vor 3 loffte czu sch eien umbe dy molsteyne ^) “, ja sie sogar herzustellen ^). Doch nur einmal ist erwähnt, daß 9 „kleine“ Mühlsteine gehauen werden, und zwar wird der Arbeitslohn nach der Anzahl der Ellen bemessen, die sie ausmachen. Für jede zahlt man 1 fird. ; der Ort der Gewinnung ist Christburg, Kreis Stuhm, von wo sie nach Marienburg gefahren werden. Man kann für sie durch Pechnung finden, daß jeder selbst oder im Pohmaterial rund 5,44 Ellen oder 1,08 m^ bis 1,36 m^ Inhalt hatte. Es ist dieses aber auch der einzige Fall, wo man etwas Näheres über sie erfährt; sonst wird nur gelegentlich angegeben, daß die Steine ,, klein“ w'aren, im übrigen ist wohl anzunehmen, daß sie in ihrer Größe sehr voneinander abwichen. Auch die Christburger Steine waren verhältnismäßig nur klein; der mittlere gezahlte Preis für jeden beträgt 1,3611 m. Unter den Geschieben findet sich manches gute Stück, z. B. aus kambrischem Sandstein, das sich seiner Substanz nach zur Bearbeitung eignen würde, aber die erforderliche Form und Größe ist nicht immer vorhanden. Ob die Mühlsteine nach Maß gekauft wurden, ist nicht zu erfahren. Man wird sie nach der ungefähren Größe erstanden haben, um sie dann in der Mühle selbst dem Werke einzupassen. Darauf deutet auch ein Wort hin, das wiederholt auftritt; es ist dann von dem ,, zumachen“ die Pede, das jedenfalls soviel wie ,. zurechtpassen“ oder ,, einrichten“ bedeutet, besonders da diese Arbeit vom Mühlmeister besorgt wird^). Wo Lohn dafür angegeben wird, wird jedesmal für den Stein 0,125 m. berechnet. Die allgemeine Eintragung: „15 fird. vor 15 molesteyne^)“ dürfte sich trotz des doppelt so hohen Preises auch nur auf eine derartige Betätigung beziehen. — Für die Zeit von 1399 — 1420 werden folgende Zahlen für erworbene Mühlsteine gegeben: 1) Kv. 217, z. 6—9 (1408); 2) Kv. 241, z. 30—34 (1410); s) Kv. 259 z. 22-26 (1411) 4) Hk. 22, z. 15 (1411); 5) Kv. 62, z. 15—17 (1401); 6) Hk. 61, z. 2. 3 (1412); ?) Hk. 63, z. 14. 15 (1412) 23 81 Gekauft Rheinischer Stein . Gekauft in Königsberg . Danzig ,, Marienburg . ,, Thorn . . . Ohne Angabe der Herkunft Aus Geschiebe gehauen 7 Stück 15 ,, 4 „ 10 „ 152 „ 6 „ 9 „ Sa. 203 Stück Von ihnen sind die ersten 26 ans rheinischem Stein gefertigt, während 152, d. h. 74,9 oder rund 75 %, in Thorn gekauft wurden; nur 9 Stück, d. h. 4,4 %, stammen aus Gesteinen des preußischen Bodens. AVo sich Gelegenheit bot, wurden Mühlsteine erworben und aufgehoben, bis man ihrer bedurfte. So gibt das Rechnungsbuch des Großschäffers von Marienburg für das Jahr 1404 an: Speycher czu Danczk. „Item under des kompthurs gemach 2 molesteynV“. Bereits der Sandstein gehört zu den Sedimentgesteinen; eine noch größere Bedeutung wie er hat aber der Kalkstein, besonders da er zu Bauzwecken unbedingt erforderlich ist. Wo der Hiluvialmergel in der Matur ausgewaschen wird, bleiben Kies und Geröll zurück. Das letztere enthält immer silurischen Kalk, und oft so reichlich, daß es in der Hauptmasse aus Kalksteinen besteht, tiberall in Altpreußen werden diese ausgelesen und als „Lesekalk“ gebrannt und verkauft, „besonders in den bergigen Theilen Masurens und der Kassubei, sowie entlang den großen Flußthälern“. Kam entlieh in Masuren haben diese Gerölle Ei- bis Kopfgröße und enthalten kieselige Gesteine beigemengt, die freilich mehr und mehr an Menge zurücktreten können. Größere Stücke, bei denen die Abrundung weniger hervortritt, sind selten, ebenso Platten von 1 m Durchmesser^). Blöcke sind ebenfalls verhältnismäßig selten; wo sie eine gewisse Größe überschritten, wurden sie beim Transport durch das Eis nach ihrer Lagerstätte in der Regel zerbrochen. Jentzsch erwähnt ein solches Geschiebe von mehreren m liänge aus silurischeih Kalk, das in Pogegen in der Mähe von Tilsit beim Bahnbau au f gedeckt wurde ^ ), 2 von pommerschen Fundstellen führt Deecke^) an. Eins ist bei 1,15 m Höhe von annähernd rechteckigem Grundriß, der Bmfang beträgt 5,80 m, es scheint obersilurischen xAlters zu sein; das andere ist unbekaimter Herkunft, es hat 2,5 m Länge. Ein untersilurischer Kalkblock, über den in den siebziger Jahren aus der Umgegend von Meubrandenburg berichtet wird, hatte 6 m Länge und 1,5 in Höhe^). Über weitere derartige Funde berichtet H. Klose ^). Branca spricht sogar von Findlingen, deren Größe einen regelrechten Abbau durch Steinbruchsbetrieb veranlaßten. Es handelt sich dabei besonders um Schollen aus der Kreide- und Juraformation, deren Kalkgesteine man auf diese Weise gewann^). Mach diesen Daten erhält 9 H.-R. 14, S. 36 (1404); 2) 8, 61; 3) 20, 12, Nr. 48 und 51; 0 26, 14. 15; 5) 28, 28. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 3. 6 24 82 auch die Angabe Bocks von einigen ungewöhnlich großen Kalkfelsen eine gewisse Bedeutung; sie sollen mittels Pulver und eisernen Keilen geteilt, dann gebrannt sein und ,,zwey hundert, und mehrere Passer“ gefüllt haben ^). Das von ihm gebrachte Zitat nach Helwing ist nur von geringem Wert, weil die gemachten Angaben zu allgemein sind. Die vom Wasser ausgebreiteten Trümmer von solchen größeren Blöcken treten in erheblicher oder geringerer Ausdehnung lokal auf; die so gebildeten Schichten und Bänke bestehen dann fast ausschließlich aus Bruchstücken desselben Gesteins. Fundorte von solchen Bildungen werden von Bock^), Jentzsch^) und Haegermann^) angeführt. Diese Yorkommnisse wurden vom Deutschen Kitterorden ausgebeutet. Größere Stücke mußten mit geeigneten Werkzeugen zerkleinert werden; man mußte den Kalk brechen. Diese Bezeichnung wurde auf die gesamte Gewinnung von Kalk ausgedehnt. Die über diesen Betrieb gemachten Angaben sind leider nicht immer so vollständig, wie man es wünschen möchte. Die Ortangabe ist oft nicht gegeben, auch die Zahl der Lasten ist nicht immer aufgeführt. Die 5 ersten Nummern der Tabelle 1 ermöglichen ein verhältnismäßig vollständiges Bild. Tab. 1. Preußischer Kalk. Nr. Lit.-Aiigabe Jahr Anzahl der Lasten Preis der Last in m. Ort der Gewinnung Gesamtpreis Gesamtpreis in m. 1 Tr. 142, z. 39—41 1402 11 0,2500 Pirschau 3 m. an 1 tird. 2,7500 2 Tr. 209, z. 32—40 1402 63 0,2083 Dirschau und Sobbowitz, Kr. Dirschau 13 m. und V2 fird . 13,1250 3 Tr. 210, z. 12—16 1402 118 0,2359 27 m. und 8 scot 27,3333 4 Tr. 294, z. 11. 12 1404 90 0,2083 Gebiet Bütow in Pommern I8V2 m. 1 fird. 18,7500 5 Tr. 376, z. 31-34 1406 21,4167 0,2083 Kischau, , Kreis Bereut 4 m. 11 sc. 3 den. 4,4625 6 Tr. 346, z. 38—40 1405 — — — 8 m. 4 sc. 8,1667 — — 303,4167 1,1108 : 5 = 0,2222 Mittelwert — — 74,5875 Sie lauten zusammen über 303,4167 Last, für die ein Preis von 74,5875 m. zu zahlen ist. Es ergibt das einen Mittelwert für die Last von 0,2222 m. Von den Einzelpreisen liegen 3 bei 0,2083; sie geben zugleich den geringsten Wert an, während der höchste 0,2500 ist. Es kann daher wohl angenommen werden, daß 1) 2, 323; 2) 2, 321—325; 3) 8, 61; 0 21. 25 83 der eigentliche Mittelwert niedriger war als 2,2222 m. — Dieser niedrige Preis für 1 Last erklärt sich dadurch, daß der Kalk wahrscheinlich nahe am Orte des Verbrauchs gewonnen wurde, alle weiteren Unkosten fortfielen und nur der Arbeitslohn zu begleichen war. Außer den aufgeführten Orten für die Kalkgewinnung Dirschau, Sobbowitz, Kischau und Bütow werden noch andere erwähnt. Von Kischau wird außerdem angegeben, daß dort 1399 bei einer G-elegenheit für 86 m. Kalk gebrochen seien ^), freilich ohne jeden weiteren Vermerk. — Von Memel und von Sonnen- bome, das man wohl in der Nähe von Memel zu suchen hat, fährt ,,Heynrich Schabernak unde syme Kumpan“ Kalk nach Ragnit und erhält dafür vorläufig 20 m. auf Rechnung^). Da der Einzelpreis fehlt und nicht durch Rechnung zu ermitteln ist, kann auch keine genaue Angabe gemacht werden, ob der Kalk dort gebrochen wurde, oder ob nur von Material die Rede ist, das dort auf einem Ladeplatz der Seeschiffe abgesetzt worden war. Mit Sicherheit läßt sich dagegen nachweisen, daß in Keidenburg Kalk gewonnen wurde. Es ist freilich nicht die Lastzahl, noch die dafür gezahlte Summe erwähnt, dagegen wird ein Mann aufgeführt, der dort „von des meisters geheise“ Kalk brach und dafür 1 fert. erhielt^). Vielleicht ist es der gleiche ,, Kalkbrecher“, der einige Jahre darauf dem Hochmeister Haselnüsse zum Angebinde bringt; man erkennt seine wackere Gesinnung mit 2 scot an^). Später wird dieser Ort nochmals erwähnt: „3 fird. vor geczoy czu kalk brechen czu Kidenburg. item % ni- dem smede vor das geszoy czu bessern czu kalk brechen^)“. — Ein weiterer Gewinnungsort ist Schillingsdorf im Gebiet Graudenz. Dorthin wird der Witing Andreas (Andrewds) gesandt, um ,,noch dem kalk zu besehen“; als Zehrgeld reicht man ihm 2 scot = 0,0833 m.^). Das gewonnene Material wird von dort im nächsten Jahre abgefahren ^). — In Stuhm ist eine weitere Stelle für die Ausbeutung des Bodens. Sie scheint von nicht geringer Bedeutung gewesen zu sein, denn der dort beschäftigte Kalkbrecher erhält einmal 9 m, neuen Geldes auf Anweisung des Hochmeisters^). — Zur Besichtigung des Fortschreitens der Arbeiten wird der Witing Andreas auch nach Mewe geschickt^). Dem Fortgang entstand freilich bald ein Hindernis; die dort wohnenden Nonnen (vrauen) erhoben dagegen Einspruch, daß bei dem Suchen nach Geschiebeblöcken ihr Gelände zerwühlt wurde, und sandten eine Beschwerde durch einen Kalkbrecher an den Hauskomtur — Als letzter der angegebenen Orte ist Neuenburg zu nennen. Dort sind bereits im Jahre 1398 Kalkbrecher an der Arbeit, die auf Veranlassung des Steinamts große Mengen von diesem wertvollen Baumaterial gewinnen. — Als Bruder Heynrich Hase von der Leitung des Steinamtes zurücktritt, heißt es: „her hat abegerichtet dy kalkbrecher czur Nuwenburg und hot im do gelosen 60 m. schult uf dy kalkbrechir. item so hot her im 0 Tr. 48, z. 24. 25 (1399); 2) Tr. 581, z. 21—23 (1409); 3) Tr. 14, z. 19. 20 (1399); i) Tr. 321, z. 29. 30 (1404); Hk. 144, z. 33-35 (1414); 6) Hk. 314, z. 18—20 (1418); 7) Hk. 332, z. 6—17 (1419); 8) Hk. 353, z. 6. 7 (1420); 9) Hk. 130, z. 19. 20 (1414); lO) Hk. 117, z. 27—30 (1413). 6* 26 84 gelaseii vor dem kalkoveii 250 kalksteins^ )“. Bereits 1401 gelien von dorther 26 Last iiacli Mezelaiicz (Mösland); das Fulirlokn und das Aus- und Einscliiffen der Laduno- wird mit 4 m. bezahlt^). So werden für Arbeiten und Kalk an diesen verscliiedenen Arbeitsstellen, für Kalkbrechen und sonstige Unkosten 122,9166 m. ausgegeben, obwohl wir nur erfahren, daß man 26 Last Kalk gewann. Größere Bedeutung gewinnt Neuenburg innerhalb der Jahre 1411 und 1420. Las Hk. berichtet an nicht weniger als 39 zur Berechnung verwendbaren Stellen über einen regelrechten Betrieb, der dort umging. Es ist das leicht verständlich, denn der Boden war überreich an Geschieben; stehen dort nach den Untersuchungen von Th. E bekt^) doch 4 verschiedene Bänke von Geschiebe- mergel an. — Mit Beginn der Ausbeutung der Kalkanhäufungen werden Werk- leute durch Zahlung von Summen „uf rechenunge“ für den Dienst des Ordens verpflichtet; diese machen im ersten Arbeitsjahre zusammen 26 m, aus; schon in dessen letztem Teil setzt eine Berichterstattung durch ausgesandte, reitende Boten ein. Im nächstfolgenden wird Petrus, der Kämmerer des Treßlers, dorthin geschickt, um die Angaben des Witings zu bestätigen. Zu Anfang des dritten Jahres werden die ersten Schiffe mit den auf gelesenen und gegrabenen Geschieben beladen und nach Marienburg gebracht. Mach diesem ersten Erfolg begibt sich auch der Hauskomtur nach Keuenburg, und den Besuch wiederholt er noch zweimal im Laufe der nächsten Jahre. Bis zum Schluß des Hk. wird der Betrieb dauernd fortgeführt, der Kalkstein unter ständiger Beaufsichtigung gewonnen und in 6 größeren Sendungen auf der Weichsel fortgeschafft. Auch nach dem Jahre 1420 ging hier der schlicht durchgeführte Bergbau weiter um. Yon den Kalkbrechern werden einmal 5 mit ihren Kamen aufgeführt ^), in den folgenden Jahren jedoch nur kurz in Zusammenfassung gebucht: „als dy lute by namen in der thofel beschreben synt^)“ oder „als dy czedel usweist In einem Falle wird ihnen das Geld nicht ohne weiteres gereicht, sondern dem Schulzen von Keuenburg, um es den Arbeitern, falls es erforderlich wäre, auf Kechnung zu übergeben^). — Als zeitweise Aufsichtführender und Bericht- erstatter über den Stand und Fortgang der Arbeiten ist der Witing Andreas tätig; gelegentlich wird er auch als Schütz bezeichnet, oder der Führer des Eechnungsbuches schreibt einfach vom Beleg ab: ,, Andres mjune schotczen ^). Der Witing spielt also die Rolle eines Leibjägers. Die Vergütung, die er jedesmal erhält, schwankt sehr; von 4 sol. = 0,0667 m. bis zu 0,5 m. aufwärts kann sie alle möglichen Werte annehmen. Gewöhnlich liegt sie zwischen 4 und 8 sol.; beträgt sie mehr, so kann angegeben sein, woher die Mehrzahlung kommt. Dem Roß kann sich ein Hufeisen lösen, so daß der Bote die Hilfe des Schmiedes in Anspruch nehmen muß oder der Weg führt über andere Ort, z. B. Graudenz, oder zu einem Besuch des Kohlen werks in der Scharffaw^^). In dem Falle, wo 1) Ä. 115, z. 17—20 (1398); 2) Tr. 98, 32.33 (1401); 16, 3; b Hk. 18, z. 31—33 (1411); 5) Hk. 123, z. 3—6 (1414); 6) Hk. 142, z. 25. 26 (1414); b Hk. 239, z. 27—29 (1416); 8) Hk. 211, z. 38—212, z. 1. 2 (1416); 9) Hk. 255, z. 15. 16 (1417); lo) Hk. 312, z. 11—13 (1418). 27 85 der Witiiig % m. erliältd), ist seinerseits ebenfalls eine besondere Leistnng oder Ausgabe anzunelimen. Es läßt sicli sehr wohl vermuten, daß er sich längere Zeit in ISTeuenburg dienstlich auf halten und während dieser Zeit auch seine Beköstigung besorgen mußte, denn die Stätte der Kalkgewinnung lag weit von Marienburg entfernt, so daß auch die Arbeiter nach dieser Kichtung hin für sich selbst zu sorgen hatten. Sie erhalten deshalb auch einmal ein Geschenk von 3 fird., ,,dor umbe das sy usen woren noch dem kalke, denne das sy usgespyset woren“)“. Im Vergleich hiermit sei hervorgehoben, daß der Kämmerer des Treßlers auf seiner Insipektionsreise nur 1 fird. = 0,2500 m. erhält, der Hauskomtur selbst dagegen 10 scot = 0,4167 m. bis 0,7500 m., im Mittel 0,5555 m. Für den zu Keuenburg gebrochenen Kalk lauten die einzelnen Angaben sehr ungleichmäßig. 1413 werden 3 Schiffe damit befördert^); dafür wird 9 m. gezahlt. Ein anderes Mal erhalten die Knechte, „di den kalk von der Nuwenburg herab brachten^)“, 9 fird. = 2,125 m., dann wieder werden 4 m. und 6 m. als Fuhrlohn bezahlt, nähere Hinweise aber nicht geboten^). Eine zweite Gruppe von Angaben führt den Kalk aber nicht nach dem gezahlten Gelde, sondern nach der Zahl der Lasten auf. 1415 werden 55 Last gefahren, für jede Last wird 0,1167 m. gezahlt, als Gesamtsumme 6 m. 10 sc. = 6,4167 m.; der Unter- schied,, der sich bei der Umrechnung ergibt und 0,1167 m. minus 0,1 m. = 0,0167 m. für jede Last ausmacht, wird dem Schiffer überlassen : ,,das obrige wart im geschanket, das her sich da bey nichte konde behelfen^)“. Im folgenden Jahre werden 2 m. 7% sc. 7 d. Lohn für weitere 55 Last gezahlt, d. i. für jede 0,0422 m. ^), und für das nächste 21 Last aufgeführt, für deren jede 0,2222 m. gezahlt Averden; der Gesamtpreis beträgt 5 m. minus 8 sc.'^). Auch bei der Kalkfuhre, die mit 9 fird. bezahlt Avird, scheint eine Einigung Avegen der zu zahlenden Summe nicht ohne weiteres stattgefunden zu haben; es wird noch ein fird. zugelegt, wie es heißt: ,,geschankt dem stuermanne me denne den andern knechten''^)“. Ein fester Preis bestand damals nicht; der Orden versuchte ihn zu drücken, die Schiffer wehrten sich dagegen. Zu verschiedenen Malen wurde ihnen deshalb zum schließlich festgesetzten Lohn noch ein ,, Geschenk“ gegeben, um sie zufriedenzustellen. Durch diese Schwierig- keiten ergibt sich die Ungleichheit der gezahlten Summen. Aus den AAmhrend der Jahre 1415 bis 1417 notierten Werten für Last und Fracht ergibt sich ein mittlerer für jede Last in der Höhe von 0,1215 m. Einer Zahlung von 3 m. entsprächen somit 24,67 Lasten. Man wird deshalb mit der Annahme nicht fehlgehen, daß 55 Last gerade zwei Schiffe — bzw. zweimal das Schiff — füllten, besonders da wiederholt Sendungen von dieser Menge gemacht Averden. Zu diesen Kosten kommen verschiedene andere hinzu, nämlich solche für Beschaffung und Instandhalten des Werkzeugs, für Laden und Ausladen der 1) Hk. 332, z.. 6— 17 (1419); 2) Hk. 277, z. 11-19 (1417); 3) Hk. 92, z. 17—25 (1413); 4) Hk. 313, z. 24—28 (1418); 5) Hk. 332, z. G— 17 (1419); 6) Hk. 177, z. 16—19 (1415); 7) Hk. 221, z. 1. 2 (1416); 8) Hk. 277, z. 11-19 (1417); ») Hk. 313, z. 29. 30 (1418). 2S J 86 Schiffe, für Selbstbeköstigung an der Arbeitsstelle und ähnliches. fVlle diese Ausgaben sind für sich gesondert aufgeführt oder zur Abkürzung der Buch- führung in aiidere Posten hineingerechnet, so daß es schwer ist, sie aufzufindeii. — In zwei Fällen treffen wir die Kalkbrecher in Marienburg beim Haus- komtur an; sie sind zu ihm gezogen, um mit ihm abzurechnen ^). Setzen wir den Fährlohn nach der oben niedergelegten Erwägung für 55 Last zu 6 m., d. h. für die Last zu 0,1091 m., so läßt sich der folgende Gesamtüberblick für die Kalkgewinnung in Keuenburg auf stellen: Arbeitslohn und | Rechnung Verwandtes | Abrechnung . 98, — m. 34,8250 „ (durch den Witing . 4,2833 „ durch den Kämmerer des Treßlers . 0,2500 „ durch den Hauskomtur 1,6667 „ Werkzeug 1,2500 „ Fuhrlohn für 328,1 Last Kalk 35,7927 „ Zusammen 176,0677 m. Kach dieser Aufrechnung kommt dem Orden jede Last auf 0,5366 m. zu stehen; dieser hohe Preis erklärt sich daraus, daß 20 % von ihm für den Transport auf der Weichsel gezahlt werden mußten. Aus dem Jahre 1412 stammt eine Aufrechnung von 44 m. über die Besoldung von Kalkbrechern ^). Nähere Angaben fehlen, da die Namen von den aufgeführten 8 Männern sich teilweise mit den bereits a. a. 0. für Neuenburg genannten decken. Andererseits ergibt sich aus der Notiz, daß sie am Ende des Jahres nicht genau so viel und dieselben waren, wie zu Anfang. Wenn man annehmen will, daß sie auch in Neuenburg beschäftigt wurden, würde sich die Summe des Gesamtbetrages und damit der Preis für jede Einzellast noch erhöhen. Zu den W erkzeugstücken, die beim Kalkbrechen benutzt werden, gehören Schlägel und Keile; ,,1 m. 8 scot vor eynen possoldt und vor vyer keyle zu machen, do mete man den kalk pfleyt zu brechen")“, doch auch eiserne bzw. stählerne Instrumente werden gebraucht: m. dem smede vor das gescoy czu bessern czu kalk brechen"^)“. Wiev/eit ,,henffin und besten gezoye^)“, Hanf- und Bastseile, benutzt wurden, um die gewonnenen Werkstücke aus den Gruben und auf die Wagen oder Schiffe zu zerren, kann nur andeutungsweise erwähnt werden. Muß doch dort, wo die Geschiebe im Boden stecken, nach ihrem Freilegen eine gewaltige Last in die Höhe geschafft werden, der Kalk wird ,,us der erden gerisisen ^)“. Dabei entstehen tiefe Löcher, die nachträglich wieder ausgefüllt werden müssen; für derartige Arbeiten wird 1% m. ^), ja sogar 2 m.^) gezahlt. Liegt nur eine dünne Ackerkrume über unfruchtbarem Boden, so wird durch eine derartige Wühlarbeit das Gelände wertlos; dann 1) Hk. U3, z. 5—7 (1413); Hk. 128, z.„21. 22 (1414); 2) Hk. 67, z. 19—29 (1412); s) Tr. 210, z. 12—16 (1402); b Hk. 144, z. 33—35 (1414); 5) Tr. 174, z. 26—32 (1402); 6) Hk. 188, z. 37. 38 (1415); ü Tr. 294. z. 18 (1404); 8) Tr. 209, z. 32—40 (1402). 87 wird den Leuten ,,vor den acker, do der kalk of gebrochen wart^)“, eine Ent- schädigung gezahlt. Erwähnt ist bereits, daß die Nonnen in Neuenburg sich dem widersetzten, daß auf ihrem Boden derartige Gräbereien begonnen wurden. Es muß hier hervorgehoben werden, daß das Suchen von Kalkgeschieben im Untergründe bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts an vielen Orten des Königreiches Preußen lebhaft betrieben wurde. Außer dem hohen Preise für das Feuerungsmaterial ging das Brennen des heimischen Kalkes deshalb ein, v/eil durch das Um wühlen des Bodens seinen Besitzern ein empfindlicher Schaden entsprang, der durch den gemachten Gewinn nicht aufgewogen wurde. Besonders dort, wo sich neben Lesesteinen und größeren Kalkblöcken Wiesen- kalk antreffen ließ, bot sich eine vortreffliche Gelegenheit, Kalköfen in Betrieb zu halten. Haegermann hat Angaben darüber für die Provinz Posen zusammengestellt, Ebert'V) konnte für Neuenburg das Auftreten von Wiesen- kalk in der Nähe der Moränen nachweisen, und Bock^) stellt eine Reihe von Eotizen zusammen, die sich auf Kalköfen beziehen, die heimisches Material verarbeiteten. Ferner verdanke ich Herrn Pfarrer WiNKLER-Zoppot die Angabe, daß in Fried richstein bei Königsberg noch in den 70er Jahren ein Ofen aus- schließlich für die Verarbeitung von Wiesen- und Lesekalk, der dort in Schichten ansteht und in ganzen Erhöhungen aus der Grundmoräne heraus- gewaschen ist, benutzt wurde. Diese Angaben lassen sich bei weiteren Nach- forschungen zweifellos recht erheblich vermehren. Dem Graben nach Geschieben geht eine Untersuchung des Geländes voraus. Man benutzt dazu eine Art Spieß von etwa 2 m Länge, die man in die Erde stößt. Trifft die Spitze des Geräts auf einen harten Körper, so gibt es ein Geräusch, als ob es in groben Grand oder zwischen Kieselsteine getrieben würde. So wurde bereits seit langer Zeit auf Baseneisenerz und Geschiebe gefahndet, so wird auch heute noch der Boden vor Beginn größerer Arbeiten mit der Sonde untersucht^’)- Unter den Angaben des Ämterbuchs über Mühlen wird wiederholt eine eiserne Stange erwähnt in Gesellschaft von Billen (Stein- hauen), Possolten und anderen Werkzeugen, mit denen man Steine in Bearbei- tung nahm. Man darf wohl annehmen, daß mit dieser Stange der Untergrund abgetastet Vvmrde, um in ihm Material zu Bau- und anderen Zwecken ausfindig zu machen. Da sie stets in enger Beziehung zu den ,,steynwofen“ genannt wird, scheint eine andere Deutung für sie nicht möglich. Besonders ausführlich ist die Gruppe dieser Geräte für die Mittelmühle angegeben; der erste Teil der Aufzählung lautet: ,,8 billen, 1 steynwofen, 1 yseryn stange, 1 keilaxe, czwei bil 1 gross und 1 cleyns . . Besonders dort, wo die Steine abseits von Wasserläufen gewonnen wurden und auf Wagen fortgeschafft werden mußten, suchte man bei der Abnahme sofort festzustellen, wieviel aufgeladen wurde, vielleicht auch zum Zwecke einer vorläufigen Abrechnung. Man bediente sich dazu einer Tonne, die 12 Last 1) Tr. 346, z. 38-40 (1405); -i) 21; 3) 15; 4) 2, 320. 321; 5) 84; 2, 515. 516; 6) l(j, 99; 26, 41; T Ä. 150, z. 23—24 (1430). 30 88 enthielt: ,,V2 firdung vor tagelon, die tonne zu Euren, do mete man den kalk of gemessen liat^)“. In anderen Fällen wog man und gab die Menge des Steins nach Lasten an; für das Wägen jeder Last berechnete man 0,0250 m. bis 0,0444 m., im Mittel 0,0368 m. Wo es irgend möglich war, bediente man sich zum Transport des Wasser- weges, und zwar hatte man ein besonderes „Kalkschiffe“ in Gebrauch. Zur Winterzeit zog man es mit Winden auf das Land. Es scheint recht ungefüge gewesen zu sein, denn zu dieser Arbeit werden 24 Leute aus Blumenstein zur Hilfe herbeigeholt^ ) ; besonders bei starkem Eisgang war diese Behandlung des Fahrzeugs besonders geboten, denn in einem Falle wird erwähnt, daß es in Gefahr kam, vom Eise fortgetrieben zu werden^). Es gehört unter die Obhut des Hauskomturs und wird neben 5 Weichselschiffen, 8 Nasuten, 1 Kohlen- schiff, 2 Holzprämen und 3 Stromkähnen aufgezählt^). Wie heute der schwedische Kalk den Lesesteinen schwere Konkurrenz bereitet und ihre alleinige Verarbeitung nachhaltig unterdrückt, so war es bereits zuzeiten der Ordensherrschaft der Fall, besonders an solchen Orten, die in der Kähe der Wasserkante lagen. Die beigegebene Tabelle 2 über Gotischen Kalk gewährt einen Einblick in die Ausgaben, die mit seiner Beschaffung verknüpft waren. Aus den Einkaufsi)reisen für die einzelnen Lasten ergibt sich als Mittelwert 0,4194 m., bei Division der vollständigeren Angaben über die gesamten Ausgaben durch die gesamten Lasten dagegen, d. h. von 175,6801 m. : 401,5122, dagegen 0,4375 m. Aus dem ersteren folgt im Vergleich mit dem mittleren Gesamtpreis von 0,5128 m. für die Last ein Preiszuwachs von 22,3 %, aus dem zweiten von 17,2 %, im Mittel also von rund 20,%. Bei Kr. 8 ist das Anwachsen des Einkaufspreises von 0,3750 m. zum Gesamtpreise von 0,6117 m., um 62,1 %, erwähnenswert. Der zweite Teil der Zusammenstellung gibt mit seinen Bemerkungen einen Überblick über die verausgabten Fuhrlöhne. Wir erfahren, daß der Hoch- meister den Kalk — teilweise — auf Gotland brechen läßt und daß dieser dem Großscheffer nach Marienburg zur weiteren Bestimmung übersandt oder auch in Speichern, wie z. B. in Danzig, bis zu seiner Verwendung aufgehoben wird. Die Seeschiffe bringen ihn zuerst nach Memel bzw. nach Danzig. Hier setzten sie ihn wohl gelegentlich bereits an der Weichselmünde ab, so daß er dann nach der Stadt selbst weiter geschafft werden mußte. Wie sehr die Frachtpreise je nach den äußeren Umständen schwanken, zeigt ein Vergleich der Angaben in Kr. 3 und Kr. 6, die sich beide auf den Transport von Gotland nach Memel beziehen; der zweite Wert beträgt rund das Fünffache des ersten. 'Es ist wiederholt die Frage aufgeworfen, weshalb Kalk fernhergeholt werden mußte, wenn er im Lande selbst gewonnen werden konnte. Lotar Weber hebt hervor, daß der Kalk von der Insel Gotland ,, durchaus nicht teuer“ gewesen sei; er hätte .,8 bis 10 bis 11,5 scot Last“ gekostet. Mitunter, 1) Tr. 209, z. 32—40 (1402); 2) Hk. 3, 31. 32 (1410); 3) Ä. 6, z. 31—33 (1387). 31 Tab. 2. Gotischer Kalk. 89 ^ 03 'O !=* a a 03 a O a 03 -O a bo 05 « : S 02 • s J s eö cc I— I S ® 2 .2 OB a P.£ S cc cö 03 t-< iS 03 a - h-J bc <ü :a •'-I ^ -l-s 02 ^ c5 'S 03 %i — CU ^ ^ QQ O C3 03 O C5 bo o CO t- •x> o CO o 03 o o o o lO o o o iO 03 C5 ccT o Vj 5ß lO CO o o i>- o o UO UO cc o o o o o t- 05 o o o ta> o lO 00 Ci o o iH >20 oT of lO o' c4^ O iC (M cr> GM O tn CM 03 i<— < a a CO CM lO no oa o CM o CO t- t>- Ci 00 o o iC CO co GO 05 o iO <^5 CO '30 CO o 05 tH O ta >a >-0 Ö' Ö" o o" o" cT o' I 5 o s o cS -M ■^o bo JD S lo *C ^ 3=^ ^a CO CO o CO GO o CO oc ^ o 'z CO CO CO o C/J 0) rt to S ■a o _ o Ol o ■r- to £! a 03 bD a 03 O bCo ':a k: S 03 bß ' CO CO CO CO o tC -X* — H o o CO o 1-H o' o o t— 1 o >a o O a- 1 >a CO >o o o CM*' o o o o cm' OD ß- O 0- co - 1 ..bO co' . (^C> ItJ (X> CO t>- 1 CM . lO 1 CO ' ß- 1 CO 1 CC‘ rH tH I lO) CO 03 CO t(0 CO ' CO tH Ol X CM tH CM ^ CM CM CO CO lO «C to > i t- N t-’ S t-’ S1 — s lI tM t- ^ 1 J- H- 1- t- t- l- CO 03 03 "«^1 CM 03 GSI zo T— i CO lO 03 03 03 CO o ''tI o o O o -rH rH rH ■t— 1 tH GM CO 00 7} Ol CO iC ■tD X' 32 90 vielleiclit wenn die Frachten hoch standen, sei anch Kalk im Lande gelesen, oder wie das Treßlerbuch sagt ,, gebrochen“. Dieser sei trotz seiner anerkannt geringeren Qualität teurer zu stehen gekommen, nämlich auf 13,5 scot^). Bock verteidigt in treuem Bemühen die Güte des Preußischen Kalks; schwedischer und gotländischer könne „häufig und wohlfeil“ eingekauft werden, der andere sei ihnen aber erheblich überlegen“). — Der reine Einkaufspreis für den got- ländischen Kalk liegt freilich zwischen 8 bis 12 scot, d. h. zwischen 0,3333 m. und 0,5000 m. Hinzukommen aber verschiedene Ausgaben, die ihn in die Höhe treiben, so daß die eigentlichen Kaufkosten für jede Last im Mittel 0,5128 m. betragen. Außerdem macht die am Ort des Einkaufs verlangte Summe wenig aus, wie ein Beispiel aus unseren Tagen erläutern mag. In dem Gebiet der Eifel dringt ,, Kohlensäure“, Kohlendioxyd, aus dem Boden hervor und kann deshalb unter Aufwendung von verhältnismäßig geringen Kosten aufgefaügen und auf Stahlflaschen gezogen werden. Die Entfernung von hier bis zu den östlichen Teilen Preußens ist aber so groß, daß dieses Naturprodukt dort nicht mehr mit Vorteil verwendet werden kann. Das Hin- und Herschicken der Flaschen macht sie so teuer, daß es hier lohnenswerter ist, sie nach wie vor auf chemischem Wege zu erzeugen. Wie oben erwähnt werden konnte, schwankten die Frachtsätze in damaliger Zeit bei der Unregelmäßigkeit der SchifFverbindung und der herrschenden Willkür sehr. Konnte ein Fahrzeug, das Ladung an einen Ort gebracht hatte, eine andere zur Heimfahrt bekommen, so ermäßigte sich der Preis für das Fort- schatfen ebenfalls erheblich. Aus diesen Gründen ist die Preissch’wankung für den Transport von gotländischem Kalk um 500 % verständlich. Sobald der Orden festen Fuß im Lande gefaßt hatte und Bauwerke anlegte, die von langer Dauer sein sollten, brauchte er sehr große Mengen Kalk. Wurde dieser in Preußen dort verarbeitet, wo er sich fand, so stellte sich sein Preis recht niedrig, zu etwa 0,2222 m. die Last. Mußte er von abgelegeneren Orten zu den Orten des Verbrauchs weite Strecken fortgeschafft werden, so stieg der Preis stark empor, besonders darum, weil Beaufsichtigung, Beköstigung unter unbequemeren Bedingungen und andere Schwierigkeiten weitere Ausgaben notwendig machten. So konnte aus dem regelmäßigen Betrieb zu Neuenburg der Kalk nach Marienburg nur zu einem Preise von 0,5366 m. für die Last geliefert werden. Dieser steigt freilich über den von Gotland stammenden hinaus; dafür hatte die Ordens- verwaltung hier aber eine Quelle, die voraussichtlich nicht versiegte, während die Sendungen über See durch äußere Möglichkeiten jederzeit unterbunden werden konnten. Sogar der Kalk, den der Orden im eigenen Lande brechen ließ und der aus der Fremde bezogene genügten nicht für das Material, das notwendig gebraucht wurde. 1) 6, 234; 2) 2, 321. 91 Daher kauft auch der Orden noch in den größten Städten, vom Treßler und dort, wo sich Gelegenheit bot, ein und legt den Kalk auf die Sx3eicher, soweit er augenblicklich nicht gerade zur Verwendung kommen solle. Zu behandeln ist ferner die Frage, ob der gotländische Kalk, wie hier und dort betont wird, tatsächlich minderwertiger war als der preußische. Jentzsch^) gibt der Meinung Kaum, daß Lesekalk ebenso wertvoll sei wie anderer. Beim Sammeln werde er aber stets mit ähnlich aussehenden Geschieben zusammen- gebracht, die als Verunreinigungen seinen Gesamtwert stark herabdrücken. Zu solchen Beimengungen gehören Proben von Feuerstein, soweit sie eine Kinde tragen, die oft weiß und locker ist. Hierzu lassen sich wmhl auch die Proben zählen, die Bock“) nach Klein erwähnt und mit deren Katur man damals nichts Kechtes anzufangen wußte. Ferner wird das gewöhnlichste und ver- breitetste Geschiebe der östlichen Provinzen, die sog. „Harte Kreide“ oder der „Tote Kalk^)“, ebenfalls unter diesen Stücken aufgetaucht sein; es ist so häufig, daß es an der Steilküste von Adlershorst unter einer lokalen Anhäufung von ihm, Phosphoriten und verkieselten Hölzern über 70 % ausmachte'^). Als weitere Beimengung zum gelesenen Kalk können wir gelblichen, löcherigen, devonischen Dolomit vermuten^). Wenn Bock auf ,, schwammige, löcherige und mürbe“ Steine in einem Kalkbruch hinweist, so tritt die Vermutung naJie, daß es sich auch in diesem Falle um ein Vorkommen von Dolomit handelt und eine Unter- scheidung zwischen diesem und gewöhnlichem Kalkstein zu seiner Zeit (1783) auch noch nicht möglich war^). Während nun aber gebrannter Kalk beim Löschen einen fetten Brei von glattem, speckigem Strich gibt und etwa zum dreifachen Volumen anschwillt, enthält das Produkt aus gebranntem Dolomit rauhe Klumpen und Körner. Enthalten die Steine mehr als 10 % kohlensaure Magnesia, so löscht das Produkt einerseits langsamer ab, andererseits gibt es weniger gelöschten Kalk, als der reine Kalkstein, der den ,,Fettkalk“ liefert; deshalb bezeichnet man ihn auch als ,, Magerkalk“. Diese letztere Bezeichnung weist darauf hin, daß die Ausbeute aus gebrannten Dolomitproben nicht die erhoffte war; die Bezeichnung „Toter“ Kalk läßt bereits auch auf schlechte Ergebnisse bei der Verarbeitung schließen. In einer Zeit, wo man die auftretenden Kohmaterialien noch nicht mit genügender Sicherheit auseinander zu halten vermochte, war e§ leicht möglich, daß man ein gewisses Mißtrauen gegen den preußischen Kalk fassen konnte: er war eben minderwertig. Bei dem Brennen blieb eine Menge von Stücken teilweise oder ganz unverändert zurück, und es ist wohl anzunehmen, daß die iVrbeiter diese bei genauerer Betrachtung zum Teil kennen lernten und auf ihre Güte einzu- schätzen wußten. Auch die Lieferanten werden wohl gemerkt haben, was von der Güte der einzelnen Proben zu halten war. Die Angelegenheit dürfte in ähnlicher Weise gelegen haben, wie heute bei dem Kaufe von Steinpilzen auf dem Markte. Die Sammler wissen teilweise recht wohl, was von den einzelnen 1) 8, 61; 2) 2, 346; s) 19, 4 (94); 13, LXXXVII; 23, 30 mul 16, 98: C) 2, 325. .^>1 92 Sorten zu lialten ist, sie bieten aber alles, was dem Steinpilze ähnlich sieht, unter der Bezeichnung: dieses Edelpilzes an, teils aus eigener Unkenntnis, teils im V ertrauen auf die Unkenntnis der Abnehmer. Andererseits vermutete man, daß ein nutzbringendes G a r b r e n n e n der verschiedenen Stücke des Lesekalkes unter geeigneten Maßnahmen doch zu erzielen sei. bTach den Erfahrungen, die man beim Brennen des Kalkes bei offenem F euer gemacht hatte ^) , meinte man, das teilweise Yer- sagen nur auf Mangel an Hitze z u r ü c k f ü h r e n zu müssen, und steigerte diese ins ungeheure. Kur so isit das über- raschende Experiment zu v e r si t e h e n , w e n n man in einem Falle für jeden R a, u m t e i 1 Kalk rund 170 R a u m t e i 1 e Brenn- holz V e r w endete — . Auch für den gekauften Kalk läßt sich eine Reihe brauchbarer Angaben zusammenstellen (Tab. 3). Der obere Teil gibt gut übereinstimmende Werte. Es handelt sich in allen Fällen (Kr. 1 bis 8) um gotischen Kalk, wie ihn der Orden sieh nicht allein durch seine Schiffe herbeiholen, sondern auch durch den Treßler auf dem Handels wege beschaffen ließ. Die Unkosten für den Transport des in Danzig gekauften und von dort nach Marienburg geschafften Kalkes können freilich 75 % und mehr, in einem Falle sogar 81 % des Ein- kaufspreises betragen. Deshalb läßt man dort den Stein liegen, bis man weiß, wo man ihn verwenden wird. Auch an anderer Stelle werden Yorräte von Bau- kalk erwähnt, so zu Grebin ,,81 teste gebranten kalkes, und ist ouch noch ungebrant kalk, wen der gebraut wird, do von wirt 168 teste“ ^). — Kr. 9 und 10 weisen einen besonders hohen Einkaufspreis auf. Der Kalk wird in Elbing gekauft und beim Bau des Speichers für den Hochmeister verwendet; er wird in nur kleinen Mengen und von fremden Bezugsquellen erworben, und mit der Summe bezahlt, die man gerade für ihn fordert. Im Gegensatz dazu steht der niedere Preis, bei einem Einkauf vom Pfleger zu Montau (0,2917 m. für die Last; Kr. 12); wahrscheinlich handelt es sich hierbei um preußisches Material. Kr. 11 gibt schließlich eine Angabe, die nicht verwendet werden kann, w'eil der aus der Summe zu ermittelnde Wert für den Scheffel und der direkt ausgegebene sich rund wie 3 : 1 verhalten. . — Als Gesamtergebnis der Tabelle ist der Gesamtpreis für 239,9997 Last, 120 Scheffel und 3 ,,Holen“^) Kalk 119,7857 m., für die Einzellast also rund 0,5 m. Da die Menge des Kalkes nicht vollständig in Rechnung gezogen werden konnte, ist sein tat- sächlicher Wert etAvas tiefer anzusetzen. Außer den Angaben über gewöhnlichen Kalk findet man auch solche über „slossteyii“. Große Ladungen davon werden von Gotland nach dem Ordens- staate Preußen geführt, besonders während der Zeit, als diese Insel im Besitz der deutschen Ritter Avar^) (1398 — 1408). Die größte Menge wird nach der Burg Ragnit geliefert, die sich um jene Zeit im Bau befand (1397 — 1403) ^). 1) 21, 95; 2) :-U, 45; 3) Ä. 26, z. 34—36 (1387); h ^Inlde; 0 9; 6, 540. Tab. 3. Gekaufter Kalk. 93 OJ •J-J (“ s= ei OQ o OQ ö xn c5 a" o O) o a ® o bß cc O » ^ - ® o bß »o CM o c lO (M O o »o CO (M o ^ ' t- t- o cp cp GO tH CO cp cp o" Ö' Ö' ö' ö' Ö' (M cc c; Ci Ci !>•*' (M lO o o CD CO (M (M t- 1^ CO r~* GO CO o — O O o o o o o o o o o a 'TfH 'cri rtl 'cH 'cT 'cH rH rH T— 1 rH rH tH rH rH rH a o • -O CO CO c5 bß z. z. 14 CO 14 <3b Cs; cs; o t- • CO 1 <03 CO 1 -0 rH xO 03 T— 1 xO ffO 5 ^ 1 fcT CS3 i IS3 > S1 ^ ho > 1 *P cs; •d tsi lI cs; 1- 1 h- cc P" 1- ^ iC ' h- 1- H- 1- ;£ tH <03 CO xC ca t- CO Ob 10 rH rH Da T— o o o o xd Ci CN (M CO CO CO . ü o C3 ^ ^ CO <0 di c c3 O CO r? O O O Csaiiit)ireis ;im Ort ile> KaiiTc.-ä Unkosten Treis derl^nsl mit nlleii Un- kosten in m. Der Treis steigt mit den l'nkosten um liemiM-k iingeii oi;, 111. = 2.5i»»o m. 1 ,--’:50i' iMtikniif de.s If!iii>- komturs von l >anzig .mit allem nngelde' ja S ae. = +3,333:1 . 1.J.500 S7 ,ilem sleynmeister”. •_>7l , in, — 27, .501:11 „ 0.3333 l.r.oo 113 1 (lekaiilt in 1 innzig. 1 i:i m. - l.'!.-. - IlZW. O.OIIm 1.1.5S1 lizw.l .2(n'ii 99 lizw. 106 1 (■cdciinl't in j Ki'iiigalierg. H m. 14, l.io;;ii 1.'703 166 dem Steinmeisler. ni. 1 -•:!{■, = 13. .5117 . 0.27511 Ii.s5s:t ■17 Semlmyg des llniis- komtiirs zu Daiizi.g. 71/., IM. = 7, .500(1 . - — Ti in. = 5,onnn „ 0,7;i:i3 1.15L1I1 176 - 17 m, an 1 se. = „ 0,7311 1,1897 160 - 0,187.5 , 0,2;iu; 0,6117 63 - Sn. U7,is7-5 im l,is39 m. )iZ\V, 1,18.85 in. im .Mittel _ _ - Kisehnii, Kr. Derent. aus Danzig. - - - - Sendnng des UroLi* sehetlers. _ - - rfeiidurg des GroM- sehelVeis; aus Danzig. Gesamtzahl der Lasten: ?542,3333 * undirsten, aufbewaliren. ** schiflen, einsehiffen. *** wägen. **** „wegelon und tragelon“. *■*'*** ausschiden, aiiabringen. 39 Svlir. il V. (i. z,i IViiuig. B.l, .KIV, S. 40 98 Sclireil) fehler vor, da der erstere Preis mit einem solchen von 13 scot. für die Last übereinstiminen würde; jedenfalls sind bei einem Überblick über den notierten Bedarf an Schloßstein während der Jahre 1401 bis 1416 beide Werte in Bechining zu ziehen. Die beigegebene Tabelle 4 bietet eine Zusammenfassung der vorliegenden Angaben. Im ganzen werden 342 V3 Last erwähnt, von denen 187 V2 Last, d. h. f)5 %, auf die ersten zwei Fünftel dieses Zeitraumes — nämlich auf 1401 bis 1407 — fallen, als die Burg Kagnit im Bau begriffen war bzw. vervollständigt wurde. Die erste Angabe in der Zusammenstellung gibt den verhältnismäßig hohen Preis für 1 Last slosstein mit IPt m. an; bei der Berechnung des Mittel- wertes im -Einkauf wurde er ausgeschaltet. Weitere Angaben über Transport und Unkosten sind nicht gemacht, sie sind also alle in diese Preisangabe ein- gerechnet. Die anderen Nummern geben an, wie der reine Kaufpreis von 0,5375 m. so stark anwachsen kann, nämlich bis auf 1,1830 m. bzw. 1,1885 m. im Mittel. Der Stein wird beim Einkauf gewogen, wofür bereits gezahlt werden muß; gelegentlich wird noch besonders ein Tragelohn, teilweise wohl zur Wäge- einrichtung, aufgeführt. Dann muß man den Schloßstein aufbewahren, bis er fortgeschafft werden kann; auch dieses ,,undirsten“ ist zu vergüten. Schließlich ist die Fracht auf dem Schiffe zu bezahlen, sowie für das Einschiffen oder Schiffen und das Ausschiffen oder Ausbringen. Diese Zahlungen lassen den Einkaufspreis um 47,% bis 176%' in die Höhe schnellen. Der Mittelwert für die nach Ragiiit gehenden Lasten beträgt 3,3750 m. : 6 -- 0,5625 m., der Mittel- wert für die Unkosten bei ihnen 4,5600 m. :6 — 0,7600 m, bzw. 4,6016 m. :6 “ 0,7669 m. Daraus ergibt sich für den nach Eagnit gebrachten Schloßstein eine Preissteigerung durch die hinzukommenden Unkosten von 135 % bis 136 ,%, für alle 10 Werte (Nr. 2 bis Nr. 11) zusainmen von 120 % bis 121 %. Aus diesem letzteren Werte berechnet sich der Einkaufspreis von Nr. 1 zu etwa 0,57 m.; dieser liegt etwas über dem gefundenen Mittelwert von 0,54 m. und unter dem Werte von Nr. 2 (0,67) ; bei letzterem ist der Preis mit den Unkosten ebenso groß wie bei Nr. 1. Der für diese Angal)e geltende Preis ist daher durch- aus gerechtfertigt und wird durch die eingerechneten Unkosten erklärt. Die Übereinstimmung ist um so zutreffender, als der für Nr. 2 angegebene Ein- kaufspreis den Maximalwert unter allen anderen darstellt. Bei dem hohen Werte, den der Schloßstein in damaliger Zeit bereits am Orte der Grewinnung hatte (0,3750 m. bis 0,6667 in.) für die Last, und dem Umstande, daß er durch die notwendigen Nebenausgaben für geeigneten Trans- port gewaltig in die Höhe getrieben wurde, läßt es sich verstehen, daß man ihn auch im Lande zu gewinnen suchte. Wie der Versuch von Bütow zeigt, erkannte man bald, daß das gewonnene Material nicht in der gedachten Weise benutzt, sondern nur zum Brennen von Kalk verwendet werden konnte. Von der Verarbeitimg* des liolikalkes zu Mörtel kann man die einzelnen Stufen genau verfolgen. Zuerst wird er in den Hof gefahren, in dem die Kalk- 41 99 Öfen sich befinden^); für das Anfahren von einem Ofen Kalk wird in einem Falle % m, berechnet. Dann wird er abgeladen und entweder sofort weiter verarbeitet oder vorläufig wie die Steine eines Maiierwerks anfgeliänft, „gesetzt“. Sobald aucli diese Vorrfite in den Ofen wandern, gilt es ,,den kalk ofznrümen, der do lange umb den ofen gelegen hatte gemeint sind die Reste, welche liegen blieben. Vor dem Benntzen des Ofens wird dieser gesäubert^); für das Bremieji seines Inhalts werdcm 1,G944 m. bis 4 in., im Mittel ans 7 Einzeh werten 2,3492 m. gezahlt. Zur Erzeugung genügender Hitze facht man die Glut mit Gebläsen (Balgen)'^) an; diese Angabe ist besonders deshalb von Interesse weil beim Brennen der Ziegel auf dem Steinhofe die Luftzuführung zur Feue- rung durch einen liohen Schornstein veranlaßt wird, an dem 2 Maurer 4 Tage lang arbeiteten 0. — War der Ivalk gebrannt und abgekühlt, so wurde der Ofen ausgeräumt; einmal wird eine Vergütung von 2 m. gezahlt ,,vor den vor- fallen kalk Y9Y dem oveii uszubrengen“^). Diese Notiz ist von Bedeutung, weil sie auf die Tatsache Bezug nimmt, daß Kalkstein beim Brennen einen Gewichts- verlust bis zu 44 % erfährt, ferner weist die Höhe des Lohns für diese Arbeit darauf hin, daß man die scliädliche AVirkiing des aufwirbelnden Staubes in gesundheitlicher Hinsicht in Anrechnung zu bringen wußte. In zwei anderen Fällen wird für diese Arbeit jedesmal 4% firdung = 1,125 m. gezahlt^). — Der gebrannte Kalk wurde in die nahe Kalkscheune gebracht und hier vor- läufig aufgehoben^). Dieses Gebäude konnte abgeschlossen werden; wie aus der Notiz ,,1 m. vor 2Vi schock roiien czu hawen czur kalkschuiien“ ^), hervorgeht, wurde es im Jahre 1412 erbaut, im folgejiden Jahre macht man es ver- schließbar^*^!. Vor Beginn des Löschens wird der Kalk durch Siebe geworfen, um ihn von den nicht genügend gebrannten und deshalb nicht zerfallenden Kernen sowie den wertlosen Beimengungen zu befreien. Diese Siebe schwanken im Preise zwischen 0,0417 m. und 0,1067 m., durchschnittlich wird für sie 0,0812 m. gezahlt; die Knechte, welche sie bedienen, erhalten als einheitlichen Lohn für den Tag 0,0333 m.; Steinhauer und andere Werkleute helfen ihnen. Nach der Arbeit des Löschens scheint ein Teil des Kalkes, der nicht sofort benutzt wurde, für spätere Zwecke aufgehoben zu sein. Jedenfalls könnte die folgende Stelle darauf hindeuten: ,,1 m. vor 12 tepxDe, do man den kalk sal yjine thun. item 4 sc. 1 knechte, der eyiicni muwerer hat kalk czugetragen czum Sthum“^^), wenn man nicht annehmen will, daß Kalk hier als Mörtel zu deuten ist und dieser in den Gefäßen herangebracht wurde. Die Angaben über die Verarbeitung von Kalk werden meist in Verbindung miteinander gegeben, so kosteten drei Ofen Kalk zu kaufen und zu löschen 61 m., also jeder 20,0333 ni.^^), dann beim Bau der Kirche zu Lubenicz (Lubenitz) 0 Tr. 414, z. 10—14 (1407); 0 Tr. 455, z. 5—8 (1408); 0 Hk. 30, z. 3:'>— 35 (1411) und 75, z. 9. 10 (1412); 4) Tr. 291, z. 41—292, z. 1 (1404); 0 Hk. 239, z. 5. 0 (1416); «) Tr. 376, z. 31—34 (1406); 0 Tr. 143, z. 21—25 (1402); 8) Hk. 309, z. 8-13 (1418); 9) Hk. 67, z. 7. 8 (1412); 19) Hk. 113, z. 17. 18 (1413); i') Hk. 148, z. 28-30 (1411); n) Tr. 11, z. 8 (1399). 42 7* 100 ein Ofen zu brennen und zu lösclieii 12 m. ^); in Mösland wird für die gleielie Leistling freilicli nur % m. gezalilt"). Die Zusammenfassungen werden ancli in noch weiterem Umfange gemacht, ln Orebiii kostet die Verarbeitnng eines Ofens mit Kalk, nämlich ihn ,,zn vollen bornen leschen und nsznfnren“ 5 m. an einer Stelle heißt es schließlich sogar nur in aller Kürze: ,,12 m. vor zwene oven kalkes ganz und gar bereit“ Die Kalköfen des Hanpthauses lagen wohl an der Kogat, um das Anfahren der Schiffe in nächster Nähe zu ermöglichen, die Kalkscheune bei ihnen, ,, daher Avohl unten (nördlich) von der Vorburg“. Auch an anderen Orten, an denen Bauteji auf geführt wurden, legte man Kalköfen an. Wo diese nicht Amrhanden vmren oder nicht ausreichten, nahm man das Brennen in Löchern vor; der Ziegelstreicher, der derartige Arbeit besorgt, wird mit 0,0417 m. bis 0,0833 m. für jedes Loch abgelohnt, im Mittel mit 0,0625 m. Während der Jahre 14-19 und 1420 brennt er im ganzen 16 Tjöcher^); es muß hervorgelmben werden, daß eine derartige schlichte Methode bis in unsere Zeit im ScliAvange ist. Bei den Bauarbeiten des Ordens sind Steinknechte tätig, die mit den natürlich vorkommenden Steinen, den Grescliieben, nichts zu tun haben. Sie sind dem Maueramt unterstellt und haben ihre Bezeichnung nach den Ziegel- steinen, mit deren Herstellung sie vorzugsweise beschäftigt sind. Sie werden oft in G-emeinschaft mit Maurern und Zimmerleuten aufgeführt, besonders mit den ersteren zusammen. Der Maurer Albrecht nimmt 1403 24 Amn ihnen mit sich zur Arbeit nach Kagnit‘0, und zAvei Jahre später werden 15 mit Kamen auf- gezählt, die dort beschäftigt werden^). Mitknechte und Knechte schlechthin, Avohl auch Helfersknechte genannt, helfen ihnen, Aveiin es gilt, ein Fundament zu legen oder Mauern aufzuführen; sie spielen mehr die Rolle von Handlangern (Scharwerkern) und Averden auch wohl ohne Aveiteres als Tagelöhner bezeichnet; auch die Bewohner des Dorfes Blumenstein, die wiederholt zu Tjeistungen ver- schiedener Art herangezogen Averden, gehören zu ihnen. Als ,,fullerer“ und Kalkmacher haben sie teilAAmise eine ganz bestimmte Arbeit zu leisten, anderer- seits ist ihre Betätigung eine recht vielseitige. Sie helfen Mörtel machen, die Teile des Gerüstes heranbringen, Dielen aufwinden, Ziegel, Kalk und Ijehm herbeischaffen und zureichen, den Estrich füllen und schlagen, Gebäude decken, Ofen ausbessern und Mauern abbrechen. Den Berufsarbeitern gehen sie zur Hand und führen solche Arbeiten aus, bei denen weniger Verständnis oder Geschicklichkeit erforderlich ist, auch scheinen sie nach den äußeren Um- ständen von der einen Arbeit an die andere geschickt zu sein, je nachdem man ihrer bedurfte. — ■ Maurer und Steinknechte arbeiten auf ihre Rechnung, AAue auch die Werkleute, die dauernd im Dienste des Ordens stehen; mit den anderen Leuten, die nur geringen Lohn erhalten, rechnet man in einfacher AVeise ab. Das GeAAmhren von A^orschuß, die Zahlung ,,uf rechnunge“, ist, 1) Tr. 72, z. IS--l'J(UOO); J Tr. 455, z. 5— 8(1408); 3) Tr. 414, z. 10-14 (1407); h Tr. 140, z. 3 (1402); 0 Hk. 332, z. ß-17 (14P.)), 332, z. 14 -17 (1420); 352, z. 37—353, z. 3 (1120); 0 Tr. 247, z. 13. 14 (1403); ü Tr. 348, z. 7—14 (1405). 10 J wie bereits erwüliiit, iiieht bloß eine Yertraueiissaelie den Werkleuten gegen. ül)er, sondern vielnrelir ein äiißerlieli nicht sichtbarer Zwang, durch den diese sich mit ihren Leistungen für längere Dauer verpflichten. Mit der Annahme der Löhnung für noch nicht vollendete Arbeit treten sie in ein Abhängigkeits- Verhältnis für längere Zeit, von dem sie nicht nach Belieben zurücktreten können. Ähnliche Verhältnisse bestehen heute noch teilweise zwischen den Fischern der Halbinsel Heia und größeren Firmen des Binnenlandes (Berlin), so daß der gemachte Fang bereits verkauft ist, bevor er erbeutet wurde. — Freilich ist diese Art des Ordens, sich Arbeitskräfte für längere Zeit zu sichern, milde, wenn man sie mit entsprechenden Maßnahmen anderer Machthaber jener rauhen Zeit vergleicht. So ließ z. B. Witowd im Jahre 1410 seinem Büchsenschützen die Zehen abhacken, damit er ihm nieht entlaufen köniie^). In seiner Schilderung ,,Der deutsche Lausbub in Amerika“, Bd. 3, bespricht Fuwint Bosen die dort herrschenden Arbeiterverhältnisse. Fr erzählt, wie in großen Betrieben die Besitzer sich die unbeschränkte Herrschaft dadurch ange- maßt hätten, daß sie die Ansiedelung von Kaufleuten verhinderten, ,, alle Lebens- mittel, alle kleinen Kotwendigkeiten und Genüsse bis hinunter zum Bier“ selbst vertrieben und hohe Preise forderten, aber nur schlechte Ware lieferten. ,,Man macht das überall im Lande der sogenannten Freiheit, das den Buhm für sich in Anspruch nehmen darf, dieses kluge System ersonnen zu haben.“ Diese Auffassung ist jedoch nicht zutreffend. Bereits der Orden verstand es, sicli die große Masse seiner Arbeitskräfte zu erhalten, indem er sie in Abhängigkeit von sich und seinen Vertrauenspersonen brachte. Besonders einleuchtend zeigt das ein Übereinkommen zwischen Konrad von Jungingen mit ,, Jorgen Beschei- den dem muwerer zu Bagnith“; in ihm heißt es: ,,ouch was knechte man ym heil of sendet als steynknechte und muwerer ader sost ander synes gesyndes, was die kosten werden an zeriinge und an dem das man sie ym hen of schicket, das sal man dem muwerer abeslon an syme lone. ouch sal der muwerer m acht haben, syme g e s i n d e, das y m arbeite t, kost ii n d g e t r e 11 k e zu v o r k o ii f e n, w i e y m d a s eben ist, u n d n y m a n d s anders, ouch sollen wir ym fünf leste sweres Amn Koningisberg iis heii oP zu Bagnit fiireii; AAms das kosten wirt an der fure, das sollen wir entrichten und bezahlen“^). b (>, (;2S; 2) Tr. z. äu— ;’>7 {\m). 11 102 Benutzte Literatur, geordnet nach dem Jahre des Erscheinens. H.-K. — Haudelsrechnimgen des Deutschen Oi’deus. Ini Aufti’age des A^ereiiis für die Geschichte von Ost- ii. Westpreußen lieraiisgeg. von Dr. C. Sattleu. Leipzig 1887. Ti% — Das Marienburger Treßlerbuch der Jahre 1399 — 1409. Auf Veranlassung und mit Unterstützung des Vereins für die Herstellung und Ausschmückung der Marienburg herausgegeben von Archivrat Dr. Joachim. Königsberg i. Pr. 1896. Hk. — Das Ausgabebuch des Marienburger Hauskomturs für die Jahre 1410 bis 1420. Mit Unterstützung des A^ereins für die Herstellung und Ausschmückung der Marienburg herausgegeben von Dr. AAAvlthkr Ziesemer, Alit einer Karte, Plan, Seil riftpr eben und AA^asserzeichen. Königsberg i. Pr. 1911. Kv. — Das Alarienburger Konventsbuch der Jahre 1399 — 1412. Alit Unterstützung des Vereins für die Herstellung und Ausschmückung der Alarienburg herausgegeben von Dr. AAL-vi/mER Ziesemer. Mit zwei Schriftproben und einer Karte der Marien- burger Komturei. Danzig 1913. Ä. — Das Alarienburger Ämterbucli. Alit Unterstützung des A^ereins für die Her- stellung und Ausschmückung der Marieubiu’g herausgegeben von Dr. Walther Ziesemer. Danzig 1916. 1. Helwiac, Georg Andr, : Lithographia Angerburgica, sive Lapidum et Fos- silium, in districtu Angerburgensi et ejus vicinia, ad trium vel quatuor milliarium spatium, in montibus, agris, arenofodinis et in primis circa lacuum littora et fluviorum ripas, collectorum brevis et succincta consideratio additis rariormn aliquot figuris aeri incisis, cum praefatione autoris et indicibus necessariis. liegiomonti 1717. 2. Bock, Friedr. Sam.: A^ersuch einer wirthschaftlichen Naturgeschichte von dem Königreich Ost- und AA^estpreußen. Zweeter Band, welcher das unterirdische Preußen, oder das Fossilienreich dieses Landes beschreibet. Dessau 1783. 3. Kosegarten, J. G. L.: Bericht des Greifswalder Ausschusses. 1. Das Alten- kaniper Hünengrab, S. 119 — 125; 2. Das Perseker Hünengrab, S. 125 — 126. Baltische Studien, Jahrg, 14, Heft 1. Stettin 1850. 4. Hirsch, Theodor': Danzigs Handels- und Gewerbsgeschichte unter der Herr- sehaft des Deutschen Ordens. Gekrönte Preisschrift. 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Mit 5 Tafeln und der prähistorischen Karte der Provinz Westpreußen in 4 Blättern. Mit Unterstützung des Westpr. Prov. -Landtages heraus- gegoben von der Naturf. Ges. in Danzig. Leipzig 1887. 11. Keilhack: Über ein gewaltiges Geschiebe, aus Granat-reichem Gneiße bestehend. Zeitsclir. d. Deutsch, geol. Ges., Bd. 41, 1889, S. 783. 12. Bptrendt, G., und Keilhack, K.: Endmoräne in der Provinz Posen, Bericht über eine im ITerlist 1893 im Aufträge der Direktion der Koni gl. geolog. Landesanstalt ausgeführte gemeinsame Untersuchungsreise. Mit 1 Tafel und 6 Pig. Jahrb. d. Königl. pi-euß. geolog. Landesanstalt für 1894. Berlin 1896, S. 235 — 251. 13. Zeise, ().; Bericht ülier die Ergebnisse der Aufnalnnen in der Danziger Gegend. Jahrbuch der Königl. Preuß. Geol. Landesanstalt und Bergakad. zu Berlin für das Jahr 1896, Bd. 17, Berlin 1897, S. LXXXV— XCII. 14. Cohen, E., und Deecke, W.: Liste der häufigeren Kügcn’schen Diluvial- geschiel)e. Mit einer Übersichtskarte „Führer für die Bügen-Excursion’' des VII. Inter- nationalen Geographen-Congresses zu Berlin, 1899. LIerausgegel)en von der Geo- graphischen Gesellschaft zu Greifswald. S. 41 — 46. 15. Ebert, Th.: Blatt Neuenbürg. Erläut. zur geolog. Spezialkarte von Preußen und der Thüring. Staaten, Lief, 86, Gradabt. 33, Nr. 21, Berlin 1900. 16. Jentzsch, Alfred: Nacliweis der beachtenswerten und zu schützenden Bäume, Sträuchor und erratischen Blöcke in der l^rovinz Ostjireußen. Beiträge zui- Naturkunde Preußens, herausg. von der Phys.-Okonom. Ges. zu Königsberg, Nr. 8. Königsberg i. Pr, 1900. 17. IliLDEBRAXD, O.: Peti‘ograph isclie Untei'suchung einiger Steinwerkzeuge aus Westpreußen. Sclirift. der Natnrf. (Jes. in Danzig, N. F., lld. 11, IleU I und 2. Danzig 1904, S. 40 -50. 18. Geinitz, Euren; Wesen und Ursache der Eiszeit. Mit 1 Tafel. Archiv des \ ereins dei Fieuiide der Naturgeschichte in Mockionburg, 59. Jahrgang. Güstrow 1905, 19. Zeise, O. und Wolfe, W.: Geologie der Danziger Gegend. Beiträge zur Landeskunde Westpreußens. Festschrift zürn XV. Deutschen Geographentag. Danzig 1905, S. 91—125. 20. Deecke, \V.: Große' Geschiebe in Pommern. XL Jahresbericht der Geog.ra- p bischen Gesellschaft zu Greifswald, 1908, S, 1 — 18. 21. IIaegermann: Kalksteinlager im Kegierungsbezirke Posen. Deutsche Geseil- schaft für Kunst und Wissenschaft in Posen. Zeitschrift der Naturwissenschaftl. Abt. Jahrg. 15, Heft 3 und 4. Posen 1908, 8. 91 — 99. 22. Lohmeyer, Karl: Geschichte von Ost- und Westpreußen. 1. Band. Bis 1411. Allgemeine Staatengeschichte. 3. Abt. Deutsche Landesgeschiehten. Gotha 1908. 22a. Wahnschaffe, Felix: Die Oberflächengestaltung des norddeutschen Flach- landes. Mit 24 Beilagen und 39 Textbildern. 3, Aufh, 1909. 23. Sonntag, Paul: Geologischer Führer durch die Danziger Gegend. Mit 41 Fig. Danzig 1910. 24. T ORNQUIST, A.: Geologie von Ostpreußen. Mit Titelbild und 71 Textabbil- dungen. Berlin 1910. 25. Hermann, K : Die erratischen Blöcke im liegierungsbezirk Danzig. Beiträge zur Naturdenkmalspflege, herausgeg. von H. Oonwentz. Band 2, Heft 1. Mit 25 Fig. Berlin 1911. 26. Klose, H,: Unsere erratischen Blöcke. Mit 1 Titelbild. Naturdenkmäler; \h)rti-äge und Aufsätze. Heft 3. Berlin 1913. 26a. T ORNQUIST, A. : Die Wirkung der Sturmflut vom 9. bis 10. Januar 1914 auf Samland und Nehrung. Mit 2 Skizzen und 6 Tafeln. Schrift, der Phys. -Ökonom. Ges. zu Königsberg i. Pr. 54. Jahrg. 1913, Heft 3; 1914, S. 241—256. IG :104 27. WoT-FF, Wii.HEf.M: Die geologische Entwickelung Westpreiißens. Schrift, der Naturf. Ges. in Danzig, N. F. Bd. 13, Heft 3 und 4. Danzig 1914, S. 59 — 105. 28. Bhanca, W. : 8c]ml.z den geologischen Naturdenkmälern. Mit 1 Titelbild. Naturdenkmäler, Band 1, Heft 9/10; 1915. 29. Dahjis, Bafl; Notizen über fossile tlaifischzähne in den Wirtschaftsbüchern des Haupthauses des preußischen Ordensstaates. Schrift, der Naturf. Ges. in Danzig. N. F. Band 14, Fleft 1. Danzig 1915, S. 60 — 72. 30. Ffldhaus, F. M.: Modernste Kriegswaffen — alte Erfindungen. Die hervor- ragendsten Erscheinungen der modernen Technik im Zusammenhang mit der Kriegs- führung in früherer Zeit. Hlustr. Leipzig 1915 od. 1916 (Angabe fehlt). 31. Dahms, Paul; Kochsalz und Kochsalzgewinnung im preußischen Ordens- staate. Mit 2 Fig. Schrift, der Naturf. Ges. in Danzig, N. F. Band 14, Heft 2. Danzig 1916, S. 15—56. 32. Geinitz, E. : Die neun Endmoränen Nordwestdeutschlands. Mit 1 Karten- skizze. Zentralbl. für Mineralog., Geolog, und Paläontolog. 1916 (15. Febr.), Nr. 4; S. 78—90. 33. Geinitz, E.: Die Endmoränenzüge Mecklenburgs, nebst einigen ihrer Begleit- erscheinungen. Mit 2 Karten. Mitteil, aus der Großherzogi. Mecklenburg. Geologisciien Landesanstalt, XXIX. Ilostock 1916. 34. Meyer, L, : Die im Sommerremter des Hochmeisterpalastes in Marienburg eingemauerte Steinkugel und die sich daran knüpfende Überlieferung. Mit 6 Abb. Zeitschr. des Westpr. Geschichtsvereins, Heft 56. Danzig 1916, S. 185 — 216. 35. Dorr, R. : Bericht über die 'l'ätigkeit der Elbiiiger Altertuinsgesellseliaft im Vereins- jidir 1914/1915. Mit 2 Fig. im Text. Sclirift. d. Naturf. Ges. in Danzig, N. F. IM. 14, Ilefl, 3; 1917, S. 19—30. Druck vmi A. \V. Raicmiiuu (L in. b. II. in naii^^ig.- Zur Beachtung. Die folgenden von der Naturforschenden Gesellschaft herausgegebenen Einzelwerke können von den Mitgliedern zum Selbstkostenpreise bezogen werden, soweit der Vorrat reicht: j I. Die Flora des Bernsteins und ihre Beziehungen zur Flora der Tertiärformation und der Gegenwart Ton H.B.Göppert und A. Menge. i 1. Band. Göppert, Von den Bernstein-Coniferen. Mit dem Porträt M enge’s I und 16 lithogr. Tafeln. Danzig 1883; gr. Quart. — VIII und 63 S. Ladenpreis: M 20. Für die Mitglieder: M 10. 2. Band. Conwentz, Die Angiospermen des Bernsteins. Mit 13 lithogr. ! '! Tafeln. Danzig 1886;. gr. Quart. — IX und 140 S. I Ladenpreis: M 30. Für die Mitglieder: M 15. II. Die prähistorischen Denkmäler der Provinz Westpreussen I und der angrenzenden Gebiete von Dr. A. Lissauer. I Mit 5 Tafeln und der prähistorischen Karte der Provinz I Westpreußen in 4 Blättern. Danzig 1887; gr. Quart. — I XJ und 210 S. I Ladenpreis: M 20. Für die Mitglieder: M 10. III. Monographie der baltischen Bernsteinbäume von H.Conwentz. Mit 18 lithographischen Tafeln in Farbendruck. Danzig 1890; gr. Quart. — IV und 151 S. ! Ladenpreis: M 50. Für die Mitglieder: M 25. Von dem s. Zt. in den Schriften der Gesellschaft, Neue Folge I Bd. I bis IV 1866 — 1879, erschienenen Werk: I Menge^ Preussische Spinnen. Mit 91 Tafeln |! sind noch einige vollständige, gut erhaltene Exemplare vorhanden. Ladenpreis: M 50. Für die Mitglieder: M 25. Der Betrag nebst Porto für die gewünschte Zusendung ist an den Scliatzmeister der Gesellschaft, Herrn Bankier Dr. Damme in Danzig, Karren wall 7, einzuschicken. Von den älteren Schriften der Naturforschenden Gesellschaft sind hauptsächlich das 2. Heft des- II. Bandes (1868) und das 1. Heft des III. Bandes (1871) vergriffen. Es würden die Herren Mitglieder, die diese Hefte etwa abgeben können, uns dadurch zu besonderem Dank verpflichten. Der Vorstand. L J Druck von A. W. Kafemann G. m. l>. H. in Danzig, SCHRIFTEN HER NATURF0E8CHENDEN GESELLSCHAFT IN DANZIG. NEUE FOLGE.* VIERZEHNTEN BANDES VIERTES HEFT. (MIT 26 ABBILDUNGEN IM TEXT.) MIT UNTERSTÜT2UNQ DES WESTPR. PROVINZIAL-LANDTAGES HERAUSGEGEBEN. DANZIG 1918. KOMMISSIONS-VERLAG VON R. FRIEDLANDER & SOHN IN BERLIN NW. 6, KARLSTR. 11. Druck von A. W. Kafemaim g. m. b. h. in Danzig. Inhalt. Seite 1. Jahresbericht der Naturforschendeu Gesellschaft zu Dauzig für 1917 I 2. Bericht über die Ordentlichen Sitzungen der Gesellschaft im Jahre 1917 VllI Wangerin: Der Kampf um das Dasein im Pflanzenreich Yiri; Braun; Die Völker der ßalkanhalbiiisel, nach ei,^enen Beobachtungen X; Schwer: Immunität, Schutzimpfung und Serumbehandlung X; Kumm: Westpreußens Kultur um die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends XIII; Schmoeger: Die Aufbereitung von Stroh für menschliche und tierische Ernährung XIII; Sonntag: Über einige neue Oser in W^estpreußen und die „Porta cassubica“ XIV; Abderhalden: Des Menschen Schicksals- drüsen XIV; Lucks: Neue Wege der Seidenraupenzucht und eigene Ver- suche und Erfahrungen in Westpreußen XVI; Gläser: Gaskampf und Gasschutz XVI; Sonntag: Neue geologische Bilder und Skizzen aus Westpreußen XVII; Rubner: Moderne Ernährungatheorien und der Krieg XVIII; Lakowitz: Eine Wanderfahrt über die Kurische Nehrung von Kranz bis Memel XVIII; Wreszinski: Die altägyptischen Grabgemälde XVIII. • • 3. Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1917 be- handelten Gegenstände XIX • • 4. Jahresbericht des Ärztlichen Vereins zu Danzig über das Vereins- jahr 1916/1917 XXI 5. Bericht über die Sitzungen der Anthropologischen Sektion im Jahre 1917 XXII 6. Jahresbericht des Westpreußischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege für das Geschäftsjahr 1. Januar bis31. Dezember 1917 XXIII 7. Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des westpreußischen Fischereivereins im Jahre 1917 XXV 8. Verzeichnis der im Jahre 1916 und 1917 durchTausch, Schenkung und Kauf erworbenen Bücher XXVI 9. Jahresrechnung der Naturforschenden Gesellschaft für das Jahr 1917 XXXVIII 10. Vermögensbestand am 3. Januar 1918 XL 11. Mitglieder- Verzeichnis der Naturforschenden Gesellschaft am 1. Mai 1918 XLl VJ Seite 12. Bericht über die Feier aus Anlaß des 175 jährigen Bestehens der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig am 2. Januar 1918. Erstattet von ihrem Direktor, Studienrat Dr. Lakowitz L Abhandlungen. 13. Die Aufbereitung von Stroh für menschliche und tierische Ernährung. Von Ökonomierat Prof. Dr. Schmoeger in Danzig 1 14. Natur und Siedelungen im Geserich-Gau. Von Studienrat Fritz Braun in Dt. Eylau 9 15. Neue Wege der Seidenraupenzucht und eigene Versuche und Erfahrungen in Westpreußen. Mit 14 Abbildungen. VonR.LuCKS, Botanischer Assistent an der Landwirtschaft!. Versuchsstation Danzig, zugleich Geschäftsführer der Westpr. Seidenbau-Studien- gesellschaft 23 16. Der Anteil der verschiedenen Kulturvölker an der Entwickelung der Mathematik. Vortrag zur Feier des 175jährigen Bestehens der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig am 2. Januar 1918. Von Dr. J. Sommer, Professor an der Königl. Technischen Hochschule in Danzig-Langfuhr 48 17. Neue geologische Bilder und Skizzen aus Westpreußen. Mit 12 Figuren im Text. Von Studienrat Dr. P. Sonntag in Danzig-Neufahrwasser 67 18. Die Völker des Balkans. Von Studienrat Fritz Braun in Dt. Eylau 89 19. Die geographischen Bedingungen des westpreußischen Land- schaftsbildes. Von Studienrat Fritz Braun in Dt. Eylau t r 102 Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzigs für 1917. Vorgelegt von ihrem Direktor Professor Dr. LAKOWITZ in der Sitzung vom 2. Januar 1918, am Tage des 175 jährigen Bestehens der Gesellschaft. Das Jahr 1917 war wie seine Vorgänger im gegenwärtigen Kriege eine Zeit ruhmvoller Taten an allen deutschen Fronten und auch an denen der Bundes- .genossen, sein Enderfolg das erzwungene Friedensangebot seitens des zahlen- mäßig stärksten Feindes Rußland. Es w-ar zugleich eine Zeit angespanntester Tätigkeit hinter den Fronten, stetig gesteigerter Heimarbeit zur Unter- stützung des gewaltigen Heeres und zur Sicherung des wirtschaftlichen Durch- haltens der Mittelmächte. Auch die Wissenschaft ruhte nicht. Gewaltiges leistete sie durch ihre praktische Anwendung in der Kriegstechnik und bei dem wirtschaftlichen Durchhalten, mit den deutschen Truppen hielt sie ihren Einzug in die besetzten Gebiete. Im Inlande arbeitete sie regsam und strebsam wie in Friedenszeiten. Das durfte sie, weil für die deutschen Lande jede Gefahr feindlichen Eindringens nunmehr endgültig beseitigt war. In den Kultur- zentren der Mittelmächte pulsiert jetzt das Leben der meisten wissenschaft- lichen Vereinigungen trotz mancher Hemmungen, die der Kriegsdienst natur- gemäß mit sich bringt, kräftiger als zuvor, nicht zuletzt in unserer Natur- forschenden Gesellschaft, und dies um so mehr, als das Bedürfnis nach geistiger Ablenkung und Anregung allerorten in erhöhtem Maße gerade jetzt zur Kriegszeit seine Befriedigung verlangt. Leider hat der unerbittliche Tod im verflossenen Jahr auch in unserem friedlichen Kreise seinen Tribut verlangt und empfindliche Lücken gerissen. So beklagen wir das Hinscheiden folgender einheimischer und auswärtiger Mitglieder: Exz. v.GuASS-Klanin, Professor Feyerabend und Major v. Schick- Fuss in Zoppot, Dr. Jeckstadt, Rentier Kempke, Bankdirektor Liepmann, Prokurist Seeger, Fabrikbesitzer ^taberow, sämtlich in Danzig, und betrauern mit dem uns nahe stehenden Westpreußischen Geschichtsverein den allzu frühen Hingang unseres Danziger Geschichtsforschers Prof. Dr. Simson, der Sehr. d. N. G, zu Danzig. Bd. XIV, Heft 4. 1 ir in seiner Geschichte Danzigs 1893 unserer Naturf ersehenden Gesellschaft eiiu ehrendes Denkmal gesetzt hat. — Sie alle waren langjährige, treue Freunde unserer Gesellschaft, denen wir gern ein bleibendes Gedenken bewahren. In dieser Stunde bitte ich durch Erheben von unseren Sitzen die zu früh Verstorbenen zu ehren! — Trotz dieser Verluste, sowie trotz des Fortzuges etlicher Mitglieder von Danzig und aus der Provinz Westpreußen hat sich der Mitgliederbestandi gegen das Vorjahr gehoben. Wir zählen jetzt am Schluß des Jahres 1917: 7 Ehrenmitglieder gegen 4 zu Ende 1916 und 4 zu Ende 1915 46 Korresp. Mitgl. » 40 „ r 43 „ n 403 Einheim. Mitgl. n 396 „ w 410 „ n n 135 Auswärt. Mitgl. n 129 „ V 135 „ n Die Gesamtzahl der Mitglieder beträgt demnach jetzt 590 gegen 569 zu Ende 1916 und 592 zu Ende 1915, der zur Beitragzahlung verpflichteten Mitglieder: jetzt 538 gegen 525 zu Ende I9l6 und 545 zu Ende 1915. In der außerordentlichen Sitzung am 5. Dezember d. J. wurden der frühere Oberpräsident der Provinz Westpreußen Staatsminister Dr. v. Del- brück Exz., der gegenwärtige Oberpräsident v. Jagow Exz. und der frühere Kommandierende General des XVII. Armeekorps, Generalfeldmarschall v. Mackensen Exz., zu Ehrenmitgliedern der Gesellschaft ernannt. Schon lange bestand der Wunsch, diese drei hervorragenden Förderer und Beschützer der kulturellen Ent^wicklung unserer Provinz zu ehren, jetzt konnte als passende Gelegenheit die am 2. Januar 1918 stattfindende Feier des 175 jäh- rigen Bestehens der Gesellschaft benutzt werden, und wir sind des ferneren Interesses der neuen Ehrenmitglieder an dem Gedeihen unserer Naturforschern den Gesellschaft sicher, die den ältesten, bewährten, wissenschaftlichen Kulturfaktor im Osten der Monarchie darstellt. Gleichzeitig ernannte die Gesellschaft zu Korrespondierenden Mitgliedern folgende ausgezeichnete Gelehrte: Geh. Kegierungsrat Prof. Dr. Abderhalden in Halle a. S., Prof. Dr. J. Böhm,. Kustos an der Sammlung der Kgl. Geologischen Landesanstalt in Berlin, Prof. Dr. Ruff von der Kgl. Technischen Hochschule in Breslau und Prof. Dr. Zenneck von der Kgl. Teclinischen Hochschule in München. Ebenso in Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Erfolge waren kurz zuvor in der Sitzung am 7. November die Professoren Dr.EDiNGER und Geh. Hegie- rungsrat Dr. zur Strassen aus Anlaß der Jahrhundertfeier der mit uns in jahrzehntelangen Schriftenaustausch stehenden Senkenbergischen Natur- forschenden Gesellschaft in Frankfurt a. M. zu Korrespondierenden Mitgliedern ernannt worden. Von persönlichen Angelegenheiten sei noch folgendes hervorgehoben. Berichterstatter übermittelte dem Ehrenmitglied unserer Gesellschaft, Geh. vStudienrat Prof. Dr. Bail, zu seinem 60 jährigen Doktorjubiläum Glück- 111 wünsche und den beiden hochverdienten Mitgliedern Geh. Regierungsrat Dr. Nagel und Polizeipräsident Wessel gleichfalls Glückwünsche der Geselk Schaft, ersterem aus Anlaß seiner 50 jährigen Mitgliedschaft, letzterem bei Gelegenheit seiner 25 jährigen Amtsfeier in Danzig. In den Ausschuß der auf Anregung des Stellvertretenden Generalkommandos hier begründeten Westpreußischen Seidenbau-Studiengesellschaft unter der Leitung des Herrn Regierungspräsidenten von Danzig ist Berichterstatter gewählt worden; er vertritt darin die Naturforschende Gesellschaft, die mit einem einmaligen Beitrag Mitglied jener Studiengesellschaft geworden ist. Die Senkenbergische Naturforschende Gesellschaft in Frankfurt a. M. hat im November d. J. aus Anlaß der Feier ihres einhundertjährigen Bestehens den Berichterstatter zu ihrem Korrespondierenden Mitglied ernannt, und das Stellvertretende General- kommando des XNII. Armeekorps lud ihn als Vertreter der Gesellschaft ein, an dem in Danzig veranstalteten Kriegsernährungslehrkursus im November cl. J. hier teilzunehmen. Die wissenschaftliche Tätigkeit unserer Gesellschaft äußerte sich satzungsgemäß zunächst in der Veranstaltung wissenschaftlicher Vor- träge aus den speziellen Arbeitsgebieten der Mitglieder. Zu diesem Zweck fanden im Berichtsjahr 9 Sitzungen der Mitglieder und 3 Versammlungen der Mitglieder, ihrer Angehörigen und Gäste statt. Nebenher ging noch, durch besondere Vereinbarung den Mitgliedern zugänglich gemacht, eine Reihe von Vorträgen über ,, Kraftmaschinen“ des Herrn Hochschulprofessor Jahn hier. Die Gebiete der Biologie, Medizin, Physik, Geologie, Erdkunde, Alter- tumsforschung waren diesmal bevorzugt. Lebhafter Dank gebührt den Herren Vortragenden für ihre durchweg fesselnden Darbietungen. Bei solchen Gelegenheiten hatten wir den Vorzug, von berühmten auswärtigen Gelehrten die Herren Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Abderhalden- Halle a. S., Geh. Regie- rungsrat Prof. Dr. Lummer- Breslau, Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Rübner- Berlin und Prof. Dr. Wreszinski- Königsberg als Vortragende hier zu begrüßen. Genauere Angaben über die gehaltenen Vorträge finden sich in dem hier nachfolgenden Bericht des Schriftführers Herrn Prof. Dr. W^allen- BERG über die Ordentlichen Sitzungen und die Vortragsveranstaltungen im Jahre 1917. Die Mitglieder folgten wiederholt den Einladungen des Westpreußischen Bezirks Vereins Deutscher Ingenieure zu eigenen Vorträgen und der Firma Lau -Danzig, wie in früheren Jahren, zu den von ihr veranstalteten, volkstüm- lichen Lichtbildervorträgen naturwissenschaftlich-geographischen Inhaltes. Wie in den Kriegs jahren von 1914 an, und früher bereits, hielt Berichterstatter auch in dem verflossenen Jahre auf Einladung Vorträge verschiedenen Inhaltes in zahlreichen Städten Westpreußens, Ostpreußens, Pommerns und Posens, zumeist zu Kriegswohlfahrtszwecken. Die auswärtigen Mitglieder unserer Gesellschaft haben zu diesen Veranstaltungen regelmäßig besondere Ein- ladungen erhalten. 1* IV über die wissenschaftliche Tätigkeit der Sektionen der Gresellschaft geben die nachfolgenden Berichte der Herren Vorsitzenden der Sektionen erwünschten Aufschluß. Von Veröffentlichungen ist das dritte Heft des XTV. Bandes (N. F.) der „Schriften“ der Gresellschaft im verflossenen Jahr heraus- gegeben und an die geehrten Mitglieder versandt worden. Die Druck- legung des vierten Heftes ist unter der wachsamen Aufsicht des Herrn Pro- fessor Dr. Dahms in vollem Gange; seine Herausgabe ist im Sommer 1918 zu erwarten. Leider sind die Kosten der Drucklegung schon vor dem Kriege schnell gestiegen, in den Kriegsjahren aber dermaßen angewachsen, daß die im Haushaltungsplan der Gesellschaft vorgesehenen Geldmittel nicht mehr reichen, um den Schriften die Bogenzahl zu wahren, durch die sie schon äußerlich als vollwertig sich erweisen konnten. So manches zur Verfügung stehende, wertvolle Manuskript muß zurückgestellt werden, bis Setzer- und Papierkosten wieder normal sind, oder aber bis gütige Geber nennenswerte Summen für unsere ,, Schriften“ bereitstellen sollten. Bis dahin wollen die geehrten Mitglieder die „Schlankheit“ unserer „Schriften“ als notwendige Folge der gegenwärtigen ungünstigen Zeitläufte freundlichst entschuldigen. Die Bibliothek unserer Gesellschaft, das mit ihr verbundene Lese- zimmer und der regelmäßige Journallesezirkel wissenschaftlicher Zeit- schriften werden durch die arbeitenden Mitglieder, sofern sie nicht im Felde stehen, regelmäßig und ausgiebig benutzt. Durch Tausch mit Akademien, Vereinen, wissenschaftlichen Instituten in Deutschland und dem verbündeten und neutralen Auslande kommt trotz mancherlei Erschwerungen im Versand I. eine Fülle schöner Druckschriften zur Fortsetzung beziehungsweise zur Aus- füllung alter Lücken des an sich schon reichen Bücherbestandes herein. Keu trat ein in den Schriftenaustausch das Kgl. Aeronautische Observatorium in Lindenberg, Kreis Beeskow. Vom Kgl. Preußischen Landwirtschaftsmini-i; sterium w^erden nach wie vor die stattlichen Landwirtschaftlichen Jahrbüche^ und von der Staatlichen Kommission zur Erforschung der deutschen Meer^l ihre wertvollen Abhandlungen eingesandt, wofür erneuter Dank auch am” dieser Stelle ausgesprochen sei. M Eigene und fremde Druckschriften wurden durch zahlreiche Mitglieder! der Bibliothek überwiesen, voran in stattlicher Anzahl durch Herrn Geh.| Sanitätsrat Dr. Lievin. Diesem und den Herren Geh. Stud.-Rat Prof. Dr. Bail, Dr. Bischöfe Geh. Keg.-Rat Prof. Dr. Branca, Prof. Braun, Prof. Conrad. Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Conwentz, Prof. Förster, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Geinitz, Frau Kommerzienrat Hähnle, Prof Klebahn. Hauptmann a. D. Kollm, Prof. Dr. Lakowitz, Prof. Dr. Lentz, Prof. Dr. Lindner, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Lorenz, Pfarrer Mühlradt, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Rössler, Prof. Dr. Sonntag, Ih’of. A. Wegener gebührt für diese wertvolle Bereicherung unserer Büchersammlung ergebenster Dank auch an dieser : V Stelle, wie dem durch eine geschulte Hilfskraft (Fräulein Lakowitz) unter- stützten Herrn Prof. Dr. Dahms für die sorgsame Leitung der umfangreichen Bücherei. Vorbereitet wird das vierte Heft des Bibliothekskatalogs, das die Abteilung Biologie umfaßt. Bei den bezüglichen Arbeiten bietet ein der Dan- ziger Flakgruppe zugeteilter Gefreiter, Herr cand. phil. Ganderi\ dankens- werte Hilfe. Die Arbeiten in der Astronomischen Station der Gesellschaft ruhen zum größten Teil, da der Astronom, Herr Dr. von Brunn, immer noch im Felde an der Westfront ist. Nur die regelmäßigen Zeitbestimmungen, die Hegulierung der astronomischen Uhren u. a. m. erfolgen noch, und zwmr durch den gut geschulten Gehilfen an der Sternwarte, Herrn Mechaniker H. Krause, dem auch die Instandhaltung der wertvollen Apparate der Warte wie in der physikalischen Apparatensammlung obliegt. Dieser Apparaten- sammlung eine würdige Aufstellung zu geben, ist ein schon lange gehegter sehnlicher Wunsch des Vorstandes, der auch zu besserer Zeit zur Ausführung gelangen soll, zumal Mittel hierfür in den Haushaltungsplan der Gesellschaft eingestellt werden. Gegenwärtig kann hierfür leider nichts geschehen, da wie die Sternwarte selbst, so auch ein großer Teil des Sammlungsraumes von der Militärbehörde zur Unterbringung der Flakgruppe Danzig bis auf weiteres in Anspruch genommen ist. Der Plan des Neubaues der Sternwarte auf dem Gelände zwischen dem Königstaler Weg und der Feldstraße hat weitere Förderung erfahren und schreitet, wenn aueh langsam, fort. Hat zunächst der Herr Minister, Exzellenz Dr. Schmidt, durcli Schreiben vom 10. November d. J. an Seine Exzellenz den Herrn Oberpräsidenten von Westpreußen erneut die Geneigtheit der Königlichen Staatsbehörde, „die Angelegenheit, betreffend die Errichtung der Sternwarte der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig, zu fördern“, zum Ausdruck gebracht und vor der endgültigen Entschließung nur noch leicht zu vollziehende Abänderungen des seinerzeit diesseits eingereichten Bau- planes und Vertrages gewünscht, so ist nach der materiellen Seite hin die ganze Angelegenheit doch ein gutes Stück vorwärts gebracht worden durch die Tatsache, daß vor etlichen Tagen mit dem Besitzer des in Hede stehenden Geländes, Herrn Fabrikbesitzer M. FTartmann, der Kaufvertrag notariell abgeschlossen ist. Es handelt sich um eine 4428 qm große Bodenfläche, die dank dem weitgehenden Entgegenkommen ihres bisherigen Besitzers für die Zwecke des neuen Sternwartebaues in das Eigentum der Naturforschenden Gesellschaft übergehen soll. Die Auflassung erfolgt noch im Januar d. J. Herrn Fabrikbesitzer M. Hartmann, unserem langjährigen Mitgliede, sei an dieser Stelle der aufrichtige Dank der Gesellschaft ausgesprochen, ebenso unserem Hausverwalter, Herrn Stadtrat Zimmermann, dessen geschickter Führung es gelungen ist, den Erwerb des für die neue Sternwarteanlage bestimmten Geländes in einer für unsere Gesellschaft sehr günstigen und vorteilhaften Weise zu vollziehen. VI Zwei Stiftungen für die Förderung naturwissenscliaftliclier För- scliungen und Arbeiten, vornehmlich zur Landeskunde Westpreußens, ver- waltet unsere Gresellschaft. Aus der Humboldt- Stiftung wurden für 1917 Herrn Prof. Lr. vSonntag -Danzig zu geologischen Studien in Westpreußen 450 M und aus der Prof. Dr. Bail - Stiftung zu ornithologischen Studien Herrn Hauptlehrer Döbbrick -Altfließ bei Osche Wpr. 150 M verliehen. Die geschäftlichen Angelegenheiten der Gesellschaft fanden in drei außer- ordentlichen Sitzungen der Mitglieder und drei Sitzungen des Vorstandes ihre Erledigung. In der Sitzung am 3. Januar 1917 erstattete der Direktor den Jahres- bericht für 1916, in der Sitzung am 4. April Herr Kaufmann D Omans ky den Bericht über die Jahresrechnung 1916 und den Stand der Kasse mit Schluß des Jahres 1916. Mit der Entlastung durch die Mitgliederversammlung wurde der Dank der Gesellschaft dem Schatzmeister Herrn Dr. Damme sowie den beiden Hechnungsprüfern Herren Kaufmann Domansky und Bankdirektor Stein ausgesprochen. In der Außerordentlichen Sitzung am 5. Dezember 1917 fand nach dem Vortrag des Herrn Dr. Damme über den Haushaltungsplan für 1918 und nach der Genehmigung dieses 17 387 M (einschließlich der v. Wolff sclien Stiftung für astronomische und der Vercti sehen Stiftung für Bibliotheks- zwecke, ohne diese 12 704 M) betragenden Voranschlages durch die Mitglieder- versammlung noch satzungsgemäß die Wahl des Vorstandes für 1918 statt. Die Wall] ergab die folgende unveränderte Zusammensetzung des T'^orstandes für 1918: Herr Prof. Dr. Lakowitz, Direktor „ Prof. Dr. Krüger, Vizedirektor „ ßankdirektor Dr. Damme, Schatzmeister „ Prof. Dr. Wallenberg, Schriftführer für die inneren Angelegenheiten „ Prof. Dr. Kumm, Schriftführer für die äußeren Angelegenheiten „ Prof. Dr. Dahms, Bibliothekar „ Stadtrat Zimmermann, Hausverwalter „ Prof. Evers I „ Prof. Dr. Petruschky V Beisitzer. „ Prof. Dr. Sommer ) Als Rechnungsführer wurden die Herren Kaufmann Domansky" und Bankdirektor Stein wiedergewählt. Wie in früheren Jahren erhielt die Gesellschaft auch 1917 von der Kgl. Staatsregierung eine Beisteuer von 500 M zur Unterhaltung ihrer astronomi- schen Station, seitens der Provinzialverwaltung 2000 M für die allgemeinen Aufgaben und im besonderen für die Herausgabe der Druckschriften, von den städtischen Körperschaften Danzig 300 M. Für diese dringend erwünschten, laufenden Unterstützungen stattet hiermit die Gesellschaft erneut ihren ehr- erbietigsten Dank ab. Vli Aus Anlaß des 175 jährigen Bestehens der Gesellschaft mit dem Schluß ^des Jahres 1917 haben im Dezember 1917 die Provinzialverwaltung von West- preußen und die Stadtverwaltung von Danzig einmalig je 1000 M als Beitrag -ZU den Kosten für die Herausgabe wissenschaftlicher Arbeiten überwiesen. Eine gleich große Spende ist heute von der Landwirtschaftkammer für West- preußen angemeldet worden. Der innige Dank für diese besonderen Zuwendungen wird innerlich .getragen durch das Bewußtsein, daß unsere Gesellschaft mit ihren Bestre- bungen Anerkennung findet. Gleichfalls aus Anlaß des 175 jährigen Jubi- läums hat das auf das Wohl der Gesellschaft ständig bedachte Ehrenmitglied, Herr Geh. Stud.-Hat Prof. Dr. Bail, einen Aufruf an die Mitglieder versandt zur Gründung einer Jubiläumsstiftung zwecks weiterer Förderung der wissen- schaftlichen Ziele der Gesellschaft. Mit dem großen Dank für diesen neuen Beweis regster Anteilnahme unserer verehrten Mitglieder an dem Gedeihen der Gesellschaft sei die Mitteilung verbunden, daß dieser Aufruf eine Gesamt- summe von 4500 M ergeben hat. Unsere Gesellschaft beschließt mit dem Berichtsjahr das 175. Jahr ihres ununterbrochenen Bestehens. Welche Fülle geschichtlicher Wandlungen ihres Heimatgebietes und wirtschaftlicher Auf 7 und Niedergänge ihrer Vaterstadt hat sie in den zurückliegenden, fast vollen zwei Jahrhunderten durchgemacht, als ein Kind dieser Heimat an deren Wandlungen und Schwankungen teilgenommen und mancherlei wirtschaft- liche Hemmungen ertragen müssen. Und doch hat die Gesellschaft unentwegt ihren wissenschaftlichen Zielen allzeit gleichmäßig zugestrebt, manches erreicht, die Wissenschaft gefördert, Naturerkenntnis in weitere Kreise getragen und dafür sichtbarliche Anerkennung bei den Vertretern der wissen- schaftlichen Welt, den Naturfreunden des Heimatgebietes und den Behörden in Vergangenheit und Gegenwart in reichem Maße gefunden. Möge es auch so in Eukunft bleiben. In ein neues Jahr der Arbeit treten wir ein. Herein winkt aus dem nahen Osten der ersehnte Frieden nach blutigstem Völkerringen, hoffen wir, daß recht bald nach entscheidendem Sieg das aufsteigende, glückverheißende Friedensgestirn den weiten Horizont ringsum mit seinen belebenden Strahlen durchleuchte und durchwärme. Dann wird neues Leben sich in der Wissen- schaft regen, und unsere Gesellschaft wohlgemut und jugendfrisch daran ihren Teil tragen zum Heil und Segen des Vaterlandes und zu eigenem Nutz und Frommen! r=SF-fc--:== vm Bericht über die Ordentlichen Sitzungen der Gesellschaft im Jahre 1917. 1. Sitzung am 3. Januar 1917 (im Festsaal des „Danziger Hofes“). Der Direktor, Herr Prof. Dr. Lakowitz. eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und erstattet den Jahresbericht für das Jahr 1916 sowie den der Vorsitzenden der Sektionen. Darauf heißt er den Vortragenden des Abends herzlich willkommen. Herr Geheimer Regierungsrat Prof. Dr. Lummer- Breslau hält dann einen Lichtbildervortrag über „Verflüssigung des reinen Kohlenstoffes und Herstellung der Sonnentemperatur und höherer Temperaturen“ (mit kinematographischen Vorführungen). Der Direktor spricht dem Vortragenden den Dank der Gesellschaft aus und schließt die Sitzung. 2. Sitzung am 31. Januar 1917. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder. Darauf hält Herr Dozent Oberlehrer Dr. Wangerin einen Vortrag über „Der Kampf um das Dasein im Pflanzenreich“. Deszendenztheorie und Darwinismus sind nicht miteinander identisch; die Abstam^ mungslehre ist zur grundlegenden Theorie der gesamten Biologie geworden, sie hat sich aber im Laufe der Zeit und unter dem Einfluß neuerer Forschungen in manchen Punkten nicht unwesentlich von Darwins ursprünglichen Anschauungen entfernte Dessen unvergängliches Verdienst aber wird es stets bleiben, nicht nur der Abstam- mungslehre eine in Erfahrungstatsachen wurzelnde, jeder Kritik standhaltende Be- gründung gegeben zu haben, sondern er hat auch mit der Aufdeckung des Kampfes ums Dasein unseren Einblick in das organische Geschehen wesentlich vertieft, eine in der gesamten organischen Welt wirksame Naturmacht als erster richtig erkannt und gewürdigt. Der Kernpunkt dieser Lehre im Kampfe ums Dasein liegt darin begründet, daß im gesamten Organismenreich eine außerordentliche Reproduktionskraft herrscht, der nur eine begrenzte Menge an Nahrung und Raum gegenübersteht, so daß sich nicht sämtliche Keime aller auf der Erde vorhandenen Lebewesen frei entwickeln können, sondern die v/eitaus überwiegende Menge wieder zugrunde geht und ein IX Konkurrenzkampf zwischen den Individuen wie zwischen den Arten entbrennen muß.. Auch in der Pflanzenwelt, so friedlich und harmonisch sie in ihrer ruhigen Schönheit erscheint, tobt unablässig der harte Kampf, den jede Pflanze um ihre Existenz führen muß. Er tritt uns einerseits entgegen als Kampf der Pflanze gegen ungünstige Lebens- bedingungen, ganz besonders ausgeprägt dort, wo einer der lebensnotwendigen Außen- faktoren nicht mehr in genügendem Ausmaß geboten wird (z. B. Baumgrenze im Hochgebirge, Vegetation auf Sandfeldern und Elugsanddünen, Kakteen in den Wüsten und Steppen des heißen Amerika), andererseits als Kampf verschiedener Pflanzen unter- einander. Die nähere Betrachtung zeigt diesen Kampf wirksam als einen solchen der Teile des einzelnen Organismus miteinander (z. B. bei der Entwicklung eines Baumes zwischen den Knospen und Trieben, die miteinander um den ernährenden Saftstrom und vor allem um das Licht kämpfen, und von denen es nur wenige zur vollen Ent- wicklung bringen), als Kampf zwischen den Individuen einer Art (z. B. zwischen den Bäumen im Forst) und als Kampf zwischen verschiedenen Arten (z. B. im tropischen Urwald). Hier überall tritt der Kampf um das Licht, entsprechend dessen Bedeutung für das Leben der grünen Pflanzen, besonders hervor, aber auch um die Nährstoffe, die die Pflanze aus dem Boden bezieht, entbrennt oft genug ein lebhafter Kampf; meist erfolgt die Schädigung des Konkurrenten durch Aushungern, d. h. durch Wegnahme von Nahrung und Licht, doch spielen in manchen Fällen auch Gifte als Kampfstoffe eine Rolle, ganz besonders bei saprophytischen und parasitischen Pilzen. Schließlich gibt es auch noch einen Kampf zwischen den Pflanzenvereinen, die auch nicht als in ihrer Entwicklung abgeschlossen und friedlich nebeneinander bestehend zu betrachten sind, sondern von denen jeder beständig in das Gebiet des anderen vorzudringen sucht, so daß schon eine kleine Veränderung in den Lebensbedingungen das bestehende labile Gleichgewicht tiefgreifend zu verändern vermag. Lebhafte Kämpfe dieser Art müssen sich besonders in den Zeiten der postglazialen Florenentwicklung abgespielt haben, wir können sie gelegentlich aber auch heute noch bei uns beobachten, z. B. bei der Besiedelung neuen Bodens oder beim Vordringen des Moores gegen den umgebenden Wald. Und nicht nur mit ihresgleichen, sondern auch mit der Tierwelt hat die Pflanze einen Kampf zu bestehen, dabei handelt es sich nicht bloß um die pflanzenfressenden Tiere, denen gegenüber die verschiedenen Schutzmittel (Stacheln und Dornen, giftige oder schlecht schmeckende Stoffe, Mimikry) nur von beschränkter Wirksamkeit sind, sondern auch um einen Wettbewerb um die Tiere als Vermittler der Bestäubung und Samenverbreitung. Das Ergebnis dieses Kampfes ums Dasein im Pflanzenreich besteht zunächst darin, daß von den jungen Individuen die überwiegende Mehrzahl dahinstirbt, ohne selbst zur Ausbildung von Nachkommen gelangt zu sein. In der Formation bildet sich ein dynamischer Gleichgewichtszustand aus, der äußerlich auch während längerer Zeit- räume ein Unverändertbleiben des Bildes Vortäuschen kann; wie leicht aber dieser Zu- stand Veränderungen unterliegt, zeigt z. B. das Auftreten einer Schlagflora beim Roden einer Waldparzelle und die Ausbreitung, die Neuankömmlinge in der Pflanzen- welt mancher Länder gefunden haben. Alle solche Änderungen und Störungen des ursprünglichen Gleichgewichtes der Formationen, auch wenn sie in der Gegenwart meist auf der direkten oder indirekten Mitwirkung des Menschen beruhen, sind pflanzengeographisch von besonderem Interesse, weil ähnliche Vorgänge sich auch in früheren Perioden der Erdgeschichte abgespielt und hier zum Aussterben einzelner Pflanzen, ja sogar ganzer Pflanzenstämme, andererseits aber auch zu großen und aus- gedehnten Wanderungsphänomenen geführt haben. Für die DARWiNsche Selektionslehre ist der Kampf ums Dasein das ausschlag- gebende Moment, das sowohl die Entstehung neuer Arten wie auch deren Anpassung an die herrschenden Lebensbedingungen auf Grund des Wirkens natürlicher Faktoren X ■erklären soll. Nun ist zwar ohne weiteres zuzugeben, daß durch den Kampf ums Dasein Organismen ausgemerzt werden, die physiologisch minderwertig sind; es ist aber die Frage, ob eine solche überwiegend negative Wirkung ausreicht, um die ganze phylogenetische Entwicklung des Tier- und Pflanzenreiches zu erklären, zumal wenn man bedenkt, daß die bei den Individuen einer Art auftretenden geringfügigen Varia- tionen kaum Selektionswert besitzen und daß eine bestimmte Anpassung sich auf viele verschiedene und voneinander unabhängige Organe eines Lebewesens erstreckt. Hier scheint das LAMARCKsche Prinzip der Vererbung erworbener Eigenschaften ■eine viel plausibelere Erklärung zu bieten; freilich ist dasselbe noch stark umstritten, -aber es lassen sich auch gerade auf botanischem Gebiet viele Tatsachen anführen, die damit am besten harKionieren; und auch Darwin, der mit seiner Theorie von der natürlichen Zuchtwahl wohl durchaus kein unverbrüchlich bindendes System auf- steilen wollte, hat das LAMARCKsche Prinzip keineswegs verworfen. An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 8. Sitzung am 7. Februar 1917. Der Direktor eröffuet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, besonders die neu eingetretenen Mitglieder. Darauf hält Herr Prof. Fr. Braun einen Vortrag über „Die Völker der ßalkanhalbinsel, nach eigenen Beobachtungen^'. Mit Vorführung von Lichtbildern. (Als besondere Abhandlung in diesem Hefte abgedruckt, S. 89 — 101.) Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 4. Sitzung* am 7. März 1917. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder und zeigt Seetiere, die von Herrn Marine- Generaloberarzt Dr. Böse der Gesellschaft freundlichst überwiesen wurden. Er macht ferner auf einige neu erschienene Bücher aufmerksam, die dem Sammler am Strande als Wegweiser dienen können. Darauf hält Herr Stabsarzt d. R. Dr. Schwer einen Vortrag über „Immunität, Schutzimpfung und Serumbehandlung Alit Vorführung von Lichtbildern, Platten-Kulturen, Präparaten und Versuchen. Der Vortragende hob einleitend hervor, daß die Kriegsseuchen dank der Ent- ‘deckungen Kobert Kochs viel von ihren früheren Schrecken verloren haben. Zwar schafft der Weltkrieg mit seinen ungeheuren Ausmaßen gerade für die Entstehung und Verbreitung von Infektionskrankheiten die günstigsten Vorbedingungen, trotzdem sind jetzt die Opfer durch Seuchen verschwindend klein im Vergleich zu früheren Kriegen und gegenüber den Verlusten durch Waffen. Redner ging sodann, zum näheren Verständnis für die folgenden Ausführungen, auf das Wesen der Infektion und das spezifische biologische Verhalten der Krankheitserreger ein, welche sich in ihrer Art und Wirkung immer gleich bleiben. Dieses Verhalten wird nicht beein- trächtigt durch die Tatsache, daß bei einer Epidemie nicht alle erkranken und die Erkrankten nicht mit gleicher Intensität; das hängt von der jeweiligen Ansteckungs- kraft und der aufgenommenen Zahl der Infektionserreger, sowie von der Disposition 'der Infizierten ab. Der spezifischen Wirkung der Krankheitserreger entspricht eine Xi spezifische Gegenwirkung des infizierten Organismus. Dieselbe findet ihren Ausdruck in einer erworbenen Unempfänglichkeit gegen die einmal überstandene Krankheit, und zwar nur gegen diese. Wir nennen diese Unempfänglichkeit erworbene Immunität, die eine streng spezifische ist im Gegensatz zu der natürlichen angeborenen, in ihrem Wesen noch nicht hinreichend ergründeten Immunität, über welche manche Menschen von Hause aus einer oder mehreren Infektionskrankheiten gegenüber verfügen. Die erworbene Immunität kann nun außer durch das natürliche Uberstehen der Krankheit auch künstlich durch Impfung mit Krankheitskeimen oder dem Blutserum eines gegen die gleiche Krankheit immun gemachten Tieres erworben sein, so daß sich eine weitere Einteilung der erworbenen Immunität in eine aktive, durch Überstehen der Krankheit oder Impfung mit Bakterien erworbene, und in eine passive, durch Serum- behandlung, ergibt; bei der letzteren leistet der Organismus keine eigene Arbeit zur Erzielung der Immunität. Die Träger der erworbenen Immunität sind spezifische Keaktionsprodukte des Organismus, welche derselbe im Abwehrkampf mit den ein- gedrungenen Krankheitserregern bildet und welche ins Blut und damit auch in dessen zellfreie, klare Flüssigkeit, ins Serum, übertreten. Man nennt diese Stoffe Antikörper und ihre Erzeuger, nämlich die in den Körper gelangten Bakterien und deren Produkte, z. B. Bakteriengifte, Antigene. Sind die Antigene Gifte von Bakterien, z. B. die Gifte des Diphtherie- und des Starrkrampfbazillus, so werden im Körper Gegengifte, Anti- toxine, gebildet. Sind die Antigene Bakterienzellen oder Körperzellen, z. B. rote Blut- zellen oder gelöstes, tierisches oder pflanzliches Eiweiß, so macht der Organismus gegen diese Antigene bakterienzusammenballende, verklebende Stoffe, die Agglutinine, oder eiweißfällende Stoffe, die Präzipitine, oder bakterien- und zellenauflösende Keaktionsprodukte, die Bakteriolysine, und rote Blutkörperchen lösende Stoffe, die Hämolysine, mobil, oder er bildet bei bestimmten Infektionskrankheiten Stoffe, die durch Lahmlegen der Angriffsstoffe der Bakterien die Freßtätigkeit (Phagocytose) der weißen Blutkörperchen (Leukocyten) fördern und dadurch, die Bakterien vernichten; diese Stoffe heißen Opsonine (von opsoneo = ich mache schmackhaft, bereite zum Mahle vor) oder Bakteriotropine. Die Antikörper sind streng spezifisch und wirken nur gegen die Antigene, denen sie ihre Entstehung verdanken, so z. B. wirkt Diphtherie- antitoxin nur gegen das Gift der Diphtheriebazillen und nicht gegen das der Starr- krampfbazillen; die bei Typhuskranken im Blutserum auf tretenden Bakteriolysine lösen nur Typhusbazillen auf usw. Da wir die Antikörper nicht rein darstellen können, können wir ihr Vorhandensein nur aus ihrer Wirkung folgern, deren Nachweis im Blutserum uns die serologische Forschung durch zahlreiche Methoden erschlossen hat. Ihrer chemischen Natur nach scheinen die Antikörper den Eiweißstoffen nahe zu ■stehen. Welche praktische Bedeutung der Nachweis der spezifischen Beziehungen zwischen Antigen und Antikörpern auch für die Erkennung der ansteckenden Krankheiten hat, legte der Kedner an einer Keihe von serologischen Experimenten im Reagensglas dar. Außerdem führte er ihre Bedeutung vor Augen, welche sie auch für andere Gebiete der praktischen Wissenschaft haben, z. B. bei den Präzipitinen, welche die für gerichtliche Zwecke so hochbedeutsame Unterscheidung von Menschen- und Tierblut und auch sonst eine weitgehende Differenzierung der verschiedenen tierischen und pflanzlichen Eiweißstoffe (z. B. Feststellung, ob Wurst Pferdefleisch enthält) sicher ermöglichen. Das Wesen der Entstehung und Bildung der Antikörper erläuterte der Vor- tragende an der Hand der von Ehrlich aufgestellten genialen und der Wirklichkeit unter allen Theorien zweifellos am nächsten kommenden Theorie der Seitenketten, deren Verständnis er durch Lichtbilder erleichterte. Sodann ging der Redner zur künstlichen Immunisierung über, die eine praktische Verwertung der Antikörper zu Schutz- und Heilzwecken darstellt. Hier ist zu unter- scheiden, wie schon erwähnt, zwischen aktiver und passiver Immunisierung. Erstere XII soll durch Impfung mit lebenden, abgeschwächten oder abgetöteten Bakterien oder Bakterienextrakten den menschlichen und tierischen Organismus aktiv immun machen gegen eine drohende Infektionskrankheit. Die Immunisierung mit lebenden, abge- schwächten Krankheitserregern wird angewendet bei der Pocken- und Tollwutschutz- impfung. Jenner erkannte rein empirisch, daß, wer die leichten Kuhpocken durch- gemacht hat, vor den echten, schweren Pocken geschützt bleibt. Auf dieser Erkenntnis, und Erfahrung, daß das Pockengift durch Passage durch den Körper des Rindes abge- schwächt und, von diesem auf den Menschen verimpft, diesen gegen die echten Pocken schützt, beruht die Schutzpockenimpfung. Gewinnung und Herstellung der Pocken- lymphe und die segensreichen Wirkungen der Impfung, besonders nach Einführung des ReichsimpfgeSetzes, werden an Lichtbildern vor Augen geführt. Die Tollwutschutz- impfung, von Pasteur 1885 eingeführt, beruht auf der schützenden Wirkung des durch Eintrocknung abgeschwächten Tollwutgiftes. (Es wird getrocknetes Rückenmark toll- wütig gemachter Kaninchen eingespritzt.) Der hierdurch erzielte Schutz gegen die Erkrankung an Tollwut ist ein fast absolut sicherer. Von größter Bedeutung in diesem Kriege ist die Typhus- und Choleraschutz- impfung geworden. Hierbei werden durch Hitze vorsichtig abgetötete Typhus- bzw. Cholerabazillen eingespritzt und dadurch bakterienzerstörende Antikörper im Orga- nismus gebildet. Die bisherigen Erfolge sind höchst zufriedenstellend; der Typhus- und Choleraschutzimpfung ist es zu verdanken, daß diese Seuchen auf ein Mindest- maß eingeschränkt werden konnten, während sie in den Kriegen 1866 und 1870/71 unzählige Opfer forderten. Weiterhin wurden die auf demselben Prinzip beruhende Pestschutzimpfung und die Vakzinebehandlung bei bereits bestehenden Krankheiten, z. B. bei Hautkrankheiten (Furunkulose) und anderen durch Eitererreger hervor- gerufenen Infektionskrankheiten, besprochen sowie die diagnostische und therapeu- tische Bedeutung des von R. Koch hergestellten Tuberkelbazillenextraktes, des Tuber- culins, in den Kreis der Betrachtungen gezogen. Der Vortragende kam dann zum letzten Teil seiner Ausführungen, zur passiven Immunisierung oder Serumbehandlung. Der Körper bildet hierbei nicht selbst die Schutzstoffe, sondern erhält sie fertig durch Einspritzung des Blutserums eines gegen die gleiche Krankheit aktiv immunisierten Tieres, einesteils zum Schutz gegen eine drohende, andererseits zur Heilung von einer bereits bestehenden Infektionskrankheit. Sie ist am Platze, wenn schnelle Hilfe nötig ist, während die aktive Immunisierung bei nicht unmittelbar drohender Seuchengefahr zur Anwendung kommt. Man unter- scheidet antitoxische und antibakterielle (antiinfektiöse) Sera, je nachdem sie von Tieren stammen, die mit Bakteriengiften oder mit Bakterienleitern bzw. Extrakten immunisiert sind. Erstere neutralisieren die von gewissen Bakterien ausgeschiedenen Gifte (Ektotoxine), letztere richten sich gegen die den Organismus überschwemmenden Bakterienzellen selbst und die mit ihrer Leibessubstanz verankerten Gifte (Endotoxine). Die klassischen antitoxischen Sera sind das Diphtherie- und Tetanus (Starr- krampf )-Serum. Ihre Bedeutung beruht auf der Entdeckung der Antitoxine durch Behring, der damit der Begründer der ganzen Serumtherapie geworden ist. Der Vor- tragende gab an der Hand von Lichtbildern einen Überblick über die Gewinnung der Sera (es werden nur besonders ausgesuchte Pferde zur Immunisierung benutzt), ihm Wertbestimmung, staatliche Prüfung, Anwendung und Wirkung und streifte hierbei das Gebiet der Serumkrankheit (Anaphylaxie). Das Starrkrampfserum hat in diesem Kriege eine außerordentlich segensreiche Wirkung als sicher wirkendes Schutzmittel bei Verwendung gegen die stets lauernde Gefahr des Wundstarrkrampfes entfaltet, so daß eine Wundbehandlung ohne prophylaktische Anwendung des Tetanus-Serums undenkbar wäre. Zu den antitoxischen Seren sind auch noch das Dysenterie-, das- Heufieberserum und die Schlangengiftsera zu rechnen. Xlll Die antibakteriellen Sera haben eine spezifische bakterienzerstörende Wirkung (besonders durch Bakteriolysine und Opsonine). Sie werden bei sehr vielen mensch- lichen und tierischen Infektionskrankheiten angewandt. Ihre Wirkung ist aber nicht so sicher wie die der antitoxischen Sera, doch sind bei verschiedenen Krankheiten sehr günstige Erfolge zu verzeichnen. Es wurden sodann die meisten, in der Menschen- und Tiermedizin gebräuchlichen Sera besprochen. Zu Schutzzwecken werden mit gutem Erfolge bei gewissen Tierkrankheiten, z. B. bei Schweineseuche, Schweinepest, Maul- und Klauenseuche, die entsprechenden antibakteriellen Sera angewandt. Zu Heilzwecken finden in der menschlichen Medizin besonders das Cholera- und Pest- serum Verwendung, ferner bei epidemischer Genickstarre das Meningokokken-, bei Lungenentzündung das Pneumokokken- und bei durch Eiterungen (Streptokokken) hervorgerufener, schwerer Blutvergiftung Streptokokken-Serum. Um möglichst wirk- same Sera zu erhalten, werden die Versuchstiere mit möglichst virulenten und für die Behandlung gewisser Krankheiten (Genickstarre, Lungenentzündung, Eiterkrank- heiten) mit möglichst vielen Kassen derselben Bakterienart (polyvalente Sera) geimpft. Schließlich wird noch einer Methode Erwähnung getan, die eine Vereinigung der aktiven und passiven Immunisierung darstellt, die Simultanmethode. Sie kommt besonders bei Tierkrankheiten, z. B. bei Schweinerotlauf, Rinderpest, Pferdesterbe, Milzbrand mit gutem Erfolge zur Anwendung. Es werden den Tieren gleichzeitig ■Serum und die Krankheitserreger eingespritzt. Zum Schluß streifte der Vortragende noch kurz das Gebiet der von Ehrlich ausgebauten Chemotherapie, welche bei einigen Infektionskrankheiten, z. B. bei Malaria, Rückfallfieber, Syphilis, Schlafkrankheit, angewandt wird, deren Erreger wir zwar kennen, die sich aber infolge Versagens ihrer Reinzüchtung nicht zur Her- stellung von Impfstoffen oder Seren verwenden lassen. Mit dem Hinweis, daß es den Fortschritten der modernen Hygiene, Bakteriologie und Serumf Ol schling zu danken ist, wenn es in diesem Kriege gelang, von unsern braven Truppen einen Teil der sie bedrohenden Gefahren, und nicht die geringsten, die Kriegsseuchen, möglichst fernzuhalten, schließt der Vortragende seine Ausführungen. An den Vortrag schloß sich eine interessante Ausspiache. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. 5. .Sitzung am 4. April 1917. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und besonders die neu eingetretenen Mitglieder, berichtet über die 50. Wiederkehr des Ein- tritts des Herrn Geheimrat Nagel in die Gesellschaft, zu der ihm ein Glück- wunsch der Gesellschaft in Form einer Adresse überreicht worden ist, und über das Dankschreiben des Jubilars. Darauf hält Herr Prof. Dr. Kumm einen Vortrag über „Westpreussens Kultur um die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends^^ mit Lichtbildern. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung. G. Sitzung am 2. Mai 1917. Der Direktor eröffnet die Sitzung und begrüßt die Anwesenden. Er erteilt darauf das Wort Herrn Prof. Dr. Schmoeger zu seinem Vortrage über „Die Aufbereitung von Stroh für menschliche und tierische Ernährung^^ (Abgedruckt in diesem Hefte S. 1 — 8.) XIV An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine hochinteressanten Ausführungen. Darauf hält Herr Prof. Dr. Sonntag einen Vortrag Ober einige neue Oser in Westpreussen und die Porta cassubica^^ mit Vorführung von Lichtbildern. Der Direktor dankt Herrn Prof. Sonntag sowie den übrigen Herren, die während des letzten Wintersemesters die Gesellschaft mit ihren Vorträgen erfreut und belehrt hatten. (Vgl. dieses Heft S. 79 — 86.) 7. Sitzung am 10. Oktober 1917. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondero den Vortragenden des Abends, Herrn Ge heim rat Prof. Dr. Abderhalden. Er macht ferner aufmerksam auf das bevorstehende 175jährige Stiftungsfest der Gesellschaft und legt das neueste Heft der Schriften der Gesellschaft vor. Darauf hält Herr Geheimrat Prof. Dr. Abderhalden - Halle a. S. einen Vortrag über „Des Menschen Schicksaisdrüsen‘‘ mit Vorführung von Lichtbildern. Die Betrachtung der kleinen Lebewelt zeigt uns, daß die einzelnen Zellarten in Wechselbeziehung zueinander stehen. Das eine Lebewesen schafft die Bedingungen zum Leben für eine andere Art. Wir sehen z. B. im Ackerboden Bakterien, die ohne- Sauerstoff nicht leben können, neben anderen, für die dieser ein Gift darstellt. Ohne Z’weifel spielt das Zusammenwirken all der mannigfaltigen Einzelzellen in der Natur eine bedeutsame Rolle. Als Beispiele seien nur genannt: die Überführung der tierischen Stoffwechselendprodukte in eine Form, in der die einzelnen Stoffe für die Pflanze wieder verwertbar sind. An diesem Prozeß sind zahlreiche Lebewesen beteiligt. Ihre Kenntnis und diejenige der Bedingungen, unter denen sie wirksam sind, wird uns ei-möglichen, die künstliche Düngung erfolgreicher zu machen. Als zweites Beispiel sei der TJmstand genannt, daß es wohl absolut reine Infektionen nicht gibt. Wir sehen zumeist mehrere Bakterienarten wirksam. Die eine bereitet für die andere die Lebensbedingungen. In Zukunft wird man gewiß an Stelle des Studiums ganz bestimmter Bakterienarten die Beziehungen der zusammen vorkommenden studieren und auf diesem Wege Angriffspunkte finden, um unsere wichtigsten Schädlinge durch Entzug der Lebensbedingungen zu vernichten. Wechselbeziehungen aller Art finden sich nun auch unter den verschiedenen Zell- arten unserer Gewebe. Sie enthüllten sich immer klarer, und jetzt hat die Forschung ganz bestimmte Bahnen beschritten. Wir besitzen viele Organe, von denen die eine oder andere Funktion durch die einfache Beobachtung zu erschließen ist. Wir sehen, daß die Niere Harn absondert, die Speicheldrüsen Speichel abgeben, die Leber Galle bildet usw. Bei anderen Organen ist die Bedeutung für den Organismus nicht ohne weiteres klar. Wir besitzen am Flalse eine Schilddrüse, eine Thymusdrüse und zwei Nebenschilddrüsen. An der Hirnbasis sitzt ein kleines Organ, Hirnanhang oder Hypo- physe genannt. Wir besitzen ferner zwei Nebennieren. Alle diese Organe haben keinen Ausführungsgang. Sie scheinen überhaupt ganz isoliert für sich zu bestehen. Infolgedessen wußte man lange nicht, wozu wir diese Organe mit uns herumtragen.; XV Schiff in Genf hat als erster systematisch die Funktion der Schilddrüse bei Tieren untersucht. Er fand, daß nach ihrer Entfernung schwere Veränderungen zu beobachten sind. Junge Tiere bleiben klein. Die Knochen sind zumeist verkrümmt, Sie zeigen unregelmäßige Verdickungen. Es entstehen unschöne Zwerge. (Licht- bilder zeigen diesen Zustand.) Vor allem bleibt die Intelligenz stark zurück. Bei erwachsenen Tieren zeigen sich Veränderungen der Haut, des Verstandes und der Psyche. Werden die Nebenschilddrüsen entfernt, dann treten bald Krämpfe auf. Ihnen folgt bald der Tod. Es entsteht das Bild der sogenannten Tetanie. Entfernung der Thymusdrüse beim jungen Tier bewirkt ebenfalls schwere Störungen des Wachstums. Ferner tritt Idiotie auf. Oft erfolgt auch eine ganz ungewöhnliche Fettbildung. Die Hypophyse kann nicht entbehrt werden, ebensowenig beide Nebennieren. Diese wichtigen Feststellungen wurden am Menschen bestätigt. Es kommt vor, daß die Nebennieren im Körper zugrunde gehen. Die Schilddrüse entartet manchmal. In manchen Gegenden tritt diese Erscheinung endemisch auf. Kretinismus ist die Folge, Von höchster Bedeutung ist nun der Umstand, daß ein kleines Stück der genannten- Organe genügt, um die gesamte Funktion aufrecht zu erhalten. Ferner kann man sie- an irgendeine Stelle des Körpers verpflanzen. Gelingt die Einheilung, dann treten keine Ausfallserscheinungen auf. Es erhellt aus diesen Feststellungen, daß die erwähnten Organe ganz offenbar in der Weise wirksam sind, daß sie bestimmte Stoffe bereiten, diese dem Blute übergeben und sie auf diesem Wege bestimmten Zellarten übermitteln. Die weitere Forschung bewegt sich nun nach zwei Kichtungen. Einmal sucht man aus den einzelnen Organen die wirksamen Stoffe zu isolieren, um ihre Natur kennen zu lernen. Aus der Nebenniere ist z, B. das Adrenalin gewannen worden.. Ferner sucht man durch biologische Versuche aller Art, die einzelnen Wirkungen der verschiedenen Organe zu analysieren. Man verwend,et dazu z. B. Kaulquappen. Setzt man zu dem Wasser, in dem sie sich befinden, Substanzen aus der Thymusdrüse hinzu,, dann unterbleibt die Bildung der Beine. Die Tiere werden groß und vor allem breit.. Nimmt man Stoffe aus der Schilddrüse, dann überstürzt sich nun die Beinentwickelung! Durch Kombination der Stoffe verschiedener Organe kann man in kurzer Zeit wohl gebildete Fröschlein erhalten. (Lichtbilder erläutern diese Art von Versuchen.) Endlich sucht man zu erfahren, aus welchen Stoffen die genannten Organe ihre wirksamen Stoffe bereiten. Dieses Problem ist für die Frage der Leistungsfähigkeit der uns jetzt zur Verfügung gestellten Nahrung bedeutungsvoll. Es wäre denkbar, daß in der Nahrung ein bestimmtes Baumaterial zugegen sein muß, damit die betreffen- den Organe ihre so wichtigen Aufgaben erfüllen können. Besonders aktuell wurde diese Fragestellung, seitdem, man weiß, daß es gelingt, z. B. mit geschliffenem Reis bei Menschen und Tieren schwerste Erscheinungen hervorrufqn. Das Experiment hat ergeben, daß diese verhindert bzw. beseitigt werden können, wenn man aus Reis- kleie oder Hefe bestimmte Stoffe isoliert und den Tieren zuführt. (Lichtbilder zeigen die Art der Erkrankungen und die Heilungen nach erfolgter Einspritzung der erwähnten Substanzen). Auch diese Beobachtungen führen zu dem Ergebnis, daß unser gesamter Zellstoffwechsel von einer ganzen Anzahl von besonderen Stoffen beherrscht wird. Der Organismus sichert jede Funktion mehrfach. Das Nerven- system greift ein. Daneben spielen die erwähnten Wechselbeziehungen eine große Rolle. Man kann die erwähnten Organe als unsere Schicksalsdrüsen bezeichnen. Funktioniert auch nur eine mangelhaft, dann ist die Harmonie im gesamten Organismus gestört. Es braucht nur die Schilddrüse zu versagen, und das noch so großartig gebaute Gehirn versagt in seinen wichtigsten Funktionen. Erwähnt sei noch, daß wohl alle Organe solche Stoffe aussenden. Wir wissen z. B., daß die Bauchspeicheldrüse, auch Pankreasdrüse genannt, einerseits einen Ver- XVI "dauungssaft bildet und in den Darm abgibt und andererseits Stoffe dem Blute über- gibt, die den ganzen Kohlehydratstoffwechsel beherrschen. Fehlt diese Drüse, dann erscheint Zucker im Harn! Bei den Geschlechtsdrüsen haben wir auch diese mehr- fache Funktion. Der Direktor spricht dem Vortragenden für seine lichtvollen Ausführungen den Dank der Gesellschaft aus und schließt die Sitzung. 8. Sitzung am 7. November 1917. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder. Er macht ferner Mitteilungen über das 100jährige Stiftungsfest der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt a. M. und beantragt die Absendung einer Adresse an die Gesellschaft sowie die Ernennung der Herren Prof, zur Strassen und Geheimrat Prof. Dr. Edinger zu korrespondierenden Mitgliedern der Gesellschaft. Die Gesellschaft stimmt zu, die Herren sind gewählt. Darauf hält der Botanische Assistent an der Landwirtschaftskammer Herr Lucks einen Vortrag über „Neue Wege der Seidenraupenzucht und eigene Versuche und Erfahrungen in Westpreussen'* mit Vorführung von Lichtbildern und Präparaten. (Abgedruckt in diesem Hefte auf S. 23—47.) An den Vortrag schließt sich eine interessante Aussprache. Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine klaren und lehrreichen Ausführungen und schließt die Sitzung. 9. Sitzung am 14. November 1917. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und den Vor- tragenden des Abends, Herrn Oberstabsarzt Dr. Gläser. Dieser hält dar- auf einen Vortrag über „Gaskampf und Gasschutz‘^ mit Vorführung von Schutzmasken. Schon in den Kriegen am Ende des vorigen und Beginn des jetzigen Jahrhunderts hatte man begonnen, sich des Gases, allerdings auch in Gestalt des Bauches, als Kampf- mittel zu bedienen. Aber über kleinere Kampfhandlungen ist man dabei nicht hinaus- gekommen. Erst der jetzige, große Krieg hat in dieser Hinsicht Großes gezeitigt. Zuerst waren es die Franzosen, die sich dessen bedienten, und zwar in der Form von mit Gas gefüllten Fliegerbomben. Mit der Zeit wurde der Gaskampf hüben wie drüben in zweierlei Arten angewandt, im Blasverfahren und in dem Beschuß mit Gasgranaten. Das idealste und sicherwirkendste Mittel ist das Blasverfahren, doch es erfordert ungeheure Arbeit und ist von den verschiedensten Witterungs- und Temperatur Verhält- nissen abhängig, bevor man es zur Anwendung bringen kann. Hat man aber genügend den erwähnten Umständen Bechnung getragen und den günstigsten Augenblick abgepaßt, dann ist es von einer geradezu unglaublichen Wirkung. Es hat sich heraus- gestellt, daß noch w*eit hinter der Front zahlreiche Todesfälle durch Vergiftung zu verzeichnen gewesen sind. Eine andere Art des Gasangriffes ist der Beschuß durch Gasgranaten. Bei dem Blasverfahren sowie in den Granaten sind die verschiedensten XVII Clase seit Beginn des Krieges verwendet worden, auf die wir aber aus militärischen Gründen nicht näher eingehen wollen. Naturgemäß hat man sich nun gegen diese Art Angriffe zu schützen versucht, und unsere Heeresleitung ist da von dem einfachen mit einer Flüssigkeit getränkten Tuche, das man vor die Nase band, bis zur heutigen Gasmaske gelangt. Und man geht nicht zu weit, wenn man behauptet, daß sie das Vollkommenste auf diesem Gebiete darstellt, so daß es kaum wahrscheinlich ist, daß noch Verbesserungen daran vorgenommen werden. Die Masken werden mit größter Sorgfalt hergestellt und die Truppen fortwährend im Gebrauch mit denselben geübt. Sie gewährt gegen alle Gase, außer dem Kohlenoxydgas, Schutz, für das der sogenannte Lebensretter, ein Sauerstoffapparat, geschaffen worden ist. Redner schloß mit den Worten, daß das, was die Wissenschaft und Technik in Hinsicht auf den Gaskampf ^md seine Schutzmittel geleistet hat, ein wesentlicher Faktor zum Siege ist. Der Direktor dankt dem Vortragenden und schließt die Sitzung, nachdem die Adresse an die Frankfurter Senckenbergische Naturforschende ■Oes eil Schaft zur Einsicht vorgelegt worden war. 10. Sitzung am 5. Dezember 1917. Der Direktor eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden, insbesondere die neu eingetretenen Mitglieder und macht Mitteilungen über das Programm der am 2. Januar 1918 geplanten Festsitzung zur Feier des 175jährigen Stiftungsfestes der Gesellschaft. Darauf hält Herr Prof. Dr. Sonntag einen Vortrag über „Neue geologische Bilder und Skizzen aus Westpreussen‘^ mit Vorführung von Lichtbildern. Der Vortragende berichtete über eine Reihe geologischer Beobachtungen, die er im Laufe der letzten Jahre gemacht hat. Zunächst wurde die Tiefbohrung auf dem Sasper Rangierbahnhof erläutert, die bis auf 156,5 m Tiefe geführt worden ist und -einen sehr ergiebigen Quell artesischen Wassers erschlossen hat. Der Wasserstand in dem aufgesetzten Rohr erreicht eine Höhe von 11 bis 12 m und lieferte 300 cbrn weichen Wassers in der Stunde. Die Bohrung wurde in den harten Kreideschichten mit Diamantbohrer ausgeführt und endete in dem Grünsand (Emscher) unter der Harten Kreide. Sodann wurde eine Reihe bemerkenswerter, großer Findlinge aus dem westlichen Teile des Kreises Karthaus, besonders vom Mauschsee und von Sullenschin vorgeführt, die noch nicht in dem von Dr. Hermann auf gestellten Verzeichnisse „Die erratischen Blöcke im Regierungsbezirk Danzig“ enthalten sind und sich zum Teil, wie der „Schülzener Stein“ am Mauschsee und der „Lobelienstein“ bei Sullen- schin, durch Schönheit und Größe auszeichnen. Weiter wurde eingehender der Verlauf der Endmoränen im kassubischen Hochland und die Entstehung der mit diesen ver- knüpften „Sander“ aus mehreren Schmelzwasserströmen besprochen. Die große Heide- sandlandschaft westlich von Berent, der Schwarzwassersander, hatte drei große Haupt- zuflüsse, nämlich vom Mauschsee, vom Radaunesee und vom Fersetal her (Barko- schiner Schotterfeld). Endlich zeigte der Vortragende noch Bilder des „Bismarck- Oses“ bei Flatow, eine Karte dieses Wallberges, sowie eine sogenannte „Verzahnung“ der diluvialen Schichten aus der Kiesgrube bei Hohenstein. Eine ausführliche Abhandlung des Vortragenden über den Verlauf der End- moränen in der Kassubei sowie über Oser in Westpreußen wird in diesem Heft der Gesellschaftsschriften erscheinen (vergl. S. 67 — 88). Der Direktor dankt dem Vortragenden für seine interessanten Ausfüh- rungen und schließt die Sitzung. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 4. 2 XVIll Außer jenen 10 ordentlichen und den sich anschließenden, beziehungs- weise vorausgehenden außerordentlichen Sitzungen, welche der Mitgliederwahl und der Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten dienten, fanden noch vor den Mitgliedern, ihren Damen und Gästen folgende Vorträge statt: 1. Populärwissenschaftlicher Vortrag des Herrn Geh. Med. -Rat ProL Dr. Rubner- Berlin: „Moderne Ernährungstheorien und der Krieg ‘‘ am 21. Februar 1917 im großen Festsaale des Danziger Hofes. 2. Lichtbildervortrag des Herrn Prof. Dr. Lakowitz: „Eine Wanderfahrt über die Kurische Nehrung von Kranz bis Memel‘^, vom Westpreußischen Botanisch-Zoologischen Verein zu Kriegswohlfahrtzwecken veranstaltet, am 28. Februar im Sitzungssaal der Gesellschaft. 3. Lichtbildervortrag des Herrn Privatdozent Dr. WRESZiNSKi-Königs- berg: „Die altägyptischen Grabgemälde“ am 21. März 1917 im Sitzungs- saale der Gesellschaft. Das Problem des Todes hat die Primitiven immer in besonderem Maße beschäftigt.. Niemals haben sie vermocht, den Tod als Abschluß und als Gegensatz zum Leben zu denken. Statt dessen haben sie den Ausweg des Dualismus von Leib und Seele gefunden, den Leib als die Hülle, die Seele als das Prinzip des Lebens und des Indivi- duums betrachtend. Diese Anschauung hat sich bei den alten Ägyptern in der Zeit ihres Überganges vom Nomadentum zur Seßhaftigkeit geltend gemacht, und der darauf sich auf bauende Totenglaube isf durch die Einwirkung der Osinislegende ausgestaltet worden. Praktisch zeigt sich das in der Entwickelung der Gräber und in der Veränderung in der Behand;- lung des Toten: zu Anfang wird er ganz materiell gespeist, bekleidet, geschmückt, später tritt an die Stelle dieser Gaben der Wortzauber, der, auf dem primitiven Gesetz von der Identität von Form und Inhalt beruhend, Nachbildungen jeder Herstellung durch die über sie gesprochene Beschwörung zum zweckdienlichen Original umschuf. So genügte es, statt der kostspieligen materiellen Spenden diese in effigie auf einem Grabstein oder an einer Grabwand anzubringen, der Erfolg für den Toten war, wenn nur die Formel rezitiert wurde, der gleiche. Noch ein Schritt weiter, und der Verstorbene war selbst in den Stand gesetzt, den Spruchzauber anzuwenden. Durch eine der Osirislegende entlehnte Zeremonie, der Mundöffnung, wurde er dazu befähigt, und damit war der Verstorbene de facto von dem Wohlwollen der Hinterbliebenen unabhängig. Mit der Entwickelung der Grabbauten zu den großen Monumenten, die der Rei- sende heute noch bestaunt, ging eine immer reichere Ausschmückung der Grabwände Hand in Hand. Alle die Darstellungen sind nur Objekte für den Spruchzauber, denn der Vornehme will im Jenseits nichts von alledem missen, was ihm hier das Leben angenehm gemacht hat. So gibt es kein Gebiet des täglichen Lebens, der Arbeit wie der Zerstreuung, das die Bilder in den Gräbern nicht verdeutlichen. Der Vortragende fühtte einige Dutzend solcher Szenen im Bilde vor. 4. Vorträge des Herrn Professor Jahn über „Kraftmaschinen^^ vom 5. November 1917 ab im Hörsaal 52 des Physikalischen Instituts der Kgl. Technischen Hochschule. . XIX Übersicht über die in den Ordentlichen Sitzungen 1917 behandelten Gegenstände. A. Allgemeines. Der Direktor, Herr Prof. Dr. Lakowitz, erstattet den Jahresbericht für das Jahr 1916 und legt die Berichte der Vorsitzenden der einzelnen Sektionen vor, am 3. Januar. B. Physik, Chemie und Teclinologie. 1. Herr Geheimer Re^ierungsrat Prof. Dr. Lummer- Breslau hält einen Vortrag über „Verflüssigung des reinen Kohlenstoffes und Her- stellung der Somentemperatur und höherer Temperaturen^^ am 3. Januar. 2. Herr Oberstabsarzt Dr. Gläser hält einen Vortrag über „Gaskampf und Gasschutz‘^ am 14. November. C Botanik und Zoologie. 1. Herr Dozent Oberlehrer Dr. Wangerin hält einen Vortrag über „Der Kampf um das Dasein im Pflanzenreich'^ am 31. Januar. 2. Herr Prof. Dr. Schmöger hält einen Vortrag über „Die Aufbe- reitung von Stroh für menschliche und tierische Ernährung‘' am 2. Mai, 3. Herr Assistent Lucks hält einen Vortrag über „Neue Wege der Seidenraupenzucht und eigene Versuche und Erfahrungen in Westpreussen“ am 7. November. 4. Herr Prof. Dr. Lakowitz zeigt Seetiere, die Herr Marine-General- oberarzt Dr. Böse der Gesellschaft überwiesen hat, am 7. März. I). Geologie. 1. Herr Prof. Dr. Sonntag hält einen Vortrag „Über einige neue Oser in Westpreussen und die Porta cassubica“ am 2. Mai. 2. Herr Prof. Dr. Sonntag hält einen Vortrag über „Neue geologische Bilder und Skizzen aus Westpreussen'"^ am 5. Dezember. 2* XX E. Anthropologie. 1. Herr Prof. Fr. Braun hält einen Vortrag über y,Die Völker der Balkan- halbinsel, nach eigenen Beobachtu gen“ am 7. Februar. 2. Herr Prof. Dr. Kumm hält einen Vortrag über „Westpreussens Kultur um die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends“ am 4. April. F. Anatomie und Physiologie. Herr Geheimrat Prof. Dr. Abderhalden hält einen Vortrag über „Des Menschen Schicksalsdrüsen“ am 10. Oktober. 0. Medizin. Herr Stabsarzt Dr. Schwer hält einen Vortrag über ,, Immunität, Schutz- impfung und Serumbehandlung“ am 7. März. XXI Jahresbericht des « • Ärztlichen Vereins zu Danzig (eingetragener Verein Nr. 35 am 2, Februar 1904 und 26. August 1913) über das Vereinsjahr 1916/1917. Erstattet von dem Vorsitzenden Dr. Storp. M it Rücksicht auf die Kriegslage beschloß die Hauptversammlung, auch diesmal eine Neuwahl des Vorstandes und der Kommissionen nicht vor-, zunehmen, sondern bis zum Ende des Krieges zu vertagen. Der Vorstand und die Kommissionen bestehen somit aus denselben Mit- gliedern wie im vergangenen Vereinsjahr. Nur ist für den im Felde befind- lichen Kollegen Lon.ssi:: i’>REYiJ\G in den Vorstand kooptiert worden. Wissenschaftliche Vereinssitzungen Avurden im Laufe des Jahres nicht abgehalten, da die Militärärztliche V ereinigung in Danzig derartige Sitzungen abhielt und die meisten Mitglieder des Vereins militärisch beschäftigt waren und dort wissenschaftliche Vorträge hielten, zu denen der Verein regelmäßig und dort wissenschaftliche Vorträge hielten, zu denen der Verein regelmäßig Ein- ladung erhielt und denen jedesmal eine große Anzahl Mitglieder Folge leisteten. Wirtschaftliche Vereinssitzungen wurden drei abgehalten. In diesen Avurden im wesentlichen die laufenden Geschäfte erledigt. Da die Kriegszeit für die Erledigung wichtiger Fragen nicht geeignet zu sein schien, wurde von dem Abschluß neuer Verträge abgesehen, jedoch soll über die Erhöhung der kassenärztlichen Honorare auf dem demnächst stattfindenden Ärztetag ver- handelt Averden. Es AAurd auch vom hiesigen Verein eine Erhöhung der kassen- ärztlichen Honorare entsprechend den jetzt bestehenden Verhältnissen an- gestrebt Averden. Ferner wurde beschlossen, denjenigen Kassenärzten, die durch den Krieg von jeder Einnahme ausgeschaltet waren, weiter eine entsprechende Ent- schädigung zu gewähren. Neu aufgenommen wurde im Laufe des Jahres: Herr Dr. Burkhard „ Dr. Frick. Ausgeschieden sind durch den Tod: Herr Dr. Hohnfeldt „ Dr. Jeckstadt ^ Dr. Zemke. XXll Bericht über die Sitzungen der Anthropologischen Sektion im Jahre 1917. Erstattet von dem Vorsitzenden der Sektion Professor Dr. Kumm. Im abgelaufenen Jahre hielt die Sektion eine Sondersitzung nicht ab. Dagegen fand am 4. April eine gemeinsame Sitzung für die Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft und der Anthropologischen Sektion statt, in welcher der Unterzeichnete einen Vortrag über ,, Westpreußens Kultur um die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends“ hielt. Dabei erläuterte er an der Hand zahlreicher Lichtbilder die Geräte, Werkzeuge, Waffen und Schmuck- sachen der damaligen Bewohner unserer Provinz, soweit sie uns aus vor- geschichtlichen Funden erhalten sind, den Bau ihrer Gräber, die Art und Weise ihrer Bestattung und gab überhaupt, soweit möglich, ein Bild ihres Lebens und Treibens. XXJIl Jahresbericht des Westpreussischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege für das Geschäftsjahr I. Januar bis 31. Dezember 1917. Erstattet von seinem Vorsitzenden Landesrat Claaszen. Die Tätigkeit des Vereins bewegte sich im Berichtsjahre in denselben Bahnen wie im Vorjahre, nämlich einmal auf dem Gebiete der Lupus- bekämpfung und sodann auf dem der Schaffung von Laubenkolonien. Es wurden unbemittelte Lupuskranke, bei denen die Krankheit noch heilbar erschien, auf Kosten des Vereins sachgemäß behandelt, und zwar unter Beteiligung anderer Zahlungspflichtiger (Ortsarmenverbände, Kom- munalverbände, zahlungsfähiger Angehöriger usw.). In der Kegel wurde vom Verein die Hälfte bis zwei Drittel der Kosten übernommen. Der Verein erhält für diese Zwecke eine jährliche Unterstützung seitens des Deutschen Zentral- Komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose. Es machte sich störend bemerk- bar, daß während des ganzen Berichtsjahres die Klinik des Spezialarztes für Hautkrankheiten, Herrn Dr. med. Braöer geschlossen war, weil Herr Dr Brauer zum Heeresdienst eingezogen ist. In Danzig ist eine ähnlich vollkommen eingerichtete Klinik, die über Köntgen-, Einsen- und Quarz- Lampen verfügt, nicht vorhanden. Während früher die Lupuskranken aus dem nördlichen Teile der Provinz der Klinik von Herrn Dr. Brauer überwiesen wurden, mußten sie jetzt, soweit sie stationärer Behandlung bedurften, der Lupus-Station des Vaterländischen Frauenvereins in Graudenz zugeführt werden. Soweit sie nur ambulanter Behandlung bedürfen, werden sie neuer- dings von dem leitenden Arzt der Danziger Fürsorgestelle für Lungenkranke, Herrn Dr. med. Effler. nach dem Verfahren von Deycke und Much mit Einspritzungen behandelt. Ein abschließendes Urteil über den Wert dieser Behandlung läßt sich noch nicht abgeben, weil der Erfolg oder Mißerfolg naturgemäß erst nach längerer Zeit in die Erscheinung treten kann, doch scheint es, als ob die Lupuserkrankung durch diese Einspritzungen tatsäch- lich günstig beeinflußt wird. XXIV Der Aussclmß für Laubenkolonien unter dem Vorsitz des Herrn Stadtrat Dr. jur. Mayeh hat im Berichtsjahre seine segensreiche Tätigkeit mit Erfolg fortgesetzt. Der Verein verfügt zur Zeit über insgesamt 10 Laubenkolonien mit rund 550 Parzellen. Sie haben insgesamt eine Größe von 135 000 qm; die einzelne Parzelle ist etwa 200 bis 300 qm groß. Im Jahre 1917 sind 78 Parzellen neu geschaffen worden. Der wirtschaftliche und gesundheitliche- Nutzen dieser Laubenkolonien für die großstädtische Bevölkerung ist all- gemein anerkannt, so daß es sich empfiehlt, auf dem beschrittenen Wege fortzufahren. XXV Bericht über die wissenschaftliche Tätigkeit des westpreussischen Fischereivereins im Jahre 1917. Erstattet von seinem Vorsitzenden Regierungsrat Dr. Dolle. Da die Zeitverliältnisse und die Inanspruclinalime der Vereinsarbeit für Zwecke der praktischen Fischerei einen Abschluß begonnener Untersuchungen nicht zuließen, blieb die Tätigkeit auf die Erweiterung der gewonnenen Erfahrungen über die Lebewelt der Gewässer und die Bedingungen ihrer Entwickelung beschränkt. Es zeigte sich u. a. notwendig, die beteiligten Kreise auf die schädlichen Folgen der Überliandnahnie der Wurzelpflanzen in den Gew^ässern und auf die dagegen zu treffenden Maßregeln hinzuweisen, zumal auch unter den Wasserpflanzen sich Arten befinden, aus denen Vieh- futter und zu Gespinnst verwertbare Faserstoffe sich gewinnen lassen. Unter den gelegentlich untersuchten Gewässern ist besonders erwähnens- wert der Schwolowsee (Schmolowsee) bei Rummelsburg i. Pom., der als Quell- see der Brahe gilt. Massenhaft fand sich hier das seltene Holopedium gih- herum Zadd., ein sehr eigentümliches, zu den Cladoceren gehöriges Krebs- tierchen, das sich durch die mächtige, krystallhelle Gallerthülle der Schalen auszeichnet, so daß es lebend an 'gequollene Sagokörner erinnert. Zaddach entdeckte es bei Königsberg (Pr.), doch ist es dort nicht wieder auf gefunden worden. Häufig kommt es in den skandinavischen Seen vor, auch in alpinen Seen ist es öfter beobachtet. In Westpreußen ist es bis jetzt nur aus zwei kleinen Waldseen bekannt, die sich durch geringen Kalkgehalt des Wassers auszeichnen. Der neue Fundort entspricht den Fundorten in Westpreußen. Der Schwolowsee hat bei 33 ha Fläche und etwa 12 m größter Tiefe ein sehr kalkarmes Wasser; für diese kalkarmen Gewässer scheint die Besiedelung des kiesig-sandigen Ufers mit Lohelia dortmanna, anderenorts auch mit Isoetes lacustris bezeichnend zu sein. Im Plankton fehlten fast ganz die Diatomeen, dagegen fand sich dort neben dem Rädertier Conochilus unicornis (dem regel- mäßigen Begleiter des Holopedium) und einer eigenartigen Form der Euhos- mina longicornis, das Copepod Heterocope appendiculata, das sonst fast nur in tiefen Seen vorkommt. Eine andere Überraschung bot die Ufervegetation: hier wuchs an den Steinen und Lobelien neben dem Moose Fontinalis dalecarlica in großer Menge unsere Brachwasseralge Enteromorpha intestinalis, obwohl der Gehalt des Wassers auch an Chloriden äußerst gering war (0,0135 Voo)- Die wenigen auffindbaren Schnecken (Neritina ßuviatilis) waren winzig klein, Diatomeen fehlten fast ganz auch am Ufer, dagegen fanden sich mehrere seltenere Grün- und Blaualgen. XXVI Verzeichnis der im Jahre 1916 und 1917 durch Tausch, Schenkung und Kauf erworbenen Bücher. I. Durch Tausch gingen ein: Nord-Amerika. Chicago. The John Crerar Library: Annual Eeport, 1915. Milwaukee. Wisconsin Natural history Society: Bulletin. Vol. XIII N. 3, 1915. W ashington. Smithsonian Contributions N. S. National Herbarium. Vol. 63 N. 6. Annual Eeport of the Board of Eegents, 1913, 1914. National Academy of Sciences: Proceedings. Vol. 1 H. 1-12, 1915; Vol. 2 H. 1—12, 1916; Vol. III N. 1, 1917. ♦ Dänemark. Kopenhagen. Kgl. Danske Videnskabernes Selskabs (Oversigt): Forhandlingen. 1915 ISi. 5 — 6; 1916 N. 1 — 6; 1917 Januar — Juni. Biologiske Middelelsen, I N. 1 — 2. Mathematisk-fysiske Meddelelsen I, N. 1 — 2. Skiifter (Memoires de l’academie roy. de sc. et lettres de Dänemark): Section des Sciences 7 me serie, tome VII, N. 7; 8 me tome I, N. 2 — 5; Section des Sciences 7 me serie, 8 me tome II, N. 1 — 5. Nordisk Oldkyndige og Historie (k. Nordiske-Selskab): 1. Aarboger. Bd. 4, 1914; Bd. 5, 1915; Bd. 6, 1916. Danske Botanisk Forening: Botanisk Tidsskrift. Bd. 32 H. 1 — 3, 1912; Bd. 34 H. 5 — 7, 1916; Bd. 35 H. 1—3, Bd. 36 H. 1. Dansk Botanisk Arkiv. Bd. 1 N. 5 — 6, Bd. 2 N. 3 — 6, Bd. 3 N. la — b. Publikationer Observatorium N. 24 (1916), 25 — 26 (1917). Deutschland. Aachen. Meteorologisches Observatorium. Ergebnisse der Beobachtungen. Jahr- buch XVIII, XIX, 1912/13. Bamberg. Naturforschende Gesellschaft. Bd. 22 und 23, 1915. Bautzen. Naturwissenschaft!. Gesellschaft „Isis“. Bericht 1913/15. ^XVII ^BeriiIl. Kgl. Preuß. Akademie der Wissenschaften: 1. Sitzungsberichte 1915 K. 41 — 53, 1916 K. 1 — 51, 1917 N. 1—38, 2. Abhandlungen für d. Jahr 1915/1916 N. 1, 1917 N. 1 — 2. Berliner Zweigverein d. Dtsch. Meteorolog. Gesellschaft: Jahresbericht 31 — 32, 1914/15. Kgl. Preuß. Ministerium für Landwirtschaft. Verwaltung von Preußen. Jahr- gang 1914/15. Kgl. preuß. Geologische Landesanstalt: 1. Erläuterungen zur geolog. Karte. Lieferung 181, 182, 212. 2. Jahrbuch. Bd. 33 Teil II H. 3, 1912; Bd. 34 Teil II H. 3, 1913; Bd. 35 Teil I H. 2—3, 1914; Bd. 36 Teil I H. 1—2, 1915. ' 3. Arbeitsplan 1915/16. 4. Beiträge zur geologischen Erforschung d. dtsch. Schutzgebiete. H. 8 — 12. 5. Abhandlungen N. F. H. 55, 65, 69, 80, Teil lila 79, 82 (Atlas). Kgl. Preuß. Meteorolog. Institut: 1. Veröffentlichungen. H. 290, 292, 293. 2. Abhandlungen. Bd. V LI. 3 — 5. Veröffentlichungen der Kgl. Sternwarte Babelsberg. Bd. II H. 1 — 2. Deutsches Entomologisehes Museum in Dahlem: 1916 Bd. V H. 1 — 12. 1917 Bd. VI 1 — 5. Beichsamt des Innern. Berichte über Landwirtschaft. H. 38—40. Institut für Meereskunde u. Geograph. Institut a. d. Universität: I. Meereskunde (Sammlung volkstüml. Vorträge). Jhrg. 9 H. 1 — 12, 1915; Jhrg. 10 H. 1—12, 1916; Jrhg. 11, H. 1—12 (1917). Bergwerke, Salinen u. Hütten im preuß. Staate. Produktion. Jhrg. 1914/15. Botanischer Verein der Provinz Brandenburg: Verhandlungen. Jhrg. 57, 1915, Jhrg. 58, 1916.' Gesellschaft Katurforschender Freunde: Sitzungsberichte 1914, N. 1 — 10; 1915 N. 1—10; 1916 K. 1—10.. Preuß. Landesanstalt für Gewässerkunde. Jahrbuch. Abfluß] ahr 1912/13. Kaiserl. Biolog. Anstalt für Land- u. Forstwirtschaft. H. 16, 1916. Deutscher Forstwirtschaf tsrat. Bericht 22, 1916; Bericht 23, 1917. Vereinigung f. angewandte Botanik. Jahresbericht. Jhrg. 13, 1915, Teil I, II; Jhrg. 14 H. 1—3, 1916; Jhrg. 15 H. 1, 1917. Deutsche Dendrologische Gesellschaft: Mitteilungen. Jhrg. 1915/16. Bonn. Naturhistorischer Verein d. preuß. Bheinlande u. Westfalen: 1. Verhandlungen. Jhrg. 70 H. 2; Jhrg. 71 H. 1 — 2, 1914; Jhrg. 72 H. 1,1915. 2. Sitzungsberichte 1913/14 H. 2. Veröffentlichungen der Kgl. Sternwarte. N. 13, 1916. Bremen. Meteorolog. Observatorium: Dtsch. Meteorolog. Jahrbuch. Freie Hansastadt Bremen. Jhrg. 26, 1915; Jhrg. 27, 1916. Breslau. Schlesisches Museum i, Kunstgewerbe u. Altertümer: Jahrbuch Bd. VII. 1. Hälfte, 1916. Schlesische Gesellschaft f. A^aterländische Kultur: Jahresber. 92, 1914, Bd. 1 u. 2, 93, 1 u. 2, 1915. Verein für schlesische Insektenkunde. 1915 H. 8; 1916 H. 9. Bromberg. Jahresbericht d. Kaiser Wilhelm-Instituts für Landwirtschaft, 1914. Cassel. Verein für Naturkunde: Berichte u. Abhandlungen. 77, 80, 1912/16. D a n z i g. Landwirtschaftskammer f. d. Prov. Westpreußen: Bericht über die Tätigkeit der Landwirtschaft!. Versuchs- u. Kontrollstation. 1915/16; Bericht 1916/17. Westpreuß. Provinzial-Museum: Amtl. Bericht XXXIV — XXXVI, 1913 — 1915. XXVIli Westpreuß. Geschichts- Verein: Zeitschrift H. 57, 1917. Westpreuß. Botan.-Zoolog. Verein: Jahresbericht 36, 1914; 37, 1915; 38, 1916; 39, 1917. D a r m s t a d t. Verein für Erdkunde u. Großh. Geolog. Landesanstalt: Xotizblatt V,. Folge 1, 1916. Dresden. Gesellschaft für Natur- u. Heilkunde: Jahresbericht. 1915/16. Naturwissenschaft!. Gesellschaft „Isis“: Sitzungsbericht u. Abhandlungen. 1914 lanuar — Dezember, 1915 Januar — Dezember, Jhrg. 1916. Kgl. Sachs. Gesellschaft für Botanik u. Gartenbau „Flora“: Sitzungsber. u. Abhandlungen. Jhrg. 18 u. 19, 1913/15. Dürkheim. „Pollichia“, Naturwiss. Verein der Kheinpfalz: Mitteilungen. Jhrg. 70, 1915. Emden. Naturforschende Gesellschaft: 1814 — 1914. Festschrift. Jhrg. 99 — 100, 1914/15. Erfurt. Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften: Jahrbücher N. F. 42, 1916; 43, 1917. Erlangen. Physikalisch-med. Societät: Sitzungsberichte. Bd. 47, 1915. Frankfurt a. M. Physikalischer Verein: Jahresbericht. 1914/15, 1915/16, 1916/17. Senckenberg. Naturforschende Gesellschaft: 1. Abhandlungen. Bd. 36 H. 2 — 3, 1915. 2. Bericht 46. Frankfurt a. 0, „Helios“, Naturwissenschaftl. Verein. Bd. 28, 1916, F r e i b u r g. Naturforschende Gesellschaft: Berichte. Bd. 21 H. 1- — 2, 1916. Gießen. Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde: 1. Naturwiss. Abt. Bericht N, F. Bd. 6, 1915. 2. Medizin. Abt. Bd. 9—10, 1914/15. Görlitz. Naturforschende Gesellschaft: Abhandlungen. Bd. 28, 1917. G ö 1 1 i n g e n. Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften: 1. Math.-Phys. Klasse. Nachrichten. 1915 H. 2 — 3; 1916 H. 1 — 2; 1917 H. 1. 2. Geschäftl, Mitteilungen. 1915 H. 1; 1916 H. 1 — 2. Greifswald. Naturwiss. Verein für Neupommern u. Rügen: Mitteilungen. Bd. 45, 1913. Universität: Dissertationen. Amtliches Verzeichnis d. Personals u. d. Studierenden. 1915/16, 1916/17. Verzeichnis der Vorlesungen. Sommerhalbjahr 1916, 1916/17, Sommerhalbjahr 1917, 1917/18. Güstrow. Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg: Archiv. Jhrg. 69, 1915; Jhrg. 70, 1916. Guben. Niederlausitzer Mitteilungen. Zeitschrift für Anthropologie u. Altertums- kunde: XIII. Bd. 1—4, 1914/15; 5—8, 1916/17. Halle. Kaiserl. Leopold. Carolin. Deutsche Akademie der Naturforscher: Abhand- lungen (Nova Acta). Bd. 100 — 102. Register Bd. 64 (1895) bis Bd. 100 (1915). H a m b u r g. Sternwarte in Bergedorf: 1. Jahresbericht. 1915. 2. Hilfstafeln der Sternwarte. 1916. 3. Meteorologische Beobachtungen. 1915. Deutsches Meteorologisches Jahrbuch. Beobachtungssystem d. dtsch. Seewarte:. 1. Meteorolog. Beobachtung. Jhrg. 1914, XXXVII. Zoologisches Museum: Jahresbericht. XXXII, 1914; XXXIII, 1915. Mitteilungen aus dem Institut f. allgemeine Botanik. Bd. 2. XXJX Botanisches Staatsinstitut: 1. Mitteilungen. Bd. XXXI, 1913. 2. Jahresbericht. 1914, 1915. N aturwissenschaf tlicher V erein : 1. Verhandlungen. 3. Folge. XXIII, 1915. Verhandlungen des .Vereins f. naturwissenschaftl. Unterhaltung. Bd. XV (1910—13). Mathematische Gesellschaft: Mitteilungen. Bd. Y H. 5 (1916), H. 6 (1917). Hannover. Naturhistorische Gesellschaft: Geolog. Abt. Bd. 5, 1912; Bd. 6, 1913; Bd. 7, 1914. Heidelberg. Naturhistorisch-med. Verein: Verhandlungen. Bd. 13 H. 2. Insterburg. Altertumsgesellschaft: 1. Jahresbericht. 1914, 1915, 1916. 2. Zeitschrift. 1917, 16. Karlsruhe. Naturwissenschaft!. Verein: Verhandlungen. Bd. 26, 1912/16. Kiel. Wissenschaftl. Meeresuntersuchungen. Abhandlungen. N. F. Bd. XI H. 2, 1916, Abt. Flelgoland. Naturwissenschaftl. Verein f. Schleswig-Holstein: Schriften. Bd. XVI, 1916. Königsberg i. Pr. Physikalisch-ökonomische Gesellschaft: Schriften. Jhrg. 55, 1914; 56, 1915; 57, 1916. Landsberg. Verein für Geschichte der Neumark: Schriften, Bd. 32, 1915; Bd. 33, 34, 1916. Leipzig. Verein für Erdkunde: Mitteilungen. 1915/16. Kgl. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften (Math.-Physik. Klasse): Berichte. Bd. 66 H. 3, 1914; Bd. 67 N. 1—4, 1915; Bd. 68 N. 1—4, 1916; Bd. 69 H. 1—2. Naturforschende Gesellschaft: Sitzungsbericht. Jhrg. 42, 1915. Freie Vereinigung f. Pflanzengeographie u. systematische Botanik. 1916. (Druckort Leipzig.) L i n d e n b e r g. Die Arbeiten d. Kgl. Preuß. Aeronautischen Observatoriums. Bd. X, 1914; XI, 1915. li ü b e c k. Geographische Gesellschaft u. Naturhistordsches Museum: Mitteilungen. II. Beihe H. 27, 1916. Lüneburg. Jahreshefte des Naturwissenschaftl, Vereins f. d. Fürstentum Lüneburg. XX, 1913—17. Marburg. Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Naturwissenschaft: Sitzungs- bericht. Jhrg. 1915/16. München. Kgl. Bayrische Akademie der Wissenschaften: 1. Sitzungsbericht. 1915, H. 2 — 3; 1916, H. 1 — 2; 1917, H. 1 — -2. 2. Abhandlungen. Bd. 27 H. 5—6, Bd. 28 H. 1—9. Gesellschaft für Morphologie und Physiologie: Sitzungsberichte. XXX, 1914/17. Ornithologische Gesellschaft in Bayern: Verhandlungen. Bd. 12 H. 4, Bd. 13 H. 1—2. Münster. Westfälischer Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst: Jahres- bericht 1914/15, 43; 1915/16, 44. X ü r n b e r g. Germanisches Nation almuseum: I. Anzeiger. 1915 H. 1 — 4. 2. Mitteilungen. 1914/15. Naturhistori sehe Gesellschaft : 1. Abhandlungen. Bd. XXI, 1917. 2. Jahresbericht. 1914, 1915, 1916. XXX Posen. Historisciie Gesellschaft für die Prov. Posen: 1. Zeitschrift. Jhrg. 29 H. 2, 1915. 2. Historische Monatsblätter. Jhrg. 16 H. 1 — 12, 1915. Deutsche Gesellschaft für Kunst u. Wissenschaft. Naturw, Abt.: Zeitschrift, Jhrg. 22 H. 1—3, 1915; Jhrg. 23 H. 1—4, 1916. Potsdam. Kgl. Preuß. Geodätisches Institut: Jahresbericht. 1915/16, 1916/17. Astrophysikalisches Observatorium: 1. Publikationen. Bd. 23, Stck. 2, 3, 4. 2. Photographische Himmelskarte. Bd. VII. Katalog z. Bd. I — VII. Regensburg. Kgl. Bayr. Botanische Gesellschaft: Denkschriften. K. F. Bd. VII, 1917. ISi aturwissenschaftl. Verein: Berichte. H. 15, 1913 — 16. Rossitten. Vogelwarte der Dtsch. Ornithologischen Gesellschaft: Jahresberichte. Bd. XV, 1915; XVI, 1916. Rostock. Geographische Gesellschaft: Jhrg. 3/4, 1911/12 u. 1912/13; Jhrg. 4 u. 5,. 1913/14 u. 1914/15. Schwerin. Verein für mecklenburgische Geschichte u. Altertumskunde: Jahr- bücher u. Berichte. 80, 1915. Stettin. Entomologischer Verein: Zeitung. Jhrg. 76 H. 1 — 2, 1915/16; Jhrg. 77 H. 1—2, 1916. Polytechnische Gesellschaft: Jahresbericht. 54, 1915. Gesellschaft für Pommersche Geschichte u. Altertumskunde; I. Baltische Studien. X. F. Bd. 19, 1916; Bd, 20, 1917. 2. Monatsblätter. 1915 X. 1—12; 1916 X. 1—12. Stuttgart. Verein für vaterländische Xaturkunde in Württemberg: Jahreshefte.- Jhrg. 71, 1915; 72, 1916. Generalregister 1884—1914. Bund für Vogelschutz. Jahresbericht. 1915/16. T h o r n. Koppernikus- Verein f. Wissenschaft u. Kunst: A. Mitteilungen. H. 24 X. 1 — 4,. 1916; H. 25 X. 1-^, 1917. Wiesbaden. Xassauischer Verein für Xaturkunde: Jahrbücher. 68, 1915; 69, 1916,.. Würzburg. Physikalisch-mediz. Gesellschaft: 1. Verhandlungen. Bd. XLIV X. 1—6. 2. Sitzungsbericht. 1915. X. 1—7; 1916. X. 1—5. Holland, Amsterdam. Kgl. Akademie van Wetenschappen: 1. Jearboek. 1915. 2. Verslagen afdeeling Xaturkunde. Vol. XXIII X. 1, 2; Vol. XXIV X. 1,2.. 3. Verhandelingen. II. Serie, Del. XIX Xr. 5. H a r 1 e m. La Societe hollandaise des Sciences: Archives neerlandaises des Sciences exactes et naturelles. La Haye. Serie Illb, Tome II, X. 3; Tome III, L. 1, 2, 3. Serie lila, Tome IV, L. 1., Leiden. Xeederlandsche Dierkundige Vereeniging: Tidskrift. Deel XIV, X. 1, 2, 3, 4, 1915; Deel XV, X. 1, 2, 3, 4. Mededeelingen van Rijks Herbarium. X. 21 — 27, 1914/15; 28 — 30, 1916. Rotterdam. Bataafsch Genootschap : Xieuve Verhandlingen, II Reeks, Del. VII, St. 1. Utrecht. Recherches Astronomiques de l’observatoire, VI, 1916. Italien, X e a p e 1. Zoologische Station: Bd. 22, H. 11 u. 12, 1916. Fauna u. Flora des Golfes von Xeapel. 34. Monographie, 1917. XXXI Luxemburg. Luxemburg. Institut Grand Ducal de Luxembourg: Archives trimestrielle, Annee 1910. Tome V, Fase. 2, 3, 4. Norwegen. Bergen. Borgens Museum: 1. Aarbog 1915/16. H. 1, 2. 2. Aarsbereting 1915/16. An Account of the Crustacea of Norway. Vol. VI, Part. XI u. XII. Stavanger. Museum: Aarshefter. 1915/16. T r 0 m s ö. Museum: 1. Aarshefter 37, 1914. 2. Aarsberetning. 1914. Tr ondh 3 em. K. Xorske Videnscabs-Selskab. Skrifter 1914 Bd. 1 u. 2; 1915 Bd. 1, 2;. K. Xorske Videnscabs-Selskab: Aarsberetning. 1914/15. Österreich-Ungarn. Brünn. Naturforscher- Verein: 1. Verhandlungen. Bd. LII, 1913; LIII, 1914; LIV, 1915; LV, 1916. 2. Meteorolog. Commission. Bericht XXVIII, 1908; XXIX, 1909; XXX„ 1910; XXXI, 1911. Mährische Museumsgesellschaft: Zeitschrift. Bd. 14, 1914; 15, 1916; l6, 1917. Budapest. K. Ungarische Geologische Eeichsanstalt: 1. Erläuterungen. Zone 12, Kol. 29. Zone 26 u. 27, Kol. 25. Zone 12, Kol. 17. 2. Mitteilungen a. d. Jahrbuch. Bd. 21, H. 9, 1915; Bd. 22, H. 1 — 4; Bd. 23,. H. 1—6; Bd. 24, H. 1. 3. Jahresbericht. 1913 Teil 1 u. 2; 1914 Teil 1 u. 2; 1915 Teil 1; 1916 Anhang. 4. Publikationen. 1914. Kovartani Lapok. 1916 Köt. XXIII, 1 — 8; 1917 Köt. XXIV, 1 — 6. Mathematikai es Termeszettudomanyi Ertesitö (Academie hongroise des Sciences). Köt. 33, N. 5, 1915; Köt. 34, N. 1—4, 1916. Museum nationale hungaricum. Annales. Vol. XIII, N. 1 — 2, 1915; Vol. XIV, X. 1—2, 1916; Vol. XV, X. 1, 1917. Officium regium hungaricum ornithologicum. Aquila. Tome XXII, 1915;' Tome XXIII, 1916. 'Graz. Verein der Ärzte in Steiermark: Mitteilungen. Bd. 51, 1914; Bd. 52, 1915. Xaturwissenschaftl. Verein für Steiermark: Bd. 51, H. 1 — 2, 1914; Bd. 52, 1915; Bd. 53, 1916. Verein für Höhlenkunde: Mitteilungen. Jhrg. 7, H. 2, 1914. He rmannstadt. Siebenbürgischer Verein für Naturwissenschaften: Verhand- lungen u. Mitteilungen. Bd. 64, 1914. Iglo. Ungarischer Karpathenverein: Jahrbuch. Bd. 43, 1916; 44, 1917. Innsbruck. Berichte des naturw.-med. Vereins. Jhrg. 36, 1914/15 u. 1916/17. Klag e n f u r t. Carinthia. Mitteilungen des Xaturhistorischen Landesmuseums in Kärnten; Mitteilungen. Jhrg. 105, 1915; Jhrg. 106 u. 107, 1917. Klausen bürg. Museumi Eüzetek: Mitteilungen aus der mineralog.-geolog. Samm- lung des Siebenbürg. Xat.-Museums. Bd. III, X. 1 — 2, 1915. XXXII L e i p a. Xordböhmisclier Exkiirsionsklub: Mitteilungen. Jhrg. 38, 1915; Jhrg. 39, H. 1—4, 1916; Jhrg. 40, H. 1—4, 1917. Linz. Museum Francisco-Carolinuin: Bericht 74, 1916; 75, 1917. Prag. K. K. Sternwarte: Magnet, u. meteorolog. Beobachtungen. Jhrg. 76, 1915; Jhrg. 77, 1916. Kgl. Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften: I. Sitzungsberichte. Jhrg. 1915/16. 2. Jahresbericht. 1915/16. Deutsch. Naturw.-mediz. Verein f. Böhmen „Lothos“: Bd. 63, 1915; Bd. 64, 1916. Wien. K. K. Zentralanstalt für Meteorologie u. Geodynamik: Jahrbücher. Bd. XLIX, 1912; Bd. L, 1913. K. K. Zoologisch-botanische Gesellschaft: 1. Abhandlungen. Bd. 9, H. 2 — 3; Bd. 10, H. 1 — 3. 2. Verhandlungen. Bd. 65, 1915; Bd. 66, 1916. K. Akademie der Wissenschaften (Math.-naturw. Klasse): Sitzungsberichte: Bd. 124, Abt. I, Heft 1- -10; Bd. 124, Abt. Ha, Heft 1 — 10; 124, . Ilb, . 1- -10; 55 125, ,, I, „ 1- -10; 55 125, „ Ila, „ 1 — 10; 55 125, „ Ilb, -4 L- -10; 55 124 u. 125, Abt. III. Entomologischer Verein: Jahresbericht. XXVI, 1915; XXVII, 1916. Verein der Geographen: Jhrg. XXXIX u. XL, 1912/13 u. 1913/14. K. K. Geologische Reichsanstalt: 1. Verhandlungen. 1915, X. 10 — 18; 1916, 1 — 18; 1917, N. 1 — 8. 2. Jahrbuch. Bd. 64, H. 4, 1914; Bd. 65, H. 1—4, 1915; Bd. 66, H. 1. K. K. Naturhistorisches Ilofmuseum: Annalen. Bd. 29, H. 3 — 1, 1915; Bd. 30, H. 1—4, 1916. Zagreb. Glasnik: Hrvatsko Prirodaslovno Drustvo. Bd. 27, H. 3 — 4; Bd. 28, N. 1 — 4, Bd. 29, N. 1—2. Schweden. Lund. Universitas Lundensis: Acta, Bd. XI, 1915; XII, 1916. Astronomiska Observatorium: Meddelanden. Serie II, N. 14 — 16 (1. Quart). Meddelanden. Bd. 11, H. 28 — 30 (1. Oktav). Stockholm: Kungl. Svenske Vetenskapsakademiens: 1. Handlinger. Bd. 51, H. 1—11; Bd. 53, H. 1—5; Bd. 55, H. 1—6. 2. Aarsbok. 1915/16. 3. Meteorologiska Centralanstalt. Bd. 42, 1914; Bd. 43, 1915. Bihang I, II. 4. Arkiv für Mathem., Astron. et. Phys. Bd. 10, H. 4; Bd. 11, H. 1 — 6; Bd. 12, H. 10, 18, 20. 5. Arkiv for Botanik. Bd. 14, H. 2 — 3. 6. Arkiv for Kemi, Mineralog., Geolog. Bd. 6, H. 1 — 3. 7. Arkiv for Zoology. Bd. 9, H. 3 — 4; Bd. 10, H. 1—3. 8. Nobel-Institut. Meddelanden. Bd. III, EI. 3, 1916. Lefnadstekninger. Bd. 5, 1915; Elälfte I. Acta Horti Bergiani, Tome I — V. Nordiska Museet Fataburen. 1915, EI. 1 — 4; 1916, H. 1 — 4. K. Vitterbets Historie och Antiquitets Academien Fornvännen (Meddelanden). 1916, H. 1—4; 1917, H. 1—4. Svenska Botaniska Foreningen: Svensk Botanisk Tidskrift. Bd. IX, H. 3 — 4, 1915; Bd. X, H. 1—2, 1916. Entomologi.ska-Foreningen Tidskrift. Arg. 36, N. 1 — 4, 1915; Arg. 37,N.l — 4,1916. XXXIII Geologiska Foreningen. Förhandlingar. Bd. 37, 1915; 38, 1916. Kgl. Forstliche Versuchsanstalt. Mitteilungen. Bd. 12, 1915. Kgl. Svenska Vetenskapsakademien. Archiv für Mathematik, Astronomie etc. Bd. 10, H. 28, 29, 1915. p s a 1 a. Kgl. Universitäts-Bibliothek: 1. Carl von Linne. Bref och Skriftvelser af och til. Bd. VI, VII. 2. Norrländsk Handbibliothek. Bd. VI, 1917. Geological Institution of the University. Bulletin. Vol. XIII, 1915, 1 — 2; Vol. XIV, 1916. Schweiz. Aarau. Schweizerische Naturforschende Gesellschaft: Verhandlungen. Jahres- versammlung 97, 1915, Teil I und II. Basel. Naturforschende Gesellschaft: Verhandlungen. Bd. ‘25, 1914; 26, 1915; 27, 1916. Universitätsbibliothek: Jahresverzeichnis der schweizerischen Universitäts- schriften 1915/16. Bern. Schweizerischer Botanischer Garten: Bericht 1911/16. Chur. Naturforsch. Gesellsch. Graubündens: Jahresber. Bd. LVI, 1914/15 u. 1915/16. Frauenfeld. Thurgauische Naturforschende Gesellschaft: Mitteilung. H. 22, 1917. Genf. Societe de Physique et histoire naturelle: 1. Memoires. Vol. 38, Fase. 4 — 6; Vol. 39, Fase. 1. 2. Comptes rendus des seances. Vol. XXXII, 1915; XXXIII, 1916. Conservatoire du Jardin botanique: Annuaire. Jhrg. 18/19, 1914/15. Winterthur. Naturwissenschaftliche Gesellschaft: Mitteilungen. H. 11, 1915/16. Zürich. Naturforschende Gesellschaft: Vierteljahrsschrift, Jhrg. 60, H. 3 — 4, 1915; Jhrg. 61, H. 1—4, 1916; Jhrg. 62, H. 1—2, 1917. Neuj ahrsblatt. 118, 1916; 119, 1917. Schweizerische Botanische Gesellschaft: Berichte. H. 24, 1915; H. 25, 1916. IS. Angekauft wurden folgende Werke: Rabenhorst s Kryptogamenflora: Lebermoose. Bd. 6, Liefr. 25 — 28; Pilze. Abt. X. Liefr. 124 — 125. Engeer; Das Pflanzenreich. H. 66 — 67, 1916. ('OHN-Rosen: Beitr. z. Biologie d. Pflanzen. Bd. 13, H. 1 — 2. Das Tierreich. Liefr. 44. Mitteilungen der Deutschen Dendrolog. Gesellschaft. 1915, 1916. Berliner Astronomisches Jahrbuch. 1918. 1919. Bronns Klassen u. Ordnungen des Tierreichs. Bd, IV, Abt. 2, Liefr. 33 — 36; Liefr. 163—177. Bd. IV. Vereinigung für angewandte Botanik. 1915. 1916. Astronomischer Jahresbericht. Bd. XVII, 1915. Hedwigia. Organ für Kryptogamenkunde. Bd. 57. Geschäftsbericht d. Vorstandes d. Gesellschaft Dtsch, Naturforscher u. Ärzte, 1914/16. Ameling : Prakt. u. lohnende Champignonkultur, m. Anh. über Pilze von Betten. F. Dahl: Die Asseln oder Isopoden Deutschlands. Jena 1916. W. Weibel: Rußland. Mit 205 Abbildungen. Delphin-Verlag. München 1916. P. Krause: Die Türkei. Aus Natur und Geisteswelt. Leipzig-Berlin 1916. Ewald Bause; Die Türkei. Eine moderne Geographie. Braunschweig 1916. A. Nathansohn : Der Stoffwechsel der Pflanzen. Leipzig 1910. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 4. 8 XXXlV 0. Hauser: Der Mensch vor 100 000 Jahren. Leipzig 1917. W. C. Röntgens Grundlegende Abhandlungen über die X-Strahlen. Würzburg 1915. Otto Keller: Die antike Tierwelt. Bd. 1 und 2. A. Engler: Botanische Jahrbücher. Bd. 54, Heft 1 — 3. Deutscher Universitätskalender. Sommer-Semester 1916. Teil I, II; Winter 1916/17, I, II; Winter 1917/18, I, II. G, Wegener: Deutsche Ostseeküste. Land und Leute. Monographie zur Erdkunde. K. Günther: Der Xaturschutz. Freiburg i. Br., 1910. W. Marschall : Die Tiere der Erde. Bd. 1 — 3. Stuttgart-Leipzig. Ed. Süess : Das Antlitz der Erde. Bd. 1 — 3 u. Register. Wien-Leipzig 1908. C. 0. Bartels: Auf frischer Tat. Beobachtungen aus der niederen Tierwelt in Bilder- serien. Sammlung 1 und 2. Stuttgart 1911. Galvers Käferbuch von C. Schaufuss. Bd. I, II. Stuttgart 1916. König: Xährwerttafel. Berlin 1917. Ed. Michael: Führer für Pilzfreunde. Ausgabe B, Bd. I, II, Zwickau 1917. Siegfried Benignus : In Chile, Patagonien und auf Feuerland. Berlin 1912. Handbuch von Polen. Beiträge zu einer allgemeinen I.andeskunde, herausgegeben unter der Redaktion von Dr. E. Wuxdert.tch vom K. Dtsch. Gouverne- ment Warschau. Berlin 1917. A. von Humboldt: Ansichten der Natur m. wissenschaftl. Erläuterungen. Bd. 1, 2. Stuttgart-Tübingen 1849. E. Abderhalden: Neuere Anschauungen ül)er den Bau und den Stoffwechsel der Zelle. 2. Auflage. Berlin 1916. — — Synthese der Zellbausteine in Pflanze und Tier. Berlin 1912. — — Die Bedeutung der Verdauung für den Zellstoff Wechsel im Lichte neuer Forschungen auf dem Gebiete der physiologischen Chemie. Berlin 1912. — — Die Grundlage unserer Ernährung unter besonderer Berücksichtigung der Jetztzeit. Berlin 1917. Junge: Unsere Ernährung. Nahrungsmittellehre für die Kriegszeit. Berlin 1917. K. Thomas: Nahrung und Ernährung. Zur Erläuterung von M. Rubens Nahrungs- mitteltafel. Leipzig-Berlin 1914. 0. Rautenberg: Ost- und Westpreußen. Ein Wegweiser durch die Zeitschriften- literatur. Leipzig 1897. K. Escherich; Die Ameise. Schilderung ihrer Lebensweise. Braunschweig 1917. R. Demoll: Die Sinnesorgane der Arthropoden, ihr Bau und ihre Funktionen. Braunschweig 1917. III. Geschenke. a) von den Verfassern: Lindner: Der Milchfluß der Bäume. — Kleine Abhandlungen verschied. Inhalts. Mühlradt: Die Tuchler Heide in Wort und Bild. P. Paschke: Die vorgeschichtlichen Wandtafeln f. Westpreußen. Danzig 1906. W Sonntag: Geologischer Führer durch die Danziger Gegend. Danzig 1910. H. Lorenz: Ballistik. Die mechanisch. Grundlagen d. Lehre v. Schuß. (Sonderabdruck.) W. Branca: Einige Betrachtungen über die ältesten Saurier der Trias- und Liaszeit (Abhandlungen). — — Das sogen. Sacralgehirn der Dinosaurier. Ein Säugetier-Unterkiefer aus den Tendagura-Schichten. (Wissenschaftl. Ergebnisse d. Tendagura- Expedition 1909 — -1912. XXXV W. Branca Aufpressung und Explosion oder nur Explosion im Vulkanischen Kies bei Nördlingen. (Sonderabdruck.) — — Berichtigungen zu 0. Jäckels Aufsatz über die Frage einer Teilung der Geologie (Sonderabdruck). RÖSSLER : Die Technik und der Krieg. (Zwei Vorträge, geh. f. d. Techn. Hochschule.) — — Die Elektrisierung der Provinz Ostpreußen. E. Gsinitz: Geologie von Mecklenburg-Strelitz. Krüger: Reisen in den Kordilleren (Sonderabdrücke). F. Braun -Graudenz: Die Kriegsschauplätze. — — Internationale Monatsschrift. Zur Geschichte der deutschen Kolonie in Konstantinopel. — — Der Einfluß des Waldes auf das Landschaftsbild der Provinz Westpreußen (Sonderabdruck). Reinicke: Beobachtungen der Sichtigkeit der Luft. Bischöfe; Die Kartoffel im Weltkrieg: Th. Bail: Neuer methodischer Leitfaden f. d. Unterricht in der Zoologie. Leipzig 1917. 19. verb. Auflage. — Methodischer Leitfaden im Unterricht der Naturgeschichte. Mineralogie. Leipzig 1918. 17. verb. Auflage. Wein: Deutschlands Gartenpflanzen um die Mitte d. 16. Jahrhunderts (Sonderabdruck). Klebahn; Kulturversuche mit Rostpilzen (Sonderabdruck). Lentz: Physiologische Schwankungen im Jugendalter und ihr Einfluß auf die geistige Arbeit. b) Von Nichtautoren: Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen (Denkschrift). Über die Not- wendigkeit der Schaffung von Moorschutzgebieten 1915. Zucker und Zuckerrübe im Weltkrieg von Brukner (Fabrikbesitzer Skerle), Die totale Sonnenfinsternis vom 21. August 1914. Bericht von A. Miethe. Seegert und Weidert (Optisches Institut Goerz, Berlin-Friedenau). Vom Bund für Vogelschutz (Sonderabdruck). Neu-Guinea. Kalender. Jhrg. 31 — 32, 1916/17 (Geh. Rat Conwentz). Verhandlungen d. 19. Deutschen Geographentages (Hauptmann Koliai). Das Gräberfeld von Payki b. Praßnitz (Altertumsgesellschaft Prussia, Königsberg). Rieder; Unsere Hochschulen und die Anforderungen des zwanzigsten Jahrhunderts. Berlin 1898 (Prof. Dr. Lakowitz). Klein: Bericht über den Stand der Herausgabe von Gaüss' Werken (K. Gesellschaft der Wissenschaften (Göttingen). Keramische und andere ordenszeitliche Funde in der Stadt Elbing und in der Um- gegend von Prof. Dr. Ehrlich (Altertumsgesellschaft Elbing). Von Herrn Geh. Sanitätsrat Dr. LiEVlN geschenkte Bücher: Wiebe; Die Reinigung und Entwässerung der Stadt Danzig, u. Atlas. Berlin 1865. J. Hann; Lehrbuch der Meteorologie. Leipzig 1901. K. Vogt: Lehrbuch der Geologie. Bd. 1 — 2, Braimschweig 1866. Huber: Grundzüge der Technischen NatuiTehre. Stuttgart 1860. G. W. Bischoff : Lehrbuch der Botanik, Bd. 1 — 3, I, II, III u. Anhang. Stuttgart 1834. B. VON Cotta : Die Geologie der Gegenwart, Leipzig 1874. VON Brandt: Dreiunddreißig Jahre in Ost-Asien. Bd. 1, 2, 3. Leipzig 1901. W. Kirley und W. Spence: An Introduction to Entomology or Elemente of the Natural History of Insects. London 1867. ?XXXVI Taschenberg: Was da kriecht und fliegt. Bilder aus dem Insektenleben. Berlin 1861. | F. VON Tschudi : Das Tierleben der Alpenwelt. Leipzig 1856. H . Lenz : Zoologie der alten Griechen und Körner. Gotha 1856. C. Th. C. von Siebold: Wahre Parthenogenesis bei Schmetterlingen und Bienen, || Leipzig 1856. i' — — Die Süßwasserfische von Mitteleuropa. Leipzig 1863. — — Uber die Band- und Blasenwürmer nebst einer Einleitung über die Ent- stehung der Eingeweidewürmer. Leipzig 1854. A. Menge: Preußische Spinnen. Danzig 1866. L. Kosenthal: Thomas H. Huxley: Grundzüge der Physiologie in allgemeinverständ- lichen Vorlesungen. Leipzig 1871. P. Pfeiffer : Das Buch der Natur. Stuttgart 1861. Tageblatt der 44. Versammlung der Naturforscher und Ärzte. Rostock 1871. Programm der XXXV. Versammlung d. Dtsch. Naturforscher und Ärzte. Königs- berg 1860. XXXVIII Jahresrechnung der Naturforschenden Einnahme. Barbestand aus 1916 I, Grimdstücksmiete usw II. Zinsen aus Wertpapieren und Hypotheken III. Beiträge von Mitgliedern IV. Provinzial-Zuschuß V. Verkauf der Gesellschaftsschriften . . . VI. — VIII. Verschiedenes A. Allgemeine Jt .... 1 246 68 .... 3 534 49 .... 2 771 50 . . . . '5005 15 .... 2 000 00 .... 45 00 . . . . 493 19 15051 01 B. Wolffsche I. Zinsen aus Wertpapieren und Hypotheken 1728 75 II. Zuschüsse 500 — III. Zuschuß aus Kasse A. . . 669 71 2 898 46 C. Verchsche Zinsen 525 — D. Humboldt- 1 536 39 • • • • • 70b 50 2 245 89 E. Physikalisches Barbestand aus 1916 ^0 F. Masse zur Unterstützung Zinsen 21 9 50 I. Barbestand aus 1916 II. Zinsen XXXIX Gesellschaft für das Jahr 1917. Ausgabe. Kasse. JC ig I. Gellälter und Remunerationen 910 35 II. Grundstück, Baukosten und Abgaben 3158 91 III. Sitzungen und Vorträge 1490 61 IV. Bibliothek 2 718 49 V. Druck der Gesellschaftsscliriften 1 763 71 VI. Porti und Anzeigen 327 07 Vn. Erhaltung des Inventars . 50 — VIII. Physikalisches Kabinett .... — — IX. Insgemein inkl. Zuschuss zur Wolff-Stiftung 3 484 81 X. Erste Kosten aut das für die neue Sternwarte erworbene Gelände .... 65 60 XI. Barbestand Ende 1917 1 081 46 15 051 01 Stiftung. I Gehalt des Astronomen ... 1 400 — II. Astronomische Station 1 498 46 2 898 46 Stiftung. I. Zur Anschaffung von Druckschriften (ür die Bibliothek 525 Stiftung. I. Zu Stipendien 400 — II. Barbestand Ende 1917 ... 1 845 89 Also Vermögenszuwachs 309,50, nämlich 200, — , nicht vergebenes Stipendium und 109,50 Zinsüberschuß. 2 245 89 Kabinett. 219 50 wissenschaftlicher Arbeiten. I. Zuführung zur Allgemeinen Kasse A VIII XXXVIII Jahresrechnung der Naturforschenden Einnahme. A. Allgemeine •« Bäirhestai.il aus 1916 j 246 68 I Gnindstücksmiete iisw 3 534 49 II. Zinsen aus Wertpapieren und Hypotheken .... 2 771 59 III. Beiträge von Mitgliedern 5 005 15 IV. Provinzial-ZuschiilB . . ... 2000 00 V. Verkauf der Gesellscliaftaaehriften 45 00 VI. — VIII. Verscliiedenes . , 493 jg 15051 01 B. Wolffsche I. Zinsen aus Wertpapieren und Hypotheken 1 728 75 II. Zuschüsse 5qq _ III. Zuschuß aus Kasse A 669 71 2 898 46 C. Verchsche Zinsen 525 - D, Humboldt- I. Barbestand aus 1916 1 536 39 II. Zinsen , 701 50 2 245 89 E. Physikalisches Barbestand aus 1916 40 11 F. Masse zur Unterstützung Zinsen 219 5^ XXXIX Gesellschaft für das Jahr 1917. Ausgabe. Kasse. .« 4 I. Gellälter und Remunerationen 910 35 II, Grundstück, Baukosten und Abgaben 3158 91 III. .Sitzungen und Vorträge 1490 61 IV. Bibliothek 2 718 49 V. Druck der Geselkschaftsschriften 1 763 71 Vf. Porti und Ar^zeigen 327 07 VII. Erhaltung des Inventars 50 — VIII. Physikalisches Kabinett .... IX. Insgemein inkl. Zuschuss zur Wolff-Stiftunir 3 484 81 X. Erste Kosten aul das für die neue Sternwarte erworbc-ne Gelände .... 65 60 XI. Barbestand l'hide 1917 1 081 46 15 051 Ul Stiftung. I Gehalt des Astronomen ... 1 400 — II. Astronomische Station .1 498 46 2 898 46 Stiftung. l. Zur Anschaffung von Druckschriften für die Bibliotliek 525 — Stiftung. I. Zu Stipendien 400 — H. Barbestand Ende 1917 . ... 1 845 89 Also Verniögenszuwachs Jt 309,50, nämlich J( 200, — , nicht vergebenes Stipendium und J( 109,50 Ziiisüberschnß, 2 245 89 Kabinett. wissenschaftlicher Arbeiten. Zuführung zur Allgemeinen Kasse A VIII 219 50 Vermögensbestand am 3. Januar 1918, A. Allgemeine Kasse. ^ I. Grundbesitz : a) Die Grundstücke Fraueng;aBse 25/26 und Kleine Hosen- nähergasse 12/13 130 500 — b) Hypothek ab 25 000 — 105 500 — II. Wertpapiere im Kurswerte von III. Hypotheken IV. Barbestand B. Wolffsche Stiftung. I. Wertpapiere laut Kurswert II. Hypotheken 10 439 — 51 200 — 1 081 46 168 220 46 8 731 — 28 900 — 37 631 — C. Verchsche Stiftung. I. Wertpapi 3re laut Kurswert n. Hypothek D. Humboldt-Stiftung. I. Wertpapiere laut Kurswert II. Barbestand E. Physikalisches Kabinett. Barbestand und Sparkassenkonto 1 170 — 10 500 — 11 670 — 14 616 — 1 845 89 16 461 89 140 11 F. Masse zur Unterstützung wissenschaftlicher Arbeiten. I. Wertpapiere laut Kurswert H. Hypothek G. Jubiläums=Stiftung vom 2. Januar 1918. Bestand am 1. 1. 18 4174 20 davon M 200 4 % Dzg. Hyp.-Pfdbr. dazu kommen: bis 23. 1. 18 . 3 239 — Bestand am 23. 1. 1918 7 413 20 1527 — 3 400 — 4 927 7 413 20 I XLl A. Mitglieder -Verzeichnis der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig 1. Mai 1918. I. Ehrenmitglieder. Ehrenmitglied seit: Bail^ Dr., Prof., Geh. Studienrat in Danzig (Ordentl. Mitglied 1863) .... 1894 Conwentz, Dr., Prof., Geh. Reg. -Rat, Staatlicher Kommissar für Natur- denkmalpflege in Preußen, Berlin- Schöneberg (Korresp. Mitglied 1878, Ordentl. Mitglied 1880) .... 1910 t'on Delbrück, Dr., Kgl. Staatsminister, Prof. a. d. Universität Jena (Ordl. Mitglied 1894—1906) 1918 Ehrenmitglied seit: V. Drygalski, E., Dr., Prof, an der Uni- versität in München (Korresp. Mit- glied 1897) 1904 V. Redin, Sven, Dr., in Stockholm, Norra Blasieholmhamnen 5 b (Korresp. Mitglied 1898) . 1903 von Jagow, Exz., Oberpräsident d. Prov. Westpreußen (Ord. Mitgl. 1910) . 1918 von Mackensen, Exz., General-Feldmarschall (Ord. Mitglied 1910) 1918 II. Korrespondierende Mitglieder. Korresp. Mitglied seit : Abderhalden, Dr., Geh. Med.-Rat, Prof. a. d. Universität Halle .... 1918 Abromeit, Dr., Prof, in Königsberg i. Pr. Kgl. Botanischer Garten .... 1912 Merendt, Dr., Prof., Geheimer Bergrat, Landesgeologe a. D. in Berlin- Friedenau, Kaiserallee 120 . . . 1893 Bezzenberger, Dr., Geh. Regierungsrat, Prof, an der Universität in Königs- berg i. Pr 1894 Böhm, Prof., Dr., Kustos a. Museum d. Kgl. Geologischen Landesanstalt Berlin (Ord. Mitglied 1884) . . . 1918 Branca, Dr., Geh. Bergrat, Prof, an der Universität in Berlin 1903 Braun, Dr., Prof., Geh. Regierungsrat in Königsberg, Zoolog. Museum a. d. Universität 1908 Deecke, Dr., Prof, an der Universität in Freiburg i. Br 1898 Korresp. Mitglied seit: Dorr, Dr., Prof, in Elbing, Innerer Mühlen- damm 34 1898 Edinger, Dr., Geh. Sanitätsrat, Frankfurt a. M., Loorbahstr. 27 1918 Förster, B., Dr., Prof., Oberlehrer a. D. in München 1893 Freund, Dr., Prof, an der Universität Frankfurt a. M.. Schubertstr. 20 , 1907 Geinitz, E., Dr., Prof, an der Universität in Rostock 1897 Griesbach, H., Dr. med. et phil, Prof., Dozent an der Universität Basel und Oberlehrer in Mülhausen im Elsaß 1893 Grün, Dr., Geh. Regierungs- u. Medizinalrat in Hannover, Steinriede .... 1877 Haeckel, Dr., Exz., Wirklicher Geheimer Rat, Professor an der Universität in Jena 1868 XLII Korresp. Mitglied seil: Leutzsch, Dr., Prof., Geh, Bergrat, Landes- geologe in Berlin, Tnvalidenstr, 44 1880 JK.ehding, Konsul in Radebeul bei Dresden 1894 Knoblauch, Dr., Prof. a. d. Universität in Frankfurt a. M. . . . . . . . 1907 Koehne,J)v., Studienrat in Berlin-Friedenau, Falkrealgymnasiuin 1909 Kolhn, Georg, Hauptmann a. D., General- sekretär der Gesellschaft für Erd- kunde in Berlin SW 1893 Lerncke, Dr., Prof., Geheim er Regierungsrat in Stettin 1898 Lindner, Dr., Prof, in Berlin N 65, Seestr., Lehranstalt f. Brauerei .... 1908 Ludwig, Dr., Prof, in Greiz 1890 JMEüller, Paul A., Dr., Hofrat, Gehilfe des Direktors des Magnet.-Meteorol. Observatoriums in Jekaterinenburg (Ordentl. Mitglied 1886) .... 1893 ^a.gel, Dr., Prof., Geh. Reg.-Rat in Danzig 1908 Nathorst, A. O., Dr., Prof., Intendant der phytopalaeontologischen Abteilung des Naturhistorischen Reichsmuse- ums in Stockholm 1890 JPenzig, Dr., Prof, an der Universität in Genua 1888 Poelchen, Dr., dirigierender Arzt des Städt. Krankenhauses in Zeitz (Ordentl. Mitglied 1882) 1893 Reinicke, Dr., Verlagsbuchhändler in Leipzig 1893 Reinke, Kapitän, Hilfsarbeiter an der Kaiserlich Deutschen Seewarte in Hamburg 1907 Korresp. Mitglied seit: Reinke, Dr., Geh. Regierungsrat, Prof, an der Universität in Kiel .... 1893 Ross, Dr,, Konservator am Kgl. Botan. Museum in Miinchen 1897 Ruff, Dr., Prof, in Breslau (Ordentl, Mit- glied 1905) 1918 V. Riimker, Dr., Geh. Regierungsrat, Pro- fessor an der Landwirtschaft!. Hoch- schule in Berlin . . .... 1910 Rüst, Dr., Arzt in Hannover 1897 Schweder, Staatsrat, Gymnasial- Direktor a. D. in Riga 1895 Reger, Dr., Prof., Direktor des Museums Schlesischer Altertümer in Breslau 1908 Zur Strassen, Dr., Prof., Geh. Reg.-Rat, Frankfurt a. M 1918 Süring, Dr., Prof., Abteilungsvorsteher im Meteorolog. Institut in Berlin . . 1909 1 Treptow, Emil, Oberbergrat, Prof, an der Bergakademie in Freiberg i. S. (Ordentl. Mitglied 1890) .... 1893 1913 li 1911 Wegener, Dr., Prof., Dozent an der Handels- hochschule Berlin W Wien, Dr., Prof, an der Universität Jena (Ordentliches Mitglied 1904) . . Wittmack, L., Dr., Geh, Regierungsrat, Prof, an der Landwirtschaft!. Hoch- schule in Berlin NW Wülfing, Dr., Professor an der Universität in Heidelberg 1907 1893 Zenneck, Dr., Prof, an der Universität München 1918. III. Ordentliche Mitglieder. a. Einheimische. Soweit nicht anders bemerkt, ist der Wohnort Danzig. Aufgen. im Jahre Abraham, Dr., Sanitätsrat 1899 Adler, Zivilingenieur 1917 Anker S., jun., Kaufmann 1910 Aumund, Prof, an der Techn. Hochschule 1913 Axt, John, Kaufmann 1907 Bade, Bankdirektor 1912 Badt, Frido, Kunstmaler 1899 Aufgen. im Jahre Bädecker, Oberapotheker 1911 Bail, Dr., Bürgermeister . 1897 1 Bartels, P., Oberlehrer 1910 Barth, Dr,, Prof., Geh. Medizinalrat und Oberarzt 1896 Basner, Kaufmann 1913 Bautz, Konrad, Kaufmann 1911 Beermann, Oberpostdirektor 1915 XLIII Aufgen. im Jahre Behnke, Kommerzienrat und Konsul, Reedereibesitzer 1911 Behrendt, Dr., Sanitätsrat 1893 1 Behrendt, Ingenieur 1913 Beleites, F., Kaufmann 1912 Bereut, A., Dr., Sanitätsrat 1901 Bereut, Magistrats- Assessor 1917 Berenz, E., Kaufmann 1911 Berger, F., Fabrikbesitzer, Langfuhr . . 1912 Bertling, A., Redakteur 1892 j Bialk, Kuratus 1901 ’ Bibliothek der Landwirtschaftskammer für Westpreußen . 1910 ; Birnhacher, Dr., Medizinalrat 1906 ’ Bodenstein, Dr., Sanitätsrat 1913 Böse. Oberlehrer 1913 I V. Bötticher, Buchhändler 1896 I Bohrmann, Frl., Oberlehrerin .... 1917 Boroioski, Dr. med. 1913 I Borschke, Kaufmacn ........ 1915 1 Braemer, Kaufmann 1917 Brandt, Studienrat in Zoppot .... 1911 I Brauer, Dr. med 1915 Bretsch, Erich, Zahnarzt 1907 Brodnitz, Dr., Rechtsanwalt 1904 V. Brunn, Dr., Privatdozent a. d. Techni- schen Hochschule 1904 i Brunzen, Direktor 1911 I Carlsen, Ingenieur, Werftdirektor . . . 1910 I Carsten, Geh. Baurat, Professor an der I Techn. Hochschule 1912 ' Caskel, Max, Fabrikbesitzer 1903 Catoir- Lindner , Frau Dr 1918 I Landesrat 1912 Cohn, Ernst, Dr. med 1904 : Conradinum, Oberrealschule ..... 1901 i Czerwinski, Dr., Zahnarzt 1910 1 Dähne, Stadtbauinspektor 1910 i Dalitz, Herrn., Kaufmann 1905 Damme, Dr., Bankier 1897 Davidsohn, Musiklehrer 1915 Deichen, Dr., Stadtrat in Langfuhr . . 1918 I Doering, Navigationsschul-Direktor . . 1917 Dohm, F., Kaufmann 1911 Dolle, Dr., Regierungsrat 1906 , Domansky, Karl, Kaufmann 1907 Drägert, Stabsveterinär 1909 Dreyling, Dr. med., Sanitätsrat . . . .1889 Aufgen. im Jahre Dultz, Dr. med 1907 Dumont, Dr., Stadtrat 1912 Effler, Dr. med., Sanitätsrat 1897 Eggert, Dr., Prof, an der Techn. Hochschule 1905 Eller, Dr., Dipl.-Ing 1916 Erdmann, Rektor 1898 Eschert, P., Dr., Fabrikbesitzer .... 1901 Evers, Studienrat 1878 Farne, Dr. med.. Geh. Sanitätsrat . . . 1878 Federlin, Dr., Assistent an der Techni- schen Hochschule 1917 Fey, Bruno, Architekt 1912 Fischer, 0., Kaufmann, Zoppot .... 1913 Fischer, P„ Kaufmann, Langfuhr . . . 1913 Flebhe, Landesrat 1911 Fleck, Dr. med. . . 1902 Fleischer, Max, Apothekenbesitzer . . . 1896 Förster, Wirkl. Geheimer Oberregierungsrat, Regierungspräsident 1910 FÖttinger, Prof, an der Techn. Hochschule 1913 Forteiibacher, Kreistierarzt ...... 1907 Francke, Dr., Sanitätsrat 1896 Frank, Dr., Landesrat 1911 Frech, Direktor des König!, Kronprinz Wilhelm-Refilgymnasiums, Langfuhr 1910 Freytag, Dr., Gerichtsassessor in Berlin . 1915 Fritzen, Redakteur 1912 Fröhlich, Rechtsanwalt 1904 Frost, G., Kaufmann ....... 1911 Frost, 0., Kaufmann 1911 Fuchs, Gustav, Zeitungsverleger .... 1898 Fuchs, Vermessungssekretär 1903 Fuchs, Dr. med 1910 Funk, Dr., Landesrat 1911 Gaebler, Fabrikbesitzer 1892 Gaede, Dr., Prov.-Schulrat 1917 Gail, Prov.-Schulrat in Zoppot .... 1917 Ginzberg, Dr. med., Sanitätsrat .... 1890 Gläser, Dr. med., Sanitätsrat 1894 Glimm, Dr., Privatdozent a. d. Technischen Hochschule 1905 Gnutzmann, Oberingenieur 1918 Goetz, Dr., Geh. Sanitätsrat . . ... 1882 GÖtz, Postrat 1912 Goguel, Apothekenbesitzer, 1913 Gordan, Dr., Direktor d. Bakteriologischen Instituts d. Landwirtschaftskammer 1913 Gottheil, Photograph 1910 XLIV Aufgen. im Jahre; Grix, Dr,, Dozent a. d, Techn. Hocliscliule 1910 Orott, Bankbuchhalter 1910 Grund mann, Kaufmann 1915 Grube, Direktor 1918 Guttzeit, Optiker 1911 Günther, Dr., Prof., Direkt, d. Stadtbibliothek 1903 Günther, Dr., Oberstabsarzt 1918 Habermann, Kandidat d. höh. Lehramtes 1913 Haedrich, TP., Oberlehrer 1912 Hagele, Dr., Ohemiker 1899 Hagendorff, Max, Kaufmann .... 1910 Hahn, Fabrikbesitzer 1905 Hamann, Optiker 1901 Hanff, Dr., Sanitätsrat . . 1874 Hardtmann, Franz, Kaufmann .... 1900 Hartmann, Dr., Sanitätsrat 1911 Hartmann, Fabrikbesitzer 1912 Hasse, Franz, Kaufmann 1877 Hauser, Dr., Assistent an der Techn. Hochschule 1910 V. Hegner, Oberstleutnant z. D 1908 Heise, Dr., Bechtsanwalt 1917 Helmbold, Dr. med 1897 Hensel, Rektor 1917 Hertell, Chefredakteur 1912 Hessel, Kaufmann 1918 Hevelke, Heinrich, Kaufmann ..... 1900 Hevelke, Dr., Oberarzt am Sanitätsamt des XVII. Armeekorps 1914 Heymann, Dr., Rechtsanwalt 1913 | Hildebrand, Medizinal-Assessor .... 1883 j Hodam, Robert, Fabrikbesitzer .... 1910 ; Hoepffner, Dr., Generalarzt a. D 1890 j Hoff mann, Major a. D . 1911 ! Hoffmann, Direktor der Viktoriaschule . 1918 ’ Hollweg, Kontre - Admiral, Oberwerft- | direkter. Kaiserliche Werft . . . 1918 , Hopp, Dr. med 1899 | llgner, P„ Kaufmann 1910 Iffländer, Seminarlehrer 1910 Jacob, Veterinärrat 1910 Jacobi, G., Kaufmann 1910 Jacops, R., Kaufmann 1918 Jantzen, Dr., Oberlehrer 1911 Jantzen, W., Kaufmann 1918 Jellinek, Dr., Prof, an der Techn. Hoch- schule . . 1917 Jelski, Dr., Sanitätsrat 1905 Aufgen. im Jahre: Jentsch, Oberlehrer 1913 Jonas, Rentier 1912 Jorck, Landesrat 1901 Kalkreuth , Mittelschullehrer 1918 f Kammerhoff, Korpsstabsveterinär . . . 1912 van Kämpen, Ingenieur 1906 Kaypenberg , Dr., Prof., Stadtschulinspektor 1918 Kawalki, Kaufmann 1917 Kittier, Kaufmann 1915 Kla Witter, Willy, Kaufmann 1897 Klawitter, Fr., Werft- u. Fabrikbesitzer . 1910® Klebs, Dr., Arzt am Städt. Krankenhaus 1910 Klein, Oberingenieur 1915 Knoch, Max, Dr., Chemiker 1907 Knochenhauer, Stadtrat 1905 König, Civil-Ingenieijr 1912 KÖstlin, Dr., Direktor der Provinzial-Heb- jj ammen-Lehranstalt 1898 Kohnke, Prof, an der Königl. Techn. Hoch- > schule 1911 Kolbe, Dr., Geh. Reg.-Rat, Prov.-Schulrat 1912 1 von Kolkow, Kaufmann 1911 ^ Korella, Dr., Studienrat 1890 Kornstaedt, Apothekenbesitzer .... 1884 Kraft, Dr. med. in Schidlitz 1903 Kreyenberg, Kaufmann 1911 Kronheim, Georg, Kaufmann 1904 Krüger, Dr., Prof, an der Techn. Hoch- schule 1911 Krüger, Ingenieur 1917 Kubacz, Dr. med 1911 Kuhn, J., Weinhändler 1906 Kulise, Oberlehrer 1905 Kumm, Dr., Prof., Direktor des Westpr. Provinzial-Museums 1892 La Baume, Dr., Kustos am Westpr. Pro- vinzial-Museum 1911 Lakowitz, Dr., Studienrat, Prof. .... 1885 Lehmann, Rechnungsrat 1896 Leiding, Kaufmann 1909 V. Lengerken, Dr., Stndienrat 1902 Lewinsky, Rechtsanwalt, Langfuhr . . . 1908 Lewschinski, Dr., Apotheker 1905 Lick, Dr. med 1910 Li er au, Dr., Studienrat 1888 Lietzau, Fritz, Kaufmann 1910 Lievin, Dr., Geh. Sanitätsrat 1881 Löwenstein, W., Kaufmann 1911 Lohsse, Dr. med 1905 XLV I Aiifgen. im Jahre , Lorenz, Dr., Geh. Regierungsrat, Prof, an , der Techn. Hochschule .... 19C4 ! Lucass, Bankdirektor a. D. ..... 1910 'I Luchs, Assistent an der Landwirtschaft- I liehen Versuchsstation 1904 I Lüch, Fabrikbesitzer 1917 Magistrat der Stadt Danzig 1912 ; Magnussen, Hr., Geh. Sanitätsrat . . . 1904 [I Makowski, Kuratus 1911 i Mallachow, Zahnarzt 1917 V. Mangoldt, Dr., Geh. Regierungsrat, Prof. an d. Techn. Hochschule . . . 1904 Mannhardt, Prediger 1894 Marklin, Kaufmann 1912 ; Marschalk, Kaufmann 1912 ii Marsurke, Dr. med 1905 i Marx, Konsul und Bankdirektor . . . 1912 Mehrhurdt, Oberforstmeister 1913 Mende, Oberlehrer 1913 |i Mendel, Kaufmann 1904 |l Menke, Kaufmann 1917 I Meyer, Hermann, Dr. med., Sanitätsrat . 1902 Meyer, Semi, Dr. med 1901 Meyer, Karl, Landmesser 1911 Meyer, Oberlehrer 1912 Meyer, Dr. jur 1915 Meyer, Dr. phil 1915 Meyer, Dipl.-Ingenieur 1915 Mix, Ernst, Kaufmann 1910 Mix, Fabrikbesitzer 1913 Möller, Dr. med 1899 MÖrler, Direktor der „Kreda“ .... 1911 MoUing, Obertelegraphensekretär . . . 1912 I Momber, Diplomingenieur 1910 I Müller, Konsul 1912 Müller, Dr., Studienrat 1913 Muscate, Fr., Dr 1914 Museale, Dr., Kaufmann 1911 'Nagelschmidt, Dr., Betriebsinspektor . . 1914 Nass, Studienrat 1894 Nesselmann, Direktor der Kaiserl. Reichs- bank 1913 Neuhäcker, Ingenieur, Fabrikbesitzer . . 1911 Neumann, Zahnarzt 1917 Oehlschläger, Geh. Justizrat 1901 V. d. Osten-Sacken, Freih., Dr., Assistent an der Techn. Hochschule . . . 1917 Panecki, Dr. med. . 1911 Aufgen. im Jahre Paul, Kaufmann 1917 Papenfuss, Oberlehrer . 1912 Patschke, Rad., Kommerzienrat in Langf. 1910 Pauly, Ingenieur 1911 Peemöller, Oberlehrer 1909 PehmÖller, Technischer Eisen bahn-Ober- sekretär 1917 Penner, Dr., Augenarzt 1912 Pertus, Oberingenieur 1902 Petersen, Kaufmann ........ 1912 Petruschky, Dr., Prof 1897 Petschow, Dr., Fabrikbesitzer .... 1892 von Pfuel, Generalmajor, Kommandant der Festung Danzig 1915 Philipp, Dr. med., Sanitätsrat .... 1898 Plagemann, Dr. jur., Kaufmann .... 1910 Prager, Kaufmann 1912 Prodoehl, Zahnarzt 1912 Purrucker, Oberlehrer 1910 Pusch, Dr., Kreisarzt, Vorsteher des Kgl. . Med. -Untersuchungsamtes für West- preußen 1910 Pedmer, Dr., Sanitätsrat 1903 Regel, Apothekenbesitzer 1913 Rehfus, Dr., Dipl.-Ingenieur 1917 Reimann, Justizrat, Rechtsanwalt . . . 1901 Reichel, Dr. med 1911 Reichenberg, Architekt 1912 Rein, Oberlehrer 1912 Reinke, Dr.. Sanitätsrat 1891 Rhode, Fabrikbesitzer 1917 Richert, Dr., Buchdruckereibesitzer und Zeitungs Verleger 1903 Riepe, Landesbaurat 1911 Rimrott, Dr. ing., Eisenbahndirektions- . Präsident 1911 Rink, Dr., Studienrat 1911 Rimonn, Apothekenbesitzer 1917 Rodenacker, Ed., Stadtältester .... 1873 Rodenacker, H., Kapitän zur See a. D. . 1906 Rosenbaum, Dr., Rechtsanwalt .... 1906 Rosenberg, Buchhändler 1910 RÖssler, Dr., Geh. Reg.- Rat, Prof, an der Techn. Hochschule 1904 Ruhm, Rechtsanwalt 1904 Runde, Kaufmann 1900 Runge, Stadtrat 1911 Sachse, Regierungs- Assessor 1911 Sander, Redakteur 1909 XLVI Aufgen. im Jahre Saueressig, Forstassessor . . . . . . 1918 Sauerhering, Kaufmann . . . . . . 1912 Schaefer, Kaufmann .... . . . . 1885 Schahnasjan, Rentier .... . . . . 1882 Scharffenorth, Dr., Sanitätsrat . . . . 1880 Schilling, Dr,, Geh. Regierungsrat, Prof, an der Techn. Hochschule . . . . 1907 Schlomann, Dr. med. . . . . 1910 Schlüter, Studienrat .... . . . . 1879 Schmacht, Ingenieur .... . . . . 1910 Schmechel, Landschafts -Sekretär . . . . 1868 Schmidt, Oberingenieur . . . . . . . 1916 Schmidt, Reg.-Rat .... . . . . 1917 Schmidt, Dr,, Oberlehrer . . . . 1918 Schmieder, Apotheker ... . . . . 1910 Schmook, Reg.-Rat in Zoppot . . . . 1911 Schmöger,!)^., Prof., Ökonomierat, Vorstand der Versuchsstation der Westpr. Landvvirtschaftskammer . . . . 1900 Schneider, Buchhändler . . . . . . . 1915 Scholtz, Oberbürgermeister . . . . 1910 Schubert, Dr., Fabrikbesitzer . . . . . 1908 Schulz, Ad., Dr. med. . . 1904 Schulz, Ernst, Dr. med. . . . . . . 1910 Schulze, F. W. 0., Geh. Reg.-Rat, Prof, an der Techn. Hochschule . . . . 1905 Schustehrus, Dr., Sanitätsrat . . . . . 1892 Schwarz, Dr., Bibliothekar .... 1906 Schwarze, Dr., Studienrat . .... 1904 Schwer, Dr., Kreisarzt . . . . . . . 1916 ;S(?ewaww,Dr.,Geh.Regierungs-u.Medizinalrat 1903 Seering, Geh. Regierimgsrat 1912 Secker, Dr., Direktor des Stadtmuseums 1917 Seligo, Dr., Prof., Oberfisclimeister, Ge- schäftsführer des Westpreußischen Fischerei-Vereins 1898 Semrav, Dr. med 1911 Sen ff t von Pilsach, Freiherr, Landeshaupt- mann von Westpreußen .... 1910 Sieben freund, Kaufmann 1905 Sieg, Konsul, ßeedereibesitzer . . . .1911 Skerle, Fabrikbesitzer 1914 Sohnsen, Dr. med., Sanitätsrat .... 1898 Sommer, Dr,, Prof, an d. Techn. Hochschule 1905 Sonntag, Dr., Studienrat 1910 Spendlin, Prof. 1898 Spiegel, Dip]. -Ingenieur 1916 Spitzer, Kaufmann 1917 Stahr, Dr., Prosektor am Städt. Kranken- hause 1916 Aufgen. im Jahre Stecher, Dr., Oberrealschuldirektor . . . 1917 I Steiminig, Zivilingenieur 1908 Steimmig, Dr., Generalsekretär der Land- wirtschaftskammer in Danzig . . 1911 Stein, Bankdirektor 1912 1 Steinbrecher, Studienrat, Stadtschul- inspektor 1901 Stentzier, Studienrat, Dozent an d. Techn. Hochschule 1900 Stoddart, Kommerzienrat, Stadtrat . . . 1877 Storp, Dr., Oberarzt 1910 Stumpf, Kgl. Hofjuwelier 1910 Stürckow, Zahnarzt 1913 Suckau, Justizrat, Rechtsanwalt .... 1903 Suhr, Geh, Reg.-Rat, Provinzial- Schulrat 1890 Swierzewski, Dr. med. , . .... 1916 Szpitter, Dr. med 1900 Tenzer, Oberingenieur 1910 Terletzki, Dr., Prof 1902 Thun, Dr. med 1911 Trettau, Betriebsdirektor d. Kgl. Artillerie- werkstatt 1913 Treitel, Gerichtsrat 1901 Trommsdorff', Dr.. Bibliothekar an der Techn. Hochschule 1908 Tornier, Kaufmann 1916 Tott, Oberingenieur 1917 Vllrich, Kgl. Baurat 1910 Unger, Dr., Chemiker 1910 Unruh, Konsul, Kommerzienrat .... 1896 Unruh, W., Kaufmann 1911 u. Vagedes, Dr., Prof., Oberstabsarzt . . 1908 Vale?itini, Dr,. Prof., Med.-Rat, Oberarzt 1899 Viktoria - Schule, vertreten durch Direktor Dr. Tesdorpf 1911 Volkel, Frl, Oberlehrerin 1918 Völkner, Kaufmann 1916 Voigt, Albert, Ingenieur 1912 Vorderbrügge, Dr. med 1905 V. Vultejus, Geh. Regier.- und Schulrat . 1912 Wachsmann, Oberingenieur 1899 Wallenberg, Dr., Prof., Oberarzt . . . 1887 Wallenberg, Dr., Sanitätsrat 1897 Walhnuth, Oberzollrevisor 1908 Wanfried, Gerh„ Fabrikbesitzer .... 1911 Wangerin, Dr., Oberlehrer, Dozent an der Technischen Hochschule .... 1913 XLVIJ Aufgen. im Jahre von Wartenberg, Dr., Prof, an der Hochscliule 1913 V. W eickhmann, Dr., Reg:ieriingsrat . . . 1910 Wegeli, Dr. nied. . 1911 V. W enger sky^ Graf, Major 1910 Wessel, Geh. Reg. -Rat, Polizeipräsident 1894 HVe/^r, Kommerzienrat 1907 Willers, Dr., Ober-Regierungsrat .... 1892 Winkelhausen, Rud., Kaufmann .... 1904 Wisselinck, Dr. med 1904 Wohl, Dr., Geh. Reg.-Rat, Prof, an der Techn. Hochschule 1904 Wolff, Dr., Sanitätsrat 1911 V. Wybicki, Dr. med 1911 Willstätter, Bankdirektor an der Privat- Aktienbank 1914 Aufgen. im Jahre Walter, Kaufmann 1917 Wilhelms, Geh. Baurat 1917 Wach- und Schliessgesellschäft .... 1912 Zabel, Dr. med 1913 Zander, Rechtsanwalt 1910 Zessin, Kaufmann 1911 Ziegenhagen, Dr. med 1904 Ziegler, G., Kaufmann 1912 Ziehm, Albert, Brauereidirektor .... 1910 Ziehm, Generalkonsul 1912 Zimmermann, Stadtrat 1883 Zusch, Dr. med 1911 Zwerg, Kgl, Gymnasialdirektor .... 1910 Ziippke, Oberlehrer 1917 b. Auswärtige. 1 Aufgen. im Jahre Altertumsgesellschaft in Elbing .... 1884 I Altertumsgesellschaft in Graudenz . . . 1918 i Arndt, Oberlehrer in Tiegenhof .... 1912 V, Auwers, Dr., Landrat in Stuhm Wpr, . 1901 Allert, Rentier in Zoppot 1916 I Hegeng, Dr., Praktischer Tierarzt in Ohra 1911 I Bindemann, Geh. Regierungs- und Baurat in Steglitz-Berlin 1889 Bockwoldt, Dr., Prof., Oberlehrer a. D. in Neustadt Westpr 1882 Bäcker, Dr., Arzt in Oliva 1911 Bottger, Direktor d. Zuckerfabrik in Praust 1915 Bomke, Bankdirektor in Magdeburg . . 1910 Braun, Fr., Studienrat in Dt. Eylau , . 1910 Brilling, Oberveterinär in Goslar, Harz . 1910 Büchner, Buchdruckereibesitzer, Schwetz 1911 Bürger, Dr. Oberlehrer in Elberfeld . . 1916 Bläke, Landschaftsrat in Güttland p. Hohenstein 1917 Beckherrn, Kandidat des höh. Lehramts in Thorn 1911 Glaassen, Rentier in Zoppot 1918 Czachowski, Mühlenbesitzer in Oliva . . 1913 Dahms, Dr., Studienrat in Zoppot . . . 1892 Domnick, idsru?., Gutsbesitzer in Kunzendorf, Kr. Marienburg 1885 Dudeck, P., Oberlehrer in Kulmsee. . . 1906 Ehlers, Buchdruckereibesitzer in Karthaus 1896 Aufgen. im Jahre Elbing, Magistrat der Stadt 1906 Elias, Dr., Apotheker in Stettin . , . 1910 Ewert, Vorsteher d. Agentur d. Deutschen Seewarte in Neufahrwasser . . . 1910 Feldner, Apotheker in Zoppot .... 1909 Feyerabendt, Apotheker in Zerbst . . . 1917 Fleischmann, Dr., Lehrer an der Land- wirtschaftsschule in Zoppot . . . 1918 Forsterling, Dr., Privatdozent, Berlin- Charlottenburg 1918 Qalli, Privatier in Zoppot 1906 Gelhorn, Konsul in Zoppot 1914 Behrend von Grass, Rittergutsbesitzer auf Klanin, Kr. Putzig 1918 Goldfarb, Kommerzienrat in Pr. Stargard (Lebenslängliches Mitglied) . . , 1913 Gräbner, P., Dr., Prof., Kustos am Kgl. Botanischen Garten in Dahlem bei Steglitz 1894 Grott, Geh. Studienrat, Direktor der Ober- Realschule in Graudenz .... 1885 Grossmann, Pfarrer in Neufahrwasser . 1917 V. Gyldenfeldt, Rittergutsbesitzer auf Putz, Kr. Bereut Wpr 1918 Gymnasium, Königliches, in Elbing . . . 1914 Gymnasium, Königliches, in Marienburg . 1900 Gymnasium, Königliches, in Neustadt Wpr. 1900 Gymnasium, Königliches, in Pr. Stargard . 1900 Gymnasium, in Strasburg Wpr. 1900 XLVIII Aufgen. ini Jahre Heil, Königl. Wasserbauwart in Dirschau 1900 lleinick, Dr., Oberlehrer in Zoppot . . 1911 Heintz, Sekretär in Zoppot 1905 Hennig^ Studienrat in Graudenz . . . 1901 Hensel, Rittergutsbesitzer in Bissau . . . 1913 Herrmann, Geli.Reg.- u. Forstrat in Breslau 1910 V. Hertzberg, Staatsrat, Rentier in Zoppot 1918 Herstowski, Studienrat in Oliva .... 1913 Hevelke, Rittergutsbesitzer in Warschenko bei Kölln Wpr 1911 Hilbert, Dr., Geh. San.-Rat in Sensburg Opr. 1899 Höcherl, Gutsbesitzer in Pelonken bei Oliva 1903 Hohnfeldt, Dr., Studienrat in Thorn . . 1884 Ikle, Dr., Chemiker in Berlin -Zehlendorf 1917 Janzen, Apotheker in Eisenach .... 1910 Kämpfe, Dr.,Geh. Medizinalrat, Kreisarzt in Karthaus Westpr 1895 Kiesow, Dr., Arzt in Polajewo (Posen) . 1910 Klinge, Dr., Arzt in Oliva 1910 Komorowski, Schulrat in Dirschau . . . 1914 Kreis- Ausschuss in Karthaus Westpr. . . 1902 Kr eis- Ausschuss in Strasburg Westpr. . . 1874 Krickau, Oberlehrer in Dt. Eylau . . . 1912 Kurowski, Prof, in Pelplin 1906 Lange, Oberlehrer in Neustadt . . . .1913 Landwirtschaftlicher Verein Neuteich, ver- treten durch Herrn Gutsbesitzer Torrn er-3>ampenau 1917 Lehrerseminar, Kgl., in Bereut Wpr. . . 1911 Lentz, Dr., Prof., Oberlehrer in Zoppot (Einheimisches Mitglied 1902) . . 1910 JJnck, Rittergutsbesitzer auf Stenzlau, Kr. Dirschau 1879 Linssen, Dr., Kand. des höh. Lehramts in Oliva 1913 Lietzau, Kaufmann in Zoppot .... Mangold, Dr., Kreisarzt in Allenstein . 1912 Meyer, A., Oberlehrer in Zoppot . . . 1908 Molly, Ingenieur in Berlin-Lichterfelde . 1911 Momber, Regierimgsrat in Berlin -Dahlem 1910 Morwitz, Jos., Kaufmann in Philadelphia, 614. Chesterroad U. S. A. . . . 1871 Moser, Rittergutsbesitzer auf Buschkau bei Karthaus 1917 Müller, Dr., Studienrat in Elbing . . . 1918 j Mürau, Gutsbesitzer in Oliva .... 1909 Nebel, Reg.-Baumeister in Briesen . . . 1911 Aufgen. ini Jahr& Oberbergamt, Koni gl., in Breslau . . . 1890 Oberfeld, Oberamtmann auf Dominium Lappin bei Danzig 1917 Oestreich, Oberleutnant im Felde . . . 1913 V. Oldenburg, Kammerherr, Rittergutsbes. auf Januschau, Kr. Rosen berg . 1913 Palm, Schulrat in Zoppot Paschke, Realschullehrer in Dirschau . . Paullig, Dr., Arzt in Zoppot Peters, Rentner in Zoppot Preuss, Dr., Seminaroberlehrer, Löbau Prochnow, Franz, Apotheker in Oliva . . Progymnasium, Königliches, in Löbau . . Progymnasium, Königliches, in Neumark . Progymnasium, Königl., in Pr. Friedland Itealprogymnasium, KÖnigl., in Riesenburg W estpr Realschule, Königliche, in Dirschau . . . Realschule, Königliche, in Kulm . . . . Reinecke, Dr., Oberlehrer in Zoppot . , Roese, Rechnungsrat in Zoppot . , . . Romberg, Stabsapotheker in Graudenz Rosentreter, Apotheker in Zoppot . . Rottenburg, Dr., Glasgow (Schottland) (Lebenslängliches Mitglied) . . . Dr., Prof., Abteilungsvorsteher am Kais.Wilhelmä-Institut in Bromberg Scheffler, Lehrer a. D. in Zoppot . . . Schimanski, Dr., Geh. Sanitätsrat in Stuhm Schmelzer, Rittergutsbesitzer in Zoppot . Schnaase, Studienrat in Pr. Stargard . . Schnibbe, Kunstgärtner in Schellmühl bei Danzig Schröter, Dr., Pfarrer in Pelplin . . . Schütz, Oberlehrer in Dirschau . . . . Schultz, Kgl. Forstmeister in Oliva . . Semon, Dr., Sanitätsrat in Königsberg (Einheimisches Mitglied 1893) . . Speiser, Dr., Kreisarzt in Labes i. Pomm. Stadtbibliothek in Königsberg Opr. . . . Stadt. Körperschaften von Neustadt . . Stach, Marinebaurat in Elbing . . . . Stobbe, Kaufmann in Hamburg-Lockstedt Simon, Dr., Landrat in Karthaus . Schottier, Kommerzienrat, Fabrikbesitzer, Lappin bei Danzig V. Slaski, Dr., Rittergutsbes. auf Wabz, Kr. Kulm 1901 1917 1883 1880 1905 1903 1900 1897 1900 1884 1900 , i 1900 l 1910 I ^ 1912 I 1906 I 1906 I 1909 I 1883 1905 1913 1904 t 1910 1901 1899 1913 1912 1914 1917 1917 1913 XLIX Aufgen. im Jahre vo/i Tiedemann, Rittero’utsbesitzer auf Rossoschiii, Kreis Danziger Höhe 1913 Timm, Oberpostsekretär in Zoppot . . 1917 Tümmler, Studienrat in Zoppot . . . .1913 Vogt, Hauptmann im Felde 1918 Weichbrodt, Major z. D. in Zoppot . . 1912 Weidmann, Rechtsanwalt in Karthaus . 1910 Weiss, Justizrat (Einheim. Mitg'l. 1890) in Wiesbaden 1890 Wiehe, Oberstleutnant z. D. in Oliva . . 1906 Wissenschaftliche Gesellschaft für Lvft- fahrt in Berlin AV 35 1916 Aufgen. im Jahre Wittich, Regierungsrat in Zoppot (Ein- heimisches Mitglied 1902) . . .1910 Wocke, Kgl, Garten-Inspektor in Oliva . 1900 Woljf, Amtsvorsteher in Silberhammer bei Danzig 1910 Wollschläger, Apotheker in Zoppot . . . 1912 Wundermacher, Rechtsanwalt in Neustadt Wpr 1912 Weyl, Frau Lyzeum-Direktorin in Zoppot 1918 Zehr, Photograph in Elbing ..... 1896 Zynda, Lehrer a. D. in Zoppot .... 1883 B. Mitglieder des Vorstandes der Gesellschaft. Fitr das Jahr 1918 sind gewählt worden als: Direktor: Studienrat Dr. Lakowitz. Vizedirektor: Hochschulprofessor Dr. Krüger. Sekretär für innere Angelegenheiten: Oberarzt Professor Dr. Adolf Wallenberg. Sekretär für äußere Angelegenheiten: Direktor des Westpreuß, Provinzial-Museums Prof. Dr. Kumm. Schatzmeister: Bankier Dr. Damme. Bibliothekar: Studienrat Dr. Dahns. Hausinspektor: Ingenieur August Zimmermann, Stadtrat. Beisitzer: Studienrat Evers. Beisitzer: Professor Dr. med. Petruschky. Beisitzer: Hochschulprofessor Dr. Sommer. Vorsitzender der Anthropologischen Sektion: Professor Dr. Kumm. Vorsitzender der Sektion für den naturwissensch. u. mathem. Unterricht: Oberleher Tanzen. Vorsitzender der Medizinischen Sektion: Oberarzt Dr. Storp. Vorsitzender des Westpreußischen Fischerei-Vereins: Regierungsrat Dr. Dolle. Vorsitzender des Westpr. Vereins für öffentliche Gesundheitspflege: Landesrat Claassen. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 4. 4 L Bericht über die Feier aus Anlass des 175 jährigen Bestehens der Natur- forschenden Gesellschaft zu Danzig am 2. Januar 1918. Erstattet vom Direktor der Gesellschaft, Prof. Dr. Lakowitz. Der Ernst der Zeit verbietet jedes geräuschvolle Fest, und der Gedanke an eine große Festlichkeit, wie sie das 150 jährige Jubiläum der Gesellschaft 1893 brachte, mußte verworfen werden. Der Vorstand beschloß aber, den Tag, an dem unsere Gesellschaft auf eine nunmehr 175 jährige, ununterbrochene Tätigkeit zurückblicken darf, ‘durch eine feierlich ausgestaltete, wissenschaft- liche Sitzung zu begehen und so den Wünschen der Beteiligten und den Gepflogenheiten wissenschaftlicher Körperschaften zu entsprechen. Den Ein- ladungen zu dieser akademischen Feier hatte man gern Folge gegeben, und zahlreiche Mitglieder und Gäste waren im großen Sitzungssaal des Gebäudes der Gesellschaft in der sechsten Kachmittagsstunde versammelt. Der Direktor der Gesellschaft eröffnet die Sitzung mit folgenden AVorten: Euere Exzellenzen, geehrte Herren und Damen, hochansehnliche A^er- sammlung! Mit den besten allseitigen Wünschen zum neuen Jahr, das neue liuhmestaten unseres Heeres und der Heere unserer Bundesgenossen und dadurch den ersehnten Frieden bringen wird, habe ich die Ehre, Sie alle, werte Mitglieder, geehrte Gäste, Gönner und Freunde unserer A^ereinigung. willkommen zu heißen. Mit Freude und Genugtuung stelle ich zugleich Ihre starke Beteiligung aus nah und fern an dieser A^eranstaltung heute fest und erblicke darin dankerfüllt einen neuen Beweis für Ihr großes Interesse an den Geschehnissen unserer Gesellschaft. Ich bedauere aber sehr, unser in Danzig lebendes, ältestes Mitglied (seit 1863) und zugleich ältestes Ehrenmitglied und früheren, langjährigen Direktor der Gesellschaft. Herrn Geh. Studienrat Prof. Dr. Bail, hier persönlich nicht begrüßen zu können; der heute wütende Schneesturm hat den Fünfundachtzig- jährigen ferngehalten. Durch seinen Ihnen bekannten Aufruf zu einer Julii- LI länmsstiftiing liat der rührig Tätige zu diesem Feste erfolgreich mitgCwirkt ; ein Begrüßungstelegramm an ihn dürfte der Yersammlnng erwünscht sein (Zustimmung). Hochansehnliche Versammlung! Der 2. Januar 1918 soll ein Tag der Erinnerung, der inneren Sammlung für uns werden. Ein kurzer Rückblick dürfte daher zweckdienlich sein, zumal die zahlreichen neuen Mitglieder aus den jüngst verflossenen Jahren über den Werdegang unserer alten Gesellschaft im ganzen nur wenig unterrichtet sein dürften und es gewiß nicht ungern sehen werden, heute etwas darüber zu erfahren. Es verlohnt sich, einiges aus dem Entwickelungsgang unserer Gesellschaft mitzuteilen, da deren Tätigkeit in die Reihe der großen Faktoren gehört, die die Fortschritte unserer heimat- lichen Kultur bedingen. Solches behauptete wenigstens unser früheres Ehren- mitglied Oberpräsident v. Goßler bei Gelegenheit des 150 jährigen Stiftungs- festes der Gesellschaft. Wir werden diesem ausgezeichneten Kenner der Ver- hältnisse gern zustimmen, besonders wenn wir bedenken, daß unsere Jubilarin in den 1% Jahrhunderten ihres Bestehens all die politischen und wirtschaft- lichen Wandlungen und Schwankungen der alten Hansastadt Danzig und des Weichsellandes Westpreußen an ihrem eigenen Leibe zu spüren gehabt hat. und wenn wir ferner beachten, daß die führenden Männer in diesem weiten Gebiet einst und jetzt zu den Mitgliedern unserer Gesellschaft zählen. Sehr geehrte Herren und Damen! Fürchten Sie nicht, daß ich Ihnen nunmehr die Geschichte unserer Gesellschaft vortragen werde. Dazu würden der heutige Abend und Ihre Geduld nicht ausreichen; es wäre auch ein über- flüssiges Unternehmen, denn eine vorzüglich geordnete, ausführliche Geschichte können Sie bequem im 2. Heft des achten Bandes der neuen Folge unserer ,, Schriften“ nachlesen. Da finden Sie über die Zeit von 1743 bis 1893 Mit- teilungen des verewigten Mitgliedes Prof. Schumann, die Sie interessieren werden und die erkennen lassen, daß die Geschichte unserer Gesellschaft ein gewichtiges Stück aus der Geschichte der engeren Heimat darstellt. Meine Aufgabe soll es nur sein, einige kennzeichnende Merkpunkte aus dem Leben der Jubilarin hervorzuheben und die Spanne Zeit von 1893 bis zur Gegenwart zu überbrücken. Denken wir uns für wenige Minuten in die Zeit um 1700 zurückversetzt. In der ersten Bearbeitung der Geschichte Danzigs von Prof. Simson, dessen frühen Tod im abgelaufenen Jahre unsere Gesellschaft tief beklagt, heißt es, daß das geistige Leben damals in unserer Stadt trotz des deutlichen Nieder- ganges im politischen und wirtschaftlichen Leben recht rege war. Der Danziger stand damals gern in anregendem Verkehr mit der Außenwelt. Reisen der jungen Patrizier, auf denen sie sich Welterfahrenheit und feinen Schliff aneigneten, galten für unerläßlich und führten nicht selten ins Aus- land. So blieb auch die Berührung mit dem künstlerischen und wissen- schaftlichen Leben des In- und Auslandes gewahrt. Die Namen des Astro- nomen Hevelius, des Botanikers Breyne, des als Naturforscher bekannten 4* Lll . Arztes Gottwald erstralilteii aus Danzigs Mauern in die weite Ferne. Es ist die erste Periode des Aufblühens der Naturwissenschaften. Die Erfolge der physikalischen Forschung erfüllten die Zeitgenossen mit Bewunderung für die Naturwissenschaften. Ein erfolgreicher Naturforscher ferner war bei uns Theodor Klein, ein Beamter der Stadtverwaltung hier, der wegen seiner umfassenden Kenntnisse der Plinius des Weichsellandes genannt wurde. Fahrenheit, dessen Skaleneinteilung am Thermometer vom Jahre 1710 be- kannt ist, Beyger, dessen Name gleichfalls mit dem Ausbau des Thermo- meters in Verbindung steht, waren Danziger Bürger. Es lebte in der Nähe Danzigs der als Naturforscher bekannte Joii. Reinhold Förster, der mit seinem Sohn Georg den Entdecker Cook auf seiner zweiten Weltumsegelung 1772—1775 begleitete. Diese Vorliebe für die Naturwissenschaften führte in Danzig 1743 zur Begründung unserer Naturforschenden Gresellschaft. Einem jüngeren in der Verwaltung der Stadt tätigen Bürger und späteren Bürgermeister Daniel Gralath gelang es, gleichgesinnte, für die physikalische Forschung inter- essierte Mitbürger zu einer societas physicae experimentalis — das ist der ursprüngliche Name unserer Gesellschaft — zu vereinigen. Es war die Zeit, in der die Wissenschaft von der Reibungselektrizität zur Blüte gelangte. An der elektrischen Verstärkungsflaschc oder Leidener Flasche hat Gralath wichtige neue Beobachtungen gemacht. Die von ihm zusammengeführte Vereinigung war in der Absicht begründet, wissenschaftliche, physikalische Versuche zustandezubringen, die dem einzelnen versagt waren infolge der zu hohen Kosten für die zu solchen Versuchen erforderlichen Apparate und Einrichtungen. Ernstestes Studium im engen Kreise war der gemein- same Arbeitsplan zunächst für die Physik, später auch für die anderen Zweige der Naturwissenschaft. Nur akademisch Gebildete wurden in die Gemein- schaft aufgenommen, ein hohes Eintrittsgeld und laufende Jahresbeiträge lieferten die zu den Experimenten nötigen Geldmittel. Am 2. Januar 1743 fand die erste Sitzung der jungen Gesellschaft statt; dieser Tag gilt als Stif- tungstag. Gralath leistete Tüchtiges, und in der Geschichte der Physik hat er sich einen geachteten Namen erworben. Neun Männer, deren Bildnisse die Wände unseres großen und des kleinen Sitzungssaales zieren, waren die Be- gründer der Gesellschaft, andere schlossen sich bald an, trotz der hohen Bei- träge und der Ungunst der Zeitverhältnisse; drohte doch im 7 jährigen Kriege wiederholt die Belegung Danzigs mit russischen Truppen, und brachte die erste Teilung Polens 1772 die freie Stadt Danzig durch die Absperrungs- politik Friedrichs des Großen in eine gar schlimme wirtschaftliche Bedrängnis. Erst durch die zweite Teilung Polens 1793, bei der Danzig preußisch wurde, besserte sich die Lage. Ein neues Aufblühen der Stadtgemeinde begann. Doch schon 1807 mit der Besetzung der Festung Danzig durch die Franzosen begann jene Zeit schwersten Unglücks. Die Bevölkerung von heute in Stadt und Land weiß es nicht, ahnt es gar nicht, wie gut im Verhältnis zu damals Llll sie es in der Gegenwart trotz des großen Krieges hat. Die gegenwärtige, wirtschaftlich schlimme Lage ist ja das reine Kinderspiel im Vergleich mit den Drangsalen der Zivilbevölkerung in den Jahren der Franzosenherrschaft hier 1807 bis Ende 1813. Und in jenem Jammer schlimmster Zeiten, die unsere Stadt jemals durchgemacht hat, bestand unsere festgefügte Natur- forschende Gesellschaft unentwegt. Das verdient rühmend hervorgehoben zu werden. Ein kritischer Tag für sie wurde der 25. März 1812. Die Mitgliederzahl war auf 16 herabgesunken, neue Mitglieder hatten sich seit Jahren der hohen Beiträge wegen nicht gemeldet; nur selten waren wissenschaftliche Sitzungen zustandegekommen. Da stellte der derzeitige Direktor, der Medizinalrat und als Meteorologe bekannte Dr. Kleefeld, den Antrag auf Auf lösung der Gesell- schaft. Eine geringe Majorität unter Führung des Schöppen Schmidt lehnte den Antrag ab. Schmidt übernahm das Direktorat, und der Versuch einer Weiterführung der Arbeiten gelang. Die Gesellschaft hielt selbst im bösen Jahre 1813, während die Kanonen der Belagerer, diesmal der Preußen und Küssen, Tod und V erderben in die gepeinigte Stadt sandten, ihre wissen- schaftlichen Sitzungen — im ganzen werden deren 8 gemeldet — ab. Und als endlich am 2. Januar 1814 — dem 71. Geburtstag unserer Gesellschaft — Danzig von der FranzosenheTrschaft erlöst wurde und das Leben in der aufs schwerste vom Unglück heimgesuchten Stadt mühsam sich wieder ent- faltete, stieg auch die Arbeitsfreudigkeit in der mutig ausharrenden Gesell- schaft. Der Mitgliederbestand hob sich, besonders als das inzwischen ermäßigte Eintrittsgeld schließlich ganz fortfiel. Seit 1818 gab es zwei Gruppen von Mitgliedern, akademisch vorgebildete, die ordentliche Mitglieder hießen, zu wissenschaftlichen Arbeiten sich verpflichten mußten, und hierzu nicht verpflichtete, außerordentliche Mitglieder ohne akademische Vorbildung. Nur die ersteren aber waren in den Sitzungen stimmberechtigt. Diese bis Anfang der 60 er Jahre des vorigen Jahrhunderts beibehaltene, aber nicht mehr zeitgemäße Bestimmung bewirkte, daß schließlich 1862 neben 43 ordent- lichen Mitgliedern nur noch 3 außerordentliche Mitglieder ausgehalten hatten. Da wehte in die exklusive Gemeinschaft ein kräftiger Hauch neuzeit- licher Auffassung hinein, und hierbei zeigte sich von neuem die enge Be- ziehung zwischen der Stadtverwaltung und unserer Gesellschaft. Diesen auf- klärenden Hauch brachte 1862 der neue Oberbürgermeister von Danzig L. VON Winter. Er setzte eine Statutenänderung durch. Der Unterschied zwischen ordentlichen und außerordentlichen Mitgliedern kam in Wegfall: es gab fortan ausschließlich Mitglieder mit gleichen Hechten (einheimische und auswärtige), die zur Zahlung eines Jahresbeitrages verpflichtet waren, außerdem wie früher beitragsfreie korrespondierende und Ehrenmitglieder. Eine andere wichtige Änderung betraf den § 1 der Satzung, der fortan lautete und heute noch gilt: Die Naturforschende Gesellschaft hat den Zweck, die Naturwissenschaften nach allen Richtungen hin und unter LIV besonderer Berücksiclitigiing der Verhältnisse der Provinz zu fördern und zur Erweiterung naturwissenscliaftliclier Kenntnisse unter den Bewohnern der Provinz beizutnagen. Hiermit trat der bisher eng geschlossene Kreis der Grelehrten an die breite Öffentlichkeit. Die Gresellschaft erhielt nun aus den weiteren Kreisen des gebildeten Laienpublikums ihre Mitglieder. Die Vorträge in den Sitzungen bekamen eine allgemein verständliche Aus- gestaltung. Streng wisisenschaftliche V orträge wurden besonderen Fach- sektionen zugcAviesen, deren es gegenwärtig fünf gibt. An die Spitze der G-esellschaft trat mit dem Beginn des Jahres 1865 Professor Dr. Uail. Er machte jene Statutenberatungen mit und waltete dann noch 29 Jahre seines Amtes mit Erfolg. Koch in demselben Jahr stieg die Zahl der Mitglieder auf 75. Es waren die Zeiten, die durch kriegerische Ereignisse schließlich zur kräftigen, wirtschaftlichen Entwi(?kelung in deutschen Landen führten. Kebenher ging der gewaltige Aufschwung der Katurwissenschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Unsere Gesellschaft erlebte eine Zeit neuer Blüte. Im Jahre 1882 zählte sie 270 einheimische und 112 auswärtige Mitglieder. Danach schwankten die Zahlen um weniges' hinab und hinauf und stiegen erst kräftig mit dem Jahre 1910, so daß beim Ausbruch des Krieges 1914 mit im ganzen 417 einheimischen und 142 auswärtigen Mit- gliedern die Höchstzahl überhaupt erreicht wurde. Und auch jetzt mit dem Schluß des Jahres 1917 werden immer noch 403 einheimische und 135 aus- wärtige Mitglieder gezählt, so daß im ganzen 538 zur Beitragzahlung ver- pflichtete Mitglieder vorhanden sind. Dazu kommen 53 beitragsfreie Korre- spondierende und Ehrenmitglieder. Zu erhoffen ist mit dem kommenden Frieden, der dem unteren Weichsellande und der Hafenstadt Danzig einen neuen wirtschaftlichen Aufschwung bringen muß, auch ein sehr erwünschtes und zu erstrebendes Anwachsen des Mitgliederbestandes unserer Gesellschaft. Bitte helfen Sie mit, solches zu erreichen! Meine Herren und Damen! Ich verweilte lange bei diesen vergleichenden Betrachtungen der Mitgliederbewegung. Es geschah, weil solche Schwankun- gen im Mitgliederbestände auch eines wissenschaftlichen Vereins bei richtiger Auswertung einen brauchbaren Maßstab abgeben für die Beurteilung des inneren Lebens, der Bedeutung nach außen und der allgemeinen Wertschätzung der betreffenden Vereinigung durch die Zeitgenossen. Die Leistungsfähigkeiten eines Vereins steigen und fallen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und diese Mittel wieder zum großen Teil mit der Anzahl der beitragspflichtigen Mitglieder, wenn nicht ungewöhnlich große Kapitalien die materielle Grund- lage der Vereinigung von den Einwirkungen solcher Schwankungen frei- machen. Solche Schwankungen sind unserer Gesellschaft leider nicht erspart geblieben. Zunächst schufen die hohen Eintrittsgelder neben den laufenden Jahresbeiträgen in der ersten Zeit eine leistungsfähige Kasse, die allerdings für die Anschaffung kostspieliger Apparate stark in Anspruch genommen wurde. Die im allgemeinen recht wohlhabenden Mitglieder ließen es sich LV außerdem niclit iielimeu, durch ansehnliche Geldschenkungen im Notfälle mit- zuhelfen. Dazu kamen Yermächtnisse, z. B. von Reyger, von Verch, und vor allem von Nathan Math, von Wolfe, der 1783 seine aus eigenen Mitteln auf dem Bischofsherg erbaute und mit Instrumenten ausgerüstete Sternwarte letztwillig der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig vermachte, dazu ein Kapital von 36 000 M, von dessen Zinsen ein Astronom angestellt und die Warte weiter unterhalten werden sollte. v. Wolff starb 1784. Doch da kamen die fürchterlichen Kriegsjahre von 1807 bis 1814 und mit ihnen der allgemeine wirtschaftliche Yerfall, in den unsere Gesellschaft mit hinein- gerissen wurde. Die Sternwarte sank in Trümmer, die vor dem Kriege auf Grundstücke in der Stadt eingetragenen Kapitalien gingen bei der Entwertung dieser Grundstücke ganz oder zum Teil verloren. Für die zertrümmerte Stern- warte gewährte erst nach langen Yerhandlungen der Staat eine Entschädigung von 13 864 M. Im übrigen suchte man durch größte Sparsamkeit Verlorenes wieder gutzumachen. Als 1865 die Gesellschaft durch das neue Statut eine wesentliche Erweiterung seines Mitgliederkreises erfuhr, gesundeten auch einigermaßen die Kassenverhältnisse. Die preußische Provinzialverwaltung g'ab zum Ausbau zweier Sammlungsräume im ganzen 18 000 M und gewährte weiter auf Betreiben des Herrn von Winter einen jährlichen Zuschuß zu den allgemeinen Kosten, der nach der Teilung der Provinz erhöht Avurde. Die Königliche Staatsregierung bewilligte einen Zuschuß zu den Kosten der Stern Avarte. In hochherziger Weise stellte der Danziger Sparkassenaktien- A^erein beträchtliche Summen zur Herstellung der architektonisch schönen Giebelfronten des Hauses der Gesellschaft zur Verfügung; ein stattliches Ver- mächtnis des Astronomen der Gesellschaft Dr. Kayser trat 1907 hinzu; Geldgeschenke einzelner Mitglieder aus besonderen i^nlässen bekundeten die OpferAvilligkeit der Geschenkgeber. Zum hundertjährigen Geburtstag A. V. Humboldts 1869 AAmrde eine Stipendien-Stiftung, die Humboklt-Stif- tung, begründet zur Unterstützung naturwissenschaftlicher Arbeiten. Dazu ist jetzt die Jubiläumsstiftung von 1918 gekommen. Weise Sparsamkeit, ohne vor nützlichen und notwendigen Ausgaben ängstlich zurückzuschrecken, zeichneten die Kassenführung stets aus. Zu besonderem Dank in dieser Beziehung ist die Gesellschaft ihrem verewigten Schatzmeister, Kommerzienrat Münsterberg, verpflichtet, der bis 1914 durch nicht AAmniger als 29 Jahre die Kasse erfolgreich führte. Den Einnahmen standen im Laufe der Zeiten beträchtliche Ausgaben in Avechselnder Höhe gegenüber. Apparate, astronomische Instrumente, die Anstellung eines Astronomen, dazu in den letzten 25 Jahren die Einstellung eines Feinmechanikers und die Einrichtung einer mechanischen Werkstatt bei unserer astronomischen Station, vor allem der Ankauf eines eigenen Heims im Jahre 1845, durch den das bis dahin unvermeidliche Hin- und Herziehen mit den Sammlungen in Mietsräumen endlich beseitigt AAuirde. der Ausbau des Turmes dieses Gebäudes zur SternAvarte mit Drehkuppel, der innere Um- LVl bau zweier Böden zu Sammluiigsräumen, die äußere Ausbesserung der Giebel, der Ankauf der drei Nachbargebäude und die Durchführung eines Neiibaues an deren Stelle zwecks Gewinnung eines zeitgemäßen Sitzungssaales und geeigneter Bäume für die große Büchersiammlung und Ausgaben für diese selbst, sowie ein Beitrag zu den Kosten für den Erweiterungsbau des Provinzial- museums im Jahre 1885 verschlangen gewaltige Summen. Aber trotz alledem ging es, wenn auch langsam, hinan, freilich mußte so mancher schöne Plan, der sich auf die bessere Ausgestaltung unserer Veröffentlichungen bezieht, vorläufig noch zurückgestellt werden. Müssen wir doch jetzt unsere Kraft zusammen- fassen, um den längst gehegten und für notwendig erklärten Plan einer neuen Sternwarte außerhalb des Dunstkreises der engeren Stadt auf dem erhöhten Gelände hinter der Hochschule durchzuführen — einen Plan, der von maß- gebenden Stellen seine Unterstützung findet und der dank der Bereitwilligkeit der Königlichen Staatsbehörde seiner Ausführung entgegenreift. Die eigentliche Tätigkeit unserer Gesellschaft stand seit dem ersten Tage ihres Bestehens, wie nicht anders zu erwarten, im Zeichen strengster Wissen- schaftlichkeit. Die wissenschaftlichen Arbeiten eines Gralath, Hanow, Klein, Reyger, Kleefeld, Bathke, Strehlke, Gronau, Anger, vonSiebold, Menge, Lievin unter den verstorbenen Mitgliedern und etlicher noch leben- der Mitglieder haben schnell in der Gelehrtenwelt volle Anerkennung gefun- den. Staunenswert ist es, wie die arbeitenden Mitglieder im einzelnen und die Gesellschaft im gmnzen in den vielen Jahrzehnten ihres Bestehens so Bedeutendes leisten konnten, trotzdem die Hilfsmittel einer Universität hier am Orte fehlten. Alles mußte aus eigener Kraft gewonnen werden, Sammlungen von Naturobjekten, Apparaten und Instrumenten, und eine stattliche Eachbibliothek. wobei der Verkehr und der Austausch mit verwandten Gesellschaften, Vereinen, Instituten, Hochschulen und Universitäten des In- und Auslandes kräftig mit- halfen. Diese unerniüdliche und erfolgreiche Tätigkeit bedeutet ein glänzendes Zeugnis wiederum für die Zähigkeit. iVusdauer und Leistungsfähigkeit deutschen Forschungstriebes. Wie atmete die Gesellschaft auf, als zur Zeit des Oberpräsidenten von Oossler der Gedanke der Begründung einer Uni- versität oder Technischen Hochschule für Westpreußen in Fluß kam, wie eifrig half auch sie den Boden bereiten, auf dem die Vahl gerade einer Technischen Hochschule heranreifte. Der Herbst 1904 brachte das lange erhoffte Geschenk naturwissenschaftlicher Institute ersten Banges für Danzig. Gern und reichlich werden diese neuen Einrichtungen auch von den Mit- gliedern unserer Gesellschaft benutzt, wie anderseits die Gesellschaft die Freude hat, Herren der Hochschule zu den Ihrigen zählen zu dürfen. Zu den streng wissenschaftlichen Arbeiten in den von der Gesellschaft herausgegebenen ,, Schriften“ und in umfangreichen Sonderpublikationen von Göppert und Menge, Conwentz und dem Anthropologen Lissauer gesellt sich der wissenschaftliche Betrieb in den Hauptversammlungen wie in den Sitzungen der Faebsektionen. Großen Anklang fand und findet die seit 1895 LVIl bestehende, von meinena Amts Vorgänger, Professor Momber, geförderte V er- anstaltung öffentlicher, leichtverständlicher Vorträge im erweiterten Kreise der Gesellschaft vor Herren und Damen, eine Einrichtung, die der Gesell- schaft zugleich die Bekanntschaft und lebhafte Verbindung mit zahlreichen berühmten Gelehrten und Forschungsreisenden Deutschlands und des Aus- landes gebracht hat. Es sorgt die Gesellschaft für die Verbreitung gesicherter naturwisisenschaftlicher Tatsachen auch in der weitesten Öffentlichkeit. So sind strenge Wissenschaftlichkeit und die volkstümliche Verbreitung ge- sicherter Erkenntnis der Natur die beiden festen Eckpfeiler des Lehrgebäudes -Unserer Gesellschaft, und so möge es auch fernerhin bleiben. Meine Herren und Damen, die Wissenschaft ist Friedensarbeit, und nur im Frieden kann sie wirklich gedeihen. Die Wackeren da draußen an den Fronten erkämpfen diesen Frieden. Wie unendlich dankbar müssen wir ihnen dafür sein. Wir, die wir in der Heimat Zurückbleiben mußten, helfen ihnen nach Kräften ihr schweres Los erleichtern und eifern ihnen nach in strengster Pflichterfüllung an dem Platze, auf den wir gestellt sind. Der Friede beginnt seine schützenden Fittiche zu entfalten, das dräuende Gewölk zerreißt, und der Blick in eine sonnige Zukunft wird frei. Dies mag das Geschenk eines gütigen Geschickes für das neue Jahr sein. Mit diesem Trost und dieser Hoffnung schreitet unsere Gesellschaft in das letzte Viertel ihres zweiten Jahrhunderts wissenschaftlicher Tätigkeit. Heiche Schätze der Wissenschaft sind in der unergründlichen Natur noch zu heben, mag unsere Gesellschaft sich ihren Teil daran sichern. Willige und erfolgreiche wissen- schaftliche Arbeiter stehen in ihren Beihen, bereit, jene Schätze zu heben; möge ihnen die Kraft dazu nie fehlen. Und auch in der Zukunft werden sich in unserer Stadt und Provinz immer Männer finden, die sich uneigennützig der Pflege der idealen Güter des Lebens widmen, zur eigenen inneren Befrie- digung, in dem Bewußtsein, im Dienste des Guten zu stehen und zum Huhme unserer Gesellschaft, zum Heil dieser Stadt, zum Segnen des Vaterlandes. Das walte Gott! ^ Der zweite Punkt der Tagesordnung der Sitzung war der V o r t r a g des Herrn Hochschulprofessor Dr. Sommer : ,,Der Anteil der ver- schiedenen Kulturvölker an der Entwickelung der Mathematik.“ Der Vortrag ist als besondere Abhandlung in diesem Heft der ,, Schriften“, Seite 48 — 66, wörtlich wiedergegeben. Es erfolgte hierauf die Darbringung von Glückwünschen: Zunächst nahm Herr Oberpräsident, Exzellenz von Jagow, das Wort und wies auf die großen Verdienste der Gesellschaft im allgemeinen hin, zugleich hervorhebend, ,,daß die Gesellschaft infolge der Tatkraft ihrer Mit- glieder, besonders an Gelehrten und Beamten, auch in schwereren und kriege- rischen Zeiten erfolgreich weitergewirkt habe, ihre volle Wirksamkeit aber nur im Frieden entfalten könne. Daher“ — so fuhr Redner fort — „wünsche ich ini LVIIl besonderen ancli der G-esellscliaft für ihr Jnbilänmsjahr einen deutsehen Frieden, der die Grundlage für Erhaltung und Stärkung deutscher Macht und wissenschaftlichen Aufblühens und zugleich für ein erweitertes Wirken der Gesellschaft geben möge. Dann habe ich als Präsident des Provinzialschul - kollegiums noch dessen Glückwünsche hinzuzufügen und auf die enge Yer- bindung zwischen der Gesellschaft und dem Provinzialschulkollegium bzw. den höheren Lehranstalten hinzuweisen, deren Tätigkeit durch die Gesell- schaft einen wertvoll en, weiteren Ausbau erhielt, während anderseits den Lehrern durch ihre Mitgliedschaft und wiederholte erfolgreiche Leitung der Gesellschaft Gelegenheit zu ihrer weiteren Ausbildung gegeben wurde“. Redner schließt mit dem Wunsche, daß das Jahr 1918 der Gesellschaft die lange geplante neue Sternwarte bringen möge. — Darauf Herr Landeshauptmann F r e i h e r r Senfft von Pilsach- Danzig: ,,Sehr geehrter Herr Direktor, hochansehnliche Yersammlung! Der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig bringe ich zur heutigen Feier ihres 175 jährigen Beistehens die wärmsten Glückwünsche der West- preußischen Provinzialverwaltung dar, wie das betreits nach Ablauf der ersten anderthalb Jahrhunderte geschehen konnte. Während dieses langen Zeitraumes hat sich Ihre Gesellschaft durch ihre wissenschaftlichen Leistungen über die Grenzen unseres engeren und Av eiteren Yaterlandes hinaus rühmlichst bekannt gemacht. Dabei hat sie doch niemals den Zusammenhang mit ihrer Heimat aus dem Auge verloren, und sie hat wegen ihres bodenständigen Charakters nicht bloß das Ansehen unserer alten Hansastadt Danzig mehren helfen, sondern auch Zeugnis dafür abgelegt, daß in den Landen, in denen einst ein Koppernikus wirkte, auch heute noch deutscher Forschergeist unermüdlich tätig ist. Zu bleibender Dankbarkeit verbunden fühlt sich Ihrer Gesellschaft die Provinz Westpreußen namentlich wegen Ihrer Yerdienste um die Gründung des Provinzial-Museums, zu dessen Sammlungen Sie durch die hochherzige Überweisung Ihrer naturwissenschaftlichen und vorgeschichtlichen Erwerbungen im Jahre 1880 den Grund gelegt haben. Der Provinzial- Ausschuß hat es sich nicht nehmen lassen wollen, seine Anteilnahme an Ihrer heutigen Jubelfeier durch die Überweisung einer Fest- gabe von 1000 M zu betätigen, deren Yerwendung dem Ermessen Ihres Yor- standes überlassen bleibt. Es gereicht mir zur Genugtuung, Sie hiervon zu benachrichtigen. Möge es Ihrer Gesellschaft vergönnt sein, auch weiterhin ihre bewährte Wirksam- keit zu entfalten und zur Bereicherung des menschlichen Naturerkennens beizutragen.“ Herr Oberbürgermeister SCHOLTZ-Danzig : „Namens der Stadt Danzig spreche ich der Naturforschenden Gesellschaft die herzlichsten Glückwünsche zum heutigen Tage aus. LIX AVie der Herr Direktor der Gesellscliaft bereits dargelegt liat, ist die Geisellsohaft mit der Stadt eng verbunden. Hervorragende Mitglieder der Gesellschaft haben wichtige Ämter in der städtischen Verwaltung bekleidet. Ich nenne vor allem den Gründer der Naturforschenden Gesellschaft, den späteren Bürgermeister Gralath, dem die Stadt die weitberühmte Große Allee verdankt. Ich erinnere daran, daß bei Gelegenheit der 150 jährigen Jubelfeier Ihrer Gesellschaft die •Stadt in dankbairer Erinnerung an die Schaffung der Großen iA,llee dort einen Gedenkstein für den BürgermeisterGRALATH errichtet hat. Ich nenne weiter den Stadtrat Dr. Helm und vor allem den Oberbürger- meister VON Winter, dessen Büste hier im Saale aufgestellt ist. Aber nicht nur durch Ihre großen Leistungen und Arbeiten auf natur- wissenschaftlichem Gebiete hat die Gesellschaft auch zur Ehre unserer Stadt gewirkt, sie hat vielmehr auch sonst gezeigt, welch lebhaftes Interesse sie für ihre Heimatstadt hat. Durch die hoohherzige Hergabe ihrer Sammlungen hat sie das Zustandekommen des naturwissenschaftlichen Provinzial-Museums in unserer Stadt ermöglicht; sie hat ferner eins der schönsten, altertümlicheil Gebäude unserer Stadt, das Haus der Gesellschaft, dessen Äußeres stark ver- fallen war, in den Jahren 1899 — 1903 in vorbildlicher W^eise wieder her- gestellt. In den Jahren 1910 — 1911 hat sie dann den Neubau, in dem wir uns jetzt befinden, errichtet, der der schönen Frauengasse zur Zierde gereicht und dessen würdiger Sitzungssaal auch anderen wissenschaftlichen Vereinen zu- statten kommt. Endlich hat sie im Jahre 1913 vor diesem Hause einen künst- lerisch wertvollen Beischlag errichtet und hat damit der altehrwürdigen Frauengasse einen hervorragenden Schmuck geschenkt. Bei den nahen Beziehungen, die zwischen der Gesellschaft und der Stadt seit alters bestehen, ist es natürlich, daß die städtischen Körperschaften diesen Tag gern benutzt haben, um der Gesellschaft als Zeichen ihrer dank- baren Anerkennung eine Ehrengabe von 1000 M zur Förderung ihrer Zwecke zu überreichen. Unter Überbringung der herzlichen Glückwünsche der städti- schen Körperschaften erlaube ich mir, dies mitzuteilen, indem ich der Gesell- schaft von Herzen weiteres Blühen und Gedeiheiit wünsche.“ — Herr 0 b e r w e r f t d i r e k t o r K o n t e r - A d m i r a 1 IIOLLWEG-Danzig: ,,Sehr geehrter Herr Direktor! Der ehrenvollen Einladung zur heutigen Feier bin ich gerne nach- gekommen und ich möchte mit meinen Glückwünschen zugleich diejenigen der Marine verbinden, die in der alten Stadt Danzig ihre Wiege hat und auch jetzt durch die Kaiserliche Werft eng mit ihr verbunden ist. Ob festere und bestimmtere Beziehungen zwischen der Naturforschenden Gesellschaft und der Marine bestehen, ist mir nicht bekannt. Ohne Zweifel sind aber engere Beziehungen zwischen den Naturwissenschaften an sich und allen Marine- Angehörigen nachweisbar. Die Berufskenntnisse der Seeoffiziere bauen sich zu einem sehr großen Teil auf solche aus der Naturlehre auf. Das moderne LX Schiff iist ein Mikrokosmus von Maschinen und technischen Apparaten jeder Art. Der Kampf mit Meer und Wind nötigt uns zu guten, meteorologischen Kenntnisisen. Astronomische Kenntnisse weisen uns unsern Weg über See. Manövrieren mit dem Schiff ist angewandte Meehanik. Sehr viele unserer Apparate eTfordern optisehe, akustische oder sonstige physikalische Kennt- nisse. Auch das Gebiet der Chemie darf uns nicht unbekannt sein. Wenn auch bei uns die Mathematik am Anfang allen Lernens^ steht, so steht am andern Ende des weiten Weges, den wir lernend zu durchmessen haben, die Lehre von der politisichen und national-ökonomischen Geschichte, die ich im weiteren Sinne auch als Naturlehre ansprechen möchte. Die wirtschaftlichen Bedin- gungen der Völker zu studieren, war uns notwendig, um daraus die Größe unserer eigenen Seeinteressen zu erkennen und so die Flotte aufzubauen, die heute im Weltkriege unseren Seemachtswillen zum Ausdruck bringt. Unsere Berufstätigkeit im Auslande nötigt uns dazu, Sitten, Gewohnheiten, Handels- beziehungen und Hilfsquellen der von uns besuchten Völker zu erkunden und, Nutzanwendungen ziehend, darüber zu berichten. Gelegentlich fallen uns auch rein wissenschaftliche Betätigungen, wie Vermessungen aller Art, Beobach- tungen von Gestirnsdurchgängen und Meeresforschungen zu. Aber auch außer- halb des eigentlichen Berufes ist uns im fernen Ausland das Studium der fremden Völker, des Meeres, der Flora und der Fauna der besuchten Länder oft Bedürfnis und Erholung gewesen. So stehen wir also überall auf dem Boden der Naturwissenschaften. Wir sind nicht Gelehrte', sind nur Dilettanten darin. Aber unsere Kenntnisse müssen doch derartige sein, daß wir nicht selten, wenn auch nach Einholung fachmännischen Kates, wichtige und aus- schlaggebende' Entscheidungen aus eigener Verantwortung treffen können. In diesem Sinne darf ich der Naturforschenden Gesellschaft zum heutigen Ehrentage als der anweseaide Vertreter der Marine alles Gute für ihre Zu- kunft und weiterhin große Erfolge' wünschen. An jedem Fortschritt der Naturwissenschaften wird die Marine' immer Interesse nehmen und ihren Anteil haben.“ — Se. Magnifizenz Herr Geh. Keg. -Kat Prof. I) r. ScHiLLiNG-Danzig: ,,Im Namen von Kektor und Senat der Königl. Technischen Hochschule Danzig habe ich die Ehre, der Na turfor sehenden Gesellschaft zu ihrem heutigen Festtage die innigsten Glückwünsche darzubringen in aufrichtiger Mitfreude an all den schönen Erfolgen, die Ihre Gesellschaft in der langen, ehrenvollen Zeit Ihres Besitehens errungen hat. Unsere Hochschule kann in der Tat in der Naturforschenden Gesellschaft eine von gleichgesinntem Streben beseelte Genossin begrüßen. Sind doch gar mannigfaltig die wissenschaftlichen Be- ziehungen, die unsere Hochschule mit der Naturforschenden Gesellschaft ver- binden. Ich brauche besonders nur die in Aussicht genommene Neugründung der Sternwarte zu erwähnen. In gemeinsamer Arbeit waren wir bestrebt, alle sich hier entgegentürmenden SchAvierigkeiten zu überwinden. Wie schon Seine Exzellenz der Herr Oberpräsident ausführte, hat nur der Krieg uns [.XI verhindert, die schonen Pläne schon längst in die Wirklichkeit zu übertragen. Die enge Beziehnng der Naturforschenden Gesellschaft und der Technischen Hochschule in der Sternwartenfrage wird äußerlich schon dadurch zum Aus- druck gebracht, daß der Astronom Ihrer Gesellschaft zugleich als Dozent der Astronomie und Meteorologie dem Lehrkörper unserer Hochschule angehört und dadurch Gelegenheit hat, seine wissenschaftlichen Untersuchungen in ausführlichen Vorlesungen zu entwickeln und auch bei der Ausbildung unserer künftigen Oberlehrer der Mathematik an unserer Hochschule mitzuwirken. Doch noch in manch anderer Hinsicht hatten Ihre Gesellschaft und unsere Hochschule bisher ihre gemeinsame Liebe zur naturwissenschaftlichen For- schung und Lehre bekunden können. Wie oft hat das physikalische Kollegium unserer Hochschule bei seinen wissenschaftlichen Sitzungen die Naturforschende Gesellschaft als gern gesehenen Gast in unseren Käumen begrüßen dürfen, wie oft konnten anderer- seits Professoren und Dozenten unserer Hochschule auch hier in Ihrem schönen Sitzungssaale von ihren eigenen wisisenschaftlichein Arbeiten berichten. Aus meinen Ausführungen dürfte das eine klar lierAmr leuchten, daß unsere Technische Hochschule sich selbst mitzufreuen wohlberechtigt ist, wenn die ihr geistesverwandte Naturforschende Geisellschaft heute ihr 175 jähriges Bestehen feiert. 175 Jahre! Ein Zeitraum, der viel mehr als ein Menschenalter umfaßt, auch wenn es hoch kommt. Freilich noch 200 Jahre weiter über das Gründungsjahr Ihrer Gesellschaft hinaus müsisen wir rück- schauend unsere Blicke lenken, wenn wir des großen Mannes unseres Ostens gedenken wollen, der, als AVissensohaft und Künste nach den finsteren Zeiten des Mittelalters ihre Wiedergeburt feierten, nun auch der modernen Natur- wissenschaft die Wege geebnet hat, des Domherrn von Frauenburg Kopper- NiKüS. Doch noch fast 100 Jahre weiter mußten nach seinem Tode vergehen, ehe die Grundzüge seines Weltsystems durch Kepler und Galiläi ihre Be- stätigung fanden, und abermals fast 100 Jahre, bis der Begründer der modernen, mathematischen Physik und Astronomie, Newton, den exakten, wissenschaftlichen Beweis der neuen Lehre liefern konnte. AA^enige Jahre aber nach dem Tode Newtons, zur Zeit als Euler auf der Höhe seiner Ent- wickelung stand, ist Ihre Gesellschiast begTündet worden. Der Wunsch unserer Hochschule zu Ihrem heutigen Ehrentage gipfelt nun darin, daß das innige Band verwandten Strebens, das uns mit der Natur- forschenden Ge'selischaft verknüpft, in Zukunft uns noch fester vereinen möge. Vor allem aber möge der Naturforschenden Gesellschaft beschieden sein, neben der Förderung der vielfachen wissenschaftlichen Bestrebungen, besonders auch in den einzelnen Fachsektionen, ihre vornehme ikufgabe wie bisher mit glücklicher Hand zu lösen, die Resultate der wissenschaftlichen Forschung einem großen Kreise der Gebildeten in Danzig und der Provinz durch A^orträge bedeutender Gelehrter zu erschließen. Die Naturforschende Gesellschaft vivat, crescat, floreat in aeternum!“ LXII Herr Generalsekretär der L a ii d w i r t s c li a f t s k a m m e r für die Provinz Westpreußen Dr. Steimmig -Danzig: ,,Selir geehrter Herr Direktor! Ich habe die Freude, im Namen der Landwirtschaftskammer für die Provinz Westpreußen der Naturfor sehenden Gesellschaft zu Danzig anläß- lich ihres 175 jährigen Stiftungsfestes die herzlichsten Grüße und Glück- wünsche der Westpreußisohen Landwirtschaft zu überbringen. Der enge Zusammenhang der Landwirtschaft mit den Naturwissen- schaften ist in diesem Kreise so allgemein bekannt, daß nähere Ausführungen darüber unterbleiben können. Baut sich doch nach den bahnbrechenden Arbeiten eines Liebig die gesamte Technik der modernen Landwirtschaft auf den Ergebnissen der Naturwis sensehaften auf. Erst dadurch ist die technische Seite unseres Gewerbes aus dem Stadium des empirischen Handelns herausgetreten und kann unter Anwendung und Ausnutzung der natur- wissenschaftlichen Gesetze svstematisch betrieben werden. Darauf, daß die landwirtschaftliche Technik letzten Endes zur angewandten Naturwissen- schaft geworden ist, sind ihre gewaltigen Erfolge in den Kulturländern während der letzten Jahrziehnte zurückzuführen. Und wenn es der deutschen Landwirtschaft gelungen ist, während dieses jahrelangen Weltkrieges das in seiner Ernährung lediglich auf die Erzeugnisse der eigenen Landwirtschaft angewiesene deutsohe Volk mit Nahrungsmitteln zu versehen, so ist dieses auf das Zi7sammenarbeiten zwischen Naturwissenschaft und Landwirtschaft zurückzuführen. Die Naturforschende Gesellschaft zu Danzig hat in ihren Arbeiten mit dazu beigetragen, der Landwirtschaft die von ihr benötigten Unterlagen zu beschaffen. Deshalb gebührt ihr unser Dank. Als ein äußeres Zeichen hier- für erlaube ich mir, der Naturforschenden Gesellschaft eine Festgabe von 1000 M zu überreichen, welche die Landwirtschaftskammer mich beauftragt hat. Ihnen in ihrem Namen zu überbringen. Ich tue dieses hiermit mit dem Wunsche, daß der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig ein weiteres erfolgreiches Arbeiten beschieden sein möge und daß die Beziehungeil zwischen ihr und der westpreußischen Landwirtschaft sich immer enger gestalten mögen.“ — Herr Dozent Oberlehrer Dr. WANGERIN-Danzig: ,, Hochansehnliche Festversammlung, hochgeehrter Herr Professor! Ich habe die Ehre, der Naturforschenden Gesellschaft zu ihrem Jubel- feste die herzlichen Glückwünsche der Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinischeii Deutschen Akademie der Naturforscher zu überbringen. Der Präsident der Akademie ist zu seinem Bedauern durch die ungünstigen Yerkehrsverhältnisse verhindert, der heutigen Feier beizuwohnen, und hat daher mich als das ihm am nächsten stehende Danziger Mitglied der Akademie mit der Übermittelung der Wünsche der Akademie beauftragt. Die Leopoldinisch-Carolinische Aka- Lxm demie, die älteste der deutschen Akademien, hat sich die Aufgabe gestellt, die Naturwissenschaften in ihrer weitesten Ausdehnung zu fördern, und es ist bei der Größe dieses Arbeitsgebietes selbstverständlich, daß sie freudig die Mit- arbeit anderer Organi'sationen, die ähnliche Ziele verfolgen, begrüßt und sich die Pflege möglichst naher Beziehungen zu diesen angelegen sein läßt. So nimmt die Akademie auch an der heutig’’en Feier innigen Anteil und wünscht der Naturfonschenden Gesellschaft ein bleibendes weiteires Gedeihen und Erfolge in ihrer Arbeit zur Förderung der naturwissemschaft- liclien Forschung und Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse. Um ihrer Anteilnahme auch einen äußeren Ausdruck zu geben, hat die Akademie den verdienten Direktor der Naturforschenden Gesellschaft, Herrn Prof. Dr. Lakowitz, zu ihrem Mitgliede gewählt. Sie treten, hochverehrter Herr Professor, durch diese Wahl in eine wissenschaftliche Korporation ein, die auf eine lange und ruhmreiche Tradition zurückblickt, ist sie doch bereits im Jahre 1652 zu Schweinfurth gegründet und haben ihr eine große Reihe berühmter und hervorragender Männer angehört; ich nenne nur Albrecht VON Hallp:r, Goethe, Alexander von Humboldt, Cuvier, Darwin, Weis- mann, und speziell von Ihren Fachgenossen, den Botanikern, Finne, de Candolle, Jussieü, Alexander Braun, Ihren einstigen Lehrer Böppert und Geheimrat Bail, den Nestor der Danziger Naturforscher und Ihren hoch- verdienter Vorgänger in der Leitung der Naturforscheinden Gesellschaft, der der Akademie nun gerade 60 Jahre angehört. Ich beehre mich. Ihnen das Mitgliedsdiplom zu überreichen, und spreche Ihnen zugleich als erster meinen Glückwunsch zu der Ihnen zuteil gewordenen Ehrung aus.“ — Herr Geh. Reg. -Ra t Prof. Dr. von Mangoldt: ,,Im Namen und Auftrag der Mathematischen Gesellschaft in Hamburg bringe ich der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig viele herzliche Glückwünsche dar. Im Laufe der 175 Jahre ihres Bestehens hat die Natur- forschende Gesellschaft schwere Zeiten durchzumachen gehabt. Aber sie hat sie glücklich überwunden. Möge sie auch aus der gegenwärtigen ernsten Zeit ungeschwächt hervorgehen und zu neuem Glanze erblühen!“ — Herr Prof. Dr. Seligo -Danzig: „Der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig erneuert die Königliche Geologische Landesanstalt die vor 25 Jahren dargebrachten Glückwünsche warm und aufrichtig. Das ehrwürdige Alter Ihrer Gesellschaft ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie tief und notwendig der Drang, die Natur zu betrachten und zu erforschen, die denkenden Menschen erfüllt. Denn neben dem unerläßlichen Ringen um materiellen Erwerb, um deutsche Art und Sprache haben in Ihrer Stadt nunmehr fünf einander folgende Geschlechter das einst von Gralath gepflanzte Reis ununterbrochen gepflegt und zum kräftigen, blühen- den Baum entwickelt. LXIV Die von Ilire'r Gesellschaft begründeten, nunmehr im Westpreußischen Provinzial-Museum fortlebenden Sammlungen bewahren wertvolle Natur- denkmäler vor Verstreuung, Zerfall und Vergessenheit; Ihre Druckschriften bringen nützliche Beiträge zur Kunde des Weichsellandes, wie zur allge- meinen Naturwissenschaft; und in Ihren Versammlungen sind Sie mit bestem Erfolge tätig gewesen und dauernd bemüht, durch allgemeinverständliche Vorträge die Ergebnisse der Naturforschung in weiten Kreisen zu verbreiten, sowie das Interesse daran in allen, ein geistiges Leben pflegenden Ständen zu erwecken, zu erwärmen und zu vertiefen. Auch die geologdsehe Erforschung der Heimat ist durch mehrere Ihrer Mitglieder gefördert worden. Wir begrüßen dies um so mehr, seit West- preußen — als einzige' unter Preußens Provinzen — die zur Fortsetzung unserer geologischen Karte bestimmungsgemäß erforderlichen Beiträge nicht mehr aufgebracht hat. Möge der fruchtbringende Baum Ihrer Gesellischaft auch fernerhin gedeihen, wachsen und fest wurzeln in diem Geistesleben Ihrer durch Natur und Menschenwerk so schönen, unter dem kraftvollen Schutze des Deutschen Keiches nun mächtig aufblühenden Weichselstadt. Glück auf.“ — Herr Ge h. Bau r a t Wilhelms -Danzig : „Der Deutsche Seefischerei- Verein hat mich als Mitglied seines Aus- schusses ersucht, an der heutigen Festsitzung teilzunehmen und der Natur- forschenden Gesellschaft die wärmsten Glückwünsche des Vereins aus- zusprechen. Ich habe diesen' Auftrag gern übernommen in dern Bewußtsein, daß beide Vereine vielfach dieselben Ziele verfolgen und die Tätigkeit des einen Vereins befruchtend auf die Arbeiten des andern ein wirken muß. Zu den Hauptaufgaben des Deritschen Seefischerei-Vereins gehören Studien auf dem Gebiete der Biologie der Fische, da diese von größter Wichtigkeit für die Ergebnisse der Fischer sind. DaS' Auftreten der Fische hängt im wesent- lichen ab von den Ernährungsverhältnissen, der Flora und Fauna des Meeres, der Meeresströmung, Windrichtung, Temperatur und anderen Erscheinungen, deren Studium der Natur forschenden Gesellschaft in gleicher Weise obliegt wie dem Seefischerei-Verein. Beide Vereine haben deshalb das größte Inter- esse an dem Blühen und Gedeihen des 'andern und begründen den herzlichen Wunsch des Seefischerei -Vereins, daß es der Naturforschenden Gesellschaft vergönnt sein möge, noch lange Jahre' im Interesse der Wissenschaft und der Praxis ihre segensreichen Studien weiter zu betreiben. Diesem Wunsche des Seefischerei-Vereins schließe ich mich persönlich von ganzem Herzen an.“ Herr Prof. Dr. SELIGO-Danzig: „Im Namen des Deutschen Fischerei -Vereins habe ich die Ehre, der Naturfor sehenden Gesellschaft die besten Glückwünsche zu dem heutigen Festtage zu überbringen, denen ich die Glückwünsche des Westpreußischen Fischereivereins anschließen zu dürfen bitte, der ja sowohl der Natur-* LXV forschenden Gresellsdmft wie dem Deutschen Fischereiverein als besondere Abteilung angehört. Wenn sich die Arbeitsziele der Fischereivereine auch in erster Linie auf wirtschaftlichem Grebiete befinden, so sind wir doch seit Jahrzehnten bemüht, der Fischereikunde eine tunlichst breite, naturwissenschaftliche Grundlage zu geben, durch Ausbau der speziellen Fischkunde und der Hydrobiologie unserer heimischen Gewä&ser. .Darin treffen wir uns mit der Xaturforschenden Gesellschaft auf glieichem Wege. Hat doch die gewässerreiche Umgebung Danzigs schon zu den Zeiten, als die jetzt 175 Jahre alte Naturforschende Gesellschaft in der Entstehung begriffen war, einen der Begründer der Gesellschaft, Jakob Theodor Klein, zu Studien angeregt, deren Früchte er in seinen missus, seinen Sendbriefen, als wiiehtige Grundlagen für die Kenntnis der Wasser lebe weit niedergelegt hat; später haben einige der her- vorragendsten Gelehrten aus dem Kreise der Nasturforschenden Gesellschaft Forschungen von weittragender Bedeutung auf diesen Gebieten angestellt und in den Schriften der Gesellschaft niedergelegt — ich nenne Bathke, VON Siebold, Lievin — , und bis in die neuesten Zeiten hat die Natur- forschende Gesellschaft solchen Forschungen freundlich zur Seite gestanden. Um so lieber nehmen deshalb die Fischereivereine Anlaß, bei diesem Jubelfeste ihrer Freude an dem stetigen Blühen Ihrer Gesellschaft Aus- druck zu geben, und so wünschen wir der Naturforschenden Gesellschaft für viele weitere Jahrzehnte ruhmvolles Gedeihen zu erfolgreicher Forschung und Lehre.“ — Herr Bürgermeister Dr. 1>AIL-Danzig: ,,Für die freundlichen Worte, die Ihr Herr Direktor meinem Vater widmete, und für Ihren Beschluß, letzterem ein Begrüßungstelegramm zu übersenden, das ihn sehr erfreuen wird, danke ich in seinem Namen bestens. Sehr gern würde mein Vater heute hier eirscheinen; aber bei seinen 85 Jahren und dem stürmischen Winterw etter war es ihm leider nicht möglich. Wohl täglich erinnert er sich noch mit Freude der etwa 30 Jahre, in denen er Direktor der Naturforschenden Gesellschaft war, und aller der Männer, die damals mit ihm zusammenwirkten. Die Gesellschaft hat ja immer das Glück gehabt, Männer zu finden, die ihr ihre Zeit und ihre geistige Arbeit widmeten, ja nicht selten sogar ihre Gesundheit und ihr Vermögen zur Verfügung stellten. Außer den heute schon geniannten Personen sei noch der Astronom Dr. Koch erwähnt (Koch hat 1806 während der Belagerung Danzigs durch die Franzosen seine Beobachtungen der Gestirne oft mitten im Kugel- regen fortgesetzt; er hat 1812 wegen der Schwere der Zeit auf die Hälfte seines Gehaltes der Gesellschaft gegenüber verzichtet, und ihr schließlich seine ganze Hinterlassensehaft vermacht). Die Astronomie war übrigens stets eins der Liehlingsgebiete der Gesellschaft. Gerade vor hundert Jahren (1818) ist zum ersten Male der Gedanke aufgetaucht, ihre Sternwarte nach Langfuhr zu verlegen. Wenn das jetzt geschieht, dann kommt vielleicht auch Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 4. 5 LXVI die Zeit, in der das schöne Grebände der Gesellschaft auf seinem Turme statt der drehbaren Kuppel, die nicht jedermanns Geschmack ist, wieder die alte Bekrönung erhält und dadurch noch mehr zur Zierde Danzigs wird. — Daß auch die Gesellschaft als solche stets eine Zierde unserer alten lieben Stadt bleiben möge, ist der innigste Wunsch meines Vaters. Ich schließe mit der Mitteilung, daß die Stiftung, zu der als Geburts- tagsgabe für die Gesellischaft mein Vater die Anregung gab, bisher den Betrag von 4500 M ergeben hat.“ — Der Direktor der Gesellschaft erwiderte jede dieser Ansprachen im ein- zelnen und mit Worten des Dankes ina Namen der Gesellschaft. Es folgten noch die mündlichen Glückwünsche seitens des Westpreußi- schen Bezirksvereins deutscher Ingenieure durch Herrn Prof . Schultze-Pillot, der Altertumsgesellschaft Graudenz durch Herrn Prof. Günther, des Westpreußischen Geschichtsvereins durch Herrn Stadtschulrat Dr. Damus des Danziger Allgemeinen Gewerbevereins durch Herrn Ingenieur Wächter, des Westpreußischen Botanisch-Zoologischen Vereins durch Herrn Prof. Dr. Bockwoldt ohne besondere Ansprachen. Der Sekretär für die auswärtigen Angelegenheiten der Gesellschaft, Herr Prof. Dr. Kumm, legte anschließend die von auswärts eingelaufenen Telegramme und Glückwunschschireiben vor. Das Telegramm des Herrn Kultusminister Dr. Schmidt, Exzellenz, lautet: Der Naturforschenden Gesellschiaft sende ich zur heutigen Feier ihres 175 jährigen Bestehens meine herzlichsten Glückwünsche. Wie in der bis- herigen verdienstvollen Geschichte der Gesellschaft möge auch in Zukunft die Wissenschaft von ihr reiche Pflege und Förderung erfahren. Von auswärtigen Mitgliedern waren in großer Zahl Telegramme und Glückwunschschreiben eingelaufen. Unser Korrespondierendes Mitglied, Prof. Dr. Häckel, Exz., hatte zugleich sein neuestes Werk: „Krystallseelen“ als Geschenk für die Bibliothek und Herr Kaufmann STOBBE-Danzig mehrere wertvolle Holzschnitte aus Danzigs Vergangenheit geschenkt. Akademien, Institute, Geisellschaften, Vereine Deutschlands (außer den oben schon genannten), Österreich-Ungarns und des neutralen Auslandes, die mit der Gesellschaft im Schriftenaustausch stehen, hatten ihre Glück- wünsche übersandt, wofür auch an dieser Stelle erneuter Dank ausgesprochen sein mag. Die Kaiserliche Leopoldinisch-Carolinische Akademie der Natur- forscher zu Halle hatte den Direktor unserer Gesellschaft zu ihrem Mit- gliede und die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft in Frankfurt a. M. ihn zu ihrem Korrespondierenden Mitglied aus Anlaß dieses Jubiläums ernannt. Es sind die folgenden Gratulanten zu nennen: LXVIT Deutschland. Aachen. Meteorolog'isches Observatorium. Altenburg. Naturforschende GreselLschaft der Osterlande. Augsburg. NaturwiiS'senschaftl. Verein f. Schwaben und Neuenburg. Bamberg. Naturforschendie Gesellschaft; Remeis-Sternwarte. Berlin. Kgl. Preuß. Akademie d. Wissenschaften; Institut f. Meereskunde; Kgl. Geologische Landesanstalt; Landesanstalt f. Gewäsiserkunde; Kgl. Preuß. Meteorolog. Institut; Kaiserl. Biolog. Landesanstalt; Wissen- schaf tl. Gesellschaft für Luftfahrt; Deutsche Dendrologische Gesell- schaft; Dtsch. Fisch erei-Verein; Deutscher Seefischerei- Verein; Dtsch. Meteorolog. Gesellschaft; Gesellschaft Naturforschender Freunde; Kgl. Astronomisches Rechen-Institut; Dtsch. Entomologisches Museum; Kgl. Sternwarte; Anthropologische Gesellschaft; Botanischer Verein der Prov. Brandenburg. Bonn. Naturhistorischer Verein d. preuß. Rheinlande u. Westfalen. B r a u n s c h w e i g. Naturwissenschaftlicher Verein. Bremen. Naturwissenschaftlicher Verein. Breslau. Schlesischer Altertumsverein ; Schlesische Gesellschaft für vater- ländische Kultur; Königliches Oberbergamt; Verein f. schlesische Insektenkunde. Danzig. Westpreuß. Geschichtsverein; Westpreuß. Fischerei-Verein; Dan- ziger Allgemeiner Gewerbeverein; Westpr. Botanisch-Zoologischer Verein. Darmstadt. Großh. Hessische Geologische Landesanstalt. D o n a u e s c hi n g e n. Verein für Geschichte u. Naturgeschichte der Baar. Dresden. Gesellschaft f. Natur- u. Heilkunde; „Isis“. Elberfeld. Naturwissenschaftlicher V er ein. E 1 b i n g. Altertumsgesellschaft. Emden. Naturforschende Gesellschaft. Erlangen. Physikalisoh-medizinische Gesellschaft. Frankfurt a. M. Senckenbergische Naturforschende Gesellscbaft. Frankfurt a. 0. Naturwissenschaftlicher Verein. Gießen. Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Göttingen. Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften. Görlitz. Naturforschende Gesellschaft. G r a u d e n z. Altertumisgesellschaft. Guben. Gesellschaft f. Anthropologie u. Altertumskunde. Halle. Kaiserl. Leopoldinisch-Carolinische Dtsch. Akademie der Natur- forscher; Verein für Erdkunde; Sächs.-Thür. Verein für Erdkunde. H amburg. Mathematische Gesellschaft; Naturwissenschaftl. Verein; Ver- ein f. Naturwissenschaftl. Unterhaltung; Kaiserl. Deutsche Seewarte; Zoologisches Museum. H an au. Wetterauische Geisiellschaft. Heidelberg. Naturhistorisch-Medizinisoher Verein. 5* LXVllI 1 11 s t e r b u r g. Altertums-Gesellschaft. J e m a. Mediziiiisich-naturwissenschaftl. Gesellschaft. Karlsruhe. Naturwissenschaftlicher V erein. Kiel. Kg’l. Kommission zur wissenschaftl. Untersuchung der Deutschen Meere; Museum vaterländischer Altertümer; Naturwissenschaftlicher Verein für Schleswig-Holstein. K ö n i g s b e r g. AlteTtumsgesellschaft; Geographische Gesellschaft; Preuß. Botanischer Verein; Phj^sikalisch-ökonomische Gesellschaft. Leipzig. Sternwarte; Kgl. Sachs. Gesellschaft der Wissenschaften; Museum für Völkerkunde. L i n d e n b e r g. Kgl. Aeronautisches Observatorium. Lüneburg. Naturw. Verein für das Fürstentum Lüneburg. Magdeburg: Stadt. Museum für Natur- u. Heimatkunde; Naturwissen- schaftlicher Verein. Marburg. Gesellschaft zur Förderung der ges. Naturwissenschaften. Münster. Universität. N ü r n b erg. Germaniischcs Museum. Posen. Naturwissienschaftlicher Verein; Historische Gesellschaft. Rostock. Verein der Freunde der Naturgeschichte Mecklenburgs. Straß bürg. Gesell Schaft zur Förderung der Wissenschaften des Acker- baues und der Künste im Unter-Elsaß. Stettin. Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde; Polvtechnische Gesellschaft. Thor 11. Koppernikusverein. U 1 m. Verein für Mathematik und Natuirwissenschaften. W i e s b a d e n. Nass aui scher Verein für Naturkunde. W i 1 h e 1 m s h a V e n. Kaiserl. Observatorium. W ü r z b u r g. Phvsikalisch-medizinische Gesellschaft. C3’ Kv Zerbst. Naturwissenschaftlicher Verein. Ausland. K o p e 11 h a g e n. Kgl. Danske Videnskabernes Selskab. Amsterdam. Kgl. Akademie van Wetenschappen. Haarlem. Teyler Museum. > Rotterdam. Batavische Gesellschaft für Naturwissenschaften. Riga. Naturfor scher- V erein. Kristiania. Norwegische Gradmessungskommission; Redaktion d. Nyt Magazin; Meteorologisches Institut. Trondhejm. Kgl. Norwegische Gesellschaft der Wissenschaften. Budapest. Ungarisches National-Museum. Graz. Verein für Höhlenkunde; Naturwissenschaftlicher Verein. Innsbruck. Naturwissenschaftlich-Medizinischer Verein. LXIX Krakau. Kaiserl. Akadiemie der Wi&senischafteu. Leipa. Xordböhmischer Verein für Heimatforschung und Wanderpflege. Linz. Verein für Naturkunde; Museum Francisco-Carolinum. H e i c h e n b e r g. Verein für Naturfreunde. Wien. K. K. Zoolog. -Botan. Gesellschaft; K. K. Zentralanstalt für Meteoro- logie und Geodynamik; Kaiserliche Akademie der Wissenschaften; Naturhistorisches Hofmuseum; Entomologiseher Verein; Österreichischer Entomologen-Verein; K. K. Geologische Reichsairs talt; Verein zur Ver- breitung naturwisseirschaftl. Kenn'tnisse. Lund. S t er n w arte. Basel. Naturforschende Geseltschiaft; Universität. Bern. Naturforschende Gesellschaft. Frauenfeld. Thurgauische Naturforschende Gesellschaft. Genf. Botanischer Garten; Botanische Gesellschaft. Der Schatzmeister der Gesellschaft, Herr Dr. Damme, legt das Ver- zeichnis der Mitglieder vor, die dem Aufrufe des Ehrenmitgliedes, Herrn Geh. Studienrat Prof. Dr. Bail, Folge gegeben und zu der neu angeregten Jubiläums Stiftung ihre Beiträge eingezahlt hatten. Beigetragen haben hierzu: Frau Geh. Med.-Rat Abegg -Wiesbaden. Frau Konsul Meyer. Frau Kommerzienrat Münsterberg- Danzig. Frau Staeck- Langfuhr, Prov.-Ver- waltung der Prov. Westpreußen. Regierungshauptkasse. Landwirtschafts- kammer Westpreußen. Magistrat der Städte Danzig und Elbing. Westpreuß. Botan. -Zoolog. Verein. — Rentier ALLERT-Zoppot. Prof. Dr. ABROMEiT-Königs- berg. Kaufmann Axt -Danzig. Geh. Stud.-Rat Prof. Dr. Bail- Danzig. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. BARTH-Danzig. Prof. Dr. BocKWOLDT-Neustadt. Kaufmann Brämer- Danzig. Prof. Braun-DI. Eylau. Bankdirektor Bomke- Magdeburg. Kaufmann Borschke- Danzig. Professor Dr. Brick - Hamburg. Gutsbesitzer BuKOWSKY-Eisenach. Oberpostdirektor Beermann- Danzig. Buchdruckerei- besitzer BüCHNER-Schwetz. Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. CoNWENTZ-Berlin. Prof. Dr. DAHMS-Zoppot. Dr. DAMME-Danzig. Musiklehrer DAViDSOHN-Danzig, Prof. Dr. DEECKE-Freiburg. Kaufmann DoMANSKY-Langfuhr. Gutsbesitzer Domnick- Kunzendorf Wpr. Professor Dr. von Drygalski- München. Fabrikbesitzer Dr. EscHERT-Danzig. Kaufmann 0. Fischer- Zoppot. Kaufmann P. Fischer- Langfuhr. £)r. FuCHS-Danzig. Zeitungsverleger G. FuCHS-Danzig. Fabrik- besitzer GAEBLER-Danzig. Rentier GALLi-Zoppot. Kommerzienrat Goldfarb- Pr. Stargard. Photograph Gottheil- Danzig. Sanitätsrat Dr. Hanff- Danzig. Wasserbauwart HEiN-Dirschau. Professor Herstowski -Oliva. Rechtsanwalt HEYMANN-Danzig. Apotheker Janzen- Eisenach. Geh. Reg.-Rat Professor Dr. Jentzsch- Charlottenburg. Dr. Jacobson -Culmsee. Major Jacobi- Danzig. Rentier Jonas - Langfuhr. Dr. Klebs - Danzig. Hauptmann Kollm - Berlin. Apothekenbesitzer KoRNSTÄDT-Danzig. Kaufmann KREYENBERG-Danzig. Amts- LXX rat VON KmES-Langfahr. Oberlehrer KuROwsKi-Pelplia. Prof. Dr. Lakowitz* Danzig. Prof. Dr. LENTZ-Zoppot. Rittergutsbesitzer LiNCK-Stentzlau Wpr. Prof. Dr. LiNDNER-Berlin. Hofrat Prof. Dr. LuDWiG-Greiz. Bankdirektor a. D. LuCASS-Danzig. Generalfeldmarschall von MACKENSEN-Danzig. Prediger Mann- HARDT'Danzig. Dr. jur. Meyer und Dr. phil. MEYER-Danzig. Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. NAGEL-Danzig. Bankdirekt. NESSELMANN-Danzig. Kommerzienrat Patschke- Langfuhr. Konsul PLAGEMANN-Danzig. Apoth. Prochnow- Oliva. Dr. Reinicke- Leipzig. Geh. Geg.-Rat Professor Dr. REiNKE-Kiel. Geh. Reg.-Rat Professor Dr. RössLER-Langfuhr, Geh. Reg.-Rat SEERiNG-Danzig. Konsul SiEG-Danzig. Kaufmann Sieg (Altertums* Gesellschaft) -Elbing. Gärtnereibesitzer Schnibbe- Schellmühl. Geh. Reg.-Rat Professor Dr. Schütte - Berlin. Professor Dr. SCHMOEGER-Danzig. Fabrikbesitzer SKERLE-Danzig. Professor Dr. Sonntag- Saspe. Bankdirektor Stein -D an z-ig. Generalsekretär Dr. STEiMMiG-Danzig. Kommerzienrat Stoddart -Zoppot. Kaufmann STOBBE-Hamburg-Lockstedt. Direktor Dr. Tesdorpf- Danzig. Kommerzienrat ÜNRUH-Danzig. Kaufmann VÖLKNER-Danzig. Prof. Dr. WALLENBERG-Danzig. Sanitätsrat Dr. Wallen- BERG-Danzig. Geh. Reg.-Rat Professor Dr. Wittmack- Berlin. Mühlenbesitzer WoLFF-Silberhammer. Polizeipräsident WESSEL-Danzig. Prof. Dr. Wülfing- Heidelberg. Reg.-Rat Wittich- Zoppot. Photograph ZEHR-Elbing. Stadtrat ZiMMERMANN-Danzig. Das Gesamtergebnis ist 7500 M. An dieser Stelle sei nochmals den gütigen Spendern der Dank der Geisellschaft ausgesprochen. Ein wertvolles Geschenk hat die Gesellschaft sich selbst dargebracht. Durch Beschluß der Mitgliederversammlung vom Dezember 1917 waren auf V orschlag des V orstandes Ernennungen zu Ehrenmitgliedern bzw. zu Korrespondierenden Mitgliedern der Gesellschaft er- folgt. Diese Ernennungen gab nunmehr der Direktor der Gesellschaft bekannt. Es sind ernannt: Zu Ehrenmitgliedern: 1. Herr Königl. Staatsmioister Dr. Delbrück Exz. 2. „ VON Jagow Exz., Oberpräsident von Westpreußen 3. „ Generalfeldmarschall von Mackensen Exz. > ■ i Zu Korrespondierenden Mitgliedern: 1. Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. ABDERHALDEN-Halle a. S. 2. „ Prof. Dr. Böhm, Kustos an der Sammlung der Kgl. Geolog. Landesanstalt Berlin 3. „ Prof. Dr. RuFF-Kgl. Techn. Hochschule Breslau 4. „ Prof. Dr. Zenneck - Kgl. Techn. Hochschule München.' LXXI Exzellenz von Jagow dankte im Namen dieser Herren für die erfolgte Elirung. Darauf wird die Sitzung mit Worten des Dankes seitens des Direktors an alle Beteiligten geschlossen. Nach der Sitzung vereinigten sich über siebzig Herren zu einem gemein- samen Essen im Danziger Ratskeller. Bei dieser Nachfeier brachte Herr Regierungspräsident Förster das Hoch auf Seine Majestät unseren Kaiser, der Berichterstatter das Hoch auf die Jubilarin des Tages aus. — Allen Betei- ligten dürfte der harmonische Verlauf der ganzen Feier noch lange in an- genehmer Erinnerung bleiben. =F Die Aufbereitung von Stroh für menschliche und tierische Ernährung'). \^on Prof. Dr. M. SCHMOEGER- Danzig. Selir geehrte Anwesende! Mir ist der ehrenvolle Auftrag geworden, Ihnen hier etwas über den Nähr- und Futterwert des Strohes vorzutragen. Bei der Betrachtung von Nähr- und Futtermitteln pflanzlicher Herkunft gruppiert man die sie zusammensetzenden näheren Bestandteile bekanntlich im allgemeinen f olgenderm aßen : Erstlich in Wasser und Trockensubstanz; nur letztere hat natürlich Wert. Hie Trockensubstanz zerfällt dann weiter in: Protein, Fett, Nfr.^) Extrakt- stotfe, Hohfaser und Asche. Sie sehen hier die ungefähre Zusammensetzung des Hoggenstrohes : 14,3 % Wasser, 3.1 % Protein, 1,3% Fett, 33,2 % Nfr. Extraktstoffe, 44,0 % Rohfaser, 4.1 % Asche. 100,0%. Diese Namen bezeichnen nicht je einen einzigen bestimmten chemischen Körper, sondern sind Sammelbegriffe für einzelne Arten solcher Körper. Diese sind alle — außer der Asche — verbrennlicher Natur, bestehen aus Kohlen- stoff, Wasserstoff und Sauerstoff, und nur das Protein, das sind also die eiweiß- artigen Substanzen, enthält außerdem Stickstoff. Das Protein ist im allgemeinen der am spärlichsten in den Futtermitteln vorhandene und infolgedessen teuerste Nährstoff. Insbesondere sind im Stroh nur wenige Prozente davon vorhanden. Ihm fällt in der Nahrung die Aufgabe zu, Fleisch zu bilden (die Fleisch- trockensubstanz besteht ja selbst wieder im wesentlichen aus Protein). Der Begriff Fett ist ohne weiteres verständlich. Nfr. Extraktstoffe und Rohfaser bestehen aus C, H und 0, und im allgemeinen ist in ihnen 0 Vortrag’, gehalten im großen Saale der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig am 2. Mai 1917. 2) Stickstofffreie Sehr. (1. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 4. 1 1 2 Wasserstoff und Sauerstoff in demselben Gewichtsverliältnis wie im Wasser vorhanden, man bezeichnet sie infolgedessen (von früher her) als ,,Kohlen- hj^drate“. Bei den Nfr. Extraktstoffen hat man an Stärke und Zucker, also an die leicht löslicheren Kohlenhydrate, bei der Bohfaser an die in Wasser und anderen schwächeren Lösungsmitteln unlösliche Zellulose, also die Grund- substanz der Pflanzenfaser zu denken (das schöne, weiße schwedische Fließ- oder Filtrierpapier ist z. B. ziemlich reine Zellulose). Es wäre ja nun viel richtiger, bei den Angaben über Zusammensetzung der Kähr- und Futtermittel zu sagen, wieviel Zucker, Stärke resp. Zellulose usw. vor- handen sind, statt die Sammelbegriffe Kfr. Extraktstoffe usw. anzu wenden. Dies ist aber nicht durchführbar, weil uns für diese Feststellung die exakten Methoden entweder ganz fehlen oder diese doch zu umständlich sind. Wir müssen uns aus praktischen Gründen im allgemeinen begnügen mit der Fest- stellung des Gehaltes der Futtermittel an Bestandteilen, die unter die genannten Sammelbegriffe fallen, obschon auch diese Feststellung nur nach — wie sich der Chemiker ausdrückt — konventionellen Methoden geschieht, die ihre großen Schwächen haben. Insbesondere ist das, was man als ,, Rohfaser“ bezeichnet, keineswegs ein einheitlicher chemischer Körper. Der Chemiker bestimmt die Rohfaser, indem er die fein gepulverte Pflanzensubstanz unter Innehaltung ganz bestimmter Vorschriften nacheinander mit verdünnter Säure, Lauge, Alkohol und Äther extrahiert. Die schließlich zurückbleibende Trockensubstanz ist eben die soge- nannte Rohfaser. Man ließ sich* seinerzeit bei Ausarbeitung dieser Methode von dem Gedanken leiten, daß bei dieser Behandlung des pflanzlichen Gewebes im wesentlichen nur die Zellulose, und zwar unversehrt, zurückbleibt. Man erkannte indes sehr bald, daß dies nicht zutrifft, daß erstlich bei dieser so- genannten Rohfaserbestimmung ein nicht unbedeutender Teil der Zellulose mit in Lösung geht (oder wenigstens gehen kann) und zweitens die zurückbleibende Rohfaser keineswegs reine Zellulose ist, sondern daß die Rohfaser auch noch bedeutende Mengen anderer Kohlenhydrate, nämlich Lignin (Korksubstanz) und Pentosan (in Wasser unlöslicher Holzgummi), auch etwas Galactan usw. enthält. Lignin und Pentosan bilden im wesentlichen im pflanzlichen Gewebe die sogenannte, die Zellulose inkrustierende Substanz, und diese inkrustierende Substanz ist also auch noch zum guten Teil in der Rohfaser vorhanden. Alle diese Kohlenhydrate, sowohl die leichtlöslicheren, wie wir sie unter dem Begriff- Kfr. Extraktstoffe zusammenfassen, als die schwer löslicheren der Rohfaser haben aber ungefähr dieselbe oder ähnliche Zusammensetzung aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff und stehen sich auch in ihrer chemi- schen Konstitution nahe (es sind zumeist Saccharide), und man könnte infolge- dessen vom rein chemischen Standpunkt erwarten, daß sie auch den gleichen Kährwert haben. Nun ist aber ja ohne weiteres einleuchtend und bekannt, daß nur die in der Nahrung enthaltenen Nährstoffe im tierischen Körper ausgenutzt werden, 2 3 die beim Passieren des Yerdauuugskanals durch Einwirkung der Yerdauungs- fermente gelöst, von der Darmwand aufgesaugt und der Bluthahn zugeführt werden, oder wie man kurz sagt, die ,, verdaut“ w^erden. Man nahm indes weiter an, daß die leichter löslichen Kohlenhydrate (Stärke, Zucker usw.) der Nfr. Extraktstolfe mehr oder weniger vollständig ..verdaulich“, die schwer lösliche Zellulose der Rohfaser dagegen mehr oder weniger unverdaulich ist, und dies war oder ist der Grrund, weshalb man es für richtig hält, bei der Angabe über Zusammensetzung eines aus dem Pflanzenreich stammenden, menschlichen oder tierischen Nahrungsmittels Nfr. Extraktstoffe und Rohfaser zu trennen. Es hat sich aber weiter herausgestellt, daß die Kohlenhydrate der Nfr. Extraktstoffe keineswegs alle verdaulich sind und daß zweitens — und hier komme ich nun dem Gegenstand meines eigentlichen Themas näher — die reine Zellulose keineswegs unverdaulich ist. Wenn die Zellulose in den meisten Futtermitteln, also namentlich auch im Stroh tatsächlich nur zum kleinen Teil verdaut wird (wie dies durch wissenschaftliche Fütterungsversuche festgestellt worden ist), so hat dies seinen Grund darin, daß die inkrustierende Substanz, insbesondere das Lignin, von den Yerdauungsfermenten selbst nur wenig angegriffen wird und infolge seiner Yerwachsung oder Durchdringung der Zellulose diese vor der Einwirkung jener Fermente schützt. Es hat sich dann weiter aber doch gezeigt, daß das, was man bei der chemischen Analyse als Rohfaser bestimmt und bezeichnet, trotz all der Wenn und Aber, die ich eben angedeutet habe, einen annähernd richtigen, zahlenmäßigen Ausdruck für die vorhandenen schwer oder nicht verdaulichen Kohlenhydrate liefert, daß also eine rohfaserreiche, vegetabilische Substanz in der Tat reich an unverdaulichen Kohlenhydraten resp. überhaupt schlecht verdaulich ist. Das Stroh ist, wie wir bereits gesehen haben, besonders reich an Roh- faser und infolgedessen tatsächlich schlecht verdaulich, nur etwa 35 % seiner gesamten organischen Substanz wird selbst vom Wiederkäuer, dessen Yer- dauungsapparat noch besonders günstig für strohiges Futter eingerichtet ist, verdaut, und dabei muß das Tier aber eine so große Yerdauungsarbeit usw. leisten, daß der verdaute Futterteil als Nährstoff nur etwa % so stark wirkt wie z. B. reine Stärke (die verdaulichen Nährstoffe des Strohes haben, wie man dies ausdrückt, nur etwa eine ,, Wertigkeit“ von 33 %, das Stroh also nur 11% „Stärkewert“). Da man nun schon seit langem weiß, daß es die inkrustierende Substanz ist, die die Yerdauung der Zellulose (und bis zu einem gewissen Grad auch der anderen Pflanzenbestandteile) verhindert, so lag der Gedanke nahe, daß z. B. die Yerdauung des Strohes durch eine feine Yermahlung wesentlich gefördert werden könne. Durch exakte Yersuche am Tiere war indes schon vor längeren Jahren festgestellt worden, daß dies nicht der Fall ist. Es ist dies auch nicht überraschend, wenn man bedenkt, daß die inkrustierende Sub- stanz mit der Zellulose so innig verwachsen ist, daß von einer Bloßlegung der Zellulose durch ein mechanisches Zerreiben der Pflanzensubstanz nicht wohl 1* 4 die Rede sein kann. Es kommt noch hinzu, daß das Vermahlen des Strohes zu feinem Mehl eine recht mühsame und kostspielige Sache ist. Man muß sich infolgedessen wundern, daß gleichwohl vor etwa zwei Jahren für eine Ver- w^endung des Strohmehles zum Strecken des Brotmehles eifrig -agitiert werden konnte. Jetzt ist davon wohl kaum noch ernstlich die Rede. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Strohmehl wohl vorübergehend durch Anfüllen des menschlichen Magens das Gefühl der Sättigung hervorrufen kann, daß es aber zur Ernährung des Menschen ganz untauglich ist, ja daß es den Ver- dauungsapparat nur beschwert und dadurch nur schädlich wirken kann. Auch für die tierische Ernährung ist das Vermahlen des Strohes ohne Bedeutung. Wesentlich anders liegt aber nun die Sache bei einer chemischen Auf- schließung der an Zellulose reichen Pflanzenfaser. Und eine solche Auf- schließung wird bereits seit Jahrzehnten, wenn auch weniger beim Stroh, so doch mit Holz — und zwar zur Herstellung von Papier — in großem Maß- stabe ausgeführt. Holz ist ja ein ähnliches, pflanzliches Gebilde wie Stroh, nur daß dasselbe noch viel reicher an Rohfaser ist. Durch Erhitzen von Holz mit einer Lösung von saurem schwefligsaurem Kalk, der sogenannten Sulfitlauge, oder mit Natronlauge unter starkem Druck erhält man im großen die sogenannte ,, Sulfitzellulose“ oder die ,, Natronzellulose“, die beide schon seit langem das Material für die besseren Papiere liefern. Die billigeren (Zeitungs-) Papiere werden dagegen aus ,,Holzschliif“ (mechanisch zerkleinertem Holz) hergestellt. — Also auch Stroh wird schon seit längerer Zeit auf eine wertvolle Zellstoff masse für die Papierfabrikation verarbeitet, und zwar wendet man hier das Natronverfahren an, weil sich für das Stroh das Sulfltverfahren, welches ganz allgemein beim Holz in Gebrauch ist, wegen des hohen (in der Asche enthaltenen) Kieselsäuregehaltes des Strohes nicht eignet. Durch die Sulfitlauge oder die Natronlauge wird nun das die Zellulose imprägnierende Lignin vollständig gelöst, zurück bleibt dabei ziemlich reine Zellulose, der allerdings noch wesentliche Mengen Pentosan (Holzgummi) anhaften. Freilich geht auch hierbei ein Teil der Zellulose mit in Lösung, also verloren. In der Hauptsache löst sich aber also das Lignin, ein großer Teil der Pentosane usw. auf, und diese in der Sulfitablauge enthaltenen Kohlenhydrate ermöglichen — um dies hier mit zu erwähnen — deren Verarbeitung auf Spiritus. Diese Spiritusgewinnung aus der Sulfitablauge ist jetzt in der Kriegs- zeik in einer größeren Anzahl von Zellst off fabriken in Angriff genommen (früher schon in Schweden und in der Schweiz), und ist anscheinend gegen- wärtig von großer Wichtigkeit. Über die Aufarbeitung der beim Natronverfahren abfallenden Ablauge werde ich später noch einige Worte sagen. Wir können also aus dem Stroh durch geeignete Behandlung mit Natron- lange die Zellulose desselben isolieren, und diese bloßgelegte Zellulose wird, wie exakte, wissenschaftliche und praktische Versuche gezeigt haben und was für unser Thema nun wichtig ist, im tierischen Magen usw. fast ebensogut 4 5 verdaut wie Stärke und hat auch etwa denselben Nährwert („Wertigkeit“) wie diese, was vom rein chemischen Standpunkt aus auch, wie schon gesagt, nicht besonders überrascht, denn nach ihrer chemischen Zusammensetzung und Konstitution stehen sich Stärke und Zellulose sehr nahe, es sind beides sogenannte Polysaccharide. Die Verdauung resp. die Auflösung der Zellulose im Verdauungskanal scheint allerdings im wesentlichen unter der Mitwirkung / von Mikroorganismen stattzufinden; denn in den Verdauungssäften, wie sie Magen und Darm absondern, ist die Zellulose, soviel bekannt, nicht löslich. Welche löslichen Umwandlungsprodukte dabei entstehen (ob Zucker, Milch- säure u. dergl.) ist bislang nicht genügend aufgeklärt. Sicher ist aber, wie gesagt, daß die reine Zellulose zum größten Teil verdaulich ist, und daß diese verdaute Zellulose etwa denselben Nähretfekt hat, wie Stärke. Alles dies war schon vor dem Kriege bekannt, und es ist wohl auch schon in früheren Jahren — insbesondere von Professor Fr. Lkhmann - Göttiiigen — dafür Propaganda gemacht worden, das Stroh chemisch aufzuschließen und so also aus einem geringwertigen, wenig verdaulichen Futter ein wertvolleres Futter zu machen. 2 z Stroh enthalten etwa 70 verdauliche Kohlenhydrate mit (nur) 20 i/b Stärkewert. Der daraus zu gewinnende 1 z aufgeschlossenes Stroh enthält dagegen etwa 80 t/b verdauliche Kohlenhydrate mit fast 80 t/b Stärke wert. (Beim weniger Rohfaser enthaltenden, verdaulicheren Heu dagegen kein Auf schließen am Platze!) Diese Propaganda hatte aber wenig Erfolg, weil die Unkosten bei der Herstellung der Strohzellulose so groß sind, daß dieselbe teurer zu stehen kam als entsprechende Mengen anderer Futtermittel, also z. B. Kartoffeln. Dies hat sich nun jetzt durch den Krieg bedeutend geändert. Erstlich ist die ganze Einfuhr von Kraftfuttermitteln aus dem Auslande, die namentlich in Form von Mais, Futtergerste, Kleien und den verschiedenen Ölkuchenarten ganz bedeutend war, weggefallen und zweitens nimmt die Heeresverwaltung einen großen Teil des Hafers usw. für sich in Anspruch. Es fehlt also an Futter- mitteln und soweit sie vorhanden sind, beträgt ihr gegenwärtiger Preis meist das Mehrfache vom früheren. Nun kam es uns früher bei den eingeführten sogenannten ,, Kraftfutter- mitteln“ allerdings in erster Linie auf das Protein an und davon enthält das chemisch aufgeschlossene Stroh so gut wie nichts (sondern es enthält eben nur Kohlenhydrate), aber der Futterwert von Mais, Hafer, Kartoffeln und dergl. beruht in erster Linie auch auf ihrem Gehalt an leicht verdaulichen Kohlen- hydraten, und an diesen Futtermitteln mangelt es uns eben auch ganz bedeu- tend, während wir Stroh im vergangenen Jahre reichlich geerntet haben. Von staatlicher Seite ist in Berlin eine G. m. b. H., genannt ,, Kriegsausschuß für Herstellung von Ersatzfuttermitteln“, gebildet worden, die sich unter anderem auch mit der Herstellung eines ZellulosefutterSi aus Stroh in einer Anzahl über das Reich verteilter Fabriken befaßt. Das gehäckselte Stroh wird ähnlich wie bei der Gewinnung der StrohzelluTose für die Papierfabrikation 6 unter melirstündigem Dämpfen unter Druck mit Natronlauge behandelt. Der gewonnene, ausgewaschene Strohzellstotf muß, um ihn haltbar und gut trans- portabel zu machen, getrocknet werden. Dabei bildet er eine pappeartige Masse — wie hier eine Probe — , und diese mundet den Tieren erklärlicher- weise schlecht. Es genügt ja für ein Futtermittel oder Nahrungsmittel nicht, daß es eine befriedigende Menge verdauliche (und meinetwegen auch „hoch- wertige“) Nährstoffe enthält, sondern es muß natürlich auch bekömmlich und schmackhaft sein. Man mischt infolgedessen — nach Angabe von Dr. Oex- MANN — dem Strohstoff vor dem Trocknen (30 %) Melasse (einen sirupartigeii Rückstand der Zuckerrübenverarbeitung) zu und gewinnt dabei ein lockeres krümliches Mischfutter. Um demselben das fehlende Protein einigermaßen einzuverleiben, wird ferner noch 5 bis 10 % eines proteinreichen Futtermittels — z. B. entbitterte Lupinen oder Trockenhefe — zugegeben, und man bezeichnet dann dasselbe (etwas euphemistisch angehaucht) als ,, Eiweißstrohkraftfutter“. Dasselbe ist in der Tat ein sehr brauchbares Futtermittel, welches bei Pferden etwa das gleiche Glewicht Hafer ersetzen kann, wie- denn — soweit sich bis jetzt urteilen läßt — das Zellulosefutter von den Pferden am besten verwertet wird. Es stellt sich aber im Preis reichlich hoch, es kostet pro z 21 M, während der Landwirt für seinen Hafer, der ihm beschlagnahmt ist (er darf nur d-hh H> pro Pferd und Tag zurückbehalten, ein Pferd bei mittlerer Arbeit braucht aber mindestens 10 td) höchstens 15 M bekommt. Für die menschliche Ernährung käme die Strohzellulose jedenfalls schon eher in Betracht als das Strohmehl. Sie wird sicherlich auch im mensch- lichen Yerdauungsapparat zum guten Teil verdaut werden, und Batocki hat bekanntlich vor einiger Zeit erklärt, daß bereits befriedigende Versuche an- gestellt worden seien, diese Strohzellulose als Streckungsmittel bei der Her- stellung des Brotes zu verwenden. In punkto Schmackhaftigkeit und Bekömm- lichkeit muß man aber hier vorläufig doch noch ein Fragezeichen machen, und zu wünschen bleibt, daß wir mit unserer Ernährung ohne die Strohzellulose auskommen. Für die tierische Ernährung — namentlich als teil weiser Ersatz für Hafer bei Pferden — ist sie aber unter den gegenwärtigen Yerhältnissen sicherlich von großer Bedeutung, und um sie billiger zu gewinnen, wird in neuester Zeit dafür agitiert, daß sich der Landwirt dieselbe selbst herstellt. Diese Her- stellung der Strohzellulose im eigenen Betrieb ist es, von der man in letzter Zeit vielfach in den Tagesblättern las und von der Sie also wohl auch schon gehört haben. Um sie in allgemeinere Aufnahme zu bringen, ist es aber nötig, dieselbe möglichst zu vereinfachen. Namentlich Prof. Lehmann- Göttingen und Rittergutsbesitzer Colsmann- Lindeiiberg bei Beskow (Mark) haben nun in dieser Richtung in neuester Zeit mit Erfolg gewirkt. Yor allem ist das Dämpfen mit Überdruck weggefallen, statt dessen wird das gehäckselte Stroh nur 6 bis 7 Stunden lang mit Natronlauge gekocht und dann ausgewaschen ; es ist dadurch die ganze Apparatur bedeutend vereinfacht. Auf 1 z Stroh braucht i mail 135 Liter 3,3 %ige Natronlauge (4,3 kg Ätznatron). Also der Äatroii- und Wasserverbrauch und die Menge der entstehenden Ablauge, die beseitigt werden muß (das fertiggekochte Stroh muß auch noch ausgewaschen werden), , ist allerdings nicht gering. Zur Neueinrichtung gehören im wesentlichen nur ein Dampferzeuger (Lokomobile, die meist schon vorhanden ist), ein Koch- gefäß (ich komme darauf gleich noch zu sprechen) und je ein Behälter für die Lauge und für das Anmaischen derselben mit dem Strohhäcksel. Eiserne Koch- gefäße sind gegenwärtig schwer zu beschaffen, und deshalb empfiehlt Colsmann eine ,, Kochkiste“, die ein aus Ziegelsteinen mit Zement gemauertes, zylindrisches Grefäß mit eingelegtem, eisernem Siebboden ist. Diese Kochkiste soll das Kochen des mit Lauge getränkten Strohhäcksels sehr gut vertragen. Dieselbe ist in Häcksel (als schlechter Wärmeleiter) eingebettet, wodurch bedeutend an Feue- rungsmaterial gespart wird; erhitzt wird durch eingeleiteten Dampf. Der Kriegsausschuß für Ersatzfuttermittel, der für Einführung des Verfahrens Propaganda macht, gibt folgende Angaben: „Die heutigen Kosten einer Kleinanlage (mit 1 Kochkiste) sind, wenn Gebäude und Dampf anlage (Lokomobile) vorhanden, unverbindlich etwa 1800 bis 2000 M. Diese kleine Anlage verwandelt in Tag- und Nachtbetrieb zirka 30 z Stroh in zirka 16 z ,, Kraftstroh“ im Futterwert von zirka 60 z frischen Kartoffeln, ausreichend für zirka 200 Haupt Großvieh.“ Ganz so gut auf- geschlossen, wie das unter Hochdruck hergestellte, ist das durch bloßes Kochen gewonnene ,, Kraftstroh“ allerdings wohl nicht. Es hat aber den Vorteil, noch in der mechanischen Beschaffenheit dem Häcksel zu ähneln und sich infolge- dessen leicht ohne weiteres verfüttern zu lassen. Colsmann gibt an, daß die Kosten der Aufschließung von 1 z Stroh bei einer dreijährigen Amortisation der Anlage betragen: 2,5 bis 3 M (davon 1,5 M für die Lauge). Davon wird etwa (reichlich) V2 z trockener Strohzell- stoff erhalten. Also, wie gesagt, etwa die Hälfte der Strohtrockensubstanz wird von der Natronlauge gelöst. Eechnet sich der Landwirt den z Stroh mit 2 M, so kostet ihm demnach der z Strohzellstoff' (trocken gedacht) etwa 10 M (der Landwirt wird natürlich in der Regel das selbsthergestellte Futter nicht erst trocknen). Das abgetropfte Futter enthält 15 bis 20 % Trockensubstanz; durch Abpressen kann dieselbe (auf etwa 25 %) erhöht werden. Der springende Punkt ist natürlich die Frage nach dem Futterwert dieses Kraftstrohes. Nach den exakten Fütterungsversuchen von Prof. Fingerling an der Landw. Versuchsstation in Möckern und von Geheimrat Z (JNTZ an dem tierphysiologischen Institut der Landw. Hochschule in Berlin kann man wohl ziemlich sicher annehmen, daß 1 z gut aufgeschlossenes trockenes Kraftstroh bei Rindern und Pferden in punkto Kohlenhydrate 1 z Hafer vollständig ersetzt und daß man dem Pferd etwa bis 75 des nassen, abgetropften Kraftstrohes (neben 4,5 14 Haferschrot und 7 14 Heu) pro Tag geben kann. Der Zentner Hafer kostet gegenwärtig (Höchstpreis) zirka 15 M, während der Zentner selbst hergestelltes Kraftstroh (trocken gedacht) dem Landwirt also etwa 10 M 7 8 kostet, und vor allem steht eben Hafer und dergl. dem Pferdehalter nur in ganz unzureichender Menge zur Verfügung. Zur Erzeugung von Kraft im tierischen Körper dienen im wesentlichen die Kohlenhydrate, und deshalb ist ja eben das Kraftstroh für Pferde besonders geeignet. Auch beim Mastvieh (im Gegensatz zu Milchvieh) treten die Kohlenhydrate in den Vordergrund. Ob indes das Kraft- Stroh auch mit ähnlichem Erfolg bei Mastschweinen zum Ersatz der uns hier so sehr fehlenden Kartoffeln verwendet werden kann, ob man also gemäß der bereits wiedergegebenen Angabe des Kriegsausschusses 16 z Kraftstroh gleich 60 z frischen Kartoffeln setzen kann, erscheint mir noch nicht so ganz aus^ gemacht. Jedenfalls ist die Angabe des Herrn Rittergutsbesitzers Colsmann sehr beachtenswert, „daß bei seinem 84 Pferde, 40 Kühe, 26 Zugochsen, einige Schweine und Schafe umfassenden Viehbestand täglich Kraftfutter im Wert von rund 200 M durch die Verwendung von aufgeschlossenem Stroh ersetzt würde“. Hervorgehoben muß allerdings werden, daß das Kraftstroh nur Kohlen- hydrate enthält und daß also stets die Zufütterung proteinhaltiger Futtermittel mehr oder weniger — je nach Viehgattung — nötig ist. Um in gegenwärtiger Zeit schnell und billig die zur Herstellung von Kraftstroh nötigen Einrichtungen zu schaffen, empfiehlt man auch, bereits vor- handene passende Fabrikanlagen schleunigst für diesen Zweck einzurichten. Die Landwirte liefern etwa ihr rohes Stroh dahin und erhalten dafür auf- geschlossenes Stroh zurück. Es kommen da namentlich Brennereien und Zuckerfabriken in Betracht, die ja nur im Winter in Betrieb sind und brauch- bare, unter Hochdruck arbeitende Kochapparate bereits besitzen. Und soviel mir bekannt, beabsichtigt in unserer Gegend die Zuckerfabrik Praust die nötigen Einrichtungen bei sich zu treffen. Zur fabrikmäßigen Herstellung von Strohkraftfutter wird von dem Kriegs- ausschuß für Ersatzfuttermittel unter anderen eine größere Fabrik hier auf dem Holm eingerichtet. Diese Fabrik soll auch — soviel mir bekannt — die verbrauchte Natronlauge wieder auf arbeiten. Es wird dabei erstlich das Natron wiedergewonnen, außerdem erhält man dabei aber Azeton und andere wertvolle Destillationsprodukte (dieselbe auf Spiritus zu verarbeiten, wie die Sulfitab- lauge, geht offenbar nicht an). — Geehrte Anwesende! Das von mir behandelte Thema liegt Ihrem Interesse ja wohl zumeist etwas ferner, denn für die menschliche Ernährung kommt, wie gesagt, das Stroh auch im aufgeschlossenen Zustande vorläufig wenigstens kaum in Betracht. Aber die landwirtschaftliche Fütterungsfrage ist gegenwärtig auch für die städtische Bevölkerung so in den Vordergrund gerückt, daß das be- sprochene Thema vielleicht doch Ihrer Beachtung wert war. Und ich hoffe, daß es mir gelungen ist anzudeuten, daß wir Deutsche auch bei der Beschaffung^ von Futtermitteln nicht tatenlos den Vernichtungsabsichten unserer Feinde Zusehen, sondern dieselben — so Gott will — vereiteln werden. s 9 Natur und Siedelungen im Geserich-Gau. Von FRITZ BRAUN in Dt. Bvlau. N iclit immer wird in den landeskundlichen Büchern dem Geserich-See^ dessen Spiegel eine Fläche von 33,75 km^ bedeckt, der ihm zukommende erste Platz unter den westpreußischen Landseen angewiesen. Das liegt daran, daß der weitaus größere Teil zu Ostpreußen gehört; westpreußisch ist nur der süd- lichste, flußähnlich schmale Teil, an dessen Südzipfel die Stadt Dt. Eylau liegt. Der mächtige Landsee vertritt nicht etwa ganz entschieden einen der baltischen Seentypen, sondern besteht aus mehreren Grundmoränenseen, die durch schmale Binnenseen miteinander in Verbindung stehen. Am breitesten dehnt sich die Fläche des Geserich an der Stelle aus, wo nördlich von Schwaigen- dorf der Flachsee im W und der Kraggenwinkel im 0 ansehnliche Buchten bilden, doch kommt die größte Breite von 12 km, mit der wir hier zu rechnen haben, dem Wanderer nur wenig zum Bewußtsein, da der Wasserspiegel durch Halbinseln und Eilande vielfach gegliedert wird. Immerhin empfängt man, wenn man im hochgelegenen Schwaigendorf gen Osten schaut, von dem Geserich an dieser Stätte den Eindruck eines typischen, breit und sozusagen behäbig in die kuppige Landschaft gebetteten Grundmoränensees, während weiter südlich der schmale, verhältnismäßig tief eingeschnittene Binnensee unverkennbar ist. Namentlich der südlichste Teil vermag es an Breite kaum mit der Weichsel aufzunehmen. Die geringe Durchschnittsbreite des Geserich erhellt ja schon daraus zur Genüge, daß der 33,75 km^ große See sich rund 35 km in die Länge erstreckt. Natürlich machten sich die Nachbarn des Geserich die Tatsache, daß hier ein Seenspiegel auf etwa 35 km hin parallel zu der rund 100 km entfernten Weichsel eine treffliche Wasserstraße bildet, nach Kräften zunutze, indem sie Westpreußens geräumigsten Landsee durch den Oberländischen Kanal mit dem Drausensee und dem Frischen Haff verbanden, so daß nunmehr die Handelsgüter des Seeverkehrs zu Schiff bis nach Dt. Eylau gelangen konnten. Die dadurch gebotenen wirtschaftlichen Vorteile erscheinen jedoch größer als sie es in Wirk- lichkeit sind, und wir müssen uns das rasche Wachstum der Geserichstadt in der Hauptsache aus ganz anderen Gründen zu erklären suchen. 1 10 Die Stadt Dt. Eylau^) ist eine eclit ostmärkische Landseestadt vom Halb- inseltypus, die jedoch auch mit gutem Hecht als Paßstadt bezeichnet werden kann. Ihr Kern liegl auf einer leicht hügeligen Halbinsel, die im W und S zum Geserichsee abfällt, während sie im N. von dem Abfluß des Geserich-Sees, der zur Drewenz strömenden Eylenz, begrenzt wird. Daß sie bereits zur Zeit ihrer Gründung auch den Kamen einer Paßstadt beanspruchen durfte, liegt daran, daß sich an ihrer Westseite die Ufer des Geserich zwischen dem Hauptbecken des Sees und dem südlich davon gelegenen kleinen Stadtsee soweit nähern, daß durch Damm und Brücke von der Stadt aus verhältnismäßig leicht eine Verbindung mit dem anderen Ufer hergestellt werden konnte, während das Gelände im Süden des Stadtsees wegen der größeren Höhenunterschiede und vor allem wegen seiner tief eingeschnittenen Diluvialtäler in früheren Zeiten recht unweg- sam gewesen sein muß. Die Bedeutung des Passes war schon deshalb recht groß, weil der Graben des Geserich-Sees hach K zu auf rund 35 km hin Osten und Westen entschieden trennte. Aber nicht genug damit, setzt sich die Furche des Geserich auch südwärts bis über Hadomno hinaus als eine recht tief ein- geschnittene Rinne fort. Dann erst mündet sie in das Tal der Drewenz, das trotz seiner Breite gerade an diesem Abschnitt dem Verkehr nicht allzuviel Schwierigkeiten bereitet, wie das schon aus der großen Anzahl der Drewenz- brücken zur Genüge hervorgeht. Wie unwegsam das Gelände südlich der Stadt vordem gewesen sein muß, kommt uns heute, wo Chausseen und Eisenbahnen über die Ejdauer Talfurche hinwegführen, nicht mehr so recht zum Bewußtsein, doch brauchen wir nur die mächtigen, mit großen Kosten aufgeführten Dämme dieser Kunstbauten, die stellenweise (vergl. die Winkelsdorf er Chaussee und die Mlawkaer Bahn in der Kähe des Bahnhofes Eylau-Stadt) den ganzen Land- schaftscharakter der Gegend wesentlich beeinflussen, etwas genauer zu betrachten, um die trennende Wirkung der Saalfeld — Radomnoer Furche nach Gebühr zu würdigen. Daß selbst ein schlechter Paß hier eine wahre Erlösung bedeutete, geht schon daraus hervor, daß heute fünf Eisenbahnen, sieben Chausseen und mehrere Landstraßen von dieser Stelle ausstraPlen. Vordem wogte zwischen Eylau und Radomno ein Landsee, der sich inzwischen in eine ganze Reihe von bergumrahmten, durch feuchtes Wiesen- gelände miteinander in Verbindung stehenden Seen aufgelöst hat, deren jeder infolge künstlich bewirkter Senkung seines Wasserspiegels auch wieder von einem Wiesengürtel umgeben ist, der zur Hochsommerzeit von Tausenden und Abertausenden junger Laubfrösche wimmelt. Als diese Seen noch ein und dieselbe Wasserfläche trugen, ragte aus dem geräumigen Wasserbecken der Höhenrücken, welcher heute zwischen dem Bialla-See im 0 und dem Großen Roten und Zgnileck-See im W dahinstreicht, als eine ansehnliche, 2% km lange und % km breite Insel empor. 1) Man vgl. stets Blatt 165 der Generalstabskarte im Maßstab 1 : 100000 und die Sektionen 10 u. 11 der YoGELschen Karte (Ausgabe mit Waldkolorit). 2 11 Eine iinvergleichiich größere Insel wurde dereinst von dein Gesericli-8ee und der Seenfurche gebildet, die sich westlich vom Geserich hinzieht, um sich an seinem Südrande mit ihm zu vereinigen. Dieser Senkung, in der wir noch heute neben zahlreichen kleineren Gewässern den Urowiecz-, Groß Plontek-, Parkuhn-, Ossa-, Garden-, Stengwitz-, Haus- und Groß Silrn-See finden, haben wir es wohl auch zu verdanken, daß das Gelände zwischen den beiden Seen- furchen dem Walde überlassen blieb, so daß zwischen Dt. Eylau im S und Schwaigendorf im N ein wohl 50 km“ großes Gebiet zustande kam. in dem wir, abgesehen von ein paar Förstereien, keinerlei Siedelungen antreffen. Der Zufall wollte es, daß der Geserich und die Eylau — Radomnoer Seen- furche auf Blatt 165 der Generalstabskarte so zu liegen kamen, daß sie das Kartenblatt in eine rechte und linke Hälfte teilen und der Eylauer Paß etwa die Mitte der Karte bezeichnet. Da sehen wir, wie das auf dem Blatte dargestellte Straßennetz einen von Eylau ausstrahlenden Stern bildet, dessen Straßen ziem- lich gleichmäßig angeordnet sind. Kur im K und SO der Stadt finden wir große Lücken; jene ist durch den Geserich-See und den Waldstreifen an seinem West- ufer bedingt; an dieser ist das breite Drewenztal schuld, das parallel zum Geserich in einer Entfernung von 15 km an Eylau vorüberzieht und zwischen Bergfriede und Dt. Rozonne, d. h. auf einer Strecke von 20 km, von keiner Chaussee gekreuzt wird. Da die Umgegend von Dt. Eylau recht menschenarm ist und vielfach geradezu als Anökumene bezeichnet werden muß, ist die Stadt hinsichtlich ihrer Verkehrsverhältnisse ein Ort recht weiter Beziehungen. Von den Verkehrs- aufgaben, für welche die von Eylau nach S zu ausstrahlenden Eisenbahnen und Chausseen bestimmt sind, kann man sich erst nach einer Karte, die bereits einen recht großen Raum darstellt, einigermaßen klare Begriffe bilden. Es gibt in der Provinz nicht allzu viele gleich menschenleere Wälder wie die Raud- nitzer Forst südlich der Stadt, in denen der Waldwanderer eine ebenso große Zahl von Chausseen und Eisenbahnen kreuzt. Daß die Landwege im Eylauer Gau zum großen Teil Orte verbinden sollen, die recht weit voneinander entfernt sind, erkennen wir schon an manchem Weg- weiser in nächster Nähe der Stadt. Ganz mit Recht trägt z. B. der Wegweiser an einem Waldwege, der nördlich der Försterei Rotkrug von der Rosenberger Chaussee nach rechts abbiegt, bereits die Aufschrift ,,nach Saalfeld“, denn da Schwaigendorf in einiger Entfernung von diesem Hauptwege liegt, können wir ihm bis in das Weichbild von Saalfeld folgen, ohne an irgendeiner Ortschaft vorüberzukommen. Selbstverständlich sind solche Straßen nicht besonders ver- kehrsreich. Ich kann mich nicht entsinnen, auf dem südlichen Abschnitt des soeben genannten Landweges nach Saatfeld, d. h. auf einer Strecke von 16 km, während der Zeit, da ich sie zurücklegte, jemals mehr als zwei Fuhrwerke getroffen zu haben. Mitunter gelangte ich auch nach Schwaigendorf, ohne unter- wegs auch nur einem einzigen Menschen die Tageszeit zu bieten. Die Wege zwischen dieser Landstraße und dem Geserich-See dienen beinahe bis Schwaigen- 12 dorf hinauf ganz ausschließlich den Zwecken der Waldwirtschaft, so daß hier auf einem Raum von annähernd 30 km“ von einem öffentlichen Wegenetz eigent- lieh gar nicht gesprochen werden darf. Wie dünn besiedelt diese Räume sind, geht auch daraus hervor, daß man nicht allzu viel Kopfzerbrechen aufwenden darf, um von Schwaigendorf nach dem rund 20 km entfernten Rosenberg zu gelangen, ohne dabei eine einzige geschlossene Ortschaft zu berühren. Wenn wir kurzweg von einem Geserich-Gau sprechen, könnten wir dazu etwa das Gebiet rechnen, das von den Eisenbahnstrecken Saalfeld — Osterode, Osterode — Dt. Eylau, Dt. Eylau — Rosenberg und der Chaussee Rosenberg — Alt Christburg — Saalfeld eingeschlossen wird. In diesem etwa 750 km“ großen Landstrich finden wir keine einzige Stadt, und der Geserich-See, der ihn, nord~ südlich gerichtet, in zwei Hälften teilt, bildet hinsichtlich der Siedelungen so wenig sein Zentrum, daß sich vielmehr an seiner fast 40 km langen Wasser- Straße keine einzige bedeutendere Ortschaft findet. Wo sich wirklich einmal ein Kirchturm vom Dampfer aus erspähen läßt, sind die wirtschaftlichen Bezie- hungen der Kirchdörfer zu dem großen See nur sehr lockerer Art. Das gilt ebensogut von dem Paßort Weinsdorf südlich von Saalfeld, wie auch von dem Kirchdorf Schnellwalde an der Saalfeld — Liebemühler Chaussee, das eher als der Hauptort der äckerreichen Halbinsel zwischen dem Kraggenwinkel und dem nördlichen Zipfel des Geserich bezeichnet werden muß. Während der südwest- lich der Stadt gelegene Karrasch-See von Dörfern und Gutshöfen (^^onno, Schönerswalde, Karrasch, Scharschau, Groß Wolka) dicht umstellt ist, finden wir an dem dichter besiedelten Ostufer des Geserich, das wir im Gegensatz zu dem westlichen Waldufer wohl als sein Feldufer bezeichnen können, die eigent- liche Dorfreihe (Stein, Stein-Kaspendorf, Tillwalde, Melchertswalde, Sumpf, Auer usw.) erst an der mitten zwischen dem Geserich- und Labenz-See entlang- führenden Chaussee. Am See selber liegt zwischen Dt. Eylau und der 20 km entfernten Bucht des Kraggenwinkels eigentlich nur die Ortschaft Schalkendorf. Die übrigen Siedelungen gleichen mehr Vorposten der landeinwärts gelegenen Dörfer und Gutshöfe, die aus wirtschaftlichen Gründen (Fischerei, Ziegel- brennen) an das Seeufer vorgerückt worden sind. Wenn man den Einfluß des Geserich-Sees auf das Wirtschaftsleben richtig einschätzen will, genügt es nicht, nur die Verteilung der heute noch mit spiegeln- der Flut bedeckten Landseen zu berücksichtigen. Mindestens ebenso wichtig sind die zahlreichen Sumpfgebiete der großen Wälder, welche uns die Stellen früherer Binnengewässer verraten. Die an Seen und Sümpfen reichsten Teile des Gebietes haben wir aber einmal längs der Seenfurche zwischen dem Großen Silm- und Buchtensee westlich des Geserich und zum anderen auf einer Linie zu suchen, die von dem Dorfe Sumpf, das etwa in der Mitte des östlichen Geserich- Ufers liegt, senkrecht zur Richtung dieses Sees nach Osterode hin verläuft. Einen ähnlichen Riegel wie die bereits geschilderte Furche westlich des Geserich-Sees bildete früher wohl im Osten dieses großen Gewässers die Reihe 4 13 Danlen-, Labenz-, Tobe- und Großer Gehl-See. Da die Seen aber nicht so dicht beieinander liegen wie die Wasserbecken im Westen des Geserich und außerdem nicht durch tiefgelegene Sumpfstrecken, sondern durch kup])ige Hügelland- sdhaften voneinander getrennt sind, hat der rodende Ansiedler die Schranke nicht geachtet, so daß wir heute im Osten des Geserich-Sees ganz überwiegend Acker- land finden, während am westlichen Ufer hochragende Waldbäume ihre Kronen in den dunkeln Fluten spiegeln. Die alte Erfahrung, daß dem Walde in unserer Ostmark mit Vorliebe steile Hänge überlassen bleiben, kommt in unserem Geserich-Gau insofern zur Geltung, als die Ufer der Seen, die ja zumeist eine höhere oder niedrigere Böschung auf- weisen, auch in sonst waldlosem Gelände mit Waldbäumen oder wenigstens mit Gebüsch bestanden zu sein pflegen. Diesem Umstande haben wir es auch zu verdanken, daß der Geserich auf viele Kilometer hin einem Waldstrome gleicht, obgleich der Waldstreifen an seinem Ostufer (z. B. zwischen Quirren und Melchertswalde) mitunter kaum einige hundert Schritte breit ist. Liegt in unserem Gau ein Landsee hart am Rande eines größeren Waldgebietes, so kommt aus demselben Grunde nur selten die Lage zustande, daß die der Acker- flur zugekehrte Seite kahl ist; in der Regel zieht sich auch hier noch ein ganz schmaler' Waldstreifen an dem Seeufer entlang, so daß auch diese Gewässer ihre Eigenschaft als W a 1 d s e e ungeschmälert behalten. Als Beispiele dafür nennen wir den Großen See bei Peterkau, den Urowiecz-See bei Schwaigendorf, den Garden-, Stengwitz-, Silm- und Teerofen-See. Die große Zahl dieser Bei- spiele, die sich leicht noch vermehren ließen, beweist am besten, daß wir es bei dieser Erscheinung nicht mit etwas rein Zufälligem zu tun haben. Dem Umstande, daß man dem hügeligen Ufergelände eines Sees den Waldschmuck noch am wenigsten neidete, verdankten auch die prächtigen Waldbestände des Adlerwinkels, der schmalen Halbinsel am Daulensee, ihre Erhaltung, als rings- umher alles kahl getrieben wurde. Betrachten wir in dem ganzen Gau die Verteilung von Wald und Acker- land, so ergibt sich etwa folgender Tatbestand: In dem oben von uns durch Bahnlinien und Chausseen genauer begrenzten Geserich-Gau rückten die An- siedler von der* Peripherie aus vor, so daß in dem vordem wohl allerorten von Wald bedeckten Gebiet geräumige Buchten von Ackerland entstanden. Am tiefsten drangen solche Buchten von Nordosten und Südwesten in den Geserich- Gau ein; im Südosten gleicht dis Feldflur nur einem wenig gekrümmten Bogen, dessen Sehne entspannt ward, und im Nordwesten haben sich dem seen- und sumpf reichen Waldgebiete nur geringe Außenwerke entreißen lassen. Dabei bestätigt sich auch hier die alte Regel, an die wir überall in West- preußen erinnert werden, daß kleine Waldparzellen, die von den größeren Holzungen losgelöst wurden, dem Untergänge geweiht zu sein pflegen. Wenn wir im Geserich-Gau die weiten, zusammenhängenden Wälder von dem Karten- blatt entfernen wollten, so blieben nicht mehr allzu viel Holzungen auf der Karte übrig. 6 14 Ebenso zeigt sich auch in dieser Gegend die Abneigung des Ostmärkers gegen das A^ereinzelt liegende Lichtungsdorf. Die Ansiedler dringen nicht tief in die Wälder ein, um von innen herauszuroden, sondern beschälen sozusagen, in breiter Front vorrückend, die Ränder der großen Waldgebiete. Wirkliche Ausnahmen von dieser Regel vermöchte ich in unserem Gebiet kaum anzuführen; es müßte sich denn gerade um die Hütten von Waldarbeitern handeln, die sich neben einer Försterei niederließen. Diese Leute sind aber Vertreter einer ganz einseitigen Wirtschaftsform, die mit Waldrodung so gut wie nichts zu tun hat, und nur einem Oberflächlichen möchte es beikommen, etwa den Weiler Feldchen als Dorf zu bezeichnen. Die Kenner unserer Gegend dürften hier rasch mit einem Einwande bei der Hand sein und darauf hinweisen, daß gerade eine der größeren Dorf- gemeinden des Gebiets, das malerisch am Westufer des Geserich belegene Schwaigendorf, als ein Lichtungsdorf bezeichnet werden müßte. Das trifft aber nur dann zu, wenn wir die Bedeutung des Geserich für Wirtschaft und Verkehr ganz vernachlässigen wollen, da durch derlei Beziehungen hier der Wald fast wirksamer erschlossen wird als das durch einen Streifen Ackerland geschehen könnte. Einmal bildet die Eisdecke während langer Winterwochen eine glatte, ebene Bahn, und zum anderen bildet auch der flutende Spiegel des Geserich für die vornehmlich vom Fischfang lebenden Schwaigendorf er eher eine Brücke als eine Schranke. Die ersten Ansiedler in Schwaigendorf sind wohl zweifellos Kostgänger des Sees gewesen; erst als ihre Zahl zu groß wurde, drangen rodende Bauern von der geschlossenen Ortschaft aus nach Süden und Süd westen vor, wo, nach den stehengebliebenen Waldresten und Baumhorsten zu schließen, der Vorgang der Rodung noch lange nicht beendet sein dürfte. So kam hier, auf der schütter besiedelten Feldmark südlich von Schwaigendorf, eine ganz andere Siedelungsweise zur Geltung als in den Gebieten an der Peripherie unseres Gaus, wo große Güter vorherrschen, die in der Regel aus einem geschlossenen Siedelungszentrum bestehen, das von einem Kranze von Vorwerken umgeben wird (vgl. etwa Januschau und Grämten). Katürlich behält trotz aller günstigen Nebenumstände der Wald auch bei solchen Ortschaften wie Schwaigendorf einen Teil seiner trennenden Kraft. Dafür, daß sich seine Einwohnerschaft mehr durch natürliche Vermehrung als durch Zuwanderung aus anderen Orten vermehrt hat, spricht schon der Umstand, daß manche Familiennamen (z. B. der Name Mattem) in dem Dorfe erstaunlich häufig sind. Als die entlegensten und einsamsten Stätten unseres Gebietes sollte man von vornherein die kleinen und größeren Inseln des Geserich ansehen und dem- nach erwarten, daß man sie dem alten Walde überlassen hätte. Ganz im Gegen- teil trägt heute keine einzige seiner zahlreichen Inseln ein dichtes Waldkleid. Das ist aber auch gar nicht so erstaunlich, denn erstens boten diese Eilande dem seinem Gewerbe nach gehenden Fischer die denkbar günstigste Heimstätte, und zum anderen wurde wohl noch bis in späte Zeiten hinein der Umstand 6 15 dankbar gewürdigt, daß sie auch vor menschlichen Feinden sichere Zuflucht gewährten. Wie in dem Ringwall auf einer Insel des Radomnosees und dem Kesselberg am Kordwestufer des Silmsees haben wir es auch beim Scholtenberg auf dem Grroßen Greserichwerder mit einer alten Befestigungsanlage zu tun. Um sich über die wirtschaftliche Bedeutung der zahlreichen Greserichinseln, die uns ebensogut sumpfige Rohrdickichte wie ansehnliche, quadrafkilometergroße Stücke kuppiger Grundmoränenlandschaft zeigen, klar zu werden, braucht mau nur Kamen wie Rohrkampe, Fischerinsel, Heuwmrder zu hören. BemerkensAvert ist es auch, daß bei diesen Inseln das alte Verkehrsmittel der Furt noch bis heute seine Bedeutung behalten hat. Wenn uns auf hochbeladenem Heuwagen vom Bukowitzwerder nach Weepers rüstige Pferde durch plätschernde Fluten ziehen, denken wir wohl uralter Zeiten, da der Brückenbauer dem Landmann in solchen Köten noch nicht beizuspringen pflegte. Der scheinbare Widerspruch, daß die Inseln des Geserich Siedelungen tragen, die ansehnlichen Halbinseln dagegen, welche vom westlichen Waldufer aus weit in den See Vordringen, dem Walde überlassen blieben, erklärt sich nicht allzu schwer daraus, daß diese Halbinseln, die nur auf weiten Waldwegen erreicht werden können, in Wirklichkeit noch viel entlegener sind als die rings umfluteten Eilande. Betrachten wir nun einmal die Stadtumrahmung des Geserich-Gaus, so haben wir die wirtschaftlichen Vorteile der Lage von Deutsch Ejflau schon eingangs hervorgehoben. Sie erklären es zur Genüge, daß hier eine ansehnliche Siedelung entstand, machen es verständlich, daß der Staat sich entschloß, gerade diesen Ort mit einer Garnison zu belegen und würden uns selbst seine Erhebung zu einer Paßfestung, etwa im Sinne von Lötzen, begreiflich erscheinen lassen, da die Geländeschwierigkeiten im Süden des Ortes infolge der zahlreichen Talfurchen (außer der oben genannten Eylau-Radomnoer Doppelrinne noch östlich davon die durch den Teerofen-, Trzynack- und Zabinie-See in ihrer Richtung gekennzeichnete Furche und das Drewenztal) viel größer sind als ein flüchtiger Blick auf eine Karte kleineren Maßstabes verraten kann. Westlich von Dt. Eylau liegt im Rahmen unseres Gaus, von Freystadt im Süden flankiert, das bescheidene Rosenberg, während wir im Osten das ansehnliche Osterode finden, dem ein entsprechendes städtisches Vorwerk fehlt, und das außerdem nicht, wie Rosenberg, in 20, sondern erst in 30 km Entfernung von Dt. Eylau zu suchen ist. Dieser Unterschied erklärt sich wohl hinreichend aus dem Umstande, daß die wirtschaftlichen Auswirkungen Osterodes wegen der großen Waldungen im 0 und K der Stadt sich hauptsächlich nach Süden äußern müssen, so daß die größere Breite der Auflockerungszone dort nicht ver- wunderlich ist. Im KW von Osterode herrschen gerade die entgegengesetzten Verhältnisse. Da hier Wald, See und Sumpf einen schwer überwindlichen Gürtel unbesiedelten Gebiets bis dicht an die Stadt heranrückten, wird die Kähe des jenseits dieses Waldstreifens gelegenen Liebemühl niemand in Erstaunen versetzen. V/eil dieser Ort eigentlich nur eine etwa 80 km^ große 7 16 Waldlichtung’ beherrscht, hielt sich sein Wachstum in so bescheidenen Grrenzen; jenseits des Bärting- und Röthlofs-Sees gelangen wir schon in den Wirtschafts- bereich der Nachbarstadt Mohrungen. Die Lage von Saalfeld am äußersten Nordzipfel der zur Geserich-Gruppe gehörigen Wasserbecken entspricht dann etwa der von Dt. Eylau im äußersten Süden dieses Gebiets, nur mit dem Unterschiede, daß die Paßstadt Dt. Eylau für den Verkehr unverhältnismäßig wichtiger ist als Saalfeld, wo die west-östlich gerichteten Straßen sich in einem weithin gangbaren Gelände viel willkürlicher den Weg suchen können. Im NW des Gaus finden wir dagegen wieder eine viel breitere Lücke in dem Städtekranz wie zwischen Saalfeld und Liebemühl, da die hier geschlossen vordringenden Waldmassen die Stadt Christburg sozusagen weiter nach NW zurückgedrängt haben. Eine Art Ersatz und Zwischenwerk bildet hier das Dorf Alt Christburg, das wir schon oben als Randort des Geserich-Gaus erwähnten. Daß die Ortschaft hinsichtlich des Verkehrs und der wirtschaftlichen Beziehungen auf eine gewisse Fern Wirkung berechnet ist, zeigt uns schon die Reihe stattlicher, mit geräumigen Sälen versehener Gasthäuser, welche wir in Alt Christburg finden. Haben wir eben die Gunst der Verkehrslage von Dt. Eylau hervorgehoben, so können wir von dem Gelände der Stadt doch nicht gleich viel Rühmens machen, wenn wir die moderne Siedelung, das Dt. Eylau unserer Tage ins Auge fassen. Den Schienenstrang der Thorn — ^Insterburger Bahn ganz dicht an dem alten, auf der Halbinsel am Geserich-See gelegenen Stadtkern vorbei- zuführen, ging wegen des gerade dort recht hügeligen Geländes nicht wohl an. Die Folge davon war auch hier die Anlage einer kilometerlangen Bahnhofs- straße, die ganz mit Häusern zu besetzen die Zunahme der Bevölkerung auch heute noch nicht ermöglicht hat. War durch die Bahnhof sanla.gen ein zweiter Siedelungskern geschaffen, so bildeten die auf der Hochfläche südlich von dem Stadtsee erbauten Kasernen noch einen dritten und das Gymnasium auf der künstlich landfest gemachten Insel des Kleinen Werders am Westufer des Geserich-Sees einen vierten Siedelungskern. Deshalb erscheint uns heute Dt. Eylau abgesehen von dem alten Stadtkern und einem kleinen Quartier, das sich nach 0 zu an ihn anschließt, als ein 5 — 6 km^ großes, ganz unregel- mäßig mit Häusergruppen besetztes Gelände, das nur wenig Aussicht hat, sich in eine geschlossene Stadt zu verwandeln. Um eine solche Bodenfläche mit einem halbwegs engmaschigen Netz dicht und lückenlos bebauter Straßen zu bedecken, wären vielleicht 60 000 — 80 000 Einwohner nötig. Die zwar weit- reichenden, aber dabei doch wenig intensiven Beziehungen der von Graudenz und Elbing in industrieller Hinsicht entschieden darniedergehaltenen Geserich- stadt berechtigen uns aber kaum zu der Hoffnung, daß Dt. Eylau in absehbarer Zeit auch nur den kleineren Teil dieser Ziffer erreicht, wofern es nicht einer künstlichen Begünstigung von Staats wegen teilhaftig würde, welche die des benachbarten Allenstein noch überträfe. Es kommt hier eben auch zur Geltung, daß das wirtschaftliche Leben des östlich der Weichsel gelegenen Teiles unserer 8 17 Provinz nicht vom Mittelpunkt zur Peripherie ausstrahlt, sondern daß die :stärksten Wirkungen sich ganz im Gregenteil von der Peripherie aus nach dem Zentrum zu geltend machen. Um das zu erläutern, genügt es, die Namen Thorn, Grraudenz, Dirschau, Marienburg, Danzig und Elbing zu nennen. Wenn unsere Landsleute Dt. Eylau als einen schön gelegenen Ort rühmen, ÄO denken sie an die freundlichen Bilder, welche die Stadt dem Wanderer zeigt, der vom Westufer des Geserich-Sees, vor allem von der begrünten Höhe des Scholtenberges zu dem rotbraunen Treppenturm der alten Ordenskirche hinüberschaut, an das freundliche Laubgehege, das dies alte Gotteshaus umgibt, und an die anmutige Parkstraße, die jenseits des Geserich in der Nachbarschaft des schmucken Gymnasiums letzthin entstanden ist. Unter diesen Landschaften würden wir der Aussicht vom Scholtenberge den Preis zuerkennen, um so mehr, als sie trotz aller individuellen Reize uns doch das typische Gesamtbild einer cstmärkischen Landseestadt zeigt. Wer die Anmut dieser Bilder auf sich wirken ließ, vermeint in der Gegend des Ostbahnhofs eine ganz andere Welt erreicht zu haben. Daß es dort schön sei, wird wohl niemand behaupten, und doch darf auch dies Gelände, in dem zwischen breitrückigen Hügeln ein Stern von blinkenden Schienensträngen dem blauschwarzen Kiefernwalde zustrebt, recht malerisch genannt werden, zumal bei seiner freien Weite die vielgestaltigen Wolkengebirge des Himmels und das zauberhafte Earbenspiel der sinkenden Sonne so recht zu ihrer Geltung Lommen. Der Naturschwärmer würde auch an der Dt. Ey lauer Zementfabrik, jener einsamen Stätte, wo hohe Fabrikgebäude neben zerklüfteten Kiesgruben aufragen und sich in dem klaren Gewässer eines kleinen Teiches spiegeln, sicherlich nicht allzuviel Gefallen finden, aber manch Maler möchte zum Pinsel g^reifen, um den dächerreichen Häuserhaufen nachzubilden, etwa am schwülen Hochsommerabend, wenn das stille Gewässer das Fach werk der Giebel und die hochgetürmten Haufenwolkeh deutlicher als sonst auf seinen klaren Spiegel zeichnet. Im allgemeinen sind die Hügel unseres Gaus nicht hoch und ihre Umrisse nicht ausdrucksvoll genug, um auf kleinem Raum besonderen Eindruck auf den Wanderer zu machen. Erst wenn er größere Räume überschaut, fügen sich die Linien zu wirksamen Raumachsen zusammen und liefern Bilder, die der Aufmerksamkeit des Wanderers würdig sind, wenn ihnen auch fast überall eine gewisse Starrheit anhaftet. Mit am freundlichsten erscheint uns noch die alte Diluvialrinne zwischen dem Stadtbahnhof und dem Winkelsdorf er Waldrevier, welche auf hohem Damm die Chaussee überbrückt, deren weiße Bordsteine nicht wenig zur Belebung der grünen Landschaft beitragen. Und doch brauchen die über den Plan zerstreuten Baumgruppen nur ihre Blätter den Herbststürmen preiszugeben und die Bauern das glitzernde Stoppelfeld in schwarzen Sturzacker zu verwandeln, um die Harmonie der Landschaft zu zerstören, die uns im Sommer so freundlich dünkte. Sehr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 4. 9 2 18 Die sdiönsten Landscliaftsbilder des CTeserich-Graus verdanken zwei Bestand- teilen ihre hohe Anmut, dem Wald und dem Wasser, indem bald der eine,, bald der andere die Landschaft beherrscht, bald wieder beide zusammen eine höhere Einheit bilden. Wenn in der Aussicht, die wir vom Scholtenberg genießen, das Wasser der wichtigste Bestandteil ist, so könnte der Maler ein Bild, das den Finkensteiner Mühlengraben zwischen dem Kafken- und lanu- schauer See darstellen soll, kurzerhand als Waldlandschaft im Geserich-Gau bezeichnen, und in dem seenreichen Eevier zwischen Meukrug und Alt eiche vermögen wir uns selber kaum Eechenschaft darüber zu geben, ob der Wald oder das Wasser der wichtigere Bestandteil der köstlichen Bilder sei. In den Eylauer Gau mußt du die Freunde schicken, wenn sie sich von der Eigenart unserer baltischen Waldseen eine Vorstellung bilden wollen! Bald sind es stille Becken, weit entfernt von jedem Landweg, so eng umhegt vom dichten Stangenholz der Birken und Erlen, daß es dich Mühe kostet, nach gewagtem Klettern über Baumstümpfe und noch gewagteren Sprüngen über Sump flachen eine freiere Aussicht auf den weltentlegenen Wasserspiegel zu gewinnen. Kur 2, 3 km davon treffen wir vielleicht in ebener Sanderfläche einen flußähnlich schmalen Heidesee (vergl. den Teerofen-See), den hochschäftige Kiefern so ernst umgeben, daß wir uns an die märkischen Landschaften eines Leistikow erinnert fühlen. An hügelumrahmten Wasserbecken, zu denen von allen Seiten lichtlaubige Buchen hinabsteigen (vergl. den Kafken-See), fehlt es ebenso wenig wie an breit und übersichtlich daliegenden Landseen, deren Ufer bald von flacherem Strand, bald von leichten Bodenwellen gebildet wird (vergl. den Urowiecz-See). Während du dich hier zu wohligem Sonnenbade in den Sand strecken möchtest, steigst du anderswo an das Gestade des tief- eingeschnittenen Binnensees hinab wie in den dämmerigen Baum eines feuchten Kellers (vergl. den Gardener See). Bist du noch Keuling im Land, so hältst du es wohl für überflüssige Mühe, jedem der sechs oder sieben Landseen, die unweit deines Weges im Waldesdunkel ihr verträumtes Dasein führen, einen besonderen Besuch abzustatten und nimmst sie alle ungesehen für gleiche Geschwister des einen, den du von der Landstraße aus überschauen konntest. Der landeskundige Wanderer wird dir solch Tun verweisen, denn der Urowiecz- See gleicht nicht dem Buchten-See, und anders als bei diesem haben sich wieder am Kafken-See die Waldhöhen zum grünen Bahmen zusammengefügt. Wie uns der Gardener und Stengwitz-See zeigen, sind selbst die benachbarten Landseen in einer und derselben Seenfurche bisweilen von recht verschiedenem Landschaftscharakter. Koch mehr als die Furche des Stengwitz-, Garden- und Ossa-Sees ver- dient die Dt. Eylau — Badomnoer Seenfurche um ihrer landschaftlichen Schön- heit willen den Besuch naturfroher Wanderer. Ein Ausflug nach dem freund- lichen Kirchdorf Badomno lohnt , sich ebensosehr um des Zieles wie um des Weges willen. Diesem Wege tun die Eylauer doch unrecht, wenn sie allzu beredt das freundliche Bild rühmen, das der Wanderer von der Försterei Keu 10 19 Werder überschaut, wenn er jenseits des von malerischer Holzbrücke über- spannten, fluß ähnlich schmalen Seearmes die winzigen Hänschen am hohen Ufer sich bis zur spitztürmigen Ziegelkirche aneinanderreihen sieht, denn der ganze Weg vom Zgnileck- bis zum Lonken-See ist der trefflichste Beweis dafür, welch hohe Schönheit Wald und Wasser in freundlichem Bunde unserer norddeutschen Hügellandschaft verleihen können. Kaum hast du, auf schat- tigem Waldwege bergan steigend, einen glitzernden Seenspiegel aus dem Auge verloren, da blinkt es zwischen dem Buchengrün schon von neuem auf, und jeder Waldsee, ob klein oder groß, ob er schäumende Wellen ans Ufer treibt oder, weicher gewohnt, zwischen froschreiche Wiesen sich bettet, nennt so viel persönliche Züge sein eigen, daß du ihn bei der zweiten, dritten Wander- fahrt auch ohne Landkarte wiedererkennst, wenn du ihn, da du gerade ohne Weg und Steg durchs Blaubeerkraut schleuderst, im Grunde plötzlich glitzern und gleißen siehst. In manchen Stücken erinnert diese Perlenschnur von Waldseen, die wir zwischen Eylau und Radomno kennen lernen, an die freundlichen Mühlenteiche der Olivaer Täler, nur daß die Wasserflächen hier im Ejdauer Gau viel größer sind, so daß wir schließlich doch zugeben müssen, daß die Ähnlichkeit nicht überschätzt werden darf. Jedenfalls vermag es jeder dieser Waldseen zwischen Eylau und Radomno an landschaftlicher Schönheit mit dem Großen Silmsee, dem Lieblingsziel der Eylauer Spaziergänger, wohl aufzunehmen. Alles in allem können sich die Eylauer Wälder mit den Forsten des nord- pommerellischen Waldgürtels zwischen Oliva und Lauenburg hinsichtlich der Mannigfaltigkeit der Landschaftsbilder wohl messen, obgleich die beiden Wald- gebiete im großen und ganzen so verschieden sind wie nur möglich. Dort im Danziger Gau bestimmen der Hügel und der Berge Grenzen in erster Linie das Gepräge der Waldbilder, während bei Eylau Seen und Sümpfe die weiten Holzungen so wechselreich erscheinen lassen. Deshalb spielt hier auch die Erle eine ganz andere Rolle als dort oben am baltischen Strand. Fast bei jeder Wegbiegung erwartet uns im Schönberger und Schwaigen- dorf er Wald ein anderes Bild. Wanderten wir eben unter uralten Eichen dahin, so nimmt uns im nächsten Jagen ein alter Kiefernbestand auf, und ein paar hundert Schritte weiter versperrt dir, dicht erfüllt von allerlei Unterholz, ein Erlenbruch jegliche Aussicht. Doch die dunkelgrauen Stämme sind schon gezeichnet; im nächsten Sommer flammt hier das Sonnenlicht auf goldgelbem Schilf, über das allerorten, riesigen Maulwurfshaufen gleich, kugelrunde Laub- büschel, die jungen Stockausschläge der eben gefällten Erlen, emporragen. Blendete eben das sonnendurchflutete Laub der Weißbuchen- und Haselstangen im Mittagsglast beinahe des Wanderers Auge, so nimmt ihn gleich darauf das nächtige Dunkel alter Fichtenbestände auf, unter denen kaum ein Grashalm gedeiht, so daß der Blick über den braunen Lodenteppich hinweg den schwarzen Spiegel des nächsten Waldsees erreichen kann. Selbst an uralten Rotbuchen- hainen fehlt es nicht, so nahe uns hier auch die Buchengrenze gerückt sein mag. 11 2* 20 Auch auf dem Neustädter Kalvarienberge finden wir nicht mächtigere Buchen als an der Lichtung westlich von Feldchen. Landfremden Gästen zeigen wir jedesmal diese riesigen Laubgebirge, aber uns selber sind die jüngeren Buchen- schläge unserer Forsten lieber, denn jene Riesen, so trotzig sie aufragen, hat doch der Tod schon gezeichnet, so daß ihre Größe einen fast herben Zug annahm. Beinahe überall sieht man es den Eylauer Wäldern an, daß die reichen Standesherren, denen die grüne Pracht eignet, ihren Besitz nicht nur einträg- lich, sondern auch schön gestalten wollten. Ein paar stattliche Fichten, die grämlich ernst inmitten der weiß stämmigen Birken auf ragen, eine düstere Allee dieser Bäume, die sich durchs Buchenstangengehölz wie ein Zug schwarz- kuttiger Mönche den Weg sucht, einige knorrige Eichen, die wie ratpflegende Greise die blaugrüne Kiefernschonung überragen, können dem ganzen Wald- revier zu einem Schmucke dienen, den wir nur ungern missen würden. Sie alle zeigen uns zu ihrem Teil, daß Waldesschönheit in unserer Heimat auch des naturfrohen Menschen sinniges Werk ist. Die Fichte als einen Waldbaum der Niederung lernt der Westpreuße erst in diesen Wäldern nach Gebühr schätzen. Manch eine bot uns unter ihrer dichten, flechtenbehangenen Krone, deren Äste bald in graziöser Neigung vom Stamme fortstreben, bald schwer und kraftlos herniederhangen, ein erwünschtes Obdach, wenn der sommerliche Gewitterguß herniederrauschte, bis die letzten Tropfen in der siegreichen Sonne ersten Strahlen versprühten und der Pirol im Buchengestänge wieder seinen waldfrischen Ruf zum besten gab. Um sich davon zu überzeugen, wie es hier des Försters Kunst verstanden hat, mit verhältnismäßig geringen Mitteln ganzen Wahlbezirken ein beinahe parkähnliches Aussehen zu verleihen, braucht man nur den Adlerwinkel zu besuchen, eine bewaldete Halbinsel, die mit zwei schmalen Landzungen den südöstlichen Zipfel des Eylenz-Sees so weit ausfüllt, daß nur ein schmaler Wasserarm übrig bleibt, der sie von Südosten her umklammert. Allerdings tragen hier auch die zahlreichen Durchblicke auf den glitzernden Landsee dazu bei, den Reiz der Waldlandschaften zu erhöhen. Eine ganze Welt für sich bildet der mächtige Geserich-See mit seinen inselreichen Weiten, seiner feierlich-ernsten Wasserbahn im dunkeln, schweigen- den Hochwald und seinen weltentlegenen Waldbuchten, deren Eingang oft genug von entwurzelten Bäumen versperrt wird. Wer ihn nur bei Dt. Eylau geschaut hat, wird ihn kaum wiedererkennen, wenn er von Schwaigendorf über seinen breiten Wasserspiegel nach Weepers hinüberblickt oder auf schmalem Waldpfade den Weg nach dem kapartigen Vorsprung von Jadziowken fand, wo unter alten Kiefern eine niedrige Fischerkate an dem grünen Ufer einsam Wache hält. Die Hügel, die das zumeist flußähnlich schmale Gewässer des Geserich umgeben, verdienen selbst diesen Namen kaum, denn wohl nirgends schwellen sie mehr als 25 m über den Wasserspiegel empor. Dennoch ist dieser See kein Gewässer der Ebene wie unser westpreußischer Drausensee. Selbst der 12 21 pommersche Madüsee hat lange nicht so ausdrucksvolle Umrisse, obgleich seine üf erhänge etwas höher ansteigen, da sie neben der viel breiteren Wasserfläche entsprechend kleiner erscheinen. Jedenfalls hebt und senkt sich das Ufer des Geserich in recht anmutigen Wellenlinien, und mancher Bühel an seinem Gestade, wie der aussichtsreiche Scholtenberg, erscheint höher als er ist, weil ihn alte Bäume in einen grünen Mantel hüllten. Stehen wir in der Dorfstraße von Schwaigendorf 10, 12 m über dem Spiegel des Sees, so scheinen, von hier aus betrachtet, auch die Uferhöhen am anderen Gestade zu wachsen, und der vielfach geschweifte Ufersaum der Inseln trägt das seine dazu bei, das Bild mit anmutigem Linienspiel zu erfüllen. Auch die vielgerühmte Aussicht von der Karthäuser Präsidentenhöhe verdankt ihren Kuf ja mehr dem wechselvollen Spiel horizontaler Kaumachsen als der Nähe beherrschender Anhöhen. Fast immer, wenn ich in Schwaigendorf weilte, gaben sich auch die meteorologischen Erscheinungen, formschöne Wolken und der Sonne immer neues Lichterspiel, die erdenklichste Mühe, der schlichten Landschaft ein etwas heldischeres Gepräge zu geben. Dennoch dürfen wir auch die schmaleren Teile des Geserich beileibe nicht mit dem Ostritz- und Brodnosee vergleichen. Jene Kadauneseen können wir ohne Übertreibung als Bergseen bezeichnen, namentlich dann, wenn wir zu Kord- deutschen reden, welche Erhebungen, wie es ihre Uferhöhen sind, ganz anstands- los als Berg anzureden pflegen. Der Geserich ist dagegen kein Bergsee; auch seine Uferhänge sind charakteristische Teile der kuppigen Grundmoräne, die im Geserich-Gau selbst mit ihren höchsten Erhebungen kaum Hügel geschaffen hat. Die Frage, ob eine Landschaft schön oder unschön sei, wird von mehreren gleich urteilsfähigen Richtern oft ganz verschieden beantwortet werden. Mit größerer Sicherheit kann schon die Behauptung gewagt werden, daß eine Land- schaft eigenartig und um dieser Eigenart sehenswert sei. Dieser Tatbestand trifft für jene Teile des Geserich, wo sich sein schmales Gewässer zwischen waldigen Ufern dahinzieht, ganz sicherlich zu. Obgleich ich den Wanderstab weit auf der Erde herumtrug, versetzte mich die erste Dampferfahrt nach Schwaigendorf doch in halb frohes, halb ehrfürchtiges Staunen. Die Größe der Waldbilder an seinen Ufern, die eindrucksvollen Flugbilder der vielen Fischreiher, welche auf seinen mächtigen Uferbäumen nisten, die minniglichen Spiele der hoch im Äther kreisenden Bussarde, welche diesen Gau in auffälliger Menge beleben, und die zierlichen Silhouetten der Steiß füße, die ohne Scheu ganz dicht an dem raschen Dampfer vorübergleiten, das alles wirkt in uns zusammen, um in uns das beglückende Gefühl der Kähe unserer großen All- mutter mit seltener Stärke auszulösen. Unwillkürlich kamen uns hier immer wieder die Tagebuchblätter in den Sinn, auf denen unser Danziger Landsmann Johannes Trojan von seinen Fahrten auf Kanadas Waldseen berichtet. Wie aufmerksam späht nicht der Reisende in die grünen, geheimnisvollen Tiefen, wenn, wde Riesenkulissen eines Theaters, die Ufer des Sees auseinandertreten und uns für qinige Minuten den Blick in seine stillen Buchten vergönnen. 13 22 an deren Ufer das Waldgeheimnis nur selten durch hastender Menschen unheilige Alltagsgedanken entweiht wird! Wenn wir, nach Süden strebend, den schmalen Waldpaß hinter uns lassen, das rechte Ufer zurückflieht und das linke, ohne den Schmuck des Hochwaldes, uns wieder alltäglichere Bilder zeigt, wird uns ganz eigen zumute, als träten wir aus einem ernsten Gotteshause hinaus in der Kleinbürger nüchternes Gäßchen. Um zu erkennen, wie verschieden die einzelnen Teile des Geserich sind, brauchen wir nur die durch das Große Werder getrennten Wasserarme des Südzipfels miteinander zu vergleichen. Schön ist sicherlich auch der östliche Arm, an dem sich stattliche Speicher aneinanderreihen, über den des Scholten- bergs grüner Hügel zu uns herüberschaut. Aber dennoch mutet uns der west- liche Arm, den links der ernste Hochwald, rechts die fleißig beackerten Hügel des Großen Werders begleiten, viel freundlicher an, mag nun die sinkende Wintersonne die beschneiten Hänge des Werders mit rosigem Licht überschütten oder der stählerne Himmel des Vorfrühlings dem spähenden Auge die fernsten Waldbuchten entschleiern und uns das kleine Eiland zwischen dem Großen Werder und der ersten Ablage, das unser Blick fast täglich suchte, in greif- bare Mähe rücken. Wie gottbegnadete Maler nicht müde wurden, großer Männer runenreiches Antlitz immer wieder und wieder zu malen und ihr tiefstes Wesen doch nicht ergründeten, so könnten uns auch naturfrohe Landschaftsmaler mit Dutzenden von Gemälden beschenken, die alle denselben Teil des Geserich darstellen sollen, und die sich dennoch gar nicht auffällig gleichen. Blicke über den See hinweg, wenn er an rotglühendem J ännermorgen zum ersten Male in Eisesbanden starrt, und kehre dann wieder, wenn im Vorfrühling des Eises letzter Rest zergeht, leuchtend im zartesten Moosgrün, als wäre nur noch des Eises Seele übrig, treibe den Hachen durch seine Elut, wenn schwere Gewitterwolken auf dem waldigen Ufersaum lasten, und folge uns über die windumwehte Stadtbrücke, wenn der Nordwind kurze, schaumgekrönte Wellen über seine Fläche treibt, die den schwarzblauen, stahlharten Oktoberhimmel widerspiegelt, dann wirst du unserer Behauptung Glauben schenken, der Geserich sei ein rechter Proteus und vermöge selbst dem Greise, der an seinem Ufer grau ward, noch dann und wann ein neues Antlitz zu zeigen! Mit einem letzten Blick auf seinen sonnigen Spiegel wollen wir von dem anmutigen See Abschied nehmen. Vielleicht veranlaßt unsere gutgemeinte Schilderung den einen oder anderen unserer Landsleute dazu, selber zur schönen Sommerszeit zu den grünen Wäldern und blauen Seen des Geserich-Gaus zu Xjilgern. Er wird sicher die Überzeugung mit sich nehmen, daß auch unser westpreußisches Land manch liebenswürdiges Geheimnis birgt, und daß die Sonne hier ebenso hell und die Waldesnacht ebenso heilig ist wie in manche® vielgerühmten Weiten. 14 23 Neue Wege der Seidenraupenzucht und eigene Versuche und Erfahrungen in Westpreußen ^). Von R. Lucks, Botanischer Assistent an der Landwirtschaft!. Versuchsstation Danzig, zugleich Geschäftsführer der Westpr. Seidenbau-Studiengesellschaft. Mit 14 Abbildallgen. H ochgeehrte Herren! Wenn ich heute die hohe Ehre habe, Ihnen etwas über Seidenraupenzucht Yorzutragen, so darf ich wohl einige allgemeine Bemerkungen vorausschicken. Es dürfte allgemein bekannt sein, daß der Faden, aus dem die herrliche und kostbare Seide hergestellt wird, ein Produkt der Seidenraupe ist, der Raupe eines Schmetterlings aus der Familie der Spinner (Bombycidae), welche alle die Gewohnheit haben, ihre letzten Umwandlungen in einem selbstgesponnenen Gehäuse, geschützt gegen die Unbilden der Witterung und die Nachstellungen ihrer vielen Feinde, durchzumachen und dadurch um so sicherer ihres Daseins Kreise zu vollenden. Ein einziger Faden — oder genauer ein Doppelfaden — von im ganzen bis 3700 m Länge und einem mittleren Durchmesser von 0,02 mm, von zwei besonderen Drüsen der Seidenraupe geliefert, wird zuerst zu einem wirren Stützwerk, einer Art Hängematte, versponnen, in welcher des weiteren ein Hohlkörper von elliptischem Längsschnitt — der Kokon — von beiläufig 13 bis 45 mm Länge und 7 bis 34 mm Breite, aus demselben Faden bereitet, aufgehängt wird, in dessen Innern sich die Raupe befindet. Ein schnell an der Luft erhärtender Überzug des Fadens — der Seidenleim — verkittet die einzelnen Fadenschlingen, so daß der fertige Kokon, zumal wenn er von einer gesunden und gut genährten Raupe stammt, eine ziemliche Festigkeit zeigt. Die Farbe der Kokons ist weiß, gelb oder grün, je nach der Rasse, von welcher er erzeugt worden ist. 1) Vortrag, gehalten am 7. November 1917 vor der Naturforschenden Gesellscliaft in Danzig. 1 24 Es war gewiß ein genialer Gredanke, den Seidenkokon wieder in seinen ursprünglicken Eaden aufznlösen und diesen Faden techniscli zu verwerten. Wieviel Scharfsinn mag erforderlich gewesen sein, bis der Gredanke in die Tat umgesetzt wurde, und vielleicht hat auch hier der Zufall einen nicht unerheb- lichen Anteil am Erfolg aufzuweisen. Jedenfalls ist die Kenntnis der Seide- gewinnung ein altes Besitztum der Menschheit; denn die ersten Nachrichten darüber datieren bis 4000 Jahre vor Christi Geburt zurück, und China, das^ Vaterland des Maulbeerbaumes, dessen Blätter die einzige Nahrung der Seiden- raupe des chinesischen Seiden- oder Maulbeerspinners sind, darf wohl den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, die erste Seide gesponnen zu haben. Später sind dann auch Versuche gemacht worden, die Gespinnste anderer Spinnerartem ■ — so vom südamerikanischen Seidenspinner (Saturnia Cecropia), vom Ailanthus- Spinner (S. Cynthia), vom chinesischen Eichenspinner (S. Pernyi), vom japa- nischen Eichenspinner (S. Jama mayu) u. a. — auf Seide zu verarbeiten, aber alle von diesen Spinnerraupen gewonnenen, sogenannten wilden Seiden haben bis heute nicht vermocht, der echten Seide ernste Konkurrenz zu bereiten.. Die intensive Ausnutzung des Maulbeerspinners (Bomhyx mori) durch den Menschen aus egoistischen Motiven hat ihn ' zu einem echten Haustier umgewandelt, das seinen Lebenslauf ,,von der Wiege bis zur Bahre‘* in der menschlichen Behausung verbringt und vom Menschen völlig versorgt wird. Aber auch ihm ist die Gastfreundschaft des Menschen zum Danaergeschenk; geworden: die wundervolle Gabe des Fliegens ist ihr zum Opfer gefallen,, und nur gewissermaßen als Ausdruck der Gemütsbewegung kommt beim Männchen im Momente der Kopulation ein unbeholfener Flügelschlag zum Vorschein. Einfach, nur den niedersten Instinkten folgend, fließt das Leben des ,,Seidenwurmes“ dahin; denn wie die Seidenraupe nur von einem Triebe beherrscht wird, der Stillung ihres ewigen Hungers, so kennt der ausgebildetc Schmetterling ebenfalls nur einen Trieb, nämlich die Sorge für die Nach- kommenschaft. Die Befriedigung dieser beiden Triebe regelt der Mensch nach seinem Ermessen, und als Tribut für seine Arbeit fordert er den köstlichen Seidenfaden ein. Im Betriebe der Seidenraupenzucht hat sich im Laufe Tausender Jahre wohl nur wenig geändert, nunmehr aber pocht der eherne Finger der modernen Zeit auch an die Tür des Seidenraupenzimmers, und der rastlos vorwärts strebende Mensch begehrt Einlaß, prüft mit kritischem Blick die durch die Länge der Zeit geheiligten Gebräuche und Einrichtungen und fordert gebieterisch die Durchführung seiner aus der Not der Zeit geborenen Ideen. Lassen Sie uns nun zunächst einen kleinen Einblick in einen Seiden- raupenbetrieb nehmen! — Im Frühjahr, wenn der Maulbeerbaum anfängt, Knospen zu entfalten,, dann bringt der Seidenbauer die den Winter hindurch sorgfältig vor Nach- stellung und Verderbnis geschützten Seidenraupeneier, die Grains, aus der kühlen Aufbewahrungsstätte in ein warmes Zimmer, dessen Temperatur mög- 25 liehst allmählich gesteigert werden soll. Hat die Wärme eine bestimmte Höhe erreicht, so beginnt das bis dahin latente Leben in den Eiern sich zu regen^ die Entwdckelnng nimmt ihren normalen Verlauf, und in etwa 14 Tagen, wenn die Maulbeerbäume bereits kleine Blättchen zeigen, kriechen die bräunlichen, stark behaarten, jungen Seidenraupen aus. Sie begeben sich sofort auf das bereit gelegte Futter, und von diesem Augenblicke an etwa 32 Tage hindurch, nur unterbrochen durch die kurze Ruhe der vier Häutungsperioden, kennt die Raupe keine andere Tätigkeit als die des Fressens. Infolgedessen wächst sie in dieser kurzen Spanne Zeit von 3,5 mm Länge auf annähernd 8 cm Länge und 8 mm Dicke heran und erreicht mit etwa 3,5 g das 6000 fache ihres ursprünglichen Gewichtes. Die anfänglich dunkle Farbe wird nach jeder Häu- tung heller, die Haare gehen verloren, und schließlich resultiert eine rahm- gelbe Raupe, die nur in verschiedenen Yarietäten besondere Zeichnungen bfeitzt. Da ändert die Raupe plötzlich ihr Verhalten. Ihre außerordentliche Träg- heit macht einer auffälligen Unruhe Platz, ihre Freßbegierde ist verloren gegangen, das beste Futter wird verschmäht, sie kriecht nach dem Rande des Lagers und strebt nach oben, ,,sie steigt auf“. Dies ist der Zeitpunkt, wo der Seidenraupenzüchter an den Aufbau der ,, Spinnhütten“ geht, das sind Vor- richtungen, welche der Seidenraupe das Spinnen des Kokons ermöglichen und erleichtern sollen. Stroh, Reisig, Holzrahmen und dergleichen dienen zur Her- richtung der Spinnhütten. Die Seidenraupen kriechen an ihnen empor, suchen sich einen geeigneten Platz und beginnen mit der Herstellung der Kokons, die zu ihrer Fertigstellung etwa 2% Tage erfordern. Innerhalb des Kokons häutet sich die Seidenraupe zum fünften Mal, entwickelt sich zur Kymphe, und in 10 bis 14 Tagen, vom Beginn der Kokonbildung gerechnet, bricht der Schmetterling hervor. Mittels eines Tropfens Saft, den er aus dem Munde aus- fließen läßt, erweicht er den Kokon an einem Ende, drängt sich durch die AVand hindurch, entwickelt in kurzer Zeit die Flügel und schreitet zur Kopulation, welche bis 24 Stunden und länger dauert, gewöhnlich aber nach höchstens 6 Stunden durch den Züchter unterbrochen wird. Nach 24 Stunden legt das AA^eibchen 400 bis 500 Eier ab und stirbt dann nach einigen Tagen, ohne Kah- rung zu sich genommen zu haben. Der Raupenzüchter läßt nur einen kleinen Teil der Kokons ,,auslaufen“, nämlich nur soviel, als er Schmetterlinge zur Eierproduktion braucht, da diese Kokons für die Seidengewinnung fast wertlos sind. Die hierfür bestimmte Hauptmenge der geernteten Kokons wird, nachdem diese von der Floekseide befreit worden sind, verkauft, ehe der Schmetterling zum Durchbruch kommt. Auf den Sammelstellen der Kokons werden die Schmetterlinge rechtzeitig durch besondere Verfahren abgetötet. Die. Arbeit des Seidenraupenzüchters dauert also, die Zeit der Eierentwickelung abgerechnet, etwa einen Monat. Kun gestatten Sie mir. Ihnen eine kleine Rechnung über die Rentabilität der Seidenraupenzucht aufzumachen! 3 26 1 kg grüne, d. k. nnabgetötete, gut entwickelte Kokons, das sind ungefähr rund 500 Stück, kostete vor dem Kriege etwa 2 M. Um also einen Brutto- gewinn von 400 M in einem Monat durch Seidenraupenzucht zu erzielen, müßte der Seidenbauer 200 kg Kokons erzeugen, d. h. — keine Verluste gerechnet — mindestens 100000 Seidenraupen aufziehen. Um zu einem Verständnis der hier- bei geleisteten Arbeit zu gelangen, bitte ich Sie, sich die nachstehende Tabelle etwas näher zu betrachten. Es ist eine Euttertabelle für lOOOKaupen berechnet. Darnach brauchen 1000 Seidenraupen vom ersten Tage des Lebens ab bis zur Verspinnung folgende Futtermengen (siehe die Tabelle auf S. 27!): Die Zahlen der ersten Keihe geben den Verbrauch an Laub pro Tag an, die der zweiten Keihe den Gresamtbetrag an Futter bis zum genannten Tage. Uns interessieren zunächst die Angaben der ersten Keihe. Es fällt uns dabei in erster Linie auf, daß sich das B/aupenleben in fünf Perioden abspielt, die durch fast oder gänzlich fraßfreie Tage, die Häutungstermine, voneinander getrennt sind. In jeder Periode macht sich ein Anstieg des Futterverbrauches bis zu einem Maximum und ein sich daran anschließender Abfall sehr deutlich bemerkbar. In der ersten Periode beginnt der Eutterverbrauch mit der geringen Menge von 15 g pro Tag; er erreicht sein Maximum am 3. Tage mit 40 g, um bis zum 5. Tage, dem 1. Häutungsverlauf auf 10 g zurückzusinken. In der zweiten Periode setzt der Verbrauch am 6. Tage mit 60 g ein, er steigt bis zum 8. Tage auf 130 g und sinkt dann schnell am 9. Tage auf 50 g zurück. Kach der zweiten Häutung beträgt der Futterverbrauch am 1. Tage, d. h. am 10. Kaupentage 150 g. Das Maximum fällt auf den 12. Tag mit 350 g, das Minimum mit 100 g auf den 14. Tag. Der 15. Tag ist futterfrei, da die Häutungen allmählich längere Zeit in Anspruch nehmen. Die vierte Periode beginnt mit einem Futterbedarf von 350 g am 16. Tage. Der Verzehr steigt bis zum 19. Tage auf 800 g, um dann wieder bis zum 21. Tage auf 100 g abzusinken. Der 22. Tag ist wieder fraßfrei. Die letzte Periode beginnt am 23. Tage mit einem Verbrauch von 600 g. Das Maximum fällt auf den 28. Tag mit 3,3 kg. Am Schlußtage, dem 32. Tage, beträgt der Futterbedarf nur noch 1 kg. Damit hat dieser sein Ende erreicht. Während der ganzen Zeit ihres Raupenlebens brauchen 1000 Raupen im ganzen 23 kg Maulbeerlaub, ein- schließlich der nicht verzehrten Futterreste. Wir ersehen des weiteren aus der Futtertabelle, daß der Gresamtbedarf an Futter — abgesehen von den durch den Häutungsvorgang bedingten Schwan- kungen — ein allmählich gesteigerter ist. Ist diese Steigerung anfänglich auch nicht so besonders auffällig, so erreicht sie doch in der letzten Periode eine enorme Höhe, da der Betrag von 3,3 kg am 28. Tage das 220 fache von der des ersten Tages ausmacht. • Insgesamt verzehrt die Seidenraupe während der ersten Periode ihres Lebens etwa ^Aoo, während der ersten und zweiten Periode etwa Vso, während der drei ersten Perioden ^As und bis zum Beginn der fünften Periode Vs ihres gesamten Futterbedarfs; während der fünften Periode, die etwa 8 bis 10 Tage 4 27 Futtertabelle für 1000 Raupen, umfaßt, und die daher mit guter Berechtigung als ,,die Fresse“ bezeichnet wird, verzehrt sie % des ganzen Futters. Ein deutliches Bild dieser kolossal gesteigerten Freßtätigkeit gibt Abb. 1, welche die Freßkurve dar- stellt. Auch hier erkennen wir, noch besser wie aus der Fut- tertabelle, die fünf Lebens- perioden der Seidenraupe mit dem eigenartigen Ver- V » 29. w 300 » » » 30. » 220 n » 31. n 150 » n w n 32. n 100 n n insgesamt also 1850 kg, das sind 37 z Laub, die in 10 Tagen heranzuschaffen sind und wovon allein auf den 28. Tag etwa 6% z kommen. Um diese gewaltige Laubmenge zu erlangen, muß eine Anzahl Per- sonen tagelang tätig sein und der vorhandene Maulbeerbestand in kürzester Zeit völlig geplündert werden, was den Bäumen sicherlich nicht dienlich ist. Wenn ein 30 jähriger Maulbeerbaum rund 100 kg liefert, was jedenfalls sehr hoch gegriffen ist, so sind zur Ernährung von 100 000 Raupen also 20 bis 25 Bäume erforderlich, und unter der Voraussetzung, daß die Bäume nur alle zwei Jahre eine solche Plünderung ohne allzu großen Nachteil ertragen, 40 bis 50 Bäume. So stellt die Seidenraupenzucht, wie sie bislang betrieben wurde, eine äußerst unökonomische Verwertung der Zeit und Kraft dar, und der Gev/inn ist nach Abzug der Unkosten ein verhältnismäßig geringer. Nur die außer- ordentliche Genügsamkeit des chinesischen und japanischen Arbeiters, welcher diejenige der Seidenraupenzüchter in den europäischen Seidenbaugebieten nahe kommt, kann sich mit einem solchen Gewinn begnügen, nicht aber der deutsche Arbeiter, der wesentlich anspruchsvoller und im allgemeinen auch einen besseren Ertrag von seiner Hände Arbeit gewöhnt ist. Also ganz abgesehen davon, ob die klimatischen Verhältnisse bei uns dem Gedeihen des Maulbeerbaumes, den wir zunächst als den eigentlichen Futterlieferanten der Seidenraupe ansehen wollen, günstig sind, steht und fällt die Frage der Seidenraupenzucht mit der Höhe ihrer Rentabilität. Auch die an und für sich gewiß gute Absicht, durch die Einführung der Raupen- zucht wenigstens einem Teil unserer Kriegsinvaliden eine ersprießliche Beschäf- tigung zu erschließen, kann uns nicht veranlassen, ihr das Wort zu reden, solange nicht die Grundlagen für eine sichere und einigermaßen gute Renta- bilität gegeben worden sind. Nun möchte man zu der Ansicht neigen, daß die 6 29 heutigen Kokonpreise, die mit 20 bis 25 M. pro Kilogramm eine nie gekannte Höhe erreicht haben, den Boden für die Sicherung der geforderten Rentabilität vorbereitet haben. Wir dürfen dabei aber nicht übersehen, daß dieser exorbitante Preis nur durch die gegenwärtige Kriegslage bedingt ist und mit dem Beginn des Friedens recht schnell wieder auf das frühere Niveau sinken kann, und daß andererseits auch die Arbeitslöhne und die Ansprüche der Arbeiter durch den Krieg eine enorme Steigerung erfahren haben, die nach dem Kriege sicher- lich nicht so schnell sinken und den niedrigen Stand vor dem Kriege kaum wiedererreichen werden. Es müssen daher besondere Wege, falls es überhaupt solche gibt, eingeschlagen werden, um den Seidenbau in unserem Vaterlande rentabel zu gestalten. Als. leitende Gesichtspunkte für die Erforschung der- selben mögen in erster Linie zwei genannt sein, nämlich: 1. Eine bessere Verteilung der Arbeitskraft in der Seidenraupenzucht in Verbindung mit einer rationellen Ausnutzung der Zeit event. durch Verlängerung des Betriebes. 2. Eine schnellere Eutterproduktion durch Verkürzung der Entwickelungs- zeit der Maulbeerbäume, eventuell durch Einführung einer passenden Surrogatfütterung mit einer schnellwüchsigen Futterpflanze. I. Beantworten wir zunächst die Frage, ob und wie eine bessere Verteilung der Arbeit in der Seidenraupenzucht und eine Verlängerung derselben möglich ist. W as den letzten Punkt anbelangt, so sind Versuche, die Seidenraupen- zucht über einen längeren Zeitraum auszudehnen und dadurch einen größeren Gewinn zu ermöglichen, wohl schon in allen Ländern, in denen intensiver Seidenbau betrieben wurde, gemacht worden, und zwar dergestalt, daß kürzere oder längere Zeit nach Abschluß der ersten Raupenzucht eine zweite und dritte begonnen wurde. Die für die spätere Zucht erforderlichen Eier hatten einen verschiedenen Ursprung. Entweder hielt man die Entwickelung durch eine zweckmäßige kühle Aufbewahrung der Eier zurück oder man benutzte Raupen- material, das durch irgendeinen Umstand aus den frisch gewonnenen Eiern erhalten wurde. So war es uns selbst möglich, in diesem Jahre eine zweite Raupenzucht im August zu beginnen, da die Eier einzelner früher Gelege der von unserer ersten Raupenzucht stammenden Schmetterlinge — die Eiablage geschah Ende Juli — nach ganz kurzer Ruhepause ausschlüpften. Begünstigt wird die Möglichkeit solcher Spätzuchten noch durch den Umstand, daß es bestimmte Rassen des Maulbeerspinners gibt, die im Gegensatz zu den am häufigsten gezüchteten nur eine Generation erzeugenden Einspinnern (Annuali) zwei (BivoUini) , ja sogar drei (TrivoUini) Generationen produzieren. Ob der den späten, namentlich in den heißen Monaten vorgenommenen Zuchten gemachte Vorwurf der Minderwertigkeit zu Recht besteht, bedarf noch sehr der Nachprüfung. Wenn wir hier unsere eigene Erfahrung zu Rate ziehen dürfen, die allerdings sich nur auf den einen bereits erwähnten Fall erstreckt, so halten wir einen gewissen Optimismus für wohl berechtigt. Unsere 9000 7 30 Pfleglinge gediehen vortrefflich, trotzdem nns zum Schlüsse nur geringwertiges, zum Teil schon stark vergilbtes Laub junger Sträucher zur Verfügung stand. Einen größeren Bestand an alten Bäumen, der uns vorzügliches Laub hätte liefern können, wollten wir in diesem Jahre nicht mehr angreifen. Unser Ver- such ergab aber jedenfalls, daß es sicher möglich ist, die Baupenzucht mit Maulbeerlaub bis Mitte September auszudehnen und selbst bei Verwendung von geringem Laub noch einen recht guten Ertrag zu erzielen. Zur Ausübung der Seidenraupenzucht steht also ein Zeitraum von Anfang Mai bis Mitte September, also von 4% Monaten zur Verfügung, der etwa vier aufeinander folgende Zuchten ermöglichen würde. Die Beschaffung der erforderlichen Eier wird keine allzu großen Schwierigkeiten bereiten, da — soweit uns bekannt ist — dieselben unter geeigneten Bedingungen sich lange Zeit frisch erhalten lassen und für die letzten Zuchten eventuell neu geerntetes Material zur Ver- wendung kommen könnte. Die eben geschilderte Art der mehrfachen Raupenzuchten im Laufe eines Jahres gestattet nun wohl eine Vergrößerung des Umfanges der Seidenraupen- zucht etwa aufs Vierfache, aber sie ist nicht imstande, die durch die Eigenart der Zucht selbst bedingte enorme Ungleichheit in der Arbeitsverteilung, wie Sie Dinen in der Futterkurve vorgeführt wurde, auszugleichen. Hierzu ist erst die Möglichkeit gegeben durch Einführung der sogenannten ,, Staffelzucht“. Das Wesen derselben besteht darin, daß nicht, wie bei den bisher geübten Einzelzuchten, die ganze Menge der Raupen auf einmal zur Fütterung angesetzt wird, sondern daß sukzessive immer nur kleinere und möglichst gleichmäßige Anteile derselben in Zwischenräumen von einem oder mehreren Tagen auf die Hürden genommen werden; und daß diese ,, Staffelung“ der Zucht solange fort- gesetzt wird, als man letztere auszudehnen gedenkt. Der Gredanke der Staffel- zucht ist nicht neu; Anklänge daran findet man bei jeder Einzelzucht. Da bekanntlich die sämtlichen Eier in der Regel nicht auf einmal, sondern erst im Laufe von mehreren Tagen auslaufen, so wurden die einzelnen Tagesquoten im Interesse der gleichmäßigen Entwickelung der, Raupen allein gehalten und bildeten somit eine kleine Staffelung. Des weiteren berichtet der berühmte Seidenraupenzüchter, der Kunsthändler A. M. Bolzani, in seinem 1831 zu Berlin erschienenen „Wegweiser zum Seidenbau“, daß er ,, sowohl um das Geschäft zu erleichtern, als auch um den teilnehmenden Freunden der Seidenzucht einen vollkommenen Blick in das ganze Wesen derselben zu gewähren, diese Quantität von 24 Lot (nämlich Raupeneier) jährlich in drei Abteilungen, deren Alter um 4 Tage verschieden war, gebracht hatte“. Das ist nichts anderes als eine kleine Staffelzucht. Der Gedanke aber, die Staffel- zucht zur Grundlage der modernen Seidenraupenzucht zu machen, ist jeden- falls ganz neuen Datums und rührt meines Wissens vom Ehrenvorsitzenden der Deutschen Seidenbau-Gesellschaft, Herrn Professor Dr. Udo Dämmer in Berlin-Dahlem her. Sollte sich die Staffelzucht bewähren und die Hoffnungen erfüllen, die an diese geknüpft worden sind, dann wäre es nicht ausgeschlossen. 31 daß die Seidenraupenzuclit in ein nenes, günstigeres Stadium eingetreten ist. Sehen wir einmal zu, welche Vorteile die Staffelzucht zu bieten imstande ist, und gehen wir zu diesem Zwecke von einer Staffelung des Betriebes zu je 1000 Raupen pro Tag aus. Da die Seidenraupe zu ihrer vollen Entwickelung unter normalen Ver- hältnissen rund 30 Tage braucht, so wird, wenn täglich 1000 Raupen auf die Hürden kommen, im Laufe eines Monats der höchste Stand von rund 30 000 Raupen erreicht. Jeder weitere Anbau hat auf die Vergrößerung der Zucht keinen Einfluß mehr, da vom 31. Tage ab täglich annähernd ebensoviel Raupen zum Spinnen übergehen werden, als neue Raupen hinzukommen: der Betrieb ist stationär geworden. Rechnen wir den Beginn der Raupenzucht mit Mitte Mai, das Ende der- selben mit Mitte September, dann können wir bis Mitte August täglich 1000 Raupen zum Füttern neu ansetzen, das macht für volle drei Monate insgesamt 90 000 Raupen, von denen aber tatsächlich stets nur 30 000, wenigstens während des stationären Zustandes, zu füttern sind. Wie sich diese Art der Raupen- züchtung auf die Arbeitsleistung bemerkbar macht, möge folgende Rechnung ausweisen: Im stationären Stadium haben wir 30 000 Raupen in den verschiedensten Entwickelungsstadien vom ersten bis zum letzten Raupentage zu versorgen. Diese Raupen brauchen an Futter also täglich genau soviel, wie 1000 Raupen wmhrend des ganzen Raupenstadiums, das sind, wie wir schon erfuhren, täglich 23 kg Maulbeerlaub. Mur während des Anstieges und Abfalles ist das Quan- tum ein entsprechend geringeres. Die 23 kg Futter werden etwa 3 Monate hindurch benötigt; das sind im ganzen 40 z Laub, die bei der früher üblichen Einzelzucht mit 90 000 Raupen in zirka 10 Tagen herangeschafft werden 9 32 mußten. Das ist nicht nur eine schöne Ausgleichung, sondern eine gewaltige Erleichterung der Arbeit des Raupenfütterns, und ich bitte Sie, zum Vergleich der jeweiligen Arbeitsleistung sich die beiden entsprechenden Futterkurven für Einzelbetrieb (Abb. 1) und für StafFelbetrieb (Abb. 2) anzusehen! Bei unseren Versuchen mit der Seidenraupenzucht haben wir natürlich auch die Benutzung der Staifelzucht berücksichtigt. Leider konnte das in diesem Jahre nicht in dem gewünschten Maße erfolgen, da es uns an Raupen- material mangelte. Unsere erste Zucht im Frühjahr umfaßte nur zirka 1500 Raupen, die zweite im August zirka 9000 Raupen. Diese letzte Zucht hatten Abb. 3. Spinnraliraeii nach D’AVKIL mit fertigen Kokons. wir in etwa 10 Staffeln auf gebaut, unseres Erachtens genügte aber diese kurze Staffelung, um über einige wichtige Fragen Aufschluß zu erhalten. Es muß zugegeben werden, daß durch die Staffelung der Raupenzucht einige erschwerende Momente in dieselbe hineingetragen werden. Bei der alt- herkömmlichen Einzelzucht machen sämtliche Raupen die Häutungen sozu- sagen gleichzeitig durch, und es findet fast gar keine Störung der in der Häu- fung befindlichen Raupen durch Fütterung statt. Beim Staffelbetrieb gehen täglich einzelne Staffeln in die Häutung ein und täglich vollenden andere Staffeln dieselbe, so daß in der Fütterung keine Unterbrechung eintritt. Die Unterscheidung der futterbedürftigen Raupen von den übrigen erfordert immer- hin Aufmerksamkeit, zumal das Futterbedürfnis bei den eben gehäuteten Raupen ein geringeres ist, wie bei denen, welche die Häutung schon längere lö 33 IlilllifllffWIffl»» H< s - 1 ,IIMtW.**1 Abb. 4. Futtergestell mit Kaupenbürden und D’AVßlL sehen Spinnrahmen. Kokonspinnung entsteht, wird dnrehBenutzung der leicht wechselbaren d’AvRiL- schen Spinnrahmen behoben, von denen ich einen mit fertigen Kokons ziemlich besetzten in Abbildung 3, sowie ein ganzes mit Kähmen versehenes Gestell in Abbildung 4 beifüge. Die Kähmen können leicht und ohne Störung der Kaupen aufgestellt und ausgewechselt werden, sie ermöglichen, die Zuchten mit großer Sauberkeit durchzuführen, und die etwas großen Anschaffungs- kosten werden durch ihre Haltbarkeit und sonstigen Vorzüge reichlich auf- gewogen. Von besonderer Wichtigkeit bei der Beurteilung der Vorzüge der Staffel- zucht halte ich den Umstand, daß der Futterverbrauch ebenso einen Ausgleich erfährt wie die Arbeitsleistung. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß nach der alten Fütterungsart für 90 000 Kaupen in zirka 10 Tagen etwa 40 z Laub Zeit hinter sich haben. Koch schwieriger liegt die Sache bei den spinnenden Kaupen. Hier ist stets im Auge zu behalten, daß die fertigen Kokons nicht älter als 8 bis 10 Tage werden dürfen, da sonst leicht eine Anzahl durch aus- schlüpfende Schmetterlinge zerstört wird. Ich bin aber überzeugt, daß bei einiger Aufmerksamkeit Schädigungen leicht verhütet werden können. Überdies möchte ich noch darauf hin weisen, daß Kachzügler einzelner Staffeln bequem mit jüngeren Staffeln vereinigt werden können, so daß etwaige Ungleichmäßigkeiten in der Entwickelung der Kaupen nicht so störend wirken, wie dies bei den Einzelzuchten der Fall ist. Die Schwierigkeit, welche durch die beständige Sehr. (i. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 4. 11 erforderlich sind. Es muß also fast das gesamte Laubquantum, mindestens- jedoch % desselben, wie wir am Eingang unserer Darlegung sahen, in ganz kurzer Zeit herangeschafft werden, sodaß der halbe Baumbestand auf einmal völlig geplündert werden muß. Die Reproduktionskraft des Baumes kann also so gut wie gar nicht ausgenutzt werden, und die Schädigung desselben durch eine derartig brutale Behandlung ist ganz bedeutend. Es ist ja bekannt, daff Bäume, die zweimal nacheinander in einem Jahre entlaubt werden, sehr leicht Abb. 5. Futterkurven für einen Staflclbetri eb von 30000 Raupen pro Monat, im stationären Zustand für 3-, 4- und S tägige Staffelung. eingehen. Die Staffelzucht erfordert täglich nur Bruchteile des Laub Vorrates .. Die Laubentnahme erstreckt sich über einen langen Zeitraum, der einzelne Baum produziert nach und nach neue Mengen von Laub, und die Schädigung durch die Laubentnahme ist jedenfalls gering. So sehen wir, daß die Staffel- zucht wesentliche A^orzüge gegenüber der Einzelzucht besitzt. Ein endgültiges Urteil über ihren Wert läßt sich heute aber noch nicht geben. Dazu müssen erst reichliche Erfahrungen gesammelt werden. Mir sind aber bis heute Resultate über Versuche, die in dieser Richtung von anderer Seite ausgeführt wurden,. 35 nicht bekannt geworden. Herr Professor Dr. Dämmer batte beabsichtigt, in diesem Jahre eine Staffelziicht von täglich 5000 Raupen durchzuführen, ich habe aber nicht erfahren, ob dieses Vornehmen zur Ausführung gekommen ist. In bezug auf den Staffelbetrieb möchte ich schließlich noch erwähnen, daß man die Staffelung auch in anderer Weise vornehmen kann, einmal mit einer größeren oder geringeren Zahl von Raupen, dann aber auch derart, daß man die Zwischenräume zwischen den einzelnen Staffeln vergrößert auf 2, 3 oder mehr Tage. So beabsichtigen wir im nächsten Jahre einen solchen Betrieb mit dreitägiger Staffelung durchzuführen. Solange der Zeitraum zwischen den einzelnen Staffeln nur kurz ist, wird natürlich am Wesen des Staffelbetriebes nur wenig geändert werden; längere Zeiträume werden aber allmählich die Eigentümlichkeit dieser Arbeitsweise stark zuungunsten beeinflussen und sind daher nicht zu empfehlen. Abb. 5 zeigt den Verlauf der Futterkurve im stationären Stadium für eine drei-, vier- und achttägige Staffelung, welche das eben Gesagte auf den ersten Blick bestätigt. II. Wir kämen nunmehr zur Beantwortung der Frage, ob die Rentabilität der Seidenraupenzucht gesichert wer- den könnte durch eine bessere Futterbeschaffung, sei es, daß die Entwickelung der bisherigen Futterpflanze, des M aulbeerbaumes, beschleunigt wird, oder sei es, daß an Stelle der Maulbeerlaubfütterung eine Surrogatfütterung mit einer schnellwüchsigen Futterpflanze tritt. Wenn wir in betreff der Futterpflanze für die Seidenraupe die diesbezügliche Literatur durchgehen, so finden wir namentlich in den älteren Werken der bedeutendsten Seidenraupenzüchter ziemlich einstimmig die Ansicht vertreten, daß für die Seidenraupe einzig und allein der Maulbeerbaum und unter den Arten desselben in erster Linie der weiße Maulbeerbaum als Futterpflanze in Frage kommt. Aber wir begegnen auch schon frühe Mitteilungen von angeblich erfolgreicher Benutzung anderweitiger Futterstoffe. Das Verlangen nach solchen war oft weniger durch die Rücksicht auf die oben gestellte Frage geboten, als vielmehr aus der Mot heraus geboren. Wenn im Frühjahr ein plötzlich eintretender Frost das junge Maulbeerlaub zerstörte, so griff man wohl zu Pflanzenblättern, die der Frost verschont hatte, und Salat, Löwenzahn u. a. Pflanzen mußten herhalten, um die Futternot der bereits ausgeschlüpften, jungen Seidenraupen zu dämpfen, meistens wohl ohne Erfolg. Für kurze Zeit sollen sich die Rinde der Maulbeertriebe sowie die zerschnittenen Knospen des Baumes bewährt haben, doch kommen derartige Ersatzmittel für uns nicht in Betracht. Zu welchen Verirrungen die Mot der Zeit manchmal führte, mag daraus hervorgehen, daß sogar Reismehl und Zucker als Ersatzfutter angepriesen worden sind. Haben wir überhaupt nötig, uns nach einem Ersatzfutter umzusehen? Im allgemeinen ist die Ansicht verbreitet, daß bei uns Seidenbau nicht getrieben werden kann, weil die Hauptfutterpflanze, der Maulbeerbaum, für unser Klima Oil? »_) 13 36 nicht geeignet ist. Ich muß es mir versagen, dieser Frage hier näher zu treten. Es sind in Deutschland Millionen Maulbeerbäume gepflanzt worden und größten- teils wieder aus den Anlagen verschwunden, wiederum sind Bestände mit gesunden, hundertjährigen Stämmen vorhanden, die allen Witterungseinflüssen getrotzt haben. Was uns hier in erster Linie interessiert, ist die Frage der langsamen Entwickelung des Maulbeerbaumes. Da die Bäume erst in einem Alter von mindestens 15 bis 20 Jahren erhebliche Mengen von Laub liefern, so muß der Seidenbauer recht lange warten, ehe er an ausgedehnte Seiden- raupenzuchten gehen kann. Und in 15 Jahren ist schon die Begeisterung für andere Dinge als für Seidenbau verloren gegangen. Was heute not tut, ist eine schnelle Futterproduktion, und daher sollte man zuallererst den Seidenbau dort zu beleben versuchen, wo alte, leistungsfähige Maulbeerbestände vor- handen sind. In zweiter Linie wird man — allerdings als Notbehelf, da das Laub alter Bäume erfahrungsgemäß bessere Seide liefert — zu Hecken- pflanzungen greifen, die sich relativ schnell entwickeln. Immer aber ist dabei festzuhalten, daß die einzurichtenden Betriebe so beschaffen sind, daß sie bald einträglich werden, alles andere ist Spielerei, die früher oder später beiseite gestellt wird. Aber gerade in bezug auf die Futterbeschaffung haben sich in letzter Zeit bedeutende Bestrebungen bemerkbar gemacht, und es sind gewichtige Stimmen laut geworden, welche der Fütterung der Seidenraupen mit Surrogaten ein- dringlich das Wort reden. Es soll daher nun meine Aufgabe sein. Ihnen einiges über die bisherigen Versuche mit solchen Futtersurrogaten zu berichten. Ich übergehe dabei die älteren Angaben über diesen Gegenstand, da sie kein anderes als höchstens historisches Interesse beanspruchen. Die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen über Surrogatfütterung der Seidenraupe wurden von Professor Dr. C. 0. Harz an der Königl. Tierarzeneischule in München in den Jahren 1879 bis 1890 unternommen, und zwar zunächst zu einem ganz anderen Zweck; erst in den Jahren 1884/85 trat der Gedanke in den Vordergrund, eine Pflanze ausfindig zu machen, die für die Ernährung der Seidenraupe besser geeignet ist als der Maulbeerbaum. Alle schon früher vergebens als Surrogate verwendeten Pflanzen, sowie eine Anzahl neuer, im ganzen 29 verschiedene Arten, wurden auf ihre Brauchbarkeit geprüft, und gaben die Blätter der Schwarzwurzel (Scorzonera hispanica) die verhältnismäßig besten Besultate, weshalb die weiteren Versuche nur mit dieser Pflanze vorgenommen wurden. Allerdings war es Professor Dr. Harz zunächst nicht möglich, die Raupen mit reiner Schwarzwurzelfütterung bis zu ihrer Einspinnung zu ernähren, es mußte mit Maulbeerlaub nachgeholfen werden. Aber schon die zweite Generation im Jahre 1885 zeigte insofern eine Anpassung an die neue Lebensweise, als sie ausschließlich mit Schwarzwurzellaub aufgezogen werden konnte. Die Aus- beute an Kokons, die im Jahre 1886 nur 1,1 % betrug, stieg nach und nach, und zwar 1887 auf 7,5 %, 1888 auf 29,6 % und 1889 auf 34,38 %. Auch die Qualität des Seidenfadens war besser geworden, dagegen hatten sich die biolo- 14 37 gischen Fähigkeiten der Raupe merklich verschlechtert. So dauerte z. B. das Raupenstadium 50 bis 64 Tage (gegen 29 bis 33 der normal gefütterten Raupen). Bei der im Jahre 1890 durchgeführten 5. Zucht waren die hTachteile etwas geringer geworden; Größe und Gewicht der Raupen hatte sich etwas erhöht, das Raupenstadium war auf 57 bis 58 Tage abgekürzt. Professor Dr. Harz hoffte, in den nächsten Zuchten eine Kokonernte von 80 bis 90 % zu erzielen, sowie die biologischen Fähigkeiten in absehbarer Zeit zu verbessern. Er trug sich also mit dem Gedanken, im Laufe der Jahre eine Seidenraupenrasse heran- zuziehen, die sich ganz an das neue Futter gewöhnt hat. Seitdem ist die Frage V • der Schwarzwurzelfütterung zu einer Kardinalfrage geworden, gegenüber welcher alle sonstigen Fragen der Seidenraupenzucht zurücktreten. Da nun aber die Anhänger der altbewährten Maulbeerfütterung von ihrer Überzeugung nicht abgehen, daß das Maulbeerlaub das einzig zuträgliche Futter für die Seidenraupe ist, so ist der Kampf auf beiden Seiten entbrannt, und hie Maul- beerfütterung! — hie Schwarzwurzelfütterung! ist das Feldgeschrei. Auf Grund der mißlungenen Versuche eines seiner Schüler, A. Möllon. die auf den Gütern eines Herrn Ladigenski in Zavivolavka (in Westrußland) durchgeführt wurden, urteilt der Direktor der k. k. Seidenbauversuchsstation in Görz, Herr Hof rat JoH. Bolle, sehr abfällig über die Bestrebungen der Schwarzwurzel- fütterung, während Herr Professor Dr. Udo Dämmer auf Grund seiner eigenen Versuche sich überzeugt hat, daß bei uns der Seidenbau mit Hilfe der Schwarz- wurzelfütterung sehr gut ausführbar ist. Er verlangt aber zur sicheren Durch- Abb. 6. 34 Tage alte Raupen mit Maulbeerlaub gefüttert. 15 38 fülirung der Aufzucht die Innelialtung bestimmter Temperaturen, die je nach dem Alter der Kaupen um 1 bis 2 ° E differieren. Ich möchte an dieser Stelle gleich bemerken, daß ich selbst auf Grund unserer eigenen Versuche die genaue Einhaltung bestimmter Temperaturen für unmöglich, aber auch für nicht erforderlich halte. Wie man ein Zimmer von zirka 30 qm Bodenfläche und zirka 3 m Höhe gleichmäßig tage- oder sogar wochenlang auf eine Temperatur von genau 18 resp. 19 oder 20 "" E halten will, ist mir ein Eätsel. Ebenso ist mir völlig unerfindlich, wie man den Bjätterbedarf für eine umfangreiche Eaupenzucht bei andauerndem Eegenfall vor Nässe v.lnltzen Avill, da nasses Al)b. 7. 34 Tage alle Raupen mit einem nus Manibeer- und Schvvarzu urzel- laub gemischten Füller gefuttert. Schwarzwurzellaub für die Aufzucht besonders gefährlich sein soll. Eine Eeinigung der Schwarzwurzelblätter ist sowieso unbedingt erforderlich, da sie meistens bestaubt und beschmutzt sind. Wir haben aber gefunden, daß ein sorgfältiges Abwaschen unter der Wasserleitung und ein nachheriges, gründ- liches Trocknen der Blätter unschädlich zu sein scheint und auch recht gut ausführbar ist. Alle die angegebenen minutiösen Vorschriften machen sich sehr schön in den Anleitungen zum Seidenraupenbetrieb und können allenfalls bei kleinen Zuchten mit ein xiaar Hundert Eaupen beachtet werden, nicht aber bei Zuchten mit 30 000 und mehr Eaupen, die womöglich monatelang unter- halten werden müssen. Die HARZschen Versuche wurden im Jahre 1910 von dem Münchener Zoologen Professor Dr. Otto Maas auf einer sehr breiten Basis wieder auf- 16 39 genommen. Ich muß es mir aber leider versagen, an dieser Stelle näher auf die einzelnen, zum Teil außerordentlich interessanten Versuche einzugehen, ich möchte nur die Ergebnisse im großen und ganzen mitteilen. Die Schwarzwurzelblätter wurden bei sorgfältiger Auswahl und guter Zurichtung gut vertragen. Krankheiten, die auf den Kostwechsel hätten zurück- geführt werden müssen, traten nicht auf; es ist aber eine Entwickelungs- hemmung der mit S gefütterten Raupen unverkennbar. Die biologischen Fähigkeiten der reinen S-Fresser waren durchweg ^clilechtcr als die der M-Fresser oder 8M-Fresser. Abb. 8. 34 Tage alte Kaupeii mit Sthwarzwurzellaub gefutleit. Es zeigte sich unverkennbar, daß die Zuchten mit SM-Großeltern auf der einen und SM-Cxroßeltern auf der anderen Seite merkwürdig besser sind als die, bei welchen auf der einen Seite beide Großeltern S8-, auf der anderen Seite beide Großeltern MM-Fresser waren. Daraus geht hervor, daß die Kreuzung offenbar die Gewöhnung r orbereitet. Eine Änderung der Futterinstinkte war schwer festzustellen, dazu war wohl die Spanne von 2 bis 3 Generationen zu kurz. Professor Maas kommt zu dem Schluß, daß es bisher vollkommen an Seidenraupenrassen fehle, welche an die Schwarzvuirzelfütterung gewöhnt seien, 1) S bedeutet Schwarzwurzellaub, M „ M aulbeerlaub, SM „ aus S und M gemischtes Futter. 17 40 und daß daher die Schwarzwurzelfütterung der Maulbeerblattfütterung gegen- über heute noch durchaus ungleichwertig sei. Ungeübte Züchter werden daher in der Schwarzwurzelfütterung nur schlecht zurechtkommen. Die schädlichen Einwirkungen der S-Fütterung scheinen sich — wie dies auch von anderer Seite angegeben wird — bei den Nachkommen in stärkerem Maße bemerkbar zu machen, was allerdings im Gegensatz zu den Resultaten von Harz stehen würde. Sollte eine solche Verschlechterung der Nachkommen- schaft tatsächlich vorhanden sein, so müßte man Mittel und Wege aufzufinden trachten, diese zu vermeiden. Ich glaube nicht fehlzugehen in der Annahme,, daß die beobachtete starke Verschlechterung der biologischen Fähigkeiten haupt- sächlich in einem zu schnellen Vorgehen bei der Erzielung von S-Raupen zu suchen sind und sich wohl als üble Folgen einer zu starken Inzucht darstellen. Es wird nötig sein, Rückkreuzungen der erzielten S-Generationen mit solchen S-Fressern vorzunehmen, die immer wieder neu aus M-Fressern gewonnen werden. Möglicherweise bietet sich ein ganz neuer Weg durch allmähliche Gewöhnung dar, indem überhaupt von MS-Fressern ausgegangen wird, die allem Anscheine nach viel günstigere Resultate liefern. Auch die Art des Ausgangsmaterials mag nicht ohne bedeutenden Einfluß sein, so daß das Ver- halten zum S- oder M-Futter auf individueller Veranlagung beruht, was für die Gewinnung einer S-Raupe eine günstige Perspektive eröffnen würde. Aus alledem geht jedenfalls hervor, daß das Problem der S-Fütterung heute noch nicht als endgültig gelöst betrachtet werden kann; es wird nötig sein, die Maas sehen Versuche mit wissenschaftlicher Gründlichkeit weiter- zuführen, und erst eine lange Reihe solcher gründlicher Versuche wird uns ein abschließendes Urteil ermöglichen. Wir haben, um uns ein eigenes Urteil über die Frage bilden zu können, ebenfalls einen Versuch mit Schwarzwurzelfütterung in diesem Jahre angestellt und hoffen, denselben im nächsten Jahre weiterführen zu können. Wenn er auch nicht auf so breiter Basis auf gebaut war wie die Versuche von Professor Maas so ist das erste Ergebnis immerhin bemerkenswert und möchte ich dasselbe an dieser Stelle mitteilen. Am 6. August erhielten wir aus unserem Eiervorrat 1500 junge Seiden- raupen, die zunächst einen Tag mit Maulbeerlaub gefüttert wurden, da wir anderes Futter nicht zur Hand hatten. Am nächsten Tage, also am 7. August, wurden von diesen 1500 Raupen 4 Serien von je 300 Raupen ausgelesen, von denen je 100 auf eine besondere Hürde kamen und somit drei Vergleichsreihen bildeten. Die Fütterung sollte folgendermaßen stattfinden: Serie a erhält durchweg nur Maulbeerlaub (M) ,, b ,, ,, ,, Schwarzwurzellaub (S) ,, c ein aus M und S gemischtes Futter ,, d „ bis zur vierten Häutung M-Futter, während der letzten Periode S-Futter. 18 41 Für die Serie c (MS-Futter) wurde das Laub recht sorgfältig geschnitten und gemischt, so daß ein Auslesen durch die Raupen möglichst verhindert wurde. Am 15. und 23. August vorgenommene Kotuntersuchungen lassen erkennen, daß die Raupen auch S-Blatteile verzehrt haben. Vom 23. August ab erhielt Serie c abwechselnd S- und M-Futter, da das Schneiden des Futters nicht mehr zweckmäßig war. S-Blätter wurden noch, wenn auch weniger gerne, genommen. Kach der vierten Häutung wurde jedoch S-Futter verschmäht, weshalb nur noch M-Futter gegeben wurde. Serie d, die nach der vierten Häutung mit S-Futter gefüttert werden sollte, verweigerte dasselbe hartnäckig, weshalb diese Serie in Wegfall kommt. Serie b (reine S-Fütterung) fraß S-Futter auch nach der vierten Häutung mit dem gleichen Appetit wie vorher, wenigstens tat dies ein Teil der Raupen; ein anderer Teil nahm überhaupt auch schon vom ersten Tage an das Futter mehr oder weniger ungern; es machte sich daher eine große Ungleichmäßigkeit in der Entwickelung der Raupen bemerkbar. Die Größenunterschiede wurden mit jedem Tage beträchtlicher, die Häutungen verliefen immer ungleichmäßiger. Eine Durchzählung der Raupen am 6. September ergab einen Verlust von 21,3 %. Es war nicht festzustellen, ob die Raupen eingegangen waren oder sich nur durch die etwas großen Maschen der Unterlage verlaufen hatten. Zu diesem Zeitpunkt waren noch Raupen vorhanden, die anscheinend die zweite Häutung noch nicht durchgemacht hatten. Auch die Serie c zeigte einige Unterschiede, die aber lange nicht so auffallend waren. Am 9. September wurde je eine Tafel der Serien a, b und c photographiert. Über den Ausfall geben die Abb. 6 — 8 Aufschluß. Die Kokonspinnung zeigte folgenden Verlauf: Serie a. 38. Tag 42. Tag Tafel I 100 Raupe« vom 8. — 13. 9. 90 Kokons, tim 17. 9. 100 Kokons „ n 100 „ „ „ 90 „ „ „ 100 „ •„ in 100 „ „ „ 90 „ „ „ 100 Serie b. 38. Tg. 42 Tg. 8.— 13. 9. 17. 9. Tafel I 83 Raupen, 9 K. 27 K. „ II 81 „ 8 „ 22 „ „ III 72 „ 2 „ 15 „ 45. Tg. 20. 9. 37 K. 35 25 95 99 52. Tg. 54. Tg. 59. Tg. 27. 9. 29. 9. 4. 10. neu hinzugekommene Kokons 24 K. 33 K. \ TT 23 38 „ 8 tote Raupen, ins- gesamt 15,4 X 9 lebende Rp.= 3,0 21,3 Z Verlust. Tm Durchschnitt: 6,3 % 21,3^ 32,3 % 78,8 % Raupen Serie c. 38 Tg. 42. Tg. 9. 8.— 13. 9. 17. Tafel I 100 Raupen, 55 K. 85 K. „ 11 100 34 „ 90 )9 „ III 100 „ 34 „ 95 99 Im Durchschnitt: 41,0 % 90,0 % Rest eingegangen (10 %). 48,0 ^ 56,0 ^ 60, 3 15,4 ^ + 3.0 ^ + 21,3^ == 100 ^ Serie d. 38. Tg. 42. Tg. 8.— 13. 9. 17. 9. Tafel I 100 Raupen, 75 K. 100 K. „ II 100 „ 80 „ 100 „ „ III 100 75 „ 100 „ Im Durchschnitt: 76,7 % 100 % 19 42 Abb. 9. Querschnitt darcli die \Vaml eines M-Kokons (stark vergroß ■! t"). Am 20. September wurden die Raupen der Serie b auf 2 Hürden, am 29. September der Rest auf einer Hürde vereinigt. Am 4. Oktober wurde der Versuch abgebrochen, da die weitere Beobachtung für uns kein Interesse mehr bot; es waren nur noch 9 lebende Raupen = 3,0 % vorhanden, die immer noch einige Zeit bis zur Verspinnung gebraucht hätten. Die Raupen der Serie a und d hatten sich am 17. September, also nach 42 Tagen, sämtlich versponnen, die Zucht hatte etwa 10 Tage länger als gewöhnlich gedauert, wohl in- folge des minderwertigen Futters, wie bereits im Eingänge erwähnt wurde. Die Serie c (M- und S-Futter) hatte zu diesem Zeitpunkte im Durchschnitt 90 % Kokons ergeben, der Rest der Raupen war einge- gangen. Von der Serie b (reine S-Fütte- rung) hatten bis zum 59. Tage 60,3 (4 Raupen Kokons geliefert. Das ist immerhin für eine erste Zucht ein recht gutes Ergebnis, zu- mal bei ganz reiner S-Fütterung. (Am 1. Tage aus Mangel an S-Laub M- Fütterung, aber wohl von gerin- ger Bedeutung.) Der Gewinn an Kokons am 42. Tage, d. h. an dem Tage, an welchem die M-Fütterung 100 % ergeben hatte, betrug 21.3 %. benutzt, die sich von vornherein recht Da wir von sämtlichen Serien Nachzucht besitzen, auch verschiedene Kreu- zungen vorgenommen haben, so werden wir im nächsten Jahre auf weitere wichtige Ergebnisse rechnen dürfen. Am 21. September wurden die Spinnrahmen der Serien a, c und d ab- genommen und die Kokons geerntet. Von Serie b wurden an diesem Abb. 10. Wir Querschnitt ourch die Wand eines MS-Kokons (stark vergrößert). haben anscheinend eine Rasse gut für die S-Fütterung geeignet hat. Tage 2 0 43 insgesamt 97 Kokons gewonnen. Die Kokons von Serie a und d wurden als gleichartig gefüttert miteinander vereinigt und das Gewicht von je 100 Kokons bestimmt. Es wogen 100 Kokons von Serie a und d (M-Fütterung) . . . 149 g 100 Kokons von Serie b (S-Fütterung) 118 g 100 Kokons von Serie c (MS-Fütterung) 157 g Danach hatten die Raupen der Serie c mit SM-Futter das beste, die Serie b mit S-Fütterung das schlechteste Resultat ergeben. Die Kokons der Serie b waren durchschnittlich etwas größer, satter gefärbt (auffallend dunkelgelb), im ganzen aber dünner als die übrigen Kokons. Die- jenigen der Serie c nahmen in bezug auf Größe eine Mittelstellung ein und waren am festesten. Auch die Schmetterlinge der S-Fütterung zeigten eine sattere Farbe. Die Begattung erfolgte oft etwas zögernd, der Verhäng war häufig nur leicht, die Eiablage erfolgte ebenfalls vielfach etwas zögernd. Es zeigte sich also auch hier die Erscheinung einer Verschlechterung der biologischen Fähigkeiten. Schließlich unternahm ich noch eine Prüfung der gewonnenen Seide auf Festigkeit und Elastizität. Die gefundenen Zahlen sind nur roh, weil es an den erforderlichen feineren Instrumenten fehlte. Da sie aber alle unter gleichen Verhältnissen gewonnen wurden, so gestatten sie immerhin einen gewissen Vergleich. Ein vierfacher Kokonfaden riß bei folgender Belastung bei einer Längenzunahme von Prozenten: M=Fütterung. S=Fütterung. MS = Fütterung. Belastung; Dehnung: Belastung: Dehnung; Belastung: Dehnung: 22 g 12 ^ 18 g 12 X 25 g 12 33 , 20 „ 22 , 12 . 29 . 16 „ 34 „ 20 . 21 „ 12 „ 25 „ 12 „ 36 „ 20 „ 24 „ 12 , 25 , 16 . 40 „ 24 „ 25 „ 12 , 29 16 „ 30 „ 20 „ 26 „ 12 „ 34 „ 16 . 25 „ 20 „ 20 „ 12 , 29 , 16 „ 25 „ 20 „ 35 „ 16 , 24 , 16 „ 30 „ 12 „ 34 „ 16 38 „ 16 Die Prüfung wurde an verschiedenen Stellen des Fadens vorgenommen, daher die großen Differenzen. Danach erwies sich der Faden der M-Fütterung als der beste. Im günstigsten Falle ertrug er eine Belastung von 40 g, wobei er sich um 24 % seiner Länge ausdehnte. Ihm nahe steht der Faden der MS-Fütterung, der eine Belastung von 38 g ertrug und sich um 16 % dehnte; am geringsten war der Faden der S-Fütterung, der im günstigsten Falle nur eine Belastung von 26 g ertrug und schon bei einer Dehnung von 12 % riß. # f 44 derselben vorgenommen, sowie Querschnitte durch sie angefer- tigt. Die Zerlegung ergab fol- gende Resultate: Zunächst läßt sich jeder Kokon in 3 Haupt- schichten zerlegen, in eine Außen-, Mittel- und Innen- schicht. Die Zerlegung geht sehr leicht vonstatten, wenn man den Kokon halbiert. Mit Hilfe einer Präpariernadel und Pinzette kann man dann die einzelnen . Schichten bei vorsichtiger Be- handlung mehr oder weniger leicht abziehen. Abb. 12. Schnitt durch S-Kokon (stark vergrößert). Die von der Flockseide mög- lichst befreite A u ß e n s c h i c h t ist ziemlich derb, von papierartiger Be- schaffenheit. Sie zeigt an der Außenseite stark grubige Unebenheiten. Ihre Farbe ist bei der von uns verwendeten Gelbspinnerrasse ein sehr schwaches Hellgelb, das bisweilen fast in Weiß übergeht. Im Gegensatz zur Außenschicht ist die Innenschicht sehr schwach entwickelt, oft nur zum Teil vorhanden. Sie ist mit der Mittelschicht nicht so fest verklebt wie die Außenschicht. Oft scheint sie in größeren Partien über- haupt keine Verbindung mit der Mittelschicht zu besitzen und durch einen mehr oder weniger breiten Spalt von ihr getrennt zu sein. Sie ist völlig farblos,. Es ist hierbei aber im Auge zu belialten, daß von den S-Kokons^ zum Abhaspeln nur die schlech- testen übrig blieben, da die besten, im ganzen 80 von 180 geernteten Kokons, zur Gewinnung von Nach- zucht ausgelesen worden waren. Die geringe Güte des Fadens dieser Kokons zeigte sich schon beim Ab- haspeln in dem häufigen Brechen.. Mikroskopisch konnten an den Seidenfäden der verschiedenen Pro- venienzen durchgreifende Unter- schiede nicht auf gefunden werden. Um weiteren Aufschluß über die Ausbildung der Kokons zu er- halten, wurde eine Zerlegung Abb, 11. Querschnitt durch die Wand eines S-Kokons (stark vergrößert). 45 d. h. weiß, und von nur geringer Festigkeit. Namentlich bei den S-Kokons war sie sehr dünn und oft nur teilweise gut ausgebildet. Die größte Entwickelung zeigte in allen Fällen die Mittelschicht. Sie ist mehr oder weniger intensiv gelb gefärbt und bestimmt dadurch auch die Farbe der Kokons. Sie läßt sich je nach der Grüte des Kokons in mehrere Einzelschichten zerlegen. Ein guter M-Kokon ergab deren 4, ein MS-Kokon 3 und ein S-Kokon nur 2, Die gelbe Farbe wird von außen nach innen intensiver, so daß die innerste Lamelle die intensivste Gelbfärbung zeigt. Letztere ist bei den S-Kokohs wesentlich stärker als bei den übrigen Kokons, woraus sich auch erklärt, daß die S-Kokons trotz der geringen Entwickelung der Mittel- schicht äußerlich deutlich satter ge- färbt erscheinen als die M- und SM- Kokons. Die Entstehung der Kokonschich- tung ist zweiffellos darauf zurück- zuführen, daß die spinnende Raupe erst eine dünne Schicht des Kokons anfertigt, dann auf die erste Schicht eine zweite auflegt und so fort, bis der ganze Faden versponnen ist. Merkwürdig bleibt die Tatsache, daß sowohl der Anfang wie das Ende des Fadens ungefärbt oder höchstens ganz schwach gefärbt sind, während der Teil des Fadens, der die Lamellen der Mittelschicht liefert, allmählich immer stärker gefärbt ist, um dann plötzlich beim Übergang in die Innenschicht völlig farblos zu werden. Be- kanntlich ist nur der den eigentlichen Faden überziehende Seidenleim ge- färbt; dieser ist aber im Verlaufe des ganzen Fadens vorhanden. Querschnitte durch den Kokon, wie sie in Abb. 9 (M-Kokon), 10 (SM- Kokon) und 11 (S-Kokon) dargestellt sind, bestätigen das eben Gesagte. Bei genauer Betrachtung ist es auch hier möglich, die einzelnen Schichten (4 — 6 je nach der Güte des Kokons) aufzufinden, da jede derselben aus quer- und längs- verlaufenden Teilen des Seidenfadens besteht. Auch die Unebenheiten der Außenschicht, sowie die dunkle Färbung der Mittelschicht ist gut zu erkennen, während das Auffinden der sehr dünnen Innenschicht einige Schwierigkeit bietet. Abb. 12 zeigt einen Querschnitt durch einen S-Kokon und Abb. 13 einen solchen durch einen M-Kokon bei stärkerer Vergrößerung. Die Bilder sind naturgemäß etwas undeutlich, da die Querschnitte verhältnismäßig dick genommen werden mußten, um zusammenhaltende Schnitte zu erlangen. Man erkennt aber trotzdem, daß der M-Faden deutlich kräftiger ist. Abb. 13. Schnitt durch M-Kokon (stark vergrößert). 46 Das Ergebnis unserer Versuche dürfte alles in allem als ein recht günstiges angesehen werden angesichts der Tatsache, daß die von anderer Seite unter- nommenen zum Teil völlig fehlgeschlagen sind, wie z. B. aus dem Bericht über die Tätigkeit der k. k. landw.-chem. Versuchsstation Grörz, derzeit in Linz, im Jahre 1916 hervorgeht. Der Berichterstatter, M. Kipper, sagt dortselbst auf S. 7 : „1. Trotz der ungünstigen Witterung ergab die Aufzucht der 5 Kassen mit Maulbeerblättern ein günstiges Resultat, sowohl bezüglich der Qualität und' Quantität der geernteten Kokons als auch der Beschaffenheit der daraus hergestellten Seide. Von Krankheiten trat nur die Gelbsucht in ganz geringem Umfange auf. 2. Dieselben 5 Rassen, mit Schwarzwurzellaub gefüttert, ergaben nicht einen Kokon, nur einzelne Exemplare der Raupen konnten bis über die vierte Häutung gebracht werden. Die Raupen gingen alle an Gelbsucht, Schwindsucht und einer anderen nicht bestimmten Krankheit zugrunde. 3. Aus dem Ei auskriechende junge Räupchen, bis zur ersten Häutung mit Schwarzwurzel und hierauf mit Maulbeerblättern weitergefüttert, blieben gesund und gaben gesunde Kokons. 4. Aus dem Ei auskriechende junge Räupchen bis zur ersten Häutung mit Maulbeerblättern gefüttert und hierauf mit Schwarzwurzelblättern weitergefüttert, gehen, wie die ausschließlich mit Schwarzwurzelblättern gefütterten Raupen, meistens bis zur dritten Häutung an den verschiedenen Krankheiten ein. Ein Kokon konnte nicht gewonnen werden. Diese Versuche, die in zuchtgemäßer Weise nach allen Regeln des rationellen Seidenbaues zur Ausführung gelangten, bestätigen also neuerdings, daß bei den zur Verwendung gelangten 5 Rassen des Seidenspinners eine Aufzucht mit Schwarz- wurzelblättern nicht möglich war. Hierbei wurde bei dem Vergleiche mit der Maul- beerblätteraufzucht die bereits bekannte Erfahrung bestätigt, daß die mit Schwarz- wurzelblättern gefütterten Raupen zu den verschiedenen Krankheiten leichter neigen und denselben unterliegen als die mit Maulbeerblättern aufgezogenen Raupen.“ Das völlig negative Resultat dieser erwähnten Versuche muß zum mindesten in Erstaunen setzen, zumal ähnliche Versuche derselben Anstalt aus früheren Jahren ebenso erfolglos waren. Falls die Ursache nicht in den verwendeten Raupen rassen liegt, läßt sich die Annahme nicht ganz von der Hand weisen, daß schwere Fehler bei der Durchführung der Versuche gemacht worden sind. Derartig schlechte Resultate sind meines Wissens bei anderweitigen Versuchen mit Schwarzwurzelfütterung nicht verzeichnet worden. Meine Herren! Ich komme nunmehr zum Schluß! Es ist Ihnen wohl allen bekannt, daß Bestrebungen im Gange sind, die Seidenraupenzucht auch bei uns wieder einzuführen, und zwar in erster Linie, um für einen Teil der Kriegs- invaliden eine Quelle des Erwerbs zu werden. Ich habe versucht, Ihnen aus- einanderzusetzen, wie nur dann der Seidenbau hierzu geeignet sein kann, wenn der Betrieb rentabel gestaltet wird. Zwei Wege scheinen sich uns darzubieten, um diese Rentabilität zu sichern: die Einführung der Staffelzucht und die Surrogatfütterung. Beide haben ihre Klippen, deren ümschiffung bedeutende Schwierigkeiten verursachen wird. Welcher Weg zum Ziele führen wird, läßt sich heute noch nicht sagen, vielleicht der eine oder der andere, vielleicht beide gemeinsam, vielleicht aber auch keiner von beiden. Aufgabe der begrün- deten Westpreußischen Seidenbau-Studiengesellschaft, zu deren Unterstützung 47 sich auch die Naturforschende Gesellschaft hat bereit finden lassen, ist, der Einführung der Seidenraupenzucht die Wege zu bahnen und selbst mitzuarbeiten an der hohen Aufgabe der Erschließung neuer Wege. Wir treten ausgerüstet mit dem Rüstzeug der modernen Zeit hinein in das Raupenzimmer, den Geist zu bannen, der dem Fortschritt sich hemmend entgegenstellt. Helfen Sie uns bei diesem Kampfe, der, wenn er gelingt, uns die Sorge für einen Teil unserer verdienten Kriegsinvaliden von den Schultern nimmt. Mögen sie unsere Arbeit hinnäimen als den Dank für die Opfer, die sie dem Vaterlande und uns- gebracht haben. Abb. 14. Maulbeerspinner in Kopulation. 48 Der Anteil der verschiedenen Kulturvölker an der Entwicklung der Mathematik. Vortrag* zur Feier des 175jährigen Bestehens der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig am 2. Januar 1918. Von J. Sommer - Danzig. Bei dem Namen unserer Gesellschaft, wie überhaupt bei Naturwissen- schaften denkt man gerne vor allem an die Biologie und die beschreibende Naturkunde, so daß wohl mancher unter Ihnen für den heutigen Abend einen Vortrag aus diesen bekannteren und leichter zugänglichen Gebieten erwartet haben mag. Zwar entnimmt die Mathematik ihre Begriffe auch der Anschau- ung und sogar der uns umgebenden Wirklichkeit, sie braucht keine Reisen und Expeditionen zu ihrer Erweiterung, aber sie streift von der sinnlichen Anschauung gerade alles Greifbare ab, entkleidet sie jeder sinnlichen Qualität, ehe sie dieselbe zum Gegenstand ihres Denkens macht, und nur wenige mögen ihr gerne auf diesem Wege der Abstraktion folgen. Indessen könnte ich mich darauf berufen, daß die Gesellschaft von Anfang an und als Hüterin des Wolff sehen Vermächtnisses stets mit Stolz ihre Beziehungen zur exakten Wissenschaft betont hat. Diesen Beziehungen verdanken unsere Gesellschaftsschriften Beiträge der Astronomen Auer, KAYSERund des Mathe- matikers Gronau, welche ein rühmliches Zeugnis für den Eifer und nach- haltigen Fleiß dieser Mitglieder sind und uns die Berechtigung geben, dieser Männer am heutigen Abend zu gedenken. In Zeiten bescheidenerer Mittel, wo auch eine kleinere Gesellschaft an rein wissenschaftlichen Bestrebungen tätig teilnehmen konnte, hat die Naturforschende Gesellschaft auf Betreiben von Anger drei damals sehr aktuelle Preisaufgaben, z. B. über die Theorie des Foucault sehen Pendels, gestellt, und an deren Bearbeitung haben keine Geringeren als der nach Besser größte deutsche theoretische Astronom P. A. Hansen und C. A. F. F^eters teilgenommen. Heute bilden diese theoretischen Abhandlungen der Preisträger Juwelen unserer Schriften. Aber diese persönliehen Beziehungen geben nicht allein die Berechtigung für mein Thema, dieses läßt sich vielmehr sachlich rechtfertigen durch die viel- 1 49 faltigen nnd engen Verbindungen zwisclien Matbematik und Naturwissen- -schaft. Steht doch zwischen der reinen Mathematik auf der einen Seite und "den biologisch beschreibenden Wissenschaften auf der anderen die imponie- rende Masse der erfolgreichen exakten Naturwissenschaften, deren Rückgrat die Mathematik bildet. Gerade die Abstraktheit, die man ihr oft zum Vorwurf machen will, ist die Voraussetzung ihrer universalen Bedeutung, denn wer 'einen Naturvorgang in seinem zeitlichen Verlauf und seinen Wechselwirkungen zu andern Naturvorgängen genau verfolgen will, der muß die aufeinander folgenden Zustände mit einer Skala vergleichen, der muß wägen und messen, so daß ihm als Resultat seiner Mühe vielleicht eine Tafel voll Zahlen in der Hand bleibt, und wenn er jetzt frägt, ob diese Zahlen einem Gesetz, d. h. einer Regel, folgen, so treibt er Mathematik, und er wird zweckmäßig diese fragen, v/as sie allgemein über Abhängigkeit von Zahlenreihen zu sagen hat. Der tiefere Sinn dieser Anwendung der Mathematik ist der, daß sie uns dazu hilft, von den gegebenen, sinnlich wahrnehmbaren Dingen auf die uns unzugäng- lichen oder verborgenen Erscheinungen zu schließen. Durch Messung an der Erdoberfläche bestimmen wir die Form und sogar die Größe der Erde, ihre Entfernung von der Sonne und fast unvorstellbare Dimensionen am Himmel. Eine Wissenschaft, welche sich auf das Sichtbare und Fühlbare beschränken wollte, wäre dürftig und würde jeder inneren Ordnung widerstreben, d. h. ist überhaupt unmöglich. Indern wir auf mathematischem Wege unsere Beob- achtungen auswerten und mit mathematischen Schlüssen von unseren Voraus- setzungen fortschreiten, sind wir aber sicher, daß auf dem Weg von der Vor- aussetzung zum Ergebnis kein fremder Gedanke sich eingeschlichen hat, um unser Resultat zu entwerten; die Folgerung ist ebenso sicher wie die Voraus- setzung, weil wir die Ausdehnung und Grenzen der mathematischen Gewißheit kennen. In diesem Sinn, unabhängig von jedem speziellen philosophischen Bystem, dürfte es wohl immer richtig sein, wenn Kant sagt: ,,Ich behaupte aber, daß in jeder besonderen Naturlehre nur soviel eigent- liche Wissenschaft angetroffen werden könne, als darin Mathematik anzu- treffen ist.“ Wenn uns heute die Existenz der Moleküle, die nie jemand gesehen hat und sehen wird, ebenso sicher erscheint wie die Existenz eines kleinen oder großen Planeten, so danken wir das der mathematischen exakten Naturlehre, und wir nehmen es gerne in den Kauf, wenn andererseits manche Erscheinungen, A\de Wärme, Licht und Elektrizität, nur noch unter dem Bilde veränderlicher geometrischer Konfigurationen uns erscheinen. Etwas anderes gibt es eigent- lich auch gar nicht, und können wir vernünftigerweise auch nicht verlangen, wenn wir auf klaren, quantitativ richtigen Begriffen bestehen. Die Tatsache dieser Besitznahme der sinnlichen Wirklichkeit durch den mathematischen Schluß kann uns aber auch den Schrecken vor der abstrakten Mathematik :nehmen. Es ist in der Tat richtig, wenn der berühmte englische Astronom G. H. Darwin in einem meisterhaft geschriebenen, populären Buch über sein Sehr. d. N. G, zu Danzig. Bd. XIV, Heft 4. 4 Spezialgebiet: die Ebbe und Flut, schreibt: „Eine mathematische Beweis- führung ist bei Lichte betrachtet nur organisierter gewöhnlicher Menschen- verstand.“ Und geht nun die Mathematik in den Naturwissenschaften auf^ so empfängt sie von diesen hinwieder reiche Anregung und wird zu einem Ferment der Kultur in einem Maße, daß sie zu einem Bestandteil der allge- meinen Bildung geworden ist. Die Zeiten sind glücklicherweise längst vorbei, wo jemand für notwendig hielt, die Furcht vor der Arithmetik dem gewöhn- lichen Rechnen — zu bekämpfen, wie wir es in einer von Melanchthon nieder- geschriebenen Rede des Wittenberger Mathematikers U. J. R.heticüS „Uber die Nützlichkeit der Arithmetik“ lesen können, aus welcher Rede besonders die folgenden Sätze berühmt, um nicht zu sagen berüchtigt, geworden sind: ,,. . . die ersten Regeln sind so durchsichtig, daß auch Knaben sie erlernen können, weil alles der Natur gemäß. Dagegen verlangen die Regeln der Multiplikation und Division etwas mehr Aufmerksamkeit, aber bei einiger Anstrengung können sie doch bald begriffen werden. Heute gibt es kein Kulturvolk, in dem die Mathematik nicht eine Stätte gefunden hätte, in dem nicht der Fortschritt der Wissenschaft auf alle mög- liche Weise gefördert würde und die Ausbreitung derselben schon von der Schule aus betrieben würde. Das ist der Erfolg einer stolzen und bewun- dernswerten Entwicklung aus den einfachsten Anfängen heraus, und ich bedaure nur. Ihnen heute abend höchstens einen schwachen Umriß von der interessanten Geschichte einer der wichtigsten geistigen Bewegungen geben zu können, um so mehr, da man wohl sagen kann, daß das Verdienst um die Mathematik bei den einzelnen Völkern einen Maß stab gibt für ihre Bedeu- tung in der Kulturentwickelung der gesamten Menschheit. — Die verfolgbare Geschichte der Mathematik reicht über 2% Jahrtausende zurück und in diesen Zeiten haben fast alle Konfessionen, Heiden, Buddhisten, Mohammedaner, Juden und Christen sowie alle Stämme Europas, etwa mit Ausnahme der Balkanvölker, wesentliche Beiträge geleistet. Auf die Ausbildung der Arith- metik haben von außereuropäischen Völkern die Inder einen gewissen Einfluß ausgeübt, aber diese sind auch das einzige außereuropäische Volk, welches ich heute abend zu nennen habe. Erst in neuester Zeit haben die Amerikaner aus den Vereinigten Staaten in Abhängigkeit von Deutschland und Frankreich eine mathematische Produktion entwickelt, und die Japaner haben sich vor dem Kriege viel Mühe gegeben zu beweisen, wieviel sie schon in frühesten Zeiten an Kenntnissen besessen haben; aber wenn ich selbst die Prioritätsfrage ganz beiseite lasse, so ist ihr Besitzstand doch herzlich klein gegenüber dem der Europäer, und irgendein Strauch ist aus diesen Wurzeln jedenfalls nicht gewachsen. Bei einem zusammenfassenden Überblick über den Umfang und den Aufbau der Mathematik sind zwei Beobachtungen besonders auffällig. Die erste ist eine Tatsache, welche für eine so abstrakte Wissenschaft ziemlich merkwürdig klingt, daß nämlich im pulsierenden Leben der Mathematik der 51 Stil einer Zeit und der Geschmack eine wichtige Rolle spielen, daß jedes Volk seinem Werke die Züge seines Charakters und seine Eigenheit ein- geprägt hat, und wir uns nicht denken können, was gegenwärtig das Bild der Mathematik wäre, wenn wir eines der führenden Länder, etwa Deutsch- land oder Frankreich, aus ihrer Entwickelung ausschlössen. Insbesondere trennen sich meist analytische und rein geometrische Begabung, und es ist sogar ein sehr seltener Fall, wenn beide einmal in hervorragendem Maße vereinigt sind, oder auch nur, wenn ein Mathematiker auf die Analysis und auf die Geometrie gleichen, bleibenden Einfluß ausgeübt hat. Die zweite Tat- sache, die für jeden, der selbständig in der Mathematik forscht und ihren Bau in seinem Wachstum zu übersehen und zu begreifen vermag, immer von neuem ein Gegenstand der Bewunderung ist, ist die Art, wie jede Neu- schöpfung sich dem Alten harmonisch an- oder eingliedert. Die innere, nie verlorengegangene, ja nie verwischte Harmonie darf wohl als ein Zeichen gelten für die Richtigkeit und Sicherheit der Methoden und für die, unabhängig vom sterblichen Individuum, nur von der BeschafFenheit des menschlichen Geistes bedingte Trefflichkeit der Yoraussetzungen, auf denen unsere Schlüsse aufgebaut sind. Wir dürfen in dieser Eigentümlichkeit, in der sich die Mathematik von anderen Wissenschaften, z. B. auch von der Philosophie, w^esentlich unterscheidet, aber auch einen Erfolg der Mathematiker erblicken, die mit nie rastendem Fleiß jede neue Erkenntnis für das Alte verwerteten und die nie müde wurden, ihren ganzen Besitz zu sichten, zu reinigen und nach neu gewonnenen Methoden durchzuarbeiten. Wenn wir uns nun von der Entstehung und Vollendung des mathe- matischen Lehrgebäudes unterhalten wollen, so wird das nur unvollkommen und oberflächlich geschehen können, weil ich Ihnen dazu einen Begriff von den mathematischen Theorien geben müßte, woran gar nicht zu denken ist. Ich muß im Allgemeinen bleiben und ich muß mich darauf beschränken, die Verdienste einiger großen Mathematiker zu wmrdigen, um damit zu zeigen, wie die Leistungen derselben mit dem Kulturfortschritt der Menschheit Zusammenhängen. Ich hoffe aber, meine Gedanken so gekleidet zu haben, daß das, w^as ich Ihnen sage, ein Beispiel des geistigen Fortschrittes gibt und nicht nur eine einzelne, scheinbar weitabgewandte Denkweise und Forschertätigkeit betrifft. 8o wollen wir uns nunmehr zuerst fragen, wie schreitet die Mathematik vorwärts, worin besteht der Wert einer Leistung für den Fortschritt der Wissenschaft? Und dieser Fortschritt besteht, können wir antworten, in folgendem: 1. In der Entdeckung neuer Tatsachen und Begriffe, neuen Stoffes, auf welchen die vorhandenen Begriffe Anwendung finden können. 2. In der systematischen Anordnung der Tatsachen, welche zugleich eine Genesis derselben ist, und in der Verbesserung der Systematik, sowie hiermit zusammenhängend 4 4*- 52 3. In der Auffindung neuer absolut gesicherter Schluß weisen, logisch geklärter und einwandfreier Denkvorschriften, und 4. (für die Mathematik in ganz besonderem Maße) In der Ausbildung einer geeigneten Nomenclatur und Formelsprache. Es lohnt sich und wird meine fernere Rede verständlicher machen, wenn ich einiges zur Erläuterung dieser Punkte ausführe. Was sind neue Tatsachen in der Mathematik? Kann man solche erfinden, wie man eine Dynamomaschine erfindet, die vorher nicht und nirgends da war und erst aus einer freien Kon- struktion erstand, oder muß man sie entdecken, wie Columbus, der auszog, eine Straße zu finden und statt dessen ein Land entdeckte? Ich greife aus dem Füllhorn der Tatsachen willkürlich einige heraus. Es war eine neue Tatsache, als Pythagoras auf den Satz kam, daß in jedem rechtwinkligen Dreieck das Quadrat über der Hypotenuse gleich der Summe der Quadrate über den zwei Katheten ist, oder als Archimedes lehrte, wie man den Umfang des Kreises oder gar die Oberfläche der Kugel aus dem Radius dieser Gebilde berechnen kann, und seit den Zeiten des Pythagoras ist die Geschichte reich an der Hervorbringung solcher neuen Tatsachen. Neu war so der von Gauss geführte Nachweis, daß man außer dem regel- mäßigen Drei- und Fünfeck auch das I7-Eck nur mit Zirkel und Lineal genau konstruieren kann, ferner die Entdeckung des einseitigen Blattes von Möbius oder des verbiegbaren Polyeders von Bricard usw. Bei allen diesen Tatsachen haben wir es mit Entdeckungen zu tun, als mit solchen, welche mit dem Begriff des rechtwinkligen Dreiecks, des regelmäßigen Vielecks, des Polyeders, gegeben sind und nur aus diesen Begriffen herausgeschält werden mußten. Dagegen sind alle die angegebenen Objekte selbst Kon- struktionen, Erfindungen, und der Zweck der Mathematik hat noch viele andere Erfindungen veranlaßt. So ist z. B. die Aufgabe des Zahlenrechnens, des Multiplizierens, Dividierens und Potenzierens großer Zahlen und vieler Zahlen miteinander ungeheuer erleichtert worden durch die Erfindung der Loga- rithmen durch Lord Neper und Jost Hürgi. Ebenso dienen die von Möbius, Grassmann und Bamilton erfundenen Kalküle der Vereinfachung geome- trischer Betrachtungen. Indessen machen die Tatsachen allein und für sich, so wichtig sie sind, noch keine Wissenschaft. Es gilt, die vorhandenen Tatsachen bereitzustellen, daß man jederzeit über sie verfügen kann; um mich stark bildlich aus- zudrücken: sie müssen geordnet, registriert und gebucht werden, oder wie man sich wissenschaftlich ausdrückt, sie müssen in ein System gebracht werden. Der geistvolle Physiker und Philosoph E. Mach hat als das Ziel jeder Wissen- schaft die Ökonomie des Denkens bezeichnet; und wenn das auch zu weit geht, so bleibt der praktische Nutzen und die praktische Rechtfertigung unzweifelhaft, daß die Wissenschaft uns lehren muß, große Ideenkomplexe, Tatsachenreihen und Theorien zu behalten und zu übersehen und zu über- liefern, um andern weiterzuhelfen, indem wir sie in ein System bringen. Diese 5 53 Aufgabe hat keine andere Wissenschaft so galt zu lösen vermocht wie die Mathematik. In einem wunderbaren Aufbau hat sie ihre Tatsachen vereinigt, indem sie immer wieder von dem Bestreben ausging, aus einer verhältnismäßig geringen Anzahl unbeweisbarer Voraussetzungen oder sogenannter Axiome alles Vorhandene durch logische, methodische Schlüsse abzuleiten, zu dedu- zieren. Man hat ja darum die Mathematik gerade als eine deduktive Wissen- schaft bezeichnet, und es ist unser Streben, ihr diesen Ehrennauien zu bewahren, wenn Sie auch nicht glauben dürfen, daß die Tätigkeit des For- schers sich nur mit den Deduktionen deckt. Er muß vielmehr ebensoviel konstruieren, erfinden wie deduzieren. Immerhin aber ist die Deduktion eine Zentralaufgabe der Mathematik, und mit ihr hängt die dritte Leistung zusammen, in der wir eine Hauptförderung der Mathematik erblicken müssen, nämlich die Auffindung neuer Beweismethoden und logischer Schlußweisen. Der Zweck dieser ist die Beherrschung analoger Übergänge von einem Tat- sachenkomplex zu einem anderen durch eine gesicherte, möglichst einfache oder durch Grewöhnung uns vertraute logische Operation. Sie alle wissen schon aus Ihrer Schulzeit her, wie solche Schlüsse beschaffen sind. Ein klas- sisches Beispiel derselben haben wir in der analytischen Greometrie, welche den Beweis geometrischer Sätze auf die Rechnung zurückführt oder in der Differentialrechnung, und ich will Ihnen das Beispiel einer solchen Schluß- weise aus der neueren Zeit anführen, indem ich mir erlaube, mit einer kleinen Anekdote zu beginnen. Man erzählt von einem unserer großen Mathematiker, daß er als Knabe seinen Vater auf einem Waldspaziergang fragte: ,,Gribt es wohl zwei Bäume im Wald, die gleich viel Blätter haben?“ Diese Frage ist klar, und man wird gerne zugeben, daß es im allgemeinen gleichgültig ist, welche zwei Bäume es gerade sind, für die dies zufällig zutrifft. Man wird sich auch nicht wundern, wenn die Frage den Vater wenig interessierte und er dem Jungen die Antwort schuldig blieb. Der Junge selbst war aber beharrlich und verkündigte nach einigem Besinnen: wenn es im Walde mehr Bäume gibt als die Zahl der Blätter auf irgendeinem Baume, dann müssen auch mindestens zwei Bäume gleich viel Blätter besitzen. Es ist dies dasselbe, wie wenn ich 10 Gregenstände in 5 Schiebladen verteilt habe und daraus folgere, daß mindestens in einer Schieblade zwei Gegenstände, d. h. mehr als ein Gegen- stand sich befinde. Die Anwendung dieser Erkenntnis ermöglicht uns nun schon manche positive Aussage, in vielen Fällen die Ersetzung einer Ver- mutung durch eine sichere Tatsache, was doch der Zweck der Wissenschaft ist. Die Frage, ob etwa am Johannisberg zwei Bäume mit gleich viel Blättern stehen, bleibt zweifelhaft, sicherer wird das für die drei Danziger Kreise, und für Westpreußen können wir ruhig mit Ja antworten, während wir für ganz Deutschland sagen können, daß es immer ganze Gruppen von Bäumen gibt, die gleichviel Blätter tragen, wenn auch nur ein einziger die Maximal- zahl tragen mag. In der Wissenschaft handelt es sich nur darum zu sehe n, wo und in welcher Einkleidung der Schluß des Jungen Verwendung finden 6 54 kann, und Dirichlet hat aus dieser alltäglichen Erfahrung und Erkenntnis eine bindende Schlußweise, ein Prinzip des Beweises gemacht, das z. B. dann angewendet wird, wenn man naehweisen will, daß zwei Zahlen aus einer Gruppe, die nur i. a. definiert ist, und wo an die Berechnung im einzelnen nicht gedacht werden kann, sich nur um einen beschränkten Betrag unter- scheiden. Denn, wenn ich weiß, daß 11 Zahlen zwischen 10 — 20 liegen, so muß es unter den 11 mindestens 2 geben, die sich um weniger als 1 unter- scheiden. Die Intervalle 10 — 11, . . . 19 — 20 stellen nämlich die 10 Schieb- laden vor, auf welche die 11 Zahlen als Gegenstände zu verteilen sind. Schon einmal habe ich heute abend gesagt, daß die Mathematik nichts anderes ist als gesunder Menschenverstand, und dieses OiRiCHLEXsche Prinzip ist ein Beleg dafür, wie in der Wissenschaft alltägliche Denkweisen zu all- gemeinen Prinzipien in eine höhere, geistige Sphäre sozusagen erhoben werden, und Sie werden wenigstens mitfühlen können, was es heißt, die Wissenschaft durch neue Beweismethoden zu bereichern. Hiermit hängt aber i noch etwas Weiteres zusammen. Der Fortschritt der Wissenschaft bringt es bekanntlich mit sich, daß Tatsachen, welche ehemals schwer verständlich waren, heute leicht verständlich sind. Nun, eine Tatsache verstehen heißt aber, sie in ihrem Zusammenhang mit anderen uns gewohnten Anschauungen zu erfassen, und wenn wir schwer verständliche Dinge leicht verständlich machen, so geschieht das eben durch die Auffindung neuer Beweismethoden, unter denen jene Zusammenhänge selbstverständlich erscheinen. Es kommt für die Entwicklung der Mathematik je länger um so mehr darauf an, die Beweise zu vereinfachen. Eine Wissenschaft, die ihr 2%tausendjähriges Jubiläum feiern kann, wäre ferner auch unmöglich, wenn sie nicht die Erklärung und Beschreibung ihrer Begriffe in einer unzweideutigen Sprache ausdrücken und durch die Anwendung einer passenden Symbolik vereinfachen könnte. Diesem Zweck dient der ganze Formelapparat der Mathematik, dessen Schöpfung viel mehr Schwierigkeit gemacht hat und viel mehr Späne hinterlassen hat, als wir nur ahnen können. Wir können jeden Fortschritt in eine dieser Klassen einordnen, ohne daß damit zugleich ein Rangunterschied ausgedrückt zu werden braucht, während eine große Leistung auch gleichzeitig in mehreren von denselben liegen kann, und es ist rückschauen'd, wo wir die Entwicklung der Dinge auseinander über- blicken können, fast immer möglich, die Verdienste namhaft zu machen, die dem einzelnen Forscher gehören. Im übrigen ist es in der Mathematik wie in andern Wissenschaften, daß man eine Leistung häufig nicht sofort nach ihrer Wirkung auf die Gesamtentwicklung beurteilen kann. Auch in der Mathe- matik gibt es Zeitströmungen und Moden, und andererseits^ ist es der Anerken- nung einer fruchtbaren Tat oft hinderlich, daß bei dem Umfang der Mathe- matik und der weitgehenden Spezialisierung zunächst oft nur ein ganz kleiner Kreis von Fachgenossen um Neuerungen und Fortschritte weiß und es eben 7 55 lange dauert, bis sich diese Neuerungen durchgesetzt haben und Gemeingut geworden sind. Eine unmittelbare, fast selbstverständliche Anerkennung fand jedoch immer eine solche Leistung, welche eine lang gesuchte Lösung einer Frage enthielt, die den Lösungsmitteln der Wissenschaft oft jahre- oder jahr- hundertelang getrotzt hat. Hierher gehört z. B. die schon von den Griechen gesuchte Quadratur des Kreises, wo aber die Lösung in negativem Sinn aus- gefallen ist, indem man gezeigt hat, daß es niemals möglich ist, mit Zirkel und I.ineal (als einzigen Konstruktionshilfsmitteln) ein Quadrat zu konstruieren, welches inhaltsgleich wäre mit einem gegebenen Kreis. Der erste Beweis dieser Tatsache durch Lindemann war eine Folgerung aus genialen Unter- suchungen des Franzosen Hermite. Hiermit bin ich nun schon in die Würdigung einzelner Leistungen ein- getreten, und ich will für jetzt diesen Gedanken nicht ausspinnen, um die Frage, was die verschiedenen Kulturnationen an Bleibendem zu dem Gesamt- aufbau beigetragen haben, mehr systematisch anzufassen und wenigstens in großen Zügen zu beantworten. So leierkastenmäßig allmählich auch die historischen Exkurse sind, welche mit den unvermeidlichen Griechen und Hörnern beginnen, so kann ich nur in jenem grauen Altertum anfangen, denn es ist einmal nicht zu leugnen: im jonischen Griechenland ist die Mathematik geboren, und in kaum zwei ^Jahrhunderten hat sie es zu einer Blüte gebracht, welche wir bloß staunend bewundern können. Den Charakter, welchen die Mathematik heute noch trägt, oder besser gesagt, welchen sie heute in einem Höhepunkt wieder trägt, hat sie unter einem Himmel gewannen, welcher den Menschen alles gab, was sie zum Denken in ruhiger Beschaulichkeit und freier geistiger Entwicklung brauchten. Anfangs war die Mathematik ein Teil der Philosophie, und schon in jenen Anfängen findet man das Streben, die Sätze durch logische Deduk- tionen zu beweisen, wie wir das noch heute machen. Es ist bekannt, daß andererseits manche der philosophischen Systeme die straffe Beweisführung der Mathematik erstrebten. Unter den griechischeu Mathematikern will ich nur zwei nennen, deren Größe von Späteren wohl je und je wieder erreicht, aber vielleicht niemals übertroffen worden ist: Luklid und Archimedes. Sie repräsentieren in höchster Steigerung die beiden Typen des Gelehrtentums, w^enn ich mich so ausdrücken darf, das systematische und das produktive Genie, wobei ja selbstverständlich die Systematik nicht ohne Produktion und die Produktion nicht ohne Systematik gedacht werden kann. Euklid ist es zuerst gelungen, jenes System der Geometrie aufzustellen, das er in seinem berühmten Buche „D i e Elemente“ veröffentlicht hat und welches fast zweitausend Jahre unübertroffen blieb. Man muß sich nur vor- stellen, was das heißt, aus einer Fülle von Tatsachen und Sätzen diejenigen Behauptungen klar herauszuschälen, welche nur Erfahrungsresultate sind, unbeweisbar bleiben und allem Beweisen zugrunde gelegt werden müssen. Mehr noch müssen wir den sicheren Takt bestaunen, mit dem Euklid die s 56 richtigen logischen Schlüsse, d. h. die typischen mathematischen Beweis- methoden ausfindig macht und auch immer alles beweist, was wirklich eines; Beweises bedarf, denn jeder von Ihnen weiß, wie geneigt wir sind, der An- schauung eine Gewißheit und Gültigkeit zuzuschreiben, welche sie bewiesener- maßen eben nicht besitzt. Um Ihnen einen ungefähren Begrilf von der überragenden Bedeutung- von Archimedes zu geben, will ich nur einige seiner Leistungen nennen.. Zunächst auf dem Gebiete der angewandten Mathematik hat er die Hebel- gesetze und Schwerpunktssätze aufgestellt und damit die Grundlagen der gesamten Mechanik geschaffen, er hat den Begriff* des spezifischen Gewichtes erfunden und die Lehre vom hydrodynamischen Auftrieb entwickelt. In der reinen Mathematik rühren von ihm die Kreisberechnung, Kugel- und Kegel- berechnung her, und zwar hat er diese Aufgabe nach Prinzipien gelöst, wie wir sie heutzutage in der Integralrechnung zur Bestimmung von Kaum- und Flächeninhalten fast genau so wieder anwenden. Die Leistungen der Griechen, von Euklid, Archimedes und, wie man hinzufügen muß, von Apolloniu^ von Perga, der u. a. acht Bücher über die Parabel, Ellipse und Hyperbel geschrieben hat, von welchen uns sieben erhalten sind, liegen in erster Linie auf dem Gebiete der Geometrie und stellen nach Inhalt und Form schlecht- hin Meisterwerke dar. Es ist gar nicht auszudenken, was aus der Mathe- matik geworden wäre, wenn ihre Entwickelung von dem damals erreichten Stande in stetiger Weise fortgesetzt worden wäre. Allein, wie uns an dieser Stelle der größte Kenner des griechischen Altertums, Herr von Wilamowitz- Möllendorff, einmal auseinandergesetzt hat, die hohe und strahlende Kultur mußte untergehen, weil die Talente ausstarben, und ich glaube, wohl auch, weil im Laufe der Zeit die Charaktereigenschaften und die staatsbildende Kraft des römischen Volkes höher geworden waren als die der späten Griechen.. Es wäre auch die Verdrängung der griechischen Vorherrschaft durch Kom weniger tragisch, wenn die Körner das geistige Erbe Griechenlands über- nommen und gemehrt hätten. Das aber kann man in der Mathematik von den Körnern wirklich nicht sagen. Ein größerer Abfall als der von der griechischen zur römischen Mathematik ist überhaupt kaum denkbar. Die Körner haben die griechische Mathematik nicht einmal verstanden, geschweige denn, daß es ihnen gelungen w'äre, auch nur einen nennenswerten Beitrag dazu zu liefern. Wir kennen z. B. die Formeln, nach denen die römischen Agrimensoren oder Feldmesser ihre Grundstücksvermessungen auswerteten. Diese Formeln sind einfach falsch und ergeben nur in speziellen Fällen richtige, bzw. angenähert richtige Kesultate. Ich halte es für keinen Zufall, daß* die Körner auch in Kunst und Poesie hinter den Griechen stehen. Die Mathe- matik setzt eben eine frische und blühende Phantasie voraus, als Grundlage freier Schöpfungen, und die Körner waren vielmehr ein nüchternes Volk. Da nun die westeuropäischen Völker ihren Kulturkreis unmittelbar von den Körnern übernommen haben, so wären bei dem beschränkten Stande des 9 57 Buchgewerbes und der den Griechen eigenen zurückhaltenden Publikation ihre mathematischen Reichtümer wohl noch lange vergraben und unwirksam geblieben, wenn nicht auf ganz anderen Wegen die Quellen nach Europa geleitet worden wären. Nicht bloß die Märchenw^elt des Ostens, sondern auch die Früchte des exakten Denkens sind uns unter dem Zeichen des Halb- mondes von den Arabern überkommen. Die Araber haben aber nicht allein aus ihrer Berührung mit den Griechen Nutzen gezogen und uns manchen Schatz der alexandrinischen Bibliothek vor dem gänzlichen Untergang gerettet, über sie haben wir auch Kenntnis gewonnen von dem, was inzwischen die- Inder auf dem Gebiete der Arithmetik, d. h. des gewöhnlichen Rechnens und der Algebra, geleistet hatten. Diese Leistungen bildeten eine wertvolle Ergänzung zu denen der Griechen, welche nach den vorhandenen Zeugnissen in der Arithmetik nicht jene Vollkommenheit erreicht hatten wie in der Geometrie. Als man im Abendlande, es war in Italien, wieder die Muße fand für die mathematische Spekulation, da konzentrierte sich das Interesse zunächst auf die bürgerlichen und kaufmännischen Rechnungen, deren Bedeu- tung für den Fortschritt der Kultur ja selbstverständlich ist. Man sieht es unserem wundervollen Rechenapparat gar nicht an, wie viele Zeit und Mühe seine Erfindung gekostet hat, es war dazu vor allem notwendig die Erfindung der Null, die wir den Indern verdanken, und die Durchführung des Positions- systems in der Schreibweise unserer Ziffern. Die steigende Vervollkommnung verdanken wir Italienern und Deutschen. Nur ganz langsam und schrittweise dringt der Begriff der positiven und negativen Zahlen durch, und ersteht die heutige Schulalgebra mit ihrem Formelapparat. Die Geometrie macht auch einigen Fortschritt in der Zeit des Mittelalters, doch steht sie im wesentlichen im Bann der von den Arabern übernommenen, griechischen Ideen. Der Primat in den mathematischen Wissenschaften hat im Mittelalter mehrfach gewechselt zwischen Italien, Paris — unter einem dort lebenden deutschen Dominikanermönch — , England, wiederum Frankreich, Italien und Deutschland^). In Frankreich stockte die Entwickelung verheißungsvoller Ansätze, wie wir das später in Deutschland zur Zeit des dreißigjährigen Krieges erleben, durch die Verheerungen des englisch-französischen Erbfolge- krieges 1339 — 1453, bei dem auch England, wie heute, der Störenfried gewesen war, und durch die weite Kreise in Mitleidenschaft ziehenden Kirchen- streitigkeiten. In England selbst haben die grausamen und wahrhaft, bar- barisch geführten Kriege zwischen der weißen und der roten Rose ebenso ver- heerend und den Gang der Wissenschaft hemmend gewirkt. So fehlte einem ganzen Jahrhundert der internationale Wettbewerb zum Schaden der Wissen- schaft und zum Schaden mancher deutscher Gelehrten, die ihre Zeit mit Astrologie und Deutungsversuchen der Offenbarung Johannis zubrachten und 1) Man vergleiche hierüber insbesondere M. Cantor, Yorles. über Geschichte der Mathematik, Band 2, 2. AuA-? kieipzig 1900. 10 58 bei denen man das Gefühl hat, daß eine Schraube bei ihnen los war, weil sie im engen Kreis verkamen. Dagegen bestand im 15. und 16. Jahrhundert ein reger Verkehr zwischen den ebenbürtigen deutschen und italienischen Mathe- matikern, und als die exakte Physik und Mechanik in dem großen Ver- fechter des kopernikanischen Weltsystems, Galilei, einen Höhepunkt erreichte, da wurden seine Leistungen diesseits der Alpen voller Bewunderung aufgenommen. Als es für die Weiterbildung der Mathematik von entscheidender Bedeu- tung geworden war, daß man die griechischen Schriftsteller wieder in ihren Originalen vollständiger kennen lernte, da war es vor allen ein anerkannter deutscher Gelehrter, der vielgereiste und weltmännische, leider zu früh ver- storbene Regiomontan , welcher einen großzügigen Plan für eine gute Edition der griechischen Mathematiker aufstellte und der Verwirklichung entgegen- führte. Es war damit dem deutschen Wesen mit seiner Kraft zur Einfühlung in große Ideen und seinem unermüdlichen Fleiß vergönnt, der Wissenschaft einen wichtigen, unentbehrlichen Dienst zu tun und den Gang der Ent- wickelung zu bestimmen. Wenn man nämlich heute den Deutschen — sicher ungerecht und ver- logen — vorwirft, daß sie nur fremde Ideen auszuführen, nichts Eigenes zu produzieren vermögen, so möchte ich dem hinzufügen, daß zur richtigen Aufnahme und Verbindung fremder Ideen nur fähig ist, wer diese bereits selbständig gefunden oder in sich wenigstens verarbeitet hat. Das Studium der alten Bücher, insbesondere der Kegelschnittslehre ver- schaffte dem Zeitgenossen Galileis, dem berühmten Astronomen J. Kepler, die Grundlagen zu der Entdeckung der Gesetze, nach welchen die Planeten um die Sonne herumlaufen. Man kann den Namen dieses Mannes, bei dem inneres Verdienst und äußere Lebensbedingungen in einem so erbarmungs- würdigen Kontrast standen, nicht ohne innere Bewegung aussprechen. Sein Ruhm überstrahlt weit denjenigen aller seiner Vorgänger, nicht nur in der Astronomie, sondern auch in der Mathematik. Die Astronomie befand sich zu seiner Zeit auf einem kritischen Punkt, denn sie drohte in einem Wust von Tatsachen zu ersticken, und es ist ein fast einzig dastehender Fall, daß es Kepler gelang, aus diesen Tatsachen, insbesondere aus dem vortrefflichen Beobachtungsmaterial '1’ycho de Brahes, die richtigen Gesetze als den Zusammenhang aller Einzelbeobachtungen herauszulesen. Er wurde damit geradezu der Schöpfer der neuen Astronomie. Zu dieser Großtat gehörte eine Divination wie sie Gott nur wenigen Menschen beschert. Aber ICepler war nicht nur ein bahnbrechender Astronom, er war, was dazu unumgängliche Voraussetzung ist, auch ein großer Mathematiker und ist als solcher einer der Vorläufer der Erfindung der Integralrechnung, denn er war der erste, der ohne die Kenntnis der verloren gegangenen archimedischen Schriften, wieder infinitesimale Methoden zur Berechnung von Rauminhalten anwandte. Leider blieb Kepler, der selbst noch bis in die Mitte des Dreißigjährigen 11 59 Krieges, bis 1630, iebt^, für lange Jahrzehnte der letzte deutsche Mathe- matiker von Ruf, während inzwischen Frankreich der Welt eine ganze Reihe, großer Mathematiker schenkte. Seit dem 16. Jahrhundert, wo Vieta den Welt- ruf der französischen Mathematik begründete, und seit Cartesius und Fermat ist der ,,esprit“, den man der Literatur der Franzosen nachrühmt, auch ein Charakteristikum der französischen Mathematiker. Der Erfindungsreichtum, die Eleganz der Darstellung und Sprache und die Leichtigkeit der Auffassung, sowie des Übergangs von einem Thema zum andern verraten überall den Franzosen, Vorzüge, mit denen sich gerade bei den großen Mathematikern meist ein praktischer Sinn für die Anwendungen verbindet. Ja es ist wohl kein Zufall, wenn einige der französischen Mathematiker es zu großen Wrwaltungsstellen und Ministerposten gebracht haben, in früheren Zeiten sogar mit besserem Erfolg als in den heutigen Tagen: zu unserem Glück. Wenn sich mit den Vorzügen des Franzosen noch ein philosophischer Sinn und Tiefe verbindet, so kommen auch stets Leistungen ersten Ranges zustande. Zu einer solchen müssen wir die Erfindung rechnen, welche die neue Mathe- matik einleitet, nämlich die der analytischen Geometrie durch Cartesius >(1637). Sie stellt ein allgemeines Prinzip dar zur rechnerischen Behandlung geometrischer Verhältnisse und Figuren, indem man z. B. die Punkte in einer Ebene durch ihre Abstände von zwei festen zueinander senkrechten Geraden gibt. Wie das immer der Weg des Fortschritts ist, wurden die Mathematiker bei der Behandlung geometrischer Probleme nach dieser neuen Methode auf neue Probleme geführt, die in der Erfindung der Differential- und Integral- rechnung durch Newton und Beibniz gipfelten. Die Erfindung dieser Rechnungsmethoden ist eine der größten und erfolgreichsten in der ganzen Geschichte der Mathematik, und es verlohnt sich wohl, daß ich Ihnen das Prinzip dieser neuen Rechnung an einem Beispiel erläutere, das ich den Anwendungen auf die Physik entnehme. Wir wissen z. B., oder genauer gesagt: wir nehmen es an, daß zw'ei Körper eine Kraft aufeinander ausüben und sich anziehen. Die Sonne zieht die Planeten und diese ziehen die Sonne an, ein Planet zieht jeden andern Planeten, ja jeder Stern zieht jeden andern Stern an, unsere Erde zieht einen Stein und überhaupt jeder Körper jeden andern Körper an, und zwar wechselt diese Kraft nach der Größe und Beschaffenheit und nach der Entfernung der anziehenden Körper. Nun ist es aber offenbar ganz unmöglich, ein Gesetz anzugeben, welches direkt die Kraft ergäbe, mit dem zw^ei irgendwie gestaltete Körper sich anziehen, und doch ist diese Kenntnis die Voraussetzung für das Verständnis aller Lagenbeziehungen und Bewegungen im Weltraum, und es gäbe Mechanik und Astronomie auf ihrem heutigen Stande niemals ohne einen Zugang zu der Lösung dieses Problems. Nun, diese Lösung geschieht mit Hilfe der Integralrechnung, und sie besteht darin, daß man von einem Gesetz der Kraftwirkung von Massenpunkt zu Massenpunkt oder zvfischen unendlich kleinen Teilen ausgeht und die Kraftwirkung zwischen zwei endlich 12 60 großen Körpern als die Summe aller der unbegrenzt vielen von Punkt zu: Punkt wirkenden, unendlicli kleinen Kräfte ansieht. So ist die Frage durck die Differential- und Integralreclinung praktiscli lösbar und gelöst. Auch bei komplizierteren Vorgängen, die sich im Lauf der Zeit abspielen,, schließen wir von den Wirkungen zwischen unendlich kleinen Massen- elementen in unendlich kurzer Zeit durch eine Summierung aller Einzel- wirkungen auf die Kräfte und Vorgänge in endlichen Massen und in endlicher Zeit. Der Vorzug dieser Betrachtungsweise ist ein doppelter: erstens ist es eben viel leichter, Gesetze zu vermuten und zu formulieren, welche sich auf Massenpunkte beziehen und nur unendlich kleine Zeiträume zu betrachten, während deren immer störende Nebenvorgänge vernachlässigt werden können, und zweitens lassen sich viele dem Anschein nach ganz verschiedene Vor- gänge, wie die Bewegung des Wassers, Strömung der Wärme und Elektrizität,, ganz analog behandeln. Ich sage nicht zu viel, wenn ich behaupte, daß die moderne exakte Natur- wissenschaft nur nach der Erfindung der Differential- und Integralrechnung^ möglich war. Ja, es ist wohl bekannt, daß die Griechen weit von der modernen Naturanschauung getrennt sind, weil sie das Experiment in unserem heutigen Sinn nicht kannten, und es scheint mir, daß dieser Mangel mit dem gerin- geren Stand der Arithmetik und der Unkenntnis der Analysis aufs engste zusammenhängt. Diese Andeutungen können Ihnen eine leise Ahnung geben von der Bedeu- tung der Differential- und Integralrechnung und ihrer allmählichen Weiter- bildung für die Naturwissenschaften, und Sie werden das Gefühl teilen, das jeden deutschen Mathematiker überkommt bei dem Gedanken, daß ein Deutscher, der große Philosoph G. W. Leibniz mit dem größten englischen Naturforscher J. Newton sich in den Kuhm dieser Erfindung teilt. Wie es oft zu geschehen pflegt, wenn die Zeit für eine Erfindung reif ist, so ist auch die Erfindung der Differentialrechnung eben von zwei an verschiedenen Orten wohnenden, verschiedenen Männern gemacht worden, und die Menschen müßten edler und selbstloser sein, als sie es sind, wenn nicht die Frage nach der Priorität die Gemüter noch mächtig bewegt hätte. In diesem Fall ist der Streit durch das Eingreifen der Leute um Newton — nicht durch Newton selbst — zu einem häßlichen und beklagenswerten Schauspiel geworden, in dem auch I^eibniz leider nicht ganz untadelhaft sich hielt, und der Streit hat Leibniz’ letzte Jahre unsäglich verbittert. Aus genauen, literarischen For- schungen wissen wir heute sicher, daß erstens Newton früher im Besitze seines Kalküls war als Leibniz. Aber Newton hat seinen Besitz peinlich gehütet, und TjEIBNIZ könnte, wenn überhaupt, nur Andeutungen davon bekommen haben. Ferner aber — und das ist doch das Entscheidende — sind Leibniz’ Bezeichnungen und Formalismen zum Allgemeingut geworden, nicht die Newi'ON-', und haben die Methoden beider charakteristische Unterschiede, welche sich bis in unsere Zeiten als wesentlich gehalten haben, endlich 13 61 .ging es auch in diesem Fall wie fast immer in ähnlichen Fällen: die Erfindung war der Schlußstein einer langen, mühsamen Vorgeschichte, ohne welche sie überhaupt nicht zu denken wäre, und in dieser Vorgeschichte spielen Italiener, Deutsche, wie Kepler, Franzosen, wie Pascal und Kermat. und Engländer, wie J. Harrow, der Lehrer Newtons, gleich Avichtige Rollen. Wenn man Newton und Leibniz vergleicht, so erscheint bei dem gemein- samen Trieb nach philosophischer Durchdringung der Dinge und dem Streben, in verschiedenartigen Vorgängen das verbindende Prinzip auf zu finden, Newton als der nüchternere, Leibniz als der fantastischere, Newton als der ruhige Systematiker p. e., während Leibniz mit den Erfindern die Unruhe und Greschäftigkeit teilt. Von New'I'ON haben wir neben seiner großartigen Grundlegung der Mechanik und dem Gravitationsgesetz einen Strauß einzelner Theorien als Beantwortung einzelner Fragen, während Leibniz immer auf die Auffindung eines universalen Kalküls ausging und Anregungen gegeben hat, welche mit der Aufstellung der Determinantentheorie und der Algebra der Logik erst in neuerer Zeit verstanden und zur Entwickelung gelangt sind. Unter ihren Zeitgenossen reicht nur der Holländer CiiR. Huygens an diese Männer selbst heran, aber während Newton in seinem eigenen Lande für lange Zeit keinen namhafteren und führenden Nachfolger gefunden hat, war Leibniz hierin der glücklichere. Hatte er schon das Glück, unter seinen Mitarbeitern die beiden großen Schweizer Jakob und Johann Hernoulli zu haben, so erstand ihm erst recht in deren Schüler Leonhard Kuler ein Nachfolger, der alle Ansätze zur reichsten Entwickelung bringen sollte. Kuler war wie die Bernoulli in Basel geboren, also Schweizer, er hat aber den entscheidenden Teil seines Lebens in Petersburg, dann in Berlin als Mitglied der Friederizianischen Akademie und die letzten zwei Jahrzehnte wieder in Petersburg verlebt, und wir dürfen ihn unbeschadet seiner Schweizer Her- kunft wenigstens dem deutschen Kulturkreis zurechnen. Unter den Mathe- matikern aller Zeiten war Euler wohl der produktivste. Nachdem man früher immer vor der Aufgabe zurückgeschreckt war, seine Werke zu sammeln, so ist diese Absicht wenige Jahre vor dem Kriege ihrer Ver- wirklichung nähergerückt, und bis heute sind zehn dicke Quartbände herausgekommen. Nach einem für die Zwecke der Herausgabe sorgfältig angelegten Index schätzt man die gesamte Produktion Eulers auf 43 Quart- bände mit 21 000 Seiten, und das dürfte nach dem unveröffentlichten Material, welches die Petersburger Akademie noch in Aussicht gestellt hatte, immer noch nicht alles sein. Wenn man nun auch zugeben muß, daß die Darstellung an einer heute ungewohnten Breite leidet, und wenn auch mit einer derartigen Lust an der Schöpfung eine jeder geschärften Kritik genügende Reinheit der Begriffe und Schlußweisen nur in den seltensten Fällen vereint ist und insbesondere Eulers Darstellung mangelt, so kann man Eulers erstaunliches Lebenswerk doch als die denkbar großartigste Aus- führung der von Newton und Leibniz herrührenden Ideen in der Differential- 14 62 und Integralrechnung und deren Anwendungen bezeichnen. Selbst ein Lagrange spricht von ihm als ,,Ce grand Geometre, ä qui toutes les parties des Mathematiques sont si redevables . . und Gauss empfiehlt noch 1849 das Studium seiner Arbeiten als „die beste und durch nichts zu ersetzende Schule für die verschiedenen mathematischen Gebiete . . . In der Tat ist Euler, der noch Analysis und Geometrie in ihrem damaligen Stande gleich- mäßig beherrschte, der Lehrer für alle folgenden Generationen geworden. Indem er in der Geometrie und Analysis, in der Mechanik, theoretischen Astronomie, Hydromechanik, Elastizitätstheorie den neuen Kalkül zur Anwen- dung brachte, hat er auf allen mathematischen Gebieten alte Aufgaben gelöst, neue Sätze in schier überwältigender Fülle gefunden und hat sich nicht bloß als abstrakter Denker hervorgetan, sondern er hat auch die besondere, die Erfahrung meisternde, begriffsbildende Kraft besessen, welche den bedeu- tendsten theoretischen Physikern eigen ist und die man als eine künstlerische, Phantasie ansprechen muß. Seit Euler® hat die Führung in der reinen Mathematik nur zwischenj Deutschland und Frankreich gewechselt, denn wenn auch in Italien und in England je und je wieder hervorragende und fruchtbare mathematische' Talente hervorgetreten sind, so haben sie es doch nie zur Führerschaft gebracht neben den Franzosen und Deutschen. Insbesondere entwickelte sich das angeborene mathematische Talent der Franzosen in der breitesten Weise, so- daß zu allen Zeiten Paris ein Sammelpunkt tiefster Forschung war, nach dem die Schüler aus der ganzen Welt hinstrebten. Die Franzosen haben es auch nicht verschmäht und nicht versäumt, die gesicherten Resultate in glänzend geschriebenen und in alle Kultursprachen übersetzten Lehrbüchern zugänglich zu machen. Es ist mir unmöglich, einzelnes namhaft zu machen,, und nur um Ihnen eine Ahnung zu verschaffen, will ich aus der Zahl unsterb- licher Forscher einige nennen wieCLAiRAUT, d’Alembert, Lagrange, Laplace,, Monge, Fourier, Poisson, Gauch y, Hermite und Poincare (nicht der Präsi- dent unseligen Andenkens, sondern sein Vetter). Unter diesen allen ist vielleicht Cauchy der größte, er reicht in seiner Produktivität an Euler heran und übertrifft diesen noch als Neuerer und in kritischer Hinsicht. Wir können uns in Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht einer gleich großen Anzahl von Mathematikern rühmen, aber der größte Mathematiker dieser Zeit und vielleicht aller Zeiten seit Archimedes gehört uns: C. F. Gauss, der auch in weiteren Kreisen als Erfinder der elektrischen Telegraphie bekannte Göttinger Professor. Haben wir Euler als V eilender kennen gelernt, so vereinigt Gauss schöpferisches Genie mit systematischer Kraft und eindringendster, kritischer Schärfe. Man kann direkt sagen, daß mit der Gauss sehen Doktordissertation die neueste kritische Periode der Mathematik einsetzt, so daß Gauss schon dadurch eine besondere Stellung gegenüber allen Vorgängern einnimmt. Er ist aber auch der Begründer der neuen Zahlentheorie, der Flächentheorie und mit Cauchy zusammen der der- 15 63 Funktionentheorie. Als Begründer der neuen Flächentheorie hat Gauss die Geometrie wie kein anderer gefördert. Schon der Eintritt von Gauss in die wissenschaftliche Laufbahn war das plötzliche Auf tauchen eines neuen Sterns. Noch als Neunzehnjähriger erfand er die Prinzipien für die elementare Konstruktion regelmäßiger Vielecke, und als im Januar 1801 zu Beginn des 19. Jahrhunderts der italienische Astronom i^iAZzr den ersten der kleinen Planeten, Ceres, entdeckte, da wäre dieser nach einer kurzen Sichtbarkeit sicher für lange den Blicken der Astronomen wieder entschwunden, wenn nicht Gauss die Aufgabe gelöst hätte, aus drei geeigneten Beobachtungen eines Planeten dessen Bahn für lange Zeiten voraus zu berechnen, eine Auf- gabe, welche bis dahin unlösbar schien. Überhaupt hat Gauss die Astronomie, die Geodäsie und die Theorie des Erdmagnetismus durch theoretische und praktische Arbeiten mehr als irgendein anderer gefördert, und die für die gesamten Naturwissenschaften so grundlegenden exakten Meßmethoden beruhen hauptsächlich auf seinen Vorarbeiten. Von ihm sagt Treitschke im zweiten Band seiner deutschen Geschichte, wo er von den geistigen Bewe- gungen im Anfang des 19. Jahrhunderts spricht: „und in Göttingen lebte schon, das Lehren verachtend, ganz in die letzten Probleme der reinen Theorie versunken, der Mathematiker Gauss. zu dessen Größe selbst Humboldt mit scheuer Ehrfurcht aufblickte, einer jener zeitlosen Denker, deren Wirk- samkeit erst in dem Leben der kommenden Geschlechter ganz empfunden wird. Er wußte, die Mathematik sei die Königin der Wissenschaften und seine Zahlentheorie die Königin der Mathematik.“ Ja, wenn ein Historiker imstande wäre, den geheimen Anfängen unserer heutigen Zeit, mit ihrer hohen Technik und dem Heranwachsen eines millionenreichen Arbeiterheeres, dessen Organisation, Leitung und Aufzucht im Mittelpunkt unserer Staatsprobleme steht, wirklich nachzuspüren, so würde ihn sein Weg gar häufig und nachdrücklich in die stille Arbeitsstube von Gauss führen, und er würde erkennen, daß nur Kurzsichtigkeit von der Mathematik als von einer weltfremden Wissenschaft reden kann. Was im Stillen gewirkt wurde, tritt uns in den Lebensäußerungen eines ganzen Volkes mächtig entgegen, und man möchte auf sie das bekannte Wort aiiwenden, das der Geist über sich zu Faust spricht: So schalf’ ich am sausenden Webstuhl der Zeit Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid. Obgleich Gauss jeder Lehrtätigkeit abhold war und keiner Schule ver- stand, war seine Wirkung doch unmittelbar. Wie es in der Geschichte der geistigen Bewegung, z. B. in der Poesie auch sonst zu beobachten ist, daß nach einer kleineren oder größeren Ruhepause die Talente nicht einzeln, sondern gleich in Gruppen auftreten, indem die Intelligenz durch das wiedergeweckte Interesse angezogen wird, so setzte mit Gauss eine Blüte der deutschen Mathematik ein, welche noch unvermindert bis heute währt und durch eine Reihe großer Namen repräsentiert wird, unter denen ich nur 16 64 Jacobi, Steiner, Dirichlet, B. Eiemann, Weierstrass, Minkowski, Hilbert {um nur einen aus der Zahl der Lebenden aufzuzählen), nenne, weil jeder dieser Namen, wenn ich den abgegriffenen Ausdruck gebrauchen darf, ein ganzes Programm bedeutet. Insbesondere sind von B. Eiemann mächtige Impulse auf die Mathematik, und zwar auf die Analysis und Geometrie aller Nationen ausgegangen; er erscheint immer größer, je weiter wir uns von ihm entfernen, und die Eesiiltate, welche er mit einem wahren Seher- blick voraus erkannte, sind heute, ein halbes Jahrhundert nach seinem frühen Tod, noch nicht alle bewiesen trotz der angestrengtesten Forschung vieler Mathematiker. Über immer wiederke'hrende Perioden oberflächlicher und formaler Rechnereien hat die deutsche Mathematik seit Gauss und Dirichlet immer wieder den Weg gefunden zu einer direkten Behandlung der Pro- bleme, wobei der Zusammenhang der einzelnen Erscheinungen nur durch die Kraft der reinen inneren Anschauung, ohne das fremde Hilfsmittel der Rechnung, erkannt wird. Die Fülle der Aufgaben und die für die meisten Menschen notwendige Selbstbeschränkung hat bei uns eine oft beklagte Trennung der reinen Mathematik von ‘der theoretischen Physik und der angewandten Mathematik zur Folge gehabt, aber das war in anderen Ländern auch nicht anders, und man muß der deutschen Mathematik andererseits Viel- seitigkeit (denn Analysis und Geometrie stehen auf größter Höhe), geschärftes Urteil, durch reife Kritik geklärte Begriffe, Zuverlässigkeit und Großzügigkeit der Probleme und Behandlung nachrühmen. Leider ist der deutsche Stil nicht immer auf der Höhe der Probleme, und die deutschen Mathematiker können hierin von Gaüss^ aber auch von den eleganten Franzosen noch vieles lernen. Etwas überraschend wirkt es dagegen, wenn der französische Mathe- matiker Picard in einem sehr unerfreulichen Pamphlet sich sogar über den Stil von Gauss beschwert und dem Deutschen komplizierte W^ort- verbindungen vorwirft, welche das Verständnis erschweren sollen. Dieser Vorwurf könnte wenigstens nicht den Mathematiker allein treffen. Nebenbei gesagt: es mag der nationalen Würdigung Eintrag getan haben, daß die deutschen Gelehrten ihre Abhandlungen so lange lateinisch oder französisch geschrieben haben. Unter den bisher noch nicht genannten Ländern hat Norwegen im 19. Jahrhundert zwei selbständige, führende Männer, N. H. Abel und Sophus Lie hervorgebracht. Hier wie auch in Italien, Rußland, Ungarn, Schweden und ■den Vereinigten Staaten von Nordamerika vollzog sich die Entwickelung im Anschluß oder wenigstens in Konkurrenz mit Frankreich oder Deutschland oder beiden. Die Italiener haben während der letzten Jahrzehnte durch zähen Fleiß viel auf dem Gebiet der algebraischen Geometrie geleistet, ohne daß führende Mathematiker ersten Ranges unter ihnen könnten aufgezählt werden. Man hat diese Erscheinung öfter als Beleg für die materialistische Geschichtsauffassung, nach der der Fortschritt von den Massen getragen 17 65 ■v^drd, hinstellen wollen, aber das wäre vielleicht doch voreilig, denn eine ganz ähnliche Erscheinung tritt uns in der Zeit vor der Erfindung der Diffe- rential- und Integralrechnung entgegen. Damals ist von Deutschen, Italienern, Eranzosen (wie Pascal) und Engländern wirklich tüchtige Arbeit geleistet worden, aus der wir bis heutigentags noch manches schöne Resultat bewahren, aber die Bahn war unfrei und die Arbeiten waren sofort überholt und ver- altet, als Newton und Leibniz mit neuen Anschauungen kamen. Sie sam- melten und vereinfachten das Vorhandene, führten zu neuen Problemen und gewährten die Mittel für deren Lösung. Unabhängig vom Kontinent führte England, seit den Tagen und unter 'der Last des großen Namens Newton, seine gesonderte Existenz, und diese Selbstgenügsamkeit hat sich gerächt, denn auf dem Gebiet der reinen Mathe- matik haben die Engländer mit V orliebe sich in formale Rechnereien verbohrt und England hat trotz einzelner ganz ausgezeichneter Vertreter auch nicht 'entfernt die Höhe von Deutschland und Frankreich erreicht, so daß kein nachhaltiger Einfluß von England mehr ausgegangen ist. Vielleicht ist die Ursache aber auch eine eigentümliche, sinnliche, mit dem Faßbaren sich beruhi- gende Begabung, die die Engländer zur experimentellen und theoretischen Physik und zur theoretischen Astronomie geführt hat. avo sie Unübertroffenes geleistet haben, denn Fauaday, Lord Keiwin, Maxwell, Lord Rayleigh, G. FI. Darwin haben wir nur R. Meyer, Helmholtz, Hertz als gleichwertig gegenüberzustellen, wenn auch die heutige Physik ohne P. Neumann, G. Kirch- hofe. Clausius und Boltzmann nicht gedacht werden kann. Die deutsche Art, in großen Umrissen zu denken, und das Suchen nach -den Dingen hinter allen Erscheinungen von vielen deutschen Naturforschern, wie auch bei I^eibniz, war lebendig in dem genialen Entdecker des Wärme- äquivalentes und des Prinzips der Erhaltung der Energie: J. R. Mayer und es ist vielleicht auch noch heute die Ursache einer langsameren, A^er- schlungenen Entwickelung der theoretischen Physik in Deutschland. Man kann Avohl überhaupt die Frage nicht so stellen: ,, Welches Volk hat am meisten in der Mathematik geleistet“, denn das hat keinen Avohldefinierten Sinn. Oft ist ein Gedanke hier geboren und dort zur Reife gelangt, und AVer Avill sagen, ob die Anregung oder die Ausführung das Wichtigste ist, da beide für sich nichts sind. Die Antwort Avird auch verschieden ausfallen, je nach persönlicher Anlage, Geschmack und Übersicht, die der Urteiler besitzt und, bewußt oder unbewußt, beeinflußt von der Sympathie für dieses oder jenes Volk, wie ein bekannter Vorgang aus jüngster Zeit so schön zeigt. Wir Deutsche nehmen es als selbstverständlich, daß wir das Verdienst da schätzen, wo es ist, und wir neigen eher zur Überschätzung fremden Talentes, Avie z. B. gerade der vielseitige F’oincare in Deutschland gCAviß noch überschätzt wurde, da er in vielem deutsche Forscher nicht übertraf, vielleicht nicht einmal erreichte. Bei aller Objektivität kann man Deutschlands Verdienste um die reine Mathematik gar nicht hoch genug schätzen, nie- Schr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIA^, Heft, 4. 18 5 6() mand kann leugnen, daß die Führerschaft in den einzelnen Disziplinen höchstens zwischen Deutschland und Frankreich abgewechselt hat. Und der Qualität und Bedeutung der deutschen Forschung entspricht ihre innere- Organisation Q und Ausbreitung. In keinem Lande der Welt erscheinen gleichviel mathematische, stets überfüllte Zeitschriften und werden auch nur annähernd so viele mathematische Bücher gedruckt wie bei uns. Und wer in die Werkstätten deutscher Geistesarbeit hineingesehen hat, der weiß, daß die Arbeit nicht still steht und mancher Klotz seiner Bearbeitung harrt. Auf uns warten Probleme und Aufgaben in Menge, und wir vertrauen darauf, daß dieser Krieg uns neu den siegreichen Frieden zur Muße geistiger Arbeit ver- schafft, weil wir berufen sind, der Welt noch aus unserer Fülle mitzuteilen. Der Wert eines Volkes liegt in seinem geistigen Besitz, und aus unsichtbaren, geistigen Quellen wird auch wieder unser materielles Wohl gefördert und strömt der Technik zur Beherrschung der Natur immer neue unentbehrliche Kraft zu. Es ist der Stolz des selbstlosen Forschers, daß zu diesen Quellen auch die Mathematik gehört. Als internationale Wissenschaft durchzieht sie wie ein geistiges Band Zeiten und Nationen, möge sie mit dazu beitragen, die allgemein menschlichen Beziehungen zwischen den Völkern wieder aufzurichten, wenn eine gerechte Würdigung des wahren Verdienstes wieder einsetzt, und möge sie in unserem neuerkämpften, erstarkten Keich das Ansehen behalten, welches zu den Fundamenten des alten gehörte, zum AVohle des Vaterlandes und zur Ehre der Menschheit. 1) Erinnert sei mir an die von F. Klein geleitete Herausgabe der unschätzbaren mathe- inatisclien Encyklopädie. T9 » 67 Neue geologische Bilder und Skizzen aus Westpreußen. Von P. Sonntag in Danzig-Neufahrwasser. Mit 12 Figuren im Text. A. Der Verlauf der Endmoränen im kassubischen Hochland. Seit den Untersuclrangen K. Keilhaok s'), die im Jahre 1889 und 1899 veröffentlicht wurden, sind über den Verlauf der großen baltischen Rückzugs- moräne auf dem pommerellischen Höhenrücken neue weitere Beobachtungen nicht bekannt geworden. Nur die Herausgabe der geolog.-agronomischen Karte der Umgegend xmii Bereut^) ist allenfalls als Beitrag zur Klärung mancher Fragen zu benutzen, da sie besonders die Grenze der Sanderlandschaft in diesem Gebiet berichtigt hat. Sie zeigte, daß der Sander erst westlich von Berent auftritt, während Keilhack auf seiner geolog.-morphol. Übersichts- karte die Stadt Berent selbst noch völlig im Sandergebiet liegen ließ. Jedoch beschränken sich die Aufnahmen dieser Karte auf ein zu kleines Gebiet, um wesentlich in Betracht zu kommen, wenn die Frage nach dem Zusammenhang der Moränenzüge in jenem Winkel klargestellt werden soll, den hier der Zusammenstoß des Oder- und Weichselbogens erzeugt. Bei einem längeren Aufenthalt in den Sommern 1916 und 1917 in Stendsitz, am Südende des Radaune-Sees, und am Mausch-See in der Nähe der pommerschen Grenze, habe ich eine Reihe von Beobachtungen gemacht, die mir für die genauere Kenntnis der Eisrandlage von Wichtigkeit erscheineu und die im folgenden mitgeteilt werden sollen. Es ist erklärlich, daß die bisherigen Angaben über den Verlauf der End- moränen unseres Gebietes, wie sie insbesondere von Keilhack in der ,,Geologisch-morphologisehen Übersichtskarte der Provinz Pommern“ (1901) 1) Der baltische Höhenrücken in Hinterpommern und Westpreul3en, Jb. Geol. L. für 1889, Berlin 1892, nnd Die Stillstandslagen des letzten Inlandeises und die hydrographische Entwicklung des pommerschen Küstengebietes. Jb. Geol. L. für 1898, Berlin 1899. Geologisch-agronomische Karte der Umgebung von Berent nebst Erläut. Herausgeg. V. d. Kgl, Preuß. Geol. L. Berlin. 5* 1 68 und danach von Habermann in der Geol.-morph. Wandkarte der Provinz Pommern gegeben werden, nur in großen Zügen den Verlauf der Endmoränen- züge darbieten. Bei dem Fehlen jeglicher Grundlagen und Vorarbeiten, sowie bei der großen Ausdehnung des aufzunehmenden Gebietes war es eben schier unmöglich, bis ins Einzelne gehende Kleinarbeit zu leisten. Wenn also hier durch Spezialuntersuchung kleiner Gebietsteile auch Abweichungen zutage kommen, so wird dadurch das Verdienstliche jener ersten Untersuchungen nicht geschmälert. Am Maiiscli-See. Dieser schöne See liegt gerade auf der Grenzlinie zwischen der kuppigen Moränenlandschaft im Westen seines langgestreckten Wasserspiegels und der Sanderlandschaft im Osten. Seine Längsachse fällt mit der Kichtung des Moränenzuges zusammen, sein Nordende stößt in das Südmoränengebiet von Sullenschin hinein, sein Südende in jenes von Nakel — Schülzen. Schon diese Lage zeigt, daß er kein Binnensee ist, und die Gestaltung seiner meist sanft untertauchenden Ufer (besonders an der Westseite) bestätigt dies. Geschiebe- mergel bildet seine Ufer bei Kloden, am Nordende, mit schönem Bucheii- bestande. Am Westufer ist der Geschiebemergel unter dünner Sand-, bzw. Granddecke verborgen. Im Nordwesten begleitet eine sandige Einebnungs- fläche die am Ufer des Sees verlaufende Chaussee von Klein Neuhof bis Par- chauer Mühle, wo wieder Diluvialmergel hervorstößt (in einem Fleck bei dem Gehöft westlich der Mühle, unter Kies). Nördlich von Klein Neuhof im Westen und Kloden im Osten ist das See- ende in die Moräne eingebettet und von sehr steinigen Ufergehängen begleitet. Verfolgt man das Westufer weiter südlich, so tritt bei Eriedrichshof eine undeutliche Terrassenstufe auf, an dem Wegeinschnitt tritt unter kiesigem Sand Diluvialmergel hervor. Einzelne Buchen und Eichen an den Ufer- gehängen deuten auf Lehm im Untergrund. Weiter am Kleinen Mansch wird der Boden ertragreicher, die Abhänge senken sich sanft zum Wasserspiegel. Das Südende des Sees gabelt sich und umschließt mit seinen Ausläufern eine 2.5 km lange Halbinsel, auf deren Lehmboden ein herrlicher Laubwald von Buchen und Eichen freudig gedeiht. Diese Halbinsel erhebt sich zu einem bedeutenden Höhenrücken, der jedoch keine Osbildung darstellt, wie man nach dem Kartenbild vielleicht vermuten könnte. Außer ihrer Zusammensetzung ans Geschiebemergel spricht auch die unregelmäßige Oberflächengestaltung der Höhe dagegen. Aufschlüsse konnten allerdings nicht beobachtet werden. Der westliche Zipfel des Sees, der ,, Kleine Mansch“, ist in Verlandung begriffen und weist Binsen und Rohrbestände auf, eine willkommene Zuflucht für WasserAÜgel, unter denen sich der ,, Kormoran“ als häufiger Gast sehen läßt. Der andere Zipfel, mit seinem äußersten Ende ,,Dobjenitz“ genannt, läuft in eine schmale, flußartige Rinne aus, die beiderseits von schön bewaldeten Steilufern eingefaßt ist. Quellaustritt am Fuße des östlichen Ufergehänges 2 69 ist durch Heraustreten unteren Geschiebemergels verursacht. Am Ende des gewundenen Seelaufes kreuzt ein Weg; hier tritt überall Geschiebemcrgel hervor, in einer Grube und an den Wegeinschnitten aufgeschlossen. Ganz anders zeigt sich das östliche Ufer des ,, Großen Mansch“. Bis gegen Kloden im Norden treten überall öde unbebaute Kiesabhänge an den Wasserspiegel heran, und die Grand- und Kiesfläche der Höhe streckt sich als weite Ödfläche, mit Geröll bestreut, zum Summiner See. Teile dieser ebenen Senke sind neuerdings mit Kiefern aufgeforstet. P. Sonntag phot. Fig. 1. Mauschsee und Mauschwerder, von So. gesehen. Aus Sand, Grand und Kies besteht auch die Insel Mauschwerder (Ostrow- Mausch), die einige os-artige Rücken, andererseits Moorbildungen und Mergel- lager aufweist. Sie ist durch einen schmalen Damm mit dem Ostufer bei Grabowo verbunden. Lager von Seekreide finden sich mehrfach an den Ufern unter dem Wasserspiegel, aber auch in bedeutender Höhe über demselben, z. B. am Wege Grabowo — Kloden, hier in 170 m Höhe (16 m über dem Seespiegel). Sie sind ein Wahrzeichen eines ehemals höheren Wasserstandes. Der Mergel liegt unter % — % m Kies; er ist von rein weißer Farbe und gleichmäßiger weicher Beschalfenheit (Seekreide). Der Flächeninhalt des Mausch-Sees beträgt nach Seligo 482 ha (nicht ganz 2000 Morgen), seine größte Tiefe nach demselben Autor 37 m, nach den neuesten Messungen von Lakowitz 45 m. 3 70 Entwässerung findet das mächtige Seebecken durch den Parchauer Mühlen- bach, der in postglazialer Zeit sich eine tiefe Schlucht nordwestlich zur Stolpe genagt hat. Ungefähr 4 km südlich des Mausch-Sees führt die Chaussee Bereut — Bütow in kurzer Frist aus dem ebenen sandigen Glelände der Lippuscher Forst zu einer Landschaft mit unruhigen Flachkuppen und starker Ceschiebe- schüttung bei Krug Wigodda und dem 1 km nördlich davon gelegenen Dorfe Nakel, dessen Grehöfte mit Steinmauern eingefaßt sind. Flache Torf senken wechseln mit niedrigen Kuppen aus Sand oder Lehm. Fig. 2. Karte des Mausch-Sees und seiner Umgebung, (ca.a : 125 000.) Unmittelbar darauf folgt die pommersche Grenze und zugleich der letzte Aufstieg der Chaussee; dann ein völliger Wechsel der Landschaft — eine starkkuppige lehmige Grundmoränenlandschaft mit gerundeten Grund- moränen-Seen (Polschen), die höchste Hügelgruppe südwestlich des 190 m hoch gelegenen Lonkener Sees bei Libienz erreicht 235 m. Die Chaussee führt bergauf-bergab im gut angebauten Hügellande nach Bütow. Eine Fahrt auf dieser Chaussee zeigt daher in anschaulichster Form die Reihenfolge diluvialer Landschaftsformen, nämlich: 1. Sander-Ebene mit ödem Kiefernwald. 4 71 2. Geschiebestreifen mit Massen von Findlingen, flachrinnig, torfig, sandig- lehmig. 3. Hocliknppige Grnndmoränenlandscliaft, deren höchste Kuppen dicht an den Geschiebestreifen anschließen mit rundförmigen Seen und Torf- senken im lehmigen Boden. Schon auf der l\EiLHACKschen Karte ist hier der Zug der Moräne ein- :getragen, eine Berichtigung ist nur insofern zu vermerken, als dieser Moränen- zun sich weiter nördlich bis nach Schülzen und den Höhen nördlich vom o Dorfe erstreckt. Auf den Höhen nördlich von Schülzen (Abbau, Besitzer Fig. 3. EiiuaioräHeii-LaüUSciiaft bei Suileiisc.iiiü. Stenzel) lagern ungeheure Steinmassen bis zum Abfall zur Sanderebene nördlich davon. Östlich von Schülzen führt im Vorlande der Moräne eine Trockenrinne (sucha) zum Summiner See. Westlich Schülzen bis zum Mausch starke Steinbestreuung, schwach lehmiger Sand; einzelne große Blöcke erreichen mehr als 9 m Umfang (Schülzener Stein, Plattenstein bei Grabowo). Am Nordende des Mausch-Sees lassen sich die Angaben der Keilhack- schen Karte bestätigen; die Moräne zwischen Kloden und Sullenschin stellt ein kleines Hochplateau mit mächtigen Findlingsmassen dar, ebenso erhebt sich nördlich und westlich des letzten Seezipfels ein sehr steiniges Gelände zwischen Klein Neuhof und dem Stolpetal. In der Verlängerung der Seeachse zieht sich eine Talrinne zum abflußlosen Modszidlo-See bei Sullenschin, die die beiden Moränenstücke trennt. O 72 Als eine noch nicht bekannte Moränen-YorstäiTel, und zwar die äußerste- Eandstaffel nach Südwesten, ist meiner Ansicht nach der sandig-steinige Höhenzug anzusehen, der sich südlich von Kloden nach Sdunowitz hinzieht,, weiter zum Nordende des Gostomke-See führt und am Borowo-See endet. Er zeigt mächtige, sollartige Auskolkungen östlich Sdunowitz, die an die von W. WoLFF beschriebenen Solle der Borkauer Moräne bei Karthaus erinnern, ja diese an Größe noch übertreffen. Sullenscliiii. Das großartige Endmoränengebiet von Sullenschin — Mischischewitz ist mit seiner Fülle diluvialer Erscheinungen für jeden Naturfreund von größtem Beiz. Kaum irgendwo im norddeutschen Flachlande dürfte sich eine ähnlich reizAmlle und abwechselungsreiche Diluviallandschaft Aviederfinden (Fig. 3).. Durch das viele Quadratkilometer große Endmoränengebiet bahnt sich die junge Stolpe mühsam ihren Weg. indem sie eine Kinne diluvialer Schmelz- wässer benutzt, die vom GoAvidlino-See zum Wengorczin-See bei Sullenschin führt. Eine zweite parallele, jetzt stromlose Rinne der Abschmelzperiode wird durch die Kette der in mehrfacher Beziehung interessanten „Schakauer Seen“ bezeichnet, die über den Modzidlo-See zum Mausch-See führt. Bei' Sullenschin wendet sich die Stolpe westAvärts, verläßt den Sullenschiner Tal- kessel, der ein Ausläufer des Wengorczin-Sees ist, und durchbricht in tiefer, romantischer Schlucht ein neues Moränenhindernis im Westen. Sullenschin ist ringsum Amn Endmoränen eingeschlossen, die bereits von Keilhack angegeben sind. Im Süden die Endmoränengebiete von Kloden und Klein Neuhof, getrennt durch ein zum Mausch-See führendes Tal; im- NordAvesten die Moräne von Zagorri — Buchenfelde (KistoAco) — Schakau; im Nordosten, jenseits des Wengorczin-Sees, das Endmoränengebiet von BukoAva- gora — i\.ugustowo — Mischischewitz. Der unruhige Charakter der Steinbestreuungszone ist hier Avundervoll ausgebildet. Die Wege verlaufen fast unaufhörlich in Krümmungen infolge immer neu auf tauchender Kuppen. Steinpackungen Avechseln mit Strichen ab, die, mühsam von Steinen befreit, dem Ackerbau dienen; mächtige Haufen Amn Lesesteinen geben der Landschaft ihr Gepräge, dazAvischen kleine Torf- becken und Sölle. Der GoAvidlino-See liegt bereits außerhalb der Endmoräne in kuppiger Grundmoränenlandschaft, deren höchste Kuppe (245 m) sich unmittelbar als Grenzmal bei Buchenfelde erhebt. Die nordöstlich des Wengorczin-Sees gelegene Endmoräne beginnt süd- lich bereits am Ufer des genannten Sees und läuft nördlich erheblich AA^eiter als auf der geologisch - morphologischen Karte (Keilhack, Habermann) angegeben, bis Sklana, fashbis zu der Hochkuppe von 271 m (Moischerhütte), mit Avelcher hier wieder eine starkkuppige Grundmoränenlandschaft einsetzt. Bei Niedeck und Sklana fand in den letzten. Jahren und findet auch jetzt noch 6 eine ausgedehnte Steingewinnung statt (Schotterwerk Moisch), die sich mehr und mehr dem Gebiet von Mischischewitz nähert. Es ist daher zu begrüßen, daß bei Mischischewitz einzelne leider nur kleine Teile der Endmoräne durch Ankauf seitens de& Kreises Karthaus geschützt sind. Bei Sklana als nördlichstem Endpunkte tritt eine Wendung des Haupt- nioränenzuges ein, während die Vorstaffeln diese Wendung bereits am Mausch- See vollziehen. Mehrere hintereinander liegende Bogen führen nach Südosten zum Radaune-See, so der Bogen Sklana — Nußdorf — ^Niedeck (Thalheim), ferner Fig. 4. Kärtcheu der Endmoränenzüge und Sander des kassubischen Hochlandes. 1 : 600 000. davor die Steinpackungen von Neudorf und noch weiter der zusammenhängende Zug Stend'sitzer Hütte — Gapowo (Krähwinkel) — Wensiorry — Mischischewitz, alle mit mächtigen Steinpackungen und Steinbestreuungen. Stendsitz. Während der Verlauf der Endmoränen in Hinterpommern bis zum Mausch-See und über Sullenschin hinaus bis Sklana eine Streichrichtung von Südwesten nach Nordosten zeigt, ändert sich nunmehr weiter östlich das gänz- lich. Zwar treten noch immer einige Züge mit der alten Streichrichtung hervor, namentlich nördlich und östlich von Berent, jedoch ist nicht zu verkennen, daß das Streichen Nordwesten — Südosten mehr und mehr vorherrschend wird, überall aber scheint der bis dahin einheitliche Zug in hintereinander liegende Staffeln aufgelöst. (Fig. 4.) 74 Von Sklana ans nacli Südosten zu den Radaune-Seen verläuft ein Zug“ •steiniger Kuppen über Nußdorf — ^Niedeck — Borrusckin, parallel davor ein zweiter vonWensiorry (Klukowakutta) nacli Krähwinkel (Gut Stendsitz), noch weiter davor die äußerste sandige Moränenstaffel von Kloden am Ende des Mausch-Sees in der Kichtung Groß Zdunowitz — Gostomken. Hinter dieser Staffel liegt der kurze, aber hervorragende Blocksberg-Os. Zwischen dem ersten und zweiten Zuge liegt bei Neudorf eine Zwischenstaffel, und auf der Innen- seite des Zuges führen einzelne Steinkuppen und steinbestreute Gebiete über Talheim weiter, sodann über den Radaune-See weg nach Gut Max — ^Ober- Brodnitz — Kamionken ‘zur Turmberg-Moräne, die schon von W. Wolff^) beschrieben wurde. Auf der großen Insel zwischen den beiden Zügen der Radaune-Seen fand ich eine bisher ganz unbekannte, deutliche Endmoräne vom Dammerau- See über Emilienhof — Grünhof nach Alt Czapel verlaufend. Sie ist von der Chaussee Gollubien — Stendsitz bei Emilienhof angeschnitten und über und über mit Steingräbern bedeckt. Berent. Die Chaussee Stendsitz — Berent überquert zwei dicht hintereinander liegende Endmoränenzüge, die einen Talkessel einschließen, in dem Skorzewo liegt. Der südlichere, stärker ausgebildete ist schon auf der Keilhack sehen Karte angegeben. Sie bilden die Fortsetzung der Endmoräne von Sdunowitz, sind aber von dieser getrennt durch ein breites Schotterfeld, das von den Radaune-Seen südlich zieht, wovon später noch die Rede sein soll. Weiter folgt an der Bahnstrecke Berent — Schöneck — Hohenstein bei Groß Klinsch ein ausgeprägter Höhenzug, der sich über Klein Klinsch, Klein Bendomin nach Heringshütte am Alt Grabauer See zieht. Hier war bis vor einem Jahr ein Steinwerk zur Verarbeitung des Findlingsmaterials im Gange. Am Südost- Abfall dieser Endmoräne zum Fersie-Tal breitet sich das Sander- und Schotterfeld von Barkoschin aus. Südlich des Alt Grabauer und weiterhin des Neu Grabauer Sees wendet sich die Moräne auf Kamin — Hornikau zu, um von hier mit westlich vorgewölbtem Bogen über Lipschin nach Liniewo zur Bahnstrecke zurückzukehren. Westlich der Haltestelle Lienfelde beschrieb bereits A. Jentzsch^) ein ausgeprägtes Moränengelände mit unzähligen kleinen, unregelmäßig gestalteten Senken. Auf der Innenseite dieses Zuges folgt nun das Fietze-Tal und sodann die von W. Wolfe beschriebene Moräne von Meisterswalde, die hier mit ihren Ausläufern an die Bahn herantritt. Den letzten Moränenzug vor ihrem Abstieg zum Weichseldelta bei Hohenstein durchquert die Bahn übrigens östlich von Sobbowitz in dem bewaldeten Rücken, der vielfache Schollen von Tertiär hervortreten läßt, also eine Art Staumoräne dar stellt. Das Gebiet zwischen Ferse und Fietze bedarf noch weiterer Aufklärung. Ü Wie die Kasclmbei eiitstahd, in ,, Ans der Natur“, Jahrg;. 7. -) Profil der Eisenbahn Berent— Scdiöneek — Hohenstein. Jahrb. d, G. L. Berlin für 1885. 76 B. Der Ursprung des Schwarzwasser-Sanders. Von den Schmelzwässern, welche Jahr für Jahr, solange der Gletscher seine oben besichriebenen Stillstandslagen behauptete, im Vorlande sich aus- breiteten, wurden jene weiten Flächen mit Geröll und Sand bedeckt, die seit Keilhack als ,, Sander“ bezeichnet werden. Für Hinterpommern und Pomme- rellen kommen in Betracht der Küddow — Brahe- und Schwarzwasser-Sander, für unser Gebiet, das die am weitesten nach Norden vorspringende Sandecke bildet, allein der ,, Schwarzwasser-Sander“. Da ist es nun von großem Interesse festzustellen, aus welchen Quell- strömen die weite zusammenhängende Sanderfläche ursprünglich sich ent- wickelt hat. Es sind nicht etwa bloß tausend kleine Rinnsale gewi^esen, die sich über das ganze Vorland verteilten, sondern — so ist es wenigstens in dem Schwarzwas'serwinkel — es entstanden bald breite, schnellfließende Ströme, die tiefe Betten zwischen höher gelegenen diluvialen Aufschüttungen auswuschen und einebneten, so daß deutliche Terrassenstufen entstanden, als nach und nach die Sohmelzwässer spärlicher flössen. Das Material, das sie zurückließen, ist sehr grob, Kies, Grand, aber auch Geröll und selbst große Findlinge. So liegt z. B. der ,, Große Stein von Owsnitz“ bei Bereut mitten auf einer solchen Schotterfläche. Er konnte von den Schmelzwässern nicht bewältigt und fortgeführt werden und ist als Auswaschungsrest einer älteren Moräne anzusehen. Für den Schwarzwasser-Sander lassen sich drei solcher starken glacialen Quellströme feststellen, die, wie leicht zu verstehen ist, von den heutigen Abflußrichtungen der nacheiszeitlichen Flüßchen meist ganz abweichende Bahnen zeigen. Es sind das der glaziale Mausch-See-Strom, der Stendsitzer oder Radaune-See-Strom und der Barkoschiner 'oder Ferse-Strom. Der Mausch-See-SchmelzAvasserstrom. Der glaziale Mausch-See-Strom kam von Sullenschin her, wo er mitten aus dem großen Endmoränengebiet entsprang und den Wengorczin-See aus- furchte, an dessen Ende bei Sullenschin er überquoll und jene merkwürdige Kies- und Schotterfläche zwischen den beiden Seezipfeln erzeugte, die den Namen ,,Krong“ führt (vergl. Fig. 2) und als völlig ebener Terrassenrest in 184 m daliegt, jetzt außer Zusammenhang, da die Stolpe ihr Erosions- werk rüstig betrieben und in spätglazialer und alluvialer Zeit auf der West- seite ein tiefes Tal bis auf 160 m ausfurchte, während auf der Ostseite vom östlichen Zipfel des Wengorczin-Sees ebenfalls Schmelzwässer längere Zeit tätig waren und hier einen Einschnitt besorgten. So stellt sich der ,,Krong“ jetzt als Insel dar, eine ebene Kieshochfläche, im Nordwesten und Nordosten vom Wengorczin-See umfaßt, im Süden und Westen von alluvialen, vertorften Rinnen abgegrenzt. 9 76 Andere Reste dieser 180 — 184 m holien Terrasse lassen sicli an der evan- gelisclien Kirche (180 m) nachweisen, oberhalb des Stolpedurchbrnchs nach Westen. Auch die Sandfelder zwischen Klein Nenhof und dem Parchauer Mühlbach möchte ich hierher rechnen. Es läßt sich so leicht übersehen, daß den Schmelzwässern ein Weg offen stand zum Mausch-See über die Modzidlo-See-Rinne (Wasserscheide 170) sowohl wie auf dem Um.wege über Parchauermühle. Die Rinne, in welcher die Schakauer Seen eingebettet sind (westlich des Wengorczin-Sees), führt ebenfalls zum Modzidlo-See und Mausch-See, zeigt aber keine Terrassenreste und scheint subglazialen älteren Ursprungs zu sein. Im Mausch-See (jetzt 154 m) schwollen die Schmelzwässer zu einer Höhe' von mindestens 175 m an, wie die Seemergellager an der Ostseite beweisen, ja sie erreichten sicher noch größere Höhen (180 m), denn das Mergellager ist von 1 m Kies bedeckt. Nunmehr flössen sie östlich, bei Grabowo (177 m) über quellend, in einer breiten (1,5 — 2 km), flachen Rinne über das Südwest- ende des Summiner Sees nach Gostomken und nach Neukrug-Lubianen, ein mit deutlichen Talrändern begrenztes Tal ausfurchend, das mit Sand und Kies überschüttet ist (Neukrug 166 m). Die Lippuscher Forst, südöstlich Schülzen, bildet eine sandige Ein- ebnungsfläche von 184 m (genau dieselbe Höhe wie der ,,Krong“), entspricht also dem ersten Stadium der Erosion. Sie besitzt einen deutlichen Abfall zu der Mausch-See- Abflußrinne. Dieses Gelände im Osten des Mausch-Sees gehört zu den ödesten Sand^ gebieten der Kaschubei. (Vgl. hierzu Fig. 2.) Der ßadaune-Schmelzwasserstrom. Bei Neukrug — Körnen (Station Lubianen) trifft das Mausch-See-Schotter- feld mit einem von Norden herkommenden gleichen Kiesfelde zusammen, das von den Radaune-Seen bei Stendsitz ausgeht, und beide verschmelzen in gleichem Niveau. Auch die Radaune-Seen sind tiefe Auskolkungen, aus denen die Schmelzwässer nur durch Überquellen entweichen konnten; das beweist der nischenartige Abschluß der Seen nach Süden, der besonders am West- zipfel des großen Radaune-Sees und am Lubbowisko-See hervortritt. Am Westufer des großen Radaune-Sees, etwas nördlich von Zuromin (195 m), mit fast ebenen Kiesflächen beginnend, findet sich am Ostufer die gleiche Terrasse in 193 m wieder und zeigt hier einen schönen Stufenabfall an der Chaussee Gollubien — Stendsitz, zirka 1 km vor Stendsitz (Fig. 5). An diesem Ufer reicht die Hochterrasse bis nach Seedorf. Sie umzieht die End- moräne von Grünhof bis nach Gollubien, schließt den Lubbowisko- und Dammerau-See ein und ist auch am Südufer dieser Seen in einem schmalen Saume zu erkennen. 10 77 Eine tiefere Stufe (zirka 182 m) geht von Stendsitz mit südlichem Gefälle zum Großen Stein bei Owsnitz-Bebernitz (169 m) und zum Garczin-See. Die schöne Os-Bildung bei Seedorf und Stendsitz weist auf einen Eis- spalt und ein Gletschertor hin mit mächtiger Schmelzwasserentbindung. Der Charakter dieses Schotterfeldes ist der gleiche wie am Mausch-See; die Hochterrasse ist nicht überall ganz eben, so bei Szukowo, wo strecken- weise Kuppen und Binnen erscheinen und eine sehr tiefe Binne bei Marien- burg das Sanderfeld von dem jenseitig am Ufer auf steigenden Geschiebe- mergelplateau von Biebenhof trennt. Fig. 5. Abfall der Hocbterrasse bei Stendsitz (Chaussee Gollubien-Stendsitz). Der rerse-Sclimelzwasserstrom und das Barkoschiner Scliotterfeld. Verfolgt man die Grenze des großen Schwarzwassersanders westlich von Bereut nach Süden weiter, so gelangt man sogleich an einen Punkt, wo das Eerseflüßchen in das Sandgebiet eintritt (Wierschisken-See) und sodann recht- winklig zu seiner vorherigen Westost-Bichtung aus dem See nach Süden ab fließt (vergl. Fig. 4). Zugleich mit der Ferse mündet hier in den Sander ein den Fluß beider- seits begleitendes, sandiges Gelände, das etwa 6 km flußaufwärts zu einem ausgedehnten Kies- und Schotterfeld führt, das sich um die Bahnstation Neu- Barkoschin herumlagert und hier seit vielen Jahren intensiv zur Kies- gewinnung im größten Maßstabe benutzt wird. Die Firma Anker -Graudenz 11 I. 78 hat hier mehrere Dampf kiesbaggeranlagen und andere Kiesgruben mit Eisen- bahnanschluß in Betrieb genommen. Von Alt-Barkoschin bis zur Ferse bei Klein Klinsch geht das Kiesfeld zirka 5 km in die Breite, nach Südwesten läuft es in zwei Zipfel aus, von denen der eine mit der Ferse zusammen fortläuft, während der andere von Alt- Barkoschin nach Niedamowo — Eichenberg zum Oberen Guttno-See ausstrahlt und hier bald die große Sanderfläche erreicht. Nach Norden dehnen sich die Kies- und Sandfelder bis zur Bereuter Chaussee zwischen Lubahn und Klein Klinsch. Fig. 6. Aufschluß der Kiesgrube bei Neu B irkoschiu, N. d. Bahn. (1 — 3 m Kies, 0,5 m Diluvialmergcl, Unterer Sand.) Die Höhenlage der unfruchtbaren Kiesfläche ist nördlich der Bahn 184 m, südlich an der Station Neu Barkoschin 178 m, die Oberfläche streckenwieise fast eben, an anderen Stellen leicht kuppig. An dem großen Aufschluß der Kiesgruben nördlich der Bahn sieht man unter 1—3 m grobem, braunem Kies eine sandige Geschiebemergelbank von 0,5 m mit größeren Geschieben, dar- unter geschichteten unteren groben Sand. Die Geschiebemergelbank fehlt stellenweise; der obere Kies ist undeutlich geschichtet, die Schichten zum Teil wellig verlaufend (Fig. 6). Das ganze Schotterfeld wird im Nordwesten von der Endmoräne Neu Klinsch — Klein Bendomin begrenzt, im Südosten von dem Endmoränenzuge Sobonsch — Liniewo — Lipschin — Hornikau, der bis zum Neu Grabauer See fort- streicht. Es ist ofPenbar ein Aufschüttungsprodukt der Schmelzwässer, die \ Oll den Seen bei Alt und Neu Grabau herkamen und nach Südwesten abflossen. 12 79 Es sei noch erwähnt, daß schon A. .)entzsch * (Das Profil der Eisenbahn Berent — Schöneck — ^Hohenstein. Jahrb. Geol. L., Berlin f. 1885) die aus- gedehnten Grandfelder bei Barkoschin angegeben, von Station 73,7 (Ferse) bis Station 108 (Neu Barkoschin 0.) auf 3% km Länge und schon vorher (von Berent aus gerechnet) an der Ferse abwärts. Auch waren damals (1884) schon. Kiesgruben zur Gewinnung von Eisenbahnkies im Gange, die aber etwas west- licher, ca. 2 km von der Station, nach der Beschreibung bei Jentzsch, lagen (bei Station 82 Neu Barkoschin 100,2 — 101). Unter 0,7 m sandigem Ober- diluvialgrand, waren 2,0 m reiner Unter diluvialgrand aufgeschlossen. Die etwa 4 m tiefe Sohle der Grube war sandig und trocken, ,,was auf größere Mächtigkeit der Sandschicht schließen läßt“. C. über einige neue Oser in Westpreussen und die „Porta Cassubica“. Die merkwürdigsten vielleicht unter allen Bildungen des Inlandeises sind o o jene von den Schweden als Asar (Mehrheit; Einheit: As) bezeichneten lang- gestreckten Rücken, für welche auch die deutsche Bezeichnung „Wallberge“ im Gebrauch ist; mitunter werden sie auch als ,, Radialmoränen“ bezeichnet. Wie Eisenbahndämme von übermächtiger Größe durchziehen sie oft ebenes; Gelände, von dem sie sich sehr wirkungsvoll abheben. Da sie in vielen, aber nicht allen Fällen durchweg aus ab gerolltem .Kiesmaterial bestehen, werden sie häufig durch Gruben angeschnitten und geöffnet, um dieses wertvolle Material nutzbar zu machen. Über die Entstehung der ,,Oser“ ist man sich insofern einig, als sie allgemein als sub- oder vielleicht auch inglaziale Bildungen betrachtet werden. Die Schmelzwässer der Oberfläche des Inlandeises gelangten bald in Spalten, Avo sie versanken und vereinigt mit andern unter und auch in dem Eise in Hohlräumen (Tunnels) zirkulierten. Der auf gearbeitete Schutt füllte allmählich die Kanäle schön gesehichtet an, und beim Abschmelzen des Eises senkten sich die Geröllmassen zu Boden und blieben als langgestreckter Wall erhalten. Ihre Richtung stimmt im allgemeinen mit der Bewegungsrichtung des Eises überein, da die Schmelzwasserströme immer dem Rande der Eismasse zu- strebten. Im Laufe der vermehrten Untersuchung der Oser gelang es, mehrere Typen zu unterscheiden. Der normale Typus zeigt auf dem Querschnitt die Kiese und Sande in horizontaler Schichtung über der Grundmoräne liegend. Beiderseits ist der normale Os von Rinnen, den Osgräben, begleitet. Einen anderen Bau zeigen die Aufpressungs- und Durchragungsoser. Hier befindet sich im Innern des Oses ein Kern der Grundmoräne sattelförmig in den Sand hinaufgepreßt, wahrscheinlich durch den Druck des nachbarlichen Eises, unter dem der schlüpfrige Geschiebemergel ausweicht und in den Hohl- raum eindringt. 13 80 Etwas anders faßt de Geer^) die Entstellung der Oser auf; er unter- scheidet jährliche (annual), mehrjährige (plurennial) und perennierende Oser. Die echten Oser wurden Jahr für Jahr von Süd nach Nord in der Mündung eines subglazialen Flusses abgesetzt, dort wo der hydrostatische Druck plötz- lich aufhörte. Mehrjährige Oser — Queroser — transverse oser (engl.) — sind Absätze, die mehrere Jahre hindurch an derselben Stelle erfolgten, während die perennierenden Oser sich zu Randterrassen ausbildeten. Bei dem normalen jährlichen Os geht die Ausschüttung wie immer von einem Os- Zentrum in dem Gletschertor des subglazialen Flusses vor sich, aber im nächsten Jahr ist der Eisrand einen Schritt zurückgewichen und so fort; es entsteht eine Reihe hintereinander liegender Absätze. Was bisher über Oser in Westpreußen bekannt geworden, ist verhältnis- mäßig wenig. Jentzscfj hat ein Os bei Borowke, Kreis Flatow, Meßtischblatt Zempelburg, entdeckt und beschrieben. (Ein Os bei Borowke in Westpreußen, G. L. B. f. 1906, p. 107 — 115.) Hoch, schmal und im ganzen 6150 m lang, wie ein künstlich aufgeschütteter Wall, bzw. Eisenbahndamm, ist sein Fuß ununterbrochen von A^ertiefungen begleitet, die vertorft (Osgräben) sind. Es scheint sich um einen Os von normalem Typus zu handeln. Ferner ist von H. Menzel bei Sclilochau (Geol.-agron. Karte von Schlochau 1914) ein Os beschrieben, der eine langgestreckte Gruppe von Sandkuppen bildet, Absätze kurz vor einem Gletschertor angehäuft. Nach dem Gletschertor zu bestehen sie aus mehreren nebeneinander und stellenweise auch quer verlaufenden Kuppen, weiter im Hinterlande aber sind sie schmal und typisch auf gebaut. Am Lappiner See bei Danzig ist von W. Wolp^f eine schwache Osbildung beschrieben (Erl. Bl. Prangenau, p. 23). Sie besteht aus einem niedrigen (5 m hohen) gekrümmten W all von etwa 250 m Länge am Kirchhof von Czapielken. ,, Derselbe besteht wie die Umgebung aus Sand mit meist kleinen Geröilen und hebt sich außerordentlich scharf aus dem Gelände heraus. Nach Nordosten verliert er sich in einem unregelmäßigen Gewirr kleiner Hügel.“ Offenbar hängt er mit der Bildung des Lappiner Sees zusammen, an dessen Nordende ebenfalls Rudimente einer Osbildung auftreten. Endlich findet sich noch eine Notiz über einen Os bei Schwekatowo (südöstliche Tucheier Heide) in den Beiträgen zur Landeskunde der Tucheier Heide von Bürmester (Dissertation. Königsberg 1914). An der Westgrenze der Provinz, bei Schönlanke, sind mehrere Oser von J. Korn beschrieben fG. L. B. f. 1909, p. 532-^538). Diesen bisher aus dem Gebiete der Provinz bekannt gewordenen Nach- riehten über Oser kann ich aus eigener Erfahrung noch einige neue Beobach- tungen hinzufügen. 9 Gerard de Geer z. B. in Dal’s Ed, soine stationary Jce borders of the last Glacia- tion, Geol. Foren, i. Stockholm, Pörhandl. Dec. 1909. 14 81 Zunäychst konnte ich einen prachtvoll entwickelten, typischen Os bei Matow, unmitteibar am Bahnhof bei der Stadt, feststellen, bei dem es eigent- lich 'wunderbar erscheint, daß bisher keine Notiz von ihm genommen wurde. Die Stadt und der Kreis Flatow haben auf dem Rücken desselben den hübschen Bismarckturm errichtet, da in der Greschiebemergelebene kein besserer Punkt für die Errichtung eines Aussichtsturmes aufzufinden. Die Ostbahn durch- schneidet den Wall, und anscheinend ist bei ihrem Bau der anstoßende Teil, der jetzt verflacht erscheint, abgetragen. Ebenso durchschneidet in neuem Fig. 7. Flatower Bismarck-Os. 1 : 100000. (Die Zahlen geben die Höhe über Normalnull in Metern an.) Durchstich die Bahn nach Deutsch Krone jetzt den Os bis auf den Grund, wo dann der Geschiebemergel hervortritt. Beiderseitige Osgräben begleiten den Wall, der zunächst südlich, dann südöstlich mit einer größeren Unter- brechung nach Schwente hin zu verfolgen ist. Hier erhebt sich wieder eine kegelförmige Kieskuppe, und ein Aufschluß zeigt den Bau des typischen Oses mit horizontaler, S'Chwebender Lagerung der inneren Sandschichten. Nach kurzer Unterbrechung tritt bei Schwente der Os noch einmal als bewaldeter Rücken mit Osgräben im Osten höchst wirkungsvoll aus der Ebene heraus. Die bisher beschriebene Erstreckung des ,, Flatower Os“ beträgt zirka 5 km, jedoch kommt seine unten beschriebene nördliche Fortsetzung über den Flatower See hinaus noch hinzu. Der Böschungswinkel wurde auf 18 ° (Durch- Schr, d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 4. 15 0 82 schnitt von 5 Messungen) bestimmt, das Material ist Kies und Grand, seine Höhe zirka 15 m (127 m Meereshöhe des Rückenkammes, 107 m Spiegel des Flatower Sees). Jedoch erhebt er sich nicht über die beiderseits angrenzenden Geschiebemergelebenen, die vielmehr fast genau die gleiche Höhenlage aufweisen. Die Fortsetzung des Wallberges nördlich von Flatow läßt sich am West- ufer des Babba-Sees zwischen diesem und einem kleinen Pfuhl leicht wieder erkennen, wo der jüdische Friedhof (Judenberg) auf ihm angelegt ist, während er in dem bebauten Gelände am Ostufer des Stadtsees anscheinend zerstört ist. Der Judenberg setzt sich als sandiger, kiesiger Rücken eine Strecke fort,, Fig. 8. Flatower Bismarck-Os (nördlicher Teil an der Ziegelei). erfährt dann am Ende des Babba-Sees eine Unterbrechung durch Moorwiesen und den Durchbruch des Glumiaflüßchens. Jenseits des Flusses tritt der Os nordöstlich der Ziegelei von neuem als längerer, zusammenhängender Sand- und Kiesrücken hervor (Fig. 8). Ein verstürzter Aufschluß an der Ziegelei, deren Tongruben dicht südlich liegen, zeigte geschichteten Sand und Kies mit Lagen von Geröllstücken in bogiger Anordnung. Weiterhin zieht sich der Grandrücken in wechselnder Höhe fort. Hinter der höchsten Kuppe öffnet sich der Blick auf die niedrigere Fortsetzung und zwei tiefe vertorfte Osgräben, die ihn beiderseits einfassen, während auf den Außenseiten der Gräben die fruchtbare Grundmoränenebene sich kontrastreich anlehnt. Der Wall ist hier mit meist eigroßen Geröllstücken 16 83 bedeckt, die viele Sandschliffe aufweisen. Es muß also eine langdauernde Windwirkung hier stattgefunden haben, wodurch auch der Sand über den Osgraben nach Südosten, bis zum jenseitigen Ufer, geweht wurde. Das Ende dieses Rückens reicht mit mehreren Kuppen bis zur Chaussee nach Stewnitz (127 m), dort, wo diese sich nordwärts wendet. Jenseits, östlich der Chaussee, treten weitere Kuppen aus Kies und Grand hervor, dann aber verflacht sich das Ganze, und erst jenseits der Hauptbahn, nach Friedrichsbruch zu, sind wiederum drei deutliche Teilstücke des Oses bemerkbar, mit Kiefern bedeckte Grandrücken, die aus den sie begleitenden Fig. 9. Blocksberg bei Gustomie-Bercnt (von Osten gesehen^. Wiesengründen auftauchen. Der letzte Teil bildet einen Haken, der einen kleinen Teich einschließt. Nördlich nach der Försterei Marienhain zu verflacht sich das Gelände zu einer forstbedeckten Ebene. Die Gesamtlänge , des Oses von Friedrichsbruch bis Schwente beträgt rund 11.5 km. Ein zweiter Wallberg von kürzerer Erstreckung, aber landschaftlich sehr hervortretend, ist der ,,B 1 o c k s b e r g - 0 s“ von Gostomie bei Berent. Meilen- weit sichtbar macht er ganz den Eindruck einer künstlich aufgeworfenen Schanze und wird daher im Volksmunde auch wohl als ,, Schwedenschanze“ 1) Ein Dreikantner von enormen Dimensionen ist auf dem Hofe der Turnhalle in Flatow, mit dem Bismarckbildnis geschmückt, aufgestellt. Seine Hohe beträgt 1,48 m, Breite 0,56 m, Länge 1,30 m, Umfang 3 m. Er ist in der Nähe der Halle auf einem Acker gefunden worden. 17 ß* 84 bezeichnet. Er erreicht nach dem Meßtischblatt eine Höhe von 225,3 m und erhebt sich auf der Ostseite völlig kahl, und nur am Fuße in mageren Acker verwandelt, über die vorgelagerte Gresohiebemergelebene, die eine Höhenlage von 200 m besitzt. Nach Westen, zum Teil mit Buschwerk bewachsen, fällt er zu einem ungefähr gleich hohen Plateau ab, nach Südwesten nähert sich eine Trockenrinne seinem Fuße. Osgräben fehlen. Er erstreckt sich in genauer Nordsüd-Richtung in rund 200 m Länge, besteht aus etwas lehmigem Kies mit köpf- bis metergroßen Blöcken auf der Kammhöhe. Die festungswerkähnliche Höhe bietet einen umfassenden Rundblick (Fig. 9). Seine Entstehung dürfte er einem einmaligen starken Ausbruch von Schuttmassen in einer Eisspalte oder einem Grietschertor verdanken. Seine Lage ist so eigenartig, daß er wohl verdient, als Naturdenkmal geschützt zu werden. Den Zusammenhang der Seen mit den Osern zeigt ein weiterer ausgezeich- neter Wallberg am Ostufer des großen Radaune-Sees nördlich von Stendsitz, den ich als „Seedorfer Os“ bezeichnen möchte, da er bei der Ortschaft Seedorf seinen Ausgang nimmt. Der Seedorfer Os bildet, bei Seedorf beginnend, einen mächtigen, natür- lichen Deich und zieht sich am Seeufer entlang zirka 4 km bis zum Oute Lindenhof. Er bildet ein sehr anschauliches Beispiel für die Annahme, daß - die Oser sich aus einer Reihe von längeren und kürzeren Schuttkegeln, bildeten, die sich vereinigten und die den Rückzug des Inlandeises Schritt für Schritt erkennen lassen. Der ganze Orandrücken läßt nämlich einzelne Jahres- absätze deutlich hervortreten, da er — trotz seines allgemeinen Zusammen- hanges — aus einzelnen Kuppen und längeren Rücken zusammengesetzt ist. Die Theorie von de Geer, daß sich am Gletschertor sog. „Oscentra“ aus besonders grobem Material bildeten, wird hier bestätigt, da bei Lindenhof die Kuppen zum Teil große Geschiebe von zirka % m Durchmesser tragen, während er im allgemeinen aus Grand und Kies besteht, der an Wegeeinschnitten horizontale 18 85 Schichtung erkennen läßt. Größere Aufschlüsse fehlen leider, der alte Durch- bruch der Chaussee bei Borruschin ist gänzlich verstürzt und verwachsen. Auf der Landseite des Wallbergs tritt Geschiebemergel am Fuße des Rückens, zum Beispiel nördlich von Seedorf, in der Ebene mehrfach hervor. Die Höhe des Grandrückens bei Seedorf beträgt 22 m (202 zu 180 m), an der Chaussee- Durchquerung 19 m (Oshöhe 198 m, Chaussee 179 m); bei Lindenhof tritt all- mählich Verflachung ein (Oshöhe zuletzt 190 m). Der Abfall zur Seeseite ist steil und läßt vielorts eine eingeschobene Vorstufe (Terrasse) erkennen. Fig. 11. , Porta Cassubica“. Durchbruch der Chaussee durch den Seedorfer Wallherg. Der ganze Rücken läßt 28 bis 30 Aufschüttungskegel — Jahresabsätzc ■ — = Oscentra erkennen, die man nach dem V organge kers zur Zeitbestim- mung des Eisrückzuges benutzen kann (Fig. 10). Des öfteren bilden die Oser, besonders wenn sie eine größere Längen- ausdehnung erreichen und sich aus einer ebenen Geschiebemergellandschaft erheben, ein Verkehrshindernis für Eisenbahnen und Chausseen. Das ist z. B. der Fall bei dem schon oben erwähnten ,,Flatower Bismarck-Os“. Es wurde auch schon erwähnt, daß zwei Eisenbahndurchstiche diesen Wallberg durch- schnitten haben. Ein Gleiches tritt uns auch bei dem Seedorfer Os in bemerkenswerter Weise entgegen. Die große Straße, welche von Karthaus über Remboschewo nach Sullenschin und weiter nach Hinterpommern führt, findet schon an der 19 86 2 Meilen langen Kette der großen Kadaune-Seen ein bedeutendes Hindernis. Keclinet man die nördlieli anscliließenden kleineren Seen dazu, so ist es fast eine Sperre von 3 Meilen, die hier den Wegebau behindertv Der einzige bequeme Übergang liegt dort, wo bei Borruschin eine Land- schwelle den Kadaune-See überbrückt, und gerade hier lagert sich vor das Ufer der mächtige rund 20 m hohe Damm des Seedorf er Wallberges. Die Chaussee hatte daher hier ein doppeltes Hindernis zu überwinden; einmal mußte der Osrücken durchbrochen werden und andererseits der Radaune-See an der günstigsten Stelle überschritten werden. Das ist nun geschehen und dadurch ein nicht nur für den Verkehr bedeut- samer Paß geschafFen, sondern auch eine durch die Verbindung des schön bewaldeten Rückens mit den blinkenden Seen landschaftlich hervorragende Stelle zugänglich gemacht, die von dem Erbauer der Straße auf einem Stein als „Porta Cassubica“ bezeichnet ist (Fig. 11). Als Fortsetzung des Seedorf er Oses ist der kurze (zirka % km lange) Osrücken bei Stendsitz am Südende des Radaune-Sees anzusehen. Er erhebt sich als geradliniger, unbebauter Kieswall auf der Halbinsel zwischen den beiden Zipfeln, in welche der See ausläuft, und die Verlängerung seiner Längs- achse nach Norden geht über die kleine Insel im Radaune-See zum Südende des Seedorfer Oses. D. Tiefbohrung Saspe (Rangierbahnhof). x\.uf dem Gelände des neuen Rangierbahnhofes Saspe ist vor kurzem eine erfolgreiche Tiefbohrung vollendet worden, die bereits im Jahre 1915 (Februar?) von der Firma L. BiESKE-Königsberg begonnen wurde. Die Bohr- proben wurden von Geh. -Rat Jentzsch in Berlin untersucht; die Resultate seiner Untersuchung sind in der Zeitschr. d. d. geol. Gesellschaft^) vor kurzem veröffentlicht und wegen des allgemeinen Interesses im Anhang hier wieder- gegeben. Diese Bohrung ist einmal dadurch bemerkenswert, daß sie in den harten Kreideschichten mit Diamantbohrer ausgeführt wurde und hier schöne ,, Bohr- kerne“ geliefert hat, andererseits auch dadurch, daß sie einen sehr ergiebigen Wasserstrom erschloß, der in dem aufgesetzten Rohr einen Wasserstand von 11 — 12 m über Terrain erreichte. Man konnte bis vor kurzem (Herbst 1917) den Ausfluß des mächtigen Wasserstrahls in 5 — 6 m Höhe aus einem Seiten- rohr beobachten (Fig. 12). Nach Jentzsch wurden 4 m Alluvium, 28 m Diluvium, 55 m Miozän, 52 m Mukronatenzone = Ober-Senon, 5,5 m Emscher = Unter-Senon durch- bohrt. Unter den zur Kreideformation gehörigen, harten Schichten des Ober- 1) 1916 p. 133 ff. ; Über Bohrkerne ans West- und Ostpreußen. 20 87 Senons gelangte man in losen Grünsand (bei 151 m), nnd gleichzeitig brach ein starker Quell artesischen Wassers hervor, der große Mengen des Grün- sandes heraufbeförderte und vor dem Ausfluß aufhäufte. Die ganze Bohrung erreichte 156,5 m Tiefe. Die Wassermenge des Brunnens beträgt pro Stunde Fig. 12. Tiefbohrung Sispe (Rangierbahnhof). Artesischer Brunnen! 300 cbm, während der in den gleichen Schichten stehende städtische Königs- taler Brunnen nur 100 cbm pro Stunde liefert. In der Nähe des beschriebenen Bohrloches war schon vorher eine Bohrung mit scliwächeren Rohren ausgeführt, die wenig über 100 m erreichte. Sie lieferte ebenfalls artesisches Wasser, aber nicht genügend. 88 Sasper Bohrprofil (nach Jentzsch). 1 m Flachmoorlorf 3 ^ kalkfreier Sand 20 „ kalkhalt. Diluv.-Sand^) 1 „ Mergelsand 5 „ Tfnmergel * ’ 2 „ Diluvialkies mit nord. Geschieben 55 „ kalkfreie Quarzsande, Formsande und Letten, mit 4 schwachen Kohleflözchen 12 „ kalkfreie glaukonit. Sande und Erden 20 „ kalkhaltige, teilweise kalkreiche glaukonit. Sande und Erden 32 „ desgl. mit kieseligen Knollen und Lagen von „Harter Kreide" > 5,5 „ feiner loser Grünsand = Emscher } 4 m Jung-Alluv. 28 m Diluv. 55 m Miozäne Süßwasserbildg^. 12 m Oligozäne Meeresbildung. 52 m Mukronatenzone” = Ober-Senon. 5,5 m ünter-Senon. 156,5 m. 0 Diese Scliichten wurden früher dem Alluvium zugerechnet, vgl. Tiefbohrung Bahnhof Saspe in Erläut. Bl. Weichselmünde und Danzig. 89 Die Völker der Balkanhalbinsel/) Von Fritz Braun io Dt. Eylau. Im Südwesten und Südosten Europas ragen zwei gewaltige Hochflächen aus blauer Meerflut empor. Dort die iberische Halbinsel, hier Kleinasien,, beides Landgebiete, die in den Erdteil, dem man sie überwiesen hat, nicht recht hineinpassen, weist doch das Antlitz des Ibererlandes gar viele afrikanische Züge auf, und werden wir doch an der Westküste Kleinasiens auf Schritt und Tritt daran erinnert, daß wir uns im Bannkreise des Agäischen Meeres befin- den, das ebenso wie seine Randländer ein gut europäisches Gepräge trägt. Wer die Völker der Iberischen Halbinsel kennen lernen will, muß seinen Blick immer wieder auf das benachbarte Festland im Süden richten, dessen flacheres Gestade schüchtern zu Gibraltars ragendem Felsen hinüberschaut. Koch viel mehr gilt ein ähnliches Gebot für den Forscher, der mit den Bewohnern der Balkanhalbinsel vertraut werden möchte, denn eine ganze Reihe von Völkern und Stämmen, die in der politischen und wirtschaftlichen Geschichte jenes Erdraumes eine Rolle spielen, sind von den Hochebenen Kleinasiens herübergekommen. Wie inhaltsreich ist nicht die Geschichte Kleinasiens, und wie rasch hat dies Land zu Zeiten seine Herren gewechselt! Phryger und Lyder, die erz- bewehrten Griechen und die schnellen Reiter des Perserkönigs, der römische Legionssoldat und die prunkende Leibwache des Mithridates, byzantinische Sold ner und genuesische Seeleute und noch viele, viele andere mehr haben in diesem Erdstrich Heimat und Herrschaft gefunden. Und doch beharrt in diesem Wechsel ein ruhiges Sein, die rassenmäßige Eigenart des wichtigsten Volkes, das uns in Kleinasien begegnet. Alarodier nannten die Gelehrten diesen Menschenschlag. Seine wichtigsten Kennzeichen sind der hohe Kurzkopf und die sehr hervortretende, aber an den Flügeln dennoch recht fleischige Nase. Von Gestalt sind die Alarodier zumeist kurz und stämmig. Ihre Muskulatur zeigt nicht die sanft steigenden und fallenden Linien der nordischen Rassen, die wir auch bei den Idealgestalten der grie- 1) Vortrag, vor der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig gehalten am 7. Fe- bruar 1917. 1 cliisclieii Küd stier wiederfinden. Prall und wulstig, wie saftstrotzende Früchte, pflegen die Muskeln des Alarodiers an Armen und Beinen hervorzuquellen, so daß diese Eigenschaft dem Laien wohl als auffälligeres Kennzeichen erscheinen möchte als die Form des Schädels. In ihrem Gleistesleben sind diese Menschen natürlich recht verschieden, je nachdem sie in weltfremder Öde die Scholle bestellen oder auf städtischen Biklungsanstalten mit unserer westeuropäischen Kultur in Berührung kamen. Dennoch eignet ihnen allen eine merkwürdige Nüchternheit und Schwung- losigkeit, deren Gegensatz zu jener Überschwenglichkeit, die uns im Geistes- leben unserer besten Stammesgenossen so oft auffällt, deutlich genug hervortritt. Immer wieder sind die Alarodier von eindringenden Eroberern über- wältigt worden, aber immer wieder sind auch die siegreichen Stämme in ihnen aufgegangen, wie frühlingsmürbe Eisschollen in der Flut eines weiten Landsees. Und immer wieder eigneten sich die Besiegten die Sprache und kulturelle Eigenart ihrer Sieger an, so daß uns dieselben Alarodier in verschie- denen Gebieten und zu verschiedener Zeit ganz andere Völker zu sein scheinen. Und doch sind die Armenier, die auf ihrer rauhen Hochebene noch heute wie zu Xenophons Tagen den harten 'Kampf mit der Unbill eines grimmigen Winters führen, die osmanischen Bauern, welche in den Fruchtgefilden Klein- asiens die Opiumernte bergen, und die sogenannten Griechen, welche im entlegenen Gebirgstal der Litanei des orthodoxen Priesters lauschen, dieselben Menschen, wie Erscheinungsformen einer und derselben Tierart, welche sich nur durch eine Färbungsmaske unterscheiden. Sollte ein Militärarzt den Nach- wuchs der anatolischen Lande hinsichtlich seiner völkischen Zugehörigkeit allein nach der körperlichen Beschaffenheit zu bestimmen suchen, so würde er seine Hilflosigkeit wohl bald eingestehen müssen. Um uns diese Verhältnisse klar zu machen, können wir bis zu einem gewissen Grade an Zustände in unserer Heimat anknüpfen. Auch unser Vater- land hat ja sozusagen seine Alarodier. Es ist der dunkeläugige und dunkel- haarige Menschenschlag, welcher dort ansässig war, ehe die blondhaarigen, langköpfigen Germanen das Land eroberten. Die Sprache der Besiegten ist längst verklungen, und nur in dunkeln Mären lebt unter ihnen noch hier und da eine Art Kunde aus grauer Väterzeit. Und doeh liegt ihr Blut noch immer im Kampfe mit dem Blut des Siegers, und die Anthropologen geben uns sichere Nachricht von dessen Verlauf, denn jede neue Zählung berichtet uns, daß die Zahl der Dunkeläugigen und Dunkelhaarigen unter unseren Volksgenossen wieder gewachsen ist. Allerdings fragt es sieh, ob dabei der Einfluß des Klimas nicht unterschätzt wird, zeigen doch auch Vogelarten im sonnenschein- armen Seeklima größere Neigung dazu, dunkles Pigment zu entwickeln, als in Ländern mit ausgeprägtem Landklima. — Wollen wir im Osmanischen Reiche Stämme finden, die das Bluterbe der alten Großen Kasse am treuesten bewahren, so müssen wir uns schon an die Sektierer halten, die in abgelegenen Talgauen hausen und von den recht- gläubigen Mohammedanern als Ketzer verschrien und gemieden werden. Auch anderswo in der Welt machen wir ja die Erfahrung, daß nichts so sehr dazu beiträgt, eine Rasse zu erhalten und rein durchzuzüchten, als allgemeine Ver- achtung, um derenwillen den Nachbarn jedes Ehebündnis mit den Entrechteten als schimpfliche Verirrung erscheint. Nicht umsonst rühmt man in Indien die Schönheit der Paria. Wo ist der Stamm der Osmanen geblieben, dessen siegreiche Krieger den Halbmond an die Gestade des Mittelmeeres trugen? — Längst ist über ihm ■die alarodische Flut zusammengeschlagen, und nur hin und wieder begegnen uns bei den Anatoliern die unverkennbaren Rassenmerkmale der Mongolen, die schiefgeschlitzten Augen, die Mongolenfalte des Lides, die starken Backen- knochen und der spärliche Kinnbart. Es ist ein übel Ding, von den Türken als einem einheitlichen Volke zu sprechen. Türken sind die Söhne des anatolischen Bauern, die als Rekruten ■durch die Straßen Stambuls schlendern, große Kinder ohne Falsch und Arg, die nach Kinderart einander an den Händen führen und mit großen, ver- wunderten Augen in eine Welt starren, welche ihnen so seltsam erscheint wie dereinst die Geschichten des wandernden Märchenerzählers. Türken sind aber auch die hauptstädtischen Hofbeamten, aus deren scheinbar so jovialem Antlitz listige, forschende Augen lugen, Leute, die sich auf ,, Taten an Gönners Tische“ besser verstehen als auf ein Leben voll redlicher Arbeit. Und leider fehlen die Zwischenglieder, welche eine allmähliche Verbindung zwischen dem Beamten in Stambul und dem Bauern der anatolischen Hoch- ebene darstellen. Der eine versteht nur zu regieren — wobei dieses Wort aber beileibe nicht ein verständnisvolles, Fähigkeiten und Leistungen her- vorrufendes Führen bedeuten soll — , der andere hat nichts weiter gelernt, als nach Urväterart die heimische Scholle zu bestellen. Der größte Teil wirt- schaftlicher Arbeit, welcher in Handel und Gewerbe, in der Schiffahrt und im Handwerk geleistet werden muß, fällt Nichttürken zu, und zwar zum guten Teil solchen Leuten, die dem Herrenvolk des Osmanischen Reiches wenig gewogen sind. Unter diesem Gesichtspunkt muß — beiläufig sei das erwähnt — auch die politische und wirtschaftliche Zukunft des Osmanischen Reiches und seines anatolischen Kernlandes betrachtet werden. Die Soldaten der Arbeit wird dort auch fürderhin die kleinasiatische Bauernschaft stellen. Da aber in dem weitaus größeren Teile Anatoliens nur der Anbau von wertvollen Handels- pflanzen genug einbringt, um zugleich die Grundrente und jene Summen zu liefern, mit denen die türkischen Staatsschulden verzinst und abgetragen werden sollen, so liegt für diese schlichten Bauern, die vielleicht die kon- servativsten Menschenkinder unserer Zeit sind, die Notwendigkeit vor, von Grund aus umzulernen. Die anatolischen Bauern dahin zu bringen, ohne sie in ihrem religiösen Empfinden zu verletzen und um ihres Lebens Ruhe und Frieden zu bringen, ist eine Aufgabe, deren Scbwierigkeiten auf dem seelischen Gebiet nicht unterschätzt werden dürfen. Wenn sie gelingen soll, müssen die' Erzieher zur Arbeit in diesem Lande taktvolle Menschen und wahre Yolks- erzieher sein. Helfen wir, daß unsere Volksgenossen, welche Hand in Hand mit türkischen Beamten zu dem großen Werke berufen werden, an dieser i\ufgabe, welche uns mitunter fast unlösbar scheinen möchte, nicht scheitern!; Die Ansicht jener Schriftsteller, die immer wieder zu Allah flehen, er solle die Anatolier vor jeder Berührung mit der westeuropäischen Kultur bewahren und sie in alle Ewigkeit ihre weißen Bohnen kauen lassen, hat nur einen lyrischen Stimmungswert, denn die Welt braucht dies Land zum Anbau von Baumwolle und anderen HohstolFen, und wenn sie es nicht zusammen mit der alteingesessenen Bauernschaft bewirtschaften kann, wird sie das ohne und wider deren Willen tun. Ähnliches haben ja seinerzeit die Buren erfahren müssen, obgleich die weit mehr politische Spannkraft besaßen. Einen großen Teil der tatkräftigsten Beamten haben der alten Türkei die Arnauten gestellt. Hoffen wir, daß die energischen, bildungsfähigen Alba- nesen, welche den Glauben Mohammeds mit europäischer Rührigkeit ver- binden, auch in dem erwachenden Anatolien der Zukunft eine große Rolle spielen können! Sie wären die besten Mittler zwischen dem deutschen Kultur- ingenieur und dem anatolischen Ackersmann und könnten sich mit solcher Tätigkeit um das Osmanische Reich unendliche Verdienste erwerben. Ver- hehlen wir uns doch ja nicht, daß dieser Staat auch nach einem siegreichen Kriege vor einer entscheidenden Wendung steht, vor jener furchtbaren Krise, welche die Frage andeutet, ob es gelingen wird, aus einem der beschaulichsten Erdräume der Welt unter vorwiegender Inanspruchnahme williger mohamme- danischer Helfer eine Stätte unablässiger, reger, zielbewußter Arbeit zu machen! Wenn man heutzutage die Vorzüge der osmanischen Bauernschaft rühmt, muß man sich von seiten des Anthropologen eine kleine Zurechtweisung gefallen lassen, denn ganz dasselbe gilt auch für jenen ansehnlichen Bruchteil der armenischen und griechischen Landbevölkerung, der sich mit ihr in das Bluterbe der Alarodier teilt, und oft genug sind diese Vorzüge solche Eigen- schaften, die jedem schlichten Landmann eignen, dessen Blick auf die Scholle gebannt ist, und dessen Welt durch den Höhenzug begrenzt wird, der den Kordwind von seiner Hütte fernhält. Wer sich in Stambul nach eigenartigen Erscheinungsformen des Türken umsieht, dem werden bald bestimmte Typen auffallen. Am angenehmsten erscheint uns ein Menschenschlag mit dunklem Haar und dunklen Augen^ dessen -feingeschnittene Gesichtszüge sich von dem plumperen Antlitz der typischen Alarodier sehr zu ihrem Vorteil unterscheiden. Auch in dem Linien- fluß ihrer Muskulatur stehen uns diese Türken sehr nahe und entsprechen etwa den Vorstellungen, die wir uns von dem Ideal der semitischen Rasse zu bilden pflegen. Lernen wir sie näher kennen, so bereiten sie uns gemeinig- 9:3 licii durch den Umstand eine gewisse Enttäuschung, daß sie phlegmatischeren Temperaments sind, als man nach ihrem Äußeren erwarten sollte. Ihr Gregenstück sind plumpe Menschen mit runden, ausdruckslosen Gesichtern und auffallender Neigung zu Fettleibigkeit, die mitunter noch dem vierzehnjährigen Jungen die Patschhände und fettumlagerten Gelenke unserer deutschen Säuglinge erhält. In den verschwommenen Zügen und ungeschickten Bewegungen dieser Menschenkinder scheint ein recht vege- tatives Leben seinen Ausdruck gefunden zu haben. Nicht geistige Stürme, sondern sinnliche Begierden bezeichnen die Höhepunkte ihres Erdenwallens. Zu emsigem Streben und regem Schaffen können diese geborenen Propheten des Kismet, der Weltanschauung ungestörter Passivität, durch keinerlei ■erzieherische Einwirkung gebracht werden. Auch auf der deutschen Ober- realschule zu Konstantinopel, wo mancher dieser Jünglinge freundlich und wunschlos zu mir aufschaute, war ihre Haupt- und Glanzleistung das — Sitzen. Außer den beiden Typen, die uns neben dem früher geschilderten Alarodier und der nicht seltenen, aber auch nicht allzu häufigen mongoloiden Form in Stambul am meisten auf fallen, begegnen uns am Goldenen Horn, wie uns das bei der Ergänzung der türkischen Beamtenschaft nicht wunder- nehmen kann, so mannigfach geartete Menschenkinder, daß man aus ihnen ein ganzes anthropologisches Museum zusammenzustellen vermöchte. Einer meiner türkischen Bekannten, ein Infanteriehauptmann, der eine Zeitlang an der deutschen Schule den Unterricht in seiner Muttersprache erteilte, sah so germanisch und so durchgeistigt aus, daß er einem in dem philosophischen Seminar einer norddeutschen Universität nicht im geringsten aufgefallen wäre. Sein guter Geselle dagegen, ein Artilleriekapitän, hatte in dem wolligen Haar, das mit dem Krimmer seines Kalpaks in Wettbewerb treten konnte, den wulstigen Lippen und der breiten Nase unverkennbar negroide Hassenmerkmale. Um der bunten Kassenmischung willen, in der uns namentlich die hauptstädtischen Türken entgegentreten, glaubt sich Gwald IjANSE berechtigt, von dieser Menschengruppe als von ostwärts gerichteten Levantinern zu sprechen, ein Vorschlag, den man beileibe nicht von vornherein als über- trieben oder verstiegen bezeichnen sollte. Wir möchten diese Gelegenheit benutzen, um den Landsleuten eine Kostprobe aus dem neuesten Werke Banse s (Die Türkei. Eine moderne Geographie. Braunschweig, ^^ es'I'KRMAnn 1915) zu bieten. Unter den neuen Büchern über den näheren Orient nimmt ‘dies Werk sicherlich eine der ersten Stellen ein. Weil bei einem Werturteil über Bücher persönliches Empfinden naturgemäß immer eine große Kolle spielt, möchten wir es der Objektivität zuliebe nicht schlechthin als das beste bezeichnen. Was Hanses Türkenbuch einen so hohen Keiz verleiht, ist der Umstand, daß hinter dem Buch eine eigenartige, lebensvolle Persönlichkeit steht, daß der Geist jener Länder sich in einem starken Geiste widerspiegelt, Jen kennen zu lernen an sich schon der Mühe wert ist. Trotz aller Fremd- 5 94 wörtersuclit, die zuweilen unangenehm hervortritt, ist Banse ein echter Deutscher, denn echt germanisch sind seine tiefe Liebe zum Orient und seine empfäfigliche Seele, die sich allen Naturstimmungen Avillig hingibt und von dem zu künden weiß, was sie fühlt und leidet. Besser als er vermöchten wir die Levantiner, die mit der westlichen Zivilisation liebäugelnden Bastarde der christlichen Orientalen, gar nicht zu kennzeichnen, deshalb mögen die wohlgesetzten Worte I'anwe^ ihm und seinem Werk auch hier Freunde werben. „Die Levantiner gehören keinem Volke recht an, jedoch ohne nun ein selbstän- diges Volk zu bilden; sie hängen zwischen den Völkern, entwurzelt und skrupellos geworden, nur imstande, die Angehörigen höherer Kassen zu sich herabzuziehen, ohne diejenigen niedrigerer zu erheben. Ehemals vornehmlich italienisch gesinnt und' Träger der vielgemischten Lingua franca, haben sie sich seit über einem halben Jahr- hundert (wohl mehr unter dem Einfluß der katholischen Kirche als nur aus Gleschäfts- rücksichten) der französischen Zivilisation zugewandt, deren glattes, elegantes Ober- flächentum dem geschmeidigen Element am besten zu behagen scheint. Fromm bis zum Stumpfsinn, gerissen wie ein Armenier der Diaspora, pendelnd zwischen Lack- stiefeleleganz und Geschäftskundigkeit; die älteren Männer nicht recht repräsentations- fähig, die jüngeren wie Attaches im Fez auf einer Vorstadtbühne, die pompösen Mütter eine charakteristische Mitte zwischen Herzogin und Bordellwirtin, abwechselnd zwischen dem Promenadenkostüm draußen und dem langen Nachthemd im Hause, die spirrligen Töchter vorlaute Fratze in den durchscheinendsten Strümpfen und von pikantbewußter Unschuld; und alle sehr fromm und gierige Süßigkeitenesser. Die Männer laufen hinter dem Gelde her und lesen in den Kaffeehäusern die Zeitung, haben sie höhere Interessen, so ist das die Roulette; die Frauen klatschen und angeln, und pflegen sie höhere Interessen, so ist das ein gelbbroschierter, natürlich franzö- sischer Roman. Konstantinopel und Smyrna, Berut und Alexandria, das sind die hohen Schulen des Levantinertums, dieses schillernden Grabes der Rassesünden früherer im Orient angesiedelt gewesener Europäer.“ Gesichtspunkte der Rassenzugehörig'keit hätten uns eigentlich bestimmen sollen, von den Bewohnern der Hauptstadt nach dem Türken zuerst seinen Todfeind, den Armenier, zu behandeln, sind doch beide dem Geblüt nach zumeist Nachkommen der alten Alarodier. Allerdings finden wir außer den typischen Alarodiern unter den Armeniern noch einen großen, blonden Menschenschlag. Diese blonden Armenier haben aber trotz der Haarfarbe wenig Germanisches^) an sich, denn ihre Züge sind so grob und plump, als wären sie mit der Zimmermannsaxt zugehauen. Dabei machte ich in Kon- stantinopel mehrmals die Erfahrung, daß in derselben Familie, unter Vettern 1) Wenn neuerdings manche Anthropologen wie der als Literarhistoriker hoch- verdiente Otto Hauser die ältesten Könige der Armenier schlechthin als Germanen bezeichnen, so wird man gut tun, solchen Ansichten nicht sofort beizupflichten. Namentlich durch die Tätigkeit des geistvollen Houston Stewart Chamberlain hat sieh die Zahl jener Gelehrten rasch vergrößert, die von vornherein geneigt sind, in jedem Kriegshelden, jedem machtvollen Herrscher, jedem genialischem Denker von vornherein einen Germanen zu erblicken. Aber mag auch dieser Rasse eine noch so ehrenvolle Rolle in der Menschheitsgeschichte zugefallen sein, im einzelnen gelangen wir leicht auf Irrwege, wenn wir nur deshalb forschen, um Beispiele und Belege dafür- zusammenzutragen. „Was man will, das glaubt man gern!“ 6 95 und Basen, sowohl der alarodische als auch der blonde Armeniertypus mit allen seinen Eigentümlichkeiten in Körperbau und Muskelansatz vertreten war.. Wenn trotz der nahen Yerwandtschaft zwischen den Türken und Arme- niern eine früher längst nicht in dem Maße vorhandene Kluft gähnt, so ist das in erster Linie die Folge wirtschaftlicher Verhältnisse, durch die der Armenier immer mehr zum Händler wurde, während der Türke, dem sich keine Amtsstube auftat, dem Pfluge treu blieb. Infolge ihrer größere Nerven- kraft erfordernden Tätigkeit sind die Armenier viel sensibler geworden und bekunden heutzutage eine auffällige Fähigkeit, sich unsere westeuropäische Bildung anzueignen, doch wohl ein Beweis dafür, daß in ihnen auch spe- zifische Kassenelemente wirksam sind. Aber trotz dieser Begabung gilt für sie nicht das Faustische ,,im Vorwärtsschreiten such’ ich Freud’ und Glück“, bei aller Tätigkeit leitet sie ein Ziel, das außerhalb des rein Geistigen liegt, die Kücksicht auf die politische Zukunft ihres Volkes. Die Wissen- schaften und Künste, in denen sie sich betätigen möchten, fesseln sie nicht darum so sehr, weil sie in ihnen Blüten des Geistes verehren, sondern deshalb, weil sie ihnen Waffen liefern sollen im Kampfe gegen den Erbfeind. Wie das bei allen Völkern, die sich lange als Sklaven fühlten, zu sein pflegt, fehlt auch ihrem Auftreten oft jene selbstverständliche Freiheit und heitere unbewußte Würde, welche den Enkel des Freien auszeichnet. Sogar unsere armenischen Schüler wußten mitunter zwischen unfreier Unterwürfigkeit und einem Benehmen, das etwas von der Pose des Revolutionärs an sich hatte, nicht die richtige Mitte zu finden. Aber wir wollen nicht vergessen, daß dies Volk im Rahmen des Gesamtstaates zu guten Leistungen auf solchen Gebieten befähigt gewesen wäre, in denen dem Osmanen fast jegliche Übung fehlt, hätte nicht das Schicksal die Armenier, die dereinst ihren Herren vor anderen nahestanden, auf Bahnen gedrängt, die sie zur Selbständigkeit führen sollten und in Wirklichkeit doch nur ins Verderben brachten. Bei nüchterner Erwägung hätten sich die Armenier die Schwierigkeiten, welche der Gründung ihres Nationalstaates im Wege standen, selbst klar machen können. In ähn- licher Weise, wie das auch für die Polen zutrifft, ist der Raum, der aus- schließlich von Armeniern bewohnt wird, recht klein, sehr viel kleiner als das Gebiet, das ein einigermaßen lebensfähiges Armenierreich beanspruchen müßte, so daß die Leiter des Staates mit einem Male aus Bedrückten zu Bedrückern würden. In barbarischer Abwehr einer zum Teil wohl nur ein- gebildeten Gefahr sind die Türken bei der Maßregelung der Armenier weit über das Ziel hinausgeschossen, aber dafür, daß es hierzu gekommen ist, müssen sich jene Ärmsten doch bei ihren selbstsüchtigen Gönnern, den Russen und vor allem den Engländern, bedanken, die auch hier eine großartige Begabung dazu bewiesen haben, ihre ,, Freunde“ oder sagen wir lieber ihre Werkzeuge, zum Schinderhannes zu führen. Lorbeerkränze, wie sie dem Helden gebühren, wird kein Nüchterner auf dem Grabe der Armenier niederlegen wollen, deren Verbrechen mit noch 7 96 schlimmeren Yerbrechen vergolten worden sind, aber dennoch wird mir wehe ums Herz, wenn ich der inneres Leben widerspiegelnden Augen meiner auf- merksamen armenischen Schüler gedenke. Ich hätte ihnen doch Besseres gegönnt. Ähnlich wie die Armenier führen auch die Griechen unserer Tage ala- rodisches Blut in den Adern, aber das gilt doch nur von jenen Neuhellenen, die verhältnismäßig tief in Kleinasien eingedrungen sind und dort teilweise zu befremdlicher Vermischung griechischer und türkischer Sprach- und Bil- dungselemeiite gelangt sind. Sonst ist das hellenische Ahnenerbe der Neu- griechen doch wohl größer als wir gemeinhin glauben. Zu den edelsten Vertretern der griechischen Rasse, die ich in der tür- kischen Hauptstadt kennen lernte, gehörten die Dienstmädchen der fränki- schen Familien, die teilweise von den Inseln des Ägäischen Meeres stammten. Ganz ähnlich wie sie mögen die Mägde der Penelope ausgeschaut haben, die sich zu ihrer Herrin Betrübnis so rasch von den üppigen Freiern umgarnen ließen. Allerdings fanden sich neben den Mädchen, die unseren herkömm- lichen Vorstellungen von der Griechin entsprachen, auch Blondinen mit stark ausgeprägten Nasen, welche den Fremdling an die Bilder mancher vene- tianischer Maler erinnerten. Vermutlich waren das Enkelkinder jener Lateiner, welche in der Blütezeit der Venetianer und Genuesen den Archipelagos der Kykladen beinahe in ein zweites Italien verwandelten. Sonst war von den Neugriechen in Konstantinopel der Rassenadel wie die Hefe vertreten, jener in den Nachkommen der alten Patriziergeschlechter, diese in der Bevölkerung der Hafenquartiere. Während uns in jenen alten Familien die Eigenschaften begegneten, welche dem Begriff Adel seine über die völkischen Einheiten hinausgreifende Bedeutung gegeben haben, war das auffälligste Merkmal der Hafenplebejer eine abstoßende Frechheit, und ein frecher Grieche besitzt diese Untugend unzweifelhaft in höchster Vollendung. Noch immer entsinne ich mich gern einer sommerlichen Vollmondnacht auf der Reede des felsenumstarrten Cavalla, in der ich mit meinen neu- griechischen Reisegenossen lange Gespräche über ihr Volkstum führte. Sie hätten mich damals beinahe verprügelt, als ich ihnen gegenüber die Behaup- tung verfocht, die Neugriechen seien im wesentlichen ein slawisches Volk. Heute habe ich mich im großen und ganzen zu der Ansicht bekehrt, die sie •damals so stürmisch vertraten. Unzweifelhaft haben Goten, Wlachen und allerlei slawische Völker den Griechen von ihrem Blute mitgeteilt, aber gewiß nicht so viel, daß dadurch der griechische Typus völlig zerstört worden wäre. Nehmen wir noch die Summe der griechischen Charaktereigenschaften hinzu — wie die Franzosen sind auch die Neugriechen ihren Ahnen in der Hinsicht auffallend ähnlich — , so müssen wir gestehen, daß das neugriechische Volks- tum neben dem der Balkanslawen doch recht selbständig erscheint. Wenn das Leben dieser hochbegabten Nation heutzutage etwas merk- würdig Unausgeglichenes hat, so müssen wir dafür in erster Linie politische Gründe verantwortlich machen. Der Neugrieche lebt nicht in einem heute. 8 97 über welches das gestern sanft zum morgen hinübergleitet, sondern in einer erträumten Welt, die dem großen Zeitalter des Hellenismus und dem groß- griechischen Reiche der Zukunft gleich nahe und gleich fern ist. So ist dieses Volk, aus dessen seelischem Gleichmaß heraus dereinst der Wahl- spruch fXTjdev äyav geboren wurde, einem Zustande der Überreizung anheim- gefallen, der ihm selber qualvoll genug ist und auf den Landfremden nicht selten komisch wirkt. Der endgültige Erfolg der Mittelmächte und der durch ihn verbürgte Bestand einer wehrfähigen Türkei würden die Neuhellenen zwingen, ihre Zukunftspläne wesentlich umzuformen, denn die Hoffnung, in absehbarer Zeit ihren ßaaiXev^ in die heilige Sofienkirche zu geleiten, müßten sie dann wohl für eine lange Frist begraben. Jedenfalls wäre es dem rührigen Volke zu wünschen, daß aus seinem Zwergstaate eine lebensfähige Mittel- macht emporwüchse, in der die Neugriechen wohnen könnten, ohne daß einer dem anderen immer wieder auf die Füße zu treten gezwungen wäre. Dann krauchten sich ihre Politiker auch nicht immer so zu gebärden wie Brummer, »die man unter einem umgekehrten Wasserglase eingesperrt hat. Auf die Unterschiede zwischen den einzelnen griechischen Stämmen hier einzugehen, verbietet die rastlos enteilende Zeit, aber auch heute noch hat Griechenland seine Athener, Spartaner und Böoter, und zu den Athenern in Lackstiefel und Zylinder müssen wir uns immer den griechischen Bauer hinzudenken, der in unserem Landsmann Engel einen warmen Freund und Anwalt gefunden hat, dessen Urteil wir im allgemeinen nur beipflichten können. Daß der gebildete Neugrieche in allem Äußerlichen dem Pariser Elegant nacheifert, darf uns nicht wundernehmen, denn damit ist es an anderen Stätten ebenso bestellt. Immerhin müssen wir zugeben, daß wir bei den Neugriechen trotz aller Rhetorik und allen Phrasen mitunter auch lyrische Stimmung finden, die gerade im französischen Schrifttum so selten zu finden ist. Denken wir bei dem Namen des griechischen Volkes an Poseidons freies Reich, an sich überstürzende Meereswellen und stampfender Segler ächzendes Gestänge, so vergesellschaften sich mit den Namen der slawischen Völker allerlei Begriffe, die den Landwirt angehen und den Viehzüchter. Wir sind daran gewöhnt, die Bulgaren, das zur Zeit spannkräftigste Volk der Balkanhalbinsel, schlechthin als Slawen zu bezeichnen, und doch ist diese Ansicht falsch. Ebensowenig wie alle Untertanen des Sultans, die sich der türkischen Sprache bedienen, mongoloiden Ursprungs sind, ebensowenig dürfen wir alle Menschen, die bulgarisch sprechen, für Slawen halten, sind sie doch zum guten Teil Nachkommen der großen uralaltaischen Bulgarenhorde, die von den Ufern der Wolga in die Balkanhalbinsel einwanderte. Auch heute noch begegnen uns recht viele Bulgaren, die in ihrem Äußeren wenig Slawi- sches an sich haben. Ein paar bulgarische Schüler unserer deutschen Schule in Xonstantinopel, die ich selber nicht unterrichtete, hielt ich Jahr und Tag für Israeliten, bis ich zufällig eines Besseren belehrt wurde. Daneben finden rsich allerdings auch solche Bulgaren, welche den slawischen Typus in auf- Schr. d. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 4. 9 7 98 fallender Reinheit verkörpern. Durch die eigenartige Blntmischung der BnD garen müssen wir wohl auch die Tatsache zu erklären suchen, daß der nüchtern, denkende, zähe, fleißige, lärmender Freude abholde Bulgare sich in so vielen Punkten von seinen slawischen Vettern merklich unterscheidet. Aus diesen Eigenschaften erklären sich auch die raschen Fortschritte Bulgariens auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet, durch die es ihnen gelungen ist, die Serben niederzukämpfen, obgleich diese von Hause aus viel mehr kriege- rische Eigenschaften haben als ihre östlichen Nachbarn. Alles in allem ist uns wohl der joviale, heitere Serbe, dessen Volksliedern selbst ein Goethe, reiches Lob spendete, als Weg- und Herdgenosse lieber als die schwerblütigen Bulgaren, aber für den Kampf ums Dasein sind diese Söhne der Balkantäler- unstreitig viel besser ausgerüstet. Freuen wir uns dessen, daß ihr wirtschaft- licher Vorteil so ziemlich nach jeder Richtung mit dem Interesse der Zentral- mächte zusammenfällt, weil das Industrieland zwischen der Nordsee und den Alpen und die Ackerfluren an der Donau und Maritza sich aufs beste ergänzen! Lägen die Dinge anders, so würde man in künftigen Jahren gar viel von dem bulgarischen Dickschädel zu hören bekommen. Die bulgarische Volkstracht ist in der letzten Zeit bei uns allerorten bekannt geworden und hat bei vielen Erzeugnissen der deutschen Mode als- Vorbild dienen müssen. Den Aufputz der Frauen lassen wir vom ästhetischen Standpunkte aus gelten, obgleich er trotz der roten und grünen Stickerei wegen des harten Farbtons der ungebleichten Leinwand recht matt zu wirken pflegt, die fast lehmgraue Kleidung der Männer wird dagegen wenig Be- wunderer finden. Geradezu lächerlich wurde uns einst zu Mut, als wir im Weichbilde von Philippopel einer Kavalkade aus der Stadt heimkehrender Bauern begegneten, die sich zu ihrem urwüchsigen Dorfstaat moderne Stroh- hüte gekauft hatten, wie sie unsere Kaufmannslehrlinge spazieren führen.. Sollten wir unser Urteil über das Volk der Bulgaren in wenigen Worten zusammenfassen, so würde der Ausspruch ,,mehr achtbar als liebenswürdig‘^ der Wahrheit wohl am nächsten kommen. Ihre politische Haltung wird sich immer leicht vorausberechnen lassen, denn sie werden sicherlich nie etwas tun, was nicht ihrem nüchtern erwogenen und klar erkannten Vorteil entspräche. Von dem Bulgaren unterscheidet sich der stets sangesfrohe, heitere und lebenslustige Serbe etwa wie der frische Jäger vom bedächtigen Pionier. Und das, was uns anfangs sträflicher Leichtsinn dünken könnte, erscheint in anderem Licht, wenn wir uns der endlosen Leidensgeschichte dieses Volkes erinnern. Um ihretwillen müssen wir diese Charakterzüge als Zeugnis einer schier unverv^üstlichen Lebenskraft bewundern. Immer wieder ruht unser Blick mit Wohlgefallen auf den hohen, kriegerischen Gestalten der Serben und Serbokroaten, neben denen ihre schmächtigen, durch harte Arbeit früh gealterten Weiblein allerdings um so kümmerlicher ausschauen. Wir möchten daher die Hoffnung nicht auf geben, auch dieses Volk in den Wirtschafts- und Kulturbereich der europäischen Mitte zu bannen. Durch all den Schmutz,. 10 99 der aus dem Belgrader Konak geflossen ist und in den Gossen der Haupt- stadt zum Himmel stank, dürfen wir uns in unserem Urteil über die Serben nickt allzusehr bestimmen lassen, denn jene Hofkamarilla hat mit der eigent- ^ liehen Bauernbevölkerung des Landes nicht viel mehr gemein wie die weiß- gewaschenen Mätressen der Bourbonenkönige mit den grobfäustigen Fischern der bretonischen Felsenküste. Mit dem gleichen Hechte könnten wir in dem bulgarischen Komitadschi, dem blutgetränkten Helden der Bandenkriege, das Idealbild des bulgarischen Volkes suchen. Unsere Beurteilung der Balkanslawen und ihrer politischen Beziehungen leidet zumeist unter dem grundsätzlichen Irrtum, daß wir die Kluft zwischen ihnen ganz maßlos überschätzen und selten daran denken, daß ihren Sprachen eigentlich nur die Bedeutung von Dialekten zukommt. Unter solchen Um- ständen vermögen ein paar Schulmeister ganze Gaue vom Bulgarentum zur serbischen Nationalität zu bekehren, und wir können uns sehr gut vorstellen, daß ein Sohn serbischer Eltern, der Jahre hindurch als bulgarischer Komi- tadschi wirkte, sein Leben wieder als treuer Anhänger der Serben beschließt. Drastisch und treffend werden diese verworrenen Zustände der serbisch- bulgarischen Grenzgebiete in Türmers Tagebuch (Der Türmer, XY, 2. p. 210) geschildert: „Man frage nur einmal auf dem Markte von Üsküb, der „moralischen Hauptstadt Serbiens“, ein paar Dutzend Leute, welcher Nationalität sie sind. Man wird staunen. Da trifft man offenbare Albaner, die Serbisch zur Muttersprache haben und behaupten, sie seien Bulgaren, denn sie sind unter der Fuchtel der Popen des Exar- chats. Waschechte Bulgaren dagegen halten sich für reine Griechen, da sie die patriarchalische Kirche nicht verlassen haben. Auch findet man massenhaft unzweifel- hafte Serben, die sich für Albaner ausgeben, weil sie nämlich Moslim sind. Und so weiter. Die Begriffe der Konfession, der Sprache und der Rasse, von Nation ganz zu schweigen, gehen fortwährend durcheinander. Und wenn man bedenkt, daß wenigstens bis jetzt das Konfessionelle alles andere dominiert hat, so kann man sich einen Begriff davon machen, was (d. h. wie wenig) das Nationalitätsprinzip in diesem Wirrwar zu suchen hat.“ Das eifrige Lesen des eben angeführten Aufsatzes empfehlen wir auch allen denen, die sich gebärden, als ob das Vorgehen der Türken gegen die Armenier schlechterdings aus dem Hahmen alles Menschlichen herausfalle. Wenn sie hören, wie die Krieger der Balkanslawen in Saloniki und Cavalla hausten, wird ihnen vielleicht ein Verstehen dafür kommen, daß man auch auf diese Verhältnisse das Sprichwort anwenden darf: Wie man in den Wald hineinruft, schallt es wieder heraus. Das Volk der Balkanhalbinsel, das für den Anthropologen entschieden das anziehendste ist, sind die „Adlersöhne“ der westlichen Küstengebirge, die freiheitsstolzen Clans der Albanesen. Sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob sie Nachkommen der alten Thraker oder Illyrier seien, ist ein ziemlich müßiges Vergnügen, weil wir von den einen nicht viel mehr wissen als von den anderen. Jedenfalls stellen sie einen uralten Völkerrest dar und erinnern in der Hinsicht an die Basken der Iberischen Halbinsel und die Rhäter der n 100 Graubündener Alpen. Am reinsten haben sich die uralten Volksgebräuche der Albanesen, die Blutrache vor allem, bei den wilden Stämmen des Nordens, den rauhen Tosken, erhalten, während deren südliche Vettern, die Gegen, zum großen Teil hellenisiert worden sind. Am meisten pflegt unsere Lands- leute die Tatsache zu interessieren, daß sich hier wie auf Korsika und Sar- dinien noch heute die Sitte der Blutrache findet. Solange keine fremde Auto- rität in diesen Bergen Geltung gefunden hat, wäre deren Beseitigung auch kaum wünschenswert, denn die Furcht vor der Bessa ist bei dem gänzlichen Mangel staatlichen Kechtsschutzes in diesen Bergen das einzige Mittel, dem selbstsüchtigen Willen des einzelnen Schranken zu setzen. Eigentümlich ist die Stärke des albanesischen Nationalbewußtseins, das alle Unterschiede der Religion und Konfession, die bei den Balkanvölkern sonst eine so große Rolle spielen, zu überwinden versteht. In dieser Hinsicht möchte man diese armen, ungebändigten Gebirgssöhne unseren deutschen Landsleuten beinahe als Vorbild empfehlen. Ganz auf dem Irrwege ginge der, welcher die Albanesen wegen ihrer urväterischen Lebensweise für einen höherer Bildung unzugänglichen Men- schenschlag hielte. Die Knaben und Jünglinge dieses Volkes, die ich in Konstantinopel kennen lernte, bewiesen schnurstracks das Gegenteil, und wenn ich auf meinen Reisen und Streifzügen irgendwo einen Beamten traf, der mir durch seine geistige Regsamkeit und freie Männlichkeit auffiel, hörte ich nachher beinahe regelmäßig, ich hätte einen Albanesen vor mir gehabt. Wer sich für die Albanesen besonders interessiert, der mag zu den Schriften des österreichischen Ingenieurs Karl Steinmetz greifen (Wien; Hartleben s Verlag), durch deren Herausgabe sich Dr. Patsch, der rührige Kustos des Bosnischen Landesmuseums, ein rechtes Verdienst erworben hat. Leider verbietet es uns die enteilende Zeit, noch bei den Rumänen zu ver- weilen, die ja um der geographischen Lage ihrer Wohnsitze willen nur bedingungsweise zur Balkanhalbinsel gehören. Nur das eine möchten wir her- vorheben, daß wir in den frisch gefirnißten Herrchen der Boulevards von Bukarest sicherlich nicht, wie sie selber zu glauben vorgeben, die rechten Enkel der Zamasieger vor uns haben, denn zu den Zeiten, als dieses Land besiedelt wurde, hatte Italien schon längst keine überschüssige Volkskraft mehr abzugeben. Die Ahnen der heutigen Rumänen, auf welche die romani- schen Bestandteile ihrer Sprache zurückgehen, waren nur Provinzialen, das heißt: ein durch die wildeste Rassenkreuzung entstandener Menschenschlag, dessen Blut wohl ein „besonderer Saft“ war, aber nicht in dem Sinne, wie die ahnenstolzen Neurumänen glauben. Viele Begriffe, mit denen wir unsere Zuhörer vertraut machen wollten, sind (wie z. B. der Begriff Alarodier) von so komplizierter Art, daß man Bücher schreiben müßte, um sie auch nur einigermaßen zu erschöpfen. Darum dürfte es uns auch kaum gelungen sein, unseren Stoff in wirklich klare Beleuchtung zu rücken. Wir wollen zufrieden sein, wenn wir ein Interesse für Fragen 12 101 geweckt haben, die unser Volk in seiner tausendjährigen Geschichte niemals so nahe angingen wie heutzutage. Die größte Freude würde es uns aber bereiten, wenn in dem einen oder anderen der Wunsch keimen würde, in der Friedenszeit, die doch einmal beginnen muß, jene Länder und Völker selbst zu besuchen. Er wird dabei auf seine Rechnung kommen, mag er in Serbiens Gebirgstälern im Schatten alter Eichen dem rauschenden Bergwasser ent- gegenwandern oder im raschen Kajk auf des Bosporus durchsichtiger Flut an schimmernden Palästen vorübergleiten, umhaucht vom schweren Duft der blühenden Akazien. Wanderers Heil! 102 Die geographischen Bedingungen des west- preußischen Landschaftsbildes. Von Fritz Braun in Dt. Eylau. Das Wort „Landscliaftsbiid‘‘ klingt gar ungelehrt, sozusagen dilettanten- haft. Ernste Männer dürften leicht auf den Gredankeu kommen, die Dinge, um welche es sich bei diesem Begriffe handelt, könnten nur wesenloser Tand sein, glitzernder Zierat, die den Kern und das Wesen der erdkundlichen Wissenschaft kaum berühren. Wenn wir uns die Sache aber reiflich über- legen, werden wir wohl bald anders denken. Mitunter vertiefte ich mich vor längeren Reisen geraume Zeit in das Schrifttum über diese oder jene Gegend, die ich unterwegs besuchen wollte, so daß ich mir eine ziemlich genaue Kenntnis von ihr verschafft zu haben glaubte. Wenn ich dann aber mein Ziel erreichte, traf ich oft genug anstatt eines alten Ereundes einen völlig Unbekannten. Das lag nur daran, daß ich trotz aller Einzelkenntnisse keine rechte Vorstellung von den I.andschafts- bildern des betreffenden Gebietes gewonnen hatte. Ein eigenartiger Gau ist eine Persönlichkeit so gut wie ein großer Mensch. Auch das Wesen eines großen Mannes in seinem Bildnis richtig darzustellen, ist eine schwere Kunst. Da macht sich wohl ein Maler daran und bringt ein Bild zustande, das in allen Einzelheiten mit dem Gegenstände, den es darstellen soll, übereinzustimmen scheint. Wenn wir dann aber zurück- treten und das Ganze mit einem Blick überschauen, müssen wir kopfschüttelnd einräumen, es fehle etwas, es sei dem Künstler nicht gelungen, die Seele dessen einzufangen, den er auf die Leinwand bannen wollte. Bei manchem erdkundlichen Buch haben wir ähnliche Empfindungen. Es verschafft uns wohl eine Menge einzelner Kenntnisse, aber wenn wir es schließlich zuklappen, müssen wir uns trotz alledem gestehen: das Land, welches es uns schildern wollte, sei uns in seiner tiefsten Eigenart, in seinem persönlichsten Wesen beinahe noch ebenso unbekannt wie vorher. Dabei bewährt es sich eben, daß der Erdkundige nicht nur Gelehrter, sondern auch Künstler sein muß. Noch immer warten wir beispielsweise auf eine Landeskunde von Deutsch- land, die uns voll zu befriedigen vermöchte. Gerade in den letzten Tahren sind eine ganze Beihe solcher Bücher erschienen. An dem einen rühmt man 1 103 ‘diese, an dena anderen jene Vorzüge, aber immer wieder kommt man dock zu dem Scblrusse: das solange ersehnte Bueli über unser Vaterland sei uns noch immer nieht beschert worden. An Gelehrsamkeit fehlt es den Verfassern nicht, w'ohl aber an der künstlerischen Fähigkeit, viele Einzelzüge so zusammen- zufügen, daß sie in ihrer Gesamtheit die tiefste Eigenart geographischer Indi- viduen überzeugend und lichtvoll wiedergeben. Nicht ohne guten Grund spüren unsere Fachgenossen schon längst nach erdkundlichen Darstellungen in den Werken der Dichter. Wer vermöchte ein erdkundliches Buch zu nennen, das die Seele der böhmischen Bergwälder getreuer widerspiegelt als AdalbertStjf'I'ERs schlichte Novellen? Und welcher Erdkundige hätte uns das Leben und Weben der Naturkräfte an den schimmernden Gestaden des Mittel- meeres unmittelbarer, tiefer empfinden lassen als Joniens ewiger Sänger? Es versteht sich von selbst, daß auch die größte Dichtung des erdfreu- digsten Künstlers nicht schleohthin als erdkundliches Buch gelten kann, aber ebenso steht es auch fest, daß nur der in unserer Wissenschaft das Höchste zu erreichen, fast möchten wir sagen, zu erfliegen vermag, dem wir des Künstlers Namen zubilligen müssen. Natürlich sollten wir die Anforderungen, die wir in dieser Hinsicht an den Erdkundigen stellen, schon aus äußerlichen Gründen je nach seiner Auf- gabe sehr verschieden bemessen. Ein anderes ist es, wenn er den Gau zu beschreiben hat, in dem seine Wiege stand, ein anderes, wenn er sich anheischig macht, einen ganzen Erdteil zu behandeln. Tausend Stimmen reden zu mir, wenn ich die anmutigen Gefilde zeichnen soll, die ich als Knabe durch- wanderte, während ich nur fremdes Licht zurückzustrahlen vermöchte, wenn ich die Erhabenheit der Wüste dem Leser fühlbar machen sollte. Aber ebenso wie sich ein berufener Historiker in die Seele von Männern versetzen kann, ■deren Staub die Winde längst verweht haben, so vermag auch der rechte Erdkundige die landschaftliche Eigenart solcher Erdräume zu begreifen, die sein körperliches Auge niemals erschaut hat, gerade so, wie unserem Schiller der Genius des Hochgebirges nahe war, obschon er nimmer der Berge Gipfel- riesen erblicken durfte. Nicht die Natur allein bietet uns die Bestandteile, welche in dem Begriff der Landschaft vereinigt werden. Auch bei der menschlichen Persönlichkeit verhält sich ja die Sache in mancher Hinsicht ganz ähnlich; brauchen wir doch nur Namen wie Friedrich der Große und Napoleon auszusprechen, um sogleich zu fühlen, daß selbst so beiläufige, an sich so wesenlose Dinge wie die Tracht eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Ausprägung des Persönlichen gewinnen können. So gehören zum Begriff der Landschaft auch alle Werke des Menschen, die Brücke, wielche den Strom überspannt, die Wohnstatt, welche ihm Obdach bietet, der Tempel, dessen gen Himmel strebender Turm uns daran erinnert, daß nicht nur Irdisches auf Erden waltet. Wo diese Werke des Menschen verändert werden, ändert sich auch das Lan»d- schaftsbild. Wollen wir uns heute die Landschaft des alten Mesopotamiens, 9 104 des meerbeheirrscliendeii Karthagos vergegenwärtigen, so erbietet sich nur die- Phantasie als Führerin. Und nicht Jahrtausende sind erforderlich, um ein Landschaftsbild merklich zu verändern. Als ich anno 1912 wieder einmal wochenlang den DanzigeT Uau durohwandierte, den ich nur zwölf Jahre vorher verlassen hatte, fand ich meine alte Heimat nicht wieder. Zwischen dem^ Karlsberg und den Pelonker Höhen kreuzten sich die Straßen einer mir unbekannten Stadt, auf hohem Damm schnob das Dampfroß durch des Wer- ders grüne Triften, und die stille Schuitenlake, wo dereinst unser schwanker Kahn fast im Entenflott stecken blieb, war zu dem breiten Kaiserkanal geworden, an dessen Steinböschung die Bugwelle mächtiger Seedampfer unwillig emporschäumt. Im allgemeinen ist die Wandelbarkeit des Landschaftsbildes um so* größer, je mehr es den Namen der Kulturlandschaft verdient. Über die Wüsten Afrikas und die entlegenen Wälder des nördlichen Kanadas mögen Jahr- tausende dahingehen, ehe sich das Antlitz des Landes wesentlich verändert, während in alten Kulturländern schon die Einführung einer neuen Feldfrucht das ganze Landschaftsbild merklich zu beeinflussen vermag. Für gewöhnlich sind die Erdräume, deren Landschaftsformen ein einzelner genauer kennen lernt, nicht allzu groß. Das Thema, das uns heute beschäftigt, würde ich nur hinsichtlich meiner westpreiußischen Heimat und der Gestade des Marmarameeres zu behandeln wagen. Wenn ich jemals Gefahr laufe, meine Kenntnis anderer Gebiete zu überschätzen, brauche ich nur eine genaue Karte zur Hand zu nehmen und mir etwa die Frage vorzu- legen: „Wie mag dieses Bachtal aussehen?, welchen Anblick wird jener Markt- flecken gewähren?, wie müssen jene* Teiche das Landschaftsbild beeinflussen?“,, dann dauert es zumeist nicht allzu lange, bis ich zu der Überzeugung gelange.^, es sei vermessen, mich als Kenner des fraglichen Gaues aufzuspielen. Es ist eine alte Erfahrung, daß der Lehrling die Aufgaben seines Berufes oft für leichter hält als der Meister. So würde sich wohl mancher Dilettant, dem wir die Aufgabe nennen, welche uns heute beschäftigen soll, in gutem Glauben zu der Ansicht bekennen, es dürfte doch wohl nicht schwer sein, dieses engumgrenzte Thema erschöpfend zu behandeln, zumal, da West- preußen eine eigentlich recht einförmige Bodengestalt besitze. Der Fach- mann, der in der erdkundlichen Beschreibung dieses Erdraumes eine seiner wichtigsten Lebensaufgaben erblickt, kennt die tausend und aber tausend Fältchen und Kunzeln, die das Antlitz der Heimat durchziehen und ihm erst in ihrer Gesamtheit seinen bezeichnenden Ausdruck verleihen, viel besser. Erklärlicherweise wird der Erdkundige, der uns die Landschaftsformen irgendeines Gebietes! schildern soll, um so mehr gemütlichen Anteil an seiner Aufgabe nehmen, je näher das betreffende Land seinem Herzen steht. Daraus möchte ich beispielsweise folgern, daß nur der eine rechte Heimatkunde zu schreiben vermag, welcher in dem Gau, den er uns vor Augen führen soll, selber Heimatsrecht besitzt. Sollte ich heute nach Westfalen gehen, um ein 3 105 solches Buch zu schaffen, so könnte durch meiine Arbeit ein Werk Zustande- kommen, das vom erdkundlichen Standpunkte aus diesen oder jenen Vorzug^ besäße, aber das, was man letzten Endes unter einer Heimatkunde verstehen soll, würde es schwerlich w^erden. Erst wenn ich Jahr und Tag in jenem Gebiet gelebt und sein Genius in Sommerpracht und Wintersturm zu mir gesproohen hätte, wäre ich vielleicht in der Lage, den Söhnen der roten Erde ihre Heimat recht zu schildern, das heißt mit Worten, die sich an ihren Ver- % stand wenden und doch das Herz rascher und wärmer schlagen lassen. Das eine wollen wir also bei dieser Gelegenheit feststellen, daß eine richtige^ Heimatkunde nicht nur vom logisch-wissenschaftliohen, sondern auch vom ästhetischen Standpunkte aus gewürdigt werden muß. Ebenso wie ich mich wohl entrüstet von dem Arzte abwenden möchte, der mir ein Bild meiner Mutter nur von physiologisch-anatomisohen Gesichtspunkten aus zeichnen wollte, ebenso sollte ich auch dem den Laufpaß geben, der mir die niütterliche Scholle zu schildern unternähme und ein Werk zustandebrächte, an dem Gefühl und Gemüt, Phantasie und Naturliebe, und wie diese guten Geister der Menschheit alle heißen mögen, keinerlei Anteil besäßen, bei dessen Nieder- schrift die Grazien schamhiaft ihr Haupt verhüllten. Ehe wir uns den einzelnen Landsichaftsformeii zuwenden, die wir in unserer Heimatprovinz finden, dürfte es sich empfehlen, auch die meteoro- logisohen Einflüsse, alleis das, was wir unter dem Namen Klima zusammen- fassen, kurz zu streifen, da dessen Bedeutung für die Pflanzenwelt und damit auch für das Landschaftsbild wohl unbestritten ist. Die Aufgabe, das Klima Westpreußens zu schildern, ist um so reizvoller, da wir uns hier in einem Übergangsgebiet befinden. Gerade in unserem Weichsellande verschwinden eine Kieihe von Pflanzenformen, die dem Deut- schen sonst wiohl vertraut sind, und andere treten an ihre Stelle, die uns die Nähe der ungeheuren russisohen Landmasse ahnen lassen. Überkommen uns dabei nicht ähnliche Gefühle, als wenn wir von dem Sommer in den Herbst hineinpilgern? Nirgends begegnet uns eine schroffe Grenzlinie, kaum jemals haben wir das Gefühl, nun liege das Alte abgeschlossen hinter uns und mache dem Neuen Platz, und doch fühlen wir uns inmitten einer großen Entwickelung, die sich mit logischer Folgerichtigkeit vollzieht. Ebenso scheint uns auch das Neue mitten im Alten entgegenzutreten, wenn wir zum ersten Male den Flötenruf des Karmingimpels hören oder im winter- lichen Walde einen Flug großer, zur östlichen Form gehöriger Dompfaffen beobachten, und mit ähnlichen Gefühlen schauen wir vom Rain der großen Buchenwälder des Elbinger Oberlandes gen Osten, wo andere Hölzer diesen adligen Waldbaum ersetzen müssen. Gerade in solchen Übergangsgebieten, wie deren Westpreußen eines ist, muß man für örtliche Eigentümlichkeiten des Landschaftsbildes weniger die geringen Unterschiede in der Wärmeverteilung als vielmehr die größere oder geringere Güte des Bodens, den besseren oder schlechteren Windschutz, den 4 106 Terscliiedenen Einfallswinkel der Sonnenstrahlen und ähnliches mehr verant- wortlich machen. Ebenso wie am Golf von Ismid dürftige Heiden und Haine sturmgekrümmter Eichen, die uns fast nordisch anmuten, nur wenigo tausend Schritt von den Olivengärten der Küste entfernt sind, finden wir auch bei uns in Westpreußen dicht neben prächtigen Waldgründen, in denen licht- durchflutete Hotbuchen blumige Wiesen freundlich umhegen, steinübersäte Halden, auf denen nur Besenginster, Heidekraut und Birkengebüsch ihr Dasein fristen, und kaum haben wir den Rand der blumenreichen Weichselparowe erstiegen, so gelit’s vielleicht quer durch ein Roggenfeld, des'sen sandige Halden dem Pflüger mitunter kaum das Saatgut zurückerstatten. Unter solchen Umständen müssien wir stets auf der Hut sein, damit wir nicht das Klima für Dinge verantwortlich machen, die in Wirklichkeit auf ganz andere unauffällige, örtliche Gründe zurückgeführt werden müssen. Um solcher Ver- suchung nicht zu erliegen, wollen wir beispielsweise stets dessen eingedenk bleiben, daß die empfindliche Rotbuche keinen Teil unserer Provinz, auch nicht die höchsten Punkte des kassubischen Berglandes, aus klimatischen Gründen meidet. Von großem Einfluß auf das Landschaftsbild Westpreußens ist auch die Tatsache, daß in unserer Heimat zwei Formen des Klimas miteinander in beständigem Kampfe liegen und bald die ozeanische Witterung Westeuropas, bald das Landklima Rußlands das Feld behauptet. Deshalb dürfen wir einem Westdeutschen, der an den Weichselstrand reist, kaum bestimmte Angaben darüber machen, wie es bei seiner Ankunft in der Ostmark aussehen werde. Bald herrscht dort, wie in diesem Jahre (1918), schon in den ersten Tagen des Mai eine solche Dürre, daß wir glauben möchten, es sei Hochsommer, bald dauert in einem regenreich eren, kühleren Frühling die frische Lenz- stimmung bis tief in den Juni hinein. Wer die Weichselwerder nur an den regenschweren Tagen eines feuchten Hochsommers kennen lernte, wird sie in den glühenden Juliwochen eines dürren Jahres kaum wiedererkennen, wenn die Lehmschollen der Landstraßen unter der Hitze barsten und die staub- erfüllte Luft es der Sonne leicht macht, Abend für Abend ein herrliches Feuerwerk hervorzuzaubern. Und im Winter muß man auf ähnliche Unter- schiede gefaßt sein. Bald glitzert schon im Kovember die Schneedecke im hellen Strahl der Wintersonne, bald finden wir noch im Januar Bilder, wie ^^ie für den Spätherbst bezeichnend sind, Landschaften, deren auffälligsten Farbton ein sattes, aber mißfarbenes, nur von Nässe und Verwesung kün- dendes Grün bildet. Es ist merkwürdig, daß gemeinhin bei der landschaftlichen Schilderung einer Gegend die atmosphärischen Vorgänge, die für sie bezeichnend sind, entweder gar nicht gewürdigt oder doch nur ganz einseitig geschildert werden, obgleich jeder Maler weiß, daß erst die Luftstimmung einer Gegend ihr bezeichnendes Gepräge zu verleihen pflegt. So unterlassen es Reisende, welche 'das tiefe Blau des griechischen und italienischen Himmels preisen, fast immer, /> 107 liinzuzufügen, daß die Wolkengebilde dort iim so reizloser sind. Während 'der langem Zeit, die ich am Bosporus zubrachte, erlebte ich nur ein einziges 'Gewitter, bei dem sich schöngeformte Haufen wölken über den üferbergen der Meerenge hoch und wuchtig emportürmten, ein Schauspiel, das die Culmer und Graudenzer zuzeiten beinahe Tag für Tag genießen können. Ob sich -aber jemals einer dessen bewußt wird, daß diese Erscheinungen eine aus- zeichnemde Eigentümlichkeit seiner Heimat sind, mit der ihm manche schönere Zone nicht aufzuwarten vermag? — Leider gilt auch hier das Bibeiwort, daß -dem gegeben werden soll, der sich schon reicher Habe erfieut; finden wir Hoch die schönsten Wolbengebilde an den Ufern der breiten Ströme und blauen Seen, während über den eintönigen Halden der weiten Sandgebiete der Himmel solche frohen Farbenspiele weit seltener zum besten gibt. Auch der Maler sollte sich dies gesagt sein lassen! Wenn er über den Zinnen und Söllern der Marienburg Wolken über Wolken türmt, zwischen denen nur hier und da ein breiter Lichtstrahl zu den rotear Ziegeln herniedergleitet, wenn er den schlanken Himmelsweiser des Danziger Ratsturm es auf dem schnee- weißen Hintergrund leuchtender Sommerwolken zeichnet, gleicht er nicht einem findigen Kopfe, der nach billigen Wirkungen hascht, sondern er zeigt uns gerade auf solche Weise Bilder, wie sie für unsere Heimat bezeichnend sind. Nur auf Unterschiede in dem Zustande der Atmosphäre ist es bisweilen zurückzuführen, daß dieselbe westpreußische Landschaft auf verschiedene Besucher einen ganz verschiedenen, ja geradezu entgegengesetzten Eindruck macht. Sie können bei solcher Lage der Dinge mit ihrem Urteil beide recht haben. Hättest du den Geserich-See bei Dt. Eylau immer nur an klaren Frühlings- und Herbsttagen geschaut, wenn der Blick fast unbegrenzt ist und die fernsten Gegenstände zwnr kleiner, aber kaum undeutlicher erscheinen als die nächste Nachbarschaft, so möchtest du dieselbe Landschaft an einem 'dunstigen Sommertage, wo alles einander nähergerückt ist und die Ferne in weißgrauem Schimmer verfließt, kaum wiederzuerkennen. Dabei wollen wir eigens hervorheben, daß nicht etwa sogenanntes ,, schlechtes Wetter^' für alle Landschaften auch in gleicher Weise eine ungünstige Stimmung zu bedeuten braucht. So erscheinen beispielsweise die Täler des pommerelli- schen Waldgürtels zwdschen Oliva und Lauenburg bei einem warmen Sommer- regen in der tauigen Frische ihrer schwellenden Laubmassen mitunter noch anmutiger als sonst, während die Kiefernkusseln der Sandirhalden bei solchem Wetter oft geradezu trostlos ausschauen, obgleich auch diese Landschaft ihre ‘eigenartige Schönheit besitzt, wenn der tiefblaue Sommerhimmel, der licht- gelbe Sand und die blauschwarzen Kiefern ebenso farbenfrohe wie eindrucks- volle Gemälde liefern. Aber mag der Einfluß, den Wind und Wetter, den Sonnenschein und die wandernden Wolken auf die Landschaftsbilder ausüben, noch so groß sein, viel wichtiger ist natürlich die Oberflächengestalt der Erde selbst, müssen wir doch mit ganz anderen Voraussetzungen rechnen, je nachdem wir uns 6 108 in dem Gebiete der Endmoräne, im Bereioli der Griindmoränen, auf den ein- tönigen Halden der Sandirflächen oder auf dem Schwemmlande der großem Ströme befinden. Während wir in den Endmoränen, aus tiefen Tälern zu stattlichen Hügeln emporsteigen und oft Mühe haben, das Gewirr von Schluch- ten und Bergrücken zu entwirren, das auf den Raum weniger Quadratkilo- meter zusammengedrängt ist, wandern wir im Bereich der Grundmoräne' in leicht gewelltem Lande, das aber recht anmutig sein kann, wenn allerorten buchtenreiche Seen auf blitzen und ährenschwere Getreidefelder von der schattigen Chaussee *bis zum Raine des Buchenwaldes emporsteigen. Selbst in den Sandirgebieten wirst du manch lohnendes Ziel finden, wenn du dich einem ortskundigen Führer anvertraust. Der ist sich sicherlich darüber klar, daß dort der Wald in landschaftlicher Hinsicht lange nicht die Bedeutung hat wie in den Moränengebieten, wo infolge des ausdrucksvollen Bbdenreliefs fast jedes größere Waldrevier seine eigenartigen Reize besitzt. In den Sandirgebieten sind die Wälder viel dürftiger ausgestattet, und in manchem 40 — 50 qkm großen Kiefernbestande läßt sich kaum etwas anderes er- wandern als die Erkenntnis, daß ein Revier des Heidewaldes dem nächsten aufs Haar gleicht. Deshalb wird hier der Wanderer, wo es nur irgend angeht, die Ufer der raschen Heideflüßchen aufsuchen, die in laubreichem Tal — Birken und Erlen sind ihre getreuen Begleiter — in anmutigen Windungen dahinströmen, bald blumenreiche Wiesen mit mächtigen Flußbogen um- spannend, bald über riesige Felisblöcke unwillig hinwegbrauseud, bald zäh und eigenwillig an dem gelben Steilufer nagend, von dem erst in der letzten Nacht eine junggrüne, lebenslustige Birke hinabstürzte. Welcher nordostdeutsche Geograph hätte sich nicht schon über jene Leute geärgert, die immer wieder von der norddeutschen Tief ebene sprechen und so in manchem Hirn die Vorstellung wecken, unsere Heimat sei so eben wie eine Tischplatte und gleiche darin etwa den Fußten Ungarns oder den Fruchtgefilden der Lombardei. So kommt es denn, daß mancher Westdeutsche, der die Kassubei oder die Elbing*er Höhe besucht, sich nicht minder über- rascht fühlt wie der Westpreuße, der zum erstenmal ins deutsche Mittel- gebirge gereist ist. J enem ist die Landschaft in der Tiefebene nicht flach genug, und dieser sucht im Mittelgebirge vergeblich nach den himmelhohen Bergen, die ihm seine Einbildungskraft ehedem vorspiegelte. Bei dieser Gelegenheit verlohnte es sich wohl, die Frage aufzuwerfen,, ob man überhaupt von westpreußischen Bergen sprechen dürfe. Mit einem rein mathematischen Maßstab kommt man dabei nicht aus. Der hinter- IDommersche Revekol, der vom Ufer des Garder Strandsees sogleich zu 115 m Höhe ansteigt und stundienlang in dem Gesichtskreis des Schiffers bleibt, der auf raschem Dampfer an der Küste Pommerns entlang fährt, verdient den Namen eines Berges sicherlich mindestens ebensogut wie manche Erhebung des deutschen Mittelgebirges, die trotz ihrer 700 oder 800 m Meereshöhe' doch nur einen recht unbedeutenden Buckel auf einer ausgedehnten Hoch- 109 fläche bildet. Gerade in der Erdkunde darf man nie vergessen, daß alle Erscheinungen im Verhältnis zu ihrer Umgebung gewürdigt werden müssen. Jene Birkenbeistände Islands, die der Reisende ausführlich beschreibt und auf zahlreichen Lichtbildern festzuhalten sucht, würden, wofern sie in Schoti- land oder Norwegen wüchsien, keinerlei besondere Beachtung finden, und von der Schneiekoppe möchte um ihrer Höhe willen niemand viel Wesens machen, wenn sie zu den Vorbergen der bayerischen Alpen gehörte. So bedeuten auch für uns Erhebungen wie der Turmberg oder die Elbinger Höhe ganz etwas anderes wie für den Bewohner Mitteldeutschlands. Außerdem sollte sich .jeder, der die Landschaftsformen eines bestimmten Gebietes zu schildern versucht, nach Möglichkeit an die Bezeichnungen halten, die bei seinen Be- wohnern gang und gäbe sind. Wollte ein Geograph, um sich nicht an den allgemeinen Begriffen der physikalisichen Erdkunde zu versündigen, unsere westpreußischen Berge in Hügel umtaufen, so käme er mir ebenso närrisch vor wie ein Mann, der aus gleichem Grunde das Steinhuder Meer zum „See“ machen wollte. Unserem westpreußischen Landvolk ward man seine ,, Berge“ doch nie- mals rauben. Eür diese Menschenkinder, die gemeinhin auf der Scholle der Heimat ihre Erdenpilgerschaft beginnen und abschließen, bedeuten Höhen, wie wir sie bei Brentau und Ostritz, bei Elbing und Fiedlitz finden, etwas nie ÜbertrofFenes. Als halbwüchsiger Junge belauschte ich einmal das Gespräch von Landleuten, die vor mir her von Pietzkendorf in den Bren- tauer Kessel hinabstiegen. Es drehte sich darum, ob in Amerika, wohin Ver- wandte von ihnen ausgewandert waren, wohl auch solche „Gebirge“ zu finden wären. Diese Frage wurde nach allen Seiten erörtert und beleuchtet, konnte jedoch schließlich nicht in einer Weise gelöst werden, die allgemeine Billi- gung gefunden hätte. Ebenso pflegte ein alter Ohm von mir, der Sonntags gern über Dreilinden und Mattemblewo nach Oliva pilgerte, dieses Vorhaben mit der Bemerkung anzukündigen, daß er ins „Gebirge“ wolle, wobei die Bemerkung nicht nur scherzhaft gemeint war. Daß wir Westpreußen nicht von Bergen reden dürfen, wenn wir uns an die Regel halten wollen, diesen Ehrennamen nur solchen Punkten zu geben, die mehr als 500 m Meereshöhe haben, ist ja klar; es fragt sich nur, ob die Heimatkunde und ihre Vertreter sich an solche Bestimmungen halten sollen. Mir für meine Person gilt in solchen Fällen der Sprachgebrauch der Menschen, für die ich Heimatkunde schreibe, mehr als das allgemeine Gesetz, und ich sehe lieber ihnen „aufs Maul“ als in die Tabellen gelehrter Bücher. So möchte ich denn auch behaupten, daß es in Westpreußen der Berge genug gibt, das heißt solche Punkte, die hoch genug sind, um weithin sichtbare Landmarken zu bilden, und sich so entschieden über ihre Umgebung erheben, daß wir ein ziemliches Maß von Arbeit zu leisten haben, um ihren Gipfel zu ersteigen. Nicht alle Königsberger sah ich in meiner Studentenzeit lachen, wenn ihnen am Fuße des Galtgairbens, der seinen Sockel vielleicht um 60 m überragt, eigens Berg- 8 110 stocke angeboten wurden und auf den Sebildern der Wegweiser woblgeraeinte Knüttelverse die Freuden und Bescliwerden des Bergsteigens sebilderten. ln Westpreußen finden wir Berge, deren relative Höbe wohl dreimal so groß ist.. Um 170 m überragt der Turmberg den Spiegel des Ostritzsees, in der Elbinger Höhe ist die 100 m-Linie mitunter keine halbe Stunde vom Half entfernt, und auch die Uferberge der Weichsel können mit relativen Höhen aufwarten,, vrelche jene des Graltgarbens wesentlich übertreffen. Noch heute ist es mir in der Erinnerung, wie ich dereinst als Quintaner- lein von Klein Katz her, d. h. von der Landseite aus, zu dem Vorgebirge von Adlershorst emporgestiegen war und plötzlich in die Tiefe hinabschaute, wo die Menschen am schmalen Uferpfade so winzig klein wie Käfer hin- und herkrochen. Erst als ich fünfzehn Jahre später mit Ränzel und Stab in die Klamm des bleinasiatischen Sakariaflusses hineinwanderte, kam mir die Tat- sache, daß unsere Mutter Erde eigentlich ein recht runzliges Antlitz habe, wieder einmal mit gleicher Stärke zum Bewußtsein. Deshalb wollen wir Erhebungen wie den Turmberg, die Waldberge im Norden des Schmelztales, den Graudenzer Schloßberg oder den Nawraberg am Rande des Drewenztales ruhig als Berge gelten lassen, schon um dem deut- schen Sprachgebrauch und dem Begriffskreise unserer westpreußischen Lands- leute keine Gewalt anzutun. Wie scharf das Relief unserer Heimat stellenweise herausgearbeitet ist, wird uns in den Wäldern, die der Wanderer mitYorliebe auf sucht, viel weniger klar als im waldlosen Hügelllande. Macht doch das Danziger Gelände^ kaum irgendwo einen so gebirgigen Eindruck wie in dem Brentauer Talkessel, der dem Danziger den Cirque de Gavarnie schlecht und recht ersetzen muß, und auch in anderen Gegenden sammeln wir gleiche Erfahrungen. Im Gwisdzyner Busch und im Westen des Bismarckberges finden wir im Neumärker Gau ganz ähnliche Höhenunterschiede, aber während dort in dem laubreiichen Revier alle Falten gemildert und geglättet erscheinen, klaffen hier die Täler wie tiefe, offene Wunden. Wirken doch auch Kliffküsten am Meer und Steil- ufer an den Flüssen viel gewaltiger, wenn das nackte Erdreich am Abhang zutage tritt. Um das zu erkennen, braucht man nur das Weichselufer bei Böslershöhe mit den Bingsbergen und die Steilküste bei Adlershorst mit dem Haffufer bei Reimannsif elde zu vergleichen. Fast könnten wir uns denken, daß ein Landschaftsgärtner, der im westpreußischen Hügetlande die Abhänge eines Tales in einen waldartigen Park verwandeln sollte, absichtlich mit nicht unerheblichen Kosten eine steile Lehmwand hervorzauberte, um seinem Park einen größeren, heroischeren Zug zu verleihen. Weit häufiger als einzelne Berge, die sich nach allen Seiten entschieden abheben, sind auch in unserer Heimat Berglehnen, die sich meilenweit in der Landschaft verfolgen lassen. Ihr Dasein haben diese Berglehnen wohl ausnahmslos dem Wassier zu verdamken, mögen sie nun der Erosionsrinne eines Stromes das- Geleit geben, einem tiefeiRgeschnittenen Rinnensee folgen 9 111 oder ihren Fuß in den Wogen der Sete oder des Haffs benetzen. Ja, man möchte fast sagen, je tiefer man selber hinabsteigt, desto bergiger erscheint einem das westpreußische Land. Wie eintönig dünkt uns nicht auf weiten Strecken das Grelände zu den Seiten der Eisenbahn, die von Könitz nach Schneidemühl führt, obgleich uns die Höhenmarken an den Stationsgebäuden recht ansehn- liche Werte angieben, und wie prächtig nehmen sich nicht die Bergreliefs zu beiden Seiten der Weichsel aus, wenn wir in kaum 30 m Meereshöhe auf der Kuppe des mächtigen Dammes von Graudenz gen Culm pilgern! Wenn ich fröhlicher Jugendtage gedenke und die lockende Weise: „Wohlauf, die Luft geht frisch und rein“ in mir widerhallt, denke ich dabei sicherlich an eine westpreußische Landschaft, deren anmutiger Hinter- grund von einer jener grünen Berglehnen gebildet wird, die' für unsere Heimat so bezeichnend sind, mögen es nun die waldigem Höhen Pelonkens sein oder der grüne Hang zwischen Neustadt und Lauenburg, mag es sich um die Trunzer Berge am Frischen Haff oder um die freundlichen Waldhänge bei Rehhof und Rachelshof handeln. Im allgemeinen wird von unseren Landsileuten die landschaftliche Be- deutung des Weichseltals sehr unterschätzt. Sicherlich gibt es in Westpreußen Landschaften genug, welche durch eigenartige Reize manche Abschnitte des Weichseltales weit in den Schatten stellen. Ob diese Behauptung wohl jemand bezweifeln möchte, der von ragender Bergeshöhe in die dämmerige Nacht der Waldtäler blickte, welche die Cadiner Rehberge in ein geheimnisvolles Labyrinth verwandeln? Ob der ihr widersprechen würde, der auf raschem Dampfer zwischen den Waldufern des Geserich dahinglitt oder sich am Strande des Ostritzsees neben uns in den Sand bettete, wenn die Morgensonne ihre Strahlen zu den stillen Waldtälern herniederfluten läßt, hinter denen groß und düster der Turmberg aufsteigt? — Wir glauben es kaum, und doch vermag es keine jener Landschaften' an Würde, fast möchten wir sagen an menschlicher Größe mit den Glanzpunkten des Weichseltales aufzunehmen, weil dem breiten, von waldigem Höhen begleiteten Tale des großem Stromes außer den Reizen der Natur auch noch jener, nie völlig zu ergründende Zauber eigen ist, der sich von dem Begriff der Kulturlandschaft nicht trennen läßt. Wie wir mit einem wirklich bedeutenden Menschen Jahr und Tag Zusammenleben möchten, ohne seiner je überdrüssig zu werden, so können wir auch im Weichseltal von Thorn bis Danzig pilgern, ohne je auszurufen, es sei doch immer dasiselbe, denn wenn auch das Wesen der Landschaft stets das gleiche bleibt, so verleihen ihr doch unzählige kleine Züge, die nie wieder- kehren, immer neue Reize, und mag die natürliche Lage der Weichselstädte sich mitunter noch so ähnlich sehen, 'so sind sie alle doch Individuen und Persönlichkeiten, die nie wiederkehren; Culm ist nicht Neuenburg und Grau- denz nicht Marienwerder; ja selbst Dirschau und Marienburg, die Brücken- köpfe der Weichselniederung, sind einander so unähnlich, wie es Geschwister- nur eben sein können. 10 112 Nicht minder wie die Bodenform geht den, welcher sich mit den Land- schaftsformen Westpreußens vertraut machen möchte, die Waldverteilung in diesem Grebiete an. Gerade über den Einfluß des Waldes auf die norddeutschen Landschaftsformen habe ich mich schon des öfteren ausführlich ausgelassen, zuletzt in dem Jahrgang 1917 von Hettners „Geographischer Zeitschrift“. Es ist aber mit diesen Dingen eine eigene Sache. Es handelt sich dabei um so unzählige Erscheinungen, daß man, mochte man es sich auch noch so sauer werden lassen, später beim Lesen solcher Arbeiten immer das Gefühl hat, es handele sich dabei nur um eine Einleitung, und man müsse sogleich wieder zur Feder greifen, um den Stoff weiter auszuspinnen. Zweifellos besitzt gerade Westpreußen, das noch im Bereich der Rotbuche liegt und gleichzeitig auch schon manche Annäherung an nordöstliche Waldformen zeigt, einen erstaun- lichen Reichtum an wesens verschiedenen Waldbildern. Auf den Neustädter Bergen spannen ungeheure Rotbuchen ihre Laubgewölbe über den bescheidenen Wallfahrtskapellen aus, und schon im Bankauer Forst findet der Danziger große Bestände mächtiger Kiefern, welche ihm die eigentümliche Schönheit 'dieses Waldbaumes so recht vergegenwärtigen. Nicht weit von den lichten Birkenwäldern im Ossatal finden wir tiefdunkle Fichtenhaine, in deren näch- tigem Schatten zur Hochsommerszeit der Sumpfreizker wuchert, und neben dürftigen Heidewäldern fehlt nicht die etwas geile Laubfülle des Auwaldes. Wie leicht spricht sich nicht das Wörtchen „Mischwald“ aus, und welche Fülle der Erscheinungen fällt nicht unter diesen Begriff! Hier gesellt sich zur Kiefer die himmelanstrebende Rotbuche, dort der knorrige Hornbaum. An einer anderen Stelle wird das Laubholz wieder von weißrindigen Birken oder groß- blätterigen Haselbüschen gebildet, während in dem nächsten Forstrevier die sumpfigen Gründe den Erlen, die sandigen Kuppen der Kiefer gehören. Dabei bevorzugt die Fichte ganz auffällig die östlichsten Striche der Provinz. Aller- dings ist es noch fraglich, ob wir diese Ausdrucksweise wählen dürfen. Ver- mutlich schreibt sie diesem Baume eine viel zu große Selbständigkeit zu, ist es doch ganz ungewiß, ob die Fichte in Westpreußen urwüchsig vorkommt. Jedenfalls finden wir aber auch in dieser Provinz Fichtenbestände, die sich sehen lassen können. Wer das nicht glauben will, braucht nur zu den Wald- schluchten der Rehberge hinabzusteigen oder die Gräflich Finckensteinschen Forsten am Geserich-See zu durchstreifen, wo der Förster allerorten gezeigt’ hat, daß er auch als Landschaftsgärtneir schöne Erfolge zu erzielen vermag. Die Frage, welcher westpreußischen Waldform hinsichtlich der land- schaftlichen Schönheit der Preis gebühre, ist nicht leicht zu beantworten, und wenn jemand sagen wollte, er lobe sich vor allem die tiefe Waldeinsam- keit, die unter den ragenden Fichten webt, oder einen Frühlingsniorgen im lichten Auwalde, wenn überaill Sprosser und Finken .schlagen, so müßten wir solche Ansichten wohl gelten lassen. Dennoch dürften uns wohl die meisten beipflichten, wollten wir jenen Buchenwäldern, welche die Hänge der Moränenberge in ihren lichtgrünen Mantel hüllen, den ersten Preis zuerkennen. ] 1 Wer sich von der Anmut der weshpreußischen Wälder eine Vorstellung bilden will, sollte solche Bestände in erster Linie auf suchen. Sein Weg führte ihn dabei zu den sonnigen Hügeln bei Neusrtadt, Sagorsch und Kielau. Von dem Ufer des Frischen Haffs müßte er den Bächen der Dörbecker Schweiz ent- gegenwandern, von Alt Christburg aus in die tiefen Gründe hinabsteigen, welche den alten, mitten im Laubwalde gelegenen Burgwall umgeben, und von Marienweirder nach den grünen Uferbergen bei Fiedlitz pilgern. Wandert der Landfremde aus solchen stillen Gründen, über die im Lenz Anemonen und Leberblümchen ihren Blütenteppich spreiten, wo im Mai der edle Waldmeister duftet, an das Ufer eines breit hingelagerten Heidesees, in dessen Flut schlanke Kiefern ihre rotbraunen Stämme spiegeln, so wähnt er sich in einer ganz anderen Welt, obgleich die beiden Landschaften unter Umständen nur wenige Kilometer voneiniander entfernt sind. Noch immer erinnere ich mich dessen, daß ich als Knabe nach dem langen Winter unserer Heimat mitunter von einer Art Waldhunger befallen Avurde. Ging’s dann nach Heubude oder Bohnsack, so wurde das Leiden dadurch nicht gehoben, denn als echter, rechter Wald erschien mir, im Grunde genommen, nur der Buchenwald, wo das Licht aus Laubgrün und Sonnengold einen Augentrost zu schaffen weiß, der dem Auge so lieblich schmeichelt wie unserer Zunge der Kebensaft des Mosel tals, dem der Waldmeister seinen würzigen Duft vermählte. Wald und Wasser, die beiden gehören in der westpreußischen Landschaft mitrennbar zusammen. Ebenso wie ein Waldland ist Westpreußen auch ein Seenland, und wer es kennen lernen will, muß unermüdet und unermüdlich von einem Landsee zum andern pilgern. Sehen wir ein schlichtes Städtchen mit einem stampfen und einem spitzen Kirchturm, behaglich hingelagert am Ufer des Sees, der sich in der Ferne zwischen Feldern und Wäldern verliert, so rufen wir Avohl, rasch fertig mit dem Wort, mit lehrhafter Handbewegung aus: ,,Seht da, ©in typisches ost- märkisches Städtebild!“ Das Unglück Avill nur, daß diese angeblicih typischen Städtchen fast immer auch eine ganze Menge individueller Züge haben, so daß schließlich nicht allzu viel Typisches übrig bleibt. Ein ischlichtes Städtchen mit riesenhaftem Wartturm, der neuerdings zum Kirchturm umgemodelt Avurde. Daneben ein taufrischer Buchenwald, davor der blaue See: das ist Schl och au. Ein glatter, vom Grün uralter Bäume umfangener Weiher, dahinter stattlich auf ragend di© Klosterkirche: das ist Karthaus. Still© Ruhebänke an einem. Baumgang junger Birken, dahinter eine mannshohe Fichtenschonung. Vor uns ein geräumiger Se© mit sanft g©w©llt©n Uf©rn, wo der Roggen blüht und der Klei© duftet, und hinten, ganz hinten in einer anmutigen Bucht ein Haufe kleinwinziger Häuschen und ein paar schlanke Türme. So sieht Rosenberg aus, ganz anders als das benachbarte Eylau, wo sich die hohen Häuser an dem schmalen Paß zwischen dem Geserich- Schr. (i. N. G. zu Danzig. Bd. XIV, Heft 4. 12 8 114 see und dem Stadlsee so dich/t zusamniendrängen, daß der sonst so freiheits- stolze Geserich hier wirklioh zum Stadtsee wird. Ganz anders mutet uns wieder Culmsee an, wo die mächtige Domkirche hinter der blitzenden Wasser- fläche so groß und hoch emporragt, daß sie den Ton der ganzen Harmonie bestimmt. Doch wir wollen die Liste nicht zu lang maehen! Wer sich ein solches Bild nach dem anderen besieht, dem werden an ihnen viel veirwandte Züge auffallen, wer aber in der Ostmark daheim ist, wird verhältnismäßig selten Gefahr laufen, zwei Bilder miteinander zu verwechseln. Neulich machte ich mir die überflüssige Mühe, mich über einen Aufsatz in den „Grenzboten“ zu ärgern, dessen Verfasser des langen und breiten aus- führte, man könne es den Ostmärkern nicht verargen, wenn sie kein Heimats- gefühl hätten. Um das zu gebären und stark werden zu lassen, sei ihre Heimat eben schlechterdings zu eintönig und reizlos. Ich habe das eigentlich nie empfunden, obgleich ich mich während sechs langer, sonniger Jugendjahre an des Bosporus grünen Ufern, an des alten Nicomediums epheuum wucherten Mauern, in den Kastanienwäldern des Athos und in Siziliens Orangenhainen umhergetrieben habe. Schaue ich heute vom steilen Ostufer des Ostritzsees zu der waldigen Höhe des Turmberges herüber, lagere ich in der Kaudnitzer Forst unter sonnendurchlohten Buohenkronen hoch oben am Bergeshang, tief unter mir zwei, drei buchenumrahmte Waldseen, schreite ich zur Abendzeit am Ufer des Swarroschiner Sees dahin, wenn der Seespiegel hier perlmuttern glänzt, dort wieder so fahl und farblos daliegt wie matter Stahl, so freue ich mich, ohne viel zu vergleichen und zu richten, schlicht und naiv der Tatsache, daß ich Landschaften vor mir sehe, deren Anmut in ihrer Art vollkommen genannt werden darf. Und ich bin überzeugt, daß jener herbe Kritiker der Ostmark mir Hecht geben würde, hätten wir einen kurzen Sommer lang selbander mit Hänzel und Stab der Ostmiark Fluren durchstreift. Immer wieder wird sich der Wanderer darüber klar, wieviel von der landschaftlichen Schönheit unserer Heimat wir den Seen zu verdanken haben. Wie oft kommen wir in dem sanft gewellten Gebiet der Grundmoränen an kleineren und größeren abflußlosen Mulden vorüber, an denen nichts, aber auch gar nichts zu sehen wäre, hätte sieh nicht das Wasser ihrer erbarmt und sie mit einem glitzernden Landsee geschmückt! Nun rasten wir gern droben am Bergeshang und freuen uns der blanken Flut, darin sich der Mond und die Sterne spiegeln. Und nicht einmal ihrer bedürfen wir am lichten Mai- und Juniabend, wenn der Wachtelkönig in den Wiesen ruft. Eine ganze' Flotte von Zauberschifflein scheint dann auf dem glatten Spiegel zu kreuzen. Es sind schwimmende Bleßhühner; die winzigen Körper sehen wir nicht, nur die von den Vögeln aufgeworfenen Bugwellen leuchten in silberigem Glanze. Zu solcher Zeit wird man sich darüber klar, daß wir auch in dein anspruchslosesten Gegenden unserer Heimat stimmungsvolle Landschaften entdecken können. Die meisten Landseen Westpreußens sind aber viel reicher .ausgestattet. Bald tauchen aus der Flut buchtenreicher Moränenseen begrünte 13 115 Inseln auf, bald spiegeln sich in dem tief eingeschnittenen Rinnensee ansehn- liche Steilufer. Hier zeichnet ein regsames Städtchen die Türme seiner Kirchen, die schwarzen Luken der Speicher auf den glatten Spiegel eines Land- sees, dort neigen sich die Ä&te der Waldbäume so tief zu dem glitzernden Gewässer hinab, daß der fette Hecht begehrlich zu dem schmucken Buchfink emporschaut, der im Buchengezweig seine Frühlingsstrophe schmettert. Ein so schaffenisf roher Künstler wie Leistikow wurde zeitlebens nicht müde, die Seen der Mark auf seinen Gemälden darzustellen. Immer wieder entdeckte er an ihnen neue Züge, jeder Landsee, den er kennen lernte, wurde für ihn zu einer Schönheitsöffenbarung. Unsere westpreußischen Landseen dürfen sich mit den märkischen an Schönheit und Mannigfaltigkeit der Bildung wohl messen, denn wenn die Mark stattlichere Flußseen besitzt, so fehlen ihr dafür wieder Bergseen von dem Gepräge des Ostritz- und Brodnosees. Vor allem dürfen wir nicht meinen, wir hätten das Wesen eines west- preußischen Landsees auch in landischaftlicher Hinsicht erschöpfend gekenn- zeichnet, w^enn wir angaben, zu welchem Seentyp er gehört. Auch hier finden sich soviel individuelle Züge, daß wir in der Natur als Seenschöpferin die hohe Künstlerin wiedererkennen, die sich mit keiner Handwerksware zu- friedengibt. Schon geringe Größenunterschiede können das landschaftliche Gepräge solcher Seen, die sich im übrigen recht ähnlich seken, sehr wesentlich beeinflussen. Da treffen wir vielleiclit in demselben Forst drei Seen, deren Kähmen von ganz ähnlichen Waldbeständen gebildet wird. Aber über dem kleinsten der drei schlagen die Kronen der Laubbäume beinahe zusammen, und wenn die Wildenten klatschenden Flügelschlages hochgehen, hast du fast die Empfindung, die Tiere wollten einem engen Behälter entfliehen. Keinem Maler würdest du’s verargen, wenn er diese Landschaft schlechthin als Wald- bild bezei ebnete. Der nächste See ist mindestens doppelt so breit. Auch hier zeigt sich am gegenüberliegenden Ufer noch jeder alte Baum in voller persönlicher Eigenart, aber daneben wahrt doch auch der Spiegel des Sees soweit seine Selbständigkeit, daß die Landschaft am besten als ,, Waldsee“ bezeichnet werden könnte. Das dritte Gewässer übertrifft diesen Waldsee an Größe noch um ein Vielfaches. Sein breiter blinkender Spiegel fesselt deine Aufmerksamkeit viel mehr als das weit zurücktretende Waldufer. Wie geräumig seine Fläche ist, zeigt dir am besten das Pärchen schwarzer Milane, das darüber seine Kreise zieht. In mächtigen Flugbögen gleiten die könig- lichen Vögel dahin, und doch haben sie Raum genug und übergenug für ihre minniglichen Spiele. Der Name ,, Waldsee“ wäre hier kaum noch an seinem Platz; würde die Bezeiohnung ,, Landsee mit waldigen Ufern“ da^ Wesen dieses Gemäldes nicht besser wiedergeben? — Man setzte mich arg in Verlegenheit, sollte ich auf die Frage, welche Seen der Heimat ich für die schönsiteü hielte, eine bestimmte Antwort geben. Ob ich wohl den Rinnenseen von der Art des Ostritzsees den Preis zuerkannte? 14 8* 116 ^ — Ob icb mich für jene stillen Waldseen entschiede, wie sie uns im Süd- osten der Provin'z, zwischen Dt. Ejdau und Strasburg, fast aus jedem Waldtal grüßen? — Am liebsten möchte' ich die Antwort ganz schuldig bleiben; pflegt doch die augenblickliche Stimimung bei solchen Urteilen eine sehr große Eolle zu spielen. Allerdings, will ich nicht verhehlen, d*aß ich in meiner Er- innerung den bergumhiegten Ostritzsee wohl am freundlichsten hege. Oder sollte mir der G-eserich nicht doch lieber sein? — Noch gestern rastete ich im Dämmerschein des Abends an seinem buschigen Ufer und zerbrach mir den Kopf darüber, warum in der waldumfriedeten Bucht zwischen dem Großen Werder und der Eosenberger Ohaussee weite Flächen in Perlmutterschein glänzten, während dicht daneben die Flut farblos und dunkel zu schlummern schien. Wie durchgeistigt leuchtete da nicht das junge, zarte Grün der Eohr- kampen, und wie. geheimnisvoll spannen sich nicht die Nebelschleier am Erlenufer, hinter denen die Töchter der Flut den nächtlichen Eeihen schlingen! Unsere westpreußischen Landsleute geben sich noch immer nicht Mühe genug, die Seen der Heimat kennen zu lernen, obgleich diese freundlichen Gewässer schon manchen liebenswürdigen Fürsprecher fanden, wie vor jenen dreißig Jahren den alten Hauptmann Karl Pernin, den die Begeisterung für die Heimiatflur sogar zum einfältigen und herzens warmen Dichter machte. Ob sein Büchelchen über die Kassubei und Tucheier Heide noch Freunde hat, die es im Eänzel mit sich führen? Mein verehrter Lehrer, der Königsberger Geograph Friedrich Hahn, welcher von seinem Verfasser sonst gar nichts wußte — gemeinhin sprach er den Namen in niederdeutscher Mundart aus — pries es nicht ohne Grund und meinte, er habe daraus hinsichtlich der Ijandes^ iiatur jener Gegenden mehr gelernt, als aus mancher gelehrten Arbeit. In den letzten Jahren vor dem Kriege galt es in manchen Kreisen leider Gottes schon fast als ,,shoking“, allzu oft in der Provinz umherzuwandern. Zu Weih- nachten gehörte man als moderner Mensch und Besitzer eines Bankguthabens ins Eiesengebirge, im Lenz an die Eiviera und im Hochsommer in irgendein Nordseebad oder aufs Gletschereis. Wie oft äußerte man mi:^ sein Befremden darüber, daß ich, nachdem ich den Olymp, Ätna und Montblanc gesehen, noch am Turmberg mein Wo/hlgetallen haben könnte. Allerdings müßten, um das zu verstehen, die Westpreußen der heimischen Natur auch etwas mehr Teil- nahme entgegenbringen und sich Mühe geben, ihre Eigenart nicht nur fühlend, sondern auch erkennend zu begreifen. Schon die Wandervögel sollten ihre Genossen, so oft es nur angeht, zu einer denkenden Betrachtung der Heimat anregen. Zur Zeit leben gar viele noch nach dem Bibelwort: ,,Mit sehenden Augen sehen sie nichts!“ Als ich vor zehn Jahren nach Graudenz kam, ließ ich meine Sekundaner einen deutschen Aufsatz schreiben: ,, Welche Plätze im Weichbilde meiner Vaterstadt sind mir die liebsten, und welches sind die Gründe dieser Vor- liebe?“ In dem Aufsatz nannten sie fast ausnahmslos auch den Rudniker See, doch wäre der verraten und verkauft gewesen, der sich nach ihren Beschrei- 15 117 bungen ein Bild von diesiem Gewässer hätte niaioheii sollen. Schilderten sie doch den Budniker See, ails dessen bezeichnendste Eigenschaften wir seine freie Weite und das Spiel der Lichter auf der breiten Flut bezeichnen dürften, ausnahmslos als einen stillen, verschwiegenen Waldsee. Damals trommelte ich mir die Jungen kurzerhand zusammen und pilgerte mit ihnen zu den Stätten, denen angeblich ihr Herz gehörte. Dort fragte ich sie so lange danach aus, was sie nun eigentlich vor sich sähen, bis wirklich Darstellungen zustande kamen, die der Eigenart der Örtlichkeiten einigermaßen gerecht wurden. Es ist ein trefflioher Gedanke der Naturforschenden Gesellschaft, daß sie die wissenschaftliche Erforschung unserer westpreußischen Seen auf ihr Programm gesetzt hat. Hoffentlich nehmen die Fachgelehrten, die sich der Aufgabe widmen sollen, auch den photographischen Apparat mit sich und denken von Zeit zu Zeit daran, daß es eine Disziplin gibt, die sich Erdkunde nennt, denn wie der Physiologe den Anthropologen, so macht auch der Biologe den Geographen nicht entbehrlich. Dennoch täten wir unrecht, wollten wir über den zahllosen Seen der Provinz, die uns durch so mannigfaltige Heize erfreiuen, die übrigen Gewässer Westpreußens, Ströme, Flüsise und Bäche vernacihlässigen. So schön auch die Bergseen Pommerellens sein mögen, in deren Flut sich grüne Wälder, blumige Halden und freundliche Dörfer spiegeln, die gelbe Weichsel zeigt uns in ihrem breiten Tal und an ihren steilen Hängen eine noch weit größere Fülle sehenswerter Landschaften, die um so mächtiger wirken, weil hier die alters- grauen Zeugen einer großen Kulturperiode den bald freundlichen, bald groß- artigen Bildern eine eigene Würde und einen bedeutenden, geistigen Gehalt \'erleihen. Deshalb werden wir diese Strombilder auch dort zu schildern haben, wo wir uns mit dem Einfluß alter Kulturstätten auf das westpreußische Land- schaftsbild beschäftigen. Als ich die Landschaftsbilder an der ungeteilten Weichsel kennen lernte, v ar ich mittlerweile schon Sekundaner geworden. Vorher dachte ich bei dem Begriff der Weichsellandschaft nur an diei Bilder, die sich mir eingeprägt hatten, Avenii ich am Sonniabendt von Heubude nach Danzig pilgerte, * hier und da ein plätschernder Fisch auf der stillen Fläche glitzernde Kreise her- ^orzauberte und im Westen die alten Türme der Hansestadt sich in durch-' geistigter Klarheit an den Abendhimmel zeichneten. Oder ich erinnerte mich dabei der Landschaft, die ich vor mir sah, wenn der Dampfer von der Plehnen- dorfer Schleuse quer über die breite Strommündung dem Bohnsacker Lan- dungssteg zustrebte und die gelben Sandberge und blauschwarzen Kiefern der Stranddünen, von denen sich die roten Ziegeldächer des Dörfchens so freundlich labheben, höher und höher emporstiegen. Von den weistpreußischen Flußbildern kannte der Danziger Gymnasiast nur die äußersten Geg'ensätze, die sich darunter finden lassen: die behäbige Mottlau, die bei Hochzeit und Sperlingsdorf die Schattenkühle unter den alten W eiden, Hüstern und Eichen so lieb gewinnt, daß sie sich von dem 16 118 wehenden Schilf an iJiren Ufern, den Mnxnmeln und Seerosen kaum zu trennen vermag, und die Radaune, das hurtige Kind der kassuhisohen Berge, das in dem tiefen Tale zwischen Lappin und Kahlbude gar übermütig zu dem gelben Lehmsturz und den steilen Waldbergen emporlacht, wenn sie wieder einmal über ein hohes Wehr oder einen Wall mächtiger Findlingsblöcke hinweg- rausoht. Mit welcher Entdeokerfreude stieg der halbwüchsige Knabe nicht das erstemal von dem hohen Ostufer hinter Sullmin in diese anmutigen Gründe hinab, wo er eine ganz neue Landschaftsform der Heimat kennen lernte! Wohl reicher, aber nicht beglückender ging später dem Jüngling die Welt auf, als er zum erstenmal auf asiatischer Erde stand, oder Kretas, Siziliens sagenumwobene Höhen dem Meerfahrer ihren ersten Gruß entboten. Und wieviel helle Ereude hatte der Knabe nicht an den murmelnden Waldbächen, die überall aus den Tälern des pommerellli&chen Hügellandes dem Meere zueilen! Wie oft gedachte ich ihrer, als ich später den Wander- stab durch Länder trug, wo es nicht überall in den Bergen rauscht und klingt! Dabei brauche ich gar nicht an entlegene Weiten zu denken, denn schon im Süden unserer Provinz, etwa in den weiten Heidewäldern des Sandirs, kann man mitunter lange warten, ehe ein übermütiger Bach den Pfad kreuzt. Dabei haben jene sandigen Halden allerdings alles Recht, anf ihre an- juutigen Waldflüßchen stolz zu sein, deren Ufer sich wie Kränze und Gewinde grünen Laubes durch die eintönige Öde des* dürftigen Kiefernwaldes dahin- schlängeln. Aber auch anderswo bewähren sich die^ Flüsse als treffliche Land- schaftsgärtner, wenn sie in saftigem Wiesengrund zwischen Feldern und Wäldern ihren Schlangenpfad verfolgen. Mögen die Steilhänge an den Stellen, wo der Talrand dem weiteren Vordringen ihrer Serpentinen eine Grenze setzt, die sie unwillig zurückzudrängen suchen, auch nur 5, 6 m hoch sein', mit ihrem leuchtenden Gelb bringen sie doch schon erwünschte Abwechselung in die grüne Farbensymphonie. Für die Tucheier Heide und die ganze Hochfläche im Süd westen der Provinz bedeuten die Flüsse allerdings noch viel mehr. Steigen wir nach ermüdender Wanderung über ärmliche Halden in das Tal hinab, wo sich die Brahe, das Schwarzwasser durch die Wiesen windet und rechts und links das lenzige Laub der Birken an den Hängen flammt, dann ist uns zumute, als winkte dem lechzenden Gaumen ein frischer Trunk. Ja, wir brauchen nicht einmal den Wanderstab zu ergreifen, um die land- schaftliche Bedeutung der Heideflüßche'n würdigen zu lernen. Jeder, der von Dirschau oder Laskowitz nach Könitz fährt oder von Bromberg gen Norden rollt, ist dazu wohl imstande. Gerade die Stellen, wo die Eisenbahn die laub- reichen Flußtäler kreuzt, bilden die landschaftlichen Glanzpunkte dieser Bahnstrecken. Wenn wir hier immer wieder von ,, Flüßchen“ sprechen, so geschieht das nicht etwa aus Vorliebe für süßlich klingende Verkleinerungsformen, sondern deshalb, weil so die Eigenart dieser Gewässer am besten gekennzeichnet wird. 17 119 Den Namen eines Flusses, eines rechten, aus^ewachisenen Flusses, der beladene Schiffe trägt und den Schiwimmer, der seine Flut kreuzt, wieder und wieder zwingt, mit weitausholendem Grriff das Wasser zurückzudrängen, verdient kaum einer der westpreußischen Wasserläufe. Es ist, als ob die gewaltige Weichsel keinen Nebenbuhler neben sich dulden wollte. Am ehesten könnte noch die Drevrenz auf jene Bezeichnung Anspruch machen, da sie um so ansehnlicher ersehednt, weil sie in breitem Erosionstal dahinströmt. Sicher- lich gehören Aussichten, wie sie uns etwa der Nawraberg bei Neumark zeigt, zu den großzügigsten Landschaften der Provinz, mag ihre herbe Größe auch nicht jedem Zusagen. Am anmutigsten sieht es hier am Sommerabend aus, wmnn die Sonne sinkt und Schatten und Lichter das Bergrelief an den Seiten des breiten Tales beleben, wo nur hier und da ein Waldfleck zwischen Roggen- feldern und Kartoffeläckern seinen Platz behauptet hat. Welch ein Gegensatz zu den grünen Höhen, die das Neustädter Urstromtal begleiten! Dorthin gehört der fahrende Schüler, Jugendlust im Herzen, die Laute stimmend zu fro'hem Sang! Auf des Nawraberges einsamer Höhe kommen uns inmitten einer herberen Natur ernstere, männlichere Gedanken. Dort jenseits des freundlichen Städtchens kreuzte einst der deutsche Ritter zum erstenmal die Wehr mit dem fernhinsinnenden Könige der Polen und Litauer, der des Ordens Gebietigern wenige Tage später auf Tannenbergs Flur eine so furcht- bare Niederlage bereiten sollte. Und auch heute ist der alte Hader zwischen den Germanen und Slawen noch nicht beendet. Hört sich’s nicht an wie Kampfesweisen, wenn der Sturm um den Nawraberg heult und seine freie Kuppe hinter Staubwolken verbirgt? — Hier wie anderswo erblickt der Mensch in der Landschaft nicht schlecht- hin den Wirkungskreis natürlicher Gelwalten, wo der Wind die Düne auf- türmt und der Regen die Furchen der Täler tiefer und tiefer gräbt; Berg und Tal sind ihm die eigene Wohnstatt, der Wirkungskreis seiner Ahnen, die Herberge rätselhafter Altvordern, die sich samt ihrer spärlichen Habe bargen in der tönernen Urne, in dem engen Grab. So begegnen uns aller- orten Bilder, denen wir den Namen der Kulturlandschaft verleihen dürfen. Wie wenig kennen jene Volksgenossen unsere Provinz, die des Glaubens leben und ihn leider nicht immer für sich behalten, unsere Ostmark sei eine kulturlose Öde, wo slawische Bauern ein rein animalisches Dasein führten, unberührt von dem Wehen jenes hohen Geistes, der die grüne Erde zu seiner sinnigen und stimmungsvollen Werkstatt macht. Es ist nicht schwer, dem Danziger ein Gefühl davon zu vermitteln, was wir unter einer Kulturlandschaft zu verstehen haben, höchstens könnte es sich darum handeln, ihn zum Bewußtsein der Tatsache zu bringen, daß sich sein ganzes Leben an alten Kulturstätten abspielt. Oder haben nie Geistesstimmen zu ihm gesprochen, wenn er am sonnigen Herbstsonntag unter den alten Kastanien des Katharinenkirchhofs stand, nur verträumte Fliegen durch den; Sonnenglast summten, der schier übermächtig herabflutete, 18. 120 lind mit einem Male lioch droben Glockenstirnmen lebendig wurden? Oder ward ihm nie eigen zumute, wenn er in lauer Hoehsommernacht zwischen den hochgiebeligen Häusern der Brotbänken- oder Brauengasse heimwärts pilgerte, die hoben, hohen Fenster im Mondschein glänzten, die Wasserspeier über den begrünten Beischlägen so seltsame Fratzen schnitten und plötzlich ein Wehen sich auf machte, daß die alten Linden gar geheimnisvoll raunten und rauschten? - — Ob du von der Höhe des Bischofsberges über die turmreiche Stadt hin- weg zur nahen Ostsee hinüberschaust, ob du von der Radaune grasigem Ufer zu St. Albrechts Bergkapelle emporsteigst oder auf Pelonkens Höhen auf- horchend den Schritt hemmst, wenn die Vesperglocken der Olivaer Kloster- kirche in den Waldfrieden hineintönen; hier wie dort weilst du inmitten einer durchgeistigten Kulturlandschaft, wo längst entschlafener Ahnen Hauch leise, wie segnend, deine Stirn berührt. Als ich seinerzeit meinen Wohnsitz von Konstiantinopel nach Marienburg verlegte, versicherte mich mancher seiner Teilnahme, weil ich von einer Stätte, die Natur und Menschenhand mit köstlichen Beizen geschmückt haben, in eine eintönige, waldlose Ebene ziehen sollte. Und ich will es zugeben, daß es mich anfangs auf dem Nogatdamm und in den Triften der Niederung unruhe- voll umhertrieb, als suchte ich etwas, das ich halb unbewußt vermißte. Aber allgemach fühlte ich mich auch in Marienburg daheim, und oft genug, wenn ich an glühendem Hochsommernachmittag auf dem Parcham der Burg in der Gesellschaft von alten Zinnen und jungen Rosen stille Rast hielt, wenn ich am Maimorgen von den Nogatkämpen über Wiesen, deren Grün unter dem Gold der Butterblumen fast verschwand, zur Marienburg hinüberblickte, ging alle Sehnsucht in meiner Brust zur Ruhe. Die Kulturlandschaft hatte mich in ihren Bann gezogen und entschädigte mich, je länger, je mehr, für das Fehlen sonniger Hügel, rauschender Wälder. Denn fast immer bedarf es längerer Zeit, bis wir zu solcher Umgebung ein inneres Verhältnis gewonnen haben. Für den hastigen Reisenden, der mit einem Schwarm von Weggenossen zur Akropolis hinauf steigt, bedeutet das hohe Werk nur eine Sehenswürdigkeit wie andere auch. Der Nordländer aber, der Jahr und Tag in Athen weilte und auf den Stufen des Parthenons träumte, wenn dessen Säulen beim Kuß der jungfräulichen Eos erröteten, der dort gedämpften Schrittes einherwanderte, wenn der Mond den Trümmern ge- spenstisches Leben lieh, wird beim Abschied den Tränen kaum wehren können. Als ich zum erstenmal die Riesenmoscheen Stambuls schaute, spürte ich kaum mehr als ein Gefühl, gemischt aus Befremden und Bewunderung. Und wie eigen ward mir ums Herz, als ich zum letztenmal auf dem stimmungs- vollen Marktplatz vor Mehmeds marmorner Moschee saß, im Schatten eines Erdbeerbäumchens meinen Kaffee schlürfte und des Imams Gebetsruf lang- sam verhallend zu mir herübertönte! 19 121 Wer vermöchte das Wesen solcher alten Kulturstätten zu ergründen! Zwei Jahrzehnte verlebte ich in Danzig, meine Jugend, des Lebens empfäng- lichste Zeit, und doch wissen mir seine hohen Giebel, seine ragenden Kirchen noch immer etwas Neues zu erzählen, wenn ich — mit alten Freunden soll man im Alltagslärm keine gemütliche Zwiesprache pflegen — im Sabbath- frieden, in stiller Mondnacht zu ihnen emporschaue. Uraltes Kulturland umgibt uns allerorten an den Ufern der Weichsel, in den breiten Ebenen ihres Deltas.. Menschenwerk sind die gewaltigen Dämme, welche die Niederungen längs des Stromes gegen die Gewalt des Hochwassers schützen sollen, Menschenhand pflanzte das Weidendickicht auf den Kämpen, das die einsamen Altwasser so freundlich umhegt, Menschen- hand baute die kurzen Steinmolen der Buhnen, die, umlagert von gelbem Sande, aus dem sommerlich flachen Strome emporragen, und Menschenwerk sind auch die alten Warttürme der Ordensburgen und die freundlichen Städte, die vom hohen Ufer ins breite Flußtal hinabschauen. Und nirgends bleiben wir mit unseren Gedanken und der Natur allein. Versinkt Culms hoch- ragende Stadtmauer im Nebel der Ferne, so winkt uns vom Graudenzer Schloßberg schon der verwitterte Klimmeck, und ehe wir noch die roten Mauern und grünen Wälle der sturmgeprüften Feste Courbiere aus dem Auge verlieren, grüßt uns von freier Höhe schon das laubgrüne Neuenburg. Mögen hier und da — wir denken etwa an die Teufelsberge unterhalb von Schweiz und die Bingsberge nördlich der Ossamündung — die Uferberge noch so ernst und starr auf uns herabschauen, wir fühlen es trotzdem: in diesem Tale begründete der Mensch seine Herrschaft, indem er dem un- bändigen Strom sein sanftes und doch festes Joch auf erlegte und die blitzende Schar des Pfluges in das tief schwarze Neuland drückte. Was hilft der starken Tochter der Karpathen ihre wilde Naturkraft, wenn leicht und keck wie ein Jünglingsgedanke das Maßwerk eiserner Gitterbrücken in luftiger Höhe über der brausenden Woge und den knirschenden, reibenden Schollen hinweg- führt? Und müssen wir nicht auch die ganzen, breiten Werder als Kultur- landschaft bezeichnen? Ohne die zähe Arbeit des Menschen wären sie fieber- hauchender Sumpf und hopfendurchwirktes AVeidicht, in dem der Biber sich heimischer fühlte als der Herr der Erde. Strotzt hier im Sommer Wiese und Feld, Baum und Garten von der Fülle des Saftes, so spürst du doch überall die ordnende Hand des Menschen, von dessen Walten auch die stumpfen, trutzigen Kirchtürme zeugen, die, eng gesellt, über reichen Dörfern Wache halten. Wie ein Gau durch die Zeugen menschlicher Kulturarbeit vergeistigt und geadelt wird, begreifen wir am besten in den Teilen der Provinz, wo wir ihnen am seltensten begegnen. Ist doch das abfällige Urteil, das mancher mitteldeutsche Gast über Westpreußen fällte, nicht zum wenigsten darauf zurückzuführen, daß die Berliner Eisenbahn zwischen Schneidemühl und Pr. Stargard Gebiete durchkreuzt, in denen Natur und Geist mit ihren Gaben 20 m g'leicliemeise kargten. Wie würden die Fremden den Ruhm unserer Heimat singen, wenn sie zur goldenen Sommerszeit ein schmucker Dampfer an Culm, an Graudenz, an Fiedlitz vorüber von Thorn nach Danzig getragen hätte! Als der Teil unserer Provinz, der auf fi’^mde Gäste die größte Anziehungs- kraft ausübt, müssen wir wohl ihre hochlgetürmte Hauptstadt und. die bäder- reiehe Küste der Danziger Bucht bezeichnen. Auch von der westpreußischen Küste lernen die Fremden gemeinhin nur einen recht winzigen Teil kennen, dessen gepriesener Mittelpunkt das glänzende Zoppot bildet. Wir wollen die hohen Reize dieses Küstenstriches, die bachdurchrieselten Täler des pom- merellischen Berglandes, die laubreiche KlifFküste unterhalb von Koliebken und das trutzige Vorgebirge bei Adlershorst ganz gewiß nicht herabsetzen. Aber auch anderswo ist unsere Ostseeküste eines Besuches wohl wert. Wie wenige Danziger gibt es, welche die weltentlegene Nehrung durchstreift haben, die den schilf- und entenreichen Lebasee vom Meere trennt. Und doch bedürfte es nicht der hinterpommerschen Hochdünen, die an Größe und Wucht hinter den kurischen nicht allzu viel zurückstehen, um dieser weltfernen Gegend eigenen Reiz zu verleihen. Kennt ihr die seltsamen Macchien unserer balti- schen Strandheide? Rauschbeeren bilden sie, Besenginster und Brombeer- gestrüpp, zartästige Birken und Weiden und unseres Nordlandes Lorbeer, der schönblätterige, duftende Porst. Schon deswegen verlohnte der Sarbsker Strandsee einen Besuch. Doch seine Ufer bieten noch mehr, denn wenn du dich an dem zarten Filigran der Blätter, Blüten und Früchte sattgesehen hast, kannst du zum Gipfel der gelbleuchtenden Düne emporsteigen, die ihr Knie dem Uferwalde in den Nacken drückt, und weit hinausschauen auf seine blin- kende, waldumsäumte Fläche, über die der Wanderfalk gellenden Rufes dahin- stürmt. Und welch verscbwiegene, buschumhegte Weiher sind dort ent- standen, wo das Grundwasser unter dem Druck der Riesendünen auf der Leeseite zutage tritt! Seerose schwimmt dort neben Seerose, und des Laub- sängers rieselndes Lied lullt dich in Schlaf, wenn du dir im Schatten ein Ruheplätzchen gesucht hast. Nur ein paar Meilen haben wir von da ost- wärts zu wandern, um die seltsamen, wie vom Bildhauer gemeißelten Hoch- ebenen der Kämpen zu erreichen, welche das Gletscherwasser dereinst aus der Grundmoräne herausgewaschen hat. Von wo aus könnten wir die Natur und Bodengestalt der Halbinsel Heia besser studieren als von der ragenden Warte des Oxhöfter Vorgebirges? Noch mehr gibt es für den Fremdling zu schauen, wenn er bei Plehnendorf auf hoher Düne rastet und seinen Blick über den schwermütigen Archipelagos sandiger Inseln hinweggleiten läßt, die sich vor der alten Weichselmündung gebildet haben, getrennt von schilf- reichen Wasserarmen, in denen allerlei Gefieder sichere Niststätten fand. Wohl verlohnte es sich, auch an der Dünenküste der Nehrung noch genauere Umschau zu halten, wo vier, fünf Dünenwälle hintereinander empor schwellen, zwischen denen in geschützten Tälern hohe Kiefern prächtige Haine bilden, aber einmal fänden wir überhaupt kein Ende, wollten wir an nichts Bemerkens- 21 123 wertem vorübergehen, und zum anderen tragen wir uns schon lange mit dem Gedanken, die Küste der Nordostmark zum Gegenstände einer besonderen erdkundlichen Abhandlung zu machen. So wollen wir denn am Gestade der Ostsee — mehr denn je ist sie in diesem Jahre ein deutsches Meer geworden — von den Fluren der Provinz Westpreußen Abschied nehmen. Sie erschöpfend zu schildern, konnte nicht unsere Aufgabe sein; dazu hätten wir wohl mehr Stunden bedurft als uns Minuten zur Verfügung standen. Daß wir sogar an vielen wichtigen Dingen vorübergingen, wird jedem klar werden, wenn wir nur Begriffe nennen wie die westpreußische Wassermühle,' die westpreußische Großindustrie und Schiffahrt. Auch so eigenartige Naturgebilde wie der Drausen- und der Zarno- witzer See könnten sich über unsere Teilnahmslosigkeit beklagen. Aber trotz all diesen Mängeln ist dem einen oder anderen unserer Zuhörer vielleicht doch soeben der Gedanke gekommen, sich selber zu guter Stunde in dem schlichten Lande, wo seine Wiege stand, genauer umzusehen. Auch in Zukunft werden uns Westpreußen schwere Zeiten nicht erspart bleiben, und ebenso wie unsere Ahnen werden auch die Enkel oft genug zur Wehr greifen müssen, um des Vaterlandes heilige Mark zu schützen. Auch wir Naturforscher und Erdkundigen sollten dazu mitarbeiten, daß sie dann nicht nur dem hohen Gebote der Pflicht, sondern auch dem starken Zuge des Herzens folgen. Nicht zum wenigsten, um das zu erreichen, treiben wir ja Heimatkunde. Gebe Gott, daß auch aus dieser Wurzel sich die edle Blüte der Heimatliebe zur Sonne hebe! 22 Drnck von A. W. Kafemann g. m. b. H. in Danzig» Zur Beachtung. Die folgenden von der Naturforschenden Gesellschaft herausgegebenen Eiuzelwerke können von den Mitgliedern zum Selbstkostenpreise bezogen werden, soweit der Vorrat reicht: I. Die Flora des Bernsteins und ihre Beziehungen zur Flora der Tertiärformation und der Gegenwart von H.B.Göppert und A. Menge. 1. Band. Göppert, Von den Bernstein-Coniferen. Mit dem Porträt M en ges und 16 lithogr. Tafeln. Danzig 1883; gr. Quart. — VIII und 63 S. Ladenpreis: M 20. Für die Mitglieder: M 10. 2. Band. Conwentz, Die Angiospermen des Bernsteins. Mit 13 lithogr. Tafeln. Danzig 1886; gr. Quart. — IX und 140 S. Ladenpreis: M 30. Für die Mitglieder: M 15. II. Die prähistorischen Denkmäler der Provinz Westpreussen und der angrenzenden Gebiete von Dr. A. Lissauer. Mit 5 Tafeln und der prähistorischen Karte der Provinz Westpreußen in 4 Blättern. Danzig 1887; gr. Quart. — XI und 210 S. Ladenpreis: M 20. Für die Mitglieder: M 10. III. Monographie der baltischen Bernsteinbäum e von H.Conwentz. Mit 18 lithographischen Tafeln in Farbendruck. Danzig 1890; gr. Quart. — IV und 151 S. Ladenpreis: M 50. Für die Mitglieder: M 25, Von dem s. Zt. in den Schriften der Gesellschaft, Neue Folge Bd. I bis IV 1866 — 1879, erschienenen Werk: Menge, Preussische Spinnen. Mit 91 Tafeln sind noch einige vollständige, gut erhaltene Exemplare vorhanden. Ladenpreis: M 50. Für die Mitglieder: M 25. Der Betrag nebst Porto für die gewünschte Zusendung ist an den Schatzmeister der Gesellschaft, Herrn Bankier Dr. Damme in Danzig,' Karrenwall 7, einzuschicken. Von den älteren Schriften der Naturforschenden Gesellschaft sind hauptsächlich das 2. Heft des II. Bandes (1868) und das 1. Heft des III. Bandes (1871) vergriffen. Es würden die Herren Mitglieder, die diese Hefte etwa abgeben können, uns dadurch zu besonderem Dank verpflichten. Der Vorstand. Druck von A. W. Kafemann G. m. b. H. in Danzig. * I ► J y ^ ; > ; 4 w 1 y ' 4 J t 1 ; r Hm rr 'Ä' ♦ ^ * /*r f i # er / #“ -«r / i i? l £ ^ ' ♦: ’ ►*• > »- .V « i V *15 V '»- #» < e» V ^ ^ » JT ♦ ,• *7 » ' ^ ^ y *’ JH " ’t' > c •’, ** % 'V^ f/i !Vi ' 5 v ^ -^1 ^ i i# / i r c r ^ «? ti ^ '7 ** '<' ** ft ><'1 t ^ / ^ ^ I J ^ - J \ ^ ^ ' / \ r ) » < >» -» . y >) j -* > » :Vf J i :- ' 15- V ^ V 'i > # '' ^ < ♦ / • "VT -r ' »> # '' .' .Vi ‘.‘ ' V jr > m * k. ^ ^ im m p 1 \ iM / . » r f 'P ^ ^ * \ m- ^ 1 > % ' » V . r . r « ) > '1